Der Meſſias, Erſter Geſang. Sing, unſterbliche Seele, der ſuͤndigen Menſchen Erloͤſung,
Die der Meſſias auf Erden in ſeiner Menſchheit vollendet,
Und durch die er Adams Geſchlechte die Liebe der Gottheit
Mit dem Blute des heiligen Bundes von neuem geſchenkt hat.
Alſo geſchah des Ewigen Wille. Vergebens erhub ſich
Satan wider den goͤttlichen Sohn: umſonſt ſtand Judaͤa
Wider ihn auf; er thats, und vollbrachte die groſſe Ver - ſoͤhnung.
Aber, o Werk, das nur GOtt allgegenwaͤrtig erkennet,
Darf ſich die Dichtkunſt auch wohl aus dunkler Ferne dir naͤhern?
Weihe ſie, Geiſt Schoͤpfer, vor dem ich im ſtillen hier bete;
A 2Fuͤhre4Fuͤhre ſie mir, als deine Nachahmerinn, voller Ent - zuͤckung,
Voll unſterblicher Kraft, in verklaͤrter Schoͤnheit, ent - gegen.
Ruͤfte ſie mit jener tiefſinnigen einſamen Weisheit.
Mit der du, o forſchender Geiſt, die Tiefen GOttes durch - ſchaueſt;
Alſo werd ich durch ſie Licht und Offenbarungen ſehen,
Und die Erloͤſung des groſſen Meſſias wuͤrdig beſingen.
Sterbliche, kennt ihr die Ehre, die euer Geſchlechte verherrlicht,
Da der Schoͤpfer der Welt, als Erloͤſer, auf Erden ge - kommen:
So hoͤrt meinen Geſang, ihr beſonders, ihr wenigen Edlen,
Theure geſellige Freunde des liebenswuͤrdigen Mittlers,
Jhr mit der Zukunft des groſſen Gerichts vertrauliche Seelen,
Hoͤrt mich, und ſingt den ewigen Sohn durch ein goͤtt - liches Leben.
Nah an der heiligen Stadt, die ſich itzt durch Blind - heit entweihte,
Und die Krone der hohen Erwaͤhlung unwiſſend hinweg - warf,
Ehmals die Stadt der Herrlichkeit GOttes, der heiligen Vaͤter
Pflegerinn, nun ein Altar des Bluts von Moͤrdern ver - goſſen:
Hier wars, wo der Meſſias von einem Volke ſich losriß,
Das5Das ihn zwar itzo verehrte, doch nicht mit jener Ge - muͤtsart,
Die vorm ſchauenden Angeſicht GOttes untadelhaft bleibet.
JEſus verbarg ſich vor dieſen Entweihten. Zwar lagen hier Palmen
Des ihm begegnenden Volks; zwar klang dort ihr lautes Hoſanna;
Aber umſonſt. Sie kannten den nicht, den ſie Koͤnig nannten.
Und den Geſegneten GOttes zu ſehn, war ihr Aug[e]zu dunkel.
GOtt kam ſelber vom Himmel herab. Die gewaltige Stimme:
Er iſt verherrlicht, und ſoll von neuem verherrlichet werden!
War die Verkuͤndigerinn der gegenwaͤrtigen Gottheit.
Doch ſie waren, dich, GOtt, zu verſtehn, zu niedrige Suͤnder.
Unterdeß nahte ſich JEſus dem Vater, der wegen des Volkes,
Zu dem die Stimme geſchah, voll Zorn zum Himmel hin - aufſtieg.
Vor ihm wollt er noch einmal ſein goͤttlich freyes Ent - ſchlieſſen,
Seine Geliebten, die Menſchen, zu heiligen, feyerlich kund thun.
Gegen die oͤſtliche Seite Jeruſalems liegt ein Gebirge,
Welches ſchon oft den goͤttlichen Mittler auf ſeinen Gi - pfeln,
A 3Wie6Wie ins Heilige GOttes, verhuͤllt, wenn er einſame Naͤchte
Unter dem Anſchaun des Vaters in groſſen Gebeten durchwachte.
Nach dem Gebirge begab er ſich itzt. Johannes alleine
Folgt ihm bis zu den Graͤbern der Seher, in heiligen Grotten,
Wie ſein goͤttlicher Freund, die Nacht im Gebete zu bleiben.
Von da erhub ſich der Mittler zur oberſten Spitze des Berges.
Jndem umgab ihn vom hohen Moria ein Schimmer der Opfer,
Die den ewigen Vater noch itzt vorbildend verſoͤhnten.
Um und um nahm ihn der Oelbaum ins Kuͤhle. Gelin - dere Luͤfte,
Gleich dem Saͤuſeln der Gegenwart GOttes, umfloſſen ſein Antlitz.
Der dem Meſſias auf Erden zum Dienſte gegebene Seraph,
Gabriel iſt ſein himmliſcher Name, ſtand eben am Ein - gang
Zwoer umdufteten Cedern, und dachte dem Heile der Menſchen
Und dem Triumphe der Ewigkeit nach, als itzt der Er - loͤſer
Seinem Vater entgegen vor ihm im ſtillen vorbeygieng.
Gabriel wuſte, daß nun die Zeit der Erloͤſung heran - kam.
Dieſe Betrachtung entzuͤckt ihn, er ſprach mit zaͤrtlicher Stimme:
Willſt7Willſt du die Nacht, o Goͤttlicher, hier im Gebete durch - wachen?
Oder verlangt dein ermuͤdeter Leib nach ſeiner Erqui - ckung?
Soll ich zu deinem unſterblichen Haupt ein Lager bereiten?
Sieh, itzt ſtreckt ſchon der Sproͤßling der Ceder den gruͤnenden Arm aus.
Und die weiche balſamiſche Staude. Beym Grabmal der Seher
Waͤchſt dort unten das ruhige Moos im kuͤhlenden Erd - reich.
Soll ich hieraus, o Goͤttlicher, dir ein Lager bereiten?
Wie iſt dein Leib, o Erloͤſer, ermuͤdet! Wie vieles ertraͤgſt du
Hier auf Erden aus bruͤnſtiger Liebe zum Menſchenge - ſchlechte!
Alſo ſagt er. Der Mittler belohnt ihn mit ſegnenden Blicken,
Und ſtand voll Ernſt auf der Hoͤhe des Bergs am benach - barten Himmel.
GOtt war daſelbſt. Hier betet er. Unter ihm toͤnte die Erde,
Und ein[wandelndes] Jauchzen durchdrang die Pforten der Tiefen, Als ſie von ihm die gewaltige Stimme tief unten ver - nahmen.
Denn es war nicht mehr die Stimme des Fluchs, die Stimme von Stuͤrmen
Furchtbar verkuͤndiget, und in donnernden Wettern ge - ſprochen,
Die die Erde vernahm. Sie hoͤrte des Segnenden Rede,
A 4Der8Der mit unſterblicher Schoͤne ſie einſt zu verneuen be - ſchloßen.
Um und um lagen die Huͤgel in lieblicher Abenddaͤmmrung,
Gleich als waͤren ſie ſchon neu erſchaffen, und bluͤhend, wie Eden.
JEſus redte. Nur er und der Vater durchſchauten den Jnhalt,
Unbegrenzt; dieß nur vermag die Stimme des Menſchen zu ſprechen:
Goͤttlicher Vater, die Tage des Heils und des ewigen Bundes
Naͤhern ſich mir, die Tage, zu groͤſſern Werken erleſen,
Als ſelbſt die Schoͤpfung, die du durch deinen Sohn ehmals vollbrachteſt.
Sie verklaͤren ſich mir ſo ſchoͤn und herrlich, als damals,
Da wir die Reihe der Zeiten durchſchauten, und ſie in der Zukunft,
Durch mein goͤttliches Anſchaun vorzuͤglich bezeichnet, er - blickten.
Dir nur iſt es bekannt, mit was fuͤr Einmuth wir damals,
Du, mein Vater, und ich, und der Geift die Erloͤſung be - ſchloſſen.
Jn der Stille der Ewigkeit, einſam und ohne Geſchoͤpfe,
Waren wir beyſammen. Voll unſrer goͤttlichen Liebe,
Sahen wir auf Menſchen, die noch nicht waren, herunter.
Ach das arme Geſchlecht! Ach unſre Geſchoͤpfe, wie elend
Waren ſie, ſonſt unſterblich, nun Staub, von der Suͤnde verſtellet!
Vater, ich ſah ihr Elend, du meine Thraͤnen. Da ſprachſt du:Laßt9
Laßt uns das Bild der Gottheit von neuem im Menſchen erſchaffen;
Alſo erfanden wir unſer Geheimniß, das Blut der Ver - ſoͤhnung,
Und die zum ewigen Bilde verneuerte Schoͤpfung der Menſchen.
Hier erkohr ich mich ſelbſt, dieß goͤttliche Werk zu vollen - den.
Ewiger Vater, das weißſt du, das wiſſen die Himmel, wie bruͤnſtig
Mich ſeit dieſem Entſchluß nach meiner Erniedrung ver - langte;
Erde, wie oft warſt du, in deiner niedrigen Ferne,
Mein erwaͤhltes geliebteſtes Augenmerk! Und du, o Canan,
Heiliges Land, wie oft hieng mein ſanftthraͤnendes Auge
An dem Huͤgel, den ich vom Blute des Bundes ſchon voll ſah.
Und, o wie bebt mir mein Herz von ſuͤſſen wallenden Freuden,
Daß ich ſo lange ſchon Meuſch bin, daß ſchon ſo viele Gerechte
Zu mir ſich ſammlen, und nun bald alle Geſchlechte der Menſchen
Durch mich geheiliget werden! Hier lieg ich, goͤttlicher Vater,
Noch mit den Zuͤgen der Menſchheit, nach deinem Bilde, gezieret.
Betend vor dir: Bald aber wird mich dein toͤdtend Ge - richte
Blutig entſtellen, und unter den Staub der Todten be - graben.
A 5Schon10Schon hoͤr ich dich, du Richter der Welt, allein und von ferne
Kommen, und unerbittlich in deinen Himmeln daher - gehn.
Schon durchdringt mich ein Schauer, dem ganzen Gei - ſtergeſchlechte
Unempfindbar; und wenn du ſie auch im grimmigen Zorne
Toͤdteteſt, unempfindbar! Schon ſeh ich den naͤchtlichen Garten
Vor mir liegen, ſchon ſink ich vor dir in niedrigen Staub hin,
Lieg, und bet, und winde mich, Vater, im Todesſchweiſſe.
Siehe, da bin ich, mein Vater. Jch will dein grimmiges Zuͤrnen,
Dein Gerichte will ich mit tiefem Gehorſam ertragen.
Du biſt ewig! Kein endlicher Geiſt hat das Zuͤrnen der Gottheit,
Und den Unendlichen furchtbar und toͤdtend, gedacht und empfunden.
GOtt nur konnte die Gottheit ertragen. Hier bin ich, mein Vater,
Toͤdte du mich, nimm mein ewiges Opfer zu deiner Ver - ſoͤhnung.
Noch bin ich frey, noch kann ich dich bitten, ſo thut ſich der Himmel
Mit Myriaden von Seraphim auf, und fuͤhret mich jauchzend,
Vater, zu deinem unſterblichen Thron im Triumphe zu - ruͤcke.
Aber ich will leiden, was keine Seraphim faſſen,
Was11Was kein denkender Cherub in tiefen Betrachtungen einſieht;
Jch will leiden, den furchtbarſten Tod will ich, Ewiger, leiden!
Weiter ſagt er und ſprach: Jch hebe gen Himmel mein Haupt auf,
Meine Hand in die Wolken, und ſchwoͤre dir bey mir ſelber,
Der ich GOtt bin, wie du: Jch will die Menſchen erloͤ - ſen!
JEſus ſprachs, und ſtand auf, und in ſeinem Antlitz war Hoheit,
Und erbarmender Ernſt, und Seelenruh, als er vor GOtt ſtand.
Und, unhoͤrbar den Engeln, nur ſich und dem Sohne vernommen,
Sprach der ewige Vater, und wandte ſein ernſtes Geſichte
Gegen den Meßias: Jch breite mein Haupt durch die Himmel,
Meinen Arm durch die Unendlichkeit aus, und ſag: Jch bin ewig!
Sag, und ſchwoͤre dir, Sohn: Jch will die Suͤnde ver - geben!
Alſo ſprach er, und ſchwieg. Jndem die Ewigen ſpra - chen,
Gieng durch die ganze Ratur ein ehrfurchtvolles Erbe - ben.
Seelen, die itzt wurden, die noch nicht zu denken begon - nen,
Zitter -12Zitterten, und empfanden zuerſt. Ein gewaltiger Schauer
Faßte den Seraph, ihm ſchlug ſein Herz, und um ihn lag wartend,
Wie vorm nahen Gewitter die Erde, ſein furchtſamer Weltkreis.
Nur in die Seelen zukuͤnftiger Chriſten kam ſanftes Ent - zuͤcken,
Und ein ſuͤßbetaͤubend Gefuͤhl des ewigen Lebens.
Aber ſinnlos, und nur zur Verzweiflung allein noch em - pfindlich,
Sinnlos, wider GOtt was zu denken, entſtuͤrzten im Ab - grund
Jhren Thronen die hoͤlliſchen Geiſter. Als jeder dahin - ſank,
Stuͤrzt auf jeden ein Fels, brach unter jedem die Tiefe
Ungeſtuͤm ein, und donnernd erklang die unterſte Hoͤlle.
JEſus ſtand noch vor GOtt, und die Leiden ſeiner Erloͤſung
Fiengen itzt an. Und Gabriel lag auf ſeinem Geſichte
Fern und anbetend, von neuen Gedanken gewaltig er - hoben.
Seit den Jahrhunderten, die er durchlebt, (ſo lang als die Seele
Sich die Unendlichkeit denkt, wenn ſie ſich in feurigem Fluge
Wie aus dem Koͤrper verliert,) ſeit dieſen Jahrhunderten hatt er
So erhabne Gedanken noch nie empfunden. Die Gott - heit
Jhre13Jhre Verſoͤhnten, die ewige Liebe des goͤttlichen Mittlers
Alles eroͤffnet ſich ihm. GOtt bildete dieſe Gedanken
Jn dem Geiſte des Seraphs. GOtt ſelber dachte ſich itzo,
Als den Erbarmer erſchaffener Weſen. Der Seraph er - hub ſich,
Stand, und erſtaunt, und betet, und unausſprechliche Freude
Zitterten durch ſein Herz, und Licht und blendendes Glaͤnzen
Gieng von ihm aus. Die Erde zerfloß in himmliſchen Schimmer
Unter ihm, wie es ihm vorkam. Jhn ſah der goͤttliche Mittler,
Wie er den Gipfel des ganzen Gebirges mit Klarheit er - fuͤllte.
