PRIMS Full-text transcription (HTML)
Verſuch einer Grundlehre ſaͤmmtlicher Kameralwiſſenſchaften
zum Gebrauche der Vorleſungen auf der Kurpfaͤlziſchen Kameral Hohenſchule zu Lautern
Lautern,im Verlage der Geſellſchaft1779.

Dem Hochgebohrnen Reichsfreiherrn Herrn Franz Albert von Oberndorf Sr. Kurfuͤrſtlichen Durchlaucht zu Pfalz Kaͤmmerer, wirklichen geheimen Staats - und Conferential-Miniſter, Hofrichter, Ehrenpraͤſident der Akademie der Wiſſen - ſchaften, Oberamtmann zu Boxberg, Rit - ter des Kurfuͤrſtlichen Ritterordens vom Pfaͤlziſchen Loͤwen ꝛc. ꝛc. Meinem gnaͤdigen Herrn

Hochgebohrner Reichsfreiherr! Gnaͤdiger Herr!

Euer Excellenz hohe Gnade, welche Dieſelben gegen mich aͤuſerten, als ich lezthin das Gluͤck genoß, Hochdenſel - ben vorgeſtellt zu werden, nicht weni - ger auch die warme Theilnehmung an dem Wohle der Kameral-Hohenſchule, welche Sie nicht allein damahl, ſondern bis da - her bei allen Gelegenheiten maͤchtig haben wirken laſſen, macht mich ſo kuͤhn: Eu - er Excellenz die erſte Arbeit meines Lehramtes feierlich und oͤffentlich zuzueig - nen und zu widmen.

Nicht

Nicht allein meine perſoͤnliche Dank - barkeit, wovon mein Herz gluͤht, ſon - dern auch das lebhafteſte Gefuͤhl derſel - ben in den Seelen des Vorſtandes und der Lehrer der Kameral Hohenſchule macht mir dieſes Werk zur Schuld und zum Op - fer, das wir ſaͤmmtlich einem Staatsmi - niſter bringen, den Vatter Karl Theo - dors durchſchauendes Auge bei ſeinem Abſchiede ſtatt Seiner ans Staatsruder ſezte.

* 3Die

Die Maͤnner, denen es Wonne iſt, an der Kameral Hohenſchule dem Vatter - lande reife Staatswirthe und Buͤrger zu erziehen, vereinigen ihre Wuͤnſche mit den meinigen, und wir bitten Euer Ex - cellenz ſaͤmmtlich unterthaͤnigſt, nicht nur dieſe wenige und vielleicht noch rohe Gedanken dieſes Verſuches mit Gnade an - zuſehen, ſondern auch unſere Hoheſchule fernerhin mit Kraft zu ſchuͤzen, und vol - lends beſtaͤttigen zu helfen. Wir ſchmei - cheln uns mit dieſer wonnevollen Ausſicht um deſto zuverſichtlicher, da wir uns desfelſen -felſenfeſten Vorſazes bewußt ſind, daß wir alle zuſammen Muth, Kraft und Leben dazu verwenden wollen, damit unſer Jn - ſtitut eins von unſers Durchlauchtig - ſten Stifters nuͤzlichſten Werken wer - den, und alſo die Namen aller derer ed - len Deutſchen Maͤnner, die uns Daſeyn und Kraft zu wirken ſchenkten, noch bei der Nachwelt verehrt und geſegnet ſeyn moͤgen, unter welchen dann Euer Ex - cellenz hohes Andenken an ſeinem Plaze als ein Stern von der erſten Groͤſe glaͤn - zen wird.

* 4Jch

Jch nehme die Freiheit Euer Excel - lenz mich zu fernerem hohen Schuze und Gnade mit aller Ehrfurcht zu empfehlen, und lebenslang zu ſeyn

Hochgebohrner Reichsfreiherr Gnaͤdiger Herr! Euer Excellenz

unterthaͤnigſter Diener Johann Heinrich Jung.

Vor -

Vorrede.

Als ich 1778 im Fruͤhjahre den erſten Wink bekam, daß man mich zum Lehrer hieſiger Kameral Hohenſchule beſtimmen wuͤrde, ſo durchdachte ich alle Bruchſtuͤ - cke, die in meiner Seele hier und dort zerſtreut lagen. Kaͤnntniſſe, die ich als Knabe und Juͤngling im ganzen Umfan - ge der Landwirthſchaft und Kunſtgewer - be, und hernach auch als Gehilfe in der Handlung eines groſen Mannes, der ein maͤchtiger Landwirth und Fabrikant zu - gleich war, endlich die ich vollends auf der Univerſitaͤt in den Hilfswiſſenſchaften zu den Gewerben nach und nach geſamm - let hatte, lagen zerſtreut vor mir. Jzt* 5fuͤhlteVorredefuͤhlte ich die groſe Pflicht zu unterſuchen, wie weit ich einem ſo wichtigen Amte ge - wachſen ſeyn wuͤrde. Jch ordnete zuſam - men, raͤumte auf und entdeckte unterdeſ - ſen, daß ich zwar mit allem dem, was ich wuͤßte, gut anfangen, aber ſo nicht vollenden wuͤrde, daß ich alſo mit Man - neskraft wuͤrde arbeiten muͤſſen, um mich mit Erkaͤnntniſſen zu bereichern. Und alſofort faßte ich auch den unwiederrufli - chen Schluß, meine ganze Lebenszeit auf dieſen Zweck mit allen meinen Kraͤften zu verwenden.

Das erſte alſo, was ich that, war: mir dieſen Zweck recht bekannt, und aus - fuͤhrlich anſchaulich zu machen, ich durch - dachte das Ganze der Kameralwiſſenſchaf - ten, und fand eine ſolche idealiſche Schoͤn - heit, Wahrheit und Guͤte in dieſem gan - zen Anblicke, ein ſo herrliches Bild, ein Lehrgebaͤude, einen Zuſammenhang des Einzelnen und des Ganzen, daß ich glaub - te: es koͤnne ſich keine Wiſſenſchaft in der Welt, auſer der Mathematik, eines ſolchen herrlichen Planes ruͤhmen. Die - ſe unvergleichliche Schoͤnheit betrachteteichVorredeich mit geizigen Blicken, um alles an ihr zu entdecken, was zum Weſen ihres Ka - rakters gehoͤrte, und ſo druͤckte ſich dies Bild tief meiner Seele ein.

Nachdem ich verwichenen Herbſt mei - nen Beruf wirklich empfangen hatte, und hier ankam, ſo waren ſchon alle Collegia beſezt, und mir blieb alſo Zeit uͤber, nebſt andern zur Sache gehoͤrigen, mir aufge - tragenen Geſchaͤften, mich auf meinen Beruf mit allem Fleiſe anzuſchicken und vorzubereiten.

Man hatte ſchon eine Zeit her wahr - genommen: daß ſowohl das Publikum, als auch die neuen hier ankommenden Juͤng - linge, ſich von der Kameral-Hohenſchu - le einen falſchen Begriff gemacht hatten, ohngeachtet der vor ein paar Jahren her - ausgegebene Plan die Sache deutlich ent - wickelt. Jeder glaubte hier nichts anders, als das eigentliche Kameralweſen ſtudiren zu koͤnnen, und man wunderte ſich, wenn man im Hoͤrſaale Naturgeſchichte, Phy - ſik, Chymie u. ſ. w. erklaͤren hoͤrte. Zu - dem glaubte der Vorſtand und die Lehrer unſerer Hohenſchule den Juͤnglingen ihrStu -VorredeStudium zu erleichtern, und ihre Kaͤnnt - niſſe tiefer gruͤnden zu koͤnnen, wenn ſie den Lehrgang allhier von zwei Jahren auf drei ausdehnten; denn durch die Errich - tung eines neuen Lehrſtuhles gewonnen alle andere Lehrer Zeit und Raum, ſich in ihren Faͤchern weiter auszubreiten.

Aus dieſem Grunde entſchloß man ſich, einen ſummariſchen Entwurf des ganzen Zuſammenhanges unſerer Wiſſen - ſchaften herauszugeben, darinnen zu zei - gen, wie alles Einzelne zuſammenhaͤngt und ein groſes Ganzes ausmacht, und uͤber dieſen Entwurf von Zeit zu Zeit den Juͤnglingen Leſeſtunden zu halten. Man hoft dadurch den Ankommenden ihren gan - zen Weg abzuzeichnen, damit ſie deſto munterer fortwandern koͤnnen, den Ab - gehenden aber wuͤrde ein ſolcher Entwurf ein kurzes Wiederholungscollegium ſeyn koͤnnen.

Da ich nun dieſen Winter am wenig - ſten beſchaͤftiget war, ſo uͤbertrug man mir die Bearbeitung dieſes Entwurfes ſo - wohl, als auch die Leſeſtunden daruͤber zu halten. Jch uͤbernahm’s ganz willig,weilVorredeweil ich ſelbſt dadurch auf die beßte Wei - ſe in mein Amt eingeleitet wurde.

Und ſo gieng ich ans Werk; ich ſtell - te mir mein ehmaliges Bild wiederum leb - haft vor, ſezte mich hin, und ſuchte es ſo gut zu kopiren, als ich konnte. Dar - aus iſt nun dieſes Leſebuch entſtanden.

Jch weis gar wohl, und ich geſtehe offenherzig, daß Wiederholungen und Auslaſſungen, wahre und unreife Saͤze vielleicht mit untergemiſcht ſeyn koͤnnen. Allein meine Zuhoͤrer mußten einen Leit - faden haben, den ſie nicht ſo ſehr wegen ſeiner Grundſaͤze, als vielmehr wegen ſeiner Ordnung beduͤrften: und dieſe hoffe ich ſoll in meinem Verſuche unverbeſſer - lich ſeyn.

Schade iſts fuͤr unſere Zeiten, daß man Leſebuͤcher, Skizen, Verſuche und Riſſe von Lehrgebaͤuden ausziſcht! Die Sonne der Wahrheit bricht hinter dem Lichtmeere der Erfahrungen hervor, mit der Zeit tagts, und es wird tagen, und ſo verſchwinden alle Verſuche von Lehrgebaͤuden vom hohen Lin - ne an, bis auf die Meinigen herun -ter.Vorredeter. Die erhabene Wahrheit ſteht da im Glanze des Lichtes. Was brauchts dann Jdole, Kopien. Da iſt das Original Erfahrung bleibt ewig. Anſchauung der Wahrheit, und Gehorſam an ihr heili - ges Geſez, iſt Gottesdienſt. Denn die Wahrheit iſt goͤttlich, und Gott iſt die Wahrheit.

Jndeſſen muͤſſen wir Lehrer doch ei - nen Weg, ein Lehrgebaͤude haben, nach dem wir die Wahrheit ordnen? Wohl! ein jeder mache ſich eins, ſo gut er kann, wer der erſte auf dem Gipfel iſt, den ſchon die Sonne vergoldet, der ſei der beßte Mann.

der Verfaſſer.

Jn -

Jnhalt.

  • Erſter Abſchnitt. Allgemeine Grund - lehre. Einleitung1 Allgemeine Beduͤrfnißlehre4Allgemeine Produktenlehre15Allgemeine Gewerbwiſſenſchaft28Allgemeine Haushaltungswiſſenſchaft31Allgemeine Buchhaltungslehre42
  • Zweiter Abſchnitt. Grundlehre der buͤr - gerlichen Gewerbkunde. 47Allgemeine Landwirthſchaft48Allgemeine Kunſtwirthſchaft92Allgemeine Kunſtwiſſenſchaft93Kunſt -JnhaltSeite Kunſtwirthſchaftliche Haushaltung116Allgemeine Handlungswirthſchaft131Allgemeine Handlungswiſſenſchaft133Allgemeine Handlungshaushaltung158
  • Dritter Abſchnitt. Grundlehre der Staats - gewerbkunde. Allgemeine Staatsgewerbkunde176Allgemeine Staatswiſſenſchaft178Staatshaushaltung237Ruckblick aufs Ganze.
Er -[1]

Erſter Abſchnitt. Allgemeine Grundlehre

Einleitung.

§. 1.

Kameralwiſſenſchaften nennt man dasje - nige Lehrgebaͤude, welches die Lehrſaͤze enthaͤlt, wornach die Einkuͤnfte des Fuͤrſten und des Staates erworben, und zum Beß - ten beider angewendet werden. Da dieſe Einkuͤnfte oder Schaͤze, in, zu dieſem Zweck beſtimmten Kammern, aufbewahret werden, ſo iſt daher der Name Kameralwiſſenſchaft entſtanden.

*Gern haͤtt ich Kameralontologie geſezt, der Name waͤr gerecht, und der Sache angemeſſen geweſen, allein die Vermeh - rung der Namen iſt heut zu Tage verhaßt.
*

§. 2. Wiſſenſchaft heißt ein wohlgeord - neter Zuſammenhang von Saͤzen, deren im -Amer2Einleitungmer einer aus dem andern folgt, und wo der folgende durch die vorhergehenden bewieſen wird. Sie macht daher ein Geſchlecht von Wahrheiten aus, die ſich alle auf einen ge - wiſſen allgemeinen groſen Endzweck beziehen. Die Quelle, woraus die Wahrheit eines Sa - zes fließt, heißt man einen Grund oder Grundſaz. Die Verkettung dieſer Grund - ſaͤze zu einem Lehrgebaͤude heißt eine Grund - lehre. Folglich iſt die Grundlehre der Ka - meralwiſſenſchaften dasjenige Lehrgebaͤude, welches die Quellen der Wahrheit enthaͤlt, aus welchen dieſe Wiſſenſchaften und ihre Lehrſaͤ - ze erkannt und erwieſen werden muͤſſen.

§. 3. Die Einkuͤnfte des Fuͤrſten und des Staates entſpringen faſt ganz aus den Abga - ben der erwerbenden Glieder des Staates. Das Gewerb des Fuͤrſten und des Staates beſteht alſo in dem Erwerben der Abgaben aus allen Gewerben. Die Abgaben koͤnnen ohne Kaͤnntniß der Gewerbe und ihres Er - trages nicht beſtimmt werden. Die Gewerbe ſind die Heiſcheſaͤze, aus denen die Auf - gaben der Einkuͤnfte des Staates aufgeloͤßtwerden3Einleitungwerden muͤſſen. Da nun die Kameralwiſ - ſenſchaft die Saͤze enthaͤlt, wornach das Ge - werb des Fuͤrſten und des Staates eingerich - tet werden muß, keine Wiſſenſchaft aber oh - ne Gruͤnde ſeyn kann, ſo gruͤndet ſich die Kameralwiſſenſchaft auf die Gewerbwiſ - ſenſchaft der Staatsbuͤrger; keiner kan deswegen ein guter Kameraliſt ſeyn, der leztere nicht aus dem Grunde kennt.

§. 4. Die Gewerbwiſſenſchaft iſt mit der Kameralwiſſenſchaft unzertrennlich verbun - den, lezte kann ohne die erſte nicht ſeyn. Da es nun eine ſchon verjaͤhrte Gewohnheit iſt, von dem Vornehmſten eine Sache zu benennen, ſo iſt es nicht ungeſchickt, wann man die Ge - werbwiſſenſchaft in ihrem ganzen Umfange die Kameralwiſſenſchaften nennt.

§. 5. Alle Staatsbuͤrger vom Fuͤrſten bis zum geringſten Glied des Staates haben ein Gewerb; da nun ein jedes Gewerb, oder Beſtreben nach Dingen, die wir zu beſizen wuͤnſchen, einen Mangel vorausſezt, ſo muß ein jeder Menſch einen Mangel haben, den er zu heben bemuͤht iſt. Hier entſteht der Be - griff von Beduͤrfniſſen.

A 2All -4Allgemeine

Allgemeine Beduͤrfniß-Lehre.

§. 6. Beduͤrfniß iſt: wenn man ein Ver - langen nach einem Dinge bei ſich empfin - det, das man nicht beſizt. Es iſt aber in Abſicht auf den, der das Verlangen hat, nur Beduͤrfniß. Das Gefuͤhl des Mangels ſelbſt nenne ich Beduͤrfniß, das Ding aber, wel - ches den Mangel heben kann, ein Gut, ein Befriedigungsmittel.

§. 7. Jeder Menſch iſt den Gefuͤhlen des Mangels unterworfen, allein beide, ſowohl die Gefuͤhle als der Mangel, ſind ſehr ver - ſchieden: es gibt koͤrperliche (phyſiſche) Ge - fuͤhle, vermittelſt welcher der Menſch den Mangel ſolcher Dinge empfindet, die zu ſei - nem Leben und Daſeyn weſentlich noͤthig ſind, und dieſes ſind weſentliche Beduͤrf - niſſe, ſie erheiſchen Nahrung, das iſt Speis und Trank, und Decke, das iſt Kleidung und Wohnung. Die Gefuͤhle ſind Hunger und Durſt, Froſt und Hize.

§. 8. Wenn man den Menſchen ſehen will, wie er im bloſen Zuſtande der koͤrperlichen Gefuͤhle und der weſentlichen Beduͤrfniſſehan -5Beduͤrfniß-Lehrehandelt, ſo muß man die Geſchichte der Menſchheit forſchen, und den Menſchen be - obachten, wie er im roheſten Zuſtande han - delt. Die Wilden ſind mehr oder weniger dieſem Stande nahe, kein Volk aber iſt in ſeiner voͤlligen Kindheit bekannt.

§. 9. Ein Menſch, der ſeine weſentliche Beduͤrfniſſe gar nicht befriedigen kann, hoͤrt bald auf zu leben. Wer ſie nicht voͤllig be - friedigen kann, iſt arm. Wer ſie aber voll - kommen befriedigen kann, der hat ſein Aus - kommen.

§. 10. Die ſinnlichen Werkzeuge des Men - ſchen ſind ſo eingerichtet, daß die erſchaffenen Dinge auf ſie wirken, in dieſem Wirken aber zugleich Veraͤnderungen in der Seele hervor - bringen, die entweder Vergnuͤgen oder Verdruß heißen, erſtes wird vom Menſchen verlangt, leztes vermieden. Verlangen nach Vergnuͤgen, wohin auch die Vermeidung des Verdruſſes gehoͤrt, iſt Empfindung eines Man - gels, mithin Beduͤrfniß. Da aber dieſer Mangel nicht weſentlich, ſondern nur zufaͤl - lig iſt, ſo ſind die Beduͤrfniſſe des Vergnuͤ -A 3gens:6Allgemeinegens: Zufaͤllige Beduͤrfniſſe, ſie ſchlieſen alle Beduͤrfniſſe in ſich, die nicht weſentlich ſind.

§. 11. Unter dem Daſeyn (Exiſtenz) des Menſchen, verſtehe ich nicht nur das bloſe Leben desſelben, ſondern auch ſein Weben, wie er lebt, oder ſeinen ganzen Wirkungs - kreis. Das erſte nenne ich das bloſe Da - ſeyn, und dahin gehoͤren die weſentlichen Beduͤrfniſſe. Das zweite nenne ich das er - hoͤhte Daſeyn (Erhoͤhung der Exiſtenz) und dieſes fodert zufaͤllige Beduͤrfniſſe.

§. 12. Die Erhoͤhung des Daſeyns be - ſteht in Ausbreitung und Veredlung des Wirkungskreiſes, dieſes geſchieht durch eine gewiſſe Richtung zu dem groſen Zwecke: ſich und ſeine Nebenmenſchen ſo weſentlich und dauerhaft gluͤckſelig zu machen, als es nur moͤglich iſt. Dieſe Gluͤckſeligkeit be - ſteht in einem dauerhaften Vergnuͤgen, das die Leibes - und Seelenkraͤfte verbeſſert, und auf die hoͤchſte Stuffe der Vollkommenheit und des Genuſſes zu fuͤhren faͤhig iſt.

§. 13.7Beduͤrfniß-Lehre

§. 13. Diejenigen erſchaffenen Dinge, welche ein Vergnuͤgen hervorbringen, ſind ſchoͤn; welche aber auch zugleich die Leibes - und Seelenkraͤfte vollkommener machen, die ſind auch gut. Die Schoͤnheit und Guͤte der Dinge kann in der That und Wahr - heit dem Zwecke der wahren Gluͤckſeligkeit entſprechen, und in dieſem Falle ſind ſie wah - re Schoͤnheit, wahre Guͤte, das Verlan - gen nach denſelben iſt edel, folglich ſind die Beduͤrfniſſe dieſer Dinge nuͤzlich, und ver - dienen befriediget zu werden.

§. 14. Wenn der Wirkungskreis eines Menſchen, eines Volkes oder Staates, in die - ſer Richtung wirkt, ſo geht ſeine Jnduſtrie, ſeine Cultur, den Gang der wahren Verfei - nerung, zur Gluͤckſeligkeit. Jch kann alſo die Beduͤrfniſſe, welche dahin zielen, erhoͤ - hende Beduͤrfniſſe nennen, ſie ſind zwar zufaͤllig, aber weſentlich nuͤzlich. Die Ge - ſchichte der Menſchheit zeigt Menſchenvoͤlker und Staaten in Juͤnglings - und Maͤnnerjah - ren, wo ſie mehr oder weniger Vollkommen - heit und wahre Richtung zum Zwecke der Ver - feinerung haben.

A 4§. 15.8Allgemeine

§. 15. Wenn man Vergnuͤgen an Din - gen empfindet, welche zur wahren Gluͤckſelig - keit nichts beitragen, und alſo nicht wahr, ſondern falſch, gut und ſchoͤn ſind, ſo iſt das Vergnuͤgen uͤppig. Daher ſind die Gefuͤhle und Verlangen nach dem fal - ſchen Guten und Schoͤnen: uͤppige Beduͤrf - niſſe. Weilen die Befriedigung derſelben keinen wahren, ſondern falſchen Genuß mit ſich fuͤhrt, in der Natur des Menſchen kei - nen Grund hat, und doch an den Wirkungs - kraͤften zehret, ſo richtet die Ueppigkeit (der Luxus) Menſchen, Voͤlker und Staaten zu Grunde. Die Geſchichte der Menſchheit be - weißt, das durch die Schickſale der Staaten, welche ihre Verfeinerung in die Ueppigkeit lenkten, erſchlaften, weich, entnerft, wei - biſch wurden, ohnmaͤchtig hinfielen und zer - truͤmmerten. Wahres Greiſenalter der Menſchheit, wo ſie wieder kindiſch wird, aber affenmaͤſig nicht mit Kraft!

§. 16. So wie die weſentlichen Beduͤrf - niſſe aus koͤrperlichen Gefuͤhlen entſtehen, ſo entſpringen beide Gattungen der Zufaͤlli -gen,9Beduͤrfniß-Lehregen, erhoͤhende und uͤppige Beduͤrfniſſe aus ſeeliſchen oder geiſtigen Gefuͤhlen.

*Hier iſt der wahre Unterſchied zwiſchen Thier und Menſch. Das Thier befrie - digt nur die weſentlichen Beduͤrfniſſe, von Ausbreitung, Erhoͤhung der Exi - ſtenz weiß es nichts.
*

§. 17. Ein jeder Menſch iſt ein einzelnes Weſen, er unterſcheidet ſich durch gewiſſe Merkmale von allen andern in der Welt, und dahin gehoͤrt auch, daß er in allen dreien Gattungen der Beduͤrfniſſe, ſeine von allen andern verſchiedene Geſuͤhle hat, mithin Dinge zu ſeiner Befriedigung verlangt, die ein anderer nicht verlangt. Dieſe Gefuͤhle, abgezogen von den allgemeinen Gefuͤhlen der Menſchheit in gleichen aͤhnlichen Faͤllen, nennt man den einzelnen (individuellen) Ge - ſchmack.

§. 18. Jeder Menſch hat auch Hang zur Veraͤhnlichung, zur Einheit mit andern Men - ſchen, wenn er daher an andern etwas entdeckt, das ihm ſchoͤn und gut deucht, ſo fuͤhlt er Verlangen nach demſelben, er macht ſich dasſelbe zum Beduͤrfniß, daher entſtehtA 5Nach -10AllgemeineNachahmung, Mode, Modeſucht, all - gemeine Verfeinerung, aber auch allge - meiner Luxus. Dieſe Gefuͤhle abgezogen von den Gefuͤhlen des einzelnen in aͤhn - lichen Faͤllen, heißt man den herrſchenden Geſchmack. Der einzelne und der herr - ſchende Geſchmack zuſammen, beſtimmen die Richtung des Wirkungskreiſes eines Men - ſchen, Volkes oder Staates.

*Siehe das herrliche Werk: Gedanken uͤber das Univerſum vom Hr. Statthal - ter von Dahlberg.
*

§. 19. Der Geſchmack ordnet die Beduͤrf - niſſe, waͤhlt er das wahre Gute und Schoͤne, ſo iſt der Geſchmack wahr, im Gegentheile aber falſch; er iſt auch zugleich der herr - ſchende Zug des Characters. Am Geſchmacke kennt man Menſch und Nation.

§. 20. Die voͤllige Befriedigung der we - ſentlichen und erhoͤhenden Beduͤrfniſſe, unter der Leitung des wahren Geſchmackes fuͤhrt zur wahren Gluͤckſeligkeit. Da aber der Menſch vermoͤg der Geſeze der Religion und der Welt - weisheit verbunden iſt: nicht allein ſeine ei -gene,11Beduͤrfniß-Lehregene, ſondern auch des Nebenmenſchen Gluͤckſeligkeit zu befoͤrdern, ſo muß er auch unter Leitung des wahren Geſchmackes, des Nebenmenſchen Beduͤrfniſſe voͤllig zu be - friedigen ſuchen.

§. 21. Zu Befriedigung eigener Beduͤrf - niſſe leitet die Natur, und hieran hat der Menſch den richtigen Maasſtab, nach wel - chem er auch ſeines Nebenmenſchen Beduͤrf - niſſe befriedigen ſoll. Doch hat ein Neben - menſch mehr Anſpruch auf unſern Beiſtand als der andere. Es gibt Menſchen, die durch mich ihr Daſeyn empfangen haben, oder die mein Daſeyn erhalten oder erhoͤhen, hieher gehoͤren alle Menſchen, inſoweit ſie zu Befriedigung meiner eigenen Beduͤrfniſſe et - was beigetragen haben, oder noch beitragen.

§. 22. Menſchen, die durch einen ande - ren Menſchen das Daſeyn erhalten, ſind Kinder: lezterer iſt durch das Geſez der Na - tur verpflichtet ihre Beduͤrfniſſe ſo vollkom - men zu befriedigen, als er kann. Ein Eh - gatte iſt des andern anderes Jch: das Recht der Natur fodert wechſelſeitige Befriedigungder12Allgemeineder Beduͤrfniſſe nach moͤglicher Vollkommen - heit. Die Eltern haben mein Daſeyn er - halten und erhoͤht, das Recht der Natur fo - dert, daß ich auch ihre Beduͤrfniſſe wie mei - ne eigene befriedige. Dieſe Verhaͤltniſſe zu - ſammen begreift der Hausſtand, oder die Geſchlechts Geſellſchaft in ſich.

§. 23. Auch die Menſchen, mit denen man in einer gemeinſchaftlichen Beziehung ſteht, haben die Foderung an uns, die wir an ſie haben, es gibt da gemeinſchaftliche Be - duͤrfniſſe, gemeinſchaftliche Befriedigungen derſelben. Da hilft einer des andern Daſeyn erhalten und erhoͤhen, folglich iſt ein jeder zu Befriedigung der gemeinſchaftlichen Be - duͤrfniſſe verbunden. Hieher gehoͤren alle buͤrgerliche Geſellſchaften.

§. 24. Die Menſchen ſtoſen leicht und oft auf mancherlei Weiſe, entweder aus Unwiſ - ſenheit oder aus Bosheit, oder aus beiden Urſachen zugleich, gegen das Recht der Na - tur an; ſie ſuchen oft die Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe auf Unkoſten ihrer Nebenmen - ſchen, daher ſind Schranken noͤthig, welcheeinem13Beduͤrfniß-Lehreeinem jeden bezeichnen, wie weit er wirken, und wie er wirken ſoll. Dieſe Schranken nennt man Geſeze. So viele Menſchen, Ge - ſchlechts - und buͤrgerliche Geſellſchaften zum Gehorſam gegen ein Geſez und geſezgebende Macht verbunden ſind, ſo viele Mitglieder ſind durch eben dieſes Geſez in eine Geſell - ſchaft vereinigt, welche man einen Staat nennt.

§. 25. Alle Staatsglieder genieſen alſo Schuz gegen alle Gewaltthaͤtigkeit, von der geſezgebenden Macht, ſie erhalten Geſeze, wodurch die Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe erleichtert, folglich ihr Daſeyn erhalten und erhoͤht wird, dieſes ſind Staatsbeduͤrf - niſſe, die von der geſezgebenden Macht be - friedigt werden muͤſſen. Hingegen hat auch die geſezgebende Macht Beduͤrfniſſe, welche nicht nur die Erhaltung und Erhoͤhung ihres Daſeyns, ſondern auch die Moͤglichkeit der Befriedigung der Staatsbeduͤrfniſſe zum Ziele haben, und hierzu ſind wiederum alle Glie - der des Staates verbunden.

§. 26.14Allgemeine Beduͤrfniß-Lehre

§. 26. Der Menſch hat alſo einzelne (po - ſitive) und geſellſchaftliche (relative) Be - duͤrfniſſe, jene geben das Muſter, den Maas - ſtab der lezteren ab. Endlich erfodert auch noch das Geſez der Liebe, fuͤr die Beduͤrfniſſe des Armen zu ſorgen, und dieſes iſt eine von den wichtigſten Pflichten in Befriedigung der ge - ſellſchaftlichen Beduͤrfniſſe.

§. 27. Alle bisher vorgelegte Saͤze ſind Grundſaͤze, und zwar die erſten entfernteſten der Kameralwiſſenſchaften, allein ſie ſind doch Lehrſaͤze in Abſicht auf die Quellen, woraus ſie geſchoͤpft ſind, und dieſe enthaͤlt die Welt - weisheit. Die Vernunftlehre leitet die Kraͤfte des Verſtandes zur Erkaͤnntniß der Wahrheit. Die Grundlehre enthaͤlt die er - ſten Gruͤnde der Erkaͤnntniß der erſten Din - ge, der Koͤrper, der Welt, der Geiſter, der Seelen und Gottes. Die Sittenlehre, das Natur - und Voͤlkerrecht endlich machen die ausuͤbende Weltweisheit aus, ſo wie jene die betrachtende (theoretiſche) in ſich be - greifen.

*Wir muͤſſen uns einsweilen noch mit demphi -15Allgemeine Produkten-Lehrephiloſophiſchen Syſtem behelfen, das wir haben, bis wir ein beſſers bekom - men. Schoͤn iſt es, was Herr Rath Baader zu Muͤnchen uͤber das Studi - um der Philoſophie geſagt hat. S. deſ - ſen Rede am Namensfeſte unſers Durch - lauchtigſten Kurfuͤrſten vom Jahre 1778.
*

§. 28. Die Weltweisheit iſt, wie aus vor - hergehendem leicht zu beweiſen, der Grund aller Gelehrſamkeit, vorzuͤglich aber auch der Kameralwiſſenſchaften, und da die erſten Grundbegriffe Folgeſaͤze aus der Weltweis - heit ſind, ſo iſt ſie die erſte Hilfswiſſenſchaft, und muß vor allen andern zuerſt ſtudirt wer - den.

§. 29. Zugleich aber ſind auch verſchiede - ne der vorhergehenden Saͤze auf Erfahrun - gen aus der Geſchichte der Menſchheit ge - gruͤndet, auch dieſe waͤre ein herrliches phi - loſophiſches Studium, wenns nur fein bald geordnet waͤre.

Allgemeine Produkten-Lehre.

§. 30. Alle Beduͤrfniſſe zuſammen, we - ſentliche, erhoͤhende, uͤppige, einzelne und geſellſchaftliche, geleitet durch den wahrenoder16Allgemeineoder falſchen, einzelnen oder herrſchenden Geſchmack am aͤchten oder am falſchen Schoͤ - nen und Guten, hingeordnet, in eins ge - faßt und uͤberſchaut, machen den groſen Grundtrieb aus, der die Wirkungskreiſe al - ler einzelnen Menſchen und aller Geſellſchaf - ten in Bewegung ſezt, um die Gegenſtaͤnde zu erlangen, die alle dieſe Beduͤrfniſſe befrie - digen koͤnnen.

§. 31. Alle dieſe Gegenſtaͤnde werden von der Natur nach beſtaͤndigen, von dem all - maͤchtigen Schoͤpfer eingegruͤndeten Geſezen hervorgebracht. Sie ſind alle Koͤrper, ha - ben alle koͤrperliche Eigenſchaften, und beſte - hen aus Grundſtoffen. Sie werden durch bewegende Kraͤfte geordnet, in Umlauf und Leben geſezet, und endlich wieder in ih - re erſte Grundſtoffe aufgeloͤßt. Die erſten Grundſtoffe ſind Erde, Waſſer, Luft und Feuer.

§. 32. Die Erde iſt die eigentliche Mut - ter aller Gegenſtaͤnde, aller Befriedigungs - mittel, ſie bringt hervor, naͤhrt, traͤgt ſie, und nimmt endlich ihre durch die Aufloͤſungzer -17Produkten-Lehrezertrennte Theile wieder in ihren Schoos zu - ruͤck, aus welchem ſich dann ein jedes Ele - ment wiederum das Seinige zueignet. Aus dieſen Gruͤnden hab ich Urſache, alle Befrie - digungsmittel, wie auch alles, was die Na - tur auf und in der Erde hervorbringt, Erd - erzeugungen (Erdprodukten) zu nennen.

§. 33. Das Waſſer iſt beweglicher als die Erde, es gibt den Grund aller Nahrungs - ſaͤfte der Erderzeugungen ab, und laͤßt alle Beſtandtheile derſelben mit ſich vermiſchen. Es muß deswegen uͤberall der Erde mitge - theilet, und in ihren Schoos ausgeſchuͤttet werden, auf daß es mit derſelben vermiſcht, uͤberall den Nahrungsſaft aller Erzeugungen abgeben koͤnne. Dieſe allgemeine Austhei - lung des Waſſers geſchieht durch einen hoͤchſt - wunderbaren und mit hoͤchſter Weisheit einge - richteten Kreislauf desſelben, der durch die Waͤrme und Bewegung der Luft zuwege ge - bracht und unterhalten wird.

§. 34. Die Luft iſt beweglicher als das Waſſer, ſie umgibt den ganzen Erdkoͤrper, vermiſcht ſich in die Zuſammenſezung allerBErd -18AllgemeineErderzeugungen, heißt in dieſem Zuſtande feſte Luft, traͤgt zu ihrer innern und aͤuſern Bildung und Bau vieles bei, iſt der Grund der Lockerheit (Poroſitaͤt) der Koͤrper, iſt die Urſache des Windes, und durch ihre Be - wegung regiert ſie die fruchtbare Begieſung des Erdbodens.

§. 35. Das Feuer, als Element und wirk - ſame Urſache in der Natur betrachtet, hat vornehmlich ſeinen Siz in der Sonne, es iſt das allerbeweglichſte Element, ja die Urſache des Lebens der Erderzeugungen, wenigſtens groͤſten Theils, es wirkt auf die Luft, mit derſelben aufs Waſſer, mit beiden auf die Erde, mit allen dreien auf die Erderzeugun - gen, und bringt ſolcher Geſtalt Leben und Bewegung in die ganze Natur.

§. 36. Dieſe vier Grundſtoffe bilden noch nicht unmittelbar die Erderzeugungen; es gehen Mittelſtoffe vorher, welche zunaͤchſt aus den Elementen entſtehen, mit denſelben vereinigt wirken, und alsdann erſt ſich zum Nahrungsſafte zuſammen vermiſchen. Sie erzeugen auf eine unbekannte und unbegreif -liche19Produkten-Lehreliche Weiſe, erſtlich eine allgemeine Saͤure, welche das Salz der Natur genannt wird; dieſes verartet ſich im Waſſer in die Meer - ſalzſaͤure, in der Erde in die Mineral - ſaͤuren, in den Gewaͤchſen in die Gewaͤchs - ſaͤure (vegetabiliſches Acidum). Ueberall fin - det dieſe Saͤure etwas, womit ſie ſich ver - miſcht, und welches ihre Strenge mildert. Sie dient zur Vermiſchung verſchiedener Materien mit dem Waſſer, desgleichen auch zur Ausbildung verſchiedener Eigenſchaften der Erzeugungen.

§. 37. Der andere Mittelſtof, welcher von den Elementen hervorgebracht, und zur Bildung der Erderzeugungen gebraucht wird, iſt der Feuerſtof (Phlogiſton). Dieſer ver - artet ſich vermittelſt der Naturſaͤure und Waſ - ſer zu Oel, mit den Mineralſaͤuren zu Schwe - fel, und unter dieſen Geſtalten kommt er haͤufig als Beſtandtheil mit in die Erderzeu - gungen.

§. 38. Die Erkaͤnntniß dieſer Grund - und Mittelſtoffe iſt ohne Widerrede demjenigen ſehr noͤthig, der die Eigenſchaften der Erd -B 2erzeu -20Allgemeineerzeugungen forſchen will: denn dieſe gruͤnden ſich unfehlbar auf jene. Da aber nun die Erkaͤnntniß der Erzeugungen als Befriedi - gungsmittel der Beduͤrfniſſe dem Kamerali - ſten beſonders obliegt, ſo iſt ihm auch die Erkaͤnntniß der Grund - und Mittelſtoffe ſehr nothwendig. Dieſe lehrt aber die Natur - kunde (Phyſik) und die Scheidekunſt (Che - mie): folglich ſind dieſe Hilfswiſſenſchaften dem Kameraliſten unentbehrlich.

§. 39. Alle Erderzeugungen ſind Koͤr - per; inſofern aber als ſie das ſind, haben ſie Ausdehnung und Maſſe, in Anſehung der Verhaͤltniſſe unter einander: in Abſicht auf die Vielheit, entſteht ihre Zahl, in Abſicht auf die Ausdehnung: ihre Groͤſe, und in Abſicht auf ihre Maſſe: ihr Gewicht. Alle dieſe Verhaͤltniſſe beſtimmt die reine Mathe - matik. Da nun Zahl, Maas und Gewicht bei Befriedigung der Beduͤrfniſſe durch die Erderzeugungen immer fort beſtimmt werden muß, ſo iſt die reine Mathematik eine von den erſten und noͤthigſten Hilfswiſſenſchaften auf der Kameralſchule.

§. 40.21Produkten-Lehre

§. 40. Die Grund - und Mittelſtoffe ge - ben die Beſtandtheile her, auch ſind ſie eine von den Haupturſachen des Lebens, Fort - dauerns und der Aufloͤſung, oder des Aufhoͤ - rens der Erderzeugungen; allein ſie ſind noch nicht die hervorbringende Urſache derſel - ben, ſondern mit dieſer vereinigt, machen ſie erſt den zureichenden Grund des ganzen Daſeyns der Erzeugungen aus. Jedes Ge - ſchlecht, jede Gattung, jede Art und jedes Einzelne, hat das Vermoͤgen, durch Hilfe des zureichenden Grundes ſich ſelbſt aͤhnli - che Dinge hervorzubringen, und dieſelbe zu erzeugen.

§. 41. Durch Hilfe der zureichenden Ur - ſache, wird nun die Erde eine fruchtbare Mutter von ſehr vielen und vielfaͤltigen Er - zeugungen, ſie iſt damit angefuͤllt. Unter ihrer Oberflaͤche, in derſelben und auf der - ſelben traͤgt und ernaͤhrt ſie deren eine unzaͤhl - bare Menge.

§. 42. Diejenigen Erzeugungen, welche unter der Erdoberflaͤche entſtehen, fortdanern und aufgeloͤſet werden, machen eine beſondreB 3Ord -22AllgemeineOrdnung aus, die man das Steinreich nennt. Die Natur bringt da ſehr viele Ar - ten von Geburten hervor, die von der ein - fachſten Erde an, bis zum edelſten Mineral und bis zum koſtbarſten Steine, ſtuffenweis fortgehen. Desgleichen; die vom einfach - ſten Baue der ſchlichten Zuſammenfuͤgung ein - facher Erdtheilgen zum ſchlechten Sandſtein bis zu den kuͤnſtlichſten Steingewaͤchſen und Cryſtalliſationen, die dem Gewaͤchs - reiche, und in Schaalenthieren u. dg. auch dem Thierreiche nahe kommen, kettenweis an einander haͤngen.

§. 43. Dieſes Steinreich enthaͤlt alſo in die Laͤnge und Breite ſehr vielerlei Arten von Erzeugungen, die auf mannigfaltige Weiſe zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe verwendet werden. Dieſe Anwendung richtet ſich nach der Natur und Beſchaffenheit der Erzeugun - gen, folglich muß man dieſe Eigenſchaften kennen. Es iſt alſo wiederum eine Wiſſen - ſchaft noͤthig, welche lehret: wie die Erzeu - gungen des Steinreiches entſtehen, fortdau - ren und aufhoͤren. Desgleichen einer jedenArt,23Produkten-LehreArt, Zuſammenſezung, innerliche und aͤuſer - liche Beſchaffenheiten, endlich auch die Zei - chen, wodurch ſie ſich von allen andern un - terſcheidet; dieſe Wiſſenſchaft nennt man die Minerallehre (Mineralogie).

§. 44. Diejenigen Erzeugungen, welche in der Erdoberflaͤche gebohren werden, an einem gewiſſen Orte derſelben beſtaͤndig ange - heftet bleiben, groͤſten Theils ihre Nahrung aus derſelben an ſich ſaugen, uͤbrigens aber in der Luft leben, und die unmittelbare Ein - wirkung des Himmels noͤthig haben, nennt man Pflanzen; ſie machen ebenfalls eine be - ſondere Ordnung aus, die das Pflanzen - reich genennt wird, aus unzaͤhlbaren Arten beſteht, und wiederum bei den mineraliſchen Gewaͤchſen an das Steinreich, bei den Po - lypen aber an das Thierreich graͤnzt. Auch hier geht die Natur wiederum ſtuffenweis fort, von dem unachtbarſten Haͤlmgen zu der praͤch - tigſten Blume, und von der faſt ſteinarti - gen Pflanze bis zu dem kuͤnſtlichſten Gewaͤch - ſe, das ans Thier graͤnzt.

B 4§. 45.24Allgemeine

§. 45. Das Pflanzenreich enthaͤlt alſo abermal in ſeiner Kette nach der Laͤnge und Breite, eine unzaͤhlbare Menge von unterſchie - denen Gewaͤchsarten in ſich, die ebenfalls mehr oder weniger zu Befriedigung der Be - duͤrfniſſe verwendet werden, folglich aus eben dem Grunde eine Kaͤnntniß ihres Entſtehens, ihres Lebens und Aufhoͤrens, nicht weniger auch ihrer Natur und Eigenſchaften, des - gleichen ihrer Unterſcheidungszeichen, vor - ausſezen, die dem Kameraliſten noͤthig iſt. Dieſe Erkaͤnntniß enthaͤlt die Pflanzenlehre (Phytologie).

§. 46. Diejenigen Erzeugungen, welche ſich uͤber der Erdoberflaͤche hin und her bewe - gen, nicht von der Erde unmittelbar, ſon - dern aus ihren Erzeugungen Nahrung ziehen, die ſie, durch ſinnliche Empfindungen gelei - tet, ſelbſten aufſuchen, werden Thiere ge - nannt, ſie machen wiederum eine weit aus - gedehnte Ordnung aus, welche das Thier - reich heißt. Auch hier herrſcht Mannigfal - tigkeit und unendliche Weisheit. Eine Ket - te Thiere vom kleinſten Jnſekte des Waſſers biszum25Produkten-Lehrezum Wallfiſche, vom Schaalenthiere bis zum Krokodill, wiederum bis zum fliegenden Fiſch, von da durch alle Luftthiere bis zum Adler. Von Froͤſchen und Krokodillen bis zum Ele - phante, von der Kaͤsmilbe bis zum Orang outang, zum Menſchen darf ich nicht ſagen, er gehoͤrt nicht in die Thierkette, er iſt ein Mittelding zwiſchen Thier und Engel, das Glied, welches beide Ketten naͤhret. Alle die Durchkreuzungen und Angraͤnzungen der Ketten im Thierreiche zu bezeichnen, iſt ſchwer und gehoͤrt nicht hieher. Jm Schaalthiere graͤnzt es an das Steinreich, und im Poly - pen an das Pflanzenreich.

§. 47. Dieſes weitlaͤuftige Reich von Er - zeugungen enthaͤlt nicht weniger eine ſehr gro - ſe Menge mannigfaltiger Arten in ſich, die zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe verwendet werden koͤnnen; dieſes ſezt ebenfalls eine hinlaͤngliche Kaͤnntniß voraus, und dieſe ent - haͤlt die Thierlehre (Zoologie).

§. 48. Alle drei Wiſſenſchaften, die Mi - nerallehre, die Pflanzenlehre und die Thier - lehre ſchlieſen die Kaͤnntniſſe aller Erzeugun -B 5gen26Allgemeinegen in ſich, und werden unter einer Lehre all - zuſammen begriffen, welche man die Natur - geſchichte (Hiſtoria naturalis) benennet. Die - ſe iſt abermal eine von den noͤthigſten Hilfs - wiſſenſchaften, welche vor der Erlernung der Kameralwiſſenſchaften hergehen muß.

§. 49. Nicht alle Erzeugungen dienen zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe, es findet eine Auswahl ſtatt, welche diejenigen bezeichnet, die zu Befriedigung der weſentlichen Be - duͤrfniſſe, zu Nahrung und Decke, oder zu Erhaltung und Fortſezung des Da - ſeyns nuͤzlich ſind. Ferner: werden dieje - nigen gewaͤhlt, welche die erhoͤhenden Be - duͤrfniſſe befriedigen, die Erhoͤhung und Ausbreitung des Daſeyns bewirken, und alſo wiederum nuͤzlich ſind. Dieſe Auswahl geſchieht durch den richtigen Geſchmack, wenn er den Charakter des wahren Schoͤ - nen und Guten an einer Erzeugung bemerkt, vermoͤg welchem ſie dem Endzwecke entſpricht. Endlich beſtimmt auch der herrſchende und falſche Geſchmack die Auswahl der Erzeu - gungen, die die uͤppigen Beduͤrfniſſe be -frie -27Produkten-Lehrefriedigen, nach dem Charakter des falſchen Schoͤnen und Guten.

§. 50. Dieſe dreifache Auswahl nach den dreien Gattungen der Beduͤrfniſſe, ſezt nun eine beſtimmte Anzahl der Erzeugungsarten aus, welche ich wiederum in eins hinordnen, und als den groſen Gegenſtand betrachten will, auf welchen der groſe Grundtrieb aller Beduͤrfniſſe wirkt. Die Erzeugungen aus allen drei Reichen der Natur, welche zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe dienlich ſind, nenne ich oͤkonomiſche Erzeugungen. Es iſt aber noch anzumerken, daß dieſe Erzeu - gungen nicht alle in gleichem Grade den Be - duͤrfniſſen entſprechen, ſondern daß ſie von dem ſchlechteſten Mauerſteine an, bis zum ſchoͤnſten Zimmerholze, vom magerſten Gras - halme bis zum ſchoͤnſten Weizen oder Gemuͤ - ſe, von der Hauskaze bis zur beßten Milch - kuh, vom Blei bis zum Gold oder Edelſtein, durch vielerlei Stuffen der Nuzbarkeit auf - ſteigen; mithin mehr oder weniger eigen - thuͤmlichen Werth haben, der durch den Grad der Guͤte und Schoͤnheit beſtimmt wird.

All -28Allgemeine

Allgemeine Gewerbwiſſenſchaft.

§. 51. Der Grundtrieb der Beduͤrfniſſe treibt den Menſchen an, auf den Gegen - ſtand der oͤkonomiſchen Erzeugungen zu wirken, um dieſelben zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe zu erlangen. Hieraus entſteht eine Wirkſamkeit dieſe Guͤter zu erwerben, und dieſes heißt man das Gewerb des Menſchen. Die ſaͤmmtlichen Gewerbe zu kennen und beurtheilen zu koͤnnen, iſt die Pflicht des Kameraliſten; denn wie wuͤrde er ſonſt dieſelben zur einzelnen und all - gemeinen Gluͤckſeligkeit lenken koͤnnen? wie koͤnnte er ſie verbeſſern? und endlich: wie koͤnnte er das Gewerb des Fuͤrſten und des Staates regieren, das ſich doch auf die Ge - werbe aller Glieder des Staates gruͤndet? Die Grundlehren, worauf ſich alle Gewerbe gruͤnden, ordne ich zuſammen, und nenne ſie die allgemeine Gewerbwiſſenſchaft.

§. 52. Ein jedes Gewerb unterſtellt eine gewiſſe Menge oͤkonomiſcher Erzeugungen, die man noch nicht hat, die man aber durch das Gewerb zu erlangen trachtet. Es iſt al -ſo29Gewerb-Wiſſenſchaftſo etwas, das ſie gegen die Wirkſamkeit des Gewerbes an uns abgibt, dieſes Etwas nen - ne ich die Nahrungsquelle. Da es nun klar iſt, daß ohne eine Nahrungsquelle alles Gewerb fruchtlos iſt, ſo muß jedes Gewerb eine Nahrungsquelle haben, und ſie iſt das erſte, welches ſich der Menſch ver - ſchaffen muß.

§. 53. Wenn die Nahrungsquelle ohne Muͤhe und ohne Mittel die oͤkonomiſchen Erzeugungen abgaͤbe, ſo waͤr kein Gewerb noͤthig. Die Muͤhe alſo und alle Mittel, die man anwendet, der Nahrungsquelle ihre Er - zeugungen abzugewinnen, nenne ich Erwer - bungsmirtel, und dieſe ſind eben ſowohl noͤthig als die Nahrungsquelle, ſie ſind gleich - ſam das Gut, wogegen man mit derſelben gegen die oͤkonomiſchen Erzeugungen aus - tauſcht; beide ſtehen immer in einer gewiſ - ſen Verhaͤltniß gegen einander. Jedes Ge - werb muß alſo ſeine Erwerbungsmittel haben, und ſie ſind das zweite, welches ſich der Menſch verſchaffen muß.

§. 54.30Allg. Gewerb-Wiſſenſchaft

§. 54. Beides, die Nahrungsquelle und die Erwerbungsmittel, ſind im Gewerbe oh - ne Kraft, wenn nicht die lezten auf die erſte in Wirkſamkeit geſezt werden, und dieſes geſchieht durch menſchliche Ueberlegung und Thaͤtigkeit. Derjenige, welcher dieſes lei - ſtet, iſt ein Erwerber, und dieſer macht das dritte weſentliche Stuͤck des Gewer - bes aus.

§. 55. Der Erwerber muß die Natur der Nahrungsquelle kennen, er muß die Art und Weiſe wiſſen, wie und welcher Geſtallt ſie vermoͤgend iſt, die gehoͤrigen oͤkonomiſchen Erzeugungen abzugeben. Eben ſo muß er auch die Erwerbungsmittel kennen, und ſie zu gehoͤrigem Zwecke auf die Nahrungsquel - le anzuwenden wiſſen, damit der Erfolg dem Zwecke entſpreche. Wenn nun der Erwerber wirklich vermittelſt der Erwerbungsmittel auf die Nahrungsquelle wirkt, und von derſel - ben die verlangten Erzeugungen empfaͤngt, ſo heißt das Erwerben, und dieſes iſt das vierte Stuͤck des Gewerbes. Die Erzeu - gungen, welche der Erwerber erworben, undſich31Allg. Haushaltungs-Wiſſenſchaftſich zum Eigenthume gemacht hat, heiſen Er - trag; Ertrag der Nahrungsquelle.

§. 56. Der Ertrag iſt der Vorrath, aus welchem der Erwerber ſeine und der Seinigen Beduͤrfniſſe, eigene und geſell - ſchaftliche befriedigt, dieſes Geſchaͤft heißt Verzehren (conſumiren) und iſt das fuͤnfte Stuͤck des Gewerbes. Derjenige Theil des Ertrages, welcher verzehret wird, heißt der Aufwand (Conſumtion).

§. 57. Wenn der Ertrag zureicht, alle Be - duͤrfniſſe, weſentliche und zufaͤllige, eigene und geſellſchaftliche, vollkommen zu befrie - digen, ſo hat ein ſolcher Erwerber ſein reich - liches Auskommen. Bleibt nach Abzug des Aufwandes vom Ertrage noch etwas uͤb - rig, ſo iſt er ein wohlhabender Mann, der Ueberſchuß aber heißt reiner Ertrag.

Allgemeine Haushaltungs - Wiſſenſchaft.

§. 58. Wenn der Ertrag hinlaͤnglich iſt, alle Beduͤrfniſſe zu befriedigen, ſo macht das den Erwerber fuͤr die Zeit gluͤcklich, ſo lang der Ertrag dauert. Wenn aber durch aller -hand32Allgemeinehand Zufaͤlle hinfuͤhro der Ertrag kleiner wird, und nicht mehr zureicht, ſo wird der Erwer - ber arm, und alſo ungluͤcklich, dergleichen Schickſale ſind ſehr leicht moͤglich, und nicht immer zu vermeiden. Deswegen erfodert die Pflicht eines Erwerbers, daß er ſich die Befriedigung der Beduͤrfniſſe, ſo viel er kann, auf die Zukunft ſicher ſtelle.

§. 59. Die wahre Erhoͤhung und Ausbrei - tung des Daſeyns nach dem wahren Geſchma - cke, durch das wahre Schoͤne und Gute der Erzeugungen, hat gar weit ausgedehnte Schranken und ſehr mannigfaltige eigene und geſellſchaftliche Beduͤrfniſſe. Je mehr derſel - ben befriedigt werden, je mehr die Gluͤckſe - ligkeit vermehret wird. Nun koͤnnen zwar alle dieſe unzaͤhlige Beduͤrfniſſe von keinem Menſchen vollkommen befriedigt werden, doch ſoll ein jeder dahin trachten, ſo hoch darin zu ſteigen, als moͤglich iſt; weil er verbunden iſt, ſeine und ſeines Neben - menſchen Gluͤckſeligkeit aus allen Kraͤften zu befoͤrdern.

§. 60.33Haushaltungs-Wiſſenſchaft

§. 60. Dieſe beiden Pflichten, die Siche - rung der Befriedigungsmittel auf die Zu - kunft, und die Erhoͤhung und Ausbreitung des Daſeyns werden dadurch moͤglich ge - macht: wenn der Erwerber allen Fleis und alle Kraͤfte daran ſezt, den reinen Ertrag ſo ſehr zu vermehren als nur moͤg - lich iſt, zugleich aber auch wenn er den - ſelben auf die beßte Weiſe anwendet. Die Ausuͤbung dieſer beiden Stuͤcke heißt: die Haushaltungskunſt. Die Grundſaͤze derſelben: die Haushaltungswiſſenſchaft (Oekonomie).

§. 61. Die hoͤchſte Vermehrung des rei - nen Ertrages, und die beßte Anwendung des - ſelben, muß in allen Stuͤcken des Gewerbes beaͤugt, und dasſelbe zu dieſem Zwecke nach den Regeln der Haushaltungswiſſenſchaft ge - leitet werden: wenn dieſes nicht beobachtet wird, ſo kann weder die Fortdauer des Da - ſeyns geſichert, noch die einzelne und allge - meine Gluͤckſeligkeit befoͤrdert werden. Da nun dieſes die groſe Pflicht eines jeden Men - ſchen iſt, ſo iſt es auch die groſe Pflicht je -Cdes34Allgemeinedes Erwerbers, zugleich ein guter Haushaͤl - ter zu ſeyn, oder: Ein jedes Gewerb ſoll nach den Regeln der Haushaltungswiſ - ſenſchaft getrieben werden.

§. 62. Da das Gewerb auf fuͤnf Stuͤ - cken, auf der Nahrungsquelle, auf den Erwerbungsmitteln, auf dem Erwerber, auf dem Erwerben und auf dem Verzehren beruht, das Gewerb aber ganz und zumal nach den Regeln der Haushaltungswiſſen - ſchaft gefuͤhrt werden ſoll, ſo muͤſſen alle Pflichten und Grundſaͤze derſelben allhier an - gezeigt, und auf jedes Stuͤck angewendet werden.

§. 63. Die Nahrungsquelle liefert den Ertrag aus, dieſer aber nach Abzuge des Aufwandes den reinen Ertrag. Soll nun dieſer vermehret werden, ſo muß zu aller - erſt der Ertrag ſo ſehr vergroͤſert wer - den, als nur moͤglich iſt: da aber nun die Nahrungsquelle die Grundurſache des Er - trages iſt, ſo iſt die erſte Pflicht des Erwer - bers als Haushaͤlter oder Hauswirth be - trachtet: daß er ſeine Nahrungsquelle ſoer -35Haushaltungs-Wiſſenſchaftergiebig zu machen ſuche, als es moͤg - lich iſt.

§. 64. Die Verbeſſerung der Nahrungs - quelle beruht auf zwei Hauptſtuͤcken; erſtlich: wenn der Erwerber noch keine hat, ſo muß er ſich nach den Geſezen der Natur, der Voͤl - ker und ſeines Landes eine eigenthuͤmlich zu machen ſuchen, die der Verbeſſerung faͤhig iſt. Wenn er eine Nahrungsquelle hat, ſo muß er ſie bis in alle ihre kleinſten Theile kennen, und jedes kleinſten Theiles Kraft und Vermoͤgen, desgleichen wie es zum Zwecke des hoͤchſten Ertrages zu beſtim - men, wiſſen.

§. 65. Die Erwerbungsmittel machen den Aufwand aus, welcher an die Nahrungsquel - le verwendet wird, um ſie ergiebig zu ma - chen. Sie entſpringen aus dem Ertrage, je mehrere, je koſtbarere Erwerbungsmittel, je weniger Ertrag, und umgekehrt. Soll nun dieſer ſo hoch vermehrt werden, als moͤglich iſt, ſo muͤſſen ſo wenige und ſo wohlfeile Er - werbungsmittel verſchaft werden, als moͤglich iſt; dieſe ſollen aber doch wiederum die Nah -C 2rungs -36Allgemeinerungsquelle in den hoͤchſten ergiebigſten Stand ſezen, daher ſoll der Erwerber alle Er - werbungsmittel ſeiner Nahrungsquelle vollſtaͤndig kennen, und wiſſen, was ein jedes derſelben in ſeiner Nahrungsquelle ver - mag. Und hinwiederum ſoll er wiſſen, wie viel ein jedes von dem Ertrage wegnehmen wuͤrde, und dann ſoll er diejenigen waͤh - len, welche die wirkſamſten und zugleich die wohlfeilſten ſind, und ſich auch die - ſelben verſchaffen koͤnnen.

§. 66. Der Erwerber enthaͤlt die ganze Kraft zum Gewerbe in ſich, und dieſe beruht auf ſeinem Verſtande und Willen. Mit dem Verſtande ſoll er nicht nur ſein ganzes Gewerb vollſtaͤndig kennen, ſondern er ſoll auch wiſſen, was in jedem kleinſten Theile des Gewerbes nach den Grundſaͤzen der Haushaltungswiſſenſchaft geſchehen muß, da - mit der allgemeine groſe Zweck derſelben er - reicht werden moͤge. Vermoͤg ſeines Wil - lens ſoll er unaufhoͤrlichen Drang haben, alles das zu erfuͤllen und auszufuͤhren, was ihm ſein Verſtand, als das beßte zum Zwe - cke, an die Hand gibt.

§. 67.37Haushaltungs-Wiſſenſchaft

§. 67. Das Erwerben iſt die Bewegung des ganzen Wirkungskreiſes des Erwerbers durch alle Theile des Gewerbes. Verſtand und Wille des Erwerbers kann gut ſeyn, des - gleichen auch die Nahrungsquelle, ſo wie die Erwerbungsmittel; allein es kann ihm an koͤrperlichen Kraͤften, oder an ſolchen Stuͤ - cken fehlen, welche die Einwirkung der Er - werbungsmittel erleichtern und moͤglich ma - chen. Er muß alſo ſchon von weitem die Hin - derniſſe kennen, die ihm das Erwerben ſchwer machen koͤnnen, und dieſelben in ihrem Keime zu erſticken wiſſen. Und eben ſo muß er al - les aus dem Wege raͤumen, was die Be - friedigung der Beduͤrfniſſe durch den Ertrag hindert.

§. 68. Wenn derowegen jemand von wei - tem etwas zu entdecken weiß, das ſeinem Ge - werbe Ungluͤck oder Untergang droht, und als - dann ſein Gewerb durch wirkſame Maasre - geln zu ſchuͤzen weiß, ſo iſt er ein kluger Haushaͤlter. Wenn aber jemand mit Ver - ſtand und Willen zum hoͤchſten reinen Ertrage wirkt, dabei aber den gehoͤrigen AufwandC 3zur38Allgemeinezur Nahrungsquelle und zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe nicht machen will, um den reinen Ertrag zu vermehren, der iſt geizig. Weil der Geizhals ſeine Beduͤrfniſſe nicht befriedigt, ſo iſt er ein Suͤnder gegen das Geſez der einzelnen und allgemeinen Gluͤck - ſeligkeit, und weil er nicht genug an die Erwerbungsmittel verwendet, ſo iſt er ein ſchlechter Haushaͤlter.

§. 69. Das Verzehren oder der Aufwand iſt der lezte, und zugleich ein ſehr wichtiger Theil des Gewerbes. Er iſt der eigentliche Zweck desſelben. Da nun die Befriedigung der weſentlichen und erhoͤhenden Beduͤrfniſſe ſo vollkommen geſchehen ſoll, als moͤglich iſt, hinwiederum auch der hoͤchſte reine Ertrag er - worben werden ſoll, beide Stuͤcke aber in ih - rer Richtung gegen einander laufen, ſo be - ſteht die Kunſt des Haushaͤlters darinnen: daß er erſtlich die Beduͤrfniſſe wohl ord - ne, indem er die allerweſentlichſten zu - erſt, die allerzufaͤlligſten zulezt ſtellet.

§. 70. Zum andern: ſoll er den ganzen Ertrag uͤberſchauen, ihn gegen alle ſeine ge -ordne -39Haushaltungs-Wiſſenſchaftordnete Beduͤrfniſſe halten, und das Ver - haͤltniß wohl beſtimmen. Da nun auch die Sicherung des Ertrages auf die Zukunft mit zu den Beduͤrfniſſen, und zwar zwiſchen die weſentlichen und zufaͤlligen gehoͤrt, ſo ſoll er die wohlfeilſten und zugleich die zweckmaͤſig - ſten Befriedigungsmittel waͤhlen, um erſtlich den allerweſentlichſten, und dann auch den Sicherungsbeduͤrfniſſen Genuͤge zu thun. Auf ſolche Weiſe erhaͤlt er auch bei maͤſigem Ertrage einen reinen Ertrag.

§. 71. Zum dritten: Jſt der Ertrag ſo gros, daß nicht nur die weſentlichen - und Sicherungsbeduͤrfniſſe vollkommen befriedi - get werden koͤnnen, ſondern dann noch rei - ner Ertrag uͤbrig bleibt, ſo ſind wiederum zweierlei Beduͤrfniſſe da, zu welchen dieſer reine Ertrag verwendet werden kann: die Verbeſſerung der Nahrungsquelle geht voran, und unmittelbar darauf folgen die Beduͤrfniſſe der Erhoͤhung des Daſeyns: wenn alſo die Nahrungsquelle den hoͤchſten Grad der Verbeſſerung erreicht hat, ſo kann der uͤbrige reine Ertrag zu den lezteren Be - duͤrfniſſen verwendet werden.

C 4§. 72.40Allgemeine

§. 72. Zum vierten: Wenn ein Haushaͤl - ter dem allem ungeachtet noch reinen Ertrag erwirbt, ſo ſoll er ſeine Nahrungsquelle erweitern, ſich aber niemalen in die Befrie - digung der uͤppigen Beduͤrfniſſe weiter ein - laſſen, als welche die allgemeine Mode ſo nothwendig gemacht, daß er ohne Befriedi - gung derſelben, in der menſchlichen Geſell - ſchaft auffallend, allgemein fuͤr eigenſinnig gehalten, und alſo ſein Wirkungskreis merk - lich gehindert werden koͤnnte.

*Es iſt wohl zu merken, daß ich in dieſen §hen alle einzelne und geſellſchaftliche, auch die Liebeswerke immer mit unter den weſentlichen und erhoͤhenden Be - duͤrfniſſen verſtanden habe.
*

§. 73. Das zweite Hauptſtuͤck der Haus - haltung beſteht darinnen: daß der Haushaͤl - ter den gewonnenen reinen Ertrag zur Ver - beſſerung und Erweiterung der Nah - rungsquelle, nachdem die gehoͤrigen Be - duͤrfniſſe befriedigt worden, anzuwenden wiſſe. Dieſes geſchieht, wenn der Haus - wirth alle einzelne Theile ſeiner Nahrungs - quelle erforſcht, und genau beobachtet, wasuͤber -41Haushaltungs-Wiſſenſchaftuͤberall noch fuͤr Verbeſſerungen moͤglich ſind, und dann dieſelben aus dem reinen Ertrage ins Werk richtet. Hernach wenn er auch eben dieſes in Anſehung der Erwerbungs - mittel zu Stande zu bringen ſucht.

§. 74. Jſt aber die Nahrungsquelle kei - ner Verbeſſerung mehr faͤhig, ſo muß ſie er - weitert werden. Dieſes geſchieht: wenn der reine Ertrag ſelbſten zur Nahrungs - quelle umgeſchaffen wird. Dieſes ſoll auf eine ſolche Weiſe geſchehen, daß die neuent - ſtandene Nahrungsquelle wiederum auf die ergiebigſte Art eingerichtet werde: da nun die Verlehnung der Gelder gegen Renten, die allergeringſte Art einer Nahrungsquelle iſt, ſo ſoll ein Haushaͤlter niemals um Gewinnes willen Gelder auslehnen, weil er dieſen Zweck beſſer erreichen kann, ſondern er ſoll es nur dann thun, wann ihn die Pflicht der Liebe des Naͤchſten dazu auffodert.

§. 75. Dieſe Regeln der Haushaltung ſind im Gewerbe eben ſo wichtig, als die Ge - ſeze der Bewegung in der Natur und Kunſt. Deswegen muͤſſen alle GewerbwiſſenſchaftenC 5nach42Allgemeinenach dieſen Geſezen und aus dieſem Ge - ſichtspunkte gelehrt, gelernt und ausgeuͤbet werden.

Allgemeine Buchhaltungs-Lehre.

§. 76. Der Haushaͤlter muß die Verhaͤlt - niſſe des Aufwandes, des Ertrages und des reinen Ertrages durchs ganze Gewerb wiſſen. Er muß in einem kurzen Augenblicke uͤberſchauen koͤnnen, was ſein Ertrag, und was ſein reiner Ertrag iſt, wie wird er ſonſt wiſſen koͤnnen, wie weit er in Befriedigung ſeiner Beduͤrfniſſe gehen kann. Wenn dero - wegen ein Gewerb ſo mannigfaltig iſt, daß der Hauswirth nicht alles mit dem Gedaͤcht - niſſe faſſen kann, ſo muß er durch Schreiben demſelben zu Hilfe kommen, und das ge - ſchieht durch Buchhalten. Dieſes iſt bei gro - ſen Wirthſchaften ein maͤchtiges Befoͤrde - rungsmittel der Haushaltung.

§. 77. Durch das Buchhalten ſollen alſo gewiſſe Wahrheiten des Gewerbes, die zur richtigen Fuͤhrung einer Wirthſchaft noͤthig zu wiſſen ſind, fuͤr das Gedaͤchtniß aufbehal - ten werden. Wenn nun dieſe Wahrheitenzwar43Buchhaltungs-Lehrezwar alle aufgeſchrieben, aber nicht nach ge - wiſſen Grundſaͤzen einen gewiſſen beſtimmten ihnen gehoͤrigen Ort erhalten, ſo koͤnnen ſie nicht allein nicht bald gefunden, ſondern auch nicht in gehoͤrige Verhaͤltniſſe gebracht wer - den. Derowegen ſollen alle Saͤze von ei - ner Art zuſammen geordnet, und mit andern in einen ſolchen Vergleich geſtellt werden, daß man durch denſelben die verlangte neue und nuͤzliche Verhaͤltniſſe alſofort und mit der leichteſten Muͤhe ent - decken koͤnne.

§. 78. Dinge von einer Art ſind erſtlich die Theile, woraus die Nahrungsquelle zu - ſammen geſezt iſt. Dinge von einer andern Art ſind der Aufwand auf die Nahrungsquel - le, das iſt: die Erwerbungsmittel, da - her entſteht der erſte Titel des Buchhaltens; dieſer enthaͤlt auf einer Seite: die Erwer - bungsmittel, den Aufwand, die Unkoſten, welche an die Nahrungsquelle verwendet wer - den, um ſie ergiebig zu machen, und zwar mit genauer Beſtimmung der Zeit, der Um - ſtaͤnde und der Groͤſe. Auf der andern Sei -te44Allgemeinete ſtehen alle Theile der Nahrungsquelle mit der genauen Beſtimmung der Zeit, der Um - ſtaͤnde und der Groͤſe des Ertrages jeden Theiles. Da nun beide Arten von Dingen genaue Beziehung auf einander haben, und das Verhaͤltniß zwiſchen beiden ohne Ver - gleich nicht beſtimmt werden kann, ſo haͤngt man ſie durch den Titel zuſammen, dieſer iſt: die Nahrungsquelle empfaͤngt (De - bet) (hieher gehoͤrt die erſte Ordnung der Erwerbungsmittel). Gibt ab (Credit) und hieher gehoͤrt die zweite Ordnung: die Thei - le der Nahrungsquelle mit ihrem Ertrage.

*Die Rubrik: Die Nahrungsquelle empfaͤngt; gibt ab, iſt ein allgemei - ner Terminus, ein jeder kann ſeine Nahrungsquelle naͤher beſtimmen, er kann ſagen: mein Ackerbau, mein Hand - werk, meine Handlung u. ſ. w. ſo wie es einen am beßten duͤnkt.
*

§. 79. Wenn die Nahrungsquelle einmal einen beſtimmten Ertrag geliefert, oder ein Zeitlauf voll iſt, ſo, daß man die Verhaͤlt - niſſe wiſſen muß, ſo zaͤhlt man die Theile der erſten Seite zuſammen, und ordnet ſie inein45Buchhaltungs-Lehreein Ganzes, und ſo hat man das Ganze der Erwerbungsmittel. Eben ſo verfaͤhrt man auf der andern Seite, ſo bekommt man das Gan - ze deſſen, was die Nahrungsquelle ausgelie - fert hat, mithin: das ganze Debet und das ganze Credit; erſtes vom lezten abgezogen, bleibt der wahre Ertrag. Ohne dieſes Buch - halten kann ihn der Haushaͤlter nie genau wiſſen.

§. 80. Der Ertrag wird auf die Befrie - digung der Beduͤrfniſſe verwendet, dieſe Be - friedigung nimmt wieder eine Seite ein, und und es muß alſo jedes Stuͤck nach Zeit, Um - ſtaͤnden und Groͤſe, in ſeiner Ordnung dahin gebracht werden. Die andere Seite bekommt den Ertrag in ſeiner Summe, desgleichen diejenigen einzelnen Vortheile, welche taͤg - lich auſerhalb der Nahrungsquelle etwa ge - wonnen werden. Beide Seiten werden durch den Titel verknuͤpft: Die Haushaltung em - pfaͤngt (Debet) hieher gehoͤrt der Aufwand; (Gibt ab) hieher gehoͤrt der Ertrag; wird nun beim Schluſe das Debet vom Credit ab - gezogen, ſo zeigt der Ueberſchuß (Saldo) den wahren reinen Ertrag.

§. 81.46Allgemeine Buchhaltungs-Lehre

§. 81. Das Buchhalten iſt ein weſentli - ches Stuͤck der Gewerbwiſſenſchaft, und dem Haushalter, beſonders in groſen Gewerben wichtig. Obige Saͤze enthalten die allgemei - ne Grundfeſte der Buchhaltungskunſt, die durch alle Gewerbe aufs Einzelne angewen - det und erweitert werden muͤſſen.

§. 82. Das Buchhalten ſezt, wie es jedem leicht einleuchtet, zwo Hilfswiſſenſchaften vor - aus: Rechenkunſt und Schreibkunſt, oh - ne welche dasſelbe gar nicht beſtehen kann: beide Wiſſenſchaften ſind alſo auch in dieſer Abſicht weſentlich noͤthig.

§. 83. Bis dahin gehen die erſten Gruͤn - de der allgemeinen Gewerbwiſſenſchaft, mit - hin der ſaͤmmtlichen Kameralwiſſenſchaften. Jch koͤnnte alſo die Beduͤrfnißlehre, die Pro - duktenlehre, die allgemeine Gewerblehre, die allgemeine Oekonomie und die Buchhal - tungslehre, zuſammen die Kameralontolo - gie nennen.

Zwei -47Einleitung

Zweiter Abſchnitt. Grundlehre der buͤrgerlichen Gewerbkunde. §. 84.

Die Nahrungsquelle iſt bei jedem Gewer - be das vornehmſte: ohne dieſelbe kann keins der andern Stuͤcke beſtehen, ſie iſt der erſte Grund desſelben. Nun ſind aber die Nahrungsquellen ſehr verſchieden, ſie laſſen ſich in Klaſſen ordnen, und weil ſie den Grund des ganzen Gewerbes in ſich enthal - ten, ſo koͤnnen auch alle Gattungen desſel - ben fuͤglich nach den Nahrungsquellen un - terſchieden, und in Ordnungen geſtellt wer - den.

§. 85. Alle Nahrungsquellen ſind darum da, daß ſie dem Erwerber die Befriedigungs - mittel ſeiner Beduͤrfniſſe abgeben ſollen; nun ſind aber alle dieſe Befriedigungsmittel mit - telbare oder unmittelbare Erderzeugungen. Die Erde iſt die allererſte Nahrungsquelle, ſie kann jedes Gewerb entbehren, ohne ſieaber48Allgemeineaber kann keins ſeyn: es iſt alſo ausgemacht, daß das Gewerb mit der Erde, das er - ſte, aͤlteſte und in Wahrheit das Vornehm - ſte iſt.

Allgemeine Landwirthſchaft.

a) Geſchichte der Landwirthſchaft.

§. 86. Das Gewerb mit der Erde beſteht darin: daß man dieſelbe als Nahrungs - quelle ſo beſtimme, baue und zurichte, damit ſie die mehreſten und beßten, mit - relbare und unmittelbare Erzeugungen abgebe, daß man dieſelben als Ertrag zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe ſo ver - wende, damit der hoͤchſt moͤgliche reine Ertrag heraus komme, und daß man dieſen reinen Ertrag wiederum zu Ver - beſſerung und Erweiterung der Nah - rungsquelle verwende. Dieſes iſt die Wort - erklaͤrung der Landwirthſchaft.

§. 87. Die Erde bringt ihre Erzeugungen von ſelbſt hervor, unter jedem Himmelsſtrich traͤgt ſie diejenigen, welche ihrer Natur nach daſelbſt leben und beſtehen koͤnnen. Die Menſchheit in ihrer erſten Kindheit bekuͤmmertſich49Landwirthſchaftſich wenig um die Vermehrung und Vered - lung derſelben, ſondern ſie ſucht ſich nur die - jenigen zu Befriedigung ihrer Beduͤrfniſſe zu - zueignen, die die Natur freiwillig anbeut. Dieſes iſt wohl die allereinfachſte Gattung des Gewerbes, und der allererſte Urkeim der Landwirthſchaft.

§. 88. Der Menſch im wahren bloſen Na - turſtande unter dem mildeſten Himmelsſtri - che kann ſein Daſeyn blos durch den Genuß der Obſt - oder Baumfruͤchte, ganz ohne De - cke fortſezen. Die Verſchaffung des Obſtes iſt ſein ganzes Gewerb, die Erde bringt es von ſelbſten hervor, er hat alſo nichts wei - ter noͤthig, als es abzubrechen, ſich allen - falls einen Vorrath auf die Zeit zu ſammlen, da keins waͤchſt, und davon beſtaͤndig fort ſeine Beduͤrfniſſe zu befriedigen.

*Hier will ich mich ein vor allemal gegen den Vorwurf verwahren, den man mir gegen meine Geſchichten der Erfindung in der Landwirthſchaftkunſt, Handlung - und Staatswirthſchaft machen koͤnnte, heilige und profan Geſchichte ſez ich hier beiſeit, und folge nur dem moͤg -Dlichen50Allgemeinelichen Gange der Natur, welches mir fuͤr dismal genug iſt.
*

§. 89. So wie ſich das menſchliche Ge - ſchlecht vermehrt, ſo muß ſich auch das Be - friedigungsmittel ſeines Beduͤrfniſſes vermeh - ren. Derowegen wird nun der Menſch an - getrieben, Mittel zu ſuchen, wie er die Men - ge des Obſtes vergroͤſern koͤnne, die Erfah - rung lehrt ihn der Natur nachahmen, er pflanzt die Obſtkerne in die Erde, erzeugt ſich eine groͤſere Menge Baͤume, und mit den - ſelben eine hinlaͤngliche Menge Befriedigungs - mittel. Erfahrung, Zufall, Mutterwiz, beſſerer Geſchmack, beſſere Nahrung und beſ - ſeres Wohlbefinden leitet ihn, vor und nach zu Veredlung, Auswahl und geſchickterer Anwendung der Obſtfruͤchte, womit er na - tuͤrlicher Weiſe auch beſſeren Bau der Mut - ter Erde verbindet.

§. 90. Dieſes allererſte Zeitalter der Menſchheit enthaͤlt das allereinfachſte Ge - werb, die allererſten Grundlinien der Land - wirthſchaft, in welchen der einfaͤltigſte Bau der Erde, die einfachſte Gewinnung des Er -trages,51Landwirthſchafttrages, und die einfachſte Anwendung des - ſelben gegruͤndet iſt. Jch will dieſes erſte landwirthſchaftliche Gewerb den Obſtbau nennen.

§. 91. So wie das menſchliche Geſchlecht ſich uͤber die Erde verbreitet, veraͤndert ſich der Himmelsſtrich. Die Haͤrte, der Wech - ſel der Witterung nebſt der Schaam erzeugen das Beduͤrfniß der Decke; man raubt den Thieren mit Verluſt ihres Lebens die ihrige, man macht ſich dieſelbe zum Gebrauche be - quem, erfindet ſolcher Geſtallt Kleider und Huͤtten. Die Erfahrung belehrt, daß ein Thier das andere frißt, dieſes Beiſpiel fuͤhrt zur Nachahmung, man befriedigt die weſent - lichen Beduͤrfniſſe, Nahrung und Decke ganz aus dem Thierreiche, der Menſch wird wild, Erfahrung, Mutterwiz und Zufall lehren ihn Kuͤnſte, die natuͤrliche Geſchicklichkeit der Thiere zu beſiegen, und ſo entſtehn die er - ſten Gruͤnde der Jagdwiſſenſchaft, welche wiederum ein elementar Gewerb der Land - wirthſchaft ausmacht. Zugleich aber entſte - hen in dieſem Zeitlaufe der Menſchheit dieD 2er -52Allgemeineerſten Urkeime der Kunſtwiſſenſchaft, nem - lich die Zubereitung der Kleidung und Wohnung, immittelſt auch der Zuberei - tung der Speiſen.

§. 92. Saͤnftere Sitten, ein Schritt wei - ter in der Verfeinerung. Menſchenmenge in einem kleinen Bezirke, mithin Mangel an Jagdthieren, treiben an, auf andre Befriedi - gungsmittel zu denken: die Bekanntſchaft mit den Thierarten hat ſie gelehrt, daß es deren gibt, die weniger wild, weniger fluͤch - tig und zur Wohnung bei den Menſchen ge - ſchickter ſind, ihr Fleiſch iſt gut zur Nahrung, das Saͤugen ihrer Jungen leitet zum Genuſſe der Milch: folglich wird die Nahrung ver - vielfaͤltigt, man ſchließt das Vieh ein, ge - woͤhnt’s an Weide und Triften, man wohnt bei dem Viehe unter Huͤtten, erfindet ver - ſchiedene naͤhere landwirthſchaftliche Zuberei - tungen der erlangten Produkten, in Fellen, Hoͤrnern, Knochen, Haaren, Wolle, Milch, Butter, Kaͤſe, und ſo weiter.

§. 93. So entſteht die Viehzucht, wel - che ebenfalls ein wichtiger Theil der Land -wirth -53Landwirthſchaftwirthſchaft iſt; ſie iſt die fruchtbare Mutter des Ackerbaues, und zugleich vieler Aeſte der Handwerker und Kuͤnſte.

§. 94. Das Hirtenleben der Menſchen in dieſem Zuſtande iſt umherſchweifend, die Vermehrung und Zuſammenwohnung des Viehes verurſachet, daß bald alles Futter einer Gegend aufgezehrt iſt, folglich die Stel - le veraͤndert werden muß; wann aber die Menſchenmenge gegen das Land ein zu gro - ſes Verhaͤltniß hat, ſo, daß nirgends mehr Futter zu finden iſt, ſo ſuchen die Menſchen durch Bearbeitung der Erde das Futter fuͤr ihr Vieh zu veredlen und zu vermehren: die - ſe Bearbeitung eines Stuͤckes bringt den Be - griff des Eigenthumes in dem Bearbeiter des - ſelben hervor, er beſchuͤzt es als ſein Eigen - thum, baut ſich eine beſtaͤndigere Huͤtte da - bei, und wird alſo im einfachſten Sinne ein Landwirth. Es iſt alſo ſchon aus der Geſchichte der Menſchheit gewiß, daß der Futterbau und die Viehzucht die Grundlage der Landwirthſchaft iſt.

D 3§. 95.54Allgemeine

§. 95. Aufmerkende Beobachtung lehret den erſten Landwirth, daß rieſelnde Ueber - feuchtung des Futterbodens, mehrerer Re - gen, und endlich auch der fette bluͤhende Wuchs an dem Orte, wo der Miſt eines Viehes liegt und fault, folglich naͤchſt dem Waſſer auch der Miſt das Futter veredle und vermehre: daher entſteht eben die erſte An - leitung: wie der Futterboden zu Vermeh - rung und Verbeſſerung ſeiner Erzeugun - gen gewaͤſſert, geduͤngt und bearbeitet werden muͤſſe.

§. 96. Vielleicht die Beobachtung, daß das Vieh durch den Genuß der noch wild - wachſenden Getreidarten ſchleunig wuchſe, fett und fleiſchig wurde; vielleicht noch an - dere Urſachen leiteten den Menſchen zum Ge - nuſſe der Melfruͤchte: man genoß ſie erſt roh, kochte ſie mit dem Fleiſche, und fand ſie ſchmackhafter: man zerrieb ſie, reinigte das Mehl von den Huͤlſen, vermiſchte ſie mit Waſ - ſer, machte allerhand Verſuche durch Roͤſten und Braten, und fand endlich eine vortref - liche Nahrung, die bald zu den weſentlichſten Befriedigungsmitteln werden konnte.

§. 97.55Landwirthſchaft

§. 97. Die wildwachſenden Getreidarten wurden bald verzehrt, man mußte auf Mit - tel denken, dieſelben zu verbeſſern und zu vermehren. Man wußte, daß die Graͤſer und Kraͤuter durch Waſſer und Miſt edler und in groͤſerer Menge wuchſen: folglich verſuchte man’s, ſtreute die Koͤrner hin, waͤſſerte und duͤngte ſie, und ſo fand man, daß die Gras - arten das Getreid uͤberwuchſen und ver - draͤngten. Dieſes leitete zu einem Verſuche, die Erde umzugraben, um die Grasarten und die Kraͤuter auszurotten, dadurch wur - de der Boden locker, und nun wuchs das Getreid ſchoͤn, edel und in Menge.

§. 98. So erfand man die erſten Grund - ſaͤze des Ackerbaues, man lernte einſehen, daß das Waͤſſern nicht zur Nahrung des Ge - treides gut ſei; ſondern daß das Duͤngen eigentlich die Getraidpflanzen naͤhre: man ſtieg von Stufe zu Stufe, ſowohl in Ver - vielfaͤltigung der Fruchtarten, als auch in mehrerer Erkaͤnntniß der Bearbeitung der Er - de, der Wartung, Pflege, Zubereitung und Anwendung der Pflanzen, und ſo kam manD 4end -56Allgemeineendlich in der Landwirthſchaft zu der groͤſe - ren oder geringern Vollkommenheit, in wel - cher ſie in den verſchiedenen Laͤndern der Welt anizo bluͤhet.

§. 99. Durch einen Zufall konnte ein Stein ins Feuer gerathen, und in der Glut ein glaͤnzendes Metall heraus flieſen: daher ge - rieht man auf Verſuche, man ſchmolz vie - lerlei Steinarten in dem Feuer, entdeckte die Metallen und Halbmetallen, Glas - und Kalkarten, Toͤpfergeſchirre, und ſo ferner. Durch weitere Entdeckungen erkannte man den Nuzen dieſer Dinge, man ſchurfte in der Oberflaͤche der Erde nach Erzen, fand Gaͤn - ge, grub nach, und ſo entſtand der Bergbau.

§. 100. Jch behaupte nicht, daß das menſchliche Geſchlecht uͤberall genau auf dem bisher erzaͤhlten Wege zu dem Grade der Er - kaͤnntniß zu der Landwirthſchaft gekommen ſei, den es anizo hat; ich habe blos die Na - turgeſchichte derſelben hingeordnet, auf daß ich ein naturgemaͤſes, folglich das allerbeß - te Lehrgebaͤude der Landwirthſchaft, welches vom allereinfachſten erſten Theile bis zur hoͤch -ſten57Landwirthſchaftſten Vollkommenheit derſelben ſtuffenweis fortſchreitet, zum Gebrauche meiner Leſe - ſtunden aufſtellen moͤge.

*Wie herrlich wuͤrde eine Geſchichte der Landwirthſchaft von allen Laͤndern ſeyn? und wie ſehr wuͤrde uns der Gang des menſchlichen Geiſtes in den Erfahrungen derſelben ergoͤzen und belehren.
*

b) Landwirthſchaftliche Erwerbungen.

§. 101. Durch den Gang der menſchlichen Erwerbungen, ſind ein groſer Theil, aber nicht alle Erderzeugungen zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe verwendet worden. Das Steinreich gibt einen groſen Theil oͤkonomi - ſcher Erzeugungen ab, die uns zwar in der Naturgeſchichte allgemein bekannt werden; allein es iſt noch eine genauere Erkaͤnntniß derſelben, nemlich derer Eigenſchaften noͤthig, auf welche ihre fernere Zuberei - tung und Anwendung zu den Beduͤrf - niſſen gegruͤnder iſt. Dieſe Eigenſchaf - ten lehrt die oͤkonomiſche Mineralogie.

§. 102. Das Pflanzenreich liefert eben - falls eine Menge oͤkonomiſcher Erzeugungen; aber lange nicht alle Pflanzen werden dazuD 5ver -58Allgemeineverwendet. Die oͤkonomiſche Botanik leh - ret uns diejenigen kennen, welche zu Befrie - digung der Beduͤrfniſſe dienen; die Pflan - zenphyſiologie aber zeigt uns an, wie nach dem inneren Baue und Natur der - ſelben, die Geſchaͤfte des Entſtehens, Le - bens und der Fortpflanzung von der Na - tur bewerkſtelliget werden. Auf dieſe Grundſaͤze muß ſich hernach der Bau, die Erziehung, die Zubereitung und die Anwen - dung derſelben gruͤnden.

§. 103. Eben ſo gehoͤrt auch ein anſehnli - cher Theil des Thierreiches zu den oͤkonomi - ſchen Erzeugungen: die Auswahl derſel - ben, und welche zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe verwendet werden, lehrt die oͤkonomiſche Zoologie. Die Phyſiologie des Thieres aber unterrichtet uns, wie nach dem Baue und inneren Einrichtung deſſelben ſein Entſtehen, ſein Leben und ſeine Fortpflanzung durch die Natur be - werkſtelliget werde, damit man die Zucht, Nahrung und Pflege desſelben in Ge - ſundheit und Krankheit nach ſeiner Na -tur59Landwirthſchafttur einzurichten wiſſe. Die Krankheit der Thiere zu heilen, gehoͤrt auch hieher, und dieſes lehret die Vieharzneikunde.

§. 104. Endlich muß man auch die ver - ſchiedene Arten des Erdbodens kennen, und zwar ſo, damit man ihn beurthei - len koͤnne, zu welcher Art von Erzeu - gungen er am bequemſten ſei: auf dieſe Kaͤnntniſſe gruͤndet ſich dann der Bau und Zubereitung der Erde in Abſicht auf die Pflan - zen und Erzeugungen, welche man erzielen will. Man koͤnnte die Erkaͤnntniß der Erd - arten wohl in der oͤkonomiſchen Minera - logie lehren, wie ſchon von dem beruͤhmten Wallerius geſchehen iſt. Allein ein ſolcher Abſchnitt wuͤrde ſich allzuſehr von den uͤbri - gen derſelben entfernen. Es wird daher fuͤglicher in der Landwirthſchaft, dieſer Lehre ein Hauptſtuͤck eingeraͤumt.

§. 105. Mit dieſen Kaͤnntniſſen ausgeruͤ - ſtet, gehen wir nun zu den ausuͤbenden Thei - len der Landwirthſchaft, zu den Erwerbun - gen der Erderzeugungen uͤber. Da wir aber nach den Regeln der wiſſenſchaftlichen Lehr -art60Allgemeineart zu Werke gehen, und alſo immer das leichtere zuerſt, das ſchwerere hernach abhan - deln muͤſſen, ſo fangen wir nach Anleitung der Naturgeſchichte der Landwirthſchaft bei denjenigen Erzeugungen an, welche die Er - de von ſelbſt hervorbringt und ernaͤhret.

§. 106. Die Obſtbaͤume, hohes und nie - driges Gehoͤlze, wachſen ohne Wartung und Pflege von ſelbſt hervor, ſie leben eben ſo fort, und erzeugen ihr Geſchlecht ohne Zu - thun der Menſchen, doch das alles mit gro - ſem Unterſchiede. Das wilde hoch - und nie - driges Gehoͤlze hat am allerwenigſten War - tung noͤthig, man darf es nur fuͤr Aushol - zung und Verwuͤſtung huͤten. Wenn man es anpflanzen will, ſo braucht man nur nach beſtimmten Regeln zu ſaͤen und zu pflanzen, und endlich ſparſam damit hauszuhalten. Dieſes alles lehret die Wiſ - ſenſchaft der Holzzucht, oder die Forſt - wiſſenſchaft. Dieſe enthaͤlt die erſten Li - nien der Landwirthſchaft, und iſt alſo fuͤg - lich das erſte, was darinnen abgehandelt wird.

§. 107.61Landwirthſchaft

§. 107. Die Obſtbaͤume wachſen eben ſo wohl von ſelbſten, als auch andere Baͤume, wann ſie unter ihrem gehoͤrigen Himmelsſtri - che ſind; da aber dieſelben vielfaͤltig in frem - de Gegenden verpflanzt worden, ſo ſind da - her Grundſaͤze entſtanden, nach welchen ſie in ſolchen fremden Boden und Wit - terung gepflanzt, erzogen, vermehret und verbeſſert werden muͤſſen. Dieſe lehret die Baumzucht.

§. 108. Eben dieſes gilt auch von dem Weinſtocke: da, wo er zu Hauſe iſt, erfodert er wenig Wartung; ſo bald er aber in ande - re Gegenden verpflanzt wird, und zwar ſo, daß er vermehrt oder veredelt werden ſoll, ſo muß er ebenfalls naturgemaͤß ge - pflanzt, gewartet und verſorgt werden, damit er die mehreſten und beßten Er - zeugungen abgebe. Dieſes lehrt der Weinbau.

§. 109. Unter den Staudengewaͤchſen ſind ſehr viele, die mannigfaltigen landwirth - ſchaftlichen Nuzen haben, ſie gehoͤren aber zum Forſtweſen.

§. 110.62Allgemeine

§. 110. Das Thierreich liefert gleichfalls ſehr viele Erzeugungen, im Waſſer, auf der Erde und in der Luft, die die Natur ohne Zuthun der Menſchen hervorbringt, und al - ſo wiederum hieher gehoͤren. Wie nun die - ſelben zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe der Menſchen ſollen erworben, und wie damit ſoll hausgehalten werden, das lehrt die Jagdwiſſenſchaft, die ſich in die Fiſcherei, die Jagd und den Vogelfang zertheilet.

§. 111. Verſchiedene Thierarten ſind ſo beſchaffen, daß ſie der Menſch erziehen, ver - pflegen und benuzen kann, ohne daß er be - ſonders auf ihren Futterbau zu ſehen, und ihnen denſelben zu beſorgen hat, hieher ge - hoͤren die Bienen. Wie man dieſelben er - ziehen, warten und pflegen ſoll, damit ſie vermehret, und der hoͤchſte reine Er - trag gewonnen werde, dieſes lehrt die Bienenzucht.

§. 112. Unter die landwirthſchaftlichen Erwerbungen, und zwar zu den betraͤchtli - chen, gehoͤrt auch die Zucht der Seidewuͤr -mer.63Landwirthſchaftmer. Dieſe Thiere naͤhren ſich da, wo die Maulbeerbaͤume wild wachſen, von ſelbſt. An ſolchen Orten hat ihre Wartung, und das Gewerb mit ihrer Erzeugung der Seide we - niger Muͤhe; wo aber auch die Maulbeer - baͤume erzogen, gewartet und gepfleget wer - den muͤſſen, da werden mehrere Erwerbungs - mittel erfodert. Die Heiſcheſaͤze, nach wel - chen der Futterbau der Seidewuͤrmer, ihre Zucht, Pflege, die Erwerbung der Seide und ihre Zubereitung zur rohen Waare verrichtet werden muß, lehrt der Seidebau.

§. 113. Es gibt aber Vieh, durch deſſen Benuzung ſich der Menſch faſt allein ernaͤh - ren, und ſich die weſentlichen Beduͤrfniſſe verſchaffen kann; dieſes aber nicht allein: das Gewerb mit demſelben iſt zugleich ein maͤchtiges, und ſo zu ſagen, das vornehm - ſte Mittel des Ackerbaues und der eigentli - chen Landwirthſchaft, indem es die Nahrung fuͤr diejenigen Pflanzen abwirft, die zu Be - friedigung der weſentlichen Beduͤrfniſſe un - entbehrlich geworden ſind; zugleich aber auchder -64Allgemeinederjenigen Gewaͤchſe, welche zur Handlung mit Nuzen gebaut werden. Den erſten Rang unter dieſen Thierarten verdient das Rind - vieh.

§. 114. Das Rindvieh erfodert eine reichliche, geſunde, fette Nahrung und Ruhe, wenn es guten und vielen Dung, gute und viele Milch, Butter und Kaͤſe, gutes und nahrhaftes Fleiſch, oder gu - tes, geſundes und ſtarkes junges Vieh abgeben ſoll. Die Nahrung des Viehes ſind die Futterkraͤuter, und die Erwerbung dieſer Nahrung geſchieht entweder durch Aus - treiben und Huͤten des Viehes auf Weidplaͤ - zen, oder man verſorgt es in ſeinem Stalle durch die Stallfuͤtterung.

§. 115. Dung, Milch und gutes fettes Fleiſch, und zwar in moͤglichſtér Menge zu erwerben, iſt der Zweck der Viehzucht. Da aber durch das Weiden des Viehes, der Dung zur Halbſcheid verſtreut, mithin fuͤr den Landwirth verlohren geht, durch die Be - wegung mehr Nahrungsſaft verdauet, und alſo die Milch vermindert wird, und endlichaus65Landwirthſchaftaus eben dem Grunde durch die Bewegung das Fleiſch an ſeiner Saftigkeit und Fettig - keit verhindert wird, ſo ſind die Gemein - weiden hoͤchſt ſchaͤdlich.

§. 116. Wann aber ein Landwirth groſe Grundſtuͤcke hat, die geſchloſſen ſind, einen ſchattigten Ort, und eine geſunde Traͤnke ha - ben, ſo erlauben die Grundſaͤze der Land - wirthſchaft allenfalls die Weide auf denſel - ben; weil aller Dung auf ſolchen Stuͤcken bleibt, das Vieh ſich nicht ſtark bewegt, und alſo die reichſte Erwerbung der Milch und des Fleiſches nicht ſehr gehindert wird.

§. 117. Wann das Vieh auf dem Stalle reichlich und mit guter Nahrung gefuͤttert wird, ſo wird der ganze Endzweck, den man mit dem Viehe beaͤugt, vollkommen erfuͤllt: folglich iſt die Stallfuͤtterung unter dem Be - dinge, daß das Vieh reichlich und mit guter Nahrung gefuͤttert werde, die vollkommenſte Art der Viehzucht.

§. 118. Reichliche und gute Nahrung fuͤr das Vieh erhaͤlt man durch den Futterbau. Das erſte, was man dabei zu beobachten hat,Eiſt:66Allgemeineiſt: daß man das Verhaͤltniß zwiſchen der Menge des Viehes, und der Menge des Futters ſo beſtimme, daß nach reich - licher und guter Ausfuͤtterung des Vie - hes kein Futter mangle, und keins uͤb - rig bleibe. Das zweite: daß man unter allen Futterkraͤutern diejenigen baue, welche mit weniger Muͤhe am reichlichſten gezeugt, und zur beßten Nahrung fuͤrs Vieh werden koͤnnen. Die Gattungen der beßten Futter - kraͤuter erkennt man in der oͤkonomiſchen Boranik, ſie auswaͤhlen lehrt die Erfahrung, und ſie zu bauen, der Futterbau.

§. 119. Der Boden, welcher zum Futter - baue verwendet wird, theilt ſich in natuͤrliche und kuͤnſtliche Wieſen. Die Beſchaffenheit des Bodens, die Lage desſelben, der Mangel oder der Ueberfluß des Waſſers muß beſtimmen, welche unter beiden Arten den Vorzug habe.

§. 120. Die Grundſaͤze, welche lehren: wie man das Rindvieh auf die beßte, nuͤzlichſte und bequemſte Weiſe erziehen, ernaͤhren und alle ſeine Erzeugungen ver - mehren, verbeſſern und zum Nuzen derLand -67LandwirthſchaftLandwirthſchaft zum Ertrage machen muͤſſe, enthaͤlt die Rindviehzucht.

§. 121. Die Schaafe liefern Fleiſch, Wol - le, Dung, Felle und junge Schaafe an den Landwirth ab; ſie ſind ebenfalls ein nuͤzliches Vieh. Wie dieſelben auf die nuͤzlichſte Weiſe erzogen, ernaͤhret und alle ihre Erzeugungen vermehret, verbeſſert und zum Nuzen der Landwirthſchaft, zum Ertrage gemacht werden muͤſſen; lehrt die Schaafzucht.

§. 122. Die Ziegen haben auch wegen ih - rer Milch; Felle; Fleiſch und Jungenzucht, Nuzen in der Landwirthſchaft, aber nur unter gewiſſen Bedingen. Die Regeln, unter welchen ſie zu dulden, zu erziehen und nuͤzlich zu gebrau - chenſeien, koͤnnen in einem beſondern Abſchnit - te der Landwirthſchaft hingeordnet werden.

§. 123. Die Schweine ſind wegen ihres Fleiſches, des Handels mit denſelben, und wegen ihrer weniger koſtbaren Nahrung in der Landwirthſchaft ſehr nuͤzlich. Wie ſie auf die beßte Weiſe erzogen, ernaͤhrt und zum vortheilhafteſten Ertrage ge -E 2macht68Allgemeinemacht werden muͤſſen, das lehrt die Schweinezucht.

§. 124. Die Pferde ſind wegen ihres viel - faͤltigen Nuzens zu allerhand Arbeiten, und daher ruͤhrendem Werthe im Handel, als - dann eine vortheilhafte Waare, wann der Bau ihres Futters nicht koſtbar iſt, und der Ertrag den Aufwand hinlaͤnglich uͤberſteigt. Die Frage alſo: Unter welchen Bedingen die Pferdezucht nuͤzlich, nach welchen Kennzeichen die beßten Roßarten auszu - waͤhlen, dieſelben zu ernaͤhren, zu er - ziehen, zur Arbeit anzuwoͤhnen, und endlich, wie ſie zum hoͤchſten Ertrage zu veraͤuſern ſeien, loͤßt die Stuterei auf.

§. 125. Die Eſel - und Mauleſelzucht iſt nicht allgemein, doch gehoͤrt ſie zur Stuterei, und kann auch mit derſelben abgehandelt werden. Auch iſt es nuͤzlich, daß man da - ſelbſt etwas von der Kameelzucht mit einruͤcke.

§. 126. Die mancherlei Gattungen von Gefluͤgel, welche in der Landwirthſchaft ge - braͤuchlich ſind, wie dieſelben erzogen und auf die beßte Weiſe benuzt werden muͤſ - ſen, das lehrt die Federviehzucht.

§. 127.69Landwirthſchaft

§. 127. Endlich ſind noch verſchiedene Thierarten, welche aus vielerlei Urſachen in der Landwirthſchaft im Gebrauche ſind. Die beßte Erziehung und Anwendung der - ſelben kann in einem beſondern Haupt - ſtuͤcke der Landwirthſchaft: von den Hausthieren, abgehandelt werden.

§. 128. Die bisher abgehandelten land - wirthſchaftlichen Erwerbungen legen nun den Grund, durch Verſchaffung der Pflanzennah - rung und Bearbeitung des Bodens, zu der hauptſaͤchlichſten Erwerbung landwirth - ſchaftlicher Gewaͤchſe. Dieſe theilen ſich in Getreid, Huͤlſenfruͤchte, Wurzelfruͤch - te, Gemuͤſe und Handelskraͤuter oder Pflanzen. Wie man die Erde nach der Beſchaffenheit einer jeden Erdart und Pflanzenart zubereiten, eine jede Pflan - zenart ſaͤen, pflanzen, erziehen, und endlich einerndten muͤſſe, damit der hoͤch - ſte und beßte Ertrag heraus komme, lehrt der Ackerbau.

§. 129. Der Gartenbau unterſcheidet ſich vom Ackerbaue blos durch die beſſere Zube -E 3reitung70Allgemeinereitung der Erde, und durch beſondere Ge - waͤchſe, welche wegen ihrer edleren Natur und Gebrauch vorzuͤgliche Wartung verdie - nen. Er gehoͤrt alſo unter den Titel des Ackerbaues, kann aber wegen ſeiner beſon - dern Grundſaͤze unter einem eigenen Ab - ſchnitte abgehandelt werden.

§. 130. Das erſte Stuͤck des Ackerbaues iſt die Zubereitung des Bodens. Die - ſe gruͤndet ſich auf zwei Stuͤcke, welche be - ſtimmen muͤſſen, wie dieſe Zubereitung ge - ſchehen ſoll; erſtlich: auf die Beſchaffen - heit des Bodens ſelber; dieſe wird aus der Natur ſeiner Erdarten, ſeiner Lage und zufaͤlligen Eigenſchaften erkannt. Zweitens: auf die Natur der Pflanzen, welche der Boden tragen ſoll; dieſe wird aus der oͤkonomiſchen Botanik und der Pflanzenphyſiologie erkannt.

§. 131. Eine jede Zubereitung der Erde beſteht wieder in zweien Hauptſtuͤcken, erſt - lich: daß man die Erde locker mache, auf daß ſich die Wurzeln der Pflanzen gehoͤrig ausbreiten koͤnnen, zugleich aberden71Landwirthſchaftden Graͤd der Lockerheit ſo beſtimme, damit die Pflanzen feſten Stand haben moͤgen. Zweitens: muß der Duͤnger zur Pflanzennahrung geſchickt gemacht, auf die nuͤzlichſte Weiſe uͤber dem Boden verſpreiter, innig mit demſelben ver - miſcht, und alſo jeder Pflanze reichlich dargereicht werden.

§. 132. Wann der Boden zubereitet iſt, ſo wird entweder der Saamen geſaͤet, oder die Pflanze gepflanzt, jenachdem es die Na - tur der Pflanze erfodert. Eben die Natur und die Eigenſchaften derſelben muͤſſen be - ſtimmen, zu welcher Zeit der Boden zube - reitet, das Saͤen und Pflanzen geſchehen, und auf welche Art es geſchehen ſoll, das iſt: wie tief und wie weit von einander die Saamenkoͤrne oder die Pflanzen in die Erde gebracht werden muͤſſen. Auf eben dieſen Gruͤnden beruht auch die fernere Behandlung des Bodens und der Pflanzen.

§. 133. Die Erziehung der Pflanzen beſteht darinnen: daß man auf alle nur moͤg - liche Weiſe, und durch Natur gemaͤſe Mit -E 4tel72Allgemeinetel den Wachsthum derſelben befoͤrdere, und alle Dinge, die denſelben hindern, aus dem Wege raͤume. Ferner: daß man diejenigen Theile der Pflanze, um welcher Willen der ganze Bau angeſtellet worden, vornehmlich pflege, und derſelben Veredlung und Ver - mehrung beſtaͤndig zum Ziele ſeze.

§. 134. Die Einerndtung der Pflanzen be - ſteht in folgenden Stuͤcken: erſtlich, daß man den gehoͤrigen Grad der Reife kenne, wel - chen ſie haben muͤſſen, wann ſie ihre hoͤchſte Vollkommenheit erreichen ſollen. Zweitens: daß man ſie auf die nuͤzlichſte und bequemſte Weiſe von der Erde ſondere. Drittens: daß man ſie gehoͤrig zubereite, damit ſie ſich auf - bewahren laſſen. Und viertens: daß ſie ge - hoͤrig eingeſcheuert, und alſo zum Gebrauche bequem aufbehalten werden moͤgen.

§. 135. Die oͤkonomiſchen Erzeugungen des Steinreiches gehoͤren ebenfalls in die Landwirthſchaft. Wie man dieſelben ihrer Natur nach erkennen lernen muͤſſe, lehrt die Minerallehre; wie man ſie aufſuchen, der Erde abgewinnen, und ſie von den fremdenun -73Landwirthſchaftunnuͤzen Steinarten befreien muͤſſe, lehrt der Bergbau. Und wie man endlich das edle brauchbare Mineral von allen fremden Thei - len ſeiner innern Zuſammenſezung befreien muͤſſe, lehrt die Schmelzkunſt, oder Metal - lurgie: alle drei Stuͤcke zuſammen begreift die Bergwerkswiſſenſchaft in ſich.

§. 136. Unter den bisher bezeichneten Er - werbungen der oͤkonomiſchen Erzeugungen, ſind ſo viel ich mich beſinne, alle Gattungen landwirthſchaftlicher Geſchaͤfte oder Gewerbe begriffen, und nachdem dieſelben nun nach allgemeinen Grundſaͤzen geordnet und ver - handelt worden, ſo muß ich auch allgemeine Regeln entwerfen, nach welchen die land - wirthſchaftliche Haushaltung gefuͤhret werden ſoll.

Landwirthſchaftliche Haushaltung.

§. 137. Die landwirthſchaftliche Haus - haltung lehrt: wie man verſchiedene landwirthſchaftliche Erwerbungen, be - ſonders Viehzucht und Ackerbau in ein Gewerb zuſammen vereinigen muͤſſe, da - mit der hoͤchſt moͤgliche Ertrag gewon -E 5nen74Allgemeinenen werde. Ferner: wie man dieſen Er - trag zu den Beduͤrfniſſen der Haushal - tung verwenden muͤſſe, damit der hoͤchſt moͤgliche reine Ertrag gewonnen werde. Und endlich wie man den reinen Ertrag wiederum zu Verbeſſerung und Erwei - terung der Nahrungsquelle anlegen muͤſſe.

§. 138. Das erſte Stuͤck eines jeden Ge - werbes iſt die Nahrungsquelle. Die land - wirthſchaftliche Nahrungsquelle iſt die Erde. Wer alſo eine landwirthſchaftliche Haushal - tung errichten will, der muß ſich zuerſt ei - nen Theil der Erde erwerben, und ſich denſelben zur Nahrungsquelle einrichten.

§. 139. Die Erwerbung einer landwirth - ſchaftlichen Nahrungsquelle geſchieht entwe - der durch Erbſchaft, oder durch Pfacht, oder durch Kauf. Jm Falle der Erbſchaft iſt man an die Nahrungsquelle gebunden, man kann ſie nur verbeſſern und erweitern; oder wenn ſie nicht hinlaͤnglich waͤre, ſo muͤß - te man ſie verkaufen, und ſich eine beque - mere anſchaffen.

§. 140.75Landwirthſchaft

§. 140. Wer ſich eine Nahrungsquelle pfachten will, der muß den Ueberſchlag ma - chen, ob der Ertrag derſelben hinlaͤnglich ſeyn koͤnne, die Befriedigung der Beduͤrfniſſe, und das Pfachtgeld abzutragen, ſo, daß wenigſtens etwas reiner Ertrag uͤbrig bleibe.

§. 141. Die Erwerbung einer Nahrungs - quelle durch Kauf, iſt zweierlei: entweder man kauft eine, die ſchon eingerichtet iſt, oder man nimmt ein wuͤſtes Stuͤck der Erde in Beſtand, um es urbar zu machen. Jm erſten Falle muß darauf geſehen werden, daß nach Abzuge aller Abgaben, aller Befriedi - gung der Beduͤrfniſſe und der Renten des Kaufſchillinges, noch reiner Ertrag uͤbrig bleibe. Jm zweiten Falle muß das wuͤſte Land alle Faͤhigkeiten haben, daß es durch gehoͤrige Zubereitung zur Viehzucht und Acker - baue bequem gemacht werden koͤnne.

§. 142. Nachdem man ſich eine Nahrungs - quelle erworben hat, ſo muß ſie auch zube - reitet werden, und das geſchieht durch die Erwerbungsmittel. Zu dieſen gehoͤrt zu - erſt das Geſinde, Arbeitsleute, Tagloͤhner. Das76AllgemeineDas Geſinde muß dem Verſtande und Wil - len nach geſchickt zu der Arbeit ſeyn, die ihm obliegt, und dazu muß es auch die gehoͤrige Leibeskraͤfte und Geſundheit haben.

§. 143. Fuͤrs zweite gehoͤrt das Zugvieh, Ochſen oder Pferde zu den Erwerbungsmit - teln: dieſe muͤſſen wohl gebildet, gros, ge - ſund und ſtark ſeyn. Drittens iſt auch jede Viehzucht, beſonders das Rindvieh, in Ab - ſicht auf den Dung, ein Erwerbungsmittel. Zu dieſem Zwecke iſt geſundes ſtarkes Vieh, und die Stallfuͤtterung noͤthig. Der Dung aber ſoll durch alle Mittel zu rath gehalten, vermehrt und verbeſſert werden. Endlich ge - hoͤren noch zu den Erwerbungsmitteln alle Werkzeuge und Geraͤthe, die zur Zuberei - tung der Erde, zum Saͤen, Pflanzen, Er - ziehung und Einerndtung der Pflanzen noͤthig ſind. Dieſe ſollen ſo viel moͤglich einfach, ohne viele Zuſammenſezung, ſtark, wohlfeil und zu ihrem Zwecke auf die beßte Art be - quem gemacht werden.

§. 144. Vornehmlich iſt aber auch zu dem landwirthſchaftlichen, wie zu allen Gewerben,ein77Landwirthſchaftein Erwerber noͤthig. Dieſer heißt der Land - wirth. Er ſoll ſein Gewerb: das iſt die Ein - richtung und beßte Zubereitung der Nah - rungsquelle und anderer landwirthſchaftli - chen Erwerbungen, die beßte Anordnung der Erwerbungsmittel, die beßte Anwendung derſelben auf die Nahrungsquelle zum hoͤch - ſten Ertrage, die zweckmaͤſigſte Befriedigung aller Beduͤrfniſſe der Haushaltung zu Er - ſparung des hoͤchſten reinen Ertrages, und endlich die Anwendung desſelben zu Verbeſ - ſerung und Erweiterung der Nahrungsquel - le, nicht allein aus dem Grunde verſtehen, ſondern auch Kraft und Drang haben, das alles auszufuͤhren.

*Jch hab hier die Landwirthin ausge - laſſen; man kann ſich dieſelbe hinzuden - ken, ſie iſt Erwerber mit, und ihr kom - men eben die Eigenſchaften desſelben in ihrem Fache zu.
*

§. 145. Wann der Erwerber eine Nah - rungsquelle und Erwerbungsmittel hat, ſo muß er nun erwerben, verzehren und darnach trachten, reinen Ertrag zu ge - winnen. Die landwirthſchaftliche Nahrungs -quelle78Allgemeinequelle heißt ein Landgut, der Erwerber ein Landwirth: folglich, wenn der Landwirth oder Bauer ein Landgut und gehoͤrige Erwer - bungsmittel hat, ſo ſoll er wirthſchaften oder haushalten.

§. 146. Das vollkommenſte Muſter einer landwirthſchaftlichen Haushaltung iſt: die Umſchaffung einer wohlgelegenen frucht - baren wuͤſten Gegend unter einem ge - maͤſigten Himmelsſtriche zu einem voll - ſtaͤndigen Landgute. Bei dieſer Einrich - tung und Zubereitung der landwirthſchaftli - chen Haushaltung kommt alles vor, was zu derſelben gehoͤret.

§. 147. Die beßte Lage einer Gegend iſt Berg und Thal, das iſt: Huͤgel oder Berg - ſeiten, die nicht gar gaͤh ſind, und Ebenen, und welche einen Ueberfluß an ſuͤßen Quellen und klaren Baͤchen haben. Die Lage ſoll auch, ſo viel moͤglich, gegen die Sonne, das iſt: an der Sommerſeite ſeyn. Die Fruchtbarkeit wird theils an den Erdarten erkannt: wann der Boden von Sandthon und Faulerde (ſchwarze Erde) die gehoͤrige Miſchung hat;theils79Landwirthſchafttheils auch an den Gewaͤchſen: hohes wuch - ſiges Gehoͤlze, ſaftige, hoch aufgeſchoſſene mannigfaltige Stauden, uͤberall Ueberfluß an den ſchoͤnſten Kraͤutern und Grasarten, uͤberall Mangel an Felſen, Mooſen und Stein - flaͤchen, u. d. gl.

§. 148. Der gemaͤſigte Himmelsſtrich bringt die kaͤltere Gewaͤchſe zu groͤſerer Voll - kommenheit, die waͤrmere aber zeitiget er ebenfalls, wann ſie gehoͤrig gewartet und ge - pfleget werden: folglich iſt er fuͤr ein ſolches Landgut der beßte, das man als ein Muſter der Landwirthſchaft aufſtellen will, indem wegen der vielfaͤltigen Gewaͤchſe, die mehre - ſten landwirthſchaftlichen Erwerbungen da - bei vorkommen.

§. 149. Das erſte, was der Landwirth zu thun hat, iſt die Befriedigung der we - ſentlichſten Beduͤrfniſſe der Haushaltung, das iſt: der Menſchen und des Viehes, zur Nahrung und zur Decke. Nahrung fuͤr Men - ſchen gibt das Vieh bis auf Brod, welches angeſchaft werden muß, daher muß zuerſt die Nahrung des Viehes, das iſt der Futterbaube -80Allgemeinebeſorgt werden, dieſes geſchieht durch Anle - gung natuͤrlicher Wieſen.

§. 150. Derowegen muß der Landwirth Ebenen in genugſamer Menge dazu beſtim - men, auf welche man uͤberall Waſſer hinlei - ten, und ſie alſo waͤſſern kann. Auf dieſer Ebene muͤſſen erſtlich alle Stauden und Ge - hoͤlze mit der Wurzel ausgerottet, und alle Steine weggeſchaft, das iſt: ſie muß gero - det werden; alsdann hackt man den Raſen um, graͤbt das Hoͤckerigte ab, fuͤllt die Tie - fen damit aus, und gibt der ganzen Ebene eine etwas ſchiefe Lage durch Erhoͤhen und Vertiefen, macht dem Waſſer einen Abfluß, damit es nicht ſtehe, und die Wieſe ſum - pfigt mache, worinnen die Graͤſer ſauer fau - len, und das wachſende Gras mit verſaͤu - ern; alsdann leitet man waſſerpaße Graben uͤber die Hoͤhen, welche keinen Ausfluß ha - ben, die alſo das ganze Ufer uͤberſeigern, und die ganze Flaͤche durchrieſeln. Die ab - gehackte Raſen werden getrocknet, verbrannt, die Aſche uͤberall hingeſpreitet, Saamen von den beßten Kraͤutern und Graͤſern darauf ge -ſaͤet -81Landwirthſchaftſaͤet, und dann immerfort im Herbſte und Fruͤhjahre gewaͤſſert, ſo iſt die Wieſe auf die beßte Weiſe eingerichtet.

§. 151. Nachdem die Nahrung fuͤr Men - ſchen und Vieh geſichert iſt: ſo muß auch die Decke beſorgt werden; hieher gehoͤrt Woh - nung und Stallung. Beide Stuͤcke muͤſ - ſen beiſammen an einem ſolchen Orte ange - legt werden, wohin die mehreſte Einfuhr wo nicht alle, abwaͤrts, mithin die mehreſte Aus - fuhr aufwaͤrts gehe: denn weil mehr ein - als ausgefahren wird, ſo iſt natuͤrlich, daß erſteres vorzuͤglich erleichtert werden muͤſſe, weil man alsdann mehr aufladen kann, und zugleich das Zugvieh verſchont.

§. 152. Weil niedrige Oerter leicht ſum - pfigt ſind, ſo muß der Wohnplaz erſt durch Abzuggraben getrocknet werden, eh man den Grund legt. Hernach macht man den Plan der Wohnung, welcher ſo eingerichtet wer - den muß, daß er zu Aufbewahrung des Fut - ter - und Frucht Ertrages, zur Wohnung fuͤr Menſchen und Vieh, und zu allen landwirth - ſchaftlichen Zubereitungen der Erzeugungen,Fmit -82Allgemeinemithin zu Erleichterung der ganzen Haushal - tung, die beßte und zugleich die wohlfeilſte Bauart angebe.

*Ein ſolcher Plan gehoͤrt in die Grund - ſaͤze der Landwirthſchaft, und ſobald ich dieſelben herausgebe: ſo werd ich ihn nach beßtem Vermoͤgen naͤher beſtim - men.
*

§. 153. Der Ueberfluß guter und nach ge - legener Mauerſteine, oder der Mangel der - ſelben ſoll den Landwirth beſtimmen, ob er ſeine Wohnung mauern oder von Holze zim - mern laſſen ſoll; doch, da lange Zeiten dazu hingehen, ehe ein Bauholz vollgewachſen iſt, da die Feuersgefahr bei hoͤlzernen Gebaͤuden groͤſer, als bei ſteinernen iſt, und da end - lich ſteinerne laͤnger ausdauern: ſo ſoll er, wo moͤglich, die gemauerte Wohnung vor - ziehen.

§. 154. Auf die Erſparung und Gewin - nung des Holzes zum Brennen, zum Haus - und Ackergeraͤthe, oder auch zum Verkaufen oder Verkohlen, ſoll der Landwirth auch den - ken. Zur Holzzucht muß er die hoͤchſten und entlegenſten Gegenden der Berge erwaͤhlen,die -83Landwirthſchaftdieſelben nach den Grundſaͤzen der Forſtwiſ - ſenſchaft behandeln, und dieſelben ſchuͤzen, hegen und pflegen, ſo wird er ohne Anlage und Unkoſten jaͤhrlich einen Ertrag erwerben, der ihm nuͤzlich ſeyn kann.

§. 155. Nun muß der Landwirth zu dem Ackerbaue Anſtalten machen, und denſelben einzurichten ſuchen. So wie die Viehzucht ohne den Futterbau nicht beſtehen kann, und ſo wie erſter nach dem Verhaͤltniſſe des lezten ſich richten muß, ſo kann der Ackerbau ohne den Dung nicht ſeyn, und erſter kann wiede - rum nicht weiter gehen, als der lezte reicht; da aber nun der Ertrag der Landwirthſchaft vornehmlich auf dem Ackerbaue beruht: ſo muß der Dung mit hoͤchſtem Fleiſe vermehrt und verbeſſert werden.

§. 156. Der Viehſtand ſezt zwar der Men - ge des Dunges gewiſſe Graͤnzen; allein er iſt dem ohngeachtet doch einer groſen Vermeh - rung faͤhig. Die Beſtandtheile aller Pflan - zen ſind ſich gleich, ſo gar auch die Thiere beſtehen aus Waſſer, Erde, Luft, Oel und Salz, mithin koͤnnen alle dieſe Dinge denF 2Dung84AllgemeineDung vermehren. Aber ſie muͤſſen erſt durch die Faͤulung in ihre erſte Beſtandtheile auf - geloͤßt, und durch dieſelbe zur Pflanzennah - rung zubereitet werden.

§. 157. Der Miſt und der Urin, Pflanzen freſſender Thiere, iſt die eigentliche und beß - te Pflanzennahrung; daher ſoll dieſelbe gei - zig zu rath gehalten und verſparet werden; dieſes iſt einer von Hauptzwecken, der die Einrichtung des Stalles und der Miſtſtaͤtte beſtimmen hilft. Allein auch dieſer Abgang der Thiere hat eine groſe Neigung zur Faͤu - lung, er iſt ein wahres Gaͤhrungsmittel; wenn man deswegen leichtfaulende Pflanzen und Abfaͤlle von Thieren genau damit ver - miſcht, ſo fault alles zuſammen, und loͤßt ſich in die beßte Pflanzennahrung auf.

§. 158. Die Dinge, welche mit dem Mi - ſte zur Faͤulung kommen, und alſo Duͤnger werden ſollen, werden dem Viehe zum La - ger untergeſtreut; deswegen ſollen ſie trocken, weich und geſund fuͤrs Vieh ſeyn, ſie werden alsdann durch die Fuͤſe der Thiere in den Miſt geknetet, damit vermiſcht, und alſo zuge -85Landwirthſchaftgeſchwinderer Faͤulung zubereitet; und des - wegen ſoll der Stall nur alle vier bis fuͤnf Tage, oder gar alle Woche nur einmal aus - gemiſtet werden. Jm Winter iſt dieſes vor - zuͤglich vortheilhaft, weil der Miſt waͤrmt, und auch langſamer fault.

§. 159. Auf der Miſtſtaͤtte ſoll der Dung foͤrmlich und wohl in einander gelegt, auch koͤnnen hier noch Raſen, Laub u. d. gl. da - zu gemiſcht werden, damit man die Beſſe - rung vermehre; auf daß aber alles deſto beſ - ſer faule, ſo ſoll die Miſtſtaͤtte ausgehoͤhlt und ohne Abzug ſeyn: damit ſich eine Sudel ſammle, und man damit den Dunghaufen begieſen, und ſo die Faͤulung und Vermeh - rung der Dunge befoͤrdern koͤnne.

§. 160. Weil die Natur, Waſſer, Erde und Luft zur Pflanzennahrung reichlich ver - ſorgt: ſo muß der Dung vorzuͤglich fette und ſalzigte Theile enthalten; dieſe zu verſchaffen iſt das Hauptſtuͤck. So viel Erde, als noͤ - thig iſt, Oel und Salz einzutrinken, und ſo viel Feuchtigkeit, um alles zuſammen beſ - ſer miſchbar zu machen, machen die wahreF 3Be -86AllgemeineBeſchaffenheit des beßten Dunges aus. Zu - miſchung vieler Erde und Waſſers vermehrt nur die Maſſe, nicht aber die Guͤte.

§. 161. Dungerden haben nur dann Nu - zen, wann ſie entweder den Raſen geſchwind in Faͤulung ſezen, oder wann ſie die Erde verduͤnnen und zur Pflanzennahrung geſchickt machen, welches nur bei ſolchen Pflanzen an - geht, die meiſt aus Waſſer und Erde beſte - hen, als da ſind Klee und Graͤſer. Oder endlich, wann ſie durch Vermiſchung ſchlechte Erdarten verbeſſern.

§. 162. Der Landwirth ſoll nicht mehr Land zu Ackerſtuͤcken roden, als er reichlich uͤberduͤngen kann; denn ein kleineres, aber wohlbeduͤngtes Land, gibt bei geringerer Ar - beit und Erwerbungsmitteln mehr Ertrag, als ein groͤſeres, aber mageres; und doch erfodert dieſes mehrere Arbeit. Das Roden geſchieht wie bei den Wieſen. Alle holzigte Ge - waͤchſe werden mit der Wurzel ausgerottet, die Steine weggeſchaft, der Raſen umge - hackt, und zu Aſche verbrannt. Dieſe gleich daruͤber her verbreitet, im Herbſte umge -ackert,87Landwirthſchaftackert, im Fruͤhjahre wieder, im Sommer abermal, gegen den Herbſt reichlich geduͤngt, wieder geackert, mit Winterfrucht geſaͤet, und vollends zubereitet.

§. 163. Je mehr Dung, je mehr Aecker; je mehr Vieh, je mehr Dung; je mehr Fut - ter, je mehr Vieh. Derowegen ſoll der Fut - terbau gegen den Ackerbau in ſtarker Verhaͤlt - niß ſtehen.

§. 164. Die Frage: welche Pflanzen und Erzeugungen der Landwirth vorzuͤglich zu bau - en habe, muß er ſich durch die Beſchaffenheit der Gegend, die er bewohnt, beantworten. Daher entſteht ein wichtiger Grundſaz: al - le Erzeugungen, die dem Landwirthe den hoͤchſten Ertrag einbringen, die ſoll er bauen. Jſt Milch, Butter, Kaͤſe und Fleiſch hoͤher im Werthe als Gewaͤchſe, ſo ſoll er ſein Land zu natuͤrlichen und kuͤnſtli - chen Wieſen umſchaffen, den Viehſtand nach dieſem Verhaͤltniſſe vermehren, und auf den Ertrag desſelben ſein hoͤchſtes Augenmerk richten.

F 4§. 165.88Allgemeine

§. 165. Jſt das Getreide im hoͤchſten Wer - the: ſo ſoll er den Dung aufs hoͤchſte vermeh - ren und verbeſſern, und vorzuͤglich das Ge - treid in groͤſter Menge bauen, welches den hoͤchſten Werth hat. Eben dieſe Grundre - geln ſoll er bei allen Nahrungs - und Hand - lungspflanzen und Erzeugungen beobachten.

§. 166. Gegen dieſen Grundſaz wird ein Einwurf gemacht; man ſagt: wenn nun ein Jeder die theuerſten Erzeugun - gen baut, ſo kann an andern noͤthi - gen Stuͤcken Mangel entſtehen. Dieſer Einwurf hat keinen Grund; denn wenn der theuerſten Erzeugungen viel werden, ſo fal - len ſie im Preiſe. Diejenigen aber, an wel - chen Mangel iſt, ſteigen; daher werden lez - tere ſo viel ſtaͤrker gebaut, ſo viel ſie am Wer - the zunehmen; erſtere aber ſo viel weniger: folglich ſchuͤzt eben mein obiger Grundſaz ge - gen dieſen Einwurf.

§. 167. Wenn der Landwirth auf alle nur moͤgliche, und auf die nuͤzlichſte Weiſe, ſei - ne Nahrungsquelle zubereitet und gebaut hat: ſo bekommt er auch den moͤglichſt hoͤchſten Er -trag,89Landwirthſchafttrag. Von dieſem ſoll er nun die Beduͤrfniſſe ſeiner Haushaltung aufs beßte befriedigen, und zwar ſo: damit er den hoͤchſtmoͤglichen reinen Ertrag erwerbe. Nun haben aber die wenigſten Erzeugungen die Beſchaffenheit, daß ſie ohne naͤhere Zubereitung Befriedi - gungsmittel werden koͤnnen; daher entſteht eine landwirthſchaftliche Kunſtwiſſen - ſchaft.

§. 168. Hieher gehoͤrt das Dreſchen, Rei - nigen, Mahlen, Brodbacken, Mehl und al - le dahin gehoͤrige Mehlſpeiſen mit ihren Zu - bereitungen, Obſtdoͤrren, Einmachen der Gemuͤſſe, die ganze landwirthſchaftliche Koch - kunſt. Flachs, Hanf, Leinwandbau, Wol - lenzubereitungen, Naͤhen, Stricken, Spin - nen u. ſ. w. Milch-Butter-Kaͤſezubereitun - gen und was dazu gehoͤrt. Alles dieſes ſoll ſo eingerichtet werden, damit alles auf die beßte, und zugleich auf die wohlfeilſte Wei - ſe dem Zwecke entſpreche.

§. 169. Die Verwendung der zubereite - ten Erzeugungen zu Befriedigung der Beduͤrf - niſſe, oder der Aufwand ſoll aufs genaueſteF 5nach90Allgemeinenach den Regeln der Haushaltungswiſſen - ſchaft, die an ihrem Orte hinlaͤnglich geleh - ret worden, eingerichtet werden. Der Land - wirth ſoll alle Beduͤrfniſſe, von den weſent - lichſten bis zu den zufaͤlligſten, ihrer Ord - nung nach kennen, alsdann unter ſeinen Er - zeugungen die beßten, zweckmaͤſigſten, zu - gleich aber auch die wohlfeilſten auswaͤhlen, und ſie gehoͤrig verwenden.

§. 170. Der reine Ertrag, welcher uͤbrig bleibt, beſteht aus Erzeugungen; dieſe ſol - len ſo beſchaffenſeyn: daß ſie ſo wohl wegen ih - rer Guͤte, als auch wegen ihrer Seltenheit den hoͤchſten Werth haben. Die Verwen - dung dieſes reinen Ertrages zu Verbeſſerung und Vermehrung ſeines Landgutes geſchieht durch Vertauſchung gegen ſolche Dinge, die wiederum die beßten Erwerbungsmittel auf ſeine Nahrungsquelle abgeben. Dieſes bewerk - ſtelliget er, wann er den reinen Ertrag im hoͤchſten Preiſe verkauft, fuͤr das gewonne - ne Geld aber nach Befriedigung der geſell - ſchaftlichen Beduͤrfniſſe, die Erwerbungsmit - tel auf die nuͤzlichſte Weiſe einkauft, unddie -91Landwirthſchaftdieſelben wiederum auf die Nahrungsquelle verwendet. Dieſes iſt die landwirthſchaft - liche Handlungswiſſenſchaft.

§. 171. Die Verbeſſerung der Nahrungs - quelle geſchieht durch Vermehrung des Fut - terbaues, ſodann des Viehſtandes, mithin des Dunges, und vermoͤg dieſem eine ſtuffen - weiſe Verbeſſerung der Aecker, bis ſie aus der beßten Erde beſtehen, die der beßten Gartenerde gleich, und alſo keiner Verbeſ - ſerung mehr faͤhig iſt. Alsdann und nicht eher kann er allmaͤhlich mehrere Aecker nach bisher angezeigten Gruͤnden anlegen, und ſo auch ſeine Nahrungsquelle vermehren.

§. 172. Endlich muß auch der Landwirth alle landwirthſchaftliche Erwerbungen, vom Obſtbaue an, bis zum Bergbaue hin, ken - nen. Alle, die in ſeinem Verſtande ſeiner Land - wirthſchaft anpaſſen, alle, welche er alsdann ſeinem Gewerbe angemeſſen findet, ſoll er durch kleine Verſuche in ſeinem Wirkungs - kreiſe einlenken, ſeiner Nahrungsquelle an - fuͤgen, mit derſelben verbeſſern und vermeh - ren, nach der Natur der Erwerbungen, undnach92Allgemeine Kunſtwirthſchaftnach den Grundſaͤzen der Haushaltungswiſ - ſenſchaft ihre Erwerbungsmittel beſtim - men, und zu dem hoͤchſten Ertrage zu bringen ſuchen. Die einzelnen reinen Ertrage ſoll er durch die landwirthſchaftliche Handlung zu einem ganzen reinen Ertrage in Geld um - ſchaffen, und dieſe alsdann zu Verbeſſerung und Vermehrung der gemeinſchaftlichen Nah - rungsquellen verwenden.

Allgemeine Kunſtwirthſchaft.

§. 173. Die Kunſtwirthſchaft lehret: wie alle gewonnene oͤkonomiſche Er - zeugungen zu Befriedigung aller Be - duͤrfniſſe, nach dem Geſchmacke desje - nigen, der ſie dazu verwenden will, zu - bereitet werden muͤſſen. Und wie die Arten der Zubereitung zu einem eintraͤg - lichen Gewerbe geordnet, dieſelben als Nahrungsquelle hoͤchſtergiebig gemacht, der hoͤchſte Ertrag gewonnen, durch vernuͤnftige Grundſaͤze nach Befriedi - gung haͤuslicher Beduͤrfniſſe der hoͤchſte reine Ertrag eruͤbriget, und wiederum auf die beßte Art in die Nahrungsquelle zu verwenden ſeie.

§. 174.93Allgemeine Kunſtwiſſenſchaft

§. 174. Die Kunſtwirthſchaft zerfaͤllt alſo vermoͤg dieſer Erklaͤrung in zween Haupt - theile: erſtlich in die Kunſtwiſſenſchaft, welche lehrt: wie die oͤkonomiſchen Erzen - gungen zubereitet werden ſollen. Und zweitens: in die kunſtwirthſchaftliche Haushaltung, welche anweißt: wie eine jede Art der Zubereitung zum Gewerbe gemacht, und darinnen hausgehalten werden muͤſſe.

Allgemeine Kunſtwiſſenſchaft.

a) Geſchichte der Kuͤnſte und Handwerker.

§. 175. Jn dem rohen Zuſtande der Menſchheit werden nur die allerweſentlichſten Beduͤrfniſſe befriedigt. So lang dieſes mit Erzeugungen geſchieht, welche keine Zube - reitung erfodern, ſo lang iſt keine Kunſt, kein Handwerk noͤthig. Daher entſtehen die Kuͤnſte und Handwerker zugleich mit dem Ur - keime der zufaͤlligen Beduͤrfniſſe. Kuͤnſte und Handwerker will ich mit einem Worte Kunſt benennen.

§. 176. So bald der Hausvatter ein Jaͤ - ger wird, Frau und Kinder mit den wildenThie -94AllgemeineThieren ernaͤhrt, ſo bald werden Werkzeuge erfodert. Er belauſcht die Thiere, erhaſcht ſie mit Liſt, und ſchlaͤgt ſie mit der Keule, mit einem Stuͤcke Holz tod. Dieſes findet er leicht, und es erfodert wenig Zuberei - tung. Aber das Wild wird ſcheu, laͤuft ge - ſchwinder wie der Menſch, die Noth lehrt ihn auf Mittel ſinnen, wie ers in der Ferne toͤde. Er wirſt mit Steinen, ſchleudert, aber da fehlt’s ihm bei etwas groſen Thie - ren an Kraft.

§. 177. Er denkt auf eine Kraft, welche ſtaͤrker werfen kann, als ſeine Hand; Er - fahrungen von der Schnellkraft ſchlanker Baumzweige hilft ihm auf Nachſinnen; er erfindet leicht Bogen und Pfeile, und nun macht ihn die Uebung zum Meiſter; viel - leicht erfand man zuerſt Lanzen, hernach Wurfſpieſe, und darauf den Bogen. Ver - muthlich entſtunden um dieſe Zeit auch Stri - cke von Thierhaaren, oder Riemen aus ih - ren Fellen, womit man auch Thiere leben - dig fienge.

§. 178.95Kunſtwiſſenſchaft

§. 178. Ein ſchwimmendes Stuͤck Holz fuͤhrte zur Bildung des Nachens und Kahnes, um uͤber kleine Stroͤme und groͤſere das Wild zu verfolgen; man fand immer daran zu verbeſſern, erfuhr, daß ihn der Wind trieb, man richtete Stangen mit Thierhaͤuten dar - innen auf, lies ſich vom Winde treiben, da - her erſte Anlage zum Schiffe; die Fuͤſe der rudernden Waſſervoͤgel leiteten zu Erfindung des Ruders.

*Ob der erſte Schiffer bei Verfolgung des Wildes ſein Fahrzeug erfand, iſt eine groſe Frage: daran liegt aber nichts, genug, ich zeige nur einen moͤglichen Gang der Erfindung.
*

§. 179. Der Fiſchfang war leichter, die Angel konnte der Zufall ſowohl, als das Nachdenken erfinden, und eben ſo die Neze. Wo einmal der Grund der Sache erfunden iſt, da laͤßt ſich durch einen gemeinen Men - ſchenverſtand leicht verbeſſern.

§. 180. Obſtfruͤchte und Wurzeln laſſen ſich noch genieſen; aber nicht ſo wohl das Fleiſch, es laͤßt ſich mit den Zaͤhnen nicht gut zermalmen. Man waͤrmte ſich bei dem Feu -er;96Allgemeineer; zufaͤllig konnte ein Stuͤck Fleiſch in das - ſelbe gerathen, der Geruch leitete zum Ver - ſuche: man fand das Gebratene ſchmackhaft und weich, man briete, man fand die Kru - ſte hart, man verfiel auf Hoͤhlen, die man mit Fleiſche fuͤllte, um und um mit Glut umgab, und ſo gerieht man aufs Kochen.

§. 181. Eine ſolche Kochgrube in der Er - de gerieth in Toͤpferton, oder ein Stuͤck desſelben gerieht ins Feuer: man fand, daß er in demſelbenÇ ſteinhart wurde, man bilde - te ein Gefaͤß aus dieſem Tone, man lernte ihn kennen, und von allen andern unter - ſcheiden, man brannte das Gefaͤß, fand es gut, und kochte darinnen; ſo war vermuth - lich der Anfang der Toͤpferkunſt, und mit derſelben die vielfaͤltigen Verſuche zu kochen.

§. 182. So wie man zufaͤllig das ſchmel - zende Metall im Feuer fand, ſo entdeckte man, daß es im Feuer wiederum weich wur - de, und ſogar wiederum floß; man ſuchte Mittel es zu benuzen, ſchmolz es in Formen, ſchlug und foͤrmte es mit Steinen, hernach mit Hammern, erfand das Schmelzen undSchmie -97KunſtwiſſenſchaftSchmieden, und mit demſelben allerhand Werkzeuge zum haͤuslichen Gebrauche.

§. 183. Mit metallenen ſchneidenden Werk - zeugen lies ſich das Holz behandeln. Man fand die Verfertigung hoͤlzerner Sachen leich - ter, machte Gefaͤſſe, vollkommenere Woh - nungen, und viele andere Geraͤthe: daher Urſprung der Waffenſchmiede, erſter Urkeim der Holzarbeiter.

§. 184. Die Kleidung in Thierhaͤuten war unbequem, man fand die Haare im Som - mer beſchwerlich, im Winter bequem. Die Haͤute wurden ſteif und raſſelten; man merk - te, daß ſie ſo leicht zerbrachen. Deswegen gerieht man vor und nach auf Bereitung der Thierhaͤute. Die phyſiſche Urſache derſelben iſt nicht leicht zu entdecken; auch hier hat viel - leicht der Zufall gezeigt: welche Saͤfte von Gewaͤchſen zur Geſchmeidigkeit der Haͤute die beßten ſeien. So entſtand ſchon fruͤh die Gaͤrberei.

§. 185. Die Bildung der Kleidung nach dem Koͤrper und ſeiner Bequemlichkeit ent - ſtand nach und nach. Der Erwerber nahmGdas98Allgemeinedas beßte fuͤr ſich, kleidete ſich beſſer. Daher entſtand der erſte Gedanke, den Vorzug durch Kleider zu zeigen. Ein jeder Menſch wird ger - ne vorzuͤglich geachtet, er ſuchte daher dieſe Wuͤrde durch Erwerbers Kleider zu erlangen.

§. 186. Das weibliche Geſchlecht lebt in dem Grundtriebe, dem Maͤnnlichen zu ge - fallen; daher erhoͤhen die Weiber ihre na - tuͤrliche Schoͤnheit durch Dinge, die allge - mein angenehm und ſchoͤn ſind, ſie ſchmuͤ - cken ihren Koͤrper damit aus, und ſezen aus ſolchen Sachen ihre Kleider zuſammen. Die - ſe beiden Grundtriebe, bei dem maͤnnlichen und weiblichen Geſchlechte, arbeiten zur Er - hoͤhung der Kleiderpracht, und ſezen alle Kuͤnſtler in Bewegung, welche zur Kleidung der Menſchen arbeiten.

§. 187. Zuſammenwohnung der Menſchen in der haͤuslichen Geſellſchaft, ſezt den Haus - vatter zum unumſchraͤnkten Herrn der Haus - genoſſen; er wird geehrt, geliebt, gefuͤrch - tet, je nachdem er regiert. Viele Hausvaͤt - ter zuſammen, machen eine buͤrgerliche Ge - ſellſchaft: es entſteht die Nothwendigkeit ei -nes99Kunſtwiſſenſchaftnes Fuͤrſten. Ein ſehr weiſer tapferer Re - gent, der Vatter des Volkes wird geliebt; das Andenken nach ſeinem Tode fuͤhrt zum Goͤzendienſte. Modell ſeines ehmahligen Koͤrpers, ſeine Bildſaͤule oder ſein Gemaͤhl - de, fort Abbildung geehrter und geliebter Perſonen; daher Mahlerei und Bildhauer - kunſt mit ihren Zweigen.

§. 188. Allgemeine Verehrung eines Ab - gottes an einem geheiligten Orte fuͤhrt auf den Gedanken eines ewigen Hauſes, eines langdauernden Tempels; daher Saͤule von Steinen, ſchwere, Sturm und Gewitter ausdauernde Gebaͤude, Urbegriffe von Schoͤnheit in ſolche Gebaͤude angebracht, um Andacht und Vergnuͤgen zu erwecken, erhiz - te Einbildungskraft, die Mutter vieler Kunſt - erzeugungen.

§. 189. Schmeichelei, Stolz, Verwah - rung fuͤr Ueberfall, Menge der Hausgenoſ - ſen, Liebe zur Pracht, waren die Urſachen groſer, feſter und ſchoͤner Tempel lebendiger Fuͤrſten: daher entſtanden Schloͤſſer, Pallaͤ - ſte und andere ſchoͤne Gebaͤude, und mit den -G 2ſelben100Allgemeineſelben der erſte Anfang der Baukunſt mit al - len ihren ausgebreiteten Zweigen.

§. 190. Die Verbeſſerung der Landwirth - ſchaft, Erweiterung ihrer Werkzeuge in al - len ihren Gewerben, fuͤhrte zu mehreren Arten der Zubereitungen und Handwerker: Unterſuchungen mehrerer Gewaͤchſe erfanden Flachs, Hanf, Baumwolle, und daher flie - ſende Gewerbe. Eben ſo entſtanden Verſu - che mit der Wolle, mit Haaren und andern Erzeugungen der Thiere.

§. 191. Die Verbeſſerung und Vermeh - rung der Kunſtgewerbe ſelbſten vervielfaͤltigt ſie nicht nur, ſondern erhoͤht ſie auch; es werden mannigfaltige Werkzeuge erfodert, die der Kuͤnſtler nicht ſelber machen kann, und ſo entſtehen abermal neue Kuͤnſte, und vielfaͤltige Zubereitungen durch Handwerker.

§. 192. Mit dem Urſprunge der Kauf - mannſchaft, oder des Tauſchgewerbes, ent - ſtanden neue Kunſtbeduͤrfniſſe. Der Nuzen der edlen Metalle vervielfaͤltigte ſich. Man er - fand das Geld, erfand mehrere Vortheile im Verſchicken der Waaren; es entſtandenWagen,101KunſtwiſſenſchaftWagen, Karren mit allem Zugehoͤre, Pfer - degeraͤthe zum Reuten und Fahren, Ver - vollkommnung des Schiffbaues und der buͤr - gerlichen Baukunſt, Erfindung mancherlei Maſchinen und Kunſtwerke.

§. 193. Maͤnner, die ſich auf die Verfei - nerung und Erhoͤhung der Seelenbeduͤrfniſſe legten, die Begierde hatten, das wahre Gu - te und Schoͤne in den Geſchoͤpfen aufzuſu - chen, die Hunger nach Erfindung neuer Wahrheiten bei ſich empfanden; die ſammel - ten, was ſie erfunden, und legten den Grund zur Gelehrſamkeit. Auch dieſe brauchten Werkzeuge zu Verſuchen, ſie brauchten Werk - zeuge, ihre Erfahrungen und Wahrheiten auf die Nachwelt zu bringen, ſie bildeten ihre Begriffe durch Zuͤge ab, gruben ſie in Stein und Erz, machten ſie mit Griffeln auf Wachs - tafeln, auf Papierblaͤtter und Baumrinden: endlich entſtand Papier, Feder, Dinte, Schreibkunſt, Buchdruckerei, Kupferſteche - rei, und ſo fort.

§. 194. Ein Menſch, der auſerordent - liche Faͤhigkeiten hat, nach dem verbor -G 3genen102Allgemeinegenen Seelengefuͤhle des Vergnuͤgens, das wahre Gute und Schoͤne in der Na - tur, der Kunſt, und im Reiche der Wahr - heiten auszuſuchen, und nach dieſem Ge - fuͤhle zuſammen zu ſezen und hinzuord - nen, heißt ein Genie, ein Schoͤnkuͤnſtler. Dieſer ſeltenen Menſchen hat’s immer aber ſparſam gegeben; in dem Theile, worinnen ein ſolcher hervorſtach, machte er Zeitpunkt, und foͤrderte die Kunſt gewaltig. Dichtkunſt, Tonkunſt, Mahler - und die Bildhauerkunſt jeder Zeitalter beweiſen das; nicht weniger auch die Erfinder merkwuͤrdiger Kuͤnſte.

§. 195. Unter alle Arten der Beduͤrfniſ - ſe miſchte ſich von je her die Ueppigkeit (Lu - xus): ſie ſchwaͤrmt darinnen herum, erhoͤht, uͤberſpannt, beſtimmt und veraͤndert uͤberall die mannigfaltigen Zubereitungen der viel - faͤltigen Erzeugungen, und wird alſo eine maͤchtige Triebfeder der Kunſtgewerbe, das iſt: der wahre und falſche Geſchmack wirken mit vereinter Kraft zur Beſtim - mung der Kuͤnſte.

b) Kunſt -103Kunſtwiſſenſchaft

b) Kunſtgewerbe.

§. 196. Eine naturgemaͤſe Ordnung und Eintheilung der Kuͤnſte und Handwerker auf - zuſtellen, iſt wegen der Mannigfaltigkeit der - ſelben nicht leicht. Doch will ich einen Ver - ſuch wagen. Wann wir die Sache einfaͤltig unterſuchen: ſo finden wir auf der einen Sei - te alle oͤkonomiſchen Erzeugungen, dieſe ſol - len nun durch die Kunſt zu Befriedigungs - mitteln umgeſchaffen werden; in dieſer Ruͤck - ſicht will ich die oͤkonomiſchen Erzeugungen ro - he Erzeugungen nennen.

§. 197. Auf der andern Seite haben wir eine unendliche Menge Beduͤrfniſſe vor uns, welche alle der Reihe nach befriediget werden wollen; inſoweit ſie nun durch die Kunſt be - friediget werden koͤnnen, nenne ich ſie Kunſt - beduͤrfniſſe, und ihre Befriedigungsmittel ſind Kunſterzeugungen.

§. 198. Jedes von dieſen beiden Stuͤcken, ſowohl die rohen Erzeugungen als die Kunſt - beduͤrfniſſe haben ihre beſtimmte mannigfal - tige von einander verſchiedene Eigenſchaften: durch die Kunſt ſollen die Eigenſchaften derG 4Er -104AllgemeineErzeugungen ſo zubereitet werden, daß ſie den Eigenſchaften der Beduͤrfniſſe genug thun: folglich liegen die Heiſcheſaͤze der Kunſt erſt - lich in den Eigenſchaften der Erzeugungen, hernach auch in den Eigenſchaften der Kunſt - beduͤrfniſſe.

§. 199. Es iſt daher ganz natuͤrlich, daß alle Kuͤnſte, welche ſich vorzuͤglich auf die Eigenſchaften der Erzeugungen gruͤnden, zu - gleich auch die erſten ſeyn muͤſſen. Nun ſte - hen aber alle Erzeugungen in den dreien Rei - chen der Natur, mithin koͤnnen wir auch die - ſe Kuͤnſte dahin ordnen, und fuͤglich mit dem Thierreiche den Anfang machen, weil es dem Menſchen ganz gewiß am erſten bekannt ge - worden.

§. 200. Das Fleiſch der Thiere gab dem Menſchen Speiſe. Doch verſpar ich ſeine Zubereitung zur Kochkunſt. Die Haͤute der Thiere aber wurden zur Kleidung und aller - hand Sachen gebraucht: daher mache ich aus der Fellbereitung die erſte Klaſſe, oder den erſten Abſchnitt.

§. 201.105Kunſtwiſſenſchaft

§. 201. Die Haare der Thiere wurden ſchon fruͤh zu verſchiedenen Zwecken verwen - det, beſonders war die Schaafwolle bald ei - ne Erzeugung, die zu mancherlei Zwecken be - reitet wurde. Alles, was alſo aus Wolle gemacht wird, nenne ich die zweite Klaſſe, welche die Wollemanufaktur begreift.

§. 202. Noch mehrere Thierhaare werden zu mancherlei Endzweck gebraucht; die Haare der Angoriſchen Ziege, der Biber, der Haaſen, der Pferde, der Menſchen, u. f. w. gehoͤren hieher, und machen wieder einen eigenen, und zwar den dritten Ab - ſchnitt: der Haarwuͤrkereien.

§. 203. Hoͤrner und Knochen der Thiere, Fiſchbein, die Schuppen, Muſcheln und Schaalen der Fiſche, oder was ſonſten har - tes aus dem Thierreiche entſteht, und zu Kunſterzeugungen verarbeitet wird, ordne ich zur vierten Klaſſe: der Hornarbeiten.

§. 204. Alles, was aus dem Fette der Thiere, oder demſelben aͤhnlichen Materien bereitet wird, gehoͤrt in die fuͤnfte Klaſſe: der Fettbereitungen.

G 5§. 205.106Allgemeine

§. 205. Die Gallertartigen Theile aus dem Thierreiche werden zu Leime bereitet, und dieſe verſchiedene Arbeiten ſeze ich in die ſechs - te Klaſſe: der Leimmanufakturen.

§. 206. Die Seidewuͤrmer geben den Stoff zur ſiebenten Klaſſe: zu den Seidemanu - fakturen.

§. 207. Das Pflanzenreich iſt das zweite, welches ſeine Erzeugungen den menſchlichen Unterſuchungen darbot. Das Holz war ein wichtiger Gegenſtand, der ſchon fruͤhzeitig benuzt wurde. Alle Arbeiten, die aus dem Holze als Holz betrachtet entſpringen, ord - ne ich in die achte Klaſſe der Kunſtgewerbe, und nenne ſie Holzwerke.

§. 208. Leinen, Hanf und Baumwolle wur - den bald nach dem Vorbilde der Wolle und Thierhaare zum Gewuͤrke bereitet: daher entſteht die neunte Klaſſe, der Leinen - und Cattunmanufakturen.

§. 209. Sehr vielerlei Pflanzen werden zu tauſenderlei Kunſtbeduͤrfniſſen bereitet, alle dieſe faſſe ich zuſammen in eine Klaſſe, und nenne ſie die zehnte Klaſſe der Pflan - zenmanufakturen.

§. 210.107Kunſtwiſſenſchaft

§. 210. Das Mineral - oder Steinreich iſt das dritte, welches die Menſchen zu Be - friedigung ihrer Beduͤrfniſſe verwenden, und hier entſtehen wiederum verſchiedene Klaſſen. Die elfte begreift: die Eiſen - und Stahl - arbeiter. Die zwoͤlfte: die Zinngieſer und Rothgieſer. Die dreizehnte: die Gold - und Silberarbeiter.

§. 211. Die Minerale ſind vielfaͤltig, und haben mannigfaltigen Nuzen zu Befriedigung der Beduͤrfniſſe und Kunſtbeduͤrfniſſe; da - her will ich ihre Zubereitungen zuſammen in die vierzehente Klaſſe: der Mineralarbei - ten ordnen.

§. 212. Die Steine haben ebenfalls ih - ren Gebrauch vom Maurer an bis zum Gips - und Stukkaturarbeiter; ſie ſollen die fuͤnfze - hende Claſſe der Steinwerke ausmachen.

§. 213. Dieſe fuͤnfzehn Klaſſen begreifen nicht alle vollendete Werke, die aus ihren Erzeugungen entſpringen, ſonſt wuͤrden ſie alle Kunſtgewerbe enthalten; ich ordne nur die erſten Kunſterzeugungen dahin, ſo wie ſie durch eine einfache Handarbeit dem Zweckege -108Allgemeinegenaͤhert werden. Folglich ſind ſie in Abſicht der folgenden Kuͤnſte noch immer rohe Erzeu - gungen.

§. 214. Um die erſten Kunſterzeugungen dem Zwecke immer gemaͤſer ausbilden zu koͤn - nen, ſind mancherlei Werkzeuge noͤthig. Der Kuͤnſtler, welcher die Werkzeuge verfertigt, braucht oͤfters Erzeugungen aus allen dreien Reichen der Natur, er kann ſich nicht mehr an eine Gattung derſelben binden: folglich kann ſich auch ſein Gewerb nicht mehr nach den rohen Erzeugungen, ſondern es muß ſich nach den Werken der Kunſt nennen.

§. 215. Die Werkzeuge unterſcheiden ſich am beßten nach der Kraft, welche ſie in Be - wegung ſezt. Ein groſer Theil derſelben wird von Menſchen und Thieren bewegt und un - mittelbar gebraucht; dieſe will ich in die ſechs - zehente Klaſſe der Handmaſchinen ordnen.

§. 216. Viele groſe Kunſtwerke treibt das Waſſer, ſie erfodern von andern verſchiede - ne Einrichtungen und Zubereitungen: ſie ha - ben weit ausgebreiteten Nuzen in den Kunſt - gewerben, und verdienen daher, daß ich ſiein109Kunſtwiſſenſchaftin eine Klaſſe allein, und zwar in die ſieben - zehente, unter dem Namen der Waſſer - maſchinen ſtelle.

§. 217. Auch der Wind ſezt nuͤzliche Ma - ſchinen in Bewegung, die an Orten, wo keine Waſſerwerkzeuge moͤglich ſind, ihren groſen Nuzen haben; ſie machen die acht - zehente Klaſſe aus, und heiſen Windma - ſchinen.

§. 218. Noch andre und zwar ſehr nuͤz - liche Kunſtwerke bewegen ſich durch Kraͤfte, die in ihrer eigenen Zuſammenſezung ange - bracht ſind. Nemlich ſolche, die durch Ge - wicht und Schnellkraft getrieben werden; ich ordne ſie zuſammen in die neunzehente Klaſ - ſe der ſelbſtwirkenden Maſchinen.

§. 219. Viele Kunſtgewerbe ſind mit ge - nugſamen Werkzeugen verſehen, und koͤnnen doch ihre rohe Erzeugungen nicht in vollen - dete Kunſterzeugungen verwandeln: es ent - ſtehen daher Nebenzubereitungen, die ein eigenes Kunſtgewerbe ausmachen, und doch mit andern nur zu einem Zwecke an einerlei Erzeugungen arbeiten. Dieſe verſammle ichin110Allgemeinein eine beſondre, und zwar in die zwanzig - ſte Klaſſe der Hilfskunſtgewerbe.

§. 220. So gruͤnden ſich die Kunſtberei - tungen erſtlich auf die Eigenſchaften der ro - hen Erzeugungen, auf die Werkzeuge, auf die Hilfsbereitungen, und nun endlich auf die Befriedigung der Beduͤrfniſſe ſelber: ſo entſtehen vier Ordnungen, welche ihre Klaſ - ſen unter ſich haben, deren jede ihre Kuͤnſte in ſich enthaͤlt. Die lezte Ordnung hat wie - derum ihre Klaſſen. Die erſte betrift die Nahrung: ſie macht die ein und zwanzigſte der Nahrungsbereitungen aus.

§. 221. Die Kleidung wird aus vielerlei Kunſtwerken zuſammen geſezt: alle Kuͤnſte, die damit umgehen, ordne ich in die zwei und zwanzigſte Klaſſe, und nenne ſie die Kleidungsgewerbe.

§. 222. Die Wohnungen der Menſchen und Thiere erfodern vielerlei Kuͤnſte, Hand - arbeiten und Zubereitungen: alle aber ar - beiten zu einem Zwecke, und dieſem gebe ich die drei und zwanzigſte Klaſſe, und heiſe ſie die Baukunſt.

§. 223.111Kunſtwiſſenſchaft

§. 223. Die Gelehrten und Schoͤnkuͤnſt - ler beſchaͤftigen ſich mit Kunſterzeugungen, die ſie theils als Werkzeuge brauchen, theils ſelber bereiten, und dieſe ſeze ich zuſammen in die vier und zwanzigſte Klaſſe der gelehr - ten Kunſtwerke.

§. 224. Schlieslich hat der Staat ſelbſten Kunſtwerke, die er allein betreibt, und die der Staatswirthſchaft eigen ſind: dieſe ord - ne ich in die fuͤnf und zwanzigſte Klaſſe der Staatskunſtwerke zuſammen.

§. 225. Alle bisher angezeigten Kunſt - und Handwerksfaͤcher erfuͤllen den ganzen Raum zwiſchen den Erderzeugungen, ſo wie ſie aus der Hand der Natur und des Land - wirths kommen, bis dahin, wo die Erzeu - gungen zur Befriedigung der Beduͤrfniſſe unmittelbar angewendet werden koͤnnen, oder bis die rohen Erzeugungen Kunſterzeugun - gen geworden ſind.

§. 226. Alle Handwerker und Kuͤnſte ha - ben den Grad ihrer Vollkommenheit durch Erfahrung, Erfindung und Zufall erlangt; aber die wenigſten haben noch die hoͤchſteStu -112AllgemeineStufe erreicht: faſt alle ſind noch der Ver - beſſerung faͤhig, und derowegen muß die Erfahrung und Erfindung noch immer genuzt, und jeder Zufall beobachter wer - den, was er nuͤzliches enthalte. Dieſes iſt ein Grundſaz zu Verbeſſerung des Kunſt - gewerbes.

§. 227. Obgleich der Unterſchied zwiſchen Handwerk und Kunſt in Anſehung des Ge - werbes wenig Einfluß hat, ſo iſt er doch in andern Abſichten zu bemerken. Die Kunſt iſt edler als das Handwerk, und der Kuͤnſtler begehrt vor dem Handwerksmanne einen Vorzug: ich muß daher allhier den Unter - ſchied zwiſchen Handwerk und Kunſt zu be - ſtimmen ſuchen.

§. 228. Es gibt ſehr viele Zubereitungen, deren Heiſcheſaͤze ſich auf mancherlei Hilfs - wiſſenſchaften gruͤnden, beſonders auf die Naturkunde, Scheidekunſt, reine und an - gewandte Mathematik. Derjenige, welcher alſo die Zubereitungen bewerkſtelligen will, muß von jenen Wiſſenſchaften wenigſtens ſo viel verſtehen, um ſeine Heiſcheſaͤze darausfol -113Kunſtwiſſenſchaftfolgern, erkennen und erklaͤren zu koͤnnen. Weil nun ſchon hierzu ein mehr als gemei - ner Menſchenverſtand erfodert wird, wenig - ſtens gehoͤrt eine gute und ſtarke Vernunft dazu; ſo verdient ein ſolcher Menſch einen Vorzug, er heißt ein Kuͤnſtler, und ſeine Zubereitungen eine Kunſt.

§. 229. Die Zubereitungen koͤnnen in verſchiedenen Faͤllen nicht durch beſtaͤndige Heiſcheſaͤze unwandelbar gemacht werden; ſie erfodern einen erfinderiſchen Geiſt, der in den verſchiedenen und hoͤchſt mannigfalti - gen Erfoderniſſen der Beduͤrfniſſe allemal den beßten und naͤchſten Weg zur zweckmaͤſigen Zubereitung der Erzeugungen einzuſchlagen weis: daher unterſcheidet er ſich von dem Handwerksmanne, er verdient Vorzug, heißt mit Recht ein Kuͤnſtler, und ſeine Werke ſind Kunſt.

§. 230. Oder der Gang und die Hand - griffe der Zubereitungen ſind geheimnißvoll, aus der Arbeit ſehr ſchwer zu errathen. Oder die Zubereitungen ſind ſehr muͤhſam, koͤnnen nicht anders, als durch langwierige UebungHder114Allgemeineder Handgriffe, erlernt werden: und erfo - dern daher eigene Geſchicklichkeiten. Jn bei - den Faͤllen verdient der Arbeiter den Namen eines Kuͤnſtlers, und ſein Gewerb iſt Kunſt.

§. 231. Hingegen haben die Handwerker nur eine gewiſſe Anzahl ſolcher Heiſcheſaͤze, die dem ſchlichten Verſtande begreiflich, und deren Ausuͤbung durch Erlernung der Hand - griffe keine vorzuͤgliche Geſchicklichkeit erfo - dert. Es iſt alſo klar, daß die Kuͤnſte Men - ſchen von hoͤherer Faͤhigkeit und Cultur erhei - ſchen als die Handwerker, und daher den - ſelben der Vorzug von Rechts wegen gebuͤhre.

§. 232. Die ganze Kette der Kunſtgewer - be faͤngt mit der geringſten Handarbeit an, und endigt ſich mit dem groͤſten Kunſtwerke. Jn ſo weit nun ein Handwerk Geheimniſſe und ſchwere Kunſtgriffe enthaͤlt, iſt es auch Kunſt. Und in ſo weit eine jede Kunſt ſich mit der Hand bearbeiten laͤßt, iſt ſie Handwerk. Da nun vom Vornehmſten die Benennung ge - ſchehen ſoll, ſo kann man die Handwerker und Kuͤnſte zuſammen Kunſtgewerbe oder Kunſtwirthſchaft nennen.

§. 233.115Kunſtwiſſenſchaft

§. 233. Aus bisher Abgehandeltem laͤßt ſich leicht folgern, daß es fuͤr das Kunſtge - werbe nuͤzlich ſei: wann alle Handwerker vor und nach zur Wuͤrde der Kunſt emporſteigen. Denn je mehr der Handwerker nach wiſſen - ſchaftlichen Grundſaͤzen arbeitet, je mehr er ſeine Erfindungskraft uͤbt, um durch kuͤrzere Wege und leichtere Mittel die beßten Zube - reitungen zu machen, und endlich je mehr nuͤzliche Geheimniſſe er entdeckt, und ſelbi - ge zum hoͤchſten Nuzen der Kunſt in ſeine Werke verwebt: je mehr treibt er ſein Ge - werbe zur Wuͤrde der Kunſt empor, und de - ſto mehr Nuzen ſchaft er dem Kunſtgewerbe, ins Ganze genommen.

§. 234. Desgleichen muß einem jeden ein - leuchten, daß die Naturgeſchichte, Na - turkunde, Scheidekunſt, reine und an - gewandte Mathematik, ſchoͤne Wiſſen - ſchaften und ſchoͤne Kuͤnſte, Kaͤnntniſſe enthalten, die im Kunſtgewerbe unent - behrlich ſind, und die alſo als Hilfswiſ - ſenſchaften auf der Kameral Hohenſchu - le nothwendig gelehrt werden muͤſſen.

H 2Kunſt -116Kunſtwirthſchaftliche

Kunſtwirthſchaftliche Haushaltung.

§. 235. Ein jedes Kunſtgewerb hat nicht nur den Zweck, die Beduͤrfniſſe derjenigen zu befriedigen, die ſeine Erzeugungen brauchen; ſondern es ſoll auch als Gewerb betrachtet, demjenigen, der es treibt, eine Nahrungs - quelle abgeben, wodurch er ſich und die Sei - nigen ernaͤhren und gluͤcklich machen kann. Die Heiſcheſaͤze, welche die Lehren dazu ent - halten, ordne ich zuſammen, und nenne ſie die kunſtwirthſchaftliche Haushaltung.

§. 236. Die kunſtwirthſchaftliche Haus - haltung lehrt alſo: wie ein jedes Kunſtge - werb muͤſſe zur Nahrungsquelle ge - macht, dieſelbe zum hoͤchſten Ertrage eingerichtet, dieſer Ertrag zu Befriedi - gung der haͤuslichen Beduͤrfniſſe derge - ſtallt angewendet werden, damit der hoͤchſte reine Ertrag herauskomme, und wie endlich dieſer reine Ertrag wiede - rum zu Verbeſſerung und Vermehrung der Nahrungsquelle verwendet werden muͤſſe.

§. 237.117Haushaltung

§. 237. Das erſte iſt alſo: wie eine Nah - rungsquelle aus dem Kunſtgewerbe zu er - richten. Da es nun ein Haushaltungsgrund - ſaz iſt: daß man ſich eine Nahrungsquelle waͤhle, welche zum hoͤchſten Ertrage, den man unter ſeinen Umſtaͤnden erwarten kann, faͤhig zu machen iſt, ſo muß man ſich unter allen Kunſtgewerben eine ausſuchen, die die - ſe Eigenſchaften hat. Kann man nicht dazu gelangen, entweder wann unuͤberwindliche Schwierigkeiten vorhanden, oder wann man durch gewiſſe Umſtaͤnde an ein Gewerbe ver - bunden iſt, ſo ſoll man doch das Gewerb, das einem zukommt, ſich zur Nahrungsquel - le errichten.

§. 238. Die Erwerbung einer Nahrungs - quelle aus den Kunſtgewerben beſteht darin - nen, daß man die Kunſt erlerne. Hier - zu werden zwei Stuͤcke erfodert: erſtlich ein voͤlliger Begriff der Heiſcheſaͤze und Behal - tung derſelben, oder das Wiſſen des Kunſt - gewerbes (Theorie); zweitens: die Ausuͤ - bung aller Handgriffe, wodurch das Wiſſen Thatſache wird (Praxis), ſo lang, bis dieH 3koͤr -118Kunſtwirthſchaftlichekoͤrperlichen Gliedmaſen ihre vollkommene Geſchicklichkeit und die Gewohnheit erlangt haben.

§. 239. Da der neue Erwerber der Nah - rungsquelle die Heiſcheſaͤze ſeines zukuͤnfti - gen Gewerbes, desgleichen die Ausuͤbung derſelben erlernen ſoll, ſo muß er jemand haben, der ſie vollſtaͤndig weis und kann, und zugleich eine kunſtwirthſchaftliche Haus - haltung damit fuͤhrt. Ein ſolcher Mann heißt ein Meiſter; bei dieſem muß ſich der Erwer - ber in ſeinen beßten Juͤnglingsjahren in die Lehre geben, wogegen er ihn voͤllig unter ſei - ne Hausgenoſſene aufnimmt, ihm alle Hei - ſcheſaͤze vorſagt, bis er ſie weis, und nicht mehr vergißt, und ihn alle Stuͤcke und Hand - griffe ſo lang ausuͤben laͤßt, bis er die Kunſt oder das Handwerk voͤllig verſteht und kann, izt heißt der Erwerber Lehrjunge.

§. 240. Wann der Lehrjunge bei ſeinem Meiſter nichts mehr lernen kann, ſo wird er losgeſprochen, das heißt: der Meiſter ent - laͤßt ihn gutwillig ſeiner Lehrjahre, und be - zeugt, daß er das Gewerb verſtehe. Da abernun119Haushaltungnun ein jeder Meiſter ſeinen eigenen Gang in ſeiner Handthierung hat, und einer vor dem andern noch immer beſſere Heiſcheſaͤze weis, und geſchicktere Ausuͤbung bald in die - ſem, bald in jenem Theile beſizt; ſo ſoll der Lehrjunge auf die Wanderſchaft gehen. Weil er nun ſchon mit ſeiner Handthierung zu verdienen anfaͤngt, ſo ſoll er ſeine eigene Beduͤrfniſſe befriedigen, bei verſchiedenen, und zwar bei den geſchickteſten Meiſtern fuͤr Lohn arbeiten, und ſo ſeine Nahrungsquel - le errichten und verbeſſern. Jn dieſem Zu - ſtande heißt er Geſell.

§. 241. Wann er die vollſtaͤndige Geſchick - lichkeit ſeines Kunſtgewerbes erlangt hat, ſo ſoll er ſeine eigene Haushaltung anfangen, das iſt: er ſoll nun Meiſter werden. Hier - zu werden Erwerbungsmittel erfodert: daher muß er hinlaͤngliche Mittel haben, um ſich dieſelben zu verſchaffen. Dieſe ſind aber je nach der Beſchaffenheit der Nahrungsquel - le vielfaͤltig. Es gibt Kunſtgewerbe, wo der Meiſter nur blos Werkzeuge, und zwar wenige noͤthig hat; es gibt ihrer, wo er vie -H 4le120Kunſtwirthſchaftlichele braucht; und endlich gibts ſolche, wo die Leute ihre Erzeugungen dem Meiſter zur Zu - bereitung hingeben, und ihm Arbeitslohn zahlen; wiederum andere, wo er ſich die ro - hen Erzeugungen anſchaffen muß, ſie verar - beitet, und ſeine Kunſterzeugungen wieder verkauft.

§. 242. Zu den Erwerbungsmitteln ge - hoͤrt der Ort, wo ſich ein anfangender Mei - ſter niederlaſſen will, und zwar ein ſolcher, wo die Zubereitungen und Kunſterzeugungen, welche er verfertigt, in ſolcher Menge ge - braucht werden, daß er voͤllige Beſchaͤftigung damit haben kann, und wann mehrere Mei - ſter von ſeiner Handthierung da ſind, ſo muß er uͤberzeugt ſeyn, daß ſo viele Kunſterzeu - gungen an dem Orte und in der Gegend verbraucht werden, als die andern Meiſter nebſt ihm verfertigen koͤnnen.

§. 243. Wann er einen bequemen Ort ge - funden hat, ſo ſoll er ſich nach der Hand - werkspolizei und Gebraͤuchen erkundigen, ſich darnach einrichten, und angeloben den - ſelben gemaͤß zu leben; ferner muß er ſicheine121Haushaltungeine Wohnung verſchaffen, die zu ſeinem Gewerbe alle noͤthige Bequemlichkeit habe.

§. 244. Zu den Erwerbungsmitteln gehoͤ - ren auch ſolche Leute und Haushaltungen, de - nen der Kuͤnſtler oder Handwerksmann ihre Kunſtbeduͤrfniſſe befriedigt. Das iſt: er muß Kunden haben. Da es aber gegen das Geſez der Natur iſt, andern Meiſtern ihre Kunden durch Ueberredung abwendig zu machen, ſo ſoll der neue Meiſter durch Ge - ſchicklichkeit in ſeiner Kunſt ſich zu empfehlen ſuchen.

§. 245. Endlich gehoͤren zu den Erwer - bungsmitteln die unmittelbare Werkzeuge der Kunſt; dieſe muß ſich der Meiſter fuͤr Geld erwerben. Daher ſoll er nicht eher Meiſter werden, bis er ſich als Geſell entweder ſo viel verdient, oder durch andre billige We - ge ſo viel bekommen hat, daß er ſich nicht nur tuͤchtiger und bequemer Werkzeuge genug an - ſchaffen kann, ſondern auch, daß er ſich ſo lang ernaͤhren kann, bis er etwas erwor - ben hat.

H 5§. 246.122Kunſtwirthſchaftliche

§. 246. Wann der Kuͤnſtler Nahrungs - quelle und Erwerbungsmittel errichtet hat, ſo ſoll er erwerben. Hier muß ſein Zweck ſeyn, den hoͤchſten Ertrag zu gewinnen, da - zu ſoll er die beßten Mittel ergreiffen, und dieſe beſtehen in folgenden Heiſcheſaͤzen: erſt - lich, wann er nicht ſeine eigene rohe Erzeu - gungen verarbeitet, ſondern andern Leuten fuͤr Lohn ſchaft, ſo ſoll ſein einziges Beſtre - ben dahin gehen, das wahre Gute und Schoͤne ſeiner Kunſt ſich nicht nur anſchau - lich zu machen, ſondern auch dasſelbe in der That auszufuͤhren. Das iſt: ſeine Arbeit ſoll hoͤchſt dauerhaft, dem Zwecke voͤllig angemeſſen, und alle Schoͤnheit haben, die nur moͤglich iſt, damit ſeine Kunden den laͤngſten und bequemſten Gebrauch da - von machen, und zugleich Vergnuͤgen daran haben koͤnnen.

§. 247. Wann aber der Kuͤnſtler die ro - hen Erwerbungen anſchaffen muß, ſie verar - beitet, und alsdann die Kunſterzeugungen verkauft, ſo ſoll ſein erſtes Beſtreben ſeyn, die edelſten, beßten und zweckgemaͤſeſten zukau -123Haushaltungkaufen, dieſelben nach dem im vorhergehen - den §phe angefuͤhrten Heiſcheſaze zubereiten, und alsdann an ſeine Kunden gegen baar Geld zu uͤberlaſſen.

§. 248. Da nun die beßten und ſchoͤnſten Kunſterzeugungen jedermanns vorzuͤgliche Achtung erwerben und verdienen, ſo zieht der Meiſter dadurch eine Menge Kunden an ſich, und mit dieſem Vortheile gewinnt er einen groͤſern Ertrag. Den Arbeitslohn ſoll er ſo einrichten, daß er niemals niedriger ſei, als bei andern Meiſtern: damit er nicht das ganze Kunſtgewerb verderbe; er ſoll aber auch niemals hoͤher ſeyn, als er ſpuͤrt, daß ihn ſeine Kunden gern bezahlen, damit er ſich dieſelben nicht verſchlage.

§. 249. Aus dieſem allen folgt: daß der Handwerksmann die Vermehrung ſeines Er - trages, und die Erhoͤhung desſelben nicht im hohen Arbeitslohne oder Preiſe ſeiner Kunſterzeugungen, ſondern blos in der Vor - trefflichkeit ſeiner Zubereitungen ſuchen muͤſſe.

§. 250. Da es viele Kunden giebt, wel - che in Bezahlung der Arbeitsleute ſaumſeligſind,124Kunſtwirthſchaftlicheſind, ſo muß er durch die Schoͤnheit und Guͤ - te ſeiner Arbeit ſich beruͤhmt und nothwendig zu machen ſuchen, und alsdann den Gebrauch einfuͤhren, daß er ſich alſofort bei der Liefe - rung bezahlen laſſe: damit er bei jeder Ge - legenheit das Geld in ſeinen Nuzen verwen - den koͤnne.

§. 251. So wie ſich die Nahrungsquelle vergroͤſert, und ſich die Kunden vermehren, ſo ſoll auch der Handwerker die arbeitenden Haͤnde vermehren, das iſt: er ſoll ſich nach dem Verhaͤltniſſe der Arbeit Geſellen halten. Damit er aber ſein Gewerb nicht verderbe, ſo ſoll er keinen Geſellen annehmen, der oh - ne Zeugniß kommt, und einen ſolchen als - dann eine kurze Zeit auf die Probe nehmen, eh er ihn auf gewiſſe Zeit dingt und anſezt.

§. 252. Wann ſich der Kuͤnſtler auf be - ſagte Weiſe einen Ertrag erwirbt, der ſo hoch iſt, als er unter ſeinen Umſtaͤnden ſeyn kann, ſo muß er denſelben wiederum auf die beßte Weiſe anwenden, damit er den hoͤch - ſten reinen Ertrag uͤbrig behalte. Dieſes geſchieht durch den wohlfeilſten und zweckgemaͤſeſten Aufwand.

§. 253.125Haushaltung

§. 253. Die Umſtaͤnde des Ortes, wo der Kuͤnſtler wohnt, welche Befriedigungs - mittel daſelbſt am gebraͤuchlichſten, am be - quemſten und am wohlfeilſten ſind, ſoll er ſich ausfuͤhrlich bekannt machen; alsdann ſei - ne und ſeiner Hausgenoſſen Beduͤrfniſſe ſo ordnen, daß er blos auf die weſentlichen Ruͤckſicht nehme; ferner ſoll er den Ueber - ſchlag machen, durch welche Mittel er ſie am beßten und zugleich am nuͤzlichſten befriedi - gen koͤnne. Wann er dieſen Ueberſchlag ge - macht hat, ſo ſoll er ſeinem Entſchluſſe auf die ſtrengſte Weiſe nachleben, ſo lange, bis er noch beſſere Heiſcheſaze findet: alsdann ſoll er mit eben dem Eifer dieſe auszufuͤhren ſuchen.

§. 254. Was dem Kuͤnſtler nach Befrie - digung ſeiner und der Seinigen Beduͤrfniſſe uͤbrig bleibt, iſt reiner Ertrag, und dieſen ſoll er zu Verbeſſerung und Vermehrung ſei - ner Nahrungsquelle verwenden. Nun ar - beitet er aber entweder fuͤr Lohn, ſo, daß er anderer Leute Erzeugungen zubereitet, oder er kauft ſeine rohe Erzeugungen, bearbeitetſie,126Kunſtwirthſchaftlicheſie, und verkauft ſeine Kunſterzeugungen wieder; wie ſoll er ſich in beiden Faͤllen ver - halten?

§. 255. Jm erſten Falle ſoll er unterſu - chen, ob ſeine Werkzeuge alle noͤthige Voll - kommenheiten haben, oder ob ſonſten die Erwerbungsmittel noch zu verbeſſern ſeien. Jn dieſem Falle muß er das alles aus dem reinen Ertrage in den vollkommenſten Stand ſezen: denn dadurch wird er ſeine Arbeit er - leichtern, beſchleunigen und vollkommener ausfuͤhren, mithin mehr gewinnen koͤnnen.

§. 256. Sind aber ſeine Erwerbungsmit - tel im vollkommenſten Zuſtande, ſo muß er ſich aus ſeinem reinen Ertrage ſolche Erzeu - gungen anſchaffen, die in ſeinem Gewerbe gebraucht werden, und die er ſelber verar - beitet, dieſe verkauft er an ſeine Kunden mit Gewinne, bearbeitet ſie, und gewinnt alſo doppelten Profit. Oder er verfertigt Kunſterzeugungen vorraͤthig, und verkauft ſie mit Nuzen.

§. 257. Wo der Staatsfehler herrſcht, daß der| Handwerksmann nichts feil habendarf,127Haushaltungdarf, da bleibt er freilich in ſeinem engen Kreiſe eingeſchraͤnkt, und es iſt fuͤr ihn wei - ter nichts uͤbrig, als daß er durch Rechtſchaf - fenheit und vorzuͤgliche geſchickte Arbeit ſeine Kunden vermehre, mehrere Geſellen halte, und auf ſolche Weiſe ſeine Nahrungsquelle verbeſſere und erweitere.

§. 258. Jm zweiten Falle, wo es uͤblich iſt, daß der Kuͤnſtler ſeine eigene Erzeugun - gen haͤlt, ſie verarbeitet und wieder verkauft: da ſoll er den reinen Ertrag ſo verwenden, daß er zu der Zeit, wann die rohen Erzeu - gungen am wohlfeilſten ſind, die beßten ein - kaufe, und ſolchergeſtallt ſeinen Nuzen ver - mehre. Mit Vergroͤſerung des reinen Er - trages kann er auch ſeinen Laden erweitern, mehrere Erzeugungen hinzufuͤgen, und alſo kunſtwirthſchaftliche Handlung treiben.

§. 259. Was die gelehrten Kunſtwerke und ſchoͤne Kuͤnſte betrift, die die Beduͤrf - niſſe der Seele und des Vergnuͤgens befrie - digen, oder die Entdeckung wichtiger und nuͤzlicher Wahrheiten im Reiche der Wiſſen - ſchaften zum Ziele haben, ſolche Maͤnnerſollen128Kunſtwirthſchaftlicheſollen ſich mit hoͤchſtem Fleiſe und Sorg - falt um die wahre Seelenbeduͤrfniſſe und ihre Erkaͤnntniß bemuͤhen.

§. 260. Dann ſollen ſie die wahre Geiſtes Beduͤrfniſſe von den falſchen zu unterſchei - den wiſſen, nicht jede Wahrheit iſt nuͤzlich, und noch weniger jedes Vergnuͤgen. Dero - wegen ſind das nur Beduͤrfniſſe der Wahr - heit und des Vergnuͤgens, welche der zeitlichen und ewigen Gluͤckſeligkeit des Menſchen wahrhaft, befoͤrderlich, kei - nesweges aber die ihr hinderlich ſind.

§. 261. Alles, was dem Menſchen Ver - gnuͤgen macht, iſt in Anſehung ſeiner ſchoͤn und gut. Da aber ſehr viele Vergnuͤgen ſchaͤdliche Folgen fuͤr die Menſchheit haben, ſo ſind die Befriedigungsmittel dieſer Ver - gnuͤgen nicht wahrhaft ſchoͤn, wahrhaft gut, ſondern nur falſch und im Scheine. Es iſt daher ein hoͤlliſcher Grundſaz der Schoͤn - kuͤnſtler, wenn ſie alles, was die Natur nach ihrem Sinne Gutes und Schoͤnes hat, ihren Erzeugungen einverweben wollen.

§. 262.129Haushaltung

§. 262. Die Erkaͤnntniſſe der wahren Gei - ſtesbeduͤrfniſſe erlangt der gelehrte Kuͤnſtler, durch die wahre Weisheit, welche aus der Vernunft und Offenbahrung ge - ſchoͤpft wird. Die wahren Befriedigungs - mittel findet er im Reiche der Natur und der Wahrheit. Dieſe ſoll er mit groſer Ge - ſchicklichkeit, Kraft und auſerordentlicher Faͤ - higkeit auswaͤhlen, ordnen und zubereiten koͤnnen, damit ſeine Erzeugungen vollkom - men dem Zwecke entſprechen. Wer nicht dieſe Faͤhigkeiten hat, ſoll auch durchaus kein gelehrter Kuͤnſtler werden.

§. 263. Der Ertrag des ſchoͤn - oder ge - lehrten Kuͤnſtlers iſt dreifach: erſtlich ſam - melt er ſich einen Schaz von Wahrheiten fuͤr ſich ſelber. Zweitens: mit dieſem Schaze ſammelt er ſich einen gewiſſen Grad von Bei - falle der Menſchen, das iſt: er bekommt ein eigenes Publikum; und drittens verſchaft er ſich Befriedigungsmittel fuͤr ſeine leibli - chen Beduͤrfniſſe.

§. 264. Den Ertrag ſeiner Wahrheiten ſoll er zur Nahrungsquelle ſeines GeiſtesJver -130Kunſtwirthſchaftl. Haushaltungverwenden, er ſoll ſie alle zu Grundſaͤzen um - ſchaffen, ſie durch Fleis und Erfahrung un - endlich fruchtbar in Erfindung neuer Wahr - heiten machen, und dann ſoll er ſelbige auf die beßte Weiſe ſeinem Publikum mittheilen, ſelbiges verbeſſern und vermehren.

§. 265. Die Befriedigungsmittel ſeiner leiblichen Beduͤrfniſſe verſchaft er ſich entwe - der dadurch, daß er Lohn bekommt, oder daß er ſeine Kunſterzeugungen verkauft, in beiden Faͤllen ſoll er gleich andern Erwerbern nach den Heiſcheſaͤzen der Haushaltung zu Werke gehen. Den reinen Ertrag aber ſoll er theils zu Vervollkommnung ſeiner gelehrten Werkzeuge, theils aber, beſonders wann er Frau und Kinder hat, auf die Stiftung ei - nes bequemen Gewerbes fuͤr ein jedes Glied ſeiner Familie, nach der Natur dieſes Ge - werbes aufs nuͤzlichſte verwenden.

§. 266. Endlich ſoll ein jeder, der ein ge - lehrter Kuͤnſtler werden will, ſich vorher pruͤ - fen laſſen, ob er Geiſteskraft genug dazu habe, und wenn er das nicht hat, ſo ſoll er eben ſo wenig ein Gelehrter werden, alsder131Allgemeine Handlungswirthſchaftder Lahme ein Laͤufer, oder der Stammler ein Redner.

*Das moͤgten alle Gelehrten in Abſicht auf ihre Soͤhne wohl merken. Mancher Predigersſohn ſchickte ſich beſſer zum Handwerksmanne, und der Sohn ei - nes Arztes zum Pfluge, als zu ſeines Vatters Geſchaͤfte. Wann wird das elende Vorurtheil des Standes zum Abgrunde verdammt werden?
*

Allgemeine Handlungswirthſchaft.

§. 267. Beides, die rohen - oder oͤkono - miſchen Erzeugungen, und die Kunſterzeu - gungen, begreife ich zuſammen unter einem Namen der oͤkonomiſchen Guͤter. Dieſe beſtehen aus ſehr vielfaͤltigen rohen und Kunſterzeugungen. Da nun die Beduͤrfniſſe der Menſchen ſehr mannigfaltig ſind, und nicht alle Oerter der Erde mit allen dazu ge - hoͤrigen Befriedigungsmitteln verſehen ſind; ferner, da die mehreſten Oerter ſolche Mit - tel uͤberfluͤſſig hervorbringen, die den andern mangeln, ſo iſt daher die Nothwendigkeit entſtanden, daß ein Ort mit dem andern die uͤberfluͤſſigen gegen die fehlenden oͤkonomiſchen Guͤter austauſcht, damit einem jeden Men -J 2ſchen132Allgemeineſchen die Befriedigung ſeiner Beduͤrfniſſe erleichtert werde.

§. 268. Mit dieſem Tauſchgewerbe be - ſchaͤftigt ſich alſo die Handlungswirth - ſchaft, und ſie lehret: wie man die uͤber - fluͤſſigen oͤkonomiſchen Guͤter ſich zum Ei - genthume erwerben, und wiederum an dem Orte, wo ſie fehlen, gegen ande - re vertauſchen muͤſſe, damit der hoͤchſte Ertrag herauskomme. Und wie man nach Befriedigung eigener Beduͤrfniſſe den gewonnenen hoͤchſten reinen Ertrag wiederum zu Verbeſſerung und Vermeh - rung der Nahrungsquelle auf die nuͤz - lichſte Weiſe verwenden muͤſſe.

§. 269. Die Beduͤrfniſſe der Menſchen ſind ſehr haͤufig, und eben ſo verſchieden, hinge - gen ſind auch die oͤkonomiſchen Guͤter hoͤchſt mannigfaltig, und endlich ſind unendlich vie - le zufaͤllige Umſtaͤnde, die ſich nicht alle be - ſtimmen laſſen. Dieſes alles wirkt auf das Tauſchgewerbe und veraͤndert es auf vielfa - che Weiſe. Doch laſſen ſich verſchiedene Klaſ - ſen ordnen, mithin auch allgemeine Grund -ſaͤze133Handlungswirthſchaftſaͤze angeben, wornach die Gewerbe jeder Klaſſe, und dann auch des Ganzen einge - richtet werden muͤſſen.

§. 270. Die beſtimmte Erkaͤnntniß jeder Klaſſe des Tauſchgewerbes, und die Grund - ſaͤze derſelben, machen den erſten Abſchnitt der Handlungswirthſchaft aus: ich nenne denſelben die Handlungswiſſenſchaft. Die Grundſaͤze des ganzen Gewerbes aber, wie jeder Kaufmann mit ſeinem gewonnenen Er - trage und reinen Ertrage zu Werke gehen muͤſ - ſe, ordne ich in den zweiten Abſchnitt der Handlungshaushaltung.

§. 271. Die fruchtbare Quelle der Er - kaͤnntniſſen und daraus gefloſſener Grund - ſaͤzen iſt die Erfahrung, die Quelle der Er - fahrung iſt die Geſchichte.

Allgemeine Handlungswiſſenſchaft.

a) Geſchichte des Tauſches.

§. 272. Wann im erſten Alter der Menſch - heit einem Hausvatter ein Befriedigungsmit - tel fehlte, das er nicht ſelber erwerben konn - te: ſahe aber, daß es ein anderer uͤberfluͤſſig hatte, ſo ſprach er denſelben darum an. AlsJ 3der134Allgemeineder Begriff von Eigenthume und Werthe der Erzeugungen noch nicht reif war, gab einer dem andern ſeinen Ueberfluß umſonſt.

§. 273. Als ſich die Beduͤrfniſſe erhoͤhten, und kein Hausvatter mehr faͤhig war, alle ſeine Befriedigungsmittel ſelber zu erziehen, und zu bereiten, ſo ſprach einer den andern um etwas an; der andere hatte aber auch Mangel, ſie wurden eins, daß einer dem andern das uͤberlaſſen ſolle, was er bedurfte gegen das, was der andere uͤbrig hatte, und ſo entſtand der Tauſch.

§. 274. Wann eine Beduͤrfniß hoͤchſt we - ſentlich wurde, ſo wurde das Verlangen nach dem Befriedigungsmittel deſto heftiger. Derjenige, welcher den Ueberfluß davon hat - te, doch aber ſelbigen gern behalten wollte, entweder denſelben auf die Zukunft zu behal - ten, oder ihn ſonſt in ſeine Nahrungsquel - le zu verwenden, ſchlug die Ueberlaſſung ab, der Duͤrftige aber both ihm den Tauſch an, und vermehrte ſein Tauſchmittel ſo lang, bis der Wohlhabende merkte, daß er mit dem Tauſchmittel eben den Nuzen haben koͤnnte,den135Handlungswiſſenſchaftden er von ſeinem Ueberfluſſe zu haben hoft, und nun beſchließt er den Tauſch. Dieſes iſt der Urſprung des Werthes.

§. 275. Der Werth einer Sache iſt alſo der beſtimmte Grad der Beduͤrfniß, wo - von die Sache ein Befriedigungsmittel iſt. Der Preis aber iſt die Beſtimmung des Tauſchmittels, ſo, daß es mit dem Werthe des Befriedigungsmittels einen gleichen oder etwas hoͤhern Grad habe.

§. 276. Es entſtunden in einer Gegend Beduͤrfniſſe, deren Befriedigungsmittel die Erde an dem Orte nicht hervorbrachte, hin - gegen in andern benachbarten Laͤndern waren ſie uͤberfluͤſſig: man reißte dahin um ſich von dem Ueberfluſſe zu verſorgen, aber man kannte den Werth, beſtimmte den Preis, es waren alſo Tauſchmittel noͤthig, man erkundigte ſich nach den dortigen Beduͤrfniſſen, fand, daß man ſelbſt, oder andere Gegenden Befrie - digungsmittel dafuͤr habe, man machte ſich dieſelben eigen, und ſo tauſchte man.

§. 277. So entſtand allmaͤhlig der Kreislauf der oͤkonomiſchen Guͤter durch das Tauſchge -J 4werb136Allgemeinewerb. Allein der Hausvatter fand, daß ſein ei - genes Gewerb uͤber dem Reiſen verſaumt wur - de, es fanden ſich Leute, welche kein Gewerb hatten, die alſo das Tauſchen zu ihrem eigenen Gewerbe machten. Dieſe thaten alſo die Rei - ſen, verſahen ſich mit Tauſchmitteln, machten ſich die uͤberfluͤſſigen Guͤter eines Ortes zum Ei - genthume, und vertauſchten ſie wiederum da, wo ſie den hoͤchſten Werth hatten, und das war der Anfang der eigentlichen Kaufmann - ſchaft oder Handlung.

§. 278. Die Schoͤnheit, Beſtaͤndigkeit und Geſchmeidigkeit des Goldes und des Sil - bers brachte dieſen Metallen bald einen ho - hen Werth bei. Ueberall, wo die Kaufleu - te hinkamen, war Mangel an dieſen Metal - len, ihr Beduͤrfniß war allgemein; folg - lich, wenn man ſie hatte, ſo hatte man ein allgemeines Tauſchmittel. Die Kaufleute er - kundigten ſich darnach, ſie wurden aufge - ſucht, ausgeſchmolzen, und als ein all - gemeines Tauſchmittel in dem Tauſchgewer - be gebraucht.

*Vielleicht muͤßte ich das beweiſen, al -lein137Handlungswiſſenſchaftlein die wahre Geſchichte der fruͤhen Menſchheit beweißt es fuͤr mich.
*

§. 279. Ein allgemeines Tauſchmittel er - langt in dieſer Eigenſchaft noch einen hoͤhern Werth. Ein jeder, der ein mangelndes Be - friedigungsmittel ſucht, denkt auf ein Tauſch - mittel: nun weis er, daß Gold oder Silber das beßte iſt, folglich ſucht er ſich bei jeder Gelegenheit einen Vorrath davon zu ſamm - len, mithin wird es nun erſt recht zum allge - meinen Beduͤrfniſſe, und folglich weſentlich.

§. 280. Die Reiſen zu Waſſer ſind we - niger koſtbar, weniger beſchwerlich, als die Landreiſen: man braucht auch nicht durch vielerlei Laͤnder in groſen Geſellſchaften we - gen der Raͤuber zu reiſen. Viele Laͤnder ſto - ſen an Seen und Meeren, ſie ſind ſich daher alle gleichſam Nachbarn. Der Ruf von Vol - ke zu Volke, von Lande zu Lande, dieſer oder jener Ort ſei reich an Golde und Sil - ber und andern Koſtbarkeiten, trieb unter - nehmende Koͤpfe zu Verſuchen ſchwerer Rei - ſen. Man verbeſſerte den Schiffbau, fuhr von Kuͤſte zu Kuͤſte, und fand Ueberfluß desJ 5Tauſch -138AllgemeineTauſchmittels und anderer Befriedigungs - mittel: daher uͤberſchwenglicher Ertrag im Gewerbe.

§. 281. Die erſten gluͤcklichen Verſuche machten unzaͤhlige Nachahmer: man fand Oerter, welche zu den Seereiſen nach vielen Gegenden bequem lagen. Hier ſchlugen die reiſende Kaufleute und Seefahrer ihre Huͤt - ten auf. Allein es gab viele boͤſe Menſchen, welche ohne Muͤhe reich werden wollten, ſich aufs Rauben legten, daher Anlaß gaben zu befeſtigten Wohnungen, Staͤdten, Schloͤſ - ſern, Gegenwehr, und allerhand dagegen gerichteten Anſtalten.

§. 282. So entſtanden Seeſtaͤdte und han - delnde Staaten, unter welchen in der bekann - ten Welt Tyrus eine von den aͤltſten und beruͤhmteſten war, Carthago folgte darauf, hernach die Jtaliaͤner, fort Venedig, Ge - nua, Britanien, Portugall, Spanien, Frankreich, Holland, und endlich alle Staaten von Europa, und viele andere Reiche der Welt.

§. 283.139Handlungswiſſenſchaft

§. 283. Anfaͤnglich wog man das Tauſch - mittel, und zahlte es nach dem Gewichte uͤber; allein es entſtanden Kuͤnſtler, welche die Ver - beſſerung unedler Metalle verſuchten, und etwas aͤhnliches hervorbrachten. Dieſes wur - de fuͤr wahres Gold und Silber ausgegeben; weil aber dieſe Kuͤnſteleien nicht ſtich hiel - ten, wieder ihre vorige Natur annahmen, und alſo der lezte Jnhaber um den Werth betrogen wurde, ſo dachte man auf Mittel ſich dagegen zu verwahren. Leute von gro - ſem Credit, die weit und breit bekannt wa - ren, Fuͤrſten oder handelnde Staaten, wogen Stuͤcklein Goldes und Silbers von allerhand beſtimmten Gewichten ab, zeichneten ſie durch ihre Namen, oder mit andern Zeichen, die nicht leicht nachzumachen waren, hiedurch wurde die Verfaͤlſchung ſchwerer, und die - ſes gezeichnete Tauſchmittel wurde nunmehr guͤltig. So entſtand das Geld, und mit demſelben die Muͤnzwiſſenſchaft.

§. 284. Theils das nach ſeinem inneren Werthe oder Gehalt (Aloy) ſchlechtere Me - tall, theils auch der Mangel des Geldes,ſezten140Allgemeineſezten andere Muͤnzen von beſſerem Stoffe auf hoͤheren Werth; um ſelbiges zu bekom - men, ſezte man im Geld um Geld (Al pa - ri) auf den Eintauſch des beſſern ein Aufgeld (Agio): daher entſtund der Geldhandel, es fanden ſich Leute, welche durch den Gewinn mit dem Agio ein Gewerb errichteten, und ſo entſtand der Wechſelhandel.

§. 285. Dazu kam aber die Erfindung der Wechſelbriefe. Es waren zween Orte A und B. Der Kaufmann in A lieferte Waaren an einen Kaufmann in B. Ein anderer Kaufmann in B lieferte Guͤter nach A. Folg - lich waren an jedem Orte zween Kaufleute, einer der zu bezahlen, der andere zu empfan - gen hatte. Nun hatte einer von ihnen in A den Einfall: man koͤnnte ohne das ſchwer - faͤllige Hin - und Herſchicken des Geldes leicht die Bezahlung bewerkſtelligen, wenn ſich die zween Kaufleute in A bezahlten: und eben ſo die zween in B. Dieſes wurde durch ſchrift - liche Anweiſung eines Schuldners an den an - dern bewerkſtelligt; das war der Urſprung des Wechſelbriefes (Cambio).

§. 286.141Handlungswiſſenſchaft

§. 286. Nachdenken, Zufall und Bequem - lichkeit haben zu unendlich vielen Einrichtun - gen und Erfindungen im Handelsweſen An - laß gegeben, ſo, daß die Geſchichte der Hand - lung ſehr vielen Stoff zu ausgebreiteten Er - kaͤnntniſſen an die Hand gibt: mithin ſehr nothwendig und nuͤzlich, beſonders ſolchen Maͤnnern iſt, welche im Staatsweſen etwas auszurichten gedenken.

§. 287. So angenehm die philoſophiſchen Geſchichten der handelnden Menſchheit ſind, ſo nuͤzlich ſind ſie auch, ſie verbreiten Licht uͤber alle Wiſſenſchaften: ich hab daher fuͤr gut befunden, jeder Kameralwiſſenſchaft ei - nen Elementar-Entwurf ihrer Geſchichte vor - zuſchicken, und darauf die Grundbegriffe des Gewerbes ſelbſten folgen zu laſſen. Dieſer Ordnung gemaͤß gehe ich nun uͤber zu den

b) Tauſchgewerben.

§. 288. Wann der Kuͤnſtler und Hand - werker ſeine Nahrungsquelle verbeſſern und erweitern will, ſo, daß er ſeine rohe Erzeu - gungen ſelber kauft, und ſolche fruͤh hat, oder wann er ſeine verfertigte Waaren ver -kauft,142Allgemeinekauft, oder ſelbige auf den Kauf macht, ſo graͤnzt er ſchon nahe ans Handelsgewerb, es fehlt ihm nur noch daran, daß er ſeine Nahrungsquelle aus der Kunſt ins Tauſch - gewerb verwandle.

§. 289. So entſteht ſchon im Kunſtgewer - be der Urkeim des Tauſchgewerbes. Wer ſich eine gewiſſe Menge oͤkonomiſcher Guͤter gegen andere eintauſcht, und ſolche an dem Orte, wo ſie fehlen, wieder vertauſcht, ſo, daß er dieſes Tauſchgewerb zur Nahrungs - quelle macht, der iſt ſchon ein Kaufmann; da nun der wohlhabende Handwerker oͤfters allerhand Kleinigkeiten, die mit ſeinem Ge - werbe verwandt ſind, feil hat: ſo iſt er ſchon in ſo weit ein Kaufmann, als der Gewinn des Tauſchgewerbes betraͤchtlich iſt.

§. 290. Ein ſolcher Mann, der ſich eine Menge von Befriedigungsmitteln, die in ſeiner Gegend fehlen, bekannt macht, ſelbi - ge alsdann, wo ſie uͤberfluͤſſig, das iſt: feil ſind, einkauft, und ſie im kleinen wieder an diejenigen, welche ſie unmittelbar zur Be - friedigung ihrer Beduͤrfniſſe verwenden, ver -kauft,143Handlungswiſſenſchaftkauft, heißt ein Kraͤmer, ſeine Nahrungs - quelle, oder beſſer ſein Gewerb heißt Kraͤ - merei, und ſein Waarenlager heißt ein Kram - laden. Dieſe erſte Klaſſe des Tauſchgewer - bes treiben Kuͤnſtler bei ihrem Gewerbe, auch gibts Maͤnner, die ſich eine Hauptnahrungs - quelle damit errichten, und die Kraͤmerei zu ihrem wahren Gewerbe machen.

§. 291. Andere Handwerksmaͤnner machen eine Menge von ihren Kunſterzeugungen fer - tig, bringen ſelbige in ihren Waarenladen, und verkaufen ſie. Dieſe haben ſchon eine Manufaktur im Kleinen. Wenn daher ein Mann ein Kunſtgewerb errichtet, die rohe Erzeugungen einkauft, ſelbige alsdann durch Kuͤnſtler fuͤr Lohn fertig machen laͤßt, die Kunſterzeugungen in ſein Waarenlager ſchaft, und damit Handlung treibt, ſo heißt er ein Kunſthaͤndler (Fabriquant), ſein Gewerb heißt Kunſt - oder Werkhandel (Manufak - tur oder Fabrique).

§. 292. Man beobachtet zwiſchen den Woͤr - tern Manufaktur und Fabrique einen Unter - ſchied: erſtes ſoll ſolche Kunſtwerke bedeuten,die144Allgemeinedie aus dem Thier - und Pflanzenreiche ent - ſtehen, lezteres aber bezieht ſich auf Metall - arbeiten. Jm gemeinen Leben wird der Un - terſchied dieſer Woͤrter ſehr wenig geſchaͤzt. Fabrique nimmt man fuͤr beides. Doch weil es die Gelehrten einmal ſo haben wollen, ſo will ich auch dieſe Woͤrter beſtimmen. Ma - nufaktur ſoll Werkgewerb, Fabrique aber Metallgewerb bedeuten; beide zuſammen will ich unter dem Namen des Werkhandels zur zweiten Klaſſe der Tauſchgewerbe machen.

§. 293. Wenn jemand oͤkonomiſche Guͤter einkauft, ſie in ſein Waarenlager oder Pack - haus ordnet, hernach wieder zu ganzen Stuͤ - cken oder Ballen, oder ſonſt ins Groſe ver - kauft, ſo nennt man dieſes kaufmaͤnniſch: Handlung ins Groſe (en gros). Dieſe be - greift nun zwar alle uͤbrige Tauſchgewerbe in ſich, in ſo weit ſie betraͤchtlich ſind, doch ent - halten folgende noch beſondere Umſtaͤnde, vermoͤg welcher ſie ſich von allen andern un - terſcheiden. So entſteht die dritte Klaſſe der Tauſchgewerbe.

§. 294.145Handlungswiſſenſchaft

§. 294. Entfernte, jenſeits dem Meere gelegene Laͤnder, oder ſolche, wohin man auf einem Strome kommen kann, enthalten ſehr oft oͤkonomiſche Guͤter, woran man vie - len Vortheil haben kann: daher iſt der Handelsmann bemuͤht, dieſe Guͤter dort ſelbſt einzukaufen, daſelbſt abzuholen, in ſein eigenes Waarenlager zu bringen, und mit Nuzen wieder zu verkaufen.

§. 295. Desgleichen wohnt der Kaufmann oft an einem Orte, wo viele oͤkonomiſchen Guͤter uͤbrig ſind, die in entfernten Laͤndern theuer bezahlt werden: daher wuͤnſcht er ſie dorthin bringen zu koͤnnen, folglich denkt er darauf, einen Tauſch anzuſtellen, damit ſei - ne Verſendungswerkzeuge doppelten Nuzen abwerfen moͤgen. Er laͤßt ſich alſo in die Schiffsrhederei ein. Das iſt: er baut entweder allein, welches gefaͤhrlich iſt, oder in Geſellſchaft anderer, ein oder mehrere Schiffe, ſie ruͤſten ſelbige aus, verſenden ihre Waaren gemeinſchaftlich, und theilen ſich zuſammen in den daher entſpringenden Nuzen der Frachtgelder. Dieſe Gattung desKTauſch -146AllgemeineTauſchgewerbes macht die vierte Klaſſe, die Schiffsrhederei aus.

§. 296. Die Schifffahrt iſt vielen gefaͤhr - lichen Zufaͤllen unterworfen: Sturm, ver - borgene Felſen, Sandbaͤnke, Seeraub, Krieg, und was dergleichen mehr iſt, gibt mannig - faltigen Anlaß zu groſem Verluſte; da nun durch denſelben ein rechtſchaffener Kaufmann, beſonders wenn er verſchiedene Male nach ein - ander ein ſolch Ungluͤck hat, leicht zu Grun - de gerichtet werden kann, ſo ſind Leute ent - ſtanden, welche mit vielen Reichthuͤmern ver - ſehen, die Schiffe verſichern.

§. 297. Ein Verſicherer verpflichtet ſich durch einen Accord, daß er, im Falle das Schiff verungluͤcken ſollte, dasſelbe nebſt den Waaren, die darauf geladen worden, voͤl - lig verguͤten wolle: deswegen muͤſſen aber al - le Waaren im Accord benennet werden, da - mit er wiſſen koͤnne, was er wagt. Dage - gen empfaͤngt er aber auch ein Waggeld (Praͤmie) von den Schiffsrhedern, die ſich aber juſt verhaͤlt, wie der Anſchein der Ge - fahr. Weil doch nun die wenigſten Schiffever -147Handlungswiſſenſchaftverungluͤcken, ſo kann ein Mann, der Geld genug hat, und ſich mit dem Verſicherungs - weſen abgibt, vieles dabei gewinnen, aber auch bald arm werden.

§. 298. Nicht allein die Schifffahrt, ſon - dern auch andere gefaͤhrliche Unternehmungen und Gefahren koͤnnen geſichert werden. Der - jenige Handelsmann, welcher das Verſiche - rungsweſen unternimmt, heißt Aſſuͤradeur oder Verſicherer; wer ſich verſichern laͤßt, heißt der Aſſuͤrirte; die Guͤter heiſen Aſſuͤ - rirte Guͤter, und dieſe fuͤnfte Klaſſe der Tauſchgewerbe heißt: das Verſicherungs - gewerb (Aſſekuration) oder auch Aſſuͤranz.

§. 299. Ein betraͤchtlicher Theil der Schiff - fahrt gruͤndet ſich auf die Fiſcherei, Wallfi - ſche, Seehunde und dergleichen, Cabliau, Stockfiſche, Heringe, u. a. m. desgleichen auch die Korallen-Perlen - und Bernſteinfi - ſcherei gehoͤren unter ein eigenes Handelsge - werb, und machen die ſechſte Klaſſe der Tauſchgewerbe, die Fiſcherei aus.

§. 300. Der Wechſelhandel wirft an und fuͤr ſich ſelbſt Ertrag aus, weil auf gewiſſeK 2beſſere148Allgemeinebeſſere Muͤnzſorten Aufgeld gegeben wird. Wann man alſo in einem Lande Geld em - pfaͤngt, das von beſſerm Gehalte iſt, und man vertauſcht es in einem andern, wo ſchlech - tes iſt, ſo bekommt man Aufgeld, und die - ſes iſt Ertrag, wenn die Summen gleich ge - rechnet werden. Hierzu gehoͤrt aber Kund - ſchaft der Muͤnzſorten vieler Laͤnder, und daß man wiſſe, das gute Geld an ſolchen Orten anzubringen, wo man mit dem dafuͤr em - pfangenen ſchlechten Gelde eben das ausrich - ten kann, was man mit dem guten bewerk - ſtelligen koͤnnte.

§. 301. Allein der vornehmſte Nuzen des Wechſelhandels beſteht im Verkaufe der Wech - ſelbriefe. Wenn in A viele Kaufleute ſind, die in B zu bezahlen haben, ſo iſt natuͤrlich, daß in A viele Wechſelbriefe noͤthig ſind, die in B bezahlt werden: folglich werden die Schuldner in A ſich Muͤhe geben, ſolche Brie - fe zu bekommen: ſie werden daher ſolche den Jnnhabern abkaufen, und mehr dafuͤr zah - len, als der Jnnhalt enthaͤlt. Dieſes, was mehr bezahlt wird, nebſt dem Aufgelde ma - chen den allgemeinen Wechſelcours aus.

§. 302.149Handlungswiſſenſchaft

§. 302. Auch die Muͤnzſorten haben viel Einfluß in das Wechſelgeſchaͤft. Es gibt Laͤnder, wo man nur in gewiſſen Muͤnzſorten bezahlen kann, folglich wird der Wechſelcours auf ſolche Muͤnzen hoͤher ſeyn, wenn ſie nicht gut zu haben ſind. Auch ſonſten noch ande - re Urſachen in dem Handlungszuſtande, oder im Kriege und Frieden der Staaten haben Ein - fluß auf die Wechſelcourſe. Der Wechſel - handel macht die ſiebente Klaſſe der Tauſch - gewerbe aus. Derjenige, welcher vornehm - lich denſelben fuͤhrt, heißt ein Banquier.

§. 303. Endlich gibts noch ein Tauſchge - werb, welches aus allen andern zuſammen geſezt iſt. Wann ein ſehr reicher Mann (Ka - pitaliſt) ſich auf keine gewiſſe Handlung be - ſtimmt, ſondern wann er an vielen Orten Correſpondenten hat, die ihm immer fort be - richten, welche Waaren an ſolchen Orten vor - raͤthig ſind, oder welche verlangt werden, al - les dieſes notirt er ſich wohl, und unter - nimmt dann, bald hier einen Kauf, bald dort eine Lieferung, ſo wie er glaubt den mehrſten Ertrag zu gewinnen. Dieſes Tauſch -K 3gewerb150Allgemeinegewerb heißt man eine Spekulationshand - lung: ſie macht die achte Klaſſe aus.

§. 304. Eine gewiſſe Handlung kann auch ſo betraͤchtlich ſeyn, daß ſie fuͤr einen Mann zu ſchwer iſt, oder wenn ſie wegen verſchie - dener Umſtaͤnde gefaͤhrlich iſt, ſo treten auch wohl ihrer verſchiedene zuſammen, und ſchlie - ſen eine Handelsgeſellſchaft (Compagnie). Jn dieſem Falle legen alle Glieder entweder gleichviel ein, und ſo wird der Ertrag gleich getheilt; oder ein jeder traͤgt nach Willkuͤhr, oder Vermoͤgen bei, ſo wird der Ertrag nach dem Verhaͤltniſſe des Einſazes bezahlt.

§. 305. Die Unternehmung eines Han - delsgewerbes kann auf ein gewiſſes beſtimm - tes Kapital geſezt werden: dieſes Kapital theilt man in gewiſſe Stammtheile (Aktien). Wer nun ein ſolches Stammtheil an der Handlung haben will, der muß das Geld bezahlen, welches das Stammtheil des Ka - pitals andeutet, dagegen bekommt er einen ſchriftlichen Verſicherungsſchein, von den uͤbrigen Jntreſſenten, vermoͤg welchem er ſei - nen Antheil am Ertrage einkaſſiren kann. Ein ſolcher Schein wird auch eine Aktie genennt.

§. 306.151Handlungswiſſenſchaft

§. 306. Der Jnnhaber einer Aktie kann ſelbige verkaufen. Wenn nun gute Hofnung zum Gewinne iſt, ſo wird ihm ſeine Aktie theurer bezahlt, als wenn mann Verluſt be - fuͤrchtet. Daher entſteht der Aktienhandel, und das Steigen und Fallen derſelben. Die verſchiedenen Gattungen des Compagniehan - dels bringe ich unter die neunte Klaſſe der Tauſchgewerbe.

§. 307. Es gibt noch verſchiedene Gewer - be, deren jedes fuͤr ſich beſteht, die aber theils zu Erleichterung, theils auch zu Befoͤrderung der Tauſchgewerbe eingerichtet ſind. Ein ſolches Hilfsgeſchaͤft entſteht aus der Hand - lung, und kann ohne dieſelbe nicht ſeyn. Die Verſendung oder Verſezung der Guͤter von einem Orte an den andern (der Trans - port) geſchieht zu Lande und zu Waſſer. Die Verſendung zu Lande heißt man das Fuhr - werk; dieſes bring ich zur erſten Klaſſe der Hilfsgeſchaͤfte der Handlung.

§. 308. Die Verſendung zu Waſſer ge - ſchieht mit Schiffen; dieſes betraͤchtliche Hilfs - geſchaͤft, in ſo weit es ſich mit Kaufmanns -K 4guͤtern152Allgemeineguͤtern abgiebt, bringe ich zur zweiten Klaſſe der Hilfsgeſchaͤfte, und nenne ſie die kauf - maͤnniſche Schifffahrt. Der Mann, wel - cher ſich die Schiffahrt zum Gewerbe macht, heißt der Schiffmann. Wer ſich das Fuhr - werk zum Gewerbe macht, heißt ein Fuhr - mann. Der Lohn, den ſie vom Kaufman - ne bekommen, iſt ihr Ertrag, und heißt die Fracht.

§. 309. An ſtarken Handelsorten, wo ſehr viel Geſchaͤfte gethan werden, iſt es dem Handelsmanne nicht moͤglich, alles, was unter der ganzen Kaufmannſchaft vorgeht, was feil iſt, und was verlangt wird, zu wiſſen. Ferner wird auch die Muͤhe fuͤr ihn unendlich ſeyn, wenn er ſelbſten, oder ſeine Bedienten beſtaͤndig umherlaufen, und ſich nach allen Dingen erkundigen wollten; ich geſchweige, daß er viele noͤthige Geſchaͤfte daruͤber verſaͤumen wuͤrde.

§. 310. Man hat derowegen treue, in Handlungsſachen erfahrne, und zu dieſem Zwecke vereidete Leute in Dienſt genommen, deren Pflicht es iſt, ſich nach allem, was ſichin153Handlungswiſſenſchaftin Handlungsſachen merkwuͤrdiges ereignet, zu erkundigen und zu notiren. Wenn daher ein Kaufmann Waaren oder Wechſel feil hat, oder ſelbige verlangt, ſo wendet er ſich an einen ſolchen Mann, welcher am beßten weis, wo er etwas laſſen, und wo er etwas bekom - men ſoll, auch ſind ihm die Preiſe bekannt. Durch denſelben werden auch Contrakte ge - ſchloſſen, und er iſt eigentlich der wahre Be - diente der Handlung; er heißt ein Makler, und ſein Geſchaͤft die Makelei. Der Lohn, welchen er fuͤr ſeine Muͤhe bekommt, heißt Abzug (Courtage). Dieſe iſt die dritte Klaſſe der Hilfsgeſchaͤfte.

§. 311. Es gibt verſchiedene Geſchaͤfte, welche der Kaufmann in fremden Orten durch andere beſorgen laͤßt. Entweder laͤßt er durch jemand ſeine Waaren weiter verſenden, ſo, daß derjenige, welcher dieſe Beſorgung hat, weder einkauft, noch verkauft, ſondern nur befrachtet, und andere Abgaben entrichtet. Dieſer Mann heißt ein Verſender (Spedi - teur), und ſein Geſchaͤft heißt Verſendung (Spedition). Dieſe macht die vierte Klaſſe der Hilfsgeſchaͤfte aus.

K 5§. 312.154Allgemeine

§. 312. Wenn aber ein Kaufmann in der Ferne jemand haben muß, der ſeine Geſchaͤf - te fuͤr ihn beſorgt, als wann er ſelbſten zu - gegen waͤre, ſo, daß er fuͤr ihn einkauft, ver - kauft, Wechſel beſorgt, bezahlt und einkaſ - ſiret, ſo iſt dieſes ein Commiſſionsgeſchaͤft, und er ſelbſt heißt ein Commiſſionair. Man koͤnnte erſtes: Geſchaͤftverweſerei, und lezteren: Geſchaͤftverweſer nennen. Dieſe Ge - werbe machen die fuͤnfte Klaſſe der Hilfsge - werbe aus.

*Der Faktor und ſeine Faktorie gehoͤrt auch zu dieſer Klaſſe.
*

§. 313. Ein handelnder Ort, welcher uͤber See Geſchaͤfte treibt, und beſonders einen gewiſſen Seehafen braucht, der unter der Gewalt einer fremden Nation ſteht, hat an einem ſolchen Orte einen Mann noͤthig, wel - cher uͤber die Veſthaltung der geſchloſſenen Traktaten, und uͤber die Rechte ſeiner Vor - geſezten wacht. Weil nun ein ſolcher Mann die Rechte eines Geſandten genießt, und in eben der Eigenſchaft, nur in geringerem Gra - de, anzuſehen und zu behandeln iſt, ſo willich155Handlungswiſſenſchaftich denſelben einen Handlungsgeſandten nennen. Die Kaufleute nennen ihn Conſul. Sein Geſchaͤft macht die ſechſte Klaſſe aus.

§. 314. Wann es ſich zutraͤgt, daß ein Handelsort zu gleicher Zeit viel zu bezahlen hat, ſo kann geſchehen, daß das Geld er - ſchoͤpft wird, woraus allerhand Unordnun - gen entſtehen koͤnnen. Oder: man findet, daß der Umſchlag in barem Gelde, beſon - ders in groſen Summen, viel Muͤh erfodert. Oder: ein oder anderer Kaufmann hat Cre - dit und Geld genug, hat ſich aber ausgege - ben, und nicht genug in Caſſa. Jn allen dieſen Faͤllen iſt es gut, wenn jemand Ka - pitale liegen hat, welche man angreifen kann.

§. 315. Daher haben verſchiedene han - delnde Staaten eine oͤffentliche Kaſſe errich - tet, deren Credit der Staat unterſtuͤzt. Jn eine ſolche Caſſe kann ein jeder ſein uͤbriges Geld gegen ein ertraͤgliches Jntereſſe in Ver - wahrung legen. Wann ein ſolcher Kaufmann etwas zu bezahlen hat, ſo darf er nur ſei - nem Creditor einen Zettel geben, auf wel - chem er ihm, aus der Caſſe zu empfangen,zu -156Allgemeinezuſchreibt, was er ſchuldig iſt. Da eine ſol - che oͤffentliche Caſſe eine Bank heißt, ſo wer - den ſolche Scheine Bankzettel oder Bank - noten genennt, welche oͤfters eben ſo, wie die Wechſelbriefe, gekauft und verkauft wer - den. Das Bankgeſchaͤft macht die ſiebente Klaſſe der Hilfsgeſchaͤfte aus.

§. 315. Dieſe bisher vorgetragene Tauſch - gewerbe mit ihren Hilfsgeſchaͤften ſchlieſen alles in ſich, was der Kaufmann zu betrei - ben hat. Ein jeder wird leicht begreifen koͤn - nen, daß der Handelsmann, wenn er ſeine Sachen gut machen will, vielerlei Hilfswiſ - ſenſchaften noͤthig habe. Beſonders muß er die Schreib - und Rechenkunſt aus dem Grunde verſtehen, und der geſchickteſte Buchhalter ſeyn. Dieſer Saz bedarf kei - nes Beweiſes, weil er durch die allgemeine Erfahrung bewahrheitet iſt. Dasjenige Zim - mer, welches der Kaufmann zu ſeinem Schrei - ben, Rechnen, zu ſeinen Buͤchern und Kaſ - ſe beſtimmt, heißt das Comtoir, man koͤnn - te es auch die Handelsſtube nennen.

§. 316.157Handlungswiſſenſchaft

§. 316. Vorzuͤglich Groſirer, das iſt: Kaufleute, die ins Groſe handeln, ſollen die Lage der Laͤnder, Staͤdte, Seehaͤfen, Mee - re, Seen und Fluͤſſe wohl kennen, damit ſie die beßten Wege zur Verſendung beſtimmen koͤnnen; da nun das alles in der Erdbe - ſchreibung (Geographie) gelehrt wird, ſo ſoll der Kaufmann dieſe Wiſſenſchaft verſte - hen.

§. 317. Da ſich die Handlung auf die Ge - ſeze und Polizei der Staaten gruͤndet, ſo ſoll auch der Kaufmann Kaͤnntniß von der Staats - wirthſchaft, und wie ſie in den handelnden Laͤndern verwaltet wird, beſizen. Desglei - chen muß er auch die kaufmaͤnniſchen Rechte, beſonders das Wechſelrecht verſtehen, und wiſſen: wie es in den handelnden Staaten geordnet iſt.

§. 318. Die Handelsgeſchichte lehrt: wie die Unordnungen der Staaten auf die Hand - lung gewuͤrkt haben; desgleichen wie groſe und wichtige Geſchaͤfte entſtanden, was ſie gehindert, und was ſie befoͤrdert hat. De - rowegen ſoll ſich der Kaufmann dieſelbe be -kannt158Allgemeinekannt machen, ſie wird ihm eben den Nuzen leiſten, den eine lange Erfahrung leiſtet.

§. 319. So ſonderbar es ſcheint, wenn ich die Redekunſt dem Kaufmanne empfeh - le, ſo nuͤzlich iſt ſie ihm doch. Die Rede - kunſt macht einen der Sprache maͤchtig. Ein geſchickter Redner iſt auch ein geſchickter Schreiber, und die Kaufleute wiſſen, was derjenige vermag, der den Styl in ſeiner Ge - walt hat. Auch ſoll der Handelsmann die Sprachen der handelnden Voͤlker verſtehen.

§. 320. Endlich iſt auch dem Kaufmanne die Muͤnzwiſſenſchaft unentbehrlich. Er muß nicht nur alle Geldſorten der handeln - den Staaten kennen, ſondern er muß auch ihr Gehalt, ihr Schrot und Korn wiſſen, da - mit er das Aufgeld berechnen, und genau beſtimmen koͤnne.

Allgemeine Handlungs-Haushaltung.

§. 321. Wer ſich ins Tauſchgewerbe ein - laſſen oder ein Kaufmann werden will, der hat vieles noͤthig, ehe er dazu kommen kann. Er muß vorab die Hilfswiſſenſchaften, vor - nehmlich aber Schreiben und Rechnen, ausdem159Handlungshaushaltungdem Grunde verſtehen, und beider Kuͤnſte gewiß und fertig darinnen ſeyn. Die fran - zoͤſiſche Sprache iſt ſehr nuͤzlich, ſie hat vie - len Einfluß in die allgemeine Sprachkunde, zugleich iſt ſie auch eine Modeſprache, und wird in Europa durchgehends haͤufig ge - redet.

§. 322. Das Tauſchgewerb oder die Hand - lung iſt zwar wiſſenſchaftlich. Wer geſchick - te Seelenkraͤfte hat, kann ſich bald eine Nah - rungsquelle errichten: allein die Erwerbungs - mittel, nemlich das Tauſchmittel oder Geld iſt deſto koſtbarer, und doch kann ein recht gelehrter und geſchickter Kaufmann nichts oh - ne dasſelbe ausrichten. Freilich kann er, wenn er fuͤr redlich bekannt iſt, Credit ha - ben, und blos durch denſelben gluͤcklich wer - den; aber dieſer Handel iſt ſehr gefaͤhrlich, er darf nur einmal an einen Kundmann (Cha - land) gerathen, der ihn nicht bezahlt, ſo kann er den Credit nicht halten, und es iſt um ihn geſchehen.

§. 323. Es haben ſich zuweilen einzelne Menſchen gefunden, welche mit auſerordent -licher160Allgemeinelicher Faͤhigkeit ausgeruͤſtet, ohne Geld an - gefangen, und als groſe Kapitaliſten aufge - hoͤrt haben. Dieſe wahre Genies ſchauten um ſich her, und entdeckten mit Adlersbli - cken nahe aber ungebahnten Wege, dieſe gien - gen ſie, und traten alles, was ihnen in den Weg kam, darnieder; aber das iſt nicht je - dermanns Werk, und man darf auf eine gute Nachfolge nicht immer Rechnung machen.

§. 324. Jch will mir einen wackern Juͤng - ling vorſtellen, ihn von der niedrigſten zu der hoͤchſten Klaſſe der Tauſchgewerbe ſteigen laſ - ſen, ſeine Grundſaͤze, die er befolgt, will ich niederſchreiben, und ſo wird wohl die beßte allgemeine Handlungshaushaltung dar - aus werden. Zugleich aber muß ich anmer - ken, daß die kaufmaͤnniſche Haushaltung, den Gipfel der Haushaltungskunſt begreife.

§. 325. Wenn ein Juͤngling Kaufmann werden will, ſo ſoll er erſt die Hilfswiſſen - ſchaften, und alsdann die Handlung lernen. Dieſes geſchieht, wenn er ſich bei einem recht - ſchaffenen Kaufmanne, der groſe Geſchaͤfte macht, in die Lehre gibt, von dem gering -ſten161Handlungshaushaltungſten an, alle Comtoirarbeiten durchgeht, und endlich mit kaufmaͤnniſchen Reiſen beſchließt; izt hat er ſich eine Nahrungsquelle erwor - ben, nun ſoll er ſie aber auch errichten.

§. 326. Zur Errichtung einer Nahrungs - quelle gehoͤren Erwerbungsmittel, dieſe ſind bei der Handlung: baares Geld. Geſezt aber, der junge Handelsmann habe kein Geld, ſo kann er entweder ſuchen Makler, oder Commiſſionair oder Kraͤmer zu werden; zum erſten gehoͤrt nur ein rechtſchaffener, red - licher Charakter, der ihn in Credit ſezt, da - bei aber auch ein ſtarker Handelsort, wo man Makler gebrauchen kann; iſt dieſes, ſo ſoll er mit aller Thaͤtigkeit, Fleis und unuͤ - berwindlicher Treue ſein Geſchaͤft ausrichten.

§. 327. Die Courtage, welche er bekommt, ſoll ihm zu ſeiner eigenen Haushaltung genug ſeyn; wo es aber die Geſeze erlauben, da ſoll er einen kleinen Spekulationshandel da - bei treiben, das iſt: wenn er Gelegenheit ſieht, daß jemand, der gut zahlt, etwas braucht, das er ohne Nachtheil ſeines Am - tes verkaufen kann, ſo ſoll er dieſe WaareLauf162Allgemeineauf Credit bei jemand nehmen, und ſie mit Nuzen wieder verkaufen; wenn er alsdann ſeinen Creditorn richtig bezahlt, ſo wird ſich ſein Credit mehren. Den Gewinn aber, den er aus ſolchem Nebenhandel zieht, ſoll er immer verſparen, und ihn blos zu dieſem Geſchaͤfte verwenden, bis er ein hinlaͤngli - ches Handlungskapital erſpart hat, womit er Handlung anfangen kann.

§. 328. Wenn er Gelegenheit hat, Spedi - teur oder Commiſſionair zu werden, ſo ſoll er eben ſo mit ſeinem Lohne (Proviſion) aus - kommen, nebenher aber ſo, wie oben geſagt worden, im Kleinen anfangen, und ſich ein Handlungskapital nach und nach erwerben.

§. 329. Wenn aber ein junger Kaufmann zu dem allem keine Gelegenheit haͤtte, und doch gern eine Handlung treiben, und ſich und eine Haushaltung damit naͤhren wollte, ſo iſt der naͤchſte Weg dazu zwar ſchwer, aber doch moͤglich. Das erſte, was er thut, iſt, daß er einen unwiderruflichen feſten Entſchluß faßt, erſtlich: ſich niemals durch die Luſt verlei - ten zu laſſen, jemand um einen Heller zu betruͤ -gen.163Handlungshaushaltunggen. Zweitens: niemals zu borgen, wenn man nicht vollkommen gewiß iſt, daß man bezahlen kann. Drittens: ſich kein Vergnuͤ - gen zu erlauben, das Geld koſtet, ſondern nur mit den allerweſentlichſten Befriedigungs - mitteln ſich zu begnuͤgen. Viertens: alle nur moͤgliche Quellen, Geld zu verdienen, in ſo fern ſie goͤttlichen und menſchlichen Ge - ſezen nicht zuwider ſind, aufzuſuchen, und mit reger Thaͤtigkeit zu erwerben; und end - lich fuͤnftens: mit anhaltendem Gebet und frommen Wandel alles, was vorhanden kommt, friſch auszufuͤhren.

§. 330. Nach dieſem Vorſaze ſoll ſich der junge Kaufmann in der Gegend, wo er lebt, nach den herrſchenden Befriedigungs - mitteln erkundigen; was ein jeder Mann, und beſonders das weibliche Geſchlecht nebſt den Kindern in den Haushaltungen ſtark braucht, und das nicht viel Geld koſtet, die - ſes ſoll er ſich zu ſeinem Gegenſtande waͤhlen, Leinen, Band, Nadeln, Naͤhgarn oder ſo etwas, ſoll er an den Orten, wo dergleichen gemacht wird, einkaufen, auf ſeinem RuͤckenL 2von164Allgemeinevon Hauſe zu Hauſe tragen, und ſo verkau - fen. Zu dem Ende iſt ihm ein kleines Stuͤck Geldes hinlaͤnglich, das er leicht bei einem Freunde wird lehnen koͤnnen.

*Dieſe Regeln hab ich aus verſchiedenen merkwuͤrdigen Beiſpielen ausgezogen, und zu Heiſcheſaͤzen umgeordnet. Beim Hauſiren wird mancher Juͤngling mit gepudertem hohem Toupee die Naſe ruͤm - pfen, allein, wer das thut, der iſt nicht geſchickt des Vatterlandes Vatter zu werden.
*

§. 331. Den Ertrag, welchen er auf ſol - che Weiſe gewinnt, ſoll er mit hoͤchſtem Fleiſe zu rath halten, und ſo bald er ſein geliehe - nes Kapital verdient hat, ſoll er es wieder geben, und nun mit ſeinem eigenen Gelde wieder von vorn anfangen, und ſo durch Be - friedigung ſeiner allerweſentlichſten Beduͤrf - niſſe immer ſuchen den reinen Ertrag ſo hoch zu bringen, als er kann, und denſelben al - lemal zum Erwerbungsmittel machen.

§. 332. Die Waaren, welche er einkauft, ſollen die beßten ſeyn, die er haben kann, und weil er alſo fort bezahlt, ſo kann er auchſchaͤr -165Handlungshaushaltungſchaͤrfer dingen, mithin wohlfeiler kaufen; im Verkaufe ſoll er nicht ſo ſehr auf den hoͤch - ſten Preis, als vielmehr auf promte Bezah - lung, und oftmaligen geſchwinden Umſchlag denken.

§. 333. Wenn er ſich durch geſchwinde und gute Bedienung genugſame Kunden (Cha - landiſen) erworben hat, ſo kan er ſich mitten zwiſchen denſelben an einem Orte, wo ent - weder eine Kirche, oder ſonſtige Gelegen - heit eines ſtarken Zufluſſes vieler Menſchen iſt, niederlaſſen, und einen Kramladen er - richten; Leute, die ſeine Rechtſchaffenheit, gute Waaren und liebreichen geſelligen Um - gang kennen, werden zu ihm kommen, und ſeine Waaren abholen.

§. 334. Durch Aufmerkſamkeit auf das, was im Handelsgeſchaͤfte umgeht, und durch politiſche Verſchwiegenheit deſſen, was etwa in ſeine Sache einſchlaͤgt, wird er ſich taͤg - lich Quellen entdecken, wo er gute Kaͤufe ſchlieſen, und Vortheile gewinnen kann. Nun ſchraͤnkt er ſich nicht mehr auf gewiſſe Waa - ren ein, ſondern alles, was Nuzen bringt,L 3ſchlaͤgt166Allgemeineſchlaͤgt er in ſeinen Handel, und beſonders ſoll er dahin ſehen, daß er bald ſorge, groſe Maſſen mit Sicherheit und geſchwind umzu - ſchlagen, um alſo zum Ueberſaze und ins Groſe zu gelangen.

§. 335. Bis hieher iſt ſchon mancher Hand - lungsliebhaber vorgedrungen, auf Doͤrfern und in Staͤdten findet man ſolche Kraͤmer, aber ſie kommen ſelten weiter, als bis dahin, und daran iſt Schuld, daß ſie ſelten groſe Genies ſind, keine ausgebreitete Kaͤnntniſſe haben, blos darauf ſehen, wie ſie wohlha - bende Leute werden, und nicht wie ſie die hoͤchſte Stuffe erreichen, und Land und Leu - te gluͤcklich machen koͤnnen: ſie begnuͤgen ſich mit einem gewiſſen Schaze, den ſie nun an - beten, wohl davon leben, oder aus Geiz nichts mehr wagen doͤrfen.

§. 336. Ein edler empor ringender Geiſt hat nur den Zweck, ſein Kapital ſo ſehr zu vergroͤſern, als er kann, nicht um reich zu werden, ſondern ſeine Nahrungsquelle ſo ſehr zu vergroͤſern, als er kann, ein edler Ehrgeiz treibt ihn, der Vatter ſeines Vat -ter -167Handlungshaushaltungterlandes zu werden, dasſelbe zu bevoͤlkern, und alles wohlhabend zu machen; er ſieht ſchon im Geiſte auf allen Huͤgeln bluͤhende Haͤuſer, Felder und Gaͤrten, und dieſe Jdee iſt ihm Reiz, alles zu dieſem Zwecke zu wagen.

§. 337. Wenn der Kaufmann auf dem Lande, und an einem Orte wohnt, wo er wegen Mangel an Verſendungsmitteln keine groſe Geſchaͤfte thun kann, und nun ſeine Nahrungsquelle nicht mehr erweitern kann, ſo ſoll er auf eine Manufaktur denken. Zu dieſem Zwecke erforſcht er alle Erderzeugun - gen ſeines Landes, ſo wohl diejenigen, wel - che es wirklich gibt, als auch die, welche es geben kann.

§. 338. Findet er eine rohe Erzeugung, welche ungenuzt aus dem Lande geht, oder eine ſolche, die in ſeinem Lande vorzuͤglich gebaut werden kann: oder bietet ſich in der Nachbarſchaft eine Gelegenheit an, ſo, daß er leicht ein rohes Produkt haben kann, ſo ſoll er die Zubereitung desſelben kunſtmaͤſig kennen lernen, alles erforſchen, was dazu gehoͤrt, und ſo urtheilen, ob er auch demL 4klein -168Allgemeinekleinſten Anfange gewachſen ſei, desgleichen muß er auch ehe gewiß ſeyn, ob, und wo er ſeine Kunſterzeugungen mit Nuzen verkaufen koͤnne.

§. 339. Nach allen dieſen Umſtaͤnden ſoll er ſich nun einen Plan bilden, denſelben feſt - ſezen, und alsdann ſo klein, als moͤglich, anfangen. Er kauft ſich einen kleinen Vor - rath roher Erzeugungen, laͤßt denſelben ver - arbeiten, und verkauft die verfertigte Waa - ren. Alles Geld, was er daraus loͤßt, ver - wendet er wieder in ſeine Manufaktur, ſo, daß er gleichſam eine eigne Handlung damit fuͤhrt, und niemals von ihrem Ertrage in ſeine Haushaltung verwendet: denn dieſe muß er aus ſeiner erſten Nahrungsquelle fuͤh - ren. Auf ſolche Weiſe waͤchſt die Manufak - tur geſchwind, und breitet ſich weit aus.

§. 340. Seine Arbeitsleute muß er lieb - reich aber doch feurig behandeln; ſie muͤſſen ihn lieben, aber eben ſo ſehr fuͤrchten; ſie muͤſſen uͤberzeugt ſeyn, daß ihr Herr ein gro - ſer unternehmender Mann iſt, der ihr Hand - werk beſſer, als ſie verſteht, der weit vor ih -nen169Handlungshaushaltungnen her fuͤr ihr Beßtes ſorgt, der ſie bezahlt, was ſie verdienen, auch ihnen im Falle der Noth heraus hilft. Sie muͤſſen an ihrem Her - zen Kindesliebe fuͤhlen, und Ehrfurcht, wann er ſich ihnen naͤhert, und ſie muͤſſen zittern, wann er Ernſt iſt.

§. 341. Alles dieſes erreicht ein Mann, wenn er in ſeinen Geſchaͤften ein Genie, in ſeinem Wandel ein Chriſt, und in ſeinem Thun und Laſſen ein gebohrner Fuͤrſt iſt. Ein ſolcher Herr iſt das Abendgeſpraͤch eines Handwerksmannes mit ſeiner Frau und Kin - dern, ſie idealiſiren ſich denſelben zum En - gel, und nach ſeinem Tode weinen Land und Leute.

§. 342. Auch gehoͤrt noch ein Hauptſtuͤck zu dem Charakter eines Fabriquanten, ſei - ne Kleidung und ſein Tiſch ſoll maͤſig, rein, beſcheiden, mit einem Worte, ein Muſter ſeyn; nichts demuͤthigt den Handwerksmann ſo ſehr, als wenn er ſeinen Herrn ſchwelgen ſieht, waͤhrend der Zeit, wann er in ſeinem Dienſte ſchwizt, magere Speiſen genießt, und Waſſer trinkt. Der Gedanke iſt ihm ſo na -L 5tuͤrlich:170Allgemeinetuͤrlich: das mußt du verdienen, was dein Herr izt im Muͤſiggange verſchwendet. Wenn derowegen der Herr zuweilen ſeinen Arbei - tern einen frohen Tag goͤnnt, ſie bewirthet, an ihrer Seite ißt und trinkt, ſo wird er ſich ihren Seegen und doppelten Fleis erwerben.

§. 343. Wenn ein junger Kaufmann ent - weder an einem Handelsorte wohnt, oder gar in einem handelnden Staate, ſo, daß es ihm entweder ſchwer faͤllt, eine Manufak - tur aufzurichten, oder, daß er durch andere Gelegenheit Mittel vor ſich ſieht, ſich empor zu ſchwingen, ſo ſoll er mit groͤßter Behut - ſamkeit zu Werke gehen. Bei der Handlung ins Groſe muß er ſich eben ſo ins Groſe be - tragen, als er vorhin als Kraͤmer zu Wer - ke gieng.

§. 344. Bei Schiffsrhedereien ſoll ein Kaufmann niemals, wenn er nicht ſchon uͤberſchwengliche Kapitale beſizt, ſich zu weit einlaſſen, kein ganzes Schiff allein bauen, ſondern lieber an vielen kleinen Antheil neh - men, damit, wenn eins verungluͤckt, nicht ſein ganzes Vermoͤgen zu Grunde gehe.

§. 345.171Handlungshaushaltung

§. 345. Aſſekurationsgeſchaͤfte ſind fuͤr ei - nen mittelmaͤſigen Kaufmann voͤllig unerlaubt, ja es ſollten niemals, auch die reichſten Ka - pitaliſten nicht, Aſſuͤradeurs werden. Es iſt gar leicht moͤglich, daß durch ein paar auf einander folgende Ungluͤcksfaͤlle der reichſte Mann zum Bettler wird. Das nuͤzlichſte waͤre, wenn der Staat groſe Aſſekurations - banken anlegte, oder wenn die anderen oͤffent - lichen Caſſen ſich dieſem Geſchaͤfte unterzoͤgen.

§. 346. Auch die Wechſelgeſchaͤfte ſind fuͤr einen anfangenden Kaufmann bedenklich: denn es laufen ſehr viele Wechſelbriefe in der Handlung um, aber nicht alle ſind ſicher: ſehr leicht kann man einmal Wechſelbriefe von groſen Summen in Haͤnden haben, de - ren Ausſteller nicht mehr bezahlen koͤnnen, man will damit bezahlen, und ſie werden proteſtirt, und doch hat man ſein gutes Geld dafuͤr ausgegeben, und ſo wird man leicht zu Grunde gerichtet.

§. 347. Wer mit Wechſelgeſchaͤften um - gehen will, der muß nicht allein alles wohl verſtehen, was zu dieſem Handel gehoͤrt, ſon -dern172Allgemeinedern er muß auch alle beruͤhmte Handelshaͤu - ſer nach ihrer innern und aͤuſeren Beſchaffen - heit kennen, und aus ihren zufaͤlligen Um - ſtaͤnden auf die weſentlichen zu ſchlieſen wiſſen.

§. 348. Ein Kaufmann, der groſen Staat und Aufwand macht, der in der Ueppigkeit lebt, mag ſo reich ſeyn als er will, ſo geht er doch fruͤher oder ſpaͤter zu Grunde. So bald man merkt, daß ein Handelsmann theu - rer als andre einkauft, und wohlfeiler wie - der verkauft, ſo iſt das ein Zeichen, daß er entweder ſein Geſchaͤft nicht verſteht, oder leichtſinnig iſt; in beiden Faͤllen geht er bald zu Grunde, und es iſt ihm nicht zu trauen. Oder er thut das, um nur zu Gelde zu ge - langen; dieſes iſt ein Merkmal, daß die Caſſe hin iſt, und er nur ſucht Geld in die Hand zu bekommen, und dieſes zeigt einen nahen Banquerot an. Solcher Anzeigen ſind mancherlei, die ein geſchickter Kaufmann wohl zu benuzen weis.

