PRIMS Full-text transcription (HTML)
Verſuch einer Grundlehre ſaͤmmtlicher Kameralwiſſenſchaften
zum Gebrauche der Vorleſungen auf der Kurpfaͤlziſchen Kameral Hohenſchule zu Lautern
Lautern,im Verlage der Geſellſchaft1779.

Dem Hochgebohrnen Reichsfreiherrn Herrn Franz Albert von Oberndorf Sr. Kurfuͤrſtlichen Durchlaucht zu Pfalz Kaͤmmerer, wirklichen geheimen Staats - und Conferential-Miniſter, Hofrichter, Ehrenpraͤſident der Akademie der Wiſſen - ſchaften, Oberamtmann zu Boxberg, Rit - ter des Kurfuͤrſtlichen Ritterordens vom Pfaͤlziſchen Loͤwen ꝛc. ꝛc. Meinem gnaͤdigen Herrn

Hochgebohrner Reichsfreiherr! Gnaͤdiger Herr!

Euer Excellenz hohe Gnade, welche Dieſelben gegen mich aͤuſerten, als ich lezthin das Gluͤck genoß, Hochdenſel - ben vorgeſtellt zu werden, nicht weni - ger auch die warme Theilnehmung an dem Wohle der Kameral-Hohenſchule, welche Sie nicht allein damahl, ſondern bis da - her bei allen Gelegenheiten maͤchtig haben wirken laſſen, macht mich ſo kuͤhn: Eu - er Excellenz die erſte Arbeit meines Lehramtes feierlich und oͤffentlich zuzueig - nen und zu widmen.

Nicht

Nicht allein meine perſoͤnliche Dank - barkeit, wovon mein Herz gluͤht, ſon - dern auch das lebhafteſte Gefuͤhl derſel - ben in den Seelen des Vorſtandes und der Lehrer der Kameral Hohenſchule macht mir dieſes Werk zur Schuld und zum Op - fer, das wir ſaͤmmtlich einem Staatsmi - niſter bringen, den Vatter Karl Theo - dors durchſchauendes Auge bei ſeinem Abſchiede ſtatt Seiner ans Staatsruder ſezte.

* 3Die

Die Maͤnner, denen es Wonne iſt, an der Kameral Hohenſchule dem Vatter - lande reife Staatswirthe und Buͤrger zu erziehen, vereinigen ihre Wuͤnſche mit den meinigen, und wir bitten Euer Ex - cellenz ſaͤmmtlich unterthaͤnigſt, nicht nur dieſe wenige und vielleicht noch rohe Gedanken dieſes Verſuches mit Gnade an - zuſehen, ſondern auch unſere Hoheſchule fernerhin mit Kraft zu ſchuͤzen, und vol - lends beſtaͤttigen zu helfen. Wir ſchmei - cheln uns mit dieſer wonnevollen Ausſicht um deſto zuverſichtlicher, da wir uns desfelſen -felſenfeſten Vorſazes bewußt ſind, daß wir alle zuſammen Muth, Kraft und Leben dazu verwenden wollen, damit unſer Jn - ſtitut eins von unſers Durchlauchtig - ſten Stifters nuͤzlichſten Werken wer - den, und alſo die Namen aller derer ed - len Deutſchen Maͤnner, die uns Daſeyn und Kraft zu wirken ſchenkten, noch bei der Nachwelt verehrt und geſegnet ſeyn moͤgen, unter welchen dann Euer Ex - cellenz hohes Andenken an ſeinem Plaze als ein Stern von der erſten Groͤſe glaͤn - zen wird.

* 4Jch

Jch nehme die Freiheit Euer Excel - lenz mich zu fernerem hohen Schuze und Gnade mit aller Ehrfurcht zu empfehlen, und lebenslang zu ſeyn

Hochgebohrner Reichsfreiherr Gnaͤdiger Herr! Euer Excellenz

unterthaͤnigſter Diener Johann Heinrich Jung.

Vor -

Vorrede.

Als ich 1778 im Fruͤhjahre den erſten Wink bekam, daß man mich zum Lehrer hieſiger Kameral Hohenſchule beſtimmen wuͤrde, ſo durchdachte ich alle Bruchſtuͤ - cke, die in meiner Seele hier und dort zerſtreut lagen. Kaͤnntniſſe, die ich als Knabe und Juͤngling im ganzen Umfan - ge der Landwirthſchaft und Kunſtgewer - be, und hernach auch als Gehilfe in der Handlung eines groſen Mannes, der ein maͤchtiger Landwirth und Fabrikant zu - gleich war, endlich die ich vollends auf der Univerſitaͤt in den Hilfswiſſenſchaften zu den Gewerben nach und nach geſamm - let hatte, lagen zerſtreut vor mir. Jzt* 5fuͤhlteVorredefuͤhlte ich die groſe Pflicht zu unterſuchen, wie weit ich einem ſo wichtigen Amte ge - wachſen ſeyn wuͤrde. Jch ordnete zuſam - men, raͤumte auf und entdeckte unterdeſ - ſen, daß ich zwar mit allem dem, was ich wuͤßte, gut anfangen, aber ſo nicht vollenden wuͤrde, daß ich alſo mit Man - neskraft wuͤrde arbeiten muͤſſen, um mich mit Erkaͤnntniſſen zu bereichern. Und alſofort faßte ich auch den unwiederrufli - chen Schluß, meine ganze Lebenszeit auf dieſen Zweck mit allen meinen Kraͤften zu verwenden.

Das erſte alſo, was ich that, war: mir dieſen Zweck recht bekannt, und aus - fuͤhrlich anſchaulich zu machen, ich durch - dachte das Ganze der Kameralwiſſenſchaf - ten, und fand eine ſolche idealiſche Schoͤn - heit, Wahrheit und Guͤte in dieſem gan - zen Anblicke, ein ſo herrliches Bild, ein Lehrgebaͤude, einen Zuſammenhang des Einzelnen und des Ganzen, daß ich glaub - te: es koͤnne ſich keine Wiſſenſchaft in der Welt, auſer der Mathematik, eines ſolchen herrlichen Planes ruͤhmen. Die - ſe unvergleichliche Schoͤnheit betrachteteichVorredeich mit geizigen Blicken, um alles an ihr zu entdecken, was zum Weſen ihres Ka - rakters gehoͤrte, und ſo druͤckte ſich dies Bild tief meiner Seele ein.

Nachdem ich verwichenen Herbſt mei - nen Beruf wirklich empfangen hatte, und hier ankam, ſo waren ſchon alle Collegia beſezt, und mir blieb alſo Zeit uͤber, nebſt andern zur Sache gehoͤrigen, mir aufge - tragenen Geſchaͤften, mich auf meinen Beruf mit allem Fleiſe anzuſchicken und vorzubereiten.

Man hatte ſchon eine Zeit her wahr - genommen: daß ſowohl das Publikum, als auch die neuen hier ankommenden Juͤng - linge, ſich von der Kameral-Hohenſchu - le einen falſchen Begriff gemacht hatten, ohngeachtet der vor ein paar Jahren her - ausgegebene Plan die Sache deutlich ent - wickelt. Jeder glaubte hier nichts anders, als das eigentliche Kameralweſen ſtudiren zu koͤnnen, und man wunderte ſich, wenn man im Hoͤrſaale Naturgeſchichte, Phy - ſik, Chymie u. ſ. w. erklaͤren hoͤrte. Zu - dem glaubte der Vorſtand und die Lehrer unſerer Hohenſchule den Juͤnglingen ihrStu -VorredeStudium zu erleichtern, und ihre Kaͤnnt - niſſe tiefer gruͤnden zu koͤnnen, wenn ſie den Lehrgang allhier von zwei Jahren auf drei ausdehnten; denn durch die Errich - tung eines neuen Lehrſtuhles gewonnen alle andere Lehrer Zeit und Raum, ſich in ihren Faͤchern weiter auszubreiten.

Aus dieſem Grunde entſchloß man ſich, einen ſummariſchen Entwurf des ganzen Zuſammenhanges unſerer Wiſſen - ſchaften herauszugeben, darinnen zu zei - gen, wie alles Einzelne zuſammenhaͤngt und ein groſes Ganzes ausmacht, und uͤber dieſen Entwurf von Zeit zu Zeit den Juͤnglingen Leſeſtunden zu halten. Man hoft dadurch den Ankommenden ihren gan - zen Weg abzuzeichnen, damit ſie deſto munterer fortwandern koͤnnen, den Ab - gehenden aber wuͤrde ein ſolcher Entwurf ein kurzes Wiederholungscollegium ſeyn koͤnnen.

Da ich nun dieſen Winter am wenig - ſten beſchaͤftiget war, ſo uͤbertrug man mir die Bearbeitung dieſes Entwurfes ſo - wohl, als auch die Leſeſtunden daruͤber zu halten. Jch uͤbernahm’s ganz willig,weilVorredeweil ich ſelbſt dadurch auf die beßte Wei - ſe in mein Amt eingeleitet wurde.

Und ſo gieng ich ans Werk; ich ſtell - te mir mein ehmaliges Bild wiederum leb - haft vor, ſezte mich hin, und ſuchte es ſo gut zu kopiren, als ich konnte. Dar - aus iſt nun dieſes Leſebuch entſtanden.

Jch weis gar wohl, und ich geſtehe offenherzig, daß Wiederholungen und Auslaſſungen, wahre und unreife Saͤze vielleicht mit untergemiſcht ſeyn koͤnnen. Allein meine Zuhoͤrer mußten einen Leit - faden haben, den ſie nicht ſo ſehr wegen ſeiner Grundſaͤze, als vielmehr wegen ſeiner Ordnung beduͤrften: und dieſe hoffe ich ſoll in meinem Verſuche unverbeſſer - lich ſeyn.

Schade iſts fuͤr unſere Zeiten, daß man Leſebuͤcher, Skizen, Verſuche und Riſſe von Lehrgebaͤuden ausziſcht! Die Sonne der Wahrheit bricht hinter dem Lichtmeere der Erfahrungen hervor, mit der Zeit tagts, und es wird tagen, und ſo verſchwinden alle Verſuche von Lehrgebaͤuden vom hohen Lin - ne an, bis auf die Meinigen herun -ter.Vorredeter. Die erhabene Wahrheit ſteht da im Glanze des Lichtes. Was brauchts dann Jdole, Kopien. Da iſt das Original Erfahrung bleibt ewig. Anſchauung der Wahrheit, und Gehorſam an ihr heili - ges Geſez, iſt Gottesdienſt. Denn die Wahrheit iſt goͤttlich, und Gott iſt die Wahrheit.

Jndeſſen muͤſſen wir Lehrer doch ei - nen Weg, ein Lehrgebaͤude haben, nach dem wir die Wahrheit ordnen? Wohl! ein jeder mache ſich eins, ſo gut er kann, wer der erſte auf dem Gipfel iſt, den ſchon die Sonne vergoldet, der ſei der beßte Mann.

der Verfaſſer.

Jn -

Jnhalt.

  • Erſter Abſchnitt. Allgemeine Grund - lehre. Einleitung1 Allgemeine Beduͤrfnißlehre4Allgemeine Produktenlehre15Allgemeine Gewerbwiſſenſchaft28Allgemeine Haushaltungswiſſenſchaft31Allgemeine Buchhaltungslehre42
  • Zweiter Abſchnitt. Grundlehre der buͤr - gerlichen Gewerbkunde. 47Allgemeine Landwirthſchaft48Allgemeine Kunſtwirthſchaft92Allgemeine Kunſtwiſſenſchaft93Kunſt -JnhaltSeite Kunſtwirthſchaftliche Haushaltung116Allgemeine Handlungswirthſchaft131Allgemeine Handlungswiſſenſchaft133Allgemeine Handlungshaushaltung158
  • Dritter Abſchnitt. Grundlehre der Staats - gewerbkunde. Allgemeine Staatsgewerbkunde176Allgemeine Staatswiſſenſchaft178Staatshaushaltung237Ruckblick aufs Ganze.
Er -[1]

Erſter Abſchnitt. Allgemeine Grundlehre

Einleitung.

§. 1.

Kameralwiſſenſchaften nennt man dasje - nige Lehrgebaͤude, welches die Lehrſaͤze enthaͤlt, wornach die Einkuͤnfte des Fuͤrſten und des Staates erworben, und zum Beß - ten beider angewendet werden. Da dieſe Einkuͤnfte oder Schaͤze, in, zu dieſem Zweck beſtimmten Kammern, aufbewahret werden, ſo iſt daher der Name Kameralwiſſenſchaft entſtanden.

*Gern haͤtt ich Kameralontologie geſezt, der Name waͤr gerecht, und der Sache angemeſſen geweſen, allein die Vermeh - rung der Namen iſt heut zu Tage verhaßt.
*

§. 2. Wiſſenſchaft heißt ein wohlgeord - neter Zuſammenhang von Saͤzen, deren im -Amer2Einleitungmer einer aus dem andern folgt, und wo der folgende durch die vorhergehenden bewieſen wird. Sie macht daher ein Geſchlecht von Wahrheiten aus, die ſich alle auf einen ge - wiſſen allgemeinen groſen Endzweck beziehen. Die Quelle, woraus die Wahrheit eines Sa - zes fließt, heißt man einen Grund oder Grundſaz. Die Verkettung dieſer Grund - ſaͤze zu einem Lehrgebaͤude heißt eine Grund - lehre. Folglich iſt die Grundlehre der Ka - meralwiſſenſchaften dasjenige Lehrgebaͤude, welches die Quellen der Wahrheit enthaͤlt, aus welchen dieſe Wiſſenſchaften und ihre Lehrſaͤ - ze erkannt und erwieſen werden muͤſſen.

§. 3. Die Einkuͤnfte des Fuͤrſten und des Staates entſpringen faſt ganz aus den Abga - ben der erwerbenden Glieder des Staates. Das Gewerb des Fuͤrſten und des Staates beſteht alſo in dem Erwerben der Abgaben aus allen Gewerben. Die Abgaben koͤnnen ohne Kaͤnntniß der Gewerbe und ihres Er - trages nicht beſtimmt werden. Die Gewerbe ſind die Heiſcheſaͤze, aus denen die Auf - gaben der Einkuͤnfte des Staates aufgeloͤßtwerden3Einleitungwerden muͤſſen. Da nun die Kameralwiſ - ſenſchaft die Saͤze enthaͤlt, wornach das Ge - werb des Fuͤrſten und des Staates eingerich - tet werden muß, keine Wiſſenſchaft aber oh - ne Gruͤnde ſeyn kann, ſo gruͤndet ſich die Kameralwiſſenſchaft auf die Gewerbwiſ - ſenſchaft der Staatsbuͤrger; keiner kan deswegen ein guter Kameraliſt ſeyn, der leztere nicht aus dem Grunde kennt.

§. 4. Die Gewerbwiſſenſchaft iſt mit der Kameralwiſſenſchaft unzertrennlich verbun - den, lezte kann ohne die erſte nicht ſeyn. Da es nun eine ſchon verjaͤhrte Gewohnheit iſt, von dem Vornehmſten eine Sache zu benennen, ſo iſt es nicht ungeſchickt, wann man die Ge - werbwiſſenſchaft in ihrem ganzen Umfange die Kameralwiſſenſchaften nennt.

§. 5. Alle Staatsbuͤrger vom Fuͤrſten bis zum geringſten Glied des Staates haben ein Gewerb; da nun ein jedes Gewerb, oder Beſtreben nach Dingen, die wir zu beſizen wuͤnſchen, einen Mangel vorausſezt, ſo muß ein jeder Menſch einen Mangel haben, den er zu heben bemuͤht iſt. Hier entſteht der Be - griff von Beduͤrfniſſen.

A 2All -4Allgemeine

Allgemeine Beduͤrfniß-Lehre.

§. 6. Beduͤrfniß iſt: wenn man ein Ver - langen nach einem Dinge bei ſich empfin - det, das man nicht beſizt. Es iſt aber in Abſicht auf den, der das Verlangen hat, nur Beduͤrfniß. Das Gefuͤhl des Mangels ſelbſt nenne ich Beduͤrfniß, das Ding aber, wel - ches den Mangel heben kann, ein Gut, ein Befriedigungsmittel.