Gabriel, rief er, verhuͤlle dich itzt, du dienſt mir auf Erden.
Mache dich auf, dieß Gebet vor meinen Vater zu brin - gen,
Daß die edelſten unter den Menſchen, die ſeligen Vaͤter,
Daß der verſammelte Himmel der Zeiten Fuͤlle vernehme,
Nach der er ſich ſo bruͤnſtig geſehnt. Hier kanſt du mit Glanze,
Als der Geſandte des hohen Meſſias, vor GOtt erſchei - nen.
Schweigend, mit goͤttlich erheiterten Minen, erhub ſich der Seraph.
JEſus ſah ihm in Niedrigkeit nach, doch erblickt er von ferne
Schon14Schon ſein ganzes Betragen vorm Sitze der Herrlich - keit GOttes,
Eh noch der eilende Seraph des Himmels Grentzen er - reichte.
Jtzo erhuben ſich neue geheimnißvolle Geſpraͤche
Zwiſchen ihm und dem Vater, von hohem tiefſinnigen Jn - halt,
Selbſt Unſterblichen dunkel, Geſpraͤche von Dingen, die kuͤnftig
GOttes Erloͤſung vor allen Erloͤſten verherrlichen wer - den.
Unterdeß war der Seraph zur aͤuſſerſten Grenze des Himmels
Aufwaͤrts geſtiegen. Hier fuͤllen nur Sonnen den heili - gen Umkreis.
Hell, gleich einem vom Lichte gewebten aͤtheriſchen Vor - hang
Zieht ſich ihr Glanz um den Himmel herum. Kein dunk - ler Planete
Naht ſich des Himmels verderbendem Blick. Entfliehend und ferne
Geht die bewoͤlkte Natur voruͤber: die Erden fliehn mit ihr
Klein und unmerkbar dahin, wie unter dem Fuſſe des Wandrers
Niedriger Staub, von Gewuͤrmen bewohnt, aufwallet und hinſinkt.
Um den Himmel herum ſind tauſend offene Wege,
Lange, nicht auszuſehende Wege, von Sonnen umgeben.
Hier15Hier ſchoͤpft mit goldnen Schalen der Seraph das feſt - liche Feuer,
Welches ſein fliegendes Haupthaar umfließt, wenn er ſchnell von GOtt eilt,
Und als Schutzgeiſt zu einer unſterblichen Seele geſandt wird,
Die, dem Geſchlecht der Menſchen zur Ehre, vom Schoͤ, pfer gebildet
Jugendlich waͤchſt, und voll Muth ſich vor ihre Geſpie - linnen vordraͤngt,
Und ſchon erhabner und goͤttlicher fuͤhlt. Auch verklaͤrt hier die Seele
Jhren von Luft nach dem Tode zuſammengefloſſenen Koͤrper.
Durch den glaͤnzenden Weg, der gegen die Erde ſich kehret,
Floß nach der Erden Erſchaffung, vom himmliſchen Ur - quell entſpringend,
Ein verklaͤrter aͤtheriſcher Strom nach Eden herunter.
Auf ihm, oder an ſeinem von Wolken erhobnen Geſtade,
Ka[u]m dazumal bald Engel bald GOtt, zum vertraulichen Umgang,
Zu den Menſchen. Doch ſchnell ward der Strom zu - ruͤcke gerufen,
Als ſich durch Suͤnde der Menſch von GOttes Freund - ſchaft entfernte.
Denn die Unſterblichen wollten nicht mehr, in ſichtbarer Schoͤnheit,
Gegenden, die die Verwuͤſtung des Todes entſtellte, be - ſuchen.
Damals16Damals wandten ſie ſchauernd ſich weg. Denn die ſtillen Gebirge,
Wo noch die Spur des Ewigen war; die rauſchenden Hayne,
Die das Saͤuſeln der Gegenwart GOttes ſonſt ſanft be - ſeelte;
Selige friedſame Thaͤler, vordem von der Jugend des Himmels
Liebreich beſucht; die ſchattigten Lauben, wo ehmals die Menſchen.
Ueberwallend von Freuden und ſuͤſſen Empfindungen, weinten,
Daß ſie GOtt ewig erſchuf; die Erde lag unter dem Fluche,
Jhren vordem unſterblichen Kindern ein allgemein Grab - mal.
Aber dereinft, wenn ſich die Weltgebaͤude verjuͤngen.
Und aus der Aſche des groſſen Gerichts triumphirend hervorgehn,
Wenn GOtt alle Bezirke der Welten mit ſeinem Him - mel
Durch gleich allgegenwaͤrtiges Anſchaun zuſammen ver - einbart,
Alsdann wird der aͤtheriſche Strom vom himmliſchen Urquell
Wieder mit hellerer Schoͤne zum neuen Eden ſich ſenken.
Niemals wird dann ſein Geſtade von hohen Verſammlun - gen leer ſeyn,
Die auf Erden den Umgang der neuen Unſterblichen ſu - chen.
Dieß17Dieß iſt der heilige Weg, durch den itzt Gabriel fort - gieng,
Und ſich von fern dem Himmel der goͤttlichen Herrlich - keit nahte.
Mitten in dieſer Verſammlung der Sonnen erhebt ſich der Himmel,
Rund, unermeßlich, das Urbild der Welten, die Fuͤlle
Aller ſichtbaren Schoͤnheit, die ſich, gleich fluͤchtigen Baͤ - chen,
Um ihn, durch den unendlichen Raum nachahmend er - gieſſet.
Alſo dreht er ſich, unter dem Ewigen, um ſich ſelber.
Jndem er wandelt, ertoͤnen von ihm, auf Fluͤgeln der Winde,
An die Geſtade der Sonnen die ſphaͤriſchen Harmonien
Hoch hinuͤber. Die Lieder der goͤttlichen Harfenſpieler
Schallen mit Macht, wie beſeelend, darein. Dies verein - barte Toͤnen
Fuͤhrt vorm unſterblichen Hoͤrer manch hohes Loblied vor - uͤber.
Wie ſich ſein freudiger Blick an ſeinen Werken ergetzet,
Alſo vergnuͤgte ſein goͤttliches Ohr itzt dies hohe Getoͤne.
Die du himmliſche Lieder mich lehrſt, Geſpielinn der Engel,
Seherinn GOttes, du Hoͤrerinn hoher unſterblicher Stimmen,
Melde mir, Muſe von Tabor, das Lied, das die Himmel itzt ſangen,
BSey18Sey uns gegruͤſſet, du heiliges Land der Erſcheinungen GOttes!
Hier erblicken wir GOtt, wie er iſt, wie er war, wie er ſeyn wird.
Siehe, den Seligen ohne Verhuͤllung, frey, ohne die Daͤmmrung
Fern nachahmender Welten. Dich ſchauen wir in der Verſammlung
Deiner Erloͤſten, die du des ſeligen Anblicks auch wuͤr - digſt.
Wie unendlich vollkommen biſt du! Zwar nennt dich der Himmel,
Und der Unausſprechliche wird Jehova geheiſſen!
Unſere Lieder, vom Schwung und Harmonien begeiſtert
Suchen dein Bild; doch umſonſt. Auf deine Verklaͤrung gerichtet,
Koͤnnen Gedanken ſich nur von deiner Gottheit beſpre - chen.
Ewiger, du biſt allein in deiner Groͤſſe vollkommen!
Jeder Gedanke, mit dem du dein herrliches Weſen durch - ſchaueſt,
Jſt viel erhabner und heiliger, als die ſtille Betrachtung,
Auf erſchaffene Dinge von dir hernieder gelaſſen.
Dennoch entſchloſſeſt du dich, auch auſſer dir Weſen zu ſehen,
Und auf ſie dein beſeelendes Hauchen hernieder zu laſſen.
Erſt erſchufſt du den Himmel, dann uns, des Himmels Bewohner.
Fern wart ihr damals von eurer Geburt, du juͤngerer Erdkreis,
Und du Sonn, und du Mond, der ſeligen Erde Gefaͤhrten.
Erſtge -19Erſtgeborner der Schoͤpfung, wie war dir bey dei - nem Hervorgehn?
Da, nach undencklicher Ewigkeit, GOtt zu dir ſich herab ließ,
Und dich zum heiligen Wohnplatz von ſeiner Herrlichkeit weihte.
Dein unermeßlicher Kreis, zum neuen Daſeyn gerufen,
Formte ſich noch in ſeine Geſtalt; die ſchaffende Stimme
Wandelte noch mit dem erſten Getoͤſe kryſtallener Meere;
Jhre gleich irdiſchen Welten zuſammengebirgten Geſtade
Hoͤrten ſie, doch kein Unſterblicher nicht. Da ſtandeſt du, Schoͤpfer,
Auf dem neuen erhabenen Throne, dich ſelber betrach - tend,
Einſam und ernſt. O jauchzet der denkenden Gottheit entgegen!
Damals, ja damals erſchuf er euch, Seraphim, Geiſter - geſchoͤpfe,
Voll von Gedanken, voll maͤchtiger Kraͤfte, des Ewigen Bildung,
Die er in euch von ihm ſelber erſchafft, anbetend zu faſſen.
Halleluja, ein feyrendes Hallelujah, o Erſter,
Sey dir von uns unaufhoͤrlich geſungen! Zur Einſam - keit ſprachſt du:
Sey nicht mehr! Und zu den Weſen: Entwickelt euch, Hallelujah!
Unter dem Liede, das nach dem erhabenen Dreymal - heilig,
Allzeit geſungen wird, hatte des Mittlers hoher Ge - ſandte
B 2Eine20Eine der naͤchſten Sonnen am Himmel helleuchtend be - treten.
Ueberall ſchweigen die Seraphim itzt, und feyren den An - blick.
Mit dem der ewige Vater ihr heiliges Loblied belohnte.
Jndem erſchien der Seraph auf dieſer Sonne dem Him - mel.
GOtt ſah ihn an, der Himmel mit GOtt. Er betete kniend.
Zweymal die Zeit, in welcher ein Cherub den Namen Je - hova,
Und das anbetende Dreymalheilig der Ewigkeit aus - ſpricht,
Ward er des Anſchauns der Gottheit gewuͤrdigt. Drauf kam ihm der Thronen
Erſtgebohrner, ihn feyrlich vor GOtt zu fuͤhren, entgegen.
GOtt nennt ihn ſeinen Geliebten; der Himmel Eloa. Vor allen,
Die GOtt erſchuf, iſt er groß, der naͤchſte dem Unerſchaff - nen.
Denkt er, ſo iſt ein Gedanke von ihm ſo ſchoͤn, als die Seele,
Als die ganze Seele des Menſchen vom Staube gebildet,
Wenn ſie, ihrer Unſterblichkeit wuͤrdig, gedankenvoll nachſinnt.
Sein umſchauender Blick iſt ſchoͤner, als Fruͤhlingsmor - gen,
Lieblicher als die Geſtirne, da ſie vorm Throne des Schoͤ - pfers
Jugendlich nen, und voll Licht, mit ihren Tagen, vorbey - flohn.
GOtt21GOtt ſchuf ihn erſt. Aus einer helleuchtenden Morgen - roͤthe
Schuf er ihm einen aͤtheriſchen Leib. Ein Himmel | von Wolken
Floß um ihn, da er wurde: GOtt hub ihn mit offenen Armen
Aus den Wolken, und ſagt ihm ſegnend: Da bin ich, Er - ſchaffner!
Seraph Eloa ſah itzt auf einmal den Ewigen vor ſich,
Schaut ihn entzuͤckungsvoll an, und ſtand, und ſchaut ihn begeiſtert
Wiederum an, und ſank, verloren in GOttes Anblick.
Endlich redt er, und ſagte dem Ewigen alle Gebanken,
Die er empfand, die neuen unſterblichen Ruͤhrungen alle,
Die ſein groſſes Herz durchwallten. Erſt werden die Welten
Alle vergehn, und neu aus ihrem Staube ſich ſchwingen,
Ganze Jahrhunderte werden dann erſt in die Ewigkeit eingehn,
Eh der erhabenſte Chriſt ſo goͤttliche Ruͤhrungen fuͤhlet.
Jtzt kam Eloa von ſeinem Sitze zum Engel des Mitt - lers
Auf neu erwachenden Strahlen in ſeiner Schoͤnheit her - nieder,
Jhn zum Altare des Mittlers zu fuͤhren. Er gieng noch von ferne,
Als er ſchon Gabriel kannte. Wie groß war Eloa Ent - zuͤckung,
Von den Unſterblichen einen zu ſehn, mit dem er vor dieſem
B 3Alle22Alle Bezirke der Schoͤpfungen GOttes, und ihre Bewohner
Sah, und mit dem er unnachahmbarere Thaten voll - fuͤhrte,
Als das Geſchlecht der Menſchen mit ſeinen Edelſten aus - uͤbt.
Jtzo verklaͤrten ſie ſich ſchon liebreich gegen einander.
Schnell, mit bruͤnſtig eroͤffneten Armen, mit herzlichen Blicken
Eilten ſie gegen einander. Sie zitterten beyde vor Freuden,
Als ſie ſich umarmten. Wie Bruͤder erzittern, die beyde
Tugendhaft ſind, und beyde den Tod fuͤrs Vaterland ſuchten,
Wenn ſie, vom Heldenblute noch voll, ſich nach ewigen Thaten
Wiederſehn, und ſich vor ihrem noch goͤttlichern Vater um - armen.
GOtt ſah ſie fern, und ſegnete ſie. So giengen ſie beyde,
Herrlicher noch durch die Freundſchaft, dem himmliſchen Thron entgegen.
Alſo kamen ſie weiter bis ans Allerheiligſte GOttes.
Nah bey der Herrlichkeit GOttes, auf einem himmliſchen Berge,
Ruht des Allerheiligſten Nacht. Ein lichthelles Glaͤnzen
Wacht inwendig um GOttes Geheimniß. Das heilige Dunkel
Deckt nur das Jnnre vorm Auge der Engel. Bisweilen eroͤffnet
GOtt den daͤmmernden Vorhang durch majeſtaͤtiſche Donner
Vor dem Blicke der himmliſchen Schauer. Sie ſehen und feyren.
Jtzo23Jtzo ſtand auf einmal, bey des Allerheiligſten Eingang,
Wie ein Berg GOttes, der Altar des Mittlers, vor Ga - briels Auge
Wolkenlos da. Er ſah ihn, und gieng, in feſtlicher Schoͤn - heit,
Prieſterlich zum Altar, und trug zwo goldene Schalen
Voll vom heiligen Raͤuchwerck, und ſtand tiefſinnig am Altar.
