Jch liefere hier in dem zweiten und lezten Bande dieſes Werks, meinem Verſprechen gemaͤs, das vierte und fuͤnfte Buch der Geſchichte und Beſchreibung, und die hieher gehoͤrenden Abhandlungen aus den Amoenitatibus exoticis, alſo alles, was ich bis izt von Kaͤmpfern uͤber Japan geben konte. Jch darf hof - fen, daß der Jnhalt dieſes Bandes den Leſern eben ſo wichtig und wil - kommen ſeyn werde, als der des erſten, und vielleicht wird er manchem noch reichhaltiger ſcheinen.
Meine Bemuͤhung bei dieſem Bande iſt der bei dem erſten voͤllig gleichfoͤrmig geweſen; ich habe die in der Einleitung angegebene Re - geln allemal ſtreng zu beobachten, und dem Publikum dieſes wichtige Werk ſo zuverlaͤſſig und genau zu liefern geſucht, als es mir nur moͤg - lich war. Nie wird mich dieſe Arbeit gereuen, wenn ich damit den Beifal der Kenner zu verdienen gluͤklich genug geweſen bin.
) (2AufVorrede.Auf die S. LVI. der Einleitung gethane Anfrage habe ich keine ſolche Antwort erhalten, wie ich ſie fuͤr die Wiſſenſchaften wuͤnſchte. Zwar haben ſich einzelne warme Freunde derſelben als kuͤnftig ſichre Kaͤufer Kaͤmpferiſcher Schriften angegeben, aber in ſo ſparſamer Anzahl, daß die Verlagshandlung es nicht wagen konte, ein ſo koſtbares Unter - nehmen bei der faſt gewiſſen Ausſicht des Verluſts anzufangen. Die an - gebotene ſeltene Gefaͤlligkeit der ruhmwuͤrdigen Aufſeher des Brittiſchen Muſeums iſt alſo umſonſt, und die Hofnung, ſo wichtige und mit ſo muͤhvoller Beſchwerde erkaufte Werke unſers edlen Deutſchen der Ge - fahr der Vernichtung zu entziehn, mus vors erſte voͤllig aufgegeben werden. Vielleicht wird einmal in England die Aufmerkſamkeit des Publikums auf dieſe Schaͤtze mit mehr Gluͤk geleitet, als in unſerm Deutſchland, wo Kaͤmpfers erneuertes Andenken nur dazu gedient hat, daß wir doch nunmehr ziemlich genau wiſſen, welche Werke es ſind, die noch verloren gehen koͤnnen.
Die verſprochnen Zuſaͤtze und Ergaͤnzungen werden dagegen zu - verlaͤſſig dermaleinſt als ein eignes Werk erſcheinen, wenn mir anders Leben, Geſundheit und Muſſe erhalten wird. Caſſel den 25ten Maͤrz 1779.
Dohm.
Zu den kaiſerlichen Domainen gehoͤren auch die Gokosjo. So nent man in Japan die fuͤnf vornehmſten See - und Landſtaͤdte des Reichs, nemlich Miako in der Provinz Jamaſiro, Jedo in der Provinz Muſaſj, Ooſaka in Setz, Sakai in Jdſimi und Nagaſacki in Fiſen. Die vier erſtern liegen auf der großen Jnſel Nipon und fruchtbarem Boden. Sie haben den innern Seehandel, Manufakturen und zum Theil reiche Einwohner. Sie beſitzen auch darin eine viel beſſere Nahrung als andere Staͤdte des Landes, daß zwei die Reſidenz der beiden kaiſerlichen Hoͤfe ſind, und die andere doch faſt beſtaͤndig von vielen Fuͤrſtlichen und andern Perſonen auf der Reiſe von und nach dem Hofe beſucht werden.
A 2Nan -4Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.Nangaſacki aber liegt am weſtlichen Ende der Jnſel Kjusju zwiſchen rauhen Gebirgen auf ſchlechtem Boden, entfernt an dieſem aͤußerſten Winkel des Reichs vom volk - reichen Nipon und dem innern Handel, und nunmehr auch von dem auswaͤrtigen Handel mit fremden Nationen faſt ganz abgeſchnitten. Daher findet man hier wenige Manufak - turiers, Kapitaliſten, Kaufleute, Kraͤmer und Wirthe, und meiſtens nur gemeine Ein - wohner und Tagloͤhner, die ihre Nahrung durch taͤgliche Arbeit verdienen muͤſſen. Doch aber macht der bequeme und wohlgeſchlosne Hafen dieſe Stadt zu der algemeinen Nieder - lage aller auslaͤndiſchen zugelasnen Schiffe, die denn hier ihre eingefuͤhrte, nicht verbotne Waaren an die inlaͤndiſchen Kaufleute oder Faktors verhandeln, die zu beſtimten Zeiten des Jahrs aus verſchiednen Provinzen und Staͤdten des Reichs ſich hier zuſam - menfinden.
Jn den neueſten Verſuͤgungen wegen Behandlung der Fremden, die im Jahr 1638 auf die letzte grauſame Vertilgung der Chriſten folgte, erhielt Nangaſacki den Vorzug, daß an keinem andern Orte des Reichs die noch geduldeten Fremden aufgenommen wer - den koͤnnen, als hier. Auch wenn ſie durch Sturm an eine andre japaniſche Kuͤſte ver - ſchlagen ſind, muͤſſen ſie hierher gebracht werden, und auch durch guͤltige Zeugniſſe das ihnen wiederfahrne Ungluͤk beweiſen. Die beiden einzigen fremden Nationen, welche ſich noch jetzt dieſer ſo eingeſchraͤnkten Freiheit zu erfreuen haben, ſind die Sineſer und die ſich dieſes Namens bedienen, und die Hollaͤnder.
Der Hafen nimt Nordwaͤrts von der Stadt einen ſchmalen Anfang, mit einem un - tiefen, bei der Ebbe abfließendem, moderigem Grunde. Einige Bergfluͤſſe fallen hier noch hinein. Er wird dadurch alſobald breiter und tiefer, und ſobald er der Stadt naͤher ge - kommen, und die Breite einer halben Meile, ſo wie die Tiefen von fuͤnf bis ſechs Klaftern erreicht hat, wendet er ſich, und ſtreicht zwiſchen den Bergen des feſten Landes, etwa in der Breite von ¼ Meile, eine ganze Meile ſuͤdweſtlich fort, bis er eine Jnſel oder viel - mehr nur einen von der See umflosnen Berg erreicht, der Taka Jama oder Taka Boko heiſt, welches Bambuspik oder hoher Berg bedeutet. Man erzaͤhlt noch eine fabelhafte Tradition, daß die roͤmiſch-katholiſchen Prieſter von dieſem Berge herabgeſtuͤrzt waͤren, und deswegen nennen ihn die Hollaͤnder Papenberg. Er iſt der gewoͤhnliche Ankerplatz al - ler abfahrenden Schiffe. Man wuͤrde von hier die ofne See nach einer Meile erreichen, wenn nicht die klippige Untiefe die Durchfarth hinderte. Man pflegt alſo von hier zwiſchen verſchiednen Jnſeln und hart an dem rechtsliegenden feſten Lande weſtwaͤrts durchzufahren. Ein ziemlich langer Umweg, auf dem man nur ganz almaͤhlig aus dem Hafen in die ofne See koͤmmt. Laͤngs dem Hafen liegen verſchiedne Baſtionen, die aber nicht mit Kanonen beſetzt ſind. Eine halbe Meile von der Stadt ſind an beiden Ufern ofne, unbeſchanzte Wa -chen.5Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. chen. Die Manſchaft von beiden beſteht aus 700 Koͤpfen,*)Die engliſche Ueberſetzung giebt jeder ſo viel. aus welchen auch die taͤgli - chen Ruderbarken nebſt einer taͤglichen Wachtbarke im Hafen der Stadt beſetzt werden. Unweit dem Papenberge, wo eigentlich der rechte Hafen angeht, liegt eine Jnſel, an welcher das lezte portugieſiſche Schif, welches 1642 von Makao hieher geſandt war, mit ſeiner ganzen Ladung verbrant wurde. Eben dieſer Ort iſt auch fuͤr die Zukunft dergleichen Handlungen gewidmet, und heißt daher: der Brandplatz feindlicher Schiffe.
Jn dieſem Hafen ſieht man ſelten weniger als 50 japaniſche Barken, und einige hun - dert Fiſcher und andre Fahrzeuge. Auch liegen (außer in einigen wenigen Wintermona - ten) ſelten weniger als dreißig fremde Junken hier vor Anker. Die wenigen hollaͤndiſchen Schiffe verweilen hier ſelten und hoͤchſtens drei Herbſtmonate, waͤhrend welcher die weſtli - chen Winde mit nord-oͤſtlichen (die zur Abfarth noͤthig ſind) abzuwechſeln pflegen. Der Ankerplatz iſt unter der Stadt etwa einen Musketenſchus von derſelben am Ende des Buſens und kan von den kaiſerlichen Wachten erreicht werden. Der Boden iſt Kley-Grund, bei hohem Waſſer liegen die Schiffe auf ſechs Klafter geankert, bei der Ebbe flieſt das Waſ - ſer 1½ Klafter ab.
Die Stadt Nangaſacki liegt unter 32 Grad 36 Min. Norderbreite, und unter 151 Gr. der Laͤnge, beinahe am Ende und dem breiteſten Theile des Meerbuſens, der hier durch ſeine Wendung nach Norden ein krummes Ufer macht. Weil ſich die Gebirge hier nach Oſten oͤfnen, ſo liegt die Stadt in einem Thale unter ihnen, beinahe in der Geſtalt eines halben Mondes, der ſich aber etwas der Figur eines Triangels naͤhert. Die Laͤnge der Stadt iſt alſo laͤngs dem Ufer hin etwa ¾ Meile, und die Breite, welche in einer lan - gen Hauptgaſſe durch das Thal fortſtreicht, nicht viel weniger. Die Gebirge, welche die Stadt umgeben, ſind nicht gar hoch, doch ziemlich ſteil, allenthalben aber gruͤn und an - genehm. Jm Aufklimmen ſtoͤſt man immer auf Tempel, die mit Buſchwerk umgeben ſind, und uͤber die Stadt hervorragen, und uͤber dieſen wieder bis ganz zu den oberſten Gipfeln, hervorſtehende Grabſtaͤte und Gaͤrten; ſo daß das Ganze wirklich einen ausneh - mend anmuthigen und ganz neuen und ungewohnten Anblik giebt.
Die naͤchſte einigermaßen merkwuͤrdige und betraͤchtlich große Orte ſind gegen Suͤdweſt der kleine Flecken Fukafori, etwa fuͤnf Japaniſche Seemeilen (d. i. zwei kleine deutſche Meilen) von der Stadt Nangaſacki. Dieſer Flecken hat ein kleines Fort oder Kaſtel, die Reſidenz eines Bugjio, der den ganzen Diſtrikt, welcher zu dieſem Flecken gehoͤrt, fuͤr den Fuͤrſt von Fiſen, ſeinen Erbherrn, verwaltet. Dieſer Diſtrikt liefert un - gemein viel Brennholz und jaͤhrlich drei Mangokf Einkuͤnfte, ob ſie gleich in dem algemei - nen Reichskataſter nur zu einem Mangokf angeſetzt ſind.
A 3Nicht6Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.Nicht weit von dem Flecken iſt auch ein großer Teich, der mit Baͤumen umge - ben iſt, und von dem man doch die wunderbare Eigenſchaft erzaͤhlt, daß man nie Blaͤtter oder irgend einige Unreinigkeiten an ihm wahrnehme, welches die Einwohner der ausneh - menden Reinigkeit des Geiſtes zuſchreiben, welcher dieſen Teich beherrſcht. Aus Ehrfurcht moͤgen ſie auch in demſelben nicht einmal fiſchen.
Nordwaͤrts von Nangaſacki liegt an einem Seebuſen die fuͤrſtliche Stadt und Re - ſidenz Omura im Diſtrict gleiches Namens. Einige Meilen weiter nach Oſten hin an einem Arm des Buſens von Simabara liegt die Stadt Jſafai, die dem Prinz von Fi - ſen gehoͤrte.
Die Stadt Nangaſacki ſelbſt iſt ganz offen, wie die meiſten Staͤdte in Japan, ohne Kaſtel, Wal, Mauern und Graben. Jhre Gaſſen ſind ziemlich eng und krum, und wegen der anliegenden Gebirge laufen ſie almaͤhlig hoͤher hinauf, bis ſie an der Berg - ſeite bei den Tempeln ſich endigen.
Drei Fluͤſſe (deren Waſſer ſuͤß*)Freſh water ſagt Scheuchzer. iſt) fließen vom Gebirge durch die Stadt, der groͤſte durch das oͤſtliche Thal. Sie haben nur wenig Waſſer und ſoviel als zur Bewaͤſſe - rung einiger Reisfelder und Forttreibung einiger ſchlechten Muͤhlen genug iſt. Doch haben ſie bei Platzregen und ploͤtzlichem Anwuchs auch wol Haͤuſer weggeſpuͤlt.
Dieſe Stadt hat noch den Stamnamen ihrer vorigen Erbherrn, welche dieſen Land - ſtrich von 3000 Kokf jaͤhrlichen Einkommens, von dem erſten dieſes Namens Nagaſaki Kotaro bis zu dem zwoͤlften und letzten Nachkommen Nagaſaki Sjinſeiemon beſeſſen ha - ben. Von der erblichen Reſidenz dieſer Fuͤrſten zeigt man noch jetzt die ſteinernen Truͤmmer auf dem Gipfel des Bergs hinter der Stadt. Durch Ausgang dieſer Linie iſt vor 300 Jah - ren dieſer ganze Diſtrikt an das fuͤrſtliche Haus Omura gekommen. Damals lag auf dem Platz der jetzigen Stadt nichts als ein ſchlechtes Fiſcherdorf mit einigen Aeckern, welches damals nur nach ſeinem Hafen Fukaje oder Trije d. i. langer Seebuſen genant wurde. Man unterſchied es dadurch von dem vor dem Hafen gelegnen Flecken, Fukafori d. i. der lange Teich, ein Name, der noch jetzt fortdauert. Der neue Beſitzer gab dem Dorf den neuen und eignen Namen Nangaſacki, und durch ſeine Sorgfalt und Bemuͤhungen wuchs es almaͤhlig zu einem ziemlichen und betraͤchtlichen Flecken an.
Jn dieſem Zuſtand befand ſich Nangaſacki, als die Portugieſen zuerſt in Japan ankamen. Sie genoſſen, ſo wie die Sineſer, die Freiheit, nach Belieben in verſchiede - nen Haͤfen zu landen, ließen ſich auch an verſchiedenen Orten auf Saikokf nieder, vor - nehmlich in der Provinz Bungo und Fiſen. Jn letztrer zuerſt bei einem Dorf Fakuda, das auf der Jnſel Firando liegt, nicht weit von dem Eingange des Hafens Nagaſaki zurLinken,
7Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. Linken, etwa ſechs japaniſche Seemeilen oder zwei gute deutſche Meilen von der Stadt am feſten Ufer. Dieſer Ort gehoͤrte dem Fuͤrſten von Omura. Darnach ſetzten ſie ſich in dem vorhererwaͤhnten Fukafori feſt. An dieſem und allen andern Orten waren immer zwei Dinge die wichtigſten Gegenſtaͤnde ihrer Bemuͤhung und Aufmerkſamkeit, ihren Handel zu betreiben und die chriſtliche Religion auszubreiten. Jn beiden kamen ſie ſehr gut fort, weil ſich eine natuͤrliche Gleichheit zwiſchen ihnen und den Japanern fand, und ſie gewannen wirklich das Herz ſowol einiger Großen als auch beſonders des gemeinen Mannes.