§. 7. Jeder Menſch iſt den Gefuͤhlen des Mangels unterworfen, allein beide, ſowohl die Gefuͤhle als der Mangel, ſind ſehr ver - ſchieden: es gibt koͤrperliche (phyſiſche) Ge - fuͤhle, vermittelſt welcher der Menſch den Mangel ſolcher Dinge empfindet, die zu ſei - nem Leben und Daſeyn weſentlich noͤthig ſind, und dieſes ſind weſentliche Beduͤrf - niſſe, ſie erheiſchen Nahrung, das iſt Speis und Trank, und Decke, das iſt Kleidung und Wohnung. Die Gefuͤhle ſind Hunger und Durſt, Froſt und Hize.

§. 8. Wenn man den Menſchen ſehen will, wie er im bloſen Zuſtande der koͤrperlichen Gefuͤhle und der weſentlichen Beduͤrfniſſehan -5Beduͤrfniß-Lehrehandelt, ſo muß man die Geſchichte der Menſchheit forſchen, und den Menſchen be - obachten, wie er im roheſten Zuſtande han - delt. Die Wilden ſind mehr oder weniger dieſem Stande nahe, kein Volk aber iſt in ſeiner voͤlligen Kindheit bekannt.

§. 9. Ein Menſch, der ſeine weſentliche Beduͤrfniſſe gar nicht befriedigen kann, hoͤrt bald auf zu leben. Wer ſie nicht voͤllig be - friedigen kann, iſt arm. Wer ſie aber voll - kommen befriedigen kann, der hat ſein Aus - kommen.

§. 10. Die ſinnlichen Werkzeuge des Men - ſchen ſind ſo eingerichtet, daß die erſchaffenen Dinge auf ſie wirken, in dieſem Wirken aber zugleich Veraͤnderungen in der Seele hervor - bringen, die entweder Vergnuͤgen oder Verdruß heißen, erſtes wird vom Menſchen verlangt, leztes vermieden. Verlangen nach Vergnuͤgen, wohin auch die Vermeidung des Verdruſſes gehoͤrt, iſt Empfindung eines Man - gels, mithin Beduͤrfniß. Da aber dieſer Mangel nicht weſentlich, ſondern nur zufaͤl - lig iſt, ſo ſind die Beduͤrfniſſe des Vergnuͤ -A 3gens:6Allgemeinegens: Zufaͤllige Beduͤrfniſſe, ſie ſchlieſen alle Beduͤrfniſſe in ſich, die nicht weſentlich ſind.

§. 11. Unter dem Daſeyn (Exiſtenz) des Menſchen, verſtehe ich nicht nur das bloſe Leben desſelben, ſondern auch ſein Weben, wie er lebt, oder ſeinen ganzen Wirkungs - kreis. Das erſte nenne ich das bloſe Da - ſeyn, und dahin gehoͤren die weſentlichen Beduͤrfniſſe. Das zweite nenne ich das er - hoͤhte Daſeyn (Erhoͤhung der Exiſtenz) und dieſes fodert zufaͤllige Beduͤrfniſſe.

§. 12. Die Erhoͤhung des Daſeyns be - ſteht in Ausbreitung und Veredlung des Wirkungskreiſes, dieſes geſchieht durch eine gewiſſe Richtung zu dem groſen Zwecke: ſich und ſeine Nebenmenſchen ſo weſentlich und dauerhaft gluͤckſelig zu machen, als es nur moͤglich iſt. Dieſe Gluͤckſeligkeit be - ſteht in einem dauerhaften Vergnuͤgen, das die Leibes - und Seelenkraͤfte verbeſſert, und auf die hoͤchſte Stuffe der Vollkommenheit und des Genuſſes zu fuͤhren faͤhig iſt.

§. 13.7Beduͤrfniß-Lehre

§. 13. Diejenigen erſchaffenen Dinge, welche ein Vergnuͤgen hervorbringen, ſind ſchoͤn; welche aber auch zugleich die Leibes - und Seelenkraͤfte vollkommener machen, die ſind auch gut. Die Schoͤnheit und Guͤte der Dinge kann in der That und Wahr - heit dem Zwecke der wahren Gluͤckſeligkeit entſprechen, und in dieſem Falle ſind ſie wah - re Schoͤnheit, wahre Guͤte, das Verlan - gen nach denſelben iſt edel, folglich ſind die Beduͤrfniſſe dieſer Dinge nuͤzlich, und ver - dienen befriediget zu werden.

§. 14. Wenn der Wirkungskreis eines Menſchen, eines Volkes oder Staates, in die - ſer Richtung wirkt, ſo geht ſeine Jnduſtrie, ſeine Cultur, den Gang der wahren Verfei - nerung, zur Gluͤckſeligkeit. Jch kann alſo die Beduͤrfniſſe, welche dahin zielen, erhoͤ - hende Beduͤrfniſſe nennen, ſie ſind zwar zufaͤllig, aber weſentlich nuͤzlich. Die Ge - ſchichte der Menſchheit zeigt Menſchenvoͤlker und Staaten in Juͤnglings - und Maͤnnerjah - ren, wo ſie mehr oder weniger Vollkommen - heit und wahre Richtung zum Zwecke der Ver - feinerung haben.

A 4§. 15.8Allgemeine

§. 15. Wenn man Vergnuͤgen an Din - gen empfindet, welche zur wahren Gluͤckſelig - keit nichts beitragen, und alſo nicht wahr, ſondern falſch, gut und ſchoͤn ſind, ſo iſt das Vergnuͤgen uͤppig. Daher ſind die Gefuͤhle und Verlangen nach dem fal - ſchen Guten und Schoͤnen: uͤppige Beduͤrf - niſſe. Weilen die Befriedigung derſelben keinen wahren, ſondern falſchen Genuß mit ſich fuͤhrt, in der Natur des Menſchen kei - nen Grund hat, und doch an den Wirkungs - kraͤften zehret, ſo richtet die Ueppigkeit (der Luxus) Menſchen, Voͤlker und Staaten zu Grunde. Die Geſchichte der Menſchheit be - weißt, das durch die Schickſale der Staaten, welche ihre Verfeinerung in die Ueppigkeit lenkten, erſchlaften, weich, entnerft, wei - biſch wurden, ohnmaͤchtig hinfielen und zer - truͤmmerten. Wahres Greiſenalter der Menſchheit, wo ſie wieder kindiſch wird, aber affenmaͤſig nicht mit Kraft!

§. 16. So wie die weſentlichen Beduͤrf - niſſe aus koͤrperlichen Gefuͤhlen entſtehen, ſo entſpringen beide Gattungen der Zufaͤlli -gen,9Beduͤrfniß-Lehregen, erhoͤhende und uͤppige Beduͤrfniſſe aus ſeeliſchen oder geiſtigen Gefuͤhlen.

*Hier iſt der wahre Unterſchied zwiſchen Thier und Menſch. Das Thier befrie - digt nur die weſentlichen Beduͤrfniſſe, von Ausbreitung, Erhoͤhung der Exi - ſtenz weiß es nichts.
*

§. 17. Ein jeder Menſch iſt ein einzelnes Weſen, er unterſcheidet ſich durch gewiſſe Merkmale von allen andern in der Welt, und dahin gehoͤrt auch, daß er in allen dreien Gattungen der Beduͤrfniſſe, ſeine von allen andern verſchiedene Geſuͤhle hat, mithin Dinge zu ſeiner Befriedigung verlangt, die ein anderer nicht verlangt. Dieſe Gefuͤhle, abgezogen von den allgemeinen Gefuͤhlen der Menſchheit in gleichen aͤhnlichen Faͤllen, nennt man den einzelnen (individuellen) Ge - ſchmack.

§. 18. Jeder Menſch hat auch Hang zur Veraͤhnlichung, zur Einheit mit andern Men - ſchen, wenn er daher an andern etwas entdeckt, das ihm ſchoͤn und gut deucht, ſo fuͤhlt er Verlangen nach demſelben, er macht ſich dasſelbe zum Beduͤrfniß, daher entſtehtA 5Nach -10AllgemeineNachahmung, Mode, Modeſucht, all - gemeine Verfeinerung, aber auch allge - meiner Luxus. Dieſe Gefuͤhle abgezogen von den Gefuͤhlen des einzelnen in aͤhn - lichen Faͤllen, heißt man den herrſchenden Geſchmack. Der einzelne und der herr - ſchende Geſchmack zuſammen, beſtimmen die Richtung des Wirkungskreiſes eines Men - ſchen, Volkes oder Staates.

*Siehe das herrliche Werk: Gedanken uͤber das Univerſum vom Hr. Statthal - ter von Dahlberg.
*

§. 19. Der Geſchmack ordnet die Beduͤrf - niſſe, waͤhlt er das wahre Gute und Schoͤne, ſo iſt der Geſchmack wahr, im Gegentheile aber falſch; er iſt auch zugleich der herr - ſchende Zug des Characters. Am Geſchmacke kennt man Menſch und Nation.

§. 20. Die voͤllige Befriedigung der we - ſentlichen und erhoͤhenden Beduͤrfniſſe, unter der Leitung des wahren Geſchmackes fuͤhrt zur wahren Gluͤckſeligkeit. Da aber der Menſch vermoͤg der Geſeze der Religion und der Welt - weisheit verbunden iſt: nicht allein ſeine ei -gene,11Beduͤrfniß-Lehregene, ſondern auch des Nebenmenſchen Gluͤckſeligkeit zu befoͤrdern, ſo muß er auch unter Leitung des wahren Geſchmackes, des Nebenmenſchen Beduͤrfniſſe voͤllig zu be - friedigen ſuchen.

§. 21. Zu Befriedigung eigener Beduͤrf - niſſe leitet die Natur, und hieran hat der Menſch den richtigen Maasſtab, nach wel - chem er auch ſeines Nebenmenſchen Beduͤrf - niſſe befriedigen ſoll. Doch hat ein Neben - menſch mehr Anſpruch auf unſern Beiſtand als der andere. Es gibt Menſchen, die durch mich ihr Daſeyn empfangen haben, oder die mein Daſeyn erhalten oder erhoͤhen, hieher gehoͤren alle Menſchen, inſoweit ſie zu Befriedigung meiner eigenen Beduͤrfniſſe et - was beigetragen haben, oder noch beitragen.

§. 22. Menſchen, die durch einen ande - ren Menſchen das Daſeyn erhalten, ſind Kinder: lezterer iſt durch das Geſez der Na - tur verpflichtet ihre Beduͤrfniſſe ſo vollkom - men zu befriedigen, als er kann. Ein Eh - gatte iſt des andern anderes Jch: das Recht der Natur fodert wechſelſeitige Befriedigungder12Allgemeineder Beduͤrfniſſe nach moͤglicher Vollkommen - heit. Die Eltern haben mein Daſeyn er - halten und erhoͤht, das Recht der Natur fo - dert, daß ich auch ihre Beduͤrfniſſe wie mei - ne eigene befriedige. Dieſe Verhaͤltniſſe zu - ſammen begreift der Hausſtand, oder die Geſchlechts Geſellſchaft in ſich.

§. 23. Auch die Menſchen, mit denen man in einer gemeinſchaftlichen Beziehung ſteht, haben die Foderung an uns, die wir an ſie haben, es gibt da gemeinſchaftliche Be - duͤrfniſſe, gemeinſchaftliche Befriedigungen derſelben. Da hilft einer des andern Daſeyn erhalten und erhoͤhen, folglich iſt ein jeder zu Befriedigung der gemeinſchaftlichen Be - duͤrfniſſe verbunden. Hieher gehoͤren alle buͤrgerliche Geſellſchaften.

§. 24. Die Menſchen ſtoſen leicht und oft auf mancherlei Weiſe, entweder aus Unwiſ - ſenheit oder aus Bosheit, oder aus beiden Urſachen zugleich, gegen das Recht der Na - tur an; ſie ſuchen oft die Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe auf Unkoſten ihrer Nebenmen - ſchen, daher ſind Schranken noͤthig, welcheeinem13Beduͤrfniß-Lehreeinem jeden bezeichnen, wie weit er wirken, und wie er wirken ſoll. Dieſe Schranken nennt man Geſeze. So viele Menſchen, Ge - ſchlechts - und buͤrgerliche Geſellſchaften zum Gehorſam gegen ein Geſez und geſezgebende Macht verbunden ſind, ſo viele Mitglieder ſind durch eben dieſes Geſez in eine Geſell - ſchaft vereinigt, welche man einen Staat nennt.

§. 25. Alle Staatsglieder genieſen alſo Schuz gegen alle Gewaltthaͤtigkeit, von der geſezgebenden Macht, ſie erhalten Geſeze, wodurch die Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe erleichtert, folglich ihr Daſeyn erhalten und erhoͤht wird, dieſes ſind Staatsbeduͤrf - niſſe, die von der geſezgebenden Macht be - friedigt werden muͤſſen. Hingegen hat auch die geſezgebende Macht Beduͤrfniſſe, welche nicht nur die Erhaltung und Erhoͤhung ihres Daſeyns, ſondern auch die Moͤglichkeit der Befriedigung der Staatsbeduͤrfniſſe zum Ziele haben, und hierzu ſind wiederum alle Glie - der des Staates verbunden.

§. 26.14Allgemeine Beduͤrfniß-Lehre

§. 26. Der Menſch hat alſo einzelne (po - ſitive) und geſellſchaftliche (relative) Be - duͤrfniſſe, jene geben das Muſter, den Maas - ſtab der lezteren ab. Endlich erfodert auch noch das Geſez der Liebe, fuͤr die Beduͤrfniſſe des Armen zu ſorgen, und dieſes iſt eine von den wichtigſten Pflichten in Befriedigung der ge - ſellſchaftlichen Beduͤrfniſſe.

§. 27. Alle bisher vorgelegte Saͤze ſind Grundſaͤze, und zwar die erſten entfernteſten der Kameralwiſſenſchaften, allein ſie ſind doch Lehrſaͤze in Abſicht auf die Quellen, woraus ſie geſchoͤpft ſind, und dieſe enthaͤlt die Welt - weisheit. Die Vernunftlehre leitet die Kraͤfte des Verſtandes zur Erkaͤnntniß der Wahrheit. Die Grundlehre enthaͤlt die er - ſten Gruͤnde der Erkaͤnntniß der erſten Din - ge, der Koͤrper, der Welt, der Geiſter, der Seelen und Gottes. Die Sittenlehre, das Natur - und Voͤlkerrecht endlich machen die ausuͤbende Weltweisheit aus, ſo wie jene die betrachtende (theoretiſche) in ſich be - greifen.

*Wir muͤſſen uns einsweilen noch mit demphi -15Allgemeine Produkten-Lehrephiloſophiſchen Syſtem behelfen, das wir haben, bis wir ein beſſers bekom - men. Schoͤn iſt es, was Herr Rath Baader zu Muͤnchen uͤber das Studi - um der Philoſophie geſagt hat. S. deſ - ſen Rede am Namensfeſte unſers Durch - lauchtigſten Kurfuͤrſten vom Jahre 1778.
*

§. 28. Die Weltweisheit iſt, wie aus vor - hergehendem leicht zu beweiſen, der Grund aller Gelehrſamkeit, vorzuͤglich aber auch der Kameralwiſſenſchaften, und da die erſten Grundbegriffe Folgeſaͤze aus der Weltweis - heit ſind, ſo iſt ſie die erſte Hilfswiſſenſchaft, und muß vor allen andern zuerſt ſtudirt wer - den.

§. 29. Zugleich aber ſind auch verſchiede - ne der vorhergehenden Saͤze auf Erfahrun - gen aus der Geſchichte der Menſchheit ge - gruͤndet, auch dieſe waͤre ein herrliches phi - loſophiſches Studium, wenns nur fein bald geordnet waͤre.

Allgemeine Produkten-Lehre.

§. 30. Alle Beduͤrfniſſe zuſammen, we - ſentliche, erhoͤhende, uͤppige, einzelne und geſellſchaftliche, geleitet durch den wahrenoder16Allgemeineoder falſchen, einzelnen oder herrſchenden Geſchmack am aͤchten oder am falſchen Schoͤ - nen und Guten, hingeordnet, in eins ge - faßt und uͤberſchaut, machen den groſen Grundtrieb aus, der die Wirkungskreiſe al - ler einzelnen Menſchen und aller Geſellſchaf - ten in Bewegung ſezt, um die Gegenſtaͤnde zu erlangen, die alle dieſe Beduͤrfniſſe befrie - digen koͤnnen.