Neben ihm ſtand Eloa, und rief aus ſeiner Harfe
Goͤttliche Toͤne, den opfernden Seraph zum hohen Gebete
Vorzubereiten. Der hoͤrt ihn, und durch die allmaͤchtige Harfe
Hub ſich ſein Geiſt voll Andacht empor. Wie der Ocean aufwallt,
Wenn uͤber ihm die Stimme des Herrn in Sturmwinden wandelt.
Gabriel ſah GOtt an, und ſang mit maͤchtiger Stimme.
Nunmehr hoͤrte der ewige Vater, es horte der Himmel
Deine Gebete, Meſſias. GOtt ſelber zuͤndte das Opfer
Wunderbar an! ein heiliger Rauch ſtieg mit dem Gebete
Still begleitend vom Altar; dann hub er ſich weiter, und wallte,
Wie von unſern Gebirgen ein ganzer Himmel, zu GOtt auf.
Bis itzt hatte GOtt ſtets die Erde nachdenckend brtrach - tet.
Denn ſein Sohn beſprach ſich noch immer aus vollem Ge - muͤthe
Mit ihm von der erhabenen Seligkeit ſeiner Erloͤſten.
Aber itzt fuͤllte ſein freundlicher Blick den Himmel von neuem.
B 4Jeder24Jeder begegnete feyrend und ſtill dem goͤttlichen Blicke.
Alles erwartet die Stimme des HErrn. Die himmliſche Ceder
Rauſcht itzt nicht, der Ocean ſchwieg am hohen Geſtade.
GOttes geiſtiger Wind hielt zwiſchen den ehernen Bergen
Unbeweglich, und wartete mit verbreiteten Fluͤgeln,
Auf die Herabkunft der goͤttlichen Stimmen. Ein Don - nerwetter
Stieg, da er wartete, ſchnell, vom Allerheiligſten nieder.
Doch GOtt redte noch nicht. Die heiligen Donnerwetter
Waren Verkuͤndiger einer annahenden goͤttlichen Ant - wort.
Als dies geſchah, that GOtt vorm Angeſichte der Thronen
Offenbarend ſein Heiligthum auf, den wartenden Him - mel
Zu den hohen Gedanken des Ewigen vorzubereiten.
Und da wandte ſich Urim voll Ernſt, mit goͤttlichem Tief - ſinn,
Cherub Urim, des ewigen Geiſtes vertraulichſter Engel,
Zu dem hohen Eloa, und ſprach: Was ſiehſt du, Eloa?
Seraph Eloa ſtand auf, gieng langſam vorwaͤrts, und ſagte:
Dort an den goldenen Pfeilern, da ſind labyrinthiſche Tafeln
Voll vom Schickſal; dann Buͤcher des Lebens, die unter dem Hauche
Maͤchtiger Winde ſich oͤffnen, und Namen kuͤnftiger Chri - ſten
Neue belohnende Namen, des Himmels Unſterblichkeit auf - thun.
Wie25Wie ſich die Buͤcher des Weltgerichts hier, gleich wehen - den Fahnen
Kriegender Seraphim, furchtbar eroͤffnen! Ein toͤdtender Anblick
Fuͤr die niedrigen Seelen, die wider GOtt ſich empoͤr - ten!
O wie GOtt ſich enthuͤllt! ach, Urim, in heiliger Stille
Schimmern die Leuchter im Silbergewoͤlk! So gebieret der Morgen
Thau auf den Bergen, ſo glaͤnzen die Erben der ewigen Kindſchaft,
Tanſend bey tauſend, der wahren Gemeinen vorbildende Leuchter.
Zaͤhle ſie, Urim, die heilige Zahl. Die Welten, ſprach Urim,
Tugenden, die Thaten der Geiſter, ſelbſt GOttes Ge - dancken,
Wenn er ſich, einen groſſen Tag, uns offenbarend eroͤffnet,
Sind uns zaͤhlbar: allein die Folgen der groſſen Erloͤſung,
GOttes Erbarmungen nicht. Eloa ſprach weiter: Jch ſehe
GOttes Gerichtsſtuhl! Wie ſchrecklich biſt du, Weltrich - ter, Meſſias!
Schau das Antlitz des hohen Gerichtsſtuhls! Es toͤdtet von ferne!
Und die zur Nache geruͤſtete Glut! Ein lebendiger Sturm - wind
Waͤlzet die Raͤder in fliehenden Wolken. Ach ſchone, Meſ - ſias,
Schone, Weltrichter, mit deinem Verderben von ferne bewaffnet!
B 5Alſo26Alſo beſprachen Eloa und Urim ſich unter einander.
Siebenmal hatte der Donner das heilige Dunkel eroͤffnet,
Und die Stimme des Ewigen kam ſanftwandelnd hernie - der:
GOtt iſt die Liebe. Der war ich vorm Daſeyn meiner Geſchoͤpfe;
Da ich die Welten erſchuf, war ich auch der; itzt, bey der Vollendung
Meiner geheimſten erhabenſten That, bin ich eben derſelbe.
Schaut den Ewigen an, ihr vorerwaͤhlten Gerechten,
Heilige Kinder. Erkennet mein Herz, ihr wart mir das Liebſte
Meiner Gedanken, als ich dem kuͤnftigen Heile nachdachte.
Euch hat herzlich verlangt, ich bin euer goͤttlicher Zeuge,
Endlich die Tage des Heils, und meinen Meſſias zu ſe - hen.
Seyd mir geſegnet, ihr Kinder der Gottheit vom Geiſte ge - boren!
Weinet nicht, Kinder, hier bin ich, ein Vater, das Weſen der Weſen,
Siehe, der Erſt und der Letzte, ein ewig treuer Erbarmer.
Der ich von Ewigkeit bin, den keine Geſchoͤpfe begreifen,
Jch, die Gottheit, ich laſſe zu euch, mich vaͤterlich nieder.
Dieſer Bote des Friedens, von meinem Sohne geſen - det,
Jſt nur um eurentwillen zum hohen Altare gekommen.
Waͤret ihr nicht zu Zeugen der groſſen Erloͤſung erkohren,
O ſo haͤtten wir uns in entfernter Stille beſprochen,
Einſam, geheim, unerforſchlich. Doch ihr, mein the[u]res Geſchlechte,
Sollt27Sollt die Tage mit Wonn und unſterblichem Jauchzen vol - lenden!
Jch, und mein Himmel, wir wollen den ganzen verborge - nen Umfang
Meiner Erloͤſung durchſchaun, mit viel verklaͤrteren Bli - cken
Wollen wir dieſe Geheimniſſe ſehn, als eures Erloͤſers
Fromme, weichmuͤthige Freunde, die noch in Dunkelheit irren,
Oder als ſeine verruchten Verfolger. Die hab ich ſchon lange
Aus den heiligen Buͤchern vertilgt; und meinen Erloͤſten
Send ich mein Licht, ſie ſollen nun bald das Blut der Verſoͤhnung
Nicht mehr mit weinendem Auge betrachten. Sie werden es ſehen,
Wie ſich vor ihnen ſein Strom ins ewige Leben verlie - ret.
Alsdann ſollen ſie hier, im Schoſſe des Friedens getroͤ - ſtet,
Feſte des Lichts und der ewigen Ruh triumphirend bege - hen.
Seraphim, und ihr Seelen, erloͤſte Vaͤter des Mittlers,
Fangt ihr die Feſte der Ewigkeit an. Sie ſollen von itzo
Mit der Unendlichkeit dauern. Die heiligen Kinder der Erde
Werden ſich allgemach alle zu euch vollendet verſammeln,
Bis ſie zuſammen dereinſt, mit neuen Leibern umgeben.
Nach vollbrachtem Gericht zu meiner Seligkeit kommen.
Unterdeß geht von mir aus, des hohen Thrones Bewoh - ner,
Meldet28Meldet den Herrſchern der Schoͤpfungen GOttes, daß ſie ſich zur Feyrung
Dieſer erwaͤhlten verehrungswuͤrdigen Tage bereiten.
Und ihr Frommen des Menſchengeſchlechts, und ihr Vaͤ - ter des Mittlers, (Denn von jenem Gebein der Sterblichkeit, das ihr im Staube
Sterbend zuruͤcke gelaſſen, entſtammt der hohe Meſſias,
GOttes und Menſchenſohn,) auch euch iſt die Freude be - ſtimmet,
Die ich allein bey mir, mit meiner Gottheit Gedanken,
Ganz empfind; unſterbliche Seelen, auf, eilt zu der Sonne,
Welche den Kreis der Erloͤſung umleuchtet. Hier ſollt ihr von ferne
Eures Erloͤſers und Sohns Verſoͤhnung und Thaten be - trachten.
Laßt euch dieſen Lichtweg hinab. Aus allen Bezirken
Sieht euch meine Natur mit verneuter Schoͤnheit entge - gen.
Denn ich der HErr will ſelbſt, nach dieſer Jahrhunderte Kreislauf,
Einen Ruhetag GOttes, den zweyten erhabenen Sabbath,
Bey mir feyren. Der iſt mir viel hoͤher, als jener be - ruͤhmte,
Jener von euch, ihr Geiſtergeſchoͤpfe, ſeraphiſche Schaa - ren,
Heilig beſungene Tag, den ihr, nach Vollendung der Welten,
Einſt am Schoͤpfungsfeſte begiengt. Jhr wißt es, o Gei - ſter,
Wie29Wie ſich die neue Natur, in liebenswuͤrdiger Schoͤne,
Damals erhub, wie die Morgenſterne mit eurer Geſell - ſchaft
Vor mir, dem Schoͤpfer, ſich neigten. Allein itzt ſoll mein Meſſias,
Mein unſterblicher Sohn, viel groͤſſere Werke vollenden.
Eilt, verkuͤndigt dies meinen Geſchoͤpfen. Mein Sabbath erhebt ſich,
Jtzt mit dem freyen Gehorſam und Leiden des groſſen Meſſias.
Jch, der HErr, nenn ihn den Sabbath des Heils und des ewigen Bundes.
GOtt ſprachs. Ueberall faltete noch die tiefe Ver - wundrung
Heilige Haͤnde vor ihm. Stillſchweigend ſahe der Himmel
Zum Allerheiligſten GOttes hinauf. Dem Geſandten des Mittlers
Winkte GOtt; da ſtieg er zur oberſten Stufe des Thro - nes.
Allda empfing er, an Uriel und die Beſchuͤtzer der Erde
Wegen der Wunder beym Tode des Mittlers, geheime Befehle.
Unterdeß waren die Thronen von ihren Sitzen geſtie - gen.
Gabriel folgte. Da er dem Altare der Erde ſich nahte,
Hoͤrt er von fern aus den hohen Gewoͤlben herwallende Seufzer,
Die mit weinendem Laut das Heil der Menſchen verlang - ten,
Und30Und die der Opferprieſter am Altar dem Ewigen brachte.
Dies iſt der Altar, von dem du, des neuen Bundes Pro - phete,
An dem Geſtade der Patmus die himmliſchen Bildungen ſaheſt;
Hier wars, wo ſich in hohen Gewoͤlben der Maͤrtyrer Stimme
Klaͤglich erhub; hier weinten die Seelen mit Thraͤnen der Engel,
Daß der erhabene Richter den Tag der Rache verzoͤgre.
Als itzt zu dieſem Altare der Erde der Seraph hinabſtieg,
Eilt ihm Adam, der Opferprieſter am Altar, entgegen,
Nicht ungeſehn; ein aͤtheriſcher Leib, helleuchtend gebildet,
Huͤllte den ſeligen Geiſt in eine verklaͤrte Behauſung.
Seine Geſtalt war ſo ſchoͤn, wie du vor des Schoͤpfers Gedanken
Goͤttliches Bild, als er Adam zu ſchaffen gedankenvoll da ſtand,
Und im geſegneten Schoſſe der paradieſiſchen Fluren
Unter ihm heiliges Erdreich zum werdenden Menſchen ſich loßwand.
Alſo gebildet kam Adam zum Seraph. Ein liebliches Laͤ - cheln
Machte ſein Antlitz wie goͤttlich, er ſprach mit verlangen - der Stimme:
Sey mir gegruͤſſet, begnadigter Seraph, du Friedens - Bote.
Da die Stimme von deiner erhabnen Geſandſchaft er - ſchallte,
Hub ſich mein Geiſt jubilirend empor. Du theurer Meſ - ſias.
Koͤnnt31Koͤnnt ich dich auch in jener holdſeligen menſchlichen Schoͤnheit,
Wie der Seraph hier, ſehn! Ach in jener Geſtalt der Er - barmung,
Jn der du mein gefallnes Geſchlecht zu verſoͤhnen be - ſchloſſen!
Fuͤhre du mich zu den goͤttlichen Fußtapfen meines Er - loͤſers,
Meines Erloͤſers und Freundes, ich will ihn nur ferne be - gleiten!
Ruheſtatt jenes Gebets, wo mein Mittler nieder gefallen,
Duͤrft ich dich ſehn, und daſelbſt die zaͤrtlichen Thraͤnen hinweinen!
Ach! ich war ja vordem dein erſtgeborner Bewohner,
Muͤtterlichs Land, o Erde, nach dir ſeh ich ſehnlich her - nieder.
Deine vom Donnerworte des Fluchs zerſtoͤrten Gefilde
Waͤren mir in der Geſellſchaft des Mittlers, den eben der Koͤrper
Jenes Todes umhuͤllt, den ich dort im Staube zuruͤckließ,
Lieblicher, als dein Gefilde nach himmliſchen Auen er - ſchaffen,
O Paradies, verlorner Himmel! So ſagt er voll Jnbrunſt.
Deine Verlangen will ich, du Erſtling der Auserwaͤhl - ten,
Sprach der Seraph mit freundlicher Stimme, dem Mitt - ler erzaͤhlen.
Jſt es ſein goͤttlicher Wille, ſo wird er dich zu ſich berufen,
Du wirſt ihn ſehn, wie er iſt, die erniederte Herrlichkeit GOttes.
Jndem32Jndem hatten die goͤttlichen Engel den Himmel ver - laſſen,
Und ſich uͤberall ſchnell ins Weltgebaͤude vertheilet.
Gabriel nur kam allein zur ſeligen Erden hernieder,
Die der benachbarte Kreis voruͤbergehender Sterne
Still mit einem allgegenwaͤrtigen Morgen begruͤßte.
Ringsum erſchallten zugleich die neuen Namen der Erde.
Gabriel hoͤrte die Namen: Du Koͤnigiun unter den Erden,
Augenmerk aller Geſchoͤpfe, vertrauteſte Freundinn des Himmels,
Anderer Wohnplatz der Herrlichkeit GOttes, unſterbliche Zeuginn
Jener geheimen erhabenen Thaten des groſſen Meſſias!
