PRIMS Full-text transcription (HTML)
Geſchichte und Beſchreibung von Japan
Aus den Originalhandſchriften des Verfaſſers
Zweiter und lezter Band.
Mit Kupfern und Charten.
Lemgo,im Verlage der Meyerſchen Buchhandlung,1779.
[figure]

Vorrede.

Jch liefere hier in dem zweiten und lezten Bande dieſes Werks, meinem Verſprechen gemaͤs, das vierte und fuͤnfte Buch der Geſchichte und Beſchreibung, und die hieher gehoͤrenden Abhandlungen aus den Amoenitatibus exoticis, alſo alles, was ich bis izt von Kaͤmpfern uͤber Japan geben konte. Jch darf hof - fen, daß der Jnhalt dieſes Bandes den Leſern eben ſo wichtig und wil - kommen ſeyn werde, als der des erſten, und vielleicht wird er manchem noch reichhaltiger ſcheinen.

Meine Bemuͤhung bei dieſem Bande iſt der bei dem erſten voͤllig gleichfoͤrmig geweſen; ich habe die in der Einleitung angegebene Re - geln allemal ſtreng zu beobachten, und dem Publikum dieſes wichtige Werk ſo zuverlaͤſſig und genau zu liefern geſucht, als es mir nur moͤg - lich war. Nie wird mich dieſe Arbeit gereuen, wenn ich damit den Beifal der Kenner zu verdienen gluͤklich genug geweſen bin.

) (2AufVorrede.

Auf die S. LVI. der Einleitung gethane Anfrage habe ich keine ſolche Antwort erhalten, wie ich ſie fuͤr die Wiſſenſchaften wuͤnſchte. Zwar haben ſich einzelne warme Freunde derſelben als kuͤnftig ſichre Kaͤufer Kaͤmpferiſcher Schriften angegeben, aber in ſo ſparſamer Anzahl, daß die Verlagshandlung es nicht wagen konte, ein ſo koſtbares Unter - nehmen bei der faſt gewiſſen Ausſicht des Verluſts anzufangen. Die an - gebotene ſeltene Gefaͤlligkeit der ruhmwuͤrdigen Aufſeher des Brittiſchen Muſeums iſt alſo umſonſt, und die Hofnung, ſo wichtige und mit ſo muͤhvoller Beſchwerde erkaufte Werke unſers edlen Deutſchen der Ge - fahr der Vernichtung zu entziehn, mus vors erſte voͤllig aufgegeben werden. Vielleicht wird einmal in England die Aufmerkſamkeit des Publikums auf dieſe Schaͤtze mit mehr Gluͤk geleitet, als in unſerm Deutſchland, wo Kaͤmpfers erneuertes Andenken nur dazu gedient hat, daß wir doch nunmehr ziemlich genau wiſſen, welche Werke es ſind, die noch verloren gehen koͤnnen.

Die verſprochnen Zuſaͤtze und Ergaͤnzungen werden dagegen zu - verlaͤſſig dermaleinſt als ein eignes Werk erſcheinen, wenn mir anders Leben, Geſundheit und Muſſe erhalten wird. Caſſel den 25ten Maͤrz 1779.

Dohm.

Jnhalt

Jnhalt des zweiten Bandes.

  • Viertes Buch. Welches die Beſchreibung von Nangaſacki und Geſchichte des Handels der fremden Natio - nen nach Japan enthaͤlt.
    • Erſtes Kapitel. Von der Lage der Stadt Nangaſacki, ihrem Hafen, ihren oͤffentlichen und Privat - gebaͤuden. Seite 3.
    • Zweites Kapitel. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. S. 16.
    • Drittes Kapitel. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki und ihre Einwohner, auch von der Re - gierung des umliegenden platten Landes. S. 29.
    • Viertes Kapitel. Von den Tempeln und der Getſtlichkeit dieſer Stadt. S. 43.
    • Fuͤnftes Kapitel. Von der Portugieſen und Caſtilianer Aukunft, Aufnahme, Handel und endlicher Vertilgung in Japan. S. 58.
    • Sechſtes Kapitel. Von der Verfaſſung der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt. S. 70.
    • Siebentes Kapitel. Genaue Nachricht vom Handel der Hollaͤnder in Japan, und vorzuͤglich von den verſchiednen Zuͤnften, die wegen des Handels errichtet ſind. S. 89.
    • Achtes Kapitel. Fortgeſezte beſondre Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. S. 97.
    • Neuntes Kapitel. Vom Handel der Sineſen auf Japan, und wie man ſie hier behandelt. S. 122.
    • Zehntes Kapitel. Einige Plakate, Paͤſſe und Freibriefe, derer im vorigen gedacht worden. S. 129.
  • Fuͤnftes Buch. Welches die Beſchreibung der doppelten Reiſe des Verfaſſers von Nangaſacki nach dem kai - ſerlichen Hofe zu Jedo enthaͤlt.
    • Erſtes Kapitel. Vorbereitungen zu unſerer Hofreiſe, und Beſchreibung der inkaͤndiſchen Art zu reiſen. S. 143.
    • Zweites Kapitel. Algemeine Beſchreibung und Beſchaffenheit des Weges zu Waſſer und zu Lande von Nanga - gaſacki bis in die Reſidenz Jedo. S. 153.
    • Drittes Kapitel. Algemeine Beſchreibung der weltlichen und geiſtlichen, auch anderer Gebaͤude, die uns, auf oͤffentlichen Wegen vorgekommen. S. 159.
    • Viertes Kapitel. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, Garkuͤchen, Theebuden. S. 168.
    • Fuͤnftes Kapitel. Von dem Gewimmel der Menſchen, die den Weg taͤglich bereiſen, und darauf ihre Nahrung ſuchen. S. 178.
    • Sechſtes Kapitel. Von der Reiſe der Hollaͤnder an den kaiſerlichen Hof, und der Begegnung, die ſie auf derſelben erfahren. S. 188.
    • Siebentes Kapitel. Unſere Reiſe zu Lande von Nagaſacki bis Kokura, angetreten den 13ten Februar 1691. S. 198.
    • Achtes Kapitel. Reiſe von Kokura bis Oſacka, angetreten den 17ten Febr. 1691. S. 210.
    • Neuntes Kapitel. Reiſe von Oſacka bis Miaco, und beider Staͤdte Beſchreibung. S. 223.
    • Zehntes Kapitel. Reiſe von Miaco bis Famma matz, 63 Meilen (als der halbe Weg bis Jebo). S. 239.
    • Eilftes Kapitel. Fortſetzung unſerer Reiſe von Famma matz bis zur kaiſerlichen Reſidenz Jebo. (60 Japaniſche Meilen und 38 Straßen). S. 253.
    • Zwoͤlftes Kapitel. Beſchreibung der Stadt und Schloffes Jedo. Einige Vorfaͤlle daſelbſt. Unſere Audienz und Abſchied. S. 271.
    • Dreizehntes Kapitel. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki, und was darauf vorgefallen. S. 291.
    • Vierzehntes Kapitel. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. S. 329.
    • Funfzehntes Kapitel. Ruͤkreiſe von Jebo bis Nagaſacki. S. 358.
  • Anhang, welcher die in den Amoenitatibus exoticis des Verfaſſers befindliche Abhandlungen uͤber Ja - pan, aus der lateiniſchen Urſchrift uͤberſezt, enthaͤlt.
    • I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. S. 385.
    • II. Beweis, daß im Japaniſchen Reiche aus ſehr guten Gruͤnden den Eingebornen der Ausgang, fremden Nationen der Eingang, und alle Gemeinſchaft dieſes Landes mit der uͤbrigen Welt unterſagt ſey. S. 394.
    • Nacherinnerung des Herausgebers. S. 414.
    • III. Von der bei den Japanern uͤblichen Kur der Kolik durch die Akupunktur oder das Stechen mit der Nadel. S. 423.
    • IV. Von der Mora, dem vortreflichſten Brenmittel, das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤu - fig gebraucht wird. S. 429.
    • V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. S. 442.
    • Nacherinnerung des Herausgebers. S. 461.
    • VI. Vom Ambra. S. 465.
Engelbert
[1]

Engelbert Kaͤmpfers Geſchichte und Beſchreibung von Japan Viertes Buch. Welches die Beſchreibung von Nangaſacki und Geſchichte des Handels der fremden Nationen nach Japan enthaͤlt.

Zweiter Band. A[2][3]
[figure]

Erſtes Kapitel. Von der Lage der Stadt Nangaſacki, ihrem Hafen, ihren oͤffentlichen und Privatgebaͤuden.

Zu den kaiſerlichen Domainen gehoͤren auch die Gokosjo. So nent man in Japan die fuͤnf vornehmſten See - und Landſtaͤdte des Reichs, nemlich Miako in der Provinz Jamaſiro, Jedo in der Provinz Muſaſj, Ooſaka in Setz, Sakai in Jdſimi und Nagaſacki in Fiſen. Die vier erſtern liegen auf der großen Jnſel Nipon und fruchtbarem Boden. Sie haben den innern Seehandel, Manufakturen und zum Theil reiche Einwohner. Sie beſitzen auch darin eine viel beſſere Nahrung als andere Staͤdte des Landes, daß zwei die Reſidenz der beiden kaiſerlichen Hoͤfe ſind, und die andere doch faſt beſtaͤndig von vielen Fuͤrſtlichen und andern Perſonen auf der Reiſe von und nach dem Hofe beſucht werden.

A 2Nan -4Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Nangaſacki aber liegt am weſtlichen Ende der Jnſel Kjusju zwiſchen rauhen Gebirgen auf ſchlechtem Boden, entfernt an dieſem aͤußerſten Winkel des Reichs vom volk - reichen Nipon und dem innern Handel, und nunmehr auch von dem auswaͤrtigen Handel mit fremden Nationen faſt ganz abgeſchnitten. Daher findet man hier wenige Manufak - turiers, Kapitaliſten, Kaufleute, Kraͤmer und Wirthe, und meiſtens nur gemeine Ein - wohner und Tagloͤhner, die ihre Nahrung durch taͤgliche Arbeit verdienen muͤſſen. Doch aber macht der bequeme und wohlgeſchlosne Hafen dieſe Stadt zu der algemeinen Nieder - lage aller auslaͤndiſchen zugelasnen Schiffe, die denn hier ihre eingefuͤhrte, nicht verbotne Waaren an die inlaͤndiſchen Kaufleute oder Faktors verhandeln, die zu beſtimten Zeiten des Jahrs aus verſchiednen Provinzen und Staͤdten des Reichs ſich hier zuſam - menfinden.

Jn den neueſten Verſuͤgungen wegen Behandlung der Fremden, die im Jahr 1638 auf die letzte grauſame Vertilgung der Chriſten folgte, erhielt Nangaſacki den Vorzug, daß an keinem andern Orte des Reichs die noch geduldeten Fremden aufgenommen wer - den koͤnnen, als hier. Auch wenn ſie durch Sturm an eine andre japaniſche Kuͤſte ver - ſchlagen ſind, muͤſſen ſie hierher gebracht werden, und auch durch guͤltige Zeugniſſe das ihnen wiederfahrne Ungluͤk beweiſen. Die beiden einzigen fremden Nationen, welche ſich noch jetzt dieſer ſo eingeſchraͤnkten Freiheit zu erfreuen haben, ſind die Sineſer und die ſich dieſes Namens bedienen, und die Hollaͤnder.

Der Hafen nimt Nordwaͤrts von der Stadt einen ſchmalen Anfang, mit einem un - tiefen, bei der Ebbe abfließendem, moderigem Grunde. Einige Bergfluͤſſe fallen hier noch hinein. Er wird dadurch alſobald breiter und tiefer, und ſobald er der Stadt naͤher ge - kommen, und die Breite einer halben Meile, ſo wie die Tiefen von fuͤnf bis ſechs Klaftern erreicht hat, wendet er ſich, und ſtreicht zwiſchen den Bergen des feſten Landes, etwa in der Breite von ¼ Meile, eine ganze Meile ſuͤdweſtlich fort, bis er eine Jnſel oder viel - mehr nur einen von der See umflosnen Berg erreicht, der Taka Jama oder Taka Boko heiſt, welches Bambuspik oder hoher Berg bedeutet. Man erzaͤhlt noch eine fabelhafte Tradition, daß die roͤmiſch-katholiſchen Prieſter von dieſem Berge herabgeſtuͤrzt waͤren, und deswegen nennen ihn die Hollaͤnder Papenberg. Er iſt der gewoͤhnliche Ankerplatz al - ler abfahrenden Schiffe. Man wuͤrde von hier die ofne See nach einer Meile erreichen, wenn nicht die klippige Untiefe die Durchfarth hinderte. Man pflegt alſo von hier zwiſchen verſchiednen Jnſeln und hart an dem rechtsliegenden feſten Lande weſtwaͤrts durchzufahren. Ein ziemlich langer Umweg, auf dem man nur ganz almaͤhlig aus dem Hafen in die ofne See koͤmmt. Laͤngs dem Hafen liegen verſchiedne Baſtionen, die aber nicht mit Kanonen beſetzt ſind. Eine halbe Meile von der Stadt ſind an beiden Ufern ofne, unbeſchanzte Wa -chen.5Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. chen. Die Manſchaft von beiden beſteht aus 700 Koͤpfen,*)Die engliſche Ueberſetzung giebt jeder ſo viel. aus welchen auch die taͤgli - chen Ruderbarken nebſt einer taͤglichen Wachtbarke im Hafen der Stadt beſetzt werden. Unweit dem Papenberge, wo eigentlich der rechte Hafen angeht, liegt eine Jnſel, an welcher das lezte portugieſiſche Schif, welches 1642 von Makao hieher geſandt war, mit ſeiner ganzen Ladung verbrant wurde. Eben dieſer Ort iſt auch fuͤr die Zukunft dergleichen Handlungen gewidmet, und heißt daher: der Brandplatz feindlicher Schiffe.

Jn dieſem Hafen ſieht man ſelten weniger als 50 japaniſche Barken, und einige hun - dert Fiſcher und andre Fahrzeuge. Auch liegen (außer in einigen wenigen Wintermona - ten) ſelten weniger als dreißig fremde Junken hier vor Anker. Die wenigen hollaͤndiſchen Schiffe verweilen hier ſelten und hoͤchſtens drei Herbſtmonate, waͤhrend welcher die weſtli - chen Winde mit nord-oͤſtlichen (die zur Abfarth noͤthig ſind) abzuwechſeln pflegen. Der Ankerplatz iſt unter der Stadt etwa einen Musketenſchus von derſelben am Ende des Buſens und kan von den kaiſerlichen Wachten erreicht werden. Der Boden iſt Kley-Grund, bei hohem Waſſer liegen die Schiffe auf ſechs Klafter geankert, bei der Ebbe flieſt das Waſ - ſer Klafter ab.

Die Stadt Nangaſacki liegt unter 32 Grad 36 Min. Norderbreite, und unter 151 Gr. der Laͤnge, beinahe am Ende und dem breiteſten Theile des Meerbuſens, der hier durch ſeine Wendung nach Norden ein krummes Ufer macht. Weil ſich die Gebirge hier nach Oſten oͤfnen, ſo liegt die Stadt in einem Thale unter ihnen, beinahe in der Geſtalt eines halben Mondes, der ſich aber etwas der Figur eines Triangels naͤhert. Die Laͤnge der Stadt iſt alſo laͤngs dem Ufer hin etwa ¾ Meile, und die Breite, welche in einer lan - gen Hauptgaſſe durch das Thal fortſtreicht, nicht viel weniger. Die Gebirge, welche die Stadt umgeben, ſind nicht gar hoch, doch ziemlich ſteil, allenthalben aber gruͤn und an - genehm. Jm Aufklimmen ſtoͤſt man immer auf Tempel, die mit Buſchwerk umgeben ſind, und uͤber die Stadt hervorragen, und uͤber dieſen wieder bis ganz zu den oberſten Gipfeln, hervorſtehende Grabſtaͤte und Gaͤrten; ſo daß das Ganze wirklich einen ausneh - mend anmuthigen und ganz neuen und ungewohnten Anblik giebt.

Die naͤchſte einigermaßen merkwuͤrdige und betraͤchtlich große Orte ſind gegen Suͤdweſt der kleine Flecken Fukafori, etwa fuͤnf Japaniſche Seemeilen (d. i. zwei kleine deutſche Meilen) von der Stadt Nangaſacki. Dieſer Flecken hat ein kleines Fort oder Kaſtel, die Reſidenz eines Bugjio, der den ganzen Diſtrikt, welcher zu dieſem Flecken gehoͤrt, fuͤr den Fuͤrſt von Fiſen, ſeinen Erbherrn, verwaltet. Dieſer Diſtrikt liefert un - gemein viel Brennholz und jaͤhrlich drei Mangokf Einkuͤnfte, ob ſie gleich in dem algemei - nen Reichskataſter nur zu einem Mangokf angeſetzt ſind.

A 3Nicht6Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Nicht weit von dem Flecken iſt auch ein großer Teich, der mit Baͤumen umge - ben iſt, und von dem man doch die wunderbare Eigenſchaft erzaͤhlt, daß man nie Blaͤtter oder irgend einige Unreinigkeiten an ihm wahrnehme, welches die Einwohner der ausneh - menden Reinigkeit des Geiſtes zuſchreiben, welcher dieſen Teich beherrſcht. Aus Ehrfurcht moͤgen ſie auch in demſelben nicht einmal fiſchen.

Nordwaͤrts von Nangaſacki liegt an einem Seebuſen die fuͤrſtliche Stadt und Re - ſidenz Omura im Diſtrict gleiches Namens. Einige Meilen weiter nach Oſten hin an einem Arm des Buſens von Simabara liegt die Stadt Jſafai, die dem Prinz von Fi - ſen gehoͤrte.

Die Stadt Nangaſacki ſelbſt iſt ganz offen, wie die meiſten Staͤdte in Japan, ohne Kaſtel, Wal, Mauern und Graben. Jhre Gaſſen ſind ziemlich eng und krum, und wegen der anliegenden Gebirge laufen ſie almaͤhlig hoͤher hinauf, bis ſie an der Berg - ſeite bei den Tempeln ſich endigen.

Drei Fluͤſſe (deren Waſſer ſuͤß*)Freſh water ſagt Scheuchzer. iſt) fließen vom Gebirge durch die Stadt, der groͤſte durch das oͤſtliche Thal. Sie haben nur wenig Waſſer und ſoviel als zur Bewaͤſſe - rung einiger Reisfelder und Forttreibung einiger ſchlechten Muͤhlen genug iſt. Doch haben ſie bei Platzregen und ploͤtzlichem Anwuchs auch wol Haͤuſer weggeſpuͤlt.

Dieſe Stadt hat noch den Stamnamen ihrer vorigen Erbherrn, welche dieſen Land - ſtrich von 3000 Kokf jaͤhrlichen Einkommens, von dem erſten dieſes Namens Nagaſaki Kotaro bis zu dem zwoͤlften und letzten Nachkommen Nagaſaki Sjinſeiemon beſeſſen ha - ben. Von der erblichen Reſidenz dieſer Fuͤrſten zeigt man noch jetzt die ſteinernen Truͤmmer auf dem Gipfel des Bergs hinter der Stadt. Durch Ausgang dieſer Linie iſt vor 300 Jah - ren dieſer ganze Diſtrikt an das fuͤrſtliche Haus Omura gekommen. Damals lag auf dem Platz der jetzigen Stadt nichts als ein ſchlechtes Fiſcherdorf mit einigen Aeckern, welches damals nur nach ſeinem Hafen Fukaje oder Trije d. i. langer Seebuſen genant wurde. Man unterſchied es dadurch von dem vor dem Hafen gelegnen Flecken, Fukafori d. i. der lange Teich, ein Name, der noch jetzt fortdauert. Der neue Beſitzer gab dem Dorf den neuen und eignen Namen Nangaſacki, und durch ſeine Sorgfalt und Bemuͤhungen wuchs es almaͤhlig zu einem ziemlichen und betraͤchtlichen Flecken an.

Jn dieſem Zuſtand befand ſich Nangaſacki, als die Portugieſen zuerſt in Japan ankamen. Sie genoſſen, ſo wie die Sineſer, die Freiheit, nach Belieben in verſchiede - nen Haͤfen zu landen, ließen ſich auch an verſchiedenen Orten auf Saikokf nieder, vor - nehmlich in der Provinz Bungo und Fiſen. Jn letztrer zuerſt bei einem Dorf Fakuda, das auf der Jnſel Firando liegt, nicht weit von dem Eingange des Hafens Nagaſaki zurLinken,

TAB. XIX.

7Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. Linken, etwa ſechs japaniſche Seemeilen oder zwei gute deutſche Meilen von der Stadt am feſten Ufer. Dieſer Ort gehoͤrte dem Fuͤrſten von Omura. Darnach ſetzten ſie ſich in dem vorhererwaͤhnten Fukafori feſt. An dieſem und allen andern Orten waren immer zwei Dinge die wichtigſten Gegenſtaͤnde ihrer Bemuͤhung und Aufmerkſamkeit, ihren Handel zu betreiben und die chriſtliche Religion auszubreiten. Jn beiden kamen ſie ſehr gut fort, weil ſich eine natuͤrliche Gleichheit zwiſchen ihnen und den Japanern fand, und ſie gewannen wirklich das Herz ſowol einiger Großen als auch beſonders des gemeinen Mannes.

Nach einiger Zeit erklaͤrte ſich der Fuͤrſt von Omura ſelbſt fuͤr den chriſtlich-roͤmi - ſchen Glauben, und veranlaſte die Portugieſen, ſich auch in Nangaſacki niederzulaſſen. Dieſer Flecken war damals ſchon bis zu 23 Gaſſen angewachſen, und machte denjenigen Theil aus, der jetzt Utſimatz oder die innere Stadt heißt und nunmehr aus 26 Gaſſen be - ſteht. Jn dieſem Zuſtande uͤbergab der Fuͤrſt den Portugieſen den Flecken und ſchenkte ihnen denſelben als ihr Eigenthum, damit ſie hier ein feſtes Etabliſſement fuͤr ihre Nation, ihren Handel und Ausbreitung ihrer Religion haben moͤchten. Jch wil nicht entſcheiden, ob der Fuͤrſt wirklich aus wahrer Neigung fuͤr die chriſtliche Religion, oder auch durch die Betrach - tung, daß er ſeinen Hafen fuͤr den neuen Handel bequem, und dieſem ſeinem Lande zutraͤg - lich hielt, zu dieſem Betragen ſey bewogen worden? So viel iſt gewiß, daß beide Bemuͤ - hungen mit dem gluͤcklichſten Fortgang begleitet wurden, obgleich am Ende nicht mit einem eben ſo gluͤcklichen Ausgang. Der Zuſammenfluß des neuen Handels zog auch bald viele ſineſiſche Schiffe in den hieſigen Hafen, und aus verſchiedenen Provinzen, Staͤdten und Doͤrfern Japans war ein großer Zulauf von Menſchen, die ſich der guten Nahrung wegen in Nangaſacki niederließen. Nach den verſchiednen Provinzen, aus denen dieſe neuen Ein - wohner kamen, wurden denn auch die verſchiednen Gaſſen benant, z. E. Bungomatz, Je - domatz, Kabaſimamatz, Firedomatz, Omuramatz, Simabaramatz u. ſ. w. Andre Gaſ - ſen fuͤhren auch den beſondern Namen einer Bunts, d. i. eines erſten Ankoͤmlings oder Ko - loniſten, der die Straße auf ſeine Koſten angelegt hat. Und ſo iſt dieſer Flecken in ſehr kur - zer Zeit eine bluͤhende und volkreiche See-und Handelsſtadt geworden, in der man jetzt 87 dicht bebauete und volkreiche Straßen zaͤhlt.

Der große Flor von Nangaſacki erregte die eiferſuͤchtige Aufmerkſamkeit des damals regierenden weltlichen Erbkaiſers Taiko. *)Der beruͤhmte Taiko oder Taikoſama, der erſte weltliche unumſchraͤnkte Monarch. Er. ſtarb 1598 S. oben Band 1 p. 237 und 247.Er verwieß dem Fuͤrſten von Omura ſehr ernſtlich, daß er einen ſo wichtigen Platz an Fremde uͤberlaſſen habe, und ſetzte hinzu, daß er ſich genoͤthigt ſaͤhe, den Ort unter ſeine eigne Herrſchaft zu ziehn, da er ſaͤhe, daß der Fuͤrſt zur Regierung deſſelben unfaͤhig ſey. Das ſtolze Betragen der Portugieſen trug hierzuſehr8Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. ſehr vieles bei, welchen bei ihrem großen Gluͤk die zuerſt angenommene Demuth gegen die Großen des Reichs bald zu laͤſtig wurde. Ein alter Japaner erzaͤhlte mir folgende Geſchichte, welche die kaiſerliche Ungnade vorzuͤglich ſol verurſacht und zum Ausbruch gereizt haben.

Wie einmal der Kaiſer, um ſeinen kriegeriſchen Unternehmungen auf Korea naͤher zu ſeyn, einige Zeit ſeine Reſidenz in Fakatta gewaͤhlt hatte, begegnete ein portugieſiſcher Geiſtlicher verſchiednemal auf dem Wege nach Hofe einem Kaiſerlichen Staatsbedienten. Nach Landesgebrauch haͤtte er ſtil halten und ihm ſeinen Reſpect beweiſen muͤſſen, aber der ſtolze Prieſter ließ ſich ſtolz vorbeitragen, ohne dem Großen die mindeſte Hoͤflichkeit zu be - weiſen. Dieſer ſaͤumte dann nicht, noch in der erſten Hitze ſeiner Bewegung dem Kaiſer dieſe grobe Beleidigung und den unertraͤglichen Stolz der fremden Nation vorzuſtellen. Dieſe Vorſtellungen fanden deſto mehr Eingang bei dem Kaiſer, da es uͤberhaupt ſeinen Planen ganz zuwider war, daß dieſe Auslaͤnder ſich eine ſo große Herrſchaft uͤber die Gemuͤther er - warben, und dadurch das Vermoͤgen erhielten, vielleicht kuͤnftig eine Diverſion zu machen.

Es ſey nun, daß dieſer Monarch wirklich uͤber die bewieſene Jnſolenz gegen ſeinen Miniſter aufgebracht war, oder den großen Anwachs der Chriſten und ihrer Lehre ſeinen weit - ausſehenden Planen nachtheilig hielt, ſo fand er fuͤr gut, dieſe Gelegenheit zu nutzen und ſie die erſte Probe ſeiner Ungnade empfinden zu laſſen. Er nahm die Stadt Nangaſacki nebſt ihrem Diſtrikt von 3000 Kokf jaͤhrlicher Einkuͤnfte den Portugieſen und ihrem Patron, dem Fuͤrſt von Omura, weg, und vereinigte beide mit ſeinen Domainen.

Jch gehe nun zu einer genauern Beſchreibung dieſer Stadt uͤber.

Nagaſacki, oder (wie es einige des Wohllauts wegen ausſprechen, aber nie ſchrei - ben) Nangaſacki iſt in zwei Theile getheilt: Utſimatz oder die innere Stadt, welche aus 26 Tſjoo oder Straßen beſteht, die alle ſo irregulaͤr ſind, daß ſie in der Kindheit der Stadt erbauet zu ſeyn ſcheinen, Sottomatz d. i. die aͤußere Stadt, oder wie man es ſonſt zu nennen pflegt, die Vorſtaͤdte, welche aus 61 Straßen beſteht. Nagaſacki hat alſo zu - ſammen 87 Straßen.

Die merkwuͤrdigſten oͤffentlichen Gebaͤude in und außerhalb Nagaſacki ſind:

Einige Janagura des Kaiſers, wie ſie von den Japanern genant werden. Dieſe ſind fuͤnf hoͤlzerne Haͤuſer an der Nordſeite der Stadt auf niedrigem Grund erbauet. Es werden in denſelben drei Kriegsjonken oder Kriegsſchiffe mit ihrem Ruͤſtzeug auf bewahrt, und ſtehn bereit, daß ſie, ſo bald es noͤthig, koͤnnen ins Waſſer abgelaſſen und gebraucht werden.

Am gegenſeitigen Ufer ſteht das Tensjogura oder Pulverhaus, zu mehrerer Si - cherheit iſt im Huͤgel dabei ein Pulverkeller angelegt.

Die zwei Reſidenzen der beiden hier beſtaͤndig gegenwaͤrtigen Gouverneurs ſchließen einen uͤber andre Gaſſen erhabnen Boden mit zierlichen Haͤuſern ein, die von gleicher Hoͤhe,und9Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. und mit ſtarken Pforten der Vorhoͤfe verſehen ſind. Der ankommende dritte Gouverneur logirt allemal auf Tatteſama in einem Tempel, ſo lange bis der Abgehende ihm durch ſeinen Abzug ſeine Wohnung raͤumt.

Außer dieſen giebt es hier noch etwa zwanzig eigne Haͤuſer. Alle Dai Mio d. i. Fuͤrſten des Reichs haben dergleichen hier, und auch viele Sio Mio (d. i. Adel vom zwei - ten Range) aus der Jnſel Kusju oder wie ſie ſonſt auch heiſt Saikokf, d. i. weſtliches Land, auf welchem die Stadt Nangaſacki liegt. Einige von Adel halten ſich hier beſtaͤn - dig auf, um bei noͤthigen Vorfaͤllen das Jntereſſe ihrer Herren zu beobachten, denen ſie bei ihrer Wiederkunft von allen Vorfaͤllen Rechenſchaft geben muͤſſen. Die Dai Mio bedie - nen ſich auch dieſer Haͤuſer zu ihrer Wohnung, wenn ſie nach Nagaſacki kommen.

Die Fremden wohnen außer der Stadt in zwei Vorſtaͤdte eingeſchloſſen, und als Diebe bewacht; die Hollaͤnder bei der Stadt am Hafen auf einem aus dem Grunde hervor - ragenden Klippen oder Jnſel Deſima genant, d. i. die Jnſel De. Die Sineſer (und unter dieſem Namen auch die ihnen benachbarten Nationen, welche mit ihnen gleicher Re - ligion ſind,) am ſuͤdlichen Ende der Stadt auf einem mit einem Wal umſchlosnen Huͤgel, der Jakujin heißt d. i. mediciniſcher Garten, der ehemaligen Beſtimmung dieſes Huͤgels. Er heiſt auch Dſjuſenſi, von den auf demſelben etwas hoͤher gelegnen Wohnungen der Schauer,*)Dieſes lezte findet ſich nur in der engliſchen Ueberſetzung. die acht geben, was fuͤr fremde Schiffe nach dem Hafen ſegeln, und von Ankunft derſelben den Gouverneur unterrichten.

Der Tempel in und außer der Stadt ſind zuſammen zwei und ſechzig, nemlich fuͤnf Sinsju Tempel, die den einheimiſchen Goͤtzen zu Ehren errichtet ſind; 7 Jamabos oder Bergpfaffentempel, und funfzig Tira oder Tempel der auswaͤrtigen Goͤtzen. Von dieſen leztern liegen 21 in der Stadt und 29 außerhalb derſelben, am Abhang der Gebuͤrge, und auf ſteinernen Treppen zu erſteigen. Alle dienen eben ſo ſehr dem oͤffentlichen Vergnuͤ - gen als der Andacht. Sie ſind zum erſten auch wegen der angenehmen Gallerien und Ge - gend, auch der herrlichen weiten Ausſicht, die der hohe Boden giebt, ſehr bequem. Jch kan dieſe Tempel in dieſem Kapitel nicht hinlaͤnglich und genau beſchreiben, ſondern mus dieſes bis ins vierte Kapitel dieſes Buchs verſparen.

Um dem japaniſchen Landesgebrauche gemaͤs zu handeln, mus ich nun aus den Tempeln unmittelbar zu den Hurenhaͤuſern uͤbergehn, die nicht viel weniger als jene beſucht werden. Kasjematz oder Hurenſtadt, die man auch Ehrenhalber nach dem Huͤgel, auf dem ſie liegt, Mariam nent, macht den ſuͤdlichen Theil der Stadt aus und beſteht nach japaniſcher Art zu rechnen, in zwei, nach unſrer in mehrern Gaſſen, die im Abhang einesZweiter Band. BHuͤgels10Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Huͤgels angelegt ſind. Sie enthaͤlt die ſchoͤnſten Wohnhaͤuſer der ganzen Buͤrgerſtedt, und wird von keinen andern als Hurenwirthen bewohnt. Sie iſt, außer einer andern doch klei - nern, die einzige ihrer Art auf Saikokf, welche Jnſel außer Miako die ſchoͤnſten Men - ſchen auf ganz Japan hervorbringt. Die armen Leute koͤnnen ihre wohlgeſtaltete Toͤchter zu Brodt helfen, und wegen der guten Nahrung von Fremden und Einheimiſchen (die der Wol - luſt ſehr ergeben ſind,) iſt dieſe Anſtalt mit einer guten Menge ſolcher Toͤchter wohl verſe - hen, und wird nach der Miakoſchen fuͤr die beruͤhmteſte des ganzen Reichs gehalten.

Die Maͤdchen werden in der erſten Kindheit fuͤr ein Stuͤk Geld auf gewiſſe Jahre (etwa 10 oder 20) erhandelt und ihrer von ſieben bis dreißig, große und kleine, in einem Hauſe und von einem Hurenwirth, nachdem er ein bemittelter Mann iſt, unterhalten. Sie haben alle ſehr bequeme Zimmer, und werden taͤglich im Tanzen, Spielen muſikali - ſcher Jnſtrumente, im Briefſchreiben und andern ihrem Geſchlecht anſtaͤndigen und die Uep - pigkeit befoͤrdernden Geſchiklichkeiten geuͤbt. Die juͤngern ſind Dienerinnen und zugleich auch Schuͤlerinnen der aͤltern, und mehr geuͤbtern. Nachdem ſie nun an Geſchiklichkeit und gefaͤlligem Betragen zunehmen, und dem Wirth, weil ſie viel begehrt und abgeholt wer - den, großen Vortheil bringen, werden ſie auch in hoͤhern Rang erhoben, bekommen beſſere Begegnung, und ſteigen im Preiſe, den der Wirth allein erhaͤlt. Dieſer kan von zwei Maaſen zu zwei Jtziba ſteigen, welches Leztre aber als der hoͤchſte Preis von der Obrigkeit feſtgeſetzt iſt. Eine von der ſchlechteſten Klaſſe (die entweder ſchon ausgedient haben, oder zu dieſer Strafe verdamt ſind) iſt verbunden, in einer Vorkammer des Hauſes die Abend - und Nachtwache zu halten, um den Vorbeigehenden vor ein Maas die Kerze an - zuzuͤnden.

Wenn dieſe Dirnen von ehrlichen Leuten geheirathet werden, gelten ſie unter gemei - nen Buͤrgern fuͤr ganz ehrliche Frauen, weil ſie an ihren Vergehungen unſchuldig und doch wohlgezogen ſind. Die Wirthe hingegen, wenn ſie auch noch ſo reich, paſſiren doch nie - mals fuͤr ehrliche Leute, und duͤrfen ſich nicht unter dieſelben miſchen. Man giebt ihnen einen ſehr ſchaͤndlichen und nachdenklichen Namen: Katſuwa, d. i. Gebiſſe. Sie wer - den faſt fuͤr Unmenſchen gehalten und in die niedrigſte Claſſe der Jetta oder Ledergerber geſetzt, welche in Japan die Buͤttel ſind, und nahe an den Gerichtsſtaͤtten von allen ehrli - chen Leuten abgeſondert wohnen muͤſſen. Die Katſuwa ſind auch noch mit der Schande belaſtet, daß ſie bei gerichtlichen Exekutionen dem Jetta ihre Hausknechte oder gemiethete Tagloͤhner zur Huͤlfe ſchicken muͤſſen.

Es wird nicht unſchiklich ſeyn, nunmehr aus der Hurenſtadt nach der Gokuja d. i. der Hoͤlle uͤberzugehn. Man verſteht unter dieſem Namen den Gefangenhof, der auch Roja oder das Bauer heiſt. Er liegt mitten in der Stadt in einer abhaͤngenden Quergaſſe, und beſteht aus vielen Huͤtten und Apartements, in denen man jeden nach ſei -nem11Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. nem Verdienſt behandeln kann. Auſſer den gewoͤhnlichen Verbrechern haͤlt man hier auch alle diejenigen gefangen, welche des Verbrechens des Schleichhandels oder der chriſtlichen Religion uͤberfuͤhrt ſind, oder doch beſchuldigt werden. Daher die Zahl der Gefangnen in dieſer Hoͤlle oͤfters uͤber 100, und wenn haͤufige Exekutionen vorfallen, doch nie unter 50 ausmacht. Jm Umkreis dieſes Gefangenhauſes findet ſich ein Gaſthof, ein Haus zur Tortur, ein Gerichthaus zur heimlichen Exekution der minder Schuldigen, eine Kuͤche, ein Haus zum Spazierengehn, und ein Tange oder Teich. Die Gefangnen ſind von ver - ſchiednen Klaſſen, einige zum Tode verdamt, andre nur wegen Verdachts, und andre auf ewig gefangen. Zu dieſen leztern gehoͤren beſonders diejenigen, welche man Bungoſo d. i. Geſchmeis aus Bungo nent. Unter dieſem Namen verſteht man die Chriſten, deren mit Weibern und Kindern hier noch etwa funfzig gefangen gehalten, und auch noch zuweilen einige aufgebracht werden, welches zulezt noch im J. 1688 geſchah. Dieſe guten Leute wiſſen vom chriſtlichen Glauben weiter nichts, als den Namen des Seligmachers, wollen aber doch bei ihrem einfaͤltigen Bekentnis viel lieber ſterben, als durch Verlaͤugnung ihres Heilandes ſich die Freiheit erwerben, die ſie unter dieſer Bedingung bekommen koͤn - ten. Jm September des jetzigen Jahrs 1692 hat man zum erſtenmal das Beiſpiel gehabt, daß drei von dieſen gefangnen Chriſten etwas Geld an die Tempel des Amida ſchikten, um fuͤr ihre verſtorbnen Verwandten bitten zu laſſen. Die Prieſter aber wolten ihnen nicht ein - mal wilfahren, bis ſie die Erlaubniß der Gouverneurs erhalten haͤtten, welche ſogar noͤthig fanden, den Vorfal an den kaiſerlichen Hof zu berichten und Verhaltungsbefehle einzuholen.

Da man die Strenge gegen die Chriſten jezt unnoͤthig haͤlt, und die wenig uͤber - gebliebnen ſo einfaͤltig ſind, ſo werden dieſe mit der Todesſtrafe verſchont, und muͤſſen nur ihr Leben in dieſer zeitlichen Hoͤlle bei ganz ſchlechter Koſt und bloßem Waſſer zum Getraͤnk zubringen. Alle zwei Monate werden ſie nach dem Pallaſt des Gouverneurs geſchlept, und daſelbſt wegen ihres verbotnen Glaubens examinirt und aufgefordert andre Chriſten zu ent - decken. Dies geſchieht aber nicht mehr mit alter Strenge, und blos aus beibehaltner Ge - wohnheit der ehmaligen Geſetze. Bei dieſer Gelegenheit koͤnnen ſie ſich aus ihrer ewigen Gefangenſchaft erloͤſen, ſonſt aber nicht. Sie genießen indes doch jaͤhrlich einige Erquik - ſtunden. Zweimal werden ſie in jedem Jahr einzeln aus dem Kerker gelaſſen, um ſich nach Landesgebrauch mit Moxa zu brennen, und ſich dadurch vor Qualen zu praͤſerviren; ſechsmal wird ihnen jaͤhrlich erlaubt, ſich im Teiche des Gefangenhauſes zu waſchen; und eben ſoviel mal wird ihnen in dem beſonders dazu erbaueten geraͤumigen Spazierhauſe er - laubt, ſich eine Bewegung zu machen.

Zur Beſchaͤftigung in ihrem muͤßigen und kuͤmmerlichen Zuſtande laͤſt man dieſe elende Leute ein ſchlechtes Garn aus Hanf ſpinnen, womit die Saͤume der Matten in ihren Zim -B 2mern12Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. mern benaͤhet werden. Jhre Kleider naͤhen ſie mit einer Nadel von Bambusrohr zuſam - men, weil ihnen alle eiſerne Werkzeuge verboten ſind. Einige machen auch Taapids d. i. Fuͤßlinge oder Fußſocken, und andre dergleichen Kleinigkeiten. Das wenige Geld, das ſie damit erwerben koͤnnen, gebrauchen ſie, um ſich einige Erfriſchungen zu verſchaffen, oder ihren Weibern und Kindern, die in andern Kammern von ihnen abgeſondert ſitzen, davon zukommen zu laſſen. Sie pflegen auch den Reis, der ihnen von ihrer taͤglich zuge - theilten Portion uͤber bleibt, uͤber Nacht gaͤhren zu laſſen, und dadurch ein Getraͤnk zu be - reiten, das ſie Ama Saki d. i. lieblicher Saki oder Trank nennen, und das ihnen zu einer beſondern Veraͤnderung und Delikateſſe dient. *)Der Verfaſſer hat die Bereitung dieſes Getraͤnks ſchon oben beſchrieben, B. 1. 269.Einige dieſer Gefangnen erhalten auch zuweilen von ihren Freunden aus Bungo Kleider. Da der Chriſten jezt ſo wenig und dieſe blos aus Einfalt Namchriſten ſind, ſo geht man ſehr gelinde mit ihnen um, und erlaubt ihren Freunden ihnen dieſe Geſchenke zu machen. Doch muͤſſen ſie vorher ſtrenge Unterſuchung und Pruͤfung durchgehn. Die Gouverneurs pflegen auch jedem Gefangnen jaͤhrlich eine neue ſchlechte Matte zum Schlafbet zu ſchenken. Ja vor einiger Zeit haben die Gouverneurs auch einigen Gefangnen erlaubt, ſich eines Kogatan oder kleinen Meſ - ſers zu bedienen.

Zu den oͤffentlichen Anſtalten in der Stadt Nagaſacki gehoͤren auch noch die Bruͤcken. Man zaͤhlt 20 ſteinerne, und 15 hoͤlzerne, zuſammen 35 große und kleine Bruͤcken, alle ſtark und breit, doch nur von gemeiner Bauart, und weiter nicht merkwuͤrdig.

Die Gaſſen der Stadt ſind meiſtens krum, ſchlecht, enge, uneben, bald auf - bald abgehend, weil ſie alle am Huͤgel einige hoch, andre niedrig liegen, ſo daß man oft auf ſteinernen Treppen aus einer Gaſſe in die andre ſteigen muß. Alle ſind ſehr dichte bebauet. Jede Gaſſe iſt durch zwei hoͤlzerne Pforten von der andern unterſchieden, und wird, ſo bald man einigen Aufſtand befuͤrchtet, ſogleich abgeſchloſſen. Jede Gaſſe hat auch einen Quaſi Doogu d. i. einen Platz, wo man alle zum Feuerloͤſchen noͤthige Dinge und Werk - zeuge unterhaͤlt, nemlich einen ausgegrabnen Waſſerbrun, einen Brandhaken, Loͤſchwedel von Stroh; die Leiter wird allemal beim Wachtmeiſter aufbewahrt.

Es iſt eine algemeine Anmerkung, die von Nangaſacki und andern japaniſchen Staͤdten gilt, daß die Gaſſen hier nicht, ſoweit ſie gerade auslaufen, auch nicht genau und nach geometriſcher Laͤnge einer Japaniſchen Tſjo oder Feldwegs von ſechzig Kin oder Klaf - tern (von der ſie doch den Namen fuͤhren) gerechnet werden. Sondern eine Gaſſe geht immer bis an den Ort, wo man ſie am bequemſten mit einer Pforte verſchließen kan. DieGaſſen13Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. Gaſſen haben alſo gemeiniglich ohngefaͤhr die Laͤnge einer Tſjoo, und ſoviel Haͤuſer als ein Wachtmeiſter bequem unter ſeiner Aufſicht haben kan, ſelten unter 60 und uͤber 30.

Die Haͤuſer der gemeinen Buͤrger und Einwohner ſind aͤußerſt ſchlecht gebauet, klein, niedrig, entweder mit keinem oder doch einem ſehr niedrigen faſt unbrauchbaren Soͤl - ler, mit einem Dache von Tannenſpuͤhlen belegt, die meiſtens nur wieder mit uͤbergelegten Spahnern feſt gehalten werden.

Alle Haͤuſer im ganzen Reiche ſind aus Holz und Leimwaͤnden erbauet, inwendig mit buntem Papier zierlich beklebt, mit gewebten Binſen Matten, welche dik gefuͤttert, ganz artig belegt, und durch papierne Schaubfenſter in verſchiedne Kammern abgetheilt. Stuͤhle und Baͤnke findet man gar nicht in dieſen Haͤuſern, und nur ſo wenig Hausgeraͤth, als zum taͤglichen Kuͤchengebrauch noͤthig iſt. Hinter jedem Hauſe iſt nur ein ſehr enger kleiner Plaz (zum geheimen Gebrauch) in welchem, ſo ſchlecht er auch iſt, man doch immer einige Blumen findet, die zum Vergnuͤgen der Augen unterhalten werden.

Von dieſer gewoͤhnlichen Einrichtung der Haͤuſer in Nangaſacki ſind die einiger Vornehmen, Bemittelten und des Handels wegen ſich hier aufhaltenden Fremden ſehr un - terſchieden. Dieſe haben gemeiniglich einen doppelten hohen Soͤller, ſind geraͤumig und zum Theil auf ſineſich angelegt. Sie haben allemal ein weites Vorhaus mit bloßem Eſtrich.

Die Stadt wird von vielerlei Kraͤmern, Handwerkern, Kuͤnſtlern, Bierbrauern und Bedienten der Gouverneurs ſineſiſchen und hollaͤndiſchen Handelsleuten bewohnt. Zwi - ſchen dieſen findet man viele arme Leute und Bettler, die hier haͤufiger und unverſchaͤmter ſind, als an irgend einem andern Orte.

Von den Bettlern machen einen großen Theil aus die Quanſin Bos und Quan - ſin Bikuni d. i. Bettelmoͤnche und Bettelweiber. Eine einzige Gaſſe Jawattamatz oder Fatzmanmatz zaͤhlt ihrer uͤber hundert. Dieſe Klaſſe von Betlern beſteht aus armen, geſchornen Leuten, die ein frommes und keuſches Leben wie die Pfaffen fuͤhren, und ein ſchwarzes Prieſterkleid tragen, um deſto ehrlicher und leichter ein Almoſen zu erhalten, wenn ſie mit Baͤt-oder Roſenkraͤnzen, Bildern, kleinen Glocken und andern aͤußern Zeichen der Andacht die Gaßen durchkreuzen. Einige dieſer Leute laſſen ſich wohl gar bei den Tempeln abſcheren und mit einigen Gebaͤten einſegnen, nach der Gewohnheit vornehmer und bemit - telter alter Leute, welche in ihren Haͤuſern ein eingezogenes Prieſterleben fuͤhren. Die Pfaf - fen der ſineſiſchen und andrer Sensju-Kloͤſter ſchicken auch etwa ſechsmal jeden Monat ei - nige Bruͤder zum Betteln aus; dies geſchieht aber nicht aus Mangel, ſondern blos um dem Muſter ihres großen Stifters Sjaka zu folgen und ihrem kloͤſterlichen Geluͤbde ein Genuͤge zu thun.

Unter die Einwohner von Nangaſacki koͤnte man auch faſt die Hunde rechnen, die wie ordentliche Buͤrger der Stadt angeſehn und gehalten werden, doch nicht mit ſolcherB 3Strenge14Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Strenge wie an andern, beſonders den kaiſerlichen Orten. *)Die Urſache dieſes ſonderbaren Verhaltens gegen die Hunde, ſ. oben Band 1. 142, wo das hier Erzaͤhlte zum Theil auch ſchon vorkoͤmt.Auf allen Gaſſen liegen dieſe Thiere in großer Menge und weichen keinem Pferde oder Menſchen aus dem Wege. Kein Menſch darf ſie toͤdten, außer der Buͤttel auf Befehl der Obrigkeit, wenn ſie jemand um - gebracht oder ſonſt den Tod verdient haben. Die Kranken und vor Alter unvermoͤgenden werden auf jeder Gaffe in beſondern Gemaͤchern (Bauern) unterhalten. Wenn ſie geſtor - ben, werden ſie auf die Berge gebracht, und gerade wie Menſchen beerdigt.

Die Waren der Manufakturen zu Nangaſacki ſind ſchlechter, obgleich theurer als an irgend einem andern Orte des Reichs. Doch muß man alle Manufakturen in Gold, Silber und Sawaas ausnehmen. Weil dieſe nicht ſowohl fuͤr die Einheimiſchen als viel - mehr vorzuͤglich vor die Auslaͤnder beſtimt ſind, ſo werden ſie hier weit beſſer gearbeitet als vielleicht in irgend einem andern Lande der Welt.

Was die Nahrungsmittel betrift, ſo liefert der Grund und Boden von Nanga - ſacki nur etwas wenig Reis, und daher mus man dieſe gewoͤhnliche und taͤgliche Nahrung durch ganz Aſien noch aus andern Provinzen, als Fiſen, Figo, Tſikungo, Amakuſa, Gotho, welche der Stadt gegen Norden liegen, einfuͤhren. Gartenfruͤchte, wilde esbare Kraͤuter und Wurzeln, Brenholz, eben ſo Wildpret und zahme Huͤhner liefern die bergichte Gegend und die naͤchſtgelegnen Doͤrfer ſo viel man ihrer bedarf. Schildkroͤten und Fiſche liefert dieſer Seebuſen im Ueberfluß. Das Waſſer der hieſigen Fluͤſſe iſt klar und zum taͤg - lichen Trinkwaſſer brauchbar. Denn das Saki oder Reisbier iſt zu ſtark und kein taͤgliches Getraͤnk in Japan. Das hier in Nangaſacki gebrauete hat auch einen unlieblichern Ge - ſchmack als an andern Orten in Japan.

Ein leichtes und ſehr geſchaͤztes Trinkwaſſer quillt aus dem Ruͤcken des an der Stadt liegenden Berges Tatta. Ein andrer Brun, an der oͤſtlichen Seite des Hafens, unweit der Stadt, giebt den Schiffen ihr Waſſer. Man haͤlt zwar hier (ſo wie durch ganz Japan) das Waſſer ungemein geſund und lauter, allein es hat doch den Fehler, daß es zur Kolik diſponirt. Eben dieſes bemerken die Eingebohrnen auch von dem Sacki, wenn ſie es kalt und in zu großer Menge trinken.

Man hoͤrt in dieſer Stadt ein beſtaͤndiges Geraͤuſch und Laͤrm, bei Tage von den immer umhergehenden Verkaͤufern, welche Eswaren und andre Sachen ausrufen, von Tage - loͤhnern, die beim Heben und Tragen ſich mit gewiſſem Geſchrei aufmuntern, von Ruderknechten im Hafen, welche den Fortgang ihrer Arbeit durch ein gewiſſes abgemeſſenes Geſchrei an - deuten. Des Nachts hoͤrt man im Hafen auf den Wachtbarken und in den Gaſſen der Stadt nach geringer Zwiſchenzeit ein raſendes Laͤrmen der Waͤchter, die mit zwei Hoͤlzernam15Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. an einander ſchlagen, und mit lautem verdrieslichen Geklapper ihre Wachſamkeit und die Zahl der Nachtſtunden anzeigen. Auch die Sineſer vermehren dieſes raſende Laͤrmen auch noch mit ihren Cymbeln und Trommeln, wenn ſie theils ihrem Goͤtzen Maatſo Boſa zum Opfer alle Abend einige angezuͤndete Stuͤcke Goldpapier in die See werfen, theils dieſen Goͤtzen aus dem Tempel und wieder hinein bringen. Vor allen andern aber wird dieſer Laͤrm noch durch das Geſchrei in den Sterbhaͤuſern vermehrt, wo gleich nach dem Augen - blick des Verſcheidens und auch an gewiſſen Gedaͤchtnistagen des Verſtorbnen die Mespfaf - fen und Verwandte ein Namanda fuͤr die abgeſchiedne Seele unter dem Anſchlagen einer kleinen Glocke durch einander zu heulen, und mit dieſem Geſchrei bis zur Ohnmacht anzu - halten pflegen.

Namanda iſt ein kurzes aus den Worten Namu Amida Budſu zuſammenge - zognes Gebaͤt. Es iſt an den Gott Amida, oberſten Richter der abgeſchiednen Seelen ge - richtet, um vor die Seele des Verſtorbenen Gnade zu erlangen.

Noch ein neues Geſchrei machen die Nembuds Koo d. i. religioͤſen Bruͤderſchaf - ten, oder freiwillige Baͤtzuͤnfte. Jn dieſe pflegen ſich andaͤchtige Freunde, Nachbarn, oder Bekannten zu vereinigen, und taͤglich zu einer gewiſſen Stunde, Morgens oder Abends in ihren Haͤuſern wechſelsweiſe zuſammen zu kommen, um gemeinſchaftlich zu baͤten und be - ſonders ein Namanda aus Vorſorge abzuſingen, um ihre kuͤnftige Seeligkeit zu erlangen.

Zweites16

Zweites Kapitel. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki.

Jede kaiſerliche Stadt hat zwei Gouverneurs oder Statthalter, die von ihren Untertha - nen den gewoͤhnlichen Namen Tono Sama d. i. Oberſter Herr oder Prinz erhal - ten. Dieſe wechſeln jaͤhrlich ſo ab, daß immer einer das Regiment wirklich ver - waltet, der andre aber ſich unterdeſſen in der Hofſtadt Jedo aufhaͤlt.

Der Stadt Nangafacki aber hat man noͤthig gefunden im Jahr 1688 noch den dritten Gouverneur zu geben, um fuͤr dieſen wichtigen Seehafen deſto mehr Sicherheit und wachſamere Aufſicht der Fremden zu erhalten. Es fuͤhren hier alſo zween Gouverneurs be - ſtaͤndig die Regierung, unter welchen der Rang monatlich abwechſelt. Der dritte wird alle zwei Jahr von einem neu Ankommenden abgeloͤſt, und reiſet alsdann nach Hofe. Er mus daſelbſt nebſt ſeinen Geſchenken die ſchriftlichen Verhandlungen ſeiner abgelegten Regierung dem hohen Reichsrath uͤberliefern und zugleich von dem Grunde ſeines Verhaltens in den wich - tigſten Vorfaͤllen muͤndliche Rechenſchaft ablegen. Er mus auch bei jedem Staatsrath und Favoriten des Monarchen ſein Ankunftscompliment perſoͤnlich in jedes Haus ablegen, und es zugleich mit koſtbaren Geſchenken begleiten, um ſich die Gunſt dieſer Großen zu erwer - ben und ſeine unterthaͤnige Ergebenheit zu beweiſen. Seine uͤbrige Zeit wendet er dann auch vorzuͤglich an, um diejenige Gunſt zu erlangen, die ihm die Stralen des Gluͤcks zuwenden oder ableiten kan.

Der Aufenthalt eines ſolchen Gouverneurs waͤhrt wenig laͤnger als ſechs Monate, waͤhrend welcher er der Gegenwart ſeiner Familie genießen kan. Er mus ſie aber bald her - nach wieder auf ziemlich geraume Zeit verlaſſen, wenn er aus dem hohen Reichsrath Order erhaͤlt wieder in ſein Gouvernement zuruͤkzukehren und von jedem Miniſter beſonders Abſchiedgenom -17Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. genommen hat. Denn ſo lange ſich ein Gouverneur hier in Nagaſacki aufhaͤlt, iſt es we - der ihm, noch ſeinen Edeln und Bedienten erlaubt, ein Frauenzimmer uͤber ihre Schwelle kommen zu laſſen, wenn ſie ſich nicht die ſtaͤrkſte kaiſerliche Ungnade zuziehn wollen. Fuͤr dieſe haͤlt man es unanſtaͤndig, den geringſten Ungehorſam gegen die kaiſerlichen Befehle mit geringerer Strafe, als der, daß ſich der Verbrecher ſelbſt toͤdtet, oder auf ewig verbannt oder in Arreſt gelegt wird. Der Ruin ſeiner ganzen Familie iſt dabei unvermeidlich.

Die jetzigen drei Herrn haben in kurzer Zeit ihren Verſtand zu großem Vergnuͤ - gen der Majeſtaͤt angewandt, und den auslaͤndiſchen Handel zum Nachtheil der Fremden ſo eingeſchraͤnkt, daß er den Einwohnern zum groͤſten Nutzen gereicht, und die Fremden doch noch hier geblieben ſind. Dieſes gute Betragen hat ihnen dann auch den japaniſchen Rit - tertitel Cami erworben. Zwei hatten ihn ſchon bei ihrer lezten Anweſenheit am Hofe erhal - ten, und der dritte erwartete ihn, wie ich mich in Nangaſacki auf hielt. Cami bedeutet ei - gentlich ein großmaͤchtiger, anbetenswuͤrdiger Geiſt, eine ehrwuͤrdige, unſterbliche Seele, ein Weſen, das uͤber alle Menſchen erhaben iſt. Man verſteht alſo unter dem ertheilten Titel Cami einen Befehl, daß der Kaiſer den damit beehrten Man als einen Goͤtzen wolle geehrt haben. Dieſer Titel wird noch anſehnlicher, wenn man ihm den Namen eines gewiſ - ſen Landes beifuͤgt.

Die Gouverneurs waͤhrend meines Aufenthalts waren folgende:

Der erſte hies Kawaguts Genſeimen, nach der bei der Ritterwuͤrde gewoͤhnli - chen Veraͤnderung des Namens (wo von dem alten nur der Geſchlechtsname beibehalten wird) heiſt er jetzt: Kawagut Tſino Cami. Seine Erbguͤter tragen ihm jaͤhrlich 4700 Kokf ein. Er iſt ein wohlgeſtalter Man von etwa funfzig Jahren, liſtig und boshaft, ein großer Feind der Hollaͤnder, ein ungerechter und ſtrenger Richter, aber ein geſchmeidi - ger und gluͤklicher Hofman.

Der zweite hies Jama Oka Sjubjooje oder nach veraͤndertem Titel Jama Oka Tſuſſima no Cami. Er hat ſich den Weg zu ſeinem Gluͤk durch Ausrottung der Beu - telſchneider in Jedo gebahnt, welches Geſchaͤft ſeiner Oberaufſicht anvertrauet war. Er reinigte die Hauptſtadt in kurzer Zeit von dieſem Geſindel, und hat mit ſeinen Leuten uͤber tauſend von denſelben eigenhaͤndig ausgerottet. Die Einkuͤnfte von ſeinen erblichen Guͤtern betragen 2000 Kokf. Er iſt jezt ein Herr von ſechzig Jahren, ſehr beſcheiden, aufrichtig, wohlthaͤtig, beſonders gegen ſeine arme Unterthanen. Als er das lezte Jahr hinauf nach Hofe reiſete, theilte er alle ſeine eingenommene Accidentien ſo mildthaͤtig aus, daß einige ehrbare, aber duͤrftige Buͤrger, wohl 100 Taels der Mann, empfingen. Jch wil nicht entſcheiden, ob dieſer Herr durch ein ſolches gutthaͤtiges Betragen nur ſuche, dem großen Anſehn ſeiner Collegen, die weit ſchlauere und geſchiktere Hofleute ſind, entgegen zu arbeiten, oder ob es wirklich aus edelmuͤthiger Gemuͤthsart herruͤhre? Soviel iſt gewis, daß ihm dieZweiter Band. CAus -18Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Ausuͤbung ſeines alten Handwerks noch immer nachhaͤngt, da er ſeine Hausbedienten zu - weilen bei den kleinſten Verſehen ohne viele Umſtaͤnde enthaupten laͤſt. Der dritte Gouver - neur heiſt Mijaki Tonnomo, ein anſehnlicher Herr von ſechzig Jahren und großmuͤthiger Denkart, auch aus einem vornehmen Geſchlecht. Er hat den Rittertitel noch nicht erhal - ten. Seine erblichen Einkuͤnfte ſind 4000 Kokf.

Der fixe Gehalt dieſer hohen Bedienten iſt ſchlecht, nemlich eines jeden nur 1500 bis 2000 Kokf Reis, welches zu Gelde gerechnet ohngefaͤhr 7000 bis 10000 Taels aus - macht. *)So ſinde ich dieſe Zahlen in der engliſchen Ueberſetzung angegeben. Jn meinen Handſchriften aber fehlt die Zahl und der Plaz fuͤr dieſelbe iſtmit beſetzt.Die ſogenanten Accidentien aber ſind ausnehmend betraͤchtlich. Durch ſie wuͤrde ein Gouverneur in wenig Jahren große Schaͤtze ſamlen koͤnnen, wenn er nicht immer dem Hofe und den Miniſtern ſo große Opfer bringen muͤſte.

Von dem erwaͤhnten kaiſerlichen Gehalt mus dan doch ein Gouverneur allen Auf - wand beſtreiten, den der Wohlſtand ſeines Rangs erfodert. Er mus zehn Joriki unter - halten, welches zugleich buͤrgerliche und Militaͤrbedienten ſind, und alle von vornehmen Adel ſeyn muͤſſen; ferner 30 Dooſju, gleichfals zum Militaͤr-und Civildienſte beſtimt, aber von geringrer Wuͤrde als die vorigen und daher auch aus dem niedern Adel. Die erſten Joriki ſind den Gouverneurs als Rathgeber vom Kaiſer zugegeben, die Dooſju aber nur zu Ausrichtung ihrer Befehle. Dieſe Bediente werden an andern kaiſerlichen Orten unmit - telbar vom Hofe angeſtelt und beſoldet, und ſo war es auch ehmals in Nangaſacki. Seit 1688 aber nahmen ſie die Gouverneurs ſelbſt an, und muͤſſen ſie auch beſolden. Dieſe Abaͤnderung iſt durch die Gouverneurs ſelbſt betrieben worden. Dieſe ſtelten nemlich vor, daß ihren nuͤzlichſten Abſichten und Unternehmungen von dieſen Unterbedienten oft ohne al - len Grund und Recht widerſprochen werde, blos um ihr Anſehn als Fattamotto zu zeigen. Dies Wort bedeutet**)Fehlt in der Scheuchzerſchen Ueberſetzung. Perſonen, die bei den Fahnen dienen, oder unabhaͤngige kaiſerliche Militaͤrbediente. Die Gouverneurs bewieſen, daß durch dieſen Widerſpruch der Vortheil des gemeinen Weſens ſehr oft leiden muͤſſe. Aus dieſer neuen Einrichtung iſt dann nun auch ein Unterſchied zwiſchen Kaiſerlichen und Landfuͤrſtlichen Edlen entſtanden. Jene hei - ßen eigentlich Kin ninſju, dieſe Sita Jaku. Nur vom gemeinen Man oder von Leu - ten, die ihnen ein Compliment machen wollen, erhalten die leztere, die Titel Joriki und Dooſju. Auf eben ſolche Art nent man auch die Joriki zuweilen Buggio, welcher Titel aber nur dem zukoͤmt, der eine Commiſſion hat, und bei derſelben den Gouvernementsſtab fuͤhrt, welches ſonſt aus eigner Macht nicht erlaubt iſt. Dieſer Titel waͤhrt daher nur ſo lange die Commiſſion und mit ihr verbundne Macht dauert. Nach dem Hofſtyl heiſtBuggio19Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. Bugjio nur ein hoher kaiſerlicher Bedienter und vom Monarchen ſelbſt ernanter Commiſſarius.

Der Joriki eigentliche Bedienung iſt hier und an allen Hoͤfen des Reichs, daß ſie ihren Herrn mit Rath und Verſtand, auch als thaͤtige Werkzeuge in Ausuͤbung ihres Amts auſſer dem Hauſe und in Verſchickungen dienen. Sie thun dieſes theils als Mili - taͤrofficiers bei allen Kriegsvorfaͤllen und als Civilbediente bei Jnquiſitionen, gerichtlichen Exekutionen, auch bei Geſandſchaften und allen Geſchaͤften von einiger Wichtigkeit, wo ſie allemal ihren Herrn repraͤſentiren, und durch ſein Anſehn handeln. Sie ſind bei die - ſen Commiſſionen auch immer von verſchiednen Doſen d. i. Wachtbedienten, Staatsknech - ten, begleitet, die zu Ausrichtung ihrer Befehle gebraucht werden. Hier in Nangaſacki werden dieſe Herren auch noch auſſerdem zu ſolchen Dienſten gebraucht, die ſie ihrem ho - hen kriegeriſchen Adel nicht anſtaͤndig halten. So muͤſſen ſie z. B. die Aufſicht und Bewa - chung der Fremden uͤbernehmen, ihre Guͤter bewahren, und bei deren Verkauf, auch bei dem Ein-und Ausladen der Schiffe zugegen ſeyn. Sie ſind mit dieſer Behandlung ſehr unzu - frieden, und Leute von hohem Adel und edelmuͤthiger Denkungsart wollen bei den hieſigen Gouverneurs keine Dienſte nehmen, weil ſie auch uͤberdem von dieſer Gnade ganz abhan - gen muͤſſen, und aus ihrem Beutel nur ſehr geringe Beſoldung bekommen.

Die Jorikis haben auch noch einen beſondern Rang unter ſich, der durch die or - dentlichen und Hauptgeſchaͤfte eines jeden vorzuͤglich beſtimt wird. Der vornehmſte zu Nangaſacki iſt der Kiriſtan Bugjioo d. i. der Chriſtenfiſkal oder Jnquiſitor, deſſen Departement die fernere voͤllige Ausrottung des Chriſtenthums iſt. Die Beſoldung der Jorikis zu Nangaſacki iſt ſo gering, daß einige nur 100 Taels das Jahr nebſt freier Ta - fel und einem Ehrenkleide bekommen. Sie ſind daher kaum im Stande, die fuͤr einen Joriki nothwendigen Bedienten zu halten. Dieſe ſind ein Pickfuͤhrer, ein Traͤger des großen Schwerdts, ein Schuhe-oder Sohlentraͤger. Noch weniger ſind ſie alſo im Stande, eine Familie zu unterhalten. Sie bedienen ſich daher oft, wenn ſie auf Commiſſionen geſchikt werden, der Hausbedienten ihres Gouverneurs und halten es bei dieſem ihrem Herrn ge - meiniglich nicht lange aus.

Die Dooſin ſind die Gehuͤlfen der Joriki und werden von dieſen und von den Gouverneurs in kleinern Vorfaͤllen abgeſandt und gebraucht, z. B. als Wachthaber auf Schiffen, Junken, und Geleitſchiffen, beſonders auch auf den vorher erwaͤhnten Wacht - ſchiffen. Sie werden hier theils als Officiers, und theils als wirkliche Soldaten gebraucht, die gemeiniglich den erſten Angrif auf den Feind wagen muͤſſen. Man gebraucht ſie ſogar als Haͤſcher, und als ſolche ſind ſie beſtaͤndig mit einem duͤnnen aber ſtarken Strik verſehen. Jhre Beſoldung ſol, auſſer freier Koſt, nur 50 Tael betragen, wovon ſie auch noch einen Knecht halten muͤſſen.

C 2Denen20Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Denen Jorikis gehn am Range noch vor die Karoo oder Hofmeiſter. Jhrer ſind gemeiniglich zwei oder drei, und ſie ſind die oberſten Diener, deren Aufſicht der ganze Hof des Gouverneurs, und beſonders alle inre, haͤusliche Geſchaͤfte untergeben ſind. Zu - weilen werden ſie auch zu oͤffentlichen Geſchaͤften von geringerer Wichtigkeit gebraucht, allein oder mit Zuziehung der Jorikis. Sie werden den leztren auch wohl blos aus Eiferſucht der Gouverneurs zugegeben, denen ſie auch oft als Sekretaire und geheime Raͤthe dienen, auch von ihnen wohl in wichtigern Sachen und Commiſſionen gebraucht werden. Dieſe Karoo werden allemal nach eignem Belieben von den Gouverneurs aus ihren aͤlteſten, tuͤch - tigſten und treueſten Bedienten gewaͤhlt, auch wohl aus naͤchſten Verwandten des in die - ſem Amt Verſtorbnen, wenn einer die Faͤhigkeit hat. Denn ich habe bemerkt, daß vor - zuͤglich in dieſer Stelle der Sohn dem Vater nachfolgt.

Auf die Joriki folgen andre eigentliche Hausbediente, nemlich Sosjo, die zu aller Zeit in des Herrn Zimmer kommen koͤnnen, und ihm alles, was vorfaͤlt, melden muͤſſen. Sie ſind eigentliche Hofjunker; Tſugosjo aber Leib-und Kammerdiener; Ju - witz Kopiſten und Schreiber, und auf ſie folgen dan alle andre geringre Stats-Haus - und Kuͤchenbediente.

Dieſe Perſonen machen den Hofſtat eines Gouverneurs aus, der zu Hauſe und ge - woͤhnlich ohngefaͤhr folgende Ordnung hat. An der aͤußern Pforte, aber innerhalb des Hofes, in einer offenen Kammer wird eine Wacht von etwa fuͤnf oder ſechs Doſen gehal - ten, die abwechſelnd hier ſitzen. Jhr Gewehr beſteht, noch auſſer dem gewoͤhnlichen dop - pelten Seitengewehr, in einem ſchweren ſtarken Stabe aus ſogenantem maſſiven Eiſenholz, gleich einem Zuberbaum. Sie muͤſſen alle ein-und ausgehende Domeſtiken beobachten. Um die Anzahl der Abweſenden immer genau zu wiſſen, mus jeder Bediente, ſo oft er ausgeht, eine viereckige hoͤlzerne Scheibe mitnehmen, und wenn er wiederkoͤmt, ablegen. Um 7 Uhr nach japaniſcher Rechnung oder nach unſrer um 4 Uhr Nachmittags wird das Thor geſchloſſen, und alsdan duͤrfen die Waͤchter keinen der gemeinen Bedienten ohne be - ſondere Erlaubnis mehr heraus-oder hereinlaſſen. Bei beſondern Gelegenheiten und be - ſonders, wenn man einen vornehmen Beſuch erwartet, wird der gewoͤhnlichen Wache noch eine kleinere von zwei oder vier Dooſin zugeſelt, welche auſſen vor der Pforte mit Wacht - ſtaͤben ſtehen, und ſich praͤſentiren muͤſſen.

Auf dieſe aͤußre Wache folgt die große Haupt-und Statswache Genquaban ge - nant, zu welcher man durch den Vorhof gelangt. Sie befindet ſich in dem erſten offenen Zimmer des Vorhauſes vor den weiten Pforten deſſelben, zu denen man gewoͤhnlich drei Stufen hinaufſteigt. Dieſe Wache wird mit den Jorikis beſezt, die hier abwechſelnd ihre Wachtſtunden halten muͤſſen. Sie pflegen alle in einer Reihe mit dem Geſichte nach den Pforten und dem Vorhofe gerichtet zu ſitzen. Nach Belieben wird dieſe Wache auch wohl,um21Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. um ihr noch mehr Anſehen zu geben, durch muͤſſige Karoo, Sosjo und Tſugosjo ver - mehrt, welche beide leztern dan ihren Plaz unter den Joriki nehmen muͤſſen. Einer von dieſer Genquaban haͤlt nach der Gewonheit aller Großen des Landes, ein Gengua Tſjo d. i. Wachtjournal, in welchem er anzeiget, wer zu jeder Stunde des Tages ein-und ausgegangen ſei, welches Journal dan der Herr zuweilen des Abends durchzuſehn pflegt.

Zur Seite der Genquaban findet man eine Nengjoſi Feja, d. i. eine Kammer fuͤr die Stadt-Raporteurs, welche im Namen der Burgermeiſter von Nangaſacki beſtaͤndig am Hofe des Gouverneurs aufwarten muͤſſen, um ſeine Befehle wegen der Stadt-und Buͤrgerſchaft zu vernehmen. Dieſer Bedienten ſind vier, von denen abwechſelnd immer zwei die Aufwartung haben. Die Buͤrger ſehn dieſelbe als eine Pflicht an, die blos zu ihrem Dienſt und Nutzen iſt, und deswegen halten ſie zu Ausrichtung derſelben entweder Tagloͤhner, Handwerker und andre Einwohner, oder ſie vertheilen dieſen Dienſt unter ſich ſelbſt, und uͤbernehmen ihn freiwillig ohne allen Lohn.

Wenn der Gouverneur ausfaͤhrt, iſt ſein Statszug folgender: Erſtlich ein Hand - pferd, welches muͤßig nebenher gefuͤhrt wird; ein Norimon oder Leibſaͤnfte, worin der Gouverneur getragen wird, begleitet mit vier Kats oder Heiducken, die dem Norimon vorgehn, und vier der vornehmſten Tſjugosjo oder Leibbedienten, die neben der Saͤnfte hergehn. Hinter derſelben folgen zwei Jarimots oder Pikentraͤger, und dan auch noch einige Karoo, Joriki, Doſen und endlich die ſchlechtern Knechte, theils vom Gouver - neur und theils von ſeinen Bedienten. Jn der Aufreiſe nach Jedo iſt der Zug viel praͤchti - ger und zahlreicher, aber nicht ſo in Jedo ſelbſt. Hier laͤſt ſich der Gouverneur nur eine Pike nachtragen, und hat wenig Gefolge bei ſich.

Unter der Direktion und den Befehlen der Gouverneurs ſtehn nicht allein alle ein - heimiſche buͤrgerliche Einwohner der Stadt; ſondern auch unmittelbar die Fremden, die den Geſetzen des Reichs unterworfen ſind, und auch die Strafen fuͤr ihren Ungehorſam, ſo wie deren Milderung einzig und allein den Gouverneurs und der Kaiſerlichen Gnade uͤberlaſſen, und bei jenen ſich unterthaͤnigſt bedanken muͤſſen. Unter die Fremden werden gerechnet die Bedienten der hollaͤndiſchen Compagnie, und die zweite Claſſe auswaͤrtiger Kaufleute, die Sineſer, Tunkiner, Cambodier, Siamer und die auslaͤndiſchen auſſerhalb Sina etablir - ten Sineſer.

Zu dieſem Departement der Gouverneurs gehoͤrt nun die Direktion alles auslaͤndi - ſchen Handels, die Jnquiſition wegen des Schleichhandels und des Chriſtenthums, wenn allenfals wegen des leztern noch etwas vorfallen ſolte; ferner die Diſpoſition uͤber alle an - kommende oder durch Sturm irgend an eine japaniſche Kuͤſte verſchlagne Fremde und Schiffe, welche ſo wie alle auch noch entdekte Chriſten von dieſer ganzen weſtlichen JnſelC 3alle -22Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. allemal hieher gebracht werden muͤſſen. Auſſerdem muͤſſen ſie alle Fremde in ſtrenger und genauer Aufficht haben, auch fuͤr die Sicherheit des Seehafens ſorgen.

Es waͤre ganz wider die Natur des mistrauiſchen Charakters dieſer Nation und wider die Grundmarimen der japaniſchen Regierung, wenn ſie ſo viele und wichtige Ge - ſchaͤfte den Gouverneurs allein und auf Treu und Glauben anvertrauen ſolte. Der Hof laͤſt vielmehr ihr Betragen auf mannichfache Art ſehr genau beobachten. Zuerſt iſt dazu in Nangaſacki ein beſtaͤndiger kaiſerlicher Reſident beſtimt, der Deiquan oder kaiſerlicher Faktor heiſt. Dieſem aber ſind noch die beſondern Landesherrn auf Kjusju wieder vor - geſezt. Dieſe muͤſſen ſich beſtaͤndig von ihren Reſidenten hier in der Stadt von allen Be - gebenhelten unterrichten laſſen, und im Fal eines Aufſtands oder feindlichen Einfals ſogleich eilig mit ihren Truppen zum Marſchiren bereit ſeyn. Dieſe mannichfachen und verſchiednen Anſtalten machen es unmoͤglich, daß von irgend einer Seite irgend etwas wider den Hof kan unternommen werden, ohne daß dieſer ſehr bald und genau davon ſolte unter - richtet ſeyn.

Zur Bequemlichkeit des Handels und der Geſchaͤfte mit fremden Nationen werden vom Kaiſer eine Schar Dolmetſcher unterhalten und jaͤhrlich beſoldet, fuͤr die Hollaͤndiſche, Portugieſiſche, Tunkiniſche, Siamiſche, drei Sineſiſche und einige andre Sprachen. Dieſe Leute ſind aber gemeiniglich hoͤchſt unwiſſend, die nur einige gebrochne Worte der fremden Sprache mit einander verbinden, und dieſe nach dem Jdiotismus ihrer Landesſprache aus - ſprechen, meiſtens ſo unverſtaͤndlich, daß man, um mit ihnen zu reden, noch neue Dolmet - ſcher noͤthig haͤtte.

Um die Fremden in Aufſicht zu halten und fuͤr die Sicherheit des Hafens zu ſor - gen, ſind nun noch vier Wachen beſtimt, die jede ihre beſondere Einrichtung haben. Alle muͤſſen ſowohl die Stadt uͤberhaupt, als auch immer eine die andre in Aufſicht haben.

Die erſte iſt die hohe kaiſerliche Wache. Dieſe wird auf unmittelbaren Befehl und im Namen Sr. Kaiſerlichen Majeſtaͤt von den Landesherrn in Fiſen und Tſikuſen mit jaͤhrlicher Abwechslung gehalten. Daher fuͤhrt ſie auch den Namen Gobenſjo und Go - ben tokoro d. i. die hohe Wache oder das kaiſerliche Wachthaus, und ſteht nicht unter den Gouverneurs. Sie iſt eine halbe deutſche Meile von der Stadt angelegt und hat zu beiden Seiten die bergigten Ufer, Tomatſj zur Linken und Niſj Domarj zur Rechten; (nach dem Ausfahren zu rechnen) ſie hat nur hoͤlzerne Haͤuſer, aber keine Kanonen, Feſtung oder Schanze. Nur wenn Schiffe ankommen, wird der aͤußere Hof mit Schanztuͤchern umhan - gen, und es iſt alsdann gewoͤhnlich, ſich gegenſeitig mit einer Salve zu beehren. *)Jn der engliſchen Ueberſetzung ſteht noch: the live in huts built of wood. Beide Wachten haben etwa 700, und wenn ſie wohl beſetzt, jede mehr als 500 Man, deren Com -mendant23Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. mandant ein Gobangasjiva oder hoher Wacht Obriſter iſt. Die wenigſten auf dieſen Wachten ſind Joriki, mehrere Doſen und die uͤbrigen Bus oder gemeine Soldaten. Sie muͤſſen den ganzen Seebuſen in gutem Auge haben; auch eine große Wachtbarke unter der Stadt zwiſchen den Schiffen halten, um bei jedem Vorfal bereit und zur Hand zu ſeyn.

Die zweite Wacht heiſt Funaban oder Schiffswacht. Sie beſteht aus 18 Bus oder gemeinen Soldaten und vielen mit Ruderknechten beſezten Wachtbarken, mit welchen ſie die naͤchtliche Runde im Hafen beſorgen, und die Aufſicht uͤber die fremden Schiffe fuͤh - ren. Sie pflegen ſich mit zween dieſer Barken, deren jede einen Doſin zum Befehlshaber hat, hinter jedes Schiff, ſo bald es im Hafen erſcheint, zu legen, und ſo lange das Schiff hier bleibt, pflegen dieſe Barken alle drei japaniſche Stunden mit einander abzuwechſeln, und es beim Abzuge bis in die offene See zu begleiten. Dieſe Barken werden von den ſo - genannten Waſſergaſſen unterhalten, und von denſelben auch mit gemeinen Waͤchtern oder Ruderknechten verſehn. Dies iſt eine Buͤrgerlaſt der Einwohner dieſes Theils der Stadt, dagegen tragen die Land-oder Hinterſtraßen die Laſt, daß ſie taͤglich nach Ordnung der Haͤu - ſer und Gaſſen mit ſechs oder auch wohl mehrern Kulis in den Haͤfen der Gouverneurs auf - warten und alle vorkommende Arbeit verrichten muͤſſen.

Die dritte Zunft heiſt Mi Okuri Buno d. i. die convoyirende Aufſeher. Die - ſer Name koͤmt daher, weil ſie die fremden Jonken, wenn die Funaban ſie verlaſſen ha - ben, noch ganz tief in die offene See und ſoweit begleiten, daß ſie wahrſcheinlich nicht mehr umkehren und auch nicht von den Fahrzeugen der Eingebohrnen mehr erreicht werden koͤnnen. Doch kan dies nicht immer verhindert werden. Dieſe Wache beſteht aus acht ſchnellen Fahrzeugen, jedes von acht Rudern, ſie kreuzen beſtaͤndig unter den Ufern weg, um die Anfuhrt der Sineſen an fremden Orten*)d. h. an andern als zu Nangaſacki, der einzige erlaubte Anfurth fuͤr die Fremden. zu verhindern, und japaniſche Schleichhaͤndler aufzubringen, welches oft geſchieht. Außerdem ſind dieſe Schiffe auch noch beſonders zum Walfiſchfange beſtimt, und haben einen Commandeur, welcher vor eine jaͤhrliche Beſoldung von 300 Taels auch dieſen Walfiſchfang zugleich beſorgt, weil er nur im Winter, wenn keine fremde Schiffe hier kommen, und doch an den Ufern, wo ſie in die Augen fallen muͤ - ſten, wenn einige wider Gewohnheit kaͤmen, angeſtellt wird.

Die vierte Wache heiſt To mi ban d. i. weitſehende Wache. Sie beſteht zu - weilen aus zwanzig Bus oder gemeinen Soldaten, welche nach ihrer ehemaligen Zahl aber noch Sjuninſj d. i. zehn Perſonen Wache heiſt. Sie wohnen mit ihren Familien am ſuͤdlichen Ende der Stadt auf einem hohen Huͤgel des Ufers, von welchem ſie die Wohnun - gen der Sineſen und Hollaͤnder beſtaͤndig im Auge haben koͤnnen. Jhr Geſchaͤft iſt aus den Tomidaka d. i. kleinen Huͤtten auf den Vorgebuͤrgen am Meerbuſen beſtaͤndige Achtauf24Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. auf die See zu haben, und ſobald ein Schiff geſehen wird, oder wirklich ſich der Kuͤſte naͤ - herte, mit ſchnellen Poſtbarken der Regierung die noͤthige Nachricht zu geben, und beſon - ders auch die verſchiednen Bewegungen deſſelben zu melden. Eine gleiche beſtaͤndige Beob - achtung der See geſchieht auch von einem an der Stadt gelegnen Berge Foo quan ſan d. i. Juweelenblumenberg. Auf dieſem werden beſtaͤndig die Materialien zu einem ſehr hel - flammenden Feuer bereit gehalten, die man ſogleich in Brand ſtekt, ſobald eine Flotte von zehn oder mehr portugieſiſchen Schiffen ſich ſehn laͤſt, oder man die gewiſſe Nachricht auch nur von wenig ankommenden portugieſiſchen Schiffen erhaͤlt. Eben dies geſchieht, wenn man von einem Aufſtande in irgend einem Theile der Jnſel Kusju Nachricht bekommen ſoll. Doch darf dies Feuer niemals ohne Vorwiſſen und Gutbefinden der Regierung ange - zuͤndet werden. Es iſt ein Zeichen eines dem ganzen Reiche nachtheiligen Vorfals, man ſieht es auf gewiſſen Bergen in Amakuſa, wo man wieder Feuer anzuͤndet, das man auf Figo ſieht und nachahmt. Und ſo wird dies Feuer uͤber die Berge des ſuͤdlichen Ufers fortgepflanzt und in 24 Stunden koͤmt die Nachricht, die es geben ſol, nach Jedo.

Die Stadt und ihre Einwohner werden unter der Direktion der erwaͤhnten Statt - halter durch vier Buͤrgermeiſter und deren Unterbedienten regiert. Die Buͤrgermeiſter wechſeln jaͤhrlich unter einander ab, und der regierende heiſt Nenban d. i. Jahrwaͤchter. Dieſer fuͤhrt ein Jahr lang das Praͤſidium in ſeinem Collegio, mus taͤglich an den Hof des Gouverneurs von allen vorfallenden Sachen Bericht abſtatten laſſen, wenn die Sachen ſchwierig und zweifelhaft ſind, ſie perſoͤnlich vortragen, und wenn ſie von noch ganz beſonde - rer Wichtigkeit ſind, oder er mit ſeinen Collegen nicht eins werden kan, ſie mit Huͤife des Hofraths beilegen oder auch dem hohen Urtheil des Gouverneurs unterwerfen.

Vor dieſes Tribunal*)Jch halte nach dem natuͤrlichen Zuſammen - hange der Stelle dieſes Tribunal fuͤr das Gericht der Herren Burgermeiſter von Nangaſacki. Herr Scheuchzer aber macht ein Imperial Court of Indi - cature und ein Emperors Bench daraus ad modum der Kingsbench in London, und haͤlt es fuͤr den zulezt erwaͤhnten Hofrath. Mich duͤnkt aber, man muͤſſe unter dieſem den Rath der Gouverneurs, der mit Jorikis beſezt iſt, verſtehn, den die Bur - germeiſter in ſchwierigen Faͤllen oder bei widerſpre - chenden votis um Rath fragen, d. i. an den ſieappelliren muͤſſen. Die Appellation haͤngt hier auf eine ſonderbare Art von den Unterrichtern ab (de - nen, wie es ſcheint, das Urtheil: welche Faͤlle ſchwierig und wichtig ſind? allein uͤberlaſſen iſt,) und nicht von den Parteien, die, iſt einmal das Urtheil geſprochen, nicht appelliren duͤrfen, wie Kaͤmpfer ſogleich ſagen wird. Die Unterrichter bekommen hiedurch ohne Zweifel große Gewalt, welche aber gewiſſermaßen dadurch beſchraͤnkt wird, daß die Oberrichter ſich bei jedem Vorfal in ihre Geſchaͤfte miſchen koͤnnen, und daß wahrſcheinlichdas gehoͤren nun alle buͤrgerliche Streitigkeiten, die Parteien werden hier verhoͤrt und nach der Manier des Proceſſes die Sachen von beiden Seiten vor -getra -25Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. getragen, vertheidigt und befochten. Die Unberedten bedienen ſich der Advokaten, und die Gruͤnde des japaniſchen Rechts ſind die Grundverfaſſung des Reichs, die kaiſerlichen Ge - ſetze, die Auctoritaͤt ſchon vorher entſchiedner Faͤlle und die Urtheilsſpruͤche beruͤhmter Maͤn - ner. Nach geſprochnem Urtheil findet keine Appellation ſtat. Doch darf die Todesſtrafe nicht eher volzogen werden, bis der Reichshofrath*)Unter dieſem Namen verſteht K. den hoͤch - ſten Rath des Kaiſers; der Hofrath iſt der, des Gouverneurs. ſie gebilligt hat. **)Alſo hat dieſes Tribunal auch Criminalju - risdiktion, aber eingeſchraͤnkt und untergeordnet, und zwar nicht dem Gouverneur, ſondern dem Kaiſer, daß alſo auch in Japan niemand, als der Monarch ſelbſt, die Todesſtrafe erkennen kan.Jn außeror - dentlichen, hoͤchſtwichtigen, das ganze Reich betreffenden Angelegenheiten, die einigen Auf - ſchub leiden, kan ſich dies Tribunal auch durch geſchwinde Poſten vom Reichshofrath be - lehren laſſen.

Man nent die Buͤrgermeiſter auch Toſji Jori Sju, welches nach den japani - ſchen Characteren und der Grundſchrift heiſt: Elterleute, weil ſie ehmals immer aus den aͤlteſten und weiſeſten Staatsbedienten erwaͤhlt wurden. Nachher aber iſt dieſe Wuͤrde erb - lich geworden, und man laͤſt jezt gemeiniglich die Soͤhne, wegen der Verdienſte der Vaͤter, dieſen nachfolgen. Doch komt dieſes allein auf das Gutbefinden der Gouverneurs und die nachſolgende Billigung des kaiſerlichen Reichsraths an, bei welchem der Candidat ſeine Dankſagung fuͤr die erhaltene Gnade vorher perſoͤnlich ablegen mus. So fuͤhrt jezt wirklich ein eilfjaͤhriger Knabe Takaku Ganparo den Titel ſeines vor einem Jahre verſtorbnen Vaters Takaku Sjiro Bjoje, und wird mit den muͤndigen Jahren die Regierung ſelbſt antreten. Ein andrer ſchon wirklicher Buͤrgermeiſter von 22 Jahren hies vor dieſem Takaku Genſo jezt Takaku Sajemon, und hat vor fuͤnf Jahren zugleich ſeinen kindiſchen Stand und Namen mit dem, ſeines Vaters verwechſeln muͤſſen. Man erlaubt alſo, daß jezt drei Perſonen aus der Familie Takaku die Buͤrgermeiſterwuͤrde, und der vierte die Stelle eines Amtmans uͤber die nahe an der Stadt liegenden Laͤndereien bekleide. Die Buͤrgetmeiſter von Nangaſacki ſtunden ehmals unmittelbar unter dem kaiſerlichen Hofe oder Reichsrathe, trugen zween Saͤbel als Beweiſe ihres adelmaͤßigen Rangs, und ließen eine Pike als Zei - chen eines hohen und unmittelbaren Befehlshabers vor ſich hertragen. Nachdem aber im Jahr 1683 die Stathalter vom Kaiſer groͤßere Macht und Anſehn erhielten, ſo wurde dieſeZweiter Band. Dgroße*)das Verſehn in ſchwierigen und wichtigen Faͤllen nicht appellirt zu haben, mit dem Tode, Verban - nung u. ſ. w. geſtraft wird. Die Herzaͤh - lung der fuͤr das Tribunal, von dem im Tert die Rede iſt, gehoͤrigen Sachen beweiſt, duͤnkt mich, offenbar, daß von keinem andern, als dem Stadt - gericht, die Rede ſeyn koͤnne. Denn was bliebe ſonſt fuͤr die Hrn. Jahrwaͤchter uͤbrig?26Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. große Gewalt und die adelichen Vorzuͤge den Buͤrgermeiſtern von Nangaſacki genommen, und ſie bekamen nur, wie die Buͤrgermeiſter andrer Staͤdte, buͤrgerliche Rechte. Das Recht der Beſteurung, die Wahl der Tosjii Jori und andre bisherige Freiheiten der Stadt wurden nun Rechte der Gouverneurs. Von der vorigen Herrlichkeit iſt dieſen Stadtbedien - ten nur dieſes geblieben, daß der abgehende Ninban jaͤhrlich eine ſehr unnoͤthige Reiſe nach Hofe machen mus, um dem hohen Reichsrathe eine Art von Huldigung abzulegen, und einige |Befehle wegen ihres Verhaltens einzuholen, da ſie alsdan wieder zuruͤkreiſen.

Um ihnen indes ihr Amt einigermaßen zu erleichtern, ſind zwei Unterbuͤrgermei - ſter beſtelt, welche beſonders die Angelegenheiten der Tſotomatz oder neuen Stadt beſorgen.

Dſjojoſi heißen immer bleibende Magiſtratsperſonen, weil ſie ihr Amt nicht niederlegen. Sie ſind auch Gehuͤlfen der Tosjijori, und regieren beſonders die Gaſſen der Tijiotomatz oder Außer Stadt, da jene außer der algemeinen Stadtdirection auch die Regierung der Utſimatz oder innern Stadt und ihrer Gaſſen beſorgen, zugleich mit den Ottonas, von welchen im folgenden Kapitel wird geredt werden. Das Amt der Dſjio - joſi iſt, daß ſie mit monatlicher Abwechſelung des Vorſitzes taͤgliche gewoͤhnliche Vorfaͤlle ſchlichten, mit Zuziehung der Richter uͤber die Straßen, und in wichtigern Vorfaͤllen mit Communication an die Buͤrgermeiſter. Sie werden aus der Zunft der aͤlteſten Ottonas erwaͤhlt und angeſtelt, von den Oberbuͤrgermeiſtern aber und von den Stathaltern in ihren Aem - tern beſtaͤtigt. Sie bekommen, wie die Buͤrgermeiſter, nur einen ſehr geringen Gehalt von dem Kaiſer, den ſie aber durch allerlei Vortheile von dem auslaͤndiſchen Handel zu ver - mehren wiſſen. Weil das Gewicht ihres Standes von dem gemeinen Mann nach dem aͤu - ßern Staat geſchaͤzt wird, ſo leben ſie beſtaͤndig in einer glaͤnzenden Armuth.

Nach ihnen folgen dem Range nach vier Nengjoſi, d. i. nach dem buchſtaͤblichen Sin des Worts, jaͤhrlich abgehende Magiſtratsperſonen, weil ihre Bedienung nur ein Jahr waͤhrt. Zwei von ihnen ſind fuͤr die Utſimatz, und zwei fuͤr die Sotomatz. Sie ſind gleichſam Syndici des Volks, und Rapporteurs fuͤr die Stathalter und Buͤrgermei - ſter. Mit taͤglicher Abwechſelung muͤſſen beſtaͤndig zwei am Hofe des praͤſidirenden Stat - halters ſich von fruͤh Morgens bis ſpaͤt Abends aufhalten, in einem beſonders fuͤr ſie beſtim - ten Zimmer nebſt der Genquaban, oder der Hauptwache der Joriki’s, um bei ſchiklicher Gelegenheit von allen Vorfaͤllen und Geſchaͤften in der Stadt zu berichten, als auch die Bitten der Supplikanten (doch mit Vorwiſſen der Buͤrgermeiſter) vorzutragen, und endlichdenn27Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. denn wieder die Befehle der Gouverneurs aus ihrem eignen oder der Karoo Munde zu em - pfangen, und ſie hernach den Toſjijori, oder Ottonas, oder auch den Dolmetſchern der Fremden zu hinterbringen. Noch haben ſie alles zu beſorgen, was taͤglich von der Stadt - gemeinheit zum Dienſt des Hofes verlangt wird. Die Geſchaͤfte dieſer Bedienten ſind aus - nehmend beſchwerlich, und ſie koͤnnen ſelten Dank von den Stathaltern verdienen. Sie werden wie die Dſjioſin aus den tuͤchtigſten Ottonas erwaͤhlt.

Dies ſind die vornehmſten obrigkeitlichen Perſonen und Beamten der Stadt Nan - gaſacki; ſie haben kein Rathhaus oder andre oͤffentliche Wohnung, ſondern ſie kommen allemal in dem Wohnhauſe des praͤſidirenden Buͤrgermeiſters zuſammen.

Zu Ausfuͤhrung der Befehle der vorigen und Erhaltung guter Ordnung in der Stadt gehoͤren nun folgende oͤffentliche Bediente:

Die Tjooſj no mono d. i. Stadtbotenvolk; ſie ſind eigentlich beſtaͤndige licto - res, die ehmals in beſtaͤndigem Dienſt der Buͤrgermeiſter waren; ſeit aber dieſer ihr An - ſehn ſo ſehr abgenommen, werden ſie mehr zum Dienſt der Gouverneurs und zu allerlei Vorfaͤllen gebraucht. Dieſes Collegium beſteht etwa aus dreißig Familien, die von langer Zeit her eine halbe Straße bewohnen, die von ihnen den Namen Tſjioſimatz hat. Jhre Anzahl iſt wegen der ſtrengern Regierung der Unterthanen vermehrt worden, und man hat daher eine Sintſjioſimatz, d. i. die neue Stadtbotenſtraße anlegen muͤſſen. Jhr Name klingt ehrlicher, als ihr eigentliches Geſchaͤft iſt, welches im Erhaſchen und Beſtrafung der Miſſethaͤter beſteht, zu deren Enthauptung ſie auch zuweilen gebraucht werden. Sie ſind in der Singekunſt gut geuͤbt, und wiſſen auch bewafnete Leute ſehr geſchikt zu baͤndigen, und ſie mit großer Behendigkeit halb zu wuͤrgen und kraftlos zu machen. Sie ſind beſtaͤn - dig mit einem ſtarken Strik verſehn. Jhr Amt, ſo veraͤchtlich es auch wirklich iſt, und im gemeinen Leben gehalten wird, iſt doch den Geſetzen nach adelich. Sie ſind deshalb auch beſtaͤndig mit zwei Schwerdtern bewafnet. Einige aber ſind von geringrer Wuͤrde, tragen nur ein Schwerdt und heißen Sadſi. Unter dieſen Tſjioſin pflegen allemal die Soͤhne das Handwerk der Vaͤter zu lernen, und ihnen deshalb in ihrem Amt zu folgen oder noch bei ihrem Leben adjungirt zu werden.

D 2Weit28Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Zweit. Kap. ꝛc.

Weit veraͤchtlicher ſind die Jetta oder Buͤttel, welche dem todten Vieh das Fel abziehn und gerben, auch Pantoffeln und andre Sachen daraus machen, ferner die Miſſe - thaͤter peinigen, kreuzigen und koͤpfen. Sie wohnen von andern Buͤrgern abgeſondert außer und vor der Stadt nahe am Gerichtplaz, welcher allemal an der weſtlichen Seite der Stadt am Heerwege angelegt iſt. Die Hurenwirthe muͤſſen dieſen Jetta durch ihre Hausknechte in ihrem Geſchaͤft Huͤlfe leiſten.

Der lezte oͤffentliche Bediente iſt der Gloͤckner, welcher die Zeit mit einem ſchwie - lenden Zunderlauf*)Fehlt in der engliſchen Ueberſetzung. abmiſt und die Stunden mit einem Glockenſchlag (welche Glocken man an dem gelegenſten Ort, an dem Bergruͤcken nahe bei dem Tempel Daikooſji angebracht hat) anzeigt. Das andre Gelaͤut der großen Tempelglocken zeigt nur der Sonnen Auf - und Untergang an, oder ladet etwa zuweilen zum Anhoͤren der Erklaͤrung eines geiſtlichen Textes ein.

Drittes29

Drittes Kapitel. Von der Polizei-Aufſicht uͤber die Gaſſen von Nan - gaſacki und ihre Einwohner, auch von der Regierung des umlie - genden platten Landes.

Nach den bisher beſchriebnen algemeinen Regierungsanſtalten der ganzen Stadt folgen nun die beſondern uͤber einzelne Gaſſen, welche zu ausnehmender Einſchraͤnkung der Buͤrger, aber auch zu großer Erleichterung der Oberaufſeher der Stadt gereicht. Hierzu ſind nun in jeder Gaſſe folgende beſondre Bediente und Magiſtratsperſonen beſtelt:

Ein Ottona oder Gaſſenmeiſter iſt das Haupt oder Buͤrgermeiſter einer Gaſſe, worin er vor Feuer, Wachten und Ausuͤbung der hohen Befehle der Obern ſorgt, genaue Verzeichniſſe und Regiſter von allen haͤlt, die geboren werden, ſterben, heirathen, aus - reiſen, wegziehen, ankommen, nebſt ihren Namen, Geburt, Religion, Nahrung u. ſ. w. Er verhoͤrt und ſchlichtet die gemeinen altaͤglichen Vorfaͤlle und Streitigkeiten; ſtraft leichte Verbrechen mit Feſſeln und Gefaͤngniß, laͤſſet die Uebelthaͤter durch dazu beſtelte Diener in ſeinem Bezirke greifen und haͤlt ſie im Arreſt bis zur Entſcheidung der hoͤheren Obrigkeit, der er alle peinliche Sachen uͤbergiebt und andere Begebenheiten von Wichtigkeit meldet, wobei er auch alles, was in ſeiner Gaſſe vorfaͤlt, verantworten mus.

Es wird ein ſolcher Gaſſenmeiſter in jeder Gaſſe von den Eingeſeſſenen durch alge - meine Stimmen vermittelſt verſchloſſener Zettel aus ihnen ſelbſt erwaͤhlt: nach Eroͤfnung der Zettel werden diejenigen Namen, welche die meiſten Stimmen haben, durch den Nen - gioſi dem Stathalter mit einer demuͤthigen Bitſchrift uͤbergeben, um einem derſelben die Regierung der Straße zu verleihen.

D 3Zu30Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Zu ſeinem Unterhalt iſt der zehnte Theil deſſen beſtimt, was die oͤffentliche Stra - ßencaſſe vermag, oder, welches einerlei iſt, was der auslaͤndiſche Handel der Stadt fuͤr Einkuͤnfte bringt.

Unter jedem Ottona ſtehen 3 Untergaſſenmeiſter, Oo gumi Oja, oder, O gumi gaſjira, d. i. der großen Zunft Vaͤter oder Haͤupter genant, welche ihm in Regierung ſei - ner Gaſſen und Einwohner beiſtehen und mit Rath und That zur Hand gehn.

Der Ordnung halber ſind die Einwohner jeder Gaſſe in Go nin gumi, d. i. Zuͤnfte von 5 Maͤnnern, eingetheilt: man trift deren gemeiniglich 10 bis 15, auch mehr oder weniger in jeder Gaſſe an: jede einer ſolchen Zunft von 5 oder auch bisweilen mehreren beſtehet nur aus Nachbarn, welche ihr eigen Grundſtuͤk bewohnen; ihre Bei - und Neben - wohner, die keine Haͤuſer haben, werden zu dieſem Quinquevirat nicht gezogen, ſondern ſtehen als Clienten unter einer Go nin gumi; manchmal belaͤuft ſich die Zahl dergleichen beiwohnenden Familien auf 15 und noch mehr; ſie ſind von den Stadtlaſten oder Auflagen befreiet, außer nur, daß ſie zu der Monban oder Nacht - und Rondenwache das ihrige bei - tragen muͤſſen; ſie haben aber auch dagegen keine Wahlſtimme noch Theil an der Gaſſenkaſſe. Die Miethe, die ſie nach der ſchlechten Einrichtung der Haͤuſer dieſer Stadt monathlich zahlen muͤſſen, faͤlt ihnen nicht wenig beſchwerlich, eine der ſchlechteſten Wohnungen koſtet 5 und eine der beſten 10 Condor; es pflegt die Miethe uͤbrigens nach der Matten Zahl, womit der Fusboden belegt iſt, in Anſchlag gebracht zu werden.

Unter dieſer Rotte iſt einer als Kogomi Oja oder Kojomi gaſjira, d. i. der kleinen Zunft Vorgeſezte oder Haupt, uͤber 4 andere angeſtelt, auf deren Thun er Acht zu geben und fuͤr einen Verbrecher mit den uͤbrigen Nachbarn ſeiner Rotte zu buͤßen gehal - ten iſt.

Außerdem giebt es noch folgende Bediente in jeder Gaſſe:

  • 1) Der Fiſja oder Schreiber: ſein Dienſt beſteht darinnen, daß er die Befehle des Ottona, Atteſtate, Abſchiede und Paͤſſe ſchreibt: Bitſchriften, Contrakte und Eide aufſezt, und verſchiedene des Ottona Straßenbuͤcher haͤlt, als z. E. ein Regiſter uͤber alle Haͤuſer und Hausgenoſſen mit ihrem Namen, Alter, Religion: ein Regiſter uͤber alle Ge - ſtorbenen ſamt den Zeugniſſen uͤber ihren unchriſtlichen und natuͤrlichen Tod: ein Protokol aller verliehenen Paͤſſe mit den Namen derer, ſo ſie empfangen, auch der genaueſten Nach - richt von den Urſachen und der Zeit ihrer Abreiſe ſo wohl als der Wiederkunft: ein Jour - nal von den taͤglichen Vorfaͤllen in einer Gaſſe, u. ſ. w.
  • 2) Takura Jaku, das heiſt Kleinodsbedienter: iſt ein Buͤrger, der die Gaſſen - caſſe in Verwahrung hat, und uͤber die Einnahme und Ausgabe Rechnung fuͤhrt. Es be - ſteht dieſe Kaſſe lediglich aus dem Gelde, welches die Regierung den fremden Kaufleuten von dem Preiſe ihrer Waren entziehet, und zum Unterhalte der Buͤrger, und zur Beiſteuerbei31Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. bei algemeinen Auflagen anwendet. Die Buͤrger ſelbſt wechſeln mit dieſer Bedienung jaͤhr - lich unter ſich ab.
  • 3) Nitzi Joſi, das nach dem Buchſtaben einen taͤglich hin - und hergehenden Ra - porteur bedeutet; es iſt ſolches naͤmlich der Straßenbote, der dem Stadtrathe die Abwech - ſelung der Wohnungen, die Todesfaͤlle und andere gewoͤhnliche Begebenheiten anmeldet: der auch die Bitſchriften der Buͤrger einer Gaſſe, die von dem Kogomi Oja an ihre Unter - gebenen ertheilte Zeugniſſe an ihren Ort uͤbertraͤgt: der ferner die Faſſakf oder Gelder, mit welchen zum algemeinen Geſchenk eine Collekte gemacht zu werden pflegt, ſamlet und die obrigkeitlichen Befehle an die Kojomi Oja inſinuirt.

Zur oͤffentlichen Sicherheit werden in jeder Gaſſe 2 Nachtwachen gehalten:

Die erſte iſt die Haupt - und Buͤrgerwache, Dſji ſin ban d. i. perſoͤnliche Leib - wache genant, weil ſie die Einwohner der Gaſſe in ſelbſt eigener Perſon halten: ſie wird naͤmlich alle Nacht von dreien beſezt und abgewechſelt: auch bei Tage, beſonders zur Zeit der Jahrmaͤrkten, oder wenn man es ſonſt noͤthig erachtet, geſchiehet ſolches; mitten in jeder Gaſſe, und, wenn es thunlich, gemeiniglich in dem Ekhauſe einer Creuzgaſſe iſt fuͤr dieſe Wache ein Aufenthalt beſtimt: ſie wird bei einem ſich ereigneten oder zu vermuthenden Auflaufe jedesmal verdoppelt, und pflegt alsdenn der Ottona ſelbſt ſamt einem ſeiner Unter - gaſſenmeiſter einige Stunden bis in die ſpaͤte Nacht und ſo lange ſich noch Menſchen auf den Straßen regen, dabei zu bleiben, um ſelbſt mit auf der Huth zu ſeyn, daß nichts gegen die oͤffentliche Ruhe und Ordnung vorfalle, indem er ſonſt mit der ganzen Gaſſe daſuͤr buͤßen mus. Dieſe Wache iſt von einem ſo großen Anſehen, daß der, ſo ſich ihr widerſetzte, noth - wendig am Leben wuͤrde geſtraft werden.

Die andere Wache hat den Namen Mon ban, die Pfortenwache, die wegen Diebſtahl und Feuersgefahr angeſtelt iſt: es werden dazu 2 Tageloͤhner oder Beiwohner ge - braucht: bei jeder Gaſſenpforte ſizt einer in einer Wachthuͤtte, beide gehen ſtets von einan - der ab und zu, und melden (wie alle andre Schif - und Landwaͤchter) mit 2 an einander ſchlagenden hoͤlzernen halben Cylindern die Stunden der Nacht: ſie werden von den Buͤr - gern der Gaſſe nach der Reihe bezahlt und unterhalten, wiewohl dieſe auch bisweilen dies Geſchaͤfte ſelbſt wahrnehmen. Jn andern Staͤdten ſtehet fuͤr den Feuerwaͤchter eine beſon - dere kleine neben oder uͤber einem Hauſe mitten in jeder Gaſſe aufgerichtete Huͤtte.

Durch eine ſolche genaue Eintheilung und ſo viele Vorgeſetzten werden nun zwar die Buͤrger vermittelſt unglaublich harter und unvermeidlicher Strenge, unter einem ſkla - viſchen Gehorſam und ungemeiner Arbeit gehalten, bei allem dem jedoch nicht mit uner - traͤglichen Laſten ſo mannigfaltiger Schatzungen, wie in Europa, geplagt; denn nicht zu gedenken, wie geringe ihre Abgaben an und fuͤr ſich ſind, ſo genießen ſie zu ihrem Unter -halt32Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. halt und alſo auch zum Theil zum Erſaz den großen Vortheil, daß alles, was der auslaͤn - diſche Handel an Jmpoſten abwirft, unter ſie wieder vertheilt wird.

Jch wil von dieſen Stuͤcken, nemlich von der Strenge, unter welcher ſie leben muͤſ - ſen, von der leichten Contribution und von derſelben Verguͤtung, alhier kuͤrzlich ſo viel bei - bringen, als es die Graͤnzen des Kapitels erlauben, und mir nach der Wahrheit bewußt iſt.

Keine Verbrechen werden an Gelde, ſondern alle an Leib und Leben und zeitlicher Wohlfarth beſtraft, weil ſonſt, ſagen ſie, einer, der Reichthum beſaͤße, nur immer frei ſuͤndigen koͤnte, welches ungereimt ſei. Zur Tortur werden zwar allerhand erdenkliche Pla - gen gebraucht, nie aber zur Abſtrafung bekenneter Verbrechen ſelbſt, die entweder durch die Kreuzigung oder durch Kopfabſchlagen geſchiehet, wenn nemlich die That ſo etwas verdient hat; fuͤr geringere Verbrechen hingegen, z. E. da einem von einem andern etwas zur Laſt gelegt wird, oder da einer in ſelbſt eigener Perſon etwas ver - ſchuldet, iſt die Strafe eines Lebenslangen Arreſts, Landes - oder auch nur Stadtverweiſung, Entſetzung des Amts, beſtimt; in dergleichen man aber auch in dieſem Lande ohne Wiſſen und Zuthun ſo leicht verfallen kan, daß faſt niemand recht ſicher davor lebt; denn ſo muͤſ - ſen die Gaſſenbediente fuͤr ihre unterhabende Buͤrger, dieſe fuͤr ihre Hausgenoſſen, Bei - wohner und Gaͤſte, ein Herr fuͤr ſeinen Bedienten, ein Sohn fuͤr ſeinen Vater, eine Ge - ſelſchaft fuͤr ihre Zunftgenoſſen, ein Nachbar fuͤr den andern in dieſen und jenen an Tag ge - kommenen Vergehungen mit buͤßen, wiewol dabei nach Beſchaffenheit der Perſonen und Sachen einige Maͤßigung ſtat hat.

Außer den verſchiedenen Wachten und Frohnaufwartungen bei dem Hofſtat der Gouverneurs werden die Einwohner auch mit folgendem belaͤſtiget:

Alle Gaſſen der Stadt werden ſowohl bei Tage als hauptſaͤchlich bei Nacht ver - ſchloſſen gehalten, beſonders bei Vermuthung einiger Ungelegenheit, zu Verhuͤtung des Auf - laufs oder Empoͤrung, bei Aufſuchung der Delinquenten, bei allen andern gar oͤfters vor - fallenden Jnquiſitionen der geringſten Kleinigkeit halber, ſie mag Namen haben wie ſie wil, auch noch ganz vorzuͤglich, bei dem Abzug der fremden Jonken und Schiffe, um zu ver - hindern, daß niemand ihnen nachſetzen und keinen Handel mit ihnen treiben moͤge. Es werden denn zu ſolchen Zeiten des Nachts zu verſchiedenen malen und an ungewiſſen Stun - den, doch meiſtens 3 mal, naͤmlich des Abends, in der Mitternacht und gegen Morgen, alle Einwohner in jedem Hauſe gemuſtert, ob auch einer abweſend und ſolchen Falls der Ver - muthung nach auf den Handel aus ſey; ein jeder mus alsdenn aus ſeinem Lager hervor und nach geſchehenem Aufruf ſeines Namens gegenwaͤrtig da ſtehn; außer dem Ottona, der ſich in - deſſen manchmal der Muͤhe entzieht, iſt bei dieſer Muſterung ein O gumi Gaſjira, zwei Koo gumi Oja und der Niſji joſi gegenwaͤrtig; der leztere lieſet die Namen aller Hausgenoſſenab,33Drit. Kap. Von der Polizeiauſſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. ab, zuweilen vergleicht er auch nur blos die Zahl der Perſonen mit ſeinem Regiſter. Die Thore muͤſſen waͤhrend dem zugehalten werden, oder auch, da ſie offen waͤren und Unrichtig - keiten verſpuͤrt wuͤrden, darf wenigſtens keiner durch die Straßenpforten paſſiren, ohne von dem regierenden Buͤrgermeiſter ein Tori Fuda oder bezeichnetes Pasbretgen bei ſich zu fuͤhren, da ihn denn, wenn er ſolches vorzeigen kan, der in einer jeden Gaſſe beſtelte Waͤchter durch ſeine eigene und bis zur Pforte der naͤchſten Gaſſe begleitet.

Wer eine Wohnung in einer andern Gaſſe beziehen wil, bittet zuvor den Ottona derſelben, ihn unter ſeine Straßenbuͤrger aufzunehmen, er macht ihm dabei zugleich ein Ge - ſchenk von einem Gericht Fiſchen, der Ottona laͤſſet ſich nach ſeinem Leben und Wandel er - kundigen, und ſchikt ſeinen Nitzi Joſi aus, um von den Buͤrgern der Gaſſe zu vernehmen, ob ihnen dieſer neue Ankoͤmling als Mitbruder anſtehe: wenn nur ein einziger dagegen iſt, der ihm einen Fehler, fuͤrnaͤmlich der Trunkenheit, Zankſucht und dergleichen anderer boͤſen Folgen aufzubuͤrden weis, und dagegen proteſtirt, daß er ſeine etwaige Verſchuldungen nicht tragen helfen wolle, ſo kann der Fremde alsdenn nicht angenommen werden: wenn er aber zulaſſungsfaͤhig iſt, ſo laͤſſet er ſich von dem Schreiber der Gaſſe, in der er bis dahin gewohnt, ein gewoͤhnliches Zeugnis zum Abſchied aufſtellen, das mit des Gaſſenmeiſters ei - genem Siegel bekraͤftigt und durch den Nitzi Joſi an den andern Gaſſenmeiſter gebracht wird, der den Ankoͤmling hierauf in die Zahl der ihm untergebenen Buͤrger und in ſeinen Schuz aufnimt, ſo lange inzwiſchen nicht fuͤr ihn zu ſtehen gehalten iſt, als ihm eine der - gleichen Abſchiedsſchrift, etwa aus Nachlaͤßigkeit, nicht zugeſtelt worden, als in welchem Fal man die Schuld eines Verbrechens noch der vorigen Gaſſe auf buͤrdet, daher denn auch der Meiſter derſelben mit ausdruͤklichen Worten in dem Abſchiedsatteſtate zu proteſtiren pflegt, daß er von der Zeit an fuͤr den Abgegangenen nichts verantworten wolle; wenn der Neuling endlich dem Gaſſenregiſter einverleibt wird, giebt er an ſeine Kumi gaſjira oder auch an die ganze Gaſſenzunſt ein Antritsmahl oder Ehrenbezeugung.

Groͤßere Schwierigkeiten giebt es, wenn einer ſein eigenthuͤmliches Haus verkaufen wil; es darf dieſes nicht ohne Genehmigung und Beiſtimmung aller Gaſſenbuͤrger geſche - hen, die es oͤfters ein ganzes Jahr lang zuruͤkhalten, wenn ihnen die Perſon des Kaͤufers nicht bekant oder anſtaͤndig iſt, weil ſie in Zukunft an ihren etwaigen Vergehungen Antheil leiden muͤſſen; wann das Haus wirklich an den Kaͤufer gelangt, ſo iſt dieſer verbunden uͤber jedes Hundert des kontrahirten Kaufſchillings in der Sotomatz den achten, und in der Utſi - matz etwas mehr denn den zwoͤlften Theil dem Gaſſenmagiſtrat zur gemeinen Austheilung unter ſie und die Mitbuͤrger einzuhaͤndigen; von dem Fatſjiban d. i. dem achten Theil wer - den 5 vom Hundert fuͤr die Muͤhe, die bei dem Verkauf vorfaͤlt, gerechnet, und 3 werden zu einem Mahle oder Luſtbarkeit beſtimt, aber ſelten dazu verwendet. Hat der Kaͤufer das Haus wirklich bezogen, ſo kommen ſeine neuen Mitbuͤrger zu ihm, um ihn zu bewil -Zweiter Band. Ekom -34Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. kommen, ihre Huͤlfe anzubiethen und ihn des buͤrgerlichen Beiſtandes und ihrer Freundſchaft zu verſichern.

Wenn einer auf Baͤtfarth oder ſonſt wohin verreiſen wil, ſo iſt erforderlich, daß der Kogomi Oja mit ſeinen uͤbrigen Kollegen ihm ein Zeugnis an die Obrigkeit ertheilt, womit zugleich gewiſſe Buͤrgen geſtelt werden, welche dafuͤr haften, daß jener aus einer ehrlichen und ſeinem Vorgeben gemaͤßen Abſicht ſeine Reiſe antrete, und zur benanten Zeit ſich wieder einfinden ſolle; hiezu dient ein beſonderes großes Straßenbuch Kitte no ſi ta gaki d. i. Pasunterſchreibung, genant, worin der Ottona die Buͤrgen ſich einſchreiben und die Buͤrgerſchaft mit ihrem Petſchaft beſiegeln laͤſſet; eine ſolche einregiſtrirte Obligation mus der Nitzi Joſi zu des Ninban Toſji jori Behauſung bringen, um dem Bittenden einen Reiſepas zu verſchaffen; die Genquaban-Wache nimt das Buch an und traͤgt es dem Buͤr - germeiſter vor, der ſodann ſeinem Jufitz oder Sekretaͤr Befehl giebt, dieſen Pas zu ſchrei - ben, und mit dem waͤhrend ſeiner Regierung gewoͤhnlichen Siegel zu bedruͤcken; dieſes Sie - gel, das in der Juſtizverwahrung iſt, hat die Groͤße eines Speciesthalers und beſteht aus dem Charakter ſeines eigenen Nanori oder militaͤriſchen Namens. Der Pas wird hier - naͤchſt zu dem Nengoſi getragen und mit deſſen Namen und Siegel bekraͤftigt, oder an deſ - ſen Statt zu dem Dſjo joſi der Sottomatz, wenn der Supplikant in dem Theile der Stadt zu Hauſe iſt. An Gebuͤhren wird fuͤr alles das nichts entrichtet, als nur dem Nitzi joſi drei Condors fuͤr ein dickes Papier in groß Quart, ſo er gewoͤhnlich dazu gebraucht.

Wenn etwas von den Einwohnern oder Mitbuͤrgern einer Gaſſe verbrochen iſt, haͤlt der Gaſſenmagiſtrat, naͤmlich der Ottona, 3 Kumi gaſ jira und alle Kogomi Oja eine Berathſchlagung, ob und wie die Sache unter ihnen auszumachen ſei: finden ſie, daß ſel - bige die Graͤnzen ihrer Macht uͤber den gewoͤhnlichen Horizont ihres Verſtandes uͤberſteigt, ſo melden ſie es an den geminen Stadtmagiſtrat: dieſer thut nach Befinden das naͤmliche, indem er durch die Neng joſi mit den Karoo der Stathalters daruͤber Rath pflegen, und es erforderlichen Falles dem Stathalter ſelbſt vorbringen laͤſſet. Durch eben dieſe Wege kommen denn auch die hoͤchſten Befehle der Gouverneurs wieder zuruͤk, ſo, daß ſie am Ende durch den Nitzi joſi, bisweilen auch wohl aus dem Munde des Ottona ſelbſt, den gemeinen Buͤrgern und Einwohnern bekant werden, es waͤre denn, daß ſie von der Art der wichtigen immergeltenden Kaiſerlichen Verordnungen waͤren, die man als Plakate oͤffent - lich anheftet.

Jn ſofern ein Streit oder Thaͤtigkeiten in einer Gaſſe, es ſey unter den Eingeſeſ - ſenen oder Durchpaſſirenden, vorfaͤlt, ſo ſind die Hausvaͤter der naͤchſten Haͤuſer verbun - den, ſie zu ſcheiden. Wenn einer von ihnen etwa getoͤdtet wuͤrde, waͤre es auch der Be - leidiger ſelbſt, wird der andere, ob er auch gleich das Recht einer Nothwehre vor ſich haͤtte, dennoch mit einer oͤffentlichen Todesſtrafe belegt; (alles was er etwa in dem Fal thun kan,iſt,35Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. iſt, daß er dieſer Schande mit ſelbſt eigener Entleibung zuvorkomt;) uͤberdem wird das Geſinde der 3 naͤchſten Haͤuſer, wo die That vorgegangen, auf 3, 4 und mehr Monate in den Haͤuſern verſchloſſen gehalten, deren Fenſter und Thuͤren man kreuzweiſe mit rauhen Brettern vernagelt, nachdem ſie zuvor mit der eingekauften noͤthigen Koſt zu dieſem Ge - faͤngnis hinreichend verſehen ſind: die uͤbrigen Gaſſenbuͤrger, beſonders wenn ihnen einige Nachlaͤſſigkeit, in Verhinderung der geſchehenen That, zur Laſt komt, muͤſſen ihre Strafe auf einige Zeit durch Leibesarbeiten, durch gemeine Frohndienſte und auch beſondere bei den Magiſtratsperſonen empfinden: einer gleichen und ſchweren Strafe unterliegen die Kumi gaſjra in der Gaſſe, wo das Verbrechen geſchehen, ja einer noch weit haͤrteren, wann ſie uͤberfuͤhrt werden, gewuſt zu haben, daß der Miſſethaͤter zu der Schlaͤgerei oder dem Ver - brechen, worin er betroffen worden, eine vorſetzliche Neigung gehabt habe: ſo haben auch die Hauswirthe und die Herren der Delinquenten nicht weniger eine ſchwere wilkuͤhrliche Strafe davon zu gewarten. Es beruhet uͤberhaupt dieſes ſtrenge Verfahren auf eben dem Grunde als der Saz: Facientis culpam procul dubio habet, qui quod poteſt cor - rigere, negligit emendare.

Wann einer, aus Eifer uͤbereilt, auf einen andern ſeinen Saͤbel entbloͤßete, iſt er, ob er ihn ſchon nicht verlezte, dem Schwerd anheim gefallen, wenn es der Obrigkeit angeklagt wird.

Wann ein Buͤrger oder Einwohner aus Furcht einiger Strafe entliefe, muß die Kumi jaſjra ihn herbeizuſchaffen ſich bemuͤhen, und ihn ſowohl ſelbſt als durch andere auf - ſuchen laſſen, bei Vermeidung wilkuͤhrlicher Leibesſtrafe nach Befinden der Sache.

Jm lezten Monate des alten Jahrs geſchiehet von dem Nitzi gjoſi jeder Gaſſe die Fito Aratame, d. i. Aufſchreibung aller Hausgenoſſen, Kinder und Alten mit den eigentlichen Namen ihres Geburtsorts und ihrer Sjuu oder Religionsſekte; ſie laſſen ſich insgemein unter dem Namen der Sekte ihres Hausvaters aufſchreiben, doch viele Eiferer, beſonders der Sekte Sjodo wollen es ihren Hauswirthen nicht bewilligen, ſie anders als mit dem Namen ihrer wahren Sjuu zu bezeichnen. Das weibliche Geſchlecht wird bei dieſer Regiſtrirung nur gezaͤhlt, und ohne weiter Detail der Summe zugeſezt.

Nachdem am Schluſſe des alten Jahrs dieſe Muſterrolle verfertigt iſt, wird dar - auf mit dem Anfange des neuen Jahrs die Jefumi gehalten, das nach dem Buchſtaben ſo viel heißet, als die Figurtretung, weil ſie das Bild des am Kreuz hangenden Chri - ſtus und noch eines andern Heiligen*)Scheuchzer gedenkt auch noch beſonders des Marienbildes. mit Fuͤſſen treten, zum Beweis, daß ſie der Lehre Chriſti und ſeiner Apoſtel entſagen und ſie verfluchen. Die Ceremonie dieſer Entheiligung des gekreuzigten Heilandes nimt von dem zweiten Tage des erſten Monats nach der ReiheE 2der36Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. der Haͤuſer und Gaſſen und an zweien Orten zugleich, ihren Anfang, ſo, daß jede Partie taͤglich 4 bis 5 Gaſſen vornimt, und man in allem in Zeit von 6 Tagen fertig geworden: der Ottona, 3 Ogumi Oja, der Fitſja, Nitzi Joſi und 2 Monban oder Figurtraͤger ma - chen die feierlichen Perſonen dieſer Handlung aus. Die Figuren, welche in einem beſon - ders dazu gemachten Kiſtgen gehalten werden, ſind von Meſſing gegoſſen, und etwa eines Fußes lang. Mit deren Tretung gehet es auf folgende Art zu: nachdem der benante Jn - quiſitionsrath auf eine Matte ſich niedergeſezt, mus ſich alles aus dem Hauſe gros und klein nebſt den beiwohnenden Familien in dem Gemache verſamlen; waͤre etwa die Wohnung des naͤchſten Nachbarn zu Verrichtung der Handlung zu klein, ſo erſcheinen dieſe alhier zugleich mit; die bronzirten Figuren liegen auf dem bloßen Fusboden: der Jefumi Tſjo oder zum Feju beſtelte Schreiber ſchlaͤgt ſein Muſterbuch auf und lieſet aller Namen ab, die ſo, wie ſie abgeleſen werden, herzukommen, und uͤber die Bilder gehen oder treten: die Muͤtter heben unmuͤndige Kinder, die noch nicht gehen koͤnnen, auf, und laſſen ſie mit den Fuͤßen darauf nieder, welches eben ſo angeſehen wird, als ob ſie daruͤber gegangen, wenn dieſes geſche - hen, druͤkt der Hausvater ſein Siegel unter die Muſterrolle, zum Zeugnis, daß die Jnquiſition bei ihnen gehalten ſei, und damit deshalber die Jnquſitoren bei dem Stathal - ter ſich moͤgen rechtfertigen koͤnnen. Wenn in allen Gaſſen und Haͤuſern die Ceremonie abgethan iſt, alsden betrit ſelbſt der Jnquiſitionsrath die Bilder und zum Beſchlus der Ottona, wobei denn einer fuͤr den andern die richtig geſchehene Tretung mit dem Petſchaft atteſtirt. Nur hier zu Nagaſacki und in den Provinzen Omura und Bungo iſt die ganze Handlung gebraͤuchlich, woſelbſt ſich in vorigen Zeiten die meiſten Chriſten aufgehal - ten haben.

Wenn ein Hausgenoſſe ſtirbt, mus der Hausvater die Kogomi herbei rufen, um zu zeigen, daß er nicht allein eines natuͤrlichen Todes ſondern auch als kein Chriſt geſtorben: finden dieſe nun an der Leiche keine Zeichen einer Gewaltthaͤtigkeit oder ſonſt etwas, was ei - nen Chriſten verriethe, dann ſtellen ſie das ſchriftliche Atteſtat von ſich und bedruͤcken es mit ihrem eigenen Petſchaft, welches ſofort der Nitzi Joſi dem Gaſſenbuch einverleibt und zu - gleich denen Dſjo Joſi in der Tſotomatz oder den Buͤrgermeiſtern, wenn er aus ſelbigem Be - zirk iſt, zuſtelt.

Der algemeinen Geldabgaben der Stadtbuͤrger ſind wenige und treffen lediglich die Beſitzer und Erben der Grundſtuͤcke: der uͤbrige obwohl groͤßeſte Theil der Einwohner, welche denn auch fuͤr keine wahre und aͤchte Buͤrger gerechnet werden, ſind mit keinerlei Geldlaſten beſchwert; es giebt derſelben foͤrmlich zwo Arten.

Die eine heißet Dſii ſi d. i. Grundgeld, nach den eigentlichen Worten: Erdlohn; oder Dſii ſin gin, d. i. Erdlohngeld, das jaͤhrlich fuͤr den Kaiſer aufgebracht, und im 8ten Monate des Jahrs erhoben wird. Ein Haus komt indeſſen nicht nach dem viereckigtenPlatze37Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. Platze, den daſſelbe begreift, ſondern nach der Laͤnge des Vordertheils deſſelben zum Steuer - verhalt, wie denn fuͤr jede Kin oder ohngefehre Klafterlaͤnge in dem Tſoto Quartier der Stadt 4 Maas, in dem Utſi Quartier aber 6 Maas bezahlt werden muͤſſen. Jn Anſe - hung der Tiefe des Hauſes oder Grundſtuͤks wird bis auf 15 Kin nichts gerechnet, ſo bald es aber daruͤber ſchreitet, und waͤre es auch nur 1 Bu oder Strohhalm breit, mus die Laͤnge von neuem angeſchlagen und getragen werden, worin man deswegen ſo puͤnktlich zu Werke gehet, weil die Abgabe fuͤr den Kaiſer iſt, wobei, ſagt man, die ſtrengſte Gerechtigkeit gehandhabt werden mus.

Die andere Art der algemeinen Geldauflagen iſt gleichſam eine Ehrengabe | und freiwillige Kontribution, welche die Unterthanen eigener Grundſtuͤcke hieſelbſt ihren Stat - haltern und die geringere Bedienten ihren Obern am erſten Tage des achten Monats an dem Faſſakufeſt verehren, daher auch das Geld Faſſaku gin oder das Faſſakugeld heißet. Die Perſonen, ſo oͤffentliche Aemter bei der Stadt haben, machen jeder nach Verhaͤltnis ſeines Amts, nach einem unvermeidlichen Herkommen oder auch wohl nach Ehrgeiz, außer - dem noch ein beſonderes freiwilliges Geſchenk an ihre ſaͤmtliche Oberbefehlshaber, naͤmlich an jeden Stathalter, an den hieſelbſt reſidirenden Kaiſerlichen Oberſchazmeiſter und an die vier Stadtbuͤrgermeiſter; ſelbſt die Soͤhne der Dolmetſcher, die ſich noch als Lehrlinge bei ihren Vaͤtern befinden und auf die Anwartſchaft der vaͤterlichen Stellen hoffen, laſſen die Ge - legenheit nicht vorbeiſtreichen, ſich durch ein Geſchenk beliebt zu machen, an jeden Gouver - neur bringen ſie 25 Maas und ſo an die benanten uͤbrigen Befehlshaber nach Proportion we - niger. Die gemeine Buͤrgerſchaft ſamlet erſt nach dem Faſſakufeſt aus jeder Gaſſe ihr Ge - ſchenk zuſammen und liefert es alsdenn den beiden Gouverneurs ein; es wird ſelbiges nach der Beſchaffenheit des Grund und Bodens der Haͤuſer aufgebracht: eines jeden Hauſes Kaſjo traͤgt, wenn es in der Sotomatz gelegen, ſechs, und in der Utſimatz neun bis zehn Maas bei, das alſo in allem fuͤr 4350 Kaſjo, jede Gaſſe zu 50 Kaſjo gerechnet, etwa 2630 Tails betraͤgt. Kaſjo iſt der Quadratinhalt des bei der erſten Anlage der Gaſſe fuͤr ein Haus abgetheilten Erbgrundes, ſo wie er nach ſeiner Groͤße ins Stadtbuch kataſtrirt worden; verſchiedene dieſer Kaſjo koͤnnen hernach mit der Zeit zu einem Wohnhauſe gezo - gen, andere auch zu zwei Haͤuſer vertheilt und eingerichtet worden ſeyn.

Es iſt dieſe leztere Art von Kontribution in keiner andern Stadt als Nagaſacki ge - braͤuchlich; um indeſſen den Buͤrgern dagegen einige Schadloshaltung zur Erkentlichkeit wi - derfahren zu laſſen, hat man ihnen die Wohlthat des Fanna gin geſtiftet, das iſt, es wird das Geld, welches die Stathalter von dem auslaͤndiſchen Handel, ſeitdem ſie die Auf - ſicht daruͤber haben, abzwacken, jaͤhrlich unter die Eigenthuͤmer der Haͤufer vertheilt. An - dere Reichs - und Provinzialſtaͤdte haben keine andere als nur die zuerſt gedachte Art Steuren an ihre Landesherren zu entrichten; und auch ſogar von dieſer iſt die Stadt Miako durch eineE 3Vor -38Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Vorbitte bei einer gewiſſen Gelegenheit von dem Kaiſer Taiko frei geſprochen und bis hierher bei der Freiheit erhalten worden.

Naͤchſtdem haben die angeſeſſenen Buͤrger noch einige geringere Abgaben aus ihren Mitteln zu leiſten. Die namhafteſten derſelben ſind:

  • 1) die, ſo zu Ehren des Landesgoͤtzen Suwa, als des Patrons von Nagaſacki, oder welches einerlei iſt, zum Unterhalt ſeiner Tempelbedienten, der 800 Sju mome betraͤgt, geſchehen muͤſſen;
  • 2) fuͤr die Schauſpiele, die zum Vergnuͤgen dieſes Goͤtzen bei den Tempeln ange - ſtelt werden;
  • 3) fuͤr den Unterhalt des Tempelgebaͤudes, fuͤr den man eben jetzo um eine Col - lecte bittet, ſelbſt.
  • Fuͤr welches alles nichts aus der Kaſſe der Janagin, oder, ich moͤgte ſagen, des Blutgeldes genommen wird, als vielmehr ein jeder aͤchter Buͤrger nach ſeinem Vermoͤgen bei einer algemeinen Collecte das ſeinige dazu beizutragen gehalten iſt. Einen noch ziemlich ſtarken Artikel von Abgaben verurſacht
  • 4) Die Tempelfeier des Suwagoͤtzen, indem ſelbige durch koſtbare Aufzuͤge, Thea - traliſche Vorſtellungen, Taͤnze u. d. g. gehalten wird; da dieſes jedoch alle Jahr nur 10 oder 12 Gaſſen betrift, ſo ertragen die Buͤrger nur alle 7 oder 8 Jahr einmal den dazu er - forderlichen Aufwand; die Hurengaſſen aber muͤſſen in jedem Jahr ohne Ausnahme an den Tanz, und kan es einer jeden Gaſſe auf 3 bis 400 Sjumome zu ſtehen kommen, weil die Feierlichkeit des Feſtes jedesmal neue Aufzuͤge, Lieder, Taͤnze und Vorſtellungen, alſo auch neue Kleidungen erfordert und ohne dem zu der Zeit alle Sachen uͤbermaͤßig und unbedungen bezahlt werden.

Gleichwie nun eines Theils die Lage der volkreichen Stadt Nagaſacki, (zwiſchen Meer und Gebuͤrgen an der Spitze der Provinz Fiſen,) ſo beſchaffen iſt, daß die Buͤrger keine laͤndliche Nahrung, wie andere Staͤdte, treiben und davon ihre Abgaben beſtreiten koͤnnen; ſo wuͤr - de ihnen anderen Theils der Vorzug, daß ſie den vortheilhafteſten Stapel fuͤr den auslaͤndiſchen Handel haben, allerdings das alles erſetzen, wenn ihnen nur nicht eben daher ſo neue Sor - gen und Laſten zufielen und ſie ſo oͤfters ihr Vermoͤgen ja ſelbſt ihr Leben aufs Spiel zu ſetzen haͤtten. Jnzwiſchen aber nicht Juſtinian, ſondern die Vernunft hat ihnen gelehrt, was Jener ſagt: ſecundum naturam eſſe, commoda cujuscunque rei eum ſequi, quem ſequuntur incommoda. Jn dieſem Ausſpruche liegen die Fruͤchte, die ſie zu ihrer Entſchaͤdigung einſamlen, denn ſeit die Oberaufſicht uͤber den auswaͤrtigen Handel an die Stathalter gekommen, haben dieſe, zufolge jener als billig vorgeſtellten Maxime, Mittel gefunden, aus dem Gewinn der Auslaͤnder den hieſigen Buͤrgern einen Erſaz zu ihrer Er - leichterung und Beihuͤlfe zu bereiten, welchen Erwerb man aber billiger einen Adlersraubnennen39Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. nennen moͤgte. Das, was ich meine, iſt naͤmlich das Fanna gin, deſſen ich ſchon er - waͤhnt und das eigentlich ſo viel heißet als: Blumengeld, vielleicht darum, weil ſie von den Fremdlingen noch reichere Vortheile als die gegenwaͤrtigen ſich verſprechen, es moͤgte denn ſeyn, daß ſie die erſten Vortheile auf ihrer Seite mit den Blumen, und den Gewin der Kauf - leute mit den Fruͤchten vergleichen wolten. Es iſt aber ein Geld, welches die Stathalter und die uͤbrige heidniſche Schar der Befehlshaber durch unerlaubte Erfindungen den Auslaͤndern von den Preiſen und dem Gewin ihrer Waren jederzeit zu rauben wiſſen, und das zum Theil unter die Befehlshaber (den Stathalter ausgenommen) und die geringeren Gaſſenbedienten der Stadt auch ſonſtige Handlanger verhaͤltnismaͤßig ausgezahlt, zum Theil aber auch in die Kanna ſa oder Gaſſenkaſſe zu des Gaſſenmeiſters weiteren Diſpoſition abgegeben wird, welcher denn dieſe eingenommene Blumen abermals an die Haͤuſerbeſitzer nach der Anzahl der Kaſjo austheilt, doch aber ſo viel davon in der Kaſſe zuruͤkhaͤlt, als er zu Reparation der Gaſſen, ihrer Pforten, Brunnen, Feuerinſtrumenten, zu den Ausgaben fuͤr die Frohndienſte u. d. gl. noͤthig zu ſeyn glaubt. Die von allen ſolchen Unkoſten gefuͤhrte jaͤhr - liche Rechnung wird einem jeden Mitbuͤrger zur Einſicht und Probatur ins Haus geſchikt. Es gehet eine dergleichen Vertheilung jaͤhrlich 2, 3, 4 auch mehrmalen, nach den verſchiedenen vorfallenden ſogenanten Canban oder oͤffentlichen Verkaufungen der fremden Waaren, mit Genehmigung des Gouverneurs vor ſich. Wenn einer oder der andere das, was es ihm zu ſeinem Antheil aus der Gaſſenkaſſe ertraͤgt, nicht begehrte, ſo iſt er auch von den gemei - nen Gaſſenlaſten, Frohndienſten, Nachtwachen und was dem aͤhnlich iſt, befreiet und kei - ner andern Steuer unterworfen als den beiden, wovon ich oben geredet, der Dſii ſi und der Faſſaku naͤmlich; dem ohnerachtet hoͤrt man von wenigen die Geſinnungen, welche un - ter ſolchen zu ihrem ſelbſt eigenen Vortheil gereichenden Bedingungen, auch wenn ſie wirklich bemittelte Leute waͤren, die laͤſtigen Gaſſendienſte mit dieſen Blumen abzukaufen be - gehrt haͤtten.

Das, was nun bisher von der Polizeiauſſicht uͤber die Stadt und Straßen von Nan - gaſacki angefuͤhrt worden, kan zum Muſter dienen, um ſich einen Begrif von der buͤrger - lichen Regierung in allen uͤbrigen Kaiſerlichen Reichs - und Fuͤrſtlichen Landſtaͤdten, auch de - ren Flecken und Doͤrfern zu machen, dabei weiter kein Unterſchied eintrit, als daß die Ma - giſtratsperſonen nur andere Namen fuͤhren und mit wenigerer Strenge verfahren.

Was denn aber die Regierung des umliegenden platten Landes betrift, ſo ſind es nur wenige Laͤndereien und geringe Dorfſchaften in dieſer rauhen bergigten Gegend, die ſich auf einige Meilen von der Stadt erſtrecken und derſelben Gerichtsbarkeit unterworfen ſind. Es hat der Kaiſer zu der Steuereinnahme einen beſondern Rentmeiſter oder Amtman geſezt, an den der Nengu oder Reis - und Korngeſchos von den in Kultur ſtehenden und Fruͤchte tragenden Aeckern, Gaͤrten und Feldern nach einem gewiſſen Anſchlage jaͤhrlich entrichtetwird.40Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. wird. Dieſer Geſchoß betraͤgt hieſelbſt ein weniges mehr, als den halben Theil der jaͤhr - lichen Erndte, welchen der Ackerman in die Okura oder Komogura d. i. Kaiſerliche Kornboden bei Mangome (ſo heißet die Vorſtadt an der noͤrdlichen Seite von Nangaſacki) ausgedroſchen und rein einzuliefern gehalten iſt: beeidigte Taxatoren beſichtigen zu dem Ende vor der Erndte die Felder, um den Ueberſchlag von dieſer Abgabe zu machen, oder laſſen auch in fruchtbaren Jahren eine Tſubo, d. i. ſo viel als auf einer viereckigten Tenne von einer Kin oder Klafter liegen kan, ausdreſchen und beſtimmen ſodan hiernach den Ertrag der ganzen Erndte. Der Beſitzer eines mit Geſtraͤuchen oder Baͤumen beſezten Grund - ſtuͤks mus nach Verhaͤltnis der Tſubo und zugleich nach Beſchaffenheit des ſchlechten oder ergiebigen Bodens ein gar weniges Dſi ſi gin oder Grundgeld aufbringen. Es werden dieſe Einkuͤnfte, nach der Landesweiſe, ſaͤmtlich nach dem Reismaße gerechnet, und es be - laufen ſich ſelbige auf 3000 Koku, mehr oder weniger, je nachdem das Jahr fruchtbar ausfaͤlt: wenn der Reis zu Gelde angeſchlagen wird, und jeder Koku 5 Sjumome koſtet, ſo komt die Summe von 15,000 Sjumome oder Tails heraus.

Ehedem war die Stelle eines ſolchen kaiſerlichen Rentmeiſters oder Amtmans fuͤr die angeſehene Familie von Si je tſugu Feſo gleichſam erblich und ſie bekleideten ſelbige unter dem Namen und Titel eines Daiquans; ſie unterhielten nach der Wuͤrde ihres Amts einen anſehnlichen Staat, und ſtanden an dem kaiſerlichen Hofe in einem ſolchen Cre - dit und Vorzuge, daß ihnen ſelbſt die Gouverneurs, ohnerachtet dieſe vor ihnen den Rang hatten, nach den Augen ſahen und ihre Vorſchlaͤge und Gutachten in Regierungsangelegen - heiten von großem Gewicht hielten; allein ein ungluͤklicher Zufal machte der Herrlichkeit auf einmal ein Ende, und vertilgte den Glanz und die Groͤße des Amts in eine ewige Nacht; es war naͤmlich im Jahr 1676, als man in den Fusboden-Matten des Tedai oder Haus - hofmeiſters des Daiquans einiges verborgenes Gewehr und andere Kontrebande entdekte, womit eben dieſer Tedai nach der Kuͤſte Corea ein Verkehr gepflogen. Die traurige Folge davon war dieſe: daß der Tedai und einer ſeiner Mithelfer auf einer kleinen nahe an der Stadt liegenden Jnſel, Suſu da ga ſima genant, aus Kreuz gehangen, des Tedai un - ſchuldiger ſiebenjaͤhriger Sohn aber, im Angeſichte ſeines Vaters am Kreuze, der Kopf abgeſchlagen wurde, nachdem ſie vorher zum Spektakel alle 3 durch die Gaſſen der Stadt gefuͤhrt waren, wobei man den Knaben auf den Armen trug; nicht zu gedenken, daß noch verſchiedene andere der vornehmſten Kaufleute und Theilhaber an dieſer Sache ebenfals in den ungluͤklichen Ausſchlag derſelben verwickelt worden ſind; was den alten Daiquan anbe - langt, ſo wurde demſelben nach den Reichsrechten die That des Verbrechers zugemeſſen, und er nebſt ſeinen beiden Soͤhnen auf eine Jnſel Oki no ſima, hinter der Provinz Tſu gokf in der Suͤdſee gelegen, ins Elend verwieſen, die Mutter dieſer Soͤhne aber, oder ſeine Gemahlin nach Firando geſchikt: ſie ſind bis jezt (1692) noch am Leben, ſo wie ſelbſt derVerraͤ -41Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. Verraͤther des ganzen Handels, ein Leibdiener des Tedai, der zur Belohnung ſeines Eifers, den er in dieſem Stuͤk fuͤr die vaterlaͤndiſchen Geſetze an den Tag gelegt, das Amt eines Gaſſenmeiſters auf Deſima uͤberkommen hat. Von der Zeit an und aus eben der Urſache darf kein Hollaͤnder oder Sineſe eine erkaufte Matte eher zu ſich nehmen, bevor ſie nicht aufs genaueſte durchſucht worden.

Nach dieſem iſt denn alſo gedachte kaiſerliche Rentmeiſter - oder Amtmansſtelle einem Takaki Sakujemon, in Mitverwaltung zweier Stadtbuͤrgermeiſter, ohne den Ti - tel und wilkuͤhrliche Macht eines Daiquan verliehen, und ihm gleich beim Antrit der Bedie - nung unterſagt worden, ſich eine Pike vortragen zu laſſen, und eines zweiten Saͤbels zu be - dienen, indem jenes das Zeichen eines vom Kaifer oder einem Landesherrn unmittelbar an - geſezten und von ihm abhangenden Dieners iſt, dieſes aber einen militaͤriſchen adelichen Rang andeutet. Man ſiehet nunmehro einen ſolchen Rentmeiſter nur in einem buͤrgerlichen Stande und ſich mit nichts anders bemengen, als was blos ſein Amt von ihm fordert, denn als er zum Exempel neulich ſeinen Bedienten zum zweitenmale auf einem Diebſtahle ertappete, muſte er erſt die Genehmigung des Gouverneurs einholen, bevor er ihn mit dem Tode abſtrafen lies, ohnerachtet es den Geſetzen nicht zuwider iſt, daß, wenn ein Herr ſei - nen Bedienten, der die Zeit ſeiner eingegangenen Dienſte uͤber als ein Sklave geachtet wird, in der erſten Hitze niedermachen ſolte, er davon weiter keine Verantwortung, ſon - dern nur hinlaͤnglichen Beweis zu fuͤhren hat, daß ſich der Bediente eines wirklich begange - nen Verbrechens ſchuldig gemacht.

Zweiter Band. FViertes42

Viertes Kapitel. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt.

Um die Beſchreibung der Stadt Nangaſacki volſtaͤndig zu machen, mus ich noch von den Tempeln und der Geiſtlichkeit in derſelben reden. Dieſe ſind nach den ver - ſchiednen Sekten in Religionen getheilt, und ſtehen daher unter verſchiednen Ober - haͤuptern, die alle ihren Siz in Miaco haben, als einem Ort der Heiligkeit und beſonderer geiſtlichen Andacht, und die uͤbrige Geiſtlichkeit des Landes, die Kloͤſter und Tempelwaͤr - ter durch Superioren und Prioren regieren laſſen. Hier in Nangaſacki finden ſich zwar von jeder Sekte verſchiedne Tempel und Kloͤſter, aber ſie alle erkennen hier noch keinen gemei - nen Biſchof, ſondern nur ihre hoͤchſten Generals in Miaco.

Von den Sin oder Cami d. i. einheimiſchen Goͤttern mus ich in Nangaſacki zuerſt den Udſigami (d. h. den Heiligen und Patron eines Diſtriks, Provinz oder Stadt) erwaͤhnen. Er heiſt Suwa Dai Mjoſin d. i. der große heilige Goͤtze Suwa. Sein Tempel liegt an der Seite vom Berge Tatta, und nach ſeiner oberſten ihm gewidmeten Ca - pelle ſteigt man von unten auf etwa 200 ſteinerne Tritte. Sie hat ohnlaͤngſt noch hoͤher muͤſſen angelegt werden, weil der Dairi dieſem Cami einen groͤßern Titel zugeeignet hatte. Der eigentliche Tempelhof aber iſt etwas niedriger, im Abhang des angefuͤhrten Berges angelegt, in deſſen Eingang gleich bei der Pforte ein offener langer uͤberhaͤngender Luſt - und Comoͤdienſal zu ſehen iſt, mit vielen Bildern, als den gewoͤhnlichen Geluͤbden und Gaben fuͤr die Sinsja; etwas weiter hin befinden ſich verſchiedne kleine hoͤlzerne Capellen, ſehr ſauber eingerichtet, aber ohne weiteren Zierath. Auch werden in dieſem Tempeldiſtrikt verehrt Muraſaki Dai Gongen d. i. der große geſtrenge Muraſaki und SymiosDai43Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt. Dai Mjoſin d. i. der große heilige Symios. Vor jeden derſelben wird eine Mikos d. i. eine große Monſtranz oder wohlausgezierte Tragkammer gehalten. Auch habe ich hier noch eine beſondere Zelle gefunden, die zu Ehren des Goͤtzen und Herrn der tauſend Beine ausgerichtet, und mit Figuren ſeiner Unterthanen allenthalben behangen war.

Dieſem Goͤtzen Suwa ſind hier verſchiedne heilige Tempeltage gewidmet, unter denen der vornehmſte von den fuͤnf Hauptfeſten derjenige iſt, welcher den Namen Kunitz oder Kujuatz Kokonoka fuͤhrt. Es iſt der neunte Tag des neunten Monats, und der Geburtstag dieſes Gottes, welcher durch das ganze Reich mit einem algemeinen Feſte, beſonders aber in Nangaſacki, weil er Patron dieſer Stadt iſt, gefeiert wird mit einem an - ſehnlichen Matſuri. Um den Pomp zu vermehren, wird auch ſchon der ſiebte Tag zu dieſem Feſt gezogen, und auch an dieſem die Matſuri gehalten. Am achten ſuchen reiche oder andaͤchtige Perſonen dieſen Geiſt an ſeinem Tempel mit einer angenehmen Muſik zu vergnuͤgen, die durch Knaben auf Trommeln und Glocken gemacht wird, auf eben die Art, wie man ihren hoͤchſten Cami und algemeinen Reichspatron Tenſjo Daiſin verſoͤhnte, als er ſich aus Verdrus in einem Felſen verborgen hatte. Auch der zwoͤlfte Tag dieſes Ge - burtsmonats wird gefeiert, in welchem hier nur allein Comoͤdien geſpielt werden.

Die Perſonen, welche zum Dienſt der Suwa Tempel beſtimt ſind, heißen Nege, zuweilen nent man ſie auch, aber mit Unrecht, Kuge; da dieſer Titel nur dem heiligen Hof des geiſtlichen Erbkaiſers gebuͤhrt. Sie ſind, wie alle andre Sinsja d. i. Diener der Tempel der Sin, nicht eigentlich geiſtliche, ſondern weltliche und verheirathete Perſonen, ob ſie gleich einen vorzuͤglichen Rang und beſondre Ehrfurcht vor allen andern Staͤnden ver - langen. Sie leben mit ihren Familien in Haͤuſern am Abhang des Bergs, die blos fuͤr ſie gebauet ſind. Jhre Art zu leben, ſo wie auch ihre gewoͤhnliche Kleidung, ſind gar nicht von der, anderer Menſchen unterſchieden, außer nur, daß ſie ihren Kopf nicht ſcheeren, und die Haare hinten gebunden haben. Zur Zeit, wenn ſie die Tempel bedienen, kleiden ſie ſich in ein geiſtlich Gewand, und zieren beſonders ihr Haupt auf verſchiedne Art nach Unterſchied ihres Standes. Jhren Unterhalt ziehn ſie aus den Opfern, die ihnen von den Einwohnern bei ihrem Aufzug zur Matſuri, auch bei Beſuchung der Tempel und Feſte zuge - worfen werden. Sie pflegen beſonders an dem erwaͤhnten achten oder Zwiſchentage in dem Matſuri-Feſte von Privatperſonen viele Geſchenke zu erhalten, die dann bitten, da - fuͤr ein Staͤndchen zur Ehre ihres Goͤtzen aufſpielen zu laſſen. Zwei Perſonen aus dem Stande der Ottonas haben die beſtaͤndige Aufſicht und Direktion uͤber dieſe Prieſter; aus jedem Theile der Stadt wird einer genommen, und ſie bekommen aus der Stadtcaſſe ihre Beſoldung. Zwei andre Ottonas ſind ihnen als Gehuͤlfen zugeſelt, welche aber keine Be - ſoldung erhalten. Dieſe beſorgen alles, was zum Unterhalt und Bau des Tempeldiſtrikts,F 2der44Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. der Matſura Comoͤdien, zur ſonſtigen Bequemlichkeit der Nege, und uͤberhaupt den Angelegenheiten der Came gehoͤrt.

Die Proceſſionen dieſer Weltgeiſtlichen geſchehen allemal mit ſehr vielem Pomp, und in folgender Ordnung:

  • 1) Werden zwei Staatspferde des Goͤtzen voraufgefuͤhrt, die ſo verhungert aus - ſehn, wie das Pferd, auf welchem der Patriarch zu Moskau am Palmſontag nach der Kirche zu reiten pflegt.
  • 2) Verſchiedne geiſtliche Jnſignien und Ehrenzeichen, wie ſeit uralten Zeiten am Hofe der Dairi im Brauch waren, und noch jezt ſind. Sie beſtehn in einigen kurzen brei - ten, vergoldeten Lanzen, ein paar hoͤlzernen Schuhen, gerade wie die Muͤnſterſchen Kloͤtze;
    *)Der Verf. meint die Holzſchuhe des weſt - phaͤliſchen Landvolks. Der engliſche Ueberſetzer hat ſich aus dieſen Muͤnſterſchen Kloͤtzen nicht fin -den koͤnnen, und daher dieſe Vergleichung weg - gelaſſen.
    *) ein großes Stuͤk weiß Papier an einem kurzen Stecken, welches ein geiſtlicher Commandowedel iſt.
  • 3) Hohle Ruhbaͤnke, um die Mikoſi drauf zu tragen; umgekehrt werden ſie ge - tragen, um Almoſen drin zu ſamlen, zu dieſem Zwek tragen auch zwei dazu gemiethete Traͤger eine Almoſenkiſte.
  • 4) Die beiden beſagten Mikoſj, welche die Geſtalt eines achteckigen Kiſtens ha - ben, doch ſo groß, daß eine Perſon ſchwerlich damit fortkoͤmt, ſchwarz lakirt mit vielen und guͤldnen Kronen oder Leiſten, metallenen Spiegeln und andern Zierrathen. Oben auf der Spitze ſteht ein guͤldner Kranich.
  • 5) Zwei hoͤlzerne Kammern, worin ſtat einer Norimon oder Saͤnfte und wie es bei den Alten und noch jezt bei der Kuge der Dairi gebraͤuchlich, beide Superioren ge - tragen werden.
  • 6) Zween ihrer geſattelten Leib - und Reitpferde von eben der Art, wie ich ſie vor - her beſchrieben.
  • 7) Die ganze Cleriſei in guter Ordnung zu Fuß.
  • 8) Nachfolgende Buͤrger und Poͤbelvolk in der gewoͤhnlichen Unordnung dieſer Leute. Sobald die Cleriſei mit ihren Monſtranzen ſich in ihre geiſtliche Behauſung verfuͤgt hat, kommen die Abgeſandten der Stathalter, ohne ihr gewoͤhnliches Gefolge, noch mit zwanzig langen Prunkpieken begleitet, die oben gleichſam mit ſchwarzen Hahnenfedern oder auch nur mit ſchwarz lakirten Spaͤhnen gekroͤnt ſind. Vier der vornehmſten unter denſel - ben waſchen vor dem Tempel ihre Haͤnde, und treten mit biſchoͤflichen Staͤben vor ihre obere Biſchoͤfe, welche zwiſchen denen Mikoſj oͤffentlich vor aller Augen ſitzen. Sie legenbei45Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt. bei derſelben im Namen ihrer Principalen und in ihrem eignen ihre Gluͤkwuͤnſche ab, mit ungemeiner, doch aber der Heiligkeit ihres Standes geziemenden Niedrigkeit. Hierauf wird jedem nach der Reihe der ſuͤße Trank Amaſacki von einem Nege zu trinken eingegoſ - ſen aus einer goldnen großen Kelle, aber nach der uralten Armuth der heiligen Vorfahren in ein irdnes unpolirtes ſchlechtes Schaͤlgen. Amaſacki iſt ein einheimiſch Bier, welches man aus dem gekochten Reiße abzieht, den man uͤber Nacht gaͤhren laͤſt. Man pflegt es vor dem Camifeſt zu brauen, um es den folgenden Tag zu trinken, zum ehrwuͤrdigen Gedaͤchtnis und Opfer des Alterthums, das von keiner andern als dieſer einfachen Art zu brauen wuſte.

An dem erſten Feſttage finden ſich die beiden gedachten Suiten, der Kleriſey und der Abgeſandten der Gouverneurs naͤmlich, alsdenn erſt ein, wann der ganze Auftrit geen - digt iſt; an dem dritten aber vor deſſen Anfang und mit Anbruch des Tages.

Unter der oft erwaͤhnten Matſuri iſt eigentlich uͤberhaupt eine Opferfeier zu Ehren eines jeden Cami zu verſtehen; nach dem gemeinen Sprachgebrauch aber bedeutet es ein jaͤhrliches Jubelfeſt oder Kirchweihe, die zu Lob und Ehren eines jeden Heiligen, Schuzgot - tes eines Orts oder Udſigami auf deſſen Geburtstag mit oͤffentlichen Prozeſſionen, Tanzen, Schauſpielen und vielen ſonderbaren Vorſtellungen gehalten wird. Es iſt aber dieſe Mat - ſuri eine der groͤßeſten Feierlichkeiten, die man zu Nagaſacki und in allen andern Staͤdten nur ſehen kan, daher ich es nicht unerheblich achte, hier etwas weitlaͤuftiger davon zu reden, weil man ſich daher von den uͤbrigen Feſten zugleich auch einen Begrif machen kan.

Die Tage, ſo dieſer Feier gewidmet ſind, habe ich vorhin bereits gemeldet; es wer - den ſelbige aber nicht etwa mit Predigen, Gebaͤtern oder ſonſtigen Andachtsuͤbungen, als vielmehr nur mit praͤchtigen Aufzuͤgen durch die fuͤrnehmſten Gaſſen der Stadt und mit oͤf - fentlichen Vorſtellungen auf einem dazu beſtimten Marktplatze zugebracht, der auch von den an dieſem Feſte dahin getragenen Goͤtzen den Namen Do tabi tokoro, d. i. der hohe Rei - ſeplaz, fuͤhrt. Vor dem Platze ſiehet man alsdenn einen von vorn offenen zu beiden Sei - ten von Bambus und Stroh aufgerichteten Tempel mit einem Giebel von Tſugiaͤſten; welche Bauart man zu dieſer Zeit darum erwaͤhlt, weil damit die Duͤrftigkeit der Vorfahren in Erinnerung gebracht werden ſol. Man kan es einer Feldkuͤche oder Heuſcheune vergleichen. Vorn hin auf jeder Seite wird noch ein tannen Baum geſezt, die uͤbrigen Seiten ſind mit kleinen ſchlechten Abſchlaͤgen fuͤr die Zuſchauer bekleidet.

Die ſaͤmtliche Kleriſey der Sintos Sekte findet ſich nebſt einem anſehnlichen Ge - folge mit Ueberbringung der Mikos des Suwa und in deſſen Geſelſchaft auch des Symios alhier ein, den Muraſaki aber laſſen ſie zu Hauſe, weil weder Spuren in der Geſchichte von ihm, noch ſonſtige Muthmaßungen vorhanden, daß ihm mit Spazierfarten gedient ſey. Ohngeachtet die Kleriſey bei dieſer Gelegenheit den Namen Oo tomo, d. i. die hoheF 3Suite,46Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Suite, oder der großen Herren Gefolge, fuͤhrt, und ſich dadurch eine Achtung zuwege zu bringen gedenkt, ſo laſſen ſie dennoch eine Almoſenkiſte neben ſich hertragen, die denn aber auch bei ihrer Ankunft von dem aberglaͤubiſchen Poͤbel ſo reichlich beworfen wird, daß es ausſiehet, als ob die Kleriſey geſteinigt wuͤrde. Es laͤſſet ſich ſelbige vor dem Tempel nach ihrem Range, der zugleich aus ihrer von einander verſchiednen Kleidung abzunehmen, auf dreien hinter einander geſezten Baͤnken nieder. Auf der erſten ſitzen die zween Aelteſten, als die oberſten oder biſchoͤflichen Perſonen, ſchwarz gekleidet, mit einem ganz beſondern Kopf - ſchmucke und einem kurzen kleinen Biſchofsſtabe: auf der zweiten vier vom naͤchſtſolgenden Range, mit wiederum andern gefirniſſeten ſchwarzen Muͤtzen und gleich allen uͤbrigen mit weißen langen Chorroͤcken angethan: die dritte Bank erfuͤlten die vom dritten Range mit ſchwarz lakirten Jeſuitermaͤßigen Muͤtzen bedekt. Der Reſt des Gefolges, naͤmlich die Bedienten und die Traͤger der heiligen Geraͤthſchaften ſtehen mit entbloͤßeten Haͤuptern.

Die Abgeordneten der Gouverneurs haben an einer andern Seite des freien Platzes in einer Huͤtte auf erhabenen Matten ihren Siz: vor dieſelbe ſind ihre 20 Piken theils zur Pracht theils zum Reſpect der heiligen Handlung hingepflanzt: ſie laſſen die Gewalt des aufdringenden Poͤbels mit Stoͤcken abhalten und ſorgen gegen Aufruhr und Unordnung, zu dem Ende auch ſtets einige Joriki zwiſchen hier und den Hoͤfen der Gouverneurs ab - und zugehen, um Bericht von allem, was vorgehet, abzuſtatten und Befehle einzuholen.

Die oͤffentlichen Vorſtellungen, die man hier 2 Tage nach einander ſiehet, ſind theatraliſche Stuͤcke, deren Jnhalt aus der Geſchichte der Goͤtter, Helden, Verliebten und aus anderen Romanen genommen iſt, und die in Verſe gebracht von 8, 12 und mehr Per - ſonen aufgefuͤhrt und Opernmaͤßig unter einer Muſik, aber im Tanzen, abgeſungen werden; zur Abwechſelung macht ein oder anderer Akteur in Proſa zuweilen einen luſtigen Zwiſchen - auftrit. Manchmal beſtehen die Vorſtellungen nur blos in Balletten auf eine Pantomimi - ſche Art, indem die Geſchichte mit der Sache angemeſſenen Geberden ausgedruͤkt, und dar - nach Hand, Kopf, der ganze Tanz, Takt und Melodie nach Erfordernis der Materie ver - aͤndert wird: der hauptſaͤchlichſte Gegenſtand, der ſich auf die Scene bezieht, z. E. ein Brunnen, eine Bruͤcke, Thore, Luſthaͤuſer, Baͤume, Blumengaͤrten, Berge, Thiere u. d. gl. iſt jedesmal, ſo viel thunlich, in ſeiner natuͤrlichen Groͤße auf dem Schauplatze und damit ſolchergeftalt die Einrichtung gemacht, daß es in einem Augenblik aufgerichtet und wieder weggethan werden kan.

Junge leichtfertige Dirnen aus den Hurengaſſen, Kinder und Juͤnglinge aus den uͤbrigen Gaſſen, die Parteienweiſe mit gleichfarbigen bunten ſeidenen Roͤcken koſtbar geklei - det ſind, machen die agirenden Perſonen aus, die ihre Rolle zur Verwunderung mit einer ſolchen Dreiſtigkeit und Geſchiklichkeit vorzuſtellen wiſſen, daß es ihnen ein geuͤbter Schau - ſpieler in Europa kaum zuvorthun mag.

Die47Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt.

Die Einwohner jeder Gaſſe machen folgender Geſtalt ihren Aufzug: zuerſt wird ein Himmel oder ſeidener großer Schirm, als ein Gaſſenpalladium, vorgetragen, uͤber deſ - ſen Mitte ein empor ſtehendes Schild mit dem Namen derjenigen Gaſſe beſchrieben iſt, von welcher man das Schauſpiel erwartet. Hierauf folgen die Muſikanten in Livreeroͤcken und mit verhuͤlten Geſichtern: die Muſik beſtehet in Blokfloͤten,*)Dies iſt der Ausdruk der Handſchriften; Scheuchzer hat: Floͤten von verſchiedener Art. Landtrommeln und Vocal - ſtimmen, worunter ſich bisweilen eine große Trommel, Cymbel und Glockenſpiel mit hoͤren laͤſſet; den Goͤttern aber mag vielleicht mehr damit gedient ſeyn als den Ohren der Muſikver - ſtaͤndigen, denen ſie uͤberaus abgeſchmakt und elend vorkomt, ſo wie das ſchlechte Singen des Textes mehr ein Heulen in einer langſamen und einfaͤltigen Melodie zu nennen iſt, ob - ſchon es nach gewiſſen Noten und mit einer oͤfteren Veraͤnderung des Takts geſchiehet, ſo, daß es mit dem langſamen Tanze, den Geberden und Bewegungen der Haͤnde und des gan - zen Leibes, die gar nichts unanſtaͤndiges und ungeſchiktes an ſich haben, zuſammenpaſſet; dahingegen die Fuͤße freilich mehr in einer Baurenſcheune als auf einem franzoͤſiſchen Tanz - boden geuͤbt zu ſeyn ſcheinen. Nach den Muſikanten, um wieder aufs erſte zu kommen, fol - gen die zu dem Theater gehoͤrige Maſchinen und Geraͤthſchaften, davon die ſchwereren und groͤßeren von Tagloͤhnern, die kleineren aber, als Stuͤhle, Staͤbe, Blumen, von wohlge - ſchmuͤkten Kindern getragen werden. Hierauf kommen die Akteurs ſelbſt, nach dieſen die Einwohner derſelben Gaſſe in Feierkleidern und endlich zu Vergroͤßerung des Staats eine Anzahl verſchiedener Leute, die Paarsweiſe gehen und Kiſten oder Stuͤhle tragen. Nach abgewartetem Tanz oder Schauſpiel, das in die ¾ Stunden fuͤr jede Gaſſe dauern kan, zie - het ſelbige in eben der Ordnung wieder ab, eine andere aber alsdenn wieder auf, ſo daß gleichwohl alles hoͤchſtens um die Mittagszeit vorbei iſt, indem der Anfang nicht nur mit Anbruch des Tages geſchiehet, ſondern auch manche Gaſſe ſich nur blos im Voruͤberzug mit ihren wunderbaren Maſchinen und anſehnlichem Gefolge zeigt.

Die Auftritte des neunten Tages ſind mit denen vom ſiebenten eins, einige Ver - aͤnderungen der Kleider, der Taͤnze und der Ordnung einer jeden Proceſſion ausgenommen, da alsdenn mit dem Wege zum Aufzuge gewechſelt und jezt ein anderer als vorhin er - waͤhlt wird.

Am Ende der ganzen Feierlichkeit treten die beiden obern Geiſtlichen (die ſich nun ſelbſt außer den Graͤnzen ihres Berufs ſchaͤtzen) vor den Siz der Abgeordneten von den Ge - ſandten und legen eine Dankſagung fuͤr ihre Anweſenheit ſtehend und mit eben der Ehrerbie - tung ab, als dieſe ihnen im Gegentheil zuvor erwieſen gehabt.

An jedem Jahre werden die Scenen, zum wenigſten die Rhytmen und Taͤnze ver - aͤndert, und man wuͤrde es ſich als den groͤſten Schimpf anrechnen, wenn man ein und ebendie -48Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. dieſelbe Geſchichte unter ein und eben derſelben Geſtalt vortruͤge. Es wird hoffentlich nicht unangenehm ſeyn, eine kurze Beſchreibung des lezten Matſuri, dem ich ſelbſt beigewohnt, hier einzuſchalten:

Die 1te Scene war ein Ballet, das 8 junge Dirnen wechſelsweiſe machten: uͤber ihre bunten Kleider waren ſie mit bluͤmigt beſezten Oberroͤcken angethan, mit Sonnenhuͤten bedekt, und fuͤhrten Faͤcher, Staͤbe und Blumen in der Hand: zwo Haupttaͤnzerinnen in einem andern Anzuge loͤſeten ſie ab;

Die 2te Scene ſtelte einen Blumengarten zu beiden Seiten des Schauplatzes vor, in deſſen Mitte eine Strohhuͤtte ſtand, durch welche und neben hin acht weis und roth geklei - dete Dirnen mit Faͤchern, Staͤben und Blumen einen Tanz hielten. Eine geuͤbtere Allein - taͤnzerin wechſelte mit ihnen ab.

Die 3te Scene war ein Aufzug verſchiedener*)Scheuchzer giebt die Zahl von 8 an. Triumphkarren mit davor geſpan - neten durch Kunſt nach dem Leben gemachten Buͤffeln und Ochſen von ungleicher Farbe, welche durch wohlgekleidete Knaben fortgezogen wurden. Die Ladung beſtand in einer mit 3 Stoͤrchen und andern Voͤgeln beſezten Klippe:**)Dieſen Theil der Ladung hat Scheuchzer nicht. einem bluͤhenden Tſubakibaum: einem bebuſchten Berge, einem Bambuswaͤldgen, mit einem darin laurenden Tygerthier: einer Laſt Stroh ſamt einem Baum nebſt ſeiner Wurzel und Zweigen: einem unter einer Klippe halb im Waſſer liegenden Walfiſche und einem Berge mit ſchoͤn gepuzten lebendigen unter einem bluͤhenden Abrikoſenbaum ſitzenden Knaben, der auch wiederum von Knaben fortgezo - gen wurde.

Jn der 4ten Scene tanzten 9 einfoͤrmig gekleidete und mit 2 Saͤbeln und Flinten verſehene Knaben, auch ein Bauer zwiſchen 6 ebenfals von Knaben auf den Plaz herbei ge - zogenen Blumenbetten und einem gruͤnen Baume.

Jn der 5ten Scene wurde ein Berg von Menſchen getragen, ein Brunne mit einer Gallerie, ein großes Fas und ein Haus dahin geſtelt. Zwei maſkirte Rieſen mit dicken Koͤpfen, gewiſſen Fotoge oder Jndianiſchen Goͤttern nicht unaͤhnlich, fiengen einen Tanz an: aus dem Berge, ſo klein er auch war, kam noch ein drittes groͤßeres Ungeheuer mit einem Schwerdt und nach ihm 7 Sineſen hervor, die ſich in der erſten ihren Tanz einmiſch - ten. Nach einer kleinen Weile ſchlug der große Rieſe das Fas in Stuͤcken, woraus ſodann ein Knabe zum Vorſchein kam, der nach einer gehaltenen langen muntern Rede mit dem Rieſen allein tanzte. Waͤhrend dem krochen aus dem Baume 3 Affen von natuͤrlicher Groͤße mit Rehkoͤpfen hervor, die auf deſſen Gallerie ebenfals einen Tanz, in Uebereinſtimmungmit49Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt. mit jenen, hielten; womit denn dieſer Auftrit geendigt wurde, und ein jeder ſich an ſeinen Ort begab.

Die 6te Scene ſtelte eine aufgerichtete Sineſiſche runde Ehrenpforte, Luſthaus und Baumgarten vor. Zwiſchen dieſen hielten zehn gewafnete mit gruͤn, gelb und blau geſtreifter Kleidung und einer beſondern Art Hoſen*)So drukt es Scheuchzer aus; in der Urſchrift ſtehet: Complimenthoſen. angethane Knaben ein Ballet, waͤhrend dem ein Harlekin ſeine Streiche machte: zum Beſchlus ſprangen zween in einer fremden Kleidung aus dem Garten hervor und traten mit in den Tanz.

Die 7te Scene beſtand in einem mit Bambus und Tannen bewachſenen Huͤgel und zwoͤlf nach dem Leben mit ihren Blumen natuͤrlich ausgebildeten von einander verſchiedenen Baͤumen in ihrer Flor, davon jeder in einem beſondern Behaͤlter fortgezogen wurde: auf eine hiezu ſchiklich ausgekleidete praͤchtige Suite folgten noch zwo weis und acht gelb gekleidete Perſonen, die auf Glocken ſpielten und einen Tanz vorſtelten: ſieben andere kamen ihnen in einer kleinen Entfernung mit Blumentoͤpfen auf den Haͤuptern nach und tanzten mit.

Die 8te Scene war ein von Knaben gar eigentlich vorgeſtelter prangender Reiſezug eines großen Landesherrn mit ſeinem Sohne.

Jn der 9ten Scene ſtand eine gruͤne Huͤtte in der Mitte des Schauplatzes, durch und um welche zehn mit zween Saͤbeln umguͤrtete Knaben in ſchwarzen Roͤcken und erwaͤhnter Art Hoſen zuerſt mit Blumenzweigen, hernach mit bloßen, jedoch falſchen, Saͤbeln, Pfeilen und Spießen tanzten: ſie wurden von verſchiedenen Zwiſchenrednern abgeloͤſet, bis ihre Bedien - ten mit den Staatskiſtgen auf den Schultern mit in den Tanz traten und den Beſchlus machten.

Die 10te Scene war ein neben einer bebuſchten Bergklippe geſteltes Theater, wo ein gewafneter, in gelb und ſchwarz gekleideter Knabe auftrat, und bei einer halben Stun - de lang eine Rede hielt, waͤhrend dem acht andere mit bunt gebluͤmten ſchwarzen Kleidern ein Ballet machten, dem eine aus der Klippe zugleich hervorſpringende Perſon, und ein Affe in einem geſchikten Verhaͤltnis beitraten.

Jn der 11ten Scene erſchien ein wohlgeſtalteter junger Springer, vor welchem eine Tafel und eine Art von einem Geſtelle, woruͤber man nach deſſen Laͤnge eine geſpaltene Bambus gelegt hatte, geſezt wurde: eine Treppe von acht Tritten zum Auf und Abſteigen befand ſich auf den Seiten, und oben an einer Pforte nur ein rundes Loch von Spannen im Durchmeſſer: und er machte ganz ſeltene Stuͤcke, unter denen meinem Beduͤnken nach die hauptſaͤchlichſten waren, daß er uͤber die Tafel, auf dem Bauche oder auf dem Ruͤcken hinliegend, mit augenbliklicher Behendigkeit ſich gerade uͤber auf die Fuͤſſe ſtellete; daß erZweiter Band. Gmit50Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. mit Stelzen die Treppe auf und uͤber den hohlen Bambus fortgieng, und daß er im Abſtei - gen der andern Treppe unter Verwechſelung ſeiner Stelzen am Ende einen Luftſprung durch das Loch der beſagten Pforte that, die jedoch beinahe drei Klafter davon entfernt war, und wobei er ſich auch mit ſeinem Sonnenhute, den er von weit groͤßerer Breite auf dem Kopfe hatte, im Durchſpringen zu biegen und in Acht zu nehmen wuſte.

Die 12te Scene war ein Aufzug mit großen Maſchinen, die zwar von Materie ſo duͤnne gemacht waren, daß ſie von einer Perſon auf dem Ruͤcken fortgetragen werden kon - ten, dabei aber doch ihre Groͤße, Anſehen und Aehnlichkeit hatten, die ſie von Natur ha - ben muſten; jedem Traͤger hieng neben dem noch eine uͤberaus große Trommel vor dem Leibe, andere ſpielten dabei auf Glocken: ſie giengen gleichſam tanzend, aber mit keinen ſon - derlich hohen Spruͤngen uͤber die Schaubuͤhne, weil ihnen ihre Ladung, ſo leicht ſie auch eingerichtet war, wegen der unbehelflichen Groͤße gleichwohl ſo ſchwer fiel, daß ſie ſo wohl vor als nach dem eigentlichen Auftritte unterwegs auf den Gaſſen vermittelſt eines dazu ge - machten Geſtelles damit ruhen muͤſſen. Es waren aber dieſe Maſchinen ſolgende:

  • Ein Ziehbrunnen mit allen zum Feuerloͤſchen gebraͤuchlichen Jnſtrumenten.
  • Eine große in ihrem Gebaͤlke hangende Kirchthurmsglocke, mit einem Drachen zum Zierrath umwunden.
  • Ein mit Schnee bedekter Berg in Geſtalt eines Drachenkopfs, mit einem auf deſſen Spitze ſitzenden Adler.
  • Ein metallenes aufrecht getragenes vier und zwanzig pfuͤndiges Geſchuͤzſtuͤk, nebſt al - len zum Laden gehoͤrigen Jnſtrumenten.
  • Eine hohe Lage Reiſepacken in zwoͤlf Strohballen nach der Landesmanier.
  • Ein Walſiſch in einer Schuͤſſel.
  • Verſchiedene Muſcheln, Schnecken und Fruͤchte von auſſerordentlicher Groͤße, je - des von einer Perſon getragen.

Um nun den Faden meiner Geſchichte von den Nagaſackiſchen Tempeln wiederum zu ergreifen, ſo mus ich bemerken, daß, außer dem beruͤhmten Suwa-Tempel noch ver - ſchiedene andere ſchlechtere Tempel, die ebenfals von der Sintes Sekte abhaͤngen, vorhan - den ſind. So hat man unter andern zwei fuͤr den Tenſjo Daiſin und einen fuͤr ſeinen Bruder den Tenſin, auch einige kleine Kapellen fuͤr Goͤtzen von geringer Erheblichkeit al - hier erbauet; alle dieſe aber werden nicht von Nege, die nur die eigentlichen weltlichen Prieſter der Cami oder einheimiſchen Goͤtzen ſind, bedient, ſondern theils von we - nigen Jamabos, d. i. Bergſoldaten,*)S. von denſelben oben B. III. Kap. V. (welche geiſtliche Eremiten und Beichtvaͤter hei - ßen wollen, jedoch beweibt ſind, und beſſer ſynkretiſtiſche weltliche Pfaffen des SintoſchenHeiden -51Viert. Kap. Von den Tempeln uud der Geiſtlichkeit dieſer Stadt. Heidenthums mit der eingefuͤhrten Budzdoſekte genent werden koͤnten) theils von Tendai oder Singon-Pfaffen, die ebenfals den heidniſchen Budzdodienſt mit der alten Japani - ſchen Religion zu vereinigen ſuchen, urſpruͤnglich aber aus der Lanzu - oder auf Japaniſch zu reden Kooſi-Sekte aus China abſtammen, wovon der daſige erſte Weltweiſe Kooſi, der bei uns Confucius heißet, das Haupt iſt. Der Kaiſer Gongen war dieſer Sekte zugethan, daher findet man in dem Tendai-Tempel bei Anſenſi zu ſeinem Gedaͤchtnis eine Jfai oder Tafel, wobei taͤglich eine Seelenmeſſe gehalten wird.

Die erwaͤhnten Nege, als Bedienten der Mia - oder Cami-Tempel, erkennen den Dairi oder den geiſtlichen Hof des Mikaddo oder Erbkaiſers zu ihrem Oberhaupte, und fuͤrjezt namentlich einen Joſjida Dono, dem als einem vorzuͤglich angeſehenen Manne das Ruder in geiſtlichen Sachen verliehen worden, und der auch mit der Macht verſehen iſt, ſowohl dieſen Nege, als in abgeſtorbenen Seelen und Goͤtzen in hoͤhere Ehrenſtufen zu ſetzen, wiewohl ſolches auch oͤfters erſt aus dem geſamten Cabinet des Mikaddo genehmigt und be - ſtaͤtigt wird.

Die Jamabos oder Einſiedlerpfaffen haben ebenfals ihr beſonderes geiſtliches Oberhaupt in Miaco.

Von der Religion der Bupo oder Buds do oder von dem urſpruͤnglich aus Jn - dien eingefuͤhrten Heidenthum ſiehet man zu Nagaſacki ſchoͤne Kloͤſter, und von Holz er - bauete Tempel ihrer vier fuͤrnehmſten Sekten. Wenige ſind jedoch innerhalb, als vielmehr die mehreſten auſſerhalb der Stadt an den Abſaͤtzen der Huͤgel und Berge, dahin man auf ſtei - nernen Treppen aufſteigt, und zugleich viele obwohl nicht gros und koſtbar doch anmuthig und zierlich angelegte Nebenkapellen antrift; inwendig ſind ſie mit erhabenen Altaͤren, ver - guldeten Bildern in Lebensgroͤße, lakirten Saͤulen, Thoren und Poſten mehr nach der Kunſt als Pracht ausgeſchmuͤkt; alle aber werden von Moͤnchen derſelben Religion und in - ſonderheit von derſelben Sekte, dahin der Tempel gehoͤrt, bedienet. Jn jeder Sekte iſt ein Unterſchied zwiſchen Fonſi - oder Haupttempeln und zwiſchen Matſuſi - d. i. Neben - oder Filialtempeln oder Kloͤſtern: die lezteren ſtehen unter der Aufſicht der erſteren ihrer Vorgeſezten.

Kotaiſi iſt ein Fonſikloſter und Tempel von der Sensju oder Sen-Sekte des getrenten Ordens Sotofa oder Sotosju genant. Jn der Mitte deſſen Platzes ſtehet eine von allen Seiten offene Nebenkapelle mit dem verguldeten ſitzenden Goͤtzenbilde ihres erſten Lehrers Sjaka von merkwuͤrdiger Groͤße in einer auch verguldeten Tarateblume. (Faba aegyptiaca.) Verſchiedene Matſuſi oder geringere Kloͤſter, worinnen uͤberal eine ziem - liche Anzahl junger Geiſtlichen und alter Moͤnche unterhalten worden, ſind jener ihrer Auf - ſicht unterworfen.

G 2Sjunto52Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Sjunto Kuſi iſt ebenfals ein Haupttempel von beſagter Sekte, aber von dem getrenten Orden Rinſaifa, und hat gleich dem vorigen einige Matſuſi mit den darinnen unterhaltenen Geiſtlichen unter ſich.

Senrinſi, ein großer Tempel des eben gedachten Ordens, iſt ohne Matſuſi. Deſſen Prior ſtehet jedoch nicht unter jenem der Fonſitempel ſondern unmittelbar unter dem oberſten Haupte in Miaco.

Zu dieſen Sensju Tempeln haͤlt ſich der groͤſte Theil der Einwohner von Naga - ſacki. Jhre Pfaffen reiſen viel und wechſeln oͤfters ab, machen daher eine ungewiſſe und große Zahl, ohngefaͤhr 300 Perſonen, aus.

Daiwonſi iſt ein Haupttempel der Sekte Sjodoſju, von dem verſchiedene Matſuſi abhaͤngig ſind. Jn allen Tempeln dieſer Sekte werden Jfai oder Gedaͤchtnista - feln von den abgeſtorbenen Kaiſern der jetzigen Linie, die ihr zugethan geweſen, gehalten und davor taͤglich eine Vorbitte fuͤr ihre Seelen abgeleſen, auch an gewiſſen Tagen des Jahrs einige Speiſen geopfert; mit dem lezteren wechſeln die Pfaffen, deren Anzahl beinahe der vorhin erwaͤhnten gleich komt, unter ſich ab.

Fonrtnſi iſt ein Haupttempel der Sekte Fokkeſju, hat die Aufſicht uͤber Tſio ſioſi, auch wenige andere Matſuſi, und nicht viel Geiſtliche, und ſich zu ihr beken - nende Layen.

Daikooſi iſt ein Haupttempel der Sekte und Ordens Omotteno jko ſ ju, d. i. der vorderen Jko-Sekte, alſo genant von der Reſidenz ihres oberſten Haupts in Miako.

Koojenſi iſt der Haupttempel ſelbigen Jko ſju Ordens und wird Aurano Jko ſju, d. i. die hintere Jko-Sekte benent, weil die Reſidenz ihres Oberhaupts abwaͤrts gelegen iſt.

Den Moͤnchen dieſer Jko-Sekte beider Orden iſt es erlaubt zu heirathen, es pflegt jedoch nur von den vornehmſten zu geſchehen. Da inzwiſchen dadurch gleichwohl die Kloͤſter einen Zuwachs von jungen Geiſtlichen erhalten, ſo ſind zuweilen die Einkuͤnfte zu ihrem Unterhalt nicht hinreichend, daher es denn komt, daß ſie ſich in die Jkokloͤſter ande - rer Provinzen von ihrer Sekte, wo noch nicht ſo viel Verheirathete ſind, unterzubringen ſuchen, auch wohl zu Kloͤſtern von einer anderen Sekte, unter Vorſpiegelung einer beſſeren Erleuchtung, uͤbergehen.

Unter beiden benanten Tempeln ſtehen uͤbrigens keine andere Matſuſi, ſie haben auch kaum zwanzig manbare Pfaffen und Familien. Sehr viele vom Poͤbel und meiſt alle Bauren halten ſich zu ihnen, weil ihre ſo muͤndliche als ſchriftliche Lehrart ſehr andaͤchtig, verſtaͤndlich und einfaͤltig iſt: ihre zum Unterricht des gemeinen Mannes abgefaſſete Buͤcher ſind in gemeinen Buchſtaben, Kanna genant, geſchrieben.

Außer -53Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt.

Außerdem giebt es noch eine Matſuſi - oder Nebenkapelle dieſes Ordens, Namens Quanſienſi: die Danna oder die derſelben einverleibte Layen hatten vor einiger Zeit, der eine zehn, der andere hundert Sjumome zur Erweiterung und Vergroͤßerung derſelben zu - ſammengeſchoſſen, und die ganze Summe dem Oeje oder Vorſteher im verwichenen Jahre anvertrauet, um ſie nach Miaco ihrem oberſten Befehlshaber zu uͤberliefern, und deſſen weiteren Verfuͤgung zu uͤberlaſſen; der Osje aber war in Oſacca geblieben, wo er dem Ver - muthen nach das Geld durchgebracht haben ſol; ſein Weib und Kinder befinden ſich noch zu Nagaſacki; in dem Fal, daß ſich die Sache ſo verhaͤlt und der Osje nicht wieder zuruͤk - komt, wollen ſich die Danna unter einen andern Tempel begeben.

Die Geiſtlichen aller dieſer Sekten der Budsdo-Religion ſtellen nie eine Prozeſ - ſion noch einiges oͤffentliches Schauſpiel an, ſie halten ſich jederzeit in den Graͤnzen ihres Kloſterbezirks und nehmen ihrer Leſe - und Baͤtſtunden auch ſonſtiger geiſtlichen Verrichtun - gen wahr, und ſorgen daneben fuͤr ihren Unterhalt, den ſie ſich mit Seelmeſſen verdienen, oder durch die Almoſen oder freiwilligen Geſchenke ihrer Danna erwarten muͤſſen. Sie ſtehen, wie aus dem vorigen erhellet, in jeder Sekte und deren vertheilten Orden, unter beſondern Vorſtehern oder Priorn, die man Dſjuſi oder Oſje nent, und jeder dieſer wie - derum unter einem oberſten oder General-Oſje derſelben Sekte und Orden in Miaco.

Die Jkosju Kloͤſter nennen ihre Prioren Sjoo nin und ihre beiden General - prioren in Miaco fuͤhren den ſtolzen Namen Go Monſeki oder Monſeki, welches nach dem Buchſtaben ſo viel ſagen wil, als: der Pforte verlaſſener Plaz, oder die naͤchſten der hohen Pforte, die ſie verlaſſen; weil ſie als leibliche Abkoͤmlinge des Mikaddo zu dieſer Religion und Wuͤrde uͤbergetreten, denn das Wort Mikaddo heißet eigentlich die hohe Pforte.

Außer vorbeſchriebenen Kloͤſtern ſind deren noch drei Sineſiſche von der Sekte Sen zu Nagaſacki, ziemlich net gebauet, reichlich mit Pfaffen beſezt und uͤbrigens mit mehreren Goͤtzen ſineſiſcher Koͤnige und anderer Heiligen in Lebensgroͤße, auch auf den Tempelhoͤfen mit hohen Triumphfahnen und fremden Zierrathen verſehen. Die Stifter derſelben waren die im Japaniſchen Reiche Handel und Wandel treibende Sineſiſche Nationen nach ihren drei von einander unterſchiedenen Provinzialſprachen; indem ſie ſolche bei Vertilgung der Chriſten zur Uebung ihrer Andacht und Bewahrung ihrer Schifsgoͤtzen beſtimten, denn ſo bald ſie in dem Nagaſackiſchen Hafen eintreffen, bringen ſie, unter dem Getoͤne von großen Cymbeln und Trommeln, dieſe Schifsgoͤtzen alsbald mit einem ganz beſondern Reſpect in eine gewiſſe Nebenkapelle auſſer dem Haupttempel, und laſſen ſelbige alda ſo lange in Sicher - heit, bis ſie wieder abfahren, da ſie mit eben den Ceremonien wieder zu Schiffe getra - gen werden.

G 3Es54Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Es werden dieſe Kloͤſter und Tempel mehr mit dem Namen der Provinz ſelbſt, fuͤr welche ſie geſtiftet ſind, als mit dem eigenen, dazu beſonders gewidmeten Namen (der ſich jedesmal auf Reichthum beziehet) genent; ſie ſind folgende:

  • 1) Nankindira, oder der Nankinſche Tempel, der Tempel der Stadt und um - liegenden Gegenden von Nankin, iſt der erſte, der in Japan von Auslaͤndern, und beſon - ders von den Nankinern, die ſich alle einerlei Sprachart bedienten, erbauet worden; er wird von ihnen mit dem Namen Koofukuſi, d. i. Tempel des wieder aufgerichteten Reich - thums, beehrt.
  • 2) Tſjakſju dira oder Tſianſju dira, oder der Aimonſche Tempel, der Tem - pel fuͤr die Einwohner des Landes Aimo, wohin denn ſowohl das ſuͤdliche Sina, als die ſo außer Sina auf Formoſa und andern entlegenen Landen wohnen, gezogen werden. Es hat dieſer Tempel eine Matſuſi oder Nebenkloſter unter ſich, und iſt beinahe der groͤßeſte, auch mit vielen Pfaffen verſehen. Sein eigener Name iſt Fukuſi, d. i. Tempel des Reichthums.
  • 3) Fok ſiu dira, oder der Nordlaͤndiſche Tempel, der Tempel fuͤr die Be - wohner des noͤrdlichen Sina. Sie nennen ihn Fuku ſaiſa, d. i. Tempel des Reichthums und des Opfers.

Ehedem waren dieſe Kloͤſter groͤſtentheils mit Sineſiſchen Pfaffen beſezt und auch von der Sineſiſchen Nation unterhalten; nachdem dieſelbe aber von den Japanern durch den erſchwerteren Zugang ins Reich mehr eingeſchraͤnkt worden, duͤrfen in jedem Kloſter nur noch zween geborne Sineſen mit unterlaufen, die, wenn ihnen das, was ſie ſich durch Opfer und Seelmeſſen und durch freiwillige Geſchenke ihrer Landesleute zu ihrem nothduͤrftigen Un - terhalt erwerben, nicht zulangen wil, alsdenn auf die Mildthaͤtigkeit des Kaiſers, gleich an - dern einheimiſchen Pfaffen, hoffen muͤſſen.

Die Prioren dieſer drei Kloͤſter ſtehen unmittelbar unter einem beſondern und eigenen Generalprior, der bei Miako auf dem Berge Oobaku ſeine Reſidenz hat und der dritte Nachfolger des Erzbiſchofs Jngen zu ſeyn vorgiebt, ſich auch daher eines Erzbiſchoͤflichen Stuhls anmaßet und das Haupt der Geiſtlichkeit des in Japan auslaͤndiſchen Heidenthums ſeyn wil.

Jngen war von Geburt aus Sina. Er bekleidete daſelbſt den Stuhl des Dar - ma, eines erſten geiſtlichen Stathalters, und war zugleich der 28te Nachfolger des Siaka, des Stifters und Patrons ſeiner Religion. Die Liebe zu ſeinen Landesleuten, die ſich in den drei Kloͤſtern in Japan wie Schafe ohne Hirten befanden, und der Eifer, den er in ſich ſelbſt fuͤhlte, um nicht nur die Bungo - oder Budsdo-Sekte zu erweitern, ſondern ſie auch gegen die Angriffe der Mukurri Kokurri (wie ſie alle Chriſten und Widerſacher ihrer Lehre nen - nen, ohnerachtet ſie ſich bei den groben Ueberzeugungsmitteln durch Gewalt und Waffen ge -gen55Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt. gen ſie genugſam beruhigen koͤnten) zu befeſtigen; jene Liebe und dieſer Eifer bewog ihn, ſeinen Stuhl an einen andern abzutreten, nach Japan zu gehen und alhier einen Caliphat oder Erzbiſchoͤſlichen Stuhl des auslaͤndiſchen Heidenthums aufzurichten. Seine Ankunft geſchahe im Jahr Chriſti 1653. Er wurde mit großer Achtung aufgenommen. Die Fuͤr - ſten der Provinzen kamen und bewilkomten ihn nicht anders als in Camiſimo oder Ehrenklei - dern, raͤumten ihm auch den erſten Plaz ein. Der Kaiſer lies ihm einen Berg an der heilig gehaltenen Stadt Miako zu ſeiner Reſidenz anweiſen, die Oobaku genant werden muſte, weil ſeine in Sina verlaſſene Erzbiſchoͤfliche Reſidenz eben den Namen gefuͤhrt.

Ein Umſtand, der ſich kurz nach ſeiner Ankunft ereignete, und der zur Probe ſei - ner Heiligkeit den beſten Ausgang nahm, war die Urſache, daß er gleich Anfangs das außerordentlichſte Anſehen erhielt. Er wurde naͤmlich von den angraͤnzenden Bauren gebe - ten, daß er ein Kitoo, d. i. eine andaͤchtige und feierliche Meſſe halten moͤgte, um den Himmel zu bewegen, daß er ihren Reisfeldern, die unter einer langwierigen Duͤrre ſchmach - teten, einen Regen beſcherte. Er gab ihnen zur Antwort, daß er keinen Regen machen noch ſie verſichern koͤnte, daß er durch ſein Kitoo denſelben herbei ziehen wuͤrde: er wolle je - doch ſein Beſtes thun. Hierauf beſtieg er die Hoͤhe und verrichtete ſein Kitoo. Am fol - genden Tage fiel ein ſo heftiger Plazregen ein, daß dadurch die kleinen Bruͤcken der Stadt weggeſpuͤlt wurden, ſo, daß auch ganz Miaco ſamt den Bauren das Urtheil faͤlleten, daß er ſein Kitoo gar zu ſtark angeſtelt haben muͤſte. Auch alle die, ſo mit ihm gekommen waren, ſahe das Volk nachher als Theilhaber ſeiner Heiligkeit an, und ſchaͤzte ſie hoͤher als alle andere Leute; ja es gieng ſo weit, daß ein bloßer Koch aus ſeinem mit uͤberkommenen Ge - folge zu der Wuͤrde eines Prioren des Nationalkloſters Fok ſju dira alhier in Nagaſacki erhoben und ſeinem Verſtande in den Geheimniſſen der Goͤtter ein ſolcher Grad der Erleuch - tung beigemeſſen wurde, daß er den Namen und den Ruhm eines Godo, d. i. eines mit dem Verſtande alles durchdringenden Goͤttergelehrten fuͤhrte, und man von ihm glaubte, daß er ſolche Satori, d. i. durch ein begeiſtertes Nachſinnen geoffenbarte Wahrheiten in ſeinem Verſtande erlangt habe, die man mit keinem Vernunſtſchlus zu erreichen geſchweige in Worten auszudruͤcken im Stande ſey.

Eben dieſer alte Kuͤchengoͤtze ſezt ſich an den Tagen des Siakafeſts in ſeinem Klo - ſter auf einen erhabenen Plaz und laͤſſet ſich von Tauſenden die einem Goͤtzen ſchuldige Ver - ehrungen beweiſen. Er ſizt ſtum und unbeweglich, und giebt gar ſelten einen faſt unmerkli - chen Wink zum Zeichen ſeiner gnaͤdigen Dankſagnng. Als ein beſonderes Merkmal ſeines geheimnisvollen Nachdenkens haͤlt er ein Stoͤkgen, an deſſen Ende Pferdehare herabhangen, in ſeiner Hand, dergleichen die Saſen Pfaffen gemeiniglich auch zu fuͤhren pflegen. Sa -ſen56Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. ſen wil ſo viel ſagen, als ein inneres Nachſinnen geiſtlicher Dinge und Verborgenheiten, das ſo tief und inbruͤnſtig geſchiehet, daß die ſinlichen Empfindungen durch die Staͤrke des Verſtandes ganz entkraͤftet werden, um nicht irgend etwas von dem Verborgenen außer Acht zu laſſen.

Nach des Jngen Ueberkunft ſind viele von den Sjuto oder den philoſophiſchen Sekten, nicht weniger von der Sinto oder einheimiſchem Heidenthum zur Bugo oder Budsdo uͤber - gegangen: und weil damals die Austilgung der lezten Spuren des Chriſtenthums, das ſich unter beſagten beiden Sekten bequem verbergen konte, beeifert wurde, ſo durfte kein Haus im ganzen Reiche uͤbrig bleiben, welches nicht ein Dſuſi, d. i. einen Plaz oder kleinen mit ein oder dem andern Fotoge oder Goͤtzen dieſer Religion ausgezierten Altar hielte: ein jeder, der ſeine Wohnung etwa mit einer andern verwechſelt, kramt am allererſten ſein Dſuſi aus, und laͤſſet es ſeinen Nachbar ſehen, weil einer fuͤr den andern in dieſem Stuͤk haften und buͤ - ßen mus, wenn das etwa nicht befolgt wuͤrde.

Dieſer Jngen aber, aller ſeiner Hoheit, und, wie man glaubt, unvergleichlichen Gelehrſamkeit ungeachtet, hat es doch nicht dahin bringen koͤnnen, daß ſich weder die Kleri - ſey, die unter ſo vielen ſtrittigen Sekten vertheilt ſtand, noch auch ſelbſt die hartnaͤckigen Eingebohrnen ſeiner eigenen Sekte, unter ſeinen Schuz begeben und ihn als das oberſte Haupt anerkant haͤtten.

Nach ſeinem Abſterben war ein gewiſſer So kuffi ſein Nachfolger, ein Man von wenigerem Eindruk, Anſehen und Gelehrſamkeit.

Nach deſſen Abgang wurde das Kloſter Oobaku mit einem eingebornen Japaner als Generalprior der drei vorhin benahmten ſineſiſchen Kloͤſter verſehen.

Die Kleriſey aller Sekten und Orden ſowohl in Nagaſacki als im ganzen Reiche haben demnach ihr Oberhaupt, das zu Miaco reſidirt und von dem Kaiſer geduldet und ge - ſchuͤzt wird. Alles leiſtet einem ſolchen Oberhaupte oder Generalprior Gehorſam und lebt ſeinen Vorſchriften gemaͤs: er ſelbſt aber macht es ſich mit vieler Herablaſſung zu einem Ge - ſchaͤfte, die Gunſt der weltlichen Obrigkeit ſich zu erwerben, jedoch aus einem andern Bewe - gungsgrunde, als nur, um im nothduͤrftigen Falle ihrer Huͤlfe und Schutzes verſichert zu ſeyn.

Die Kloſterprioren haben außer dem, daß ſie ihren Kloſterbruͤdern guͤltige Reiſe - paͤſſe ertheilen koͤnnen, in allen politiſchen Sachen wenig zu ſagen, und ſtehen unter dem Kaiſer, oder vielmehr unter beſondern weltlichen Aufſichtern, Beſchuͤtzern und Richtern, die der Kaiſer der ganzen Kleriſey in ſeinen Staaten, ſie ſeyn von was fuͤr einer Religionund57Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt. und Sekte ſie wolle, geſezt hat: es ſind deren nemlich zween, welche Dſi ſja Bugjo, oder zu mehrerem Reſpect Dſi ſja go Bugjo, d. i. hohe Kaiſerliche Commiſſarien der aus - und einheimiſchen Goͤtzentempel, genant werden, und nach den Reichsraͤthen die vor - nehmſte Stelle bekleiden, auch am Hofe in der groͤſten Achtung ſind; Jedo ſelbſt iſt der Ort ihres Richterſtuhls, vor welchem alle weltliche Streitigkeiten, die eine Beziehung auf die Kleriſey haben, als wegen der Graͤnzen, liegenden Gruͤnde, Einkuͤnfte, eines von dem andern erlittenen Unrechts und dergleichen Vorfaͤlle alle Tage haͤufig angebracht und ge - ſchlichtet, auch die peinlichen Verbrechen, als Aufruhr, Laſter der beleidigten Majeſtaͤt, Vergehungen gegen die Kaiſerlichen Verordnungen, mit dem Tode, jedoch allemal auf eine vorzuͤglich gelinde Art und mit Vorwiſſen und Beiſtimmung eines jeden Generalpriors in Miaco, abgeſtraft werden. Etwas zu dem Amte eines Dſi ſja Bugjo gehoͤriges iſt auch noch dieſes, daß ſie uͤberhaupt fuͤr den Unterhalt der Kleriſey, der Tempelgebaͤude und was irgend ſonſt mehr dergleichen vorfallen koͤnte, Sorge tragen muͤſſen, worin ihnen nach Er - fordernis die weltliche Obrigkeit huͤlflichen Beiſtand zu leiſten verbunden iſt.

Zweiter Band. HFuͤnftes58

Fuͤnftes Kapitel. Von der Portugieſen und Caſtilianer Ankunft, Aufnahme, Handel und endlicher Vertilgung in Japan.

Unter allen europaͤiſchen Nationen waren die Portugieſen die erſten, welche den Muth hatten, ſich 1497 mit vier Schiffen in das Jndiſche Meer zu wagen. Sie lieſen in den Hafen von Calicut ein, und ſchloſſen mit dem Samorin (dem Beherrſcher dieſer Kuͤ - ſte)*)Samorin, auch Zamorin, iſt der beſtaͤn - dige Ehrenname des Beherrſchers von Calicut, deſ - ſen Herrſchaft ſich ehmals uͤber die ganze Kuͤſte Ma - labar erſtrekte. ein freundſchaftliches Buͤndnis. Durch Eroberung der Stadt Goa faſten ſie im Jahr 1510**)Jn den Handſchriften ſteht mit Unrecht 1535. Es iſt auch nicht genau richtig, daß die Por -tugieſen durch die Eroberung von Goa den erſten feſten Fus gefaſt haͤtten. Dies war ſchon vorher durch andre Beſitzungen an der Malabariſchen Kuͤſte geſchehn, und im Jahr 1502 hatte Franz Albuquerque die erſte Feſtung zu Cochin an - gelegt. den erſten Fuß, von da ſezten ſie ihre Eroberungen unter den wehrloſen Jn - diern immer weiter fort, handelten zugleich durch den ganzen Orient bis in das entfernteſte Reich Sina. Auf einer Reiſe nach dieſem Lande wurden ſie im Jahr 1542 mit einem Schiffe an das noch unbekante Japan verſchlagen. Sie landeten nach ihrer eigenen Er - zaͤhlung in dem Hafen einer auf der Jnſel Kjusju gelegnen Provinz oder Fuͤrſtenthums Bungo. Die japaniſche Chronik aber ſagt, das erſte europaͤiſche Schiff ſey in Awa auf der gegenuͤber liegenden Jnſel Tſikokf geſehn worden. So viel iſt gewis, daß ſie nachherallemal59Fuͤnft. Kap. Von der Portugieſen und Caſtilianer Ankunft. allemal um das andre Jahr zum Handel nach Bungo anfangs nur mit einem Schiffe ge - fahren ſind. Einen feſten Wohnplaz errichteten ſie erſt im Jahr 1549 durch Veranlaſſung eines getauften und nach Goa gefluͤchteten Juͤnglings, Georg Alvareß, der mit einem portugieſiſchen Schiffe wieder nach ſeinem Vaterlande zuruͤkgieng, und denen ihn begleiten - den Vaͤrern der Geſelſchaft Jeſu, (unter denen ſich auch der ehrwuͤrdigſte Franciſcus Xaverius befand) die Bekehrung ſeiner heidniſchen Landsleute als ſehr moͤglich, ſo wie den Kaufleuten den ausnehmend großen Gewin, welchen ſie aus ihren Waaren noch ziehn koͤn - ten, vorſtelte.

Japan war damals noch nicht, wie jezt, allen Fremden geſchloſſen; ſeine Fuͤrſten ſtanden noch nicht unter ſo ſtrenger und deſpotiſcher Herrſchaft der Kaiſer; die Unterthanen durften ungehindert außer Landes reiſen und Handlung treiben, und fremden Nationen ſtund es ganz frei, dies Reich aller Orten zu beſuchen. Daher hatten dieſe europaͤiſche Fremdlinge nicht nur die Freiheit allenthalben anzulanden, wo ſie es gut fanden, ſondern die Fuͤrſten auf Kjusju beſtrebten ſich einer vor dem andern ſie einzuladen, daß ſie in ihre Haͤfen ein - laufen moͤchten, weil jeder gern ſeinen Unterthanen den Vortheil dieſer neuen Handlung zu - wenden wolte. Aus dieſem Grunde giengen die hierher gebrachte Waaren ganz frei durch das ganze Reich, weil ein jeder aͤußerſt begierig war, von den fremden Seltſamkeiten etwas zu beſitzen, und weil dieſe hier ganz neu waren, ſo wurde alles nach der unbilligſten Forde - rung bezahlt. Eben ſo aͤmſig zogen auch die angekommenen Vaͤter der Geſelſchaft Jeſu umher, um den Japanern den ſeligmachenden Glauben anzutragen.

Die Zufuhr ſowohl der weltlichen als geiſtlichen Guͤter fiel den Portugieſen nicht ſchwer, weil ſie ihre Stadt Macao in Sina ſehr nahe hatten, und ſich daſelbſt aus ihrer Niederlage mit fremden Waaren, ſo wie auch mit Geiſtlichen beſtaͤndig verſorgen konten. Und was ihnen etwa hier an Beiden abgieng, das erſezten ihre Landesleute, die Spanier, von den gleichfals nicht entfernten philippiniſchen Jnſeln, beſonders der Stadt Manilha. Und endlich uͤberließ auch die weiter abgelegne Stadt Goa, die gleichſam das Jndiſche Rom und ganz mit Kloͤſtern und Moͤnchen angefuͤlt iſt, den Ueberflus ihrer Geiſtlichen ſehr gern zu dieſem aͤußerſt wichtigen Geſchaͤft.

Die portugieſiſche Nation befand ſich daher nach kurzer Zeit in Japan in einem ſehr bluͤhenden Wohlſtande. Die Kaufleute tauſchten fuͤr Europaͤiſche und Jndianiſche Waa - ren, nemlich rohe Seide, koſtbare Stoffe, Gewuͤrze, ſuͤße Weine, Arzneywaaren und viele andre natuͤrliche und kuͤnſtliche Produkte, das koſtbare Gold*)Das guͤldene Marg, ſagen meine Handſchriften, und auch die engliſche Ueberſetzung. von Japan ein. Die Geiſtlichen aber gewannen zu gleicher Zeit mit ihrer troſtvollen Lehre die Herzen des neugie - rigen Volks, und durch ihr ſitſames Leben, durch die Ausuͤbung von Mildthaͤtigkeit undH 2Guͤte60Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Guͤte gegen Arme und Kranke, wie auch beſonders durch den aͤußern Pomp des Gottesdien - ſtes machten ſie die roͤmiſch-katholiſche Religion Alten beliebt. Hiezu kam auch noch die natuͤrliche Zuneigung der Japaner zu den Portugieſen, wegen dieſer ihnen gefaͤlliger Le - bensart, mit Ernſt gemiſchten Freundlichkeit, und wirklich innern Gleichheit in der Denkungs - art zwiſchen beiden Nationen, deren Land auch unter einer Polhoͤhe liegt. Der gute Fort - gang ſowohl der Handlung als auch der Bekehrung wurde nicht wenig durch dieſe Zuneigung befoͤrdert. Jch wil von beiden nur in der Kuͤrze noch etwas melden.

Anfangs fanden die Miſſionairs bei den Japanern wenig Glauben, und der be - ruͤhmte Heidenbekehrer Xaverius wurde daher des Auffenthalts in dieſem Lande auch ganz uͤberdruͤßig, und verlies es, weil er einen guten Fortgang des Chriſtenthums nicht moͤglich hielt. Dies ruͤhrte aber blos daher, weil die erſten Miſſionarien die Sprache, politiſche Verfaſſung und Sitten der Japaner gar zu wenig kanten. Sie ließen ihre Predigten und Vortraͤge an das Volk von ungelehrten Dolmetſchern in die Landesſprache uͤberſetzen, und mit lateiniſchen Buchſtaben ſchreiben. Dieſe laſen ſie den Leuten von dem Papiere ab, aber natuͤrlich war ihre Ausſprache der Worte, (welche ſie ſelbſt nicht verſtanden,) ſo un - deutlich und ſeltſam, daß muthwillige Zuhoͤrer natuͤrlich daruͤber lachen muſten und ihren Spot damit trieben.