Nach einiger Zeit erklaͤrte ſich der Fuͤrſt von Omura ſelbſt fuͤr den chriſtlich-roͤmi - ſchen Glauben, und veranlaſte die Portugieſen, ſich auch in Nangaſacki niederzulaſſen. Dieſer Flecken war damals ſchon bis zu 23 Gaſſen angewachſen, und machte denjenigen Theil aus, der jetzt Utſimatz oder die innere Stadt heißt und nunmehr aus 26 Gaſſen be - ſteht. Jn dieſem Zuſtande uͤbergab der Fuͤrſt den Portugieſen den Flecken und ſchenkte ihnen denſelben als ihr Eigenthum, damit ſie hier ein feſtes Etabliſſement fuͤr ihre Nation, ihren Handel und Ausbreitung ihrer Religion haben moͤchten. Jch wil nicht entſcheiden, ob der Fuͤrſt wirklich aus wahrer Neigung fuͤr die chriſtliche Religion, oder auch durch die Betrach - tung, daß er ſeinen Hafen fuͤr den neuen Handel bequem, und dieſem ſeinem Lande zutraͤg - lich hielt, zu dieſem Betragen ſey bewogen worden? So viel iſt gewiß, daß beide Bemuͤ - hungen mit dem gluͤcklichſten Fortgang begleitet wurden, obgleich am Ende nicht mit einem eben ſo gluͤcklichen Ausgang. Der Zuſammenfluß des neuen Handels zog auch bald viele ſineſiſche Schiffe in den hieſigen Hafen, und aus verſchiedenen Provinzen, Staͤdten und Doͤrfern Japans war ein großer Zulauf von Menſchen, die ſich der guten Nahrung wegen in Nangaſacki niederließen. Nach den verſchiednen Provinzen, aus denen dieſe neuen Ein - wohner kamen, wurden denn auch die verſchiednen Gaſſen benant, z. E. Bungomatz, Je - domatz, Kabaſimamatz, Firedomatz, Omuramatz, Simabaramatz u. ſ. w. Andre Gaſ - ſen fuͤhren auch den beſondern Namen einer Bunts, d. i. eines erſten Ankoͤmlings oder Ko - loniſten, der die Straße auf ſeine Koſten angelegt hat. Und ſo iſt dieſer Flecken in ſehr kur - zer Zeit eine bluͤhende und volkreiche See-und Handelsſtadt geworden, in der man jetzt 87 dicht bebauete und volkreiche Straßen zaͤhlt.
Der große Flor von Nangaſacki erregte die eiferſuͤchtige Aufmerkſamkeit des damals regierenden weltlichen Erbkaiſers Taiko. *)Der beruͤhmte Taiko oder Taikoſama, der erſte weltliche unumſchraͤnkte Monarch. Er. ſtarb 1598 S. oben Band 1 p. 237 und 247.Er verwieß dem Fuͤrſten von Omura ſehr ernſtlich, daß er einen ſo wichtigen Platz an Fremde uͤberlaſſen habe, und ſetzte hinzu, daß er ſich genoͤthigt ſaͤhe, den Ort unter ſeine eigne Herrſchaft zu ziehn, da er ſaͤhe, daß der Fuͤrſt zur Regierung deſſelben unfaͤhig ſey. Das ſtolze Betragen der Portugieſen trug hierzuſehr8Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. ſehr vieles bei, welchen bei ihrem großen Gluͤk die zuerſt angenommene Demuth gegen die Großen des Reichs bald zu laͤſtig wurde. Ein alter Japaner erzaͤhlte mir folgende Geſchichte, welche die kaiſerliche Ungnade vorzuͤglich ſol verurſacht und zum Ausbruch gereizt haben.
Wie einmal der Kaiſer, um ſeinen kriegeriſchen Unternehmungen auf Korea naͤher zu ſeyn, einige Zeit ſeine Reſidenz in Fakatta gewaͤhlt hatte, begegnete ein portugieſiſcher Geiſtlicher verſchiednemal auf dem Wege nach Hofe einem Kaiſerlichen Staatsbedienten. Nach Landesgebrauch haͤtte er ſtil halten und ihm ſeinen Reſpect beweiſen muͤſſen, aber der ſtolze Prieſter ließ ſich ſtolz vorbeitragen, ohne dem Großen die mindeſte Hoͤflichkeit zu be - weiſen. Dieſer ſaͤumte dann nicht, noch in der erſten Hitze ſeiner Bewegung dem Kaiſer dieſe grobe Beleidigung und den unertraͤglichen Stolz der fremden Nation vorzuſtellen. Dieſe Vorſtellungen fanden deſto mehr Eingang bei dem Kaiſer, da es uͤberhaupt ſeinen Planen ganz zuwider war, daß dieſe Auslaͤnder ſich eine ſo große Herrſchaft uͤber die Gemuͤther er - warben, und dadurch das Vermoͤgen erhielten, vielleicht kuͤnftig eine Diverſion zu machen.
Es ſey nun, daß dieſer Monarch wirklich uͤber die bewieſene Jnſolenz gegen ſeinen Miniſter aufgebracht war, oder den großen Anwachs der Chriſten und ihrer Lehre ſeinen weit - ausſehenden Planen nachtheilig hielt, ſo fand er fuͤr gut, dieſe Gelegenheit zu nutzen und ſie die erſte Probe ſeiner Ungnade empfinden zu laſſen. Er nahm die Stadt Nangaſacki nebſt ihrem Diſtrikt von 3000 Kokf jaͤhrlicher Einkuͤnfte den Portugieſen und ihrem Patron, dem Fuͤrſt von Omura, weg, und vereinigte beide mit ſeinen Domainen.
Jch gehe nun zu einer genauern Beſchreibung dieſer Stadt uͤber.
Nagaſacki, oder (wie es einige des Wohllauts wegen ausſprechen, aber nie ſchrei - ben) Nangaſacki iſt in zwei Theile getheilt: Utſimatz oder die innere Stadt, welche aus 26 Tſjoo oder Straßen beſteht, die alle ſo irregulaͤr ſind, daß ſie in der Kindheit der Stadt erbauet zu ſeyn ſcheinen, Sottomatz d. i. die aͤußere Stadt, oder wie man es ſonſt zu nennen pflegt, die Vorſtaͤdte, welche aus 61 Straßen beſteht. Nagaſacki hat alſo zu - ſammen 87 Straßen.
Die merkwuͤrdigſten oͤffentlichen Gebaͤude in und außerhalb Nagaſacki ſind:
Einige Janagura des Kaiſers, wie ſie von den Japanern genant werden. Dieſe ſind fuͤnf hoͤlzerne Haͤuſer an der Nordſeite der Stadt auf niedrigem Grund erbauet. Es werden in denſelben drei Kriegsjonken oder Kriegsſchiffe mit ihrem Ruͤſtzeug auf bewahrt, und ſtehn bereit, daß ſie, ſo bald es noͤthig, koͤnnen ins Waſſer abgelaſſen und gebraucht werden.
Am gegenſeitigen Ufer ſteht das Tensjogura oder Pulverhaus, zu mehrerer Si - cherheit iſt im Huͤgel dabei ein Pulverkeller angelegt.
Die zwei Reſidenzen der beiden hier beſtaͤndig gegenwaͤrtigen Gouverneurs ſchließen einen uͤber andre Gaſſen erhabnen Boden mit zierlichen Haͤuſern ein, die von gleicher Hoͤhe,und9Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. und mit ſtarken Pforten der Vorhoͤfe verſehen ſind. Der ankommende dritte Gouverneur logirt allemal auf Tatteſama in einem Tempel, ſo lange bis der Abgehende ihm durch ſeinen Abzug ſeine Wohnung raͤumt.
Außer dieſen giebt es hier noch etwa zwanzig eigne Haͤuſer. Alle Dai Mio d. i. Fuͤrſten des Reichs haben dergleichen hier, und auch viele Sio Mio (d. i. Adel vom zwei - ten Range) aus der Jnſel Kusju oder wie ſie ſonſt auch heiſt Saikokf, d. i. weſtliches Land, auf welchem die Stadt Nangaſacki liegt. Einige von Adel halten ſich hier beſtaͤn - dig auf, um bei noͤthigen Vorfaͤllen das Jntereſſe ihrer Herren zu beobachten, denen ſie bei ihrer Wiederkunft von allen Vorfaͤllen Rechenſchaft geben muͤſſen. Die Dai Mio bedie - nen ſich auch dieſer Haͤuſer zu ihrer Wohnung, wenn ſie nach Nagaſacki kommen.
Die Fremden wohnen außer der Stadt in zwei Vorſtaͤdte eingeſchloſſen, und als Diebe bewacht; die Hollaͤnder bei der Stadt am Hafen auf einem aus dem Grunde hervor - ragenden Klippen oder Jnſel Deſima genant, d. i. die Jnſel De. Die Sineſer (und unter dieſem Namen auch die ihnen benachbarten Nationen, welche mit ihnen gleicher Re - ligion ſind,) am ſuͤdlichen Ende der Stadt auf einem mit einem Wal umſchlosnen Huͤgel, der Jakujin heißt d. i. mediciniſcher Garten, der ehemaligen Beſtimmung dieſes Huͤgels. Er heiſt auch Dſjuſenſi, von den auf demſelben etwas hoͤher gelegnen Wohnungen der Schauer,*)Dieſes lezte findet ſich nur in der engliſchen Ueberſetzung. die acht geben, was fuͤr fremde Schiffe nach dem Hafen ſegeln, und von Ankunft derſelben den Gouverneur unterrichten.
Der Tempel in und außer der Stadt ſind zuſammen zwei und ſechzig, nemlich fuͤnf Sinsju Tempel, die den einheimiſchen Goͤtzen zu Ehren errichtet ſind; 7 Jamabos oder Bergpfaffentempel, und funfzig Tira oder Tempel der auswaͤrtigen Goͤtzen. Von dieſen leztern liegen 21 in der Stadt und 29 außerhalb derſelben, am Abhang der Gebuͤrge, und auf ſteinernen Treppen zu erſteigen. Alle dienen eben ſo ſehr dem oͤffentlichen Vergnuͤ - gen als der Andacht. Sie ſind zum erſten auch wegen der angenehmen Gallerien und Ge - gend, auch der herrlichen weiten Ausſicht, die der hohe Boden giebt, ſehr bequem. Jch kan dieſe Tempel in dieſem Kapitel nicht hinlaͤnglich und genau beſchreiben, ſondern mus dieſes bis ins vierte Kapitel dieſes Buchs verſparen.
Um dem japaniſchen Landesgebrauche gemaͤs zu handeln, mus ich nun aus den Tempeln unmittelbar zu den Hurenhaͤuſern uͤbergehn, die nicht viel weniger als jene beſucht werden. Kasjematz oder Hurenſtadt, die man auch Ehrenhalber nach dem Huͤgel, auf dem ſie liegt, Mariam nent, macht den ſuͤdlichen Theil der Stadt aus und beſteht nach japaniſcher Art zu rechnen, in zwei, nach unſrer in mehrern Gaſſen, die im Abhang einesZweiter Band. BHuͤgels10Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Huͤgels angelegt ſind. Sie enthaͤlt die ſchoͤnſten Wohnhaͤuſer der ganzen Buͤrgerſtedt, und wird von keinen andern als Hurenwirthen bewohnt. Sie iſt, außer einer andern doch klei - nern, die einzige ihrer Art auf Saikokf, welche Jnſel außer Miako die ſchoͤnſten Men - ſchen auf ganz Japan hervorbringt. Die armen Leute koͤnnen ihre wohlgeſtaltete Toͤchter zu Brodt helfen, und wegen der guten Nahrung von Fremden und Einheimiſchen (die der Wol - luſt ſehr ergeben ſind,) iſt dieſe Anſtalt mit einer guten Menge ſolcher Toͤchter wohl verſe - hen, und wird nach der Miakoſchen fuͤr die beruͤhmteſte des ganzen Reichs gehalten.
Die Maͤdchen werden in der erſten Kindheit fuͤr ein Stuͤk Geld auf gewiſſe Jahre (etwa 10 oder 20) erhandelt und ihrer von ſieben bis dreißig, große und kleine, in einem Hauſe und von einem Hurenwirth, nachdem er ein bemittelter Mann iſt, unterhalten. Sie haben alle ſehr bequeme Zimmer, und werden taͤglich im Tanzen, Spielen muſikali - ſcher Jnſtrumente, im Briefſchreiben und andern ihrem Geſchlecht anſtaͤndigen und die Uep - pigkeit befoͤrdernden Geſchiklichkeiten geuͤbt. Die juͤngern ſind Dienerinnen und zugleich auch Schuͤlerinnen der aͤltern, und mehr geuͤbtern. Nachdem ſie nun an Geſchiklichkeit und gefaͤlligem Betragen zunehmen, und dem Wirth, weil ſie viel begehrt und abgeholt wer - den, großen Vortheil bringen, werden ſie auch in hoͤhern Rang erhoben, bekommen beſſere Begegnung, und ſteigen im Preiſe, den der Wirth allein erhaͤlt. Dieſer kan von zwei Maaſen zu zwei Jtziba ſteigen, welches Leztre aber als der hoͤchſte Preis von der Obrigkeit feſtgeſetzt iſt. Eine von der ſchlechteſten Klaſſe (die entweder ſchon ausgedient haben, oder zu dieſer Strafe verdamt ſind) iſt verbunden, in einer Vorkammer des Hauſes die Abend - und Nachtwache zu halten, um den Vorbeigehenden vor ein Maas die Kerze an - zuzuͤnden.
Wenn dieſe Dirnen von ehrlichen Leuten geheirathet werden, gelten ſie unter gemei - nen Buͤrgern fuͤr ganz ehrliche Frauen, weil ſie an ihren Vergehungen unſchuldig und doch wohlgezogen ſind. Die Wirthe hingegen, wenn ſie auch noch ſo reich, paſſiren doch nie - mals fuͤr ehrliche Leute, und duͤrfen ſich nicht unter dieſelben miſchen. Man giebt ihnen einen ſehr ſchaͤndlichen und nachdenklichen Namen: Katſuwa, d. i. Gebiſſe. Sie wer - den faſt fuͤr Unmenſchen gehalten und in die niedrigſte Claſſe der Jetta oder Ledergerber geſetzt, welche in Japan die Buͤttel ſind, und nahe an den Gerichtsſtaͤtten von allen ehrli - chen Leuten abgeſondert wohnen muͤſſen. Die Katſuwa ſind auch noch mit der Schande belaſtet, daß ſie bei gerichtlichen Exekutionen dem Jetta ihre Hausknechte oder gemiethete Tagloͤhner zur Huͤlfe ſchicken muͤſſen.
Es wird nicht unſchiklich ſeyn, nunmehr aus der Hurenſtadt nach der Gokuja d. i. der Hoͤlle uͤberzugehn. Man verſteht unter dieſem Namen den Gefangenhof, der auch Roja oder das Bauer heiſt. Er liegt mitten in der Stadt in einer abhaͤngenden Quergaſſe, und beſteht aus vielen Huͤtten und Apartements, in denen man jeden nach ſei -nem11Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. nem Verdienſt behandeln kann. Auſſer den gewoͤhnlichen Verbrechern haͤlt man hier auch alle diejenigen gefangen, welche des Verbrechens des Schleichhandels oder der chriſtlichen Religion uͤberfuͤhrt ſind, oder doch beſchuldigt werden. Daher die Zahl der Gefangnen in dieſer Hoͤlle oͤfters uͤber 100, und wenn haͤufige Exekutionen vorfallen, doch nie unter 50 ausmacht. Jm Umkreis dieſes Gefangenhauſes findet ſich ein Gaſthof, ein Haus zur Tortur, ein Gerichthaus zur heimlichen Exekution der minder Schuldigen, eine Kuͤche, ein Haus zum Spazierengehn, und ein Tange oder Teich. Die Gefangnen ſind von ver - ſchiednen Klaſſen, einige zum Tode verdamt, andre nur wegen Verdachts, und andre auf ewig gefangen. Zu dieſen leztern gehoͤren beſonders diejenigen, welche man Bungoſo d. i. Geſchmeis aus Bungo nent. Unter dieſem Namen verſteht man die Chriſten, deren mit Weibern und Kindern hier noch etwa funfzig gefangen gehalten, und auch noch zuweilen einige aufgebracht werden, welches zulezt noch im J. 1688 geſchah. Dieſe guten Leute wiſſen vom chriſtlichen Glauben weiter nichts, als den Namen des Seligmachers, wollen aber doch bei ihrem einfaͤltigen Bekentnis viel lieber ſterben, als durch Verlaͤugnung ihres Heilandes ſich die Freiheit erwerben, die ſie unter dieſer Bedingung bekommen koͤn - ten. Jm September des jetzigen Jahrs 1692 hat man zum erſtenmal das Beiſpiel gehabt, daß drei von dieſen gefangnen Chriſten etwas Geld an die Tempel des Amida ſchikten, um fuͤr ihre verſtorbnen Verwandten bitten zu laſſen. Die Prieſter aber wolten ihnen nicht ein - mal wilfahren, bis ſie die Erlaubniß der Gouverneurs erhalten haͤtten, welche ſogar noͤthig fanden, den Vorfal an den kaiſerlichen Hof zu berichten und Verhaltungsbefehle einzuholen.