Alſo ertoͤnte der Umkreis von engliſchen Stimmen bele - bet.
Gabriel hoͤrt es und kam mit verweilendem Fluge zur Er - den.
Hier ſank Schlummer und Kuͤhlung noch in die Thaͤ - ler hernieder,
Dunkle geſellige Wolken verhuͤllten noch ihre Gebirge.
Gabriel gieng in der Nacht, und ſuchte mit ſehnlichen Bli - cken
Seinen Meſſias. Er fand ihn in einem niedrigen Thale,
Das ſich zwiſchen dem Gipfel des himmliſchen Oelbergs hinabließ.
Hier war der goͤttliche Mittler, von tiefen Gedanken er - muͤdet,
Eingeſchlafen. Natur, du mußteſt zu ſeinem Haupte,
Alſo ſagtler dir ſchlummernd, leichttragende Blumen er - ſchaffen.
Gabriel33Gabriel ſahe den Mittler in ſuͤſſem luftigen Schlafe,
Stand voll Verwunderung ſtill, und ſah unverwandt nach der Schoͤnheit,
Die die vereinbarte Gottheit der menſchlichen Bildung er - theilte.
Ruhige Liebe, die Zuͤge des goͤttlichen Laͤchelns voll Gnade,
Huld und Milde, noch Thraͤnen der zaͤrtlichen treuen Er - barmung,
Zeigten den Geiſt des goͤttlichen Mittlers in ſeinem Ge - ſichte;
Doch war ſein Abdruck daſelbſt in Zuͤgen des Schlafes verdunkelt.
Alſo ſieht ein reiſender Seraph der bluͤhenden Erde
Halbunkenntliches Antlitz an Fruͤhlingsabenden liegen,
Wenn der Abendſtern ſchon am einſamen Himmel herauf - geht,
Und aus daͤmmernden Lauben den Weiſen, ihn anzuſchaun, herwinkt.
Endlich redte der Seraph nach langer Betrachtung und Stille.
O du, der du allwiſſend biſt, ſprach er mit zaͤrtlicher Stimme,
Der du mich hoͤrſt, obgleich dein ſterblicher Leib hier ru - het,
Deinen Befehlen hab ich mit getreuer Sorgfalt gehor - chet.
Als ich dies that, ſo eroͤffnete mir der Erſte der Menſchen,
Wie er dein Antlitz zu ſehn, unſterblicher Mittler, ſich ſehne.
Jtzo will ich, nach deines erhabenen Vaters Entſchlieſ - ſung,
CGleich34Gleich von hier, deine Verſoͤhnung auch mit zu verherr - lichen, eilen.
Unterdeß ſchweigt hier, o nahe Geſchoͤpfe! den fluͤchtigſten Anblick
Dieſer hineilenden Zeit, da euer Schoͤpfer noch hier iſt,
Muͤßt ihr fuͤr ſeliger, als viel lange Jahrhunderte halten,
Da ihr den Menſchen mit reger ſorgfaͤltiger Aemſigkeit dienet.
Schweig, Getoͤſe der Luft, in deinen aufruͤhriſchen Hoͤlen,
Oder erhebe dich ſanft mit ſtillem behutſamen Saͤuſeln.
Und du, nahes Gewoͤlk, o treufle du Segen und Waͤrme
Auf die kuͤhlenden Schatten aus deinen Schoͤſſen herunter.
Rauſche nicht, Ceder, ſchweig, heiliger Hain, vorm ſchlum - mernden Schoͤpfer!
Alſo verlohr ſich mit ſorgſamem Ton die Stimme des Seraphs.
Und drauf eilt er zu jener Verſammlung der heiligen Waͤchter,
Die als Vertraute der Gottheit und ihrer verborgenen Vorſicht,
Mit ihm die Erde zugleich in geheimer Stille beherrſchten.
Dieſen ſollt er noch itzt, vor ſeiner Erhebung zur Sonne,
Jenes Verlangen der ſeligen Geiſter, die nahe Verſoͤh - nung,
Und den zweyten erhabenen Ruhetag GOttes eroͤffnen.
Der du nach Gabriel itzt den Kreis der Erloͤſung be - herrſcheſt,
Goͤttlicher Schutzgeiſt der Mutter ſo vieler unſterblichen Kinder,
Die35Die ſie, wie ihre Begleiter, die ſchnellen Jahrhunderte, fluͤchtig
Und unerſchoͤpflich am Reichthum, den hoͤhern Gegenden ſendet,
Und dann des ewigen Geiſtes zerfallne vermorſchte Behau - ſung
Unter verlaſſenen Huͤgeln in traurige Dunkelheit ein - ſchließt;
O du dieſer verherrlichten Erden erwaͤhlter Beſchuͤtzer,
Seraph Eloa, verzeih dies deinem zukuͤnftigen Freunde,
Wenn er deinen ſeit Edens Erſchaffung verborgenen Wohn - platz,
Von der heiligen Muſe gelehrt, den Sterblichen zeiget.
Hat er ſich iemals, voll einſamer Wolluſt, in tiefe Gedan - ken
Und in den hellen Bezirk der ſtillen Entzuͤckung verloh - ren;
Hat mit Gedanken der Geiſter ſich ſein Gedanke verei - net,
Und die enthuͤllete Seele die Rede der Goͤtter vernom - men;
O ſo hoͤr ihn, Eloa, wenn er, wie die himmliſche Ju - gend,
Kuͤhn und erhaben, nicht modernde Truͤmmern der Vor - welt beſinget,
Sondern den Buͤrgern der goͤttlichen Erde dein Heilig - thum aufthut.
Jn dem ſtillen Bezirk des unbetrachteten Nordpols
Herrſchet die Mitternacht ewig einſiedleriſch. Dunkel und Wolken
C 2Flieſſen36Flieſſen von ihr, wie ein ſinkendes Meer, unaufhoͤrlich herunter.
So lag unter der Finſterniß GOttes von Moſen geru fen,
Ehmals der Nil, in vierzehn Geſtade zuſammen gedraͤn - get,
Und ihr, der Koͤnige Grab, unſterbliche Pyramiden.
Niemals hat noch ein Auge, von kleinern Himmeln um - grenzet,
Dieſe verlaßnen Gefilde geſehen, wo naͤchtliches Erdreich
Unbewohnt ruht, wo kein Laut von Menſchenſtimmen ertoͤnet,
Wo kein Todter begraben liegt, wo kein Auferſtehn ſeyn wird.
Aber zu tiefen Gedanken, und zur Betrachtung gewid - met,
Machen ſie Seraphim herrlich, wenn ſie auf ihren Ge - birgen,
Orionen gleich, gehn, und in prophetiſcher Stille
Thraͤnenvoll, der Menſchen zukuͤnftige Seligkeit an - ſchaun.
Mitten in dieſen Gefilden erhebt ſich die engliſche Pforte,
Durch die der Erde Beſchuͤtzer zu ihrem Heiligthum ein - gehn.
Wie zur Zeit des belebenden Winters ein heiliger Feſttag
Ueber beſchneyten Gebirgen nach truͤben Tagen hervor - geht;
Wolken und Nacht entfliehen vor ihm, die beeiſten Ge - filde
Hohe37Hohe durchſichtige Waͤlder entnebeln ihr Antlitz, und glaͤnzen:
Alſo gieng Gabriel itzt auf den mitternaͤchtlichen Ber - gen,
Und ſchon ſtand ſein unſterblicher Fuß an der heiligen Pforte
Die ſich vor ihm, wie Fluͤgel der rauſchenden Cherubim, aufthat.
Schon war ſie hinter ihm wieder geſchloſſen. Nun gieng der Seraph
Jn den Tiefen der Erde. Da waͤlzten ſich Oceane
Um ihn mit langſamer Flut zum menſchenloſen Geſtade.
Alle Soͤhne der Oceane, gewaltige Fluͤſſe,
Floſſen, wie Ungewitter ſich aus den Wuͤſten heraufziehn,
Fern und rauhtoͤnend ihm nach. Er gieng, und ſein hei - liger Wohnplatz
Zeigte ſich ſchon in der Naͤhe. Die Pforte von Wolken erbauet
Wich ihm itzt aus, wie auf blumichten Huͤgeln dem Mor - gen die Nacht weicht.
Unter dem Fuß des Unſterblichen floß die fluͤchtige Daͤmm - rung
Wallend hinweg. Weit hinter ihm, an den dunkeln Ge - ſtaden,
Blieben wehende Flammen in ſeinem Fußtritt zuruͤcke.
Nunmehr hatte der Seraph den heiligen Wohnplatz be - treten.
Da, wo ſich fern von uns die Erde zum Mittelpunct kehret,
Woͤlbt ſich in ihr ein weiter Bezirk voll himmliſcher Luͤfte.
C 3Mitten38Mitten darinnen erhebt ſich mit fluͤßigem Schimmer be - kroͤnet
Eine ſanftleuchtende Sonne. Von ihr fließt Leben und Waͤrme
Jn die Adern der Erden empor. Die oberſte Sonne
Bildet mit dieſer vertrauten Gehuͤlfinn den blumichten Fruͤhling,
Und den feurigen Sommer, von ſinkenden Halmen bela - ſtet,
Und dich, o Herbſt, auf Traubengebirgen. Jn ihren Be - zirken
Jſt ſie niemals nicht auf und niemals nicht untergegangen.
Um ſie laͤchelt ein ewiger Morgen in thauenden Wol - ken.
Unterweilen thut der, der die Himmel zuſammen erfuͤllet,
Seine Gedanken den Engeln daſelbſt durch Zeichen in Wolken
Wunderbar kund; da erſcheinen alsdann die Folgen des Schickſals.
Alſo entdeckt ſich GOtt, wenn nach wohlthaͤtigen Wet - tern
Ueber beſaͤnftigten Wolken der Regenbogen hervorgeht,
Und dir, Erde, den Bund und die Fruchtbarkeit GOt - tes verkuͤndigt.
Gabriel ließ itzo auf dieſer Sonne ſich nieder.
Um ihn verſammelten ſich der Koͤnigreiche Beſchuͤtzer,
Engel des Kriegs und des Todes, die im Labyrinthe des Schickſals
Bis zur goͤttlichen Hand den fuͤhrenden Faden beglei - ten;
Die39Die im Verborgenen uͤber die Werke der Koͤnige herr - ſchen,
Wenn ſie damit triumphirend, als ihrer Schoͤpfung, ſich bruͤſten.
Dann die Huͤter der tugendhaften und wenigen Edlen,
Die den denckenden Weiſen in ſeiner Entfernung beglei - ten,
Wenn er das Menſchengewebe der irdiſchen Seligkeit fliehet,
Und die Buͤcher der ewigen Zukunft im Stillen eroͤffnet.
Auch ſind ſie oft insgeheim bey einer Verſammlung zu - gegen
Wo der feurige Chriſt die Herabkunft GOttes empfindet,
Wenn ein bruͤderlich Volk, durch das Blut des Bundes ge - heiligt,
Seinem unſterblichen Lamme zu Sion ein Loblied erhe - bet.
Wenn die Seelen entſchlafner Chriſten ihr todtes Antlitz
Und den Schweis, und die traurigen Zuͤge des ſiegen - den Todes,
Und die bezwungne Natur auf ihrem Leichnam erbli - cken:
So empfangen ſie dieſe Gefaͤhrten mit troͤſtendem Anblick:
Lieber, wir wollen dereinſt die Truͤmmern alle ver - ſammeln;
Eben dieſe Behauſung der Sterblichkeit, dieſes Gebeine,
Durch die Hand des gewaltigen Todes ſo traurig ent - ſtellet,
Soll mit dem Morgen des Richters zur neuen Schoͤ - pfung erwachen.
C 4Kommt40Kommt nur, des Himmels zukuͤnftige Buͤrger, ein helle - res Anſchaun,
Selbſt die Umarmung des goͤttlichen Mittlers erwartet euch liebreich.
Auch die Seelen, die dem kaum gebornen Koͤrper ent - flohen,
Sammelten ſich um den Seraph herum. Sie flohen mit Weinen,
Mit dem zaͤrtlichen Weinen der Kindheit. Jhr ſchuͤch - ternes Auge
Hatte die Oberflaͤche der Erde kaum ſtaunend erblicket;
Darum durften ſie ſich auf den groͤſſern Schauplatz der Welten
Noch ungebildet ſo bald hervorzutreten nicht wagen.
Jhre Beſchuͤtzer begleiten ſie zu ſich, und lehren ſie rei - zend,
Unter dem Klange belebender Harfen, in lieblichen Lie - dern:
Wie und woher ſie entſtanden; wie groß die menſchliche Seele
Von dem vollkommenſten Geiſte gemacht ſey; wie ju - gendlich heiter
Sonnen und Monde nach ihrer Geburt zum Schoͤpfer gekommen.
Euch erwarten vollendete Vaͤter; ein herrliches An - ſchaun
Eures Erbarmers erwartet euch dort am ewigen Throne.
Alſo lehren ſie dieſe der Weisheit wuͤrdige Schuͤler,
Jener erhabenen Weisheit, nach deren fluͤchtigen Schat - ten
Durch41Durch ihr Glaͤnzen geblendet, die irren Sterblichen eilen.
Jtzo hatten ſie haͤufig die ſchimmernden Lauben ver - laſſen,
Und ſich zu ihren Vertrauten, den Engeln der Erde, ver - ſammelt.
Gabriel that itzo der ganzen Geiſterverſammlung
Alles das kund, was GOtt ihm befahl vom Meßias zu ſagen.
Dieſe blieb wie entzuͤckt um den hohen goͤttlichen Lehrer,
Und ließ ihre Gedancken in tiefe Betrachtungen nieder.
liebenswuͤrdiges Paar, zwo befreundete See - len,
Benjamin und Dudaim, umarmten einander, und ſpra - chen:
Jſt das nicht, o Dudaim, der holde vertrauliche Leh - rer?
Jſts nicht JEſus, von welchem der Seraph dies alles erzaͤhlte?
Ach, ich weiß es noch wohl, wie er uns inbruͤnſtig um - armte,
Wie er uns an die klopfende Bruſt mit Zaͤrtlichkeit druͤckte.
Eine getreue leutſelige Zaͤhre, die ſeh ich noch immer,
Netzte ſein Antlitz, ich kuͤßte ſie auf, die ſeh ich noch immer.
Und drauf ſagt er, o Benjamin, unſern umſtehenden Muͤttern:
Werdet, wie Kinder, ſonſt koͤnnt ihr das Reich des Vaters nicht erben.