Nachdem dieſe geiſtliche Herrn aber nachher ſich von allem beſſere und genauere Kentnis erworben, und aller Vortheile ſich zu bedienen gelernt hatten; ſo gieng die Bekeh - rung ſehr geſchwind, und ganz uͤber die Erwartung der Geiſtlichen wohl von ſtatten, ſonder - lich auf der Jnſel Kjusju. Die Jeſuiten hatten hier ihre erſten feſten Niederlaſſungen errichtet und waren daher auch bald ſo gluͤklich, die drei Fuͤrſten von Bungo, Arima und Omura zu bekehren. Dieſe ſind eben dieſelbe, welche nachher im Jahr 1582 zu Bezeu - gung ihrer Ehrfurcht an den Pabſt Gregor XIII ihre jungen Vettern mit Briefen abſchik - ten, welche Geſandſchaft von den roͤmiſch-katholiſchen Schriftſtellern ſo ſehr geprieſen, und auch vom Thuanus erzaͤhlt iſt. Der Vorgang dieſer Fuͤrſten ermunterte ihre eigne und be - nachbarte Unterthanen ſo ſehr, daß ſie mit groͤſtem Eifer ſich zu der neuen Lehre wandten, und daß man von ihnen ſehr gut ſagen kan: Sie riſſen das Himmelreich mit Ge - walt an ſich.

Wie nun dieſe Bekehrung immer weiter an einigen Orten mit mehr, an andern mit geringerm Gluͤk fortſchrit; ſo ſchikte man auch aus Manilha, Macao und Goa im - mer mehr geiſtliche Schnitter in dieſe gute Erndte. Jn der Folge bekamen auch die frem - den Miſſionairs durch die Eingebornen aus der Japaniſchen Nation Beiſtand, welche dann die Ungereimtheit des Goͤtzendienſtes und die Wahrheit der chriſtlichen Religion weit deutli - cher und mit noch beſſerm Erfolg vorſtellen konten.

Jndes61Fuͤnft. Kap. Von der Portugieſen und Caſtilianer Ankunft.

Jndes fand man doch auch ſchon bald anfangs, daß die Ausbreitung dieſer neuen Lehre denen einheimiſchen Prieſtern und Tempelbedienten zu großem Nachtheil gereichte, und zu vielen Unordnungen in der politiſchen Verfaſſung des Stats Gelegenheit gaͤbe. Man erregte deshalb ſchon damals verſchiedne Vrrfolgungen, und im J. 1586 wurde das Chri - ſtenthum ſchon bei angedrohter Todesſtrafe verboten, und in demſelben Jahr erfolgte auch wirklich ſchon die erſte Exekution. Obgleich dieſe Verfolgung nachher immer haͤrter und heftiger wurde, ſo nahm doch die Zahl der Chriſten ganz unglaublich zu, unter dem gemei - nen Volk oͤffentlich, unter den Vornehmen heimlich. Man findet in denen aus Japan ge - ſchriebnen Briefen der Jeſuiten, daß allein im Jahr 1590 die Zahl der erwuͤrgten Chriſten mit 20, 570 und im J. 1591 und 1592 (da ſchon alle chriſtliche Kirchen geſchloſſen waren) mit 12000 Neubekehrten Chriſten ſei erfezt und vermehrt worden. Sogar die Japaniſchen Schriftſteller ſelbſt ſagen, daß der junge Kaiſer Fide Jori (der 1616 von ſeinem Vormund Jjejes umgebracht wurde) mit ſeinen Hofleuten, Kriegsbedienten und Soldaten das Chri - ſtenthum angenommen haben. Die Verfolgung ſelbſt vermehrte die Ausbreitung deſſelben. Denn da die neuen Chriſten ſo ausnehmend freudig zum Tode giengen, und durch keine Marter zum Abfal konten gebracht werden; ſo erwekte dieſes bei den bewundernden Zu - ſchauern Begierde, von einer Lehre, welche die Sterbenden ſo freudig machte, unterrich - tet zu werden. Sie fanden dieſelbe alsdan auch ſehr troſtreich und voller Wahrheit, und nahmen ſie an.

Eben ſo gluͤklich wie die geiſtlichen, giengen auch die irdiſchen Unternehmungen der Portugieſen von ſtatten. Sie verheiratheten ſich mit den Toͤchtern der reichſten Buͤrger, brachten Haͤuſer und Reichthum an ſich, und ihr Handel hatte den erwuͤnſchteſten Fortgang. Man betrog die Japaner um ihr Geld, wie man nur konte, beſonders mit ſehr unbedeu - tenden europaͤiſchen Seltenheiten und fremden Arzneimitteln. Sie fuͤhrten daher jaͤhrlich uͤber 300 Tonnen Goldes von Japan aus, weil ſie damals die voͤllige, uneingeſchraͤnkte Freiheit der Ein - und Ausfuhr hatten. Sie kamen waͤhrend dieſer Zeit ihres bluͤhenden Wohlſtandes immer mit Kraken d. i. mit großen Schiffen, nachher aber mit Galioten, d. i. kleineren Fahrzeugen. Jhre Niederlage war zuerſt in den Haͤfen von Bungo und Firando, nachher zu Nangaſacki allein. Bei den eingefuͤhrten Guͤtern hatten ſie mei - ſtens mehr als zwiefachen, bei den ausgefuͤhrten gleichfals einen anſehnlichen Gewin, da ſie dieſelben nach verſchiednen Orten theils zum Verkauf, theils auch zum Eintauſch andrer Waaren brachten. Man glaubt, wann der portugieſiſche Handel noch zwanzig Jahr auf dieſe Art waͤre fortgefuͤhrt worden; ſo wuͤrde dieſe Nation ſo viel Gold aus dieſem Ophir zuſammengeſchlept haben, daß man zu Macao ſoviel Gold und Silber wuͤrde geſehn ha - ben, als in Salomons Zeit zu Jeruſalem. Jch halte es unnoͤthig, eine ganz genaue Nachricht von dieſem Handel zu geben, und wil nur als Proben einiges anfuͤhren. NochH 3in62Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. in den lezten Jahren ihres Verfals fuͤhrten ſie hier zu Nangaſacki an Waaren ein, die ſie mit ſehr großem Vortheil wieder verkauften, im Herbſt des Jahrs 1636 mit ſechs Galio - ten 2, 317, 214 Thail: 9: 9; im Jahr 1637 mit ſechs Galioten 2, 142, 365 Thail, 4: 1; im Jahr 1638 mit zwei Galioten 1, 259, 023 Thail, 7: 3. Auch fuͤhrte man zu eben dieſer Zeit mit vier Galioten 2350 Kiſten Silber oder 350,000 Thail, nebſt 287 portu - gieſiſchen Familien von Nangaſackt nach Macao. Auch finde ich angezeigt, daß ſie noch wenige Jahre vorher nur mit einer Krake 100 Tonnen Goldes von hier wegge - fuͤhrt haben.

Was nun den endlichen Fal und die voͤllige Vertreibung der Portugieſen aus Ja - pan betrift, ſo habe ich aus dem Munde der Japaner erfahren, daß vornemlich zwei La - ſter, Hoffarth der Vornehmen und Geiz der Gemeinen, dieſe Nation verhaſt gemacht ha - ben. Den Geiz, ſagten ſie, haͤtten ſelbſt die bekehrten Chriſten nicht mehr ertragen koͤn - nen, da ſie bemerkt, daß die Geiſtlichen nicht nur das Heyl der Seelen, ſondern auch Reich - thum, aͤußern Glanz und Ehre eifrig ſuchten, und daß die Weltlichen in ihrem Handel ganz uͤber alle Billigkeit wucherten. Der Hochmuth aber ſey bei ihnen mit der großen Aus - breitung des Chriſtenthums in Japan geſtiegen. Die vornehmſten Geiſtlichen wolten nun nicht mehr, wie Chriſtus und die Apoſtel in Jeruſalem, zu Fuße gehn, ſondern wie der Pabſt und die Kardinaͤle in Rom in praͤchtigen Saͤnften getragen ſeyn; ja ſie maßen ſich ſogar gleiche Wuͤrde mit den weltlichen großen Herrn des Landes, oder wohl gar den Vorzug vor denſelben an. Wie einſtens der chriſtliche Biſchof dem erſten Reichsrathe begegnete und ihm der Gewohnheit des Landes nach, mit Stilhalten der Saͤnfte oder Austreten aus derſelben, ſeinen Reſpekt haͤtte bezeugen muͤſſen, that er dieſes nicht, ſondern befahl ſeinen Traͤgern fort und vorbei zu gehn. Dies veranlaſte, daß dieſer Reichsrath der portugieſiſchen Nation Feind wurde, und ſich uͤber die erfahrne Jnſolenz bei dem Kaiſer Taiko beſchwerte, wel - ches der Nation zu großem Nachtheil gereichte und zu der folgenden Ausrottung der Chriſten eine ſehr wirkſame Veranlaſſung wurde. Schon gleich im folgenden Jahr (1597) wurde ein blutiger Anfang dieſer Ausrottung gemacht, da man auf einmal 26 Perſonen und unter den - ſelben auch zwei fremde*)Die andern waren vermuthlich alle eingebohrne Japaner. Jeſuiten und verſchiedne Franziskaner kreuzigen ließ.

Aus den angefuͤhrten Laſtern der Portugieſen wurde dieſe Verfolgung auch noch durch die Betrachtung veranlaſt, daß das eingefuͤhrte Chriſtenthum mit allen einheimiſchen uralten Religionen grundſtreitig und ſchlechterdings nicht vereinbar war, und daher in der oͤffentlichen Ruhe große Stoͤhrung und Verwirrung der Landesverfaſſung verurſachte, und man mit Recht befuͤrchten muſte, daß dieſes Unheil kuͤnftig noch immer aͤrger werden wuͤrde. Denn die neuen Chriſten pflegten ihre bei den vaͤterlichen Religionen gebliebnen Landsleutezu63Fuͤnft. Kap. Von der Portugieſen und Caſtilianer Ankunft. zu verdammen; die Bonzen oder heidniſchen Prieſter zu verfolgen und ſogar an einigen Or - ten die Goͤtzenbilder niederzureißen und zu zerbrechen. Dieſe innere Gaͤhrung und Unruhe im Volke wurde beſonders von dem klugen Kaiſer Taiko und noch mehr von deſſen unbefug - tem Nachfolger Jjejas bemerkt. Jener hatte den Zepter mit tapfrer, dieſer mit meineidiger Hand an ſich gebracht, und Beide bemuͤhten ſich alles aus dem Wege zu raͤumen, was ih - nen zu Befeſtigung ihrer Gewalt hinderlich ſchien, wozu auch dieſe neue Lehre gehoͤrte, weil ihnen die unbegreifliche Eintracht der Chriſten und ihre Verbitterung gegen die vaͤterlichen Goͤtzen ganz unbegreiflich ſchien. Bei dem Jjejas kam noch der Grund hinzu, weil ſeine Gegenpartei, nemlich die des Fide Jori, groͤſtentheils aus neuen Chriſten beſtand. Des - halb hielt man es zur Sicherheit des Throns nothwendig, dem einreißenden Feuer dieſer unruhigen und mit andern Goͤtzen und Glaubensgenoſſen unvertraͤglichen Lehre ein Ziel zu ſe - tzen. Man begnuͤgte ſich zuerſt die Ausbreitung der Padriſchen (Paters) Religion (ſo nente man den roͤmiſch-katholiſchen Glauben) hart zu verbieten; hierauf befahl man den Gouverneurs, Fuͤrſten oder Landesherrn die Unterthanen zu Entſagung des angenommenen chriſtlichen Glaubens zu bringen, welche dann den Vorſtehern der Portugieſen andeuteten, keine Paters mehr ins Land zu bringen, und endlich allen auslaͤndiſchen Geiſtlichen aufgaben, das Reich zu raͤumen. Von dieſen kaiſerlichen Befehlen wurde nur der erſte befolgt, nemlich die Chriſten mit Zwang und Gewalt zu Entſagung ihrer Lehre zu bringen; die uͤbrigen aber wurden ſehr ſchlecht ausgerichtet. Die portugieſiſchen und caſtilianiſchen Schiffe brachten noch immer mehr Paters heimlich ins Land. Unter dieſen waren auch einige eifrige Fran - ciskaner, welche, ungeachtet der Warnungen und Bitten der Jeſuiten, offenbar wider das Kaiſerliche Verboth handelten und zu Miaco eine kleine Kirche aufrichteten, und dem Volk auf offenen Straßen ihre Predigten vorlaſen. Sie entſchuldigten dieſen der Kirche Gottes uͤberhaupt ſchaͤdlichen und ihnen ſelbſt ſo gefaͤhrlichen Ungehorſam blos damit, daß ſie Gott mehr gehorchen muͤſten als den Menſchen, und auch nichts mehr wuͤnſchten, als um Chriſti Namens willen zu ſterben. *)Die engliſche Ueberſetzung fuͤhrt hier noch an, was in meinen Handſchriften fehlt, daß auch die Jeſuiten durch keine Vorſtellungen haͤt - ten bewogen werden koͤnnen, auf einmal das Reich zu verlaſſen, und dadurch wieder zu ver - lieren, was ſie durch die Arbeit ſo vieler Jahre gewonnen hatten. Auch ſagt ſie, daß die er - waͤhnten eiftigen Franciſcaner Abgeſandte des Gouverneurs der philippiniſchen Jnſeln an den Kaiſer von Japan geweſen waͤren.

Dieſes verurſachte dann nun die allergraufamſte Verfolgung der Chriſten, welche jemals in der Welt vorgefallen, und die bis zu Vergießung des lezten chriſtlichen Bluttro - pfens uͤber vierzig Jahr waͤhrte. Sie hatte auch endlich die ewige Verbannung der portu - gieſiſchen und caſtilianiſchen Nation, und ihres wichtigen Handels und Schiffarth nach Ja -pan64Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. pan zur Folge. Anfangs war es gewis nicht die Abſicht des Hofes, mit der Religion auch die Nation ſelbſt zu vertreiben. Wie Taiko einſtens wegen eines falſchen Angebens einen ploͤzlichen Zorn gegen die Paters faſte, befahl er ihnen binnen zwei Tagen das Reich zu raͤu - men; kurz hernach erlaubte er ihnen aber doch eine Kirche bei Miaco zu bauen, aber nicht darin zu predigen,*)Dies heiſt wohl; ſie ſolten nicht die einge - dornen Japaner in der neuen Religion unterrich - ten; ſondern dieſe Kirche ſolte blos zum Privat - gottesdienſt der portugieſiſchen Kaufleute be - ſtimt ſeyn. womit er ihnen dann ſeinen Unwillen gegen die Religion, aber nicht gegen die Nation ſelbſt beweiſen wolte. Auch die nachfolgenden Kaiſer hatten nicht die Ab - ſicht dieſe ganz zu vertreiben, ſondern ſie unterſchieden immer ſehr wohl die Handlung als eine von der Religion ganz abgeſonderte Sache. Und da man der Portugieſen, wegen der zum Wohlleben noͤthigen Waaren, nicht entbehren zu koͤnnen glaubte; ſo erlaubte man auch noch bei der lezten und ſchon zu Ende gehenden Verfolgung der einheimiſchen Chriſten und gaͤnzli - chen Vertilgung aller caſtilianiſchen und portugieſiſchen Lehrer, den weltlichen Kaufleuten die - ſer Nationen hier zu bleiben, und erbauete ſogar fuͤr ſie das ſchon angefuͤhrte ver - ſchlosne Deſima.

Jn dieſer Verfaſſung wuͤrden ſie wahrſcheinlich noch lange in Japan geblieben ſeyn, wenn ihnen nicht die Entdeckung eines gefaͤhrlichen Vorhabens dieſer portugieſiſchen und ſpa - niſchen Kaufleute ſo wie auch der einheimiſchen Chriſten wider die Perſon des Kaiſers (als eines heidniſchen Regenten) den Untergang bereitet haͤtte.

Mit dieſem Vorhaben und deſſen Entdeckung hat es folgende Bewandnis: Die Hollaͤnder kamen durch den ſo vortheilhaften Handel der Portugieſen angelokt, noch vor dem Jahr 1600 zuerſt nach Japan, und ſtifteten ihre erſte Niederlage in Firando. Ein Kai - ſerlicher Freibrief ermunterte ſie zur fernern Beſuchung, gab ihnen die voͤllige Freiheit des Handels in dieſem Reich. Der bluͤhende Zuſtand ihrer damals immer mehr zunehmenden oſtindiſchen Handlung erforderte, und der Krieg, worin ſie mit den Portugieſen verwickelt waren,**)Der Leſer wird ſich erinnern, daß ſeit 1580 Portugal und Spanien unter Philip 11 ver - einigt wurden, und es auch unter ſeinen Nachfol -gern bis 1640 blieben. Daher wurden die Portu - gieſen nunmehr auch, zu ihrem großen und noch jezt unerſeztem Schaden, Feinde der Hollaͤnder, deren buͤrgerlicher Krieg mit Spanien damals in groͤßtem Feuer war. erlaubte ihnen, dem Jntereſſe dieſer Nation und ihrer Handlung auf alle moͤg - liche Art entgegen zu arbeiten, und beſonders die verlaͤumderiſchen Erdichtungen der Portu - gieſen von ſich abzulehnen. Dieſe ihnen aͤußerſt nachtheiligen Erdichtungen beſtanden darin, daß die Portugieſen bei aller Gelegenheit den Japanern die Niederlaͤnder als ſpaniſche rebel - liſche Unterthanen und Seraͤuber***)So ganz verlaͤumderiſche Erdichtungen ſcheinen dieſe Abbildungen doch eben nicht zu ſeyn. Der Portugieſen Jntereſſe erfoderte eben ſo wohl,ſich abbildeten.

Als65Fuͤnft. Kap. Von der Portugieſen und Caſtilianer Ankunft.

Als daher die Hollaͤnder ein portugieſiſch Schiff eroberten und in demſelben ein ver - raͤtheriſches Schreiben von dem in Nagaſacki reſidirenden Capitain Moro, (dem Vornehm - ſten der Portugieſen im Reich, einem gebohrnen Japaner und ſehr eifrigen Chriſten) an den ſpaniſchen Koͤnig fanden; ſo ließen ſie dieſe gute Gelegenheit, ſich an ihren Feinden zu raͤchen, nicht unbenuzt, und uͤberlieferten das Schreiben ihrem naͤchſten Schuzherrn, dem Fuͤrſten von Firando. Dieſer theilte es zuerſt dem Gouverneur von Nagaſacki, als dem oberſten Richter und Vorgeſezten der Fremden mit, der den Portugieſen ſehr geneigt war. Der Ca - pitain Moro und die uͤbrigen hieſigen Portugieſen leugneten indes die Sache, und fiengen an ſehr heftig dawider zu ſtreiten, und ſich zu vertheidigen. Aber da Handſchrift und Siegel ganz offenbar wider ſie waren, ſo konte weder die Gunſt des Gouverneurs noch ihr Leugnen die Sache gut machen. Der Brief wurde dem Kaiſer zugeſchikt und der Uhrheber deſſelben an einem Pfahle lebendig gebraten und verbrant.

Dieſer Brief entdekte nun voͤllig die gefaͤhrliche Verſchwoͤrung der japaniſchen Chri - ſten gegen den kaiſerlichen Thron; das Verlangen der verſprochnen portugieſiſchen Schiffe und Truppen, welche zu Ausfuͤhrung der Unternehmung gebraucht werden ſolten; die Namen der japaniſchen Fuͤrſten, welche daran Theil genommen; und endlich die Erwartung des paͤbſtlichen Segens zu gluͤklicher Volfuͤhrung dieſes Vorhabens. Noch ein andres Schrei - ben eben des Capitain Moro an die portugieſiſche Regierung zu Macao, das von einem japaniſchen Schiffer aufgefangen und eingebracht wurde, beſtaͤtigte noch dieſe Ver - ſchwoͤrung.

Bei dieſen Umſtaͤnden war es denn natuͤrlich ſehr leicht, dieſe am Hofe ſchon laͤngſt verdaͤchtige und jezt ſehr verhaſte Fremdlinge, (beſonders da ſie auch, ohngeachtet der oͤftern Verbothe, nicht auf hoͤrten immer mehr Geiſtliche ins Reich zu bringen) voͤllig zu ſtuͤrzen. Und im Jahr 1637 erſchien endlich eine kaiſerliche Verordnung an die Regenten von Naga - ſacki wider die Portugieſen, die mit den Namen der erſten Reichsraͤthe eigenhaͤndig unter - ſchrieben, und deren ſtrengſte Befolgung nachdruͤcklich anbefohlen war. Dieſe ſehr merk - wuͤrdige Verordnung hat auch zugleich das japaniſche Reich wider das Ausreiſen der Ein - gebohrnen, und die Beſuchung der Fremden auf ewig geſchloſſen. Hier iſt ſie:

An Sakaky Barra Findano Cami und Baba Sabray Sejimon.
Zweiter Band. J Kein

***)ſich der Niederlaſſung und dem Handel der Hollaͤnder in Japan zu widerſetzen, als es dieſer ihres, nach des Verf. Bemerkung, noͤthig machte, gegen die Portugieſen zu arbeiten. Jn den Augen ſpaniſcherUnterthanen waren die Hollaͤnder allerdings Rebel - len, und der Vorwurf der Seeraͤuberei kan auch nach der Geſchichte in den erſten vierzig Jahren der neuen Republik nicht ganz abgelehnt werden.

66Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Kein japaniſch Fahrzeug, noch irgend ein Japaner ſol vermoͤgen aus dem Lande zu reiſen. Wer dagegen handelt, ſol ſterben, und das Schiff mit allem Volk, bis auf weitern Befehl, in Verhaft gehalten werden.

Japaner, die aus der Fremde wieder in dies Land kommen, ſollen getoͤdtet werden.

Wer einen Pfaffen angiebt, ſol zur Belohnung 4 bis 500 Schuͤten Silber*)Ein Schuͤt Silber wiegt etwa fuͤnf Unzen, alſo machen 500 Schuͤt 2500 Reichsthaler Species. Anm. des Verſaſſers. haben, vor einen gemeinen Chriſten nach Verhaͤltnis.

Wer die Chriſtenlehre ausbreitet, und jeder, der mit dieſem boͤſen Namen be - flekt iſt, ſol in Ombra gefangen geſezt werden.

Alles Geſchlecht der Portugieſen, ihre Muͤtter, Saͤugammen und was ihnen nur immer anhaͤngig, ſol gebannet werden nach Macao.

Wer Jemand einen Brief aus der Fremde bringt, auch wer, nachdem er ge - bannet, widerkehrt, ſol getoͤdtet werden mit ſeinem ganzen Geſchlecht; auch wer fuͤr die Schuldigen bittet, ſol getoͤdtet werden.

Kein Edelman oder Soldat ſol das Geringſte von einem Fremden kaufen duͤrfen u. ſ. w.

(Jch laſſe das uͤbrige dieſer Verordnung weg, weil es hier nicht zur Sache gehoͤrt.)

Jm dreizehnten Jahr unſrer Regierung, Quanje 19, im fuͤnften Monat.

Saccaja Sanikkano Cami Dijno Ojeno Cami Canga no Cami. Matzendegro Jnſemo Cami Abono Bongo no Cami.

Ob nun wohl dieſer Kaiſerliche Befehl ſogleich nach ſeiner Publikation in wirkliche Ausuͤbung geſezt wurde; ſo erhielten ſich doch die Vornehmſten der portugieſiſchen Kaufleute mit vieler Muͤhe noch zwei Jahr in Nangaſacki. Sie verloren den gewinreichen Japani - ſchen Handel ſo ungern, als ihr Leben, und gaben ſich daher viele Muͤhe, daß ihnen erlaubt wuͤrde, auf der Jnſel Deſima zu wohnen, und daſelbſt den Handel fortzufuͤhren. Es war auch in der That im J. 1635 dieſe Jnſel aus dem Grunde des Seebuſens nahe an der Stadt Nangaſacki, mit der ſie vermittelſt einer Bruͤcke zuſammenhaͤngt, aufgefuͤhrt, in und mit ſtarken Thoren, Umpfaͤhlungen und Wachthaͤuſern befeſtigt, blos in der Abſicht, daß daſelbſt die Portugieſen ſich des Handels wegen aufhalten, aber als Godo d. i. Kaͤtzer von aller Gemeinſchaft mit den Japanern voͤllig ausgeſchloſſen ſeyn moͤchten. Aber jezt war ihnen nun einmal ihr Endurtheil geſprochen, und ſie konten ſich alſo nicht laͤnger hal - en, als bis ins Jahr 1639. Jn dieſem muſten alle noch uͤbrige Portugieſen, mit allenihren67Fuͤnft. Kap. Von der Portugieſen und Caſtilianer Ankunft. ihren auch entfernteſten Verwandten das Land raͤumen, da der Hof ſich nunmehr hinlaͤng - lich verſichert hatte, daß die Niederlaͤnder das Reich mit allen Waaren, die man bisher durch die Portugieſen erhalten, hinlaͤnglich verſehen wuͤrden. Man erklaͤrte deshalb die Portugieſen und Caſtilianer fuͤr Erbfeinde des Reichs, und verbot auf ewig ihren und aller ihrer Freunde Eintrit ins Reich, auch die Einfuhr aller in Spanien und Portugal gezeugter oder verarbeiteter Waaren, als Tuͤcher, Leder, Wolle, und alle andre; nur allein die ſpaniſchen Weine wurden zur Conſumtion des kaiſerlichen Hofes ausgenommen. Auf die Art waren noch vor dem Ausgang des Jahrs 1639 alle Portugieſen und Spanier aus Japan vertrieben.

Jn dem folgenden Jahr 1640 machte die Regierung zu Macao einen Verſuch, ihre Umſtaͤnde zu verbeſſern. Allein die zwei Abgeſandte, die ſie in dieſer Abſicht hieher ſandte, wurden mit ihrem ganzen Gefolge, (das zuſammen aus 73 Perſonen beſtand) ſobald ſie in den Hafen von Nangaſacki eingelaufen, ſogleich in Arreſt gebracht, ob ſie gleich gar keine Waaren mitgebracht, und alſo nicht in Handelsabſichten kamen. Man meldete ihre An - kunft ſogleich nach Hofe und auf kaiſerlichen Befehl wurden dieſe Perſonen wider alles Voͤl - kerrecht enthauptet. Nur zwoͤlf der geringſten Bedienten ſchikte man zuruͤk, um von der Behandlung, die ihre Herren und Gefaͤhrten erfahren, Nachricht zu geben, mit der Dro - hung, man wolle es mit der Portugieſen Koͤnig oder der Chriſten Gott nicht beſſer machen, wenn ſie ſich jemals unterſtuͤnden, in Japan ans Land zu kommen. Dieſe ungluͤklichen Boten ſind niemals nach Macao gekommen, und vermuthlich zur See umgekommen, weil ſie ihr Schif nicht regieren konten.

Die Hinrichtung der uͤbrigen geſchahe nach Japaniſcher Manier ſo, daß jeder einen eignen Buͤttel bekam, und alſo in einem Augenblik allen zugleich die Koͤpfe abge - hauen wurden.

Jn einem Japaniſchen Mnſcpt. eines Nangaſackiſchen Buͤrgers habe ich auch noch eine andre, noch vor der eben erzaͤhlten*)Am Rande des Mnſcpt. des Neffen ſteht: iſt vor 80 Jahren, alſo etwa um das Jahr 1610 geſchehn. vorgefalne tragiſche Geſchichte erzaͤhlt ge - funden, da eine große ſpaniſche Krake mit drei Schifsboͤden, die in dieſen Hafen**)d. i. den von Nangaſackt. ein - gelaufen war, verſenkt und alle darauf befindliche Manſchaft durch ein ganz unerhoͤrtes Blutbad niedergemacht wurde. Jch finde zwar in den Journalen der damals ſchon in Fi - rando angeſeßnen Hollaͤnder, welche aber zum Theil verloren gegangen, von dieſer Bege - benheit nichts erwaͤhnt, kan aber doch an ihrer Wahrheit nicht zweiflen, und trage daher kein Bedenken, ſie nach der Japaniſchen Erzaͤhlung von Wort zu Wort hier einzuruͤcken.

J 2Unweit68Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Unweit Manilha hatten die Caſtilianer (die gewoͤhnliche Benennung der Spa - nier bei den Japanern) eine Japaniſche Junke weggenommen, und die Leute in der See erſaͤuft. Sie glaubten, das Geruͤcht dieſer That wuͤrde auch in der See erſtikt ſeyn, aber es erſchalte bald an den Japaniſchen Hof. Nach einem Jahre kam ein gros ſpaniſch Schif mit drei Verdecken oder Buͤhnen und warf bei Nangaſacki Anker. Die hieſige Regierung meldete dieſes mit eiliger Poſt an den kaiſerlichen Hof, welcher dem Landesfuͤrſten von Arima Befehl gab, das Schif mit ſeiner ganzen Ladung und allem Volk zu verbrennen. Drei Tage vor Ankunft dieſes Befehls wurden die Caſtilianer von einigen ihnen noch geneig - ten Buͤrgern vor der ihnen bevorſtehenden Gefahr gewarnt, und ihnen gerathen, ſich noch bei Zeiten zu retten. Aber ihr Geiz und auch nachher der widrige Wind erlaubten ihnen nicht, an die Abreiſe zu denken. Sie brachten Tag und Nacht mit Laden des Schifs zu, bis es mit Gold, Silber, koͤſtlichen Japaniſchen Waaren und allem ihrem in Nangaſacki noch befindlichen Reichthum ganz angefuͤlt war. Sie hielten ſich indes ſowol zur Verthei - digung als auch zur Abfarth bereit. Unterdes kam der zur Exekution beorderte Fuͤrſt von Arima mit einer unzaͤhlichen Menge Volks in dem Hafen an. Dieſe umringten ſogleich das ſpaniſche Schif, welches ſich vergebens bemuͤhete zu entwiſchen, weil ihm der Wind entgegen war, und Rache von ihm foderte. Jndes war die Ausfuͤhrung des Vorhabens der Japaner nicht ſo leicht, als ſie ſich eingebildet hatten, und ſie muſten dieſelbe mit ihrem eignem Blut buͤßen. Der Fuͤrſt ermunterte ſeine Soldaten, das feindliche Schif zu beſtei - gen, aber keiner wolte es wagen, bis der Fuͤrſt ſelbſt zuerſt den ſeindlichen Boden beſtieg, und durch ſein muthvolles Beiſpiel die andern zur Nachfolge reizte, welche nun das oberſte Verdek in einem Augenblik wie ein Bienenſchwarm anfuͤlten. Die Caſtilianer hatten ſich von demſelben, gleich bei dem Einbruch der Japaner, alle herunter begeben, und den Boden uͤber ſich ſtark vermacht. Der Fuͤrſt ſchoͤpfte hieraus Verdacht und ſprang, un - ter dem Vorwand, daß er noch mehr Soldaten heruͤber bringen wolle, in ſein Schif. Kaum war dieſes geſchehen, ſo ließen die Caſtilianer das obere Verdek mit untergelegtem Pulver in die Hoͤhe ſpringen, und ſchikten alſo alle auf demſelben befindliche Japaner in die Luft.

Der Fuͤrſt ſchikte hierauf ſogleich wieder friſche Mannſchaft auf das feindliche Schif, mit Befehl die Caſtilianer niederzumachen. Aber dieſe hatten ſich unterdes noch tiefer, unter das zweite Verdek zuruͤkgezogen, und ſchikten auch dieſes mit allen darauf befindli - chen Japanern wiederum in die Luft, ja, als dieſe den Angrif nochmals wiederholten, waren ſie ſo gluͤklich, ihre Feinde zum drittenmal zu ſprengen. Der ganze Seebuſen war mit zerſchmetterten Japanern, wie mit Schloſſen vom Himmel, angefuͤlt. Die Spanier hatten ſich nun ganz in den unterſten Theil des Schifs retirirt, wo ſie, einige hundert an der Zahl, ſich ſo lange wehrten, bis ſie alle, einer nach dem andern, ganz aufgerieben waren. Dieſes69Fuͤnft. Kap. Von der Portugieſen und Caſtilianer Ankunſt. Dieſes Gefecht waͤhrte einen halben Tag, und koſtete 3000 Japanern das Leben. Man hat auch an dieſer Stelle eine unglaubliche Menge von Waaren, und, wie geſagt wird, an 3000 Kiſten Silber, aus dem Grunde des Meers wieder herausgeholt. Man hat mir ſogar erzaͤhlt, daß noch vor wenig Jahren hier Silber gefunden waͤre. *)Es iſt, duͤnkt mich, doch etwas unwahr - ſcheinlich, daß eine ſo feindſelige Begegnung beider Nationen gegen einander ſchon im J. 1610 vorge - fallen ſeyn ſolte, da, nach des Verf. eigner Erzaͤh - lung, die Caſtilianiſchen Kaufleute noch bis 1637 ungeſtoͤrt in Japan blieben. Bei den Spaniern waͤre die Verſenkung eines Japaniſchen Schiffes eben ſo ungerecht, als unpolitiſch geweſen, da ih -nen an Erhaltung der Japaniſchen Freundſchaft und Handlung ſoviel gelegen war; von den Japa - nern aber waͤre es unerklaͤrlich, warum ſie, ſtat ſich mit dem Verluſt von 3000 Menſchen an einem einzigen Schif zu raͤchen, nicht lieber vorher deſſen Ladung verhinderten, und die ganze Nation in ih - rem Lande vertilgten?

Nachdem endlich das japaniſche Reich von den Portugieſen und Spaniern auf die erzaͤhlte Art ganz gereinigt worden, ob ſich gleich noch immer an verſchiednen Orten einige Patres verborgen hielten; hat man bald darauf am Japaniſchen Hof erfahren, daß die Portugieſen am ſineſiſchen Hof und den Regenten von Sina großen Eingang gefunden. Man fand deshalb noͤthig, ſehr auf ſeiner Hut zu ſeyn, und es wurden auf allen hohen Bergen Wachthaͤuſer angelegt, und dieſelbe mit beſtaͤndigen Wachen verſehen, welche noch bis dieſe Stunde immer unterhalten werden. Jhre Pflicht iſt, durch angeſtekte Feuer zu melden, wenn ſie uͤber zehn Schiffe in der See beieinander ſehn. Auf die Art koͤmt eine ſolche Nachricht uͤber die Gebirge allemal binnen 24 Stunden nach der kaiſerlichen Reſidenz Jedo, und daher kan man ſich alſo allemal zur ſchleunigſten Gegenwehr bereiten, wenn etwa feindliche Schiffe dies Land ſolten anfallen wollen. Es iſt auch ſchon von jener Zeit her eine ſo gute Einrichtung gemacht worden, daß jeder bei angeſtektem Bergfeuer weiß, an welchem Orte und bei welcher Fahne er ſich mit ſeinem Gewehr einzufinden habe?

J 3Sechſtes70

Sechſtes Kapitel. Von der Verfaſſung der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt.

Die Hollaͤnder wurden durch den bluͤhenden Handel der Portugieſen auf dieſes Land bald aufmerkſam gemacht, und fiengen gleich im Anfang ihrer aſiatiſchen Fahrten und bald nachdem ihre oftindiſche Compagnie aufgerichtet war, mit dem Anfang dieſes (ſiebzehnten) Jahrhunderts an, dies lezte Reich der Welt jaͤhrlich zu beſuchen. Jhre erſte Anfurth war bei dem Lande und der Stadt Firando, wo ſie deſto eher zugelaſſen wur - den, weil ſie als erbitterte Feinde derer ſich zeigten, von welchen die Regierung das Reich zu befreien wuͤnſchte. Man erlaubte ihnen deshalb, auf einer durch eine Bruͤcke mit der Stadt verbundnen Jnſel ihr Comptoir und Wohnung anzulegen. Obgleich die Portugieſen damals bei den Großen des Reichs noch ſehr viel galten, und ſich der Zulaſſung der Hol - laͤnder widerſezten, ſo konten ſie doch nicht hindern, daß dieſe 1611 von dem Kaiſer Jjejas, oder nach ſeinem Tode Gongen genant, die geſezliche Erlaubnis bekamen, das Reich zu beſuchen. Dieſe wurde ertheilt in einem Gosjunin, das heiſt nach dem Wortverſtande, ein hohes Zinnober Merkzeichen, worunter man einen kaiſerlichen Freibrief verſteht, der von den Reichsraͤthen unterſchrieben und mit dem kaiſerlichen rothen Siegel (von dem er den Namen fuͤhrt) bekraͤftigt iſt. Jn dieſem wurde ihnen der freie Handel und Anfurth in allen Theilen und Haͤfen des Reichs zugeſtanden, auch wurden ſie ſogar allen Unterthanen in den vortheilhafteſten Ausdruͤcken aufs Beſte empfohlen.

Nach des Jjejas Tode hielten die Hollaͤnder ganz wider Gewohnheit der japaniſchen Nation, die ihre vaͤterlichen Satzungen heilig zu halten pflegt, um Erneuerung ihrer Pri - vilegien und einen neuen Freibrief an, der ihnen in aͤußerlicher Form mit dem vorigen gleich,aber71Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt. aber mit weit nachtheiligern Bedingungen zugeſtanden wurde. Jnzwiſchen wandte unſre Nation, ſeit der Zeit, daß ſie ſich in Firando niedergelaſſen, allen Fleis an, um aus dem Verfal des portugieſiſchen Handels fuͤr den ihrigen Vortheil zu ziehn. Man bemuͤhte ſich dem Hofe, deſſen Raͤthen, den Landesherrn in Firando und andern Großen, die nur irgend einen vortheilhaften oder ſchaͤdlichen Einflus haben konten, auf alle nur moͤgliche Weiſe zu gefallen. Keine Koſten und Muͤhe wurden geſpart, um die groͤſten Seltſamkeiten der Welt aufzubringen, und als ein jaͤhrliches Geſchenk nach Hofe zu ſchicken. Die vorneh - men Japaner bewieſen dabei eine ſehr laͤcherliche Begierde, allerlei ganz ſonderbar gefaͤrbte und geſtaltete Thiere zu haben, welche meiſtens von der Natur nur ſo gebildet waren, wie ſie ſie wuͤnſchten, und uns die Zeichnungen von dieſen Thieren gaben, damit wir ſie aufſu - chen koͤnten. Unſre Bediente gaben ſich dann auch alle moͤgliche Muͤhe, was nur in Jn - dien, Perſien und Europa zu finden, herbeizuſchaffen. Unſre Nation bewies auch in allen, und ſelbſt den unredlichſten Zumuthungen, den groͤſten Gehorſam, um nur bei der japaniſchen ſich in guten Credit zu ſetzen und vortheilhafte Handelsbedingungen zu erhalten. So durften wir z. B. im Jahr 1638 keine Widerſezlichkeit blicken laſſen, als wir auf kaiſer - lichen Befehl unſre neu erbauete Reſidenz und Pakhaus auf Firando (welche doch ſo koſtbare ſteinerne Pallaͤſte waren, als Japan noch nie geſehn hatte) in groͤſter Eil ſelbſt niederrei - ßen muſten, weil dieſe Gebaͤude wider den Landsgebrauch zu praͤchtig gebauet waren, und im Giebel die Jahrzahl nach Chriſti Geburt fuͤhrten.

Kurz nachher, noch in eben dem Jahre 1638 trug dieſer Hof auch kein Bedenken, den Hollaͤndern eine abſcheuliche Probe ihres Gehorſams anzumuthen, aus der er urtheilen wolte, ob die Gebote des Kaiſers oder die Liebe zu ihren Mitchriſten groͤßere Kraft bei ihnen habe? Dieſe beſtund darin, daß wir dem Reich in Ausrottung der einheimiſchen Chriſten dienen und Huͤlfe leiſten ſolten. Von dieſen hatte ſich nemlich ein noch uͤbriger Haufe, der etwa aus 40000 Menſchen beſtand, aus Furcht vor dem Maͤrtirthum, in eine alte Feſtung der Provinz Simibara geworfen, um ſich mit aller Staͤrke der Verzweiflung zu vertheidi - gen. Die Hollaͤnder ſtanden nicht an, auch dieſe verlangte Probe ihres Gehorſams zu ge - ben. Unſer Reſident Koͤkebecker verfuͤgte ſich ſelbſt mit einem noch vorhandnen Schiffe (denn mit den andern war Caron den Tag vorher abgeſegelt und alſo dieſer Zumuthung ent - wiſcht) an den beſtimten Ort, und beſchos binnen 14 Tagen die belagerten Chriſten ſowohl vom Schiffe als auch vom Lande (wo man eine Batterie angelegt) mit 426 groben Kanon - ſchuͤſſen. Die Japaner bezeigten ſich mit dieſem Beiſtande zufrieden, und obgleich die Belagerten noch nicht zur Uebergabe gebracht und gaͤnzlich gedemuͤthigt worden; ſo waren doch ihre Kraͤfte ganz ungemein geſchwaͤcht. Man erlaubte unſerm Schiffe daher wieder abzuziehen, doch muſte es noch ſechs Kanonen, zu Ausfuͤhrung ihrer graufamen Abſicht, denJapa -72Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Japanern uͤberlaſſen, ob man ihnen gleich ſchon vorher aus den andern Schiffen fuͤnf geliehn, und auf der Ruͤkreiſe eine ſehr unſichre See zu befahren hatte.

Durch dieſen bewieſenen Gehorſam bekam unſre Nation nun freilich feſten Fuß in dem japaniſchen Reiche, und der Hof aͤnderte ſeinen Vorſaz ſchlechterdings alle Chriſten aus - zuſchließen. Jndes hat ſich unſre Nation doch bei allen Edeldenkenden am Hofe und uͤber - haupt bei der ganzen Nation in ſchlechten Ruf gebracht. Man machte den Schlus, daß diejenigen unmoͤglich eine gute Denkungsart, und eine treue aufrichtige Geſinnung gegen einen fremden Kaiſer haben koͤnten, welche ſo bereitwillig zu Vertilgung derer waͤren, mit denen ſie doch im Grunde des Glaubens (um deſſen Willen Jene verfolgt wurden) uͤberein - ſtimten, und durch eben die Pforte dem Weg Chriſti folgten; wie die Japaner von den portugieſiſchen und manillaiſchen Miſſionairen wohl unterrichtet waren, und wie es mir die Einwohner mit eben den Worten zu erkennen gegeben haben.

Es iſt alſo unmoͤglich geweſen, durch alle bewieſene Gefaͤlligkeit dieſe ſtolze und mistrauiſche Nation zu gutem Vertrauen und einer engen Freundſchaft zu bringen. Viel - mehr hat der Credit der hollaͤndiſchen Nation, ungeachtet aller auch auf Koſten der Red - lichkeit erworbnen Verdienſte, bald gar ſehr abgenommen, daß ſie ſogar dasjenige, was ſie zu Einſchraͤnkung der Portugieſen mit Rath und That zu befoͤrdern ſuchten, kurz hernach im Jahr 1641 an ſich ſelbſt haben erfahren muͤſſen. Es wurde ihnen nemlich befohlen, mit ihrem ganzen Waarenlager aus der Jnſel Firando aufzubrechen, und ihren bisherigen Zu - ſtand (da ſie unter einem ſehr connivirenden Landesherrn ſtanden) mit einem neuen zu ver - tauſchen, da ſie mehr unter unmittelbarer Regierung des Kaiſers und ſtrenger Aufſicht ſtehn ſolten. Sie muſten ſich nemlich nunmehr in das fuͤr die Portugieſen anfaͤnglich beſtimte Gefaͤngnis (denn dieſen Namen verdient es) auf der Jnſel Deſima begeben.

Jn dieſer Dienſtbarkeit haben wir uns viele beſchimpfende Einſchraͤnkungen von dieſen ſtolzen Heiden muͤſſen gefallen laſſen. Wir duͤrfen keine Sonn - und Feſttage feiern, keine geiſtliche Geſaͤnge und Gebaͤte hoͤren laſſen; niemals den Namen Chriſti nennen; kein Bild des Kreuzes oder irgend ein aͤußerliches Zeichen des Chriſtenthums bei uns fuͤhren. Dabei muͤſſen wir noch immer viel andre beſchimpfende Zumuthungen ausſtehn, die einem edelmuͤthigen Herzen allemal ſehr empfindlich ſind. Die einzige Urſach, welche die Hol - laͤnder bewegt, alle dieſe Leiden ſo geduldig zu ertragen, iſt blos die Liebe des Gewins und des koſtbaren Marks der japaniſchen Gebirge.

Auri Sacra fames quid non mortalia pectora cogis?
Doch73Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt.

Doch ich gehe nun zu der beſondern Beſchreibung dieſes Gefaͤngniſſes der Hollaͤn - der in Japan uͤber, von dem ich auch eine kleine Abbildung hier beifuͤge. *)Dieſe Abbildung fand ſich nicht bei den Handſchriften, aus denen Scheuchzer uͤberſezte, ob ſich gleich K. darauf beruft. Aber in meiner Hand -ſchrift des Oheims habe ich ſie gefunden; ſie iſt ver - muthlich von K. eigner Hand.Der NameZweiter Band. Kdeſſelben

DESIMA.

74Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. deſſelben iſt De ſima d. i. vor (nemlich der Stadt) liegende Jnſel, oder De ſima matz, d. i. (weil ſie vor eine Straße gerechnet wird) die Vorinſel Straße. Sie iſt neben der Stadt aus dem Grunde des Seebuſens, der hier ſandig und voller Klippen, und bei der Ebbe ohne Waſſer iſt, bis zwei Faden mit Felsſteinen aufgefuͤhrt, und ſteht einen hal - ben Faden uͤber das hoͤchſte Waſſer hervor. Sie hat die Figur eines Sonnenwedels ohne Stiel, oder eines zirkelfoͤrmigen Viereks nach der Kruͤmme der Stadt, mit der ſie durch eine Bruͤcke (A auf der Zeichnung) von Quaderſteinen, die nur wenig Schritte lang, ver - bunden iſt, und von der ſie durch eine ſtarke Wachtpforte (B) abgeſchloſſen wird. An der Nordſeite hat ſie zwei ſtarke Waſſerpforten, (cc) die nur beim Ein - und Ausladen der Schiffe unter der Aufſicht einiger deputirten Edlen des Gouverneurs geoͤfnet werden. Die ganze Jnſel iſt mit hohen Dielen und deren Bedeckung nach Art der ſpaniſchen Reuter Cheval de Frize gemacht, (DDD) und mit einem doppelten Staket (Befriedigung) (D) umge - ben; doch iſt alle dieſe Befeſtigung von ſo ſchwachem Holz, daß ſie gegen feindliche Gewalt wenig Widerſtand zu thun wuͤrde im Stande ſeyn. Wenige Schritte von dieſer aͤußerſten Befeſtigung ſtehn dreizehn hohe Pfaͤhle (E) aus dem Waſſer hervor, jedoch mit einem Bret verſehn, auf dem ein Verbot geſchrieben ſteht, daß niemand innerhalb dieſer Pfaͤhle mit ei - nem Kahn durchfahren und der Jnſel ſich naͤhern ſol.

Vor der Stadtbruͤcke iſt ein etwas erhabener Plaz, (F) aus Quaderſteinen, der beſonders dazu dient, zwei auf Brettern beſchriebne Befehle der Gouverneurs zu publiciren, von denen eins zu den Reglements der Thorwachen und das andre zu Befehlen fuͤr die Be - dienten der Straße Deſima und alle Einpaſſirende gebraucht wird. Fuͤr die leztere hat auch noch unſer (nemlich der von Deſima) Gaſſenrichter geſorgt, da er auch von der innern Seite der Stadt ein Placat (G) affigiren laſſen, das ohngefaͤhr von gleichem Jnhalt mit dem vorigen iſt und vorzuͤglich nur dient, die Autoritaͤt und Wachſamkeit dieſer Magiſirats - perſonen zu beweiſen. Jch habe alle dieſe Verordnungen im folgenden zehnten Kapitel geſamlet.

Der Flaͤcheninhalt dieſer Jnſel wird auf ein Stadium, oder 600 Fus in die Laͤnge, und 240 in die Breite geſchaͤzt; aber nach meiner angeſtelten genauen Meſſung hat ſie in der Breite 82, in der Laͤnge nach ihrer Kruͤmme durch die Mitte 236 gemeine Schritte, weniger an der Stadtſeite und mehr an der Seeſeite nach der Natur dieſer Figur. Eine Kreuzgaſſe laͤuft durch die ganze Jnſel, und innerhalb den Schranken iſt auch eine Gaſſe, die rund um die Jnſel geht, und die nach Gutfinden abgeſchloſſen werden kan. Die Regen - waſſer laufen alle durch eine tiefe Kruͤmme in ihren Gaſſen nach der See, damit auch durch dieſes Mittel nichts in die Jnſel oder heraus gebracht werden kann. Nur die große Kreuz -gaſſe75Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt. gaſſe hat an beiden Seiten Haͤuſer. Dieſe Haͤuſer ſind auf Koſten einiger Buͤrger von Nangaſacki gebaut, von denen auch die Anlage der ganzen Jnſel herruͤhrt, deren Erben nur noch immer nach dem erſten ſehr unbilligen Accord eine jaͤhrliche Miethe von 6500 Sjamo bezahlen muͤſſen. Es ſind ſehr ſchlechte Gebaͤude, die etwa das Anfehn von Zie - genſtaͤllen haben, von Leimen - und Tannenholz aneinander gepapt, beſtehn aus zwei Stok - werken, von denen das untere zu Pakkellern und Niederlagen, der Soͤller aber zur Woh - nung dient. Der Bewohner pflegt den leztern auf eigne Koſten mit buntem Papier und ge - fuͤtterten Bodenmatten nach japaniſcher Manier zu bekleiden, und mit Thuͤren oder Schau - ben zu verſehn.

Jnnerhalb den Schranken hat die Jnſel noch drei Wachhaͤuſer, (H) die an jedem Ende und in der Mitte vertheilt liegen, und am Eingang iſt ein mit noͤthigem Loͤſchungsge - raͤth verſehener Brandplaz. Bei Feuersbruͤnſten dienen auch noch die Waſſerpforten und Roͤhren, die ſo eingerichtet ſind, daß ſie in der Zeit der Noth aufgebrochen werden koͤnnen. Durch einen andern Kanal von Bambusrohr (K) wird das Kuhwaſſer aus dem Strohm in einen Waſſerbach (I) geleitet, von welchem aber jaͤhrlich noch beſonders bezahlt werden mus. Den uͤbrigen Raum hinter der Gaſſe haben die unſren zum Theil aus eignen Mit - teln angebaut, mit einem zum Handeln beſtimten Hauſe, (L) zween feuerfeſten Vorraths - haͤuſern, (M) weil die Paklager unter den ordentlichen Wohnungen vor Regen, Brand und Dieben nicht genug verwahrt ſind. Ferner eine anſehnliche Kuͤche (N) ein Haus (O) vor die von den Stathaltern abgeſchikte Deputirte und auch die Handelsgeſchaͤfte; ein Haus fuͤr die Dolmetſcher, (P) welches nur die noͤthige Zeit gebraucht wird. Ferner ein Garten zu Kuͤchengewaͤchſen (Q) und ein andrer zum Vergnuͤgen (R) ein Plaz zum Waſchen (S) einige kleine Privatgaͤrten (T) und eine Badſtube (V). Einen Theil des Raums hat der Gaſſenrichter zu ſeinen Wohn - und Luſthaͤuſern (W und X) Kuͤche (Y) und einem Gaͤrt - chen (Z) das blos zum Vergnuͤgen dient, eingenommen. Ein Theil dieſes Platzes endlich bleibt noch uͤbrig fuͤr Kramlaͤden, die bei Anweſenheit der Schiffe aufgeſtelt werden, und ein andrer dient zur Niederlage der ausgepakten Waaren; auch iſt hier ohnlaͤngſt noch ein blutiger Gerichtsplaz eingeweiht worden, wo die Schleichhaͤndler kuͤnftig hingerichtet werden ſollen, und zwar (wie uns der Stathalter noch ohnlaͤngſt verſicherte,) nicht nur die Japa - ner, ſondern auch die Hollaͤnder.

So iſt der enge Raum eingerichtet, auf welchen die Hollaͤnder in dieſem Reiche beſchraͤnkt ſind. Wenn unſre Schiffe in dieſen Hafen einlaufen, (welches alle Jahr einmal geſchieht,) ſo duͤrfen ſie ihre Leute, (nachdem vorher jeder auf das genaueſte viſitirt und auf - gezeichnet worden,) nach einander auf die Jnſel abtreten laſſen, um ſich zu verfriſchen. NachK 2der -76Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. derſolben Abzuge mus das Oberhaupt mit noch verſchiednen Perſonen, ſieben gemeiniglich oder mehr nach Belieben (ehmals bei großem Handel waren es niemals unter 20) hier blei - ben. Obgleich nun die Japaniſche Nation von dieſen wenigen Ueberbleibenden nichts nachtheiliges befuͤrchten darf, keine Feindſeligkeit wegen der ſo kleinen und unbewehrten An - zahl, keinen Schleichhandel, weil alle Waaren, und was nur irgend verkaufbar iſt, mit ihren eignen Siegeln bewahrt, und in ihren Tabellen aufs genaueſte verzeichnet iſt; da auch ſogar, was wir zur Kleidung mitbringen, dem Gaſſenrichter ſo lange in Verwahrung ge - geben wird, bis es von beſchwornen Schneidern aufs genaueſte zugeſchnitten iſt, und ob ſie gleich auch in Abſicht des Punkts der Religion ſchlechterdings nichts von uns zu befuͤrchten ha - ben; da das Licht unſers chriſtlichen Glaubens alhier aus unſerm Lebenswandel und Betragen ſchlechterdings nicht hervorleuchtet:

So werden aller dieſer Gruͤnde ungeachtet unſre Leute doch noch in dieſem Gefaͤngnis ganz ausnehmend genau und ſtrenge bewacht, von verſchiedenen Wachen, Geſelſchaften und Zuͤnften, (deren Glieder alle beeidigt und unter ſich ſelbſt fremd und einer gegen den an - dern mistrauiſch ſind,) welche innerhalb und auſſerhalb unſre verſchlosne Wache umgeben. Wir werden hier nicht wie ehrliche Menſchen, ſondern wie Uebelthaͤter, Verraͤther, Kund - ſchafter und Gefangne, oder, aufs gelindeſte geredt, (und nach dem eignen ſehr vorſichti - gen Ausdruk der Japaner,) wie Fitoſitz d. i. Geiſſel Sr. Kaiſerl. Majeſtaͤt behandelt und bewacht.

Dieſe verſchiednen Wachen ſind nun folgende:

  • 1) Die vornehmſte iſt die Monban oder Thorwache, welche das Thorhaus nach der Stadt zu beſezt haͤlt, durch welches alle Ein - und Auspaſſirenden gehn muͤſſen. Dieſe Wache wird taͤglich von fuͤnf und zur Handelszeit von zehn bis dreizehn (die Bedien - ten derſelben ungerechnet,) niemals vorher bekanten Perſonen verſehn; es ſind ihrer allemal aus der Stadts-Funaban taͤglich einer oder zwei und eben ſo viele aus der Sjuninſi. Auch befindet ſich bei dieſer Wache ein Diener des Ninban Toſijori oder des rapportiren - den Stadtsbuͤrgermeiſters, und dann ein Dſjojoſi oder Unterbuͤrgermeiſter, als Haͤupter der Sotomatz. Einer von den leztren ſizt ſtets bei dem Buch, ſchreibt nach den Stun - den des Tages die Aus - und Eingehenden auf, oder was an Waaren ein - und ausgeſuͤhrt wird. Dieſes Journal wird monatlich oder ſonſt nach Belieben von den Stathaltern nach - geſehn. Ohne beſondern Befehl der Stathalter, oder Verbuͤrgung des Gaſſenrichters kan nichts, außer etwa einige ganz unverbotene Dinge, paſſiren.
2) Die -77Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt.
  • 2) Dieſen Bedienten ſind nun noch drei geſchworne Viſitatoren zugeordnet, von denen einer oder zwei beſtaͤndig am Eingang ſitzen, und alle Ein - und Ausgehende an ihrem Koͤrper aufs genaueſte befuͤhlen, ob ſie etwa nichts ein - oder austragen? Hievon ſind blos diejenigen ausgenommen, welche ſich im Gefolge der Deputirten der Stathalter befinden, wie auch die ordentliche Dolmetſcher und deren Soͤhne, die in der Zahl der Lehrlinge einge - ſchrieben ſind.
  • 3) So lang unſre Schiffe im Hafen liegen, muͤſſen die Gaſſen taͤglich noch vier, und die Kaufleute, welche mit Seide handeln, auch vier Wachen auf ihre Koſten unter - halten, welche die Arbeit, aber auch den Vortheil mit vorher genanten Wachen theilen. Dieſe viele Wachen geben dann eine ſtarke Vermiſchung ganz verſchiedner und ſich fremder Perſonen, welche eine genaue Vereinigung derſelben ſehr ſchwer macht. Jeder iſt beſon - ders ſtreng verpflichtet, ſowohl die Aus - und Eingehenden, als auch ſeine eignen Gehuͤlfen und auch ſoviel moͤglich die eingeſchlosnen Fremden aufs genaueſte und beſte zu bewachen, und in allem zu beobachten.

Die Gewehre, welche man in dieſem Wachthauſe zum Prunk an den Mauern aufgehangen hat, ſind eiſerne Feſſel, ſtarke Stricke, ſchwere Stoͤcke, und noch eine beſon - dre Art von Jnſtrumenten*) Wie Morgenſterne ſetzen meine Hand - ſchriften hinzu, ein Zuſaz, den die engliſche Ueber - ſetzung weggelaffen hat; es bedeutet eine ehmalsgebraͤuchliche Art Waffen, nemlich einen Stab, in deſſen Knopf an der Spitze eiferne Stacheln waren. die bei Erhaſchung der Diebe und Weglaͤufer gebraucht wer - den, und die man auch bei Exekutionen der Verbrecher zu gebrauchen pflegt.

Die andre Hauptwache heiſt Mawariban oder Rundegaͤnger-Wache. Sie beſteht aus ſechs geringen Buͤrgern oder Arbeitsleuten, die innerhalb unſrer Schranken an drei Orten poſtirt ſind, und beſtaͤndig mit einander abwechſeln, des Nachts mit zwei Klap - pen von Holz umhergehn, und damit nach Landesgebrauch ihre Wachſamkeit und die Zahl der Stunden anzeigen, und beſonders zu Verhuͤtung von Feuer und Diebſtal aufmerkſam ſeyn muͤſſen. Die einzelnen Perſonen wechſeln taͤglich, und die Gaſſen, aus denen dieſe Wachen geſtelt werden muͤſſen, monatlich mit einander ab. Zur Zeit der Handelsgeſchaͤfte aber wird dieſe Wache beſorgt durch die Gaſſenrichter, Hauswirthe und Geldkammer-Be - diente von unſrer Jnſel, die alsdann fuͤr alle Ungelegenheiten Buͤrgen ſind, und zu mehre - rer Sicherheit immer nur ihnen genau bekante und zuverlaͤſſige Leute in den Wachen gebrauchen.

Auch wird in dieſer Zeit noch eine Hauptbrandwache gehalten, welche aus Haus, wirthen, Schreibern, Gaſſenrichtern, Geldkammerbedienten und Koͤchen beſteht. Bei Anbruch des Abends haͤlt dieſe ihre erſte Runde, klopft vor jede Thuͤre, fragt nach Japa -K 3nern78Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. nern und empfiehlt beſonders die Sorge fuͤr das Feuer. Der Ottona mus wenigſtens einmal des Nachts die Runde ſelbſt mithalten, da er dann nach Landesſitte ſeinen eiſernen mit Ringen behangnen Stab und ſeine Brandſtangen mit großem Geraͤuſch ſich nach - ſchleppen laͤſt.

  • 3) Auch die Hollaͤnder ſelbſt muͤſſen noch eine beſondere Wache aus ihren eignen Leuten unterhalten, die beſtaͤndig zur Nachtzeit um ihre Haͤuſer und Niederlagen geht, um nicht von den Japanern in den Wachen ſelbſt beſtohlen zu werden.
  • 4) Auſſer dieſen Wachen giebt es nun noch andre, die uͤber alle Fremde eine Ge - neralaufſicht haben, beſonders die Funaban oder Schif - und Hafenwaͤchter, die des Nachts um unſre Jnſel mit Schuyten die Runde fahren. Jch wil aber von dieſen alge - meinen Wachen hier nichts mehr erwehnen, ſondern zu denen uͤbergehn, welche eigentlich den Dienſt und die Huͤlfe der Hollaͤnder zur Pflicht haben, oder auch von ihnen ſelbſt dazu gemachet ſind; welche allemal, von was fuͤr Stande ſie auch ſeyn moͤgen, als die innerli - chen Feinde unſrer Waͤchter anzuſehn ſind, ob ſie gleich aus unſern Mitteln oder vielmehr von dem, was man uns geſtohlen, mit ihren Familien unterhalten werden muͤſſen.

Von allen dieſen fuͤhrt den oberſten Befehl ein gewiſſer Gaſſenrichter, Josji Kawa Gibujemon, der auſſer ſeiner Stadtſtraße, auch Ottona d. i. Gaſſenrichter und Haupt der Jnſel Deſima iſt. Er hat den Rang nach dem jaͤhrlichen Rapporteur der or - dentlichen Dolmetſcher, uͤber welchen er nicht zu befehlen hat. Sein Amt beſteht darin, daß er auf alles, was unſre Jnſel und den Handel auf derſelben betrift, ganz genaue Auf - ſicht hat, und mit Huͤlfe der Dolmetſcher das dahin gehoͤrige beſorgt, die Guͤter von Pri - vatperſonen aufzeichnen laͤſt, ſie in Verwahrung nimt, und ihren Verkauf dirigirt; vor den Bau der Straßen und Haͤuſer ſorgt, die Feueranſtalten und andre oͤffentliche Sachen unter ſeiner Aufſicht hat. Er ſchuͤzt und richtet die Bedienten der Hollaͤnder, ihre Koͤche, Keli Meiſter, Tageloͤhner ſo weit ſie unter ſeiner Gerichtsbarkeit ſtehn; er hat das Recht, wen er gutfindet, in unſre Dienſte aufzunehmen oder aus demſelben zu dimittiren, ertheilt die Freiheit auf Deſima zu gehn; beſonders verbindet ihn auch noch ſein Amt, nicht nur ſeiner Unterbedienten, ſondern auch der Hollaͤnder Leben und Handel genau zu erforſchen, und ſie zum genaueſten Gehorſam gegen die kaiſerlichen Befehle anzuhalten. Doch hat er ſeine Gewalt gegen einen Hollaͤnder ſelbſt noch niemals gebraucht, von dem ſie auch ſchwer - lich geduldet werden duͤrfte, es waͤre denn, daß einer durch das Verbrechen eines offenba - ren Ungehorſams gegen die kaiſerlichen Befehle ſich die Strafe, von dieſem Richter in Ar - reſt gezogen und mit Feſſeln belegt zu werden, (wie in dem Fal augenbliklich geſchieht) zu - gezogen haͤtte.

Dieſer79Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt.

Dieſer Ottona iſt wegen ſeines Amts und ſeiner Strenge deſſelben, doch noch mehr wegen der Verraͤtherey, die er gegen ſeinen Herrn ausgeuͤbt,*)So ſteht in meinen Handſchriften; die engliſche Ueberſetzung aber ſagt, daß er dieſe Verraͤtherei an den Hollaͤndern ausgeuͤbt habe. unter uns ſehr ver - haſt. Es ſey nun, daß er ſich gebeſſert, oder (wie man mich gewis hat verſichern wollen) zu ſeinem Verfahren ſehr gute Gruͤnde gehabt, ſo habe ich ihn als einen klugen Mann, von keinem falſchen oder niedertraͤchtigen Gemuͤth gefunden, der auch beſonders in der Lehre des Kooſj oder Confucius, den vaͤterlichen Sitten, der Geſchichte und Religion ſehr wohl erfahren iſt, ſo daß man ihm auch die Chronik von Fiſen zu ſchreiben anvertrauet hat. Unwiſſende und brutale Leute konte er nicht vertragen.

Jn Ausuͤbung ſeines Amts ſteht zunaͤchſt unter ihm ein Nitzi Joſi oder Bote, der taͤglich die Schloͤſſer der Waſſerpforten, wie auch die Waarenhaͤuſer und die Arbeit der Zimmer - und Bauleute beſichtigen und unterſuchen mus.

Nach dieſem ſolgen verſchiedne Fisja oder Schreiber, die eines jeden Hollaͤnders Vermoͤgen und Sachen, die nur irgend zu Gelde gemacht werden koͤnten, auf das genaueſte protokollirt, ſie verſiegelt und in Verwahrung behaͤlt. Auſſer dieſen giebt es noch verſchiedne andre Bediente, die auf ſeinen Befehl dem Ottona huͤlfliche Hand leiſten muͤſſen. Er wird wie der Oberdolmetſcher von unſrer edlen Kompagnie beſoldet, und hat auch wie dieſer ſeinen Antheil an unſerm Handel. Außer dem hat er noch viele beſondre Vortheile von ſei - ner Gaſſe in der Stadt, auch von den Wirthen in unſrer Jnſel und ſelbſt von der Vermie - thung unſrer Wohnungen, weil er beinahe den dritten Theil der hieſigen Haͤuſer nach und nach kaͤuflich an ſich gebracht hat. Sein groͤſter Vortheil aber beſteht doch noch in den hollaͤndi - ſchen Waaren, die er durch andre und unter fremden Namen an ſich bringt, und alsdenn wieder mit ausnehmendem Gewin verhandelt.

Unter dieſem Ottona ſtehn die Deſima Diſjoonin oder die 24 Wirthe und Ei - genthuͤmer unſrer Haͤuſer, die zur Handelszeit, die uͤbrige Zeit ſeltner, ſich bei ihm zeigen muͤſſen, und verbunden ſind nicht nur auf den Zuſtand ihrer Haͤuſer, ſondern auch auf das Betragen der Einwohner von weitem Acht zu haben; auch bei dem Jnventariſiren der ein - und ausgehenden Sachen, Hausrath und aller Geraͤthe der Hollaͤnder behuͤlflich zu ſeyn. Nach Landesgebrauch muͤſſen ſie in allen außerordentlichen Faͤllen, fuͤr das, was in ihrem Hauſe geſchieht, ſtehn und die Verantwortung uͤbernehmen.

Das groͤſte und vornehmſte Collegium der Hollaͤndiſchen Bedienten machen aus die ſaͤmtlichen Hollanda Tſjuuſi oder hollaͤndiſche Dolmetſcher, deren Zahl gewoͤhnlich und geſezmaͤßig aus 150 beſteht, bei meiner Anweſenheit aber nur aus 123 beſtand. Dieſe ſind deswegen angeſtelt, damit allen Fremden, denen erlaubt worden, dies Reich zu beſuchen,nicht80Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. nicht die Muͤhe gemacht wuͤrde, die Landesſprache zu lernen, und damit ſie alſo auch von allem, was die innere Einrichtung des Handels, die Verfaſſung der Provinzen des Reichs betrift, und uͤberhaupt was im Reiche vorgeht, ſchlechterdings keine Kentnis ſich erwerben koͤnnen, und alles glauben muͤſſen, was ihnen geſagt wird.

Man hat eine ſo große Zahl von dieſen Dolmetſchern angeſtelt, theils um dadurch deſto mehr Japaner auf unſre Koſten zu unterhalten, theils auch um uns deſto genauer in der Handelszeit beobachten zu koͤnnen. Die genaue Pruͤfung dieſer Geſelſchaft iſt ein Mu - ſter andrer eben ſowohl eingerichteter Zuͤnfte im Lande, weswegen ich ſie auch hernach mit - theilen werde. Jch verſpare auch bis ins folgende Kapitel, wegen der naͤhern Verbindung mit der Materie vom jaͤhrlichen Handel, von den Deſima Fisja d. i. Schreiber von Deſima; Tſijetzki oder Aufſehern der Tageloͤhner, wie auch von den Cannaba Nakama oder den Geldkammerbedienten zu reden.

Aber außer den bisher beſchriebnen Bedienten gehoͤren nun noch hieher, eine andre beſchworne Zunft der Kai mono tſkai oder auf halb portugieſiſch der Compra Nakama, welches ihr gewoͤhnlichſter Name iſt. Dieſe Zunft beſteht aus den ſiebzehn Buͤrgern oder Familien, die Alles, was zu taͤglicher Koſt, Trank, Hausrath, auch zu allen andern Din - gen unnoͤthig und nicht erlaubt iſt, anſchaffen muͤſſen. Jedem andern iſt es ſchlechterdings verboten uns das Mindeſte auf irgend eine Art zuzubringen; wir muͤſſen alſo von dieſer Zunft alle unſre Beduͤrfniſſe zwei - oder dreimal theurer kaufen, als der jedesmalige Markt - preis iſt. Auch unſre Tugend und Religion vergeſſende junge Leute pflegen das Vergnuͤgen einer Nacht von dieſer Zunft mit fuͤnf Thalern zu bezahlen, und zwar fuͤr Subjecte, die jeden Andern vor zwei bis drei Maas bedienen. Der Hurenwirth zieht nur eine Sjuͤmome d. i. ein Drittheil von dem Gewin, das Uebrige faͤlt der algemeinen Caſſe der Zunft zu, theils als Vortheil, theils um einige Knechte zu unterhalten, welche die Braut zum Tanz fuͤhren.

Hierauf folgen die Daidokoro no mono oder Kuͤchenbediente. Sie beſtehn in drei Koͤchen, welche monatlich mit ihrer Aufwartung alterniren, mit 24 Sjumome be - lohnt werden, und zween gemeinen Kuͤchenknechten, welchen dann noch ein oder mehr Lehrlinge, (die gemeiniglich Soͤhne der vorigen und ihre kuͤnftige Nachfolger ſind) Waſſertraͤger und Knechte behuͤlflich ſind. Außer der Handelszeit ſind hier alſo mehr Koͤche als hollaͤndiſche Eſſer, und die Tafel koſtet hier weit mehr zu unterhalten, als in Europa. Dieſe Kuͤch - einrichtung darf auch ohne Erlaubnis des Gouverneurs nicht veraͤndert und mit unſern eignen Leuten beſtelt werden. Ehemals bekamen dieſe Koͤche ihren Sold monatlich, nemlich der erſte ſechs, der zweite vier, der dritte drei Tails. Seit 1674 aber hat man ihnen einen jaͤhrlichen Sold beſtimmen muͤſſen und zwar dem aͤlteſten 150, dem zweiten 130, dem dritten 100 Tails.

Außer81Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt.

Außer dieſen werden noch viele andre Schmarotzer von uns unterhalten, die dem Schein nach dem Kuͤchenmeiſter gern zu Dienſten ſind, ob wir gleich wenig Nutzen von ih - nen haben, z. B. einem Gartenwaͤrter, einem Grastraͤger, und einem Huͤter fuͤr unſer we - niges Vieh, von dem wir aber auch ſehr wenig Genus haben. Denn man pflegt die maͤn - lichen Thiere, ſo bald ſie erwachſen, heimlich mit Gift zu vergeben oder ihnen des Nachts die Beine zu brechen, damit wir nicht durch Zeugung derſelben in den Stand kommen, die koſtbare japaniſche Verſorgung mit Lebensmitteln zu entbehren.

Dieſe Knechte pflegen monatlich nach den Stadtsgaſſen abgewechſelt zu werden, weil man es fuͤr eine Wohlthat des gemeinen Poͤbels von Nangaſacki haͤlt, von uns Vor - theil zu ziehn, die man gern allen wil genießen laſſen, und dann auch aus dem politiſchen Grunde, damit dieſe Leute ja nicht durch laͤngern Aufenthalt zu bekant und offenherzig mit uns werden.

Noch wird den Hollaͤndern erlaubt, des Tages einige Knaben zu ihrer Aufwartung zu gebrauchen, die unter dem Namen: Boten, bei dem Ottona eingeſchrieben werden. Sie ſind meiſtens Soͤhne der untern Dolmetſcher, die durch Erlernung der hollaͤndiſchen Sprache ſich zu Nachfolgern ihrer Vaͤter faͤhig machen wollen. Dieſer Dienſt iſt aber nur ſo lange erlaubt, als man dieſe junge Leute noch fuͤr einfaͤltig, und des japaniſchen Staats ganz unkundig haͤlt, oder ſo lange es ihnen der Ottona erlauben wil. Auch mus fuͤr jeden ein eingeſeßner guter Mann die eidliche Buͤrgſchaft uͤbernehmen, der fuͤr alles ihr Vergehn ſtehn mus. Dieſe Leute haben ſich den vorzuͤglichen Ruhm erworben, daß unter keiner Na - tion getreuere Bediente gefunden werden koͤnnen, als dieſe Japaner, da ſie alle Sachen ihrer Herrn auf das ſorgfaͤltigſte zu verwahren pflegen. Außer dieſen werden auch noch aus verſchiednen Handwerkszuͤnften gewiſſe Maͤnner zugelaſſen, die erſcheinen muͤſſen, wenn ſie zur Arbeit gerufen werden, doch jedesmal nicht ohne beſondre Erlaubnis des Gouverneurs. Sie muͤſſen den Gewin, welchen ſie von uns ziehn, mit ihren Zunftgenoſſen theilen, auch dem Ottona und den Dolmetſchern ein jaͤhrliches Geſchenk machen.

Dieſe Perſonen ſind nun die ordentlichen Bedienten der Hollaͤnder, die allein das Recht haben auf die Jnſel Deſima zu kommen, und uns zu beſuchen, doch niemals ohne irgend eine Urſache oder Vorwand eines Geſchaͤfts. Sie ſind auch durch einen ſchwe - ren Eid ſo ungemein verpflichtet, daß ſie ſehr ſchwer zu offenherziger Freundſchaft mit uns zu bringen ſind. Durch dieſen Eid muͤſſen ſie unſre Nation, unſern Glauben, die Freund - ſchaft und Verbindung mit uns und die Befoͤrderung unſers Jntereſſe abſchwoͤren. Dieſer Eid wird hier, wie uͤberhaupt alle Eide durch das ganze Reich, in einem algemeinen und in den Reichsgeſetzen vorgeſchriebnen Formular abgelegt, durch welches die Rache der ober - ſten Gottheit des Himmels und der Vornehmſten und Strengſten des Landes auf die Per - ſon des Schwoͤrers, ſeine Familie, ſeine Hausgenoſſen und Freunde gefordert wird, wennZweiter Band. Ler82Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. er die vorgeſchriebne Artikel nicht halten ſolte, welche alsdann nach dem algemeinen Formu - lar genau ſpeciſicirt folgen, und der Beeidigte mus alsdenn ſein Petſchaft in ſchwarzer Oel - farbe darunter druͤcken und einen Tropfen Blut druͤber wegſtreichen, den er ſich ſelbſt unter dem Nagel des Fingers loͤſet. So fuͤrchterlich auch dieſer Eid ſcheint, ſo wird er doch von dieſen heilloſen Menſchen nur wenig geachtet, ſondern nur aus Furcht der unvermeidlichen Strafe der weltlichen Obrigkeit beobachtet, da die Uebertretung deſſelben nur mit eben dem Blute, mit dem er bekraͤftigt worden, kan ausgeſoͤhnt werden.

Die zu beſchwoͤrenden Artikel ſelbſt ſind nun nach Unterſchied der Perſonen, ihrer Aemter und ihres Vermoͤgens, wichtiger oder geringer, mehr oder weniger ſtreng abge - faſt. Sie koͤnnen etwa in drei Klaſſen eingetheilt werden.

Die wichtigſten und ſtrengſten Artikel werden von dem Ottona, den Ober - und Unterdolmetſchern, wie auch deren Lehrlingen, beſchworen, und zwar nur, wenn ein neuer Stathalter ankoͤmt, der dieſen Perſonen den Eid in ſeinem Pallaſt perſoͤnlich abnimt, nicht durch Nachſprechen oder Fingerauflegen, ſondern, nach dem Gebrauch dieſes Landes, mit Unterdruͤckung des mit ihrem Blut gemiſchten Siegels.

Die zweite Klaſſe der Artikel wird beſchworen von dem ganzen Haufen der beſon - dern Dolmetſcher, den Koͤchen, Geldkammerbedienten, Schreibern, den Aufſehern uͤber die Tageloͤhner, und den Beſorgern unſrer Lebensmittel. Dieſer Eid wird vom Ottona und Oberdolmetſcher abgenommen, in dem Tempel der gewoͤhnlichen Zuſammenkunft, An - ſenſi genant, der Sekte Tendai.

Den gelindeſten und geringſten Eid ſchwoͤren die ordentlichen japaniſchen Bedienten und Aufwartungsknaben der Hollaͤnder, wie auch die Handwerker und Arbeiter unſrer Gaſ - ſen. Sie ſchwoͤren bei dem Ottona von Deſima, der ſich aber mit dieſem Eide von ge - ringen oder jungen Leuten nicht begnuͤgt, ſondern jeder derſelben mus einen glaubwuͤrdigen Buͤrger ſtellen, der ſich fuͤr ihn verbuͤrgt, und die Beobachtung dieſer Artikel mit einem gleichen Eide verſpricht. Eben ſo muͤſſen auch die Beſorger der Lebensmittel fuͤr ſich und fuͤr ihre Leute ſchwoͤren, welcher Eid aber nur mit ihrem Siegel ohne Blut bekraͤftigt wird, weil ſonſt die Herrn auch fuͤr die Miſſethat ihrer Bedienten zu leiden haͤtten.

Die mistrauiſche Obrigkeit iſt indes bei den leztern beiden Klaſſen mit einem ein - maligen Eide nicht zufrieden, ſondern ſie laͤſt ihn zu mehrerer Bekraͤftigung jaͤhrlich zweimal ablegen. Zuerſt am neuen Jahrstage, da ſie ein Bild von Chriſtus am Kreuz nebſt andern heiligen Figuren mit Fuͤßen treten; da ihnen dann, um deſto ſtaͤrkern Eindruk zu machen, unmittelbar nach dieſer Handlung die Abſchwoͤrung der Chriſten-Nation ab - genommen wird. Das zweitemal wird dieſer Eid abgenommen, ſobald als unſre Schiffe im Hafen erſcheinen, damit ihre vielleicht ſchon vergeßne Pflicht und der Haß gegen uns neue Staͤrke bekomme. Endlich muͤſſen die Perſonen, welche mit uns die Hofreiſe machen, nochzum83Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt. zum drittenmal einen Eid ablegen, worin ſie noch beſonders angeloben, mit uns gar keine vertrauliche Bekantſchaft einzugehn; alles, was ſie von uns ſehn und erfahren, ſogleich den Obern zu melden; uns auf keine Weiſe einen Vortheil zuzuwenden, und derglei - chen mehr.

Außer allen dieſen beſchwornen Artikeln hat man denen bei uns ſich auf haltenden Japanern noch gewiſſe Befehle in beſondern Plakaten gegeben, die von dem Ottona hin und wieder auf der Jnſel vertheilt und publicirt ſind. Aus dieſen ſollen alle uns mit hoher Erlaubnis beſuchende Eingebohrne erlernen, wie ſie uns auf alle Weiſe ſcheuen und bei je - dem Verhalten von unſrer Seite ſich zu betragen haben. Fuͤnf ſolche Plakate ſind vorn im Wohnhauſe des Ottona, in welchem er ſich des Sommers und zur Handelszeit aufzuhalten pflegt, angeſchlagen. Das vornehmſte derſelben betrift die ankommende und abgehende Guͤter der Hollaͤnder. Einem jeden der zur Viſitation unſrer Kaͤſten und Guͤter verordneten Bedienten wird ein Auszug aus dieſem Plakat und beſonders ein genaues Verzeichnis der verbotnen Guͤter gegeben, wornach er ſich im Viſitiren zu achten hat. Noch haͤngt an al - len Ecken der Kreuzgaſſen, waͤhrend der Handelszeit, ein oͤffentlicher Befehl der Gouver - neurs, wornach ſich die Ein - und Ausgehenden zu verhalten haben. Jn der Geldkammer iſt der Befehl der Geldkammerbedienten, und bei den Dolmetſchern die fuͤr ſie gehoͤrende Verordnung angeſchlagen.

Außer dieſen beſchwornen Perſonen, die uns ordentlich beſuchen, werden dann auch noch zur Zeit der Handlung an gewiſſen Tagen die Kaͤufer unſrer jaͤhrlich einge - fuͤhrten Guͤter und die Verkaͤufer des inlaͤndiſchen Kupfers, oder deren Schreiber und Be - volmaͤchtigte zugelaſſen; auch zu Ende der Handelszeit die Verkaͤufer des inlaͤndiſchen ge - firniſten Holzes, der japaniſchen Manufakturen von Kupfer und andern Sachen, die als - dann ihre Kramlaͤden an einem dazu beſonders beſtimten und verſchlosnen Orte aufſtellen. Dieſe Kaufleute ſind groͤſtentheils aus Miaco.

Alle dieſe erwaͤhnte Perſonen duͤrfen nicht durch die Pforte unſrer Jnſel gehn, ohne ein beſondres Frei-Pas-Bretlein, und ohne das ſie auf das ſtrengſte an ihrem ganzen Leibe durchſucht werden, welches ſonſt gewoͤhnlich nur bei den Ausgehenden zu geſchehen pflegt. Von dieſer ſtrengen Jnquiſition ſind nur die Deputirten der Statthalter ausgenommen, welchen eine große Pike vorgetragen wird, und in ihrem Gefolge alle diejenigen, welche mit zwei Saͤbeln bewafnet ſind; ferner der Gaſſenrichter, acht ordentliche Dolmetſcher und ei - nige ihrer natuͤrlichen und angenommenen Soͤhne, welche Lehrlinge in unſrer Sprache und Nachfolger ihrer Vaͤter im Amte ſind; endlich die Viſitatoren ſelbſt, die man als unſre Verraͤther und geſchworne Feinde allemal anſieht.

L 2Das84Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Das Frei Pasbretlein iſt etwa drei Zol lang und zwei Zoll breit, auf der einen Seite mit dem gewoͤhnlichen Namen des Richters der Gaſſe, wo ſich der Vorweiſer ordent - lich aufhaͤlt, beſchrieben, und mit ſeinem Petſchaft von ſchwarzer Dinte unterzeichnet, nebſt vorgehender genau beſtimter Zeit der Erlaubnis, und algemeiner Benennung des Vorwei - ſers. Auf der andern Seite iſt das große gemeinſchaftliche Merkzeichen unſers Gaſſenrich - ters mit der Beiſchrift: Deſima Ottona. Solcher gebrandmarkten Schreiben ſchikt der Richter von Deſima gegen die Zeit, da unſre Schiffe ankommen, einen großen Vorrath an alle Gaſſenrichter der Stadt, um die zur Handlung aus dem Jnnern des Reichs ange - kommene Japaner oder ihre eigne Buͤrger damit zu bedienen.

Die unſre Nation angehende Befehle werden unfren Capitainen theils im Kaiſerli - chen Pallaſt und Hofrath vorgeleſen, theils in Nangaſacki von den Gouverneurs durch ihre Bugjo und unſre Dolmetſcher muͤndlich ertheilt. Wenn die Schiffe hier eingelaufen, pfle - gen die Dolmetſcher muͤndlich und durch ſchriftliche Befehle allem Volk die noͤthigen Ver - haltungsregeln zu geben, und dieſe beſtehn vornemlich darin, daß unſre Leute ſich von allen Arten des Schleichhandels enthalten, (welche Arten ſo genau ſpecificirt und beſchrieben wer - den, daß ſie einen Neuling in dieſem Gewerbe recht gut unterrichten) keine aͤußerliche Be - weiſe und Zeichen von chriſtlicher Andacht geben, und ſich gegen unſre eigne Leute ſowol als gegen die Japaner gut und vertraͤglich auffuͤhren ſollen. Jm Uebrigen ſind weitre Einſchraͤn - kungen nicht noͤthig, weil wir durch die vielen Aufſeher und Waͤchter ſchon genug einge - ſchraͤnkt werden.

Auf dieſe Art halten wir hier Haus, und leben das ganze Jahr unter der Aufſicht unſrer beeidigter Huͤter wirklich wie wahre Gefangne. Doch werden uns jaͤhrlich einige Ausfluͤchte aus unſerm Gefaͤngnis geſtattet, welche Freiheit wir aber nicht einiger Gunſt dieſer Nation beimeſſen duͤrfen, da ſie allemal nur unter dem Titel einer ſchuldigen Devotion und einer noͤthigen und ihnen nuͤzlichen Erlaubnis von ihnen und auch von uns angeſehn und benant wird. Dieſes ſieht man auch aus den großen Koſten, der Menge der Waͤchter und Aufſeher (mit denen man bewafnete Feinde und Landesverraͤther nicht ſicherer fuͤhren koͤnte) und endlich auch aus der in jedem Fal noͤthigen beſondern Erlaubnis, von der ich noch her - nach reden werde.

Sobald die Schiffe abgefahren, mus allemal unſer Capitain mit einigen wenigen eine jaͤhrliche Reiſe nach Hofe machen, und die gehoͤrigen Geſchenke uͤberreichen. Dies wird fuͤr eben eine ſolche Pflicht, als die aller Vaſallen des Reichs, welche gleichfals eine ſolche jaͤhrliche Reiſe machen muͤſſen, und alſo fuͤr eine wahre Huldigung der hollaͤndiſchen Nation gehalten. Daher werden bei der Dimiſſion auch allemal die Artikel unſers Ver - haltens in dieſem Lande vorgeleſen, und im gemeinen Leben nenten uns die Japaner Fi - toſitz d. i. Menſchenpfand, oder Geiſſel der hollaͤndiſchen Nation. Auf der ganzenReiſe85Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt. Reiſe wird uns auch keine andre Freiheit gegoͤnt, als die man Gefangnen zuſteht, wir duͤrfen ohne beſondre Erlaubnis mit niemand, auch nicht mit den Bedienten in unſern Herbergen reden. Jn dieſen wird uns allemal die hinterſte Kammer eingeraͤumt, und der Hof, damit wir nicht entwiſchen koͤnnen, wohl verſchloffen oder vernagelt. Zu unſrer Bewachung, Aufwartung und Huͤlfe wird uns vom Stathalter zur Begleitung, noch auſſer dem Dolmet - ſcher und Koch unſrer Jnſel, eine Schaar von geſchwornen Soldaten, Stadtbuͤtteln, Die - nern, Traͤgern, Pferdknechten und Aufſehern unſrer Bagage gegeben, welche theils auf Pferden fortgebracht, und theils getragen wird. Dieſes alles geſchiehet auf unſre Koſten, die ich an ſeinem Orte noch genauer angeben werden.

Vor und nach dieſer Hofreiſe verfuͤgt ſich der Capitain mit einem aus ſeiner Ge - ſelſchaft nach der Wohnung der Gouverneurs, um die ſchuldige Dankſagung fuͤr die gehabte Bemuͤhungen abzuſtatten, und zugleich um fernere Fortſetzung ihrer Gunſt zu bitten. Auch hier iſt unſer Capitain mit ſtarker Wache, nemlich Soldaten und Stadtknechten, davon jeder in der Taſche ein Diebesſtrik hat, wie auch vom Ottona, dem Dolmetſcher und de - ren Bedienten begleitet. Er muß auch lange bei der Genquaban verweilen, bis er zu den Gouverneurs hereingelaſſen wird.

Am Faſſaku, das iſt, dem erſten Tag des achten Monats muß unſer Capi - tain im Namen ſeiner Principalen an die Gouverneurs abermals Geſchenke uͤberbringen, und wird alsdan eben ſo unter ſtarker Wache hingebracht. Und daſſelbe wird beobachtet, wenn irgend einige Hollaͤnder zu den Stathaltern gerufen werden, entweder ihnen neue kai - ſerliche Befehle einzuſchaͤrfen, oder eine Unterſuchung mit ihnen anzuſtellen, oder eine Nach - richt oder auch Geſchenk von ihnen zu erhalten. Sie werden in dieſem Fal oft nicht ein - mal vor die Stathalter ſelbſt gelaſſen. Die hier beſtaͤndig bleibenden Hollaͤnder bekommen ein oder zweimal des Jahrs die Erlaubnis, ſich auſſerhalb ihrer Graͤnzen etwas zu vertreten, und die Tempel zu beſehn. Man giebt uns dieſe Erlaubnis unter dem Vorwand, daß wir mediciniſche Kraͤuter ſamlen. *)Es waͤre ſonderbar, wenn dieſer Vorwand fuͤr alle Hollaͤnder goͤlte; in der engliſchen Ueber - ſetzung ſteht, daß die Aerzte und Wundaͤrzte oͤftrerwie andre unter dieſem Vorwande die Erlaubnis zum Ausgehn bekaͤmen, welches auch wahrſchein - licher iſt.Wir haben aber auch alsdan, auſſer den dazu commit - tirten Soldaten, unſre ordentlichen Dolmetſcher, den Ottona, ihre und alle Hausbedien - ten der Jnſel zu Fuͤhrern und Begleitern, welche alle aus unſrer Principalen Beutel im Tempel der Jkosju Sekte mit einer guten Mahlzeit bewirthet werden muͤſſen, ſo wie wir auch verbunden ſind, alle Hoͤflichkeit der Pfaffen mit Golde zu bezahlen.

L 3Zu86Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Zu andrer Zeit werden einige unſrer Leute abgeſchikt, um die Fahrzeuge der Com - pagnie, deren immer fuͤnf zum Ein - und Ausladen der ankommenden Schiffe hier bleiben, zu viſitiren, welche gleichfals durch ein aͤhnliches Gefolge begleitet werden, und auf eben die Art im naͤchſten Tempel bewirthet werden muͤſſen.

Zur Zeit, wenn unſre Schiffe hier ſind, faͤlt das oben beſchriebne Feſt des Pa - trons der Stadt Nangaſacki Suwa ein. Alsdan wird den Hollaͤndern erlaubt, dieſen Feierlichkeiten von einem auf ihre Koſten erbaueten Geruͤſte zuzuſehn, zum Pomp und Ver - herlichung des Feſtes und zum Vortheil der Einwohner. Denn wir werden alsdan wie - derum mit der ſchon oft erwaͤhnten Suite viermal aufgefuͤhrt, und von vier beſondern Per - ſonen im Durchpaſſiren der Wache vor der Pforte der Jnſel und einigemal im Auf - und Abſteigen der Schaubuͤhne uͤberzaͤhlt, aus Furcht, daß einer von uns etwa entwiſchen moͤchte. Auch unſre Sklaven werden alsdan herbeigezogen, und unter dem Namen der ſchwarzen Hollaͤnder aufgeſtelt.

Einem ankommenden Schiffe unſrer Nation werden allemal einige von den hier gebliebnen auſſer den Hafen entgegen geſchikt, um von deſſen Ladung und Zuſtand uͤberhaupt zu unſrer eignen ſowohl als der Gouverneurs Nachricht Erkundigung einzuziehn. Blos in dieſer Abſicht werden zwei beſonders darzu erbauete Luſt - und Ruderbarken von der edlen Compagnie unterhalten, um die Menge von Soldaten und Huͤtern darauf fortzubringen, welche allemal auf der kleinen Jnſel Jwara Gaſima auch bei dieſer Gelegenheit auf Ko - ſten der edlen Compagnie mus bewirthet werden, zu welchem Ende die Compra Nakama (Verſorger mit Lebensmitteln) mit ihrer wohlverſehnen Kuͤchenbarke uns nachfolgen.

Auf den Fal, daß auf Deſima ein Brand entſtehn ſolte, iſt gleichfals verord - net, daß die Hollaͤnder alſobald von der Jnſel weg in eine andre ſichre Verwahrung gebracht werden, wie ich im lezten Kapitel dieſes Buchs noch weiter beſchreiben werde.

Dies ſind alſo unſre Erholungstage, wenn anders das Herumfuͤhren der Soldaten und Haͤſcher eine Erholung genant werden kan. Doch mus ich zu Ehren der Japaner ge - ſtehn, daß ſie bei dem Joche, in welchem ſie uns halten, uns doch noch alle moͤgliche aͤußere hoͤfliche Zureden, Complimente beweiſen, Geſchenke mit esbaren Dingen machen, und uͤber - haupt (wenige ausgenommen) ſich ſo gefaͤllig gegen uns beweiſen, als es ihnen nur immer ihre Verfaſſung und Vorſchriften erlauben. Man mus aber dies nicht der Achtung und Neigung der Nation fuͤr uns, ſondern blos der angewohnten Hoͤflichkeit und guten Sitten der Nation beimeſſen. Wie wenig ſie fuͤr uns eingenommen ſind, erhellet hinlaͤnglich aus den vielen Unredlichkeiten, die das Nangaſackiſche Geſchmeis uns zufuͤget, von denen ich nur einige we - nige algemeine Beiſpiele theils aus meiner eignen Beobachtung, theils aus ihrem eignen geheimen Bekentnis anfuͤhren wil, mit Uebergehung unzaͤhliger beſondrer Schalkheiten derDolmet -87Sechſt. Kap. Von der Verfaſ. der Hollaͤnder in Japan uͤberhaupt. Dolmetſcher, und der oͤftern gewaltſamen und hoͤchſt nachtheiligen Zumuthung in der un - ruhigen Handelszeit, denen auch die Capitains unſrer Schiffe oft ausgeſezt ſind.

Ein Japaner, der es mit den Hollaͤndern aufrichtig meinte, wird nie fuͤr einen Biedermann gehalten, und ſie glauben, daß eine gute Geſinnung gegen uns mit dem gemei - nen Reichsbeſten, mit den Grundſaͤtzen des Kaiſerlichen Hofes, und, wegen der gethanen Abſchwoͤrung, auch mit der Pflicht gegen die Goͤtter und mit dem Gewiſſen ſtreite. Ja ſie nehmen ſogar durch ein falſches Dilemma an, daß ein wahrer Freund der Auslaͤnder ein Feind ſeiner Nation und Rebel gegen den Kaiſer ſey, weil, wenn jene Japan feindlich an - fallen wolten, ihre Freunde ja verbunden waͤren, ihnen beizuſtehn, und alſo Verraͤther ihres Vaterlandes zu werden.

Daher wird es fuͤr etwas ſehr Loͤbliches und Beweis guter patriotiſcher Geſinnung gehalten, wenn jemand einen Hollaͤnder im Preiſe uͤberſezt, und wenn es nur ohne Kraͤn - kung ihrer zaͤrtlichen Sorge fuͤr ihren guten Namen geſchehn kann, betruͤgt, taͤuſcht, ihre Vortheile und Freiheiten vermindert, neue Mittel, ſie in der Sklaverey zu erhalten und ihren Zuſtand zu verſchlimmern, in Vorſchlag bringt.

Wer den Hollaͤndern Waaren geſtohlen hat, und wenn dieſe bei ihm gefunden werden, (wozu die Kuli oder Traͤger, die man in der Handelszeit gebraucht, wohl abgerichtet ſind) bekoͤmt, wann er aus dem Thore unſrer Jnſel geht, von der Wache einige Ruͤkſchlaͤge, nachdem ihm vorher das Geſtohlne abgenommen worden; nach Befinden wird er auch auf einige Zeit von unſrer Jnſel, zuweilen auch aus der Stadt verbant. Wer aber den Hol - laͤndern irgend etwas durch Schleichhandel abkaͤuft, mus unvermeidlich am Kreuze oder durch das Schwerdt ſterben.

Das Ein - und Ausladen unſrer Schiffe und alle andre vorfallende Arbeit darf ſchlech - terdings nicht durch unſre Leute geſchehn, ſondern es muͤſſen allemal japaniſche Tageloͤhner oder Kulis dazu gebraucht werden, und unſre Leute unterdes muͤßig ſtehn und der Arbeit zuſehn. Sie pflegen auch allemal uns faſt die Haͤlfte mehr Arbeiter, als noͤthig waͤren, aufzudringen, und wenn jemand auch nur eine halbe Stunde zu unſerm Dienſt gearbeitet hat, ſo mus ihm doch der ganze Tag bezahlt werden. Alles dieſes Poͤbelvolk, das zu un - ſrer Laſt und Plage angeſtelt iſt, mus aus unſerm Mittel oder wenigſtens aus dem Gewin von unſerm Haudel unterhalten werden.

Ein Hollaͤnder darf ſchlechterdings von hier keine Briefe abſchicken, ohne vorher den Gouverneurs den Jnhalt zum Protokol einzureichen, und eine Kopie in ihren Haͤnden zu laſſen. Es muͤſſen daher allemal zwei ganz gleiche Pakete von unſern Briefen gemacht wer - den, von denen ſie das eine behalten, das andre an die abgehende Junke geben. Die mit unſern eignen Schiffen abgehende oder ankommende Briefe von Privatperſonen, werden (mitihrer88Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Sechſt. Kap. ꝛc. ihrer Connivenz) heimlich fortgebracht, alle oͤffentliche Briefe aber von unſern Gouverneurs und Regierungen muͤſſen vorher den Stathaltern vorgelegt werden.

Ein Japaner darf ſchlechterdings keine Briefe oder Geſchenke außerhalb Landes an ſeine Verwandten ſchicken, (deren noch aus den vorigen Zeiten, durch Heyrathen, unter den Hollaͤndern ſind) oder von ihnen empfangen, ohne dieſelbe vorher an die Gouverneurs zur Erbrechung und Diſpoſition abgegeben zu haben.

Ehemals hielt man unſre Leichen der japaniſchen Erde ſchlechterdings unwerth, und warf ſie außer dem Hafen in das Meer; jezt werden ſie in einer wuͤſten Einoͤde am Berge Jnaſſe verſcharrt. Man hat auch hieruͤber einen eignen Waͤchter beſtelt, der ſehr genau dafuͤr ſorgt, daß ſchlechterdings kein Grabmaal zu finden iſt, und er ſelbſt nicht einmal un - ſere Grabſtaͤten angeben kan.

Wenn ein Einheimiſcher oder auch ſonſt Fremder an einen Hollaͤnder irgend etwas zu fodern hat; ſo bringt er es ſehr leicht dahin, befriediget zu werden; dagegen haͤlt es ſehr ſchwer fuͤr einen Hollaͤnder, ſeine Forderungen an einen Japaner zu erhalten. Jn jenem Fal zieht man ſogleich die ſtreitige Summe der edlen Compagnie im Handel ab, die Sache mag nun ſie ſelbſt oder nur einen ihrer Bedienten angehn. Jn dieſem Fal aber macht man uns viele Schwierigkeiten, und ſucht allerlei betruͤglichen Aufſchub. Aus vielen Beiſpielen wil ich zum Beſchlus nur noch dieſes anfuͤhren. Die cochinſineſiſchen Raͤuber hatten ſich ganz unbefugter Weiſe unſrer Feſtung Tajovan oder Seeland auf der Jnſel Formoſa bemaͤchtigt. Um Repreſſalien zu gebrauchen, ſchoſſen wir im J. 1660 eine große ihnen ge - hoͤrige Junke in den Grund, die zwar wegen ihrer vielen dichten Queerwaͤnde noch dreizehn Tage umhertrieb, aber doch von faſt 300 Perſonen nur neun retten konte. Dieſen unſern Feinden zugefuͤgten Schaden muſten wir, als uns dieſelben hier verklagten, mit 27000 Sjumomi in der Geldkammer, aus welcher unſre Waaren bezahlt werden, verguͤ - ten. Dagegen als im J. 1672 unſer neues Schiff Kuilenburg auf Formoſa in der Ge - gend Quelang ſtrandete, und eben dieſe Cochinſineſer unſer Volk getoͤdtet und unſre Guͤter aufgefiſcht hatten, konten wir gegen ſie bei eben dem japaniſchen Goricht kein Recht erhalten.

Siebentes89

Siebentes Kapitel. Genaue Nachricht vom Handel der Hollaͤnder in Japan, und vorzuͤglich von den verſchiednen Zuͤnften, die wegen des Handels errichtet ſind.

Jch habe ſchon im vorigen Kapitel verſchiednes von der Zunft der Tſjuuſi oder Dol - metſcher erwaͤhnt, durch deren falſchen Mund und eigennuͤtzige Liſt dieſer ganze er - hebliche Handel gefuͤhrt werden mus. Dieſe Zunft iſt ſehr zahlreich, und beſteht, wenn ſie complet iſt, aus 150 Perſonen. Jch wil dieſe Gattung Menſchen, ſo unwuͤrdig ſie auch iſt, doch ausfuͤhrlich beſchreiben, damit man nach dieſer uͤberhaupt die Einrichtung aller andern Zuͤnfte und die genaue Ordnung in ihrer Policeiverfaſſung erkennen koͤnne.

Tſjuuſi oder Tſjuuſi ſju heiſt nach dem Buchſtaben: durch Mund oder durch Mundvolk, und im eigentlichen Verſtande, Leute, durch deren Mund man ſeine Geſchaͤfte treibt. Sie ſind nicht von einem Rang oder einer Wuͤrde, und koͤnnen uͤberhaupt in zwei Claſſen abgetheilt werden. Die von der erſten ſind die ordentlichen Dol - metſcher, welche die hollaͤndiſche Jnſel zu allen Zeiten nach Belieben beſuchen duͤrfen. Die zweite enthaͤlt die auſſerordentlichen Dolmetſcher, welche nur zulezt in der Handelszeit zuge - laſſen werden, und mehr, um die Augen zur Aufſicht als die Zunge zum Dolmetſchen zu gebrauchen.

Zweiter Band. MJn90Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Jn der erſten Claſſe haben acht Perſonen den Namen Fon Tſjuſj d. i. aͤchte Dolmetſcher. Dieſe muͤſſen ihr Amt bei aller Gelegenheit verſehn, und dabei den Hol - laͤndern beſtaͤndig genau auf die Haͤnde ſehn, alle Gewaltthaͤtigkeit und uͤble Bege - gnung bei ihnen verhuͤten, in allen Faͤllen fuͤr ſie ſtehn, und die Verantwortung uͤbernehmen.

Viere aus dieſer Klaſſe heiſſen O Tſjuuſj d. i. Hohe - oder Oberdolmetſcher, und einer von dieſen Ninban d. i. jaͤhrlicher Waͤchter und Rapporteur, welcher ſowohl in als auſſer der Handelszeit der Hollaͤnder Angelegenheiten, Begehren und Vorfaͤlle, wenn ſie es unter ſich gutfinden, dem regierenden Stathalter oder deſſen Haushalter vorbringt, Er hat die Hauptdirektion uͤber uns, den jaͤhrlichen Handel, und alle unſre Angelegenhei - ten. Er iſt auch beſtaͤndiger Praͤſident des ganzen achtbaren Collegiums der Tſjuuſj.

Die vier uͤbrigen heiſſen Ko Tſjuuſj d. i. kleine oder Unterdolmetſcher. Sie ſind von geringerem Anſehn und Gehuͤlfen oder Vicarien der vorigen. Auch unter ihnen iſt ein Ninban oder Adjunkt des Oberninban, welcher das Haupt ſeiner Klaſſe iſt, und in derſelben die erſte Stimme fuͤhrt. Beide beſchließen ihr jaͤhrliches Praͤſidium mit Auf - fuͤhrung der Hollaͤnder nach Hofe. So oft dieſe acht Maͤnner irgend etwas zu| unterſuchen haben, das den Handel, die Angelegenheiten oder Perſonen unſrer Nation betrift, ſo muͤſ - ſen ſie den Ottona der Jnſel mit zu ihren Berathſchlagungen nehmen; welcher den Rang nach dem oberſten Ninban verlangt, oft aber unter allen Oberdolmetſchern ſeinen Plaz leer gelaſſen findet.

Das Tſijo oder Einkommen dieſer ordentlichen Dolmetſcher betraͤgt eine ziem - liche Summe und iſt folgendes: Ein Jakukio oder Bedienungslohn, welches nach der hollaͤndiſchen Einſchließung ihnen vom Kaiſer nach der Verſchiedenheit ihres Ranges zuge - legt wird, beſtand vor dieſem in etwas Gelde, jezt in einer Quantitaͤt Seide, die ihnen (wie man mich, obgleich nicht ganz genau berichtet hat) zu kaufen erlaubt iſt, und in deren Ver - kauf an uns ſie die ehemalige Beſoldung finden. Auſſerdem giebt die edle Compagnie je - dem unter dem Namen einer Muͤhvergeltung oder eines Geſchenks noch etwas rohe Seide, nem - lich jedem Oberdolmetſcher ein Bal oder 141, ¾ Catty, welcher uns im Einkauf etwa 400 Tails koſtet, und in Japan ohngefaͤhr vor 850 wieder verkauft wird. Jeder Unterdol - metſcher bekoͤmt nur halb ſoviel. Eine andre jaͤhrliche Belohnung bekommen ſie von der Compagnie der Kupferhaͤndler fuͤr ihre Muͤhwaltung bei dieſem Geſchaͤft, oder vielmehr um den Verkauf zu dieſer ihrem Vortheil einzurichten, welcher Beſtechung wir dan von unſrer Seite mit einem Geſchenk von 3, 6 und noch mehr hundert Tails begegnen muͤſſen,nach -91Sieb. Kap. Genaue Nachricht vom Handel der Hollaͤnder in Japan. nachdem das Kupfer mehr oder weniger haͤufig und im Preiſe iſt. Als Herr Camphuyſen Direktor unſers Handels war, und 22,466 Pickels verarbeitetes Kupfer, zu 12½ Tail das Pickel, und 102 Pickel rohes Kupfer eingekauft hatte, verehrte er dieſen Leuten 1360 Tails, und auſſerdem noch jedem Oberdolmetſcher ein Pack, ſtat eines Pickels, und jedem Unterdolmetſcher ein halb Pack. *)Wahrſcheinlich Kupfer.

Koſen iſt eine Auflage auf alle fremde Waaren, die Privatperſonen gehoͤren, und nicht uͤber 40000 Tails leichter oder Goldmuͤnze im Werth betragen. Sie betraͤgt weit uͤber 20000 Tails jaͤhrlich, in welche ſich die Gouverneurs, der regierende Burger - meiſter, der Ottona und das ganze Corps der Dolmetſcher theilen. Dieſe Auflage wird zwar unmittelbar vom Kaͤufer bezahlt, ſie faͤlt aber mittelbar allemal auf uns, die Verkaͤu - fer, zuruͤk, weil wir unſre Waaren deſto wohlfeiler verkaufen muͤſſen. Nicht geringern Vortheil bringt unſern Japaniſchen Aufſehern der in der lezten Handelszeit erlaubte Ver - kauf einiger Waaren der Partikuliers uͤber die erwaͤhnte Summe, welchen Verkauf der Ottona und die Dolmetſcher nur deshalb erlauben, damit ſie ſelbſt dieſe Waaren vor einen ganz geringen Preis an ſich bringen koͤnnen. Noch gehoͤren zu den Vortheilen der Dolmet - ſcher 150 Cubangs, welche ihnen die edle Compagnie waͤhrend der Handelszeit als Koſtgeld reichen laſſen mus. Auſſerdem bekommen ſie noch ſehr viele auſſerordentliche Geſchenke von den mindern Bedienten der Jnſel, von Kaufleuten, Handwerkern, ja bei beſondern Gele - genheiten von den Hollaͤndern ſelbſt, ohne noch einmal ihre ſo mannichfaltige und oft ganz unerforſchliche Dieberei zu rechnen, mit der ſie uns von allen Seiten zu hintergehen wiſſen. Unter denſelben iſt beſonders diejenige merkwuͤrdig, die ſie mit dem Lohn der Culis oder Ar - beiter begehn, die zum Ein - und Ausladen unſrer Schiffe gebraucht werden. Wir muͤſſen fuͤr jeden Kerl ſechs Tails bezahlen, von denen ſie ihm nur vier geben, und auſſerdem mie - then ſie die Haͤlfte mehr als noͤthig waͤren. Die Koſten der zwei Dolmetſcher, welche uns nach Hofe begleiten, berechnet man auf 1200 Tails. Uns ſelbſt und unſre Bagage von Oſacca bis Jedo zu bringen werden zwanzig Pferde erfodert, und eben ſoviel von Jedo nach Miaco. Unſre Japaniſche Verſorger miethen aber allemal zwanzig mehr wie noͤthig ſind, und rechnen vor das Stuͤk 15 Tails, ob ſie gleich nicht mehr als 8 bezahlen. Eben ſo rechnen ſie bei Bezahlung der Traͤger, die in dieſem Dienſt gebraucht werden, ſo daß wir die 186 Cubangs, welche bei dieſer Reiſe fuͤr Pferde und Traͤger beſtimt ſind, zwei - mal bezahlen muͤſſen. Auch ſogar unſre Barke, die unſre Bagage uͤberbringt, mus ihnen zum Wucher dienen. Sie fuͤhren nemlich auf derſelben japaniſcher Kaufleute Guͤter vonM 2Nan -92Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Nangaſacki nach Oſacca und ſtecken das Frachtgeld in ihre Taſche. Auch zu Jedo erhalten ſie noch von den Großen des Reichs, welche von unſrer edlen Compagnie beſchenkt werden muͤſſen, beſondre Verehrungen. Nach allen dieſen Quellen von Einnahme kan man die, eines Oberdolmetſchers, jaͤhrlich auf 3000 Tails, und die eines Unterdolmetſchers wenigſtens auf 1500 ſchaͤtzen. Sie leben aber dem ohngeachtet noch ſehr kaͤrglich, weil ſie von dieſen Ein - kuͤnften auch ihre zahlreiche, meiſtens arme Familien unterhalten, und gemeiniglich auch viele duͤrftige Anverwandten verſorgen muͤſſen. Das Leztre erfordert der Stolz und Ehrgeiz der Japaner. Außerdem muͤſſen dieſe Dolmetſcher auch noch den Stathaltern und ihren Karoo oder Hofregenten anſehnliche Geſchenke machen.

Aus dem bisher erzaͤhlten folgt, daß dieſe Geſelſchaft der Dolmetſcher nicht nur die vornehmſte von allen hollaͤndiſchen Bedienten, ſondern auch die gefaͤhrlichſten fuͤr die Ehre, die Freiheit und die Vortheile unſrer Nation ſind. Jhre ewige Grundmaxime iſt, auf unmerkliche Art die jaͤhrlichen Koſten unſrer Compagnie zu vergroͤßern und ihren Lands - leuten immer groͤßre Vortheile zuzuwenden, wie dies die Pflicht rechtſchafner Patrioten ſey, und dann auch ihre eigne Schalkheit und Betruͤgereien vor ihren eignen Landsleuten, ſo viel moͤglich, verborgen zu halten. Deshalb ſchaͤrfen ſie uns weit oͤftrer und ernſtlicher, als es ihre Pflicht erfodert, ein, daß wir mit den Japanern uns ſchlechterdings in keine Geſpraͤche einlaſſen, auch nicht die Landesſprache erlernen ſollen. Jedem, welcher von derſelben einige Kentnis erworben hat, machen ſie allen moͤglichen Verdrus, und ruhen nicht eher, bis ſie ihm auf Befehl der Stathalter das Land verweiſen koͤnnen. Das einzige, worin die hollaͤn - diſche Capitains oder die Oberhaͤupter unſrer Handlung der edlen Compagnie hier einigerma - ßen nuͤzlich ſeyn koͤnnen, beſteht darin, daß ſie ſich dieſen beſtaͤndigen Vergroͤßerungen unſrer Koſten, auf welche die Japaner unaufhoͤrlich ausgehn, widerſetzen, und dieſelbe durch alle moͤgliche Mittel und auch durch Liſt zu verhindern ſuchen. Denn wenn einmal gewiſſe Ko - ſten oder andre Belaͤſtigungen zugeſtanden ſind, ſo muͤſſen ſie auch immer alle Jahre abgetra - gen werden, ſo unvernuͤnftig dies Verfahren auch iſt. Einen noch unkundigen neuen Ka - pitain pflegen ſie gemeiniglich hierin zu hintergehn; und ſie verhelfen ihm oft im erſten Jahr zu einem neuen vortheilhaften Handel, den ſie aber im folgenden durch einen ſehr magern Ge - win ſchon wieder ins Gleichgewicht zu bringen wiſſen.

Nach dieſen folgen nun die unter der vorhererwaͤhnten Zahl der Tſjuſi nicht gerech - nete Ken Ko Tſjuſi oder lernende Dolmetſcher, acht oder noch mehr an der Zahl. Sie ſind eigne oder auch angenommene Soͤhne der Dolmetſcher, welche unſre Jnſel taͤglich beſu - chen, um die hollaͤndiſche und portugieſiſche Sprache und auch die Kunſt, Auslaͤnder zu regie - ren, durch die Uebung zu erlernen. Sie werden deshalb in verſchiednen Gelegenheiten alsSpionen93Sieb. Kap. Genaue Nachricht vom Handel der Hollaͤnder in Japan. Spionen gebraucht, wie auch als Aufſeher beim Ein - und Auskaden der Schiffe, beim Hin - und Herfahren der Matroſen und andrer Hollaͤnder, bei Unterſuchung der ankommenden und abgehenden Kiſten u. ſ. w. Sie erhalten| fuͤr dieſe Bemuͤhungen noch jaͤhrlich insgeſamt von der edlen Compagnie eine Belohnung von 40 Tails, haben auch ihren Antheil am Koſt - gelde und einigen andern Accidentien.

Hierauf folgt nun die ganze Schaar der Noi Tſjuſi, welches nach dem Buchſta - ben innere oder Kammerdolmetſcher bedeutet, weil ſie einem und dem andern Auslaͤnder innerhalb des Hauſes dienen muͤſſen. Sie duͤrfen unſre Jnſel nur zur Handelszeit, wenn ſie vorher unſren Glauben und alle Gemeinſchaft mit uns nochmals abgeſchworen haben, beſuchen, welche Erlaubnis ihnen vom Ottona in einem beſonders geſtempelten Freibriefe er - theilt wird. Von dieſen Leuten bekoͤmt nun jeder Hollaͤnder zwei oder mehr bis ſechs in ſeine Kammer unter dem Namen von Dolmetſcher. Sie ſind in der That wahre Spions und Beobachter aller unſrer Handlungen. Denn unter zehn verſteht kaum einer ein Wort von unſrer Sprache, welcher uͤberhaupt nur diejenigen kundig ſind, die ſchon vorher als Auf - wartsjungen bei den Hollaͤndern gedient haben.

Dieſer Naitſjuſi ſind uͤberhaupt uͤber hundert, welche unter dem Befehl der Oberdolmetſcher und beſonders des Ninban ſtehn. Sie ſind, ſo wie alle andre Bediente, engere Corporationen und Zuͤnfte dieſes Reichs, in verſchiedne Klaſſen und Rangordnungen abgetheilt, deren folgende ſind:

  • 1) Zwoͤlf Ko Gasjira d. i. nach dem Buchſtaben, kleine Haͤupter, nemlich der uͤbrigen Schaar. Unter ihnen ſind zwei Ninban oder Praͤſidenten, welche ein Jahr ums andre im Range abwechſeln, und das Praͤſidium fuͤhren. Dieſem muͤſſen alle Vor - faͤlle gemeldet werden, die er dann wieder an das Collegium der Oberdolmetſcher berichtet.
  • 2) Kumi Gasjira d. i. der Zunft Haͤupter, nemlich der gemeinen uͤbrigen Leute dieſer Art. Jeder hat neun bis zehn von denen in der Stadt zunaͤchſt an ihn wohnen - den Naitſjuſi unter ſich, denen er im Namen der Obern die ſie angehende Befehle bekant zu machen, ihnen ſonſt vorzuſchreiben und vor ſie gut zu ſagen hat, ſo wie dieſe Untergebne ihre Anliegen zuerſt unmittelbar an die Kumi Gasjira zu bringen haben. Auch unter die - ſen ſind zwei Ninbans, welche gleichfals jaͤhrlich in ihrem Amte abwechſeln, und den Nin - bans der Ko Gasjira als Gehuͤlfen beiſtehn muͤſſen.

Der uͤbrige gemeine Haufe dieſer haͤuslichen Dolmetſcher iſt noch wohl achtzig bis hundert Mann ſtark und beſteht aus Perſonen von doppeltem Range. Die vom erſten hei - ßen Dſio d. i. Vornehmere, welche den Vorzug und hoͤhern Gehalt haben, als der Reſtdieſes94Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. dieſes Poͤbels, der mit einem algemeinen Namen Tſiu genannt wird. Jhr ganzes Gehalt beſteht in einer ungewiſſen und unbeſtimten Summe, welche ſie von den vorhererwaͤhnten Zoͤllen der Kaufleute nach der Diſpoſition der Gouverneurs und Oberdolmetſcher in verſchied - nen Austheilungen, wenn die Handelszeit zu Ende iſt, erhalten. Dieſe Summe betraͤgt, nachdem der Handel in einem Jahre beſſer oder ſchlechter ausfaͤlt, gemeiniglich etwa 6000 Tails, welche ſie nach Verſchiedenheit ihres Rangs ſo unter ſich theilen, daß die zwoͤlf Vor - nehmſten jeder aufs hoͤchſte 200 Tails, die folgenden allemal etwa halb ſoviel oder weni - ger erhalten.

Unter dieſen Leuten ſind vier Takura jaku oder Schazbediente, welche uͤber das Blutgeld Caſſe und Rechnung halten; nebſt zwei Fisja oder Schreibern, welche alle aus derſelben Kaſſe ihr duͤrftiges Auskommen erhalten.

Man erlaubt keinem in die Zunft dieſer Dolmetſcher einzutreten, als den Soͤhnen der verſtorbnen Dolmetſcher, und dies geſchieht auf folgende Art. Derjenige, welcher wuͤnſcht, unter die Dolmetſcher aufgenommen zu werden, laͤſt ſich ein Sosjo oder eine Bitſchrift aufſetzen, bringt ſie zu dem Ninban der Kumi Gaſjira, und empfiehlt ihm muͤndlich, zuweilen auch unter der Hand oder dem Ermel (welchen Ausdruk ich ſogleich erklaͤren werde) ſein Anliegen. Dieſer verſammelt alsdann ſeine eilf Kollegen, und uͤber - legt mit ihnen, ob dieſe Befoͤrderung dem Supplikanten ſeines Vaters, Alters und ſeiner Verdienſte wegen zukomme, ob die Bitſchrift gehoͤrig abgefaſt ſey u. ſ. w. Finden ſie dieſe Herrn gut; ſo ſtellen ſie dieſelbe dem Ninban der Ko Gasjira zu, welcher mit ſeinem Collegen eben die Unterſuchung daruͤber anſtelt, und nach Befinden ſie dem Ninban der Fontsjuſi oder dem Praͤſidenten der oberſten Dolmetſcher einhaͤndigt. Hier ruht die Sache oft zwei bis drei Jahre, bis endlich durch wiederholte Vorſtellungen und dringendes Anſu - chen, vorzuͤglich aber durch ein Mittel, welches ſie: So de no ſita nennen, der Suppli - kant ſeine Abſicht erreicht. Unter dem Leztren verſtehn ſie die Bitte unter dem Ermel, welche die Japaner ſo weit tragen, daß man unter denſelben ſehr bequem ein Geſchenk bei - bringen kan. Sobald wie dieſe lezte Einwilligung erfolgt, ſo pflegt der erſte Oberdolmetſcher das Geſuch und Gutachten ſeiner Kollegen dem Stathalter zur Beſtaͤtigung vorzulegen, die nur in ſehr ſeltnen Faͤllen geweigert wird. Der neu ernante Dolmetſcher pflegt alsdann bei allen andern eine Complimentsviſite abzulegen, ſich ihrer Gewogenheit zu empfehlen und ihre Gluͤkswuͤnſche anzunehmen.

Noch koͤnnen zu den Bedienten unſrer Jnſel gerechnet werden die fuͤnf Deſima Fisja oder ordentliche Schreiber, welche auch blos zum Dienſte der Hollaͤnder angeſtelt ſind,um95Sieb. Kap. Genaue Nachricht vom Handel der Hollaͤnder in Japan. um Geſchenke, Reiſekoſten, und dergleichen andre Ausgaben anzumerken und aufzuſchrei - ben, durch welche Geſchaͤfte, ihrer Meinung nach, das Amt der Oberdolmetſcher zu ſehr beſchwert und auch herabgeſezt wuͤrde. Sie ſelbſt glauben, daß ſie die Geſchaͤfte auch mit wenigern Perſonen beſtreiten koͤnten, beſonders da auch jeder Dolmetſcher noch ſeinen beſon - dern Schreiber hat. *)Der engliſche Ueberſetzer verſteht dies von den Schreibern, deren Sekretairs dann an ihrer Stelle mitgiengen. Es iſt auch die Stelle in den Handſchriften dunkel und zweideutig ausgedrukt; mir, aber ſcheint es wahrſcheinlicher, daß jederDolmetſcher ſich einen beſondern Sekretaͤr halte, als jeder Schreiber.Die edle Compagnie bezahlt nur zwei, welche die Hofreiſe mit uns verrichten, die aber auch in der Handelszeit allerlei vortheilhafte Nebenbeſchaͤftigun - gen bekommen.

Nach dieſen kommen noch die Deſima Tſijetzki oder Aufſeher uͤber die Kuli oder Tageloͤhner. Auf unſrer Jnſel finden ſich derſelben funfzehn, welche die Hauptliſte aller Tagloͤhner und auf unſrer Jnſel die voͤllige Diſpoſition uͤber dieſelbe fuͤhren, und jedem ſeine Arbeit anweiſen. Unter ihnen ſtehn noch niedrigere Quartiermeiſter,**)Scheuchzer macht einen von den funfzehn zu dieſem Quartiermeiſter. als wirkliche An - treiber der gemeinen Traͤger. Alle haben beſonders die Verpflichtung, auf die diebiſche Haͤnde der Kuli’s wohl Acht zu geben, wozu ſie beſonders von der edlen Compagnie gehal - ten und bezahlt ſind. Die gemeinen Kulis, welche, ſo lange die Schiffe hier liegen, gebraucht werden, ſind ungewiſſe Perſonen. Da dieſe Arbeit doppelt bezahlt wird, ſo iſt ſie abwechſelnd nach den Gaſſen vertheilt, damit alle Tagloͤhner der ganzen Stadt dieſe Wohl - that genießen moͤgen. Jeder Ottona haͤlt deshalb eine Liſte von ſeinen Leuten.

Noch iſt unter unſern Bedienten uͤbrig die Cannaba Nakama d. i. die Zunft der Geldkammerbedienten, welche das Geld vor erhandelte Guͤter von den Kaufleuten einhebt, es in die Goldmuͤnzen Cabanj umſezt, dieſe jaͤhrlich mit einem kleinen dazu be - ſonders beſtimten Stempel bezeichnet, und endlich durch die Haͤnde der Dolmetſcher an die Hollaͤnder auszahlen laͤſt. Vorher aber zieht dieſe Geldkammer von dieſem Gelde ein pro Cent fuͤr ihre Bemuͤhung, und funfzehn oder mehr zum Vortheil der Stadt, nach dem jaͤhrlichen abwechſelnden Werth der Cabanj, welche zwiſchen 55 und 59 Mowe oder Maas Silber gilt. Außerdem aber haben ſie auch noch darin einen großen Vortheil, daß ſie die Cabanj allemal an uns vor 68 Maas ausgeben, und auſſerdem erhaͤlt der Direktor dieſer Kammer jaͤhrlich 100, und jedes andre Mitglied 50 Tails von den Hollaͤndern. Dieſes Collegium beſteht aus 36 Perſonen, Ober - und Unterbediente zuſammengerechnet, nemlichfuͤnf96Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Sieb. Kap. ꝛc. fuͤnf Jnſpektorn oder Oberhaͤuptern, welche nur mit den Augen arbeiten, vier Gehuͤlfen, welche das Geld einnehmen, bewahren, wieder ausliefern, und mit jener Gutfinden Alles dirigiren. Nach dieſen folgen die untern Bedienten, welche auch in ihren Verſamlungen abgeſondert ſitzen, nemlich ein Gold - und ein Silberpruͤfer; zwei Silberwaͤger; zwei Perſonen, welche das ſchuldige Geld von den Kaufleuten einfodern; zwei Oberſchreiber oder Buchhalter, japaniſch See Tſjo Kaki. Hiezu kommen noch verſchiedne außerordentliche Gehuͤlfen, Diener der Oberbeamten, nemlich von jedem Stadtsbuͤrgermeiſter, dem Ottona und ordentlichen Dolmetſchern einer, alle zum Dienſt und Handreichung auf unſrer Jnſel. Hiezu kommen endlich verſchiedne andre Guͤnſtlinge dieſer vielen Bedienten, welchen man hie - mit etwas zuzuwenden ſucht, und die alle unter dem Namen von Schreibern aufgefuͤhrt werden. Außer den ordentlichen Geſchaͤften aber dieſer Leute bei der Kammer muͤſſen ſie auch noch bei der Viſitation aller ein - und ausgefuͤhrten Guͤter der Privatperſonen gegenwaͤr - tig ſeyn.

Achtes97

Achtes Kapitel. Fortgeſezte beſondre Nachrichten von dem hollaͤndi - ſchen Handel in Japan.

Der hollaͤndiſche Handel wird jaͤhrlich auf folgende Art in Japan betrieben. Sobald die Schauer die gewiſſe Nachricht bringen, daß ein hollaͤndiſches Schiff komme, (welches gemeiniglich gegen Ende der Zeit zu geſchehen pflegt, da die guͤnſtigen Suͤd-Weſtwinde wehn, d. i. im Monat September) ſo werden drei Perſonen unſers hie - ſigen Comptoirs mit gewoͤhnlicher Begleitung auf etwa zwei Meilen und außer dem Hafen entgegen geſchikt; mit einer verſchlosnen Jnſtruktion an den Schiffer, wie er ſich bei der Landung und ferner nach Landesgebrauch zu verhalten habe. Der Dolmetſcher und japaniſche Deputirte aber nehmen ihm das genaue Verzeichnis aller ſeiner Ladung, und die Liſte ſeiner Leute nebſt allen Briefen der Compagnie ab. Man faͤhrt hiermit ſehr ſchnel wieder nach Nangaſacki zuruͤk, um dieſe Sachen zuerſt dem Stathalter zu zeigen, und dann unſerm Reſidenten wieder zuzuſtellen. Das nachfolgende Schiff gruͤßt, ſo wie es in den Hafen faͤhrt, mit doppelter Ladung ſeiner Kanonen beide Kaiſerliche Wachen, und wirft ſeine Anker mitten in der Stadt einen ſtarken Flintenſchus von der Waſſerpforte. Jſt der Wind nicht guͤnſtig zum Einlaufen, ſo ſchicken ſie uns auf unſre Koſten, nicht auf Verlangen, viele Ru - derkaͤhne, die in dieſer Abſicht von gemeinen Leuten gehalten werden, um das Schiff herein zu ſchleppen. Bei Windſtille pflegen zu dieſer Arbeit zehn, bei widrigem Winde aber funf - zig bis hundert Kaͤhne gebraucht zu werden. Wenn die Schiffe in den Hafen eingelaufen ſind, verfuͤgen ſich hinter dieſelben zwei Wachtbarken mit Soldaten beſezt, welche mit taͤgli - cher Abloͤſung bei jedem Schiffe ſo lange bleiben, als es hier verweilt und bis es wieder aus dem Hafen faͤhrt.

Zweiter Band. NSo98Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

So bald das Schiff auf dem Ankerplatz erſchienen iſt, nimt eine Schaar von De - putirten, mit vielen Tagloͤhnern begleitet, alles Pulver, Kugeln und Gewehre aus dem Schiffe in Verwahrung, und bringt dieſe Sachen bis zur Abreiſe in ein gewiſſes Ammu - nitionshaus, Alles auf Koſten der edlen Compagnie. Man hat ehmals auch die Ruder ausheben wollen, aber es gelang nicht. Den folgenden Tag erſchienen die Commiſſarien der Stathalter mit dem Geſchlep ihrer gemeinen Soldaten, Dolmetſcher und Diener, und ſtellen, in Gegenwart des hollaͤndiſchen Reſidentens, eine ſehr ſtrenge Muſterung des Schiff - volks an, nach der ihnen zuvor zugeſtelten Liſte, in welcher jeder Perſon Tauf - und Stam - name, Alter, Geburtsort und Bedienung auf das genaueſte ſpecificirt ſeyn mus, auch die Zahl ihrer Todten, nebſt Angabe, wo und woran ſie geſtorben. Oft haben ſie ſogar ver - langt, daß man einen geſtorbnen Affen oder Papagey zu ihnen bringen ſolte, um zu unter - ſuchen, ob ſie auch eines natuͤrlichen Todes geſtorben? Der hollaͤndiſche Reſident laͤſt hier - auf dem gemuſterten Schiffsvolke, auf Befehl der japaniſchen Obern, ein Plakat in hollaͤn - diſcher Sprache uͤber das zu beobachtende Betragen vorleſen, und es ſowohl auf dem Schiffe als auf der Jnſel anſchlagen.

Auf eben die Art empfaͤngt man auch die uͤbrigen hier ankommenden Schiffe, deren jaͤhrlich 2, 3 bis 4 (nachdem man viel Kupfer noͤthig hat) vom Hauptcomptoir in Bata - via hieher geſchikt werden. Ehemals als der Handel noch ganz frei war, kamen 6, 7 und mehr Schiffe an, nachdem man viele Waaren anzubringen hoffen konte.

Nach der Muſterung, oder ſobald es ihnen gut duͤnkt, wird das Schif ausgeladen, waͤhrend welchem Geſchaͤft zwei Joriki als Deputirte der Gouverneurs, einige Doſen, ein Ober-Unter und Lehrlingsdolmetſcher, verſchiedne Schreiber und Diener die Aufſicht fuͤhren. Die Waſſerpforten der Jnſel, durch welche die Waaren hereingebracht werden muͤſſen, werden alsdan in Beiſein der Karoo, (d. i. der Hofregenten und erſten Bedienten der Stathalter) und ihres zahlreichen Gefolges geoͤfnet. Die Karoo pflegen ſich, waͤhrend der Zeit die Thore offen ſind, mit einigen andern ihnen zugeordneten Perſonen in einem daneben erbaueten Saale aufzuhalten, und als Direkteurs der ganzen Handlung zuzuſehn. Auch eine Schaar von ordinairen Dolmetſchern, Lehrlingen, Hauswirthen, Schreibern und noͤthigen Kuli pflegt ſich hier zur Viſitation, Aufſicht und Handreichung einzufinden. Man greift alsdenn die Arbeit mit 300 Tagloͤhnern an, bald mehr, bald weniger, aber allemal auf die Haͤlfte mehr als noͤthig waͤren. Jedes Schif wird alsdan beſonders ausgeladen, welches innerhalb zwei Tagen geſchehn ſolte, womit aber doch gemeiniglich drei hingebracht werden, durch ihre vorſezliche Zoͤgerung, um ihren Tageloͤhnern deſto mehr Vortheil zuzu - wenden. Man bringt die Waaren vom Schiffe mit Prauen (die blos zu dieſem Zwek von der edlen Compagnie unterhalten werden) an die Jnſel, wo ſie innerhalb der Pforte vor den Commiſſairs mit der ihnen vorgelegten Liſte verglichen, gezaͤhlt und aufgeſchrieben wer -den.99Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. den. Von jeder Art Waaren werden einige ausgewaͤhlte Kiſten geoͤfnet, und alles wird denn in gewiſſe Packhaͤuſer unter dem Siegel der dazu Deputirten bis zum Verkauf beigeſezt.

Die Kiſten der Privatperſonen werden an dem erwaͤhnten erſten Landungsplaz der Jnſel niedergeſezt und aufgeſchloſſen, auch wenn der Schluͤſſel nicht ſogleich vorhanden, wohl mit dem Beil geoͤfnet. Alles Verkaufbare wird aufgeſchrieben, und unter ihrem Sie - gel bewahrt. Was ihnen gefaͤlt, z. B. Gewehre, mit Gold oder Silber gewirkte Zeuge, und andre fuͤr die Zeit verbotne Waaren werden von dem Ottona bis zur Abreiſe des Ei - genthuͤmers in Beſchlag genommen.

Europaͤiſche oder andre fremde Muͤnze, und beſonders alles, was irgend die Fi - gur eines Kreutzes, Heiligen oder Paternoſters hat, duͤrfen gar nicht eingefuͤhrt werden. Wenn man dergleichen Dinge unter uns faͤnde, ſo wuͤrde es eine ſolche Unruhe unter den Japanern verurſachen, als wenn ihr ganzes Reich verrathen, und Mord und Brand aus - gekommen waͤre. Deswegen werden auf unſern Schiffen, ſobald ſie ſich Japan naͤ - hern, alle chriſtliche Buͤcher nebſt auslaͤndiſchen Muͤnzen in ein Fas gepakt und bei Seite gethan.

Oft werden auch unſre Leute noch bei der Ankunft beſonders befuͤhlt und unterſucht, ob ſie irgend einige verbotene Waaren bei ſich fuͤhren, beſonders Corallen und Bernſtein, und bei der Ausfuhr wird aus eben dem Grunde noch Gold geſucht. Man hat dieſe ſtrenge Unterſuchung ſogar einmal an einem unſrer Reſidenten ausgeuͤbt, der nachher die hohe Wuͤrde eines General-Gouverneurs bekleidete. Doch geſchiehet dieſes ſehr ſelten.

So oft jemand an das Schif oder von demſelben ans Land faͤhrt, es ſey in eignen Geſchaͤften, oder zur Aufſicht der Compagnie Guͤter, mus er einen Freipas von beiden an der Pforte ſitzenden Commiſſairs beſiegelt, an die Deputirte des Schifs, und ſo auch, wenn er zuruͤkkoͤmt, von dieſen an jene abgeben. Hiedurch iſt unſern Japaniſchen Huͤtern beſtaͤn - dig die Zahl aller unſrer Leute, die ſich am Schiffe und auf dem Lande befindet, ganz ge - nau bekant.

Gegen Abend oder ſobald nur die Deputirten mit ihrem Anhang ſich vom Schiffe nach Hauſe oder wieder hieher verfuͤgen, wird von ihnen der Raum des Schifs verſiegelt, und die Hollaͤnder werden allemal genau gezaͤhlt, ob etwa einer von ihnen fehle? Jſt die - ſes wirklich, ſo entſteht die groͤſte Verwirrung, wie ich waͤhrend meinem hieſigen Auffent - halt einen ſolchen Fal erfahren habe. Ein Matroſe war des Nachts, wider unſer aller Wiſſen, ertrunken, und wurde alſo vermiſſet, welches eine ſolche Verwirrung unter ihnen hervorbrachte, daß man die Arbeit der Muſterung ganz einſtelte, und die Bediente als ſin - los umherliefen, weil ſie fuͤrchteten, dieſer Menſch moͤchte ein verkleideter Pfaf und ins in - nere Land entwiſcht ſeyn. Die Waͤchter, welche ſich hinter dem Schif befanden, ſtandenN 2ſchon100Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. ſchon bereit ſich die Baͤuche aufzuſchneiden, und wuͤrden dieſen Vorſaz auch ſicher ausge - fuͤhrt haben, wenn der Ungluͤkliche nicht aus dem Grunde des Meers waͤre wieder aufge - fiſcht worden.

Außer den Tagen des Ein - und Ausladens bleiben die Waſſerpforten geſchloſſen, und die Partheien ſowohl derer, welche alsdenn ſich auf der Jnſel, als auch auf jedem Schiffe befinden, bleiben in ihren Graͤnzen und in ihrem Arreſt von einander voͤllig abgeſondert.

Nachdem auf die erzaͤhlte Art aus allen Schiffen die Ladungen in die Packhaͤuſer gebracht ſind, ſo bleiben ſie daſelbſt liegen, bis es unſern Aufſehern gefaͤlt, ſie in zwei oder drei Markttagen, die ſie Conbany nennen, auf unſerer Jnſel zu verkaufen. Was nicht verkauft iſt, wird wieder in die Packhaͤuſer gebracht, und bleibt daſelbſt bis zum Markt des folgenden Jahres unter ihren Siegeln aufbewahrt.

Die Waaren, welche nun vorzuͤglich unſre Schifsladungen ausmachen, ſind folgende:

Rohe Seide aus Sina, Tunquin, Bengalen und Perſien.

Alle Arten von ſeidnen Zeugen, nur nicht mit Gold und Silber geſtikte; aus den erwaͤhnten und andern Laͤndern, beſonders Bengaliſche und Coromandelſche Taffacrels, große, weiße, gerolte Pelangs, weiße Gilangs, Armoſinen, Sumongis, Seſtiratzes, auch Floretgarn. Ferner mancherlei Gattungen von halbſeidnen, auch groben von Baum - wolle gewirkten Tſitſen (aber keine feine, gedrukte oder gemalte) weiße Gunis Salem - puris und Paracallen.

Europaͤiſche Tuͤcher und andre Wollen-auch einige Seidenmanufakturen, beſon - ders Raſche und Kronen Raſche.

Aus Siam und Cambodia Tſjappan oder Faͤrbeholz, das man in Europa Braſilienholz nent, wilde Buͤffel - und Hirfchhaͤute, Roggenfelle, Wachs - und Buͤf - felhoͤrner.

Cardowaan und andre bereitete Felle aus Perſien, Bengalen und andern Or - ten. Aus Spanien oder von Manilha aber darf dieſe Art von Waaren durchaus nicht ein - gefuͤhrt werden.

Pfeffer, Puderzucker und Zuckerkant aus verſchiednen Theilen von Oſtindien. Gewuͤrznelke und Muskatnus aus den Jnſeln Amboina und Banda. Zimt wurde ehmals auch ſtark eingefuͤhrt, jezt aber wird es nicht mehr verlangt. Weißes Sandelholz von Timor, Camphora de Baros aus der Jnſel Borneo und Sumatra; zuweilen auch Quekſilber, Zinnober und Saffran aus Bengalen; Zin, Blei, Salpeter, Borax und Alaun aus Bengalen und Siam; ferner tunkinſcher Muſcus, Gummi Benjoin von Atſijen; Gummi Lacca aus Siam; Rosmale oder Storax liquida und Catechu,gemei -101Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. gemeiniglich terra Japonica genant aus Mocha in Arabien, die Wurzel Putſjuk oder Coſtus amara aus Suratte und Siam; Corallen, Bernſtein, Blauſchmelzglas,*)Kobolt. wo - mit ſie ihr Porcellain faͤrben, Spiegel, welche ſie zerbrechen, und Mikroſcopia, Perſpek - tive und Brillen daraus verfertigen; noch andre Sachen von weniger Bedeutung, als Ma - ſang de Vaca (d. i. kleine Kugeln aus der Galle der Kuͤhe von Moſambik, die zur Arznei gebraucht werden) Schlangenholz; Atſjaar das aus Bambus, Mangos und andern un - reifen Fruͤchten mit beigemiſchtem tuͤrkiſchem Pfeffer, Knoblauch und Eßig zuſammengeſezt iſt; Waſſerblei und Roͤtelſtein zum Schreiben; Mercurius ſublimatus, aber kein dul - cis; feine Feilen, Naͤhnadeln, Brillen, geſchliffene Trinkglaͤſer, falſche Corallen, fremde Voͤgel und noch allerlei auswaͤrtige ſowol natuͤrliche, als kuͤnſtliche in dieſem Lande ſeltne und geſchaͤzte kleine Waaren. **)Quincallerie. Allerhand rare und neue Schnurpfeifereien, neut es Kaͤmpſer.Viel von dieſen Sachen nehmen ſie von dem ankommen - den Schifsvolk und den Privatperſonen unter der Hand an, ohne daß es auf den Canbeng koͤmt, und zu der beſtimten Summe der verkauften Guͤter gerechnet wird. Daher denn auch die Japaner bei dieſen Waaren oft ungemein betrogen worden.

Unter allen dieſen eingefuͤhrten Waaren ſchaͤzt dieſe Nation keine hoͤher, als die rohe Seide, bei der aber die Europaͤer einen ſchlechten Gewin haben. Die Portugieſen haben ſie daher Paucado d. i. ein Schlag genant, und jezt iſt auch kein andrer Name der Seide in Japan bekant. Nicht weniger ſchaͤtzen die Japaner die ihnen zugefuͤhrten Manufakturen von aller Art, welche einen feſten und ganz ertraͤglichen Profit geben. Ein ſo volkreiches Land kan mit dieſen beiden Artikeln nie uͤberfuͤlt werden, und wenn auch noch hundertmal ſoviel als jezt jaͤhrlich davon eingefuͤhrt wuͤrde. ***)Dies ſcheint mir eine Uebertreibung. Denn wenn noch immer ein ſo ausnehmendes Be -duͤrfnis dieſer Waare waͤre; ſo wuͤrde die einge - ſchraͤnkte Quantitaͤt, welche die Hollaͤnder einfuͤh - ren duͤrfen, viel theurer verkauft werden, und auch die Japaniſche Regierung wuͤrde wahrſcheinlich den Hollaͤndern ſowohl, als den Sineſern eine groͤßere Einfuhr erlauben.

Auch das Tſjappanholz und die Felle geben unſrer Nation einen ſicheren und ganz betraͤchtlichen Gewin.

Den allergroͤſten Vortheil aber geben Zucker, Catechu, Rosmale, Putſju, Borneiſcher Campher, Spiegel und verſchiedene andere Dinge, aber nur zu der Zeit, wenn die Japaner dieſelben noͤthig haben, und die Sineſer wenig einfuͤhren. Korallen und Bernſtein werden im Orient fuͤr das wichtigſte Kleinod gehalten, mit welchen aber das Land durch den Schleichhandel ſo angefuͤlt iſt, daß ſie zuweilen kaum mit einem halben ProcentN 3Vor -102Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Vortheil verkauft werden koͤnnen, und alſo der Gewin oft 10 bis 100 mal geringer iſt, als er wohl ehmals war.

Der Preis von dieſen und andern Waaren (die mehr aus Neugierde als Beduͤrfnis geſucht werden) iſt unbeſtimt und ungleich. Er richtet ſich meiſtens nach der Liebhaberei des Kaͤufers, der immer noch mit einem Procent Vortheil an ſeine Landsleute verkaufen kan, er mag auch noch ſo theuer eingekauft haben. Dieſe Waaren wurden ehmals in einer ſehr großen Quantitaͤt und daher meiſtens auf ſieben Schiffen eingefuͤhrt, jezt aber in geringrer Menge und meiſtens mit drei oder vier Booten, von denen das eine uͤber Siam geht, um dortige Waaren mitzubringen. Was etwa uͤber das gegenwaͤrtige Beduͤrfnis eingefuͤhrt wor - den, wird in den Magazinen niedergelegt, und fuͤr die Zukunft aufbewahrt.

Der Zuſtand unſers Handels iſt bis jezt ſehr vielen Veraͤnderungen unterworfen geweſen, in Anſehung der verbotnen Ein - und Ausfuhr der Waaren, Einſchraͤnkung unſrer Freiheit, Verkuͤrzung des Gewins, auch der Aufnahme, die unſre Leute in dieſem Lande erfahren haben. Jch finde ſeit unſrer erſten Ankunft in dieſem Lande bis jezt beſonders vier ſehr merkwuͤrdige Perioden, die ich nach der Ordnung ganz genau beſchreiben wil, damit ein Liebhaber von dieſen Materien ſich eine deutliche und wahre Vorſtellung von dieſer unge - mein wichtigen Handlung machen koͤnne.

Die erſte Periode begreift eine Zeit von mehr als dreißig Jahren, von unſrer Ankunft auf der Jnſel und in der Stadt Firando und der uns verliehenen Kaiſerlichen Freiheit bis zum Jahr 1641, da wir unſer Handelscomptoir von Firando nach Nangaſacki tran - ſportiren muſten.

Der Handel der Caſtilianer und Portugieſen, unſerer damaligen Feinde, war um die Zeit unſrer erſten Ankunft hier in groͤſtem Flor. Sie hatten ihre Niederlage in der Stadt Nangaſacki. Uns giengen damals die hier am meiſten geſuchte und daher vortheil - hafteſte Waaren noch ab, vorzuͤglich die rohe und verarbeitete Seide, weil wir uns in dem nahgelegnen ſineſiſchen Reich, das die beſten Arten von Seide erzielt, noch nicht feſte genug niedergelaſſen hatten; die Sineſer, welche noch unter einem Kaiſer aus ihrer Nation ſtan - den, uns wegen ihres geſchloßnen Reichs und der verbotnen Ausfarth nur ſehr wenig Seide durch den Schleichhandel zufuͤhrten, und uns ſelbſt nicht erlaubten, ſie aus ihrem Lande zu holen.

Die Portugieſen dagegen hatten ſchon ihre Niederlaſſung zu Macao auf ſineſiſchem Boden, und konnten daher ſoviel Seide einkaufen, als nur immer ihr Handel bedurfte.

Tunkin beſuchten wir zuerſt 1637, in Perſien und Bengalen fiengen wir um dieſe Zeit eben an, uns bekant zu machen, hatten aber unſern Handel und unſre Comptoirs nochnicht103Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. nicht gehoͤrig regulirt. Als uns aber endlich das Gluͤk und unſer gutes Betragen in dieſen ſeidenreichen Laͤndern die Thore oͤfnete, und unſer Handel daſelbſt feſten Fus faſſen konte; kamen wir in den Stand ſo gut wie die Portugieſen und Spanier, die verlangten Waaren zu liefern und ſie frei an den Meiſtbietenden ohne alle Reſtriktion zu verkaufen. Dieſer Handel brachte jaͤhrlich ein Kapital von ohngefehr 60 Tonnen Goldes (bald etwas mehr, bald weniger) hollaͤndiſcher Gulden in Umlauf, wovon dann die edle Compagnie einen ſehr an - ſehnlichen Gewin zog. Und doch gaben damals verſchiedne Waaren geringern Gewin als jezt, und auch unſre Schiffarth war weit mehrerer Gefahr, Strandungen und Verluſt unter - worfen, weil wir ſie noch nicht neben den ſichern, damals noch nicht genug bekanten ſineſi - ſchen, ſondern auch den unſichern Kuͤſten von Formoſa anſtelten. Das verkaufte Kapital wurde meiſtens in Silber aus dem Lande gefuͤhrt, und betrug gemeiniglich 12 bis 1400 Ki - ſten, oder 1, 400,000 Tails, d. i. 4, 900,000 hollaͤndiſche Gulden. *)findet ſich in der engliſchen Ueberſetzung.Jn manchen Jahren war unſer Gewin noch viel groͤßer und ſtieg bis zu ſechs Millionen. Dies war dann die erſte und goldne Periode, in der wir hinlaͤngliche Freiheit mit erheblichem Gewin genoſ - ſen. Dieſer Zuſtand beruhte auf einem Gosguin oder hohen Raths Siegel, nemlich einem Freibriefe, den uns Kaiſer Jjejas oder Ongosjo und nach ſeinem Tode Gongin genant 1612**)1611 ſteht in der engliſchen| Ueberſetzung. verliehen hatte,***)Man findet ihn im lezten Kapitel dieſes Buchs. durch welchen wir das Recht erhielten, unſre Waa - ren ganz ungehindert in alle Haͤfen des Reichs frei einzufuͤhren und zu verkaufen. Der Sohn und Nachfolger des Jirias, Fide Tada, nach dem Tode Teito Kujin genannt, bekraͤftigte 1617 unſre Freiheiten durch ein neues Privilegium, das aber doch in etwas haͤr - teren Ausdruͤcken abgefaſt war.

Ob wir gleich durch dieſe Privilegien Alles nach unſerm Willen eingerichtet und er - halten hatten, ſo muſten wir doch auch oft viel Muͤhe und Verdrieslichkeiten ausſtehn, um viele harte Zumuthungen abzuhalten, oder ihnen zuvor zu kommen. Die Spanier und Portugieſen brachten bald dieſe bald jene Verlaͤumdung gegen uns an, und verurſachten da - durch, daß uns die japaniſche Regierung ſehr oft wegen dieſer vorgegebnen Vergehungen zur Rede ſtelte. Dieſe beſtanden bald darin, daß wir Seeraͤuber, bald Rebellen gegen die Spanier, bald Unterdruͤcker der Koͤnige in Jndien waͤren, zuweilen warf man uns auch mit vielen gotteslaͤſterlichen Ausdruͤcken vor, daß wir ſo gut als die Caſtilianer an Chriſtum glaubten, und dadurch bei Hofe in einen uͤblen Ruf kaͤmen. Und um nicht dies guͤldne Ophir eben ſo wie die Portugieſen ganz zu verlieren, muſten wir 1638 zu Vertilgung der Chriſten zu Simabara ſelbſt behuͤlflich ſeyn. Alle Betſtunden, gottesdienſtliche Zuſam - menkuͤnfte und Geſaͤnge muſten wir einſtellen, ja endlich, als die Caſtilianer gaͤnzlich ver -bant104Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. bant und die einheimiſchen Chriſten beinahe voͤllig ausgerottet waren, muſten wir 1641 die Stadt Firando raͤumen, und uns auf einer andern im Seebuſen der Stadt Nangaſacki erbaueten Jnſel De oder Deſima einſperren und uns gleichſam zu Gefangnen ma - chen laſſen.

Die Urſache dieſer uns zugemutheten harten Veraͤnderung war vornemlich das Be - kentnis des chriſtlichen Glaubens, welchen der Hof als die aͤrgſte Peſt des Reichs anſah, und auf denſelben immer mehr erbittert wurde, um deſto mehr, da ihm die Vertilgung un - ſrer Religion ſo vieler tauſend Unterthanen Blut gekoſtet hatte. Aus dieſem Grunde wurde ihm auch unſre Nation immer mehr verhaſt und verdaͤchtig. Weil wir aber doch nicht von der verfolgten Sekte waren, uns Feinde und Verfolger der Pfaffen nanten, ihre gefaͤhrliche Unternehmungen wider die hoͤchſte Landesregierung entdekten, ſo duldete man doch noch un - ſre Nation; doch ſo, daß wir gar keine Freiheit oder Erlaubnis hatten, mit den eingebor - nen Japanern umzugehn; um von ihnen nicht etwa zu erfahren, was bei Hofe und im Reiche vorgehe? oder ſie zu einer freundſchaftlichen Verbindung mit uns oder gar zu unſrer Religion zu verleiten, weil dieſes Aufruhr und Gefahr fuͤr die Regierung hervorbringen koͤnte. Sie fuͤrchteten dieſes beſonders, wenn wir vielleicht jemals mit den Caſtilianern und Per - tugieſen, von deren Rachſucht ſie noch immer irgend einigen Ausbruch beſorgen, uns wieder vereinigen ſolten. Beſonders wurde ihr Mistrauen vermehrt, und ſie noch fruͤher bewogen, uns ganz von hier zu vertreiben, als wir zu Verwahrung unſrer Waaren in Firando ein anſehnliches Magazingebaͤude, hoͤher als es die Reichsgeſetze erlauben, anlegten, und den - ſelben ſo dicke Mauern gaben, daß es in den Augen der Japaner mehr ein Caſteel als ein Waarenhaus zu ſeyn ſchien. Noch mehr war ihnen dieſes Gebaͤude anſtoͤßig, weil wir in dem Giebel deſſelben die Jahrzahl nach unſrer chriſtlichen Rechnung angebracht hatten. Ein Japaner hat mir noch folgende Anecdote heimlich mitgetheilt: Wie die Hollaͤnder ihre Sa - chen vom Schiffe in dieſes Haus gebracht, ſey aus einem Kaſten der Boden gefallen, und ſtat der Waaren waͤre ein ſchwerer meſſingener Moͤrſer zum Vorſchein gekommen. Ohne zu entſcheiden, ob dieſe Nachricht richtig ſey oder nicht; ſo iſt ſoviel gewis, daß die Hollaͤnder auf Kaiſerlichen Befehl und bei Lebensſtrafe das Haus bis auf den Grund wieder niederrei - ßen und ihre Reſidenz zu Firando mit dem Gefaͤngnis zu Nangaſacki vertauſchen muſten. Dies war das Ende dieſer erſten Periode unſers freien Handels in Japan.

Unſer jetziger ſchon neunzig jaͤhriger Oberdolmetſcher, Brosman, der auch ſonſt Jenſeimon hies, und ſchon damals der Compagnie gedient hatte, legte dem ſtolzen Betra - gen unſers damaligen Reſidentens Caron die meiſte Schuld an dieſer Veraͤnderung bei. Die japaniſche Nation, ſagte er mir, koͤnnen nun einmal durchaus keinen Stolz von Kauf - leuten vertragen, weil dieſe hier im Lande fuͤr die vierte und lezte Klaſſe der Menſchen ge -halten105Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. halten wuͤrden. Daher wurde der Groß-Richter von Miaco, der zugleich erſter Director aller auslaͤndiſchen Angelegenheiten iſt, durch Carons Hochmuth ſo ſehr beleidigt, daß man ihm zu Miaco durchaus keine Audienz geben, noch die Geſchenke der edlen Compagnie von ihm annehmen wolte. Er ſtelte daher bei dem Magazinbau die boͤſe Abſicht der Hollaͤnder dem Kaiſer vor, und bewirkte dadurch dieſe ſchleunige Veraͤnderung. Dieſer Caron hat die kurze, und in deutſcher Sprache*)Kaͤmpfer wil vermuthlich ſagen, daß Carons Beſchreibung von Japan die erſte ſey, welche jemals in der deutſchen Sprache bekant gemacht worden. Denn urſpruͤnglich hatte ſie Caron nicht deutſch, ſondern hollaͤndiſch geſchrieben. Die deutſche Ueber - ſetzung iſt von Joh. Jacob Merklein verfertigt, und 1663 zu Nuͤrnberg nebſt verſchiednen andern Japan betreffenden Schriften von C. Arnold her - ausgegeben. Weil ein gewiſſer Hagenaer Anmer - kungen zu Carons Buch herausgegeben hatte, die dieſer misbilligte, ſo gab er eine aͤchte Handſchrift an Melchiſedek Thevenot, der ſie in ſeinen Rela - tions de divers Voyagers curieux, qui n’ont point êté publiés T. I. bekant machte. die erſte Beſchreibung von Japan herausgegeben.

Dieſer merkwuͤrdige Mann kam zuerſt als Kuͤchenjunge nach Japan, ſein munte - rer Geiſt verhalf ihn aber bald zur Feder und zu der Handlung, und verſchafte ihm endlich die Direction der hieſigen Handlung auf verſchiedne Jahre. Da ihm nachher eine ſehr an - ſehnliche Stelle zu Batavia, die er verlangte, abgeſchlagen wurde, trat er in Dienſte der Portugieſen,**)So ſagen meine Handſchriften. Die engliſche Ueberſetzung aber hat, der Portugieſen und Franzoſen. Jch finde ſonſt nirgends, daß Carou zuerſt in Dienſten der Portugieſen und dann erſt der Franzoſen getreten waͤre; und daß er zugleich bei den Nationen zu Feſtſetzung undGruͤndung ihres oſtindiſchen Handels habe dienen wollen, laͤßt ſich nicht wohl vermuthen, weil Ca - rons Ruͤkkunft nach Europa gerade in den Zeit - punkt faͤlt (1665) da die neue Regierung (des Hau - ſes Braganza) von Portugal mit Frankreich nicht in dem beſten Vernehmen ſtand, weil es von dem - ſelben in ſeinem Krieg gegen Spanien durch den pyrenaͤiſchen Frieden verlaſſen war. Aus dieſem Grunde vermuthe ich, daß hier ein Jrthum, viel - leicht nur ein Schreibfehler in K. Handſchriften ſey, und halte die Angabe andrer Schriftſteller fuͤr richtiger, daß Caron gleich anfangs, da er im hol - laͤndiſchen Dienſt beleidigt zu ſeyn glaubte, Col - bert ſeine Dienſte zu Unterſtuͤtzung des eben jezt unternommenen oſtindiſchen Handels der Franzo - ſen angeboten habe. Sein ungluͤklicher Tod er - folgte im Anfang des J. 1674 S. auch meine Geſch. der Englaͤnder nnd Franzoſen im oͤſtlichen Jndien, Th. 1. S. 132 ꝛc. ꝛc. ſtrandete aber, und ertrank an den Mauern der Feſtung Liſſadon.

Jch wil bei dieſer Gelegenheit auch noch einer boͤſen Nachrede erwaͤhnen, die man in verſchiednen Schriften von den Hollaͤndern findet. Sie pflegten nemlich, giebt man vor, wenn ſie von der Japaniſchen Obrigkeit gefragt wuͤrden, ob ſie Chriſten waͤren? es zu leugnen, und nur zu ſagen, ſie ſeyen Hollaͤnder. Aus den Tagebuͤchern und Schriftenaber,Zweiter Band. O106Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. aber, die ſich hier bei unſerm Comptoir befinden, auch nach dem Berichte, den ich von dem erwaͤhnten alten Oberdolmetſcher erhalten, bin ich voͤllig vom Gegentheil uͤberzeugt. Unſre Leute haben nie geleugnet, ſondern immer zu ihrem groͤßten Schaden und Verhoͤhnung ge - antwortet, ſie ſeyen Chriſten, aber nicht von der Sekte der portugieſiſchen Pfaffen. Die uͤble Nachrede ſelbſt aber iſt durch die Antwort eines Hollaͤnders Michael Sandwoort ent - ſtanden. Dieſer war an der Japaniſchen Kuͤſte geſtrandet, und hatte ſich in Nangaſacki nebſt noch einem Landsmanne*) Ganz unabhaͤngig von den uͤbrigen Hollaͤndern, ſagt die engliſche Ueberſetzung. niedergelaſſen. Wie dieſer nachher in die Jnquiſition ge - zogen und gefragt wurde: ob er ein Chriſt ſey? antwortete er, um ſich und ſeinen Freund zu retten, ey was Chriſten, was Chriſten! wir ſind Hollaͤnder! worauf er auch wirklich losgelaſſen wurde.

Die zweite Periode unſrer Handlung geht alſo nun mit der Verſetzung nach Nangaſacki an. Sobald wir in dem Meerbuſen bei dieſer Stadt ankamen, wurden wir ſogleich auf Deſima eingeſpert und aller vorigen Freiheiten voͤllig verluſtig. Die uns feſt - geſezten Graͤnzen wurden von innen und außen mit ſtarken Wachen beſezt, und uns aller Umgang mit den Japanern ſchlechterdings abgeſchnitten außer mit unſern Bedienten, die ſich aber mit ihrem Blut verpflichten muſten, uns nichts von einheimiſchen Sachen zu mel - den, und uͤberhaupt nicht die mindeſte Vertraulichkeit mit uns zu unterhalten.

Sobald unſre Schiffe den Hafen erreichten, wurden ſie von den Japanern in Beſiz genommen, mit Wachtſchiffen umgeben; Pulver, Blei, Degen und alle Schifsruͤ - ſtungen wurden an Land gebracht und bis zur Abfarth in Verwahrung behalten. Sogar die ſchwerſten Kanonen und ſelbſt das Ruder muſten ausgehoben und an Land gebracht wer - den, welches man aber doch nachher wegen gar zu großer und ganz unnoͤthiger Muͤhe un - terlaſſen hat. Zu gleicher Zeit wurde allemal bei der Ankunft das ſaͤmtliche Schifvolk nach der uͤbergebenen Liſte von demſelben auf das genaueſte gemuſtert, und eines jeden Name, Alter und Bedienung aufgezeichnet. Diejenigen, welche um Dienſte zu thun auf die Jnſel giengen, wurden aufs genaueſte am Koͤrper viſitirt, ihre Degen und alle verkaufbare Sachen vom Ottona in Verwahrung genommen, und ohne der Japaner Erlaubnis und Poſt durfte ſchlechterdings niemand von den Schiffen ab - oder zufahren, die etwa 300 Schrit von der Jnſel vor Anker zu liegen pflegen. Unſre mitgebrachte Ladungen wurden von ihren Leuten in unſre Speicher gebracht, und mit ihren Siegeln verwahrt. Kurz wir ſind ſeit die - ſer Zeit beſtaͤndig als Feinde und Landesverraͤther angeſehen und behandelt worden.

Ob wir aber gleich in einen ſo unangenehmen Zuſtand gerathen ſind, wo die Ja - paner alle moͤgliche Gelegenheit haben, unſern Vortheil ungemein einzuſchraͤnken; ſo konntedoch107Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. doch auch dieſe volkreiche Stadt*)Der Verfaſſer verſteht hier Nangaſacki, ſeine Anmerkung gilt aber eigentlich vom ganzenReich, fuͤr welches jene Stadt die europaͤiſchen Waa - ren nur in Empfang nimt. mit ihren Oberherrn ohne fremden Handel nicht beſtehn, vorzuͤglich weil ihr der Zuflus von den Portugieſen nunmehr ganz entzogen war. Wir fuͤhrten deshalb jaͤhrlich große Ladungen von Waaren auf ſechs oder ſieben Schiffen zu, die wir mit großem Gewin verkaufen konten. Beſonders war das Jahr 1641 vorzuͤglich vor - theilhaft fuͤr uns. Wir ſezten damals fuͤr 80 Tonnen Goldes Waaren um, und fuͤhrten noch die ſchon vorher erwaͤhnte Summe von 1400 Kiſten Silber aus. Die edle Compa - gnie hielt nachher um die freie Ausfuhr des Kupfers an, welche 1637 verboten war. Dieſe wurde ihr auch verſtattet, und dagegen die Ausfuhr des Silbers unterſagt. Wir ſind mit dieſer Einrichtung ungemein wohl zufrieden geweſen, doch ohne daß wir es uns eben zu ſehr haͤtten merken laſſen. Das Kupfer iſt in dem großen indiſchen Handel viel wichtiger, als das Silber. Dieſes giebt nur 4, jenes 90 bis 95 Procent Gewin, beſonders zu Su - rate, wohin wir gemeiniglich 6000 Kiſten jedes Jahr zu verſenden pflegen.

Auf dieſe Art wurde uns der vielfaͤltige Verdrus in die harten Zumuthungen, de - nen wir damals noch mehr wie jezt ausgeſezt waren, noch ſo ziemlich verguͤtet. Dieſer Zuſtand waͤhrte dreißig Jahre, bis unſer Handel im Jahr 1672 die dritte Periode erreichte. Die Ungnade des Reichsraths Jnaba Mino, (der nebſt ſeinem Collegen Uto bei dem damaligen Ruheliebenden Kaiſer Deijo jin das groͤſte Vermoͤgen und die ganze Reichsre - gierung in Haͤnden hatte) verwandelte unſer guͤldenes Flies, das wir jaͤhrlich aus dieſem Colchis abholten, in ein gemeines Fel, und brachte unſern ſo bluͤhenden Handel ſehr her - unter. Jch wil hier dieſe fuͤr uns ſo traurige Geſchichte erzaͤhlen, und dadurch zugleich ein Beiſpiel von der ausnehmenden Nachſicht dieſer Nation geben.

Mino (mit hinzugefuͤgtem Titel heiſt er, als großer Herr, nach der Landesge - wonheit Minoſama) war ein Miniſter, dem ſich der Kaiſer ſelbſt verpflichtet hielt, und der außer ſeinem Antheil an der algemeinen Landesregierung auch noch beſonders die Ober - aufſicht uͤber die Fremden und ihre Handlung hatte. Da es das beſtaͤndige Beſtreben aller Hofleute iſt, dem Kaiſer zu gefallen, und ſie alle moͤgliche Mittel dazu aufſuchen, ſo machte auch dieſer Miniſter bald die Anmerkung, daß es ſeinem Herrn ſehr gefallen wuͤrde, wenn er den Tempel, worin ſeine Vaͤter begraben waren, mit einem großen europaͤiſchen Kirchen - leuchter ausſchmuͤkte, da mit einem aͤhnlichen Geſchenk die Hollaͤnder, wie ſie noch zu Fi - rando waren, ſich das hoͤchſte Wohlgefallen und Gnade eines der vorigen Kaiſer erworben hatten, weil die Regenten ſo wie das ganze Volk ſeine vornehmſte Religionspflicht darin ſetzen, dem Tempel ihrer Vorfahren Ehre und Schmuk zu verſchaffen. Der Miniſter lies alſo durch die Hollaͤnder einen ſehr praͤchtigen Kirchenleuchter aus Europa verſchreiben. O 2Durch108Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Durch Unachtſamkeit und fehlerhafte Beſtellung des Gouverneurs von Nangaſacki aber wurden die hier befindlichen Hollaͤnder verleitet, dieſen Lenchter ihren gewoͤhnlichen Geſchen - ken fuͤr das Jahr 1666 beizufuͤgen, und hoften beſonders ſich hiedurch die hoͤchſte kaiſerliche Gnade und Wohlgefallen zu erwerben. Hiedurch aber war Mino in ſeiner Hofnung ge - taͤuſcht, und hielt ſich aufs aͤußerſte beleidigt. Er faſte ſogleich gegen unſre Nation den toͤdtlichſten Has, der, wenn er einmal Wurzel gefaſt hat, auch bei den Nachkommen und der ganzen Familie nicht ohne eine hinlaͤngliche genugthuende Rache jemals ausgeloͤſcht wer - den kan. Die Japaner koͤnnen einen ſolchen Has ſehr lange und mit vieler Geduld verhe - len, bis ſich etwa nach langer Zeit eine gute und erwuͤnſchte Gelegenheit zu empfindlicher Rache zeigt.

Mino nuzte dieſelbe ſehr gut und lies uns auf eine Art zuͤchtigen, die wir nie ver - ſchmerzen werden. Dies geſchah im Jahr 1672, wie Uſjmgomi Tſuſejemon, ein Ver - wandter des Mino, hier erſter praͤſidirender Stathalter wurde. Dieſer ſchraͤnkte unſern bisherigen ganz freien Handel ungemein ein, und brachte ihn in eine neue Form, die uns hoͤchſt nachtheilig war. Herr Camphuyſen war damals hier Direktor unſers Handels, und wurde nachher Generalgouverneur von Batavia.

Die wichtigſten neuen Einrichtungen beſtanden in folgenden: Von jeder Sorte der neu eingefuͤhrten Waaren muſte dem Stathalter ein Stuͤk zur Probe ins Haus gebracht werden, um es von Meiſtern und Kunſtverſtaͤndigen genau beſehen und taxiren zu laſſen. Zu gleicher Zeit beſichtigten die aus den Staͤdten angekommene Kaufleute die ihnen anſtaͤn - dige Waaren in unſern Pakhaͤuſern. Hierauf verkauften nicht die hollaͤndiſchen Directeurs, ſondern der Stathalter ſelbſt die Guͤter an die Kaufleute, und ſezte nach geſchlosnem Accord den Hollaͤndern einen viel geringern Preis an, als der, fuͤr den ſie die Waaren ſelbſt ver - kauft haben wuͤrden; doch wurde uns hiebei aus Gnaden erlaubt, dasjenige zu behalten und wieder abzufuͤhren, was wir fuͤr den feſtgeſtgeſezten Preis nicht uͤberlaſſen wolten. Durch dieſe unbillige wilkuͤhrliche Taxation wurde nun die Grundfeſte unſers ehmaligen ganz freien Handels voͤllig aufgehoben, und dadurch der guͤldene Gewin uns entriſſen, der bisher noch fuͤr die erlittene hoͤchſtunbillige harte Begegnung uns einigermaßen entſchaͤdigt hatte.

Sogar wurde der uns aufgedrungne Preis unſrer Waaren noch von Jahr zu Jahr herabgeſezt, welches wir uns gefallen laſſen muſten, da wir doch lieber mit geringem Vor - theil hier verkaufen, als die einmal eingebrachte Waaren mit großem Schaden wieder zu - ruͤkbringen wolten. Hiezu kam noch, daß bald nachher beſchloſſen murde, es ſolle in den von uns zu fodernden Bezahlungen der Cobang kuͤnftig nicht mehr nach dem gemeinen Werth zu 59 oder 60 (im Jnnern des Landes gelten ſie nur 54 bis 56)*)Jn der engliſchen Ueberſetzung ſteht, unſtreitig unrichtig, 59. ſondern zu 68Maas109Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. Maas gerechnet werden, der Ueberſchus von dieſem Gelde und uͤberhaupt der Gewin vom Preiſe der Waaren, welcher Aidagin oder Mittelgeld genant wurde, ſolte zuruͤkbehalten und zum gemeinen Wohl der Stadt verwandt werden. Bei dieſen Bedruͤckungen und jaͤhr - lich immer zunehmenden Verminderung unſers Gewins haͤtten wir freilich nicht lange beſtehn koͤnnen, ſondern waͤren endlich ganz ruinirt worden. Wir waren alſo eifrig darauf bedacht, unſern Handel wieder in ſeinen ehemaligen Stand zu bringen. Fuͤr das beſte Mittel wurde eine unterthaͤnige Bitſchrift an Se. Majeſtaͤt den Kaiſer gehalten, von dem man voraus - ſezte, daß ihm dieſer Zwang, welcher der heilig verſprochnen Jndulgenz ſeiner Vorfahren ganz zuwider war, nicht bewuſt ſey. Der Generalgouverneur von Batavia ließ alſo dieſe Bitſchift in Sineſiſcher Sprache abfaſſen und dem Stathalter in Nangaſacki einhaͤndigen, da nichts an den Kaiſer gebracht werden kan, was nicht vorher die Cenſur bei dieſen Staats - bedienten paſſirt hat. Nach dreijaͤhrigem Warten und Anhalten erfolgte endlich am Ende des Jahrs 1684 die Antwort, deren erfreulicher und ſuͤßer Jnhalt dahin gieng, daß der Verkauf unſrer Waaren wieder mit voriger Freiheit erlaubt ſeyn ſolle. Aber bald hernach erfolgte eine ſehr ſtrenge Reſtriktion, welche den zugeſtandnen freien Handel in ei - nen noch ſtrengern Stand und daher die vierte Periode hervorbrachte, die man wohl die eiſerne nennen koͤnte, worin ſich unſer Handel noch jezt befindet.

Dieſe uns ſo nachtheilige Veraͤnderung entſtand auf folgende Art: Unſre neu er - haltne Erlaubnis verdros den hieſigen Stathaltern, weil wir dieſelbe nicht durch ihre mit Geld erkaufte Vorſprache ausgewirkt hatten, und beſonders auch, weil ſie dadurch die gro - ßen Vortheile verlohren, die ſie ſo wie auch die japaniſchen Unteraufſeher unſers Handels durch die bisherige Taxation unſrer Waaren genoſſen hatten. Der Ottona geſtand einmal ſelbſt, daß nur er allein dadurch jaͤhrlich 3600 Tails verlohren habe. Und der von uns ſo toͤdtlich beleidigte Mino ſchlief bei dieſem Vorfal auch nicht. Zwar hatte er ſchon vor vier Jahren, beim Regierungsantrit des jetzigen Kaiſers Tſijanaf, ſeine hohe Stelle ver - lohren, und war alſo außer Stand uns mit ſeiner eignen Gewalt zu ſchaden; allein er be - wirkte doch die uns ſo nachtheilige Reſtriktion durch ſeinen Schwiegerſohn, Kangaſama, damaligen oberſten Reichsrath, und regierte auch hier die ganze Ausfuͤhrung derſelben durch ſeinen Vetter den hier praͤſidirenden Stathalter Genſeijemon welcher nebſt ſeinem Colle - gen bei Hofe auf eine ſehr dringende Art vorſtelte, daß dieſe Freiheiten den Unterthanen ſehr großen Nachtheil und nur allein den Fremden wichtigen Vortheil braͤchte, den ſie doch nicht verdient haͤtten. Nach dieſen Vorſtellungen wurde alſo beſchloſſen, daß zwar die Hol - laͤnder die einmal zugeſtandne Erlaubnis, ihre Waaren frei und an die Meiſtbietenden zu verkaufen, behalten, aber nicht mehr als fuͤr 300,000 Tails jaͤhrlich verkaufen ſolten. Sie koͤnten zwar mehr einbringen, aber alle Waaren, die uͤber dieſe Summe gienge, ſolte inO 3ihren110Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. ihren Magazinen unter japaniſchem Siegel verwahrt werden. Und ſo brachte uns alſo dieſe wieder erworbene Freiheit wirklich mehr Nachtheil, als die vorige ſo unangeneme Taxation, da es weit weniger nachtheilig iſt, eine große Ladung mit maͤßigem Gewin, als eine klei - nere mit etwas groͤßerem Gewin zu verkaufen. Um der Sache das Anſehn zu geben, als waͤre dieſe Einſchraͤnkung nicht aus Abneigung gegen unſre Nation, ſondern blos aus Sorge fuͤr die noͤthige Landespolizey eingefuͤhrt worden; ſo wurde auch der Handel der weit zahlrei - chern ſineſiſchen Nation auf eine gewiſſe Summe nemlich 600,000 Tails eingeſchraͤnkt. Die Erfindung dieſes klugen Mittels, unſern Handel einzuſchraͤnken, ohne daß dadurch die einmal im Namen des Kaiſers uns ertheilte Freiheit zuruͤkgenommen werden durfte, und ohne daß die Fremden haͤtten bewogen werden koͤnnen, das Land ganz zu verlaſſen, (welches man ſehr fuͤrchtete,) dieſes Mittel, ſage ich, fand bei Hofe ungemeinen Beifal, und die Gou - verneurs zu Nangaſacki trugen zur Belohnung den ſo anſehnlichen Titel Came davon.

Die Hollaͤnder wuſten noch nichts von dieſer ſo nachtheiligen Einſchraͤnkung, als ihre Schiffe mit vielen Waaren beladen im Herbſt 1685 hier zu Nangaſacki einliefen. Die Freude uͤber ihre gluͤkliche Ankunft war deſto groͤßer, da man durch die erhaltene Freiheit unſrer Handlung ſich nun wieder ihre guͤldne Periode verſprach. Kaum aber hatte man mit Ausladung des erſten Schiffs den Anfang gemacht; ſo kam auch ſchon zu uns, wie zu den Sineſern, ein hinkender Bote von Hofe mit der traurigen Nachricht, daß wir auf hohen Be - fehl nicht uͤber die beſtimte Summe verkaufen ſolten. Damit nun außerdem kein Schleich - handel getrieben werden koͤnte, muſte alles ausgeladen, und was man von den uͤbrigen Schiffen ans Land brachte, nach alter Gewohnheit aufs genaueſte durchſucht, aufgezeichnet und in die Pakhaͤuſer gebracht werden. Hier wird es zwar unter unſern Schloͤſſern, aber auch unter japaniſchen Siegeln verwahrt, ohne deren Erlaubnis und Gegenwart wir nie hineingehn duͤrfen.

Die uns jezt feſtgeſezte jaͤhrliche Summe des Verkaufs betraͤgt nach hollaͤndiſchem Gelde zehn und eine halbe Tonne Goldes, und nach japaniſchem Gelde 300 Kiſten Silber d. i. 300,000 Sju Momi oder Tails (welches leztre fremde Wort die Hollaͤnder hier zuerſt eingefuͤhrt haben) welche 50,000 guͤldene Cobang ausmachen, jeden nach ſeinem hoͤchſten Werth zu 60 Momi oder Maas Silber gerechnet. Da aber der edlen Compagme der Cobang zu 68 Maas aufgedrungen worden, und die Bezahlung der erlaubten Quantitaͤt einzufuͤhrender Waaren nach dieſer Rechnung beſtimt wird; ſo betraͤgt die Summe von 300,000 Tails in der That nur 260,000 Tails Silbermuͤnze. Hierin hat indes die Nan - gaſackiſche Regierung ein Mittel gefunden, den hier ſo ſehr geplagten hollaͤndiſchen Bedien - ten einige Vergeltung fuͤr ihre harte Behandlung zu verſchaffen. Jhnen iſt nemlich verſtat - tet worden, zu ihrem Privatgewin einige Guͤter einzufuͤhren und zu verkaufen, aber nicht wieehmals111Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. ehmals, unbegraͤnzt ſoviel ſie wollen, ſondern nur fuͤr 40,000 Tails oder 5882 $$\frac {2} {4}$$ Cobangs. Dieſe machen denn mit den vorigen 260,000 Tails erſt die wahre Summe der zugeſtand - nen 300,000 aus. Dieſen Gewin ihrer Bedienten kan die edle Compagnie hier nicht wie an andern Orten hindern, und bei der einmal feſtgeſezten Einrichtung leidet ſie auch nicht darunter. Dieſe 40,000 Tails ſind unter den hollaͤndiſchen Bedienten ſo vertheilt, daß dem aͤltern regierenden Oberhaupt und Reſidenten vor 10000 Tails, dem zweiten hernach an - gekommenen vor 7000 Tails, dem Adjunkt vor 6000, und denen andern Schiffern, Kauf - leuten und Schreibern das Uebrige nach Proportion und aus Gunſt ſowohl der hollaͤndiſchen Reſidenten als auch der japaniſchen Oberdolmetſcher, zu verkaufen erlaubt wird. Die edle Compagnie unterhaͤlt einen hier reſidirenden Oberkaufmann, um als Oberhaupt ihren hieſigen Handel zu dirigiren. Der japaniſchen Gewohnheit gemaͤs wird dieſer jaͤhrlich von einem andern abgeloͤſt, der mit den Waaren, Schiffen, einem Unterkaufmann, einigen andern Kaufleuten und Schreibern als Gehuͤlfen von Batavia hieherkoͤmt, und dem aͤltern Ober - kaufmann mit gutem Rath beiſteht, bis nach geendigtem Verkauf dieſer mit den zuruͤklau - fenden Schiffen abgeht, und dem Neuangekommenen ſeine Stelle uͤberlaͤſt.

Der Verkauf ſelbſt geſchieht nun auf folgende Art: Wenn der vom Hofe erlaubte und feſtgeſezte Cambang (ſo nennet man die Handlung und den Tag des Verkaufs) heran - nahet, ſo wird zuerſt an den Pforten außerhalb unſrer Jnſel eine Specifikation aller unſrer Waaren angeheftet, die mit ſo großen Buchſtaben geſchrieben iſt, daß man ſie auch von ferne leſen kan. Zugleich wird von der Regierung den Gaſſenrichtern und durch dieſe den fremden japaniſchen Kaufleuten, welche zu dieſem Cambang ſich aus andern Staͤdten ein - finden, angedeutet, wie viel Procente Zol ſie von jeder Gattung Waaren, zum Vortheil der Buͤrger von Nangaſacki werden abzutragen haben, um darnach ihren Einkauf einrich - ten zu koͤnnen. Dies iſt in der That eine ſehr ſchoͤne Erfindung, durch welche die Japa - ner indirekt und unmittelbar unſre Waaren taxiren, und uͤber unſre wiedererlangte Freiheit nur ſpotten koͤnnen. Wie ihr noch unter der ſo ſehr beklagten Taxation ſtandet, ſagen ſie uns zuweilen ſelbſt, kamet ihr jaͤhrlich mit ſieben Schiffen und verkauftet viele Waaren, jezt komt ihr mit drei oder vier Schiffen und verkaufet wenig. Waͤre es alſo nicht weit beſſer geweſen, ihr haͤttet lieber um gar keine Freiheiten angehalten? Des Tages vor dem Cambang werden die Liebhaber in der Stadt durch eine an jeder Gaſſenpforte angeklebte Nachricht eingeladen, ſich den folgenden Morgen auf Deſima einzufinden, wo ſie auch vor jedem Pakhauſe das genaueſte Verzeichnis aller darin enthaltenen Waaren finden. Da un - ſer ganzer hieſiger Handel unter der Direktion der Nangaſackiſchen Regierung ſteht; ſo fin - den ſich die zwei Hausregenten der Gouverneurs als Deputirte ein, an deren Gegenwart und unter deren Autoritaͤt der ganze Verkauf vorgenommen wird. Die einheimiſche Ober -bedien -112Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. bedienten unſrer Jnſel ſind gleichfals zugegen, und unter ihnen fuͤhrt der praͤſidirende Ober - dolmetſcher das Wort und die Hauptdirektion des Handels, da unſre zwar auch dieſem Rath beiſitzende drei Bediente, nemlich zwei Oberkaufleute, und ihr Gehuͤlfe, wenig ſagen oder vorbringen duͤrfen. Dieſe Herrn laſſen nur gleich anfangs von allen Waaren eine Probe auslegen, und nach gegebnem Zeichen mit einer Gumm (eine Art platter Glocken wie eine Becken-Schuͤſſel) die Kaufleute in das Kauf haus kommen. Dieſes iſt ein hoͤlzernes auf Koſten der edlen Compagme errichtetes ſauberes Gebaͤude. Wenn man die Schublaͤden weggenommen, iſt es ganz offen, ſo daß jederman von außen hineinſehn kan, in dieſer Ab - ſicht iſt es auch mit einem ſtark hervorſtehenden Gang umgeben. Jnwendig iſt es in ver - ſchiedne Apartements abgetheilt und auf das bequemſte zu ſeinem Zwek, nemlich dem Ver - kauf, eingerichtet.

Wenn nun eine gewiſſe Gattung Waaren zum Verkauf aufgeſtelt iſt, ſo legt jeder Liebhaber unterſchiedne Zettel vor, jedes von hoͤherm und geringerem Werth, worauf bezeich - net iſt, wieviel Quan, Me, Momi, Burin, Men Futz er vor jeden Catti (d. i. der Name einer gewiſſen Quantitaͤt von Waaren) geben wolle, jeder Zettel iſt mit einem falſchen Namen unterzeichnet. Die Zettel von ſo verſchiednem Werth dienen dazu, um dem Kaͤu - fer gehoͤrige Bedenkzeit zu geben, damit er das geringere Gebot koͤnne gelten laſſen, wenn ihm das hoͤhere misfaͤlt. Bei der großen Menge aber von unterſchiednen japaniſchen Scheidemuͤnzen geſchieht es ſelten, daß mehrere Perſonen zugleich ein Gebot thun. Wenn alle Zettel uͤber die Waaren, welche verkauft werden ſollen, eingeſamlet ſind, werden ſie von den Unſrigen geoͤfnet, die hoͤhern von den geringern geſchieden, und dann von dem praͤ - ſidirenden Dolmetſcher ſtuffenweiſe, die hoͤchſten zuerſt, abgeleſen. Dreimal wird nach dem Bieter gefragt, ſchweigt er, der Zettel bei Seite gethan, und ein andrer, deſſen Ge - bot das naͤchſte iſt, vorgenommen, bis endlich ein Kaͤufer ruft: Hier bin ich, zutrit, und mit ſeinem Petſchaft und ſchwarzer Oelfarbe, welche die Japaner in der Abſicht immer bei ſich fuͤhren, unterdruͤkt, und hierdurch den Kauf beveſtigt. Auf dieſelbe Art werden denn alle uͤbrige Waaren an Mann gebracht, und die Sache in zwei, zuweilen erſt in drei bis vier Cambangs zu Ende gebracht, bis die zugeſtandne Summe unſers Verkaufs er - reicht iſt. Den Tag nach jedem Cambang mus das verkaufte Gut geliefert werden, und wird von der Jnſel weggebracht.

Durch ein beſondres Kaiſerliches Privilegium haben gewiſſe Kaufleute der fuͤnf Kaiſerlichen Staͤdte allein das Recht, die rohe Seide von uns zu kaufen, womit man dann gemeiniglich zu ihrem ſehr großen und unſerm ſehr geringen Vortheil den Anfang zu machen pflegt. Sie wolten uns daher auch gern zwingen, den dritten Theil unſrer Guͤter in dieſer Waare zu liefern.

Zol,113Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan.

Zol, (Quanmotz auf japaniſch) iſt eigentlich bei den Japanern ſehr wenig im Ge - brauch, und hier in Nangaſacki nur blos eingefuͤhrt, um den Auslaͤndern auf alle moͤgliche Art etwas abzunehmen und den Buͤrgern dieſer Stadt dagegen zuzuwenden. Dieſer Zol heiſt, in ſofern er eingefordert wird, Koſen oder Kooſen gin, d. i. Recognition, Maͤkler oder Muͤhegeld, bei der Austheilung aber nent man ihn Fannagin oder Blumengeld, weil es den armen Unterthanen zu ihrem Unterhalt aus dem fremden Handel hervorbluͤhet. Es wird jedem nach Verhaͤltnis ſeiner buͤrgerlichen Laſten und Auflagen zugetheilt, welche nach Gelegenheit der Gaſſen der Stadt eingerichtet ſind, und die Portionen gehn von 3 bis 15 Tails. Es iſt gewis, daß die Unterthanen ohne eine ſolche Unterſtuͤtzung an dieſem un - fruchtbaren abgelegnen Orte nicht wohl wuͤrden leben koͤnnen, ſondern ſich verlaufen muͤſten.

Die Waaren der Geſelſchaft muͤſſen aber 15 Procent, alſo vom Ganzen der 300,000 Tails 45000 bezahlen. Die Guͤter der Privatperſonen, welche noch in einem beſondern Combang verkauft werden, muͤſſen noch ſtaͤrkre Abgaben bezahlen, nemlich von den Waa - ren, die nach Stuͤcken verkauft werden, 65 Procent, alſo von 20000 Tails 13000, und von den Guͤtern, die nach dem Gewicht verkauft werden, 70 Procent, von 20,000 alſo 14000 Tails. Dieſe Erhoͤhung des Zols fuͤr die Guͤter der Privatbedienten iſt deshalb eingefuͤhrt, weil dieſe ihre Waaren auf den Schiffen ihrer Herrn Frachtfrei herbringen und daher mit wenigerm Gewin vorlieb nehmen koͤnnen. Die Sineſer, welche nur eine ſo kurze Ueberfarth haben, muͤſſen deshalb ſechzig Procent bezahlen, oder von den 600,000 Tails, welche ſie in Waaren einfuͤhren, einen Zol von 306,000. Rechnet man hiezu noch die Miethe fuͤr die Haͤuſer unſrer Nation von 5580 Thails, von den Sineſern 16000; ſo macht dieſes zuſammen eine jaͤhrliche Summe von 453,580 Thails, welche der auslaͤndiſche Handel jaͤhrlich dem Magiſtrat und der Buͤrgerſchaft dieſer Stadt einbringt.

Der Gewin, den die edle Compagnie von ihren Waaren zieht, iſt auf alle Gat - tungen nicht alle Jahre gleich. Er richtet ſich gemeiniglich nach dem abwechſelnden Preiſe in Miaco und dieſer nach dem jedesmaligen Beduͤrfnis irgend einer Art von Waaren im Lande. Viele Jahre und alle Arten Waaren zuſammengenommen, moͤchte es eine ziemlich richtige Mittelangabe ſeyn, daß der Gewinn uͤberhaupt 60 Procent, aber nach Abzug aller hieſigen Unkoſten, nur 40 bis 45 Procent reiner Gewin ſey, daß alſo die vor 10½ Tonnen Goldes eingebrachte Waaren etwa vier bis vier und eine halbe Tonne Goldes reinen Gewin gaͤben. Dieſes iſt in der That fuͤr eine ſo große Handelsgeſelſchaft, welche in Jndien zu Waſſer und zu Lande beſtaͤndig 18000 Mann, mit einer monatlichen Beſoldung von mehr als 260,000 Gulden, in ihren Dienſten haͤlt, außerdem noch eine ſo große Menge Schiffe, Feſtungen und Magazine unterhalten mus, fuͤr eine ſolche Handelsgeſelſchaft iſt dieſer Gewin in der That nur geringe, und wuͤrde der vielen Muͤhe nicht verlohnen, wenn nichtZweiter Band. Pdie114Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. die zuruͤkgebrachten Waaren, vorzuͤglich das raffinirte Kupfer nicht beinahe eben ſoviel Pro - cente gaͤben, daß alſo unſer ganzer Gewin von der Japaniſchen Handlung zwiſchen 80 und 90 Procent betraͤgt.

Die erwaͤhnten Unkoſten ſind auch nicht alle Jahre gleich, ſondern in Jahren, da viel zu bauen oder zu repariren iſt, mehrere Herren zu beſchenken ſind, oder ſonſt außerordent - liche Poſten vorfallen, groͤßer wie in den gewoͤhnlichen. Jch wil, um die Sache noch beſ - ſer zu erlaͤutern, hier ein paar Jahre als Beiſpiele vorlegen, die aus dieſer lezten Periode unſrer Handlung genommen ſind, und von denen das eine 1686 unter Direktion des Licen - tiaten Hrn. Cleyer ungewoͤhnlich große Ausgaben und das andre 1688 unter der Direktion des Hrn. Butenheimb ungewoͤhnlich geringe Ausgaben hat:

Jahr 1686Jahr 1688
Mundkoſt23,580 Fl.13,166 Fl.
Hausunkoſten9791 6828
Außerordentliche Ausgaben14,097 4993
Koſten der Schiffe10,986 7589
Geſchenke107,086 100,789
Bezahlte Jntereſſen und monatliche Beſoldun - gen8092 7318
Miethgeld fuͤr Deſima und die Ammuni - tionshaͤuſer19,530 19,530
Summa 193,162 Fl. 161,745 Fl.

Den Preis und den Gewin von jeder Gattung unſrer Waaren nun noch beſonders zu beſtimmen, halte ich nicht anſtaͤndig fuͤr mich, und ich glaube auch eben nicht, daß die - ſes den deutſchen Leſer ſehr intereſſiren wuͤrde. Jch wil daher nur den Preis fremder Waa - ren hier im Lande angeben, und dazu einen Preiscourant von Miaco aus dem jetzigen Jahr 1692 waͤhlen:

Sineſiſche115Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan.

Sineſiſche Seide. Cabeſſa oder die beſte Gattung, das Pickel oder 125 Pfund hollaͤndiſch zu 665 Sjumome oder Thails. Bariga, oder die Mittelgattung 638 Thails.

    • Bengaliſche Seide, Cabeſſa oder die beſte 530 Thails; Ba - riga 406 Thails.
    • Tunkiniſche Seide 440 Thails.
    • Floretgarn 240
    • Zinnober 600
    • Gewuͤrznaͤgelein 223
    • Pfeffer 23
    • Zuckerkant 21
    • Puderzucker 14
    Alle dieſe Waaren ſind gerechnet in Pickel.
  • Kampher von Baros ein Catti, oder Pfund holl. 33 Thails.
  • Putſjuk oder Coſtus arab. 10 T. 1 Cattu
  • Sineſiſche große, weiße, gerollete Pelangs, das Stuͤk 14 T.
  • Armoſins, das Stuͤk 7 T. 4 Maas
  • Tafaceels aus Coromandel, das Stuͤk, die beſte Gattung 6 T. 8 M.
  • Die geringere Gattung 6
  • Tafaceels aus Bengalen 4 3 M.
  • Gemeine einfache, weiße Guilangs 4 8 auch 4 M.
  • Sumongis aus Tunkin 3 T. 3 M.
  • Weiße Gunis Leinwand 7 T.
  • Gemeine gebleichte Salempuris 3 T. 1 M.
  • Gemeine gebleichte Paracallen 1 T. 5 oder 3 M.

Ehe wir nun dieſe Materie ſchließen, und unſre vier Schiffe mit dem fuͤr die edle Compagnie erworbnen Gewin wieder zuruͤckgehn laſſen, wollen wir noch kurz unterſuchen, was fuͤr einen Vortheil die Waaren der Privatperſonen geben, und beſonders, was die drei oberſten Herrn Direktoren unſers Handels hier jaͤhrlich gewinnen koͤnnen. Weil dieſer ihre Waaren ohne alle Koſten uͤberbracht, und ſogleich verkauft werden; ſo geben ſie blos rei - nen Gewin, und obgleich ſie mit einem ſo hohen Zol belegt ſind, keinen geringern, als der der edlen Compagnie iſt.

Die zwei erſten Oberhaͤupter, welche nach Befehlen vom Hofe nur drei Jahre und zwar mit jaͤhrlicher Abwechſelung hier reſidiren koͤnnen, genießen die groͤſten Vortheile. BeiP 2der116Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. der Ankunft darf jeder von ihnen fuͤr 7000 Thails, waͤhrend ſeiner Direktion und wenn er abreiſen wil fuͤr 10000 Thails, und alſo in einem Jahre fuͤr 17000 Thails Waaren ver - kaufen. Die den Unterbefehlshabern vorgeſchriebne Summe iſt die von 12000. Stehn dieſe Herren mit den Japaniſchen Dolmetſchern in gutem Vernehmen, und wiſſen ſich die - ſelbe durch Geſchenke von fremdem Gut zu verbinden; ſo koͤnnen wol einige ihrer Waaren in dem erſten und zweiten Combang unter die Guͤter der edlen Compagnie gemiſcht werden, und dann wegen des weit geringern Zols 55 bis 70 Procent mehr Vortheil geben. Der Com - pagnie geht dadurch auch nichts ab; denn bei Berechnung des geloͤſeten Geldes bis zur geſez - maͤßigen Summe huͤpft man uͤber dieſe Poſten weg. Was noch uͤber ihren Antheil an mitgebrachten oder verſchriebnen Guͤtern uͤbrig bleibt, oder an kleinen Waaren, rothen Ko - rallen, Bernſtein u. d. gl. leicht verborgen werden kan, koͤnnen ſie auch durch die ſchon er - waͤhnte Mittelsperſonen leicht zu Gelde machen. Gemeiniglich pflegen dieſe ſelbſt oder der Ottona ſolche Waaren zu kaufen. Mit weit groͤßerm Vortheil konte man ſie wohl ehe - dem vorgeblich*)Dieſes vorgeblich ſteht nur in den Hand - ſchriften, nicht in der engliſchen Ueberſetzung, wel - che ſagt: dieſe Waaren waͤren durch Deputirte an Fremde verkauft worden. Jch vermuthe, der Verf. wil ſagen, die Bedienten der hollaͤndiſchen Com - pagnie haͤtten ehmals, wie noch die Sineſer nachNangaſacki frei kommen duͤrfen, unter dem Vor - wand des Verkaufs an dieſe, ihre Waaren an die Dolmetſcher, Ottona u. ſ. w. verkauft, welcher Schleichhandel aber nachher entdekt und einge - ſchraͤnkt ſey. an Fremde verkaufen, welche zur Zeit des Combangs unſre Jnſel be - ſuchten. Ein gewiſſer Reſident machte es aber 1686 ſo grob, daß daruͤber zehn Japaner enthauptet wurden, und er ſelbſt das Land verlaſſen muſte. Der Reſident, welcher hier in Nangaſacki bleibt und jaͤhrlich nach Hofe reiſt, hat noch folgenden beſondern Vortheil. Wenn ihm die hieſigen Stathalter befehlen, dieſe oder jene Gattungen von Waaren dem Kaiſer und den Reichsraͤthen als Geſchenke zu uͤberbringen, welche nicht in unſern Magazinen ſind, ſo kan der Reſident, ſtat ſie von den Sineſern zu kaufen, ſie aus ſeinem eignen Waaren - vorrath nehmen, und davon den Gewin ziehn, welches ganz ohne Nachtheil ſeiner Princi - palen geſchieht. Jndes koͤnten ſie allerdings auch mit dieſem Nachtheil ſich ganz erhebliche Vortheile machen, wenn ſie nicht durch ihr ſcrupuloͤſes Gewiſſen abgehalten wuͤrden. Dieſe koͤnten vielleicht beſtehn in dem jaͤhrlichen algemeinen Auſwand dieſes Comptoirs, welcher auf 160,000 Gulden angeſezt iſt; vorzuͤglich aber in dem Einkauf des gereinigten Kupfers. Die Regierung von Batavia hat befohlen, das Pickel nicht unter 12 bis 12½ Thails einzu - kaufen, damit denen einheimiſchen Raffineurs ihr Gewin und Nahrung nicht zu ſehr entzo - gen wuͤrde. Da aber unſere Dolmetſcher das Kupfer noch um einen Maas geringer einkau - fen; ſo wuͤrden auf 12000 Pickel 600 Thails gewonnen werden, die man durchaus nichtin117Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. in Rechnung bringen darf. Ob ich nun gleich den hieſigen Oberaufſehern dergleichen Ne - benvortheile mit Grunde nicht beimeſſen kan, ſo darf ich doch den Leſer verſichern, daß die - ſes Amt fuͤr 30,000 Gulden jaͤhrlich vom Beſitzer nicht abgeſtanden wuͤrde. Doch iſt dies nicht der Fal, wenn ein Direktor des hieſigen Comptoirs nicht eignes Vermoͤgen genug hat, um ſich ſelbſt vor der Abreiſe nach Japan mit den noͤthigen Waaren zu verſorgen. Denn ſo mus er ſie auf Credit nehmen, und nachher den Vortheil mit ſeinem Glaͤubiger theilen. Auch darf er freilich zu Batavia ſowohl beim Abſchiede als bei der Wiederkunft ſeinen Be - foͤrderern nicht eine leere Hand bieten, wenn er nicht aufs kuͤnftige mit ſolchen Verſendungen uͤbergangen ſeyn wil.

Die Waaren, welche ein Direktor von hier zuruͤkbringt, beſtehn vorzuͤglich in ſeidnen Kleidern, welche er von den kaiſerlichen Miniſtern zu Praͤſenten erhaͤlt, und ſie wie - der wegſchenkt; allerlei koſtbaren Lebensmitteln, Porcellain, laquirten und allerlei andren japa - niſchen Manufakturen, die zu Batavia mit funfzig Procent wieder verkauft werden koͤnnen. Auch goldne Cobangs gehoͤrten ehemals hieher, da man ſie noch in Japan fuͤr 54 Thails einwechſeln, und auf der Kuͤſte Coromandel mit 28 Procent Vortheil wieder ausgeben konte. Jezt aber, da wir ſie weit hoͤher annehmen muͤſſen, geben ſie nur ſehr geringen, oder auch oft gar keinen Vortheil. Es iſt jezt fuͤr einen Direktor das Vortheilhafteſte, wenn er noch Geld uͤbrig hat, es zum Ankauf von Ambra und raffinirtem Kupfer anzule - gen, und lezteres auf Compagnieſchiffen nach Malacca zu ſchicken, wenn er es nemlich heimlich auf dieſe Art fortzubringen vermoͤgend iſt, da die edle Compagnie es ſtrenge un - terſagt hat.

Doch es iſt Zeit, wieder zu unſrer abzufertigenden Flotte uns zu wenden. Von den gewonnenen 10½ Tonnen Goldes wird ein guter Theil zum Einkauf von 12 bis 20,000 Pi - ckel Kupfers (jedes zu 125 Pf. holl. ) angelegt. Es iſt in Staͤben etwa eine Spanne lang und eines Fingers dik gegoſſen, und jedes Pickel in einen kleinen Kaſten von rauhen tanne - nen Bretterchens eingepakt, in denen es bequem getragen und fortgebracht werden kan. Es wird in unſre drei oder vier Schiffe vertheilt, von denen eins nach Batavia geht, die uͤbrigen aber ſich unterwegs bei Puli Timon von jenem trennen und nach Malacca gehn, wo ſie von dem dortigen Gouverneur nach Bengalen, Coromandel, Surate und wo ſie ſonſt ihre Ladung gut anzubringen hoffen koͤnnen, verſchikt werden.

Außer dieſem wird auch noch eine kleine Quantitaͤt von noch ungereinigtem Kupfer eingekauft, welches in Form runder Kuchen gegoſſen iſt. Bisweilen nimt man auch einige hundert Pickel oder Kiſten vol kupferner Casjes oder Heller mit, wenn ſie vor Tunkin oder andre Orte verlangt werden. Alles Kupfer wird von einer Geſelſchaft geliefert, welche die Erlaubnis hat, es zu laͤutern, und an Fremde zu verkaufen; wofuͤr ſie an den Großrich - ter von Miaco, der die Oberaufſicht uͤber alle Fremden und ihren Handel hat, jaͤhrlichP 3400118Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. 400 Schuyt Silber bezahlen mus. Um den Handel fuͤr uns vortheilhaft einzurichten, geben wir auch an unſre Maͤkler oder Dolmetſcher eine jaͤhrliche Belohnung von 600, auch mehr Thails, welche unſre Goͤnner ſich aber auch von der andern Seite eben ſo gut be - ſtechen laſſen.

Ferner kaufen wir jaͤhrlich 6 bis 12000 Pfund (zuweilen auch noch wol etwas mehr) Campher, welches in hoͤlzerne Faͤſſer eingepakt wird; etliche hundert Packen von Stroh mit Porcellain angefuͤlt, bisweilen eine oder zwei Kiſten mit Golddrath jede von 100 Buͤſchen; eine Menge ſchoͤn lakirter Kaſten, Schachteln und Gefaͤße, Sonnenſchirme, Schraͤnke und allerlei Manufakturen von Riedbimſen, Holz, Buͤffelshoͤrner, Roggenfel, Stein, Kupfer, Gold, Silber und Sowaas. (Das leztre iſt eine kuͤnſtliche Vermi - ſchung von Gold, Silber und Kupfer, das an innerm Gehalt dem feinſten Silber gleich oder noch wohl hoͤher geſchaͤzt wird.) Ferner Rollangs, Papier, das durch Oel und Virnis durchſichtig gemacht, auch mit falſchem Gold und Silber bemahlt iſt, das man zu Tapeten in den Zimmern gebraucht; den allerſchoͤnſten Reis von ganz Aſien, Sacki (ein ſtarkes Getraͤnk, das aus Reis gebrauet wird) Soje, (eine Art Bruͤhe zum Braten) eingemachte Fruͤchte, (alles dieſes wird in Faͤſſern verwahrt) gekerbten Tobak, Thee und Marmelade, Den Ueberſchus nimt man in etlichen 1000 Stuͤk goldnen Cobangs mit.

Die Schiffe duͤrfen nicht eher beladen und aus dem Hafen gebracht werden, bis der Hof dazu ſeine beſondere Bewilligung gegeben und den Tag der Abfarth beſtimt hat. Beim Beladen der Schiffe wird alles Eingekaufte wieder aufs genaueſte durchſucht. We - nige Tage oder auch wol unmittelbar den Tag vor der Abreiſe erſcheinen bei einem jeden von uns, (er mag hier bleiben oder abfahren, und nur waͤhrend der Handelszeit in einem unſrer ſonſt wuͤſten Haͤuſer gewohnt haben,) zwei unſrer Wirthe, zwei Lehrlinge und zwei Schreiber von unſerm Gaſſenrichter und von der Geldkammer mit einigen Kulis, und un - terſuchen alle unſre Sachen, Stuͤk vor Stuͤk, zeichnen ſie genau auf, binden ſie mit Stroh - ſeilen zuſammen, verſehen ſie mit ihren Siegeln, und kleben das Regiſter der darin enthalte - nen Sachen darauf, zur Nachricht fuͤr die Thorwaͤchter, welche ſonſt im Austragen unſre Pakete wieder oͤfnen wuͤrden. Finden ſich bei dieſer ſtrengen Viſitation irgend einige verbo - tene Sachen, ſo werden ſie ſogleich eingezogen. Hiezu gehoͤrt alles, was die Figur eines einheimiſchen Goͤtzens oder eines Kugi (eines Hof bedienten vom Dairi) oder deſſen Klei - dung hat; ferner gedrukte Buͤcher oder Papier, Spiegel oder andres Metal, worin japani - ſche Charaktere gegoſſen ſind, Silbermuͤnze, gewebtes einlaͤndiſches Zeug, und beſonders alles, was als einheimiſches Gewehr angeſehn werden kan, Bilder von Soldaten, Sattel, Schiffen oder kleinen Fahrzeugen, Harniſchen, Bogen, Saͤbeln. Solten die zulezt er - waͤhnten Dinge gar in der Wirklichkeit bei einem von uns gefunden werden, ſo wuͤrde der - ſelbe ſogleich aus dem Lande auf ewig verbant, und die ihm zugegebne Dolmetſcher undDiener119Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. Diener hart gepeinigt werden, um die Verkaͤufer und Mitſchuldigen zu entdecken, deren Blut alsdann nur allein ein ſolches Verbrechen ausſoͤhnen kan. Die hier anweſende Hollaͤn - der haben noch vor wenig Jahren eine ſolche Exekution des Sekretairs vom hieſigen Stat - halter und ſeines unſchuldigen achtjaͤhrigen Sohns geſehen, weil er einige von ihm verbor - gene Saͤbelklingen nach Sina hat ſchicken wollen. Als ich abreißte, unterſuchten indes die Viſitatoren meine Sachen, aus ſehr guten Urſachen bei einem Abſchiedstrunk, nur ſehr obenhin. Doch fiel ihnen von ohngefehr ein altes japaniſches Scheermeſſer und ein kleines Staͤblein, das ich ſtat des japaniſchen Saͤbels meinen Puppen angeheftet hatte, in die Au - gen, und dieſe beiden Stuͤcke wurden mir ſogleich confiſcirt.

Noch iſt jeder von uns bei der Abreiſe verbunden, den dazu beſtimten Kommiſſa - rien ſein Geld vorzuweiſen und es ganz oͤffentlich auszufuͤhren, damit ſie an den, allem Gelde eingepraͤgten Merkzeichen der Geldkammer erkennen koͤnnen, ob es auch durch ihre Haͤnde paſſirt und nicht durch Schleichhandel von uns gewonnen ſey? Doch kann dieſe Unterſu - chung nicht ſo ganz genau geſchehn, da alle Bediente bei unſerm Abſchiede ſehr beſchaͤftiget ſind, und es alsdann etwas unruhig herzugehn pflegt.

Alle dieſe und noch viele andre Anſtalten haben vorzuͤglich die Abſicht, den Schleich - handel zu verhindern, welcher vom Kaiſer aufs ſchaͤrfſte und ſtrengſte unterſagt iſt, weil er die Waaren haͤufiger unter die Leute bringt, ſie wohlfeiler macht und den Zol fuͤr die Stadt Nangaſacki herunterbringt. Alle Schleichhaͤndler werden mit der Todesſtrafe belegt; doch iſt dieſelbe nur fuͤr ſie ſelbſt, nicht wie bei andern Verbrechen, auch fuͤr ihre Kinder beſtimt. Und noch werden die Japaner ſo ſehr von den Vortheilen des verbotenen Handels hingeriſ - ſen, daß man binnen ſechs bis ſieben Jahren auf 300 zaͤhlt, die blos wegen des Schleich - handels mit den Sineſern, einige wenige mit uns, ihr Leben eingebuͤßt haben. Sie pflegen nemlich den abgefahrnen ſineſiſchen Junken nachzuſeegeln und ihnen ihre noch unverkaufte Guͤter abzuhandeln. Waͤhrend meines zweijaͤhrigen Aufenthalts in Japan ſind uͤber funf - zig Schleichhaͤndler umgekommen, die ſich theils, da ſie erhaſcht worden, ſelbſt ermordet haben, theils auch von des Buͤttels Hand ſowol oͤffentlich als im Gefaͤngnis hingerichtet worden. Noch in dieſem 1691 Jahr muſten zwei Japaner auf Deſima vor unſern Augen ſterben, weil ſie von einem Hollaͤnder nur ein Pfund Kampher von Baros gekauft hatten, welches bei dem einen gefunden wurde, der eigentlicher Kaͤufer war und dem der andre nur das Geld zum Ankauf geliehen hatte. Jch wil mit Befchreibung ihrer Exekution dieſes mit ſo vielen unangenehmen Dingen angefuͤlte Kapitel beſchließen, wenn wir nur vorher erſt unſre Schiffe haben abfahren laſſen.

Wenn der Tag der beſtimten Abfarth herannahet, werden die Schiffe eins nach dem andern beladen, zulezt auch die bis dahin bewahrte Waffen wieder gebracht und alle Perſo - nen nach der alten Liſte wieder gemuſtert. Jſt ein Schiff auf dieſe Art expedirt, ſo muses120Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. es ſich ſogleich zwei Meilen von der Stadt bis an das aͤußerſte Ende des Hafens entfernen, und daſelbſt warten, bis das lezte Schiff auch auf eben die Art abgefertigt iſt. Bei deſſen Ankunft werden dann alle unſre Schiffe von den japaniſchen Waͤchtern in die offene See begleitet, die ſich bis dahin theils auf unſern Schiffen theils um dieſelbe in Wachtboten be - finden, und erſt, wann ſie eine betraͤchtliche Entfernung vom Hafen erreicht haben, uns verlaſſen. Jſt ein Sturm oder widriger Wind unſrer Ausfuhr entgegen, ſo werden eine große Menge Kaͤhne und Boote, mit Ruderknechten beſezt, an ein langes an unſerm Schiffe beveſtigtes Thau angebunden, und dadurch eines unſrer Schiffe nach dem andern mit ausnehmender Arbeit und beſtaͤndigem Rudern aus dem Hafen herausgeſchlept, damit der Kaiſerliche Befehl, allen See - und Lufgoͤttern zum Trotze, aufs genaueſte zur beſtimten Zeit volzogen werde.