Da man die Strenge gegen die Chriſten jezt unnoͤthig haͤlt, und die wenig uͤber - gebliebnen ſo einfaͤltig ſind, ſo werden dieſe mit der Todesſtrafe verſchont, und muͤſſen nur ihr Leben in dieſer zeitlichen Hoͤlle bei ganz ſchlechter Koſt und bloßem Waſſer zum Getraͤnk zubringen. Alle zwei Monate werden ſie nach dem Pallaſt des Gouverneurs geſchlept, und daſelbſt wegen ihres verbotnen Glaubens examinirt und aufgefordert andre Chriſten zu ent - decken. Dies geſchieht aber nicht mehr mit alter Strenge, und blos aus beibehaltner Ge - wohnheit der ehmaligen Geſetze. Bei dieſer Gelegenheit koͤnnen ſie ſich aus ihrer ewigen Gefangenſchaft erloͤſen, ſonſt aber nicht. Sie genießen indes doch jaͤhrlich einige Erquik - ſtunden. Zweimal werden ſie in jedem Jahr einzeln aus dem Kerker gelaſſen, um ſich nach Landesgebrauch mit Moxa zu brennen, und ſich dadurch vor Qualen zu praͤſerviren; ſechsmal wird ihnen jaͤhrlich erlaubt, ſich im Teiche des Gefangenhauſes zu waſchen; und eben ſoviel mal wird ihnen in dem beſonders dazu erbaueten geraͤumigen Spazierhauſe er - laubt, ſich eine Bewegung zu machen.
Zur Beſchaͤftigung in ihrem muͤßigen und kuͤmmerlichen Zuſtande laͤſt man dieſe elende Leute ein ſchlechtes Garn aus Hanf ſpinnen, womit die Saͤume der Matten in ihren Zim -B 2mern12Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. mern benaͤhet werden. Jhre Kleider naͤhen ſie mit einer Nadel von Bambusrohr zuſam - men, weil ihnen alle eiſerne Werkzeuge verboten ſind. Einige machen auch Taapids d. i. Fuͤßlinge oder Fußſocken, und andre dergleichen Kleinigkeiten. Das wenige Geld, das ſie damit erwerben koͤnnen, gebrauchen ſie, um ſich einige Erfriſchungen zu verſchaffen, oder ihren Weibern und Kindern, die in andern Kammern von ihnen abgeſondert ſitzen, davon zukommen zu laſſen. Sie pflegen auch den Reis, der ihnen von ihrer taͤglich zuge - theilten Portion uͤber bleibt, uͤber Nacht gaͤhren zu laſſen, und dadurch ein Getraͤnk zu be - reiten, das ſie Ama Saki d. i. lieblicher Saki oder Trank nennen, und das ihnen zu einer beſondern Veraͤnderung und Delikateſſe dient. *)Der Verfaſſer hat die Bereitung dieſes Getraͤnks ſchon oben beſchrieben, B. 1. 269.Einige dieſer Gefangnen erhalten auch zuweilen von ihren Freunden aus Bungo Kleider. Da der Chriſten jezt ſo wenig und dieſe blos aus Einfalt Namchriſten ſind, ſo geht man ſehr gelinde mit ihnen um, und erlaubt ihren Freunden ihnen dieſe Geſchenke zu machen. Doch muͤſſen ſie vorher ſtrenge Unterſuchung und Pruͤfung durchgehn. Die Gouverneurs pflegen auch jedem Gefangnen jaͤhrlich eine neue ſchlechte Matte zum Schlafbet zu ſchenken. Ja vor einiger Zeit haben die Gouverneurs auch einigen Gefangnen erlaubt, ſich eines Kogatan oder kleinen Meſ - ſers zu bedienen.
Zu den oͤffentlichen Anſtalten in der Stadt Nagaſacki gehoͤren auch noch die Bruͤcken. Man zaͤhlt 20 ſteinerne, und 15 hoͤlzerne, zuſammen 35 große und kleine Bruͤcken, alle ſtark und breit, doch nur von gemeiner Bauart, und weiter nicht merkwuͤrdig.
Die Gaſſen der Stadt ſind meiſtens krum, ſchlecht, enge, uneben, bald auf - bald abgehend, weil ſie alle am Huͤgel einige hoch, andre niedrig liegen, ſo daß man oft auf ſteinernen Treppen aus einer Gaſſe in die andre ſteigen muß. Alle ſind ſehr dichte bebauet. Jede Gaſſe iſt durch zwei hoͤlzerne Pforten von der andern unterſchieden, und wird, ſo bald man einigen Aufſtand befuͤrchtet, ſogleich abgeſchloſſen. Jede Gaſſe hat auch einen Quaſi Doogu d. i. einen Platz, wo man alle zum Feuerloͤſchen noͤthige Dinge und Werk - zeuge unterhaͤlt, nemlich einen ausgegrabnen Waſſerbrun, einen Brandhaken, Loͤſchwedel von Stroh; die Leiter wird allemal beim Wachtmeiſter aufbewahrt.
Es iſt eine algemeine Anmerkung, die von Nangaſacki und andern japaniſchen Staͤdten gilt, daß die Gaſſen hier nicht, ſoweit ſie gerade auslaufen, auch nicht genau und nach geometriſcher Laͤnge einer Japaniſchen Tſjo oder Feldwegs von ſechzig Kin oder Klaf - tern (von der ſie doch den Namen fuͤhren) gerechnet werden. Sondern eine Gaſſe geht immer bis an den Ort, wo man ſie am bequemſten mit einer Pforte verſchließen kan. DieGaſſen13Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. Gaſſen haben alſo gemeiniglich ohngefaͤhr die Laͤnge einer Tſjoo, und ſoviel Haͤuſer als ein Wachtmeiſter bequem unter ſeiner Aufſicht haben kan, ſelten unter 60 und uͤber 30.
Die Haͤuſer der gemeinen Buͤrger und Einwohner ſind aͤußerſt ſchlecht gebauet, klein, niedrig, entweder mit keinem oder doch einem ſehr niedrigen faſt unbrauchbaren Soͤl - ler, mit einem Dache von Tannenſpuͤhlen belegt, die meiſtens nur wieder mit uͤbergelegten Spahnern feſt gehalten werden.
Alle Haͤuſer im ganzen Reiche ſind aus Holz und Leimwaͤnden erbauet, inwendig mit buntem Papier zierlich beklebt, mit gewebten Binſen Matten, welche dik gefuͤttert, ganz artig belegt, und durch papierne Schaubfenſter in verſchiedne Kammern abgetheilt. Stuͤhle und Baͤnke findet man gar nicht in dieſen Haͤuſern, und nur ſo wenig Hausgeraͤth, als zum taͤglichen Kuͤchengebrauch noͤthig iſt. Hinter jedem Hauſe iſt nur ein ſehr enger kleiner Plaz (zum geheimen Gebrauch) in welchem, ſo ſchlecht er auch iſt, man doch immer einige Blumen findet, die zum Vergnuͤgen der Augen unterhalten werden.
Von dieſer gewoͤhnlichen Einrichtung der Haͤuſer in Nangaſacki ſind die einiger Vornehmen, Bemittelten und des Handels wegen ſich hier aufhaltenden Fremden ſehr un - terſchieden. Dieſe haben gemeiniglich einen doppelten hohen Soͤller, ſind geraͤumig und zum Theil auf ſineſich angelegt. Sie haben allemal ein weites Vorhaus mit bloßem Eſtrich.
Die Stadt wird von vielerlei Kraͤmern, Handwerkern, Kuͤnſtlern, Bierbrauern und Bedienten der Gouverneurs ſineſiſchen und hollaͤndiſchen Handelsleuten bewohnt. Zwi - ſchen dieſen findet man viele arme Leute und Bettler, die hier haͤufiger und unverſchaͤmter ſind, als an irgend einem andern Orte.
Von den Bettlern machen einen großen Theil aus die Quanſin Bos und Quan - ſin Bikuni d. i. Bettelmoͤnche und Bettelweiber. Eine einzige Gaſſe Jawattamatz oder Fatzmanmatz zaͤhlt ihrer uͤber hundert. Dieſe Klaſſe von Betlern beſteht aus armen, geſchornen Leuten, die ein frommes und keuſches Leben wie die Pfaffen fuͤhren, und ein ſchwarzes Prieſterkleid tragen, um deſto ehrlicher und leichter ein Almoſen zu erhalten, wenn ſie mit Baͤt-oder Roſenkraͤnzen, Bildern, kleinen Glocken und andern aͤußern Zeichen der Andacht die Gaßen durchkreuzen. Einige dieſer Leute laſſen ſich wohl gar bei den Tempeln abſcheren und mit einigen Gebaͤten einſegnen, nach der Gewohnheit vornehmer und bemit - telter alter Leute, welche in ihren Haͤuſern ein eingezogenes Prieſterleben fuͤhren. Die Pfaf - fen der ſineſiſchen und andrer Sensju-Kloͤſter ſchicken auch etwa ſechsmal jeden Monat ei - nige Bruͤder zum Betteln aus; dies geſchieht aber nicht aus Mangel, ſondern blos um dem Muſter ihres großen Stifters Sjaka zu folgen und ihrem kloͤſterlichen Geluͤbde ein Genuͤge zu thun.
Unter die Einwohner von Nangaſacki koͤnte man auch faſt die Hunde rechnen, die wie ordentliche Buͤrger der Stadt angeſehn und gehalten werden, doch nicht mit ſolcherB 3Strenge14Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Strenge wie an andern, beſonders den kaiſerlichen Orten. *)Die Urſache dieſes ſonderbaren Verhaltens gegen die Hunde, ſ. oben Band 1. 142, wo das hier Erzaͤhlte zum Theil auch ſchon vorkoͤmt.Auf allen Gaſſen liegen dieſe Thiere in großer Menge und weichen keinem Pferde oder Menſchen aus dem Wege. Kein Menſch darf ſie toͤdten, außer der Buͤttel auf Befehl der Obrigkeit, wenn ſie jemand um - gebracht oder ſonſt den Tod verdient haben. Die Kranken und vor Alter unvermoͤgenden werden auf jeder Gaffe in beſondern Gemaͤchern (Bauern) unterhalten. Wenn ſie geſtor - ben, werden ſie auf die Berge gebracht, und gerade wie Menſchen beerdigt.
Die Waren der Manufakturen zu Nangaſacki ſind ſchlechter, obgleich theurer als an irgend einem andern Orte des Reichs. Doch muß man alle Manufakturen in Gold, Silber und Sawaas ausnehmen. Weil dieſe nicht ſowohl fuͤr die Einheimiſchen als viel - mehr vorzuͤglich vor die Auslaͤnder beſtimt ſind, ſo werden ſie hier weit beſſer gearbeitet als vielleicht in irgend einem andern Lande der Welt.
Was die Nahrungsmittel betrift, ſo liefert der Grund und Boden von Nanga - ſacki nur etwas wenig Reis, und daher mus man dieſe gewoͤhnliche und taͤgliche Nahrung durch ganz Aſien noch aus andern Provinzen, als Fiſen, Figo, Tſikungo, Amakuſa, Gotho, welche der Stadt gegen Norden liegen, einfuͤhren. Gartenfruͤchte, wilde esbare Kraͤuter und Wurzeln, Brenholz, eben ſo Wildpret und zahme Huͤhner liefern die bergichte Gegend und die naͤchſtgelegnen Doͤrfer ſo viel man ihrer bedarf. Schildkroͤten und Fiſche liefert dieſer Seebuſen im Ueberfluß. Das Waſſer der hieſigen Fluͤſſe iſt klar und zum taͤg - lichen Trinkwaſſer brauchbar. Denn das Saki oder Reisbier iſt zu ſtark und kein taͤgliches Getraͤnk in Japan. Das hier in Nangaſacki gebrauete hat auch einen unlieblichern Ge - ſchmack als an andern Orten in Japan.
Ein leichtes und ſehr geſchaͤztes Trinkwaſſer quillt aus dem Ruͤcken des an der Stadt liegenden Berges Tatta. Ein andrer Brun, an der oͤſtlichen Seite des Hafens, unweit der Stadt, giebt den Schiffen ihr Waſſer. Man haͤlt zwar hier (ſo wie durch ganz Japan) das Waſſer ungemein geſund und lauter, allein es hat doch den Fehler, daß es zur Kolik diſponirt. Eben dieſes bemerken die Eingebohrnen auch von dem Sacki, wenn ſie es kalt und in zu großer Menge trinken.
Man hoͤrt in dieſer Stadt ein beſtaͤndiges Geraͤuſch und Laͤrm, bei Tage von den immer umhergehenden Verkaͤufern, welche Eswaren und andre Sachen ausrufen, von Tage - loͤhnern, die beim Heben und Tragen ſich mit gewiſſem Geſchrei aufmuntern, von Ruderknechten im Hafen, welche den Fortgang ihrer Arbeit durch ein gewiſſes abgemeſſenes Geſchrei an - deuten. Des Nachts hoͤrt man im Hafen auf den Wachtbarken und in den Gaſſen der Stadt nach geringer Zwiſchenzeit ein raſendes Laͤrmen der Waͤchter, die mit zwei Hoͤlzernam15Erſt. Kap. Von der Lage der Stadt Nangaſacki. an einander ſchlagen, und mit lautem verdrieslichen Geklapper ihre Wachſamkeit und die Zahl der Nachtſtunden anzeigen. Auch die Sineſer vermehren dieſes raſende Laͤrmen auch noch mit ihren Cymbeln und Trommeln, wenn ſie theils ihrem Goͤtzen Maatſo Boſa zum Opfer alle Abend einige angezuͤndete Stuͤcke Goldpapier in die See werfen, theils dieſen Goͤtzen aus dem Tempel und wieder hinein bringen. Vor allen andern aber wird dieſer Laͤrm noch durch das Geſchrei in den Sterbhaͤuſern vermehrt, wo gleich nach dem Augen - blick des Verſcheidens und auch an gewiſſen Gedaͤchtnistagen des Verſtorbnen die Mespfaf - fen und Verwandte ein Namanda fuͤr die abgeſchiedne Seele unter dem Anſchlagen einer kleinen Glocke durch einander zu heulen, und mit dieſem Geſchrei bis zur Ohnmacht anzu - halten pflegen.
Namanda iſt ein kurzes aus den Worten Namu Amida Budſu zuſammenge - zognes Gebaͤt. Es iſt an den Gott Amida, oberſten Richter der abgeſchiednen Seelen ge - richtet, um vor die Seele des Verſtorbenen Gnade zu erlangen.