C 5Ja,42Ja, ſo ſagt er, Dudaim, und der iſt unſer Erloͤſer;
Durch den ſind wir ſo ſelig, umarme mich, lieber Du - daim!
Alſo beſprachen ſie ſich mit Zaͤrtlichkeit unter einan - der.
Gabriel aber bereitete ſich zur neuen Geſandſchaft,
Nahm ſein helles Gewand, mit dem er beym Engel der Sonnen
Allzeit erſchien. Ein feſtliches niederwallendes Glaͤnzen
Floß, da er gieng, den Fuß des Unſterblichen praͤchtig her - unter.
Alſo ſehen des Mondes Bewohner den Tag der Erde,
Jhren Naͤchten zu leuchten, in ſtillen thauenden Wolken
Auf die Gipfel von ihren Olympen herunterwallen.
Alſo geſchmuͤckt ſtand Gabriel auf, und unter dem Nach - ruf
Jauchzender Engel und Seelen betrat er den freyeren Luftkreis.
Rauſchend, wie Pfeile vom ſilbernen Bogen, zum Sie - ge befluͤgelt,
Schoß er neben Geſtirnen vorbey, und eilte zur Sonne.
Jtzo ſank er auf Uriels Burg ſchon ſchwebend hernie - der.
Hier fand er auf der Zinne der Burg die Seelen der Vaͤ - ter,
Die unverwandt den feurigen Blick zu den Strahlen ge - ſellten,
Welche den Tag in die canaanitiſchen Gegenden ſen - den.
Unter43Unter den Vaͤtern war einer von hohem denkenden An - ſehn,
Adam, der Sohn der erwachenden Erd und der Bildun - gen GOttes.
Gabriel, er, und der Herrſcher der Sonnen erwarteten ſehnlich,
Unter Geſpraͤchen vom Heile der Menſchen, den Anblick des Oelbergs.
Zweyter Geſang. Jtzo ſtieg uͤber die Cedernwaͤlder der Morgen her - unter.
JEſus erhub ſich, ihn ſahn in der Sonne die See - len der Vaͤter.
Als ſie ihn ſahn, da ſangen zwo Seelen ſo gegeneinan - der,
Adams Seele, mit ihr die Seele der goͤttlichen Eva:
Schoͤnſter der Tage, du ſollſt vor allen kuͤnftigen Tagen
Feſtlich und heilig uns ſeyn, dich ſoll vor deinen Gefaͤhr - ten,
Kehrſt du wieder zuruͤck, die Seele des Menſchen der Se - raph
Und der Cherub, beym Aufgang und Untergange, begruͤſſen.
Steigſt du zur Erden herab; verbreiten dich Orione
Durch die Himmel; und gehſt du beym Throne der Herr - lichkeit GOttes
Heilig hervor, ſo wollen wir dir in feyrendem Aufzug
Jauch -44Jauchzend mit Hallelujageſaͤngen entgegen ſegnen!
Dir, unſterblicher Tag, der du unſern getroͤſteten Augen
GOtt, den Meßias, auf Erden in ſeiner Erniedrung entdeckeſt!
Wie er ſo ſchoͤn iſt! O, unſer Meßias in menſchlicher Bildung!
Wie ſich in ſeinem erhabenen Anſehn die Gottheit ent - huͤllet!
Selig biſt du und heilig, die du den Meßias gebareſt,
Seliger als Eva, die Mutter der Menſchen. Unzaͤhlbar
Sind zwar die Soͤhne von ihr, doch zugleich unzaͤhlbare Suͤnder.
Aber du haſt einen, nur einen goͤttlichen Menſchen
Einen gerechten, ach einen unſchuldigen theuren Meßias
Einen Sohn GOttes, unſterbliche Tochter der Erde, ge - boren!
Zaͤrtlich mit irrendem Blick ſeh ich zur Erden hernieder,
Dich, Paradieß, dich ſeh ich nicht mehr. Du biſt in den Waſſern
Weggeſchwemmt, in Waſſern der allgegenwaͤrtigen Suͤnd - flut.
Deiner erhabnen umſchattenden Cedern, die GOttes Hand pflanzte,
Deiner friedſamen Lauben, der jungen Tugend Behauſung,
Hat kein Sturmwind, kein Donner, kein Todesengel ge - ſchonet!
Bethlehem, wo ihn Maria gebar, und ihn bruͤnſtig um - armte,
Sey du mir mein Eden; du Brunnen Davids, die Quelle,
Wo ich goͤttlich erſchaffen zuerſt mich ſahe, du Huͤtte,
Wo45Wo er weinte, ſey du mir die Laube der erſten Unſchuld!
Ach haͤtt ich dich in Eden geboren, du Goͤttlicher! haͤtt ich
Gleich nach vollbrachter entſetzlichen That dich, Sohn, geboren!
Siehe, ſo waͤr ich mit dir zu meinem Richter gegangen;
Da, wo er ſtand, wo unter ihm Eden zum Grabe ſich aufthat,
Wo der Erkentniſſe Baum mir fuͤrchterlich rauſchte, wo Stimmen
Seiner Donner den Fluch uns und der Erde zuriefen,
Wo ich im bangen Erdbeben dahin ſank, und ſterben wollte,
Da waͤr ich zu ihm gegangen; dich, Sohn, haͤtt ich wei - nend umarmet
Und an mein Herze gedruͤckt, und geſagt: Ach zuͤrne nicht, Vater!
Zuͤrne nicht mehr, ich habe den Mann Jehova geboren!
Heilig biſt du, und anbetenswuͤrdig und ewig, o Er - ſter!
Der du dir deinen goͤttlichen Sohn von Ewigkeit zeug - teſt,
Und ihn, nach deinem Bilde gezeugt, zum Erloͤſer der Menſchen,
Meines von mir beweinten Geſchlechts, erbarmend er - waͤhlteſt.
GOtt hat meine Thraͤnen geſehen; ihr habt ſie geſehen,
Seraphim, und ſie gezaͤhlt; auch ihr, ihr Seelen der Tod - ten,
Seelen meines entſchlafnen Geſchlechts, habt ſie alle ge - zaͤhlet.
Waͤreſt du nicht, o Meſſias, geweſen, die ewige Ruhe
Haͤtte46Haͤtte mir ſelbſt traurig, und ungenießbar geſchienen.
Aber in deinem goͤttlichen Umgang, von deiner Erbar - mung,
Stifter des ewigen Bundes, ſanft uͤberſchattet, da lernt ich
Selbſt in zaͤrtlicher Wehmuth mehr Seligkeiten empfin - den.
Und nun traͤgſt du ſein Bild, das Bild des ſterblichen Menſchen!
GOttmenſch Erloͤſer, dich beten wir an! Vollende dein Opfer,
Das du fuͤr uns, unſterblicher GOtt, zu vollenden her - abſtiegſt.
Mache die Erde bald neu, die du zu verneuen beſchloſſeſt,
Dein und unſer Geburtsland. Komm bald gen Himmel zuruͤcke!
Komm, ſey gegruͤſſet in deinen Erbarmungen, GOttmenſch Erloͤſer;
Alſo ertoͤnte mit maͤchtigem Klang die Stimme der Seelen
Durch die Gewoͤlbe der engliſchen Burg. Der Meſſias vernahm ſie
Fern in der Tiefe. Wie mitten in dichtriſchen Einſied - leyen,
Jn zukuͤnftige Folgen vertieft, prophetiſche Weiſen
Dich von fern, ſanftwandelnde Stimme des Ewigen, hoͤ - ren.
JEſus gieng den Oelberg hinab. An der Mitte des Oel - bergs
Stand47Stand ein Palmbaum auf niedrigen Huͤgeln vor allen er - haben,
Von leichtſchimmernden Wolken des Morgennebels um - floſſen.
Unter dem Palmbaum vernahm der Meſſias den Schutz - geiſt Johannes,
Raphael iſt ſein Name, der ihn hier betend verehrte.
Liebliche Winde zerfloſſen vom Oelbaum, und trugen die Stimme,
Die ſonſt kein Geſchoͤpfe nicht hoͤrten, zum Mittler her - nieder.
Raphael komm, rief ihn der Meſſias mit freundlichem Anblick,
Wandle mir hier ungeſehen zur Seite. Wie haſt du die Nacht durch
Unſers lieben Johannes unſchuldige Seele bewachet?
Was fuͤr Gedanken, die deinen Gedanken, o Raphael, glichen,
Hatte ſie? Wo iſt er itzt? Jch bewacht ihn, ſagte der Se - raph,
Wie man die Erſtlinge deiner Erwaͤhlten, o Mittler, be - wachet.
Seinen eroͤffneten Geiſt umſchatteten heilige Traͤume,
Traͤume von dir. O haͤtteſt du ihn da ſchlummern geſehen,
Als er dich, Goͤttlicher, ſah! Ein heiliges Fruͤhlingslaͤ - cheln
Fuͤllte ſein Antlitz. Dein Seraph hat auch in Edens Ge - filden
Adam geſehn, da er ſchlief, und das Bild der werdenden Eva
Und48Und des bauenden Schoͤpfers vor ſeine Gedanken herab - kam.
Aber ſo ſchoͤn war er nicht, wie dein goͤttlicher Juͤnger Jo - hannes.
Doch itzt iſt er dort unten in traurigen naͤchtlichen Graͤ - bern,
Und klagt einen beſeſſenen Mann, der im Staube der Todten
Fuͤrchterlich bleich, wie ein bebend Gerippe, hinausge - ſtreckt lieget.
JEſus, du ſolteſt ihn ſehn, du ſolteſt den zaͤrtlichen Juͤnger
Neben ihm voller mitleidigen Kummers und Wehmuth erblicken,
Wie ihm vor Menſchenliebe ſein Herz erbarmend zerflieſ - ſet,
Wie er erbebt. Mir ſelbſt drang eine wehmuͤthige Thraͤne
Zitternd ins Auge. Da wandt ich mich weg. Das Leiden der Geiſter,
Die du zur Ewigkeit ſchufſt, iſt mir ſtets durch die Seele gedrungen.
Raphael ſchwieg. Das Auge des Mittlers ſah zuͤrnend gen Himmel.
Groſſer Vater, erhoͤre mich itzt. Der Menſchenfeind werde
Deinen Gerichten ein ewiges Opfer, das jauchzend der Himmel,
Das voll Beſtuͤrzung und Schand und Schmach die Hoͤlle betrachte!
Alſo ſagt er, und naͤherte ſich den Graͤbern der Todten.
Unten am mitternaͤchtlichen Oelberge waren die Graͤber
Jn49Jn zuſammengebirgte zerruͤttete Felſen gehauen.
Dick und finſter verwachſene Waͤlder verwahrten den Ein - gang
Vor dem Blicke des fliehenden Wandrers. Ein trauriger Morgen
Stieg, wenn uͤber Jeruſalem ſchon der Mittag ſich ſenkte,
Zu den Graͤbern noch daͤmmernd mit kuͤhlem Schauer hin - unter.
Samma, ſo hieß der beſeſſene Mann, lag neben dem Grabe
Seines juͤngſten geliebteſten Sohns in klaͤglicher Ohn - macht,
Satan ließ ihm die Ruh, ihn deſto ergrimmter zu quaͤlen.
Hier lag er bey den Gebeinen des Knabens in Moder und Aſche,
Neben ihm ſtand ſein anderer Sohn, und weinte zu GOtt auf.
Jenen verſtorbenen, welchen der Vater und Bruder be - weinten,
Hatte vordem die zu zaͤrtliche Mutter, durch Flehen erwei - chet,
Mit in die Graͤber zum Vater hinab gebracht, welchen der Satan
Ungeſtuͤm und voll grimmiger Wut bey den Todten her - umtrieb,
Ach mein Vater! ſo rief der kleine geliebte Benoni,
Und entfloh den Armen der Mutter, die aͤngſtlich ihm nach - lief;
Ach mein Vater, umarme mich doch! und hielt ſeine Haͤnde,
Druͤckte ſie an ſein Herz. Der Vater umfaßt ihn, und bebte
DDa50Da nun der Knabe mit kindlicher Jnbrunſt ihn zaͤrtlich umhalſte,
Da er mit ſtillem liebkoſenden Laͤcheln ihn jugendlich an - ſah,
Warf ihn der Vater an einen entgegenſtehenden Felſen,
Daß ſein zartes Gehirn an blutigen Steinen herabrann,
Und die unſchuldige Seele, mit leiſem Roͤcheln, entflohe.
Nunmehr klagt er ihn troſtlos, und faßt das kalte Behaͤlt - niß
Seiner Gebeine mit ſterbendem Arm. Mein Sohn, ach Benoni!
Ach Benoni, mein Sohn! ſo ſagt er, und jammernde Thraͤnen
Stuͤrzen vom Auge, das bricht und langſam ſtarrend erſtirbet.
Alſo lag er und aͤngſtete ſich, da der Mittler hinabkam.
Joel, der andere Sohn, verwandte ſein thraͤnendes Ant - litz.
Von dem Vater, und ſah den Meſſias im Grabmal daher - gehn.
Ach! mein Vater, erhub er voll froher Verwundrung| die Stimme,
JEſus der groſſe Prophet, koͤmmt in die Graͤber hernie - der.
Satan hoͤrt es, und ſahe beſtuͤrzt durch die Oeffnung des Grabmals.
Alſo ſehn Gottesleugner, der Poͤbel, aus duͤſtern Ge - woͤlben,
Wenn das hohe Gewitter am donnernden Himmel herauf - zieht,
Und der Rache gefuͤrchtete Wagen in Wolken ſich waͤlzen.
Satan51Satan hatte bisher nur Samma von ferne gepeinigt,
Aus den tiefſten entlegenſten Enden des naͤchtlichen Grab - mals
Sandt er langſame Plagen hervor. Jtzt erhub er ſich wieder
Ruͤſtete ſich mit Todesſchrecken, und ſtuͤrzt auf Samma.
Samma ſprang auf, dann fiel er von neuem ohnmaͤchtig dar - nieder.
Seine dem Tode noch kaum entgegenringende Seele
Trieb ihn, von dem moͤrdriſchen Feind zur Verzweiflung empoͤret,
Felſen an. Hier wolt ihn vor deinen goͤttlichen Au - gen
Groſſer Meſſias, der Satan am ſchroffen Felſen zer - ſchmettern.
Doch du wareſt ſchon da, und deine voreilende Gnade
Trug dein verlaſſnes Geſchoͤpf auf treuen allmaͤchtigen Fluͤ - geln,
Daß er nicht ſank. Da ergrimmte der Geiſt des Men - ſchenverderbers
Und erbebte. Die kommende Gottheit erſchreckt ihn von ferne.
Jndem richtete JEſus ſein helfendes Antlitz auf Sam - ma.