Die vorhererwaͤhnte Exekution geſchah nun auf folgende Art: Am zehnten Decem - ber gleich mit Anbruch des Tages lies der praͤſidirende Stathalter, ehemals Ginſejemon jezt Tſino Cami genant, unſerm Reſidenten durch den Ottona andeuten, er ſolle ſich nebſt allen ſeinen Untergebenen bereit halten, die Beſtrafung des Delinquenten anzuſehn. Eine Stunde nachher kam die ganze Schaar von Dolmetſchern, Hauswirthen, Koͤchen und alles Geſchleppe dieſer Jnſel, zuſammen gegen 200 Perſonen. Voran wurde auf einer Stange eine Tafel getragen, auf der mit großen Charactern, die man auch in der Ferne leſen konte, die Urſache der zu verhaͤngenden Todesſtrafe angezeigt war. Hierauf folgten die beiden De - linquenten mit Schergen und Buͤtteln umgeben. Der erſte war ein ſchlechtgekleideter drei und zwanzigjaͤhriger Menſch, bei dem man den Kampher gefunden hatte, der andre ein wohlgekleideter vierzigjaͤhriger Mann, der jenem, ſeinem ehemaligen Bedienten, nur das Geld zum Schleichhandel geliehen hatte. Unter den Schergen trug der eine ein in die Hoͤhe gerichtetes Jnſtrument, das ohngefehr wie eine Harke ausſah, aber ſtat der Zinnen mit gewundenen eiſernen Angeln beſezt war, womit man Fluͤchtige anhalten kan, weil ſich die Kleider an die Angeln befeſtigen. Ein anderer trug auch an einem Stiel ein ſcharfes und in Form eines halben Monds gebogenes Jnſtrument, das man zum Schneiden, Hauen, Stechen ſehr bequem gebrauchen, auch jemand damit an die Wand feſte druͤcken kan. Dann folgten zwei Hof bedienten der Stathalter, als Commiſſaires bei dieſer Handlung, mit einem großen Gefolge ihrer Diener, und in einiger Entfernung auch zwei Secretairs.

Jn dieſer Ordnung gieng der Zug queer durch unſre Jnſel auf einen ledigen zur Exekution beſtimten Plaz. Unſre Schiffe waren damals abgefahren, und wir hier gebliebne ſieben Hollaͤnder hatten uns vorgenommen, die Hinrichtung nicht mit anzuſehn. Aber der Herr Reſident hielt doch fuͤr beſſer, daß wir hingiengen, weil er gehoͤrt hatte, daß man uns ſonſt mit Stoͤcken herbeiholen wolle. Jch verzog daher auch nicht, mich einzufinden, und fand die Delinquenten mitten auf dem Platze, einen vor den andern knieend; ihre Haͤnde wa -ren121Acht. Kap. Nachrichten von dem hollaͤndiſchen Handel in Japan. ren auf den Ruͤcken gebunden, und ihre Schultern entbloͤſt. Jedem ſtund ſein Buͤttel zur Seite, bei den Vorderſten ein Gaͤrber, (denn dieſe Leute verrichten hier gemeiniglich das Amt der Buͤttel) bei dem Hintern ſein beſter Freund, den er nach der Landesſitte erſucht hatte, ihm dieſen lezten Liebesdienſt zu erweiſen. Zwanzig Schritte von dieſem Ungluͤklichen ſaßen auf einer Bank die Commiſſarien, auf einer andern die Secretarien, und noch eine dritte Bank war fuͤr den Herrn Reſidenten beſtimt, der aber nicht erſchien. Alle uͤbrige Zuſchauer ſtanden wo ſie wollten. Jch hatte mich, mit meinem japaniſchen Bedienten, dicht hinter den lezten Suͤnder geſtelt, wo ich, unterdes man die uͤbrigen Hollaͤnder herbei - holte, einen artigen Diſcours unter den beiden Delinquenten anhoͤrte. Der aͤltere und vorderſte nemlich baͤtete murmelnd ſein Quanwon jo (ein Gebaͤt zu dem hunderthaͤndigen Briareus, auf japaniſch Quanwon, das aus Fatzno maki genommen iſt, dem achten Theil des großen Buchs Fake Kjo, das aus 48 Buͤchern beſteht,) daruͤber beſtrafte ihn der juͤngere und hinterſte mit dieſen Worten: Jhr ſoltet euch auch ſchaͤmen, daß ihr euch ſo furchtſam anſtelt. Der Aeltere: Ey nun, ich baͤte nur ein wenig. Der Juͤngere: Zum Baͤten habt ihr vorhin Zeit genug gehabt, jezt dient es zu nichts als euch wegen eurer Feigheit ſchamroth zu machen, wenn ſie die Hollaͤnder bemerken. Hier - auf wurde der Alte auch ſtil.

Jn dem Augenblik, da die uͤbrigen Hollaͤnder auf den Platz traten, hieb jeder Buͤttel ſeinem Mann mit einem kurzen Saͤbel den Kopf ab, daß beide zugleich vor ſich uͤber - fielen. Die Koͤrper wurden jeder in eine grobe Schilfmatte und die Koͤpfe zuſammen in eine dritte gewunden und von der Jnſel nach dem Galgenfelde bei einem vor der Stadt lie - genden Dorf Mangome gebracht. Hier verſuchen die jungen Leute, wie man mir ſagt, die Schaͤrfe ihrer Schwerdter ſo lange an den Koͤrpern, bis ſie ganz in kleine Stuͤcke von eines halben Fingers Laͤnge zerhauen ſind, da es dann erlaubt iſt ſie zu begraben. Die Koͤpfe aber werden zum oͤffentlichen Schrecken ſieben Tage lang auf Pfaͤhlen aufgeſtelt. Der uͤbrige Zug marſchierte in voriger Ordnung wieder ab. Unſer Reſident gieng auf der Kreuz - gaſſe den Commiſſarien und hernach auch den Secretairs entgegen, dankte fuͤr die gehabte Bemuͤhung und lud ſie ſehr freundlich auf eine Pfeiffe Toback ein. Er bekam aber dagegen einen harten Verweis und die Warnung, er ſolle nur ſorgen, daß kuͤnftig ſeinen Untergeb - nen nicht ein Gleiches begegne. Dies war das erſtemal, daß unſre Jnſel mit Menſchen - blut beſpruͤzt und eingeweihet wurde.

Zweiter Band. QNeun -122

Neuntes Kapitel. Vom Handel der Sineſen auf Japan, und wie man ſie hier behandelt.

Die Sineſen haben von je her gewoͤhnlich ihre Landeswaaren, und ſonderlich ihre rohe Seide (die daher auch bei den Griechen und Lateinern den Namen Seres bekom - men) durch die Morgenlaͤndiſche, meiſtens Oſtwaͤrts von Sumatra und Ma - lacca liegende Jnſeln und Koͤnigreiche verfuͤhrt, auch ſich daſelbſt niedergelaſſen, weil, als ſie bei dem lezteren Kriege unter die tatariſche Bothmaͤßigkeit geriethen, ſie ſich den Zwang nicht gefallen laſſen wolten, ihre Haare gleich den Tataren abzuſcheeren, ſondern viel lieber deshalber aus ihrem Lande flohen. Eben ſo haben ſie auch jederzeit nach Japan Handel getrieben, wiewohl es ſparſam und mit kleinen Schiffen geſchehen muſte, weil die Sineſi - ſchen Reichsgeſetze ihren Unterthanen den Beſuch fremder Laͤnder und Nationen durchaus nicht erlaubten, daher denn auch nur die Bewohner der Seekuͤſten und Graͤnzinſuln die Ge - legenheit nutzen konten, um verborgener Weiſe und gegen das Geſez zu andern Voͤlkern uͤberzuſchiffen. Seit dem indeſſen unter der neuen tatariſchen Regierung des jeztlebenden Kaiſers die freie Ausfahrt und Handlung mit fremden Voͤlkern allen Unterthanen verſtattet worden, ſo werden nunmehro auch ihre Waaren haͤufiger an andere Oerter und beſonders in das benachbarte Japan uͤberbracht, weil unter beiden Nationen eine Gemeinſchaft der Religion, Schriften, gelehrten Sprache und Wiſſenſchaften herſcht die ſie fuͤr einander duldend und vertraͤglich macht. Ehedem landeten ſie in dem Oſacciſchen und andern be - ſchwerlichen untiefen Haͤfen, bis die Portugieſen einen bequemeren bei Nangaſacki entdek - ten, in welchen ſie nachmals durch eine von den inlaͤndiſchen Kaufleuten ausgewirkte kaiſer -liche123Neunt. Kap. Vom Handel der Sineſen auf Japan. liche Verordnung einzig und allein, (ſo wie alle Auslaͤnder,) einzulaufen und in der Stadt ihren Marktplaz zu halten verbunden waren. Und ſo trieben denn ſo wohl die Sineſer, welche durch alle Jnſuln und Laͤnder an der Oſtſeite des Ganges zerſtreuet waren als die Eingebohrnen verſchiedene Jahre den freien Handel, theils fuͤr ihre eigene Rechnung, theils auch in Commiſſion ihrer Koͤnige oder Landeshetren, und kamen mit ſo vielen Schiffen, Waaren und Volk nach Japan, als ſie wolten. Vergnuͤgt uͤber eine ſolche Freiheit ließen ſie ſich zum Theil alhier wohnhaft nieder, erbaueten nach dem Unterſchiede ihrer Landes - ſprache drei Tempel und beſezten dieſelben mit Pfaffen aus ihrer Nation. Es nahm die Ueberkunft der Sineſen und ihrer Jonken in kurzem ſo ſtark zu, daß die vorſichtigen und argwoͤhniſchen Japaner einen Verdacht daraus ſchoͤpften; denn ſo langten die Sineſen 1683 und 1684, (um nur bei den lezteren Jahren ſtehen zu bleiben,) nach und nach mit 200 Jon - ken in einem Jahre, jede mit nicht weniger als 50 Mann, (an ſtat, daß es fuͤr jezt nur 30 ſeyn duͤrfen,) beſezt, zu Nangaſacki an, welches alſo fuͤr ein Jahr eine Anzahl von 10,000 Perſonen ausmacht; nicht zu gedenken, daß bisweilen verſchiedene Jonken mit 100 Men - ſchen erfuͤlt kamen, unter denen ſodan die mehreſten als Paſſagiers, die fuͤr ihr Privatin - tereſſe Waaren verkaufen wolten, andere aber auch wohl aus Luſt ſich mit uͤberfuͤhren ließen. Leztre waren junge, reiche Sineſer, welche zu Nagaſacki ein Stuͤk Geld an den Mann, oder, daß ich recht ſage, an das Frauenzimmer zu bringen gedachten, als welches in Sina nirgend fuͤr Geld, wohl aber in Japan uͤberal feil iſt, und auch unter andern der Stadt Nagaſacki eine gute Nahrung verſchaft. Jn dem beruͤhrten lezteren Jahre fand ſich ſo gar ein tatariſcher Mandarin in vollem Staate, als ein Haupt uͤber ſechs Jonken, ein; er muſte ſich aber mit denſelben bald wieder wegbegeben, weil man ihm wiſſen lies, daß in Japan keine andere Haͤupter und Mandarinen als eingebohrne geduldet wuͤrden. Die Freiheit, welche die Sineſen bisher genoſſen, wurde uͤberhaupt immer mehr eingeſchraͤnkt. Es hatten die Japaner in Erfahrung gebracht, daß der in Sina regierende tatariſche Kaiſer den Jeſuiten, dieſen geſchwornen und aus Japan verbanneten Feinden des Reichs, einen großen Zutrit vergoͤnne und ihnen verſtatte, ſeine Unterthanen von dem Heidenthum abzu - wenden; daß die in Sina gedrukte Jeſuitiſche Schriften unter andere jaͤhrlich nach Ja - pan eingebrachte Buͤcher verſtekt wuͤrden, und unter die Leute geriethen, wodurch dieſelbe, wie man meinte, gar leicht eingenommen und zum Chriſtenthum verleitet werden koͤnten; daß endlich auch die Sineſer ſelbſt in den Verdacht kaͤmen, Bekenner der Jeſuitiſchen Leh - ren und Roͤmiſche Chriſten zu ſeyn. Alles dieſes bewog die Regierung zu dem Schluſſe, die bisherige Freiheit der Sineſiſchen Nation zu beſchraͤnken, und ihnen, eben ſo gut als den Hollaͤndern, im Handel und Wandel Maas und Ziel zu ſetzen. Zur Ausfuͤhrung da - von gab die Ueberkunft des erwaͤhnten Mandarins ſo wohl, als die jaͤhrlich anwachſendeQ 2Menge124Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Menge der wegen des Chriſtenthums verdaͤchtigen ſineſiſchen und tatariſchen Gaͤſte gar bald den beſten Vorwand.

Was demnach zuerſt die Reformation ihres bisherigen freien Handels betrift, ſo wurde dieſelbe noch in dem Jahr 1685 vorgenommen. Man ſchrieb ihnen, wie den Hol - laͤndern, eine gewiſſe Summe des Waarenabſatzes vor, indem man ihnen naͤmlich zuer - kante, insgeſamt jaͤhrlich von ihren angebrachten Guͤtern nicht mehr zu verkaufen, als fuͤr den Werth von 600 Kiſten Silbers, d. i. 600,000 Sjumome oder Thails, welches 21 hol - laͤndiſche Tonnen Goldes, uͤberhaupt aber noch einmal ſo viel betraͤgt, als was den Hollaͤn - dern zum Tarif des Verkaufs geſezt iſt. Da nun die Japaner den Ueberſchlag machten, daß an ſineſiſchen Jonken zu Nagaſacki jaͤhrlich ſiebzehn aus der Provinz Hokſju oder Foktſju, auch Fuekuiſju; ſechzehn aus der Stadt und Provinz Nanking; ſieben aus der Stadt und Provinz Cantoo oder Canton; fuͤnf von Nefa; vier von Sintſjeu: vier von der Jnſel Aimo und den umliegenden Ufern des feſten Landes; drei von Kootz oder Kootſja; drei aus dem Reiche Sjam oder Sijam; zwei aus dem Koͤnigreiche Tun - kin; zwei von Cammon; zwei aus dem Koͤnigreiche Cabotſja oder Cambodia; zwei von Takkaſaggo oder Taywaan der Jnſel Formoſa; ein von Fudaſan, welches unter Foktſju liegt, woſelbſt ein beruͤhmter Quanwontempel iſt; ein aus Kootſji oder Coſjin ſjina; ein aus Tanj, eine der groͤßeſten Jnſeln Rjuku; mithin in allem ſiebenzig Jon - ken einkommen koͤnten,*)Scheuchzer hat ſtat ſieben aus Cantoo, fuͤnf, und ſezt am Ende hinzu, daß noch verſchie - dene andere ſineſiſche Jonken nach Japan kaͤmen, von denen man keine genaue Nachricht habe; wel - cher Zuſaz nach den Angaben der Handſchriftenunnoͤthig, da nach denſelben die Anzahl 70 genau herauskomt. Der franzoͤſiſche Ueberſetzer hat: ſieb - zehn aus der Stadt und Provinz Nanking und be - ruͤhrt die erſten ſiebzehn aus der Provinz Hockſju gar nicht. ſo wurde ihnen mit dieſer Anzahl die auf obige Summe beſtimte Waaren zum Verkauf einzufuͤhren erlaubt. Doch lies man außerdem noch eine Jonke von Sjakkattara oder Batavia und ein von Poking oder Peking als untergeſtekt paſſiren, wenn etwa eine oder andere unterwegs zuruͤkbliebe, verungluͤkte oder ſonſt zu ſpaͤt mitkaͤme. Eben hierunter aber gehen ſehr oft Unterſchleife vor, indem manchmal einige, die im Fruͤh - jahr nach gehaltenem Verkauf zuruͤkfahren, ihre Schiffe mit friſcher Farbe und Fuͤrnis uͤber - ziehen, und darauf alsbald zum andern mal mit anderm Volk und Waaren gleich wieder erſcheinen, und gluͤklich paſſiren, ohne daß der Betrug entdekt wird; einige pflegen auch wohl, fuͤrnemlich, wenn ſie im Fruͤhjahre auslaufen, ſich mit allem Vorſaz auf Satzuma zu verſchlagen, und in der Geſchwindigkeit da ihre Waaren zu verkaufen, alsdenn ſo fort zuruͤkzueilen, um zum zweitenmal ihr Schif mit einer neuen Ladung zu verſehen, und da - mit nach Nagaſacki zu kommen; in dem Falle aber, daß ſie etwa auf der Farth nachSatzuma125Neunt. Kap. Vom Handel der Sineſen auf Japan. Satzuma von den japaniſchen Kapern (die zur Verhuͤtung des Schleichhandels an den Ufern umher kreuzen) wirklich betroffen wuͤrden, geben ſie vor, als haͤtten ſie ungern und unwiſſend des rechten Weges verfehlt, und lenken ſich ſodan wieder auf den Nagaſackiſchen Hafen, mithin auf die erlaubte Straße.

Die Einſchraͤnkung der Sineſen, die ſich zweitens auf ihre eigene Perſonen be - ziehet, da man ihnen naͤmlich, gleich den Hollaͤndern, einen beſondern Ort ihres Aufent - halts angewieſen, verzoͤgerte ſich noch drei Jahre bis 1688. Der neulich in Ungnade ge - fallene Einnehmer der kaiſerlichen Einkuͤnfte, Sije Sjugu Feſo hatte auf einem platten Huͤgel am Ufer und Winkel des Nagaſackiſchen Hafens von einem dem Kaifer gehoͤrigen Platze (der halb ſo gros als die Jnſel Deſima iſt) einen koſtbaren Luſtgarten angelegt, den er bisher mit in - und auslaͤndiſchen Pflanzen zur ſonderbaren Zierde unterhalten; dieſen Plaz bauete man ſo geſchwind als moͤglich inwendig mit verſchiedenen Reihen kleiner Haͤuſer von Holz, und zwar jede Reihe unter ein algemeines Dach, aus, und befeſtigte ihn aus - wendig mit Graͤben, hoͤlzernen Gittern, gedoppelten Thoren und einer ſtarken Wache, ſo, daß das ganze Revier, das noch im Anfange des Februars die Augen mit den angenehm - ſten Luft - und Blumengarten ergoͤzte, ſchon im Maimonat die abſcheuliche Geſtalt eines Kerkers hatte, der nun fuͤr die ſineſiſche Nation zur Verwahrung und Wohnung dienen muſte, und wofuͤr ihr jaͤhrlich ein Miethgeld von 1600 Thails zu bezahlen auferlegt wurde. So gut alſo als die Hollaͤnder auf Deſima, ſitzen die Sineſen die Zeit ihrer Anweſenheit uͤber an dieſem Orte eingeſpert, und laſſen ſich aus Liebe zum Gewin eine ſo verdriesliche Behandlung gefallen; jedoch mit dem Unterſchied: 1) Daß die Sineſen nicht, wie die Hollaͤnder, die Gnade haben, jaͤhrlich vor den kaiſerlichen Thron zur Audienz gelaſſen zu werden; wiewohl ſie dagegen freilich die Koſten einer drei monatlichen Hofreiſe und fuͤr die vielen Geſchenke an den Kaiſer und ſeine Raͤthe im Beutel behalten. 2) Daß ihnen aller - hand Lebensmittel taͤglich an den Eingang ihrer Thorpforten feil gebracht und ausgeſezt wer - den, an ſtat die Hollaͤnder zu deren Einkauf an eine beſondere Geſelſchaft Japaniſcher Lie - feranten gebunden ſind: 3) Daß ihnen von ihren Japaniſchen Aufſehern und Dolmet - ſchern weit ſchlechter, ja wohl gar, wenn etwas verſehen iſt, mit Schlaͤgen begegnet wird, weil man ſie nicht als eine Compagnie, ſondern als bloße Privatkaufleute betrachtet, unter denen ſich zuweilen wegen eines jeden eigennuͤtziger Denkungsart mehrere Mishelligkeiten her - vorthun: 4) Daß ſie keine beſtaͤndige Reſidenten und Sachwalter in Japan haben koͤnnen, ſondern ſaͤmtlich mit ihren Jonken abreiſen, die Wintermonate muͤßig verſtreichen, und ihre Wohnungen leer ſtehen laſſen muͤſſen.

Der Verkauf ihrer Waaren geſchiehet zu drei verſchiedenen Jahrszeiten; der erſte im Fruͤhjahr von den zuerſt ankommenden zwanzig Jonken: der zweite im Sommer von 30,Q 3und126Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. und der dritte von 20 Jonken im ſpaͤten Herbſt. Die, ſo nach dieſen 70 Jonken in ein und eben dem Jahre anlangen, muͤſſen unverrichteter Sache wieder zuruͤkreiſen.

Jhre Ladungen beſtehen in roher Seide aus Sina und Tunquin, auch in ſeide - nen und baumwollenen gewebten Stoffen von vielerlei Sorten und Namen, ſo wie ſie die Hollaͤnder ebenfals anbringen, und wie im vorigen Kapitel angefuͤhrt worden; ferner in Zu - cker aus verſchiedenen Laͤndern; in Galmeykupfer aus Tunkin: in Terpentin aus wilden Piſtatienbaͤumen: in Gummilack, Myrrhen, Agat und Calambakholz aus Tſiampa, Cambodia und den anliegenden Laͤndern; in dem theuren Kampher von Baros aus der großen Jnſel Borneo; ſo fuͤhren ſie auch die koſtbare Coreiſche Wurzel Niſin, oder die wilde Zuckerwurzel, desgleichen vielerlei Materialien und zuſammengeſezte Arzeneien, die taͤglich zum noͤthigen Gebrauch erfordert werden, auch zulezt und hauptfaͤchlich noch allerhand in Sina gedrukte philoſophiſche und theologiſche Buͤcher ein. Seitdem man entdekt hat, daß ſich unter dieſen Buͤchern, wie oben bereits gemeldet, einige uͤber die Lehren der roͤmi - ſchen Kirche mit eingeſchlichen, ſo betraf den zuerſt ertapten Ueberbringer, (bei dem vielleicht Unwiſſenheit ſtat hatte) das Urtheil, daß er es nicht allein mit einem Eide bekraͤftigen mu - ſte, wie er weder ſelbſt ein Chriſt ſey, noch mit Wiſſen und Willen dergleichen Buͤcher ein - gebracht habe, ſondern auch, daß er uͤberdem nichts von ſeinen Waaren verkaufen durfte, vielmehr mit ſeiner vollen Ladung ſchlechterdings wieder zuruͤkzukehren gehalten wurde; ja man machte hierauf das Geſez, daß hinfuͤhro alle eingefuͤhrte Buͤcher vor dem Verkauf durch - ſucht, von jedem ein Exemplar durchleſen und unter die Cenſur genommen werden ſolle; der Kaiſer ſezte zu dem Ende zwei alhier wohnende gelehrte Maͤnner mit einer jaͤhrlichen Be - ſtallung an, deren der eine der Prior des Kloſters Sjutokus iſt, und der die theologiſchen Schriften durchſehen und beurtheilen mus, der andre aber ein auf Tatta jamma ſich auf - haltender Sjutoiſcher Philoſoph auch Arzt des Dairi, wie er ſich nent, der mit langen hinten zuſammengebundenen Haupthaaren nach der gewoͤhnlichen Manier der Weltweiſen, Aerzte und Wundaͤrzte einhergeht; dieſer hat die Cenſur der philoſophiſchen und anderen weltlichen Buͤcher.

Die bei dem Verkauf uͤblichen Vorkehrungen ſind bei ihnen faſt die naͤmlichen, wie bei den Hollaͤndern, und kan ſolches aus dem vorigen Kapitel erſehen werden. Nur iſt dabei dieſes Beſondere, daß, da in Anſehung ihrer kuͤrzeren Seereiſen und geringeren Ko - ſten ein groͤßerer Zol auf ihre Waaren nemlich 60 Procent geſezt worden, welche die Kaͤufer an die Regierung zur Austheilung unter die Bedienten und Buͤrger der Stadt zu entrichten haben, ſie auch in einem weit wohlfeilern Preiſe als die Hollaͤnder den Markt halten muͤſſen, wenn ſie Abſaz haben wollen. Außerdem ſind ſie noch gehalten, ihr geloͤſetes Geld nicht mehr, wie einige Jahre her, an Kupfer und Silber, ſondern blos an Kupfer und Ma -nufak -127Neunt. Kap. Vom Handel der Sineſen auf Japan. nufakturwaaren anzulegen, und duͤrfen ſie nicht einen einzigen baaren Jtzebo (oder japaniſchen Heller) aus dem Lande mitnehmen.

So bald eine Jonke von der mitgebrachten Ladung ihren beſtimten Theil verkauft hat, wird ſie mit ihrer Funaban, oder einer japaniſchen Wachtbarke, welche ſich hinter jedes ankommende Schiff legt, wieder aus dem Hafen weg und in die offene See begleitet, nachdem Tages vorher der Seegoͤtze Puſe oder Boſſa mit Schellen-und Cymbelſpiel aus dem Tempel, wohin man ihn gleich bei der Ankunft gebracht hatte, wiederum abgeholt und auf die Jonke geſtelt worden. Dieſen Boſſa, ein den Japanern unbekanter Goͤtze, fuͤhren die ſineſiſchen Kaufleute und Schiffer mit ſich, und thun ihm, wenn ſie in Gefahr kommen, viele Geluͤbde; alle Abend werden, ihm zu Ehren, unter einem klingenden Getoͤſe auf Gloͤkgen und Schuͤffeln, vergoldete Papiere angezuͤndet und in die See geworfen: auch, nach gluͤklich volbrachter Reiſe, und fuͤrnemlich, wenn es ihm etwa angelobet worden, Weijangs oder Comoͤdien bei Nachte auf oͤffentlichen Gaſſen geſpielt. Auch ſagt man, ſchlachteten ſie ihm zum Opfer Schweine und andere Thiere, wovon ſie alsdenn das Fleiſch ſelbſt verzehrten, außer nur keine Kuͤhe, die ſie aus einer Art von heiliger Verehrung nicht eſſen.

Da uͤbrigens die ſineſiſchen Kaufleute gemeiniglich mit vielen unverkauften Guͤtern wieder abreiſen, ſo pflegen ſie bisweilen auf der See die japaniſchen Schleichhaͤndler abzu - warten und dieſen den Reſt ihrer Waaren wohlfeil zu verkaufen, die denn aber oͤfters von den umher kreuzenden Wachtbarken ertapt und zu Nagaſacki dem heiligen Gericht uͤbergeben werden; wie ich denn nicht lange nach meiner Ankunft, nemlich am 29 Nov. 1690 davon ein Exempel ſahe, da aus einem Fahrzeuge 11 Perſonen ergriffen, zur gefaͤnglichen Haft ge - bracht und in wenigen Tagen darnach enthauptet wurden; am 28 December des folgenden Jahrs, um viele andere Beiſpiele zu uͤbergehn, brachte man auf einmal 23 Perſonen, da - von man zehn mit dem Schwerdt hinrichtete, und die uͤbrigen kreuzigte, fuͤnf unter ihnen brachte man todt und eingeſalzen auf den Richtplaz, welche, als ſie gefangen worden, ſich den Bauch aufgeſchnitten und ſich alſo ſelbſt entleibt hatten.

Noch verdient es, der in der großen Provinz Satzuma zum japaniſchen Handel zugelaſſenen und jaͤhrlich ankommenden Kaufleute aus den Jnſeln Rjuku oder Liquejo zu gedenken. Alle die Jnſeln, welche von beruͤhrter Provinz Satzuma bis an die Philip - pinen Suͤd-Weſtwaͤrts ablaufen, werden bei ihnen mit dieſem Namen belegt. Es reden dieſe Fremdlinge eine verdorbene ſineſiſche Sprache, womit ſie ihre Abkunft aus Sina be - zeugen, haben auch unter ſich noch viele, die wirklich in Sina gebohren und bei dem lezten Einbruch des Tatariſchen Chans in dieſe Jnſeln gefluͤchtet und von ihren alten Landesleuten zu Mitbuͤrgern aufgenommen ſind, mit denen ſie außerdem ſchon durch ihre Schiffarth undHand -128Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Neunt. Kap. ꝛc. Handlung Bekantſchaft gemacht hatten. Der Koͤnig von Satzuma hat dieſe Jnſeln vor einigen hundert Jahren durch die Waffen unter ſeine Botmaͤßigkeit gebracht, und ſie bis dahin, vermittelſt einer gelinden Regierung, unter ſeinem Gehorſam erhalten. Die Ein - wohner erkennen denſelben als ihren Ueberwinder, an deſſen daſelbſt reſidirenden Bugjo ſie einen jaͤhrlichen geringen Tribut von ihrem Ackerbau, ſo wie an den Tatariſchen Kalſer in Sina ein jaͤhrliches Kontributionsgeſchenk entrichten. Doch wollen ſie den Kaiſer von Ja - pan nicht fuͤr ihr hoͤchſtes Oberhaupt erkennen. Sie werden daher auch, ob ſie gleich ge - wiſſermaßen keine Auslaͤnder ſondern japaniſche Unterthanen ſind, in Anſehung der Hand - lung als Fremde und Auslaͤnder betrachtet. Sie duͤrfen nur in dem Hafen von Satzuma mit ihren Jonken erſcheinen und fuͤr die Summe von 125000 Tails jaͤhrlich verkaufen, wie - wohl ihnen zu einem weit groͤßern Abſaz durch die Finger geſehen wird. Jhre Waaren, die ſie einfuͤhren, ſind allerhand ſeidene Stoffe und andere angenehme Artikel aus Sina, von da ſie ſelbige abholen; ſodann auch einige Produkte ihres eigenen Grund und Bodens, als: Getraide, Huͤlſenfruͤchte, eine Art ſtarken Brantweins, Awa Muri genant, den ihre Landleute aus der uͤberfluͤſſigen Hirſe brennen; ferner: Takara gai und Fime, d. i. Klei - nod-und Jungfrauen-Muſcheln, durch ganz Jndien Cauris genant, die in Bengalen und Siam ſtat der Scheidemuͤnze gebraucht und aus den Maldiviſchen Jnſeln gebracht, in Ja - pan aber zu einer weißen Farbe bereitet werden, womit ſich Knaben und Frauenzimmer ſchmuͤcken; ſodann plat geſchliffene durchſichtige Muſcheln, deren man ſich des Winters zu Schiebfenſtern wider den Regen bedient; und endlich auch noch, außer wenigen andern Sachen, rare Blumen und Pflanzen in Toͤpfen zur Ergoͤtzung der Liebhaber.

Zehntes129

Zehntes Kapitel. Einige Plakate, Paͤſſe und Freibriefe, derer im vorigen gedacht worden. *)Alle in dieſem Kapitel befindliche kaiſer - liche Befehle ꝛc. habe ich in der Schreibart unge -aͤndert gelaſſen, ſo wie ſie Kaͤmpfer woͤrtlich aus der japaniſchen Urſchrift uͤberſezt hat.

I.

Gosju ju, d. i. Patente unter dem rothen Kaiſerlichen Siegel ausgefertigt von dem Kaiſer Gonggingſama, (der bei ſeinen Lebzeiten Ongoſchio Sama hies,) an Jakob Spex, zum Nutzen der vereinigten Hollaͤndiſchen Kompagnie deutſcher Kaufleute, ſo auf Oſtindien handelt und ihre Faktorei zu Firando hat.

Alle deutſche Schiffe, die da in mein Kaiſerthum Japan kommen, an welcherlei Ort oder Hafen ſie auch einlaufen, thun wir hiedurch allen und jeden unſerer Unterthanen anbefehlen, dieſelben auf keinerlei Weiſe zu beunruhigen, noch ihnen verhinderlich zu ſeyn, ſondern im Gegentheil dahin zu ſehen, ihnen auf alle Weiſe zu helfen, zu beguͤnſtigen und beizuſtehen. Ein jeder ſoll dahin ſehen die Freundſchaft beizubehalten, welche uns zu verſi - chern beliebt hat, unſer Kaiſerliches Wort dieſem Volke zu geben, und ein jeder ſol Sorge tragen, daß meine Befehle und Verheißungen unverbruͤchlich gehalten werden. Datirt (nach japaniſchem Styl) den 25ten Tag des 7ten Monats, welches war der 30te Au - guſt 1611.

EsZweiter Band. R130Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Es ſind dieſe offene Briefe mit dem rothen Siegel in der XX Kupfertafel, Fig. 2. 3. zu finden.

II.

Jm Jahre 1617 wurden auf neues Anhalten der Deutſchen, (oder vielmehr der Hollaͤnder) dergleichen offene Briefe unter dem rothen Siegel faſt in eben dergleichen Aus - druͤcken abgefaſſet von des Ongoſchio ſamas Nachfolger, dem Kaiſer Taitokoujnſama an Henrich Brouwer gegeben, welcher der Urſache halber als Abgeſandter an denſelben geſchikt war. Jn der XX Kupfertafel Fig. 4.

Jch merke bei dieſer Gelegenheit an, daß, weil die Japaner den Buchſtaben L nicht recht ausſprechen koͤnnen, ſie dagegen ein R gebrauchen, und Horanda an ſtat Ho - landa ſchreiben. Fanrei Borowara iſt der Name des Abgeſandten Henrich Brou - wers nach japaniſcher Art ausgeſprochen.

Zu den Anfangsworten Gosju Jn, die, wie ſchon angemerkt, das rothe Kaiſer - liche Siegel bedeuten, wird es nicht undienlich ſeyn zu wiederholen, daß 1) mit dem Go uͤberhaupt das Merkmahl von etwas Großem und Anſehnlichen, ganz beſonders aber noch die hohe Hoheit des Kaiſers als des hoͤchſten Monarchen von ganz Japan ausgedruͤkt wird; daß 2) das Sju roth; und 3) Jn, ein Siegel heißet; ſo, daß Gosju Jn ſo viel ſagen wil, als: ſeiner hohen Hoheit rothes Siegel.

Das rothe Siegel des Kaiſers Ongoſchioſama iſt in der XX Kupfertafel Fig. 3. und das von ſeinem Nachfolger im Reiche dem Taitokujinſama in der 4ten Fig. derſelben Tafel vorgeſtelt.

III.

Kaiſerliche Befehle, geſandt von den Staatsraͤthen an den Prinz von Firando, das Gewerbe der Deutſchen oder der Hollaͤnder daſelbſt betreffend.

Jn Eile ſenden wir Unſre Worte zu Euch. Die deutſchen Schiffe ſollen ihre Hand - lung zu Firando beſorgen, nach dem Belieben ihres Schiffskapitains, wie ſie vor dem thaten.

Ob wir dieſes gleich nicht jedes Jahr befehlen, ſo ſolt ihr doch jetzo ein vor allemal wiſſen, daß euch obliege Sorge zu tragen, damit die Deutſchen die Lehre ihrer Vaͤter nicht ausbreiten, dieſes belieben wir euch zu befehlen.

Wir ſind in unterthaͤnigſter Unterthaͤnigkeit, die mit Reſpect reden.

Poſt -
Tab XX.
131Zehnt. Kap. Einige Plakate, Paͤſſe und Freibriefe.

Poſtſcript oder vielmehr Zwiſchenſchrift:

Die Kaufleute von Miaco und Sakai ſollen gleichfals an Eure Stelle kommen, und handeln nach eigenem Gefallen. Hieran geſchiehet unſer guter Wille, wenn’s geſchieht.

Dirigirt zu Matſura Fiſinno Cami Donno Fito. Fito (d. i. eines Mannes Mann.)

Gezeichnet

Doji Oje Stofske. (L. S.) Nagakatz. Ando Tſußimano Cami. (L. S.) Sigenobus. Jtakura Jngano Cami. (L. S.) Katzuge. Fonda Sinano Stofske. (L. S.) Maſſatſungu.

IV.

Godſiomoku. Gemeſſener Kaiſerlicher Befehl.

  • 1) Unſere Kaiſerliche Vorfahren haben, Euch Deutſche belangend, befohlen, daß ihr ſolt Erlaubnis haben, nach Nangaſacki zu kommen, um jegliches Jahr mit den Japa - nern zu handeln. Derowegen, wie wir euch hiebevor befehligt haben, ſolt ihr keine Ge - meinſchaft mit den Portugieſen haben. Wo ihr dergleichen wuͤrdet haben, und wir wuͤrden es aus fremden Landen in Erfahrung bringen, ſo ſol euch die Schiffarth auf Japan verbo - ten ſeyn.
  • Jhr ſolt keine portugieſiſche Waaren an Bord eurer Schiffe ins Reich bringen.
  • 2) Wenn ihr nicht Vorhabens ſeyd, euch ſelbſt in eurer Schiffarth und Hand - lung auf Japan zu beunruhigen, ſo ſollet ihr uns kund thun von euren Schiffen, wovon ihr Kundſchaft eingezogen habt von einigen Beeintraͤchtigungen oder Verſuchen der Portugieſen gegen uns. Wir erwarten auch gleichergeſtalt von euch zu hoͤren, ob die Portugieſen einige neue Oerter und Laͤnder erobern oder dieſelbe zur chriſtlichen Sekte bekehren wollen.
  • Was in allen Laͤndern, darauf ihr handelt, in Erfahrung bringen werdet, erwar - ten wir, daß ihr’s unſern Gouverneurs zu Nangaſacki kund thut.
  • 3) Jhr ſollet keine ſineſiſche Jonken fuͤr Japan beladen annehmen.
  • 4) Jn allen Laͤndern, wohin ihr mit euren Schiffen fahrt, ſolt ihr keine Gemein - ſchaft mit den Portugieſen haben, wenn irgend ein portugieſiſch Schiff daſelbſt ſeyn ſolte. Wo etwa Laͤnder ſind, welche von beiden Nationen befahren werden, ſolt ihr die NamenQ 2ſol -132Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. ſolcher Laͤnder oder Oerter aufſchreiben und ſolch Verzeichnis jaͤhrlich durch die Schifskaptaͤns nach Japan ſenden und dieſelbigen unſern Gouverneurs zu Nangaſacki einliefern.
  • 5) Der Liqueiers, ſo an Japan unterthan, ſol keiner bei euch an Bord oder zu Schiffe kommen.
  • So ſey es.

V.

Kinſai Deſimamatz (1) Einrichtung die Straße Deſima betref - fend.
Kee ſeno foka onna irukotto. Huren allein und keinen andern Weibern ſol hineinzugehen verſtattet werden.
Koja fiſiri (2) no foka fiuke jamma - bus (3) iruktto. Allein die Geiſtlichen des Berges Koja ſollen zugelaſſen werden, alle andere Prieſter und alle Jammabos ſollen aus - geſchloſſen ſeyn.
So quan ſin no mono narabini Kot - ſuſiki irukotto. Allen Betlern und allen Perſonen, die von Liebe leben, ſol der Eingang unterſagt ſeyn.
Deſima mawari foos kui jori utſjini fune norikomn kotto tſuketarri faſ - ſinoſta fune nori tooru kotto. Kein Menſch ſol ſich unterſtehen, mit eini - gem Schif oder Boot innerhalb den Palliſaden von Deſima zu kommen. Keiner ſol ſich unterſtehen mit einem Schif oder Boot unter die Bruͤcke von Deſima zu kommen.
Juje naku ſite Horanda ſin Decima jori idſurukotto. Keinem Hollaͤnder ſol erlaubt ſeyn heraus - zukommen, ohne nur aus wichtigen Ur - ſachen.
Mijino dſio dſio kataku limamoru bekiAllen oben gemeldeten Befehlen ſol von Punkt zu Punkt nachgelebet werden.
Mononari. Es iſt genug.
Sar. Jm Jahr der Monkey.
Gua Pi Monat Tag.

gezeichnet Tſino Cami. Tſino Cami. Siu Bioje. Siu Bioje. Tonomo. Tonomo.

Anmer -133Zehnt. Kap. Einige Plakate, Paͤſſe und Freibriefe.

Anmerkungen:

  • 1) (Deſimamatz) Deſima iſt eine durch Kunſt gemachte Jnſel in dem Hafen der Stadt Nagaſacki. Sie war ehedem die Faktorei der Portugieſen. Dermalen leben die Deutſchen oder vielmehr die Hollaͤnder daſelbſt. Sie iſt zwiſchen den Straßen von Nangaſacki eingeſchloſſen und gleichen Einrichtungen unterworfen, weshalben ſie Deſimamatz, d. i. die Straße Deſima genant wird.
  • 2) (Koja Fiſiri) Koja iſt ein Berg in der Nachbarſchaft von Miaco. Die Bewohner deſſelben, deren viele tauſend an der Zahl ſind, fuͤhren ein geiſtlich Leben, und heißen daher Koja Fiſiri d. i. Moͤnche oder Cleriſey des Berges Koja, wiewohl das Wort Fiſiri andeutet, daß ſie faſt nicht ſo ſtrenge Regeln in Acht zu nehmen haben, als andere geiſtliche Orden. Es iſt dieſer Berg eine ſichere Freiſtaͤtte fuͤr Verbrecher, denn weder Kriegs-noch Gerichtsbediente duͤrfen dahin kommen. Ein jeder, der es verlangt, oder der alda ſeinen Zufluchtsort ſucht, um beim Leben erhalten zu werden, wird aufge - nommen, wenn er nur 30 Tails zum beſten des Kloſters mitbringen kan, und ſich ſonſt be - reit findet nach ſeiner Faͤhigkeit gemeinnuͤtzige Dienſte zu leiſten. Kobodais war der Stifter ſothanen Ordens; vor deſſen Goͤtzenbilde werden ſtets brennende Lampen gehalten, und man meinet, ein recht gutes und verdienſtliches Werk gethan zu haben, daß man ſolche Lampen erſunden, da auch die Zinſen von einer ſchlechten Stiftung von 100 Maas leicht zu - reichen moͤgen, ſich mit dem benoͤthigten Oele dazu zu verſehen. Es ſind dieſe Moͤnche uͤbrigens eben nicht nothwendig verbunden, oben auf dem Berge zu bleiben, ſondern ſie koͤnnen oben und unten die ganze Gegend, wie ſie wollen, und wie es ihre Umſtaͤnde mit ſich bringen, bebauen und nutzen. Einige derſelben legen ſich auf die Handlung. Gewoͤhn - lich kommen dieſe gar nicht nach Nangaſacki, geſchaͤhe es aber, ſo muͤſſen ſie eben ſo gut als andere Kaufleute zugelaſſen werden.
  • 3) (Jammabus.) Jammabus bedeuten Bergprieſter. Es iſt ein ſonderbarer geiſtlicher Orden, welcher mit mehrern im fuͤnften Kapitel des dritten Buchs be - ſchrieben iſt.
R 3VI. 134Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

VI.

Dzio Sadamati. Befehle der Contrebandeguͤter be - treffend.
Nippon ſui Jkokuſiu gofatto ſo - muki nanigo toki Joraſſu akuſiwo ta - kumi Reimotzuwo idaſi tanomu mono Korre araba Kitto mooſi idzubezi Tatto jeba Dorui tarito ſutomo toga - wo jurus ſono rei motzno Jdſii Go - foobi Kuda Sarubes moſi ſonnin Kore aruni Oitewa ſeiqua nanbeki. Wenn einige Auslaͤnder oder Japaner ſich unterſtuͤnden, einige Contrebandeguͤ - ter, ſie moͤgen Namen haben, wie ſie wol - len, herein zu bringen, und es wird ent - dekt, ſo ſol alſofort an die gehoͤrige Obrigkeiten davon Nachricht gegeben wer - den: So einer von den Mitſchuldigen ſich ſelber angiebt, und alles auſſagt vor dem Richter, ſol er ſeinen Pardon und noch uͤberdem eine dem Verbrechen gleich kom - mende Belohnung haben: Die Verbrecher aber, welche nach der Ausſage ihrer Mit - ſchuldigen ſchuldig befunden, ſollen nach dem Geſetze beſtraft werden.
Mononari. Es iſt genug.
Qua Pi Monat Tag.

gezeichnet Tonnomo. Siu Bioje. Setzno Came.

VII.

Deſima Narubixi Kindsjo quaſino fetz, ait tſitomo beki Sidai, d. i. Befehl in dem Fal einer entſtehenden Feuersbrunſt, wo etwa eine in der Jn - ſel Deſima oder derſelben Nachbarſchaft ausbrechen ſolte.

Deſima Ottona, d. i. das Haupt einer Gemeine, oder der commandirende Of - ficier der Straße Deſima; Horando Tſiuſi, die 8 vornehmſten Dolmetſcher; Deſima Tſioonin, die Landedelleute oder Eigenthumsherren der Jnſel und Haͤuſer, 24 an der Zahl; Kannaba bannamono, d. i. Bedienten unſerer Schazkammer oder Schatzes, deren 36;Horanda135Zehnt. Kap. Einige Plakate, Paͤſſe und Freibriefe. Horanda Naitſunſi Kogasjira, die Privatdolmetſcher der Hollaͤnder, deren Anzahl un - gewis; Deſima Tſijetzki, Kuli-Meiſters und Aufſeher unſerer Thuͤrhuͤter und taͤglichen Arbeiter, deren 15 an der Zahl; Deſima Daiku, Kutſcher,*)Scheuchzer hat ſtat Kutſcher uͤberſezt: Zimmerleute. welche Erlaubnis haben in unſer Eyland zu fahren; Daidokoronomono, die Bedienten unſerer Kuͤche

Wenn etwa ein Feuer ausbrechen ſolte in der Nachbarſchaft von Deſima, ſollen alle vorhin beſagte Bedienten ſich dahin machen und ihre eigne Knechte, wenn ihnen beliebt, mit ſich nehmen: allein ſie ſollen nicht in die Jnſel hineingehen, ſondern vor dem Thore warten und daſelbſt ſtehen bleiben, bis der Kinſjo oder ein kommandirender Officier nach dem Gouverneur geſandt worden. Wo das Feuer ſehr um ſich greifen und der augenſchein - liche Schade erfolgen ſolte, ehe der Kinſjo komt, ſollen ſie denen Befehlen des Takaki Sakujemon, Matzdoſjiori, Dſiojoſi und derer Ottona oder dem Haupt einer Gemeine von Deſima gehorchen, welche die zur Loͤſchung des Feuers benoͤthigte Befehle geſchwind ertheilen ſollen.

Wenn ein Feuer in der Jnſel Deſima ausbrechen ſolte, zu der Zeit, wenn der Deutſchen Schiffe im Hafen liegen, ſollen ſich alle Deutſchen am Bord ihrer Schiffe bege - ben, auf einer gewiſſen Anzahl Booten, die gemeiniglich nahe an der Straße Jedomatz liegen und an der großen Waſſerpforte warten ſollen, dieſelbe uͤberzufuͤhren. Allein, wo ein Feuer auskommen ſolte, nachdem die deutſchen Schiffe den Hafen verlaſſen, ſollen die Deutſchen in dem Falle durch unſere Schuzboots nach Nomotomiban (oder den Haͤuſern der Kundſchafter-Wacht an dem Berge Noomo) gefuͤhrt und daſelbſt nach Moͤglichkeit be - wirthet werden. Die Nachricht bringen die Dolmetſcher und ein Tſiouſi, welche ſich mit denenſelben dorthin begeben und nebſt einem Joriki und einem Doſen das Kommando uͤber dieſelben zu der Zeit haben ſollen.

Quaſidoogu (d. i. die bequemen Jnſtrumente zur Ausloͤſchung des Feuers) ſollen auf der Jnſel Deſima in beſtaͤndiger Bereitſchaft ſeyn.

So iſt es.

Gegeben in der Periode Jempo im 5ten Jahre. Mino Siguatz.

VIII.

  • Der Eid, wenn man in des Majors Haus zu Nagaſacki gekommen, wie er in der Sikkimoku, oder wie ſie es nennen, in des Majors Buche befindlich:
Alle136Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.

Alle Bedienten, welche die Aufſicht uͤber die Jnſel Deſima und die derſelben an - gehende Sachen haben, ehe ſie in ihre reſpective Bedienungen geſezt werden, muͤſſen ſich mit einem foͤrmlichen Eide verbinden, die folgenden Punkte heilig zu halten.

  • 1) Denen Deutſchen nicht zu dienen, ohne bei Tage. Jn keinen Diſkours oder Umgang ſich einzulaſſen mit der verbotenen Sekte der Chriſten. Nicht entgegen zu handeln einem gemachten Geſetze oder Befehle, die Jnſel Deſima angehend. Sorgfaͤltig fuͤrs Feuer zu ſeyn, wenn es in eines Deutſchen Behauſung angegangen.
  • 2) Sich mit den Deutſchen in keine vertraute Freundſchaft oder beſondere Ge - ſpraͤche, uͤber was fuͤr eine Sache es auch ſeyn moͤgte, einzulaſſen. Wenn ein Japaner euch bitten ſolte, einiges Geld oder Guͤter nach Deſima zu bringen oder deſſelben von be - ſagter Jnſel hinwegzubringen, ſolt ihr euch genau huͤten, ihm in dergleichen Bitten zu wil - fahren. Keine Gotſioſimono oder Contrebandewaaren zu verkaufen, viel weniger einer dem andern ein Geſchenk davon zu machen.
  • 3) Wenn ein Deutſcher euch bitten wuͤrde, etwas fuͤr ihn in der Stadt Nagaſacki zu kaufen oder nach Deſima zu uͤberbringen, daſſelbe nicht zu thun, noch entweder fuͤr euch ſelbſt dasjenige zu kaufen, noch auch bequeme Maasregeln mit demſelben zu verabreden, wie dergleichen bequemlich zu verhehlen, noch dieſelben uͤber die Mauer zu werfen, welche die Jnſel einſchließet, noch dieſelben in eurem Buſen zu verſtecken, noch zu erlauben, daß einige dergleichen Guͤter zuſammengepakt und an Bord gebracht werden, zu der Zeit, wenn die deutſchen Schiffe abſeegeln wollen, noch zu dulden, daß einige der leztern Sachen, welche den Deutſchen gehoͤren, in die Stadt gebracht und daſelbſt verkauft werden: und im Gegentheil, wo ihr wiſſet von einigen dergleichen Bemuͤhungen oder Bitten, alſofort daſſelbe an - zumelden.
  • Wenn dieſe und andere dergleichen Artikel, je nachdem es erforderlich iſt, vor - hergeſezt ſind, wird die algemeine Eidesformul hinzugefuͤgt, mit der Par - theien Namen unterſchrieben, und mit ihrem Blute verſiegelt. Die alge - meine Eidesformul aber, die ohnumgaͤnglich noͤthig iſt, es ſey, daß ſich einer zur oͤffentlichen Annehmung eines Amts geſchikt machen wil, oder daß er ſonſtige Sachen zu bezeugen, jemandes Unſchuld darzuthun, Privatkon - tracte zu beſtaͤtigen hat, oder auch uͤberhaupt uͤber irgend eine andre Sache, iſt folgende:

Bonden Taiſaku Si Dai Tenno, Sooſite Nippon Goktſju, Rokkoſiu Joſjuno, Daiſiono Singi, Kotoniwa, Jdzu Fakone, Riooſiono Gongin, Miſſima Dai Miooſin, Fatzman Daiboſatz, Tenman Dai Siſai Tenſin, Burui Kenſok Sinbatz mioobatz ono ono makari, komo urubeki. Mononari. d. i.

Wo137Zehnt. Kap. Einige Plakate, Paͤſſe und Freibriefe.

Wo ich nicht alle hiebevor nahmhaft gemachte verſchiedene Artickel unverbruͤchlich und von Punkt zu Punkt halte, moͤgen die vier großen Goͤtter des unendlichen und bandenloſen Himmels, die Goͤtter aller (66) Landſchaften dieſes Kaiſerthums, alle große und kleine Goͤtter, die zwei ploͤzlich ſtrafende ſtrenge Goͤtter von Jdzu, die Goͤtter von Fakkone und Riooſju, der Gott von Miſſima, der Gott Fatzman, der Gott Temmandai Tenſin laſſen ihren Zorn und Grim uͤber mich fallen, und laſſen mein gaͤnzliches Geſchlechte und meine Ange - hoͤrigen und Freunde das Gewicht ihres gerechten Misfallens und Strafe fuͤhlen.

Es geſchehe alſo.

Namen und Siegel des Gouverneurs; und, in einem Hei - rathscontracte der Braut. Monat des Jahrs. Jahr der Periode.
Namen der Perſon, welche den Eid mit ihrem von ihrem eige - nen Blute roth gefaͤrb - ten Siegel beſiegelt; in einem Heirathscon - tracte, der Name und das Siegel des Braͤu - tigams.

Es iſt hiebei noͤthig zu bemerken, daß in Abſicht auf die Privatbedienten der Hol - laͤnder, welche ihnen zur haͤuslichen Aufwartung beſtelt und insgemein junge Knaben ſind, die folglich noch nicht einen ſo foͤrmlichen Eid abſchwoͤren koͤnnen, ein in gutem Ruf ſtehen - der und in Nagaſacki wohnhafter Buͤrger ausgemacht werden mus, welcher in die Verbind - lichkeit eintrete und fuͤr ihre gute Auffuͤhrung die Buͤrgſchaft leiſte, damit waͤhrend ihrer Dienſtzeit alle verſchiedene vorbeſchriebene Artikel von Punkt zu Punkt in Acht genommenZweiter Band. Swerden138Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. werden moͤgen. Es wird in dieſem Fal die angefuͤhrte Eidesformul weggelaſſen und an de - ren Stat blos eine algemeine Verbindlichkeit in dieſen oder dergleichen Ausdruͤcken hinzuge - fuͤgt: Jch verſpreche Sorge zu tragen, daß N. N. alle oben namhaft gemachte Artikel annehmen ſol. Wo er zu einiger Zeit anders handeln wuͤrde, wil ich mich der Strafe willig unterwerfen, welche ihr mir aufzulegen belieben werdet. Dies iſt geſchehen in Ge - genwart des Majors Buͤrgermeiſters der Stadt und anderer tuͤchtiger Bedienten.

IX.

Befehle, welche in Acht genommen und waͤhrender deutſchen Verkaufzeit in die große Straße unſer Jnſel angeſchlagen werden ſollen, zur Nachricht, inſonderheit fuͤr ſolche Perſonen, welche zu der Zeit nach Deſima kommen.

Dſjo abſoluter Befehl.

Kein Deutſcher ſol aus Deſima ohne Erlaubnis zu gehen befugt ſeyn.

Kein Menſch ſol Freiheit haben auf die Jnſel zu kommen, ehe der Verkauf ſeinen Anfang nimt, ohne nur die ordinairen Officiers und Knechte.

Keine Guͤter, wer ſie auch ſeyn moͤgen, ſollen aus der Jnſel gefuͤhrt werden, ehe der Verkauf anfaͤngt. Kein Tſintaſaki (eine Art Brantwein) oder einiges Budoosju (ſpaniſche Weine) ſollen aus der Jnſel ohne beſondere Erlaubnis verſandt werden.

Keine japaniſche Waffen, noch Gemaͤlde oder Vorſtellungen, oder Puppenfiguren von einigen Muſia oder kriegeriſchem Volk, ſollen nach Deſima gebracht werden, zufolge unſerer oft wiederholten ſcharfen Befehlen. Keine Guͤter, was Art ſie auch ſeyen, ſollen heimlich an die Deutſchen verkauft noch von ihnen dieſelben auf gleiche heimliche Weiſe ge - kauft werden.

Wenn die Zeit der Abſegelung der deutſchen Schiffe naͤher herbeikomt, ſol davon Nachricht an den Ottona gegeben werden, wie auch der Geſelſchaft der Dolmetſcher, was fuͤr Guͤter an die Deutſchen verkauft ſind, zugleich mit einer aufgeſchriebenen Liſte derſelbi - gen, daß, wenn die Summe fuͤr genehm gehalten worden, ſie bei Zeiten bezahlt und alle Unruhen und Uebelſtand an den lezten Tagen, da ſie in dem Hafen liegen, moͤgen vermie - den werden.

Die deutſchen und portugieſiſchen Dolmetſcher, welche auf die Jnſel kommen, und Erlaubnis haben, dieſes zu thun, ſollen nicht hinterliſtig noch heimlich bekehren.

Kein Menſch ſol nach Deſima kommen ohne beſondere Erlaubnis, ausgenommen der Bugjo und die Bedienten der Jnſel.

Alle vorhin beſagte Artikel iſt jederman befehligt ſchuldigermaßen und genau zu beobachten.

Monath Tag Nagaſacki. Bugjo.

X. 139Zehnt. Kap. Einige Plakate, Paͤſſe und Freibriefe.

X.

Gotſiooſi Mono No Objoje, d. i. Liſte der Contrebandguͤter, welche an die Deutſchen nicht zu verhandeln:

  • Gomon. Kaiſers Waffenkleider. Alle gedrukte und gemalte Guͤter oder Stoffe.
  • Budoogu. Kriegsinſtrumente.
  • Muſaige. Gemaͤlde und Vorſtellungen, gedrukte oder andere der Soldaten und Kriegsvolks.
  • Jejro no Giendſi. Gemaͤlde oder Vorſtellungen einiger Perſonen an dem Hofe des Dairi oder geiſtlichen Erbkaiſers.
  • Nippon bune no Kogatta narabinije. Gemaͤlde oder Modelle japaniſcher Schiffe oder Boots.
  • Nipponno Jedſu. Landcharten des Kaiſerthums Japan oder einigen Theils deſſelben. Plans der Staͤdte, Kaſtele, Tempel und dergleichen.
  • Jakko kenqua Ningio. Puppen oder kleine Figuren, die Soldaten vorſtellen.
  • Duitru Jurigana. Krumme Meſſer, als die Zimmerleute gebrauchen.
  • Fino Ginu. Eine Sorte feine Stoffe zu Fino gemacht.
  • Kaga Ginu. Dergleichen gemacht zu Kaga. Aber dieſe ſind auf langen Rollen ge - rollet, gleich den ſeidenen Stoffen von Tonquin.
  • Tſumuggi. Eine andere Sorte Stoffen auf langen Rollen, in Japan gemacht.
  • Gumai no rui. Alle Arten von feinen ſeidenen Stoffen.
  • Nuno no rui. Alle Sorten Stoff von Hanf gemacht.
  • Momen no rui. Stoffe von Kotton gemacht.
  • Mawatta. Seidene Decken.
  • Gin. Silber.
  • Ken Hollanda gattana Nippon goſji raje. Alle Arten Saͤbel, Schwerdter und an - derer Waffen in Japan nach Art derer, die von den Deutſchen hereingebracht wer - den, gemacht.

XI. Formular der japaniſchen Paͤſſe:

Nagaſacki: Name der Straße, Geſchlechts, Perſon: ſein Zuname: ſein Alter: die Sekte, wozu er ſich bekennet: gehend nach einer ſolchen und ſolchen Stadt oder Land -S 2ſchaft:140Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Zehnt. Kap. ꝛc. ſchaft: aus ſolchen oder ſolchen beſonderen Urſachen: wir verlangen, ihr wollet ihn ſeinen Weg ungehindert dahin paſſiren und auch repaſſiren laſſen.

Es geſchehe alſo. Nengo Jahr Monat Tag. Gezeichnet Nagaſacki Toſji Jori

[figure]

Gerichtet an Aratame Sui Dſiu, (an alle Viſitatoren und Aufſeher.) Dſio Joſi

[figure]

XII.

Die Proclamationshuͤtte, wie ſie es nennen, oder der Plaz, woſelbſt alle Kaiſer - liche Proclamationen, auch Befehle der Reichsfuͤrſten, der Gouverneurs der Kaiſerlichen Staͤdte und ſonſt Obrigkeitlicher Perſonen, zur Nachricht und Achtung derer, denen daran gelegen, angeheftet ſind, findet man auf der XX, Kupfertafel, Fig. 1. vorgeſtelt.

Engel -[141]

Engelbert Kaͤmpfers Geſchichte und Beſchreibung von Japan Fuͤnftes Buch. Welches die Beſchreibung der doppelten Reiſe des Verfaſſers von Nangaſacki nach dem kaiſerlichen Hofe zu Jedo enthaͤlt.

S 3[142]143

Erſtes Kapitel. Vorbereitungen zu unſerer Hofreiſe und Beſchreibung der inlaͤndiſchen Art zu reiſen.

Seit den Zeiten des Joritomo, des erſten weltlichen Erbkaiſers, der die jetzige Regierungsform einfuͤhrte, iſt es Gewohnheit geworden, daß nicht nur die Gouverneurs der kaiſerlichen Staͤdte und Beſitzungen, ſondern auch alle uͤbrige ſogenante Daimjo und Sjomjo, d. i. Stathalter vom erſten und zweiten Range, einmal im Jahr am Hofe erſcheinen muͤſſen. Die erſtern, als die vornehmſten, die man auch wohl wegen ihres ſehr großen Anſehens, Koͤnige oder Fuͤrſten nennen koͤnte, bezeugten ſodann ihre Ehrerbietung dem Kaiſer ſelbſt, die andern aber nur dem Collegio der verſammelten Reichsraͤthe. Beide uͤberreichten zugleich Geſchenke, zum Zeichen der Hul - digung, ſo wie es ihre Wuͤrde erforderte.

So wie ſich die Portugieſen zu ihrer Zeit zu dieſer Ceremonie bequemen muͤſſen, ſo thun es auch jezt der Reſident und Agent der loͤblichen hollaͤndiſchen oſtindiſchen Geſelſchaft. Einen Wundarzt nebſt einem oder zween Sekretairs koͤnnen ſie mit auf dieſe Reiſe nehmen, außerdem aber werden ſie von einer Schar Japaner verſchiedenen Standes und Wuͤrden be - gleitet, welche von den Gouverneurs der Stadt Nagaſacki, unter deren Befehlen ſie ſte - hen, dazu ernent werden. Es ſolte dieſes zwar den Anſchein haben, als ob denen, ſo den Kaiſer zu ſehen verlangen, hiemit eine Ehre erzeugt wuͤrde, in der That aber war die Ab - ſicht, die man mit dieſer Eskorte verbarg, eine ganz andere, und der gleich, die man bei Spions und Gefangenen hat; es ſolte nemlich dadurch verhuͤtet werden, daß unter Wegskeine144Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. keine verdaͤchtige Unterhandlung und Gemeinſchaft mit den Eingebohrnen des Landes gepflo - gen, daß ihnen nicht etwan Kreuze, Bilder, Reliquien, oder was ſonſt auf das Chriſten - thum einige Beziehung hat, in die Haͤnde geſpielt, daß ihnen nicht durch Verkauf oder Verehrung einige fremde Sachen und Seltenheiten aus chriſtlichen Laͤndern beigebracht wuͤr - den, und daß nicht etwan gar einer ſich abſchleichen und zu Fortpflanzung des Chriſtenthums oder Erregung ſonſtiger nachtheiliger Unruhen im Lande verſtecken moͤge.

Es werden zu dieſer Begleitung gemeiniglich Hausbediente der Gouverneurs ge - braucht, oder auch Leute, die bei dem hollaͤndiſchen Handel Arbeit oder die Aufſicht haben, und von deren Treue und Aufrichtigkeit man ſonſt uͤberzeugt iſt, wiewohl ſie uͤberdas vor der Abreiſe ſich noch mit Eid und Blut ſchriftlich verbinden muͤſſen, daß ſie alles, was ſie von den Hollaͤndern oder auch ſelbſt von ihren eigenen Landsleuten auf der Reiſe verdaͤchtiges hoͤ - ren oder ſehen moͤgten, anzeigen wollen. Der vornehmſte Fuͤhrer des Trupps bis zu dem geringſten Diener iſt hievon nicht ausgenommen, als nur die Pferdeknechte, die man zum oͤftern verwechſelt.

Zweimal habe ich einer ſolchen Hofreiſe beizuwohnen das Vergnuͤgen gehabt. Das erſtemal im Jahr 1691, in Geſelſchaft eines Herrn Henrich von Buͤtenhem, der ein rechtſchaffener, gutherziger und wohldenkender Mann war, der Japaner Manier und Sprache ſehr wohl kante, und der mit einer beſondern Klugheit ſeine und der hollaͤndiſchen Nation Ehre aufrecht erhielt. Das anderemal in dem darauf folgenden Jahre mit dem Bruder des jetzigen Generalgouverneurs auf Batavia, dem Herrn Cornelius Outhorn, einem beleſenen, erfahrnen und ſprachkundigen Manne, welcher ſich durch ſeine angebohrne Leutſeligkeit bei den mistrauiſchen Japanern uͤberaus beliebt gemacht hatte, und alſo dadurch das Wohl der Compagnie ſehr befoͤrderte.

Jch wil das, was mir auf beiden Reiſen jeden Tages Denkwuͤrdiges vorgekom - men, in dieſem Buche nach der Ordnung beſchreiben, vorher aber noch kuͤrzlich einige alge - meine Anmerkungen machen, die zu deſto beſſerem Verſtaͤndniſſe der Sachen dienen koͤnnen.

Zu den Vorbereitungen dieſer Reiſe gehoͤret folgendes:

Zufoͤrderſt wird die Wahl der Geſchenke fuͤr den Kaiſer, fuͤr ſeine Miniſter und einige andere hohe Kronbedienten in Jedo, Miaco und Oſacca, die auf eine gewiſſe Summe Geldes hinauslaufen, vorgenommen; dann werden die Geſchenke ſelbſt vertheilt und fuͤr jeden beſtimt, darauf in lederne Beutel oder Feleiſen gethan, die man ſorgfaͤltig mit Matten umſchlaͤgt, damit ſie auf der Reiſe wohl verwahrt ſind, und endlich verſiegelt. Eben dieſe Wahl geſchiehet von den Gouverneurs von Nagaſacki, nach Masgabe deſſen, wie ſie ohngefehr glauben, daß die Geſchenke dem Kaiſerlichen Hofe angenehm ſeyn werden. Sie laſſen ſelbige ſodenn entweder fruͤhzeitig durch unſere Reſidenten kommen, oder nehmenſie145Erſt. Kap. Vorbereitungen zu unſerer Hofreiſe ꝛc. ſie in den vorhandenen Magazinen aus. Hiebei bedienen ſie ſich aber auch wohl bisweilen der Gelegenheit, ihre eigene Sachen, die ihnen die Sineſer geſchenkt, mit unterlaufen zu laſſen, und die ſie auf die Weiſe zum allertheuerſten, in einem wilkuͤhrlichen Preiſe, zu Markt bringen, oder gegen andere Guͤter vertauſchen. So werden auch oͤfters einige ſeltene und merkwuͤrdige Sachen von Europa zu dergleichen Geſchenken fuͤr den Kaiſer eingefuͤhrt: aber es traͤgt ſich eben ſo oͤfters zu, daß ſie von den Gouverneurs, die ſtrenge Richter hier - innen ſind, nicht geachtet werden, wie z. E. zu meiner Zeit mit zwo meſſingenen Feuerſpruͤ - tzen von der neueſten Erfindung der Fal war, die ſie als keine Geſchenke fuͤr den Kaiſer annehmen wolten, ſondern zuruͤkgaben, nachdem ſie gleichwol erſt die Probe damit gemacht, und auch ein Model davon behalten hatten: das nemliche widerfuhr dem Vogel Kaſuarius, der als ein Geſchenk von Batavia gekommen war, und eben wol fuͤr kein Geſchenk fuͤr den Kaiſer von den Gouverneurs erkant wurde, nachdem man vernommen hatte, daß dieſer Vogel viel freſſe und nichts verſtehe.

Wenn denn nun mit der Wahl und Bereitung der Geſchenke einige Zeit verſtri - chen, ſo werden ſelbige, nebſt allen zur Reiſe noͤthigen Beduͤrfniſſen in eine Barke gebracht, die drei bis vier Wochen uͤber See bis zu dem Staͤdtgen Simonoſeki (am Ende der Jnſel Nipon gelegen) vorausgehet, und unſere Nachkunft zu Lande erwartet. Ehmals ſind Men - ſchen und Guͤter zugleich, mit Erſparung vieler Koſten und Umſtaͤnde, die eine Landreiſe erfordert, embarquirt worden: weil man aber einſtens durch Sturm in eine große Gefahr gerathen war, und auch die Seereiſe wegen unguͤnſtigen Windes oͤfters ſehr langweilig aus - faͤlt, ſo hat dieſe auf Kaiſerlichen Befehl abgeſtellet werden muͤſſen. Eben gedachte Barke wird lediglich zu dieſer Reiſe gebraucht, und mus im Nagaſackiſchen Hafen mit nicht gerin - gen Koſten allein dazu unterhalten werden.

Nachdem denn alſo die vornehmſten Sachen vorausgeſchikt ſind, bringt man die Zeit bis zur wirklichen Abreiſe mit ſolchen Zuruͤſtungen zu, als wenn man eine Expedition in eine fremde Welt unternehmen wolte.

Das erſte bei dieſer Zuruͤſtung iſt die Ernennung der hohen und niederen Bedien - ten, welche uns zur Begleitung beigegeben werden. Die Gouverneurs erwaͤhlen einen aus ihren Joriki, oder Militaͤrofficiers vom erſten Range, die einen Bugjo vorſtellen, der ſo viel als ein Heerfuͤhrer und committirter oberſter Befehlshaber iſt, und dem eine Pike nach - getragen wird, um dadurch die Hoheit deſſen anzudeuten, der ihm den Poſten uͤbertragen hat. Jhm wird ein Doſin, oder ein Officier vom zweiten Range, beigegeben. Der eine ſowohl als der andere ſind aus der Suite desjenigen Gouverneurs, welcher fuͤr das Jahr zu Nagaſacki bleibt. Hiezu kommen noch zwei Staatshaͤſcher, unter dem Titel eines Tſjoo - ſin oder Staatsboten. Dieſe und die Doſin ſind, zufolge ihres Amts, mit einem Stricke verſehen, um auf den geringſten Wink und Befehl des Joriki den Verbrecher ſchnuͤrenZweiter Band. Tund146Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. und erwuͤrgen zu koͤnnen. Beſagte Leute ſind nebſt*)Jn der engl Ueberſetzung ſtehet außer ſtat nebſt. des Bugjo Staat - und Leibdienern Militaͤrperſonen, und daher jeder mit zween Saͤbeln in ihren Guͤrteln verſehen. Man nent dieſe Leute Samurai, d. i. zween Saͤbelfuͤhrer oder Soldaten, weil keiner vom buͤrgerlichen Stande ſondern nur Militaͤrperſonen, zufolge des juͤngſten Kaiſerlichen Edicts, zween Saͤbel tragen duͤrfen.

Von den Dolmetſchern wird uns aus ihrer Ober - und Unterzunft (wie deſſen im vo - rigen Buche erwaͤhnt worden) Einer, und zwar derjenige zugeordnet, welcher im abgelegten Jahre zwiſchen dem Hofe und uns das Amt eines Unterhaͤndlers und in ihrer Zunft das jaͤhrliche Praͤſidium (Nimban) gefuͤhret hat. Man hat jezt dieſen beiden noch einen ihrer Lehrlinge beigefuͤgt, um ſie zu ihrem dereinſtigen Amte durch Augenſchein und Erfahrung fruͤhzeitig tuͤchtig zu machen. Ein jeder von ihnen hat ſeine Bedienten theils zur Aufwar - tung theils auch um Staat zu machen. Der Bugjo oder Oberdolmetſcher hat ſo viele, als er nur wil, die uͤbrigen jeder einen oder zween,**)Engl. Ueberſetzung zween oder drei. in Verhaͤltnis ſeines Vermoͤgens und ſei - nes Amts. Der hollaͤndiſche Kapitain kan deren drei, ein jeder anderer Hollaͤnder aber nur einen halten. Gemeiniglich empfehlen die Dolmetſcher bei dieſer Gelegenheit ihre Lieb - linge, wenn ſie auch gleich die hollaͤndiſche Sprache nicht verſtehen.

Viele andere Perſonen, die auf beſondere Erlaubnis und Verordnung der Gouver - neurs oder Dolmetſcher die Reiſe ohne Nutzen, obwohl auf der edlen Compagnie Koſten, mitmachen, wil ich uͤbergehen. Allen dieſen Reiſegefaͤhrten aber iſt es einige Zeit vor der Abreiſe erlaubt, uns auf Deſima zu beſuchen und ſich in etwas mit uns bekant zu machen. Es giebt viele entſchloſſene und muntere Koͤpfe unter ihnen, die wohl wuͤnſchten, mit uns vertrauter und freyer zu leben, ſie duͤrfen uns aber, aus Furcht des einen vor dem andern, nicht freundlicher begegnen, weil ein jeder, Kraft des geleiſteten Eides, des andern Ver - raͤther iſt.

Hiernaͤchſt mus nun fuͤr die Beſtellung der Traͤger und Pferde geſorgt werden. Dieſes geſchiehet von dem Oberdolmetſcher als erſten Vorſorger und Caſſirer des Reiſetrains, durch deſſen Anſtalten alles ſo vorgekehrt wird, daß die Reiſe auf die beſtimte Minute, und wenn es dem Bugjo gefaͤlt, augetreten werden kan, und daß auch uͤberzaͤhlige Traͤger und Pferde in Bereitſchaft ſind, damit der ſchnelle Fortzug auf keine Weiſe gehindert werde.

Zwei Tage vor dem Aufbruche von Nagaſacki wird die Equipage von dazu beſtelten Leuten ſolchermaßen zuſammen gebunden, daß man ſie den Pferden in einem Augenblik auf - und wieder abhaͤngen kan. Da dieſes eine beſondere inlaͤndiſche Manier iſt, die man in Deutſchland nicht kennet, ſo verdient ſie hier angemerkt zu werden.

Nach -147Erſtes Kap. Vorbereitungen zu unſerer Hofreiſe ꝛc.

Nachdem ein bloßer hoͤlzerner Sattel, die den Saͤtteln der ſchwediſchen Poſtpferde aͤhnlich ſind, mit einem Bauch-Bruſt - und Schwanzriemen dem Pferde aufgeguͤrtet iſt, wird uͤber denſelben ein Strik doppelt gelegt, womit zu beiden Seiten die Buͤndel, ſo hoch oder niedrig man wil, aufgehoben und im Gleichgewicht aneinander gebunden werden, ohne ſie an dem Pferde oder Sattel zu befeſtigen. Damit indeſſen die Buͤndel ſolchergeſtalt nicht aus der Lage kommen, wird ein ſchmales langes Kiſtgen, das die Japaner Adofski nen - nen, hinten quer uͤber beidſeitige Buͤndels her, an dem Sattel, durch deſſen hohles Ruͤk - holz oder daſelbſt befindliche Ringe angezogen und feſte geſchnuͤrt. Hieruͤber werden die Rei - ſedecken oder Betten in eine ebene Flaͤche ausgebreitet und mit einem weich gefutterten Guͤr - tel gebunden, nachdem die Tiefe zwiſchen beidſeitigen Buͤndeln mit etwas weichem ausgefuͤlt iſt. Hier ſizt dann der Reuter wie auf einem platten Tiſche, doch bequem und gemaͤchlich. Die Fuͤße hat er entweder kreuzweiſe unter ſich, oder nach ſeinem Gefallen vorausgeſtrekt: er hat ſich aber wol in der Mitte zu halten, damit nicht die eine oder die andere Seite das Uebergewicht bekomme, das Gepaͤcke abfalle, oder das Pferd mit ihm ſtuͤrze. Wenn es Berg auf oder unter gehet, wird dieſer Zufal durch die Pferdeknechte verhuͤtet, welche als - denn hinter dem Pferde ſind und das Gepaͤcke etwas anhalten, daß es nicht aus der Stelle rutſchen kan.

Das Auf - und Abſteigen geſchiehet nicht wie bei uns, ſondern von fornen, und iſt fuͤr einen ſteif beinigten muͤhſam. Das Auf - und Abſatteln gehet durch vortheilhafte Hand - griffe geſchwind zu, denn ſobald nur das oberſte Betzeug abgenommen, und denn die eine oder die andere Schlinge losgemacht wird, hat man die ganze Equipage auf einmal da lie - gen. Die Stricke und Gurten, die man hiebei gebraucht, ſind plat und breit, von Baum - wolle wie ein Drat ſtark und zierlich gewirkt, und am Ende mit runden, laͤnglichen, kleinen Hoͤlzern geſchloſſen, die im anziehen und feſtſchnuͤren einen beſondern Vortheil haben.

Der Sattel iſt ganz von Holz und mit einem unterliegenden Kuͤſſen und hinten ab - hangender ſchmalen Schaberacke verſehen, auf welcher man des Reuters Wappen ſiehet. Zu jeder Seite des Pferdes haͤngt ein grobes Tuch, das unter deſſen Bauche loſe an einan - der gebunden iſt, damit es nicht kotig werde. Sein Kopf wird mit einem Gewebe von Riemen oder Schnuͤren, beſonders die Augen wider die Fliegen zu ſchuͤtzen, und der Hals, Bruſt und andere Theile mit Schellen oder kleinen Glocken behangen.

Die Feleiſen, welche mit leichten Waaren, und wenn ſie zum Sitze dienen ſollen, mit Stroh ausgefuͤlt werden, ſind eine Art viereckigter Coffres, von ſteifem Pferdeleder gemacht, etwa fuͤnf Spannen lang und drei Spannen breit und tief. Der Deckel, von eben dem Leder, iſt etwas weiter und ſo tief, daß er das Untertheil beſchließt. Ob ſie zwar keinen Regen durchlaſſen, ſo werden ſie dennoch zu mehrerer Sicherheit, wie vorhin erwehnt, mit Matten umwunden und muͤhſam mit Stricken verſehen: daher es denn koͤmmt, daßT 2man148Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. man ſie vor dem erreichten Ziele der Reiſe nicht gern oͤfnet, ſondern das, was man waͤh - rend der Reiſe am noͤthigſten hat, in die Adofski legt.

Der Adofski iſt ein duͤnnes hoͤlzernes Kaͤſtgen oder Futteral, ſechs Spannen lang und eine Spanne tief und breit, mit einem leichten Auszuge von gedachter Laͤnge verſehen, und hat an einer Seite eine kleine Thuͤr mit einem Schloſſe, wodurch man zu dem Auszuge, ohne das Kaͤſtgen abzupacken, kommen kan. Es dient derſelbe zu Verwahrung der Sa - chen, die man bei der Hand haben wil, und zugleich zur Befeſtigung der beiden Seiten - buͤndel, wozu man ſonſt einen Knuͤttel gebrauchen muͤſte. Er iſt ferner mit grauem dicken Papier, und hieruͤber mit blauem Bindfaden netzfoͤrmig bewunden und verwahrt.

Zur voͤlligen Ausruͤſtung der Reiſe gehoͤren weiter noch verſchiedene Stuͤcke, die man gemeiniglich an die Feleiſen heſtet und mit ſich fuͤhrt, und die ich benennen wil, nemlich:

ein Riemen mit Senni oder Putjes, d. i. meſſingener in der Mitte durchloͤcher - ter Scheidemuͤnze eingeſchnuͤrt, womit ſich die noͤthigen Ausgaben auf der Reiſe bequemer bezahlen laſſen, als mit Silbergelde, das man dem Verkaͤufer erſt zuwiegen mus. Der Reuter haͤngt dieſen Riemen hinten an die Binde ſeines Seſſels, der Fusgaͤnger aber fuͤhrt ihn im Guͤrtel auf dem Ruͤcken.

Ferner: eine Leuchte von gefirniſſetem und in Falten geſchloſſenem Papier, in der Mitte mit dem Wapen des Beſitzers bemalt. Es wird ſelbige zur Nachtzeit durch den Bedienten auf dem Stecken uͤber der Schulter vorgetragen. Man fuͤhrt ſie in einem Netze oder kleinen Sacke bei ſich, welcher hinten an das Feleiſen gebunden, und ebenfals mit dem Wapen des Herrn oder ſonſt einem Zeichen verſehen iſt, wie das uͤberhaupt bei allem Reiſe - geraͤthe und Kleidungsſtuͤcken der hoͤhern und niederen ſtat hat.

Ferner: ein Wedel von Pferdeharen oder ſchwarzen Hahnenfedern, womit der Seſſel und die Kleider vom Staube gereinigt werden ſollen; man hat ihn aber mehr zum Prunk als zu dieſem Gebrauche, indem er hinten am Seſſel ſeitwaͤrts angeſtekt wird.

Ferner: ein Waſſereimer, der eben ſo auf der andern Seite des Seſſels, oder auch ſonſt an einem Orte geſuͤhrt wird.

Sodann: eine Art von Schuhen fuͤr die Knechte und Pferde. Dieſe ſind von Stroh geflochten, und werden mit Strohſeilen an die Fuͤße geſchnuͤrt. Sie dienen den Pferden ſtat unſerer Hufeiſen, die hier gar nicht gebraͤuchlich ſind. Auf ſteinigten und ſchluͤpfrigen Wegen werden ſie gar bald abgeſchliſſen und alſo oͤfters mit neuen verwechſelt, daher denn die Pferdewaͤrter und Knechte deren ſtets einen guten Vorrath bei ſich haben und an den Feleifen mitfuͤhren, ungeachtet ſie in allen Doͤrfern genugſam feil hangen, auch von den Bettelkindern auf den Straßen den Knechten zu Kaufe angeboten werden. Jch moͤgtewol149Erſt. Kap. Vorbereitungen zu unſerer Hofreiſe ꝛc. wol ſagen, daß in keinem Lande in der Welt mehr Hufſchmiede wohnen als hier, wo gleich - wol eigentlich keiner zu finden iſt.

Es ſey mir erlaubt, alhier anzumerken, daß ich, außer den angezeigten Reiſege - raͤthſchaften, fuͤr meine eigene Perſon eine japaniſche (von Batavia mitgebrachte) ſchlechte rindene Schachtel bei mir hatte, in welcher ich einen großen Compas verborgen hielt, wo - mit ich unvermerkt die Wege, Berge und Thaͤler allemal abmaß. Aeußerlich war es wie ein Schreibzeug, und ich nahm jederzeit Kraͤuter, Blumen und gruͤne Zweige zur Hand, wenn ich den Compas brauchte, damit die, ſo es ſaͤhen, in der Meinung ſeyn ſolten, als ob ich nur dieſe abzeichnen und beſchreiben wolte. Es muſte mir dieſes um ſo eher gelingen, da alle japaniſche Reiſegefehrten, und fuͤrnemlich der Bugjo ſelbſt, bis auf den lezten Tag unſerer Reiſe ſich bemuͤheten, mir alles, was ihnen von raren Gewaͤchſen und Pflanzen vorkam, zuzubringen, um den wahren Namen und Gebrauch davon zu erfahren, ſo, daß ich demnach zum Nachtheil unſerer Landesleute keinen Argwohn erregen konte. Es halten auch die Japaner als vernuͤnftige Menſchen und beſondere Kenner und Liebhaber der Pflan - zen dafuͤr, daß die Botanik eine nuͤzliche und unſchuldige Wiſſenſchaft ſey, die man nach dem Voͤlkerrecht keinem vorenthalten und beneiden, vielmehr befoͤrdern muͤſſe; wie ich denn wol ſagen kan, daß mir auf meinen beſchwerlichen Reiſen keine Nation in dieſem Stuͤcke hinderlich geweſen iſt. Jch hatte ſogar (bei meiner Ruͤkkunft zu Nagaſacki) die Ehre, daß mich des oberſten Dolmetſchers Sinkobe Sekretaͤr und oberſte Rath des Gouverneurs, Tonnemo, einſt nach Deſima, ſeinem Wohnplaz, rufen ließ, und mir im Namen ſeines Herrn das Compliment machte, wie man vom Bugjo Aſagina Sindaanoſia mit ſon - derbarem Gefallen vernommen, daß ich meine Zeit waͤhrender Reiſe ſo ruͤhmlich auf das Botaniſche Studium verwendet haͤtte: er waͤre ſelbſt davon ein großer Freund und Befoͤr - derer, u. d. gl. m.

Dagegen kan ich auch nicht in Abrede ſeyn, daß ich gleich vom Anfange der Abreiſe ganz beſonders darauf dachte, mir eines jeden Gefaͤhrten Liebe und Freundſchaft zu erwer - ben. Jch ſtand ihnen mit Arzeneien, mit allem guten Rathe zu ihrer Geſundheit bei, ich begegnete ihnen ſo hoͤflich als ich konte, und belohnte den allergeringſten Dienſt mit heimli - cher Erkaͤntlichkeit.

Man vergiſſet auch nicht, ſich auf der Reiſe mit einem Regenmantel zu verſehen. Es iſt derſelbe von gefirniſſetem und ins Oel getunkten doppeltem Papier gemacht, und ſo weit und lang, daß man Pferde und Ladung damit bedecken und ſchuͤtzen kan. Es ſcheint, als ob die Japaner deſſen Gebrauch ſamt dem Namen (Kappa) von den Portugieſen entlehnt haben. Die Fusgaͤnger haben beim Regenwetter an deſſen Statt Roͤcke, von eben derg ei - chen Papiere.

T 3Um150Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Um ſich vor der Sonnenhitze zu ſchuͤtzen, bedient man ſich eines großen Huthes von geſpliſſenem Bambus oder Stroh nett und kuͤnſtlich geflochten, in der Figur eines ausge - ſpanten Sombreiro oder Sonnenſchirms. Man bindet ihn mit halbſeidenen und baumwollenen Baͤndern unter dem Kinn feſte. Er iſt durchſichtig und leicht, laͤſſet aber dennoch, ſo bald er feucht geworden, keinen Regen durch. Nicht nur die Mannsperſonen tragen ihn auf der Reiſe, ſondern auch die Frauensperſonen in Staͤdten und Doͤrfern geben ſich zu jeder Zeit damit ein ſchoͤnes Anſehen.

Auch haben die Japaner auf ihren Reiſen weite Pumphoſen an, die bis zur Be - deckung der Waden enge herunter gehen und auf beiden Seiten einen Schliz haben, um ihre lange Roͤcke darin aufzufaſſen, die ihnen ſonſt im Reiten oder Gehen unbequem ſeyn wuͤrden. Ueber dieſe Hoſen ziehen ſie auch wol einen kurzen Mantel an; andere machen ſtat der Struͤmpfe eine breite Binde uͤber die Waden. Gemeine Bedienten, inſonderheit die Norimon und Piketraͤger brauchen keine Hoſen, ſondern ſchlagen, um geſchwinder zu ſeyn, ihre Roͤcke auf und ſtecken ſie in den Leibguͤrtel, ſo, daß ihr ganzer Unterleib zum Vorſchein komt, welches bei ihnen keine Schande iſt.

So wie wir Europaͤer ſelten ohne Handſchuhe auszugehen pflegen, eben ſo iſt es bei den Japanern mit dem Faͤcher, den beide Geſchlechter als ein Ehrenzeichen fuͤhren. Auf den Reiſen haben ſie eine Art derſelben, worauf die Meilen, Herbergen und Preiſe der Lebensmittel angewieſen und gedrukt ſtehen; außerdem ſiehet man ſtat deſſen viele Bet - telkinder auf den Wegen, die den Reiſenden kleine Buͤcher feil bieten, worinnen man eben daſſelbe verzeichnet findet. Kein Auslaͤnder darf, (wenigſtens nicht oͤffentlich) dergleichen Unterricht an ſich kaufen.

Dieſes waͤre demnach die Art, wie man ſich in dieſem Lande zur Reiſe ausruͤſtet; und ein Japaner, der denn ſo zu Pferde ſitzet, macht von weitem eine ſehr ſonderbare und komiſche Figur, denn da er ohnedem von kurzer und breiter Statur iſt, und nun der große Huth, die breite abſtehende Maͤntel und Pumphoſen noch dazu kommen, ſo wird er beinahe eben ſo breit als lang. Auf dem Wege reitet man einzeln hinter einander. Kaufleute laſ - ſen ihre mit zwei oder drei Packen oder Feleiſen ſchwer beladene Pferde vor ſich her leiten und reiten auf Laſtpferden nach. Der Zaum wird nicht von dem Reuter ſondern von dem Pferdeknechte gefuͤhrt, welcher zur rechten neben dem Kopfe des Pferdes gehet. Er ſingt dabei mit ſeinen Kameraden ein luſtig Liedchen, um ſich die Zeit zu vertreiben und die Pferde aufzumuntern.

Die europaͤiſche Art zu reiten, wo man das geſattelte Pferd beſchreitet und den Zuͤgel ſelbſt fuͤhrt, gehoͤrt bei den Japanern eigentlich in den Krieg und fuͤr den Soldaten. Selten und faſt gar nicht thut man das auf Reiſen, haͤufiger jedoch in den Staͤdten, wenn ſich Perſonen vom Stande Beſuche geben, nur mit dem Unterſchiede, daß der Reuter, derſehr151Erſt. Kap. Vorbereitungen zu unſerer Hofreiſe ꝛc. ſehr ſchlecht aufſizt, alsdenn den Zaum zum Schein angefaſſet hat, indem er ſein Pferd dennoch von einem, auch wol wenn Staat gemacht werden ſol, von zwei Knechten auf bei - den Seiten an dem Gebiſſe leiten laͤſſet.

Jhre Art die Pferde zu ſatteln iſt von der unſrigen wenig unterſchieden, und die Form des Sattels ſelbſt komt der deutſchen naͤher, als der von irgend einer aſiatiſchen Nation.

Die Steigbuͤgelriemen ſind ziemlich kurz. Zu beiden Seiten haͤngt, auf tartariſche Art, ein rauhes rund geſchnittenes Fel zu Beſchuͤtzung der Beine. Die Steigbuͤgel ſelbſt ſind ein gekruͤmtes, ſchweres und dickes Eiſen oder Sowaas, nach dem Maaße einer platten Fusſohle gemacht, an einer Seite offen, damit ſich der Reuter im Stuͤrzen deſto eher davon los machen kan. Es pflegen dieſelben kuͤnſtlich ausgearbeitet und mit Silber ausgelegt zu ſeyn. Zum Zaume wird ſtatt unſers ledernen Riemens ein ſchoͤnes ſeidenes Seil gebraucht, das aber nicht an der Stange ſondern an dem Gebiſſe des Pferdes befeſtigt iſt. Es waͤren hierbei noch einige andere Auszierungen zu erwaͤhnen, ich wil ſie aber uͤbergehen.

Sonſt hat man auch noch eine Art von Cangos, Saͤnften oder Tragkoͤrben, in welchen man ſich auf der Reiſe fortbringen laͤſſet, wodurch aber vieler Aufwand verurſacht wird, ob es gleich die anſehnlichſte Art zu reiſen iſt. Jn den Staͤdten bedient man ſich derſelben ebenfals theils zur Pracht theils zur Bequemlichkeit. Es iſt aber unter den Saͤnften vor - nehmer und geringer Leute ein merklicher Unterſchied, denn jene ſind von einer praͤchtigen koſtbaren Struktur, und werden abſonderlich Norimons genent, dieſe aber ſehen ſchlechter aus, und heißen Cangos. Der Poͤbel, der bei allen Nationen die Sprache regiert, hat dieſe verſchiedene Benennung feſte geſezt, denn im Grunde iſt in der Sache ſelbſt kein Unter - ſchied. Norimon heiſt eigentlich uͤberhaupt ein Siz, und Cango ein Tragkorb. Beide werden ſo mannigfaltig verfertigt, daß ich einen ſchlechten Norimon von einer ſchoͤnen lan - gen Cango nicht zu unterſcheiden weis, außer an den Baͤumen, womit er getragen wird. An einer Cango ſind dieſe ſchlecht, grob und klein, an einem Norimon aber gros, an - ſehnlich und hohl, auch ſonſt viel leichter als ſie ſcheinen, denn ſie ſind aus vier duͤnnen Brettern, in Geſtalt eines ſchmalen und oben bogenweiſe erhabenen feſten Balken nett zu - ſammengefuͤgt. Die Hoͤhe und Laͤnge dieſer Tragbalken iſt durch die Polizeyordnung einem jeden nach ſeinem Stande zugemeſſen, man erkennet daher an der Hoͤhe deſſelben zugleich die Hoheit des Fuͤrſten oder eines ſonſtigen großen Herrn. Wer ſich mehr duͤnkt als er iſt, laͤſſet bisweilen ſeine Baͤume hoͤher machen, als ihm zukomt, er laͤuft aber oͤfters uͤbel an, denn er mus ſie zu ſeiner Beſchimpfung wieder abſchaffen, ( auch wol daneben eine be - traͤchtliche Geldſtrafe geben. ) *)Findet ſich nur in der engliſchen Ueberſetzung.Das Frauenzimmer betrift dieſe Ordnung hingegen nicht, ſondern dieſe koͤnnen ohne Unterſchied ſo lange Tragbaͤume haben als ſie nur wollen.

Ein152Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Erſt. Kap. ꝛc.

Ein dergleichen Norimon iſt von cubiſcher laͤnglicher Figur und ſo groß, daß eine Perſon bequem darin ſitzen und ruhen kan, von fein geſpliſſenem Bambus artig geflochten, auch wol zierlich und koſtbar lakirt. Er hat auf jeder Seite eine Schiebthuͤr, und in oder bei derſelben, auch bisweilen hinten und forn ein kleines Fenſter, und zu den Fuͤßen eine Klappe, um ausgeſtrekt darinnen ſchlafen zu koͤnnen. Oben iſt er mit einem kleinen Dache verſehen, das man, wenn es regnet, zum Ueberfluſſe noch mit einer gefirniſſeten Papierdecke uͤberziehet. Er wird von zween, vier, acht, auch mehreren Menſchen, je nachdem einer vom Stande iſt, auf Schultern, und wenn es ein Prinz oder Gouverneur iſt, mit Haͤnden em - por getragen. Dieſe Traͤger, die alle einerlei Livree und auf derſelben das Wapen ihres Herrn fuͤhren, werden von andern neben gehenden zum oͤftern abgewechſelt. Doch ich wil davon an einem andern Orte mehr ſagen.

Eine Cango hingegen macht nicht ſo viele Figur und iſt gewoͤhnlich kleiner. Sie wird mit einem ſtarken viereckigten oder auch wol runden Tragbaume, der uͤber oder unter deren kleinem Dache durchgehet, fortgetragen. Diejenige, ſo man gemeiniglich auf Reiſen hat, und womit man fuͤrnemlich uͤber die Gebuͤrge getragen wird, iſt manchmal ſehr einfaͤl - tig und ſo klein, daß man mit untergeſchlagenen Fuͤßen und niedergebuͤktem Kopfe darinnen hocken muß, indem ſie beinahe nur den rundfoͤrmigen Boden eines Korbes ausmacht, deſſen zwei Handhaben gleich in die Hoͤhe bis unter das kleine Dach gehen. Man legt in dieſen Cango die hoͤchſten Klippen und Berge zuruͤk, uͤber welche man hier den Weg nehmen muß, weil die Wege mit Pferden nicht zu bereiſen ſind. Eine jede wird von drei Menſchen getra - gen, die alsdenn gewis ihre Laſt fuͤhlen.

Zwei -153

Zweites Kapitel. Algemeine Beſchreibung und Beſchaffenheit des Weges zu Waſſer und zu Lande von Nagaſacki bis in die Reſidenz Jedo.

Den Jnbegrif des Japaniſchen Reichs hat man vor Alters in ſieben Landſchaften eingetheilt*)S. Buch 1. Cap. V. , und jede nach Gelegenheit mit einer Haupt - oder Heerſtraße ge - bahnt, auf welcher man durch das ganze Reich zu einer jeden dieſer Landſchaften gelangen kan, indem von den anliegenden Provinzen beſondre Wege zu eben den Heerſtra - ßen, wie Baͤche zu großen Stroͤmen, geleitet ſind, die nach dem Namen der Landſchaften ſelbſt genant werden, wovon ich an einem andern Orte reden werde.

Es ſind dieſe Heerſtraßen ſo breit und geraumig, daß zween Reiſetrains, ohne ſich zu hindern, neben einander vorbeiziehen koͤnnen. Wer, ſo nach inlaͤndiſcher Art zu reden, hinaufreiſet, d. i. nach Miaco reiſet, muß die linke, und wer ſo abziehet, d. i. von Miaco komt, die rechte Seite des Weges halten, der eingefuͤhrte Gebrauch hat dies zum Geſetz gemacht. Damit nun ein Reiſender ſeinen Fortgang wiſſen koͤnne, ſo ſind dieſe Heerſtraßen mit Meilenzeigern abgemeſſen und bezeichnet. Die Jedoſche Hauptbruͤcke, die vorzugsweiſe Nipon bas, d. i. die Bruͤcke von Japan genant wird, hat man hiebey zum algemeinen Standpunkte angenommen, ſo, daß man daher aller Orten auf der Reiſe gleich wiſſen kan, wie weit man von dieſer Bruͤcke und der Reſidenz entfernt ſey. Zu ei - nem Meilenzeichen dienen zween gegen einander ſtehende Huͤgel, welche zu beiden Seiten desWegesZweiter Band. U154Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Weges aufgeworfen und mit einem oder mehr Baͤumen bepflanzt ſind. Da, wo ſich die Landſchaften und ſo wol kleiner als großer Herren Gebiete endigen, findet man hoͤlzerne oder ſteinerne Pfaͤhle aufgerichtet, die mit Charaktern bezeichnet ſind, welche die Graͤnzen und Herrſchaften melden, ſo wie man da, wo Seitenwege ablaufen, eben auch an einem der - gleichen Wegweiſer leſen kan, wohin er fuͤhre und wie weit der naͤchſte Hauptort von da abgelegen ſey.

Von dieſen Heerſtraßen beruͤhren wir zwo, und reiſen zwiſchen beiden einmal zu Waſſer, ſo, daß die ganze Hofreiſe gleichſam aus drei Stationen beſtehet. Die erſte ge - het von Nagaſacki zu Lande uͤber die Jnſel Kiuſju bis zu der Seeſtadt Kokura, und geſchiehet gemeiniglich in fuͤnf Tagen, von da wir zwo Japaniſche Meilen weiter nach dem Staͤdtgen Simonoſecki mit kleinen Fahrzeugen uͤberſetzen und uns auf unſere oben gemel - dete Barke begeben, die wegen gemaͤchlicher Tiefe und Bequemlichkeit zur Abfahrt alda vor Anker unſere Ankunft erwartet. Dieſer Landſtrich und Theil des Weges wird bei den Japanern Sai kai do, d. i. der Weſtgrundweg genant. Mit eben gemeldeter Barke tre - ten wir ſodan die zweite Station an, und kommen in acht, oder nach Beſchaffenheit des Windes in weniger oder mehr Tagen entweder gleich bis Oſacca, oder wegen bisweili - ger Unſicherheit des Hafens nur bis vor die Stadt Fjogo, die noch dreizehn Japaniſche Meilen zu Waſſer von dort entfernt iſt, und langen ſodan ſamt unſern ſaͤmtlichen Guͤtern mit kleinen Fahrzeugen bei der großen See - und Handelsſtadt Oſacca an. Die dritte Station wird nun wieder zu Lande uͤber die große Jnſel Nippon oder Japan von Oſacca aus bis zu der Kaiſerlichen Reſidenzſtadt Jedo in vierzehn oder mehr Tagen zuruͤckgelegt, und dieſen Strich Landes nennet man bei den Japanern Tookaido, d. i. den Grundweg. Nach gehabter Audienz bei der Kaiſerlichen Majeſtaͤt, auch abgelegtem Beſuche bei den Großen des Hofes, und endlich nach erlangtem Abſchiede, da wir uns immittelſt etwa zwan - zig Tage in Jedo verweilt, ziehen wir den nemlichen Weg nach Nagaſacki wieder zuruͤck, und endigen die ganze Reiſe innerhalb drei Monaten.

Dieſe drei Stationen zu Lande und Waſſer halten aufs kuͤrzeſte gerechnet drei hun - dert und fuͤnf und zwanzig*)Engl. Ueberſ. 323. Japaniſche Meilen, jedoch von verſchiedener Menſur; die erſte und kleineſte nemlich, von Nagaſacki bis Kokura, 53½; die zur See, von Kokura bis Oſacca, aufs wenigſte 139**)Engl. Ueberſ. 136., aufs hoͤchſte 146; die lezte und große wieder zu Lande, von Oſacca bis Jedo 133 Meilen und 13 Tſjo, das denn die Summe von drei hundert und ſechs und zwanzig***)Engl. Ueberſ. 323. Japaniſchen, oder zwei hundert Deutſchen Meilen ausmacht.

Die155Zweit. Kap. Beſchreibung und Beſchaffenheit des Weges ꝛc.

Die Meilen in Japan ſind nicht von gleicher Laͤnge. Die zu Lande auf der Jnſel Kiusju und in der Provinz Jſe halten 50 Tſjo oder Gaſſenlaͤngen in ſich, die uͤbrigen ge - meinen Landmeilen nur 36. Wenn ich bei guten Wegen geritten oder ſtark gegangen bin, ſo habe ich jene eine ganze, dieſe ¾ Stunden lang befunden. Ein Tſjo aber haͤlt 60 Kia oder Matten, oder Europaͤiſche Klafter, ſo, daß die gemeinen Landmeilen 2160, die gro - ßen 3000 Klafter lang ſind. Die Meilen zu Waſſer außerhalb Japan werden bei ihnen auf eine deutſche gerechnet; innerhalb ihres Reichs aber, nemlich zwiſchen oder um ih - ren Jnſeln, rechnen ſie dieſelben nach dem Umlauf der Ufer obenhin und ſehr ungewiß, und weiß ich von dem Verhaͤltniſſe hierinnen nichts zu ſagen, außer, daß ſie weit kuͤrzer fallen als ihre Landmeilen.

Auf der erſtern Station zu Lande ſind die Wege uͤber Sai kaido zum Theil, uͤber To kaido aber allenthalben, wo es die zwiſchen liegende Staͤdte und Doͤrfer nicht verhin - dern, mit einer dichte und grade geſezten Reihe Tannenbaͤumen zu beiden Seiten, zum Schatten und Luſt des Reiſenden, beſezt. Dem Regen ſind bequeme Abfluͤſſe nach den niedrigen Feldern angewieſen, und gegen die Hoͤhe zierliche Erddaͤmme aufgefuͤhrt, um da - durch das anfließende Regenwaſſer abzuwehren, weshalb dann ein Reiſender zu allen Zeiten einen guten Weg vor ſich hat, es waͤre denn bey anhaltender naſſen Witterung auf leimigtem Boden.

Wenn ein vornehmer Herr reiſet, wird der Weg kurz vorher mit Beſen gereinigt, auch werden zu beiden Seiten deſſelben einige Tage zuvor kleine Sandhaufen herbeigefahren, um dieſe auszuſtreuen und den Weg damit abzutrocknen, wenn es etwa bei ſeiner Ankunft regnen moͤchte. Jſt er ein Prinz von Kaiſerlichem Gebluͤt oder ein Gouverneur, ſo ſezt man alle 2 oder 3 Meilen Laubhuͤtten an die Wege, wobei ein heimlicher Nebengang abge - zaͤunt iſt, in welche ſie denn zur Luſt und auch zur Nothdurft abſteigen koͤnnen. Die Wegeaufſichter haben in Anſehung der Unterhaltung reinlicher Wege wenig Muͤhe, indem ſich der zunaͤchſt wohnende Landmann die Unſauberkeiten mit Begierde alsbald zu Nutze macht. Die taͤglich abfallende Blaͤtter und Tanaͤpfel ſamlen ſie zum Verbrennen, und kommen dadurch dem Mangel des Holzes, der ſich an vielen Orten befindet, zu Huͤlfe. Die Baurenkinder ſind gleich darhinter her, um den Pferdemiſt, wenn er noch warm iſt, aufzuraffen und auf ihre Aecker zu tragen, ja, die menſchlichen Excremente der Reiſenden ſo gar heben ſie zu eben der Abſicht auf, wie ſie ſolche in den des Endes neben den Bauren - haͤuſern zur Seiten der Landſtraßen zum Abtritt gemachten kleinen ſchlechten Huͤtten vorfin - den. Auch die abgenuzten und weggeworfenen Strohſchuhe von Menſchen und Pferden werden in eben dieſen Huͤtten geſamlet, verbrannt und die Aſche davon unter die Excremente gemiſcht, das denn uͤberal den Duͤnger abgiebt. Von dieſer uͤbel riechenden Maſſe wird ein Vorrath gemacht, den man auf den Feldern und an einem Aborte in den Doͤrfern inU 2großen156Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. großen Faͤſſern verwahrt, welche offen und unbedekt der Erde gleich eingegraben ſind: da der faule Geruch von Rettigen, die der Landleute taͤgliche Koſt ſind, hier nun noch hinzukomt, ſo kan man denken, daß, ſo ſehr die ſchoͤnen Wege das Auge ergoͤtzen, die Naſe im Ge - gentheil viel unangenehmes zu empfinden habe.

Wege uͤber Gebuͤrge kommen zuweilen auch vor. Dieſe ſind ſo ſteinigt, ſteil und muͤhſam zu erſteigen, daß ſie zu Pferde nicht wohl bereiſet werden koͤnnen, weshalb man ſich in Cangos oder Sizkoͤrben hinuͤber tragen laͤßt. Es ſind indeſſen dieſe Berge durch - gehends quelreich, man reiſet immer durch gruͤne Buͤſche, und wird, beſonders im Fruͤh - linge, durch die Blumen tragende Stauden und Baͤume, Fuſi, Tſubacki, Saſucki, Utſugi, Temariqua, u. d. gl. aufs angenehmſte ergoͤzt: man hat in der That hier An - blicke, die man ſonſt nirgends weiter findet.

Unter den Fluͤſſen, uͤber welche wir, ſonderlich auf Tookaido, ſetzen muſten, ſind verſchiedene, die wegen den nahe gelegenenen hohen Schneegebuͤrgen mit einer ſchnellen Gewalt zur See eilen, fuͤrnemlich wenn es geregnet hat, da ſie die Schranken ihrer ſtei - nigten Flaͤche uͤberſchreiten, wo denn auch weder Bruͤcken noch Fahrzeuge etwas nuͤtzen, ſondern das Waſſer durchgewadet werden muß. Hier giebt es denn gewiſſe dazu beſtelte und des Orts kundige Leute, denen man ſich auf ihre Gefahr anvertrauet, und die auch Pferde und Reuter wider die Macht des Stroms und der abrollenden Steine mit den Ar - men ſorgfaͤltig zu unterſtuͤtzen und durchzufuͤhren wiſſen. Auch die Norimons werden von ihnen auf den Haͤnden empor uͤbergetragen.

Der hauptſaͤchlichſte dieſer Fluͤſſe iſt die gefaͤhrliche Ojigawa, welche die Provin - zen To toomi und Surunga ſcheidet. Sie verurſachet den Reiſenden viele Sorge, und, wenn es geregnet hat, Hinderung, indem er alsdenn etliche Tage am Ufer verweilen muß, bis das Gewaͤſſer wieder verlaufen und er ſich ohne Gefahr durchleiten laſſen kan. Hier - naͤchſt, obwol von weit minderer Achtung, ſind Fuſi jeda gava und Abikava in der lezt genanten Provinz.

Andere zwar eben ſo ſchnelle, doch nicht ſo breite Stroͤme, laſſen zum Ueberſetzen Fahrzeuge zu, die nach Beſchaffenheit des Fluſſes gebauet und mit platten duͤnnen Boden verſehen ſind, damit ſie ſich biegen, und, wenn ſie auf hohe Steine gerathen, ohne Ge - fahr und Muͤhe davon abgebracht werden koͤnnen. Die namhafteſten derſelben ſind: Ten rju in der Provinz To tomi, Fuetſi kava in der Provinz Suruga, Ben rju in der Provinz Muſaſj, und Askagava, der ſeine Ufer unaufhoͤrlich veraͤndert; daher man im Sprichworte einen unbeſtaͤndigen Menſchen mit dieſem Fluſſe vergleichet.

Die uͤbrigen tiefen Fluͤſſe, die ein feſtes Ufer haben, ſind allemal mit breiten ſtar - ken Bruͤcken von Cedernholze belegt, die ſo fleißig unterhalten werden, daß ſie ſtets wie neu anzuſehen ſind. Jhre Gelaͤnder ſind zu beiden Seiten nach einer Klafterlaͤnge gefacht,und157Zweit. Kap. Beſchreibung und Beſchaffenheit des Weges ꝛc. und ruhen allemal zwei Fache auf einem Bogen, außer, wo zur Durchfahrt der Schiffe mehr Raum noͤthig iſt. Durchs ganze Land weis man ſo wenig etwas von Zol-als Wege - oder Bruͤckengeld, jedoch iſt an einigen Orten der Gebrauch, daß man bei Winterszeit dem Bruͤckenwaͤrter einen Senni oder Heller verehrt.

Die fuͤrnehmſten und wegen ihrer Groͤße beruͤhmteſten Bruͤcken ſind folgende:

  • 1) Setanofas iſt die Bruͤcke, welche uͤber den Flus Jedo gava an dem Orte erbauet iſt, wo er ſich zuerſt aus einem ſuͤßen See der Provinz Oomi ergießet. Sie ruhet in der Mitte auf einer kleinen Jnſel, und beſtehet daher aus zwei Theilen, deren der eine 36 Kin oder Klafter, und der andere 96 lang iſt. Außer derſelben iſt eben der Flus, welcher durch und bald hinter Oſacca in die See ſtuͤrzt, noch mit verſchiedenen zum Theil laͤnge - ren Bruͤcken verſehen; eine iſt bei dem Staͤdtgen Udſi, eine bei Fuſim, zwo bei Jodo, noch ſieben in der Stadt Oſacca, und noch viele andere uͤber die Armen dieſes Fluſſes befindlich.
  • 2) Jafagibas bei der Stadt Okaſacki in der Provinz Mikava. Sie iſt 208 Klafter lang. Auf dem Fluſſe koͤnnen nur kleine Fahrzeuge gebraucht werden, die aus dem zunaͤchſt gelegenen Meere nicht weiter als bis an die Bruͤcken heraufkommen.
  • 3) Joſida no fas, von 120 Kin, bei der Stadt Joſida in vorgedachter Pro - vinz gelegen. Bei hohem Waſſer kan man auf dem Fluſſe mit inlaͤndiſchen großen Barken bis zur Stadt ſegeln.
  • 4) Tokugo no fas in der Provinz Muſaſj, 109 Kin lang. Vor zwei Jahren (1687) iſt ſie durch eine große Ueberſchwemmung weggeriſſen, und wird vielleicht nicht wie - der erbaut werden, zumal da der ſtarke Flus der nahen Kaiſerlichen Reſidenz von der Seite zur Sicherheit dienen kann, wenn er ohne Bruͤcke iſt.
  • 5) Nipon baſ, d. i. die Japaniſche Bruͤcke, wegen ihres Vorzugs alſo genant. Sie liegt dem Kaiſerlichen Reſidenzſchloſſe gegen uͤber, und mitten in der Reſidenzſtadt Jedo, fuͤrnemlich aber darum beruͤhmt, weil man von ihr die Meilen der Landſtraßen zu zaͤhlen anfaͤngt.

Alle Bruͤcken liegen zu beiden Seiten der Fluͤſſe zwei Klafterlaͤngen uͤber das Land, wo denn ihre Gelaͤnder mit zwei Faͤchern fluͤgelweiſe geoͤfnet hervorſtehen. Es koͤnnen daher auch zu der beſchriebenen Laͤnge einer jeden Bruͤcke noch vier Kin oder Klafter hinzugerechnet werden.

Der Weg zur See, der auf unſerer Reiſe vorfaͤllt, wird laͤngſt dem Ufer der gro - ßen Jnſel Nipon genommen, die man zur linken Hand im Geſichte behaͤlt, und ſich nicht weiter als ein oder zwei Seemeilen von ihr entfernet, damit man bei aufſteigendem Gewit - ter ſich in einen ihrer Haͤfen begeben kan. Zur rechten, wenn wir aus dem Simonoſekiſchen engen Paß kommen, behalten wir zwar das Suͤd-Oeſtlich abfallende Ufer der Jnſel Kjuſju noch im Geſichte, bald aber zeigt ſich uns ſtatt deſſen die Jnſel Awadſi und die feſte Landſchaft Jdſumi, woſelbſt uns der Oſackiſche Hafen aufnimt und unſre Seefahrt beſchließt. EsU 3wird158Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Zweit. Kap. ꝛc. wird dieſe Seeſtraße taͤglich nicht nur von den Fuͤrſtlichen auf - und abreiſenden Perſonen und ihrem Gefolge, ſondern auch und am meiſten von inlaͤndiſchen Kaufleuten, die von einer Stadt und Provinz zur andern auf den Handel gehen, ſo ſtark befahren, daß man biswei - len in einem Tage hundert Schiffe unter Segel zaͤhlen kan.

Das feſte Land in vorerwaͤhnten Provinzen iſt voller Felſen und Berge, die indeſ - ſen keinesweges wuͤſte ſondern in einer guten Cultur ſind. Man ſiehet auch Doͤrfer, Fle - cken, einige Schloͤſſer und verſchiedene wohlgelegene Hafen, in welchen die Schiffe gegen Abend einlaufen, und einen guten Ankergrund von vier bis acht Klafter tief finden.

Bei eben der Reiſe zu Waſſer ſiehet man unzaͤhlbare viele Jnſeln, womit dieſer Seeſtrich, ſonderlich zwiſchen Tſikoko und Nipon angefuͤllet iſt. Sie ſind alle bergigt, die meiſten wuͤſte, ſteinigt und unfruchtbar; einige wenige haben noch einen ziemlichen Boden, ſuͤßes Waſſer, und ſind deshalb bewohnt; der ſteileſten Anhoͤhen, der muͤhſamſten Bepfluͤgung ungeachtet ſiehet man hier die Aecker bis an den Gipfel der Berge, und ſo weit ſie nur tragen wollen, hinangehn; die oberſten kahlen Hoͤhen ſind der Laͤnge nach mit einer Reihe von Tannenbaͤumen zum Zierrath bepflanzt und eingefaßt, welches einen ſehr artigen und ſonderbaren Proſpekt macht: auch die Gebuͤrge der unbewohnten Jnſeln ſind bisweilen ſo ausgeſchmuͤckt*)Dies fehlt in Scheuchzers Ueberſetzung, dagegen hat dieſe, daß ſich auf Nipon auch die Ge - buͤrge eben ſo bebauet und geziert faͤnden..

Auf dieſen Jnſeln ſind ferner viele Oerter an einer oder der andern Seite zum An - kern befindlich, die den inlaͤndiſchen Schifleuten durchgehends bekannt ſind, und ihnen bei ihrer Fahrt ſehr wohl zu ſtatten kommen, weil ſie ſich derſelben bei dem geringſten Ungewit - ter bedienen muͤſſen; indem ihre Schiffe, auch ſelbſt wenn ſie nach Obrigkeitlicher Vor - ſchrift gebauet werden, ſo ſchlecht ſind, daß ſie nur einigen ſtarken Wellen nicht widerſte - hen, noch den inneren Raum und deſſen Ladung vor dem Regen und Seewaſſer ſchuͤtzen koͤnnen, wenn nicht alsbald Anker geworfen und der Maſt niedergelaſſen wird. Das Ver - deck iſt ſo beſchaffen, daß das Waſſer von oben gleich durchdringt, wenn daſſelbe nach nie - dergelaſſenem Maſte nicht mit Strohmatten und dem Segel belegt iſt; und da das Hin - tertheil des Schiffes ganz offen gebauet iſt, ſo ſtuͤrzen ſich daher die ſtarken Wellen in den in - neren Raum, und laſſen ſich nicht anders als nach eingeſenktem Anker mit dem Vordertheil des Schifs brechen und abhalten. Ohne Niederlaſſung des Maſts alſo iſt die Befreyung des ganzen Schiffes von einer ungluͤcklichen Wendung und Zerſchmetterung wegen ſeines hohen, ſchmalen und ſchwachen Baues vergeblich.

Drit -159

Drittes Kapitel. Algemeine Beſchreibung der weltlichen und geiſtlichen, auch anderer Gebaͤude, die uns auf oͤffentlichen Wegen vorgekommen.

Auf unſerer Reiſe zu Waſſer ſahen wir die mancherlei Arten von Schiffen, und zu Lande verſchiedene geiſtliche und weltliche Gebaͤude, als: Schloͤſſer, Staͤdte, Flecken, Doͤrfer, Poſt - und Wirthshaͤuſer, Magiſtrats - und Gerichtsplaͤtze, Tempel, Kloͤſter, Wegegoͤtzen und andere heidniſche Heiligthuͤmer. Dieſe ſollen den Vorwurf dieſes Kapitels ausmachen. Was wir etwan darinnen nicht beruͤhren, das ſol bis zum folgenden ausgeſezt bleiben.

Die Schiffe und Fahrzeuge, die uns auf der Reiſe zu Waſſer vorgekommen, und im ganzen Reiche gebraucht werden, ſind von feſtem Tannen - oder inlaͤndiſchen Cedernholze gebauet, und nach dem Unterſchiede des Gebrauchs, wozu ſie gewidmet, und des Waſ - ſers, worauf ſie fahren, von verſchiedener Bauart.

Die Schiffe, welche man nur auf Fluͤſſen oder kleinen Meerbuſen zur Luſt unter - haͤlt, ſind nach des Beſitzers Phantaſie, und viele ſo eingerichtet, daß ſie blos mit Rudern koͤnnen fortgebracht werden. Der unterſte Raum iſt ſehr niedrig, und uͤber deſſen plattes Getaͤſel ein erhabenes Verdeck mit beweglichen Kammern und offenen Fenſtern aufgefuͤhrt, oben aber ſiehet man viele Flaggen und Wimpeln zum Zierrath angebracht*)Die Abbildung einiger dieſer Schiffe wird dem Leſer ihre Bauart am deutlichſten vorlegen. (S. Tab. XX. 5, 6..

Diejenigen Schiffe, welche auf der See zwiſchen und um den Jnſeln des Reichs fahren, und zum Tranſport der Menſchen und Frachtguͤter dienen muͤſſen, ſind die groͤße - ſten und fuͤhrnemſten im Lande, womit die wechſelſeitige Handlung unter den Staͤdten und Provinzen betrieben wird; ſie verdienen daher eine genauere Beſchreibung. Gewoͤhnlichſind160Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſind ſie 14 Klafter lang und 4 Klafter breit, und beides zum ſegeln und rudern geſchikt. Jn ihrer Figur lauſen ſie meiſtens von der Mitte bis vornhin ſpiz zu. Der Grundbalke oder Kiel ſtehet aus dem Waſſer bogenweiſe und ziemlich hoch empor. Der Bauch des Schif - fes iſt wenig und faſt gar nicht gewoͤlbt, und laͤuft unter Waſſer nach dem Kiele gerade zu. Der Spiegel oder Ruͤcken iſt plat und breit, und hat in ſeiner Mitten eine Oefnung, die bei - nahe bis auf den Grund gehet, und wodurch man von hinten in den Raum und in das in - nere des Baums ſehen kan; eben auch hier iſt das Steuerruder bequem angebracht: wie denn der Kaiſer, nachdem er den Fremden den Zugang in ſeine Staaten erſchweret, aus - druͤklich verordnet hat, daß alle Schiffe nicht mit geſchloſſenen Ruͤcken, ſondern mit einer ſolchen Oefnung gemacht und gebraucht werden muͤſſen, damit es kein Eingeborner wagen koͤnne, in die offene See und aus dem Lande zu fahren.

Das Verdek iſt nach dem Vordertheile des Schifs zu etwas erhaben, nach den Sei - ten aber, oder in ſeiner Breite plat und gerade; es beſtehet daſſelbe nur aus hingelegten Brettern, die nicht feſte noch in einander gefuͤgt ſind. Wenn das Schif ſchwer beladen iſt, ſtehet es wenig uͤber Waſſer. Das Oberverdek iſt Mannshoch erhaben und beſpreitet, außer den Vordertheilen wo die Anker liegen, das ganze Schif; ſtehet auch noch zu den Seiten einer Ellen breit uͤber, wo es uͤberal mit hoͤlzernen Schiebfenſtern geoͤfnet werden kan. Jn der vorderſten Haͤlfte des Schiffes ſind die Kammern fuͤr die Paſſagiers befindlich, die mit Schiebthuͤren von einander abgeſchieden, deren Fusboden aber mit hart gefuͤtterten Bi - ſammatten zierlich belegt ſind. Die vorderſte wird jederzeit dem fuͤrnemſten Paſſagier ein - geraͤumt, weil man ſie fuͤr die beſte haͤlt.

Das Oberverdek iſt meiſtentheils plat und mit Brettern wohl in einander gefuͤgt. Sobald es regnet, wird uͤber den Maſtbaum, nachdem derſelbe nach der Laͤnge des Schiffes in ſeinen beſtimten Ruheort niedergelaſſen, das Segel entweder ausgeſpant, worunter als - denn die Matroſen und das gemeine Schifsvolk ihren Aufenthalt und Schlafſtaͤtte nehmen, oder auch die Segelſtange nach der Laͤnge des Schiffes ſtatt eines Dachgiebels feſte gefuͤgt und wie eine Bauerhuͤtte mit ſchlechten Strohmatten belegt, die zu dem Ende ſtets bei der Hand liegen.

Es fuͤhrt ein ſolches Schif nur ein Segel, das von hanfenem Tuch gemacht und ziemlich gros iſt, auch nur einen Maſt eine Klafter hinterwaͤrts außer dem Mittelraum des Schifs: er iſt ſo lang als das Schif, und wird durch ein Hebezeug und eine vorn im Schif ſtehende Winde auf und zu ſeiner Ruhe wieder niedergelaſſen.

Die Anker ſind von Eiſen und das Tau von Stroh gedrehet, und ſtaͤrker als man wol glauben ſolte.

Ein Schif von der Groͤße iſt gemeiniglich mit 30 oder 40 Ruderknechten verſehen, die ſich in der hintern Haͤlfte des Schiffes aufhalten, und daſelbſt, wenn der Wind den -ſelben

Tab. XXI

161Drittes Kap. Beſchreibung der weltlichen und geiſtlichen Gebaͤude. ſelben keinen Fortgang giebt, neben den Ruderbaͤnken, meiſtentheils im ſtehen, das Ruder fuͤhren, wobei ſie durch den Takt eines Geſanges oder ſonſt einiger Worte und Toͤne ihrer Arbeit eine Richtung geben, und ſich zugleich damit unter einauder aufmuntern. Man rudert hier zu Lande nicht auf die Art, daß man das Ruder auf der Flaͤche des Waſſers ausſtrekt, ſondern man beruͤhrt das Waſſer gerade unter ſich; dieſes geſchiehet mit wenige - rer Bewegung, und treibt dennoch das Schif ſchnel fort, gehet auch von einem hohen Bo - den und in einer engen Farth bequemer von ſtatten; daher denn ihre Ruder aus zweien unter dem Hebel vereinigten Theilen beſtehen, die eine Kruͤmme machen, und, wenn ſie gefuͤhrt werden, auf beiden Seiten einen Fal nehmen.

Die Fugen, Rand und Ende der Balken ſind an allen Schiffen zierlich und reich - lich mit kupfernen Banden und Klammern beſchlagen. Der Schnabel iſt mit einem ab - hangenden dicken Quaſte von duͤnnen ſchwarzen Stricken geziert. Wenn ein vornehmer Herr faͤhrt, laͤſſet er die Seiten des Verdeks mit Schanzkleidern*)Jn der Engl. Ueberſ. ſtehet unbeſtimt: mit Tuch. umziehen, worinnen ſein Wapen befindlich, und die auch die Farbe von ſeiner Livree haben**)Fehlt in der Engl. Ueberſ.. Die Staats - piken werden hinten uͤber den Ruͤcken des Schifs neben dem Steuerruder aufgepflanzt, wo - ſelbſt auch eine kleine Windfahne zur Nachricht des Steuermans beigeſezt iſt. Wenn man anlandet, wird auf kleinern Schiffen das Steuerruder in der Eile aufgewunden und aufs Land geſchoben, ſo, daß man durch dieſe Oefnung gleichſam als durch eine Hinterthuͤr, und uͤber das Ruder als uͤber eine Bruͤcke gehen kan. Wir wollen hier gleichfals austreten, und nun die Gebaͤude auf unſern Wegen zu Lande beſehen. (Tab. XXI. Fig. 1, 2. iſt ſol - ches Kauffartheiſchif von zwei Seiten vorgeſtelt.) Ueberhaupt koͤnnen ſowol die civil-als geiſtli - chen Gebaͤude des ganzen Reichs an Groͤße und Pracht mit den Europaͤiſchen bei weitem nicht verglichen werden, indem ſie durchgehends niedrig und von Holz gebauet ſind.

Nach den Reichsgeſetzen darf kein Civilgebaͤude, mit Jnbegrif ſeines Giebels, uͤber ſechs Kin hoch ſeyn, wie denn die Wohnhaͤuſer ſelten einmal dieſe Hoͤhe haben, ſondern nur die Scheuren. Der Dairi, der weltliche Kaiſer und die Landesfuͤrſten, behelfen ſich ſelbſt mit Pallaͤſten von einem Stokwerke. Man trift zwar in den gemeinen Stadt - und Buͤrgerhaͤuſern zuweilen ein zweites Stokwerk an, aber es iſt ſehr niedrig, und hat oft keine andere Decke als das Dach des Hauſes ſelbſt, iſt auch meiſtens der Aufbewahrung des Hausgeraͤthes gewidmet. Die Urſachen dieſer Bauart ſind die vielmaligen Erdbeben in dieſem Lande, wodurch nicht nur ſteinerne und hohe, ſondern auch niedrige und leichte Gebaͤude einſtuͤrzen. Dahingegen befleißiget man ſich einer ungemeinen Sauberkeit, ZierdeundZweiter Band. X162Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. und Bequemlichkeit, die auch in niedrigen hoͤlzernen Haͤuſern gar wohl ſtatt haben koͤnnen. Das Jnnere des Hauſes iſt ſehr einfach gebauet. Die Gemaͤcher koͤnnen in der Geſchwin - digkeit ſo klein und ſo gros gemacht werden, als man ſie verlangt, denn ſie beſtehen aus leichten von hoͤlzernen Rahmen und mit gemaltem oder bunt verguldetem Papiere gemachten Schirmwaͤnden, die ſich zuſammenfuͤgen und wieder wegnehmen laſſen. Der erhabene und mit Dielen belegte Fusboden wird mit gefutterten und hart ausgeſtopften, auch am Rande koſtbar eingefaſſeten feinen Matten zierlich bedekt, die Matten ſelbſt aber ſind von gebleich - ten Bieſen gewirkt und durchs ganze Reich*)Nach den Geſetzen deſſelben, ſagt die engliſche Ueberſetzung. eine Klafter lang und einer halben breit. Der Hausboden mit den Treppen, die Thuͤr - und Fenſterpoſten und hoͤlzerne Gaͤnge ſind mit Firnis uͤberzogen, die Schwellen mit gebluͤmtem Gold - oder Silberpapier bekleidet, auch einige Gemaͤcher mit kuͤnſtlich bemalten Schirmen beſezt, und man ſiehet keinen Winkel, der nicht ſauber und ſchoͤn aufgepuzt waͤre, welches auch um deſto leichter geſchehen kan, weil das Land ſelbſt die Mittel dazu hergiebt. Es komt hiebei noch in Betrachtung, daß dieſe Haͤufer ſehr geſund zu bewohnen ſind, weil ſie von Cedern - oder Tannenholz erbauet und zum Durchzuge der Luft von vornen bis hinten geoͤfnet werden koͤnnen. So habe ich auch wahrgenommen, daß die Feſtigkeit der Daͤcher, die mit Schindeln gedekt ſind, auf einem ſo ſchweren dicken Balken, als man ihn nur haben kan, beruhet, und daß das obere Stokwerk alzeit von groͤberem Holze gemacht iſt; der Grund davon, ſagt man, ſey, weil bei einer Erderſchuͤtterung das untere leichte Gebaͤude durch das obere niedergedruͤkt und in einander gehalten werde.

Die Schloͤſſer ſind groͤſtentheils an den Ufern großer Fluͤſſe oder auf Huͤgeln und erhabenen Oertern angelegt. Sie nehmen einen großen Raum ein, und beſtehen aus einer dreiſachen Veſtung, deren eine die andere von weitem, und wenn es die Lage des Bodens zulaͤſſet, in die Rundung umgiebt. Jede iſt mit tiefen reinen Graben, mit einem ſteiner - nen oder Erdwalle und mit ſtarken Pforten, jedoch nicht mit groben Geſchuͤtz, verſehen.

Die innere Veſtung, Fon mar, d. i. aͤchtes Caſtel genant, iſt die Reſidenz des Herrn oder Fuͤrſten, dem ſie gehoͤrt. Sie prangt oͤfters mit einem weißen viereckigten ho - hen Thurm von drei oder vier Ueberſaͤtzen, deren jeder mit einem kleinen Dache, als mit einem Kranze umgeben iſt.

Die zweite Veſtung, Ninnomar, d. i. zweites Caſtel genant, wird von Kam - merherrn, Burggrafen und Sekretarien bewohnt, und deſſen uͤberfluͤſſiger leerer Plaz bis - weilen zu Gaͤrten und Reisfeldern gebraucht.

Die dritte, Soto gamei, d. i. die aͤußerſte Beſchirmung oder Ninnomas, das dritte Caſtel genant, iſt der Wohnplaz der Soldaten und anderer zum Hof gehoͤriger gemeinen Leute, dahin jedem der Eingang erlaubt iſt.

Die163Drittes Kap. Beſchreibung der weltlichen und geiſtlichen Gebaͤnde.

Die weißen Mauren, Baſtionen und Thore, auf welchen Haͤuſer von zwei oder mehr Etagen ſtehen, und beſonders der gekraͤnzte ſchoͤne Thurm der inneren Veſtung, dies alles leuchtet von weitem vortreflich in die Augen.

Außerhalb den Veſtungen ſiehet man einen weiten ledigen Plaz, Oo te guts, d. i. der große aͤußere Mund genant, welcher zur Verſamlung und Muſterung des Vol - kes dienen ſol.

Gegen die Macht inlaͤndiſcher Belagerungen und Kriege, die ohne grobes Geſchuͤtz gefuͤhrt werden, ſind daher dieſe Schloͤſſer wohl hinlaͤnglich wehrbar.

Es werden dieſelben im Bau ſehr wohl unterhalten, Hauptverbeſſerungen aber duͤrfen ohne Vorwiſſen und Erlaubniß des Kaiſers ſo wenig vorgenommen, als an irgend einem Orte des Reichs ein neues Schlos angelegt werden.

Die Reſidenzſchloͤſſer liegen allemal bei einer ziemlich großen Stadt, welche ſie ge - meiniglich in Form eines halben Mondes umgiebt.

Die Staͤdte ſind faſt alle ſtark bebauet und ſehr volkreich; ihre Gaſſen gehen ge - rade ſowol in die Quere als Laͤnge und ſo regelmaͤßig, als wenn ſie alle auf einmal angelegt waͤren. Mauren, Waͤlle oder Graben ſiehet man nicht. Die zwei Stadtthore ſind nicht beſſer, als die, womit man des Nachts die Gaſſen verſchließt. Vor denſelben findet man bisweilen ein Stuͤk Walles nur zum Zierrath aufgeworfen. Jn einer Fuͤrſtlichen Reſidenz - ſtadt ſind dieſe zwei Thore beſſer angelegt, und zur Ehre des Landsherrn mit einer anſehnli - chen Schloswache beſezt. Der uͤbrige Theil der Stadt nach dem Felde zu iſt offen und gar ſelten mit einem Zaun oder tiefen Graben umgeben. Die Kaiſerlichen Graͤnzſtaͤdte, ob ſie gleich an den Seiten nicht durch die Kunſt beveſtigt ſind, haben an ihren engen Paͤſſen, die man nicht vermeiden kan, ſtarke Thore, welche mit einer Kaiſerlichen Jnquiſitionswa - che beſezt ſind. An Reſidenzſtaͤdte, die wir auf unſerer Reiſe entweder durch - oder vorbei - paſſirt ſind, auch nur zum Theil von ferne geſehen, habe ich 33, von uͤbrigen Staͤdten und großen Flecken 75 bis 80 gezaͤhlt, ohne verſchiedene Pallaͤſte, die nur von Landdroſten be - wohnt werden, auch wol fuͤr auf - und abreiſende große Herren zum Nachtlager angelegt ſind. Ueber die vielen Kramhaͤuſer in den Staͤdten, womit oft ganze Gaſſen nach der Laͤnge beſezt ſind, mus man ſich ſehr verwundern, weil nicht zu begreifen iſt, woher die Kaͤufer kommen, durch welche ſo viele Verkaͤufer ernaͤhrt werden.

Jn den an den Landſtraßen der großen Jnſel Nipon gelegenen Doͤrfern trift man wenig Ackerleute, mehr aber ſonſt Einwohner von verſchiednem Stande an, die davon le - ben, daß ſie im Taglohn arbeiten, oder Knechtsdienſte verrichten, auch wol den Reiſenden allerhand Kleinigkeiten verkaufen. Es beſtehen daher dieſe Doͤrfer nur aus einer langen Gaſſe, durch welche zu beiden Seiten die Landſtraße hingehet. Wegen der Laͤnge der Gaſſen reicht oͤfters ein Dorf faſt bis an das andere, welches etwa eine viertel Meile da -X 2von164Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. von abgelegen iſt. Wenn es auf die Art zu geſchehen pflegt, daß durch almaͤhligen An - wachs ein Dorf mit dem andern ganz vereinigt wird, ſo fuͤhrt manches einen doppelten. Namen, weil ein jedes den ſeinigen behaͤlt, jedoch benent man auch zuweilen das ganze ſo vereinigte Dorf mit dem eigenen Namen des einen Theils deſſelben.

Man mus uͤberhaupt wiſſen, daß alle Namen nicht auf eine Weiſe geſchrieben und ausgeſprochen, ſondern des Wohllauts halber oͤfters abgekuͤrzt werden, daß dabei fer - ner ein Buchſtabe in einen andern veraͤndert, auch das N den Sylben nachgeſezt wird, welche Freiheit von eines jeden Mundart und von der Eigenſchaft der Japaniſchen Sprache abhaͤngt; ſo ſpricht und ſchreibt man oft Fonda fuͤr Fon Tomida, Mattira fuͤr Matzi dira, Tagawa fuͤr Takawa Firangava fuͤr Firakava, Nangaſacki fuͤr Na a acki. Jch merke dieſes hier an, damit es dem Leſer nicht anſtoͤßig ſey, wenn er die Namen der Oerter nicht einmal wie das andere uͤbereinſtimmend findet.

Die Bauerhaͤuſer ſind ſo ſchlecht und klein, daß man ihre Bauart mit wenigen Strichen abzeichnen kan. Sie beſtehen aus vier niedrigen Waͤnden, und ſind mit einem Schilf - oder Strohdache gedekt. Der Fusboden iſt hinten im Hauſe etwas erhaben, und alda der Feuerheerd angelegt, der uͤbrige Raum aber mit ſaubern Matten bedekt. Jn der offenen Thuͤr haͤngt eine von Strohſeilen aneinander gerichtete Matte, ſtatt einer Jalouſie, um nicht den Durchgang, ſondern das Hineinſehen von der Straße zu verhindern. Man findet in dieſen Haͤuſern wenig Geraͤthe, (etwan einen Haushahnen*)Fehlt in der Engl. Ueberſ.), viele Kinder und ſonſt große Armuth, und doch leben die Einwohner beim Vorrath wenigen Reiſes und vie - ler Feld - und Waldwurzeln vergnuͤgt.

Jn allen bewohnten Oertern ſiehet man uͤberal auf der oͤffentlichen Straße ein Fuda no tſjuſi oder ein begittertes Plaͤzchen fuͤr den hohen Willen, wie man es hier nent, d. i. fuͤr die Kaiſerlichen Edikte, welche der Gonverneur jeder Provinz un - ter ſeinem Namen publicut. Es ſind dieſelben Artikelsweiſe auf einer vierſeitigen einer oder einer halben Elle langen Tafel geſchrieben, welche an einem zwei Klafter hohen Pfahle, den Voruͤbergehenden zur Achtung, beveſtigt iſt. Unter dieſen Tafeln, die von verſchiede - nen Zeilen und Jnhalte ſind, faſſen die fuͤhrnehmſten, aͤlteſten und groͤßeſten das Verbot der Roͤmiſchcatholiſchen Lehre, das Gebot der Jnquiſition und die ausgeſezten Praͤmien fuͤr die Verraͤther der Chriſtlichen Pfaffen und Layen in ſich. Die Edikte, welche die Gou - verneurs fuͤr ſich ausgehen laſſen, ſiehet man in eben dieſen Schranken angeheftet, wes - halb denn ſo viele neben und uͤber einander hervorſtehen, daß ſie kaum Raum genug haben. Zuweilen ſind die Praͤmien von Gold und Silber fuͤr denjenigen, der eine gewiſſe Sache, Perſon oder Thaͤter ausfindig macht, gleich dabei gehaͤngt.

Jn165Drittes Kap. Beſchreibung der weltlichen und geiſtlichen Gebaͤude.

Jn den großen Staͤdten haben dieſe Plakatgitter insgemein beim Eintrit, in den Doͤrfern und Flecken aber in der Mitte der Straße, oder wo ſie ſonſt den Reiſenden am beſten in die Augen fallen, ihren Plaz. Außerdem findet man auch wol an unbewohnten Wegen auf ſchlechten und niedrigeren Pfaͤhlen angeſchlagene Befehle und Vorſchriften der Unterobrigkeiten, Dorfvoͤgte und Wegeaufſichter, die zwar wenig zu bedeuten haben, dem Verbrecher aber doch eine große Strafe zuziehen koͤnnen.

Ferner trift man auf den Wegen auch oͤffentliche Gerichtsplaͤtze an, die an einigen Kreuzen oder Pfaͤhlen, als den Ueberbleibſeln alda gehaltener Executionen, zu erkennen und allemal außerhalb an der weſtlichen Seite der Staͤdte und Doͤrfer gelegen ſind. Nach dem gewoͤhnlichen Urtheil findet man da, wo viele Geſetze ſind, auch viele Verbrecher; die dieſſeitige Regierung aber iſt ſo vorſichtig und vaͤterlich wachſam, daß ſie allen Gelegen - heiten, wobei ſich ein Verbrechen gedenken laͤſt, vorzubeugen ſucht, daher denn nothwendig viele neue Geſetze entſtehen, die in der That keine Klocke ohne Schal ſind, ſondern dem Uebertreter eine unvermeidliche Todesſtrafe zuerkennen. Durch dieſe ſtrenge Beobachtung der Geſetze aber ſind in dieſem großen heidniſchen Reiche die Gerichtsoͤrter mit weniger Menſchenkoͤrpern beſpikt, ſie rauchen weniger von der Verbrecher Blute, als in unſern Chriſtlichen Laͤndern. So viel vermag die Furcht einer ganz unvermeidlichen Lebensſtrafe, wodurch dieſe Tatariſche hartnaͤckige Nation, die ſonſt ihr Leben nicht viel achtet, ſo ſehr im Zaum gehalten wird. Von dem Gerichtsplatze zu Nagaſacki zwar kann man eben nicht ſagen, daß er ſo leer ſey, denn ſo wie er bei der lezten Verfolgung zu einer algemeinen Schlachtbank der Japaniſchen Chriſten diente, ſo iſt er auch noch jezt das Feld der blutigen Executionen derer, die wider das Kaiſerliche Edikt heimlich mit den Auslaͤndern handeln, und verrathen worden. Bei dieſen Schleichhaͤndlern ſcheint denn allerdings die Liebe eines ſuͤßen Gewinnes die Furcht der toͤdlichen Strafe zu uͤberwiegen.

Unter den geiſtlichen Gebaͤuden leuchten beſonders die vielen Tira, d. i. Buds - oder auslaͤndiſche Goͤtzenhaͤuſer nebſt ihren Kloͤſtern, mit ihrer anſehnlichen Hoͤhe, kuͤnſt - lichen Daͤchern und andern Schoͤnheiten vorzuͤglich hervor. Jn Staͤdten und Doͤrfern ſind ſie auf der ſtaͤrkſten Anhoͤhe, und außer denſelben am Fuße der Berge, gemeiniglich bei einem quellenden Bache und einem kleinen Luſtwalde erbauet, weil, wie die Japaner glau - ben, den Goͤttern dergleichen hohe und angenehme Oerter am beſten gefielen; ich glaube aber, auch den Pfaffen, indem ſie alda mehr Vergnuͤgen und Zeitvertreib haben koͤnnen. Es ſind dieſe Tempel von dem ſchoͤnſten Cedern - und Tannenholze gezimmert, und inwendig mit vielen geſchnizten Bildern ausgezieret. Jn der Mitte befindet ſich ein aufgeſchmuͤkter Altar mit einem oder mehr vergoldeten Goͤtzen, und vor denſelben einige wohlriechende Kerzen. Nach dem ganzen Aufputze ſolte man glauben, man komme in eine Roͤmiſche Chriſtenkirche, wenn nur keine ungeſtaltete Goͤtzen darin waͤren. Sowol in Anſehung ih -X 3res166Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. res Baues als der inneren Zierrathen haben ſie mit den Siamiſchen und Sineſiſchen Pago - den ſehr viel aͤhnliches; es iſt indeſſen hier der Ort nicht, eine weitlaͤuftigere Beſchreibung davon zu machen. Das ganze Reich iſt mit dieſen Tira erfuͤlt und der Pfaffen eine un - zaͤhlbare Menge; nur blos um und in der Stadt Miaco werden der Tempel 3893, und der dabei gehoͤrigen Siukke oder Budspfaffen 37093 gezaͤhlt.

Die Mija oder Cami, d. i. inlaͤndiſche Goͤtzentempel, in welchen nur weltliche Perſonen den Dienſt verrichten, hat die Heiligkeit ebenfalls einen vor andern erhabenen Ort, der wenigſtens von den unſaubern oͤffentlichen Wegen etwas entfernt liegt, angewie - ſen. Ein angenehmer breiter Gang, der durch eine große Ehrenpforte, die ſie Toori nen - nen, eroͤfnet wird, fuͤhret den Andaͤchtigen von der Landſtraße dahin. Die Ehrenpforte iſt ein von Holz oder Stein errichtetes ziemlich weites und hohes Thorgeſtelle, oben mit zween in Diſtanz eines halben Fußes unter einander liegenden Querbalken, die eben auch von Holz oder Stein ſind, geſchloſſen. (S. Tab. XVII. A.) Die Mitte ſtelt eine etwa anderthalb Fus große Tafel vor, worinnen der Name des Gottes, dem der Tempel gewid - met iſt, meiſtens mit verguldeten Buchſtaben eingegraben ſteht. Man kan von dieſem praͤchtigen Eingange mit Recht ſagen: parturiunt montes! denn wenn man ans Ende der faſt etliche hundert Schritte langen Allee gekommen, findet man oͤfters nichts anders, als eine ſchlechte hoͤlzerne und von vornen mit Gitterwerk verſehene kleine Huͤtte oder Behaͤl - ter in dem Gebuͤſche verſtekt, inwendig leer, bisweilen mit einem metallenen Spiegel in der Mitte, auch mit einigen Strohbuͤſcheln, oder ſtatt deſſen mit zerſchnittenem weißen Papiere, das Franſenweiſe an ein langes Seil geheftet iſt, behangen; ſo wie ſelbſt die Toori und die davon abgehende Gaͤnge mit dergleichen vielmals uͤberzogen ſind, alles zu einem Zeichen der Reinigkeit und Heiligkeit des Orts.

Die praͤchtigſten Pforten findet man vor dem Tempel Tenſjo Daiſin, Fatz - mans und deſſelben Cami oder Heiligen, welcher an jedem Orte als ein Patron und Schuz - engel angenommen und verehret wird.

Noch haben die Japaner unter ihren religioͤſen Dingen ſteinerne Fotoge oder Bilder auslaͤndiſcher Goͤtzen, beſonders des Amida und Dſi ſoo, auch ſonſt noch aller - hand monſtroͤſe Geſtalten von andern Goͤttern, die auf den Landſtraßen bei Abwegen, Bruͤ - cken, Kloͤſtern und heiligen Oertern aufgerichtet ſind, theils um denſelben dadurch eine Ehre zu erweiſen, theils bei Voruͤberreiſenden eine Andacht zu veranlaſſen, und ſie auf ihrem Wege an den guten und rechten Weg im Leben und Wandel zu erinnern; zu welchem Ende man denn auch von dieſen Weggoͤtzenbildern Abdruͤcke auf einem ganzen oder halben Bogen Papier an die Thore der Staͤdte und Dorfſchaften anklebt, nicht weniger auf Pfaͤhlen bei Bruͤcken, Plakatplaͤtzen und vielen andern Oertern ſie den Auf - und Abreiſenden fuͤr Au - gen ſtelt. Aeußerliche Ehrenbezeigungen werden ihnen von niemand erwieſen.

An167Drittes Kap. Beſchreibung der weltlichen und geiſtlichen Gebaͤude.

An den Thuͤren und Pfoſten der gemeinen Haͤuſer (Perſonen vom Stande lieben die Bekleiſterung nicht) ſiehet man durchgaͤngig ein auf einem halben Bogen abgedruktes ſchlechtes Bildnis dieſes oder jenen Hausgoͤtzen; das von dem ſchwarzen Giwon, fonſt Godſu Ten Oo genant, welches nach dem Buchſtaben der Ochſenkoͤpfige Himmels - fuͤrſt heißet, iſt am gemeinſten. Man glaubt von ihm, daß er die Hausgenoſſen vor Krankheiten, und inſonderheit die Kinder vor den Blattern, die in dem Lande ſehr boͤsar - tig ſind, bewahre. (Tab. XX. Fig. 10.) Jn vielen Doͤrfern meinet man noch beſſer vor dergleichen Uebeln geſchuͤzt zu ſeyn, indem alda die ſcheusliche Figur eines mit Haaren bewachſenen Jeſoers, die mit beiden Haͤnden ein großes Schwerdt fuͤhren, als ob er da - durch das Ungluͤck abwehre, jenes Stelle vertrit. An der Vorderſeite neuer und ſchoͤner Haͤuſer habe ich manchmal einen gemalten Drachen oder Teufelskopf, mit aufgeſperretem Maule, großen Zaͤhnen und feurigen Augen angetroffen; welcher Figur auch die Sinefen und Jndianer, ja ſelbſt die Mahomedaner in Arabien und Perſien einen Plaz uͤber ihre Thuͤren geben, damit, wie die lezteren ſagen, neidiſche Augen bei dem Anblicke ſich bre - chen, und folglich dem Hauſe nicht ſchaden moͤgen. So iſt an eben dem Orte gewoͤhnlich ein Zweig von dem Baume Fanna Skimmi, oder auch das Kraut Odermennig ange - bracht: durch das erſte ſol Segen in das Haus kommen, durch das andere aber der boͤſe Geiſt vertrieben werden, mehrerer anderer Zweige von geringerem Belange zu geſchweigen. Jn verſchiedenen Flecken findet man hoͤlzerne Ablas-Schachteln uͤber die Thuͤren geſezt, welche die Pilgrimme jaͤhrlich von Jsje mitbringen, und durch welche man dem Hauſe Gluͤk zuzuwenden meinet. Andere kleben und hangen lange Papierſtuͤcken, die von den Geiſtli - chen verſchiedener Sekten und Kloͤſter den ihrer Bekaͤntnis zugethanen Hausvaͤtern gegeben werden, an die Hausthuͤre oder in das innere und die Kammern, durch welche Kraft ge - wiſſer Charaktere und Gebaͤtformeln alles Ungluͤk beſchworen und von dem Hauſe abgewie - ſen wird. Gegen dieſe oder jene beſondere Seuchen und Plagen hat man noch viele derglei - chen Amuleten vor die Thuͤren geheftet; eins iſt unter andern auch wider die Armuth; und da moͤgen denn Diebe gar ſchlecht ihre Rechnung finden.

Vier -168

Viertes Kapitel. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, Garkuͤ - chen, Theebuden.

Die vornehmſten Flecken und Doͤrfer an unſerer Landſtraße ſind fuͤr die Reiſenden mit einem herrſchaftlichen Poſthauſe verſehen, wo man eine Menge Pferde, Traͤger, Boten, und was zur Befoͤrderung der Reiſe noͤthig iſt, um einen gewiſſen Preis zu aller Zeit haben, und die ermuͤdeten oder nicht weiter gemietheten Pferde und Menſchen abwechſeln kan. Weil an ſolchen Wechſeloͤrtern oder Poſtflecken, Japaniſch Sjuku ge - nant, die benoͤthigten Dinge und bequeme Herbergen anzutreffen ſind, ſo werden ſie gern zum Einkehren erwaͤhlt. Sie liegen je anderthalb bis vier Meilen von einander, ſind aber auf der kleinen Landreiſe uͤber Kiuſju nicht ſo ordentlich und gut als auf Nipon eingerich - tet, alwo derſelben von Oſaka bis Jedo 56 durchpaſſirt werden. Die Haͤuſer ſelbſt ſind nicht zur Wirthſchaft, ſondern nur zur Stallung der Pferde gebauet, und mit einem vorlie - genden Platze verſehen, damit alda, ohne die oͤffentliche Straße zu ſperren, das noͤthige bei der Abwechſelung geſchehen kan. Viele Schreiber und Buchhalter beſorgen die Unter - haltung des Poſtweſens, und muͤſſen die Rechnung davon bei der herrſchaftlichen Cammer ablegen. Der Preis fuͤr die Paſſagiers iſt durch das ganze Reich feſte geſezt, und von der einen Sjuku bis zu der naͤchſten nicht nur nach der Diſtanz, ſondern auch nach der Beſchaf - fenheit eines boͤſen oder guten Weges, theuren oder wohlfeilen Futters und anderer Umſtaͤnde regulirt. Eine Station in die andere gerechnet, bezahlet man auf jede Meile:

Fuͤr eine Norickacki, d. i. ein mit zwei Feleiſen und Betzeug beladenes Pferd zu reiten, 33 Senni.

Fuͤr ein Karaſiri, d. i. blos geſatteltes Pferd, 25 Senni, und

Fuͤr jeden Traͤger der Cangos oder einer andern Laſt, 13 Senni.

Auch ſtehen hier zu Fortbringung der Kaiſerlichen und Landesfuͤrſtlichen Briefe Tag und Nacht Poſtlaͤufer bereit; dieſe bringen ſelbige ohne den geringſten Verzug in un -unter -169Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc. unterbrochenem Laufe bis zur naͤchſten Poſt, und tragen ſie in einem ſchwarz lakirten Kaͤſtchen, das mit dem Wapen des Abſenders bemalt iſt, vermittelſt eines daran beveftigten Stabes auf der Schulter. Dieſer Boten laufen ſtets zween mit einander, damit, wenn dem ei - nen etwan was zuſtoͤßet, der andere ſeinen Dienſt verſehen, und mit dem Kaͤſtchen zur Stelle eilen kan. Wenn er eben Briefe vom Kaiſer traͤgt, alsdenn mus ihm alles, ja ſelbſt ein Fuͤrſtlicher Train, ausweichen, um ſeinem Laufe nicht hinderlich zu ſeyn, welches er denn jedesmal mit einem Gelaute von fern andeutet.

Mit Herbergen iſt unſere Heerſtraße ebenwol ziemlich verſehen. Die anſehnlich - ſten findet man in den Poſtflecken, daſelbſt auch die jaͤhrlich auf - und abreiſende Herren ein - kehren, weil ſie alle Bequemlichkeiten haben koͤnnen. Sie ſind wie andere wohlgebauete Haͤuſer von einem Stokwerke, oder wenn etwa noch eins waͤre, ſo iſt es niedrig und parfuͤmirt*)So haben meine Handſchriften. Scheuchzer gehet ganz ab und ſezt: und kan zu weiternichts als zu einem Magazin gebrauch werden. Sonſt haben ſie die Breite eines ordentlichen Wohnhauſes, eine Tiefe oder Laͤnge von manchmal 40 Klaftern, nicht ohne Zierde, und darhinter einen Tſuboo, d. i. Haus - oder Luſtgaͤrtchen, das mit einer ſaubern weißen Wand eingefaſſet iſt. Von vornen ſind dieſe Haͤuſer mit hoͤlzernen Schiebladen verſehen, welche nebſt den Schirmwaͤnden der innern Gemaͤcher, wenn keine vornehme Gaͤſte da ſind, bei Tage allezeit offen ſtehen, ſo, daß ein Vorbeigehender durch die dunkeln Kammern gleichſam als durch ein Perſpektiv in den Luſtgarten ſiehet. Der Eſtrich iſt eine halbe Klafter erhaben: von demſelben raget gegen die Straße und den Garten eine hoͤlzerne Gallerie unter einem Vordache hervor, de - ren ſich die Gaͤſte aus Zeitvertreib zum Austritte und Sizplatze bedienen, und von da auch wol auf die Pferde ſteigen, um auf der Straße an den Fuͤßen nicht kotig zu werden. Ei - nige Herbergen haben zur Seite einen Eingang, der fuͤr vornehme Gaͤſte beſtimt iſt, und wodurch ſie aus dem Norimon alsbald in ihr Zimmer abtreten koͤnnen, ohne in dem Vor - hauſe ſich ſchmutzig zu machen.

Das Vorhaus iſt dunkel und unanſehnlich, mit ſchlechten weichen Matten belegt, und mit gemeinen Schiebthuͤren abgetheilt. Jn ſelbigen befindet ſich die Kuͤche, aus wel - cher oͤfters alles mit Rauch uͤberzogen wird, weil kein Schornſtein, ſondern nur etwan ein Rauchloch im Dache da iſt. Die gemeinen Paſſagiers haben denn hier bei dem Haus - und Kuͤchengeſinde ihr Quartier.

Das Hinterhaus hingegen wird zu Bewirtung vornehmer Gaͤſte jederzeit ſo ſauber unterhalten, daß man auf den Fusmatten, an Thuͤren, Waͤnden, Schirmen und Fenſter -Zweiter Band. Yjalouſien170Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. jalouſien nicht den geringſten Flecken ſiehet, ſondern alles wie neu iſt. Jm uͤbrigen findet der Gaſt nur ledige Kammern zu ſeinem Logis, ohne Tiſch, Stuhl noch ſonſt einige Meublen, außer daß darinnen ein und andere Miſeratſien, d. i. bewundernswuͤrdige und bei der Nation hochgeachtete zum Theil koſtbare Stuͤcke niedergeſtelt ſind, mit deren Beſichtigung er denn eine muͤßige Stunde zubringen, ſo wie des auch nahe bei gelegenen Tſubo oder ſchoͤn und kuͤnſtlich eingerichteten Luſtgaͤrtchens zu ſeinem Austrit und Gemuͤthsveraͤnde - rung ſich bedienen kan. Von beiden Stuͤcken wollen wir uns hernach genauer unterrichten, wenn wir erſt ein wenig die Kammern des Hauſes betrachtet haben.

Dieſe haben denn ſelten mehr denn eine feſte Wand, welche betuͤnchet und mit Oſackiſcher Erde oder Linnen ſubtil, jedoch rauh und ohne weitere Auspolirung beſchmieret, dabey ſo duͤnne iſt, daß man ſie mit dem Fuße einſtoßen koͤnte. Die andern Seiten ſind mit Fenſtern und Schiebthuͤren geſchloſſen, welche in gedoppelten Fugen laufen, nemlich unten in einer dem Fusboden oder Matten gleich liegenden Schwelle, und oben in einem ein oder zwei Ellen niedriger als die Decke gezogenen Balken, daß ſie alle aufgeſchoben, oder, wenn man wil, ausgehoben werden koͤnnen. Die papiernen Fenſterjalouſien, wo - durch das Licht in die Kammer faͤlt, haben zu beiden Seiten verborgene hoͤlzerne Schieber, womit ſie, wenn es Nacht wird, von außen bedekt und von der Seite der Gallerie und des Gartens her verſchloſſen werden. Ueber den Schiebern oder deren Balken iſt der Raum bis zu der hoͤlzernen Decke auf vorgedachte Weiſe betuͤnchet; die Decke aber wird wegen des raren Holzwerks bisweilen rauh gelaſſen, und nur mit einem durchſcheinenden duͤnnen Fir - nis uͤberſtrichen, oͤfters auch mit buntem und den Schiebern gleichfaͤrbigem gebluͤmten Pa - pier uͤberzogen.

Jn der feſten Wandſeite ſiehet man jedesmal ein Tokko, d. i. einen Erker, oder ein uͤber dem Fusboden einen Fus erhabenes und eine Elle tief eingehendes Fach, gemeiniglich bei der gegen dem Eingange uͤber ſtehenden Ecke, welcher Ort, ſo wie bei den Ruſſen der, wo der Bog oder Heilige haͤngt, fuͤr den vornehmſten und hoͤchſten gehalten wird. Obgleich der Fusboden vor der Tokko bereits bemalt iſt, pflegen dennoch alda zwei andere koſtbare Matten, deren jede doppelt zuſammengeſchlagen, zu einem Sizplatze fuͤr Gaͤſte vom erſten Range, uͤber einander zu liegen. Bei Beherbergung geringerer Perſonen werden ſie uͤber die Seite gebracht.

Qhnweit der Tokko findet man ein Tokki Wari oder Nebenerkerchen mit einigen in der Mitte auf eine ganz ſonderbare Art uͤber einander ſtehenden kleinen Brettern, die mit dem eignen Namen Tſigai Danna genent werden, und worauf der Wirth oder auch der Paſſagier, wenn er wil, ſein ſchaͤzbarſtes Buch zu legen pflegt, weil ein ſolches, wie bei den Mahomedanern der Koran, niemals den bloßen Fusboden beruͤhren darf. Wenn Hol - laͤnder als Gaͤſte kommen, thut es der Wirth weg.

Der171Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc.

Der Raum uͤber dem Tſigai iſt mit einem hoͤlzernen Schranke ausgefuͤlt, um Papier, Dintenfas, Schriften und Buͤcher darinnen zu verwahren; die Gaͤſte finden auch daſelbſt bisweilen ihre Schlaf kloͤtze, die hier zu Lande ſtatt der Kopfkuͤſſen gebraucht wer - den. Sie ſind Cubikfoͤrmig, hohl und aus ſechs duͤnnen Brettern zuſammengefuͤgt, von außen gefirniſſet, glatt und ſauber, und nicht viel uͤber eine Spanne lang, jedoch weniger breit und dicke, damit einer nach deſſen verſchiedenen Wendung ſein Haupt hoͤher oder niedri - ger legen kan. Ein Reiſender hat kein ander Schlafzeug von dem Wirthe zu erwarten, und wenn er ſelbſt weiter keins bei ſich fuͤhrt, ſo bedient er ſich, neben dem eben erwaͤhn - ten hoͤlzernen Kopfkuͤſſen, der Matte des Fusbodens zum Unterpfuͤhl und ſeines Rockes zur Decke.

Auf der Nebenſeite der Tokko iſt oͤfters ein abgeſonderter, von dem Fusboden er - habener und durchgebrochener Erker oder Fenſter, von ungemein ſchoͤner Arbeit, durch wel - ches der, ſo ſeinen Siz auf dem vornehmſten und hoͤchſten Platze hat, auf das naͤchſt ge - legene Feld, Garten oder Waſſer ſehen kan.

Jn dem mit koſtbaren hart ausgeſtopften Matten belegten Grunde der Kammern iſt eine viereckigt ausgemauerte Grube angebracht, welche zu Winterszeit, da man die Matte wegnimt, mit Aſche gefuͤlt und mit Kohlen verſehen wird. Die Hauswirthin ſtelt einen niedrigen kleinen Tiſch daruͤber, und breitet uͤber denſelben eine weite Decke aus, worunter man ſitzen und den Leib wider die kalte Luft, ſo wie in Perſien unter einer Kurtſji, gemaͤchlich bergen kan. Wo keine dergleichen Feuergruben ſind, hat man des Winters an deren Statt ein meſſingenes oder irdenes oder kuͤnſtlich gemachtes Feuertoͤpfen in den Kam - mern, mit zwei langen in der Aſche ſteckenden eiſernen Staͤbchen, die man zu einer Feuer - zange oder Gabel zu gebrauchen gewohnt iſt, ſo wie man bei der Mahlzeit ebenfals keine andere Werkzeuge hat.

Von oben erwehnten Koſtbarkeiten, die Miſeratſien genent werden, habe ich fuͤr - nemlich folgende Stuͤcke, zwar nicht alle in einer, ſondern bald mehr bald weniger in ver - ſchiedenen Herbergen angetroffen, nemlich:

  • 1) Eine papierne, mit einem in Gold geſtikten Tuche nett beſaͤumte Roltafel. Auf derſelben iſt das Bildnis eines mit einem groben Pinſel ſchlechtweg gemalten Heiligen vorgeſtelt, der gleichwohl in wenigen und oft nur in drei oder vier Strichen ſo wohl getroffen und proportionirt iſt, daß ihn ein jeder alsbald erkennen und die Kunſt des Meiſters loben mus. Ein andermal ſtehet auf dieſer Tafel ein nachdenklicher Spruch eines beruͤhmten Weltweiſen oder Poeten, mit der eigenen Hand des Urhebers, geſchrieben; bisweilen ſiehet man darauf nur bloße grobe Buchſtaben und Zuͤge eines im Reiche beruͤhmten Schreibmei - ſters, der ſeine Kunſt damit zeigen wollen; dem Anſehen nach ſind ſie mit einer gleichguͤl - tigen, obwol affektirten, Eilfertigkeit dahin gemalt, ein Liebhaber aber findet dem ohnge -Y 2achtet172Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. achtet Kunſt und Bedeutung darin. Alle dieſe Schriften aber ſind, zum Beweis des Ori - ginals, mit des Meiſters und einiger Zeugen untergedruͤkten Petſchaften beurkundet. Man findet ſie als ein Kammer - oder Hauspalladium nirgends als an dem achtbarſten Orte, in der Tokko, aufgehangen.
  • 2) Eine auf einem weißen Schirme oder Kammerſchieber von einem namhaften Meiſter mit ſchwarzen groben Strichen radirte, zwar kuͤnſtlich affektirt und nachlaͤſſig, doch von weitem fehr natuͤrlich ſcheinende Abbildung von Chineſiſchen alten Maͤnnern, Voͤgeln, Baͤumen oder einer Landſchaft.
  • 3) Einen unter der Tſigai Danna ſtehenden Blumentopf, welcher nach Be - ſchaffenheit der Jahrszeit mit verſchiedenen Baumzweigen in dem ſchoͤnſten Flor nach den Regeln der Blumengaͤrtnerei unterhalten wird, in welcher Kunſt man hier zu Lande eben ſowol Unterricht giebt, als bei uns im Trenchiren und Serviettenbrechen bei der Tafel. An deſſen Statt findet man manchmal ein von Metal kuͤnſtlich gegoſſenes Rauchfas, in ei - nes Kranichs, Loͤwen, Drachen oder andern auslaͤndiſchen Thieres wilkuͤhrlicher Geſtalt. Jch habe einigemal ſo gar einen Coͤlniſchen Spaawaſſerkrug geſehen, an dem verſchiedene Riſſe mit Fleis ausgebeſſert waren, und der fuͤr eine Seltenheit gehalten wurde, weil er von weiten Orten, fremder Erde und ungewoͤhnlicher Figur iſt.
  • 4) Einige rar geflammete Stuͤkchen Holz, worin die Fibern wunderbar ſpielen, die denn durch muͤhſame Kuͤnſteleien uͤber die Natur das Auge reitzen ſollen. Gemeiniglich iſt die Tſigai Danna ſelbſt, oder die bretterne Fenſterrahme des Erkers, der Toko und der Toko wara, oder die Schiebthuͤren an den Kammern und Gaͤngen, oder auch einige Kammerpfoſten, abſonderlich an der Toko, von dergleichen Holze, das daher denn auch rauh und an verſchiedenen Stellen in ſeiner groben Rinde gelaſſen wird, außer, daß man es zur Sauberkeit nur mit einem Firnis, jedoch ſo duͤnne uͤberzieht, daß die ſubtil ſpielende Natur durch die Kunſt keineswegs unſichtbar gemacht und verdunkelt wird.
  • 5) Ein entweder vor dem Erkerfenſterchen oder uͤber den Schiebwaͤnden der fuͤr - nehmſten Kammern kuͤnſtlich durchgeſchnittenes Gitter - oder Laubwerk.
  • 6) Ein wegen ſonderbarer Unfoͤrmlichkeit rares Stuͤk Holz oder Knorre von einer alten verweſeten Baumwurzel oder Stamme, worinnen einige Charakteren ausgegraben ſind. Man findet ſolche Stuͤcke hier oder da aufgehangen oder in der Toko wara liegen.

Auf ſolche Weiſe ſind eine oder mehrere Hinterkammern in den Herbergen und an - dern angeſehenen Haͤuſern eingerichtet und ausgeziert. Jn den uͤbrigen Kammern nimt die erwaͤhnte vorzuͤgliche Reinlichkeit almaͤhlig ab, indem die beflekten und veralterten Mat - ten und Schirmwaͤnde aus jenen in dieſe gethan und hier aufgebraucht werden. Die beſte und groͤßeſte unter dieſen lezteren Kammern iſt die, in welcher nebſt den irdenen Theeſcha - len und einigem eiſernen Kuͤchengeraͤthe alles Tafelgeſchir auf bewahrt wird, und auf demBoden,173Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc. Boden, nach der beſondern Groͤße, Form und Gebrauche ſortirt, aufgehaͤuft liegt. Sol - ches Geſchirre, das alle von duͤnnem Holze und meiſt auf dunkelrothem Grunde ſtark lakirt iſt, mus nach jedesmaligem Gebrauche mit warmem Waſſer ausgeſpuͤlt, mit einem Tuche abgetroknet und ſo verwahrt werden, da es ſodenn, wenn der Firnis fein und der Lak aͤcht und gut iſt, viele Jahre, auch bei einem taͤglichen Gebrauche, ſich in ſeinem ſau - bern Glanze wie neu erhaͤlt.

Die gegen den Garten hervorragende Gallerie leitet den Fremden zu dem heimli - chen Gemach und der Badſtube.

Das heimliche Gemach iſt zur Seite des Hinterhaufes und ſo angelegt, daß man durch zween Thuͤren hineingehet. Jm Eintritte findet der, welcher etwa mit bloßen Fuͤßen den Boden, der jedoch eben wol ſauber und mit Matten belegt iſt, zu beruͤhren ſich ſcheuen moͤchte, ein paar neue Bieſen - oder Strohpantoffeln. Seine Nothdurft verrichtet man auf Aſiatiſche Manier, nemlich im Hocken, durch eine ſchmale Oefnung des Fusbodens. Von außen wird ein Trog untergeſchoben, der mit Kaf oder Spreu ausgefuͤlt iſt, worinnen ſich der uͤble Geruch augenbliklich verliert. Bei Perſonen vom Stande wird das kleine Bret, vor welches man ſich uͤber die Oefnung niederlaͤſſet, ſo wie die Handhaben bei der Thuͤr, mit einem ſriſchen Bogen weißen Papiers jedesmal beklebt. Ohnweit dem heimli - chen Gemache findet man ein Waſſergefaͤs, um ſich hiernaͤchſt die Haͤnde abſpuͤlen zu koͤn - nen. Daſſelbe iſt gewoͤhnlich ein aufſtehender langer rauher Klippenſtein, der oben zu ei - nem Waſſerkumpe zierlich ausgehauen und mit einer neuen Kelle von Bambus gemacht, verſehen iſt, uͤbrigens aber mit einem Tannen - oder Cypreſſenbretchen bedekt iſt, in welches ſo oft und vielmal, als man es abnimt, ein Stift von Bambus eingeſtekt wird, weil die - ſes Holz ſtets ſauber iſt und von Natur gleichſam einen Lak hat.

Das Badehaus ſchließet ſich gemeiniglich an die hinterſte Seite des Gaͤrtchens, und iſt von Cypreſſenholze gebauet. Man trift darinnen entweder eine Froo, d. i. einen Dampfkaſten oder Behaͤlter, oder nur ein Cifro, d. i. ein warmes Waſſerbad, an. Weil es die Gewohnheit der Nation mit ſich bringt, ſich auf der Reiſe alle Tage zu baden, ein Mittel ſowol wider den Schweis als die Muͤdigkeit der Glieder, ſo wird auch taͤglich gegen Abend das Bad um deſto eher warm und fertig gehalten, zumalen da ein Japaner wegen ſeiner leichten Entkleidung nicht viele Hindernis hat, ſich deſſen, wenn es ihm ein - faͤlt, zu bedienen, denn ſo bald er ſeinen Guͤrtel geloͤſet und mit einem Wurfe alle ſeine Kleidungsſtuͤcke hinter ſich abfallen laſſen, ſtehet er, außer dem Schaambande, mutter - nackend da.

Die Struktur des Dampfbades wil ich dem Liebhaber zu Nutze kuͤrzlich beſchrei - ben: an der aͤußeren Wand des Badehauſes iſt ein etwa zwei Ellen vom Boden erhabener Cubikfoͤrmiger Kaſten oder Behaͤlter angelegt. Seine inwendige Hoͤhe betraͤgt kaum eine,Y 3die174Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. die Weite und Laͤnge aber etwa anderthalb Klafter. Der Boden iſt mit ſchmalen hart gehobelten Latten, in Diſtanz einiger Zolle, belegt, damit der Dampf von unten ungehin - dert hinauf ziehen, und das Spuͤlwaſſer, das man darin braucht, abfließen koͤnne. Man ſteigt zur Seiten durch ein Schiebthuͤrchen hinein, und hat an zween Seiten ein kleines hoͤl - zernes Schiebfenſter, wodurch man den uͤberfluͤſſigen Dampf hinauslaͤſſet. Der Raum unter dem Kaſten oder Behaͤlter iſt vom Boden auf mit einer Wand umſchloſſen, damit der Dampf zuſammengehalten werde. Eben daſelbſt iſt von der Hofſeite ein Keſſel einge - mauert und unter demſelben ein Feuerheerd, welcher gegen die Badſtube, damit kein Rauch dahin komme, gleichfals einen Einflus hat. Der Keſſel ſtehet von außen auf die Haͤlfte oder ſo weit hervor, daß er alda mit noͤthigem Waſſer und Kraͤutern verſehen wer - den kan, und iſt dieſer hervorſtehende Theil mit einer Klappe geſchloſſen, damit bei unter - gelegtem Feuer der Dampf nur aus dem andern offenen Theile uͤber ſich in den Kaſten ſtei - gen und denſelben erfuͤllen koͤnne. Uebrigens findet der Badegaſt inwendig eine Buͤtte vol kalten und eine andere Buͤtte vol warmen Waſſers, um ſich deſſen nach Gefallen und Noth - durft zu bedienen.

Das Hausgaͤrtchen (das der Hollaͤnder, als fremder Gefangener, eini - ges Vergnuͤgen iſt) beſchließet die ganze Breite des Hinterhauſes, iſt viereckigt, mit einer Hinterthuͤr und weißen Mauer oder Wand, wie ein Kump eingefaſſet, daher es Tſubo, welches ſo viel als ein großer Kump oder Waſſertrog heißet, genent wird. Alle vornehmen Haͤuſer und Herbergen ſind damit verſehen. Wo der Raum zu deſſen Anlage etwa zu enge faͤlt, da findet man zum wenigſten einen gepropften alten Pflaumen-Kirſch - oder Abricoſenbaum, der deſto edler, rarer und werther gehalten wird, je aͤlter, krummer und ungeſtalteter er iſt. Dieſe Baͤume ſind oft durch die Laͤnge des Raums horizontal ge - leitet, geſchoren und bis auf ein oder zwei Aeſte geſtuͤmpft, damit ſie groͤßere Bluͤte tragen. Sie geben alsdenn zu ihrer Zeit dieſem Winkel mit ihren fleiſchfarbigen, doppelten und un - glaublich vollen Blumen das herrlichſte Anſehen, tragen aber keine Fruͤchte. Jn einigen Wirthshaͤuſern, wo gar kein Hintenraum vorhanden, iſt doch in dem Buſen des Gebaͤu - des ein offener heller Plaz gelaſſen, und dieſer denn mit einem Waſſerkumpe, in welchem bisweilen kleine ſchwimmende gold - und ſilberfarbige Fiſche ſind, einem oder zween raren Baͤumen und Adoniſchen Blumentoͤpfen beſezt, oder es ſind auch einige Zwergbaͤume da - hin gepflanzt, deren Wurzeln durch und uͤber die Bimsſteine ausſchlagen, und ihre Nah - rung aus bloßem Waſſer, worin dergleichen Klippen ſtehen, ohne Erde haben. Vor den Thuͤren gemeiner Haͤuſer ſiehet man dieſe Zwergbaͤume gleichfals zur Luſt und Zierrath ausgeſezt.

Ein volkommenes Hausgaͤrtchen oder Tſubo, von etwa 30 Schritten ins gevierte, hat folgende weſentliche Stuͤcke:

1) Der175Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc.
  • 1) Der Grund iſt zum Theil mit rundigten Bach - oder Seeſteinchen nach ihrer verſchiedenen Groͤße und Farbe, und nachdem ſie zuvor wohl gewaſchen und geſaͤubert wor - den, an beſondern Oertern Betweiſe belegt oder uͤberſchuͤttet, zum Theil auch mit grobem Sande, der mit Beſen ſtets gleich gehalten wird, dicke beſtreuet, dazwiſchen liegende un - foͤrmige Feldſteine ſollen zu einem Fuspfade dienen. Man moͤchte ſagen, alles iſt in einer angenehmen kunſtmaͤßigen Anordnung, in welcher man auch
  • 2) gar wenige blumentragende Pflanzen antrift, worunter ſich oft ein Saguer oder andere auslaͤndiſche Baͤume, oder auch Klip - oder Zwergbaͤume befinden.
  • 3) Jn der Ecke des Gartens iſt ein Berg oder Fels nach Proportion, und ſo weit die Kunſt etwas ausrichten kan, koſtbar angelegt, daß er den Proſpekt eines großen wuͤ - ſten Gebuͤrges giebt. Von Erz gegoſſene Voͤgel ſind als Zierrathen zwiſchen den Steinen, nicht ſelten auch ein Tempel, ſo wie ſie ſonſt auf hangenden Klippen wegen luſtiger Ausſicht gebauet ſtehen, angebracht, dabei fließet oͤfters ein kleiner Bach durch die Felſen herunter, dem denn
  • 4) ein dichtes Gebuͤſche oder Waͤldchen angraͤnzt, bei deſſen Anlage der fleißige und kundige Gaͤrtner ſolche Baͤume erwaͤhlt, die gut bei einander fortkommen, und die er nach der Groͤße und Farbe ihrer Blaͤtter ſo zu verſetzen weis, daß ſie das Anſehen eines großen Waldes haben. Hiezu komt endlich
  • 5) der vorhin erwaͤhnte Waſſerkump, mit ſchiklichen Pflanzen, nemlich ſolchen, die durch oftmaliges Bewaͤſſern ein ſchoͤneres Laub, Blume oder Frucht tragen, umgeben.

Die Einrichtung dieſer Tſubo und die Kunſt des Klippen - oder Bergbaues*)Der Verfaſſer verfehlt hier die Anlage der Felſen in den Gaͤrten, die Cultur der Zwergbaͤume ꝛc., da - von an ſeinem Orte ein mehreres vorkomt, iſt von einander verſchieden, und ſind zu jedem beſondere Arbeiter vorhanden.

Jch endige hiemit die Beſchreibung von unſern Herbergen, und behalte mir vor, noch von der Bewirthung, welche ein Reiſender in denſelben zu gewarten hat, in einem der naͤchſten Kapitel beſonders zu handeln.

Jezt verfolge ich die unzaͤhlbaren ſchlechtern Herbergen, Garkuͤchen, Tacki oder Bierſchenken, Kuͤchen - und Zuckerbuden, die an unſerem Wege, ſelbſt in Waͤldern und Thaͤlern, aufgerichtet ſind, woſelbſt ein ermuͤdeter Fusgaͤnger und geringer Menſch gegen Erlegung weniger Heller einen warmen, wiewol ſchlechten Anbis, Theewaſſer oder Sacki haben kan. Da in dieſen Buden oder Garkuͤchen geringe Leute, die ihre Nahrung kuͤm - merlich ſuchen muͤſſen, Wirthe ſind, ſo fallen ſie etwas armſelig und ſchlecht aus; inzwi - ſchen iſt es immer etwas, womit ſie die Vorbeireiſenden an ſich zu locken wiſſen: bald iſt esein176Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ein gruͤner Hinterhof, der ſich durch das Haus mit bluͤhenden Baͤumen, einem erhabenen Luſtorte, herabrieſelnden Bache und dergleichen angenehm darſtelt: oder auch nur ein aus - geſtelleter Blumentopf mit bluͤhenden Baumzweigen (denn ordentliche Blumenpflanzen wer - den zu gut dazu gehalten) aufs beſte geſchmuͤkt: bald eine und andere wohl aufgepuzte junge Hausdirne, die den Vorbeigehenden zuruft und ihm ihre warme Koſt liebkoſend anbietet. Dieſe hat denn auch nicht noͤthig lange zu warten, ſondern kan mit dem Kuchen, gebrate - nem, oder was er fordert, gleich wieder ſeines Wegs gehen, weil alles auf einem beſonde - ren Spieße oder Stoͤkchen von Bambus in der offenen Bude oder Kammer vor dem Feuer ſtekt, zumalen da die Wirthinnen, Koͤchinnen oder Hausdirnen, ſo bald ſie Leute von fer - nen kommen ſehen, die Kohlen fleißig in die Glut bringen, als ob ſie ſo eben ihre Eswaren friſch gekocht oder gebraten haͤtten, dahingegen andere mit Zubereitung des Theewaſſers ſich beſchaͤftigen oder ein warmes Suͤpchen als einen angenehmen ſchaͤumenden oder abkuͤhlenden Trunk in einem Theekoͤpfchen durchklopfen, und dem Reiſenden nach Begehren zureichen, waͤhrend dem ihnen nie der Mund geſchloſſen iſt, um ihre Waare anzupreiſen, und vor ih - ren Nachbarn, die auf gleiche Art ihre Nahrung ſuchen, den Vorzug zu gewinnen.

Außer Thee, den man alzeit und vielmals auch Sacki haben kan, ſind die ge - woͤhnlichen Speiſen in dieſen Garkuͤchen folgende: die Manſje oder eine Portugieſiſche Art runder kleiner Kuchen, in der Groͤße eines Huͤnereies, die von Weitzen Mehl in einem zu - gehaltenen Waſſerdampfe gekocht und inwendig bisweilen mit einem bezuckerten ſchwarzen Bohnenteige gefuͤlt ſind; ferner: geroͤſtete Kuchen von der Gallerte der Waldwurzel Kaids, Scheibenweiſe durchſchnitten; ferner: gebratene Stuͤkchen Aale; gebratene, gekochte oder roh eingemachte Schnecken, Muſcheln und kleine Fiſche; Chineſiſcher Laxa, oder ein duͤn - ner gerolter und ſodan in lange ſchmale Riemen zerſchnittener und gekochter Waizenteig; Rainfaren und andere junge Kraͤuter und Wurzeln aus der See und den Waͤldern, nach - dem es die Jahrszeit mit ſich bringt, die nach vorheriger Reinigung und Zubereitung mit Waſſer und Salz abgekocht werden; noch ſehr vieler anderer inlaͤndiſcher ſchlechter Gerichte zu geſchweigen, die vorzeiten der uncultivirte Boden und der Hunger den Einwohnern an - gewieſen, und die aus verſchiedenem Saamen - und Wurzelmehl in mancherlei Figur und Farbe gekocht oder gebacken werden. Die gewoͤhnliche Bruͤhe zu dieſer und dergleichen Koſt iſt ein wenig Soje mit Sacki gemaͤßigt, und mit ſcharfen Sauſjo Blaͤttern belegt, auch mit ſein geſchnittener Jngberwurzel und Limonenrinde vermiſcht, oder nur mit trockenem Jngber, Sauſjo oder anderm inlaͤndiſchen Gewuͤrzpulver beſtreuet.

Noch findet man in den ſchlechten Buden und auf den aufgeſtelleten Tiſchen man - cherlei Zuckerwaaren von verſchiedener Figur und Farbe, die zwar etwas luͤſternes vors Auge, aber nicht vor den Geſchmak haben, indem ſie ſparſam bezuckert und gemeiniglich ſo zaͤhe ſind, daß man im Kauen die Zaͤhne nicht von einander bringen kan.

Ein177Viert. Kap. Beſchreibung der Poſthaͤuſer, Herbergen, ꝛc.

Ein armer Reiſender kan es aus ſeinem bei ſich fuͤhrenden gedrukten Wegweiſer wiſſen, an welchem Orte er dieſe und dergleichen Speiſen, und wo er ſie am beſten und wohlfeilſten bekoͤmt, und alſo ſeinen Appetit darnach einrichten.

Da uͤbrigens ein Reiſender ſelten etwas anders als Thee trinkt, ſo iſt dieſer hier an dem Wege in allen Wirthshaͤuſern, Herbergen, Garkuͤchen und den vielen im Felde und Waͤldern errichteten Buden zu haben. Man nimt aber dazu die groͤbeſten Blaͤtter, die nach zweimaliger Ableſung der jungen Blaͤtter (welche meiſtens bei der Tafel von vor - nehmern Perſonen verbraucht werden) uͤbrig oder vom vorigen Jahre ſitzen geblieben; es wer - den ſelbige, ſo bald ſie abgepfluͤkt ſind, in der Pfanne einmal unter ſtetem Umruͤhren, ohne ſie zu rol - len, ſtark gebraten und in großen Strohſaͤcken unter dem Dache im Rauche auf bewahrt. Die Zu - bereitung des Tranks von ſolchen Blaͤttern fuͤr den reiſenden Fusgaͤnger iſt daher herzlich ſchlecht; man nimt deren eine große Fauſt vol und kocht ſie entweder in ein Saͤkchen gethan oder auch nur blos in einem eiſernen Keſſel mit Waſſer ab, in welchem zugleich ein Koͤrbchen iſt, wo - durch die Blaͤtter niedergedruͤkt werden, damit man allezeit klaren Trank ſchoͤpfen kan; und ſo wird denn mit der Kelle eine halbe Schale vol eingeſchenkt, dieſe mit Zugießung kal - ten Waſſers gemaͤßigt, und darauf dem Gaſte zugereicht. Ohnerachtet nun eine ſolche von alten und jaͤhrigen Blaͤttern abgekochte braune Theeſuppe ziemlich herbe und laugicht ſchmekt, ſo halten ſie dennoch die Einwohner zu ihrem taͤglichen Gebrauche dienlicher als die, ſo nach der Sineſen Manier aus gekruͤlleten jungen Blaͤttern gezogen wird, weil deren Kraft dem Haupte nicht zutraͤglich ſey, die im Abkochen hingegen verfliege. Von den vielfaͤltigen Kram - und Waarenbuden, in welchen man auf unſerm Wege in und außer - halb den Staͤdten, Flecken und Doͤrfern oͤffentlichen Verkauf treibt, wil ich weiter nichts gedenken, theils weil es damit wie in Deutſchland hergeht, theils weil auch ſchon an ſeinem Orte von den Waaren und inlaͤndiſchen Manufakturen, welche hier zu finden ſind, geredet worden iſt.

Zweiter Band. ZFuͤnf -178

Fuͤnftes Kapitel. Von dem Gewimmel der Menſchen, die den Weg taͤglich bereiſen und darauf ihre Nahrung ſuchen.

Die Heerſtraßen des Landes ſind taͤglich mit einer unglaublichen Menge Menſchen und zu einigen Jahrszeiten ſo ſtark als die Gaſſen in einer Europaͤiſchen volkreichen Stadt angefuͤlt; von dem beſchriebenen Too kaidoo, der unſtreitig der vor - nehmſte der ſieben Hauptwege iſt, kan ich das aus der Erfahrung bezeugen, weil ich ihn viermal paſſirt bin. Dieſes verurſachen, theils die ſtarke Anzahl der Einwohner des Reichs, theils die vielen Reiſen, die ſie, wider die Gewohnheit andrer Nationen, anſtel - len. Jch wil hier die merkwuͤrdigſten Partheien der Reiſenden anfuͤhren.

Zuerſt nehme ich die großen und kleinen Landesfuͤrſten, der hohen und niedern Gouverneurs der Kaiſerlichen Staͤdte und Landſchaften, nebſt ihrem Gefolge, welche den Weg in Zeit von einem Jahre hin und her und alſo zweimal machen, indem ſie am Hofe zu beſtimter Zeit erſcheinen, und wieder von da abreiſen muͤſſen. Sie verrichten ſolches jedesmal in Begleitung ihres ganzen Hofſtaats mit einem ſo zahlreichen und koſtbaren Auf - zuge, als es ihr Stand und Vermoͤgen nur immer erlauben, daher der Zug der groͤßeſten Landesfuͤrſten den Weg auf etliche Tagereiſen erfuͤllet; wie es uns denn begegnet iſt, daß ihr Vortrab, der aus den geringern Bedienten, Bagagefuͤhrern und Trosknechten beſtehet, allemal zween Tage lang, jedoch in zertheilten Haufen, bei uns auf unſerer ſchleunigeren Fortreiſe vorbeigezogen, ehe wir den Landesfuͤrſten ſelbſt mit ſeinem Hofſchwarm in einer re - gelmaͤßigen Ordnung geſehen haben, welche erſt am dritten Tage zu geſchehn pflegte. Ei - nen Zug der maͤchtigſten Daimio oder Landesfuͤrſten ſchaͤtzet man mehr oder weniger auf 20000, den eines Sjo mio auf die Haͤlfte und den eines Kaiſerlichen Stadt - oder Landgouverneurs, nach den verſchiedenen Einkuͤnften und Wuͤrden, auf ein oder etliche 100 Koͤpfe. Wenn zween oder mehrere ſolcher volkreichen Aufzuͤge auf einmal zugleich geſchehen ſolten, ſo wuͤrdeeiner179Fuͤnftes Kap. Von dem Gewimmel der Menſchen, ꝛc. einer dem andern große Hindernis und Ungelegenheit verurſachen, beſonders wenn in Be - ziehung ein und deſſelben Sjuku oder Fleckens zuſammentraͤfen, welcher mit allen ſeinen Haͤuſern ohnedas nicht einmal hinreicht, das Gefolge eines einigen Daimio zu beherbergen; es laſſen daher, um dem zuvorzukommen, die großen Herren, und zwar die groͤßeren ei - nen Monath, die geringeren ein oder zwo Wochen vorher die Herbergen und Sjuku auf gewiſſe Tage in Beſchlag nehmen, und die Zeit ihres bevorſtehenden Durchzuges in allen Doͤrfern, Flecken und Staͤdten kund machen: dieſes geſchiehet vermittelſt eines vor und hin - ter jedem Dorfe und Flecken auf einer ziemlich hohen Stange von Bambus aufgerichteten ſchmalen und mit wenig Charakteren beſchriebenen kleinen Brets, worauf die Nachricht be - findlich iſt, an welchem Tage des Monaths dieſer oder jener Herr daſelbſt durchreiſen, zu Mittag ſpeiſen oder das Nachtlager nehmen werde.

Mit Uebergehung des voranziehenden Troſſes von Bagage, Tragkoͤrben und Hand - pferden bis auf den Hauptweg wil ich hier eine ganze Vorſtellung von einem Landesfuͤrſtli - chen Aufzuge beifuͤgen, und wenn ich dabei eigentlich nur den von einem Daimio, ſo wie er uns zu verſchiedenen malen begegnet, zum Vorwurf nehme, ſo hat man von den uͤbri - gen eines noch etwas maͤchtigeren Satzuma, Cango, Owari, Kino Luni und Mito ebenfals einen Begrif, welche, außer ihren Piken und Leibwapen, Anzahl der Handpferde, Faſſanback und Korbtraͤger nebſt deren Begleitern, auch wilkuͤhrlichen Ordnung im mar - ſchiren, gar nicht von jenen unterſchieden ſind. Es kommen alſo

  • I. Ein Vortrab von Quartiermeiſtern, Schreibern, Koͤchen und andern Gehuͤl - fen, die in den Gaſthoͤfen fuͤr den Fuͤrſten und ſein Gefolge zu der noͤthigen Bewirthung Anſtalt machen.
  • II. Des Fuͤrſten Leibbagage, die theils in Buͤndeln oder Feleiſen, jedes mit ei - nem Leibfaͤhnlein und Namen des Beſitzers bemerkt, auf Pferden gefuͤhrt, theils in großen mit lakirtem Leder uͤberzogenen Kaſten, und mit dem Fuͤrſtlichen Leibwapen bemalt, getra - gen wird. Jedes Stuͤk iſt von verſchiedenen Aufſehern, zu deſto mehrerer Pracht, be - gleitet.
  • III. Ein langer Schwarm, die zum Gefolge der hoͤheren Bedienten und Edel - leute, welche in Norimons, Cangos oder zu Pferde ſitzen, gehoͤren, und ſie mit Piken, Senſen, Bogen, Sonnenſchirmen, Tragkaͤſtchen (Palankins) und Handpferden, ſo wie eines jeden Geburt, Stand und Rang erfordert, begleiten.
  • IV. Der Hauptzug des Fuͤrſten in einer beſondern Ordnung, in verſchiedene Trups getheilt, deren jeder einen Marſchal zum Anfuͤhrer hat, als:
    • 1) Fuͤnf, weniger oder mehr, muthige Handpferde, jedes von zween Stalknechten zur Seiten und zween hinterfolgenden Dienern begleitet;
    • 2) Fuͤnf, ſechs oder mehrere einzelne koſtbar gekleidete Traͤger mit Faſſanbacken oderZ 2lakir -180Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. lakirten Kaͤſtchen, auch gefirniſſeten zierlichen Koͤrben auf den Schultern, worinnen einige Kleider und andere Sachen fuͤr den Fuͤrſten bei der Hand gehalten werden. Jedem Traͤger folgen zween Aufwaͤrter;
    • 3) zehn oder mehr einzeln hinter einander gehende Traͤger mit Senſen, Piken, koſtba - ren Saͤbeln und Schiesgewehren in hoͤlzernen lakirten Futterals, auch mit Koͤchern ſamt Pfeil und Bogen. Zuweilen wird dieſer Trup mit zwiſchen gehenden Faſſan - baktraͤgern und Handpferden verlaͤngert;
    • 4) zwei, drei oder mehr dergleichen einzeln hinter einander gehende Traͤger mit Prunk - piken, oben mit ſchwarzen Buͤſchen von Hahnenfedern und gewiſſen rauhen Fellen oder andern einem jeden Fuͤrſten eigenen Bezierungen uͤberzogen, jeder in Begleitung zween nachſolgender Diener.
    • 5) Einer mit dem Sonnenhute, der mit einer ſchwarzen ſammeten Kappe uͤberzogen iſt, begleitet von zween nachfolgenden Staatsbedienten.
    • 6) Einer mit dem Sonbreiro oder Sonnenſchirm, der eben wie der Huth uͤberzogen und ſo begleitet iſt
      *)Anſtat, daß bier ſowol als bei dem Son - nenhnte die Begleitung in zwei Staatsbedien - ten beſtehet, ſo ſind es nach Scheuchzern zwei ge - meine Betienten (footmen); und der Traͤger, ſo des einen als des andern, ein Staatsbe - dientcr.
      *).
    • 7) Verſchiedene mit Faſſanbak und Comtoirs, die mit gefirniſſetem Leder uͤberzogen, und mit des Fuͤrſten uͤberguͤldetem Wagen verziert ſind. Bey jedem zween Aufſeher.
    • 8) Sechszehn, auch mehr oder weniger Leibheiducken und Vorgaͤnger des Fuͤrſtlichen Norimons, je zween in einem Gliede, wozu die groͤßeſten Perſonen, ſo wie ſie nur anzutreffen, ausgewaͤhlt und gebraucht werden .
      **)Hier hat Scheuchzer ſein Original ver -muthlich misverſtanden; was von einer phyſiſchen Groͤße gilt, druͤkt er durch eine politiſche aus und ſagt: es waͤren ohngefaͤhr ſechszehn Leibpa - gen, die vor dem Fuͤrſtlichen Norimon, alle - mal zween und zween, hergiengen, und welche der Fuͤrſt aus den Perſonen vom erſten Range an ſeinem Hofe auswaͤhlte.
      **).
    • 9) Der Fuͤrſtliche Norimon oder die Saͤnfte, worinnen der Fuͤrſt ſizt, und von ſechs bis acht in Livree gekleideten Perſonen, denen ſtets eben ſo viele andere zur Abwechſelung beigehen, getragen wird. Zu jeder Seite befinden ſich zween oder drei Cammerdie - ner, um dem Fuͤrſten, wenn er etwas begehrt, oder auch beim Ein - und Ausſtei - gen, aufzuwarten.
    • 10) Zwei oder drei mit ſchwarz uͤberzogenen Saͤtteln ausgeruͤſtete Reitpferde, deren lezteres auf einer ſchwarz ſammeten Norikaki einen von eben dieſem Stoffe uͤberzoge - nen großen Lehnſtuhl fuͤhrt. Jedes Pferd iſt mit ſeinen zubehoͤrigen Fuͤhrern undBeglei -181Fuͤnftes Kap. Von dem Gewimmel der Menſchen, ꝛc. Begleitern verſehen. Bei vielen pflegen ſolche Leitpferde vor den Heiducken gefuͤhrt zu werden
      *)Bei Scheuchzern ſind dieſe wiederum die Fuͤrſtlichen Pagen, von welchen die Leibvferde gefuͤhrt werden; dagegen ich in meinen Hand -ſchriften vor leſe, nemlich: daß ſie auch wol nach dem hier beſchriebenen 7ten Trup folgen.
      *).
    • 11) Zween Pikenirer, und
    • 12) zehn oder mehr Perſonen, deren jede zween ungeheur große Koͤrbe, mehr zum Staate als zu einem Gebrauche, vor und hinter ſich auf einem Stabe uͤber der Schulter traͤgt; dieſen pflegen ſich denn noch einige Faſſanbak - oder Kaſtentraͤger beizugeſellen.
  • Nach dieſem Fuͤrſtlichen Aufzuge folgen denn weiter:
    • V. Sechs bis zwoͤlf Handpferde mit ihren Fuͤhrern und Beilaͤufern.
    • VI. Ein zahlreicher Nachtrab der Fuͤrſtlichen Haus - und Hofdienerſchaft, mit ih - ren eigenen Bedienten, Pikenirern und Faſſanbaktraͤgern. Einige derſelben laſſen ſich in Cangos, des Fuͤrſten oberſter Hausdirektor oder Hofmeiſter aber in einem Norimon, den man ganz vorn ſiehet, tragen.

Wenn ein Sohn des Landesfuͤrſten mit auf der Hofreiſe iſt, ſo folget derſelbe un - mittelbar mit ſeinem Gefolge nach dem Norimon ſeines Vaters.

So ſehr es uͤbrigens bei einem Fuͤrſtlichen Zuge zu verwundern und zu ruͤhmen iſt, wie alle Perſonen, außer die Piken - und Norimonstraͤger auch andere Livreebedienten, in nichts als in ſchwarzer Seide gekleidet gehen: und in was fuͤr einer regelmaͤßigen ſchoͤnen Ordnung eine ſo große Menge Volks ohne den geringſten Lerm, außer dem, der von dem Rauſchen der Kleider und Bewegung der Menſchen und Pferde entſtehen mus, einherziehet; ſo belachenswerth iſt es hingegen, daß die Piken - und Norimonstraͤger ſich hinten ſo hoch aufgeſchuͤrzt haben, daß ſie alles, außer daß das Schaamtuch zu einiger, doch nicht hin - laͤnglichen Bedeckung dient, preis geben: noch mehr aber, daß die Heiducken, Prunkpiken - Sonnenhut-Schirm - und Kaſtentraͤger, wenn ſie durch bewohnte Straßen oder andere Aufzuͤge vorbeipaſſiren, einen Narrengang annehmen. Dieſe ziehen bei jedem Schritte den Fus beinahe bis ans Kreuz auf, und werfen zugleich den einen Arm weit hervor, daß es ſcheint, als wenn ſie durch die Luft ſchwoͤmmen; jene laſſen bei eben einem ſolchen Gan - ge, auch die Prunkpiken, den Huth und Sonnenſchirm mit jedem Tritte einigemal ſich hin und her bewegen, auch den Faſſanbak auf der Schulter nicht ſtille liegen. Die Norimon - traͤger haben ihre Ermeln mit einer durchgehenden Schnur aufgebunden, und die Arme blos; ſie tragen bald auf der Schulter, bald auf der einen uͤber den Kopf erhabenen Hand,Z 3und182Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. und recken den andern freien Arm mit der flachen Hand horizontal aus, womit ſie ſamt kur - zen Tritten und ſteifen Knien eine laͤcherliche Furcht und Vorſichtigkeit affektiren.

Wil etwa ein großer Herr hie und da einen Trunk Thee zu ſich nehmen, oder rauchen, oder trit er zu Verrichtung ſeiner Nothdurft in eine dazu uͤberal vorhandene gruͤne Huͤtte oder Bauerhaͤuschen auf eine kurze Zeit ab, ſo giebt er dem Wirthe jedesmal einen Cobang zur Belohnung, in den Mittags - und Nachtherbergen aber weit mehr.

Die Perſonen, die eine Baͤtfahrt nach Jſje unternehmen, haben gleichfalls, aus was fuͤr einer Provinz ſie auch kommen moͤgen, einen Theil der großen Landſtraßen zu be - ruͤhren. Dieſe Baͤtfahrt wird das ganze Jahr durch, fuͤrnehmlich aber im Fruͤhlinge, unternommen, daher denn der Weg um dieſe Zeit vorzuͤglich von ſolchen Wandersleuten vol iſt. Alte und junge, reiche und arme aus beiden Geſchlechten, machen ſich eine Andacht und Verdienſt aus dieſer Reiſe, und ſuchen ſich zu Fuße, und ſo gut ſie koͤnnen, durchzu - bringen. Die Vielheit derer, die ihre Koſt und Zehrgeld unter Wegs erbetteln muͤſſen, faͤlt dann den nach Hofe Reiſenden nicht wenig verdruͤslich, da ſie alle Augenblik angegan - gen werden, welches jedoch nicht anhaltend, ſondern nur einmal, in bloßem Haupte und demuͤthiger Stimme, mit dieſen Worten geſchiehet: Großer Herr, gebt dem Baͤtfah - renden nach Jſje einen Heller zur Reiſe. Die Einwohner der Stadt Jedo und der Provinz Oſju haben vor allen andern die Gewohnheit, dieſe Walfahrt, auch wol ohne Er - laubnis ihrer Obrigkeit, zu unternehmen, ja ſo gar die Kinder, denen begangener Uebel - that halber eine Zuͤchtigung bevorſtehet, laufen nach ihrem eigenen Sinne von hier vielmals ihren Eltern weg, gehen nach Jſje und holen Ablas, der ihnen denn zur Abſolution guͤltig ſeyn mus. Da des Volks auf dieſem Wege ſo viel iſt, daß es in den Herbergen nicht alle unterkommen kan, ſo findet man viele ſowol aus dieſem Grunde als auch aus Armuth oͤfters im Felde uͤbernachten, andere bisweilen am Wege krank und tod liegen: die ſolchermaßen verlorne Ablasſchachteln werden von den Findern aufgehoben, und in die Zweige des naͤch - ſten Baums oder Strauchs geſtekt. Es giebt auch loſe Voͤgel, die unter dem Schein der Walfahrt den groͤßeſten Theil des Jahres alhier mit Betteln zubringen, ſo lange ſie ſich wohl dabei befinden; andere wiſſen dieſe Fahrt auf eine komiſche Weiſe zu einer Bettelfahrt zu machen, und das Auge und Geld andrer Leute leichter und mit Kurzweile an ſich zu ziehen. Es geſellen ſich zu dieſem Zwek gemeiniglich vier Perſonen zuſammen, die ſich wie die Hof - bedienten eines Kuge oder Dairi in ein weites weißes Leinwand bekleiden; ihrer zween tragen mit langſamen Schritten, und oͤfters ſtilſtehend, eine mit tannenen Zweigen und zer - ſchnittenem weißen Papier ausgezierte und behangene Bare, und auf derſelben eine aus leichter Materie gemachte große Glocke, Keſſel oder etwas anderes, ſo aus den alten Fa - beln ihrer Vorfahren und Goͤtter etwas abbilden oder vorſtellen ſol; der dritte trit aus Hochachtung gegen die heilige Vorſtellung mit einem Commandoſtabe in der Hand, deroben183Fuͤnftes Kap. Von dem Gewimmel der Menſchen, ꝛc. oben mit einem weißen Buſche geziert iſt, voraus, und ftimt mit grober Kehle ein Lied an, das darauf paſſet; der vierte geht ſodenn vor die Haͤuſer oder zu den mildthaͤtigen Zu - ſchauern, und ſamlet die Gaben. Sie machen ihre Tagereiſen dabei ſo kurz, daß der ganze Sommer darauf geht.

Man ſiehet auch hie und da die ſogenannten Sjunre, d. i. Pilgrims, die die 33 vornehmſten und durch ganz Japan zerſtreueten Quanwon-Tempel beſuchen, bei zwei und drei umherſchweben. Sie ſingen Haus fuͤr Haus ein Quanwon-Liedchen erbaͤrmlich auf, und ſpielen, wie in Deutſchland die Landſtreicher, mit einer Violin oder Zitter zuweilen mit unter, ſprechen aber keinen Reiſenden um eine Almofe an. Diejenigen Tempel, die ſie noch nicht beſucht haben, ſtehen namentlich nach der Ordnung auf einem beſondern Bretchen, das ſie um den Hals tragen, und ſind uͤbrigens mit einem Bruſttuche von Leinwand, auch ſonſt noch beſonders, wie es die ganz eigene Sitte bei dieſer Walfahrt er - fordert, gekleidet. Vielen gefaͤlt ein ſolches andaͤchtiges Umherwandern ſo wohl, daß ſie ihr ganzes Leben damit zubringen, und durch ein anders Gewerbe ihren Unterhalt ſich zu verſchaffen, gar nicht wuͤnſchen.

Sehr ſonderbar komt es einem vor, daß man zur Winterszeit manchmal nackende Leute antrift, welche nur zur Bedeckung der Schaam mit einem Strohbuſche umguͤrtet ſind. Es haben ſelbige an gewiſſe Tempel und Abgoͤtter ein Geluͤbde der Walfahrt gethan, um die verlorne Geſundheit oder ſonſt etwas anders vor ihre Eltern, Blutsfreunde oder ſich ſelbſt dadurch zu erlangen; unter Wegs leben ſie ſehr ſtrenge und armſelig, ſuchen keine Almoſen, und gehen alzeit einzeln, und ohne daß ſie ſich viel aufhalten, ihren Weg fort.

Ferner ſiehet man unſere Landſtraße auch mit vielerlei andern mehrentheils jungen und kahl geſchornen Betlern erfuͤllet. Als Sotoktais den Fotoge oder auslaͤndiſchen Goͤ - tzendienſt eifrig ausbreitete, und dabei einen gewiſſen Moria zu ſeinem heftigſten Wider - facher hatte, ſo hies er allen von maͤnniglichem Geſchlechte, die ſeiner Lehre folgten, zum Unterſchiede derer, die dem Moria anhiengen, das Haupt zur Haͤlfte, den armen Kin - dern nach der Manier der Pfaffen aber ganz kahl abſcheeren, wodurch ihnen denn als Ge - ſchornen zugleich die Freiheit zu betteln allein ertheilt wurde, welcher eingefuͤhrte Gebrauch ſich denn bis hieher erhalten hat.

Unter dieſen Geſchornen befindet ſich ein merkwuͤrdiger Orden junger Dirnen, welchen man den Namen Bickuni oder Nonnen giebt, weil ſie unter der Herrſchaft und dem Schutze der Nonnenkloͤſter zu Kamackura und Miaco ſtehen, dahin ſie oder auch an die Jſje naͤchſt Khumano Tempel einen aljaͤhrlichen Tribut von ihrem Erwerb entrichten muͤſſen, in deren oder angelegenen Gegend ſie ſich auch am meiſten aufhalten, und um deshalb zum Unterſchiede geiſtlicher Nonnen, Khumano no bickuni, genant werden. Sie ſind faſt die ſchoͤnſten Dir - nen, die uns auf der Reiſe durch Japan vorgekommen: diejenigen armen jungen Weibs -perſo -184Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. perſonen, welche gut und reizend ausſehen, erhalten auch die Erlaubnis als Nonnen zu bet - teln ohne große Muͤhe, weil ſie es eben ſind, die den Reiſenden die Almoſen durch ihre an - lockende Geſtalt am beſten abzwingen koͤnnen. Die bettelnde Jammaboſen widmen ihre Toͤchter dieſer Profeſſion, nehmen auch wol die Bickuni zu ihren Weibern. Manche unter ihnen ſind in den Bordels erzogen, die, wenn ſie da ihre Zeit gedient haben, alsdenn dieſe Freiheit erkaufen und darinnen den Reſt ihrer Jugend zubringen. Jhrer zwo oder drei geſellen ſich zu einander, gehen taͤglich eine oder mehr Meilen von ihrer Wohnung ab, und warten die vornehmen Leute ab, die in Cangos oder auf Pferden vorbei reiſen: jede macht ſich zu einem beſonders und ſingt ein Baurenliedchen auf, findet ſie einen recht Freige - bigen, ſo erluſtigt ſie ihn in Begleitung auf etliche Stunden lang. Nichts geiſtliches und armes iſt an ihnen zu ſehen, denn ſie haben ihr geſchornes Haupt mit einer ſchwarz ſeidenen Kappe verhuͤlt, ſich mit buͤrgerlichen Kleidern net und ſauber ausgeſchmuͤkt, die Haͤnde mit Handſchuhen ohne Finger bedekt, das gewoͤhnlich geſchminkte Angeſicht mit einem brei - ten Sonnenhute vor der Luft beſchuͤzt, und fuͤhren dabei einen kleinen Reiſeſtab, ſo, daß ſie romantiſche Schaͤferinnen vorſtellen. Jn ihren Reden und Geberden haben ſie nichts Fre - ches, Demuͤthiges, Niedertraͤchtiges und Affektirtes, ſondern ſie ſind frei, aber mit Schaam gemaͤßiget. Doch um dieſe Betlerinnen nicht uͤber die Gebuͤhr zu erheben, mus ich ſagen, daß ihre Schaamhaftigkeit, wider die Landesſitten und Ordensgebraͤuche, nicht viel auf ſich habe, indem ſie ihren Buſen auf offenen Straßen den freigebigen Reiſenden darhal - ten*)Scheuchzer ſagt, daß ſie das thaͤten, un - ter dem Vorwande, da es eine gewoͤhnliche Sittedes Landes ſey. Jch leſe, wie es hier in den Text gebracht, das Gegentheil., daher ich ſie, ſo geiſtlich ſie auch geſchoren ſind, von der Zahl leichtfertiger und unzuͤchtiger Weibsperſonen nicht wohl ausſchließen kan.

Bei dieſer Gelegenheit komme ich auf einen andern Betlerorden, welchen die Jammabos, d. i. Bergpfaffen, ausmachen, die aber eigentlich Jammabus, d. i. Berg - ſoldaten, heißen, weil ſie ſtets einen Hiebdegen**)Scheuchzer: Degen und Saͤhel. tragen. Sie ſind nicht geſchoren, und ſuchen der Regel des erſten Pilgrims oder Stifters ihres Ordens, der mit Bergeſteigen ſeinen Leib kaſtrirte, nachzukommen, oder wenigſtens mit ihrer Kleidung und einigen aͤu - ßerlichen Manieren ihn nachzuahmen. Sie ſtehen wie Laien unter dem Haupte dieſes Or - dens in Miaco, wohin ſie jaͤhrlich ein Stuͤk Geldes aufbringen muͤſſen, dagegen ſie denn einen hoͤhern Rang, ſamt einem Zierzeichen, an welchem derſelbe unter ihnen erkant wird, abholen. Jhr Aufenthalt und Wohnplaz iſt in der Naͤhe eines beruͤhmten einheimiſchen Goͤtzen - oder Camitempels: wenn ſie in deſſen Stam den Reiſenden anbetteln, ſo haltenſie185Fuͤnftes Kap. Von dem Gewimmel der Menſchen, ꝛc. ſie von ſeinen Wundern und von ſeiner Heiligkeit mit trotziger Mine*)Scheuchzer: mit ſtarker und heiſcher Stimme. eine kurze Rede, klingeln mit ihrem Knuͤttelſtocke, der oben mit eiſernen Ringen behangen iſt, zu Erhebung der Sache**)Scheuchzer druͤkt dieſes ſo aus: um daran ihre Almoſen zu ſamlen, ſtatt daß ich glaube, man muͤſſe es ſo verſtehen: um ihrer Rede, oderdem Vorwurf derſelben einen beſondern Nach - druk zu geben., bisweilen mit unter, und blaſen zum Beſchluſſe, anſtatt der Bitte***)Anſtatt der Bitte, hat Scheuchzer gar nicht., auf ei - nem großen Schneckenhorn. Jhre Kinder, die ſie auf eben die Weiſe und in dem Ordensha - bite, jedoch in geſchornen Koͤpfen, mitbetteln laſſen, fallen den Reiſenden am meiſten be - ſchwerlich. Sie paſſen denſelben gemeiniglich da auf, wo es Berg an gehet, weil es als - denn langſamere Schritte giebt, und ihnen ſo leicht nichts entgehen kan. An verſchiedenen Orten kommen ſie den Reiſenden, mit einer Schaar Bickuni vermengt, wie ein Bienenſchwarm entgegen, da man denn vor dem Laͤrmen, den ſie mit ſingen, blaſen, peroriren und an - ſchreien machen, kaum hoͤren kan. Es bedienen ſich dieſer Bergpfaffen die Leute zum beſchwoͤ - ren, wahrſagen, deuten zukuͤnftiger Dinge und zu anderm Aberglauben und Zaubereien, zum Dienſt und Wartung der Tempel aber werden ſie niemals gebraucht.

Wiederum eine andre Art Betler ſind alte und dem Anſehen nach achtbare Maͤn - ner, welche, um deſto eher Almoſen zu erhalten, wie Siucke oder Budspfaffen geſcho - ren und gekleidet ſind. Einige von ihnen, deren alzeit zwei bei einander ſtehen, halten jeder ein laͤnglicht ſchmales nach Siamiſcher Canzleiart gefaltenes Buch von Papier vor ſich, das einen Theil ihres Fokekjio oder Bibel enthaͤlt, und mit Charakteren gedrukt iſt, die ſie zwar nicht verſtehen, wovon ſie aber doch etwas auswendig gelernt haben, welches ſie, als ob ſie es ablaͤſen, herſagen, und denn dafuͤr eine gute Gabe von dem Zuhoͤrer erwarten. An - dere derſelben ſiehet man bisweilen hie und da an einem Bache ſitzen, und ein Sjegaki, d. i. eine Ceremonie fuͤr abgeſchiedne Selen machen; dieſe beſtehet darin, daß ein ſolcher Pfaffe einige Holzſpaͤnchen, worauf die Namen gewiſſer abgeſtorbenen Perſonen geſchrieben ſind, unter dem Gemurmel gewiſſer Worte mit einem Strauche des Baums Fanna Skimmi abwaͤſchet, welches denſelben zur Abkuͤhlung im Fegfeuer, und alſo ſtatt einer Seelmeſſe dienen ſol. Wer ſich etwa von den Vorbeigehenden in dem Bache ſelbſt ab - ſpuͤlen wil, wirft dem Pfaffen einen Semin oder Heller auf ſeine ausgebreitete Matte zu, wofuͤr er aber mit keiner Mine danket, weil er es mit ſeiner Geſchiklichkeit und Andacht verdienet, auch bei den vornehmen Betlern das Dankſagen kein Gebrauch iſt. Einem jeden, der nur dieſe Ceremonie der Sjegacki gelernt hat, ſtehet ſie zu machen frei. Noch andere, und zwar die meiſten und geringſten dieſer Gattung von Betlern ſitzen einzeln, faſt auf dem ganzen Wege, auf einer Strohmatte, ſingen und ſprechen ſtets mit einerklaͤg -Zweiter Band. A a186Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. klaͤglichen Stimme: Namanda! zuſammengezogen von Namu Amida Budſu, welches eine kurze Formul iſt, womit ſie den Goͤtzen Amida als einen Fuͤrſprecher der verſtorbenen Seelen anrufen; ſie ſchlagen dabei zugleich mit einem hoͤlzernen Haͤmmerchen ſtark auf die vor ſich in Geſtalt eines weiten Moͤrſels liegende kleine Glocke, weil ſie glauben, durch den Schal beſſer von dem Amida, oder auch wol von dem Vorbeireiſenden, gehoͤrt zu werden.

Jch komme auf noch gewiſſe Betler, ſowol im geiſtlichen als weltlichen Habit, welche an den offenen Feldwegen eine Bude und Altar aufgerichtet haben, auf welchen eini - ge einen großen aus Holz geſchnizten und verguͤldeten Briareus oder Quanwon-Goͤtzen niederſtellen, andere aber dieſe oder jene ſonſt ſchlecht gemalte Bilder, z. E. das von dem Amida, dem hoͤchſten Richter der Seelen: von dem Jemau O, dem oberſten Henker oder Kerkermeiſter der Verdamten; von dem Dſiſoo, dem Befehlshaber uͤber das Feg - feuer der Kinder, und mehr dergleichen Abbildungen von dem hoͤlliſchen Feuer und Marter; alles in der Abſicht, um bei den Vorbeireiſenden durch ſolche Vorſtellungen Andacht und Mitleiden zu erregen, und ſie zu den guten Werken der Almoſen zu bewegen.

Jn eben den Kleidungen ſitzen wiederum andere ehrbar ſcheinende Betler mit einem Dſiſooſtabe in der Hand, an den Wegen, welche auf eine gewiſſe Zeit ein Geluͤbde des Stil - ſchweigens gethan haben, und daher ihr Begehren nur mit einer klaͤglichen Mine zu erkennen geben.

Um mich bei noch vielen andern gemeinen Betlern, die theils krank theils geſund ſind, und mit Bitten, Singen, Violinen - und Zitterſpielen, und ſonſt mancherlei kurz - weiligen Poſſen und Kuͤnſten den Reiſenden die Heller von der Schnur*)Dieſer Ausdruk beziehet ſich auf die an dem Feleiſen fuͤhrenden Riemen, in welchedie durchloͤcherte Scheidemuͤnzen eingeſchnuͤrt ſind. zu bringen wiſſen, nicht weiter aufzuhalten, wil ich endlich nur noch einer ganz beſondern Bettelmuſik oder ei - nes Glockenſpiels erwehnen, das Fatſjo Canne, d. i. das Glockenſpiel von Acht genant wird, und das uns auf unſerm Wege, jedoch ſelten, vorgekommen iſt. Ein Knabe nem - lich hat ein hoͤlzernes Joch, und daruͤber eine Halfter am Halſe, von welcher acht platte Gloͤkchen von verſchiedenen Toͤnen, jede an einem beſondern Riemen, herabhangen: er dre - het ſich damit in einer bewundernswuͤrdigen Geſchwindigkeit herum, ſo, daß das Joch, das ſeinen Armen zur Lehne dient, nebſt den Glocken ſich horizontal aufhebt und von einander breitet; waͤhrend dem Umdrehen ſchlaͤgt er mit zween Hammern auf die Glocken, und ſpielet ein wilde Melodie; zween andere neben ihm ſitzende ſchlagen auf einer großen und kleinen Trommel darunter, und machen ſolchergeſtalt ein ſonderbares Getoͤne zuſammen. Man wirft ein paar Senni vor ſie nieder, wenn man ihnen ſein Gefallen bezeugen wil.

Das Gewimmel auf unſerm Wege wird ferner nicht wenig durch die geringen Kraͤ - mer und Baurenkinder vergroͤßert, die bis in die Nacht umherlaufen, und den Reiſendenihre187Fuͤnftes Kap. Von dem Gewimmel der Menſchen, ꝛc. ihre armſeligen Waaren aufbetteln, als: allerlei Gebakwerk, worin der Zucker kaum zu ſchmecken iſt, Mehlkuchen, Soccani und allerhand in Waſſer abgeſottene Wurzeln, gedrukte Wegweiſer oder Reiſebuͤcher, Strohſchuhe fuͤr Menſchen und Pferde, Seile und Stricke, Zahnſtoͤcher und andere nach Gelegenheit des Qrts aus Stroh, Biſam, Bambus und Holz gemachte Kleinigkeiten. So ſtehen auch vieler Orten in und ohnweit den Doͤrfern eine Partie Traͤger mit Cangos oder Saͤnften, auch Knechte mit nachlaͤßig und ſchlecht geſattel - ten Pferden bereit, welche ſie dem ermuͤdeten Fusgaͤnger bis zur naͤchſten Poſt, oder ſo weit ſie wollen, vor einen geringen Lohn anbieten. Es ſind dieſes gemeiniglich Leute, die etwas auf eine Station gebracht haben, und leer wieder zuruͤckkehren.

Schlieslich gehoͤren noch die unzuͤchtigen Weibsperſonen in den großen und kleinen Herbergen, Theebuden und Garkuͤchen in den Doͤrfern und Flecken der großen Jnſel Nipon hieher, weil ſie, ſo bald ſie gegen den Mittag gekleidet und geſchmuͤkt ſind, den Reiſenden von dem Sitze der Gallerie vor ihren Haͤuſern ſtets entgegen ſchauen, ſie, die eine hier die andere dort, mit einem weteifernden liebkoſenden Geſchrei zur Einkehr einladen, und ihnen die Ohren volſchwatzen. Jn den Sjuku oder Poſtflecken, alwo verſchiedene Herbergen neben einander ſtehen, iſt es in dieſem Stuͤcke am aͤrgſten, wie z. E. vorzuͤglich in den zweien nahe beiſammen liegenden Flecken Akaſaki und Goy, worinnen ſich faſt lauter Herbergen, und in jeder drei bis ſieben ſolcher Menſcher befinden, daher ſie auch den Beinamen, der Japaniſche Hurenſtapel, und die algemeine Schleifmuͤhle, ſcherzweiſe uͤberkommen haben, zumalen die Japaner ſelten hierdurch paſſiren, ohne mit dieſem Geſindel Gemeinſchaft zu machen, von welchem ſie oͤfters ein Denkmahl zu ihrem großen Verdruſſe mit nach Hauſe zuruͤkbringen. Caron in ſeiner Beſchreibung von Japan geht in der Vertheidigung der Ehre des Japaniſchen ſchoͤnen Geſchlechts (vermuthlich aus Hochachtung gegen ſeine ehrliche Frau, die ſelbſt eine gebohrne Japanerin war) zu weit, wenn er leugnet, daß, außer den privilegirten oͤffentlichen Bordels einiger Staͤdte, dieſe Nahrungsart in Japan getrieben werde; es iſt vielmehr unleugbar, daß eine jede oͤffentliche Herberge auf Nipon auch ein oͤffentliches Bordel ſey, da, im Fal in der einen der Gaͤſte zu viel ſind, andere Wirthe ihre Dirnen gern hinleihen, weil ſie davon einen unfehlbaren Verdienſt haben; es gruͤndet ſich dieſes auch auf keine neue, ſondern ſchon alte Gewohnheit, die der kriegeriſche und erſte weltliche Kaiſer Joritomo bereits vor einigen Jahrhunderten zu dem Ende eingefuͤhrt hat, damit ſeine Sol - daten bei den langwierigen Feldzuͤgen nicht verdruͤslich wuͤrden, ſondern in dem Verlangen nach ihren Weibern, durch dergleichen allenthalben vorzufindende Mittel, moͤchten gemaͤßigt werden. Aus welcher Urſache dann die Sineſen dieſes Reich nicht unbillig das Bordel von Sina genant haben, weil in dieſem Reich unter ſchweren Strafen ſchaͤndliche Haͤuſer und Lebensart verboten ſind, daher die jungen Sineſen oft nach Japan zu reiſen pflegen, ihre Begierden abzukuͤhlen, und ihr Geld anzulegen.

A a 2Sech -188

Sechſtes Kapitel. Von der Reiſe der Hollaͤnder an den Kaiſerlichen Hof, und der Begegnung, die ſie auf derſelben erfahren.

So wie jedem Fuͤrſten und Vaſallen des Reichs ein gewiſſer Tag zum Aufbruche und Antritte der jaͤhrlich abzulegenden Hofreiſe von dem Kaiſer beſtimt iſt, eben ſo wird es auch mit den Hollaͤndern gehalten, fuͤr welche der 15te und 16te Tag des Japaniſchen erſten Monats, der bei uns in den Februarius faͤlt, durch alle Jahre dazu feſtgeſezt bleibt. Gegen dieſe Zeit alſo macht man ſich reiſefertig, und bringt zuerſt die in Oſacca, Miaco und bei Hofe abzutragende Geſchenke, (nachdem ſie zuvor gehoͤrig ver - theilt und behutſam eingepakt worden) hiernaͤchſt auch die zur bevorſtehenden Seereiſe noͤ - thigen Lebensmittel und Kuͤchengeraͤthſchaften, nebſt vielen andern Sachen zu Schiffe. Dieſes Schif, (das lediglich zu der jaͤhrlichen Hinaufreiſe erbauet iſt, und alle zwei Jahr mit neuen Schanzkleidern und Meublen nach dem Landesgebrauch praͤchtig ausgeziert und koſtbar un - terhalten, oder da es zu alt geworden, mit einem andern gegen ein anſehnliches Miethegeld*)Scheuchzer: gegen ein neu erbauetes oder gekauftes Schif. verwechſelt wird) ſendet man bis zu der Seeſtadt Simonoſecki voraus, wo es uns, bis wir auf einem kuͤrzeren Weg zu Lande nachfolgen, erwartet und uns ſodenn aufnimt, um von da uͤber See nach Oſacca zu fahren. Ehedem giengen wir mit demſelben Schiffe von Nagaſacki zugleich ab, da wir aber einmal bei einem harten Sturme mit Lebensgefahr ge - ſtrandet, ſo iſt zu unſerer Sicherheit die Landreiſe bis nach Oſacca von dem Kaiſer bewil - ligt worden. Etwa drei oder vier Wochen nach abgelaſſener Barke, oder drei oder vier Tage vor unſerm Abzuge, begiebt ſich unſer Reſident zu den beiden Gouverneurs, nimt von ihnen Abſchied und empfiehlt die zuruͤkbleibenden Hollaͤnder in ihren Schuz. Den Tag hernach werden die fertig gemachten Packen, die durch Traͤger und Pferde zu Landemitge -189Sechſtes Kap. Von der Reiſe der Hollaͤnder ꝛc. mitgefuͤhrt werden, mit einem angehaͤngten Bretchen verſehen, worauf die Sachen, die man hinein gethan, und der Name des Beſitzers bemerkt ſtehet.

Am folgenden zu der Reiſe beſtimten Tage finden ſich fruͤh Morgens allerhand Perſonen, die nur irgend etwas auf unſerer Jnſel Deſima bedienen oder zu ſagen haben, fuͤrnehmlich aber die, ſo uns zur Begleitung nach Hofe zugeordnet ſind, bei uns ein, und bald hernach erſcheinen auch beide Gouverneuers oder ihre Abgeſandten in vollem Staate, um uns als Leuten, die der Ehre vor dem Kaiſer zu erſcheinen gewuͤrdigt werden, einen Gluͤkwunſch abzulegen. So bald das Fruͤhſtuͤk eingenommen iſt, begleiten ſie uns von unſerer Jnſel, und wir treten unſern Weg ſo fort weiter an, welches Vormittags ohnge - faͤhr um 9 Uhr nach unſerm Zeiger zu geſchehn pflegt. Der Bugjo und unſer Reſident ſetzen ſich jeder in ſeinen Norimon, der Oberdolmetſcher, wenn er alt iſt, in einen gemei - nen Cangos, andere beſteigen ihre Laſtpferde und die Diener gehen zu Fuße. Unſere Ja - paniſchen Bedienten und die Freunde der mitreiſenden Japaner begleiten uns bis zur naͤch - ſten Herberge.

Die Anzahl von Menſchen iſt bei unſerm Train auf den drei verſchiedenen Statio - nen nicht gleich ſtark. Auf der erſten zu Lande von Nagaſacki nach Cocura uͤber die Jnſel Kjuſju kan ſie ſich mit den Pferdeknechten und den von den Landesfuͤrſten uns beigegebenen Begleitern auf hundert, auf der andern zu Waſſer in der Barke, wegen der Matroſen, auf nicht viel weniger, und auf der dritten und großen wieder zu Lande uͤber die Jnſel Ni - pon bis zur Kaiſerlichen Reſidenz Jedo (weil bis dahin die Guͤter aus der Barke von Menſchen und Pferden getragen werden muͤſſen) auf hundert und funfzig Man erſtrecken. Was die Guͤter betrift, ſo werden dieſe gemeiniglich eine Stunde zum voraus abgefuͤhrt, damit ſie unſerm Zuge nicht hinderlich fallen, und auch die Wirthe eben dadurch von unſerer baldigen Folge Nachricht bekommen.

Die Tagereiſen fallen ziemlich gros, und waͤhren, nebſt der Ruheſtunde zur Mit - tagsmahlzeit, von fruͤh Morgen bis gegen Abend, auch bisweilen bis in die Nacht, ſo, daß wir taͤglich 10 bis 13 Japaniſche Meilen zuruͤklegen. Zu Waſſer meidet man aus Vorſicht die Nacht, und macht bei dem ſchnelleſten Fortgange nicht mehr denn 40 Waſſer - meilen taͤglich.

Die Begegnung, die uns auf der Reiſe von den Japanern auf der Jnſel Kiuſjn wiederfaͤhrt, und die wir anzunehmen genoͤthigt ſind, iſt weit ruͤhmlicher als auf Nipon, ja ſelbſt bei den fremden Begleitern in den verſchiedenen Provinzen, mit mehr Aufrichtig - keit verbunden als bei unſern Nagaſackiſchen eigenen Leuten oder Bedienten. Jm Durch - zuge der Jnſel Kjuſju genießen wir auf Befehl der Gouverneurs einen großen Theil der Ehre, die man einem durchreiſenden Landesfuͤrſten zu erweiſen gewohnt iſt. Die Wege werden fuͤr uns mit Beſen gekehrt und in den Staͤdten und Doͤrfern wider das Stauben be -A a 3goſſen:190Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. goſſen: der laͤrmende Poͤbel, Arbeiter und muͤſſige Zuſchauer werden bei Seite gejagt, und die Leute in den an der Straße gelegenen Haͤuſern ſitzen nur im Hintertheile derſelben von weitem, oder im Vorderhauſe hinter der Matte kniend, um uns in tiefer Stille vorbeizie - hen zu ſehen.

So bald wir aus einem Gebiete oder Landſchaft in die andere treten, komt uns ein von deſſen Gouverneur abgeſchikter Edelman entgegen, um uns ein Bewilkommungs - compliment von ſeinem Herrn zu machen, das er denn bei unſerm oberſten Fuͤhrer und Dolmetſcher ablegt, weil ihm nicht erlaubt iſt, ſelbſt mit einem Hollaͤnder zu ſprechen. Er bietet zugleich die zum Durchzuge benoͤthigten Pferde und Laſttraͤger in uͤberfluͤſſiger Zahl an, und laͤſſet einem jeden Hollaͤnder vier Aufwaͤrter und Trabanten zur Seite, den ganzen Train aber zwei anſehnliche in ſchwarzer Seide wohl gekleidete Marſchaͤlle mit Staͤben vor - gehen, und ihn bis zur Graͤnze fuͤhren, wo denn noch unſere Japaner mit Sacki und Sokana bewirthet werden.

Zur Ueberfahrt des Omuraſchen und Simabariſchen Hafens leihen uns die Landesfuͤrſten ihre eignen Luſtſchiffe und Leibmatroſen dar, laſſen uns auch warme Schifs - koſt zur Mahlzeit auftragen, und zwar alles unentgeldlich, wiewol uns desfals die diebiſchen Dolmetſcher eine Rechnung machen.

Auf dieſem ſogenanten Saikokf oder Landwege uͤber die Jnſel Kjuſju von Na - gaſacki nach Kokura, ſiehet man einen jeden, der uns begegnet, unſerer Suite, wie ſchon erwaͤhnt, Landesfuͤrſtlichen Reſpekt erweiſen. Privatfusgaͤnger oder Reuter muͤſſen von dem oͤffentlichen Wege und ihren Pferden abtreten, und mit entbloͤßetem Haupte und niedergebognem Leibe unſern Vorbeizug abwarten, wer dieſes nicht gutwillig und ungehei - ßen thut, wird von den vorgehenden Marſchaͤllen empfindlich dazu angewieſen, wiewol es die Bauren und gemeinen Fusgaͤnger der Orten dazu nicht kommen laſſen, ſondern aus ei - gener Hoͤflichkeit aus dem Wege zur Seite ins Feld eilen, und mit entbloͤßetem Haupte kniend ihre Ehrerbietung bezeigen. So wie das Koͤnigliche Frauenzimmer in Siam, auch uͤberhaupt unter den indiſchen Nationen die Edeln von den Unedelen dadurch noch in einem hoͤheren Grade geehrt werden muͤſſen, daß ihnen in dergleichen Faͤllen beim Niederknien der Ruͤcken mit Ausſtreckung des Hintern, zu einem Beweiſe der Unwuͤrdigkeit, ſie von Angeſicht zu ſehen, zugekehrt wird; eben ſo machten es hier oft die Bauren, es ſey nun aus Reſpekt gegen die Majeſtaͤt des Kaiſers, weil wir vor derſelben zu erſcheinen reiſeten, oder, wie uns unſere Begleiter ſagen wolten, wegen der Gegenwart des Buggio, auf dem das Anſehen der Nagaſackiſchen Gouverneure beruhe. Jmmer bleibt es ein ſehr ſchmei - chelndes Kennzeichen ihrer großen Hoͤflichkeit. Auf dem Wege uͤber die große Jnſel Ni - pon hingegen habe ich ſolche Ehrfurcht weniger bemerkt.

Die191Sechſtes Kap. Von der Reiſe der Hollaͤnder ꝛc.

Die uͤbrige Bewirthung auf unſerer Reiſe (die Verſorgung unſerer Pferde, Knech - te, Traͤger, auch die Herbergen, Stuben, Speiſen und Aufwartung) iſt zwar gegen genugſame Bezahlung ſo gut, als man es wuͤnſchen koͤnte, ſie wird aber demohngeach - tet veraͤchtlich und ſchlecht, weil wir zu ſehr eingeſchraͤnkt werden, und beinahe keine andre Freiheit vergoͤnt behalten, als daß wir mit den Augen von den Pferden und aus den Trag - koͤrben umher ſehen duͤrfen. Sobald ein Hollaͤnder vom Pferde ſteigt, (welches ohne die hoͤchſte Noth nicht einmal gern geſehen wird) mus der Fuͤhrer oder Vorreuter, und darauf der ganze Zug ſtille halten, der Doſin ſamt den beiden Haͤſchern auch abſitzen, und ſich bei dem Hollaͤnder ſtellen; dieſe boͤſe Geiſter umgeben und bewahren uns uͤberhaupt auf der ganzen Reiſe dergeſtalt, daß ſie auch da, wo uns die Natur hintreibt, nicht von uns weichen. Der Bugio oder Hauptfuͤhrer unſers Trains ſtudirt taͤglich in den Artikeln ſei - ner ihm mitgegebenen Jnſtruktion, ſo wie in den Journalen von den zwei naͤchſt vorher abgelegten Auffuͤhrungen oder Aufreiſen nach dem Kaiſerlichen Hofe, um ſich in allem auf das puͤnktlichſte (ſo lieb ihm ſeine Ehre und Leben iſt*)Fehlt in der Engl. Ueberſ.), darnach zu richten. Verfaͤhrt einer noch genauer, ſo wird es ſeinem klugen Betragen zugeſchrieben. Es giebt manchmal Dumkoͤpfe, die ſo eigenſinnig ſind, daß ſie ſich durch keine Macht der Natur oder anderer Unfaͤlle abhalten laſſen, in andere Herbergen, als die, ſo in vorigem Jahre bezogen ſind, einzukehren, und ſolte man auch wider Wind und Wetter mit großer Gefahr und Unge - mach bis in die tiefeſte Nacht reiſen muͤſſen.

Die Herbergen fuͤr uns ſind eben dieſelben, worinnen die Landesfuͤrſten bei ihrem jaͤhrlichen Durchzuge ihren Aufenthalt nehmen, alſo in jedem Ort die vornehmſten. Sie werden alsbald, nach Landesfuͤrſtlicher Art, mit der edlen Hollaͤndiſch-Oſtindiſchen Com - pagnie Schanzkleidern und Wapen behangen, um durch die Livree den daſelbſt logirenden vornehmen Gaſt, nach Landes Gebrauch, bekant zu machen. Wir halten dieſe Herber - gen jaͤhrlich mit einer ſolchen Abwechſelung, daß wir da zu Mittag eſſen, wo wir in der Ruͤkreiſe uͤbernachten wollen, wodurch zugleich die Belaͤſtigung, die, in Anſehung der leztern, fuͤr die Wirthe groͤßer iſt, unter alle gleich vertheilt wird.

Das fuͤr uns beſtimte Gemach iſt alzeit das hinterſte, welches gegen einem arti - gen Hausgarten und alſo am angenehmſten liegt, auch fuͤr den fuͤrnehmſten Theil des Hau - ſes gehalten wird, weil es von dem Poͤbel, Geſchrei auf den Gaſſen und Kuͤchenlaͤrmen des Vorderhauſes am weiteſten entfernt iſt.

So wie der Wirth die einheimiſchen großen Gaͤſte zu empfangen gewohnt iſt, ſo beobachtet er es auch bei uns, er komt nemlich mit einem Canniſimo oder Ehrenkleide und kur - zem Saͤbel angethan, unſerm Train bis forn im Flecken oder gar bis auf das Feld entgegen, ſteltſich192Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſich vor einen jeden hin und legt ſeine Bewilkommung mit demuͤthiger Verbeugung ab, ja dieſe geſchiehet vor dem Norimon des Bugjo und unſers Reſidenten ſo tief, daß er mit den Haͤnden und beinahe auch mit dem Haupte die Erde beruͤhrt; er eilet hierauf ge - ſchwinde wieder zuruͤk, und empfaͤngt uns eben ſo zum andernmale vor ſeinem Hauſe.

So bald wir da ankommen, werden wir ohne die geringſte Verweilung (dazu wir auch wegen des muthwilligen Zuſchreiens der Gaſſenbuben eben keine Luſt haben) von un - ſern Haͤſchern durch das Haus in unſer Gemach eingefuͤhrt, wo uns denn nichts, als der kleine Hinterhof, zum Austritte vergoͤnt iſt, indem ſie alles uͤbrige, was ſie nach dem Felde oder nach einer hinteren Gaſſe zu, an Fenſtern, Thuͤren oder ſonſt finden, zuſchlie - ßen und vernageln laſſen, um uns, wie ſie ſagen, vor Dieben zu huͤten, eigentlich aber wie Diebe und Ausreißer zu bewahren. Auf der Ruͤkreiſe indes, da wir uns erſt Zu - trauen erworben haben, finden wir dieſe ihre Vorſicht um ein merkliches vermindert.

Der Bugjo beziehet die beſte Kammer nach der unſrigen, in welchem Theile des Hauſes ſie auch iſt. Die Haͤſcher, Dolmetſcher und Doſen nehmen die uns zunaͤchſt ge - legenen Vorkammern ein, um ein Auge auf uns zu haben und zu verhindern, daß kein Bedienter oder Fremder, ohne ihr Wiſſen und Erlaubnis, bei uns eintrete; wenn ſie nicht da ſind, ſo tragen ſie dieſe Sorge und Aufſicht einem ihrer oder unſerer Bedienten beſon - ders auf, (ob ſie gleich uͤberhaupt allen obliegt;) derjenige, welcher ſich hierinnen vor an - dern wachſam und argliſtig erweiſet, wird auch wol folgendes Jahr wiederum zur Aufreiſe zugelaſſen, die uͤbrigen muͤſſen zwei Jahre davon abſtehen.

Wenn wir unſere angewieſene Kammer in Beſiz genommen, ſo erſcheint alsbald der Wirth mit ſeinen naͤchſten maͤnlichen Hausgenoſſen, jeder mit einer Schale gemahlnen Thee, welche er nach dem Range mit der tiefeſten Verneigung des Leibes und unter dem weit aus der Bruſt geholten und in einem ehrerbietigen Tone ausgeſprochenen Worte: ah, ah, ah! herumreichet. Dieſe Leute legen ihre Ehrenkleider, womit ſie angethan, und die kurzen Saͤbel, womit ſie geguͤrtet ſind, in ihrem Hauſe ſo lange nicht ab, als Gaͤſte vorhanden ſind.

Hiernaͤchſt wird das Tobakgeraͤthe herbei geſchaft, naͤmlich ein meſſingen oder hoͤl - zern Gefaͤße, oder eine ſolche Platte von mancherlei und nicht immer gleicher Form, ver - ſehen mit einem kleinen Becken gluͤhender Kohlen, mit einem Speitopfe, einem Schaͤchtel - chen vol feinen geſchnittenen Tobaks, und mit einigen langen Tobakspfeifen, die meſſingene kleine Koͤpfe haben. Zu gleicher Zeit bringet man eine Spaͤnholzerne oder gefirniſſete Platte mit Socano, d. i. Anbiſſen von Kuchen und Fruͤchten, als inlaͤndiſchen Feigen und Nuͤſſen, warmen Manſje und Reiskuchen, in Salzwaſſer abgekochte Wurzeln von ver - ſchiedner Art, Zuckerwerk und dergleichen Dinge mehr, die zuerſt in des Bugjo, und darauf in unſere Kammer kommen. Die uͤbrige Aufwartung fuͤr die inlaͤndiſchen Gaͤſtegeſchie -193Sechſtes Kap. Von der Reiſe der Hollaͤnder ꝛc. geſchiehet durch die Hausmaͤgde, die ihnen alles benoͤthigte zubringen, bei der Mahlzeit einſchenken, vorlegen, und eben dadurch zur naͤheren Bekantſchaft den Weg bahnen. Bei den Hollaͤndern faͤlt eine dergleichen Bedienung weg, ja ſelbſt der Wirth und ſeine maͤnli - chen Hausgenoſſen duͤrfen nach hereingebrachtem Thee gar nicht, oder nur bis fuͤr unſere Kammerſchieber nahe treten, weil unſere mitgebrachten Diener uns mit allem, was wir brauchen, an Hand gehen muͤſſen. Mehr Speitoͤpfe als der eine, der mit auf der Platte ſtehet, werden den Gaͤſten nicht gegeben; ſolten weiter welche gefordert werden, ſo dienen dafuͤr Handbreit lange Staͤbchen von Bambus, die unter dem Gliede abgeſaͤgt ſind.

Die Kerzen, die man uns zur Abendzeit bringt, ſind in der Mitten hohl, denn ihr papierner Tocht wird um ein rundes Staͤbchen gewunden, und alsdenn in das Fet ge - tunkt, die Leuchter ſind daher mit einer Pfrieme verſehen, worauf ſie geſtekt werden; ſie brennen geſchwinde ab, und geben viel Rauch und ſtinkenden Dunſt, weil ſie von Lorbeer, Campher und anderm dergleichen Baumfette brennen muͤſſen. Wenn man die brennende Kerze aus dem Leuchterpfriemen hebt, ſo iſt es laͤcherlich zu ſehen, wie der Rauch unten mit einem geſchwinden Wirbel hervorblaͤſet, welchen die brennende Flamme hinabtreibt. Zur Nachtlampe bedient man ſich eines platten irdenen Schluͤſſelchens, worauf ein Tocht von Biſammark in Walfiſch - oder Baumoͤl aus dem Saamen der Baumwolle brent, und das uͤber ein Waſſergefaͤs oder auch in eine viereckigte Laterne geſezt wird, damit es zu kei - ner Entzuͤndung komme, die in dieſen gleichſam papiernen Haͤuſern leicht entſtehen, und ſich zu einer algemeinen Feuersbrunſt verbreiten kan.

Unſere Japaner halten auf der Reiſe taͤglich dreimal Tafel, ohne was ſie noch dar - zwiſchen eſſen. Noch vor Tage, und ſo bald ſie aufgeſtanden und gekleidet ſind, und alſo vor dem Aufbruche geſchiehet die erſte, zu Mittage in der andern Herberge die zweite, und vor dem Schlafengehen die dritte Mahlzeit, die ihnen auf inlaͤndiſche Manier ſo zubereitet wird, wie wir es an ſeinem Orte beſchrieben haben. Sie laſſen es ſich ſehr gut ſchmecken, und ſingen auch wol nach der Mahlzeit ein Liedchen beim Trinken, oder (da ihnen das Chartenſpielen verboten iſt) machen ſich ſonſt durch andere Spiele und durch Raͤzelaufgaben nach der Reihe einen Zeitvertreib, wobei denn der, welcher verliert, einen Trunk thun mus. Die Hollaͤnder hingegen muͤſſen das ihrige in der Stille einnehmen; ihre Mahlzeit laſſen ſie ſich von ihren Japaniſchen Koͤchen auf Europaͤiſche Manier zurichten und auftra - gen, und ſich bisweilen eine Japaniſche Schuͤſſel von dem Wirthe dazu reichen, auch, nebſt dem Europaͤiſchen Weine, das einheimiſche warme Reisbier zur Genuͤge einſchenken. Jm uͤbrigen muͤſſen ſie ihre Veraͤnderung bei Tage in dem Hausgaͤrtchen, und des Abends, nach Belieben, in der Badſtube ſuchen, ohne ſonſt wohin einen Schrit, auch nur zu den Bedienten, des Zeitvertreibs halber, thun zu duͤrfen, es waͤre denn, aus einer Art von Nachſicht, in den Nebenkammern der Nagaſackiſchen Reiſegefaͤhrten.

Zweiter Band. B bWenn194Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Wenn unſer Train die Herberge verlaͤſt, ſo wird der Wirth in Gegenwart beider Dolmetſcher bezahlt, und ihm das Geld in Golde auf einer kleinen Platte von unſerm Re - ſidenten zugereicht; derſelbe kriecht auf Haͤnden und Knien mit großer Ehrerbietung herbei, und legt bei Anfaſſung der Platte mit einer bis zur Erde ſich neigenden Stirn, unter vie - lem Ausſtoͤhnen der Worte: ah, ah, ah! (damit man hier zu Lande ſeine Unterwuͤrfigkeit ausdruͤcken wil) ſeine Dankſagung ab; er wil ſich gemeiniglich gegen die uͤbrigen Hollaͤnder auf die naͤmliche Weiſe bezeigen, wird aber von dem Dolmetſcher davon abgehalten, da er dann wiederum auf allen vieren zuruͤkkriecht. Jn der Herberge, wo Mittag gehalten wird, werden zwei, in der aber, wo wir zu Abend eſſen und ſchlafen, drei Cobang be - zahlt, wofuͤr der ganze Train (ausgenommen die Pferde, Knechte und Traͤger) mit Speiſe und Trank verſehen werden mus. Die Wirthe in den Staͤdten Oſacka, Miaco und Jedo, wo wir ſtille liegen, bekommen, ohne die andern Erkentlichkeiten, taͤglich eben ſo viel; welches fuͤr uns, die wir ſonſt alles doppelt bezahlen muͤſſen, gar wenig iſt, inzwiſchen noch daher ruͤhrt, weil vor vielen Jahren, als der Train noch nicht ſo ſtark war, mit den Wirthen auf dieſe Art der Accord gemacht worden. Die auf Saikaido, auf dem kleinen Landwege von Nagaſacki bis Kokura naͤmlich, bekommen nur ein kleines Geſchenk fuͤr ihre Ungemaͤch - lichkeit, weil unſere Koͤche daſelbſt alles Noͤthige herbeiſchaffen. So wie ein Gaſt ſeine Herberge verlaͤſt, iſt es eine hergebrachte Hoͤflichkeit und Zeichen der Dankbarkeit, daß er in der Eile den Fusboden ſeiner Kammer durch ſeine eigene Bediente uͤberfegen und vom Staube ſaͤubern laͤſt.

Aus dieſer hoͤflichen Begegnung der Wirthe nun laͤſt ſich die der Japaner abneh - men, wovon man aber das Geſchmeis unſerer Nagaſackiſchen Gefaͤhrten ausſchließen mus. Keine Nation in der Welt thut ihnen hierinnen was zuvor, wie wir das in allen auf der Reiſe vorfallenden Beſuchen gefunden haben, ja ihre Lebensart von dem geringſten Bauren bis zu dem groͤßeſten Herrn iſt ſo artig, daß man das ganze Reich eine hohe Schule aller Hoͤflichkeit und guten Sitten nennen moͤchte; und da ſie als ſinreiche, neugierige Leute alles Auslaͤndiſche hochachten, ſo iſt zu glauben, daß ſie uns als Fremdlinge auf den Haͤnden tra - gen wuͤrden, wenn es ihnen erlaubt waͤre; die boͤſen Gaſſenbuben, deren es uͤberal giebt, kommen zwar dabei in keinen Betracht, die uns in einigen Staͤdten und Flecken mit gewiſ - ſen ſchimpflichen Reimen und Spruͤchwoͤrtern verfolgen, die etwa zur Verſpottung der Si - neſen, wofuͤr ſie uns gemeiniglich halten, dienen ſollen; worunter denn ihr: Tooſin bay bay! das gewoͤhnlichſte iſt, das auf halb Sineſiſch ſo viel ſagen wil, als, wie man bei uns den Juden zuruft: Sineſe, haſt du nichts zu ſchachern?

Die Ausgaben oder Reiſekoſten, wie ich ſie ohngefehr und mit runden Zahlen mir angemerkt habe, beſtehen fuͤrnemlich im folgenden:

Fuͤr195Sechſtes Kap. Von der Reiſe der Hollaͤnder ꝛc.
  • Fuͤr das taͤgliche Tractement 50 rthlr. an die Wirthe auf den Landwegen, thut Rthlr. in zween Monaten 3000
  • Fuͤr 40 Pferde und ſo viel Traͤger zwiſchen Oſacka und Jedo, deren Zahl in der Aufreiſe mehr, in der Abreiſe weniger iſt, das Pferd zu 15, der Traͤger zu 6 Taile, ſo wie es mit dem Dolmetſcher (die beinahe die Haͤlfte fuͤr ſich ein - ſtreichen) von je her accordirt iſt, macht zuſammen 3000
  • Das Nebengeld, das einem jeden zu einzelnen Ausgaben auf der Reiſe verehrt wird, einem gemeinen Hollaͤnder 54 Tail, verſchiedenen andern Gefaͤhrten nach Verhaͤltnis ihrer Beſchaffenheit weniger oder mehr, belaͤuft ſich in allem auf 1000
  • Fuͤr die Barke oder Tranſportſchif an Miethgeld, oder im Anſchlag der Bau - koſten, wenn ſie unſer eigen iſt, 420 Tail, an die Matroſen 60
    *)Engl. Ueberſ. 50.
    *) Tail, fuͤr Schanzkleider 90 Tail, fuͤr andere zu deſſen Unterhaltung und Beſſe - rung vorfallende Koſten 40 Tail, thut zuſammen 600 Tail, oder 1000
  • Fuͤr Speiſe und Trank, Thee, Tobak und andere Leibesnothdurft auf der Barke 1000
  • Fuͤr die gewoͤhnlichen Verehrungen an Gelde, als an den Bugjo oder oberſten Fuͤhrer des Trains, 300 Tail oder 500 Rthlr., und eben ſo viel an die drei Wirthe nebſt ihren Soͤhnen und Knechten in den vorgenanten drei Hauptſtaͤdten, Oſacka, Mjaco und Jedo 1000
  • Fuͤr Lohn an die Norimontraͤger, auch fuͤr Cangos, welche anſtat der Pferde, uͤber die Gebuͤrge in ſchlimmen Wegen, und zu Beſichtigung einiger Tem - pel und Luſtoͤrter gebraucht werden muͤſſen; fuͤr Faͤhrgeld uͤber Fluͤſſe und Seehafen; fuͤr außerordentliche Geſchenke und Unkoſten, die bei verſchiede - nen Vorfaͤllen theils aus Nothwendigkeit, theils fuͤr das Vergnuͤgen er - forderlich ſind, und ſich zuſammen belaufen auf 2000
  • Hiernaͤchſt die Geſchenke fuͤr den Kaiſer, die, ob ſie gleich in Anſehung eines ſo großen Monarchen geringe ſind, dennoch im Anſchlag betragen 2500
  • Fuͤr 14 Perſonen der vornehmſten Reichsraͤthe, nebſt zwei Gouverneuren in Jedo ſowol als fuͤr den Grosrichter in Mjaco, und beide Gouverneurs da - ſelbſt und in Oſacka, einige Geſchenke an auslaͤndiſchen Waaren, die, un - ter ſo viele vertheilt, wenig ins Auge fallen, doch aber gerechnet werden koͤnnen auf 3000
B b 2Ge -196Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • Geſchenke an roher Seide oder Stoffen, welche die zween jedesmal in Naga - Rthlr. ſacki gegenwaͤrtigen Gouverneurs ſchon vor unſerer Abreiſe zu ihrem Antheil empfangen, und denn mit Gewinſt wieder verhandlen 2500
  • Der ganze Aufwand alſo, den die Edle Hollaͤnd. Compagnie von der Hofreiſe jaͤhrlich hat, iſt 20,000.

Bevor wir nun unſer Reiſejournal nach dem Kaiſerlichen Hofe und Reſidenz Jedo mittheilen, ſo haben wir noch anzumerken, daß es einem hier zu Lande nicht gleich viel iſt, zu welcher Zeit man eine Reiſe unternimt, ſondern daß man dazu einen gluͤklichen Tag auswaͤhlt. Man bedient ſich zu dem Ende einer von langer Zeit bewaͤhrt befundenen Tafel der verworfenen Reiſetage, an welchen man ſich eines Unfalles zu befuͤrchten hat. Nach derſelben ſezt jemand, wenn er noch zu Hauſe iſt, die Reiſe aus, um ſeinem Ungluͤk, wie es dafuͤr gehalten wird, nicht entgegen zu eilen, oder die Reiſe nicht vergebens und unver - richteter Sache zu thun. Jedoch mus ich auch hiebei ſagen, daß dieſes und dergleichen anderes Zeit - und Tagewaͤhlen bei vernuͤnftigen Japanern wenig gilt, ſondern nur bei dem gemeinen Poͤbel, den Bergpfaffen und Kloſtermoͤnchen den meiſten Beifal findet. Man trift dieſe Tafel in den Japaniſchen Haus-Land - und Reiſebuͤchern auf folgende Weiſe an:

Tafel der in jedem Monat verworfenen Reiſetage, erfunden von dem Sternkundigen Wahrſager Abino Sei Mei.

Um dieſer Tafel Glauben und Anſehen zu verſchaffen, wird der obengemeldete we - gen ſeiner Kunſt und Geburt beruͤhmte Wahrſager Sei Mei als der Erfinder derſelben angegeben. Dieſer hatte zum Vater eines Koͤnigs Sohn, Abino Jaſſima genant, und zur Mutter einen Fuchs. Dieſe Eltern waren folgendergeſtalt zuſammen gekommen: Abino Jaſſima befand ſich mit einem ſeiner Diener einſtens in dem Tempel des Jnari, des Herrn und Abgottes der Fuͤchſe, eben zu einer Zeit, als andere Hofkavaliers draußen in der Fuchsjagd begriffen waren, um deren Lunge zu einer gewiſſen Arznei habhaft zu wer - den. Ein verfolgter junger Fuchs flohe in den offenen Tempel und in den Schoos des Jaſſima, der dieſen Clienten wegen ſeiner zu ihm genommenen Zuflucht und ſeines Vertrauenserrettete,197Sechſtes Kap. Von der Reiſe der Hollaͤnder ꝛc. errettete, und bewogen wurde, die ihm aufdringende gewaltſame Gefahr mit tapferer Fauſt abzuwenden; welches dem Jaſſima denn auch dergeſtalt gluͤkte, daß er den Fluͤcht - ling zum Spot der Verfolger wiederum in ſeine vorige Freiheit laſſen konte. Die Rachbe - gierde bot den ſolchergeſtalt beſchaͤmten Jaͤgern auf friſcher That eine Gelegenheit dar, fuͤr den ihnen zugefuͤgten Hohn den Koͤniglichen Vater zu entleiben, dagegen ſie ſolches mit ih - rem Tode durch die raͤchende Hand des Jaſſima wieder bezahlen muſten. Nach dieſer Niederlage geſchahe es, daß das dankbare Fuͤchslein dem von Ermuͤdung und Betruͤbnis ſeufzenden Ritter in der Geſtalt einer Jungfrau erſchien, und durch unvergleichliche Schoͤn - heit ſein Herz mit Liebe dergeſtalt erfuͤlte, daß er ſie zu ſeiner Gemahlin erwaͤhlte, mit welcher er denn Anfangs gedachten Sohn vol himliſcher Weisheit und Wahrſagungsgeiſte gezeugt, und ſie unwiſſend ſo lange fuͤr ſeine Gemahlin erkant hat, bis ihr der Schwanz und darauf almaͤhlich auch die andern Theile wieder gewachſen, und endlich der ganze Leib in die vorige Geſtalt uͤbergegangen iſt.

Es iſt dieſe Geſchichte nicht eine der geringſten von dem anſehnlichſten der Japani - ſchen Goͤtter, und der Leſer wird es auch fuͤrs kuͤnftige genehm halten muͤſſen, wenn wir auf der Reiſe bisweilen keine andere Alterthuͤmer und Anmerkungen, als von der Art, werden vorzutragen haben.

So hat nun aber dieſer Sei Mei nicht nur die hergeſezte Tafel aus dem Laufe oder Einflus der Geſtirne ausgerechnet, ſondern auch durch die geheime Weisheit gewiſſe Worte erfunden, und in ein Uta oder einen Vers gebracht, durch deſſen Ausſprache, als ein gewiſſes Gegenmittel, der boͤſe Einflus an den ungluͤklichen Tagen kraſtlos gemacht werden kan, das denn fuͤrnemlich zum Nutzen der armen Bedienten und Knechte gereicht, die ſich nach der Tafel nicht richten duͤrfen, ſondern wol gehen muͤſſen, wenn es ihnen ihr Herr befiehlt. Der Vers aber lautet ſo:

Sada Mejeſi Tabiaatz Fidori Joſi Aſjiwa.
Omojitatz Figo Kitz Ni To Sen.
B b 3Sie -198

Siebentes Kapitel. Unſere Reiſe zu Lande von Nagaſacki bis Kokura, angetreten den 13 Februar 1691.

Nachdem den 10 Februar 1691 der Reſident Herr von Butenheim von beiden Stadt - gouverneuren Abſchied genommen, und die in Deſima zuruͤkbleibende Hollaͤnder ihrem Schutze empfohlen hatte, auch folgenden Tages unſere mitzufuͤhrende Sa - chen eingepakt und von den zu unſerer Reiſe beſtimten Schreibern mit angehaͤngten kleinen Brettern bemerkt worden, ſo haben uns den 13 deſſ. beide Herren Gouverneurs auf unſerm Reſidenzhauſe (zu Deſima) in vollem Staate beſucht, und, nach eingenommenen Tracta - menten, zwiſchen acht und neun Uhr bis außerhalb unſerer Jnſel begleitet, woſelbſt wir un - ſern zuruͤkbleibenden Landsleuten adieu ſagten, und uns auf den Weg begaben. Unſer gan - zer Weg von Nagaſacki bis Jedo, zu Waſſer und zu Lande, belaͤuft ſich in ſeiner Kruͤmme auf 200 deutſche Meilen, worauf man 33 anſehnliche Staͤdte mit Caſtelen, 75 nicht beve - ſtigte kleine Staͤdte und Flecken und unzaͤhlbare Doͤrfer entweder durchreiſet oder von ſerne liegen ſiehet. Der erſte Theil unſerer abzulegenden Reiſe gehet durch die Jnſel Salkokf und die Provinzen Fiſen, Tſikungo, Tſikuſen und Buſen bis Kokura (und von da bis zu der erſten Stadt zu Waſſer Simonoſecki*)Dieſes hat Scheuchzer nicht., welches 55 Japaniſche oder 22 Deutſche Meilen ausmacht, die in folgenden Tagereiſen vertheilt werden: von Nagaſacki 10 Mei - len bis Sonangi; von da 11 Meilen bis Ooda; von da 4 Meilen bis Sanga; von da 7**)Scheuchzer hat 11 Meilen, ſtatt 7. Meilen bis Taiſero; von da 10 Meilen bis Jtzka; von da 10 Meilen bis Ko - kura, und von da 3 Meilen bis Simonoſecki†)Scheuchzer ſezt es ſo: von da, nemlich von Jtzka bis Kokura 13 Meilen, und laͤſſet hingegen die Tagereiſe von Kokura bis Simono - ſecki zu 3 Meilen weg. Wenn man bei ihm dieMeilen hier aufrechnet, ſo kommen 59 heraus; nach meinen Handſchriften aber ſo, wie es Kaͤmpfer kurz vorher angiebt, 55 Japaniſche Meilen.. Jn der Provinz Jſje††)So leſe ich. Scheuchzer hat: in der Provinz Fiſen. habe ichwahr -199Siebent. Kap. Unſere Reiſe zu Lande von Nagaſacki bis Kokura. wahrgenommen, daß eine Meile (wenn man reitet oder ſtark gehet) eine, in den andern Provinzen aber nur drei viertel Stunden lang ſey. Zu Waſſer aber machen fuͤnf Meilen ſo viel aus als drei gemeine zu Lande. Seemeilen außerhalb Japan werden zwo und eine halbe auf eine Hollaͤndiſche gerechnet. Eine gemeine Landmeile haͤlt 36 Straßenlaͤngen, in Jſje aber deren 50, jede 60 Jkins oder Matten, bei Nangaſacki aber nur 56 Matten.

Montanus in ſeiner Japaniſchen Geſandſchaft*)Der genauere Titel iſt: Denkwuͤrdige Ge - ſandſchaften der Oſtindiſchen Geſelſchaft in den Vereinigten Niederlanden, an unterſchiedliche Kaiſer von Japan, darin zu finden u. ſ. w. aus den Schriften und Reiſeverzeichniſſen gemel -deter Geſandten gezogen, durch Arnold Montanns. Amſterdam 1670 fol. S. 104. rechnet 25 Japa - niſche Meilen auf einen Grad, und alſo von Nagaſacki bis Jedo 354 Meilen, nemlich von Nagaſacki bis Oſacka 220, und von Oſacka bis Jedo 134.

Unſer Train nun auf dieſer Station beſtand in folgenden Perſonen; (deren Marſch aus der beigefuͤgten Figur am deutlichſten zu erſehen.) (S. Tab. XXII. Fig. 1.)

Zuerſt war ein Doſin, oder wie man ihn Ehren halber nent, ein Unterbugjo, und nach ihm ſein Gehuͤlfe ein Staatshaͤſcher zu Pferde; denn folgten unſer Reſident und nach ihm der alte Oberdolmetſcher Joſeimon, ſonſt Braſmann genant, dieſer in einem Cangos**)Scheuchzer laͤſſet den alten Joſeimon reiten., jener in einem Norimon getragen; (darauf kam des Trains Medicin - und unſer, der Hollaͤnder, Geldkaſten von ſo vielen Perſonen als noͤthig getragen†)Dieſes findet man in der Engl. Ueberſ. gar nicht.; darauf der Kaufman Abbouts, ich, der Medicus Kaͤmpfer und mein Gehuͤlfe Dubbels, nach ein - ander zu Pferde; ſodann der Unterdolmetſcher Trojemon und deſſen Sohn als Lehrling; ferner der zweite Staatshaͤſcher, alle gleichfals zu Pferde; den Train beſchlos der Joriki, oder mit einem Ehrennamen, der Oberbugjo, Aſſagina Sandan Noſin, als Ober - fuͤhrer und das Haupt deſſelben, in einem Norimon getragen, mit einem vorhergefuͤhrten Leibpferde und ſeinem nachfolgenden Pikentraͤger zu Fuße. Zum Unterſcheidungs - und Eh - renzeichen war an dieſer Pike oben ein Bal mit einem herabhangenden ſilbernen Bretchen. So bald wir eine andere Provinz betraten, war die vorbeſchriebene Ordnung in etwas ver - aͤndert, man ſehe die Figur. Vorab waren geſandt unſere Mundkoͤche und ihre Handlan - ger zu Pferde, mit dem darneben getragenen Kuͤchengeraͤthe, auch in einer gewiſſen Weite von ihnen zwei Schreiber, welche ſtets vorausreiſen, die Herbergen beſtellen, die Liſte der Guͤter fuͤhren, auch alle Ausgaben berechnen, und uͤber die Anzahl der Perſonen, Pferde, uͤber die Tagereiſen, Herbergen und alle ſonſtige Vorfaͤlle Buch halten. Dieſem folgte der Trup von unſern Leibdienern, Pferdewaͤrtern und ledig gehenden, aber zur Abwechſelung noͤ -thigen200Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. thigen Laſttraͤgern, alle zu Fuße. Die Pferde, die wir ritten, waren mit zwei Feleiſen beladen, und daruͤber die Schlafmatten in der Form einer viereckigten Tafel ausgebreitet, worauf man mit untergeſchlagenen Fuͤßen bequem ſizt, wie deſſen im erſten Kapitel dieſes Buchs Erwaͤhnung geſchehen iſt. Wir wurden von einer Schaar unſerer andern Dolmet - ſcher, Koͤche, Waſſertraͤger, Schneider und vormals geweſenen Diener, auch anderer vornehmer Bedienten Soͤhnen, Enkeln und Verwandten begleitet, welche alle von unſerm Reſidenten einen Jtzebo zum Abſchied erwarteten, eben als ob die Hollaͤnder Geld ſchwizten.

So bald wir den muͤhſamen hohen Felsweg durch die Stadt zuruͤkgelegt, gelang - ten wir außerhalb demſelben in das Doͤrfchen Mangome. Daſſelbe liegt nahe bei dem Gerichtsplatze, und wird von Gerbern bewohnt, welche hier zu Lande die Buͤttel ſind. Wir muſten alhier in unſers Barkenwaͤrters Haͤuschen zu einem Trunk Sacki und Soccani, womit uns unſerer Dolmetſcher vornehmſte Begleiter und Bedienten zum Abſchiede be - wirtheten, eintraten; dagegen denn aber auch dieſes ſowol als die Hoͤflichkeit der Beglei - tung mit unſerm Beutel erkennen, bei welcher Gelegenheit die Dolmetſcher unſerm Reſi - denten bald dieſen bald jenen Knaben vorſtelleten, um ihm eine Verbeugung zu machen, daneben ſie zu vermelden nicht vergeſſen, wer und wie nahe ſie mit ihnen verwandt waͤren; woruͤber wir ſo viele Jtzebos und ſilberne Bontzes im Stiche ließen, daß es ſich uͤber 100 Tail belief.

Nachdem wir uns hierſelbſt eine Stunde verweilt, begaben wir uns wieder auf den Weg, und kamen nach anderthalb Stunden zu dem Dorfe Urakami, und etwan eine halbe Stunde weiter an eine ſteinerne anderthalb Klafter hohe Graͤnzſaͤule, deren Charaktere die Scheidung vom Nagaſackiſchen Gebiete und den Anfang des Landes Omura anwieſen, und wieder nach einer Stunde in das Dorf Tokitz drei Meilen von Nagaſacki an dem Omuraſchen Seebuſen gelegen, alwo wir bei unſerer eigenen kalten Kuͤche Mittag hielten, jedoch fuͤr Sacki und ander elendes Zeug, das wir gar nicht einmal geſehen, vielweniger geſchmekt, 19*)Scheuchzer hat 13. Tail bezahlen muſten. Hier wurden abermals noch einige Fremde und Begleiter unſers Joriki mit Geſchenken abgefertigt und zuruͤkgelaſſen.

Der Weg von Nagaſacki bis hieher iſt ſo wie die ganze umliegende Gegend unglei - ches Sandland, ſteinicht und bergicht, jedoch mit verſchiedenen fruchtbaren Thaͤlern durch - ſchnitten, und in allen Winkeln, wo der Fleis nur was ausrichten kan, bis zu den Berg - ſpitzen angebauet.

Merkwuͤrdige Dinge ſind auf dem kurzen Wege nicht zu ſehen. Um inzwiſchen nichts vorbeizulaſſen, ſo mus ich erwaͤhnen, daß der Weggoͤtze und Patron der ReiſendenDſiſo

Tab. XXII

201Siebent. Kap. Unſere Reiſe zu Lande von Nagaſacki bis Kokura. Dſiſo im Ausgange der Stadt Nagaſacki an dem Felſen des Weges neun mal nach einan - der ausgehauen iſt. Auch ohnweit des Dorfs Urakami ſtehet er auf einem ſteinernen einer Klafter hohen Pfeiler, in einer halben Mansgroͤße, mit kleinen Buͤſchen von Blumen und Fanna Skibbu geziert, und vor demſelben zwei ſteinerne ausgehoͤhlte kurze Saͤulen zu Niederſetzung der Lampen, die man zu Ehren des Abgottes anzuͤndet, dabei noch ein Waſ - ſerkeſſel, worinnen, wer ihn ſolchergeſtalt verehrt oder ihm etwas zum Opfer bringen wil, ſeine Haͤnde abwaſchen kan. Vor dem Dorfe Urakami ſelbſt zeigt ſich ein anſehnli - ches Toori oder Ehrenpforte, mit einer in der Mitte angehefteten Ueberſchrift, die den Zu - gang zu einem inlaͤndiſchen Goͤtzentempel andeutet und verherrlicht.

Jn vorbeſagtem Dorfe Tokitz trafen wir den Haushofmeiſter des Prinzen von Omura an, der uns im Namen ſeines Herrn zu Fortſetzung unſerer Reiſe alle Huͤlfe un - entgeldlich und aus Reſpekt gegen den Kaiſer, auch zwei mitgebrachte Feifenees oder Luſt - barken anbot, um damit auf die andere Seite des Hafens nach dem Dorfe Sinongi uͤber - zufahren, welches Japaniſche Waſſermeilen von hier lag. Wir beſtiegen dieſelben des Nachmittags halb drei Uhr, und langten Abends vor ſieben Uhr an, nachdem wir heute in allem 10 Japaniſche Meilen zuruͤkgelegt, das ſonſt wol 15 Meilen ausmacht, wenn man zu Lande und den Hafen zur rechten Hand umreiſet. Jede der Luſtbarken, welche nach inlaͤndiſcher Art von feſtem Tannenholze erbaut ſind, war mit 14 in blaue Roͤcke mit weißen Querſtrichen gekleideten Ruderknechten beſezt; hinten ſtekte eine kleine Fahne, wie eine Standarte, mit einer weißen Roſe von fuͤnf Blaͤttern im blauen Felde, und vorn der gewoͤhnliche Commandirbuſch von papiernen Riemen, dabei unſer Bugjo ſeine Pike pflan - zen lies; der Omuraſche Schifſchreiber nahm ſeinen Plaz auf der einen und der Steuerman auf der andern Seite, der Bugjo und unſer Reſident aber in den Luſtkammern von je - dem Schiffe.

Der Hafen ſelbſt iſt nicht tief, und mit keinen großen Schiffen zu befahren; er laͤuft gegen W. S. W. nach der See zu, wo es ſehr enge iſt, daher er Ebbe und Flut hat. (Die an - dere Seite wird von der Arimaſchen Bucht durch eine Erdenge, etwa von einer Meile, ge - ſchieden*)Fehlt in der Engl. Ueberſ.. Die Reſidenz Omura ſahe man auf etwa zwei Meilen zur rechten Hand am Ufer liegen, und daruͤber hinweg einen Berg rauchen, welcher vielleicht der Feuerſpeiende Berg Uſen oder Unſen war. Jn dem Seebuſen giebt es Muſcheln, welche Perlen halten, auch hat man vormals an deſſen eingeſunkenen Ufern einen reichen Goldſand gefunden.

Uebrigens gehoͤrt Omura mit in die Provinz Fiſen, ſo wie Nagaſacki, Firando, Gotho, Uriſjino, Fuckofori**)Scheuchzer ſezt: Fieaſſari. und mehrere kleinere Bezirke, welche in alten ZeitenunterZweiter Band. C c202Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. unter der Bothmaͤßigkeit des Koͤnigs in Fiſen geſtanden. Kiuſju, das den vierten Theil von Japan ausmacht, ſol gleichfals vor Alters, wie man ſagt, einen beſondern Koͤ - nig gehabt haben.

Den 14 Februar mit anbrechendem Tage ritten wir von Sonongi oder Sinongi aus, und nach einer Stunde kamen wir bei einem wegen ſeiner Groͤße beruͤhmten Cam - pherbaum vorbei, der dem Augenſchein nach unten ſechs Klaſter dik, aber hohl war, und wuͤrklich nicht gemeſſen werden konte, weil er am Ruͤcken eines Huͤgels ſtand. Eine Meile hievon, nachdem wir uns um den Fus des Berges Tawara gewandt, erreichten wir den Graͤnzpfahl von Omra oder Omura, und kamen in das kleine Gebiet Uriſjino. Der Herr deſſelben war ſo vorſichtig und freigebig, daß, wenn wir hundert Mann verlangten, er uns zu mehrerer Befriedigung zweihundert darbot. Der Weg wurde vor uns her von zehn Perſonen gekehrt, bis wir an das Dorf gleiches Namens kamen, alwo wir friſche Pferde, und bei jedem drei Aufwaͤrter, auch einen Ober-und Unterbugjo oder Marſchalle zu unſerer Durchfuͤhrung antrafen.

Nahe bei dem Dorfe neben einem auf hohem Grunde vorbeifließenden Bache lag ein heißes Bad, deſſen Kraft in Heilung veneriſcher Krankheiten, der Kraͤtze, des Glie - derwehes und in Laͤhmungen geruͤhmt wurde. Der Plaz war mit einer Bambushecke zier - lich umzaͤunt, auch mit einem Waͤcht und Luſthaͤuschen verſehen. Die inwendige Laͤnge umſchlos unter einem Dache eine Gallerie von ſechs abgetheilten Kammern mit eben ſo viel beſonders eingemauerten Badewannen; jede Kammer hatte die Groͤße einer Matte, und war ſo eingerichtet, daß in die eine wie in die andere das Waſſer ſowol aus dem kalten Bache als aus dem heißen Brunnen hineingelaſſen, und nach eines jeden Gefallen mit ein - ander gemaͤßigt werden konte. Zur Seite unter einem abgeſonderten Strohdache befand ſich nach der Breite ein Ruheplaz. Die eben nicht tiefe Quelle dieſes heißen Waſſers war zwei Fus ins Gevierte, gleichfals unter einem Strohdache eingefaſt, und kochte von dem unterirdiſchen Feuer mit einem großen Geraͤuſche, war auch dabei ſo heis, daß keiner das Herz hatte, einen Finger hinein zu ſtecken. Jch fand keinen Geruch und keinen Geſchmak daran, weshalb ich kein Bedenken trug, die Kraft der bloßen Waͤrme zuzuſchreiben. Damit wir indeſſen einen Beweis haͤtten, daß es kein gemeines Waſſer waͤre, ſo ris der, ſo uns fuͤhrte, einen kleinen Strauch von einem uͤberhangenden Campherbaume ab, (welcher den Umfang einer ſtarken Eiche hatte, und der zweite war, der uns deshalb ſchon auf unſrer Reiſe merkwuͤrdig vorgekommen) tunkte ſolchen in das kochende Waſſer, und lies jeden ein Blat davon kauen, wovon alsbald der Speichel und der ganze Mund mit einer gruͤngelben Farbe bezogen war. Dicht bei der Quelle befanden ſich noch zwei eingemauerte Badewannen,Tab. XXXIII. fig. 1. deren ſich gemeine Leute bedienten. Den großen kalten Bach konte man auf eine gute Streckeweges rauchen ſehen, das vielleicht von der Vermiſchung noch einiger andern heißen Quellen herruͤhrte.

Es203Siebent. Kap. Unſere Reiſe zu Lande von Nagaſacki bis Kokura.

Es giebt auf dieſer Jnſel noch andere Baͤder, von gleicher oder mehrerer Kraft, deren mir folgende bekant geworden: Jumotto, ein Bad in Arima, welches wider die lahmen Glieder gebraucht wird: ein anderes der Art zu Tſkaſacki in Fiſen: zu Obamma in Simabara iſt eins, das am Ufer des Meers gelegen, von der hohen See uͤberſpuͤlt wird, klein, nicht tief und ſalzig iſt, welches leztere man hier zu Lande fuͤr etwas ſeltſames haͤlt: von da drei Meilen weiter unter dem Berge Unſjen oder Unſen ſind verſchiedene Quellen in einem Umkreiſe von etlichen hundert Schritten, die einen Schwefelgeruch haben, und ſo heis ſind, daß man ſie ohne Zumiſchung kalten Waſſers nicht gebrauchen kan; zu Jamaga in Figo iſt ein warmer Teich, der aber jetzo vertroknet. Jn dem achten Kapitel des erſten Buchs habe ich noch einige andere Baͤder weitlaͤuftiger angefuͤhrt, daher breche ich hier ab.

Wir kamen nun ferner in einer halben Stunde in das andere Theil von Uriſjino, und zwei Stunden weiter (nachdem wir zur linken Hand ſtets Haͤuſer paſſirten) in den Flecken Swota, wo wir Mittag machten.

An dieſem Qrte werden eine Art uͤberaus großer irdener Toͤpfe gebrant und verfer - tigt, die man auf Schiffen, wie Hamburger Tonnen, als Waſſerfaͤſſer gebraucht. Bei den Europaͤern haben ſie den Namen Martuan, von dem Reiche Martan, alwo man ſie am haͤufigſten macht, und von da ſie durch ganz Jndien verhandelt werden. Von Swo - ta aus koͤnnen ſie wegen des bequemen Fluſſes, der ſich Oſtwaͤrts in einer unabſehlichen weiten Ebene in den Meerbuſen von Simabara ergieſt, mit Barken verfuͤhrt und an ande - re Oerter gebracht werden.

Hier ſowol als auch zu Urſjino und in den anliegenden Gebuͤrgen, und ſonſt hin und wieder in der Provinz Fiſen wird aus einer weißen fetten Erde, die man an vielen Stellen in den Huͤgeln und Bergen antrift, das Japaniſche Porcellain gemacht. Ob zwar dieſe Erde an ſich feſte und ſauber iſt, ſo mus ſie doch durch vieles Knaͤten, Schneiden und Reinigen erſt zu ihrer Volkommenheit verarbeitet werden, daher das Spruͤchwort entſtan - den: daß zu dem feinen Porcellain Menſchenknochen erfordert wuͤrden.

Nach Verlauf einer Stunde reiſeten wir weiter, und paſſirten viele ſumpfige Fluͤſſe, deren einige mit ſchoͤnen hoͤlzernen Bruͤcken, andere mit Fahrzeugen verſehen waren, durch die Doͤrfer Nariſji und Wewacki bis zu dem Dorfe Oda, woſelbſt wir Nachtlager hielten. Wir hatten heute, von Sonogi oder Sonongi bis Ooda eilf Japaniſche Meilen gemacht.

Vor dieſem Dorfe ſahen wir einen ausgehauenen großen Kopf von einem Abgotte, in der Geſtalt eines Kalbeskopfs, mit einem auf Pfaͤhlen ſtehenden Erker umgeben. Er hatte ſeinen Plaz unter einem ſehr großen Campherbaume, als welches der dritte war, der uns auf unſerer Reiſe von Nagaſacki merkwuͤrdig vorgekommen.

C c 2Unſer204Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Unſer heutiger Marſch gieng durch fruchtbare Thaͤler und viele Reisfelder hin, die am Rande auf einige Schritte von einander mit nicht uͤber zwei Ellen hohen Theeſtraͤu - chen beſezt, welche aber aller Blaͤtter beraubt waren, das alſo ſchlecht ausſah. Zur rechten Hand des Dorfs Ooda uͤbertreffen die ſchoͤnen Reisfelder alle andere, und es zeuget uͤberhaupt die Provinz Fifen den groͤßeſten Ueberflus von dieſer Frucht: man zaͤhlt alhier zehn verſchie - dene Gattungen, unter welchen die beſte in Omra oder Omura faͤlt, womit die Kaiſer - liche Kuͤche verſehen wird. Jnzwiſchen geben Cango und Finongi den Fiſenſchen Reis - feldern an Fruchtbarkeit nichts nach.

Donnerſtags den 15 Februar ganz fruͤh verließen wir unſer Quartier, und reiſeten den ganzen Tag in friſchem Marſche fort durch die Fiſenſche Hauptſtadt Sanga bis zu un - ſerm Nachtlager, dem Dorfe Todoroki, uͤberhaupt 10 bis 11 Japaniſche Meilen. Der Weg gieng ſtets durch ein flaches und mit Reis gebauetes Land. Die Oerter, durch welche wir gekommen, find, mit Vorbeilaſſung kleiner Doͤrfer, folgende: 1) Torimatz, ein lan - ges Dorf, eine halbe Meile von Doda, alwo wir das erſte Fiſenſche Frauenzimmer ſahen, welches, ſo wie alle in dieſer Provinz, von ſchoͤner Geſtalt und artigen Geberden, aber ſo geſchminkt war, daß man dieſe Maͤdchen fuͤr Puppen haͤtte anſehen moͤgen; und ob ſie gleich von kleiner Statur und ſo jugendlich einhergiengen, daß man ſie noch fuͤr Un - muͤndige hielt, ſo ſchlepten ſie ſich dem ohngeachtet ſchon mit ſaugenden Kindern, welches uns nicht wenig befremdete. So bald ſie verheirathet ſind, rupfen ſie ihre Augenbraunen aus; 2) Kongawomas, auch ein großes und langes von erſterem eine kleine Meile entferntes Dorf, durch deſſen Mitte ein großer mit Luſtbarken und einer ſchoͤnen hoͤlzernen Bruͤcke ver - ſehener Flus gehet, der vier bis fuͤnf Meilen weiter von hier in die See faͤlt; 3) Utſinſju, ein Dorf, eine Viertel Meile vom vorigen. Hier wechſelten wir mit unſern Traͤgern und Begleitern, und erreichten nach einer halben Meile 4) das Dorf Botack, und bald dar - auf 5) das große Dorf oder den Flecken Kaſjinomas, welcher aus dreien Theilen beſte - het, deren erſter, ſo diſſeits eines S. O. ablaufenden großen Fluſſes, deſſen Bruͤcke 150 Schritte lang, gelegen iſt, Fookmamatz: der zweite jenſeit der Bruͤcke, Jaki mootz mas: und der dritte nach einem Zwiſchenraum Faſji nomas genant wurde. Jn den bei - den erſten Theilen verfertigte man hauptſaͤchlich ſeidene Zeuge, Papier, und aus der pa - piernen Wolle*)Scheuchzer ſagt: Aus eben dem Stof, woraus ſie das Papier machen, ſpinnen ſie auch eine Art Garn, das zu Segeltuͤchern gebraucht wird. Seegelgarn und Kerzentocht. Auf dem Platze zwiſchen dem zweiten und dritten Theile hieng ein Kerl am Kreuze, welcher einen juͤngeren, von dem er wegen weg - genommenen Holzes war gefcholten worden, im Eifer mit einem Tuche die Gurgel zugeſchnuͤrtund

Tab. XXIII.

205Siebent. Kap. Unſere Reiſe zu Lande von Nagaſacki bis Kokura. und ihn ſo ums Leben gebracht hatte. Das Kreuz war wie alle andere ſo formirt, als es Lipſius in ſeinen Epiſteln bemerkt, naͤmlich: oben iſt ein langes Querholz zu Ausfpan - nung der Arme, unten ein kuͤrzeres zu Ausbreitung der Fuͤße, und in der Mitte ein vor - ſtehender Zapfe zu einem Sitze. Die Beveſtigung geſchiehet mit einem Stricke. Eine viertel Meile weiter erreichten wir 6) die lange Vorſtadt Onſjimatz, und darauf 7) Sanga ſelbſt, als die Hauptſtadt der Fiſenſchen Provinz, deren Fuͤrſt Matzendairo Fizino Cami alhier auf einem großen Kaſtel reſidirt. Die Stadt an ſich iſt ſehr gros und volkreich, in die Laͤnge gelegen, und mehr zum Zierrath als zur Vertheidigung mit einem geringen Walle, Mauren und mit ſtarker Wache beſezten Thoren verſehen. Durch ihre breite, re - gelmaͤßige und Oſt - und Suͤdwaͤrts ſchnur gerade laufende Gaſſen gehen Canaͤle und Fluͤſſe, worauf man bis in die Arimaſche See kommen kan. Die Haͤuſer ſind klein und ſchlecht, und in den Hauptſtraßen zu Manufakturen und Krambuden, die mit herabhangenden ſchwarzen Tuͤchern aͤußerlich geſchmuͤkt ſind, eingerichtet. Das Volk iſt wohlgeſtaltet und klein; das ſchoͤne Geſchlecht fuͤrnehmlich trift man an keinem Orte von Aſien ſo wohl gewach - ſen und ſchoͤn an, als hier, nur ſieht man immer es ſo ſtark geſchminkt, daß man es fuͤr Marionetten halten ſolte, wenn nicht eine angenehme und heitere Mine das Leben verriethe. Auf viele Meilen umher iſt das Land eine fruchtbare Ebene, mit Fluͤſſen durchſchnitten, und dergeſtalt mit Schleuſen verſehen, daß es uͤberal unter Waſſer geſezt werden kan, wobei die Kultur der Reisfelder nicht wenig gewint. Die Provinz Fiſen iſt mit einem Worte, nebſt*)Scheuchzer ſagt: nach. Cango, an Reis und Korn die fruchtbarſte von ganz Japan, und ich wuͤrde ſie ſelbſt dem ſchoͤnen Medien vorſetzen, wenn ſie an Vieh und fruchtbaren Baͤumen, davon man im Gegentheil hier wenig findet, einen gleichen Vorrath haͤtte. Außer einer Toori mit einer goldenen Ueberſchrift, welche ein abgelegenes Goͤtzenhaus anwies, iſt uns von Tempeln und Pfaffen heute nichts vorgekommen, wie es denn ſcheint, daß dieſe weniger in dieſer Provinz geachtet werde. Uebrigens iſt Fiſen die groͤßeſte Provinz auf Saikokf, und begreift Nagaſacki, Simabara, Omura, Arima, Sauda, Karatz, Firando und die Jnſelñ ꝛc. unter ſich. Der Fuͤrſt von Fiſen genießet ſeine Einkuͤnfte zum Theil von die - ſen Oertern, zum Theil aber ſind ſie ihm auch von dem Kaiſer wieder abgenommen und andern eingeraͤumt, die jetzo ebenfals eine jaͤhrliche Reiſe an den Kaiſerlichen Hof verrich - ten und huldigen muͤſſen. Jnzwiſchen beſizt gedachter Fuͤrſt noch immer 40008**)Scheuchzer ſezt die runde Zahl; 40,000. Doͤr - fer zu ſeinem Eigenthume. So viel bleibt außerdem wol gewis, daß die Provinz Satzuma, welcher noch zwei beigelegene Provinzen von Saikokf, auch die Liquejiſchen Jnſeln ihre Er - haltung verdanken†)Dies fehlt bei Scheuchzer, der dagegen Kaͤmpfern ſagen laͤſt, Satzuma uͤbertreffe Fiſen undalle, fuͤr die vornehmſte und maͤchtigſte zu ſchaͤtzen iſt, indem ſie nichtC c 3allein206Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. allein die tapferſten Soldaten zeuget, ſondern auch vielen Campher und reiche Gold-und Silberminen hat, welche ſich aber der Kaiſer allein vorbehaͤlt. Um nun wieder auf die Stadt Sanga zu kommen, ſo ritten wir durch, ohne uns darin zu verweilen, und brach - ten dabei von der Vorſtadt bis zu dem andern Ende der Stadt eine Zeit von anderthalb Stunden zu. Außer der Pforte lief von der Stadt S. O. waͤrts auf eine halbe Meile ab eine dichte Allee von Tannen Baͤumen; auch ſah ich alhier die zwei erſten Falken, von zwei Mann, wie gewoͤhnlich, auf den Haͤnden getragen, uͤber einem kleinen Waldhuͤgel aber zwei Stoͤrche ſitzen, welche kleiner als die europaͤiſchen waren: wie auch zum erſten - male mit Pferden pfluͤgen. Eine Meile von Sanga paſſirten wir 8) das Dorf Farnomatz, und nach zwo Studen*)Scheuchzer ſagt: zwo Meilen., nachdem wir noch verſchiedene kleine Doͤrfer und Fluͤſſe beruͤhrt, erreichten wir, etwan um 1 Uhr Mittags, 9) den großen Flecken Kanſacki, welcher in 7 bis 800 Haͤuſern beſtehet, und vom vorigen Nachtlager ſieben Japaniſche Meilen abge - legen iſt. Alhier hielten wir eine Stunde Mittag, und ſezten, unter Beguͤnſtigung uͤberal ſauberer, ebener, mit Sande beſtreueter und uͤberhaupt erwuͤnſchter Wege, unſern Marſch wiederum friſth fort, bis wir nach drei bis vier Japaniſchen Meilen 10) das etwa 500 Haͤuſer ſtarke Dorf Todorocki, welches der lezte Ort des Fiſenſchen Gebiets iſt, zu unſerm Nachtlager einholten. Vor dieſem hatte man daſſelbe eine halbe Meile weiter, gewoͤhnlich in dem Dorfe Taiſero, genommen; da ſich aber hier vor vier Jahren der unan - genehme Vorfal ereignet, daß nach einem geringen Wortſtreite der Oberbugjo unſern Ober - dolmetſcher und darauf ſich ſelbſt**)Scheuchzer laͤſſet den Ober-Bugjo ſich ſelbſt nicht entleiben, ſondern ihn ſich mit der Flucht retten. entleibte, (er hatte auch ſeinem Doſen ein gleiches zuge - dacht, ihm aber nur die Hand abgehauen,) ſo iſt verordnet worden, dieſes Dorf, als einen unſerer Reiſe fatalen Ort, kuͤnftig zu meiden. An dem heutigen Nachmittage paſ - ſirten wir viele kleine Fluͤſſe und Doͤrfer: Haddi oder Faddi, (in der Ausſprache der Na - tion kan man das H vom F nicht unterſcheiden) Nittanwah und Nagabar ſind unter lezteren die groͤßeſten. Auch kamen wir durch einen kleinen luſtigen Tannen Wald, (wel - ches dieſer Orten etwas ſeltenes iſt) worinnen die Baͤume ſehr hoch und gros, die Zapfen klein wie Cypreſſennuͤſſe waren. Eine Stunde von Nagabar geriethen wir in das linker Hand ſich naͤhernde Gebuͤrge auf eine halbe Meile, welches wir aber bald wieder verließen. Zurrechten†)alle andre Japaniſche Provinzen weit an Reich - thum und Fruchtbarkeit. Daß die benachbarten Provinzen Satzuma ihre Erhaltung verdanken, be - zieht ſich vermuthlich auf die Handlung, die ſie mit dieſer Provinz haben, wie der Verf. ſchonoben (ſ. B. 1. p. 76.) von den Liquejiſchen Jnſeln anmerkt.207Siebent. Kap. Unſere Reiſe zu Lande von Nagaſacki bis Kokura. rechten ſahe man von da das auf eine Meile abgelegene weiße*)Scheuchzer hat: es ſahe weis von der Farbe ſeiner Mauren, und ſchien ein ſtattliches Gebaͤude zu ſeyn. Kaſtel Kurima, woſelbſt der Fuͤrſt von Tſikungo ſeine Reſidenz hat.

Freitags den 16 Februar reiſeten wir mit friſchen Pferden durch das außer der Pforte gelegene Dorf Urijuno eine halbe Meile fort bis nach Taiſero, dem obgedachten Flecken, der 5 bis 600 Haͤuſer, wenige Gaſſen und einige Thore in ſich begreift. Der Kaiſer hat denſelben ſamt dem umliegenden Bezirk vor ein paar Jahren dem Fiſenſchen Fuͤrſten abgenommen und dem von Tſuſima (und Simabara) gegeben, damit dieſer, weil er nur die Jnſeln gegen Corei hatte, auf dem feſten Lande auch etwas beſitzen moͤchte. Al - hier nahm der Bugjo, der uns bisher durch die Provinz Fiſen gefuͤhrt, ſeinen Abſchied, und es trat ein anderer, von dem Fuͤrſten von Tſuſima naͤmlich, an ſeinen Plaz. Nach - dem wir, ohne uns aufzuhalten, unſere Pferde auf der Straße gewechſelt, gieng unſer Zug durch Jmamatz, Farda, Dſuſanska und andere geringere Doͤrfer und uͤber ver - ſchiedene Fluͤſſe, Japaniſche Meilen, bis zu dem Flecken Jamaijo, wo wir denn wie - der eine Stunde Mittag machten. Von Dſuſauska lief eine Heerſtraße zur rechten Hand ab nach Kurime, und eine andere zur Linken um das Gebuͤrge nach Fakatto, welches vier Japaniſche Meilen davon entfernt, und eine Reſidenz des Fuͤrſten von Tſukitſju (Tſuſima) und Fakatto iſt. Jamaijo iſt ein Dorf oder Flecken von etlichen hundert Haͤu - ſerchen, volkreich und mit einer ſehr guten Herberge verſehen, in die wir einkehrten. Vor Jamaijo ſtand ein Campherbaum, welcher der vierte von ungewoͤhnlicher Groͤße war, den wir geſehen haben. Nach geendigter Mittagsſtunde war nun ein Bergwerk vor uns, der ſich mit Pferden nicht wohl erſteigen lies, wir muſten uns alſo in die engen, viereckigten, von allen Seiten offenen, jedoch mit einem kleinen Obdach verſehenen Korbe, oder Cangos kuͤmmerlich niederſetzen, und wurden darin jeder von zwei Perſonen eine halbe Meile in vol - lem Laufe bis an den Fus des Berges Fiamitz fort, und dieſen eine Meile hinauf getragen bis zu einem kleinen Doͤrfchen ohne Namen, deſſen Einwohner, wie man ſagte, alle von einem noch lebenden Groseltervater gezeuget waren; wir fanden ſelbige ſehr wohl geſtaltet und in Kleidern, Geberden und Reden, vorzuͤglich das Frauenzimmer, ſo artig, als wenn ſie eine Standesmaͤßige Erziehung gehabt haͤtten. Nachdem wir alhier eine halbe Stunde geruhet, gieng es noch eine viertel Meile weiter Berg auf, darnach anderthalb Meilen wie - der hinunter in das Dorf Utſjino, das auf Deutſch ſo viel ſagen wil als Jndemberde, wo wir bei einigen Erfriſchungen beinahe eine Stunde verweilten, uns ſodann wieder auf die Pferde ſezten, und verſchiedene kleine Fluͤſſe und Doͤrfer, worunter Tintomatz das vornehmſte war, durchritten, bis wir gegen Abend den Flecken Jtska zu unſerm Nacht -quartier208Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. quartier erhielten, nachdem wir heute zehn Japaniſche Meilen zuruͤk gelegt hatten. Es beſte - het Jtska oder Jtzka aus etlichen hundert Haͤuſern mit buͤrgerlichen Einwohnern, und liegt jenſeit eines mit kleinen Fahrzeugen beſezten Fluſſes, durch welchen andere getragen wurden, dagegen ich die Erlaubnis erhielt, uͤber deſſen lange ſchmale Bruͤcke zu gehen. Huͤgel, Berge, Gebuͤſche und unfruchtbare Plaͤtze wechſelten auf der ganzen Tagreiſe, wie auf ei - nem deutſchen Grund und Boden, mit einander ab. Die Menſchen-Geſichter waren von den Fiſenſchen ziemlich unterſchieden. Die Bewohner der Gebuͤrge fanden wir ſehr be - ſcheiden. Kein Vieh, außer wenige Kuͤhe und Pferde, die zur Arbeit gehalten wurden, und zwei Stoͤrche, welche unſern in Deutſchland nicht ungleich waren, iſt uns zu Geſichte gekommen. Die Aecker von den abhangenden Bergen waren am Rande etwa auf acht Schritte von einander mit Theebuͤſchen beſezt, ſo daß ſie der Ausſaat nicht ſchaden konten. Die Japaner wiſſen ihr Land ſo gut zu nutzen, daß ſie der Theeſtaude nicht mehr Raum goͤnnen.

Den 17 Februar. Da wir heute einen Weg von 13 Meilen, naͤmlich 10 bis Ko - kura und 3 zu Waſſer bis Simonoſecki vor uns hatten, ſo ſind wir noch vor Tage mit Fackeln (die von Bambusſpaͤnen gemacht waren) aufgebrochen. Vormittags reiſeten wir durch Tababukro, das etwa hundert Haͤuſer hat, und noch verſchiedene kleine Doͤrfer, wurden in platten Kahnen uͤber zwei ſteinichte, eben nicht tiefe aber ſchnelle Fluͤſſe uͤberſezt, und kamen, nach fuͤnf Japaniſchen Meilen, in den aus 2 bis 300 Haͤuſern beſtehenden Flecken Kujanoſſa, alwo gedachte zwei Fluͤſſe, nachdem ſie zuvor vereinigt vorbeifloſſen, und von dem Flecken den Namen Kujanoſſegawa fuͤhrten. Nach gehaltenem Mittag zogen wir mit friſchen Pferden eine kleine Meile bis zu dem Fluſſe hinunter, und ferner zwei Meilen bis zu dem Flecken Kroſacki, der an dem Ufer des Norder Seebuſens liegt, und ebenfals, wie faſt alle andere geringe Doͤrfer, 2 bis 300 Huͤtten oder ſchlechte Haͤu - ſerchen enthielt. Unter Wegs gab es Steinkohlenbruͤche, die man uns als etwas ſehr Merkwuͤrdiges zeigte. Wir beſtiegen zu Kroſacki friſche Pferde, und gelangten nach an - derthalb Meilen an zween 10 Schritte von einander geſezte und mit Charakteren bezeichnete Graͤnzſteine von Tſikuſen und Kokura, und wieder nach einer kleinen Meile bis Fijomi, einem außer Kokura liegenden Dorfe, von da aber unter Begleitung von zwei Kokuraiſchen Hof-Bojoſen zur Stadt Kokura ſelbſt, wo wir uns alsbald in unſere Herberge begaben, die in dem lezten oder dritten Theile der Stadt an einem großen Platze jenſeit der Bruͤcke ſehr angenehm gelegen, wohl eingerichtet und mit allem Noͤthigen uͤberfluͤſſig ver - ſehen war.

Die Stadt Kokura liegt auf dem Grund und Boden der großen Provinz Buſen ohn - weit dem Ufer des Meers. Sie war vor dieſem volkreich und bluͤhend, jetzo aber und ſeit dem man das Land unter ſo viele Fuͤrſten vertheilt, iſt ſie in einem armen und heruntergeſeztenZu -209Siebent. Kap. Unſere Reiſe zu Lande von Nagaſacki bis Kokura. Zuſtande. Sie erſtrekt ſich etwa eine Japaniſche Meile in die Laͤnge von Oſten nach We - ſten, macht eine laͤnglicht viereckigte Figur, und beſtehet aus vier Theilen, naͤmlich einem großen Kaſtel und dreien von einander abgeſonderten Staͤdten. Das Kaſtel nimt einen weiten vierſeitigen Plaz ein, der mit Graben und niedrigen Waͤllen, welche aus dem Fun - dament mit Steinen aufgefuͤhrt und mit hoͤlzernen ſonderlich neben dem Fluſſe hervorſtehen - den Bolwerken nach der Landesart beveſtigt und ausgeziert worden, umgeben iſt. Etwa in deſſen Mitte ſtehet die Burg, mit ſchoͤnen weißen Mauren eingeſchloſſen, und an der Nordoſtecke einiges Geſchuͤz, auch ein ſechs Stokwerk hoher Wachtthurm, als ein Zeichen der Landesherrlichen Reſidenz. Die Einkuͤnfte des Fuͤrſten dieſes kleinen Landes Unga Sawara Ukon no Cami, der damals mit ſeinem Hofſtaate die Burg bewohnte, erſtre - cken ſich auf 15 Mangokf. Die Stadt ſo wie jeder Theil derſelben hat eine vierſeitige Form. An jedem zwiſchen zwei feſten Quermauern aus zwei großen Fluͤgeln beſtehendem Thore iſt ein offenes hoͤlzernes Wachthaus, und vor demſelben auf einem unter dem Vordache erhabenen Fusboden drei lange Wachtſtaͤbe nebſt ſechs mit ſchwarzen Pferdeharen oben gezierten Buͤr - ſten anzutreffen. Jnwendig ſahen wir zwei ehrbare manierlich gekleidete Maͤnner in einer Reihe ſitzen, die die Geſichter gegen das Thor oder die Straße gewandt hatten. Die Haͤuſer der Stadt ſind klein, die Gaſſen aber breit, eben und regelmaͤßig, und laufen theils gegen Suͤden, theils geſten Weſten. Man findet darinnen viele ſchoͤne Herbergen und Garkuͤchen, in welchen der Feuerheerd erhaben, und, wie in Deutſchland, ohne Erſpa - rung der Koſten eingerichtet iſt, an den Hinterhaͤuſern aber Badſtuben und koſtbare erhoͤ - hete Gaͤrten. Der Strohm, welcher von Suͤden durch die Stadt in die nahe See fließet, und den lezten Theil der Stadt von den erſten beiden und dem Schloſſe trennet, war beinahe mit 100 kleinen Fahrzeugen bedekt, denn die laſttragenden Schiffe koͤnnen wegen ſeiner Flaͤche nicht hieher kommen, ſondern muͤſſen bei Simonoſecki vor Anker bleiben. Ueber dieſem Fluſſe lag eine 200 Schrit lange und mit eiſernen Gelaͤndern und auf vier hoͤlzernen Pfeilern praͤchtig erbauete Bruͤcke. Aus dem beigefuͤgten Grundriſſe wird man die Lage der Stadt mit mehrerm erſehen koͤnnen, a iſt die innere Burg und Reſidenz des Landsherrn;Tab. XXXIII. fig. 2. b der mit der Hof bedienten Haͤuſern und Gaͤrten beſezte Plaz des Kaſtels; c der Kaſtels - thurm; d der erſte; e der zweite; f der dritte Theil der Stadt.

Zweiter Band. D dAchtes210

Achtes Kapitel. Reiſe von Kokura bis Oſacka, angetreten den 17ten Februar 1691.

Nachdem wir uns an der Herberge in die anderthalb Stunden aufgehalten, und mit Japaniſchen Speiſen uns wohl erfriſcht hatten, verließen wir Kokura wieder, und wurden von vorhin genanten zween Hofedelleuten, die vor unſerm Train hergien - gen, bis zu dem Meerufer an zwei Cabaya oder kleine Frachtbarken, die uns nach Simo - noſecki uͤberſetzen ſolten, begleitet. So wol die große Bruͤcke als der weite Plaz vor der Herberge war mit mehr als tauſend Zuſchauern vom gemeinen Poͤbel beſezt, welche ſich zu beiden Seiten unſers Zugs kniend und in aller Stille niederließen, und deren keiner (viel - leicht aus Furcht oder Ehrerbietung gegen unſern Fuͤhrer) aufzuſtehen oder einiges Geraͤuſch zu machen das Herz hatte. Eben mit der Stadt Kokura bekamen wir zugleich die Jnſel Kiuſjn hinter uns, welche auch wol von dem gemeinen Manne Niſji no Kuni, d. i. Neun Land, weil ſie aus neun Provinzen oder Fuͤrſtenthuͤmern beſtehet, auch Saikokf, d. i. Weſtland, genent wird. Eine halbe Stunde vor Sonnen Untergang beſtiegen wir die beiden kleinen Schiffe, und ſezten damit drei Meilen uͤber See nach Simonoſecki, wo - ſelbſt unſere große Barke vor fuͤnf Tagen angekommen war, um damit die fernere Reiſe bis Oſacka uͤber See zu verfolgen. Das eine Schifchen, worauf ich mich befand, hatte die rechte Fahrt vermiſſet, und ſich oͤfters feſtgeſezt, daher es tiefer in die Nacht in fuͤnf Stunden, und alſo zwei Stunden ſpaͤter als das andere, an Ort und Stelle gelangte. Wir nahmen alsbald auf erwaͤhnter großer Barke unſer Nachtlager, wo ein jeder ſeinen an - gewieſenen Plaz bereitet fand. Auf der kleinen Fahrt von Kokura bis Simonoſecki, welche durch die Meerenge zwiſchen einer Jnſel Kikuſima oder Finoſima genant, und der Pro - vinz Buſen gehet, wurden uns einige Oerter gezeigt, die wegen alda vorzeiten vorgefalle - ner Begebenheiten merkwuͤrdig gehalten werden, als: zur rechten Hand, auf Kokuraſchem Gebiete und an dem Buſenſchen Ufer, ein gruͤnes mit Baͤumen beſeztes ebenes weites Feld, Tanaſima, d. i. Perleninſel genant, und alda ein bewohnter Plaz, wo der Dairi oder geiſtliche Erbkaiſer vor Alters ſeine Reſidenz gehabt, daher er noch bis jezt den NamenDairi211Achtes Kap. Reiſe von Kokura bis Oſacka. Dairi behalten: ſodann eine zwiſchen dieſem Platze und der auf eine viertel Meile gegen uͤber gelegenen Jnſel Kikuſima oder Finoſima auf einer aus der tiefen See hervorragenden Klippe errichtete Gedaͤchtnisſaͤule, Joſibe genant, die zu Ehren eines Schiffers dieſes Namens da ſtehet, welcher den Kaiſer Taiko, als derſelbe in die Weſtlaͤnder, um ſie in die jetzige Ordnung und Regierungsform zu bringen, heruͤberkam, an dieſer Klippe in Le - bensgefahr ſezte; und der verdienten Ungnade dadurch entgieng, daß er ſich ſelbſt zur Stra - fe den Bauch aufſchnit. Noch iſt dieſer Ort und die See auch wegen dem Verluſt eines Kaiſerlichen Erben zur Zeit der Dairiſchen Kriege beruͤhmt, welcher Vorfal folgenderma - ßen erzaͤhlt wird: Feke oder Fege, ein tapferer Kaiſer und Kriegsheld, hatte viele Jah - re lang blutige Kriege gefuͤhrt; zulezt war er ungluͤklich, und wurde von ſeinem Feinde Gige aus ſeiner Reſidenz Oſacka nach Fijungo verjagt, ja auch dieſe Feſtung mußte er hernachmals raͤumen und ſein Leben einbuͤßen. Jn dieſer Lage der Sachen verſuchte die Pflegmutter mit des Kaiſers hinterlaſſenem damaligen ſiebenjaͤhrigen Sohn uͤber See zu ent - wiſchen; ſie kam bis an dieſen Ort, wo ſie der feindlichen Nachfolge nicht mehr entrinnen konte: ſie umfaſſete alſo ihren Prinzen mit dem herzhafteſten und grosmuͤthigſten Entſchluſ - ſe, der bei der Japaniſchen Nation nicht ungewoͤhnlich iſt, und ſtuͤrzte ſich mit ihm alda in die wilde See. Man ſagt auch, daß Fege, als er ſeinen vorſtehenden Untergang ge - ſehen, 10 mit Silber und Gold beladene*)Scheuchzer hat 7. Barken nach Sina uͤberſandt haͤtte, wo man auch ſeines Namens Gedaͤchtnis einen Tempel erbauet, wie das dem ungluͤklichen Prin - zen zu Simonoſeki ebenfals geſchehen, dem man einen Tempel, Amadeis genant, aufge - richtet, welchen wir etwas weiter unten mit mehrerem beſchreiben wollen.

Simonoſeki liegt (unter dem 34ten Grad der Polhoͤhe)**)Fehlt bei Scheuchzern. an einem beruͤhmten Seehafen unter einem Gebirge auf der Provinz Nagatto, welches die weſtlichſte des feſten Landes oder der großen Jnſel Nipon iſt, woſelbſt das Meer wegen dem angraͤnzenden Lande Kiuſju in eine Enge von einer Japaniſchen Meile getrieben wird. Nipon iſt die groͤßeſte Jnſel des Reichs, und hat die Figur eines Kinbacken, beſtehet aus 52 Landſchaf - ten, und iſt mit zwei großen Landwegen durchſchnitten. Der eine, als der vornehmſte, erſtrekt ſich von Simonoſeki uͤber Oſacka und Miaco laͤngſt der ſuͤdlichen Seeſeite bis Je - do, das iſt, von Weſt bis Oſt, wiewol man oͤfters bis Oſacka, wegen der vielen Berge, zu Waſſer geht; der andere: von Jedo zwiſchen N. und N. O. bis zu den aͤußerſten Graͤn - zen von Oſju, das uͤber 40 Meilen betraͤgt.

Der Landesherr der Simonoſekiſchen Provinz, welcher auch jaͤhrlich eine Hofreife macht, heißet Mori Fidan no Cami, und hat ſechs Meilen von hier ſeine Reſidenz, die man Sivo nent†)Bemerkt die Engl. Ueberſ. nicht..

D d 2Es212Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Es beſtehet aber Simonoſeki aus 4 bis 500 Haͤuſern, die in einer ſehr langen und einigen kurzen Queer-oder Nebengaſſen bebauet ſind. Man findet alhier viele Kram - buden, worinnen die taͤglich aus Weſt und Oſten ankommenden Schiffe ihre mancherlei Nothdurft und Lebensmittel haben koͤnnen, die ſich in dem algemeinen Hafen hierſelbſt vor Anker legen, und deren wir damals bei 200 antrafen. Auch giebt es hier viele kuͤnſtliche Steinarbeiter, welche aus grauen und ſchwarzen in den angelegenen Gebirgen gebrochenen Serpentinſteinen Schreibzeuge, Schachteln und dergleichen von mannigfaltigen Arten und Figuren zu verfertigen wiſſen.

Den 18ten Februar, des Sontags, als an dem andern Tage unſerer Ankunft, da wir bei widrigem Winde ſtille lagen, brachten wir den Nachmittag mit Beſichtigung der Steinhauer-und Steinſchneiderwerkſtaͤtten, und des durch ganz Japan beruͤhmten Tempels Amadais, vergnuͤgt zu. Wir wurden zu dem lezteren, in Begleitung unſerer Reiſegefaͤhrten, von zween Stadtbedienten, die den Auf lauf des Poͤbels verhinderten, uͤber 24 rauhe ſteinerne Treppen hinangefuͤhrt. Zuerſt ſahen wir drei kleine von Holz erbauete Tempel, und demnaͤchſt linker Hand den Amadaistempel vor uns. Ein junger Pfaffe empfieng uns, und brachte uns in den Vorſaal deſſelben, welcher mit ſchwarzem Flore, nach Art ihres Schauſpielhauſes, und in der Mitte mit einer Decke von ſilbernem Gewebe bezogen war. Alhier ſtand auf einem Altare der ertrunkene Kaiſerliche Prinz, dik, fet und mit ſchwarzen langen Haren gebildet, fuͤr den die Japaner ihr Haupt bis zur Erde her - unter neigten; zu deſſen beiden Seiten aber zwei Figuren in Lebensgroͤße, in ſchwarzer und am Kaiſerlichen Hofe des Dairi uͤblichen Kleidung, die Perſonen vom Kaiſerlichen Gebluͤte vorſtelleten. Der Pfaffe zuͤndete eine Lampe an, und hielt ſodenn von der ganzen tragiſchen Geſchichte eine Rede, waͤhrend dem er uns zugleich in einem Nebenſaale einige auf vergol - deten Tafeln abgemalte Figuren der uͤbrigen Perſonen zeigte, deren er in ſeiner Rede er - wehnte. Hiernaͤchſt fuͤhrte man uns in das offene ſchoͤne Audienzzimmer des Kloſters, alwo zugleich der Prior, ein alter magerer und ſitſamer Pfaffe erſchien, und ſich niederſezte. Er war, wie ſeine uͤbrigen untergebenen jungen Pfaffen, mit einem ſchwarzen Florrocke angethan, zum Zeichen ſeiner Kloſterlichen Prioritaͤt aber hieng ihm ein weis ſilberner Guͤrtel von der rechten Schulter zur linken Seite herab, ſo wie uͤber der linken Schulter vorn und hinten ein vierkantiger Lappen von ſelbigem Stoffe. Als er ſahe, daß wir aus Hochachtung gegen ihn nicht naͤher herzutraten, ſtand er wieder auf und verfuͤgte ſich in die weiter hinten aus gelegene niedrige und mit Schiebern abgetheilten Zellen. Nachdem wir einen Jtzebo (oder ein Goldſtuͤk von Rthlr.) zur Verehrung fuͤrs Kloſter niederge - legt hatten, ließen wir uns von unſern Begleitern wieder weg und in die Herberge fuͤhren, woſelbſt wir auf Japaniſche Manier aßen und tranken, uns ſodann in der Badſtube er - friſchten, und mit dem Abend uns wiederum auf unſer Schif begaben.

Wir213Achtes Kap. Reiſe von Kokura bis Oſacka.

Wir haͤtten alhier noch einen andern Tempel des vergoͤtterten Fatzima, der der erſte Einwohner und Stifter des Staͤdtchens geweſen, ſehen koͤnnen, wir hielten es aber wegen ſeiner Beſchaffenheit der Muͤhe nicht wehrt.

Den 19ten Februar, Montags Morgens fruͤh traten wir die Waſſerreiſe nach Oſacca an, die man ohne anhaltenden W. Wind nicht gern unternimt, weil gleich die er - ſte Tour (naͤmlich 35 Japaniſche oder 14 Deutſche Meilen) zu lang faͤlt, und man unter Wegs keine andere als zwei an der Nordſeite gelegene und gegen Stucmwinde unſichere Hafen Mocko und Kudats antrift. in welche es uͤberdem noch beſchwerlich iſt, einzu - laufen.

Von Simonoſeki bis Oſacca werden 136 Waſſermeilen, auch wol noch mehrere gerechnet, je nachdem man dieſen oder jenen Hafen, wo man des Nachts zu Anker lauft, erwaͤhlt oder der Wind die Fahrt regulirt. Einige Schiffer haben mir das Meilenverzeich - nis ſo angegeben:

von Simonoſeki bis zu der Jnſel, Hafen und Dorfe Caminofeki 35 Meilen.
von da bis zu der Jnſel und dem Dorfe Kamagari 20
dann bis Tomu 18
bis zu dem Staͤdtchen und Hafen Moru 30
bis zu dem Flecken und Hafen Fjogo oder Sinongi 18
und von da bis Oſacca 13
Waͤren 134 Meilen.

Andere aber ſo:

von Simonoſeki bis Caminoſeki 35 Meilen.
bis Camiro 7
bis Mitarei 18
bis Finagari 5
bis Tomu 10
bis Sjirei 3
bis Sjimotzi 7
bis Jſji Modo 10
bis Muru 10
bis Akaſji 13
bis Fiogo 5
und endlich bis Oſacca 13

Machen zuſammen die beſagte 136 Japani -D d 3ſche214Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſche Waſſermeilen, oder etwg 46½ Deutſche Meilen, und ſind alle die genanten Oerter ſolche, wo man ſicher zu Anker kommen kan, wiewol man ſie im Vorbeiſegeln auf eine halbe oder ganze Meile meiſtens zur linken Hand an dem feſten Lande liegen laͤſſet.

Jch halte es fuͤr unnoͤthig, die uͤbrigen ſich vorfindenden Oerter, Hafen, Jnſeln, Berge, kleinen Staͤdte, Flecken und Doͤrfer zu benennen, weil ſie auf der algemeinen Charte ſowol als auf der beſondern von unſrer Reiſe (Tab. XXIV. ) bemerkt ſind.

Bei der Abfahrt von Simonoſecki wird das Schif anfangs auf einige Meilen, be - vor es in die ofnere See komt, verſchiedentlich gelenkt, hierauf geht es den halben Weg ſuͤdlich, dann aber nordlicher und allezeit ziemlich krum, weil ſo viele unzaͤhlbare Jnſeln, deren einige mit Hafen und Doͤrfern verſehen, und bis zu ihren Spitzen kultivirt, andere aber ganz unfruchtbar und unbewohnt ſind, bald zur rechten bald zur linken Hand umfah - ren werden muͤſſen.

Es liegt aber Oſacka von Simonoſecki den gleichen Strich ins Oſt nach Norden, welches zu Verbeſſerung der Charte*)Anf welcher alſo Oſacca etwas zu ſuͤdlich angeſezt iſt. zu merken, und finde ich eine Abweichung des Mag - nets gegen Oſten von fuͤnf Graden. Das feſte Land Nipon bleibt uns in unſerer Fahrt auf eine oder etliche Meilen zur Linken, die Provinz Buſjen und Bungo der Jnſel Saikokf aber zur rechten Hand, darnach die große Jnſel Tſikokf, und dann die kleinere Jnſel und Provinz Awa.

Unter einem guͤnſtigen und mit Staubregen vermiſchten Winde ſegelten wir inner - halb zwei Meilen ein beim Dorfe Tamiora gelegenes Palais vorbei, worinnen die nach und vom Hofe reiſende Herren logiren; und nach fuͤnf Meilen kamen wir zu dem Dorfe und dem anſehnlichen Berge Motto Jamma. Die See wurde hier geraumiger, weil Saikokf zur rechten Hand ablief, und Nipon ſich in eine weite Bucht kruͤmmete. Bei - nahe hundert Schiffe trafen wir hier unter Segel an, welche dieſe Tage uͤber wegen des wi - drigen Oſtwindes vor Anker lagen, und die wir, mit Volk und Segeln beſſer verſehen, noch alle vor Abend eingeholt hatten. Nach 18 Meilen kam uns Saikokf aus dem Geſichte, dagegen wir vor uns die ziemlich große Jnſel Jwoiſſima, darauf aber am feſten Lande den hohen Berg Caſſado Jamma, der noch 10 Meilen von Caminoſecki entlegen iſt, ent - dekten. Zur rechten Hand ſahen wir die hohen Schneegebuͤrge der Provinz Jjo auf der gro - ßen Jnſel Tſikokf, welche aus vier großen Fuͤrſtenthuͤmern beſteht, und 70 Japaniſche Meilen in der Laͤnge gerechnet wird. Hiernaͤchſt ſtießen uns die theils aus der See hervor - ſtehende theils nicht zu ſehende gefaͤhrliche Klippen Sſo Sjino Kſo (d. i. Kochs Koth genant**)Hat die Engl. Ueberſ. nicht.) auf, vor welchen ſich die Schiffer wohl vorzuſehen haben. Bald darauf geriethenwir

Tab. XXIV.

215Achtes Kap. Reiſe von Kokura bis Oſacka. wir in unſerer geraden Fahrt in eine Meerenge, welche die zur rechten Hand liegende Jnſel mit dem hervorſtehenden feſten Lande dergeſtalt einſchließt, daß man die Durchfahrt nicht eher gewahr wird, als bis man nahe dabei iſt. Auf der linken Seite des feſten Landes war der Flecken Morizu, und zur rechten das Dorf Caminoſecki. Jener ſo wie dieſes beſtand jedes*)Jn der Engl. Ueberſ. ſtehet, daß beide Oer - ter zuſammen 80 Haͤuſer ausmachten. aus 80 Haͤuſern. Das Dorf liegt auf einer Jnſel, die eben den Namen Caminoſecki hat. Beide Oerter gehoͤren eigentlich zu der Provinz Nagatto und derſel - ben Fuͤrſten von Jmoo. Dieſer aber hatte ſie als Graͤnzoͤrter ſeiner Provinz einem ſeiner Vettern zur Appanage eingeraͤumt, von welchem ſie alſo izt regiert wurden.

Vor dem Hafen ſtehet auf einer hohen Klippe ein hoͤlzerner Leuchthurm, wornachTab. XXV. ſich die Schiffer zur Nachtzeit richten.

Dieſe Jnſel hat auch noch ein maͤchtiges Goͤtzenbild (dem man den Namen Da ſino Daibots giebt**)Fehlt in der Engl. Ueberſ.).

Die bis hieher zuruͤkgelegte See (zwiſchen Simonoſecki und Caminoſecki) wird Swo nado, d. i. der Hafen von Swo, nach der zur Seite gelegenen Provinz Suwo, genant. Von Caminoſecki nun ſegelten wir ohne Hindernis noch ſieben Meilen bis Dſino Camiro, d. i. Unter-Camiro, und ſenkten bei finſterm Abend halb acht Uhr neben vielen andern Barken nahe an dem Ufer unſern Anker in den Grund, nachdem wir heute mit durchſtehendem Weſtwinde 42†)Die Engl. Ueberſ. ſezt 45. Japaniſche Waſſermeilen gemacht hatten.

Dſino Camiro, das zum Unterſchiede eines kleinen nahe dabei und an derſelben Kuͤſte gelegenen Dorfes Okina Camiro, d. i. Ober-Camiro, ſo genent wird, iſt ein Dorf von etwa 100 Bauerhuͤtten und wenigen gut gebaueten Haͤuſern, liegt am Ufer der Provinz Aki in einer mit Bergen umgebenen Bucht, und iſt wegen des bequemen Anker - grundes unter den Seefahrenden ſehr wohl bekant.

Den 10 Februar. Dienſtags Morgens fruͤh, da wir bei ſtillem Wetter abruder - ten, erreichten wir gar bald das ohnweit unſerm Ankerplaz, auf der Oſtecke einer bis zu den Spitzen der Berge angebaueten Jnſel vor uns gelegene Dorf Okino Camiro, das ohngefaͤhr in 40 Haͤuſern beſtehet; um die Mittagsmahlzeit aber eine zur linken Hand lie - gende Jnſel Tſuwa, deren gegen Suͤdoſt offene und mit etwa 200 Haͤuſern nach der Zir - kelfoͤrmigen Rundung des Ufers beſezte Bay den Schiffern zu einem ſichern Hafen dient. Die dahinter befindliche Berge waren auch ſtufenweiſe bis zu den Gipfeln mit geackerten Fel - dern beſezt. Wir fuhren von hier mit einem gelinden kuͤhlen Wind fort bis zu einem zwi - ſchen zwei Bergen am Ufer des Landes Acki gelegenen Dorfe Cammo gari und nach we - nigen Meilen weiter bis zu dem beruͤhmten Hafen Mitarei, wo wir neben vielen andernBarken216Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Barken bei finſterem Abend Anker warfen. Auf der heutigen Fahrt, die 18 Japaniſche Waſſermeilen ausmachte, und wobei wir die See, ſo wie geſtern, voller Segel geſehn, haben wir viele wuͤſte, unbebauete, kahle Jnſeln und Berge, zur rechten Hand auf vier Meilen die Provinz Jjo, zur linken aber die Provinz Acki gehabt, welche beide mit hohen Schneegebuͤrgen beſezt waren.

Den 21 Februar. Mitwochs eine Stunde vor Tage verließen wir Mitarei bei ſtiller Witterung. Tſikoko naͤherte ſich uns auf etwa eine Japaniſche Meile von Nipon, und ſtellete uns nach zwei Meilen auf ſeiner aͤußerſten Ecke eine ſchlechte Reſidenz Khuriſ - ſima des Herrn von Fireſima der Provinz Acki dar, als welche mit noch neun andern daherum liegenden Jnſeln den Bezirk ſeiner Herrſchaft ausmachte. Weiter hinauf zwei bis drei Japaniſche Meilen kam ein ſchoͤnes und mit hohen Thuͤrmen verſehenes anſehnliches Kaſtel und Stadt Jmabari zum Vorſchein, eine Reſidenz des Landesherrn Sjiromotto Tonno, Sohns des Landesherrn in Kinokuni, Schwiegerſohns des Kaiſers. Fuͤnf Ja - paniſche Meilen von hier war eine enge Meerſtraße, und am Ufer zur linken Hand das Dorf Fanaguri, wo wir uns zu Einnehmung friſchen Waſſers faſt eine Stunde verweil - ten, waͤhrend welcher viele Barken vorbeiſegelten. Das Dorf Fanaguri haͤlt 60 Haͤuſer, und liegt an dem Fuße zweier Berge, daher es auch den Namen hat, denn Fanaguri hei - ßet ein Naſenloch. Es ſtanden alhier neun von Stroh wie Huͤgel ſchlecht aufgeworfene Huͤtten, worinnen Salz aus dem Seewaſſer zubereitet wurde. Ohnweit davon war das Ufer noch mit andern kleinen Fiſcherdoͤrfern beſezt. Eine Meile von Fanaguri war ein Dorf Tara nomi genant. Zwiſchen dieſen beiden Doͤrfern war eine aus dem Waſſer her - vorſtehende Schanze oder Waſſerpas zu ſehen, die man zu dem Ende angelegt hatte, um die Fahrt, die alhier nicht uͤber einen Piſtolenſchus weit iſt, auf erforderlichem Falle zu ſperren.

Einige Meilen weiter gelangten wir an ein zur linken Hand gelegenes Dorf Jwangi von etwa 80 Haͤuſern, von dem ich nicht ſagen kan, ob es an einer Jnſel oder am veſten Ufer ſtand, indem das Land alhier allenthalben von der See durchbrochen iſt. Nahe dabei befand ſich auf einer hohen mit Baͤumen beſezten Klippe ein Tempel, zu dem man auf Treppen hinanſteigen mußte; eine am Ufer ſtehende doppelte Pforte zeigte den Zugang dahin.

Unter den vielen rauhen Gebuͤrgen, Hafen und Doͤrfern, die wir zu beiden Sei - ten ferner paſſirten, iſt Swoja ein Dorf, auf einer Jnſel rechter Hand unſrer Fahrt, von etwa 100 Haͤuſern zu bemerken, weil daſelbſt viel Salz bereitet wird, wovon es auch den Namen fuͤhrt. Ohnweit davon iſt das Doͤrfchen Jugi, deſſen Einwohner reiche Bauren ſind, und worinnen ein ſchoͤnes Palais ſtehet.

Bei
Tab. XXV.
217Achtes Kap. Reiſe von Kokura bis Oſacka.

Bei dem Verfolg unſerer Reiſe von hier, da ſich zugleich der Wind ſehr zu unſerm Vortheil drehete, fanden wir eine merkwuͤrdige Jnſel vor uns, welche wie eine hohe Pyra - mide ſich aus dem Waſſer erhob. Zu unſerer Rechten hatten wir hieſelbſt eine weite See, welche ſich zwiſchen Jjo und Sanuki, den beiden noͤrdlichen Provinzen der Jnſel Tſikokf, oͤfnete und ſo tief ins Land ſtrich, daß deren Ufer nicht abzuſehen waren. Zu unſerer Linken zeigten ſich verſchiedene Doͤrfer, und bald darauf nicht weit außer der Fahrt der beruͤhmte Hafen und Flecken Tomu, der zur linken Hand an dem Ufer eines flach aufſteigenden Ge - buͤrges der Provinz Bingo liegt, und den man daher zum Unterſchied eines andern Orts gleichen Namens, Bingo no Tomu, nent. Es enthaͤlt derſelbe in einer nach der Zirkel - foͤrmigen Rundung des Ufers zierlich angelegten langen Gaſſe einige hundert nicht uͤbel aus - ſehende Haͤuſerchen, nebſt einem Mariam oder Bordelle und zwei ſchoͤnen Tempeln. Man verfertigt alhier ſehr gute Matten zu Belegung des Fusbodens in großer Menge, und ver - faͤhrt ſie in die uͤbrigen Provinzen. Hinter dieſem Flecken an dem Abhange des Berges liegt ein niedliches Frauen - oder Witwenkloſter*)Scheuchzer ſezt ſchlechthin: Kloſter., und auf eine viertel deutſche Meile vor demſelben ein beruͤhmter Tempel des Abgottes Abbuto, dem man die vorzuͤgliche Macht beilegt, daß er einige Krankheiten heilen, inſonderheit aber den Schiffahrenden einen vor - theilhaften Wind zubringen koͤnne, daher auch die Matroſen und Paſſagiers einige Caſjes oder Heller auf ein Hoͤlzchen feſtgebunden ins Waſſer werfen, und dieſem Abuto quano ſama, d. i. Herrn Abgott Quano, wie ſie ihn nennen, als ein Opfer zuſenden, um von ihm guten Wind zu erhalten. Der Tempelwaͤrter, der es zwar bezeugt, daß ſolche Gaben jedesmal ankommen, und ihre richtige Beſtimmung erreichen, pflegt jedoch zu meh - rerer Sicherheit bei ſtillem Wetter mit ſeinem Kaͤhnchen an den vorbeifahrenden Barken ſich ſelbſt einzufinden, und den Zol fuͤr ſeinen Abgott einzufordern. Die vor oder bei dem Flecken liegende Jnſel ſowol, als auch die umliegenden Gebuͤrge waren uͤbrigens mit Buſch - werk und Baͤumen ſehr wohl bewachſen.

Ein zur Rechten unſer weiteren Fahrt am Ufer liegendes Doͤrfchen Sjireiſj erreich - ten wir unter vortheilhaftem Winde nach ſieben Waſſermeilen, und waͤhlten den daſelbſt be - findlichen guten Ankergrund, den wir auf unſerer ferneren Reiſe ſo bald nicht wieder zu ge - warten hatten, noch eine Stunde vor der Sonnen Untergang zu unſerer Ruhe. Es be - greift dieſes Dorf etwa 50 Haͤuſer. Ein kultivirtes angenehmes Thal an einem ſchmalen gegen Norden offenen Hafen einer kleinen Jnſel giebt ihm ſeine Lage. Auf der Hoͤhe des daran ſtoßenden Berges wird der Abgott Kobo Dais in einer Hoͤle verehrt. Außer un - ſern Barken kamen alhier noch 12 andere vor Anker, die ſich nach uns richteten, und zuVer -Zweiter Band. E e218Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Verhuͤtung des Schlingerns die Maſten niederließen. Es waren 18 Meilen zwiſchen O. z. N. und N. z. O. die wir heute mit einem guͤnſtigen Suͤdwinde zuruͤkgelegt hatten.

Den 22 Februar. Donnerſtags lichteten wir mit anbrechendem Tage die Anker, und kamen durch viele Jnſeln und eine geraume See in ſieben Meilen bis zu dem Staͤdtchen Sjimotzi, welches zur linken Hand an einem von gemeinen Steinen aufgefuͤhrten Ufer der feſten Provinz Bitſju und an dem Fuße eines felſigten Berges gelegen iſt, auf deſſen Hoͤhe wohlgeordnete Reihen von Tannenbaͤumen, wie faſt auf allen kultivirten Berginſeln, prangeten. An Haͤuſern zaͤhlt man in Sjimotzi etwa 4 bis 500 in einer dreifachen Ab - theilung, deren jede von einem Joriki regiert wird. Gegen uͤber zur Rechten liegt ein von Stein erbauetes Kaſtel Sjiwaf, und darneben ein Doͤrfchen.

Nicht weit von hier, und gerade in unſerer Fahrt, trafen wir abermals eine merk - wuͤrdige Pyramidenfoͤrmige Jnſel, Tſutſi Jamma genant, an, die wir ſchon weit vor - aus vor Sjimotzi gegen Oſten geſehen hatten. Die Fahrt wurde nun wiederum enge, in welcher ſich zur linken Hand an der feſten Provinz Biſjen ein gegen Suͤden offen ſtehender großer Hafen oͤfnete. Zu beiden Seiten deſſelben war ein Dorf, das Sjibi hies. Acht Meilen weiter an eben der Nordſeite fiel uns der ſchoͤne Flecken Sjimado oder Urſjimado, der zum Theil mit Veſtungswerkern verſehen war, und ferner nach ſieben Meilen das wohlerbauete Schlos Ako mit ſeinen weißen Mauren, Ekthuͤrmen und dahinter liegenden Staͤdtchen in die Augen. Lezteres hatte, wie es ſchien, einen ſumpfigen und alſo unbe - quemen Boden zum Ankern. Es iſt die Reſidenz eines kleinen Landesherrn, Aſſino Tackomin genant, deſſen Einkommen ſich nur auf fuͤnf Mankokf belaͤuft. Drei Meilen von da gelangten wir des Nachmittags um fuͤnf Uhr vor die Stadt und in den großen und beruͤhmten Hafen Muru zu unſerer Nachtruhe, nachdem wir heute mit gutem Winde 27 Waſſermeilen hinter uns gelegt hatten. Etwa 20 Schritte vom Ufer nahmen wir alſo in dieſem Hafen unter mehr denn hundert andern vor Anker liegenden Barken unſern Plaz; es iſt derſelbe zwar nicht ſehr geraͤumig, jedoch von allen Seiten vor Sturm und Wellen geſichert, weil der Eingang mit einem vom feſten Lande Weſtwaͤrts hervorſtehenden ſchma - len Berge eingeſchloſſen iſt, ſo, daß man im Einlaufen das Schif N. O. anlegen, darnach S. S. O. wenden mus, um unter die Stadt zu Anker zu kommen.

Es liegt aber die Stadt Muru an einem mit Felſenſteinen aufgefuͤhrten Zirkel - runden Ufer der veſten Provinz Farima*)Jn der Engl. Ueberſetzung ſteht Biſen, nach der Charte gehoͤrt Muru aber allerdings zu der Pro - vinz Farima. an einem ſehr luſtigen und erhabenen Orte. Eine lange, enge, neben dem Ufer fortlaufende Gaſſe, und wenige kurze zu den umliegendenBergen219Achtes Kap. Reiſe von Kokura bis Oſacka. Bergen abgehende Hinter - oder Queergaſſen, faſſen zuſammen etwa 600 Haͤuſer in ſich. Ein Bugjo iſt hier der Befehlshaber. Neben dem, daß die Einwohner meiſt Sackibren - ner, Wirthe und Kraͤmer ſind, welche von der Menge von Schif leuten ihre reichliche Nahrung haben, trift man Manufakturen an, in welchen Pferdehaͤute auf Ruſſiſche Ma - nier bereitet, und darnach mit einem Firnis uͤberzogen werden. Es wurden aus derſelben das Stuͤk zu 1 Tail 4 Maas*)Scheuchzer laͤſſet das 1 Tail weg, und ſezt nur 4 Maas. zu Kaufe gebracht. So unbetraͤchtlich uͤbrigens die Stadt iſt, ſo unterhaͤlt ſie doch auf ihre eigene Koſten ein Mariam oder oͤffentliches Bordel.

Die ſchoͤnſte Beluſtigung fuͤrs Auge geben ſowol das umliegende bis zu dem Gipfel gleichſam Stuffenweiſe beackerte Gebirge, als auch zwei dicht und ſtark bewachſene hohe Luſtwaͤlder, welche ſich, wie gedacht, wie eine Halbinſel zeigen, und mit dem Eingange des Hafens zuſammenhaͤngen. Der Grund und Boden des in die Rundung erhabenen Ge - birges war felſigt, und mit ziemlich hoch vom Grund aufgefuͤhrten Rondelen, Wachthaͤu - ſern und angenehmen Gebaͤuden zur Wohnung der Officiers und Soldaten beſezt. An der Weſtſeite oder gegen dem Munde des Hafens uͤber hielt ſich in einer daſelbſt befindlichen Citadelle eine wehrhafte Wache auf, die man aber mehr an den in Ordnung hervorgeſtelle - ten zehn Piken und fuͤnf Hellebarden, als an der ſichtbaren Gegenwart der Soldaten, er - kennen konte; die andere Seite des Gebirges aber hieng mit einer niedrigen Erdzunge an der Stadt feſte; Mauren und Pforten machten jedoch dabei eine Abſonderung.

Als wir uns mit unſern Begleitern alsbald in die Stadt verfuͤgten, wurden wir von hinten durch ein weitlaͤufiges Haus eines Sackibrauers in eine lange Gaſſe, und wie - derum durch dieſe in eines Baders Haus gefuͤhrt, das von Badegaͤſten ganz vol war, und wo man auch Sacki und etwas zum Anbiſſe haben konte. Alhier reinigten wir uns in ei - ner Schwizkammer, nahmen Erfriſchungen ein, und begaben uns darauf wieder zu unſerer Barke, da wir denn die Gaſſe zu beiden Seiten voller Zuſchauer fanden, die uns als Fremde ſehen wolten; ſie hatten ſich aber dabei aus Ehrerbietung niedergebuͤkt, und mach - ten nicht den geringſten Laͤrmen.

Den 23 Februar. Freytags mit anbrechendem Morgen muſten wir beym Auf - bruch aus der Bay beinahe 2000 Schritte rudern, bevor wir zur offenen See und zum Ge - brauch des Segels gelangen konten. Wir paſſirten folgende im feſten Nordufer gelegene Oerter vorbei:

  • 1) Aboſi, eine Stadt mit einigen Veſtungswerkern und einem Kaiſerlichen Pak - hauſe. Ohnerachtet ſie zu dem Firamaſchen Gebiete gehoͤrt, haͤlt der Kaiſer daſelbſt einen Finanzaufſeher und einen regierenden Bugjo.
E e 22) Fi -220Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 2) Fimeſji oder Fimedſi, ein Staͤdtchen mit einem praͤchtig bethuͤrmten Kaſtel, dem Landesherrn Matzi Dairo Jamatto gehoͤrig. Hier ſowol als bei Aboſi iſt der See - grund ſehr klippig und nicht gut zu befahren.
  • 3) Takaſango oder Takaſanni, ein offenes, mit vielen Baͤumen bepflanztes, und aus mehr denn 400 Haͤuſern beſtehendes Staͤdtchen, wodurch ein tiefer Strohm fließet, 7 Meilen von Muru. Das Land gewint hierſelbſt eine ebene Flaͤche, welche ſich 10
    *)Scheuchzer ſezt: 7.
    *) Meilen Nordwaͤrts ins Land ziehet, und das Ufer 5 Meile bis Akaſj begleitet. Es iſt dieſer Ort, wegen der feinen Catabres oder Frauenroͤcke, die aus Hanf mit vieler Kunſt verfertigt werden, beruͤhmt. Dahinter liegt ein ſchoͤnes Kaſtel, davon nur zwei Seiten mit ihren weißen Mauren hervorleuchten, weil es inwendig und rund herum mit hohen Baͤumen be - ſezt iſt. Jede Mauer hat in der Mitte und an beiden Enden einen viereckigten hohen Thurm von drei Stokwerken zur Zierde. Jn der Mitte des Kaſtels war das Palais des reſidirenden Bugjo vom Fuͤrſten von Farima, deſſen Einkommen man nur auf 20 Man - kokf, und ſein Gebiete halb ſo gros wie Fiſen ſchaͤzte. Zu beiden Seiten der Stadt laͤngſt einem bebaueten Ufer ſtanden verſchiedene große Doͤrfer, in welchen man ſich von der Fi - ſcherei und Salzmachen ernaͤhrte.
  • Eine auf der rechten Hand annahende lange Jnſel, (auf deren Ufer man Doͤrfer und Tempel ſahe) verurſachte alhier eine enge Fahrt auf anderthalb Waſſermeilen. Sel - bige und verſchiedene andere kleine Jnſeln waren vorzeiten den Bauren zur Kultur angewie - ſen worden, um ſie frei mit ihren Nachkommen zu beſitzen, (außer nur, daß ſie ihrem Vogt, Amtman oder Droſten eine jaͤhrliche Verehrung reichen ſolten;) ſie ſind auch daher jetzo ſo reich, daß einige 20 bis 30 Kaſten Goldes beſitzen, wonach man hier zu Lande den Reichthum zu beſtimmen pflegt.
  • 4) Jamatto, 5) Taromi, und 6) Swoja anſehnliche Doͤrfer, deren Einwoh - ner ebenfals von der Fiſcherei und Salzmachen leben. Das bisherige feſte Ufer veraͤndert ſich hier in ein ſandiges.
  • 7) Das dreifache Dorf Summa etwas weiterhin, woſelbſt in den alten Kriegen die Kaiſerliche Fekiſche Parthei (man erinnere ſich, was ich bei den Tempeln, die uns zu Simonoſecki gezeigt worden, hievon erwaͤhnt habe) verſchiedene Jahre gehau - ſet hat.
  • 8) Kommaggu Fajaſſi, ein Dorf von 2 bis 300
    **)Scheuchzer hat 3 bis 400.
    **) Haͤuſern, nicht weit vom vorigen.
9) Fjogo
Tab. XXVI.
221Achtes Kap. Reiſe von Kokura bis Oſacka.
  • 9) Fjogo oder Finongi, eine Stadt und Hafen, an der Spitze der Provinz Setz, fuͤnf Meilen von Ackaſi. Zufoͤrderſt mus ich anfuͤhren, daß hier ein Dam oder ſandiger breiter Landſtrich von den Bergen Summa Suͤdoſtwaͤrts eine halbe deutſche Meile in die offene See ſtreift, wodurch der Hafen vor derſelben geſchuͤzt wird. Nicht die Na - tur ſondern der Kaiſer Fecki oder Fege hat dieſen Dam durch Menſchenhaͤnde angelegt, und mit Haͤuſern und Aeckern wohnbar gemacht, um dadurch zu ſeiner und des Landes Sicher - heit den Hafen zu formiren. Es ſol dieſes Werk unbeſchreibliche Arbeit und vieler Men - ſchen Leben gekoſtet haben, bevor man der Gewalt der wuͤthenden See widerſtehen und zu einer Volkommenheit gelangen koͤnnen. Außer den oͤftern Beſchaͤdigungen, die der Dam er - litten, iſt er zweimal von Grund auf weggeſpuͤlt worden, und er ſol nicht eher von Dauer ge - worden ſeyn, bis ein gewiſſer grosmuͤthiger Japaner, nach dem Beiſpiele des Roͤmiſchen Juͤnglings Marcus Curtius, (andere ſagen gar von 30 Perſonen) ſich alda einſenken laſſen, wodurch ſodann der Seegott beſaͤnftigt und verſoͤhnt worden.

Der Meerbuſen ſelbſt iſt gegen Oſten offen und von dem auf einige deutſche Meilen dagegen liegenden Lande Setz, gegen Mittag aber durch eben beſagten Dam vor der gro - ßen See gedekt. Weil dieſer Hafen der lezte zwiſchen Simonoſecki und Oſacka, und alſo fuͤr die Schifleute hoͤchſt noͤthig und bequem iſt, ſo fanden wir auch beinahe 300 beladene Barken darinnen.

Die Stadt Fjogo iſt ohne Kaſtel, und faſt ſo gros wie Nagaſacki, auch obwol nicht ſo breit, doch laͤnger, weil ſie ſo zu ſagen den ganzen Zirkelfoͤrmigen Umkreis des Ha - fens einnimmt. Die Haͤuſer, die einem von außen gleich in die Augen fallen, ſind ſchlecht und klein, die andern aber zierlicher und groͤßer, und ziehen ſich zu den hinteren mit Baͤu - men beſezten Huͤgeln hinauf, wornach ein rauhes Erzreiches Gebirge folgt, das Gold liefern ſol.

Es war etwa Nachmittags ein Uhr, als wir heute, nach einer mit gutem Winde 18 Meilen weit gemachten Fahrt, unſern Anker in den Hafen dieſer Stadt fallen ließen.

Den 24 Februar. Sonnabends Morgens fruͤh giengen wir von unſerer großen Barke ab, weil ſolches durch die Untiefe des Oſackiſchen Hafens nicht wohl zu bringen war, und ruderten mit vier kleinen Fahrzeugen, worin wir zuvor unſere Bagage eingela - den, dahin. Unter Wegs laͤngſt dem Ufer ſahen wir unter verſchiedenen Staͤdten und Kaſtelen auch das ſchoͤne Kaſtel und Staͤdtchen Amangaſacki, noch drei Meilen vom Oſackiſchen Hafen; ſo wie den gleichen Suͤdſtrich vor uns die Kaiſerliche Stadt Sakai, welche man im Einfahren des Fluſſes gegen S. O. auf vier Japaniſche Meilen liegen laͤſſet. Nachdem wir heute 10 Meilen bis zum Munde des Oſackiſchen Hafens gemacht, fuhrenE e 3wir222Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Achtes Kap. ꝛc. wir deſſen ſchifbaren Arm, Vormittags 11 Uhr, O. S. O. waͤrts ein. Unſer Oſackiſcher Hauswirth empfieng uns mit zwo Luſtbarken, und fuͤhrte uns durch viele neue Doͤrfer und Vorſtaͤdte, womit ſeit wenigen Jahren her die Ufer beider Seiten bebauet worden, und durch mehr als tauſend Fahrzeuge den Strohm bis zur Stadt hinauf, welche durch zwei zu beiden Seiten des Fluſſes befindliche anſehnliche und ſtarke Wachthaͤuſer von den Vorſtaͤdten abgeſchieden war. Noch ehe wir austreten durften, kamen wir unter ſechs hoͤlzernen ſchoͤ - nen Bruͤcken durch; und nun ſtiegen wir ein hohes mit ſteinernen Treppen aufgemauertes Ufer hinauf zur Stadt in eine Queergaſſe, und gelangten durch dieſelbe, es konte um ein oder zwei Uhr Nachmittags ſeyn, in die fuͤr uns gewoͤhnliche an der erſten langen Gaſſe ge - legene Herberge, alwo uns oben im Hauſe einige mit Schirmwaͤnden abgetheilte Kammern angewieſen wurden, die uns zu unſerer Ruhe bequem genug haͤtten ſeyn moͤgen, wenn uns nur der Rauch (dem man hier zu Lande durch keine Schornſteine den Weg weiſet) nicht ſo gar oͤfters beſchwerlich gefallen waͤre. Gleich nach unſerer Ankunft ſchikten wir unſern Dol - metſcher zu den beiden Gouverneurs, um uns die Freiheit zu erbitten, mit einigen kleinen Geſchenken bei ihnen erſcheinen zu duͤrfen. Einer, Namens Odagiri Taſſano Cami, war zwar anweſend, aber eben nicht zu Hauſe; der andere, Noſſi Jfemono Cami, war zu der gewoͤhnlich abzulegenden Rechenſchaft uͤber ſein gefuͤhrtes Amt nach Hofe abge - reiſet. Der erſte alſo lies uns am Abend ſpaͤt wiſſen, daß ihm unſere Gegenwart Mor - gen fruͤh um acht Uhr angenehm ſeyn wuͤrde.

Neun -223

Neuntes Kapitel. Reiſe von Oſacka bis Miaco, und beider Staͤdte Beſchreibung.

Oſacka iſt eine Kaiſerliche Reichs - und Hauptſtadt der Provinz Setzu, ohne einigen Wal und Mauren, unter 34 Grad 50 Minuten Norder Breite in einem ebenen fruchtbaren Felde und am ſchifreichen Buſen ſehr wohl gelegen. Die Oſtſeite wird durch eine anſehnliche Veſtung, die Weſtſeite aber durch zwei ſehr gute Wachthaͤuſer, welche dieſelbe von den angraͤnzenden Vorſtaͤdten abſondern, vertheidigt. Jhre Laͤnge haͤlt von Oſt bis Weſt, das iſt von gedachter Veſtung bis zu den Vorſtaͤdten, 3 bis 4000 gemeine Schritte, die Breite hingegen weniger. Den Norder Theil durchſchneidet nach der ganzen Laͤnge von Oſt bis Weſt der Waſſerreiche große Flus Jedo gava, welcher dieſem Orte einen gro - ßen Handel und Reichthum verſchaft, und daher verdient, daß ich ihn mit weni - gem beſchreibe.

Es entſpringt dieſer Flus aus einer mitten in der Provinz Oomi einer halben Ta - gesreiſe von hier nach N. O. gelegenen See, wovon man ſagt, daß ſie in einer Nacht durch ein Erdbeben, das den veſten Boden verſchlungen, entſtanden ſey. Er hat ſeinen Aus - flus bei dem Dorfe Tſitanofas, alwo er mit einer anſehnlichen zwiefachen Bruͤcke, die naͤmlich in der Mitte auf einer kleinen Jnſel zuſammen ſtoͤßet, belegt iſt, fließet auf das Staͤdtchen Udſi und Jodo zu, da er von dem lezteren ſeinen Namen annimt, und ſodann ferner auf Oſacka. Eine Meile vor der Stadt laͤſſet er einen Arm gerade nach der See ablaufen, welchen Verluſt aber zween andere Fluͤſſe, Jamatto gava und Firano gava erſetzen, die ſich eben auch vor der Stadt an der Nordſeite der Burg mit ihm vereinigen, nachdem jeder eine anſehnliche Bruͤcke hinter ſich gelaſſen. So bald dieſer vereinigte Strohm etwa den dritten Theil der Stadt durchgefloſſen, wird aus demſelben das Waſſer durch ei - nen gemachten breiten Graben in den Suͤder - und großen Theil der Stadt, welcher eigent - lich die rechte Buͤrgerſtadt iſt, abgefuͤhrt und von da wiederum nach der Laͤnge der Gaſſen in andere Graben oder Kanaͤle vertheilt, bis es zulezt durch verſchiedene Tiefen, wodurch die ein - und ankommende Waaren mit kleinen Fahrzeugen gemaͤchlich zur Stadt ein - undaufge -224Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. aufgefuͤhrt und den Kaufleuten zugebracht werden koͤnnen, wieder ab in den vorigen Strohm faͤlt. Es ſind dieſe Stadtkanaͤle, wie geſagt, nach dem Laufe der Gaſſen angelegt, dahero auch regelmaͤßig, von proportionirter Breite und hin und wieder mit ſchoͤnen und mehr als hundert Bruͤcken bekleidet, einige aber, wegen wenigem Waſſer, moderich und an ihren Ufern nicht zum beſten aufgeraͤumt. An der Nordſeite des Mittelſtrohms hat hiernaͤchſt die Natur einen andern ſehr breiten, aber nicht tiefen Abflus gemacht, der Weſtwaͤrts ſchnel ab - laͤuft, bis er ſich in das Oſackiſche Meer ergießet. Der Mittelſtrohm gehet oberwehnten gleichen Oſtſtrich durch die Stadt, zu Ende derſelben nach W. S. W. und nachdem er die anliegenden Vorſtaͤdte und Doͤrfer in verſchiedenen Kruͤmmen durchſpuͤlt, ins Meer.

Es iſt dieſer Flus uͤberhaupt zwar etwas enge, jedoch Waſſerreich und alſo ſchif - bar, weshalb er auch vom Meere an bis in die Stadt mit einigen tauſend Barken der ab -Tab. XXVIII. und zureiſenden Handelsleute ſowol als Landesherren beſezt war. Da ſeine Ufer auf beiden Seiten mit 10 und mehr Treppen von grob behauenen ſchlechten Steinen verſehen ſind, ſo kan man allenthalben gemaͤchlich in und aus den Fahrzeugen ſteigen.

Auf 3 bis 400 Schritte und weiter hinaus von einander ſiehet man von dem beſten Cedernholz koſtbar erbauete breite Bruͤcken, alle mit Gelaͤndern und wiederum einige von dieſen mit meſſingenen Knoͤpfen gezieret. Jch habe 10 ſolcher Bruͤcken gezaͤhlt, unter wel - chen die drei, ſo uͤber den breiten Theil des Fluſſes hergehen, vor andern zu merken ſind. Die erſte, als die oͤſtlichſte, haͤlt 60 volle Klafter in der Laͤnge, und ruhet auf 30 Ber - gen, jeder von fuͤnf und mehr Balken; die zweite komt dieſer gleich, und die dritte, die uͤber beide Armen des Fluſſes reicht, hat eine Laͤnge von 150 Klaftern; die andere ſieben bis zum Ende der Stadt ſind nach Beſchaffenheit des abnehmenden Fluſſes weit kuͤrzer, und nach Verhaͤltnis nur von 60 bis 20 Klafter lang, ruhen auch nur auf 30 bis 10 Bogen.

Die Straßen der Stadt ſind ziemlich enge, und viele nur von gewoͤhnlicher Breite, nach Suͤd und Weſten kreuzen ſie ſich inzwiſchen ſchnur gleich, außer in dem Theile der Stadt nach der Seeſeite, wo ſie ſich nach dem Strohme richten, und in W. S. W. laufen. Der Grund iſt ſauber, doch nicht gepflaſtert, auf beiden Seiten an den Haͤuſern her aber ein kleiner von grob gehauenen Steinen gemachter Regencanal. Es hat jede Straße ihre ſtarken Thore, die zur Nachtzeit ſaͤmtlich verſchloſſen werden, und wo man alsdenn keinen ohne einen Pas vom Gaſſenmeiſter durchlaͤſſet. So trift man auch in jeder einen umgitterten Plaz mit mancherlei Feuerloͤſchungsinſtrumenten, und dabei einen bedekten Brunnen an.

Die Haͤuſer ſind vermoͤge des Landesregulativs nur von zwei Stokwerken, jedes nicht uͤber anderthalb oder zwei Klafter hoch, aus tannenem Holz mit Leimen und Kalk er - bauet. Von außen ſiehet man die Hausthuͤr und einige offene Schauben zur Bude oder Vorkammer, wo jeder ſeine Waaren feil hat, oder ſeine Kunſt und Manufaktur oͤffentlichtreibt,225Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco. treibt, wo denn jedesmal ein kurzes ſchwarzes Stuͤk Leinewand von oben davor haͤngt, wel - ches theils gegen Wind und Wetter, theils zum Zierrath und auch manchmal zu einem Zeichen deſſen, was alda zu haben iſt, dienen ſol. Das Dach des Hauſes iſt flach erha - ben, und beſtehet aus platten ſchwarzgebranten und in Kalk gelegten Steinen, bei den ge - meinen Leuten aber nur gar aus Spaͤnen. Was das inwendige der Haͤuſer betrift, ſo ſind ſie zwar ſchoͤn ausgezieret, jedoch ohne Tiſche, Stuͤhle und dergleichen Meubles; die Trep - pen, Handhaben und alles Holzwerk mit Firnis uͤberzogen; der Fusboden mit hart - gefuͤlten koſtbaren Matten belegt: und die Kammern alſo eingerichtet, daß ſie mit leichten Schiebern kleiner und groͤßer gemacht und verſchloſſen werden koͤnnen. Die Waͤnde ſo wie die Schieber glaͤnzen von dem ſchoͤn gebluͤmten Gold und Silberfarbigen Papier, womit ſie uͤberzogen ſind, wiewol man die Waͤnde auch oͤfters blos laͤſſet, um ſie mit Orangenfarbener Erde, welche in der Oſackiſchen Gegend gegraben, und wegen ihrer Schoͤnheit weit umher verfahren wird, zu bekleiden. Uebrigens haben die Matten, Thuͤren und Schieber eine gleiche Groͤße, und halten eine Klafter in der Laͤnge, und eine halbe in der Breite, ſo wie alle Kammern, ja die Haͤuſer ſelbſt nach der Groͤße, Beſchaffenheit und Maaße der Mat - ten eingerichtet und erbauet ſind. Hinter dem Hauſe findet ſich ein Tſubo, d. i. ein mit ſchoͤnen Gewaͤchſen, Klippen und ſonſtigen Zierrathen pralendes Gaͤrtchen, wie ich ſelbiges an einem andern Orte beſchrieben habe; hinter dieſem Gaͤrtchen ſodenn gemeiniglich ein Badehaus zur Reinigung des Leibes; auch wol ein Brandfreies, d. i. mit dicken Leimen und Kalk gegen die Macht der Flammen verkleibtes Haͤuschen oder Kammer, um bei ent - ſtehender Feuersbrunſt ſein beſtes Vermoͤgen und Hausgeraͤthe darinnen verbergen zu koͤnnen.

Die Stadt und Buͤrgerſchaft wird von ihren Gaſſen - und Buͤrgermeiſtern regiert, die jedoch wiederum der Aufſicht und dem Oberbefehl zweier Gouverneurs unterworfen ſind, als welche auch den umliegenden Landſchaften, Flecken und Doͤrfern als Landvoͤgte vorſtehen, und ein Jahr um das andere alhier reſidiren, ſo, daß bei Gegenwart des einen, ſich der andere bei ſeiner Familie in der Kaiſerlichen Reſidenz Jedo auf halten mus. Jn den uͤbri - gen vier Kaiſerlichen Staͤdten hat es eine gleiche Bewandnis, nur mit dem Unterſchied, daß zu der Nagaſackiſchen Regierung drei Gouverneurs beſtimt worden, deren zwei daſelbſt ge - genwaͤrtig und ein Jahr ums andere praͤſidiren, der dritte aber mit beſtaͤndiger Abwech - ſelung ein Jahr am Hofe bei ſeiner Familie verweilen mus; in Miaco muͤſſen die zwei Gouverneurs bei der Abwechſelung nur um das dritte Jahr bei Hofe erſcheinen, die zween aber in Jedo verharren ſtets daſelbſt, und praͤſidiren nur ein Jahr ums andere. Die uͤbri - gen Ordnungen und Polizeianſtalten hat Oſacka mit den andern Staͤdten gemein, wie ich ſie in der Beſchreibung von Nagaſacki vorgeſtelt habe. Jn Anſehung der Nachtwachten oder Abtheilung der Nachtſtunden habe ich nur dieſes beſondere angemerkt, daß ſelbige aufZweiter Band. F fver -226Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. verſchiedenerlei Weiſe angedeutet werden. Die erſte Stunde naͤmlich, nach der Sonnen Untergang, mit der Trommel; die zweite mit einer Gumgum; (iſt ein metallenes Jnſtru - ment, einer uͤberaus großen Schuͤſſel mit einem breiten Rande gleich, das im Anſchlagen einen weit toͤnenden Klang von ſich giebt,) die dritte zu Mitternacht, mit einer Glocke, welche nicht gelaͤutet ſondern mit einem Holze geſtoßen wird; die vierte wiederum mit der Trommel; ſo wie die fuͤnfte mit der Gumgum, und die ſechſte, als die lezte bei aufgehen - der Sonne, mit der Glocke. Man mus uͤberhaupt wiſſen, daß bei den Japanern das ganze Jahr hindurch Tag und Nacht nur in ſechs gleiche Stunden getheilt werden, daher des Winters die Nachtſtunden laͤnger, des Sommers hingegen kuͤrzer fallen.

Es iſt die Stadt Oſacka ſehr volkreich. Man ſchaͤzt ſie 80,000 wehrbare Maͤn - ner ſtark*) Wenn man anders den prahlenden Japa - nern glauben darf, ſagt Kaͤmpfer in der Engl. Ueberſetzung, ein Zuſaz, den ich billige, wenn ihn auch K. ſelbſt nicht gemacht hat. Denn eine ſolche Bevoͤlkerung iſt gewis fuͤr Oſacka zu gros. Sonſt verdienen die Kaͤmpferiſchen Angaben von der Be - voͤlkerung nach Menſchen oder Haͤuſern, allerdings weit mehr Glauben, als die von andern aſiatiſchen Laͤndern und von andern Reiſebeſchreibern, ſowol wegen der genauern Kentnis der Japaner ſelbſt von ihrem Lande, als auch wegen des ausnehmendenFleißes und Genanigkeit, die unſer Verf. im Nachforſchen uͤberal beweiſet. Es wuͤrde indes immer unglaublich ſeyn, wie Kaͤmpfer auf einer Reiſe, wo auch nicht einmal ohne Erlaubnis vom Pferde geſtiegen werden durfte, ſo genaue Nach - richten von allen Orten habe einſamlen koͤnnen, wenn wir nicht wuͤſten, daß er auf dieſer Reiſe ſeinen lehrbegierigen jungen Japaner (ſ. ſeine Vorrede im erſten Bande, S. 67.) bei ſich hatte, durch deſſen Huͤlfe er ſich unſtreitig ſo gut unter - richten konte.. Sie treibt wegen ihrer vortheilhaften Lage den groͤßeſten Handel zu Waſſer und zu Lande, daher ſie reiche Buͤrger, auch allerlei Kuͤnſtler und Manufakturiſten hat. Neben dem, daß man hierfelbſt, der großen Menge Volks ohngeachtet, ſehr wohlfeil le - ben kan, iſt zugleich alles, was zur Ueppigkeit und ſinlichen Ergoͤtzung dient, im Ueber - fluſſe vorhanden, weshalb auch Oſacka bei den Japanern ein Schau - und Sammelplaz al - ler Luſtbarkeiten genant wird. Sowol oͤffentlich als in den Haͤuſern ſiehet man taͤglich Schauſpiele: es ſtehen Marktſchreyer und Gaukler aus, und wer nur etwas von Selt - ſamkeiten, als Misgeburten, fremde oder in Kuͤnſten abgerichtete Thiere und dergleichen beſizt, der findet ſich von andern Orten hier ein, und laͤſſet fuͤr Geld ſeine Kuͤnſte und Naritaͤten ſehen. Bei der Gelegenheit, da unſer dem Kaiſer unter vielen andern Sachen zum Geſchenk gewidmeter Kaſuarius (ein Steine und gluͤhende Kohlen verſchluckender gro - ßer Jndianiſcher Vogel) von den ſtrengen Richtern, den Gouverneurs zu Nagaſacki, ver - worfen, und alſo wieder nach Batavia zuruͤkgeſchikt wurde, betheuerte uns ein reicher Lieb - haber, er wolle ihn gern mit 1000 Tail an ſich kaufen, wenn es ihm erlaubt wuͤrde, weil er gewis waͤre, daß er in Oſacka, ehe ein Jahr vergienge, doppelt ſo viel damit gewoͤnne. Da227Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco. Da hier die muͤſſigen Stunden mit ſo mancherlei Luſtbarkeiten vertrieben werden koͤnnen, ſo iſt es kein Wunder, daß die Stadt ein Aufenthalt vieler reichen fremden und reiſenden Per - ſonen iſt. Die Weſtwaͤrts wohnende Landesherrn, die hier zwar Haͤuſer und ihre Leute haben, die ſie nach Jedo begleiten muͤſſen, duͤrfen ſich nicht uͤber einen Tag und eine Nacht in der Stadt verweilen, und ſind außerdem noch gehalten, ihren Weg außer dem Geſichte des Kaſtels zu nehmen. Man trift hier uͤbrigens ein ſchlechtes und etwas moderichtes Trinkwaſſer, jedoch den allerbeſten Sacki im ganzen Reich an, welcher in dem nahe bei ge - legenen Flecken Tenoſji gebrauet, und haͤufig an andere Oerter des Landes, auch von den Hollaͤndern und Sineſen auswaͤrts gefuͤhrt wird.

Die an der Oſtſeite, oder vielmehr an dem N. O. Ende der Stadt in der Flaͤche gelegene und in ihrem Umkreiſe die Weite von einer Stunde haltende Veſtung, die man, wenn man nach Miaco reiſet, vorbeikomt, iſt vom Kaiſer Taiko ins Gevierte und nach der Kriegsbaukunſt mit ſtarken Rondelen angelegt. Außer der in Fiugo hat ſie an Groͤße, Pracht und Staͤrke im ganzen Reiche ihres gleichen nicht. Die Nordſeite beſchuͤzt die von drei Stroͤhmen vereinigte Jodo gava, welche alda noch dazu uͤber ihre natuͤrliche Breite er - weitert iſt; die Oſtſeite beſtreicht der in die Jodo gava umfließende Strohm Kaſji wari gawa, uͤber welchem ein großer zum Schloſſe gehoͤriger Garten liegt; die Suͤd - und Weſt - ſeiten graͤnzen gegen das Ende der Stadt. Die auswendigen Graben haben eine ungemei - ne Breite, und bis ſieben Klafter Tiefe, aus welchen die Waͤlle mit hohen Mauren von groben Steinen aufgefuͤhrt, oben mit einer Reihe Tannen - oder Cederbaͤumen zierlich be - pflanzt (und mit einigen groben Stuͤcken Geſchuͤtzes belegt*)Stehet bei Scheuchzern nicht.) ſind. Außer dem, daß ich in der Mitte zweier Seiten noch eine enge Pforte, und zu derſelben eine ſchmale hoͤlzerne Bruͤcke wahrnahm, habe ich ſelbſt von der weitern Beſchaffenheit dieſes Kaſtels nichts be - trachten koͤnnen, ſondern nur noch aus der Japaner Erzaͤhlung folgendes erfahren: ſo bald man die erſte Veſtung betreten, findet man eine zweite von gleicher Bauart, und nach der - ſelben auch die dritte oder mittelſte, welche zum Zierrath mit gewoͤhnlichen Thuͤrmen an ih - ren Ecken, ſonſt aber noch mit einem hohen aus vielen Stokwerken beſtehenden Staats - thurm verſehen iſt, auf deſſen oberſten Dache zwei große an ſtat der Schuppen mit polirten guͤldenen Ubangs belegte Fiſche befindlich, davon man den Schimmer wegen ihres Glanzes in Fiongo ſol ſehen koͤnnen. Eben dieſer Thurm aber iſt vor etwa 30 Jahren (von dem Jahre 1691 an zu rechnen) durch Feuersbrunſt in Aſche verwandelt worden. Jn der Pfor - te des zweiten Kaſtels iſt ein fuͤnf Klaftern langer und vier Klaftern breiter, alſo beinahe Cubikfoͤrmiger, polirter ſchwaͤrzlicher Stein eingemauert zu ſehen, welcher wegen ſeiner Groͤße, Gewicht und wegen der Art, wie er dahin gekommen, fuͤr ein Wunder gehaltenF f 2wird.228Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. wird. Als naͤmlich der Kaiſer Taiko ſich die Entfernung der in dem dermaligen Coreiſchen Kriege beſchaͤftigten und außer Landes geweſenen großen Reichsfuͤrſten zu Nuz machte, und den Zeirpunct in acht nahm, zu ſeiner Sicherheit dieſe Veſtung anlegen zu laſſen, war es der Gouverneur in Fiugo, den er befehligte, die zu ſolchem Bau noͤthigen großen Steine anzuſchaffen, und der alſo zugleich auch jenen von einer Jnſel Jnitzma, fuͤnf Meilen dieſ - ſeits Tomu gelegen, mit ſechs zuſammengefuͤgten Barken gar muͤhſam anhero gebracht hat. Zu Bewahrung der Kaiſerlichen Schaͤtze und der jaͤhrlich aus den weſtlichen Provinzen kom - menden Einkuͤnfte, auch zu Verhuͤtung eines Aufruhrs in denſelben wird in dieſer Burg eine ſtarke Beſatzung gehalten, woruͤber zwei Hauptleute von den treueſten Lieblingen des Kaiſers das Commando haben, und die alle drei Jahr mit einander wechſeln, dabei es merkwuͤrdig iſt, daß, ſobald der Abweſende von ſeiner abgelegten Verantwortung aus Jedo wieder ankomt, der andere, ohne dieſen zu ſprechen, unverzuͤglich wieder abreiſen, und die noͤthigen Nachrichten in dem Schloscomptoir ihm ſchriftlich nachlaſſen mus. Jn buͤrgerli - chen und Gouvernementsſachen der Stadt haben ſie zwar nichts zu ſagen, daß ſie jedoch ei - nen nicht gemeinen Rang haben, iſt daraus abzunehmen, weil der vorige Grosrichter in Miaco, einer der groͤßeſten Kaiſerlichen Bedienten, und gleichſam die rechte Hand des Kaiſers, von einer Hauptmansſtelle zum Grosrichter berufen worden.

Den 25 Februar*)Jn meinem Manuſkript ſtehet hier und durch das ganze Kapitel ſtatt des Febr. der Maͤrz - monat, das aber nur ein Schreibfehler ſeyn kan. Sontags verfuͤgten wir uns in Tragkoͤrben, mit Dolmet - ſchern und Bedienten begleitet, nach dem Hauſe des Gouverneurs, das an dem Ende der Stadt am Schlosplatze eine halbe Stunde von unſerer Herberge gelegen war. Als wir vor dem Hauſe ausſtiegen, that jeder einen ſchwarzen ſeidenen Mantel um, weil man ſol - chergeſtalt eben ſo gut Cour machen kan, als der Japaner in ſeinem Ehrenkleide. Wir paſſirten durch einen 30 Schrit langen Gang bis in das Vorhaus oder den Wachtſaal, alwo wir von zwei Edelleuten empfangen und zum Niederſitzen genoͤthiget wurden, bis man un - ſere Ankunft gemeldet haͤtte. Es befanden ſich hier vier wachthabende Soldaten zur linken Hand, und naͤchſt ihnen acht Hof bediente, die nach der Reihe auf ihren Ferſen und Knien ſaßen, welche Manier man fuͤr viel ehrerbietiger haͤlt, als wenn man mit untergeſchlagenen Fuͤßen ruhet; zur rechten Hand war die ganze Wand auf hangenden Latten mit Gewehren eins uͤber das andere in Ordnung belegt, naͤmlich mit 20 Lanzen, 15 Hellebarden und mit eben ſo vielen**)Scheuchzer giebt die Piken mit der beſtim - ten Zahl 19 an. am Ende mit einer Menge Kraushaken beſezten Piken. Man fuͤhrte uns kurz darauf mit zweien Sekretaͤrs durch vier Kammern, die jedoch, wenn man die Schie - ber weghob, ein Gemach ausmachten, in den Audienzfaal. Beim Durchgehen ſahe ichdie229Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco. die Waͤnde mit anderthalb Klafter langen Bogen, vielen Saͤbeln, auch einigen Schiesge - wehren in ſchwarzlakirten ſchoͤnen Futteralen ausgeziert, und von denen ich einige abgebildetTab. XXXII. habe. Jn dem Audienzſaale, in welchem ſieben Hofjunker nach der Ordnung ſaßen, ſez - ten ſich die beiden Sekretairs drei Schritte vor uns nieder, bewirtheten uns mit ge - mahlnem Thee, und unterhielten uns mit einem freundlichen Geſpraͤche, bis bald hernach der Gouverneur ſelbſt, in Geſelſchaft von zwei Soͤhnen von ſiebenzehn und achtzehn Jahren, ankam, der auf zehn Schritte vor uns in einer andern Kammer ſeinen Plaz nahm, und durch drei geoͤfnete Schieber mit uns redete. Er war ein Herr von etwa 40 Jahren, maͤ - ßiger Groͤße, von ſtarken Gliedern, maͤnlichem großem Angeſicht, von einem lebhaften Weſen, dabei leutſelig und herablaſſend. Er trug uͤber einem ſchwarzen und einfachen Ro - cke einen grauen oder ein Ehrenkleid, und war nur mit einem gemeinen Saͤbel umguͤrtet. Sein Geſpraͤch an uns beſtand in folgendem: Es waͤre jetzo kalt Wetter: wir haͤtten eine große Reiſe gemacht: es haͤtte ganz was vorzuͤgliches auf ſich, an Hof gehen und den Kaiſer ſehen zu duͤrfen, welches Gluͤk nur die Hollaͤnder vor allen Nationen in der Welt genoͤſſen. Sodann fragte er: ob es uns nicht, nach einer ſo langwierigen und gefaͤhr - lichen Reiſe, ein Vergnuͤgen machte, ihr Land zu ſehen? Zulezt erbot er ſich: daß, weil der Grosrichter zu Miaco, der die Reiſepaͤſſe ausſtelt, noch nicht von Jedo zuruͤkge - kommen, er uns einen von gleicher Guͤltigkeit mitgeben wolte, den wir morgen abholen laſſen ſolten; und daß er uns mit Pferden und andern zur Reiſe erforderlichen Sachen, auf benoͤthigten Fal, ſehr gern an Hand gehen laſſen wuͤrde. Wir bedankten uns unſe - rer Seits fuͤr dieſe Gunſt, und baten, unſere geringen Geſchenke (die in ſeidenen Stoffen be - ſtanden, und womit die beiden Sekretrairs oder Hausburggrafen ebenfals beehrt wurden) nicht zu verſchmaͤhen, nahmen darauf Abſchied, und ließen uns von mehr gedachten Se - kretairs wieder bis in den vorigen Wachtſaal begleiten, von da aber, und nachdem wir uns auch bei dieſen empfohlen, ſuchten wir unſere Tragkoͤrbe wieder. Da es uns unſere Dolmetſcher erlaubten, daß wir ein wenig zu Fuße gehen durften, ſo hatten wir die Gele - genheit, die herrliche Veſtung von außen recht zu betrachten. Wir ſezten uns ſodann wie - der ein, und kamen durch eine andere lange Straße zu unſerer Herberge. Fuͤr den andern Gouverneur hatten wir ebenwol Geſchenke in Bereitſchaft, da er aber abweſend war, ſo war es noͤthig, daß wir unſern in Jedo ſich aufhaltenden Nagaſackiſchen Gouverneur erſt befragten, wie man ſich damit zu verhalten habe, indem wir in dieſem Lande die groͤßeſte Vor - ſichtigkeit gebrauchen muͤſſen, durch unſere Schuld kein Misvergnuͤgen zu verurſachen.

Den 26 Februar Montags waren wir muͤſſig, und hatten dem Herkommen gemaͤs einen Ruhetag.

Den 27 Februar Dienſtags waren wir genoͤthigt noch ſtille zu liegen, weil es uns noch an einigen Pferden zur Jedoiſchen Reiſe mangelte. Es wurden derſelben uͤber -F f 3haupt230Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. haupt 40 Stuͤk, und 41 Traͤger in Miethe genommen, nachdem wir mit den Dolmetſchern, die eine groͤßere Anzahl verlangten, vorher einen ſtarken Wortwechſel gehabt, wie wir denn in der That unſere Reiſe jaͤhrlich mit weit wenigeren Koſten wuͤrden verrichten koͤnnen, wenn die eigennuͤtzigen Dolmetſcher nicht auch viele Waaren und dergleichen Sachen zur Beſtellung annaͤhmen, und ſie auf unſern Namen und Koſten mitfuͤhrten. Gegen Abend ſchikten wir unſern alten Oberdolmetſcher nach dem Gouverneur, den Abſchiedsbeſuch fuͤr uns zu verrichten, er kam von demſelben nicht nur mit einem Gluͤkwunſche zur Reiſe, ſondern auch mit dem verlangten Paſſe zuruͤk.

Den 28 Februar Mitwochs machten wir uns mit anbrechendem Tage auf die Reiſe, um heute nach Miaco zu kommen, das 13 Japaniſche Meilen oder eine gute Tage reiſe von hier entlegen iſt, naͤmlich von Oſacka bis Sudda, drei; bis Firakatta, zwei; bis zur Stadt Jodo, drei; und durch Fuſimi und Miaco fuͤnf Meilen. Zuerſt ritten wirTab. XXVIII. uͤber die ſo genante Kiobas oder Miacoſche Bruͤcke des erſten Strohms unter dem Schloſſe, darauf eine Meile durch ſumpfige Reisfelder uͤber niedrige Daͤmme, welche ſich wegen des ungleich abfließenden Strohms, der uns ſtets zur linken Seite blieb, in viele Kruͤmmen herumzogen. Die verſtreueten Haͤuſer der Oſackiſchen Vorſtadt waren uns auf einer halben Meile lang ebenfals zur linken. Einer von dieſen Daͤmmen, die wir weiter hin beruͤhrten, war mit Tſadunille-Baͤumen beſezt. Es ſind ſelbige ſo gros wie Eichenbaͤume, und haben wie dieſe eine graue Rinde; wegen der Jahrszeit ſahe man keine Blaͤtter mehr daran, wol aber noch einige gelbliche Fruͤchte, aus welchen die Einwohner ein gewiſſes Oel zu preſ - ſen wiſſen. An den Wegen und Feldern in dieſer Gegend ſtehen viele Doͤrfer, ſo, daß wenig daran fehlt, daß ſie nicht bis Miaco in einer Straße zuſammen laufen; die groͤße - ſten und nahmhafteſten derſelben, und wovon jedes nicht unter 200 Haͤuſer haͤlt, ſind: Jmei itz, Morigutz, (alwo der beſte Zimmet bereitet wird) Sadda und Defutſj; hierauf folgt der Flecken Firakatta von beinahe 500 Haͤuſern, den wir auch Vormittags um halb 10 Uhr, nach fuͤnf Meilen, erlangten, und wo wir auf eine halbe Stunde Mit - tag hielten. Man findet daſelbſt viele Herbergen und Buden, worinnen ſowol Thee und Sacki, als auch allerlei warme Speiſen vor weniges Geld zu bekommen ſind, ſo wie in jeder eine gepuzte junge Dirne. Zur linken Hand von hier aus jenſeits des Fluſſes ſahe man ein unter Waſſer geſeztes Kaſtel, das einem kleinen Landesherrn Fakat Zucki ge - hoͤrte, und von weitem ſehr ſchoͤn ins Feld leuchtete. Wir kamen nun weiter durch die Doͤrfer Fatzuwa und Faſjimotto; jenes hatte 200, dieſes etwa 300 Haͤuſer ſamt vielen Herbergen mit geſchminkten Weibsbildern. Hiernach folgte bald das kleine und beruͤhmte Staͤdtchen Jodo, das ſowol von außen umher, als von innen mit Fluͤſſen verſehen iſt. Die Vorſtadt machte eine Gaſſe aus, durch welche wir uͤber eine anſehnliche hoͤlzerne 400 Schritte lange Bruͤcke, Jodo Obas genant, die auf 40 Bogen ruhete, und oben eben ſoviele231Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco. viele mit metallenen Knoͤpfen gezierte Gelaͤnder hatte, die Stadt ſelbſt erreichten, die mit einem einfachen und wohl bewachten Thor verſehen iſt. Sie hat eine angenehme Lage, ziemliche Haͤuſer, wenige kreuzweiſe theils nach Oſten theils nach Suͤden laufende und regel - maͤßig ſich ſchneidende Gaſſen und viele Kuͤnſtler und Handwerker zu Einwohnern. Das Schlos, ſo an der Weſtſeite der Stadt liegt, iſt in der Mitte des breiten Fluſſes mit gro - ben Steinen praͤchtig aufgefuͤhrt, und an den Ecken und in der Mitte der aͤußeren Mau - ren nach inlaͤndiſcher Baukunſt mit gefacheten weißen Thuͤrmen geziert, wodurch es herrlich ins Auge faͤlt. Die mit Graben und aufgemauerten Waͤllen befeſtigte Vorburg erſtrekt ſich weit bis an die Stadt. Der Fuͤrſt dieſes Landes, Fondai Sjono, reſidiret daſelbſt. Jm Ausreiſen aus Jodo kamen wir wieder uͤber eine 200 Schrit lange und auf 20 Bogen ruhende Bruͤcke durch eine Vorſtadt, die ſich mit einem Wacht - hauſe endigte. Der Flecken oder das offene Staͤdtchen Udſji, das durch ganz Japan beruͤhmt iſt, weil es den beſten Thee zeuget, auch ſelbigen fuͤr den Kaiſer jaͤhrlich an Hof liefern mus, war uns hier zur rechten Hand jenſeit des Fluſſes, jedoch außer dem Geſichte. Nach beinahe zwei Stunden Reitens gelangten wir Nachmittags um zwei Uhr zu dem gleichfals offenen Staͤdtchen Fuſimi oder Fuſjimi. Es beſtehet aus wenigen brei - ten und theils langen Gaſſen, deren einige nach den zur rechten Hand liegenden bebuſchten Huͤgeln zulaufen. Durchhin und vorbei floſſen einige vertheilte Arme des vorhin benanten Strohms. Die Mittel - und Hauptſtraße von Fuſimi reicht bis an die Straßen der Stadt Miaco, und iſt mit dieſen dergeſtalt vereinigt, daß ſie nicht ſonderlich von einander unterſchieden, ſondern Fuſimi fuͤr eine Vorſtadt von Miaco um ſo mehr angeſehen werden koͤnte, weil dieſe Japaniſche Hauptſtadt mit keinen ſtarken Mauren und Waͤllen umgeben, ſondern auf einem platten Felde ganz offen liegt. Es war heute der Japaner Tſitatz, d. i. der erſte Tag eines neuen Monats, den ſie mit Beſuchung der Tempel, ſpatzieren und vielerlei Ergoͤzlichkeiten zubringen, und daher jene lange Gaſſe, auf welcher wir bis zur Herberge vier Stunden zubrachten, mit einer Menge Miacoſcher Menſchen erfuͤllet, die zur Luſt in die benachbarte Goͤtzenhaͤuſer giengen. Das Frauenvolk hatte ſich bei dieſen Walfahrten beſonders geſchmuͤkt, es war mit bunten koſtbaren Kleidern, nach Miacoſcher Mode, angethan, das Haupt uͤber der Stirn mit einem Purpurſeidenem Flor geziert, und mit ei - nem breiten Strohhute wider die Sonnenhitze bedekt. Auch begegneten uns verſchiedene wunderlich gekleidete Betler, deren einige ſich naͤrriſch vermumt hatten, einige auf eiſernen Stelzen giengen, andere tiefe Eimer mit gruͤnen Baͤumen auf ihrem Kopfe trugen, und wieder andere ſangen, auf der Floͤte pfiffen oder auf Glocken ſpielten. Auf dem ganzen Wege ſtanden viele Kraͤmer-Stoͤrger - und Spielerbuden aus. Die erwaͤhnten zur rechten Hand an einem bebuſchten Gebirge gelegene Tempel waren mit vielen Lampen erleuchtet, und die Pfaffen in ſelbigen hoͤrte man mit kleinen Glocken, die ſie mit Haͤmmern ſchlugen,ein232Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ein großes Getoͤſe machen. Auf dem großen Altare eines zur linken Hand ofnen wohl aufgepuzten kleinen Tempels oder Kapelle, die der Hunde Patron gewidmet war, ſahe ich im Vorbei - reiten einen auf deſſen Mitte geſtelleten weißen, vielleicht von Gips gemachten großen Hund. Jn unſerm Quartier, das wir Abends ſechs Uhr erreichten, wurde uns unſer Logis auf dem zweiten Stokwerke (das ſich mehr zu einer Weſtphaͤliſchen Spek - oder Rauchkam - mer geſchikt haͤtte) angewieſen. Auf unſerer heutigen Reiſe haben wir ein fruchtbares Land und groͤßeſten Theils Reisfelder beruͤhrt, auch viele wilde Enten angetroffen, die jedoch ſo zahm waren, daß ſie vor keinem Menſchen aufflogen, desgleichen große weiße Reiger, Schwanen und einige wenige Stoͤrche, die an den ſumpfigten Oertern ihre Nahrung ſuch - ten. Das Pfluͤgen geſchahe hier ſelbſt mit ſchwarzen Ochſen, die, ſo ſchlecht und mager ſie uns ſchienen, dennoch ſehr dauerhaft ſeyn ſollen.

So bald wir zu Miaco ankamen, verfuͤgten ſich die Dolmetſcher zu den Haͤuſern des damals abweſenden Grosrichters Matſandairo Jnaba Cami, auch der beiden Gou - verneurs Ojude Awa Cami und Majeda Akino Cami, um unſere Gegenwart anzumel - den, und zu bitten, die gewoͤhnlichen Geſchenke von unſrer Hand anzunehmen.

Den 29 Februar Donnerſtags Morgens ſchikten wir dieſe Geſchenke, die jedes auf ein beſonderes Geſchenkbret (oder auf ein von Tannen zuſammen gefuͤgtes dazu beſtim - tes Tiſchchen) nach Japaniſchem Gebrauche gelegt wurden, nach vorangefuͤhrten Haͤuſern voraus, und ließen ſie alda niederſtellen, bis wir um 10 Uhr Vormittags in Cangos nach - folgten. Die Wohnungen der genanten Herrn lagen am aͤußerſten Weſtende der Stadt der Kaiſerlichen Burg gegen uͤber. Funfzig Schritte vor dem Palais des Grosrichters hies man uns austreten, und aus Reſpekt zu Fuße gehen, auch im Thor bei der gewoͤhnlichen Vorwache vorziehen, bis man uns angemeldet. Hierauf wurden wir durch den Vorhof von etwa 20 Schritten in des Hauſes Vorſaal gefuͤhrt, welchen man die Ban, d. i. Wacht, nent, weil ſich daſelbſt die Schreiber, Aufſichter und Waͤrter aufhalten; auch etwa 20 Haus - und andere Bedienten ſaßen hieſelbſt nach der Reihe. Von da fuͤhrte man uns in ein drittes Gemach, in das wir durch noch eine andere Kammer gelangten, und hier noͤthigte man uns zum Sitzen. Gleich hernach erſchien der Hausburggraf, ein 60 oder mehr jaͤhriger Man, in einem aſchgrauen Ehrenkleide; dieſer lies ſich auf vier Schritte vor uns nieder, und nahm unſere Hoͤflichkeitsbezeugungen und Geſchenke im Namen ſeines Herrn mit freundlicher Dankſagung an. Es beſtanden aber dieſe unſere in gedachtem Mit - telſaale in Bereitſchaft gehaltene Geſchenke in einer Flaſche Vintent, und 20 Stuͤk aller - hand auslaͤndiſcher ſeidener, wollenen und linnenen Zeuge. Man ſezte uns eine Tobaks - maſchine mit allem Zubehoͤr, auch jedem eine Taſſe gemahlnen Thee vor, deren jede von einem beſondern Diener zu dreimalen vorgetragen wurde, waͤhrend dem, daß uns der Haus - burggraf und die vornehmſten in dem Saale ſich befindlichen Edelleute zu trinken anreizten. Nach233Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco. Nach Verlauf einer guten Viertelſtunde nahmen wir Abſchied, und wurden von dem Haus - burggrafen bis vor den erſten Saal, von andern Bedienten aber bis zum Thor begleitet.

Nun giengen wir zu Fuße nach dem Hauſe des regierenden neuen Gouverneurs, welcher unlaͤngſt von Hofe angekommen, und (wie uns die beiden Sekretaͤrs als Cerimo - nienmeiſter ſagten) der Manier, die Hollaͤnder zu empfangen, annoch unkundig war. Am Thor befand ſich eine gewoͤhnliche Wache, und in der Ban oder im Vorderſaale des Hauſes beinahe 50 in guter Ordnung niederſitzende Perſonen nebſt einigen ſehr wohl gekleideten Kna - ben. Nachdem wir dieſe vorbei und in eine Nebenkammer geſuͤhrt waren, empfiengen uns ge - dachte Sekretaͤrs, zwei bejahrte Maͤnner, ſehr freundlich, bewirtheten uns mit Tobak, ge - mahlnem Thee und Zuckerconfekt, und unterhielten uns eine geraume Zeit mit der Vertroͤ - ſtung, daß wir den Gouverneur bald zu ſehen bekommen ſolten. Nach einer halben Stunde brachte man uns in ein anderes Zimmer, woſelbſt nach einer kleinen Weile auf einmal zwei Schauben gegen uns uͤber geoͤfnet wurden, wodurch der galante Gouverneur, mit einem Ehrenrocke uͤber ſeinem ſchwarzen Kleide angethan, in einer andern Kammer 14 Schrit vor uns ſas. Er ſchien ein Man von 36 Jahren, ſtark von Gliedern, und dem Anſehen nach hochmuͤ - thig und ſtolz zu ſeyn. Er redete uns mit hoher Stimme zuerſt mit dieſen Worten an: Jhr ſeyd in gutem Wetter angekommen, ſolches iſt mediteh, mediteh! (oder Gluͤk, Gluͤk!) Nach einer gar kurzen Unterhaltung bathen wir, daß er unſere Geſchenke, naͤm - lich 12 Stuͤk Stoffe (die, wie vorhin ſchon erwehnt, ausgekramt da lagen) geneigt an - nehmen moͤchte. Als er hierauf mit einer geringen Verbeugung des Haupts eine Dankſa - gungs - und zugleich im Aufſtehen eine Abſchiedsmine machte, wurden beide Schauben, auf eine Theatermaͤßige Weiſe, in einem Augenblik wieder zugezogen, wir aber noch et - was zu verweilen genoͤthigt, damit das Frauenzimmer, welches ſich hinter einer papiernen Wand oder papiernen durchloͤcherten Schauben eingefunden, die fremden Gaͤſte und ihren Anzug moͤchte betrachten koͤnnen, zu dem Ende denn auch unſer Herr Reſident bald ſeinen Hut, bald den Saͤbel, Uhr und andere Sachen zur Beſichtigung von ſich geben, bald den Mantel ablegen, aufſtehen und ſeine Kleidung hinten und vorn beſchauen laſſen muſte. Nachdem hieruͤber eine ganze Stunde verſtrichen, nahmen wir mit geziemender Ehrerbie - tung unſern Abſchied; die zwei Sekretaͤrs brachten uns bis zu dem großen Vorſaal, und von da zwei geringere Hausbedienten bis in den Vorhof zuruͤk.

Endlich begaben wir uns, weil es ſchoͤn Wetter war, zu Fuße, nach der etliche hundert Schritte weiter gelegenen Wohnung des zweiten Gouverneurs. Die Art unſerer Aufnahme und die Beſchaffenheit des Hauſes war wie die vorige. Erſt wurden wir in der großen Ban mit Thee und Tobak bedient, und ſodenn durch verſchiedene Kammern in ei - nen praͤchtigen Audienzſaal gebracht, woſelbſt ein Cabinet von glaͤnzenden Pfeilen, Bogen, kurzen Feuerroͤhren und Piſtolen in ſchwarz lakirten Futteralen an den Waͤnden zu ſehenZweiter Band. G gwar.234Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. war. Jn den andern Kammern, die wir beruͤhrten, hiengen ebenfals viele Gewehre, ohngefehr ſo, wie bei dem Gouverneur in Oſacka. Zu Ende des Sals hatte ſich das neu - gierige Frauenzimmer hinter zwei papiernen durchloͤcherten Schauben unſerer wahrzunehmen verſammelt. Kaum hatten wir uns niedergeſezt, als der Gouverneur, ein ziemlich grauer beinahe 60 jaͤhriger, jedoch friſcher, anſehnlicher, wohlgeſtalteter Man, in einem ſchwar - zen Kleide und daruͤber einem Gallarocke, auf etwa 10 Schritte vor uns ein gleiches that. Er hies uns mit einem freundlichen Weſen wilkommen, und nahm die Geſchenke mit vie - ler Guͤte an. Der Oberdolmetſcher, der ihn ſchon von langer Zeit her kante, bediente ſich der Gelegenheit, ihm fuͤr ſeine Perſon noch beſonders einige glaͤſerne Europaͤiſche Trinkge - ſchirre als ein Geſchenk zu uͤberreichen, und ſich dabei eine Gewogenheit fuͤr des Unterdol - metſchers Sohn auszubitten. Es war etwa ein Uhr Nachmittags, als wir von dieſer un - ſerer Verrichtung in unſern Cangos vor unſerm Quartiere wieder abtraten.

Kio oder Miaco heißet auf Japaniſch eine Stadt. Sie wird wegen ihrer Ver -Tab. XXVII. treflichkeit (da ſie eine Reſidenz des heilig gehaltenen Dairi, und daher des ganzen Reichs Hauptſtadt iſt) mit keinem andern als dieſem algemeinen Namen benent. Sie liegt in der Provinz Jamatto in einem ebenen Felde, und erſtrekt ſich in der Laͤnge von Nord nach Suͤd auf drei Viertel, in der Breite aber von Oſt nach Weſt etwa auf eine halbe deutſche Meile. Sie iſt mit Buſchwerk und quelreichen Bergen umgeben, wie denn durch den ſuͤdlichen Theil der Stadt, an den die Berge am naͤchſten graͤnzen, und wo auch viele ſchoͤne Tempel, Kloͤſter und Kapellen ſtehen, welcher wir in der Ruͤkreiſe mit mehrerem gedenken wollen, ein dreifaches nicht gar tiefes Waſſer fließet, deſſen groͤßeſter Arm aus der Oitzer See, die beiden andern aber aus den noͤrdlichen Gebirgen entſpringen, und ſich gegen die Mitte der Stadt zu einem Fluſſe vereinigen, der alda mit einer großen 200 Schrit langen Bruͤcke, Sanſjo no fas genant, belegt iſt, und von dannen ſeinen Lauf etwas Weſtlich nimt. An der Nordſeite reſidirt der Dairi mit ſeiner geiſtlichen Familie und Hofſtaat in einem von der Buͤrgerſchaſt mit Graben und Mauren abgeſonderten Staͤdtchen von 12 oder 13 Gaffen, wovon im andern Kapitel des zweiten Buchs Meldung geſchehen. Die Weſtſeite endigt ſich mit einer von Stein in Quadrat erbaueten Burg oder Veſtung, welche der Kai - ſer Sensjonofas zur Zeit eines innerlichen Krieges zu ſeiner Sicherheit angelegt hat, und in welcher die jetzigen Kaiſer bei ihrer Hieherkunft ihren Aufenthalt zu nehmen pflegen. Nach dem abgezeichneten Grundriſſe haͤlt jede Quadratſeite die Laͤnge von 150 Jkins oder Klaftern, und iſt mit einem ausgemauerten tiefen Graben, und dieſer wiederum mit einem breiten leeren Platze umgeben. Die Mitte prangt mit einem viereckigten hohen Thurme von vielen Stokwerken, und der Grabe hat eine ſchmakhafte Art Karpen, wovon unſerm Dolmetſcher an dieſem Abend einige zu Theil wurden. Die Veſtung wird im uͤbrigen von einem Hauptmanne mit einer nicht unbetraͤchtlichen Beſatzung bewohnet und bewacht.

Die
Tab. XXVII.
235Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco.

Die Gaſſen in der Stadt fallen zwar ziemlich enge, ſie laufen jedoch ſchnur gerade nach Oſten und Suͤden hin. Jhre Laͤnge iſt wegen dem Gewimmel der vielen Menſchen und wegen dem daher erregten Staub nicht abzuſehen. Die buͤrgerlichen Haͤuſer ſind ſchmal, zwei Stokwerk hoch, von Holz, Leimen und Kalk, nach gemeiner Landesart erbauet. Auf den aus Holzſpaͤnen beſtehenden Daͤchern findet man oͤfters einen großen hoͤlzernen mit Waſ - ſer angefuͤlten Behaͤlter, nebſt vielen Feuerloͤſchenden Jnſtrumenten, um ſich deren in der Noth bedienen zu koͤnnen. Es iſt aber Miaco gleichſam der Stapel aller Kuͤnſte, Manu - fakturen und Handels von Japan. Man ſiehet wenige Haͤuſer, worinnen nicht etwas ver - kauft oder fabricirt wird. Man raffinirt alhier Kupfer, praͤgt Muͤnzen, hat Buchdrucke - reien, webt die koſtbarſten mit Gold und Silber gebluͤmten Stoffe, unterhaͤlt die rareſten Faͤrbereien, macht kuͤnſtliches Schnizwerk, muſikaliſche Jnſtrumente, Gemaͤlde, lakirte Kiſten und andere Geſchirre, die ſauberſte Arbeit in Gold und allerlei Metal, ſonderlich den beſten Stahl, und aus ſelbigem die ſchoͤnſten Klingen und ander Gewehr. Die nette - ſten Kleidungen, allerhand Galanteriewaren, kuͤnſtliche ſich ſelbſt bewegende Puppen und Spielwerke werden hier gleichfals verfertigt und zu Kaufe ausgeſezt, kurz, es laͤſſet ſich kaum etwas erſinnen, oder von der kunſtreicheſten auslaͤndiſchen Arbeit vorweiſen, wozu ſich nicht ein Meiſter finden ſolte, der es nachmachte. Daher komt es, daß die Miaco - ſchen Manufakturen durch das ganze Reich beruͤhmt ſind, und daß ſie andern weit vorgezo - gen werden, wenn es nur den Namen hat, daß ſie in Kjo gemacht ſind, und wenn ſie auch noch ſo ſchlecht in der That ausfielen. Jn den Hauptſtraßen ſind wenige Haͤuſer, vor welchen man nicht etwas zu verkaufen haͤtte, ſo, daß man ſich wundern mus, wo zu ſo vielen Waaren und Kraͤmereien die Kaͤufer herkommen; dieſes ſol indeſſen gewis ſeyn, daß keiner durchreiſet, ohne davon entweder fuͤr ſich oder fuͤr andere etwas einzuhandeln und mit ſich zu nehmen.

Der Grosrichter, ein Man von vieler Macht und Anſehen, reſidirt hieſelbſt. Er iſt der Oberbefehlshaber uͤber die Bugjos, Schazmeiſter, Gouverneurs und ſonſtige Bediente der Kaiſerlichen kleinen Staͤdte und Provinzen des Weſtlichen Theils des Reichs. Selbſt die Landesherrn aller Weſtlichen Provinzen muͤſſen ihm nach den Augen ſehen, in - dem er bei vorfallenden Streitigkeiten und Aufruhr die Entſcheidung hat und Frieden ſtiftet. Niemand kan auf der Reiſe nach Hoſe durch die Kaiſerlichen Hauptpaͤſſe zu Array und Fackone kommen, ohne einen eigenhaͤndigen Geleitsbrief von ihm vorzuweiſen.

Die Regierungsform und die buͤrgerliche Polizei iſt zu Miaco die naͤmliche, wie zu Oſacka, und wie deſſen oben gedacht worden.

Ohne die Menſchen, die in der Burg, in dem Staͤdtchen des Dairi und in ſo vielen Kloͤſtern wohnen, zaͤhlt man alhier 1200,000 Perſonen maͤnlichenG g 2und236Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. und 1400,000*)Dieſe unglaubliche Angaben finden ſich in meinen beiden Handſchriften deutlich ausgedruͤkt. Jhre Falſchheit wird auch dadurch bewieſen, daß ſie in der Engliſchen Ueberſetzuug ſich nicht finden, wo vielmehr auch ein genaues Cataſter einer un - gleich wahrſcheinlicheren Bevoͤlkerung augegeben wird. weiblichen Geſchlechts, wie aus der Aratame, welche in Miaco jaͤhrlich vorgenommen wird, zu erſehen iſt. Aratame heißt eine Unterſuchung, wo jeder Buͤrger die Zahl ſeiner Hausgenoſſen, und zu welcher Sekte und Tempel ſie ſich halten, den dazu verordneten Commiſſarien angeben mus. Jch theile hier dem Liebhaber zu einer angeneh - men Spekulation die lezte Aratame mit.

Kioo to Aratame**)Alles folgende von hier bis zu Ende des Kapitels habe ich aus der Engliſchen Ueberſetzunguͤbergetragen. Es findet ſich in meinen Hand - ſchriften nicht, aber in beiden ſind einige Blaͤt - ter fuͤr dieſe Liſten leer gelaſſen. Dieſes ſo wie die unmittelbar vorhergehende Worte beweiſen, daß dieſe Stelle unſtreitig vom Verfaſſer her - ruͤhre, nnd hier das Original, aus dem Scheuch - zer uͤberſezt, volſtaͤndiger als meine Handſchrif - ten ſey..

  • Tira, d. i. große und kleine Tempel der Budsdo, oder des fremden Gottes - dienſtes, ſind in der Stadt Miaco 3893
  • Mia, d. i. Tempel der Sintosreligion 2127
  • Sokkokf Dai Mio Jaſſiki, d. i. Pallaͤſte und Haͤuſer der Fuͤrſten und Lan - desherrn 137
  • Mats oder Straßen 1858
  • Ken oder (wie es auch die Japaner ausdruͤcken) Sjuſanwan faſſenku foaku ſijtzi ſiuku, d. i. Haͤuſer 138,979
  • Bruͤcken 87
  • Negi, d. i. weltliche Perſonen zum Dienſt der Sintotempel 9003
  • Jammabos oder Bergprieſter 6073
  • Sjukke oder Prieſter von der Budsdo Religion 37093
  • Die Zahl der Layen war nach dieſem Aratame folgende:
  • Siuſi Oboi Ji, oder Liſte aller Sekten und Religionen, die ſich in Miaco be - finden, nebſt der Zahl der Perſonen, die jeder anhaͤngen.
  • Ten Dai Sju 1009
  • Singon Sui 18095
  • Sen Siu 16058
Riſſiu237Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco.
  • Riſſiu 9998
  • Foſſo Siu 5513
  • Fokke Sui 97,728
  • Sjoo Doſui 159,113
  • Dai Nembudſju 289
  • Nis Fonguan Siſju 54,586
  • Fogos Fonguan Si ſju 99,016
  • Bukkwoo ſi ſju 8576
  • Takkada ſju 7576

Hieraus erhellet alſo, daß bei dem lezten Aratame ſich in Miaco befanden 52,169 geiſtliche und 477,557 weltliche Perſonen außer noch unzaͤhligen Fremden, die taͤg - lich aus allen Theilen des Reichs hieher kommen, und außer dem Hofe des Dairi, von dem ich auf keine Weiſe Nachrichten einziehen konte.

Jch gebe hier noch eine Erklaͤrung verſchiedner Worte, die in dieſer Nachricht dunkel ſeyn moͤchten, und von denen ich noch keine Gelegenheit zu reden gehabt habe.

  • 1) Ken bedeutet eigentlich nur ein Dach, im weitern Sin aber, wie es auch hier genommen wird, ein Haus.
  • 2) Siukke iſt der gemeinſchaftliche Name aller Budsdo Prieſter, und bedeutet Menſchen, die der Welt ganz entſagt und ſich entſchloſſen haben, den uͤbrigen Theil ihres Lebens in Kloͤſtern nur allein mit Religionsuͤbungen zuzubringen, nach Art Roͤmiſch-Ka - tholiſcher Kloſtergeiſtlichen. Wenn dieſe Prieſter aus einem Kloſter ins andre, oder ſonſt aus irgend einer Abſicht reiſen, ſo dient ihnen das Schreiben ihres Osjo, d. i. des Priors ihres Kloſters, ſtatt eines Freipaſſes durch das ganze Reich, den alle andre Unterthanen von den Obrigkeiten ihres Orts beibringen muͤſſen.
  • 3) Dai Nembudsſui ſind Perſonen, die ſich ganz beſonders dem Dienſt des Gottes Amida gewidmet haben. Außerdem bekennen ſie ſich zu der Budsdoſekte, und beſonders zu der Siudoſju, deren Tempel ſie beſuchen.
  • Nembutz oder Namanda, welche Worte ſie ſehr oft in ihren Gebaͤten und Aus - rufungen gebrauchen, iſt zuſammengeſezt aus Namu Amida Budzu, d. i. Großer Gott Amida hilf uns! Sie ſind in der That eine Art von faulen Betlern, die ſich auf den Gaſſen der Staͤdte, den Landſtraßen und den oͤffentlichen Orten zuſammenfinden,G g 3Namada238Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Neuntes Kap. ꝛc. Namada baͤten und ſingen, ihre Glocken ſchlagen, fuͤr welche Muͤhe ſie dann von der mildthaͤtigen Liebe ihrer glaͤubigen Anhaͤnger einige Belohnung erwarten, weshalb ſie auch vorgeben, daß ihre Gebaͤte nicht wenig zur Linderung und zum Beſten der verſtorbenen Verwandten ihrer Wohlthaͤter beitruͤgen, wenn dieſe ſich etwa am Orte der Quaal befinden ſolten. Unter ſich ſelbſt dienen ſie ſich nach beſtem Vermoͤgen, und das gemeine Jntereſſe ihrer Bruͤderſchaft iſt eines ihrer Hauptgeſetze. Wenn einer von ihnen ſtirbt, ſo begraben ihn die uͤbrigen mit eignen Haͤnden, und wenn er arm iſt, ſo tragen ſie die Begraͤbniskoſten zuſammen, und ſuchen, fals das gemeine Vermoͤgen dazu nicht hinreicht, ſie durch Bet - teln aufzubringen. Wenn reiche Leute in dieſe Geſelſchaft anfgenommen zu werden wuͤn - ſchen, ſo iſt die erſte Frage: Ob ſie zu Begrabung eines armen Bruders das Jhrige bei - tragen wollen oder nicht? Und wenn ſie verneinend antworten, ſind ſie eben deshalb aus - geſchloſſen. Dieſe Gewohnheit beobachten ſie in allen Theilen des Reichs.
  • 4) Fonguanſi ſui, ehemals Jkosju, welches heißt, die Reicheſten, iſt eine andre Sekte der Budſoiſten, die den Tempel Fonguanſi zum Hauptgegenſtand ihrer Ehr - furcht machen. Sie ſind abgetheilt in die Nis Fonguan ſi ſju oder die Weſtlichen An - haͤnger der Sekte Fonguan und die Figos Fanguan ſi ſiu oder die oͤſtlichen Anhaͤnger eben dieſer Sekte.
  • 5) Bukkwoo ſi ſiu heißen ſo vom Tempel Bukkwoo, wo ſie vorzuͤglich ihre Andacht verrichten. Uebrigens kommen ſie in den meiſten Stuͤcken mit der Montesju Sekte uͤberein.
Zehn -239

Zehntes Kapitel. Reiſe von Miaco bis Famma matz, 63 Meilen, (als der halbe Weg bis Jedo).

Den 2 Maͤrz, Freitags, ſezten wir uns in Cangos und verließen Miaco. Unſer Wirth, der mit uns gieng, lud uns in ein Gaſthaus ein, das am Ende der Vorſtadtsſtraße von Miaco etwa eine Stunde entfernt lag, und traktirte uns zum Abſchiede mit Sacki und Sockani oder kalter Kuͤche, wofuͤr wir ihm mit einem Koo - bang, dem Sohn mit einem halben und der Wirthin mit einem Jtzibo unſere Erkentlich - keit bezeigten. Unſer Aufenthalt hier dauerte eine Stunde. Jn dem langen Dorfe oder Gaſſe Finoka und Jacodſjeia, eine Meile von Miaco, dahin wir bald hernach durch einen holen Weg gelangten, tranken wir Thee, um unſere durch den zu uns genommenen Sacki beſchwerte Haͤupter wieder zu erleichtern. Es reicht dieſes Dorf bis zu einem an - dern, Jabunoſta, das von der Menge Bambus, der in der Gegend waͤchſet, ſeinen Na - men fuͤhrt. Man ziehet hier ſehr viel und den allerbeſten Tobak. Auf etliche Schuͤſſe von der Heerſtraße ab lag ein Kloſter Muro tadai Mioſin, mit einer fuͤrtreflichen am Wege erbaueten Tori oder großen Pforte, und ein wenig weiter hin ein Quanwontempel mit ei - nem großen verguldeten Dſiſoo in einem ſechseckigten Hauſe. Nach einer viertel Stunde kamen wir in das Dorf Jwanotfeia, und bald hernach in den Flecken Ojiwacki, welcher in ei - ner langen Straße 400 Haͤuſer ausmacht, die von Kleinſchmieden, Kunſtdrehern, Bild - ſchnitzern, Gewichtmachern, Dratziehern, vorzuͤglich aber von Malern, auch Bilder - und Goͤtzenkraͤmern bewohnt werden. (Es gieng eine halbe Stunde darauf, bis wir durchge - tragen waren*)Fehlt in der Engl. Ueberſ.. Man ſahe zur rechten einen hohen mit Schnee bedekten Berg Otawa no Jamma, auch von hier einen gebahnten Weg nach Fuſimi abgehen. Jn Zeit von einer viertel Stunde erreichten wir das Staͤdtchen Ootz, und darinnen eine Stunde vor Abend unſere Nachtherberge, nachdem wir drei Japaniſche Meilen zuruͤkgelegt hatten.

Ootz240Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Ootz oder Oitz, das erſte Staͤdtchen der Provinz Omi, auf dem Wege von Miaco, beſtehet in einer langen Ellenbogenweiſe durchgehenden Mittel - und verſchiedenen Queergaſſen zuſammen aus etwa tauſend kleinen Bauer - und Buͤrgerhaͤuſern, worunter es jedoch anſehnliche Wirthshaͤuſer giebt, welche an leichtfertigen Weibsperſonen keinen Man - gel haben. Es gehoͤrt daſſelbe unter die Domainen des Kaiſers, der es durch einen Schaz - meiſter regieren laͤſt. Es liegt an dem Ufer einer ſuͤßen See, die mit keinem eigenen Na - men, ſondern nur die Ootzer See genant wird, von der man ſagt, daß ſie von einem Erd - beben, wodurch hier das Land verſunken und mit Waſſer erfuͤllet worden, entſtanden, und wovon zugleich, wie man dabey anmerkt, der Berg Fuſi Jamma (von dem in der Folge ein mehrers) hoͤher geworden ſey. Die Breite derſelben hat nicht viel auf ſich, ihre Laͤnge aber erſtreckt ſich 40 bis 50 Japaniſche Meilen Nordwaͤrts bis in die Provinz Conga, von da die nach Miaco beſtimte Waaren bis hieher zu Schiffe gebracht werden; ſie iſt ſehr fiſchreich, und liefert delicate Laͤchſe, Karpen, Kalkoͤpfe und mehrere andere Gattungen; wilde Enten ſchwammen in Menge wie eine Wolke darauf herum. Es gehen von ihr zwei Stroͤhme aus, deren einer durch Miaco, der andere durch Jodo und Oſacka ins Meer flie - ßet. Zur linken Hand, nach Jedo zu, liegt an dieſer See ein hoher mit Baͤumen be - wachſener, anmuthiger und beruͤhmter Berg, Je ſan oder Fieſan, das ſo viel ſagen wil, als: Schoͤnberg, welcher in ſeinem Umkreiſe 3000 Tempel und viele Doͤrfer, folglich ei - ne große Menge Pfaffen und Bauern halten ſol, und der den Miacoſchen Buͤrgern bei in - nerlichen Kriegen ſtets zu einer Zuflucht und ſichern Burg gedient, wiewol ihn nachgehends der Wuͤterich Nobunanga uͤberſtiegen und uͤberwaͤltiget, Pfaffen und Bauern grauſam erwuͤrget, und die Gebaͤude verbrant und verheert hat. Hinter dieſem Berge, etwa zwei Meilen von unſerm Wege, zeigte ſich ein laͤngſt der Oitzerſee weit fortſtreichendes langes Gebuͤrge, voller Schnee, Firanotacki genant; und wiederum dahinter giebt es noch zwei ſchlimme bergigte Heerſtraßen, worauf einige Landesherren der weſtlichen Provinzen nach Hofe reiſen.

Den 3 Maͤrz verließen wir kurz vor Anbruch des Tages die Herberge, um noch heute den Flecken Tſutſi Jamma, etwa 13 Meilen von hier, zu erreichen. Auf der Straße, die uns bis zu Ende beinahe eine halbe Stunde wegnahm, hatte man vor allen Haͤuſern eine vierkantige mit Papier bezogene Laterne ausgeſezt, weil kurz vor uns ein Kai - ſerlicher Geſandter durchgereiſet war. Die Gaſſe der Vorſtadt reichte bis zu dem ſchoͤnen Staͤdtchen Dſjedſje oder Sjeſji, einer Reſidenz des Landesherrn von Facatta, Namens Fonda Sjiro Cami.

Dieſe Stadt war zu beiden Seiten der Thore (wenigſtens ſo weit ich ſehen konte) mit niedrigen doch artigen Waͤllen eingeſchloſſen, die Gaſſen nach Oſt und Suͤd gerade an - gelegt, die Haͤuſer weis angeſtrichen, und das an der Nordſeite halb mit der See undhalb

Tab. XXVIII

241Zehntes Kap. Reiſe von Miaco bis Famma matz. halb mit der Stadt umgebne Schlos anſehnlich, gros und nach inlaͤndiſcher Art mit hohen viereckigten vielen Daͤchern und Thuͤrmen geziert. Ohnweit dem Schloſſe ſahe man einen großen Tempel des Abgottes Umano Gongin, und bald darauf gelangte man zu der Pfor - te, wo das Landesherrliche Wachthaus war, das auf einem vorhangenden ſchwarzen Schanzkleide das Wapen, naͤmlich einen gewiſſen Charakter zwiſchen zwei aufgerichteten Kleeblaͤttern, zeigte. Jnſofern es das felſigte oder ſandigte Erdreich nicht verhindert, iſt die Landſtraße von hier bis Jedo von beiden Seiten mit Tannenbaͤumen beſezt, und in einer richtigen Abmeſſung von Meile zu Meile in der Mitte eines runden Mannshohen Huͤgels ein Baum gepflanzt, wobei ein Reiſender die Entfernung der Oerter und den Fortgang ſei - ner Reiſe erkennen kan.

Eine halbe Meile von der Reſidenz Dſjedſje befanden wir uns in einem nach der Laͤnge des Weges gelegenen Dorfe Tſitta oder Tſjitto, auch, nachdem einer eine Ausſpra - che hat, Sjetta genant. Aus der angraͤnzenden Oitzerſee flos queer durch der Jodoſche Strohm, der hier den Namen Jocatta gava bekoͤmmt, und deſſen Mund oder Anfang eine gedoppelte hoͤlzerne Bruͤcke bedekt, da ihre mit Gelaͤndern und dieſe mit meſſingenen Knoͤpfen verſehene Theile auf einer kleinen Jnſel zuſammenſtoßen, wovon der eine 40, der andere 300 Schritte in der Laͤnge hat. Sie iſt die groͤßeſte, die ich hier zu Lande angetrof - fen, und durch ganz Japan beruͤhmt. Sie heißet von dem Dorfe, Tſettanofas, oder die Bruͤcke von Tſitta. Jch kann nicht umhin, hier ein wenig ſtehen zu bleiben, um ein und andere fabelhafte Erzaͤhlungen von Dingen mitzutheilen, welche in dieſer Gegend vor - gefallen ſeyn ſollen, und die die Japaner ſo feſt als ein Evangelium glauben.

Ein Dſja oder Drache (der bei den heidniſchen Voͤlkern uͤberhaupt in großer Ach - tung iſt, und den die Japaner mit Fuͤßen, Haͤnden und zwei Hoͤrnern malen) hatte alhier am Ufer ſeine Wohnung. Ein gewaltiger Tauſendbein von zwei Manslaͤngen hingegen hielt ſich zwei Meilen von hier auf einem an der Landſtraße gelegenen Berge oder hohen runden Huͤgel auf, der von eben dieſem Thiere den Namen Mukaddo Jamma fuͤhrt, und machte ſelbige Straße unſicher, verfuͤgte ſich auch des Nachts ans Ufer, und verzehrte die von dem Drachen gelegten Eyer; hieruͤber entſtand zwiſchen den beiden Thieren ein gro - ßer Streit, worinnen der Drache obſiegte, und jenen ſchaͤdlichen Feind ums Leben brachte. Zum Gedaͤchtnis dieſer Begebenheit hatte man an dem Orte in einem Theile des Dorfes, Tawarattadu genant, einen Tempel errichtet, den man uns auch als einen Beweis da - von zeigte.

Eine andere Fabel iſt folgende: die ſteinerne Saͤule an dem Ende eben gedachter Bruͤcke war vorzeiten mit einem boͤſen Geiſte beſeſſen, der die Vorbeireiſenden ſowol als die Dorfleute ſehr beunruhigte. Es geſchahe, daß der große und heilig gehaltene Lehrer Kooſj durchpaſſirte, alle Bauren lagen ihm an, ihnen dieſe unleidliche Beſchwerde abzunehmen,Zweiter Band. H hund242Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. und den boͤſen Geiſt zu verbannen. Er bewerſtelligte ſolches aufs gluͤklichſte. Die Bauren vermutheten anfaͤnglich, er wuͤrde dazu viele Umſtaͤnde, Gebaͤte und Cerimonien noͤthig ha - ben; Kooſj aber that nichts weiter, als daß er ſeinen ſchmutzigen Schaamguͤrtel um die Saͤule band, und darauf zu dem Volke ſagte: Lieben Freunde! viele Cerimonien machen es nicht aus, die ihr erwartet, die wollen auch den Teufel nicht vertreiben; der Glaube mus es thun, durch dieſen verrichte ich meine Wunder; womit er ſeines Wegs gereiſet. Gewis, nachdenkliche Reden in dem Munde eines heidniſchen Lehrers!

Anderthalb Meilen von hier kamen wir durch Katangiwara, Sinde, Noodſj oder Noſji und andere kleine an der Landſtraße gelegene Doͤrfer, auch durch den ein und eine halbe Meile von da aus dem Berge Okami entſpringenden Flus Okami gava, in das Staͤdtchen oder Flecken Kuſatz, da wir zugleich ſechs Graͤnzſteine wahrnahmen, wo - durch des Jodoſchen Landesherrn in dieſer Provinz Omi befindliche Doͤrfer und Gruͤnde ab - geſchieden werden.

Kuſatz oder Kuſatzu hat uͤber 500 Haͤuſer, die mehrentheils laͤngſt der Landſtra - ße erbauet ſind, daher wir auch beinahe eine halbe Stunde zubrachten, als wir nach einge - nommenem Thee durchwanderten. Es waͤchſet in dieſer Gegend die Art Bambusrohr, die man Fatſiku nent, aus deſſen Wurzeln die Handſtoͤcke gemacht, und unter dem Namen Rottang nach Europa gebracht werden. Nur gewiſſe mit einer Landesherrlichen Erlaub - nis verſehene Leute des Orts, die damit ein beſſeres Gewerbe treiben, duͤrfen ſie graben und damit handeln. Da dieſe Wurzeln ſehr tief liegen, und weit nachgeſucht werden muͤſ - ſen, folglich die ganze Pflanze gar leicht verdorben werden kan, ſo pflegt der Landesherr das Graben auf einige Jahre zu verbieten, wo die Stoͤcke alsdenn ſehr theuer, ſonſt aber gar wohlfeil ſind. Man graͤbt dieſe Wurzeln zwar auch in andern Provinzen, ſie fallen jedoch kuͤrzer und weniger brauchbar aus. Die Behandlung, um die Stoͤcke daraus zu machen, beſtehet darinnen, daß ſie oben und unten von den ſchadhaften Theilen, nach einer ſchiklichen Laͤnge, abgekuͤrzt, von den kleinen Sproſſen oder Nebenwurzeln, womit die Knoͤpfe oder Glieder haͤufig umgeben ſind, (wie aus den Zirkelmaͤßigen nachgebliebenen Zeichen zu erkennen) mit einem ſubtilen Meſſer befreyet, dann durch Huͤlfe des Feuers da, wo ſie in die Kruͤmme gewachſen, gleich gerichtet und wohl geſaͤubert werden.

Das Dorf Mingava, das ſeinen Namen von dem durchfließenden Bache fuͤhrt, und aus 400 Haͤuſern beſtehet, war, nach einer Viertelmeile weiter, das naͤchſte. Es reicht nach der Laͤnge des Weges bis an Tabora oder Tebura, ein Dorf von etwa 300 Haͤuſern, und dieſes wiederum bis an das Dorf Minoki, das fuͤr ein Theil von jenem ge - halten wird.