Noch ein neues Geſchrei machen die Nembuds Koo d. i. religioͤſen Bruͤderſchaf - ten, oder freiwillige Baͤtzuͤnfte. Jn dieſe pflegen ſich andaͤchtige Freunde, Nachbarn, oder Bekannten zu vereinigen, und taͤglich zu einer gewiſſen Stunde, Morgens oder Abends in ihren Haͤuſern wechſelsweiſe zuſammen zu kommen, um gemeinſchaftlich zu baͤten und be - ſonders ein Namanda aus Vorſorge abzuſingen, um ihre kuͤnftige Seeligkeit zu erlangen.
Jede kaiſerliche Stadt hat zwei Gouverneurs oder Statthalter, die von ihren Untertha - nen den gewoͤhnlichen Namen Tono Sama d. i. Oberſter Herr oder Prinz erhal - ten. Dieſe wechſeln jaͤhrlich ſo ab, daß immer einer das Regiment wirklich ver - waltet, der andre aber ſich unterdeſſen in der Hofſtadt Jedo aufhaͤlt.
Der Stadt Nangafacki aber hat man noͤthig gefunden im Jahr 1688 noch den dritten Gouverneur zu geben, um fuͤr dieſen wichtigen Seehafen deſto mehr Sicherheit und wachſamere Aufſicht der Fremden zu erhalten. Es fuͤhren hier alſo zween Gouverneurs be - ſtaͤndig die Regierung, unter welchen der Rang monatlich abwechſelt. Der dritte wird alle zwei Jahr von einem neu Ankommenden abgeloͤſt, und reiſet alsdann nach Hofe. Er mus daſelbſt nebſt ſeinen Geſchenken die ſchriftlichen Verhandlungen ſeiner abgelegten Regierung dem hohen Reichsrath uͤberliefern und zugleich von dem Grunde ſeines Verhaltens in den wich - tigſten Vorfaͤllen muͤndliche Rechenſchaft ablegen. Er mus auch bei jedem Staatsrath und Favoriten des Monarchen ſein Ankunftscompliment perſoͤnlich in jedes Haus ablegen, und es zugleich mit koſtbaren Geſchenken begleiten, um ſich die Gunſt dieſer Großen zu erwer - ben und ſeine unterthaͤnige Ergebenheit zu beweiſen. Seine uͤbrige Zeit wendet er dann auch vorzuͤglich an, um diejenige Gunſt zu erlangen, die ihm die Stralen des Gluͤcks zuwenden oder ableiten kan.
Der Aufenthalt eines ſolchen Gouverneurs waͤhrt wenig laͤnger als ſechs Monate, waͤhrend welcher er der Gegenwart ſeiner Familie genießen kan. Er mus ſie aber bald her - nach wieder auf ziemlich geraume Zeit verlaſſen, wenn er aus dem hohen Reichsrath Order erhaͤlt wieder in ſein Gouvernement zuruͤkzukehren und von jedem Miniſter beſonders Abſchiedgenom -17Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. genommen hat. Denn ſo lange ſich ein Gouverneur hier in Nagaſacki aufhaͤlt, iſt es we - der ihm, noch ſeinen Edeln und Bedienten erlaubt, ein Frauenzimmer uͤber ihre Schwelle kommen zu laſſen, wenn ſie ſich nicht die ſtaͤrkſte kaiſerliche Ungnade zuziehn wollen. Fuͤr dieſe haͤlt man es unanſtaͤndig, den geringſten Ungehorſam gegen die kaiſerlichen Befehle mit geringerer Strafe, als der, daß ſich der Verbrecher ſelbſt toͤdtet, oder auf ewig verbannt oder in Arreſt gelegt wird. Der Ruin ſeiner ganzen Familie iſt dabei unvermeidlich.
Die jetzigen drei Herrn haben in kurzer Zeit ihren Verſtand zu großem Vergnuͤ - gen der Majeſtaͤt angewandt, und den auslaͤndiſchen Handel zum Nachtheil der Fremden ſo eingeſchraͤnkt, daß er den Einwohnern zum groͤſten Nutzen gereicht, und die Fremden doch noch hier geblieben ſind. Dieſes gute Betragen hat ihnen dann auch den japaniſchen Rit - tertitel Cami erworben. Zwei hatten ihn ſchon bei ihrer lezten Anweſenheit am Hofe erhal - ten, und der dritte erwartete ihn, wie ich mich in Nangaſacki auf hielt. Cami bedeutet ei - gentlich ein großmaͤchtiger, anbetenswuͤrdiger Geiſt, eine ehrwuͤrdige, unſterbliche Seele, ein Weſen, das uͤber alle Menſchen erhaben iſt. Man verſteht alſo unter dem ertheilten Titel Cami einen Befehl, daß der Kaiſer den damit beehrten Man als einen Goͤtzen wolle geehrt haben. Dieſer Titel wird noch anſehnlicher, wenn man ihm den Namen eines gewiſ - ſen Landes beifuͤgt.
Die Gouverneurs waͤhrend meines Aufenthalts waren folgende:
Der erſte hies Kawaguts Genſeimen, nach der bei der Ritterwuͤrde gewoͤhnli - chen Veraͤnderung des Namens (wo von dem alten nur der Geſchlechtsname beibehalten wird) heiſt er jetzt: Kawagut Tſino Cami. Seine Erbguͤter tragen ihm jaͤhrlich 4700 Kokf ein. Er iſt ein wohlgeſtalter Man von etwa funfzig Jahren, liſtig und boshaft, ein großer Feind der Hollaͤnder, ein ungerechter und ſtrenger Richter, aber ein geſchmeidi - ger und gluͤklicher Hofman.
Der zweite hies Jama Oka Sjubjooje oder nach veraͤndertem Titel Jama Oka Tſuſſima no Cami. Er hat ſich den Weg zu ſeinem Gluͤk durch Ausrottung der Beu - telſchneider in Jedo gebahnt, welches Geſchaͤft ſeiner Oberaufſicht anvertrauet war. Er reinigte die Hauptſtadt in kurzer Zeit von dieſem Geſindel, und hat mit ſeinen Leuten uͤber tauſend von denſelben eigenhaͤndig ausgerottet. Die Einkuͤnfte von ſeinen erblichen Guͤtern betragen 2000 Kokf. Er iſt jezt ein Herr von ſechzig Jahren, ſehr beſcheiden, aufrichtig, wohlthaͤtig, beſonders gegen ſeine arme Unterthanen. Als er das lezte Jahr hinauf nach Hofe reiſete, theilte er alle ſeine eingenommene Accidentien ſo mildthaͤtig aus, daß einige ehrbare, aber duͤrftige Buͤrger, wohl 100 Taels der Mann, empfingen. Jch wil nicht entſcheiden, ob dieſer Herr durch ein ſolches gutthaͤtiges Betragen nur ſuche, dem großen Anſehn ſeiner Collegen, die weit ſchlauere und geſchiktere Hofleute ſind, entgegen zu arbeiten, oder ob es wirklich aus edelmuͤthiger Gemuͤthsart herruͤhre? Soviel iſt gewis, daß ihm dieZweiter Band. CAus -18Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Ausuͤbung ſeines alten Handwerks noch immer nachhaͤngt, da er ſeine Hausbedienten zu - weilen bei den kleinſten Verſehen ohne viele Umſtaͤnde enthaupten laͤſt. Der dritte Gouver - neur heiſt Mijaki Tonnomo, ein anſehnlicher Herr von ſechzig Jahren und großmuͤthiger Denkart, auch aus einem vornehmen Geſchlecht. Er hat den Rittertitel noch nicht erhal - ten. Seine erblichen Einkuͤnfte ſind 4000 Kokf.
Der fixe Gehalt dieſer hohen Bedienten iſt ſchlecht, nemlich eines jeden nur 1500 bis 2000 Kokf Reis, welches zu Gelde gerechnet ohngefaͤhr 7000 bis 10000 Taels aus - macht. *)So ſinde ich dieſe Zahlen in der engliſchen Ueberſetzung angegeben. Jn meinen Handſchriften aber fehlt die Zahl und der Plaz fuͤr dieſelbe iſtmit — beſetzt.Die ſogenanten Accidentien aber ſind ausnehmend betraͤchtlich. Durch ſie wuͤrde ein Gouverneur in wenig Jahren große Schaͤtze ſamlen koͤnnen, wenn er nicht immer dem Hofe und den Miniſtern ſo große Opfer bringen muͤſte.
Von dem erwaͤhnten kaiſerlichen Gehalt mus dan doch ein Gouverneur allen Auf - wand beſtreiten, den der Wohlſtand ſeines Rangs erfodert. Er mus zehn Joriki unter - halten, welches zugleich buͤrgerliche und Militaͤrbedienten ſind, und alle von vornehmen Adel ſeyn muͤſſen; ferner 30 Dooſju, gleichfals zum Militaͤr-und Civildienſte beſtimt, aber von geringrer Wuͤrde als die vorigen und daher auch aus dem niedern Adel. Die erſten Joriki ſind den Gouverneurs als Rathgeber vom Kaiſer zugegeben, die Dooſju aber nur zu Ausrichtung ihrer Befehle. Dieſe Bediente werden an andern kaiſerlichen Orten unmit - telbar vom Hofe angeſtelt und beſoldet, und ſo war es auch ehmals in Nangaſacki. Seit 1688 aber nahmen ſie die Gouverneurs ſelbſt an, und muͤſſen ſie auch beſolden. Dieſe Abaͤnderung iſt durch die Gouverneurs ſelbſt betrieben worden. Dieſe ſtelten nemlich vor, daß ihren nuͤzlichſten Abſichten und Unternehmungen von dieſen Unterbedienten oft ohne al - len Grund und Recht widerſprochen werde, blos um ihr Anſehn als Fattamotto zu zeigen. Dies Wort bedeutet**)Fehlt in der Scheuchzerſchen Ueberſetzung. Perſonen, die bei den Fahnen dienen, oder unabhaͤngige kaiſerliche Militaͤrbediente. Die Gouverneurs bewieſen, daß durch dieſen Widerſpruch der Vortheil des gemeinen Weſens ſehr oft leiden muͤſſe. Aus dieſer neuen Einrichtung iſt dann nun auch ein Unterſchied zwiſchen Kaiſerlichen und Landfuͤrſtlichen Edlen entſtanden. Jene hei - ßen eigentlich Kin ninſju, dieſe Sita Jaku. Nur vom gemeinen Man oder von Leu - ten, die ihnen ein Compliment machen wollen, erhalten die leztere, die Titel Joriki und Dooſju. Auf eben ſolche Art nent man auch die Joriki zuweilen Buggio, welcher Titel aber nur dem zukoͤmt, der eine Commiſſion hat, und bei derſelben den Gouvernementsſtab fuͤhrt, welches ſonſt aus eigner Macht nicht erlaubt iſt. Dieſer Titel waͤhrt daher nur ſo lange die Commiſſion und mit ihr verbundne Macht dauert. Nach dem Hofſtyl heiſtBuggio19Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. Bugjio nur ein hoher kaiſerlicher Bedienter und vom Monarchen ſelbſt ernanter Commiſſarius.
Der Joriki eigentliche Bedienung iſt hier und an allen Hoͤfen des Reichs, daß ſie ihren Herrn mit Rath und Verſtand, auch als thaͤtige Werkzeuge in Ausuͤbung ihres Amts auſſer dem Hauſe und in Verſchickungen dienen. Sie thun dieſes theils als Mili - taͤrofficiers bei allen Kriegsvorfaͤllen und als Civilbediente bei Jnquiſitionen, gerichtlichen Exekutionen, auch bei Geſandſchaften und allen Geſchaͤften von einiger Wichtigkeit, wo ſie allemal ihren Herrn repraͤſentiren, und durch ſein Anſehn handeln. Sie ſind bei die - ſen Commiſſionen auch immer von verſchiednen Doſen d. i. Wachtbedienten, Staatsknech - ten, begleitet, die zu Ausrichtung ihrer Befehle gebraucht werden. Hier in Nangaſacki werden dieſe Herren auch noch auſſerdem zu ſolchen Dienſten gebraucht, die ſie ihrem ho - hen kriegeriſchen Adel nicht anſtaͤndig halten. So muͤſſen ſie z. B. die Aufſicht und Bewa - chung der Fremden uͤbernehmen, ihre Guͤter bewahren, und bei deren Verkauf, auch bei dem Ein-und Ausladen der Schiffe zugegen ſeyn. Sie ſind mit dieſer Behandlung ſehr unzu - frieden, und Leute von hohem Adel und edelmuͤthiger Denkungsart wollen bei den hieſigen Gouverneurs keine Dienſte nehmen, weil ſie auch uͤberdem von dieſer Gnade ganz abhan - gen muͤſſen, und aus ihrem Beutel nur ſehr geringe Beſoldung bekommen.
Die Jorikis haben auch noch einen beſondern Rang unter ſich, der durch die or - dentlichen und Hauptgeſchaͤfte eines jeden vorzuͤglich beſtimt wird. Der vornehmſte zu Nangaſacki iſt der Kiriſtan Bugjioo d. i. der Chriſtenfiſkal oder Jnquiſitor, deſſen Departement die fernere voͤllige Ausrottung des Chriſtenthums iſt. Die Beſoldung der Jorikis zu Nangaſacki iſt ſo gering, daß einige nur 100 Taels das Jahr nebſt freier Ta - fel und einem Ehrenkleide bekommen. Sie ſind daher kaum im Stande, die fuͤr einen Joriki nothwendigen Bedienten zu halten. Dieſe ſind ein Pickfuͤhrer, ein Traͤger des großen Schwerdts, ein Schuhe-oder Sohlentraͤger. Noch weniger ſind ſie alſo im Stande, eine Familie zu unterhalten. Sie bedienen ſich daher oft, wenn ſie auf Commiſſionen geſchikt werden, der Hausbedienten ihres Gouverneurs und halten es bei dieſem ihrem Herrn ge - meiniglich nicht lange aus.
Die Dooſin ſind die Gehuͤlfen der Joriki und werden von dieſen und von den Gouverneurs in kleinern Vorfaͤllen abgeſandt und gebraucht, z. B. als Wachthaber auf Schiffen, Junken, und Geleitſchiffen, beſonders auch auf den vorher erwaͤhnten Wacht - ſchiffen. Sie werden hier theils als Officiers, und theils als wirkliche Soldaten gebraucht, die gemeiniglich den erſten Angrif auf den Feind wagen muͤſſen. Man gebraucht ſie ſogar als Haͤſcher, und als ſolche ſind ſie beſtaͤndig mit einem duͤnnen aber ſtarken Strik verſehen. Jhre Beſoldung ſol, auſſer freier Koſt, nur 50 Tael betragen, wovon ſie auch noch einen Knecht halten muͤſſen.
C 2Denen20Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.Denen Jorikis gehn am Range noch vor die Karoo oder Hofmeiſter. Jhrer ſind gemeiniglich zwei oder drei, und ſie ſind die oberſten Diener, deren Aufſicht der ganze Hof des Gouverneurs, und beſonders alle inre, haͤusliche Geſchaͤfte untergeben ſind. Zu - weilen werden ſie auch zu oͤffentlichen Geſchaͤften von geringerer Wichtigkeit gebraucht, allein oder mit Zuziehung der Jorikis. Sie werden den leztren auch wohl blos aus Eiferſucht der Gouverneurs zugegeben, denen ſie auch oft als Sekretaire und geheime Raͤthe dienen, auch von ihnen wohl in wichtigern Sachen und Commiſſionen gebraucht werden. Dieſe Karoo werden allemal nach eignem Belieben von den Gouverneurs aus ihren aͤlteſten, tuͤch - tigſten und treueſten Bedienten gewaͤhlt, auch wohl aus naͤchſten Verwandten des in die - ſem Amt Verſtorbnen, wenn einer die Faͤhigkeit hat. Denn ich habe bemerkt, daß vor - zuͤglich in dieſer Stelle der Sohn dem Vater nachfolgt.