§. 31. Alle dieſe Gegenſtaͤnde werden von der Natur nach beſtaͤndigen, von dem all - maͤchtigen Schoͤpfer eingegruͤndeten Geſezen hervorgebracht. Sie ſind alle Koͤrper, ha - ben alle koͤrperliche Eigenſchaften, und beſte - hen aus Grundſtoffen. Sie werden durch bewegende Kraͤfte geordnet, in Umlauf und Leben geſezet, und endlich wieder in ih - re erſte Grundſtoffe aufgeloͤßt. Die erſten Grundſtoffe ſind Erde, Waſſer, Luft und Feuer.

§. 32. Die Erde iſt die eigentliche Mut - ter aller Gegenſtaͤnde, aller Befriedigungs - mittel, ſie bringt hervor, naͤhrt, traͤgt ſie, und nimmt endlich ihre durch die Aufloͤſungzer -17Produkten-Lehrezertrennte Theile wieder in ihren Schoos zu - ruͤck, aus welchem ſich dann ein jedes Ele - ment wiederum das Seinige zueignet. Aus dieſen Gruͤnden hab ich Urſache, alle Befrie - digungsmittel, wie auch alles, was die Na - tur auf und in der Erde hervorbringt, Erd - erzeugungen (Erdprodukten) zu nennen.

§. 33. Das Waſſer iſt beweglicher als die Erde, es gibt den Grund aller Nahrungs - ſaͤfte der Erderzeugungen ab, und laͤßt alle Beſtandtheile derſelben mit ſich vermiſchen. Es muß deswegen uͤberall der Erde mitge - theilet, und in ihren Schoos ausgeſchuͤttet werden, auf daß es mit derſelben vermiſcht, uͤberall den Nahrungsſaft aller Erzeugungen abgeben koͤnne. Dieſe allgemeine Austhei - lung des Waſſers geſchieht durch einen hoͤchſt - wunderbaren und mit hoͤchſter Weisheit einge - richteten Kreislauf desſelben, der durch die Waͤrme und Bewegung der Luft zuwege ge - bracht und unterhalten wird.

§. 34. Die Luft iſt beweglicher als das Waſſer, ſie umgibt den ganzen Erdkoͤrper, vermiſcht ſich in die Zuſammenſezung allerBErd -18AllgemeineErderzeugungen, heißt in dieſem Zuſtande feſte Luft, traͤgt zu ihrer innern und aͤuſern Bildung und Bau vieles bei, iſt der Grund der Lockerheit (Poroſitaͤt) der Koͤrper, iſt die Urſache des Windes, und durch ihre Be - wegung regiert ſie die fruchtbare Begieſung des Erdbodens.

§. 35. Das Feuer, als Element und wirk - ſame Urſache in der Natur betrachtet, hat vornehmlich ſeinen Siz in der Sonne, es iſt das allerbeweglichſte Element, ja die Urſache des Lebens der Erderzeugungen, wenigſtens groͤſten Theils, es wirkt auf die Luft, mit derſelben aufs Waſſer, mit beiden auf die Erde, mit allen dreien auf die Erderzeugun - gen, und bringt ſolcher Geſtalt Leben und Bewegung in die ganze Natur.

§. 36. Dieſe vier Grundſtoffe bilden noch nicht unmittelbar die Erderzeugungen; es gehen Mittelſtoffe vorher, welche zunaͤchſt aus den Elementen entſtehen, mit denſelben vereinigt wirken, und alsdann erſt ſich zum Nahrungsſafte zuſammen vermiſchen. Sie erzeugen auf eine unbekannte und unbegreif -liche19Produkten-Lehreliche Weiſe, erſtlich eine allgemeine Saͤure, welche das Salz der Natur genannt wird; dieſes verartet ſich im Waſſer in die Meer - ſalzſaͤure, in der Erde in die Mineral - ſaͤuren, in den Gewaͤchſen in die Gewaͤchs - ſaͤure (vegetabiliſches Acidum). Ueberall fin - det dieſe Saͤure etwas, womit ſie ſich ver - miſcht, und welches ihre Strenge mildert. Sie dient zur Vermiſchung verſchiedener Materien mit dem Waſſer, desgleichen auch zur Ausbildung verſchiedener Eigenſchaften der Erzeugungen.

§. 37. Der andere Mittelſtof, welcher von den Elementen hervorgebracht, und zur Bildung der Erderzeugungen gebraucht wird, iſt der Feuerſtof (Phlogiſton). Dieſer ver - artet ſich vermittelſt der Naturſaͤure und Waſ - ſer zu Oel, mit den Mineralſaͤuren zu Schwe - fel, und unter dieſen Geſtalten kommt er haͤufig als Beſtandtheil mit in die Erderzeu - gungen.

§. 38. Die Erkaͤnntniß dieſer Grund - und Mittelſtoffe iſt ohne Widerrede demjenigen ſehr noͤthig, der die Eigenſchaften der Erd -B 2erzeu -20Allgemeineerzeugungen forſchen will: denn dieſe gruͤnden ſich unfehlbar auf jene. Da aber nun die Erkaͤnntniß der Erzeugungen als Befriedi - gungsmittel der Beduͤrfniſſe dem Kamerali - ſten beſonders obliegt, ſo iſt ihm auch die Erkaͤnntniß der Grund - und Mittelſtoffe ſehr nothwendig. Dieſe lehrt aber die Natur - kunde (Phyſik) und die Scheidekunſt (Che - mie): folglich ſind dieſe Hilfswiſſenſchaften dem Kameraliſten unentbehrlich.

§. 39. Alle Erderzeugungen ſind Koͤr - per; inſofern aber als ſie das ſind, haben ſie Ausdehnung und Maſſe, in Anſehung der Verhaͤltniſſe unter einander: in Abſicht auf die Vielheit, entſteht ihre Zahl, in Abſicht auf die Ausdehnung: ihre Groͤſe, und in Abſicht auf ihre Maſſe: ihr Gewicht. Alle dieſe Verhaͤltniſſe beſtimmt die reine Mathe - matik. Da nun Zahl, Maas und Gewicht bei Befriedigung der Beduͤrfniſſe durch die Erderzeugungen immer fort beſtimmt werden muß, ſo iſt die reine Mathematik eine von den erſten und noͤthigſten Hilfswiſſenſchaften auf der Kameralſchule.

§. 40.21Produkten-Lehre

§. 40. Die Grund - und Mittelſtoffe ge - ben die Beſtandtheile her, auch ſind ſie eine von den Haupturſachen des Lebens, Fort - dauerns und der Aufloͤſung, oder des Aufhoͤ - rens der Erderzeugungen; allein ſie ſind noch nicht die hervorbringende Urſache derſel - ben, ſondern mit dieſer vereinigt, machen ſie erſt den zureichenden Grund des ganzen Daſeyns der Erzeugungen aus. Jedes Ge - ſchlecht, jede Gattung, jede Art und jedes Einzelne, hat das Vermoͤgen, durch Hilfe des zureichenden Grundes ſich ſelbſt aͤhnli - che Dinge hervorzubringen, und dieſelbe zu erzeugen.

§. 41. Durch Hilfe der zureichenden Ur - ſache, wird nun die Erde eine fruchtbare Mutter von ſehr vielen und vielfaͤltigen Er - zeugungen, ſie iſt damit angefuͤllt. Unter ihrer Oberflaͤche, in derſelben und auf der - ſelben traͤgt und ernaͤhrt ſie deren eine unzaͤhl - bare Menge.

§. 42. Diejenigen Erzeugungen, welche unter der Erdoberflaͤche entſtehen, fortdanern und aufgeloͤſet werden, machen eine beſondreB 3Ord -22AllgemeineOrdnung aus, die man das Steinreich nennt. Die Natur bringt da ſehr viele Ar - ten von Geburten hervor, die von der ein - fachſten Erde an, bis zum edelſten Mineral und bis zum koſtbarſten Steine, ſtuffenweis fortgehen. Desgleichen; die vom einfach - ſten Baue der ſchlichten Zuſammenfuͤgung ein - facher Erdtheilgen zum ſchlechten Sandſtein bis zu den kuͤnſtlichſten Steingewaͤchſen und Cryſtalliſationen, die dem Gewaͤchs - reiche, und in Schaalenthieren u. dg. auch dem Thierreiche nahe kommen, kettenweis an einander haͤngen.

§. 43. Dieſes Steinreich enthaͤlt alſo in die Laͤnge und Breite ſehr vielerlei Arten von Erzeugungen, die auf mannigfaltige Weiſe zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe verwendet werden. Dieſe Anwendung richtet ſich nach der Natur und Beſchaffenheit der Erzeugun - gen, folglich muß man dieſe Eigenſchaften kennen. Es iſt alſo wiederum eine Wiſſen - ſchaft noͤthig, welche lehret: wie die Erzeu - gungen des Steinreiches entſtehen, fortdau - ren und aufhoͤren. Desgleichen einer jedenArt,23Produkten-LehreArt, Zuſammenſezung, innerliche und aͤuſer - liche Beſchaffenheiten, endlich auch die Zei - chen, wodurch ſie ſich von allen andern un - terſcheidet; dieſe Wiſſenſchaft nennt man die Minerallehre (Mineralogie).

§. 44. Diejenigen Erzeugungen, welche in der Erdoberflaͤche gebohren werden, an einem gewiſſen Orte derſelben beſtaͤndig ange - heftet bleiben, groͤſten Theils ihre Nahrung aus derſelben an ſich ſaugen, uͤbrigens aber in der Luft leben, und die unmittelbare Ein - wirkung des Himmels noͤthig haben, nennt man Pflanzen; ſie machen ebenfalls eine be - ſondere Ordnung aus, die das Pflanzen - reich genennt wird, aus unzaͤhlbaren Arten beſteht, und wiederum bei den mineraliſchen Gewaͤchſen an das Steinreich, bei den Po - lypen aber an das Thierreich graͤnzt. Auch hier geht die Natur wiederum ſtuffenweis fort, von dem unachtbarſten Haͤlmgen zu der praͤch - tigſten Blume, und von der faſt ſteinarti - gen Pflanze bis zu dem kuͤnſtlichſten Gewaͤch - ſe, das ans Thier graͤnzt.

B 4§. 45.24Allgemeine

§. 45. Das Pflanzenreich enthaͤlt alſo abermal in ſeiner Kette nach der Laͤnge und Breite, eine unzaͤhlbare Menge von unterſchie - denen Gewaͤchsarten in ſich, die ebenfalls mehr oder weniger zu Befriedigung der Be - duͤrfniſſe verwendet werden, folglich aus eben dem Grunde eine Kaͤnntniß ihres Entſtehens, ihres Lebens und Aufhoͤrens, nicht weniger auch ihrer Natur und Eigenſchaften, des - gleichen ihrer Unterſcheidungszeichen, vor - ausſezen, die dem Kameraliſten noͤthig iſt. Dieſe Erkaͤnntniß enthaͤlt die Pflanzenlehre (Phytologie).

§. 46. Diejenigen Erzeugungen, welche ſich uͤber der Erdoberflaͤche hin und her bewe - gen, nicht von der Erde unmittelbar, ſon - dern aus ihren Erzeugungen Nahrung ziehen, die ſie, durch ſinnliche Empfindungen gelei - tet, ſelbſten aufſuchen, werden Thiere ge - nannt, ſie machen wiederum eine weit aus - gedehnte Ordnung aus, welche das Thier - reich heißt. Auch hier herrſcht Mannigfal - tigkeit und unendliche Weisheit. Eine Ket - te Thiere vom kleinſten Jnſekte des Waſſers biszum25Produkten-Lehrezum Wallfiſche, vom Schaalenthiere bis zum Krokodill, wiederum bis zum fliegenden Fiſch, von da durch alle Luftthiere bis zum Adler. Von Froͤſchen und Krokodillen bis zum Ele - phante, von der Kaͤsmilbe bis zum Orang outang, zum Menſchen darf ich nicht ſagen, er gehoͤrt nicht in die Thierkette, er iſt ein Mittelding zwiſchen Thier und Engel, das Glied, welches beide Ketten naͤhret. Alle die Durchkreuzungen und Angraͤnzungen der Ketten im Thierreiche zu bezeichnen, iſt ſchwer und gehoͤrt nicht hieher. Jm Schaalthiere graͤnzt es an das Steinreich, und im Poly - pen an das Pflanzenreich.

§. 47. Dieſes weitlaͤuftige Reich von Er - zeugungen enthaͤlt nicht weniger eine ſehr gro - ſe Menge mannigfaltiger Arten in ſich, die zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe verwendet werden koͤnnen; dieſes ſezt ebenfalls eine hinlaͤngliche Kaͤnntniß voraus, und dieſe ent - haͤlt die Thierlehre (Zoologie).

§. 48. Alle drei Wiſſenſchaften, die Mi - nerallehre, die Pflanzenlehre und die Thier - lehre ſchlieſen die Kaͤnntniſſe aller Erzeugun -B 5gen26Allgemeinegen in ſich, und werden unter einer Lehre all - zuſammen begriffen, welche man die Natur - geſchichte (Hiſtoria naturalis) benennet. Die - ſe iſt abermal eine von den noͤthigſten Hilfs - wiſſenſchaften, welche vor der Erlernung der Kameralwiſſenſchaften hergehen muß.

§. 49. Nicht alle Erzeugungen dienen zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe, es findet eine Auswahl ſtatt, welche diejenigen bezeichnet, die zu Befriedigung der weſentlichen Be - duͤrfniſſe, zu Nahrung und Decke, oder zu Erhaltung und Fortſezung des Da - ſeyns nuͤzlich ſind. Ferner: werden dieje - nigen gewaͤhlt, welche die erhoͤhenden Be - duͤrfniſſe befriedigen, die Erhoͤhung und Ausbreitung des Daſeyns bewirken, und alſo wiederum nuͤzlich ſind. Dieſe Auswahl geſchieht durch den richtigen Geſchmack, wenn er den Charakter des wahren Schoͤ - nen und Guten an einer Erzeugung bemerkt, vermoͤg welchem ſie dem Endzwecke entſpricht. Endlich beſtimmt auch der herrſchende und falſche Geſchmack die Auswahl der Erzeu - gungen, die die uͤppigen Beduͤrfniſſe be -frie -27Produkten-Lehrefriedigen, nach dem Charakter des falſchen Schoͤnen und Guten.

§. 50. Dieſe dreifache Auswahl nach den dreien Gattungen der Beduͤrfniſſe, ſezt nun eine beſtimmte Anzahl der Erzeugungsarten aus, welche ich wiederum in eins hinordnen, und als den groſen Gegenſtand betrachten will, auf welchen der groſe Grundtrieb aller Beduͤrfniſſe wirkt. Die Erzeugungen aus allen drei Reichen der Natur, welche zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe dienlich ſind, nenne ich oͤkonomiſche Erzeugungen. Es iſt aber noch anzumerken, daß dieſe Erzeu - gungen nicht alle in gleichem Grade den Be - duͤrfniſſen entſprechen, ſondern daß ſie von dem ſchlechteſten Mauerſteine an, bis zum ſchoͤnſten Zimmerholze, vom magerſten Gras - halme bis zum ſchoͤnſten Weizen oder Gemuͤ - ſe, von der Hauskaze bis zur beßten Milch - kuh, vom Blei bis zum Gold oder Edelſtein, durch vielerlei Stuffen der Nuzbarkeit auf - ſteigen; mithin mehr oder weniger eigen - thuͤmlichen Werth haben, der durch den Grad der Guͤte und Schoͤnheit beſtimmt wird.

All -28Allgemeine

Allgemeine Gewerbwiſſenſchaft.

§. 51. Der Grundtrieb der Beduͤrfniſſe treibt den Menſchen an, auf den Gegen - ſtand der oͤkonomiſchen Erzeugungen zu wirken, um dieſelben zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe zu erlangen. Hieraus entſteht eine Wirkſamkeit dieſe Guͤter zu erwerben, und dieſes heißt man das Gewerb des Menſchen. Die ſaͤmmtlichen Gewerbe zu kennen und beurtheilen zu koͤnnen, iſt die Pflicht des Kameraliſten; denn wie wuͤrde er ſonſt dieſelben zur einzelnen und all - gemeinen Gluͤckſeligkeit lenken koͤnnen? wie koͤnnte er ſie verbeſſern? und endlich: wie koͤnnte er das Gewerb des Fuͤrſten und des Staates regieren, das ſich doch auf die Ge - werbe aller Glieder des Staates gruͤndet? Die Grundlehren, worauf ſich alle Gewerbe gruͤnden, ordne ich zuſammen, und nenne ſie die allgemeine Gewerbwiſſenſchaft.

§. 52. Ein jedes Gewerb unterſtellt eine gewiſſe Menge oͤkonomiſcher Erzeugungen, die man noch nicht hat, die man aber durch das Gewerb zu erlangen trachtet. Es iſt al -ſo29Gewerb-Wiſſenſchaftſo etwas, das ſie gegen die Wirkſamkeit des Gewerbes an uns abgibt, dieſes Etwas nen - ne ich die Nahrungsquelle. Da es nun klar iſt, daß ohne eine Nahrungsquelle alles Gewerb fruchtlos iſt, ſo muß jedes Gewerb eine Nahrungsquelle haben, und ſie iſt das erſte, welches ſich der Menſch ver - ſchaffen muß.

§. 53. Wenn die Nahrungsquelle ohne Muͤhe und ohne Mittel die oͤkonomiſchen Erzeugungen abgaͤbe, ſo waͤr kein Gewerb noͤthig. Die Muͤhe alſo und alle Mittel, die man anwendet, der Nahrungsquelle ihre Er - zeugungen abzugewinnen, nenne ich Erwer - bungsmirtel, und dieſe ſind eben ſowohl noͤthig als die Nahrungsquelle, ſie ſind gleich - ſam das Gut, wogegen man mit derſelben gegen die oͤkonomiſchen Erzeugungen aus - tauſcht; beide ſtehen immer in einer gewiſ - ſen Verhaͤltniß gegen einander. Jedes Ge - werb muß alſo ſeine Erwerbungsmittel haben, und ſie ſind das zweite, welches ſich der Menſch verſchaffen muß.

§. 54.30Allg. Gewerb-Wiſſenſchaft

§. 54. Beides, die Nahrungsquelle und die Erwerbungsmittel, ſind im Gewerbe oh - ne Kraft, wenn nicht die lezten auf die erſte in Wirkſamkeit geſezt werden, und dieſes geſchieht durch menſchliche Ueberlegung und Thaͤtigkeit. Derjenige, welcher dieſes lei - ſtet, iſt ein Erwerber, und dieſer macht das dritte weſentliche Stuͤck des Gewer - bes aus.

§. 55. Der Erwerber muß die Natur der Nahrungsquelle kennen, er muß die Art und Weiſe wiſſen, wie und welcher Geſtallt ſie vermoͤgend iſt, die gehoͤrigen oͤkonomiſchen Erzeugungen abzugeben. Eben ſo muß er auch die Erwerbungsmittel kennen, und ſie zu gehoͤrigem Zwecke auf die Nahrungsquel - le anzuwenden wiſſen, damit der Erfolg dem Zwecke entſpreche. Wenn nun der Erwerber wirklich vermittelſt der Erwerbungsmittel auf die Nahrungsquelle wirkt, und von derſel - ben die verlangten Erzeugungen empfaͤngt, ſo heißt das Erwerben, und dieſes iſt das vierte Stuͤck des Gewerbes. Die Erzeu - gungen, welche der Erwerber erworben, undſich31Allg. Haushaltungs-Wiſſenſchaftſich zum Eigenthume gemacht hat, heiſen Er - trag; Ertrag der Nahrungsquelle.

§. 56. Der Ertrag iſt der Vorrath, aus welchem der Erwerber ſeine und der Seinigen Beduͤrfniſſe, eigene und geſell - ſchaftliche befriedigt, dieſes Geſchaͤft heißt Verzehren (conſumiren) und iſt das fuͤnfte Stuͤck des Gewerbes. Derjenige Theil des Ertrages, welcher verzehret wird, heißt der Aufwand (Conſumtion).

§. 57. Wenn der Ertrag zureicht, alle Be - duͤrfniſſe, weſentliche und zufaͤllige, eigene und geſellſchaftliche, vollkommen zu befrie - digen, ſo hat ein ſolcher Erwerber ſein reich - liches Auskommen. Bleibt nach Abzug des Aufwandes vom Ertrage noch etwas uͤb - rig, ſo iſt er ein wohlhabender Mann, der Ueberſchuß aber heißt reiner Ertrag.

Allgemeine Haushaltungs - Wiſſenſchaft.

§. 58. Wenn der Ertrag hinlaͤnglich iſt, alle Beduͤrfniſſe zu befriedigen, ſo macht das den Erwerber fuͤr die Zeit gluͤcklich, ſo lang der Ertrag dauert. Wenn aber durch aller -hand32Allgemeinehand Zufaͤlle hinfuͤhro der Ertrag kleiner wird, und nicht mehr zureicht, ſo wird der Erwer - ber arm, und alſo ungluͤcklich, dergleichen Schickſale ſind ſehr leicht moͤglich, und nicht immer zu vermeiden. Deswegen erfodert die Pflicht eines Erwerbers, daß er ſich die Befriedigung der Beduͤrfniſſe, ſo viel er kann, auf die Zukunft ſicher ſtelle.

§. 59. Die wahre Erhoͤhung und Ausbrei - tung des Daſeyns nach dem wahren Geſchma - cke, durch das wahre Schoͤne und Gute der Erzeugungen, hat gar weit ausgedehnte Schranken und ſehr mannigfaltige eigene und geſellſchaftliche Beduͤrfniſſe. Je mehr derſel - ben befriedigt werden, je mehr die Gluͤckſe - ligkeit vermehret wird. Nun koͤnnen zwar alle dieſe unzaͤhlige Beduͤrfniſſe von keinem Menſchen vollkommen befriedigt werden, doch ſoll ein jeder dahin trachten, ſo hoch darin zu ſteigen, als moͤglich iſt; weil er verbunden iſt, ſeine und ſeines Neben - menſchen Gluͤckſeligkeit aus allen Kraͤften zu befoͤrdern.

§. 60.33Haushaltungs-Wiſſenſchaft

§. 60. Dieſe beiden Pflichten, die Siche - rung der Befriedigungsmittel auf die Zu - kunft, und die Erhoͤhung und Ausbreitung des Daſeyns werden dadurch moͤglich ge - macht: wenn der Erwerber allen Fleis und alle Kraͤfte daran ſezt, den reinen Ertrag ſo ſehr zu vermehren als nur moͤg - lich iſt, zugleich aber auch wenn er den - ſelben auf die beßte Weiſe anwendet. Die Ausuͤbung dieſer beiden Stuͤcke heißt: die Haushaltungskunſt. Die Grundſaͤze derſelben: die Haushaltungswiſſenſchaft (Oekonomie).

§. 61. Die hoͤchſte Vermehrung des rei - nen Ertrages, und die beßte Anwendung des - ſelben, muß in allen Stuͤcken des Gewerbes beaͤugt, und dasſelbe zu dieſem Zwecke nach den Regeln der Haushaltungswiſſenſchaft ge - leitet werden: wenn dieſes nicht beobachtet wird, ſo kann weder die Fortdauer des Da - ſeyns geſichert, noch die einzelne und allge - meine Gluͤckſeligkeit befoͤrdert werden. Da nun dieſes die groſe Pflicht eines jeden Men - ſchen iſt, ſo iſt es auch die groſe Pflicht je -Cdes34Allgemeinedes Erwerbers, zugleich ein guter Haushaͤl - ter zu ſeyn, oder: Ein jedes Gewerb ſoll nach den Regeln der Haushaltungswiſ - ſenſchaft getrieben werden.

§. 62. Da das Gewerb auf fuͤnf Stuͤ - cken, auf der Nahrungsquelle, auf den Erwerbungsmitteln, auf dem Erwerber, auf dem Erwerben und auf dem Verzehren beruht, das Gewerb aber ganz und zumal nach den Regeln der Haushaltungswiſſen - ſchaft gefuͤhrt werden ſoll, ſo muͤſſen alle Pflichten und Grundſaͤze derſelben allhier an - gezeigt, und auf jedes Stuͤck angewendet werden.

§. 63. Die Nahrungsquelle liefert den Ertrag aus, dieſer aber nach Abzuge des Aufwandes den reinen Ertrag. Soll nun dieſer vermehret werden, ſo muß zu aller - erſt der Ertrag ſo ſehr vergroͤſert wer - den, als nur moͤglich iſt: da aber nun die Nahrungsquelle die Grundurſache des Er - trages iſt, ſo iſt die erſte Pflicht des Erwer - bers als Haushaͤlter oder Hauswirth be - trachtet: daß er ſeine Nahrungsquelle ſoer -35Haushaltungs-Wiſſenſchaftergiebig zu machen ſuche, als es moͤg - lich iſt.

§. 64. Die Verbeſſerung der Nahrungs - quelle beruht auf zwei Hauptſtuͤcken; erſtlich: wenn der Erwerber noch keine hat, ſo muß er ſich nach den Geſezen der Natur, der Voͤl - ker und ſeines Landes eine eigenthuͤmlich zu machen ſuchen, die der Verbeſſerung faͤhig iſt. Wenn er eine Nahrungsquelle hat, ſo muß er ſie bis in alle ihre kleinſten Theile kennen, und jedes kleinſten Theiles Kraft und Vermoͤgen, desgleichen wie es zum Zwecke des hoͤchſten Ertrages zu beſtim - men, wiſſen.

§. 65. Die Erwerbungsmittel machen den Aufwand aus, welcher an die Nahrungsquel - le verwendet wird, um ſie ergiebig zu ma - chen. Sie entſpringen aus dem Ertrage, je mehrere, je koſtbarere Erwerbungsmittel, je weniger Ertrag, und umgekehrt. Soll nun dieſer ſo hoch vermehrt werden, als moͤglich iſt, ſo muͤſſen ſo wenige und ſo wohlfeile Er - werbungsmittel verſchaft werden, als moͤglich iſt; dieſe ſollen aber doch wiederum die Nah -C 2rungs -36Allgemeinerungsquelle in den hoͤchſten ergiebigſten Stand ſezen, daher ſoll der Erwerber alle Er - werbungsmittel ſeiner Nahrungsquelle vollſtaͤndig kennen, und wiſſen, was ein jedes derſelben in ſeiner Nahrungsquelle ver - mag. Und hinwiederum ſoll er wiſſen, wie viel ein jedes von dem Ertrage wegnehmen wuͤrde, und dann ſoll er diejenigen waͤh - len, welche die wirkſamſten und zugleich die wohlfeilſten ſind, und ſich auch die - ſelben verſchaffen koͤnnen.

§. 66. Der Erwerber enthaͤlt die ganze Kraft zum Gewerbe in ſich, und dieſe beruht auf ſeinem Verſtande und Willen. Mit dem Verſtande ſoll er nicht nur ſein ganzes Gewerb vollſtaͤndig kennen, ſondern er ſoll auch wiſſen, was in jedem kleinſten Theile des Gewerbes nach den Grundſaͤzen der Haushaltungswiſſenſchaft geſchehen muß, da - mit der allgemeine groſe Zweck derſelben er - reicht werden moͤge. Vermoͤg ſeines Wil - lens ſoll er unaufhoͤrlichen Drang haben, alles das zu erfuͤllen und auszufuͤhren, was ihm ſein Verſtand, als das beßte zum Zwe - cke, an die Hand gibt.

§. 67.37Haushaltungs-Wiſſenſchaft

§. 67. Das Erwerben iſt die Bewegung des ganzen Wirkungskreiſes des Erwerbers durch alle Theile des Gewerbes. Verſtand und Wille des Erwerbers kann gut ſeyn, des - gleichen auch die Nahrungsquelle, ſo wie die Erwerbungsmittel; allein es kann ihm an koͤrperlichen Kraͤften, oder an ſolchen Stuͤ - cken fehlen, welche die Einwirkung der Er - werbungsmittel erleichtern und moͤglich ma - chen. Er muß alſo ſchon von weitem die Hin - derniſſe kennen, die ihm das Erwerben ſchwer machen koͤnnen, und dieſelben in ihrem Keime zu erſticken wiſſen. Und eben ſo muß er al - les aus dem Wege raͤumen, was die Be - friedigung der Beduͤrfniſſe durch den Ertrag hindert.

§. 68. Wenn derowegen jemand von wei - tem etwas zu entdecken weiß, das ſeinem Ge - werbe Ungluͤck oder Untergang droht, und als - dann ſein Gewerb durch wirkſame Maasre - geln zu ſchuͤzen weiß, ſo iſt er ein kluger Haushaͤlter. Wenn aber jemand mit Ver - ſtand und Willen zum hoͤchſten reinen Ertrage wirkt, dabei aber den gehoͤrigen AufwandC 3zur38Allgemeinezur Nahrungsquelle und zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe nicht machen will, um den reinen Ertrag zu vermehren, der iſt geizig. Weil der Geizhals ſeine Beduͤrfniſſe nicht befriedigt, ſo iſt er ein Suͤnder gegen das Geſez der einzelnen und allgemeinen Gluͤck - ſeligkeit, und weil er nicht genug an die Erwerbungsmittel verwendet, ſo iſt er ein ſchlechter Haushaͤlter.

§. 69. Das Verzehren oder der Aufwand iſt der lezte, und zugleich ein ſehr wichtiger Theil des Gewerbes. Er iſt der eigentliche Zweck desſelben. Da nun die Befriedigung der weſentlichen und erhoͤhenden Beduͤrfniſſe ſo vollkommen geſchehen ſoll, als moͤglich iſt, hinwiederum auch der hoͤchſte reine Ertrag er - worben werden ſoll, beide Stuͤcke aber in ih - rer Richtung gegen einander laufen, ſo be - ſteht die Kunſt des Haushaͤlters darinnen: daß er erſtlich die Beduͤrfniſſe wohl ord - ne, indem er die allerweſentlichſten zu - erſt, die allerzufaͤlligſten zulezt ſtellet.

§. 70. Zum andern: ſoll er den ganzen Ertrag uͤberſchauen, ihn gegen alle ſeine ge -ordne -39Haushaltungs-Wiſſenſchaftordnete Beduͤrfniſſe halten, und das Ver - haͤltniß wohl beſtimmen. Da nun auch die Sicherung des Ertrages auf die Zukunft mit zu den Beduͤrfniſſen, und zwar zwiſchen die weſentlichen und zufaͤlligen gehoͤrt, ſo ſoll er die wohlfeilſten und zugleich die zweckmaͤſig - ſten Befriedigungsmittel waͤhlen, um erſtlich den allerweſentlichſten, und dann auch den Sicherungsbeduͤrfniſſen Genuͤge zu thun. Auf ſolche Weiſe erhaͤlt er auch bei maͤſigem Ertrage einen reinen Ertrag.

§. 71. Zum dritten: Jſt der Ertrag ſo gros, daß nicht nur die weſentlichen - und Sicherungsbeduͤrfniſſe vollkommen befriedi - get werden koͤnnen, ſondern dann noch rei - ner Ertrag uͤbrig bleibt, ſo ſind wiederum zweierlei Beduͤrfniſſe da, zu welchen dieſer reine Ertrag verwendet werden kann: die Verbeſſerung der Nahrungsquelle geht voran, und unmittelbar darauf folgen die Beduͤrfniſſe der Erhoͤhung des Daſeyns: wenn alſo die Nahrungsquelle den hoͤchſten Grad der Verbeſſerung erreicht hat, ſo kann der uͤbrige reine Ertrag zu den lezteren Be - duͤrfniſſen verwendet werden.

C 4§. 72.40Allgemeine

§. 72. Zum vierten: Wenn ein Haushaͤl - ter dem allem ungeachtet noch reinen Ertrag erwirbt, ſo ſoll er ſeine Nahrungsquelle erweitern, ſich aber niemalen in die Befrie - digung der uͤppigen Beduͤrfniſſe weiter ein - laſſen, als welche die allgemeine Mode ſo nothwendig gemacht, daß er ohne Befriedi - gung derſelben, in der menſchlichen Geſell - ſchaft auffallend, allgemein fuͤr eigenſinnig gehalten, und alſo ſein Wirkungskreis merk - lich gehindert werden koͤnnte.