Minoki, ein laͤngſt der Heerſtraße zerſtreuetes Dorf von verſchiedenen Theilen, welches eben auch mit andern kleinen Doͤrfern oder Gaſſen, jede von einem beſondern Na -men,243Zehntes Kap. Reiſe von Miaco bis Fama matz. men, an einander haͤngt, iſt wegen eines alda erfundenen heilſamen Arzneipulvers, Wad - ſuſan genant, beruͤhmt, welches nirgend anders gemacht werden kan. Es wird wider mancherlei Leibesgebrechen, und inſonderheit wider die hier zu Lande eingeriſſene Art von Colik gebraucht. Putſju oder Koſtenwurz, ein Oſtindiſches Gewaͤchs, und verſchiedene inlaͤndiſche Wurzeln und bittere Kraͤuter von den naͤchſten Bergen*)Jn der Engl. Ueberſ. wird ohne dieſe nur blos die Koſtenwurz als das Jngredienz angegeben. ſind die Beſtandtheile deſſelben, welche (nachdem ſie getroknet und grob zerſchnitten) in drei verſchiedenen von einander abgelegenen Haͤuſern zu Pulver gemahlen werden, das man als - denn zum Verkauf aufhebt. Auf unſerer Ruͤkreiſe bemerkten wir, daß der hierzu gebrauchte Muͤhlſtein von vier Maͤnnern auf die Weiſe, wie bei uns eine Senfmuͤhle, herumgedrehet, das uͤbrige aber von zwei Weibern verrichtet wurde, die naͤmlich das Pulver ſelbſt ins Haus nahmen, und es in vier Querfinger lange und breite Papiere thaten, worauf der Name, Kraft und Gebrauch mit rothen und ſchwarzen Buchſtaben abgedrukt ſtehet. Es wiegt je - des Pulver ein wenig mehr als zwei Drachmen, und wird nach Beſchaffenheit der Perſon und ihrer Krankheit auf ein bis drei mal mit warmen Waſſer eingenommen. Liebhaber laſſen es ſich in dieſen Haͤuſern auch wol mit heißem Waſſer ausgezogen, als einen ordentli - chen Thee, einſchenken. Der Erfinder, ein frommer armer Man und Einwohner der Gaſſe oder des Dorfs Tebara, gab vor, es ſey ihm der Abgott Jakuſi (der Japaner Apollo und Patron der Arzneikunſt) des Nachts im Traum erſchienen, habe ihm auf dem Berge die bemeldten Kraͤuter angewieſen, und zum Nutzen ſeiner preshaften Mitbuͤrger zu verfertigen befohlen. Dieſes brachte ſeine Medicin in einen großen Credit und Abgang, und er gerieth aus ſeiner Armuth in kurzer Zeit in einen ſolchen Wohlſtand, daß er fuͤr ſich ein ſchoͤnes Wohnhaus und zu Ehren des Abgottes eine wohlgeſchmuͤkte Kapelle, ſeiner Werk - ſtaͤtte gegen uͤber, erbauete. Jakuſj ſtehet alda in einer verguldeten Tarateblume (Nym - phaea paluſtris maxima, oder Faba Aegyptiaca Proſp. Alpini) mit einer halben Muſchelſchaale von hinten bis uͤber das mit einem Zirkel oder runden Kreiſe der Heiligkeit umgebene Haupt, eingefaßt und aufgerichtet, in der rechten Hand hielt er etwas mir un - kenbares, in der linken aber einen Scepter. Alles war uͤbrigens mit Golde uͤberzogen. Jeder vorbeigehende Japaner bezeigte dieſem guͤldenen Abgotte ſeine Verehrung entweder durch eine Verbeugung des Leibes, oder daß er gebuͤkt und mit entbloͤßetem Haupte vor die Kapelle trat, an das dabei hangende Gloͤkchen ſchlug, und darauf mit empor und bis vor die Stirne zuſammen gehaltenen Haͤnden ein Gebaͤt verrichtete: zwei Verwandte des Erfinders in Minoki, die das Recept von dieſem Pulver uͤberkommen, und eben ſo damit einen Handel getrieben, haben ſich gleichfals dadurch bereichert, und dem Patron Jakuſj auch eine Kapelle erbauet. Bei einer dieſer Kapellen ſtand ein Haͤuschen, worinnen einH h 2Pfaffe244Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Pfaffe oder Kuͤſter unterhalten wurde, der fuͤr die Reinhaltung der Kapelle, Anzuͤndung der Kerzen und fuͤr das uͤbrige, was dem Abgotte zu Ehren geſchehen mus, Sorge trug.

Außerhab Minoki kam uns die Oitzerſee, die uns bisher auf unſerm Wege beglei - tet hatte, aus dem Geſichte, und es naͤherten ſich dagegen zu beiden Seiten niedrige Berge, worunter auch linker Hand auf eine halbe Meile der beruͤchtigte Mikade oder Mikame Jamma war, von dem vorhin die Rede geweſen. Der Regen hatte alhier die Landſtraße ganz ausgeſpuͤlt, weshalb wir die neugemachte, die um einen zur rechten gelegenen Berg lief, auf eine halbe Meile verfolgten, bis wir wiederum auf die alte Straße und ſo fort um 11 Uhr in Jſſibe kamen. Der Weg von Oitz bis hieher, der ſechs Meilen betraͤgt, iſt zwar gleich und eben, und das Land wohl bearbeitet, Doͤrfer und Haͤuſer aber ſind ſchlecht. Jn Jſſibe, einem Flecken von 400 Haͤuſern, hielten wir in einer anſehnlichen Herberge außer ſonſtiger Ge - wohnheit Mittag, weil die in dem folgenden Staͤdtchen Minakutz, wo es ehedem gewoͤhn - lich geſchah, abgebrant war. Hierauf gieng es zwiſchen Gebirgen ſechs Meilen weiter bis zu Dſutſi Jamma, einem Flecken, am Fuße des Berges mit gleichem Namen, aus 300 Haͤuſern beſtehend. Es war Abends fuͤnf Uhr, und wir hatten demnach heute 12 Japani - ſche Meilen zuruͤkgelegt. Unter den paſſirten großen und kleinen Doͤrfern, die ſich zwiſchen Jſſibe und Dſutſi Jamma eins dem andern die Hand reichen, iſt auch noch das eben ge - nante Staͤdtchen Minakutz in der Mitte, das dem Reichsrathe vom zweiten Range, Catto Sadano Cami gehoͤrig, drei ſehr lange und krumme Gaſſen, und dabei eine nie - drige Burg ohne Wal und Graben hat. Die beiden Pforten des Staͤdtchens waren inzwi - ſchen mit Soldaten bewacht; das aͤußerſte Ende lag durch eine neuliche Feuersbrunſt in der Aſche. Aus Binſen und geſpaltenem Rohr werden hier feine Huͤte, Maͤntel und Koͤrbe verfertigt.

Es begegneten uns heute ausnehmend viel Menſchen beiderlei Geſchlechts, die mei - ſten zu Fuße, wenige zu Pferde, bisweilen zwei oder drei Perſonen auf einem Thiere, auch mancherlei Betler. Alle dieſe waren auf der Walfahrt von oder nach Jſje (einem am Suͤd Ende der den Namen davon fuͤhrenden Provinz gelegenen Orte) begriffen. Sie ſpra - chen uns fleißig um einen Zehrpfennig zu ihrer Reiſe an. An ihren Sonnenhuͤten ſtand, wie im vorigen mehrmals angefuͤhrt worden, ihr Name, Geburts - und Walfahrtsort zur Nach - richt bezeichnet, wenn ihnen unter Wegs etwa ein Unfal zuſtoßen ſolte; diejenigen, die auf dem Ruͤkwege waren, hatten unter dem Rande des Huts an einer Seite die Ablas - ſchachtel, an der andern aber, wegen des Gleichgewichts, ein in Papier gefaßtes Buͤſch - chen Stroh geheftet.

Den 4 Maͤrz, Sonntags, wurden wir mit Cangos aus der Herberge und zwei Meilen uͤber das rauhe Gebuͤrge Dſutſika einen krummen und muͤhſamen Weg bis ins Dorf Sakanoſta getragen.

Des245Zehntes Kap. Reiſe von Miaco bis Famma matz.

Des unfruchtbaren hin und wieder mit Torferde vermengten Bodens um dieſes Gebuͤrge ungeachtet trift man verſchiedene kleine ſchlechte Doͤrfer an, die aber meiſtens bei den Vorbeireiſenden ihre Nahrung ſuchen. Gleich als auf einer Windeltreppe ſtieg man das Gebuͤrge hinunter durch eine jaͤhe Kluft, aus welcher breite ſteinerne Tritte zu einem neben gelegenen hohen darum ſehr merkwuͤrdigen Berge abgiengen, weil er den Schiffern ſo zu ſagen zu einem Barometer dient, indem ſie die auf ſeiner Spitze aufſteigende und ver - haltene Duͤnſte und Wolken zu einem Zeichen der bevorſtehenden Witterung annehmen, und ihre Fahrten darnach anſtellen. Am Wege oben im Gebirge ſtand ein Tempel, und ohnweit davon eine Kapelle eines guͤldenen Goͤtzen, den zwei Moͤnche durch ein Gebaͤt ver - ehrten, um die Vorbeireiſenden mit einer dergleichen oͤffentlichen Andacht zu einer Almoſe zu bewegen. Vor einer andern Kapelle an dem Fuße des Gebirges, bis dahin wir eine viertel Stunde zubrachten, war ein verguldeter Loͤwe ausgeſezt, wobei ſich einige Pfaffen auf hielten, welche den Voruͤberreiſenden ein gewiſſes Heiligthum zu kuͤſſen darreichten, und davor einen Heller zur Belohnung einnahmen. Eine viertel Stunde weiter, noch vor Sa - kanoſta, fanden wir eine in harte Steinfelſen gehauene Kapelle, Jwei Jano Fano ge - nant, aber ohne Pfaffen und ſonſtige Perſonen, die ihre Andacht alda verrichtet haͤtten.

Sakanofta, ein wegen der alda befindlichen vielen Herbergen ſehr reiches Dorf von etwa hundert Haͤuſern, iſt das erſte der Provinz Jſje und in einer angenehmen Gegend gele - gen. Man hielt alhier in einer offenen Kapelle eine Menge kleiner duͤnner Bretter vorraͤ - thig, welche mit heiligen und magiſchen Charakteren gegen vielerlei Krankheiten und Un - gluͤk zu gebrauchen, beſchrieben waren, und die man fuͤr wenige Heller kaufen konte. Als wir Thee getrunken hatten, ſezten wir uns wieder zu Pferde, und kamen nach einer viertel Stunde in das kleine Dorf Futz kaki, alwo man gebratene Kaſtanien und gekochte Kokorowurzeln verkaufte, deren es in dieſer Gegend genug giebt. Von da gelangten wir nach ¾ Stunden auf gutem Wege in Sekinoſiſo, einen Flecken von etwa 400 Haͤuſern, in welchem faſt durchgaͤngig aus geſchabtem Schilfrohr eine große Menge Fackeln, Schuhe, Huͤte und andere Sachen gemacht wurden, womit die Kinder auf den Straßen hauſiren giengen, und den Durchreiſenden unter vielem Bitten und Anbieten beſchwerlich waren. Wir hielten hieſelbſt Mittag, da wir nur vier Meilen zuruͤkgelegt hatten, eilten aber bald wieder weg, um Jokaitz, ſieben Meilen weiter, noch bei Tage zu erreichen. Suͤdwaͤrts von Sekinoſiſi lief ein Weg nach dem heilig gehaltenen Orte Jſje, der von hier noch 13 Meilen, jede zu einer Stunde in dieſer Provinz gerechnet (von Miaco hingegen 30 Meilen) entfernt iſt.

Jn ¾ Stunden waren wir in Kamme Jamma, einer ganz artigen auf einer ebe - nen Anhoͤhe gelegenen, und, ſo weit ich es abſehen konte, mit Mauren, Pforten und Wachten verſehenen Stadt, an deren Suͤdſeite ein mit groben aufgemauerten Waͤllen undH h 3Bolwer -246Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Bolwerken ziemlich beveſtigtes Kaſtel ſtand. Da ſich die Gaſſen nach der Lage des Orts in eine Zirkelweiſe Kruͤmme ziehen, ſo dauerte es beinahe eine Stunde, bevor wir zur dritten Wacht und ans Ende der Vorſtadt gelangten.

Eine Meile weiter in dem kleinen Dorfe Munitſeija, das nahe vor dem großen Dorfe Tſjono liegt, uͤberfiel uns ein ſolcher Plazregen, daß wir eine gute Meile dicht an den Haͤuſern Schuz ſuchen muſten. Von hier gieng wiederum ein Weg nach Jſje ab, deſ - ſen ſich hauptſaͤchlich die Oſt - und Noͤrdlichen Provinzen bedienen.

Von den vielen Doͤrfern, die wir fernerhin beruͤhrten, waren Tſjono, Jſija - kus, Tſjetzuki, Ojewata und Finakawa die vornehmſten, und hielte jedes nicht unter 200 Haͤuſer, außer das leztere, (eine halbe Meile vor Jokaitz) ſo aus mehreren beſtehet, weil jenſeit des Fluſſes, wovon es den Namen fuͤhrt, noch beinahe 100 Haͤuſer ſind, die dazu gehoͤren.

Der groͤßeſte Theil unſerer heutigen Reiſe begrif ein bergichtes und unfruchtbares Land, weniges war mittelmaͤßiges, auf dem lezterm zwei oder mehr Meilen von Tſjetſuki bis Jokaitz aber ein flaches, fruchtbares Reisland, wie in der Provinz Fiſen.

Vor unſerer Herberge begegnete uns ein von Dairi zuruͤkkommender vorbei eilender Kaiſerlicher Geſandte, er hatte den Befehl, ſeine Tagereiſen ſo ſchnel einzurichten, daß er von Miaco nach Jedo innerhalb acht Tagen kommen moͤchte. Er war ein anſehnlicher Herr. Sein Gefolge beſtand in zwei Norimons, verſchiedenen Pikentraͤgern, einem ge - ſattelten Leibpferde, ſieben auf Pferden ſitzenden Bedienten und dem zu Fuße gehen - den Troſſe.

Jokaitz iſt eine ziemlich große Stadt von mehr denn tauſend Haͤuſern. Sie liegt an dem Buſen des Suͤdmeers, und hat viele und gute Herbergen, worinnen die Fremden nach Wunſche ihre Bewirthung finden, daher auch die Einwohner fuͤrnemlich hievon, und von der Fiſcherei ihre Nahrung haben. Es kam uns fremd und ſeltſam vor, da wir unter den Pilgrims, die uns heute begegneten, eine in ſeidenen Kleidern wohl gepuzte und ge - ſchmuͤkte Dame ſahen, die einen alten blinden Man fuͤhrte, und fuͤr ſelbigen bettelte, der verſchiedenen blutjungen Bickuni oder Nonnen zu geſchweigen, die ſich den Reiſenden eben auch bettelnd naͤhern, und ihnen durch Vorſingung einiger unmelodiſcher Lieder dagegen ein Vergnuͤgen zu machen ſuchen, auch, ſo lange man es verlangt, zum Zeitvertreib bei einem bleiben. Sie ſind Toͤchter der Bergpfaffen, gehen net und ſauber gekleidet, und ihr ge - ſchornes Haupt, womit ſie zu dieſer heiligen Lebensart eingeweihet werden, iſt mit einem ſchwarzen ſeidenen Tuche umwunden, und mit einem leichten Reiſehute wider die Sonnen - hitze bedekt. Nichts was einer Armuth, Frechheit oder Leichtfertigkeit gleicht, konte man an ihnen wahrnehmen, ſie hatten vielmehr ein ſitſames und freies Weſen, und von Perſon ſelbſt eine ſo ſchoͤne Geſtalt, als man ſie unter dem hieſigen Himmelsſtrich nur antrift,daher247Zehntes Kap. Reiſe von Miaco bis Famma matz. daher wir auch den ganzen Aufzug mehr fuͤr eine luſtige Scene, als fuͤr eine Sache der Armuth hielten. Dieſes iſt gewis, daß die Pfaffen keine geſchiktere Betler als dieſe ihre Toͤchter ausſenden konten, weil ſie dazu gemacht ſind, den Reiſenden das Herz, ge - ſchweige den Beutel zu oͤfnen. Sie werden zum Unterſchiede noch anderer Bettelnonnen Comanno Bickuni genant.

Den 5 Maͤrz, Montags, reiſeten wir mit dem Aufgange der Sonne aus Jokaitz ab, (der Kaiſerliche Geſandte, deſſen wir oben gedacht, war ſchon nach Mitternacht abgezo - gen) und langten durch ein fruchtbares flaches Land, viele Fluͤſſe und 10 Doͤrfer, in drei Meilen zu Quano um 11 Uhr an. Zwei unter den Fluͤſſen hatten Bruͤcken, wovon die laͤngſte 150 Schritte hielt, die uͤbrigen muſten wir durchwaden. Die Doͤrfer ſind in der Reiſecharte bemerkt, und habe ich nichts merkwuͤrdiges darin vorgefunden, es waͤre denn dieſes, daß ich in dem Dorfe Naw an einem Feuer von Tanaͤpfeln die ſogenante Ta - magurimuſcheln braten ſehen, die man den Fusgaͤngern zu einem Anbiſſe feil bot.

Kuwana, Kfama oder Quano iſt eine große und die erſte Stadt der Provinz Owari an einem Hafen oder Einbruch der See gelegen. Sie beſtehet aus drei Theilen oder abgeſonderten obwol an einander hangenden Staͤdten, die im Durchzuge bis ans Ende, wo unſere Herberge war, nicht unter ¾ Stunden Zeit erforderten. Die erſte und lezte iſt mit niedrigen aber hoch aufgemauerten Waͤllen und Graben umgeben, auch mit guten Tho - ren und Wachten verſehen; die mitlere hingegen hat gar keine Waͤlle, ſie wird aber, da die ganze Gegend niedrig und voller Fluͤſſe und Quellen iſt, mit Waſſer beſchloſſen; wie denn ebenfals an der Suͤdſeite der lezteren eine große Burg oder Feſtung, worauf der Matzindairo Jedſu Cami reſidirt, im Waſſer liegt, deren mit Schiesloͤchern durchbro - chene Mauren mit einem ſchoͤnen Dache bedekt und mit Blokhaͤuſern in einer kurzen Ent - fernung von einander durchgebauet ſind; ſie nimt einen weiten viereckigten Plaz ein, ziehet ſich aber an der Oſtſeite in die Runde. Durch zwei Bruͤcken wird ſie mit der Stadt verei - nigt, von der ſie außerdem durch einen aufgemauerten tiefen Graben geſchieden iſt. Die uͤbrigen Seiten haͤlt die See im Beſchluſſe. Aus dem Mittelpunkt der Veſtung raget ein hoher weißer viereckigter Thurm mit verſchiedenen auf Japaniſche Weiſe verfertigten Daͤ - chern hervor, welches ihr ein gutes Anſehen giebt. Es hat ſelbige der Kaiſer Genjojin, der Oheim des jetzigen, erbauen laſſen, und ſie zu einem Orte der Gefangenſchaft fuͤr ſeine Gemahlin, gegen welche er ſo wie gegen das ganze weibliche Geſchlecht einen Widerwillen hatte, beſtimt, wo denn auch dieſe unſchuldig Verbante ſamt ihrer Pflegmutter*)Jn der Engliſchen Ueberſ. Steht: mit ihren Hofdamen und der Amme des Kaiſers. ihr Le - ben beſchließen muͤſſen.

Nach248Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Nach gehaltener Mahlzeit, Mittags 12 Uhr, und da auch der Regen wiederum mit gutem Wetter abwechſelte, ſtiegen wir mit Pferden und Gepaͤcke in vier Schiffe, um Meilen bis zur Stadt Mijah uͤberzufahren. Der große Strohm Saija, auf wel - chem eine große Menge Holz aus der Provinz Owari hinunter und an andere Oerter abge - fuͤhrt wird, ſtuͤrzte bei dem Dorfe ſelbigen Namens, drei Meilen von Quano, in den Ha - fen, der gar nicht tief und voller Sumpf baͤnke iſt, die bei ablaufender See vier bis ſechs Fus uͤber Waſſer ſtehen, daher wir eine Stunde vor der Stadt in kleinere Fahrzeuge tre - ten, und uns darinnen ſamt unſerer Bagage uͤberſetzen laſſen muſten. Jede dieſer Fahr - zeuge, die nichts anders als kleine Fiſcherkaͤhne waren, wurde durch Huͤlfe zweier Maͤnner mit bambusnen Stangen uͤber den Sumpfflecken fortgeſchoben, wo denn noch einige von forn, andere von hinten den Fortgang befoͤrderten. So laͤcherlich uns eine ſolche Schif - fahrt vorkam, ſo gut gieng ſie von Statten, weil die Suͤmpfe oben ganz weich und plat, auf dem Grunde hingegen feſte, die Fahrzeuge uͤberdies unten plat waren, und nur mit acht, auch wol, wenn andere Sachen eingeladen werden muſten, noch mit wenigeren Per - ſonen beſezt werden konten. Noch fruͤhzeitig, und zwei Stunden vor Abend erreichten wir ſolchermaßen die Stadt, wo mehr als 50 Frachtbarken, jedoch wegen der Untiefe eine hal - be Meile davon, vor Anker lagen.

Auf der Reiſe zu Lande komt man inzwiſchen weit beſſer zurechte, ohnerachtet man von dem Dorfe Saija noch 10 Meilen bis Mija hat; und es iſt gar kein Wunder, daß Ulyſſes mit ſeinen Argonauten die Schiffahrt bisweilen uͤber Land genommen, wie Rud - beck in ſeiner Atlantica ſchreibt; ſelbſt in unſern Zeiten geſchiehet ſolches von den Koſa - cken, die ihre Kaͤhne aus dem Tanais*)dem Don. bis in die Wolga bei der Stadt Zarich**)Unſtreitig Zarizin. uͤber - ziehen, wie es ſich denn auf meiner Reiſe von Moſkau nach Perſien an dem Tage vor un - ſerer Ankunft zu Zarich ereignet hatte, daß 800 Koſacken ihre Schiffe bis dahin gebracht, ſich alsdenn erſt auf die Wolga in dieſelbe geſezt, und den Flus hinunter geſegelt waren, um den Kalmucken bei dem Jaiik einen Raub abzujagen.

Die Stadt Mijah hat keine Waͤlle, ſondern nur im Ein - und Ausgange ſchlech - te Graben. Sie iſt volkreich, auch ziemlich gros, doch nicht wie Quano, und beſtehet beinahe aus 2000 Haͤuſern. Zur Rechten ſtehet ein viereckigter wie ein Schlos erbaueter Pallaſt, zur Wohnung fuͤr den Kaiſer ſowol als fuͤr die durchreiſenden Landesherren. Die Gaſſen hatten, ſo weit es die Beſchaffenheit des Orts zulies, eine kreuzweiſe Lage. Eine derſelben erſtrekte ſich mit einer Reihe Haͤuſer auf zwei Meilen von der Stadt weg, bis zur Stadt Nagaya, der Reſidenz des Landesherren dieſer Provinz, eines anſehnlichenPrinzen249Zehntes Kap. Reiſe von Miaco bis Famma matz. Prinzen vom Kaiſerlichen Gebluͤte, deſſen Schlos daſelbſt fuͤr das dritte der ſtaͤrkeſten und groͤßeſten im ganzen Reiche gehalten wird. Seine Reiſe nach Hof geſchiehet jederzeit mit ſehr großer Pracht, indem mehr als 2000 Mann mit Handpferden, Hellebarten, Piken, Senſen, Feuerroͤhren, Pfeilen, Bogen, Wapen, Koͤrben, Prunkkaͤſtchen und andern theils zum Gebrauch, theils zur Zierde des Trains dienenden Sachen vor ihm her ziehen; wenn wir Hollaͤnder ihm unter Wegs begegnen, ſo ſind wir verpflichtet von den Pferden, und unſer Reſident aus dem Norimon zu ſteigen, und ſo lange mit niedergehoktem und ge - bogenem Leibe auf dem Flek zu halten, bis er voruͤber getragen iſt.

Die Gegend um Mija iſt eben, fruchtbar und wohl bebauet. Jn der Stadt ka - men wir einem vor vier Jahren errichteten kleinen Sintoiſchen Tempel Atzta, d. i. Tempel von drei Saͤbeln, vorbei, deſſen Eingang zwei rothgefaͤrbte Thorfluͤgel anwieſen. Man bewahrte darinnen drei Wunderſaͤbel als ein Heiligthum auf, welche vor undenklichen Zeiten von den Halbgoͤttern in ihren Kriegen waren gebraucht, und aus den Tempeln Jſje, wo ſie bisher geweſen, heruͤber gebracht worden. Fuͤnf Sintoiſche Pfaffen, mit gepapten ſchwarzen Dairi Muͤtzen und weißen Chorroͤcken angethan, hatten hierſelbſt ihre Verrich - tung; zwei, als die geringeren, ſtanden auf dem unterſten Fusboden, hinter ihnen etwas hoͤher ſaßen zwei andere, und hinter dieſen in der Mitte des Tempels, und am hoͤchſten, der fuͤnfte. So war auch noch ein anderer Tempel, Fackin, d. i. acht Saͤbel Tempel, genant, gleichfals in der Stadt zu ſehen, worinnen man acht Saͤbel alter Helden mit Ehr - erbietung als Heiligthuͤmer verwahrte, und die dazu gehoͤrigen Pfaffen in Dairi Kleidern ſitzend antraf.

Den 6 Maͤrz, Dienſtags, reiſeten wir mit Anbruch des Tages von Mija wie - derum zu Lande ſieben Meilen bis Okaſacki, und machten alda Mittag. Die vornehmſten von den vielen beruͤhrten Doͤrfern und Flecken waren folgende: 1) Kaſſa Dira, ein Dorf von etwa 100 Feuerſtaͤtten, das ſeinen Namen von einem anſehnlichen Goͤtzentempel hat, vor wel - chem die voruͤbergehende Japaner eine Glocke anzogen, nach derſelben Gelaͤute ſodann ei - nige eine tiefe Verbeugung machten, andere ein kurzes Gebaͤt ablegten; 2) Narimmi, ein Flecken von 400 Haͤuſern und Wohnhuͤtten; 3) Arimatſj, ein Dorf von 100 Haͤu - ſern, woſelbſt man bunte baumwollene Kleider auf den Kauf machte; 4) Jmokawa, ein Dorf von etwa 200 Feuerſtaͤtten; 5) Tſiwa oder Tſiriu, ein geringes und das erſte Staͤdtchen der Provinz Mikawa.

Okaſacki iſt eine anſehnliche Stadt, und die Reſidenz des Landesherrn dieſer Provinz. Man zaͤhlt darinnen 1500 meiſtentheils wohlgebauete Haͤuſer. Sie wird von einer ſehr artigen Hecke von Bambus, an einigen Orten auch von Waͤllen umgeben. Das Schlos liegt an der Suͤdſeite der Stadt, an einem Huͤgel, wo es, dem AnſcheinZweiter Band. J inach,250Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. nach, eine dreifache Mauer hatte, uͤbrigens aber war es mit Graben und uͤber einen nie - drigen Wal aufgefuͤhrten weißen Mauren, auch mit viereckigten ſteinernen Wacht-oder Schieshaͤuſern befeſtigt. Suͤdweſtwaͤrts that ſich der hohe Reſidenzthurm praͤchtig hervor. Die aus etwa 200 Feuerſtaͤtten beſtehende Vorſtadt wurde von einem großen, zwar breiten und waſſerreichen, jedoch nicht tiefen und unſchifbaren, nach der Stadt benamten Strohme queer durchſchnitten. Es ſtuͤrzte derſelbe von Nordweſt aus den naͤchſten Bergen mit ſchnellem Laufe Suͤdwaͤrts nach der See zu. Die daruͤber von Holz ſtark und praͤchtig er - bauete Bruͤcke war, wie die Japaner ſagten, 158 Jkins oder Klafter, nach der Abmeſ - ſung meines Bedienten aber 350 Schritte lang. Von der Vorſtadt an bis in unſere recht anſehnliche Herberge konte man eine halbe Meile rechnen.

Des Nachmittags gieng unſer Weg fuͤnf Meilen weiter bis zu dem Staͤdtchen Akaſacka. Außer der einzigen kleinen Stadt oder vielmehr Flecken Fuſikawa, andert - halb Meilen von Okaſacki, und einem ziemlich großen Fluſſe zwiſchen dieſen beiden Oertern, deſſen Bruͤcke die Laͤnge von 130 Schritten hielt, paſſirten wir viele kleine Doͤrfer. Eine halbe Stunde von Fuſikawa, bei dem Doͤrfchen Oſjira, fielen uns drei Paar Bickuni oder geſchorne Bettelnonnen, auch eben ſo viele junge aus dem Walde hervorkommende Jammabos oder Bergpfaffen, an; jene gaben ſich mit Singen, dieſe aber mit Predigen alle moͤgliche Muͤhe, um uns zu einer Gabe zu bewegen, die jedoch die erſteren reichlicher empfiengen, weil ſie uns mit ihrer Vokalmuſik eine gute Weile begleiteten.

Akaſacka macht eine groͤßtentheils wohl bebauete, mit vielen und den ſchoͤnſten Herbergen verſehene Gaſſe aus. Man trift darin nicht wenige aufgepuzte Dirnen an, be - ſonders aber ſind die Herbergen davon ſehr vol, wo ſie den Gaͤſten aufwarten muͤſſen. Es hat auch daher dieſer Ort den Namen eines Hurenſtapels bekommen. Weiter hin in den Gaſthaͤuſern ſollen jedoch die Aufwaͤrterinnen von etwas beſſerer Auffuͤhrung ſeyn.

Auf unſerer heutigen vormittaͤgigen Marſchroute hatten wir bisweilen einen Wald oder Gebuͤſche, auch oͤfters Ackerland, durchgehends aber eine Flaͤche vor uns, die von Tſiriu fuͤnf Meilen bis zum Gebirge ſich zu erſtrecken ſchien; am Nachmittage hingegen war das Land von Okaſacki anderthalb Meilen bergigt, das uͤbrige eben und zum Theil wohl kultivirt.

Den 7 Maͤrz, Mitwochs, konten wir wegen unſers alten mit Gichtſchmerzen be - hafteten Dolmetſchers erſt um halb neun Uhr zum Aufbruche kommen. Zu Array, ſieben Meilen von hier, hielten wir heute Mittag, und zu Famma matz, etwa noch vier Mei - len weiter, das Nachtlager. Goju von beinahe 300, Khomra von etwa 150, und Simoſji von 100 Feuerſtaͤtten, gehoͤren unter die namhafteſten Doͤrfer, die wir paſſirten. Bei251Zehntes Kap. Reiſe von Miaco bis Famma matz. Bei dem lezteren zogen wir uͤber eine 300 Schrit lange Bruͤcke in die Vorſtadt von Joſjida oder Joſtſjida, drei Meilen von Akaſacka.

Dieſe auf einer Anhoͤhe gelegene Stadt Joſjida, die nur des aͤußern Anſehens halber mit Pforten und mit weniger Manſchaft beſezten Wachthaͤuſern verſehen iſt, begreift in einer langen und einigen wenigen kurzen Nebengaſſen etwa tauſend mit duͤrftigen Buͤr - gern bewohnte ſchlechte Haͤuſer in ſich. Jn den beiden laͤngſt der Landſtraße erbaueten Vorſtaͤdten, zaͤhlt man in der vorderen hundert, und in der hinteren 250 Haͤuſer. Jm Gan - zen nahm unſer Durchzug eine Stunde weg. Drei Theile des an der Nordoſt Seite lie - genden Schloſſes ſind mit Graben und Waͤllen, der vierte aber durch den vorbeifließenden Strohm befeſtiget, die hohen, weißen und zierlichen Mauren hingegen ohne Wehr-und Schiesthuͤrme, weil uͤberhaupt das Schlos nur zu einem Aufenthalt der durchreiſenden gro - ßen Herren angelegt worden. Der Commandant deſſelben hatte 20 Bugjos und vornehme Militaͤrperſonen an den Weg geſtelt, um unſerm Train eine Ehre zu erweiſen. Man macht und verkauft in Joſjida viele Schmiedearbeit, und die Bauren, da es eben Jahrmakt ſeyn mochte, ſtanden mit ihren Waaren an Holz, Blaͤtterheu, Erbſen und allerlei Feld - fruͤchten feil.

Nachdem wir auf dem Wege von hier ohngefaͤhr noch fuͤnf Meilen bis Array kei - ne große Doͤrfer oder Flecken, außer Sjiroſacka, am Ufer des Meers, von 200 Haͤuſern, fanden, hier aber den wunderhohen und ſchoͤnſten Berg der Welt Fuſi oder Fuſi no Jamma zum erſtenmale erblikten, ſo erreichten wir von da nach einer halben Meile das offene Staͤdtchen Array ſelbſt.

Es liegt daſſelbe der offenbaren See ganz nahe, an der Enge eines kleinen Hafens oder Meerbuſens, und beſtehet aus etwa 400 Haͤuſern. Es wird alhier die Bagage aller Reiſenden, inſonderheit aber der Landesherren von dazu beſtelten Kaiſerlichen Commiſſarien unterſucht, um zu verhindern, daß nicht irgend ein Frauenzimmer derſelben Landesherren, noch einiges Gewehr und Waffen ſich durchſchleiche, und mit uͤbergefuͤhrt werde. Die Abſicht davon iſt eine politiſche Maxime des Kaiſers, denn, was das Frauenzimmer be - trift, ſo muͤſſen die Landesherrn ſolches jederzeit in der Kaiſerlichen Reſidenz laſſen, und ſolchergeſtalt mit den Jhrigen dem Kaiſer gleichſam ein Pfand geben, daß ſie ihm mit Treue verbunden bleiben wollen; Gewehr und Waffen hingegen laͤſt man aus dem Grunde nicht paſſiren, damit nichts wider den Kaiſer unternommen werden koͤnne, und alle Gele - genheit zu einem Aufruhr abgeſchnitten ſeyn moͤge. Jn Anſehung unſerer Guͤter lies man es, ohne ſie zu oͤfnen, bei einer algemeinen Beſichtigung, bewenden, nur machte mein hinter dem Sattel angebundener Adofsky oder Feleiſen wegen des Gewichts einige Schwie - rigkeiten, und erregte den Zweifel, ob etwa Gewehr darinnen verborgen waͤre, wiewol es nach genugſamer Bedeutung nicht dazu kam, ihn abzupacken und zu eroͤfnen. Als dieſeJ i 2Unter -252Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Zehntes Kap. ꝛc. Unterſuchung vorbei war, machten wir uns den Kaiſerlichen Commiſſarien bekant; ſie nahmen uns mit Hoͤflichkeit auf, ohne uns in unſerm Fortkommen weiter im geringſten Aufenthalt zu verurſachen. Wir fuhren demnach mit einer Kaiſerlichen Luſtbarke eine halbe Meile uͤber bis zur andern Seite in das Dorf Maijaſacka. Der Hafen alhier, Sawo genant, hat Meilen im Umkreiſe, ziehet ſich in die Runde unter das Gebirge, und ge - gen Oſten in eine ſchmale Spitze, woſelbſt noch ein und andere Wacht gehalten wird, um zu verhindern, daß niemand einen Umweg nehmen und der eben gedachten Unterſuchung entgehen koͤnne; (es iſt dieſer Hafen fuͤrnehmlich ein Sund, ſehr untief, welches die ein - fahrenden Schiffe bei unguͤnſtigem Wetter mit Schaden erfahren muͤſſen)*)Fehlt in der Engl. Ueberſ.. Zu Maija - ſacka beſtiegen wir friſche Pferde, und kamen nach drei Meilen durch wenige Doͤrfer des des Abends ſpaͤt um fuͤnf Uhr zu Famma matz an.

Famma matz iſt ein Staͤdtchen von etlichen hundert ſchlechten Haͤuſern, und we - nigen, jedoch regelmaͤßigen Gaſſen, die bei Tage wegen der vielen offenen Buden gar ſchoͤn ins Auge fallen. Es liegt daſſelbe in einer fuͤr einen Fusgaͤnger ¾ Stunden erforderli - chen Laͤnge, auf einem fruchtbaren ebenen Boden, deſſen Flaͤche zur rechten Hand eine Meile bis zur See, zur linken Hand auf vier Meilen bis unter das Gebirge fortſtreicht. Mitten in der Stadt an der Nordſeite ſiehet man ein geraͤumiges, aber unbefeſtigtes, und blos mit einer Mauer umgebenes Schlos. Weil es Jahrmakt, oder ſonſt ein Feiertag ſeyn mochte, zogen die jungen Buben bei brennenden an Bambusſtoͤcken getragenen Later - nen mit Trommeln und andern klingenden Jnſtrumenten Schaarweiſe umher.

Auf den erſteren drei Meilen haben wir heute Vormittags wenig bewohntes, doch allezeit ein ebenes und ziemlich, hauptſaͤchlich um Joſjida, kultivirtes Land, auf den fol - genden zwei Meilen aber lauter Reis-und Kornfelder erblikt, wornach eine angenehme mit Gebuͤſchen, Tannen-und Cedernwaͤldern untermengte Flaͤche bis Array fortlief; von da aus der Weg gleichfals eben, voller Buſchwerk und anmuthig, jedoch auch wiederum we - nig bewohnt war.

Eilftes253

Eilftes Kapitel. Fortſetzung unſerer Reiſe von Famma matz bis zur Kaiſerlichen Reſidenz Jedo. (60 Japaniſche Meilen und 38 Straßen.)

Den 8 Maͤrz, Donnerſtags, erfolgte unſere Abreiſe von Famma matz wegen der Un - paͤslichkeit des Oberdolmetſchers etwas ſpaͤter als ſonſt gewoͤhnlich. Wir gelangten nach zwei Meilen an den ſchnellen Strohm Ten rju, welcher hier zwiſchen ſeinen auf eine viertel Stunde entfernten Ufern in zwei Arme getheilt abflos, durch deren erſteren wir mit Pferden, den andern aber mit Kaͤhnen uͤberſezten, und ſodann wiederum ritten, um Fuckuroy, einem Flecken von 400 Feuerſtaͤtten, wo wir ſpeiſen wolten, zu erreichen. Tab. XXIX. Dazwiſchen aber beruͤhrten wir noch viele in unſerer Charte bezeichnete Doͤrfer, auch die Staͤdte Mitzkadeh und Mitzka, deren jene (nebſt einer anzumerkenden ſehr anſehnlichen zu einem Tempel fuͤhrenden ſteinernen Tori oder Pforte) 250, dieſe beinahe 500 Haͤuſer ſtark war, und darauf eine 150 Schrit lange Bruͤcke. Nachmittags zwei Japaniſche Mei - len von Fuckuroy wurden wir durch die Stadt Kakinga oder Kakingawa gefuͤhrt. Dieſe hatte zu beiden Seiten eine Vorgaſſe, Pforte und Wache, auch an der Nordſeite eine große, doch nur mit einer bloßen Mauer ohne Wehrtuͤrmer umgeben, und inwendig mit einem weißen dreifach erhabenen Staatsthurm gezierte Burg. Es trug ſich bei un - ſerm Durchzuge alhier folgendes Ungluͤk zu: ein armer Buͤrger hatte einen großen Keſſel auf dem Feuer, um ein aus gewiſſen Fruͤchten gezogenes Oel darinnen zu ſieden; waͤhrend dem, daß er, unſern Train zu ſehen, ſich mit den ſeinigen in die Thuͤr ſezte, mochte das Oel die Flamme ergriffen haben, und ſo gerieth in einem Augenblik ſein Haus, und weil eben ein ſtarker Wind wehete, auch das naͤchſte davon in vollen Brand, den wir hinter uns nicht gewahr wurden, als wir aus der mit einem Nebel ploͤzlich bezogenen Luft vielmehr ein großes Gewitter vermutheten, und daher auch unſere Regenmaͤntel bei die Hand nah - men. Der Sturmwind indeſſen trieb uns den heißen Rauch dergeſtalt nach, daß wir, um nicht zu erſticken, mit einem ſehr eiligen vollen Trabe vorwaͤrts fliehen muſten. Auf einerJ i 3Anhoͤhe254Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Anhoͤhe einige hundert Schritte von der Stadt ſahen wir zuruͤk und alles mit Rauch und Flamme bedekt, woraus faſt nichts als nur noch der Schlosthurm hervor ſtand. Auf un - ſerm Ruͤkwege fanden wir hernach auch wuͤrklich das Schlos unverlezt, aber etwa die halbe Stadt, fuͤrnemlich den groͤßten Theil der langen Mittelgaſſe, und in allem ohngefaͤhr 200 Haͤuſer in der Aſche.

Zwei Meilen von hier zu Niſji ſacka, einem Flecken mit 200 Feuerſtaͤtten, mu - ſten wir die Pferde mit Cangos verwechſeln, und uns zwei Meilen uͤber ein Gebirge bis zu dem Flecken Canaja tragen laſſen, von da wir wiederum ritten, und nach einer viertel Stunde an den großen und beruͤhmten Flus Ojingawa gelangten, der von den naͤchſten Gebirgen ſo ſchnel wie ein Pfeil ſich herab, und nach einer halben Meile von hier in die See ſtuͤrzt. Weil es lange nicht geregnet hatte, ſo fuͤllete er ſeine eine gute viertel Meile von einander entfernte Ufer gar nicht aus, ſondern lief fuͤr dasmal in vier Armen getheilt ab. So unmoͤglich es iſt, ihn bei hohem Waſſer durchzuwaden, ſo gefaͤhrlich iſt ſelbiges bei trockenem Wetter wegen der Gewalt des Waſſers und der vielen ſich von den Bergen herabwaͤlzenden großen Steine; weshalb denn auch des Grundes kundige Leute beſtelt ſind, welche Menſchen und Pferde fuͤr einen gewiſſen Preis durchfuͤhren, und mit ihrem Leben ſchlechterdings dafuͤr haften muͤſſen, daß niemand verungluͤcke. Dieſer Preis iſt nach der Tiefe oder Hoͤhe des Waſſers beſtimt, die auf einem beim Ufer aus dem Waſſer hervorſte - henden Balken mit Graden abgemeſſen und bezeichnet iſt. Ungeachtet gegenwaͤrtig das Waſſer nicht tief war, ſondern den Pferden kaum uͤber die Knie reichte, wurden dennoch jedem fuͤnf Fuͤhrer beigegeben, deren auf jeder Seite zwei das Pferd unter dem Bauche und der fuͤnfte beim Zaume angefaſſet hielt. Bei hoͤherem Waſſer muͤſſen auf jeder Seite ſechs Perſonen in zwei Reihen gehen, davon zwei das Pferd, und die anderen wiederum dieſe beiden und ſich unter einander anfaſſen und halten. Den Japaniſchen Schriftſtellern und Poeten giebt dieſer ſehr beruͤhmte Flus wegen ſeiner Beſchaffenheit und Eigenſchaften zu mancherlei Anſpielungen Gelegenheit. Das Hinuͤberſetzen dauerte beinahe eine halbe Stunde, da wir dann alsbald in den aus einer eine viertel Meile langen Gaſſe beſtehenden Flecken oder Staͤdtchen Simada kamen, woſelbſt wir die Nacht verblieben, nachdem wir Vor - mittags fuͤnf, Nachmittags ſechs Meilen hinter uns gelegt hatten. Bis Farangawa ſa - hen wir heute ein ebenes, fruchtbares Land und viele Ackerfelder, von da bis zu unſerm Nachtlager aber einen meiſtens unfruchtbaren und bergichten Boden. Nach Mitzka hin (alwo auf eine halbe Meile zur linken das Gebirge, und zur rechten die See war) paſſirte man eine halbe Meile lang durch Gebuͤſche, Waͤlder und mit Theeſtauben am Rande be - pflanzte Aecker. Unter denen uns heute begegneten verſchiedenen Gattungen von Betlern war ein Knabe von etwa 13 Jahren, dem eine hoͤlzerne Maſchine, und uͤber derſelben ein in acht Straͤngen zertheiltes Strik mit einem platten Gloͤkchen an jedem Ende, vom Halſe herabhieng. Man

Tab: XXIX.

255Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. Man konte es kaum ohne Schwindel und Blenden der Augen anſehen, wie ſchnel er ſich auf einer Stelle eine gute Weile herumdrehete, ſo, daß ſich die Maſchine mit ihm horizontal be - wegte, indem er zugleich mit einem Hammer in der Hand auf die Glocken zu ſchlagen und dadurch eine nicht unebene Muſik zu machen wuſte.

Den 9 Maͤrz, Freitags, verließen wir um ſieben Uhr die Herberge, und kamen zu einem großen Strohme, welcher von dem jenſeit gelegenen Staͤdtchen Fuſ ji Jedo, den Namen Fuſ ji Jedo gawa fuͤhrte. Er iſt breit und ſchnel, und ohne Huͤlfe des Grundes kundiger darzu beſtelter Leute gefaͤhrlich durchzuwaden, wiewol er vorjezt, wegen der trocke - nen Zeit, ſeine Ufer nicht erfuͤlte. Die Stadt ſelbſt hatte beim Ein-und Ausgange zwar Pforten und Wachten, jedoch groͤßtentheils von Leimen in einer krummen Gaſſe erbauete ſchlechte Haͤuſer. Unſer Durchzug erforderte uͤberhaupt eine gute halbe Stunde. An der linken Seite ſtand die Burg des alhier reſidirenden Regenten. Nicht weit von dieſem Orte zur rechten Hand eine halbe Stunde vom Wege wurde uns ein beruͤhmtes Schlos gewieſen, das man Fanna Kaſjioo nante. Eine Meile weiter ritten wir uͤber eine 50 Schrit lange Bruͤcke eines Fluſſes ins Dorf Okabe, und noch eine viertel Meile zwiſchen dem Gebirge in den Flecken gleiches Namens, von da aber zwei Meilen wiederum uͤber ein muͤhſames Gebirge (alwo der angefuͤhrte Flus entſpringt) auf einem ſteinigten, ungleichen, krummen Wege bis in die Ebene und zu der kleinen Stadt Mariko von etwa 300 Haͤuſern. Nach hierſelbſt gehaltener Mittagsmahlzeit gieng es mit unſern Pferden und Norimons wiederum fort, bis, nach einer halben Stunde, an das zwiefache Dorf Abikava, das durch einen großen Flus, der ſich ohnweit von hier mit drei Armen in die offene See ergießt, in zwei Theile zerſchnitten wird. Eine viertel Stunde von dieſem Fluſſe befanden wir uns in der Hauptſtadt Suruga oder Syringa, bisweilen Sumpu, auch, nach ihrem Kaſtel, Futſju, gewoͤhnlich aber nach der Provinz mit dem erſteren Namen, naͤmlich Surugu genant. Sie iſt offen und ohne Pforten, hat uͤbrigens ſehr breite, ebene, ſich kreuzende Gaſſen und niedrige, neben den vielen Krambuden, mit Kramwaaren verſehene Haͤuſer. Man fabricirt alhier von Papier bunte Stoffe zu Kleidern, auch von Binſen und geſpalte - nem Rohr kuͤnſtlich gewirkte oder geflochtene Sonnenhuͤte, Koͤrbe, Schachteln und aller - hand feine und mit Firnis uͤberzogene Sachen, und verkauft ſie fuͤr einen geringen Preis. Man ſchlaͤgt, wie in Jedo und Miaco, hierſelbſt auch Muͤnzen, als: Cobangs, oder laͤngliche ovale platte Goldſtuͤcke von fuͤnf Dukaten: (Obangs, die ſo viel als 10 Cobangs koſten, aber nur von das Gewicht halten*)Fehlt bei Scheuchzern.,) und Jtzibos, oder laͤngliche viereckigte Goldſtuͤcke von Dukaten.

Die256Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Die Burg an der Nordſeite iſt ein Quadratgebaͤude mit Graben und hohen Waͤl - len von Quaderſteinen aufgefuͤhrt umgeben, vor wenigen Jahren aber ihres hohen weit ins Feld leuchtenden Thurms durch eine Feuersbrunſt beraubt worden, die, wie man ſagte, von einem auf dem oberſten Stokwerk von langer Zeit her gelegenen Haufen Taubenmiſt, der ſich durch die Bruͤtung entzuͤndet, entſtanden ſey. Da ſich ſolches oft und mehrmals zugetragen haben ſol, ſo pflegt man die unbewohnten Oberfaͤcher des Haufes wider den Zu - flug der Tauben zu verwahren. Es hatte auf gedachter Burg der aͤlteſte Bruder des Kai - ſers Tayto Kuni, natuͤrlicher Sohn des hier reſidirten Kaiſers Gongin, nachdem er zuvor Landesherr dieſer Provinz geweſen war, ſeine Verbannung, weil er dem Bruder die Krone entreißen wollen, viele Jahre und bis er durch einen Bauchſchnit ſich ſelbſt das Leben geendigt, aushalten muͤſſen.

Der Weg durch die Stadt betrug eine Stunde. Die Jugend ſchien hier ſitſam und von guter Erziehung zu ſeyn, weil man von ihnen keine Tooſin bai bai, wie an an - dern Oertern, nachſchreien hoͤrte.

Jn dem folgenden zwar ſchlechten doch angenehm liegenden Flecken Jeſira oder Jſiri, drei Meilen von Suruga ohnweit dem Meerbuſen, der, (ſo wie jeder alhier mit einem beſondern Namen, alſo auch dieſer) Totomina genant wird, befanden ſich groͤßtentheils in einer langen krummen Gaſſe etliche hundert Haͤuſer und unter dieſen ziemlich gute Herbergen. Es iſt dieſer Ort von einem tiefen Fluſſe durchſchnitten, auf welchem man das beruͤhmte Jeſern Holz, das die Haͤrte des Eiſens hat, herab zur See und ſodann durch ganz Ja - pan verfuͤhrt. Nicht weit hievon bei einem Dorfe iſt ein Hafen, worinnen die Kaiſerlichen Kriegsbarken ſtil liegen, die im Nothfalle zu deſſen Beſchuͤtzung dienen muͤſſen. An eben dem Ufer etwas weiter hin auf einem hohen Berge liegt eine von den Japanern fuͤr unuͤber - windlich gehaltene Veſtung, Kuno oder Kono genant, die in vorigen Zeiten zur Be - wahrung der Kaiſerlichen Schaͤtze erbauet worden, wiewol die jetzigen Kaiſer lieber ihre Burg zu Jedo, wo ſie ſelbſt gegenwaͤrtig ſind, dazu auserſehen haben. An den in jener Gegend befindlichen Gold-und Silberminen arbeitete man vorjezt gar nicht. Wir blieben zu Jeſira die Nacht uͤber. Ohne die zwei Meilen, die wir durchs Gebirge getragen worden, reiſeten wir heute allezeit, ſo Vor-als Nachmittags, durch ein bewohntes, gut angebauetes, plattes Land, und trafen auf dem Wege viele unbekante Pflanzen, imgleichen in den Gaͤr - ten der Haͤuſer gepropfte Baͤume an, die auf einem Stamme manche Verſchiedenheit in der Flor zeigten, davon ich aber die eigentliche Beſchreibung einem andern Orte vorbehalten wil. Vor und hinter Suruga konte ein Reiſender den verſchiedenen Haufen ſich zuſammenrottirter Betler nicht ausweichen; bald ließen ſich die Bickuni oder jungen Bettelnonnen mit ihren Liedern, bald die Jammaboſen oder Bergpfaffen mit ihren Reden und darauf mit einem ſtarken abſcheuli - chen Geheule hoͤren, das ſie auf einer großen Seemuſchel machten: hier hatte man ihre Soͤhne,die257Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. die kleinen jungen Bergpfaffen, auch beſonders gekleidet, vor ſich, die gleichfals eine Rede hielten, und mit ihren voller Ringe hangenden Staͤben bisweilen darunter raſſelten: dort ſahe man auch wol einige einzelne Jſje Walfahrer, von welchen uns unter andern ein Knabe, als wir ihn fragten, wo er zu Hauſe gehoͤre? antwortete: in einem Dorfe der Pro - vinz Oſju, 80 Meilen hinter Jedo! Gewis, eine ganz beſondere Art von Andacht, mit Einfalt verbunden, woruͤber ſich der wahre Gott erbarmen mag.

Den 10 Maͤrz, Sonnabends, reiſeten wir vor Sonnenaufgang aus, und mach - ten des Vormittags bis Joſtſjiwara Meilen, und des Nachmittags bis Miſjima fuͤnf Meilen.

Von Jeſere auf eine bis ein und eine halbe Stunde, gelangten wir in Kijomitz, einem kleinen Dorfe, nicht weit von dem Staͤdtchen Okitz, ſo aus 200 Haͤuſern beſtehet*)Scheuchzer gedenkt hier des Staͤdtchens Okitz gar nicht, ſondern macht das Dorf Ki -jomitz ſowol hier als im Verſolg immer zur Stadt., unter einem Tannenwalde gelegen, alwo aus dem Sande am Ufer, nachdem es oͤfters mit Seewaſſer beſpruͤzt worden, ein gutes Salz geſotten wird, ſo wie man ſich uͤberhaupt in den folgenden unter dem Gebirge am Ufer des Seehafens befindlichen Doͤrfern bis Cambura wenig vom Ackerbau, wol aber und am meiſten mit Salzmachen naͤhrt, dabei denn zugleich das Weibsvolk auch ſeine Geſchaͤfte hat. So verfertigt man auch alhier ein beruͤhmtes Pflaſter von Tannenharz aus dem erwaͤhnten Walde, und verkauft es bei kleinen in Rinde oder Schilfblaͤttern eingewickelten Stuͤcken. Aus der Gaſſe des Dorfs konte man zur Veraͤnderung auf einer ſteinernen Treppe den Berg hinaufſteigen, und daſelbſt den Tempel Kiro Miſjira in einer angenehmen Lage betrachten, der wegen verſchiedener fabelhaften Geſchichten beruͤhmt iſt. Jch kan uͤbrigens nicht mit Stilſchweigen uͤbergehen, daß in die - ſem Dorfe an der Landſtraße vor jeder, derer 9 bis 10 Buden oder huͤbſch erbaueten kleinen Haͤuſer zwei auch drei 10 bis 12 jaͤhrige wohlgeſchmuͤkte und geſchminkte nach der Reihe or - dentlich ausgeſezte Knaben ſaßen, welche den vorbeireiſenden Liebhabern, die es bezahlen konten, auf eine abſcheuliche und gottloſe Art in weiblicher Geſtalt zu Gebot ſtanden, und nur zu einem Vorwande das ſo eben gedachte Pflaſter zum Verkauf ſeil hatten, damit der Unwiſſende weiter nichts Arges denken duͤrfe, ein anderer hingegen Gelegenheit haben moͤge, ſich dreiſte mit ihnen einzulaſſen. Der Oberbugjo, unſer Fuͤhrer, der ſonſt niemals, als nur wenn wir in die Herberge kamen, aus ſeinem Norimon ſtieg, ſezte ſich auf eine halbe Stunde bei ihnen zum Zeitvertreib nieder, waͤhrend dem wir andere Gelegenheit nahmen, uns ein wenig umzuſehen, und dieſe oder jene Gegenſtaͤnde in Betrachtung zu nehmen. NochZweiter Band. K k258Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Noch mus ich gedenken, daß vor dem Dorfe in dem Tannen Walde ein kleines Bret am Wege hieng, worauf zur Nachricht der Vorbeireiſenden geſchrieben ſtand: daß zunaͤchſt in einem abgezaͤunten Gitter ein todter Koͤrper einer Perſon laͤge, die ſich daſelbſt auf der Walfahrtsruͤkkunſt von Jſje erhaͤngt haͤtte, und die alſo von demjenigen, der ſie kennen oder der ſie vermiſſet habe, alda vorgefunden werden koͤnne.

Von Okitz aus, wo auch wir, die wir ritten, uns in Cangos ſezten, wurden wir erſt durch einen ſchnellen Flus, darnach, weil der rechte Weg von der See abgeſpuͤlt war, uͤber das wie eine Windeltreppe beſchwerlich zu erſteigende Gebirge Tattai, und ſo - dann wiederum durch einen breiten jedoch eben nicht tiefen Flus bis zu dem Dorfe Juͤ oder Jumatz zwei Meilen weit getragen, von da wir, nach wieder beſtiegenen Pferden, in anderthalb Meilen zu dem großen Flecken oder Staͤdtchen Cambara gelangten. Hier verließen wir das noch einige Meilen Oſtwaͤrts fortlaufende Ufer des Hafens, und ritten (da wir vorher zwei Tage Nordoſtlich gereiſet) bis zu dem großen Dorf Jwabutz, andert - halb Meilen Nordwaͤrts gegen den großen ſchnellen und gefaͤhrlichen Flus Fudſi Laua hin - auf, der ſonſt nirgends zu paſſiren war. Es entſpringt derſelbe von dem hohen gegen Nordoſt ſieben Japaniſche Meilen in geradem Striche von hier abgelegenen Berge Fudſi oder Fuſi, von da, ſo wie von deſſen umliegenden niedrigern Gebirgen, er mit großer Gewalt herab - ſtuͤrzt, und ſich in den Meerbuſen Totomina ergießet. Er iſt ſehr breit und hat nicht allenthalben Waſſer, ſondern flos in zwei Armen ab, wogegen man in der Mitte auf dem Jnſelplatze Krambuden aufgerichtet ſahe. Den einen Arm konten wir durchwaden, uͤber den andern aber nicht ohne Gefahr und nicht anders als mit Schiffen, die man Pramen nent, uͤberſetzen. Es ſind dieſe Art Schiffe wegen der Schnelligkeit des Fluſſes ſowol als wegen des flachen und ſteinigten Grundes mit einem breiten platten Boden von ſchwankenden Brettern gezimmert, ſo, daß ſie ſich uͤber die ſteinigten Hoͤhen hinbiegen koͤnnen, indem ſie von den Waſſerwellen gleichſam wie ein Laub bewegt werden. Erſt wurden ſie am Ufer hoch hinauf gefuͤhrt, alsdenn abgeſtoßen und den Strohm hinunter gelaſſen, da man indeſſen durch ſtetes Laviren an die gegenuͤber gelegene Seite kam. Nachdem dieſes geſchehen, ſezten wir uns wieder zu Pferde, paſſirten viele an einander ſtoßende Dorfgaſſen, und er - reichten in anderthalb Meilen Mittags um ein Uhr das Staͤdtchen oder Flecken Joſtſji wara. Auf unſerer ganzen Reiſe war uns alhier der mehrmals gedachte Berg Fudſi, Fuſji oder Fuſi Jamma am allernaͤchſten, und zwar nach dem Kompaſſe (der hier fuͤnf Grade nach Oſten abwich) ſechs Japaniſche Meilen in gerader Linie entfernt, wozu jedoch fuͤr einen, der dahin wil, wegen Kruͤmmen der Wege erſt ſieben Meilen bis an den Flus oder an das darunter liegende Feld und denn wieder ſechs Meilen, um durch den Schnee bis auf die Spitze zu kommen, erfordert werden. Er iſt, wie der Teneriffa, von unglaublicher Hoͤhe, und es ſcheinen gegen ihn die umherliegende Gebirge nur niedrige Huͤgel zu ſeyn, daher er unsauch259Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. auch auf unſerer Reiſe viele Meilen weit zu einem Wegweiſer, mir aber noch beſonders zu einem Maasſtabe bei meiner Charte diente. Seine Figur iſt kegelfoͤrmig, gleich und an - ſehnlich, ſo, daß man ihn billig fuͤr den ſchoͤnſten Berg der Welt ausgeben kan, wiewol er von Gras und Pflanzen uͤberhaupt entbloͤßt, und die meiſte Zeit faſt ganz mit einem weißen Schneemantel, wenn ich ſo reden darf, bedekt iſt, er wenigſtens auch auf der ober - ſten Spitze bleibt, wenn gleich die almaͤhlige Sommerhitze vieles davon wegnimt. Nach dem Berichte derer, die ihn beſtiegen, hat er auf ſeiner Hoͤhe auf einem hohlen huͤgelichten Platze eine mit Waſſer erfuͤllete Tieſe, woraus vor Alters Flamme und Feuer mit der Aſche geflogen, und wodurch endlich das Kekelfoͤrmige entſtanden. Da der Wind oben niemals ſtille, ſondern in ſteter Bewegung iſt, weshalb man auch aus Andacht hinaufſteigt, um dem Aeolus ein Opfer zu bringen, ſo ſtellet der beſtaͤndige Schneeſtaub einen wirklichen Rauch vor. Man braucht drei Tage, um hinauf, hingegen nur drei Stunden, um wieder herunter zu kommen, da man im leztern Fal einen Schilf-oder Strohkorb zu Huͤlfe nimt, den man unter die Huͤfte bindet, und damit zur Sommerszeit im Sande, des Winters aber im Schnee herabglitſcht. Die Jammabos oder Bergpfaffen machen hier einen Orden des Aeolus aus: das Wort Fuſji Jamma iſt bei ihrem Betteln und ſonſtigen Reden die Loſung. Die Japaniſchen Poeten und Maler wiſſen die Schoͤnheit dieſes Berges nicht ge - nug zu ruͤhmen und vorzuſtellen.

Jn dem armſeligen auf eine halbe Meile lang auf einem ſandigten Grunde zer - ſtreuet liegenden Dorfe Mottoi Sjoiro von etwa 300 Haͤuſern, eine halbe Meile von Joſt ſji wara, wo wir zu Mittag gegeſſen, naͤherten ſich die Kinder bei Haufen unſern Pferden und Cangos, und tummelten mit ihrem kurzweiligen Purzeln ſtets wie ein Rad auf 20 bis 30 Schritte vor uns her, um eine Almoſe zu verdienen, die wir ihnen auch reichlich zuwarfen, und es mit Luſt anſahen, wie ſie in dem Sande uͤber einen Haufen zuſammen, fielen, und einer vor dem andern das Geld zu erhaſchen ſuchte. Es iſt etwas gewoͤhnliches, daß man ſich ſchon zu Joſt ſji wara mit einem Seil vol Caſſen verſiehet, um damit die - ſen armen Kindern eine Freude zu machen, indem ſie die Reiſenden oft auf eine halbe Meile, oder ſo lange man ihnen was hinwirft, verfolgen. Caß iſt eine die Groͤße eines drei Groſchen Stuͤks und den Wehrt eines Hellers habende meſſingene platte Muͤnze, die in der Mitte ein Loch hat, wodurch man ein Seil ziehet und ſie bei ſich aus Pferd binden und mitfuͤhren kan.

Das Dorf Farra von 250, und das Staͤdtchen oder Flecken Numitſju von bei - nahe 2000 Haͤuſern, waren unter den von da bis zu unſerm Nachtlager paſſirten vielen be - wohnten Oertern die vornehmſten.

Numitſju iſt offen, und gleicht mehr einem Dorfe als einer Stadt. Die mit - lere Gaſſe ziehet ſich auf eine halbe Meile in die Laͤnge. Unſere Bedienten beſuchten alhierK k 2aus260Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. aus Neugierde einen Kama no mia, auch Sanno mia genanten Tempel, um des Jo - ritomo oder deſſen aͤlteſten Bruders Joſttſjne, erſten Feldherrn und weltlichen Kaiſers, be - ruͤhmten großen Kuͤchen-oder Jagdkeſſel, den man daſelbſt als eine ſonderbare Raritaͤt auf - weiſet, zu beſehen: er iſt, wie man ſagt, uͤber zwei Matten weit, und man ſol die auf den großen Jagden um Fuſino Jamma gefangenen wilden Schweine darinnen gekocht haben.

Jn Numitſju uͤberfiel uns die Nacht, daher muſten wir die noch uͤbrigen andert - halb Stunden bis Miſjima im Finſtern reiſen; außer einigen an einander haͤngenden kleinen Doͤrfern trafen wir auf eine 49*)Scheuchzer ſezt 45. Kin oder Klaftern lange Bruͤcke, deren Flus zwiſchen den Bergen Aſtaga und Fakone entſpringt, und durch Huͤgel und Felder bis hieher ab - und nach dem Hafen zuflieſt. Einige nanten dieſen Flus Kſingaua, andere aber Kama ga futs. Die leztere Benennung hat ihren Urſprung in folgender Geſchichte: Jn dem vorhin erwehnten Tempel Sanno wurde eine ungeheuer große Kama oder Jaͤgerſenſe auf - bewahrt, deren man ſich in der Fuſino makigari (ſo heißet man die alten großen Jagden um dieſes Gebirge) bedient hatte. Einsmals des Nachts machen ſich Diebe in den Tem - pel, und ſtehlen die Kama weg, dieſe aber wird ihnen ſo ſchwer, daß ſie ſelbige von ſich in den Flus werfen, wodurch denn der Flus eine ſolche Futz oder Tiefe gewonnen, daß er den Namen Kama ga futz uͤberkommen hat. Die Kama oder Senſe ſelbſt iſt in eine Seele verwandelt worden, die anjetzt den Flus regiert.

Miſjimma, eine kleine Stadt, die nach meinem Ueberſchlage ohne die Vor - ſtadt**)Scheuchzer thut von keiner Vorſtadt Meldung. aus 650 Haͤuſern und einer viertel Meilen langen Mittelgaſſe beſtand, wurde von zwei Fluͤſſen durchſchnitten, und am Ende von einem dritten beruͤhrt. Sie waren alle we - gen ihrer ziemlichen Tiefe mit Bruͤcken belegt. Jm Jahr 1686 brante die ganze Stadt ab, und mit ihr die verſchiedenen alten vorzuͤglichſten, und wegen vieler Fabeln beruͤhmten Goͤtzenhaͤuſer und Kapellen. Sie iſt ſeitdem weit ſchoͤner wieder aufgebauet. Einen von den in die Aſche gelegten beruͤhmten Tempeln, Miſjima Miaſin genant, hat man gleich - fals auf einen weiten mit Quaderſteinen gepflaſterten Plaz wiederum hingeſezt, den ich bei Gelegenheit unſerer zweiten Hofreiſe beſchreiben werde.

Unſer heutiger Marſch bis Cambara begrif ein ſchlechtes und bergigtes Land, von da aber bis Joſtſjiwara, und ſonderlich die Gegend dieſes Fleckens, eine gute und mit Reisfeldern bebauete Ebene, welche ſich jedoch hernach bald ſandigt und unfruchtbar, bald wieder von mittelmaͤßiger Guͤte beweiſt.

Den 11 Maͤrz, Sontags, nach Aufgang der Sonne, ſezten wir uns in Cangos, worin wir fuͤr heute bis in die Stadt Odowara, nemlich uͤber das Gebirge Fackone unddurch261Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. durch verſchiedene in der Charte bezeichnete Doͤrfer, acht Meilen getragen wurden. Des Vormittags gieng es vier Meilen Berg an, meiſtens uͤber einen kahlen hier und da mit Rohr und Schilfgras bewachſenen Boden. Mein Japaniſches Dodſutski oder Reiſebuch ermahnte den Reiſenden, ſich beſonders auf dieſem einſamen Wege in Acht zu nehmen. Auf der aͤußerſten Hoͤhe des Berges ſahe man zur Seite einen langen Graͤnzſtein, der den Anfang der Herrſchaft Odowara andeutete, und zugleich die Provinz Jdſu von Sagami ſcheidete. Von hier drehete man ſich ferner wiederum muͤhſam Berg unter, und erhielt nach etwa 10 Straßenlaͤngen oder nach einer Stunde den Flecken Togitz, der gemeiniglich mit dem Namen des Gebirges Fackone genent wird, und wo wir, als auf der Haͤlfte unſers heutigen Weges, Mittag machten. Sowol die Lage als verſchiedene andere Um - ſtaͤnde, fuͤrnemlich die angraͤnzende Mittellaͤndiſche Bergſee machen dieſen Ort ſo merkwuͤr - dig, daß ich mich ein wenig dabei auf halten mus. Der Flecken an ſich beſtehet aus etwa 250 ſchlechten Haͤuſern, meiſt in einer langen Bogenweiſe gekruͤmten Gaſſe am Suͤdoſtufer der gedachten auf ſo hohem Gebirge gleichſam in der Luft gelegenen See, welche jedoch, da ſie noch von andern rauhen Bergen umgeben und beſchloſſen wird, nicht uͤberlaufen und austreten kan. (Der inzwiſchen noch weit hoͤher hervorragende Fuſino Jamma war von hier etwas Noͤrdlicher als gegen W. N. W. zu ſehen.) Die Breite derſelben iſt, von O. bis W., eine kleine halbe, und von S. bis N. eine große Japaniſche Meile. Unweit dem Nordufer ſol, wie man mir ſagte, ein Goldreiches Erz gegraben werden. Am Oſt - ufer ſtehet der ſpizzulaufende hohe Berg Fitango Jamma, und an deſſen Fuße das Dorf Motto Fackone, zwiſchen welchem und dem Flecken Togitz, Dſoo gaſima, d. i. die Jnſel Dſoo oder Sſjio liegt. Wegen der bergigten rauhen Ufern laͤſſet ſich eben dieſe See nicht wohl umgehen, ſondern man faͤhrt mit kleinen Kahnen, wo man hin wil. Es werden darinnen verſchiedene Arten von Fiſchen gefangen, worunter nur Lachſe und Stroͤm - linge genent werden konten. Die Entſtehung derſelben wurde fuͤr ganz gewis einem Erdbe - ben zugeſchrieben, wodurch vor Alters dieſer Ort eingeſunken; als einen Beweis davon fuͤhrt man die unermeslichen Suggi oder Cederſtaͤmme an, welche ſich in dem tiefen Grun - de von ungemeiner Dicke haͤufig befinden, und die auf Erfordern und Gutfinden des Lan - desherrn von Tauchern losgehoben und heraus gebracht werden. Man trift außerdem uͤberhaupt keinen Ort in Japan an, wo dieſer Art Baͤume ſo hoch, gerade und ſchoͤn und in einer ſolchen Menge wachſen, als hier. Da es weder Fliegen noch Muͤcken hier giebt, ſo wird man des Sommers in ſeiner Ruhe nicht viel geſtoͤrt, des Winters hingegen faͤlt der Aufenthalt eben nicht ſo gar bequem, denn die Luft iſt ſo kalt, ſchwer, dunſtig und un - geſund, daß es ein Fremder, ohne Nachtheil ſeiner Geſundheit, nicht wol lange aushal - ten kan, wie mich denn der ehemalige Generaldirektor der Hollaͤndiſchen Compagnie, der Herr von Camphuyſen, verſichert, daß er ſich ſeinen ſchwaͤchlichen Koͤrper an keinemK k 3andern262Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. andern als an dieſem Orte zugezogen habe. Zu Ende des Fleckens befand ſich eine Kai - ſerliche Wacht, Go ſikki ſo genant, die gleich der zu Array keinen Reiſenden mit Ge - wehr oder Frauensperſonen durchlaͤſſet, und noch weit mehr bedeutet auch ſtaͤrker iſt als jene, weil dieſer Ort gleichſam den Schluͤſſel von Jedo abgiebt, wo die Weſtlaͤnder nicht vorbei und neben her gehen koͤnnen. Das an einer ſehr engen Paſſage ſtehende Wachthaus iſt vorn und hinten mit Stacketen und ſtarken Thoren verſehen, auch zur rechten mit ſtei - len Bergklippen und zur linken mit der See von der Natur befeſtiget.

Nach dem Eſſen verfolgten wir unſern Weg unter dem Geriefel vieler mit man - cherlei ſchoͤnen Pflanzen bewachſener Baͤche durch eine angenehme felſigte Kluft das Gebirge hinab bis zu unſerm Nachtquartier. Wir ſtießen demnach zuerſt auf die gedachte Kaiſer - liche Wache an dem Ende des Fleckens, wo alle Japaner aus ihren Koͤrben und von den Pferden ſtiegen, und ſich der Unterſuchung ihrer Perſonen und Sachen, die jedoch nur obenhin geſchah, in entbloͤſten Haͤuptern unterwarfen. Jn dem Falle eines Atgwohns, daß etwa eine Frauensperſon ſich in einen Mann verkleidet haͤtte, muſten dazu beſtelte Weibsleute eine handgreifliche Erkundigung vornehmen. Eine nach Jedo reiſende Privat - perſon wurde hieſelbſt, als ſie keinen Pas vorweiſen konte, drei Tage gefangen gehalten, und denn erſt wieder ihres Wegs gewieſen. Ein wenig außer dem Thore ſtanden am Ufer nach einander fuͤnf kleine ſchlechte hoͤlzerne Kapellen, und auf dem Altar der beiden erſte - ren ein geſchniztes Bruſtſtuͤk eines alten Weibes; in jeder ſas ein Pfaffe, welcher auf der Glocke ein Namanda ſpielte, d. i. er ſchlug mit dem Hammer auf ein plattes Gloͤkchen, indem er fuͤr die Selen der Verſtorbenen zu Amida das Gebaͤt Namu Amida Budzu, oder ab - gekuͤrzt das Namanda, mit einem klaͤglichen Geheul abſang. Unſere Japaniſchen Fusgaͤn - ger warfen ihnen einige Caß oder Heller zu, worauf jeder ein beſchriebenes Papier erhielt, das er mit entbloͤßetem Haupte ans Ufer trug, und es nahe ans Waſſer mit einem Stein feſt legte, denn man glaubt, daß hierſelbſt unter dem Waſſer der Kerker oder das Fegfeuer der unter ſieben Jahren verſtorbenen Kinder vorhanden ſey, wo ſie bis zu ihrer Erloͤſung buͤßen muͤſten: und weil denn, nach der Lehre der Pfaffen, ihre Selen, ſo wie das Waſſer die auf das Pa - pier geſchriebene Namen und heilige Charaktere abſpuͤlt, eine Linderung fuͤhlen, wo nicht gar die voͤllige Erloͤſung uͤberkommen, ſo mochten unſere erwehnten Japaner vielleicht fuͤr ihre eignen oder ihrer Anverwandten Kinder dies gute Werk in der Meinung verrichten, daß nach alsbald vertilgter Schrift auch dieſer Selen einige Erquickung genießen wuͤrden. Selbſt von den Pfaffen habe ich dergleichen Handlungen mit beſchriebenen kleinen Brettern an andern Bachen vornehmen ſehen. Den eigentlichen Ort der abgeſchiedenen Kinderſelen nante man Sai no kawara, der alhier mit Feldſteinen, die am Uſer Pyramidenfoͤrmig auf einander gehaͤuft waren, angewieſen wurde. Auch ein kleiner und wegen verſchiedener auf bewahr - ter und vorgezeigt werdender Seltenheiten beruͤhmter Tempel, Fackone Gongin, gehoͤrtunter263Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. unter die Kapellen, von denen ich rede; die Merkwuͤrdigkeiten nemlich ſind folgende: 1) vier große und kleine Saͤbel, mit Gefaͤßen von Sawaas mit Gold eingelegt, deren einer vom Blute in ſeiner Scheide eingeroſtet iſt. Sie ruͤhren von gewiſſen alten Kriegshelden (deren Namen und Geſchichte ich uͤbergehe) her, welche damit große Thaten ausgerichtet haben ſollen: 2) zwei koͤſtliche Korallenſteinerne Gewaͤchſe: 3) zwei Pferdehoͤrner, jedes zwei Sun und ſechs Bu lang und eben ſo dicke: 4) zwei ungemein große Seemuſcheln: 5) zwei Steine, davon einer bei einer Kuh, der andere bei einem Hirſche gefunden: 6) ein von Ama gewebtes Himmelskleid, womit die Engel angethan ſind, und womit ſie flie - gen koͤnnen: 7) des erſten weltlichen Kaiſers Joritomo Kami, mit dem Wapen ſeines Herrn bezeichnet: 8) des Kobodais, Stifters der N. *)Dieſe N. Sekte findet ſich ſowol in meinen Handſchriften als auch in der Engliſchen Ueber - ſetzung.Sekte, Handgloͤkchen, welches er unter dem Baͤten gebraucht: und 9) des Takimine eigenhaͤndiger Brief. Jedes dieſer Stuͤcke (die man Gongins Kleinodien heißet) hat wegen ſeines großen Werthes einen eignen Namen bekommen.

Von da fuͤhrte uns ein krummer ſteinigter Weg neben und unter dem Berge Fi - tango hinunter. Als wir nach einer guten Meile bei einem Meilenpfahle umherſchaueten, wurden wir zur rechten Hand den ſchoͤnen mit hohen Baͤumen dicht beſezten Berg Come Jamma, und zur linken Hand in der Hoͤhe einen merkwuͤrdigen Waſſerfal gewahr, da das Waſſer aus der Togitzer See durch Felsloͤcher des Berges Fitango an drei verſchiedenen Oertern herausſtuͤrzte, das ſich nebſt andern von der Seite herkommenden Baͤchen bald her - nach zu einem Waſſerreichen Fluſſe vereinigte, der ſich denn theils neben theils gleichſam unter unſerm Wege in einer ſchreklichen Tiefe durch das enge Thal mit großem Geraͤuſche hinab zur See fiel. Faſt uͤberal war der Weg ſchmal, und es lief derſelbe mehrentheils an dem ſteinigten Ruͤcken der Berge her, auch weit krummer und jaͤher hinunter, als wir ihn Vormittags im Aufſteigen gehabt; wir genoſſen inzwiſchen dabei die ſchoͤnſten Ausſich - ten, die uns von weitem gegen N. O. N. durch das Gebirge die See, und zur Seiten die hohen mit gruͤnen Baͤumen und allerlei Pflanzen bewachſenen Felſen darboten. Die Kraͤu - ter dieſes Orts werden uͤberhaupt von den Aerzten vorzuͤglich kraͤftig gehalten und eingeſam - tet, wie denn unter andern ein Adiantum oder Venushaar mit glaͤnzenden purpur - ſchwaͤrzlichen Stengeln und Rippen, das man hier haͤufig findet, weit hoͤher an Tu - gend als das gemeine an andern Orten geſchaͤzt wird, daher auch keiner uͤber dies Gebirge reiſet, ohne davon einigen Vorrath zu einer Hausarznei mit ſich zu nehmen. Es wird wegen ſeiner vortreflichen Eigenſchaft mit keinem andern als dem algemeinen Namen Fa - ckona Kſa, d. i. Kraut von Fackona benant.

Die264Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Die heute Nachmittag paſſirten fuͤrnehmſten Oerter ſind folgende:

  • 1) Hatta oder Fatta, ein Dorf von etwa 100 Haͤuſern, alwo der Bach Oſawa von der rechten Seite ſich in vorhin beſagten Flus ergos, wodurch er eine Breite erhielt, die bald hernach mit drei Bruͤcken nach einander, jede von neun Klaftern Laͤnge, belegt und uͤberzureiſen war.
  • Zur rechten Hand hinter dem Dorfe hatte man den Tempel Tawa no Dira von der Sekte Senſju.
  • 2) Jumotto, das ſo viel heißet, als: warm Waſſer, iſt ein zwiefaches zer - ſtreutes Dorf. Ein zur rechten Hand jenſeit dem Fluſſe in einem Gebuͤſche entſpringendes heißes Waſſer, das ſich ebenfals, mit einem andern ziemlich ſtarken Bache vereinigt, in mehrgedachten Flus ergos, giebt ihm den Namen.
  • Hinter dem Dorfe iſt ein Sorinſj, und in demſelben ein gedoppelter Dſiſotempel, mit verſchiedenen hervorſtehenden Dſiſoſaͤulen zu ſehen. Als ein Wunder zeigte man hierneben einen Fusſtapfen des rechten Fußes von einem Sohne, der ſeines Vaters erlittenes Unrecht und Tod ruͤhmlichſt geraͤchet, davon jedoch die Geſchichte oder vielmehr die Fabel nicht an - gefuͤhrt zu werden verdient.
  • 3) Jriuda, ein Doͤrfchen, woſelbſt zur linken Hand auf einem mit Quaderſteinen gepflaſterten Platze ein vortreflicher Tempel, Namens Tſjo tai ſi, und an deſſen einer Seiten ein ſchoͤner Springbrunnen, auf der andern eine mit goldenen Charakteren beſchriebene Ta - fel, vor derſelben aber eine ſteinerne Pforte Tſjo too San, mit einer verguldeten Ueber - ſchrift, ſtand.
  • 4) Kattama oder Kaſamatz, ein ſchlechtes Dorf. Gegen demſelben zur rech - ten Hand uͤber den Flus hin liegt ein gruͤner und in der Japaniſchen Geſchichte bekanter Berg Jskaki Jamma, wo der Kaiſer Taiko einsmals mit ſeinem Lager geſtanden, und der auch ſonſt von der Feſtung, die Joritomo auf ſelbigem erbauet, Sjiro Jamma, d. i. Kaſtelberg, genant wird. Außer dem Dorfe gieng zur linken Hand ein Weg nach einem hohen Huͤgel ab, dem man von ſeinem beruͤhmten Steinbruche den Namen Ddowara Jſi (iiſch) gegeben hat, indem von hieraus die Steine nach Jedo verfuͤhrt werden, woſelbſt man ſie zu Feuertoͤpfen zu gebrauchen weis.

Hierauf nun und nach einer viertel Meile von Kattama erreichten wir um halb fuͤnf Uhr Odowaranoitzi oder die Vorgaſſen der ſehr angenehm und nahe an der See ge - legenen Stadt Odowara. Schon an dem vorbei rauſchenden Fluſſe, der aus der Fackener See komt, nehmen die Vorſtaͤdte ihren Anfang, und das zwar mitten in dem gruͤnen mit Baͤumen beſezten Gebirge, das ſich ſo fort zur rechten Hand am Ufer endigt, und zur linken Feld giebt, um der Stadt eine fruchtbare Ebene von einer deutſchen Meile in die Laͤnge zu verſchaffen. Es iſt dieſelbe auswendig mit Thor und Wachten, auch zu beiden Seiten mitganz265Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. ganz artigen Gebaͤuden verſehen. Die Straßen ſind ſauber und ſchnurgerade, und deren eine in der Mitte beſonders ſehr breit. Mit Jnbegrif der Vorſtaͤdte kan man ſie in keiner halben Stunde durchkommen. Die Haͤuſer, etwa 1000 an der Zahl, ſind zwar kleiu, jedoch net und meiſtens weis angeſtrichen, auch viele auf viereckigten Plaͤtzen mit kleinen Luſtgaͤr - ten angelegt. Die mit einem dreimal gefachten weißen neuen Thurm pralende Reſidenz und Kaſtel des Landesherrn liegt nebſt den am Berge hangenden Tempeln in dem Norder - theile der Stadt. Einen Beweis, wie ſehr dieſer Ort, der nahen See oͤhnerachtet, von Handel und Manufakturen entbloͤßet iſt, ſchienen die leeren Krambuden zu geben; man bereitet alhier jedoch den wohlriechenden Catechu (oder Japaniſche Erde) und formirt dar - aus Pillen, Bilder, Blumen und vielerlei Figuren, die man in kleine Schachteln zum Verkauf thut; beſenders das Frauenzimmer macht davon einen taͤglichen Gebrauch, weil damit neben Befeſtigung der Zaͤhne ein guter Geruch aus dem Munde zuwege gebracht wird. Die Hollaͤnder und Sineſen bringen dieſen verdikten Saft roh nach Japan, und wenn er zu Miaco oder Odoware gereinigt und mit Ambra, Borneiſchem Campher und an - dern Sachen angeſezt worden, kaufen ſie ihn wieder ein und fuͤhren ihn aus dem Lande. An der netten Kleidung und dem anſtaͤndigen Weſen der Buͤrger, ſonderlich der galanten Auffuͤhrung des Frauenzimmers, lies es ſich genugſam erkennen, daß nur vornehme reiche Leute hier wohnten, die keinesweges von der Handlung, ſondern von ihren Renten zu leben brauchten, und ſich blos wegen der geſunden Luft und der angenehmen Lage des Orts hier - ſelbſt niedergelaſſen hatten. Die hieſigen jungen Buben waren hingegen wie in Fackona ſehr muthwillig, und zeugten, bei uns wenigſtens, durch ihr unbaͤndiges Nachſchreien von einer ſchlechten Erziehung. Vor dieſem gehoͤrte die Stadt und Herrſchaft dem Hauſe Mino ſama, und war Jnaba Mino no Cami der lezte Beſitzer, der jetzige aber hinge - gen der Kaiſerliche Oberreichsrath Cango Sama. Wir fertigten von hier aus an unſern Wirth in Jedo eine Poſt ab, um ihm unſere Ankunft zu benachrichtigen.

Den 12 Maͤrz, Montags, gieng unſere Vormittagsreiſe, die bis Fuſi Sawa, acht Meilen, beſtimt war, fruͤh vor ſich. So bald wir Odowara hinter uns hatten, ka - men wir an den Flus Sakava, welcher zwar zum hoͤchſten nur drei Fus tief, jedoch und fuͤrnemlich bei angeſchwollenem Waſſer ſo gewaltig ſtrenge iſt, daß man die Ufer mit Daͤm - men erhoͤhet, und wider das Einbrechen mit Buſchwerk und Steinen belegt hatte. Wir ſezten mit platten Schiffen hinuͤber, und paſſirten nach einander die Doͤrfer Kakawa und Kooſi, beide von etwa hundert, Mejigawa und Miſawa von etwa 200 Haͤuſern, auch vor lezterem eine 50 Schrit lange Bruͤcke. Eine Stunde darnach folgte das Staͤdtchen Oyſa von etlichen hundert, und eine halbe Meile weiter der Flecken Firatzka von mehr denn 300 Haͤufern, in den uns eine uͤber den Flus ſelbigen Namens befindliche Bruͤcke von hundert Schritten fuͤhrte. Wiederum nach einer halben Meile erreichten wir das Dorf BanrjuZweiter Band. L loder266Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. oder Bendju von etwa 100 Haͤuſern, und den vorbeifließenden großen und bei den Japa - nern beruͤhmten Flus gleiches Namens. Er rauſchte mit erſchreklicher Gewalt ins Meer hinunter: ihn durchzuwaden war nicht ſowol wegen der Tiefe, die es allenfals zugelaſſen haͤtte, als vielmehr wegen der Schnelligkeit des Waſſers unmoͤglich, daher wir uns wiederum der platten Fahrzeuge bedienten, die (wie im vorigen bereits angefuͤhrt) wegen ihrer duͤnnen und biegſamen Boden den kurzen Wellen nachgeben und bequem ſind; damit aufs niedrige Ufer zu ſetzen. Das Gebirge, das wir bisher zur Linken theils in der Naͤhe theils in der Entfernung geſehen, endigte ſich alhier, und das Land gewan eine unabſehliche Ebene, die bis Jedo fortgieng.

Jenſeit des Fluſſes nun kamen wir anderthalb Stunden gleichſam durch eine Wuͤſte (wiewol die Doͤrfer Matzija, Nango und Kowanda da ſtanden, deren Einwohner an den Straßen ihre Nahrung ſuchten) bis zu dem großen Dorfe Jootſuja. Eine Meile vor Jootſuja, dem Dorfe Kowanda gegen uͤber, ohnweit dem Ufer zur rechten Seite ſtieg ein merkwuͤrdiger ſpiz zulaufender und von weitem wie eine Pyramide ausſehender Felſen aus dem Waſſer in die Hoͤhe; eine Meile vom Ufer recht gegen Suͤden, von Jootſuja aus, aber hatte man die beruͤchtigte Banditeninſel Kamakura, das ſo viel ſagen wil, als ein Kiſſen*)Scheuchzer hat geleſen: Kuͤſte.. Sie iſt dem Anſehn nach klein, nicht uͤber eine Meile im Umkreiſe in der Rundung gelegen, dabei mit Baͤumen bewachſen, plat, aber ziemlich hoch, ſo, daß wir ſie lange vorher gewahr wurden. Sie dient zu einem Verweiſungsort fuͤr die in Ungnade gefallene große Herren, und wer erſt einmal auf dieſes Kiſſen zu ſitzen komt, mus ſeine ganze Lebenszeit darauf zubringen. Sie hat ein felſigtes jaͤhes Ufer, wie Fatſji, ſo daß unmoͤglich auf-oder abzuſteigen iſt. Alle dahin anzubringende Perſonen ſowol als andere Nothwendigkeiten werden in einem kleinen Schiffe vermittelſt eines Krahns aufgewunden, und die ausgeleerten Gefaͤße eben ſo wieder herunter gelaſſen. Eine Meile hinter Jootſuja war es, wo wir, zu Fuſi ſawa naͤmlich, in unſere Mittagsherberge, und zwar in eine fremde, weil unſere gewoͤhnliche fuͤr dasmal beſezt war, einkehrten.

Dieſes in einer langen Gaſſe von einer halben Meile beſtehende Staͤdtchen wird von einem Fluſſe durchſtroͤmt, der nach einer viertel Meile von hier in die offene See laͤuft, die wir bis hieher den ganzen Tag zur Seite gehabt. Das ſich hier endigende Ufer ziehet ſich von dem Wege ab, und mit einem bergigten Abſatze auf etwa ſechs Meilen S. S. O. waͤrts hinauf ins Meer; daher man auch nachmals weiter hin vier Meilen von beiden bis Fodogai nichts als Land hat, alda ſich ſodann die See wieder einfindet, und mit unglei - chem Ufer die ganze Route bis Jedo begleitet. Bevor ich Fuſi ſawa verlaſſe, mus ich nocheines267Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. eines zu Ende deſſelben paſſirten Moͤnchskloſters gedenken, worin unter andern muͤſſigen Reisfreſſern ſich ein aus Nagaſacki gebuͤrtiger graukoͤpfiger Pfaffe von 80 Jahren befand, welcher auf ſeiner andaͤchtigen Bettelfahrt ganz Japan durchwandert, und keinen einzigen Tempel unbeſucht gelaſſen, ſich auch durch ſeine Scheinheiligkeit bei dem gemeinen Volke dermaßen in Anſehen geſezt hatte, daß man ihn ſchon bei ſeinem Leben in die Zahl der Hei - ligen rechnete, und als einen ſolchen verehrte. Seine Geſtalt hatte er, zu einem Goͤtzen - dienſt nach ſeinem Tode, in einen Stein bilden und aushauen laſſen. Die Japaner von unſerm Train thaten, waͤhrend dem daß wir ſpeiſeten, einen Lauf in dies Kloſter, und ſtatteten dieſem Heiligen ihren andaͤchtigen Reſpekt ab. Es hat es dieſer Pfaffe viel weiter gebracht, als der große Alexander, dem man bei ſeinem Leben keine goͤttliche Ehre erweiſen wolte.

Auf der Nachmittagsreiſe bis Canagawa trafen wir zwei Meilen von Fuſi ſawa auf das Staͤdtchen Totska, welches ſamt ſeinen Vorgaſſen aus beinahe 500 dies und jen - feits des Fluſſes gelegenen Haͤuſern beſtand, und wo wir im Durchzuge der krummen Mit - tolgaſſe eine halbe Stunde zubrachten; wiederum zwei Meilen von da auf das Staͤdtchen oder Flecken Fodogai, der in einer langen erſt gegen O. darnach N. O. laufenden Gaſſe etliche hundert Haͤuſer enthielt, deren ein guter Theil von einer neulichen Feuersbrunſt in der Aſche lag. Es wurde derſelbe wiederum von der See mit einem engen Buſen be - ruͤhrt, in den ſich ein durch den Flecken fließender großer Strohm ergos, und den Luſtbar - ken einen ſichern Haſen machte, deren verſchiedene daſelbſt am Munde des Fluſſes vor An - ker lagen. Hier wurde es finſter, wir erreichten alſo auf eine Meile laͤngſt dem Seeufer um neun Uhr das Staͤdtchen Canagawa, wo wir uͤbernachteten, nachdem wir nach dem Mittagseſſen fuͤnf Meilen zuruͤk gelegt hatten. Die Gaſſen dieſes aus ohngefaͤhr 600 Haͤuſern beſtehenden Orts erſtrekten ſich nach der Laͤnge auf eine halbe Meile. Er iſt ohne irgend ei - nen Flus, ob er gleich den Namen davon ſuͤhrt. Außerhalb an dem Fuße eines Berges oder langen Huͤgels hatte man verſchiedene Loͤcher gemacht, in welchen die Einwohner das verſamlete Waſſer zum Trinken ſchoͤpften; es war zwar ſehr helle, doch aber Brakwaſſer. Bei der Ebbe und Fluth des nahe gelegenen Seebuſens ſahe man einen ſchlammigten und ſumpfigten Grund.

Auf unſerm heutigen Wege fehlte es nicht an Menſchen, Doͤrfern und Fluͤſſen, ſo wie die Gegend, außer verſchiedenen kleinen Huͤgeln, meiſt eben und ziemlich fruchtbar war. An vielen Orten hatte man die Aecker nicht ohne geringe Muͤhe zu Abſchreckung der Voͤgel mit ſtrohernen an lauter Staͤben feſt gebundenen Stricken uͤberzogen, welches eine artige Verzierung vorſtellete.

Den 13 Maͤrz, Dienſtags, war endlich der Tag, wo wir in der Kaiſerlichen Re - ſidenzſtadt Jedo, nach ſechs Meilen von Canagawa, eintrafen. Wir brachen ſehr fruͤhL l 2auf.268Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. auf. Außer dem niedrigen Flus, wo wir durch muſten, lief unſer Weg durch einen mit nicht wenig Doͤrfern beſezten meiſt fruchtbaren Grund, die bewohnteſten und fuͤrnehmſten derſelben waren:

  • 1) Das Dorf Tſiſj oder Tſiſicku von etwa 150, und nach anderthalb Meilen,
  • 2) Das Staͤdtchen Kowaſacki von mehr als 300 Haͤuſern, wo wir einen gelind fließenden Strohm mit Prahmen uͤberſezten, zu dem jenſeitigen kleinen Dorfe.
  • 3) Tookingo. Hier hielt man viele Kaͤhne, deren man ſich auf der See zu fiſchen bediente, in Bereitſchaft.
  • 4) Tſuno moori, ein kleines Fiſcherdorf anderthalb Meilen vom vorigen; wo wir zur Erholung ein wenig verweileten. Da der Seegrund von Canagawa bis Jedo ſumpfig, gar nicht tief und daher zur Ebbezeit an vielen Stellen von Waſſer ganz entbloͤßet iſt, ſo werden verzuͤglich bei dieſem Dorfe die hinterbliebenen Muſcheln, Meerſchnecken und Seekraͤuter (algae) zur Speiſe eingeſamlet, ſo, daß dies Dorf wegen des Muſchel - ſanges beruͤhmt iſt. Jch habe das Seekraut (algam) ſo zubereiten ſehen. Die aufge - brachten Muſcheln ſind mit zweierlei Sorten von Seekraut, einer gruͤnen und feinen und einer andern etwas roͤthlichen und breiten bewachſen; beide wurden davon abgeriſſen, jedoch jede allein gelaſſen, ſo wie auch eine jede in einem Kuͤben mit friſchem Waſſer wohl durch - geſpuͤlt. Die gruͤne legte man alsdann auf ein Holz, zerkerbte ſie mit einem großen Meſ - ſer, wie Tobak, ganz fein, ſpuͤlte ſie nochmals, fuͤlte ſie in ein viereckigtes zwei Fus lan - ges und breites hoͤlzernes Sieb, ſpruͤzte einige mal Waſſer daruͤber, wodurch es ſich feſter an einander ſchlos, ſtuͤrzte es hierauf auf ein von Rohr gemachtes Gitter oder Art von ei - nem Kamm um, druͤkte es mit den Haͤnden gelinde zuſammen, und ſezte es endlich in die Sonne zum troknen. Die roͤthliche Sorte, wovon es nicht viel gab, wurde ohnzerkerbt auf eben die Weiſe behandelt und zu Kuchen gemacht, und ſodann, wenn ſie trocken ge - worden, zum Verkauf eingepakt.
  • Am Ende eben dieſes Dorfs ſtand ein Fatzmann oder Martistempel, in deſſen Mitte ein ſchwarzer glatter Feldſtein, den man den beruͤhmten Suſu no Jſj, d. i. den Stein in Suſu nante, auf einem Geſtelle von Bambus Knie hoch erhaben lag, und zu Be - warheitung einer heidniſchen Fabel dem andaͤchtigen Pilgrim vorgewieſen wurde. Hinter ſelbigem hieng ein Kettenfoͤrmig zerſchnittenes und geflochtenes weißes Papier, ſo daß man in der Tiefe des Tempels nichts erkennen konte: oben an der Hintermauer aber ein bloßer Saͤbel in die Quere, nebſt zwei ausgeſchnizten kleinen Figuren eines Pferdes, davon die Vor - ſtellung in der vorhin gedachten Fabel gegruͤndet war.
  • 5) Die Jedoſche Vorſtadt Sinagava, welche von Jedo oder deſſen Hauptbruͤcke (Nipon baſj, d. i. die Bruͤcke von Japan genant) zwei Meilen entfernt gehalten wird, jedoch mit ſelbiger, wie Fudſimi mit Miaco, zuſammenhaͤngt, und alſo fuͤr eine wuͤrklicheVor -269Eilftes Kap. Reiſe von Famma matz bis zur Reſidenz Jedo. Vorſtadt anzuſehen iſt, nimt eine halbe Meile von Tſuſuno moori ihren Anfang. Vor Sinagava fiel der Gerichtsplaz dem Vorbeireiſenden graͤslich in die Augen: Menſchenkoͤpfe und zerſtuͤmmelte Leiber lagen unter dem Aas des todten Viehes durch einander: ein großer magerer Hund wuͤhlte mit ſeinem hungrigen Rachen in einem faulen Menſchenkoͤrper herum, und noch viele andere Hunde und Kraͤhen ſaßen in der Naͤhe, um ſich an dieſer jederzeit freyen Tafel zu ſaͤttigen.

Ein durchfließender kleiner Strohm gab der Vorſtadt Sinagava den Namen. Sie beſtehet groͤſtentheils nur aus einer dicht bebaueten krummen Gaſſe, welche zur Rech - ten die See und zur Linken einen langen mit Tempeln beſezten Huͤgel hat, wohin denn noch einige kurze Nebenſtraßen abgehen. Es ſind dieſe Tempel ziemlich gros, angenehm gele - gen, inwendig mit verguldeten Goͤtzen, von außen mit ausgehauenen großen Bildern, hohen Pforten und ſteinernen Treppen, einer unter denſelben auch mit einem viermal uͤber einander gefachten Thurm geziert; bey dem allem aber kommen ſie der Pracht unſerer von Steinen erbaueten Chriſtlichen Kirchen in Europa nicht bei. Beim Eingange der Stadt war an der linken Seite ein großer mit einer Mauer und vielen angebaueten Haͤuſern um - gebener, vermuthlich Fuͤrſtlicher Hof. Nachdem wir drei viertel Meilen in Sinagava fortgeritten, traten wir in ein kleines an der See luſtig gelegenes Wirthshaus ab, um uns ſowol mit etwas zu erfriſchen, als auch zum Einzug in Jedo uns anzuſchicken. Man kon - te aus demſelben die Stadt mit ihren hohen Gebaͤuden, auch den großen Hafen und die darin verſamleten Schiffe und Fahrzeuge, etliche hundert an der Zahl, die kleinſten nahe an der Stadt und weiter davon nach Abtiefung des Grundes bis auf ein und zwei Meilen immer groͤßere, ferner die wegen der Flaͤche des Waſſers nicht naͤher vor Anker liegenden großen Barken und Kauffardeyſchiffe ſehen. So wie wir von dem Wirth verſtanden, pflegten großer Herren und der Standsperſonen Soͤhne aus Jedo ſeine Herberge wegen der ſchoͤnen Ausſicht oͤfters incognito zu beſuchen.

Als wir uns demnach hierſelbſt an einer Japaniſchen Tafel erfriſchet hatten, und unſere Pferde gehoͤrig zurecht machen laſſen, war eine Stunde verlaufen. Wir begaben uns nun auf den Weg. Der Bugjo verlies nunmehro ſeinen Norimon, und ſezte ſich zu Pferde, weil es einer Perſon von ſeinem Stande nicht erlaubt iſt, in einem Norimon in die Hauptſtadt zu kommen. Wir ritten alſo noch eine Viertel Meile durch die uͤbrige Si - nagaviſche in die eigentliche und wuͤrkliche Vorgaſſe von Jedo; jene macht mit dieſer, ſo zu ſagen, eine aus, und nur ein ſchlechtes Wachthaus zeigt die Scheidung an. Die See ſties alhier ſo nahe an, daß der Weg zur linken Hand unter dem jaͤhen Berghuͤgel kaum mit einer einzelnen nach der Kruͤmme des Ufers ſich ungleich herumziehenden Reihe von Haͤu - ſerchen bebauet war, die ſich jedoch bald in verſchiedene nicht weniger ungleiche Gaſſen von unabſehlicher Laͤnge verdoppelte, bis wir nach einer halben Stunde Reitens eine beſſereL l 3Ord -270Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Eilftes Kap. ꝛc. Ordnung, Gleichheit, Breite und Schoͤnheit gewannen, und uns das Gewimmel der Menſchen verſicherte, daß wir uns in der Stadt ſelbſt befaͤnden. Gleich Anfangs trafen wir auf die Fiſchmaͤrkte, wo man vielerlei Seekraͤuter, Muſcheln, Schnecken, Meerge - waͤchſe und Fiſche in Menge zur Kuͤche einkaufen konte; wir hielten ſodann die große Mit - telgaſſe, welche die ganze Stadt, wiewol in einiger Kruͤmme Nordwaͤrts durchſchneidet, und zogen uͤber verſchiedene breite anſehnliche Bruͤcken, moderichte Graben und flache Baͤche, welche, ſo wie viele andere Quergaſſen, zur linken Hand der Kaiſerlichen Burg zu, zur rechten aber Seewaͤrts abliefen. Eine der Bruͤcken iſt 42 Klafter lang und durch das ganze Reich bekant, indem von derſelben, als von einem unverruͤkten Mittelpunkte, die Hauptwege und Entfernungen aller Oerter angerechnet werden. Sie wird Vorzugsweiſe Nipon baſj, d. i. die Japaniſche Bruͤcke genant. Von dem aͤußerſten Schlosgraben, wo der Strohm, den ſie bedekte, herkam, ſchien ſie 600 Schritte abgelegen zu ſeyn. Auf eben jener Haupt-etwa 50 Schrit breiten Mittelſtraße begegnete uns ein unglaubliches Ge - tuͤmmel von Menſchen, Suiten von großen Herren und Hofleuten, koͤſtlich gekleidete Frauenzimmer zu Fuße und in Tragſeſſeln, unter andern auch ein Aufzug einer Feuercompagnie zu Fuße von beinahe 100 Man in Europaͤiſcher Militaͤrordnung; ihre Uniform waren braune lederne Roͤcke, und alſo wider den Brand eingerichtet, einige trugen lange Feuerpiken, an - dere Feuerhaken auf der Schulter, und ihr Capitain oder Anfuͤhrer rit in der Mitte. Die Kaufleute und Stofhaͤndler, Spezerei-und Goͤtzenkraͤmer, Buchhaͤndler, Schmelzarbei - ter, Apotheker, Marktſchreier u. d. gl. ſtanden nur vorn in den Haͤuſern unter den Vordaͤ - chern, wenige aber auf der Gaſſen mit ihren anſehnlichen Buden aus, welche von oben auf die Haͤlfte mit einem hernieder hangenden ſchwarzen Tuche bedekt, ihre Verkaufswaaren aber mit ausgeſtekten ſonderbaren Kenzeichen angedeutet waren. Es lies ſich bei unſerm Durchzuge des Zuſchauens halber, wie in andern Staͤdten geſchah, faſt niemand vor den Thuͤren ſehen, vermuthlich weil man an einem ſo volkreichen vornehmen Orte, wo ſich ein ſo großer Hof befand, ſo etwas fuͤr die Neugierde zu gering hielt. Nachdem wir denn ſo auf mehr erwaͤhnter Mittelgaſſe in dem regelmaͤßigen Theile der Stadt eine gute Weile zu - gebracht, ſchlugen wir endlich die lezte von 50 zu beiden Seiten vorbei gezogenen Quergaſſen ein, und fanden vorn in derſelben zur linken Hand nahe bei einem hoͤlzernen Schlagthurm in dem oberen Stokwerk eines Hinterhauſes, wozu man durch einen engen Gang gelangen muſte, unſere Herberge. Unſere Ankunft geſchahe um ein Uhr Nachmittags. Die ganze Reiſe von Nagaſacki war alſo in 29 Tagen geendigt worden.

Zwoͤlftes271

Zwoͤlftes Kapitel. Beſchreibung der Stadt und Schloſſes Jedo. Einige Vorfaͤlle daſelbſt. Unſere Audienz und Abſchied.

Unter den fuͤnf Kaiſerlichen freien Handelsſtaͤdten iſt Jedo die erſte, die Reſidenz des Kaiſers und wegen der großen Hofhaltung und Anweſenheit aller auswaͤrtigen Fuͤrſt - lichen Familien die groͤßeſte und vornehmſte des ganzen Reichs. Sie liegt in der Provinz Muſaſj auf 35 Grad 52*)Scheuchzer hat 32 Minuten. Minuten Norderbreite (nach meiner Wahrnehmung)Tab. XXX. in einer weiten unabſehlichen Ebene. Der ſich anſchließende Fiſch-und Muſchelreiche lange Seebuſen, dem Camacura und die Provinz Jdſu zur Rechten, Kudſu und Awa zur Linken iſt, hat alhier einen ſumpfigen Grund, und iſt ſo untief, daß die Waarenbarken ein bis zwo Stunden vor der Stadt ausladen und vor Anker liegen muͤſſen. Das hole Ufer giebt der Stadt die Form eines halben Mondes, und hat dieſelbe, nach der Japaner Ausſage, in ihrer Laͤnge ſieben, in der Breite fuͤnfe, und im Umkreiſe 20 Japaniſche Meilen. Sie iſt gleich andern Staͤdten mit keinen Mauren umgeben, wohl aber mit etlichen breiten Graben, nebſt hohen mit Baͤumen bepflanzten Waͤllen, durchſchnitten, wodurch man den Endzwek erreicht, daß große Feuersbruͤnſte gehemt werden, und nicht weit um ſich greifen koͤnnen; da ich inzwiſchen dieſe Abſchnitte gegen der Burg uͤber mit ſtarken Thoren verwahrt geſehen, ſo kan es auch ſeyn, daß die Befeſtigung vielleicht eine Abſicht mit iſt. Es fließen zwei große Fluͤſſe durch die Stadt, der eine von Norden, der andere von Oſten; der erſtere erfuͤllet die Schlosgraben, und ergießet ſich von da durch verſchiedene andere Graben der Stadt in den Seebuſen.

Die vielen fremden ſowol als einheimiſchen buͤrgerlichen und geiſtlichen Perſonen machen die Stadt ſehr volkreich; heizu komt noch die Menge der Kaiſerlichen Hofbedien - ten, und inſonderheit noch der Fuͤrſtlichen großen Familien aus allen Laͤndern und Provin -zen272Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. zen des ganzen Reichs, die ſich alhier bei dem Hofe auf halten und wohnen muͤſſen, wiewol die Herren ſelbſt fuͤr ihre Perſon nur ein halbes Jahr da bleiben, die uͤbrige Zeit hingegen in ihren Erblaͤndern zubringen, und die Regierung ihrer Unterthanen beſorgen. Jn Anſe - hung der Bauart hat Jedo ſehr wenig ordentliches, indem es nicht zu ein und eben der Zeit, ſondern almaͤhlig zu ſeiner Groͤße gediehen iſt; ſo oft jedoch eine große Feuersbrunſt, die hier gar nichts ſeltſames iſt, Gelegenheit dazu giebt, werden die Quartiere mit ſchnurglei - chen Kreuzſtraßen von neuem wieder angelegt. Verſchiedene abgebrante Plaͤtze waren noch leer, man kann ſie aber auch hier zu Lande nicht ſo bald wieder bebauen als in Moſkau, wo man fertige Haͤuſer feil findet, die gleich den andern oder dritten Tag nach dem Bran - de, vors erſte ohne Leimen, Kalk und Naͤgel wieder dahin geſezt werden. Wie in andern Staͤdten des Reichs ſind auch in Jedo die Haͤuſer klein und niedrig, aus tannenem Holz und leimernen duͤnnen Waͤnden gemacht, inwendig mit papiernen Schauben und Fenſterjalou - ſten, der Boden mit ausgeſtopften feinen Binſenmatten belegt, die Daͤcher mit tannenen Schindeln gedekt, und die ganze Maſchine gleichſam aus der brenbarſten Materie zuſam - mengefuͤgt, ſo, daß ſie gar leicht Feuer fangen kan. Oben unter dem Dachgiebel haͤlt man zwar faſt durchgaͤngig ein Geſtelle, das einen Zuber mit Waſſer nebſt ein paar Be - ſprengkolben in ſich faſt, wohin man durch Huͤlfe einer von außen abhangenden Leiter be - quem hinaufſteigen kan; kaum aber iſt dieſes Mittel wider ein glimmendes ſchwuͤlendes Feuer hinreichend, weil dadurch die Gewalt einer um ſich greifenden Glut ſich keinesweges daͤmpfen laͤſſet, ſondern derſelben durch Niederreißen der naͤchſten annoch unbeſchaͤdigten Haͤuſer gewehrt werden mus, wozu ſich alsdenn die Feuercompagnie einfindet, welche Tags und Nachts in der Stadt umherzieht.

Die uͤberaus vielen Kloͤſter und Wohnungen der Pfaffen in der Stadt, welche (wie es bei den Chriſtlichen und andern Voͤlkern auch zu ſeyn pflegt) die angenehmſte Lage haben, ſind mit einigen aufzuſteigenden Treppen angelegt, und nicht viel von den buͤrgerli - chen Haͤuſern unterſchieden. Man findet dabei allemal entweder einen kleinen Nebentem - pel, oder doch ſtat deſſen einen anſehnlichen mit einem oder mehr Altaͤren und verſchiedenen Goͤtzen ausgeſchmuͤkten Saal. Außerdem giebt es noch einige dem Amida, Sjacka, Quanwon und andern Goͤtzen ganz beſonders gewidmete trefliche Tempelgebaͤude in allen Japaniſchen Sekten und Religionen, die aber von keiner andern Beſchaffenheit ſind, als die, ſo wir in Mjaco auf unſerer Ruͤkreiſe beſehen und beſchreiben wollen.

Daß man in Jedo nicht wenig Pallaͤſte antreffe, laͤſſet ſich nach dem großen Hof - ſtaat des Kaiſers ſowol als der vielen Landesfuͤrſten leicht abnehmen. Es ſind ſelbige durch anſehnliche Pforten und Vorhoͤfe von den gemeinen Haͤuſern abgeſondert. Vor dem Ein - gange liegt eine gefirniſſete Treppe von etlichen Stiegen. Die inwendige Abtheilung mitvielen

Tab. XXX.

273Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. vielen Kammern iſt ſehr koſtbar. Sie ſind jedoch nur von einem Stokwerk und mit klei - nen*)Scheuchzer hat, anſtat kleinen, geleſen: keinen. Thuͤrmen geziert.

Ohnerachtet des Flors aller Kuͤnſte und Handwerke, des Handels und ſonſtiger Gewerbe, verurſacht die große Menge muͤſſiger Hof-und Kloſterleute in allem mehrere Theurung, als an irgend einem Orte des Reichs.

Was die Art der Regierung der Stadt betrift, ſo iſt ſolche mit der von Nagaſacki und Oſacka einerlei. Die Gaſſenrichter (Ottona) naͤmlich ſind uͤber einzelne Straßen, die Buͤrgermeiſter uͤber Quartiere, und zwei jaͤhrlich abwechſelnde Gouverneurs uͤber die ganze Stadt geſezt.

Das Kaiſerliche Schlos liegt im Noͤrdlichen Theile der Stadt, und hat in einer etwas ungleichen Rundung fuͤnf Japaniſche Meilen im Umkreiſe. Es beſtehet aus einer gedoppelten Vorburg, einer großen Veſtung, als der eigentlichen Reſidenz des Kaiſers und zwei befeſtigten Nebenſchloͤſſern, auch einigen großen Luſtgarten hinter der Reſidenz.

Die erſte und aͤußerſte Burg iſt mit Waͤllen, ausgemauerten Graben und Pforten, und inwaͤrts mit einer anſehnlichen Wache verſehen. Sie umgiebt den großen halben Theil der Kaiſerlichen Reſidenz, hat aber ſo viele Durchſchnitte, abgehende Graben und Waͤlle, daß ich den Grundris davon ſo wenig ſelbſt entwerfen als aus der Japaner ihren Plans ab - nehmen koͤnnen. Auf dem großen Platze, den dieſe Burg einnimt, haben die Landes - fuͤrſtlichen Familien ihre Wohnungen, welche Gaſſenweiſe angelegt, ſchoͤn gebauet und mit ſchweren Pforten an den Vorhoͤfen verwahrt ſind.

Die zweite und innere Burg, die von der erſten umſchloſſen wird, begreift einen kleineren Plaz, und nur die Fronte der Kaiſerlichen Reſidenz; ſie iſt aber mit Waͤllen, Graben, Bruͤcken und Pforten beſſer als die erſte, auch mit einer groͤßeren Wache beſezt. Die aͤlteſten Reichsraͤthe, Gouverneurs und einige der anſehnlichſten Landesherren wohnen hier in ſchoͤnen Pallaͤſten.

Die Kaiſerliche Reſidenz liegt auf einem etwas erhoͤheten jedoch ebenen Huͤgel, und wird von einem breiten mit Quaderſteinen aufgemauerten Graben umgeben, der fuͤrnemlich an der Schlosſeite mit ungeheur großen Werkſteinen in die Hoͤhe etwas ſchraͤg aufgefuͤhrt, darhinter mit Erde gefuͤlt und oben mit langen Gebaͤuden beſezt, und mit gefachten Thurm - foͤrmigen viereckigten Wachthaͤuſern befeſtigt iſt. An der Mauer ſelbſt ſind hervorſtehende ſteinerne Bolwerke nach den Regeln der Kriegsbaukunſt angebracht, beſagte Werkſteine aber nur uͤber einander angelegt, und mit keinem Kalk oder ſonſt einer Klammer verbun -Zweiter Band. M mden,274Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. den, weil man meint, daß ſie bei einem Erdbeben auf ſolche Weiſe der Bewegung und Erſchuͤtterung eher nachgeben, und alſo das ganze Gemauer unbeſchaͤdigter erhalten koͤnten. Ein inwendig ſtehender, uͤber alle andere Gebaͤude hervorragender viereckigter weißer Thurm mit vielen. Stokwerken, Prunkdaͤchern und Zierrathen giebt dem Schloſſe das praͤchtigſte Anſehen, und außerdem ſind alle Gebaͤude mit gefachten ausgebogenen und zu oberſt und an den Enden mit Drachenkoͤpfen gezierten Daͤchern koſtbar belegt.

Das zweite Schlos (oder vielmehr das erſte der Nebenſchloͤſſer) iſt klein, und wie eine runde Citadelle, ohne aͤußerliche Pracht. Es hat nur ein Thor, wo man aus dem Reſidenzſchloſſe uͤber eine hohe und lange Bruͤcke hineingehet. Das dritte Schlos (oder das zweite Nebenſchlos) liegt jenem zur Seite, und iſt von der naͤmlichen Beſchaffenheit. Beide werden von hohen aufgemauerten Waͤllen, auch tiefen und ſehr breiten Graben, wo - durch der große Flus geleitet iſt, umgeben und wohl befeſtigt; und in beiden die vorhande - nen Kaiſerlichen Prinzen und Prinzeſſinnen erzogen.

Die verſchiedenen Luſt-Baum-und Blumengaͤrten hinter der Reſidenz ſind auf einem erhoͤheten Felſen nach Japaniſcher Kunſt ſehr koſtbar angelegt. Ein bergigtes Waͤldchen ſezt ſelbigen Graͤnzen, worinnen man zweierlei Arten von Ahorn antrift, deren Sternfoͤrmige aus dem gruͤnen ins gelbe und rothe ſpielende Blaͤtter ſehr die Augen ergoͤtzen. Die eine Art iſt mehr im Fruͤhlinge, die andere gegen den Herbſt in der ſchoͤnſten Farbe.

Die Reſidenz iſt nur von einem, aber ziemlich hohen Stokwerke, hingegen ſehr weitlaͤuftig im Umfange, und hat viele ledige Gaͤnge und raͤumliche vermittelſt der Aufzuͤge oder Schauben groͤßer und kleiner zu machende Gemaͤcher, die nach jener Eroͤfnung durch die nicht wenig daher entſtehende kleine Mittelplaͤtze erleuchtet werden. Die vornehmſten dieſer Gemaͤcher haben alle ihre eigene Namen, ſo iſt z. E. 1) der Wart-oder Vorſaal, fuͤr die, ſo bei dem Reichsrathe oder dem Kaiſer Audienz ſuchen: 2) die Rathskammer, wo die Reichsraͤthe zuſammenkommen: 3) die Kammer von hundert Matten, worinnen ſich der Kaiſer von den Geſandten und großen Landesherren die gewoͤhnliche Aufwartung machen laͤſſet, auch die mitgebrachten Geſchenke annimt; 4) die Audienz-Meubles-und andere Kammern mehr. Sie ſind alle nach den ausgeſuchteſten Regeln der Baukunſt in Japani - ſchem Geſchmacke angelegt; die Decken, Balken und Saͤulen von Cedern-Campher-oder Jeſeriholz, das von Natur Blumen oder andre ſonderbare Figuren an ſich hat, daher auch in vielen Gemaͤchern nur duͤnne mit Firnis uͤberſtrichen, in andern aber mit einem Lak uͤber - zogen, oder mit Voͤgeln und Laubwerk kuͤnſtlich ausgeſchnizt und verguldet wird. Die Zugthuͤre, Schirme und Waͤnde ſind ſauber bemalt oder bunt verguldet, und die Fusboden mit weißen feinen am Rande mit Goldbaͤndern eingefaſſeten Matten nach der Ordnung be - legt; gleichwie es denn in allen uͤbrigen Fuͤrſtlichen Pallaͤſten im Reich in dieſem Stuͤk eine aͤhnliche Beſchaffenheit hat. Man ſagte mir, daß auch noch ein unterirdiſcher Saal oderKeller275Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. Keller in dem Reſidenzſchlos vorhanden ſey, deſſen obere Decke aus einem platten, weiten und mit Waſſer angefuͤlleten Keſſel beſtehe, und dahin ſich der Kaiſer, zur Zeit eines Donnerwetters, der Sicherheit halben verfuͤge, weil denn der Vliz ſich in dem Waſſer ver - loͤſchen koͤnne. Noch hat man alhier zwei vor Feuer und Raub wohl verwahrte mit den Kaiſerlichen Schaͤtzen angefuͤlte Magazine, deren Daͤcher von ſchwerem Kupfer und die Thuͤren von ſtarkem Eiſen gemacht ſind.

Die Kaiſer, welche bisher auf dieſem Schloſſe reſidirt, ſind ſaͤmtlich Nachkom - men des Kaiſers Jjejas, des erſten dieſes Geſchlechts, naͤmlich 1) dieſer Jjejas, der nach ſeinem Tode Gongin genant worden: 2) deſſen Sohn Teito Kwin: 3) Dai jojin, Sohn des Teito kwins: 4) Genjojin, Sohn des Dai jojins: und nun 5) deſſen Bruders Sohn Tſinajos, der jeztregierende Kaiſer.

Dies ſey von dem Kaiſerlichen Schloſſe genug geſagt. Jch gehe nun zu unſern taͤglichen Vorfaͤllen und Geſchaͤften in Jedo uͤber.

Sobald wir in unſerer Herberge angekommen, ließen wir denjenigen beiden Reichs - commiſſarien, die zur Beſorgung der auswaͤrtigen Angelegenheiten die oberſte Volmacht haben, und dem hier anweſenden Nagaſackiſchen Gouverneur, durch den Unterdolmetſcher (weil der Oberdolmetſcher unpaͤslich war) unſere Ankunft melden. Der Gouverneur, Na - mens Ginſeimon, (dem aber ſeit dem Jahr 1685, wo er durch ſeine kluge Einrichtung den auslaͤndiſchen Handel zu einem beſſeren Nutzen des Landes erhoben hat, der Ehrenname Sino Cami beigelegt worden) lies noch an eben dem Abend unſerm Bugjo befehlen, uns auf den Kammern wohl eingeſchloſſen zu halten, und nicht zu erlauben, daß außer unſern eigenen Bedienten irgend eine Seele zu uns komme. Eigentlich war dieſe Vorſicht unnoͤ - thig, denn unſere Kammern, die auf dem oberſten Stokwerke eines Hinterhauſes lagen, und wozu man von außen nicht anders als durch einen verſchloſſenen langen Gang gelangen konte, waren an ſich ſchon von allen Menſchen abgeſondert, die Treppe ſelbſt war unten und oben mit einer verſchloſſenen Thuͤr, und das ganze Stokwerk zu drei Seiten mit Waͤn - den verwahrt. Meine Kammer hatte nur ein kleines hohes Fenſter, wodurch ich mit ge - nauer Noth die Mittagsſonne wahrnehmen konte. Man ſagte uns, daß vier Tage vor unſerer Ankunft 40 Straßen, und auf denſelben an die 4000 Haͤuſer durch eine Feuers - brunſt in die Aſche gelegt waͤren, wie denn auch ſelbſt an dieſem Abend anderthalb bis zwei Meilen von unſerer Herberge gegen Oſten ein Feuer ausbrach, das jedoch nur mit Verluſt von einigen Haͤuſern geloͤſcht wurde.

Den 14 Maͤrz, Mitwochs, ließen uns die Commiſſarien unter einer freundlichen Begruͤßung wiſſen, daß ſie unſere Ankunft den Reichsraͤthen bekant gemacht haͤtten. Jn Gegenwart unſers und eines des Sino Cami Bugjos eroͤfneten wir heute die dem KaiſerM m 2und276Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. und andern gewidmete Geſchenke, und beſtelten zu dem darunter beſindlichen Calambak und Borneiſchen Campher die noͤthigen Kaͤſtchen.

Den 15 Maͤrz, Donnerſtags, wurde von vier Schneidern das Europaͤiſche Laken vor den Kaiſer, wie es der Gebrauch erforderte, in Falten genaͤhet*)Scheuchzer ſagt: zwei Schneider haͤtten die Tuͤcher zugeſchnitten., hoͤlzerne oder Tan - nenſpaͤnerne Tafeln, um die Stoffe zum Geſchenke darauf zu legen und vorzutragen, auch Gefaͤße beſtelt, um die Tinto-und Spaniſche Weine hineinzuzapfen. Unſer vom Sino Cami zuruͤkkommender Bugjo hatte Befehl, vor der Audienz beim Kaiſer ohne jenes Ordre keinen Fremden bei uns zu laſſen. Zwei Meilen von unſerer Herberge entſtand dieſen Abend ein Brand, der aber wenig Schaden verurſachte.

Den 16 Maͤrz, Freitags, lies der Sino Cami durch ſeinen geheimen Sekretaͤr uns begruͤßen, und nach unſerer Geſundheit ſragen**)Das wenige, was Kaͤmpfer hier unterm 16 Maͤrz meldet, iſt in der Engl. Ueberſ. ausgelaſſen..

Den 17 Maͤrz, Sonnabends, kam unſer Bugjo mit einer Nagaſackiſchen Neuig - keit zu uns, daß naͤmlich 15 Tage nach unſerer Abreiſe ſchon 20 Sinefiſche Jonken mit Kaufguͤtern eingelaufen waͤren. Er verbot uns zugleich, keine Papiere beim Auskehren etwa aus dem Fenſter zu werfen, die mit Europaͤiſchen Buchſtaben beſchrieben waͤren. Ohnweit unſerer Herberge ſahen wir dieſen Morgen abermals Brand.

Den 18 Maͤrz, Sontags, brachten wir zu, um die Spaniſche und Tinto-Weine in lange Flaſchen abzuzapfen, den Calambak und Campher in die Kaͤſtchen zu legen, und uͤberhaupt alles ſo in Ordnung zu bringen, wie es dem Kaiſer bei der Audienz vorgeſezt werden ſolte. Anderthalb oder vielmehr in gerader Linie eine Meile nach Weſten hin brach am Abend bei einem ſtarken Nordwinde ein großes Feuer aus, das 25 alda ſehr breite Straßen und 600 Haͤuſer verzehrte, und erſt in vier Europaͤiſchen Stunden geloͤſcht wur - de. Man ſagte, es waͤre von Mordbrennern, von denen man zwei ertappet, angelegt geweſen.

Den 20 Maͤrz vernahmen wir, daß Matzan Dairo Jnaba Cami, beſtelter Grosrichter in Mjaco, zu Antretung ſeiner Bedienung, in Begleitung eines andern mit Geſchenken an den Dairi abgefertigten Herrn, der ihn dem Volke vorſtellen ſolte, von hier dahin abgereiſet ſey. Der Sino Cami lies uns heute durch einen ſeiner Bedienten auf den 28ten dieſes Monats zur Audienz beim Kaiſer Hoſnung machen, zugleich auch die Votſorge fuͤr unſere Geſundheit anempfehlen, um dazu gegen die Zeit bereit zu ſeyn.

Den 21 Maͤrz, Mitwochs, verfuͤgte ſich unſer Oberdolmetſcher zu den Herrn Commiſſarien, und hielt um die Freiheit an, ſich zu der bevorſtehenden Audienz in einem Korbe an Hof tragen laſſen zu duͤrfen; er erlangte es, muſte ſich aber durch einen ſchriftli -chen277Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. chen mit ſeinem Blute unterzeichneten Eid verbuͤrgen, daß keine andere Urſache als ſeine Unvermoͤgenheit dabei obwalte. Der Nagaſackiſche Buͤrgermeiſter, Goto Tſjo ſimon, reiſete heute wieder ab, nachdem er am 15ten des 2ten Japaniſchen Monats bei den Reichs - raͤthen Audienz, und den 21ten deſſelben ſeinen Abſchied erhalten hatte.

Den 23 Maͤrz, Freitags, uͤberſchikten wir durch den Unterdolmetſcher Trojemon einen jungen Herrn von Firando zum Zeichen eines geringen Andenkens eine Flaſche Aqua - vit, weil unſere Nation vormals unter ſeines Herrn Vaters Schutze geſtanden. Eine Stunde vor der Mittagszeit bei hellem und ſtillen Wetter ereignete ſich ein ſchrekliches Erd - beben, das unſer Haus mit großem Krachen erſchuͤtterte, doch aber nicht laͤnger, als man ohngefaͤhr 50 zaͤhlen kan, waͤhrte. Jch wurde bei dieſer Gelegenheit uͤberzeugt, daß es in einer phyſiſchen Nothwendigkeit gegruͤndet ſey, wenn die Reichsgeſetze den niedrigen Bau der Haͤuſer gebieten, und daß es nicht minder erfordert werde, daß man ſelbige von leich - tem Holze, Waͤnden, Brettern und Spaͤnen mache, und daß ein unter dem Dache uͤber - liegender ſchwerer Balke das ganze Gebaͤude durch ſein Gewicht zuſammenſchließe und an einander druͤcke, damit es durch eine Erderſchuͤtterung nicht einſinke.

Den 24 Maͤrz, Sonnabends, war ein mit Schnee und Regen vermiſchter kalter Tag, ob es gleich in der Nacht vorher ſchwulig und heis geweſen. Der Reichsrath und Liebling des Kaiſers Makino Bingo lies heute unſern Capitain um Hollaͤndiſchen Kaͤſe bitten; wir ſchikten ihm einen ganzen Eidamer und halben Safrankaͤſe von unſerm eige - nen Vorrathe.

Den 25 Maͤrz, Sonntags, wurden die Geſchenke fuͤr den Kaiſer und fuͤr die Großen des Hofes vertheilt und in beſtimte Ordnung gebracht, weil der 28te herannahete, da wir die Hofnung zur Audienz hatten, um ſo mehr, weil dieſer Tag ein Feſt-und Luſttag war; zu dem Ende wir die Herren Kommiſſarien und den Sino Cami erſuchten, uns darinnen befoͤrderlich zu ſeyn.

Außer dem Kaiſer ſind die Herren, denen wir theils mit Geſchenken theils ohnedies mit Bezeugung unſerer Unterthaͤnigkeit aufwarten muͤſſen, folgende:

  • 1) Fuͤnf Kaiſerliche Oberreichsraͤthe, Go Rodzi, d. i. fuͤnf alte Leute ge - nant, als:
    • a) Makino Bingo no Cami.
    • b) Okubo kanga no Cami.
    • c) Abi Bungo no Cami.
    • d) Toda Jamaſjiro Cami.
    • e) Tſutſia Sagami Cami.
M m 32) Vier278Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 2) Vier Kaiſerliche Unterreichsraͤthe, Waka Gorodzi genant, als:
    • a) Akimotto Tadſjima Cami.
    • b) Katto Saddono Cami.
    • c) Naito Tambaro Cami.
    • d) Jnagi Sawa Dewano Cami.
  • 3) Die ſogenante Dſiſja oder Tempelherren, naͤmlich:
    • a) Toda no Todo Cami.
    • b) Fonda kino Cami.
    • c) Onga Sawara Sadono Cami.
  • 4) Der junge Matzaro Jcono Cami, Herr von Firando, des Geſchlechts Fiſen.
  • 5) Die Reichscommiſſarien, wie wir ſie nanten, eigentlich aber Jedoſche Fiskals, naͤmlich:
    • a) Tado Jjono Cami.
    • b) Obatta Sabboro Saijemon Sama.
  • 6) Die beiden Gouverneurs der Stadt Jedo, als:
    • a) Fodſo Awano Cami, und
    • b) Noſji Jſmono Cami. Zulezt und
  • 7) die drei Nagaſackiſchen Gouverneurs, naͤmlich:
    • a) Kawagatz Genſaiemon, jetzo Kawagotzi Tſino Cami genant, der eben zu Jedo gegenwaͤrtig.
    • b) Jama Okka Sju bjoje, und
    • c) Mijacki Tonomo, beide abweſend.

Den 26 Maͤrz, Montags, muſten wir von Tſino Cami vernehmen, daß, weil der Oberreichsrath Mackino Bingo wegen erhaltener Trauer uͤber ſeines Bruders Tod ſich nicht eher als den 29ten wieder oͤffentlich ſehen laſſen koͤnne, unſere Audienz bis dahin, und alſo einen Tag weiter ausgeſezt worden ſey.

Den 27 Maͤrz, Dienſtags, nach dem Mittagseſſen, beſuchte uns ein Kaiſerlicher Hofarzt, Firanno Soſats, ein alter dicker Man, um ſich wegen einiger Krankheiten meines Mediciniſchen Raths zu erholen.

Den 28 Maͤrz, am Mittwochen, ließen uns die Kommiſſarien nebſt dem Tſino Cami durch ihre Sekretaͤrts kund thun, daß wir morgen zur Audienz vor den Kaiſer gelaſ - ſen werden wuͤrden, wir ſolten uns daher fruͤhzeitig nach Hofe verfuͤgen, und in dem Kai - ſerlichen groͤßen Wachtſaale ihrer zur weitern Anfuͤhrung wahrnehmen.

Es iſt eigentlich der morgende Tag, als der lezte des Japaniſchen zweiten Mo -nats,279Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. nats, ein zur Audienz ungewoͤhnlicher Tag*)Scheuchzer und meine Haudſchriſt des Oheims haben gerade das Gegentheil, daß nem - lich der lezte Tag zur Kaiſerlichen Audienz ge - woͤhnlich ſey. Jch habe aber doch die Jenen wi - derſprechende Leſeart der Handſchrift des Reffen in meinen Tert gebracht, weil ſie offenbar mit dem ganzen Zuſammenhang am meiſten uͤber - einſtimt., der Mackino Bingo aber hatte ihn gleich - wol, um ſich von uns zu befreien, dazu auserſehen, weil er am 5ten des folgenden dritten Monats dem Kaiſer ein Gaſtmal zu geben Willens war, und zur noͤthigen Veranſtaltung bis dahin nicht gern verhindert ſeyn wolte.

Dieſer Bingo oder Bengo vertrat ehemals bei dem Kaiſer, als er noch Prinz war, die Stelle eines Aufſehers und Vormundes, jetzo iſt er der Liebling und vertrauteſte Miniſter, den der Kaiſer zugleich vor andern wuͤrdig haͤlt, die Worte aus dem Majeſtaͤti - ſchen Munde bei unſerer Audienz aufzunehmen und an uns zu uͤbertragen. Er iſt ein bei - nahe 70 jaͤhriger Herr, etwas langer und hagerer Statur, eines laͤnglichen gemeinen Ge - ſichts, das faſt einem Deutſchen gleicht, langſam in ſeinen Handlungen und von einem freundlichen Weſen. Man giebt ihm den Ruhm eines gerechten und uneigennuͤtzigen Man - nes, und daß er weder ehrgierig noch rachſuͤchtig, alſo des vorzuͤglichen Anſehens beim Kaiſer volkommen werth ſey. Als er vor drei Jahren den Kaiſer zu traktiren die Ehre hatte, bekam er als Gnadenzeichen einen Saͤbel, den der Kaiſer ſelbſt von ſeiner Seite nahm, zum Geſchenk, der auf 15000 Tail geſchaͤzt wurde, dabei noch 3000 Stuͤk Co - bangs, 300 Shuyt Silbers, einige dammaſtene und Sineſiſche ſeidene koſtbare Stoffe, und uͤberdas eine jaͤhrliche Zulage von 300,000 Ballen Reis, davon er ſchon 400,000 ge - nos, ſo, daß er nunmehro 700,000 Ballen Reis Einkuͤnfte hat. So unſchaͤzbar man die Ehre achtet, dem Kaiſer ein Gaſtmal zu geben, ſo aͤußerſt nachtheilig iſt es bisweilen fuͤr den Wirth, weil das Allerſeltenſte herbeigeſchaft und alles aufs theuerſte bezahlt werden mus. Ein Soccano (d. i. ein kleines unvolkommenes Gericht, ſo auf einer von Tannen - ſpaͤnen Tiſchfoͤrmig zuſammengefuͤgten Maſchine einer dem andern aus Freundſchaft zuzu - ſchicken pflegt) in zwei Taͤh oder Steinbraſſen, und ein paar Schelfiſchen beſtehend, das Bengo vor wenigen Tagen dem Kaiſer, als dieſer dem Hof einen Bal gab, uͤberſandt hatte, koſtete was die Steinbraſſen betrift 160, und wegen der Schelfiſche 90 Cobangs im Ankauf, ſo, daß es uͤberhaupt, den Cobang zu fuͤnf Species Dukaten gerechnet, 1250 Dukaten oder 5000 Gulden betrug**)Die Rechnung bei Scheuchzern weicht hier zum Theil unrichtig ab. Statt 160 koſten die Steinbraſſen nach ihm 150 Cobangs, und aus der Summe von 1250 Dukaten macht er 5200 Dukaten, die er denn auf 2400 Pf. Sterl. re - ducirt. Die Rechnung des Tortes findet ſich in meinen beiden Handſchriften.. Beide Arten Fiſche ſind hier zu Lande die theuerſtenund280Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. und rareſten, beſonders aber die Taͤh oder (nach der Dolmetſcher Benennung) Stein - braſſen, welche nie unter zwei Cobangs, ſind im Winter und zur Unzeit, fuͤrnemlich bei vorfallenden großen Gaſtereien, noch weit theurer, da alsdenn der Kaͤufer eine Ehre darin ſucht, ein ſo ſeltenes Gericht auf ſeiner Tafel zu haben, und der Verkaͤufer auch ſein Gluͤk dabei macht, ſelbiges ſo theuer los zu werden. Es iſt uͤber das alles noch ein beſonderer Aberglaube mit dem Namen dieſes Fiſches verbunden, weil er die lezte Sylbe von dem Worte Meditaͤh fuͤhrt, womit einer dem andern Gluͤk wuͤnſchet.

Den 29 Maͤrz, Donnerſtags, alſo wurden die dem Kaiſer zugedachten Geſchenke in Begleitung der Deputirten von den Oberkommiſſarien und dem Tſino Cami nach Hof gebracht, und alda in dem großen Audienzſaal, wo ſie der Kaiſer in Augenſchein nimt, nach der Ordnung, jedes Stuͤk auf einem beſondern ſpaͤnernen Tiſchchen, nach der Gewohn - heit, ausgelegt. Wir folgten in einem geringen Aufzuge, jeder mit einem ſeidnen ſchwar - zen Mantel als mit einem Europaͤiſchen Ehrenkleide bedekt, nach. Drei Hausbediente der Nagaſackiſchen Gouverneurs, nebſt unſerm Doſin oder Unterfuͤhrer, zwei Nagaſackiſchen Stadtboten und des Dolmetſchers Sohn giengen mit uns zu Fuße, wir drei Hollaͤnder aber und der Unterdolmetſcher ritten hinter einander her; ein Diener fuͤhrte bei jedem Pferde zur rechten Seite, von welcher man es auch hier zu Lande beſteigt, den Zaum. Ehedem hatte man es durch zwei zu beiden Seiten leiten laſſen, aus welcher Pralerei man aber jezt nichts mehr macht. Hinter uns her kamen unſer Reſident oder Capitain in einem Norimon, und der alte Oberdolmetſcher in einem Cangos getragen. Unſere Leibdiener folgten, ſo weit es ihnen erlaubt war, neben her. Nach einer viertel oder halben Stunde kamen wir zu der erſten mit Wal und Mauren befeſtigten Burg, und daſelbſt uͤber eine große mit meſſingenen Knoͤpfen gezierte Bruͤcke, unter welcher ein großer mit vielen Fahrzeugen belegter Strohm Nordwaͤrts, wie es ſchien, um die Burg herabflos. Zwiſchen den beiden ſtarken Pforten am Eingange befand ſich eine kleine Wache, und auf dem erſten Burgplatze, ſo bald man die zweite Pforte paſſirt war, rechter Hand ein anſehnliches, mehr, wie mich duͤnkte, zum Prunk als zur Vertheidigung eingerichtetes Wachthaus, auswendig mit ſchoͤnen Schanz - kleidern, Buͤſchen und Piken, inwendig mit verguldeten Schauben, lakirten Roͤhren-Pi - ken-Schild-Bogen-und Pfeil-Futtern behangen und ausgepuzt. Die Soldaten ſaßen nie - derhockend in guter Ordnung, und hatten uͤber ihren ſchwarz ſeidenen Kleidern zwei Saͤbel hangen. So bald wir alſo quer uͤber dieſen mit Landesherrlichen Haͤuſern bebaueten Plaz gezogen, (wobei wir noch zur linken Hand einen vorbeifließenden breiten und befahrnen Strohm von weitem gewahr wurden*)Fehlt in der Engl. Ueberſ.) gelangten wir in die zweite mit gleicher Feſtigkeit bewahrte Burg, deren Pforten und inwendige große Wachten nebſt den Pallaͤſten weit an -ſehnlicher281Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. ſehnlicher ſich ausnehmen, als die vorigen. Unſere Koͤrbe, Pferde und Diener blieben hierſelbſt zuruͤk, und nun giengen wir mit unſern Fuͤhrern quer uͤber den Plaz nach dem Fon mar, oder der Kaiſerlichen Reſidenz zu. Erſt kamen wir uͤber eine lange ſteinerne Bruͤcke durch ein doppelt verſchloſſenes Bolwerk, darnach etwa 20 Schritte aufwaͤrts durch eine krumme Gaſſe, die nach Beſchaffenheit des Erdreichs zu beiden Seiten eine unglaub - liche hohe Mauer umgab, bis an die zur linken Hand am Ende dieſer Gaſſe unter der lezten Pforte der Reſidenz gelegene Fjak nin ban, d. i. die hundert Manswache genant, oder die große Schloswache, wo wir abwarten muſten, bis man uns weiter aufforderte, das, wie man verſicherte, ſo bald als der hohe Rath am Hof zuſammen waͤre, erfolgen ſolte. Zwei Hauptleute von dieſer Wache empfiengen uns inzwiſchen ſehr hoͤflich, und ſezten uns Thee und Tobak vor, die beiden Commiſſarien und Sino Cami kamen dazu, uns zu begruͤßen, mehrerer anderer uns unbekanter neugieriger Hofkavaliers nicht zu gedenken. Nachdem denn die aͤlteren und juͤngeren Reichshofraͤthe innerhalb einer Stunde theils zu Fuße theils in Norimons vorbei ins Kaiſerliche Schlos paſſirt waren, ſo wurden wir abgerufen und uͤber einen viereckigten mit zwei praͤchtigen Pforten verſchloſſenen Plaz, und zwar zu Ende der einen einige ſteinerne Tritte hinauf in den eigentlichen Reſidenzplaz gefuͤhrt, welcher von dort bis an die Fronte des Kaiſerlichen Pallaſtes nur wenige Schritte breit, und mit Wacht - habenden Soldaten wohl beſezt, auch vol von Hofleuten und Pagen war. Man trat noch etwa zwei Treppen hinauf in den Pallaſt und am Eingange zur rechten Hand in die naͤchſte Kammer als den gewoͤhnlichen Wartſaal fuͤr die, ſo vor den Kaiſer oder die Reichsraͤthe zur Audienz gelaſſen werden ſollen. Es war derſelbe mit verguldeten Pfeilern, Waͤnden und Schauben praͤchtig ausgepuzt, auch ziemlich hoch, nach geſchloſſenen Schauben aber ſehr finſter, indem alsdenn durch das obere Gegitter einer zur rechten Hand daran ſtoßen - den Meubleskammer nur ein kleines Licht hereinfiel. Als wir hier uͤber eine gute Stunde geſeſſen, waͤhrend dem ſich der Kaiſer auf ſeinem gewoͤhnlichen Sitze eingefunden hatte, holten beide Commiſſarien und Sino Cami unſern Reſidenten oder Capitain ab, und fuͤhr - ten ihn zu dem Audienzſaal, ließen uns aber zuruͤk; kaum daß er hineingetreten ſeyn mochte, gab eine uͤberlaute Stimme mit Hollanda Capitain das Zeichen, daß er ſich naͤhern und ſeine Ehrerbietung ablegen ſolte, worauf er zwiſchen dem Orte, wo die Geſchenke nach der Ordnung lagen, und dem hohen Sizplatze der Kaiſerlichen Majeſtaͤt, ſo weit man ihm es anwies, auf Haͤnden und Fuͤßen herbeikroch, das Haupt, auf dem Knie liegend, bis zum Boden neigte, und ſich ganz ſtilſchweigend eben ſo und wie ein Krebs wiederum krie - chend zuruͤkzog. Hierinnen beſtehet die ganze kurze Ceremonie bei der mit ſo vielen Um - ſtaͤnden zubereiteten Audienz. Mit der, welche jaͤhrlich die großen Landesherren haben, ge - het es nicht anders zu, ihre Namen werden ebenfals abgerufen, ſie bezeugen ſodann ihren demuͤthigen und gehorſamen Reſpekt, und kriechen ruͤklings wieder davon.

Zweiter Band. N nDer282Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Der Audienzſaal iſt bei weitem nicht eingerichtet, wie ihn Montanus nach ſei - ner eigenen Einbildung vorſtellet. Man ſiehet hier keinen erhabenen Thron, keine zu demſelben aufgehende Stiegen, abhangende Teppiche oder praͤchtige Saͤulen, worauf der Thron, der Saal oder das Gebaͤude ruhen ſolte. Es iſt wahr, in der That iſt dennoch alles ſchoͤn und koſtbar genug, aber von keiner andern Beſchaffenheit, als es mein Ris mit ſich bringt, den ich im folgenden Jahre, als uns der Nagaſackiſche Gouverneur nach der Audienz zum Beſehen ein wenig herumfuͤhrte, in der Eile zu machen Gelegenheit nahm,Tab. XXXI. das zumal nach Ueberzaͤhlung der Matten, Schauben und Pfoſten ſich gar leicht thun lies. Es iſt aber dieſer mit hundert Matten belegte Audienzſaal an einer Seite gegen einen klei - nen Hof hin offen, und empfaͤngt von daher ſein Licht; an die Seite gegen uͤber ſchließen ſich zwei nach gedachtem Hof hin offene Kammern an, deren erſtere ziemlich weit iſt, und zum Siz der Reichsraͤthe dient, wenn ſie kleineren Landsherren, Reſidenten und Abge - ſandten Gehoͤr geben, die andern oder leztern aber enger, tiefer und mit einem Trit hoͤher als der Saal ſelbſt ausfaͤlt. Eben hier, am Ende der Kammer, iſt es, wo der Kaiſer auf einem mit wenigen Matten erhabenen Fusboden mit unter den Leib geſchlagenen Beinen ſizt, und da ſeine Geſtalt nicht wohl zu erkennen iſt, theils weil das volle Licht bis dahin nicht reicht, theils auch, weil es mit der Audienz zu geſchwinde hergehet, und man mit niedergebuͤktem Haupte erſcheinen und wieder abziehen mus, ohne ſein Geſicht zur Betrach - tung der Kaiſerlichen Majeſtaͤt erheben zu duͤrfen. Die ſtille Gegenwart der Reichsraͤthe, Fuͤrſtlichen Prinzen, Cammerherrn und anderer hohen Hofbedienten, womit die Seiten des Saals und die Gallerien nach der Ordnung beſezt ſind, geben indes der Audienz kein geringes Anſehen.

Vormals war es hinreichend, wenn der Capitain bei der Audienz allein erſchien, da er denn nach wenigen Tagen, und wenn er die ihm vorgeleſene Geſetze angehoͤrt, und im Namen der Hollaͤndiſchen Nation zu halten verſprochen, von den Reichsraͤthen wieder nach Nagaſacki abgelaſſen wurde; jezt aber und ſeit 20 Jahren hat man angefangen, die in der Geſandſchaft uͤberkommenen Hollaͤnder nach der erſten Audienz tiefer in den Pallaſt einzufuͤhren, und ſie der Kaiſerin, den dazu eingeladenen Prinzeſſinnen vom Gebluͤt und den uͤbrigen Hofdamen zum Vergnuͤgen und Betrachtung vorzuſtellen, wobei der Kaiſer nebſt dem Frauenzimmer hinter Jalouſiematten verdekt, die Reichsraͤthe und uͤbrige bei ei - ner Audienz verordnete hohe Bediente aber oͤffentlich zugegen ſitzen.

So wie demnach unſer Capitain ſeinen ehrerbietigen Reſpekt abgelegt, und der Kaiſer ſich in ſein Cabinet verfuͤgt hatte, wurden wir drei Hollaͤnder auch herbei gerufen, und ſamt unſerm Capitain durch verſchiedene Gemaͤcher in eine aus kuͤnſtlichem Schnizwerk beſtehende und fuͤrtreflich verguldete Gallerie, und von da, nachdem wir uns eine Viertel - ſtunde verweilt, wieder durch andere Gaͤnge in einen Saal gefuͤhrt, wo man uns zumSitzen

Tab. XXXI.

283Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. Sitzen noͤthigte. Verſchiedene der geſchornen Hofleute (dieſe ſind naͤmlich die Tempelher - ren, Aerzte, auch Tafel - und Kuͤchenbediente) kamen alsbald bei uns, und thaten Fragen nach unſerm Namen, Alter und andern Kleinigkeiten, die vorgezogenen vergoldeten Schirmwaͤnde aber beſreieten uns kurz darauf von ihnen und dem ganzen vorbeigehenden Hofſchwarm. Nach einer halben Stunde, waͤhrend dem ſich der Hof in den Kammern, aus welchen wir ſolten beſchauet werden, eingefunden, brachte man uns durch einige finſtere Gaͤnge dahin. Dieſe Gaͤnge waren mit einer einfachen Reihe auf den Knien niedergebuͤk - ter Kaiſerlicher Leibwaͤchter und andern ſich an dieſe in der Ordnung ſchließenden Hof bedien - ten in ihren Staatsuniformen durchaus bis an den Schauplaz, wo wir nemlich vorgeſtelt wurden, beſezt; dieſer Plaz aber, der in dem Abriſſe zu ſehen, machte verſchiedene gegenTab. XXXII. einen Mittelort, theils offene theils mit Jalouſiematten geſchloſſene Kammern aus, deren jede 15 Matten weit und nach dem Range der darinnen ſitzenden Perſonen die eine einer Matte dik hoͤher als die andere war. Den ſo eben gedachten Mittelraum, der mit geſirniſ - ſeten Brettern belegt, von Matten entbloͤßet, und daher der niedrigſte war, wies man uns zum Sitzen an. Hinter der Jalouſiematte, nicht weit von uns zur rechten Hand, ſas der Kaiſer mit ſeiner Gemahlin, deren Geſicht ich ein paarmal, waͤhrend ich auf Kaiſerlichen Befehl etwas tanzte*)Die Handſchrift des Oheims und die Engl. Ueberſ. erwaͤhnen dieſes Tanzens des Verfaſſers, aber nicht die Handſchrift des Neffen., als ſich die Matte mit einer kleinen Oefnung beugte, erblicken, und eine braͤunliche runde ſchoͤne Geſtalt mit Europaͤiſchen ſchwarzen Augen, voller Feuer und Leben, an ihr wahrnehmen, auch nach Verhaͤltnis ihres Kopfs eine große Statur und ein etwa 36jaͤhriges Alter muthmaßen konte.

Wenn ich von Jalouſiematten rede, ſo verſtehe ich darunter von geſpaltenen feinen Rohrſtoͤkchen gemachte Hangedecken, die ohngefaͤhr einer Spannelang von einander einen ſeidenen Durchſchlag haben, und ſowol zur Zierde als deſto mehrerer Blendung mit Figu - ren bemalt ſind, wie man denn von außen her nichts dahinter ſehen kan, fuͤrnemlich wenn da - ſelbſt kein Licht iſt**)Und doch ſahe Kaͤmpfer ſo vieles an der hinter dieſen Matten verborgnen Kaiſerin, undkonte ſogar ihr Alter muthmaßen. Jch geſtehe. daß mir ſeine Erzaͤhlung hier etwas widerſprechend ſcheint.; weshalb wir auch die Gegenwart des Kaiſers nur an ſeiner Rede erkanten, die er uͤberdies ſo leiſe einrichtete, als wenn er gar nicht entdekt ſeyn wolte. Auf eine vier Matten Laͤnge vor uns, ebenfals hinter den Hangedecken, befanden ſich die eingeladenen Prinzeſſinnen†)Die Engl. Ueberſ. ſezt Prinzen, welches ohne Zweifel ein Jrthum iſt. von Kaiſerlichem Gebluͤte und die uͤbrigen Hofdamen; zwiſchen den Fugen und Ritzen dieſer Matten waren Papiere geſtekt, die ſie zu einer freieren Durchſicht zuweilen oͤfneten: ich zaͤhlte ſolcher Papiere uͤber 30 Stuͤk, und vermuthete daher die Zahl eben ſo vieler anweſendenN n 2Per -284Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Perſonen. Dieſſeits der beſagten Hangematten neben der Seite, wo man die Stimme des Kaiſers hoͤrte, in einer beſondern Kammer, ſas Bengo auf einem erhoͤheten Fusboden vor uns, und zur Linken wiederum auf einem beſondern Kammerboden die Ober - und Unter - reichsraͤthe nach ihrem Range in einer doppelten Reihe. Hinter uns war die Gallerie vor - hin erwaͤhnter maßen mit den Kammerherren und den uͤbrigen hohen Hofbedienten, der Eingang der Kaiſerlichen Kammer vor und hinter der Schirmwand aber mit uͤbereinander hervorguckenden Fuͤrſtlichen Prinzen, Pagen und Hofpfaffen beſezt. Dies mag von der aͤußerlichen Geſtalt und Beſchaffenheit unſerer Schaubuͤhne genug ſeyn, ich wil nun zur Be - ſchreibung der Rolle, welche wir hier geſpielt haben, uͤbergehen.

Als wir von den Kommiſſarien bis vor die Gallerie geleitet waren, empfieng uns ein Unterreichsrath, und fuͤhrte uns auf den vorhin beſchriebenen Mittelplaz. Jeder von uns muſte alsbald gegen die Seite, wo ſich der Kaiſer aufhielt, und die man uns anwies, ſeine Reſpektsbezeugung auf Japaniſche Manier, mit bis zur Erde gebuͤktem Haupte herzukrie - chend, ablegen, worauf uns Bengo auf Befehl des Kaiſers durch den Dolmetſcher wil - kommen hies, der ſich inzwiſchen zur beſſeren Vernehmung der Rede naͤher herbei gemacht, und uns andern zur Seite in einer Reihe hatte. Unſer Capitain ſtattete nun im Namen feiner Herren ein unterthaͤnigſtes Compliment und Dankſagung fuͤr die Gnade ab, daß ih - nen der freie Handel in Japan bisher vergoͤnnet geweſen. Der Dolmetſcher wiederholte ſolches mit auf der Erde niederliegendem Geſichte in Japaniſcher Sprache, ſo, daß es der Kaiſer hoͤren konte, deſſen Antworten und Reden Bengo aus ſeinem, und unſer Dolmet - ſcher wieder aus dieſes Munde annehmen muſte, der ſie an uns Hollaͤnder ſodann erſt wie - der ſagte, anſtat, daß er den Bengo ſeiner Muͤhe haͤtte uͤberheben, und ſie alsbald gerade vom Kaiſer ſelbſt auf uns bringen koͤnnen; ich glaube aber, daß dies darum geſchiehet, weil man vielleicht die Worte, ſo warm ſie aus des Kaiſers Munde fließen, zu heilig und majeſtaͤtiſch haͤlt, um ſogleich von Perſonen niedern Ranges wiederholt zu werden. Dieſe erſte Scene verwandelte ſich nun weiter in ein wahres Poſſenſpiel. Zuerſt kamen noch mancherlei laͤppiſche Fragen, und zwar an einen jeden insbeſondere, wie alt er, und wie ſein Name ſey? das jeder, weil man ein Europaͤiſches Schreibzeug bei ſich hatte, auf - zeichnen, und dem Bengo hinreichen muſte, welcher den Zettel nebſt dem Schreibzeuge dem Kaiſer unter der Decke hin einhaͤndigte. Unſer Capitain wurde gefragt: wie weit Holland von Batavia? Batavia von Nagaſacki? ob der General auf Batavia oder der Prinz in Holland maͤchtiger ſey? und ich: welche innerliche und aͤußerliche Gebrechen ich fuͤr die ſchwereſten und gefaͤhrlichſten hielte? wie ich mit den Krebsſchaͤden und innerlichen Geſchwuͤren zu Werk gienge? ob ich nicht auch, wie die Sineſiſchen Aerzte ſeit vielen Jahrhunderten gethan, einem Mittel zum langen Leben nachgeſpuͤrt, oder ob nicht andere Europaͤiſche Aerzte bereits eins ausgefunden? Jch antwortete, daß unſere Aerzte nochtaͤglich

Tab. XXXII.

285Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. taͤglich ſtudirten, das Geheimnis zu entdecken, wie der Menſch ſeine Geſundheit bis zu ei - nem hohen Alter erhalten moͤchte. Man fragte weiter: welches denn fuͤrs beſte dazu gehalten wuͤrde? Antwort: das lezte ſey allezeit das beſte, bis die Erfahrung ein anderes lehre. Frage: welches denn das leztere? Antwort: ein gewiſſer Spiritus, der bei maͤßigem Ge - brauche die Feuchtigkeiten fluͤſſig erhalte, und die Lebensgeiſter aufmuntere und ſtaͤrke. Frage: wie ſelbiger genant werde? Antwort: ſal volatile oleoſum Sylvii. Da ich wuſte, daß alles, was bei den Japanern Achtung erwerben ſol, einen langen Namen und Titel haben mus, ſo erwaͤhlte ich dieſe Benennung um ſo eher, die ich auch etliche mal nach einander wiederholen muſte, indem man ſie hinter der Matte nachſchrieb. Frage: wo er denn zu bekommen, und wer ihn erfunden? Antwort: in Holland der Profeſſor Sylvius. Frage: ob ich ihn auch zu machen wuͤſte? Hier befahl mir unſer Herr Capitain mit einem Winke, Nein zu ſagen; ich antwortete aber: o ja, aber nicht hier. Frage: ob er auf Batavia zu bekommen? Antwort: ja! womit denn der Kaiſer verlangte, daß mit den naͤchſten Schiffen eine Probe uͤberſchikt werden ſolte, die auch unter dem Namen im folgen - den Jahre wuͤrklich uͤberkommen iſt, in der That aber nichts anders war, als ein unliebli - cher Spiritus Salis Ammoniaci mit Gewuͤrznelken abgezogen*)Jſt bei Scheuchzern und in der Handſchrift des Oheims ausgelaſſen.. Gleichwie nun der Kai - ſer anfaͤnglich gegen uns uͤber bei dem Frauenzimmer weiter von uns geſeſſen, ſo veraͤnderte er jezt ſeinen Plaz, und ſezte ſich zur Seite hinter der Hangematten naͤher zu uns, und hies uns unſere Maͤntel oder Ehrenkleider ablegen und auſrecht ſitzen, damit er uns beſſer ins Geſicht ſehen koͤnne. Dieſes war es aber nicht allein, was der Kaiſer verlangte, ſon - dern wir muſten uns gefallen laſſen, ordentliche Affenpoſſen auszuuͤben, die mir nicht ein - mal alle mehr erinnerlich ſind; bald muſten wir naͤmlich auſſtehen und hin und her ſpatzieren, bald uns unter einander komplimentiren, dann tanzen, ſpringen, einen betrunkenen Man vorſtellen, Japaniſch ſtammeln, malen, Hollaͤndiſch und Deutſch leſen, ſingen, die Maͤntel bald um - und wieder wegthun, u. d. gl., ich an meinem Theile ſtimte hiebei eine Deutſche Liebesarie an**)Um meinen Handſchriften auch hier tren zu bleiben, ſo ſetze ich das Lied, das Kaͤmpfer abgeſungen und in ſeinen beiden Muſpten mit - getheilt, Scheuchzer aber weggelaſſen hat, ſo, wie ich es finde, hieher:1. Jch gedenke meiner Pflicht, An dem Aeußerſten der Erden, Schoͤnſte, die mir nicht kan werden, Liebſte, die mein Herze bricht, Der ich einen Eid geſchworen Sonder Arg und ohne Scheu Bei dem Licht, da ich geboren, Zu verbleiben ewig treu. . Unſer Capitain blieb jedoch von dieſen Spruͤngen verſchont,N n 3weil2.286Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. weil man gleichwol darauf dachte, daß das Anſehen unſerer Oberherren in ſeiner Perſon ungekraͤnkt bleiben muſte; wie er ſich denn auch wegen ſeines ernſihaften und empfindlichen Gemuͤths außerdem gar ſchlecht dazu geſchikt haben wuͤrde. Nachdem wir denn ſolcherma - ßen in die zwei Stunden lang, obwol unter beſtaͤndig ſehr freundlichem Anſinnen, zur Schau gedient hatten, wurde jedem von geſchornen Dienern ein kleiner Tiſch mit Japaniſchen An - biſſen, dabei ſtat der Meſſer und Gabel ein paar Stoͤkchen lagen, vorgeſezt. Es war wenig, was wir davon aßen. Das uͤbrig gebliebene muſte der alte Dolmetſcher vor ſich mit beiden Armen davon tragen, ob er gleich kaum die Macht hatte, ſich ſelbſt auf ſeinen Fuͤßen fortzubringen. Man hies uns darauf die Maͤntel anlegen und Abſchied nehmen, dem wir denn auch ohnverzuͤglich nachkamen, und hiemit unſern zweiten Auftrit beſchloſſen. Unſere Fuͤhrer begleiteten uns wiederum in den Wartſaal, woſelbſt ſie uns verließen.

Es war ſchon drei Uhr Nachmittags, und wir hatten fuͤr heute noch den Ober - und Unterreichsraͤthen, ſo wie ſie oben, unterm 25 Maͤrz, benent worden, mit den Geſchen - ken unſere Aufwartung zu machen. Wir verließen alſo den Kaiſerlichen Pallaſt, gruͤßeten im Vorbeigehen die Hauptleute in dem großen Wachtſaale, und ſezten unſern Gang zu Fuße fort. Die Geſchenke waren bereits vor uns her nach eines jeden Wohnung von den Schreibern abgetragen, und vermuthlich in eine beſondere Kammer geſezt worden, weilwir**)2. Ja, was ſag ich, Pflicht und Schuld? Was Verſprechen und Beloben? Deine Schoͤnheit, die von oben Dir vergoͤnt der Goͤtter Huld, Deine Tugend, die man findet Nirgend in der ganzen Welt Jſt die Kette, die mich bindet, Jſt der Kerker, der mich haͤlt. 3. Ach zu meiner harten Zucht Hab ich armer mich vermeſſen, Deiner, Engel! zu vergeſſen, Durch ſo weite wuͤſte Flucht. Taur und Caucas, Tuͤrk und Heiden Noch der Jnd - und Gangesfluth Koͤnnen mich von dir nicht ſcheiden, Nicht vermindern meine Gluth. 4. Großer Kaiſer, Himmels Sohn, Herrſcher dieſer fernen Landen, Reich von Gold und ſtark von Handen, Jch betheur bei deinem Thron, Daß ich alle dieſe Strahlen Deines Reichthums, deiner Pracht, Deiner Dames, die ſich mahlen, Nichts vor meinem Engel acht. 5. Weg du Hof der Eitelkeit, Weg du Land mit ſo viel Schaͤtzen. Zeitlich kan mich nichts ergoͤtzen, Als die keuſche Lieblichkeit Meiner edlen Florimenen, Meiuer einzigen Begier, Die wir uns ſo herzlich ſehnen, Sie nach mich und ich nach ihr. 287Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. wir nichts davon wahrnahmen. Es beſtanden ſelbige in einigen Stuͤcken Sineſiſcher, Ben - galiſcher und anderer ſeidenen Stoffe, auch Leinwand, ſchwarzer Sarſche, einigen Ellen ſchwarzen Tuchs, Ginguans, Pelangs und einer Flaſche Tintowein. Bei den Haushof - meiſtern und Sekretaͤrs wurden wir uͤberal wohl empfangen und mit gemahlnem Thee, Tobak und Konfituͤren, ſo wie es die Kuͤrze der Zeit mit ſich brachte, bewirthet. Hinter den Hangematten und Schauben in den Kammern, in die man uns hineinfuͤhrte, war es voller Zuſchauer weiblichen Geſchlechts, die es aus Neugierde gar gern geſehen, wenn wir ihnen von den ſpashaften Cerimonien auch etwas vorgemacht haͤtten, das ihnen aber fehl - ſchlug, außer in der Wohnung des Bengo (der ſich immittelſt von hinten her hatte nach Haus tragen laſſen) und des juͤngſten Reichsraths in der Nordwaͤrts liegenden Burg; bei jenem warteten wir mit einem kleinen Tanz und bei dieſem ein jeder von uns mit einem Lied - chen auf. Hiernaͤchſt beſtiegen wir unſere Tragkoͤrbe und Pferde, und kamen durch eine Pforte nach Norden aus dieſer Burg uͤber einen fremden Weg, der zur linken Hand große ſtarke Waͤlle und Graben hatte, mit der Sonnen Untergang in unſere Herberge.

Den 30 Maͤrz, Freitags, ritten wir fruͤh aus, um den uͤbrigen Herren, naͤmlich den zwei Gouverneurs von Jedo, drei geiſtlichen Richtern und den zwei Kommiſſarien oder Aufſehern uͤber die auslaͤndiſchen Perſonen und Sachen, unſere Geſchenke zu bringen, die ebenfals von unſern Japaniſchen Schreibern auf Brettern in die angewiefene Audienzſaͤle waren voraus getragen, und alda nach der Ordnung ausgekramt worden. Sie beſtanden in dem naͤmlichen, als ich kurz vorher angezeigt habe. Ein oder zwei Hausbediente fuͤhr - ten uns allemal durch verſchiedene Gemaͤcher in den auf allen Seiten und Plaͤtzen mit Zu - ſchauern volgepropften Audienzſaal. So wie wir uns niedergeſezt, kam Tobak und gemahl - ner Thee, und bald darauf der Haushofmeiſter oder Sekretaͤr, entweder allein oder auch wol nebſt einem ſeiner Collegen, um das Kompliment im Namen ſeines Herrn anzuneh - men. Es war alles ſo eingerichtet, daß wir dem unſichtbaren Frauenzimmer immer in den Augen ſeyn konten, dem zu geſallen man uns mit mancherlei Sorten Kuchen und allerhand Zuckerbakwerk aufzuhalten ſuchte. Die beiden Kommiſſarien, die ziemlich weit von ein - ander, der eine gegen S. W. der andere gegen N. O. der Burg, und zwar auf eine Meile entfernt wohnten, holten uns mit einer Pracht ein, als ob wir etwas naͤher in ihrer Gunſt ſtuͤnden: zehn bis zwanzig bewafnete Trabanten naͤmlich, die mit ſtarken zur Seite weit ausgeſtrekten Staͤben eine anſehnliche Figur machten, hielten die Gaſſe beſezt und den auf - dringenden Poͤbel groͤſtentheils ab. Unſer Empfang beim Eintrit des Hauſes war wie bei den andern, wir wurden jedoch tiefer und bis zum innerſten Gemach hineingefuͤhrt, damit ſowol wir als das zu unſrer Beſchauung ſich eingeſtelte Frauenzimmer deſto ungehinderter und von dem fremden Zulauf entfernter ſeyn moͤchten; auf zwei oder mehr Matten Laͤnge in die - ſem Gemache hiengen gegen uns uͤber Gittermatten anſtatt der Schauben, alwo die ge -ſchminkten288Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſchminkten Hausdamen nebſt ihren herzugeladenen Freundinnen und andern Bekanten ſo haͤu - fig vorſaßen und ſtunden, daß kein Raum mehr uͤbrig blieb. So bald wir uns niederge - ſezt hatten, wurde uns von ſieben wohlgekleideten anſehnlichen Dienern Tobak und was dazu gehoͤrt vorgebracht; bald hernach auf gefirniſſeten Brettern mit Auſſaͤtzen etwas ge - backenes; hierauf eben ſo gebratene Stuͤk vor Stuͤk in ein Schuͤſſelchen gelegte Fiſche; und endlich ein gebackenes und geſottenes geſchaͤltes Ey, auch zwiſchen jedem ein Trunk alten ſtarken warmen Sacki. Als hiebei eine oder anderthalb Stunden verſtrichen waren, ſprach man uns an, ein Lied zu ſingen, und demnaͤchſt einen Tanz zu machen, welchem lezteren wir aber ausbeugten. Bei dem erſten Commiſſair bediente man uns anſtatt des Brandte - weins mit einer ſuͤßen Pflaumenſuppe; bei dem andern zuerſt mit einem Stuͤk Mangebrod, das man in eine kalte braune Bruͤhe eintunkte, nebſt etwas gemahlnem Senf, auch ein paar Radiſen; dieſemnaͤchſt aber und zulezt mit einem außerordentlichen Gerichte, naͤmlich mit Zucker beſtreueten Citronenſcheiben, und hierauf zum Beſchlus mit gemahlnem Thee; wir nahmen ſodenn Abſchied, und kamen Abends um fuͤnf Uhr wieder in unſere Herberge.

Den 31 Maͤrz, Sonnabends, Morgens um 10 Uhr ritten wir wieder aus, um die drei Nagaſackiſchen Gouverneurs zu beſuchen, wovon jedoch nur einer anweſend, die beiden andern aber fuͤr ihre Perſonen zu Nagaſacki ſich befanden, woſelbſt ſie auch die ihnen beſtimte Geſchenke bereits bekommen hatten; wir nahmen gegenwaͤrtig jedoch fuͤr einen je - den noch eine Flaſche Tintowein mit. Der anweſende Sino Cami naͤmlich begegnete uns mit einer ziemlichen Suite eben vor ſeinem eignen Hauſe: er hielt ſtille, hies die Dolmet - ſcher naͤher zu ſich kommen, und befahl ihnen uns zu ſagen, daß er es gern ſaͤhe, daß wir bei ihm eintreten und uns eine Veraͤnderung machten. Ein Bruder von ihm empfieng uns uͤberaus wohl, und unterhielt uns in Geſelſchaft anderer vornehmen Herren und Freunde mit dem hoͤflichſten Geſpraͤche: er noͤthigte uns in dem Garten umher zu gehen oder ſonſt ein Vergnuͤgen zu waͤhlen, gleich als ob wir zu Jedo bei einem guten Freunde und nicht bei einem Nagaſackiſchen Gouverneur waͤren; warmes Eſſen und ſtarken Thee ſezte man uns darneben, auf die Weiſe als es geſtern bei den Commiſſairs geſchahe, zur Bewirthung vor. Wir verweilten alhier zwei Stunden, und begaben uns nun zu des Tono mo Sama Behauſung. Hier wurden wir in das innerſte und vornehmſte Gemach gefuͤhrt, und zu zweimalen gebeten, den zu beiden Seiten befindlichen ziemlich breiten Jalouſiematten uns zu naͤhern, darhinter es von Frauenzimmern mehr, dann bisher irgend an einem Orte, vol war, das unſere Kleider, unſers Capitains Gewehr, Ringe, Tobakspfeiſen und derglei - chen mit einer anſtaͤndigen und Achtungsvollen Neugierigkeit betrachtete, und es ſich alles zwiſchen oder unter den Matten durchreichen lies. Derjenige ſowol, der uns im Namen des abweſenden Gouverneurs empfieng, als die andern gegenwaͤrtigen vornehmen Perſonen, die um und bei uns ſaßen, bezeigten ein ſo offenherziges Betragen, daß wir bei jenesfreund -289Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. freundlichem oͤfteren Zutrinken wenige Schwierigkeit machten, und ſich jeder von uns, zum Beweis der Zufriedenheit, mit einem Liedchen hoͤren lies. Aus dem Ueberfluſſe alles deſ - ſen, was an einer Tafel die Sinne zu reizen vermag, konte man hier den glaͤnzenden Wohl - ſtand der Familie hervorleuchten ſehen, der dem geſtrigen bei dem erſten Commiſſair faſt die Wage hielt, außer daß jezt an dieſem Orte weit mehr Vertraulichkeit herrſchte. Es waren etwa anderthalb Stunden, nach denen wir unſern Abſchied nahmen. (Ein Unter - benjoſe, ein Bedienter dieſes Hauſes, begruͤßete uns vor der Pforte mit halber Hand: er war vor drei Jahren in der Anherreiſe mit unſerm Herrn Capitain von Outhorn vom Ober - benjoſen alſo begruͤßet worden, nachdem er den Oberdolmetſcher getoͤdtet*)Fehlt in der Engl. Ueberſ. und der Hand - ſchrift des Oheims.). Die Woh - nung dieſes Herrn war am weiteſten N. oder N. W. waͤrts der Stadt ohngefaͤhr anderthalb große Meilen von unſerer Herberge, an einem ziemlich ſchlechten**)Scheuchzer ſagt das Gegentheil: an einem ſehr angenehmen Orte naͤmlich. mit vielem Gebuͤſche und Huͤgeln beſezten Orte. Der dritte Gouverneur Zubo ſama wohnte an dem Burg - graben in einem elenden Hauſe. Wir trafen alda nur eine kleine Verſamlung von Frauen - zimmern nahe vor uns hinter fenſternen Thuͤren an, die ſich damit behalfen, uns durch Loͤcher zu beſchauen, welche ſie, ſo bald ſie ſich niederſezten, einſtießen. Weil uns die Koͤpfe von den vielen zu uns genommenen ſtarken Getraͤnken ſchwer zu werden anfiengen, ſo hielten wir es, nach volbrachten Traktamenten, fuͤr gerathen, uns alsbald zu beurlauben und von dannen zu eilen, damit wir die ernſthaften Dolmetſcher, die eine ſo luſtige Geſel - ſchaft zu begleiten nicht gewohnt ſind, uͤber uns nicht verdruͤslich werden moͤchten. So freundlich ſich hier uͤbrigens der, ſo des Gouverneurs Stelle vertrat, (nicht aber der Ceri - monienmeiſter, der jedesmal ein anderer Hausbedienter war†)Dieſe Parentheſe hat Scheuchzer nicht.) bei uns geberden wolte, ſo ſehr misfiel uns dennoch die ganze Zeit uͤber ſein unangenehmes Geſicht, zumal da wir Abgeſandte und keine Kaufleute fuͤr dasmal zu ſeyn, und als ſolche behandelt werden zu muͤſſen uns einbildeten, die nicht des Gewinſtes ſondern der Ehre halber da waren.

Den 1 April, Sonntags, Nachmittags erhielten wir von Jo Samma das Ver - ſprechen, daß wir morgen bei Hofe unſere Abſchiedsaudienz haben wuͤrden.

Den 2 April, Montags, alſo vor neun Uhr begaben wir uns gewoͤhnlicher maßen zu Pferde nach Hof, warteten in dem aus dem vorigen bekanten Wachtſaale an die andert - halb Stunden, und bekamen darauf einen Bewilkommungsbeſuch von den Herren Com - miſſairs und dem Sino Cami; in dem großen Vorgemache des Schloſſes, das mit 36 großen Matten belegt und mit verguldeten Schauben umgeben war, muſten wir eben ſoZweiter Band O olange290Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Zwoͤlftes Kap. ꝛc. lange verweilen. Die Herren Commiſſairs und Sino Cami forderten unter abermaliger Begruͤßung den Oberdolmetſcher von hier ab, um ihm den Ort nebſt der Art und Weiſe der zu beobachtenden Cerimonien anzudeuten. Kurz darauf wurde unſer Capitain nicht weit von hier linker Hand in einen Saal gefuͤhrt, woſelbſt er die wuͤrkliche Abſchiedsaudienz erhielt, und die in fuͤnf Artikeln beſtehende Geſetze des Kaiſers| in Abſicht auf den Portu - gieſiſchen Handel, ſo wie das gewoͤhnlich iſt, anhoͤrte. Der Sino Cami begleitete ihn wiederum in das große Vorgemach zuruͤk, und nahm mit einem freundlichen Geſicht und wenigen Worten unter dem Zuſaz, wie er ihn in Nagaſacki demnaͤchſt wieder zu ſehen hoffe, von ihm Abſchied, und ſo begaben wir, ohne den Commiſſairs ein Kompliment zu machen, uns zuſammen hinweg, und kamen etwa um ein Uhr Nachmittags wieder nach Haus. Waͤhrend unſerm Aufenthalt in dem Vorgemache fanden ſich verſchiedene junge Prinzen, Herren und Bedienten des Hofs, uns zu betrachten, und unter andern auch ein Enkel des Fuͤrſten von Facatta ein, der nur ein Auge hatte, und erſt kuͤrzlich vom Kaiſer blos als ein Pfand des Treue ſeines Grosvaters und alſo als ein Geiſſel unter die Hofpagen war ge - zogen worden. Einer der uͤbrigen fragte nach unſers Capitains Namen, und ſchrieb ſich ſolchen aufs Gewehr; ſo bald aber war dieſes nicht verrathen, als der Sino Cami Befehl gab, daß keinem Menſchen mehr der Hollaͤnder Namen geſagt werden ſolte. Noch ehe wir von Hof abzogen, lies man das auf drei Tafelbrettern gelegte Gegengeſchenk von Sei - ten des Kaiſers, das in 30 Roͤcken beſtand, zum voraus wegtragen, und des Nachmit - tags wurden uns mehrere dergleichen von denen Herren, die von uns in dieſen Tagen wa - ren beſchenkt worden, zugeſchikt, als 1) vom Noji Jſemono, dem Jedoſchen Gouverneur, zwei ſchwarze Roͤcke oder Staatskleider: 2) von dem Reichsrath Todo tamaſjiro, 10 Roͤcke: 3) vom Tſutſia Sagami Sama, eben ſo viel: 4) vom Fodjo Awano Sama, Gouverneur zu Jedo, zwei: 5) vom Kagami, zehn: und 6) vom Bongo Sama auch zehn Roͤcke.

Den 3 April, Dienſtags, brachten die uͤbrigen Herren gleichfals ihre Roͤcke, (je - den in gros Papier mit bunten papiernen Straͤngen eingewickelt*)Dieſer Kleinigkeit gedenkt Scheuchzer nicht.) jeder der Commiſſairs naͤmlich drei, und jeder der außerordentlichen Reichsraͤthe, ſechs. Und hiemit waren alle unſere Geſchaͤfte in Jedo, um ein Uhr Nachmittags, abgethan.

Den 4 April, am Mitwochen, war der Tag, da der Kaiſer bei Bengo zu Gaſte war, weshalben heute die Schlosthore verriegelt blieben, als welches der jetzige Kaiſer zu jedermans Verwunderung bei dieſer Gelegenheit zur Gewohnheit gemacht hat.

Drei -291

Dreizehntes Kapitel. Ruͤkreiſe von Jedo bis Ragaſacki, und was darauf vorgefallen.

Den 5 April, Morgens fruͤh um acht Uhr traten wir unſere Ruͤkreiſe nach Nagaſacki an. Es waͤhrte zwei Stunden, ehe wir durch die Stadt, deren drei leztere Quer - gaſſen nebſt dem aͤußerſten Strohme ohngefaͤhr 400 Schrit auf die See zuliefen, in die Vorſtadt kamen. Die Bauren waren bei Umreiſſung der Reisfelder, dabei ſie ſich einer mit Eiſen beſchlagenen Hacke bedienten, in voller Arbeit, und ſtanden bis an die Wa - den im Moraſte und Waſſer. Jn verſchiedenen Flecken ſahe man auf langen Bambus - ſtangen beſchriebene Bretter, welche die bevorſtehende Ankunft eines Landesherrn in der Abſicht andeuteten, damit niemand die Herbergen alda vorher beſetze. Der Gerichtsplaz bei Simonoſecki hatte diesmal keine Menſchengebeine: nur etwa anderthalb Meilen ohnweit un - ſers Nachtlagers, das wir kurz vor Abend bei truͤben Wolken und Staubregen erreichten, vor Totska naͤmlich, fanden wir einen Menſchenkopf im Wege, und außerdem viele kranke Jſjereiſende. Jn Cauwaſakki hatten wir Mittag gehalten. Die Gegend um Totska war fruchtbar, man ſahe auch Huͤgel und ein langes Vorgebirge erſtrekte ſich bis zur See.

Den 6 April reiſeten wir eine Stunde nach Anbruch des Tages mit feuchtem Wet - ter aus. Faſt den ganzen Tag durch begegnete uns erſt der Vortrab und die Bagage des Lan - desherrn von Kino kuni, die alle mit dem verguldeten Kaiſerlichen Wapen bezeichnet war; ſodann Mittags um 12 Uhr der Train ſelbſt vor Oiſo. Etwa 20 Man mit uͤberzo - genen Rohren giengen hinter einander her; dann eben ſo viele mit großen Bogen und Pfei - len; dann etwa wieder ſo viele mit hoͤlzernen langen Stangen und zwiſchen dieſen einige mit gefirniſſeten Geſchuͤz-auch Saͤbelfutteralen und verſchiedenen Piken; hierauf folgten vier Pferde, deren lezteres uͤber einem ſchwarzen Sizplatze einen ſchwarzen Stuhl mit zwei hin - ten aufgeſtekten Federbuͤſchen, wie ſie an den Piken ſind, fuͤhrte, und drei oder vier vorn und hinten getragene Standarten und Piken, nebſt einigen Perſonen zu Pferde; bald dar -O o 2auf292Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. auf aber 12 Vorgaͤnger und der Landesherr ſelbſt in ſeinem Norimon; etwa 20 Schritte vor uns lies er einen Augenblik ſtille halten, ſelbigen oͤfnen, und ſich ganz langſam bei uns, die wir aus Reſpekt von den Pferden abgeſtiegen waren, und mit entbloͤßeten Haͤuptern da ſtanden, vorbeitragen, auch da wir ihm durch unſern Dolmetſcher ein kurzes Kompliment machten, uns hinwiederum unter der hoͤflichſten und freundlichſten Begegnung alles Gluͤk zu unſerer Reiſe anwuͤnſchen. Er war dem Anſehen nach ein Herr von 30 Jah - ren, mageren Geſichts und Leibesbeſchaffenheit, kraͤnklicher Farbe, von einem ernſthaften jedoch gefaͤlligen Weſen. Weil er aus Koͤniglichem Gebluͤte abſtamte, ſtand auch ſein Sohn in Jedo eben im Begrif, ſich mit des Kaiſers eilfjaͤhrigen Tochter zu verheirathen. Hinter dem Norimon oder nach ihm machten einzelne Pikentraͤger zu Pferde und einige Diener, ſodann ſein Statthalter nebſt verſchiedenen andern, alle mit Pikentraͤgern und anderen Be - dienten, den Beſchlus, ſo daß allein die Fusgaͤnger ſich beinahe auf 1000 Man beliefen, die gleichſam in einen Klumpen gedraͤngt und in großer Stille nachfolgetn. Des Abends um fuͤnf Uhr erreichten wir unter dem Schreien und Nachlaufen einer Menge von loſen Bu - ben unſere Herberge.

Den 7 April wurden wir aus der Herberge bis Fackona, wo wir Mittag mach - ten, in Cangos getragen. Man ſagte uns, daß nicht weit von hier der Ort, Motto Fackoni genant, waͤre, wo Kongin kami geſchlagen worden. Eine Stunde vor der Sonnen Untergang kamen wir nach Miſjima, wo wir uͤbernachteten. Es iſt alhier ein beruͤhmter Tempel, deſſen großer und weiter Umfang mit Quaderſteinen wohl gepflaſtert war; auch nahe dabei ein Teich mit uͤberaus zahmen Fiſchen. Beim Herabreiſen des Ber - ges ſahe man, daß ſich W. S. W. von Fackona das bergigte Land auf 12 Meilen rechter Hand nach der See hin, linker Hand aber ſelbige faſt vorbei zog. Nicht weit von Miſjima wurden wir von einer Menge Jammabosknaben und Maͤdchen mit Singen, wiewol von jenen unverſchaͤmter als von dieſen, angefallen.

Den 8 April ritten wir drei Stunden vor Tage aus, weil wir dem Prinzen von Owari, dem Gemahl von des Kaiſers Schweſter, der in dem anderthalb Meilen vor uns gelegenen Flecken Numidzu eben logirte, gern ausbeugen wolten. Der Weg war inzwi - ſchen dennoch ſchon mit ſeinen Leuten, Pferden, Bagage und Norimons, nebſt den Haushof - meiſtern (Leute, die ihm vom Kaiſer zugeordnet, und mehr die Stelle der Verraͤther als ſeiner treuen Diener vertraten, weil ſie von Hof aus ganz beſonders dazu ausgeſucht wor - den) faſt uͤberal erfuͤlt, welche die Oerter bei noch angeſtekten und aufgehangenen Laternen in aller Stille durchpaſſirten. Das Nachfolgen der uͤbrigen von ſeinem Trupp waͤhrte den ganzen Tag. Aus unſerer Herberge gelangten wir bald bis zu der Bruͤcke von Numidzu, von da und bis an die Stadt ſelbſt ſtanden 1000 und mehr erbauete Haͤuſer, gleich einer Vorſtadt. Das junge Volk von den Jſjepilgrims trafen wir ſchlafend auf dem Felde an,die293Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. die Namanda Moͤnche hingegen ſtatt deſſen ſchon am Wege, ob es gleich noch ſo fruͤh am Tage war, welche mit ihrem kleinen Glockengelaͤute Almoſen bettelten. Von Numidzu gieng der Weg W. N. ohngefaͤhr eine Meile durch etliche kleine und geringe am Seeufer an einan - der gelegene Doͤrfer, wo uns die Knaben mit ihren taumelnden Luftſpruͤngen zu einer Gabe be - wegten. Linker Hand eine kleine halbe Meile von Numidzu war der Meerbuſen. Nach einer etwa 100 Schrit langen paſſirten Bruͤcke lief unſere Marſchroute bei der mehr zur Seite W. N. W. hinter uns gelegenen See, eine halbe Meile an dem Fuße eines Gebirges hin auf ein ſchoͤnes Dorf und fruchtbare Reisfelder, welche zur Rechten unten am Berge her, zur Linken aber nach dem Meerbuſen zu ſich erſtrekten, und uns ohngefaͤhr in einer Meile nach Joſtſjiwara brachten. Von hier gieng es S. W. eine Meile, nachgehends W. bis zu dem aus dem naͤchſten Vorgebirge hervorkommenden Flus Fiſi kawa. Dieſem - naͤchſt muſten wir auf ¾ Meilen rechter Hand einige Bergklippen vorbei. Suͤdwaͤrts jenſeit dem Fluſſe war das große Dorf Uwa Fudzi, von da wir auf einen fuͤr den Landesherrn neu gemachten Weg kamen*)Scheuchzer laͤſſet dieſen neugemachten Weg vou dem Flus Fiſi Lawa ſchon angehen, und gedenkt des großen Dorfs Uwa Fudzi gar nicht., und ſodann viel weiter Weſtwaͤrts in Kambara die Can - gos beſtiegen, nach einer kleinen halben Meile das aus 100 Haͤuſern beſtehende Dorf Katta Jamma, und ferner in einer ſonderbaren durch die uͤberal N. N. O. vor uns bis zu dem großen Berge Fufi no Jamma und noch weiter liegende Gebuͤrge verurſachten Kruͤmme Okitz erreichten. (Der anderthalb Meilen vor Okitz S. S. O. ſich befindliche erhabene Huͤgel Mijanomatz, den ich bisher, weil mir das hervorragende Gebirge das Geſicht be - nahm, aus Jrthum fuͤr eine Jnſel gehalten, doch aber, wie mir geſagt wurde, feſtes Land ſeyn, und zur Rechten einen Meerbuſen haben ſol, iſt mit Spaarbaͤumen beſezt, und hat auch daher den Namen**)Dieſe Parentheſe fehlt bei Scheuchzern und in der Handſchrift des Oheims; ich nehme ſie daher ungeaͤndert aus der Handſchrift des Neffen.). Zu Okitz ſezten wir uns wieder zu Pferde, und ritten bis des Abends fuͤnf Uhr nach Jeſeri, wo wir die Nacht uͤber, obwol in einer andern Herberge als vorhin, weil der Wirth ein Freund des Sjube war, verblieben. Jn dem in dieſer Gegend S. S. W. gelegenen Gebirge, Kono genant, ſind Gold - und Silberminen, es geſchiehet aber jetzo gar keine Arbeit dabei.

Den 9 April ſind wir aus unſerer Herberge erſt eine halbe Meile bald rechts, bald links, denn W. S. waͤrts auf drei viertel Meilen durch ein ſchoͤnes zwiſchen Bergen lie - gendes Land; demnaͤchſt S. W. nach Weſten und gleich darauf W. S. W. eine Meile, ſowol dort als hier bei einem Handweiſer vorbei, und ferner wiederum eine halbe Meile S. W. in einer Drehung bis Siringa fortgezogen, alwo zwar die Berge S. S. W. noch immer weiter hinausgehen, S. S. O. aber mit einer weiten unabſehlichen Ebene, vielleichtO o 3we -294Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. wegen des angraͤnzenden Meeres, abwechſeln. Nach der Durchpaſſirung von Siringa ſamt der Vorſtadt verfolgten wir W. S. W. eine viertel Meile, darnach W. N. W. und endlich S. S. W. den Weg bis zu dem Dorfe Abikava und dem Fluſſe gleiches Namens, der ſich von W. durch das Gebirge bald ins Meer ergos, linker Hand war nur ein kleines nach O. S. O. laufendes Vorgebirge; wir wandten uns hierauf erſt S. W. eine halbe Meile, dann W. N. eine viertel Meile bis zu dem 200 Haͤuſer ſtarken Dorfe Mariko, woſelbſt ſowol als auch jenſeit Futſu uns ein großer Schwarm Betler anfiel, unter welchen auch ein ſchoͤnes Maͤdchen mit bloßen Bruͤſten ſich unſern Tragkoͤrben naͤherte, dem unſere Al - moſen gar nicht fehlſchlugen. Jenſeit dieſer Stadt hatte ein Pfaffe in einer von Brettern erbaueten Huͤtte ein großes verguldetes Bild mit 12 Armen aufgeſtelt, deren zwei vor der Bruſt jeder ein Kind hielten, zwei uͤber das Haupt geſchlagen, und die uͤbrigen achte auf den Ruͤcken geſchlagen waren; auf dem Haupte ſahe man ſieben kleine Goͤtzen; es ſol daſ - ſelbe die Goͤttin Quannon, als die Gebaͤhrerin vieler beruͤhmter Goͤtterhelden vorſtellen. Futſu iſt eine Stadt in der Provinz Surunga, alwo man ſehr fruchtbare Aecker findet: es werden daſelbſt die papiernen Stoffe gemacht: man trift auch einen herrlichen Tempel da an, den ich aber fuͤr diesmal nicht beſichtigen koͤnnen. Nach vielen krummen Umwegen bald W. S. W. eine große viertel Meile, bald S. S. W. eben eine ſolche viertel Meile, dann N. W. eine viertel, dann S. W. auch eine viertel Meile, und bald hernach S. W. nach W. beruͤhrten wir nun das Dorf Utznoja, von da aber gelangten wir durch große wunderbare Kruͤmmen ſowol ohngefaͤhr drei viertel Meilen Berg auf bei einem Handweiſer vorbei, als auch eben ſo weit Berg unter S. W. durch viele einzelne weit zerſtreuete Haͤuſer, und eine kleine Vorſtadt uͤber eine Bruͤcke, zu dem aus 200 Haͤuſern beſtehenden Dorfe Okabe, wo wir Mittag hielten. Wir ritten hiernaͤchſt S. S. O. eine halbe Mei - le (ein uͤber eine Meile Weges nach der See zulaufendes Vorgebuͤrge linker Hand laſſend) in einer weiten laͤngſt einem Strohme mit uns fortgehenden Ebene uͤber eine 80 Schrit lange Bruͤcke durch ein kleines Dorf, alwo ſich fuͤr heute unſere Wege durch die Gebuͤrge endigten, indem nur rechter Hand auf eine viertel Meile lang deren noch vorhanden, linker Hand aber ſchon, gleichwie vor uns, offenes Feld war. Ohnfern eines Handweiſers brach - te uns abermals eine Bruͤcke zu des Oſackiſchen Gouverneurs, Ota Tſinokami, Guͤtern und Kaſtel. Es lag daſſelbe linker Hand etwas voraus hinter dem Staͤdtchen Fuſi Jedo, eine halbe Meile von gedachtem Handweiſer. Durch dieſes Staͤdtchen aber paſſirten wir W. S. W. eine große viertel Meile, und außerhalb demſelben auch ſo weit S. S. W., ferner bis wieder ſo weit durch einen Strohm, bei einem Handweiſer vorbei, dann bald ei - ne Meile S., bald eine Meile S. W. nach W. abermals zu einem Handweiſer, und fer - ner nach einer guten halben Meile (da ſich immittelſt linker Hand ein kleines niedriges drei viertel Meile Suͤdwaͤrts an die See ſtoßendes Vorgebuͤrge wieder erhob) zunaͤchſt einesrechter295Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. rechter Hand herfließenden Strohms, (der linker Hand auf den großen und hoͤchſt gefaͤhr - lichen Strohm Ujingava zulief, und bei einem andern Vorgebuͤrge vorbei in die See fiel) zu einem Handweiſer, und ferner bis zu der Stadt Sſimada. Nach deren Zuruͤklegung kamen wir W. S. W. durch zwei Doͤrfer, ferner durch eine mit Bergen umſchloſſene Ebe - ne, und bald durch ein anderes Dorf, wo wir beſonders verordnete Traͤger vorfanden, de - ren jedem von uns drei beigegeben wurden, die uns eine viertel Meile durch den ſchnel vor - uͤber ſchießenden Strohm Ujingava tragen muſten. Wir erhielten ein jeder ein in Oel getunktes und am Ende unterzeichnetes Papierchen, das die daſigen Schreiber oder Caſſi - rer vor den bedungenen Preis von 20 Caſjes (der auch wol bisweilen, nachdem eben das Waſſer beſchaffen iſt, auf 100 Caſjes ſteigt) austheilen, wir aber nach gluͤklicher Durch - bringung den Traͤgern zuruͤk einhaͤndigten, damit dieſe, weil ſie fuͤr die Verwahrloſung fuͤr irgend eine Perſon mit dem Leben haften muͤſſen, ſich bei erwaͤhnten Schreibern damit wiederum ausloͤſen koͤnnen. Die Stadt Canaja war es, die wir hiernaͤchſt in einer hal - ben Meile uͤber ein Ufer, dann wieder ſo weit durch einen in vier bis fuͤnf beſondere Armen zertheilten Strohm, und endlich eine viertel Meile uͤber verſchiedene Bruͤcken und einige zer - ſtreuete Haͤuſer vorbei, als unſer Nachtquartier erreichten*)Scheuchzer hat in dieſem Journal vom 9ten April alle von Kaͤmpfern hin und wieder haͤufig be - zeichnete Erdgegenden nebſt verſchiedenen Kleinig -keiten ausgelaſſen, der Stadt Fudſu auch gar nicht gedacht..

Den 10 April war auf unſerer Reiſe Mitſiki der Ort, wo wir zu Mittag aßen, und Fammamatz, wo wir des Nachts blieben. Aus der Herberge durch die Stadt Ca - naja, die etwa aus 200 Haͤuſern beſtand, gieng es S. W. fort, und außer derſelben bald eine viertel Meile Berg auf, und eine viertel Meile Weſtwaͤrts Berg unter, dann eine Meile durch verſchiedene Doͤrfer und uͤber Bruͤcken, bald N. W. durch ein kleines 60 Haͤu - ſer ſtarkes Dorf eine halbe Meile, wiederum W. S. W. Berg auf eine viertel Meile durch zerſtreuete Haͤuſer in einer abhaͤngigen Ebene, ferner S. W. durch eben dergleichen Haͤuſer, oder vielmehr durch die Vorſtadt von Miſiſakka oder Niſiſakka, (wo wir, im Vorbeigehen zu ſagen, in einer Kapelle ein ſchwarzes Goͤtzenbild ſahen) und demnaͤchſt auf verſchiedenen Kruͤmmen in und durch die Stadt ſelbſt. Eine halbe Meile von hier und wieder eine viertel Meile vor Kakingava, war eine Wege, Ort und Meilen anzeigende Saͤule, ohnweit davon ein kleines Dorf, wo man das Bambusrohr wie den Reis auf Fel - der hinpflanzt, auch die feinen Mannsſchuhe davon verfertigt, und ein paar derſelben um 20 Caſjes verkauft, wie denn einige von unſern Leuten deren gern etliche gekauft haͤtten, wenn ſie mit dieſer ſchlechten Muͤnzſorte ſtatt der bei ſich habenden ſilbernen verſehen gewe - ſen waͤren. Bei dem großen Dorfe Faranga nach drei viertel Meilen von hier trafenwir296Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. wir eben durch viele dergleichen Biſam-Felder, nach einer halben Meile einen Handweiſer und bald darauf ein weitlaͤuftiges Dorf an, wo man feine Biſenmatten auf den Kauf zu machen pflegte. Die kleinen Gebirge und Huͤgel endigten ſich linker Hand auf eine halbe, rechter Hand aber auf zwei Meilen almaͤhlig in eine Ebene. Weil von dem kleinen Staͤdt - chen Mitſiki, das den Namen, wie man ſagt, mit der That hat, weil es ſehr lang iſt, und wo wir nach einer halben oder drei viertel Meilen eintrafen, der ſchoͤne Weg durch das Regenwetter ſchluͤpfrig geworden war, ſo ließen wir uns durch etliche Doͤrfer und kleine Staͤdte bis ins Dorf Tenrju und ferner bis zu dem nur ſchlechtweg ſo genanten großen Flus in Cangos tragen, uͤber denſelben uns mit Prahmen ſetzen, und alsdenn wiederum in Can - gos bis kurz vor Abend in die Stadt Famma matz bringen.

Dieſſeits Miſiſakka fiel uns ein junger Betler an, der nakt und blos war, und weiter nichts als eine kurze Strohſchuͤrze um den Leib, in der Hand aber einen mit vielen Papieren behangenen Spies hatte, außerdem auch einen hoͤlzernen Kram mit vielen Bil - dern von Heiligen und Helden vor ſich trug. Vor der kleinen Vorſtadt von Mitſiki, wor - innen es viel luͤderliches Weibsvelk giebt, lag ein vom Plazregen durch und durch geweichter mit dem Tode ringender Pfaffe im freien Felde auf dem Geſichte, der gleichwol noch zum Zeichen ſeines Lebens einigen Laut von ſich hoͤren lies, damit man ihn nicht fuͤr eine Leiche halten und uͤbel behandeln moͤchte; ein Anblik, daruͤber ſich ein Stein haͤtte erbarmen moͤ - gen, der aber den Japanern ganz gleichguͤltig war. Unſer hoͤfliche Wirth aus Mitſiki lag vor der Stadt im Herabgehen des Berges, uns nochmals ſeine Achtung zu bezeugen, mit den Haͤnden im Regen auf der naſſen Erde, ſein Haupt hatte er entbloͤßt und ſeinen Som - breiro neben ſich. Zu Famma matz erzaͤhlte man uns ganz was ſonderbares von einem Jſjepilgrim: es hatte derſelbe die Freiheit zu ſeiner Fahrt von dem Landesherrn ſeiner Pro - vinz erhalten, gleich wie er aber die erforderliche Keuſchheit bei einer ſo heiligen Handlung aus den Augen geſezt, und ſich unter Wegs mit einer oͤffentlichen Weibsperſon in eine fleiſch - liche Vermiſchung eingelaſſen, ſo lag er in eben dieſer Stellung nun ſchon ſeit 14 Tagen in einem Pfaffenhauſe feſte, ohne daß durch irgend ein Mittel eine ſolche ſtrafbare Umar - mung zu trennen geweſen waͤre; es wurde dieſes Paar ſo wohl von ſeinen Freunden und Bekandten als tauſend andern Zuſchauern in Augenſchein genommen, dabei man denn ge - wahr worden, daß die Untertheile des Leibes ſchon nicht mehr vereinigt, die Obertheile hin - gegen noch feſte an einander geweſen. Jch bot am folgenden Tage einen Cupan, um es zu ſehen, man wolte aber nicht, ſondern ſagte, die Menge Pfaffen mit ihren Korallen - kraͤnzen haͤtten das Paar endlich losgebaͤtet. Die Japaner ſind aberglaͤubig genug, um zu behaupten, daß bei den Jſjepilgrims ſich ein ſolcher Zufal jaͤhrlich ereignen muͤſſe.

Uebrigens waren heute diſſeit der Gebirge die ergiebigſten Reis - und Kornaͤcker, (denn jenſeit auf zwei Meilen von dem gefaͤhrlichen Fluſſe iſt das Land grandig, ſteinigund297Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. und mager) ja ſelbſt die niedrigen Berge zeigten ſtuffenweiſe alle gleichſam eine lebende Fruchtbarkeit. Jn den Poſtdoͤrfern ſahen wir auf ſieben Stangen angeheftete Bretter, auf welchen der Name, die Ankunft und die Zeit des Einzugs eines erwarteten Landesherrn an - gedeutet wurde*)Hier macht es Scheuchzer eben wie bei der vorigen Tagesgeſchichte. Der Bambusrohrpflan - zung und der daraus fabricirten Mannsſchuht, des Orts Kakingava, des Staͤdtchens Mitſiki, desDorfs Tenrju und anderer kleinen eingeſtreueten Dinge, gedenkt er gar nicht..

Den 11 April ſezten wir unſere Reiſe in Cangos aus Fammamatz fort, weil es die ganze Nacht hindurch geregnet hatte, und auch an dem Morgen noch nicht auf hoͤrte. Es beſtehet die Stadt Fammamatz, die nicht ohne Pforten, Wachten und Vorſtadt iſt, und in allem bei 1200 Haͤuſer enthaͤlt, theils aus einer langen geraden, theils und fuͤrnemlich in der Vorſtadt aus ungleich ſich ſchneidenden und verſchiedenen Nebengaſſen, welche leztere an dem rechter Hand an einem Huͤgel gelegenen Tempel und Reſidenzhauſe der durchreiſenden Prinzen ſich endigten. Jn der Gegend um die Stadt waren viele gruͤnende flache Reisfel - der, die ſich zur Linken faſt eine Meile bis zur See erſtrekten; weiter vom Wege entſernt aber zur Rechten liefen Huͤgel und Berge ab. Gleich im Anfange war unſer Weg drei viertel Meilen S. W. gleich und eben, und gieng ſodann einen Wegweiſer vorbei, zu dem großen und weitlaͤuftigen Dorfe Waggabaſi, oder vielmehr Wackabeijaſj genant, von da in einer Ebene eine halbe Meile Weſtwaͤrts linker Seits an einem Seeufer, rechter Seits aber an einem luſtigen Walde hin. Jm Verfolg eine halbe Meile W. S. nahm die See linker Hand ein Ende, und es kam dagegen das große Dorf Sjinowara mit einem Handweiſer zum Vorſchein; zur Linken trafen wir hieſelbſt ſteinigte und grandige Aecker, zur Rechten aber den Anfang eines großen Meerbuſens an, dem gegenuͤber ein großes Vorgebuͤrge lag. Eine halbe Meile weiter lenkten wir uns wieder W. bis Majaſakka, und hatten von da wieder auf eine halbe Meile lang den gleicheſten Weg bis zu einem Hand - weiſer, bei welchem wir unſere Cangos verließen, und mit Kaiſerlichen Luſtbarken bis Ar - ray fortfuhren. Die von hier bis in unſere Nachtherberge Akaſakka noch beruͤhrten Oer - ter waren in der Ordnung folgende:

  • 1) Das Dorf Faſjino oder Famma Danga Faſſino.
  • 2) Außer noch einem
    **)Die Engl. Ueberſ. ſezt zwei Doͤrfer.
    **) andern Dorfe, das Dorf Ziraſſika, 150 Haͤuſer ſtark
    †)Stat 150 Haͤuſer hat Scheuchzer ohngefehr 500.
    †). Berg auf N. Weſtwaͤrts auf einer hohen Ebene, konten wir N. O. nach O. faſt den Fus des Berges Fuſi no Jamma vor uns ſehen.
Zweiter Band. P p3) Bam -298Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 3) Bambat oder Saringa Bambat. Dahinter einem Luſtwald und etlichen Handweiſern vorbei nach
  • 4) Ftangawa, unter einem bergigten Walde gelegen, aus etwa 200 Haͤuſern beſtehend. Hier muſten wir mit einem ſchlechten Mittagsmahl vorlieb nehmen.
  • 5) Die Stadt Joſttzida, die ſich mit geraden langen Gaſſen um das Schlos zog: Weſtwaͤrts waren ſelbige beinahe eine viertel Meile lang, und liefen in gleichem Striche durch die Vorſtadt bis zu der Bruͤcke. Linker Hand ſahen wir hier eine ohnweit dem Ufer gelegene bergigte Jnſel, von etwa drei Meilen in der Breite, auch ſtrichen viele Segel - ſchiffe von N. durch die Berge, das Schlos vorbei, und ſodann links nach W. fort unters Vorgebuͤrge in die See. Von dem Anfange der Vorſtadt bis zu dem gleich daran ſtoßenden Dorfe, nicht weit von gedachter Bruͤcke bei einem Handweiſer, hatten wir eine große Mei - le hinter uns gelegt. Linker Hand auf drei viertel Meilen war das Meer, rechter Hand aber auf anderthalb Meilen einige Hoͤlzung, und alles eben und plattes Land. Der Weg gieng nun W. N. W. drei viertel Meilen, und darauf bis
  • 6) Koſakkai. Hier brachten wir in der Durchreiſe eine viertel Meile zu.
  • 7) Sakaramatz, eine viertel Meile von Koſakkai; darzwiſchen ein Wald.
  • 8) Das Dorf Koo; wo wir das Schlos des Landesherrn von der Provinz Owa - ri, wozu auch obige Jnſel gehoͤrt, ſehen konten.
  • 9) Die Stadt Goy oder Goju
    *)Scheuchzer macht aus dem Dorfe Koo und der Stadt Goy oder Goju einen Ort.
    *), dahin uns eine große 80 Schrit lange Bruͤ - cke fuͤhrte. Die Wirthshaͤuſer waren alhier voller haͤslich geſchminkter Weibsmenſcher.
  • 10) Die Stadt Akaſakka endlich, die wir mit anbrechendem Abend erreichten, und alda eben wol vielerlei Arten von Weibsleuten, die denen zu Goy nichts nachgaben, vorfanden. Es beſtehet ſelbige aus 250
    **)Scheuchzer ſezt nur 200.
    **) der groͤßeſten Haͤuſer, ſo wir von Jedo an und auch in Jedo geſehen haben; viele derſelben ſind mit hohen uͤberhangenden Stokwerken erbauet, und zwiſchen gruͤnen zum Theil beackerten niedrigen Gebuͤrgen gelegen.

Den 12 April haben wir Akaſakka verlaſſen und folgende Oerter paſſirt:

  • 1) Koſoi, ein weitlaͤuftiges und aus 150 zerſtreueten Haͤuſern beſtehendes Dorf, wo man Beutelnetze verkauft. Zur linken Hand deſſelben ſtand ein Lehrtempel, in wel - chem, wie man ſagt, der Kaiſer Taicoſama, der erſte dieſes Geſchlechts, ſtudirt haben ſol; ob es gleich weit wahrſcheinlicher iſt, da er von niedriger Herkunft geweſen, daß er in dieſem Dorfe als Knecht gedient, und des vielen Holztragens muͤde und uͤberdruͤſſig ſeinem Herrn, einem Wirthe, entlaufen ſey, welches man nachmals, um dieſes zu verheelen undzu299Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. zu beſchoͤnigen, aus Reſpekt ſo vorzuſtellen geſucht hat, als ob er in dieſem Dorfe erzogen, und in Sitten und Wiſſenſchaften unterrichtet ſey.
  • 2) Das Dorf Jamannaka.
  • 3) Das Staͤdtchen Fiidzka oder Fuſikava, etwa 250 Haͤuſer ſtark, an deſſen Ende ein Handweiſer war, und davon eine halbe Meile das Gebuͤrge mit einem waldigten Huͤgel auf hoͤrte.
  • 4) Das Dorf Sſonda oder Seoda.
  • 5) Das große Dorf Einuſku. Zwiſchen dieſem und dem vorigen war ein weites Feld und eine 140 Schrit lange Bruͤcke.
  • 6) Die Stadt Okaſacki. Von jenem Dorfe bis hieher reiſeten wir bei einigen Wegweiſers vorbei. Da wir vernahmen, daß der erſte Kaiſerliche Reichsrath von einer Commiſſion von Miaco zuruͤkkomme, und zu Tſjiriu in unſerm gewoͤhnlichen Logis Mittag halten wolte, ſo thaten wir annoch zur Vormittagszeit in der Okaſakkiſchen Vorſtadt in einem ſchoͤnen Wirthshauſe unſere Mahlzeit, wiewol es auch damit kurz ablief, weil un - vermutheter Weiſe des gedachten Reichsraths ſein Koch und Vorlaͤufer dennoch anhero geſchikt wurden, um die Mittagstafel zu bereiten, weshalb wir uns alsbald aus dem Stau - be machten. Sowol durch die Vorſtadt von 300 Haͤuſern, als durch die Stadt ſelbſt von 1500 Haͤuſern, gieng der Weg ohnweit dem Schloſſe in gerader Linie fort durch die zweite Vorſiadt
    *)Der Anzahl der Haͤuſer in dieſen Staͤdten und einer zweiten Vorſtadt gedenkt Scheuchzer nicht.
    *) bis zu einer großen Bruͤcke des Waſſerreichſten Fluſſes, den wir noch gehabt, von 158 Jkinen oder 428 gemeinen Schritten lang, wornach ſich ein neues Dorf
    **)Scheuchzer fuͤhrt den Namen deſſelben Jaſagi an.
    **) oder eine andere Vorſtadt, und darauf eine Ebene, von etwa drei Meilen im Bezirke, zeigt, alwo zur Linken das Gebuͤrge bis zur See ſich erſtrekte, zur Rechten aber ſich zwar endigte, jedoch ein neues wieder zum Vorſchein kam. Eine gute halbe Stunde dieſſeits der Bruͤcke war es, wo uns der Kaiſerliche Reichsrath Abimo Bongo Sama begegnete. Sein Vortrab machte nicht uͤber 100, und ſeine Suite auf 600 Koͤpfe aus. Vorher giengen wenige Gewehr - und Pikentraͤger, demnaͤchſt 11 ſchwarzgekleidete Staatsbediente. Er ſelbſt ſas in einem Norimon. Nachdem wir abgeſtiegen, und ihn mit einer Verbeugung begruͤßet, winkte er uns, ohne ſtil zu halten, ſeine Dankſagung zu, und lies uns ſein Gegenkompliment durch einen ſeiner nachgeſchikten Bedienten uͤberbringen, der ein artiger, wackerer Menſch, etwa von 40 Jahren war. So wie unmittelbar vor, alſo auch nach ihm folgten verſchiedene Traͤger und zwei Staatspferde, alle mit Piken begleitet: dann ei - nige in Norimons mit Staatspferden, Piken und Dienern, dann wiederum 12 zu Pferde und ſo viel in Norimons.
P p 27) Die300Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 7) Die Stadt Kſojamma, aus 200 bis 250 Haͤuſern beſtehend. Ohnweit davon lag ein hohes Schneegebuͤrge.
  • 8) Das Dorf Ofammatſjei. Hier ließen wir die Pferde ihr kurzes Mittags - futter nachholen.
  • 9) Tſiriju, 150 Haͤuſer ſtark, nebſt einem großen Reſidenzhauſe zur Einkehr der durchreiſenden Landesherren. Etwas weiter fort ſtand ein einzelnes Haus und ein Hand - weiſer.
  • 10) Das Dorf Jmau Uka, gleichfals 150 Haͤuſer ſtark, wo ſich viele Sakki - ſchenken befanden.
  • 11) Das Staͤdtchen Arrimatz von 50 Haͤuſern. Zwiſchen dem lezteren Dorfe und dieſem Staͤdtchen beruͤhrten wir noch erſt ein anderes kleines Dorf von 70 Haͤuſern, mit einem Bache, und weiter ein großes Dorf, zwei Waͤlder und einige Huͤgel.
  • 12) Die Stadt Marum oder Narumi. Von Arimatz bis hieher hatten wir ſehr gutes Land.
  • 13) Das Dorf Kaſſadira. Erſt ein flaches Feld, ein großes Dorf am Ufer linker Hand laſſend, denn eine Bruͤcke, fuͤhrten uns hieher. Jn dem hieſigen Tempel Kimitz wurde ein Feſt gefeiert, und als wir ein wenig ſtille hielten, hoͤrten wir, daß je - mand das Goͤtzenbild Quano Sama anrief. Jn Nagaſacki ſol eben ein ſolcher Tem - pel ſeyn.
  • 14) Das Dorf Tobe oder Jammaſakki, von einigen auch Kaſſadira genant. Es beſtand aus 100 Haͤuſern.
  • 15) Die Stadt Mija, unſere Nachtherberge, die wir noch vor Abend betraten, und die wir vom vorigen Dorfe, erſt zu einem Fluſſe und uͤber eine Bruͤcke, ſodann bald einen Handweiſer vorbei durch die Vorſtadt erreichten. Von dem Landesherrn der Provinz Sußima, der auf den morgenden Tag zu Lande von Quano erwartet wurde, trafen wir be - reits einige von ſeinem Vortrabe hier an. Wir kamen in der Stadt bei einem vor vier Jahren erbaueten Sintostempel vorbei, deſſen Eingang mit zwei Pforten an einem erhabe - nen Ufer angewieſen wurde, vor welchem fuͤnf Sintoiſche Pfaffen mit Dairimuͤtzen Stuffen - weiſe nach der Reihe, naͤmlich die zwei erſten, ſtanden, zwei andere aber etwas erhoͤheter, und der lezte noch hoͤher und in der Mitte ſaßen; wie wir denn zwei andere eben dergleichen Pfaffen, deren einer Jammabosringe, und der zweite einen papiernen Buſch in der Hand hielt, vor unſerm Quartier betteln ſahen. Man nennet ſelbigen Tempel Atzta, das iſt drei Saͤbeltempel, weil man von Jſje drei Saͤbel hieher gebracht, die man unter der Auf - ſicht eben dieſer Art Pfaffen ſogleich wie noch in einem andern Tempel acht Saͤbel be - ruͤhmter Helden, und der Fakkin, d. i. acht Saͤbeltempel, heißet, als ein Heilig - thum verwahrt.
Den301Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.

Den 13 April ſind wir mit Aufgang der Sonne in Fahrzeugen außerhalb den Land - bruͤchen und Jnſeln abgereiſet, und S. W. nach W. fuͤnf Meilen, darnach zwei Meilen W. mit einem ſchiefen Landwinde in etwa vier Stunden, um 10 Uhr eine halbe Meile un - ter dem Kaſtele Quano oder Kwano angekommen, wo wir anſegeln und uns uͤbrigens am Ufer wieder zuruͤk mit Rudern an der Seite heraufarbeiten muſten, weil es ſowol we - gen der Beſchaffenheit des Landes als der Winde nicht anders thunlich war. Nachdem wir| geſpeiſet hatten, zogen wir um 11 Uhr durch den erſten Theil der Stadt Kwano, wo ein wohl befeſtigtes Thor nebſt aufgemauertem Walle und Graben, dem Kaſtele gleich, ſich befand, Suͤdwaͤrts fort, demnaͤchſt durch den mittelſten gleich dem vorigen befeſtigten Theil der Stadt S. W., und leztlich S. O. durch den dritten und laͤngſten mit Mauren, Waͤllen, Graben und ſchlechten Pforten, jedoch einer guten Wache verſehenen Theil der - ſelben. Nach der ſodann W. S. W. paſſirten Vorſtadt, etwa eine halbe Meile außer der - ſelben, bekamen wir eine wohl kultivirte Ebene vor uns, wornach wir rechter Hand ein gro - ßes hohes Gebirge auf vier bis fuͤnf Meilen, linker Hand aber auf eine halbe Meile die See hatten. Außer noch einigen Doͤrfern, unter denen eins war, wo man die Seemuſcheln vorzuͤglich zu braten wuſte, gelangten wir ferner zu dem großen Dorf Fonda, auch Konda genant, und wieder zu dem Dorfe Fatz oder Fas, nach ſolchem aber durch noch einige Doͤr - ferchen und uͤber eine 150 Schrit lange Bruͤcke zu dem großen und langen Flecken Jokkaits, der mit einer oder zwei Quergaſſen faſt bis an die See ſties, und worinnen es von den aufs haͤslichſte geſchminkten Huren, die ich nur je geſehen, ganz vol war; von hier weiter zu dem großen Dorfe Naga (von da der Weg S. O. nach Jtzi gehet) woſelbſt die See auf eine Meile zur Seiten abwich; nach dieſem zu dem Dorfe Ojewatſj, wo wir die Leute mit Ausgrabung der Koth - und Miſtgruben zu Begailung der hier bei einem Fluſſe und einer huͤgelichten Gegend ſehr wohl ausgeſtelleten Aecker beſchaͤftiget antrafen. Durch ein ande - res großes Dorf, (diejenigen Doͤrfer, ſo wir zu beiden Seiten hatten, nicht mitgerechnet) das ſich in einer Ebene nach einer Anhoͤhe hin erſtrekte und Tſitzki hies*)Das Dorf Tſitzki hat die Engl. Ueberſ. ausgelaſſen., kamen wir end - lich zu dem offenen Flecken Jakutz oder Jze Jakutz in eine recht gute Herberge. Es ſind etwa 150 Haͤuſer daſelbſt, und auch am Ausgange deſſelben ein Tempel, wo die Pfaffen unter dem Gelaͤute der Glocken ihr Opfer und ihren Goͤtzendienſt verrichteten. Da Jakutz in der Provinz Jſje liegt, ſo giebt es hier laͤngere Meilen, indem naͤmlich 50 Straßen auf eine Meile gehen, ſtatt daß darauf an andern Orten deren nur 36 gerechnet werden.

Den 14 April zogen wir aus Jakutz bei Sonnen Aufgang, truͤber und kalter Luft durch ein freies Feld auf gleichem Wege fort, nicht lange hernach aber bei einer gruͤnenP p 3mit302Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. mit Baͤumen beſezten und unter einem ſich auf zwei bis drei Meilen erſtreckendem Vorge - birge gelegenen Ebene vorbei, bis zu einem großen mit einer ſchlechten Bruͤcke verſehenen Flus, paſſirten ſelbige ſo wohl als folgende Oerter:

  • 1) Kumi Gawara, ein kleines artiges Dorf. Dabei ein Graͤnzpfahl von Kamme jamma. Der Weg war ſehr eben bis
  • 2) Odamura, ein langes Dorf, wo uns der Landesherr von Nangatta ſamt ei - ner Suite von 300 Man, 15 bis 20 Handpferden, und nur acht Vorlaͤufern vor ſeinem Norimon, aufſties, ohne daß wir ihm einigen Reſpekt oder Komplimente erwie - ſen haͤtten.
  • 3) Kawai, ein kleines aus blos leimenen Haͤuſern beſtehendes Dorf, alwo uns eine noch andere kleine Suite von ohngefaͤhr 100 Man begegnete.
  • 4) Das Dorf Wada oder Wanda. Von da durch zwei Waͤlder bis
  • 5) Kammi Jamma, eine große, reiche, auf zwei platten Huͤgeln, mit einem durch die Mitte laufenden kleinen Thale, gelegene, mit einem Thore, Walle und Mauren befeſtigte Stadt, deren krumme Ellenbogenweiſe durchgehende Gaſſen, ohne die in den Vor - ſtaͤdten, etwa 2000 Haͤuſer, und zur rechten Seite das mit Graben, Wal und Mauren verſehene Kaſtel in ſich faſſen.
  • 6) Das Dorf Noſiri, zwiſchen welchem und der vorigen Stadt ſich eine ebene Landſtraße befindet.
  • 7) Sjinodſiſo, ein Flecken von ohngefaͤhr 600 Haͤuſern. Man machte hier Fackeln von geſchabtem Bambus, mit welchen ſo wol die Buden angefuͤllet, als auch die Reiſenden von den Kraͤmern ſehr angegangen werden. Wir trafen an dieſem Orte vor al - len andern die ſchoͤnſten und die mehreſten Herbergen an, hielten uns auch in der Durch - reiſe etwas auf.
  • 8) Das Dorf Fuſikaki, wo man ſtark mit Feigen handelt. Von dem vorigen Flecken bis hieher geriethen wir bald N. bald S. durch viele Wendungen und Kruͤmmen uͤber Gebirge, und von hier durch zerſtreuete einzelne Haͤuſer
    *)Scheuchzer macht aus dem Dorfe Fuſikaki, das er auch Kudſikaka nent, die eigentlichen zer - ſtreueten Haͤuſer.
    *) uͤber die freie Heerſtraße
  • 9) zu dem unten am Berge gelegenen Flecken Sakkanoſta, von da wir nach ei - ner gehaltenen Mittagsſtunde durch einen engen dunkeln und krummen Weg, einen Berg hinauf in Cangos getragen wurden. An dem Fuße des Berges ſtand ein Tempel mit einem goldenen Loͤwen
    **)Scheuchzer fuͤhrt ſtat einem goldenen Loͤ - wen mehrere an.
    **), der ein krummes hinterwaͤrts gebeugtes Horn hatte. Von dieſem Tempel gieng man eine Treppe auf zu einem andern Tempel. (Hinter Sakkanoſta war eineBude303Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. Bude mit kleinen und mit heiligen Worten beſchriebenen Brettern, welche die Buben den Reiſenden zum Kauf anboten, weil darinnen große Tugend und Wuͤrkung verborgen lie - gen ſol
    *)Dieſe Parentheſe hat Scheuchzer nicht.
    *)).
  • 10) Das Dorf Sava, eine halbe Meile von dem auſgehenden hohen Wege bei Sakkanoſta.
  • 11) Das Dorf Jamma Naka. Zwiſchen hier und dem vorigen Dorfe flos ein großer Bach.
  • 12) Jnofanna, ebenfals ein Dorf, von jenem durch viele Kruͤmmen entfernt.
  • 13) Kanni Jaſakka, auch ein Dorf.
  • 14) Der Flecken Tſutſj Jamma endlich, den wir vom vorigen Dorfe uͤber ein zwiſchen Bergen liegendes ebenes, zuweilen etwas huͤgelichtes Feld zwei Stunden vor der Sonnen Untergang als unſere Nachtherberge erreichten.

Den 15 April war unſere Marſchroute folgende:

  • 1) Von Tſutſj Jamma, das ſich endigende Gebirge rechts, verſchiedene Huͤgel und Waͤlder links, auf das zerſtreuet von einander liegende Dorf Meino oder Maijenu, von deſſen Anfange bis zu Ende wir beinahe eine halbe Stunde zubrachten.
  • 2) Ono, ein ebenfals zerſtreuetes Dorf, eine halbe Meile vom vorigen.
  • 3) Das Dorf Jmaſikf. Rechts darhinter bekamen wir von neuem Berge und waldigte Huͤgel zu Geſichte.
  • 4) Das Dorf Koſats. Die Gebirge und Huͤgel liefen rechter Hand fort.
  • 5) Das Dorf Zinzomra oder Dſinſo
    **)Die beiden Doͤrfer Koſats und Zinzomra oder Dſinſo nent die Engl. Ueberſ. nicht mit Namen.
    **). Hier waren viele Kobaſj - oder Lilien - baͤume und Tſunge - oder dem Buchsbaum gleichſehende Baͤume anzutreffen.
  • 6) Die Stadt Minakutz, welcher das Reſidenzſchlos ohne Wal und Graben zur Linken lag. Man verfertigt hieſelbſt die ſchoͤnſten Huͤte und andere Sachen aus feinem Biſam. Außer der Stadt ſamt der Vorſtadt befand ſich eine gleiche und breite Heerſtraße, auch eine Meile davon Suͤdwaͤrts aufs neue ein hohes Gebirge links vor uns.
  • 7) Jedzummi oder Jtſummi, ein Dorf, ohnweit welchem wir rechter Hand die große Oitzer See ſahen.
  • 8) Das Dorf Bjekiſjeija
    †)Dieſes Dorf laͤſſet die Engl. Ueberſe - tzung aus.
    †). Linker Hand hatten wir den Skorpion - und rech - ter Hand den Schneeberg.
  • 9) Das Dorf Tanaawa.
10) Naſ -304Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 10) Naſſummi, ein langes Dorf, oder wie es andere nennen, Natzummi. Außerhalb demſelben war eine Bude mit einem hoͤlzernen Goͤtzenbilde, ohne Haͤnde, mit einem kurzen Barte, aufgeſchlagen, dabei inwendig ein Pfaffe, auswendig davor aber zwei mit ſchoͤnen Ehrenkleidern und Saͤbeln angethan bettelten.
  • 11) Das Dorf Farri.
  • 12) Kooſibukkuro, auch ein Dorf, nicht weit vom vorigen, vor dem gleichfals eine Bude und wohl gekleidete Betler, darinnen aber zwei Goͤtzenbilder ſtanden, davon das groͤßeſte ein krauſes Haar und beide Haͤnde vor ſich hatte, darneben mit dem Vorder - finger der rechten Hand auf ſeine Bruſt zeigte, in der linken aber etwas verſchloſſen hielt.
  • 13) Jſſibe. Zwiſchen hier und dem lezteren Dorfe war der Weg gleich und eben. Wir ſpeiſeten zu Mittag und kamen ſodenn erſt durch einige Kruͤmmen S. W. eine halbe Meile um einen Berg, darauf wieder auf die Heerſtraße durch einige Doͤrfer.
  • 14) Zu dem Dorfe Takkano, ſo eine viertel Meile lang, und wegen der Arze - neipulver, deren mancherlei Arten alhier verkauft werden, beruͤhmt iſt. Ohnweit davon iſt
  • 15) Das Dorf Minoki, wo eigentlich dieſes Pulver erfunden und der rechte Kaufort iſt. Es ſchmecken ſelbige bitter und uͤbel, und ſind in Doſen abgetheilt, mit einer Aufſchrift von ihrem Nutzen und Gebrauch. Dem Pulverkram gegen uͤber war eine Bude oder Goͤtzentempel, in welchem man dem vornehmſten Japaniſchen Heiligen, Fanna ge - nant, in einer Tarateblume mit einer uͤber ſein von einem rund verguldeten Krais umgebenes Haupt hervorreichenden und mit einem Reiskorn bezeichneten halben Muſchel ſtehen ſahe; in der linken Hand hielt er einen Scepter, das, was er in der rechten hatte, konte ich nicht erkennen. Es gieng jederman mit bloßem Haupte und großer Ehrerbietung hinzu, machte mit dem Gloͤkchen oder flachen Becken ein Getoͤne, und that mit fuͤrs Geſicht gehaltenen Haͤnden ſein Gebaͤt. Eine halbe Meile hinter Minoki nahmen die hohen Gebirge ab, und endigten ſich in kleine Huͤgel, wiewol auf zwei Meilen Weges weiter hin ſich wiederum neue zeigten
  • 16) Nagaſj.
  • 17) Migawa.
  • 18) Sinjeſj, alle drei Doͤrfer.
  • 19) Das Staͤdtchen oder Flecken Kuſatzu. Zwiſchen demſelben und dem Dorfe Sinjeſi beruͤhrten wir außerdem noch ein und anderes Dorf, auch einen Flus. Jn Kuſatzu werden die Bambuswurzeln, Rottang genant, verarbeitet.
  • 20 Noodz oder Nooſi, ein kleines Dorf, alwo rechter Hand die Oitzer See und linker Hand der Berg Jeſo war.
  • 21) Sjetta, ein Dorf von einer halben Meile lang. Auf dem Wege von Noodzbis305Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. bis hieher paſſirten wir viele Ruͤbenfelder und drei kleine Doͤrfer. Von hier dreheten wir uns bald rechts, bald links nach
  • 22) Zetta, einem noch groͤßeren Dorfe als das vorige. Am Ufer hieſelbſt ſtand ein kleiner Fabelntempel.
  • 23) Das Dorf Zitto no faſi, von andern auch Torinkawa, jenſeit der Bruͤcke gelegen, die die groͤßeſte war, ſo wir noch in Japan geſehen.
  • 24) Dſjedſi, eine ſchoͤne Stadt nebſt einem Kaſtel, und die Reſidenz des Lan - desherrn Ondaija Sama (der aber ſeit vielen Jahren her in Jedo bleiben muͤſſen). Unſer Durchzug durch die Stadt erſtrekte ſich auf drei viertel, und durch die Vorſtadt auf eine viertel Meile.
  • 25) Die Stadt Ootz, alwo wir unſer Nachtquartier nahmen, das von der Vor - ſtadt, wodurch unſer Weg eine viertel Meile lang waͤhrte, noch eine viertel Meile abgelegen war. Man hatte um unſer willen von Koſatzu Rottangs anhero gebracht, die man um einen wohlfeilen Preis von den Japanern kaufen kan; nur alsdenn ſind ſie theuer, wenn der Lan - desherr das Graben der Wurzeln auf einige Zeit verbieten laſſen, weil ſie ſonſt gaͤnzlich ver - tilgt werden wuͤrden, wenn es ununterbrochen geſchaͤhe: ſie muͤſſen ſehr tief und mit großer Muͤhe in der Erde geſucht werden. Die Kuſatzuſche Sorte wird Faiziku genant, und iſt von der, die man in der Gegend von Nagaſacki graͤbt, unterſchieden, weil ſelbige nur Spannen oder Armen lang iſt. So ſchlecht uns zur Nachtzeit die Stadt Ootz vorkam, ſo lebhaft war es am Tage von Krambuden, wie ein kleines Nuͤrnberg
    *)Dieſe Vergleichung fehlt in der Engl. Ueberſ.
    *).

Den 16 April war ein Sonntag. Wir verfolgten unſere Reiſe durch den Flecken Otanni, das angraͤnzende Dorf Ootzſakka, das nahe dabei gelegene Dorf Oje wazi oder Ojwacke, darauf uͤber eine große und breite zwiſchen Bergen gelegene gruͤne Wieſe zu ei - nem Graͤnzpfahl des Mijackiſchen Gebiets, durch das Dorf Jammaſta bis in den nicht weit davon gelegenen Flecken Jakkadai, wo wir Mittagsruhe hielten. Von hier kamen wir auf das naͤchſte Dorf Jamaſjva, und ferner durch ein kleines Dorf uͤber ein Gebirge an den Flecken Keangi, den Anfang der Stadt Miaco, dann zu einem noch andern Fle - cken Awatagatſj genant, und ſo durch verſchiedene Vorſtaͤdte uͤber drei Fluͤſſe, davon der erſte 1500 Schritte, mehr oder etwas weniger, von dem andern, und dieſer nur 100 Schritte von dem dritten abgelegen war, in die Stadt Miaco ſelbſt. Zur Rechten und Linken lie - fen die Gaſſen unabſehlich hinab. Nach W. hin ſahe man den Schlosthurm. Etwa Abends neun Uhr befanden wir uns in der Herberge.

DenZweiter Band. Q q306Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Den 17 April haben wir mit Beſchauung allerlei Merkwuͤrdigkeiten und Einkau - fung einiger Galanterieſachen zugebracht; auch die Geſchenk-Roͤcke nicht nur bei dem neuen Grosrichter, welcher nach dem Kaiſer die beſten gab, ſondern auch bei den Gouverneurs unter den gewoͤhnlichen Komplimenten eingenommen.

Der 18 April war der lezte Tag unſers Aufenthalts in Miaco, an welchem nach hergebrachter Gewohnheit den vom Hof kommenden Hollaͤndern die Herrlichkeit der im Abfal eines waldigten wilden Gebirges gelegenen Miacoiſchen Tempel, als der groͤßeſten, koſtba - reſten und angenehmſten des ganzen Reichs, zur Beſichtigung dergeſtalt frei gegeben iſt, daß ſelbiges ſo gar niemals verabſaͤumt oder unterlaſſen werden darf, wenn auch gleich un - ſer Reſident oder Fuͤhrer keine Luſt dazu haͤtte. Nach der Mittagsmahlzeit alſo begaben wir uns mit Norimons auf den Weg. Zuerſt muſten wir eine Straße, wo wir hereinge - kommen, wieder zuruͤk bis uͤber die Bruͤcke, von da eine Meile rechts und bald darauf Oſt - waͤrts dem Gebirge durch ſehr gleiche, ſaubere, luſtige mit kleinen Haͤuſern, Buden, Kramladen und Werkſtaͤtten beſezte Gaſſen, wo wir eine lange breite Allee oder Plaz, der noch in gleichem und ebenem Grunde und Boden der Stadt lag, an dem Fuße des Berges aber uͤber 1000 Schritte fortlief, betraten, mithin.

1) zu dem Kaiſerlichen vortreflichen Tempel Tſugannin oder vielmehr Tſchuganin gelangten. Das Thor war praͤchtig, gros und mit einem erhabenen doppelten Dache, wie das hier zu Lande an den Schlosthuͤrmern und Tempeln zu ſeyn pflegt. Wir ſtiegen aus den Norimons, um die Erde mit den Fuͤßen zu beruͤhren, das eine Art von Ehrerbietung iſt, und außer dem Kaiſer von allen Vornehmen des Reichs geſchiehet. Zu Ende der mit kleinen Steinen und Grand gepflaſterten Allee, an deren Seite hohe Haͤuſer fuͤr die Tempelbedienten ſtanden, gieng man weiter bald Links bald Rechts auf eine erhoͤhete mit feinem Sand belegte, auch mit Baͤumen und allerhand Geſtraͤuchen beſezte Ebene, und nach Paſſirung zweier mehr zur Pracht als Gebrauch von Holz errichteter ſchoͤner Gebaͤude, trat man einige ſaubere Treppen hinauf in ein großes, weites und faſt gegen die Japaniſche Bauart erhoͤhetes hoͤlzernes Haus, deſſen Vordertheil ebenfals viel hoͤher und ſchoͤner als am Kaiſerlichen Schloſſe ſelbſt war. Die Gallerie war gefirniſſet, die inwendigen Kam - mern mit feinen Matten belegt. Jn der Mitte des erſten aͤußeren und großen Saals be - fand ſich eine Kapelle mit einem krauskoͤpfigen von allerlei Auszierungen, lakirten Sachen und kleinen Goͤtzen prangenden großen Goͤtzenbilde, zu den beiden Seiten hingegen eine und andere kleinere Kapelle von minderem Aufpuz und Anſehen. Wir wurden von da zu zwei abgeſonderten Gemaͤchern gefuͤhrt, wo nemlich der Kaiſer ſeinen Sizplaz hat, und die um zwei Matten erhabener als die Vorkammer waren; durch zwei Thuͤren konte man aus ſel - bigen in die vorerwaͤhnte Kapelle ſehen. Zunaͤchſt dieſen beiden Gemaͤchern an dem Fuße des mit Buſchwerk beſezten hohen Berges (als welcher im Aufſteigen verſchiedene kleine an -muthige307Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. muthige Tempel im Gruͤnen verborgen hielt, und uͤber eine Klafter hoch regelmaͤßig mit Felsſteinen aufgefuͤhrt war) lief ein ſchmaler Japaniſcher Luſt - oder Ziergarten her, ein en - ger mit kleinem Flusſand oder Steinen belegter Plaz, nemlich, in dem die Kunſt durch gemachte kleine artige bewachſene Klippen, rare Steine, gehoͤrig angebrachte Baͤume, ſeine ſchon von Natur ordentliche Lage erhob, wozu noch kam, daß durch jene Klippen ein krum und unordentlich laufendes flaches und mit verſchiedenen ſteinernen Bruͤcken zur Zierde verſehenes Waſſer, das eine wilde See in einem ſo engen Raume vorſtellete, dem Geſichte ein Ver - gnuͤgen verſchafte. Linker Seits durch ein Thor kamen wir von hier in einen etwa 30 Schritte am Berge hoͤher gelegenen kleinen Goͤtzentempel, in welchem die Namen der ver - ſtorbenen Koͤnige in einer geſchriebenen Tabelle aufgehoben und verwahrt wurden: inwendig umher ſo wie von vornen und zu beiden Seiten des Goͤtzenſtandes, waren niedrige Stuͤhle ge - ſezt, auf jedem derſelben lagen drei große und ein kleines Stuͤk von Handſchriften als ein Formular zur Vorbitte fuͤr die Seele Genjoſin. Einige mit groben Gitter bedekte Al - moſenkaſten, zum Einwurf der Putjes, hatte man vor dem Tempel und vor dieſe Kaſten einen kleinen erhabenen Stuhl zum Predigen hingeſezt. Die uns beigegebene junge, ſtarke und wohl ausſehende Pfaffen, (die von keiner ſchlechten Erziehung zu ſeyn ſchienen) fuͤhrten uns hierauf uͤber einen beſondern Plaz in einen andern ſehr anſehnlichen auf dreißig, (jede anderthalb Klaftern dicken) Saͤulen ruhenden Tempel, deſſen aͤußere Zierde fuͤrnemlich in den mit Steinen belegten gedoppelten Daͤchern beſtand, welche von dem Tempel und uͤber die auswendige Gallerie weit hervorragten, mit viermal uͤber einander erhabenen rothen Querbalken, Poſten und Leiſten auch vierfach unter einander herausliegenden Balken, de - ren Rand mit gelber Farbe angeſtrichen war. Jnwendig war der Tempel mit Matten be - legt, ſonſt aber bis unter das Dach leer, zur Rechten in einem Winkel ein großer, und zur Linken ein anderer Plaz, in der Mitte aber eine Art von Kapelle, alwo viele Goͤtzen - bilder in ſchwarz lakirten und zugemachten Behaͤltern ſtanden; das mittelſte derſelben ſchien mit einer Decke behangen zu ſeyn, davor war ein runder Spiegel und ein mit Gitter bedek - ter Almoſenkaſten angebracht. Von hier giengen die Pfaffen mit uns in eine andere von außen zwar ſchlechter ausſehende, von innen jedoch nicht minder zierliche Behauſung, in welcher man das mitlere Gemach zu einer Goͤtzenverehrung beſtimt und aufgepuzt, auch fuͤr uns zugleich ein Traktament bereitet hatte, das aus Champignons, gebratenen Bohnen, Kuchen, Atſcharfruͤchten, Wurzeln und Erdgewaͤchſen und einem Sackitrunk beſtand, und wobei wir von ſechs Pfaffen, von denen der aͤlteſte 26, der juͤngſte etwa 16 Jahre alt ſeyn mochte, bedienet wurden. Nach Verlauf von anderthalb Stunden begleiteten uns zwei Pfaffen bis an die Graͤnze der Allee oder den großen Vorplaz dieſes koſtbaren Kaiſerli - chen Kloſters, das uͤberhaupt noch 27 andere Tempel in ſeinem Umfange haben ſol. Einige tauſend Schritte durch einen wilden Luſtwald lag nun

Q q 22) der308Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

2) der Tempel Gibon oder der Blumentempel genant, dahin einige von uns zu Fuße giengen, andere aber ſich tragen ließen. Es war derſelbe mit vielen, etwa 30 bis 40 kleinen Kapellen in regelmaͤßiger Form umgeben, auch an verſchiedenen Orten mit Krambuden umher beſezt, ſo wie mit durch Baͤume artig eingefaſſeten Plaͤtzen zum Pfeilſchie - ßen verſehen, gleich als ob es nur zur Luſt der jungen Leute ſeyn ſolte. Der Tempel an und fuͤr ſich machte ein langes enges Gebaͤude aus, alwo der in der Mitte mit einer Gal - lerie abgeſonderte Ort einen großen und ihm zu den Seiten viele kleine Abgoͤtter, nebſt an - dern Auszierungen in ſehr großer Menge in ſich hielt: ſo ſahe man unter andern ein gefir - niſſetes ziemlich großes Jungfernbild von ohngefaͤhr zwei bis drei Klaftern lang, Teufel, Helden und dergleichen Figuren hin und wieder in nicht geringer Anzahl, ein Hollaͤndiſches Schif, einige Saͤbel und mehrere ſolcher ungereimter Sachen durch einander. Eine halbe Meile von da durch einen Bergweg, Ziwon Jaſakki, ſage Sjiwon Jaſakki, d. i. die Betler - und Hurengaſſe genant, ließen wir uns

Tab. XXXIV.
165

3) zu dem merkwuͤrdigen Tempel Kiamitz forttragen. Erſt kamen wir an einen hohen Thurm von ſieben Daͤchern, in deſſen unterſtem einige Stuffen von der Erde erhoͤhe - ten Altar ein großes und einige kleine guͤldene Goͤtzen ſtanden; ſodann etwas weiter nach dem Gebuͤrge hin zu dem Tempel ſelbſt, an einem ſteilen Abfalle des Berges gelegen, der die eine Seite unterſtuͤzte, dagegen die andere Seite durch hohe bis auf die Tiefe des Grun - des reichende Pfaͤhle von Jkin verwahrt war. Wir trafen hieſelbſt ein Gewimmel von Menſchen an. Jn der Mitte des mit einem Gitter umſchloſſenen Platzes befand ſich ein großer runder Spiegel, zwei Almoſenkaſten und einige Gumgum, die derjenige, der et - was in den Kaſten legte, mit dem daran hangenden dicken Stricke anzog und in den Ton brachte. Ohnweit davon lief eine ſteinerne Treppe von 85 Stuffen hinab zu einem aus dem Gebuͤrge entſtehenden Springbrunnen von drei Strahlen, Otowan takki genant, einem Waſſer, welches die Kraft haben ſol, daß alle, die davon trinken, weiſe und klug werden; ich fand es ſehr klar und im Geſchmak von allem uͤbrigen Mijacoſchen Waſſer gar nicht unterſchieden. Man gieng hier an einer an der Bergſeite aufgemauerten Ebene einige in einer krummen Linie gebauete Kapellen und kleinere Tempel vorbei, bis zu noch ei - nem in dieſen Bezirk gehoͤrigen groͤßeren ebenfals ſenkrecht an der Seite des Berges herauf - ſtehenden Tempel von gleicher inwendiger Beſchaffenheit mit dem erſteren, und einer ſehr ſchoͤnen Ausſicht. Die vornehmſten Goͤtzen darinnen ſaßen mit zuſammengefaltenen Haͤn - den, ſo, daß ſie mit dem Zeigefinger den Daumen beruͤhrten. Nach dieſem ließen wir uns tragen

Tab. XXXV.
165

4) zu dem großen Daibotstempel, nicht weit von der Heerſtraße unſers Wegs nach Fitzimi entfernt, da wir erſt in ein kleines Bordel eintraten, und das Abſchiedstrakta - ment unſers Wirths einnahmen, das wir aber mit einem Cobang und alſo vierdoppeltbezah -

Tab. XXXIV.

Tab XXXV.

309Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. bezahlen muſten. Der Umfang des Daibotstempels war auf einem an dem Wege gelege - nen hohen Orte, der vorderſte Plaz mit großen beinahe zwei Klafter im Quadrat haltenden Steinen nach Verhaͤltnis der Hoͤhe beſchloſſen, auch mit einer auswaͤrts unſichtbaren, in - wendig aber offenen Gallerie umgeben, deren etwa drei Klaftern hohes Dach von jeder Seite auf 25 runden hoͤlzernen Saͤulen der Laͤnge nach, jedesmal drei neben einander in der Breite geſezt, ruhete. Ein ſchmales mit hohen Pfeilern und zur Pracht mit einem dop - pelten Dachwerk verſehenes Gebaͤude machte die Pforte zum Eingange aus, alwo zu beiden Seiten auf einem einer Klafter hohen Fusgeſtelle die vier Klafter hohe Statuͤe eines ſchwar - zen, dicken, nakten und nur mit einem fliegenden Tuche umguͤrteten Loͤwenmaͤßig gebildeten Helden zu ſehen war; jede derſelben hatte ihre beſondere Bedeutung, der Meiſter aber das Verhaͤltnis der Theile ſehr wohl getroffen. Gleich gegen dieſer Pforte uͤber in der Mitte des Platzes ſtand das Gebaͤude des Tempels ſelbſt, ein Gebaͤude, das alle andere in der Stadt Miaco an Hoͤhe uͤbertrift, ja ſogar das hoͤchſte iſt, das ich in ganz Japan gefunden. Es hat ſelbiges ein gedoppeltes Dach, und ruhet auf achtmal zwoͤlf oder 92*)Scheuchzer ſezt 94, und ziehet dagegen aus der Mitte nur zwei anſtat viere ab.. Pfeilern, (wenn naͤmlich viere, ſo in der Mitten weniger ſind, davon abgezogen werden); lange unter das erſte Dach laufende ſchmale Thuͤren verſchaffen faſt uͤberal einen Eingang. Jn - wendig iſt alles bis unter das aͤußerſte Dach offen, das von vielen wunderlich in einem ge - fuͤgten und roth angeſtrichenen Balken befeſtigt wird: da wegen der Hoͤhe kein Licht oben hinkommen kan, ſo iſt es daſelbſt ganz finſter. Der Fusboden des Tempels war wider die ſonſt gewoͤhnliche Manier mit Quaderſteinen belegt, die Pfeiler hingegen von Holz, aus verſchiedenen Balken zuſammengefuͤgt, Klafter dik, und wie alles uͤbrige Holzwerk, roth gefaͤrbt. Wir ſahen keine andere Zierrathen, als ein durchaus verguldetes Goͤtzenbild von unglaublicher Groͤße, ſo, daß ſich drei Matten in deſſen flache Hand haͤtten ausbreiten laſ - ſen; es hatte daſſelbe lange Kuhohren, krauſe Haare, vor der Stirne einen nicht vergul - deten Flecken, und eine guͤldene Krone auf dem Haupte, welches durch das obere Fenſter uͤber dem erſten Dache geſehen werden konte: die Schultern waren blos, Bruſt und Leib mit einem fliegenden Tuche geſchnizt, die rechte Hand etwas erhaben, und die linke vor ſich offen: es ſas auf Jndianiſch in einer Tarateblume, die noch von einer andern von Gipsarbeit mit ihren Blaͤttern von der Erde aufſtehend gemachten Blume umgeben war, beide uͤber den ordentlichen Fusboden etwa zwei Klafter erhaben. Der Ruͤcken war mit ei - nem hohen laͤnglich runden Blaͤtterwerk in der Breite von vier Saͤulen bedekt, und mit kleineren in einer Tarateblume ſitzenden Goͤtzen von menſchlicher Figur beſezt, das Goͤtzen - bild fuͤr ſich aber ſo breit, daß es von einer Saͤule bis zu der andern, welches nach unſerer Ausmeſſung fuͤnf Klaftern betrug, mit den Schultern ruͤhrte. Ein achteckigtes hoͤlzernesQ q 3Gitter310Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Gitter umgab mit Jnbegrif der Tarateblumen ſeinen Sizplaz, daher man in der Mitte vier*)Scheuchzer laͤſt hier wie vorher nur zwei Saͤulen weg. Saͤulen weggelaſſen hatte. Eine andere nur mit einem Dache errichtete Pforte brachte uns hiernaͤchſt in einen neben an zur Seite gelegenen Plaz, alda man uns ein Gumgum oder eine Glocke nach hieſiger Landesart von wunderbarer Groͤße zeigte; ſie hieng in einem niedrigen hoͤlzernen Thurm, war eine gute Spanne dik, und beinahe einer Benjoſenpike tief, im Umkreiſe aber von 21 Fus. Weiter hin auf demſelben Platze ſtand

5) noch ein langes Tempelgebaͤude; in deſſen Mitte ſas ein mit ungefaͤhr 46 Ar - men verſehenes großes Goͤtzenbild, und war mit ſechs ſtehenden ſchwarzen Figuren von Hel - den in Mansgroͤße umgeben. Zu beiden Seiten ſahe man in einer Stuffenweiſe geraden Linie Reihen verguldeter ebenfals ſtehender Goͤtzen von gleicher Geſtalt, mit etwa 20 Ar - men: die vorderſten hielten einen ſchmalen langen Hirtenſtab, die uͤbrigen aber Hauben, Roſenkraͤnze, Beilen und allerlei Arten von Jnſtrumenten und Zierrathen; uͤber dem Haupte des großen Goͤtzen (das hinten ein ſtralender Zirkel bekroͤnte) ſaßen ſieben kleine, deren der mittelſte kleiner als die andern, und waren ihnen die Bruͤſte mit mancherlei Zei - chen und zierenden Sachen behangen. Alle die uͤbrigen Goͤtzen ſind einer wie der andere in Lebensgroͤße geſtaltet, und ſtehen neben und auf 10 bis 12 Reihen hinter einander, ſo, daß allemal die hinterſten eine Kopfshoͤhe voraus haben. Die ganze Anzahl derſelben erſtrektTab. XXXVI. ſich auf 33333, daher denn auch der Tempel San man, San ſjin, San biak, San ſju, San tai, d. i. 33333 Bildertempel genant wird.

Nachdem wir denn alſo dieſe Tempel beſichtigt, traten wir außen vor der Pforte wieder in unſere Norimons, und wurden eine große Meile gleichen Weges bis zu der Stadt Fizimi oder Fuſimi, und auf alda nach der Lage des Orts hindurch gehenden krummen Gaſſen bis zur Herberge getragen.

Noch mus ich erwaͤhnen, daß etwa drei viertel Meilen vom Daibotstempel linker Hand nach dem Gebirge zu ein Tempel war, in welchem das Blumenfeſt gehalten wurde; eine unzaͤhlbare Menge Menſchen, jung und alt, in weiße bunte Catabers gekleidet, mit gruͤnen Straͤuchen in den Haͤnden, liefen daſelbſt unter einander herum, und ſchrien Hau - fenweiſe mit einer frohlockenden Stimme immer fort: Jaſſai Jaſſaia.

Als wir in Fizimi das Abendeſſen zu uns genommen hatten, begaben wir uns in die gleich hinter der Herberge haltende Barken oder Schiffe, und fuhren die Nacht uͤber ſol - chergeſtalt fort, daß wir, um die gefaͤhrlichſten Oerter bei der Bruͤcke zu vermeiden, nach Mitternacht vor der Stadt Oſacka anlegten, und den Tag erwarteten.

Den
Tab. XXXVI.
311Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.

Den 19 April alſo befanden wir uns noch bei finſterem Morgen in der Stadt, und ſtiegen, da eben der Tag anbrach, ohnweit unſerer Herberge aus. Das vorigemal bei der Aufreiſe war uns die hier nachgeſuchte Freiheit, das Kupfer rafiniren zu ſehen, abgeſchla - gen worden: jezt waͤre es erlaubt geweſen, wenn die Befehlshaber unſers Trains es aus un - gegruͤndeter Einbildung und Eigenſin nicht weiter hintertrieben haͤtten, ſo wie eben darin die Urſache lag, daß wir in dem nahen Flecken Tenoizi oder Tenoſj die Hauptſackibrenne - rei im Reiche, wie auch die etwa vier oder fuͤnf Meilen von Oſacka entfernte am Ufer gele - gene Kaiſerliche Hauptſtadt Sakkai oder Sakai nicht zu ſehen bekamen, und daß man uns aus eben dem Grunde nicht zu Lande, ſondern

den 21 April in zwei offenen Fahrzeugen zu Waſſer bis nach der Stadt Fijongo fuͤhrte, vor welcher wir ohngefaͤhr drei Stunden vor Aufgang der Sonne anlandeten. Ob wir gleich ſeit geſtern Nachmittag um fuͤnf Uhr nichts gegeſſen hatten, gieng man dennoch ohne zu eſſen, außer einem geringen und ſchlechten Anbis, ſchlafen, und ſchlug das Austreten ans Land ab. Unſere Fahrt von den Oſackiſchen bis an den Fijongoſchen Hafen lief W. und W. nach S. Auf derſelben begegnete uns der Landesherr von Sutzima mit fuͤnf oder ſechs Luſtbarken, wovon das mittelſte gefirnißt, mit Schnizwerk und verguldet auch mit einer Art von einem Thron geziert war.

Den 22 April noͤthigte uns der widrige Wind, in dieſen Hafen, und der alberne Eigenſin unſers Oberhaupts in der Barke zu bleiben; nur der Oberdolmetſcher und die Benjoſen ohne Piken und Begleitung allein machten ſich unkenbar auf dem Lande eine Veraͤnderung.

Den 23 April hielt uns derſelbige Wind noch immer vor Anker. Des Abends bei einem zunehmenden guten kuͤhlen Winde paſſirte der Landesherr von Tſukkuſin (oder, nach ſeiner Reſidenz ihn zu benennen, von Facatta) mit etwa 50 kleinen großen Barken und Fahrzeugen in ziemlicher Unordnung durch einander, und mit einem ſtarken Gelaͤrm der Ruder voruͤber. Es war ſchoͤn anzuſehen, als ſie, um den ſich erhebenden Wind auf - zufangen, ſaͤmtlich die Seegel aufzogen, die wie die Bataviſchen Seegel oben und unten ein blaues und in der Mitte ein weißes Feld fuͤhrten.

Den 24 April verließen wir mit Anbruch des Tages und einer angenehmen Kuͤh - lung den Fijongoſchen Hafen, und kamen zu dem auf eine Jnſel zwei Meilen in W. vor Muru liegenden Dorf Jeſima; hier nahmen wir friſch Waſſer ein, zogen die Anker und Seegel auf, und fuhren bei wenigem Winde mit Huͤlfe der Ruder in der Nacht fort.

Den 25 April fruͤh Morgens befanden wir uns zur Seite eines Fleckens oder Dor - fes Kjono zura, 15 Japaniſche Meilen von Muru. Mit der Sonnen Aufgang erſchien uns bei ſtillem Waſſer ein guͤnſtiger gelinder Wind, mit welchem wir Zireiſch erreichten, eine Meile hernach aber muſten wir wegen widriger Luft unſere Kuͤſte veraͤndern, und nachgluͤklich312Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. gluͤklich durchſtrichenen Jnſeln auf das Weſtwaͤrts von Sjireis oder Zireiſch gelegene Tomu zurudern, wo wir an der Weſtſeite auf einen Steinwurf ankamen. Dieſes Tomu, ſo ſchoͤn und maleriſch es wegen der rauhen mit Tempeln beſezten Huͤgel von der See her in die Augen faͤlt, ſo unanſehnlich und heslich wird es durch die ſo genante Marianen (Bor - dels) Fiſcher - und andere ſchlechte Haͤuſer. Da es an einem Oſtwaͤrts in die See ſich ſtreckenden langen Felſen gelegen, ſo fuhren wir da herum, und legten uns in den Suͤder Buſen, welcher mit ſchoͤnen Wohn - und Pakhaͤuſern, ſo gut ich ſie unter buͤrgerlichen in Japan geſehen, in langer Reihe dichte beſezt iſt: der dritte Theil der Berge ſind Aecker, das uͤbrige ſteil und voller Buſchwerk: am Fuße derſelben ſtehet ein ſchoͤn ins Geſicht leuch - tender Tempel und Witwenkloſter. Tief in die Nacht wegen des guͤnſtigen Windes lichteten wir noch den Anker, und warfen ihn wieder vor Tage in dem Hafen des Fleckens Jwaggi oder Jwangi, der aus etwa hundert ums Ufer herum weit von einander zerſtreueten Fi - ſcher - und verſchiedenen andern Haͤuſern beſtehet, dabei eine ſehr angenehme Lage an dem beackerten Fuße des Berges hat.

Den 26 April wuͤrden wir des ziemlich harten und widrigen Strohms ohngeachtet von dem guͤnſtigen Winde, den man nur wuͤnſchen kan, viele Vortheile gehabt haben, wenn ſelbige durch einiges Misverſtaͤndnis und Wortwechſel, womit meiſt der ganze Fruͤhmorgen vergeblich verſtrich, nicht waͤren vereitelt worden. Erſt ohngefaͤhr um neun Uhr kamen wir in Bewegung, und fuhren durch eine zwiſchen Bergen liegende Meerenge, wo uns der Flus ziemlich zuwider war, mit genauer Noth eine große Meile fort bis diſſeit vor Tſwa oder Tſuwa an eine Jnſel, da wir auf 20 Faden und bald hernach, weil wir den Tſuwaſchen Hafen zu erreichen uns vergebens bemuͤheten, naͤher unter der Jnſel auf tieferem Grunde von 28 bis 29 Faden den Anker ſinken ließen.

Den 27 April ſind wir ſehr fruͤh mit gutem Winde durch die ſtrotzenden Wellen in kurzer Zeit bis an das Fiſcherdorf Tſuwa fortgeſegelt: der Hafen hatte die Geſtalt eines halben Zirkels an einem hehen bis an die Spitze bepfluͤgten Vorgebuͤrge, auf deſſen aͤußerſten Hoͤhe ein Leuchtethurm fuͤr die Schiffahrenden ſtand. Das Dorf begrif außer einem Kloſter, einem Galgen und einem Tempel, 150 Haͤuſer. Eine viertel Stunde hielten wir hier an, um friſch Waſſer einzunehinen, und erlangten ſodenn mit guͤnſtigem Winde die Caminoſeckiſche eines Steinwurfs breite Meerenge, von da wir, von der Unterſtuͤtzung des Windes verlaſſen, uns fuͤr heute vermittelſt des Ruders nicht weiter forthelfen konten, als unter das Dorf Sango auf der Jnſel ſelbigen Namens.

Den 28 April blieben wir alhier wegen des ungeſtuͤmen Wetters liegen, machten uns am Ufer eine Veraͤnderung, und tranken den Benjoſen einen Rauſch zu, außer dem alten Unterbenjoſen, der bei dieſer Gelegenheit mit einer ſteten muͤrriſchen Mine ſich das Anſehen eines Befehlshabers gab, (das er wenigſtens hier haͤtte bei Seite ſetzen koͤnnen) und313Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. und uns dadurch glaubend machte, daß er dem Oberbenjoſen als ein Richter und Aufſeher beigeordnet ſey; wie denn auch dieſe politiſche Maxime in allen dergleichen Vorfaͤllen im ganzen Reiche gebraͤuchlich iſt, daß man auf ſolche Art ein Mistrauen des einen Bedienten gegen den andern zu erwecken ſucht, damit wegen der daher entſtehenden Furcht, verrathen zu werden, ein jeder ſeinem Amte und Stande ein Genuͤge thun, und alſo die Regie - rung des Staats deſto beveſtigter werden moͤge.

Den 29 April war der Wind zwar abwechſelnd, doch guͤnſtig genug, um eine Meile zur Seite der Stadt und Kaſtels Sjenſj des Nachmittags Anker werfen zu koͤnnen. Des Abends bei der Kuͤhlung ſegelten wir zwar von hier wieder ab, muſten aber bald wegen des widrigen Windes unter dem Lande den Anker wieder fallen laſſen.

Den 30 April hatten wir uns fruͤh Morgens kaum von der Stelle gemacht, als ein nachtheiliger Wind verurſachte, an die linker Hand vor uns liegende Kuͤſte von Bungo zu ſetzen, um alda einen ſechs Meilen von Simonoſecki entfernten Hafen zu erreichen, allein ein ploͤz - licher harter Sturm noͤthigte uns nebſt andern Segeln nur in aller Eile Land zu ſuchen; und ſo geſchahe es, daß wir unter voͤlligem Sturme des Mittags in den ſechs Meilen von Sjenſj und 18 Meilen von Simonoſecki entfernten Haſen Muggo oder Mukko, mit dem Dorfe von dem großen und hohen Vorgebuͤrge alſo genant, zu Anker kamen. Der Mund die - ſes Orts war enge, der Hafen ſelbſt breit und flach, ja bei der Ebbe des Meers ſo trocken, daß die Einwohner daſelbſt die Muſcheln aufleſen konten. Jn der ganzen Gegend herrſchten wegen der Lage der Berge unſtete Winde. Gegenuͤber eine Meile nach Norden hin war das Staͤdtchen Mita ziri, ſechs Japaniſche Meilen von Sjenſj und 18 von Simonoſecki gele - gen. Wir ſahen heute zu verſchiedenen malen kleine Walfiſche, welche die Hollaͤnder Nord - kapers nennen. Ein Landesherr mit ſieben Segeln im blauen Felde zog uns vorbei, wir aber muſten wegen des anhaltenden Sturms, nebſt acht andern Barken, in dem Hafen uͤbernachten.

Den 1 May des Morgens fruͤh legten ſich einige Barken des Landesherrn von Tſukingo bei uns vor Anker. Um fuͤnf Uhr Nachmittags, da ſich ein etwas guͤnſtiger Landwind erhob, ſegelten wir alsbald aus, und in wenigen Stunden bis auf eine Meile hinter oder jenſeit Motto Jamma, von da brachten uns bald unſere Ruder, bald unſere Segel bei ſpaͤtem Abend vor Simonoſecki.

Den 2 May fuhren wir mit zwei Luſtbarken von Simonoſecki ab nach Kokura, nachdem wir vorher linker Hand den Ort paſſirt, wo der Dairi im vorigen Jahrhundert ſeine Reſidenz gehabt. Kokura, wo wir zu Mittag ſpeiſeten, hatte jezt und ſeit der Ver - theilung der Provinz, worin es gelegen, von ſeinem ehemaligen bluͤhenden Zuſtande ſehr vieles verloren. Es beſtehet aus drei beſondern kleinen Staͤdten, und war nach der einen ſchmalen Seite am Rande des Meers hin rechter Hand mit einem ſteinernen Walle und einerZweiter Band. R rhoͤl -314Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. hoͤlzernen Mauer verſehen. Anderthalb Meilen von Kokura, woſelbſt wir wieder auf die Pferde ſtiegen, flos N. W. nach N. gegen einer Jnſel uͤber ein großes Waſſer ins Meer, und rechter Hand lag das große mehr einer Stadt aͤhnliche Dorf Kuroſaki oder Korſakki, eine halbe Meile von da ein Handweiſer, und nach anderthalb Meilen das Dorf Kooſjakf, darauf wieder ein Handweiſer, und nach einer halben Meile ein kleines Dorf, wo Stein - kohlen gegraben wurden; wornaͤchſt wir durch ein anderes kleines Dorf, abermals einen Handweiſer vorbei, noch eine Meile hinter uns legten, bevor wir in unſere Herberge, die enge und ſchlecht war, zu Kujanoſſi anlangten.

Den 3 Mai ſind wir drei viertel Meilen hinter Kujanoſſi bei einem Handweiſer vorbei, und von da eine halbe Meile uͤber einen Dam auf folgende Oerter geſtoßen:

  • 1) Nogatti;
  • 2) Tonno, beide große Doͤrfer, jenes rechter, dieſes linker Hand unſers Weges. Das zu beiden Seiten befindliche Gebuͤrge war eine halbe Meile von einander entfernt, und zur Linken an einander haͤngend, zur Rechten hingegen unterbrochen. Von dem Handwei - ſer jenſeit eines Bachs nach einer Meile lag zur Rechten der Landſtraße:
  • 3) Kadizino oder Kadſino ein unordentlich gebauetes Dorf, nicht weit davon:
  • 4) Das Dorf Kootaki. Zur Linken zwiſchen beiden zuruͤkgelegten Fluͤſſen entſtand alhier ein neues jedoch nicht hohes Vorgebuͤrge:
  • 5) Namaſſuta, ein Dorf, jenſeit einem Fluſſe zur linken Hand, eine halbe Meile von Kootaki. Weiter fort zur Rechten war ein Handweiſer und drei vom Wege ab - gelegene Doͤrfer.
  • 6) Zwei zwiſchen Gebuͤrgen liegende Doͤrfer Kawaſſo genant. Wir ſahen hier ſchoͤn ausgeſtelte Laͤndereien.
  • 7) Das Dorf Kawa bukuro oder Tababukro.
  • 8) Das Dorf Kawaſſu, jenſeit dem Fluſſe zur linken Hand.
  • 9) Das Dorf Kataſjima;
  • 10) Die zwei Doͤrfer Oja rechter Hand;
  • 11) Tatiwa, ein linker Hand jenſeit einem Fluſſe gelegenes Dorf.
  • 12) Jtzka, ein aus 200 Haͤuſern beſtehendes Staͤdtchen, von da wir, nach ge - haltener Mittagsmahlzeit, mit Kaͤhnen uͤber den Flus ſezten.
  • 13) Das Dorf Tentomatz. Zur Rechten blieb uns das Dorf Tarome, und zur Linken das Dorf Tſibakki.
  • 14) Nagawa oder Nagava, ein vom Wege jenſeit einem Fluſſe abliegendes und bis oben an das Gebuͤrge ſich erſtreckendes Dorf: durchhin flos ein großer Bach.
  • 15) Oimatz, Jako und Jamma, drei kleine an einander graͤnzende Doͤrfer.
  • 16) Der Flecken Utſjino, wo die Mansperſonen von ſehr ſchoͤner Geſtalt undAn -315Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. Anſehen waren
    *)Scheuchzer ſagt: die Frauensperſonen waͤ - ten hier ſehr ſchoͤn, von großer Statur und ma -jeſtaͤtiſchem Anſehen, mehr als irgend an einem Orte der Provinz geweſen.
    *). Wir hielten uns hieſelbſt ein wenig auf, und reiſeten ſodann in Can - gos weiter.
  • 17) Miſi Jamma, ein Dorf, deſſen Frauensperſonen wir von einem ſehr be - ſcheidenen Weſen, und beſonders die jungen Maͤdchen von bewundernswuͤrdiger Schoͤnheit antrafen. Eine halbe Meile weiter fort war ein Handweiſer, (deren es hier uͤberhaupt viele giebt) und von ſelbigem noch eine kleine Meile
  • 18) das Dorf Jamajo, in welchem wir uͤbernachteten.

Den 4 Mai hielten wir folgende Marſchroute:

  • 1) Ftamira, ein Dorf, eine viertel Meile von Jamajo. Von da durch einen Flus und anmuthigen dicken Wald
  • 2) zu der Stadt Farda, nur von etwa 80 Haͤuſern. Unſer Weg gieng von hier in einer Kruͤmme bald uͤber Huͤgel bald uͤber Aecker fort. Eine halbe Meile von Farda ſtand ein Graͤnzpfahl zur Scheidung des ſich endigenden Gebietes Tſukuſjin und des ſich anfan - genden Tſuſſima, worauf ſich nach einer halben Meile ein kleines Dorf von 20 Haͤuſern nebſt einer Waſſermuͤhle und Wegweiſer zeigten; und alsdann
  • 3) das Dorf Kifamabitz.
  • 4) Jmamatz und Tſinoggi, zwei kleine bei einander eine halbe Meile vom vo - rigen liegende Doͤrfer;
  • 5) Akaſakka, eine viertel Meile von dieſen.
  • 6) Die Stadt Taiſero, eine viertel Meile von Akaſakka. Sie beſtehet aus et - wa 400 Haͤuſern. Auf unſerm Durchzuge brachten wir eine viertel Meile zu.
  • 7) Der Flecken Urijano, von 300 Haͤuſern, eine halbe Meile von gedach - ter Stadt.
  • 8) Todorokki, ein an Urijano graͤnzendes Dorf, das auch etwa 300 Haͤuſer hatte, und wo wir Mittag machten. Wegen der vielen krummen Winkelſtraßen gieng uns in der Durchreiſe eine halbe Meile darauf. Man zeigte uns einen Ort, nicht weit vom Wege rechter Hand auf dem naͤchſten Berge, wo vorzeiten zwei ſehr ſtarke Kaſtele geſtanden.
  • 9) Mura Danamatz, ein Dorf, eine halbe Meile vom vorigen.
  • 10) Das Dorf Nagaba, drei viertel Meilen von dieſem.
  • 11) Das große Dorf oder der Flecken Tſionſmatz, oder auch Ozoonsmatz, eine viertel Meile von Nagaba, aus 700 Haͤuſern beſtehend.
R r 212) Kirri316Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 12) Kirri tſus mora, und
  • 13) Betabarra, beide jedesmal eine halbe Meile von einander gelegene Doͤrfer. Naͤchſt einem andern kleinen Dorf
    *)Scheuchzer fuͤhrt es mit dem Namen Nitta -〈…〉〈…〉 an.
    *) nach einer viertel Meile paſſirten wir uͤber ein ſrucht - bares wohl kultivirtes ebenes Feld, anſtat daß wir bisher den ganzen Tag meiſt durch eine waldigte Gegend gekommen (rechter Hand drei viertel Meilen von uns an einem Berge wa - ren zwei Doͤrfer zu ſehen,)
  • 14) das Dorf Faddi oder Faddinomatz, eine viertel Meile von dort;
  • 15) die Stadt Kanſaki, eine viertel Meile von Faddi. Sie enthielt in vielen krummen Winkelgaſſen 700 Haͤuſer. Da alhier in unſerer Nachtherberge unſere Kammer zu klein und enge war, bewies uns der Oberbenjoſe die Hoͤflichkeit, uns auch die ſeinige einzuraͤumen. Wir fanden dieſen Ort voller Pfaffen und Tempel. Ueber dem erſten Wandpfeiler in unſern beiden Kammern war alles mit Ablasbriefen beſezt, und die neueren aus Ermangelung des Platzes uͤber die aͤlteren hergeklebt. Ein ſolcher Ablasbrief, der in der Laͤnge einen ganzen und nach der Breite einen viertel Bogen Papier ausmacht, und wie ein ordentlicher Brief zuſammengelegt iſt, hat eine gedrukte anſehnliche Aufſchrift mit dem in rother Farbe ein, auch dreimal, bedrukten Petſchaft des Priors von demjenigen Klo - ſter, das mit Ertheilung der Ablasbriefe privilegirt iſt; inwendig iſt nichts, als einige kleine ins Vierek geſpaltene ſchlechte Stuͤcke von Tannenholz, die mit einigen Stuͤcken ge - heiligten Papiers befeſtigt und zuſammengebunden ſind; verſchiedene ſchlechtere Briefe wa - ren nur ein viertel Bogen mit etlichen Reihen Sſo beſchrieben, und uͤber die Buchſtaben hin oder zur Seite unten roth petſchirt. Jſjebriefe in einem viereckigten duͤnnen zuſammen - geleimten und mit gedachtem Stuͤkchen Holz angefuͤlten Kaͤſtchen, mit dergleichen Aufſchrif - ten, ſahe man hier ebenfals. Der Landesherr der Provinz lies dem Oberbenjoſen zu ſeiner Wiederkunft Gluͤk wuͤnſchen, und ſchikte ihm dabei einen Capaun
    **)Scheuchzer ſezt ſtat eines Capaunen, wahr - ſcheiulich aus einem Verſehen, einen Cobang.
    **), dem Oberdolmetſcher aber eine eingeſalzene Gans; was darunter fuͤr eine Bedeutung liege, iſt mir unbewuſt. Die Pfaffen machten des Nachts mit ihrem Gelaͤute der Glocken vielen Laͤrm. Es gab uͤbrigens in dieſer Gegend ſowol in den Gaͤrten als Waͤldern uͤberaus viele Blumen, fuͤr - nemlich Saka, Nandzo und Satzugi von allerlei Farben.

Den 5 Mai haben wir von Kanſaki aus folgende Oerter beruͤhrt:

  • 1) Kata fira ſikku;
  • 2) Ani;
3) Fara -317Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.
  • 3) Faranomatz oder Farnomatz, alle drei Doͤrfer, wovon jedoch dieſes leztere mehr einem Flecken aͤhnlich war, und 200 Haͤuſer hielte.
  • 4) Der Flecken Takkavo, eine Meile von Ani, wo wir in Kaͤhnen uͤber ein fließend Waſſer ſetzen muſten.
  • 5) Die Stadt Sangha oder Sanga, und durch verſchiedene Umwege und Kruͤmmen
  • 6) auf Ojimatz.
  • 7) Kaſje
    *)Bei Scheuchzern wird dies Kaſie unrichtig Kaſinomatz genent, denn gleich im folgenden ſteht richti - ger: Kaſie.
    *), ein Dorf, anderthalb Meilen gleichen Weges von Ojimatz. Es beſtehet aus zweien Theilen, und hat in der Mitte bei einem Fluſſe einen leeren Plaz, welcher der Stadt Sanga Gerichtsplaz iſt. Wir trafen daſelbſt eben fuͤnf friſch hingerich - tete Uebelthaͤter an, viere naͤmlich am Kreuze, und den Kopf des fuͤnften auf einem Pfahle; in den zu beiden Seiten aufgerichteten Huͤtten befanden ſich Waͤchter. Es hatten dieſe Menſchen ein Haus in Sanga in Brand geſtekt, und ſie waren, nachdem ſie aus dem Ge - faͤngnis gebrochen, wieder ertapt worden: ob ſich darnach der eine gleich ſelbſt erhaͤngt hatte, bekam er dennoch neben den uͤbrigen ſeinen Plaz am Kreuze; ein Wirth, der ſie bei ihrer Ausreißung verheelt gehabt, wurde gleicher Strafe werth erkant, und war der auf dem Pfahl geſpieſte Kopf der ſeinige. Nach dieſem zuruͤkgelegten Dorfe Kaſje ritten wir uͤber eine 120 Schrit lange mit Torferde belegte Bruͤcke;
  • 8) das Dorf Botak;
  • 9) das Dorf Bota, gleich am vorigen gelegen. Dahinter befand ſich ein Hand - weiſer, und etwa nach anderthalb Meilen ein hohes Gebuͤrge, in deſſen Gegend etwa einer Meile breit ich 10 Doͤrfer gezaͤhlt habe;
  • 10) den Flecken Uczinfu oder Utſinſi;
  • 11) den Flecken Simmatz, nicht weit vom vorigen, um einen Berg hin gelegen, daher wir auch krum nach der linken Seite hin durchziehen, und darauf in Kaͤhnen uͤber ein Waſſer, das von der zur Rechten auf eine halbe Meile entfernten See Ebbe und Fluth hatte, ſitzen muſten.
  • 12) Kongawa oder Tongava;
  • 13) Tiramatz, beide Doͤrfer;
  • 14) Torimatz, auch ein Dorf in der Kruͤmme unten am Berge;
  • 15) den Flecken Ooda, wo wir zu Mittag einkehrten. Zwiſchen hier und dem vorigen Dorfe war noch ein anderes kleines Dorf.
  • 16) Die Doͤrfer, Omatz,
R r 317) Wewa -318Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnſtes Buch.
  • 17) Wewaſi und
  • 18) Jeongommi: hier paſſirten wir in beladenen Holzbarken einen Flus, und darauf uͤber eine große Bruͤcke ein anderes zur rechten Hand in die Simabariſche See ab - fließendes Waſſer, ſodann aber etliche zerſtreuete Doͤrfer.
  • 19) Narſi, einen Flecken, da wir uns wiederum mit Barken uͤberſetzen ließen. Die in dieſer Gegend mit vielem Gehoͤlze verſehenen Waldungen verurſachten, daß man hie - ſelbſt mit dem Verkauf des Brenholzes einen algemeinen Markt hielt. Von Narſi aus gieng unſer Weg erſt durch ein kleines Dorf, denn auf drei viertel Meilen zwiſchen hohen dicken Waͤldern, wiederum durch ein kleines Dorf, bei welchem zur linken Hand das Ge - buͤrge abnahm, da man ſodann nach Oſten eine gleiche ebene Gegend antraf, die ſich bis zur Simabariſchen See mit einigen eine halbe Meile von einander liegenden Doͤrfern erſtrekte.
  • 20) Das Dorf Swota, wo wir uns die Nacht uͤber in einem rechten Rauchneſte unter dem Dache behelfen muſten. Auf dem nach Oſten hinunter gehenden Fluſſe waren viele mit Holz beladene Barken. Es wohnte alhier ein Porzellainmacher, welcher große ſteinerne Toͤpfe und andere Porzellainſachen von vielerlei Art verfertigte.

Den 6 Mai verließen wir fruͤh Morgens unſer Nachtquartier in Swota, und kamen

  • 1) zu dem Dorfe Tiromatz. Es gieng ſodann eine halbe Meile an dem Ufer des geſtrigen Fluſſes fort, bis wir uns da, wo derſelbe ſeine Tiefe verloren und ſehr ſteinigt war, uͤberſetzen ließen;
  • 2) zu dem Dorfe Mino unten in der Kruͤmme am Berge gelegen;
  • 3) durch das große Dorf Ookſanna, am rechten Fuße des Berges;
  • 4) zu dem Dorfe Jmadira, abermals uͤber den gemeldeten Flus und ein ungleich huͤgelichtes Land;
  • 5) durch ein großes und weites Thal zu dem Dorfe Sjimonſi,
  • 6) Uriſſino und
  • 7) Jeboſjiwa. Dieſes leztere war ſehr gros und weitlaͤuftig zerſtreuet. Durch ein enges Thal und drei kleine nach einander liegende Doͤrfer, in einer Weite von einer viertel Meile, ſtießen wir auf den Berg Taura oder Tawara, wo rechter Hand das gro - ße Dorf Fido Jamma lag.
  • 8) Tawara Sakka, ein kleines Dorf, nebſt einem Fiſen ban, d. i. einer Graͤnzwache des Landesherrn von der Provinz Fiſen. Nicht weit von da waren zwei Graͤnz - ſaͤulen bei einander, die eine derſelben, ob ſie gleich wegen des Erdreichs viel niedriger ſtand, hatte dennoch eine groͤßere Hoͤhe als die andere, wodurch die groͤßere Macht und Herrſchaft des Landesherrn bezeichnet werden ſolte. Bei einem hernach folgenden kleinenDorfe319Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. Dorfe von acht Haͤuſern nahm unſer Fuͤhrer, ein Oberbenjoſe des Tengo Sama, Herrn der Provinz Fiſen, der uns bisher durch deſſen Gebiete begleitet hatte, von unſerm Benjo - ſen Abſchied. Jn dem Verfolg unſers Wegs uͤber den Ruͤcken der Gebuͤrge Tawara ſahen wir einen ſehr großen bluͤhenden Campherbaum.
  • 9) Bei einem Dorfe oder einige zerſtreuete Haͤuſer vorbei durch noch verſchiedene kleine Doͤrfer und darauf durch ein weites fruchtbares Thal nach Sinongi oder, wie es richtiger genent wird, Sonogi. Wir zauderten hieſelbſt eine ziemliche Weile, um die Fahrzeuge zu beſteigen, damit wir nicht zu fruͤh nach Tokitz kommen und Gelegenheit ge - ben moͤchten, den kleinen Reſt der Reiſe noch heute vollends abzulegen, ohne die Ehre der gewoͤhnlichen Begegnung und Einholung der Japaniſchen Freunde auf morgen abzuwarten und zuvorkommend zu verhindern.

Den 7 Mai hatte es die ganze vorige Nacht ſehr ſtark geregnet, und da es den Vormittag damit anhielt, wir alſo vergeblich einem aufgeklaͤrten Himmel entgegen ſahen, ſo zogen wir von Tokitz aus, und beſchloſſen noch zulezt auf die ſchlimmeſte Art den uͤbri - gen Theil unſerer Reiſe, indem wir endlich gegen Mittag unſer Deſima wieder erreichten. Vor der Stadt muſten wir unſere Cangos mit Pferden verwechſeln, und auf etwa 30 Schritte vor dem Eilande wieder abſteigen; unſer Reſident und der Bugjo jedoch ließen ſich, nachdem ſie es erſt eins geworden, tragen.

Hiemit war alſo die erſtere Hofreiſe, zum ewigen Lobe, Preis und Ehre des guͤti - gen Gottes, gluͤklich geendiget. Was ſich nun immittelſt und bevor wir die zweite dahin angetreten, zu Deſima und Nagaſacki zugetragen, davon wil ich das Weſent - lichſte erzaͤhlen.

Den 8 Mai langte unſere Barke zu guter Zeit von Simonoſecki an, und warf ohn - weit Deſima Anker.

Den 9 Mai kamen zwei Benjoſen nebſt ihrer Suite an, und wurden die Pfor - ten von der Waſſerſeite her, wie auch das Pakhaus geoͤfnet, und jedem ſein Zubehoͤriges aus der Barke zugeſtelt. Derjenige Benjoſe, der mit uns geweſen war, gieng zur Land - pforte herein und zur Waſſerpforte wieder heraus, der andere Benjoſe hingegen umgekehrt, der naͤmlich zur Waſſerpforte herein kam, und zur Landpforte wieder hinaus gieng, ſo, daß bei Schließung der Pforten ſowol da als dort ein Oberbenjoſe als Aufſeher ſtand: ein Exem - pel des ſonderbaren Mistrauens des einen gegen den andern.

Den 11 Mai legten unſer Reſident und Abouts das Kompliment ihrer Wiederkunft bei dem Gouverneur ab.

Den 12 kamen Tſikunſinſche Barken mit Benjoſen an, um nach jaͤhrlichem Ge - brauch die vom Landesherrn der Provinz Fiſen abgeſchikte Benjoſen abzuloͤſen.

Den320Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Den 28 fuhren in dieſem Fruͤhjahre die erſten Jonken, etwa 20 an der Zahl, ab, die in vier Tagen in China ſind.

Den 1 Junius war ein Feſttag der Japaner, da man Pelag, wie es die unſrigen nennen, ſpielte. Sie uͤben ſich an demſelben mit Kahnen und Barken in Schiffen, und ſuchen einer dem andern durch ſtarkes Rudern vorzukommen, wobei ſie unter ſtetem Schel - len - und Glockenſpiel oft Pelo rufen und uͤberaus luſtig ſind. Man hat alsdenn in allen Haͤuſern pappene Flaggen und ſonſtige Zierrathen ausgeſtelt. Keine als nur die jungen Leute duͤrfen an der Feier dieſes Tages Antheil nehmen.

Den 3 Junius wurden in der Nacht einige Schleichhaͤndler ertapt, die von den Chineſen Waaren erkauft hatten. Der eine davon gedachte ſich zu entleiben, ein Haͤſcher aber uͤberfiel ihn bei der Gefangennehmung ſo ſchleunig, daß er ſich nur eine geringe Wunde beigebracht, und an dem aus Furcht der Schande erwaͤhlten Selbſtmord war verhindert worden, ob er ſich gleich boshafter Weiſe die Zunge faſt ganz abgebiſſen hatte.

Jn dieſen Tagen pflegt die Japaniſche Setzuki oder Regenszeit anzufangen, welche denn auch mit unaufhoͤrlichem naſſen Wetter, Plazregen und Winden begleitet iſt. Hingegen wird in eben dieſem Regenmonat der Reis gepflanzt, welche Arbeit die Frauen und Maͤgde verrichten.

Den 20 haben wir unſere Barken gemuſtert, und eine alt und unbrauchbar ge - funden. Auf dem Vorgebuͤrge bei einem Tempel hielten wir Mittag.

Einige Barken von verſchiedenen Orten zogen um dieſe Zeit ab, und andere ka - men wieder an, daher Nangaſacki zu Verhuͤtung alles heimlichen Handels ſtets verſchloſſen war, und alle Paſſirende viſitirt wurden.

Den 30 war in der verwichenen Nacht von einem Orte aus China eine Jonke un - ter einer Bataviſchen Prinzen Flagge angekommen.

Den 10 Julius wurden die naͤchtlichen Jahrmaͤrkte, ſo ſieben Tage gewaͤhrt, ge - ſchloſſen, und das große Feſt Giwo einem heiligen Japaniſchen Goͤtzen zu Ehren gefeiert.

Den 16 muſten die Koͤche und uͤbrigen Bedienten auf Deſima einen Eid mit ihrem Blute beſiegeln, daß ſie mit den unſrigen keine Gemeinſchaft pflegen wolten.

Den 20 dieſer Tage wurden zwei junge Leute*)Jn meinen beiden Handſchriſten: zwei Lichtmeſſen. tod auf der Gaſſe gefunden, deren einer den andern mit dem Saͤbel verwundet, und darnach durch Abſchneidung der Kehle jeder ſich ſelbſt getoͤdtet hatte. Wenige Tage zuvor hatte ſich ein Bedienter den Bauch ſelbſt aufgeſchnitten. Ein anderer ſchnit ſich den Hals ab, weil er von einem ſeines glei - chen war beſchimpft worden, wider den er keine Genugthuung von dem Stadtbuͤrgermeiſtererhalten321Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. erhalten konte, weil es in dem Hauſe des Gouverneurs geſchehen war. Nachher fand man wieder einen unter der Bruͤcke mir noch nicht ganz abgeſchnittener Kehle.

Den 30 brachte man von Amack fuͤnf ertapte Kerls gefaͤnglich anher, welche in der Meinung, die Chineſen ihrer heimlich eingebrachten Waaren zu berauben und ſie zu be - ſtehlen, einen Einfal in das Dorf Jſafaja gethan, aber vermuthlich weil ſie unrichtige Kundſchaft gehabt, nichts gefunden hatten.

Es kamen auch in dieſen Tagen viele Jonken, und unter andern zwei große von Siam an, welche 60 Tage unter Wegs geweſen: das lezt ausgefahrne, das zuerſt an - langte, brachte die Nachricht mit, daß es Hollaͤndiſche Schiffe im Siamſchen Hafen ge - ſehen haͤtte.

Den 1 Auguſt wurde das Feſt Tanna batta insgemein, ſonſt auch Siokuſo genant, gefeiert. Jn der Nacht zuvor wohnt ein jeder Mann ſeiner Frauen, zu Erinne - rung einer gewiſſen Geſchichte, mit der ehelichen Pflicht bei, darauf dann am folgenden Morgen das Gluͤkwuͤnſchungsfeſt ſeinen Anfang nimt.

Den 3 iſt ein ganz beſonderes Tempelfeſt, der Tag von Quamvon, Sennitz Mairi, d. i. tauſend Tage Gehen genant, weil dieſer Tag dem, der an ſelbigem den Tempel beſucht, ſo zugerechnet wird, als ob er ihn zu einer andern Zeit tauſend mal be - ſucht haͤtte. Jn Nagaſacki iſt nur ein Tempel von dieſer Art.

Den 8 war das Bon Feſt, da die Nacht mit brennenden Lichtern und Laternen auf den Graͤbern zugebracht wird. Schon geſtern nahm daſſelbe ſeinen Anfang, und waͤhrete mit ſolchen Cerimonien bis den 9ten Auguſt. Man glaubt alsdenn, daß die Se - len der Verſtorbenen, ſie moͤgen gute oder boͤſe ſeyn, umher wanderten, und ihre vorige Wohnungen beſuchten.

Den 10 vernahmen wir, daß eins unſrer Schiffe, Wahlenburg genant, bald ankommen wuͤrde.

Den 11 des Nachmittags warf ſolches wuͤrklich vor unſer Eiland Anker.

Den 12 hoͤrten wir abermals Nachricht von der Ankunſt unſers Jachtſchifs Wieck op See, und es kam den 13 zur Rhede.

Den 15 wurde, nach vorhergegangener gewoͤhnlicher Muſterung, das Schif Wah - lenburg ausgeladen, und damit vier Tage Zeit zugebracht.

Den 18 beſahe der vorgeſtern eingetroffene Landesherr von Firando unſer Comptoir auf Deſima.

Den 22 leerten wir das Jachtſchif Wieck op See aus, wozu drei Tage giengen. Es war ſelbiges uͤber China gekommen.

Den 23 fuhren einige von uns und ich einem geſtern anſichtig gewordenen Schiffe entgegen. Auf der Jnſel Jwo, zwei Deutſche Meilen jenſeit Nagaſacki am Ende desZweiter Band. S sHafens322Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Hafens hielten wir die Mittagsmahlzeit, von da wir ſodann noch eine Meile weiter auf den bei uns gehabten kleinen Fahrzeugen unſer Schis Boſwyk von Batavia entdekten und bewilkomten.

Den 24 warf daſſelbe vor Deſima Anker: und den 25 wurde es beſichtiget und drei Tage lang ausgeladen.

Aus Jedo lief um dieſe Zeit die Nachricht ein, daß der ehemalige Nagaſackiſche Gouverneur Kin mot ſama geſtorben waͤre. Er war eben derjenige, der ohngefaͤhr im Jahr 1680, als der Hr. Doctor Cleyer Direktor unſrer Geſchaͤfte war, 18 Japaner we - gen beſchuldigter geheimen Unterhandlung mit den unſrigen theils haͤngen theils enthaupten laſſen, ohne vorher von der Sache an Hof Bericht zu erſtatten, weshalb man ihn ſeines Dienſtes entſezt und zum Hausarreſt verurtheilt hatte, worin er demnach ſein Leben beſchloſſen.

Den 7 September war das Mondfeſt, wie es die Japaner heißen: die Chine - ſer ſagen das Licht des Mondes. Es wird des Nachts mit Luſtfarthen ſowol zu Waſſer als zu Lande gefeiert. Jn Nagaſacki wird es nicht gros geachtet, weil die Einwohner we - gen der ſtrengen Aufſicht auf den verbotenen Handel, wodurch ſie einen Gewinſt machen koͤnten, zu niedergeſchlagen leben.

Den 9 wurden unſere Hollaͤndiſche Waaren zuſammen getragen, und damit den 10 der erſte Verkaufstag gehalten.

Am lezten September fuͤhrte man einige Schleichhaͤndler und einen Dieb zum Richtplatze.

Den 1 Oktober brachte man vier gefangene Schleichhaͤndler mit den Walfiſchbarken von den Jnſeln Gotho ein. Jm vorigen Monate am 25ten hatte man eben auch ihrer vier andere in der See ertapt und in Verhaft genommen.

Den 2 Oktober kam auch die dieſen Gefangenen zugehoͤrige Barke nebſt abermals vier andern Mitſchuldigen an; zwei davon hatten ſich ſelbſt den Bauch aufgeſchnitten, die alſo eingeſalzen waren; einer der uͤbrigen zu dieſen Chineſiſchen Contrebandiers gehoͤrigen ſchnitte ſich in dieſer Nacht den Bauch auf, und wiederum ein anderer entkam und fluͤchtete in das Gebuͤrge, ſo fehr man auch die Pforten verſchloſſen und genaue Nachtwache ge - halten hatte.

Den 4 entwiſchte abermals einer, und ein Chineſiſcher Unterdolmetſcher, welcher Gelder zu dem verbotenen Handel vorgeſchoſſen hatte, ſchnit ſich den Bauch auf. Der Hauptraͤdelsfuͤhrer der gefangenen Miſſethaͤter biß ſich ſelber die Zunge ab, um ſich außer Stand zu ſetzen, ſeine Anhaͤnger zu verrathen, er ergrif, ſo feſte er auch angeſchloſſen war, hernach das Mittel, ſich aus dem Rocke, den er am Leibe trug, einen Strik zu ma - chen und ſich damit zu erwuͤrgen. Bei einem derer Gefangenen fand man ein ordentlichesHaupt -323Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. Hauptbuch uͤber Debet und Credit nebſt den Namen der Jntereſſenten und derer, die ein Capital zu dem Handel vorgeſchoſſen hatten, wodurch die Sache vollends offenbar und viele Einwohner entdekt wurden; man ſtellete daher ſo Tags als Nachts die ſtrengeſten Unterſu - chungen an, und wurde beſonders vor der Abreiſe der Chineſiſchen Jonken in jedem Quar - tier der Stadt von einer ſtarken Gaſſenwache des Nachts eine dreimalige Muſterung der Einwohner gehalten, bei welcher Gelegenheit man denn auch wuͤrklich drei Perſonen in Nan - gaſacki ergrif und zur Tortur brachte. Da die Chineſer ſich unter den Waͤllen lange in See aufhalten und umher kreutzen, um den Einwohnern Zeit und Gelegenheit zu geben, wo nicht in der einen doch in der andern Stunde ſchiklich zu ihnen zu kommen und Un - terhandlungen zu pflegen, ſo geſchiehet dieſes naͤchtliche Viſitiren in der Abſicht, um zu er - fahren, ob auch dieſer oder jener ſich hinaus begeben habe. Von andern Orten indeſſen, wo man dergleichen Ausfindungen unterlaͤſſet, z. E. zu Tſukuſju Karatz, genießen die Chineſer genugſam Gemeinſchaft mit den Eingebornen.

Den 6 als aufs neue einer ſich ſeiner Gefangenſchaft durch die Flucht entledigt hatte, muſten alle Japaner von unſerer Jnſel nach Hauſe. Ein Quartierkommiſſair, der einen Gefangenen ſeines Bezirks aus ſeinem Hauſe hatte entlaufen laſſen, wurde abgeſezt und bekam Hausarreſt. Wenn ſich der Fal ereignet, daß einer ausgeriſſen, ſo muͤſſen alsdenn uͤber hundert Menſchen aus jeder Gaſſe dem Fluͤchtlinge in die Gebuͤrge nachſetzen und ihn aufſuchen.

Den 7 wurden noch zwei oder drei von den Gefangenen verrathene Buͤrger eingezogen.

Den 10. Weil einige hundert Buͤrger ohne ihre Freunde, Verwandten und aus - laͤndiſche Perſonen in dem Proceſſe wegen des verbotenen Waarenhandels verwickelt waren, ſo war der Gouverneur mit dieſer Unterſuchung dermaßen beſchaͤſtiget, daß ihn in 14 Tagen niemand ſtoͤhren und verhinderlich ſeyn durfte, außer der groͤßeſten Noth ihn alſo niemand ſprechen konte; welches auch auf uns die Folge hatte, daß unſere oͤffentlichen Verkauftage außerordentlich ſpaͤt bis auf morgen hinausgeſezt waren, anſtatt, daß wir ſie ſonſt gewoͤhn - lich ſchon 10 Tage fruͤher zu halten angefangen hatten.

Den 14, der ein Sonnabend war, entſtand des Morgens fruͤh zu zwei malen ein ſehr heftiges Erdbeben, es hielt jedesmal ſo lange an, daß man 20 oder 30 zaͤhlen konte; ſelbſt auf der Rhede hatte man es ſo ſtark geſpuͤrt, daß der Steuerman aus dem Bette fiel, und die in ihrer Ruhe dadurch geſtoͤrte Hunde und Raben ein großes Geheule und Ge - ſchrei erhoben.

Den 21 wurde ein Kuli oder Haͤſcher im Thore mit Campher ertapt, weshalben der Verkaͤufer, einer der unſern, Namens Reinß, auf den jener bekant hatte, nach dem Buͤrgermeiſter gebracht, der Kuli aber und der Kaufman, fuͤr welchen der CampherS s 2eigent324Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. eigentlich erhandelt worden, wie auch der Wirth des Kaufmans, auf Befehl des Gouver - neurs, von dem Quartierkommiſſair, jeder gefeſſelt und in gefaͤngliche Verwahrung ge - nommen worden.

Den 22 und einige folgende Tage durchſuchte man im Beiſeyn zweier Dolmetſcher jedes unſerer Schiffe theils wegen der Sylviusſchen Panacee fuͤr die Verlaͤngerung des Le - bens, (davon ich dem Kaiſer in der Audienz etwas geſagt hatte) theils auch ſonſtiger Ur - ſachen halber.

Den 24 wurden drei im Handel verbotener und von den Chineſen erkaufter Waa - ren ergriffene Gefangene anhero gebracht. Zwei davon entflohen, der dritte, weil ſolches ihm nicht gelingen wolte, ſchnit ſich ſelbſt den Bauch auf; jenen muſten der Kuli und alle Bedienten, die alsbald Befehl bekamen, ſich von ihrer Arbeit und ein jeder in ſeinen Quartierſtand zu verfuͤgen, nachſpuͤren.

Den 25 lies der Gouverneur das gefaͤlte Todesurtheil uͤber den mit Campher er - tapten Kuli und uͤber den Kaufman, fuͤr den er ſelbigen gekauft hatte, unſerm Reſidenten durch ſeinen Sekretaͤr und Benjoſen mittheilen und vorleſen, zufolge dem ſie naͤmlich beide enthauptet werden ſolten. Es wurde zu gleicher Zeit unſer Reſident erſucht, den vorhin ge - dachten Reinß, der den Campher eigentlich verkauft gehabt, aus dem Reiche zu ſchaffen, ihn an Bord bringen und dem hoͤchſten Gericht auf Batavia uͤbergeben zu laſſen, damit er heimlich abgeſtraft werden moͤge, widrigenfals, und da ſo oͤfters die Landesbewohner ihr Le - ben daruͤber einbuͤßen muͤſten, man ſich genoͤthigt ſaͤhe, es kuͤnftig mit aller Schaͤrfe ſelbſt zu thun, dem man jedoch fuͤr dieſesmal noch ſo nachſehen wolte.

Den 1 November war der lezte Tag des am 27ten vorigen Monats ſeinen Anfang genommenen Feſtes Kuanitz genant. Jn ganz Japan legt niemand an dieſem Tage eine Hand an die Arbeit.

Den 5 kamen einige von dem Gouverneur abgeordnete Herren auf Deſima, fuͤr denen wir ſaͤmtliche Hollaͤnder vom hoͤchſten bis zu dem geringſten ohne Ausnahme auf einem Platze erſcheinen muſten; zuerſt fuͤhrten ſie unſerm Reſidenten in einer langen ernſthaften Rede zu Gemuͤthe, wie nothwendig es ſey, den Landesgeſetzen nachzukommen, und daß man die ſcharfen Verbote wider die Contrebande, woruͤber die ihrigen ſo ſchwere Strafen leiden muͤſten, nicht ſo ſchlecht und obenhin anzuſehen haͤtte: hernach wurden die zwei zur Enthauptung verurtheilte Japaner, welche mit zwei Catti Campher unerlaubt gehandelt, vorgeſtelt, und dabei die Erinnerung gemacht, daß man unſerer Seits eben wol ſolche Strenge gebrauchen und verhindern moͤchte, daß kein Anlaß zu dergleichen Verbrechenmehr325Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. mehr gegeben wuͤrde, ſonſt man kuͤnftighin unſere Leute, wenn man ſie der That uͤberwieſen, eben ſo behandeln muͤſte.

Den 6 lichtete unſer Jachtſchif Boſwyk die Anker, und gieng bis zum Papen - berge; ſo auch

den 7 die Jacht Wieck op See, und

den 9 des Mittags die Flotte Wahlenburg, worauf ſich die Capitains und die uͤbrigen von unſern nach Batavia zuruͤkreiſenden Leuten befanden.

Den 10 Fruͤhmorgens erhielten wir, wie gewoͤhnlich, von den auf den Bergen in beſondern Wachthaͤuſern befindlichen Schildwachen die Nachricht, daß ſich unſere ſaͤmtli - chen Schiffe bereits aus dem Geſichte verloren haͤtten. An eben dem Tage wurden wir vi - ſitirt, man gukte jedoch nur zu den Kammern herein. Dieſen Abend zwiſchen neun und zehn Uhr begab ſich eine ſtarke Erderſchuͤtterung, die Stoͤße dauerten ſo lange, daß man etwa 20 zaͤhlen konte, ſo heftig, daß mir in meiner Kammer ein Glas zerbrach, und ob es gleich damit ſo voruͤber gieng, ſo kam ſelbige, bei ſtiller Luft, in der Nachmitternacht, doch nicht ſo ſtark, wieder, hernach drei und zulezt noch zwei mal, das man aber kaum ſpuͤrte.

Den 23 um 11 Uhr verloren wir den Herrn Dieck durch den Tod. Er wurde den 24 des Mittags auf Jnaſſa, einem kleinen Berge, oder Jnaſſa no Jamma in Be - gleitung drei großer und zwei kleiner Pramen zur Erde beſtattet.

Den 30 habe ich mit einer nach Batavia abgehenden Chineſiſchen Jonke an den Herrn Doctor Cleyer geſchrieben.

Den 1 December muſten von allerlei Stoffen zu den Gouverneurs gebracht werden, um fuͤr den Kaiſer etwas zum Geſchenke auszuſuchen.

Vom 2 bis 5 wurden des verſtorbenen Hrn. Diecks hinterlaſſene Sachen aufgezeichnet.

Den 7, als am Dienſtage, kam der Gouverneur Tſino Cami, vorhin Genſe - mon genant, zu Nagaſacki an. Einige von Firanda, Omera, Amakuſa, Sijnobara, Karatz und andern umliegenden kleinen benachbarten Daimio oder Landesherren auf Kiuſju, abgeſchikte Benjoſen, waren bereits vor ihm da, um auf ſeine Ankunft zu warten, und ihn aus Reſpekt gegen den Kaiſer zu bewilkommen. Wann es ſich von ohngefaͤhr etwa zu - traͤgt, daß der Landesherr das Bewilkommungskompliment ſelbſt ablegt, ſo nimt dieſer alsdenn dabei den geringſten und unterſten Plaz, in Ruͤkſicht auf den Kaiſer, nach deſſen Befinden er ſich erkundigt, ein; ſo bald hingegen dieſe Cerimonie voruͤber, behauptet er wiederum ſeinen gehoͤrigen Rang.

S s 3Heute326Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Heute und in den vorigen Tagen zogen die 20 lezten Chineſiſchen Jonken aus dem Hafen ab.

Den 9 Sontags machten uns die drei Stadtgouverneurs nach jaͤhrlicher Gewohn - heit auf Deſima einen Beſuch, nachdem ſie bei den Chineſern ein gleiches gethan.

Den 10 geſchahe es, daß uns der Tſino Cami nach ſeiner Wiederkunft gleich das erſte Merkmahl von ſeinem Has und Ungunſt gegen die Hollaͤnder fuͤhlen lies, indem uns auf ſeinen Befehl fruͤh Morgens angeſagt wurde, daß wir uns in Bereitſchaft zu halten haͤtten, um auf unſerer Jnſel die Hinrichtung der beiden Delinquenten, die, wie unterm 5 No - vember gedacht worden, den verbotenen Kampherhandel getrieben, mit anzuſehen, als welche unſerthalben das Leben verlieren muͤſten. Es gieng ſelbige auch ohngefaͤhr in einer Stunde wuͤrklich vor ſich. So heftig wir uns auch zu verſchiedenen malen gegen einen ſolchen Befehl ſezten, ſo brachte es dennoch der Wille unſers Reſidenten mit ſich, daß wir Folge leiſteten; er ſelbſt aber erſchien dabei nicht, ob man ihn gleich ebenfals dazu aufge - fordert hatte.

Auf dem Richtplatze*)Kaͤmpfer hat ſchon oben im achten Kapitel des vierten Buchs von dieſer Erekution umſtaͤndliche Nachricht gegeben. ſaßen zwei Oberbenjoſen und Sekretaͤrs auf kleinen Baͤnken, die dritte Bank war leer; die Schaar der ordentlichen ſowol als außerordentlichen Dolmet - ſcher, mit ihren Lehrlingen, Wirthen und uͤbrigen mit ihnen in Verbindung ſtehenden Per - ſonen auf dem Eilande erſtrekte ſich etwa auf 200, nebſt noch einigen nahe bei als Gerichts - diener ſich befindenden Kuli oder Haͤſchern. Die beiden Delinquenten knieten hinter ein - ander, die Haͤnde waren ihnen auf den bloßen Ruͤcken gebunden, und jeder hatte ſeinen Henker hinter ſich; kaum daß man uns herzugefuͤhrt, und daß wir die Augen auf die De - linquenten gerichtet, lag das Haupt ohne weitere Umſtaͤnde und ohne ein einziges Wort da - bei zu reden vor ihnen: jeder Koͤrper wurde beſonders in eine Strohmatte, ſo wie beide Koͤpfe beſonders in eine andere zuſammen gewickelt, und auf Tragbaͤumen von der Jnſel ab - geſchikt. Sowol vor als nach dieſer Enthauptung trug man vor den Uebelthaͤtern ein Bret her, auf welchem die Urſach des toͤdlichen Verbrechens geſchrieben ſtand, desgleichen eine Art von einem eiſernen Haken und einem ſogenanten ſcharfen halben Mond; jener iſt mit ſcharfen Zacken beſezt, und dient, um einen Fluͤchtigen, wenn man ihn nur irgends damit erreichen kan, feſt zu halten; dieſer, um ihn nieder zu ſtoßen und wider etwas zu druͤcken: beide Arten von Gewehren findet man vor allen Wachten. Gleich darauf giengen beide Benjoſen und Sekretaͤrs in zwei Partheien, ſo wie die uͤbrigen, nach und nach aus einander.

Den327Dreizehntes Kap. Nuͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.

Den 11 wolten die beiden Dolmetſcher Joſoimon und Senbe behaupten, daß Sadaje, ein anderer Dolmetſcher, lediglich an dieſer Exekution Schuld ſey, indem er allein eben nicht noͤthig gehabt haͤtte, die Ungluͤklichen anzugeben, da die andern davon ſtil geſchwiegen, und auch ſelbſt das Verbrechen, worauf ſie ertapt worden, kaum die Summe von 10 Tail ausmache. Man hatte zwar auch den Tag vor ihrer Hiurichtung eine Schrift an den Gouverneur uͤberreicht, und darinnen Vorſtellung zu machen geſucht, als ob ſie den Campher von unſerer Jnſel geſtohlen und nicht gekauft haͤtten, um ſie etwa durch die - ſen Weg von der Todesſtrafe zu befreien; allein der blutduͤrſtige Tſino Cami gab darauf kein Gehoͤr. Die Richter handeln hier uͤberhaupt nicht nach Gefuͤhl und Billigkeit, ſon - dern mit dem ſtrengſten Rechte und der aͤußerſten Schaͤrfe nach That und Beweis. So hatte in dieſen Tagen der Gouverneur Sjubo Sama einem ſeiner Diener, einem Benjoſen, blos darum den Kopf abſchlagen laſſen, weil er betrunken geweſen war, und dabei ungebuͤhrliche Haͤndel angefangen hatte: einen andern, der ihm dieſe ſtrenge Ahndung widerrieth, lies er, weil er das uͤbol aufnahm, ins Gefaͤngnis werfen. Und ſo, ſagt man, ereigneten ſich jaͤhr - lich wol fuͤnf bis ſechs Exempel von dergleichen blutigen Auftritten in ihrem eige - nen Hausſtaate.

Den 20 in der Nacht um zwei Uhr reiſete der gedachte Gouverneur Sjubo Sama von hier ab nach Jedo. Ob es gleich die ganze Nacht durch unaufhoͤrlich regnete, ſo wolte es die ſchuldige Achtung fuͤr ihn dennoch nicht anders erlauben, als daß ihn neben den andern Bedienten der Stadt auch die unſrigen von der Jnſel begleiteten. Einer von den Kuli, die bei einem Fluſſe des Jſafariſchen Weges des Nachts ſeiner wahrnehmen muſten, blieb wegen der Kaͤlte tod, der andere aber gerieth in die gefaͤhrlichſte Krankheit.

Den 28 wurden 23 Perſonen, die des Schleichhandels ſchuldig erkant, vom Le - ben zum Tod gebracht, 13 davon wurden ans Creuz geheftet, die uͤbrigen gekoͤpft; unter jenen befanden ſich fuͤnf, die ſich bei der Ertappung den Bauch ſelbſt aufgeſchnitten, dieſe waren eingeſalzen und ſo die Strafe an ihnen volzogen. Noch viele, die aus gleichen Urſachen im Gefaͤngnis ſitzen, werden kein beſſeres Schickſal zu erwarten haben.

1692 den 18 Januarius verbreitete ſich die Nachricht, daß von vier gefluͤchteten Schleichhaͤndlern drei in Oſacka gefaͤnglich eingezogen worden; es waren ſelbige, da ſie eben gutes Muths und in vermeinter Sicherheit bei einander geweſen, von den Spions, die der Gouverneur Tſino Cami ausgeſchikt, entdekt worden; man befuͤrchtete, daß vielleicht durch ihre Ausſagen und Bekaͤntnis noch mancher andrer mit in Ungluͤk koͤmmen duͤrfte.

Den328Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Dreiz. Kap. ꝛc.

Den 19 in der Nacht ereignete es ſich, daß ein aus einem Mariane oder Huren - hauſe kommender Grobſchmied drei, die ihm auf der Straße begegnet, durch Hiebe, je - doch nicht toͤdtlich, verwundete. Es ſind dergleichen naͤchtliche Vorfaͤlle in Nagaſacki nichts ungewoͤhnliches.

Den 20 hoͤrte man, daß der Kaiſer dem Landesherrn Jma gada fuͤnf Mangokf von den Einkuͤnften ſeiner Provinz abgenommen haͤtte, weil ihm einige tauſend von ſeinen Unterthanen davon gegangen, welche von ſeinem Sekretaͤr, den er noch nicht lange in Dien - ſten gehabt, durch Auflagen zu uͤbermaͤßig gedruͤkt worden, weshalben auch der vorherige abgeſezte die Verwaltung wieder bekommen, ſo lange Jma gada Herr von der Pro - vinz geblieben.

Den 1 Februar und an den folgenden Tagen ſind wir mit Ausleerung unſerer Reiſe - barken nach Kokura, um ſie zu der andern bevorſtehenden Hofreiſe in gehoͤrigen Stand zu ſetzen, ſo wie in den Tagen zuvor damit beſchaͤftigt geweſen, daß wir die fuͤr den Kai - ſer als Geſchenke mitzunehmende Waaren ausgeſucht und den Gouverneurs zur Genehmi - gung vorgelegt haben. (Die Summe aller fuͤr den Hof beſtimter Geſchenke belaͤuft ſich etwa auf 6000 Gulden*)Feblt in der Engl. Ueberſ.).

Vier -329

Vierzehntes Kapitel. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.

Es war der 2 Maͤrz Morgens um acht Uhr, als wir die Jnſel Deſima verließen. Der mit uns gehende Joriki hies: Saſſa Mori fanſoo, und der Doſin: Si mada Skeimon, dabei waren noch zwei Nagaſackiſche Stadtboten, der oberſte Dolmetſcher, Namens Sodaje, und ein Unterdolmetſcher. Unſere Benjoſen und Freunde ritten mit uns bis an die Oſtſeite der Stadt Sakara baba, woſelbſt wir in dem einen Tempel, der von Jammaboſen bedient wird, den Abſchied mit ihnen trunken. Um 10 Uhr reiſeten wir durch krumme bergigte Wege in unſern Cangos fort zu dem Dorſe Tooge und dem Dorfe Fimi ohnweit dem Seebuſen und dem Fiſcherdorfe Aba; von da zu dem Dorfe Fagami, wo wir ſpeiſeten und von den uͤbrigen Freunden, die uns bis hieher begleitet hatten, Abſchied nahmen, nachdem ſie uns mit Sacki und Sockani traktirt, wobei wir uns aber fuͤr dasmal ganz leidend ver - hielten und nichts zum Gegengeſchenk machten. Zufolge der Gewohnheit, daß die Landes - herrn jedesmal jemand abſchicken, um uns als Wegweiſer durch ihre Provinzen zu fuͤhren, ſezten ſich ohngefaͤhr bei Tooge zwei von dem von Fiſen vor unſern Train, ſo wie dabei zugleich ein Fiſenſcher Unterbugjo unſern Fuͤhrer im Namen ſeines Herrn bewilkomte. Et - wa um drei Uhr des Nachmittags erreichten wir naͤchſt einem bald rechts bald links ablau - fenden, bei dem Dorfe Konga aber ſich verlierenden Fluſſe den von der Stadt Omura drei Meilen gelegenen Omuraſchen Seebuſen, und ſahen die runde Berginſel im daſigen Hafen, die wir im vorigen Jahr auf jener Seite paſſirt waren, ohngefaͤhr in einer Entfer - nung von drei Meilen, vor uns. Nach einigen auf ebenem Wege zuruͤk gelegten Hand - weiſern befanden wir uns Abends um ſieben Uhr in dem Dorfe Jſafaja, ſieben Meilen von Nagaſacki: vor dieſem Dorfe muſten wir erſt uͤber drei große Bruͤcken: die linker Hand am Wege von den Klippen uͤberhangende und hervorſtehende große Steine konte man mit nicht genug Verwunderung betrachten*)Sie hatten, nach Scheuchzer, das Anſehn, als wuͤrden ſie jeden Augenblik herabfallen.. Als wir alhier ein wenig zu Abend geſpeiſet,ſindZweiter Band. T t330Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſind wir mit drei Schiffen und einem Fahrzeuge, dem Landesherrn von Fiſen gehoͤrig, nebſt einem kleinen ab - und zufahrenden Kahne um acht Uhr abgereiſet und durch Mithuͤlfe des Ruders noch vor Mitternacht bei dem Dorfe Tacka ſacka angekommen. Es wird der Seebuſen alhier von unſern Schiffern die Bucht von Arrima genent, und iſt eben derje - nige, der durch den wegen dem Aufruhr der Chriſten ehemals entſtandenen Krieg ſehr be - ruͤhmt geworden. Man mus wegen der großen Untiefe bei der Abfahrt von hier die Fluth - zeit gar wohl in acht nehmen. Wir lagen einige Stunden vor Anker, um zu ſehen, ob uns der Wind zuwider ſeyn wuͤrde, in welchem Fal wir die Reiſe zu Pferde fortzuſetzen dach - ten, weil aber das Wetter, wiewol anfaͤnglich mehr als hernach zu unſerm Vortheil, ſtille blieb, ſo waͤhlten wir das Waſſer.

Den 3 Maͤrz langten wir bei guter Zeit in dem Munde des Janagaviſchen Fluſſes an, wo man etwa drei viertel Meilen in einer Kruͤmme bis zur Bruͤcke hinauf zu fahren hat, und wo man alsbald den Vorhof des Kaſtels, und etwa eine viertel Meile davon den großen Kaſtelthurm zu Geſichte bekoͤmt. Den Schiffer und Aufſeher unſerer Fiſenſchen Tranſportſchiffen erließen wir mit gehoͤriger Dankſagung, nachdem uns vor dem Munde des Strohms ein Janagaviſches Fahrzeug, um uns einzufahren, entgegen kam. So wie unſer Fuͤhrer allenthalben von jedem Landesherrn durch Geſandſchaft bewilkomt und mit Sackano, Sacki, Fiſchen und dergleichen beſchenkt wird, ſo genoſſen wir von jenen von Fiſen auf dem Schiffe mit Japaniſcher Koſt und Sacki ſaͤmtlich eine vorzuͤgliche Bewir - thung, ohne daß ſie dafuͤr ſo wenig, als fuͤr die Muͤhe der Ueberbringung etwas von unſerer Erkentlichkeit annehmen wolten, deſſen ſie ſich vielmehr mit der Aeußerung weigerten, daß ihnen ſolches von ihrem Landesherrn, der nicht einmal gegenwaͤrtig ſondern noch am Hofe zu Jedo war, ausdruͤklich verboten ſey.

Janagawa iſt ein anſehnlicher Bergplaz, 22 Waſſermeilen von Jſafai gelegen, hat nur einen Thurm und außer einigen anſehnlichen Straßen der Stadt auch ſolche, wor - innen Fiſcher wohnen: der Flus dabei iſt ſehr angenehm, und mit vielen Fahrzeugen mei - ſtentheils beſezt. Nachdem wir alda Mittag gehalten, machten wir uns wieder auf die Pferde, und kamen erſt zu einem Dorfe, das Kurime und Janagawa durch Graͤnzpfaͤhle von einander ſchied, ſodann nach einer Meile durch zerſtreuete Doͤrfer und ein ebenes mit vielen Waſſergraben durchſchnittenes Ackerfeld, zu dem aus 40 Haͤuſern beſtehenden Dorfe Jokomiſo, ferner zu dem Dorfe Tokoro matz und dem bald darauf folgenden Dorfe Sjikkimbas, vor welchem ein Waſſerreicher Strohm mit kleinen Schiffen bis Sanga ab - lief, uͤber den wir jedoch hinſezten, ohne die Pferde abzupacken. Einige kleine zerſireuete Doͤrfer, der Flecken Daiſenſi, und wiederum etliche Doͤrfer, große und hohe Bruͤcken, brachten uns bis zu dem Flecken Kongo oder Kurmei Congomatz, den wir in der Kruͤm -me331Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. me durchzogen, und nicht lange hernach Abends fuͤnf Uhr unſere Herberge, die Stadt Kurmei oder Kurume, vier Meilen von Janagava, erreichten. Fuͤnf zu unſerer Be - gleitung und Fuͤhrung beſtimte Kurumeiſche Abgeordnete, die bis hieher bei uns geblieben, nahmen am folgenden Tage außerhalb dem Stadtthore kniend und mit einer ehrerbietigen Stellung von uns Abſchied, außer einer, der uns ganz bis an die Graͤnzen des Gebiets brachte. Unter dem Vorgeben, als ob man uns vor Dieben bewahren wolte, wurde die Hinterthuͤre in unſerm Quartier ſtark verriegelt und verſchloſſen: ich nahm mir bei dieſer Gelegenheit die Erlaubnis, dieſes im Ernſt als etwas Beleidigendes fuͤr uns vorzuſtellen, indem man dadurch bei den Leuten das Vorurtheil erwekte, als ob wir zuſammen gebrachte gefangene Miſſethaͤter oder Portugieſen waͤren, anſtat daß wir als freie und von dem Kaiſer privilegirte Hollaͤnder zur Audienz nach Jedo reiſeten; allein wir muſten uns die Sache gefallen laſſen, weil der Oberdolmetſcher es nun einmal ſo haben wolte, der einen unaus - loͤſchlichen Has und Feindſchaft gegen die Europaͤer beſas.

Die Stadt Kurume beſtehet aus etlichen langen geraden mit etwa 1000 kleinen Haͤuſern bebaueten Kreuzgaſſen, ſie iſt offen, ohne Graben, Wal und Mauren, und nur mit ſchlechten Thoren und Pforten verſehen: zur rechten Seite liegt das Kaſtel, das an - ſehnliche Pforten und einen ſchoͤnen Thurm hat, auch mit ſaubern Graben, woruͤber kurze Bruͤcken angebracht ſind, umgeben iſt. Es war merkwuͤrdig, daß ſich bei unſerm Durch - zuge durch die Stadt kein einziger Menſch auf den Hauptſtraßen, auch nicht einmal vor den Thuͤren, ſondern jeder hinter den Matten in den Haͤuſern befand, dahingegen die Queergaſſen gepfropſt vol waren, und einer an dem andern gebuͤkt und niedergebeugt uns paſſiren ſah. Ueberhaupt wurden alle, die uns in dieſem kleinen Bezirk von Japan be - gegneten, von unſern Fuͤhrern von dem Wege ab ins Feld verwieſen, und die, ſo zu Pferde waren, muſten abſteigen, und kniend mit bloßen Haͤuptern unſern Voruͤberzug abwarten.

Den 4 Maͤrz ſind wir kurz vor Tage mit gutem Wetter und Mondſchein durch Kurume ab, den Weg nach Fitſju, wo wir ein altes Kaſtel rechter Hand ließen, fort bis zu dem Fluſſe Mija nodſi gawa gereiſet, der von dem Gebuͤrge von O. nach W. nach Sanga fließet: ob er gleich ziemlich ſtrenge und Waſſerreich iſt, ſo konten wir dennoch hin - uͤber geſezt werden, ohne daß wir das Gepaͤcke von den Pferden zu nehmen brauchten: von dem an deſſen Ufer liegenden Dorfe Mija nodſi kamen wir naͤchſt einigen Wegſaͤulen oder Handweiſern durch verſchiedene Doͤrfer, deren lezteres weitlaͤuftig zerſtreuet war, und viele Ackerleute zu Einwohnern hatte, auch ohnweit davon an die Graͤnzen des Kurumeiſchen Gebiets, alwo ein dem Kaiſer unmittelbar zugehoͤriger Strich Landes anfieng, und der bis - her bei uns gebliebene Kurimeiſche Fuͤhrer zur Seite abtrat, und mit Niederknien ſeinen Abſchied nahm.

T t 2Von332Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Von Janagawa bis hieher ſind wir uͤber Daͤmme und platte fruchtbare Aecker - und Reisfelder paſſirt, in der Folge aber, beſonders auf dem Kaiſerlichen Grunde und Boden, ſchlechtes und ſehr ſchwarzes Torfland. Wir ſtießen heute noch auf folgen - gende Oerter:

  • 1) Maatsgaſacki, einen Flecken von 150 Haͤuſern.
  • 2) Maatsſacki, ein Dorf. Eine Kruͤmme fuͤhrte uns von hier zu einem andern kleinen Dorfe und einem Wegweiſer, ſodann uͤber einen Flus zu den Graͤnzpfaͤhlen von Matzaka ſakka, einem Stuͤk Kaiſerlichen Landes, und zugleich dem Anfange der Provinz von Tſikuſen oder Fakatta, und ferner uͤber zwei Fluͤſſe, in einer Zirkelfoͤrmigen Kruͤmme auf die von Tſikungo nach Akitſukki laufende Heerſtraße.
  • 3) Jſjibitz, ein Dorf;
  • 4) uͤber einen Flus zum Flecken Jamaijo, wo wir Mittag machten. Wegen eines von Hofe zuruͤkgekommenen und hier in der vorigen Nacht einquartiert geweſenen Lan - desherrn, waren die Wege in dieſer Gegend noch alle ſauber und beſtreuet. Wir verließen Jamaijo in Cangos, und hatten nun zwei Tſikuſenſche Begleiter an der Spitze unſers Trains;
  • 5) uͤber einen Flus zu dem Dorfe Togeno tſeija, das nur wenige Haͤuſer begreift;
  • 6) Utſjino, auch ein Dorf; hier wurden wir in einem Wirthshauſe mit zwei großen Steinbraſſen und mit Sacki von den Frauensleuten ſehr hoͤflich bedient. Da wir auf eine kleine Meile durch einen Flus muſten, ſo ſezten wir uns wieder auf die Pferde, und bekamen bei jedes zwei Man zur Sicherheit, nebſt zwei Vorgaͤngern;
  • 7) Oimatz, ein Dorf mit einem Tempel;
  • 8) Nagauwo, ein Dorf; von da uͤber einen Flus
  • 9) zu dem Dorfe Mamida, und wieder uͤber einen Flus
  • 10) zum Flecken Tentomatz;
  • 11) zu dem Dorfe Akimatz, naͤchſt dieſem zu einem kleinen Dorfe;
  • 12) zu dem Staͤdtchen Jtzka jenſeit des Fluſſes. Es hatte ſelbiges dieſſeits ein kleines Dorf, gleichſam als eine kleine Vorſtadt, und uͤber dem Fluſſe eine ſchlech - te Bruͤcke.

Den 5 Maͤrz fruͤh Morgens um vier Uhr haben wir mit Bambusfackeln Jtzka verlaſſen. Wir beruͤhrten.

  • 1) das Dorf Koopkuro, und
  • 2) nach einer Meile das Dorf Kotak oder Bambu;
  • 3) das Dorf Akaſj: zwiſchen dieſem und dem vorigen ließen wir uns uͤber den einen, und von hier uͤber den andern Arm des Fluſſes Sakai in gawa ſetzen;
4) das333Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.
  • 4) das Dorf Sakai;
  • 5) Nogatta, die Reſidenz des Jſjinno, Sohns des Landesherrn in Tſikuſen, jenſeit dem Strohm. Als was ungewoͤhnliches bemerkten wir, daß ſelbige ohne Thurm war;
  • 6) der große Flecken oder die Stadt Kujanoſſe. Die Leute hieſelbſt giengen ſehr ſchwarz und ſchmutzig einher, das vielleicht der Brand der Steinkohlen verurſachen mogte. Bis hieher paſſirten wir meiſtens uͤber Daͤmme, und beſonders nach hinterlegten Bergen von Fiamitz ein ausnehmend ſchoͤnes Land, in dem Verfolg unſers heutigen We - ges hingegen einen huͤgelichten und ziemlich ſchlechten Boden. Wir machten in Kujanoſſe ein wenig Mittag.
  • 7) Tſeijano farru, ein Dorf;
  • 8) Jzi ſakki, auch ein Dorf an einem hohen Bergwege gelegen;
  • 9) Koo ſjakf,
  • 10) Ujeno farru, beide Doͤrfer;
  • 11) Kuroſakki, ein Flecken. Wegen des durch das Regenwetter ſchluͤpfrig, ſchlammig und kotig gemachten Weges, nahmen wir alhier Cangos, die man in einem be - ſondern Hauſe jederzeit auf Verlangen bereit fand;
  • 12) das Dorf Nandoki;
  • 13) das Dorf Kimmatz: zwiſchen demſelben und Nandoki hatten wir einen ne - ben uns abgehenden Strohm, legten auch die Graͤnzen der Provinz hinter uns;
  • 14) durch einen Flus und die Vorſtadt Fijomi, wo ein Tempel gleiches Namens iſt, die Stadt Kokura; hier wurden wir nach Gewohnheit von dem Wirthe auf Japa - niſche Art traktirt. Wir verweilten uns bis des Nachts 11 Uhr, waͤhrend dem der Bugjo ſeine Correſpondenz beſorgte, und auch zugleich das Waſſer eine bequemere Hoͤhe zu unſerer Abfarth, die in zwei Barken vor ſich gieng, erreichte.

Den 6 Maͤrz des Morgens um zwei Uhr befanden wir uns mit der einen Barke bereits in der Herberge zu Simonoſeki, die andere, welche wenigere Ruder hatte, kam erſt um ſechs Uhr an. Das Fruͤhſtuͤk wurde zuerſt fuͤr die Japaner, hernach fuͤr uns zu - recht gemacht, es wolte uns aber nicht ſchmecken. Nicht ſowol wegen des widrigen Win - des, als vielmehr, weil es die Gewohnheit ſo mit ſich brachte, muſten wir einen Tag ſtille liegen, und die ſchon beſtiegenen Barken wieder verlaſſen.

Den 7 Maͤrz waͤre der Wind zur Abfarth eigentlich zwar gut geweſen, in der Japaner Kopfe aber war er eins Theils zu heftig, und andern Theils ſolten die kleinen nach - zufuhrenden Bote, wie man ſagte, die Wellen fuͤr dasmal nicht vertragen koͤnnen. Es ſchneiete heute, und war dabei ſehr kalt.

Den 8 Maͤrz ſind wir fruͤh um vier Uhr bei ſtiller See und Luft mit durchſtehen - dem Weſtwinde bei Mondſchein O. S. Oſtwaͤrts im Geſichte der in dem Strich von Si -T t 3monoſeki334Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. monoſeki liegenden Jnſel Fimeſima abgeſegelt: zur Linken hatten wir das Land oder Dorf - ſchaft Jwaga, etwa drei oder vier Meilen von Fimeſima; und von uns Nordwaͤrts etwa eine oder eine und eine halbe Meile, mit ein paar vorſtehenden Jnſeln Kanſju genant: rechter Hand zwiſchen Fimeſima und Buſjen, (alwo die ſchreklich hohen Berge insgeſamt, ſo wie die Nagattiſchen linker Hand, mit Schnee bedekt waren) ſahe man zwiſchen S. O. und S. O. nach O. in die offenbare See. Das uns linker Hand voraus liegende Muko ſtelte ſich 18 Meilen von Simonoſeki dar, rechter Hand S. S. O. Fimeſima. Wir fuhren ferner O. nach S. außerhalb den Jnſeln gegen die von Jwo, ſo O. S. O. Suͤdwaͤrts etwa fuͤnf Meile abgelegen, und befanden uns um 10 Uhr linker Hand eine hal - be Meile von dem Vorgebuͤrge oder Jnſel Utſungi ſacki, da wir rechts die offene See und etwas hinterwaͤrts S. nach W. auf etwa acht Meilen das Ende des abgelaufenen Bunjo und Buſjen hatten: Caminoſeki war Links und die Jnſel Jwo Rechts vor uns im Ge - ſicht*)Dieſer ganze Saz ſtehet nicht in der Engl. Ueberſ. . Um 12 Uhr paſſirten wir die Meerenge bei Caminoſeki, worauf alsbald rechter Hand die Jnſel Jokoſima, Links aber der Berg und die Jnſel Semba taki zum Vorſchein kamen, die Fahrt nach Genguri (und weiter vorbei S. O. auf etwa acht Meilen das feſte Land und Schneegebuͤrge Jjo) Rechts vor uns habend. (Es gieng weiter bis Camiro, deſſen Jnſel wir Links ließen, in der Richtung von O. nach S.; das Eiland Tſikungo lag quer auf vier Meilen vor uns, und erſtrekte ſich rechter Hand mit einem ununterbrochenen Schneegebuͤrge auf acht Meilen S. S. W. zuruͤk. Um zwei Uhr ſegelten wir Links nahe bei der Jnſel Okino Camiro vorbei, und hatten auf eine halbe Meile zur Rechten Jtſu - ſima, von da wir N. O. und bald O. zwiſchen engen und hohen Gebuͤrgen**)Dieſe Parentheſe fehlt ebenfals in der Engl. Ueberſ.) gegen halb vier Uhr nach Ju, ein Dorf und kleinen Meerbuſen Links, Juſima Rechts laſſend, von da eine halbe Meile an die Jnſel Tſuwano Maroſima, und hievon zwei Meilen bis Tſuwo einem Hafen und Jnſel ſamt dabei liegenden (etwa eine halbe Meile entfernten) Dorfe Nuwa kamen. Hier landeten wir mit der untergehenden Sonne an und warfen Anker, nachdem wir heute 47 Waſſermeilen gemacht hatten.

Den 9 Maͤrz war uns der Wind ſo wenig vortheilhaft, daß wir es unſers fruͤhen Aufbruchs ohngeachtet und mit Laviren kaum bis Mitarei bringen konten, wir kamen naͤm - lich daſelbſt des Nachmittags vier Uhr nebſt noch etlichen und 30 andern Barken zu Anker, unter welchen ſich zwei befanden, die fuͤr reiſende Liebhaber Venusſchweſtern, womit ſie umher kreuzten, an Bord hatten.

Den 10 Maͤrz bei anbrechendem Tage mit anhaltendem guͤnſtigen Winde, erhiel - ten wir, nachdem wir die Enge von Fanaguri linker Hand gelaſſen und rechter Hand eingefah -ren,335Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. ren, nach drei Waſſermeilen Rechts auf Tſikoko, die Reſidenz Thuriſſima, eines klei - nen Fuͤrſten, deſſen Gebiet unter Fireſima der Provinz Aki, in neun herum liegenden Jn - ſeln ſamt dem feſten Lande, dieſe Reſidenz ſelbſt aber aus einem Platze von nahe an einan - der gelegenen ſchoͤnen Haͤuſern beſtehet. Zwei Meilen weiter S. O. rechter Hand blieb uns in einer Entfernung von einer halben Meile das große ſchoͤne Kaſtel mit einem koſtbaren Thurm, Jmabari Sjiro genant, nebſt der diſſeits daran ſtoßenden Stadt und Reſidenz des Lan - desherrn Sjiro motto Tomo Sama, eines Sohns des Landesherrn von Kini Kuni und Schwiegerſohns vom Kaiſer. Unſere Fahrt dauerte Oſtwaͤrts fort, bis wir noch vor Untergang der Sonne das Staͤdtchen Sjimotſuju, ohngefaͤhr 400 Haͤuſer ſtark, erreich - ten. Es liegt ſelbiges laͤngſt dem mit Steinen aufgemauerten Seeufer in drei abgeſonder - ten und der Regierung dreier Joriki unterworfenen Theilen an dem Fuße eines Felſen, derTab. XXV. oben, gleich allen bewohnten Jnſeln, mit regelmaͤßigen Reihen von Matzbaͤumen beſezt iſt.

Den 11 Maͤrz wegen anhaltenden widrigen Windes ſtil gelegen. Weil wir nach dieſem groͤßeren Sturm vermutheten, ſo ließen wir den Maſt nieder, es erfolgte derſelbe auch wuͤrklich mit dem Einbruch der Nacht aus W. S. W. auf eine fuͤrchterliche Art, ſo, daß wir ſechs Anker auswerfen muſten, wovon jedoch die| Urſache darin mit lag, daß wir nicht recht in den Hafen ſondern weit davon ab eingelaufen waren, welches der boͤsgeſinte Ober - dolmetſcher, der uns das Vergnuͤgen nahe an der Stadt und den uͤbrigen Barken zu ſeyn misgoͤnnete, alſo eingerichtet hatte: als ich ihm an dem folgenden Tage vorhielt, was fuͤr Gefahr aus ſeinem Eigenſin haͤtte entſtehen und was fuͤr ein Ungluͤk wir haͤtten erleiden koͤn - nen, das er allein verſchuldet gehabt haben wuͤrde, ſo machte er zu ſeiner Entſchuldigung den Vorwand, daß es, um deſto fertiger zum Abſegeln zu liegen, geſchehen waͤre.

Den 12 Maͤrz, nachdem der Sturm gluͤklich voruͤbergegangen, und der Wind beſſer geworden, verfolgten wir unſere Fahrt mit voͤllig hereingetretenem Tage auf 20 Waſ - ſermeilen weit bis in die Muruſche Bay, wo wir Nachmittags drei Uhr zu Anker kamen,Tab. XXVI. und 150 andere Barken antrafen, wodurch die Bay, die eben nicht gros iſt, ganz beſezt wurde. Der Ort Muru ſelbſt wird von einem Bugjo regiert, und treibt einen ziemlich ſtarken Handel mit Pferdeleder, davon das Fel fuͤr einen Tail und vier Maas ver - kauft wird.

Den 13 Maͤrz reiſeten wir zwar bei anbrechendem Tage wieder ab, hatten aber einen ſchlechten Wind, der nach fuͤnf Waſſermeilen in der Gegend von Fimedſi gleich nach der Mittagszeit ſo gar ſo ſchlecht wurde, daß wir bei Abodſi vorbei nach Muru wieder zu - ruͤkkehren muſten, wo wir denn auch um drei Uhr des Nachmittags anlangten. Fimedſi hat einen praͤchtigen großen Thurm und Schlos; Aboodſi aber ein Kaiſerliches Pakhaus; beide Staͤdte hingegen ſind ohne Hafen, ſo wie es ſich daſelbſt wegen des ſumpfigen und ſtei - nigten Grund und Bodens nicht wohl ankern laͤſſet.

Den336Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Den 14 Maͤrz noͤthigte uns der Sturm in dem Muruſchen Hafen zu verweilen.

Den 15 Maͤrz fruͤh ausgefahren und des Nachmittags um zwei Uhr im Hafen vor Fiongo, von da aber in andern Fahrzeugen, mit der Abendzeit in dem Oſackiſchen Ha - fen angelangt; zwiſchen ſechs und ſieben Uhr befanden wir uns bei der zweiten Bruͤcke, wo uns der Wirth aus Oſacka mit Luſtbarken begegnete, um uns in die Herberge abzufuͤhren.

Den 16 Maͤrz Raſttag gehalten.

Den 17 Maͤrz Audienz beim Gouverneur. Außer dem Wachtſaale fuͤhrte man uns durch noch zwei Kammern, wo Armaturſtuͤcke hiengen, z. E. in der einen Kammer 20 Flinten mit meſſingenen Schloͤſſern, nebſt ſchwarzblauen Bambuslunten, Pulverbuͤchſen und was ſonſt zum Schießen gehoͤrt, ferner: eben ſo viele große uͤber eine Matte lange ſchwarz lakirte Bogen mit daran gebundenen ledernen Schieshandſchuhen, und bei jedem einen lakirten Koͤcher mit Pfeilen: in der andern Kammer war von allen dieſen Sachen noch einmal ſo viel. Nachdem wir uns in einer andern kleinen Kammer ein wenig aufge - halten, brachte man uns in einen großen Saal, woſelbſt ſich der Gouverneur nach einigen Minuten erſt entfernter bald aber naͤher und auf zwei Matten Laͤngen vor uns niederſezte. Die Bewilkommung war kurz und wie gewoͤhnlich. Er fragte alsbald nach unſer aller Na - men, Stand und Alter mit den freundlichſten und unverſtelteſten Geberden. Mir eroͤfnete er ſodann, wie einer von ſeiner Familie bereits 10 Jahr mit einem beſondern Leibesgebre - chen behaftet ſey, davon er ſo gern befreiet zu werden wuͤnſche; (wie ich es verſtand, ſo war es der Haarwurm*)Hat die Engl. Ueberſ. nicht.) als ich den Patienten zu ſehen verlangte, antwortete er, daß das Uebel an einem ſchaamhaften Orte waͤre, weshalb nur ein Mittel ohne Beſichtigung gegeben werden moͤchte, das denn alſo auch am Nachmittage befolgt wurde. Nachdem man uͤbrigens unſere Huͤte beſehen, uns ſchreiben, malen und ſingen laſſen, denn ihr Be - gehren, einen Tanz und ſonſtige Cerimonien zu machen, ſchlugen wir ab, ſo wurde uns der Abſchied ertheilt. Es mochte der Gonverneur ein Herr etwa von 50 oder mehrern Jahren ſeyn: er war anſehnlich, lang und bleich von Geſichte, und hatte eine rechte Begierde uns zu ſehen und zu hoͤren, von unſerer Kleidung ſprach er beſonders ſehr viel, wie er denn auch den Capitain ſeinen Mantel abzulegen erſuchte, um ſie deſto beſſer unterſcheiden zu koͤnnen.

Der andere Gonverneur befand ſich abweſend am Hofe, daher wir unſern Reſpekt bei dem Haushofmeiſter in dem Wachtſaale ablegten. Weil deſſen Wohnung 50 Schrit von der ordentlichen Straße der Stadt entfernt war, muſten wir unſere Cangos alhier ſte - hen laſſen, und den Weg dahin, ohngeachtet es regnete, zu Fuße gehen.

Um337Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.

Um die Mittagszeit kamen wir wieder ins Quartier, wo wir uns alsdenn mit un - ſerm Gepaͤcke Reiſefertig machten.

Den 18 Maͤrz zogen wir eine halbe Stunde vor Tage nicht auf der ordentlichen Landſtraße, welche geſpert war, weil man vermuthlich etwas daran ausbeſſerte, ſondern einen andern Weg und in die zwei Meilen uͤber Daͤmme fort. Da, wo ſich ein Flus in drei Arme theils nach dem Oſackiſchen Schloſſe, theils nach der Vorſtadt hin zertheilt, kamen wir linker Hand an die dritte Bruͤcke, anſtat daß wir uns das vorigemal Rechts gewandt, und verfolgten vorjezt an dieſem Strohme die Vorſtadt, da wir bald einen ſchoͤ - nen Tempel, Monto Dira von Jkoſju genant, antrafen; die Oerter auf unſerm heuti - gen Marſche ſind uͤbrigens folgende:

  • 1) Das Dorf Nuda, eine halbe Meile von gedachtem Tempel.
  • 2) Das Dorf Timma, jenſeit dem Strohme. Weil von hier der Weg eine Zirkelkruͤmme hatte, kehrten wir uns Nordwaͤrts.
  • 3) Das Dorf Tſitziwa Nagara.
  • 4) Kaſſingai, ein zur rechten Hand gelegenes Dorf, eine Meile von unſerer Herberge.
  • 5) Komobutz und
  • 6) Sjimmanagara, beide Doͤrfer, eine viertel Meile vom vorigen, jenes zur Rechten, dieſes zur Linken auf der andern Seite des Fluſſes gelegen.
  • 7) Das Dorf Kimma, eine viertel Meile davon, wo man gegen uͤber linker Hand auf der andern Seite des Fluſſes das große Dorf Sarraſji und daneben am Ufer die Oſackiſche Bleiche ſiehet, die den Einwohnern hieſelbſt meiſtens ihre Nahrung verſchaft.
  • 8) Das Dorf Akagawa.
  • 9) Nangi, ein großes Dorf, eine viertel Meile von jenem. Man konte alhier N. O. das uns vorſtehende Vorgebuͤrge uͤber eine Meile durchſehen.
  • 10) Das Dorf Jmmaiitz, woſelbſt die gerade ordentliche Heerſtraße von Oſacka rechter Hand auf den Dam ſties, den wir ſowol bis jezt als fernerhin wegen des anhaltenden Regenwetters zu halten genoͤthigt waren, wie wir denn noch immer mit dem Fluſſe auf dem Damme fortgiengen, und die Doͤrfer von beiden Seiten liegen ließen.
  • 11) Ogire, ein großes Dorf, wo zur Rechten der ordentliche Weg abermals auf den Dam zukam; da wir auch ein paar gleich daran graͤnzende Doͤrfer durchpaſſirten.
  • 12) Der Flecken Sadda. Selbiger begreift zugleich den ſehr beruͤhmten Tempel Tenſin, bei unſerer Durchreiſe rechter Hand, welcher mit einem großen koſtbaren ſteinernen Thore, einer langen Allee und gepflaſtertem großen Vorhofe geziert iſt.
Zweiter Band. U u13) Sym -338Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 13) Symmino oder Symmino tſeija,
  • 14) Symmi
    *)Die beiden hier von einander verſchiedenen Doͤrfer Symmino oder Symmino tſeija und Symmi ſindin der Engl. Ueberſ. eins.
    *),
  • 15) Degutſj, alle drei Doͤrfer.
  • 16) Die Stadt Degutſj oder De Gutſj, eine Reſidenz des Gommonſekuf. Linker Hand beim Ausgange ſtand der Tempel Jkoſju.
  • 17) Das Dorf oder vielmehr Staͤdtchen Firacatta, an dem Huͤgel eines großen auf drei viertel Meilen ſich erſtreckenden Gebuͤrges gelegen, wo wir zu Mittag ſpeiſeten, und von da wieder auf die freie Heerſtraße kamen. Zwiſchen Firacatta und Degutſj blieben uns zu beiden Seiten viele Doͤrfer, und die Wege waren ſehr krum und huͤgelich.
  • 18) Nangiſa, ein Dorf, eine viertel Meile von Firacatta.
  • 19) Das Dorf Jamatta oder Jammaſai Sjiro
    **)Stat des Dorfs Jamatta oder Jammaſai Sjiro ſtehet in der Engl. Ueberſ. Stuke.
    **), eine viertel Meile von jenem.
  • 20) Das Dorf Finoje, gar nicht weit vom vorigen.
  • 21) Das Dorf Kudzuwa, ſage Kudſjuwa, eine viertel Meile von Finoje.
  • 22) Jammaſacki, ein am Berge bei einem Fluſſe gelegenes Dorf, das von zweien faſt oben in der Waldſpitze, eine Mija hoch, ſtehenden Kloͤſtern oder Tempeln, Sjonindira oder Mokoſikki Sjonindira genant, beruͤhmt iſt, und noch einige Doͤrfer ſelbigen Namens in der Nachbarſchaft hat.
  • 23) Die Stadt Jodo, welche ſchoͤn und wohlgebauet iſt, und ein Schlos mit einer auf dem Strohme ſtehenden Waſſermuͤhle hat. Erſt aber kamen wir zu der Vorſtadt, und deſſen Bruͤcke von 40 Oberlehnen und 20 Unterjochen. Jenſeit oder beim Ausgange der andern Vorſtadt ſtand der Benſeitentempel, ohnweit welchem wir ein Dorf gegen uͤber, und demnaͤchſt das Staͤdtchen Udſi oder Udzi linker Hand liegen ließen.
  • Nicht gar weit von Jodo war die Stadt Jamatta oder Jawatta zur rechten Hand unten am Berge gelegen, oberhalb welcher in einem hohen Walde ſich viele ſchoͤne Haͤuſer und Gebaͤude, vielleicht von Kloͤſtern, und auch der Fatzmantempel befanden. Da viele Leute und Pfaffen auf dieſem Wege auf-und abwandelten, ſo war das eine Anzeige, daß der Ort uͤberhaupt beruͤhmt ſeyn muſte. Die Gebuͤrge alhier zogen ſich unabſehlich und weit hinter Miaco fort.
  • 24) Das Dorf Tſutſumi
    †)Dieſes Dorfs gedenkt die Engl. Ueberſ. nicht.
    †).
  • 25) Das Dorf Fuſimi, wodurch uns viele lange und viele Quergaſſen faſt ins Gevierte bis ans Ende und den zur rechten Seite aufgehenden Weg nach dem Tempel Jnarivorbei339Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. vorbei fuͤhrten. Weil es eben ein Czitatz oder Tempeltag war, ſahe man hier ſowol als auch ſonſt die Straße voller Menſchen.
  • 26) Die Stadt Miaco. Jn der Gegend unſerer Herberge hieſelbſt lag der Songuantztempel von der Sekte Sjodoſju. Noch an dieſem Abend ließen wir den Befehlshabern der Stadt unſere Ankunft melden.

Den 19 Maͤrz des Morgens um 10 Uhr verfuͤgten wir uns zur Audienz, und zwar zuerſt in den Pallaſt des Grosrichters.

Auf 20 Schritte vorher ſtiegen wir aus den Cangos, und giengen zu Fus uͤber einen großen mit 20 Man beſezten Vorplaz, jeder war mit zwei Saͤbels umguͤrtet und mit einem Wachtſtocke verſehen. Linker Hand am Eingange des Pallaſts befand ſich eine Leib - wache von etwa ſechs Man, dieſe paſſirten wir zu dem großen Vorſaal, wo 40 und mehr Soldaten nebſt Offiziers und zweien Wachtſchreibern nach der Ordnung ſaßen. Hier mach - ten wir eine tiefe Verbengung, und wurden in den Warteſaal gebracht, wo wir bei dem Haushofmeiſter ein gleiches thaten, mit dem Vermelden, daß wir nach gewoͤhnlichem Ge - brauche in der Aufreiſe nach Kuboſava ſeinem Herrn, dem Grosrichter, im Namen un - ſerer Herren auf Jakatra, das Kompliment abzuſtatten, und zum Zeichen unſerer Erge - benheit mit einigen Kleinigkeiten zum Geſchenk (die in Tintoweinen auch verſchiedenen an - dern Waarenſtuͤcken beſtanden, und in dem großen Wachtſaal auf Praͤſentirbrettern nach der Ordnung, wie es die Sitten des Landes erforderten, ausgekramt waren) aufzuwarten nicht verfehlen wolten. Waͤhrend dem, daß der Dolmetſcher die Geſchenke nach dem Verzeichnis daruͤber nochmals nachſah, wurden einige wenige Komplimente hin und her gewechſelt, und wir erhielten ſodann die Antwort, daß dem Grosrichter unſere Ankunft ſo - wol als die Geſchenke lieb waͤren, daß er ſie angenommen und wir zur Audienz gelaſſen werden ſolten. Die Kammerdiener trugen die Geſchenke hierauf in den Audienzſaal, und legten ſie daſelbſt nach der Reihe aus, uns aber hies man in der Mitte deſſelben gegen ei - nen andern mit zwei Schauben offenſtehenden Saal uͤber niederſitzen. Jn einem andern Kabinet etwas weiter vor uns befand ſich das Frauenzimmer, das wir wegen der hinter ih - nen verfinſterten Fenſter nicht wohl haͤtten erkennen koͤnnen, wenn es ihnen nicht beliebt haͤt - te, die papiernen Jalouſien ein wenig hinwegzuthun, das jedoch nicht lang dauerte, indem ſie gar bald wieder wegeilten und das Kabinet raͤumten. Kurz hernach kam der Grosrich - ter mit ſtarken Schritten herbei, ſezte ſich auf Matten Laͤnge ohne Buͤcken und Neigen mit einer lebhaften und lachenden Mine vor uns nieder, hies uns waͤhrend dem zugleich wil - kommen, und wuͤnſchte uns zu unſerer Ankunft, Geſundheit und gutem Wetter Gluͤk. Wir bezeugten dagegen durch den Dolmetſcher unſern Dank, ſagten die Urſache, warum wir hieher gekommen, und baten nicht allein die Geſchenke geneigt aufzunehmen, ſondern auch mit Ertheilung der gewoͤhnlichen Paͤſſe uns befoͤrderlich zu ſeyn. Die Geſchenke, hiesU u 2es340Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. es hierauf, waͤren ihm angenehm, und die Paͤſſe ſolten uns gereicht werden. Er fragte ſodann nach unſerm Alter, und ſchien große Luſt zu haben, mehr mit uns zu reden, wenn ihm die unvernehmliche Ausſprache des Dolmetſchers nicht verdrieslich gefallen waͤre, indem ihn der beiſitzende Haushofmeiſter ſowol als der Grosrichter ſelbſt kaum verſtehen und erra - then konte, was er haben wolte. Es geſchah uͤbrigens die Audienz mit dem groͤſten An - ſtande, und wenn einer redete, herrſchete bei dem andern das tieffte Stilſchweigen. Der Grosrichter ſaß ganz unbeweglich auf ſeinem Platze, die Dolmetſcher und wir aber lagen ganz gebuͤkt auf dem Boden. Der Haushofmeiſter, nachdem er uns zu einem kleinen Gaſtmahle genoͤthigt, begab ſich endlich hinweg, uns aber fuͤhrte man in den Warteſaal zuruͤk, wo uns zwei Tobakskaͤſtchen von rarer Arbeit, nebſt dem uͤbrigen dazu gehoͤrigen, dabei zugleich, ſo wie vor der Audienz, gemahlner Thee, nebſt zwei großen Stuͤk Feigen und verſchiedener Art Zuckerkonfekt auf Praͤſentirtafeln vorgeſezt wurden. Einer der Haus - hofmeiſter brachte kurz hernach zwei Paͤſſe, und uͤberreichte ſie dem Capitain. Dieſer nahm ſie aus Reſpekt zur Stirn auf hebend und gebuͤkt an, und gab ſie dem Dolmetſcher zur Verwahrung. Wir machten dem Haushofmeiſter das Abſchiedskompliment, das wir, da er uns noch bis außer die Hauptwache begleitete, nochmals wiederholten, und verließen ſolchergeſtalt den Grosrichterlichen Pallaſt. Es war der mehr erwaͤhnte Haushofmeiſter, ein ziemlich großer, ſtarker, fleiſchigter und fetter, jedoch bei allem dem nicht unfoͤrmig ge - ſtalteter Man, von ohngefaͤhr 33 Jahren, mit einem dicken Kopfe, mittelmaͤßiger Naſe, und von runder und angenehmer Geſichtsbildung: ſein Gang hatte etwas ungeſchiktes, als wenn ihm das Venusſpiel dabei etwas zugezogen haͤtte, ſonſt aber bezeigte er ein aufge - raͤumtes und offenherziges Weſen.

Der eine Gouverneur, zu dem wir uns nunmehro verfuͤgten, ſchien ein alter ſtoͤr - riger Man zu ſeyn, wiewol er mit etwas Zwang eine freundliche und lachende Mine an - nahm. Er lies uns nicht lange warten, ſondern nach eingenommenem Thee und Tobak vor ſeine Zimmer kommen, woſelbſt er bereits auf vier Matten weit vor uns ſaß und uns wilkom - men hies. Er nahm unſere Komplimente mit vieler Aufmerkſamkeit an, die ihm ſein Haushofmeiſter, weil der Dolmetſcher ſo ſchwer zu verſtehen war, ſelbſt uͤberliefern muſte. Wir giengen hiernaͤchſt gleich in den Warteſaal zuruͤk, nahmen alda Abſchied, paſſirten mit gewoͤhnlicher Verbeugung die Wacht, empfahlen uns in dem andern Vorgemache bei dem Haushofmeiſter, und beſtiegen unſere Cangos. Auch dieſer Haushofmeiſter war ein fetter, nicht ungeſtalteter Man in einem Alter von 56 Jahren, das ihn jedoch eines friſchen und muntern Anſehens nicht beraubte; von Statur ſchien er klein zu ſeyn, denn im ſtehen habe ich ihn nicht geſehn.

Der andere Gouverneur, zu welchem wir uns von hier tragen ließen, verurſachte uns nach ſeiner vorjaͤhrigen Gewohnheit ein laͤngeres Warten, als der erſtere. Die Audienzgieng341Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. gieng mit eben der freundlichen Anrede und Bewilkommung vor ſich, als ſie vormals ge - ſchah. Nach derſelben wurden wir mit Thee, Tobak und Confekt traktirt. Seine beiden Haushofmeiſter, wovon der eine ſowol als der andere 50 Jahr alt ſeyn mochte, bewieſen ſich ebenfals ſehr hoͤflich. Man zeigte uns ein Thermometer, das von den Unſrigen etwa vor 30 Jahren war mitgebracht worden, wobei wir den Umſtehenden, die in einen Kreis herzutraten und es beſchaueten, den Tag-und Mondzeiger nebſt den Graden erklaͤ - ren muſten.

Den 20 Maͤrz des Mittags ſind wir von Miaco wieder abgereiſet uͤber die große Bruͤcke Sanſjuofas zur Vorſtadt, worin eins zum Abſchied getrunken wurde. Unſere heutige Marſchroute bis zu der Stadt Ootz oder Oitz betraf lauter Doͤrfer, naͤmlich:

  • 1) Awatagutz, nicht gar gros. Hier ſahen wir zwei vor Monat ans Creuz gehangene Miſſethaͤter, es war eine Mans-und eine Frauensperſon, die Blutſchande mit einander getrieben hatten.
  • 2) Finoo Katogge, zwiſchen Bergen zwei Meilen von Ootz gelegen.
  • 3) Finoka ſacka, alwo wir nach den Bergen eine gleiche Ebene erhielten.
  • 4) Jabonoſta, ziemlich lang. Es waͤchſet hierſelbſt eine uͤberaus ſchoͤne Sorte Tobak und vieler Bambus, daher auch die Einwohner meiſtens reiche Leute ſind.
  • 5) Jakodzeia, gleich am vorigen gelegen. Eine viertel Meile vom Wege lin - ker Hand war das Kloſter Muro tadai mioſin, mit einer auf den Weg ſtoßenden großen praͤchtigen Pforte und dem Tempel Quanwon mit dem großen beruͤhmten guͤldenen Goͤtzen Dziſo in einem ſechseckigten Hauſe.
  • 6) Jwono tſeia.
  • 7) Ojiwaka oder Ootz no Udz, wo man viele Goͤtzenbilder feil hat. Gleich zur Rechten war das große hohe Schneegebuͤrge Oto wano Jamma genant, und zur Seite die Heerſtraße nach Fuſimi zu ſehen.

Nach ein und andern zur Seite zuruͤkgelegten Doͤrfern erreichten wir eine Stunde vor Abend unſere Herberge in der Stadt Ootz oder Oitz. Faſt den ganzen Tag uͤber hatte es geregnet und geſchneiet.

Den 21 Maͤrz verließen wir des Moͤrgens um fuͤnf Uhr unſere Herberge, paſſirten vorerſt linker Hand den Ort der An-oder Ueberfahrt der See und ein kleines Thal ohnweit der Vorſtadt Dzedze oder Dſiedſi, bald darauf rechter Hand einen ſchoͤnen Fatzmantem - pel mit einer zierlichen Pforte und ganz artigem Vorplatze, dann das Stadtthor und das Kaſtel, nach ſolchem einen andern gleichfals beruͤhmten mit einer ſchoͤnen Pforte verſehenen Tempel Umano Gongin genant, ferner noch einige nicht weniger beruͤhmte Fatzmantem - pel, und endlich das Thor der Vorſtadt ſamt der Wache nebſt ihren Schanzkleidern. Rech -U u 3ter342Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ter Hand ohnweit des Weges etwas voraus ſahe man alsdenn ein ſchoͤnes Waͤldchen auf dem Felde nebſt einem kleinen Dorfe, Awadſinga mori oder auch Farri genant.

Auch heute beruͤhrten wir auf unſerm ferneren Wege lauter Doͤrfer, naͤmlich folgende:

  • 1) Tſjetta oder Seta. Eine große Bruͤcke brachte uns in den andern Theil deſ - ſelben, wo zugleich der durch einen gewiſſen Sieg beruͤhmte Tempel Tawaratodda, und noch ein anderer Tempel Jze Jamma genant, anzutreffen war.
  • 2) Katangiwara.
  • 3) Sinde.
  • 4) Satz no Noziri oder Noziri, vor und nach demſelben ſtanden hin und wieder verſchiedene Graͤnzſteine, welche durch ihre auf allen vier Seiten gezeichnete Jnſchrift die zwiſchen liegende Doͤrfer des Jedoiſchen Prinzen Fondo Jjono andeuteten.
  • 5) Kuſatzu, ſo gros, daß man es auch einen Flecken nennen koͤnte. Es wird alda das bittere Pulver gemacht.
  • 6) Mingawa, dabei ſich ein Flus gleiches Namens befindet.
  • 7) Tibora.
  • 8) Minoki, naͤchſt am vorigen, wo man die aus dem vorhergehenden bekanten bittern Pulver verkauft.
  • 9) Jſibe, wo wir zu Mittag ſpeiſeten. Zwiſchen hier und Minoki lagen noch einige andere Doͤrfer.
  • 10) Kooſibukuro.
  • 11) Tiramatz.
  • 12) Fari.
  • 13) Natzume.
  • 14) Joſtezinanga.
  • 15) Tangawa.
  • 16) Jſummi oder Jdſumimura, ein langes Dorf.
  • 17) Kitawaki.
  • 18) Minakuts, das jedoch eine Stadt iſt.
  • 19) Dſinſo.
  • 20) Koſatto.
  • 21) Jmaſikku.
  • 22) Ono.
  • 23) Tokuwara.
  • 24) Meijenu. Hier macht man aus einem zaͤhen Leimenmaͤßigen Teige eine Art harter Honigkuchen, die man Amakas nent.
25) Matz -343Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.
  • 25) Matznoomura. Von hier langten wir endlich uͤber einen Strohm zum Flecken oder Staͤdtchen Tſutſi oder Tſutſi jamma des Abends um halb ſechs Uhr in un - ſerer Herberge an.

Den 22 Maͤrz ließen wir uns mit Anbruch des Tages uͤber das Gebuͤrge bis Sa - kanoſta in Cangos tragen, und als wir daſelbſt etwas Tokoro und unſere Bedienten Sockani genoſſen, ſtiegen wir wieder zu Pferde, und ritten zwiſchen Bergen fort bis zu dem eine halbe Meile langen und meiſtens nur in einer Gaſſe beſtehenden Staͤdtchen Seki no Dſiſo, unſerm Mittagsquartier. Es iſt dieſer Ort vol ſchoͤner Herbergen und Tempel, aber auch boͤſer ungezogener Buben. Man macht daſelbſt in Menge Lunten von Bambus. Jm Verfolg unſers Wegs kamen wir auf folgende Oerter, als: Jſje; Sekingawa; Ootzibari; Noziri; Nomura; auf die Stadt Camme Jamma; die Vorſtadt Na - bijamatz; das angraͤnzende Symmatz; den offenen Flecken Sjono; auf noch einige Doͤrferchen; auf den offenen Flecken Jſjejakus, von ſeinem Goͤtzen alſo genant; ferner auf die Doͤrfer: Otanimura; Kodanni mura; Simidzdano; Tſumatzukimura nebſt einem Tempel; Unemematz; Ongoſo mura; Ojewake; Tomari; Tſinanga mura; Akafori; Fammada; und lezlich mit anbrechendem Abend zu der Stadt Jo - kaitz, nachdem wir heute noch viele hier nicht benahmte Doͤrfer und Fluͤſſe paſſirt.

Der Dolmetſcher gab hier abermals eine Probe ſeiner falſchen Geſinnung gegen uns, indem er die ſich zu uns nahenden Jſjepilgrims mit der Warnung von uns abrief, daß ſie ſich nicht verunreinigen ſolten.

Den 23 Maͤrz ritten wir mit anbrechendem Tage aus: um neun Uhr Vormittags befanden wir uns nach verſchiedenen zuruͤkgelegten Doͤrfern und Bruͤcken in der Stadt Kwano, wo wir wegen des anhaltenden ſtuͤrmiſchen Regenwetters die noch uͤbrige Tags - zeit ſowol als die Nacht uͤber verbleiben muſten. Es reſidirt alhier Matzan Dairo Jetſjuno Cami.

Den 24 Maͤrz hielten wir das Wetter fuͤr bequem, unſere Reiſe zu Waſſer fort - zuſetzen, und, um den geſtrigen Zeitverluſt in etwas wieder einzuholen, ſaͤumten wir uns bei der Mittagsmahlzeit (in Mia) gar nicht lange, ſo wenig als bei dem Abendeſſen in der Stadt Okaſacki, wo wir kurz vor der Sonnenuntergang ankamen, ſondern ritten noch zu dem Flecken Ackaſacka, den wir auch durch verſchiedene Doͤrfer in der Nacht um 11 Uhr erreichten, und alsdenn unſern Hunger erſt mit einer ordentlichen Mahlzeit ſtilten.

Den 25 Maͤrz ſind wir des Morgens um ſechs Uhr in Fahrzeugen zu Waſſer ab - gereiſet. Jn Arrai, wo wir eine viertel Stunde verweilten, uͤberſchikte uns der Kaiſer - liche Wachthauptman das gewoͤhnliche Geſchenk, das fuͤr dasmal in Klettenwurzeln beſtand, wobei er, daß es keine Fiſche waͤren, ſich damit entſchuldigen lies, weil man heute den Gedaͤchtnistag des verſtorbenen Kaiſers feierte, (an welchem alles, was Leben und Othemhat,344Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. hat, zu toͤdten und zu eſſen verboten iſt). Mit gutem Winde und hellem Himmel langten wir gegen Abend in Famma matz an.

Den 26 Maͤrz Morgens um ſechs Uhr ausgeritten. Jn Fukuroi hielten wir Mittag, von da wir uns in Cangos bis des Abends um ſechs Uhr in Kanaja tragen lie - ßen, annoch die vier Stroͤme des großen Fluſſes Ojingava bei Mondſchein gluͤklich durch - paſſirten, und des Abends um ſieben Uhr unſer Nachtquartier in Simada betraten.

Den 27 Maͤrz waren wir von des Morgens ſechs Uhr an bis Okabe zu Pferde, von Mariko, unſerm Mittagsorte, aber, durch die Stadt Ftſju bis zu unſerer Nacht - herberge nach Jeſeri in Cangos.

Den 28 Maͤrz haben wir in Joſjiwara Mittag und in Miſſima Nachtlager gehalten.

Den 29 Maͤrz fruͤh Morgens bei ſchlimmen Wetter in Cangos abgereiſet. Wir kamen zu Mittag in Fackone, einem zu aller Zeit dumpfigen und ungeſunden Orte, wo ein Fremder ohne Verletzung ſeiner Geſundheit nicht lange bleiben kan, wie ſich denn unſer Reſident nach ſeiner Meinung ſeinen ſiechen Koͤrper eben alhier zugezogen hat; hier ſowol als auf dem Wege bis Odowari, wo wir um fuͤnf Uhr Abends anlangten, duͤnkte uns, als ob wir uns in den Wolken befaͤnden.

Den 30 Maͤrz brachten wir von des Morgens mit dem Tage bis faſt in die Nacht um acht Uhr auf dem Wege nach Kanagava zu. Der ordentliche Kaiſerliche Abgeſandte Oſawa Ukio Sama, welchen der Kaiſer aljaͤhrlich an den Mikaddo zu ſchicken pflegt, hatte hieſelbſt unſere gewoͤhnliche Herberge bezogen: ſelbſt auf dem Wege war er ſtets vor uns, ſo, daß wir in unſerm Fortkommen dadurch nicht wenig verhindert wurden, auch bei dem Mittagsmahl trafen wir mit ihm in einem Flecken zuſammen. Es ſind zu dieſer Geſandſchaft drei abſonderliche Perſonen beſtimt, welche Kokiſju genant werden.

Den 31 Maͤrz machten wir uns des Morgens fruͤh um fuͤnf Uhr auf den Weg, und ka - men, nachdem wir uns zu Sinagava in etwas erholt hatten, endlich um 12 Uhr durch Gottes Huͤlfe zu Jedo in unſerm gewoͤhnlichen Quartier an.

Beim Einzuge befand ſich unſer Joriki fuͤr dasmal in ſeinem Norimon, wozu er ohne Zweifel vom Nagaſackiſchen Gouverneur die Freiheit ausgewuͤrkt hatte, um uns zu zei - gen, daß unſer Capitain hierinnen nichts vor ihm voraus habe. Die beiden Gouverneurs Tonnemon und Sjube ließen uns ſogleich durch ihre Joriki bewilkommen, der Oberdol - metſcher auch ſich alsbald zu den Kommiſſarien und dem gegenwaͤrtig das Regiment fuͤhren - den Gouverneur Sjube Sama, der uns zur Audienz beim Kaiſer befoͤrderlich ſeyn muſte, hintragen, um unſere Ankunft zu melden; es hatten ſich dieſe Herren anheiſchig gemacht, den Reichsraͤthen Nachricht davon zu ertheilen, uud uns die Audienz, wo moͤglich, auf den bevorſtehenden 28 April zu verſchaffen.

Den345Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.

Den 1 April empfingen wir von dem Sino Cami und den Kaiſerlichen Kommiſ - ſarien die Gluͤkwuͤnſchungskomplimente. An den folgenden Tagen beſchaͤftigten wir uns hauptſaͤchlich damit, daß wir die Tuͤcher, Spiegel und ſonſtige Geſchenke ſowol fuͤr den Kaiſer als die uͤbrigen Herren des Hofs auspakten, in gehoͤrige Ordnung brachten und aus - waͤhlten, auch den Wein abzapften; welches alles in Gegenwart des Sjubo Sama, un - ſers Bugjo und Dolmetſchers mit Zuziehung Sachverſtaͤndiger Leute des Orts, die ſich ihre Muͤhe aufs theuerſte bezahlen ließen, verrichtet werden muſte, damit jeder Artikel nach der eigentlichen Japaniſchen Manier behandelt werden und ins Geſicht fallen moͤchte.

Den 8 April war ſeit dem geſtrigen Abend ein ſchroͤklicher Sturm aus W. wel - cher eine ziemliche Kaͤlte herbei fuͤhrte, auch eine ſolche Furcht fuͤr Feuersgefahr verurſachte, daß jederman auf ſeiner Hut blieb und ſich mit Hoſen uͤber die langen Roͤcke und ledernen Brandmaͤnteln bekleidete, wie denn die Brandwaͤchter in allen Winkeln und Gaſſen mit ih - ren laͤrmenden mit eiſernen Ringen verſehenen Stoͤcken beſtaͤndig umher ſtrichen; auch unſere Feleiſen hielten wir bei dieſen Umſtaͤnden gepakt in Bereitſchaft.

Des Tonnemons Sohn, dem wir zu der Geburt ſeines zweiten Kindes und er - ſten Sohnes unſern Gluͤkwunſch abgeſtattet hatten, lies uns heute ſein deshalbiges Gegen - kompliment vermelden.

Dieſer Tagen wurde uns geſagt, daß der Kaiſer, ſo wie im vorigen, alſo auch in dieſem Jahre, einen zweiten Mia oder Tempel zu Ehren des beruͤhmten Sineſiſchen Phi - loſophen und Staatsmans Kooſ (oder Confucius) der die Regierungskunſt gelehrt, er - bauen laſſen, und ihn den Tag vor unſerer Ankunft beſucht, ja, daß er, der Kaiſer ſelbſt, als er vorgeſtern in Gegenwart ſeiner Raͤthe auf die Materie von der Regierungskunſt ge - kommen, ſtehend daruͤber eine ſolche fuͤrtrefliche Rede gehalten habe, daß alle Anweſende davon geruͤhrt worden. Heute hatte der junge außerordentliche Reichsrath Janogi Same, welcher außer dem Schlos wohnte, den Kaiſer zu Gaſte, der auf den Fal allemal vom jungen Frauenzimmer bedient wird.

Vor acht Tagen brachten unſere Bediente einen Nagaſackiſchen Man, der, wie ſie ſagten, fuͤr uns im Tagelohn gearbeitet, hieher, um ihm ſeine Wunde zu verbinden, die er durch einen abſcheulichen Biß eines großen Straßenhundes ohnverſehens bekommen hatte; als wir ihn fragten, ob er dem Hunde nicht ſeinen Reſt dafuͤr gegeben, antwortete er ganz befremdet: ob wir denn etwa dafuͤr hielten, daß er noch oben drauf ſein Leben aufs Spiel haͤtte ſetzen ſollen! ein Vorurtheil, zufolge dem man es unter andern als ein Verbre - chen anſiehet, ein zahmes Huhn, einen Hahn oder gar einen Hund (welche Thiere beſon - ders geſchaͤzt ſind) zu toͤdten, denn ſo wie das Abſterben eines Menſchen, den man in ſei - nen Dienſten hat, alsbald den Straßenaufſichtern angezeigt werden mus, ſo macht man es hier eben ſo, wenn ſolche Thiere verrekt ſind.

Zweiter Band. X xDen346Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Den 16 April in der Nacht brante eine Meile von hier nach N. O. eine Gaffe |ab, ſo wie den Abend vorher hinter dem Schloſſe nach S. W. hin ebenfals Feuer geweſen war.

Den 18 April entſtand fruͤh Morgens bei ſtillem Wetter ein Erdbeben, das etwa eine halbe Minute dauren mochte.

Heute, als an dem dritten Tage des dritten Mondes, feierte man das große Feſt der fuͤnf jaͤhrlichen Feſte, wo man mit Umablumen einen Aufzug macht, und die jungen Frauensperſonen aufs ſchoͤnſte ſchmuͤkt, und ihnen allerlei Puppen und Spielwerk vorſezt; eben wie an dem fuͤnften Tage des fuͤnften Mondes fuͤr die jungen Mansperſonen ein glei - ches Vergnuͤgen beſtimt iſt. Unſer Wirth lud uns bei dieſer Gelegenheit in eine Kammer zu einem Gaſtmahl ein, wo er fuͤr 800 Tail Puppen und allerlei Spielgeraͤthſchaften auf - geſezt hatte. Oben ſas etwas erhaben eine Reihe Dairos Volk mit den Weibern; eine Bank mit verſchiedenem Eßwerk, und bei den Vornehmſten zugleich mit Zuckergebackenem, ſtand vor ihnen. Wir beſahen das alles, ließen uns die aufgetragenen Sachen ſchmecken, und nahmen nach einer Stunde Abtrit*)Dieſer Abſaz iſt bei Scheuchzern weggelaſſen..

Den 20 April vor Abend wurde uns angedeutet, auf Morgen vor dem Kaiſer zu erſcheinen.

Der Gomonſek, des Tenſi Sohn, ein Herr von 18 Jahren, hatte heute ſeine Audienz, wobei er auf 17 Matten in ebener Flaͤche unter oder von dem Kaiſer, aus Re - ſpekt der Verwandſchaft mit demſelben, ſeinen Sizplaz erhielt, er war auch Urſache, daß der Herr von Fiſen, Congo no Cami Sama, und andere Landesherren bis dahin noch nicht zu ihrer Abſchiedsaudienz gelangen koͤnnen**)Dieſes hat Scheuchzer ebenfals nicht..

Den 21†)Aus Verſehn hat Scheuchzer wieder den 20ſten. April alſo, ohnerachtet der Regen ſeit zwei Tagen bis jezt ſtark anhielt, konten wir nicht umhin, des Morgens um acht Uhr zu Pferde zu ſeyn. Wir ritten in Geſelſchaft der Bugjoſen von den dreien Gouverneurs bis vor das zweite Kaſtel, und paſ - ſirten durch daſſelbe bis in die Hauptwache des dritten Kaſtels, woſelbſt der Sjubo Sama unſerer bereits wahrnahm. Nachdem wir alda bis halb 11 Uhr gewartet, waͤhrend dem ſich die Reichsraͤthe eingefunden, und wir auch unſere naſſen Struͤmpfe und Schuhe abgewech - ſelt, verfuͤgten wir uns in den Pallaſt ſelbſt. Es war 12 Uhr, als unſer Capitain fuͤr ſei - ne Perſon die Geſchenke vor den Kaiſerlichen Thron legen konte, worauf er alsbald in dem Warteſaale wieder bei uns eintraf. Der Sjubo Sama forderte uns hierauf gemeinſchaft - lich zur Audienz ab, und brachte uns zur linken Hand um den Saal, wo die Geſchenke ausgelegt waren, und neben der Kammer vorbei, wo der einige Matten erhabene Thron des Kaiſers ſich befand, durch andere praͤchtige oben mit verguldeten Leiſten gezierte Gaͤnge,bis347Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. bis zu einem langen Vorgemach gleich bei dem Audienzſaal. Außer den Commiſſarien und andern Vornehmen des Hofes, die umher ſpazierten, ſaßen alhier noch etwa 10 oder 12 Cavaliers. Damit uns bei dem langen Warten das viele Sitzen nicht ermuͤden moͤchte, fuͤhrte man uns in einen andern Gang zuruͤk, wo wir uns nach Gefallen die Zeit vertreiben koͤnten, zu dem Ende man uns auch die Ausſicht in einem nahe gelegenen Garten oͤfnete. Waͤhrend unſers Aufenthalts hieſelbſt fanden ſich viele junge Herrn von Stande ein, um uns zu ſehen und zu begruͤßen, das auf die freundlichſte Weiſe geſchah: die Commiſſarien gaben uns zur Beſichtigung einen goldenen Ring, worin ein Magnet mit 12 Japaniſchen Jetto (oder mit den 12 himliſchen Zeichen) gefaſſet war: ein Europaͤiſches Wapen u. d. gl. mehr. Eben als wir im Begrif waren, ihnen auf Verlangen eine Erklaͤrung von den Sachen zu ma - chen, wurden wir zum Kaiſer gerufen. Durch den Gang zur linken Hand, alwo 18 Kam - merwaͤchter mit ihren gewoͤhnlichen Kleidern uͤber den Ehrenroͤcken angethan ſaßen, ſodann noch eine Reihe von 20 Hofkavaliers vorbei, erreichten wir den Kaiſerlichen Audienzſaal. Zur Linken ſaßen ſechs Reichsraͤthe, zur Rechten in einem Gange einige geheime Kammer - herren, dieſen zur Rechten zwei Damen und der Kaiſer hinter der Gittermatte, und davor der oberſte Reichsrath Bingo Sama; dieſer hies uns im Namen des Kaiſers wilkom - men, aufrecht ſitzen, die Maͤntel ablegen, unſere Namen und Alter ſagen, aufſtehen und hin und hergehen, drehen und wenden, tanzen, und mir beſonders, ein Lied ſingen; uns einander komplimentiren, beſtrafen, erzuͤrnen, zu Gaſte noͤthigen und ein Geſpraͤch halten. Dann muſten wir Perſonen zweier vertrauten Freunde, als Vaters und Sohns, zweier Abſchied von einander nehmender, und ankommender oder ſich begegnender Freunde, auch den Abſchied eines Mannes von ſeiner Frau vorſtellen, nachaͤffen, wie man Kinder verzaͤr - telt und auf den Armen traͤgt: neben dem that man allerhand Fragen an uns, an mich naͤmlich, was fuͤr eine Profeſſion ich triebe, unter andern auch: ob ich wol ſchwere Krank - heiten jemals kurirt haͤtte? worauf ich antwortete: in Nagaſacki, wo wir den Gefangenen gleich gehalten wuͤrden, nicht, wohl aber außerhalb Japan. So fragte man weiter nach unſern Haͤuſern, ob unſere Sitten verſchieden waͤren? Antwort: ja; wie wir es mit un - ſern Begraͤbniſſen hielten? Antwort: daß wir weiter keinen Tag, als den, wo die Leiche zu Grabe getragen wuͤrde, begiengen. Was unſer Prinz fuͤr einen Rang habe, ob der Generalgouverneur auf Batavia geringer ſey und unter ihm ſtuͤnde, oder ob dieſer allein regiere? ob wir keine Gebaͤter und Goͤtzen haͤtten, wie die Portugieſen? Antwort: nein; ob es in Holland und andern Europaͤiſchen Landen auch Donner und Erdbeben gaͤbe, ob der Donner Haͤuſer anzuͤnde und Menſchen toͤdte? Wir muſten unſere Antworten gleichſam leſend geben: ich muſte Namen von vielen Heilpflaſtern daher nennen, auch noch einmal beſonders darnach gemeinſchaftlich tanzen, unterdeſſen der Capitain wegen ſeiner Kinder und ihrer Namen, auch wie weit Holland von Nagaſacki ſey, gefragt wurde. Der KaiſerX x 2lies348Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. lies zu gleicher Zeit linker Hand die Schauben aufmachen, um friſche Luft hereinzulaſſen. Nun muſten wir unſere Huͤte aufſetzen, auch die Peruͤcken abnehmen, und unter einem Geſpraͤch bei einer viertel Stunde lang hin und her ſpazieren. Als ich die Gemahlin des Kaiſers, welche ſchoͤn war, zu einigen malen erblikt hatte, ſagte der Kaiſer auf Japaniſch, daß wir ihren eigentlichen Sizplaz wiſſen muͤſten, weil wir ſo ſcharf dahin ſaͤhen, und be - gab ſich alſobald darauf zu den andern gegen uns uͤber verſamleten Frauenzimmern. Man lies mich von der Matte nochmals etwas naͤher hinzukommen, die Peruͤcke wieder abneh - men, ſodann ſpringen und uns zuſammen tanzen, ſpazieren, auch den Capitain und mich errathen, wie alt der Bingo ſey? Der Capitain ſagte 50, ich 45, woruͤber ein Gelaͤchter entſtand. Ferner muſten wir den Umgang eines Mannes mit ſeiner Frau vorſtellig machen, woruͤber es bei dem Frauenzimmer wegen des dabei vorfallenden Kuſſes nicht wenig zu la - chen gab, hierauf abermals umher ſpringen, und endlich zeigen, wie die Europaͤiſchen Ehrenbezeigungen ſowol gegen Geringe als Vornehme beiderlei Geſchlechts, auch ſelbſt gegen einen Koͤnig abgelegt werden. Von mir verlangte man noch, ein Lied zu hoͤren, ich ſang alſo deren zwei mit einem algemeinen Beifal, den nur die Kunſt erwarten kan, ab; und damit muſten wir die Maͤntel ablegen, einer nach dem andern uns naͤhern, und auf das lebhafteſte, wie vor einem Koͤnig in Europa, Abſchied nehmen, worauf, und nachdem wir auf aller Geſichter ein Vergnuͤgen und Zufriedenheit wahrnahmen, die Erlaubnis uns weg - zubegeben gegeben wurde. Es war bereits vier Uhr, und wir hatten uns in die drittehalb Stunden aufgehalten. Wir empfahlen uns bei den Kommiſſarien und dem Sjube, wur - den von zweien ſo wie vorhin ein-alſo jezt abgefuͤhrt, und verfuͤgten uns nun in das Haus des Bingo, alwo wir ſehr wohl traktirt wurden. Mit dem Untergang der Sonnen kamen wir endlich wieder nach Hauſe.

Den 22 April ritten wir eine halbe Meile N. O. der Stadt, um bei dem neuen Tempelherrn, welcher der Sohn des Prinzen von Firando war, einen Beſuch abzuſtatten. Sein Haus war vol von Zuſchauern beſezt. Der, ſo uns empfieng, war ein alberner un - belebter Man, und wuſte nicht das geringſte von Hoͤflichkeitsbezeigungen an den Tag zu bringen. Kaum hatte das Frauenzimmer, das uns mit einem Gaſtmal bewirthete, un - ſere Huͤte und Degen in Beſichtigung genommen, ſagte er, man ſolle uns eins ſingen laſ - ſen, wodurch er auf eine dumme Art uns den Reſpekt zu erkennen geben wolte, den wir als Klienten dem alten Landesherrn von Firando ſchuldig waͤren.

Von hier ritten wir ins Kaſtel zu den beiden Herren Gouverneurs, wo man uns nur eine Taſſe Thee vorſezte, und wo auch kein Frauenzimmer, wie an den uͤbrigen Orten, zu ſehen war. Neben einem mit Papieren angefuͤlten Kabinet bemerkten wir hierſelbſt eine Canzlei-und Gewehrkammer.

Außer349Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.

Außer noch zweien anderen Beſuchen ritten wir zulezt nach den beiden Kommiſſa - rien, die uns aufs herrlichſte traktirten, dagegen wir denn zur Erkentlichkeit ein Liedchen abſungen. Bei dem erſteren Kommiſſair wurde folgendes aufgetragen: 1) Thee; 2) To - bak mit allem zugehoͤrigen; 3) philoſophiſcher oder weiſer Syrop; 4) ein Stuͤk geſottener Steinbraſſen in brauner Bruͤhe; 5) zwei Stuͤcke klein gemachte mit Bohnenmehl und Ge - wuͤrz unter einander geknaͤtete und gebackene Fiſche, laͤnglich zerſchnitten; 6) zuſammen ge - rolte Eyerkuchen; 7) ein Stuͤk gebratenen Fiſch, an ein gruͤnes Bambushoͤlzchen geſtekt; 8) zwei Schnitte Limonen mit Zucker. Zwiſchen jedem Gerichte wurde eine Schale Sacki ge - trunken, der ſo gut war, als ich ihn jemals gekoſtet; auch zwei mal in einem Brandweins - koͤpfchen eine Art von Pflaumenwein gereicht, von einem ſehr lieblichen Geſchmak; die ganze Mahlzeit war ohne Reis und alles uͤberhaupt ſehr ſonderbar und leckerhaft zugerichtet.

Bei dem andern Kommiſſair kam nach dem Thee und Tobak folgendes zur Tafel: 1) zwei Schnitte langes Mangebrod, ſo man in eine braune Bruͤhe eintunkt, mit ein wenig gemahlnem Jngber, auf ein kleines Bret oder Schindelchen gelegt; 2) ein hart geſotten Ey; 3) vier kleine zermalmte und gebratene Fiſche, auf kleinen Brettern; 4) drei einge - ſalzene kleine Karprogen mit brauner Bruͤhe; 5) zwei gebratene Stuͤkchen oder Mundvol warmes Gaͤnſefleiſch, in einem ohnglaſurten Naͤpfchen; auch hier wurde reichlich herum getrunken, ſo, daß ſelbſt des Kommiſſairs Chirurgus, der uns bewirthen muſte, einen ſchweren Kopf davon bekam. Hinter den von uns auf Mattenlaͤngen entfernten Jalouſien ſaß eine un - bekante Mansperſon, und zuweilen ſahe man auch ein paar Frauenzimmer, das ſich jedoch zahlreicher linker Hand in einer Gallerie nach dem Hofe zu aufhielt.

An der Nordſeite der inneren Kaſtele herum verfuͤgten wir uns nach dieſem andert - halb Stunden vor Abend wieder in unſer Quartier.

Den 23 April ließen uns die Herren, denen wir geſtern unſere Aufwartung gemacht hatten, ihre Dankſagungskomplimente vermelden. Am Nachmittage ſagte man uns an, daß wir morgen Nachmittag um drei Uhr unſere Abſchiedsaudienz bei Hofe haben ſolten. Weil man heute den Gedaͤchtnistag wegen dem Abſterben des Kaiſers Jjejas, des Vaters des jezt regierenden Kaiſers, feierte, ſo legten wir keinen Beſuch bei den Gouverneurs ab, um ſo mehr, da ſie an einem ſolchen Tage, um ihre Ehrfurcht gegen den Kaiſer zu bewei - ſen, niemand mit irgend einigen Fiſchſpeiſen oder ſonſtigen Erfriſchungen begegnen duͤrfen. Es liegt der gedachte Kaiſer in Goſjo, einem Tempel hinter Atago, zwei Meilen von unſerer Herberge, begraben; die Grabmaͤhler der vor ihm Verſtorbenen hingegen ſind in Nikko, drei Tagereiſen von hier, nach Oſju hin. Jener Tempel ſol mit goldenem Obani belegt und das Grab mit einem Gitter von ſchwarz gefirniſſeten und mit Knoͤpfen verſehenen Pfaͤh - len umgeben ſeyn, ſo wie mein mir beigegebener Diener ſagte, der heute bei Gelegen -X x 3heit,350Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. heit, da er von einem Vornehmen zu mir geſchikt wurde, einmal zu mir kam, anſtat daß es ihm außerdem nicht waͤre erlaubt geweſen.

Den 24 April begaben wir uns in Begleitung dreier von den drei Gouverneurs ab - geſchikter Joriki, Morgens fruͤh um ſieben Uhr, alle zu Pferde, nach Hofe, und warteten es in der Fiakniban oder hundert Manswache ab, bis die Gouverneurs und Kommiſſairs uns die Einfuͤhrung in den Pallaſt andeuteten. Nachdem wir uns in dem Warteſaal eine halbe Stunde verweilet, wurde unſer Capitain vor die Reichsraͤthe gerufen; und ihm durch einen der Kommiſſarien (die damit jaͤhrlich abwechſeln) die jeden Jahrs gewoͤhnliche Ver - ordnung vorgeleſen, welche hauptſaͤchlich darinnen beſtehet; daß wir keinem nach Japan reiſenden Chineſen und Liqueer uͤbel zu begegnen, auch keine Portugieſen oder deren Geſinde einzufuͤhren haͤtten, und daß wir ſodenn nur frei handeln und allenthalben einlaufen moͤch - ten. (Es wird auf alles dieſes mit Karkematta geantwortet*)Hat Scheuchzer nicht.). Hierauf reichte man dem Capitain drei uͤber zwei Matten lange Schenkbretter, deren jedes mit 10 Roͤcken oder ſtaatlichen Ehrenkleidern belegt war, und neben dem einen ſogenanten Gluͤksbrief zum Zei - chen der Kaiſerlichen Gnade. Der Capitain muſte herzukriechen und den Zipfel eines Roks uͤber ſein Haupt legen, womit die Cerimonie geſchehen war. Er kam hiernaͤchſt wieder zu uns, und die Roͤcke wurden auf den Brettern bis außer das erſte Kaſtel bei die Fiakninban getragen und alda eingepakt; immittelſt uns der Gouverneur zugleich zum Eſſen, das aus der Kaiſerlichen Kuͤche gereicht werden ſolte, einlud. Nach einer halben Stunde fuͤhrte man uns in ein Gemach, wo uns zwei Geſchorne, die mit Ehrenkleidern angethan waren, empfiengen, und die wir fuͤr Kaiſerliche Tafel-und Kuͤchenmeiſter hielten, (deren der vor - nehmſte Oſo ba boos jedesmal beim Kaiſer, wenn er ſpeiſet, zu ſitzen und alles vorher zu koſten pflegt). Den Dolmetſchern wurde ein anderes Gemach zum Eſſen beſonders ange - wieſen. Es fanden ſich bei uns alsbald verſchiedene junge Herren vom Stande und andere Kavaliers ein, um uns mit einem Geſpraͤch zu unterhalten. Man ſezte einem jeden von uns beſonders auf einem kleinen viereckigten rauhen Tiſch von Matzholz fuͤnf friſche warme weiße Amakaskuchen in einer viereckigten Form, die ſo zaͤhe wie Leimen waren, vor, und demnaͤchſt zwei hohle etwa zwei Spannen im Umkreis dicke, von Mehl und Zucker gebackene Brodte, umher mit weißem Seeſam (Seſamum album) beſtreuet: hiebei ſtand ein Porzellain Schuͤſſelchen mit eingeſalzenem und in Stuͤkchen zerſchnittenem rohen Lachs ſamt ein wenig brauner Bruͤhe wie Soje, jedoch nicht ſo herben ſondern etwas ſuͤßigten Ge - ſchmaks: zwei hoͤlzerne Stoͤkchen dienten uns ſtat der Meſſer. Da wir bereits etwas in un - ſerm Quartiere ſowol als auch vorhin in der Wache friſche Manges mit braunen ſuͤßen Sa -chen351Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. chen von Zucker und Bohnenmehl gegeſſen hatten, ſo nahmen wir des Wohlſtands halber nur etwas weniges zu uns, ſo ſehr man uns auch noͤthigte mehr zu genießen. Auf die Frage, ob uns eine Taſſe Thee beliebte, die wir mit ja beantworteten, hies ſie der Kuͤchen - meiſter herbringen, es war aber nur warmes Waſſer in ſchlechten krummen braunen mit Streifen gefirniſſeten Toͤpferſchaalen, Miſeratie genant. Unſere Huͤte, Kleider und was wir um und an uns hatten, wurden auch hier, ſo wie im| Warteſaal, beſichtiget. Nach eingenommenem Fruͤhſtuͤk, das gewis ſchlecht und nichts weniger als Kaiſerlich war, be - gaben wir uns abermals in den Warteſaal. Nachdem wir alhier wiederum eine Stunde verweilen muſten, begleitete uns der Gouverneur durch andere Wege nach dem Kaiſerlichen Audienzſaal, und hies uns ohnweit demſelben, wo nemlich das vorige mal in dem Neben - gange mit ſpatzieren gehen uns die Zeit zu vertreiben angewieſen worden, ſitzen. Wegen Eroͤfnung der Schauben und Gemaͤcher, die vorhin zugehalten geweſen, war hier jezt al - les ſo veraͤndert, daß es ſich nicht mehr gleich ſahe; wie wir denn auch beinahe in einem jeden großen Saale einige Hofjunkers ſitzend und auf ihr Amt wartend antrafen: in einem andern großen Gemache nebſt zwei Gaͤngen bemerkte ich neuerdings große angeſchlagene Plakate von fuͤnf Zeilen, deren jede nur ſieben*)Scheuchzer ſezt auch hier nur fuͤnfe. Charakters hatte, die ich das vorige mal entweder nicht wahrgenommen haben muſte, oder die wir auf einem andern Wege vorbei gefuͤhrt worden. Waͤhrend unſerm halbſtuͤndigen Aufenthalt hieſelbſt fragten die mehreſten Anweſenden nach unſeren Namen und Alter; ein 30jaͤhriger Pfaffe unter andern in einem weisblauen ſeidenen Kleide mit ſeinem Bettelſacke von naͤmlicher Farbe, that ſolches auf eine ſehr beſcheidene und ſchaamhafte Art: wir ſahen auch einen anderen Pfaffen in Orange - gelber Kleidung in dem Gange, der aber nicht zu uns kam. Es wurden drei Waſchkan - nen, ohne Zweifel von Silber, in die inneren Gemaͤcher des Kaiſers hinein, und ſelbige hernach benebſt einem ſchwarz gefirniſſeten Taͤfelchen mit einem Himmel oder Doppeltiſch, worauf unten einige Schuͤſſeln und Bretterchen unter einander lagen, wiederum heraus ge - tragen, woraus wir muthmaßeten, daß man daſelbſt vielleicht Mahlzeit gehalten haͤtte. Nach dieſem wurden wir alsbald bis in einen Seitengang nahe an den Kaiſerlichen Saal, und in einer Zeit, wo man ohngefaͤhr 200 zaͤhlen mag, von einem außerordentlichen Reichs - rath und den Kommiſſarien (welche leztere jedoch vor dem Kaiſerlichen Saal zuruͤkblieben) auf denſelben, wo wir bei der vorigen Audienz geſeſſen, vor die Kaiſerlichen Gittermatten gefuͤhrt. Hinter der mittelſten Hangematte etwas erhaben befand ſich der Kaiſer vor uns. Bingo ſaß in der Mitte gegen die papierne Wand oder Schauben, die drei ordentlichen und vier außerordentlichen Raͤthe aber an ihrem Orte. Rechter Hand hinter der Gittermatteſchien352Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſchien ein niedergehokter Pfaffe zu ſeyn, der Plaz aber, wo bei der erſten Audienz die Goſo baſj ſich befanden, und den eine Schirmwand von dem Nebengemache abſondert, war le - dig, einige ſaßen jedoch im Gange. Hinter uns ſaßen 25 und in ſelbiger Reihe, obwol außer dem Geſichte des Kaiſers, 18 Perſonen zu Volſtreckung der Kaiſerlichen Befehle, ſo wie in der Kruͤmme des Ganges zur rechten Seite noch eine Reihe dergleichen, ohne dieje - nigen, die ſich bei wuͤrklich eroͤfneter Audienz noch einfanden, ſo, daß der Gang uͤberhaupt ziemlich davon vol wurde. Wir legten uns denn alſo auf Japaniſche Manier zur Erde, man hies uns aber vor die Matten treten, wo ein jeder von uns nach Europaͤiſchem Ge - brauch vor dem Kaiſer ſeine Ehrerbietung bezeigen muſte. Jch bekam abermals den Be - fehl ein Lied anzuſtimmen. Jch ſang demnach eben die Arie, die ich zu Ehren meiner al - ten und mir in allen Ehren treu geweſenen Florimene im vorigen Jahre alhier gemacht hatte, naͤmlich: Jch gedenke meiner Pflicht, an dem aͤußerſten der Erden ꝛc. Am Schluſſe machte ich die Veraͤnderung: Hundert tauſend Dukatonen, hundert tau - ſend Millionen, ſind nichts werth vor Lieblichkeit, meiner edlen Florimenen ꝛc. Hieruͤber begehrte der Kaiſer eine Erklaͤrung. Jch antwortete, daß ich damit ſo viel ſagen wollen, daß die Goͤtter mit hundert tauſendfachem Gluͤk, Heil und Segen den Kaiſer und das ganze Kaiſerliche Haus aus dem Himmel uͤberſtroͤmen moͤchten. Nach dieſem muſten wir den Mantel abnehmen und in dem Zimmer rund umher gehen, welches der Capitain auch mitmachte. Sodann ſtelleten wir die Komplimente guter einander ſich unvermuthet begegnender Freunde und das Abſchiednehmen von Freunden, von einem Vater und von einer Geliebten vor, auch wie diejenigen, ſo ſich mit Wortwechſel unterhalten, nach ge - ſchehener guten Verſoͤhnung wieder von einander ſcheiden. Darnach muſte ein Pfaffe her - beikommen, welcher einen Schaden am Fuße hatte, der in einem hitzigen Geſchwuͤr auf dem Schienbein beſtand, jedoch von keiner Bedeutung war. Er hatte ein kleines rundes auf Europaͤiſchem Linnen dik geſchmiertes Pflaſter darauf liegen. Man hies mich, ihm den Puls fuͤhlen und den Schaden unterſuchen; bei dem erſteren beurtheilte ich ihn als einen geſunden ſtarken Menſchen, in Anſehung des lezteren verſicherte ich ihm, daß es keine Ge - fahr habe, und daß das Pflaſter, das ich halb oͤfnete und ſo fort wieder zuſchlos, ſchon helfen wuͤrde, nur muͤſſe er, wie ich an der Wunde wahrnaͤhme, (das ihm aber eigentlich an der Naſe zu ſehen war) etwas weniger Sacki dabei gebrauchen, woruͤber der Kaiſer und der ganze Hof aus Wohlgefallen herzlich lachten. Hierauf befahl der Kaiſer, daß zwei von ſeinen Chirurgen erſcheinen ſolten: ſie hielten ſich in dem inneren Kaiſerlichen Gemache auf, weshalben der Bingo linker Hand um die Gittermatte gieng und ſie ſelbſt hervor rief. Sie hatten geſchorne Haͤupter und waren wie Pfaffen gekleidet. Der eine war am rechten Auge blind, der andere nicht viel beſſer, beide aber im uͤbrigen ziemlich ge - ſunde Leute. Jm Betracht, daß ſie Kaiſerliche Chirurgen waren, gab ich ihnen denVor -353Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. Vorzug, mir zuerſt nach der Puls zu fuͤhlen; als ich es ihnen that, beurtheilte ich ſie uͤberhaupt beide geſunder, den erſteren jedoch kalter Natur, und der zu dem Umlaufe ſei - nes Gebluͤts zuweilen einen Trunk Brandwein noͤthig haben moͤchte, hingegen den andern eines ſehr hitzigen Temperaments und mit Kopfſchwachheiten beladen, das man ihm auch wol anſehen konte. Der fuͤrnehmſte von ihnen that die Fragen an mich: wann die Ge - ſchwuͤre gefaͤhrlich waͤren? wann oder in welchen Krankheiten unſere Aerzte eine Aderlas verordneten? Von den Europaͤiſchen Pflaſtern wolte er einige Kentnis haben, und als er die Namen davon nicht recht heraus bringen konte, half ich ihm auf verſtuͤmmelt Japaniſch zurechte; durch welche halb Lateiniſche und halb Japaniſche Benennungen aber unſere Sprache ſo unverſtaͤndlich ausfiel, daß der Kaiſer fragte, was wir mit einander redeten, und beſonders in was fuͤr einer Sprache ich, der Hollaͤnder, redete; man ſagte ihm, es waͤre verdorben Japaniſch. Nach Endigung dieſer Auftritte wies man uns vor der dritten Matte gegen den Kaiſer uͤber einen Plaz an; vor jedem wurde eine kleine Bank oder Tiſch geſezt, der mit folgenden Esſachen belegt war: 1) zwei kleinen hohlen mit Seſam beſtreue - ten Brodten; 2) einem Stuͤk weiß geſtrieften Raffinatzucker; 3) fuͤnf Stuͤcken uͤberzogenen Kai no ki, oder Kernen des Baums Kai, welche mit unſern Mandeln viel aͤhnliches haben; 4) einem Stuͤk vierkantigen kleinen Kuchen; 5) zwei Trichterfoͤrmig aufgerolleten braunen und dicken, aber etwas zaͤhen Honigkuchen, die auf der einen runden Seite mit einer Son - nen-oder Roſenfigur, auf der andern aber mit des Dairi Tſiap oder Wapen, naͤmlich mit einem Blat und dreifacher Bluͤte vom Kiribaum bedruͤkt waren; 6) zwei braunrothen vier - eckichten broͤckelichten Schnitten von Bohnenmehl und Zucker; 7) zweien von Reismehl ge - backenenen aber auch zaͤhen Stuͤcken von gelber Farbe; 8) noch zweien viereckigten eben ſo ge - backenen und zerſchnittenen Stuͤcken Kuchen, die in der Mitte von einem andern weichen klebrigten Taige gemacht waren; 9) einem mit braunen Bohnenzucker gekochten Mange, damit ein großes Gefaͤs, wie mit Theriak, angefuͤlt; 10) zweien dergleichen, aber kleiner und von gewoͤhnlicher Groͤße. Wir genoſſen von allem dieſem ein weniges, und muſte der Dolmetſcher das uͤbrige fuͤr jeden aufheben, wozu man ihm dickes weißes Papier und Rie - men hergab. Derſelbe nahm alſo dieſe ſeine Ladung zu ſich, und wir wurden geheißen, die Maͤntel umzuhaͤngen und einer nach dem andern vor die Matten zu treten, um unſer Ab - ſchiedskompliment in der gehoͤrigen Unterthaͤnigkeit zu machen. Als ſolches geſchehen, wur - den wir von zween Herren, deren einer der unterſte Reichsrath war, bis außer den Gang gefuͤhrt, wo die andern Herren des Hofs vom vierten und fuͤnften Range, aus jedem 18 Perſonen, in der Ordnung ſaßen, und von da uns die herzu gekommenen Kommiſſarien und Gouverneurs weiter brachten, bis wir zulezt blos in Begleitung der Dolmetſcher, die zu ihrem Nachfolgen unter der Laſt der geſchenkten Speiſen Muͤhe anwenden muſten, den Warteſaal erreichten, vor welchem der Gouverneur Abſchied nahm, der uns nebſt andernZweiter Band. Y yuͤber354Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. uͤber die ganz außerordentliche gnaͤdige Aufnahme vom Kaiſer Gluͤk wuͤnſchte, indem ſolche, ſo lange man denken koͤnte, den Hollaͤndern niemals in der Maaße widerfahren ſey. Nach - dem wir alſo alsbald abgiengen und der Wache im Vorbeigehen unſere Ehrerbietung bezeig - ten, ſezten wir uns in dem aͤußerſten Kaſtel zu Pferde. Der Gouverneur Sjube, jezt Tſuſimano Kami genant, lies ſich eben hier bei uns vorbeitragen: er oͤfnete ſeinen Nori - mon und gruͤßete uns, mit dem Joriki aber ſprach er etwas. Seine Suite beſtand in acht Vorgaͤngern, vier Perſonen neben dem Norimon, einem Pikentraͤger, einem weißen ſchlechten Pferde und drei Pikentraͤgern. Wir begaben uns in ſeine Behauſung, da er denn die Schauben aufmachte und ſich nebſt einem jungen Herrn zur rechten Hand und dem Sekretaͤr des jungen Kommiſſairs vor uns ſezte. Er bewilkomte und gratulirte uns zu unſerer gehabten Kaiſerlichen Audienz in eigener Perſon, und noͤthigte uns, das Eſſen, das alsbald nach einer Taſſe Thee aufgetragen wurde, uns wohl ſchmecken zu laſſen; ſelbiges beſtand in geſottenen Fiſchen mit einer ſchoͤnen Bruͤhe, darnach geſottenen Auſtern in ihren Schalen, nebſt Eſſig; wobei er ſagte, daß er dieſe mit Fleis anrichten laſſen, weil er wuͤſte, daß die Hollaͤnder Liebhaber davon waͤren. Hiernaͤchſt wurde gebraten Gaͤnſefleiſch in kleinen Stuͤcken nebſt gebratenem Fiſch und geſottenem Ey aufgeſezt und tuͤchtig darunter getrunken. Nach der Mahlzeit beſahe man unſere Huͤte, Degen, To - bakspfeifen, Taſchenuhren ſowol in als außer dem Gemach, indem das Frauenzimmer nicht gegenwaͤrtig war, weshalben wir auch vor dem Uta oder Tanz voruͤber kamen. Man brachte zur Veraͤnderung zwei Landcharten herbei; die eine war ohne Namen, ſonſt aber alles ſehr genau und ordentlich, vielleicht nach dem Model einer Europaͤiſchen, geſtochen; die andere hingegen war eine Univerſalcharte in einer laͤnglichen Rundung und mit Japani - ſchen Worten, oder Katta Cama Schrift bezeichnet. Die noͤrdliche Gegend von Japan war hierauf folgender maßen vorgeſtelt: ein Land, zwei mal ſo gros wie China, folgte weiter hinter Jeſogaſima, in verſchiedene Provinzen vertheilt, kam mit ſeinem dritten Theile außer den Nordiſchen Polarkreis und auch ſo weit oder mehr Oſtlicher als Japan; hatte daſelbſt gegen Oſten oder Amerika in der Mitte einen weiten Meerbuſen von einer viereckigt runden Figur, ſo, daß keine Oefnung anders, als zwiſchen Jeſo und Amerika war, zwiſchen beiden aber lag eine mittelmaͤßige Jnſel, und vor derſelben Nordlicher hin - weg eine lange Jnſel, die mit ihren aͤußerſten Spitzen Oſtwaͤrts in derſelben Mittagslinie mit dem Winkel von Amerika, Weſtwaͤrts mit Jeſo gelegen, und alſo die ganze Oefnung ſchlos; ſie ſchien jedoch wegen der zu großen Flaͤche der Charte nach Nerden hin laͤnger, als ſie der Natur nach war; alle andere uns unbekante Suͤdlaͤnder hatte man als Jnſeln, und alſo mit einer freien Farth umher bezeichnet.

Nach355Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.

Nach dieſem abgelegten Beſuch ritten wir nach dem Genſemon, Sino Cami Sama, alwo wir in Gegenwart vieler uns unbekanten Fremden, unter andern auch des Sjube und Genſemon Bruͤdern, die jedoch alle ſehr vertraut mit uns waren, ebenfals ſehr wohl bewirthet wurden. Der Genſemon hatte einen Sohn mit ſchadhaften Fuͤßen und der Sjube einen Bruder mit einem ausgeſchlagenen Geſichte, wogegen ſie von mir Rath und Huͤlfe begehrten. Dem hinter einer lichten Matte ſich ſehr haͤufig verſamleten Frauenzim - mer ſangen wir ein Liedchen auf und machten einen Tanz.

Beim Tonnemon war alles, wie im vorigen Jahre, uͤberfluͤſſig und herrlich; wir ſangen bei ihm drei Lieder ab, und kamen endlich nach der Sonnenuntergang vergnuͤgt nach Hauſe; unter Wegs paſſirten wir den Tempel Koobojin vorbei.

Dieſen Abend hatten verſchiedene ordentliche Reichsraͤthe nebſt einem der Gouver - neurs in unſerer Abweſenheit die Schenkroͤcke geſchikt, welche der Joriki in unſerm Na - men angenommen, wiewol einige der damit Abgeſchikten bis auf unſere Ruͤkkunft warteten, deren die mehreſten an den Dolmetſcher und des Wirths Sohn ebenfals ein Geſchenk ge - macht, weil ſie von dieſen bei uns angemeldet worden.

Die Ueberlieferung der Schenkroͤcke aber geſchiehet auf folgende Art: Zuerſt gehen Kuli voraus, ſo in Kaſten die Roͤcke tragen: einer von ihnen hat das Bret oder die Tafel, worauf ſie in Ordnung gelegt und vorgetragen werden, wo alsdenn daruͤber her ein Gluͤkspapier, wie man ſagt, zu liegen komt, das in einigen platten und am Ende zuſam - men geflochtenen Straͤngen beſtehet, die in ein Papier gethan und mit einigen verguldeten und verſilberten oder ſonſt farbigten papiernen Schnuͤren, doch alzeit in einem ungleichen Paar, als 3, 5, 7, 11 ꝛc. umwunden ſind. Dann folgt der Abgeſchikte, einer naͤmlich von den Haushofmeiſtern, der vor unſerm Joriki im Beiſeyn der andern von ſeiner Suite, des Wirths und der Dolmetſcher, aufgefuͤhrt wird; dieſer ſezt ſich gegen den Capitain auf ei - nen Teppich und legt folgendes Kompliment ab: N. N. laͤſſet Euch zur gehabten Audienz und Abſchied Gluͤk, auch gut Wetter wuͤnſchen, Meditz! Eure Geſchenke ſind ihm lieb geweſen, und er ſchikt euch hier zur Erkentlichkeit einige wenige Roͤcke. Hiermit uͤber - reicht er an den Dolmetſcher einen Bogen Papier, worauf die Anzahl der Roͤcke, auch zuweilen derſelben Farbe mit großen Buchſtaben bemerkt iſt: der Dolmetſcher giebt ſolches dem Capitain, dieſer haͤlt es uͤber die Stirne und laͤſſet durch den Dolmetſcher mit Neigung des Haupts (indem zugleich alles kniet und ſizt) antworten: Daß man ſich zum hoͤchſten bedanke, daß N. N. uns zur gehabten geſchwinden und gluͤklichen Audienz befoͤrderlich ge -Y y 2 weſen,356Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. weſen, man baͤte, daß es ihm fernerhin gefallen moͤchte, der Hollaͤnder Patron zu ſeyn. Die geſchenkten Roͤcke naͤhme man mit Dank an, und man wuͤrde nicht verfehlen, es auf Jacatra bei den Principalen zu ruͤhmen. Der Capitain laͤſſet hierauf nebſt der Tobaksgeraͤthſchaft ein Schaͤlchen gemahlnen Thee reichen, ſodann nebſt einer Tafel mit fuͤnf ſilbernen mit Confekt belegten Tellern deſtillirte Waſſer vorſetzen, und bittet, von dem Hollaͤndiſchen auf Batavia deſtillirten Trank ein wenig anzunehmen, und dabei nicht ſowol auf dieſe Kleinigkeiten ſelbſt als vielmehr auf die gute Meinung und Zuneigung der Hollaͤn - der zu ſehen. Nach dieſem wird ihm ein Spizglas vol Tintowein oder, wie es die Japa - ner nennen, Sinti eingeſchenkt, welches nach der Landesart mit beiden Haͤnden zu drei oder vier mal an den Mund geſezt und mit einer ſcheinbaren Begierde ausgetrunken und bis auf den lezten Tropfen ausgeſchluͤrft, darauf zwiſchen die Matten oder aufs Tobaks-auch ſonſtiges Papier gehalten, denn auch noch unterwaͤrts am Rande mit dem Daumen oder Papier abgewiſcht, und ſo endlich dem Capitain eingehaͤndigt wird; dieſer laͤſſet fuͤr ſich da - von einſchenken, und bringt es ihm auf eben die Weiſe wieder zu: er nimt es an, laͤſſet ſich ſodenn vom andern einſchenken, und bringt es an den Joriki, der es eben ſo wieder von ſich giebt; darnach wird von einer andern Sorte an einen folgenden gegeben, bis alles durch - probirt und jedes als Miſeratie herausgeſtrichen iſt. Am Ende laͤſſet ſich der Capitain, an den das Glas zulezt komt, nur einen Tropfen einſchenken, womit er den Beſchlus macht und den Trank wegzunehmen befiehlt. Der Wirth hat waͤhrend der Zeit das Confekt in ein Papier gewickelt und mit einigen Gluͤksſtraͤngen umwunden, er giebt ſolches beim Wegge - hen an einen Diener. Der Abgeordnete nimt nun mit Dankſagung fuͤr die erwieſene Hoͤf - lichkeit und fuͤr den koͤſtlichen Miſeratietrunk ſeinen Abſchied. Der Capitain bedankt ſich hinwiederum gegen ihn fuͤr ſeine gehabte Muͤhe, und bittet ihn ſeinen Principalen zu em - pfehlen und ſie ſeiner Ergebenheit zu verſichern. Mit dem Joriki laufen die Komplimente faſt eben ſo ab. Der Abgeordnete wird außer das Gemach begleitet, wo wiederum beide Theile ſich bis zur Erde buͤcken und von einander ſcheiden.

Den 25 April ſchikte uns der Bingo 10 ſchoͤne Roͤcke, und fuͤnfe derſelben, die mit Blumen beſezt waren, und nach des Kaiſers ſeinen vor allen den Vorzug hatten, er - hielten wir von dem jungen Herrn von Firando, welcher kuͤrzlich Tempelherr am Plaz deſ - ſen, der das Grosrichteramt in Miaco uͤberkommen hatte, geworden war. Zwei Roͤcke von dem einen Jedoſchen Gouverneur von gleich ſchlechter Beſchaffenheit mit denen geſtri - gen von dem andern Gouverneur vermehrten noch unſere Geſchenke. Beide Gouverneurs hatten bisher wegen Schlaͤgereien, Diebſtaͤhle u. d. gl. Gericht gehalten.

Die357Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.

Die Anzahl der geſchenkten Roͤcke belaͤuft ſich in allem auf 123: der Kaiſer naͤm - lich giebt 30: Bingo und die vier ordentlichen Reichsraͤthe, jeder 10: ein jeder von den vier außerordentlichen Reichsraͤthen ſechſe: jeder der drei Tempelherren fuͤnfe: und jeder der bei - den Jedoſchen Gouverneurs zwei. Die 30 Kaiſerlichen Roͤcke werden der Compagnie ge - ſchikt, die uͤbrigen 93 ſind fuͤr den Capitain. Um zwei Uhr Nachmittags waren wir wie - der in Ruhe.

Den 26 April beſchaͤftigten wir uns mit Einpacken und nahmen 15 Pferde und die noͤthigen Kuli oder Traͤger zur Reiſe in die Miethe.

An dieſem Morgen war ein ziemlich hartes Erdbeben, die Bewegung und die Stoͤße von einer Seite zur andern geſchahen jedoch ſo langſam, daß man mitlerweile gar wohl 40 zaͤhlen konte; das in der Nachmitternacht ohngefaͤhr um zwei Uhr hingegen war ſchreklicher, und dauerte ſo lange, als man wohl 100 zaͤhlen kan.

Y y 3Funf -358

Funfzehntes Kapitel. Ruͤkreiſe von Jedo bis Ragaſacki.

Den 27 April des Morgens um ſieben Uhr ſchikten wir uns zu unſerer Ruͤkreiſe von Jedo nach Nagaſacki in Gottes Namen an; um neun Uhr waren wir am Ende der Stadt, wo die Pfaͤle mit den angeſchlagenen Kaiſerlichen Plakaten ſtehen. Von da erreichten wir Sinagawa, wo mitten hindurch ein großer Strohm, am Ende aber noch ein kleiner Flus laͤuft, und ſich ein ſehr großer Tempel mit einem hohen Thurm, Miofuſi genant, befindet. Eine Stunde von hier gleich nach dem Gerichtsplatze liegt das Fiſcher - dorf Suſunomori, wo das Ufer mit Muſcheln und Auſtern angefuͤlt iſt, und auch ein Fang gehalten wird. Jn dieſem Dorfe gleich Anfangs rechter Hand ſtehet ein Fatzmann - tempel, in deſſen Mitte der ſchwarze glatte Feldſtein Suſunotz auf einem kleinen uͤber Knie hohen Bambusgeſtelle aufbewahrt lag; oben im Tempel hieng ein Saͤbel und ver - ſchiedene abgebildete Pferde, hinter dem Steine aber ein weißes Kettenmaͤßig geflochtenes Papier, wovon man das uͤbrige im Tempel nicht erkennen konte. Um ein Uhr konten wir in Kawaſaki Mittag machen, und Nachmittags um vier Uhr langten wir zu Kanagava an, wo wir, ob wir gleich nur erſt ſieben Meilen gereiſet waren, uͤbernachten muſten, weil die Dolmetſcher behaupten wolten, daß wegen des Aufzugs des Landesherrn von Kino Kumi die Quartiere vor uns hin berent ſeyn, und wir nicht unterkommen wuͤrden.

Den 28 April reiſeten wir fruͤh Morgens um fuͤnf Uhr von Kanagava aus, und beruͤhrten folgende Oerter:

  • 1) Fodogai oder Symmatz, ein langes Dorf von vier bis 500 Haͤuſern. Der dieſſeits vorbei fließende große Strohm war von vielen mit Holz beladenen Schiffen beſezt, und iſt mit einer Bruͤcke verſehen.
  • 2) Kaſjo, ein Dorf, wo rechter und linker Hand des Weges Goͤtzenbilder auf viereckigten Steinen ſtunden.
  • 3) Das Dorf Ftotska, ſo 300 Haͤuſer, einen großen Flus und Bruͤcke hat.
  • 4) Das Dorf Faraſzuku.
  • 5) Fuſi ſawa, ein Flecken, mit einem Fluſſe und Bruͤcken: in Stein gehaueneGoͤtzen359Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.Goͤtzen beſezten den Weg. Hier war es, wo der Landesherr von Kino Kuni paſſirte; von ſeinen Leuten zaͤhlten wir uͤber 80 mit Handpferden, mehr als 50 Norimons, 100 und mehr ſchlechte Piken mit Federn und hangenden Buͤſchen oder Pferdehaaren, 30 bis 40 Bogen - traͤger ohne die, ſo noch in den Haͤuſern waren, 30 Kaſten mit Kaiſerlichen und andern verguldeten Tſiappen oder Wapen, des uͤbrigen nicht zu gedenken. Am Ende dieſes Fle - ckens gieng unſer Weg bald W. S. W. bald wieder W.
  • 6) Jodſuja, ein Dorf. Jenſeit deſſelben an einem Creuzwege war ein Goͤtzen - bild, Fudo genant, aufgerichtet: es hatte kupferichte Haare, einen langen Rok, etwas unkentliches auf der Schulter, hinter ſich eine rothe Flamme, den rechten Fus auf dem ſtei - nernen Geſtelle, den linken aber herunter hangen, in der rechten Hand auf dem Knie eine kur - ze Hacke, Meſſer oder Beil, in der linken Hand etwas hoͤher einen doppelten Roſenkranz.
  • 7) Jawatta, alwo zur Rechten ein Fatzmanntempel iſt.
  • 8) Das Dorf Firatzino, an deſſen Ende ein Flus mit einer 46 Matten langen Bruͤcke.
  • 9) Das Dorf Corei, nicht weit vom vorigen.
  • 10) Oiſo, auch ein Dorf, in welchem wir zu Mittag ſpeiſeten; von da hatten wir rechter Hand ein ſchoͤnes Feld, und linker Hand einen Wald bis
  • 11) zu den zwei Doͤrfern Koiſo.
  • 12) Das Dorf Midzava.
  • 13) Die zwei Doͤrfer Meijingava, am Ufer gelegen, und zuſammen eine halbe Meile lang.
  • 14) Sakawa, ein ſchoͤnes Dorf.
  • 15) Fannobara, auch ein Dorf; denn
  • 16) zu der Stadt Odowara, die mit Thoren und Graben, auch einem Schloſſe des Reichsraths Congo Sama verſehen, welcher verſchiedene Gaſſen inne hat. Vom Anfange der Stadt bis zu unſerer Herberge zaͤhlte ich ſieben bis 800 Haͤuſer.

Den 29 April begaben wir uns mit Anbruch des Tages von Odowara in Cangos wieder weg, wo wir denn folgende Oerter paſſirten:

  • 1) Katamma, ein Dorf.
  • 2) Jriuda, auch ein Dorf, vor welchem der beruͤhmte Tempel Tſio tai Si, und uͤber deſſen Thor die Ueberſchrift in großen verguldeten Buchſtaben, Tſio to San, befindlich.
  • 3) Das Dorf Jamaſaki.
  • 4) Die beiden Doͤrfer Jumotto, nicht weit von jenem linker Hand uͤber eine Bruͤcke; zur Rechten an einem Aborte des Fluſſes waren warme Baͤder, und ohnweit davon einige Doͤrfer.
5) Ka -360Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 5) Kawabatta.
  • 6) Fata.
  • 7) Faſjnoki.
  • 8) Motto Fakone.
  • 9) Fakone Gongin, alles Doͤrfer: in der Gegend des lezteren befinden ſich zwei kleine Miatempel, und der Ort des Fegfeuers der abgeſchiedenen Kinderſeelen unter dem Waſſer, auch vier Goͤtzenhaͤuſer mit Namandapfaffen
    *)Siehe das eilſte Kapitel.
    *).
  • 10) Die Stadt Fakone, woſelbſt die See, wie man ſagt, vor Alters durch ein Erdbeben entſtanden ſeyn ſol: es war 11 Uhr, als wir hier anlangten, wir ſpeiſeten zu Mittag, und reiſeten um 12 Uhr wieder ab.
  • 11) Jamma Naka.
  • 12) Saſſaka.
  • 13) Mitſija.
  • 14) Skabarra.
  • 15) Fatznega farra.
  • 16) Kawaragai, ſaͤmtlich Doͤrfer: jenſeit des leztern war eine Bruͤcke von 20 Matten lang.
  • 17) Die Stadt Miſſima, die aus 650 Haͤuſern, ohne die in den Vorſtaͤdten, beſtehet; der 100 Schritte in die Breite und 300 in die Laͤnge haltende Plaz, wo ein ab - gebranter Tempel geſtanden, war mit Baͤumen und einem ſteinernen Gitter umgeben; der eigentliche Ort aber, wo in dem Tempel der Goͤtze ſeinen Stand gehabt, mit Bambus um - gittert, und mit vielen Zetteln behangen; hinter dem Tempelplatze war in einem Gebuͤſche noch eine kleine Kapelle erbauet, und dabei ein ſchwarz hoͤlzernes Pferd; nicht weit davon ein ausgemauerter flacher Teich mit vielen zahm gemachten Aalen und andern Fiſchen; jenſeit Miſſima kamen wir durch einige nahe an einander gelegene Doͤrfer, auch zu einem Handweiſer.
  • 18) Nangu, ein Dorf, an deſſen Ende ein Fatzmann - und bald zur Rechten ein anderer Tempel, auch eine Bruͤcke von 45 bis 49 Matten lang.
  • 19) Das Staͤdtchen Numadſu, daſelbſt wir des Abends um ſechs Uhr die Her - berge erreichten. Der alhier aufbehaltene große Koch - und Jagdkeſſel des Kaiſers Jori - tomo macht dieſen Ort merkwuͤrdig. Auch ſiehet man alda einen Handweiſer oder Mei - lenſaͤule.