Auf die Joriki folgen andre eigentliche Hausbediente, nemlich Sosjo, die zu aller Zeit in des Herrn Zimmer kommen koͤnnen, und ihm alles, was vorfaͤlt, melden muͤſſen. Sie ſind eigentliche Hofjunker; Tſugosjo aber Leib-und Kammerdiener; Ju - witz Kopiſten und Schreiber, und auf ſie folgen dan alle andre geringre Stats-Haus - und Kuͤchenbediente.
Dieſe Perſonen machen den Hofſtat eines Gouverneurs aus, der zu Hauſe und ge - woͤhnlich ohngefaͤhr folgende Ordnung hat. An der aͤußern Pforte, aber innerhalb des Hofes, in einer offenen Kammer wird eine Wacht von etwa fuͤnf oder ſechs Doſen gehal - ten, die abwechſelnd hier ſitzen. Jhr Gewehr beſteht, noch auſſer dem gewoͤhnlichen dop - pelten Seitengewehr, in einem ſchweren ſtarken Stabe aus ſogenantem maſſiven Eiſenholz, gleich einem Zuberbaum. Sie muͤſſen alle ein-und ausgehende Domeſtiken beobachten. Um die Anzahl der Abweſenden immer genau zu wiſſen, mus jeder Bediente, ſo oft er ausgeht, eine viereckige hoͤlzerne Scheibe mitnehmen, und wenn er wiederkoͤmt, ablegen. Um 7 Uhr nach japaniſcher Rechnung oder nach unſrer um 4 Uhr Nachmittags wird das Thor geſchloſſen, und alsdan duͤrfen die Waͤchter keinen der gemeinen Bedienten ohne be - ſondere Erlaubnis mehr heraus-oder hereinlaſſen. Bei beſondern Gelegenheiten und be - ſonders, wenn man einen vornehmen Beſuch erwartet, wird der gewoͤhnlichen Wache noch eine kleinere von zwei oder vier Dooſin zugeſelt, welche auſſen vor der Pforte mit Wacht - ſtaͤben ſtehen, und ſich praͤſentiren muͤſſen.
Auf dieſe aͤußre Wache folgt die große Haupt-und Statswache Genquaban ge - nant, zu welcher man durch den Vorhof gelangt. Sie befindet ſich in dem erſten offenen Zimmer des Vorhauſes vor den weiten Pforten deſſelben, zu denen man gewoͤhnlich drei Stufen hinaufſteigt. Dieſe Wache wird mit den Jorikis beſezt, die hier abwechſelnd ihre Wachtſtunden halten muͤſſen. Sie pflegen alle in einer Reihe mit dem Geſichte nach den Pforten und dem Vorhofe gerichtet zu ſitzen. Nach Belieben wird dieſe Wache auch wohl,um21Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. um ihr noch mehr Anſehen zu geben, durch muͤſſige Karoo, Sosjo und Tſugosjo ver - mehrt, welche beide leztern dan ihren Plaz unter den Joriki nehmen muͤſſen. Einer von dieſer Genquaban haͤlt nach der Gewonheit aller Großen des Landes, ein Gengua Tſjo d. i. Wachtjournal, in welchem er anzeiget, wer zu jeder Stunde des Tages ein-und ausgegangen ſei, welches Journal dan der Herr zuweilen des Abends durchzuſehn pflegt.
Zur Seite der Genquaban findet man eine Nengjoſi Feja, d. i. eine Kammer fuͤr die Stadt-Raporteurs, welche im Namen der Burgermeiſter von Nangaſacki beſtaͤndig am Hofe des Gouverneurs aufwarten muͤſſen, um ſeine Befehle wegen der Stadt-und Buͤrgerſchaft zu vernehmen. Dieſer Bedienten ſind vier, von denen abwechſelnd immer zwei die Aufwartung haben. Die Buͤrger ſehn dieſelbe als eine Pflicht an, die blos zu ihrem Dienſt und Nutzen iſt, und deswegen halten ſie zu Ausrichtung derſelben entweder Tagloͤhner, Handwerker und andre Einwohner, oder ſie vertheilen dieſen Dienſt unter ſich ſelbſt, und uͤbernehmen ihn freiwillig ohne allen Lohn.
Wenn der Gouverneur ausfaͤhrt, iſt ſein Statszug folgender: Erſtlich ein Hand - pferd, welches muͤßig nebenher gefuͤhrt wird; ein Norimon oder Leibſaͤnfte, worin der Gouverneur getragen wird, begleitet mit vier Kats oder Heiducken, die dem Norimon vorgehn, und vier der vornehmſten Tſjugosjo oder Leibbedienten, die neben der Saͤnfte hergehn. Hinter derſelben folgen zwei Jarimots oder Pikentraͤger, und dan auch noch einige Karoo, Joriki, Doſen und endlich die ſchlechtern Knechte, theils vom Gouver - neur und theils von ſeinen Bedienten. Jn der Aufreiſe nach Jedo iſt der Zug viel praͤchti - ger und zahlreicher, aber nicht ſo in Jedo ſelbſt. Hier laͤſt ſich der Gouverneur nur eine Pike nachtragen, und hat wenig Gefolge bei ſich.
Unter der Direktion und den Befehlen der Gouverneurs ſtehn nicht allein alle ein - heimiſche buͤrgerliche Einwohner der Stadt; ſondern auch unmittelbar die Fremden, die den Geſetzen des Reichs unterworfen ſind, und auch die Strafen fuͤr ihren Ungehorſam, ſo wie deren Milderung einzig und allein den Gouverneurs und der Kaiſerlichen Gnade uͤberlaſſen, und bei jenen ſich unterthaͤnigſt bedanken muͤſſen. Unter die Fremden werden gerechnet die Bedienten der hollaͤndiſchen Compagnie, und die zweite Claſſe auswaͤrtiger Kaufleute, die Sineſer, Tunkiner, Cambodier, Siamer und die auslaͤndiſchen auſſerhalb Sina etablir - ten Sineſer.
Zu dieſem Departement der Gouverneurs gehoͤrt nun die Direktion alles auslaͤndi - ſchen Handels, die Jnquiſition wegen des Schleichhandels und des Chriſtenthums, wenn allenfals wegen des leztern noch etwas vorfallen ſolte; ferner die Diſpoſition uͤber alle an - kommende oder durch Sturm irgend an eine japaniſche Kuͤſte verſchlagne Fremde und Schiffe, welche ſo wie alle auch noch entdekte Chriſten von dieſer ganzen weſtlichen JnſelC 3alle -22Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. allemal hieher gebracht werden muͤſſen. Auſſerdem muͤſſen ſie alle Fremde in ſtrenger und genauer Aufficht haben, auch fuͤr die Sicherheit des Seehafens ſorgen.
Es waͤre ganz wider die Natur des mistrauiſchen Charakters dieſer Nation und wider die Grundmarimen der japaniſchen Regierung, wenn ſie ſo viele und wichtige Ge - ſchaͤfte den Gouverneurs allein und auf Treu und Glauben anvertrauen ſolte. Der Hof laͤſt vielmehr ihr Betragen auf mannichfache Art ſehr genau beobachten. Zuerſt iſt dazu in Nangaſacki ein beſtaͤndiger kaiſerlicher Reſident beſtimt, der Deiquan oder kaiſerlicher Faktor heiſt. Dieſem aber ſind noch die beſondern Landesherrn auf Kjusju wieder vor - geſezt. Dieſe muͤſſen ſich beſtaͤndig von ihren Reſidenten hier in der Stadt von allen Be - gebenhelten unterrichten laſſen, und im Fal eines Aufſtands oder feindlichen Einfals ſogleich eilig mit ihren Truppen zum Marſchiren bereit ſeyn. Dieſe mannichfachen und verſchiednen Anſtalten machen es unmoͤglich, daß von irgend einer Seite irgend etwas wider den Hof kan unternommen werden, ohne daß dieſer ſehr bald und genau davon ſolte unter - richtet ſeyn.
Zur Bequemlichkeit des Handels und der Geſchaͤfte mit fremden Nationen werden vom Kaiſer eine Schar Dolmetſcher unterhalten und jaͤhrlich beſoldet, fuͤr die Hollaͤndiſche, Portugieſiſche, Tunkiniſche, Siamiſche, drei Sineſiſche und einige andre Sprachen. Dieſe Leute ſind aber gemeiniglich hoͤchſt unwiſſend, die nur einige gebrochne Worte der fremden Sprache mit einander verbinden, und dieſe nach dem Jdiotismus ihrer Landesſprache aus - ſprechen, meiſtens ſo unverſtaͤndlich, daß man, um mit ihnen zu reden, noch neue Dolmet - ſcher noͤthig haͤtte.
Um die Fremden in Aufſicht zu halten und fuͤr die Sicherheit des Hafens zu ſor - gen, ſind nun noch vier Wachen beſtimt, die jede ihre beſondere Einrichtung haben. Alle muͤſſen ſowohl die Stadt uͤberhaupt, als auch immer eine die andre in Aufſicht haben.
Die erſte iſt die hohe kaiſerliche Wache. Dieſe wird auf unmittelbaren Befehl und im Namen Sr. Kaiſerlichen Majeſtaͤt von den Landesherrn in Fiſen und Tſikuſen mit jaͤhrlicher Abwechslung gehalten. Daher fuͤhrt ſie auch den Namen Gobenſjo und Go - ben tokoro d. i. die hohe Wache oder das kaiſerliche Wachthaus, und ſteht nicht unter den Gouverneurs. Sie iſt eine halbe deutſche Meile von der Stadt angelegt und hat zu beiden Seiten die bergigten Ufer, Tomatſj zur Linken und Niſj Domarj zur Rechten; (nach dem Ausfahren zu rechnen) ſie hat nur hoͤlzerne Haͤuſer, aber keine Kanonen, Feſtung oder Schanze. Nur wenn Schiffe ankommen, wird der aͤußere Hof mit Schanztuͤchern umhan - gen, und es iſt alsdann gewoͤhnlich, ſich gegenſeitig mit einer Salve zu beehren. *)Jn der engliſchen Ueberſetzung ſteht noch: the live in huts built of wood. Beide Wachten haben etwa 700, und wenn ſie wohl beſetzt, jede mehr als 500 Man, deren Com -mendant23Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. mandant ein Gobangasjiva oder hoher Wacht Obriſter iſt. Die wenigſten auf dieſen Wachten ſind Joriki, mehrere Doſen und die uͤbrigen Bus oder gemeine Soldaten. Sie muͤſſen den ganzen Seebuſen in gutem Auge haben; auch eine große Wachtbarke unter der Stadt zwiſchen den Schiffen halten, um bei jedem Vorfal bereit und zur Hand zu ſeyn.
Die zweite Wacht heiſt Funaban oder Schiffswacht. Sie beſteht aus 18 Bus oder gemeinen Soldaten und vielen mit Ruderknechten beſezten Wachtbarken, mit welchen ſie die naͤchtliche Runde im Hafen beſorgen, und die Aufſicht uͤber die fremden Schiffe fuͤh - ren. Sie pflegen ſich mit zween dieſer Barken, deren jede einen Doſin zum Befehlshaber hat, hinter jedes Schiff, ſo bald es im Hafen erſcheint, zu legen, und ſo lange das Schiff hier bleibt, pflegen dieſe Barken alle drei japaniſche Stunden mit einander abzuwechſeln, und es beim Abzuge bis in die offene See zu begleiten. Dieſe Barken werden von den ſo - genannten Waſſergaſſen unterhalten, und von denſelben auch mit gemeinen Waͤchtern oder Ruderknechten verſehn. Dies iſt eine Buͤrgerlaſt der Einwohner dieſes Theils der Stadt, dagegen tragen die Land-oder Hinterſtraßen die Laſt, daß ſie taͤglich nach Ordnung der Haͤu - ſer und Gaſſen mit ſechs oder auch wohl mehrern Kulis in den Haͤfen der Gouverneurs auf - warten und alle vorkommende Arbeit verrichten muͤſſen.
Die dritte Zunft heiſt Mi Okuri Buno d. i. die convoyirende Aufſeher. Die - ſer Name koͤmt daher, weil ſie die fremden Jonken, wenn die Funaban ſie verlaſſen ha - ben, noch ganz tief in die offene See und ſoweit begleiten, daß ſie wahrſcheinlich nicht mehr umkehren und auch nicht von den Fahrzeugen der Eingebohrnen mehr erreicht werden koͤnnen. Doch kan dies nicht immer verhindert werden. Dieſe Wache beſteht aus acht ſchnellen Fahrzeugen, jedes von acht Rudern, ſie kreuzen beſtaͤndig unter den Ufern weg, um die Anfuhrt der Sineſen an fremden Orten*)d. h. an andern als zu Nangaſacki, der einzige erlaubte Anfurth fuͤr die Fremden. zu verhindern, und japaniſche Schleichhaͤndler aufzubringen, welches oft geſchieht. Außerdem ſind dieſe Schiffe auch noch beſonders zum Walfiſchfange beſtimt, und haben einen Commandeur, welcher vor eine jaͤhrliche Beſoldung von 300 Taels auch dieſen Walfiſchfang zugleich beſorgt, weil er nur im Winter, wenn keine fremde Schiffe hier kommen, und doch an den Ufern, wo ſie in die Augen fallen muͤ - ſten, wenn einige wider Gewohnheit kaͤmen, angeſtellt wird.
Die vierte Wache heiſt To mi ban d. i. weitſehende Wache. Sie beſteht zu - weilen aus zwanzig Bus oder gemeinen Soldaten, welche nach ihrer ehemaligen Zahl aber noch Sjuninſj d. i. zehn Perſonen Wache heiſt. Sie wohnen mit ihren Familien am ſuͤdlichen Ende der Stadt auf einem hohen Huͤgel des Ufers, von welchem ſie die Wohnun - gen der Sineſen und Hollaͤnder beſtaͤndig im Auge haben koͤnnen. Jhr Geſchaͤft iſt aus den Tomidaka d. i. kleinen Huͤtten auf den Vorgebuͤrgen am Meerbuſen beſtaͤndige Achtauf24Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. auf die See zu haben, und ſobald ein Schiff geſehen wird, oder wirklich ſich der Kuͤſte naͤ - herte, mit ſchnellen Poſtbarken der Regierung die noͤthige Nachricht zu geben, und beſon - ders auch die verſchiednen Bewegungen deſſelben zu melden. Eine gleiche beſtaͤndige Beob - achtung der See geſchieht auch von einem an der Stadt gelegnen Berge Foo quan ſan d. i. Juweelenblumenberg. Auf dieſem werden beſtaͤndig die Materialien zu einem ſehr hel - flammenden Feuer bereit gehalten, die man ſogleich in Brand ſtekt, ſobald eine Flotte von zehn oder mehr portugieſiſchen Schiffen ſich ſehn laͤſt, oder man die gewiſſe Nachricht auch nur von wenig ankommenden portugieſiſchen Schiffen erhaͤlt. Eben dies geſchieht, wenn man von einem Aufſtande in irgend einem Theile der Jnſel Kusju Nachricht bekommen ſoll. Doch darf dies Feuer niemals ohne Vorwiſſen und Gutbefinden der Regierung ange - zuͤndet werden. Es iſt ein Zeichen eines dem ganzen Reiche nachtheiligen Vorfals, man ſieht es auf gewiſſen Bergen in Amakuſa, wo man wieder Feuer anzuͤndet, das man auf Figo ſieht und nachahmt. Und ſo wird dies Feuer uͤber die Berge des ſuͤdlichen Ufers fortgepflanzt und in 24 Stunden koͤmt die Nachricht, die es geben ſol, nach Jedo.