Eine belebende goͤttliche Kraft, mit dem Blicke verein - bart,
Gieng von ihm aus. Da erkannte der arme verlaſſene Samma
Seinen Erloͤſer. Jns bleiche ſchon halbverweſte Geſichte
Kam die Menſchheit zuruͤck, er ſchrie, und weinte gen Himmel.
D 2Jtzt52Jtzt wollt er reden, allein kaum kont er von Freuden erſchuͤttert
Bebend ſtammeln. Doch breitet er ſich mit ſehnlichen Armen
Nach dem Ewigen aus, und ſah mit getroͤſteten Augen,
Voll von Entzuͤckung, nach ihm von ſeinem Felſen herun - ter.
Wie die Seele truͤbſinniger Weiſen, die, in ſich gekehret,
An der Unſterblichkeit ihrer zukuͤnftigen Dauer verzwei - felt,
Jnnerlich bebt; der Ewigen ſchauert vor ihrer Zernich - tung;
Aber itzt nahet ſich ihr der weiſern Freundinnen eine,
Jhrer Unſterblichkeit ſicher, und ſtolz auf GOttes Ver - heiſſung,
Koͤmmt ſie zu ihr mit troͤſtendem Blick. Die truͤbe Ver - laßne
Heitert ſich auf, und windet mit Macht von jammerndem Kummer
Ungeſtuͤm freudig ſich los; nun jauchzt die ewige ſegnend,
Wie im Triumph, uͤber ihrer verneuten unſterblichen Groͤſſe.
Alſo empfand der beſeſſene Mann die Beruhigung GOt - tes.
Und drauf ſprach der Meſſias mit maͤchtiger Stimme zu Satan:
Geiſt des Verderbens, wer biſt du, der du vor meinem Geſichte
Dies zur Erloͤſung erwaͤhlte Geſchlecht, die Menſchen, ſo quaͤleſt?
Jch bin Satan, antwortet ein zorniges tiefes Gebruͤlle,
Koͤnig53Koͤnig der Welt, die oberſte Gottheit unſclaviſcher Gei - ſter,
Die mein Anſehn zu etwas erhabnerm, als zu den Ge - ſchaͤften
Himmliſcher Saͤnger beſtimmt hat. Dein Ruf, o ſterb - licher Seher, (Denn Maria wird wohl Unſterbliche niemals gebaͤren!)
Dieſer dein Ruf drang, wer du auch biſt, zur unterſten Hoͤlle.
Selbſt ich verließ ſie, ſey ſtolz auf deines Koͤnigs Bemuͤ - hung!
Dich von himmliſchen Sclaven verkuͤndigten Heiland, zu ſehen.
Doch du wurdeſt ein Menſch, ein goͤttertraͤumender Se - her,
Wie die, welche mein maͤchtiger Tod in die Erde begra - ben.
Darum gab ich nicht Acht, was die ueuen Unſterblichen thaten.
Doch nicht muͤßig zu ſeyn, ſo plagt ich, das haſt du geſe - hen!
Deine Geliebten, die Menſchen. Da ſieh des Todes Ge - ſtalten,
Meine Geſchoͤpf, auf dieſem Geſicht! Jtzt eil ich zur Hoͤlle.
Unter mir ſoll mein allmaͤchtiger Fuß das Meer und die Erde,
Mir anſtaͤndige Wege zu bahnen, gewaltſam verwuͤſten.
Dann ſoll die Hoͤll im Triumph mein koͤniglich Angeſicht ſchauen.
Willſt du was thun, ſo thu es alsdann. Jch kehre zu - ruͤcke,
D 3Hier54Hier auf der Welt mein erobertes Reich, als Koͤnig, zu ſchuͤtzen.
Unterdeß ſtirb noch, Verlaſſner, vor mir! So ſagt er, und ſtuͤrtzte
Stuͤrmend auf Samma. Allein des ruhigſchweigenden Mittlers
Stille verborgne Gewalt kam, gleich der Allmacht des Vaters,
Wenn er Welten geheim und ſtill den Untergang zuwinckt,
Satan im Zorne zuvor; er floh, und vergaß im Entflie - hen,
Unter allmaͤchtigem Fuſſe das Meer und die Erde zu ſchlagen.
Unterdeß ſtieg Samma von ſeinem Felſen hernieder.
Alſo entfloh vom hohen Euphrates Nebucadnezar,
Da ihm der Rathſchluß der heiligen Waͤchter die menſch - liche Bildung
Wiederum gab, und ihn zum Anſchaun des Himmels er - hoͤhte.
GOttes Schreckniſſe gingen nicht mehr, mit dem Rau - ſchen Euphrates,
Vor ihm in dunklen ſinaiſchen Donnerwettern voruͤber.
Nebucadnezar kam auf die ſtolzen Hoͤhen zu Babel,
Nicht mehr als GOtt; er lag, von da gen Himmel ver - breitet,
Dankbar im Staube gebeugt, den Ewigern anzubeten.
Alſo kam Samma zu JEſu herab, und fiel vor ihm nieder!
Darf ich dir folgen, du heiliger Mann? ach laß mich mein Leben
Das du mir wieder geſchenkt, bey dir, Mann GOttes, vollenden!
Alſo55Alſo ſagt er, und ſchlung ſich mit |bruͤnſtigen zitternden Armen
Um den Erloͤſer, der ihm, mit menſchenfreundlichen Blicken,
Dieſes erwiederte: Folge mir nicht, doch verweile dich kuͤnftig
Mehr als ſonſt um Golgathas Huͤgel, da wirſt du |die Hoffnung
Abrahams und der Propheten mit deinen Augen erbli - cken.
Jndem JEſus zu Samma ſo ſprach, da wandte ſich Joel
Zu Johannes, und ſagte zu ihm, |mit |ſchuͤchterner Un - ſchuld:
Ach du lieber Mann, fuͤhre du mich zum groſſen Propheten,
Daß er mich hoͤre, du kenneſt ihn ja. Der zaͤrtliche Juͤnger
Nahm ihn, und fuͤhrt ihn zu JEſu, da ſagt er in ſeiner Unſchuld:
GOttes Prophet, ſo kann denn mein Vater und ich dir nicht folgen?
Aber, o darf ichs wohl ſagen, warum verweileſt du itzo
Hier, wo mein jugendlich Blut vor den Graͤbern der Todten erſtarret?
Komm doch, du goͤttlicher Mann, in meines Vaters Be - hauſung.
Dich ſoll hier meine verlaſſene Mutter mit Demuth be - dienen.
Milch und Honig, die lieblichſten Fruͤchte von unſeren Baͤumen,
D 4Sollſt56Sollſt du genieſſen; die Wolle der juͤngſten Laͤmmer in Auen
Soll dich bedecken. Jch ſelber will dich, o GOttes Pro - phete,
Koͤmmt die Sommerszeit, unter die Schatten der Baͤu - me begleiten,
Die mir mein Vater im Garten geſchenkt. Mein lieber Benoni!
Ach Benoni, mein Bruder! dich laß ich im Grabe zu - ruͤcke.
Ach nun wirſt du mit mir die Blumen kuͤnftig nicht traͤncken!
Niemals wirſt du am kuͤhlenden Abend mich bruͤderlich wecken!
Ach Benoni! ach GOttes Prophet, da liegt er im Staube!
JEſus ſah ihn erbarmungsvoll an, und ſprach zu Jo - hannes:
Wiſche dem Juͤngling die Zaͤhren vom Antlitz; ich hab ihn viel edler
Und rechtſchaffner, als viele von ſeinen Vaͤtern, erfunden.
Alſo ſagt er, und blieb mit Johannes allein in den Graͤbern.
Nah beym ſtillen Gebein des entſchlafnen kleinen Benoni
Stand der Koͤnig zu Salem, Melchiſedeck, marmorn ge - bildet,
GOttes Prieſter, Prophet und Koͤnig. Er ſtand und ſchaute
Sterbend in ſein Grabmahl, nicht mit jenem traurigen Antlitz
Welches57Welches ſterbende Suͤnder entſtellt; nein, mit einem Ge - ſichte,
Das ſich mit maͤnnlichen Laͤcheln die Auferſtehung der Todten,
GOttes Tag, und das Erwachen zum Bilde des Ewi - gen weiſſagt.
Um ihn ſchlug kein weinender Greis ſein Vaterhertz; um ihn
Jammerte keine verlaſſene Mutter; er ſtand ganz einſam
Vor der Gottheit, und horchte, gehorſam ins Grab ſich zu legen.
Allda blieb mit ſeinem Johannes der goͤttliche Mittler.
Unterdeß gieng Satan, mit Dampf und Wolcken um - huͤllet,
Durchs Thal Joſaphat, uͤber das todte Meer finſter hin - uͤber.
Von da kam er zum wolkichten Carmel, vom Carmel gen Himmel.
Hier durchirrt er mit grimmigem Blicke den goͤttlichen Weltbau,
Daß er noch durch ſo viele Jahrhunderte, ſeit der Er - ſchaffung,
Jn der erſten von GOtt ihm gegebnen Herrlichkeit glaͤnzte.
Gleichwohl ahmt er ihm nach, und aͤnderte ſeine Geſtalten
Durch aͤtheriſches Glaͤnzen, damit nicht die Morgen - ſterne
Ueberall, wo er den irrenden Fuß ins Weltgebaͤu ſetzte,
Ueber ſein finſtres Anſehn in ſtillem Triumphe ſich freu - ten.
D 5Doch58Doch dies helle Gewand war ihm ſchon unertraglich; er eilte,
Aus den Bezirken der goͤttlichen Herrſchaft zur Hoͤlle zu kommen.
Jtzo hatt er ſich ſchon bey den aͤuſſerſten Weltgebaͤuden
Stuͤrmiſch herunter geſenkt. Unermeßliche daͤmmernde Raͤume
Thaten vor ihm wie unendlich ſich auf. Die nennt er den Anfang
Seiner von ihm durchherrſchten Bezirke. Hier ſah er von ferne
Fluͤchtigen Schimmer, ſo weit die aͤuſſerſten Sterne der Schoͤpfung
Noch das unendliche Leere mit matten Strahlen durchirr - ten.
Doch hier ſah er die Hoͤlle noch nicht; die hatte die Gott - heit
Fern von ſich und ihren Geſchoͤpfen, den ſeligen Gei - ſtern,
Weiter hinunter in ewige Dunckelheit eingeſchloſſen.
Denn in unſerer Welt, dem Schauplatz ihrer Erbarmung,
War kein Raum fuͤr Oerter der Quaal. Der Ewige ſchuf ſie
Furchtbar, zum Verderben, zu ſeinem ſtrafenden Endzweck,
Praͤchtig und vollkommen. Jn drey erſchrecklichen Naͤch - ten
Schuf er ſie, und verwandte von ihr ſein Antlitz auf ewig,
Jenes, mit welchem er huldreich nach ſeinen Geſchoͤpfen herabſieht.
Zween von den heldenmuͤthigſten Engeln bewachten die Hoͤlle.
Dies59Dies war GOtes Befehl, da er ſie mit allmaͤchtiger Ruͤſtung
Segnend umgab. Sie ſollten den Ort der dunklen Ver - damniß
Ewig in ſeinen Bezircken erhalten, damit nicht der Satan
Kuͤhn mit ſeiner verfinſterten Laſt die Schoͤpfung be - ſtuͤrmte.
Und das Antlitz der ſchoͤnen Natur durch Verwuͤſtung entſtellte.
Wo ſie beym Eingang der Hoͤlle mit herrſchendem Ange - ſicht ſitzen,
Von da ſenkt ſich ein ſtrahlender Weg, wie von Zwillings - quellen
Ein kryſtallener Strom, in geradefortlaufender Laͤnge
Gegen den Himmel gekehrt, nach GOttes Welten hin - uͤber,
Daß es ihnen in ihrer Entfernung an frommen Vergnuͤ - gen,
Ueber die mannichfaltige Schoͤnheit der Schoͤpfung, nicht ſehle.
Neben dieſem helleuchtenden Wege kam Satan zur Hoͤlle,
Und ging unſichtbar durch die eroͤffneten Hoͤllenpfor - ten.
Drauf hub er ſich in einem vom Schwefel dampfenden Nebel
Langſam auf ſeinen gefuͤrchteten Thron. Jhn ſahe kein Auge
Unter den Augen, die Nacht und Verzweiflung truͤbe verſtellten.
Zophiel nur, ein Herold der Hoͤllen, entdeckte den Ne - bel,
Der60Der die erhabenen Stufen hinaufzog, und ſagte zu ei - nem,
Der gleich neben ihm ſtand: Kehrt Satans oberſte Gottheit
Etwa zur Hoͤlle zuruͤck? Verkuͤndigt der dampfende Nebel
Seine von allen Goͤttern ſo lange gewuͤnſchte Zuruͤck - kunft?
Jndem, da er noch ſprach, ſo floß der umhuͤllende Nebel
Ringsum vom Satan; er ſaß auf einmal mit zornigem Antlitz
Fuͤrchterlich da. Gleich eilte der fluͤchtige ſclaviſche He - rold
Gegen die Feuergebirge, die ſonſt mit Stroͤmen und Flam - men
Satans Ankunft dem Abgrund in allen Gegenden kund thun.
Zophiel ſtieg auf Fluͤgeln des Sturms durch die Hoͤlen des Berges
Gegen die dampfende Muͤndung empor. Ein feuriges Wetter
Machte darauf den ganzen Bezirk der Finſterniß ſicht - bar.
Jeder erblickte den ſchrecklichen Koͤnig in ſchimmernder Ferne.
Alle Bewohner des Abgrunds erſchienen. Die waͤchtig - ſten eilten
Neben ihm auf die Stufen des Throns ſich niederzuſetzen.
Die du entzuͤckt voll Feuer und Ernſt nach der Hoͤl - len hinabſieheſt,
Weil du zugleich im Angeſicht GOttes Klarheit erblickeſt,Und61
Und Zufriedenheit uͤber ſich ſelbſt, wenn er Suͤnder be - ſtrafet,
Zeige ſie mir, Goͤttin, doch laß die maͤchtige Stimme
Rauſchend, wie den Sturmwind, wie Gewitter GOttes, ertoͤnen.
Adramelech kam erſt, ein Geiſt, boshafter als Satan
Und verdeckter. Noch brannte ſein Herz von grimmigem Zorne
Wider Satan, daß dieſer zuerſt den Abfall gewaget.
Denn er hatte ſchon lange bey ſich den Abfall beſchloſſen.