§. 349. Wenn auch ein Kaufmann Geld und Kapital genug hat, ſo iſt ihm doch ein vollkommenes Zutrauen (Credit) bei andernKauf -173HandlungshaushaltungKaufleuten nothwendig. Denn der Wechſel - handel geht allein auf Credit; und wenn man Waaren an jemand verſenden ſoll, welche nicht eh, als bis nach voͤlliger Lieferung be - zahlt werden, ſo muß man allein auf den Cre - dit eines ſolchen Mannes den Werth der Waaren wagen. Ohne Credit kann ein Han - delsmann bei all ſeinem Gelde nichts aus - richten, derowegen muß er denſelben mit hoͤchſtem Fleiſe zu handhaben ſuchen.

§. 350. Dieſes geſchieht wenn ein Kauf - mann wenig Staat und Aufwand macht, ein frommes buͤrgerliches Leben fuͤhrt, gute Ge - ſchaͤfte thut, ſcharf accordirt, und promt be - zahlt, uͤberhaupt, wenn er nie jemand ver - vortheilet, auch dann, wann ers ungeſtraft thun koͤnnte.

§. 351. Bei der Handlung iſt kein gefaͤhr - licherer Zufall, als wenn der Kaufmann aus - tritt, zu bezahlen aufhoͤrt, Banquerot macht, und fallirt. Er wird nicht nur allein dadurch ſelbſt zu Grunde gerichtet, ſondern er bringt andere mit ſich ins Ungluͤck. Dieſes zu ver - meiden, ſoll des Kaufmannes hoͤchſter Zweck ſeyn.

§. 352.174Allgemeine

§. 352. Derowegen muß er nie groͤſern Aufwand machen, als er ertragen kann, er muß nicht einmal den ganzen Ertrag ſeiner Handlung verzehren, geſchweige das Kapi - tal angreifen. Wann er ungluͤcklich iſt, ſo ſoll er ſich nicht durch Geldlehnen zu helfen ſuchen, ſondern ſich lieber einſchraͤnken. Er ſoll ſein Vermoͤgen durch Haſardhandel nie aufs Spiel ſezen, vorſichtig zu Werke gehen, und ſich durch groſen Gewinn nie verleiten laſſen, ſich mit verdaͤchtigen Handelshaͤuſern in Geſchaͤft zu geben, u. ſ. w. Endlich ſoll er mit hoͤchſtem Fleiſe buchhalten, damit er beſtaͤndig den wahren Zuſtand ſeiner Caſſe, und ſeiner Handlung wiſſe: Theils ob es mit ihm hinter ſich oder vor ſich gehe, theils auch damit er ſich nicht in Geſchaͤfte einlaſſe, die ſein Vermoͤgen uͤberſteigen.

§. 353. Dem allem ungeachtet koͤnnen doch Ungluͤcksfaͤlle zuſammen treffen, die man nicht vorher vermuthen, und ſich nicht davor huͤten koͤnnen. Wenn daher ein Kaufmann ſieht, daß er nicht mehr bezahlen kann, ſo ſoll er erſtlich bedenken, daß ein jeder andererWeg175HandlungshaushaltungWeg, als ich ihm izt vorſchreibe, ihn wahr - haft ungluͤckſelig macht, derowegen ſoll er nicht mit Betruge Geld ſammlen und aus - weichen, ſondern er ſoll alſofort der Obrig - keit ſeinen Zuſtand bekannt machen, und ſich ſo lang Sicherheit ausbitten, bis er ſeine Unſchuld bewieſen hat.

§. 354. Alsdann ſoll er allen ſeinen Glaͤu - bigern ſeinen Zuſtand mit Demuth und Be - ſcheidenheit bekannt machen, ihnen alles an - zeigen, und die Liegenheit ſeiner Sachen mit ſeinen Buͤchern und Briefwechſeln beweiſen, alles hingeben, und getreulich anzeigen, was er hat, ſo wird er ein ruhiges Gewiſſen und Credit behalten, und alſo nach und nach wieder zu Brode kommen koͤnnen.

§. 355. Eben aus dieſem Grunde, weil niemand vor dem Ungluͤcke ſicher iſt, ſoll auch ein jeder Kaufmann mit dem Ungluͤckli - chen Mitleiden haben, wenn ers verdient, ihm wieder aufzuhelfen ſuchen, und ſich ſo mit ſeinem Mammon Freunde machen, da - mit er auch am Tage des Ungluͤckes Erbarmen finden moͤge.

All -176Allgemeine

Allgemeine Staats-Gewerbkunde.

§. 356. Alle bisher abgehandelte Ge - werbe dergeſtalt in einen ganzen Gewerb - koͤrper hinordnen, daß jeder einzelne Er - werber dadurch den hoͤchſten Grad der Gluͤckſeligkeit, den er in ſeinem Gewer - be zu erlangen faͤhig iſt, zu erreichen Gelegenheit habe, und wirklich erreiche. Aus dem reinen Ertrage alle Gewerbe, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſe - ligkeit unbeſchadet, einen hinlaͤnglichen Ertrag ſammlen, und endlich aus die - ſem Ertrage die Beduͤrfniſſe des Gan - zen ſo zu befriedigen, daß dadurch die einzelne und allgemeine Gluͤckſeligkeit auf die beßte Weiſe befoͤrdert werde. Das alles zuſammen nenne ich das Staats - gewerb.

*Das Wort Staatsgewerbkunde wird dem Leſer auffallen. Allein weil ich durchs Gewerb alle Bemuͤhung verſtehe, die man anwendet, um Beduͤrfniſſe zu befriedigen: ſo iſt ja ausgemacht, daß alle Staatsbeſchaͤftigungen Gewerbe ſind. Ein jeder nenne die Sache wie er will. Dieſes wird keine Verwirrung machen.
*§. 357.177Staats-Gewerbkunde

§. 357. Staat nenne ich einen durch gewiſſe Grenzen beſtimmten bevoͤlkerten Strich Landes, in welchem durch eine geſezgebende Gewalt alle Menſchen, Er - werber und Gewerbe zu einem einzigen ganzen Koͤrper zuſammen geordnet ſind, und durch eben dieſe Kraft in ihren Hand - lungen zur einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit geleitet werden ſollen.

§. 358. Die Grundlehre des Staats - gewerbes muß erſtlich die verſchiedenen all - gemeinen Staatsverfaſſungen vortragen, und zwar ſo: daß man fruchtbare Grundſaͤze zur Erkaͤnntniß des Guten und Schoͤnen daraus ziehen koͤnne. Zweitens: muß ſie auch all - gemeine Grundſaͤze an die Hand geben, wor - aus man den Zweck der verſchiedenen Thei - le der Staatsgewerbe erkennen, und ſie alſo aufs beßte einrichten koͤnne. Beide Stuͤcke ordne ich zuſammen, und nenne ſie die Staatswiſſenſchaft, welche die philoſo - phiſche Geſchichte der Staaten, und die Kaͤnntniß des Staatsgewerbes enthaͤlt.

M§. 359.178Allgemeine

§. 359. Zum Schluſſe muß angewieſen werden, wie man alle dieſe Grundſaͤze in je - dem Staate nach ſeiner eigenen Grundver - faſſung wirklich anwenden muͤſſe, damit der groſe Zweck desſelben auf die beßte Weiſe er - halten werden kann. Dieſes nenne ich die Staatshaushaltung (Staatsoͤkonomie).

Allgemeine Staatswiſſenſchaft.

a) Geſchichte der Staaten.

§. 360. Ein jeder Menſch hat Recht zu der Gluͤckſeligkeit, deren er in ſeinen Um - ſtaͤnden faͤhig iſt. Dieſes iſt das Recht der Natur. Ein jeder fuͤhlt in ſeinem Herzen die Wahrheit dieſes Rechtes. Da nun ein jeder dieſes Recht hat, ſo iſt es abermal eines je - den Pflicht, niemand in ſeinem Rechte zu beeintraͤchtigen, ſondern vielmehr ihm zu demſeben nach Vermoͤgen zu helfen.

§. 361. Dieſes auf eine ewige Wahrheit gegruͤndete Geſez der Natur liegt in den guͤl - denen Worten des Gottmenſchen: Alles, was ihr wollt, daß euch die Leute thun ſollen, das thut ihnen. Jch will dieſen Spruch den Grundſaz des geſellſchaftli -chen179Staatswiſſenſchaftchen Lebens nennen. Ein jeder Menſch, auch der roheſte Wilde, fuͤhlt in der von Lei - denſchaften unbefangenen Stunde die Wahr - heit dieſes Sazes.

§. 362. Alles, was ich will, was ich zu beſizen wuͤnſche, ſoll ich auch meinem Neben - menſchen zu verſchaffen ſuchen, in ſo fern er nach ſeinen Umſtaͤnden dazu faͤhig iſt. Nun will und wuͤnſche ich aber den hoͤchſten Grad der Gluͤckſeligkeit, den ich auf die ganze Dau - er meines Daſeyns zu erreichen faͤhig bin. Folglich ſoll ich auch meines Nebenmen - ſchen Gluͤckſeligkeit nach dem Grade ſei - ner Empfaͤnglichkeit auf Zeit und Ewig - keit, ſo wie meine eigene, zu befoͤrdern ſuchen. Dieſes iſt eben ſo ewig wahr, als das vorhergehende, ich nenne dieſe Schluß - folge: den Grundſaz der geſellſchaftli - chen Gluͤckſeligkeit.

§. 363. So wahr und ſo tief dieſe beiden Saͤze im Weſen der menſchlichen Seele ge - gruͤndet ſind; ſo ſtrebt doch der Menſch nach eigenem Genuſſe, und das mehrentheils auf Unkoſten des Nebenmenſchen. Der Maͤchti -M 2ge180Allgemeinege ringt empor, und beraubt den Geringern der Mittel zur Gluͤckſeligkeit. Die Menſch - heit wuͤthet in ſich ſelber, und richtet ſich zu Grunde, wo nicht die goͤttliche Barmherzig - keit ein Mittel dagegen verordnet hat.

*Was mag doch wohl der Kosmopolite, der Vertheidiger der Guͤte der Menſch - heit bei dieſem wahrhaften Erfahrungs - ſaze fuͤhlen?
*

§. 364. Der Schoͤpfer hat deswegen in den erſten Urkeim der menſchlichen Geſellſchaft zwiſchen Mann und Weib eine Kraft gelegt, welche jedes Glied dieſer Geſellſchaft antreibt, ſowohl dem Grundſaze des geſellſchaftlichen Lebens, als auch der geſellſchaftlichen Gluͤck - ſeligkeit, Genuͤgen zu leiſten. Dieſe Kraft heißt Liebe, und ſie gab dem Manne die ge - ſezgebende Gewalt. Jzt erkennen wir, daß die geſezgebende Gewalt das Mittel ſei, welches die goͤttliche Barmherzigkeit zu Befoͤrderung der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit verordnet, und daß die Liebe zwiſchen Menſch und Menſch dieſe Gewalt ausgebohren habe.

§. 365.181Staatswiſſenſchaft

§. 365. Die philoſophiſche Staatsgeſchich - te lehrt uns, welchen Gang die geſezgeben - de Gewalt unter dem menſchlichen Geſchlech - te genommen, und wie dasſelbe damit haus - gehalten habe. Wenn wir alſo von der er - ſten und einfachſten Geſellſchaft bis zu den verſchiedenen Gattungen der allerzuſammen geſezteſten aufgeſtiegen ſind, ſo haben wir dieſen ganzen Gang entdeckt.

§. 366. Schwaͤchere Seelen - Leibes - und Erwerbungskraͤfte; ferner: Neigung, Lie - be und willige Unterwerfung des Willens auf der Seite des Weibes; hingegen ſtarke See - len - Leibes - und Erwerbungskraͤfte, ferner: Neigung, Liebe und Schuz auf Seite des Mannes, waͤlzten die geſezgebende Gewalt auf den Mann, ſie war ihm natuͤrlich, und eben ſo natuͤrlich war dem Weibe der Gehor - ſam. Jn dieſem Zuſtande leiten die beiden Grundſaͤze der Geſellſchaft die geſezgebende Gewalt ganz allein.

§. 367. Mann und Weib zeugen Kinder. Die Natur heißt ſie dieſelben als ihr eigen Fleiſch und Blut lieben. Die Liebe aberM 3fuͤhrt182Allgemeinefuͤhrt zur Ausuͤbung der geſellſchaftlichen Grundſaͤze. Die Kinder haben ſchwache See - len - und Leibeskraͤfte, ſind unvermoͤgend ſich ihre Gluͤckſeligkeit zu verſchaffen: daher ſor - gen die Eltern fuͤr ſelbige, wie fuͤr ihre eige - ne; derowegen muͤſſen die Kinder gehorchen. Die geſezgebende Gewalt iſt alſo hier bei den Eltern, und vorzuͤglich bei dem Vatter. Auch dann, wann die Kinder ihre vollkommene Leibes - Seelen - und Erwerbungskraͤfte er - langt haben, ſollen ſie eben die geſezgeben - de Gewalt bei ihren Eltern erkennen, die ſie ſelbſt ihren Kindern in den Umſtaͤnden abzu - fodern gedenken.

§. 368. Jm erſten Zuſtande der Menſch - heit iſt die geſezgebende Gewalt des Haus - vatters durch keine Staatsverfaſſung einge - ſchraͤnkt, er iſt unumſchraͤnkter Alleinherr - ſcher ſeines Hauſes, er hat Macht uͤber Le - ben und Tod. Blos die Liebe, und zufolge derſelben, die Grundſaͤze der Geſellſchaft, leiten ſeinen Willen, daß er zur Gluͤckſelig - keit des ganzen Hauſes regiert.

§. 369.183Staatswiſſenſchaft

§. 369. Der fruͤhe Tod des Hausvatters, desgleichen die erſte Hilfe des erſtgebohrnen Sohnes, die er ſeinem Vatter im Gewerbe leiſtet, ſo, daß er im erſten Falle an die Stel - le des Vatters tritt, geben ihm das Recht an Vatters ſtatt Herr des Hauſes zu werden. Das Recht der Erſtgeburt wurde fruͤh feſtge - ſezt, und bei dem erſtgebohrnen Sohne wur - de daher die oberſte geſezgebende Gewalt un - ter Geſchwiſtern gefunden.

§. 370. Der Erſtgebohrne trat nach des Vatters Tode in ſeine Gerechtſame, wurde Regent und Verſorger des Hauſes, das Ge - ſinde war ihm vermoͤg ſeines Rechtes unter - worfen, gewiſſer Maſen auch ſeine Geſchwi - ſter; ſie heuratheten, und ſo fern ſie gewoͤhn - liche, in ihren geringen Wirkungskreis ein - geſchloſſene Menſchen waren, unterworfen ſie ſich gutwillig dem Geſchlechtshaupte (Klan). Kinder und Kindeskinder beruhten in dieſer Verfaſſung.

§. 371. Nachlaͤßige, ungluͤckliche, ſchwa - che Erwerber, oder ein fruͤher Tod desſelben, ſezte ſein Geſchlecht in Armuth; doch mußtenM 4dieſe184Allgemeinedieſe Menſchen leben, ſie wurfen ſich einem wohlhabenden Hausvatter hin, er nahm ſie an, gegen treue Dienſte fuͤr ihr Wohl, Gut und Leben zu ſorgen. Ein armer Vatter ver - kaufte gar die Seinigen aus Duͤrftigkeit, viel - leicht auch ſeine eigene und ſeines Weibes Perſon, ſo entſtand leibeigene Knechtſchaft, die wahre eigentliche Unterthanen des Haus - vatters.

§. 372. Ein groſer empor ſtrebender Geiſt konnte den Vorzug des aͤltern Bruders nicht ertragen, er glaubte nicht an die Rechte der Erſtgeburt, er wich aus, richtete ein eige - nes Geſchlecht auf, wurde Herr und Stamm - vatter desſelben.

§. 373. Durch Jrrthum oder durch Ge - walt, oder durch beides zuſammen, konn - ten Geſchlechtshaͤupter unter ſich in ihr Ei - genthum Eingriff thun. Sie unterredeten ſich guͤtlich daruͤber, das ewige und jedem Menſchen einleuchtende Geſez, der Grund - ſaz des geſellſchaftlichen Lebens, wurde ih - nen Maasſtab, ſie leiteten eine naͤhere Be - ſtimmung daraus her fuͤr ihren Fall. Und ſoent -185Staatswiſſenſchaftentſtanden geſellſchaftliche Verfaſſungen fuͤr zuſammen wohnende Hausvaͤtter, die Urkei - me der Polizei.

§. 374. Graue Haͤupter, weiſe durch Er - fahrung und Genie, thaten ſich in Streitſa - chen durch kluge Rathſchlaͤge hervor, ſie wur - den Richter und Geſezgeber im Kreiſe ihrer Geſellſchaft. Verſchiedene von dieſer Art traten zuſammen, rathſchlagten fuͤr das ge - meine Beßte, die Stimme des Volkes gab Beifall, denn ſie erkannte die Richtigkeit ih - rer Schluͤſſe, man verband ſie zu gemeinſchaft - licher Handhabung der Mittel zur einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit; und dieſes iſt das erſte Urbild der Gemeinherrſchung (Re - publick), die Polizeiverwaltung und das Re - giment war bei den Aelteſten.

§. 375. Jn wichtigen Angelegenheiten tra - ten alle Geſchlechtshaͤupter zuſammen, hiel - ten Volksverſammlung, Landtaͤge, und ſchlich - teten da ihre Angelegenheiten, machten all - gemeine Geſeze, und verbanden ſich zur Fol - geleiſtung. War die Menge gros, mithin die Volksſtimme zu vielfaͤltig, ſo trat je -M 5der186Allgemeineder Bezirk in ſich zuſammen, trugen einem unter ſich die allgemeine Stimme auf, und ſo entſtund der Bevollmaͤchtigte (Deputir - te); die Bevollmaͤchtigten traten zuſammen, und dieſe Verſammlung ſtellte das ganze Volk vor. Dieſes iſt das reine Bild der Gemeinherrſchaft, wo ein jeder Hausvat - ter ſeinen Antheil an der geſezgebenden Ge - walt auf eine Zeitlang dem Deputirten ab - gibt; alle Deputirten vereinigen dieſelbe im Rathe, der Rathſchluß iſt die geſezgebende Gewalt ſelber, auf einzelne Faͤlle angewen - det, und man beſtellt Staatsbediente, wel - che ihn ausfuͤhren, dem alsdann ein jeder, auch der Deputirte, gehorchen muß.

§. 376. Wenn ſich die Geſchlechtshaͤupter lang in ihrem Vorzuge behauptet haben, ein jeder derſelben einen groſen Kreis weiter und naher Anverwandten, viele Geſchlechter leib - eigener Menſchen unter ſich hat, und er al - ſo ein natuͤrlicher Herr ſeines Bezirkes iſt, ſo entſteht daher ein Vorzug des Standes, ein natuͤrlicher Adel. Wenn ſolcher Edelleute viele eine Gemeinherrſchaft unter ſich aufrich -ten,187Staatswiſſenſchaftten, ſo entſteht daher eine ſonderbare Staats - verfaſſung. Ein jeder iſt Fuͤrſt in ſeinem Thei - le, und Buͤrger des Staates.

§. 377. Wenn ein jeder Hausvatter Theil an der geſezgebenden Gewalt hat, und alſo der Staat durch Deputirte regiert wird, ſo heißt dieſe Staatsverfaſſung: Volksherr - ſchung (Demokratie). Wenn aber verſchie - dene Edelleute ihre kleine Staaten zuſammen in einen groſen vereinigen, in welchem alſo die geſezgebende Gewalt blos unter den Edel - leuten iſt, ſo gibt das den Grund zur Feu - dalverfaſſung, und iſt eine Gattung der Edelherrſchaft (Ariſtokratie).

§. 378. Wenn in einem Staate die Edel - leute, ohne eigene Unterthanen zu haben, die Gemeinherrſchaft an ſich zogen, und alſo die Gemeine von der geſezgebenden Gewalt ent - weder freiwillig oder gezwungen entledigten, ſo entſtund daher die zweite Hauptgattung der Edelherrſchaft.

§. 379. Die mannigfaltigen Vorfallenhei - ten im Staate, je nach ſeiner vielfaͤltigen in - neren und aͤuſeren Lage, beſchaͤftigten dieRaths -188AllgemeineRathsverſammlungen oͤfter, und gaben An - laß, daß die Grundſaͤze der Geſellſchaft auf viele einzelne Faͤlle ausgedehnet wurden, und ſo entſtunden Natur - und Voͤlkerrechte, aber auch eigene Land - Staats - und Polizeirech - te. Taͤgliche haͤufige Vorfaͤlle erfoderten ei - ne immerwaͤhrende Nathsverſammlung, die Landſtaͤnde ſelbſt waren entweder nicht ge - ſchickt dazu, oder ſie hatten die Zeit nicht: man verordnete alſo Staatsbedienten und Collegia, welche gegen Belohnung nach den Geſezen richten, und uͤber ihre Feſthaltung wachen ſollten.

§. 380. Jn dieſem leztern Falle uͤbergibt ein jeder Edelmann, ein jeder Hausvatter die geſezgebende Gewalt an die Collegien und Staatsbedienten, doch mit dem Bedinge, ſie nach den feſtgeſtellten Geſezen zu verwal - ten. Allein, ſo genau auch einem jeden Col - legio, einem jeden Staatsbedienten ſein Fach ausgezeichnet und angewieſen wird, ſo konnte doch ſehr oft, bei ſehr verwickelten Faͤllen, Zwi - ſtigkeit zwiſchen den Collegien und Staatsbe - dienten ſelber entſtehen, und ſo oft konntenicht189Staatswiſſenſchaftnicht der Landtag zuſammen tretten, als das geſchahe, auch dafuͤr waren Mittel noͤthig.

§. 381. Dieſe wurden auf verſchiedene Weiſe veranſtalltet. Entweder man erwaͤhl - te einen geſchickten Mann, der der Geſeze und des Staates kundig war, dieſer konnte aus dem Mittel der Gemeinde, oder aus den Collegien genommen werden, man uͤber - trug ihm die Verwaltung der Gewalt nach den Geſezen, die man nach Belieben und Gutfinden mehr oder weniger einſchraͤnkte. Er war Staatshaupt, Vorſizer in den Col - legien, er war das in einer Perſon, was die Gemeinde in vielen iſt. Man nannte ihn Richter, Hauptmann, Archon, Buͤrgermei - ſter, Fuͤrſt, Herzog, und ſogar Koͤnig, je nachdem die geſezgebende Gewalt in ſeiner Perſon eine Geſtalt hatte.

§. 382. Auf ſolche Weiſe naͤhert ſich die Gemeinherrſchaft der Alleinherrſchaft (Mo - narchie). Je mehr die geſezgebende Gewalt aus dem Vielfachen ins Einfache geleitet, und von vielen an wenige Perſonen uͤberge - ben wird, deſto mehr wird ſie wieder ihremerſten190Allgemeineerſten natuͤrlichen Zuſtande aͤhnlich, und wenn der Alleinherrſcher der Mann ſei - nes Staates, und der Vatter ſeines Vol - kes iſt, ſo iſt die Frage nicht mehr, wel - cher der gluͤcklichſte Staat iſt.

§. 383. Oder man beſtimmte aus der Mit - te der Gemeine, oder des Adels einen en - gern Ausſchuß, welcher gegen Beſoldung be - ſtaͤndig fort dauerte, und den Staat regier - te; dieſes Collegium hieß Senat, Staats - verſammlung, Parlement, Magiſtrat u. ſ. w. So lang die Gemeinde, es ſei nun jeder Haus - vatter, oder blos der Adel, den einzelnen Staatsverweſer, oder das Senatsmitglied erwaͤhlt, ſo lang iſt die Volkesherrſchaft noch guͤltig; wenn aber die Senatoren unter ſich ein Mitglied waͤhlen, ſo iſt das eine hoͤhere ſtaͤrkere Edelherrſchaft. Die geſezgebende Gewalt iſt ganz allein im Senate, und die - ſe Regierungsform iſt der Monarchie am naͤchſten.

§. 384. Die Alleinherrſchaft ſelbſt iſt ſehr verſchieden und auf verſchiedene Weiſe ent - ſtanden. Entweder man waͤhlte einen Fuͤr -ſten191Staatswiſſenſchaftſten auf Lebenslang, und waͤhlte nach ſeinem Tode willkuͤhrlich, wen man wollte, oder man gruͤndete eine Erbfolge. Ferner: ent - weder theilte der Staat die geſezgebende Ge - walt mit dem Fuͤrſten, oder uͤbertrug ſie ihm ganz und freiwillig, doch unter dem Bedin - ge, daß derſelbe allemal bei dem Antritte der Regierung ſchwoͤren mußte, nach den Staatsgrundſaͤzen zu regieren.

§. 385. Die Gemeinherrſchaft, wenn ſie mit der Alleinherrſchaft vereinigt wird, macht die vermiſchte Herrſchaft (republikaniſche Monarchie) aus. Dieſe iſt ſehr verſchieden, der Erfolg derſelben lehrt immer, welche un - ter dieſen Regierungsformen die beßte ſei.

§. 386. Es gab noch einen andern Weg von der Wuͤrde des Hausvatters zum Mo - narchen hinauf zu ſteigen. Jn dieſem Falle blieb die geſezgebende Gewalt immerfort bei einer einzelnen Perſon. Ein durch Erbſchaf - ten, ſtarke Bevoͤlkerung, und noch andere Urſache maͤchtiges Geſchlechtshaupt, konnte der Beſchuͤzer bedraͤngter, verfolgter, oder armer Leute werden; das Land, welches erbe -192Allgemeinebewohnte, konnte fruchtbar, die Natur da - ſelbſt wohlthaͤtig ſeyn; und ſo wurde ſein Reich errichtet, er regierte, ſo weit ihm das Land unterworfen war, unumſchraͤnkt.

§. 387. So friedlich ſind aber wohl nicht Staaten und Republiken entſtanden. Als die Menſchheit noch in ihrer Kindheit war, und ein paar Geſchlechtshaͤupter wegen einer Sache uneinig wurden, ſo machten ſie die - ſelbe nicht immer in der Guͤte durch Geſeze aus, ſie behaupteten auch wohl ihr Recht durch Gewalt, durch einen Zweikampf, das erſte Urbild des Krieges. Da nun in die - ſem Zuſtande keine Staatsverfaſſung war, ſo konnte einer den andern ungeſtraft ums Leben bringen.

§. 388. Geſezt, es wurde ein Geſchlechts - haupt, ein Erwerber ermordet. Liebe fuͤr denſelben, und Beduͤrfniß flammte ſeinen naͤchſten Nachfolger, ſeine Verwandten und Knechte an, ſich zu raͤchen. Ein kuͤhner Mann unter denſelben, der Muth und Entſchloſſen - heit hatte, drung mit beredter Kraft in ihre Gemuͤther, er wurde ihr Anfuͤhrer. Mannfuͤr193Staatswiſſenſchaftfuͤr Mann uͤberließ ihm in dieſem Geſchaͤfte die geſezgebende Gewalt, man machte zu Waffen, was einem dazu am beßten ſchien, man ſuchte den Thaͤter auf, man raͤchte ſich, und ſuchte ſich durch den Raub des Seini - gen ſchadlos zu halten.

§. 389. Dergleichen Beiſpiele machten den Moͤrder auf einandermal behutſamer, er wehrte ſich mit ſeinen Unterthanen, und ſo entſtunden Kriege. Man raͤchte nicht immer toͤdliche Beleidigungen; ſondern jedes Un - recht zog Krieg nach ſich. Dieſes war die fernere Urſache, daß ſich die Menſchen in Geſellſchaften und Staaten zuſammen ſchlu - gen, Schuz - und Truzbuͤndniſſe errichteten, und die geſezgebende Gewalt auch dazu brauchten, ſich in ihren Rechten zu ſchuͤzen, und Beleidigungen zu raͤchen.

§. 390. Dergleichen Vorfaͤlle fuͤhrten zu Erfindung der Waffen, zum Heldenmuthe, zum Kriegsgenie und zu allerhand Beleidi - gungs - und Vertheidigungsmitteln. Der ſtaͤrkſte, kuͤhnſte, liſtigſte und verwegenſte ſiegte am oͤfterſten, er wurde Beſchuͤzer derNUn -194AllgemeineUnterdruͤckten, man fuͤrchtete ihn, und wenn er ein gerechter frommer Mann war, ſo ehr - te und liebte man ihn. So entſtand die Jdee vom wahren Helden, er beſaß mit Recht ei - nen Theil der geſezgebenden Gewalt, denn er verdiente ſie durch vorzuͤgliche Eigenſchaf - ten und Wohlthaten als Vatter des Volkes. Jn der trunkenen Freude der Errettung aus Gefahr wurde die Einbildungskraft erhizt, man erzaͤhlte jauchzend die Thaten des Hel - den, man dichtete, und ſo entſtund das er - ſte Jdeal des epiſchen Gedichtes.

§. 391. Geſellſchaftliche Bande vereinig - ten einen Bezirk zu einem gemeinſchaftlichen Jntereſſe, die Beleidigung eines maͤchtigen Nachbares ſezte die ganze Geſellſchaft zur Rache an, alle Maͤnner entſchlieſen ſich zum Kriege, die Nothwendigkeit der Ordnung fuͤhrt zum Denkbilde eines Anfuͤhrers, man waͤhlt den Helden dazu, er geht hin, ſiegt, und kommt als Halbgott wieder. So wird der Held das Urbild des Heerfuͤhrers, des Generals.

§. 392.195Staatswiſſenſchaft

§. 392. Fortwaͤhrende Uneinigkeit macht die fortdauernden Befehle des Siegers noth - wendig, man uͤbertraͤgt ihm die geſezgeben - de Gewalt des Schuzes auf eine Zeitlang, oder gar auf immer, nach und nach; wenn er ein weiſer Mann iſt, ſo bekommt er die geſezgebende Gewalt des Staates auch, man macht Vertraͤge mit ihm, und er wird Al - leinherrſcher.

§. 393. Ein Held, ein Heerfuͤhrer, ein Fuͤrſt fuͤhrt Kriege. Heldenmuth, Kraft und Geiſtesſtaͤrke verpaart mit Herrſch - und Ruhm - ſucht, verleiten ihn, Eroberungen zu machen, er unterwirft ſich Laͤnder und Staaten, er - obert die geſezgebende Kraft, und bedient ſich derſelben willkuͤhrlich. Jn dieſem Falle entſteht die unumſchraͤnkte Alleinherrſchung (Ratio Status abſolute Monarchie), in wel - cher der bloſe Wille des Fuͤrſten, ohne Ruͤck - ſicht auf Geſeze, das eigentliche Geſez des Staates iſt.

*Wie weit Eroberungen gerecht ſind, iſt eine kritiſche Frage. Zwiſchen Guſtav Waſa und Pizarra ſind viele Stuffen des Rechtes und Unrechtes.
*N 2§. 394.196Allgemeine

§. 394. Aus dem Vorhergehenden erhel - let, daß man uͤberhaupt in allen Staaten zween Gegenſtaͤnde im Geſichte habe, erſt - lich den Staatskoͤrper mit allen ſeinen Glie - dern, deren jedes nach ſeiner Einſicht und Begrif nach Gluͤckſeligkeit ringt; und zwei - tens die geſezgebende Gewalt, welche die - ſen Staatskoͤrper nach den Einſichten und Begriffen von der Gluͤckſeligkeit derer, wel - che ſie verwalten, belebt.

§. 395. Wie ſoll aber nun eigentlich die geſezgebende Gewalt im Staatskoͤrper wir - ken? wie ſoll ſie vom Volke, oder vom Adel, oder vom Fuͤrſten, es ſei nun vom Mitherr - ſcher oder Alleinherrſcher, eigentlich verwal - tet werden? Dieſes lehret nun die Grund - lehre der verſchiedenen Theile des Staats - gewerbes.

b) Staatsgewerbe.

§. 396. Die geſezgebende Gewalt treibt das Staatsgewerb. Sie iſt Staatserwer - ber, Staatswirth. Da nun das Staats - gewerb darinnen beſteht, daß der Staats - wirth alle drei Gattungen von Gewerben zueinem197Staatswiſſenſchafteinem ganzen Gewerbkoͤrper dergeſtallt zu - ſammen ordne, damit jeder einzelne Erwer - ber dadurch den hoͤchſten Grad der Gluͤckſe - ligkeit erreichen koͤnne, und wirklich erreiche. Ferner, daß er aus dem reinen Ertrage al - ler Gewerbe, der allgemeinen und einzelnen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, einen hinlaͤnglichen Ertrag ſammle. Und daß er endlich aus die - ſem Ertrage die Staatsbeduͤrfniſſe vollkom - men befriedige, doch ſo, damit der groͤſte reine Ertrag uͤberbleibe, der moͤglich iſt, die - ſen aber wieder auf die beßte Weiſe zur ein - zelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit verwen - de; ſo ergibt ſich von ſelbſten, daß das Staatsgewerb zuerſt in drei Haupttheile zer - falle.

§. 397. Das erſte Hauptſtuͤck der Staats - gewerbe betrift die beßte Einrichtung des Staates. Die Gewerbe ſollen in einen Gewerbkoͤrper dergeſtallt zuſammen ge - ordnet und eingerichtet werden, damit jeder einzelne Erwerber dadurch den hoͤchſten Grad der Gluͤckſeligkeit, den er in ſeinen Umſtaͤnden zu erlangen faͤhigN 3iſt,198Allgemeineiſt, zu erreichen Gelegenheit habe, und wirklich erreiche. Dieſes iſt ohne Zweifel der wahre Begrif von dem, was man Po - lizei heißt; die Grundſaͤze, die der Staats - wirth zur Ausuͤbung derſelben entwirft, ma - chen die Polizeiwiſſenſchaft aus.

§. 398. Aus dieſer Erklaͤrung laſſen ſich nun auch leicht die Graͤnzen beſtimmen, wel - che die Rechtsgelehrtheit, und uͤberhaupt die Juſtiz von der Polizei unterſcheiden. Der Rechtsgelehrte erklaͤrt die |gegebenen Geſeze des Staatswirthes, wendet ſie auf einzelne Faͤlle an, urtheilt nach dieſen Geſezen, ſpricht den Unſchuldigen los, und beſtimmt die Strafen der Uebertreter. Deswegen muß er alle Geſeze des Staates kennen. Die Polizei hingegen ſchraͤnkt ſich nur auf die beßte Einrichtung des Staates ein, ſezt die Geſeze in Uebung, und uͤbergibt die zweifel - haften Faͤlle der Juſtiz zur Entſcheidung.

*Es ſei denn, daß der Polizeibediente zugleich ein Rechtsgelehrter ſei, und ihm zugleich die Entſcheidung ſeiner Rechtsfaͤlle angewieſen iſt.
*§. 399.199Staatswiſſenſchaft

§. 399. Bei dem Erwerber liegt die Kraft des Gewerbes. Wenn alſo die Gewerbe im Staate ſollen dergeſtallt zuſammen geordnet werden, damit die groͤßte, einzelne und all - gemeine Gluͤckſeligkeit heraus komme, ſo muß zu allererſt der Erwerber dazu geſchickt ge - macht werden. Er iſt die Kraft des Gewer - bes, er genießt die Gluͤckſeligkeit, und um ſeinet Willen iſt ſein Gewerb da.

§. 400. Die Zubereitung des Men - ſchen zum Genuſſe der Gluͤckſeligkeit iſt alſo das erſte Staatsgewerb der Polizei. Da nun guten Theils in der Erziehung der Kinder der Grund aller ihrer zukuͤnftigen Handlungen liegt, ſo ſoll die Polizei die beßten Erziehungsanſtallten verfuͤgen. Dieſe beziehen ſich auf Leib und Seele.

§. 401. Die Erziehung der Kinder in An - ſehung des Leibes hat zum Zwecke: wie ei - ne dauerhafte Geſundheit, und zu allen natuͤrlichen Bewegungen geſchickte Gliedmaſen bei Kindern zu gruͤnden ſei - en. Jn Anſehung der Seele aber ſoll die Erziehung der Kinder dahin gerichtet wer -N 4den:200Allgemeineden: daß ihr Verſtand alle Wahrheiten, die zu ihrer zeitlichen und ewigen Gluͤck - ſeligkeit nuͤzlich und noͤthig ſind, wiſſen und begreifen moͤge, und daß ihr Wil - len und Herz geleitet werde, die Schoͤn - heit und Guͤte dieſer Wahrheiten zu em - pfinden, und ihnen mit Luſt zu folgen.

§. 402. Ein jeder Menſch, wenigſtens der geſittete, hat einen Begrif von der Schul - digkeit, Gott zu dienen, um zeitlich und ewig gluͤckſelig zu werden. Das iſt: er hat eine Religion. Da aber nun die Religion einen weſentlichen Einfluß in die Handlungen der Menſchen hat, und der Begrif von derſel - ben einen groſen Theil der Wirkſamkeit des Menſchen leitet, ſo kann der Religionsbe - grif, je nachdem er beſchaffen iſt, einen Menſchen zeitlich und ewig gluͤcklich, oder ungluͤcklich machen. Es gibt wahre und falſche Religionsbegriffe.

§. 403. Wenn ein Menſch einen fal - ſchen Religionsbegrif hat, ſo kann ihn die geſezgebende Gewalt nicht zwingen, einen wahren zu haben, indem er einenfal -201Staatswiſſenſchaftfalſchen hat. Dieſes geſchieht aber, wenn ſie denſelben ohne Ueberzeugung von der Wahrheit, zu einer andern Religion zwingt: Derowegen ſoll die Polizei jedem Men - ſchen im Staate Mittel an die Hand ge - ben, daß er die Wahrheit erkennen kann, wann er will, aber ſie ſoll ihn nicht zu Annehmung derſelben zwingen.

§. 404. Ein jeder Menſch kann in ſeinem Religionsbegriffe irren, und doch kann ein jeder fuͤr ſeine Perſon glauben, ſeiner Mei - nung gewiß zu ſeyn. Aber eben das gilt auch von dem Staatswirthe. Da nun die - ſer eben ſo wohl im Religionsbegriffe fehlen kann, als auch andere Menſchen, da er al - ſo eine falſche Religion haben kann; ſo kann es nie in ſeiner Gewalt ſtehen, eine Re - ligion durch Zwang im Staate einzufuͤh - ren: denn es iſt leicht moͤglich, daß der, welcher gezwungen wird, die wahre ha - be, und der, welcher zwingt, die falſche.

§. 405. Das iſt aber einmal der Grund - ſaz, der nie gelaͤugnet werden kann: daß die wahre Religion den Menſchen zeitlich undN 5ewig202Allgemeineewig gluͤckſelig mache. Daraus folgt aber un - widerſprechlich: daß diejenige Religion falſch ſei, welche den Menſchen zeitlich und ewig ungluͤcklich macht. Wenn alſo der Staatswirth ſieht, daß jemand im Staa - te einen Lehrbegrif hegt, der ihn und andre zeitlich ungluͤcklich macht, ſo ſoll er denſel - ben ſo beſtimmen, daß er auf ſeinen Neben - menſchen zu wirken unfaͤhig wird; in Ab - ſicht auf die zukuͤnftige Seligkeit aber, ſoll er ſich begnuͤgen, wenn ein jeder Menſch nur Gelegenheit hat, ſeine Begrife zu verbeſſern.

§. 406. Aus dieſem allem ziehe ich nun den richtigen Schluß: daß die Landespo - lizei alle Religionen im Staate dulden muͤſſe, die der zeitlichen Gluͤckſeligkeit des einzelnen Buͤrgers und des allge - meinen Staates nicht hinderlich ſind, und daß ſie derowegen jeder Kirche un - ter obiger Einſchraͤnkung ihre gaͤnzliche Religionsfreiheit vergoͤnnen muͤſſe, wenn ſie anders die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit des Einzelnen und Ganzen befoͤrdern will.

§. 407.203Staatswiſſenſchaft

§. 407. Krankheiten und graſſirende Seu - chen machen oft im Staate groſe Verwuͤſtun - gen, ſie vermindern die Zahl der Erwerber, ſtoͤhren die einzelne und allgemeine Gluͤckſe - ligkeit, desgleichen verringern ſie die Maſſe des Ertrages und reinen Ertrages, und ſind alſo dem Staate ſehr ſchaͤdlich: derowegen iſt es der Polizei ihre groſe Pflicht, auf die beßte Weiſe und durch die nuͤzlichſten Anſtallten das Leben und die Geſundheit der Menſchen zu befoͤrdern, dem Tode und den Krankheiten aber, ſo viel moͤg - lich, zu ſteuren.

§. 408. Die Vorſicht des Staatswirthes ſoll ſich aber nicht nur dahin erſtrecken, daß er ſo viel, als moͤglich iſt, die Zahl der Ein - wohner des Staates erhalte, ſondern auch daß er dieſelbe vermehre. Denn, je mehr er die Anzahl der Erwerber vermehrt, und ih - nen zugleich auch Gelegenheit zum Erwerben an die Hand gibt, je mehr nimmt auch die Staͤrke des Staates, die Maſſe des Ertra - ges und reinen Ertrages zu, ſo viel dieſe waͤchſt, ſo viel waͤchſt auch die einzelne undallge -204Allgemeineallgemeine Gluͤckſeligkeit, und der Staats - wirth ſelbſt gewinnt in dem Verhaͤltniſſe der Bevoͤlkerung auch eine ſtaͤrkere Nahrungs - quelle fuͤr ſich, die er aus dem reinen Ertra - ge errichtet: folglich ſoll die Polizei dafuͤr ſorgen, damit der Staat auf alle nur moͤgliche Weiſe mit tuͤchtigen Erwerbern bevoͤlkert, und dieſen Gelegenheit zu hin - laͤnglichem Gewerbe an die Hand gege - ben werde.

§. 409. Obgleich durch die Kirchenzucht der Religionen die Tugenden befoͤrdert, und die Laſter verhindert werden, ſo iſt dieſelbe doch nicht hinlaͤnglich. Da es aber eine er - wieſene Wahrheit iſt, daß herrſchende Laſter im Staate die einzelne und allgemeine Gluͤck - ſeligkeit auf die wirkſamſte Weiſe ſchwaͤchen, die Tugend und gute Sitten aber dieſelbe maͤchtig befoͤrdern, ſo iſt klar: daß die Po - lizei mit allem Fleiſe Anſtallten treffen muͤſſe, wodurch die Laſter verhindert und beſtraft, die Tugend aber befoͤrdert und belohnt werde.

§. 410.205Staatswiſſenſchaft

§. 410. Die geſezgebende Gewalt wird unfaͤhig zum Beßten des Staates zu wirken, wenn ihre Befehle nicht befolgt werden: folg - lich kann ſie in dieſem Falle nicht zur einzel - nen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit wirken. Daher iſt der Polizei ihre Pflicht, die beß - ten Maasregeln zu ergreifen, damit der Gehorſam gegen die Geſeze und obrig - keitliche Gewalt niemals gekraͤnkt, und jeder Ungehorſam beſtraft werde.

§. 411. Es iſt aber noch nicht genug, daß die Erwerber tugendhaft, und dem Staats - wirthe gehorſam gemacht werden, ſondern ihr Eigenthum und Leben muß auch geſichert werden. Jhr Eigenthum laͤuft Gefahr durch Diebſtaͤhle, durch Eingriffe und Vervorthei - lung anderer Menſchen. Derowegen ſoll die Polizei auf die beßte Weiſe jedem Er - werber ſein rechtmaͤſiges erworbenes Ei - genthum beſchuͤzen, Diebe und Betruͤger aber der Gerechtigkeit in die Haͤnde lie - fern.

§. 412. Das Eigenthum eines Erwerbers kann auch durch Feuers - und Waſſersgefahrzu206Allgemeinezu Grunde gehen. Derowegen ſoll die Po - lizei auch dagegen durch heilſame Feuer - ordnungen, und Verhuͤtung der Waſſer - ſchaden, die beßten Maasregeln treffen.

§. 413. An dem Leben des Menſchen iſt alles gelegen, und derowegen ſoll es auch durch die hoͤchſt wirkſamen Mittel erhalten und beſchuͤzt werden. Krankheiten und Un - gluͤcksfaͤlle gehoͤren nicht hieher, ſie gehoͤren zur Vorſorge fuͤr Leben und Geſundheit; ich hab hier die gewaltſame Ermordung im Au - ge, welche durch verruchte Leute heimlich und oͤffentlich bewerkſtelliget wird. Dieſe gaͤnz - liche Beraubung der einzelnen, und hef - tige Stoͤhrung der gemeinſchaftlichen Gluͤckſeligkeit, ſoll die Polizei auf die ſchaͤrfſte Weiſe ahnden, die Uebertreter der ſtrengen Gerechtigkeit uͤberliefern, und dagegen alle nur moͤgliche Anſtall - ten treffen, damit dergleichen Blutſchul - den verhuͤtet werden moͤgen.

§. 414. Nachdem nun durch gute Geſeze und Vollziehung derſelben fuͤr die Perſonen des Staates und fuͤr ihr Eigenthum gehoͤrisge -207Staatswiſſenſchaftgeſorgt worden, ſo muͤſſen auch die drei Hauptgewerbe befoͤrdert werden, weil dieſe eigentlich die Mittel ſind, wodurch man zur hoͤchſten zeitlichen Gluͤckſeligkeit, zu Reich - thume und Wohlſtande gelangen kann.

§. 415. Das erſte Hauptgewerb iſt die Landwirthſchaft, ſie iſt der Grund und das Fundament aller andern, und daher das er - ſte, welches der Staatswirth bluͤhend ma - chen ſoll. Da nun die beßte Landwirthſchaft darinnen beſteht, wenn nicht nur alle nuͤzli - che Erzeugungen, die im Staate vortheil - haft gemacht werden koͤnnen, in groͤſter Men - ge und Guͤte allezeit gezogen werden, ſon - dern wenn ſie auch gegen die beßten Preiſe al - lemal verkauft werden koͤnnen, ſo iſt die Schul - digkeit der Polizei: daß ſie die beßten Mit - tel anwende, damit alle nuͤzliche land - wirthſchaftliche Erzeugungen in groͤſter Menge und Guͤte gezogen werden, und daß den Bauern zugleich bequeme Gele - genheit verſchaft werde, ihre Produkte vortheilhaft zu veraͤuſern.

§. 416.208Allgemeine

§. 416. Die Kunſt - und Handwerkswirth - ſchaft iſt das zweite Hauptgewerb im Staa - te. Jhre groͤſte Vollkommenheit beſteht dar - innen, wenn nuͤzliche Fabriken und Manu - fakturen in groͤſter Menge, und mit groͤſtem Nuzen im Staate bluͤhen: derowegen ſoll die Polizei ſorgen, daß die Errichtung derſelben auf alle Weiſe beguͤnſtiget und befoͤrdert werde, beſonders aber ſollen alle rohe Erzeugungen des Landes ſo ſehr im Staate ausgearbeitet werden; als moͤglich iſt.

§. 417. Die Handlung, als der dritte groſe Gewerbſtamm im Staate, macht erſt die beiden vorigen nuͤzlich, und bringt ſie durch Vermittelung einer guten Polizei auf den Gipfel der Gluͤckſeligkeit. Daher iſt es nicht nur die Pflicht der Polizei, die Handlung durch die beßten Mittel zu unterſtuͤzen und | empor zu bringen, ſon - dern auch dieſelbe auf alle moͤgliche Wei - ſe zu erleichtern, und mit den andern beiden Gewerben zu verbinden.

§. 418.209Staatswiſſenſchaft

§. 418. Wenn nun gleich alle Gewerbe im Staate in den bluͤhendſten Zuſtand geſezt worden ſind, und ſolcher Geſtallt der groͤſte Ertrag in allen Gewerben gewonnen wird, ſo kann doch dieſer Ertrag wieder auf man - cherlei Weiſe geſchwaͤcht, mithin der Staat mit ſeinen bluͤhenden Gewerben ungluͤcklich werden. Dieſes geſchieht durch vielerlei Ur - ſachen, welche eine gute Polizei muß aus dem Wege zu raͤumen ſuchen.

§. 419. Die wahre Peſt ſo vieler einzel - nen Menſchen und ſo vieler Staaten, wel - che den gaͤnzlichen Umſturz nach ſich zieht, iſt der Luxus, wenn nemlich die uͤppigen Beduͤrfniſſe in weſentliche verwandelt, und alſo aus dem Ertrage befriediget werden: daher ſoll die Polizei nach allem Vermoͤ - gen dem Luxus ſteuern.

*Daß der Luxus hoͤchſt ſchaͤdlich ſei, be - darf gar keines Beweiſes. Der Flor, welchen er im Staate hervorbringt, iſt eine wahre Fieberhize, und keine Ge - ſundheit.
*

§. 420. Muͤſiggang, Bettelei und Traͤg - heit der Erwerber zehren auch am Ertrage,Ound210Allgemeineund ſollen deswegen durch die beßten Mittel gehoben werden.

§. 421. Noch ſind alle Gluͤcksſpiele im Staate ſchaͤdlich: denn ſie nehmen erſtlich ei - nen Theil vom Ertrage weg, und fuͤrs zwei - te ſpeiſen ſie den Spieler mit falſchen Hof - nungen, und verleiten ihn zu Verſaͤumung ſeines Gewerbes; daher ſoll die Polizei die Gluͤcksſpiele nicht dulden, und zu ihrer gaͤnzlichen Abſchaffung die beßten Maas - regeln ergreifen.

§. 422. Langwierige und koſtbare Proceſ - ſe ſind auch den Gewerben hoͤchſt ſchaͤdlich, um dieſe zu vermeiden, ſollen alle nur moͤg - liche Anſtallten getroffen werden.

§. 423. Endlich iſt auch noch die Verſor - gung derjenigen Perſonen, welche nicht er - werben koͤnnen, ein weſentliches Stuͤck der Polizei. Wenn ein Menſch in die traurigen Umſtaͤnde verſezt iſt, daß er ſelbſt aus eige - nen Mitteln ſein Daſeyn nicht fortſezen kann, ſo muß ihn der Staat, deſſen Unterthan er iſt, ernaͤhren: deswegen ſoll die Polizei ſol - che Veranſtalltungen treffen, daß alle wah -re211Staatswiſſenſchaftre Armen, die zum Staate gehoͤren, er - naͤhret, Fremde aber an ihren Ort ver - wieſen werden.

§. 424. Nach allen bis daher vorgetrage - nen Grundſaͤzen muͤſſen die Polizeiordnun - gen eingerichtet, jedermann auf die beßte Weiſe bekannt gemacht, und zu deren Veſt - haltung mit verhaͤltnißmaͤſigen Strafen be - legt werden. Jhre Ausuͤbung ſoll alsdann aber auch gegen die muthwilligen Verbrecher allemal aufs ſchaͤrfſte beobachtet werden.

§. 425. Durch eine wohl eingerichtete Po - lizei wird nun der Staat in den Stand ge - ſezt, daß er auch ſeine Beduͤrfniſſe befriedi - gen kann, denn er erlangt dadurch den hoͤch - ſten reinen Ertrag, der in ſeinen Umſtaͤnden moͤglich iſt. Daher beſteht das zweite Haupt - ſtuͤck der Staatsgewerbe darinnen: daß der Staatswirth aus dem reinen Ertrage al - ler Gewerbe, der einzelnen und allge - meinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, zu Befriedigung der Staatsbeduͤrfniſſe ei - nen hinlaͤnglichen Ertrag ſammle. Die - ſes lehrt nun die Finanzwiſſenſchaft.

O 2* Jch212Allgemeine
*Jch verſtehe hier unter der Finanzwiſ - ſenſchaft die eigentliche Kameralwiſſen - ſchaften.
*

§. 426. Die Staatsbeduͤrfniſſe ſind eigent - lich zweierlei: erſtlich ſolche, die die Staats - verwaltung hervorbringt, und zweitens die Beduͤrfniſſe der geſezgebenden Gewalt. Bei - derlei Gattungen muͤſſen befriediget werden, und dieſes geſchieht durch allerhand Abga - ben, die der Staatswirth theils nur einzu - kaſſiren, theils aber auch zugleich ſelber zu beſtimmen hat.

§. 427. Die Gefaͤlle, welche der Staats - wirth nur einzukaſſiren hat, ſind ſolche, wel - che entweder durch Vertraͤge und Contrakte mit dem Staate weder erhoͤht noch vermin - dert werden, ſondern nach gewiſſen Grund - ſaͤzen, und unter gewiſſen Bedingen unver - aͤnderlich ſind. Die mehreſten Gefaͤlle aber ſind gewiſſer Maſen der Willkuͤhr des Fuͤr - ſten unterworfen. Doch verbindet ihn Pflicht und Gewiſſen, der einzelnen und allgemei - nen Gluͤckſeligkeit durch uͤbertriebene Aufla - gen nicht zu ſchaden.

§. 428.213Staatswiſſenſchaft

§. 428. Die Quellen, woraus der Fuͤrſt oder Staatswirth den Staatsertrag ſamm - let, ſind zweifach: entweder beſondere oder oͤffentliche. Die beſonderen heißt man auch Chatoulguͤter, und gehoͤren dem Fuͤrſten perſoͤnlich und eigenthuͤmlich zu, ſo, daß er ſie verkaufen, veraͤuſern, vernuzen und ver - erben kann, wie er will. Die oͤffentlichen Quellen aber ſind Domaͤnen, Regale, zufaͤlli - gen Einkuͤnfte, und Steuern oder Aufla - gen und Schazungen.

§. 429. Der Staat iſt ſchuldig, den Fuͤr - ſten zu erhalten; da aber nun die Chatoul - guͤter demſelben nicht als Fuͤrſt, ſondern als Privatperſon zukommen, ſo iſt er nicht ſchul - dig das Einkommen von denſelben zu Befrie - digung ſeiner Beduͤrfniſſe zu verwenden, weil ihm dieſe der Staat verſchaffen muß; dage - gen ſollen aber auch dieſe Guͤter dem Staate nicht zur Laſt fallen.

§. 430. Von dem Fuͤrſten wird unterſtellt, daß er ein rechtſchaffener Mann ſei, der das Beßte ſeines Staates aus allen Kraͤften be - foͤrdert. Jn dieſem Falle muß der Staat ſei -O 3ne214Allgemeinene Beduͤrfniſſe alle befriedigen, und auch fuͤr den Unterhalt ſeines Geſchlechtes ſorgen, mit - hin werden die Chatoulguͤter uͤberfluͤſſig, und koͤnnten alſo vom Staate gekauft, und zu den Domaͤnen geſchlagen werden; oder der Fuͤrſt kann ſie an Privatperſonen verkaufen; oder, welches noch edler waͤre, zu milden Stiftungen verwenden; doch da ſie ſein Ei - genthum ſind, ſo kann er damit thun, was er will.

§. 431. Wenn der Fuͤrſt Chatoulguͤter hat, und ſie zu ſeinem Nuzen verwenden will, ſo muß er ſie durch tuͤchtige Kameraliſten verwalten laſſen, damit nach den Geſe - zen der Haushaltungskunſt der hoͤchſte Ertrag daraus gezogen, und ein ſolches Gut auf immer eintraͤglich gemacht werde.

§. 432. Die Domaͤnenguͤter ſind dazu beſtimmt, damit der Fuͤrſt aus ihrem Ein - kommen ſeine und der Seinigen Beduͤrf - niſſe befriedigen koͤnne. Sie beſtehen ent - weder aus groſen Strecken Landes, die ent - weder Hochgewaͤld tragen, oder unfruchtba -re215Staatswiſſenſchaftre Heiden ſind. Oder aus ordentlichen ein - zelnen Hoͤfen und Bauernguͤter, die entwe - der an Bauernfamilien in einem Erblehn oder Pfacht ſtehen, oder von der Kammer auf gewiſſe Jahre verpfachtet werden; oder ſie beſtehen aus ganzen Diſtrikten oder Aem - tern, und in dieſem Falle beſtehet das Ein - kommen des Fuͤrſten in den Abgaben der Un - terthanen des Domaͤnen - oder Kammergutes. Jn allen dieſen Faͤllen ſoll der Kamera - liſt zum Beßten des Fuͤrſten den Ertrag der Domaͤnenguͤter, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, auf alle Weiſe zu vermehren, und auf die Zukunft zu ſichern ſuchen.

§. 433. Weil auch das Wohl und die Gluͤckſeligkeit des Fuͤrſten dem Staatswirthe ſehr angelegen ſeyn muß: ſo ſoll er nicht nur die Domaͤnen verbeſſern, ſondern auch der einzelnen und allgemeinen Gluͤck - ſeligkeit unbeſchadet, vermehren.

§. 434. Die Regalien ſind gewiſſe Ein - kuͤnfte des Fuͤrſten, die kein Privateigenthuͤ - mer haben kann, weil ſie nicht von einzelnenO 4eigen -216Allgemeineeigenthuͤmlichen Orten, ſondern vom ganzen Staate abhaͤngen, und daher der geſezge - benden Gewalt zuſtehen muͤſſen: ſo iſt die Be - nuzung des Gewaͤſſers, der Baͤche, Fluͤſſe, Seen und Meere, ein Regale, weil ſie ſich ein Privateigenthuͤmer nicht zueignen kann.

§. 435. Wenn alſo der Fuͤrſt nicht an ge - wiſſen Orten, und in gewiſſen Faͤllen, an Vertraͤge und Contrakte gebunden iſt, ſo iſt das Waſſer im Staate ſein Eigenthum, und er darf es auf alle nur moͤgliche Wei - ſe benuzen, in ſo weit es zugleich der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit befoͤrderlich und nicht ſchaͤdlich iſt. Die - ſe beßte Einrichtung des Waſſerregals zum Beßten des Fuͤrſten und des Staa - tes kommt der Kammer zu, und iſt ih - re Pflicht.

§. 436. Eben ſo kann kein Einwohner im Staate die Landſtraſſen fuͤr ſein Eigenthum anſehen, ſie gehoͤren der Landeshoheit, ſind ein Regale, und ihre Bedienung und Benu - zung kommt der geſezgebenden Gewalt zu. Hierzu kommt auch noch ein anderer Grund:die217Staatswiſſenſchaftdie oͤffentliche Sicherheit, die Bequemlichkeit der Reiſen und der Verſendungen, mit ei - nem Worte die Straſſenpolizei muß vom Staate oder vom Fuͤrſten auf die beßte Wei - ſe beſorgt werden; dagegen iſts auch recht, daß der Fuͤrſt den Nuzen davon ziehe. Folg - lich ſoll der Finanzbediente dahin ſorgen, damit das Landſtraſſen-Regale, der ein - zelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, auf das eintraͤglichſte durch vernuͤnftige Einrichtung der Poſten, der Zoll - und Weggelder gegruͤndet werde.

§. 437. Gegenden im Staate, die ent - weder noch unbebaut ſind, oder die nicht be - baut werden koͤnnen, gehoͤren an und fuͤr ſich ſelbſt keinem Unterthanen zu, ſie ſind al - ſo Regalien, deren Benuzung der Obrigkeit zukommt. Solche Gegenden ſind gemei - niglich Waͤlder und Gebuͤſche, und werden in dieſem Falle Forſten genennt. Dieſe For - ſten zum Beßten des Landesherrn, auf die beßte Weiſe zu benuzen, lehrt die Forſtwiſ - ſenſchaft. Sie werden durch Forſtbedienten verwaltet, und es iſt die Pflicht der Kam -O 5mer,218Allgemeinemer, dahin Sorge zu tragen, damit die Forſten der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, auf die ein - traͤglichſte Weiſe benuzt werden.

§. 438. Die wilden Thiere gehoͤren eben - falls dem Landesherrn, weil ſie niemand an - ders zugehoͤren koͤnnen, wenn ſie nicht je - mand zur Belohnung geſchenkt, oder durch andere Rechte zuerkannt worden. Sie ſind alſo ein Regale. Wie die wilden Thiere vermittelſt der Jagd, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, am beßten zu benuzen ſeien, lehrt die Jagdwiſſenſchaft, ſie wird gemeiniglich mit den Forſtbedienungen verbunden. Auch fuͤr die Einkuͤnfte der Jagd hat die Kammer Sorge zu tragen.

§. 439. Die unterirdiſchen Guͤter haben mit denen auf der Erdoberflaͤche keine Ver - bindung: ſie gehoͤren nicht zu den Landguͤ - tern, ſie ſind alſo Regalien, und gehoͤren der geſezgebenden Gewalt: daher iſt es der Kammer ihre Pflicht, die Bergwerke und Mineralien, der einzelnen und allgemei -nen219Staatswiſſenſchaftnen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, auf die beßte Weiſe zu benuzen. Wie das geſchehen muͤſſe, lehrt die Bergwerkswiſſenſchaft.

§. 440. Das Muͤnzweſen kann ebenfalls aus vielerlei Urſachen keinem Privateigen - thuͤmer zugehoͤren, vornehmlich aber darum, weil das Geld unendlich vielen Menſchen zum Eigenthume wird, die ihre Gluͤckſelig - keit keinem einzelnen Privatmanne anver - trauen koͤnnen Das Muͤnzweſen iſt alſo auch ein Regale, und deswegen ſoll es der Staatswirth, der einzelnen und all - gemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, auf die eintraͤglichſte Weiſe benuzen. Dieſes lehrt die Muͤnzwiſſenſchaft.

§. 441. Unter die zufaͤlligen Einkuͤnfte der Kammer rechne ich allerhand Gefaͤlle, die ihr zukommen, die aber weder weſentlich noch beſtaͤndig ſind. Hieher ordne ich die Le - hengefaͤlle zuerſt, und zwar darum, weil die Urſachen, warum ſie geſtiftet worden, nicht durchgaͤngig mehr beſtehen, und ſie al - ſo fruͤher oder ſpaͤter gaͤnzlich abgeſchaft wer - den koͤnnten. Die Benuzungen der Lehenſind220Allgemeineſind alſo zufaͤllig, auch ſind ſie beſtaͤndig und werden weder vermehrt noch vermindert. Da - her hat nur die Kammer zu ſorgen, da - mit alle Gerechtſamen der Lehengerech - tigkeit beobachtet, nichts dabei verſaͤumt, und alles richtig eingefodert werde. Am allerbeſten aber wuͤrden die Lehen zum Nuzen des Staates verwendet, wenn ſie in eigenthuͤmliche (Allodial) Guͤter verwandelt wuͤrden.

§. 442. Frohndienſte, gemeſſene und un - gemeſſene ſind Hand - und Spanndienſte, welche nach eingefuͤhrten Vertraͤgen und Ge - wohnheiten der Bauer der Herrſchaft leiſtet. Die Benuzung derſelben muß von der Kammer, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, auf die beß - te Weiſe veranſtalltet werden.

*Gemeſſene Frohndienſte ſind, die auf gewiſſe beſtimmte Taͤge eingeſchraͤnkt ſind, ungemeſſene im Gegentheile.
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§. 443. Da der Staatswirth durch Ver - anſtalltung einer guten Juſtiz und Polizei viele Muͤhe und Koſten anwenden muß, umdie221Staatswiſſenſchaftdie Gluͤckſeligkeit des Staates zu befoͤrdern, ſo erfodert es auch die Billigkeit, daß er die Abnuzungen, welche die Polizei und Juſtiz durch Strafgefaͤlle und Einziehung verwirk - ter Guͤter auswirft, genieſe. Derowe - gen hat auch die Kammer darauf zu ſe - hen, damit alle dergleichen mit Recht verfallene Guͤter, der einzelnen und all - gemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, zum beßten Nuzen eingezogen, und verwen - det werden moͤgen.

*Contrebande und confiſcirte Guͤter.
*

§. 444. Es kann ſich zutragen, daß ein gut erblos wird, wenn der Erblaſſer keine Verwandten mehr hat, und derſelbe uͤber ſeine Verlaſſenſchaft nicht verfuͤgt hat, oder wenn nach rechtskraͤftigen Vorladungen der Erben niemand ſich meldet; in dieſen Faͤl - len hat die Kammer das Recht, ſich die - ſe Guͤter zu zueignen, und ſie auf die nuͤz - lichſte Weiſe zu verwalten.

§. 445. Wenn von gefundenen Schaͤzen erwieſen werden kann, daß ſie einer noch be - ſtehenden Familie vor Zeiten zugehoͤrt haben,ſo222Allgemeineſo gehoͤren ſie mit Recht dieſer Familie, wo aber dieſes nicht iſt, da gehoͤren ſie der Kam - mer. Eben dieſes gilt auch von den geſtran - deten Guͤtern. Vom Hageſtolzenrechte, des - gleichen vom Verfalle fremder Verlaſſen - ſchaften (Droit d’aubaine) mag ich gar nichts ſagen, als daß man, den Fall der Wieder vergeltung ausgenommen, heutiges Tages davon gar nichts mehr hoͤren und ſehen ſollte.

§. 446. Alle bis daher angefuͤhrte Quel - len der Einkuͤnfte, ſind Gefaͤlle, die eigent - lich dem Fuͤrſten zukommen, wovon er theils ſeine eigene Beduͤrfniſſe befriediget, theils aber auch die Quellen dieſer Einkuͤnfte hand - habt, und in ergiebigem Stande haͤlt, wel - ches leztere auch die Pflicht der Kammer iſt, damit dieſe Quellen nicht verſiegen, ſondern im Gegentheile, wo es thunlich iſt, noch er - giebiger gemacht werden moͤgen.

§. 447. So wie nun der Staat davor ge - ſorgt hat, daß der Staatswirth, die obrig - keitliche Gewalt, oder der Fuͤrſt ſeine eigene Beduͤrfniſſe befriedigen, und alſo ſeine Gluͤck - ſeligkeit befoͤrdern kann, ſo muͤſſen auch nunQuel -223StaatswiſſenſchaftQuellen geſucht und gefunden werden, aus welchen die Abgaben beſtritten werden koͤn - nen, welche die Staatsverwaltung, und die Befoͤrderung der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit unvermeidlich erfodern. Alle bisher vorgetragene Quellen der Einkuͤnfte fielen dem Unterthanen nicht ſo ſehr zur Laſt, aber zur Befriedigung der Staatsbeduͤrfniſſe iſt ein jeder Unterthan von Gott und von Rechts wegen verbunden, weil er ſie verur - ſachen hilft.

§. 448. Die Abgaben, welche jeder Er - werber im Staate zu dieſem Zwecke zu ent - richten hat, nenne ich mit einem Worte Steu - er. Dieſe ſind aber verſchieden, je nachdem die Guͤter beſchaffen ſind, von denen ſie be - zahlt werden. Die vornehmſten ſind Scha - zungen, Zehenten, Acciſen, Zoͤlle, Gewinn - und Gewerbgelder, und alle dieſe ſind or - dentliche Steuern.

§. 449. Auſſerordentliche Steuern ſind, welche bei auſſerordentlichen Ausgaben auf das Land ausgeſchlagen werden, als da ſind Kopfſteuern, Heuratsſteuern, Kronſteuern, Geſchenkſteuern u. a. m.

§. 450.224Allgemeine

§. 450. Der Steueranſchlag, oder die Be - ſtimmung der ordentlichen Steuern auf die Erwerber, kommt in verſchiedenen Staaten dem Staatswirthe oder dem Fuͤrſten allein zu, in andern aber muͤſſen die Landſtaͤnde dabei zu Rathe gezogen werden. Jn beiden Faͤllen aber iſt es ein unumſtoͤslicher Grund - ſaz: daß die Abgabe des Erwerbers ſich verhalten muͤſſe, wie der Genuß, den er vom Staate hat, oder wie das Staats - beduͤrfniß, welches er verurſacht.

§. 451. Weil aber das Verhaͤltniß eines Erwerbers gegen die Staatsbeduͤrfniſſe uͤber - aus ſchwer zu beſtimmen iſt, ſo iſt auch der Steueranſchlag nach obigem Grundſaze ſchwer auszufuͤhren. Die geſchickteſten Staatskun - dige haben ſich von je her ſehr damit bemuͤht, um den wahren Maasſtab des Steueranſchla - ges ausfindig zu machen; aber bis daher iſt noch nichts rechtes herausgekommen, worauf man ſich verlaſſen koͤnne.

§. 452. Weil die Landwirthſchaft das Hauptgewerb des Staates iſt, der Bauer eigentlich im wahren Sinne als Bauer be -trach -225Staatswiſſenſchafttrachtet, die Quelle der Gluͤckſeligkeit des Landes unmittelbar benuzt, und es ſo ſcheint, als wenn auch allemal der Flor aller Gewer - be wieder auf ihn zuruͤckfalle, ſo ſind ver - ſchiedene der neuern Staatiſten darauf ge - kommen, dem Bauern die ganze Steuer - maſſe zu zuwaͤlzen, indem ſie glauben, daß dadurch die andern Gewerbe von allen Laſten entlediget, deſto ſtaͤrker bluͤhen, dem Bauer alſo, durch hoͤhere Bezahlung ſeiner Erzeu - gungen, ſeine ſtaͤrkere Abgaben reichlich er - ſezet wuͤrden. Man nennt dieſes ſtaatisti - ſche Lehrgebaͤude, das Phyſiokratiſche.

*Man leſe, was der beruͤhmte Herr Dohm in einem Hefte des 1778ſten Jahres im Deutſchen Muſeum dagegen geſagt hat.
*

§. 453. Ohne mich hier mit Unterſuchun - gen und Widerlegungen abzugeben, will ich nur ſuchen, dem Fustritte der Wahrheit zu folgen. Der Genuß, welchen der Erwer - ber von der Staatsverfaſſung hat, ver - haͤlt ſich wie ſein Gewerb. Jch glaube, daß dieſes abermal ein Grundſaz iſt, dennPein226Allgemeineein ſtarkes Gewerb erfodert auch mehrere Aufſicht der Polizei, mehr Schuz, und meh - rere Staatspflege.

§. 454. Verhaͤlt ſich alſo das Staatsbe - duͤrfniß wie das Gewerb, ſo iſt auch gewiß, daß ſich die Steuer wie das Gewerb verhal - ten muͤſſe: folglich faͤllt der Steueranſchlag auf alle Gewerbe des Staates, und verhaͤlt ſich bei jedem einzelnen Erwerber, wie ſein Gewerb. Deswegen ſoll der Staats - wirth die Steuer nach dem Gewerbe jeden Erwerbers ausſchlagen.

§. 455. Jedes Gewerb beſteht aus zwei Hauptſtuͤcken, aus der Nahrungsquelle, und aus dem Ertrage: wenn alſo der Steu - eranſchlag ſich wie das Gewerb verhalten ſoll, ſo muß er auf die Nahrungsquelle, das iſt, auf die unbeweglichen Guͤter, und auf den Ertrag, das iſt, auf die beweglichen Guͤ - ter, auf die beßte und billigſte Weiſe, ver - theilt werden, der Staatswirth ſoll ſich die - ſes zur hoͤchſten Pflicht machen.

§. 456. Die Steuer auf die unbewegli - chen Guͤter, nenne ich Schazung, auf diebeweg -227Staatswiſſenſchaftbeweglichen aber, Zehenten, Acciſen, Ge - winn und Gewerbgelder, Zoͤlle, Licent u. ſ. w. Alle dergleichen Abgaben ſollen nach dem Verhaͤltniſſe des Gewerbes auf die gerechteſte Weiſe, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, beſtimmt werden: und dieſes ſoll ſo oft geſchehen, als hauptſaͤchliche Veraͤnde - rungen in den Gewerben geſchehen.

§. 457. Die auſerordentlichen Steuern ſollen auf eine gewiſſe Summe, die dem Be - duͤrfniſſe gemaͤß iſt, angeſchlagen, und als - dann nach der Steuermatrikel auf alle Er - werber im Staate ausgetheilt werden.

§. 458. Hieraus erhellet nun, daß es ei - gentlich zwo Hauptgattungen der Staatsein - kuͤnfte gebe, von denen man die erſte, wel - che in Domaͤnen, Regalien und auſerordent - lichen oder zufaͤlligen Einkuͤnften beſteht, Ka - meralgefaͤlle; die zweite Gattung aber Steuergefaͤlle, nennen kann. Die beßte Verwaltung der Kameralgefaͤlle lehren die eigentlichen Kameralwiſſenſchaften, wo - zu eben ſo viel Kaͤnntniſſe gehoͤren, als zuP 2den228Allgemeineden allgemeinen, ſie unterſcheiden ſich nur von lezteren durch den Zweck, welcher bei er - ſteren blos auf Kameralbedienungen, bei lez - teren aber auf die ganze Staatswirthſchaft, im allgemeinſten Sinne genommen, gehet.

§. 459. Wenn nun alſo der Staatswirth, durch die dazu beſtimmten Nebenquellen, zu Befriedigung der fuͤrſtlichen Beduͤrfniſſe ei - nen hinlaͤnglichen Ertrag verſchaft hat; des - gleichen, wenn er ebenfalls aus allen Gewer - ben des Staates, zu Befriedigung der ei - gentlichen Staatsbeduͤrfniſſe, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit unbeſchadet, ei - nen gehoͤrigen Ertrag geſammlet hat: ſo ſoll er nun aus dieſem doppelten Ertrage die doppelten Staatsbeduͤrfniſſe vollkom - men befriedigen, doch ſo, damit der hoͤch - ſte reine Ertrag uͤbrig bleibe, der moͤg - lich iſt, dieſen aber ſoll er wieoer auf die beßte Weiſe zur Befoͤrderung der ein - zelnen und allgemeinen Gluͤckſeligkeit ver - wenden. Dieſes iſt das dritte Hauptſtuͤck der Staatsgewerbe, und macht die eigent - liche Staatswirthſchaft aus.

§. 460.229Staatswiſſenſchaft

§. 460. Der Staatswirth ſoll alſo die fuͤrſtlichen Beduͤrfniſſe vollkommen befriedi - gen, daher muß er dieſe Beduͤrfniſſe aus dem Grunde kennen. Jn Anſehung der weſent - lichen Beduͤrfniſſe kommt dem Fuͤrſten, ſei - ner Gemahlin und Familie eine ſtandesmaͤſi - ge Tafel, ein ſtandesmaͤſiger Staat, eine ſtandesmaͤſige Wohnung, und ein verhaͤlt - nißmaͤſiger Schuz zu. Desgleichen muß auch fuͤr eine ſtandesmaͤſige Erziehung und Ver - ſorgung der fuͤrſtlichen Kinder gehoͤrig geſorgt werden.

§. 461. Jn Anſehung der zufaͤlligen Be - duͤrfniſſe, die entweder die Erhoͤhung des Da - ſeyns, oder die Vermehrung der Gluͤckſelig - keit bezielen, oder blos Vergnuͤgen zum Zwe - cke haben, muß immer das Weſentlichere dem Zufaͤlligern vorgezogen, und das Zufaͤlligere nach dem Verhaͤltniſſe des Schazes eingerichtet werden, damit man nicht nur die Schulden vermeiden, ſondern auch einen reinen Er - trag auf den Nothfall, und zu Vermehrung des Wohlſtandes eruͤbrigen und zuruͤck legen moͤge.

P 3§. 462.230Allgemeine

§. 462. Die Befriedigung der Beduͤrf - niſſe des Fuͤrſten, ſeiner Gemahlin und Fa - milie, erfodert eine Anzahl Hofbedienten, welche alle gehoͤrig beſoldet werden muͤſſen. Hier muß der Staatswirth Sorge tragen, damit nur die noͤthige Anzahl derſelben un - terhalten werde: daß ein jeder ſeine Pflicht thue, und daß die Beſoldung ihrem Amte und Stande angemeſſen ſei; eben dieſes gilt auch in Anſehung der Leibgarde.

§. 463. Die Verwaltung der Chatoul - Domaͤnenguͤter, Regalien, und anderer fuͤrſt - lichen Einkuͤnfte, erfodert eine Anzahl ge - ſchickter Maͤnner, welche entweder hier und da im Staate wohnen, und die Guͤter ver - walten, oder welche am Hofe oder im Lande an einem beſtimmten Orte zuſammen woh - nen, und ein Collegium ausmachen, wel - ches die Kammer genannt wird, unter wel - chen die einzelnen Kammerbediente ſtehen. Hierzu iſt des Staatswirthes Pflicht, daß er die Kammerbedienungen auf die nuͤz - lichſte und beßte Weiſe beſeze.

§. 464.231Staatswiſſenſchaft

§. 464. Die Staatsbeduͤrfniſſe ſind theils aͤuſere und innere, die aͤuſeren ſind zweier - lei: ſie beziehen ſich entweder auf Krieg oder auf Frieden. Wenn ein Staat ſein Eigen - thum gegen gewaltſame Eingriffe fremder Staaten beſchuͤzen muß, ſo wird dazu ein Kriegsheer erfodert: da nun ein Staat vor gewaltthaͤtigen Eingriffen nie ſicher iſt, ſo muß ein fortdauerndes Kriegsheer unterhal - ten werden.

§. 465. Die Unterhaltung des Kriegshee - res kommt nicht dem Fuͤrſten, ſondern dem Staate zu, und ſoll aus den Steuern be - ſtritten werden. Hier hat nun der Staats - wirth dahin zu ſehen, daß niemal die Zahl der Soldaten die Nothdurft uͤberſteige, ſondern daß vielmehr das Heer, ſo viel moͤglich, aus lauter wackern und aus - geſuchten Leuten beſtehe, und alle ſollen auf die nuͤzlichſte Weiſe beſoldet und un - terhalten werden.

§. 466. Auch die innere Verfaſſung des Staates, der Schuz des Fuͤrſten und der Staatsbuͤrger, erfodern eine Anzahl Solda -P 4ten,232Allgemeineten, die aber ebenfalls nach| obigen Regeln unterhalten werden muͤſſen.

§. 467. Die aͤuſeren Staatsbeduͤrfniſſe zu Friedenszeiten ſind diejenige, welche aus den Verhaͤltniſſen eines Staates gegen den an - dern entſpringen, dieſe werden durch ein Collegium der auswaͤrtigen Sachen, und durch Geſandten an fremde Hoͤfe befriediget. Die - ſes alles ſoll der Staatswirth auf die beßte Weiſe beſorgen, damit die allzu - groſen Unkoſten verhuͤtet, und die Sa - chen dennoch nach ihrem ganzen Umfan - ge gehoͤrig bedient werden.

§. 468. Die inneren Staatsbeduͤrfniſſe betreffen die ganze Landesregierung, Polizei - Finanz - und Juſtizbedienung. Weil nun der Fuͤrſt oder der Staatswirth unmoͤglich die geſezgebende Gewalt allein verwalten kann, ſo muß er ein Miniſterium zur Seite haben. Dieſes beſteht aus erfahrnen und geſchickten Staatswirthen, welche die ganze Staatsverwaltung unter der Aufſicht des Fuͤrſten verſehen.

§. 469.233Staatswiſſenſchaft

§. 469. Wenn der Fuͤrſt ſelber ſich gern mit Staatsſachen beſchaͤftiget, ſo arbeitet er ent - weder allein, oder durch Beihilfe des Kabi - netsminiſters und Sekretaͤrs im Kabinete, welches alsdann die hoͤchſte geſezgebende Ge - walt ausfuͤhrt und regiert.

§. 470. Die hoͤchſte Polizei, die hoͤchſte Juſtiz und die hoͤchſte Finanzverwaltung wird je nach den verſchiedenen Verfaſſungen der Staaten, und den Einſichten des Staats - wirthes eingerichtet und benennet. Bei al - lem dieſem iſt aber des Staatswirthes hoͤchſte Pflicht, alle dieſe Bedienungen zum beßten Nuzen des Staates zu beſe - zen, und bedienen zu laſſen.

§. 471. Die Beduͤrfniſſe des Staates er - fodern uͤberall Polizei - Juſtiz - und Finanz - bediente; dieſe muͤſſen ebenfalls nach der beßten Regel beſtellt und beſoldet werden.

§. 472. Die hohen Schulen und gelehr - ten Geſellſchaften ſoll der Staatswirth zum Beßten des Staates ſtiften, ſie auf die beß - te Weiſe einrichten, und ihre Lehrer auf die nuͤzlichſte Art beſolden, auf daß ſie ruhig undP 5ohne234Allgemeineohne Sorgen ihrem Zwecke entſprechen koͤnnen, damit er alſo gute Pflanzſchulen habe, aus denen er alle ſeine Bedienten von allen Gat - tungen, und zwar auserwaͤhlte und geſchick - te Maͤnner ausnehmen koͤnne.

§. 473. Wenn ſolcher Geſtallt der Staats - wirth die fuͤrſtlichen und Staatsbeduͤrfniſſe nach den wahren Geſezen der Haushaltungs - kunſt befriedigt und verſorgt hat, und er alsdann noch einen reinen Ertrag eruͤbri - get hat, ſo ſoll er denſelben auf die beßte Weiſe zu Befoͤrderung der einzelnen und all - gemeinen Gluͤckſeligkeit verwenden.

§. 474. Dieſes geſchieht, wenn der rei - ne Ertrag der fuͤrſtlichen Kaſſe zur Verbeſſe - rung der Nahrungsquellen, als da ſind der Chatoulguͤter, der Domaͤnenguͤter, der Re - galien und anderer Gefaͤlle, und wo moͤg - lich, doch ohne dem Staate zu ſchaden, auch zu Vermehrung derſelben, verwendet wird.

§. 475. Der reine Ertrag der Staatskaſſe wird ebenfalls zu groͤſerm Nuzen in die Nah - rungsquelle verwendet; dieſes geſchieht durch Verbeſſerung der Polizeianſtallten, Weg -Waſſer -235StaatswiſſenſchaftWaſſer - Schleuſſenbau, Erleichterung und Verbeſſerung der Gewerbe, Poſtanſtallten, und was dergleichen mehr iſt, wodurch der Staatswirth die einzelne und allgemeine Gluͤckſeligkeit befoͤrdern, und auf eine billi - ge Weiſe die Abgaben und Auflagen vermeh - ren kann.

§. 476. Aus allem dieſem, was bis da - her verhandelt worden, erhellet nicht nur: daß die Staatsgewerbe und ihre Kaͤnntniſſe von weitlaͤuftigem Umfange ſeien, ſondern daß auch vielerlei Hilfswiſſenſchaften dem Staatswirthe noͤthig ſeien, wenn er ſeinem wichtigen Amte Genuͤgen thun will.

§. 477. Das erſte, was er wiſſen muß, iſt der ganze Umfang der Kameralwiſſenſchaf - ten mit ihren Hilfswiſſenſchaften. Und da er ſo wohl in Kriegs - und Friedenszeiten nicht allein von ſeinem, ſondern auch von andern Staaten, in Anſehung ihrer Lage und Beſchaf - fenheit, gruͤndliche Kaͤnntniß haben muß, ſo ſoll er auch in der Geographie vollkommen erfahren ſeyn.

§. 478.236Allgemeine

§. 478. Die Geſchichte der Voͤlker und Staaten, die Lehrerin der Menſchen, und beſonders des Staatswirthes, iſt ihm vor - zuͤglich noͤthig. Er lernt daraus, was Voͤl - ker und Staaten gluͤcklich, und was ſie un - gluͤcklich gemacht hat, daher kann er jenes einzufuͤhren ſuchen, dieſes aber meiden.

§. 479. Die Beredſamkeit iſt eine Zier - de des Staatswirthes, was ein guter Red - ner vermag, davon gibt uns die Geſchich - te der Griechen, der Roͤmer, der Franzoſen und Engellaͤnder, und anderer Voͤlker mehr, ſattſame Beiſpiele, und derowegen ſoll ſie der Staatswirth unausbleiblich lernen, und ſich darinnen uͤben.

§. 480. Das Rechnungsweſen lehrt die Staatsbuchhaltung. Nun laͤßt ſich aber leicht begreifen, daß bei ſo vielerlei Gefaͤllen und Einkuͤnften, ihren Einnahmen und Ausga - ben, eine hoͤchſt genaue, und nach den beß - ten Grundſaͤzen eingerichtete Buchhaltung un - entbehrlich ſei, und derowegen iſt das Rech - nungsweſen dem Kameraliſten und Staats - wirthe weſentlich noͤthig.

§. 481.237Staatswiſſenſchaft

§. 481. Durch den Kanzeleiſtyl verſteh ich nicht die geradbrechte Schreibart, welche in den Collegien und Dikaſterien noch hier und da zu ſehr uͤblich iſt, ſondern einen kur - zen, deutlichen und reinen Styl, in wel - chem alle Schriften, welche in der Staats - wirthſchafr vorkommen, abgefaßt ſeyn muͤſſen; dieſen muß auch der Staats - wirth nothwendig verſtehen, und ſich ohne lang zu bedenken, richtig darinnen auszudruͤcken wiſſen.

§. 482. Die vernuͤnftig angeſtellten Rei - ſen des Staatswirthes in ſolche Laͤnder, wo ein oder anders Gewerb vorzuͤglich bluͤht, ſind ungemein nuͤzlich: damit er aber vorher wiſſen moͤge, wie ſolche Reiſen mit Vorthei - le anzuſtellen ſind, ſo muß ihm Anleitung dazu gegeben werden, und dieſes durch Grundſaͤze, die aus der Erfahrung gezogen ſind.

Staatshaushaltung.

§. 483. Bis daher ſind nun die Staats - gewerbe alle der Reihe nach beſchrieben, und ihre Grundſaͤze vorgetragen worden; dieſemuͤſſen238Staatshaushaltungmuͤſſen aber nun in Heiſcheſaͤze umgeſchaffen, und gelehrt werden, wie die Staatsverwal - tung nach eben dieſen Grundſaͤzen aufs beßte einzurichten ſei. Dieſes geſchieht durch die Lehre von der Staatshaushaltung.

§. 484. Jch hab in dieſem Werke bei je - der Wirthſchaft zugleich auch den Gang ei - ner Haushaltung gezeigt, die zu ihrer Wirth - ſchaft gehoͤrt, und zwar ſo, daß ich zugleich die Errichtung einer vollſtaͤndigen Nahrungs - quelle lehrete. Dieſer Ordnung kann ich aber allhier nicht folgen, weil die Aufrich - tung eines neuen Staates ein ſeltener Fall iſt, und der nach ſeiner beßten Einrichtung zugleich Regeln an die Hand geben wuͤrde, welche in allen izigen Staaten ſehr ſelten wuͤrden angewendet werden koͤnnen.

§. 485. Derowegen will ich eine allgemei - ne Grundlehre entwerfen, welche nach mei - ner Einſicht die beßte Ausfuͤhrung obiger Grundſaͤze an die Hand geben ſoll, und zwar ſo, daß ſie, ſo viel moͤglich, in jeder Staatsverfaſſung, wo nicht ganz, doch zum Theile, zu benuzen ſind.

a) Po -239Staatshaushaltung

a) Polizei.

§. 486. Die beßten Erziehungsanſtallten ſollen das erſte Augenmerk der Polizei ſeyn. Was den Leib betrift, ſo gehoͤren die Ver - fuͤgungen zur beßten Ausbildung desſelben zu der Beſorgung des Lebens und der Ge - ſundheit der Unterthanen. Die Ausbildung aber des Verſtandes und des Willens der Kinder geſchieht durch Unterweiſung in Schu - len, oder durch Privatunterricht.

§. 487. Die beßte Einrichtung der Schu - len beruht auf rechtſchaffenen Schulmaͤnnern, einer hinlaͤnglichen Beſoldung derſelben, und auf genugſamen Schulen, damit ſie ein je - der Unterthan in der Naͤhe habe. Recht - ſchaffene Schulmaͤnner zu bekommen wuͤrden beſondere Hoheſchulen erfodert, allwo ein Juͤngling mit ſehr geringen Koſten die Er - ziehungswiſſenſchaft ſtudiren koͤnnte, und dieſe muͤßte in der Schreibkunſt, Rechenkunſt, gruͤndlicher Religionskaͤnntniß, und in der Gewerbwiſſenſchaft beſtehen, um in dieſen zum gemeinen Leben hoͤchſt noͤthigen Erkaͤnnt - niſſen die Jugend unterrichten zu koͤnnen. Be -240StaatshaushaltungBeſoldungen zu hinlaͤnglicher Befriedigung der Beduͤrfniſſe wuͤrde Juͤnglinge genug zu dieſen Studien anlocken.

§. 488. Wo hinlaͤngliche Beſoldungen fuͤr einen Schulmann, um ſich mit Frau und Kindern ehrlich naͤhren zu koͤnnen, fehlen: da wuͤrde man durch Aufhebung der Gemein - heiten, durch Urbarmachung oͤder Plaͤze, oder durch ſonſtige Anlegung gewiſſer Gewerbe leicht Rath dazu finden koͤnnen; der wichti - ge Nuzen dieſer Einrichtung wuͤrde alle An - lagen in kurzer Zeit reichlich erſezen.

*Man vergebe mir dieſe und dergleichen Projekte, wenn ihre Wahrheit, und die Moͤglichkeit ihrer Ausfuͤhrung nicht be - ſtritten werden kann, ſo ſind ſie noͤthig.
*

§. 489. Jede Religion hat ihre beſondere Kirchenverfaſſung: und da der Staatswirth wenigſtens alle dulden ſoll, die dem Staate nicht ſchaͤdlich ſind, ſo kann er ihre Kirchen - ordnung und Zucht nicht anordnen und ein - richten. Die Religionen muͤſſen alſo eine je - de ihren beſondern Vorſtand haben, dabei hat aber die Landesregierung zu wachen, daßdieſer241Staatshaushaltungdieſer Vorſtand keinen ſchaͤdlichen Einfluß in die Staatsverfaſſung haben koͤnne.

§. 490. Weil eine jede Kirche glaubt, die wahre zu ſeyn, unmoͤglich aber alle wahr ſeyn koͤnnen, beſonders wenn ſie widerſprechen - de Grundſaͤze hegen: ſo ſollen die Lehrer angehalten werden, binnen dem Umfange ihrer Kirche nur zu lehren, und jedem Frei - heit laſſen, nach ſeinen Einſichten zu waͤh - len. Deswegen ſollen ſchleichende und nicht uͤberzeugende Ueberredungen und Schmaͤh - predigten gaͤnzlich verbothen werden.

§. 491. Zur voͤlligen Religionsfreiheit ge - hoͤren auch die Gerechtſamen der Kirchen, die, wenn ſie nicht die Gluͤckſeligkeit des Staates hindern, keinesweges gekraͤnkt und gemindert werden duͤrfen.

§. 492. Die leibliche Erziehung der Kin - der, die Befoͤrderung des Lebens und der Geſundheit der Menſchen, und die Verhin - derung der Krankheiten und des Todes der - ſelben, muß durch Errichtung einer guten Medicinalpolizei beſorgt werden. Dazu wird ein Medicinalkollegium im Staate niederge -Qſezt,242Staatshaushaltungſezt, welches aus alten gelehrten und erfahr - nen Aerzten, Apothekern und Wundaͤrzten beſtehen ſoll. Desgleichen muß in jedem Am - te, Stadt und Diſtrikte ein Phyſicus beſtellt werden, welcher uͤber die Medicinalgeſeze wacht, dieſelben ausfuͤhrt, Fehler und Ver - brechen berichtet, und eben ſolche Faͤhigkei - ten haben muß, als von dem Medicinalra - the gefodert werden.

§. 493. Die vollkommenſte Errichtung der Medicinalpolizei beſtuͤnde in einer republika - niſchen Verfaſſung der Medicinalperſonen; wenn nemlich alle Aerzte und Wundaͤrzte im Staate zuſammen das Medicinalkollegium ausmachten; wenn das ganze Colleglum ei - nen Praͤſidenten durch freie Wahl auf gewiſ - ſe Jahre erwaͤhlte, der vom Staate jedes - mal bekraͤftiget wuͤrde; wenn jeder Diſtrikt einen Phyſicus haͤtte, der eben ſo abwechſel - te; wenn endlich jeder Ort einen beſoldeten Arzt haͤtte, welcher ſchuldig waͤre, umſonſt zu dienen; wenn alle Apothecken abgeſchafft, und den Aerzten die Ausfertigung der Arze - neimittel nach einer billigen Taxe zu verkau -fen243Staatshaushaltungfen erlaubt wuͤrde; und wenn endlich die Wundaͤrzte dieſem Koͤrper einverleibt, die nemliche Freiheit haͤtten.

*Dieſes Projekt iſt von langen Jahren her durchgedacht, gewiß richtig, und das beßte, nur die Ausfuͤhrung iſt ſchwer und ſehr langſam ins Werk zu richten.
*

§. 494. So wie die Medieinalpolizei ſorgt; damit der Staat nicht durch Krankheiten und Sterben, ſo viel an ihr liegt, entvoͤlkert wer - de, ſo muß die politiſche Polizei fuͤr die Vermehrung der Einwohner des Staates, das iſt, fuͤr die Bevoͤlkerung ſorgen.

§. 495. Das vornehmſte Mittel zur Be - voͤlkerung iſt vollkommene Gewiſſens - und Gewerbfreiheit, ſo weit ſie die Gluͤckſeligkeit des Staates nicht hindert. Dahin gehoͤrt vornehmlich ein durch Fabriken und Manu - fakturen bluͤhender Handelsſtand; wo dieſer iſt, da darf man fuͤr uͤberfluͤſſige Bevoͤlke - rung nicht mehr ſorgen. Ferner befoͤrdert die Vermehrung der Erwerber im Staate, wenn die Abgaben nicht hart und druͤckend ſind, desgleichen wenn die vernuͤnftigen und recht -Q 2maͤſigen244Staatshaushaltungmaͤſigen Heurathen auf alle Weiſe erleichtert werden.

*Hurerei, Vielweiberei und dergleichen eckelhafte Vorſchlaͤge zur Bevoͤlkerung ſind nicht einmal Nennens, vielweniger Schreibens werth.
*

§. 496. Obrigkeitliche Beſtrafungen der Laſter ſind noͤthig, wenn ſie einmal began - gen worden; aber ſie durch Drohung ſchwe - rer Strafen zu verhuͤten, iſt nur ein ſchwa - cher Zaun, und macht nur, daß ſie ſich ver - ſtecken, und alſo im Verborgenen deſto ge - faͤhrlicher wuͤthen. Belohnungen ausgezeich - neter Tugenden ſind nuͤzlich und noͤthig, aber wer iſt ſo reich, der alle Tugenden belohnen kann, und Lohntugend iſt dem Laſter nahe.

§. 497. Das beßte Mittel, Sitten und Tugend im Staate empor zu bringen, iſt: wenn man die Quellen der Laſter verſtopft, und die Quellen der Tugend eroͤffnet. Er - ſteres wird zuwege gebracht, durch Verhinde - rung des Muͤſigganges, des Saufens, Spie - lens, und anderer ſchaͤdlicher Luſtbarkeiten, desgleichen ſchaͤdlicher Gebraͤuche und Frei -hei -245Staatshaushaltungheiten, durch Zerſtoͤrung verdaͤchtiger Haͤu - ſer und Zuſammenkuͤnfte, durch Vertilgung ſchaͤdlicher, der Religion und Sitten widri - ger Buͤcher, durch Verhinderung der Ueppig - keit uͤberhaupt, und dergleichen mehr.

§. 498. Die Quellen der Tugend werden eroͤffnet, durch rechtſchaffene aufgeklaͤrte Be - dienung der Religion, durch Zerſtoͤrung des Aberglaubens und des Unglaubens, durch geniereiche Beiſpiele und ihre tugendhafte Schriften, durch Hervorziehung des tugend - haften Mannes zu oͤffentlichen Bedienungen, und uͤberhaupt und vornehmlich durch einen glaͤnzenden Vorgang des Fuͤrſten und des Hofes; dieſes wirkt mehr zum Beßten des Staates, als alle Polizei, und mehr, als ſich davon denken und ſagen laͤßt.

§. 499. Eine ſchlaͤfrige Ausfuͤhrung der Geſeze gebiert den Ungehorſam und die Ge - ringſchaͤzung derſelben von Seite des Unter - thanen. Derowegen iſt kein beſſer Mittel, den hoͤchſt noͤthigen Gehorſam und die geſchwin - deſte vollſtaͤndigſte Folgeleiſtung zu bewirken, als erſtlich: wenn keine andere, als in allemQ 3Be -246StaatshaushaltungBetracht nuͤzliche, in der Ausfuͤhrung leichte und ganz gewiß unſchaͤdliche Geſeze anbefoh - len werden. Zweitens: wenn die Zahl der - ſelben auf wenige eingeſchraͤnkt wird. Drit - tens: wenn alſofort nach der Offenbahrung der Geſeze an jeden, den ſie angehen, eine ſchleunige und ſtrenge Unterſuchung folgt, und alsdann die Saumſeligen nach dem Ver - haͤltniſſe ihres Ungehorſames unausbleiblich geſtraft werden. Ein wichtiger Staatsfehler iſt es, wenn der Zweck der Geſeze durch ih - re Ausfuͤhrung nicht erreicht wird; dieſes bringt eine unausſprechlich ſchaͤdliche Ver - achtung der geſezgebenden Gewalt in den Ge - muͤthern der Unterthanen hervor.

§. 500. Das Leben und das Eigenthum der Menſchen in Sicherheit zu ſtellen, iſt ei - ne Hauptpflicht der Polizei. Das Leben lei - det Gefahr zugleich mit dem Eigenthume, durch Straſſenraub, durch gewaltthaͤtige, naͤchtliche Einbruͤche u. d. gl. Dieſe zu ver - huͤten, iſt kein wirkſamer Mittel, als wohl - eingerichtete haͤufige Straſſenpatrouillen, wo - zu in Friedenszeiten der Soldat gebrauchtwer -247Staatshaushaltungwerden ſollte, in Kriegszeiten koͤnnte der Unterthan ſelber dieſe Dienſte thun. Die naͤchtlichen Einbruͤche zu verhuͤten, ſind wohl - eingerichtete ſtarke Nachtwachten noͤthig, die auch dem Soldaten von Rechtswegen zu - kommen.

§. 501. Die genaue Unterſuchung aller Reiſenden und unbekannten Perſonen, ſo weit als die Polizei wegen der Sicherheit und Staatsverfaſſung noͤthig zu forſchen ha - iſt ſehr nuͤzlich, und ein Fremder ſoll nie da - gegen murren, beſonders wenn er leicht ein - ſehen kann, daß er durch gewiſſe Umſtaͤnde verdaͤchtig ſeyn koͤnnte.

*Ein Reiſender zeigt einen ſehr ſchlechten Charakter und ſchlechte Weltkaͤnntniß, wenn er gegen hoͤfliche und billige Po - lizeiunterſuchungen murret.
*

§. 502. Es iſt freilich kein Zeichen einer guten Staatsverfaſſung, wenn die Gerichts - plaͤze mit Leichen angefuͤllt ſind. Allein die Uebertretter der Geſeze muͤſſen doch beſtraft werden. Ob ein Fuͤrſt die Todesſtrafen ab - ſchaffen ſoll, iſt keine Religions - ſondern ei -Q 4ne248Staatshaushaltungne Staats - oder philoſophiſche Frage. Frei - lich haben die ſchrecklichſten Beiſpiele von je her wenig gefruchtet; aber es iſt die Frage, ob man der goͤttlichen Gerechtigkeit nicht ſol - che Opfer ſchuldig ſei? Vernunft und Offen - bahrung ſcheinen darauf Ja zu ſagen, und dann hat man noch keine hinlaͤngliche Erfah - rung, ob doch durch Hinwegnehmung eines ſolchen furchtbaren Zaunes, nicht das Uebel noch aͤrger wuͤrde.

§. 503. Noch ſchaͤdlicher und gottloſer, als gewaltſame oͤffentliche Diebſtaͤhle, iſt der Betrug, die Vervortheilung, Verfolgung und Unterdruͤckung der Unterthanen unter einan - der, weil ſie mehrentheils ungeſtraft begangen werden, und nach und nach zum Verderben und gaͤnzlichen Ruine der armen Leidenden wirken. Hierher gehoͤrt auch beſonders die gottloſe Proceßſucht vieler Leute.

§. 504. Gaͤnzlich kann freilich die Obrig - keit ſolche Blutigel nicht hindern, aber ein wachſames Aug derſelben kann doch unaus - ſprechlich vielen Nuzen ſchaffen. Das groͤſte Ungluͤck iſt, wenn Unterobrigkeiten und Be -am -249Staatshaushaltungamten zu ſolchen Laſtern mit wirken, wie gar zu oft zu geſchehen pflegt. Die beßte Verhuͤ - tung dieſer Greuel geſchieht durch Anord - nung gepruͤfter tugendhafter Maͤnner, und hinlaͤnglicher Beſoldung derſelben. Mit groͤ - ſtem Nuzen ſendet ein gewiſſer groſer Staats - wirth vollkommen bevollmaͤchtigte wackere Maͤnner aus ſeinem Hoflager nach allen Unter - und Obergerichten ab, und laͤßt ſie unterſuchen, belohnen und beſtrafen. Die ſchaͤdlichen Proceſſe zu vernichtigen, iſt noch kein beſſer Mittel bekannt, als die Rechts - pflege der Tuͤrken, wo ſie nach dem Willen des Geſezgebers befolgt wird.

*Ob ſie aber bei uns einzufuͤhren, iſt ei - ne andere Frage.
*

§. 505. Die Feuerordnungen ſind eine ſehr heilſame Anſtallt der Polizei, genugſame und gut im Stande gehaltene Feuerſprizen und Waſſereimer, desgleichen genugſame Mannſchaft, die dem Befehle eines oder mehreren Befehlshaber ſchleunig und unaus - bleiblich gehorchen muß, richtige Anweiſung der Dachdecker, der Maurer und Zimmerleu -Q 5te250Staatshaushaltungte zu Beſteigung der Gebaͤude, der Spri - zenmeiſter und ihren Untergebenen an die rechten Oerter, der andern Buͤrger und Un - terthanen zur Herbeiſchaffung des Waſſers u. d. gl. machen die weſentlichen Beſtand - theile der Feuerordnung aus.

§. 506. Die Verhuͤtung der Feuersgefahr gehoͤrt auch zu dieſem Artikel. Dahin gehoͤ - ren die Verordnungen bei dem Baue der Haͤuſer, die gehoͤrige Feuerbewahrung mit ihren Strafen, Tabackrauchen auf den Straſſen und an gefaͤhrlichen Oertern, ſorg - faͤltige Nachtwachen, verwahrliche, vom Feuer entfernte Behaͤlter aller Brandmate - rialien u. ſ. w.

§. 507. Da aber bei aller Sorgfalt der Polizei dennoch zuweilen Feuersbruͤnſte ent - ſtehen, ſo ſind die Brandkaſſen herrliche Ein - richtungen im Staate. Jedes Haus und Gebaͤud wird auf ein Kapital geſezt, dieſes Kapital einregiſtrirt, und von dieſem muß der Eigenthuͤmer jaͤhrlich ein gewiſſes Geld bezahlen, welches der Kaſſe einverleibt wird. Wenn nun ein Gebaͤud verungluͤckt, ſo be -zahlt251Staatshaushaltungzahlt dem Eigenthuͤmer die Kaſſe, was es werth war. Hier aber koͤnnte die Einſchraͤn - kung gemacht werden, mit dem Bedinge, daß er keiner Verwahrloſung zu uͤberfuͤhren ſei.

§. 508. Die Landwirthſchaft und alle Ge - werbe wuͤrden ſehr befoͤrdert werden, wenn die Schulen nach meinem oben beruͤhrten Vor - ſchlage eingerichtet wuͤrden. Vornehmlich iſt es die Pflicht der Polizei, alle Gemeinhei - ten, Viehtriften und Hutgerechtigkeiten durch Vermehrung des Futterbaues, nach den Re - geln der verbeſſerten Landwirthſchaft, nach und nach abzuſchaffen, mit einem Worte: theils durch Beiſpiele, theils durch Geſeze die Bauersleute zu Feſthaltung der Regeln der beßten Landwirthſchaft anzuhalten.

§. 509. Wenn die Landwirthe eines Lan - des allzuſammen in gewiſſe Geſellſchaften, man nenne ſie Zunft oder wie man will, ein - getheilt wuͤrden, die ihre Vorſteher haͤtten, welchen die beßten landwirthſchaftlichen Grundſaͤze bekannt waͤren, und bekannt ge - macht wuͤrden; wenn ſich ferner jedes Gliedder252Staatshaushaltungder Geſellſchaft verbuͤndlich machen muͤßte, die von der Geſellſchaft angenommenen Grund - ſaͤze auszufuͤhren, und wenn auf dieſer Aus - fuͤhrung gewiſſe Belohnungen, und in deren Ermanglung unausbleibliche Strafen be - ſtimmt waͤren, ſo entſtuͤnde die Frage: ob nicht dadurch der hoͤchſte Gipfel einer bluͤhen - den Landwirthſchaft zu erreichen waͤre?

§. 510. Die Polizei ſoll dafuͤr ſorgen, daß diejenigen Erzeugungen, welche im Staate vorzuͤglich gedeihen, auch im Lande ſelber, ſo weit als moͤglich iſt, verarbeitet und zu - bereitet werden. Dieſes geſchieht fuͤrs erſte, wenn die Einfuhr aller Kunſtprodukte, die im Lande hervorgebracht werden, und wer - den koͤnnen, mit ſchweren Auflagen erſchwe - ret, mithin vertheuert, oder gar aufgeho - ben wird.

§. 511. Freiheiten und Belohnungen fuͤr inlaͤndiſche Kunſtwirthe, welche ſich mit der Zubereitung inlaͤndiſcher roher Produkte ab - geben, Errichtung nachahmungswuͤrdiger Beiſpiele, Abſchaffung des ſchaͤdlichen Allein - handels, ſchaͤdlicher und menſchenfeindlicherZunft -253StaatshaushaltungZunfteinſchraͤnkungen u. d. gl. koͤnnen ferner zur Aufnahme inlaͤndiſcher Fabriken und Ma - nufakturen ſehr vieles beitragen.

§. 512. Die voͤllige Freiheit, nach Belie - ben und Willkuͤhr eine Kunſt oder ein Hand - werk zu treiben, der Handwerker mag es verſtehen oder nicht, richtet nach und nach die Kunſtwirthſchaft gaͤnzlich zu Grunde, de - rowegen ſind Zuͤnfte noͤthig. Aber ſolche Zunftverfaſſungen, welche die Zahl der Mei - ſter beſtimmen, das Erlernen der Handwer - ker erſchweren, und andere ſchaͤdliche Ge - braͤuche haben, ſind ſchaͤdlich. Derowegen eine Zunft, welche alle Kunſtprodukte un - terſucht, und keins verſtattet, das nicht in ſeiner Art vollkommen iſt, welche Anſtallten trift, daß auch arme Kinder ihr Handwerk lernen koͤnnen, und daß kranke Geſellen ver - pflegt und arme Meiſter verſorgt werden, und die unter ſich die nuͤzlichſten Polizeianſtall - ten verfuͤgt, iſt hoͤchſt loͤblich und dem Staa - te nuͤzlich.

§. 513. Mit den Fabriken, Manufaktu - ren und Kunſtgewerben iſt die Handlung un -zer -254Staatshaushaltungzertrennlich verbunden: wo jene bluͤhen, da bluͤht auch dieſe. Groſe Kaufmannſchaft kann nicht wohl in einem Staate eingefuͤhrt werden, welcher die Lage zu groſen Verſen - dungen nicht hat; wo dieſe aber iſt, da thut die Handelsfreiheit alles.

§. 514. Die Befoͤrderung der Handlung geſchieht durch ſehr gute und ſichere Land - ſtraſſen, wohl eingerichtete Schiffahrt, An - legung der Meſſen und Jahrmaͤrkte, freie Aus - und Einfuhr aller Waaren, die dem Staate nicht ſchaͤdlich ſind, wohl uͤberlegte Vorzuͤge, die man der Kaufmannſchaft bei - legt, und endlich durch Behauptung und Sicherung des einzelnen und allgemeinen Credits, durch ſtrenge Gerechtigkeit in Con - cursſachen, und was dergleichen gute An - ſtallten mehr ſind.

§. 515. Das vortrefflichſte Mittel, dem Lu - xus zu ſteuern, iſt ohne Zweifel ein gutes Beiſpiel des Hofes. Kleider - Speis - und Trankordnungen ſind nur ſchwache Umzaͤu - nungen; doch wo das erſte wirkſamſte Mit - tel fehlt, da muß man zu dieſen ſchwaͤchern ſeine Zuflucht nehmen.

§. 516.255Staatshaushaltung

§. 516. Muͤſiggaͤnger, Landſtreicher und Bettler ſind Gegenſtaͤnde fuͤr die Zuchthaͤuſer. Dieſe Schulen fuͤr Leute von ungebrochenen Leidenſchaften ſollten nicht nur die Laſter be - ſtrafen, ſondern auch die Menſchen zur Tu - gend umbilden. Dann aber muͤßte die Ein - richtung anders ſeyn, als ſie gewoͤhnlich iſt, und ein Zuchtmeiſter zu ſeyn, waͤre eine ſehr edle und ehrwuͤrdige Beſchaͤftigung.

§. 517. Das Spielen uͤberhaupt iſt ein Zeitvertreib, der eben nicht ſonderlich der Menſchheit zur Ehre gereicht, vorzuͤglich aber ſind Haſard - und Gluͤcksſpiele von der Obrig - keit hart zu verbieten, und exemplariſch zu ſtrafen. Mit einem Worte, alle Ausgaben, welche auf Hofnung eines unerworbenen Ge - winns weggeworfen werden, ſind gegen die Regeln der Gewerbwiſſenſchaft und der Haushaltungskunſt, und der Mißbrauch der - ſelben iſt von der Polizei zu verhindern.

§. 518. Die Armenverſorgung iſt ein hoͤchſt wichtiger Theil der Polizei, und ſoll der willkuͤhrlichen Mildthaͤtigkeit der Unter - thanen nie ganz allein uͤberlaſſen werden. Die256StaatshaushaltungDie Armen ſind entweder auslaͤndiſche, oder inlaͤndiſche: erſtere ſollen von ihrem Vatter - lande unterhalten werden; leztere aber ſind der eigentliche Gegenſtand des Staatswir - thes, und dieſe ſind wiederum zweierlei: entweder zur Arbeit untaugliche oder taugli - che, dieſe lezteren gehoͤren in Zucht - und Ar - beitshaͤuſer, die erſten aber muͤſſen unter - halten werden.

§. 519. Die beßte Unterhaltung geſchieht in oͤffentlich errichteten Armenhaͤuſern, und es waͤre gar nicht unrecht, wenn der Unter - halt der Armen und die Verwaltung der Hoſpitaͤler jaͤhrlich zu einer gewiſſen Summe angeſchlagen, und nach der Steuermatrickel auf den Staat ausgeſchlagen und erhoben wuͤrde, eben auf dieſen Fus muͤßten auch Waiſenhaͤuſer beſtellet werden. Wo aber milde Stiftungen genug ſind, da waͤren der - gleichen Anſtallten unnoͤthig.

§. 520. Alle dergleichen Einrichtungen durch die Polizei machen den Staat ſegen - voll und bluͤhend, ſo, daß er nun auch ſeine gehoͤrige Abgaben entrichten kann.

b) Fi -257Staatshaushaltung

b) Finanzweſen.

§. 521. Die Chatoulguͤter ſind ein Privat - eigenthum des Fuͤrſten, ſie gehen alſo den Staat nicht an, und werden am beſten durch beſondere Perſonen, die von niemand, als blos vom Fuͤrſten allein abhaͤngen, verwaltet.

§. 522. Die Domaͤnenguͤter ſind erſtlich Strecken Landes, auf welchen nichts waͤchſt, die oͤde ſind, und alſo wenig oder nichts eintragen. Dieſe ſollen auf die beßte Weiſe nach landwirthſchaftlichen Grundſaͤzen urbar gemacht, und zu Landguͤtern umgeſchaffen werden. Dieſes geſchieht, wenn man ſie geſchickten Landwirthen auf eine ziemliche An - zahl Jahre einthut, und ſie die Zeit durch von allen Abgaben frei laͤßt, ſo lang, bis ſie voͤllig in bluͤhendem Stande ſind.

§. 523. Zweitens: ſind die Domaͤnenguͤ - ter einzelne Landguͤter, welche verpfachtet werden. Bei dieſen Pfachten iſt darauf zu ſehen, daß man ſie wohlhabenden geſchickten Landwirthen auf lange Jahre verpfachte, und ſie alsdann durch fleiſige Aufſicht dazu anhalte, daß die Guͤter nach den beßten Re -Rgeln258Staatshaushaltunggeln der Landwirthſchaft gebaut und gepfle - get werden, beſonders auch, daß das Hoch - gewaͤld wohl in Acht genommen, und nicht ausgehauen werde.

§. 524. Drittens beſtehen die Domaͤnen auch wohl in ganzen Aemtern und Herrſchaf - ten, in welchen die Bauern entweder Lehn - traͤger, oder Erbpfaͤchter, oder Grundeigen - thuͤmer ſind. Das Grundeigenthum des Bau - ern iſt eigentlich das beßte. Solche Domaͤ - nen ſollen von der Kammer wie kleine Staa - ten verwaltet, und nach den Regeln der beß - ten Staatswirthſchaft bluͤhend gemacht wer - den.

§. 525. Wenn der Fuͤrſt Fabriken und Manufakturen hat, welche als Domaͤnen be - trachtet, und alſo nicht aufgehoben werden koͤnnen: ſo werden dieſelben entweder durch Faktoren bedient, oder ſie werden verpfach - tet. Die erſte Methode iſt ſelten ſo nuͤzlich, wie die leztere, man thut am beßten, wenn man ſie einem geſchickten Fabrikanten gegen ein ſicheres Unterpfand, oder gegen Buͤrg - ſchaft, verpfachtet.

§. 526.259Staatshaushaltung

§. 526. So ſehr die Domaͤnenguͤter ohne Schaden des Staates vermehrt und verbeſ - ſert werden koͤnnen, ſo ſehr ſoll es geſchehen. Wenn die Vermehrung ohne Schaden des Staates geſchehen ſoll, ſo muͤſſen keine Guͤ - ter dazu verwendet werden, welche Staats - buͤrger zu Eigenthuͤmer haben; damit alſo der Staat nicht kleiner werde, und ſich ſeine Laſten vermehren. Wenn die Verbeſſerung ohne Nachtheile des Staates geſchehen ſoll, ſo muͤſſen die Gewerbe auf den Domaͤnenguͤ - tern den Gewerben im Staate nicht hinder - lich ſeyn.

§. 527. Das Waſſerregale kann der Fuͤrſt ſo vortheilhaft benuzen, als es moͤglich iſt, nur, daß es den Unterthanen frei ſtehe, ſich des Waſſers gegen Gebuͤhr zu ihren Gewer - ben mit aller Freiheit zu bedienen.

§. 528. Die Fiſcherei gehoͤrt dem Fuͤrſten; die beßte Benuzung derſelben beſteht darin - nen, wenn ſie verpfacht wird, doch ſo, daß der Pfachter unter der Aufſicht des Forſtbe - dienten ſtehe, damit die Waͤſſer nicht ver - dorben und veroͤdet werden moͤgen. Bruͤcken,R 2Schleuſ -260StaatshaushaltungSchleuſſen und vortheilhaften Zoͤlle werden vom Fuͤrſten angelegt, der Genuß davon wird am fuͤglichſten verpfachtet. Wenn Waſſer - maſchinen angelegt werden, ſo ſollen dem Fuͤrſten davon jaͤhrlich billige Waſſergefaͤlle bezahlt, alles dieſes aber zugleich ſo einge - richtet werden, damit die Gewerbe nicht ge - druͤckt, ſondern vielmehr erleichtert werden moͤgen.

§. 529. Die Anlegung guter und beque - mer Landſtraſſen von einer Stadt zur andern im Staate iſt dem Gewerbe ſehr vortheil - haft, und der Kammer nuͤzlich, weil mit al - lem Fuge billige Zoͤlle und Weggelder auf den Gebrauch derſelben geſezt werden koͤnnen, die ein ſehr Anſehnliches austragen. Dieſe werden am beßten verpfachtet; nur daß die Polizei dabei aufſehe, damit die Zollpfaͤch - ter keine Tyrannei und ungeziemende Unter - druͤckungen dabei begehen. Die Anlegung reutender und fahrender Poſten iſt ebenfalls nuͤzlich, und wird wiederum am beßten ver - pfachtet.

§. 530.261Staatshaushaltung

§. 530. Das Forſtregale ſoll nach den Grundſaͤzen der Forſtwiſſenſchaft von den Forſtbedienten verwaltet werden. Wenn man die Holznuzung verpfachtete, ſo wuͤrden die Waͤlder bald zu Grunde gerichtet werden: und bei der gewoͤhnlichen Bedienung derſelben werden beſonders von den Jaͤger - und Forſt - knechten ſehr viele Unterſchleiffe begangen, daher kann die Kammer das Forſtregale nicht ſo vortheilhaft benuzen, als wohl moͤglich waͤre.

§. 531. Die Jagd iſt mehr zur Luſt als zum Nuzen des Fuͤrſten, und wo ſie ſtark gehegt wird, da leidet die Landwirthſchaft ungemeinen Schaden. Es waͤre daher ſehr zu wuͤnſchen, daß die Fuͤrſten ſich doch durch das Wehklagen der armen Landleute erwei - chen lieſen, und ihre Jagdluſt auf ihre herr - ſchaftliche Forſten einſchraͤnkten, die leicht mit lebendigen Hecken umpflanzt werden koͤnnten, wodurch ſie vor dem Holzfrevel be - friediget, und zur Jagdluſt gewidmet wuͤr - den. Ein wohl angelegter Futterbau in ſol - chen Waͤldern koͤnnte dem Wilde Winters und Sommers Nahrung geben.

R 3§. 532.262Staatshaushaltung

§. 532. Die Verpfachtung der Jagd iſt der Weg zur Vertilgung des Wildpretes. Wenn daher der Fuͤrſt Nuzen daraus ziehen will, ſo iſt es am beßten, daß die Thiere, wel - che nuzbar ſind, zu rechter Zeit geſchoſſen und benuzt, die fruchtbaren aber gehegt werden, wie alles dieſes in der Jagdwiſſenſchaft ge - lehrt wird.

§. 533. Wenn der Fuͤrſt die Bergwerke ganz fuͤr ſich nimmt, ſo wird die Entdeckung derſelben gehindert: es iſt daher am vortheil - hafteſten, wenn er dieſes Regale den Unter - thanen gegen Erlegung der Zehenten uͤber - laͤßt, wie ſolches auch von vielen Fuͤrſten be - obachtet wird. Doch iſt es billig, daß die Unterthanen das Silber und Gold, wenn ſie es entdecken, der Kammer anzeigen, und dieſe Muͤnzmetalle dem Landesherrn uͤber - laſſen. Das Bergwerksregale erfodert ein beſonderes Collegium, und beſteht aus Maͤn - nern, die die Bergwerkswiſſenſchaft verſte - hen muͤſſen.

§. 534. Das Bergamt hat alſo fuͤr die Aufnahme, Erfindung, Verbeſſerung undEin -263StaatshaushaltungEinrichtung des Bergbaues, und fuͤr das fuͤrſtliche Jntereſſe zu ſorgen, die metallur - giſche Fabriken, das Schmelz - und Huͤtten - weſen, desgleichen auch die mineraliſchen Er - zeugungen, deren Reinigung und Zuberei - tung, gehoͤren unter ſeine Aufſicht, und ſol - len zum Beßten des Fuͤrſten und des Staa - tes von demſelben bedient werden.

§. 535. Beides, Gold - und Silbermuͤn - zen muͤſſen von gutem Schrote und Korn, und nach dem feſtgeſezten Muͤnzfuſe geſchlagen werden. Damit keine Verfaͤlſchung vorge - he, und nicht zu viel gemuͤnzt werde, darf die Muͤnze nicht wohl verpfachtet werden, ſondern ſie muß von rechtſchaffenen Maͤnnern verſehen, und vom Probierer (Waradein) fleiſig und gewiſſenhaft gepruͤft werden.

§. 536. Wenn das Bergwerksregale Muͤnzmetalle genug ausliefert, ſo iſt die Muͤnze dem Landesherrn ſehr eintraͤglich, weniger aber, wenn die Metalle gekauft wer - den muͤſſen. Daher iſt es dem Fuͤrſten, wel - cher keine, oder wenige Gold - und Silber - bergwerke hat, nuͤzlicher, wenn er nur dieR 4Me -264StaatshaushaltungMetalle, die er hat, vermuͤnzet, und durch Befoͤrderung der Gewerbe fremde Geldſor - ten ins Land zieht. Die Scheidemuͤnze nur zur Nothdurft ausgemuͤnzt, kann ihm den - noch ein Ziemliches eintragen.

§. 537. Wenn ein Landesherr harte Muͤn - zen von ſchlechtem Gehalte, und doch in ho - hem Werthe auspraͤgt, ſo betruͤgt er ſich ſelbſt: denn da an Auslaͤnder Aufgeld darauf be - zahlt werden muß, ſo geht ſo viel mehr Geld aus dem Lande, als es ſchlechter iſt, mit - hin gilt es doch nicht mehr, als es werth iſt; daher erhoͤhen ſich endlich im Lande die Prei - ſe ſo viel mehr, als das Geld ſchlechter iſt, folglich entſteht dadurch uͤberall Verwirrung und Schaden.

§. 538. Bei den Frohndienſten der Bau - ern muß man ſich nach ihren Umſtaͤnden rich - ten. Wenn die Landwirthſchaft, und uͤber - haupt alle Gewerbe im Staate bluͤhen, ſo hat der Bauer Geld und viel Geſchaͤfte, im Gegentheile aber, wenig Geld und weniger Geſchaͤfte. Jm erſten Falle iſt es nuͤzlicher fuͤr ihn, wenn er ſeine Frohndienſte bezahlt,man265Staatshaushaltungman ſezt ihm ſeine Dienſte nach dem Ver - haͤltniſſe des Arbeitslohnes auf ein Geld, und laͤßt es ihn unter dem Namen des Dienſt - geldes bezahlen.

§. 539. Jm zweiten Falle aber, wenn der Bauer wenig Geld hat, ſo iſt es ihm zutraͤg - licher, wenn er die Arbeit thut, und da iſt nur darauf zu ſehen, daß man ihm Arbei - ten anweiſe, die dem Staate und dem Fuͤr - ſten eintraͤglich ſind, und daß nicht lang - ſam und traͤg, ſondern fleiſig gearbeitet werde.

§. 540. Bei den Strafgefaͤllen hat der Fuͤrſt die Abſicht, Ausſchweifungen und La - ſter zu beſtrafen, nicht aber ſeine Einkuͤnfte zu vermehren, es iſt daher nicht dienlich, wenn man Schlaͤgereien und ſolche Verbre - chen mit Geld beſtraft, die durch ſolche Stra - fen nicht gehindert werden. Ein Menſch, der von Rache gluͤht, freut ſich, wenn er ſich raͤchen kann, es mag koſten, was es will. Solcher Unfug ſoll mit Schmach, Betrug und Vervortheilung aber mit Gelde beſtraft wer - den; ſolcher Geſtallt wird allemal der Zweck des Verbrechers vereitelt.

R 5§. 541.266Staatshaushaltung

§. 541. Fuͤr erſt ſoll der Staatswirth darauf ſehen, daß er keine Guͤter und Befriedi - gungsmittel auf einmal zu Contrebande ma - che, welche der Unterthan fuͤr weſentlich haͤlt, denn aller Vorſicht ungeachtet, ſucht ſie der Unterthan zu bekommen: der Fuͤrſt macht alſo ehrliche Leute zu Uebertretter der Geſe - ze; derowegen ſoll man erſt im Lande ſelber etwas zu erzeugen ſuchen, das die Stelle vertreten kann, und dann allmaͤhlig durch Auflagen die Einfuhr des auslaͤndiſchen Produktes zu erſchweren ſuchen, bis man es endlich mit Erfolge ganz verbieten kann.

*Man verbiete zum Beiſpiele einmal den Caffee, und man mache ihn zur Contre - bande, ſo wird man den Erfolg ſehen.
*

§. 542. Wenn man durch Confiſcirung der Guͤter eines Uebelthaͤters die Seinigen arm macht, ſo ſezt man ſie in die Nothwen - digkeit, wieder Verbrecher zu werden; de - rowegen erfodert das Recht der Natur, ih - nen Gelegenheit an die Hand zu geben, da - mit ſie ſich ehrlich ernaͤhren koͤnnen, wenn aber dafuͤr geſorgt iſt, ſo koͤnnen zu Beſtrei -tung267Staatshaushaltungtung des Criminal - oder ſonſtigen Rechts - proceſſes die Guͤter confiſcirt werden.

§. 543. Die Steuern auf die unbewegli - chen Guͤter, oder die Schazung ſoll nach dem Werthe der Nahrungsquelle beſtimmt werden. Die Frage an den Erwerber: Was iſt euch eure Nahrungsquelle werth, wenn ihr ſie verkaufen ſolltet? wird ein Kapital beſtimmen. Wenn nun die Summe, wel - che der Staat jaͤhrlich braucht, ſo ausgeſchla - gen wuͤrde, daß auf jedes Hundert ein Ka - pital des Werthes der Nahrungsquelle, ein gewiſſes Quantum beſtimmt wuͤrde, ſo koͤnn - te es nicht fehlen, der Steueranſchlag wuͤr - de der gerechteſte ſeyn.

§. 544. Der Werth der Nahrungsquellen wechſelt langſam ab, daher braucht die Steu - ermatrikel der beweglichen Guͤter nicht oft veraͤndert zu werden. Aber der Ertrag, oder die beweglichen Guͤter ſind faſt alle Jahr an - ders, und hier haͤlt es ſchon ſchwerer, das Recht zu treffen; doch ſind Zehenten, Zoͤlle, Acciſen, Lizenten und dergleichen Auflagen unter regelmaͤſiger Aufſicht bequem, die Ab -gaben268Staatshaushaltunggaben nach dem Werthe des Ertrages zu be - ſtimmen.

c) Staatswirthſchaft.

§. 545. Alle bis daher vorgelegten Grund - und Heiſcheſaͤze auf die beßte Weiſe auszu - fuͤhren, und wirklich ins Werk zu ſezen, iſt nun eigentlich das Meiſterſtuͤck des Staats - wirthes. Den Staat bluͤhend zu machen, fuͤrſtliche und Staatsbeduͤrfniſſe ordentlich zu befriedigen, ihre Befriedigungsmittel auf die Zukunft zu ſichern, und die Exiſtenz aller dieſer Dinge zu erhoͤhen, das alles ſind Sa - chen, die ſich auf der Studierſtube leicht ent - werfen, aber lange nicht ſo leicht ausfuͤhren laſſen.

*Schriftſteller ſollen ſich derowegen mit Projektmachen nicht abgeben, auſer wo ſichtbare Maͤngel ſind, und das Pro - jekt ſeinen ſichtbaren Werth hat.
*

§. 546. Die eigentliche Staatswirth - ſchaft, in dem Verſtande wie ich das Wort hier verſtehe, begreift das Amt des Regen - ten, und dieſes will ich nach meinen beßten Einſichten in kurzen Grundſaͤzen hier entwer -fen.269Staatshaushaltungfen. Die erſten Pflichten betreffen ſeine ei - gene Perſon, um ſich alle diejenigen Wiſſen - ſchaften eigen zu machen, wodurch er zu ſei - nem hohen Amte tuͤchtig wird. Dieſe Wiſ - ſenſchaften ſind alle diejenigen, welche in die - ſem Buche angewieſen worden, folglich ſaͤmmtliche Kameralwiſſenſchaften mit ihren Hilfswiſſenſchaften. Dazu kommt dann noch die Staatskunſt, mit allem, was dazu ge - hoͤrt. Dieſes iſt alſo auch ein Hauptzweck bei Erziehung der Prinzen.

§. 547. Eine gruͤndliche theoretiſche und praktiſche Religionskaͤnntniß und Ausuͤbung derſelben mit Beſiegung der Leidenſchaften verbunden, iſt der wahre fuͤrſtliche Schmuck, und erhoͤht den Regenten nahe an die Wuͤr - de eines Engels; auch dieſes iſt ein Haupt - zweck bei Erziehung fuͤrſtlicher Kinder.

§. 548. Ein Regent kann unmoͤglich alles ſelber ſehen und verrichten, er hat eine Men - ge Menſchen noͤthig, durch welche er die ge - ſezgebende Gewalt ausfuͤhren laͤßt, aber das iſt traurig, daß alle dieſe Bedienten Men - ſchen, und nicht Engel ſind. Es gibt deren ſehrvie -270Staatshaushaltungviele, die nur den Eigennuz zu ihrem Zwe - cke machen, und da haͤngt zwiſchen dem Au - ge des Fuͤrſten und der Wahrheit eine un - durchdringbare Decke.

§. 549. Derowegen ſoll der Fuͤrſt mit Feu - er und Geiſte getauft ſeyn. Die Unſchuld auch in Bettlerskleidern ſoll ſich ſeinem Thro - ne naͤhern doͤrfen, und geneigtes Gehoͤr fin - den, ſeine Gerechtigkeit ſoll ihm vor der Stirn und im Auge gluͤhen, daß der unge - rechte Hoͤfling ſich entdecken, und vor ihm weg zittern muß. Dieſes erreicht ein Regent durch unermuͤdetes Forſchen und Unterſuchen deſſen, was vorgeht, und durch unausbleib - liche ſchwere Strafen, womit er die Verbre - cher unter ſeiner Dienerſchaft belegt. Hin - gegen durch Gnade und ſtrenge Belohnung der gepruͤften Tugend.

§. 550. Die eigentliche Pflicht des Fuͤrſten iſt, die beßte Beſezung aller Aemter, mit Leuten, die rechtſchaffen und dem Zwecke an - gemeſſen ſind. Und dann, daß er alle dieſe Maͤnner durch weiſe Geſeze vaͤtterlich zum groſen Ziele leite, welches ihm Gott und das Wohl ſeines Staates vorgeſteckt hat.

§. 551.271Staatshaushaltung

§. 551. Das erſte alſo, worauf der Fuͤrſt ſein Augenmerk ſezen ſoll, iſt die Beſtellung ſeines hoͤchſten Regierungskollegiums, auf welches er unmittelbar Einfluß hat. Dieſes ſoll aus Maͤnnern beſtehen, welche vollkom - mene Staatsmaͤnner und Staatswirthe ſind, dieſe verwalten den Staat nach den Geſezen des Fuͤrſten, doch ſo, daß bei allen einzel - nen Faͤllen der Fuͤrſt ihre Schluͤſſe beſtaͤttige, oder verwerfe.

§. 552. Dieſes Collegium beſizt alſo die geſezgebende Gewalt im Staate, und der Regent ſizt in demſelben vor. Hierauf wer - den nun zur Polizei, zur Juſtiz und zu dem Finanzweſen vielerlei Collegien und Aemter beſtellt, die je nach dem Gutfinden des Fuͤr - ſten und der Staatsverfaſſung zuſammen haͤngen.

§. 553. Auf dem Lande, und uͤberall im Staate werden Collegien und einzelne Maͤn - ner beſtellt, von denen unmittelbar die Aus - fuͤhrung abhaͤngt. Ueberall gilt die Regel der genauen Aufſicht, und der Auswahl ge - ſchickter tugendhafter Maͤnner. Und damuß272Staatshaushaltungmuß immer die wirthſchaftliche Regel wohl beobachtet werden: Was durch wenige ver - richtet werden kann, ſoll nicht durch viele geſchehen. Jch kann hier nicht die Grundſaͤze entwerfen, wie alle Aemter be - ſezt, und wie die Ordnungen getroffen wer - den ſollen, das gehoͤrt in die ausfuͤhrliche Staatswirthſchaft.

§. 554. Auf die gute Beſezung der Aem - ter folgt nun die Beſoldung der Dienerſchaft. Dieſe muß allemal dem Amte angemeſſen ſeyn; doch, obgleich der Fuͤrſt reichlich beſolden muß, ſo iſt doch unausbleiblich noͤthig, daß auch hiebei Maaſe gehalten werde. Jeder Diener hat Beduͤrfniſſe, die ſich wie ſein Amt verhalten, weil er ſich ſtandesmaͤſig auffuͤh - ren muß. Da nun der Fuͤrſt die Hof - und Wuͤrdeordnung (Etiquette) beſtimmt, ſo kann er durch Klugheit Wuͤrde erſparen, mit - hin auch Beſoldung.

*Es iſt daher nicht gut, wenn den Beam - ten ein Theil der Beſoldung Titel iſt. Denn wenn die Beſoldung dem Titel nicht angemeſſen iſt, und der Beamte ſich doch ſtandesmaͤſig auffuͤhren will, ſo muß er ausſaugen.
*§. 555.273Staatshaushaltung

§. 555. Wenn der Fuͤrſt ſelber eine maͤ - ſige Tafel haͤlt, und maͤſigen Aufwand macht, ſo wird er dadurch ungemein viel Gutes ſtif - ten. Denn der hoͤchſte Miniſter fuͤhlt doch immer den groſen Abſtand zwiſchen ſich und dem Fuͤrſten, er wird daher gezwungen, auch maͤſig und ſparſam zu ſeyn, und ſo wuͤrkt dieſes Beiſpiel die Reihe herunter bis zum geringſten Polizeibedienten. Und eben da - durch, wenn der Fuͤrſt wenige, aber recht - ſchaffene Diener hat, wenn er ſelbige fuͤrſt - lich aber doch wirthſchaftlich beſoldet, und endlich wenn er ihnen in Gottesfurcht, Ernſt, Weisheit, Geſchicklichkeit und Maͤſigkeit vor - geht, ſo hat er gewiß nicht zu befuͤrchten, daß ihm ſein hoͤchſter Zweck mislingen werde.

§. 556. Es iſt aͤuſſerſt wichtig, daß ſich der Staatswirth mit tuͤchtigen hohen Schu - len verſehe, auf welchen beſtaͤndig fort Maͤn - ner erzogen werden, die er zu allen Faͤchern ſeiner Bedienungen brauchen kann, und da iſt gewiß keine Fakultaͤt nuͤzlicher, als naͤchſt der juriſtiſchen die kameraliſtiſche. Leztere iſt dem ungeachtet noch von ausgebreiteterem Nuzen, als die erſtere, weilen ſie auſſer der Juſtiz undSder274Staatshaushaltungder eigentlichen Staatskunde alles in ſich be - greift, was zur Landesregierung und zur Erwerbung der Befriedigungsmittel gehoͤrt.

*Vielleicht wird den andern Fakultaͤten dieſer Saz partheiiſch vorkommen, aber die Wahrheit der Sache redet fuͤr mich.
*

§. 557. Die Beſezung der hohen Schu - len erfordert einen gelehrten Vorſtand, der faͤhig iſt, Maͤnner von Genie und mit reifer Thaͤtigkeit ausgeruͤſtet, zu waͤhlen und aus - zuſuchen. Dieſe muß der Fuͤrſt ordentlich beſolden und begnadigen, damit er ſie ha - ben koͤnne, und ſie willig dem Berufe folgen moͤgen. Auch muß den Lehrern die Juris - diktion uͤber ihre Studenten zugeſtanden wer - den, damit ſie nach ihrer beſten Einſicht die Studien leiten und zum erwuͤnſchten Zwecke fuͤhren koͤnnen. Aus dieſen Pflanzgaͤrten der Weisheit kann der Fuͤrſt ſeine Bedienten nehmen, und ſie von den geringſten zu den ſchwereſten Aemtern aufruͤcken laſſen.

§. 558. Sowohl die aͤuſſere Vertheidigung des Staates, als der innere Schuz und Ruhe deſſelben erfodert einen Wehrſtand, einen Kriegsſtaat. Fuͤrſten, deren Staaten nichtſtark275Staatshaushaltungſtark genug ſind, ſich gegen jede Gewalt zu ſchuͤzen, ſollen ſich durch Buͤndniſſe mit maͤch - tigern Staaten in Sicherheit ſtellen, und de - rowegen in Friedenszeiten nicht mehr Sol - daten halten, als zur Sicherheit der Fuͤrſtli - chen Perſonen und des Staates noͤthig iſt. Bei Kriegszeiten aber muß die Anzahl, wel - che der Fuͤrſt zur Armee abzugeben hat, neu geworben, dieſe als unverſuchte und noch nicht geſchickte Leute muͤſſen im Staate ſelber ange - fuͤhrt, an deren Stelle aber aus den geuͤbten Kriegsvoͤlkern das Kontingent geſtellt werden.

§. 559. Der Kriegsſtaat erfodert ein be - ſonderes Kriegsdirektorium, welches entwe - der unmittelbar vom Kabinet oder auch von der Konferenz abhangen kann. Erſteres iſt vielleicht das beſte, doch nachdem die Staats - verfaſſung eingerichtet iſt. Der Kriegsſtand muß aus den Landesſteuern erhalten und be - ſoldet werden.

§. 560. Zu Friedenszeiten ſowohl als in Kriegeslaͤuften ſind Maͤnner noͤthig, welche auf das Verhaͤltniß wachen, das der Staat mit andern Staaten hat. Es koͤnnen an an - dern Hoͤfen allerhand Maasregeln genommenS 2wer -276Staatshaushaltungwerden, die einem Fuͤrſten und ſeinen Laͤn - dern entweder hoͤchſt nachtheilig, oder hoͤchſt nuͤzlich ſind: in beiden Faͤllen iſt Wachſam - keit noͤthig, um uͤberall zum Nuzen des Staates mitzuwirken.

§. 561. Dieſes wird durch ein Kollegium, oder wenn der Staat nicht gar gros iſt, durch einen Miniſter der auslaͤndiſchen Sachen be - ſorgt. Desgleichen werden ordentliche, auſſer - ordentliche Geſandten und Sachwalter ab - geſchickt, die entweder ſich beſtaͤndig an einem fremden Hofe aufhalten, oder nur ihre Geſchaͤf - te ausrichten, und alsdann wieder abziehen. Zu allen dieſen Aemtern werden vornemlich weiſe und erfahrne Staatsmaͤnner erfodert.

§. 562. Wenn nun auf ſolche Weiſe die aͤuſſere und innere Staatsbeduͤrfniſſe befrie - diget ſind, ſo muͤſſen auch die fuͤrſtlichen be - friediget werden. Dazu gehoͤrt nun ein ſtan - desmaͤſiger Hofſtaat, Wohnung und Unter - halt. Bei dem Hofſtaate muß darauf geſe - hen werden, daß zwar genugſame Bedienten, aber keine uͤberfluͤſigen gehalten werden, und daß durch wachſame Aufſicht der Hofmar - ſchaͤlle und Hofmeiſter ein jeder ſeiner Pflicht Genuͤge thue.

§. 563.277Staatshaushaltung

§. 563. Wenn der Fuͤrſt vom Baugeiſte regiert wird, ſo kann er dadurch ſeinem Staate unſaͤglichen Schaden thun. Wenn er ſeine Pallaͤſte und Schloͤſſer immer unter genauer Aufſicht haͤlt, und nichts verfallen laͤßt, ſo handelt er wirthſchaftlich, und wird nie groſ - ſe Summen aufs Bauen zu verwenden haben.

§. 564. Ueber alles aber iſt die beſte Er - ziehung der fuͤrſtlichen Kinder ein hohes Be - duͤrfniß, und dazu muͤſſen gewiſſenhafte Maͤnner gebraucht werden, welche den noͤ - thigen Unterricht auf die beſte Weiſe ertheilen, damit ſolche Kinder nicht durch Schmeichelei verdorben, und zwar zur Erkaͤntniß ihres hohen Standes, aber nicht zur Erkaͤnntniß ihrer hohen Pflichten geleitet werden.

§. 565. Die Quellen der fuͤrſtlichen Einkuͤnf - te muß der Fuͤrſt durch geſchickte Maͤnner bedie - nen laſſen. Und den Ueberſchuß der Einkuͤnfte aus denſelben, den reinen Ertrag, muß er zur Verbeſſerung und Vermehrung derſelben an - wenden, damit ſeiñe Nachfolger ebenfalls ge - nugſamen und anſtaͤndigen Unterhalt finden moͤgen.

S 3§. 566278Staatshaushaltung

§. 566. Eben ſo muß er den reinen Ertrag der Staatscaſſa dem Staat rentbar machen. Dieſes geſchieht, wenn er die Gewerbe er - leichtert, verbeſſert und beſonders durch gu - te Landſtraſſen, nuͤzliche publique Anſtalten, die wiederum Einkuͤnfte abwerfen koͤnnen, Waſſerbau, Waſſerleitungen, Bruͤcken - und Schleuſſenbau, Kanaͤle, Urbarmachung oͤder Gegenden und dergleichen, zum allgemeinen Nuzen wirkſam iſt.

§. 567. Endlich muß der Fuͤrſt auch ei - nen Vorrath an Geld auf den Nothfall zu - ruͤck halten, weil nicht immer in der Ge - ſchwindigkeit, die erfordert wird, das Geld aus dem Staate gehoben werden kann.

§. 568. Ein Vatter des Vatterlandes, ein weiſer, kluger, frommer und wohlthaͤti - ger Fuͤrſt, wird allemal Mittel und Wege ge - nug finden und aufzuraͤumen wiſſen, wodurch er ſich und ſeinen Staat gluͤcklich machen kann. Jn jener Welt, wo die andere Waagſchale haͤngt, die mit dieſer, worinnen unſere Hand - lungen liegen, immer in gleichem Verhaͤlt - niſſe ſteht, wird der fromme Fuͤrſt eben ſo vor - zuͤglich belohnt und erhoben werden, als derboͤſe279Staatshaushaltungboͤſe Fuͤrſt, den man gewogen und zu leicht gefunden hat, ſeiner vorzuͤglichen Strafen kein Ende ſehen wird.

Ruckblick aufs Ganze.

Dieſer Entwurf enthaͤlt die Gedankenrei - he, alle die an einander geketteten Vorſtellun - gen, die ich mir bei dem Antritte meines Amtes von den Kameralwiſſenſchaften machte. Und ſo wie ich die Sachen dachte und empfand, ſo habe ich ſie niedergeſchrieben und dieſen Winter uͤber meinen Zuhoͤrern erklaͤrt. Jch habe weder bei dem Schreiben noch Erklaͤren mich fremder Huͤlfe bedienen wollen, weil ich dieſen Verſuch, was die Lehrſaͤze betrift, weder fuͤr unzweifelbare Wahrheiten, die nicht zu verbeſſern waͤren, auszugeben wil - lens bin, ſondern es war mir nur um ein Lehrgebaͤud, oder beſſer um einen Grund - riß zu thun, auf den ich mein kuͤnftiges Ge - baͤud aufzurichten gedenke. Die Abſchnitte, Hauptſtuͤcke und Paragraphen dieſes Buches ſehe ich gleichſam als ſo viel leere Faͤcher an, wovon der Jnnhalt nur die Aufſchrift iſt, und in welche ich nun fremde und eigene, mitgroͤſter280Staatshaushaltunggroͤſter Strenge, Wahrheitsliebe und Unpar - theilichkeit gepruͤfte Erfahrungen hineintra - gen, und ſolchergeſtalt, wills Gott! tuͤchti - ge Lehr - und Leſebuͤcher fuͤr meine Zuhoͤrer und Leſer verfaſſen will; und ſo wie das ge - ſchehen wird, will ich auch hier in dieſem Werk aͤndern, ab - und zuthun, bis es end - lich kein Verſuch mehr, ſondern eine wahre Grundlehre ſaͤmtlicher Kameralwiſſenſchaften heiſſen kann.

Sie, meine Herren! edle Juͤnglinge! die Sie ſich meiner Fuͤhrung anvertraut haben, entlaſſe ich fuͤr diesmal, mit der wohlgemein - ten treuen Bitte, nun erſt mit mir von vor - nen anzufangen, um mit Feuer und Kraft auf dieſen Grundwahrheiten zu bauen, die Jhnen, ihren Fuͤrſten, ihren Staaten und uͤberhaupt dem ganzen deutſchen Vatterlande eine unverſiegbare Quelle wahrer Gluͤckſeelig - keit werden koͤnnen. Dieſer rechtſchaffene Vorſaz, wenn er wohl ausgefuͤhrt wird, wird uns alle ſauere Tritte dieſes Lebens verſuͤſſen; und uns in der Todesſtunde den Troſt einer ewigen Belohnung gewaͤhren. Dieſes allein ſei uns Reiz genug, wahre Kameraliſten

zu werden.[281]
[282][283][284][285]

About this transcription

TextVersuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften
Author Johann Heinrich Jung-Stilling
Extent305 images; 40001 tokens; 7260 types; 301072 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationVersuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften Zum Gebrauche der Vorlesungen auf der Kurpfälzischen Kameral Hohenschule zu Lautern Johann Heinrich Jung-Stilling. . [8] Bl., 280 S. Verlag der GesellschaftLautern1779.

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SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 POL III, 526

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Kameralwissenschaft; Wissenschaft; Kameralwissenschaft; core; ready; china

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Editorial principles

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  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
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ShelfmarkSUB Göttingen, 8 POL III, 526
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