*Es iſt wohl zu merken, daß ich in dieſen §hen alle einzelne und geſellſchaftliche, auch die Liebeswerke immer mit unter den weſentlichen und erhoͤhenden Be - duͤrfniſſen verſtanden habe.
*

§. 73. Das zweite Hauptſtuͤck der Haus - haltung beſteht darinnen: daß der Haushaͤl - ter den gewonnenen reinen Ertrag zur Ver - beſſerung und Erweiterung der Nah - rungsquelle, nachdem die gehoͤrigen Be - duͤrfniſſe befriedigt worden, anzuwenden wiſſe. Dieſes geſchieht, wenn der Haus - wirth alle einzelne Theile ſeiner Nahrungs - quelle erforſcht, und genau beobachtet, wasuͤber -41Haushaltungs-Wiſſenſchaftuͤberall noch fuͤr Verbeſſerungen moͤglich ſind, und dann dieſelben aus dem reinen Ertrage ins Werk richtet. Hernach wenn er auch eben dieſes in Anſehung der Erwerbungs - mittel zu Stande zu bringen ſucht.

§. 74. Jſt aber die Nahrungsquelle kei - ner Verbeſſerung mehr faͤhig, ſo muß ſie er - weitert werden. Dieſes geſchieht: wenn der reine Ertrag ſelbſten zur Nahrungs - quelle umgeſchaffen wird. Dieſes ſoll auf eine ſolche Weiſe geſchehen, daß die neuent - ſtandene Nahrungsquelle wiederum auf die ergiebigſte Art eingerichtet werde: da nun die Verlehnung der Gelder gegen Renten, die allergeringſte Art einer Nahrungsquelle iſt, ſo ſoll ein Haushaͤlter niemals um Gewinnes willen Gelder auslehnen, weil er dieſen Zweck beſſer erreichen kann, ſondern er ſoll es nur dann thun, wann ihn die Pflicht der Liebe des Naͤchſten dazu auffodert.

§. 75. Dieſe Regeln der Haushaltung ſind im Gewerbe eben ſo wichtig, als die Ge - ſeze der Bewegung in der Natur und Kunſt. Deswegen muͤſſen alle GewerbwiſſenſchaftenC 5nach42Allgemeinenach dieſen Geſezen und aus dieſem Ge - ſichtspunkte gelehrt, gelernt und ausgeuͤbet werden.

Allgemeine Buchhaltungs-Lehre.

§. 76. Der Haushaͤlter muß die Verhaͤlt - niſſe des Aufwandes, des Ertrages und des reinen Ertrages durchs ganze Gewerb wiſſen. Er muß in einem kurzen Augenblicke uͤberſchauen koͤnnen, was ſein Ertrag, und was ſein reiner Ertrag iſt, wie wird er ſonſt wiſſen koͤnnen, wie weit er in Befriedigung ſeiner Beduͤrfniſſe gehen kann. Wenn dero - wegen ein Gewerb ſo mannigfaltig iſt, daß der Hauswirth nicht alles mit dem Gedaͤcht - niſſe faſſen kann, ſo muß er durch Schreiben demſelben zu Hilfe kommen, und das ge - ſchieht durch Buchhalten. Dieſes iſt bei gro - ſen Wirthſchaften ein maͤchtiges Befoͤrde - rungsmittel der Haushaltung.

§. 77. Durch das Buchhalten ſollen alſo gewiſſe Wahrheiten des Gewerbes, die zur richtigen Fuͤhrung einer Wirthſchaft noͤthig zu wiſſen ſind, fuͤr das Gedaͤchtniß aufbehal - ten werden. Wenn nun dieſe Wahrheitenzwar43Buchhaltungs-Lehrezwar alle aufgeſchrieben, aber nicht nach ge - wiſſen Grundſaͤzen einen gewiſſen beſtimmten ihnen gehoͤrigen Ort erhalten, ſo koͤnnen ſie nicht allein nicht bald gefunden, ſondern auch nicht in gehoͤrige Verhaͤltniſſe gebracht wer - den. Derowegen ſollen alle Saͤze von ei - ner Art zuſammen geordnet, und mit andern in einen ſolchen Vergleich geſtellt werden, daß man durch denſelben die verlangte neue und nuͤzliche Verhaͤltniſſe alſofort und mit der leichteſten Muͤhe ent - decken koͤnne.

§. 78. Dinge von einer Art ſind erſtlich die Theile, woraus die Nahrungsquelle zu - ſammen geſezt iſt. Dinge von einer andern Art ſind der Aufwand auf die Nahrungsquel - le, das iſt: die Erwerbungsmittel, da - her entſteht der erſte Titel des Buchhaltens; dieſer enthaͤlt auf einer Seite: die Erwer - bungsmittel, den Aufwand, die Unkoſten, welche an die Nahrungsquelle verwendet wer - den, um ſie ergiebig zu machen, und zwar mit genauer Beſtimmung der Zeit, der Um - ſtaͤnde und der Groͤſe. Auf der andern Sei -te44Allgemeinete ſtehen alle Theile der Nahrungsquelle mit der genauen Beſtimmung der Zeit, der Um - ſtaͤnde und der Groͤſe des Ertrages jeden Theiles. Da nun beide Arten von Dingen genaue Beziehung auf einander haben, und das Verhaͤltniß zwiſchen beiden ohne Ver - gleich nicht beſtimmt werden kann, ſo haͤngt man ſie durch den Titel zuſammen, dieſer iſt: die Nahrungsquelle empfaͤngt (De - bet) (hieher gehoͤrt die erſte Ordnung der Erwerbungsmittel). Gibt ab (Credit) und hieher gehoͤrt die zweite Ordnung: die Thei - le der Nahrungsquelle mit ihrem Ertrage.

*Die Rubrik: Die Nahrungsquelle empfaͤngt; gibt ab, iſt ein allgemei - ner Terminus, ein jeder kann ſeine Nahrungsquelle naͤher beſtimmen, er kann ſagen: mein Ackerbau, mein Hand - werk, meine Handlung u. ſ. w. ſo wie es einen am beßten duͤnkt.
*

§. 79. Wenn die Nahrungsquelle einmal einen beſtimmten Ertrag geliefert, oder ein Zeitlauf voll iſt, ſo, daß man die Verhaͤlt - niſſe wiſſen muß, ſo zaͤhlt man die Theile der erſten Seite zuſammen, und ordnet ſie inein45Buchhaltungs-Lehreein Ganzes, und ſo hat man das Ganze der Erwerbungsmittel. Eben ſo verfaͤhrt man auf der andern Seite, ſo bekommt man das Gan - ze deſſen, was die Nahrungsquelle ausgelie - fert hat, mithin: das ganze Debet und das ganze Credit; erſtes vom lezten abgezogen, bleibt der wahre Ertrag. Ohne dieſes Buch - halten kann ihn der Haushaͤlter nie genau wiſſen.

§. 80. Der Ertrag wird auf die Befrie - digung der Beduͤrfniſſe verwendet, dieſe Be - friedigung nimmt wieder eine Seite ein, und und es muß alſo jedes Stuͤck nach Zeit, Um - ſtaͤnden und Groͤſe, in ſeiner Ordnung dahin gebracht werden. Die andere Seite bekommt den Ertrag in ſeiner Summe, desgleichen diejenigen einzelnen Vortheile, welche taͤg - lich auſerhalb der Nahrungsquelle etwa ge - wonnen werden. Beide Seiten werden durch den Titel verknuͤpft: Die Haushaltung em - pfaͤngt (Debet) hieher gehoͤrt der Aufwand; (Gibt ab) hieher gehoͤrt der Ertrag; wird nun beim Schluſe das Debet vom Credit ab - gezogen, ſo zeigt der Ueberſchuß (Saldo) den wahren reinen Ertrag.

§. 81.46Allgemeine Buchhaltungs-Lehre

§. 81. Das Buchhalten iſt ein weſentli - ches Stuͤck der Gewerbwiſſenſchaft, und dem Haushalter, beſonders in groſen Gewerben wichtig. Obige Saͤze enthalten die allgemei - ne Grundfeſte der Buchhaltungskunſt, die durch alle Gewerbe aufs Einzelne angewen - det und erweitert werden muͤſſen.

§. 82. Das Buchhalten ſezt, wie es jedem leicht einleuchtet, zwo Hilfswiſſenſchaften vor - aus: Rechenkunſt und Schreibkunſt, oh - ne welche dasſelbe gar nicht beſtehen kann: beide Wiſſenſchaften ſind alſo auch in dieſer Abſicht weſentlich noͤthig.

§. 83. Bis dahin gehen die erſten Gruͤn - de der allgemeinen Gewerbwiſſenſchaft, mit - hin der ſaͤmmtlichen Kameralwiſſenſchaften. Jch koͤnnte alſo die Beduͤrfnißlehre, die Pro - duktenlehre, die allgemeine Gewerblehre, die allgemeine Oekonomie und die Buchhal - tungslehre, zuſammen die Kameralontolo - gie nennen.

Zwei -47Einleitung

Zweiter Abſchnitt. Grundlehre der buͤrgerlichen Gewerbkunde. §. 84.

Die Nahrungsquelle iſt bei jedem Gewer - be das vornehmſte: ohne dieſelbe kann keins der andern Stuͤcke beſtehen, ſie iſt der erſte Grund desſelben. Nun ſind aber die Nahrungsquellen ſehr verſchieden, ſie laſſen ſich in Klaſſen ordnen, und weil ſie den Grund des ganzen Gewerbes in ſich enthal - ten, ſo koͤnnen auch alle Gattungen desſel - ben fuͤglich nach den Nahrungsquellen un - terſchieden, und in Ordnungen geſtellt wer - den.

§. 85. Alle Nahrungsquellen ſind darum da, daß ſie dem Erwerber die Befriedigungs - mittel ſeiner Beduͤrfniſſe abgeben ſollen; nun ſind aber alle dieſe Befriedigungsmittel mit - telbare oder unmittelbare Erderzeugungen. Die Erde iſt die allererſte Nahrungsquelle, ſie kann jedes Gewerb entbehren, ohne ſieaber48Allgemeineaber kann keins ſeyn: es iſt alſo ausgemacht, daß das Gewerb mit der Erde, das er - ſte, aͤlteſte und in Wahrheit das Vornehm - ſte iſt.

Allgemeine Landwirthſchaft.

a) Geſchichte der Landwirthſchaft.

§. 86. Das Gewerb mit der Erde beſteht darin: daß man dieſelbe als Nahrungs - quelle ſo beſtimme, baue und zurichte, damit ſie die mehreſten und beßten, mit - relbare und unmittelbare Erzeugungen abgebe, daß man dieſelben als Ertrag zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe ſo ver - wende, damit der hoͤchſt moͤgliche reine Ertrag heraus komme, und daß man dieſen reinen Ertrag wiederum zu Ver - beſſerung und Erweiterung der Nah - rungsquelle verwende. Dieſes iſt die Wort - erklaͤrung der Landwirthſchaft.

§. 87. Die Erde bringt ihre Erzeugungen von ſelbſt hervor, unter jedem Himmelsſtrich traͤgt ſie diejenigen, welche ihrer Natur nach daſelbſt leben und beſtehen koͤnnen. Die Menſchheit in ihrer erſten Kindheit bekuͤmmertſich49Landwirthſchaftſich wenig um die Vermehrung und Vered - lung derſelben, ſondern ſie ſucht ſich nur die - jenigen zu Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe zu - zueignen, die die Natur freiwillig anbeut. Dieſes iſt wohl die allereinfachſte Gattung des Gewerbes, und der allererſte Urkeim der Landwirthſchaft.

§. 88. Der Menſch im wahren bloſen Na - turſtande unter dem mildeſten Himmelsſtri - che kann ſein Daſeyn blos durch den Genuß der Obſt - oder Baumfruͤchte, ganz ohne De - cke fortſezen. Die Verſchaffung des Obſtes iſt ſein ganzes Gewerb, die Erde bringt es von ſelbſten hervor, er hat alſo nichts wei - ter noͤthig, als es abzubrechen, ſich allen - falls einen Vorrath auf die Zeit zu ſammlen, da keins waͤchſt, und davon beſtaͤndig fort ſeine Beduͤrfniſſe zu befriedigen.

*Hier will ich mich ein vor allemal gegen den Vorwurf verwahren, den man mir gegen meine Geſchichten der Erfindung in der Landwirthſchaftkunſt, Handlung - und Staatswirthſchaft machen koͤnnte, heilige und profan Geſchichte ſez ich hier beiſeit, und folge nur dem moͤg -Dlichen50Allgemeinelichen Gange der Natur, welches mir fuͤr dismal genug iſt.
*

§. 89. So wie ſich das menſchliche Ge - ſchlecht vermehrt, ſo muß ſich auch das Be - friedigungsmittel ſeines Beduͤrfniſſes vermeh - ren. Derowegen wird nun der Menſch an - getrieben, Mittel zu ſuchen, wie er die Men - ge des Obſtes vergroͤſern koͤnne, die Erfah - rung lehrt ihn der Natur nachahmen, er pflanzt die Obſtkerne in die Erde, erzeugt ſich eine groͤſere Menge Baͤume, und mit den - ſelben eine hinlaͤngliche Menge Befriedigungs - mittel. Erfahrung, Zufall, Mutterwiz, beſſerer Geſchmack, beſſere Nahrung und beſ - ſeres Wohlbefinden leitet ihn, vor und nach zu Veredlung, Auswahl und geſchickterer Anwendung der Obſtfruͤchte, womit er na - tuͤrlicher Weiſe auch beſſeren Bau der Mut - ter Erde verbindet.

§. 90. Dieſes allererſte Zeitalter der Menſchheit enthaͤlt das allereinfachſte Ge - werb, die allererſten Grundlinien der Land - wirthſchaft, in welchen der einfaͤltigſte Bau der Erde, die einfachſte Gewinnung des Er -trages,51Landwirthſchafttrages, und die einfachſte Anwendung des - ſelben gegruͤndet iſt. Jch will dieſes erſte landwirthſchaftliche Gewerb den Obſtbau nennen.

§. 91. So wie das menſchliche Geſchlecht ſich uͤber die Erde verbreitet, veraͤndert ſich der Himmelsſtrich. Die Haͤrte, der Wech - ſel der Witterung nebſt der Schaam erzeugen das Beduͤrfniß der Decke; man raubt den Thieren mit Verluſt ihres Lebens die ihrige, man macht ſich dieſelbe zum Gebrauche be - quem, erfindet ſolcher Geſtallt Kleider und Huͤtten. Die Erfahrung belehrt, daß ein Thier das andere frißt, dieſes Beiſpiel fuͤhrt zur Nachahmung, man befriedigt die weſent - lichen Beduͤrfniſſe, Nahrung und Decke ganz aus dem Thierreiche, der Menſch wird wild, Erfahrung, Mutterwiz und Zufall lehren ihn Kuͤnſte, die natuͤrliche Geſchicklichkeit der Thiere zu beſiegen, und ſo entſtehn die er - ſten Gruͤnde der Jagdwiſſenſchaft, welche wiederum ein elementar Gewerb der Land - wirthſchaft ausmacht. Zugleich aber entſte - hen in dieſem Zeitlaufe der Menſchheit dieD 2er -52Allgemeineerſten Urkeime der Kunſtwiſſenſchaft, nem - lich die Zubereitung der Kleidung und Wohnung, immittelſt auch der Zuberei - tung der Speiſen.

§. 92. Saͤnftere Sitten, ein Schritt wei - ter in der Verfeinerung. Menſchenmenge in einem kleinen Bezirke, mithin Mangel an Jagdthieren, treiben an, auf andre Befriedi - gungsmittel zu denken: die Bekanntſchaft mit den Thierarten hat ſie gelehrt, daß es deren gibt, die weniger wild, weniger fluͤch - tig und zur Wohnung bei den Menſchen ge - ſchickter ſind, ihr Fleiſch iſt gut zur Nahrung, das Saͤugen ihrer Jungen leitet zum Genuſſe der Milch: folglich wird die Nahrung ver - vielfaͤltigt, man ſchließt das Vieh ein, ge - woͤhnt’s an Weide und Triften, man wohnt bei dem Viehe unter Huͤtten, erfindet ver - ſchiedene naͤhere landwirthſchaftliche Zuberei - tungen der erlangten Produkten, in Fellen, Hoͤrnern, Knochen, Haaren, Wolle, Milch, Butter, Kaͤſe, und ſo weiter.

§. 93. So entſteht die Viehzucht, wel - che ebenfalls ein wichtiger Theil der Land -wirth -53Landwirthſchaftwirthſchaft iſt; ſie iſt die fruchtbare Mutter des Ackerbaues, und zugleich vieler Aeſte der Handwerker und Kuͤnſte.

§. 94. Das Hirtenleben der Menſchen in dieſem Zuſtande iſt umherſchweifend, die Vermehrung und Zuſammenwohnung des Viehes verurſachet, daß bald alles Futter einer Gegend aufgezehrt iſt, folglich die Stel - le veraͤndert werden muß; wann aber die Menſchenmenge gegen das Land ein zu gro - ſes Verhaͤltniß hat, ſo, daß nirgends mehr Futter zu finden iſt, ſo ſuchen die Menſchen durch Bearbeitung der Erde das Futter fuͤr ihr Vieh zu veredlen und zu vermehren: die - ſe Bearbeitung eines Stuͤckes bringt den Be - griff des Eigenthumes in dem Bearbeiter des - ſelben hervor, er beſchuͤzt es als ſein Eigen - thum, baut ſich eine beſtaͤndigere Huͤtte da - bei, und wird alſo im einfachſten Sinne ein Landwirth. Es iſt alſo ſchon aus der Geſchichte der Menſchheit gewiß, daß der Futterbau und die Viehzucht die Grundlage der Landwirthſchaft iſt.

D 3§. 95.54Allgemeine

§. 95. Aufmerkende Beobachtung lehret den erſten Landwirth, daß rieſelnde Ueber - feuchtung des Futterbodens, mehrerer Re - gen, und endlich auch der fette bluͤhende Wuchs an dem Orte, wo der Miſt eines Viehes liegt und fault, folglich naͤchſt dem Waſſer auch der Miſt das Futter veredle und vermehre: daher entſteht eben die erſte An - leitung: wie der Futterboden zu Vermeh - rung und Verbeſſerung ſeiner Erzeugun - gen gewaͤſſert, geduͤngt und bearbeitet werden muͤſſe.

§. 96. Vielleicht die Beobachtung, daß das Vieh durch den Genuß der noch wild - wachſenden Getreidarten ſchleunig wuchſe, fett und fleiſchig wurde; vielleicht noch an - dere Urſachen leiteten den Menſchen zum Ge - nuſſe der Melfruͤchte: man genoß ſie erſt roh, kochte ſie mit dem Fleiſche, und fand ſie ſchmackhafter: man zerrieb ſie, reinigte das Mehl von den Huͤlſen, vermiſchte ſie mit Waſ - ſer, machte allerhand Verſuche durch Roͤſten und Braten, und fand endlich eine vortref - liche Nahrung, die bald zu den weſentlichſten Befriedigungsmitteln werden konnte.

§. 97.55Landwirthſchaft

§. 97. Die wildwachſenden Getreidarten wurden bald verzehrt, man mußte auf Mit - tel denken, dieſelben zu verbeſſern und zu vermehren. Man wußte, daß die Graͤſer und Kraͤuter durch Waſſer und Miſt edler und in groͤſerer Menge wuchſen: folglich verſuchte man’s, ſtreute die Koͤrner hin, waͤſſerte und duͤngte ſie, und ſo fand man, daß die Gras - arten das Getreid uͤberwuchſen und ver - draͤngten. Dieſes leitete zu einem Verſuche, die Erde umzugraben, um die Grasarten und die Kraͤuter auszurotten, dadurch wur - de der Boden locker, und nun wuchs das Getreid ſchoͤn, edel und in Menge.

§. 98. So erfand man die erſten Grund - ſaͤze des Ackerbaues, man lernte einſehen, daß das Waͤſſern nicht zur Nahrung des Ge - treides gut ſei; ſondern daß das Duͤngen eigentlich die Getraidpflanzen naͤhre: man ſtieg von Stufe zu Stufe, ſowohl in Ver - vielfaͤltigung der Fruchtarten, als auch in mehrerer Erkaͤnntniß der Bearbeitung der Er - de, der Wartung, Pflege, Zubereitung und Anwendung der Pflanzen, und ſo kam manD 4end -56Allgemeineendlich in der Landwirthſchaft zu der groͤſe - ren oder geringern Vollkommenheit, in wel - cher ſie in den verſchiedenen Laͤndern der Welt anizo bluͤhet.

§. 99. Durch einen Zufall konnte ein Stein ins Feuer gerathen, und in der Glut ein glaͤnzendes Metall heraus flieſen: daher ge - rieht man auf Verſuche, man ſchmolz vie - lerlei Steinarten in dem Feuer, entdeckte die Metallen und Halbmetallen, Glas - und Kalkarten, Toͤpfergeſchirre, und ſo ferner. Durch weitere Entdeckungen erkannte man den Nuzen dieſer Dinge, man ſchurfte in der Oberflaͤche der Erde nach Erzen, fand Gaͤn - ge, grub nach, und ſo entſtand der Bergbau.

§. 100. Jch behaupte nicht, daß das menſchliche Geſchlecht uͤberall genau auf dem bisher erzaͤhlten Wege zu dem Grade der Er - kaͤnntniß zu der Landwirthſchaft gekommen ſei, den es anizo hat; ich habe blos die Na - turgeſchichte derſelben hingeordnet, auf daß ich ein naturgemaͤſes, folglich das allerbeß - te Lehrgebaͤude der Landwirthſchaft, welches vom allereinfachſten erſten Theile bis zur hoͤch -ſten57Landwirthſchaftſten Vollkommenheit derſelben ſtuffenweis fortſchreitet, zum Gebrauche meiner Leſe - ſtunden aufſtellen moͤge.

*Wie herrlich wuͤrde eine Geſchichte der Landwirthſchaft von allen Laͤndern ſeyn? und wie ſehr wuͤrde uns der Gang des menſchlichen Geiſtes in den Erfahrungen derſelben ergoͤzen und belehren.
*

b) Landwirthſchaftliche Erwerbungen.

§. 101. Durch den Gang der menſchlichen Erwerbungen, ſind ein groſer Theil, aber nicht alle Erderzeugungen zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe verwendet worden. Das Steinreich gibt einen groſen Theil oͤkonomi - ſcher Erzeugungen ab, die uns zwar in der Naturgeſchichte allgemein bekannt werden; allein es iſt noch eine genauere Erkaͤnntniß derſelben, nemlich derer Eigenſchaften noͤthig, auf welche ihre fernere Zuberei - tung und Anwendung zu den Beduͤrf - niſſen gegruͤnder iſt. Dieſe Eigenſchaf - ten lehrt die oͤkonomiſche Mineralogie.

§. 102. Das Pflanzenreich liefert eben - falls eine Menge oͤkonomiſcher Erzeugungen; aber lange nicht alle Pflanzen werden dazuD 5ver -58Allgemeineverwendet. Die oͤkonomiſche Botanik leh - ret uns diejenigen kennen, welche zu Befrie - digung der Beduͤrfniſſe dienen; die Pflan - zenphyſiologie aber zeigt uns an, wie nach dem inneren Baue und Natur der - ſelben, die Geſchaͤfte des Entſtehens, Le - bens und der Fortpflanzung von der Na - tur bewerkſtelliget werden. Auf dieſe Grundſaͤze muß ſich hernach der Bau, die Erziehung, die Zubereitung und die Anwen - dung derſelben gruͤnden.

§. 103. Eben ſo gehoͤrt auch ein anſehnli - cher Theil des Thierreiches zu den oͤkonomi - ſchen Erzeugungen: die Auswahl derſel - ben, und welche zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe verwendet werden, lehrt die oͤkonomiſche Zoologie. Die Phyſiologie des Thieres aber unterrichtet uns, wie nach dem Baue und inneren Einrichtung deſſelben ſein Entſtehen, ſein Leben und ſeine Fortpflanzung durch die Natur be - werkſtelliget werde, damit man die Zucht, Nahrung und Pflege desſelben in Ge - ſundheit und Krankheit nach ſeiner Na -tur59Landwirthſchafttur einzurichten wiſſe. Die Krankheit der Thiere zu heilen, gehoͤrt auch hieher, und dieſes lehret die Vieharzneikunde.

§. 104. Endlich muß man auch die ver - ſchiedene Arten des Erdbodens kennen, und zwar ſo, damit man ihn beurthei - len koͤnne, zu welcher Art von Erzeu - gungen er am bequemſten ſei: auf dieſe Kaͤnntniſſe gruͤndet ſich dann der Bau und Zubereitung der Erde in Abſicht auf die Pflan - zen und Erzeugungen, welche man erzielen will. Man koͤnnte die Erkaͤnntniß der Erd - arten wohl in der oͤkonomiſchen Minera - logie lehren, wie ſchon von dem beruͤhmten Wallerius geſchehen iſt. Allein ein ſolcher Abſchnitt wuͤrde ſich allzuſehr von den uͤbri - gen derſelben entfernen. Es wird daher fuͤglicher in der Landwirthſchaft, dieſer Lehre ein Hauptſtuͤck eingeraͤumt.

§. 105. Mit dieſen Kaͤnntniſſen ausgeruͤ - ſtet, gehen wir nun zu den ausuͤbenden Thei - len der Landwirthſchaft, zu den Erwerbun - gen der Erderzeugungen uͤber. Da wir aber nach den Regeln der wiſſenſchaftlichen Lehr -art60Allgemeineart zu Werke gehen, und alſo immer das leichtere zuerſt, das ſchwerere hernach abhan - deln muͤſſen, ſo fangen wir nach Anleitung der Naturgeſchichte der Landwirthſchaft bei denjenigen Erzeugungen an, welche die Er - de von ſelbſt hervorbringt und ernaͤhret.

§. 106. Die Obſtbaͤume, hohes und nie - driges Gehoͤlze, wachſen ohne Wartung und Pflege von ſelbſt hervor, ſie leben eben ſo fort, und erzeugen ihr Geſchlecht ohne Zu - thun der Menſchen, doch das alles mit gro - ſem Unterſchiede. Das wilde hoch - und nie - driges Gehoͤlze hat am allerwenigſten War - tung noͤthig, man darf es nur fuͤr Aushol - zung und Verwuͤſtung huͤten. Wenn man es anpflanzen will, ſo braucht man nur nach beſtimmten Regeln zu ſaͤen und zu pflanzen, und endlich ſparſam damit hauszuhalten. Dieſes alles lehret die Wiſ - ſenſchaft der Holzzucht, oder die Forſt - wiſſenſchaft. Dieſe enthaͤlt die erſten Li - nien der Landwirthſchaft, und iſt alſo fuͤg - lich das erſte, was darinnen abgehandelt wird.

§. 107.61Landwirthſchaft

§. 107. Die Obſtbaͤume wachſen eben ſo wohl von ſelbſten, als auch andere Baͤume, wann ſie unter ihrem gehoͤrigen Himmelsſtri - che ſind; da aber dieſelben vielfaͤltig in frem - de Gegenden verpflanzt worden, ſo ſind da - her Grundſaͤze entſtanden, nach welchen ſie in ſolchen fremden Boden und Wit - terung gepflanzt, erzogen, vermehret und verbeſſert werden muͤſſen. Dieſe lehret die Baumzucht.

§. 108. Eben dieſes gilt auch von dem Weinſtocke: da, wo er zu Hauſe iſt, erfodert er wenig Wartung; ſo bald er aber in ande - re Gegenden verpflanzt wird, und zwar ſo, daß er vermehrt oder veredelt werden ſoll, ſo muß er ebenfalls naturgemaͤß ge - pflanzt, gewartet und verſorgt werden, damit er die mehreſten und beßten Er - zeugungen abgebe. Dieſes lehrt der Weinbau.

§. 109. Unter den Staudengewaͤchſen ſind ſehr viele, die mannigfaltigen landwirth - ſchaftlichen Nuzen haben, ſie gehoͤren aber zum Forſtweſen.

§. 110.62Allgemeine

§. 110. Das Thierreich liefert gleichfalls ſehr viele Erzeugungen, im Waſſer, auf der Erde und in der Luft, die die Natur ohne Zuthun der Menſchen hervorbringt, und al - ſo wiederum hieher gehoͤren. Wie nun die - ſelben zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe der Menſchen ſollen erworben, und wie damit ſoll hausgehalten werden, das lehrt die Jagdwiſſenſchaft, die ſich in die Fiſcherei, die Jagd und den Vogelfang zertheilet.

§. 111. Verſchiedene Thierarten ſind ſo beſchaffen, daß ſie der Menſch erziehen, ver - pflegen und benuzen kann, ohne daß er be - ſonders auf ihren Futterbau zu ſehen, und ihnen denſelben zu beſorgen hat, hieher ge - hoͤren die Bienen. Wie man dieſelben er - ziehen, warten und pflegen ſoll, damit ſie vermehret, und der hoͤchſte reine Er - trag gewonnen werde, dieſes lehrt die Bienenzucht.

§. 112. Unter die landwirthſchaftlichen Erwerbungen, und zwar zu den betraͤchtli - chen, gehoͤrt auch die Zucht der Seidewuͤr -mer.63Landwirthſchaftmer. Dieſe Thiere naͤhren ſich da, wo die Maulbeerbaͤume wild wachſen, von ſelbſt. An ſolchen Orten hat ihre Wartung, und das Gewerb mit ihrer Erzeugung der Seide we - niger Muͤhe; wo aber auch die Maulbeer - baͤume erzogen, gewartet und gepfleget wer - den muͤſſen, da werden mehrere Erwerbungs - mittel erfodert. Die Heiſcheſaͤze, nach wel - chen der Futterbau der Seidewuͤrmer, ihre Zucht, Pflege, die Erwerbung der Seide und ihre Zubereitung zur rohen Waare verrichtet werden muß, lehrt der Seidebau.

§. 113. Es gibt aber Vieh, durch deſſen Benuzung ſich der Menſch faſt allein ernaͤh - ren, und ſich die weſentlichen Beduͤrfniſſe verſchaffen kann; dieſes aber nicht allein: das Gewerb mit demſelben iſt zugleich ein maͤchtiges, und ſo zu ſagen, das vornehm - ſte Mittel des Ackerbaues und der eigentli - chen Landwirthſchaft, indem es die Nahrung fuͤr diejenigen Pflanzen abwirft, die zu Be - friedigung der weſentlichen Beduͤrfniſſe un - entbehrlich geworden ſind; zugleich aber auchder -64Allgemeinederjenigen Gewaͤchſe, welche zur Handlung mit Nuzen gebaut werden. Den erſten Rang unter dieſen Thierarten verdient das Rind - vieh.

§. 114. Das Rindvieh erfodert eine reichliche, geſunde, fette Nahrung und Ruhe, wenn es guten und vielen Dung, gute und viele Milch, Butter und Kaͤſe, gutes und nahrhaftes Fleiſch, oder gu - tes, geſundes und ſtarkes junges Vieh abgeben ſoll. Die Nahrung des Viehes ſind die Futterkraͤuter, und die Erwerbung dieſer Nahrung geſchieht entweder durch Aus - treiben und Huͤten des Viehes auf Weidplaͤ - zen, oder man verſorgt es in ſeinem Stalle durch die Stallfuͤtterung.

§. 115. Dung, Milch und gutes fettes Fleiſch, und zwar in moͤglichſtér Menge zu erwerben, iſt der Zweck der Viehzucht. Da aber durch das Weiden des Viehes, der Dung zur Halbſcheid verſtreut, mithin fuͤr den Landwirth verlohren geht, durch die Be - wegung mehr Nahrungsſaft verdauet, und alſo die Milch vermindert wird, und endlichaus65Landwirthſchaftaus eben dem Grunde durch die Bewegung das Fleiſch an ſeiner Saftigkeit und Fettig - keit verhindert wird, ſo ſind die Gemein - weiden hoͤchſt ſchaͤdlich.

§. 116. Wann aber ein Landwirth groſe Grundſtuͤcke hat, die geſchloſſen ſind, einen ſchattigten Ort, und eine geſunde Traͤnke ha - ben, ſo erlauben die Grundſaͤze der Land - wirthſchaft allenfalls die Weide auf denſel - ben; weil aller Dung auf ſolchen Stuͤcken bleibt, das Vieh ſich nicht ſtark bewegt, und alſo die reichſte Erwerbung der Milch und des Fleiſches nicht ſehr gehindert wird.