Wenn er was that, ſo that ers nicht, Satans Reiche zu ſchuͤtzen;
Seinentwegen that ers. Seit langen undenklichen Jah - ren
Hatt er darauf ſchon gedacht, wie er ſich zur Herrſchaft erhuͤbe,
Wie er Satan von neuem mit GOtt zu kriegen bewegte,
Oder ihn in den unendlichen Raum auf ewig entfernte,
Oder zuletzt, waͤr alles umſonſt, durch Waffen bezwaͤnge.
Damals ſchon, als die gefallenen Engel vorm Donnerer flohen,
Sann er darauf. Als alle zuſammen die Hoͤlle ſchon ein - ſchloß,
Kam er zuletzt, und trug vor ſeinem kriegriſchen Harniſch
Eine helleuchtende goldene Tafel, und rief durch den Ab - grund:
Warum fliehen die Koͤnige ſo? Jn hohem Triumphe
Soltet ihr, o Krieger, fuͤr unſre behauptete Freyheit
Jn die neue Behauſung der Pracht und Unſterblichkeit einziehn! Denn62
Denn da Meſſias und GOtt den neuen Donner erfan - den,
Und im Kriegesgeſchaͤfte vertieft euch zornig verfolgten,
Stieg ich ins Allerheiligſte GOttes, da fand ich die Tafel
Voll vom Schickſal, das unſre zukuͤnftige Groͤſſe ver - kuͤndigt.
Sammelt euch, ſeht die heilige Reih offenbarender Schriften:
Einer von denen, die GOtt als dienſtbare Geiſter be - herrſchet,
Wird, daß er GOtt ſey, erkennen, er wird den Himmel ver - laſſen,
Und mit ſeinen vergoͤtterten Freunden im einſamen Raume
Wohnungen finden. Die wird er zwar erſt mit Abſcheu bewohnen;
Wie der GOtt, der ihn vertrieb, eh ich ihm den Weltkreis erbaute.
Lange Zeit, dies war mein Wille, des Chaos Tiefen, be - wohnte.
Aber er ſoll nur das Reich der Hoͤlle muthig betreten;
Denn aus ihr eutſtehet dereinſt ein herrlicher Weltbau.
Den wird Satan erſchaffen, doch ſoll er den goͤttlichen Grundriß
Selber von mir vor meinen erhabenen Sitzen empfangen.
Alſo ſaget der GOtt der Goͤtter, ich, der ich alleine
Alle Bezirke des Raums, mit ihren Goͤttern und Welten
Ringsum, mit meiner vollkommenſten Welt, unendlich umgrenze!
GOtt63GOtt Jehova, der Ewige, hoͤrte die Stimme der Laͤſtrung.
Ruhig in ſich ſelber, in ſeiner unendlichen Groͤſſe,
Hoͤrt er ſie, ſagte zu ſich: Jch werde ſeyn, der ich ſeyn werde!
Aber, du Sclave des Elends, ſollſt ſehn, wen du itzo ge - ſchmaͤht haſt!
Alſobald gieng das ernſte Gericht vom Angeſicht GOt - tes.
Tief in der innerſten Hoͤllen erhebt ſich ein feuriger Klum - pen
Aus dem Flammenmeer, und geht in des Todesmeer un - ter.
Der ſtuͤrzt Adramelech ins Meer des Todes. Da wurden
Sieben Naͤchte, ſtatt einer! Die Naͤchte lag er im Ab - grund.
Lange darauf erbaut er der oberſten Gottheit den Tem - pel,
Wo er als ihr Prieſter die goldnen Tafeln des Schickſals
Ueber die hohen Altaͤre geſtellt hat. Hier ehret die Hoͤlle
Die dich, Jehova, verwarf, ein unendliches ewiges Un - ding.
Selber Satan erſcheinet hier oft, und fraget den Prieſter,
Wegen der Reiſ ins Unendliche, die er ſchon vielmal gewagt hat,
Doch nicht ſo weit, als Adramelech aus Herrſchſucht es wuͤnſchte.
Jtzo kam Adramelech vom Tempel, und ſaß auf dem Throne
Mit verborgenem Grimm, bey Satans linker Hand nieder. Drauf64
Drauf kam Moloch ein kriegriſcher Geiſt von ſeinen Ge - birgen,
Die er, wenn etwa der donnernde Krieger, ſo nennt er Jehova,
Jn die Gefilde der Hoͤlle, ſie einzunehmen, herabkaͤm,
Sich zu vertheidigen, ſtolz mit neuen Bergen umthuͤrmt hat.
Oft wenn der traurige Tag an des flammenden Oceans Ufern
Dampfend hervorſteigt, erblicken ihn ſchon der Hoͤlle Bewohner
Wie er unter der Laſt, vom eiſernen Rauſchen umſtuͤrmet,
Muͤhſam geht, und ſich dem hohen Gipfel des Berges
Endlich naͤhert. Und wenn er alsdann die neuen Ge - birge
Auf die Hoͤh, dem Gewoͤlbe der Hoͤllen entgegen gethuͤrmt hat,
Steht er in Wolken, und donnert daraus mit ſchwerer Ar - beit
Langſam hervor. Jhn ſehen die Seelen der Erdenbezwin - ger
Unten erſtaunungsvoll an. Er rauſchte von ſeinen Gebir - gen
Durch ſie gewaltig einher. Sie wichen auf beyden Seiten
Schuͤchtern hinweg. Er gieng, von ſeiner toͤnenden Ruͤ - ftung,
Dunkel, wie der Donner von ſchwartzen Wolken, umge - ben.
Vor ihm bebte der Berg und hinter ihm ſanken die Felſen
Sandig herab. So gieng er, und kam zum Throne des Satans.
Nach65Nach ihm erſchien Belielel. Er kam in trauriger Stille
Aus den Waͤldern und Auen, wo ſich die Baͤche des To - des
Dunkel aus nebelndem Quell nach Satans Throne zuwaͤl - zen.
Allda wohnt Belielel. Umſonſt iſt ſeine Bemuͤhung,
Ewig umſonſt, die Gegend des Fluchs nach den Welten des Schoͤpfers
Umzuſchaffen. Jhm ſiehſt du mit hohem erhabenen Laͤ - cheln,
Ewiger, zu, wenn er den furchtbar brauſenden Sturm - wind
Sehnſuchtsvoll, mit ohnmaͤchtigem Arm, gleich kuͤhlenden Zephyrn,
Vor ſich am traurigen Bache voruͤber zu fuͤhren bemuͤht iſt!
Denn der brauſt unaufhaltſam dahin, die Schreckniſſe GOttes
Nauſchen auf ſeinen verderbenden Fluͤgeln. Die oͤde Ver - wuͤſtung
Bleibt ungeſtalt im erſchuͤtterten Abgrund hinter ihm lie - gen.
Unmuthsvoll denkt Belielel an jenen unſterblichen Fruͤh - ling,
Der die himmliſche Flur wie ein junger Seraph umlaͤ - chelt!
Jhn will er in den Wuͤſten der Hoͤllen von ferne nachbil - den.
Doch er ergrimmt, und ſeufzet vor Wut; die traurigen AuenELiegen66
Liegen vor ihm in entſetzlichem Dunkel unbildſam, und oͤde,
Ewig unbildſam, unendliche lange Gefilde voll Jammer.
Belielel kam traurig zu Satan. Noch brannt er vor Nach - ſucht
Wider den, der ihn von himmliſchen Auen zur Hoͤllen hinabſtieß,
Und ſie, ſo dacht er, mit jedem Jahrhundert, erſchreck - licher machte.
Auch du ſaheſt in deinen Gewaͤſſern die Wiederkunft Sa - tans,
Magog, des todten Meeres Bewohner. Aus brauſenden Strudeln
Kamſt du hervor. Die Meere zerfloſſen in lange Gebirge,
Da die Roſſe vor dir die ſchwarzen Fluthen zertheilten.
Magog fluchte dem HErrn, der wilden Laͤſterung Stimme
Bruͤllt unaufhoͤrlich aus ihm. Seit ſeiner Verwerfung vom Himmel
Flucht er dem Ewigen. Voll von Rachſucht will er die Hoͤlle,
Braucht er auch Ewigkeiten dazu, doch endlich vernich - ten.
Jtzo, da er das Trockne betrat, da warf er verwuͤſtend
Noch ein ganzes Geſtade mit ſeinen Bergen in Abgrund.
Alſo verſammelten ſich die Fuͤrſten der Hoͤlle zu Sa - tan.
Wie die Jnſeln des Meers aus ihren Sitzen geriſſen,
Rauſchten ſie hoch, unaufhaltſam einher. Der Poͤbel der GeiſterFloß67
Floß mit ihnen unzaͤhlbar, wie Wogen des kommenden Weltmeers
Gegen den Fus vorgebirgter Geſtade, zum Sitze des Sa - tans.
Tauſend geiſtige Voͤlker erſchienen. Sie giengen und ſangen
Eigene Thaten, zur Schmach und unſterblichen Schande verdammet.
Unterm Getoͤſe vom Donner geruͤhrter entheiligter Har - fen
Sangen ſie. So rauſchen in mitternaͤchtlicher Stun - de
Cedern, die ihr benachbarter Himmel im Donnerwetter
Spaltete, wenn brauſend auf ehernen Wagen der Nord - wind
Ueber ſie faͤhrt, und Libanon bebt, und Hermon erzittert.
Satan ſah und hoͤrte ſie kommen. Vor wilder Entzuͤ - ckung
Stand er mit Ungeſtuͤm auf, und uͤberſah ſie alle.
Fern, beym unterſten Poͤbel erblickt er in ſpoͤttiſcher Stel - lung
GOttesleugner, ein niedriges Volk. Jhr ſchrecklicher Fuͤhrer,
Gog, war darunter, erhabner als alle vom Anſehn und Unſinn.
Daß das alles ein Traum ſey, ein Spiel verirrter Ge - danken,
Was ſie im Himmel geſehen, Jehova erſt Vater dann Richter,
Konnten ſie leicht, labyrinthiſch in Schluͤſſe verirret, be - greifen. E 2Satan68
Satan ſah ſie mit Hohn; Denn mitten in ſeiner Verfin - ſtrung
Sah er doch noch, daß der Ewige ſey. Bald ſtand er voll Tiefſinn,
Bald ſah er uͤberall langſam herum, und ſetzte ſich wie - der.
Wie auf hohen unwirthbaren Bergen olympiſche Wet - ter
Langſam und verweilend ſich lagern, ſo ſaß er, und dachte.
Nun that ſein Mund ſich ungeſtuͤm auf, und tauſend Don - ner
Sprachen aus ihm, da er ſprach. Wenn ihrs, o furcht - bare Schaaren,
Wenn ihrs noch ſeyd, die mit mir die drey erſchrecklichen Tage
Auf den himmliſchen Ebnen aufhielten, ſo hoͤrt im Trium - phe,
Was ich euch itzt von meiner Verweilung auf Erden er - oͤffne.
Doch nicht die Nachricht allein, ihr ſollt auch den maͤch - tigen Rathſchluß,
Unſere Gottheit dem Ewgen zur Schmach zu verherrlichen, hoͤren.
Eh ſoll die Hoͤlle vergehn, eh ſoll der ſeine Geſchoͤpfe,
Der, wie man ſagt, vor dieſem einmal im Chaos gebaut hat,
Um ſich vernichten, und wieder allein in der Einſamkeit wohnen,
Eh er uͤber die ſterblichen Menſchen die Herrſchaft uns raubet. Goͤtter,69
Goͤtter, ſtets unbeſiegt, unſelaviſch, die wollen wir blei - ben,
Wenn er auch gegen uns ſeine Verſoͤhner zu tauſenden ſchickte,
Wenn er auch ſelbſt, ein Meßias zu werden, die Erde betraͤte.
Doch was erzuͤrn ich mich ſo? Wer iſt der niedre Meſ - ſias,
Der die erdichtete Gottheit im ſterblichen Koͤrper herum - traͤgt,
Daß daruͤber die Goͤtter ſo ſinnen, als wenn ſie von neuem
Hohe Gedanken von ihrer Vergoͤttrung und Schlachten erfaͤnden?
Sollte der Ewigen einer, um uns den Sieg zu erleich - tern,
Aus den Schoͤſſen ſterblicher Muͤtter, die bald die Ver - weſung
Nehmen wird, gegen uns, die er doch kennt, zu kaͤmpfen hervorgehn?
Das ſey ferne! So handelt der nicht, den Satan be - krieget.
Zwar ſtehn einige hier, die vor ihm furchtſam entflohen,
Und aus der morſchen Behauſung beſeßner Sterblichen wichen;
Furchtſame, zittert vor dieſer Verſammlung, umhuͤllt euer Antlitz
Mit verfinſternder Schaam! die Goͤtter hoͤrens, ihr flohet!
Warum flohet ihr ſo, Elende? Was nanntet ihr JEſum
Euer und meiner unwuͤrdig den Sohn des ewigen GOt - tes? E 3Doch70
Doch daß ihr wißt, wer der ſey, der unter den Jſraeliten
Auch gern ein GOtt waͤr, ſo hoͤret von mir des Traͤu - mers Geſchichte.
Hoͤr dus auch im hohen Triumphe, Verſammlung | der Goͤtter.
Unter dem Volke der Juden iſt ſeit undenklichen Zeiten
Eine prophetiſche Sage geweſen; denn unter der Sonne
Hat dies Volk vor allen Geſchlechten am meiſten ge - traͤumet.
Nach der Prophezeyung entſpringt von ihnen ein Hei - land,
Der ſie von ihren umliegenden Feinden auf ewig erloͤſet,
Und vor allen Voͤlkern ihr Reich zum herrlichſten Reich macht.
Auch wißt ihr wohl, daß vor wenigen Jahren von unſrer Geſellſchaft
Einige kamen und ſagten, ſie haͤtten auf Tabors Gebir - gen
Eine Verſammlung der Engel geſehn, die haͤtten den Na - men,
JEſus, unaufhoͤrlich voll Entzuͤckung und Ehrfurcht ge - nennet,
Daß die Cedern davon bis in die Wolken erbebten,
Daß die Stimmen des hohen Geraͤuſches die Palmen - waͤlder
Ganz durchruften, und JEſus allein den Tabor erfuͤllte.
Drauf gieng mit uͤbermuͤthigem Stolz, hoch, wie im Triumphe,
Gabriel vom Tabor zu der Jſraelitinnen einer,
Gruͤßte ſie, wie man Unſterbliche gruͤßt, und ſagt ihr voll Ehrſurcht,Von71
Von ihr ſollt ein Koͤnig entſtehn, der die Herrſchaften Davids
Maͤchtig beſitzen und Jſraels Erbe verherrlichen wuͤrde.
Er hieß JEſus, ſo ſollte ſie ihn, den Goͤtterſohn, nennen.
Ewig ſollte die Macht des großen Koͤnigreichs dauern.