Den 30 April fruͤh Morgens mit dem Tage zogen wir aus Numadſu**)Die Engl. Ueberſ. ſezt aus Jrthum: aus Miſſima. fort, und kamen zu einem Fatzmantempel und zu dem Dorfe Farra, alwo an dem Tage, an wel -chem361Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.chem wir neulich, nemlich am 8 April, den großen Sturm in Jedo gehabt hatten, ein ſtarker Brand geweſen, wiewol bereits viele Huͤtten dermalen wiederum neu auferbauet wa - ren: nach anderthalb Meilen von dieſem faſt wieder aufgerichteten Dorfe Farra*)Die Engl. Ueberſ. bringt die Feuersbrunſt eigentlich in die Gegend des Fatzmantempels, und laͤſſet das Dorf Farra dagegen nichts davon erfahren. paſſir - ten wir uͤber eine große Bruͤcke und demnaͤchſt durch einige Doͤrfer, als Joſjiwara, Fu - ſikawa, Nawa: in Khambara machten wir Mittag, giengen ſodann zu Fus uͤber das Gebuͤrge, und langten durch Kanſawa, Juji, Jmadſikku und einige andere Doͤrfer, auch durch Okitz, alwo man den Ort des Koſju zeiget, um Uhr Abends zur Nacht - herberge in Jeſeri an. Eine Meile von hier beſahen wir einen ſchoͤnen und uͤberaus ange - nehm gelegenen Tempel an dem Fuße eines Berges: man muſte etwa 60 Treppen zu dem - ſelben hinanſteigen: das Waſſer ſtuͤrzete von oben herunter und formirte unten einen natuͤrli - chen Teich, uͤber welchen hin Baͤume hiengen; die uͤbrige Hoͤhe des Gebuͤrges war ebenfals ſteil und von allerhand Baͤumen, (fuͤrnemlich vom Spahrbaum**)Fehlt in der Engl. Ueberſ.) dicht beſezt. Man bringt in Jeſeri uͤberaus fein geflochtenes Korbwerk, vielleicht von Abikawa oder Syriga, zu Kaufe. Wir ſahen heute einen ganz weißen See-Ygel.

Den 1 Mai verließen wir Jeſeri mit anbrechendem Tage, um dem Regen zu ent - gehen, den ein Jedoiſcher Schiffer prognoſticiren wolte. Von Abikawa, das auch Ftſju und Syriga genent wird, wurden wir unter dem Gefolge eines Schwarms junger Bickuni und Jammaboſen in Cangos fortgetragen. Jn der Hoͤhe zur rechten Hand ſtand alhier ein kleiner hoͤlzerner Tempel mit dem ſteinernen Goͤtzen Dziſo boſatz oder Utzno Dſiſo genant, und eine viertel Meile von demſelben etwas niedriger ein dergleichen Tempel, Namens Fanna ſorri Dſiſo. Bald hernach begegneten uns bettelnde Quanwon Jammabos mit vielen Schellen und kleinen Glocken, deren ſich auch noch ein anderer Pfaffe zum Gebaͤt und Almoſenſamlen bediente, den wir am Wege mit dem Quanwonbild ſelbſt antrafen: es hatte dieſes ausgeſchnizte und verguldete Bild ſehr viele Armen, zwei laͤngere und groͤßere derſelben waren uͤber das Haupt erhaben und hielten beide†)Scheuchzer ſezt, das Bild habe in jeder Hand ein Kind gehalten, welches aber mit der Abbildung nicht zuſammenſtimt. ein Kind: auf dem HaupteTab. XXXVII. ſahe man in allem acht Kinderfiguren, davon ſechſe gleichſam eine Krone ausmachten, zwei aber etwas hoͤher, naͤmlich eines am Hinterkopfe und das andere an der Stirn ſtanden; wahrſcheinlich ſol damit auf den Gott Amida gedeutet werden, weil er zu einer verſchiede - nen Zeit und unter verſchiedenerlei Geſtalt ſich auf die Erde herabgelaſſen und unter den Men - ſchen erſchienen ſeyn ſol. Jn Okabe ſpeiſeten wir zu Mittag, alwo eben auch durch denbereitsZweiter Band. Z z362Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.bereits erwaͤhnten Sturm am 8 April eine große Feuersbrunſt entſtanden war, dabei ſich denn noch dieſer traurige Umſtand ereignet, daß, da uͤberhaupt jederman vom Felde nach den Seinigen geeilet, diejenigen Eltern, die ihre Kinder nicht mehr vorgefunden, ſondern in den annoch brennenden Haͤuſern ohne Rettung geſehen, ſich zu ihnen freiwillig in die Flammen geſtuͤrzt, und alſo auch ums Leben gekommen waͤren. Des Abends um vier Uhr erreichten wir unſer Nachtquartier in der Stadt Kanaja.

Den 2 Mai fruͤh Morgens um vier Uhr ſezten wir unſere Reiſe mit Cangos fort bis zu dem Dorfe Sinden; nahe dabei am Wege fanden wir einen runden Stein, der ohngefaͤhr ſo gros als der Umfang eines Reiſehutes und Jonakano Matzno Jſj genant wird, weil er aus Holz zum Steine geworden; er iſt ſehr hart und von ſeinem Orte unbeweglich. Bald hierauf kamen wir zu der am Berge gelegenen Stadt Nitsſaka; nicht weit davon iſt eine Fatzman Mia und ein gewiſſes ſchmales zwiſchen den Wegen, Bergen und Huͤgeln liegen - des Feld, das den Namen Jomega Ta, d. i. das Reisfeld der ſchoͤnen Tochter, fuͤhrt, weil einsmals eine Tochter, der ihre Mutter hieſelbſt einer Straße lang und breit in einem Tage herumzuhacken befohlen, aus Gehorſam bei der Arbeit an dem Flecken tod geblieben, wo man auch zum Gedaͤchtnis einen Stein aufgerichtet findet. Jn eben dieſer Gegend zur linken Hand des Gebuͤrges ſiehet man Alabaſterbruͤche. Jn Midzke hielten wir Mit - tag. Des Abends um fuͤnf Uhr kamen wir in Cangos zu der Stadt Famma matz. Wir ließen hier einen unſerer Norimonstraͤger von zwei Bedienten mit der Uutsbarri ſchlagen, von welcher Operation man in meinen Amoenitat. exot. Obſerv. XI. Faſcic. III. wei - ter nachleſen kan*)Dieſe Stelle findet ſich nur in der Handſchr. des Oheims. Die angefuͤhrte Abhandl. aus den Am. exot. liefre ich im Anhange uͤberſezt..

Den 3 Mai brachten wir von des Morgens um 5 bis um Uhr nach Meiſaka zu; hier nahmen wir eine Barke und waren in drei viertel Stunden zu Array, wo wir uns etwas verweilten, weil die Pferde wieder bepakt wurden, das uns in der Herberge auf einen Jtzebo oder Dukaten kam, wofuͤr nur unſer Bugjo und die Dolmetſcher, wir aber nichts genoſſen. Von Array gieng es nach Saringa bamba; man verkaufte hier Reiskuchen, die man faͤlſchlich fuͤr Kaſjuwa Mots ausgab, indem dieſe Art Baͤume in dieſer Gegend gar nicht anzutreffen**)Scheuchzer gedenkt des Orts Saringabamba und der daſelbſt verkauften Kuchen gar nicht, ſondern bei ihm geht die Reiſe von Array bei den Tſubakibaͤumen vorbei gleich nach Futa - gava.. Von Saringa bamba zogen wir bei vielen Pur - pur - und Fleiſchfarbig bluͤhenden Tſubakibaͤumen vorbei, und hielten in Futagava Mittag. Durch das Dorf Mijume notſeija, durch die diſſeitige Vorſtadt von Joſida, die 160, und durch die Stadt Joſida ſelbſt, die etwa 600 Haͤuſer ſamt einem kleinem mit niedrigenThuͤr -363Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.Thuͤrmern verſehenen Schloſſe*)Schenchzer hat im Gegentheil ein großes Schlos mit hohen Thuͤrmern. in ſich begreift: denn durch die jenſeitige Vorſtadt von 240 Haͤuſern mit einer großen (aus 97 oberen Gefachen**)Fehlt bei Schenchzer, der aber dagegen die Bruͤcke Joſidamatz nent.) und 326 Unterbogen ge - baueten Bruͤcke: hiernaͤchſt durch die Doͤrfer Jootſiia, Koo, Goju und andere mehr erreichten wir Abends um fuͤnf Uhr unſer Nachtlager in der Stadt Ackaſacka.

Den 4 Mai, Sonntags, brachen wir des Nachts um halb zwei Uhr ſchon wie - der auf, weil es unſer unruhige Kſodage (naͤmlich der Oberdolmetſcher) ſo haben wolte, und zogen bei hellem Mondſchein um Uhr durch Ackaſacka fort. Wir beruͤhrten heute viele Oerter, als das Dorf Nagaſawa, das lange Dorf Foſoodſi, woſelbſt ein beruͤhm - ter Tempel und die vorgegebene hohe Schule des Kaiſers Tenko iſt: ferner die Doͤrfer Kambaſaki und Seoda, das lange Dorf oder die erſte Vorſtadt Ofira, und darauf die Stadt Okaſaki, die mit dem wohl gethuͤrmten Kaſtel am Berge auf einem Huͤgel, je - doch ſo liegt, daß das Kaſtel von der Stadt mit Mauren und Graben unterſchieden iſt; und die nebſt der gedachten erſten Vorſtadt, woſelbſt das linker Hand bis nach der See zu laufende Gebuͤrge mit einer Ebene abwechſelt, ziemlich große Haͤuſer und eine Bruͤcke von 23 Bogen, die andere Vorſtadt hingegen eine dergleichen von 158 Bogen oder eine Laͤnge von 208 Matten hat. Von Okaſaki machten wir in dem Verfolg unſers Weges durch die Doͤrfer Utoo, Oſaki†)Des Dorſes Oſaki gedenkt Scheuchzer nicht, Ofamma, Uſſita, in Tſiriju, auch einem Dorfe, Mittag; und von da ritten wir durch die Doͤrfer Jmagava, Ano, Arimatſj, den Flecken Na - rumi, das Dorf Kaſſadira, wo man uns die See Muſaſj Sjiro zeigte, bis zu der Vorſtadt und die Stadt oder Flecken Mija in eine ſehr gute und mit einem ſchoͤnen Luſtgar - ten verſehene Herberge. Gleich am Eingange der Stadt ſtehet ein Tempel, der von einem darinnen ſitzenden ungeheuren hoͤlzernen Goͤtzenbilde, Seo Sego Umba genant, beinahe ganz ausgefuͤlt wird, es hat ſelbiges ſeine linke Hand auf dem linken Knie, die rechte aber vor ſich erhaben auf dem rechten Knie liegen. Außer einem andern Tempel, Namens Aſta, iſt noch ein ſehr alter Tempel mit dem nemlichen Goͤtzen merkwuͤrdig, weil er von einem gewiſſen geſchikten Baumeiſter Fidanno tako ohne eine einzige Saͤule oder Querbal - ken ſehr kuͤnſtlich verfertigt worden.

Den 5 Mai war es gelinde Luft und ſchoͤnes Wetter, als wir uns des Morgens um halb ſechs Uhr hinter unſerer Herberge in eine Barke ſezten, außen um die Jnſeln fuh - ren und ſchon um halb zehn Uhr, alſo in vier Stunden, an dem Ufer des Kaſtels Naga - ſima, das keinen Thurm hat, in einer Herberge ausſtiegen; nachdem wir hieſelbſt mit einer Mahlzeit ſehr wohl bedient worden, reiſeten wir um 11 Uhr wieder ab, paſſirten dieZ z 2Doͤrfer364Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.Doͤrfer Jaſnaga, Fonda, Jawatta, Fadſemura, Fatſjonka, Ojiwake, Ongoſo, auch noch ein anderes Dorf, wo man viel Mange zu Kauf hatte, und uͤbernachteten zu Jſijakus in der gewoͤhnlichen Herberge.

Den 6 Mai mit Anbruch des Tages von vier Uhr an bis des Abends um fuͤnf Uhr zu der neuen vor zwei Jahren abgebranten Herberge in Minakutz zugebracht. Wir trafen heute auf die Doͤrfer Sjoono, Kumigawara, Tomida, Odamura, Seikinſi, Waddamura, auf die Vorſtadt Summatz, die Stadt Camme, ſo mit Pforten und ei - nigen Waͤllen verſehen, auch rechter Hand ein krum ablaufendes Kaſtel hat; auf das Dorf Noſiri, den Flecken Seki, alwo faſt in allen Haͤuſern aus Niwa Taki geſchabte Lunten zu kaufen ſind, wo auch linker Hand der Tempel Amida, und bald zur Rechten der Tem - pel Dſiſoo, vor welchem ein ſteinernes Waſſergefaͤs fuͤr die Andaͤchtigen zum Haͤndewaſchen vor ihrem Gebaͤt befindlich iſt; ferner auf den Flecken Sawa oder Sawabenokinoſta, oder auch Sakanoſita genant, da wir zu Mittag aßen; ſodann auf Jammanaka, alwo ein Mia erbauet; auf das Dorf Tſutſi jamma, dabei uns viele Jſjepilgrims begegneten; und endlich noch auf verſchiedene andere Doͤrfer.

Den 7 Mai gieng es mit Anbruch des Tages von Minakutz auf Tſtanwaki, Tangava*)Anſtat Tangava hat Scheuchzer Jdſumi - mura., Naadſumi, und noch einige andere Doͤrfer**)Scheuchzer hat die Namen: Fari und Kos - ſiburo., zum Flecken oder Staͤdt - chen Jſſibe, (alwo uns der Landesherr von Kootski, ſo wie geſtern ſein Vortrab begeg - nete†)Dieſes hat Scheuchzer nicht.,) zum Dorfe Takonomura und Ume noki, woſelbſt zwei Haͤuſer ſind, in wel - chem ein mediciniſches Pulver verfertigt, aus demſelben auch ein bitteres Waſſer ſtat eines Theetranks gemacht wird; ferner zu dem Dorfe Tibara und zu der Stadt Kuſatz, wo wir um 10 Uhr ankamen und ſpeiſeten, (jedoch nicht in unſerer gewoͤhnlichen Herberge, weil der Landesherr von Simonoſeki, Mori Fidanao Cami, ſolche ſchon eingenommen hatte††)Dieſe Parentheſe fehlt in der Engl. Ueberſ.). Nach dieſem erreichten wir durch die Doͤrfer Nodſi, Okanotſeija, Sinden, Sjeta und durch die Stadt Dſjedſi, die Stadt Ootz, wo es dem Dolmetſcher uͤber Nacht zu bleiben beliebte, ohnerachtet es eben erſt nicht uͤber zwei Uhr an der Zeit war.

Den 8 Mai verließen wir Ootz des Morgens um halb vier Uhr. Naͤchſt den beiden an einander graͤnzenden Doͤrfern Jakotſjeia und Jabunoſta, kamen wir zu einem an dem Berge Finoo oder Finooka gelegenen Dorfe, ohnweit welchem ein hoher aufge - richteter Stein mit der Ueberſchrift: Namandabutz, ſtand, und dem gegen uͤber zwei Miſſethaͤter am Kreuze hiengen: in einer kleinen Entfernung vor und hinter, doch außerdem365Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.dem Geſichte des Steins oder der Kreuze, zu jeder Seite ſas ein Pfaffe auf einer ſchlechten Decke, und hatte laͤngſt dem Wege ſieben Bretter ſtecken; ſo wie jedes derſelben mit dem Namen, vermuthlich eines gewiſſen Verſtorbenen beſchrieben war, ſo hieng auch uͤber je - dem ein Faͤhnlein mit den Worten: Namandabutz: der mit einem gefirniſſeten Sonnen - hute bedekte Pfaffe hatte noch ein anderes Bret oder Tafel, und auf derſelben eine umge - kehrte Glocke, oder vielmehr ein metallenes Gefaͤs vor ſich, das er oft anſchlug, und da - bei Namanda ſang: daneben ſtand noch ein Eimer mit daran beveſtigten geſchriebenen Zet - teln, welche das Waſſer, womit derſelbe angefuͤlt war, beruͤhrten; auf beiden Seiten ſtekten kleine Skimmibuͤſche, deren der Pfaffe eins an ein Stoͤkchen gebunden, womit er die beſchriebenen Bretterchen unaufhoͤrlich abwuſch oder abſpuͤlte, und jedesmal die darauf gezeichnete Namen der abgeſchiedenen Seelen mit einem Lobſpruch dabei verehrte. Alle voruͤbergehende Japaner warfen den Pfaffen Caſjes zu, ohne Zweifel, daß ſie dagegen fuͤr ihre Seelen bitten ſolten, anſtat daß ein anderer aus ihrer verſchmizten Geſichtsbildung ſchließen moͤchte, daß ſie fuͤr ihre Perſon ſelbſt einer Vorbitte hoͤchſt beduͤrftig waͤren.

Von hier gelangten wir zu dem Anfang der Stadt Kio, da, wo wir das vorige mal den Abſchied getrunken, hiernaͤchſt zu Jamaſjino Kio*)Scheuchzer macht hievon zwei verſchiedene Oerter, naͤmlich Jamma und Sijnokio., wo man zur Rechten zum Kurodannatempel und etwas weiter zur Linken nach dem Giwontempel gehet; ſodann zu der großen Bruͤcke Sanſjonofas, und endlich eine Stunde nach der Sonnen Untergang in unſere Herberge zu Miaco.

Den 9 Mai ſchikte der Grosrichter unſerm Capitain fuͤnf ſchoͤne Roͤcke, und jeder der beiden Gouverneurs fuͤnf Schuyt Silber zum Geſchenk. Dieſe Geſchenke ſind in fuͤnf zuſammengeſchlagenen, und allemal mit einer beſondern Ueberſchrift nebſt einem Gluͤksrie - men verſehenen Briefen verwahrt, und liegen mitten auf einem gewoͤhnlichen Geſchenkbrette in einem Papier.

Es wurden uns heute viele Miacoſche Fabrikwaaren zum Kauf angeboten, die aber nur durch die Hausbedienten zu uns gelangten, weil es den Kaufleuten ſelbſt nicht er - laubt war, zu uns zu kommen; da unſere beiden heimtuͤckiſchen Dolmetſcher die Verfuͤgung gemacht hatten, daß wir kein Japaniſches Goͤtzenbild uͤberhaupt durch den Kauf an uns bringen konten, ſo muſten wir auch bei einem zweimal ereignenden Falle alle unſere erhan - delte Waaren wieder herausgeben, als einige kleine Goͤtzenbilder in ihren Behaͤltniſſen un - ten im Hauſe bei Durchſehung der Sachen durch Unvorſichtigkeit unter dieſelbe gerathen, und mit ſolchen zu uns herauf gebracht worden waren. Man kan uͤbrigens hier eben nicht viel wohlfeiler kaufen, als auf Deſima, indem ſtets Leute dabei ſind, die den Preis machen, und uns zu betruͤgen ſuchen.

Z z 3Den366Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

Den 10 Mai begaben wir uns nach einem kleinen eingenommenen Japaniſchen Fruͤhſtuͤk, wofuͤr die Wirthin der Gewohnheit nach ein Cuban bekam, in Cangos auf den Weg, um die Tempel und Kloͤſter zu beſehen. Dieſe waren dann:

1) das praͤchtige Kloſter Tſuwoin, zu der Sekte Sjodo gehoͤrig, ſo Namanda ehren. Es ſol vor 800 Jahren geſtiftet ſeyn. Wenn der Kaiſer etwa hier paſſirt, ſo pflegt es zu deſſen Reſidenz zu dienen, wie denn zu dem Ende ein beſonderer großer Pallaſt vorhanden iſt, in welchem zugleich das Andenken des beim vorigen Jahre erwaͤhnten Kai - ſers Genjojin in ſeinem Bildniſſe in einer Kapelle verehrt wird, ſo wie man in einer an - dern Kapelle, auf dem Huͤgel des Berges linker Hand hinter einem maleriſch in die Augen fallenden Garten, deſſen Aſche und Gebeine aufbewahrt.

Sobald wir in die hinteren Saͤle traten, mochte der Oſjo oder Abt des Kloſters davon benachrichtigt ſeyn, der ſeine Wohnung auf einem zwar unregelmaͤßigen doch ange - nehmen, ſteilen und hervorſtehenden Huͤgel hatte; er kam alsbald zum Vorſchein, in Be - gleitung eines auf Moͤnchsart gekleideten und aufgeſchmuͤkten, und noch eines andern mit einem Pfaffenflorkleide angethanen und geſchornen Knabens, auch etwa 10 geſchornen jun - gen Pfaffen; wir ſahen an dem Abte einen alten freundlichen geſund ſcheinenden Man; ſeine Kleidung beſtand in einem weiten Violet - oder Purpurrothen Rocke, ſamt einem Je - dobuſche, nebſt einem zur Seite hangenden mit Gold erhaben geſtikten Bettelſacke: er blieb von ferne ſtehen, um uns zu beſchauen, und lies uns durch einige andere Pfaffen ein Schaͤlchen Thee reichen, dagegen wir dieſen einen in Papier gewickelten Jtzebo fuͤr den Abt in die Hanu ſtekten. Am Ausgange zu beiden Seiten des Saals hatte er eine gewiſſe An - zahl ſitzender Pfaffen ſich rangiren laſſen, und er ſelbſt ſas am Ende hinter einer Jalouſie, womit er uns ohne Zweifel ſeine Wuͤrde zu erkennen geben wolte.

Ueber einen erhabenen Fusboden von Holz giengen wir weiter fort in einen großen Nebentempel, welcher in allem auf ſieben mal acht hoͤlzernen runden faſt zwei Klafter dicken Saͤulen (im inneren des Tempels waren deren fuͤnf mal ſechs) ruhete, in der Mitte ſtand eine lakirte kleine Kapelle mit Namanda und andern Zierrathen koſtbar ausgepuzt, nebſt noch andern geringern Goͤtzenplaͤtzen. Das ganze Gebaͤude hatte die Groͤße einer Europaͤi - ſchen Kirche. Die Matten waren von dem Fusboden aufgenommen und in einem Winkel zuſammen gelegt. Vor den Goͤtzen branten aller Orten Lichter und Lampen. Die andern kleinen Tempelgebaͤude hieſelbſt beſahen wir nicht, ſondern wir ſtiegen nur noch etwa 400 Schritte auf einem weitlaͤuftigen Huͤgel zu einer ungeheur großen Gum oder Glocke, die der, ſo ſich in Moſkau von der zwoten Groͤße befindet, nichts nachzugeben, ſondern dieſe in Anſehung der Laͤnge oder Hoͤhe vielmehr zu uͤbertreffen ſchien, welche unſchikliche Hoͤhe aber eben verurſachte, daß ſie außer aller Proportion war; wegen des an derſelben herein - waͤrts gehenden Randes, anſtat daß unſere Art Glocken mit dem Rande auswaͤrts gebogenſind,367Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.ſind, muſte der Schal davon gleichſam erſticken. Man ſchlug ſie in unſerer Gegenwart mit einem Baume an, der faſt gar noch nicht gebraucht, neu und an die Glocke gebunden war; ihre Dicke betrug einen Siakf, die Hoͤhe 16 Siakf*)Scheuchzer ſezt zu der Hoͤhe von 16 Siakf noch 8 Sum hinzu. und der Umkreis 28 Siakf und acht Sum. Ein gewoͤhnlicher Siakf iſt 10 Sum, ein halb Siakf heißet go ſum, und iſt ſo viel als mit dem Daumen und Zeigefinger abgemeſſen oder beſpant werden kan, das aberTab. XXXIII. fig. 6. bei den Japanern etwas kleiner als bei uns faͤlt; vier Siakf machen hier ein Ftofiro, d. i. Mansbreite oder Klafter, ſo, daß ein Jkin oder Mattenlaͤnge, das bei uns eine Klafter ſeyn wuͤrde, zwei Japaniſche Siakf und drei Sum betraͤgt. Zwo Pfaffen beglei - teten uns von hier bis zu der andern Pforte jenſeit des Abgangs des Berges und Kloſterplatzes.

Ein anderes praͤchtiges Gebaͤude, das auf vier mal vier Pfeilern ruhete, ſtelte ſich hiernaͤchſt unſern Augen dar: zu beiden Seiten deſſelben war ein Nebenhaus, aus dem man hinaufſteigen muſte; jenſeit ſtieg man erſt auf ohngefaͤhr 20, dann auf zwei und zulezt auf drei ſteinernen Tritten in ein niedriges Buſchwerk herunter, das nach der Stadt hin lag und meiſtens mit Tempeln beſezt war; wir ſchikten unſere Norimons voraus, und giengen eine halbe viertel Stunde durch ein gruͤnes Waͤldchen bis auf einen ebenen Plaz zu Fuße, wo

2) zwei Giwontempel mit 20 bis 30 kleinen Mia oder Kapellen verſehen ſtan - den: davor ſahe man Lampen und Speiſeſchuͤſſeln auf einem niedrigen Geſtelle. Am Ein - gange des Platzes dem Tempel gegen uͤber ſaßen die Cannuſj in weißen Roͤcken mit gefir - niſſeten ſteifen Muͤtzen auf den Kopf gebunden; wir muſten ihnen auſ Begehren unſerer Dolmetſcher einige Putjes oder ſilberne Bohnen geben. Am Ausgange dieſes Platzes paſ - ſirten wir durch eine anſehnliche ſteinerne Tori und eine Berggaſſe, welche mit Huren beſezt war. (Dieſer Huren darf jeder Wirth, vermoͤge einer Kaiſerlichen Verordnung, nur zwei halten, damit ſich nicht einer vor dem andern dadurch bereichere. Der jedesmalige Preis, jedoch fuͤr eine ganze Nacht durch, iſt fuͤr eine der ſchoͤnſten drei, fuͤr eine mittelmaͤßige zwei, und fuͤr eine der ſchlechten ein Maas). Jm Aufſteigen einer Gaſſe zur linken Hand kamen wir

3) bei einem kleinen Tempel, Kuruma do genant, vorbei, der in gleicher Reihe mit den andern Haͤuſern ſtand. Rechter Hand alhier befand ſich ein kleiner Rauchaltar zu Ehren des Amida und anderer Goͤtzen, und gegen uͤber einige Schritte davon noch ein ſol - cher, doch etwas groͤßer, mit brennenden Lampen, linker Hand aber in einem geraumigen hoͤlzernen Gitter eine große ſechseckigte mit ſchwarzem Flor bezogene Laterne, welche ſich wie ein Rad umdrehen lies und dazu dienen ſolte, um zukuͤnftige und unbekante Dinge zuerfah -368Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.erfahren; man ſagte, daß ein großes Goͤtterbuch von der Religion darin beſchrieben laͤge, und wolte uͤbrigens weiter nichts davon melden, außer daß man nur verſicherte, daß es da - mit eine ganz wundervolle Beſchaffenheit habe. Der Oberbugjo wurde von dem Wirth in dieſen Tempel gefuͤhrt, wo ich mich denn unbemerkt mit hieinſchlich, dagegen die uͤbrigen aus unſerm Gefolge draußen auf der engen Gaſſe bleiben muſten. Nach dieſem paſſirten wir im weiteren Aufſteigen einen anſehnlichen Thurm mit ſieben*)Scheuchzer ſezt: fuͤnf. Stokwerken und fuͤnf Umgaͤngen, und kamen endlich

4) an einen am Berge auf hoͤlzernen Balken ruhenden Kiomitztempel, ſo wie an noch zwei andere kleine Tempel, dabei wir aber eben nicht viel mehreres als im vorigen Jahre bemerkten; ſie hiengen voller Bilder und Gemaͤlde, worunter ſich eins, das eine große Schlacht, und ein anderes, das die Stadt Oſacka vorſtelte, beſonders auszeichneten.

Jn einem andern Tempel oben auf dem Berge uͤber dem abfließenden Waſſer ſtan - den außer vielen andern Bildern auch ein Umba oder eins von einem alten Weibe nebſt ei - nem Waſſerbehaͤlter umher, welches alles die ganze Gegend angenehmer machte. Man gieng alhier uͤber hundert ſteinerne Treppentritte bis zu dem ablaufenden Waſſer hinab, wovon der Tempel den Namen fuͤhrte.

Nachdem wir hierauf in ein Hurenhaus eingekehrt und uns von dem Wirth trakti - ren laſſen, wofuͤr er einen Cobang, die Wirthin einen Jtzebo und die beiden alda befindli - chen Huren auch ſo viel zur Erkentlichkeit bekamen, trug man uns nach ein oder andert - halb Stunden

5) zu dem großen Daibotstempel. Vor deſſen Vorhofe befand ſich ein auf ei - nem runden Huͤgel aufgerichteter Grabſtein, des Kaiſers Taiko Ohrengrabmal genant, weil dieſer, als er aus der mit den Jeſoern gehaltenen Schlacht zuruͤk und nach Hauſe ge - kommen, ſeine ihm dabei abgeſchnittene oder abgehauene Ohren daſelbſt begraben laſſen. Die Mauer um den Plaz des Daibotstempels war von ungeheur großen und an der Gaſſen - ſeite rauh behauenen Steinen aufgefuͤhrt. Der Tempelhof war inwendig mit einer offenen Gallerie von rothem Dachwerk umgeben, und an jeder Seite 50 gegitterte Gefache, deren jedes mit zwei und zwei Saͤulen beſchloſſen; zu beiden Seiten des Eingangs naͤmlich ſahe man eine doppelte Reihe runder hoͤlzerner und roth gefaͤrbter Pfeiler, jede von funfzig, und alſo auf jeder Seite hundert, das alſo, in ſo fern es recht viereckigt waͤre, 400 Pfeiler ausmachte. Wenn man auf acht ſteinernen Tritten ins Thorhaus trit, ſtehen zu beiden Seiten eine halbe Klafter uͤber dem Fusboden in einem Gitter zwei fuͤrchterlich ſchwarze oder vielmehr feurig und dunkel roth ſchwarz geſtaltete Rieſen, Awun oder Jnjo, auch Niwo genant; der zur Linken hat einen offenen Mund und Hand, der aber zur Rechten einen ge -ſchloſſenen

Tab. XXXVII.

369Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.ſchloſſenen Mund und eingeſchlagene Hand, und haͤlt zugleich halb hinterwaͤrts einen Stab. Man denkt ſich hiebei ein Sinbild von den zwei aͤußerſten in der Natur der Dinge gegruͤn - deten Wuͤrkungen, dem thuenden und leidenden, gebenden und nehmenden, oͤfnenden und ſchließenden, Himmel und Erde, Zeugung und Verweſung.

Durch dieſes Portal komt man auf einen ſchoͤnen Plaz, wo auſſer einem Waſſer - baſſ in und dergleichen auf jeder Seite 16 ſteinerne Saͤulen mit Lampen zum anzuͤnden be - findlich ſind. Der große Daibotstempel ſelbſt hat ſechsmal zehn blos ſtehende hoͤlzerne Pfei - ler, ohne die, ſo in der Wand eingeſchloſſen, und welche zuſammen 96 ausmachen*)Scheuchzer redet hier nur uͤberhaupt von gro - ßen Pfeilern, ohne die Zahl zu bemerken.; ſie ſind ſehr hoch und einige Klafter dik, viele aus einem einzigen Stamme, andere gleich den Maſtbaͤumen mit Stuͤcken zuſammen geſezt, um die ordentliche Ruͤndung zu haben, alle aber nebſt den vielen Querbalken oben roth angeſtrichen. Zur rechten Hand des Daibots - tempels ſtehet noch eine beſondere ſchwarz gefirniſſete inwendig mit einem Spiegel verſehene kleine Mija oder Kapelle, ohngefaͤhr ſo gros als die des H. Stanislaus in Krakau. Es ſaßen darinnen verſchiedene Kraͤmerweiber. Vor dieſen und den folgenden Tempeln hatte man uns zu Ehren Wachten mit ſtarken Stoͤcken geſtelt. Der Grund und Boden war hier - ſelbſt mit Quadratſteinen gepflaſtert. Von hier paſſirten wir den großen Gum

6) in den Quanwontempel. Der Abgott Quanwon ſaß tief in der Mitte et - was erhaben, ihm zur Seite ſtanden der buͤßende Moͤnch Sjaka in einer ganz magern Geſtalt, und außer andern unbekanten Bildniſſen etliche Niwo, nicht uͤber Menſchen Groͤße**)Scheuchzer ſezt das Gegentheil, naͤmlich uͤber die menſchliche Groͤße erhaben.. Auf 10 uͤber oder nach einander nach der Laͤnge des Tempels erbaueten hoͤlzer - nen Stuffen ſahe man auf der einen und auf der andern Seite auf jeder Stuffe 50, und alſo 500 auf dieſer und eben ſo viel auf jener Seite, mithin uͤberhaupt 1000 ganz verguldete Quanwonsbilder in Lebensgroͤße von einem Ende des Tempels bis zu dem andern, welche dermaßen rangirt waren, daß allemal auf jeder Seite die ganzen zehn Stuffen durch fuͤnf in gerader Linie auf einander paſſeten; jedes Bild hatte jedoch noch ſein beſonderes viereckig - tes Fusgeſtelle; ihre Anzahl belief ſich, die in der Mitten des Tempels befindlichen Bilder mitgerechnet, auf 1033, und wenn uͤberdas noch die kleinen Puppen uͤber den Haͤuptern und in den Haͤnden aller Goͤtzenbilder dazu gezaͤhlt werden, ſo machen ſie, wie man ſagt, 33,333Tab. XXXVII. aus. Jedem dieſer Senſju Quanwoes ſtrahlte ein verguldeter Krais um ſein Haupt; von den 20 auch mehr Haͤnden, womit jedes verſehen war, befanden ſich ein paar in der Rich - tung eines Baͤtenden plat an einander erhaben vor der Bruſt, zwei hielten Rechts einen Dſjiſoſtab, und Links einen dreizackigten Spies, und die uͤbrigen waren auch nicht ledig,ſondernZweiter Band. A a a370Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.ſondern hielten etwas oder faſſeten ſich ſelbſt unter einander an. Laͤngſt dieſem Goͤtzenchore iſt ein Gitter gezogen, auch laufen zwiſchen der erſten und innern Bilderreihe einige Gaͤnge hindurch. Außerhalb dieſem Tempel hinten am Ende der erhabenen Allee laͤngſt dem Ge - baͤude unterhielt ſich das Volk mit Pfeilſchießen; das Schiesziel war 170 Schritte lang, und ſindet man es in den Japaniſchen Geſchichtbuͤchern als etwas merkwuͤrdiges aufgezeich - net, daß alhier mancher in einem Tage etliche tauſend Pfeile verſchoſſen habe.

Nachdem wir nun alles dieſes beſehen hatten, ſezten wir uns in die Cangos und ließen uns zu unſern beiden Fahrzeugen durch Fuſimi gleich hin tragen, weil hieſelbſt die Herbergen eben von ſuͤnf durchreiſenden Landesherrn beſezt waren, und wir alſo keinen Plaz hatten, wie ſonſt alda eine Mahlzeit zu halten. Wir kamen hierauf nach Jodo, wo man uns linker Hand den Ort des alten Kio oder Miaco Nara oder Nara no Miaco genant, und wo ſich ebenfals Daibotstempel befanden, zeigte; es heißet dieſes jetzige Miaco Fie - ſanno Miaco, davon Joſjiwara 11 Meilen S. Oſtwaͤrts gelegen.

Wir erreichten hiernaͤchſt Jammaſacka, das nebſt dem beruͤhmten Tempel Ja - maſakka Sengin rechter Hand unten am Berge liegt, und linker Hand auf dem Berge Jawatta den beruͤhmten Tempel Jawattano Fatzmann hat; und endlich von da in der Daͤmmerung durch verſchiedene krumme Wege zur Nachmitternachtszeit die Herberge in Oſacka.

Den 11 Mai hielten wir einen Raſttag. Beide Gouverneurs bezeigten unſerm Capitain wegen der vorhin in der Aufreiſe gemachten Geſchenke ihre Erkentlichkeit mit etli - chen Schuyt Silber.

Den 12 Mai wurden wir nach Symmios, und von da wieder zuruͤk nach Ten - noſj getragen, alwo uns der Wirth ein Tractament bereitet hatte. Linker Hand gleich an der Stadt Oſacka auf dem offenen Felde war ein bemauerter Plaz, und in deſſen Mitte ein hohes großes Haus, mit einem großen mitten durchgefuͤhrten Schornſtein, gleich einem Gieshauſe: alhier verbrante man die Todten, und wenn es in dem Gebaͤude ſelbſt etwa an Raum fehlte, ſo geſchahe ſolches auch in dem offenen Platze.

Symmios, ein Tempel, iſt ein weiter Plaz, linker Hand an dem Wege nach Sakai in einem Luſtwalde gelegen. Ein hoher ſteinerner Tori und ein breiter Weg fuͤhrt zu einer hohen halb Cirkelrunden uͤber ein vorbeilaufendes Waſſer erbaueten Bruͤcke, fuͤr de - ren Erhaltung man um deswegen Sorge traͤgt, weil viele daran befindliche alte Bruchſtuͤcke auf die Geſchichte eine Beziehung haben, wiewol ſie der Runde halber beinahe gefaͤhrlich zu uͤberſteigen iſt; ohnweit davon waren jedoch zwei andere platte Bruͤcken, die man be - quemlicher paſſiren konte. Jn dem Plaz der Tempel ſelbſt ließen wir zur Rechten*)Scheuchzer ſezt: zur Linken. einund371Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.und andere Kapellen, und traten alsbald vor den Haupttempel, worin die weisgekleideten Cannuſi ſaßen, und ihren Dienſt abwarteten. Durch die Mitte ſahe man vor zwei Thuͤ - ren, worin der Daimioſin verborgen gehalten wurde, gegen welchen die Japaner ihre Verehrung verrichten. Die Seiten dieſes Haupttempels ſo wie die Nebengemaͤcher waren mit vielen Bildern behangen, unter andern auch mit einer großen Landcharte, worauf Jeſo mit der Tartarei vereinigt erſchien. Zur rechten Hand war ein zum Theetrinken bequemer luſtiger Ruheplaz, und etwas weiter ein mit einer ſteinernen Bruͤcke verſehener von Quader - ſteinen ausgemauerter Teich vol zahmer und jedesmal zur Speiſe vorraͤthiger Fiſche.

Auf der 33ten Kupfertafel wird man in der 10ten und 11ten Figur eine deutlichere Vorſtellung dieſes Tempels, ſamt dem was dazu gehoͤrt, bekommen:

  • a. Jſt der Tori oder Eingang durch ſteinerne Laternſaͤulen.
  • b. Die runde Rad - oder Cirkelfoͤrmige Bruͤcke.
  • c. Der Haupttempel, in welchem die weißen Cannuſj ſitzen.
  • d. d. Die ſteinerne Bruͤcke des Fiſchteiches.
  • e. Ein Pfortenmaͤßig erbaueter Ruheplaz, wo Thee gekocht wird.
  • f. f. f. f. Einige Tempel, worin Kuge ihren Dienſt thun.
  • A. Eiwonimatz oder Eiſonomatz, eine von unten auf zertheilte Tanne, deren ein Stam weichere und kleinere, der andere hingegen laͤngere und friſchere Blaͤtter trug, und jener der vom weiblichen, dieſer aber der vom maͤnlichen Geſchlecht genant wurde.
  • B. Eine lange kleine Kirche oder Kapelle, woraus man die Goͤtzen in Proceſ - ſion trug.
  • C. Der große ſehr koſtbare Tempel.
  • D. D. Zwei gegen einander uͤberſtehende ſich gleiche koſtbare Tempel, Thurnweiſe mit zwei Daͤchern und einem Mittelgange erbauet.

Nachdem wir obiges in der Kuͤrze beſehen, und bei d. d. geſpeiſet, auch bei e. e. gegen ein Jtzebo einige Schaͤlchen Thee getrunken, brachte man uns in den Cangos den ſo - genanten alten Weg bis Tennoſj.

Eine weite mit Laternen und zur Seite mit Hecken beſezte Allee fuͤhrte uns alhier durch ein praͤchtiges mit einem Dachwerk verſehenes Thor auf den Tempelplaz; vor uns war ein ſehr koſtbar gebaueter viereckigter Thurm mit acht Stokwerken und ſo viel Daͤchern in kuͤnſtlich gezierter Arbeit. Hinter dieſem Thurm (a) giengen wir etwas zur rechten Hand ab, und kamen zu dem vornehmſten Tempel des Sotoktais (b), deſſen Hauptfigur in der Mitte erhaben, auch zur rechten Hand in einem Gitter noch ein anderes anderthalbA a a 2Ellen372Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.Ellen hohes mit vier Elementgoͤttern und einem doppelten Tuche umgebenes Goͤtzenbild zu ſehen war. Der Rauch von den vielen in und um dieſen Plaz brennenden Lampen hatte alles ſchwarz gemacht. Vor einem langen Tempel (c) ſtanden fuͤnf große Goͤtzen mit vie - len andern uͤber ihnen in verſchiedenen Reihen. Jn einem Kaͤmmerchen (d) zeigte man uns ein mineraliſches Eiſenvitriolwaſſer, das aus einem Stein in einen Kaſten lief, und durch langes Fließen die Form einer Schildkroͤte daſelbſt gemacht hatte*)Scheuchzer macht noch den Zuſaz: daß dieſes Waſſer auch daher das Schildkroͤtenwaſſer genant werde; und daß alda, zum Dienſt einesjeden, Trinkbecher von Bambusholz umher gehan - gen haͤtten..

Wir wurden von hier einige Gaſſen lang in die Herberge gefuͤhrt, die mit allen Nebenhaͤuſern und einem in dieſer Gegend befindlichen Quanwontempel auf einem hohen abſchießenden Berge gelegen war, von da man die ganze Oſackiſche Gegend bis an die See uͤber die Stadt herum ſehen konte. Der Wirth unterhielt uns einige Stunden mit einer guten Mahlzeit. Auf unſerer Ruͤkkehr nach Oſacka traten wir alsbald linker Hand aus den Cangos, und beſahen einen im Walde am Berge und neben einem Teiche gelegenen Tempel Jkudawa. Wir erreichten hierauf alsbald die vol von Tempeln beſezte Gaſſen der Vorſtadt, paſſirten in Oſacke Firamatz einen Garten mit fuͤrtreflich bluͤhenden Fudſi - baͤumen, und kamen nicht lange darnach Abends zwiſchen fuͤnf und ſechs Uhr zu unſerer Herberge.

Den 13 Mai reiſeten wir des Morgens um acht Uhr in Cangos aus Oſacke fort, nachdem wir unſer Gepaͤcke zu Waſſer gehen laſſen, das nur ausgenommen, was zum Nacht - und Schlafgut gohoͤrt, welches wir mit drei Pferden vorausgeſchikt hatten. Wir beruͤhrten folgende Oerter:

  • 1) Khitama, ein Dorf, ſo linker Hand mit der Stadt Oſacka in eins fortgehet.
  • 2) Das Dorf Famma, bald zur Rechten gelegen.
  • 3) Samba.
  • 4) Sinke.
  • 5) Dſjuſo, alle drei Doͤrfer.
  • 6) Midſuja, ein Dorf, zwei Meilen von der Oſackiſchen Herberge, wo ein langer kleiner Tempel mit dem Goͤtzen Soo fukuſi befindlich, und wo wir das Abſchieds - mahl von dem Wirth bekamen.
  • 7) Das Dorf Fadſima. Nach dieſem muſten wir uͤber den breiten, bruͤchigen und ſehr krummen, mit kleinen Jnſeln verſehenen Flus Kanſackigawa, welcher vonDſuſo
    Tab. XXXIII.
    373Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. Dſuſo oder Jtzibangava komt, und mit vielen beladenen Fahrzeugen nach Fuſmi hinauf gehet.
  • 8) Nagu, ein Dorf.
  • 9) Die Stadt Amagaſaki, welche aus etwa 2000 Haͤuſern beſtehet. Das al - hier von Steinen aufgemauerte und mit Thuͤrmern verſehene Schlos liegt mitten im Waſ - ſer, immaßen der vorhin erwaͤhnte Flus um ſelbiges ſowol als auch um und durch die Stadt fließet. Die Straßen, durch welche wir von unſern beiden Fuͤhrern geleitet wurden, hat - te man vor uns her begoſſen, und die Leute ſaßen kniend vor den Thuͤren in einer ſehr ehrbaren Stellung.
  • Auf dem ganzen Wege bis hieher ſahen wir, daß der Pflug blos von jungen Kaͤl - bern gezogen wurde, denn obgleich der Grund und Boden an ſich ſandig und nicht zum beſten iſt, ſo wird er jedoch mit Menſchenkoth ſo fruchtbar gemacht, daß ich keinen beſſern in ganz Japan angetroffen habe, indem er Waizen und Gerſte im Ueberflus her - vorbringt.
  • 10) Jmas, ein Dorf, vor welchem rechter Hand auf dem Felde, gleichwie vor Amagaſacki, ſechs ſteinerne Goͤtzenbilder mit einer Ueberſchrift geſezt waren.
  • 11) Das Dorf Aſjap.
  • 12) Katama, auch ein Dorf, wo Steine gebrochen, und auf Karren mit drei durchaus hoͤlzernen Raͤdern durch Ochſen bis an den Flus, Simiſjgawa genant, gebracht, und von da in Fahrzeugen zu Muͤhlſteinen und Behuf anderer Arbeit abgeholt werden. Die Karren waren niedrig, und wird bei Abwaͤlzung der Steine das erſtere oder vorderſte Rad ausgenommen. Die Steine ſind, wie man nach jedermans Verſicherung als von einer noch nicht lange geſchehenen Sache glauben konte, durch einen im vorigen Jahre 24 Tage ununterbrochen angehaltenen Regen von verſchiedenen trockenen Oertern in dieſer Gegend abgetrieben und zu Hauſe gebracht worden. Das Dorf, wo die Stein - brecher wohnten, hies Simiſj; nicht weit davon befand ſich noch ein anderer Steinbruch, Togano kaware genant.
  • 13) Das Dorf Midoro, alwo linker Hand ein großer Fiſchteich und rechter Hand der ſehr hohe Berg Maijaſan mit einem Tempel im Walde oben am Berge lag. Ohn - weit dem Dorfe war abermals ein Fiſchteich mit einem Hauſe, von da der Weg zum hohen Bergtempel abgieng.
  • 14) Koobe, ein Flecken an einem Meerbuſen. Hier verwechſelten wir unſere Cangos mit Fahrzeugen und Barken.
  • 15) Die Stadt Fiongo.

Den 14 Mai fruͤh Morgens zogen wir von Fiongo in den Fahrzeugen mit gutem Winde fort durch die Meerenge und Akas vorbei. Ohnerachtet ſich hier der Wind veraͤn -A a a 3derte374Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. derte und ein Staubregen erfolgte, erreichten wir gleichwol durch Huͤlfe der Ruder mit der einbrechenden Nacht die fuͤnf Meilen von Muru entlegene Jnſel Kurokake, und warfen Anker. Den Landesherrn von Fiſen, der ſeine Reiſe zu Lande genommen, und ſolche von Oſacka bis Simonoſecki in 13 Tagen verrichtet, ſahen wir auf unſerer heutigen Farth am Ufer vorbei paſſiren.

Jch habe bei dieſer Gelegenheit noch anzumerken, daß alle Landesherren von Miaco bis Jedo nicht laͤnger als 13 Tage unter Wegs ſeyn duͤrfen: keiner iſt davon ausgenommen als diejenigen, ſo vom Kaiſerlichen Gebluͤte ſind, und naͤchſt dieſen der von Satzuma, welcher wol 40 und mehr Tage zubringt.

Den 15 Mai lichteten wir mit Anbruch des Tages die Anker. Eine kuͤhle Luft, ein heller Himmel und ſtilles Wetter begleiteten uns. Jm Geſicht von Odzutz und Kod - zutz hielten wir Mittag. Bei einer darauf gegen Tſumatzui uͤber gelegenen unbewohnten Jnſel, die voller dem Landesherrn von Bitſju zugehoͤriger Pferde war, traten wir ans Land, um friſches Waſſer einzunehmen. Am Vormittage ruderte der Landesherr von Nagatta mit 60, und am Nachmittage der von Janagawa mit 10 Barken bei uns vorbei.

Den 16 Mai hatten wir wieder gleiche Luft und ſtille See, als wir vor Tage auf - brachen. Wir kamen bei den Jnſelflecken Jge, deſſen Haͤuſer alle weiß angeſtrichen, und wo auch eine Burg von einem gewiſſen vornehmen Herrn war, bald darauf zur rechten Hand bei Jwagi, ferner durch die Enge von Fanaguri, bei Mitarei vorbei, auch Nuwa und Tſuwa zur rechten Hand außer dem Geſichte hinter den Jnſeln liegen laſſend; weiter von hier in geradem Strich die Jnſeln Camiro vorbei, und als wir uns ſodenn etwas ge - lenkt, noch am Abend durch die Enge bei Caminoſecki; hier trafen wir uͤber hundert große und kleine Fahrzeuge vor Anker an, daher wir noch eine Meile weiter ruderten, um an dem folgenden Morgen deſto ungehinderter abſegeln zu koͤnnen. Es waren in allem dem - nach 50 Waſſermeilen, die wir heute zuruͤkgelegt hatten, und zwar ſolche Meilen, die al - hier denen zu Lande gleich gerechnet werden, welches ſonſt in offener See nicht zu ge - ſchehen pflegt.

Den 17 Mai trat das Wetter eben ſo guͤnſtig als geſtern ein, daher fuhren wir fruͤh Morgens in Geſelſchaft von 20 andern Fahrzeugen fort, und erreichten am Nachmit - tage den Mund der Simonoſeckiſchen Enge, des Abends um ſieben Uhr aber, nachdem wir uns dort in kleinere Fahrzeuge geſezt, die Stadt Kokura.

Den 18 Mai Morgens um ſechs Uhr reiſeten wir zu Pferde von Kokura ab, und kamen zu dem Flecken Kuroſakki, den Doͤrfern Ujenofar, Kooſjakf, Kujanoſſe, wo wir Mittag machten, auf das Dorf Nogatta, alwo zur Rechten noch viele Doͤrfer wa - ren, ferner durch noch verſchiedene andere Doͤrfer auf das große Dorf Kataſſima und Jtzka, wo wir zum drittenmal heute neue Pferde bekamen, hiernaͤchſt auf die DoͤrferTen -375Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. Tentomatz und Nagawa, bei dunkeler Nacht um ſieben Uhr mit Fackeln in den Fle - cken Utſjino.

Den 19 Mai ſind wir des Morgens um fuͤnf Uhr mit Fackeln aus Utſjino Meilen uͤber das Gebuͤrge in Cangos fortgetragen worden, und paſſirten.

  • 1) den Flecken Jammaije, wo wir unter einem halbſtuͤndigen Aufenthalt die Tragkoͤrbe mit Pferden verwechſelten.
  • 2) Maatz Kaſſua, wo wir neue Pferde erhielten. Es gehet von hier der Weg nach dem auf 10 Meilen entlegenen großen Tempel Fikoſan: wir ſahen auf demſelben eben zwei große geſchorne mit Saͤbeln umguͤrtete Kerls, die ihr Schlafgepaͤcke auf dem Ruͤcken trugen, hinreiſen; man hielt ſie fuͤr Jammabospfaffen; einer von der naͤmlichen Beſchaffenheit folgte ihnen zu Pferde bald nach.
  • 3) Die Stadt Kurume, welche beinahe aus 2000 Haͤuſern beſtehet. Vor der - ſelben fand ſich ein Fuͤhrer bei uns ein, der uns bis ans Thor brachte. Hier traten von der zunaͤchſt in der Straße in Ordnung ſtehenden Wache vier Man mit ihren Gewehren vor und zwei hinter unſern Train; weit vor uns begos man die Straßen mit Waſſer, auf demſelben aber war ſonſt kein Menſch zu ſehen und zu hoͤren, indem jeder in ſeinem Hinter - hauſe kniend und in der groͤßeſten Stille uns von fern betrachtete. Am Ufer des Schlos - grabens paſſirten wir den Plakatplaz vorbei, wo eben ein neues Plakat ſamt 20 Schuyt Silbers angeheftet waren, die derjenige zur Belohnung haben ſolte, welcher den Thaͤter eines getoͤdteten Hundes angeben wuͤrde, denn ſo etwas ziehet manchmal Strafen nach ſich.
  • Das Dorf Oſymmatz. Von hier gehet ein gleicher Weg zu dem Schwefelberge Unſen, unter welchem Obamma, ein warmes Bad, am Ufer nach Nagaſacki zu, drei Meilen weit entfernt liegt. Die Japaner glauben, daß Gonnin, der Goͤtze dieſes Ber - ges, es nicht gern haͤtte, daß etwas von dem Schwefel weggenommen werde, daher ſol - ches auch verboten worden. Es iſt dieſer Schwefel theils gruͤn, theils gelb. Die eine Seite des Berges iſt ausgebrant und weiß, obgleich kein Vulkan, wohl aber 30 alte meiſt ausgedunſtete warme Baͤder daherum zu ſehen ſind. Dieſen Baͤdern geben die Pfaffen verſchiedene Namen von Hoͤllen; da z. E. wo ein runder Schein in Form eines Mangeku - chens entſtehet, wird es die Kuchenmacherhoͤlle genent; wo das Waſſer wie truͤber Sacki ausſiehet, heißet es die Sackibrennerhoͤlle: wo es raſet und tobet, als wenn ſich Leute ſchluͤ - gen, die Schlaͤgerhoͤlle; an einem andern Orte, die Hoͤlle der ungehorſamen Kinder u. ſ. w. Alles, was von Silber iſt, wird den Pfaffen, und uͤberhaupt allen, die hieher kommen, ganz ſchwarz. Bei hohem Waſſer wird Obamma von der See beſpuͤlt und bedekt.
  • 5) Jokomiſomatz, ein Dorf.
  • 6) Jakame, auch ein Dorf, in welchem zwei Graͤnzpfaͤhle waren, alwo die von dem Prinzen von Kurume uns mitgegebenen Begleiter von uns Abſchied nahmen.
7) Das376Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
  • 7) Das Vorſtadtsdorf Janagava. Hier kehrten wir einige Stunden vor Abend diſſeits der Bruͤcke vor der Stadt in eine Herberge, die jedoch nicht eben dieſelbige war als in der Aufreiſe, wie man ſolchergeſtalt der Gewohnheit zufolge damit umzu - wechſeln pflegt.

Unter Wegs ſahen wir heute den trockenen Rettigſaamen auf dem Felde mit Fle - geln ausdreſchen. An vielen Orten pfluͤkte man Tſja - oder Theeblaͤtter ab, ſo, daß die Straͤuche ganz und gar blos blieben, wahrſcheinlich wurden wegen der vielen bei der Hand ſtehenden Koͤrbe dieſe Blaͤtter gleich auf der Stelle ſortirt. Mit dem Reispflanzen war man ebenfals ſchon beſchaͤftigt, das ſonſt blos durch Frauensleute geſchah; der Acker wird dabei zuerſt unter dem Waſſer umgehakt, hernach mit Ochſen (welche kleiner ſind als die, ſo die Karren ziehen) oder auch Pferden nicht weniger unter dem Waſſer gepfluͤget und zu - lezt noch die Erdkloͤſe mit kurzen Hacken klein geſchlagen und in einen Moraſt verwandelt.

Einige Stunden nach dem Abendeſſen begaben wir uns in drei Barken zu Waſ - ſer; weil aber dem Schiffer bei Bauchſchneiden anbefohlen war, fuͤr uns Sorge zu tragen, daß wir nicht zu Schaden kaͤmen, ſo getrauete er ſich auch nicht, vor dem Mor - gen abzufahren.

Den 20 Mai demnach ruderten wir in gleichem Striche fort bis Takaſacki und von da bis Jſafaja.

Den 21 Mai ſind wir mit aufgehender Sonne von Jſafaja aufgebrochen: wir reiſeten auf die Doͤrfer Kami Kaki und Kooga oder Koga, uͤber den Flus Kuſnogava, und waren um neun Uhr in dem Flecken Jagami, bis dahin vier Meilen von Jſafaja, zu 50 Straßen, gerechnet werden. Von Jagami bis Nagaſacki ſind es eigentlich nur noch zwei gewoͤhnliche Meilen, ſie werden aber wegen des muͤhſamen und bergigten Weges, worinnen jene vier Meilen dieſen ebenwol nichts nachgeben, fuͤr drei Meilen angenommen und bezahlt. Wir trafen in Jagami bereits unſere Diener und einige andere Freunde zu unſerer Bewilkommung an. Nachdem wir hieſelbſt zu Mittag geſpeiſet und uns zu unſerm Einzug in Nagaſacki ein wenig in Ordnung gebracht hatten, kamen wir nach paſſirten Graͤnzpfaͤhlen von Fiſen und Nagaſacki, (alwo zur Linken das Dorf Aba liegt, wodurch der Weg nach dem warmen Bade Obamma gehet) bald zu dem Flecken Fimi, von ſelbi - gem zu dem Dorfe Tooge oder Toge, und befanden uns endlich etwa um 12 Uhr in Nagaſacki.

Lob, Ehre, Preis und Dank ſey Gott fuͤr ſeinen gnaͤdigen Schuz, verliehene Ge - ſundheit und unzaͤhlbare andere Wohlthaten geſagt, die ich von ſeiner Barmherzigkeit ſowol auf dieſer als vielen andern Reiſen genoſſen habe.

Wa -377Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.

Was ſich noch alhier bis zu unſerer Abreiſe nach Batavia und Europa anmerkens - werthes begeben hat, wird nun den Beſchlus dieſer Geſchichte ausmachen.

Das erſte, was wir bei unſerer Ankunft auf Deſima veraͤnderliches wahrnahmen, war, daß alle ſonſt oͤffentliche Buden mit Gefluͤgelvieh verſchloſſen gehalten wurden, weil vor 10 Tagen der Kaiſerliche Befehl von Jedo gekommen, daß, außer Fiſchen, nichts von Thieren ums Leben gebracht werden ſolte, es waͤre denn, daß es fuͤr die Hollaͤnder oder Sineſen waͤre; nur vor dem Hauſe, nicht aber auf der oͤffentlichen Straße, konte man davon etwas zu Kaufe bekommen.

Einige Tage nach unſerer Ankunft hatte man drei ertapte Japaner auf der Tor - tur, welche bekanten, daß ſie hoͤchſtens fuͤr 1000 Tail der Wurzel Niſj oder Nindſin, auch Calamback und Moſchus von den Sineſern durch die Huren und anderwaͤrts erhandelt haͤtten. Dieſe Huren und Hehler wurden in ihren Haͤuſern zugenagelt*)Dieſes hat Scheuchzer nicht., der Sino Ca - mi eine neue Torturbank erfunden, woraus kurze ſpitze Stacheln hervorſtechen, uͤber wel - che die Miſſethaͤter nackend gezogen werden**)Scheuchzer hat noch den Zuſaz: daß dieſe Torturbaͤnke denen gleich waͤren, die man ehedem zu Lemgo gebraucht haͤtte, um die Heren zum Be -kentniffe zu bewegen, und daß auch der Unſchuldigſte darauf Verbrechen bekennen muͤſſe, die er nie begangen., und dieſes Mittel ſol die Folge haben, daß alle Verbrechen gleich zur Bekentnis kommen.

Den 31 Mai begab ſich unſer Kapitain, Dubbels und ich in das Haus des Gou - verneurs, um das Dankſagungskompliment abzulegen. Die Audienz geſchahe auf eben die Weiſe, als bei den Großen in Jedo.

Am 1 Junius fand man drei Selbſtmoͤrder: einer hatte ſich wegen begangenem Schleichhandels, und der andere, der ein Hauspfaffe war, aus unbekanten Urſachen in der Nacht erhaͤngt, der dritte aber aus Noth und Armuth den Bauch aufgeſchnitten.

Am 14 Junius brachen die erſten Sineſiſchen Jonken von hier auf, deren 24 dermalen beyſammen waren, wovon 17 ihre erſte Camban oder Verkaufzeit gehalten hatten.

Seit heute bis zum 16 Junius wurde der Hafen mit einem Fahrzeuge vol ge - pfropfter Menſchen umfahren, die nichts als Nembutz, d. i. Namanda ſchrien. Ein ſolches Fahrzeug wird von einer Gaſſe oder Wiecke ausgeruͤſtet, in welcher eine raſende Peſtſeuche zu wuͤten anfaͤngt, und glaubt man, durch das Rufen und Schreien den boͤſen Geiſt, insgemein Jekire genant, welcher der Urheber des Ungluͤks ſeyn ſol, wegzubannen. Das Fiak man ben, oder das hundert Tauſend herum, ein aus 108 großen Knoͤpfen be -ſtehenderZweiter Band. B b b378Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſtehender ungeheurer Roſenkranz, der von Alten und Jungen ſitzend angefaßt, und in ei - nem Zirkel herum durch aller Haͤnde gezogen, auch jedesmal mit einem jauchzenden Na - manda beſchrien wird, dient bei ſolchen Umſtaͤnden zu eben der Abſicht, zu geſchweigen, daß man die Cerimonie damit auch wol in den Tempeln anſtelt, wenn das graſſirende Ue - bel etwa uͤberhand genommen.

Am 22 Junius war ein feierlicher Gedaͤchtnistag wegen dem Abſterben des Kai - ſers, an welchem, dem Gebrauche nach, ſechs Diebſtahls halber gefangen geſeſſene Miſ - ſethaͤter erloͤſet und ihnen das Leben geſchenkt, jedoch auf 10 Meilen weit verwieſen wurden.

Am 23 Junius brachte man in Erfahrung, daß die Sineſen ſeit verwichenem Jahre fuͤnf Kiſten Silber, und zwar groͤßtentheils in Oſacka, heimlich verkauft haͤtten; wie es denn auch andem iſt, daß unter drei Jonken kaum eine ihre Waaren wuͤrklich wie - der mit aus Japan wegnimt, weil ihnen die Japaner heimlich nachſetzen, und ihnen ihre Reſte abhandeln.

Am 24 Junius wurde den ganzen Tag Fiak man ben gehalten. Jn der Gaſſe bei Deſima, waren bei den Haͤuſern, worin das hitzige Fieber wuͤthete, Charaktere aufge - hangen, und der Ort, wo die Cerimonie mit dem Hundert Tauſend herum vor ſich gieng, vor der Sonnenhitze geſchuͤzt. Das Toben und Laͤrmen des Volks iſt unbeſchreib - lich, nichts weniger als andaͤchtig, und ein jeder ſchreiet was er wil.

Am 26 Junius beſahen wir in Begleitung der gewoͤhnlichen Dolmetſcher ſamt ihren Lehrlingen, der Stadt Buͤrgermeiſters und anderer Perſonen, folgende Nagaſacki - ſche Tempel:

  • 1) Tſaktſjudira, oder beſſer Fukuſai. Dieſer iſt ein Sineſiſcher Tempel, zu dem man auf 50 Treppentritten durch ein rundes Thor gelangt. Vor demſelben ſtand gegen uͤber eine Kapelle des mit einem Schwerdt verſehenen Goͤtzen Jtaten, der fuͤr den Huͤter der boͤſen Geiſter gehalten wird. Der Tempel ſelbſt ruhete auf Pfeilern, war gefirniſſet und viereckigt in drei Plaͤtze abgetheilt, hatte in der Mitten ein Quanwon oder Saka, zur Rechten das Bild eines Sineſiſchen Kaiſers mit drei Trabanten, zur Linken einen ſehr natuͤrlich gekleideten Juͤngling mit einer Krone und einigen Sineſen hinter ihm; vor jeder dieſer drei Hauptfiguren brante eine auf eine gewiſſe Zeit abgemeſſene Zunderlunte von Baumrin - de, die faſt gar keinen Rauch machte, und des Wohlgeruchs halber mit kleinen Raͤucher - kerzen beſezt war; es brante waͤhrend unſerer Anweſenheit nur eine von den dreien. Auf den mit Bakſteinen belegten Fusboden befanden ſich runde Strohkuͤſſen, auf welchen die Pfaffen ſaßen. Noch ein anderer Tempel in dieſem Bezirk war nicht minder ſchoͤn. Die Haͤuſerder379Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. der Pfaffen und die uͤbrigen kleinen Tempel oder Kapellen, die mit ſehr natuͤrlich geſchniz - ten Bildern nach einer guten verhaͤltnismaͤßigen Lebensgroͤße beſezt und ausgeziert waren, befanden ſich am Rande des Berges auf einem großen langen Raume und Wege. Man bewirthete uns alhier mit einer ſchoͤnen Sineſiſchen Mahlzeit, und ohnweit von uns lies ſich der Pater Prior, ein großer, wackerer, freundlicher Mann in ſeinem ganzen Purpur - anzuge ſehen.
  • 2) Suwa. Dieſer Tempel iſt auf mehr als 200 Tritten zu erſteigen, nachdem einige Berggaſſen queer durch paſſirt ſind. Als dem heiligen Suwa vor ein oder zwei Jahren vom Mikaddo eine groͤßere Ehre beigelegt worden, hat man auch die Kapelle mit ihm auf einen erhoͤhetern Ort geſezt, daher man auch nunmehro zu dieſer hoͤher als ſonſt weiter hinaufſteigen mus: die dahin fuͤhrende hoͤlzerne gefirniſſete Treppe war fuͤr uns nicht offen, daher wir auf einer andern ſteinernen den Weg nahmen. Auf dieſem Platze ſtan - den verſchiedene kleine Kapellen, unter andern auch ein Schauſpielhaus, ein offenes Haus zu Aufhangung allerlei Bilder zur Andacht, und eine Kapelle des Abgottes der Tauſendbei - ne, deren einige davor hiengen. Die Cannuſj in weltlichem Habit, mit kurzen hinter - waͤrts geſtrichenen Haaren, wohnten am Rande oder Abfal des Berges herum.
  • 3) Auf der andern Seite des Berges lag der Sjuuntokus-Tempel, welcher vor etwa zwei Jahren durch einige mit Pulverſchwaͤrmern ſpielende Buben in Brand gera - then, und daher nur ein Sakabild darin zu ſehen war. Es wohnt hieſelbſt der Cenſor der Budsdobuͤcher, welche von Sina zum Verkauf heruͤber gebracht werden; er iſt der Senſekte zugethan.
  • 4) Koofkuſj oder Nanquindira. Hier blieben wir nur vorn auf dem weiten Tempelplaz, und beſahen im uͤbrigen nichts. Man ſagte uns, daß es zu dem Tempel ſelbſt noch hoͤher aufgehe, daß er gros und uͤber Nagaſacki hin eine Ausſicht habe.
  • 5) Ein weiter Gang fuͤhrte uns hinauf in eine offene Kapelle, alwo der Daibots ganz uͤberguldet in einer Tarateblume ſas. Bei dieſer Kapelle war ein Koo tais oder Senſjutempel.
  • 6) Bei dem Daikus - oder Jkoſjutempel, wo wir um die Mittagszeit anka - men, hielte unſer ganzer Trup eine Mahlzeit. Ein Theil des vorderſten Reviers nahm ein eigentliches Tempelhaus mit einigen darinnen abgetheilten Plaͤtzen ein, deren der hin - terſte den Goͤtzen Amida enthielt, vor welchem ſich eine Menge Volks verſamlete, zwiſchen welchem und der Kapelle ſich bald hernach, als der Haufen groͤßer geworden, ein Pfaffe zum Predigen hinſezte; er las aus einem Buche und erklaͤrte etwas hierauf, und nach -B b b 2dem380Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. dem das in die drei viertel Stunden, auch wol eine ganze Stunde gedauert hatte, las er ein oͤffentliches Gebaͤt ab, das alle mitbaͤteten, die andern Pfaffen traten ſodann vor das Bild, und damit hatte die Verſamlung ein Ende.
  • 7) Sooſokuſi oder Foktſju Dira, ein Sineſiſcher Tempel, worinnen man einige Abbildungen von Schuͤlern des Saka in verſchiedenen Stellungen ſah. Einer warf mit einem Ringe, ein anderer hatte die Figur des Saka auf der Bruſt, noch einem an - deren waren die oberen Augenbraunen Ellenlang niedergewachſen u. ſ. w. Auf dem Platze ſtand ein vorzeiten in einer Hungersnoth gebrauchter ungeheuer großer Keſſel, in welchem der Kloſterprior den fuͤr die Armen ſelbſt zuſammen gebettelten Reis wie einen duͤnnen Brei damals gekocht, und zum Brenholz dazu ſelbſt eine Kapelle abgebrochen ha - ben ſol.
  • Wir giengen von hier einige, und unter andern einen Giwontempel vorbei,
  • 8) zu dem auf einem hohen Platze erbaueten Kiomids - oder Seſuſitempel. Man muſte zu demſelben einen langen Gang und viele Treppen aufſteigen. Zur linken Hand ſtanden ſechs Dſiſobilder, jedes, wie es bei ihren Begraͤbnisoͤrtern gebraͤulich iſt, mit einem ſteinernen Waſſerbehaͤlter vor ſich, benebſt einem kleinen Skimmiſtrauch, den jeder Voruͤbergehende ins Waſſer taucht, und damit dieſe Bilder beſprengt. Die Bilder ihrer Vorfahren waren in dem viereckigten Tempel verſchloſſen. Zur Seiten ab befand ſich ein Quanwonbild, das auch von hinten her verehrt werden mus.

Am 1 Julius wurden die Compagniebarken unterſucht, und was darunter untuͤch - tig befunden, verworfen. Wir verfuͤgten uns darauf auf die nahe bei gelegene Halbinſel Mangome und in den Tempel Seotokus: als wir dieſen geſehen, auch etwas gegeſſen hatten, giengen wir zu Fuße nach Hauſe; ehe wir jedoch alda des Nachmittags drei Uhr ankamen, brachte uns unter Wegs unſer Fuͤhrer in den Fokkeſjutempel, wo ſich die Pfaffen uͤber unſern Beſuch recht erfreueten, uns und unſere Sachen bewunderten, und uns ſehr freundlich und vertrauet alle Winkel und Gemaͤcher zeigten. Die Fahnen, womit ihre Tempel und Kapellen behangen, und die Zeichen einer vorbildenden Freude und eines Triumphs ſind, gleichen denenjenigen, deren ſich die Roͤmiſch-Catholiſchen Chriſten bei ihren Prozeſ - ſionen bedienen; ſie ſind von rarem ſeidenem Stoff gemacht, und haben beinahe die Form der Cajemansflaggen vor den Siamiſchen Tempeln. Wir geriethen auch noch zu dem nahe bei gelegenen Sineſiſchen Tempel Fukaſai, wir hatten ihn aber vor dieſem auch ſchon geſehen.

Am 25. Julius wurden die oben gedachten Schleichhaͤndler, welche von den Si - neſiſchen Jonken verſchiedene Waaren erhandelt gehabt, auf Mangome, dem gewoͤhnli -chen381Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. chen Richtplatze, vom Leben zum Tode gebracht; einen Japaner, der mit zur Wache war beſtelt geweſen, und der ſich ſelbſt den Bauch aufgeſchnitten, nebſt noch einem andern Selbſtmoͤrder legte man eingeſalzen aufs Rad; zwei wurden enthauptet, und acht Perſo - nen, die nichts bekennen wolten, gebunden in ein Fahrzeug gebracht, und nach Gotho ins Elend verbant.

Am 29 Julius kamen ſieben Barken von dem Landesherrn von Satzuma mit zwei Patanern an, welche auf die Jnſel Riuku waren verſchlagen, und von da nach Satzuma gebracht worden; ſie waren ſitſame Leute, und es ſchien der eine beſonders ein Man von Wiſſenſchaft zu ſeyn. Der Gouverneur lies ſie zu ſich rufen, um ſich ihres Landes und ihrer Sprache zu erkundigen; ſie gaben durch Zeichen zu verſtehen, daß einer von ihnen 30, der andere 25 Jahr alt ſey, und die Lage der ihrem Lande zunaͤchſt ſeyenden Jnſeln deuteten ſie mit Steinen an, denen ſie die Namen Tambaku, Babaſan u. ſ. w. beilegten; ſie ſaßen vor dem Pallaſte des Gouverneurs plat auf der Erde, und hatten auf jeder Seite einen auf einer Matte zum Unterſchied erhabenen ſitzenden Man zur Wache bei ſich; ſie waren auf Polniſche Manier geſchoren, und in ihren Ohren ſahe man zwei oder drei Loͤcher zum Zierrath; die linke Hand brauchten ſie ſtat der rechten; ihr Kompliment machten ſie wie die Oeſtlichen Voͤlker mit zuſammengeſchlagenen und bis zur Stirn erhabe - nen Haͤnden, oder auch vermittelſt einer Verbeugung mit der Stirn bis auf die zur Erde niedergeſchlagenen Haͤnde. Die Japaner halten dieſe beiden Leute inzwiſchen in gefaͤngli - cher Verwahrung*)Scheuchzer vermehrt hier den Text noch mit folgendem Zuſatz: Der Tranſport dieſer beiden gefangenen Pataner kam dem Landesherrn von Satzuma nicht weniger als auf 10 Kiſten Silbers zu ſtehen, weil einige der dabei ge -brauchten Schiffe mit 80, und die kleinſten mit 40 Ruderknechten beſielt waren, ohne die Koſten zu rechnen, welche die vornehmen Herren verur - ſachten, die aus Reſpekt fuͤr den Kaiſer und den Landesfuͤrſten zugleich mitkamen..

Jm Auguſtmonat langten unſere vier Schiffe nach einander auf einen Tag an; die beiden leztern kamen uͤber Siam.

Den 1 Oktober machte unſere Compagnie, nachdem ſie ihre zweite Camban oder Verkaufzeit vollendet, die gewoͤhnlichen Geſchenke an die Gouverneurs.

Jn dieſen Tagen fuͤhrte man 50 Sineſen, welche ſeit geraumer Zeit in einem Gefaͤngnis beiſammen gehalten worden, an eine Jonke, um aus dem Lande vertrieben zu werden; drei ihrer Mitſchuldigen, ſagte man, waͤren enthauptet, einer gekreuzigt, und die uͤbrigen verwieſen worden, einer aber, ein Unterdolmetſcher, habe ſich ſelbſt den BauchB b b 3auf -382Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. Funfz. Kap. ꝛc. aufgeſchnitten; die Urſache ihres Verbrechens beſtand darin, daß ſie ein Pikel*)Scheuchzer macht aus dem Pikel ein Pfund; es bedeutet aber eine Kiſte, wie Kaͤmpfer ſelbſt bald unten bemerkt. von der Niſinwurzel zum heimlichen Verkauf in der Jonke verborgen gehalten. Die beſagte Jonke gieng bald hernach ab.

Am 25. 26 und 27 Oktober zog jeden Tages eins von unſern Schiffen ab nach dem Papenberge.

Den 29 Oktober folgten wir eben dahin in dem Admiralſchif Pampus mit Nord - wind nach, nachdem wir zuvor gegeſſen, getrunken und Abſchied genommen, auch die ge - woͤhnlichen Geſchenke erhalten hatten. Wir fuͤhrten an Ladung etliche tauſend Kiſten oder Pikel gediegenes Kupfer bei uns.

Am 30 Oktober naͤherten wir uns auf eine halbe Meile den andern drei Schiffen, und nun nahm ich meine gedrukten ſowol als geſchriebenen Japaniſchen Sachen wieder ſelbſt zu mir, die ich auf jene Schiffe unter die Waaren heimlich verſtekt und vertheilt ge - habt hatte.

Am 31 Oktober mit Anbruch des Tages und einer kuͤhlen Luft aus N. O. verlie - ßen wir den Nagaſackiſchen Hafen, und ſegelten S. W. gluͤcklich fort. Hiemit endigt ſich meine Geſchichte von Japan.

Anhang[383]

Anhang welcher die in den Amoenitatibus exoticis des Verfaſſers befindliche Abhandlungen uͤber Japan, aus der lateiniſchen Urſchrift uͤberſezt, enthaͤlt.

[384]385

I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan*)Dieſe Abhandlung ſteht in den Amoenit. exotic. p. 466. ꝛc. und iſt die Rel. XIII. Faſcic. II. Jch habe die Eintheilung und Folge der Pa -ragraphen ungeaͤndert beibehalten, daß| alſo jeder ein nach denſelben gemachtes Citatum auch in mei - ner Ueberſetzung nachſchlagen kan..

§. 1.

Es iſt bekant, daß die verſchiednen alten Voͤlker in unſern Weſtlichen Laͤndern, und ſo auch ihre Nachbarn die Aegypter, Syrer, Hebraͤer und andre Nationen, ſehr mannigfache Arten zu ſchreiben hatten, daß aber alle dieſe Arten ungemein muͤh - ſam und beſchwerlich waren, und in der Ausuͤbung nicht gemeine Geduld foderten. Jhr Werkzeug war keine leichte Feder, ſondern ein eiſerner Griffel oder ein kuͤnſtlich zuſammen - geſezter Pinſel; die Materie, worauf ſie ſchrieben, war nicht das izt ſo gemeine und be - queme Papier, ſondern Tafeln von den Haͤuten der Thiere oder Pergament, von den Rin - den der Baͤume, von Blaͤttern, von Blei und anderm Metal, auch von Wachs, die alle ausnehmend muͤhſam verfertigt wurden. Dieſe Schwierigkeiten des Schreibens, die den Fortgang aller Wiſſenſchaften ſo ſehr aufhielten, und beſonders der Geſchichte ſo nachthei - lig waren, wurde endlich durch die gluͤkliche Erfindung, aus altem Leinwand Papier zu machen, uͤberwunden; eine Erfindung, die man allerdings als eine beſondre Wohlthat der goͤttlichen Vorſehung anſehn mus. Man ſezt dieſelbe in die Zeit Alexander des Großen. Wenn dieſe Angabe richtig iſt, ſo mus dieſe Kunſt noch lange Zeit ſehr unvolkommen und unausgebildet, und daher nur in einem engen Umfang verborgen geblieben ſeyn. Sobald ſie aber weiter ausgebildet und algemeiner bekant geworden, hat ſie bald alle andre Mate - rien, auf die man ſonſt zu ſchreiben pflegte, außer Gebrauch gebracht und jenſeit des Heli - kons verbant. Alle Voͤlker des vordern Aſiens in der Tuͤrkey, Arabien, Perſien, der kleinen Tartarey und dem mogoliſchen Jndien, nahmen die Erfindung des Papiers ſehrwilligZweiter Band. C c c386I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. willig an, und ſezten an die Stelle des alten Leinwands gar nicht unbequem noch die Baumwolle. Die ſchwarzen Aſiater, welche von dieſen ſuͤdlich wohnen, ſind dagegen bei der Sitte ihrer Vorfahren geblieben, und ſchreiben noch izt auf verſchiedne Arten von Palm - blaͤttern mit einem eiſernen Griffel ungemein zierlich, und mit durchgezognen Riemen ver - binden ſie die beſchriebnen Blaͤtter, und ſetzen Baͤnde aus ihnen zuſammen. Das aͤußerſte und gelehrtere Aſien aber (Sina und Japan) kent ſchon ſeit den aͤltſten Zeiten ſehr gut den Gebrauch des Papiers und die Art ſeiner Verfertigung. Von der ſineſiſchen werde ich hier nichts ſagen, um nicht den ehrwuͤrdigen europaͤiſchen Vaͤtern vorzugreifen, die beſtaͤn - dig in dieſem Reiche leben, und alſo die beſte Nachricht davon geben koͤnnen. Aber von der Verfertigung des Papiers bei den Japanern, einem ſo wenig bekanten Volke, wil ich mich bemuͤhen, eine kluge und deutliche Beſchreibung zu geben, auch mit in der Abſicht, vielleicht Jemand Luſt zu machen, mit den Rinden unſerer Baͤume etwas Aehnliches zu verſuchen, und das hier beſchriebne Verfahren nachzuahmen*)So viel mir bekant iſt, hat man noch nicht mit Ernſt daran gedacht, dieſen Verſuch, der wohl unſtreitig in Europa ſo gut wie in Japan gelin - gen muͤſte, zu machen, wenigſtens iſt er noch nie im Großen und zum algemeinen Gebrauch nach - geahmt worden. Und doch moͤchte dieſe Benutzung verſchiedner unſrer Baumrinden vielleicht in unſrer Zeit |noͤthiger wie ehmals ſeyn, da die Con - ſumtion des Papiers durch die Aufklaͤrung, Schreibſucht und Weitlaͤuftigkeit in Betreibung der Geſchaͤfte ſo ausnehmend und nicht in gleichem Verbaͤltnis! nit der Conſumtion der Leinwand zu - genommen hat, daher auch ſchon in verſchiednen Laͤndern die Ausfuhr der Lumpen unterſagt iſt. Der beruͤhmte Hr. von Murr fuͤhrt in ſeinemchronologiſchen Verzeichnis deutſcher Erfindungen, das in ſeiner gelehrten Beſchreibung der Merk - wuͤrdigkeiten von Nuͤrnberg befindlich iſt, p. 743. an, daß der Papiermacher Stoß zu Vroſtadt 1777 einen Verſuch gemacht hat, aus dem baſtar - tigen Stamm der Piſangpflanze (Muſa fructu cu - cumerino longiori) ein Papier zu verfertigen. Einem Mann, der dieſen Verſuch weiter fortſe - tzen, und denſelben zur Volkommenheit bringen wolte, wird dieſe Kaͤmpferiſche Abhandlung gewis nuͤzlich ſeyn, da man in derſelben das ganze Ver - fahren der Japaner ſo ausnehmend deutlich be - ſtimt und genau beſchrieben findet, als man es nur irgend wuͤnſchen kan..

§. 2.

Das Japaniſche Papier wird aus der Rinde des Baums, Mori papyriferae ſativae auf folgende Art gemacht: Die ſtaͤrkſten jaͤhrlichen Schoͤslinge dieſes Baums wer - den, wenn die Blaͤtter abgefallen ſind, im zehnten Japaniſchen Monat (d. i. in unſerm December) abgehauen, in drei Finger lange oder kuͤrzre Staͤbe geſchnitten, in Buͤndel zuſammen gebunden, und dann in Waſſer mit hinzugemiſchter Aſche gekocht. Hat mandie -387I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. dieſes Kochen aufgehoben, ſo werden die Zweige ſo trocken, daß man ſie den Tag vorher, ehe man ſie kocht, in gemeines Waſſer auf 24 Stunden legen, und dadurch erweichen mus. Man kocht dann dieſe Buͤndel in einem geraumigen, wohl bedekten Keſſel, wo ſie ſehr eng mit einander verbunden und alle aufgerichtet ſtehn muͤſſen, und zwar ſo lange, bis die Rinde ſich etwas zuſammenzieht, und eben das bloße Holz etwa in der Laͤnge eines halben Zols zum Vorſchein koͤmt. Alsdann nimt man die kleinen Staͤbe aus dem Keſſel, laͤßt ſie wieder abkuͤhlen, macht der Laͤnge nach einen Einſchnit, zieht die Rinde ab, wirſt das Holz weg, duͤrt jene als die Materie des Papiers aus, und nimt die fernere Bereitung mit ihr vor, die in der Reinigung und Ausſortirung beſteht.

Um die Rinde zu reinigen, wird ſie auf zwei bis drei Stunden in das Waſſer ge - legt, damit ſie erweiche und man alsdann die ſchwarze Oberhaut (cuticula) wie auch die gruͤnende Oberflaͤche des Splints (liberi) mit einem Meſſer abnehmen kan, welches Kaadſi Kuſaggi, d. i. das Scheermeſſer Kuſaggi, genant wird. Zu gleicher Zeit wird die jaͤhlige und ſtaͤrkere Rinde von der duͤnnern abgeſondert, die etwa die juͤngern Zweige bedekt hat. Jene lieſert das weißeſte und beſte Papier, dieſe ein ſehr dunkles und ſchwa - ches. Eine Rinde, die ſchon mehrere Jahre alt iſt, wird gleichfals nur zum Papier von der dikſten und ſchlechteſten Gattung gebraucht; zu eben derſelben werden auch alle knotichte oder ſonſt mit irgend einem Fehler behaftete Theile der Rinde zuruͤkgelegt.

Wenn nun die Rinde gereinigt und nach den verſchiednen Graden von Guͤte aus - ſortirt iſt, ſo wird ſie in einer durchgeſiebten und hellen Lauge abgekocht, die, ſobald ſie anfaͤngt zu ſchaͤumen, beſtaͤndig mit einem ſtarken Rohr durchgeruͤhrt werden mus. Auch gießt man immer neue Lauge hinzu, um das zu erſetzen, was durch die Ausduͤnſtung verlo - ren geht. Dieſes Kochen waͤhrt ſo lange, bis man die Materie ſehr leicht mit dem Finger in den Filz und die Fibern abſondern kan. Die Lauge kan aus jeder Art von Aſche auf fol - gende Art gemacht werden: Man legt uͤber eine Tonne einige Stuͤcken Holz in ein doppel - tes Kreuz uͤber einander. Dieſes belegt man mit Stroh, und dieſes wieder mit naſſer Aſche. Alsdenn wird wohl gekochtes ſiedendes Waſſer in die Tonne gegoſſen, welches dann die Salztheile der Aſche annimt, und in ein untergeſeztes anderes Fas durchlaͤuft, und ſo eine Lauge giebt.

Auf das Kochen folgt nun das Waſchen, welches bei Verfertigung des Papiers beſonders von Wichtigkeit iſt. Denn wenn das Waſchen nicht lange genug gedauert hat, ſo wird das Papier zwar ſtark, aber zu grau und ſchlecht; hat man aber mit dem Waſchen zu lang angehalten, ſo wird das Papier zwar ſehr weis, aber zu fet, ſchlaf und weniger brauchbar zum Schreiben. Man mus alſo zwiſchen dem zu lange und dem zu kurz ein gewiſſes Mittel treffen, und bei dieſem Waſchen ſehr vorſichtig verfahren. Es geſchieht auf folgende Art: Man legt die Rinde in eine Wanne, die das Waſſer durchlaͤßt, undC c c 2ſezt388I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. ſezt dieſe in einen Flus, arbeitet alsdenn die Rinde mit Haͤnden und Armen ſtark durch, bis ſie endlich in ein weiches wolligtes Weſen aufgeloͤſet iſt. Bei den feinſten Sorten von Pa - pier mus dieſes Waſchen noch einmal wiederholt, aber alsdenn die Rinde in Leinwand ge - huͤlt werden, damit die durch eine immer fortgeſezte Umruͤhrung ganz von einander getrente Theilchen nicht verloren gehn. Man ſondert alsdenn auch alle etwa noch uͤbergebliebne fremde und unnuͤtze Theile ab, und behaͤlt die haͤrtern wollichten Theile zu den ſchlechteſten Sorten des Papiers zuruͤk. Jſt nun die Rinde hinlaͤnglich gewaſchen, ſo wird ſie auf eine hoͤlzerne, dicke, glatte Tafel gelegt, und von zwei oder drei Tageloͤhnern mit Staͤben, die aus dem harten Holz, Kusnoki, gemacht ſind, ſehr ſtark durchgeſtoßen, bis ſie hin - laͤnglich erweicht und verduͤnt iſt, und wie voͤllig aufgeriebenes Papier ausſieht, das im Waſſer wie Mehl aufgeloͤßt werden kan.

Nach dieſer Verarbeitung bringt man die Rinde in eine enge Tonne, und als - dann wird ein fettes Waſſer aus einer Reisinfuſion und ein ſchleimichtes Waſſer aus einer Jnſuſion von der Wurzel Orenz hinzu gemiſcht. Dieſe drei zuſammengebrachten Mate - rien muͤſſen denn mit einem reinen und zarten Rohr ſehr ſorgfaͤltig durch einander gemiſcht und umgeruͤhrt werden, bis endlich eine ganz homogene und zur gehoͤrigen Conſiſtenz gedie - hene Feuchtigkeit daraus entſteht, welches eben in einem engen Gefaͤs am beſten geſchieht. Dieſe Feuchtigkeit wird in ein Fas von weiterm Umfange gegoſſen, welches Fine heißt, und denen in unſern Papiermuͤhlen nicht unaͤhnlich iſt, außer nur, daß es keinen Heerd hat. Hierauf wird nun ein Blat nach dem andern ausgeſchoͤpft, mit einer Form, die nicht aus Seiten von Erz, ſondern aus Halmen von Binſen beſteht, und die man mit einem eignen Wort Miis zu benennen pflegt. Die ausgeſchoͤpften Blaͤtter werden alsdenn auf eine mit einer doppelten Matte bedekten Tafel in Haufen niedergelegt; und zwiſchen dieſelbe legt man allemal einen duͤnnen Halm von Schilfrohr, (welche Kanokura, d. i. ein Polſter, von den Japanern genant werden) durch deſſen Hervorſtehn man die einzelnen Blaͤtter unterſcheiden, und, wenn es noͤthig, auf heben kan. Dieſe Haufen ſind mit Brettern bedekt, die ohnge - faͤhr die Form und Groͤße eines Bogens Papier haben, auf welche man Steine zuerſt von leichtem (damit die Blaͤtter, welche noch nas ſind, nicht in eine Maſſe zuſammenfallen) und hernach immer ſchwererem Gewicht legt, und dadurch alle waͤſſerigte Feuchtigkeiten al - maͤhlig heraustreibt. Den folgenden Tag wird dieſe Laſt wieder abgenommen, die einzel - nen Blaͤtter alsdenn mit einem kleinen ſchilfrohrnen Staͤbchen abgehoben, und mit der fla - chen Hand auf lange, glatte, bloß zu dieſer Abſicht gemachte. Stangen gelegt, wo ſie we - gen der Feuchtigkeit leicht ſich anhaͤngen. Auf dieſe Art troknen ſie die Blaͤtter in der Sonne, nehmen ſie, wenn ſie voͤllig ausgetroknet, ab, bringen ſie in Haufen und be - ſchneiden den Rand. Denn ſind die Bogen Papier fertig, und werden zum beſondern Gebrauch und Verkauf aufgehoben.

Das389I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan.

Das Waſſer aus einer Jnfuſion leicht zerriebener Reiskoͤrner iſt bei dieſer Behand - lung noͤthig, um durch ſeine klebrigte Fettigkeit und ausnehmende Weiße dem Papier groͤ - ßere Dichtigkeit und eine weißere Farbe zu geben. Eine bloße Jnfuſion von Reismehl bringt dieſe Wirkung nicht hervor, weil ihr die noͤthige Klebrigkeit abgeht. Man bereitet dieſes Reiswaſſer in einem irdenen Gefaͤs, das nicht mit einer Glaſur uͤberzogen, ſondern ganz rauh iſt. Jn dieſem wird der abgeſchaͤlte Reis zuerſt mit Waſſer feucht gemacht, hernach almaͤhlig zerrieben, und endlich, wenn man kaltes Waſſer zugegoſſen, durch ein lei - nenes Tuch durchgeſiebt. Das Uebergebliebne wird noch einmal ſtark durchgerieben, auch nochmals Waſſer zugethan, und dann ausgedruͤkt, bis die Hefen gar kein klebrigtes Weſen mehr von ſich geben. Der Japaniſche Reis iſt hiezu am allerbrauchbarſten, weil er viel fetter und weißer iſt, als der in allen uͤbrigen aſiatiſchen Laͤndern.

Von der Wurzel Orenz wird das Waſſer auf folgende Art bereitet. Man zer - ſtoͤßt oder zerreibt auf verſchiedne Art die Wurzel, legt ſie in kaltes Waſſer, das in einer Nacht dadurch ſehr klebrigt, und dann durch ein leinen Tuch durchgelaſſen wird. Von dieſem Waſſer die noͤthige Quantitaͤt zu den uͤbrigen Beſtandtheilen zuzumiſchen, (welches nach den Jahrszeiten ſehr verſchieden iſt), hierin, ſagen die Japaner, beſtehe die groͤſte Kunſt bei dem ganzen Geſchaͤft des Papiermachens. Die Hitze loͤſet die klebrigen Theile leicht auf, daher mus im Sommer mehr von dieſer Wurzelinfuſion zugeſezt werden, und aus der entgegengeſezten Urſache in den kaͤltern Monaten weniger. Verſieht man es in der Zumiſchung dieſes Wafſers, daß man zu viel nimt, ſo wird das Papier zu duͤn; nimt man zu wenig, ſo wird das Papier ungleich und aufgeriſſen. Das rechte Maas aber giebt eine gehoͤrige und gleiche Dicke; um dieſe recht zu treffen, mus man immer etwas ab - oder wieder hinzuthun. Wenn ihnen die Wurzel Orenz abgeht, welches zuweilen im Anfang des Sommers zu geſchehen pflegt, nehmen die Papiermacher ſtat derſelben die krie - chende Pflanze Sane Kadſure. Die Jnfuſion von den Blaͤttern derſelben haben ſehr viele klebrigte Theile, iſt aber zu dieſer Abſicht nicht ſo brauchbar, als die von der Pflanze Orenz.

Jch habe auch den Juncum Sativum genant, der hier zu Lande ungemein muͤh - ſam gebauet wird, und ſehr lange, zarte und ſeſte Halme hat; aus denen man, wenn ſie die gehoͤrige Bereitung erhalten haben, Seegel macht, noch mehr aber ſehr ſchoͤne Matten, mit denen man den Boden der Zimmer belegt.

Die Matten, worauf man die Blaͤtter legt, muͤſſen von doppelter Art ſeyn*)Kaͤmpfer koͤmt hier nach einer langen Di - greſſion wieder auf ſeine vorige Beſchreibung des ganzen Verfahrens bei dem Papiermachen zuruͤck. Er hatte nemlich oben erwaͤhnt, daß die Blaͤtter auf eine mit doppelten Matten bedekte Tafel ge - legt wuͤrden, dieſe beſchreibt er nun hier genauer.. Die eine ſehr dik, welche die untere iſt, die andre aus den feinſten und etwas von einan -C c c 3der -390I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. derſtehenden Halmen verfertigt, und dieſe legt man oben. Dieſe laͤſt das durchtroͤpfelnde Waſſer leicht durch, und druͤkt ſich im Papier gar nicht ab.

Das groͤbere Papier, welches zum Einwickeln der Waaren, und mannigfaltigem andern oͤkonomiſchen Gebrauch dient, pflegt auch aus der Rinde der Frucht Kads Kadſure gemacht zu werden, die auf eben die vorher beſchriebene Art bereitet wird.

Das Japaniſche Papier iſt ungemein dicht, und laͤſt ſich ſogar in Baͤnder drehn. Ein ſehr dickes und ſtarkes wird in der Hauptſtadt der Provinz Syriga verkauft. Es iſt ungemein ſchoͤn bemahlt, und ſo in einzelne Stuͤcke gepakt, daß man es fuͤr baumwollene oder ſeidene Zeuge halten mus.

Jn Sina und Tunquin macht man ſowol aus Baumwolle als aus dem Schilf des Bambusrohrs ein ſehr ſeines, ſchoͤnes und etwas gelbliches Papier. Die Siamer machen auch aus der Rinde des Baums Pljok Kloi ihr eignes Papier, das theils ſchwarz theils weißlicht, immer aber ſehr grob, roh und ſchlecht gearbeitet iſt, gleich dem Charakter der Nation ſelbſt. Sie falten daſſelbe ohngefaͤhr in der Form eines Buchs zuſammen, und beſchreiben es auf beiden Seiten, aber nicht mit einem Pinſel, wie die vorhergenanten Voͤlker, ſondern mit einem groben Griffel, der aus Thonerde gemacht iſt. Dies iſt alſo die Beſchreibung des orientaliſchen Papiers, die der gelehrte Becmann ſo dringend von den nachlaͤſſigen Reiſebeſchreibern fodert, und woraus er auch ſeinen Jrthum erkennen wird, wenn er glaubte, die Voͤlker jenſeits des Ganges machten ihr Papier aus Baumwolle, da vielmehr bei ihnen nur das Papier aus Baumrinden gewoͤhnlich iſt. Jm ganzen vordern Aſien verfertigt man das Papier aus alten baumwollenen Lumpen, auf eine Art, die von der unſrigen gar nicht unterſchieden iſt, außer nur durch die groͤbre Einrichtung der Werk - zeuge, und die viel einfachre Behandlungsart.

§. 3.

Um dieſe Materie volſtaͤndig zu erſchoͤpfen, theile ich izt noch eine Beſchreibung und Abbildung der hieher gehoͤrigen Pflanzen mit:

Kaadſj, Papyrus, fructu Mori celſac, ſive Morus ſativa, foliis Urticae mortuae, cortice papyrifera.

Die Wurzel iſt holzicht, ſtarkaͤſtig, der Stam erhebt ſich ſehr vielfach, dik, gleich und gerade; die Rinde fet, feſt, klebricht, von außen caſtanienbraun und rauh, von innen glat; das Holz ſchlaf und gebruͤchig; das Mark gros, feucht; die Aeſte fet, etwas wol - licht; ihre Farbe faͤlt aus der gruͤnen etwas in Purpur; ſo lange bis das Mark ganz aus - gewachſen, ſind ſie ausgehoͤlt, ſobald ſie abgebrochen, verwelken ſie; die Blaͤtter ſitzen auf den Zweigen etwa eine halbe Hand breit, oder noch weiter von einander, und ihreStel -

Tab. XL.

391I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. Stellung unter einander iſt nicht gleich; die Blatſtiele haarigt, laͤnglichtrund, von der Dicke eines Gerſtenhalms, zwei Zol lang und dunkel purpurfaͤrbig. Die Blaͤtter ſind von verſchiedner Geſtalt und Groͤße, haben drei, zuweilen fuͤnf Lappen, mit gekerbtem und engem Rande, von verſchiedner Tiefe und ungleich. Sie ſind den Blaͤttern der tauben Neſſel an Subſtanz, Figur und Groͤße gleich, eben, die duͤnnen unter den rauhern, die obere Seite dunkel gruͤn, die untere weißlich gruͤn. Wenn ſie abgebrochen ſind, verdorren ſie bald, welches auch von allen andern Theilen des Baums gilt. Die dickern Nerven lau - fen aus dem Grunde des Blats in die Spitzen, ſtehn auf der aͤußern Oberflaͤche ſehr merk - lich hervor, auf der untern aber ſind ſie ſehr eingedruͤkt. Mit dieſen laufen viele andre pa - rallel, und von dieſen wieder kleine Adern ab, die gegen den Rand zu in einander einbeu - gen. Jm Junius und Julius koͤmt die Frucht aus den Achſeln der Blaͤtter bei den obern Zweigen einzeln hervor. Sie ſizt auf kurzen Stielen, iſt rund, etwas groͤßer als eine Erbſe, mit laͤnglichen ſchwarz purpurnen Haaren beſezt, beſteht aus laͤnglichten ſehr kleinen Beeren, hat im Anfang eine grasgruͤne, nachher aber, wenn ſie reif geworden, eine ſchwarzrothe Farbe, und iſt mit einem ſuͤßen Saft angefuͤlt. Ob vor der Frucht Bluͤthen vorhergehn, habe ich nicht geſehn. Zum Gebrauch des Papiermachens wird der Baum auf bergichtem Lande gebauet. Die Fortpflanzung geſchieht durch Sezlinge, die einer El - len lang ſind, und im zehnten Monat in gehoͤrigen Entfernungen in die Erde gepflanzt werden. Dieſe faſſen alsdenn ſehr bald Wurzel, (da der Theil, welcher aus der Erde her - vorſteht, verdort) bringen mit vieler Kraft mehrere Schoͤslinge hervor, die man im folgen - den Jahr zum Papiermachen abſchneidet, bis er die Laͤnge von anderthalb Schuh und die Dicke des Arms in der Mitte erhaͤlt. Der wilde Kaadſj waͤchſt, obgleich nicht ſo haͤufig, auf wuͤſten Bergen. Aber dieſer liefert keinen ſo brauchbaren und geſuchten Stof zum Papiere.

Kaadſj Kadſira, it. Kago Kadſira. Papyrus procumbens, lacteſcens, folio longo lanceato, cortice chartaceo.

Dieſe Staude hat eine dicke, einfache, lange, weislich-ſaffrangelbe, biegſame, harte Wurzel, mit einer fetten, weichen, fleiſchigten, ſuͤslichen Rinde, die mit ver - ſchiednen biegſamen Fibern durchzogen iſt. Sie kriecht und klettert mit langen, einfachen, nakten, weit ausgebreiteten und biegſamen Aeſten, welche viel Mark aber wenig Holz haben. Von dieſen erheben ſich ſehr duͤnne, einfache, kaſtanienbraune, von außen haarichte Zwei - ge, die an beiden Seiten Blaͤtter haben, welche etwa einen Zol von einander aufrecht ſtehn, und an einem kurzen, duͤnnen Stiel haͤngen. Die Figur der Blaͤtter iſt lanzenfoͤr - mig, nemlich unten herzfoͤrmig, almaͤhlig verlaͤngert, endigt ſie ſich endlich in eine laͤngliche, enge und ſcharfe Spitze. Die Groͤße iſt ungleich und nicht genau beſtimt. Die unternBlaͤtter392I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. Blaͤtter ſind nemlich eine Spanne lang und zwei Zol breit; die obern aber ſind kaum den vierten Theil ſo gros. Die Subſtanz, Farbe und Oberflaͤche dieſer Blaͤtter iſt gerade eben ſo, wie bei der aͤchten Papierſtaude. Der aͤußere Rand iſt eben ſo dicht und gleich gezahnt. Die Nerven ſind duͤn und ſtehn an der Ruͤkſeite hervor. Ein großer theilt das Blat, von ihm gehn einige wenige bis an den Rand in einem weiten Bogen, und dieſe ſind durch ſehr viele Zwiſchenadern ſehr ſchoͤn unter einander verbunden. Blumen und Fruͤchte habe ich niemals gefunden.

Orenj, Alcea radice viſcoſa, flore ephemero, magno, puniceo.

Aus einer ſtarkgeſpaltnen, weißen, fetten, fleiſchigten, mit einem criſtalliniſchen klebrigten Safte angefuͤlten Wurzel erhebt ſich ein Stamm bis zur Laͤnge eines Fußes, der meiſtens jaͤhrig und einfach iſt. Wenn er laͤnger ſteht, ſo wachſen aus den Achfeln der Blaͤtter die neuen Zweige hervor. Das Mark fol ſchwammicht, weis und mit einer klebrigten Feuchtigkeit durchmiſcht ſeyn. Die Blaͤtter kommen hin und wieder in nicht aͤhnlichen Entfernungen von einander hervor, und haben Stengel, die einer Hand oder Spanne lang, an der untern Seite ſchilffoͤrmig, etwas purpurfarbig und meiſtens hohl ſind. Jhre Subſtanz iſt fleiſchigt und ſaftig. Das Blat iſt dem der Alceae Matthioli aͤhn - lich, beſteht aus ſieben Lappen, die zuſammen einen Kreis ausmachen, deſſen Durchmeſ - ſer etwa eine Spanne lang iſt, mit tief eingehenden, ganzen und ungleichen Vertiefungen. Der uͤbrige Rand iſt wenig aber ſtark und ungleich eingezakt. Uebrigens ſind die Blaͤtter eben, fleiſchicht, ſaftig, dem Anſehn nach eingebogen, etwas rauh und dunkelgruͤn. Dieſe Blaͤtter haben Nerven, welche mitten durch die Lappen laufen, und ſich in Spitzen endigen, und von da in viel andere zur Seite gehn, und gegen den aͤußern Rand ſich oft wieder in einander kruͤmmen, rauh und gebrechlich ſind. Am Ende des Stammes und der Zweige ſind die Blumen. Dieſe kommen im Herbſt aus den Achſeln der Blaͤtter hervor, haben viele von anderthalb Zol Laͤn - ge, welche dik, zuweilen etwas rauh, und unten von groͤßerm Umfang ſind, um die Blume zu tragen. Fuͤnf kleine Blaͤtgens umfaſſen die Blume, die anderthalb Zol lang, gruͤn, mit dunkel purpurnen Streifen durchzogen ſind, und einen haarigten Rand haben. Die Blume iſt fuͤnfblaͤtterig, ihre Farbe geht aus Purpur in Weis uͤber, im Mittelpunkt aber ins Blutrothe, iſt etwa einer Hand oder noch etwas groͤßer. Die Stiele ſind gros, rund, haben Streifen. Jm Anfang, wo ſie in die Blumendecke hineingehn, ſind ſie eng, kurz und fleiſchig. Der Staubweg darin iſt einen Zol lang, fet, weich und weis mit helfleiſch - farbnem in Knoͤtchens eingeſchlosnem Staube bedekt. Am Ende des Stils befinden ſich fuͤnf Stuͤcke, die mit hochrother Wolle bedekt ſind, und rund herum im Kreiſe ſtehn. Die Blume iſt ephemeriſch, wenn ſie des Abends ausgewachſen iſt, folgt nach wenig Ta - gen ein fuͤnfeckigtes, in fuͤnf Capſeln eingeſchoſſenes Samengefaͤs, das kegelfoͤrmig, zweiZol

Tab. XLI.

393I. Ueber die Verfertigung des Papiers in Japan. Zol lang, und im Grunde anderthalb Daumen breit iſt, eine haͤutige, dicke Subſtanz hat, wenn ſie reif iſt, ſchwarz wird und ſich mit ihren fuͤnf Capſeln oͤfnet. Jn dieſen ſind die Saamenkoͤrner enthalten, die in der Reihe an einander haͤngen, von ungleicher Zahl in jeder Capſel (10 bis 15) kleiner als Pfefferkoͤrner, etwas zuſammengepreßt, dunkel kaſta - nienbraun, rauh und leicht ausfallend.

Futo Kadſura, oder Sane Kadſure, ſonſt auch Orenz Kadſure wegen ihrer Kraft und Gebrauchs genant. Frutex viscoſus procumbens folio Te - lephii vulgaris aemulo, fructu racemoſo.

Die Staude iſt klein, hat unregelmaͤßig ausgebreitete Aeſte, und kriecht in einer oft abgeaͤnderten Beugung. Jhre Zweige ſind Fingers dik, unregelmaͤßig und oft ver - theilt, warzicht, geſpalten, brauner Farbe. Die Rinde iſt etwas dik, fleiſchigt, zaͤhe, mit wenigen ſtraffen, duͤnnen Fibern in die Laͤnge durchzogen. Wenn man nun ein kleines Stuͤk dieſer Rinde mit den Zaͤhnen zerkauet, ſo wird der ganze Mund mit einem ſchlei - michten Weſen angefuͤlt. Die Blaͤtter ſtehn in verſchiedner Entfernung von einander, ſind dicht, dem Blat Telephii vulgaris ſehr aͤhnlich, fangen ſpitzig an, ſind in der Mitte ohngefaͤhr eines Daumen, oder druͤber, breit, und endigen ſich in eine ſcharfe Spitze, zwei, drei bis vier Zol lang, zuweilen hart und fet, krum gebogen, gewaͤſſert. Jhre Oberflaͤche iſt an beiden Seiten glat, blasgruͤn, und der Rand hin und wieder mit weni - gen, ſcharfen und hervorragenden Zaͤhnen eingezakt. Jn der Mitte haben die Blaͤtter einen zarten, eingedruͤkten Nerven, von dem bis an den aͤußern Rand einige wenige, ſehr ſchwache, kaum ſichtbare Adern fortlaufen; ſie haͤngen an kurzen, gekruͤmten, auf der Oberflaͤche ſowol als in der innern Subſtanz etwas purpurrothen Stengeln. Die Frucht beſteht aus vielen (30 bis 40) Beeren, die in die Runde zuſammenſitzen, und an einem Zol langen, gruͤnen, duͤnnen Blatſtiel haͤngt. Dieſe Beeren ſind den Weintrauben aͤhnlich, werden im Winter reif und alsdenn roth, haben in einer duͤnnen Haut einen dich - ten, unſchmakhaſten Saft. Jn jeder Beere haͤngen zwei Saamenkoͤrner, die eine nieren - aͤhnliche Geſtalt haben, nach der erhoͤhtern Seite hin, wo ſie zuſammenhaͤngen, etwas ge - preßt, ſo gros wie Weintrauben, mit einer aſchgrauen Haut umgeben, in der innern Subſtanz etwas hart, weis und von unangenehmen Geſchmak. Jn der Mitte iſt die Frucht, um welche die Trauben ſitzen, eyrund, enthaͤlt eine ſehr weiße, fleiſchigte, ſchwam - migte, weiche Subſtanz, hat etwa die Breite eines Zols, und die Geſtalt einer etwas gro - ßen Erdbeere, iſt auf der Oberflaͤche roth, nezfoͤrmig geſtreiſt, und in den Zwiſchenraͤumen ſieht man noch die Spuren der Trauben, welche vorher dran geſeſſen und ſich eingedruͤkt haben.

Zweiter Band. D d dII. 394

II. Beweis, daß im Japaniſchen Reiche aus ſehr guten Eruͤnden den Eingebornen der Ausgang, fremden Nationen der Ein - gang, und alle Gemeinſchaft dieſes Landes mit der uͤbrigen Welt unterſagt ſey*)Dieſe Abhaudlung befindet ſich in den Amocn. exot. Faſc. II, Rel. 14. p. 478. ꝛc..

§. 1.

Man kan es vielleicht als ein Laſter anſehn, die kleine Welt, welche wir bewohnen, und als ein recht grobes Verbrechen, die menſchliche Geſelſchaft auf derſelben zu trennen? Der ſcheint den Urheber der Natur ſelbſt zu tadeln, der die Scheidung ſeines Werks predigt. Wir Menſchen ſehn alle eine Sonne, treten alle eine Erde, athmen eine Luft; keine Graͤnzen der Natur, keine Geſetze des Schoͤpfers trennen uns von einander. Sollen wir zu einem geringern Gluͤk, als Stoͤrche und Schwalben, geboren ſeyn? Jſt nicht unſre edle Seele ein Theil des Allerhoͤchſten und freieſten Weſens? Jſt es nicht ſchaͤndlich, dieſen Geiſt, der ſchon in einem Koͤrper eingeſchloſſen und gefangen iſt, auch noch in den Kefig eines Landes beſchraͤnken zu wollen. Selbſt die durch den wei - ten Aether zerſtreuete Geſtirne beweiſen dieſes. Viele glauben nemlich, daß alle dieſe ſchoͤne Welten nicht ganz nakt und umſonſt, ſondern mit mancherlei Arten von lebendigen Geſchoͤpfen geſchmuͤkt ſind, welche den erſten Urheber aller Dinge lobten, noch ehe der Grund unſrer Erde gelegt war, wie Gott ſelbſt ſagt, beim Hiob Cap. 38. Jeder, der ſich von den Feſſeln der Schule etwas befreiet, zu erhabnen Betrachtungen ſeinen Geiſt aufgeſchwungen hat, wird kein Bedenken tragen, ſich folgende Vorſtellung zum Lobe Got - tes zu machen. Die großen Weltkoͤrper ſeyen gleichſam Staͤdte, deren lebende Weſen durch einen undurchdringlichen Zwiſchenraum von ganz verſchiednen Elementen getrent ſind. Da -

Tab. XLII.

395II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. Dagegen waͤren die, welchen der hoͤchſte Baumeiſter nur ein Weſen und eine Subſtanz gegeben, auch in die Graͤnzen einer Welt, wie in die Ringmauern einer Stadt eingeſchloſ - ſen, beſtimt in einem ewigen Bunde vereinigt zu leben, den man ohne ſchaͤndliches Ver - brechen nicht zerreißen koͤnne. Man ſiehet auch, daß dieſer kleine Erdkoͤrper nach dem Gefallen der hoͤchſten Weisheit zum gemeinſchaftlichen Vaterland aller Menſchen ausge - waͤhlt ſey, weil er nicht alle mannichfaltige Guͤter der Natur, Pflanzen, Metalle, Thiere, in allen Laͤndern hervorbringt; ſondern zum gemeinen Nutzen und Beduͤrfniſſe ſie in alle vertheilt enthaͤlt, damit die Bewohner dieſer verſchiednen Laͤnder deſto genauer mit einander verbunden ſeyn moͤchten, und damit ihnen gegenſeitige Huͤlfe und geſelſchaftliche Verbindung zum Beduͤrfniſſe gemacht wuͤrde.

Hic ſegetes, illic veniunt felicius uvae, India mittit ebur, molles ſua Thura Sabaei.

Wie bundbruͤchig iſt alſo die Japaniſche Nation, welche, uneingedenk der Einrich - tung ihres Schoͤpfers und des Geſetzes der Natur, ſich nicht ſcheut, dieſe heilige menſchliche Geſelſchaft auf die ſchaͤndlichſte Art zu trennen. Wenn die Japaner die Thuͤren ihres Reichs vor dem Zugang und Gemeinſchaft aller Auslaͤnder verſchließen und verriegeln; wenn ſie die Fremden zuruͤkſtoßen, und die wenigen Zugelaſſenen feindlich bewachen; wenn ſie ihre Eingebornen innerhalb ihren Ufern gefangen halten; wenn ſie die durch ſtuͤrmiſches Meer an fremde Kuͤſten Geworfne, als ſtraf bare Fluͤchtlinge, zu ewigem Gefaͤngnis verdam - men; die aber, welche wirklich des ewigen vaterlaͤndiſchen Himmels uͤberdruͤſſig, oder be - gierig, einmal zu ſehn, was jenſeit des Meers iſt, zu entfliehen ſuchen, ans Kreuz ſchla - gen; Fremdlinge, die durch Sturm und Wetter an ihre Kuͤſte geworfen worden, zu Ge - fangnen machen: wenn, ſagt man, die Japaner ſo handeln, verletzen ſie denn nicht auf eine ſtrafbare Art das heilige Geſez der goͤttlichen Ordnung und der Natur?

Solte jemand etwa mit dieſen Gruͤnden meinen Saz zu beſtreiten ſuchen, wie ich hoͤre, daß es von einigen der neueſten Weltweiſen geſchieht, ſo werde ich ihn zwar in ſeinem Raiſonnement nicht unterbrechen. Jndes ließe ſich doch allenfals einwerfen: Es habe nun doch einmal der goͤttlichen Weisheit ſo gefallen, daß die Nationen, welche dieſe Erde bewohnen, durch Sprachen, Sitten und Faͤhigkeiten von einander getrent und geſchieden ſeyn; auch ſey dieſe Erde ganz ſichtbar nicht zur Wohnung eines, ſondern mehrerer Voͤl - ker eingerichtet; ihre verſchiednen Theile durch Fluͤſſe, Meere und Berge, und noch mehr durch ganz verſchiedne Climata, als wahre Naturgraͤnzen, von einander geſchieden, und alſo dadurch recht dazu gebildet, Buͤrger von ganz verſchiednen Faͤhigkeiten zu beherbergen. Und hat nicht Gott ſelbſt, als die Menſchen nach der Suͤndfluth ſich in eine GeſelſchaftD d d 2ver -396II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. verbinden wolten, ſie durch die Verſchiedenheit der Sprachen von einander geſchieden? offenbar in der Abſicht, daß die voͤllige Gemeinſchaft Aller aufgehoben, und die einzelnen Laͤnder von ſo vielen einzelnen Voͤlkern ſolten bewohnt werden? Alle alſo, die nach und nach in eine geſelſchaftliche Verbindung und zu einer Sprache vereinigt ſind, beneiden und haſſen natuͤrlich ihre Nachbarn von ganz verſchiedner Sprache. Wenn ja Monarchen weit - laͤuftige Reiche ſtiften wolten, und es wagten, uͤber die ewigen Graͤnzen der Natur ſich wegzuſetzen, ſo haben ſie faſt immer den einen Theil ihres Reichs durch Aufſtand verloren, wenn ſie ſich bemuͤhten, in einem andern ihre Macht feſt zu gruͤnden. Große Staatskoͤr - per werden ſo wenig durch die vereinigte Kraft vieler Voͤlker erhalten, daß ſie vielmehr bald durch ihre eigne Laſt in viele kleine Staaten zerſplittert werden, und denn mit beſtaͤndiger Abneigung und Has gegen einander ſtreben. Haͤtte die Natur alle Laͤnder ſo mit allen Ge - genſtaͤnden der Beduͤrfniſſe verſorgt, daß alle Begierden in den Herzen der Menſchen be - friedigt, jedes Volk innerhalb ſeiner Graͤnzen zufrieden waͤre; ſo wuͤrden nie Haͤuſer und Staͤdte zerſtoͤrt, nie Menſchen geſchlachtet, nie Laͤnder verwuͤſtet, heilige und weltliche Wohnungen niedergeriſſen, ſo wuͤrde nie ſo unſaͤgliches Ungluͤk erduldet ſeyn. Vielmehr wuͤrden dann die Voͤlker durch fremde Beſchaͤftigungen weniger zerſtreuet, ihre oͤffentlichen Angelegenheiten ſo wie die Privatgeſchaͤfte beſſer beſorgen, die wuͤſten und verlaſſenen Ge - genden ihres Vaterlandes anbauen, in Wiſſenſchaften, mechaniſchen Kuͤnſten und Tugen - den mit mehr Nacheiferung und Fleis ſich ausbilden; Strafen und Belohnungen billiger vertheilen; der Kinderzucht und aller haͤuslichen Geſchaͤfte fleißiger abwarten, und, da - mit ich mit einem Worte alles ſage, ſich nach dem Beiſpiel der Japaner zu dem hohen Gipfel der gluͤkſeligſten Verfaſſung erheben. Jch ſage nach dem Beiſpiel der Japaner, die ganz in ihre kleine Welt eingeſchloſſen, der allerheiterſten Maͤßigung und Seligkeit ge - nießen, die ganz ruhig die Gemeinſchaft mit den benachbarten Nationen, ja mit der gan - zen uͤbrigen Erde entbehren. Niemand wird leugnen, daß die Gemeinſchaft zwiſchen ver - ſchiednen Laͤndern nur zu Erhaltung aller Dinge errichtet ſey, die entweder fuͤr die Noth - durft des Lebens oder fuͤr die Bequemlichkeit und den Luxus Beduͤrfniſſe ſind. Ein Volk holt von dem andern Geſetze zu Einrichtung ſeines Staats, Religion zur Beruhigung des Gewiſſens, Wiſſenſchaften zur Ausbildung des Geiſtes; mechaniſche Kuͤnſte zur Noth - durft oder zum Glanz des Lebens; Produkte zum Unterhalt oder zur Kleidung, Arzneien zu Erhaltung der Geſundheit. Wenn dies der Grund aller Verbindung unter den Men - ſchen iſt, ſo folgt, daß derjenige Staat, dem die guͤtige Natur alle Arten von Beduͤrfniſ - ſen |reichlich geſchenkt hat, und der durch ſeiner Bewohner lange und fleißige Arbeit aufs vol - kommenſte ausgebildet iſt, nicht nur wohl thue, ſondern auch verbunden ſey, ſeine Buͤrger und| ſeine Graͤnzen vor den Laſtern, der Gierigkeit, dem Betruge und den Waffen der Fremden zu ſichern, von denen er nichts bedarf; wenn nur die Lage und uͤbrige Beſchaf -fenheit397II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. fenheit des Landes eine ſolche Scheidung erlaubt, und die Buͤrger des Staats maͤchtig und tapfer genug ſind, um ſie zu bewirken. Daß Japan vor allen uͤbrigen Laͤndern der Erde mit dieſen Vortheilen beſeligt ſey, wird jedem einleuchten, wenn ich eine kurze Beſchrei - bung deſſelben gebe, ſo weit ſie hier zu meinem Zwek hinlaͤnglich iſt.

§. 2.

Japan, bei den Eingebornen Nipon, d. i. in der Sonnen Feſte, heiſt dieje - nige Jnſel, welche den Europaͤern zuerſt vom Marko Polo, einem Venetianer, unter dem Namen Zipangri (ein Wort von unbekantem Urſprung) bekant gemacht iſt. Es be - ſteht aber dieſes Reich nicht aus einer Jnſel, ſondern aus mehrern, die, wie Grosbritan - nien, durch viele enge Oefnungen des Oceans von einander getrent ſind, und im entlegen - ſten Oſten liegen. Die Natur hat dieſes Reich mit einer unbezwinglichen Schuzmauer umgeben, und gleichſam unuͤberwindlich gemacht, da es allenthalben von einem fuͤr die Seefahrer feindſeligen Meer umfloſſen iſt. Dieſes ſchaͤumt den groͤſten Theil des Jahrs durch, ſeine widerſtrebenden Wellen und Stuͤrme ſind allen den Schiffen entgegen, die von Suͤden herkommen, und laſſen unſere Flotte nur in wenigen Monaten zu. Die ſehr ſteilen Ufer ſtoßen an ein eben ſo felſigtes Meer, und ſind uͤber einen Ankerwurf ſehr untief. Fuͤr große Schiffe iſt auf der ganzen Jnſel nur eine Anfuhrt in dem Buſen der Stadt Nangaſacki; aber der Zugang zu derſelben iſt ſehr eng, hat viele Kruͤmmungen, und ei - nen Labyrinth von verborgenen und hervorſtehenden Klippen, die ſelbſt den erfahrnen See - fahrern gefaͤhrlich ſind. Wenn mehrere Haͤfen ſeyn ſolten, ſo werden ſie uns doch bis izt verborgen gehalten, und ihre Offenbarung iſt ſogar bei Lebensſtrafe verboten. Jch wil nichts ſagen von der Gefahr, welcher man im hohen Meer ausgeſezt iſt, beſonders bei der Jnſel Formoſa und den Liquejiſchen Eylanden. Dieſe iſt ſo gros, daß ehmals (wie das Meer in der Gegend noch nicht genug bekant war) die Portugieſen eine Seereiſe hieher gluͤklich nanten, bei der von drei Schiffen eines wohlbehalten zuruͤkkam.

Die Zahl der Einwohner von Japan ſcheint allen Glauben und den Umfang des Landes zu uͤberſteigen: ſehr oft haͤngen ſehr viele Doͤrfer in ununterbrochner Reihe mit ein - ander zuſammen; ſo wie man aus dem einen herauskoͤmt, trit man ſogleich ins andre, und ſo laufen an einander gebauete Haͤuſer nur unter veraͤnderten Namen viele Meilen lang fort. Auch giebt es hier eine Menge Staͤdte, deren vornehmſte ungeheuer gros und ganz dicht bebauet ſind. Die eine, welche von dem in derſelben ſich aufhaltenden oberſten Prieſter Kjo oder Miaco, d. i. die Stadt oder Hauptſtadt, heißt, iſt in der Figur ei - nes regulaͤren Viereks gebauet, und hat ganz regelmaͤßige Straßen. Jhre Laͤnge kan man kaum in drei Stunden, und ihre Breite in zwei Stunden durchgehn. Die kaiſerliche Re -D d d 3ſidenz398II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. ſidenz und Stadt Jedo hat einen ſolchen Umfang, daß man ſie mit Recht die groͤßte auf der Erde nennen kan. Jn der That haben wir einen ganzen Tag zugebracht, ehe wir eine krumme mitten durch die Stadt laufende Gaſſe dieſer Stadt von der aͤußerſten Vorſtadt Sinigawa an bis zu Ende in maͤßigem Schrit durchreiten konten*)Dieſe und andre Beſchreibungen von der Groͤße und Bevoͤlkerung Japaniſcher Staͤdte ſcheinen faſt uͤbertrieben. Nur denn wird man die Sache eini - germaßen begreiflich finden, wenn man bedenkt, daß die Doͤrfer faſt ganz ununterbrochen an einan -derhaͤngen, und alſo meilenlange Straßen bilden; welches denn beſonders in der Naͤhe von Jedo der Fal iſt, wo alle umliegende Doͤrfer, nach und nach vereinigt, ihre beſondren Namen verloren haben, und Theile dieſer ungeheuern Stadt geworden ſind..

Es fehlt dieſen Einwohnern nicht an Kuͤhnheit, oder ſol ich es Tapferkeit nennen? Mit edler Verachtung des Lebens und ſtoiſchem Muthe ſcheuen ſie ſich nicht, an ſich ſelbſt Hand zu legen, ſo oft ſie von Feinden uͤberwunden oder unfaͤhig ſind, irgend eine erlittene Schande zu raͤchen. Wenn man die Geſchichte ihrer buͤrgerlichen Kriege ließt, ſo mus man die ausnehmende Kuͤhnheit bewundern, mit der ſie ihre Tapferkeit in den vorigen Jahrhunderten gegen einander geuͤbt haben. Hier findet man an den Joſitzne, Kijo - mori, Kusnoki, Abino Nakimar und unzaͤhlig andern Japaniſchen Helden Mutios, Scaͤvolas und Horatier genug.

Jch wil nur ein Beiſpiel der kuͤhnen Japaniſchen Handlungsart anfuͤhren, das in Gegenwart unſrer Hollaͤnder und noch nicht vor langer Zeit (im J. Chr. 1630) von ſie - ben Juͤnglingen aus der Provinz Satzuma gegeben iſt. Aus derſelben war ein kleines Schif zum Handel auf die Jnſel Formoſa gekommen (denn damals war dieſe Jnſel noch nicht von den ſineſiſchen Fluͤchtlingen eingenommen, und Japan auch noch nicht verſchloſ - ſen), deſſen Manſchaft der hollaͤndiſche Befehlshaber, Peter Nuits, vielleicht zur Ver - geltung des von ihnen erlittenen Unrechts, hart behandelt hatte. Das Gefuͤhl der Ehr - furcht fuͤr ihren Regenten erlaubte dieſen Leuten nicht, die Schande zu verſchweigen, die aus einer ſolchen Beleidigung fuͤr ihn entſprang, und er ſelbſt wurde auf das aͤußerſte durch dieſe Nachricht aufgebracht. Da er indes nicht im Stande war, ſich zu raͤchen, vorzuͤg - lich fuͤr ein von dem Nan Banj, d. i. dem Poͤbel aus Suͤden, (ſo einen geringſchaͤtzi - gen Namen fuͤhren wir in dieſem Lande) erlittenes Unrecht, ſo ſchien es nicht, daß er ſich dagegen zu aͤußern wagte. Dies brachte die Juͤnglinge auf, ſie giengen zu ihm und redten ihn ohngefaͤhr ſo an: Wir waͤren nicht wuͤrdig, deine Leibwache zu ſeyn, wenn du uns nicht erlaubſt, auch deine Ehre zu raͤchen; wir wollen ihren Flek mit dem Blut des Be - leidigers ausloͤſchen, und nach deinem Befehl entweder ſogleich das verbrecheriſche Haupt von ſeinem Koͤrper trennen oder ihn dir lebendig herbringen, und dir ſelbſt uͤberlaſſen, ihn zu zerfleiſchen. Unſerer ſieben hier von deinen Leuten ſind genug. Unſern wuͤthenden Eiferſol399II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. ſol nicht das ſchaͤumende Meer aufhalten, nicht die Veſtung, nicht die geharniſchte Leib - wache. Jene ſind nur Nan Banj, wir aber das goͤttliche Geſchlecht Nifon ſin, d. i. Japaner, oder nach der Bedeutung, Menſchen auf der Welt unter der Sonne. Da dieſe aufgebrachte Juͤnglinge nicht aufhoͤrten, um die Erlaubnis, ihr Unternehmen auszu - fuͤhren, dem Fuͤrſten anzuliegen, ſo erhielten ſie dieſelbe endlich. Jhre kluge Kuͤhnheit hatte auch einen gluͤklichen Ausgang. Sie kamen in ihrem Schiffe gluͤklich auf die Jnſel, wurden, um ihr Compliment abzulegen, zugelaſſen, zogen ihre Wurfſpieße hervor, und fuͤhrten denn den hollaͤndiſchen Befehlshaber am hellen Tage, mitten durch ſeine Wachen und in Gegenwart vieler Zuſchauer, in ihren Kahn. Kein Soldat, kein Hausbedienter unterſtand ſich, dieſen Leuten entgegen zu treten, die ſo ganz unerwartet und ſo kuͤhn ihren Befehlshaber entfuͤhrten, und die dem grauen Haupte deſſelben mit dem Schwerdte droh - ten, wenn Jemand ihnen denſelben zu entreißen wagen ſolte.

Man wird auch eine nie zu ermuͤdende Standhaftigkeit bei einer Nation nicht ver - miſſen, welche Liebe, Has und Krieg bis auf die ſpaͤteſten Nachkommen fortpflanzt, und nur durch die gaͤnzliche Vertilgung der andern Parthei befriedigt werden kan. Noch trift Japan von dem Norden des vorigen Jahrhunderts, mit dem die beiden feindlichen Familien Feki und Gendſi bis zu ihren ſpaͤteſten Nachkommen gegen einander wuͤtheten, da die leztern, welche Sieger waren, nicht eher die Waffen niederlegten, bis der Name der Feki ganz ausgerottet war. Denn izt ſind aus dieſem erlauchten Geſchlecht nur noch einige wenige uͤbrig, die ſich auf die unzugaͤnglichen Gebuͤrge in der Provinz Bongo ge - fluͤchtet haben, wo ſie, mehr Faunen als Menſchen aͤhnlich, ihren Namen und alle menſch - liche Sitten vergeſſen haben, und in Hoͤlen leben, wie man noch neulich erfahren hat.

Von auswaͤrtigen Feinden iſt der kriegeriſche Muth der Japaner weniger beſchaͤf - tigt worden. Dieſe grosmuͤthige und unbeſiegte Nation iſt von ihnen ſelten angefallen, nie - mals aber uͤberwunden und fremde Geſetze anzunehmen gezwungen worden. Vor izt tau - ſend Jahren unter der Regierung des Kaiſers Kwan Muu ſchikte der Abgrund der Tar - tarei (die Griechen haben dem Lande dieſen Namen gegeben wegen ſeines weiten Umfangs〈…〉〈…〉 nicht vom Fluſſe) große Heere an das Japaniſche Ufer aus, ein Feind, der ganz unerwartet ſich eindrang, und nicht ſo leicht wieder vertrieben werden konte. Denn ſo oft er auch durch wiederholte Niederlagen etwas geſchwaͤcht wurde, ſo wuſte er ſich doch immer wieder durch neue heruͤbergekommene Truppen zu verſtaͤrken; und ſo dauerte bis in das funfzehnte Jahr (nach chriſtlicher Zeitrechnung des J. 790) eine ununterbrochne Folge vom Kriege und Schlachten fort, bis endlich in einer ſtuͤrmiſchen Nacht (dies ſind die eignen Worte der Japaniſchen Annalen) der groͤſte der Goͤtter Quan non oder Quan wonj, (der Briareus dieſer Nation〈…〉〈…〉) mit ſeinen zahlreichen Haͤnden (ſeiner großen Macht) die feindliche Flotte verſenkte, und am folgenden Tage der durch dieſengoͤttlichen400II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. goͤttlichen Beiſtand ermunterte Japaniſche Held Tamaramar ſeine Truppen gegen die feind - liche Macht fuͤhrte, und da ihre Angelegenheiten in der groͤſten Verwirrung waren, und ſie alle Hofnung des Siegs verloren hatten, ſie in der Flucht einſchlos, und dermaßen ſchlug und ganz vertilgte, daß auch nicht einer uͤbrig blieb, der von der erlittenen Nieder - lage haͤtte Nachricht in ſein Land bringen koͤnnen*)Kaͤmpfer hat dieſes tatariſchen Einfals ſchon oben (Band 1. p. 211.) erwaͤhnt, doch dort nicht des goͤttlichen Beiſtandes des Quannon; auch ſezt er hier die gaͤnzliche Vertilgung dieſer Feinde ins15te, an jener Stelle ins 18te Jahr nach ihrer Ankunft.. Mit gleicher Standhaftigkeit hielt Japan im J. 1281 unter der Regierung des Goouda, den Angrif des wuͤthenden tatari - ſchen Heerfuͤhrers Nooko aus. Denn da dieſer dem tatariſchen Ueberwinder von Sina Sji Su auch die Herrſchaft dieſes Reichs erringen wolte, und mit 4000 Schiffen und 240,000 Bewafneten (die Sineſer ſagen 100,000) die Japaniſche Kuͤſte anfiel, ſo wurde er mit gleichem Gluͤk gaͤnzlich vertilgt**)S. oben B. 1. p. 226 und 227.. Niemals wurde Japan haͤrter angefallen, niemals genos es triumphirender der Frucht eines großen Sieges als in dieſen beiden Faͤl - len. Und gewis wird niemals irgend eine Nachwelt erfahren, daß es dieſem Volk im Kriege an Klugheit, Munterkeit, Ordnung und Gehorſam fehle, ohngeachtet der Ruhe und tiefen Stille, in welcher ſich izt das Reich befindet, welche ſonſt die Gemuͤther der Menſchen traͤg und unthaͤtig zu machen pflegt. Die Japaner erhitzen ſich beſtaͤndig durch lebhafte Erinnerung an die großen Thaten ihrer Vorfahren, und erhalten dadurch ihren Muth und ihre Tapferkeit beſtaͤndig rege. Jch ſelbſt habe es gehoͤrt, wie man ſchreiende Kinder mit kriegriſchen Liedern beſaͤnftigte, wie man in den Schulen die lezten Briefe der Helden und (die hier auch in die Heldenklaſſe gezaͤhlt werden) der Selbſtmoͤrder den Knaben erklaͤrte, ſie dieſelben auswendig lernen und zur Uebung ſchreiben lies, um ihnen ſo mit den erſten Kentniſſen Verachtung des Todes und Tapferkeit einzufloͤßen. Auch iſt bei Gaſt - mahlen nicht ungewoͤhnlich, mit dem Becher in der Hand der alten Krieger Thaten zu ſin - gen, und ſich noch mehr durch Verlangen nach Ruhm als den Geiſt des Getraͤnks zu erhi - tzen. Wenn daher nach des Reichs Sitte zuweilen durch ein auf den Bergen angezuͤndetes Feuer den Buͤrgern eine Landsgefahr angekuͤndigt oder durch gegebne Zeichen die Huͤlfe der kleinen Koͤnige verlangt wird; ſo ſieht man die Menſchen ſogleich in zahlreichen Haufen zu - ſammenlaufen, und wohlbewafnet Jeder vor dem Fuͤrſten ſeines Landes erſcheinen, die Befehle deſſelben verlangen, und mit weteiſernder Begierde ſeine Winke volziehn. Sie koͤnnen dann (welches freilich ein Fehler) keinen Aufſchub leiden, und die Juͤnglinge pfle - gen oft, durch feurige Ruhmbegierde angetrieben, noch vor dem Befehl zu handeln. Es fehlt ihnen auch nicht an bequemen Waffen, Pfeilen, mit denen ſie den Feind von weitem,klei -401II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. krummen Spießen und Dolchen, mit denen ſie ihn in der Naͤhe anfallen. Die leztern ſind beſonders ſo ſcharf, daß ſie mit einem leichten Hieb einen menſchlichen Koͤrper zertheilen koͤnnen. Sie ſind auch mit beſondrer Kunſt gemacht, daher es ehmals verboten war, ſie außer Landes zu fuͤhren, oder an Fremde zu verkaufen, bey Lebensſtrafe des Verkaͤufers und aller, die den Handel etwa hindern konten.

Außerdem iſt die Nation ausnehmend hart und gewohnt, Arbeit zu ertragen, mit ſchlechten Waldkraͤutern, Meergras und Schildkroͤten ihren Hunger, mit Waſſer ihren Durſt zu ſtillen, mit nakten Fuͤßen und Kopf einherzugehn; ohne Hemder, ohne weiche Kuͤſſen ſchlafen ſie auf der Erde, und einem Holzklotze ſtat des Kopfkuͤſſens. Kalte Naͤchte koͤnnen ſie durchwachen. Uebrigens aber ſind ſie bei ihrer Kleidung, Koͤrper, Sitten und Wohnung ausnehmend rein und niedlich.

Daher bin ich auch gar nicht der Meynung, daß die Japaner von den weichlichen Sineſern abſtammen, und ſicher kan dieſes niemand glauben, der, uneingenommen von der Auktoritaͤt des erſten Reiſebeſchreibers, im Lande ſelbſt genauere Kentniſſe einzieht. Dieſe Nation hat ein tatariſches, aber gezaͤhmtes und ausgebildetes Genie, ein tatariſches Blut, das aber mit ſineſiſchem gemiſcht iſt, wie ich in der Beſchreibung von Japan noch weiter zeigen werde.

§. 3.

Eine Nation, die auf die Art durch Lage und Charakter gegen aͤußere Anfaͤlle be - veſtigt und unuͤberwindlich gemacht iſt, wuͤrde es indes doch vergebens verſuchen, ihre Gaͤſte und Feinde gleich ſtreng einzuſchraͤnken, wenn ſie nicht innerhalb ihrer eignen Graͤn - zen zufrieden und gluͤklicher (als durch die Gemeinſchaft mit Fremden) leben koͤnte. Daß ſie dieſes koͤnne, bekent die Nation ſelbſt, ſeit ſie die Thore ihres Landes verſchloſſen hat, und jeder von uns kan ſich davon auch leicht uͤberzeugen, wenn er nun noch die uͤbrigen Vor - theile dieſes Landes erwaͤgt. Denn es hat (welches gewis eine der erſten Gluͤkſeligkeiten iſt) eine ſolche Lage, daß es weder von einer zu brennenden Hitze, noch einer eben ſo ſchaͤdlichen Kaͤlte leiden darf. Denn nirgend iſt das Klima gelinder, und die Erde fruchtbarer, als in denen Laͤndern, welche zwiſchen dem 30 und 40ſten Gr. der Breite liegen. Aber es iſt doch, koͤnte man einwerfen, ein unebnes, felſigtes, bergichtes und rauhes Land, das, wenn es ſich allein uͤberlaſſen waͤre, nothwendig unfruchtbar ſeyn muͤßte. Aber dies iſt gerade eine Wohlthat der Natur, daß die Fehler des Landes den Bewohnern Gelegenheit geben, ihre Tugenden, Fleis und Genuͤgſamkeit zu uͤben. Nie wird man hier ſo harte Felſen, ſo hohe Gipfel der Berge finden, denen nicht unter dieſem fruchtbaren Himmels - ſtriche der fleißige Ackersman durch Schweis und Arbeit einen jaͤhrlichen Tribut zu entlockenZweiter Band. E e ewuͤßte,402II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. wuͤßte, oder, wenn ſie gar nicht angebauet werden koͤnnen, wo doch nicht das gemeine Volk, welches gar kein Ackerland hat und nie muͤßig iſt, die Waldpflanzen und das von andern Nationen verachtete Unkraut zu ſamlen und zum Genus zuzubereiten wuͤſte. Ja ſie wiſſen ſogar die Wurzeln in Suͤmpfen, Waͤldern und Wuͤſten, und das ganze Thier - und Pflan - zenreich des Meers, Krebſe, Schaalthiere, Schildkroͤten, und ſogar auch giftige Fiſche, nicht nur blos zur nothduͤrftigen Nahrung, ſondern auch zum Nachtiſch und zur Pracht auf den Tafeln der Großen zu gebrauchen. Die Natur, ſcheint es, hat es ihnen an keiner Art von Stoff mangeln laſſen wollen, der ihre Tugend uͤben koͤnte, wo ſie ihre gegen die Haͤrte und Rauheit des Bodens einen harten Koͤrper, gegen die Unfruchtbarkeit deſſelben einen erfindriſchen Geiſt gegeben hat; und ſie hat auf alle Art zu verhuͤten geſucht, daß ihre edlen Faͤhigkeiten nicht in ſchaͤndlicher Traͤgheit verroſteten, dagegen die Schwarzen, welche zwiſchen den Wendekreiſen leben, ein langweiliges Leben gleich dem traͤgen Vieh fuͤhren, da ihre Baͤume ſie mit freiwilliger Frucht umgeben. Man wird einwerfen, es ſey doch immer ein ungluͤkliches Land, das ſeine Buͤrger beſtaͤndig eingeſchloſſen haͤlt, und alle Gemeinſchaft unter ihnen ſelbſt ſo ſchwer macht, da es beinahe in eine unzaͤhlige Menge kleiner Jnſeln zerriſſen und vertheilt iſt. Aber auch hier iſt wieder Wohlthat der Natur, welche hier gleichſam die ganze uͤbrige Erde im Kleinen hat nachahmen wollen, und durch die Verſchiedenheit der Lage und des Bodens dieſer Laͤnder auch eine Menge verſchiedner Produkte hervorgebracht hat. Denn nichts kan wohl vermiſſet werden, das nicht eine die - ſer Provinzen und Jnſeln zum gemeinen Nutzen des Staats hervorbringt. Osju, Sado, Syriga und Satzuma haben Gold; Kitamaj und Bengo Silber; Syriga, Atſingano und Kii no kuni Kupfer; Bungo Zinn; Bitsju Eiſen; Tſikuſen Stein - kohlen; Ono Holzkohlen; der feuerſpeiende Berg Jwogeſima giebt beſtaͤndig Schwe - fel von ſich, und außerdem wird er an verſchiednen Orten in Subſtanz gefunden; die Pro - vinz Fiſen hat verſchiedne Arten Thonerde, die auch zum Porcellain gebraucht wird. Aus Toſſa, Ofarra, Aki wird Holz ausgefuͤhrt, aus Nagatto Ochſen, aus Osjo und Satzuma Pferde. Cango hat einen großen Ueberflus an Reis, Tſikuſen an Kaſta - nien; Wakoſa an Feigen und allen Arten von Fruͤchten. Die Ufer der Provinz Oki ſind mit Schaalthieren, die von Nisji Jamma mit Meergras, die uͤbrigen mit einer Menge mannichfaltiger Fiſche geſegnet. Jch uͤbergehe die vielen Arten von Getraide, Gemuͤße und Pflanzen, die in Webereien verarbeitet werden, welche in mehrere Provin - zen zugleich ausnehmend gut fortkommen, Omru hat Perlen in ſeinem Buſen; Rjuku, Satzuma, Kii no kuni Ambra an ſeinem Ufer; Tſugeru Kriſtal und andre Edelge - ſteine. Auch darf man keine Arzneimittel aus fremden Laͤndern holen, da hier die tiefen Thaͤler, und die ausnehmend hohen Berge die Pflanzen der allerverſchiedenſten Klimate zu - gleich hervorbringen. Und da es dieſer edlen Nation in keiner Art von Kunſt an Stoff zurVerar -403II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. Verarbeitung innerhalb ihrer Graͤnzen fehlt, an der ſie ihren Geiſt und Fleis uͤben konnte: ſo hat ſie auch keiner fremden Lehrer bedurft, vielmehr alle Voͤlker in Arbeiten der Haͤnde und des Kopfes uͤbertroffen, vorzuͤglich in Bearbeitung der verſchiednen Erze, des Goldes, Silbers und Kupfers. Jhre treflichen Waffen beweiſen genug, wie ſehr die Japaner bei dem Eiſen Haͤrte und Glanz zu verbinden wiſſen. Das Sawaas, ein ſehr koſtbares kuͤnſtliches Metal, das aus einer Miſchung von Gold und Kupfer entſteht, und eine glaͤn - zend ſchwarze Oberflaͤche hat, wird von keiner andern Nation des Orients mit ſo vielem Ver - ſtand bearbeitet, vergoldet und zum Werth des allerfeinſten Goldes erhoben. Jhre ſeidne Zeuge hahen eine Gleichheit und Feinheit der Faͤden, die ſelbſt den Sineſen unnachahmlich iſt. Dieſes iſt beſonders eine Wirkung der Arbeit der Japaniſchen Großen, welche oft ihrer Verbrechen wegen auf wuͤſte Jnſeln verwieſen werden, wo ſie dann ihren Geiſt und uͤberfluͤſſige Zeit auf die feinſte Weberei wenden. Auch verfertigen die Japaner aus ihrem Reis einen viel edlern und beſſern Wein, als die Sineſer. Sie nennen ihn Dſjaka. Auch unter ihren Speiſen ſind diejenigen die beſten, welche nur mit vaterlaͤndiſchen Ge - wuͤrzen bereitet ſind. Aus der Rinde des Morus ſylveſtris machen ſie ein weit ſtaͤrkeres und weißeres Papier, als die Sineſer aus Rohr und Baumwolle. Und wer bewundert nicht den Glanz des Japaniſchen Ferniſſes in ihren Wohnungen, auf ihren Tiſchen und Hausgeraͤthen? Aller Fleis und Bemuͤhung der Sineſer und Tunkineſer hat es in lakirten Arbeiten niemals zu der Volkommenheit der Japaniſchen bringen koͤnnen, weder in Abſicht des Glanzes, noch der kuͤnſtlichen Ueberziehung ihres Firniſſes. Siam iſt in dieſer, ſo wie in allen andern Kuͤnſten, in einem ewigen traͤgen Schlummer begraben. Jch uͤbergehe ſehr viele andre Arbeiten, die theils zur Nothdurft des Lebens, theils zum Luxus gehoͤren, und in verſchiedenen Provinzen, aber nicht mit gleicher Geſchiklichkeit in gleichem Werth und gleicher Menge verfertigt werden. Der gegenſeitige Tauſch aller dieſer im Lande ſelbſt hervorgebrachter Dinge mus natuͤrlich die Handlung auf eine ausnehmende Weiſe beleben, und die mannichfaltigſte Beſchaͤftigung der Unterthanen hervorbringen. Daher giebt es ſo viele reiche bluͤhende Handelsorte in allen Theilen des Reichs, ſo viele mit Schiffen beſtaͤn - dig angefuͤlte Hafen. Man wird faſt geneigt zu glauben, daß der Ocean an den Kuͤſten und die Meerbuſen zwiſchen den Jnſeln bewohnt ſeyen, ſo gros iſt daſelbſt unaufhoͤrlich der Zuſammenlauf der Menſchen und die Durchkreuzung der Seegel. Die Japaner haben ſowohl Schiffe zur Pracht als auch zum Gebrauch. Doch iſt eine beſondere Eigenſchaft ihrer Schifbaukunſt merkwuͤrdiger. Alle ihre Schiffe nemlich haben das Hintertheil unbe - dekt, daher auf hohem Meer das Waſſer ſogleich in das Schif trit. Man erkent leicht die Abſicht dieſer Einrichtung, es den Unterthanen beinahe unmoͤglich zu machen, aus ihrer Japaniſchen Welt zu entfliehen.

E e e 2Jn404II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt.

Jn Abſicht der Wiſſenſchaften und der Ausbildung des Geiſtes koͤnte man vielleicht einwerfen, daß doch den Japanern das Studium der Philoſophie abgehe. Jndes verban - nen doch die Japaner ihre Philoſophen nicht, aber muͤßige Betrachtungen verweiſen ſie in Kloͤſter. Sie begnuͤgen ſich mit der einzigen Moral, der goͤttlichen Philoſophie, welche ſie, nach ihrem eigenen Bericht, dem großen Lehrer Koo oder Koos (welcher bei uns neuerlich den Namen Konſucius erhalten hat) verdanken, und von der man vorher glaubte, daß ſie beinahe ein ganzes Jahrhundert ſpaͤter der griechiſche Sokrates vom Himmel ge - holt, und die Sterblichen zuerſt gelehrt habe. Aber ich geſtehe, daß den Japanern die Tonkunſt abgehet, diejenige naͤmlich, welche auf feſte Grundſaͤtze gebauet iſt; eben ſo kennen ſie auch nicht die hoͤhern Theile der Mathematik. Aber welche Nation der Erde, die Eu - ropaͤer ausgenommen, iſt jemals in dieſe Heiligthuͤmer eingedrungen? Wo iſt jemals der menſchliche Geiſt außer unſrer weſtlichen Welt zu einer ſolchen Aufklaͤrung empor geſtie - gen? Eben ſo mus man auch von der ſeligmachenden Erkenntnis Gottes durch Chriſtum den - ken. Man kan hiebei vielleicht noch eine andere Entſchuldigung gebrauchen. Es mus nemlich einer ſo aufgeklaͤrten Nation natuͤrlich hart ſeyn, ihre uralte vaͤterliche Religion zu verlaſſen, und dagegen eine ganz fremde, neue und dem erſten Anblik nach ſo unglaubliche Lehre anzunehmen, deren Gott zugleich Menſch, und ſogar gekreuzigt iſt. Schon vor ei - nem Jahrhundert war die Fackel des Chriſtenthums in dieſem oͤſtlichen Theile der Erde an - gezuͤndet, aber leider! wurde ſie nach kurzer Zeit durch das Blut der Maͤrtyrer wieder aus - geloͤſcht; beides zuerſt durch den lobenswuͤrdigen Eifer, und nachher durch die Schuld der ehrwuͤrdigen Vaͤter von der Geſelſchaft Jeſu. Gewis wuͤrden dieſe unermuͤdeten Maͤn - ner den chriſtlichen Glauben gluͤklicher und dauerhafter gegruͤndet haben, wenn ſie nicht oft ſich zu ſehr auf den gluͤklichen Anfang und eigene gute Anſchlaͤge verlaſſen, in fremde Haͤn - del und gefaͤhrliche Unternehmungen gemiſcht, auch manchmal mit uͤbereilter Ungeduld den gewuͤnſchten Ausgang einer Sache unvorſichtig zu beſchleunigen geſucht haͤtten. Es iſt un - ſtreitig, daß keine heidniſche Nation eine fremde Religion verdamt, oder ihre Lehrer ver - treibet, wenn ſie nicht von derſelben irgend einen Nachtheil, beſonders Gefahr fuͤr die oͤf - fentliche Ruhe erfahren hat. Jn Japan herrſcht indes auch nicht der Atheismus; dies Reich hat vielmehr ſeine eigene Religion; jeder hat die Freiheit, ſeinen Gottesdienſt auf ſeine eigene Art einzurichten, welche meiſtens ſehr ſtrenge iſt. Jn der Ausuͤbung der Tu - gend, in der Gottesfurcht und einem reinen Leben, in der Sorge fuͤr ihre Seelen, in der Buͤßung ihrer Suͤnden, und in dem Verlangen nach der ewigen Gluͤkſeligkeit, iſt die Nacheiferung unter den Japanern weit groͤßer, als unter den Chriſten.

Die Medicin kennen die Japaner beſſer als unſre Chirurgie. Jndes ermuͤden ihre Aerzte den Kranken nicht mit einer großen Menge von Arzneien, ſie ſuchen vielmehr allemal die Wurzel des Uebels (wofuͤr ſie allemal die Verſtopfung halten) und die Materiedes405II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. des Schmerzes (welche ſie verſchloſſene Winde nennen) durch aͤußere Mittel naͤmlich die Nadel und den Rauch zu vertilgen. Auch durch den Gebrauch der Baͤder im Hauſe, de - ren ſich die Japaner taͤglich zur Reinigung ihres Koͤrpers bedienen, vertreiben ſie eine un - zaͤhlige Menge Krankheiten, ohne gerade die Abſicht zu haben. Auch die auf das heftigſte Gelaͤhmten pflegen ſie nach unſrer Weiſe in die Baͤder zu ſchicken, die man im Reiche hin und wieder, und zwar von ausnehmender Wirkſamkeit, findet.

Aber, wird man vielleicht einwerfen, Japan kent doch gewis nicht die heiligen Geheimniſſe der Themis? Die unſrigen, denke ich, koͤnnen ſie nun wohl ganz ruhig ent - behren, da durch ihren haͤufigen Misbrauch die Unſchuld mehr leidet als geſchaͤzt wird. Jn Japan, und uͤberhaupt in ganz Aſien, iſt der Weg zur Gerechtigkeit kuͤrzer. Man bringt hier nicht ganze Olympiaden damit hin, zu ſtreiten und Schriften gegen einander zu wech - ſeln, ſondern wenn der Richter die Streitfrage gehoͤrig gefaßt, die Zeugen von beiden Sei - ten abgehoͤrt, alle Umſtaͤnde genau erwogen hat, ſo faͤllet er ein den Geſetzen gemaͤßes Urtheil, das durch keine zoͤgernde Appellation aufgehalten, durch keine Gunſt eines hoͤhern Richters gemildert werden kan. Wenn bei dieſer Kuͤrze auch dann und wann gegen irgend einen Punkt des Rechts gefehlt werden ſolte, ſo kan doch ein ſolcher Jrthum niemals ſo viel Schaden bringen, als wir in Europa bei dem allerlegalſten Verfahren zu leiden pflegen. Wie gros iſt nicht hier die Verzoͤgerung der Proceſſe durch die vielen Exceptionen, Dila - tionen und die unzaͤhligen Advokatenkuͤnſte. Erſt nach Ueberwindung ſo vieler Schwierig - keiten koͤmt unſre Sache endlich an die ſogenante hoͤchſte Jnſtanz, wo wir denn den Proces ganz von neuem wieder anfangen, und ſo ſehr wir auch ſchon Geduld und Koſten angewandt haben, doch noch mehr gebrauchen, und aus der Charybd’s in Scyllam gefuͤhrt werden. Man darf aber ſicher nicht glauben, daß Japan ohne Geſetze ſey. Ein ſo wichtiger und bluͤhen - der Staat, eine Nation, die ſo unruhig und ſo leicht in Bewegung zu bringen iſt, wie das ihr benachbarte Meer, koͤnte gewis nicht in ſo großer Ordnung und Ruhe erhalten wer - den, wenn es nicht durch den Zaum einer guten Verfaſſung und ſtrenger Geſetze geſchaͤhe. Man wird dieſes, ihre gute Einrichtung, und zugleich die Gluͤkſeligkeit der itzigen Regierung, einſehn, wenn ich nunmehr den Japaniſchen Staat, wie er dermalen, da das Reich ge - ſchloſſen iſt, verwaltet wird, und zugleich die erſten Veranlaſſungen und Gruͤnde dieſer Ver - ſchließung beſchreiben werde.

§. 4.

Die alten Einwohner ſind aus Daats oder der Tatarei in den alten Zeiten unter einem unbekanten Namen nach Japan gekommen, und daſelbſt lange der uͤbrigen Welt verborgen geweſen, da ſie als ein Fiſcheſſendes Volk in einem ſehr rohen ZuſtandeE e e 3lebten.406II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. lebten. Endlich ſtiftete, gerade zu der Zeit des Romulus, der Dſin Mun Tei, ein Fuͤrſt, der an Klugheit und majeſtaͤtiſcher Bildung ſeines Koͤrpers alle Andre uͤbertraf, die Japaniſche Monarchie, und erwarb ſeinem Namen den Ruhm, daß die Annalen und inlaͤndiſche Zeitrechnung mit ihm anfaͤngt, da man die Thaten der uͤbrigen Regenten und die ganze aͤltere Geſchichte, wegen der wenigern Aufmerkſamkeit, die man in jenen Zeiten auf die Bemerkungen der Begebenheiten wandte, uͤbergehen mus. Die Mikaddi oder die unum - ſchraͤnkten Beherrſcher dieſer ihrer kleinen Welt (denn ſie bildeten ſich in der That ein, daß ihr Japan die ganze Welt ausmache) maßten ſich bald eine aberglaͤubiſch verehrte und bald uͤber die Menſchheit erhabene Heiligkeit und Macht an. Dieſe brachte in den fruͤhern unſchul - digen Jahrhunderten allerdings gute Folgen hervor, nachher aber war ſie dem Gluͤk des Staats ſehr zuwider. Dieſe Halbgoͤtter leiteten ihr hohes Geſchlecht in unmittelbarer erſt - geborner Linie vom Ten Dſio Dai Dfin dem Jupiter oder hoͤchſten Gott ihrer Welt ab. Nach dieſer Jdee ziemte es ſich fuͤr ſie nicht, ihre Unterthanen, die zugleich ihre Verehrer waren, auf eine andre, als hoͤchſtſanfte Art zu regieren; ſie durften menſchliche Dinge nur durch eine mittelbare, weltliche Thaͤtigkeit, und alles, nach Art der Goͤtter, gleichſam mit einem Wink regieren. Durch dieſe gelinde Regierung wurde in der Folge der Zeit die Macht des hohen Reichsadels immer unbeſchraͤnkter. Er unterſtand ſich nicht, nur die ihm von der hoͤchſten Majeſtaͤt anvertraute Provinzen fuͤr ſich als Eigenthum zu behalten, ſondern ſeine Begierde noch nach glaͤnzenderm Gluͤk wurde immer heftiger, und wie der Gebrauch der Waffen eingefuͤhrt war, erregte er haͤufige innere Bewegungen, und fieng an, die Benachbarten zu bekriegen. Dadurch wurde ein gegenſeitiger Has in den Gemuͤthern tief eingewurzelt, dadurch wurden ſo viele Buͤrger niedergemetzelt, und die Erbitterung wurde erſt in der ſpaͤten Nachkommenſchaft durch das Blut der unterdruͤkten Parthei gaͤnz - lich getilgt.

Um indes die ehrſuͤchtigen Unternehmungen des Adels ſo viel moͤglich einzuſchraͤn - ken, wurde als Seoguͤn d. i. hoͤchſter Anfuͤhrer, der aͤlteſte koͤnigliche Sohn, und kuͤnfti - ger Thronfolger mit einer Armee ausgeſandt, und hiemit zeigte ſich zuerſt ein gewiſſer welt - licher Glanz der hoͤchſten Gewalt. Dieſer nahm in der Folge ſo ſehr zu, daß fuͤnf Jahr - hunderte hernach Joritomo, weil er nicht die hoͤchſte oberpaͤbſtliche Wuͤrde erhalten konnte, den weltlich-kaiſerlichen Titel annahm, und als ein ſolcher zuerſt angefuͤhrt zu werden pflegt. Dieſe weltliche Kaiſer beſaßen indeß noch immer keine eigene ſondern eine erborgte Gewalt, und glaͤnzten gleichſam nur von dem zuruͤckfallenden Lichte der Majeſtaͤt ihrer Vaͤ - ter, bis endlich im Anfang dieſes (ſiebenzehnten) Jahrhunderts, ein gleichfalls als General ausgeſandter juͤngerer Prinz in der weltlichen Regierung ſich eine eigne von dem paͤbſtlichen Hofe gar nicht abhaͤngige Gewalt anmaßte. Er bewirkte eine voͤllige Scheidung der hoͤch - ſten Majeſtaͤtsrechte, eine Sache von ausnehmender Wichtigkeit, die aber jetzt gut genugvor -407II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. vorbereitet war, und alſo nicht viele Arbeit erfoderte. Er entzog dem heiligen Thron ſeiner Vorfahren, den er ſelbſt zu beſteigen, ſeiner juͤngern Geburt wegen, nie hoffen konnte, alle weltliche Gewalt, da er die Armee ganz ſeiner Willkuͤhr unterwarf; lies aber die Gewalt in geiſtlichen Dingen dem Kaiſer ganz ungemindert, deren er noch jetzt genießt, als der aͤchte Nachfolger der Goͤtter angeſehn, und zunaͤchſt nach ihnen vom Volke verehrt wird.

Dieſer gluͤckliche Ausgang eines kuͤhnen Anſchlags war dem ihn unternehmenden Sohn nicht ſo vortheilhaft, als dem Reiche ſelbſt, in welchem hiedurch der Grund zu einer neuen Regierungsform, und zu einer beſſern Bildung der Nation gelegt wurde. Der Raͤu - ber ſelbſt konnte die weltliche Krone, die er dem heiligen Haupte entriſſen hatte, nicht auf dem ſeinigen erhalten. Lange wurde um dieſelbe von vielen Nebenbuhlern eifrigſt gekaͤmpft, endlich errang ſie ſich Fidejos, ein Held von ganz unvergleichlicher Tapferkeit und Klugheit. Er hatte aus dem niedrigſten Stande bis zu dieſem Gipfel der Hoheit ſich emporgeſchwungen, um das Jahr 1583, und erhielt nachher den Namen Taico. Er hatte Geiſt, Faͤhigkei - ten, Neigungen, Wuͤnſche und die ganze Lage der Fuͤrſten und des Volks auf das genaueſte erforſcht, und da bemerkte ſein ſcharfer Blick bald, daß er nie einen dauerhaften Beſitz des Reichs hoffen koͤnne, wenn er ihn nicht auf den ganz entkraͤfteten Ehrgeiz und die voͤllig unterdruͤckte Freyheit der kleinen Koͤnige gruͤndete. Dieſe Unternehmung war ausnehmend wichtig und voͤllig neu fuͤr dieſen oͤſtlichſten Erdtheil, die aber doch ihm, zum ewigen Ruhm ſeines Namens, vorbehalten war. Sie wurde ihm erleichtert, da er ſchon manche dieſer kleinen Beherrſcher unterdruͤckt hatte, manche durch die langwierigen Kriege unter ſich ent - kraͤftet waren. Die Uebrigen aber muſten nun noch durch Liſt oder Gewalt bezwungen werden.

Die heiligen Monarchen Japans hatten vier Jahrhunderte umſonſt ſich bemuͤhet, die uͤbermuͤthige Gewalt ihrer Landesfuͤrſten zu baͤndigen. Aber was ſie durch die Gewalt und ihre eigne Soͤhne, die Anfuͤhrer ihrer Heere waren, nicht vermochten, das brachte Taico in fuͤnf bis zehn Jahren nicht ſowohl durch Macht als durch Klugheit und Benutzung guͤnſtiger Umſtaͤnde, die ſeine Zeit ihm darbot, zu Stande. Er bekriegte Coraͤa und entfernte dadurch die durch die buͤrgerlichen Kriege noch nicht genug geſchwaͤchten Großen aus ihrem Vaterlande und Gebiete. Und nun, da dieſe jenſeits des Meers durch die tatariſchen Heere hinlaͤnglich beſchaͤftigt waren, beveſtigte Taico zu Hauſe, wo ihm Niemand mehr widerſtand, ſeine Herrſchaft. Da er hierin weit gluͤcklicher war, als in ſeinen Unterneh - mungen auf feindlichem Boden, ſo faſte er nach einiger Zeit den klugen Entſchlus, ſeine klei - nen Koͤnige aus dem Lager wieder abzuruffen. Dieſe waren nun des Ungemachs, das ſie unter fremdem Himmel erdulden mußten, uͤberdruͤßig, ihr haͤusliches Vermoͤgen war er - ſchoͤpft, ihr Muth und zum Aufruhr geneigter Sinn gebaͤndigt; ſie ſehnten ſich alle endlich wieder einmal der Ruhe im Vaterlande zu genießen. Bey ſolchen Geſinnungen hofte Taico,daß408II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. daß er dieſe Fuͤrſten leicht uͤberreden wuͤrde, kuͤnftig ihre Gemahlinnen und Kinder ſeiner Reſidenz anzuvertrauen, die er unterdeß wohl befeſtiget und mit vielen ſchoͤnen Pallaͤſten ge - ſchmuͤckt hatte. Er gebrauchte natuͤrlich den Vorwand groͤßerer Sicherheit fuͤr ſie, auf die man jetzt mehr wie ehmals Ruͤckſicht nehmen muͤſſe. Sie ſelbſt ſolten ſich wieder auf ihre Guͤter begeben, und jaͤhrlich zu gewiſſen Zeiten ihre Familien am Hofe und zugleich den Kaiſer beſuchen. Dieſe kluge Einrichtung brachte eine voͤllige Umaͤnderung der bisherigen Regierungsform hervor, und war fuͤr die Gewalt der kleinen Fuͤrſten toͤdtlich. Er bekam naͤmlich ihre Familien zu beſtaͤndigen Geiſſeln ihrer Treue, die ſie noch uͤberdem ſelbſt jaͤhr - lich durch die abgelegte Huldigung von neuen bekraͤftigen muſten. Gewis iſt dieſes ein auſ - ſerordentliches Beyſpiel, da ſo ſtolze und erhabene Fuͤrſten durch einen aus dem unterſten Volk emporgeſchwungenen Held gaͤnzlich unterworfen ſind.

Da dieſe der algemeinen Sicherheit des Staats und beſonders der hoͤchſten Regen - ten nachtheilige Gewalt der kleinen Koͤnige alſo gehoͤrig beſchraͤnkt war, hielt man es gut, auch die den Staaten ſo gefaͤhrliche ausgelaſſene Freyheit des Volks, dieſes vielkoͤpfige Un - geheuer, zu baͤndigen. Die neu entſtandne Majeſtaͤt muſte gegen die aufruͤhriſchen Geſin - nungen der Unterthanen durch neue Geſetze beveſtigt werden. Sie wurden dem Genius dieſes Himmelsſtriches und Volkes gemaͤß eingerichtet, und wie ehemals des athenienſiſchen Draco Geſetze, nicht mit Dinte, ſondern mit Blute geſchrieben. Dieſe Haͤrte beſteht aber nicht darin, daß ſie etwas verlangen, das uͤber das Vermoͤgen der Unterthanen gienge, oder ſich nicht auf die Wohlfahrt und jetzige Verfaſſung des Staats gruͤndete, auch ſind ſie nicht im Geiſte des Dionyſius ſo hoch gehangen, daß ſie nicht geleſen werden koͤnnten, um Unſchuldige ins Verderben zu bringen. Jhre Strenge liegt darinn, daß alle Vergehungen gegen die Kaiſerlichen Geſetze, mit keiner Geld - oder Leibesſtrafe, ſondern einzig und allein mit dem Blut des Verbrechers ausgeſoͤhnt werden koͤnnen, ohne daß jemals irgend eine Nachſicht oder Milderung moͤglich iſt. Hievon ſind bloß die Großen des Reichs ausgenom - men, welche auf wuͤſte Jnſeln verwieſen werden, oder ſich ſelbſt entleiben muͤſſen. Durch ſolche Geſetze koͤnnen nur die Einwohner dieſes Landes gebaͤndigt werden, wo man es fuͤr aͤuſſerſt nachtheilig und ungerecht haͤlt, (und gewis nicht ohne Grund) nur die Armen zu ſtra - fen, und den Reichen die Uebertretung der Geſetze nachzuſehen. Jch habe auf meinen Rei - ſen die Kuͤrze und Einfalt in den aufgehaͤngten Geſetzafeln, (durch die aller Orten den Un - terthanen ihre Pflichten vorgehalten werden) bewundert. Man findet in denſelben nie eine Urſache oder Veranlaſſung des neuen Geſetzes, nie einen Beweggrund oder Zweck des Geſez - gebers angegeben, nie irgend eine Beſchaffenheit der Strafe beſtimmt. Man glaubt hier, daß der erhabenen Groͤße des hoͤchſten Regentens auch nur Kaiſerliche Kuͤrze in den Befehlen wuͤrdig ſey; daß es genug ſey, wenn derjenige Urſache und Abſicht des Geſetzes wiſſe, an deſſen Weisheit im Urtheilen man ohne Staatsverbrechen nicht zweifeln darf. Und da fuͤralle409II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. alle Verbrechen immer eine gleich ſtrenge Strafe iſt, ſo kann ſie den Eingebohrnen niemals unbekannt ſeyn, niemals zu hart ſcheinen, da dieſe die Vergehung blos in die Uebertretung des Geſetzes, nicht in einen hoͤhern oder geringern Grad von Bosheit ſetzen. Allerdings koͤnnen auch die ungebaͤndigſten und ſo verſchieden denkenden Unterthanen, welche ſo ſehr von einander entfernte Provinzen bewohnen, und beſonders die halsſtarrigen und herrſchſuͤchtigen Landesfuͤrſten, nicht wohl anders als mit einem harten Zepter im Zaum gehalten werden, ſo wie dieſes auch der Großfuͤrſt Johannes Baſilides von ſeinen Ruſſen zu ſagen pflegte. Die Großen dieſes Reichs koͤnnen natuͤrlich ihren ehmaligen Glanz nicht leicht vergeſſen, ſondern werden durch immer regen Freyheitsgeiſt angetrieben, ſich wieder in die alte Unab - haͤngigkeit emporzuſchwingen, und das Volk wuͤrde ihnen gern anhaͤngen und auf einer oder andren Seite Parthey nehmen, wenn ſeine Freyheit nicht ſo ſtrenge beſchraͤnkt waͤre.

Nachdem Taico, der weiſeſte Kaiſer von Japan, auf dieſe Art ſeine neuen Ein - richtungen zum Theil ſelbſt zu Stande gebracht, zum Theil ihre Ausfuͤhrung ſeinen Nachfol - gern anbefohlen hatte, ſtarb er im Jahr der chriſtlichen Zeitrechnung 1598, und erhielt nach ſeinem Tode den Namen Sſin Fatziman, d. i. der neue Fatziman oder Mars. Eben ſo gluͤcklich fuͤr den Staat war die Regierung ſeines Nachfolgers Ongosjo, der im Namen des ſechsjaͤhrigen Sohnes des Taico, Fide Juri, als Vormund regierte, bald den Na - men Jjejos und nach dem Tod Gongini erhielt, und aus dem beruͤhmten Geſchlecht To - kegava abſtammte. Deſſen Nachfolger haben bis auf unſre Zeiten den Reichsſcepter mit gerechter Hand, ſtrengen Geſetzen, und einem ſehr gluͤcklichen Erfolg gefuͤhrt. Jhre Kunſt beſteht beſonders darinn, die kleinen Koͤnige in gehoͤriger Unterwuͤrfigkeit zu halten, und je - des einzelnen Kraͤfte nach den Umſtaͤnden zu beſchraͤnken, und ſie nicht durch Unterdruͤckung der Waffen, oder durch gar zu ſtarke Auflagen zu unterdruͤcken, ſondern durch Menſchlich - keit und Wohlthaten zu gewinnen, und ſich zu verpflichten. Sie nehmen, wenn ſie geben, ſie erſchoͤpfen, wenn ſie gnaͤdig anblicken, ſie belaͤſtigen, wenn ſie Aemter ertheilen, ſie un - terdruͤcken, wenn ſie mit Titeln und Wuͤrden adeln. Sie verbinden durch mannigfaltige laͤſtige Arten von Gnadenbezeugungen die Großen zum Gehorſam, und verleiten ſie auch die Einkuͤnfte ihrer Provinzen aufzuwenden, die ihnen ſonſt Vermoͤgen und Luſt geben koͤnten, buͤrgerliche Unruhen anzufangen. Der ausnehmende und angeborne Stolz dieſer Nation macht es bey den Großen nothwendig, den Ehrenſtellen, die ihnen der Kaiſer giebt, durch praͤchtigen Aufwand zu entſprechen, den ſie in dem Glanze ihres ganzen Haushalts, in der Menge ihrer Bedienten, und in dem ſchimmernden Aufzug bey ihrer jaͤhrlichen Hofreiſe zu beweiſen ſuchen, um gleichſam ihren Ehrgeiz mit dem Schatten der Macht, die ſie ehmals beſaßen, zu befriedigen. Auch wiſſen die Kaiſer mit ganz ausnehmend ſchlauer Kunſt die kleinen Koͤnige von allen engern Verbindungen unter ſich, von Zuſammenkuͤnften zu gemein - ſchaftlichen Berathſchlagungen abzuhalten; die innerſten Geheimniſſe aller ihrer Berath -Zweiter Band. F f fſchla -410II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. ſchlagungen und haͤuslichen Angelegenheiten zu erforſchen; Haß und Neigung, ſo wie ſie es ihrem Jntereſſe dienlich finden, bald anzuflammen, bald zu tilgen. Die Einkuͤnfte, Ar - beiten und Unternehmungen jedes Bedienten ſind ihrem ſcharfſichtigen, Alles uͤberſehenden Geiſte nie verborgen, dieſe Geſchichte, die Abſichten und Denkart der Gouverneurs, das Verfahren und die Urtheile der Gerichte. Alles iſt den japaniſthen Regenten bekannt.

Durch dieſe Mittel glaubten ſie es dahin gebracht zu haben, daß im Jnneren des Landes nicht leicht Aufruhr und Unruhen entſtehen wuͤrden; und dachten nun darauf, auch aͤhnliche Uebel, die ihnen außerhalb ihres Reichs entſtehn koͤnnten, zu verhindern.

Dieſe wirklich unuͤberwindlichen Monarchen wandten daher alle moͤgliche Bemuͤhun - gen an, um die Gluͤckſeligkeit ihres errichteten Staats volſtaͤndig zu machen, die eingefuͤhrte Ruhe und die einmal beliebte Verfaſſung auf ewige Zeiten zu beveſtigen, damit auch die ſpaͤteſte Nachwelt ihnen keine Verſaͤumung oder Nachlaͤßigkeit ſolte Schuld geben koͤnnen, durch die gemeiniglich die Staaten untergehn, obgleich die Politiker oft den Fehler des er - ſten Stifters mit einem ſchaͤdlichen Einfluß des Himmels oder einer fatalen Periode fuͤr die Staaten zu entſchuldigen pflegen. Deshalb wurden zuerſt die fremden Sitten einer ſtrengen Pruͤfung unterworfen, die theils von den Buͤrgern aus fernen Laͤndern geholt, theils ihnen von den Fremden zugefuͤhrt waren.

Alle auslaͤndiſche Vergnuͤgungen an Gaſtmahlen und Kleidern, Spielkarten, Wuͤrfel, wie auch die Zweykaͤmpfe wurden fuͤr eine Peſt der Tugend und der bey einem Buͤrger dieſes Reichs nothwendigen Enthaltſamkeit gehalten. Auch die neue eingefuͤhrte chriſtliche Lehre entgieng dem ſtrengen Verbannungsurtheile nicht, man erklaͤrte ſie der Re - gierungsform, der buͤrgerlichen und religioͤſen Einigkeit zuwieder, durch die alle Einwohner Japans zu Verehrung der vaͤterlichen Goͤtter und des heiligen Mikaddo verbunden ſind. Man glaubte, daß oͤftere Reiſen der Buͤrger in fremde Laͤnder, und der Fremden in dieſes Reich einen neuen, fuͤr dieſen Himmelsſtrich nicht paſſenden Geiſt einfuͤhren, und dem gan - zen Staat nachtheilig werden koͤnnten. Der fremde Himmel war nun einmal, nach der Meynung der Japaner, an allem Uebel ſchuld, das hier noch uͤberblieben war, oder je in irgend einer Zukunft gefuͤrchtet werden konnte. Vergebens, dachte man, werde man ſich beeifern, den kranken Koͤrper zu heilen, und, wenn man nicht das von einem ſchaͤdlichen Krebs angegriffene Glied ganz abnaͤhme, vergebens das Uebel, ohne gaͤnzliche Verſtopfung ſeiner Quelle, ableiten wollen.

So muſte alſo das Reich ganz verſchloſſen, auf immer und ewig verſchloſſen, und von jedem Fremdling gereinigt werden. Dieß war, der Regierungsform und dem Himmels - ſtrich dieſes Landes gemaͤß, dies war fuͤr das Wohl der Nation und die Sicherheit des hoͤchſten Regenten gleich nothwendig. Daher gab der erhabenſte Kaiſer mit dem erleuchteten Reichsra -the411II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. the das heilſame, ewig verbindliche und fuͤr jede Nachkommenſchaft unverletzliche Gebot: Japan ſol geſchloſſen ſeyn.

Unter allen Fremdlingen hatte ſich keine tiefer, aber auch keine, wie man glaubte, ſchaͤdlicher fuͤr das Reich, hier eingewurzelt, als die Portugieſen, eine Nation, die in Ab - ſicht ihres ſtolzen Geiſtes, viel Aehnlichkeit mit den Japanern hatte. Jm Jahr 1543 ka - men die Portugieſen zuerſt nach dieſem Colchis, und wurden durch die Liebe zu ſeinem guͤld - nen Fließ bald begierig, ſich hier feſte niederzulaſſen. Sie wuſten auch in kurzer Zeit durch ihre neuen Waaren, neue Religion und Verbindungen, einen Theil des Volks ſich ganz er - geben zu machen, und, im ſtolzen Muth auf ihr Gluͤck, giengen ſie bald ſo weit, auf Ver - aͤnderung der Staatsverfaſſung und ſchaͤdliche Unternehmungen gegen das regierende Haus zu denken. Dieſes wurde bekannt, und verſchiedne Umſtaͤnde traten zuſammen, welche ih - ren Untergang befoͤrderten. Die Hollaͤnder, welche damals Feinde der Portugieſen, und neidiſche Nebenbuhler ihres Gewinns waren, hatten in der Gegend vom Vorgebuͤrge der gu - ten Hofnung einen Brief aufgefangen, der vol verraͤtheriſcher Abſichten war, und ihn dem Kaiſer uͤberliefert; ein aͤhnlicher war von den Japanern ſelbſt zu Canton in Sina aufgefan - gen worden. Der erſte Reichsrath beklagte ſich zu gleicher Zeit uͤber den unertraͤglichen Stolz dieſer Fremdlige, da ihm ein jeſuitiſcher Biſchof begegnet war, und ihn nicht auf die landesuͤbliche Art begruͤßet hatte. Der ausnehmende Gewinn im Handel, der nur auf Be - trug der nach fremden Dingen begierigen Japaner ſich gruͤndete, fiel immer ſtaͤrker in die Augen, die ausnehmende Einmuͤthigkeit und feſte Verbindung der neuen Chriſten, ihr Haß gegen die alten vaͤterlichen Goͤtter und ihr halsſtarriger Eifer, den neuen Glauben zu verthei - digen, erregte verdachtvolle Aufmerkſamkeit. Man fieng an einen Aufruhr zu fuͤrchten, wenn nicht die Kaiſer, die ſo viele innere Unruhen gedaͤmpft, und den rebelliſchen Geiſt der Fuͤrſten mit ſo unſaͤglicher Arbeit und ſo vielem vaterlaͤndiſchem Blut niedergedruͤckt hatten, auch dieſen fremden Zunder bald tilgen koͤnnten.

Taico fieng dieſe Unternehmung langſam an, hinterlies aber die Vollendung ſeinen Nachfolgern. Dieſe befahlen nun bey Strafe des Kreuzes, daß die Portugieſen mit ihrer Geiſtlichkeit und allen japaniſchen Verwandten aus dem Reiche wandern, die Eingebohrnen nie das Reich verlaſſen, die jetzt Verreiſten binnen einer gewiſſen Zeit ſich wieder einſtellen, und wenn ſie ſpaͤter kaͤmen, das Leben verwirkt haben, und die neuen Chriſten, den Na - men, das Zeichen und die Lehre des Gekreuzigten feyerlichſt verlaͤugnen ſolten. Dieſe Ge - ſetze konten nicht ohne viele Schwierigkeiten in Ausuͤbung gebracht werden. Noch mehr Chriſtenblut wurde jetzt zur Beveſtigung des Kaiſerlichen Throns vergoſſen, als ehmals heid - niſches zu Gruͤndung deſſelben. Denn da man die Chriſten nicht mit Gruͤnden widerlegen konnte, ſo gebrauchte man Schwerdt und Strick und Feuer, um ſie zu uͤberzeugen. Aber nichts konnte den frommen Eifer der Neubekehrten unterdruͤcken. Er uͤberwand alle SchmachF f f 2und412II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. und Kreuzigung, beſtand in jedem Maͤrtyrthum, und legte, zur ewigen Beſchaͤmung des Heydenthums, die bewundernswuͤrdigſten Beweiſe der Standhaftigkeit zur Ehre des Glau - bens ab. Vierzig Jahre waͤhrte die ſchrekliche Tragoͤdie dieſer Ausrottung, bis endlich der nach Chriſtenblut duͤrſtende Kaiſer Jjemitz, nach dem Tode Teijejin genant, ein Sohn und Nachfolger des Fide Tadda, nach dem Tode Tei to quini, ein Enkel des Jjeja, die letzten heiligen Ueberbleibſel der Chriſten an einem Tage dem Tode uͤbergab. Sieben und dreyßigtauſend Chriſten hatten aus Verzweiflung, um ihr Leben noch ſo lange als moͤg - lich zu retten, ſich in dem feſten Schloß Simabare, in dem Meerbuſen der Provinz Ari - ma, verſamlet. Drei Monate hielt ihre Verzweiflung die Belagerung aus, endlich am 28ten Tage des zweiten Monats der Periode Quanje, (d. i. den 12ten April 1638) muſten ſie ſich ergeben, wie dieſes die japaniſchen Annalen Nen Dai ki O Dai Ki, und die japa - niſche Geſchichte des chriſtlichen Aufſtandes Simabara Gaſen melden. Mit dem ihrigen war das letzte chriſtliche Blut gefloſſen, und nun hatte endlich gegen das Jahr 1640 dieſes lange Schlachten von Menſchen ein Ende; Japan war endlich ganz von Fremden gereinigt, und alle ſeine Thore, Graͤnzen und Ufer wurden geſchloſſen. Nicht einmal das Voͤlkerrecht konte die Portugieſiſchen Geſandten, die in eben dem Jahr aus Macao hieher kamen, ret - ten. Sie und alle ihre Gefaͤhrten, zuſammen ein und ſechzig Perſonen, wurden oͤffentlich hingerichtet, und nur einige Bedienten zuruͤckgeſandt, um zu melden, was ſie geſehn hatten.

Die erlauchte Hollaͤndiſche Compagnie hat, vom erſten Jahre dieſes ſiebzehnten Jahrhunderts an, Japan befahren laſſen. Es waͤre unbillig geweſen, auch uns, die wir ſo lange Zeit her unſre Treue fuͤr die Landesregierung, ſowohl gegen die erklaͤrten Reichsfein - de, die Portugieſen, als gegen die aufruͤhriſchen Unterthanen zu Arima bewieſen hatten, auch uns, ſag ich, eben ſo hart, wie andre Fremdlinge zu behandeln, da wir auch noch uͤberdem Kaiſerliche Freybriefe hatten, einen vom Jjeja vom J. 1611, einen vom Fide Tadda, vom J. 1616, die uns eine voͤllige Handelsfreyheit ſicherten. Man faſte den Entſchluß, die Hollaͤnder nicht ganz auszuſchließen, und nicht ganz frey zuzulaſſen, ſondern ſie allein aus der ganzen uͤbrigen Welt jenſeit des Meers, als die einzigen Unterhaͤndler zwiſchen dieſer und Japan, beyzubehalten, aber zugleich ſie wie Gefangne zu bewahren, durch die ſcharfſichtigſten Waͤchter von aller Gemeinſchaft mit den Eingebohrnen abzuhalten. Man brachte alſo die Hollaͤnder in eben das Gefaͤngnis, das vorher fuͤr die Portugieſen erbaut war, erlaubte ihnen aber, als die einzige Belohnung der Gefangenſchaft, zu der man ſie verdamte, jaͤhrlich fuͤr 500,000 Unzen Waaren zu verkaufen. Man darf aber gar nicht glauben, daß Japan die von den Hollaͤndern eingefuͤhrte Waaren nicht entbehren koͤnne. Hier werden in einer Woche mehr Kleider verbraucht, als wir im ganzen Jahre ſeidne undandre413II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. andre Zeuge einfuͤhren koͤnnen. Und die uͤbrigen Waaren, als Catsju, Camphor von Barros, Putsju oder coſtus und Gewuͤrze dienen nur zum Lurus.

Auch hielt man billig, die Sineſiſche Nation von dem neuen Geſetz auszuneh - men, da ſie die aͤlteſten Japaner zuerſt gebildet, und die Nachahmung ihres Beyſpiels die - ſes Reich zu ſolchem Glanz emporgehoben hatte. Doch darf auch dieſe Nation nirgend an - ders als in Nangaſacki〈…〉〈…〉 landen und Handlung treiben. Anfangs lies man alle frey zu, die entweder aus Sina ſelbſt oder den verſchiednen Theilen von Jndien (wo die Sineſer ſich aufhalten) hieher kamen, bis einige derſelben, welche die chriſtliche Lehre angenommen hat - ten, dieſelbe von neuem auszubreiten, und unter den ſineſiſchen Buͤchern, welche jaͤhrlich hieher gebracht werden, auch einige von unſrer Religion heimlich einfuͤhrten, die fuͤr die Wohlfarth des Staats aͤußerſt nachtheilig gehalten wurde, und nur neuerlich erſt mit ſo vieler Unruhe und Maͤrtyrerblut vertilgt war. Da dieſer religioͤſe Schleichhandel entdeckt wurde, verdamte man die Sineſer zu gleichem Schickſal mit den Hollaͤndern, welches jetzt mit noch mehr Schimpf gemiſcht iſt, wie das unſrige, da ſie dem erniedrigenden Unrecht nicht ſo edel wie wir ſich zu widerſetzen wagen, welches durch die Verſchiedenheit der innern Verfaſ - ſung ihres und unſers Handels entſteht. Alle Sineſer naͤmlich fuͤhren zwar einen Namen, aber ſie ſind Einwohner verſchiedner Provinzen, und Nebenbuhler in Abſicht des Handels. Die Begierde des Gewins befeuert ſie alſo, ſich durch geduldige Ertragung aller moͤglichen Beſchimpfung einer vor dem andern auszuzeichnen.

§. 5.

Da auf dieſe Art das Reich auf ewig verſchloſſen iſt, ſo finden nun die Kaiſer in ihrer Macht und ihren Abſichten keine Graͤnze und Hindernis mehr. Die Ehrfurcht der Landesfuͤrſten iſt niedergedruͤkt, die Halsſtarrigkeit der Unterthanen gebaͤndigt, die Unter - nehmungen und Einfluͤſſe fremder Nationen abgeleitet. Sie koͤnnen alſo izt alle Staͤdte, Doͤrfer und Diſtrikte, alle Arten von Geſelſchaften und Kollegien, ja ſelbſt die Zuͤnfte der Handwerker in einer ſolchen ſtrengen Ordnung halten, die in einem offenen Lande ſchlech - terdings nicht nachzuahmen iſt. Sie koͤnnen die Gewohnheiten des Landes nach Gefallen einſchraͤnken, andre an ihre Stelle ſetzen, ihre Arbeiten beſtimmen und einſchraͤnken, durch Lob und Belohnung die Buͤrger zu Erfindungen in den Kuͤnſten anreitzen, uͤberhaupt aber alle Buͤrger, durch die Aufſeher, mit denen ſie unaufhoͤrlich umgeben ſind, zur ſtren - gen Unterwuͤrfigkeit, Fleis und ehrbaren Leben anhalten, und das ganze Land gleichſam in eine Schule der Hoͤflichkeit verwandeln. So hat dieſes erhabene Kaiſerliche Haus die Gluͤkſeligkeit der alten Zeiten wieder hervorgebracht, da es, vor allem innern Aufſtande geſichert, ſtolz auf die Vortreflichkeit ſeines Reichs und die unuͤberwindliche Staͤrke ſeinerF f f 3Buͤr -414II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. Buͤrger iſt, und alſo den Neid aller uͤbrigen Nationen der Erde vorachten kan. Denn wen in der Welt hat Japan zu fuͤrchten, außer den ewigen Gott? Alle umliegende Jnſeln, Liquejo, Jedſo, Coraͤa, ſind ihm unterworfen. Auch darf es Sina, obgleich ein Reich von unermeslichem Umfang, nicht fuͤrchten, ſondern kan ihm vielmehr Furcht ein - floͤßen. Denn die Sineſer ſind ſchwach uud weichlich, und ihr Ueberwinder, der Kaiſer, aus tatariſchem Stam, hat ſchon ſo viele und unterſchiedne Laͤnder und Nationen zu regie - ren, daß er wohl niemals ſeine Eroberungen bis nach Japan ausdehnen wird. Der izt regierende Monarch Tſinojos, (ein Sohn des Jjetzna, der nach dem Tode Genjujiin genant wurde, und ein Enkel des Teitoquini) iſt ein großer und vortreflicher Herr, Erbe der vaͤterlichen Tugend, zugleich ſtrenger Beobachter der Geſetze und ſehr gnaͤdig gegen ſeine Unterthanen. Er iſt von fruͤher Jugend an in der Lehre des Konfucius erzogen, und fuͤhrt den Zepter, ſo wie es ſeinem Volk und Lande angemeſſen iſt. Unter ihm leben alle Buͤrger in der volkommenſten Eintracht, ehren alle ihre Goͤtter, gehorchen den Geſetzen, folgen ihren Obern, beweiſen ihres Gleichen Hoͤflichkeit und Liebe. Dies Volk uͤbertrift alle andre der Welt an Sitten, Tugend, Kuͤnſten und feinem Betragen, und iſt ausneh - mend gluͤklich durch ſeinen innern Handel, ſeinen fruchtbaren Boden, ſeinen geſunden und ſtarken Koͤrper, ſeine muthige Seele, ſeinen Ueberflus an allen Beduͤrfniſſen des Lebens, ſeine ununterbrochne innere Ruhe. Gewis, wenn ein Buͤrger Japans ſeinen itzigen Zuſtand mit der ehmaligen Freiheit vergleicht, oder auch in die entfernteſte Geſchichte ſeines Vaterlan - des zuruͤkgeht; ſo wird er keinen Zeitpunkt finden, in dem es ſich gluͤklicher befunden haͤtte, als izt, da es durch den hoͤchſten Willen eines Regenten regiert, und von der Gemeinſchaft mit der ganzen uͤbrigen Welt abgeſchnitten und voͤllig verſchloſſen iſt.

Nacherinnerungen des Herausgebers.

Jch haͤtte bei dieſem Aufſaz oͤfter Anlas zu Berichtigung der Jdeen des Verfaſſers ge - habt, aber ich habe ſie in Anmerkungen zu bringen unterlaſſen, weil ich es beſſer hielt, die Leſer erſt in den Geſichtspunkt zu ſtellen, aus dem dieſe Abhandlung mus betrachtet werden, und in welchem die Berichtigungen leichter und deutlicher erſcheinen werden. Dieſe Ab - handlung iſt hoͤchſtwahrſcheinlich vom Kaͤmpfer bald nach ſeiner Ruͤkkunft in Europa ge - ſchrieben, und vermuthlich der erſte Aufſaz, in dem er eine etwas volſtaͤndige Jdee von dem algemeinen Zuſtande Japans zu geben ſuchte. So ſehr wir ihn als einen unpartheyi -ſchen415Nacherinnerungen des Herausgebers. ſchen und genauen Beſchreiber aus ſeinem Hauptwerke kennen, ſo war Kaͤmpfer doch nicht ganz von dem faſt algemeinen Fehler aller Reiſebeſchreiber frei, dem Leſer etwas Sonder - bares, Neues und Unerwartetes zu ſagen, das Land, das man geſehn hat, als ein vor allen andern merkwuͤrdiges und vorzuͤgliches darzuſtellen, es gegen alle Vorwuͤrfe zu verthei - digen, und beſonders ſeine Geſetze und Einrichtungen uͤber die unſrigen zu erheben, und gelegentlich ein wenig zu moraliſiren. Dieſer Fehler iſt fuͤr Leute, die gereiſet ſind, ſo na - tuͤrlich, daß man ihn mehr oder weniger bei ihnen allen, vom Weſtphaͤliſchen Bauer, der in Holland Heu gemaͤhet hat, bis zu unſern beſten und philoſophiſchen Reiſebeſchreibern hin - auf, antrift.

Jn der Geſchichte und Beſchreibung von Japan finden wir dies weniger, weil Kaͤmpfer dieſe erſt ſpaͤter ſchrieb, da er ſeine Jdeen ſchon oͤftrer und genauer mit einander verglichen hatte, und weil er auch wirklich zu ſehr ehrlicher Mann war, um in einem Werke, das er zum Unterricht der Zeitgenoſſen und Nachwelt beſtimte, die Sachen vor - theilhafter zu ſtellen, als ſie ſeinem erſten Blik und ſeiner nachherigen reifen Betrachtung ſich dargeſtelt hatten. Sein ganzes Werk enthaͤlt ungemein wenig Raiſonnement, noch weniger algemeine Beſchreibungen, ſondern faſt lauter Fakta und umſtaͤndliche Darſtellung der Dinge, wie ſie ſind, uͤber die wir unsnur oft, wegen ihrer zu großen Umſtaͤndlichkeit, nie beklagen koͤnten. Eine ganz andre Bewandnis aber hat es mit der hier aus den Amoenit. exot. uͤberſezten Abhandlung. Kaͤmpfer ſchrieb ſie fruͤher, da er noch manches mit einem Schim - mer ſah, den nachher reifere Unterſuchung zertheilte, er konte in derſelben keine volſtaͤn - dige, aber er wolte eine auffallende und nicht erwartete Jdee von dem Reiche geben, das den meiſten Europaͤern verſchloſſen iſt, und nur ſo ſelten von einem gelehrten Beobachter beſucht wird. Die ganze Anlage ſeiner Schrift zeigt, daß Kaͤmpfer darin Paradoxa durch - ſetzen wil, und der declamatoriſche Styl (der in der deutſchen Ueberſetzung weniger als in der lateiniſchen Urſprache gefallen wird) ſolte faſt auf die Vermuthung bringen, daß Kaͤmpfer vielleicht ein akademiſches Uebungsſtuͤk bald nach ſeiner Ankunft in Leyden habe liefern wollen. Hiezu koͤmt noch, daß Kaͤmpfer vor hundert Jahren manche Dinge (wie z. B. das Verhaͤltnis der aſiatiſchen Kuͤnſte und Wiſſenſchaften zu den europaͤiſchen) nicht ſo richtig uͤberſehn konte, als es itzt bei erweiterten Einſichten moͤglich iſt.

Nach dieſen Gruͤnden wird es ſich leicht ergeben, wo und wie manche Aeußerun - gen unſers Schriftſtellers berichtigt werden muͤſſen. Jch darf daher nur kurz diejenigen - Kaͤmpferiſchen Saͤtze durchgehn, die einiger Erlaͤuterung vorzuͤglich werth ſcheinen.

I. 416Nacherinnerungen des Herausgebers.

I. Japan uͤbertrift in Kuͤnſten und Wiſſenſchaften alle andre Nationen.

Wir wiſſen izt die Kentniſſe der oͤſtlichen Welt richtiger als ehmals zu ſchaͤtzen. Es iſt gewis, daß die Jndier, Sineſer und Japaner gewiſſe Kuͤnſte und Fabriken ſehr fruͤh, und in einem ziemlichen Grad von Volkommenheit beſeſſen haben, daß ſie auch in manchen Wiſſenſchaften ſchon vor Jahrtauſenden einige Schritte gethan haben. Aber ſie blieben ſtehn, ehe wir anfiengen, und ſtehn noch auf dem Flek, uͤber den die Europaͤer lange hinaus ſind. Faſt jede Kunſt iſt von dieſen Aſiatern erfunden, und faſt in jeder ſind ſie von den Europaͤern uͤbertroffen worden. Der ſanſte Himmelsſtrich des ſuͤdlichen Aſiens erhob ſeine Bewohner bald uͤber die dringendſte Beduͤrfniſſe, lud zu einem leichten Nach - denken ein, und reizte mehr die Einbildungskraft als den Verſtand, den Anlaͤſſen, die der Zufal darbot, nachzugehn, und Kuͤnſte zu erfinden, die das Leben bequemer und ſchoͤner machen konten. Aber eben dieſer Himmelsſtrich machte auch zu weiterm Forſchen zu ſchlaf, oder der Deſpotismus druͤkte den Erfindungsgeiſt zu fruͤh nieder, oder die ruhige mit dem Gewoͤhnten zufriedne Sinnesart dieſer Voͤlker machte zu wenig Foderungen an ſeine Kuͤnſt - ler: eine dieſer Urſachen oder wahrſcheinlicher alle vereinigt, haben die ſonderbare Wirkung hervorgebracht, daß die Kuͤnſte in Aſien gar keine Fortſchritte gemacht haben, ſondern noch in eben dem Zuſtande zu ſeyn ſcheinen, in dem ſie bald nach ihrer erſten Erfindung waren, und daß in den ſchoͤnen Kuͤnſten die Aſiater die Europaͤer in keinem Zeitalter erreicht haben. Jhre Arbeiten kennen auch keine Abwechſelungen der Mode; die Jndier haben ſchon lange vor Alexanders Zeit (vermuthlich ſchon ſeit Jahrtauſenden) baumwollene Zeuge gemacht, die Japaner ſchon ſeit undenklicher Zeit ihr Porzellain bemahlt, aber wahrſcheinlich liefern die Cattunmanufakturen in Frankreich, und die Porzellainfabriken in Meiſſen und Berlin ſchon weit mannichfachre Formen und Deſſeins, als die aſiatiſchen in dem unermeslichen Zeitraum ihrer Jnduͤſtrie.

Von den Wiſſenſchaften der Japaner mus der Verfaſſer ſelbſt zugeben, daß ſie meiſtens den europaͤiſchen gar nicht beikommen. Jn der That iſt kein Fach zu nennen, worin die aſiatiſchen Nationen jemals einigen großen Fortſchrit gemacht haͤtten. Jhre Philoſophie, Phyſik und Mathematik verdienen den Namen nicht. Sokrates verliert durch Konfucius nichts von dem Ruhm, daß er die Moral zuerſt vom Himmel geholt habe. Die Lehre des ſineſiſchen Weiſen war viel zu irdiſch, war zu ſehr auf politiſche Vortheile beſchraͤnkt, als daß ſie himliſchen Urſprungs und mit ſokratiſcher Philoſophie verwandt ſeyn ſolte. Von der Medicin kan man aus dem, was Kaͤmpfer ſelbſt von ihr ſagt, ſchon urtheilen. Siegruͤn -417Nacherinnerungen des Herausgebers. gruͤndet ſich auf keine Kentnis des menſchlichen Koͤrpers*)Es iſt eine ſcharfſinnige und wahre Be - merkung des Hrn. von Pauw, daß die geſchwindeVerweſung in den heißen Laͤnderu das Studium der Anatomie hindre., und der Urſachen, aus welchem ſeine Uebel entſtanden ſind, und iſt alſo unſtreitig eine ſehr unvolkommene Empirie. Da Aſien faſt in allen ſeinen Theilen deſpotiſch regiert wird, ſo kan ſeine Geſezgebung auch nicht vorzuͤglich ſeyn. Es iſt wahr, daß der itzige europaͤiſche Proces oft Ungerechtigkeiten, und noch mehr, auch bei dem legalen Verfahren (wie K. ſagt) Unterdruͤckung hervorbringt. Der aſiatiſche iſt kuͤrzer, aber gewis nicht weniger unterdruͤckend, da er faſt allein auf der Wilkuͤhr des Richters in der erſten Jnſtanz beruhet, und entweder gar keine oder doch ſehr wenig geordnete Appellation zulaͤßt. Die Japaniſchen Geſetze beſonders ſind mit der un - menſchlichſten Grauſamkeit abgefaßt. Sie kehren den Hauptgrund einer weiſen Geſezge - bung um, da ſie nicht das Verbrechen, ſondern blos die Uebertretung des kaiſerlichen Ge - bots zum einzigen Maasſtab der Strafe machen, und darauf die Gleichheit aller Verge - hungen gruͤnden. Dies iſt der wahre Geiſt der abſcheulichen Deſpotie. Der Regent verbietet hier nicht, was dem Wohl des Staats zuwider, und daher ein Verbrechen iſt, ſondern Verbrechen wird nur, was ihm gefaͤlt ſo zu nennen. Kaͤmpfer wuͤrde gewis den Widerſpruch zwiſchen ſeinem Lobe und ſeiner Beſchreibung der Japaniſchen Geſetze ſelbſt bemerkt haben, wenn er nicht durch die Luſt, uͤber die Fehler unſrer Juſtiz zu dekla - miren, waͤre hingeriſſen worden. Bei der Religion iſt die Unterſuchung ſchwerer. Die Voͤlker des oͤſtlichen Aſiens ſind ſehr fruͤhe, bei den erſten großen und ſtarken Jdeen, die Menſchenverſtand und das Leben in ſchoͤner Natur eingeben, ſtehn geblieben; ihre Religion iſt edel und erhaben, wenig mit Spekulationen und Spizfindigkeiten beladen, dem Genus des Lebens nicht ſehr hinderlich (man uͤberlaͤßt es nur einzelnen Heiligen, durch Entſagung deſſelben ſich ganz dem großen Nichts zu naͤhern) und faſt immer duldend und vertraͤglich gegen Andersdenkende. Dies ſind gewis große Vorzuͤge einer Religion, und Kaͤmpfer hat wenigſtens darin Recht, wenn er die Japaner entſchuldigt, daß ſie ihre uralte, ihnen ſo ehrwuͤrdige Religion nicht mit einer vertauſchen wolten, die ihnen unbekante Menſchen aus einer fremden Welt brachten, und die, wenigſtens beim erſten Anblik, in ihren Lehren ſo viel Auffallendes und Unbegreifliches hat.

II. Die Japaniſche Nation befindet ſich ſeit der lezten Revolution in einem ausneh - mend gluͤklichen Zuſtande.

Es iſt ſchwer, von der Gluͤkſeligkeit der Nationen, und beſonders ſo entfernter, zu reden. Jndes, duͤnkt mich, die Thatſachen, die uns Kaͤmpfer in ſeinem ganzen WerkeZweiter Band. G g gerzaͤhlt,418Nacherinnerungen des Herausgebers. erzaͤhlt, geben dem Leſer gar nicht die Jdee eines Volks, deſſen meiſte Glieder wenigſtens ſehr gluͤklich ſind. Der weltliche Kaiſer hat den kleinen Regenten des Landes ihre ehmali - gen Rechte genommen, und ſie ſeiner unumſchraͤnkten Gewalt unterworfen, er trennt ſie ſogar einen großen Theil des Lebens von ihren Familien, er macht ſie arm und zwingt ſie das Volk zu druͤcken. Dieſe ehmaligen kleinen Koͤnige fuͤhlen das Ungluͤk ihres Zuſtan - des, ertragen es mit ſchmerzvoller Ungeduld, ſind in beſtaͤndiger Gefahr, und gehoͤren alſo wohl nicht zu den gluͤklichſten Menſchen. Das gemeine Volk ſieht auf allen Landſtraßen Befehle, die ihm den Tod drohn, und zwar fuͤr Verbrechen, die nur durch die Wilkuͤhr des Herrn dazu geſtempelt worden. Man erinnere ſich der wegen des unbedeutendſten Schleichhandels erfolgten Todesſtrafen. Das Volk iſt unaufhoͤrlich mit Policeiaufſehern umgeben, die ſeine kleinſten Handlungen ausſpaͤhen, in das Jnnerſte der Haͤuſer dringen; noch mehr, ein Menſch mus nicht nur fuͤr ſich, ſondern auch fuͤr alle ſeine Angehoͤrige, und fuͤr alle, welche in ſeiner Gaſſe wohnen, ſtehn, und im Fal des Vergehens buͤßen. Es iſt wahr, dieſe Einrichtung kan vielleicht die Wirkung haben, daß die Befehle ſehr ſtrenge beobachtet werden, und ſeltener, als in andern Laͤndern, dagegen geſuͤndigt wird. Aber wie ungluͤklich muͤſſen Menſchen ſeyn, die unauf hoͤrlich allen ihren Freunden auflauern muͤſſen, und wiſſen, daß ihnen auch von jedem andern aufgelauert werde. Dabei haͤngen ſie von Richtern ab, deren Wilkuͤhr faſt allein ihr Leben und ihr Vermoͤgen uͤberlaſſen iſt, und ge - gen die ſie keinen Schuz finden. Sie geben ſtarke Abgaben, und werden von den Gou - verneurs unterdruͤkt. Sie ſind arm, denn ſie benutzen alle moͤgliche Dinge zur Nahrung, treiben alle erdenkliche Gewerbe, und draͤngen ſich mit hungriger Gierigkeit zu dem Gewin, den ſie den Hollaͤndern abnehmen. Sie duͤrfen nie ihr Land verlaſſen, mit keinen Frem - den Umgang haben, der Genus aller auslaͤndiſchen Dinge iſt ihnen verſagt. Koͤnnen Menſchen in dieſer Lage beneidenswuͤrdig gluͤcklich ſeyn? Sie ſind es nicht, dies beweißt auch die Leichtigkeit, mit der die Japaner den Tod empfangen oder ſich ſelbſt geben, und dies nicht aus kuͤhner Standhaftigkeit, ſondern aus uͤberdruͤſſigem Ekel vor einem ungluͤk - lichen Leben.

Ob die Japaner in ihrem ehmaligen Zuſtande vor der Revolution des Taico gluͤk - licher waren, als izt, laͤßt ſich ſchwer beſtimmen, da uns ihr innerer Zuſtand in dieſer Zeit ſo wenig bekant iſt. Aber verſchiedne Umſtaͤnde machen es wahrſcheinlich. Von den kleinen Regenten leidet es keinen Zweifel. Aber auch das Volk befand ſich wahrſcheinlich beſſer, da es noch unter vielen kleinen, beſchraͤnkten Herrn lebte, und wenn deren einer die Tyrannei zu weit trieb, bei dem andern Zuflucht fand, auch die Freiheit hatte, ſich außerhalb des Reichs zu begeben, und noch nicht ſo ſtrengen Kloſtergeſetzen unterworfen war. Die buͤrgerlichen Kriege brachten unſtreitig auch viel Ungluͤk hervor, aber ſie gabenauch419Nacherinnerungen des Herausgebers. auch mehr und groͤßere Thaͤtigkeit, und es iſt doch beſſer, von Feinden zu leiden, als unauf. hoͤrlich den Plackereien der Obern und einer Japaniſchen Polizei ausgeſezt zu ſeyn.

III. Die Japaniſche Geſchichte iſt ſehr reich an großen Thaten, bewieſen von Muth und Standhaftigkeit, und hat Mutios, Scaͤvolas und Horatier in Menge hervorgebracht.

Die Japaniſche Geſchichte, die uns Kaͤmpfer ſelbſt im zweiten Buche gegeben hat, widerſpricht geradezu dieſem Satze. Wo findet man da die großen Thaten der Hora - tier? Und doch hat Kaͤmpfer dieſe Geſchichte mit vieler Muͤhe aus Japaniſchen Annalen zuſammengetragen. Die ausnehmende Duͤrre an erheblichen Faktis iſt alſo nicht Kaͤmpfers, ſondern der Geſchichte eigne Schuld. Einzelne große Thaten giebt es unſtreitig auch in der Japaniſchen Geſchichte, und noch izt findet man Beiſpiele von Verachtung des Lebens, die aber, wie ich ſchon angemerkt habe, meiſtens aus Unmuth und Ueberdrus abfließen. Aber jene ſind in den Japaniſchen Geſchichtbuͤchern nur ſparſam aufgezeichnet, und eine ge - wiſſe Groͤße fehlt den groͤßten Thaten der Aſiater immer, nemlich daß ſie fuͤr Vaterland und wirkliche oder geglaubte Freiheit gethan wuͤrden. Ueberhaupt, duͤnkt mich, duͤrfen wir uns von der aſiatiſchen Geſchichte, aus ihren eignen Geſchichtſchreibern ſtudiert, nicht ſo große Erwartungen machen, als wohl ſeit einiger Zeit durch das lebhaftere Studium der - ſelben in Frankreich, England und auch Deutſchland erregt ſind. Je mehr wir dieſe aſia - tiſchen Annalen kennen lernen, deſto mehr werden wir uͤberzeugt, daß wir von ihnen weit weniger wichtige Erweiterung unſrer Kentniſſe erwarten duͤrfen, als man wohl vorher gehoft hat. Die Geſchichte der oͤſtlichen Reiche ſtelt immer durch alle Zeiten die einfoͤrmigſte Folge von Revolutionen dar, die, ohne große Tugenden und ohne große Laſter bewirkt, eben ſo ſchwach erhalten werden, als ſie errungen wurden; immer eine ermuͤdende Erzaͤhlung elen - der Kleinigkeiten, oder erheblicher Umſtaͤnde ohne Angaben von Urſachen und Folgen. Man kan ihre Geſchichte in den verſchiedenſten Zeiten aufſchlagen, und glaubt dieſelbe Ge - ſchichte nur mit veraͤnderten Namen zu leſen, und kein Menſch von Geſchmak wird eine Geſchichte von Sina in ſineſiſchem Geſchichtſchreiberton (wie im Deguignes, oder den neulich in Frankreich publicirten großen ſineſiſchen Annalen, oder auch dem zweiten Buch unſers Verf. ) ohne Ueberdrus vom Anfang bis zu Ende leſen koͤnnen, er moͤchte denn Namen und Jahrzahlen in ihr berichtigen, oder ſonſt eine unmittelbare litterariſche Anwendung von ſeiner Lektuͤre machen. Unſre ſchlechteſten Chronikenſchreiber ſind Taciti gegen die aſiatiſchen Hiſtoriographen, und ſo ſehr man auch oft die Bekantmachung der Schaͤtze morgenlaͤndi -G g g 2ſcher420Nacherinnerungen des Herausgebers. ſcher Geſchichte in der Pariſer Bibliothek gewuͤnſcht hat, ſo laſſen doch die bisher aus ihr erhaltenen Proben nicht anders urtheilen, als daß ſie nur von Wenigen geleſen werden, und dieſen Wenigen viele Langeweile machen wuͤrden. Bei dieſem Urtheil verkenne ich indes den Werth der Bemuͤhungen verdienſtvoller Gelehrten um das Studium der aſiatiſchen Ge - ſchichte aus eignen Quellen gewis nicht. Unſre Geſchichtskunde kan nie volſtaͤndig werden, wenn wir nicht die Geſchichte des ſo fruͤh bewohnten und geſitteten Aſiens aus ſeinen eignen Annalen kennen lernen, und, ſo unertraͤglich dieſe oft dem Geſchmak ſind, ſo koſtbare Denkmale koͤnnen ſie fuͤr den forſchenden Geſchichtsgelehrten ſeyn. Sie werden gewis noch manche Luͤcke in der Geſchichte der Menſchheit fuͤllen, manche dunkle Stellen auf heben, und manche neue Verbindungslinie zwiſchen den Fragmenten unſrer ſogenanten Univerſal - hiſtorie geben. Freilich erlaubt auch hier ein wichtiger Zweifel nicht ſehr viel zu hoffen, der Zweifel uͤber den kritiſchen Werth der Schriften, die man uns als die Annalen der oͤſt - lichen Welt giebt. Wer waren ihre Verfaſſer? Wenn wurden ſie geſchrieben? Wer hat neben ihnen uͤber dieſelbe Periode geſchrieben? Was fuͤr Veraͤnderungen haben ſie vielleicht gelitten? Das ſind Fragen, die man bei Geſchichtbuͤchern aus aͤltern Zeiten und aus Aſien nie genugthuend wird beantworten koͤnnen. Doch kan man vielleicht in der Zukunft bei erweiterter Einſicht hierin noch mehrere und ſtaͤrkere Schritte thun, als izt abzuſehn iſt. Die Bemuͤhungen einiger Gelehrten unſrer Zeit, es noch in dieſem Fach helle zu machen, ſind deſto ruhmvoller, da ſie meiſtens ſo wenig Aufmunterung und Belohnung finden, und auch in England ein Jones, der ſo tief in aſiatiſche Geſchichte, Dichtkunſt und Litteratur hineinſtudiert hatte, dieſem Studium entſagen mußte. Aber außer dieſem wiſſenſchaftli - chen Nutzen fuͤr den Gelehrten und Denker, glaube ich, darf der Menſch, der Buͤrger und Staatsmann, ſich niemals wichtigen Unterricht aus der aſiatiſchen Geſchichte verſpre - chen. Dieſen wird wohl immer eine Dekade griechiſcher, roͤmiſcher, engliſcher oder deut - ſcher Geſchichte unendlich wichtiger ſeyn, als die ganze Reihe ſineſiſcher Annalen. Und unſre Geſchichtſchreiber werden fuͤr ihre Kunſt eben ſo wenig in Aſien lernen, als bisher noch die Nachahmung der oͤſtlichen Dichtkunſt hat gelingen wollen, oder unſre Kuͤnſtler ihre Mu - ſter jenſeit des Jndus geſucht haben.