Die Stadt und ihre Einwohner werden unter der Direktion der erwaͤhnten Statt - halter durch vier Buͤrgermeiſter und deren Unterbedienten regiert. Die Buͤrgermeiſter wechſeln jaͤhrlich unter einander ab, und der regierende heiſt Nenban d. i. Jahrwaͤchter. Dieſer fuͤhrt ein Jahr lang das Praͤſidium in ſeinem Collegio, mus taͤglich an den Hof des Gouverneurs von allen vorfallenden Sachen Bericht abſtatten laſſen, wenn die Sachen ſchwierig und zweifelhaft ſind, ſie perſoͤnlich vortragen, und wenn ſie von noch ganz beſonde - rer Wichtigkeit ſind, oder er mit ſeinen Collegen nicht eins werden kan, ſie mit Huͤife des Hofraths beilegen oder auch dem hohen Urtheil des Gouverneurs unterwerfen.
Vor dieſes Tribunal*)Jch halte nach dem natuͤrlichen Zuſammen - hange der Stelle dieſes Tribunal fuͤr das Gericht der Herren Burgermeiſter von Nangaſacki. Herr Scheuchzer aber macht ein Imperial Court of Indi - cature und ein Emperors Bench daraus ad modum der Kingsbench in London, und haͤlt es fuͤr den zulezt erwaͤhnten Hofrath. Mich duͤnkt aber, man muͤſſe unter dieſem den Rath der Gouverneurs, der mit Jorikis beſezt iſt, verſtehn, den die Bur - germeiſter in ſchwierigen Faͤllen oder bei widerſpre - chenden votis um Rath fragen, d. i. an den ſieappelliren muͤſſen. Die Appellation haͤngt hier auf eine ſonderbare Art von den Unterrichtern ab (de - nen, wie es ſcheint, das Urtheil: welche Faͤlle ſchwierig und wichtig ſind? allein uͤberlaſſen iſt,) und nicht von den Parteien, die, iſt einmal das Urtheil geſprochen, nicht appelliren duͤrfen, wie Kaͤmpfer ſogleich ſagen wird. Die Unterrichter bekommen hiedurch ohne Zweifel große Gewalt, welche aber gewiſſermaßen dadurch beſchraͤnkt wird, daß die Oberrichter ſich bei jedem Vorfal in ihre Geſchaͤfte miſchen koͤnnen, und daß wahrſcheinlichdas gehoͤren nun alle buͤrgerliche Streitigkeiten, die Parteien werden hier verhoͤrt und nach der Manier des Proceſſes die Sachen von beiden Seiten vor -getra -25Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. getragen, vertheidigt und befochten. Die Unberedten bedienen ſich der Advokaten, und die Gruͤnde des japaniſchen Rechts ſind die Grundverfaſſung des Reichs, die kaiſerlichen Ge - ſetze, die Auctoritaͤt ſchon vorher entſchiedner Faͤlle und die Urtheilsſpruͤche beruͤhmter Maͤn - ner. Nach geſprochnem Urtheil findet keine Appellation ſtat. Doch darf die Todesſtrafe nicht eher volzogen werden, bis der Reichshofrath*)Unter dieſem Namen verſteht K. den hoͤch - ſten Rath des Kaiſers; der Hofrath iſt der, des Gouverneurs. ſie gebilligt hat. **)Alſo hat dieſes Tribunal auch Criminalju - risdiktion, aber eingeſchraͤnkt und untergeordnet, und zwar nicht dem Gouverneur, ſondern dem Kaiſer, daß alſo auch in Japan niemand, als der Monarch ſelbſt, die Todesſtrafe erkennen kan.Jn außeror - dentlichen, hoͤchſtwichtigen, das ganze Reich betreffenden Angelegenheiten, die einigen Auf - ſchub leiden, kan ſich dies Tribunal auch durch geſchwinde Poſten vom Reichshofrath be - lehren laſſen.
Man nent die Buͤrgermeiſter auch Toſji Jori Sju, welches nach den japani - ſchen Characteren und der Grundſchrift heiſt: Elterleute, weil ſie ehmals immer aus den aͤlteſten und weiſeſten Staatsbedienten erwaͤhlt wurden. Nachher aber iſt dieſe Wuͤrde erb - lich geworden, und man laͤſt jezt gemeiniglich die Soͤhne, wegen der Verdienſte der Vaͤter, dieſen nachfolgen. Doch komt dieſes allein auf das Gutbefinden der Gouverneurs und die nachſolgende Billigung des kaiſerlichen Reichsraths an, bei welchem der Candidat ſeine Dankſagung fuͤr die erhaltene Gnade vorher perſoͤnlich ablegen mus. So fuͤhrt jezt wirklich ein eilfjaͤhriger Knabe Takaku Ganparo den Titel ſeines vor einem Jahre verſtorbnen Vaters Takaku Sjiro Bjoje, und wird mit den muͤndigen Jahren die Regierung ſelbſt antreten. Ein andrer ſchon wirklicher Buͤrgermeiſter von 22 Jahren hies vor dieſem Takaku Genſo jezt Takaku Sajemon, und hat vor fuͤnf Jahren zugleich ſeinen kindiſchen Stand und Namen mit dem, ſeines Vaters verwechſeln muͤſſen. Man erlaubt alſo, daß jezt drei Perſonen aus der Familie Takaku die Buͤrgermeiſterwuͤrde, und der vierte die Stelle eines Amtmans uͤber die nahe an der Stadt liegenden Laͤndereien bekleide. Die Buͤrgetmeiſter von Nangaſacki ſtunden ehmals unmittelbar unter dem kaiſerlichen Hofe oder Reichsrathe, trugen zween Saͤbel als Beweiſe ihres adelmaͤßigen Rangs, und ließen eine Pike als Zei - chen eines hohen und unmittelbaren Befehlshabers vor ſich hertragen. Nachdem aber im Jahr 1683 die Stathalter vom Kaiſer groͤßere Macht und Anſehn erhielten, ſo wurde dieſeZweiter Band. Dgroße*)das Verſehn in ſchwierigen und wichtigen Faͤllen nicht appellirt zu haben, mit dem Tode, Verban - nung u. ſ. w. geſtraft wird. — Die Herzaͤh - lung der fuͤr das Tribunal, von dem im Tert die Rede iſt, gehoͤrigen Sachen beweiſt, duͤnkt mich, offenbar, daß von keinem andern, als dem Stadt - gericht, die Rede ſeyn koͤnne. Denn was bliebe ſonſt fuͤr die Hrn. Jahrwaͤchter uͤbrig?26Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. große Gewalt und die adelichen Vorzuͤge den Buͤrgermeiſtern von Nangaſacki genommen, und ſie bekamen nur, wie die Buͤrgermeiſter andrer Staͤdte, buͤrgerliche Rechte. Das Recht der Beſteurung, die Wahl der Tosjii Jori und andre bisherige Freiheiten der Stadt wurden nun Rechte der Gouverneurs. Von der vorigen Herrlichkeit iſt dieſen Stadtbedien - ten nur dieſes geblieben, daß der abgehende Ninban jaͤhrlich eine ſehr unnoͤthige Reiſe nach Hofe machen mus, um dem hohen Reichsrathe eine Art von Huldigung abzulegen, und einige |Befehle wegen ihres Verhaltens einzuholen, da ſie alsdan wieder zuruͤkreiſen.
Um ihnen indes ihr Amt einigermaßen zu erleichtern, ſind zwei Unterbuͤrgermei - ſter beſtelt, welche beſonders die Angelegenheiten der Tſotomatz oder neuen Stadt beſorgen.
Dſjojoſi heißen immer bleibende Magiſtratsperſonen, weil ſie ihr Amt nicht niederlegen. Sie ſind auch Gehuͤlfen der Tosjijori, und regieren beſonders die Gaſſen der Tijiotomatz oder Außer Stadt, da jene außer der algemeinen Stadtdirection auch die Regierung der Utſimatz oder innern Stadt und ihrer Gaſſen beſorgen, zugleich mit den Ottonas, von welchen im folgenden Kapitel wird geredt werden. Das Amt der Dſjio - joſi iſt, daß ſie mit monatlicher Abwechſelung des Vorſitzes taͤgliche gewoͤhnliche Vorfaͤlle ſchlichten, mit Zuziehung der Richter uͤber die Straßen, und in wichtigern Vorfaͤllen mit Communication an die Buͤrgermeiſter. Sie werden aus der Zunft der aͤlteſten Ottonas erwaͤhlt und angeſtelt, von den Oberbuͤrgermeiſtern aber und von den Stathaltern in ihren Aem - tern beſtaͤtigt. Sie bekommen, wie die Buͤrgermeiſter, nur einen ſehr geringen Gehalt von dem Kaiſer, den ſie aber durch allerlei Vortheile von dem auslaͤndiſchen Handel zu ver - mehren wiſſen. Weil das Gewicht ihres Standes von dem gemeinen Mann nach dem aͤu - ßern Staat geſchaͤzt wird, ſo leben ſie beſtaͤndig in einer glaͤnzenden Armuth.
Nach ihnen folgen dem Range nach vier Nengjoſi, d. i. nach dem buchſtaͤblichen Sin des Worts, jaͤhrlich abgehende Magiſtratsperſonen, weil ihre Bedienung nur ein Jahr waͤhrt. Zwei von ihnen ſind fuͤr die Utſimatz, und zwei fuͤr die Sotomatz. Sie ſind gleichſam Syndici des Volks, und Rapporteurs fuͤr die Stathalter und Buͤrgermei - ſter. Mit taͤglicher Abwechſelung muͤſſen beſtaͤndig zwei am Hofe des praͤſidirenden Stat - halters ſich von fruͤh Morgens bis ſpaͤt Abends aufhalten, in einem beſonders fuͤr ſie beſtim - ten Zimmer nebſt der Genquaban, oder der Hauptwache der Joriki’s, um bei ſchiklicher Gelegenheit von allen Vorfaͤllen und Geſchaͤften in der Stadt zu berichten, als auch die Bitten der Supplikanten (doch mit Vorwiſſen der Buͤrgermeiſter) vorzutragen, und endlichdenn27Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. denn wieder die Befehle der Gouverneurs aus ihrem eignen oder der Karoo Munde zu em - pfangen, und ſie hernach den Toſjijori, oder Ottonas, oder auch den Dolmetſchern der Fremden zu hinterbringen. Noch haben ſie alles zu beſorgen, was taͤglich von der Stadt - gemeinheit zum Dienſt des Hofes verlangt wird. Die Geſchaͤfte dieſer Bedienten ſind aus - nehmend beſchwerlich, und ſie koͤnnen ſelten Dank von den Stathaltern verdienen. Sie werden wie die Dſjioſin aus den tuͤchtigſten Ottonas erwaͤhlt.
Dies ſind die vornehmſten obrigkeitlichen Perſonen und Beamten der Stadt Nan - gaſacki; ſie haben kein Rathhaus oder andre oͤffentliche Wohnung, ſondern ſie kommen allemal in dem Wohnhauſe des praͤſidirenden Buͤrgermeiſters zuſammen.
Zu Ausfuͤhrung der Befehle der vorigen und Erhaltung guter Ordnung in der Stadt gehoͤren nun folgende oͤffentliche Bediente:
Die Tjooſj no mono d. i. Stadtbotenvolk; ſie ſind eigentlich beſtaͤndige licto - res, die ehmals in beſtaͤndigem Dienſt der Buͤrgermeiſter waren; ſeit aber dieſer ihr An - ſehn ſo ſehr abgenommen, werden ſie mehr zum Dienſt der Gouverneurs und zu allerlei Vorfaͤllen gebraucht. Dieſes Collegium beſteht etwa aus dreißig Familien, die von langer Zeit her eine halbe Straße bewohnen, die von ihnen den Namen Tſjioſimatz hat. Jhre Anzahl iſt wegen der ſtrengern Regierung der Unterthanen vermehrt worden, und man hat daher eine Sintſjioſimatz, d. i. die neue Stadtbotenſtraße anlegen muͤſſen. Jhr Name klingt ehrlicher, als ihr eigentliches Geſchaͤft iſt, welches im Erhaſchen und Beſtrafung der Miſſethaͤter beſteht, zu deren Enthauptung ſie auch zuweilen gebraucht werden. Sie ſind in der Singekunſt gut geuͤbt, und wiſſen auch bewafnete Leute ſehr geſchikt zu baͤndigen, und ſie mit großer Behendigkeit halb zu wuͤrgen und kraftlos zu machen. Sie ſind beſtaͤn - dig mit einem ſtarken Strik verſehn. Jhr Amt, ſo veraͤchtlich es auch wirklich iſt, und im gemeinen Leben gehalten wird, iſt doch den Geſetzen nach adelich. Sie ſind deshalb auch beſtaͤndig mit zwei Schwerdtern bewafnet. Einige aber ſind von geringrer Wuͤrde, tragen nur ein Schwerdt und heißen Sadſi. Unter dieſen Tſjioſin pflegen allemal die Soͤhne das Handwerk der Vaͤter zu lernen, und ihnen deshalb in ihrem Amt zu folgen oder noch bei ihrem Leben adjungirt zu werden.
D 2Weit28Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Zweit. Kap. ꝛc.Weit veraͤchtlicher ſind die Jetta oder Buͤttel, welche dem todten Vieh das Fel abziehn und gerben, auch Pantoffeln und andre Sachen daraus machen, ferner die Miſſe - thaͤter peinigen, kreuzigen und koͤpfen. Sie wohnen von andern Buͤrgern abgeſondert außer und vor der Stadt nahe am Gerichtplaz, welcher allemal an der weſtlichen Seite der Stadt am Heerwege angelegt iſt. Die Hurenwirthe muͤſſen dieſen Jetta durch ihre Hausknechte in ihrem Geſchaͤft Huͤlfe leiſten.
Der lezte oͤffentliche Bediente iſt der Gloͤckner, welcher die Zeit mit einem ſchwie - lenden Zunderlauf*)Fehlt in der engliſchen Ueberſetzung. abmiſt und die Stunden mit einem Glockenſchlag (welche Glocken man an dem gelegenſten Ort, an dem Bergruͤcken nahe bei dem Tempel Daikooſji angebracht hat) anzeigt. Das andre Gelaͤut der großen Tempelglocken zeigt nur der Sonnen Auf - und Untergang an, oder ladet etwa zuweilen zum Anhoͤren der Erklaͤrung eines geiſtlichen Textes ein.
Nach den bisher beſchriebnen algemeinen Regierungsanſtalten der ganzen Stadt folgen nun die beſondern uͤber einzelne Gaſſen, welche zu ausnehmender Einſchraͤnkung der Buͤrger, aber auch zu großer Erleichterung der Oberaufſeher der Stadt gereicht. Hierzu ſind nun in jeder Gaſſe folgende beſondre Bediente und Magiſtratsperſonen beſtelt:
Ein Ottona oder Gaſſenmeiſter iſt das Haupt oder Buͤrgermeiſter einer Gaſſe, worin er vor Feuer, Wachten und Ausuͤbung der hohen Befehle der Obern ſorgt, genaue Verzeichniſſe und Regiſter von allen haͤlt, die geboren werden, ſterben, heirathen, aus - reiſen, wegziehen, ankommen, nebſt ihren Namen, Geburt, Religion, Nahrung u. ſ. w. Er verhoͤrt und ſchlichtet die gemeinen altaͤglichen Vorfaͤlle und Streitigkeiten; ſtraft leichte Verbrechen mit Feſſeln und Gefaͤngniß, laͤſſet die Uebelthaͤter durch dazu beſtelte Diener in ſeinem Bezirke greifen und haͤlt ſie im Arreſt bis zur Entſcheidung der hoͤheren Obrigkeit, der er alle peinliche Sachen uͤbergiebt und andere Begebenheiten von Wichtigkeit meldet, wobei er auch alles, was in ſeiner Gaſſe vorfaͤlt, verantworten mus.
Es wird ein ſolcher Gaſſenmeiſter in jeder Gaſſe von den Eingeſeſſenen durch alge - meine Stimmen vermittelſt verſchloſſener Zettel aus ihnen ſelbſt erwaͤhlt: nach Eroͤfnung der Zettel werden diejenigen Namen, welche die meiſten Stimmen haben, durch den Nen - gioſi dem Stathalter mit einer demuͤthigen Bitſchrift uͤbergeben, um einem derſelben die Regierung der Straße zu verleihen.
D 3Zu30Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.Zu ſeinem Unterhalt iſt der zehnte Theil deſſen beſtimt, was die oͤffentliche Stra - ßencaſſe vermag, oder, welches einerlei iſt, was der auslaͤndiſche Handel der Stadt fuͤr Einkuͤnfte bringt.
Unter jedem Ottona ſtehen 3 Untergaſſenmeiſter, Oo gumi Oja, oder, O gumi gaſjira, d. i. der großen Zunft Vaͤter oder Haͤupter genant, welche ihm in Regierung ſei - ner Gaſſen und Einwohner beiſtehen und mit Rath und That zur Hand gehn.
Der Ordnung halber ſind die Einwohner jeder Gaſſe in Go nin gumi, d. i. Zuͤnfte von 5 Maͤnnern, eingetheilt: man trift deren gemeiniglich 10 bis 15, auch mehr oder weniger in jeder Gaſſe an: jede einer ſolchen Zunft von 5 oder auch bisweilen mehreren beſtehet nur aus Nachbarn, welche ihr eigen Grundſtuͤk bewohnen; ihre Bei - und Neben - wohner, die keine Haͤuſer haben, werden zu dieſem Quinquevirat nicht gezogen, ſondern ſtehen als Clienten unter einer Go nin gumi; manchmal belaͤuft ſich die Zahl dergleichen beiwohnenden Familien auf 15 und noch mehr; ſie ſind von den Stadtlaſten oder Auflagen befreiet, außer nur, daß ſie zu der Monban oder Nacht - und Rondenwache das ihrige bei - tragen muͤſſen; ſie haben aber auch dagegen keine Wahlſtimme noch Theil an der Gaſſenkaſſe. Die Miethe, die ſie nach der ſchlechten Einrichtung der Haͤuſer dieſer Stadt monathlich zahlen muͤſſen, faͤlt ihnen nicht wenig beſchwerlich, eine der ſchlechteſten Wohnungen koſtet 5 und eine der beſten 10 Condor; es pflegt die Miethe uͤbrigens nach der Matten Zahl, womit der Fusboden belegt iſt, in Anſchlag gebracht zu werden.
Unter dieſer Rotte iſt einer als Kogomi Oja oder Kojomi gaſjira, d. i. der kleinen Zunft Vorgeſezte oder Haupt, uͤber 4 andere angeſtelt, auf deren Thun er Acht zu geben und fuͤr einen Verbrecher mit den uͤbrigen Nachbarn ſeiner Rotte zu buͤßen gehal - ten iſt.
Außerdem giebt es noch folgende Bediente in jeder Gaſſe:
Zur oͤffentlichen Sicherheit werden in jeder Gaſſe 2 Nachtwachen gehalten:
Die erſte iſt die Haupt - und Buͤrgerwache, Dſji ſin ban d. i. perſoͤnliche Leib - wache genant, weil ſie die Einwohner der Gaſſe in ſelbſt eigener Perſon halten: ſie wird naͤmlich alle Nacht von dreien beſezt und abgewechſelt: auch bei Tage, beſonders zur Zeit der Jahrmaͤrkten, oder wenn man es ſonſt noͤthig erachtet, geſchiehet ſolches; mitten in jeder Gaſſe, und, wenn es thunlich, gemeiniglich in dem Ekhauſe einer Creuzgaſſe iſt fuͤr dieſe Wache ein Aufenthalt beſtimt: ſie wird bei einem ſich ereigneten oder zu vermuthenden Auflaufe jedesmal verdoppelt, und pflegt alsdenn der Ottona ſelbſt ſamt einem ſeiner Unter - gaſſenmeiſter einige Stunden bis in die ſpaͤte Nacht und ſo lange ſich noch Menſchen auf den Straßen regen, dabei zu bleiben, um ſelbſt mit auf der Huth zu ſeyn, daß nichts gegen die oͤffentliche Ruhe und Ordnung vorfalle, indem er ſonſt mit der ganzen Gaſſe daſuͤr buͤßen mus. Dieſe Wache iſt von einem ſo großen Anſehen, daß der, ſo ſich ihr widerſetzte, noth - wendig am Leben wuͤrde geſtraft werden.
Die andere Wache hat den Namen Mon ban, die Pfortenwache, die wegen Diebſtahl und Feuersgefahr angeſtelt iſt: es werden dazu 2 Tageloͤhner oder Beiwohner ge - braucht: bei jeder Gaſſenpforte ſizt einer in einer Wachthuͤtte, beide gehen ſtets von einan - der ab und zu, und melden (wie alle andre Schif - und Landwaͤchter) mit 2 an einander ſchlagenden hoͤlzernen halben Cylindern die Stunden der Nacht: ſie werden von den Buͤr - gern der Gaſſe nach der Reihe bezahlt und unterhalten, wiewohl dieſe auch bisweilen dies Geſchaͤfte ſelbſt wahrnehmen. Jn andern Staͤdten ſtehet fuͤr den Feuerwaͤchter eine beſon - dere kleine neben oder uͤber einem Hauſe mitten in jeder Gaſſe aufgerichtete Huͤtte.
Durch eine ſolche genaue Eintheilung und ſo viele Vorgeſetzten werden nun zwar die Buͤrger vermittelſt unglaublich harter und unvermeidlicher Strenge, unter einem ſkla - viſchen Gehorſam und ungemeiner Arbeit gehalten, bei allem dem jedoch nicht mit uner - traͤglichen Laſten ſo mannigfaltiger Schatzungen, wie in Europa, geplagt; denn nicht zu gedenken, wie geringe ihre Abgaben an und fuͤr ſich ſind, ſo genießen ſie zu ihrem Unter -halt32Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. halt und alſo auch zum Theil zum Erſaz den großen Vortheil, daß alles, was der auslaͤn - diſche Handel an Jmpoſten abwirft, unter ſie wieder vertheilt wird.
Jch wil von dieſen Stuͤcken, nemlich von der Strenge, unter welcher ſie leben muͤſ - ſen, von der leichten Contribution und von derſelben Verguͤtung, alhier kuͤrzlich ſo viel bei - bringen, als es die Graͤnzen des Kapitels erlauben, und mir nach der Wahrheit bewußt iſt.
Keine Verbrechen werden an Gelde, ſondern alle an Leib und Leben und zeitlicher Wohlfarth beſtraft, weil ſonſt, ſagen ſie, einer, der Reichthum beſaͤße, nur immer frei ſuͤndigen koͤnte, welches ungereimt ſei. Zur Tortur werden zwar allerhand erdenkliche Pla - gen gebraucht, nie aber zur Abſtrafung bekenneter Verbrechen ſelbſt, die entweder durch die Kreuzigung oder durch Kopfabſchlagen geſchiehet, wenn nemlich die That ſo etwas verdient hat; fuͤr geringere Verbrechen hingegen, z. E. da einem von einem andern etwas zur Laſt gelegt wird, oder da einer in ſelbſt eigener Perſon etwas ver - ſchuldet, iſt die Strafe eines Lebenslangen Arreſts, Landes - oder auch nur Stadtverweiſung, Entſetzung des Amts, beſtimt; in dergleichen man aber auch in dieſem Lande ohne Wiſſen und Zuthun ſo leicht verfallen kan, daß faſt niemand recht ſicher davor lebt; denn ſo muͤſ - ſen die Gaſſenbediente fuͤr ihre unterhabende Buͤrger, dieſe fuͤr ihre Hausgenoſſen, Bei - wohner und Gaͤſte, ein Herr fuͤr ſeinen Bedienten, ein Sohn fuͤr ſeinen Vater, eine Ge - ſelſchaft fuͤr ihre Zunftgenoſſen, ein Nachbar fuͤr den andern in dieſen und jenen an Tag ge - kommenen Vergehungen mit buͤßen, wiewol dabei nach Beſchaffenheit der Perſonen und Sachen einige Maͤßigung ſtat hat.
Außer den verſchiedenen Wachten und Frohnaufwartungen bei dem Hofſtat der Gouverneurs werden die Einwohner auch mit folgendem belaͤſtiget:
Alle Gaſſen der Stadt werden ſowohl bei Tage als hauptſaͤchlich bei Nacht ver - ſchloſſen gehalten, beſonders bei Vermuthung einiger Ungelegenheit, zu Verhuͤtung des Auf - laufs oder Empoͤrung, bei Aufſuchung der Delinquenten, bei allen andern gar oͤfters vor - fallenden Jnquiſitionen der geringſten Kleinigkeit halber, ſie mag Namen haben wie ſie wil, auch noch ganz vorzuͤglich, bei dem Abzug der fremden Jonken und Schiffe, um zu ver - hindern, daß niemand ihnen nachſetzen und keinen Handel mit ihnen treiben moͤge. Es werden denn zu ſolchen Zeiten des Nachts zu verſchiedenen malen und an ungewiſſen Stun - den, doch meiſtens 3 mal, naͤmlich des Abends, in der Mitternacht und gegen Morgen, alle Einwohner in jedem Hauſe gemuſtert, ob auch einer abweſend und ſolchen Falls der Ver - muthung nach auf den Handel aus ſey; ein jeder mus alsdenn aus ſeinem Lager hervor und nach geſchehenem Aufruf ſeines Namens gegenwaͤrtig da ſtehn; außer dem Ottona, der ſich in - deſſen manchmal der Muͤhe entzieht, iſt bei dieſer Muſterung ein O gumi Gaſjira, zwei Koo gumi Oja und der Niſji joſi gegenwaͤrtig; der leztere lieſet die Namen aller Hausgenoſſenab,33Drit. Kap. Von der Polizeiauſſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. ab, zuweilen vergleicht er auch nur blos die Zahl der Perſonen mit ſeinem Regiſter. Die Thore muͤſſen waͤhrend dem zugehalten werden, oder auch, da ſie offen waͤren und Unrichtig - keiten verſpuͤrt wuͤrden, darf wenigſtens keiner durch die Straßenpforten paſſiren, ohne von dem regierenden Buͤrgermeiſter ein Tori Fuda oder bezeichnetes Pasbretgen bei ſich zu fuͤhren, da ihn denn, wenn er ſolches vorzeigen kan, der in einer jeden Gaſſe beſtelte Waͤchter durch ſeine eigene und bis zur Pforte der naͤchſten Gaſſe begleitet.
Wer eine Wohnung in einer andern Gaſſe beziehen wil, bittet zuvor den Ottona derſelben, ihn unter ſeine Straßenbuͤrger aufzunehmen, er macht ihm dabei zugleich ein Ge - ſchenk von einem Gericht Fiſchen, der Ottona laͤſſet ſich nach ſeinem Leben und Wandel er - kundigen, und ſchikt ſeinen Nitzi Joſi aus, um von den Buͤrgern der Gaſſe zu vernehmen, ob ihnen dieſer neue Ankoͤmling als Mitbruder anſtehe: wenn nur ein einziger dagegen iſt, der ihm einen Fehler, fuͤrnaͤmlich der Trunkenheit, Zankſucht und dergleichen anderer boͤſen Folgen aufzubuͤrden weis, und dagegen proteſtirt, daß er ſeine etwaige Verſchuldungen nicht tragen helfen wolle, ſo kann der Fremde alsdenn nicht angenommen werden: wenn er aber zulaſſungsfaͤhig iſt, ſo laͤſſet er ſich von dem Schreiber der Gaſſe, in der er bis dahin gewohnt, ein gewoͤhnliches Zeugnis zum Abſchied aufſtellen, das mit des Gaſſenmeiſters ei - genem Siegel bekraͤftigt und durch den Nitzi Joſi an den andern Gaſſenmeiſter gebracht wird, der den Ankoͤmling hierauf in die Zahl der ihm untergebenen Buͤrger und in ſeinen Schuz aufnimt, ſo lange inzwiſchen nicht fuͤr ihn zu ſtehen gehalten iſt, als ihm eine der - gleichen Abſchiedsſchrift, etwa aus Nachlaͤßigkeit, nicht zugeſtelt worden, als in welchem Fal man die Schuld eines Verbrechens noch der vorigen Gaſſe auf buͤrdet, daher denn auch der Meiſter derſelben mit ausdruͤklichen Worten in dem Abſchiedsatteſtate zu proteſtiren pflegt, daß er von der Zeit an fuͤr den Abgegangenen nichts verantworten wolle; wenn der Neuling endlich dem Gaſſenregiſter einverleibt wird, giebt er an ſeine Kumi gaſjira oder auch an die ganze Gaſſenzunſt ein Antritsmahl oder Ehrenbezeugung.
Groͤßere Schwierigkeiten giebt es, wenn einer ſein eigenthuͤmliches Haus verkaufen wil; es darf dieſes nicht ohne Genehmigung und Beiſtimmung aller Gaſſenbuͤrger geſche - hen, die es oͤfters ein ganzes Jahr lang zuruͤkhalten, wenn ihnen die Perſon des Kaͤufers nicht bekant oder anſtaͤndig iſt, weil ſie in Zukunft an ihren etwaigen Vergehungen Antheil leiden muͤſſen; wann das Haus wirklich an den Kaͤufer gelangt, ſo iſt dieſer verbunden uͤber jedes Hundert des kontrahirten Kaufſchillings in der Sotomatz den achten, und in der Utſi - matz etwas mehr denn den zwoͤlften Theil dem Gaſſenmagiſtrat zur gemeinen Austheilung unter ſie und die Mitbuͤrger einzuhaͤndigen; von dem Fatſjiban d. i. dem achten Theil wer - den 5 vom Hundert fuͤr die Muͤhe, die bei dem Verkauf vorfaͤlt, gerechnet, und 3 werden zu einem Mahle oder Luſtbarkeit beſtimt, aber ſelten dazu verwendet. Hat der Kaͤufer das Haus wirklich bezogen, ſo kommen ſeine neuen Mitbuͤrger zu ihm, um ihn zu bewil -Zweiter Band. Ekom -34Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. kommen, ihre Huͤlfe anzubiethen und ihn des buͤrgerlichen Beiſtandes und ihrer Freundſchaft zu verſichern.
Wenn einer auf Baͤtfarth oder ſonſt wohin verreiſen wil, ſo iſt erforderlich, daß der Kogomi Oja mit ſeinen uͤbrigen Kollegen ihm ein Zeugnis an die Obrigkeit ertheilt, womit zugleich gewiſſe Buͤrgen geſtelt werden, welche dafuͤr haften, daß jener aus einer ehrlichen und ſeinem Vorgeben gemaͤßen Abſicht ſeine Reiſe antrete, und zur benanten Zeit ſich wieder einfinden ſolle; hiezu dient ein beſonderes großes Straßenbuch Kitte no ſi ta gaki d. i. Pasunterſchreibung, genant, worin der Ottona die Buͤrgen ſich einſchreiben und die Buͤrgerſchaft mit ihrem Petſchaft beſiegeln laͤſſet; eine ſolche einregiſtrirte Obligation mus der Nitzi Joſi zu des Ninban Toſji jori Behauſung bringen, um dem Bittenden einen Reiſepas zu verſchaffen; die Genquaban-Wache nimt das Buch an und traͤgt es dem Buͤr - germeiſter vor, der ſodann ſeinem Jufitz oder Sekretaͤr Befehl giebt, dieſen Pas zu ſchrei - ben, und mit dem waͤhrend ſeiner Regierung gewoͤhnlichen Siegel zu bedruͤcken; dieſes Sie - gel, das in der Juſtizverwahrung iſt, hat die Groͤße eines Speciesthalers und beſteht aus dem Charakter ſeines eigenen Nanori oder militaͤriſchen Namens. Der Pas wird hier - naͤchſt zu dem Nengoſi getragen und mit deſſen Namen und Siegel bekraͤftigt, oder an deſ - ſen Statt zu dem Dſjo joſi der Sottomatz, wenn der Supplikant in dem Theile der Stadt zu Hauſe iſt. An Gebuͤhren wird fuͤr alles das nichts entrichtet, als nur dem Nitzi joſi drei Condors fuͤr ein dickes Papier in groß Quart, ſo er gewoͤhnlich dazu gebraucht.
Wenn etwas von den Einwohnern oder Mitbuͤrgern einer Gaſſe verbrochen iſt, haͤlt der Gaſſenmagiſtrat, naͤmlich der Ottona, 3 Kumi gaſ jira und alle Kogomi Oja eine Berathſchlagung, ob und wie die Sache unter ihnen auszumachen ſei: finden ſie, daß ſel - bige die Graͤnzen ihrer Macht uͤber den gewoͤhnlichen Horizont ihres Verſtandes uͤberſteigt, ſo melden ſie es an den geminen Stadtmagiſtrat: dieſer thut nach Befinden das naͤmliche, indem er durch die Neng joſi mit den Karoo der Stathalters daruͤber Rath pflegen, und es erforderlichen Falles dem Stathalter ſelbſt vorbringen laͤſſet. Durch eben dieſe Wege kommen denn auch die hoͤchſten Befehle der Gouverneurs wieder zuruͤk, ſo, daß ſie am Ende durch den Nitzi joſi, bisweilen auch wohl aus dem Munde des Ottona ſelbſt, den gemeinen Buͤrgern und Einwohnern bekant werden, es waͤre denn, daß ſie von der Art der wichtigen immergeltenden Kaiſerlichen Verordnungen waͤren, die man als Plakate oͤffent - lich anheftet.
Jn ſofern ein Streit oder Thaͤtigkeiten in einer Gaſſe, es ſey unter den Eingeſeſ - ſenen oder Durchpaſſirenden, vorfaͤlt, ſo ſind die Hausvaͤter der naͤchſten Haͤuſer verbun - den, ſie zu ſcheiden. Wenn einer von ihnen etwa getoͤdtet wuͤrde, waͤre es auch der Be - leidiger ſelbſt, wird der andere, ob er auch gleich das Recht einer Nothwehre vor ſich haͤtte, dennoch mit einer oͤffentlichen Todesſtrafe belegt; (alles was er etwa in dem Fal thun kan,iſt,35Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. iſt, daß er dieſer Schande mit ſelbſt eigener Entleibung zuvorkomt;) uͤberdem wird das Geſinde der 3 naͤchſten Haͤuſer, wo die That vorgegangen, auf 3, 4 und mehr Monate in den Haͤuſern verſchloſſen gehalten, deren Fenſter und Thuͤren man kreuzweiſe mit rauhen Brettern vernagelt, nachdem ſie zuvor mit der eingekauften noͤthigen Koſt zu dieſem Ge - faͤngnis hinreichend verſehen ſind: die uͤbrigen Gaſſenbuͤrger, beſonders wenn ihnen einige Nachlaͤſſigkeit, in Verhinderung der geſchehenen That, zur Laſt komt, muͤſſen ihre Strafe auf einige Zeit durch Leibesarbeiten, durch gemeine Frohndienſte und auch beſondere bei den Magiſtratsperſonen empfinden: einer gleichen und ſchweren Strafe unterliegen die Kumi gaſjra in der Gaſſe, wo das Verbrechen geſchehen, ja einer noch weit haͤrteren, wann ſie uͤberfuͤhrt werden, gewuſt zu haben, daß der Miſſethaͤter zu der Schlaͤgerei oder dem Ver - brechen, worin er betroffen worden, eine vorſetzliche Neigung gehabt habe: ſo haben auch die Hauswirthe und die Herren der Delinquenten nicht weniger eine ſchwere wilkuͤhrliche Strafe davon zu gewarten. Es beruhet uͤberhaupt dieſes ſtrenge Verfahren auf eben dem Grunde als der Saz: Facientis culpam procul dubio habet, qui quod poteſt cor - rigere, negligit emendare.
Wann einer, aus Eifer uͤbereilt, auf einen andern ſeinen Saͤbel entbloͤßete, iſt er, ob er ihn ſchon nicht verlezte, dem Schwerd anheim gefallen, wenn es der Obrigkeit angeklagt wird.
Wann ein Buͤrger oder Einwohner aus Furcht einiger Strafe entliefe, muß die Kumi jaſjra ihn herbeizuſchaffen ſich bemuͤhen, und ihn ſowohl ſelbſt als durch andere auf - ſuchen laſſen, bei Vermeidung wilkuͤhrlicher Leibesſtrafe nach Befinden der Sache.
Jm lezten Monate des alten Jahrs geſchiehet von dem Nitzi gjoſi jeder Gaſſe die Fito Aratame, d. i. Aufſchreibung aller Hausgenoſſen, Kinder und Alten mit den eigentlichen Namen ihres Geburtsorts und ihrer Sjuu oder Religionsſekte; ſie laſſen ſich insgemein unter dem Namen der Sekte ihres Hausvaters aufſchreiben, doch viele Eiferer, beſonders der Sekte Sjodo wollen es ihren Hauswirthen nicht bewilligen, ſie anders als mit dem Namen ihrer wahren Sjuu zu bezeichnen. Das weibliche Geſchlecht wird bei dieſer Regiſtrirung nur gezaͤhlt, und ohne weiter Detail der Summe zugeſezt.
Nachdem am Schluſſe des alten Jahrs dieſe Muſterrolle verfertigt iſt, wird dar - auf mit dem Anfange des neuen Jahrs die Jefumi gehalten, das nach dem Buchſtaben ſo viel heißet, als die Figurtretung, weil ſie das Bild des am Kreuz hangenden Chri - ſtus und noch eines andern Heiligen*)Scheuchzer gedenkt auch noch beſonders des Marienbildes. mit Fuͤſſen treten, zum Beweis, daß ſie der Lehre Chriſti und ſeiner Apoſtel entſagen und ſie verfluchen. Die Ceremonie dieſer Entheiligung des gekreuzigten Heilandes nimt von dem zweiten Tage des erſten Monats nach der ReiheE 2der36Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. der Haͤuſer und Gaſſen und an zweien Orten zugleich, ihren Anfang, ſo, daß jede Partie taͤglich 4 bis 5 Gaſſen vornimt, und man in allem in Zeit von 6 Tagen fertig geworden: der Ottona, 3 Ogumi Oja, der Fitſja, Nitzi Joſi und 2 Monban oder Figurtraͤger ma - chen die feierlichen Perſonen dieſer Handlung aus. Die Figuren, welche in einem beſon - ders dazu gemachten Kiſtgen gehalten werden, ſind von Meſſing gegoſſen, und etwa eines Fußes lang. Mit deren Tretung gehet es auf folgende Art zu: nachdem der benante Jn - quiſitionsrath auf eine Matte ſich niedergeſezt, mus ſich alles aus dem Hauſe gros und klein nebſt den beiwohnenden Familien in dem Gemache verſamlen; waͤre etwa die Wohnung des naͤchſten Nachbarn zu Verrichtung der Handlung zu klein, ſo erſcheinen dieſe alhier zugleich mit; die bronzirten Figuren liegen auf dem bloßen Fusboden: der Jefumi Tſjo oder zum Feju beſtelte Schreiber ſchlaͤgt ſein Muſterbuch auf und lieſet aller Namen ab, die ſo, wie ſie abgeleſen werden, herzukommen, und uͤber die Bilder gehen oder treten: die Muͤtter heben unmuͤndige Kinder, die noch nicht gehen koͤnnen, auf, und laſſen ſie mit den Fuͤßen darauf nieder, welches eben ſo angeſehen wird, als ob ſie daruͤber gegangen, wenn dieſes geſche - hen, druͤkt der Hausvater ſein Siegel unter die Muſterrolle, zum Zeugnis, daß die Jnquiſition bei ihnen gehalten ſei, und damit deshalber die Jnquſitoren bei dem Stathal - ter ſich moͤgen rechtfertigen koͤnnen. Wenn in allen Gaſſen und Haͤuſern die Ceremonie abgethan iſt, alsden betrit ſelbſt der Jnquiſitionsrath die Bilder und zum Beſchlus der Ottona, wobei denn einer fuͤr den andern die richtig geſchehene Tretung mit dem Petſchaft atteſtirt. Nur hier zu Nagaſacki und in den Provinzen Omura und Bungo iſt die ganze Handlung gebraͤuchlich, woſelbſt ſich in vorigen Zeiten die meiſten Chriſten aufgehal - ten haben.
Wenn ein Hausgenoſſe ſtirbt, mus der Hausvater die Kogomi herbei rufen, um zu zeigen, daß er nicht allein eines natuͤrlichen Todes ſondern auch als kein Chriſt geſtorben: finden dieſe nun an der Leiche keine Zeichen einer Gewaltthaͤtigkeit oder ſonſt etwas, was ei - nen Chriſten verriethe, dann ſtellen ſie das ſchriftliche Atteſtat von ſich und bedruͤcken es mit ihrem eigenen Petſchaft, welches ſofort der Nitzi Joſi dem Gaſſenbuch einverleibt und zu - gleich denen Dſjo Joſi in der Tſotomatz oder den Buͤrgermeiſtern, wenn er aus ſelbigem Be - zirk iſt, zuſtelt.
Der algemeinen Geldabgaben der Stadtbuͤrger ſind wenige und treffen lediglich die Beſitzer und Erben der Grundſtuͤcke: der uͤbrige obwohl groͤßeſte Theil der Einwohner, welche denn auch fuͤr keine wahre und aͤchte Buͤrger gerechnet werden, ſind mit keinerlei Geldlaſten beſchwert; es giebt derſelben foͤrmlich zwo Arten.
Die eine heißet Dſii ſi d. i. Grundgeld, nach den eigentlichen Worten: Erdlohn; oder Dſii ſin gin, d. i. Erdlohngeld, das jaͤhrlich fuͤr den Kaiſer aufgebracht, und im 8ten Monate des Jahrs erhoben wird. Ein Haus komt indeſſen nicht nach dem viereckigtenPlatze37Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. Platze, den daſſelbe begreift, ſondern nach der Laͤnge des Vordertheils deſſelben zum Steuer - verhalt, wie denn fuͤr jede Kin oder ohngefehre Klafterlaͤnge in dem Tſoto Quartier der Stadt 4 Maas, in dem Utſi Quartier aber 6 Maas bezahlt werden muͤſſen. Jn Anſe - hung der Tiefe des Hauſes oder Grundſtuͤks wird bis auf 15 Kin nichts gerechnet, ſo bald es aber daruͤber ſchreitet, und waͤre es auch nur 1 Bu oder Strohhalm breit, mus die Laͤnge von neuem angeſchlagen und getragen werden, worin man deswegen ſo puͤnktlich zu Werke gehet, weil die Abgabe fuͤr den Kaiſer iſt, wobei, ſagt man, die ſtrengſte Gerechtigkeit gehandhabt werden mus.
Die andere Art der algemeinen Geldauflagen iſt gleichſam eine Ehrengabe | und freiwillige Kontribution, welche die Unterthanen eigener Grundſtuͤcke hieſelbſt ihren Stat - haltern und die geringere Bedienten ihren Obern am erſten Tage des achten Monats an dem Faſſakufeſt verehren, daher auch das Geld Faſſaku gin oder das Faſſakugeld heißet. Die Perſonen, ſo oͤffentliche Aemter bei der Stadt haben, machen jeder nach Verhaͤltnis ſeines Amts, nach einem unvermeidlichen Herkommen oder auch wohl nach Ehrgeiz, außer - dem noch ein beſonderes freiwilliges Geſchenk an ihre ſaͤmtliche Oberbefehlshaber, naͤmlich an jeden Stathalter, an den hieſelbſt reſidirenden Kaiſerlichen Oberſchazmeiſter und an die vier Stadtbuͤrgermeiſter; ſelbſt die Soͤhne der Dolmetſcher, die ſich noch als Lehrlinge bei ihren Vaͤtern befinden und auf die Anwartſchaft der vaͤterlichen Stellen hoffen, laſſen die Ge - legenheit nicht vorbeiſtreichen, ſich durch ein Geſchenk beliebt zu machen, an jeden Gouver - neur bringen ſie 25 Maas und ſo an die benanten uͤbrigen Befehlshaber nach Proportion we - niger. Die gemeine Buͤrgerſchaft ſamlet erſt nach dem Faſſakufeſt aus jeder Gaſſe ihr Ge - ſchenk zuſammen und liefert es alsdenn den beiden Gouverneurs ein; es wird ſelbiges nach der Beſchaffenheit des Grund und Bodens der Haͤuſer aufgebracht: eines jeden Hauſes Kaſjo traͤgt, wenn es in der Sotomatz gelegen, ſechs, und in der Utſimatz neun bis zehn Maas bei, das alſo in allem fuͤr 4350 Kaſjo, jede Gaſſe zu 50 Kaſjo gerechnet, etwa 2630 Tails betraͤgt. Kaſjo iſt der Quadratinhalt des bei der erſten Anlage der Gaſſe fuͤr ein Haus abgetheilten Erbgrundes, ſo wie er nach ſeiner Groͤße ins Stadtbuch kataſtrirt worden; verſchiedene dieſer Kaſjo koͤnnen hernach mit der Zeit zu einem Wohnhauſe gezo - gen, andere auch zu zwei Haͤuſer vertheilt und eingerichtet worden ſeyn.
Es iſt dieſe leztere Art von Kontribution in keiner andern Stadt als Nagaſacki ge - braͤuchlich; um indeſſen den Buͤrgern dagegen einige Schadloshaltung zur Erkentlichkeit wi - derfahren zu laſſen, hat man ihnen die Wohlthat des Fanna gin geſtiftet, das iſt, es wird das Geld, welches die Stathalter von dem auslaͤndiſchen Handel, ſeitdem ſie die Auf - ſicht daruͤber haben, abzwacken, jaͤhrlich unter die Eigenthuͤmer der Haͤufer vertheilt. An - dere Reichs - und Provinzialſtaͤdte haben keine andere als nur die zuerſt gedachte Art Steuren an ihre Landesherren zu entrichten; und auch ſogar von dieſer iſt die Stadt Miako durch eineE 3Vor -38Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Vorbitte bei einer gewiſſen Gelegenheit von dem Kaiſer Taiko frei geſprochen und bis hierher bei der Freiheit erhalten worden.
Naͤchſtdem haben die angeſeſſenen Buͤrger noch einige geringere Abgaben aus ihren Mitteln zu leiſten. Die namhafteſten derſelben ſind:
Gleichwie nun eines Theils die Lage der volkreichen Stadt Nagaſacki, (zwiſchen Meer und Gebuͤrgen an der Spitze der Provinz Fiſen,) ſo beſchaffen iſt, daß die Buͤrger keine laͤndliche Nahrung, wie andere Staͤdte, treiben und davon ihre Abgaben beſtreiten koͤnnen; ſo wuͤr - de ihnen anderen Theils der Vorzug, daß ſie den vortheilhafteſten Stapel fuͤr den auslaͤndiſchen Handel haben, allerdings das alles erſetzen, wenn ihnen nur nicht eben daher ſo neue Sor - gen und Laſten zufielen und ſie ſo oͤfters ihr Vermoͤgen ja ſelbſt ihr Leben aufs Spiel zu ſetzen haͤtten. Jnzwiſchen aber nicht Juſtinian, ſondern die Vernunft hat ihnen gelehrt, was Jener ſagt: ſecundum naturam eſſe, commoda cujuscunque rei eum ſequi, quem ſequuntur incommoda. Jn dieſem Ausſpruche liegen die Fruͤchte, die ſie zu ihrer Entſchaͤdigung einſamlen, denn ſeit die Oberaufſicht uͤber den auswaͤrtigen Handel an die Stathalter gekommen, haben dieſe, zufolge jener als billig vorgeſtellten Maxime, Mittel gefunden, aus dem Gewinn der Auslaͤnder den hieſigen Buͤrgern einen Erſaz zu ihrer Er - leichterung