§. 117. Wann das Vieh auf dem Stalle reichlich und mit guter Nahrung gefuͤttert wird, ſo wird der ganze Endzweck, den man mit dem Viehe beaͤugt, vollkommen erfuͤllt: folglich iſt die Stallfuͤtterung unter dem Be - dinge, daß das Vieh reichlich und mit guter Nahrung gefuͤttert werde, die vollkommenſte Art der Viehzucht.

§. 118. Reichliche und gute Nahrung fuͤr das Vieh erhaͤlt man durch den Futterbau. Das erſte, was man dabei zu beobachten hat,Eiſt:66Allgemeineiſt: daß man das Verhaͤltniß zwiſchen der Menge des Viehes, und der Menge des Futters ſo beſtimme, daß nach reich - licher und guter Ausfuͤtterung des Vie - hes kein Futter mangle, und keins uͤb - rig bleibe. Das zweite: daß man unter allen Futterkraͤutern diejenigen baue, welche mit weniger Muͤhe am reichlichſten gezeugt, und zur beßten Nahrung fuͤrs Vieh werden koͤnnen. Die Gattungen der beßten Futter - kraͤuter erkennt man in der oͤkonomiſchen Boranik, ſie auswaͤhlen lehrt die Erfahrung, und ſie zu bauen, der Futterbau.

§. 119. Der Boden, welcher zum Futter - baue verwendet wird, theilt ſich in natuͤrliche und kuͤnſtliche Wieſen. Die Beſchaffenheit des Bodens, die Lage desſelben, der Mangel oder der Ueberfluß des Waſſers muß beſtimmen, welche unter beiden Arten den Vorzug habe.

§. 120. Die Grundſaͤze, welche lehren: wie man das Rindvieh auf die beßte, nuͤzlichſte und bequemſte Weiſe erziehen, ernaͤhren und alle ſeine Erzeugungen ver - mehren, verbeſſern und zum Nuzen derLand -67LandwirthſchaftLandwirthſchaft zum Ertrage machen muͤſſe, enthaͤlt die Rindviehzucht.

§. 121. Die Schaafe liefern Fleiſch, Wol - le, Dung, Felle und junge Schaafe an den Landwirth ab; ſie ſind ebenfalls ein nuͤzliches Vieh. Wie dieſelben auf die nuͤzlichſte Weiſe erzogen, ernaͤhret und alle ihre Erzeugungen vermehret, verbeſſert und zum Nuzen der Landwirthſchaft, zum Ertrage gemacht werden muͤſſen; lehrt die Schaafzucht.

§. 122. Die Ziegen haben auch wegen ih - rer Milch; Felle; Fleiſch und Jungenzucht, Nuzen in der Landwirthſchaft, aber nur unter gewiſſen Bedingen. Die Regeln, unter welchen ſie zu dulden, zu erziehen und nuͤzlich zu gebrau - chenſeien, koͤnnen in einem beſondern Abſchnit - te der Landwirthſchaft hingeordnet werden.

§. 123. Die Schweine ſind wegen ihres Fleiſches, des Handels mit denſelben, und wegen ihrer weniger koſtbaren Nahrung in der Landwirthſchaft ſehr nuͤzlich. Wie ſie auf die beßte Weiſe erzogen, ernaͤhrt und zum vortheilhafteſten Ertrage ge -E 2macht68Allgemeinemacht werden muͤſſen, das lehrt die Schweinezucht.

§. 124. Die Pferde ſind wegen ihres viel - faͤltigen Nuzens zu allerhand Arbeiten, und daher ruͤhrendem Werthe im Handel, als - dann eine vortheilhafte Waare, wann der Bau ihres Futters nicht koſtbar iſt, und der Ertrag den Aufwand hinlaͤnglich uͤberſteigt. Die Frage alſo: Unter welchen Bedingen die Pferdezucht nuͤzlich, nach welchen Kennzeichen die beßten Roßarten auszu - waͤhlen, dieſelben zu ernaͤhren, zu er - ziehen, zur Arbeit anzuwoͤhnen, und endlich, wie ſie zum hoͤchſten Ertrage zu veraͤuſern ſeien, loͤßt die Stuterei auf.

§. 125. Die Eſel - und Mauleſelzucht iſt nicht allgemein, doch gehoͤrt ſie zur Stuterei, und kann auch mit derſelben abgehandelt werden. Auch iſt es nuͤzlich, daß man da - ſelbſt etwas von der Kameelzucht mit einruͤcke.

§. 126. Die mancherlei Gattungen von Gefluͤgel, welche in der Landwirthſchaft ge - braͤuchlich ſind, wie dieſelben erzogen und auf die beßte Weiſe benuzt werden muͤſ - ſen, das lehrt die Federviehzucht.

§. 127.69Landwirthſchaft

§. 127. Endlich ſind noch verſchiedene Thierarten, welche aus vielerlei Urſachen in der Landwirthſchaft im Gebrauche ſind. Die beßte Erziehung und Anwendung der - ſelben kann in einem beſondern Haupt - ſtuͤcke der Landwirthſchaft: von den Hausthieren, abgehandelt werden.

§. 128. Die bisher abgehandelten land - wirthſchaftlichen Erwerbungen legen nun den Grund, durch Verſchaffung der Pflanzennah - rung und Bearbeitung des Bodens, zu der hauptſaͤchlichſten Erwerbung landwirth - ſchaftlicher Gewaͤchſe. Dieſe theilen ſich in Getreid, Huͤlſenfruͤchte, Wurzelfruͤch - te, Gemuͤſe und Handelskraͤuter oder Pflanzen. Wie man die Erde nach der Beſchaffenheit einer jeden Erdart und Pflanzenart zubereiten, eine jede Pflan - zenart ſaͤen, pflanzen, erziehen, und endlich einerndten muͤſſe, damit der hoͤch - ſte und beßte Ertrag heraus komme, lehrt der Ackerbau.

§. 129. Der Gartenbau unterſcheidet ſich vom Ackerbaue blos durch die beſſere Zube -E 3reitung70Allgemeinereitung der Erde, und durch beſondere Ge - waͤchſe, welche wegen ihrer edleren Natur und Gebrauch vorzuͤgliche Wartung verdie - nen. Er gehoͤrt alſo unter den Titel des Ackerbaues, kann aber wegen ſeiner beſon - dern Grundſaͤze unter einem eigenen Ab - ſchnitte abgehandelt werden.

§. 130. Das erſte Stuͤck des Ackerbaues iſt die Zubereitung des Bodens. Die - ſe gruͤndet ſich auf zwei Stuͤcke, welche be - ſtimmen muͤſſen, wie dieſe Zubereitung ge - ſchehen ſoll; erſtlich: auf die Beſchaffen - heit des Bodens ſelber; dieſe wird aus der Natur ſeiner Erdarten, ſeiner Lage und zufaͤlligen Eigenſchaften erkannt. Zweitens: auf die Natur der Pflanzen, welche der Boden tragen ſoll; dieſe wird aus der oͤkonomiſchen Botanik und der Pflanzenphyſiologie erkannt.

§. 131. Eine jede Zubereitung der Erde beſteht wieder in zweien Hauptſtuͤcken, erſt - lich: daß man die Erde locker mache, auf daß ſich die Wurzeln der Pflanzen gehoͤrig ausbreiten koͤnnen, zugleich aberden71Landwirthſchaftden Graͤd der Lockerheit ſo beſtimme, damit die Pflanzen feſten Stand haben moͤgen. Zweitens: muß der Duͤnger zur Pflanzennahrung geſchickt gemacht, auf die nuͤzlichſte Weiſe uͤber dem Boden verſpreiter, innig mit demſelben ver - miſcht, und alſo jeder Pflanze reichlich dargereicht werden.

§. 132. Wann der Boden zubereitet iſt, ſo wird entweder der Saamen geſaͤet, oder die Pflanze gepflanzt, jenachdem es die Na - tur der Pflanze erfodert. Eben die Natur und die Eigenſchaften derſelben muͤſſen be - ſtimmen, zu welcher Zeit der Boden zube - reitet, das Saͤen und Pflanzen geſchehen, und auf welche Art es geſchehen ſoll, das iſt: wie tief und wie weit von einander die Saamenkoͤrne oder die Pflanzen in die Erde gebracht werden muͤſſen. Auf eben dieſen Gruͤnden beruht auch die fernere Behandlung des Bodens und der Pflanzen.

§. 133. Die Erziehung der Pflanzen beſteht darinnen: daß man auf alle nur moͤg - liche Weiſe, und durch Natur gemaͤſe Mit -E 4tel72Allgemeinetel den Wachsthum derſelben befoͤrdere, und alle Dinge, die denſelben hindern, aus dem Wege raͤume. Ferner: daß man diejenigen Theile der Pflanze, um welcher Willen der ganze Bau angeſtellet worden, vornehmlich pflege, und derſelben Veredlung und Ver - mehrung beſtaͤndig zum Ziele ſeze.

§. 134. Die Einerndtung der Pflanzen be - ſteht in folgenden Stuͤcken: erſtlich, daß man den gehoͤrigen Grad der Reife kenne, wel - chen ſie haben muͤſſen, wann ſie ihre hoͤchſte Vollkommenheit erreichen ſollen. Zweitens: daß man ſie auf die nuͤzlichſte und bequemſte Weiſe von der Erde ſondere. Drittens: daß man ſie gehoͤrig zubereite, damit ſie ſich auf - bewahren laſſen. Und viertens: daß ſie ge - hoͤrig eingeſcheuert, und alſo zum Gebrauche bequem aufbehalten werden moͤgen.

§. 135. Die oͤkonomiſchen Erzeugungen des Steinreiches gehoͤren ebenfalls in die Landwirthſchaft. Wie man dieſelben ihrer Natur nach erkennen lernen muͤſſe, lehrt die Minerallehre; wie man ſie aufſuchen, der Erde abgewinnen, und ſie von den fremdenun -73Landwirthſchaftunnuͤzen Steinarten befreien muͤſſe, lehrt der Bergbau. Und wie man endlich das edle brauchbare Mineral von allen fremden Thei - len ſeiner innern Zuſammenſezung befreien muͤſſe, lehrt die Schmelzkunſt, oder Metal - lurgie: alle drei Stuͤcke zuſammen begreift die Bergwerkswiſſenſchaft in ſich.

§. 136. Unter den bisher bezeichneten Er - werbungen der oͤkonomiſchen Erzeugungen, ſind ſo viel ich mich beſinne, alle Gattungen landwirthſchaftlicher Geſchaͤfte oder Gewerbe begriffen, und nachdem dieſelben nun nach allgemeinen Grundſaͤzen geordnet und ver - handelt worden, ſo muß ich auch allgemeine Regeln entwerfen, nach welchen die land - wirthſchaftliche Haushaltung gefuͤhret werden ſoll.

Landwirthſchaftliche Haushaltung.

§. 137. Die landwirthſchaftliche Haus - haltung lehrt: wie man verſchiedene landwirthſchaftliche Erwerbungen, be - ſonders Viehzucht und Ackerbau in ein Gewerb zuſammen vereinigen muͤſſe, da - mit der hoͤchſt moͤgliche Ertrag gewon -E 5nen74Allgemeinenen werde. Ferner: wie man dieſen Er - trag zu den Beduͤrfniſſen der Haushal - tung verwenden muͤſſe, damit der hoͤchſt moͤgliche reine Ertrag gewonnen werde. Und endlich wie man den reinen Ertrag wiederum zu Verbeſſerung und Erwei - terung der Nahrungsquelle anlegen muͤſſe.

§. 138. Das erſte Stuͤck eines jeden Ge - werbes iſt die Nahrungsquelle. Die land - wirthſchaftliche Nahrungsquelle iſt die Erde. Wer alſo eine landwirthſchaftliche Haushal - tung errichten will, der muß ſich zuerſt ei - nen Theil der Erde erwerben, und ſich denſelben zur Nahrungsquelle einrichten.

§. 139. Die Erwerbung einer landwirth - ſchaftlichen Nahrungsquelle geſchieht entwe - der durch Erbſchaft, oder durch Pfacht, oder durch Kauf. Jm Falle der Erbſchaft iſt man an die Nahrungsquelle gebunden, man kann ſie nur verbeſſern und erweitern; oder wenn ſie nicht hinlaͤnglich waͤre, ſo muͤß - te man ſie verkaufen, und ſich eine beque - mere anſchaffen.

§. 140.75Landwirthſchaft

§. 140. Wer ſich eine Nahrungsquelle pfachten will, der muß den Ueberſchlag ma - chen, ob der Ertrag derſelben hinlaͤnglich ſeyn koͤnne, die Befriedigung der Beduͤrfniſſe, und das Pfachtgeld abzutragen, ſo, daß wenigſtens etwas reiner Ertrag uͤbrig bleibe.

§. 141. Die Erwerbung einer Nahrungs - quelle durch Kauf, iſt zweierlei: entweder man kauft eine, die ſchon eingerichtet iſt, oder man nimmt ein wuͤſtes Stuͤck der Erde in Beſtand, um es urbar zu machen. Jm erſten Falle muß darauf geſehen werden, daß nach Abzuge aller Abgaben, aller Befriedi - gung der Beduͤrfniſſe und der Renten des Kaufſchillinges, noch reiner Ertrag uͤbrig bleibe. Jm zweiten Falle muß das wuͤſte Land alle Faͤhigkeiten haben, daß es durch gehoͤrige Zubereitung zur Viehzucht und Acker - baue bequem gemacht werden koͤnne.

§. 142. Nachdem man ſich eine Nahrungs - quelle erworben hat, ſo muß ſie auch zube - reitet werden, und das geſchieht durch die Erwerbungsmittel. Zu dieſen gehoͤrt zu - erſt das Geſinde, Arbeitsleute, Tagloͤhner. Das76AllgemeineDas Geſinde muß dem Verſtande und Wil - len nach geſchickt zu der Arbeit ſeyn, die ihm obliegt, und dazu muß es auch die gehoͤrige Leibeskraͤfte und Geſundheit haben.

§. 143. Fuͤrs zweite gehoͤrt das Zugvieh, Ochſen oder Pferde zu den Erwerbungsmit - teln: dieſe muͤſſen wohl gebildet, gros, ge - ſund und ſtark ſeyn. Drittens iſt auch jede Viehzucht, beſonders das Rindvieh, in Ab - ſicht auf den Dung, ein Erwerbungsmittel. Zu dieſem Zwecke iſt geſundes ſtarkes Vieh, und die Stallfuͤtterung noͤthig. Der Dung aber ſoll durch alle Mittel zu rath gehalten, vermehrt und verbeſſert werden. Endlich ge - hoͤren noch zu den Erwerbungsmitteln alle Werkzeuge und Geraͤthe, die zur Zuberei - tung der Erde, zum Saͤen, Pflanzen, Er - ziehung und Einerndtung der Pflanzen noͤthig ſind. Dieſe ſollen ſo viel moͤglich einfach, ohne viele Zuſammenſezung, ſtark, wohlfeil und zu ihrem Zwecke auf die beßte Art be - quem gemacht werden.

§. 144. Vornehmlich iſt aber auch zu dem landwirthſchaftlichen, wie zu allen Gewerben,ein77Landwirthſchaftein Erwerber noͤthig. Dieſer heißt der Land - wirth. Er ſoll ſein Gewerb: das iſt die Ein - richtung und beßte Zubereitung der Nah - rungsquelle und anderer landwirthſchaftli - chen Erwerbungen, die beßte Anordnung der Erwerbungsmittel, die beßte Anwendung derſelben auf die Nahrungsquelle zum hoͤch - ſten Ertrage, die zweckmaͤſigſte Befriedigung aller Beduͤrfniſſe der Haushaltung zu Er - ſparung des hoͤchſten reinen Ertrages, und endlich die Anwendung desſelben zu Verbeſ - ſerung und Erweiterung der Nahrungsquel - le, nicht allein aus dem Grunde verſtehen, ſondern auch Kraft und Drang haben, das alles auszufuͤhren.

*Jch hab hier die Landwirthin ausge - laſſen; man kann ſich dieſelbe hinzuden - ken, ſie iſt Erwerber mit, und ihr kom - men eben die Eigenſchaften desſelben in ihrem Fache zu.
*

§. 145. Wann der Erwerber eine Nah - rungsquelle und Erwerbungsmittel hat, ſo muß er nun erwerben, verzehren und darnach trachten, reinen Ertrag zu ge - winnen. Die landwirthſchaftliche Nahrungs -quelle78Allgemeinequelle heißt ein Landgut, der Erwerber ein Landwirth: folglich, wenn der Landwirth oder Bauer ein Landgut und gehoͤrige Erwer - bungsmittel hat, ſo ſoll er wirthſchaften oder haushalten.

§. 146. Das vollkommenſte Muſter einer landwirthſchaftlichen Haushaltung iſt: die Umſchaffung einer wohlgelegenen frucht - baren wuͤſten Gegend unter einem ge - maͤſigten Himmelsſtriche zu einem voll - ſtaͤndigen Landgute. Bei dieſer Einrich - tung und Zubereitung der landwirthſchaftli - chen Haushaltung kommt alles vor, was zu derſelben gehoͤret.

§. 147. Die beßte Lage einer Gegend iſt Berg und Thal, das iſt: Huͤgel oder Berg - ſeiten, die nicht gar gaͤh ſind, und Ebenen, und welche einen Ueberfluß an ſuͤßen Quellen und klaren Baͤchen haben. Die Lage ſoll auch, ſo viel moͤglich, gegen die Sonne, das iſt: an der Sommerſeite ſeyn. Die Fruchtbarkeit wird theils an den Erdarten erkannt: wann der Boden von Sandthon und Faulerde (ſchwarze Erde) die gehoͤrige Miſchung hat;theils79Landwirthſchafttheils auch an den Gewaͤchſen: hohes wuch - ſiges Gehoͤlze, ſaftige, hoch aufgeſchoſſene mannigfaltige Stauden, uͤberall Ueberfluß an den ſchoͤnſten Kraͤutern und Grasarten, uͤberall Mangel an Felſen, Mooſen und Stein - flaͤchen, u. d. gl.

§. 148. Der gemaͤſigte Himmelsſtrich bringt die kaͤltere Gewaͤchſe zu groͤſerer Voll - kommenheit, die waͤrmere aber zeitiget er ebenfalls, wann ſie gehoͤrig gewartet und ge - pfleget werden: folglich iſt er fuͤr ein ſolches Landgut der beßte, das man als ein Muſter der Landwirthſchaft aufſtellen will, indem wegen der vielfaͤltigen Gewaͤchſe, die mehre - ſten landwirthſchaftlichen Erwerbungen da - bei vorkommen.

§. 149. Das erſte, was der Landwirth zu thun hat, iſt die Befriedigung der we - ſentlichſten Beduͤrfniſſe der Haushaltung, das iſt: der Menſchen und des Viehes, zur Nahrung und zur Decke. Nahrung fuͤr Men - ſchen gibt das Vieh bis auf Brod, welches angeſchaft werden muß, daher muß zuerſt die Nahrung des Viehes, das iſt der Futterbaube -80Allgemeinebeſorgt werden, dieſes geſchieht durch Anle - gung natuͤrlicher Wieſen.

§. 150. Derowegen muß der Landwirth Ebenen in genugſamer Menge dazu beſtim - men, auf welche man uͤberall Waſſer hinlei - ten, und ſie alſo waͤſſern kann. Auf dieſer Ebene muͤſſen erſtlich alle Stauden und Ge - hoͤlze mit der Wurzel ausgerottet, und alle Steine weggeſchaft, das iſt: ſie muß gero - det werden; alsdann hackt man den Raſen um, graͤbt das Hoͤckerigte ab, fuͤllt die Tie - fen damit aus, und gibt der ganzen Ebene eine etwas ſchiefe Lage durch Erhoͤhen und Vertiefen, macht dem Waſſer einen Abfluß, damit es nicht ſtehe, und die Wieſe ſum - pfigt mache, worinnen die Graͤſer ſauer fau - len, und das wachſende Gras mit verſaͤu - ern; alsdann leitet man waſſerpaße Graben uͤber die Hoͤhen, welche keinen Ausfluß ha - ben, die alſo das ganze Ufer uͤberſeigern, und die ganze Flaͤche durchrieſeln. Die ab - gehackte Raſen werden getrocknet, verbrannt, die Aſche uͤberall hingeſpreitet, Saamen von den beßten Kraͤutern und Graͤſern darauf ge -ſaͤet -81Landwirthſchaftſaͤet, und dann immerfort im Herbſte und Fruͤhjahre gewaͤſſert, ſo iſt die Wieſe auf die beßte Weiſe eingerichtet.

§. 151. Nachdem die Nahrung fuͤr Men - ſchen und Vieh geſichert iſt: ſo muß auch die Decke beſorgt werden; hieher gehoͤrt Woh - nung und Stallung. Beide Stuͤcke muͤſ - ſen beiſammen an einem ſolchen Orte ange - legt werden, wohin die mehreſte Einfuhr wo nicht alle, abwaͤrts, mithin die mehreſte Aus - fuhr aufwaͤrts gehe: denn weil mehr ein - als ausgefahren wird, ſo iſt natuͤrlich, daß erſteres vorzuͤglich erleichtert werden muͤſſe, weil man alsdann mehr aufladen kann, und zugleich das Zugvieh verſchont.

§. 152. Weil niedrige Oerter leicht ſum - pfigt ſind, ſo muß der Wohnplaz erſt durch Abzuggraben getrocknet werden, eh man den Grund legt. Hernach macht man den Plan der Wohnung, welcher ſo eingerichtet wer - den muß, daß er zu Aufbewahrung des Fut - ter - und Frucht Ertrages, zur Wohnung fuͤr Menſchen und Vieh, und zu allen landwirth - ſchaftlichen Zubereitungen der Erzeugungen,Fmit -82Allgemeinemithin zu Erleichterung der ganzen Haushal - tung, die beßte und zugleich die wohlfeilſte Bauart angebe.

*Ein ſolcher Plan gehoͤrt in die Grund - ſaͤze der Landwirthſchaft, und ſobald ich dieſelben herausgebe: ſo werd ich ihn nach beßtem Vermoͤgen naͤher beſtim - men.
*

§. 153. Der Ueberfluß guter und nach ge - legener Mauerſteine, oder der Mangel der - ſelben ſoll den Landwirth beſtimmen, ob er ſeine Wohnung mauern oder von Holze zim - mern laſſen ſoll; doch, da lange Zeiten dazu hingehen, ehe ein Bauholz vollgewachſen iſt, da die Feuersgefahr bei hoͤlzernen Gebaͤuden groͤſer, als bei ſteinernen iſt, und da end - lich ſteinerne laͤnger ausdauern: ſo ſoll er, wo moͤglich, die gemauerte Wohnung vor - ziehen.

§. 154. Auf die Erſparung und Gewin - nung des Holzes zum Brennen, zum Haus - und Ackergeraͤthe, oder auch zum Verkaufen oder Verkohlen, ſoll der Landwirth auch den - ken. Zur Holzzucht muß er die hoͤchſten und entlegenſten Gegenden der Berge erwaͤhlen,die -83Landwirthſchaftdieſelben nach den Grundſaͤzen der Forſtwiſ - ſenſchaft behandeln, und dieſelben ſchuͤzen, hegen und pflegen, ſo wird er ohne Anlage und Unkoſten jaͤhrlich einen Ertrag erwerben, der ihm nuͤzlich ſeyn kann.

§. 155. Nun muß der Landwirth zu dem Ackerbaue Anſtalten machen, und denſelben einzurichten ſuchen. So wie die Viehzucht ohne den Futterbau nicht beſtehen kann, und ſo wie erſter nach dem Verhaͤltniſſe des lezten ſich richten muß, ſo kann der Ackerbau ohne den Dung nicht ſeyn, und erſter kann wiede - rum nicht weiter gehen, als der lezte reicht; da aber nun der Ertrag der Landwirthſchaft vornehmlich auf dem Ackerbaue beruht: ſo muß der Dung mit hoͤchſtem Fleiſe vermehrt und verbeſſert werden.

§. 156. Der Viehſtand ſezt zwar der Men - ge des Dunges gewiſſe Graͤnzen; allein er iſt dem ohngeachtet doch einer groſen Vermeh - rung faͤhig. Die Beſtandtheile aller Pflan - zen ſind ſich gleich, ſo gar auch die Thiere beſtehen aus Waſſer, Erde, Luft, Oel und Salz, mithin koͤnnen alle dieſe Dinge denF 2Dung84AllgemeineDung vermehren. Aber ſie muͤſſen erſt durch die Faͤulung in ihre erſte Beſtandtheile auf - geloͤßt, und durch dieſelbe zur Pflanzennah - rung zubereitet werden.

§. 157. Der Miſt und der Urin, Pflanzen freſſender Thiere, iſt die eigentliche und beß - te Pflanzennahrung; daher ſoll dieſelbe gei - zig zu rath gehalten und verſparet werden; dieſes iſt einer von Hauptzwecken, der die Einrichtung des Stalles und der Miſtſtaͤtte beſtimmen hilft. Allein auch dieſer Abgang der Thiere hat eine groſe Neigung zur Faͤu - lung, er iſt ein wahres Gaͤhrungsmittel; wenn man deswegen leichtfaulende Pflanzen und Abfaͤlle von Thieren genau damit ver - miſcht, ſo fault alles zuſammen, und loͤßt ſich in die beßte Pflanzennahrung auf.

§. 158. Die Dinge, welche mit dem Mi - ſte zur Faͤulung kommen, und alſo Duͤnger werden ſollen, werden dem Viehe zum La - ger untergeſtreut; deswegen ſollen ſie trocken, weich und geſund fuͤrs Vieh ſeyn, ſie werden alsdann durch die Fuͤſe der Thiere in den Miſt geknetet, damit vermiſcht, und alſo zuge -85Landwirthſchaftgeſchwinderer Faͤulung zubereitet; und des - wegen ſoll der Stall nur alle vier bis fuͤnf Tage, oder gar alle Woche nur einmal aus - gemiſtet werden. Jm Winter iſt dieſes vor - zuͤglich vortheilhaft, weil der Miſt waͤrmt, und auch langſamer fault.

§. 159. Auf der Miſtſtaͤtte ſoll der Dung foͤrmlich und wohl in einander gelegt, auch koͤnnen hier noch Raſen, Laub u. d. gl. da - zu gemiſcht werden, damit man die Beſſe - rung vermehre; auf daß aber alles deſto beſ - ſer faule, ſo ſoll die Miſtſtaͤtte ausgehoͤhlt und ohne Abzug ſeyn: damit ſich eine Sudel ſammle, und man damit den Dunghaufen begieſen, und ſo die Faͤulung und Vermeh - rung der Dunge befoͤrdern koͤnne.

§. 160. Weil die Natur, Waſſer, Erde und Luft zur Pflanzennahrung reichlich ver - ſorgt: ſo muß der Dung vorzuͤglich fette und ſalzigte Theile enthalten; dieſe zu verſchaffen iſt das Hauptſtuͤck. So viel Erde, als noͤ - thig iſt, Oel und Salz einzutrinken, und ſo viel Feuchtigkeit, um alles zuſammen beſ - ſer miſchbar zu machen, machen die wahreF 3Be -86AllgemeineBeſchaffenheit des beßten Dunges aus. Zu - miſchung vieler Erde und Waſſers vermehrt nur die Maſſe, nicht aber die Guͤte.

§. 161. Dungerden haben nur dann Nu - zen, wann ſie entweder den Raſen geſchwind in Faͤulung ſezen, oder wann ſie die Erde verduͤnnen und zur Pflanzennahrung geſchickt machen, welches nur bei ſolchen Pflanzen an - geht, die meiſt aus Waſſer und Erde beſte - hen, als da ſind Klee und Graͤſer. Oder endlich, wann ſie durch Vermiſchung ſchlechte Erdarten verbeſſern.

§. 162. Der Landwirth ſoll nicht mehr Land zu Ackerſtuͤcken roden, als er reichlich uͤberduͤngen kann; denn ein kleineres, aber wohlbeduͤngtes Land, gibt bei geringerer Ar - beit und Erwerbungsmitteln mehr Ertrag, als ein groͤſeres, aber mageres; und doch erfodert dieſes mehrere Arbeit. Das Roden geſchieht wie bei den Wieſen. Alle holzigte Ge - waͤchſe werden mit der Wurzel ausgerottet, die Steine weggeſchaft, der Raſen umge - hackt, und zu Aſche verbrannt. Dieſe gleich daruͤber her verbreitet, im Herbſte umge -ackert,87Landwirthſchaftackert, im Fruͤhjahre wieder, im Sommer abermal, gegen den Herbſt reichlich geduͤngt, wieder geackert, mit Winterfrucht geſaͤet, und vollends zubereitet.

§. 163. Je mehr Dung, je mehr Aecker; je mehr Vieh, je mehr Dung; je mehr Fut - ter, je mehr Vieh. Derowegen ſoll der Fut - terbau gegen den Ackerbau in ſtarker Verhaͤlt - niß ſtehen.

§. 164. Die Frage: welche Pflanzen und Erzeugungen der Landwirth vorzuͤglich zu bau - en habe, muß er ſich durch die Beſchaffenheit der Gegend, die er bewohnt, beantworten. Daher entſteht ein wichtiger Grundſaz: al - le Erzeugungen, die dem Landwirthe den hoͤchſten Ertrag einbringen, die ſoll er bauen. Jſt Milch, Butter, Kaͤſe und Fleiſch hoͤher im Werthe als Gewaͤchſe, ſo ſoll er ſein Land zu natuͤrlichen und kuͤnſtli - chen Wieſen umſchaffen, den Viehſtand nach dieſem Verhaͤltniſſe vermehren, und auf den Ertrag desſelben ſein hoͤchſtes Augenmerk richten.

F 4§. 165.88Allgemeine

§. 165. Jſt das Getreide im hoͤchſten Wer - the: ſo ſoll er den Dung aufs hoͤchſte vermeh - ren und verbeſſern, und vorzuͤglich das Ge - treid in groͤſter Menge bauen, welches den hoͤchſten Werth hat. Eben dieſe Grundre - geln ſoll er bei allen Nahrungs - und Hand - lungspflanzen und Erzeugungen beobachten.

§. 166. Gegen dieſen Grundſaz wird ein Einwurf gemacht; man ſagt: wenn nun ein Jeder die theuerſten Erzeugun - gen baut, ſo kann an andern noͤthi - gen Stuͤcken Mangel entſtehen. Dieſer Einwurf hat keinen Grund; denn wenn der theuerſten Erzeugungen viel werden, ſo fal - len ſie im Preiſe. Diejenigen aber, an wel - chen Mangel iſt, ſteigen; daher werden lez - tere ſo viel ſtaͤrker gebaut, ſo viel ſie am Wer - the zunehmen; erſtere aber ſo viel weniger: folglich ſchuͤzt eben mein obiger Grundſaz ge - gen dieſen Einwurf.

§. 167. Wenn der Landwirth auf alle nur moͤgliche, und auf die nuͤzlichſte Weiſe, ſei - ne Nahrungsquelle zubereitet und gebaut hat: ſo bekommt er auch den moͤglichſt hoͤchſten Er -trag,89Landwirthſchafttrag. Von dieſem ſoll er nun die Beduͤrfniſſe ſeiner Haushaltung aufs beßte befriedigen, und zwar ſo: damit er den hoͤchſtmoͤglichen reinen Ertrag erwerbe. Nun haben aber die wenigſten Erzeugungen die Beſchaffenheit, daß ſie ohne naͤhere Zubereitung Befriedi - gungsmittel werden koͤnnen; daher entſteht eine landwirthſchaftliche Kunſtwiſſen - ſchaft.

§. 168. Hieher gehoͤrt das Dreſchen, Rei - nigen, Mahlen, Brodbacken, Mehl und al - le dahin gehoͤrige Mehlſpeiſen mit ihren Zu - bereitungen, Obſtdoͤrren, Einmachen der Gemuͤſſe, die ganze landwirthſchaftliche Koch - kunſt. Flachs, Hanf, Leinwandbau, Wol - lenzubereitungen, Naͤhen, Stricken, Spin