IV. Die Verſchließung des Japaniſchen Reichs vor allem fremden Zugang und die ver - botne Reiſen der Eingebornen iſt gerecht und politiſch nuͤzlich.

Jch habe dieſen Saz, den Kaͤmpfer vorzuͤglich in dieſer Abhandlung zu beweiſen ſucht, zulezt geſtelt, weil ich glaube, daß gegen ſeine Beweiſe nicht ſo viel, als bei den vorigen Saͤtzen, zu erinnern ſeyn duͤrfte. Gegen die Gerechtigkeit dieſer Japaniſchen Ein -rich -421Nacherinnerungen des Herausgebers. richtung iſt wohl nicht viel einzuwenden, und ſie haͤtte nicht ſo wortreich vom Verf. verthei - digt werden duͤrfen. Alles, was ein Staat zu ſeiner Erhaltung noͤthig haͤlt, iſt gerecht, und kein Staat in der Welt kan einen andern mit Recht zwingen, ſeine Unterthanen in ſein Land zuzulaſſen, wenn er es nicht gut findet. Auch die Unterthanen muͤſſen ſich alle Ein - ſchraͤnkungen ihrer Freiheit gefallen laſſen, ſo lange ſie Glieder des Staats bleiben wollen, oder nicht nach dem Willen der Meiſten und Staͤrkſten ihm eine andre Form geben. Die Hauptfrage bleibt alſo, ob es politiſch nuͤzlich iſt, ſich ganz von der uͤbrigen Welt zu tren - nen, wie Japan gethan hat? Die Gruͤnde dafuͤr ſind allerdings von Gewicht. Dies Land hat alle Produkte, die es zur Nethdurft und auch zum Lurus des Lebens bedarf; es kan alſo alle fremde Nationen entbehren. Die itzigen Monarchen ſuchen natuͤrlich die einmal eingefuͤhrte Regierungsform zu erhalten, und dieſe koͤmt durch die freie Zulaſſung der Frem - den in Gefahr, die den in der Unterwuͤrfigkeit ſchmachtenden Unterthanen zu Huͤlfe kommen koͤnten. Dieſe Gefahr mus deſto furchtbarer ſcheinen, da die treuloſen Portugieſen ſchon wirklich einen Verſuch gemacht haben, die Regierung Japans ganz umzuſtuͤrzen, und es einem fremden Monarchen zu unterwerfen. Und da dieſer Verſuch mit Ausbreitung der chriſtlichen Religion auf das genaueſte verbunden war, und die Fremden nur durch dieſe das Zutrauen der Eingebornen in ſo hohem Grade gewannen; ſo war es natuͤrlich, auch dieſer Religion es entgelten zu laſſen, daß ſie zum Vorwand und zur Beguͤnſtigung des Aufruhrs gedient hatte. Und da dieſe einmal ſo vielen Eingang gefunden hatte, ſo diente ſie Frem - den, die Unruhen erregen wolten, zu einem ſichern Mittel, Verbindung mit den Eingebor - nen und ihr Zutrauen zu erwerben. Daher war der Has des Chriſtenthums politiſch ge - recht, und die Verfolgung deſſelben kan in Japan gewis beſſer gerechtfertigt werden, als die Verfolgung in irgend einem andern Theile der Welt. Die Japaniſche Religion iſt to - lerant, nur die intolerante der Portugieſen reizte zur Rache. Es war auch hier nicht ein Jnquiſitionsgericht, das den Glauben der Andersdenkenden verfolgte, ſondern die Regie - rung, welche offenbar angreifende Fremdlinge und aufruͤhriſche Unterthanen ſtrafte. Die Strafe war hart, aber war es das Verbrechen nicht auch?

So hart ſie auch war, konte ſie doch nicht alle Ueberbleibſel der dem Wohl des Staats ſchaͤdlichen Lehre ausrotten, und alſo war es nothwendig, um die Vereinigung feind - licher Fremdlinge und noch unentdekter uͤbelgeſinter Eingebornen zu verhindern, die Fremden faſt ganz zu verbannen, und die wenigen Zugelasnen von aller Gemeinſchaft mit den Landes - einwohnern auszuſchließen. Nur auf die Art konte die Japaniſche Regierung ſich vor allen fernern Unternehmungen und der beſtaͤndigen Furcht einer Empoͤrung ſchuͤtzen. Und gewis hat ſie dieſe Abſicht auf die volkommenſte Weiſe erreicht. Die Gefangenſchaft, in der die Hollaͤnder und Sineſer gehalten werden, iſt freilich ſehr ſtrenge, aber die Liebe des Gewins ſpornet jene Nationen doch noch immer an ſie zu ertragen.

G g g 3So422Nacherinnerungen des Herausgebers.

Soweit alſo, duͤnkt mich, hat Kaͤmpfer Recht, daß die Verſchließung Japans fuͤr ſeine Regenten und die Erhaltung der jetzigen Regierungsform nothwendig, auch, weil Japan ſich mit ſeinen Beduͤrfniſſen ſelbſt verſorgen kan, nicht ganz unnatuͤrlich iſt. Sie kann auch allerdings dienen, die Japaner bey ſtrengern, einfoͤrmigern Sitten zu erhalten, vor zu großem Luxus und fremden Laſtern zu bewahren. Sonſt aber iſt es fuͤr die Nation ſelbſt unſtreitig ein großes Ungluͤk, von allen uͤbrigen Menſchen ſo feindſeelig geſchieden zu ſeyn. Nie kan ſie in Kultur und Aufklaͤrung weiter kommen, denen ſie ſo unnatuͤrlich den Eingang verſpert; nie kan ſie den Kreis ihres Genuſſes erweitern; nie ihre Produkte ſo vermehren und verarbeiten, als es ſonſt moͤglich waͤre; nie endlich darf ſie fremde Huͤlfe gegen den Deſpotismus hoffen, der ſie ſo gewaltſam niederdruͤkt. Die Sineſer ſind die einzige Nation in der Welt, durch die Japan noch in Kentniſſen ſich erhalten und neue erwerben kan; hoͤchſt wahrſcheinlich aber wird es in der Folge der Jahrhunderte, wenn es in ſeinem jetzigen Zuſtande bleibt, immer barbariſcher werden. Der Geiſt ſeiner Bewohner wird durch die ewige Gefangenſchaft immer beſchraͤnkter, einfoͤrmiger und niedergeſchlagner werden, da er ewig ohne Muſter, ohne Wetteifer und Reiz bleibt. Auch wird Japan immer aͤrmer werden, da die Zahl ſeiner Menſchen ſich immer vermehrt, und ſein Boden durch die un - aufhoͤrlich ſtarke Forderungen an denſelben immer weniger ergiebig wird. Eine Nation, die aͤrmer wird, muß aber auch gewis roher und unwiſſender werden.

Dieſes wuͤrde nicht geſchehen, wenn Japan ſo viele Produkte hervorbringen und verarbeiten duͤrfte, als ſeine natuͤrliche Beſchaffenheit erlaubt, wenn alſo alle Nationen freie Handlung haͤtten. Fuͤr dieſe iſt die Verſperrung Japans natuͤrlich ſehr nachtheilig, da die - ſes Land ſo nuͤtzliche Produkte hat, durch die jetzt nur Hollaͤnder und Sineſer ſich bereichern.

Es waͤre alſo fuͤr die Japaner und Fremden ſehr wichtig, wenn Japan wieder geoͤf - net und ſein niederdruͤckendes Syſtem umgeſtuͤrzet wuͤrde. Durch innere Revolutionen iſt dieſes wohl nicht zu erwarten, weil bei jeder die ſiegende Parthei ein Jntereſſe haben wird, die Fremden abzuhalten; und von außen wird wohl keine Macht das unnatuͤrlich verſchloßne Reich zwingen, ſich zu oͤfnen, bis einmal Rußland ſich mit ſeiner politiſchen Staͤrke Japan eben ſo naͤhern wird, als es ihm jezt nur noch geographiſch nahe iſt. Dies unermesliche Reich, das ſchon ſo viel Groͤße, und noch mehr Keime kuͤnftiger Groͤße enhaͤlt, koͤnnte un - ſtreitig durch den Handel, (vielleicht gar den Beſiz!) von Japan große Vortheile erwerben. Es koͤnte dadurch neue Schiffarth in Aſien und den Handel zwiſchen den verſchiednen Laͤn - dern dieſes Welttheils erhalten, und ſo auch in ſeinen oͤſtlichen Theilen neue Jnduͤſtrie ſchaffen.

Daß die erhabene Catharina II, die mit Peters Geiſt weit uͤber ihr Zeitalter blikt, und fuͤr Rußlands ewige Groͤße ſorgt, eine ſolche Verbindung kuͤnſtig nicht unmoͤg - lich halte, ſcheint die 1764 in Jrkutsk errichtete Japaniſche Navigationsſchule zu beweiſen, von der Hr. Georgi uns Nachricht gegeben hat.

III. 423

III. Von der bei den Japanern uͤblichen Kur der Kolik durch die Akupunktur oder das Stechen mit der Nadel.

Die Japaner nennen die Kolik Senki. Dieſe Krankheit iſt auf den volkreichen Japa - niſchen Jnſeln endemiſch und ſo haͤufig, daß ſich unter zehn Erwachſenen kaum einer findet, der nicht einmal von ihr waͤre befallen worden. Die ſonſt ſo geſunde Luft dieſes Landes, das hieſige Waſſer, die Speiſen, die Getraͤnke, und die uͤbliche Lebensart verbinden ſich insgeſamt, dieſe Krankheit zu erzeugen. Auch die Fremden werden von ihr an - gefallen, wenn ſie die Getraͤnke dieſes Landes genießen, wie wir ſelbſt zu unſerm Schaden erfahren haben, da wir bei unſrer Landung, nach der Weiſe der Seefahrer, in dem kalten Japaniſchen Bier, (das man Sacki nent,) das viele erlittene Ungemach unſrer Reiſe zu vergeſſen ſuchten. Dies Sacki wird aus Reis gebrauet, und iſt ſo ſtark und conſiſtent, wie ſpaniſcher Wein. Es darf nach Japaniſcher Sitte nicht kalt getrunken werden, ſondern wird etwas erwaͤrmet, aus Schaalen geſchlurft.

Nicht jede Art von Leibſchmerzen wird in Japan mit dem Namen Senki belegt, ſondern nur diejenige, die zugleich die Daͤrme angreift und auch in den Weichen unſers Koͤr - pers convulſiviſche Bewegungen erregt. Auch greift dieſe Kolik die Muskeln und Haͤute des Unterleibes an. Die Urſache und Materie dieſes Schmerzens ſo wie aller Bauchkrankhei - ten uͤberhaupt ſuchen die Japaner nicht in der Hoͤhle der Daͤrme, welchen ſie wenigſtens nur die geringern Grade beimeſſen. Sie ſey, behaupten ſie, in der haͤutigen Subſtanz irgend eines Theils des Bauchs zu finden, als in den Muskeln, der Haut, die die Gedaͤrme um - giebt, (peritoneo,) dem Netz, dem Gekroͤſe und den Daͤrmen ſelbſt. Wenn dieſe Ma - terie ſich an einem der Orte etwas aufgehalten hat, ſo wird ſie in einen Durſt, oder viel - mehr, wie die Japaner ſagen, in einen ſehr ſcharfen Geiſt verwandelt, der dann jene Haͤute ausdehnt, durchſtoͤſt und zerreibt. Wenn alſo, folgern ſie nun, der Kerker dieſes Geiſtes zerbrochen, und er aus dem engen Behaͤltniſſe, in dem er verſchloſſen war, befreyet wird;ſo424III. Von der bei den Japanern uͤblichen Kur der Kolikſo hoͤret in einem Augenblick die heftige und ſchmerzhafte Empfindung der Ausdehnung auf, welche man im Lateiniſchen gemeiniglich mit Unrecht Colik nent, weil der Darm,*)Dieſer Darm iſt das Colon. wovon dieſe Benennung herkoͤmt, ſehr oft unſchuldig an dem Uebel iſt. Dieſe Gymnoſophiſten ge - ben ihr nach der Meinung der Japaner und Sineſer, mit beſſerer Unterſcheidung aller Faͤlle, den Namen eines Krampfes im Bauche und in den Eingeweiden.

Dieſe Krankheit iſt in Japan noch mit einigen beſondern Zuſaͤllen verbunden. Sie bringt, gerade wie das hyſteriſche Uebel, den Kranken oft in Gefahr, zu erſticken, da ſie den ganzen Koͤrper von den Weichen bis an die falſchen Rippen oder bis an die Spitze des Bruſtbeins anfaͤlt. Wenn ſie lange gewuͤtet hat, endigt ſie endlich mit Geſchwulſten, die hin und wieder am Koͤrper hervorgehn, und ſehr oft endigt ſie auf eine ſehr ſchreckliche Art. Bei den Maͤnnern pflegt gemeiniglich eine der Hoden ſehr ſtark aufzuſchwellen, daraus oft ein Fiſtelgeſchwuͤr wird. Bei den Weibern aber findet ſich eine Menge heslicher Klumpen am Hintern und der Schaam, gemeiniglich pflegen die Haare um dieſe Theile abzufallen. Aber dieſe Fleiſchbruͤche, (welche die Japaner Sobi, und den daran leidenden Kranken Sobimotz nennen) und Feigwarzengeſchwuͤre ſind auch ohne die Kolik in Japan ſehr haͤufig und endemiſch.

Ehe wir zu Beſchreibung der Nadelcur bei dieſer Krankheit uͤbergehn, muß ich vorher erinnern, daß man in Japan zwei chirurgiſche Haupt - uud Univerſalmittel hat, zu denen, ſowohl die Geſundheit zu erhalten, als wenn ſie verlohren iſt, ſie wieder herzuſtellen, Alle und Jede ihre Zuflucht nehmen, die Geſunden und die Kranken, die Aerzte und die Quakſalber, die Leute vom Stande und aus dem Poͤbel. Und dieſe Mittel ſind ſchon lange vor Erfindung der Arzneiwiſſenſchaft in Koraͤa, Sina und Japan ſehr beruͤhmt geweſen, und haben eben durch das lange Alterthum noch mehr heilige Ehrwuͤrdigkeit erhalten. Dieſe Mittel ſind dem Namen nach etwas fuͤrchterlich, naͤmlich Feuer und Metall. Aber unter dieſen Worten darf man nicht einen grauſamen verwundenden Stahl, noch das Feuer eines gluͤhenden Eiſens verſtehn, mit denen die unmenſchliche Chirurgie unſers weſilichen Erdtheils die armen Sterblichen auf eine Art martert, die von allen verabſcheuet werden muß, die noch Menſchlichkeit und Mitleiden zu fuͤhlen faͤhig ſind. **)Mich duͤnkt, Kaͤmpfer laͤßt ſich hier wie - der von dem Fehler hiureißen, den ich ſchon bei der vorhergehenden Abhandlung bemerkt habe, naͤm - lich die Einrichtungen und Gewohnheiten des frem - den Landes auf Koſten des unſrigen zu erheben. Freilich hat ſich die Chirurgie ſeit hundert Jahrenſehr verbeſſert, und es waͤre alſo unmoͤglich, daß der Zuſtand dieſer Wiſſenſchaft zu Kaͤmpfers Zeit ſeinen Vorwurf rechtfertigte, welches nur Maͤnner vom Fach beurtheilen koͤnnen. Aber es ſcheint mir doch kaum glaublich, daß die europaͤiſchen Wund - aͤrzte ſo grauſame Mittel anwenden ſolten, wo ſie nicht nothwendig und uͤberwiegend heilſam ſind,undDas Feuer der Japaniſchen Me -dicin425oder das Stechen mit der Nadel. dicin iſt ungemein lieblich, und nicht fruchtbarer, als dasjenige, welches ſelbſt vor den Goͤttern des Landes abgebrant wird, naͤmlich die ſanft zunehmende Flamme von der zuſam - mengerolten Pflanze mit dem koͤniglichen Namen Artemiſia. Und ihr Metall iſt das koſt - barſte und edelſte unter allen, naͤmlich Gold und Silber. Die Japaniſchen Kuͤnſtler ma - chen aus demſelben Nadeln von ganz ausnehmender Feinheit, die zum Stich in den menſch - lichen Koͤrper ungemein bequem ſind, und werden deshalb ſo ausnehmend geſchaͤtzt, daß ſie die Japaner beſtaͤndig im Buſen in einem Kaͤſtchen (von denen ſie große Liebhaber ſind) neben anderm eben ſo kuͤnſtlichem Geraͤth tragen. Die beſte Art, dieſe Mittel anzuwenden, iſt eine Sache von ſo großer Wichtigkeit, daß die Kentnis, welche Orte des Koͤrpers gebrant und geſtochen werden muͤſſen, einen ganz beſondern Theil der Japaniſchen Chirurgie ausmacht. Die Meiſter in derſelben heißen Tenſaſj d. i. die Beruͤhrer, naͤmlich diejenigen, welche die beſten Orte auswaͤhlen, worin das Weſentlichſte der ganzen Sache beſteht. Diejenigen aber, welche das Geſchaͤft ſelbſt mit der Hand ausuͤben, heißen Farittatte, d. i. mit der Nadelſtechende, ſie moͤgen dies nun nach ihrer eignen Kentnis oder nach der Vorſchrift ei - nes Beruͤhrers verrichten. Zu einer volkommenen Nadel aber, die ohne Gefahr in den menſchlichen Koͤrper gebracht werden ſol, wird erfodert, daß ſie ganz außerordentlich fein, und aus einem der vorhergenanten Metalle und zwar von volkommener Reinigkeit und Dukti - litaͤt ohne den mindeſten Zuſatz von Kupfer verfertigt, auch mit ganz beſondrer Geſchick - lichkeit gehaͤrtet ſey, weil die Weiche dem Gebrauch ſchaden kan. Daher beſitzen auch nicht alle Kuͤnſtler im Japaniſchen Reich dieſe Geſchiklichkeit, und die ſie beſitzen, duͤrfen doch die Nadeln nicht ohne beſondre Kaiſerliche Erlaubnis verfertigen. Die Nadeln ſelbſt ſind von doppelter Art. Die von der erſten werden ohne Unterſchied aus einem der beiden edlen Metalle verfertigt, und ſind zwar nicht in Abſicht der Groͤße, aber der Geſtalt nach denen Grif - feln aͤhnlich, deren ſich unſre Schulknaben beim Aufſagen der Buchſtaben und die Jndiane - beim Schreiben bedienen. Sie ſind etwa vier Zol lang, ſehr duͤnn, endigen ſich in eine ſehr zarte Spitze, und haben eine ſchneckenfoͤrmig gewundene Handhabe, damit ſie bequem herr umgedreht werden koͤnnen. Zur Verwahrung der Nadel gebraucht man einen kleinen Ham - mer, der ſo eingerichtet iſt, daß man an jeder Seite der Handhabe eine Nadel anbringen kan. Der Hammer iſt ungemein fein aus dem Horn eines Auerochſen gemacht, etwas laͤnger als die Nadel ſelbſt, hat oben einen runden zuſammengedruͤckten Knopf, der durch hineingelegtes Bley ſchwer gemacht wird. Diejenige Seite des Knopfes, die zum Schla -gen**)und wo der Kranke ſelbſt nach Ueberlegung ſie waͤh - len wuͤrde, um durch einen heftigen kurzen Schmerz dem Tode oder einem langen ſiechen Leben zu ent -gehn. Die Japaniſchen Mittel moͤgen ſanfter ſeyn, aber es koͤmt darauf an, welche die wirkſamſten ſind?Zweiter Band. H h h426III. Von der bei den Japanern uͤblichen Kur der Kolikgen beſtimt iſt, iſt mit weichem violetfarbnem Leder uͤberzogen, damit er beim Stos nicht von der Nadel abſpringe. Die Nadeln der andern Art ſind allemal von Silber, ihre Ge - ſtalt aber iſt wenig von der vorigen verſchieden. Sie ſind eben ſo lang und ſo duͤnn, wie eine Saite auf einer Harfe, und die Handhabe iſt ein wenig dicht, kurz und in die Laͤnge ge - ſtreift. Man pflegt gemeiniglich mehrere dieſer Nadeln in einer laͤnglicht viereckigten hoͤlzer - nen Kapſel zu verwahren, die von außen mit Firnis und von innen mit einem ungeſchornem Tuche uͤberzogen iſt, in deſſen hervorſtechende Wolle man die Nadeln zu legen pflegt.

Die Namen, womit man dieſe verſchiednen Arten von Nadeln belegt, ſind fol - gende. Beide haben den gemeinſchaftlichen Namen Unts Barri d. i. eine gekruͤmte Na - del. Die von der zweiten Gattung haben den beſondern Namen, Fineri Barri, der aber eben das bedeutet; wenn bey der Operation ein kleiner Kanal von Erz bei dieſer Nadel be - veſtigt wird, ſo heiſt ſie Fuda Barri, d. i. eine mit einem Kanal verſehene Nadel. Die - ſer Kanal iſt etwa ein Drittheil eines Fingerbreits kuͤrzer, wie ſeine Nadel, und wird ge - braucht, um durch ihn genau in den beſtimten Ort des Koͤrpers ohne allen Fehler zu ſtechen.

Die Operation dieſes Stechens ſelbſt geſchieht nun auf folgende Art. Man nimt die Spitze der Nadel in die linke Hand zwiſchen dem Mittel - und Zeigefinger, der auf dem Daum ruhet, und naͤhert ſie alsdenn dem Orte, in den geſtochen werden ſol, und der vor - her wohl ausgewaͤhlt iſt, damit er von keinen Nerven beruͤhrt werde. Alsden nimt |der Arzt den kleinen Hammer in die rechte Hand, und bringt die Nadel mit einem oder zwei Schlaͤgen durch die aͤußere, harte Haut, legt dan den Hammer weg, und dreht die Hand - habe der Nadel zwiſchen den Spitzen der vordern Finger, um ſie bis zu der erforderlichen Tiefe in den Koͤrper zu bringen, welche gemeiniglich einen halben, zuweilen, aber ſelten, ei - nen ganzen Zol betragen, und in jedem Fal die Materie des Schmerzes beruͤhren muß. Der Arzt haͤlt die Nadel hier feſte, bis der Patient ein oder zweimal Athem geſchoͤpft hat, alsdenn zieht er ſie aus, preſt den Ort mit ſeinen Fingern, als wolte er den boͤſen Geiſt her - ausdruͤcken. Die Nadel von der andern Art wird blos durch herumdrehn hineingebracht, da ſie der Arzt zwiſchen den Spitzen des Daumens und Mittelfingers haͤlt. Diejenigen, welche eine ſehr geuͤbte Hand haben, koͤnnen durch einen Schlag des Zeigefingers, den ſie uͤber den Mittelfinger legen und auf die Nadel druͤcken, die Haut eher durchſtoßen, als die Nadel umdrehen. Andre bedienen ſich einer kleinen Roͤhre, wie ich ſie vorher beſchrieben habe, und welche verhindert, daß die Nadel durch einen ſtarken Schlag nicht zu tief in die Haut eindringe.

Die Regeln dieſer Punktirkunſt ſind ausnehmend mannichfaltig, und haben beſonders Beziehung auf die Blaͤhungen als die Urſache des Uebels, nach welchen die be - ruͤhrenden Aerzte ſowohl die Tiefe als den Ort des Stichs ſehr genau beſtimmen muͤſſen. Man haͤlt dafuͤr, daß dieſes Stechen in allen den Krankheiten helfe, wo auch das Brennen ge -braucht427oder das Stechen mit der Nadel. braucht wird, wovon ich in der Abhandlung vom Brennen mit der Moxa handeln werde. Der gemeine Mann wagt es ſogar, ſich blos auf die Erfahrung zu verlaſſen, und die Nadel ohne die Vorſchriften eines leitenden Tenſaſj zu gebrauchen, und huͤtet ſich nur, daß es da - bei nicht Sehnen, Nerven und große Adern durchſtoße. Da ich nun einen algemeinen Be - grif von der Akupunktur gegeben, wil ich nun noch mit wenigem melden, wie ſie bei der Kolik angewandt werde.

Die Japaniſchen Aerzte pflegen bei einem an der Kolik Kranken neun Nadelſtiche vorzuſchreiben, welche auf dem Unterbauche geſchehen muͤſſen, und zwar ſo, daß die neun geſtochnen Punkte gerade ein Quadrat ausmachen, und allemal zwiſchen zwey derſelben eines umgekehrten doppelten Daumens Breite gelaſſen wird. (S. Tab. XLIII Fig. 6.) Jede Reihe dieſer Punktirungen hat bei den Lehrern der Kunſt einen beſondern Namen, und bei jeder ſind eigne Regeln zu beobachten. Die erſte Reihe heiſt Sjoquan, und iſt dicht unter den Rippen, die andre Tſjuquan, in der Mitte zwiſchen dem Nabel und dem ſpitzigen Knor - pel des Bruſtbeins; die dritte Gecquan, etwa einen halben Zol uͤber dem Nabel. Wenn in dieſen drei Reihen nach der Ordnung und den Vorſchriften des Meiſters der Kunſt in gehoͤriger Tiefe geſtochen iſt; ſo hoͤren die Schmerzen der Senki ſogleich und oft in einem Augenblick auf, als wenn ſie weggezaubert waͤre. Jch kan dies als Wahrheit verſichern, da ich ſehr oft Augenzeuge davon geweſen bin.

Man hat auch mit dem andern vorher angefuͤhrten Univerſalmittel die Kolik zu vertreiben geſucht, aber nicht mit ſo gluͤklichem Erfolg. Der Koͤrper des Patienten wird alsdenn an beiden Seiten des Nabels in der Entfernung von zwei Zol gebrant. Dieſe beiden Orte heißen Tenſu, und ſind beruͤhmt, weil man in den meiſten Faͤllen hier zu brennen pflegt, und daher auch denen wohl bekant, die nicht Kenner der Chirurgie ſind. Jch werde davon in der folgenden Abhandlung genauer reden.

Man hatte auch noch kurz vor meiner Ankunft ein Mittel wider die Kolik entdekt, dem ganz ausnehmende Kraͤfte beigemeſſen werden, und das izt ſehr haͤufig nicht nur in der Krankheit, von der wir reden, gebraucht wird, ſondern auch im choleriſchen Uebel, das hier ſehr haͤufig iſt und betruͤbte Folgen hervorbringt, wie auch in dem chroniſchen Bauchſchmerzen Saku, der gleichfals endemiſch iſt und mit der Kolik viel Aehnlichkeit hat, und uͤberhaupt in allen Bauchſchmerzen, (deren Siz in den Daͤrmen von Feuer und Metal nicht leicht erreicht werden kann) und vielen andern Zufaͤllen. Dies Mittel iſt ein Pulver, das in der Landesſprache Dſjoſei, in den Charaktern der Gelehrten aber Wadſuſan heißt. Es wird nur allein in dem Dorfe Menoki, in der Provinz Oomi unter dem Siegel desH h h 2Erfin -428III. Von der bei den Japanern uͤblichen Kur der Kolik ꝛc. Erfinders verkauft, der den Alleinhandel mit demſelben unter dem Vorwand der Religion erhalten hat. Er ſagte nemlich, der Japaniſche Apollo, Jakuſj, habe ihm die wirkſam - ſten Kraͤuter gegen das Hauptuͤbel dieſer Nation, die Leibſchmerzen, im Traume gezeigt, die auf einem benachbarten und wegen vieler wundervollen Umſtaͤnde ſchon ſehr beruͤhmten Huͤgel wachſen ſolten. Die gute Wirkung verſchafte dieſem Mittel bald großen Ruhm, ſeinem Erfinder Glauben, und ſeiner ganzen Familie ſolchen Reichthum, daß ſie, die vorher blutarm war, bald faͤhig wurde, neben den drei Werkſtaͤten, in denen das Pulver gemahlen und verfertigt wird, auch drei kleine Tempel dem Geiſte des Erfinders, als dem Schoͤpfer ihres Gluͤks, zu errichten. Dieſes Pulver iſt bitterer wie Galle, ich habe da - von mitgebracht, aber es hat auf die Daͤrme unſrer Deutſchen nicht mehr Wirkung gethan, als unſre gewoͤhnlichen Arzneien. Das Recept zur Verfertigung wird von der Familie als ein Geheimnis aufbewahrt. Jndes habe ich in den Werkſtaͤtten wohl bemerkt, daß das Hauptingredienz eine Species von bitterm Coſtus iſt, der hier Putsjuk heißt, und ſehr haͤufig aus Guzurate von den Hollaͤndern nach Japan gebracht wird. Dieſe Pflanze hat ſehr mannichfache Kraͤfte, und wird in Japan ſehr haͤufig gebraucht, daher auch daſelbſt kein ſremdes Gewaͤchs ſo ſtark verlangt wird, als dieſes und die Bergwurzel Siſarum Coraeenſe, die Cleyer Ninſin nent.

IV.
Tab. XLIII.
429

IV. Von der Moxa, dem vortreflichſten Brenmittel, das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤufig gebraucht wird.

§. 1.

Aſien, in ſeiner weiteſten Ausdehnung bis an die aͤußerſte Graͤnze der Erde und zu unſern Antipoden, hat drei Helikons, der Araber, Brachmaner und Sineſer, von denen alle Wiſſenſchaften und Kuͤnſte der Voͤlker des weiten Orients ausge - gangen ſind. Alle dieſe Voͤlker ſind durch Klima, Sprache, Sitten und Religion unge - mein von einander unterſchieden, und haben auch, nachdem ihre Kentniſſe aus einer ver - ſchiednen Quelle abgefloſſen, ganz verſchiedene mediciniſche (denn von den uͤbrigen kan ich hier nicht reden) Grundſaͤtze, Lehren und Heilarten. Jndes ſind ſie, wenn man nach den Urſachen der Krankheiten fraͤgt, alle einſtimmig, die Blaͤhungen und Duͤnſte als die Haupturſachen anzugeben, ſo daß ſie mit unſerm großen Coiſchem Lehrer (Lib. de flat. ) alle moͤgliche Schmerzen und Leiden den Winden zuſchreiben. Und dieſe, glauben ſie, koͤnten nicht gluͤklicher als durch Brenmittel geheilt werden. Jn der Anwendung pflegt alsdenn die Frage zu ſeyn, ob man Feuer oder gluͤhendes Eiſen gebrauchen muͤſſe? Denn beide vereinigte Kraͤfte vom Vulkan und Mars zu gebrauchen, halten ſie fuͤr eine Bar - barei, die uͤberfluͤſſig und unnuͤz und alſo eines nach Grundſaͤtzen handelnden Arztes un - wuͤrdig ſeyn wuͤrde, der bei dem Brennen keine andre Abſicht haben duͤrfe, als entweder die eingeſchloſſene Materie des Schmerzes zu befreien, oder die ſchon befreiete aus dem Koͤr - per ganz heraus in die freie Luft zu bringen. Sie ziehen daher ein ſich langſam einſchlei - chendes, ſanft brennendes Feuer, das mittelſt des oͤfnenden Satzes die Urſache der Krank - heit langſam und ſicher aus dem Koͤrper lokt, demjenigen vor, welches mit einem ſtark an - greifenden und nagenden Vitriol die Haut und das Fleiſch auf eine grauſame Art angreift. Die alten arabiſchen, aͤgyptiſchen und griechiſchen Aerzte, von denen unſre europaͤiſchen die Heilkunſt erlernt haben, bauten auf eben dieſe Gruͤnde, und zogen dem gluͤhenden EiſenH h h 3ange -430IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,angezuͤndete Schwaͤmme, und die ins Feuer gebrachten Wurzeln von Struthium und Ari - ſtologia war. Andern aber gefiel es mehr mit brennendem Schwefel oder mit Buchs - baumzweigen, die mit warmen Oel angefeuchtet waren, die koͤrperlichen Gebrechen zu hei - len. Wer von der Verſchiedenheit der Brenmaterien und der Arten, ſie zu gebrauchen, bei den Alten ſich unterrichten wil, der darf nur den Mercatum Pr. L. 4. c. 1. p. 162. und von den Neuern den M. A. Severinum leſen. Jch rede hier nur von den Brenmit - teln der Aſiater, die noch heutiges Tages uͤblich ſind.

§. 2.

Bei den Arabern, und denen, die ihre Kentniſſe von ihnen erhalten haben, nem - lich den Perſern und den mogoliſchen Jndiern, die der mahommedaniſchen Religion zuge - than ſind, habe ich bei dieſem Brennen kein andres Behaͤltnis fuͤr das Feuer gefunden, als ein baumwolnes mit Wayd (Franzoͤſiſch cotton bleu) gefaͤrbtes Tuch. Dieſes wird in einer cylindriſchen Figur in der Dicke eines einen halben Daumen langen Diameters, und in der Laͤnge von etwa zwei Zol, um ſich ſelbſt ſehr enge gewunden, auf den zu brennenden Ort gebracht, oben angezuͤndet, und ſo almaͤhlig nach und nach abgebrant, bis der ganze Cylinder in Aſche zerfaͤlt. Dieſes Verfahren iſt alſo, wie leicht zu erachten, ganz uner - traͤglich langwierig; denn es waͤhrt allemal eine Viertelſtunde, und zuweilen noch laͤnger, ehe das Tuch ganz verbrant iſt; und bei dieſem Brennen pflegt dann oft das unterliegende Fleiſch ſo abgenagt zu werden, daß manchmal ein ganz unheilbares Geſchwuͤr nachbleibt. Man hat mir in dieſen Landen oft ſolche Geſchwuͤre, die ſehr haͤslich und gefaͤhrlich, und aus dieſer Urſache entſtanden waren, zu heilen vorgelegt. So bald indes das Brennen geſchehn iſt, hat der Wundarzt weiter nichts zu thun, als taͤglich die Wunde zu ſalben, und ſie, nach abgenommener haͤutigen Rinde, zum Eitern zu bringen.

Die Marter, welche bei dem Brennen ausgehalten werden mus, und die lang - wierigen folgenden Beſchwerlichkeiten veranlaſſen, wie ich glaube, daß ſich die Eingebor - nen dieſer Laͤnder in der That dieſes Mittels nicht ſo haͤufig bedienen, als man es aus den großen Lobpreiſungen deſſelben in ihren Schriften und Schulen ſchließen ſolte.

Jch habe des Wayds erwaͤhnt, und mus noch hinzuſetzen, daß die Araber es ganz nothwendig halten, die zum Brenmittel beſtimte Materie mit dem Saft deſſelben an - zufeuchten, und glauben, daß dadurch die Kraft des Feuers nicht wenig verſtaͤrkt werde. Eine Meinung, die, wie ſie wenigſtens glauben, gar nicht Vorurtheil iſt, ſondern auf eine ſehr algemeine und durch Jahrhunderte bewaͤhrte Meinung ſich gruͤndet. Jn der That ſtimt mit derſelben auch der gemeine Glaube des europaͤiſchen Poͤbels zuſammen, daß ein noch rauchendes und unter die Naſe gehaltenes Stuͤk Leinwand, das aber mit dem Saftvon431das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤufig gebraucht wird. von Wayd gefaͤrbt ſeyn mus, bei epileptiſchen Perſonen das Uebel weit ſichrer vertreibe, als eben dieſe Leinwand, wenn ſie noch weis oder mit andrer Materie gefaͤrbt iſt. Wirklich habe ich auch bei meiner eignen chirurgiſchen Erfahrung in Jndien es allemal ſehr nuͤzlich befunden, bei dem Verbinden der entzuͤndeten Theile die mit Wayd gefaͤrbte Leinwand jeder andern vorzuziehen.

Die Brachmanen (welche die Griechen Gymnoſophiſten nennen, dieſe Weiſen, Theologen und Aerzte der Jndier) ſo wie Alle, welche ihre Kentniſſe von ihnen haben, be - dienen ſich nicht eines, ſondern mehrerer ganz verſchiedner Brenmittel nach der Verſchie - denheit der Krankheiten. Denn die Urſachen derſelben, ſagen ſie, ſind oft verborgen, und jede Krankheit hat ihre ganz eigne Beſchaffenheit; uͤberdem ſey auch nicht jede Gattung von Feuer fuͤr alle und jede Zufaͤlle dienlich, ſondern man muͤſſe allemal diejenige auswaͤh - len, welche durch die Erfahrung als die heilſamſte in jedem Fal bewiefen werde. Aber ich, als ein Fremder, habe ſchlechterdings nicht Gelegenheit gehabt, dieſe Verſchiedenheit ihrer Grundſaͤtze genauer kennen zu lernen, da es faſt unmoͤglich iſt, von dieſen ſo eiferſuͤch - tigen Bewahrern ihrer geheimen Kuͤnfte irgend etwas zu erfahren. Jhr gewoͤhnlichſtes Brenmittel aber iſt (die uͤbrigen werden ſeltener gebraucht) das Mark eines Binſenrohrs, das ſehr haͤufig in den Suͤmpfen waͤchſt. Alle Arten von dieſem Binſenrohr ſind gleich gut zu dieſem Zwek, wenn ſie nur etwas ſtarkes Schilf haben. Dieſer wird alsdenn mit dem Oel von Leindotter, das man hier ſehr haͤufig findet, ganz leicht angefeuchtet, und damit die Haut auf gewoͤhnliche Art eingebrant. Jch habe gefunden, daß auch die Malayer, Jawaner, Siamer und, wenn ich nicht irre, auch noch andre benachbarte Nationen, ſich eben dieſes Marks zum Verbrennen bedienen.

Wenn wir nun uͤber den Ganges kommen, finden wir den edelſten und unter allen am meiſten uͤblichſten Feuerzunder bei den Sineſern und Japanern. Die eben genanten Nationen ſagen, er ſey ſchon lange vor Erfindung der Medicin ſelbſt, und ehe man noch irgend andre chirurgiſche Kentniſſe hatte, in den aͤlteſten Zeiten als das beruͤhmteſte Bren - mittel gebraucht worden, deſſen Gebrauch ſie denn endlich nach einer langen Folge von Jahr - hunderten erhalten haͤtten. Dieſes wegen ſeiner herlichen Kraͤfte und wegen ſeines Alter - thums ſo koſtbare Brenmittel iſt unter dem Namen: Moxa, am gemeinſten bekant, ſowohl in Sina, als unter allen durch die ſineſiſche Weisheit aufgeklaͤrte Nationen als den Japa - nern, Koraͤern, Quinameſern, Lukoniern, Formoſanern, Cochinſineſern und Tunkinern. Jch habe die Abſicht, hier die Geſchichte der Moxa zu erzaͤhlen; der Leſer wird mir aber erlauben, ſtat der ſineſiſchen (die ihm vielleicht lieber waͤren) mich der Japaniſchen Be - nennungen zu bedienen, welche ſowohl leichter als auch mir gelaͤufiger ſind, da ich unter den Japanern laͤnger und mit ihnen vertrauter gelebt habe.

§. 3.432IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,

§. 3.

Die Moxa iſt eine ſehr zarte und weiche faſerigte Materie, von aſchgrauer Farbe, ſehr faͤhig das Feuer aufzufaſſen, das mit einer kleinen ſichtbaren Flamme almaͤhlig darin zunimt, und in langſamen Fortſchrit maͤßige Waͤrme giebt, bis alles in Aſche verwandelt iſt. Man verfertigt dieſe Materie aus den ausgetrokneten, einige Zeit in der freien Luft aufgehangenen Blaͤttern der noch jungen Artemiſiae vulgaris latifoliae. Man darf aber dieſe Pflanze zum Gebrauch der Moxa nicht ohne Unterſchied an jedem Tage ſamlen, ſondern nur an ſolchen Tagen, wenn der Himmel ſie durch wohlthaͤtigen Einflus der Ge - ſtirne vorzuͤglich begluͤkt und ihnen beſondre Kraft giebt. Hierzu beſtimmen die Sterndeu - ter die erſten fuͤnf Tage des fuͤnften Monats, Gonguatz go nitz bei den Japanern genant, die nach dem gregorianiſchen Kalender gewoͤhnlich in unſern Junius, ſelten in den Ausgang des Mai fallen. Denn in Japan faͤngt das Jahr mit demjenigen Neumond an, der ge - rade der mitlern Zeit zwiſchen dem kuͤrzeſten Tage und Fruͤhlingsanfang am naͤchſten iſt. Alsdenn mus dieſe Pflanze Fruͤhmorgens, noch vom naͤchtlichen Thaue triefend, gepfluͤkt, und denn an der Weſtſeite des Hauſes in freier Luft ſo lange aufgehangen werden, bis ſie voͤllig ausgetroknet iſt. Hierauf wird ſie auf dem hoͤchſten Boden im Hauſe aufgehoben, und je aͤlter ſie wird, deſto edlere und zartere haarigte Materie kan man erwarten. Des - halb pflegen einige dieſe Pflanze wol zehn Jahre aufzuheben.

Wenn dieſe Artemiſia noch in ihrer Bluͤthe iſt, nennen ſie die Japaner Futz, wenn ſie aber volſtaͤndig ausgewachſen iſt, Jamoggi. Denn es iſt auch eine von den Ei - genthuͤmlichkeiten der Sineſer ſowohl als Japaner, daß jede Mannsperſon ihren Namen aͤndert, wenn ſie in ein hoͤheres Alter trit, oder auch zu groͤßern Wuͤrden gelangt; und eben ſo pflegen ſie auch bei den Pflanzen und allen uͤbrigen Dingen nach den verſchiednen Graden von Volkommenheit oder dem unterſchiednen Gebrauch die Namen ſehr haͤufig ab - zuaͤndern. Dieſe Gewohnheit bringt zwar in die Kentnis ſelbſt viel Genauigkeit und Licht, aber es iſt auch große Belaͤſtigung fuͤr das Gedaͤchtnis.

Jn der Bereitung der Moxa liegt nicht viel Kunſt. Die Blaͤtter werden zuerſt mit einem Moͤrſer geſchlagen, bis ſie weich wie grober Flachs ſind. Dann werden ſie mit beiden Haͤnden ſo lang herumgetrieben und gerieben, bis nur die haͤrtern |Fibern und die haͤutigen Subſtanzen ſich von den uͤbrigen ſchon beim erſten Stoßen ganz zermalmten Schaalen abſondern. Dann erſt bekoͤmt man die verlangte, ganz gleichartige, ausneh - mend reine und feine Materie, mit der die Natur die junge Pflanze, die den koͤniglichen Namen Artemiſia fuͤhrt, vor allen andern begabt hat.

§. 4.433das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤufig gebraucht wird.

§. 4.

Bei dieſer Art zu brennen iſt nichts, das auf irgend eine Weiſe dem Menſchen fuͤrchterlich ſeyn koͤnte. Kein gluͤhender Koͤrper faͤlt hier in die Augen, ſondern der ange - nehme Duft der nur glimmenden Materie ſteigt in die Naſe; und der Schmerz iſt auch nicht ſehr gros, wie wohl bei andern Brenmitteln. Nur die aufgeſezten Kegel von Moxa, welche die Japaner Kawa Kiri oder Hautſchneider nennen, und welche an denſelben Or - ten mehrmals abbrennen, erregen einen heftigen Schmerz. Das geduldige Japaniſche Volk hat hierin eine Aehnlichkeit mit den von neuen Regenten ihm auferlegten Laſten ge - funden, die ſie auch Kawakiri nennen, weil ſie im Anfang ſehr hart, nachher aber durch die Gewohnheit kaum mehr beſchwerlich ſind. Jch habe wohl hundertmal geſehen, daß ſelbſt Knaben ſich an verſchiednen Orten des Koͤrpers gebrant haben, ohne irgend eine Empfindung von Schmerz dabei zu aͤußern. Denn hier in Japan werden Kinder und Greiſe, Reiche und Arme, Maͤnner und Weiber, ohne Unterſchied gebrant; nur die ſchwangern Wei - ber verſchont man, wenn ſie noch nicht ſo ſehr an das Brennen gewoͤhnt ſind.

Man pflegt aber mit der Pflanze Artemiſia zu brennen, entweder um ſich vor Krankheiten zu verwahren, oder die, welche man ſich ſchon zugezogen hat, zu heilen. Die Aerzte halten dies Mittel beſonders als Praͤſervativ nuͤzlich, und empfehlen es daher noch mehr den Geſunden als den Kranken. Denn wie es, ſagen ſie, die beſte Arznei fuͤr ge - genwaͤrtige Uebel iſt, ſo mus es auch die kraͤftigſte Wirkung haben, kuͤnftige zu verhuͤten. Aus dieſem Grunde iſt es in dieſen aͤußerſten Gegenden des Orients zur Gewohnheit, fuͤr Perſonen, die fuͤr ihre Geſundheit einigermaßen beſorgt ſind, geworden, ſich alle halbe Jahre einmal brennen zu laſſen. Und dieſe Gewohnheit wird ſo algemein und heilig beob - achtet, daß auch Ungluͤkliche, welche zum ewigen Gefaͤngnis verdamt ſind, doch von Zeit zu Zeit aus ihrem Kerker herausgelaſſen, und mit Moxa gebrant werden. Bei den Praͤ - ſervativkuren gebraucht man allemal nur ganz ſchwache und wenige Einſchnitte, bei Heilung der Krankheiten aber werden mehrere und groͤßere erfodert, da alsdenn die boͤſen Duͤnſte tiefer heraufgeholt werden muͤſſen.

Die Frage: in welchen Krankheiten eigentlich dieſe Brennung ſtat finde? beant - wortet Sina und Japan ſo: in allen denjenigen Krankheiten, da ein eingeſchloſſener Dunſt die Aufloͤſung der feſten Theile und Schmerzen verurſacht, auch die leidenden Theile in ihren gewoͤhnlichen Funktionen ſtoͤrt. Unter dieſem Begrif kan man nun faſt alle Krankheiten befaſſen, die man durch das Feuer der Moxa heilt, und in denen der gluͤkliche Erfolg oft in ungemein kurzer Zeit ſich zeigt. Die ſchwarzen Nationen, welche an den Wendekreiſen wohnen, haben die Kraft der Moxa von ihren Nachbarn gelernt, und vor nicht langer Zeit das Brennen mit derſelben angefangen. Sie bedienen ſich aber ſtaͤrkrerZweiter Band. J i iEin -434IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,Einſchnitte, als die Urheber dieſer Kunſt ſelbſt, da bei ihnen die Leiden des Koͤrpers welt anhaltender, und die boͤſe Materie tiefer verſchloſſen iſt. Auch die hollaͤndiſchen Kolonien in Jndien haben neuerlich die Wirkung dieſes Mittels wider gichtiſche Schmerzen, Podagra und rheumatiſche Zufaͤlle erfahren. Dieſes Brennen zertheilt die vom Rheinwein in der Bein - haut angeſezte Materie, und in den gichtiſchen Zufaͤllen die ſcharfe Feuchtigkeit, welche ſich in den Hoͤlungen der Gebeine angeſezt hat. Dieſe Materie mus aber denn in groͤßerer Menge und fehr fruͤhzeitig beigebracht werden, ehe jene Feuchtigkeit die Haͤute zu ſehr aus - gedehnt und die Muskeln zerriſſen hat. Denn in ſolchem Fal werden die Gefaͤße ſehr ver - lezt, und die haarigten Zwiſchenraͤume mit Feuchtigkeiten angefuͤlt, woraus oft ſehr gefaͤhr - liche Geſchwuͤre entſtehn, welche gemeiniglich nur mit dem chirurgiſchen Meſſer weggenom - men werden koͤnnen. Jn allen Faͤllen aber thut dieſe Brenkur in unſern kaͤltern europaͤiſchen Laͤndern nicht die Wirkung, wie in den heißen aſiatiſchen. Jn dieſen kan der menſchliche Koͤrper mehr von allen Arten von Ausduͤnſtungen durchzogen werden, die Materie iſt fluͤſ - ſiger, die Pori ſind offener, die Muskeln und Haͤute mehr erſchlaffet. Auch wird uͤber - haupt durch das Moxabrennen der Schmerz mehr geſtilt, als gaͤnzlich ausgerottet. Es iſt nemlich ganz begreiflich, daß an denen Orten, wo durch die verbrante Materie die boͤſen Feuchtigkeiten herausgezogen oder auch das Perioſtium ganz weggebrant iſt, die Empfin - dung auf hoͤre, dagegen die Schmerzen an andern Theilen wieder entſtehen. Die Brach - manen verſichern indes, daß die Schmerzen auf ewig ausbleiben wuͤrden, wenn man nach dem Brennen ſich ſchlechterdings aller durch Gaͤhrung entſtandner Getraͤnke (als des Weins, des Biers und dergleichen) wie auch aller Arten von Fleiſchſpeiſen enthielte. Dieſe, ſagen ſie, braͤchten neue crude Materie hervor, die ſich in dem Umlauf des Bluts nach den Beinen fenkte, und widerum in dem Perioſtium ihren Siz naͤhme. Jch glaube indes, daß Bushofius, ein Geiſtlicher in Batavia, etwas zu weit gegangen iſt, da er feinen europaͤiſchen Landsleuten die Moxa als ein ganz unfehlbares Mittel wider das Poda - gra angeprieſen hat, und ich glaube mit Recht fuͤrchten zu muͤſſen, daß in unſerm Deutſch - land ſich manche ſehr betrogen finden werden, wenn ſie dieſer Empfehlung zu viel trauen. Der beruͤhmte Valentini, Profeſſor in Gießen, und Mitglied der deutſchen naturforſchen - den Geſelſchaft, hat auch neuerlich hieruͤber ſich beklagt, in ſeinem (wie alle ſeine Schrif - ten) ſehr gelehrt abgefaßtem und gedruktem Schreiben an den beruͤhmten Cleyer, dem daſ - ſelbe in meiner Gegenwart uͤbergeben wurde. Bei epileptiſchen Zufaͤllen und chroniſchen Hauptbeſchwerden bedienen ſich die benachbarten ſchwarzen Nationen der Moxa mehr, als die Sineſer, und zu ihrer wirklichen Erleichterung. Sie pflegen alsdann die ganze obere Kopf haut mit ſehr langer und breit aufgelegter Moxa auszubrennen, und man behauptet, daß durch dieſes Mittel zuweilen Uebel geheilet waͤren, die ſchon alle Aerzte aufgegeben hatten.

§. 5.435das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤufig gebraucht wird.

§. 5.

Welche Orte des Koͤrpers aber nun nach der verſchiednen Beſchaffenheit der Krank - heiten, und nachdem man ſie entweder heilen oder verhuͤten wil, gebrant werden muͤſſen, daruͤber ſind die Lehrer dieſer Feuerchirurgie ſehr uneins. Die angefuͤhrten Gruͤnde beſtehen meiſtens in Aberglauben und Einbildung. Denn da jeder entweder auf ſeine eigne oder ſeines Lehrers Erfahrung bauet, und immer einer vor dem andern gewiſſe Theile angiebt, ſo iſt faſt keine Stelle am ganzen Koͤrper, welche nicht (und zwar oft bei einerlei Zufaͤllen) nach den verſchiednen Meinungen gebrant werden muͤſten. Der gemeine Haufe pflegt aber gewoͤhnlich bei denjenigen Stellen zu bleiben, die einmal durch ein altes Herkommen gewiſ - ſermaßen dazu eingeweiht, und auch in den gedrukten Tafeln angegeben ſind. Noch mehr aberglaͤubiſcher Wahn aber findet ſich in der Auswahl der Zeit, da man es nach den Ge - ſtirnen fuͤr heilſam oder ſchaͤdlich haͤlt, gewiſſe Theile des Koͤrpers zu brennen. Denn wenn es auch noch ſo heilſam waͤre, in dieſer oder jener Krankheit einen Theil des Koͤrpers zu brennen, ſo wird dies doch allemal an ſolchen Tagen und Stunden verworfen, da, nach der Lehre dieſes Weiſen, ſich ein ungluͤklicher Einflus der Geſtirne zeigt. Die Meinungen hieruͤber ſind wieder ſo verſchieden, daß, wenn jemand ihnen allen folgen wolte, er nur ſehr wenige Zeiten zum Brennen tauglich finden wuͤrde. Bei Auswaͤhlung der Orte iſt die Hauptſache diejenigen zu finden, wo die Duͤnſte am bequemſten abgelokt, oder die Materie der Krankheit vom leidenden Theile abgeleitet werden kan. Die Brenverſtaͤndigen behaup - ten, daß ihnen dieſe Orte ſowol aus der Tradition ihrer Vorfahren, als auch ihrer eignen Erfahrung, auf das genaueſte bekant ſind. Kein Theil des Koͤrpers iſt, nach meiner Be - merkung, mehr zum Brennen ausgewaͤhlt worden, als beide Seiten des Ruͤkgrads bis zu den Lenden herab. Man ſolte glauben, daß der Ruͤcken der Japaner und der andern be - nachbarten Voͤlker unter Henkershaͤnden geweſen ſey, ſo vol iſt derſelbe bei Perſonen von bei - derlei Geſchlecht von Narben und tiefen Merkmalen der Geſchwuͤre. Dieſer Anblik ſchadet aber doch, wie dieſe Nationen glauben, ihrer Schoͤnheit gar nichts. Er wird ſehr oft ganz oͤffentlich dargeboten, da die Japaner, wenn ſie auch nur eine ganz leichte Arbeit vorneh - men, ihr Bruſtkleid ablegen, die Roͤcke herunterlaſſen und bei den Huͤften zuſammenbinden, um ſie nicht mit Schweis zu verunreinigen, welches bei dieſer Nation, die nichts von Hem - dern weis, ſehr leicht zu geſchehen pflegt.

§. 6.

Das Brennen ſelbſt wird nun ohne eben ſehr kuͤnſtliche Handgriffe auf folgende Art vorgenommen. Eine ſehr kleine Portion der Moxa wird mit den Vorderfingern in einen Kegel zuſammengedreht, der ohngefaͤhr einen Zol hoch zu ſeyn, und eine Baſis vonJ i i 2etwas436IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,etwas groͤßerer Breite zu haben pflegt. Dieſer Kegel wird alsdenn auf den zu brennenden Ort geſtelt, und unten etwas mit Speichel angefeuchtet, damit er feſte anklebe. Darauf zuͤndet man oben die Spitze mit einem brennenden kleinen ſehr zarten Staͤbchen an, das die Japaner Senko nennen. Der Kegel iſt gemeiniglich in kurzer Zeit abgebrant, und oft wird alsdenn noch ein neuer angelegt, und dies fortgeſezt bis die Vorſchrift der Heilkunſt und die vorgeſezte Abſicht nach dem Urtheil deſſen erfuͤlt iſt, der das Brennen anordnet oder ſelbſt verrichtet. Die Wundaͤrzte dieſer Art heißen Tenſaſj, d. i. Beruͤhrer, oder mit dem Gefuͤhl unterſuchende, weil ſie mit dem Finger denjenigen Ort ausforſchen, der mit Moxa zu belegen iſt. Die angezuͤndeten kleinen Ruthen ſind von eben der Art, wie diejenigen, mit denen die heidniſchen Moͤnche ihren Goͤtzen opfern, und in den Tempeln die Andachtsſtunden abmeſſen, ſo wie auch im Lager die Stunden der Wachen auf eben dieſe Art abgemeſſen werden. Denn ſie brennen ſehr langſam und almaͤhlig ab, haben aber einen ſehr ſtarken und angenehmen Geruch. Man macht dieſe Staͤbchen aus der ſchleimich - ten Rinde des Baumes Taab oder Taab noki, Lauri Japonicae Sylveſtris, des groͤßten Baumes dieſes Landes. Mit dieſer ganz zu Pulver zerſtoßnen Rinde wird als - denn das Holz Agallochi vermiſcht, oder nur die harzichte und koſtbarſte Theile deſſelben, Calemback, und nach dem Gutfinden des Verfertigers, auch allerlei andre ſtark und wohlriechende Dinge. Dieſe Miſchung wird alsdenn noch mit etwas Waſſer verſezt, und ein dicker Brei daraus gemacht, hernach mit den Haͤnden tuͤchtig durchgearbeitet und in ein Gefaͤs gebracht, das viele runde Loͤcher hat, auf welches man ſtarke Gewichte legt. Die - ſe Wirkung iſt, daß unten durch die Loͤcher ſich kleine Staͤbchen hervordraͤngen, die duͤn - ner als ein Strohhalm ſind, die man alsdenn auf kleine Latten legt, und im Schatten trok - net. Dieſe Staͤbchen kommen alsdenn als Rauchkerzen in die Werkſtaͤtten, und werden daſelbſt kleine Buͤndel derſelben, mit Papier umwunden, zu dem vorher angegebenen Ge - brauch verkauft. Aber alles dieſes iſt nur eine uͤberfluͤſſige Zugabe bei der Feuerchirurgie, die nur gar aͤußere Ausſchmuͤckung der Operation, nicht aber zur Sache ſelbſt, etwas bei - traͤgt. An ſich ſelbſt iſt es genug, mit irgend einem Staͤbchen das Feuer hervorgebracht zu haben, und ſo pflegt es auch der gemeine Mann zu halten. Das Geheimnis der Kunſt ſelbſt aber beſteht in der zuverlaͤſſigen und genauen Kentnis des Orts, der nach Beſchaf - fenheit jeder Art Krankheit gebrant werden mus. Nach unſern europaͤiſchen Grundſaͤtzen wuͤrde man nun denjenigen Ort fuͤr den bequemſten zu Austreibung der Duͤnſte (als worauf die ganze Abſicht des Brennens gehe) halten, der dem leidenden Theile am naͤchſten iſt; aber die japaniſchen Kunſtverſtaͤndigen waͤhlen oſt einen ganz entfernten Ort, und der mit dem leidenden auf gar keine in der Anatomie bekante Art, ſondern nur durch das alge - meine Band des Koͤrpers zuſammenhaͤngt. So ungereimt es einem gewiſſen Litthauiſchen Edelmann ſchien, bei dem Kopfweh ein Kliſtier zu geben, ſo wunderbar kommen demFrem -437das bei den Sineſern und Japanern ſehr haͤufig gebraucht wird. Fremden die guten Wirkungen des Artemiaſialiſchen Brenmittels vor, das doch an einem ganz andern als dem leidenden Ort angebracht iſt. Und doch brent man mit wirklichem Erfolge in Magenbeſchwerden und um Appetit zu erwecken die Schultern; die Gelenke des Ruͤkgrades bei Seitenſtichen, die Muskeln des Daumes bei Zahnſchmerzen an eben der Seite, und ſolcher ſonderbaren Beiſpiele giebt es mehr. Und wo iſt nun irgend ein Ana - tomiker ſcharfſichtig genug, um hier die beſondre Verbindung der Gefaͤße angeben zu koͤnnen?

§. 7.

Die Regeln und Erforderniſſe bei dem Brennen ſind nun ſehr verſchieden, man mag nun entweder auf den Ort des Koͤrpers, die Zeit, die Zahl der aufzuſetzenden Kegel, die Lage des Koͤrpers, die Diaͤt des Patienten und viele andre Umſtaͤnde mehr ſehn. Alge - meine und Hauptvorſchriften aber ſind folgende:

Man muß bei dem Brennen vor allen Dingen Sehnen und Adern (arterias & venas) unverlezt laſſen, die mehrerer Sicherheit wegen vom Brenner nicht blos durch das Geſicht, ſondern das Gefuͤhl genau erforſcht werden muͤſſen.

Der Patient muß bei der Operation ſelbſt gerade in der Lage des Koͤrpers bleiben, in der er ſich befand, als der ſchickliche Ort zum Brennen angezeigt wurde, er mag nun vorher geſeſſen oder geſtanden haben. Gewoͤhnlich aber muß derſelbe ſich auf die Erde ſe - tzen, die Beine kreuzweis uͤber einander ſchlagen, und die flache Haͤnde in die Seiten legen, denn in dieſer Lage kommen die Muſkeln des Koͤrpers und die zwiſchen inne liegenden Theile am beſten zum Vorſchein, auch koͤmt ſie der urſpruͤnglichen Lage eines Embryo am naͤchſten. Wer aber an den Beinen gebrant werden ſol, muß auf einem Stuhl ſitzen, und die Fuͤße herunter und in warm Waſſer halten, weil es noͤthig iſt, an ſolchen Theilen des Koͤrpers, die vom Herzen entfernt ſind, die Ausduͤnſtung durch kuͤnſtliche Mittel zu befoͤrdern. Per - ſonen von ſchwacher Conſtitution werden an einem Orte nur dreimal gebrant; die von ſtaͤrk - rer aber wohl zehn, zwanzig und mehrmal, wie es das Uebel erfodert. Ob man an verſchied - nen Stellen mehrere Kegel zu gleicher Zeit, oder ſie allemal nur abwechſelnd anzuͤnden muͤſſe? Dies beſtimt keine Regel der Kunſt, ſondern blos die Faͤhigkeit des Kranken es zu leiden und die Zeit, die der Arzt auf dieſe Operation wenden kan. Den naͤchſten und die folgenden Tage nach derſelben beſieht der Arzt die Wunden; es iſt ein boͤſes Zeichen und Beweis einer ſchwachen Natur, wenn ſie nicht geeitert haben, ſondern ganz trocken ſind. Man ſucht alsdenn durch hineingelegte zerſtoßene Zwiebeln die Eiterung zu befoͤrdern. Dies habe ich aus muͤndlichem Bericht der Feuer-Wundaͤrzte erfahren.

J i i 3Die438IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,

Die beſondern Regeln aber enthalten die in ſineſiſchen und japaniſchen CharakternTab. XLIV. gedrukte Tafeln, wovon ich hier eine nebſt dem Kupfer beifuͤge, auf welchem die in gewiſ - ſen Krankheiten zu brennende Orte angegeben und mit beſondern Namen bezeichnet ſind. Die Tafel habe ich uͤberſezt, ſo gut es die ſineſiſchen Verſe und Philoſophie erlauben wolten. Man kan ſie ſowohl in den Buchlaͤden, als auch bei den herumreiſenden Aerzten kaufen, die ſie auf den Landſtraßen und Maͤrkten abſingen, um die Unwiſſenden anzulocken, fuͤr we - nig Geld die ſo kurz gefaſten Grundſaͤtze einer ſo weitlaͤuftigen Kunſt zu kaufen.

Jch habe im folgenden den Text mit andrer Schrift abdrucken laſſen, meine ver - ſuchte Erklaͤrung aber durch die gewoͤhnliche Schrift und Parentheſen unterſchieden.

Erſtes Kapitel.

Kju ſju Kagami d. i. ein Spiegel der Orte, welche gebrant werden muͤſſen.

Es enthaͤlt die Brenmethode, welche in gewiſſen Saͤtzen (eigentlich Verſen) enthalten iſt, aus welchen jeder das ganze Geſchaͤft des Brennens erkennen kan.

  • 1) Bei dem Kopfweh, Schwindel, Ohnmachten, Dſeoki (Dſeoki iſt eine ſehr ſtarke Entzuͤndung (phlegmone) des Geſichts und eine Japan eigenthuͤmliche Folge des Scorbuts. Bei Perſonen, welche damit behaftet ſind, entſteht oft aus ganz geringen Urſachen, wie z. E. durch das Bad, einen Rauſch, heftige Bewegung, ein Aufſchwellen und eine große Hitze des ganzen Geſichts. Nicht ſelten folgt hinterher auch Augenkrank - heit) und bei der durch haͤufigen Anfal von Dſeoki entſtandnen Verfinſterung der Augen; bei den Huͤftſchmerzen, den Folgen des Kopfwehes; bei der Engbruͤſtig - keit und ſchwerem Bruſtauswurf; in allen dieſen Faͤllen iſt es gut, denjenigen Theil des Koͤrpers zu brennen, den ſie Koko nennen.
  • 2) Jn Kinderkrankheiten, beſonders bei aufgeſchwollenem Bauch, Diar - rhoͤen, Mangel des Appetits, der Kraͤtze, Abhaͤutung der Naſe; auch bei dem Nachtſehen erwachſener Perſonen, muß der Ort Sjuitz oder der eilfte Wirbel des Ruͤkgrads von beiden Seiten mit funfzehn bis ſechzehn verſchiednen Portionen der Moxa gebrant werden, da man zwiſchen den beiden zu brennenden Orten allemal Sun Raum laͤſt. (Sun iſt ohngefaͤhr zwei oder drei Fingerbreit. Hierbei iſt auch noch zu bemerken:
  • Erſtlich. Der Ort Sjuitz, d. i. der elfte, hat den Namen von der Zahl des Wirbels, des Ruͤckgrads, an deſſen beiden Seiten gebrannt wird. Man faͤngt aber von dem vierten Halswirbel hiebei zu zaͤhlen an, vor demjenigen naͤmlich, der vor den uͤbrigenhervor -
    Tab. XLIV.
    439das bei den Japanern und Sineſern ſehr haͤufig gebraucht wird. hervorragt, wenn man den Kopf etwas voruͤber auf die Bruſt beugt. Und eben dieſe Zaͤh - lung iſt auch bei den uͤbrigen hier vorkommenden Angaben zu verſtehn.
  • Zweitens. Sun iſt das gewoͤhnliche Laͤngenmaaß in dieſem Reich, die Kaufleute bedienen ſich eines laͤngern, die Kuͤnſtler und Handwerker eines kleinern. Bei dem Bren - nen aber ſieht man weder auf das eine noch andre dieſer Maaße; ſondern hier iſt Sun die Laͤnge des zweiten Gliedes des Mittelfingers der Perſon, welche gebrant werden fol, man nimt ſie als den Maaßſtab an, der mit ihrem Koͤrper in der beſten Proportion ſteht.
  • 3) Bei dem Uebel Sakf (d. i. dem chroniſchen Bauchſchmerzen, der nach kurzer Unterbrechung allemal wiederkoͤmt) Senki, (d. i. den endemiſchen Colikſchmerzen) Su - bakf, (d. i. in Leibſchmerzen, die von Wuͤrmern herruͤhren) brent man an beiden Sei - ten des Nabels, ohngefaͤhr in dem Umfang von zwei Sun; dieſer Ort wird Tenſu genant.
  • 4) Sowohl bei dem Ausbleiben als dem zu ſtarken Flus des Monatlichen, bei dem weißen Fluß, bei der guͤldnen Ader und den Geſchwuͤren derſelben; bei dem Teka - gami (d. i. bei einem chroniſchen Schnuppen, der periodiſch wiederkoͤmt) muß der Ort Kiſoo no Kitz an beiden Seiten mit fuͤnf artemiſialiſchen Kuͤchleins gebrant wer - den. Um dieſen Ort zu finden, faͤhrt man in gerader Linie vom Nabel vier Sun herab, und denn zu beiden Seiten wieder vier Sun, ſo daß zwiſchen den beiden zu brennenden Punkten ein Zwiſchenraum von acht Sun bleibt.
  • 5) Bei ſchweren Geburten muß die aͤußerſte Spitze des kleinſten Zehen am linken Fuß mit drei Kegeln gebrant werden.
  • 6) Bei dem Mangel von Milch brent man der ſaͤugenden Perſon gerade die Mittelſtelle zwiſchen den Bruͤſten mit fuͤnf Portionen der Moxa.
  • 7) Bei der Gicht und dem Huftweh, ſo auch in allen Schmerzen der Beine, und in der Strangurie, brent man an den dicken Beinen, etwa drei Sun uͤber dem Knie (an dem Orte, wo man gemeiniglich die Fontanelle anzubringen pflegt) mit ohngefaͤhr elf Kegeln.
  • 8) Bei Aufblaͤhung und Schmerzen des Bauchs; bei Magenkraͤmpfen, die aus eintaͤgigem hitzigem Fieber entſtehen, und bei verlornem Appetit brent man mit ſechs Kegeln vier Sun uͤber dem Nabel, in gerader Linie.
  • 9) Bei dem Huft - und Knieweh, bei Schwaͤche und Ermattung der Ge - beine, uͤberhaupt bei algemeinem Gliederwehe und Schwaͤche des ganzen Koͤr - pers, muß Fuſi gebrant werden. (Fuſi heiſt der Ort an beiden Huͤften, den man ge - rade mit der Spitze des Mittelfingers beruͤhrt, wenn man die Arme in ihrer natuͤrlichen Lage mit ausgeſtrekten Haͤnden herabhaͤngen laͤſt.)
10) Wer440IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,
  • 10) Wer mit Verhaͤrtung der Seiten, kaltem Schauer, und abwechſelndem Faulfieber behaftet iſt, laͤſt ſich den Ort Seomon brennen. (Seomon iſt dicht unter der letzten falſchen Rippe, das Brennen derſelben verurſacht einen kaum ertraͤglichen Schmerz. Jch wuͤrde Schomon oder Sjomon ſchreiben, wenn man nicht in der Japaniſchen Aus - ſprache ein ganz kurzes e hoͤrte.
  • 11) Wer an der Gonorrhaͤa leidet, muß ſich in der Mitte des Orts Jo - komon brennen laſſen. (Jokomon heiſt der Ort uͤber der Schaam, zwiſchen dieſer und dem Nabel gerade in der Mitte.
  • 12) Wer dem Catarrh, Naſenbluten oder Schwindeln unterworfen iſt, wird Huͤlfe finden, wenn er den Ort Fuumon mit 50 bis 100 Kegeln (an eben demſelben Orte nach einander) brennen laͤſt. (Fuumon iſt die Gegend des Kreuzbeins (Os ſacrum).
  • 13) Wer mit ſchmerzenden Geſchwuͤren am Hintern geplagt iſt, muß ſich mit einem Kegel brennen laſſen drei Sun vom aͤußerſten Ende des Schwarzbeines (Os coccygis) (Auch dies ſchmerzt ſehr!)
  • 14) Bei dem Austreten des Maſtdarms muß das Schwanzbein ſelbſt gebrant werden.

Zweites Kapitel.

  • 1) Nindſin (die Geiſter der Geſtirne) halten ſich zur Fruͤhlingszeit um den neunten Wirbel des Ruͤckgrads auf; im Sommer um den fuͤnften, im Herbſt um den dritten; im Winter um den vierzehnten und an beiden Huͤften. Man darf daher alle dieſe Orte in den angegebnen Zeiten nicht brennen.
  • 2) Bei dem Wechſel der Jahrszeiten darf man weder in Seomon, noch in der Gegend des vierzehnten Wirbels des Ruͤkgrads brennen. Denn das Brennen wuͤrde als - denn nicht nur durchaus nicht nuͤtzen, ſondern vielmehr durch Vermehrung und Reizung der Krankheit ſchaden.
  • 3) Bei regnichtem, naſſem oder zu heißem Wetter, auch an ganz kalten Tagen muß man ſich ſchlechterdings alles Brennens enthalten.
  • 4) Drei Tage vor dem Brennen und ſieben Tage nach demſelben muß man ſich alles Beiſchlafs enthalten.
  • 5) Wer ſich heftig erzuͤrnet hat, laſſe ſich ja nicht eher brennen, bis er voͤllig wieder beſaͤnftigt iſt. Ein ſehr Ermuͤdeter, oder wer eben eine ſehr ſchwere Arbeit verrichtet hat, muß nicht gleich nachher gebrant werden; auch nicht ein Hungriger, und einer, der ſehr viel gegeſſen hat.
6) Sacki,441das bei den Japanern und Sineſern ſehr haͤufig gebraucht wird.
  • 6) Sacki, (das einheimiſche, fette, geiſtige, aus Reis verfertigte Getraͤnk) zu trinken, iſt vor der Operation ſchaͤdlich, nach derſelben aber gut und heilſam; weil es die Lebhaftigkeit des Geiſtes und den Umlauf des Bluts befoͤrdert. (Die Japaner kennen ſeit den aͤlteſten Zeiten dieſen Umlauf, aber nicht die Art und Wege deſſelben.)
  • 7) Man muß wohl wiſſen und beobachten, daß ein mit Moxa Gebran - ter drei Tage nachher kaltes Bad von ſuͤßem Waſſer gebrauchen muͤſſe. (Die Ja - paner bedienen ſich deſſelben und beſonders des Dampfbades faſt taͤglich, wodurch, wie ich glaube, die Venusſeuche noch etwas abgehalten wird, die ſonſt die ganze Nation ausrotten muͤſte)
  • 8) Die Arzeneien ſind zu Heilung wirklicher Krankheiten, das Brennen zu Praͤſervativkuren dienlich. Auch ein ganz Geſunder thut indes wohl, auch im zweiten und achten Monat (Maͤrz und September) ſich brennen zu laſſen. (Die durch gluͤklichen Einfluß der Geſtirne, als gute Brentage ausgezeichnete, werden in den Calendern bemerkt.
  • 9) Der Brenarzt muß beſonders den Puls genau unterſuchen, und wenn er ihn geſchwinder findet, als es billig ſeyn ſolte, muß er mit beſondrer Vorſicht verfahren, weil es ein Beweis iſt, daß ſein Patient einen Catarrh hat.
  • 10) Wer brennen wil, muß die zum Brennen beſtimte Orte nach Saku und Sun meſſen und auswaͤhlen. Zum Maaßſtab des Sun nimt man das mit - lere Glied des Mittelfingers; bei den Maͤnnern der linken, bei den Weibern der rechten Hand.

Drittes Kapitel.

Eine Frau, welche nicht gern empfangen wil, muß ſich den Nabel |mit drei arte - miſialiſchen Kegeln brennen laſſen.

Viertes Kapitel.

Eine unfruchtbare Frau, welche Kinder zu haben wuͤnſcht, muß ſich an beiden Seiten des ein und zwanzigſten Wirbels des Ruͤkgrades mit elf Kegeln brennen laſſen.

Zweiter Band. K k kV. 442

V. Geſchichte des Japaniſchen Thees*)Aus den Amoenis. Exot. Faſc. III. Obſ. XIII, p. 605 &c.

Vermuthlich werden viele glauben, daß ich hier eine ſchon gethane Arbeit uͤbernehme, wenn ich eine Geſchichte des Thees gebe. Der beruͤhmte Ten Rhyn nehmlich, (mein verehrungswuͤrdiger Freund und Vorgaͤnger in der Stelle zu Nangaſacki) hat ſchon eine ſehr umſtaͤndliche und genaue Geſchichte des Thees geliefert, und der gelehrte Breyn in Appendice Centuriae Exot. ſie bekant gemacht. Da aber dieſer ſonſt ſo ſorgfaͤltige Beobachter ſich kuͤrzre Zeit in dieſem Reich aufgehalten hat, und weit einge - ſchraͤnkter war, als ich, ſo hat er Manches vorbeigelaſſen, das doch ausnehmend wiſſens - wuͤrdig war, und zur genauern Richtigkeit der Materie gehoͤrte. Jch habe es daher der Muͤhe werth geachtet, das von ihm Uebergangene nachzuholen, und die ganze Geſchichte kurz zu wiederholen.

§. 1.

Tſia-Thea frutex folio ceraſi flore roſae ſylveſtris, fructu unicocco, bicocco & ut plurimum tricocco. Der Thee iſt ein Staudengewaͤchs, welches lang -Tab. XXXVIII. ſam Mannes Laͤnge erreicht. Die Wurzel iſt unordentlich getheilt, holzigt und außen ſchwarz; der Stam von unten auf mit Aeſten beladen, deren zahlreiche Schoſſen und Sproͤßlinge ſich ohne Ordnung verbreiten. Es dekt ihn eine ſchwache, duͤnne, trokne, helbraune, unterwaͤrts grau und ganz oben grasgruͤne Rinde. Das Holz hat ziemlich harte Faſern, und enthaͤlt ein gar duͤnnes feſt angewachſenes Mark. Die Blaͤtter bleiben auf ſehr kurzen, nach keiner Ordnung zerſtreuten, fleiſchichten Stielen beſtaͤndig gruͤnend ſitzen, und gleichen an Geſtalt, Gewebe, Farbe und Groͤße den ſauren Garten-Kirſchblaͤt - tern, doch ſo, daß die juͤngſten, die man einſammelt, vielleicht mit den Blaͤttern des Evony - mus vulg. rub. gran. noch genauere Uebereinſtimmungen, ausgenommen in der Farbe,haben.

Tab. XXXVIII.

443V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. haben. Jm Herbſte kommen einzeln auch paarweiſe zwiſchen jedem Blatſtiel und Zweige die Bluͤthen hervor, faſt wie wilde Roſen geformt, uͤber einen Zol im Durchſchnit, doch nie ganz ausgeſtaltet, von ſchwachem Wohlgeruch, weis, und ſechsblaͤttricht mit runden hohlen Blaͤttern. Die Blumenſtiele ſind einen halben Zol lang, almaͤhlig oberwaͤrts dicker und ein Ende mit einer unbeſtimten Anzahl von mehrentheils fuͤnf oder ſechs kleinen runden Schuppen ſtat Blumenkelchs verſehen. Nach der Bluͤthe entſtehet eine Menge einzelner gepaarter, meiſtens aber, wie beim Ricinus, dreifacher Fruͤchte. Es wachſen nemlich drei kugelfoͤrmige Knoͤpfe wie wilde Pflaumen gros oben auf dem Stiel zuſammen, und ſind, wo ſie einander beruͤhren, wie Kuͤſſen eingedruͤckt. Jedes Knoͤpfgen enthaͤlt ſeine eigne Nus, in einem erſt gruͤnen, dann ins ſchwarze reifenden Saamengehaͤuſe, das außen glanz - los, fet, haͤutig und etwas holzig iſt, und oben, nachdem es lange auf der Staude geſeſ - ſen, einen Spalt bekomt, wodurch man die Nus ſehen kan. Die Nus iſt beinahe kugel - foͤrmig, nur an der Seite, wo ſie anliegt, etwas eingedruͤckt. Jhr Haͤutgen iſt hart, duͤn, glaͤnzend, rothbraun oder volkommen kaſtanienfarbig; nach Abzug deſſen ein roͤthlicher Kern zum Vorſchein komt, der zur Haͤrte uud dem oͤligten Weſen einer Haſelnus reift, zuerſt einen Faden ſuͤßlichten, gleich darauf aber, wie Levcojen Saamen, einen ſehr bit - tern, unleidlichen Geſchmack zuruͤklaͤſt, welcher viel Speichel zieht, und im Schlunde eine doch bald voruͤbergehende Empfindung von Ekel erregt.

§. 2.

Noch iſt in den Schulen kein Schriftzug, (der nach Japaniſcher Art eine Defini - tion des Gegenſtandes enthielte) gepruͤft und angenommen worden, der dem Thee, von den Japanern Tſjaa und den Sineſen Theh genant, eigenthuͤmlich waͤre. Jnzwiſchen begnuͤgt man ſich mit verſchiedenen andern, die entweder nur den Klang des Wortes Thee, oder aber die Kraͤfte und Eigenſchaften der Staude bedeuten. Von lezterer Art iſt der Charakter, welcher die Augenlieder des Darma, eines beruͤhmten heidniſchen Heiligen ausdruͤkt. Dieſe ſeltſame Vereinbarung ſo verſchiedner Begriffe als Thee und Augenlieder, iſt deshalb wichtig, weil ſie den Zeitpunkt umgiebt, in dem man Thee zu trinken angefangen hat. Eine kleine Digreſſion hieruͤber wird desfals dem Leſer nicht zuwider ſeyn. Darma, des Jn - dianiſchen Koͤnigs Kosjuwo dritter Sohn, ein heiliger frommer Prieſter, war nach dem Sjaka, einem andern ſchwarzen ums Jahr vor Chriſto 1025 gebohrnem Jndianer und Stifter einer Hauptreligion des oͤſtlichen Aſiens, der 25ſte Nachfolger als Oberhaupt dieſer Kirche. Er landete 519 nach Chriſti Geburt in Sina, und richtete ſein ganzes Augenmerk dahin, dem Volke die Erkentnis Gottes, und wie ers nante, die wahre ſeligmachende Re - ligion beizubringen. Zu dem Ende gieng er ihm nicht nur mit Lehre, ſondern auch mitK k k 2Bei -444V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. Beiſpiel vor, lebte beſtaͤndig unter freyem Himmel, kaſteyete ſeinen Leib, zaͤhmte ſeine Lei - denſchaften, und glaubte ſich auf dieſe Art Gottes Gnade zu erwerben. Seine Nahrung beſtand in Blaͤttern, und er ſuchte die hoͤchſte Volkommenheit der Heiligung darin, daß er alle Naͤchte in ununterbrochnen Satori, d. i. in der Betrachtung des hoͤchſten Weſens durchwachte; ſeinem Koͤrper Ruhe und Raſt zu verſagen, und ſich Gott ganz zu widmen, war bei ihm die hoͤchſte Staffel eines reuigen Lebens und der menſchlichen Volkommenheit. Nach vielen durchwachten Jahren traf ſichs, daß er, von langem Faſten erſchoͤpft, endlich vom Schlaf uͤberfallen ward. Beim Erwachen empfand er ſo aufrichtige Reue uͤber ſein verleztes Geluͤbde und ſo dringende Begierde ſolches kuͤnftighin auf ewig zu verhindern, daß er ſeine beiden Augenlieder, als Werkzeuge des Verbrechens, abſchnit und zuͤrnend von ſich warf. Als er Tages darnach wieder an den Ort ſeiner frommen Quaal gieng, erblikte er aus jedem Augenliede eine wunderbar hervorgeſproßne Staude. Dieſe war nichts anders als der Thee, den die Welt entweder noch gar nicht gehabt, oder deſſen Eigenſchaften bis dahin wenigſtens verheelt geblieben waren. Er ſpeiſte die Blaͤtgen, (ob er ſie roh oder mit Waſſer genoſſen? wird nicht erzaͤhlt) und empfand ſogleich eine ſeltſame Lebhaftigkeit, und Froͤlichkeit, nebſt neuen Kraͤften, die Beſchauung des goͤttlichen Weſens ohn Unterlas fort - zuſetzen. Da er nun dieſe bisher unbekante Wirkung der Theeblaͤtter und die Art ſie zu ge - nießen, der Menge ſeiner Juͤnger nie genug anpreiſen konte, erſchol alsbald der Ruhm die - ſes edlen Gewaͤchſes, und ward der Gebrauch ſeiner unvergleichlichen Blaͤtter algemein. Weil alſo die Staude keinen eigenen Schriftzug hat, pflegt man ſie unter dem von Dar - mas Augenliedern anzugeben. Das Bildnis des beruͤhmten Mannes, den die Heiden andaͤchtigſt verehren, mit dem Schilf unter ſeinen Fuͤßen, auf dem er uͤber Meer und Fluͤſſe geſchwommen, wird anbei zur Erbauung des Leſers mitgetheilt. Und dies mag vom Na - men genug ſeyn.

§. 3.

Zur eben gegebnen Beſchreibung der Theeſtaude, welche dem Leſer am beſten richtige Begriffe von dieſer Pflanze machen kan, wil ich jezt noch das hinzufuͤgen, was in einer volſtaͤndigern Hiſtorie geſucht werden koͤnte. Es ſcheint oft, als haͤtte der Stam ſchon ganz unten viel mehr Zweige, als doch wirklich vorhanden ſind, weil mehrere Saamen in ein Loch beiſammen geſtekt werden, mithin etliche Stauden auf einem Punkt hervorkom - men, und das unerfahrne Auge taͤuſchen. Die Stauden werden auch zuweilen bis an die Wurzeln abgeſchnitten, und ſchießen alsdenn eine Menge neuer buͤſchichter Zweige auf, die alle beim erſten Anblik zu einer einzelnen Wurzel zu gehoͤren ſcheinen. Dergleichen Schoͤs - linge ſowohl, als auch die erſten Saamenpflanzen ſind gedehnter und reicher an Saͤften,obgleich

Tab. XXXIX

445V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. obgleich einfacher als die ſpaͤtern. Mit der Zeit bekommen ſie immer noch neue Aeſte. Die Rinde iſt zaͤh und feſt angewachſen. Jhr aͤußeres duͤnnes Haͤutgen geht manchmal ab, wenn es trocken wird; die zwote Rinde iſt gruͤnlicht, nicht wie Haſelblaͤtter, doch etwas ſtark und widrig, und hat einen ekelhaften, bittern, wilden, zuſammenziehenden Geſchmak. Das Holz iſt hart, grobfaſericht, weislicht gruͤn, und ſo lang es friſch iſt, von unange - nehmen Geruch. Die Aeſte kommen dicht und unordentlich hervor, ſind duͤn, von unglei - cher Laͤnge, alle aber kurz, und ohne diejenigen Ringe, an denen man das Wachsthum er - kennet. So ſtehen auch die Blaͤtter dicht und ohne Ordnung, und aus ihren Achſeln komt eine kleine ſchmale Knoſpe zum Vorſchein. Auf einem ſaftigen, ganz kurzen Stiel, der unten rund, oben zuſammengedruͤkt oder ſcharf iſt, ſteht das Blat, ſo etwas fleiſchigt, laͤngſtens zwei Zol lang, und einen Zol breit iſt. Es faͤngt ſchmal an, und nimt almaͤh - lig in einer Bogenlinie zu mit ſtumpfer Spitze, iſt oͤfters auch eyfoͤrmig laͤnglich ausgedehnt und unregelmaͤßig gewaͤſſert, in der Mitte eingedrukt und rund umher ein wenig zuruͤkgebo - gen. Beide Seiten ſind glat und glaͤnzend, aber die Nerven liegen eingedrukt, und ma - chen Gruͤbchen; die Farbe iſt ein dunkel oder traurig gruͤn, auf der untern Seite lichter; die Staͤnder ſind in kleine breite, ſtumpfe, haͤrtliche und dichte Zaͤhngen ausgezakt. Die Mittelnerve liegt aber in einer großen Vertiefung, und ſteht unten ſehr hervor; fuͤnf, ſechs bis ſieben feinere laufen davon an jeder Seite in ungleichen Entfernungen aus, und biegen ſich, ehe ſie den Rand erreichen, gegen einander zuruͤk. Zuweilen laufen noch dazwiſchen ohne Ordnung allerlei kleinere Adern. Das friſche Blat hat keinen Geruch, und einen ſchwaͤ - chern Nachgeſchmak als die Rinde, naͤmlich einen graſigtbittern, zuſammenziehenden, aber recht ekelhaften. Nach Maasgabe des Bodens, der Stellung, des Alters, ſind die Blaͤt - ter an Geſtalt, Groͤße und Subſtanz unter ſich ſehr verſchieden, weshalb man ganz unrecht aus den jungen Blaͤttern, die geroͤſtet nach Europa gebracht werden, auf die Figur der voͤllig ausgewachſenen ſchlieſt. Sie beſitzen eine gewiſſe boͤſe und dem Gehirn ſchaͤdliche Kraft, die Lebensgeiſter zu beunruhigen, durch welche das Gemuͤth in Taumel geraͤth und die Nerven eine zitternde Bewegung erhalten. Durch anhaltendes Roͤſten aber wird die marcotiſche Wirkung ſo voͤllig vertrieben, daß nur eine ſanfte angenehme Kraft die Lebens - geiſter wieder zu erwaͤrmen uͤbrig bleibt. Die Menge der Bluͤthen ziert die Aeſte unauf - hoͤrlich durch alle Herbſtmonathe bis tief in den Winter. Sie haben ſechs Blaͤtter, deren ein oder anderes von den aͤußerſten wie vom kalten Brand geruͤhrt, den anderen an Groͤße nicht beikoͤmt. Jhr Geſchmack iſt unangenehm, etwas bitter, und laͤſt ſich vorzuͤglich un - ten an der Zunge fuͤhlen. Das Jnnere der Blume wird von einem großen geſchloßnen Hau - fen Staubfaͤden gefuͤlt, die von weißer Farbe, ganz klein wie in der Roſe, und mit gelben herzfoͤrmigen Staubbeuteln verſehen ſind. Jn einer einzelnen Blume habe ich 230 gezaͤhlt. Die Fruchtkerne ſind ſehr oͤlicht, und werden gar bald ranzigt, ſo daß aus zehn gepflanz -K k k 3ten446V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. ten kaum zwei aufkommen. Die Einwohner brauchen weder Bluͤthe noch Frucht, ohner - achtet ich gar keinen Zweifel habe, daß nicht im Kern ganz trefliche Kraͤfte enthalten ſeyn ſolten.

§. 4.

Zur Pflanzung des Theeſaamens, womit ſich der Bau dieſer Staude anfaͤngt, widmen die Japaner nicht eigene Gaͤrten oder Felder, ſondern blos die Acker-Raine. Man ſaͤet die Saamen nicht in fortlaufender Reihe, ſo daß ſie eine Hecke machen koͤnten, ſondern in maͤßiger Entfernung von einander, damit die Stauden hernachmals dem Acker mit ihren Schatten nicht ſchaͤdlich werden, noch die Blatſamler zu lange aufhalten. Man laͤſt die Saamen in ihren Gehaͤuſen, und legt wenigſtens ſechs, hoͤchſtens zwoͤlfe beiſammen, in ein anderthalb Handbreit tiefes Loch. Einzeln darf man die Saamen nicht pflanzen, da kaum der vierte oder fuͤnfte aufkomt, und die mehrſten unfruchtbar oder vermoͤge des ranzigen We - ſens, welches ſie ſo leicht annehmen, untauglich geworden ſind. Daher wollen die Saamen in Europa nicht wachſen, ſo oft man ſie auch hingefuͤhrt hat. Jch wuͤrde rathen, daß man in Sicilien, Spanien oder Jtalien dieſe Cultur verſuchte, und zu dem Ende den Saamen im Vaterlande in ein Gefaͤs vol Erde legte, damit denn die hervorgekeimten Pflaͤnzchen nach Belieben herausgehoben, und verpflanzt werden koͤnten. Die Stauden ſelbſt aus ihrer Heimath an andre Orte zu verfuͤhren, wuͤrde nicht gelingen, denn waͤhrend dem Tranſport durch das heiße Jndianiſche Meer werden ſie voͤllig ausgezehrt, und bleiben allenfals in einem ſo ſchwachen Zuſtande zwiſchen Tod und Leben, daß von ihnen keine Nach - kommenſchaft zu erwarten ſteht. Die junge Staude, wenigſtens wenn ſie einen fleißigen Herrn hat, wird mit Pferdemiſt rundherum belegt; einige thun dies jaͤhrlich, andre ſeltner. Ehe die Staude drei Jahr alt iſt, darf kein Blat gepfluͤkt werden; alsdenn aber geſtattet ſie ſchon eine reichliche, und zwar die allerbeſte Erndte. Jm ſiebenten Jahre, wenn ſie Manns Laͤnge erreicht hat, und weniger Blaͤtter traͤgt, mus ſie nach der Leſe bis ganz an die Wurzel abgeſchnitten werden. Es ſchießen alsdenn neue Zweige hervor, die mit ei - ner groͤßern Menge Blaͤtter den vorigen Stam mit großem Gewin erſetzen. Sonſt wird auch wohl mit dieſem Abſchneiden bis ins zehnte Jahr gezoͤgert.

§. 5.

Ein guter Haushaͤlter und Herr vieler Theeſtauden, mus zur Blatleſe geſchikte Arbeiter auswaͤhlen. Die Blaͤtter muͤſſen Stuͤk vor Stuͤk geſammelt, nicht bei Haͤnden vol abgeſtreift werden, folglich kan ein einzelner Menſch, der dieſe Beſchaͤftigung unge -wohnt447V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. wohnt iſt, kaum drei Catti des Tages, hingegen einer, der von Jugend auf eine Fertig - keit erlangt hat, wohl neun bis zehn Catti pfluͤcken. Die Zeit der Leſe iſt nicht feſtgeſezt; man begnuͤgt ſich auch nicht immer mit einer, ſondern es muͤſſen mehrere geſchehen. Wer dreimal des Jahres ſammeln wil, mus die erſte Leſe ſchon gegen das Ende des Songuat oder erſten Japaniſchen Monaths anfangen, der vom Neumond zunaͤchſt vor dem Fruͤhlings - aͤquinoktio, es ſey im Ausgang Februars oder Anfang des Maͤrz, angerechnet wird. Der Blaͤtter ſind in dieſer Jahrszeit nur ſehr wenig, aber dieſe von ausnehmender Feine, noch nicht ganz ausgefaltet und nur zwei bis drei Tage alt. Dafuͤr ſind es auch die alleredelſten und koſtbarſten, deren Seltenheit und hoher Preis ſie lediglich zum Gebrauch der Fuͤrſten und Reichen beſtimt, und aus eben dem Grund ſind ihnen die Benennungen Kaiferthee und Blumenthee eigen. Nie werden die Bluͤthenſtengel ſtatt der Blaͤtter gepfluͤkt oder gebraucht, wie man bisher faͤlſchlich geglaubt hat. Der Name Blumenthee kan zu die - ſem Jrthum Anlas gegeben, und unwiſſende Reiſenden dazu verleitet haben. Der Sine - ſiſche Theebaum, und zwar die aͤchte und beſte Sorte davon, die auch ſchon dort zu Lande ſehr theuer iſt, wird ebenfals zu dieſer Leſe gerechnet. Die zwote Leſe, die bei andern nur die erſte iſt, wird im zweiten Monath, d. i. Ende Maͤrz und Anfang Aprils, vorge - nommen. Man ſamlet alsdenn Blaͤtter, die ſchon ganz entfaltet, mit ſolchen die es noch nicht ſind, und ſondert ſie nur vor der Bereitung in verſchiedene Claſſen, je nach ihrer Guͤte und Groͤße. Die noch unentwickelten kommen jenen Blaͤtchen der erſten Lefe an Vor - zuͤgen ziemlich gleich, werden auch mit eben den Benennungen belegt, und ſorgfaͤltig von allen andern abgeſchieden. Die lezte und reichlichſte Leſe (die bei andern nur die zwote iſt) geſchieht im dritten Japaniſchen Monathe, wo die Blaͤtter am haͤufigſten, und volkommen ausgebreitet ſind. Mancher laͤßt die Zeit der beiden erſteren Leſen vorbeiſtreichen, und haͤlt ſich allein an dieſe lezte. Dabei wird aber ſorgfaͤltigſt die Abſonderung der Blaͤtter nach ihrer verſchiedenen Guͤte in drei Claſſen beobachtet, davon die erſte Jtziban, die zwote Niban und die dritte Sanban genent wird; leztere enthaͤlt die haͤrteſten, zweimonathlichen Blaͤtter, die nur vom gemeinen Volke gebraucht werden.

§. 6.

Ueberhaupt wird ein dreifacher Unterſchied bei den Blaͤttern beobachtet. Die erſte Art beſteht aus dem juͤngſten Blaͤtgen, die nach ihrer Bereifung Ficki Tsjaa, d. i. ge - mahlner Thee, genent werden, weil ſie zu Pulver gemahlen und mit heißem Waſſer ein - geſchluͤrft werden. Auch nent man dieſe Art Udſi Tsjaa, und Tacke ſakki tsjaa, nach den Orten, wo ſie groͤßtentheils geſammelt wird. Allen uͤbrigen wird ſie wegen des dorti - gen ſehr guten Bodens vorgezogen, zumal wenn ſie von dreijaͤhrigen Stauden, die unterallen448V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. allen die tauglichſten ſind, gepfluͤkt worden iſt, denn der Boden und das Alter der Stau - den tragen gleich viel zum Wachsthum und zur Groͤße der Blaͤtter bei. Doch iſt die Groͤße vielmehr ein Kenzeichen des Alters als der vorzuͤglichen Guͤte eines Blats, es ſey denn, daß damit die groͤßte Delikateſſe in der Struktur verbunden iſt. Wie ich ſchon geſagt, iſt der Sineſen Thehbuu mit dieſer erſten Sorte verwandt. Die zwote Art, aus alten Blaͤttern, und wird nach der Bereitung Too tsjaa, d. i. Sineſen Thee, genant, weil die Japaner ihn auf Sineſiſche Art bereiten. Jn Japan pflegen die Theehaͤndler dieſe Gattung mehrentheils in viererlei Claſſen von verſchiedener Guͤte und Werth zu theilen. Die erſte beſteht aus jungen Blaͤttern, die nur im angehenden Fruͤhlinge geſammelt wer - den, wenn kaum drei bis vier mehr oder weniger entfaltete Blaͤtter auf jedem Zweig ſitzen. Wenn dieſe gehoͤrig bereitet werden, koſtet ein Kin, wie es Fremde nennen, ein Catti, d. i. Pfund Hollaͤndiſch, wenn ich als ein Auslaͤnder es anders recht gelernt habe, ein Sjumome, darnach der Fremden Art zu rechnen, etwas uͤber ein Thail, oder noch ge - nauer 10 bis 15 Maas Silber, d. i. 70 bis 48 Hollaͤndiſche Stuͤber, weil ein ſogenantes Maas ſieben Stuͤber betraͤgt. Die zwote Claſſe enthaͤlt etwas aͤltere Blaͤtter, ſie moͤgen in dieſem oder jenem Monathe gepfluͤkt worden ſeyn, und ein Catu wird ſechs bis ſieben Maas Silber verkauft. Die dritte Claſſe hat etwas dickere Blaͤtter, davon das Catti auf 4 bis 5 Maas zu ſtehen komt. Von dieſer Guͤte iſt der Thee, der in groͤßter Menge aus Sina nach Europa kommt, und in Holland jezt fuͤnf, ſechs bis ſieben Gulden koſtet. Die vierte beſteht aus vermiſchten und ohne Auswahl gepfluͤkten Blaͤttern, wo jeder junge Zweig ohngefaͤhr zehn, und hoͤchſtens funfzehn Blaͤtter giebt. Das Catti hievon komt auf drei Maas Silber, und wird um den Preis auf allen Straßen verkauft, indem dieſe Art von den meiſten Buͤrgern algemein und taͤglich getrunken wird. Nichts iſt aber leichter, als daß die Blaͤtter an der Staude ihren Grad der Guͤte ſchleunigſt veraͤndern, und dies geht ſo weit, das oft in einer Nacht, wenn die Blatleſe verſaͤumt wird, der Uebergang von einer beſſern in eine ſchlechtere Claſſe geſchieht. Die dritte Sorte iſt Ban Tſiaa, dieſe enthaͤlt gebroͤckelte Blaͤtter der lezten Leſe, die zur Sineſiſchen Bereitung, d. i. zum Kraͤu - ſeln, zu ſteif ſind. Sie wird folglich nur einigermaßen zum Gebrauch der Landleute und des gemeinen Poͤbels praͤparirt. Man behauptet, daß die Kraͤfte dieſer Gattung mehr als bei allen andern beſtaͤndig ſind, und ſich weder durch langes Kochen, noch an der Luft |ver - lieren. Jm Gegentheile ſolten die erſtern Sorten, wegen ihrer fluͤchtigen und ſubtilen, obſchon vorzuͤglichern Eigenſchaften, nicht ohne merklichen Schaden der Luft und dem Kochen ausgeſezt werden.

Jch habe vorhin des Udſi tsjaa erwaͤhnet, und, um nichts in dieſer Geſchichte zu vergeſſen, ſetze ich noch etwas daruͤber hinzu. Udſi iſt ein kleiner Flecken am Meere, nicht weit von der Hauptſtadt und Reſidenz des Dairi, Miaco, in der Provinz gleichesNamens.449V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. Namens. Die dortige Luft iſt fuͤr den Theebau ganz beſonders vortheilhaft, mithin wird der dortige Thee fuͤr den beſten gehalten. Daſelbſt liegt ein Berg gleiches Namens, auf dem der Thee fuͤr den Kaiſerlichen Pallaſt gebaut wird. Ein ſogenanter Oberhofthee - meiſter, (ſupremus in aula Praefectus theae) hat daruͤber die Auſſicht, und ſeine Untergeordneten ſind beim Einſamlen und der Zubereitung zugegen. Der Berg bildet eine angenehme Ausſicht. Ein Graben rund umher haͤlt Menſchen und Thiere davon ab. Die Staͤmme ſind in Reihen oder allein gepflanzt, und ſowohl die Gaͤnge als Stauden wer - den taͤglich gereinigt. Die Waͤrter muͤſſen dafuͤr ſorgen, daß die Blaͤtter nicht beſchmutzt werden, noch zur groͤßern Sicherheit werden die meiſten einzelnen Stauden umzaͤunt. Wenn die Leſezeit herannahet, muͤſſen ſich die Samler zwei bis drei Wochen lang zuvor von Fiſchen und unreinen Speiſen enthalten, um die Blaͤtter mit ihrem unflaͤtigen Odem nicht zu beſudeln. Waͤhrend der Leſe ſelbſt muͤſſen ſie zwei dreimal des Tages im Bade oder Fluſſe den Leib waſchen, und dennoch duͤrfen ſie die Blaͤtter ja nicht mit bloßen Haͤnden, ſondern in Hand - ſchuhen pfluͤcken. Nachdem die Blaͤtter kunſtmaͤßig bereitet und in papierne Tuten gefuͤlt worden, werden leztere in porcellaͤnene Toͤpfe gethan, und mit einem ſchlechtern Thee rund herum feſt gepakt. Jn dieſem wohl verwahrten Zuſtande ſchikt ſie der Aufſeher des Gar - tens ſogleich in den Pallaſt, welches aus ſchuldigem Reſpect fuͤr die Kaiſerliche Majeſtaͤt nicht ohne eine ſtarke Bedeckung von Soldaten geſchehen kan. Jſt dieſer Thee nun endlich ange - kommen, ſo wird ihm gleich ein unglaublicher Werth beigelegt. Ein Kin oder Catti wird naͤmlich nicht unter 30 bis 40 ſju mome, oder Tail Silber, d. i. 42 bis 56 Reichstha - lern verkauft. Der Oberhoftheemeiſter traͤgt auch kein Bedenken in der Rechnung, die er an die Kammer ablegt, einige Sorten Thee bisweilen auf einen Obani, (ein Goldſtuͤk von 100 Thalern) oder vollends auf 100 Tail, d. i. 140 Thaler anzuſetzen, indem ein ein - ziges porzellainenes Gefaͤs, welches kaum 3 oder 4 Catti Thee enthaͤlt, in Bedeckung von 200 Mann herbeigefuͤhrt wird. Da mir am Kaiſerlichen Hofe von eben dieſem Thee ge - reicht wurde, ſagte der Bediente: Sauft nur recht und nach Appetit. Jedes Schaͤl - gen koſtet einen ganzen Jtzibo! Der Jtzibo iſt ein viereckigtes Goldſtuͤk, an Werth ei - nem Ducaten gleich.

§. 7.

Die Bereitung beſteht darin, daß die friſch gepfluͤkten Blaͤtter auf eiſernen Platen geroͤſtet, und noch, wenn ſie ganz heis ſind, mit hohler Hand auf Matten gerolt werden, um ſie kraus zu machen. Das Roͤſten doͤrt nicht nur die Blaͤtter, ſondern benimt ihnen ihre ſchaͤdlichen, dem Gehirn feindſelige Kraͤfte, und ſchwaͤcht ſie ſo, daß man ſie genießen kan. Das Rollen bringt ſie nur in engern Raum, damit man ſie bequemer aufbewahrenZweiter Band. L l lkan.450V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. koͤnne. Dieſe Bereitung geſchieht in jeder Stadt in oͤffentlichen Gebaͤuden, Tſjaſi genant, wohin jeder ſeine Theeblaͤtter zum Roͤſten bringt, indem die wenigſten Theebauer die rechte Methode kennen, und die noͤthigen Jnſtrumente ſelbſt beſitzen. Jedes Roͤſthaus hat 1) etliche (5, 10 bis 20) Oefen von drei Schuh hoch, mit einem eiſernen großen, flachen, runden oder viereckigten Deckel, der ſo gemacht iſt, daß die Seite uͤber dem Ofenloche et - was ſchraͤge liegt, damit der Roͤſter, deſſen Standplaz auf der andern Seite iſt, vor dem Feuer ſicher ſtehen, und die Blaͤtter beim Roͤſten bequem umwenden koͤnne. Es muß da - her am Rande nicht die kleinſte Ritze ſein, wo etwan der Rauch aufſtiege; 2) Jn jedem Roͤſthauſe iſt ein (und in den groͤßern mehrere) langer und ſehr niedriger Tiſch, oder viel - mehr in Geſtalt eines Tiſches aus Holz und Mortel zuſammengeſezte Buͤhne, die mit feinen Binſenmatten bedekt werden, worauf das Rollen der Blaͤtter vor ſich geht. Es gehoͤren 3) viele Arbeitsleute hinein, die theils bei den Oefen auf das Roͤſten acht haben, oder auf den Tiſchen mit untergeſchlagenen Beinen ſitzend das Rollen bewerkſtelligen. Die Blaͤtter muͤſſen aber ganz friſch zum Roͤſten gebracht werden, denn bewahrt man ſie nur auf den fol - genden Tag, ſo werden ſie ſchwarz beim Roͤſten, und verlieren viele Kraͤfte. Man bringt ſie deshalb allemal an demſelben Tage, an dem ſie gepfluͤkt worden, ins Roͤſthaus, und huͤtet ſich, daß ſie nicht lange auf einem Haufen liegen, damit ſie ſich nicht innerlich erhitzen, und auf ſolche Art ebenfals ihre Kraͤfte verlieren moͤgen. Wenn es ja einmal geſchehen iſt, muͤſſen ſie ſo bald als moͤglich aus einander gebreitet und mit einem Wedel abgekuͤhlt wer - den. Mit der Bereitung ſelbſt wird folgendermaaßen zu Werke gegangen. Derjenige, welcher die Aufſicht uͤbers Roͤſten hat, ſchuͤttet etliche Pfunde Blaͤtter auf den vorerwaͤhnten Deckel, der ſo heis gemacht werden mus, daß die Blaͤtter, ſo bald ſie ihn beruͤhren, vermoͤge ihrer natuͤrlichen Feuchtigkeit, ziſchen. Dieſer Aufſeher mus dann die Blaͤtter auch bald nach dieſer, bald nach jener Seite herumwenden, damit ſie nicht an irgend einer Stelle ſich zu ſehr auf einander haͤufen, und ungleich gedoͤrt werden. Jn Sina beſonders iſt es auch noch gewoͤhnlich, daß die Blaͤtter der erſten Leſe vor dem Brennen in kochendes Waſſer waͤhrend etwa einer halben Minute, oder ſo lange Jemand dreißig zaͤhlt, gelegt werden; damit die narkotiſche Eigenſchaft, wel - che beſonders die friſchen gar zu ſaftigen Blaͤtter haben, ganz herausgebracht werde. Das Feuer im Ofen mus immer ſo gemaͤßigt werden, daß es gerade von demjenigen, der mit den Haͤnden darin arbeiten mus, ertragen werden kan; und das Umwenden der Blaͤtter waͤhrt ſo lange fort, bis die Hitze derſelben fuͤr die Haͤnde ganz unertraͤglich geworden iſt. Alsdenn werden ſie mit einer kleinen Schaufel, welche die Geſtalt einer Pfanne hat, her - ausgenommen, auf eine Matte gebracht, und den Aufrollern uͤbergeben. Von dieſen nimt dann geſchwind Jeder einen Theil zu ſich, wenn die Blaͤtter noch ganz heis ſind. Sie werden aber mit beiden flachen Haͤnden aufgerolt, und zwar mit gleichfoͤrmiger, nicht ab -wech -451V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. wechſelnder Bewegung, damit ſie voͤllig gleich gekraͤuſelt ſeyn moͤgen. Da die Blaͤtter durch dieſes Rollen ſtark zuſammengedruͤkt werden, ſo geben ſie einen gelblicht-gruͤnen Saft von ſich, der den Haͤnden beinahe unertraͤglich heis wird, deſſen ohngeachtet aber das Rollen im - mer fortgeſezt werden mus, bis die Blaͤtter ganz abgekuͤhlt ſind. Denn das Kraͤuſeln ſelbſt kan nur geſchehn, wenn die Blaͤtter warm ſind, die Figur aber, welche ſie dadurch erhal - ten, dauert nur dann fort, wenn ſie unter den Haͤnden wieder kalt werden. Jn je kuͤrzerer Zeit dieſes Kaltwerden vorgeht, deſto beſſer iſt es, da die Ringe, welche dadurch entſtehn, alsdann deſto feſter haften, welche ohnedem mit Huͤlfe des Staͤbchens durch ein fleißiges Umruͤhren befoͤrdert werden. Sobald die Blaͤtter voͤllig abgekuͤhlt, bekoͤmt ſie der Bren - ner, als Hauptdirector der ganzen Arbeit wieder, (der waͤhrend des vorigen andre geroͤſtet hat, die er nun wieder den Aufrollern giebt,) um ſie nun noch einmal zu roͤſten, bis alle Feuchtigkeiten gaͤnzlich ausgeduͤnſtet ſind. Dieſer wendet die Blaͤtter nunmehr nicht ſo un - ordentlich, wie vorher, ſondern ganz langſam herum, damit die krauſen Ringe ſich nicht verlieren, welches doch, auch mit der groͤſten Sorgfalt, bei allen nicht ganz vermieden werden kan. Jſt dieſes zweite Roͤſten vorbei, ſo bekommen ſie die Aufroller noch einmal wieder, die ſie denn wieder auf vorige Art, aber mit ganz ungemeiner Vorſicht, aufrollen muͤſſen. Sind endlich dieſe Blaͤtter voͤllig ausgetroknet, ſo hebt man ſie zum Gebrauch auf; wo nicht, ſo roͤſtet und rolt man ſie abermals. Bei dem wiederholten Roͤſten mus man ja wohl beob - achten mit der almaͤhligen Abnahme der ausgeduͤnſteten Feuchtigkeiten auch in eben dem Verhaͤltnis das Feuer zu vermindern; ſonſt koͤnnen die Blaͤtter leicht verbrant und zu ſchwarz werden. Einzelne Liebhaber pflegen wohl fuͤnf, oder wenn ſie Muſſe genug haben, ſieben - mal das Roͤſten mit dem Rollen abzuwechſeln. Man mus aber alsdenn den Thee immer auf kuͤrzere Zeit und bei gelindem Feuer roͤſten, damit er ganz almaͤhlig und ſtuffenweiſe warm werde. Um die ſchoͤne gruͤne Farbe zu erhalten, iſt es noͤthig, nach jeder einzelnen Bren - nung das Gefaͤß mit ſiedendem Waſſer von den unreinen Ausduͤnſtungen zu reinigen, die ſich ſonſt wohl an den Seiten feſtzuſetzen, und den neu eingebrachten Thee zu verunreinigen pflegen. Sobald die Blaͤtter hinlaͤnglich geroͤſtet ſind, werden ſie auf den mit Matten be - dekten Boden gelegt, und ſo wie die friſchen Blaͤtter vor der Zubereitung in Klaſſen getheilt wurden, eben ſo werden ſie auch jezt nochmals wieder ſehr ſtrenge unterſucht, um die zu dicken, unzierlich aufgerolten und zu ſehr gebranten in die lezte Klaſſe abzuſondern. Die Blaͤtter von der Gattung des Thees Ficki muͤſſen noch etwas trokner geroͤſtet werden, um nachher von dem Zermalmer deſto beſſer gehandhabet und in Mehl mit leichterer Muͤhe ver - wandelt werden zu koͤnnen. Ganz zarte und junge Blaͤtter werden zuerſt in ſiedend heißes Waſſer gelegt, und dann auf einem groͤbern uͤber Kohlen ausgebreitetem Papier getroknet. Wegen ihrer ausnehmenden Kleinheit rolt man ſie gar nicht auf. Die Bauern pflegen ih - ren Thee in irdenen Toͤpfen nur einigemal zu doͤrren, und ihn uͤberhaupt weniger geſchikt zuL l l 2bear -452V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. bearbeiten. Und doch iſt der Thee, welchen ſie auf dieſe Art erhalten, nicht von der aller - ſchlechteſten Gattung, ob ſie ihn gleich, weil er ohne viele Kunſt bereitet iſt, fuͤr ſehr ge - ringen Preis an das Volk uͤberlaſſen koͤnnen. Jſt der Thee einige Monate aufbewahrt, ſo nimt man ihn mehrerer Sicherheit wegen wieder aus ſeinen Behaͤltniſſen, und roͤſtet ihn von neuem bei einem ſehr gelinden Feuer, um die noch etwa zuruͤckgebliebnen, oder in der Regenzeit hinzugekommene Feuchtigkeiten ganz wegzunehmen. Nur dann erſt kan man ihn ohne alle Gefahr der Verderbnis wieder verſchließen. Die Theearbeiter halten ſelbſt ihr Geſchaͤfte fuͤr ſehr ungluͤklich, weil es eine der kleinſten Sachen im Lande angehe, und doch eine ſo ermuͤdende Arbeit fodre, die ganz wider die Geſetze der Natur auch des Nachts verrichtet werden mus.

§. 8.

Sobald der Thee hinlaͤnglich geroͤſtet und wieder kalt geworden iſt, mus er wieder verſchloſſen und ſorgfaͤltig vor der Luft bewahrt werden. Seine ganze Erhaltung beruhet hierauf, weil die Luft in dem warmen Klima die feinen und geiſtigen Kraͤfte des Thees weit ſtaͤrker und leichter zerſtreuet, als in unſerm kalten. Der zu uns nach Europa gebrachte Thee hat auch, meiner Meinung nach, ſeine feinſten Salze ſchon verloren. Denn ich finde hier weder den ausnehmend angenehmen Geſchmak, noch die Kraft des Thees den Geiſt zu erheitern, die ich bei dem Genus deſſelben in ſeinem Vaterlande empfunden habe. Jn Sina macht man die Theebuͤchſen aus einem ziemlich ſchlechten Zinblech, die, wenn ſie et - was groß ſind, noch rund umher mit einer andern Buͤchſe von Fichtenholz umgeben, und worin alle Ritzen von innen und außen mit Papier verſtopft werden. So verwahrt wird der Thee uͤber das Meer in andre Laͤnder geſandt.

Die Japaner dagegen pflegen ihren Vorrath von gemeinem Thee in großen irde - nen Toͤpfen aufzubewahren, die eine ſehr enge Oefnung haben. Die koͤſtlichen Gattungen aber, welche nur fuͤr den Kaiſer und die Fuͤrſten beſtimt ſind, werden meiſtens in porcel - laͤnen Gefaͤßen, und beſonders, (wenn ſie anders zu haben ſind) in den ungemein koſtba - ren und ihres Alters wegen beruͤhmten Gefaͤßen auf bewahrt, welche man Maatsubo nent. Man glaubt von denſelben, daß ſie nicht nur den Thee aufzubewahren, ſondern auch ſeine Kraͤfte zu erhoͤhen dienen, und daher der Thee immer deſto koͤſtlicher und beſſer ſei, je laͤnger er in dieſen Gefaͤßen aufbewahrt worden. Auch der ganz in Staub verwandelte Thee, oder Ficki Tſja wird in dieſen Gefaͤßen ganze Monate lang aufbewahrt, ohne ſeine Kraͤfte zu verlieren. Ja man ſagt, daß Thee, welcher der Luft ausgeſezt, ſeine Kraͤfte verlohren hatte, ſie in dieſen Gefaͤßen voͤllig wieder erſetzt erhalte. Die Großen des Landes ſuchen daher auch fuͤr den hoͤchſten Preis Gefaͤße dieſer Art zu bekommen, und fuͤr die koſtbarſtenunter453V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. unter denſelben haͤlt man diejenigen, die zum Thee gebraucht werden, die meiſtens mit ganz beſondrer Pracht verfertigt ſind. Dieſer Vorzuͤge wegen ſcheint es mir wohl der Muͤhe werth, hier noch eine beſondre Nachricht von dieſen Gefaͤßen zu geben, welche man auch ſonſt nirgend findet.

Maatsubo heiſt ein wahrer und aͤchter Topf, mit welchem Ausdruk man die koſtbarſte Gattung von Gefaͤßen anzeigen wil. Man hat dieſelben ſeit den aͤlteſten Zeiten aus dem feinſten Ton auf Maurigaſima d. i. der Jnſel Mauri gemacht, welche die Goͤt - ter wegen der verderbten Sitten ihrer Bewohner (wie man erzaͤhlt) in den Grund des Meers verſenkt haben, daß man jezt keine Spur mehr von derſelben ſieht, außer einige klippige Felſen, die uͤber das Meer hervorſtehn. Sie lag nahe bei Tejovaan oder Formoſa, wo ihre Stelle in unſern Seecharten mit Punkten und Sternchen bemerkt iſt, um einen wegen der Untieſen und Klippen gefaͤhrlichen Ort anzudeuten. Die Geſchichte der Jnſel erzaͤhlen nun die Sineſer auf folgende Art: Mauri ga ſima war eine bei den Alten, ihres ausneh - mend fetten Bodens wegen, ſehr beruͤhmte Jnſel, unter deren Produkte auch beſonders eine ſehr koſtbare Thonerde gehoͤrte, aus welcher die Porcellaingefaͤße (bei den Alten vaſa myr - rhina) verſertigt wurden. Der Gewin der Einwohner durch dieſe Fabrik war ſo ausneh - mend groß, daß Luxus und Pracht auch bald bei ihnen ſehr hoch ſtiegen. Hieraus entſtan - den die Laſter, welche gewoͤhnlich Folgen des Luxus zu ſeyn pflegen, und beſonders auch Verachtung der Religion. Dieſe beleidigte dann die Goͤtter auch ſo ſehr, daß ſie in einem unabaͤnderlichen Rathſchluſſe beſchloſſen, die ganze Jnſel durch eine Ueberſchwemmung unter - gehn zu laſſen. Dem Regenten der Jnſel Peiruun, einem frommen Mann von unſtraͤfli - chem Wandel, wurde dieſer Rathſchlus im Traum goͤttlich offenbart, mit der Erinnerung, daß er, um ſein Leben zu retten, auf einem leichten Schiffe ſich fluͤchten moͤchte, ſo bald er bemerkte, daß die zwei vor dem Tempel niedergeſezten Goͤtzenbilder eine ganz rothe Geſichts - farbe annaͤhmen. Dieſe Goͤtzenbilder waren von Holz gemacht, von Rieſengroͤße, und hießen Jnjo, auch Niwo, und Awun. Der eine war uͤber die Zeugung, der andre uͤber die Verweſung geſezt; das eine deutete den Himmel und das thaͤtige Principium, das andre die Erde und das leidende Principium an. Das eine, glaubte man, oͤfne und gebe, das andre, verſchließe und nehme. Jedes dieſer Bilder hatte ein Loͤwengeſicht, mit einer Krone vorn auf der Stirne, und hielt einen kurzen Stab als Zeichen kaiſerlicher Hoheit, den eine Schlange umſchlingt. Aber das eine Bild (Jn) hielt dieſen Stab aufrecht in der rechten Hand, der andre (Jo) in der linken dicht an die Huͤften gedruͤkt. Eine vom Wind bewegte Binde umgiebt wallend den Koͤrper, doch ſind Bruſt und Glieder ganz nakt. Das erſte Bild hatte den Mund weit geoͤfnet, das andre ihn ſtark zuſammengedruͤkt. Jhre Namen haben auf ihre Stellung und angebliche Geſchaͤfte Beziehung. Das erſte nennen die Gelehrten Jn, Ni und A, gewoͤhnlicher aber Rikkiſi woo, das andre Jo,L l l 3wo454V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. wo und wun oder gewoͤhnlich Kongo woo. Dieſe Goͤtzenbilder nun waren (nach der noch jezt uͤblichen Sitte) in den Vorhof des Haupttempels geſtelt, und ſolten das Zeichen des be - vorſtehenden Untergangs geben.

Da der Koͤnig Peiruun nun, ſeiner Offenbarung gemaͤß, die zu erwartenden Strafen und den Untergang verkuͤndigte; ſo verurſachte er nur ein algemeines ſpoͤttiſches Lachen, und zog ſich ſelbſt, als einem aberglaͤubiſchen Manne, die Verachtung ſeiner Un - terthanen zu. Ein leichtſinniger Kopf unter denſelben ſchlich ſich einſt in der Nacht, ohne von Jemand bemerkt zu werden, an die Goͤtzen, und beſtrich ihre Geſichter mit rother Farbe. Wie der Koͤnig dieſes ſah, und keine menſchliche Bosheit, ſondern das geweiſſagte goͤttliche Zeichen in der veraͤnderten Farbe vermuthete, fluͤchtete er ſich aͤngſtlich mit ſeiner Familie von der Jnſel nach der naͤchſten Provinz des ſuͤdlichen Sina, Foktsju. Der Spoͤtter und ſeine Geſellen befuͤrchteten hievon nichts Boͤſes, und ſo wurde bald darauf dieſe ganze Nation von Unglaͤubigen mit der Jnſel und einem ausnehmend reichen Vorrath der koſtbar - ſten Porcellaingeraͤthe von den Wellen verſchlungen. Die ſuͤdlichen Sineſer pflegen das Andenken dieſer Begebenheit jaͤhrlich durch ein feyerliches Feſt zu erneuern, da ſie in dem Meerbuſen Fluͤchtlingen gleich hin und her fahren, und den Namen des verlohrnen Regen - tens Peiruun ausrufen. Sie haben auch nachher dieſes Feſt im weſtlichen Japan ein - gefuͤhrt.

Man holt jezt dieſe koſtbarſten Porcellaingefaͤße bei der Ebbe aus dem Grunde des Meers hervor, wo ſie ſich auf den Felſen feſtgeſezt haben. Sie muͤſſen aber von den - ſelben mit vieler Vorſicht abgeloͤſet werden, damit ſie nicht zerbrechen. Durch die Conchy - lien, welche ſich feſt angeſezt haben, ſind dieſe Gefaͤße meiſtens ſehr verunſtaltet. Man laͤſt zwar dieſelben auch davon trennen, aber doch nicht ganz, ſondern kleine Stuͤcke daran, welche die Aechtheit beweiſen. Die Gefaͤße ſelbſt ſind ausnehmend fein, durchſichtig, von etwas ins Gruͤne ſpielender weißer Farbe, und haben meiſtens die Geſtalt eines Wein - glaſes mit einem kurzen engen Halſe, als wenn ſie ſchon in jenen alten Zeiten zur Auf be - wahrung des Thees waͤren beſtimt geweſen. Die Kaufleute aus der Provinz Foktſju bringen ſie (aber ſehr ſelten) nach Japan, und erhandeln ſie von den Taͤuchern, die ſie aus dem Meergrunde geholt haben. Die allerſchlechteſten Gefaͤße dieſer Art werden etwa fuͤr zwanzig, die von Mittelguͤte fuͤr hundert, auch wohl zweihundert, und die recht großen, welche gar keinen Fehler haben, fuͤr 3, 4 bis 5000 Tails verkauft. Aber Gefaͤße von dieſer Guͤte und Preiſe unterſteht ſich Niemand, als der Kaiſer, zu kaufen. Man ſagt, daß derſelbe von ſeinen Vorfahren ſolche Stuͤcke geerbt habe, die mit keinem Golde zu be - zahlen waͤren, und die daher auch den erſten Plaz in der Kaiſerlichen Schazkammer einneh - men. Sehr ſelten findet man indes dieſe Gefaͤße ohne Riſſe, oder ohne daß etwas davon zerbrochen waͤre. Die Arbeiter aber wiſſen dieſe Riſſe mit einer falſchen Materie ſo aus -neh -455V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. nehmend geſchikt auszubeſſern, daß auch das ſchaͤrfſte Auge und keine Kunſt vermoͤgend iſt den Fehler zu entdecken. Nur wenn man ein ſolches Gefaͤß zwei bis drei Tage in heißem Waſſer kocht, wird endlich die zugeſezte fremde Materie aufgeloͤſet. Und dies mag denn von den Maatsubo, den koſtbarſten Theebehaͤltniſſen, genug ſeyn.

Die ſchlechteſte Gattung Thee, Bantſja, leidet von der freyen Luft lange nicht ſo viel, als die andern Sorten, weil ſeine Kraͤfte nicht ſo fluͤchtig, aber auch weit geringer ſind. Sie fodert daher auch keine ſo ſorgfaͤltige Aufbewahrung. Die Landleute verwahren dieſelbe, ſo wie ihren Thee uͤberhaupt, in Strohſchlaͤuchen, welche die Form von Bouteillen haben. Sie pflegen dieſelbe unter ihre Rauchloͤcher zu legen, damit ſie vom Rauche durch - ſtrichen werden, der, wie man glaubt, die Kraͤfte des Thees ſehr concentrirt und erhaͤlt. Man haͤlt auch dafuͤr, es gaͤbe dem Thee einen beſonders angenehmen Geſchmak, wenn man ihn mit Blaͤttern von der Artemiſia vulgaris oder mit jungen Blaͤttern von der Pflanze Saſanqua verwahre. Andre wohlriechende Sachen aber ſollen bei dem Thee nicht gut ſeyn.

§. 9.

Bei dem Gebrauche des Thees iſt eine dreifache Bereitung deſſelben bekant. Die erſte iſt die ſineſiſche, die der Jnfuſion, naͤmlich da man uͤber ganze Theeblaͤtter heiß Waſſer gieſt, das, wenn es die Kraft der Blaͤtter eingezogen hat, alsdenn herunterge - ſchluͤrft wird. Dieſe Mode iſt aus Sina in unſre Weſtlaͤnder uͤbergebracht, und ſchon auch unter unſerm Poͤbel ſo bekannt, daß es keiner weitern Beſchreibung derſelben bedarf.

Die andre Bereitung geſchieht auf folgende Art: Man zermalmet die Blaͤtter auf einer Handmuͤhle, die aus einem ſchwarzen Serpentinſtein gemacht iſt, zum feinſten Pulver, den Tag vorher oder noch denſelben Tag, da man den Thee genießen wil; ver - miſcht dieſes alsdann mit heißem Waſſer, und ſchoͤpft es alsdenn, wie einen duͤnnen Brey ab. Man nent ihn Koi Tſja d. i. dicken Thee, in Vergleichung mit dem Duͤnnen, den man durch die Jnfuſion bekoͤmt. Unter allen Großen, Fuͤrſten und Reichen in ganz Japan (aber auch wohl nur hier allein) iſt es uͤblich, den Thee auf dieſe Art zu genießen. Man verfaͤhrt dabei folgendermaßen: Der Theeſtaub wird in eine Buͤchſe gebracht, und dieſe nebſt den uͤbrigen noͤthigen Geraͤthen, der Theegeſelſchaft vorgeſezt. Sodann wird das Behaͤltnis geoͤfnet, und auf jeden einzelnen kleinen Teller, der mit heißem Waſſer an - gefuͤlt iſt, mit einen gleichfals kleinen ausnehmend niedlichen Loͤffel eine Portion gelegt, die etwa ſo viel betraͤgt, als man auf einer Meſſerſpitze faſſen kan. Dieſe wird alsdenn mit einem ſehr kuͤnſtlich gezakten Jnſtrument ſo lange umgeruͤhrt und gepreſt, bis ſie anfaͤnge zu ſchaͤumen, und dann dem Gaſt uͤberreicht, der ſie, noch ganz warm, niederſchlur - fen mus.

Die456V. Geſchichte des Japaniſchen Thees.

Die dritte Art von Bereitung iſt endlich das Kochen, welches faſt den ganzen Tag durch bei den gemeinen Buͤrgern und Bauern uͤblich iſt. Einer von den Hausgenoſ - ſen naͤmlich mus noch vor Tages Anbruch aufſtehn, und auf dem Heerde einen eiſernen Keſ - ſel auf haͤngen, der mit Waſſer angefuͤlt iſt. Entweder ehe daſſelbe gekocht hat, oder nach - her wirft man zwei, drei, und (nach der Zahl der Hausgenoſſen) noch mehr Handvol Blaͤt - ter Ban Tſja hinein; auf dieſe wird alsdenn ein Korb von der Figur und Groͤße des Keſ - ſels geſtelt, der dieſen ganz ausfuͤlt und die Blaͤtter auf den Boden preſt, damit ſie hernach bei dem Ausſchoͤpfen nicht hinderlich werden. Dieſer Keſſel iſt nur fuͤr alle Hausgenoſſen die algemeine Quelle, um den Durſt zu loͤſchen; zu der Jeder, nach Belieben, freyen Zu - trit hat. Ein Schoͤpfloͤffel mit einem kleinen Teller haͤngt daneben. Auch iſt kalt Waſſer zur Hand, daß man damit immer die Theeinfuſion unterhalten, und ſie nach Gefallen ſchwaͤcher auch bei heftigem Durſt einen ſtarken Trunk ohne Zeitverluſt nehmen koͤnne. Andre laſſen den Korb ganz weg, und kochen den Thee in einem kleinen Sacke, welches denn in Abſicht der Wirkung auf eines hinauskoͤmt. Man kocht aber ſo keine andre Gat - tung von Thee, als die| Bantſja, weil die Kraͤfte derſelben mehr in den faſerigten Theilen enthalten ſind, und nicht wohl anders, als durch ein ſtarkes Kochen herausgepreſt werden koͤnnen.

Man erfodert eine ganz beſondre Kentnis zum Theebereiten, und zum Praͤſentiren deſſelben in einer guten Geſelſchaft einen gewiſſen eignen Anſtand, wobei es in der That nicht ſowohl auf die Sache ſelbſt, als auf die Mode und das Herkommen ankoͤmt. Dieſe Kunſt heiſt Sado oder Tſjanoi, uud es giebt ganz eigne Lehrer, welche die Kinder beiderlei Ge - ſchlechts in dem Tſjanoſj unterrichten. Dies Wort bedeutet: einer Theegeſelſchaft bei - wohnen, und auf eine wohlanſtaͤndige und lobenswuͤrdige Art den Thee praͤſen - tiren. Dies mus in Japan erlernt werden, ſo wie man in Europa etwa tranchiren, auf eine gute Art Gerichte praͤſentiren, Tanzen u. d. gl. lernt.

Die armen Handwerker (beſonders in der Provinz Nara) pflegen auch wohl mit dem Theewaſſer (ſowohl dem gekochten, als blos aufgegosnen) ihren Reis, das Hauptnah - rungsmittel dieſer Nation, zu kochen. Man ſagt, daß er dadurch mehr Naͤhrendes und Saͤttigendes bekomme, ſo daß man mit einer Portion des auf dieſe Art verbeſſerten Reiſes ſo weit reiche, als ſonſt mit drei.

Von den Theeblaͤttern der ſchlechteſten Sorten macht man auch noch einen aͤußern Gebrauch, wenn ſie zum innern zu alt und verderbt ſind. Man faͤrbt naͤmlich ſeidne Zeuge damit kaſtanienbraun. Blos in dieſer Abſicht wird jaͤhrlich eine große Menge Theeblaͤtter aus Sina nach Gutſcherat (in Oſtindien) gebracht.

§. 10.457V. Geſchichte des Japaniſchen Thees.

§. 10.

Jch habe ſchon geſagt, daß die Theeblaͤtter eine betaͤubende und die Lebensgeiſter in unordentliche Bewegung ſetzende Kraft haben. Dieſe mus durch ein langſames und an - haltend fortgeſeztes Brennen vertrieben werden. Doch kan dieſes nie ſo voͤllig geſchchen, daß nicht immer eine dem Gehirn nachtheilige Eigenſchaft zuruͤkbleiben ſolte, die ſich aber in Zeit von zehn oder noch mehr Monaten von ſelbſt verliert und mildert. Nach dieſem Verlauf ſezt der Thee die Lebensgeiſter nicht mehr in unruhige Bewegung, ſondern reizt ſie vielmehr auf eine hoͤchſt angenehme Art, macht die Organe geſchmeidig, und erheitert die Seele. Wenn der Thee noch kein volles Jahr alt iſt, hat er zwar den allerangenehmſten Geſchmack, aber, in Menge genoſſen, verwirt er das Haupt, und hat Gliederweh zur Folge. Der beſte, delikateſte, und ſeelerfreuendſte Thee iſt derjenige, welcher eben ein Jahr alt iſt. Kein Japaner trinkt ihn auch juͤnger, außer mit einer gleichen Portion aͤltern gemiſcht.

Die guten Wirkungen des Thees ſind kurz folgende: Er zertheilt die Verſtopfungen in den Daͤrmen, reinigt das Blut, und loͤſet beſonders die gichtiſche und Steinmaterie auf. Dieſer leztre Vortheil iſt ſo groß, daß ich in Japan unter den Theetrinkern niemals einen mit Podagra oder Steinſchmerzen behafteten gefunden habe. Die Europaͤer wuͤrden wohl eben dieſe gute Wirkung des Thees bemerken, wenn ſie nicht ſchon einen urſpruͤnglichen Keim dieſer Uebel und eine faſt unuͤberwindliche Diſpoſition zu denſelben in ihrem Koͤrper haͤtten, und dieſelbe noch oben drein mit ſauern Weinen, Bier und geſalznem Fleiſch unterhielten. Jndeß wollen auch in Japan die Liebhaber des einlaͤndiſchen Reisbiers, (die Sineſer nen - nen es Sampſu, die Japaner Sacki) dem Thee wenig gute Wirkung zugeſtehn, außer nur die, daß er das bloße Waſſer etwas verbeſſere, und die Geſelſchaft guter Freunde beſſer zuſammenhalte, um beim Thee eins mit einander zu plaudern. Jedoch findet man unter dieſen ſeinen Feinden nicht ſelten mit laufender Gicht und Strangurie geplagte Perſonen.

Einige haben auch ſtat des Thees die Veronica oder Myrthus Brabantica ge - brauchen wollen, aber nicht mit gewuͤnſchtem Erfolg. Bis jezt kent man noch keine Pflanze, deren Jnfuſion, oder mit derſelben gekochtes Waſſer, in ſolcher Menge genoſſen, den Ma - gen ſo wenig beſchwerte, ſo leicht wieder abgienge, und die erſchlaften Lebensgeiſter ſo geſchwind wieder herſtelte und belebte. Am ſicherſten moͤchte vielleicht derjenige etwas Aehnliches ent - decken, der mit den wegen ihrer giftigen Eigenſchaften bekanten Pflanzen Verſuche machte, wenn er ſie naͤmlich erſt vorher gehoͤrig verbeſſert haͤtte. Aber die Europaͤer haben dieſe Kentnis noch nicht; giftige Pflanzen ſind ihnen ſo verhaſt, daß ſie faſt ſchon zuruͤkfahren, wenn ſie nur den Namen hoͤren; und ſogleich befuͤrchten, in den ſchaͤndlichen Verdacht der Giftmiſcherei zu kommen, wenn ſie ſich damit beſchaͤftigten, die verborgenen Kraͤfte ſolcherZweiter Band. M m mPflan -458V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. Pflanzen zu erſorſchen*)Es iſt bekant, daß dieſer Vorwurf die Aerzte unſrer Zeit nicht mehr trift.. Die geiſtvollen Brachmanen verſtehen dieſe Kun ſtbeſſer. Sie wiſſen aus der Datura, dem Mohn (deſſen edlen Saft unſre Rechtsgelehrten den Giften beizaͤhlen, S. Gothoſr. ad L. 3 ff. ad Leg. Corn. de Sic. ) und andre ſolche Pflanzen ihres Bodens die heilſamſten Mittel zu bereiten, um eine angenehme Vergeſſenheit zu be - wirken, Traurigkeit aus der Seele zu bannen, und alle und jede ſchoͤne Jdeen in derſelben entſtehen zu machen. Und dieſe Kunſt iſt durch eine lange Erfahrung bei ihnen bewaͤhrt gefunden. Sie pflegen dieſe Saͤfte auch oft in Form einer Latwerge zu geben.

Als ſchaͤdliche Eigenſchaften des Thees werden von den Japanern folgende ange - fuͤhrt: Der Genus des Thees ſchwaͤcht allemal die Wirkung der Arzneimittel. Bei ende - miſchen Koliken iſt er beſonders ſchaͤdlich und ſehr zu vermeiden. Ganz junger Thee beun - ruhigt und verlezt allemal das Gehirn, und nach gewiſſer Erfahrung iſt er beſonders in Au - genkrankheiten hoͤchſiſchaͤdlich.

Ein alter ſineſiſcher Arzt ſagte mir von den Fehlern des Thees folgendes: Wer den ganzen Tag einen ſtark abgezogenen Thee trinken wolte, der wuͤrde die Grundkraft ſeines Le - bens angreifen, die in dem gehoͤrigen Verhaͤltnis der warmen und ſeuchten Theile beſteht. Eben dieſes wuͤrde, aber gerade aus dem entgegengeſezten Grunde, derjenige thun, der zu viel fette Sachen und beſonders Schweinefleiſch (das Hauptgericht des ſineſiſchen Tiſches) taͤglich genießen wolte. Beides zu verbinden iſt dagegen gar nicht ſchaͤdlich, ſondern viel - mehr das zuverlaͤſſigſte Mittel, Leben und Geſundheit zu erhalten. Dieſes zu erlaͤutern, erzaͤhlt man ein Geſchichtchen von einer Frau, die eines unvermoͤgenden Mannes uͤberdruͤ - ßig war, und deshalb einen Arzt um Rath bath, ſeiner loszuwerden. Dieſer rieth ihr, den Mann beſtaͤndig mit Schweinefleiſch und allen moͤglichen fetten Sachen zu futtern, und verſicherte, daß ſie hiedurch zuverlaͤßig fein Lebenslicht binnen Jahrsfriſt verloͤſchen wuͤrde. Die verraͤtheriſche Frau begnuͤgte ſich indes mit einem Rathe nicht, ſondern holte auch noch die Meinung eines andern Arztes ein. Dieſer rieth ihr, dem Mann ſehr ſtarken Thee haͤufig zu geben, und verſprach gleichfals nach einem Jahr die gewuͤnſchte Wirkung. Dieſe aber erfolgte durch die Verbindung beider Mittel ſo wenig, daß vielmehr der gute Mann wieder viel geſuͤnder wurde, als er vorher war, und ſeine verlohrne Kraͤfte volkommen wie - der bekam. Da ich dieſes ſchreibe, faͤlt mir ein aͤhnliches Beiſpiel ein, wie auch eine boͤſe Frau, die ihren Mann umbringen wolte, ihm zuerſt Gift, und hernach um die Kraft deſ - ſelben zu verdoppeln, Quekſilber gab. Der Poet Auſonius hat dieſe Geſchichte in einem kleinen Gedicht ſo ſchoͤn erzaͤhlt, daß mir der Leſer es gewis verzeihen wird, wenn ich es hie - her ſetze:

Toxica459V. Geſchichte des Japaniſchen Thees.
Toxica Zelotypo dedit uxor maecha marito,
Nec ſatis ad mortem credidit eſſe datum.
Miſcuit Argenti lethalia pondera vivi.
Cogeret ut celerem vis geminata necem.
Dividat haec ſi quis: faciunt diſcreta venenum,
Antidotum ſumet qui ſociata bibet.
Ergo inter ſeſe dum noxia pocula certant.
Ceſſit lethalis noxa ſalutiferae;
Protinus et vacuos alvi petiere receſſus,
Lubrica dejectis, qua via nota cibis.
Quam pia cura divum! prodeſt crudelior uxor:
Et cum fata volunt, bina venena iuvant!

§. 11.

Um dieſe Geſchichte des Thees ganz volſtaͤndig zu liefern, habe ich noch die Abbil - dung einer kleinen portatiblen Samlung aller zum Kochen und Genus des Thees noͤthigen Gefaͤße beigefuͤgt, ohne welche die Japaner niemals, auch nicht einmal beim Spa -Tab. XXXIX. ziergange, erſcheinen, da ſie den Thee fuͤr eine ganz unentbehrliche Wuͤrze jeder Geſelſchaft halten.

  • A. B. iſt die Maſchine ſelbſt, welche man allenthalben mit ſich herumfuͤhren kan, mit ihren ehernen Handhaben, Naͤgeln, Knoͤpfen, von beiden Seiten vorgeſtelt, naͤmlich A nach der Vorderſeite, B nach der Hinterſeite. Außer den Thuͤren iſt alles von Holz und mit Firnis uͤberzogen. cc die beiden kupfernen Thuͤren, welche oben zuſammenfallen, und mit zwei langen Haken verſchloſſen werden.
  • d. Ein Loch, das gerade oben durch die Spitze der Maſchine geht, zu welchem auch die angehaͤngte Stange ee gehoͤrt, die man hineinbringt, wenn die Maſchine durch einen Bedienten auf den Schultern ſol getragen werden. Die Handhabe haͤngt herab und kan herum gedrehet werden.
  • fg. fg. Das obere Stokwerk der Maſchine, das zwei kupferne Gefaͤße P und T, die von innen uͤberzint ſind, enthaͤlt, und in denen man theils das Waſſer aufbewahrt, theils kocht. Sie koͤnnen nicht eher herausgenommen werden, bis die kupfernen Thuͤren cc geoͤfnet ſind, mit denen ſie von oben bedekt werden.
  • gh. gh. Das untere Stokwerk enthaͤlt drei Reihen hoͤlzerner Kapſeln V. W. X. die ungemein ſchoͤn mit Firnis uͤberzogen ſind, um die zum Theetiſch noͤthigen Geraͤthe darin aufzubewahren. i. Ein Loch fuͤr den Riegel der Hauptthuͤre L.
  • K. Eine lange eherne Stange, die aus dem Angel herausſtuͤrzt, die dazu dient, die Hauptthuͤre aufzuhalten, wenn ſie geoͤſnet iſt.
M m m 2L. Die460V. Geſchichte des Japaniſchen Thees.
  • L. Die hoͤlzerne Falthuͤre, außer den Angeln, welche das untere Stokwerk der Seite A ſchlieſt, damit die Kapſeln nicht herausfallen. Man ſieht in denſelben den Riegel m, der in das vorhererwaͤhnte Loch i paſt, und den Angel n, der zu der vorhergehenden Stan - ge K gehoͤrt, durch welchen die geoͤfnete Thuͤre gehalten wird, wenn man die Kapſeln herausnimt.
  • O. Ein Loch, daß man an der entgegengeſezten Seite B ſieht, in welches man den Finger einſtekt, um die Kapſeln vorzuſchieben, die ſich auf die Art am bequemſten aus - ziehn laſſen.
  • P. Ein großes kupfernes Gefaͤs, in welchem das Waſſer gekocht wird. Es hat oben drei Oefnungen und jede derſelben einen beſondern Deckel, eine, um das kalte Waſſer hineinzuthun, die andre, um das warme wieder herauszulaſſen, die dritte geht auf den in - nerhalb befindlichen Windofen, und dient beſonders dazu, die Kohlen hineinzulaſſen. Jch habe dieſe Oefnung von inwaͤrts vorgeſtelt, damit man ſeinen doppelten ſcharfen Rand deſto beſ - ſer ſehn koͤnne, der zum feſten Verſchlus dient. q. Ein kupferner cylindriſcher Windofen, der in dem zu kochenden Waſſer ſteht, und durch das ſchon erwaͤhnte Loch und ſein beſondres Ofenloch mit dem Gefaͤs verbunden iſt. r. Der Zug vom Ofenloch, durch welchen der Wind die Kohlen anblaͤſet. sss. Noch kleine Ofenloͤcher, um Rauch und Dampf durch - zulaſſen.
  • T. Ein dem vorhergehenden in der Struktur ganz aͤhnliches kleines kupfernes Ge - faͤs, das zum Behaͤltnis des kalten Waſſers dient, und auch einen Deckel hat.
  • V. Eine hoͤlzerne Kapſel, um die verſchiedenen Jnſtrumente und Geraͤthe zum Theemachen aufzubewahren, die mit 1. 2. 3. 4. 5. 6. numerirt ſind.
  • W. Eine andre etwas groͤßere Kapſel, die in zwei Gefaͤcher abgetheilt iſt, wovon das aͤußere zu Aufbewahrung der Kohlen und Feuerzeuges, das andre fuͤr das Theegeraͤthe ſelbſt, oder was man ſonſt hineinthun wil.
  • X. Mehrere kleine Kapſeln (hier z. E. drei) welche eine in der andern verſchloſſen ſind, und alle oben einen gemeinſchaftlichen Deckel haben, der hier von ſeiner innern Seite nebenbei gefugt iſt. Man thut verſchiedne Eßſachen hinein, die man beim Thee mit auf - zuſetzen pflegt.
  • 1) Ein kleiner Schenktiſch mit einer durchgehenden Roͤhre.
  • 2) Eine Handhabe deſſelben, die man wegnehmen kan, wenn der Tiſch nieder - gelegt wird.
  • 3) Eine Kapfel vol Thee, der entweder noch ganz oder in Staub zermalmet iſt.
  • 4) Ein Loͤffel, um den Theeſtaub hineinzuthun.
  • 5) Eine kleine Gabel, um den Ficki Tſja damit umzuruͤhren, ehe man ihn genieſt.
6) Ein461V. Geſchichte des Japaniſchen Thees.
  • 6) Ein kupfernes Gefaͤs, um Thee hineinzugießen; der untere uͤberzinte Theil wird auf die Oefnung des Gefaͤßes P geſezt, um durch den aufſteigenden Dunſt vom ko - chenden Waſſer erwaͤrmet zu werden, und zu verhuͤten, daß das darin befindliche Waſſer nicht verfriere. Es wird mit einem Deckel ſehr enge verſchloſſen auf eben die Art, wie ich ſchon angegeben habe.
  • Z. Ein geometriſcher Maasſtab, den man den Abbildungen anpaſt, und mit dem man die Groͤße und Verhaͤltniſſe der verſchiednen Theile und Gefaͤße beſtimmen kan, wenn Jemand etwa Luſt hat, nach dieſer Abbildung eine aͤhnliche Maſchine zu verfertigen. Die Laͤnge deſſelben iſt ein Sakf oder zehn Sun, die nach unſerm Maaß etwa einen geometri - ſchen Fuß ausmachen.

Nacherinnerung des Herausgebers.

Dieſe Kaͤmpferiſche Abhandlung iſt lange von den Kennern fuͤr die beſte gehalten worden, die uͤber den Thee gegeben iſt, der alle uͤbrige von Ten Rhyn, Bontokoe*)Seine Abhandlung vom menſchlichen Leben und vom Thee und Koffee kamen in hollaͤndiſcher Sprache 1678 heraus. Er behauptete, das erſte Principium der Geſundheit ſey Verduͤnnung des Bluts, und dazu der Thee das wirkſamſte Mittel. Man koͤnne ihn deshalb ſchlechterdings nicht zu viel genießen, ſondern ſol nur mit acht bis zehn Taſſentaͤglich anfangen, und ſich nach und nach ſo daran gewoͤhnen, daß man 100 bis 200 den Tag uͤber, und zwar zu allen Stunden, Morgens, Mittags, Abends und Nachts zu ſich nehme. Dies werde die heilſamſten, aber ſchlechterdings keine nachthei - lige Wirkungen hervorbringen. (dem beruͤhm - ten Lobprieſter des Thees, wahrſcheinlich mehr aus hollaͤndiſch-patriotiſchen als mediciniſchen Gruͤnden), Tulpis, Joncquet und Waldſchmidt nicht beikommen.

Unter den Neuern hat Linne eine, nach ſeiner Gewohnheit, ſehr genaue und vortrefliche Beſchreibung nebſt einer Abbildung der Theepflanze nach der im Upſaliſchen Gar - ten befindlichen, in den Amoenit. Academ. Vol. VII Diſſ. 137, p. 236 geliefert. Nach ihm hat der Englaͤnder John Coackley Lettſon dieſe Materie noch volſtaͤndiger abgehandelt, und auch eine neue Abbildung der Theepflanzen gegeben, die ſich zu Sionhouſe auf demM m m 3Gute462Nacherinnerung des Herausgebers. Gute des Herzogs von Northumberland befindet. Dieſe Abhandlung iſt auch ins Deutſche uͤberſezt unter dem Titel: Geſchichte des Thees und Koffees, aus dem En - glichen, der Herrn John Coackley Lettſon und John Ellis, uͤberſezt, und mit Zuſaͤtzen vermehrt. Leipzig 1776. 12. Der deutſche geſchikte Ueberſetzer hat auch noch eine in dem Rozieriſchen Journal de Phyſique bekant gemachte Abbildung des Hrn. Fougeroux beigefuͤgt, und aus der Abhandlung dieſes Schriftſtellers und Andrer den eng - liſchen Text berichtigt, und dieſe vermehrte Lettſonſche Abhandlung iſt jezt unſtreitig die beſte, die wir uͤber den Thee haben.

Beide Schriftſteller, Linne und Lettſon haben ſehr viele ihrer Bemerkungen aus Kaͤmpfern genommen, manche aber aus neuern Schriftſtellern oder eignen Beobach - tungen hinzugeſezt. Jndes wird es dem Leſer hier unſtreitig darauf ankommen, das, was Kaͤmpfer ſelbſt beobachtet hat, und die Figur, die er ſelbſt im Vaterlande des Thees gezeich - net, hier zu finden. Lettſons Verdacht (S. Geſch des Thees und Koffees S. 20.) daß vielleicht die ganze Zeichnung unſers Verfaſſers nach einem unvolkommnen aufgetrok - neten Exemplar, oder nach einer, durch die liſtigen und geſchikten Sineſer verſtelten Pflanze gemacht ſey; dieſer Verdacht hat ſchlechterdings gar keinen Beweis fuͤr ſich, und iſt vielmehr hoͤchſt unwahrſcheinlich, wenn man ſich erinnert, mit welch ausnehmender Sorgfalt Kaͤmpfer ſich und ſeine Leſer zu unterrichten, und wie genau er alle, auch die kleinſten Umſtaͤnde, unter denen er eine Sache geſehn, anzugeben pflegt.

Jch uͤberlaſſe es alſo dem Leſer, die Figuren und botaniſchen Beſchreibungen bei Linne und Lettſon ſelbſt nachzuſehn, und begnuͤge mich nur anzumerken, daß man ſeit Kaͤmpfers Zeit in der Verpflanzung des Thees nach unſern europaͤiſchen Laͤndern etwas weiter gegangen, und die Moͤglichkeit einer kuͤnftigen algemeinen Kultur dieſer fuͤr das Handelsver - haͤltnis zwiſchen Europa und Aſien ſo wichtigen Staude faſt voͤllig bewieſen habe.

Der unſterbliche Linné hatte ſchon aus der Lage des noͤrdlichen Sina und Japans und dem bekannten Satze, daß die nordoͤſtlichen Laͤnder unter gleicher Breite weit kaͤlter ſind, als die nordweſtlichen, gefolgert, der Theebaum muͤſſen in unſern europaͤiſchen Laͤndern eben ſo gut fortkommen, als in ſeinem bis izt einzigen Vaterlande*)S. Amo〈…〉〈…〉. Academ. VII, p. 239.. Zwanzig Jahre durch wandte er alle moͤgliche Muͤhe an, dieſe Folgerung durch die Erfahrung zu bewaͤhren, und den Theeſtrauch nach Europa und beſonders nach Schweden zu bekommen. Seine er - ſten Verſuche ihn durch Saamen zu ziehen mislangen, weil der Saamen entweder ſchon aus Sina ranzig gebracht, oder doch auf der weiten Reiſe verderbt wurde. Er erſuchte dar - rauf den aͤltern Gmelin, ihm durch die ruſſiſchen Karwanen Theeſamen kommen zu laſ - ſen; allein dieſes war nicht thunlich, weil alle Handlungen der ruſſiſchen Kaufleute aufs ge -naueſte463Nacherinnerung des Herausgebers. naueſte von den Sineſern bewacht werden, und die Reiſe ſo lange waͤhrt. Eben ſo frucht - los liefen auch die Bemuͤhungen ab, die Pflanze ſelbſt auf Schwediſchen Schiffen nach Sina zu uͤberbringen. Der Prediger Osdek war zwar ſo gluͤklich einen Theeſtrauch bis diſſeits des Vorgebuͤrges der guten Hofnung zu bringen, wo er durch einen Wirbelwind ins Meer geworfen wurde. Der Commerzienrath Lagerſtroͤm war noch gluͤklicher, zwei an - gebliche Theeſtauden in den botaniſchen Garten zu Upſala zu bringen, die zwei Jahre hin - durch ungemein gut fortkamen, und außer daß ſie etwas breitre Blaͤtter hatten, den aͤchten Theepflanzen ſo aͤhnlich waren, daß auch der groͤſte Kraͤuterkundige durch ſie hintergangen wurde. Erſt mit den Bluͤten zeigte ſich der Betrug des ſinefiſchen Kaufmanns; es war nicht die Theeſtaude, ſondern die Pflanze Camellia, welche man uͤberbracht hatte. Nach - her wurde mit ſehr vieler Beſchwerlichkeit eine wahre Theepflanze bis nach Gothenburg gebracht, aber auch hier ward durch einen hoͤchſt ungluͤklichen Zufal die beſte Hofnung zer - nichtet. Die Seeleute eilten vol Begierde, nach der langen Seereiſe, aus dem Hafen in die Stadt, ſezten die Theepflanze auf einen Tiſch in der Kajuͤte, wo ſie in der Nacht die Ratzen ſo zernichteten, daß ſie abſtarb. Endlich beredete der unermuͤdete Naturſorſcher noch einmal den Kapitain Ekeberg, kurz vor der Abfahrt aus Sina ganz friſchen und gu - ten Theeſaamen in einem irrdenen Topfe aufzubewahren, und mitzubringen, ſo daß dieſelben erſt dieſſeits des Aequators aufgehn moͤchten. Dies gelang ſo gut, daß bei der Ankunft in Gothenburg von allen Saamenkoͤrnern junge Pflanzen hervorgekeimt waren. Man ſchikte ſie ſogleich nach Upſala, aber noch die Haͤlfte derſelben kam auf dieſer Landreiſe um. Jn - des war Ekeberg ſelbſt ſo gluͤklich, die uͤbrigen am dritten October 1763 an Linne zu uͤber - liefern. Man verpflanzte ſie ſogleich in den botaniſchen Garten, der alſo zuerſt unter allen europaͤiſchen die aͤchte Theepflanze beſaß. Man hat Lettſon berichtet, dieſe Pflanze ſey wieder eingegangen, welches aber falſch iſt. Linne ſelbſt ſagt, (l. c. p. 252) daß zwei dieſer Pflanzen ſehr gut fortgekommen waͤren, und Hr. Prof. Beckmann in ſeiner Phyſ. Oekon. Biblioth. B. IV, p. 58 bemerkt, daß man im Fruͤhjahr dieſe Theepflanze mit andern des botaniſchen Gartens zu Upſala in die freye Luft ſetze.

Vielleicht wird alſo noch die Hofnung des großen Linnes erfuͤlt, nach einem halben Jahrhundert werde die Theekultur ſchon ſo weit in Europa gebracht ſeyn, daß die Sineſer weiter keine Vortheile von dieſem wichtigſten Zweige ihres Handels haben wuͤrden*)S. Linnaci Amoenit. Acad. Vol. VII. p. 251. 252..

Auch die nach England gebrachten Theepflanzen beſtaͤtigen dieſe Hofnung. Sie kommen, nach Lettſons**)S. l. c. p. 66. Zeugnis, des Winters in den Gewaͤchshaͤuſern ſehr wohl fort, und einige derſelben vertragen im Sommer die freye Luft. Auch dieſer Schriftſteller ver - ſpricht ſich in ſeinem Patriotismus noch eine Zeit, da dieſe Staude auf Brittiſchem Bodenſo464Nacherinnerung des Herausgebers. ſo gut, wie auf dem vaterlaͤndiſchen fortkommen, und der Thee nicht nur zur eignen Con - ſumtion in hinlaͤnglicher Menge erzielt, ſondern ſogar von England nach andern Laͤndern werde koͤnnen ausgefuͤhrt werden. Ein Hofnung, die durch die Erfahrung mit ſehr vielen andern Pflanzen allerdings viel fuͤr ſich hat, obgleich vermuthlich in den ſuͤdlichen Provinzen des Britti - ſchen Nordamerika der gute Erfolg noch wahrſcheinlicher iſt, da hier das Klima noch mehr Aehn - lichkeit mit dem ſineſiſchen hat, und beſonders die Waͤrme in fruͤherer Jahrszeit eintrit, und den Zweigen vor dem Winter die gehoͤrige Feſtigkeit giebt, die ſie bei unſerm nordeuropaͤi - ſchen Sommer immer ſelten erhalten, und deswegen leichter umkommen. Daß auch aus eben dem Grunde nach Kaͤmpfers Bemerkung der Theebau in den Suͤdlaͤndern unſers Welttheils, Jtalien, Sicilien, Spanien, (und warum nicht auch in dem ſuͤdlichen Frank - reich und Deutſchland?) gewis gelingen werde, kan nach den angefuͤhrten gluͤklichen Verſu - chen in England und Schweden wol nicht mehr bezweifelt werden. Jn dem erſten Lande findet man die Theeſtaude nunmehr ſchon ſehr haͤufig, wie mich Hr. Prof. Forſter verſichert. Der groͤſte Strauch in dieſem Lande, und vermuthlich in ganz Europa, befindet ſich in dem Garten des Koͤnigs zu Kew. Hr. Ellis hat eine Anleitung gegeben, den Saamen von dieſer und andern fremden Pflanzen unbeſchaͤdigt nach Europa zu bringen, da man ihn ent - weder in der Sonne gut getroknet in Wachs einſchlieſt, oder in zinnernen oder eiſernen en - gen Doſen nach Europa verfuͤhrt. Beide Methoden ſind aber nicht ſo ſicher, als die, de - ren ſich Ekeberg bediente.

VI. 465

VI. Vom Ambra*)Aus dem Amocnit. Exot. Faſc. III. Obſerv. XIV, p. 632 &c. .

§. 1.

Wenn ich in der vorhergehenden Abhandlung, durch die Reichhaltigkeit der Mate - rie verleitet, faſt die Graͤnzen eines kleinen Aufſatzes uͤberſchritten habe, ſo werde ich itzt einige Nachrichten von dem koſtbarſten und geſuchteſtem Harze, dem Ambra, deſto kuͤrzer faſſen. Der Ocean giebt es dem menſchlichen Geſchlecht aus ſeinen innerſten Tiefen mit ſparſamer Hand. Denn es iſt nun einmal ſo die Weiſe der Natur, die allere - delſten Dinge am meiſten zu verbergen, und am ſeltenſten mitzutheilen.

Die Gelehrten ſtreiten nicht wenig uͤber die Entſtehung und Materie des Ambra. Einige halten ihn fuͤr ein Harz, andre fuͤr eine Erdart; einige fuͤr einen Meerſchwamm, andre fuͤr den Auswurf von gewiſſen Voͤgeln oder vom Wallfiſch. Und ſo giebt es der Mei - nungen noch mehr. Nach meinen Erfahrungen iſt unter allen keine weniger begruͤndet, als da man neuerlich aus der bloſſen Aehnlichkeit der Materie oder des Geruchs hat folgern wol - len: Der Ambra ſey eine Vermiſchung von Honig und Wachs, die an den Meerufern von den Bienen angeſezt, von der Sonne ausgekocht, vom Meere aufgenommen, und durch die Bewegung der Wellen und hinzugekommenen Satztheile zu dieſer alleredelſten Subſtanz ausgearbeitet und bereitet werde . Dieſe Meinung iſt behauptet in dem Jour - nal des Sçavans de l’An. 1672. Conference ſeconde, preſenté par lean. Bab. Denis. Eine in der That hoͤchſteitle Vermuthung, die bloß ihrer Neuheit wegen gefal - len und die von Kennern und genauern Unterſuchern gebilligte Meinung verdraͤngen kann. Nach dieſer iſt der Ambra eine harzigte Erdart, oder eine |unter der Erde erzeugte fette Materie, die zum Harz ausgekocht, aus den unterirrdiſchen Gaͤngen und Adern ins Meer gebracht, und nachher durch Salz und Sonnenwirkung verdikt iſt. Jch will ſuchen dieſenneuenZweiter Band. N n n466Vom Ambra. neuen Jrrthum uͤber den Ambra durch einige kurze Saͤtze zu widerlegen, die auf den Nach - richten der fleißigen Sammler dieſer Materie, den merkwuͤrdigſten Beobachtungen der Si - neſer, den Erzaͤhlungen japaniſcher Wallfiſchfaͤnger, und endlich ſelbſt auf meiner eignen Unterſuchung der Provinzen und Ufer, an denen man Ambra findet, beruhen.

Dieſe Saͤtze ſind folgende:

  • 1) Man findet an vielen Orten Ambra, wo ſich doch weder am Ufer, noch tief ins Land hinein Bienen aufhalten: und dagegen haben ſehr viele Laͤnder Bienen, an deren Ufer man doch nie Ambra erblikt hat.
  • 2) Die Fiſcher, die auf den felſichten Ufern zwiſchen Sina und der Jnſel Java die eßbaren Vogelneſter aufſuchen (es ſind die Neſter gewiſſer Meerſchwalben, die ſie aus dem Holothurium verfertigen) haben daſelbſt niemals Bienenſtoͤcke gefunden, die, wie De - nis meint, von den Wellen zerſtoͤret wuͤrden. Die weiſe Natur hat die Bienen wohl ge - lehrt, die Meerufer und den Stuͤrmen ausgeſetzte Orte zu meiden.
  • 3) Wenn Honig, Wachs, Bienenſtoͤcke durch eine hinzukommende Feuchtigkeit in Bewegung gebracht werden; ſo fließen ſie nie in eine Maſſe zuſammen, ſondern trennen ſich und werden aufgeloͤſt.
  • 4) Wenn Bienenſtoͤcke mit ihrem Honig zuſammengebrannt werden und mit ein - ander gerinnen; ſo werden ſie in allen Theilen der Welt immer eine und eben dieſelbe Ma - terie geben. Vom Ambra aber findet man eine Menge ganz verſchiedner Gattungen, nach der Verſchiedenheit der unterirrdiſchen Adern, aus denen er koͤmmt. Jn jedem Lande hat daher dieſes Produkt eine ganz eigenthuͤmliche Beſchaffenheit; ſo daß Kenner aus dem bloßen Anblik den Geburtsort eines vorgelegten Ambra angeben koͤnnen; gerade wie gute Weinkenner das Vaterland von jeder vorgelegten Probe zu ſchmecken wiſſen. Einige Gat - tungen Ambra nemlich ſind mehr dem groben Harz, dem Asphalt, oder ſchwarzen ausge - trokneten Naphta aͤhnlich, daher mehr oder weniger ſchwarz, dicht und ſchwer. Andre ſind aus edlern Theilen zuſammengeſetzt, daher weißer, koſtbarer, leichter, freilich auch mehr oder weniger nach den Gattungen. Einige ſind oft ſehr ſchwammicht, daher auch der ſcharfſinnige Scaliger die Meinung des Serapio angenommen und den Ambra fuͤr einen Meerſchwamm gehalten hat.
  • 5) Wenn der Ambra eben aus der Tiefe des Oceans heraufgebracht wird, iſt er ſehr weich und dem Anſehn nach dem Kuhdreck aͤhnlich. Auch hat er dann einen etwas verbrannten Geruch, ganz verſchieden von dem des Honigs.
  • 6) Jch habe nicht ſelten im Ambra glaͤnzende ſchwarze Muſcheln, Bruchſtuͤcke von andern Sachen, die ſich unter dem Meer befinden, auch wohl ſolche Dinge, die ſich in dem ans Ufer geworfnen noch weichen Ambra haben anſetzen koͤnnen, gefunden; niemals aber Honig und Bienenſtoͤcke. Es iſt ſeltſam, daß der beruͤhmte Denis hat glauben koͤn -nen,467Vom Ambra. nen, es haben ſich Bienenſtoͤcke, Honig und Wachs zuſammen (warum nicht auch noch die Bienen oben drein?) im Ambra befunden; und eben ſo ſonderbar iſt es, daß neuere fran - zoͤſiſche Schriftſteller dies wieder dem Herrn Denis nachgeſchrieben haben.
  • 7) Der Ambra wird oft in ſehr großen Stuͤcken gefunden, welche die gewoͤhnli - che Groͤſſe eines Bienenſtocks weit uͤbergehen. Jch will nichts von den Stuͤcken erwaͤhnen, welche Garzias A. H. L. 1. C. 1. anfuͤhrt, und die von ganz ungeheurem Umfang ge - weſen ſeyn ſollen. Mir iſts genug von ſolchen zu reden, die zwar kleiner waren, aber die ich ſelbſt geſehen habe.

Waͤhrend meines Aufenthalts in Jndien fand man am Ufer der Japaniſchen Pro - vinz Kinokuni ein Stuͤk grauen Ambra, das mehr als 100 Catti oder ohngefehr 130 hol - laͤndiſche Pfund wog. Da man fuͤr dieſe ganze Maſſe keinen Kaͤufer fand, zertheilte man ſie kreuzweiſe in vier Theile. Bey meiner Ankunft wurde auch mir ein ſolches Viertel zum Verkauf angeboten, woraus ich dann die Groͤſſe des Ganzen abnehmen konnte. Dieſes wurde aber noch von einem andern Stuͤck Ambra uͤbertroffen, welches im Jahr 1693 die edle hollaͤndiſche Oſtindiſche Kompagnie von dem Koͤnig von Tidor fuͤr 11000 Thaler kauf - te, mit der Bedingung, daß dies Geld wider ausbezahlt werden muß, wenn irgend ein Fehler daran ſollte geſunden werden. Das Gewicht dieſes Stuͤcks war, genau gewogen, 185 Pfund hollaͤndiſch, die Farben graulich, die Guͤte nicht geringe, der Geſtalt nach ei - ner Schnecke aͤhnlich, welcher Kopf und Schwanz abgenommen ſind. Es iſt 1694 in das Amſterdammiſche Seltenheitenkabinet gebracht worden, und der vortrefliche Gieſſenſche Profeſſor Valentini hat eine Abbildung davon geliefert im Muſ. Muſ. L. 3. C. 28*)Die angefuͤhrten Gruͤnde gegen die Mei - nung, daß der Ambra eine Kompoſition von Honig und Wachs ſey, ſcheinen ungemein buͤndig. Jndeß hat doch neulich auch der beruͤhmte Hr. Formey (wie in der Encyclopedie edit. de 1778, in 8. T. 2 p. 287 aus ſeiner Handſchrift angefuͤhrt wird) dieſe Meinung uͤber den Urſprung des Ambra fuͤr die gegruͤndeteſte erklaͤrt, doch ohne irgend einen neuen Grund fuͤr dieſelbe anzufuͤhren, oder dieGegenbeweiſe unſers Verfaſſers zu widerlegen. Es iſt auch gewis unrichtig, wenn dieſer Gelehrte ſagt, daß die Kuͤſten von Rußland vol von Baͤu - men waͤren, auf denen die Bienen dieſe Kompoſition von Honig und Wachs machten. Die Kuͤſten von Rußland am oͤſtlichen Meer (von denen doch die Rede ſeyn mus) ſind nicht ſo waldigt, und man findet an denſelben keinen Ambra..

§. 2.

Von den Verfaͤlſchungen des Ambra, den Kennzeichen ſeiner Guͤte und ſeinen Kraͤften habe ich folgendes erfahren: Wenn der Ambra zuerſt aus dem Meere ans Ufer ge - worfen wird, iſt er ſo weich, wie eine Maſſe von Mehl, und daher ſehr geſchikt, jede Art von Verfaͤlſchung zu leiden. Leute, die ſich mit dieſer Kunſt abgeben, haben mich ſelbſtN n n 2ver -468Vom Ambra. verſichert, daß nichts beſſer mit dem Ambra vermiſcht werden koͤnne, als fein zermalmte Reißhuͤlſen, weil hiedurch ſowol die Leichtigkeit, als auch die blaͤuliche Farbe am beſten er - halten wuͤrde. Der Beſitzer wird indes vom Betrug bald unterrichtet, wenn die Wuͤrmer dieſe zugeſezte Materie wegnagen. Oft wird der aͤchte Ambra mit Benzoin oder Aſand, Storax und andern wohlriechenden Sachen verſezt; oft aber wird eine ganz falſche Kompoſi - tion aus Pech, Wachs, Harz, Storax und aͤhnlichen Dingen verfertiget. Man hat mir beide Materien oft zum Verkauf angeboten. Die erſte fuͤr verfaͤlſcht zu erkennen iſt etwas ſchwer, die andre aber ungemein leicht durch die Beruͤhrung, den Anblik oder auch nur, wenn man damit raͤuchert.

Diejenigen, welche den Ambra zum Handel aufſuchen, verſtehen die Kuͤnſte, wenn er noch friſch iſt, mehrere kleine Stuͤcke in eine groͤſſere Maſſe zu vereinigen, den unge - ſtalteten Stuͤcken eine ſchoͤnere Form zu geben, daher findet man, daß der Ambra meiſtens rund, allezeit aber von betraͤchtlichem Gewicht iſt, aus welchem Grunde man aber nicht an ſeiner Guͤte zweifeln darf. Die beßte und ſicherſte Probe von dieſer Guͤte iſt, einige Gran auf ein ganz gluͤhend heißes Blech zu legen. Der Rauch entdekt alsdann jene Verfaͤlſchung, und je weniger Aſche man findet, deſto beſſer der Ambra. Die Aſiater jenſeits des Ganges pflegen dieſe Probe gemeiniglich mit einer ſehr gangbaren duͤnnen goldnen Muͤnze Kobang, die an Groͤſſe und Geſtalt einem Ey aͤhnlich iſt, zu machen. Sie pflegen etwas Ambra auf dieſelbe zu reiben und mit demſelben auf Kohlen zu legen.

Unter den verſchiednen Gattungen von gutem Ambra halten die Sineſer diejenige fuͤr die allerbeſte, deren abgeriebne Theile in warm Waſſer geworfen und bedekt am leich - teſten aufgeloͤſet und ganz fluͤſſig werden. Jch habe geſehn, daß man dieſe Probe auch in den porzellaͤnen Gefaͤßen anſtellte, aus denen man Thee trinkt, wobei man auch dieſes Ge - ſchaͤft vornahm.

Fuͤr die allerſchlechteſte Gattung von Ambra wird diejenige gehalten, welche man in den Gedaͤrmen des Wallfiſches findet, weil ſie hier ſehr viel von ihrer Guͤte verliehrt. Man findet in dem japaniſchen Meere eine Gattung von Wallfiſchen, Mokos, die drey, hoͤch - ſtens vier Ellen lang iſt, und in deren Gedaͤrmen ſich ſehr oft Ambra befindet; ein ſicheres Anzeichen deſſelben iſt, wenn man bei der Eroͤfnung eine erdichte und kalkichte Materie findet. Man ſieht in Japan dieſe Art von Ambra ſehr haͤufiig, die entweder in den Eingeweiden der Wall - fiſche gefunden, oder mit ihren Exkrementen von ihnen ins Meer gegangen iſt. Die Ja - paner pflegen aus dieſem Grunde den Ambra, Kuſura no fun d. i. Wallfiſchdrek zu nennen.

Das Suͤdmeer wirft oft ganz ſonderbare Stuͤcke einer fettigen Subſtanz ans Ufer aus, die dem aͤußern Anſehn nach dem Ambra ſehr gleichen. Mir ſelbſt wurde einmahl eine ſolche Maſſe, die auf der philippiniſchen Jnſel Lakonien an Land geworfen war, alsganz469Vom Ambra. ganz friſcher Ambra aufgedrungen. Sie war weiß, ſchwammicht, zerbrechlich, wie ranzi - ges Speck, raͤucherigt und talgicht, weßhalb ich dieſelbe fuͤr Wallfiſchſpeck hielt, die lange im ſalzigen Seewaſſer gelegen und ſich ſo veraͤndert hatte. Jch beſitze auch noch eine ſolche Maſſe, die ſehr unfoͤrmlich iſt, und drei Pfund wiegen mag, die an der Kuͤſte von der Jnſel Banda gefunden iſt. Mir ſcheint aber dieſe Maſſe Talg von der Art zu ſeyn, der Schroͤder den Nahmen weißliches Ambra (Ambra ſubalbida) giebt, und die gemeiniglich Wallrath (Sperma Ceti) heißt. Dieſe Materie kann leicht irgendwo an einem Felſen ſich geſammlet haben, und von der Sonne in eine Maſſe zuſammengeſchmolzen ſeyn. Jch ken - ne von dem ſo genannten Wallrath drey verſchiedne Arten, oder Methoden ihn zu bekom - men. Die erſte Art iſt diejenige, welche auf der Oberflaͤche der noͤrdlichen Meere ſchwimmt, und mit geflochtenen Koͤrben abgeſchoͤpft wird, wie dieſes laͤngſt durch Augenzeugen gemel - det iſt. Die andre wird in Menge aus der Hirnſchale eines gewiſſen Wallfiſches, der la - teiniſch Orca, hollaͤndiſch Potvis heißt, gepreßt, nach dem Zeugniß des Bartholinus Wormius und aller, die nach Groͤnland auf den Wallfiſchfang fahren. Die dritte Art wird auf den Faroͤiſchen Jnſeln von den Bewohnern derſelben (die aͤußerſt arme Fiſcher ſind) aus der obern Haut eines gewiſſen Fiſches herausgebracht. Dieſer Fiſch hat einen ſehr langen Kopf, und heißt Buskoppe, welchen Nahmen auch die aͤußerſte dieſer Jnſel von der Menge der daſelbſt befindlichen Fiſche dieſer Art bekommen hat.

Von dieſer lezten Gattung ſind mir keine Nachrichten eines Schriftſtellers bekant, aber ich kenne ſie durch den Bericht eines ausnehmend glaubwuͤrdigen Mannes, der durch Schiffbruch an dieſe Jnſeln verſchlagen war, und ſechs Monathe ſowol dem Sammeln dieſer Art von Wallrath zugeſehn, als auch ſelbſt dabei Hand angelegt hatte. Er ſagte mir, die - ſer Fiſch ſey groͤſſer als ein Menſch, und ſein monſtroͤſes Haupt mit dieſer ſchwammichten Fet - tigkeit angefuͤllt, beſonders in der Gegend der Kinnbacken. Man ſondre dieſe ab, und durch eine ſtarke Lauge und Doͤrren in der Sonne reinige man ſie, und verhindere, daß ſie nicht ranzig werde. Auf dem indiſchen Meere preſſen auch die Seeleute aus dem Kopfe des Hay - fiſches (des ſchaͤdlichſten Raubfiſches nach dem Krokodill) eine ausnehmend weiße Materie, die ſie unter dem Nahmen Wallrath verkaufen. Das Hirn ſelbſt pflegen ſie wegzuwerfen, das ich mitten im Kopf und ſehr klein gefunden habe. Dieſe Materie beſizt ganz vollkom - men die horntreibende Kraft des eigentlichen Wallraths; da ſie aber ganz ſtaubigt iſt, und gar keine talgichte Fettigkeit hat, ſo kann ſie mit Recht nicht fuͤr Wallrath angeſehn werden.

Meine vorher erwaͤhnte Materie aber hat alle erforderliche Kennzeichen des Wall - raths und ſcheint zu der erſten der angefuͤhrten Klaſſen zu gehoͤren. Jch habe dieſes am beſten geſehn, wenn ich ſie wieder in eine Subſtanz von Kleien verwandelt habe, welches die urſpruͤngliche des Wallraths iſt. Jch habe ſie auch zuweilen ſtatt deſſelben in Krankhei - ten mit dem gluͤklichſten Erfolg gebraucht.

N n n 3Den470Vom Ambra.

Den Bernſtein haben die Naturkuͤndiger mit mehr Grund zu dem Geſchlecht des Ambra gezaͤhlet. Denn er iſt, wie dieſer, eine fettige aber reinere Erde, die durch die Luft in das Meer verhaͤrtet worden. Jch habe in Preuſſen geſehn, nicht nur wie man die - ſe von den Wellen ans Ufer geworfne Materie ſammelt, ſondern auch, wie man ſie aus den unterirrdiſchen Gaͤngen der Erde herausgraͤbt, und dieſe leztere Gattung, die oft ſehr weich und gebruͤchig iſt, wieder ins Meer wirft, damit ſie hart werde. Haͤtte der beruͤhmte Denis dieſes gewußt, ſo wuͤrde er ſich (in der eben angefuͤhrten Schrift) nicht ſo viele Muͤ - he gegeben haben, den Bernſtein aus den ſchwediſchen Waͤldern an das Ufer der Oſtſee zu bringen.

Die entfernten Nationen*)Unſtreltig verſteht hier K. die im oͤſtlichen Aſten. ziehen den Bernſtein dem aͤchten Ambra weit vor, ſo wie uͤberhaupt auch allen koſtbaren Steinen, die rothen Korallen allein ausgenommen. Andre edle Steine ſchaͤzen und gebrauchen ſie nicht. Vorzuͤglich wird von dieſen Voͤlkern der gelbe durchſichtige Bernſtein, den wir Europaͤer gerade am wenigſten achten, wegen des Alters und der ausnehmenden Vollkommenheit, die ſie ihm beilegen, am hoͤchſten geachtet; die uͤbrigen Arten aber weniger. Jch bemuͤhte mich zuweilen ihnen das Gegentheil hierin zu beweiſen, erregte aber dadurch nur das Gelaͤchter meiner Zuhoͤrer, und richtete ohngefehr eben ſo viel bei ihnen aus, als derjenige erwarten koͤnnte, der uns uͤberzeugen wollte, Silber ſey koſtbarer als Gold.

Die ſchwarzen aſiatiſchen Nationen, an deren Kuͤſte ſich der Ambra findet, gebrau - chen ihn gar nicht; die Europaͤer aber in der Medicin. Der ſtaͤrkſte Gebrauch davon wird im mogoliſchen Reich, in Perſien und Arabien zu eingemachten ſuͤſſen Sachen gemacht. Die Sineſer, Japaner, Tunkineſer bedienen ſich deſſelben zu ihrem Raͤuchwerk, deſſen liebli - cher Duft dadurch ſowol erhoͤhet als verlaͤngert wird, da er ohne Ambra bald verfliegen und viel ſchwaͤcher ſeyn wuͤrde. Es iſt merkwuͤrdig, daß dieſe Materie beide Kraͤfte in vorzuͤg - lichem Grade und doch vor ſich allein nur einen ganz geringen Geruch hat. Seine Kraͤfte uͤbergehe ich, da ſie hinlaͤnglich bekant ſind. Doch will ich noch einen geheimen kraͤftigen Gebrauch des Ambra anfuͤhren, den mich ein ſehr erfahrner Japaniſcher Arzt gelehrt hat. Sein Recept war folgendes: Nimm eine beliebige Doſis rohes Opium, wikle ſie in Lein - wand, und haͤnge ſie in den Dampf von kochendem Waſſer. Hat dieſe nach ein bis zwei Stunden etwa ein Noͤſſel ausgeſchwizt, ſo haſt du ein ganz herrliches Opium. Thue alsdenn noch einmal ſo viel vom beßten Ambra hinzu, woraus dann eine Maſſe wird, die man in ganz kleine Pillen drehen kann, die alsdenn zu Befoͤrderung des Beiſchlafs, vor der Nacht, da man ſich dazu begiebt, aber in ſehr kleiner Doſis, zu nehmen ſind.

Verzeich -471

Verzeichnis der Kupfertafeln zu dieſem zweiten Bande, welches auch eine Anweiſung fuͤr den Buchbinder enthaͤlt.

  • Tab. XIX. Plan von der Stadt Nangaſacki und der umliegenden Gegend, nach einer gro - ßen Japaniſchen Charte gezeichnet. An der Seite ſieht man verſchiedne in Japan uͤbliche Muͤnzen.
    • A. Ein Obanj von Gold, der zehn Kobanjs gilt, ob er gleich nur derſelben wiegt. An den vier Ecken iſt das Wappen des Dairi eingedruͤkt, und die Oberflaͤche mit den hier abgebildeten Streifen bezeichnet.
    • B. Eine Seite des Kobanj oder Kobang, auch eine Goldmuͤnze, etwa 23½ hollaͤndiſchen Gulden an Werth. Außer den uͤber die Oberflaͤche laufenden Streifen ſieht man auf derſelben noch a. das Wappen des Dairi. b. Ein Zei - chen, das den Werth des Stuͤks anzeigt. c. Midsſugu, der Name des Muͤnz - meiſters zu Jedo und Suruga, in Sſo Charaktern ausgedruͤkt.
    • C. Die Kehrſeite des Kobanj, worauf d. das Zeichen des algemeinen Direk - tors der Gold - und Silbermuͤnzen. Die uͤbrigen Merkzeichen ſind von Privatper - ſonen, welche dadurch wiſſen koͤnnen, ob ein Stuͤk ihnen ſchon durch die Haͤnde gegangen ſei. Die Japaner ziehen die in Jedo verfertigten Kobangs vor, Fremde aber die andern. Sie probiren dieſe Muͤnze damit, daß ſie dieſelben an die Bruſt halten, wo die beſten etwas ſich anhaͤngen, oder ſie mit den Zaͤhnen beißen, oder mit dem Meſſer zerſchneiden.
    • D. E. Ein Jtzebo in Gold, mit dem Kaiſerlichen Wappen auf einer, und dem des Muͤnzmeiſters auf der andern Seite, ohngefaͤhr einen Ducaten an Werth.
    • F. Ein großer Silberklumpen mit verſchiednen Gepraͤgen, unter andern dem vom Daikoku, dem Gott des Reichthums, mit ſeinem Hammer, Tonne und Sak. Dieſer Werth iſt nicht genau, ſondern nur nach dem Gewicht beſtimt.
    • G. Ein Jta oder Schuit von Silber.
    • H. Die eine Seite eines Putje oder Senni, einer kupfernen Muͤnze, mit dem Namen der Nengo, in der ſie gepraͤgt worden.
    • I. Die Kehrſeite des Senni.
    • K. L. Beide Seiten eines doppelten Senni. Dieſe Muͤnzen haben ein vier - eckigtes Loch in der Mitte, an denen man ſie aufreihen kan. Neben S. 5 zu binden.
  • Tab. XX. Verſchiedne Kaiſerliche Freibriefe und Eidesformel in Japaniſchen Charactern, deren Erklaͤrung ſich im zehnten Kapitel des vierten Buchs befindet. Neben S. 129 zu binden.
Tab. 472Verzeichnis der Kupfertafeln.
  • Tab. XXI. Fig. 1 und 2 Ein Japaniſches Kauffartheiſchif, Fig. 5 und 6 ein Luſtſchif von beiden Seiten, beſchrieben im dritten Kapitel des fuͤnften Buchs, wo es p. 159 in der Note ſtatt Tab. XX. heißen mus XXI.
    • Fig. 3 und 4 Zwei Gedaͤchtnistafeln, deren im erſten Bande p. 306 er - waͤhnt iſt.
    • Fig. 7 und 8. Die Adofski, beſchrieben S. 148. Fig. 9. Der Japaniſche Sattel, beſchrieben S. 147.
    • Fig. 10. Der ſchwarze Giwon, ein Japaniſcher Hausgoͤtze, beſchrieben S. 167. Neben S. 159 zu binden.
    • Tab. XXII. Der Aufzug der hollaͤndiſchen Geſandtſchaft. Fig. 1 und 2. Hollaͤndiſche und Japaniſche Koͤche, mit darneben getragnem Kuͤchengeraͤth. 3. Zwei Fuͤhrer, die jeder Landesfuͤrſt durch ſein Gebiet giebt. 4. Der Aufſeher uͤber den ganzen Zug. 5. Ein Handpferd fuͤr den hollaͤndiſchen Geſandten. 6. Ein Doſen. 7. Der Medicinkaſten. 8. Ein Geldkaſten. 9. Der Geſandte ſelbſt in ſeinem Norimon, abwechſelnd von vier Mann getragen, mit noch drei Bedienten zu Fuß neben her. 10. Der Oberdolmetſch in einem Cango getragen. 11. Der Unterdolmetſch zu Pferde, mit einem Bedienten. 12. Ein Joriki von Nangaſacki. 13. 14. Zwei Geſandtſchaftsſecretaire mit Bedienten. 15. Der D. Kaͤmpfer. 16. Ein Unterdolmetſch. 17. Noch ein Joriki von Nangaſacki. 18. Ein Hand - pferd des Bugjo. 19. Des Bugjo Lanzentraͤger. 20. Der Bugjo ſelbſt in ſeinem Norimon, abwechſelnd von drei Mann getragen, mit noch Bedienten ne - benher. 21. Einige ſeiner Abſchied nehmenden Freunde. 22. Einige unſrer Nan - gaſackiſchen Freunde, die uns noch einige Meilen begleiten. Ganz vorab ſind noch ein paar Schreiber zu Pferde.
    • Die Beſchreibung dieſes Zuges findet ſich Kap. VII des fuͤnften Buches, wo aber die Folge der Perſonen etwas anders angegeben iſt, als in dieſer aus der Scheuchzeriſchen Ueberſetzung gelieferten Abbildung, worauf es denn auch dem Le - ſer eben nicht ankommen wird.
    • An den Seiten dieſer Kupfertafel ſteht man Sonnenſchirme, Palankins, Bo - gen und andre Zierrathen, die gewoͤhnlich vor den Großen des Reichs bei einem feierlichen Aufzuge hergetragen, und S. 179 angefuͤhrt werden. Neben S. 199 zu binden.
  • Tab. XXIII. Reiſecharte von Nangaſacki bis Kokura. Neben S. 203 zu binden.
  • Tab. XXIV. Reiſecharte von Simonoſeki bis Oſacca. Neben S. 213 zu binden.
  • Tab. XXV. Ausſichten von Simodſi, Morizu, und Kaminoſeki. Neben S. 215 zu binden.
  • Tab. XXVI. Proſpect vom Schloß, Stadt und Hafen Muru. Neben S. 219 zu binden.
Tab. 473Verzeichnis der Kupfertafeln.
  • Tab. XXVII. Grundriß der Stadt Miaco. Neben S. 234 zu binden.
  • Tab. XXVIII. Reiſecharte von Oſacca nach Miaco und Fammamatz Neben S. 239 zu binden.
  • Tab. XXIX. Reiſecharte von Fammamatz bis Jedo. Neben S. 253 zu binden.
  • Tab. XXX. Grundris der Stadt Jedo.
    • Zur Seite die Wappen der Japaniſchen Kaiſer, Fuͤrſten und Großen. Neben S. 271 zu binden.
  • Tab. XXXI. Der Kaiſerliche Audienzſaal fuͤr die hollaͤndiſchen Geſandten. a. Der Ort, wo der Kaiſer fizt. b. Der Ort fuͤr die erſten Kaiſerlichen Staatsraͤthe. c. Die fuͤr Sr. Majeſtaͤt beſtimte Geſchenke. d. Der Ort, wo der hollaͤndiſche Geſandte ſo wie alle Reichsfuͤrſten ſich vor dem Kaiſer zur Erde niederwerfen. e. Die Halle von hundert Matten.
    • Zur Seite A bis O ſind muſikaliſche Jnſtrumente, deren Abbildungen ich in den Japaniſchen Buͤchern gefunden habe. Neben S. 282 zu binden.
  • Tab. XXXII. Eben dieſer Audienzſaal von innen. a. Der Ort, wo Bingofima ſaß. b. Derjenige, wo die Staatsbedienten ſitzen. c. Die Gallerie, wo verſchiedne Hofbedienten in einer Reihe ſitzen. Sie iſt niedriger wie b. d. Der Ort, wo der hollaͤndiſche Geſandte und ſein Gefolge ſitzen muſten, niedriger wie c. e. Ein Seitenhof, mit kleinen Steinchen gepflaſtert. 1. Die Jalouſiematten, hinter wel - chen der Kaiſer, die Kaiſerin und andre Perſonen von der Kaiſerlichen Familie bei unſrer zweiten Audienz ſaßen. Jn der erſten ſaßen ſie hinter 3 und 4. Hinter 2 aber ſaßen Hofleute. 5. Der gewoͤhnliche Plaz des Bingoſama, bei unſrer Audienz aber ſaß er in 6, um deſto bequemer mit dem Kaiſer reden zu koͤnnen. 7. Die ordentlichen, 8 die außerordentlichen Staatsraͤthe. 9. Einige der vornehmen Hof - bedienten. 10. Kammerherrn, die die Aufwartung hatten. 11. Andre hohe Be - diente, Titulaͤrkammerherrn. 12. Niedrige Hofbediente in einer langen Reihe fort. 13. Der hollaͤndiſche Abgeſandte Cornelius von Outhoora. 14. D. Kaͤmpfer auf Kaiſerlichen Befehl tanzend. 15. Zwei Geſandtſchaftsſecretaͤre. 16. Unſer Dolmetſcher.
    • Zur Seite verſchiedne Japaniſche Waffen. Neben S. 283 zu binden.
  • Tab. XXXIII. Fig. 1. Das heiße Bad bei Urisjino, welches S. 202 beſchrieben iſt. a. Ein großer Kampferbaum. b. Ein Schilderhaͤuschen. c. Die Quelle. d. Ein Som - merhaͤuschen. f. Ein Ruheplaz. ggg. Die Baͤder. hh. Ein Kanal aus dem Flus i.
    • Fig. 2. Grundris der Stadt Kokura, erklaͤrt S. 209.
    • Fig. 3, 4, 5. Jnſtrumente, die gewoͤhnlich bei oͤffentlichen Executionen vor den Verbrechern hergetragen werden, beſchrieben S. 120.
    • 474
    • Fig. 6. Eine große Glocke, beſchrieben S. 366.
    • Fig. 7. Eine ſilberne Schuytmuͤnze, erwaͤhnt S. 367.
    • Fig. 8. 9. Graͤnzpfeiler.
    • Fig. 10. 11. Der Tempel Symmios, beſchrieben S. 371.
    • Fig. 12. Der Tempel Kurumado, beſchrieben S. 367.
    • Fig. 13. Stadt und Schlos Mijah.
    • Fig. 14. Stadt und Schlos Quane. Neben S. 371 zu binden.
  • Tab. XXXIV. Der Tempel Kiamitz mit ſeiner Gegend, beſchrieben S. 308 Neben S. 308 zu binden.
  • Tab. XXXV. Der Tempel Daibods. Neben S. 308 zu binden.
  • Tab. XXXVI. Der 33, 333 Bildertempel. Neben S. 310 zu binden.
  • Tab. XXXVII. Der Goͤtze Quanwon. Neben S. 367 zu binden.
  • Tab. XXXVIII. Die Theeſtaude. Neben S. 442 zu binden.
  • Tab. XXXIX. Der Goͤtze Darma und vielerlei Theegeraͤthe. Neben S. 444 zu binden.
  • Tab. XL. Die Papierſtaude. Neben S. 390 zu binden.
  • Tab. XLI. Die Pflanze Orenj. Neben S. 392 zu binden.
  • Tab. XLII. Die Pflanze Futo Kadſura. Neben S. 394 zu binden.
  • Tab. XLIII. Die Japaniſche Akupunktur mit den dazu gehoͤrigen Jnſtrumenten. Neben S. 427 zu binden.
  • Tab. XLIV. Die Japaniſche Art mit Moxa den Koͤrper zu brennen. Neben S. 438 zu binden.
  • Tab. XLV. Enthaͤlt die drei gewoͤhnlichſten Alphabete der Japaner, Firo Canna, der gewoͤhnlichen Schriftart, Jmatto Catta der Bonzenſchrift und Catto Canna derjenigen, welche wahrſcheinlich den vornehmern Staͤnden beſonders eigen iſt. Hr. Profeſſor Buͤttner in Goͤttingen fand dieſe in einem Japaniſchen Stattscalender, der ſich im Beſiz des Herrn Hofrath Brandes in Hannover befindet. Jn der Tabelle von allen bekanten Alphabeten, welche in dem 7ten Bande der Nov. Com - ment Societ. Goettingenſis der vortreflichen Abhandlung des Hrn. Profeſſor Buͤttners beigefuͤgt iſt, findet man dieſe Alphabete in der 44, 45 und 46ſten Ordnung. Eben dieſer ruhmwuͤrdige Gelehrte hat auch die Guͤte gehabt, auf die - ſer Kaͤmpferiſchen Tafel die Zahlen beizuſetzen, welche die Ordnung anzeigen, in der dieſe Charactere auf einander folgen. Die beigefuͤgten lateiniſchen Sylben zei - gen die Ausſprache an.
    • Noch findet man S. 73 eine Abbildung von Deſima, welche die engliſche Ueberſetzung nicht hat.

Ende des ganzen Werks.

[475]

Verzeichnis ſaͤmtlicher hoͤchſten und hohen theils unmittelbaren theils mittelbaren Befoͤrderer der Herausgabe dieſes Werks.

  • Jhro Hochfuͤrſtliche Durchlauchten der regierende Fuͤrſt Carl Auguſt Friederich zu Waldeck 1 Exempl.
  • Jhro Hochgraͤfliche Gnaden Graf Simon Auguſt Regierender Graf und Edler Herr zur Lippe 1
  • Loͤbliches Adres-Comtoir in Hamburg 3
  • Herr Buchhaͤndler Ahl in Coburg 1
  • Die loͤbliche Kaiſerliche Akademie der Wiſſenſchaften in Petersburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Andreaͤ in Frankfurt 2
  • Herr von Aspern Koͤnigl. Daͤniſcher Etatsrath und Caͤmmerer der Stadt Altona 1
  • Herr Kaufmann Bachmann in Petersburg 1
  • Der Herr Miniſter Freyherr von Baernhorſt in Deſſau 2
  • Herr Kaufmann C. C. Bagge in Petersburg 1
  • Herr Superintendent Ballhorn in Neuſtadt 1
  • Herr Profeſſor Baſedow in Deſſau 1
  • Herr Buchhaͤndler Berger in Wismar 2
  • Herr Buchhaͤndler Berger in Tuͤbingen 2
  • Herr von Beroldingen in Speier 1
  • Die loͤbliche Churfuͤrſtl. Pfaͤlz. Bibliothek in Duͤſſeldorf 1
  • Die loͤbliche Rathsbibliothek in Luͤbeck 1
  • Herr Kaufmann Henrich Bock in Petersburg 1
  • Herr Probſt von Bockum gen. Dolffs in Soeſt 1
  • Herr Buchhaͤndler Boehme in Leipzig 4
  • Herr Kaufmann Levien F. Boͤhtlingk in Petersburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Bohn in Hambung 6
  • Herr Hofrath Brandes in Hannover 1
  • Herr Geheimder Rath von Bremer in Hannover 1
  • Herr Regierungsrath von Brieſen in Aurich 1
  • Herr Hofrath Brinckmann in Duͤſſeldorf 1
  • Herr Buchhaͤndler Broͤnner in Frankfurt 2
  • Herr Kaufmann J. G. Bruns in Petersburg 1
  • Die loͤbliche Buchhandlung der Realſchule in Berlin 2
  • Herr Amtmann Caspari in Rodenberg 1
  • Herr Buchhaͤndler Cotta in Tuͤbingen 1
  • Herr Buchhaͤndler Cramer in Bremen 3
  • Herr Buchhaͤndler Cruſius in Leipzig 4
O oo 2Herr476
  • Herr Regierungs-Praͤſident von Dankelmann in Cleve 1 Exempl.
  • Herr Eggers Koͤnigl. Daͤniſcher Etats - und Regierungsrath auch Praͤſident der Stadt und Feſtung Gluͤckſtadt 1
  • Herr Geh. Regierungsrath Elbers in Cleve 1
  • Herr Nicol. Freyherr von Engelhardt Ruſſiſch Kaiſerlicher Generallieutenant und Gouverneur von Finnland 1
  • Herr Theodor Werner Chretine de L Eſtocq Ruſſiſch Kaiſerlicher Obriſter in Petersburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Ettinger in Gotha 3
  • Herr Buchhaͤndler Felſecker in Nuͤrnberg 1
  • Herr Buchhaͤndler Fleiſcher in Frankfurth 2
  • Herr Buchhaͤndler Floͤrcke in Danzig 3
  • Herr von Gaͤhler Koͤn. Daͤn. Geheimder-Rath und Ober-Praͤſident der Stadt Altona 1
  • Herr Buchhaͤndler Garbe in Frankfurth 4
  • Herr Buchhaͤndler Gerle in Prag 2
  • Loͤbliche Typographiſche Geſellſchaft in Bern 2
  • Herr Canonicus Gleim in Halberſtadt 1
  • Herr Kaufmann Peter Goͤtte in Narwa 1
  • Herr Juſtitzrath und Syndicus Gries in Altona 1
  • Her Hauptmann von Grube in Koͤnigl. Daͤniſchen Dienſten 1
  • Herr Buchhaͤndler Haude & Spener zu Berlin 2
  • Herr Buchhaͤndler Heinſius in Leipzig 12
  • Die Helwingſche Hofbuchhandlung in Hannover 3
  • Herr Buchhaͤndler Herold in Hamburg 4
  • Herr Baron von Hertefeld in Cleve 1
  • Herr Geh. Reg. Nath Zur-Heyden in Cleve 1
  • Herr Buchhaͤndler Himburg in Berlin 2
  • Herr Secretair von Hinuͤber in Wildeshauſen 1
  • Die loͤbliche Vandenhoͤkſche Buchhandlung in Goͤttingen 2
  • Herr Kanzler und Kammerdirector Hoffmann in Detmold 1
  • Herr Buchhaͤndler Hoffmann in Weimar 1
  • Herr Hof-Cammerrath Jacobi in Duͤſſeldorf 1
  • Herr Doctor Jeniſch in Hamburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Junius in Leipzig 4
  • Herr C. Fr. Kiohlberg Rathsherr und Kaufmann in Narwa 1
  • Herr Kaufmann Kirchhoff in Hamburg 1
  • Herr Doctor Koch in Quakenbruͤck 1
  • Herr Regierungsrath Koͤnig in Detmold 1
  • Herr Buchhaͤndler Koppe in Roſtock 1
  • Herr Buchhaͤndler Korn der aͤltere in Breslau 3
Herr477
  • Herr Buchhaͤndler Korn der juͤngere in Breslau 3 Exempl.
  • Herr Buchhaͤndler Korte in Flensburg 2
  • Herr Hofmedicus Kretſchmar in Deſſau 1
  • Herr Poſtmeiſter Krohn in Lemgo 1
  • Herr Buchhaͤndler Kummer in Leipzig 2
  • Herr Buchhaͤndler Lange in Berlin 1
  • Herr Buchhaͤndler Lemke in Luͤneburg 1
  • Herr Archivarius Lodtmann in Osnabruͤck 1
  • Herr Buchhaͤndler Loeffler in Manheim 1
  • Herr Buchhaͤndler Loͤwe in Presburg 2
  • Herr Buchhaͤndler Loͤwe in Leipzig 1
  • Herr Generallieutenant von Losberg in Rinteln 1
  • Herr Buchhaͤndler Luͤbeck in Bareuth 1
  • Herr J. C. May Chef der Correſpondance beym Koͤnigl. Daͤn. Lotto in Altona 1
  • Herr Buchhaͤndler Meyer in Breslau 2
  • Herr Hofrath Moͤller in Bielefeld 1
  • Herr Juſtitzrath Moͤſer in Osnabruͤck 2
  • Herr Kaufmann Mollwo in Petersburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Montag in Nuͤrnberg 1
  • Herr Decanus Morgenbeſſer in Breslau 1
  • Herr Staatsrath Muͤller in Moskau 8
  • Herr Buchhaͤndler Muͤller in Leipzig 2
  • Herr Buchhaͤndler Mylius in Berlin 1
  • Herr Buchhaͤndler Nicolai in Berlin 8
  • Herr Buchhaͤndler Orell in Zuͤrich 4
  • Herr Buchhaͤndler Pauli in Berlin 2
  • Herr Buchhaͤndler Pelt in Kopenhagen 2
  • Herr Buchhaͤndler Perrenon in Muͤnſter 1
  • Herr Oberjaͤger Petri in Tecklenburg 1
  • Herr Poͤrtner in Bramſche 1
  • Herr Kaufmann C. W. Poppe in Hamburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Proft in Kopenhagen 1
  • Herr Buchhaͤndler Raspe in Nuͤrnberg 1
  • Herr Bibliothekarius Raſtmann in Wernigerode 1
  • Herr Doctor Reimarus in Hamburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Richter in Altenburg 2
  • Herr Kaufmann C. C. Ritter in Petersburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Roͤſe in Greifswalde 1
  • Herr Geh. Kriegsrath von Roſenberg in Danzig 1
  • Herr Buchhaͤndler Rothe in Kopenhagen 2
  • Herr Richter Schaͤfer in Lemgo 1
O o o 3Herr478
  • Der Herr Baron von Schimmelmann Koͤnigl. Daͤniſcher Kammerherr 1 Exempl.
  • Herr Baron von Schimmelmann Kammerjunker bey der verwittweten Koͤni - gin von Daͤnnemark 1
  • Herr Graf von Schmettow General der Cavallerie in Koͤnigl. Daͤniſchen Dienſten 1
  • Herr Buchhaͤndler Schneider in Leipzig 1
  • Herr Kaufmann C. Fr. Schwadke in Petersburg 1
  • Herr Kaufmann Schwalb in Hamburg 1
  • Herr Rathsherr Schwarz in Danzig 1
  • Herr Kaufmann Joh. Arnold Sewerin in St. Petersburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Siegert in Liegnitz 2
  • Herr Syndicus Sillem in Altona 1
  • Frau Graͤfin Benedicta von Sivers verwittwete Oberhofmarſchallin in Petersburg 1
  • Herr Senator von Spreckelſen in Hamburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Steiner in Winterthur 5
  • Herr Geh. Juſtitzrath Strube in Hannover 1
  • Herr Buchhaͤndler von Trattner der juͤngere in Wien 1
  • Herr Kaufmann Joh. Trooſt in Petersburg 1
  • Herr Kammerherr von Tuͤrck in Anſpach 1
  • Herr Alexe Feodorowitſch Turtſcheninow Titulairrath in Petersburg 1
  • Herr Uphagen in Danzig 1
  • Herr Kammerherr von Veltheim in Oſtrau 1
  • Herr Criminalrath Vogtel in Magdeburg 1
  • Herr Buchhaͤndler Voß in Berlin 3
  • Herr Geh. Regierungsrath von de Wall in Cleve 1
  • Herr Buchhaͤndler Walther in Dresden 3
  • Herr Buchhaͤndler Walther in Erlangen 1
  • Herr von Wangenheim und Herr Hofmeiſter Feder in Goͤttingen 7
  • Die loͤbliche Wayſenhauß Buchhandlung in Braunſchweig 3
  • Die loͤbliche Wayſenhauß Buchhandlung in Zuͤllichau 1
  • Herr Rector Wehrmann in Bielefeld 1
  • Herr Kaufmann P. H. Wolf in Petersburg 1
  • Herr M. L. Wolf Paſtor an der St. Petri Kirche in Petersburg 1
  • Herr Zagel General-Caſſirer des Koͤnigl. Daͤn. Lotto in Altona 1
  • Herr Kaufmann Joh. Ad. Zange in Petersburg 1
  • Herr Hofgerichts-Aſſeſſor von Zerſen in Hannover 1
Alphabeta Japonum Tab. XLV.

Verzeichniß der in der Oſtermeſſe 1779 im Verlage der Meyerſchen Buch - handlung fertig gewordenen Schriften.

  • von Beſſel, F. W. Entwurf eines Militair-Feldreglements, mit Kupfern, gr. 8. (Jn Kommiſſion).
  • Bibliothek, auserleſene, der neueſten deutſchen Litteratur, 15ter B. gr. 8.
  • Boſtells, Fr. von, Abhandlung von der praͤokkupatoriſchen Vorſtellung beym Kammer - gericht, 8.
  • Hißmann, Michael, Magazin der Philoſophie und ihrer Geſchichte, aus den Jahrbuͤchern der Aka - demien, 2ter Band, 8.
  • Kaͤmpfers, Engelbert, Geſchichte und Beſchreibung von Japan, aus den Originalhandſchriften des Verfaſſers herausgegeben von Chr. Wilh. Dohm, 2ter und letzter Band, mit 27 Kupfern, gr. 4. (Gegen eine halbe Piſtole Nachſchuß.)
  • Nachrichten zu dem Leben des Franz Petrarka, aus ſeinen Werken, 3ten und letzten Bandes 2te Abtheil. gr. 8.
  • Plutarch von der Erziehung der Kinder, aus dem Griechiſchen uͤberſetzt, von Chr. Wilh. Kindleben, 8.
Polybs
  • Polybs Geſchichte, aus dem griechiſchen uͤberſetzt, und mit Anmerkungen, wie auch Auszuͤgen aus den Werken der Herren von Folard und Guiſchard, uͤber die Kriegskunſt der Alten be - gleitet, von D. C. Seybold, 1ter und 2ter Band, gr. 8.
  • Seckers, Thomas, Predigten uͤber verſchiedene Gegenſtaͤnde, 6ter Band, gr 8.
  • von Selchow, J. H. Chr. Magazin fuͤr die teutſchen Rechte und Geſchichte, 1ter Band, gr. 8.
  • Unterricht, kurzer, fuͤr diejenigen, die Taback pflanzen wollen, 8.

About this transcription

TextGeschichte und Beschreibung von Japan
Author Engelbert Kaempfer
Extent551 images; 191072 tokens; 24148 types; 1328369 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationGeschichte und Beschreibung von Japan Aus den Originalhandschriften des Verfassers herausgegeben Zweiter und lezter Band Engelbert Kaempfer. Christian Wilhelm von Dohm (ed.) . [4] Bl., 478 S. : 27 Kupfer u. Ktn. MeyerLemgo1779.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 ITIN I, 3268:2 RARA

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Geographie; Wissenschaft; Geographie; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:32:01Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 8 ITIN I, 3268:2 RARA
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.