Dieſes vernahmt ihr, Warum erſtaunten die Goͤtter der Hoͤlle,
Da ſie dies hoͤrten? Jch ſelber, ich habe viel mehr noch geſehen;
Doch mich erſchreckt nichts. Jch will euch alles treulich entdecken.
Nichts will ich euch verſchweigen, damit ihr ſehet, wie feurig,
Sich mein Muth in Gefahren erhebt; ſinds anders Ge - fahren,
Wenn ſich auf unſerer Welt ein ſterblicher Traͤumer ver - goͤttert.
Jch war auf Erden, und wartete dort auf des goͤttlichen Knabens
Hohe Geburt. Jtzt wird aus deinem Schoſſe, Maria,
Dacht ich, der Goͤttliche kommen. Geſchwinder als Au - genblicke,
Schneller noch als die Gedanken der Goͤtter vom Zorne befluͤgelt,
Wird er gen Himmel erwachſen. Jtzt deckt er in ſeiner Erhoͤhung
Mit dem einen Fuſſe das Meer, mit dem andern den Erd - kreis.
Jtzt waͤgt er in der erſchrecklichen Rechte den Mond und die Sonne,
Jn der Linken die Morgenſterne. Da koͤmmt er und toͤdtet! E 4Mitten72
Mitten in Stuͤrmen, die er aus allen Welten herbeyrief,
Rauſcht er zum Sieg unaufhaltſam daher. Ach fliehe nur, Satan!
Fliehe, damit er dich nicht mit ſeinem allmaͤchtigen Don - ner
Ungeſtuͤm faſſe, bis du durch tauſend Erden geworfen,
Sinnlos bezwungen, ja todt, im Unerweßlichen liegeſt.
Seht, ſo dacht ich, ihr Goͤtter; allein ihm gefiel es noch itzo,
Daß er ein Menſch blieb, ein weinendes Kind, wie die Soͤhne der Erde,
Die ſchon bey ihrer Geburt um ihre Sterblichkeit weinen.
Zwar ſang um ſeine Geburtszeit ein Chor der himmliſchen Geiſter. (Denn ſie kommen bisweilen hernieder, die Erde zu ſehen,
Wo wir herrſchen; da Huͤgel der Todten und Gruͤfte zu ſehen,
Wo vordem Paradieſe nur ſtunden: dann kehren ſie thraͤnend,
Um ſich zu troͤſten, mit feyrenden Liedern gen Himmel zuruͤcke;
Alſo war es auch itzt) Sie eilten, und lieſſen den Knaben,
Oder hoͤrt ihrs ſo lieber, die weinende Gottheit, alleine.
Drauf entfloh er vor mir, ich ließ ihn immer entfliehen.
Einen ſo furchtſamen Feind zu verfolgen, war meiner nicht wuͤrdig.
Unterdeß ließ ich, nicht muͤßig zu ſeyn, durch meinen Er - waͤhlten,
Meinen Koͤnig, und Opferprieſter Herodes, zu Bethlem
Saͤuglinge wuͤrgen. Das rinnende Blut, der Sterbenden Winſeln,Und73
Und die Verzweiflung untroͤſtbarer Muͤttter, der Ausfluß der Leichen,
Der, mit Seelen vermiſcht, mir wallend entgegen dampfte,
Waren fuͤr meine befriedigte Gottheit ein liebliches Opfer.
Wandelt nicht dort der Schatten Herodes? Verworfene Seele,
War ichs nicht ſelbſt, der in dir den Gedanken, die Beth - lehemiten
Umzubringen, erſchuf? Kann etwa des Himmels Bewoh - ner
Seiner Bildungen muͤhſames Werk, die unſterblichen Seelen,
Vor mir beſchuͤtzen, daß ich ſie mit meiner verborgnen Begeiſtrung
Nicht umſchatte, und uͤber ſie nicht zum Verderben mich breite?
Ja, Verlaßner, dein klaͤgliches Winſeln, dein banges Verzweifeln,
Und der Seelen Geſchrey, die du ſonſt noch unſchuldig erwuͤrgteſt,
Daß ſie ſuͤndigend ſtarben, und dir, und der Vorſehung fluchten,
Jſt nun deinem befriedigten GOtt auch ein liebliches Opfer
Als er ſtarb, verſammelte Goͤtter, da kehrte der Knabe
Aus Alegyptens Gefilden zuruͤck. Die Jahre der Jugend
Bracht er im Schoſſe der zaͤrtlichen Mutter, in ihrer Um - armung
Unbekannt zu. Kein jugendlich Feuer, kein edles Erkuͤh - nenE 5Trieb74
Trieb ihn zu Unternehmungen an, ſich furchtbar zu ma - chen.
Doch, ihr Goͤtter, im einſamen Wald, am oͤden Geſtade,
Wo er oft war, da hat er vielleicht auf Dinge geſon - nen,
Die, aus ſchrecklicher Ferne, der Hoͤlle den Untergang drohen,
Und die von uns verneuerten Muth und Wachſamkeit fordern?
Seht, dies glaubt ich vielleicht, haͤtt er ſich mit tiefen Gedanken
Mehr beſchaͤftigt, als mit der Betrachtung der Blumen und Felder
Und der Kinder um ihn, und mit dem ſclaviſchen Lobe
Des, der ihn mit den Wuͤrmern aus niedrigem Staube gemacht hat.
Ja, ich waͤre vor Ruh und langer Muſſe vergangen,
Haͤtte mir nicht der Menſchen Geſchlecht ſtets Seelen geopfert,
Die ich, vorm Himmel voruͤber, hieher zur Bevoͤlkerung ſandte.
Endlich ſchien es, als wollt er auch einmal bemerkens - werth werden.
GOttes Herrlichkeit kam, als er einſt am Jordan her - umgieng,
Praͤchtig vom Himmel. Sie hab ich mit dieſen unſterb - lichen Augen
Selbſt am Jordan geſehn; kein Bild, kein himmliſches Blendwerck
Hat mich getaͤuſcht; ſie wars, wie ſie vom Throne des HimmelsDurch75
Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim wandelt.
Aber, warum, und ob ſie, dem Erdenkinde zu Ehren,
Oder um unſere Wachſamkeit auszuſorſchen, herabſtieg.
Dies weiß ich nicht. Zwar hoͤrt ich darunter gewaltige Donner,
Donner mit dieſer Stimme vermengt: Das iſt mein Ge - liebter,
Und mein Sohn, der mit innig gefaͤllt! Der war wohl Eloa,
Oder ſonſt einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dies ausrief.
GOttes Stimme wars nicht; zum mindſten klang ſie viel anders,
Als er uns Goͤttern vordem den Sohn der Ewigkeit auf - drang
Auch war ein finſtrer Prophet dabey, der dort in der Wuͤſte
Menſchenfeindlich die Felſen durchirrt; der rief ihm ent - gegen:
Siehe das Lamm GOttes, daß der Erden Suͤnde ver - ſoͤhnet!
Der du von Ewigkeit biſt, der du lange ſchon vor mir geweſen,
Sey mir gegruͤßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fuͤlle!
Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Moſen gab GOtt die Geſetze,
Aber durch den Geſalbten des HErrn koͤmmt Wahrheit und Gnade.
Jſt das nicht hoch und prophetiſch genug? So iſt es, wenn TraͤumerTraͤumer76
Traͤumer beſingen, da bauen ſie ſich ein heiliges Dunckel.
Und ach! die armen unſterblichen Goͤtter ſind viel zu ge - ringe,
Bis ins innre Gebaͤu der Geheimniſſe durchzuſchauen.
Will er uns nicht den hohen Meßias, den Koͤnig des Him - mels
Jenen Donnerer GOttes, der in der gewaltigen Ruͤ - ſtung
Wider |uns ſtritt, bis wir die neuen Welten erreichten,
Unſern wuͤrdigen Feind und erhabenen Widerſacher,
Will er den nicht in jene Geſtalt, die wir toͤdten, ver - kleiden?
Zwar er ſelber, das Erdengeſchoͤpf, von dem der Prophet traͤumt,
Duͤnkt ſich nicht wenig zu ſeyn. Bald hat et die Todten erwecket,
Die doch der Ewige muͤhſam, ja muͤhſam, ſonſt thaͤt ers wohl oͤfters!
Seine veraltete Macht nicht ganz zu vergeſſen, erwecket.
Bald will er gar das ganze Geſchlecht der ſterblichen Men - ſchen
Von der Suͤnd und vom Tode befreyn: Von der Suͤnde, die allen
Eingepflauzt iſt, und immer empoͤrend und ungeſtuͤm im - mer
GOtt in ihren unſterblichen Seelen entgegen ſich auf - lehnt,
Unbezwingbar der ſclaviſchen Pflicht: Auch vom Tode, der alle,
Der das ganze Geſchlecht, ſo oft wir ihm winken, durch - wuͤrget,Will -77
Will er ſie alle befreyn; euch auch, verworfene Seelen,
Die ich ſeit der Schoͤpfung zu mir, wie den Ocean, ſammle,
Wie die Geſtirne, wie GOtt die anbetenden ſclaviſchen Saͤnger;
Ja, euch auch, die die ewige Nacht im Abgrunde quaͤlet,
Und in der Nacht ein ſtrafendes Feuer, im Feuer Ver - zweiflung,
Jn den Verzweiflungen ich! euch will er vom Tode be - freyen.
Wir, wir werden alsdann, der Gottheit uneingedenck, ſcla - viſch
Vor ihm liegen, vor ihm, dem neuen vergoͤtterten Men - ſchen.
Was der mit dem allmaͤchtigen Donner nie von uns er - zwinget,
Wird der aus des Todes Bezirk unbewaffnet vollen - den.
Armer Verwegner! befreye dich erſt, dann erwecke die Tod - ten.
Er ſoll ſterben, ja ſterben! er, der das Geſchlechte der Menſchen
Eigenmaͤchtig vom Tode befreyte. Dich leg ich in Staub hin
Bleich und entſtellt, in den Staub der Todten! Dann will ich den Augen,
Die nicht ſehen, die Dunkel und Nacht nun ewig um - nebeln,
Sagen: Ach ſeht, da erwachen die Todten; dann will ich den Ohren,
Die nicht hoͤren, die ewig dem Ton die Unfuͤhlbarkeit zu - ſchließt,Sagen:78
Sagen: Ach hoͤrt! Es rauſchet das Feld, die Todten er - wachen.
Und der Seele will ich, wenn ſie zur Hoͤllen entflichet, (Denn ſie ſoll noch von mir, und von Todesquaalen er - ſchuͤttert,
Suͤndigen und GOtt ſchmaͤhn; ſo grauſam will ich ihn toͤd - ten!)
Dann will ich ihr, wenn ſie flieht, wenn ſie im furchtba - ren Sturme
GOttes Verfolgungen treiben, mit donnernder Stimme nachrufen:
Eile, die du ſiegteſt, ja eil in deinem Triumphe!
Dich erwartet ein praͤchtiger Einzug, die Pforten der Hoͤlle
Thun vor dir einladend ſich auf! Dir jauchzet der Ab - grund!
Gegen dich wallen in ſeyrenden Choͤren die Seelen und Goͤtter!
Doch du laͤßt ja die Gottheit zuruͤck! Jſts etwa der Leich - nam,
Der ſie noch deckt? oder eilt ſie vielleicht ungeſehen gen Himmel?
GOtt muß entweder anitzt, da ich hier bin, den fliehen - den Erdkreis
Mit ihm und dem Geſchlechte der Menſchen gen Himmel erheben:
Oder ich fuͤhr es hinaus, was ich maͤchtig bey mir be - ſchloſſen.
Er ſoll ſterben! ſo wahr ich des Todes Erhalter und Schoͤ - pferUnbe -79
Unbeſiegt die Zukunft der Ewigkeiten durchlebe.
Er ſoll ſterben! Bald will ich von ihm den Staub der Verweſung
Auf dem Wege zur Hoͤlle, vorm Antlitz des Ewigen, aus - ſtreun.
Seht den Entwurf von meiner Entſchlieſſung. So raͤchet ſich Satan!
So ſprach Satan. Die Hoͤlle blieb noch vor Verwunde - rung ſtille.
Unten am Throne ſaß einer einſiedleriſch, finſter und trau - rig,
Seraph Abdiel Abbadonaa. Er dachte der Zukunft
Und dem Vergangnen voll Seelenangſt nach. Vor ſeinem Geſichte,
Aus dem ein truͤbes entſetzliches Dunkel mit Schwermuth hervorbrach,
Sah er nur Quaalen auf Quaalen gehaͤuft in die Ewigkeit eingehn.
Jtzo erblickt er die vorigen Zeiten; da war er voll Un - ſchuld
Jenes erhabenen Abdiels Freund, der am Tage des Auf - ruhrs,
Nach dem Meſſias, im Himmel die groͤßten Thaten voll - fuͤhrte;
Denn er kehrte zu GOtt allein und unuͤberwindlich
Wieder zuruͤck. Mit ihm, dem edelmuͤthigen Seraph,
War ſchon Abbadonaa den Blicken der Feinde GOttes
Faſt entgangen: Allein die Kriegeswagenburg Satans
Die, im Triumph ſie wieder zu holen, ſchnell um ſie herum kam,Und80
Und der gewaltig einladende Lerm der Kriegespoſaunen,
Und die Heldenſchaar, jeder ein GOtt, vor ihm ausge - breitet,
Uebermannten ſein Herz, und riſſen ihn ſtuͤrmiſch zu - ruͤcke.
Hier noch wollt ihn ſein Freund mit Blicken drohender Liebe
Fortzueilen bewegen, allein von kuͤnftiger Gottheit
Trunken und umnebelt ſah er die ſonſt maͤchtigen Blicke
Seines Freundes nicht mehr. Er kam im Triumphe zu Satan.
Jammernd und in ſich verhuͤllt, denkt er an dieſe Ge - ſchichte
Seiner heiligen Jugend, und an den lieblichen Morgen
Seiner Geburtszeit zuruͤck; der Ewige ſchuf ſie auf ein - mal.
Damals beſprachen ſie ſich mit angeborner Entzuͤckung
Unter einander: Ach, Seraph, was ſind wir? Woher, mein Geliebter?
Sahſt du zuerſt mich? Wie lange biſt du? Ach, ſind wir auch wirklich?
Komm, umarme mich, goͤttlicher Freund, erzaͤhle, was denkſt du?
Jndem kam die Herrlichkeit GOttes aus lichtheller Ferne
Segnend einher. Sie ſahen um ſich nicht zu zaͤhlende Schaaren
Neuer Unſterblichen wandeln. Ein wallend ſilbern Ge - woͤlke
Hub ſie zum Ewigen auf: