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Unterricht Von Der Teutſchen Spra - che und Poeſie / deren Uhr - ſprung / Fortgang und Lehrſaͤtzen. Wobey auch von der reimenden Poe - terey der Außlaͤnder mit mehren ge - handelt wird.
KIEL /Gedruckt und verlegt durchJoachim Reumann / Acad. Buchdr.im Jahr1682. Zu finden bey Johann Sebaſtian Riecheln.

Dem Wolgebohrnen Herrn / Hn. Jaſpar von Buchwald / Auff Muggesfelde ꝛc. Erbherren / Dero zu Schleßwig Holſtein Regierenden HochFuͤrſtl. Durchl. hochbetrauten Land-Raht und Ampt - mann zu Gottorp. Meinem hochgeneigten Herꝛn und Patron.

Sonnet.
NIm diß mein ſchlechtes Werck / o groſſer Goͤnner / an Mein Goͤnner / dem ich bin von lan - ger Zeit verpflichtet. Nim hin diß Werck / das Dir die ſchwache Feder richtet / Und dieſe Fauſt / die nichts als diß erbauen kan.
Doch ſey es / wie es iſt. Lobt dieſes nicht den Mann / So bleibt der Wille doch / den keine Zeit vernichtet / Und meine Tichtkunſt ſelbſt hat nichts hierin getichtet. Die Sprachkunſt ſpricht vor ihn. So bleibt dir dieſer dann.
Ein ſtarcker Wille gibt den Preiß dem ſchwachen Wercke. Durch Muht und deine Gunſt bekomt es dople Staͤrcke / Und ſeine Finſterniß durch deine Strah - len Schein.
So
So nim nun was diß iſt / von deines Die - ners Haͤnden. Iſt nichts zu loben dann an ſeinen Reim - gebaͤnden / So ſoll ein teutſches Hertz beyteut - ſcher Zungen ſein.

E. Exc. gehorſamſter Diener D. G. Morhoff.

An den geneigten Leſer.

WAs ich allhie von der Teutſchen Sprache und Poeſie geſchrieben / iſt mir ſo unter den Haͤnden gewachſen / daß / da ich erſt - lich nur etliche Bogen hievon meinen Gedichten anzuhaͤngen vermeinet / dieſes groͤſſer als die Getichte ſelbſt geworden. Daher dan kom - men / daß wie dieſelbe von der Feder ſo fort un - ter die Preſſe gebracht / an einem Ohrte was außgelaſſen / das am andern Ohrt / da es ſeine rechte Stelle nicht eben findet / beylaͤuffig ein - geſchoben; damit es gleichwoll nicht vergeſſen wuͤrde. Deſſen iſt ein Exempel in dem ſech - ſten Capittel des andern Theils / woſelbſt von dem Wort Barritus gedacht wird / ob es Teutſch ſey / welches der Hr. Rudbeck leugnet; nachge - hends habe ich aber bey einem alten Meiſter - ſaͤnger Hans Sachſen ſolches gefunden / und daſſelbe im folgenden ſiebenden Capittel ange - fuͤhret. Ich habe auch in dem andern Capit - tel des erſten Theils am 30. Blade / meines ge - ehrten Freundes Herrn Caſpar Vogten / vor - nehmen Buͤrgermeiſtern der Stadt Wißmarn gedacht / und eine groſſe Hoffnung von ſeiner Italiâ gemacht. Es hat aber derſelbe unter die - ſer Arbeit unvermuthlich die Welt geſegnen) (3muͤſ -An den geneigten Leſer. muͤſſen / da er nicht mehr als acht Capita von ſeinem Wercke außgearbeitet / welchen Ver - luſt ich ſehr bedaure. Dann es iſt mir zum Theil derſelben Einhalt bekant / und hat er viele Unterredungen mit mir deßhalben ge - pflogen / welchen ich zu erſt auff dieſe Gedan - cken gebracht. Ich habe von erſter Jugend an auff die Teutſche und andere Nordiſche Sprachen ein abſonderlich Auge geworffen / und ein hoͤhers und ehrwuͤrdigers Alterthum in ihnen vermerckt / als man ſonſt ins gemein davor haͤlt. Ich habe in Griechiſcher und Lateiniſcher Sprache ſo viele Fußſtapffen der - ſelben erſehen / daß ich mir auch einmahl ein gantzes weitlaͤufftiges Buch Originum Germanicarum zu ſchreiben vorgenommen. Dazu ich zwar ſchon viele Dinge in Bereit - ſchafft habe. Aber zu Außarbeitung eines ſo vollſtaͤndigen Werckes / da ein Tag den an - dern lehret / deſſen man ſich auch in der Ge - ſchwindigkeit nicht abhelffen kan / wuͤrde bey andern noͤthigern Dingen meine Lebens Zeit vielleicht zu kurtz fallen. Was ich in dem er - ſten Theil hier erwehne / iſt nur ein Schat - tenwerck deßjenigen was noch uͤbrig iſt. Ich zweiffle nicht / es werden viele daſſelbe als ein Paradoxon halten: Ich bitte aber dieſelben /einAn den geneigten Leſer. ein uͤbermuͤthiges Vorurtheil ſo lange bey ſei - te zu ſetzen / und zu keinem Endurthel zu ſchrei - ten / ehe ſie alles geleſen und wol betrachtet haben. Ferner muß ich auch noch einige von mir gefuͤhrte Umſchweiffe entſchuͤldigen / die wie ich vermuthe / dem Leſer nicht unan - genehm ſein werden. Die Schreibart / deren ich mich allhie gebraucht / iſt alſo beſchaffen / daß ich mich lieber einen Lehrer als Redner er - weiſen wollen / zu welchem Ende ich auch die uͤblichen Kunſtwoͤrter behalten. Dann ob es zwar mir nicht an Faͤhigkeit gefehlet / ein Teutſches Wort nach anleitung des Griechi - ſchen und Lateiniſchen zu erdencken / ſo dauchte es mir eine ungereimte Sache zu ſein / alſo zu ſchreiben / daß man uͤber ſeine eigene Woͤrter Anmerckungen zu machen von noͤ - then habe. Ich habe mich auch einiger Fran - tzoſiſchen und Lateiniſchen Woͤrter / da es der Nachdruck erfodert / nicht enthaltē / der erleuch - teten Criticorum Urtheil nicht ſcheuend / die das Laſter der beleidigten Majeſtaͤt / und den Gebrauch eines Außlaͤndiſchen Wortes gleiche ſtraffbar halten. Die Ohrter aus den fremb - den Autoribus habe ich offtmahlen gantz her - geſetzet / weil ſie in ihren Sprachen beſſer lau - ten / als wann ſie uͤberſetzet ſein / und ich auchdieAn den geneigten Leſer. die Uberſetzung fuͤr eine unnoͤthige weitlaͤuff - tigkeit gehalten. Dann ich glaͤube es ſey die Meinung der Woͤrter / einem der nur der Latei - niſchen Sprache maͤchtig iſt / unſchwer zu faſ - ſen. In dem letzten Theile habe ich bißweilen abbrechen muͤſſen / theils weil der Verleger bey einfallender Meſſen damit zum Ende ge - eilet / thels weil ich in einem Lateiniſchen Bu - che ſolches vollſtaͤndiger / ob GOtt will vortragen werde. Gehabe dich woll.

Da -
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Daniel Georg Morhofen Unterricht Von Der Teutſchen Poeſie /

I. Theil. Von der Teutſchen Sprache /

Das I. Cap. Von der Vortrefflichkeit und dem Alterthum der Teutſchen Sprache.

Einhalt. UHrſachen / warum wir von der Teutſchen Sprach ins gemein handeln. Wird von eignen Landsleu - ten geringſchaͤtzig gehalten. Die Griechiſche und Lateiniſche neue und durch Kunſt außgeuͤbte Sprachen. Ob die Hebraͤiſche die aͤlteſte / und all - gemeine Sprache? iſt zweiffelhafftig und ſchwer zu erweiſen. Becanus zieht die Cimbriſche und Georg. aStiern -2Das I. Cap. von VortreflichkeitStiernhelm die Schwediſche der Hebraͤiſchen vor. Gleichheit der Teutſchen / Daͤniſchen un̄ Britaniſchē / mit der Hebraͤiſchen. Ob die Teutſche Sprache naͤhern Grund in der Natur habe. Meinung daß die Figur der Hebraͤiſchen Buchſtaben den Menſchen angebohren; und am Himmel zu leſen. Der Analogiſmus der Woͤrter und Dinge iſt nicht einer - ley. Borrichii Lob. Goropii Becani ſeltzame Einfaͤlle. Seine faſt enthuſiaſtiſche Critica uͤber das Hebraͤi - ſche und Lateim̃ſche Alphabet. Caramuels gleiche Gedancken uͤber das Lateiniſche. Jacobi Hugonis laͤcherliche Meinung / von der Lateiniſchen Sprache. Beſnier will alle Sprachen unter die Lateiniſche zie - hen. Georgii Stiernhelm Meinung von der Sey - thiſchen oder Schwediſchen Sprache. Deſſen Synopſis Capitum Runæ Sueticæ wird angefuͤhret. Hat das Werck nicht vollfuͤhren koͤnnen. Seine ande - re verheiſſene Schrifften. Olaus Rudbeck hat ei - nige Capita dieſer Synopſis mit groſſen Fleiß auß - gefuͤhrt. Johan Webbe ein Engellaͤnder haͤlt die Chineſiſche Sprache vor die aͤlteſte.

I.

WEiln wir den Uhrſprung und Fortgang der Teutſchen Poe - terey vorzuſtellen entſchloſ - ſen; ſo wird vielleicht nichtuͤbel3der Teutſchen Sprache. uͤbel gethan ſeyn / wenn wir erſtlich von der Teutſchen Sprache ins gemein handeln / und deren Vortreflichkeit erweiſen. Wel - ches auch deßhalben noͤthig iſt / weilen ſich auch unter gelehrten Leuten / und die von Teutſcher Herkunfft ſeyn / einige finden / die ihre Mutter-Sprache laͤſtern / und de - ren Grobheit und Ungeſchicklichkeit zu gu - ten Erfindungē und zierlicher Außbildung der Gedancken vorzugeben ſich nicht ſcheu - en. Damit nun hievon ordentlich ge - redet werde / ſo wollen wir erſtlich von derſelben Alterthum / als worinnen nicht der geringſte Theil ihrer Vor - treflichkeit beſtehet / handeln / unddann folgends von derſelben Geſchicklichkeit zur Poeterey mit mehren erwehnen.

Es ſiind faſt die meiſten ſo geartet / daß ſie vor einheimiſchen Dingen einen Eckel haben / ſich uͤber alle frembde Sachen verwundern / und dieſelbe hoch - halten / welches die Teutſche Sprache auch erfahren / die von ihren eigenen Landsleuten geringſchaͤtzig gehalten / unda 2der4Das I. Cap. von Vortreflichkeitder Hebrœiſchen / Griechiſchen und La - teiniſchen unterwuͤrffig gemachet: Da ſie doch / wenn ich ja die Hebrœiſche außnehme / der Griechiſchen und La - teiniſchen am Alter nicht allein nichts nachgiebt / ſondern weit bevor thut; hin - gegen aber jene in Anſehung der Teutſchen neue / und etwas ehe durch Kunſt außge - uͤbet ſeyn / als dieſe / die hingegen viel gruͤndlicher / und jenen zum Theil den Uhrſprung gegeben; Welches ob es jemand gleich frembd und ungereimet ſcheinen ſolte / dennoch der Wahrheit gemaͤß / und ſo gruͤndlich erwieſen werden kan / daß niemand daran zu zweiffeln fug hat / er habe ihm dann vorgenommen unbeſonnener Weiſe auff ſeinem Wahn zu verharren / und keiner Vernunfft zu fol - gen. Wovon vielleicht von mir mit mehren in einer Diſſertatione de Novi - tate Græcæ & Latinæ linguæ kuͤnfftig ge - handelt werden kan.

Ich will zwar itzo den Vorzug der Hebrœiſchen Sprache nicht in Zweif -fel5der Teutſchen Sprache. fel ziehen / wie Goropius Becanus gethan / welcher nach aller verſtaͤndigen Leute Meinung / mehr Sinnlichkeit als Urtheils gehabt: Und Georgius Stiernhelm ein gelahrter Schwediſcher Edelmann / welcher die Scythiſche Sprache der Hebrœiſchen vorgeſetzet. Es iſt a - ber dennoch nicht außgemacht / ob ſie e - ben die erſte und allgemeine Sprache ge - weſen / davon die andern herſtammen: Dan̄ der Grund von den Nahmen der al - ten Vaͤter / die in der ſelben vorkommen / iſt nicht ſo unwidertreiblich / daß des Grotij und Cluverii Gegeneinwendungē demſelbē nichts an haben ſolten / ob zwar Heidegger in ſeiner Exercit. XVI. de Linguâ & Literis Pa - triarcharum ſich dieſelbe zu beantworten ſehr bemuͤhet. Es iſt am glaͤublichſten / daß keine von den itzo bekandten Sprachen / als die das meiſte von der Kunſt entleh - net / die erſten geweſen / ſondern eine von dieſen unterſchiedene; von welchen alle Sprachen in ihren Woͤrtern / eine abera 3mehr6Das I. Cap. Von Vortreflichkeitmehr als die ander / etwas mit einge - miſcht haben. Auß dieſem Grunde ſcheue ich mich nicht die Teutſche Sprache mehr fuͤr eine Schweſter der andern / als fuͤr ih - re Tochter anzugeben / und zwar alſo / daß die Hebrœiſche und uhralte Scythi - ſche oder Celtiſche Sprache / als aͤltere vor den andern den Vorzug haben. Wie dann nicht allein Rodornus Schri - ckius an vielen Oehrtern ſeiner weitlaͤuff - tigen Schrifften / und inſonderheit lib. 3. Originum Celticarum behaupten wil / daß die Hebrœiſche und Teutſche Sprache nur als dialecti unterſchiedē ſein. Siehe hievon auch Harßtoͤrffer in Specimme Philolog. German Diſquiſit. VII Mit der Daͤniſchen und Brittaniſchen / welche ebenfals dialecti der alten Teutſchen Sprache ſein / wollen Lyſcander und Davieſius die Gleichheit er - weiſen.

Wann wir die Natur hieruͤber fragen; denn es ſein etzliche / die auff den analogiſmum nominum & rerum das Alter - thum un̄ den Vorzug der Sprachen gruͤn -den7der Teutſchen Sprache. den: ſo haben ſich zwar einige tiefſehende Leute gefundē / welche die Hebrœiſche Spra - che gar der Natur gemāß halten; daß ſie auch meinen / es werden die Buchſtaben derſelben / wann man ſie außſpricht / mit eben ſolcher Figur von der Zungen im Halſe gebildet / davon ſie ſchon einen ana - tomiſchen Abriß gegeben. Der juͤngere Helmontius hat hievon ein eigen Buch ge - ſchrieben / deſſen Titul: Delineatio Alpha - beti verè naturalis Hebraici, wor in man die - ſe mehr als Cabaliſtiſche Heimlichkeitē wei - ter nachſehen kan Die Rabbinen haben ih - nen eingebildet / ſie koͤnten am Himmel die Hebrœiſche Buchſtaben in den Ster - nen abgebildet leſen / davon mit mehren Claude Duret in ſeiner Hiſtoire des Langues, und inſonderheit Gaffarel in ſeinen curieuſi - tez inouyies, handelt. Wir mißgoͤnnen nie - mand ſeine Einfaͤlle: So aber auf die - ſen Grund etwas zu trauen / ſo iſt unter allen Sprachen keine eintzige / die der Teutſchen hierin vorgehet / welches der Herr Schottel in ſeinē Lobreden von dera 4Teut -8Das I. Cap. von VortreflichkeitTeutſchen Sprache zur gnuͤge erwieſen / dem ein weit mehrers hinzugethan wer - den koͤnte / wann es an dieſem Orte nicht zu weitlaͤufftig were. Es iſt aber diß auch hiebey zu bedencken / daß dieſer ana - logiſmus nicht einerley iſt / und nach ver - ſchiedener Betrachtung der Dinge / viel - faͤltig in den Worten kan außgebildet wer - den / wie ſolches Herr Olaus Borrichius in ſeiner gelehrten Diſſertatione de cauſis di - viſitatis linguarum mit mehren erwieſen. Es kan die Griechiſche / Lateiniſche und Teutſche Sprache ein einiges Ding mit verſchiedenen Worten abbilden / da doch ein jedes derſelben ſich auff einen analogis - mum naturæ gruͤndet / und wuͤrde dann die Frage ſein / welches unter dieſen allen am naͤheſten zum Ziel treffe.

Ich will mich hie nicht auffhalten mit weitlaͤufftiger Erzehlung der Mei - nungen / welche gelahrte Leute von dem Vorzug der Sprachen fuͤhren / und mit der Unterſuchung ihrer Gruͤnde. Die - ſes iſt doch zu mercken / daß ein groſſer Un -ter -9der Teutſchen Sprache. terſcheid unter ihnen ſey; weßhalben ei - nige den andern vorzuziehen. Goropius Becanus wird von vielen verlachet / und zwar nicht ohn Uhrſach / weil er ſich in gar ſeltzame abſtractive ſpeculationes und analogiſmos vertieffet / die doch we - nig zur Sachen thun und im Grunde nich - tes beweiſen. Eine ſonderliche Probe hierinnen iſt in ſeinen Hieroglyphicis, wo - ſelbſt er auß dem Hebrœiſchen Alphabet, welches er auß Cimbriſchen Woͤrtern zu - ſammenſetzet / ein Gebet eines Schulmei - ſters / vor ſeine Lehrjuͤnger / ſeltzamer laͤcherlicher Weiſe zuſammen brin - get / wovon er ſo viel Wercks machet / als wan̄ er ein Koͤnigreich gewon̄en. Eben der - gleichen Einfaͤlle hat er von dem Lateini - ſchen I. 9. Hermathenæ, davon man wol ſagen moͤchte / was Propertius von den Lieb - habern: Maxima de nihilo naſcitur hiſtoria. Caramuel, daß er auch alhie ſeine Weiß - heit ſehen lieſſe / hat in ſeinem Apparatu Philoſophic. lib. 2. c. 176. wieder den Be - canum beweiſen wollen / daß man nichta 5noͤthig10Das I. Cap. Von Vortreflichkeitnoͤthig haͤtte zu der Cimbriſchen Spra - chen zu gehen / ſondern auß der Lateini - ſchen ein gleiches Gebet machen koͤnne / welches alſo lautet: Abæ cede; efigia (ha: i) Elem. en ope quære te vix. Die Außle - gung mag jemand daſelbſt leſen / dann es der Muͤhe nicht wehrt / daß man mit ſol - cher Grillen faͤngerey ſich auffhalte. Nur iſt diß gleichwol von dem Becano nicht zu leugnen / daß er zum erſten und vor an - dern etwas hierin geſehen / ob ers gleich nicht tuͤchtig außfuͤhret: und gefaͤlt mir in verſchiedenen Dingen ſein Urtheil beſ - ſer als des Rodorni Schrieckii, welcher in - dem er die Gleichheit der Hebrœiſchen und Niederteutſchen Sprache darthun will / in den Nominibus propriis ſeltzame weitgeſuchte alliterationes heꝛbei holet / und die primitiva und compoſita nach ſeinem eigenen gefallen machet und zuſammen ſetzet / das man mit allen Sprachen ohne groſſe Muͤhe alſo anſtellen koͤnte. Jacobus Hugo hat ein rechtes Gauckel - werck mit der Lateiniſchen Sprache ange -fangen11der Teutſchen Sprache. fangen / in dem er faſt ein Lexicon von ei - genen nach ſeinem gefallen erdichteten Japhetiſchen Woͤrtern machet / die doch ei - nerley bedeuten ſollen / davon er die Woͤr - ter der Lateiniſchen Sprache herfuͤhret; zugeſchweigen vieler anderer Thorheiten und Deuteleyen / die in ſeinem Buch ge - nant / Origo Italiæ & Romæ ante hanc di - em ignota, zu finden. Beſnier in ſeinem Buͤchlein / la Reunion des langues, dar in er von einem Mittel handelt / wie man alle Sprachen unter einer lernen koͤnne / haͤlt die Lateiniſche als eine Mitlerin unter al - len / worunter auf eine ſonderliche Art alle Sprachen koͤnten gelernet werden. Geor - gius Stiernhelm / deſſen Boxhornius in ſei - ner Hiſtoriâ Univerſali ruͤhmlich gedenckt / hat von dem Alterthum der Scythiſchen Sprache zwar etwas zu ſchreiben vor - gehabt / aber er hat es nicht vollfuͤhrt / ſondern es iſt nur eine Synopſis Capitum des gantzen Wercks / deſſen Titul: RUNA SVETICA ſein ſollen / zu meinen Haͤnden gekommen. Worinnen er die Hebrœiſcheund12Das I. Cap. von Vortreflichkeitund faſt alle andere Sprachen zu dialectos der Scythiſchen gemacht / und endlich ein Syſtema verheiſſet / von einer gewiſſer Anzahl Radicum Univerſa - lium, darauß ſo viel andere Woͤrter in allen Sprachen folgen. Ichwill / dieſen Synopſin, weilen er ſonſten nicht leicht zu finden / allhie gantz her - ſetzen; die Capita des erſten Syſtematis ſein dieſe.

  • 1. VIderi omnes Linguas, que in Orbe cognito extiterunt, & hodiè extant, ortas ex una, & ad unam poſſe reduci.
  • 2. Naturæ conveniens, imò omninò neceſ - ſarium fuiſſe, ex una Lingua multas oriri.
  • 3. Ex confuſione Babylonica nullam novam Linguam exortam: & ſi qua exorta eſt, momentaneam, & ad breve tempus ex - titiſſe.
  • 4. Hebræam, Phœniciam, Chaldæam, Sy - ram, Arabicam, Ægyptiam, Æthiopi - cam, Phrygiam, Perſicam, Dialectorum, non linguarum eſſe vocamina.
  • 5. Temporum & Locorum intervallis, Dia -lectos13der Teutſchen Sprache. lectos abire in Linguas.
  • 6. Ex Scythica ortas Linguas Primas, non minùs Orientales, quàm Septentriona - les, & Occidentales.
  • 7. Thraces & Getas, fuiſſeScythas.
  • 8. Ex his profectos primos Populos, Pri - mamque Linguam Græciæ, quam aliàs di - ctam Barbaram cultu novo politam, mi - nimè vero extirpatam, poſterioribus tem - poribus demùm Hellenicam, & Græcam nuncupaverunt.
  • 9. Græcos cultum, elegantias, poēſin, Mu - ſas, ſacra, Deoſque ex Thracia habuiſſe.
  • 10. Scytharum propaginem prætereà eſſe Europæos; Germanos, Gallos, Iberos, Britannos, Aborigines, ſive Umbros, pri - mos Italiæ Incolas. Hiſce omnibus u - nam Linguam fuiſſe Scythicam, in varias Dialectos poſtmodum ſciſſam.
  • 11. Germaniæ Caput & Principium, olim fu - iſſe Scythiam Europæam Minorem, Pe - ninſulam nimirùm Scandiam; quam & Scanziam & Scandinaviam, antiquiſſimi verò Scriptores Balthiam, Baſiliam, Aba -lum,14Das I. Cap. von Vortreflichkeitlum, Bannomannam, &c. Hyperboreo - rum Inſulam indigitarunt.
  • 12. Ex hac Inſula (reverà Peninſula) deriva - tos in Germaniam, & diverſas Orbis Ter - rarum Regiones, non ſolum multos Po - pulos; ſed etiam Sacra, Ritus, & Deos.
  • 13. Peninſulæ ejusdem, & Hyperboreorum Gentem Principem fuiſſe Sueonas, ſive Suezios, quos hodie Suethos, Suecos, & Suedos vocitant.
  • 14. Græcis cum Hyperboreis ab antiquiſſi - mis uſque temporibus communionem fuiſſe Sacrorum, Amicitiæ, & mutuæ Neceſſitudinis; & quod magis eſt, Græ - cos Deos, coluiſſe inter Maximos, apud Hyperboreos natos.
  • 15. Suethis cum Thracibus & Byzantinis com - munes fuiſſe Deos; adeoque ipſos De - os Phrygios ad Hyperboreos migraſſe.
  • 16. Linguam Latinam ex tribus ortam po - ti ſſimùm; Aboriginum, ſive Thuſca, Græca, & Phrygia.
  • 17. Ciceronem & Varronem, qui propter peculiarem linguæ Latinæ peritiam, ha -bitas15der Teutſchen Sprache. bitus fuit Romanorum omnium ſapien - tiſſimus; linguam Latinam non intelle - xiſſe; nec Demoſthenem, ipſumque Pla - tonem linguæ Græcæ fundamentalem ſci - entiam habuiſſe.
  • 18. Linguam Hebræam, non minùs quàm Chaldæam, Chananæam, & Arabicam, Dialectum eſſe linguæ Primæ; minimè verò ipſam linguam Primam.
  • 19. Indolem, & Proprietates vocum linguæ Hebrææ veras impoſſibile eſſe, dari poſ - ſe, niſi ex radicibus linguæ Scythicæ.
  • 20. Voces Adamæas, cujus generis ſunt A - dam, Eva, Cæin, Seth, Noah, &c. quas pro antiquitate linguæ Hebrææ, vulgò, ejus Aſſertores adducunt; non minùs Scythi - cas, imò Svethicas eſſemagis, quàm He - bræas.
  • 21. Ex vocabulis priſcæ linguæ, Gallicæ, & Ibericæ, reliquiis; eas probari Scythicas fuiſſe.
  • 22. Antiquas voces Thuſcas, quæ ſuperſunt ex linguâ Aboriginum Scythicas eſſe.
  • 23. Linguam Cambricam, que vetus eſt Cim -brica16Das I. Cap. Von Vortreflichkeitbrica, Dialectum eſſe linguæ Scythicæ.
  • 24. Voces quæ ſuperſunt linguæ veteris Phry - giæ, Scythicas eſſe.
  • 25. Linguam Perſicam hodiernam, ut & Ar - menam, maximam partem conſtare ex lingua Scythica.
  • 26. Deorum Nomina, pleraque omnium Gentium, origine eſſe Scythica, & in illis Sanctum Dei Nomen Tetragammaton〈…〉〈…〉 Origine eſſe Scythicum; nec ul - lum hactenus Hebræum aut Cabaliſtam, veras nominis iſtius proprietates, multo minus myſteria aperire potuiſſe. Quæ Deo dante, reddet author.
  • 27. Ultimo, Sermonem, Primo homini con - creatum, aut cum ipſa Ratione, cujus cha - racter eſt, & index in ſenſum incurrens, infuſum.

Hier auff ſolte das Syſtema ſecundum folgen / deſſen Inhalt alſo lautet.

  • Exhibet 1. Connubium & Nuptias Panos & Echus, hoc eſt, Harmoniam & Annalo - giam Rerum, & Verborum.
2. Tra -17der Teutſchen Sprachen.
  • 2. Tradit Obſervationes & Axiomata, quæ propriè ſpectant ad Scientiam hanc no - vam Etymologicam.
  • 3. Eruitur & aperitur certus numerus Ra - dicum Univerſalium.
  • 4. Ponuntur ſigillatim ſingulæ Radices, ex quibus, certo ordine & methodo, in i - pſa rerum geneſi fundata, Rivi & Flumi - na vocum, in præcipuas & ex his ortas linguas educuntur. & hoc eſt, LE XICON, ſeu CLAVIS LINGUARUM PRIMA - RUM UNIV ERSALIS.

Es ſein in dieſem Synopſi viel Dinge / die in dem Grunde der Warheit ſich ſo ver - halten / worvon inſonderheit zu han - deln nicht dieſes Orths iſt: das andere laß ich andere verantworten. Iſt nur zu be - klagēdaß er uͤber dieſem ſeinem Wercke ge - ſtorben / und auch ſeine andere nicht her - auß gegeben / deren Titul hinter einem von ihm in Schwediſcher Sprach geſchriebenē Buͤchlein Archimedes reformatus genant / in einem des Loccenii angefuͤgten Carmine erwehnet werden: als Antiquarius: MagogbAra -18Das I. Cap. von Vortreflichkeit. Aramæo-Gothicus: Virgula Divina: Cla - vis Linguarum Generalis: Anti Clûverius, ſeu Origines Sueo Gothicæ. Nach ſeinem To - de hat man viele verworffene Schedas ge - funden / wie der Herr Scheffer / welcher ein gutes Urtheil von ihm faͤllet / in ſei - nem Schreiben an mich berichtet / die man nicht hat in Ordnung bringen koͤnnen. Nun gar neulich hat der gelahrte Olaus Rudbeckius in ſeiner Atlantica, unterſchied - liche Capita das Alterthum der Schwedi - ſchen Nation betreffend / ſo in dieſer Syno - pſi enthalten / mit groͤſſerm Fleiß / als er vielleicht ſelbſt wuͤrde gethan haben / auß - gefuͤhret / und wird noch ferner in deſſen Auctario hievon handeln. Von der Chi - neſiſchen Sprache hat ein Engellaͤnder Johannes Webbe behaupten wollen / daß ſie die erſte ſey: weil die Chineſer ein uhral - tes Volck / und ihr Land ſo fort nach der Suͤndfluht vor Erbauung des Babilo - niſchen Thurms / bey welchem ſie vermuth - lich nicht geweſē / bewohnet: weil ſie mit kei - nē fremden Voͤlckern vermiſchet: die Spra -che19der Teutſchen Sprache. che mehrentheils in einſylbigen Woͤr - tern beſtehe. Und muß ich geſtehen / daß es mit derſelben eine ſonderliche Bewand - nis habe / weil ſie mit keiner andern was gemein hat / und nach einem Muſicaliſchen Ton die Bedeutung der Woͤrter aͤndert: daß es faſt ſcheinet / ſie ſey mehr mit Fleiß außgedacht und erfunden / als von einigen andern algemaͤhlich abgeleitet. Wie denn Andreas Mullerus dieſer Sprache Be - ſchaffenheit und zuſam̃enſetzung in ſeinen Obſervationibus Sinicis uñ Propoſitione ſu - per Clave Sinica darzuthun ſich erbietet. Es kan aber auch bey einigen Voͤlckern die na - tuͤrliche Neigung zu einem gewiſſen Laut eine abgefuͤhrte Sprache ſo veraͤndern / daß ſie gantz frembd ſcheine / wie wir deſſen ſatſame Exempel in den Dialectis der Teut - ſchen Sprache haben.

b 2Das20Das II. Cap. Vom Alterthum

Das II. Cap. Daß die Teutſche Sprache aͤlter als die Griechiſche und Lateiniſche.

Einhalt. WIe die Philoſophie / ſo iſt auch die Spra - che von den Barbaris auff die Grichen kom - men. Zeugniß der Griechen ſelbſt. Pelaſgi haben eine Barbariſche Sprache geredet. Τέκμαρ, ein Wort auß der alten Griechiſchen Sprache / da - von Ariſtoteles erwehnet / iſt Celtiſcher oder Sey - thiſcher abkunfft. Platonis Zeugnuß. Die aͤlteſtē Ein - wohner Griechenlandes / die Pelasgi, und andere ſein ſelbſt Barbari geweſen. Die Buchſtaben der Grie - chen von den Barbaris. Olai Rudbeckii Meinung. Ein Ertzbiſchoff von Toledo haͤlt die Gothiſchen Buchſtaben vor die aͤlteſten. Zeugnuß der Grie - chen und Lateiner / von Abkunfft der Buchſtaben. Olai Rudbeck eintheilung der Europaͤiſchen Voͤl - cker und Sprachen. Menge der Teutſchen Woͤrter in der Griechiſchen und Lateiniſchen Sprache. Wer - den durch die frembde terminationes und andere veraͤnderungen unkentlich. Exempel der Teut - ſchen und Frantzoͤſiſchen Sprache. Lateiniſche Sprache iſt auß der Griechiſchen und Barbariſchen gemiſchet. Zeugniß Dionyſii Halicarnaſſæi. Mel - chior Inchofer widerleget. Buchſtaben der Latei -ner21der Teutſchen Sprache. ner von den Celtis. Die Nahmen der Voͤlcker und Staͤdte Celtiſcher und Teutſcher Abkunfft. Herrn Caſpari Vogten hieruͤber verfaßte Arbeit. Peireſcii Meinung / daß in der alten Galliſchen Sprache die Stammwoͤrter vieler Lateiniſchen ſein. Galliſche und Teutſche Sprache wenig unterſchieden. Skinnerns hat hievon andere Meinung. Seine Gruͤnde werden widerleget. Ein Ohrt auß dem Cæſare wird von jhm uͤbel angefuͤhret. Dialecti einer Sprache ſein bißwei - len ſo muͤhſam zu lernen / als neue Sprachen ſelbſt. Cluverus wird von jhm unbillig angegriffē. Die Nah - men der Voͤlcker / Leute / Staͤdte und Fluͤſſe / geben gute Nachricht von den Sprachen. Lutherus und Cambdenus haben etwas hievon geſchrieben. Skin - nerus fehlt ſehr in den Etymologiis der Galliſchen alten Nahmen. In der alten Britañiſchen ſein einige Stammwoͤrter der Lateiniſchen Sprache: Die auch Teutſche. Deren Exempla. Teutſche Sprache hat ſich biß in Aſia erſtrecket. Exempel von den Voͤl - ckern die in Taurica Cherſonelo wohnen beym Bus - bequio. Skinnerus verachtet dieſen Beweißthumb ohn Urſach. Die Perſiſche Sprache beſtehet von vie - len Teutſchen Woͤrtern. Exempel von den alten Perſiſchen Woͤrtern auß den Hiſtoricis. Salmaſii Zeugniß. Elichmannus hat hievon ein gantzes Buch ſchreiben wollen. Piccarti Oratio: daß die Teut - ſchen der Perſer Bruͤder ſeyn. Welchem Rupertus zwar widerſprechen will. Wird aber von Georgio Richtern zuruͤck gehalten. Bochartus muß es faſtb 3wider22Das II. Cap. Vom Alterthumwider ſeinen willen bekennen. Grafii Zeugnis. Ein Buchmit Gothiſcher Schrifft / hat ſich in China ge - funden. Einige Teutſche Woͤrter in andern Orien - taliſchen Sprachen / auch in der Americaniſchen.

WIr laſſen den Streit von der er - ſten Sprache an ſeinen Ohrt ge - ſtellet ſein / und bleiben bey der Teutſchen / welche dennoch zum wenig - ſten der Griechiſchen nnd Lateiniſchen in ihrem Alterthum vorzuziehen. Denn gleich wie der Uhrſprung der Philoſophie von denen den Griechen ſo genan - ten Barbaris genommen / ſo ſind auch die Sprachen als vehicula ſcientiarum, wie ſie Verulamius nennet / von ihnen fortgepflan - tzet. Was die Wiſſenſchafften anlanget / ſo bekennet Ariſtoteles außdruͤcklich / daß die Philoſophia von den Semnotheis der Celten ihren Uhrſprung habe / und daß Gallia die Lehrmeiſter in des Griechenlandes ſey. Von welchē ſehr weitlaͤuftig Piccard in ſeiner Cel - topædia handelt. Von der Sprachen ſagē e - benfals die Griechē / uñ unter jhnē der aͤlteſte Hiſtoricus Herodotus lib. 1. cap. 57. alſo: ἦσαν ὁι πελασγοὶ βάρβαρον γλ〈…〉〈…〉 αν ἱέντες, und bekraͤf -tigt23der Teutſchen Sprachetigt es Plato in ſeinem Cratylo mit unter - ſchiedlichen Exempeln / welche wann ſie recht unterſuchet werden / alte Scythi - ſche / daß iſt / Teutſche Woͤrter ſein: Es gedencket Ariſtoteles Rhetor. l. 1. c. 2. von dem Worte τέκμαρ, davon hernach das Wort τεκμήριον gekommen / daß es in der alten Griechiſchen Sprache ſo viel als fi - nem oder limitem bedeutet / welches ja nichts anders als das Wort tecken marck / zuſammen teeckmarck / das in der neuen Teutſchen Sprach Merckzei - chen genant wird / ſein kan; Deñ man die Grentzen mit dergleichen Zeichen zu un - terſcheiden pflag / und es iſt ja bekant / daß das Wort Mar oder Marck in der al - ten Teutſchen Sprach / ſo viel als eine Grentze bedeute. Das Griechiſche Wort ΔΕΙΚνυμι ich zeige / iſt dem vorigen auch verwandt. Plato ſaget ja ſelbſt in ſeinem Cratylo unter dem Nahmen des Socratis: ἐννοῶ γὰρ ὅτι πολλὰ οἱ Ἕλληνες ὀνόματα ἂλλως π καὶ οἱ〈…〉〈…〉 πὸ τοῖς βα〈…〉〈…〉 άραις οἰκοῦν〈…〉〈…〉 ες, παρὰ τῶν βαρ - βὰρων εἰλήφασι; das iſt: Ich halte davorb 4daß24Das II. Cap. Vom Alterthumdaß die Griechen viel Woͤrter von den Barbaris, inſonderheit die jenigen die unter ihnen wohnen / empfan - gen haben. Wie dieſer von den Grie - chen / ſo ſchreibt Varro von den Lateinern / daß ihrer Woͤrter Urſprung von den Bar - baren kommen und durch die langwierige Zeit faſt gantz verdunckelt ſey. Wie ſolte auch die Griechiſche Sprache nicht von den linguis barbaris ihren Uhrſprung haben: weil ja die Voͤlcker ſelbſt von den benacht - barten Phrygibus und Scythis in Griechen - Land zuſammen gekommen / und bezeugt diß Strabo in ſeinem ſiebenden Buch auß - drucklich und mit vielen Umſtãnden. Daß die Pelaſgi die aͤlteſten in Griechenland / ein herumſchweiffendes Volck / wie die Scythæ geweſen / von rauher harter Art / iſt im Herodot: l. 1. c. 56. und Halicarnaſsèo lib. 1. zuſehen / und hat Palmerius à Grentemeſ - nil in ſeiner Græciâ Antiquâ lib. 1. c. 9. und von allen Griechen in gemein es Guli - elmus Burtonus in Hiſtoriâ Linguæ Græc. pag. 13. weitlãufftiger außgefuͤhret. Nunſind25der Teutſchen Spracheſind die von den Pelaſgis entſtandene ande - re Voͤlcker nicht nach Sprachen / ſondern nur nach dialectis unterſchieden gewe - ſen. Ja es hat der gelahrte Olaus Rud - beck in ſeinem Buch Atlantica genant c. 38. neulich mit guten Gruͤnden behaup - ten wollen / daß die Griechen auch die Buchſtaben von den Hyperboreis und alten Scythis erſtlich empfangen ha - ben. Und iſt mercklich was Claude Duret, Hiſtoire de l origine des langues p. m. 860. ſaget von einem Ertzbiſchoff zu Toledo, welcher davor gehalten que l Alphabet des lettres Gothes a eſté le premier Alphabet des premiers & plus anciennes letrres, les quel - les furent données de Dieu à commence - ment du monde a noſtre premiere Pere Adã. Ja es bekennen die Griechen ſelbſt beym Varrone lib. 7. de linguâ latinâ, daß ſie ihr Alphabet von den Barbaris empfangen ha - ben / und Cæſar lib. 1. de bello Gallico. meldet: Man habe bey den Helvetiis ei - nige Regiſter gefunden mit Griechiſchen Buchſtaben geſchrieben. Die Gleichheitb 5der26Das II. Cap. Vom Alterthumder alten Cimbriſchen und Runiſchen Buchſtaben / mit der Griechiſchen ſtellet Olaus Wormius in ſeiner Literaturâ Runi - ca c. 21. 22. vor. Der Herr Rudbeckius, deſ - ſen wir zuvor gedacht / theilet zwar die Europœiſche Voͤlcker in Scythen, Celten, und Griechen / und haͤlt auch davor daß ſie von Sprachen unterſchieden. Ich glau - be aber wann dieſer vortrefliche Mann die Teutſche und deren vielerley Dia - lectos gruͤndlich begriffen / er ſo gar groſſen Unterſcheid unter dieſen Spra - chen nicht finden / und in vielen Din - gen eine andere Meinung fuͤhren wuͤr - de. Es kommen dieſelben in ihrem Grunde uͤberein / wie dann Bibliander in ſeinem Buch de ratione communi omni - um linguarum angemerckt / daß von 2000 Teutſchen Stammwoͤrtern mehr als 800 der Griechiſchen und Lateini - ſchen Sprache gemein ſein: welcher aber eine weit groͤſſere Zahl haͤtte außrechnen koͤnnen. Denn ich mich verpflichten wil / in einer jeden von den beiden Sprachen uͤberdie27der Teutſchen Sprachedie helffte Teutſcher und Gothiſcher Woͤr - ter zu zeigen. Sie klingen aber ſo frembd in unſern Ohren / weil die kuͤnſtliche Auß - arbeitung derſelben durch ſo viele permu - tationes literarum des wollauts halber / terminationes, flexiones, compoſitiones, translationes und fremde deutungen ſie faſt in eine andere form gegoſſen; ſie hiedurch als durch eine außlaͤndiſche Tracht / die ge - ſtalt der eingebohrnen verlohren / und einē außheimlſchen Schein gewoñen. Wie jetzo die Frantzoͤſiſche einē ſo groſſen Unterſcheid von der Lateiniſchen und Teutſchen hat / da - von ſie doch entſproſſen: das nicht leichtlich einer glauben wuͤrde / der nicht beyder Sprachen genaue wiſſenſchafft hat: auch die Frantzoſen ſelber nicht / welche viel Woͤrter von der Griechiſchen und Lateini - ſchen herziehen / die doch warhafftig Teutſch ſein. Solches iſt von Wolff - gango Hungero wider Bovillum zur gnuͤ - ge erwieſen / und koͤnte wider des Menagii Origines Gallicas und Italicas klaͤrlich von uns dargethan werden.

Was28Das II. Cap Vom Alterthum

Was die Lateiniſche Sprache anlan - get / ſo haben wir ein ſchoͤnes Zeugnis bey dem Dionyſio Halicarnaſſ: am Ende des erſten Buchs / welcher klaͤrlich ſchreibt: daß Rom von den Griechen zwar er - bauet / es ſey aber Wunder daß ihre Sprache durch die Vermiſchung der O - picorum, Marſorum, Sabinorum, Etruſco - rum, Brutiorum, Umbrorum, Ligurum, Hiſpanorum, und Gallorum, (welche eben aus den Celtis und Scythis hergekommen) nicht gantz in eine Barbariſche Sprache verkehret: Er ſchlieſſet endlich darauff / daß die Roͤmer eine Sprache angenom - men / die nicht gantz Griechiſch oder gantz Barbariſch / ſondern auß beyden gemiſcht geweſen. Iſt alſo gantz falſch / was Mel - chior Inchofer in Hiſtoria ſacræ latinita - tis lib. 1. c. 6. behauptē wollē / daß niemah[l]s einige ãltere Sprache in Italien gewe - ſen als die Lateiniſche: Denn es iſt glaub - lich / daß lange vorher / ehe Rom auffge - bauet uñ einige Hiſtoria hat koͤñen geſchrie - ben werden / auß Norden viel frembdeVoͤl -29der Teutſchen SpracheVoͤlcker nach Italien ſich gewandt. Gu - lielmus Poſtellus will in ſeinen Originibus Etruriæ erweiſen / daß ſie ihre Buchſta - ben von den Celtis haben. Scrieckius brin - get auch in ſeinen libris originum Celti - carum viel monumenta bey / worauß er die Abkunfft der Lateiniſchen von der Cel - tiſchen Sprache ſchlieſſet. Aber er ge - braucht hier in eine gar zu groſſe Freyheit. Wann nun die Griechiſche ihren Uhr - ſprung meiſtentheils von der Scythiſchen und Barbariſchen Sprache genom̃en: wie viel mehr wird denn die Lateiniſche davon empfangen haben / die auß der Griechiſchen und Barbariſchen zuſammen geſetzet? Die Nahmen der Voͤlcker / Laͤnder / Staͤdte / in Welſchland fuͤhrē noch die Keñzeichen ih - rer Herkunfft bey ſich / wie ſolches mit Ver - wunderung kan angemerckt werden / weñ man die alten Nahmen der Cimbriſchen / Galliſchen / Teutſchen / Gothiſchen Voͤlcker und Lãnder dagegē haͤlt. Welches alles mit groſſen Fleiß unterſuchet hat / mein ſehr groſſer Goͤnner und Freund / Herr Caſ -par30Das II. Cap. Vom Alterthumpar Voigt / hochverdienter Buͤrgermei - ſter der Stad Wißmar / von welchem die ge - lehrte Welt dermahleins / ſo ihm Gott / wie ich von Hertzē wuͤnſche / das Leben friſtet / ei - ne außfuͤhrliche Arbeit hieruͤber zu ſehen ha - ben wird. Dar auß deñ abzunehmen / wie ſo weit ſich von den erſten Zeiten her die Voͤl - cker dieſer Lãnder / und ihre Sprache auß - gebreitet. Hier zukan auch zum Zeugnis dienen / was Gaſſendus von dem unver - gleichlichem Mañe dem Peireſcio in der Be - ſchreibung ſeines Lebens p. 195. auffge - zeichnet: Ad Anaſtaſium Nannetenſem Capuccinum plurima perſcripſit de lingua Aremorica, in quâ conſenſit plurimas anti - quarum vocum latinarum eſſe radices. Nun iſt die alte Galliſche Sprache mit der Teut - ſchen einerley / und wo ja ein Unterſcheid darin iſt / ſo iſt er nicht hauptſachlich / als et - wa unter dialectos, wovon Lambecius l. 2. Comm. bibloth. Vindobonenſis p. 427. mit mehrem handelt. Skinnerus haͤlt zwar das Gegentheil in der præfatione ſeines Etymo - logici Lexici, und vermeint wider Cluverumund31der Teutſchen Spracheund faſt alle dieſer Sachen erfahrne / es ſey die Sprache der Gallier und Teutſchē gantz unter ſchieden geweſen: aber ſeine Gruͤn - de dar auff er bauet ſein uͤber auß ſchlecht. Denn was Cæſarem, der in Franckreich dreyerley Sprachen ſetzt; Tacitum / der die Teutſchen von den Frantzoſen der Spra - che halber unterſchieden / anlanget: ſo kan man auß beyder Zuſammenhaltung leicht ſehen / daß ſie nicht Sprachen / ſondern Dialectos verſtanden / deren aber etzliche vielleicht ziemlich weit entfernet / wie et - wa heute Schwediſch und Teutſch / Hollaͤn - diſch und Schwaͤbiſch. Welche ein Auß - lãnder leichtlich vor gantz unterſchiedene Sprachen halten koͤnnen. Die Galli ſein vor Alters in dreyerley Voͤlcker getheilet / Belgas, Celtas, und Aquitanos: die beiden er - ſten ſein unſtreitig Teutſcher Abkunft und werden die Celtæ, wie Cæſar ſelbſt bezeugt / κατ᾽ ἐξοχὴν Galli genant. Wer den Unter - ſcheid dieſer Voͤlcker und ihrer Sprachen genauer zu wiſſen verlanget / ſehe nur Merulam an / welcher Coſmogr. part. 2. lib. 1. cap. 32Das II. Cap. Vom Alterthum1. cap. 15. es alſo außgefuͤhret / daß ich nicht ſehe / was dawider ſonderliches koͤnne ge - ſagt werden. Er bringet ferner zum Beweißthum an: Cæſar ſage in ſeinem 1. Buch de Bello Gallico, daß Arioviſtus der Teutſche Koͤnig / durch lange Gewohnheit von 14. Jahren er ſtlich die Galliſche Spra - che erlernet / welche er ja wann der Unter - ſcheid ſo gering geweſen in etlichen Mona - then lernen koͤnnen. Wann man aber den Cæſarẽ recht anſiehet / ſo ſtehet nicht alda / daß Arioviſtus ſich 14. Jahr in Galllien auffgehalten um die Sprache zu erlernen / ſondern Cæſar haͤtte C. Valerium Procil - lum an Arioviſtum geſandt / propter fidem & propter linguæ Gallicæ ſcientiam, quâ multâ jam Arioviſtus longinqua conſue - tudine utebatur. Die Meinung dieſer Worte / wie ein jeglicher ſieht / iſt dieſe: Weil Arioviſtus nun eine geraume Zeit einē Theil von Galliam beſeſſen / und der Galli - ſche Sprache auß langē gebrauch gewoh - net / hãtte man dieſen dahin geſandt / der in dieſer Sprache ſich mit ihm unterre -den33der Teutſchen Sprache. den koͤnte. Es were ja auch endlich nicht zu verwundern geweſen / wenn Arioviſtus um die Fertigkeit dieſer Sprache zu ha - ben / einer langen Zeit beduͤrfftig geweſen: deñ auch in Dialectis ſo groſſer Unterſcheid ſein kan / daß man vieler Zeit Muͤhe von noͤthen hat / dieſelbe recht fertig zu erler - nen / inſonderheit wenn keine Grammati - ſche Lehr-Satze verhanden; Ja in Franck - reich und Teutſchland ſein heutiges Tages die einerley Sprache reden / und ſich doch nicht verſtehen. Wuͤrde man einen Schwa - ben in Niederland bringen / es wuͤrde groſ - ſe Muͤhe koſten / daß er des Landes Sprach ohne Anſtoß in langer Zeit reden lernete. Er greifft endlich auch den Cluverum an / welcher auß den Endigungen in den Nah - men der Koͤnige / Voͤlcker / Lãnder / Fluͤſ - ſe etc. dero Teutſchen Uhrſprung behaup - ten will. Welches ob es gleich ihm geringe daucht / dennoch ein Grund von groſſer Wichtigkeit iſt. Es were der Muͤhe wol wehrt die barbara nomina, die man bey den alten Autoribus findet mit Fleiß zu unter -cſuchen34Das II. Cap. vom Alterthumſuchen. Lutherus hat zwar ein Buͤchlein von den Nominibus propriis der alten Teutſchen / und Gotfried Wegener Anmerckungen daruͤber geſchrieben. Auch findet man bey dem Cambdeno in ſeinen Remaines concerning Britain, etwas von dergleichen Woͤrtern; Es iſt aber alles Un - vollkommen. Skinnerus meint er habe ein groſſes gewonnen / wann er am Ende ſeines Buchs erweiſen will / daß die im Cæſare und andern Autoribus vorkom̃ende Galliſche Nahmen / von andern Woͤrtern der alten Brittaniſchen Sprache herſtam - men. Aber er hat vielmehr ſeine Unwiſ - ſenheit in der Teutſchen zu Tage geleget. Welches weitlãutfig koͤnte dargethan wer - den: wann man ſich damit auffhalten wolte. Was ſonſt Peireſcius von den Stamwoͤrtern der Lateiniſchen Spra - che / die in der alten Galliſchen noch uͤbrig / erwehnet / ſolches kan auch auß dem alten Britanniſchen (welche Cæſar vor dieſelbe haͤlt) erwieſen werden: denn es hat Ro - bertus Sheringham in ſeinē Buch de OrigineGen -35der Teutſchen Sprache. Gentis Anglorum cap. 6. p. 109. (da er auch der Armoricaniſchē Woͤrter gleichheit mit den Lateiniſchen behauptet / und anweiſet / daß die Sprache ſelbſt von den Britan - niern da hinein gebracht) verſchiedene al - te Woͤrter angemerckt / die mit den Latei - niſchen uͤberein kommen: Wiewol er davor haͤlt das jene von dieſen entſprungen ſeyn. Daß ſolche aber mit den Teutſchen uͤber - einkommen und ſelbſt Teutſche ſein / will ich beweiſen. Latini veteres, (ſagt er p. III. ) inve - nuſtas & difformes perſonas vocabant Miri - ones; Cambro-Brittanni feminas in face - tas & ruſticas Mairiones. (Es iſt ein altes Runiſches Wort Mær ſive Môr Virgo. Worm in Lexic. Runico. und iſt hernach ein Mutter-Pferd ſo genandt / und wird noch heutiges Tages per translationem ge - ſagt: Es iſt eine loſe Maͤhr) Vete - ribus falla deceptio eſt: Cambro-Britannis faell (diß iſt ein teutſches Wort fehl / fall / fault / uñ faſt in allen andern Nebē-Spra - chen. Bey den Griechen hat man auch σφάλλομαι) Veteribus Guloſus gluton & glu -c 2via36Das II. Cap. Vom Alterthumvia dictus, Cambro-Britannis glvvth (Es iſt ein altes Wort Gul / welches in Dã - niſcher Sprache ſo viel heiſſet / als ein - ſchlucken / davon noch bey den Hollaͤn - dern das Wort Guͤlſich komt / und iſt per μετάϑεσιν literarum entſtanden) Vete - ribus Ruma mamma eſt, Cambro-Britan - nis Rhumen. (Es heißt aber bey ihnen auch abdomen. Vid. Boxhorn, Lexic. Britann. Latin. wie es bey den Lateinern auch das cavum colli bedeutet / worin bey dem Vie - he die Speiſe geſamlet wird / daher noch ruminare: iſt es alſo das teutſche Wort Rum oder Raum / das iſt der Orth / da etwas geſamiet wird.) Veteribus ſummus Oſcorum Magiſtratus Meddix vocabatur. Ca - mbro-Britannis Meddu ſignificat potentem eſſe. (Boxhorn. hat nicht dieſes Meddu, ſon - dern Mechdeyra. Iſt das Teutſche Macht / Mogen / Angl. Sax Mighty.) Veteribus Dalivus ſtultus. Cambro-Britannis Delff Barbarus. (Diß Wort kennen auch di[e]Bauren in Mecklenburg / wann ſie einen dum̃men Menſchen Delff nennen.) Hismul -37der Teutſchen Sprache. multa (ſagt er weiter) adjici poſſent nomina propria veterum Romanorum, quæ omnino nullum cum latina lingua, magnam cum Britannicâ cognitionem habent. (Ja ſolte er die Friſiſche / Dãniſche / Schwediſche Sprache durchſehn / ſo wird er noch viel mehr derſelben Nahmen finden: denn die jenigen / die er anfuͤhret / hat er mei - nes erachtens nicht recht unterſuchet. Von den Frieſen ſchreibt ſehr mercklich Boxhorn: in einem Briefe an Pibonem a Boma. p. 217. Lingua, mores, inſtituta antiqua Fri - ſiorum ea eſſe hactenus deprehendo, quibus ſua & Græci & Romani ferre debeant acce - pta. Nihil jacto. ſed de veteribus & Rep. & moribus & legibus, etiam origine Fri - ſiorum multa, eaque ampliſſima obſer vavi, aliis hactenus omnibus indicta.) Sheringham fuͤhrt frner in den Roͤmiſchen Nahmen / einige Britañiſche Woͤrter an / als / ſylla vi - dere: Da iſt bey den Teutſchen das Wort Zillen / davon Beſoldus de Nat. Po - pul. und das alte Lateiniſche cilleo, wie auch das Frantzoͤſiſche Wort Ciller, welches ſoc 3viel38Das II. Cap. vom Alterthumviel iſt als nictare. Er ſetzt das Wort celu bey den Lateinern celare: diß iſt bey den Teutſchen Helen / Gehelen und mit auß - geſtoſſenem (e) G’helen: oder das (c) wird in (h) verwandelt / wie in den Woͤrtern ca - lamus halm ΚΑΡΔία hart / und wie in dem folgenden Britañiſchen Worte cornel an - gulus, eene hoͤrn in der gemeinen Spra - che: ſo iſt in Gothreks Hiſtoria von dem Ve - relio herauß gegeben das Gothiſche Wort Pallshorn ſcamni angulus. Das Latei - niſche Cornu und das Teutſche Horn wer - den auch auff ſolche Ahrt verwechſelt. Das Wort occulere aber bey dē Lateinern / wird zwar bey Vosſio von colere hergefuͤhret / da iſt aber das Nieder teutſche Wort Kuͤl / welches ſo viel iſt als ein Loch darin man was vergraͤbet. Silyn ſoboles bey den Cam - brobritannis, iſt bey den Teutſchen auch zu - finden: Zielen / teelen heiſt / wann man eine junge Zucht zulegt. Cynne ſive cyn - nevv incendere & incendium: iſt aber das Teutſche Wort Zünden / anzünden. Dieſes ſein die wenige Wort / die er anfuͤhrt /deren39der Teutſchen Sprache. deren noch eine groſſe Menge uͤber iſt / davon viel koͤnte geſagt werden / wenn es dieſer Ohrt erleiden wolte.

Ferner iſt die Teutſche Sprache in Europa nicht beſtehen blieben / ſondern hat ſich auch in Aſia ſelbſt verbreitet / iſt vielleicht auch von dañen erſt heraus gekom̃en / welches noch von wenigen recht nach geforſchet iſt. Es iſt bekant was Busbequius nur obenhin aufgezeichnet hat von der Sprache einiger in Tauricâ Cherſoneſo wohnendē Voͤlcker / welche er entwedeꝛ vor Saxë haͤlt / die zu Ca - roli M. Zeiten da hinein getrieben / oder auch vor Gothen / dievon langer zeit hero da ge - wohnet / welches letzte viel glaubwuͤrdiger iſt. Skinnerus, der die Etymologias recht im grunde anzugreiffē nicht gnug Erfahrung hat / uñ viel falſche hypotheſes ſetzet / eine nuͤtz - liche Arbeit aber hierin gethan / daß er den parallelismũ Occidentaliũ & Septentrionaliũ linguarum zuſammen getragen / haͤlt dieſes fuͤr eine geringe Sache / und vermeinet auch es ſey ein Teutſches Volck / welches von den alten Scythis in dieſen Winckelc 4hinein40Das II. Cap. Vom Alterthumhinein getrieben / wie die alten Britanni von den Saxen innerhalb Walliam und Cornubiam beſchloſſen. Er hat aber nicht in acht genommen / daß die Gleichheit mit der Teutſchen Sprache nicht allein bey die - ſem Ohrte bleibt / ſondern durch groſſe Laͤn - der in Aſia ſich erſtrecket: Denn es ſind nicht ungefehr ſo ſehr viel Teutſche Woͤrter in die Perſiſche Sprache kommen; da deñ inſonderheit zu mercken / daß die alten Perſiſchen Woͤrter / die von Curtio und andern Hiſtoricis beylaͤuffig eingefuͤhret und von Burtono unter dem Titul: Veteris Linguæ Perſicæ λείψανα zuſammen ge - ſamlet / faſt alle Teutſche ſein / welches zwar Burtonus nicht in Acht genommen / ſondern zum Theil Boxhornius in einem Brieff an Blancardum, und Blancardus ſelbſt in den Anmerckungen uͤber den Cur - tium angezeiget. Es bezeugt Sal - maſius in ſeinem Buch de Lingua Hel - leniſtica mit dieſen außdruͤcklichen Wor - ten: Perſica ſeu Parthica, quæ & ipſa au - tores originis habet Scythas infinitas præ -fert41der Teutſchen Sprache. fert voces, quæ eædem reperiuntur in Græ - ciâ pariter & Teutonicâ dialecto. Der ſel - be hat in der Vorrede uͤber Tabulæ Cebe - lis verſionem Arabicam von dem Elich - manno, der ſie in Lateiniſch uͤberſetzet / und die Perſiſche Sprache gruͤndlich verſtan - den / dieſes berichtet: Quod ad hoc ævi la - tuit plerosque eruditorum, ex eâdem origine compererat fluxiſſe Germanicam & Perſi - cam linguam, ad hanc illum conjectur am du - cente infinitâ vocum copiâ utrique lingua communium: ſed & verbis ſimiliter termi - natis, eodem modo compoſitis, aliisque argumentis. Wie koͤnte ein glaubwuͤrdiger Zeugnuß hievon abgeſtattet werden? Es hatte ſchon zuvor der gelahrte Mann Mi - chael Piccartus eine Oration geſchrieben: Daß die Teutſchen der Perſer Bruͤ - der ſeyn / welche Meinung Rupertus hat widerlegen wollen / aber es ſchreibt Ge - orgius Richter in ſeinen Brieffen p. 416. an jhn / daß dieſe Meinung nicht ſo gar zu verwerffen / des Scaligeri urthel jhm vor - haltend / welcher ſagte: cum ratione illosc 5in -42Das II. Cap. vom Alterthuminſanire qui ita ſentiunt, wie deſſen Worte hievon lauten: und hat Rupertus nach - gehends meines wiſſens nichts dawi - der geredet. Bochartus der ſonſt der Teut - ſchen Sprache nicht ſonderlich gewogen / uñ alles auff ſeine Carthaginenſer ziehet / muß dennoch dieſes bekennen in ſeinem Phaleg l. 1. c. 25. Perſicam linguam quod quidam Viri docti ſcribunt accedere ad Germanicam, in tantâ locorum intercape - dine nemo facile ſibi perſuadere ſinat: Ta - men rei probandæ tot exempla congerunt, ut ab invitis pene fidem extorqueant. Uber dieſe von uns angefuͤhrte Zeugniße gelehr - ter Leute und Exempel der Woͤrter / an - gemerckt beim Lipſio Cent. 3. ad Belgas Epiſt. 44. und Abrahamo Mylio de antiq. ling. Belg. cap. 11. koͤnnen wir auch beybringē den Joannem Gravium, der ſelbſt in den Mor - genlaͤndern ſich lange auffgehalten / und E - lementa linguæ Perſicæ herauß gegebē. Die - ſer da er von der Syntaxi der Perſi - ſchen Sprache handelt / erkennet er / daß ſie mit der Engliſchen / (als welche gleichfalsTeut -43der Teutſchen Sprache. Teutſcher Eigenſchafft iſt) hierin uͤberein komme. Deñ ſo ſpricht er pag. 89. In reli - quis partibus Orationis nulla Syntaxeos dif - ficultas eſt, neque ullam puto eſſe linguam inter Orientales, quæ paucioribus indigeat regulis, aut cum Europæis magis conſen - tiat. Plurima vocabula reperio exacte cum Anglicis eodem ſenſu & numero fere litera - rum congruentia. E pleniori meſſe ſpicile - gium cape. Setzet hier auff einige Engli - ſche den Perſiſchen gleiche Woͤrter / die ebenfals Teutſch ſein. Uber dieſen brin - get er etzliche herbey / welche von den La - teiniſchen ihren Uhrſprung haben ſollen. A - ber es ſind die meiſten davon Teutſche / wie imgleichen auch die jenige / welche der Herꝛ Olearius in ſeiner Perſianiſchen Reiſe lib. 5. c. 26. anfuͤhret / der wegen der Gleichheit mit den Teutſchen auch einerley Meinung hat. Man hat auch wie Martinus Martinius in ſeinē Atlanto Sinico meldet / ein Buch mit Gothiſche Buchſtaben geſchrieben in China gefundē / dem etwas von der H. Schrifft in Lateiniſcher Sprache beygefuͤgt geweſen:Vidi44Das II. Cap. vom AlterthumVidi, ſagt er / unà cum Sociis hîc apud li - teratum quendam volumem vetus, Gothi - cis characteribus diligentiſſimè fexaratum. Adhibita fuit papyriloco tenuiſſima mem - brana. Maxima Scripturæ Sacræ pars Lati - erat conſcripta. Tentavi librum ut con - ſequerer: at ejus Dominus tametſi gentilis, nec prece nec precio ullo adduci potuit, ut traderet, in ſua familia per multas jam ne - potum progenies tanquam rariſſimum quod - dam antiquitatis cimelium ad ſervatum illud adſerens, Es ſcheinet aber daß dieſes Buch nichts andeꝛs geweſen / als die Evangelia Go - thica, die auß dē Codice argenteo von Fran - ciſco Junio mit ſeinen Anmerckungen / und vor etlichē Jahren in Schweden heraußge - geben. Dieſe ſein vielleicht vor Alteꝛs von je - mand in China gebracht / und von einē Lieb - haber biß auff dieſe Zeit verwahret wordē: der ſelber dieſes Buchs Einhalt nicht ver - ſtandē. Man hat auch noch in andern Ori - entaliſchen Sprachen / in der Ægyptiſchen / Arabiſchē einige Woͤrter die Celtiſcher Her - kunfft zu ſeyn ſcheinen. Das Wort Barabey45der Teutſchen Sprache. bey den Ægyptern, iſt / was bey uns ei - ne Bahr / Siehe Kircherum in Obeliſc. Pamphil. lib. 5. p. 472. deſſen Prodromus Copt: viel ſolche gleichlautende Woͤrter hat. Geſnerus hat in ſeinem Mithridate auch dieſes Worts Bar gedacht. Man kan auch bey dem Diodoro Sicul. lib. 2. & Hero - doto lib. 2. Petro Victorio variar. lect. lib. 10. c. 9. von einer cymba funerali dieſes Nah - mens etwas leſen. Bey den Arabern iſt das Wort Hamel, welches arietem bedeu - tet / und das ſelbſt Teutſch iſt. Daher mei - net Kircherus in Oedip. Ægypt: Synt. 3. c. 6. komme des Jovis Ammonis Beynahme. Ja ſo gar in America finden ſich viel den Celtiſchen gleichlautende und bedeutende Woͤrter / wovon mit groſſem Fleiß gehan - delt hat Myliusde antiquitate Linguæ Belgicæ cap. 25. und in Additionibus ejus capitis; Welcher gaͤntzlich der Meinung iſt / daß vor Alters einige Colonien von den Cim - bris oder Scythis hineingekommen / weiſet auch an / auf was Weiſe ſolches habe geſche - hen koͤnnen.

Das46Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſch

Das III. Cap. Daß viel Griechiſche und La - teiniſche Woͤrter von den alten Teut - ſchen oder Scythiſchen herkom̃en

Einhalt. DIe Scythiſche eine Stam̃ſprache der Euro - paͤiſchen. Wird von Salmaſio und Box - hornio davor gehalten. Welche aber den rechten Grund wegen Unkunde der Teutſchen Spra - che nicht entdecken koͤnnen. Boxhornii Origines Gal - licæ. Abraham Mylius hat von dem Alterthum der Hollaͤndiſchen Sprache geſchrieben. Die Gloſſaria der Barbariſchen Woͤrter und andere Schrifften in den Nordiſchen Sprachen koͤnnen hiezu nuͤtzen. Kircheri falſcher Wahn von der Teutſchen Spra - che. In dem Mecklenburgiſchen / Pom̃erſchen / Weſt - phaͤliſchen ſein viel Stammwoͤrter verborgen. In der Tentſchen Sprache ſein keine frembde Woͤrter / als die mit Fortpflantzung der Religion und auß dem oͤffentlichen Gebrauch in Politiſchen Sa - chen hinein kommen ſeyn. Je aͤlter die Lateiniſchen Worter / je mehr ſein ſie den Teutſchen aͤhnlich. Bacrio, Becher / Spectile, Speck / Stega, Steg / Stritare, Striden / Plancæ, Plancken / ThrocumTrog /46[47]von dem TeutſchenTrog / Caulis, Kohl / Matta, Matte / Rumpus, Rump / ꝛc. Woͤrter die allerhand Geraͤhtſchafft bedeu - ten ſein aus der Celtiſchen in die Lateiniſche Sprach gekommen. Auß dieſen kan inſonderheit der Uhr - ſprung der Sprachen dargethan werden. Honos Hohn / Duo Zwo / Æs Eiſen / Equs, Eik. (vox Gothica) Kaf, (Gothica vox) profundum: Cavare Cavea, Scapha. &c. ςείρα ſteur / τέυχω Zeuch / Tuͤch. Varro, Feſtus und alle andere Etymologi fehlen ſehr in ihren Etymologiis. Auch die Fran - tzoſen in ihrer Sprache. Die ihre uhrſpruͤng - lich Teutſche Woͤrter / von den Griechiſchen oder Lateiniſchen herbringen wollen. Mericus Caſau - bonus wil die Engliſchen Woͤrter von dem Grie - chiſchen leiten. Worinn faſt alle fehlen: Skinnerus; Franc. Junius, Rigaltus, Meurſius, Vosſius, &c. Die Urſachen dieſes Fehlers / Aquilonius hat eini - ge Griechiſche und Lateiniſche Woͤrter von den Daͤniſchen hergefuͤhret. Meinet daß die Daͤni - ſche Sprache der Lateiniſchen mehr Woͤrter ge - geben als die Deutſche. Worinn er irret. Seine angefuͤhrte Exempel werden widerlegt. Grunni - re, Gruntzen / Hinnus, Hind / Rapere, raffen / Tolerare, dulden / Torrere, duͤrren / Irritare, anreitzen / komt nicht von ira, irrire oder ritus wie Vosſius meinet / ſondern von dem alten teut - ſchen Wort Ratu, Riote, Rit, irritatio, Er - na, ein altes teutſches Wort / davon das Lateini -ſche48Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchſche ira, bedeutet eben daſſelbe. Olai Wormii Buch de literatura Runicâ. Edda Islandorum Re - ſenii. eine aͤltere Edda in Schweden vorhanden. Die alten Gothiſchen Schrifften / die in Schweden herauß gegeben worden. Collegium Antiquitatum und Profesſio linguarum Septentrionalium auff der Upſaliſchen Academia angeſtellt / gereicht der Schwediſchen Nation zu groſſem Ruhm. Codex argenteus der Gothiſchen Evangelien.

DUrch dieſe ſo augēſcheinliche Gruͤn - de ſind die Vortreflichen Leute / Sal - maſius uñ Boxhornius endlich auf die Gedancken gekom̃en / daß ſie die alte Scythi - ſche vor eine Stammſprache der Europæi - ſchen gehalten. Es hat ihnen aber hieran gefehlet daß ſie keine vollkommene Wiſſen - ſchafft der alten Teutſchen / und deren Dia - lectorum, der Gothiſchen / Schwediſchen / Daͤniſchen und anderer gehabt; ohn wel - chem nichts fruchtbarlichs hierin kan ver - richtet werden. Boxhornius hat zwar ei - nen guten Verſuch gethan in ſeinen Origi - nibus linguæ Gallicæ: woſelbſt in der Vor - rede einige nuͤtzliche und ungemeine Dingedeß49von dem Teutſchen. deßhalben verhandelt werden: und vor - hin in einem Hollāndiſchen Buͤchlein von der Abgoͤttin Nehalennia. Aber es iſt zu be - klagen / daß er uͤber dieſem Werck geſtor - ben / und es nicht vollfuͤhren koͤnnen. Es hat auch ſchon vor Boxhornio, Abrahamus Mylius in ſeinem Buch de Linguæ Belgicæ Antiquitate eine gute Arbeit ſeiner Mut - ter Sprache zum beſten verrichtet. Es be - ſtehet nur das meiſte in Vergleichung der Teutſchen und frembden Woͤrter / womit Boxhornitis ſich gleichfals bemuͤhet / und iſt noch zur Zeit niemand / der was haupt - ſachlichs darin gethan.

Wer nun ſolches thun wolte / muͤſte theils die alte Griechiſche und Lateiniſche Woͤrter / die man in den Fragmentis noch - brig hat / auß den Gloſſariis hervor ſuchen / und darnebenſt gar genau die Uhralten Teutſchen Woͤrter / auß den alten Schrif - ten zuſammen leſen / die alte Gothiſche / Runiſche / Angelſaͤchſche / Cimbriſche / Frantzoͤſiſche / Spaniſche / die heutige Teut -dſche50Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchſche / und alle deren Dialectos, woran am meiſten gelegen; Hollaͤndiſche / Dāniſche / Schwediſche / Norwegiſche / etc. zum we - nigſten / ſo weit verſtehen / daß ihm die Woͤrter derſelben nicht unbekant. Kirche - rus in ſeinem Buch de Turri Babel. lib. 3. ſect. 3. c. 4. macht die Hollaͤndiſche / Engliſche und Weſtpfaͤliſche zu Toͤchter der Teut - ſchen / und meint daß die Teutſche Sprache deſto mehr verdorben ſey / je weiter ſie gen Norden ſich erſtrecket / worin er ſehr ir - ret. Denn es iſt das Gegenſpiel wahr / und ſeind die Stam̄woͤrter reiner und un - vermiſchter da zu finden. Es würde einer mit Verwunderung ſehen / wie eine Spra - che / ein Dialectus dem andern zu huͤlffe koͤmt / und wie viel Stammwoͤrter in dem alten Saͤchſiſchen / Cimbriſchen / Pom - merſchen / Weſtphaͤliſchen / Mecklenbur - giſchen etc. und inſonderheit in der alten Gothiſchen ſtecken; davon nicht allein viel Woͤrter in der Hochteutſchen unſtrei - tig hergeleitet / welches die Hochteutſchen ſelbſt nicht wiſſen; ſondern eine ſo groſſeMen -51von dem Teutſchen. Menge in der Griechiſchen und Latei - niſchen herſtammet. Denn daß die unſrige ſolche von den Griechen und Roͤ - mern geholet / kan nicht mit dem gering - ſten Schein der Warheit geſaget werden; und laufft wider des Dionyſii Halicarnaßæi, oben angefuͤhrtes Zeugnis. Es weren denn ſolche Woͤrter mit Einfuͤhrung der Chriſtlichen Religion, oder auß den ver - dorbenen Lateinſchen terminis, deren ſich die erſten teutſchen Keiſer in ihren oͤffent - lichen Schrifften gebrauchet / auff uns geleitet / davon ſo gar viel nicht zu finden ſeyn werden. Zu dem kan man ſolches an den Lateiniſchen Woͤrtern / die in Oſca, Volſca, Tuſca Lingua zu finden ge - weſen / ſelber ſehen: welche je aͤlter ſie ſeyn / je naͤher ſie dem Teutſchen kommen. Das Wort bacrio oder bacar, welches Feſtus nen - net genus vaſis longioris manubrii, quod alii trullam vocant (Trua oder Trulla iſt eben ſo wol das Teutſche Truhe) iſt unſer Teutſches Wort Becher / Bacher / oder Beker: und gleichwolleitet Voſſius das Lateiniſched 2von52Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchvon Bacho, aber οὑ πρὸς διώνυσυν, und das Hol - laͤndiſche beker von dieſem bacrio. Was iſt das Wort ſpectile bey dem Plauto, wel - ches Feſtus ſuillum obſonium nennet / an - ders als unſer Teutſches Speck? nur daß ſie eine ſonderliche termination hinan ge - haͤnget / und dennoch wollen einige erleuch - tete Critici lieber von dem Lateiniſchen Wort ſpecio und ſpecto: quaſi ſcilicet ſpe - ctabile aliquid iit in illo obſonio, es her - fuͤhren / als von dem Teutſchen Speck: da doch ſpecio und ſpecto eben ſo wol von alter Teutſcher und Scythiſcher herkunfft ſein / davon aber jetzo nicht zu ſagen. Das Wort Stega bey dem Plauto iſt tabula - tum navis, in quo nautæ ambulant; Iſt nicht dis daß rechte Teutſche Wort Steg? Stritare wird bey den alten Lateinern von denſelben geſaget / qui æquali paſſu ire non poſſunt, ſed vel pede ſummo vel talo terram ſtringebant. Was iſt dis anders / als unſer Niederteutſches Wort Strie - den? Welches doch Laurenberg in ſeinem Antiquario von ſtringere, und Voſſiusvon53von dem Teutſchen. von tero und deſſen ſupino tritum abzie - het. Sind nicht Plancæ, quæ Feſto vocan - tur tabulæ planæ, was wir noch heutiges Tages Plancken heiſſen? Von welchen Chimentellus in ſeinem Buch de Honore Beſellii cap. 21. das Italiāniſche Panche oder Banche, eine Banck / abziehen wil / das doch eben ſo wol ein Teutſch Wort iſt. Was iſt das Wort Caulis ſo bey den Scriptori - bus rei ruſticæ gebraucht wird / anders als unſer Teutſches Wort Kohl? denn die Roͤmer haben das au als ein o auß - geredet. Es iſt auch das Griechi - ſche καυλὸς, welches eine gemeine Bedeu - tung hat / und pro virgâ cujuscunque plan - genommen wird. Mit dem Worte Throcum deſſen Feſtus gedencket / quaͤlet ſich Chimentellus im vorerwehnten Bu - che cap. 27. ſehr. Es iſt aber eine Art von Stuͤhlen geweſen / die man getragen / und haben wir in Teutſcher Sprach dieſem ein gleich lautend Wort Trog. Welches mit dieſem wol kan verglichen werden. Das Wort Matta, Storea oder teges,d 3welches54Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchwelches Ovid. l. 6. Faſtor. gebraucht / wird beym Martino vergeblich vom Hebrāiſchen abgefuͤhret / weil es ein rechtes Teutſches Wort / und in eben demſelben Verſtande genommen wird. Bey den ſequioribus Scriptoribus iſt es viel haͤuffiger zufinden / welche Savaro in Sid. Apol. lib. 1. Epiſt. 24. an - fuͤhret: nicht bey andern als nur bey Ovi - dio einmahl: dar auß man ſehen kan / daß ſolche Woͤrter ehe geweſen / aber als ge - meine und Plebeia nicht gebrauchet worden. Es ſeyn aber ſolche den andern im Alterthumb vorzuziehen. Das Wort Sicilices iſt unſer Teutſches Si - chel / davon das Griechiſche ζάγκλη: auch nicht gar ſehr entfernet. Man fin - det unter den Woͤrtern die allerley Ge - raͤthe bedeuten / uͤberauß viele / die Celti - ſcher Abkunfft ſein. Worauß man einen feſten Schluß machen kan / daß die Latei - niſche von dieſen hergekommen. Denn ſolche Woͤrter ſein ins gemein die aͤlteſten / und bleiben am laͤngſten unveraͤndert / weil keine Uhrſach iſt eine Neuerung dabeyvor -55von dem Teutſchen. vorzunehmen: wie bey denen / die in oͤf - fentlichen Reden gebrauchet werden. A - ber hievon kan allhie nicht geredet wer - den. Wenn ich auch die uͤblichen Woͤrter in der Lateiniſche Sprache anſehe / wie viel ſeyn derer die ohne Veraͤnderung Teutſch ſeyn? Iſt nicht honos und hohn gleich? Denn das Wort iſt bey den La - teinern mediæ ſignificationis, wie das Wort dolus. Honos malus iſt ſo viel als inju - ria. Siehe Gell lib. 12. c. 9. und Lauren - berg. in Antiquario. Duo und bey den Teut - ſchen two oder zwo / iſt ein Wort / und wie Gifanius in ſeinem Indice Lucretiano p. 333. bezeuget / hat mans vor dieſem im Lateiniſchen einſilbig außgeſprochen. Von den andern Zahlen kan dergleichen be - wieſen werden: In der alten Runiſchen Sprache iſt das Wort Eik; in der Lateini - ſchen Equus: welches daſſelbe bedeutet. In der Gothiſchen hat man ein Wort Kæf, be - deutet profundum. Wovon in dē Lateiniſchē viel Woͤrter abſpringen / Cavare, Cavea, das Teutſche Kafen / und das Griechi -d 4ſche56Das III. Cap Griechiſch und Lateiniſchſche σκάπτω excavo, das Lateiniſche Scapha. Das Teutſche Scap hat hiemit auch einige Gleichheit. Was iſt das Lateiniſche æs, vor dieſem æſis anders als das Teut - ſche Eiſen? Das Griechiſche τεύχω, Fa - bricor hat im Teutſchen das Wort Tuͤch / oder Zeug / σμύχω, incendo das Wort Schmock / ſchmoͤcken / ſchmaͤuchen. Στιίρα carina navis, wird von ςέῤῥος ſolidus hergefuͤhret / und wir haben im Teutſchen das Wort Steur / welches viel eigentlicher den Urſprung fuͤrbildet Rumpus, ein abge - riſſeneꝛ Zweig / Rump ein geſtuͤm̄elteꝛ Coͤr - per komt uͤbereins. Ichkoͤnte hie ein gantz Lexicon ſolcher Woͤrter ſchreiben / wenn es dieſes Ohrts were. Die jenigen die von dem Varrone und Feſto der ſelben Uhrſprung erlernen wollen / betriegen ſich ſehr / denn es hat niemand die Origines der Lateini - ſchen Sprache weniger verſtanden als eben ſie: wie ſolches faſt in allen Sprachen ſo zu - gehet / in welchen die Eingeborne die groͤbe - ſte Fehler begehen: dann es folget nie - mand hierin der Natur und der Ver -nunfft57von dem Teutſchen. nunfft nach / ſondern ſeinem eigenen Wahn. Die die Hebreiſche oder Griechi - ſche Sprache vor andern lieben / wollen hievon alles herholen / wie Bochartus alles von der Puniſchen. Die der frembden keine ſonderliche Kundſchafft haben / erdencken einige ſonderliche alluſiones und allite - rationes, und da iſt denn alles gut. So muß Venus von veniendo herkommen / Veſta wird deßhalben ſo genant quod vi ſuâ ſtet: welche derivationes eben ſo gut ſein / als wenn das Wort Biſchoff davon gemacht ſein ſoll / weil er bey den Schaffen iſt: Denn es iſt der Nahme und die Verehrung dieſer Goͤttin von den Barbaris zu den Roͤmern kommen / da - von allhie weiter nicht kan geredet werden; Iſt derohalben eine Thorheit das ἔτυμον der Woͤrter bey den Roͤmern zu ſuchen. Die Frantzoſen und Italiaͤner die heuti - ges Tages Etymologias ſchreiben / ſind mit dergleichen Irrthuͤmern angefuͤllet. Bovillus hat in ſeinem Buch de differentiæ vulgarium linguarum gar kindiſche Ein -d 5faͤl -58Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchfaͤlle von den Frantzoͤſiſchen Woͤrtern / den aber Wolffgangus Hungerus gruͤndlich widerlegt hat. Menagius, ſonſt ein vorneh - mer Philologus und Criticus, welchem Skin - nerus gemeinlich folgt / ein Blinder dem an - dern / holt ins gemein auß Griechenland oder auß Rom die Stammwoͤrter her / die er in Teutſchland ſuchen ſolte. Beza, Peri - onius, welche von der Gleichheit der Grie - chiſchen und Frantzoͤſiſchen Sprachen ge - ſchrieben / fehlen auch ſehr hierin. Joh. Henricus Ottius in ſeiner Franco-Gallia hat viel beſſere Nachricht geben. So hat auch Monoſinus in ſeinem Buch genant Flos Linguæ Italicæ, viel Italiaͤniſche Woͤrter von den Griechiſchen abgeleitet / die doch Teutſchland vor jhre Mutter erkennen. Mericus Caſaubonus in ſeiner Commenta - tione de Græcâ Linguâ, worin er die Gleich - heit der Engliſchen und Griechiſchen Sprache zeiget / iſt dennoch auch der Mei - nung / als wann dieſe Woͤrter von dem Griechiſchen herſtammen; und kan end - lich wolſeyn / wie vor dieſem die Griechenihre59von dem Teutſchen. ihre Colonias und Schiffe hin und wie - der geſchickt / (denn Jacobus Eyndius in ſeinem Chronico Zelandiæ cap. 9. auch erweiſen wil / daß die Griechen die See - laͤndiſche Kuſten beſegelt) daß einige von ihren Woͤrtern bekleben geblieben: Aber es iſt eine groͤſſere und viel gruͤnd - lichere uͤbereinſtimmung dieſer Spra - chen / als daß von ungefehr ſolches ſolte geſchehen ſeyn. Es iſt diß præjudicium ſo ſehr bey gelahrten Leuten eingewurtzelt / daß ſie faſt pro paradoxo halten / wann man der Teutſchen und der verwandten Sprachen Alterthumb uͤber die Griechi - ſche und Lateiniſche erhebet / und dieſe von jener ableitet. Skinnerus der ein Etymologicum der alten Engliſchen Woͤr - ter geſchrieben / und eine Vergleichung mit den andern verwandten Sprachen angeſtellet / hat zwar eine nuͤtzliche Ar - beit verrichtet / wie imgleichen Franciſcus Junius in ſeinem Gloſſario Gothico, wel - ches er den Gothiſchen Evangeliis zugefuͤ - get / und jetzo vermehrter in ſeinem ho -hen60Das III. Cap. Griechiſch und Lateinſchhen Alter herauß geben wil. Aber ſie lie - gen gleichfals an dieſer Seuche kranck / da ſie doch deſſen ſo klarſcheinende Zeugnuͤße vor Augen liegenhaben. Sehen wir den Nico - laum Rigaltium Johannem Meurſium in ſei - nen Vocibus Mixo Barbaris, den Voſſium de Vitiis ſermonis Latini, Ludovicum de la Cer - da in ſeinen adverſariis, Lindenbrogium, Gothofredum Wendelinum, Henricum Spelmannum, und endlich du Freſne in ih - ren Gloſſariis an: Man koͤnte viel hun - dert / ja tauſend ſolche Fehler mercken / und ein groſſes Buch davon zuſam̃en tragen / welches aus keiner andern Uhrſachen kom̄t / als daß ſie dieſer Sprachen Grund nicht recht begreiffen. Und iſt zu verwundern / daß da der Augenſchein ſelbſt ſie vor Barbariſche Woͤrter angibt / ſie dennoch lieber den Uhrſprung in der Ferne bey den Griechen / als bey den Teut - ſchen ſuchen. Bey ſo groſſer Menge der irrenden hat dennoch einer in Denne - marck der ſich Aquilonium nennet / in ei - nigen kleinen Buͤchlein die er de miſtioneGræ -61von dem Teutſchen. Græcæ & Latinæ cum Danicâ Linguâ geſchrie - ben / das Gegentheil darthun wollen / und die Woͤrter hervor geſuchet / die auß der Dāniſchen Sprache in die Lateini - ſche und Griechiſche gekommen ſeyn. Da - von er ſeine Gedancken daſelbſt eroͤffnet. Er haͤtte aber / wann er die andere Spra - chen zu Huͤlffe gezogen / ſeine Meinung viel gruͤndlicher und beſſer außfuͤhren koͤn - nen: ob er zwar meinet / daß die Dā - niſche Sprache einen ſonderlichen Vor - zug vor der Teutſchen habe / was die Gleichheit mit der Lateiniſchen betrifft. Die Woͤrter die er p. 46. einfuͤhret / zeugen vielmehr / daß er ſelber der Teutſchen Spra - che nicht recht kuͤndig geweſen / denn ich beweiſen wil / daß die meiſten Teutſche an - gemerckte Woͤrter / eine beſſere Gleichheit mit der Lateiniſchen haben / als die Daͤni - ſchen; Und muß hierinnen nicht die Hoch - teutſche / ſondern vielmehr die Nieder - teutſche Sprache zur Richtſchnur geſe - tzet werden. Jedoch haben wir in der Hochteutſchen Sprache ſo wol dasWort62Das III. Cap. Griechiſch und LateiniſchWort Gruntzen (Gruunire) als die Daͤ - nen das Wort grynte / davor er den Teutſchen das Wort Rucheln / (Roͤ - cheln wolt er ſagen) zuſchreibet. Das Wort Hind (Hinnus) iſt gleichfals bey uns / wie bey ihnen / nicht Rechhochs / ſolte vielleicht Rehbock ſeyn. Wir haben ſo wol das Wort raffen (rapere) als ſie ihr Rape: Denn hinnehmen iſt ein an - ders. Tole (Tolero) koͤnnen wir ſo wol durch dulden / als ertragen geben / wie imgleichen Toͤrre (Torreo) durch dür - ren: den Drogen / daß er davor ſetzet / iſt nicht Hochteutſch / ſondern truckenen auch wol trengen. Das Lateiniſche Wort irrito ziehet er von dem Daͤniſchen Wort Irre / davor die Teutſchen an - reitzen. Aber es trifft diß Teutſche viel beſ - ſer zum Ziel / weil es das Stamm-Wort in ſich hat / davon das Lateiniſche herkom - met. Denn ob wol Voſſius ſich ſehr mit dieſem Worte quālt / in dem ers bald von Ira, bald von irrire, quod de Canibus di - citur, bald von dem Griechiſchen ἐρέϑω, dasdoch63von dem Teutſchendoch gleichfals von dem Teutſchen entſproſ - ſen / und nicht von dem Griechiſchen〈…〉〈…〉 ρις, wie er wil: bald von rite und ritus herfuͤh - ret: ſo fehlt er dochſehr weit. Daß das Wort ritare gebrāuchlich geweſen / erſcheinet auß dem Worte poritare welches er aus proiri - tare meinet zuſam̄en gezogen zu ſeyn / darin er doch irret: Denn man lieſet in den alten MStis-inritare, welches eine Anzeigung iſt / daß das Wort von in und rito zuſam̄en ge - ſetzet: wiedann auch Daumius in ſeinem Buch de Cauſis amiſſarum radicum linguæ latinæ. c. 2. p. 14. unter die ungebraͤuchli - chen ſimplicia es ſetzet. Iſt es alſo das rechte Teutſche Wort anreitzen / wie wir es nach dem hochteutſchen Dialecto auß - ſprechen. Das ſimplex hievon findet ſich in den alten Teutſchen Wortern / welche Lipſius Cent. 3. ad Belgas epiſt. 44. zuſam - men geleſen hat. Ratodon. Irritaverunt: & Ratuot, Irritat & Garatot, concita - tus eſt & Ratunusſi. Irritatione Wobey. Somnerus in den von Merico Caſau - bono heraus gegebenen Anmerckungenſetzet64Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchſetzet. Huic affine eſt noſtrum Wrath iram iracundiam ſignans: Nuſſi autem eſt ter - minatio nominum ſubſtantivorum. Iſt nun alſo das rechte Stammwort Ra - tu, Irritatio: mit dieſem koͤmpt uͤberein das alte Fraͤnckiſche Wort Riote, Rit welches in einer alten Verſione Franco-Gallicâ der Bi - bel geleſen wird / wie Skinnerus bezeu - get. Es heißt aber diß Wort ſo viel als jurgium altercatio, Rioter, Riottare, Jur - gari, altercari; und iſt laͤcherlich daß Skin - nerus ſolches von dem Lateiniſchen Arietare herziehen wil. Sonſt haben wir auch das Teutſche Wort terren / tarren / targen / welches der Bedeut - ung nach einerley iſt. Wil hie nicht ſa - gen von dem alten Wort erre, welches in den Niederlaͤndiſchen Geſetzen gefunden wird: in erre moede wat doen, animo ira - to aliquid facere; Wovon das Lateiniſche Ira herzu kommen ſcheinet. Wir haben jetzo in dergleichen Dingen viel Huͤlffmit - tel / von den alten abgeſtorbenen Spra - che die jetzo wieder hervor geſuchet wer -den.65von dem Teutſchenden. Wormius hat die alte Runiſche Sprache in ſeiner literatura Runica, Faſtis und Monumentis Danicis wieder auß dem Grabe erwecket. Die Edda Islandorum, darinnen der alten Nordiſchen Voͤlcker ihre Theologia und Mythologia beſtanden / iſt von Petro Reſenio herauß gegeben. Es ſol aber eine vollſtaͤndiger Edda noch in Schweden vorhanden ſeyn / welche zu ſeiner Zeit auch ans Licht wird gebracht werden: in welcher groſſe Nachricht iſt von der Aſiatiſchen Voͤlcker Ankunfft in die Nordiſche Laͤnder / wovon auch Schef - ferus in Upſalia antiqua c. 7. kan nachgeſe - hen werden. Es kan auch trefflich zuſtat - ten kommen / daß man die alte Gothiſche Sprache und antiquitaͤten mit ſolchem groſſen Fleiß jetzo in Schweden her - vorſuchet: Zu welchem Ende dann zu groſſem Ruhm dieſer Nation ein ab - ſonderliches Collegium Antiquitatum und Profesſio Linguarum Septentrionalium auff der Upſaltſchen Academiâ angeſtellet / und bereits eine zimbliche Anzahl ſolcher al -eter66Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchter Schrifften mit gelahrten Anmerckun - gen / von Olao Verelio, wie auch andere hiezu dienende Buͤcher von Loccenio, Schef - fero, Rudbeckio hervor gegeben. Wor - unter vor allen andern zu ſetzen iſt der ſo genandte Codex argenteus Evangeliorum Gothicorum, welcher nach dem er einmahl auß der Koͤniglichen Schwediſchen Biblio - thec verlohren geweſen / vor eine groſſe Summa Geldes / von dem Herrn Reichs Cantzler de la Garde wieder herbey ge - ſchaffet / und erſtlich von Franciſco Junio, hernach in Schweden außgegeben wor - den iſt. Darinnen man bißweilen un - terſchiedliche Wurtzeln merckt / davon Griechiſche und Lateiniſche Woͤrter her - ſtammen: welches auch von denen Auto - ribus ſelbſten / die ſie herauß gegeben / nicht beobachtet worden.

Das67von dem Teutſchen

Das IV. Cap. Von den Gruͤnden der Ab - leitung in Woͤrtern / und zwar von dem erſten: daß eine einfaͤltige grobe Spra - che der kuͤnſtlichen den Anfang gegeben.

Einhalt. GRiechiſche und Lateiniſche Stammwoͤrter auß dem alten Scythiſchen. Es koͤnnen in der Etymologia richtige principia gegeben wer - den. Je einfaͤltiger die Sprache / je lauterer und aͤl - ter iſt ſie. Die alte Lingua Pelasga, hat der neuen Griechiſchen / und die alte Oſca, Tuſca, &c. der neuen Lateiniſchen den Urſprung gegeben. Thuſci dem Nahmen und der Außrede nach Teutſcher Art und Abkunfft. Joſephi Scaligeri Urtheil hievon. In Toſcanien ſein die aͤlteſten Staͤdte. Die plebeia Lingua Latina iſt von der zierlichen allezeit unter - ſchieden geweſen: wie in allen Sprachen der Unterſcheid iſt. Exempel auß dem Inſtrumen - to plenariæ ſecuritatis, ſo zu Juſtiniani Zeiten ge - ſchrieben. Fragmentum Petronianum. Skinnerus verwirfft die Meinung / daß Griechiſche Woͤrter von Teutſchen und Scythiſchen herkommen. Hat einen falſchen Grund. Die Griechen ſeyn ſelbſt wider jhn /e 2welche68Das IV. Cap. Von den Gruͤndenwelche geſtehen / daß jhre Sprache von den Barbaris herruͤhre. Treffliche Zeugniſſe auß den Jamblicho, Clemente Alexandrino, daß die Griechen durch jhre Leichtſinnigkeit und Kuͤnſteley mehr verdorben als verbeſſert. Anacharſis ein Scythiſcher Philoſophus wirfft den Griechen ſelbſt jhren Scythiſmum vor. Skinnerus hat keinen Unterſcheid gemacht un - ter die wachſende und vollkommene Sprache. Seine angefuͤhrte Gleichnuſſen koͤnnen wider jhn ſelbſt ge - braucht werden.

SO iſt dann nun dieſes meine gaͤntz - liche Meinung / die nicht ohne guten gruͤnden von den trefflichen Leuten Salmaſio und Boxhornio aufgebracht / wie - wol ſie dieſelbe nicht außgefuͤhrt / daß die alte Scythiſche die rechte Hauptquelle der Europeiſchē Sprachen ſey / auß welcher die alte Teutſche und Gothiſche zu erſt ent - ſprungen: wo ſie nicht faſt eben dieſel - be geweſen / und der Griechiſchen und La - teiniſchen zum Theil ihre Stammwoͤrter gegeben / welches zu beweiſen keine ſo groſſe Muͤhe erfordern wuͤrde. Wundert mich nur das gelehrte Leute nicht ehe auf dieſe Gedancken gerahten / und ſo viel ſel -tzam69in Ableitung der Woͤrtertzame thoͤrichte alluſiones an ſtatt gruͤndli - cher Etymologien angenommen / deren nichtigkeit ſich ſelbſt zu Tage leget / und Anlaß gegeben / daß viel gelehrte Leute alle Etymologias, als ein ungewiſſes Ding / und die auff keinen Vernunfftſchluͤſſen ge - gruͤndet zu verwerffen. Da doch ſo rich - tige principia darin koͤnnen geſetzet wer - den / auß welchen die Ableitung der Woͤrter folget: wie etwa è corporibus ſimplicibus & elementis die miſta entſte - hen / und findet faſt eine demonſtratio auch allhie ſtaat / jedoch ſo viel die Natur und Beſchaffenheit der Dinge zugiebt. Erſt - lich iſt dieſes fuͤr einen feſten Grund zu - ſetzen / daß je einfaͤltiger und groͤber eine Sprache / deſto aͤlter und unge - miſchter ſie ſey / und denen andern vorgehe. Will man nun die Stamm - woͤrter einer jetzo außgearbeiteten Spra - che ſuchen / ſo muß man nicht zu einer gehen / die in gleicher Vollkommen - heit iſt / ſondern man muß auf dem Lander unter den Bauren / an Oertern / dae 3nie -70Das IV. Cap. Von den Gruͤndenniemahls Frembde hingekommen / dieſel - be ſuchen. Denn es iſt mit den Sprachen wie mit den Voͤlckern bewandt / welche erſt roh und wilde / hernach mit der Zeit gebaͤndigt und außgeuͤbet werden. Wolte man nun die Stammwoͤrter der Griechi - ſchen Sprache haben / ſo muſte man was von der alten Linguâ Pelaſgâ noch uͤbrig hervorziehen. Die Lateiniſchen werden am beſten erforſchet in den alten fragmen - tis linguæ Oſcæ, Thuſcæ, inſonderheit dieſer / denn dieſe Voͤlcker auch faſt dem Nahmen nach ihren Uhrſprung aus Teut - ſchland zu haben ſcheinen: Wie dañ auch faſt der accent, den ſie in der Außrede fuͤh - ren / ſolches außweiſet / I. C. Scaliger auch in ſeiner Oratione de verbo ineptus angemerckt / wenn er ſpricht: Leniſſime pronunciat magna Italiæ pars, craſſiſſimè pene Univerſa Germania. At Thuſci qui Ar - num circumcolunt pene Germanicos illos ſpiritus ſuperant. Zu dem ſein daſelbſt Staͤd - te die aͤlter als Rom ſein / wie Ioſeph. Scaliger in den Excerpt. die die Fratres Pu -teani71in Ableitung der Woͤrter. teani herauß gegeben / bezeuget: In Italiâ ſunt multæ urbes antiquiores Româ: in To - ſcaniâ antiquiſſimæ. Es bilde ihm auch nie - mand ein / daß man in Italien auch zu Cice - ronis zeiten durchgehends auff dem Lande und bey Bauren / ſolche Sprache / wie er in Rom / gefuͤhret. Es eroͤrtert dieſe Frage: an vulgus & literati eodem modo & idio - mate Romæ locuti ſint Leonardus Aretinus libr. 6. Epiſt. p. m. 273. wieder den Flavium Forolivienſen, der anderer Meinung war / und beweiſet mit etlichen Exempeln: quod Latina lingua à vulgari differat terminatione, inflexione, ſignificatione, conſtructione, & accentu. Von des gemeinen Poͤbels art zu reden uhrtheilet er alſo. Non ad pi - ſtores tantum & laniſtas, ſed multò magis ad eos, qui in Reip. gubernatione verſaban - tur, & quorum intererat, quid populus decerneret, Orator loquebatur. Præſtan - tes igitur homines Oratorem latinè lite - ratèque concionantem, præclarè intellige - bant, piſtores verò & laniſtæ & hujus - modi turba ſic intelligebant Oratoris verba,e 4ut72Das IV. Cap. Von den Gruͤndenut nunc intelligunt mißarum ſolennia. Und wie ſolte die Lateiniſche Sprache hierin ei - nen Vorzug vor andernhaben? Denn faſt keine Sprache iſt / die nicht ſolchen unter - ſcheid hātte. In der Italiāniſchen / Fran - tzoͤſiſchen hat man eben ſo wol die ſo ge - nandte Ruſticam, und Romanam / da - von der Name der Romances herkom̃t / vor - mahls gehabt: und iſt ja bekant / wie heuti - ges Tages faſt in allen Oehrtern und Laͤndern eine doppele Sprache / eine wil - de und rohe / und eine zierliche und hoͤf - liche geredet werde. Es zeigt zum Theil das Inſtrumentum plenariæ ſecuritatis wel - ches zu Juſtiniani Zeiten geſchrieben / und Anno 1641. von Gabriele Naudeo auß der Bi - bliothec des Cardinalis â Balneo (der die Abſchrifft aus der Koͤniglichen Bibliothec in Franckreich bekommen) herauß ge - geben. Worinnen ſo viel frembde und ſeltzame arten zu reden / confuſiones caſuum wider die Regeln der Grammatic, ſo viel Teutſche Woͤrter von allerhand Hauß - geraht als Butta, Butticella, Sarica, ran -cilio73in Ableitung der Woͤrter. cilio, ſcotella, zu finden; daß man gnug darauß ſehen kan / wie bey dem ge - meinen Mann damahls eine gantz ande - re Art zu reden geweſen: weßwegen ich auch das vielen ſo verdaͤchtige Fragmen - tum Petronianum nicht gāntzlich verwerf - fen will. Je mehr man nun die ālteſte monumenta, und die von der Kunſt nicht außgearbeitet ſein / durchſuchet; je mehr wird man die Gleichheit der Teutſchen und Lateiniſchen Sprache finden. Hiebey kan ich mich nicht gnug verwundern / wie Skin - nerus in der mehrmahls erwehnten Vor - rede ſeines Lexici Etymologici, ſo gar wie - der alle Vernunfft dieſe Meinung tadele / daß von dem Teutſchen einige Griechi - ſche Woͤrter herſtam̃en / und ſie ſo gar hoͤ - niſch und mit ſchāndlichen Schmaͤhwor - ten auff die Teutſche Nation, durchziehe. Quid enim, ſagt er / à communi humani generis uſu & ratione ipsâ luculentius ab - horret, quam gentem omnium cultiſſi - mam eoque nomine ſuperbientem, popu - lorum cœterorum etiam mitiorum & hu -e 5manio -74Das IV. Cap. Von den Gruͤnden. maniorum, Perſarum ſc. Syrorum & Æ - gyptiorum contemptorem, è gentibus totius terrarum orbis immaniſſimis ſordi - diſſimis & plus quam barbaris (ein ſchoͤ - ner Lobſpruch vor die Teutſchen!) voca - bula & idiotismos avidè haurire, & tan - quam gemmas è ſterquilinio ſuo ſermoni inſuere. Wol getroffen! ein trefli - cher Schluß! Eben diß iſt die Uhrſach warum die alten Teutſchen nicht von den Griechen / ſondern dieſe vielmehr von jenen ihrer Woͤrter Uhrſprung haben: Weiln eine außgeputzte Sprache juͤnger iſt / als eine rauhe und unbeſchnittene. Will dann Skinnerus mehr wiſſen als die Griechen ſelbſt? welche auffrichtig beken - nen / daß die ālteſten Einwohner ihres Landes eine barbariſche Sprache gere - det / die Buchſtaben von den Barbaris bekommen / wie im vorigen erwehnet. Haben ſie nicht ihre Weißheit von den Barbaris erſt geholet? Es leſe einer nur den Joſephum contra Appionem, da wird er weitlaͤufftig ſehen / daß die Griechennichts75in Ableitung der Woͤrter. nichts von ihnen ſelber haben / und daß alles ihrige / Stādte / Kuͤnſte und Schrif - ten / nur von geſtern her / und ſie alle - zeit Kinder und Juͤnglinge geweſen. Was ſie von Scythis, Thracibus uñ andern erler - net / haben ſie vor ihre eigene Erfindung außgegeben. Die was ſonderliches haben lernen wollen / ſind bey den Barbaris in die Schul gegangen / wie beim Diodoro lib. 3. c. 6. zu leſen. Clemens Alexandrinus lib. 1. Stromatum ſaget / daß die ālteſten Philoſophi in Griechenland entweder ſelbſt Barbari geweſen / oder von den Barbaris unterwieſen. Pythagoras ſelbſt iſt bey den Gallis, oder Celtis in die Schule gegan - gen. Von dieſen Barbaris haben die Grie - chen das ihrige erlernet / und nur uͤber - hin gefaſſet. Denn ſo redet von ihnen Jamblichus, der ſie von auſſen und innen beſchreibet: Græci naturâ rerum novarum ſtudioſi ſunt & præcipites uſquequaque fe - runtur, inſtar navis ſaburrâ carentis nullam habentis ſtabilitatem. Neque conſervant, quod ab aliis acceperunt, & hoccito76Das IV. Cap. Von den Gruͤndencito dimittunt, & omnia propter inſtabi - litatem, novæque inventionis elocutionem transformare ſolent. Er ſagt ferner / wie die Barbari ernſthafftig und beſtāndig in ihrem Weſen und Reden ſeyn / und wie die Barbariſche Woͤrter ſehr kuͤrtz ſeyn / und einen groſſen Nachdruck haben / und de - rohalben bequem zu Goͤttlichen Dingen zu gebrauchen: Die Griechen haͤtten ſie aber verdorben / die ſie mit ihrer Spra - che gemiſchet / oder mit frembden Woͤr - tern außdruͤcken wollen. Man kan auch hiebey nachleſen des Cœl. Rhodigin. Lect. Antiquar: lib. 16. c. 14. Der von uns oben angefuͤhrte Clemens Alexandrinus zeiget viel andere Griechiſche Autores, als Scamonem Mitylenæum, Theophraſtum Ereſium, Cydippum Mantinæum, Anti - phanem, Ariſtodemum, Ariſtotelem, Phi - loſtephanum, & Stratonem, die hier in - nen mit ihm uͤbereinſtimmen / und die Barbaros zu Lehrmeiſter der Griechen ma - chen / ſetzt auch folgende Worte darauff: Παρεϑήμην δἐ α᾿υτῶν ὀλίγα ε᾿ις σύςασιν τὴς παρὰβαρ -77in Ableitung der Woͤrter. βαρ〈…〉〈…〉 άροις ἑυρετικῆς καὰ βιωφελοῦς φύσεως, παῤ ὧν ἕλληνες τὰ ἐπιτηδεύματα ὠφέληνται. Ex his pauca adjeci ad confirmandam inventricem & vitæ utilem naturam, quæ fuit apud Bar - baros, à quibus in ſtudiis & rebus exercen - dis Græci acceperunt magnam utilitatem. Nach dieſem redet er ſehr merckwuͤrdig von der Sprache: Ει δέ τις την〈…〉〈…〉 φωνὴν Δ〈…〉〈…〉 αβάλλει τὴν βαρβάρον, ἐμοὶ δέ, φησιν Ανά - καρσις, ΠΑΝΤΕΣ〈…〉〈…〉 ΑΛΗΝΕΣ ΣΚΥΘ〈…〉〈…〉 ΖΟΥ - ΣΙΝ. Si quis autem vocem reprehendit Bar - baram: Mihi, autem, inquit, Anachar - ſis: OMNES GRÆCI SCYTHÆ SUNT. Was koͤnte herꝛlichers und ruͤhmlichers geſagt werden zu dem Lobe der ſo genand - ten Barbariſchen Sprache und Philoſophie, und zur Behauptung des Alterthumbs derſelben. Und dieſe ſeyn die Voͤlcker / welche uns Skinnerus ſo heß - lich abgemahlet. Es wird ferner weder vom Mylio (mit welchen er zu thun hat) noch von jemand anders geſaget / daß die Griechen dazumahl / wie ſie durch Wiſſenſchafft oder Tapfferkeit ſich undihre78Das VI. Cap. Von den Gruͤndenihre Sprache ſo vollkommen gemacht / ihre Woͤrter und idiotiſmos, erſtlich von den Teutſchen genommen. Der Zeug ihrer Sprache iſt vor vielen Jahren erſt - lich von den ihnen ſo genandten Barbaris, die doch Witzes und Verſtandes gnug ge - gehabt / entſtanden / welchem ſie von Jah - zu Jahren ihre eigene Form und Außbil - dung gegeben / und da ſie die Sprache zu der groſten Stuffe ihrer Vollkommen - heit gebracht / nicht mehr noͤthig gehabt von andern was zu entlehnen. Die Gleichnuͤſſen die Skinnerus hiebey fuͤget / ſeyn gleichfals laͤcherlich und ungereimt. Perinde hoc eſt, ſagt er / ac ſi Galli Braſi - liæ, aut noſtrates Virginiæ coloni agreſtium ſubditorum dialectum tanquam ſuavem & fœcundum affectantes, vocabula inde in ſermonis ornatum cooptarent. Imò quid abſurdius quam Aulicum, egregiè expoli - tum Ruſticum ineptum loquendi magiſtrum adſciſcere? Es iſt ein groſſer Unterſcheid wenn eine wol cultivirte Nation eine Bar - bariſche uͤbermeiſtert / die ſie darnach anſtatt79in Ableitung der Woͤrterſtatt der Knechte gebrauchet / von denen ſie ihr nichts vorſchreiben laͤſt; Und wañ ein rauhes Kriegesvolck ein anders gleich oder minder Barbariſches uͤberwindet; oder mit ihm viel zu handeln hat. Der Baur iſt ehe geweſen / ehe der wolbered - te Hoffmann / und wuͤrde dieſer keine Be - redſamkeit haben / wenn nicht die Bau - ren vor ihm geredet hātten / und die Spra - che machen helffen. Aber wir muͤſſen endlich von dieſem Umbſchweiff wieder auff den rechten Weg kommen / und zu unſerm Wercke ſchreiten.

Das V. Cap. Von dem andern Grunde der Ableitung: daß vielſylbige Woͤrter von Einſylbigen muͤſſen gezo - gen werden.

Einhalt. VIelſylbige Woͤrter von Einſylbigen; deſſen Grund in der Natur / und in Methodo diſci -pli -80Das V. Cap. Einſylbigeplinarum. Die Teutſche Sprache beſtehet von vie - len Monoſyllabis. Deren anzahl. Viel alte Lateini - ſche einſylbige Woͤrter. Dieſe ſind durch die termi - nationes mehr außgedehnet. Worauff die Zuſam̃enſe - tzung der Lateiniſchen Sprache / jhre pronuntiatio, und modulatio in Poëſi beruhet. Viel Teutſche Woͤrter in der Griechiſchen und Lateiniſchen / die Mylius angemercket. Deren eine weit groͤſſere An - zahl. Puteanus wird widerlegt. Der Etymolo - gorum ſeltzame Einfaͤlle: kommen auß dieſer Unwiſ - ſenheit. Varro hat etwas dennochgeſchen / Caroli du Freſne Zeugnuß. Ein groſſes iſt an den termi - nationibus gelegen. Worin die idea der gantzen Sprache verborgen. Man kan unter ihnen als Locis Communibus eine gantze Sprache ordnen. Meinung von dem Dictionaire General eines Frantzoͤſiſchen Autoris, und Hr. Bechers Compendio Lexico in La - teiniſcher Sprache. Franciſci Guieti ſonderlicher Anſchlag von der Ableitung der Griechiſchen Woͤr - ter è monoſyllabis.

DEr ander Grund in Ableitung der Woͤrter kan hierin geſetzt wer - den / daß man die Einſilbi - ge und von Conſonantibus gleichſahm zu - ſammen gepreßte Woͤrter aͤlter halte als andere / von welchen die vielſylbigen undWoll -81von Vielſylbigen. wollklingende herkommen / ob zwar in ge - wiſſen Fāllen dieſe Regul einige Exception leidet. Es iſt der Natur gemāß / daß von den leichtern und einfāltigen Din - gen / man zu den ſchwerern und unbe - kanten ſchreite / wie auch in den Wiſſen - ſchafften ſelbſt der Ariſtot. 5. Metaph. c. 1. dieſen Weg vorſchreibet. Nun iſt wol keine Sprache zufinden die mehr einſyl - bige Woͤrter hat als eben die Teutſche / ſo gar daß auch die Buchſtaben ſelbſt nichts als ihren einfāltigen natuͤrlichen Laut haben / welche derohalben Scrieckius von den Celten oder Teutſchen auff die Roͤ - mer meint gekommen zu ſein. Simon Stevinus rechnet 2170. Monoſyllaba in der Teutſchen Sprache / und hat hievon gar ſinnreich und vernunfftig Goropius Beca - bus l. 2. Hermathenæ philoſophiret / der billig hieruͤber nach zu leſen iſt. Bernardus à Malincrot in ſeiner Diſſertatione Philolo - gicâ de naturâ & uſu literarum c. 27 er - ſtrecket die Zahl uͤber dreytauſend. Man findet auch daß die Oſci viel monoſyllabafgebraucht82Das V. Cap. Einſylbigegebraucht / als Gau pro gaudio cœl pro - lo; do pro domo: dann die terminatio - nes ſind / wie die Sprachen beſſer außge - arbeitet / hinzu gekommen / und haben die Lateiner und Griechen mit zwiſchen ſchie - bung einiger Vocalium und hinwegneh - mung einiger Conſonantium den har ten Klang der Woͤrter etwas gemiltert / da - mit in der Außſprach und hernach in dem metro ſle gleichſam einen Abfall beke - men / und die lange und kurtze Sylben eine richtige Maſſe gegen einander hātten. Daher ſieht man / daß in den flexionibus, declinationibus und conjugationibus, die Arten der Endigungen ſo vielfaͤltig meh - rentheils zwey - und wol gar dreyſylbig / und mit mehr kurtzen als langen vocali - bus außgemeſſen ſein. Welches der gan - tzen Sprache einen ſonderlichen rythmum und numerum in der pronunciation und in dem Metro Poëtico veruhrſachet: Wor - nach zum theil die alte jetzo verlohrne Muſic und modulation der Oden ſich ge - richtet / da hingegen in der Teutſchenund83von Vielſylbigen. und faſt den meiſten Sprachen wegen der kurtzen ein - und zweiſylbigen Woͤrter / eine durchgehende gleichfoͤrmige Maaß / die aber mehr der Natur gemāß / in Acht genom̃en wird. Ich kōnte hie einige hun - dert Teutſcher und Niederteuttſcher Woͤr - ter herſetzen; welche eben dieſelbige ſein / die im Lateiniſchen und Griechiſchen ſich ſinden / nur daß ihre terminationes hin - angehānget. Abraham Mylius in ſeinem Buch de Antiquitate Linguæ Belgicæ hat allein 200. Hollaͤndiſche Woͤrter gezehlet die in der Lateiniſchen / und noch ſo viel die in der Griechiſchen ſich finden: er hat a - ber nur die jenigen genommen die ihm im erſten Anblick vorgekommen / und ge - ſtehet daß er noch eine viel groͤſſere An - zahl derſelben liefern koͤnne. Common - ſtrare tantum viam volui, ſagt er / eamque aliquatenus præire ad hanc jucundam ob - ſervationem, tantum quæ ſponte ocur - runt, non quæ quæſita ſunt, recenſui. Si vis ipſe te oblectare his floribus, tranſi le - xica, inprimis Græca, ab Alpha uſq; Omegaf 2pro -84Das V. Cap. Einſylbigepromitto plenos calathos rerum bellarum. Auch hat Kilianus in ſeinem Etymologico Belgico beylāuffig einige Vergleichunge der Woͤrter angeſtellet / wie imgleichen Sigismundus Gelenius in ſeinem Lexico Symphoniaco, Andreas Helvvigius in ei - nem ſonderlichen Buch / Hadrianus Junius Animad: l. 5. c. 6. ſolches von Teutſcher und Hochteutſcher Sprache dargethan. Es ſeyn aber beym Mylio nur die ken̄lichen und nur auß der Hollaͤndiſchen Spra - che allein angemerckt. Was koͤnte man nicht eine Menge von alten Teutſchen / Sāchſiſchen / Gothiſchen / Dāniſchen Woͤr - tern hinzuthun / darauff noch keiner je - mahls gedacht hat? Diß erforderte aber ein gantz vollſtāndiges Buch. Puteanus in ſeiner Oratione 6. die er de facilitate Græ - linguæ geſchrieben / hat weitlāufftig von den Griechiſchſcheinenden Woͤrtern in der Teutſchen und andern Sprachen gehan - delt / wodurch er der Griechiſchen Spra - che weiten Begriff und Außſtreckung dar - thun wil. Er iſt aber gāntzlich auff Irr -wegen85von Vielſylbigen. wegen / weñ er meinet durch dieſen Grund zu erweiſen / daß jemahls Griechen die Oerter bewohnet / oder ſie vor dieſem Griechiſch geredet hātten. In Germania, ſagt er / non vocabula tantum, ſed loca quamplurima nomenclaturam Græcam reddunt. Nos verò Belgæ qui vicini & affi - nes, utita dicam, Germanis ſumus, annon habuimus olim hanc linguam & reliquias hodiè retinemus? Dieſes ſagt Puteanus und zwar als ein Orator, welcher bißwei - len zu Behauptung ſeines Satzes / alles hervorſucht / was die Sache warſchein - lich machen kan. Es beweiſet aber die - ſes im Gegentheil vielmehr / daß die Grie - chen von unſerer Sprache den Grund ihrer Woͤrter empfangen / weil ja auch nicht durch einen Schein kan wahr ge - macht werden / daß wir von ihnen unſe - re Sprache haben / auch jemahls die ihrige geredet. Was die vorangeregte bekante Woͤrter anlanget / ſo muß man ſich ver - wundeꝛn / wann man die Etymologias Gram - maticorum hierüber anſiehet / daß ſie bißhe -f 3ro86Das V. Cap. Einſylbigero ſo blind geweſen / und ſo viel thoͤrichte al - luſiones auff die Bahn gebracht / da ſie dem Wege gefolget / darauff ſie Varro, Feſtus und Iſidorus, die doch ſelbſt blind gewe - ſen / geleitet. Varro hat zwar etwas hier - in geſehen / aber nicht außfuͤhren koͤnnen / welches ſeine Worte anzeigen l. 4. de L. L. Non omnis impoſitio verborum extat, quod vetuſtas quædam delevit, nec quæ extat ſine mendo omnis impoſita, nec quæ re - ctè eſt impoſita, certamanet. Multa enim verba literis commutatis ſunt interpolata. OMNIS ORIGO EST NOSTRÆ LIN - GUÆ E VERNACULIS VERBIS, & mul - ta verba aliud nunc oſtendunt, aliud autem ſignificabant. Ich erfreue mich auch / daß ich eben ſolche Gedancken bey dem Caro - lo du Freſne in der Vorrede ſeines Gloſ - ſarii gefunden / da er von den Lateiniſchen Etymologis dieſes Urtheil faͤllet: Qui apud Græcos & Latinos, ετυμολογικὴν tractarunt, ab ipſamet Græcâ vel Latinâ linguâ origina - tiones ſuas fere ſemper formarunt: tamet -ſi non87von Vielſylbigen. ſi non inficias ierim eas interdum ab ex - teris repetendas. Auch hat derſelbige Autor gerahten wider alle andere / daß man die Origines ihrer Woͤrter in der Teut - ſchen und Hollāndiſchen Sprache ſuchen ſolte. Aber er thut es ſelbſten nicht wegen der Unkunde in dieſer Sprache. Wann die Endungen hinweg genommen werden / ſo ſtehen die nackten Teutſchen Woͤrter da / zum oͤfftern ohne die geringſte Ende - rung / bißweilen / daß ein Vocalis in den andern verwechſelt / welches auch wol in derſelben Sprache geſchicht. Solche terminationes muͤſſen wol in acht genom - men werden / denn es hālt eine jegliche Sprache hierin ihre Richtſchnur / daß nach gewiſſen Bedeutungen / und nach dem modo conceptuum de rebus ſie eingerichtet werden: Wie ich dann davor halte / daß der Frantzoͤſiſche Autor von der Grammaire General & Raiſonnée, welcher ein Dictio - naire General außzugeben verheiſſen / und Herr Joachim Becher / welcher in ſei - nem Methodo Didactica ſich ruͤhmet / daßf 4er88Das V. Cap. Einſylbigeer alle Woͤrter der Lateiniſchen Sprache auff einen Bogen Papier gebracht / nach der Eintheilung dieſer Endigungen / die Gedancken gerichtet. Denn ſie ſeyn gleich - ſam die Characteres, dadurch die Beſchaf - fenheit der Woͤrter außgedruͤcket wird. In Lateiniſcher Sprache hat ſonſten ei - ner Jacobus Engelbrecht / nach Anlei - tung dieſer terminationum ein kleines Lexi - con geſchrieben. Daß nun auf dieſe richtige natuͤrliche Art die Woͤrter abzuleiten nie - mand bißhero gekommen / da ſo viel ver - ſtāndige Leute hievon geſchrieben / iſt bil - lig verwunderns wehrt. Es ſcheinet aber daß Franciſcus Guyetus ein vornehmer ge - lahrter Frantzoſe und Criticus, deſſen An - merckungen ūber des Terentii Comœdien der Herr Bœclerus heraußgegeben / in dieſer Sache auff dem rechten Wege gewe - ſen: Denn ſo ſchreibet Antonius Periander in Vitâ Fr. Guyeti: Origines potisſimum ſcrutabatur, ac Latinam novo & ignoto an - teà conſilio à Græcâ derivabat: in quâ etiam primitiva omnia, unde cœtera deduceren -tur99[89]von Vielſylbigentur vocabula, eſſe monoſyllaba contendebat. Hoc profundum ſtudii genus, cujus ante ipſum nemini in mentem venerat totam vi - ejus ætatem occupavit. Sed cum in con - ſortium hujus inventi neminem alium ad - mitteret & illius gloriam ſibi retinere, quam pluribus communem facere mallet, nulli copiam ejus fecit. Unde accidit ut poſt ex - ceſſum ipſius nihil aliud ex tanto labore, quam collectio vocabularum græcorum in - digeſta planè ac informis reperta fuerit: quæ viginti quinque cartaceis voluminibus comprehenſa, quamvis eleganti charactere ſcripta ſint, nullo tamen ordine diſpoſita, vix in unum colligi potuerunt: cum præſertim Autor nihil ſit præfatus, unde de inſtituti ſui ratione, uſu & arcanis, quæ tantopere premebat, conſtare poſſet. Es iſt zu be - klagen / daß dieſes Mannes Arbeit verloh - ren gegangen / welche aber dennoch ohne Beyhuͤlffe der Teutſchen Sprache unvoll - kommen geweſen were. Es iſt aber diß an ihm zu loben / daß er den falſchen Weg ge - ſehen / und einen richtigern erwehlen wol -f 5len.90Das V. Einſylbigelen. Von der Griechiſchen Sprache hat dieſes gleichfals angemercket Iſacus Vosſius in ſeinem gelahrten Buche de Poëmatum cantu & viribus rythm. pag. 44. daß ſie anfangs lauter monoſyllaba gehabt: Aſpe - ram (ſagt er) ſcabram & omnis dignitatis & elegantiæ expertem fuiſſe vel inde ſatis in - telligas, quod vix alia quam monoſyllaba priſcis temporibus habuit vocabula, ceu il - la nomina eſſent, ceu verba. Neſciebant inſuper ea in modos, tempora, perſonas, & caſus inflectere, denique quod in bar - baris poſtmodum riſere, idem hoc in ſuis agnovere majoribus. In nachfolgenden ſagt er ferner. Hinc factum, ut verba quæ prius erant monoſyllaba, fierent polyſyl - laba, eademque vox ab una ad ſex vel ſe - ptem nonnunquam excreſceret ſyllabas, manente quidem priori ſignificatione, ſed quaſi longi ſyrmatis appoſitione aliquam ſibiacquirens majeſtatem. Und dieſes iſt e - ben geweſen / was Franciſcus Guyetus geſe - hen / und iſt ſolches das warhafftige Kenn - zeichen / daß ſie eine neue / und von der altenBar -91von vielſylbigen. Barbariſchen oder Celtiſchen abgeleitete Sprache ſey.

Das VI. Cap. Von dem dritten Grunde der Ableitung / der Veraͤnderung der Buchſtaben.

Einhalt. VEraͤnderung der Buchſtabẽ. Gleichheit der Be - deutung. Einige Exempel. Gleichheit der Woͤr - ter iſt keine gewiſſe Anzeige der Ableitung. Die ſind in einer Sprache offtmal vo verſchiedener Bedeu - tungen. Exempel an dem Teutſchen Worte Mat. Bedeutet (1) Speiſe. mats, matſa, matibalg, mæt, mets, Matte / Wieſe / macta, matta, Matte / Matten / Mettwurſt / mattia, mattiarii, Maͤtzcher / mactare, mattar, maitan, ματτύα, μάζα, μάδδα, mactea, mattici, mactra. Mathmas / maithms, παξαμάδιον, Backmatt / Maiz, matha, maddik Mat bedeutet (2.) einen der muͤd und ſchwach iſt. Mattare, mattus, madidus, via matta, mattus, triſtis, matt / natt / Schachmatt. Critici handhaben die loca Autorumuͤbel. Schach, Rex, latro bey denTeu[t]-92Das VI. Cap. Von VeraͤndrungTeutſchen. Skinnerus tadelt hieruͤber unbillig den Spelmannum. Scacchum rapina, Sca hero, Schaͤcher. Mat bedeutet (3.) Socium, Collegam. Maca, gamaca, Maker / metan, Moͤten: Mat / bedeutet (4.) menſuram ein Maſſe / Meten / meti - ri, meet, mes, meſa, menſa. Die Gleichheit und Veraͤnderung der Woͤrter nach den Buchſta - ben. Skinnerus wird gelobet. Lexica Harmonica verſchiedener Autorum. Die Veraͤnderung iſt in Teutſcher / Italiaͤniſcher / Frantzoͤſiſcher Sprach klaͤr - lich zu ſehen. Exempel Frantzoͤſiſcher und Teutſcher Woͤrter. Petri Caſanovæ Origines Gallicæ. Die Hoff - ſprach in Franckreich iſt am meiſtẽ verdorben. Vocales werden am meiſten geaͤndert / nach der Gleichheit und nach der natuͤrlichen Neigung des Landes. Die Thiere ſelbſt haben einen angebohrnen Vocalem. Die Conſonantes werden auch auff die Art veraͤndert. Dieſe Veraͤnderung muß in eine Richtigket gebracht werden. Exempel auß der Frantzoͤſiſchen / Italiaͤ - niſchen / Spaniſchen Sprache. In dieſer letzten hat Bernardus Aldrete ſeinen Fleiß erwieſen. Gemeine Haupſaͤtze der Veraͤnderung in Buchſtaben. Deſ - ſen Exempel werden angefuͤhret.

WIr ſchreiten zum dritten Haupt - grunde / und iſt derſelbe daß man gar genau die Verānderung der Vocalium und Conſonantium in acht neh -me /93der Buchſtaben. me / woran ein groſſes in den Derivationi - bus der Woͤrter gelegen. Die allzu groſ - ſe Gleichheit iſt viel verdāchtiger / als wenn einiger Unterſcheid in den Woͤrtern iſt: Es were denn / daß eine Gleichheit der Be - deutung da ſey / welches die erſte und beſte Art der Etymologie iſt. So kan ein jeglicher ſehen / daß Puteus von Puͤt / vermis von Worm / vallum von Wall / discus von Diſch / murus von Muͤr / habeo von habe / Θϒ´Ρα von Thuͤr (da - her das Lateiniſche obturare) ΜΕΤὰ von Met oder Mit / ſcævus von Scheff / Α᾽ΙΣΧρὸς von Aiſch / Locus von Lock / hochteutſch Loch. (Denn das Griechi - ſche ΛόΧος, davon Vosſius es herleitet / iſt daſſelbe / und bedeutet einen Orth / von dem man jemand auff dem Wege auffpaſ - ſet / welches in der Teutſchen Sprache ein Loch / eine Hoͤle genandt wird: was Loci muliebres heiſſen iſt auch bekant.) ΠϒΡ - ϒος von Burg / porcus von Borg / im - buo von Buͤe / (Lixivium Procella) axis von Art / Senſus von Sinn / (welchesletzte94Das VI. Cap. Von Veraͤnderungletzte Skinnerus meint von den Lateinern auff die Teutſche gekommen zu ſeyn / als wañ dieſelbe nicht ehe ihre Sinne zu nen - nen gewuſt / oder dieſelbe gar gehabt hāt - ten / ehe die Roͤmer ſie es gelehret) und viel andere von dergleichen Woͤrtern herkommen. Die Gleichheit aber der Woͤrter / die im bloſſen Laut beſtehet / machet keine Verwandſchafft unter ſie / wodurch ſich doch bißweilen gelehrte Leute verfuͤhren laſſen. So finden ſich in einer eintzigen Sprache Woͤrter / die glei - ches Lautes / aber verſchieden von Be - deutung und Uhrſprung ſeyn. In der Teutſchen haben wir liegen / jacere, und mentiri, arm / pauper & brachium, wa - gen / currus & audere, küſſen / pulvinar & oſculari, Thor / ſtultus & porta Wand / paries & pannus, welche keine Gemein - ſchafft zuſammen haben. Man kan deſſen ein klārliches Exempel vor Augen ſtellen in dem Teutſchen oder vielmehr Nieder - teutſchen Worte Mat / welches ſo viel[ Bedeutungen] hat / die doch unter -nicht95der Buchſtaben. einander keine Gemeinſchafft haben / und nicht von einander herkommen. Erſtlich heiſſet Mat eine Speiſe / davon noch in dem Niederteutſchen viel Woͤrter zuſam - men geſetzet werden: Mattfatt / Mattkorff: in dem Dāniſchen iſt auch dis Wort / daher noch Gammelmad. In dem alten Gothiſchen iſt Mats, davon Matza veſci, und das Compoſitum Mati - balg, Pera, ein Speiſeſack / das bey den Daͤnen Madpoſe / welches vorkomt in den Gothiſchen Evangelien Marc. 6, 8 Luc. 9, 3. wie auch Nathamat, Abendmahl - zeit / Undauknimat, Mittagsmahl: In dem Engelſaͤchſiſchen iſt das Wort Mæt. In dem Engelſchen Meat, in dem Cambro - Britanniſchen Maeth, Nutrimentum. Indem alten Fraͤnckiſchen iſt Mets Ferculin. Hie - von iſt auch / daß das Graß Matt genen - net wird von den Bauren / weil es dem Vieh zur Speiſe dienet / und nennet man auch in dem Hochteutſchen / die Wieſen Matten / wovon endlich der Nahme der Decken kan entſtanden ſeyn / dieman96Das VI. Cap. Von Veraͤnderungman in Latein uñ Teutſcher Sprache alſo neñet / weil ſie von Schilff und dergleichen dingẽ / die auf den Wieſen wachſen / gemacht. Cato hat auch herbam adultam mactam ge - nennet. In Niederlaͤndiſcher und Fran - tzoͤſiſcher Sprache wird auch matte ge - nauvu was in der Milch kāſich iſt / weil es zur Speiſe gebraucht wird. Hievon komt auch das Wort Mettwurſt / in unſer Sprache. Es ſeyn auch die Inteſtina Matia genandt worden / davon Papias die - ſes: Mætia dicuntur inteſtina, quæ ſordes emittunt, unde Matiarii dicuntur, qui ea tractant ac vendunt. Sein unſere heutige Maͤtſcher die hievon den Nahmen koͤn - nen bekommen haben. Matia aber wer - den die Inteſtina genant / von der Speiſe die darinnen verdeuet iſt. Das Wort Maͤtſcher / kan auch von dem Wort Mat herkommen / als ab objecto, weil es eine Speiſe iſt: davon es hernach auch bey den Opffern / und von allem hin - richten gebrauchet. Und komt mir ſehr glāublich vor / daß das Wort Mactare, undbey97der Buchſtaben. bey den Italiaͤnern und Spaniern mattare, pro occidere hievon entſproſſen. Ob ich ſonſt wol weiß / daß die alten Grammatici andere Gedancken hievon haben / davon bey anderer Gelegenheit weitlaͤufftiger kan geredet werden: es were dann / daß man daſſelbe von dem Gothiſchen Worte maitan, conſcindere, præſecare herfuͤhren wolle. Bey den Griechen hat man auch dieſe Woͤrter ματτύα und μάζα, auch bey den Hebreern ſelbſt mazon und matſah, davon Athenæus Deipnoſ: lib. 4. & 15. Caſaubonus Animadverſ. in Athen. lib. 4. c. 13. zu ſehen iſt. Suidas bezeuget auch / daß die Megarenſer μάδδα vor μάζα geſagt. Bey den Lateinern iſt das Wort mattea, ma - ctea eben ſo wol gebrāuchlich. Sueton. in Ca - ligula c. 38. Multis venenatas Macteas miſit. Martialis gebraucht es auch libr. 10. Epigr. 59. und in dem 92. Epigr. libr. 13. leſen etliche In - ter quadrupedes mattya prima lepus. Beſie - he Turneb: adverſ. 22. c. 6. Mattici wer - den auch genandt die Vielfrāßige. Beym Ariſtophane heiſt μάττειν ſo viel alsgfreſ -98Das VI. Cap. Von Veraͤnderungfreſſen. Das Wort mactra, ein Gefaͤß / darin das Meel geknetet wird / iſt auch hievon buͤr - tig. Man hat auch das Græco-barbarum παξαμάδιον, bedeutet ſo viel als panem re - coctum, buccellatum, δίπυρον ἄρτον, Zwie - back / und daß es recht nach dem Wort gegeben werde Backmat / geba - cken Brodt. Denn daß Suidas es von ei - nem Paxamo, der von dieſem Brodt ge - ſchrieben / abfuͤhret / komt mir faſt eben ſo vor / als weñ die jenigen / die eines Volckes Uhrſprung erforſchen / einen Koͤnig deſſelben Nahmens ertichten: oder wenn die Naturkuͤndiger um eine natuͤrliche Beſchaffenheit zu erweiſen / ad qualitatem occultam ihre Zuflucht nehmen. Es iſt diß Wort ſo gemein faſt in allen Spra - chen / wie das Wort Mann / daß ich da - vor halte / es ſey eines von den Stam - woͤrtern der erſten Grundſprache: Und ſcheinet das Indiſche Maiz auch hievon ge - holet zu ſeyn. Ein altes Teutſches Wort mathmas / bedeutet die Geſchencke / die man Gāſtē und Freunden pflag zu ſchenken. Xenia99der BuchſtabenXenia nanten ſie die Lateiner / ohn Zweiffel darum / weil es aller hand Speiſen anfangs geweſen. Die Gothi nenneten es Maithms davon Junius in Gloſſario Gothico p. 242. kan geſehen werden. Das Gothiſche Wort Matha, das Teutſche Maddick / Made iſt auchhievon / bedeutet einen Wurm der vom freſſen den Nahmen hat / oder in der Speiſe gezeuget wird. Dieſes ſey von der erſten Bedeutung geſaget. Die ander iſt dieſe / wenn das Wort Matt ſo viel iſt. als muͤ - de / ſchwach / weich / muͤrbe. Daß ſolches in dieſer Bedeutung ein altes Lateiniſches Wort ſey / bezeuget Salmaſius in Flavii Vop. vitâ Proculi Tyranni davon auch das Wort mattare, welches ſo viel iſt / als do - mare, ſubigere & macerare; auff Teutſch abmatten / daher matto hernach bey den Italiaͤnern per Metaphoram einen Melan - coliſchen oder Narꝛen bedeutet. Iſidorus in Gloſſis: mattum eſt, humectum eſt, emol - litum, infectum. Es fuͤhret Salmaſius ei - nen Ort auß dem Cicerone ad Atticum lib. 16. epiſt. 12. an / woſelbſt in allen MStisg 2be -100Das VI. Cap. Von Veraͤnderungbeſtaͤndig geleſen wird / longulum ſanè iter, & via matta i. e. lutoſa andere leſen hie in - epta: auß welchem Exempel / und dem obi - gen des Martialis von dem Worte Mat - tya zu ſehen / wie bißweilen von den Criticis die loca autorum gehandhabet / und die guten alten den Teutſchen gleichlautende Woͤrter / als verdāchtige außgemuſtert werden / denen man Glauben geben wuͤrde; wann nicht die alten Gloſſaria dieſe Woͤrter erhalten hātten Es heiſt auch mattus ſo viel als triſtis bey den Lateinern / welches Turne - bus in ſeinen adverſariis auß einigen alten Gloſſis beweiſet / und wil Salmaſius von dem Griechiſchen μάττω pinſo, ſubigo, μακτὸς ſuba - ctus, emollitus herfuͤhren; Da es denn auff die erſte Bedeutung wieder verfallen wuͤr - de. Ichduͤrffte ſchier ſagen daß das Lateini - ſche madere und madidus hievon ſey / denn Mattus und madidus iſt wenig unterſchie - den: Es koͤnte auch einer das Teutſche Wort natt und dieſes matt vor eines halten / wie Salmaſius in Flavii Vopiſci Vitâ Divi Aureliani das Lateiniſche matta,wel -101der Buchſtaben. welches eine Decke bedeutet / und das Frantzoͤſiſche Natte vor eines haͤlt. Das Wort Schachmatt in dem Schach - ſpiel / koͤmt von eben dieſem Urſprung / wiewol es Menagius in ſeinen Originibus Gallicis von dem Perſiſchen Wort Scach, Rex und Mata, mortuus eſt herfuͤhret. Es iſt aber das Perſiſche Mata eben auch un - ſer Teutſches / und das alte Frantzoͤſi - ſche Matter, Emmattir, das alte Engliſche Amate, wovon Skinnerus zu ſehen / wie imgleichen das Wort Schach; welches her - nach bey den Teutſchen latronem bedeu - tet / weiln vor Alters die Rāuberey eine Handthierung groſſer Herrn geweſen / als wie das Wort Tyrannus in uͤblen Beruff gekommen. Ich muß hier beylāuffig er - wehnen / daß Skinnerus in voce Check-ma - te den Spelmannum uͤber dieſe Worte un - billig tadele: Vocem Schach (ſagt er) in hoc ſenſu (Latrocinii ſc. ) nec audiſſe nec legiſſe memini, nec hucuſque in ullo Di - ctionario occurrit: Worauß man ſehen kan / was von ſeinen Etymologiis zu hof -g 3ſen /102Das VI. Cap. Von Veraͤnderungfen / da er in ſo bekanten Dingen fehlet: Er haͤtte nur die leges Longobardorum lib. 2. tit. 55. l. 37. anſehen ſollen woſelbſt de furto & ſcacho gehandelt wird / welches letztere rapinam, latrocinium bedeutet. Bey den Otfrido lib. 2. Evangel. cap. 11. wird die Moͤrder-Grube genant icahero luage, und lib. 4. c. 27. 31. die mit Chriſto gecreu - tzigte Moͤrder Scahero. Lutherus nennet ſie gleichfals Schaͤcher. Hievon koͤmt auch noch das Niederlāndiſche Wort Ont - ſchaecken, entfuͤhren; von welchen Wor - ten kan geleſen werden Antonius Matthæi de Criminibus ad lib. 48. Dig. Tit. 4. cap. 4. §. 7. Zum drittē bedeutet das Wortes Mat in Niederteutſcher und Engliſcher Sprache ſo viel als ſocium, Collegam, es wird aber der Vocalis (a) etwas länger außgeſprochen. Franc. Junius fuͤhret es her von dem Grie - chiſchen με〈…〉〈…〉: aber dieſes iſt das Teutſche met oder mit. In der Engelſaͤchſiſchen iſt das Wort Maca, Gemaca Æqualis, Socius auch in dem Niederlaͤndiſchen das Wort Maecker / welches aber vor ein beſonders Wort halte /, und von die -ſem103der Buchſtaben. ſem Matunterſchieden. Skinnerus fuͤh - ret es von dem Engelſaͤchſiſchen Worte Metan, occurrere, convenire. Wovon noch das Niederlāndiſche gemoet: te gemoet komen / und in dem Nieder - ſaͤchſiſchen moͤten / bemoͤten / das iſt begegnen: welches ich dahin geſtellet ſeyn laſſe. Zum vierdten bedeutet das Wort Mat / menſuram. Von Meten / komt metior, und viel andere in der Lateini - ſchen Sprache / welches kuͤrtze halben je - tzo vorbey gehe. Es iſt auch das Wort Meet, aptus, idoneus, decorus (gleich als abgemeſſen) bey den Engellāndern die - ſem verwandt / auch das Gothiſche Wort Mes / das Engelſāchſiſche Meſa, patina, diſcus. Wovon das Lateiniſche Wort Meſa, und hernach Menſa gemacht / dañ es bezeugt Varro, daß das (N) zwi - ſchen geſchoben. Die Urſache dieſer Ab - leitung iſt leicht zu ſehen / weil nemlich eine gewiſſe Maaß / ſo wol an den Gefaͤſ - ſen / als an dem Tiſche in acht genommen. Aus dieſem eintzigen Wort iſt nun zu er -g 4ſehen104Das VI. Cap. Von Veraͤnderungehen / wie nicht die Gleichheit der Woͤrter allein muͤſſe angeſehen werden. Denn allhie viererley Hauptbedeutungen dieſes eintzigen Wortes ſeyn: Welche mit einander keine Gemeinſchafft haben. Und ob zwar durch einige Umbſchweif - fe dieſelben kōnten vereiniget werden / ſo iſt doch glaublicher / daß dieſe gleichlau - tende / doch verſchiedene Stammwoͤrter ſeyn Es kan auch kommen daß in fremb - den Sprachen bißweilen Woͤrter vorkom - men gleiches Lautes und Bedeutung bloß von ungefehr / darauß ſo fort nicht zu ſchlieſſen / es komme dieſes Volck oder dieſe Sprache von dem andern her. Wie dann dieſes ein ſehr ſchwacher Grund iſt / dar - auff Hornius zum Theil den Urſprung der Americaner bauet / in dem er von Phœni - cieꝛn / Scythen / Tuͤrcken / Tartern und an - dern Voͤlckern einige Woͤrter bey den A - mer icanern angemerckt / und darauß die Ankunfft von ihnen ſchlieſſen will. Iſt al - ſo auff Gleichheit nicht ſo ſehr zu ſehen / als auff die Verānderung die in den Woͤr -tern105der Buchſtaben. tern vorfāllt. Hier kan nun gar wol ei - ne gewiſſe Richtigkeit getroffen nnd feſte Regulen auß inſtaͤndiger Obſervation ge - zogen werden. Wie denn in der Lateini - ſchē Sprache die alten Grammatici, und am vollkom̃enſten Voſſius in ſeinem Tractat de permutatione literarum gethan / unddavon etwas zu ſchreiben verheiſſen hat Scheffe - rus in Upſalia antiqua c. 1. welches aber nicht ans Tages Licht gekommen. In den andern Sprachen hat eine nuͤtzliche Ar - beit in dieſem Stuͤcke verrichtet Skinnerus in Prolegominis Lexici ſui Etymologici: Worin er auß dem Parallelismo ſo vie - ler Dialectorum gar eigentlich und genau die Verānderungen auffgezeichnet. Die - ſe Gleichheit und Verānderung in den Woͤrtern recht zu erforſchen giebt Tho - mas Hayme in ſeinem Buch de cognatiane linguarum poſit. 9. den raht / daß man Lexi - ca Harmonica auß allen Sprachen machen ſolle / und haben auch ſolches Cruciger, Gelenius, Nirmutanus gethan. Aber esg 5klagen106Das VI. Cap. Von Veraͤnderungklagen die Autores ſelber uͤber deren Un - vollkommenheit / und ihrem Unvermoͤ - gen. Welches nicht zu verwundern / weil ſie keinen gewiſſen Reguln und Grūnden folgen / und mit vielen falſchen præjudici - is beladen. Es hat auch ein Engelānder Gulielmus Lamplugh eine ſolche Arbeit verfertiget / welche noch geſchrieben in Bibliothecâ Oxonienſi verwahret wird / und Thomas Hayne in vorerwehn - tem Buche p. 46. ſehr ruͤhmet. Wir haben in der eintzigen Teutſchen Spra - che dieſelbe von Zeiten zu Zeiten und in den Dialectis vor Augen / wie ſolte denn die - ſes nicht geſchehen / wañ von einem Volck auff das andere die Woͤrter verſetzet wer - den? Der vortrefliche Peireſcius (wie Gaſſendus in ſeinem Vitâ p. 196. erzeh - let. ) hat uͤber die ſo ſehr verānderte Nahmen der Fluͤſſe ſeine Gedancken / die doch ohnſtreitig von einander her - kommen / und wuͤnſchet daß Schrieckius und Becanus ihren Fleiß hierin ange - wandt hātten. Man ſehe nur die Nah -men /107der Buchſtaben. men Petrus, Joanns, Jacobus, &c. an / wie ſie in allen Sprachen umbgekehret und verwandelt werden. In der jetzigen Frantzoͤſiſchen Sprache haben wir ſo wol an denen Einheimiſchen / als von den Teut - ſchen entlehneten Woͤrtern vielfaͤltige Ex - empel. Daß ich von dieſen letzten etwas ſage / wer ſolte meinen / daß Eſcreviße (lorica) Krebs / Esquif, Schiff / Alesne Ale (ſubula) Boulevert, Bollwerck / (creiche, Krippe / Eſchevin, Schoͤpffe / (Genus Magiſtratus,) Feu, Feur / Gaule, Gabel / Lagette, Lade / Eſprevier, Sperber / Esſieu, Ax / an dem Wagen / Eltrieu, Stegreiff / Guiſe, Wiſe / Wei - ſe / Houſeaux, Hoſen / Querquois, Koͤ - cher / Quille, Kegel / Reſne, Rieme / Roſeau, Rohr / Sergeant, Scherge / chagrigner, grimmen / einerley Woͤrter weren? welches ein Teutſcher zwar ſehen kan / aber keine Frantzoſen / die viel thoͤ - richte Einfaͤlle von dem Uhrſprung der - ſelben haben / die deßhalben mit rech - te von Barth. Adverſarior, lib. 13. cap. 4. ge -108Das VI. Cap. Von Veraͤnderunggetadelt werden / welcher mehr derſelben an dem Ohrte anfuͤhret. Es iſt auch faſt nicht muͤglich daß ein Frantzoſe / der anderer Sprachen unkuͤndig iſt / hierin et - was gruͤndliches verrichten koͤnne / wie - wol Bernardus Medonius in Vita Petri Ca - ſanovæ, ſo er an den Nicolaum Heinſium geſchrieben / uns verſichern wil / daß dieſer gelehrte Mann ein vollſtāndiges Werck Originum Linguæ Gallicæ unterhanden gehabt / darin dieſelbe gruͤndlich außge - fuͤhret: auch Menagius in der Vorrede ſeiner Orginum es bezeuget / daß ihm ſol - ches nicht bekant geweſen / wolte ſonſten von ſeiner Arbeit abgeſtanden ſeyn / und dieſem den Vorzug gelaſſen haben. Ich glaͤube aber daß er / ob wol ſonſt ein ver - ſtaͤndiger Mann; auch hierinnen nicht gluͤcklicher als Menagius wuͤrde geweſen ſeyn. Es bezeuget Beſnier in dem vor - hin erwehntem Buche / von der Frantzoͤ - ſiſchen Sprache / daß das alte Frantzoͤ - ſiſche / welches noch geredet wird in der Provence, Languedoc und Picardie viel -weniger109der Buchſtaben. weniger veꝛdoꝛben / uñ von dem Urſprung entfernet / dann die Hoffſprache / weiche je mehr ſie außgeputzet / deſto mehr ſie von ih - rem Anfang abweichet / und durch die Ver - aͤnderung der Vocaliũ, harten conſonanten, pronunciation, uñ durch ſo viele Ableitunge der Bedeutunge ihr ſelber gantz unehnlich wird. Dieſes iſt nicht allein von dieſer Sprache / ſondeꝛn von allen wahr. Von der Lateiniſchen ſagt Quintilianus l. 9. Inſt. Orat. Si antiquum noſtro ſermonem compare - mus, pene quicquid jam loquimur figura eſt. Es folget aber dieſes hierauß / daß in den derivationibus man dieſen Weg wieder zu ruͤcke gehen muͤſſe / und die Veraͤn - derung von Zeiten zu Zeiten mercken. Welche nicht auff einmahl ſondern Stupffenweiſe geſchehen. In den Woͤr - tern iſt nichts veraͤnderlicher / als die Vo - cales, welche ob ſie zwar die Seele der - ſelben ſeyn / und ohne ſie nicht koͤnnen außgeſprochen werden / ſo bleiben ſie doch bey den Orientalibus als ein prin - cipium ideale, und worauff die Ver -nunfft110Das IV. Cap. Von Veraͤnderungnunfft ihre meiſte Wirckung hat / ſchier in den Gedancken beſchloſſen / und wer - den unter den Conſonantibus verſtan - den / weßhalben bey ihnen auch ohne ſonderliche Muͤhe / von Jugend auff die Woͤrter auff ſolche ahrt faſt fertiger geleſen werden / als wann bey uns die Vocales dazwiſchen geſetzet ſeyn. Nach dem nun ein Vocalis dem andern an dem laut nāher komt / oder einem jeglichen Volck nach ſeiner Landes arth / ein na - tuͤrlicher Ton / der aus der conforma - tione organorum, oder auß einem gehei - men principio impreſſionum mentalium herflieſſet / eingepflantzet iſt: So wer - den die Woͤrter nothwendig nicht allein in frembden Sprachen / ſondern auch in den Dialectis von einer Sprachen verāndert. Zumahlen / da die Vocales unter ſich keinen groͤſſern Unterſcheid ha - ben / als nachdem einer den Mund en - ger oder weiter auffthut. Ja es ſchei - net faſt / daß auch die Natur etwas deß - gleichen in die Unvernuͤnfftige Thieregele -111der Buchſtaben. geleget / und auff einen gewiſſen Voca - lem oder Diphthongum ihre Stimme gleichſam gegruͤndet ſey / welcher zum theil auch in den Woͤrtern zu finden / womit man ihre Stimme zu bezeichnen pflegt / auch in einem jeglichem Thiere dieſelbige auff einen Vocalem ſich gruͤn - dende Stim̃e nach gewiſſer außdruͤckung ihres Verlangẽs in verwandte Vocales ge - āndert werde. Ein Schwabe und Spani - er veraͤndern alles in ein a oder o, ein Hol - lander und Frantzoſe lieben die gelinde Vo - cales. Die Conſonantes werden auch in ein - ander verwandelt / nachdem ſie ihnen un - tereinander verwandt / oder von einem or - gano gebildet werden / und den Voͤlckern ſie angebohren ſeyn / wie denn eine jegliche Sprache ihre eigene Conſonan - tes hat / welche ſie vor allen andern be - liebet. Bey etlichen Voͤlckern / die auff den Wollaut viel geben / oder præcipi - tant in reden ſeyn / wird man eine groſſe irregularitaͤt in den Veraͤnderungen finden. Wie bey den Frantzoſen / wel -che112Das VI. Cap. Von Veraͤnderungche gantze Conſonantes wegwerffen / ver - ſetzen / von einander trennen / neue hinein ſchieben. Dieſe Verānderun - gen muͤſſen ſo viel moͤglich in eine Rich - tigkeit gebracht werden / welches end - lich wol geſchehen kan. Die Stuffen dieſer Verānderung koͤnnen nicht beſ - ſer in acht genommen werden / als in der heutigen Italiāniſchen / Spaniſchen und Frantzoͤſiſchen Sprache. Denn weil dieſelbe / zum theil aus dem Latei - niſchen entſproſſen / ſo ſiehet man wie die Vocales und Conſonantes ſich ver - wechſelt haben. In der Frantzoͤſi - ſchen und Italiāniſchen hat diß Mena - gius gewieſen. In Spaniſcher hat es mit ſonderlichem Fleiß außgefuͤhret Bernardus Aldrete Canonicus Cordubenſis, ein gelahrter Mann / von welchem Nicolaus Antonius in ſeiner Bibliotheca Hiſpanica diß ſonderliche angemercket / daß er ſeinem Bruder Joſepho ſo āhnlich gewe - ſen / daß ſie nicht als durch den Geruch haben koͤnnen von einander geſchiedenwer -113der Buchſtaben. den. Dieſer hat in ſeinem Buch dell ori - gen della Lengua Caſtellana lib. 2. faſt durch die 12. Capita weitlāufftig und mit Exem - peln die Verānderung in allen Buchſta - ben vorgeſtellet: Und dabey auch einige Regiſter von heutigen und alten Woͤrtern gegeben / welche auß dem Griechiſchen / La - teiniſchen und Arabiſchen ꝛc. in die Spa - niſche Sprache gekommen. Dabey aber viel zu erinnern / weil er die Celtiſchen Woͤr - ter von den rechten frembden / als der Teutſchen Sprach unerfahren nicht zu unterſcheiden gewuſt Es hat auch Chri - ſtianus Nirmutanus in ſeinem Dictionario Harmonico viel Reguln gegeben von Ver - ānderung der Woͤrter auß dem Griechi - ſchen in der Lateiniſchen / und auß dieſer in der Frantzoͤſiſchen und Italiāniſchen Sprache / und mehrentheils auß ihm Tho - mas Hayme in ſeinem Buch de cognation[e]Linguarum poſit 8. Es beſtehet dieſe Ver - ānderung der Buchſtaben in vier Stuͤcken: im Zuſatz / Abzug / Verſetzung / und Ver - wechſelung derſelben. Der Zuſatz iſt ent -hwerde114Das VI. Cap. Von Veraͤnderungweder im Anfang des Worts / wird von den Grammaticis genant Proſtheſis, in der Mitten deſſelben / iſt Epentheſis, am Ende / iſt Paragoge. Der Abzug im Anfang des Worts iſt Aphæreſis, in der Mitten iſt Ec - thlipſis, am Ende iſt Apocope. Es kommen auch in etlichen Woͤrtern viele derſelben zuſammen. Von jeglichen koͤnten viel Exempel beygebracht werden / wen es die - ſes Orths were. Nur etliche wenige anzufuͤhren / ſo ſeyn Exempla proſtheſeos dieſe. Than in der Gothiſchen Sprache cum, bey den Griechen ὅΤΑΝ. Got / gut / ἀΓΑΘὸς: koſt / ἀΚΟΣΤὴ. Sterr bey den Nie - derlāndern (Stella) ἀΣΤΗ`Ρ. Roͤthe /〈…〉〈…〉 ΡΕϒΘος Nahm / ὄΝΟΜα Riven / reiben τΡΙΒΕΙΝ. Kant (ein Niederlāndiſch Wort) bedeutet eine Spitze / ἄΚΑΝΘος ſpina. Raicken / reichen / reichan, (Goth. ) ὀΡΕΓΕΙΝ die Hand außrecken: wie / (Belg.) qVI. &c. Exempla Epentheſeos ſein: Art / ΑΡεΤὴ. Gems / ΚΕΜἀΣ oder wie es He - ſychius außſpricht ΚΕΜΜὰΣ (welches etli - che gar laͤcherlich von κειμάω herſuͤhren /da115der Buchſtaben. da es daſſelbe Teutſche Wort iſt) Hembd / ΙΜάΤιον. Kron / CoRONa. Kouten (Bel - gica vox) ΚΩΤΤίλλΕιΝ. Salben ΑΛειφΕΙΝ. Zur Paragoge gehoͤren faſt alle Griechiſche und Lateiniſche Woͤrter / ſo von den Cel - tiſchen gebildet / deren faſt kein eintziges iſt / dem ſie nicht eine ſonderliche termination angehenget. Zum Exempel ſind dieſe. das alte Scythiſche Wort A / Aa / wel - ches auch unter den von Lipſio angefuͤhr - tẽ Teutſchen iſt / bedeutet Waſſer / auch noch heutiges Tages bey den Schweden. Da - von iſt das Teutſche Wort Au / das Frantzoͤſiſche Eau, das Lateiniſche Acua, und hernach Aqua gemacht. Von dieſen kommen viel andere Woͤrter ſo wol im Teutſchen als Lateiniſchen her / Sal, al, Al - bis, Æl, Sau, (Fluvius Pannoniæ) Salm ahl, &c. wovon weitlaͤufftig Schefferus kan nachgeſehen werden / libr. de Upſaliâ antiq. cap. 1. So iſt das Scythiſche und Runi - ſche Wort Ay, Æf, davon ἀιὼν, Ævum, ewig. Da iſt bey den Teutſchen das Wort Beyl / bey den Griechen ΠΕΛεκὸς: Aar ARiſta[,]h 2UN116Das VI. Cap Von VeraͤnderungUnn (Goth. Aqua) UNda bey den Latei - nern / auch bey den Teutſchen iſt Unde ge - braͤuchlich. Welches im Lobwaſſer. Pſ. 51. noch gefunden wird / Loͤſch die auß mit deiner Gnaden Unden. Aphæreſis iſt in dieſen Woͤrtern Schwelle ΒΗΛὸς Saltz ἍΛΣ. Gans (Ganza beym Plinio) ANSer. Stiur / (Gothis Vitulus) Stier / Germanis, Tiur, Danis, TAURus. Gruß / RUdUS, Schnur / NURus, Schliem / Leem / LIMus, Schwerẽ / Gothicè, Svva - ran, Schwur / JURare. Haat / ἌΤη, Grau / RAVus color. (vide Laurenberg in Antiquario) Saman (Goth. ) tſamen / ἍΜΑ &c. Von der Ecthlipſi und Apocope ſein we - nig Exempel[:]weil den Celtiſchen Woͤrtern / die ohn dem kurtz und mebrentheils ein - ſylbig nicht viel kan abgenommen werden. Von der Verſetzung ſein mehr / uñ von der Verwechſelung die meiſten zu finden. Das Griechiſche Wort ἄνταρ, weches Heſychi - us hat / und einen Adler bedeutet / iſt das verſetzte Wort Arendt. Das Wort Terra, iſt das verſetzte Teutſche Wort Erd. Esſein117der Buchſtaben. ſein lauter thoͤrichte Einfālle / daß etliche das Wort von Terendo herfuͤhren: und iſt die Verſetzung keiner andern Urſach / als des Wollauts halber geſchehen: denn vor dem iſt das rechte Teutſche Wort erda bey den Lateinern im Gebrauch geweſen / wel - ches Scaliger noch in denen ſo genan - ten Primis Scaligeranis, die der Tanaquil Faber herauß gegeben p. 80. angezeichnet. Es hat aber ſo viel als Stercus bedeutet / da - von homerda, bucerda, mucerda, hominis, bovis, muris ſtercus genant werden. Die - ſes Wort iſtfaſt in allen Sprachen: earth, hertha, airta, aerde, Græcis ἔρα, He - bræis arez. In der alten Runiſchen Sprache iſt das Wort Ar, bedeutet an - nuum terræ proventum, daher das Lateini - ſche / arare, aratrum. Die Lateiner nen - nen einen Jagt-Hund Vertagum, welches Wort auß dem Niederlāndiſchen Veltrag - ge gemacht, per abjectionem τοῦ (l) & με - τάϑεσιν τοῦ (r) wie ſolches Vlitius in ſeinem Commentario ad Gratiani Cyneget: verſ. 203. weitlaͤufftig und mit vielen angefuͤhr -h 3ten118Das VI. Cap. Von Veraͤnderungten Zeugniſſen beweiſet. Denn Ragge, bedeutet einen Hund / und iſt das Wort Veltraus noch in Legibus Burgundionum zu findē So iſt auch das Wort sTER Cus das Teutſche Dreck per μέταϑεσιν. ΦΙΛὸς, Lief / DORMire Dromen uñ andere mehr. Die Verwechſelung der Buchſtaben iſt man - nigfaltig / in vocalibus, diphthongis, und conſonantibus, wovon einige abſonder - liche Reguln muͤſſen in Acht genommen werden / von welchen zu handeln hie viel zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde. Zum Exem - pelſein dieſe: HORTus, Gart / Jord / HE - STERNus, Geſtern / HOSTis, Gaſt / HOEDus, Geit / Hoͤcken / denn die ad - ſpirationes werden leicht alſo verwandelt / wie Aagardus in ſeinem Buch de diagam - ma vielfaͤltig erwieſen. GRANum, Korn / Karn / Kern / FLOS, bloͤſſen / FLAre, blaſen / CURRus, Karn. mitzdo (Gothi - ) μισϑὸς, merces. APER, Eber / PORCus, Borg / ϓΣ, Sus, Su / Sau / MA - CER, mager / ΚίΧΛΗ, (Turdus) Kuͤch - lein. PISCis, Fiſch / Fiſk (thoͤricht iſtwann119der Buchſtaben. wann die Grammatici das Wort von pa - ſcere, oder πἰειν herführen) NATRix, Na - dr / Natter / Adder. MEL, Melith (Gothic.) ΒΡΑΣΚω, Braſſe / ΒΡΩΤὸν, Brot / ΣΑΤΤω, ſaͤtrige / ΒΟΡὰ Foder Voer / JUS, Jüch / PIRus, Birn / Belgis pir, (Voſſius wil es von dem Grichi - ſchen πῦρ herfuͤhren) RAPa, Kuͤbe / Belg, rape. POMus Boom / (dann wie das Wort Pomum allerley Fruͤchte bedeutet / ſo kan auch Pomus allerley Baͤume be - deutet haben / wie bey den Griechen ΔΡϒΣ eine Eiche / bey den Gothis Trui, bey den Engellaͤndern Tree einen jeglichen Baum bedeutet.) NUX, Nutt Nuß (von welchem Woꝛt Varro ſeltzame Traͤume hat) GRAmen, Graß / Groͤen to grew / (An - glis) iſt eines mit dem Lateiniſchen creſcere. ΛΕΓω λεγομαι, (cubare facio, cubo. ) ick leg - ge / ligge. Wovon viel andere Woͤrter λαγρὸς, λαγρὸν, lager / λέκτρον, lectus, λο - γεῖον, Logies, Loggi. λήγειν, (ceſſare) ſich legen. λέγαι γυναῖκες Archilocho, mulieres libidinoſæ, (een leeg Wyf) ΛΕΓω (dico) h 4ick120Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenick leege / λόγοι, luͤgen loͤgens (Belg.) SCUTum, een Skuͤtt / beſkuͤtten / ORIri, ORigo, Ur / Urſprunck / Lux, lys (Suec,) Licht / Cambro-Britanni, Llug. An - gli Luk videre, FRIgus, Frieſt / (Dan.) frieren / ΝΤΞ, ΝΤΧΘη. Nox, Nacht / neight / (Angl.) und viel andere in groſſer Menge / davon alhie weitlaͤufftiger nicht kan geredet werden. Esſeyn viel abſonder - liche Reguln / wegen dieſer Veraͤnderung: aber wir wollen die vollſtaͤndige und gruͤndliche Außfuͤhrung dieſer Sachen auff eine bequemere Gelegenheit verſparẽ.

Das VII. Cap. Gleichheit der Griechiſchen uñ Lateiniſchen Woͤrter mit den Teutſchen / wird mit dem Exempel der Benennungen erwieſen / die von dem Menſchen und deſſen Thei - len genommen.

Einhalt. DIe Gleichheit der Griechiſchen und Lateini - ſchen mit den Teutſchen Woͤrtern wird alszum121und Lateiniſchen mit den Teutſchen. zum Exempel an dem Menſchen und den Be[n]ennun - gen ſeiner Glieder gezeigt. Homo iſt nicht von ὁμοῦ, humus, oder〈…〉〈…〉 ſondern von dem teutſchen Man. Mon. Hemon, Hemoni s Lucumon, lugemon, præfe - ctus. Mani bey dẽ Einwohnern des Reichs Congi. Go - ropii Becani ſonderliche cabala des Worts Man. Mannus ein Koͤnig der Teutſchen. Rudbeckii mei - nung hievon. I. C. Scaligeri ſonderliche Betrach - tung uͤber daß teutſche Wort Man. Das Griechi - ſche Μάνης, mannus, μάννος, monile. Man Mon eine Jungfer / Wyfman, Wimman, Wom[a]n, fe - mina. Menſch. Mas. Vir, Wer, Ver, Wayr, Fir - than, Wirth. Weerd / Vaer, Var, Ber, Baro, Baur, Bur, Por, Puer, Πορ. γυνὴ, cwen, quena, quind, Kun / Kone. Cynne (Genus) Cennan, Acennan generare Kind. geno, gigno, γείνομα〈…〉〈…〉 γεννά〈…〉〈…〉. Wino, Win, Wen, Venus, Wina, Winia, Volcwin, Amicus populi, nicht victor populi, wie Voſ - fius wil / lebwin. Venus iſt eine fremde Goͤttin bey den Roͤmern geweſen / wie auch der Nahme. Var - ronis und Macrobii Zeugnuͤß. Venus iſt bey den Nor - diſchen Voͤlckern als eine Goͤttin geachtet. Von ih - nen iſt viel des Goͤtzenweſens nach Orient gekommen. Vinulus βήνα, βάνα, βινέω bini. Μαγα Maja Moye / Maid, Magd / Senex, Sineigs (Gothic.) Volgus Volck / ϑ〈…〉〈…〉 λυ thoͤle. Κεφάλη, Kop / Kopf / Haupt / hapt / head, Oculus, Og / Specera, Spih 5aus122Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenausſpaͤhen / ſpock / ſpecies, auris Ohr. 〈…〉〈…〉ῖν, rinn naſus, νῆσος bedeutet in translato ſenſu bey den Grie - chen promontorium, Kimmernaͤß. Promontorium wird bey den Griechen γλῶσσα genant. ſkiaͤren χ〈…〉〈…〉 - ρὸς (littus) Σχέρα Inſul bey den Griechen. Scheer χεῖρ. Hand / hendo, hande / prehendo. Hentan. Maugon Maxilla, Mandibula, Mando, Mentum, Mund Mant, Munch. ἒϑειρα, het hair (Belgicè) capillus. ὄυλα Wulle. Ὀυλοκέφαλος, Wull - kopf. Es werden viel dergleichen Woͤrter mehr er - zehlet. Lacryma, dacruma. δάκρυον. Cambro - brittannis Daigr, Gothis Tagr, Anglo-Saxonibus Tear, Zaher / Zaͤhr. Traen / Thraͤn / ϑρῆνος. Mens, von Meenen, ein alt lateiniſch Wort Meno, Mind. &c. Schluß des erſten Theils.

NAchdem wir der Teutſchen Spra - che Alterthum hierauß erwieſen / baß die Griechiſche und Lateiniſche zum theil ihren Uhrſprung von ihr genom - men / ſo ſolte uns nun obliegen / ſolches mit mehren Exempeln darzuthun und zube - kraͤfftigen. Weiln aber dieſe Arbeit viel weitlaͤufftiger / als ſie hier kan außgefuͤh - ret werden / ſo wollen wir ſie vorbehal - ten / und in dieſem Capittel nur die Woͤr -ter123und Lateiniſchen mit den Teutſchen. ter / die von dem Menſchen und deſſen Thei - len und Gliedern genommen ſein / vor die Hand nehmen / und deren Gleich - heit mit den Griechiſchen und Lateiniſchen zeigen. Dann dieſe ſein die erſte die uns die Natur zu benennen unter - richtet / welchen hernach folgen die Dinge und Kuͤnſte / damit man taͤglich umgeht / Speiſe / Viehzucht / Acker bau / Bauwerck / Kleidung / und dergleichen. Welcher dinge Nahmen bey einem Volcke ſo nicht von andern verpflantzet / gebohren ſein muͤſſen / und nicht von andern erſtlich her - geholet. Wir wollen aber nur vor diß - mahl bey den erſten verbleiben. Hie find ich erſtlich bey den Lateinern das Wort HOMO. Was hat man nicht vor wun - derliche einfaͤlle hievon? Da iſt Varro der es von dem lateiniſchen humus ableitet. Scaliger fuͤhret es von dem Griechiſchen Wort ὁμοῦ her / weil der Menſch ein ζῶον πολιτικὸν und geſellig iſt: Voſſius von dem Ebreiſchen〈…〉〈…〉 welches die Syrer außgeſprochen ODOM, davon per con -tra -124Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchentractionem oom, hoom und endlich das La - teiniſche HOMO. Wer ſtehet aber nicht / daß dieſes nur ungegruͤndete Kuͤnſtelein und alluſiones ſein / deren keine wahrſchein - liche Urſach zu geben. Es iſt das teutſche Wort Man in den meiſten Sprachen ge - braͤuchlich / und ohnzweiffel eins von den erſten Grundwoͤrtern / welches auch Clu - verus lib. 1. Germ. Antiq. c. 9. p. 83. ſchon ge - ſehen. Von dieſem halt ich komme das Wort Homo her. Dieſes wird einer fuͤr einen mehr als Becaniſchen einfall halten: aber es wird die Wahrſcheinlichkeit bald hervor blicken / wenn man diß Wort ein wenig genauer beleuchtet. Diß Wort Man iſt bey den Angel-Saxen Mon außgeſprochen / wie bey dem Skinnero und Junio in ihren Lexicis zuſehen. Nun war bey den Lateinern das alte Wort nicht Ho - mo, Hominis, ſondern Hemon, Hemonis, wie in des Ennii und andrer alter Poëten Verſen zu leſen. Iſt alſo das Wort Mon ſo wol in recto als obliquis caſibus zu fin - den. Die Syllabe He, ſcheinet als aus demAr -125und Latniniſchen mit den Teutſchen. Articul geblieben und ein bloſſer Vorſatz zu ſein: Welche auch bey den Teutſchen und Sachſen pronomen demonſtrativum maſculini ſexus iſt. Ich duͤrffte ſchier auff die Gedancken kommen / als wenn das al - Wort Lucumon bey den Thuſcis von dem Wort Mon oder Hemon und dem alten teutſchen Wort Luͤgen Videre obſervar[e]zuſammen geſetzt / daß es ſo viel ſey als ἐπίσκοπος Lugemon. Denn ob zwar ei - nigen Gramaticis und andern Autoribus diß Wort einen Unſinnigen bedeutet / ſo iſt doch zu wiſſen / daß das Wort inſanus, in kei - ner andern Bedeutung hie gebraucht wer - de / als wenn Horatius den Labeonem in - ſanum nennet / iſt ſo viel als wunderlich / ſtreng / eigenſinnig / mit dem man nicht um - gehen kan. Eigentlich ſein die præfect[i]Thuſciæ Lucumones genennet worden / wie Servius bezeuget comm: in VIII. Æneid: Tuſ - cia duodecim Lucumones habuit id eſt reges, quibus unus præerat. Sein etwa ſolche ge - weſen / als bey uns Amptmaͤnner / Ge - walthaber. Dieſen der uͤber die Zwoͤlffezu126Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenzu gebieten hatte / nenten ſie Lartem / wel - ches gleichfals ein Wort iſt / das noch heute bey den Engellaͤndern gebraͤuchlich / woſelbſt die vornehmen Herrn des Lands Lords genant werden / welches Godelevæ - us in notis ſuper Livium und nach ihm andre ſchon angemerckt / und in den Nordiſchen Sprachen als ein Vornahme der Māñer gebraucht wird. So einem nicht gefallen wuͤrde von dem Worte Luͤgen Videre, (davon doch gantze Voͤlcker und Stātte benahmet) das Wort Lucumon heꝛzufuͤhrẽ / ſo iſt das alte Wort Log, welches noch heute einẽ Ohrt oder diſtrict eines Landes bey den Scotten und Irrlaͤndernbedeutet / und das Lateiniſche Locus, davon Lucumon ſeinen nahmen haben koͤñe / alsder eines gewiſſen Landes uñ Ohrtes beherſcher iſt. Daß aber das Wort Man ſo viel als Ducem, præfe - ctum bedeute koͤnte mit gar vielen Exempeln durch alle Sprachen erwieſen werden / ſo gar daß auch bey den Einwohnern des Koͤ - nigreichs Congi ſolches zu findẽ / davon Bar - læus in ſeinẽ Buch derebꝰ geſtis ſub Mauritioin127und Lateiniſchen mit den Teutſchen. in Braſilia p. 245. woſelbſt er das Koͤnigreich Congi beſchreibet: Bamba littora lis (pro - vincia regni) regitur à variis præfectis, quos Mani vocant, ut Mani Bamba, Mani Loanda Mani Coanza. Rex ipſe vocatur Mania Congo, & Regia Conjux Mannimom〈…〉〈…〉 banda. Bey den Ægyptiern iſt das Wort Meine auch ein Nahm der Koͤnige geweſen. Goropius Becanus in lib. 1. Gallicorum. und andern Orthen mehr hat uͤber dieſes Wort Man ſeine ſonderliche ſchier cabaliſtiſche einfaͤlle / welche ich an ſeinen Ohrt geſtellet ſein laſſe. Denn weil das Wort Man umgekehrt Nam macht / ſo meinet er / es ſey hie - durch als durch eine Prophetiſche Figur / die andere Perſon der Dreyeinigkeit abge - bildet / welche wahrer Menſch und zugleich auch das Wort des Vaters iſt. Es iſt nicht unangenehin zu leſen / was er fuͤr viel - faͤltige Betrachtungen hat / wegen der verkehrung der Woͤrter in der Teutſchen Sprachen / welche ſo ſonderlich iſt / als im - mermehr die cabala der Juden und Ara - ber ſein kan. Cluverus in dem vorheran -128Ders VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenangefuͤ[h]rtem Ohrte / meinet daß der bey den Teutſchen geprieſene Mannus niemand anders als Adam ſey / womit Voſſius in ſei - nem B[u]ch de Idololatria und Bocler. Exerc. in Joſe[p]h. lib. 1. c. 2. Antiq. Judaic uͤber ein - ſtimmen. Welchen aber Rudbeck in ſeiner Atlanti[c]a zu einem uhralten Koͤnige der Schweden macht / nach welchen Schweden ſelbſt Manheim / und noch gantze Lān - der dar innen genennet werden. I. C. Sca - liger hat uͤber dieſem Wort Man eine ſon - derliche Betrachtung / in der treflichen Rede / die er zum Ruhm der ienigen gehal - ten / die in dem Tuͤrcken Kriege vor Wien ge - blieben / welche nebſt ſeinen Briefen her - auß[g]egeben. Wie er nun die Teutſche Nation vor allen andern erhebt / und beſſer Urtheil von ihr faͤllet / als ſein Sohn Joſe - phus gethan: So hat er auß dem Nahmen MAN, der durch alle Voͤlcker gegangen / die vortreflichkeit des Teutſchen Volcks erwieſen. Der Ohrt iſt wuͤrdig allhie herge ſetzet zu werden: Hoc numen Terræ ſilium, ſicuti Etruſci Tagem, ita huncpu -129und Lateiniſchen mit den Teutſchen. putarent Majores noſtri: cujus proles fuerit MAN. Unde etiam nuncapud nos, quem - admodum apud Hebræos, primi Parentis no - men hominem ſignificat. Erigite nunc animos veſtros Germani Viri! Romanis ipsis vos hac in parte vel loquendi leges vel sal - tem principia atque elementa tradidi - stis. Nam cum illi novos homines atque avorum obſcuritate ignotos Terræ filios appellarent, eosdem quoque MANIOS dixerunt. Hæc veſtra vox eſt veſtrique conditoris: quæ ſi per univerſam Aſiam per - vagata eſt, ſi ex Parthia atque Scythia in for - tiſſimas nationes dimanavit, nullam vi - deo cauſam, quin Principis illius veſtri au - ſpiciis in eas omnes regiones colonias veſtras miſiſſe aut deduxiſſe videamini. Exſtant adhuc vocabula veſtimentorum, officiorum, Principum, Nationum. Eſt enim veſtis Aſiati - ca Doloman, quaſi Stolam Viri dixeris. Sto - la profecto eſt. Audimus functiones atque operas Turcimanorum & Dragomanorum, qui ſunt interpretes & Talaſimanorum, qui dicuntur obnunciatores. Habemus Varto -ima -130Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenmanos, Othomannos, & Solimannos, Re - gum atque Imperatorum appellationes. Er fuͤhret dieſes ferner auß / und weiſet wie die - ſer Nahme durch alle Voͤlcker gewandert. Das Wort Μάνης ein Knechts Nahme / iſt eben dieſes teutſche Man / wie auch das Lateiniſche Mannus, welches einen jungen Hengſt bedeutet. Das Griechiſche μάν - νος, das Lateiniſche mannus, eine Kette / leitet Schefferus in ſeinem Syntagmate de Antiquorum torquibus §. 1. von dem Worte Man. quia manis h. e. viris qui ſe fortiter geſſiſſent in bello, proprium ge - ſtamen fuit. Das Wort Monile iſt ihm von gleicher herkunfft. Das Wort Man Mon / Moen / hat auch bey den Teut - ſchen ſo viel als eine Jungſer geheiſſen / wo - von Schefferus in Upſalia antiqu. p. 113. Iſt alſo diß Wort beyderley Geſchlechts. Die alten Anglo Saxones haben eine Frau Wyfman, Wimman und hernach Woman geneñt / iſt ſo viel als ein Menſch Weibliches Ge - ſchlechts. Mit welchen das Lateiniſche Wort femina uͤberein komt. Das teut -ſche113[131]und Lateiniſchen mit den Teutſchen. ſche Wort Menſch iſt auch von dieſem Wort / nicht von den Lateiniſchen Mens o - der von dem Hebraͤiſchen〈…〉〈…〉 wie Voſſius meinet / davon Junius in ſeinem Gloſſario Gothico und weitlaͤufftig Vorſtius in ſeinem Specimine Obſervationum in Linguam Ver - naculam cap. 2. Das Lateiniſche Mas iſt auch von derſelben abkunfft. Aber von die - ſen allen wil ich mit mehren handeln in ei - ner abſonderlichen Diſſer[t]atione de Mannis Germanorum. Auß dieſem wenigen aber was ich angefuͤhret / kan man leichtlich ſchlieſſen / daß das Wort Homo auß kei - nen andern als aus dem alten Wort Man entſtanden. Ferner iſt das Latei - niſche Wort Vir, welches gleichfals von frembder herkunfft iſt. In den Gothiſchen Evangeliis hat man das Wort VVair Luc. 8, 27. VVairos twai, Viri duo. Zween Maͤn - ner. Luc. 9, 30. In der Angelſaͤchſiſchen Sprache iſt das Wort Wer, welches einen Man bedeutet. So findet man in der Angelſaͤchſiſchen uͤberſetzung des erſten Pſalms: Eath Ver Beatus Vir. In der Runi -i 2ſchen132Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenſchen Sprache / nennt man ihn Firthar, ein Armee Firth. Siehe Worm. in Epice - dium Regneri Lodbrog. Mit dieſen komt das teutſche Wirth / Werd uͤberein / wel - ches ſo viel iſt als das Wort Man. Das Niederlaͤndiſche Vaer, und das teutſche Bar, wovon das Wort Baro gemacht / iſt daſſelbe. In dem teutſchen Helden Buch wird das Wort Bar offtmahls pro Viro gebraucht. Die Gloſſæ veteres Gallico-La - tinæ. Ber, Baro, & Vir. Melchior Goldaſt. in den Anmerckungen uͤber Winsbekiæ pa - ræneſin. p. 417. haͤlt das Wort Ber vor teutſch / Ver vor das Lateiniſche. Ber ajo priſcos dixiſſe, qui latinis Vir, aliis βαρβαρί - ζουσι. Ver. Er fuͤhret eine alte Inſcriptionem Curienſem an / VECTOR, VER, INLU - STER, PRESES. das iſt: Victor, Vir &c. Aber es iſt nichts anders als das rechte teutſche Wort / und iſt in der Engelſaͤch - ſchen Sprache das Wort Ver auch ge - braͤuchlich geweſen / wie wir ietzo geſehen. Da von iſt hernach Baur, Bur, und das bey Teutſchen Griechen und Lateinern ge -braͤuch -133und Lateiniſchen mit den Teutſchen. braͤuchliche Por Πορ, Puer ein Knecht Bey den Lateinern hat man den Nahmen Mar - cipor, Lucipor, Quinctipor. Virgilius braucht das Lateiniſche Fur davor. Bey den Teutſchen hat man das Wort Schild - por welches ſonſt Schildknap. Wo - von Gryphiander de Weichbildis c. 67. n. 11. Die Griechen und inſonderheit die Dorcs haben das Wort Πὸρ fuͤr Παῖς gebraucht. Das Griechiſche Wort Γυνὴ iſt bey uns auch zu finden. Die Engelſaxen ſagen Cvven. Die alten Teutſchen Quena. Im Runiſchen iſt Quind, die Dani und Cimbri haben Kun / Die Ungarn Kone / wel - che Woͤrter eine Frau bedeuten. Bey den Engellāndeꝛn wiꝛd dieſeꝛ Nahme κατ̓ ἐξοχὴν der Koͤningin gegeben. So nanten auch die Angelſachſen eine Kuhe mit dieſem Nah - men / welcher noch heute in Holſtein ge - bråuchlich iſt. Die Niederlånder nennen ein loſes oder gemeines Weib alſo. Sonſt iſt auch bey den Angelſaxen Cynne, weiches ein Geſchlecht Genus, Generationem bedeu - tet / Connan, Acennan parere, generare. i 3In134Das VII. Cap. Gleichheit des GriechiſchenIn Teutſcher Sprache Kind / welches mit den Griechiſchen und Lateiniſchen geno, gigno, γείνομαι, γεννάω uͤbereinkomt. Das Gothiſche Wino Wen und Angelſaͤchſche Win, uxor iſt das Lateiniſche Venus, ſo von dieſen herkomt. Die alten Teutſchen Woͤrter Wine und Winia bedeuten ſo viel als dilectus und dilecta. Willeramus in Paraphraſi Cantici Canticorum min Wino dilectus meus. Daher ſein ſo viel compo - ſita bey den Teutſchen truotwin fidelitatis amicus Sigewin Victoriæ amicus Winirad a - micorum conſilium und viel andere mehr / welche Junius anfuͤhret commentario in Pa - raphraſin Willerami p. 20. 21. Hieher gehoͤret das teutſche Wort Volckwin, Amicus popu - li, welches Voſſius in ſeinem Lexico Etymo - logio ſub voce Vinco, von dem Wort Win - nen herleitet / davor haltend es ſey ſo viel als das Griechiſche Wort Nicolaus, wor - innen er doch fehlet. Es iſt das Wort Lebvin bey den Teutſchen geweſen / welches ſo viel als ein lieber Freund. Hucbaldus Monachus Elromenſis in vitâ S. Lebvini Pres -by -135und Lateiniſchen mit den Teutſchen. byteri cap. 1. Lebvinum carum ſibi amicum juxta idioma nominis ſui optime congruen - tis. Fertur enim â ſuæ peritis linguæ, quod Liefuuyn patrioticè ſit vocatus, quod Roma - nis ſonat carus amicus, ſed ecce quam digni - coſum illius vocabuli præſagiũ, dum quod fu - turus erat opere, jam eius præſignatum eſt no - mine. Melchior Goldaſtus der dieſes an fuͤhret in ſeiner Anmerckung uͤber den Pa - rænet. vet. p. 454. hat dieſe Zuſammen - ſetzung nicht recht begriffen / und von dem Worte Win nichts gedacht. Daß nun Venus, hievon oder von dem Gothi - ſchen Wen, amicus herkomt iſt darauß zu ſehen / daß kein Wort weder in der Grie - chiſchen und Lateiniſchen Sprache ſey / davon es koͤnne hergeleitet werden. Denn daß Cicero und Ovidius es von Venio her - fuͤhren / geſchicht nur per alluſionem, wel - ches ob es zwar Voſſius billiget / und daher ſchlieſſet / eſſe vocem origine Latinam non à Græcis, non ab Oriente, ſo irret er doch ſehr / denn es widerſpricht ihm Varro ſelbſt / welcher außdruͤcklich ſaget / nomen Ve -i 4ne -136Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenneris ne ſub Regibus quidem apud Romanos vel Latinum vel Græcum fuiſſe, welches auß ihm anfuͤhret Marcob. lib. 1. Saturn. cap. 12. zu beweiſen / daß der Monaht Aprilis nicht habe koͤnnen von der Venere oder Α᾽φορδίτη genennet werden / die da - mahls nicht bekandt geweſen. Scaliger ad Feſtum in voce aperta ſaget / man koͤn - ne auch auß dem Nahmen ſehen / daß ſie keine einheimiſche Goͤttin ſey / denn ſie wuͤrde deßhalben à veniendo ſo genandt / quod ſit προσήλυτ ος ϑεὸς. Welches mehr ſinreich als der Warheit gemaͤß: Denn da bekant Venus ſey einer frembden An - kunfft / worum wollen wir ſie nicht auß der Sprache herleiten / da ſie mit eben denſelben Buchſtaben das jenige außdeutet / worum ſie ſo genandt wird. Da noch dieſes hinzu koͤmt / daß bey den Nordiſchen Voͤlckern / dieſelbe von alters unter dem Nahmen Frigga von frigan, amare auch Wenna-des Dea Amoris genant / verehret worden. Und wird ſich niemand verwundern daß auß dem Norden dieſer Goͤtzendienſt auff dieRoͤ -137und Lateiniſchen mit den Teutſchen. Roͤmer verpflantzet / wenn er beym Dio - doro Siculo lib. 2. c. 47. leſen wird / wie die alten Heidniſchen bey den Griechen ge - woͤhnliche Goͤtzendienſte bey den Hyperbo - reis uhrſpruͤnglich geweſen / und von dan - nen dahin gekommen. Von demſelbigen Wort Wen oder Win, iſt das Lateiniſche Vinulus, lieblich / nicht von Vinum. Und hievon meine ich ſey das Griechiſche Wort βήνα, auff Doriſch βάνα Mulier, Filia, wie auch des Wort βινέω, welches den actum a - moris bedeutet / und das bey dem Cicerone lib. 9. ad Fam. Epiſt. 22. verdaͤchtige Wort bini. Aber wir muͤſſen wieder zu unſer Hauptſache kommen / und zu den uͤbri - gen Woͤrtern. Bey den Griechen iſt Μ〈…〉〈…〉 〈…〉〈…〉 Obſtetrix, Maja bey den Lateinern. Bey den Cimbris iſt noch heute Moye. In der Gothiſchen Sprache Mayi puella. Maid, bey den Engellaͤndern / Magd bey den Teutſchen. Das Wort Senex iſt ein alt Gothiſch Wort / wird faſt mit der - gleichen Buchſtaben in den Gothiſchen Evangeliis gefunden Sineigs Senex Luc. 1, 18. i 5Si -138Das VII. Cap. Gleichheit des GriechiſchenSiniſtans Seniores Marc. 11, 27. Die Ety - mologi haben viel ſeltzamer einfaͤlle hie - bey. Das Wort Volgus iſt nichts an - ders als das teutſche Volck / das Grie - chiſche ϑῆλυ, femininum, und das teutſche thoͤle bedeutend canem ſexus feminini komt auch uͤbeꝛein Gehet man nun die Glie - der des Menſchlichen Leibes durch / ſo wird man die Gleichheit uͤberallfindẽ. Das Wort κεφάλη, caput, Kop Kopff Haupt hapt Angl. head. iſt was die Stambuchſtaben be - trifft einerley. Den c und h werden un - ter ſich verwandelt / als cornu, horn / καρδία hart / cutis, hut / calamus, halm / κύων hund. Oculus iſt als ein diminuti - vum von Og / quaſi Ogulus, Auge / und das Griechiſche ἀυγὴ ſplendor, komt uͤber - ein. Das alte Wort Specere ſehen / komt von den alten Scythiſchen Spi, ſehe / daher noch Arimaſpi genant werden / die mit ei - nem Auge ſehen / und die Woͤrter auß - ſpaͤhen / verſpaͤhen / ſpok / die La - teiniſchen Speculum, Species, wovon Boxhornius in Præfatione Originum Galli -ca -139und Lateiniſchen mit den Teutſchen. carum weitlaͤufftiger handelt: Das Latei - niſche Wort Auris und das teutſche Ohr iſt eines: denn es iſt bekand daß das au bey den Lateinern als ein o außgeſprochen / und bezeugt es Laurenbergius in ſeinem An - tiquar. daß die Bauren oris an ſtat auris gebraucht. Das Griechiſche ῥῖν naſus iſt das teutſche rinn / denn die Naſe nicht anders als canalis cerebri iſt / und das La - teiniſche naſus iſt eben das teutſche. Das Griechiſche νῆσος welches in dem eigentli - chen verſtande nicht mehr / ſondern in ſen - ſu translato gebraucht wird / und inſulam bedeutet / iſt ohn zweiffel von dem Teut - ſchen naͤſe oder naſa / und komt nicht von dem Worte νεῖν natare, wie man will. Es iſt bekant daß das Wort νῆσος auch offt eine halbe Inſul bedeutet / da denn an - geregtes ἔτυμον kein ſtaat finden kan. Das Wort naͤß heiſt aber in der Gothiſchen Sprach metaphoricè ein promontorium, welches faſt einer peninſulæ kan verglichen werden / als Kimmernaͤß promontori - um Cimmeriæ, welcher nahm noch heuti -ges140Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenges Tages in Schweden uͤbrig iſt / wie Rud - bekius bezeugt / und andre mehr. Es wird aber das promontorium einer Naſen der Figur halben verglichen / und alſo ge - nannt / wie ein Promontorium bey der Inſul Saſena γλῶσσα lingua genant wird. Anna Comnena Alexiados lib. 3. p. 98. Καὶ δὴ τὴν κορυφὼ διελϑὼν, καὶ πρὸς τὸ Δυῤῥάχιον ἀποκλίνας, καὶ τὸ ἀκροτήριον Γλῶσσαν καλού - μενον μεγίςῳ κλωδώνι ἄιφνης περιπεπτώκ〈…〉〈…〉. Et quidem prætergreſſa claſſe Corcyræo - rum in ipſo verſus Dyrrhachium flexu, cir - ca promontorium quod Lingua dicitur, ma - xima in eam ſubito procella ingruit. Und eben dieſes Promontorium iſt / was noch heutiges Tages Lenguette, Lenguetta das iſt eine kleine Zunge genant wiꝛd / weil es hie - mit kan verglichen werden. In dem zwoͤlf - ten Buch Alexiados wird der Eingang des Meers alſo genant / und bezeugt Poſſinus in Gloſſario Annæo gar gebraͤuchlich bey den Frantzoſen zu ſein / daß die promon - toria langues de terre genant werden. Zu dem ſind dergleichen vielmehr translatano -141und Lateiniſchen mit den Teutſchen. nomina, als Umbilici, capita, cornua, daß es nicht ungereimt / es ſey das Wort νῆσος von eben ſolchen Worte genommen / in - ſonderheit da es in demſelben verſtande noch verhanden / und darff ſich niemand verwundern / daß aus Norden ſolches dahin verpflantzet / dann viel mehr der ſelben in der Griechiſchen Sprache ge - funden werden / als unter andern / das Wort ſkiaͤren wodurch die litora Sveciæ verſtanden werden / von den außſchnitten alſo genand / da hat man in der Griechi - ſchen Sprache / wie Heſychius bezeuget / das Wort χερὸς, littus und iſt die Inſul Corcyra Σχέρια vor alters genannt / wel - ches Wort Jac. Palmerius à Grentemesnil in ſeiner Græciâ antiqua lib. 2. c. 10. von dem Griechiſchen χερὸς lieber herfuͤhren will / als von der Fabul des Euſtathii. Wie ich es auch fuͤr war halte / auß dieſem grun - de. Denn es iſt dieſe Inſul auch Δρεπά〈…〉〈…〉 η genant welches eine Sichel bedeutet / um dieſer Urſachen willen / weil die eine Seite der Inſul ſo krum außgeſchnitten / daß ſieeine142Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſcheneine Sichel abbildet. Nun werden die ſkiaͤren in Schweden von ſkiaͤra das iſt außſchneiden ſo genant / und in der Teut - ſchen Sprache iſt das Wort Scheer ein Werckzeug damit man Außſchnitte macht / welches da es von einander gethan wird ſelbſt einen Außſchnitt und gleichſam eine Sichel vorſtellet. Dem Boxhornio traun iſt in ſeiner Symphonia Linguarum. p. 8. nicht ungereimt vorgekommen / das Griechiſche Wort Χε̃ῖρ eine Hand / und das teutſch Scheer vor eines zu halten. Nullus ambigo, ſpricht er / quin idem hoc vocabulum ſit cum iſto, quo arte factam manum, hoc eſt, forcipes Belgæ ſignificant. Scheer χείρ Poëtice χερὸς item χίῤῥος & χηρὸς appellatur. Welches ich an ſeinen Ohrt geſtellet ſein laſſe. Zu ferner Bekrāff - tigung kont auch dieſes angefuͤhret werdē / weil die Finger der Scheren gleich an ge - ſtalt ſein. Das teutſche Wort Hand iſt nicht mehr zu finden als in dem Wort præhendo, und haben die Dānen noch heu - tiges tages ein Wort henda, heiſt ſo viel alsma -143und Lateiniſchen mit den Teutſchen. manu capere welches das Lateiniſche pre - hendo, auch bedeutet / dieſes hat Aquilius in ſeinem Dictionario Danico-Latino an - gemerckt p. 19. Es iſt auch ein Angelſāch - ſiſches Wort Hentan perquirere, perſequi. Die Wangen werden in den alten teut - ſchen Woͤrtern / die der Lipſius herauß gege - ben Mangon genant / wir haben in der Lateiniſchen Sprache Mandibula, Ma - xilla, und ſolt ich ſchier davor halten / daß das Lateiniſche Mandere, Mentum von un - ſern Wort Mund herkomme. Unter den alten Britanniſchen Woͤrtern / deren Lexicon Boxhornius herauß gegeben / und in welcher viel Lateiniſche Origines ſtecken / wie der Hr. Peireſcius angemerckt / iſt das Wort Mant, Maxilla. In der Engelſchen Munch, maſticare, manger, mangeare. Iſido - rus ſelbſt leitet das Lateiniſche mentum von mandibula welches Voſſio unglaublich iſt / aber er ſchieſt nāher zum Ziel als er ſelber / der es bald von μηνύω indico, bald von movimentum, bald von meno, me - mini abziehet. Das Haar wird bey denGrie -144Das VII. Cap. Gleichheit des GriechiſchenGriechen ἔϑειρα genant / iſt das rechte Nie - derlaͤndiſche Wort mit dem Articulo het bayr. Die Athenienſer nennen die krauſe Haare Ὄυλας und einen krauſekopf Ὀυλο - κόμον, Ὀυλοκέφαλαν. Pollux hat dieſes an - gemerckt in ſeinem Onomaſtico lib. 2. c. 3. Dieſes iſt das teutſche Wull / lana, den die krauſen Haare der Wolle gleich: daß aber eine ſolche krāuſe wie die Wolle hat / damit gemeint werde / kan man aus dem loco Herodoti, den Pollux anfuͤhret / erſe - hen / den er ſaget von den Colchern μελαγ - χροές εισι καὶ〈…〉〈…〉 ὐλότριχες, nigri coloris ſunt & criſporum capillorum. Denn es pflegen die Schwartzen ſolche Wollkrauſigte Haar zu haben. Die Griechen koͤnnen aber das W, welches als ein Digamma Æo - licum iſt / nicht außſprechen / wie ſie keinen Buchſtaben dazu haben. (vid. Agardus de Digamma cap. 3. ſect. 3.) deßhalben laſſen ſie es auß / denn die literæ ſubſidiariæ β, ου, φ, hatten hie auch keine ſtaat. Man hat der - gleichen mehr Woͤrter als ἔργον Werck /〈…〉〈…〉 ινος Wein, Win / ἄειν Waeyen. Flarebla -145und Lateiniſchen mit den Teutſchen. ἒσεσϑαι eſſe Weſen / ἒικειν Wiecken / cede - re. &c. Folgende ſein ſo gleich unter ein - ander / als jemahls welche ſein koͤnnen: Bucca eine Backe / armus ein Arm (da - her armillæ Armbānde) χωλὴ Galle: οδοὺς, Dens, Tant, Zahn: Pes, Ποῦς, Fuß / Voet / pedden / calcare: Genu, γόνυ, Knie: Saliva, Salve / Sabbel / Sagul Danice: Barba Bart: Ἀρχὸς, Arßh (ſ. h.) podex: Lumbus Lend: κανϑὶς (oculi angulus) Kan - te: Κήλη, (tumor oris quicunque) kehl / col - lium: calvus kahl: Τὰ κύλα cavitates ocu - lorum, Kuhl: vellus, pellis, villus φέλ - λος, Fell / fillen: Pantex Panße / Wanſt: δερμὸς (cutis) Darm / Gedārme: (nihil enim inteſtina niſimenbrana & cutis) Mar - cus (mollis) Marck / medulla: Strundus, excrementum Laurenb. in Antiq. Strund ὅνϑος: Mucus Mug Danicè: Κάκκη (bey dem Heſychio,) merda: Lingo λείχω, licken / unde lingua: Edo, eten / eſſe eſſen: guſtare koſten: Spuo πτύω, σπεῖσαι, ſpeien: dor - mire, dromen / dormen: ἀγοστός (cavitas manus) goſpe: mingo, migo, ὀμίγειν, migen /kMeio146Cas VII. Cap. Gleichheit des GriechiſchenMeio, Meia, Danicum, wie Aquil: in ſei - nem Dictionario Danico-Latino p. 24. er - wehnet: Titte, Τιθτη: Sof (Gothicum) dor - mire, Sopor, Sopire, Dani Soffn: ἀυτμὴ ἄτμος, ἀνεμος Athem / Othem / aem Belgicè, animus anima. Labium. Danice Lceve. Gloſi. Lipſ. Lepira Belgæ Leppe / Germanicè Lippe. Νεφρὸς Ner / ren per metatheſin. Von dieſen Woͤrtern allen koͤnte viel merckwuͤrdiges angefuͤhret werden / aber es liegt ihre gleichheit ſo zu tage / daß es unnoͤthig ein Wort mehr druͤber zu verliehren / und muß es zu anderer Gelegenheit verſparet werden. Das Lateiniſche Wort Lacryma, davor die Alten dacryma gebraucht / wie Feſtus bezeugt / und zwar nach dem Griechiſchen δάκρυμα iſt weder bey den Griechen noch bey den Roͤmern gebohren. Bey den al - ten Gothen war Tagr Lacryma, Marc. 10, 24. afropgands mith tagran. Exclamans cum Lacrymis. Bey den Cambrobritannis Daigr, diß iſt das rechte Griechiſche und Lateini - ſche Wort: den (υον) oder (υμα) iſt nurdie147und Lateiniſchen mit dem Teutſchen. die endigung. Die Anglo-Saxones ſtoſſē das (g) berauß und ſprechen tear die Dānen taar welches einen Waſſerstropff bedeutet: die Alamanni haben Zaher darauß ge - macht / davon noch das heutige Zaͤhr / ſo eines Uhrſprungs mit δακρυον und Lacryma iſt / welches niemand glāuben ſolte / wenn er nicht die Ableitung vor Augen ſehe Das Niederlāndiſche Traen / das teutſche Thraͤn ſcheint auch hievon durch verſetzung zu ſein: mit welchen denn das Griechiſche Wort ϑρῆνος uͤberein kompt. Das Lateiniſche Wort Mens hat gleichfals ſeinen Uhrſprung nicht bey den Lateinern oder Griechen. Iſidorus fuͤh - ret es her von memini oder eminere / wel - ches letztere Perotto beſſer gefāllt / als daß es von μέμνημαι hergefuͤhret werde. Et - liche von metiendo. Scaliger von dem Griechiſchen μηνύω, indico, Voſſius will es von den alten Wort Meno, deſſen præteri - tum memini iſt / oder auch von dem Grie - chiſchen Wort μένος, impetus animi her - leiten. Welcher am nechſten trifft. Aberk 2ſo148Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenſo woll die Lateiniſchen als die Griechiſchen Woͤrter ſein außheimiſcher Abkunfft. Da iſt das teutſche Wort Meenen / das An - gelſāchſiſche Mænen, welches ſo viel iſt / als gedencken / cogitare, opinari, daher das alte Lateiniſche Wort menere, in quo conſiſtit ipſa animi eſſentia: Wie denn in der Engliſchen Sprache das von dieſen entſpringenden Wort Mind Mentem bedeutet. In der Gothiſchen Sprache iſt Gamunen Meminiſſe.

Aber wir ſchreiten in dieſem Wercke zu weit / und koͤnnen uns begnuͤgen / daß wir dargethan / wie die Woͤrter / welche von dem Menſchen und ſeinen Theilen und Gliedern allein genommen / als die ja die erſten in allen Sprachen ſein muͤſſen / die Gleichheit des Griechiſchen und Lateini - ſchen mit der Teutſchen vor Augen ſtellen: Daran aber noch mehr fehlē / als wir ange - fuͤhret haben / welche um weitlaͤufftigkeit zu veꝛmeidē / hie muͤſſen vorbey gegangen wer - den Solten wir nun die andēre Claſſes re - rum durchgehen / als / die Thiere / Baumeund149und Lateiniſchen mit den Teutſchen. und Krāuter / Speiſen / Kleidungen / Acker - bau / Bauwerck / Schiffart / Fiſchfang / allerley Haußgeraht / Maaß / Gewicht und Zahl / die Nahmen der Oehrter / Staͤdter / Lānder / Berge und Fluͤſſe / die Nahmen der Weiber und Maͤnner / die Nahmen der Aempte / Verwandſchaff - ten / die Pronomina, Conjunctiones, In - terjectiones und andere Particulas, Acti - ones Facultatis vegetativæ, locomotivæ Intellectus, Voluntatis und viele andere din - ge mehr: es konte ein groſſes Buch da - von zuſammen getragen werden / und werde ich ob GOtt will hievon abſonder - lich und außfuͤhrlich handeln. Aventinus ſchreibt Annal. Bojorum lib. 1. p. 10. von Joanne Camerario à Dalburgio, daß er etli - che tauſend Griechiſche Worter zuſam - men geleſen / die in der Teutſchen Sprache eben daſſelbe bedeuten. Was wir hie er - wehnen / iſt nur oben hin beruͤhret / und aus einem groſſen Vorraht gleichſam zum Vorſchmack vorgetragen worden. Wer nun auß ſo vielen Exempeln gleichwol nichtk 3ſchlieſ -150Das VII. C. Gleichh. des Gr. und Lat. ꝛc. ſchlieſſen wolte / daß die Griechiſche und Lateiniſche von dem Teutſchen und den verwandten Sprachen zum theil ihren Uhrſprung genomen / und vermeinte daß dieſe Gleichheit ſo von ungefehr kom - me / der hat gar keine Fāhichkeit von die - ſen Dingen zu urtheilen. Wir laſſen nun dieſes biß zu einer vollſtāndigen Eroͤrte - rung außgeſetzt ſein / und kom̄en zum andern Theil.

An -151

II. Theil. Von der Teutſchen Poeterey Uhrſprung und Fortgang.

Das I. Cap. Von dem auffnehmen der rei - menden Poeterey bey frembden Voͤl - ckern / und zwar erſtlich von der Poete - rey der Frantzoſen.

Einhalt. WOrum wir von der Außlaͤndiſchen Poeſey zu erſt handeln. Die Frantzoſen haben jederzeit das Lob der Beredſamkeit gehabt. Die Poe - terey iſt mit ſonderlichem Fleiß von ihnen außgeuͤbet. Die Provincial Poeten bey ihnen. Claude Fauchet, Jean Noſtredame handeln von ihnen. Aquitanien und die Stadt Toloſa iſt ihr vornehmſter Sitz ge - weſen. Sie ſind Romains und die Sprache die Roͤm - ſche Sprache genant worden. Franckreich in Frantzen und Provinciales getheilet. Die groſſen Herren haben die Poetiſchen Spiele angeſtellet. Wodurch die Po - eterey in groſſen Ruff gekommen / und die Provincial Sprach bey alleu Außlaͤndern wehrt gehalten. Diek 4Itali152Das I. Cap. Von der FrantzoſenItali haben den Provincialibus viel Erfindungen abge - ſehen. Die Frantzen haben es den Provincialibus nachgemacht: Cour d amour, arreſt d amour Die alten Spiele zu Toloſa Jeux-fleureaux genandt. Beſchreibung derſelben. Geſetze der Spiele. Lob des Hn. de Caſeneuve. Troubadours, Trouver - res, Chanterres, Jongleurs. Preißwuͤrdigkeit der Frantzoͤſiſchen Nation. Ihre ſonderlich. Zunei - gung zu der Poeterey Clement Marott, ein guter Epigrammatiſt. Sanmarthani Zeugniß von ihm. Ronſard iſt zu ſeiner Zeit in groſſen Beruff geweſen. was an ihm zu loben und zu tadeln. Malherbe hat zum erſten die beſte Richtigkeit in die Poeſey gebracht. Godeau legt ihm ein groſſes Lob bey. Balzacs Urtheil von ihm. Die Vergleichung mit ihm und Ronſard. Theophile ahmt ihm nach; aber er folgt doch ſeinen ei - genen Phantaſeyen. Voiture iſt in feſtivo genere beſſer als in ſerio. Moliere ein beruͤhmter Comedi - enſchreiber Corneille. Regnier. Rablais Re - nati Rapini Uhrtheil von der Frantzoſen / ſeiner Lan - desleute / Poeterey. Chapellaine. Menage. Colletet von dem Leben der Frantzoͤſiſchen Poeten. Sorelli Bibliotheque Francoiſe. Academie Fran - coiſe zu außuͤbung der Frantzoͤſiſchen Sprache auffge - richtet. Dieſelbe wird von dem Sorbier der Lateini - ſchen vorgezogen: aber ohne Grund. Iſaacii Voſſii Meinung hievon.

Wir153Poeterey.

WIr haben in dem vorigen Theile von der Teutſchen Sprache Alter - thum geredet: nun kommen wir auff die Poeterey ſelber / davon ich nicht alſo handeln will / wie man ins gemein zu thun pfleget. Es haben einige groſſe Buͤ - cher angefuͤllet / von den Regeln der Teut - ſchen Ticht - und Sprach-Kunſt / welcher Leute Schrifften ich allhie unberuͤhret laſ - ſe: als der ich nicht geſonnen bin / frembde / und gantz uͤberfluͤſſig außgefuͤhrte Arbeit / von neuen vorzuſtellen. Wir haben an dieſen Buͤchern gar keinen Mangel / und were eine thoͤrichte Sache von einem Papier auffs andere zu ſchreiben. Allhie wollen wir von dem Uhrſprung und Fort - gang der Teutſchen Poeterey handeln: damit aber ſolches deſto gruͤndlicher geſche - hen koͤnne / wollen wir vorher / der Auß - laͤndiſchen Voͤlcker / als der Frantzoſen / Italiaͤner / Hiſpanier / und deñ auch der Engellaͤnder und Niederlaͤnder reimen - de Poeterey anfuͤhren / um zu ſehen / ob ettwa bey denen dieſelbe ehe als bey denk 5Teut -154Das I. Cap. Von der FrantzoſenTeutſchen entſprungen: Zumahlen / da faſt unter allen denſelben / einige ſich fin - den / welche den Vorzug ihnen anmaſſen.

Wir fangen von den Frantzoſen an / welche Nation an Sinnlichkeit / und nei - gung zu der Poeterey den andern billig vorzuziehen iſt. Es iſt bekant / wie bereits die alten Gallier ſich in der Beredſamkeit hervor gethan. Tacitus gibt ihnen das Lob der Tapfferkeit und Beredſamkeit. Marcus Cato thut deßgleichen / welcher an ihnen ruͤhmet / argutè loqui. Es war zu Ciceronis zeiten ſchon der Stylus Gallicus im Beruff / und ward Cicero ſelber von dem Rufo vor einen Allobroger geſchol - ten / wie beym Juvenali zu ſehen. Sido - nius Apollinaris lib. 3. Epiſt. 3. von dem Arvernis redend bezeuget: quod în Arver - niam undique gentium confluxerint ſtudia li - terarum, ubi ſermonis Celtici ſquamam de - poſitura nobilitas, nunc oratorio ſtylo, nunc etiam camœnalibus modis imbuebatur. Hieronymus lobet auch an einem Ohrte ubertatem nitoremq; Gallici ſermonis, vonwel -155Poeterey. welchen ferner nachzuleſen Savaro ad Si - donii Apollinaris loc: citatum, und Creſol - lius Vacat. autumnal. lib. 1. cap. 4. wie auch Piccartus in einem abſonderlichen Buch genant Celtopædia. Damit wir aber auff die naͤhere Zeiten kommen / und auff die Landſprache an ſich ſelbſten: So iſt zu wiſſen / daß vor den Italiaͤnern und Spa - niern / ja auch zum Theil den Teutſchen / ſo die gemeine reimende Poeſey außgeuͤbet / nicht leicht eine Nation geweſen / dar - innen mehr Poeten ſich befunden / auch mehr wercks von der Poeterey gemacht / als eben bey den Frantzoſen. Claude Fau - chet ein beruͤhmter Frantzoſe / hat in einem Buch deſſen titul: Recueil de l origine de la Langue & Poëſie Francoiſe, Ryme & Ro - mans weitlāufftig von dem erſten Uhr - ſprung der Frantzoͤſiſchen Poeterey ge - handelt / und ein Regiſter der Autorum und der von 127. Tichtern vor dem 1300 den Jahr geſchriebenen Poetiſchen Wer - cke / geſetzet / welches alles der Verdier in ſeine Bibliotheque uͤberſetzet. Dererſte156Das I. Cap. Von der Frantzoſenerſte den er herbey bringet iſt Mr. Euſtace welcher zu Friderici Barbaroſſæ Zeiten im Jahr 1155. gelebet. Sie ſein aber faſt alle Provinciales, welche vor allē andeꝛn in Franckreich jeder zeit den groͤſten Ruhm gehabt / welcher Leben in einem abſonder - lichen Buch Johannes Noſtredamus be - ſchrieben. Dieſe Poëtæ Provinciales wur - den die jenigen genant / welche in Aquitanien wohnten / und zu Toloſa ihre Verſamlung hatten. Denn ſeit dem Aquitanien den titul eines Koͤnigreichs gehabt / iſt Toloſa die Hauptſtadt geweſen / und hat man daſelbſt alle Zierlichkeit des gantzen Landes gehabt. Sie war gleichſam eine Quel - le / worauß das gantze Land geſchoͤpfet. Es iſt bekant / was ſchon Auſonius ihr vor Lobſpruͤche geſchriebē. Strabo lib. 4. ſchreibt von den Aquitaniern / dz ſie vor keine barba - ren zu halten / ſondeꝛn faſt alle die Roͤmiſche geſchicklichkeit / Sprache und Lebens art an ſich haͤttē. Der Sulpicius Severꝰ in vitâ S. Mar - tini macht gar einen Unterſcheid unter einē Gallier und Aquitanier, und eignet dieſemdie157Poeterey. die Hoffſprache / jenen aber die Baurſpra - che zu. Dieſe Zierlichkeit iſt durch alle Zeiten geblieben / wiewoll ſie von Jahren zu Jahren ſich in etwas geaͤndert. Und diß war ebē die Urſache / warum ſie Romani, Romains und ihre Sprache Roman iſt ge - nant worden / und daß die Koͤnige ſich an - fangs Roys des François & des Romains geſchrieben. Nachgehends wie die Go - then und andre Nordiſche Voͤlcker alles uͤberſtroͤmten / haben ſie die Sprache in ſo weit geaͤndert / daß man dennoch die Fußſtapffen der alten Lateiniſchen ſehn koͤnnen / die aber mit der Fremb - den ſehr gemiſcht war / da ſie lingua Ro - mana Ruſtica genant worden. Welche Sprache hernach geblieben; darin noch das formular des Eides zwiſchē Carolo Cal - vo, und Ludovico Germanico verfaſſet / das Nitardus lib. 3. erwehnet und Marqurdus Freherus mit Anmerckungen herauß ge - geben. Dieſe Roͤmiſche Sprach iſt die Provençal Sprache auch genennet wor - den / und die Voͤlcker / die ſich deren ge -braucht158Das I. Cap. Von der Frantzoſenbraucht nante man Provinciales. Es waren aber die Voͤlcker Franckreichs da - mahls durchgehends in Francken / und Provinciales getheilet; unter den Provinci - alibus begriff man die von Languedoc, die Burgunder / die Allemannos und Gaſcones welche die Gothiſchen Provinciales genañt wurden. Bey dieſen iſt das Poëtiſiren ſehr gemein geweſen / davon auch der Nahme der Romainen und Romancen ge - kommen; weiln ſie ſich der gleichē Fabeln zu erfinden ſehr angelegen ſein lieſſen. Es mei - nen auch etzliche daß die gantze Art zu rei - men von ihnen hergekommen / welches ich nicht fuͤr glaͤublich halte / davon aber in folgenden mit mehren ſoll gehandelt wer - den. Es hat ſo viel ſinnreiche Geiſter die æmulation der unterſchiedlichen Herrn auffgeweckt. Dann da ein jeglicher ſei - nen eigenen Hoff angeſtellet / um dieſelben beruͤhmt zu machen / hat man alle luſtige und Kunſtreiche Koͤpffe an ſich gezogen; welche ſich dann in groſſer Zahl eingefun - den / da ſie gemerckt daß die Herren ihrLob159Poeterey. Lob gern außgebreitet geſehen / und ſie ſelbſt Ehre uñ belohnung davon zu gewar - ten. Dadurch iſt die Poeterey in ſo groſſen Ruff und Auffnehmen gekommen / daß auch der Adel / ja ſelbſt Koͤnige / Fuͤrſten und Grafen / dieſes Lob begierlich ſuchten / auch die vornehmſten Frauen und Jung - frauen / theil daran zu haben verlangten. Die Provincial Sprache ward ſo hoch ge - halten / daß auch die Außlaͤnder / als Spa - nier und Italiāner hierinnen zu ſchreiben anfingen: hernach wie die Italiaͤner ihre ei - gene Sprache auch etwas außzuuͤben an - gefangen / ſo haben ſie doch die meiſten Zier - lichkeiten von der Provincial Poeten Erfin - dungen genommen / wie diß Bembus lib. 1. Proſ. bezeuget / worauß die Oehrter Bo - rellus in der Vorrede ſeines Buchs Tre - ſor de Recherches & Antiquités Gauloiſes angefuͤhret. Es iſt unter den Provin - cial Poeten Arnaud Daniel geweſen im Jahr 1189; welchem Petrarcha viel gute Er - findungen abgeſehen: wie beym Verdiero angemerckt iſt / und gedenckt Petrarcha ſei -ner160Das I. Cap. Von der Frantzoſenner ſelbſt in Triumph. Amoris. c. 4. Her - nach haben auch die Frantzoſen nach dem unter ihnen die Hoffſtatt auffgerichtet es den Provincialibus nachmachen wollen / aber es iſt gegen der Provincialium Poeſey die ihre nichts zu ſchaͤtzen / welche mehren - theils das beſte auß den Provincialibus her - außgenommen. Man hat eigene zuſam - menkuͤnffte / Comitia Poëtica angeſtellet / worinnen man die Verſe hergeſagt / und um den Sieg geſtritten. Der Ohrt iſt genannt worden Cour d amour, und der Außſpruch arreſt d amour, weil die Verſe von Liebesſachen gemeiniglich gehandelt. Es ſein aber keine leichtfertige grobe Zoten vorgebracht worden / ſondern ehrliche Schertze. Woruͤber die geehrteſte Ma - tronen den Außſpruch gegeben: denn die - ſe hatten in ſolchen ergetzungen ihren Zeit - vertreib / wenn die Maͤnner des Krieges warteten. Welche aber zu Hauſe ihren Turnierſpielen uñ deꝛgleichen Ubungen ob - lagen / und ihre in Verſen beſchriebene Zū - ge und Siege ihrem Uhrtel uͤbergaben. Dieſe161Poeterey. Dieſer Cour d Amour wird hin und wie - der bey den Poeten ſelbſt / auch bey einigen Hiſtoricis gedacht. Vor dieſem hat man zu Toloſa dergleichen Verſamlungen auch gehabt / welche genannt worden College de la ſcience de Rhetorique oder dela gaye ſcience. Die Spiele an ſich ſelbſten ſein Jeux fleur eaux, oder Floralia genant / wur - den alle Jahr den 1 und 30 Maji gehalten. Auß ſolchen Zuſammenkuͤnfften wurden reimweiß geſchriebene Briefe durch die gantze province außgefertiget / uñ alle vor - trefliche ingenia eingeladen / ihre Carmina oͤffentlich herzuſagen. Es wurden ſieben Maͤnner hierzu erwehlet / welche Main - tenedors del gay ſaber genannt worden. Am erſten Meytage / wurden die Carmina vorgeleſen / des tages hernach / hielte man der Belohnung halber Rath / und am letzten des Maji, wurden die Pre iſe zu erkant / als ein Violette d or und der titu - lus le Docteur en gaye ſcience. Hernach hat man zu den vorigen Preiſen noch zwey andere ſilberne Blumen gethan. IDie162Das I. Cap. Von der FrantzoſenDie Geſetze in dieſen Spielē waren folgen - de: Kein Ketzer ward dieſer Blume fāhig erkant / auch keine Frauensperſon / wo ſie nicht von ſonderlicher Gelartheit / auch ſchweren koͤnte / daß ſie ihre Verſe ſelber verfertiget. Welche eine Blume erhalten / koͤnten nicht eher als nach drey Jahren um die andre anhalten. Es konte keiner ein Baccalaureus werden / er haͤtte denn ei - ne Bluhme uͤberkommen: Keiner ein Doctor, es hetten ihn deñ erſt die Mainte - nedores und der Cantzler examiniret in allen den ſtuͤcken der gayæ ſcientiæ, wie ſie es nennten. Nachdem muſte er in gebun - dener Rede anhalten um den Stul / oder Catheder, um das Buch / und den Hut: Worauff dann in Verſen geantwortet wurde / und ihm alles zuerkant. Denen die die vornehmſte Blume la Violette ge - nañt uͤberkamen / wurd der titul de fin aymant, eines treuen Liebhabers gege - ben. Dieſes alles hat ſehr weitlaͤufftig und mit allen umſtaͤnden / auß den alten Schrifften hervor geſucht der gelahrteMr. 163Poeterey. Mr. de Caſeneune in ſeinem Buch / deſſen titul: l Origine des Jeux-fleureaux de Tou - louſe welches zu Toulouſa ſelbſt im Jahr 1639 heꝛauß gegeben. Von deſſen gelahrten Hand wir noch viel ſchoͤnere Schrifften von Franckreichs antiquitaͤten zu erwar - ten gehabt / wenn ihn nicht der Tod zu fruͤhezeitig hinweggerafft. Es ſcheinet daß her nach erſtlich hervorgekommen die - jenige die ſie Troubadours, Trouverres, Chanterres, Jougleurs, Conteours genañt. Die Troubadours oder Trouverres waren die Erfinder der Reime und der Lieder / die andern ſpielten ſie auff allerhand In - ſtrumenten, oder ſangen ſie auch. Harſtoͤrf - fer in ſeinem Specimin. Philolog. Germ. disquiſ. 9. §. 6. wirfft dieſe Troubadours und Poëtes Provencales untereinander / und ſtellet ein Bildniß vor ſo er auß den Chaſtueil genommen. Von dieſen kan Claude Fauchet in vorerwehntem Buch chap. 8. nachgeſehen werden. Wir erſehen hierauß die Preißwuͤrdigkeit die - ſer vortreflichen Nation, welche zu jeder -l 2zeit164Das I. Cap. Von der Frantzoſenzeit den Verſtand außzuuͤben / und die Sinnreichen Kuͤnſte zur Vollkommenheit zu bringen ſich bemuͤhet. Wir ſehen / wie ſie auch ſchon zu der Zeit den alten nichts bevor geben wollen / welche ihre Ludos und Agones Poëticos zu erweckung mun - terer Gemuͤther angeſtellet. Man kan noch auß den fragmentis, welche bey Clau - de Fauchet, Noſtredame, Verdiere, und in abſonderlichen Wercken vorhanden / ſehen / was fuͤr ein Geiſt aus den Schriff - ten hervor leuchte deren ſich auch die Ita - liāner und der ſiñreiche Petrarcha ſelbſt an verſchiedenen Ohrten bedienet / und welche noch itzo unſre ſo zarte Ohren wol ver - gnuͤgen koͤnten / wenn nur die Erfindung in ein zierlicher Kleid verhuͤllet. Wie die Spiele endlich in Abgang geriethen / ſo iſt dennoch die Luſt zu dieſen Wiſſenſchaff - ten beygeblieben / und hat ſich von Jah - ren zu Jahren vermehret / auch die Wiſ - ſenſchafft ſelbſt ſich gebeſſert. Es iſt nicht dieſes Ohrts alle und jede Frantzoͤſiſche Poeten ſo nach und nach entſtanden auffden165Poeterey. den Fingern herzuzehlen. Wenn man des Verdiere Bibliothec nur durchlaͤufft / ſo wird die Zahl der Poeten die groͤſte ſein / da - von er bißweilen einige ſehr annehmliche Proben herbey bringet. Und iſt nicht zu leugnen / daß ſie an der Zahl andren Na - tionen weit uͤberlegen ſein / inſonderheit weñ wir die alten / die Verd[it]re auffgezeich - net / den neuen hinzu thun / die theils von dem Sorel, erwehnet / theils noch taͤglich neu gebohren werden. Es iſt auch der Fleiß zu loben / daß ſie nicht leicht etwas arti - ges und zierliches / es ſey eine Satyra, ein Epigramma, oder ſonſten was / uͤberge - hen / ſondern in gewiſſe Buͤcher Oeuures meslées, Pieces nouvelles, Mercures ga - lantes und dergleichen verfaſſen. Sorell in ſeiner Bibl. Françoiſ. c. 10. zehlet bey ſechs oder ſieben Buͤcher von ſolchen außerle - ſenen Poëmatibus, und ruͤhmet ſie ſehr hoch. Ja er ſagt / daß einige von Frauen darin gemacht / die alle der Maͤnner Wercke uͤbertreffen. Nur etzlicher der Vornehm - ſten zu gedencken / ſo iſt wol einer mitl 3von166Das I. Cap. Von der Frantzoſenvon den erſten / die nach der alten Pro - vincialiſchen Poeſie / die heutige auff die Bahn gebracht / Clement Marott, welcher / da er kein Gelahrter / dennoch ein Frantzoͤ - ſiſches Carmen von ſonderlicher artlichkeit geſchrieben. Inſonderheit ſein ſeine Epi - grammata ſo woll gemacht / daß ſie vor andern allen den Preiß haben / und wiſ - ſen / die nach[ihm]dergleichen geſchrieben / ihnen ſeine Erfindungen wol zu nutze zu machen. Scævola Sanmarthanus, ſo ſelbſt ein guter Lateiniſcher und Frantzoͤſiſcher Poet geweſen / gibt ihm in ſeinen Elogiis dieſes Zeugniß. Si literæ ipſi adfuiſſent, vix ullus erat futurus Poëta melior. Hoc certè Galliæ præſtitit, quod, cum illius tem - poris ſcriptores ſermone uterentur tam im - puro, ut non intelligi poſſent, primus in meliorem aptè & dilucidè loquendi viam ingreſſus ſit. Nechſt dieſem kan ich den Ronſard darſtellen / welcher zu ſeiner Zeit das groͤſte Lob der Frantzoͤſiſchen Poeſey erhalten. Sanmarthanus nennt ihn Poë - tarum ab omnibus ſeculis ſecundum Maro -nem167Poeterey. nem facile principem, und hat ihn mit ei - nem herlichen lateiniſchen Epitaphio ver - ehret. Der Koͤnig Carolus IX. hat ihn gewuͤrdiget mit unterſchiedlichen Frantzoͤ - ſiſchen Carminibus, welche Ronſard beant - wortet. Er iſt von den vornehmſten Ge - lahrten Leuten einem Foͤnix gleich gehal - ten worden. Muretus hat nebſt andern ſeine Verſe mit commentariis außgezieret. Neben ihm ſein verſchiedene andere gewe - ſen / als Jean Antoine de Baif, Joachim du Bellay, Pontus de Tyard, Eſtienne Jodelle, Remus Belleau, Eſtienne Paſquier, Olivier de Maigny, I. de la Peruſe, Robert Garnier, Jean Paſſerat, Perron &c. Aber ſein Stern hat alle verdunckelt / und haben ſie ihm alle gern den Vorzug gelaſſen. Es iſt traun eine ſonderliche artlichkeit in ſeinen Sonneten und Oden / in welchen er / nach Scaligers Urtheil etwas ſonder - liches hat. Er iſt von hohen Einfaͤllen / die er aber ſelbſt bißweilen verſtellet / in dem er gar zu viel Gelehrtheit eꝛweiſen wil. In ſeiner Franciade aber fāllt dieſer Geiſtl 4zim -168Das I. Cap. Von der Frantzoſenzimlich weg / deñ ein Heroicum Carmen mu - ſte mit einem groͤſſern nachdencken und Ur - theil geſchrieben werden. Du Bartas der das Werck der Schoͤpffung in Frantzoͤſi - ſchem Carmine beſchrieben / iſt mehr einem Hiſtorico als Poeten aͤhnlich / ſelbſt nach Sc. Sanmarthani Urtheil. Er affectiret ſehr die zuſammenſetzung der Woͤrter / nach art der Griechiſchen beym Homero und Pindaro. Welches aber in der Frantzoͤ - ſiſchen Sprach gar eine unfoͤrmliche und frembde Redensart machet. Malherbe der die groͤſte Lieblichkeit und Kunſt zu - ſammen verbunden / ward bey ſeinem Le - ben von wenigen hochgehalten. Denn er hatte viel Neider / und die an ihm was zu loben funden / wolten ihn vor keinen Poeten / ſondern vor einen außbuͤndigen Verßmacher halten / weiln er ſich mehr mit Uberſetzungen als mit eigenen Erfin - dungen hervor gethan. Es meldet da - von Balzac an einem Ohrt ſeiner Schriff - ten: daß / wie eines ſeiner Sonneten in ei - ner vornehmen Geſellſchafft vorgeleſenwur -169Poeterey. wurde / habe man alles daran verwun - dert / ehe man ſeinen Nahmen gehoͤret: So bald aber dieſer kund worden / habe man alles getadelt / und waͤre nichts gu - tes daran geweſen. So ſeltzam faͤllt bißweilen das Uhrtheil der Leute! Nach ſeinem Tode aber hat man mehr Wercks vom ihm gemacht / und auch die gering - ſten Zeilen von ihm in dem groͤſten Wehrt gehalten. Der gelahrte Biſchoff Godeau, welcher ſelbſt die Pſalmen Davids in die ſauberſte und zierlichſte Frantzoͤſiſche Ver - ſe gebracht / hat zu ſeinem Lobe eine eige - ne Schrifft auffgeſetzet / worin er ihn nen - net l honeur de ſon ſiecle, les delices des Rois, l amour des Muſes, & l’un de leurs plus accomplis chef-d oeuvres. Der be - ruͤhmte Menage, welcher ſelbſt die zierlich - ſten Frantzoͤſiſchen Verſe geſchrieben / hat des Malherbe Verſe mit einem anſehn - lichen Commentario beehret / welcher in der Vorrede eines Mr. Chevreau gedencket / der gleichfals uͤber dieſe Poemata Anmer - ckungen geſchrieben. Der Herr Menagel 5ſcheuet170Das I. Cap. Von der Frantzoſenſcheuet ſich nicht ihn allen ſeinen Lands - leuten vor zuziehen. Balzac in ſeiner Lateiniſchen Briefe einem an den Sil - hon p. m. 196. gibt ihm den groͤſten Lob - ſpruch: Primus Franciſcus Malherba, inprimis viam vidit, qua iretur ad carmen atq; hanc inter erroris & inſcitiæ caliginem ad veram lucem reſpexit primus, ſuperbiſ - ſimoque aurium judicio ſatisfecit. Non tulit noſtros homines inventis fugibus am - plius βαλανηφαγ〈…〉〈…〉 ν. Docuit quid eſſet pu - & cum religione ſcribere. Docuit in vo - cibus & ſententiis delectum eloquentiæ eſſe originem atque adeo rerum verborumque collocationem aptam ipſis rebus & verbis plerumque potiorem eſſe. Ferner ſagt er: Perſpicaci maximè & caſtigato judicio plurima in ſe, in aliis nimium pene multa inquirens, finxit & emendavit civium ſuorũ ingenia, tam felici ſucceſſu, ut elegantiorum autorum turbam, qua nunc Gallia cele - bratur, una ipſius diſciplina Galliæ dede - rit. Man kan ein mehres daſelbſt leſen. So urtheilte dieſer trefliche Mann vonMal -171Poeterey. Malherbe, unter welchen und Ronſard er eine Vergleichung angeſtellet Entretien XXXI, darin er die jenigen anſticht / die denn Ronſard jenem vorziehen wollen. In - ſonderheit hat Richelet ein Commenta - tor des Ronſards einige Verſe wieder Mal - herbe gemacht. Es iſt aber nicht zu leug - nen daß Malherbe an unterſchiedlichen Ohrten ſich des Ronſards gebraucht. Von dieſen und andern dingen kan nachgeſe - hen werden Mr. de Racan in ſeinen Memoi - res pour la vie de Malherbe. Dieſem Malherbe folgte Theophile, welcher in dem er die weiche und leichte arth zu ſchreiben nachahmen will / auff eine niedrige Kin - diſche verfaͤllt. Er folgt mehr ſeiner Phantaſey als dem guten Urtheil / und iſt bey ſeiner Verwegenheit offtmahlen gluͤcklich. Voiture hat luſtige Einfālle in ſeinen Oden: aber da er die Rede erhe - ben ſoll / faͤllt er zu niedrig / und iſt nicht bequem durch hohe Außbildungen / die dem Lyrico Characteri zu ſtehen / eine groſ - ſe Sache vorzuſtellen. Sonſt hat er inScher -172Das I. Cap. Von der FrantzoſenSchertzen / Auffzugen und andern feſti - vis den Preiß vor andern. In den Co - mœdien haben die Frantzoſen ſich ſehr hervor gethan / und hat es niemand hoͤ - her gebracht als Moliere, wiewol er die Regeln der Kunſt / ſo der Ariſtoteles vor - geſchrieben / uñ derer andre ſich gebraucht / weit ūberſchritten. Er iſt aber dennoch gluͤcklich geweſen / und hat ſeine verwe - gene Sinnigkeit ſich allen beliebt gemacht / ob er gleich wieder der Comoedie geſe - tze / die vornehmſten Leute des Hofes und des Landes auff den Schauplatz ge - bracht / und mit ihnen ſeinen Schertz ge - trieben. Sein Miſantrope iſt wol eins der beſten Spiele / die er je gemacht. In Tragœdien hat man den Corneille und an - dere gehabt / welche ihr Werck woll ge - than: aber es iſt nicht die Krafft der Woͤrter und der Außbildungen / welche bey den Griechen iſt. Corneille iſt durch die Cid erſtlich empor kommen / welche mit unglaͤublichem Vergnuͤgen des Hofes und des Volcks ſo offt iſt auff den Schau -platz173Poeterey. platz gekommen / daß man ſich nicht daran erſāttigen koͤnnen. Es wurdē auff des Car - dinal Richelieu angeben einige Zuſammen - kuͤnffte gehalten / daꝛin von allē dieſes Werck gar genau geurtheilet ward / welche Ur - theile hervor gegeben / und iſt das jenige was ſie getadelt / wieder von Corneille ver - thediget worden. Der Herr de Scudery hiedurch auffgemuntert hat eine Tragœ - die erfunden / deſſen titul l Amour Tyran - nique, welche dem Cardinal gleichfals ein groſſes Vergnuͤgen gegeben. Es hat der Corneille einen Bruder gehabt / der ihm hierin nichts nachgegeben: Er aber hat endlich dieſe weltliche Sachen fahren laſ - ſen und ſich auff den Kempis de Imitatione Chriſti in Frantzoͤſiſche Verſe zu uͤberſe - tzen begeben. Von andern Comœdien und Tragœdienſchreibern / wie auch von den Schauſpielen ſelbſt kan Sorell geleſen werden in ſeiner Bibliotheque Françoiſe chap. 10. p. 208. Regnier in ſeinen Satyren iſt zwar ſinnreich / aber etwas grob. Dem Rablais fehlet die Zierlichkeit dieſer Zeit. Uber -174Das I. Cap. Von der FrantzoſenUberhaupt von der Frantzoſen Poeterey zu urtheilen / ſo findet man ins gemein Lebhafftigkeit / und Sinnlichkeit in Wor - ten und Gedancken / ſie ſein geſchwinde und weitſchweiffend / ungedultig zu lan - gem nachſinnen / uͤberfluͤſſig in der Rede / welche natuͤrliche Eygenſchafft ſie zu ho - hen tieffſinnigen Werckē ungeſchickt macht. Ich wuͤrde mich ſcheuen ſolches zu ſchrei - ben / wenn nicht ihr eigener Landsmann Renatus Rapinus, der Lateiniſche Verſe geſchrieben / die des Virgilii ſeinen ſo ehn - lich ſein als ein Ey dem andern / in ſeinen in Frantzoͤſiſcher Sprach geſchriebenen Reflexionibus uͤber des Ariſtotelis Poētic. part. 1. refl. 25. dieſes bekraͤfftigte / welches wir auß der Engliſchen Uberſetzung auff Teutſch hieher ſetzen, Wir moͤgen uns ſelbſt mit unſerm Verſtand und mit dem Genio unſer Nation ſchmei - cheln; aber unſer Geiſt iſt nicht gnug erhoͤhet / um groſſe Außbil - dungen (ideas) zu machen. Wir bemuͤhen uns mir kleinen Dingen /ſein175Poeterey. ſein in groſſen Dingen kalt / und erſcheint in unſerm Werck kaum ein Schatten der hohen Poeſie, deren Form uns die alten Poeten als Virgi - lius und Homerus hinterlaſſen. Am an - dern Orthe Reflex 30. ſagt er: daß in der Frantzoſen Tichterey die Lo - gica oder Vernunfftkunſt nicht ge - braucht werde / ſondern es ſey ins gemein lauter Pedanterei oder Non - ſenſe. (Denn dieſer Worte gebraucht er ſich. ) deſſen er unzehlige Exempel aus dem du Bartas und Ronſard bey - bringen wolle. Ob nun zwar dieſer vortrefliche Mann auffrichtig in ſeinem Urtheil iſt / ſo ſcheinet es doch / wo ers von den heutigen verſtanden haben will / etwas zu ſtreng zu ſein: Es iſt kein Haupt - werck geſchrieben / ſeiner Meinung nach / das dem Virgilio nachahme: So wun - dert mich doch daß er des Chapellaine nicht gedacht / der ein Heroicum Po - ëma von der Puella Aurelianenſi geſchrie - ben / welches dennoch in einigemWerth176Das I. Cap. Von der Frantzoſenwerth gehalten wird: Auch mag des Herrn de Scudery ſein Alaric woll geprieſen werden. Sorell gedencket noch des Pere le Moine le Saint Louys, le S. Paul de M. Godeau, le Moyſe ſauvé de M. de S. Aymant, le Clouis de M. Deſmareſts, le David de M. de Lesfargue. So hat auch der Herr Sorbier eines von dem Carolo M. oder ſein reſtabliſſement de l empire Ro - main verſprochen / wovon er den anfang in ſeinem Buch von der Frantzoͤſiſchen Sprache ſehen laſſen. Aber hie von als unbekanten Dingen iſt nicht zu urtheilen. Rapinus ſchreibet von den Eclogis, daß ih - rer Landsleute keiner einige tuͤchtige ge - ſchrieben / da doch Menage unter ſeinen Frantzoͤſiſchen Poematibus etliche hat / an welchen der ſcharffſichtigſte nichts zu ta - deln finden ſolte. Die heute ſchreiben / befleiſſigen ſich ſolcher Rennlichkeit und Zierlichkeit / als immer erdacht werden kan; Da es faſt unmuͤglich iſt die Scharff - ſinnigkeit ſo vieler gelahrten Leute zu ver - gnuͤgen / wann man nicht ein vollkomme -nes177Poeterey. nes Meiſterſtuͤck hervor zu bringen ihm getrauet. Es wird nicht alles zu uns herauß gebracht / wuͤrde alſo ſehr gut ſeyn / wenn das Werck von Mr. Colletet ans Tages Licht kommen ſolte / welcher von dem Leben der Frantzoͤſiſchen Poëten ein Werck geſchrieben / das Menage in ſei - nen Obſervat. uͤber Malherbe p. 429. ſehr ruͤhmet. Es iſt noch einige kleine Nach - richt zu finden in des Sorelle Bibliotheque Françoiſe chap. 67. Welcher aber mehr ein Panegyriſtes und Nomenclator als Cenſor iſt. Man iſt auch bemuͤhet die Sprache ſelbſt in die richtigſte Verfaſſung zu brin - gen / wie denn von dem Cardinal Richelieu ein eigenes Collegium dazu angeſtellet / und von vielen vornehmen Leuten darin gearbeitet iſt. Es ward genant Acade - mie Françoiſe, davon eine Hiſtoriſche Re - lation an den Tag gegeben iſt / worin von dieſes Collegii auffrichtung / Ordnungen / Orth und Tage der Verſamlungen / und andern denckwuͤrdt - gen Dingen / die darin vorgegangen / vonm mde -178Das I. Cap. Von der Frantzoſendenen Academicis und Gliedern deſſelben gehandelt wird. Es iſt hierauß zu ſehen / wie weit man in dieſem Wercke gekom - men / und geben es die heutigen Schriff - ten zum theil zu erkennen. Ob gleich der vornehmſte Zweg nemlich die Verfer - tigung eines Dictionarii ſeinen Fortgang nicht gehabt. Sorell hat in ſeiner Bibl. Françoiſ. p. 12. du progrez de la langue Francoiſ. eine vollenkommene Erzehlung / wie die Sprache durch jede ſecula geſtie - gen / und in ſeinem erſten capit: de la pure - de la langue Françoiſe handelt er von den Autoribus, die hier in bemuͤht geweſen. Wie hoch nun gleich die beſſerung der Spra - che ſich erhoben / ſo kan ich doch nicht des Herꝛn Sorbier Meinung billigen / der unter dem Nahmen Laboureur ein Buch herauß gegeben mit dieſer Uberſchrifft: Avantages de la langue Francoiſe ſur la langue latine. Worinnen er erweiſen will / daß die Fran - tzoͤſiſche Sprache vollenkommener ſey / als die Lateiniſche / ob gleich Renatus Franci - ſcus Sluſius in einigen Lateiniſchen Brie -fen179Poeterey. fen das Gegentheil wieder ihn behauptet. Sein vornehmſter Grund iſt / weil die Frantzoͤſiſche Sprache die Gedancken viel richtiger und ordentlicher außdruͤcke / als die Lateiniſche / die die Woͤrter und Mei - nungen verwerffe / und nicht ſecundum concipiendi modum alles außſpreche. Nun iſt zwar dieſes nicht nur der Fran - tzoͤſiſchen ſondern vielmehr der Teutſchen eigen: und beruhet hierin die natuͤrli - che Ubereinſtimmung. Die Griechiſche und Lateiniſche Sprache aber ſind auff eine kunſtreiche Maaß der Sylben gerich - tet / wornach die gantze Zuſammenfuͤ - gung des Periodi ſich ſchicken muß. Er Sorbier hat zu behauptung ſeiner Mei - nung die 30. Ode des 4. Buchs auß dem Horatio in Frantzoͤſiſch uͤberſetzet / mit eben ſo viel Strophen und Verſen / zu er - weiſen / daß die Frantzoͤſiſche Sprache mit eben ſo viel Worten eine gleiche Rede auß - bilden koͤnne. Aber es hat Iſaacus Voſſius in ſeinem Buch de Poëmatum Cantu p. 39. dieſe ſeine Meinung mit ſehr guten Gruͤn -m 2den180Das II. Cap. Von der Italiaͤnerden widerleget: und wird in folgenden noch ein mehres hievon geredet werden. Der Herr Godeau in ſeiner Vorrede - ber deß Malherbe Poëmata iſt faſt einer gleichen Meinung: daß er der Frantzo - ſen ahrt zu ſchreiben der Lateiniſchen vor - ziehet.

Das II. Cap. Von der Italiaͤner Poeterey.

Einhalt. DIe Italiaͤniſche Sprache eine Mißgebuhrt der Lateiniſchen. Wird von den Landsleuten hoͤher als die Italiaͤniſche geſchaͤtzet / und in oͤffentlichen Schrifften ihr vorgezogen. Andere hingegen tadeln ſolches. Die Italiaͤniſche Spra - che unterſchiedlicher ahrt. Toſcaniſche iſt die beſte / und doch mit vielen Provencaliſchen Woͤrtern angefuͤllet. Dantes, Petrarcha und Boccacius die erſten Poëten welche die Sprache außgeuͤbt. Urtheil von Dantes Schrifften. Franciſcus Petrarcha, der groͤſte Poët ſeiner Zeit. Ihm wird groſſe Ehre erwieſen. Hat durchauß zu der Rechts-Gelahrtheit ſich nicht be - quemen wollen. Alexander Taſſonus hat ſeinePoë -181Poeterey. Poëmata angegriffen. Wird von andern verthaͤdi - get. Nicolaus Villanus verachtete ihn gleichfals. Welche dennoch Beide gute Poeten geweſen. Cl. Verdier zieht den Ronſardum dem Petrarchæ unbillig vor. Commentatores uͤber Petrarcham. Seine ungereimte Carmina. Unterſchiedlicher ge - lehrten Leute Urtheil von Boccacio. Lexicon auß dieſer dreyen Schrifften. Die alten Toſcaniſchen Woͤrter werden von etlichen ſonderlich außgeſucht. Die doch beym Petrarcha mit groſſen Bedacht geſetzt. Nach dieſem iſt P. Bembus und I. Caſa gekommen. Bembus hat die barbariem auß dem Lateiniſchen und Italiaͤniſchen erſtlich verwieſen. Lob des Caſæ. Seine Commentatores. Victoria Columna und Margareta Sarrochia vortrefliche Poetinnen. Arioſtus hat Bojardo was abgeſehen. Torquatus Taſſus der beſte Heroiſche Poet bey den Italiaͤnern. Sein groſſes Lob. Hat den Trißinum zum Vor - gaͤnger gehabt. Sein Vater ein vortreflicher Poet. Hat bißweilen geraſet / und alsdann die beſten Ver - ſe geſchrieben. Sein Gjeruſalemme liberata iſt von Didrich von dem Werder ins teutſche uͤber - ſetzt. Herrn Buchners Urthel davon. Seine andere Carmina. Die Academia della Cruſca hat ſein erloͤſtes Jeruſalem in vielen getadelt. Paulus Benius hat ihn verthaͤdiget und dem Homero und Virgilio vorgezogen. Belmontes Cagnolus, Paulus Gui - dottus Burgheſius haben durchdergleichen Poëmatam 3ſei -182Das II. Cap. Von der Italiaͤnerſeinen Ruhm verkleinern wollen. Mambrunus, Sangeneſius urtheilen auch nicht zum beſten von ihm. Welche aber nicht in allen zu billigen ſein. Guarini Hirtenſpiel Paſtor Fido. Chriſtian Hoff - mans teutſche Uberſetzung. Iſt auch von Unter - ſchiedlichen beſtritten und verthaͤdiget worden. Marini groſſes Lob auß dem Lor. Craſſo. Sein Adonis von etzlichen gelobet / von andern getadelt. Iſt all zu frey und ungebunden in ſeiner Poëſi. Gaudentii Verthaͤdigung komt ihm hierin wenig zu ſtaat. Ur - theil von den Oden des Chiabrera: von Girolamo Preti und Fulvio Teſti. Auguſtini Maſcardi Urtheil von den Italiaͤniſchen Poeten. Italiaͤner ſein nach - laͤßig in auffzeichnung ihrer Poeten. Gregorio Leti. Die Italiaͤniſche Sprache iſt woll außgeuͤbet. Vo - cabularium della Cruſca wird geruͤhmt.

WIr kommen von den Frantzoſen zu den Italiaͤnern / als welche von jenen das Muſter ihrer Ticht - Kunſt genommen / wie ſie ſelbſt geſtehen muͤſſen / und wir ſchon in vorigen Cap. angefuͤhret. Es iſt die Italiaͤniſche Spra - che eine unechte Gebuhrt der Lateini - ſchen / durch Vermiſchung mit der Gothi - ſchen gezeuget. Welche wie ungeſtalltſie183Poeterey. ſie gleich iſt / und ihrer Mutter an Zier - lichkeit nicht zu vergleichen / ſo haben doch die Italiaͤner / dieſe ihre neue baſtard - Rede / durch einen wunderlichen Trieb der Natur immer hoͤher gehalten / als die auffrichtige alte Lateiniſche Sprache / die ſie doch in die Welt gebracht / und dieſel - be andre Voͤlcker gelehret. Denn da ſie dieſelbe billig zu ihrem alten Stande zu bringen ſich hātten bemuͤhen ſollen / ſo haben ſie noch mehr frembde Redensar - ten von andern Voͤlckern dazu gebettelt / und durch dieſe Vermiſchung zierlicher zu machen gemeinet. Franciſc. Floridus Sabinus lib. 1. ſucciſiu: klaget ſehr uͤber dieſe Thorheit ſeiner Landsleute / und fuͤhret deſſen Urſach an / wie auch Melchior In - chofer in Hiſtoria Sacræ Latinitatis lib. 3. cap. 10. welche hieruͤber koͤnnen nachgele - ſen werden. Es ſein auch etliche auff die - ſe Gedancken kommen / daß ſie die gemeine Italiaͤniſche Sprache in oͤffentlichen Schrifften erhoben und der Lateiniſchen vorgezogen / als Joannes Baptiſta Evan -m 4ge -184Das II. Cap. Von der Italiaͤnergeliſta Picenus in einer abſonderlichen O - ration, und Alexander Taſſon Penſieri di - verſi lib. 9. qu. 15. Wieder welche billig zu leſen iſt des Johannis Nicolai Saulii Carregæ, eines gelahrten Italiaͤners / Brieff an Jo - hannem Franciicum Gropallum, welcher unter ſeinen andern Briefen lib. 2. p. 129. zu finden. Worinnen er weitlaͤufftig den Unfug derſelben darthut / und wie ſchādlich ſolche Meinung ſey erweiſet. Was nun die Sprache anlanget / ſo iſt ſie nicht einerley Gattung von Anfang ge - weſen. Dann gleich wie in Griechenland viel Dialecti waren / wegen der vielen Voͤl - cker Herrſchafften und Nachbarſchafften / alſo iſt es auch in Italien geweſen. An welcher Seiten es Griechenland nahet haben die Calabrier die Griechiſche Spra - che mit der ihrigen vermiſchet: Wo es an Franckreich ſtoſt / da haben die Ciſalpi - ni viel von der Frantzoͤſiſchen Sprache angenommen. Die Roͤmer und Toſca - nier, welche mitten in Italien wohnten / waren am wenigſten dieſen Verānderun -gen185Poeterey. gen unterworffen. Die Toſcaner haben doch mehr Zierlichkeit als die Roͤmer be - halten / welche jederzeit von frembden Gaͤſten ſind verunruhiget worden. Aber der Toſcaner Sprache iſt gleichwoll mit den Frantzoͤſiſchen Woͤrtern der Provincia - lium erfuͤllet geweſen / wie Al. Taſſon an vorehrwehntem Ohrte ſaget: Firenze in particulare era piena allora di Franceſi e di Provenzali, da quali la lingua noſtra preſe una infinità di vocaboli. Ihr erſtes auffkommen / und gleichſam ihre Jugend iſt geweſen um das Jahr Chriſti 1300 / da Dantes, Petrarcha und Boccacius gelebt haben / als die erſten Triumvîri, unter den Italiāniſchen Poeten. Dieſe drey haben nach Melchioris Inchoveri Meinung angefangen die gemeine Sprache außzu - uͤben / ſo woll in loſer als gebundener Rede / weil ſie ſich nicht getrauet in der Lateiniſchen Sprache etwas tuͤchtiges außzurichten / da alles damahls in voller barbarie war: Wiewoll Petrarcha noch am meiſten darin gethan und als ein un -m 5ver -186Das II. Cap. Von der Italiaͤnervermutheter Stern durch die tunckle Nacht hervor geleuchtet. Dantes iſt voll von alten Woͤrtern / unter welchen doch ein tieffſinniges Weſen ſtecket. Seine Poëmata haben viel Widerſacher und ver - thaͤdiger gehabt. Caſtravilla hatte zwey Buͤcher wieder den Dantem geſchrieben / welche Jacobus Mazonius widerleget / er - weiſend daß des Dantes (divini hominis, wie er ſagt) Comœdia unbillig getadelt werde. Dieſen Streit haben nachge - hends Beliſarius Bulgarinus, und Hierony - mus Zobbius wieder erneuret / deſſen Auß - gang Ianus Nicius Erythræus Pinacoth. I. imag. 38. Pinacoth. II. imag. 21. außfuͤhrlich beſchrieben. Jacobus Gaddius libro de ſcriptoribus tom. 1. p. 206. urtheilt von dem Dante, daß wo ſein Werck eine Comœdie ſey / ſo uͤbertreffe ſie viel der Griechen und Lateiner / wo es aber ein Heroicum Poëma zu nennen / wāre es allein dem La - teiniſchen des Virgilii nicht zu vergleichen / des Homeri ſeinen Schrifften aber vor - zuziehen. Franciſcus Petrarcha die Zierdeſei -187Poeterey. ſeiner Nation, iſt vor ein Wunder ſeiner Zeit gehalten worden / und hat von den vornehmſten Koͤnigen und Fuͤrſten Eu - ropæ die groͤſte Ehr bey ſeinem Leben ge - noſſen. Von welchen allen weitlāufftig handelt Thomaſinus in ſeinem Patrarcha redivivo: worinnen er die Hiſtoria ſeines Lebens außfuͤhrlich und mit allen um - ſtaͤnden beſchreibet / ſo gar / daß er auch ſeiner ſo geprieſenen Katzen nicht vergeſ - ſen / und ihr Bildniß vorgeſtellet. Der vornehme Rechtsgelahrter Cinus, wel - cher ſelbſt gute Italiaͤniſche Carmina ge - ſchrieben / wie Gaddius in ſeinem Buch de Scriptoribus bezeuget / hat ihn zu der Rechtsgelahrtheit noͤthigen wollen / aber er hat ſich gantz nicht hiezu bequemen wollen / dann er ſchreibet an ihn: Stu - dium ad quod me hortaris, ſervile officium reputo, & mancipium omnibus ſe præſtant qui illo utuntur. Quis eſt qui non dicat hæc jura venalia eſſe & ad bene rectéq; vi - vendum longè aliis ſtudiis eſſe inferiora? Quid ad faciendum virum bonum iſta con -ve -188Das II. Cap. Von der Italiaͤnerveniunt? ſed quis non videt ad virtutem conſequendam nihil pertinere? ſed cupi - dum magis mendacem iracundumque ho - minem reddunt. Hat er ſich derohalben gantz auff die Philoſophie und Poeterey geleget / und dadurch eine unvergleichliche Ehrerlanget. Dieſen Ruhm des Petrarchæ hat nachgehends beſtritten Alexander Taſſon in ſeinem Buch Conſiderationi ſopra le rime del Petrarca, col confronto de luoghi de Poëti antichi di varie lingue. Wieder denſelben hat ihn verthaͤdiget Joſephus de Aromatariis, dem der Taſſo - nus wieder unter dem Nahmen Creſcen - tis Pepe è Suſa geantwortet. Dieſer Jo - ſephus hat wieder zum andern mahl un - ter den Nahmen Falcidii Melampodii in vier Dialogis, den Taſſonum angegriffen / und hat endlich Taſſonus dem nicht leicht was ab zu gewinnen war / mit einem an - dern Buch / deſſen titul Tenta roſſa, ihm wieder begegnet. Es iſt aber auff des Taſſoni ſein Vrtheil ſo groß nicht zu ach - ten. Er war zwar ein gelahrter luſtiger /aber189Poeterey. aber verwegener und zanckſuͤchtiger Geiſt / und ward dieſes ſeines verfahrens halber von allen angefeindet. Und was iſt es von Petrarcha zu verwundern / da er des Homeri ſelbſt nicht ſchonet / wie I. N. Erythræ. Pinac. 1. im. 110. erwehnet / welcher ihn an dem Ohrt nach ſeinen Far - ben ahmahlet. Von ſeinen Animadver - ſionibus in Petrarcham ſpricht er: Etruſca Fr. Petrarchæ Poëmataad reprehendendum arripuit, quem unum non modo lyricorum noſtrorum, ſed Græcorum etiam Latinorum - que omnium principem ponimus; in quem quasdam edidit animadverſiones, in qui - bus nihil fere ab eo dictum reliquit, quod non vel tanquam vitioſum reprehēderit, vel ut abſurdum neglexerit, vel ut ineptum irriſerit, nullam ejus laudem prætermiſe - rit, quam non ſit conatus convellere, labe - factare, evertere. Eben dergleichen Ge - muͤths art hat der Nicolaus Villanus an ſich gehabt / welcher Petrarcham, Ario - ſtum, Taſſum; die vortreflichſten Leute / vor ſich verachtet / war aber dennochſelbſt190Das II. Cap. Von der Italiaͤnerſelbſt ein vortreflicher Poet / inſonderheit in ludicro genere: Dann wie Erythræus bezeugt / edidit eruditiſſimos de Poëſi jo - coſa & ridiculâ ſermones unâ cum facetis - ſimis ſuis rhythmis. In Heroico genere hat er Florentiam liberatam geſchrieben / daß nach ſeinen Tod hervorgekommen / worinnen nach Erythræi Urthel digni Homero verſus. Alexander Taſſonus hat gleichfalls ein artig Poëma jocoſum geſchrieben / la Secchia rapita, welches Ery - thræus ſehr lobet / darinnen er einen Krieg zwiſchen den Bononienſern und Mutinen - ſern, der um eines Eimers willen entſtan - den ſein ſoll / beſchreibet. Theodotus Oſius Nov. Opin-Sylvâ. c. 20. macht viel Wercks von dieſem Poëmate, und nennt ihn Poë - tam ſuper omnes tum noſtrorum tum an - tiquorum ſeculorum celebrandum. Es bringet auch Jacobus Gaddius in ſeinem Buch de Scriptoribus tom. 2. p. 245. 246. unterſchiedliche Dinge vor / worin er den Petrarcham tadelt; Aber es iſt von keiner Erheblichkeit / und iſt dieſes MannesUr -191Poeterey. Urtheil nicht hoch zu ſchaͤtzen; wie im - gleichen des Claudii Verdieri, welcher in ſeiner ungehoͤbelten Cenſione Autorum veterum & recentium, den Ronſardum dem Petrarchæ vorziehet / worin er dem Mureto wiederſprochen / welcher das Ge - gentheil behaupten wollen. Selbiger hat auch Petrarcham beſchuldigen wollen / als haͤtte er die erfindung ſeiner Trium - phorũ auß einem alten Poëten genom̃en / deſſen Lactantius lib. 1. Inſtit. divin gedencket. Uber den Petrarcham ſind viel Anmerckun - gen von vielen geſchrieben. Menage in der Vorrede ſeiner Anmerckungen uͤber des Malherbe Poëmata haͤlt davor / daß die Zahl der Commentatorum nicht gerin - ger ſey / als derer die uͤber den Virgilium geſchrieben. Er hat in der Sprache ſich groſſer Freyheiten gebraucht / hat viel gewaltſamer Reyme / und alte Idio - tiſmos. Nicolo Franco hat nachgehends in ſeinem Buch Il Petrarchiſta genannt / unterſchiedliche Carmina des Petrarchæ hervor gegeben / die bey ſeinen Lebzeitennicht192Das II. Cap. Von der Italiaͤnernicht hervor gekommen / worin er der Reime ſich nicht gebraucht. Labbæus in ſeiner Bibliotheca MStorum p. 67. geden - cket noch unterſchiedlicher Carminum des Petrarchæ, die noch nicht hervor gegeben. Boccacius iſt den vorigen nicht zu verglei - chen / die ihn weit an Erfindung und tieffſinnigen Gedancken uͤbertreffen: aber er hat dennoch eine groͤſſere renlichkeit in der Sprache beliebet / und dieſelbe zu mehrer Zierlichkeit gebracht. Taſſonus ſchreibt ihm zu daß er der erſte ſey / der die Italiaͤnſche Sprache außgezieret. Hieron. Boſſius hat ein Buch geſchrie - ben des Inhalts: Che la volgar lingua habbia havuto del Petrarcae del Boccacio il compimento ſuo. Melch. Inchofer Hiſt. S. Latinit. lib. 3. c. 9. urtheilet alſo: Bocca - cius naturâ quodamodo factus ad el oquen - tiam, cum probè noſſet ſe cum antiquis la - tinis facile certare poſſe: maluit tamen in - genium à medio curſu convertere, ut cum ſummus inter latinos eſſe diffideret Tulli - um in vulgari eloquentia affectaret. Ne -193Poeterey. Neque tamen poſtea hanc laudem illi con - ceſſerunt, frigidum appellantes in nugis, qui in ſeriis, ſi latinus eſſe voluiſſet, magno calore effervebat. Ita qui primus eſſe ma - luit inter vulgares, quam ſecundus inter nobiliores, vix gradum inter utrosque ob - tinuit. Franciſcus Alumnus Ferrarienſis hat auß Dante, Petrarcha und Boccacio ein Lexicon jhrer Woͤrter zuſammen ge - ſchrieben / unter dem Titul, Fabrica del Mondo; und ein anders / Richezze della lingua vulgare. Wodurch denen Anlaß gegeben / die jhre Zierlichkeit ſuchten in alten verlegenen Florentiniſchen Woͤr - tern / welcher viel bey dieſen Autoribus zu finden. Deñ ſolcher ahrt Poeten wurden damahls gefunden / die nichts anders ge - brauchen wolten / als die alten Florentini - ſchen Woͤrter / welche Jacobus Michalori - us in einer artigen Satyrâ durchgezogen / deſſen Erythæus erwehnung thut Pina - coth. I. im. 157. Von den Triumviris, Dan - te, Petrarcha, und Boccacio hat offter - wehnter Erythræus Pinacoth. III. p. 220. nein194Das II. Cap. Von der Italiaͤnerein ſonderlich Lob / und weiß wegen der alten Woͤrter nichts an jhnen zu tadeln. Inferunt ſe quidem, ſagt er / in ipſorum ſer - monem verba aliqua paulò antiquiora: ſed ea miram habent venuſtatem, & quia loco ſunt poſita adeò omnium in telligentiæ ſunt obvia atque aperta, ut nulla ferè interpre - tis cujusquam ope auxilioque indigeant. Campanella lobt in ſeinem Buch de ratio - ne ſtudendi artic. 2. den Dantem vor allen / ob ideationem Exemplorum, mirificenti - am narrationis, imitationem rationis. Die Zeit von 1400 biß 1500 hat nicht viel ſon - derliches hervorgebracht / weiln Krieg / Peſt und allerhand Unruhe die guten Gei - ſter ſchier erſticket. Da iſt endlich Petrus Bembus heran gewachſen / welcher der erſte / der ſo wol in der Lateiniſchen als I - taliaͤniſchen Sprache die alte Zierlichkeit wieder hervor geſuchet. Johannes Caſa in ſeinem des Bembi Leben gibt deſſen ein ſattſames Zeugnuß: Par erat atque i - dem eorum error, (Er hatte vorhin von der Lateiniſchen Sprache geredet) qui Ita - licè ſcribebant: qui cum duos haberent ſcri -pto -195Poeterey. ptores meâ quidem ſententiâ vel cum Lati - nis vel cum Græcis conferendos (Dantem & Petrarcham) nam alterius verſus & ſua vita - tis plurimum habent & dignitatis, & variis ingenii aut etiam artis luminibus referti ſunt, & animum ſæpè permovent, atque im - pellunt, ut de amore ne Græcus quidem quiſquam melius; alterius oratio dulcis, copioſa, polita, ornata, mollis, faceta, rem ante oculos ponens, ut geri ea quæ legas, non narrari videantur. Hos cum haberent autores duos, utrumque in ſuo genere ma - ximè excellentem, ſcribebant ipſi ineptè, abjectiſſimis verbis, nullus erat ornatus, nullo homine erudito dignæ ſententiæ, nulla compoſitionis aut numerorum ratio. Licet in manus ſumere, quæ tunc multi ſcri - ptitarunt, præter unum Politianum, illum - que ipſum minus dulcem, minus omnino elegantem, quam ut legiſſe Petrarchæ le - ctiſſimos verſus videatur, cæteros ad unum indignos dico, qui in ſcriptorum numero habeantur. Unum ſcurrile vigebat dicendi genus; in eo ſanè ridiculi nonnulli; ſedn 2ipſi196Das II. Cap. Von der Italiaͤneripſi quoq; multis in locis inertes & languidi. Des Bembi ſeine Italiaͤniſche Carmina ſein ſehr gut / und nach des Petrarchæ ahrt ein - gerichtet: welchem er inſonderheit gefol - get. Gaddius vergleicht jhn dem Bocca - cio, ich halt jhn hoͤher / ziehe jhm aber den Caſam vor / welcher wie er das zier - lichſte Latein zu ſeiner Zeit geſchrieben / weßwegen er billig von ſeinen Landsleu - ten hochgehalten wird; ſo hat er auch im Italiaͤniſchen ſeine annehmligkeit gehabt / wiewol er in beyden nur wenig geſchrie - ben. Gaddius hālt ſeine Italiaͤniſche hō - her als die Lateiniſche / nnd zwar nicht unbillig: denn die Lateiniſchen ſind etwas trucken und mager / und haben nicht ſol - chen Geiſt und Trieb wie jene. Die Flo - rentiner ſchaͤtzen dieſen jhren Calam uͤber alles / als den zierlichſten Autorem, und der am ſauberſten ſchreibet / wie Erythræus be - zeuget Pinacoth. III. p. 220. Menagius hat einen Commentarium uͤber ſeine Italiāni - ſche Poëmata geſchrieben / deſſen er ge - denckt in ſeinen Obſervationibus uͤber denMal -197Poeterey. Malherbe p. 503. Ja der trefliche Poet Taſſus hat ſie ſelbſt mit ſeinen Anmerckun - gen gewuͤrdiget / worauß Herr Menage etwas anfuͤhret an gedachtem Ohrt / pag. 536, wie auch Querengus. Giraldus hālt die Victoriam Columnam vor eine unvor - gleichliche Poetin / und ſein einige / die ſie dem Petrarchæ gleich ſchaͤtzen. Derglei - chen eine nemlich die Margaretam Sarrochi - am lobt Erythræus Pinacoth. I. imag. 145. welche des Scanderbegs Leben und Thaten / Etruſco Carmine weitlaͤufftig und zierlich beſchrieben. Sannazarius der ſo trefliche Lateiniſche Verſe gemacht / hat auch ſeinen Ruhm in der Mutterſprache einlegen wollen mit ſeiner Arcadia. End - lich folgen Arioſtus und Taſſus, die in aller Welt bekandte Heroiſche Poeten / von deren Trefligkeit und Vorzug gantze Buͤ - cher geſchrieben. Es iſt nicht zu leugnen daß Arioſtus an der Heroiſchen ahrt die vorgehende uͤbergehe. Er iſt groß und hoch von Geiſt / ſeine außbildung iſt ver - wunderlich / ſeine Beſchreibungen ſeinn 3Mei -198Das II. Cap. Von der ItaliaͤnerMeiſterſtuͤcke / aber das Syſtema des Wercks an ihm ſelbſten hat nicht die Voll - kommenheit / die es haben ſoll. Vor ihm hat Matthæus Boyardus, Comes Scan - dianus ein Poëma von dem Lobe des Orlan - do geſchrieben / aus welchem / wie Jacobus Gaddius. de Scriptoribus tom. 1. p. 70. will / er viel ſoll außgeſchrieben haben / und hat er unterſchiedliche Proben deſſen zum Vorſchein gebracht: auch hat Thomaſius in ſeinem Buch de plagio §. 362. etliche Oer - ter auß dem la Cerda und Baronio ange - merckt / woruͤber er eines plagii beſchuldi - get wird. Aber dieſes auß Boyardo iſt von groͤſſer Erheblichkeit / weil ſie einer - ley materie unter haͤnden gehabt. Tor - quatus Taſſus uͤbertrifft den Arioſto weit / in ſeinem erloͤſten Jeruſalem / einem rech - ten Meiſterſtuͤck / womit die Italiaͤner allen andern Nationen Trotz bieten koͤn - nen / welches ſo viel gelehrte Leute als Scipio Gentilis, Julius Gaſtavinus, Lau - rentius Pignorius &c. mit ihren Anmer - ckungen beehret. Es ſein dennoch etzlichewel -199Poeterey. welche behaupten wollen / er habe von Georgio Trisſino, der vor ihm ein Poëma von dem von den Gothen befreiten Ita - lien geſchrieben / die Form ſeines Wercks genommen / wie der des Homeri Ilias ihm zur Nachfolge vorgeſetzet. Es iſt traun eine weit beſſere Einrichtung des Wercks / und richtiger in allen ſtuͤcken eines Poë - matis wie der andern Italiāner. Der ſcharffe Cenſor Rapinus weiß nichts an ihm zu tadeln / als daß er bißweilen mehr Zier - lichkeit gebraucht als die Ernſthafftigkeit der Sachen erfodert. Er hat zum Vater gehabt Bernhardum Taſſum, von welchem Erythræus Pinac. II. p. 50. ſaget / quod omnes concinnitates ſententiarum, omnes lepores omnes véneres Græcorum Latinorumque poetarũ Etruſcam in poêſin transferre cona - tus fuerit. Seiner gedencket auch Lilius Giraldus in ſeinem Dialogo II. de Poëtis no - ſtri temporis; woſelbſt viele andere ſon - ſten unbekante erwehnet werden / die in Italiànſcher Sprach etwas geſchrieben / und deren viel nicht ans Licht gekom -m 4men.200Das I. Cap. Von der Frantzoſenmen. Iſt alſo kein Wunder / daß un - ter ſolches Vaters Auffziehung / ein ſo vollkommenes Muſter gebildet iſt. Joh. Baptiſta Manſo Marchio Villenſis, welchem Torquatus Taſſus ſein Geſpraͤch von der Freundſchafft zugeſchrieben / den Johan - nes Miltonus in ſeinen Poêmatibus Juve - nilibus p. 74. mit einem feinen Lateiniſchen Carmine beehret / hat des Torquati Taſſi Leben weitlāufftig beſchrieben / worinnen viel ſonderliche dinge ſein: Unter andern iſt nicht vorbey zu gehen / welches auch Thuanus in dem 113 Buch ſeiner Hiſtoria erzehlet / daß in ſeiner Jugend ihn eine Raſerey befallen / welche hernach zu ge - wiſſen Zeiten wiederkommen; dadurch ihm nicht das Gemuͤth verruͤcket / ſon - dern vielmehr ſo geſaubert worden / daß er nach ſolchen Uberfall die herr - lichſten / tieffſinnigſten unvergleich - lichſten Carmina geſchrieben. Gleich als wann er durch eine Goͤttliche Regung were geruͤhret worden. Von derglei - chen Exempeln werde ich einmahl mitmeh -201Poeterey. mehren in meiner Diſſer tatione de Enthu - ſiaſmo Poëtico handeln. Sein Gluͤck iſt ſeinem Geiſte nicht gleich geweſen / dann er ein hoͤhers verdient. Aber diß iſt ins gemein groſſen Maͤnnern eigen / daß ſie bey ihrem Leben nicht nach ihren Ver - dienſte gehandelt werden. Erythræus Pina - coth II, p. 74. will nichts von ſeinem Lobe ſagen / weil er nicht gnug ſagen kan. Sein herrlicher Verſtand leuchtet hierauß her - vor / daß er in dem ſiebenzehenden Jahr ſeines Alters Theologiæ, Jurispru - dentiæ und Philoſophiæ Doctor geworden / welche Dinge er aber alle hernach ver - laſſen hat / und ſich auff die Poeterey allein begeben. Es iſt keine Sprache / darin nicht ſein Werck uͤberſetzet. Didrich von dem Werder hat es Teutſch gemacht / aber es iſt alles gezwungen und hat keine ſon - derliche art. Es hat dennoch dem Hn. Buchnero ſeine Arbeit einige Vergnuͤ - gung gegeben / wie auß ſeinem andern Briefe / den er an den Opitz geſchrieben / er - hellet: De Poëſi ſpricht er / ita ego ſentioillu -202Das II. Cap. Von der Italiaͤnerilluſtrem prorſus atq; eximiam eſſe & paria poſſe facere cum Epica Græcorum Latino - rumque, quorum vineta inſigniter cædit. Translationem vero multô & operoſiorem Huberianâ Bartaſii & meliorẽ judico, quan - quam Italica nondum licuit cum noſtris con - ferre. Er ſetzet aber nachgehends auch fer - ner / was er an ihm tadelt. Des Taſſi Gjeru - ſalemme Conquiſtata, ein ander Werck / hat nicht die Vollkommenheit des erſten. Deſſen Amynta iſt von Menagio mit ei - nem Commentario außgeſchmuͤckt. Sei - ne Oden ſein voller Leben und Feuer. Dieſer ſo trefliche Mann hat dennoch bey ſeinem Leben ſeine Neider gehabt. Die Academia della Cruſca hat in ſeinen Poë - matibꝰ viel zu tadeln gefundē; Aber Paulus Benius hat es mit den Academicis auffge - nommen / und in einem abſonderlichen Buch den Taßum verthaͤdiget. Ja er iſt ſo weit gegangen / daß er des Taßi Poëma des Homeri und Virgilii ihren vorgezo - gen / und viel Oehrter auß ihm angefuͤh - ret / dadurch er ſolches behaupten wol -len.203Poeterey. len. Worin er nach ſeiner Weiſe ver - fahren / dann er ohn dem den alten Auto - ribus auffſetziger als billig iſt / und ſein Ur - theil begreifft. Wie er dann des Livii Hiſtorien ſehr veraͤchtlich gehandelt / und ihn / der doch der vornehmſte nach aller gelahrter Leute Urtheil iſt / auß der Zahl der guten Hiſtorienſchreiber außſchlieſſen wollen. Belmontes Cagnolus hat durch ſein Poëma, das verſtoͤrte Aquileia, des Taßi ſeinen Ruhm verkleinern wol - len / ſeinen aber dadurch vernichtet / ob zwar das Poëma an ſich nicht zu verach - ten. Paulus Guidottus Burgheſius hat des Torquati Tußi erloͤſtem Jeruſalem ein an - ders / nemlich das verſtoͤrte Jeruſalem / entgegen geſetzet / in eben ſo viel Geſaͤngen und Verſen. Von welchen beyden Ery - thræus in ſeiner erſten Pinacotheca zu le - ſen. Es hat auch Cardanus von den La - teiniſchen und Italiaͤniſchen Poëten ſein Urtheil gefāllet / welches in tom. X. Para - lipom. lib. 17. c. 4. zu finden. Mambrunus in ſeiner Diſſertatione Peripateticade Epico car -mi -204Das II. Cap. Von der Italiaͤnermine hat an dem Taſſo und Arioſto zu ta - deln / daß ſie die Unitatem Actionis, welche in ſolchem Poëmate inſonderheit erfodert wird / nicht in acht nehmen. Beym Tor - quato ſein zu viel Epiſodia, worinnen er ſich zu weitlaͤufftig auffhalte. Die auß - theilung und einrichtung des erloͤſeten Jeruſalems / wie ſie an ſich ſelbſt iſt und ſein ſoll / wird ohne Nahmen und Epiſodiis nebſt Homeri und Virgilii ihren vorgeſtellet in ſeinen Buch part. 2. quæſt. 1. Aber es iſt in allen Dingen leichter zu richten / als ſelbſt etwas ins Werck zu ſetzen. Sol - che kleine Fehler / welche die Academie della Cruſca auch groß gemacht / werden leicht durch die andre Vortreflichkeiten uͤberwogen: und faͤllt mir allhie des Ho - ratii Spruch bey: Ubi plura nitent in carmine, non ego paucis Offendor maculis. Beim Arioſto aber ſein vielmehr Maͤngel zu finden; welcher ſich allzuſehr in ſeinen Epiſodiis vertiefft / und mit weitſchweif - fenden Romain-Einfaͤllen alles erfuͤllet. Iſt alſo Sangeneſius ein unbilliger Richterwann205Poeterey. wann er in ſeinen Satyren de Parnaſſo lib. 2. cap. 2. ſchreibet / daß ietzo auff den Ita - liaͤniſchen Parnaſſo der Torquatus Taſſus regire numero magis, quam virtute ſe - quentium ſuperior. Guarinus hat in den Hirtenſpielen ein vollkommenes Muſter hervor gebracht. Darin meinen die Italiaͤner / daß ſie allen Griechen und Lateinern zuvor thun. Deſſen Paſtor Fido iſt ſo beruͤhmt / und in ſo viel Spra - chen uͤberſetzt / daß er niemand unbekant ſein kan. Auch neulicher Zeit iſt er von dem vortreflichen Chriſtian Hoffmann / in teutſche Verſe uͤberſetzt / faſt mit groͤſſer Zierlichkeit als er geſchrieben: dann er die Reime hinzu gethan / und alſo viel mehr Wercks in der Uberſetzung gefun - den / als der Autor in der Erfindung / der ſich an keine Reime gebunden. Die - ſes Hirtenſpiel / oder wie es der Autor ſelbſt nennet Tragi-Comœdia, iſt von un - terſchiedlichen angegriffen worden / und ſein deßhalben Buͤcher auff beyden ſeiten geſchrieben worden / wovon dieNach -206Das II Cap. Von der ItaliaͤnerNachricht zu finden in des Herrn Vin - centii Placii Buch de Anonymis detectis cap. 15. §. 528. Sonſten ſcheinet woll / daß ſeine Hirten die er einfuͤhret / mehr Zier - lichkeit haben / als ihnen Standes halber zu kommen kan / und der Anſtand erfo - dert. Seine Sonneten und andere Car - mina verdienen gleichfalls ihren Lob / ob gleich einige ſie gering halten. I. B. Ma - rinus ein Neapolitaner, der viel ſeiner Lan - desleute die in der Poèſie beruͤhmt ge - weſen / gehabt / wird in dieſer ſanff - ten Poeterey gleichfalls hochgehalten. Lor. Craſſ. Elog. d huomini litterati part. 1. p. 212. legt ihm dieſen Lobſpruch bey: Il Neapolitano Ovidio, digno ſolamente dell aurea penna dell immortal fenice. Non fu ingegno nelle fecondità de verſi più di lui dotato della Natura, dolce nel - lo ſtile, chiaro nell eſpreſſiva, acuto ne penſieri, e mirabile nella varieta de com - ponimenti &c. Er vergleicht ihn mit Martiali, Petronio, und der Griechen Anacreonte, inſonderheit aber dem Ovidio,deſ -207Poeterey. deſſen Seele gleichſam durch eine Pytha - goriſche Verhauſung in ihn gefahren. Sein Vater hat ihn in ſeiner Jugend den Rechten gewidmet / dazu er ſich / eben wie der Ovidius, durchauß nicht bequemen wollen. Ob er gleich viel in Lyrico genere geſchrieben / ſo hat er doch ſein meiſtes Lob durch ſeine Adonis verdienet. Weil er aber bißweilen etwas unſauber und geil in ſeinen Reden / ſo iſt es zu leſen verboten worden. Diß Buch haben F. Thomaſo Stigliani und Angelicus Aproſius du Ventiniglia angegriffen. Nicolaus Vil - lanus und Hieronymus Aleander ein ge - lehrter treflicher Mann / haben es verthaͤ - diget. Beſiehe Erythræum Pinac. I. p. 46. und p. 189. Leonem Allatium in Apibus ur - banis, und Vincentium Placcium in Pſeu - donymis. p. 193. Caſpar Murtula, wie er am Savoiſchen Hofe / da er vorhin ſei - ner Poeſie halber angenehm geweſen / durch den Marinum herunter geſetzt / hat denſelben erſchieſſen wollen wie Erythr. Pi - nac. I. p. 33. bezeugt. Es iſt ſonſt dieſer Mari -nus208Das II. Cap. Von der Italiaͤnernus von denen / welche ihrem Geiſte und Erfindungen die Zuͤgel gar zu frey ſchieſ - ſen laſſen / und in einem Dinge zu zieren unauffhoͤrlich und unendlich ſein / worin doch gewiſſe maaß muß gehalten werden / wenn den Lehrſaͤtzen dieſer Kunſt ein gnuͤgen geſchehen ſoll. Es vermeinet zwar Paganinus Gaudentius in ſeiner Ora - tione Apologetica pro Marinianä Poëſi, welche in ſeinem Inſtar. Academic. p. 95. zu finden: man hātte nicht von noͤthen ſo gar ſich an des Ariſtoteles Lehrſaͤtze zu halten / und koͤnne keiner etwas ſonder - liches uͤnd ruͤhmliches ſchreiben / wann er ſich ſo knechtiſch hieran binden wolle. Aber es iſt ſein Urthel nicht groß zu ach - ten / als welcher in ſeiner Schreibahrt wenig Kunſt und Fleiß erweiſet / und von ſeinen Landesleuten deßhalben verach - tet wird. Iſt derowegen dem Marino mit ſeiner Verthaͤdigung nicht ſonderlich gedienet. Gabriel Chiabrera, hat in Ita - liaͤniſcher Sprach Oden geſchrieben / welcher die Pindariſche hohe ahrt nachzu209Poeterey. zu machen jhm vorgenommen / und ſein etliche welche meinen / er habe ſeinen Zweg voͤllig erhalten; andere hingegen ſeyn in dieſer Meinung / es ſtehe dieſe Schreib - ahrt der Italiāniſchen Sprache gar nicht an / als welche ſolche ſchwuͤlſtige Compoſita nicht wol vertragen koͤnne. Girolamo Preti, Fulvio Teſti und viel an - dere / die nicht allhie zu nennen / verdie - nen ein gutes Lob / welche kurtze / ſinnrei - che Sonnetten / Oden und Carmina ge - ſchrieben / aber ſie ſchmincken ſich allzuſehr und verlieren offt den guten Anſtand / in dem ſie ſcharffſinnig und zierlich ſchrei - ben wollen. Auguſtinus Maſcardus ſelbſt ein treflicher Poet / iſt mit den meiſten I - taliaͤniſchen Poeten nicht zu frieden / und iſtſein Urtheil von dieſen zu leſen in ſeinen Proſe Vulgari Diſcorſ. 9. worinn er uͤber ein Poëma vom Cometen urtheilet: Sono alicuni poëti Toſcani (ſagt er) ſi temerari, che ſu l ali de lor capriccio, tanto intrepi - damente traſcorrono l aria d una proſon - tuoſa licenza, che tutto il rimanente delomon -210Das II. Cap. Von der Italiaͤnermondo diſpreggiano, e non curano punto il maturo giudicio de ſavi; e poi ſi leggo - no ne cartocci infelici di que barbari ci - urmatori, figure & hiperboli ſi gelate, che apunto hiperboree posſon nomarſi, e nate ſotto il fiero clima dell orſe. Es we - re eine gute Arbeit / wenn jemand aller Italiāniſchen Poeten Leben und Wercke außfuͤhrlich beſchreiben wolte / denn es ſeyn jhrer ſehr viel / und uͤbertreffen ſie an Geiſt die Frantzoſen / als welche jhnen gern in jhren Laſtern nachfolgen: ſolche kommen uns ſelten zum vorſchein / und ſein die Italiāner nicht ſo fleiſſig die Sa - chen jhrer Landsleute auffzuzeichnen / wie die Frantzoſen. Von denen jetzo lebenden Italiāniſchen Poeten / giebt uns die naͤ - heſte Nachricht der Gregorio Leti in ſeiner Italia regnante part. 3. & 4. worin viel merckwuͤrdiges von denſelben enthalten. Ihre Sprache haben ſie dennoch beſſer außgeuͤbt als die Frantzoſen / und viel Fleiß an deren Grammatiſche Richtigkeit gewandt. Das Vocabularium della Cruſcakan211Poeterey. kan deſſen Zeuge ſeyn / welches Chimen - tellus in ſeinē Buch de Honore Biſellii cap. 29. ingentem Etruſcarum literarum theſau - rum nicht unbillig nennet / dergleichen Franckreich nicht vorzuweiſen hat: zu - geſchweigen anderer Buͤcher die der Toſca - niſchen Sprache Sprichwoͤrter und der - gleichen ſchoͤne Anmerckungen vorſtel - len.

Das III. Cap. Von der Spanier Poeterey.

Einhalt. WAru[mb]die Spanier nicht ſo gluͤcklich in der Poeterey ſeyn / als andere Nationen. Sie haben eine gute Faͤhigkeit hierzu. Sie wollen die Romanen erfunden haben. Die ſie doch von den Frantzoſen erlernet. Barthius meinet die Frantzo - ſen haben alle jhre zierlichſte Sachen von den Spa - niern. Thomas Spraat ein Engelaͤnder wirfft ſol - ches auch den Frantzoſen vor. Man thut jhnen a - ber unrecht. Die Spaniſchen Poëmata ſeyn mit Romainiſchen Schwermereyen angefūllet. Diego Ximenes, Quevedo, Gongora. Dieſen letzteno 2lobt212Das III. Cap. Von der Spanierlobt Nicolaus Antonius ſehr. Camœns ein Por - tugiſiſcher Poët. Michaël de Silveira ein Portu - gieſe hat ein Heroicum Poëma El Macabeo ge - ſchrieben. Von welchem Torquatus Taſſus ein Mu - ſter nehmen wollen. Cervantes Satyriſche Romain Don Quixot. Barthol. Leonard. Argenſolæ Oden. Lope de Vega hat 1800. Comoͤdien geſchrieben. Sei - ne ſonderliche Fertigkeit. Was an jhm zu tadeln. Juan Velaſquez de Azevedo hat von den Tragœ - dien geſchrieben. Garſias Laſo de la Vega. Al - phonſus de Ledesma hat in geiſtlichen Sachen viel geſchrieben. Iſt mit dem Beynahmen Divinus geehret. Nicolai Antonii und Campanellæ auff - richtige Bekaͤntnnß von der Spanier Poeterey. Der Spaniſchen Sprache Uhrſprung von Bernar - do Aldrete beſchrieben. Barthii Meinung / daß die Spaniſche Sprache der Lateiniſchen die gleichſte ſey. Wird widerlegt.

ICh wende mich zu den Spaniern / einem Volcke / deſſen Ernſthafftig - keit kaum der Poetiſchen Zierlig - keit faͤhig zu ſeyn ſcheinen ſolte. Aber wir finden doch gleichwol bey jhnen einen Trieb / der ſie hoch genug fuͤhren kan / ſo ſie nur folgen wollen: dadurch ſie auchan -213Poeterey. andere uͤberſteigen koͤnnen / wenn ſie ſol - ches mit Ernſt jhnen vorſetzen. Weiln die allgemeine Landsahrt von der Natur nicht dahin gefuͤhret wird / als wird nicht gar viel fleiß darauff gewandt / und die bey den ingeniis ſich findende Zuneigung in dem erſten Beginnen gehemmet / als welche durch die vielheit der Exempeln / und hochachtung ſolcher Wiſſenſchafft nicht gereitzet und geleitet wird / wie bey andern Voͤlckern. Nur wann ſich die Na - tur von ſelbſten hervor thut / ſo hat man die herrlichſten Poeten auch bey jhnen geſehen. Man kan dieſen Trieb in den alten Lateiniſchen auß Spanien buͤrtigen Poeten / als dem Seneca Tragico, Lucano und Martiali ſehen. Dann ob man ſie gleich beſchuldiget / daß ſie ein frembdes Weſen in die Lateiniſche Sprache ge - bracht: So iſt doch ein groſſer Tichteri - ſcher Geiſt in jhren Schrifften verborgen / der den Roͤmern ſelbſt zuvor thut / als des Seneca in Tragœdien / welchekein Roͤ - mer ſo hochgebracht / des Martialis in Epi -o 3gram -214Das III. Cap. Von der Spaniergrammatibus, deren Scharffſinnigkeit un - vergleichlich / und welche alle andere in die - ſem Stuͤcke nachgeben muͤſſen. Sie ſein et - was ſpāt zu der heutigē Poeterey gekom - men. Nur haben ſie ſich vorhin mit ihren Romainen und einigen gemeinen Moren - Liedern ſich vergnuͤget. Denn die Ro - mainen wollē ſie gar erfunden haben / wel - ches Nicolaus Antonius in der Vorrede ſei - ner Bibliothecæ Hiſpanicæ behaupten will / dabey erwenend / daß dem Ferdinando Haulo einem Marggrafen von Piſſarien, durch das leſen dieſer Buͤcher ein ſolcher Muth gewachſen / daß er dadurch in den Schlachten unglāubliche Thaten verrich - tet. Aber es iſt auſſer ſtreit / daß dieſe art zu Romanciren von dē Provencal Poë - ten in Franckreich nach Spanien und Italien gekommen ſey / welche ſie vor an - dern Voͤlckern nachgemacht. Petr. Da - niel Huet in ſeiner gelehrten diſſertation de l origine des Romans ſagt. l Eſpagne & l Italie receurent de nous un art, qui eſtoit le fruit de noſtre ignorance, & qui avoiteſté215Poeterey. eſté le fruit des Perſes, des Joniens, & des Grecs. Woſelbſt viel ſchoͤnere Dinge hievõ koͤnnen nachgeleſen werden. Da nun die Spanier ſpatt und noch unter zweyhun - dert Jahren die Poeterey und deren Zierlichkeit angenommen / und ſie den Frantzoſen und Italiānern abgeler - net / ſowundert mich ſehr / daß Barthius in der Vorrede ſeiner Lateiniſchen Uber - ſetzung der Celeſtina ſagen mag: Si quæ in cæteris Gallica præcipuè delectantia ſimul & utilia talia ſcripta prodeant pleraque vel inventionibus Hiſpanorum vel illuſtratio - nibus deberi. Es hat auch ein Engellaͤn - der Thomas Spraat, welcher Anmerckun - gen uͤber des Sorbiers Engliſche Reiſe ge - ſchrieben p. 212. den Frantzoſen beyge - meſſen / daß ihre beſte Comœdien und Tragœdien ſie auß den Spaniſchen ge - nommen. Welches doch dieſer ſinn - reichen Nation nicht mit Fug kan nach - geredet werden / als die deſſen Proben gnug zu Tage geleget hat. Aber man muß dem Thomas Spraat etwas zu guten 4hal -216Das II. Cap. Von der Spanierhalten / deſſen Nation von dem Sorbier in ſeiner Engliſchen Reiſebeſchreibung etwas zu nahe getreten war / und deren Ehre er allhie verfechten wollen. Zu den Spaniern wider zu kommen / ſo iſt gewiß / daß ihre Gemuͤthsregung alles was ſie vornehmen zur hoͤchſten vollkom - menheit bringen laͤſt / auß Uhrſachen wel - che Erythræus Pinacoth. III. p. 163. gar wol und weitlaͤufftig angefuͤhret. Es iſt a - ber ihr Trieb zu der Tichterey mit vielen außſpuͤrigen Romain ſchen Gedancken / als wie mit einer Kranckheit eingenommen / welche ſie in allen ihren Vornehmen be - gleitet. Ihre Ritter die ſie einfuͤhren / muͤſſen nothwendig Liebhaber ſein. Ih - re Heroiſche Poëmata, ihre Tragœdien ſein mehrentheils mit ſolchen Thorhei - ten verdorben. Sie ergieſſen ſich in weit - laͤufftige Digreſſiones wie Diego Xime - nes in der[ eroberung] von Valencia. Sie ergoͤtzen ſich in ihren Einfaͤllen und han - gen ihnen nach / wollen dinge mit weit geholten Zierrathen mehr und mehr auß -putzen.217Poeterey. putzen. Wie ſolches Quevedo in ſeinem Werck von den neun Muſen / und Gon - gora in ſeinen Romancen gethan. Die - ſen hālt Nicolaus Antonius ſehr hoch / deſſen Werck er nennet poſteris admiran - dum potius quam imitandum. Er ſagt ferner: Illum ſi genius accinxiſſet ad epi - cum fabricandum poêma, hodie nec Helladi Homerum, nec Romæ Virgilium, nec Italiæ Torquatum invideremus. Camoens ein Heroiſcher Poet auß Portugal / ge - braucht ſich einer ſchwuͤlſtigen auffgebla - ſenen ahrt zu ſchreiben in ſeinen Poemate von Indiens eroberung. Nicolaus An - tonius gedencket eines Portugieſen Mi - chaëlis de Silveira, welcher in ſeinem zwey und zwantzigſten Jahr ein Poëma He - roicum El Macabæo geſchrieben / von auffbauung des Juͤdiſchen Tempels welches er ſaget dem Torquato Taſſo ſo gefallen habe / daß er ſolches zur materia eines Poematis erwehlen wol - len; hat aber hernach die Hiſtoriam vom Gothofredo demſelbigen vorgezogen. d 5Die -218Das II. Cap. Von der SpanierVon dieſem / weil es wenigen bekant iſt / kan man nicht urtheilen. In ihren Hirten - liedern iſt nicht ſonderliches zartes zu fin - den. Die artigſte Satyre die jemahls ge - macht werden kan / iſt des Cervantes ei - nes Secretarii bey dem Duc d Alba, welche Don Quixot genannt wird. Die Uhrſa - che die ihn ſolche zu ſchreiben veranlaſſet erzehlet Rapin. Reflexion. poët. 28. part. 2. Er war bey dem Duc de Lerma erſten Staatsbedienten des Philippi III. welcher keine gelehrte Leute geachtet / in Ungna - den gekommen. Als hat er um ſich zu raͤchen / dieſe Satyriſche Romain verferti - get / wodurch er den Romainſchen Geiſt der Spaniſchen Landahrt / ſo durchge - zogen / daß nichts zierlichers kan erdacht werden. In Odis gibt Nic. Antonius den Preiß einein Bartolomæo Leonardo Ar - genſolæ, den er den Spaniſchen Horati - um nennet / welchen die Koͤnigin Chriſti - na inſonderheit hochgehalten. In dem laͤcherlichen zu unterſcheiden haben die Spanier eine ſonderliche ahrt / und ſeinihre219Poeterey. ihre Comœdien voll von ſonderlicher Erfindung. Hier in hat bey ihnē den Preiß gehabt Lope de Vega von welchem Rapi - nus ſagt / daß er 300 Comœdien geſchrie - ben. Aber er irret weit / denn es hat Nicolaus Antonius angemerckt / daß er tauſend achthundert geſchrieben. Es ſein XXV. Tomi davon gedruͤckt: aber es iſt eine groͤſſere Anzahl geſchrieben / wel - che Nicolaus Antonius mit groſſem Fleiß erzehlet hat. Es iſt aber kein wunder daß er ſo viel geſchrieben. Dann weil er keiner Reime ſich gebraucht / ſo hat er viel ehe damit fertig werden koͤnnen. Zu dem iſt ſein Trieb von Jugend auff un - glaͤublich geweſen. Er hat in ſeiner Kind - heit andern Knaben Verſe in die Feder geſagt / da er die Buchſtaben noch nicht recht bilden koͤnnen. Er ſchreibt ſelbſt von ſich / daß er die gantze Zeit ſeines Le - bens durch / jeden Tag fuͤnff Bogen Pa - pier voll geſchrieben: welches wann es zuſammen gerechnet wird / viel mehr außtrāgt. Bey ſo vielfāltiger Ar -beit220Das III. Cap. Von der Spanierbeit war es nicht muͤglich alles nach der Richtſchnur zu ſtellen. Denn es ja nicht anders ſein kan nach dem gemeinē Sprich - wort: Canis ſeſtinans cœcos parit catulos. Er hat ſich an keine Reguln der Kunſt gebunden / ſondern ſeine Feder lauffen laſſen / wohin ſie die Gedancken gefuͤhret. Bey ihm machte die Unitas Acti - onis, probalitas und andere Dinge keine groſſe Sorge. Diß fand ſich von ſelbſten / und die Gabe ſeiner ſinnreichen Einfālle machte alles angenehm. Es iſt aber billig zu verwundern / daß den - noch bey ſolcher Mānge und tāglicher be - muͤhung ſie nicht ermattet / und ihren Preiß behalten / welchen bloß des Autoris Nahm ihr geben konte. Gleichwol ſein bey den Spaniern einige geweſen / die die Kunſt der Dramatiſchen Poëſie und der Tragœdie auß dem Ariſtotele vor - geſtellet. In Spaniſcher Sprache hat ſolches gethan Johannes Valeſque de Aze - vedo in ſeiner Idea de la Tragœdie. Es wird von dem Nicolao Antonio auch Gar -ſias221Poeterey. ſias Laſo de la Vega des Koͤnigs Ferdi - nandi Raht und Legatus an den Pabſt gelobet / welcher auß den Lateiniſchen und Italiāniſchen Carminibus, die er fleiſ - ſig geleſen / die beſte ahrt zu poetiſiren angenommen / auch einige Form der I - taliaͤniſchen Reimgebaͤnde der Spani - ſchen Sprache einverleibet. Deſſen Wercke ſein mit des vornehmen Philologi Franciſci Sancti Anmerckungen zu Sal - mantica im 1574ten Jahr heraußgegeben / welcher nachgewieſen / wo der Autor die al - ten Poeten in ſeinem Wercke gefolget / und ihnen die Zierlichkeiten abgeliehen. In Geiſtlichen Sachen lobt er den Alphonſum de Ledeſma welcher in kurtzen Spaniſchen Verſen und Epigrammatibus dieſelbe vorgeſtellet / und den Zunahmen des Di - vini bey ihnen erworben. Metaphoricis inventionibus ſagt er / genio quodam ſin - gularique felicitate mancipavit animum, docilis ubique & accinctus quodcunq; argu - mentum per verba non unius ſignificatio - nis, quo genere Hiſpanus ſermo plurimumviget222Das III. Cap. Von der Spanierviget (Homonyma Græca dicunt) acutè ac ſuaviter deſcribere. Seine Schrifften ſein: Conceptos Eſpirituales, Epigramas y Geroglyficos al Vida de Chriſto &c. Es ſein viel andere uns zum theil unbe - kante / die ſchwerlich auſſerhalb Landes kommen. Der offt gemeldete Nicolaus Antonius hat in ſeiner mit unvergleichli - chem Fleiſſe geſchriebenen Bibliothecâ Hiſpanicâ viele geſetzet und gelobet / bey welchem ſie koͤnnen nachgeſehen werden. Dieſer geſtehet gerne / daß es ſeinen Lan - desleuten an die rechte Kunſtrichtigkeit gefehlet. Dann ſo ſagt er in der Vor - rede: Poëtica facultas ſingularis eſt noſtræ genti, & ſi junxiſſent vulgò noſtri artem eruditionemque (ut exteri conſuevere) lo - cupletiſſimæ inventionum naturæ, indu - ſtriamque non in pangendo adhibuiſſent ac dedolando tantum carmine, ſed in eo ad veterum imitationem tam Græci quam latini ſermonis vatum confirmando, do - ctrinaque multiplici, ut doctum non minus ſit quam elegans, imbuendo, poſſi -dere223Poeterey. deremus planè antè alias omnes gentes Mu - ſarum principatum. Dieſes auffrichtige Bekāntniß iſt zu loben: Dann es pfle - gen ins gemein ſolche Autores an der Πατριδομανία kranck ſein. Aber dieſer hat nicht zuviel geſagt / und wurde dieſe Na - tion gewiß andere uͤbertreffen / wenn ſie mit Fleiß das Werck triebe / und groͤſſe - re anreitzung fuͤnde. Dergleichen Urtheil faͤllet auch Campanella lib. de recta ratio - ne ſtudior. artic. 2. Da er ſeiner Lands - leute Fehler nicht verhelet: Hiſpani Poë - , quales Erzilla, & qui Columbeidem ſcripſit ad hiſtoriam magis accedunt, ſed minus benè fictiones inſerunt, quas etiam plerumque ab Italis mutuantur: Sane Gar - cilaſſus Petrarchæ lyram feliciter æmula - tur. Lopes verò Comœdias fingit in ma - teriâ non Comica, ſed moribus Hiſpanicis ſatis convenientes. Die Spaniſche Sprache iſt meines wiſſens mit ſolcher Sorgfaͤltigkeit nicht außgeuͤbt / wie die an - dern. Ihre Origines hat Aldrete in einem gelahrten Buch del Origen y principio dela224Das III. Cap. Von der Spanierla lengua Caſtellana beſchrieben / welches Ferdinandus de Cordua in Didaſcalia mul - tiplici cap. 44. nicht ohn urſach lobet. Was ſonſt Barthius ſchreibet Adverſar. lib. 47. cap. 13. nullum idiotiſmum Romano pro - piorem eſſe, und daß ſie deßhalben nicht unbillig ihre Sprache die Roͤmiſche nen - nen / daß er auch lib. 41. cap. 17. die gleich - heit erweiſen wil / iſt nur bloß von ſei - ner ſonderlichen Zuneigung zu dieſer Nation hergefloſſen / welche er anderen weit vorziehet: Dann die Urſach / daß bey der noch ſtehenden Lateiniſchen Sprache / Spanien von frembden Voͤlckern einge - nommen / bey / deren abgang in Welſch - land und Franckreich erſt die frembden Voͤlcker gekommen / ſoll ehe das gegen - theil darthun. Dann je eher eine Spra - che durch frembder Voͤlcker vermiſchung verfaͤlſchet wird / je laͤnger iſt ſie ja der Veraͤnderung unterworffen. Man hat ja in der Spaniſchen Sprache ſo viel Moh - riſche / Arabiſche / Gothiſche / Vandaliſche Woͤrter / dadurch das Lateiniſche gar ver -dun -225Poeterey. Zu dem zeugen die Exempel / die Barthius lib. 41. c. 17. anfuͤhret / gar das Widerſpiel. Die Spanier ſagen Hermoſo, hazer, ha - blar, havo &c. Die Lateiner formoſus, facere, fabulari, favus. Die Italiāner haben ja dieſelben Woͤrter behalten; So iſt ja jhre Sprache auch auß dieſen Exem - peln / und durchgehends der Lateiniſchen viel nāher.

Das IV. Cap. Von der Engelländer Poeterey.

Einhalt. ENgellaͤnder kommen den Teutſchen naͤher. Alte Britanniſche Poeten. Angelſachſche eine Teutſche Sprache. Jetzige Engliſche Sprache wird von jhren Landsleuten hochgehalten. Der Grund iſt Teutſch. Im uͤbrigen iſt ſie ſehr dermiſcht. Groſſe Freyheit der Engellaͤnder in er - findung der Woͤrter. Der Uberſetzer des Rapini, verachtet alle Sprachen / und alle jhre Poeten vorpdie226Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderdie Engliſche. Sein ungeſchliffenes Urtheil von der Teutſchen. Camdeni Remains, darin von der Eng - liſchen Sprache. Ihre Poeterey iſt zimlich dun - ckel und verkrochen / voll von weitgeholten Meta - phoris. Der Koͤnig Ælfredus und Aldhelmus die er - ſten Angelſachſiſche Poeten. Aldhelmus bringt die Britten durch ſeine Lieder zur Gottesfurcht und Tugend. Ælfredi uͤbergebliebene fragmenta. Ro - main von der Roſe iſt eine Frantzoͤſiſche und keine Engliſche Erfindung. Guillaume de Lorris hat ſie erſt angefangen: Jean Clopinel de Meun vollfuͤh - ret. Alte Chymiſche Poeten bey den Engellaͤndern / die Elias Ashmol verſamlet. Unter dieſen iſt auch Geoffry Chaucer, welcher der erſte unter jetzigen Poeten iſt. Spencer wird dem Arioſto gleich ge - ſchaͤtzt. William d Avenant. Abraham Covv - ley hat ſchoͤne Lateiniſche und Engliſche Car - mina geſchrieben. Wird von ſeinen Landsleuten dem Virgilio und Horatio gleich geſchaͤtzt / andern vorgezogen. Deren Meinung wird widerlegt. Sei - ne in Engliſcher Sprache geſchriebene Davideis wird des T. Taſſi Wercke vorgezogen. Seine Pin - dariſche Oden. Fehler in den Metaphoris. John Donne ein trefflicher Poet. Jacob Catz, Barlæus haben jhm einige Erfindung abgeſehen. Conſtantin Huigens hat einige Carmina in Niederlaͤudiſch - bergeſetzt. Cleveland. Waller. Georg Herbert geiſtliche Oden. Baconis Verulamii in Verſe uͤber -ſetzte227Poeterey. ſetzte Pſalmen Davids. Engellaͤnder wollen in Dramatica Poeſi allein den Preißhaben. John Dry - den of the Dramatick Poeſie. Teutſche und Nie - derlaͤnder werden von den Engellaͤndern verachtet. Der Autor verheißt eine Diſſertation de meritis Germanorum in Literas. Des Rapini Beſchei - denheit in ſeiner Critiq. Shekeſpeare, Fletcher, Beaumont, Ben: Johnſon. Deſſen Lob. Johannis Miltoni Poemata. Sein Poema Heroicnm: The Paradis loſt. Allgemeines Urtheil von den Engel - laͤndern.

VOn den Spaniern komme ich auff die Engellaͤnder / welche allge - mach den Teutſchen etwas nāher kommen. Dann welche heutiges Tages von alten Verſen noch uͤbrig ſeyn / kommen von den Anglo-Saxonibus her die Teutſches Urſprungs ſein / und in Engelland ſo woll die alten Britanni - ſchen / als die Lateiniſchen gaͤntzlich unter - druͤcket. Von den alten Brittanniſchen hat Boxhornius in ſeinen Originibus Gal - licis gehandelt / in welcher die alten Druides und hernach die Bardi ohn zweiffel einige Carmina oder Lieder gemacht / aber ſiep 2ſein228Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderſein untergangen. Chaucer ein alter Eng - liſcher Poetbezeugt diß in dieſen Verſen:

The old gentle Brittons in her dayes
of divers aventurs maden layes
Rymed Firſt in her Mother tongue
Whych layes, vvith her Inſtruments they
ſonge.

Die Angelſaͤchſche iſt mehr der Teutſchen Sprache gleich / als die heutige / welche ſehr vermiſcht iſt. Was nun die tetzige Engli - ſche Sprache anlāget / ſo ſein einige Lands - leute fleiſſig gnug das Lob ihrer Sprache hervor zu ſtreichen / welche ſie allen mitt einander vorziehen. Worin man ihrer Liebe zu dem Vaterlande was zu gut hal - ten muß. Sonſten iſt nicht zu leugnen / weil ſie den Wōrtern und der Conſtructi - on nach Teutſch / ſie billig an dem Lob dieſer Sprache mit einen Theil habe / jedennoch daß ſie ſich nicht unternehme der Mutter vorzugreiffen. Denn es iſt beyweiten die rennlichkeit nicht in der Engelſchen Sprach die in der Teutſchen / die auß ſich ſelbſt beſtehet. Dann dieEn -229Poeterey. Engellaͤnder nehmen ungeſcheut aus an - dern Sprachen was ſie wollen und ihnē dienet / und iſt nach ihrem belieben alles gut Engliſch. Wodurch ſie bißweilen dieſen Vorthel haben / daß ſie etwas kuͤrtzer und nachdencklicher geben koͤnnen / inſonderheit in Carmine: Aber dieſes iſt eine ſelbſt angemaſte Freyheit / oder viel - mehr Verwegenheit / welche nicht zu bil - ligen / und von ihren eignen Landsleuten / welche etwas verſtāndiger ſeyn / nicht ge - lobet wird. Derjenige der des Rapini reflexions in die Engliſche Sprache uͤber - ſetzet / verachtet die Spaniſche Sprache / als die bloß nur zu Rodomontades ſich ſchicke / und wie eine Paucke in der Muſic ſey. Die Italiāniſche iſt ihm nur bequem zu Burlesque und laͤcherliche Dinge / und iſt wegen der endungen Kindiſch: Die Frantzoͤſiſche iſt ihm eine Ruhmſpra - che: Die Teutſche grob und ungeſchickt / und noch nicht gnug außgeuͤbt und zur vollkommenheit der Engliſchen gebracht. Die Engliſche habe dieſe Gluͤckſeeligkeitp 3vor230Das IV. Cap. Von der Engellaͤndervor allen daß ſie zur heroiſchen Poëſie be - quem ſey. Iſt gar ein Kindiſch und naͤr - riſch Urtheil. Dann nicht allein die Spa - niſche Italiaͤniſche und Frantzoͤſiſche Sprache nicht ſo veraͤchtlich zu haltẽ ſeyn / ſondern was den laut anlanget / beſſere Eygenſchafft haben / als die Engliſche. Daß er von der Teutſchen / darin ſo viel herrliche Poēmata geſchrieben ſo liederlich urtheilet / iſt eine unverſchaͤmte Ver - wegenheit: Deñ ich ſchier verſichert bin / daß er weder die Sprache verſtehe / noch einige unſer Poëten geleſen. Alles was an der Teutſchen Sprache iſt / iſt einem Heroico Poëmati bequemer / als irgend eine andere / geſchweige noch die Engelſche / die eine baſtard-teutſche iſt / und durch die vermiſchung / und die Weibiſche pro - nuntiation gar verdorben / daß ſie ſchier nichts maͤnnliches an ſich hat / was a - ber gutes an ihr iſt / eintzig und allein der Teutſchen / die ihre Mutter iſt / zuſchrei - ben muß. Guilielmus Cambdenus, wel - cher das herrliche Buch Antiquitatum An -gli -231Poeterey. glicarum, heraußgegeben / hat in Eng - liſcher Sprach nachgehends einige Re - mains geſchrieben / worin er handelt von denen Dingen die er in vorigem Buche außgelaſſen. Dieſer hat ſo fort im An - fang dieſes Buchs eine Betrachtung von der Votreflichkeit der Engliſchen Spra - che / die aber ein ander geſchrieben / und er ſeinem Wercke einverleibet / worin er alle Theile derſelben durchgehet und behaupten will / daß ſie beſſer ſey als die ander. Ja die Vermiſchung ſelber legt er zu ihrem Vortheil aus / und ſchlieſſet endlich: daß in der Engliſchen Sprache die Seltenheiten und Zierlichkeiten aller Sprachen als ein Schatz verborgen / und in die diviſos orbe Britannos gleich - ſam vertheilet ſein. Welchen Rhetori - ſchen oder Poëtiſchen Strich wir ihm bil - lig zu gut halten / der ſonſt alle alte Philoſophos und Poeten in derſelben zu finden meinet. Er ſpricht: Will you haue Platoes vein? read Sir Tho. Smith. the Jonick? Sir Thomas Moore. Ciceroes? p 4Aſchan. 232Das IV. Cap. Von der EngellaͤnderAſcham. Varro? Chaucer. Demoſthenes? Sir John Cheek (vvho in his treatiſe to the Re - bells hath compoſed all te figures of Rhe - torik) Will you read Virgill? Tak the Earl of Surrey. Catullus? Shakeſpeare and Bar - rows fragment. Ovid? Daniel. Lucan? Spen - cer. Martial? Sir John Davies aud others. Will you have all in all for proſe and ver - ſe? take the miracle of our age Sir Philipp Sidney. Daß wir nun zu ihrer Poeterey kommen / ſo haben ſie dieſes eigen / daß ih - rer viel zimlich verkrochen und tunckel / ſo woll in der zuſammenſetzung der Woͤr - ter / als in dem Verſtande ſelbſt ſein. Denn / gleichwie / als John Milton in ſeiner Diſſertation of Education angemerckt / ſie mehr mit verſchloſſenen Munde ſprechen als andere Voͤlcker / ſo iſt ihre Rede auch geartet. Sie belieben die Tieffſinnigkeit / und in jhren Verſen haben ſie faſt allezeit Metaphyſiſche und weit umbſchweiffende Conceptus, worauff keine andere Nation leicht dencken ſolte / und welche der Sa - che ſelbſt allzu weit entlegen: da man dochſich233Poeterey. ſich mehr nach dem durchgehenden Ver - ſtande / als nach der Schule richten muß / die ſolchen dingen eine ungeſtalte Farbe anſtreichet. Hierin uͤbergehen ſie die Italiāner ſelbſt / welche doch in dieſen ſchlipffrigen Wegen offt ſtraucheln und fallen. Daß alſo billig ſolche jhre Redens Ahrt nicht unter die ὑψηλὰ, ſondern viel - mehr unter die μετέωρα zu ſetzen. Wovon im dritten Theile ein mehres ſoll gehan - delt werden. Die ālteſten Carmina, da - von wir Nachricht finden bey den Engel - lāndern / ſein wol dieſelbe geweſen / welche der Koͤnig Ælfredus; der Engelland von dē Daͤnen erloͤſet / und in einen neuen woll - eingerichteten Stand geſetzet / ſelbſt ſei - nem Volcke zum beſten gemacht / und es dadurch zur Gottesfurcht und Tugend auffgemuntert. Joann. Speelmannus in vi - Ælfredi Magni lib. 2. n. 38. & ſeqq. hat viel von des Kōnigs Poeſey: Maximus il - le fuit, ſagt er / poſt aſſertum à Danis re - gnum, ejus inſtaurator & velut novus fun - dator: nam legibus omnia circumſcripſit,p 5Scho -234Das IV. Cap. Vpn der EugellaͤnderScholas, Academias inſtituit, artes & diſci - plinas reduxit: ipſe multa carmina rhythmos ſcripſit, apologos, fabulas, ænigmata ad eru - diendum populum, quibus barbarus po - pulus deliniebatur, inter maximos poëtas ſui temporis numerandus. Derſelbe Spelmannus erwehnet / in den notis ad §. 43. daß der Ælfredus in dieſen Geſaͤngen zu machen dem heiligen Aldhelmo der faſt in die 200 Jahr vor ihm gelebet / nachgefolgt. von welchen Malmesburienſis lib. 5. de ge - ſtis Pontificum diejes erzehlet: Nativæ linguæ Aldhelmus non negligebat carmina, adeò ut teſte libro Ælfredi nulla unquam ætate ei par fuerit quisquam, poeſin An - glicam poſſe facere, cantum componere eadem appoſitè vel canere vel dicere. De - nique commemorat Ælfredus carmen triviale, quod adhuc vulgo cantillatur, Ald - helmum feciſſe; adjiciens cauſam, quâ probat rationabiliter tantum virum his quæ videntur frivola inſtitiſſe. Populum co tempore ſemibarbarum parum divinis ſermonibus intentum cantatis misſis do -mos235Poeterey. mos curſitare ſolitum. Ideo ſanctum vi - rum ſuper pontem, qui urbem & rura continet abeuntibus ſe oppoſuiſſe obicem quaſi artem contandi profeſſum. plus quam ſemel facto plebis favorem & con - curſum emeritum, ſenſimque inter lu - dicra verbis ſcripturarum inſertis cives ad ſanctitatem reduxiſſe, qui ſi ſevere & cum excommunicatione agendum pu - taſſet, profectò profeciſſet nihil. Die - ſe ſein trefliche Exempel / wie durch huͤlffe der Poeſi die Leute zur GOttes - furcht und Tugend zu bringen. Dieſer Koͤnig Ælfredus iſt ein rechter Vater ſei - ner Unterthanen geweſen / von deſſen Sorgfalt vor die Oxfordiſche Academia, die er zum Stande gebracht / Antonius Wood in ſeiner Hiſtoria & Antiquitatibus Oxonienſibus kan nachgeleſen werden. Der Spelmanus fuͤhret an ſelbigem Ohrte auß einem MSt Bibliothecæ Cottonianæ ei - nige Lehren an / die Ælfredus zuſammen geleſen / berichtet auch daß in der Ox - fordiſchen Bibliotheca ein Buch verhan -den /236Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderden mit dem Titul Parabola Ælfredi Regis. Er haͤlt ſie aber nicht vor auffrichtig / in - ſonderheit der Uhrſachen halber / weiln zu der Zeit man nicht ſo gute Reimen gehabt oder gar keine / worinnen er doch irret. Dann es ſein ſchon damahls die Reime gebråuchlich geweſen / wovon in folgenden ein mehres. Der Uberſetzer der Poetiſchen Reflexionē des Rapini haͤlt die Romain von der Roſe vor das erſte Engliſche Gedichte / und ruͤcket den Frantzoſen auff / daß ſie ſich damit groß gemacht. Er nennet deffelben Autorem Richard Baker, bringet aber nichts bey dadurch er ſolches behaupte. Denn es ja ſonſt auß der Frantzoſen Anmer - ckungen bekant / und auch auß der Ro - maine ſelbſt / daß einer Nahmens Guil - laume de Lorris dieſe Romaine angefangē / Jean Cloppinell de Meun genant hernach vollfuͤhret. Dieſer Lorris hat gelebet zu Zeiten Ludovici uud iſt geſtorben im Jahr 1263. Der Jean de Meun hat vier - zig Jahr hernach diß Buch vollfũhret. Er237Poeterey. Er iſt genant worden premier inventeur de Rhetorique Franzoiſe. Von jhm iſt weitlāufftige Nachricht bey dem Claude Fauchet in vormahls erwehntem Buche / und bey dem Antoine Verdier in ſei - ner Bibliotheque. Kommt mir derhal - ben gar nicht warſcheinlich vor / daß es eine Engliſche Erfindung ſey. Der Autor der dieſe Romaine geſchrieben / iſt ein Chymicus, und hat zu dem Ende / daß er die Heimligkeiten der Kunſt verbuͤrge / diß Werck geſchrieben. Denn es ſind viel merckwuͤrdige Dinge von dieſer Wiſſen - ſchafft darin enthalten. Es iſt nicht zu leugnen / daß gar alte Poetiſche Schriff - ten von dieſer Kunſt in Engeland vorhan - den ſeyn. Denn es hat in dieſer Nation ſchon vor alters Leute gehabt / die in die - ſen Geheimnuſſen groſſe Meiſterſtuͤck er - wieſen / davon ich an einem andern Ohrt mit mehren erwehnung gethan. Ein Engliſcher Edelman Elias Aſhmol hat ei - nige derſelben in einem Buche / ſo er Thea - trum Britannicum nennet / verſamlet. A -ber238Das IV. Cap. Von der Engellaͤngerber er gedencket des Richards Bakers mit keinem eintzigem Worte. Welches er doch billig hātte thun ſollen. Denn er hat die aͤlteſten Poëtas Chymicos darinn / welche mit recht ποιηταὶ genennet werden / dann Salmaſius Exercit. in Solin: erwieſen / daß die Chimici mit dieſem Nahmen genennet. Der Aelteſte Engliſche Poet wird von dem Uberſetzer des Rapini geſetzet Geoffry Chau - cer, der im Jahr 1400 gelebet. Selbiger iſt mit unter den Chymiſchen Poeten / und findet ſich in deß Aſhmols ſeinen Tractat ein Getichte / deſſen Uberſchrifft The Tale of the Chanons Yeoman; woriñen er von dieſer Kunſt handelt. Sein Bildnuß und ſein Epitaphium welches in der Kirchen zu Weſtmuͤnſter zu finden / hat er dabey ab - mahlen laſſen. Dieſer gebraucht ſich vie - ler alten Woͤrter und Redensarten / die nicht mehr gebraͤuchlich ſeyn. Spencer wird von jhm vor den erſten Heroiſchen Poeten / und dem Italiaͤner Arioſto - gleich gehalten. Er wil jhn faſt allen vor - ziehen / die nach dem Vitgilio geſchrieben. Er239Poeterey. Er muß aber geſtehen / daß er ſehr hin - faͤlt und von weitlaͤufftigen unfoͤrmlichen Einfaͤllen iſt. Welches dieſem ſeinē Urtheil entgegen ſteht. Der Torquatus Taſſus muß bey jhm auch verkleinert werden / damit dieſer deſto groͤſſer werde: Nechſt dieſem ſetzet er den William d Avenant welcher ein Poëma Gondibert genant / ge - ſchrieben / den er zwar lobet / aber er erzehlet gleichfals ſeine Fehler. End - lich ſetzet er den Abraham Covvley, wel - chen er den andern in der Heroiſchen Poeterey vorziehet. Dieſer hat traun den groͤſten Preiß unter den Engliſchen Poeten verdienet / weiln er in der Grie - chiſchen und Lateiniſchen Sprache keine gemeine Gelahrtheit gehabt / und nach de - ren Anleitung die gemeine Poeterey ver - beſſert. Er hat auch Lateiniſche Carmi - na geſchrieben welche voll von Scharff - ſinnigkeit ſein / ſo wol in Heroico als Ly - rico genere. Daher einige ſeiner Lan - desleute ihn dem Virgilio und Horatio gleich machen: Darin ſie doch viel zu weitgehen240Das IV. Cap. Von der Engellaͤndergehen. Denn ob gleich er ſinnreich gnug iſt / ſo iſt doch bey jhm die rechte ſauber - keit / uñ die ungeſchminckte Zierlichkeit der Roͤmiſchen Sprache nicht zu finden / und haben alle andere Voͤlcker / ja auch die Schotten / die ſie ihm weit vorziehen koͤn - nen. Aber unter ſeinen Landsleuten iſt keiner der ihm gleich gehalten werden kan. Thomas Spraat der ſein Leben La - teiniſch bey den Lateiniſchen / und weit - lāufftiger in Engliſcher Sprache / bey den Engellaͤndiſchen Gedichten beſchrieben / ſetzet dieſe Worte: In verbis nec curioſus admodum nec nimium negligens. Com - munibus & uſitatis contentus pauciſſima aut immutavit aut innovavit. Rem præ - cipuè ſpectabat in eaque immorabatur. Nun betrachte ein Verſtaͤndiger / wie ſo gar nicht dieſes mit dem Urthel uͤberein komme; wann er in folgenden ſpricht. In duobus poſtremis pede Heroico uſus eſt, & abſit verboinvidia, ſi non Virgilium, - teros certe omnes ſuperavit: als wenn es von dem Virgilio noch in zweiffel zu ziehenwere.241Poeterey. were. Da doch alle andere / ſo wol der materia, und einrichtung / als der Rede halber jhm weit vorzuziehen. Wo irgend in einem dinge / ſo iſt in der Tichterey de - lectus verborum, qui origo eſt eloquentiæ, noͤthig / daß alſo gar wider alle Vernunfft iſt / wenn man jhn / als nach jhrem Ur - theil den beſten Poeten / davon ruͤhmet; quod in verbis non curioſus admodum fue - rit. Der uͤberſetzer des Rapini geht etwas beſcheidener / und da er lobt die groſſen Gaben dieſes Mannes / die in warheit zu loben ſind / ſo beklagt er doch / daß er ſeine Davideis vor ſeinem Ende nicht wieder - berſehen habe / welches er in ſeiner Ju - gend gemacht / uud worin wider die Ge - ſetze eines Heroiſchen Poematis offtmahls gefehlet wiꝛd. Aber des Taſſi ſeinem Weꝛcke ziehet er daſſelbe weit vor / Jn the Davideis (ſpꝛicht er) there ſhines ſomething of a mo - re fine, more free, more nevv, and more no - ble air than appeares in the Hieruſalem of Taſſo, vvhich for alle his care is ſcar - ce perfectly purged from Pedantry. DieqWel -242Das IV. Cap. Von der EngellaͤnderWelſchen moͤgen dieſen Hohn verfechten / daß man jhren ſo hochgeprieſenen Poeten noch der Pedanterey beſchuͤldiget. Ich wuͤrde traun noch vor Taſſo ſprechen. In den Lyriſchen und Pindariſchen Getich - ten / weiß ſo wol Thomas Spraat als der - berſetzer des Rapini keinen unter allen I - taliaͤnern zu finden der jhm gleich ſey / da doch dieſe den Ruhm hierin ſuchen und vieleicht gefunden haben. Mich daucht es ſey vor Covvley Ehre gnug jhnen gleich geſchaͤtzt zu werden. Welches Lob er bil - lig verdienet. Die Pindariſche ahrt zu ſchreiben hat er zum erſten unter ſeinen Landsleuten angefangen / wiewol er in den Metaphoris zimlich weit außgehet. Als wann er unter den Pindariſchen O - den in der uͤberſetzung der 2 Oden des 4. Buchs Horatii von Pindaro ſchreibet:

The Phœnix Pindar is a vaſt Species alone.

Da ſtreicht das Wort Species als ein Schulwort den Verſen eine pedanterey - farbe an / welche ſich nicht wol bey der hohen Redens-Art ſchicket. Aber es iſtſchier243Poeterey. ſchier kein eintziger Engliſcher Poet der ſich nicht hierin verſtoͤſſet / wovon wir in unſerm dritten Theil weiter handlen wol - len. Ferner ſagt er in der erſten Stroph.

Pindars unnavigable ſong
Like a ſvvoln Flood from ſome ſteep Mountain
pours along.

Da iſt zwar gut daß er des Pindars Carmi - na mit einem lauffenden Fluß vergleichet / daß Horatius auch gethan / aber deſſen epitheton unnavigable, findet bey dem Worte Song Geſang / gantz keinen Platz. Dergleichen wuͤrde man viel fin - den / wenn man alles genau unter ſuchen wolte. Der Uberſetzer Rapini bringet unterſchiedliche Beſchreibungen auß La - teiniſchen / Italiaͤniſchen / Frantzoͤſiſchen Poeten hervor / welche er mit Eng - liſchen Poeten vergleichet / davor hal - tend / daß jene weit von dieſen uͤberwun - den worden; Aber es lāſt ſich allhie fer - ner nicht davon reden. Es wundert mich / daß er andere ſeiner Nation außge - laſſen / als den John Donne, welcher imq 2acht -244Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderachtzehnden Jahr ſeines Alters tieffſinni - ge Verſe geſchrieben / welchem unter den Niederlaͤndern Jacob Catz die Erfindung von der Floͤhe / die zweyer Liebhaber Bluth geſogen / abgeſehen / und hernach Barlæus in einer abſonderlichen Elegia: Pulex duorum amantium ſanguine paſtus, beſſer außgezieret. Der Vortrefliche Conſtantin Huigens Herr von Zuli - chem und des Fuͤrſten von Orange vor - nehmſter Raht hat einige von ſeinen Getichten in Niederlaͤndiſch uͤbergeſe - tzet / ob zwar der Koͤnig von Engelland Carolus I. ſolches vor unmoͤglich gehal - ten. Er hat aber dennoch unter dieſen ſchwierigkeiten ſolches Werckſtellig ge - macht / ob er gleich mit ſo vielen frembden Woͤrtern als Ecſtaſis, Atomi, Influentiæ &c. ſich hat plagen muͤſſen / und ſolche in gut Niederlaͤndiſch verſetzen / welches die Engellaͤnder nicht achten; Denn wie Herr Huigens ſagt: haer taele is alle taelen, en als’t haer belieft, Grieeſch en Latyn ſyn plat Engelſch: deñoch hat er voꝛ keine gerin -ge245Poeterey. ge Sache gehalten / dieſe in Niederlaͤn - diſch uͤberſetzt zu haben. Tis my veel eers (ſpricht er) ſoo grooten Man nageſtamert te hebben, ende vel genoegens ſal’t my geven, ſoo mijn ſtout vordoen betere pen - nen aengemoedigt moge hebben om ons Land vvijder deelachtigh te maecken van ſo veel overzeeſche Koſtelikheden, als ick met ſchrick ende eerbiedigkeit ongeroert gelaten hebbe. Sehet hier ein trefliches Zeugniß / von einem ſo groſſen Mann / der dieſes John Donne ſeine Poetiſche Wercke / die er in ſeiner Jugend geſchrie - ben / (denn in ſeinem Maͤnnlichen Alter hat er als Decanus der S. Paulus Kirchen viel geiſtreicher Predigten hervorgege - ben) ſo hoch gehalten / daß er ſie des U - berſetzens wuͤrdig geachtet / der in ſeiner Sprache nicht allein / ſondern auch in der Lateiniſchen ſo viel herrlicher ſinnreicher Verſe geſchrieben / die dieſe ſelbſt uͤber - gehen. Wir findenaber auch allhie den Mangel allzu groſſer Kunſt und Wiſſen - ſchafft / der nicht an bequemen Ohrt an -ge -246Das IV. Cap. Von der Engellaͤndergebracht wird. Man hat ferner des Clevelands, Edmond Wallers, John Den - hams Engliſche Poëmata, welchen nichts an gutem Geiſt und Einfaͤllen gebricht / und andre mehr / daran unſer Cenſor nicht gedacht. George Herbert hat ſehr gute Geiſtliche Oden geſchrieben / auff welchen Abrah. Covvley eine trefliche Lobſchrifft gemacht / und dem der Cantzler Baco Ve - rulamius ſeine in Verſe uͤberſetzte Pſal - men Davids zu geſchrieben hat / welche ſelber von keinen gemeinen Geiſte ſeyn; und in den Engliſchen Schrifften die nach ſeinem Tode hervor gekommen zu finden. Was ihre Tragœdien anlanget / ſo urtheilet Rapinus, daß ſie vor allen an - dern Voͤlckern hiezu eine ſonderliche nei - gung haben / weil daß Gemuͤth dieſer Nation an Grauſamkeit eine ſonderliche Ergoͤtzung habe. Wodurch ſie zugleich gelobet und geſcholten worden. Der U - berſetzer leugnet dieſes nicht / aber die Uhrſache will ihm nicht anſtehen / uͤber - laͤſt ſolches den Tragœdienſchreibern zuun -247Poeterey. unterſuchen / ob der gemeine Trieb der Nation, oder ihre Eigenſinnigkeit veran - laſſen / daß ein ſolch Urtheil von der beſt - geſinnten Nation unter der Sonnen (es beliebt ſie ſolchen Lobſpruch ihnen ſelbſt bey zu legen) von Frembden gefaͤllet wer - de. In der Dramatiſchen Poëſie, ſagt er / hat die Welt nichts / daß mit den Engel - lāndern zu vergleichen. John Dryden ein gelehrter Edelmann / der ein Eßay of Dramatick Poëſie geſchrieben / hat ihm vorgenommen / von den Engliſchen Comœdien und Tragœdienſchreibern ſein Bedencken zu geben. Es laͤſt ſich aber ſo bald im Añfang mercken / daß die - jenigen die ietzo in Engelland ſchreiben / alle Italiaͤniſche / Frantzoͤſiſche / und Spaniſche Comœdienſchreibers uͤber - treffen. The Drama is vvholly ours ſpricht er: Wir eignen uns die Dramaticam Poëſin allein zu.

Hi ſapiunt ſoli: reliqui volitant velut umbræ.

Der Teutſchen wird nicht gedacht / alsq 4wann248Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderwann die kein Theil hieran haͤtten / oder ſolches Wercks unfaͤhig weren. Denn wie der ungeſchliffne Uberſetzer des Rapi - ni urtheilt The German ſtill continues rude and unpolisht, not yet filed and civilized by the commerce and intermixture vvith ſtrangers, to that ſmoothneß and huma - nity, vvhich the Engels may boaſt of. Ge - rade als wann alle Welt die Engellānder vor Lehrmeiſter erkennen muͤſſe / deren erleuchteter Verſtand allhie den unwiſſen - den unverſtaͤndigen groben Teutſchen als eine Idea vorgeſtellet wird / nach wel - cher ſie ſich zu richten. Ich hoffe ob Gott will noch einmahl die Gelegenheit zu ha - ben / nicht allein ihnen ſondeꝛn auch andeꝛn Nationen, die dergleichen Schnarcherey - en ūber die Teutſche machen / in einem ab - ſonderlichem Werck zu zeigen: daß die Verdienſte derſelben in allen Wiſſen - ſchafften groͤſſer ſein / als daß ſie von ih - nen koͤnnen erkant und vergolten wer - den: ja daß wir in vielen Kuͤnſten ihre Lehrmeiſter geweſen. Der Niederlaͤn -der249Poeterey. der wird gleichfalls mit keinem eintzigen Worte gedacht / da doch bekant / was bey ihnen nicht allein von gemeinen Ge - tichten / ſondern auch von Comœdien, Tragœdien, von Joſt van Vondeln, und andern verfertiget hervor gekommen / welche weder Frantzoſen und Italiaͤnern / geſchweige Engellaͤndern was nach zuge - ben haben. Thomas Spraat, deſſen wir dro - ben gedacht / von Sorbiere in ſeiner Rei - ſebeſchreibung von Engelland gereitzet / hat in den Anmerckungen uͤber dieſelbe gleichfalls behauptet / daß die Engliſchen Comœdien und Tragœdienſchreiber beſ - ſer als die Frantzoſen. Es hat mir vor andern die groſſe Beſcheidenheit des Ra - pini gefallen / daß / da er ſich als einen Cenſorem und Criticum angibt / welches Amt er in dieſer Kunſt mit guten Fug verwalten kan / (denn er ohne Streit einer von den groͤſten Poeten in Franck - reich iſt) ſo hat er doch mehr an ſeinen eigenen Landsleuten zu tadeln / als an al - len andern / worauß ſeine Auffrichtigkeitq 5zu250Das IV. Cap. Vpn der Engellaͤnderzu ſpuͤren / und daß er niemand zu ſchmei - cheln gemeinet. Von welchem ſolcher entfernet ſein muß / der ſich einer ſo groſſen Sache unternimt. Die Unpartheiligkeit muß bey einem Richter ſein / ſonſt ver - liehrt er den Nahmen. Es waͤre beſſer daß dieſe / die von den Engellaͤndern ge - ſchrieben / ſich nicht vor ihre Cenſores, ſondern Panegyriſtas außgegeben haͤtten / wie ſie in Warheit ſolche ſein / und diß Ampt mit aller erſinnlicher artlichkeit und Kunſt verrichten. Der John Dryden hat gar woll und gelahrt von der Dramaticâ Poeſi geſchrieben. Die Engellānder die er hierin anfuͤhrt ſein Shakeſpeare, Fletcher, Beaumont von welchen ich nichts geſehen habe. Ben. Johnſon hat gar viel geſchrieben / welcher meines erachtens kein geringes Lob ver - dienet. Er iſt in Griechiſchen und La - teiniſchen Autoribus woll beſchlagen ge - weſen. Die Außbildungen ſein kraͤfftig und lebhafft. John Dryden urtheilet / daß in ihm die Engliſche Sprache zurhoͤch -251Poeterey. hoͤchſten Vollkommenheit gebracht / und was nach ihm darin gethan iſt mehr uͤber - fluͤßig als nothwendig geweſen ſey: welcheꝛ ihn nach allen umſtaͤnden beſſer beſchꝛeibt / auch einige ſeiner Comœdien genauer un - terſuchet. I. Seldenus hat ihm in einē Latei - niſchen Carmine, ſo ſeinen Wercken vorge - ſetzt / ein ſonderlich Lob gegeben. Er hat alles woll unterſucht / ehe ers hervor ge - bracht / und bezeugt Dryden, daß er dem Beaumont alles unter die Haͤnde geſtel - let und ſeine Cenſur daruͤber gehen laſ - ſen. Antonius Wood in ſeinen Antiqui - tatibus Oxonienſibus lib. 2. p. 145 meldet daß er dem Johanni Hoskyns einem vor - treflichen Mann / der von ſeinen Lands - leuten uͤberauß hochgehalten / und von dem Ovveno mit vielen Epigrammatibus beehret / was er gemacht erſtlich vorge - wieſen. Ille Johnſoni ſtylum (ſpricht er) expolivit terſumque reddidit. Er hat a - ber ohne Reime mehrentheils geſchrie - ben / welches Dryden an ihm lobet / der darauß anlaß nimt wieder der Rei -me252Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderme Gebrauch viel zu reden. Dieſer Dryden hat auch einẽ andern Theil verheiſ - ſen / darin er von den Tugenden und Fehlern aller Engliſchen Poeten han - deln will / worunter jene den groͤſten Platz vielleicht beſtreitten werden. Von einigen / die wir bereits angefuͤhret / ur - theilet er alſo: Nothing ſo curtly as Sir John Suckling; nothing ſo even ſvveet and flovving, as Mr. Waller; nothing ſo maje - ſtique, ſo correct as Sir John Denham; nothing ſo elevated, ſo copious, and full of Spirit as Mr. Cowley. Es ſein noch viele andere / deren weder der Uberſetzer / noch dieſer Dryden erwehnet / die woll ver - dienet haben / daß ihrer gedacht werde. Worunter wir billig des John Miltons Poemata begreiffen. Dieſe ob ſie zwar in der erſten Jugend gemacht / ſo blickt doch der gute Geiſt hervor / und ſein ſie den beſten gleich geſchaͤtzt: Von ſeinem Poëmate Heroico The Paradis loſt, davon ſie gleichfalls Beyde ſchweigen / wollen wir im nachfolgenden handeln. Wirehren253Poeterey. ehren dieſe ſinnreiche Nation und halten ſie hoch und wehrt: Wuͤnſchen aber daß allen ihren Vollkommenheiten noch dieſe hinzu komme: Die Beſcheidenheit von ihnen ſelbſt und von andern Voͤlckern zu urtheilen.

Das V. Cap. Von der Niederlaͤnder Poeterey.

Einhalt. NIederlaͤndiſch iſt Teutſch. Hochteutſch ein neuer Dialectus. Becanus und Antonius Riccardi halten dïe Niederlaͤndiſche Sprache aͤlter als die Hebreiſche. Abraham Mylius hat von dem Alter der Sprache geſchrieben. Sie hat ſich von vielen ſeculis her wenig geaͤndert. Wel - ches Mylius mit Exempeln wieder Lipſium bewei - ſet. Hochteutſche Sprache wird von Merwede als eine Baͤuriſche verachtet. Seine Grobheit wird mit des Herrn Conſtantini Huigens Beſchei - denheit wiederlegt. Deſſen Lobſpruch von den Hochteuteutſchen. Alte Niederlaͤndiſche Lieder. Vondels Urthel davon. Reden-riikers. Einalt254Das III. Cap. Von der Niederlaͤnderalt in Reimen geſchriebenes Niederlaͤndiſch Chro - nicon. Douſa und Heinſius haben die erſte Zier - lichkeit in die Niederlaͤndiſche Poeterey gebracht. Heinſii Niederlaͤndiſche Gedichte von P. Scriverio heraußgegeben. Sein Lobſpruch hieruͤber. Jacob Catz hat eine liebliche Art / ſo woll im Niederlaͤndi - ſchen als im Lateiniſchen. Conſtantin Huigens Korenblomen. Seine Scharffſinnigkeit. Schau - ſpiele von Amſterdam. Joſt van Vondels Lob. Jan de Voß ein Glaͤſer / hat das trefliche Traur - ſpiel von Aran und Titus geſchrieben. Conſtantin Huigens und Caſpar Barlæus erheben ihn ſehr. Einige haben diß Trauerſpiel Barlæo ſelbſt zu ſchrei - ben wollen. Iſt aber nicht glaͤublich. Barlæus hat die Niederlaͤndiſche Poeterey verachtet: Selbſt aber die ſchoͤneſte Verſe geſchrieben. P. C. Hoofts Gedichte ſeyn hochtrabend. Einige ſchwuͤlſtige Art zu ſchreiben bey den Niederlaͤndern. Vondels Urtheil davon. Weſterbaan wird gelobet. Wie auch Henrichs Brunoos Mengelmoes. Johan van Dans Liebesgedichte. Matth. van Merwede. Jan van der Veen Adams Appel. Decker. Bodecher Banning. Daniel Jonctys. Anna Schurmans. Anna Teſſelſcha. Unterſchiedlicher Autorum zu - ſammen geſuchte Carmina. Zeeuſche Nachtegael Klioos Kraam. Apollos Harp. Einige Auctores werden erzehlt. Die Teutſchen ſolten dergleichen Arbeit ihnen angelegen ſein laſſen. Der Außlaͤn -der255Poeterey. der Parteiſche Urtheil von ihren und andern Poeten. Verdiers Urtheil von Ronſard. Des Cardinals Perrons gleiches Urthel. Alexander Taſſon haͤlt die Italiaͤniſche neue Poeten hoͤher als die alten. Deßgleichen thun auch andere.

DIe Poeterey der Niederlānder / von welcher wir itzo reden wollen / iſt von der Teutſchen nicht unter - ſchieden / ja ſie iſt ſelbſt Teutſch / und die Woͤrter dieſer Sprache / haben mehr von demalten Teutſchen / als irgend eine andere. Die Hochteutſche iſt gegen ſie ein gar neuer Dialectus. Das Uhralte Teutſche hat mit dem Niederlāndiſchen in vielen Stuͤcken eine zimliche Gleich - heit. Wir haben ſchon vorhin erweh - net / daß der Goropius Becanus und nach ihm Schrieckius ſie zur aͤlteſten Sprache machen / und andern allen vorziehen wollen. So meldet auch Ghilini in ſei - nen Theatro d huomini litterati von ei - nem Antonio Riccardi, der in Welſcher Sprache ein Buch geſchrieben / della pre - cedenza delle lingue, worinnen er be -haup -256Das IV. Cap. Von der Niederlaͤnderbehauptet / daß die Cimbriſche Sprache (wodurch Becanus die Niederlāndiſche verſtehet) ihres Alters und Vortreflich - keit halber der Hebreiſchen weit vor zu - ziehen. Dieſes Buch habe ich nie geſe - hen / nimt mich aber wunder / daß ein Italiāner eine ihm frembde Sprache als die Niederlāndiſche ſo genau durchſuchet haben ſolte / daß er ſolchen weit außſe - henden Satz zu behaupten ſich unterſtan - den haͤtte. Es wāre denn daß er von dem Becano ſeine meiſte Gruͤnde entliehen / welches ich ſchier glauben ſolte. Dieſes iſt ſonſt gewiß / daß ſie und andere Dia - lecti der Teutſchen / der Griechiſchen und Lateiniſchen billig vorzuziehen / und aͤlter als dieſelben ſeyn. Abrahamus My - lius hat in ſeinem Buch de Antiquitate linguæ Belgicæ inſonderheit cap. 28. dieſes klar genug dargethan: erweiſend / daß die Cimbri und Celtæ ſchon zu ihren mān - lichen Jahren gekommen / wie Griechen - land noch in der Wiegen gelegen: und daß / da die anderen Sprachen ſo groſſeVer -257Poeterey. Veraͤnderungen erlitten / die ihrige faſt ungeāndert geblieben. Er ſaget: Eſt mi - hi libellus Orationum in membranis ma - nuſcriptus, qui ex charactere & aliis indi - ciis apparet, eſſe antiquiſſimæ notæ. Sed ſermo in illis tam ſimilis hodierno noſtro Belgico, quam aqua, qua tunc Scaldis fluxit, ei, qua nunc fluit. Er fuͤhret auch etwas daraus an / imgleichen auch aus etzlichen Uhralten Diplomatibus die er in den Archivis gefunden. Er behauptet wieder den Lipſium daß das alte Nieder - lāndiſche / ſo derſelbe aus einem alten Pſalterio von Caroli M. Zeiten her in ei - nem Briefe an den Schottum herbey ge - bracht hat / daſſelbe ſey was heutiges Tages geredet wird. Er ſetzet auch den 19. Pſalm nebenſt der Lateiniſchen und neuen Niederlāndiſchen Uberſetzung da - hin / damit ein jeder die Gleichheit ſehen koͤnne. Nur iſt in einigen Endungen ein Unterſcheid / und ſind die alten Woͤrter gaͤntzlich nach der Conſtruction der Latei - niſchen verſion geſetzt. Iſt die Nieder - laͤndiſche Sprache nun zu Caroli M. Zei -rten258Das V. Cap. Von der Niederlaͤnderten ſo beſchaffen geweſen / ſo kan ſie etzli - che hundert Jahr vorher ſo geweſen ſeyn: weil ſie ja nicht zu der Zeit gebohren. Itzo iſt ſie zu der groͤſten Zierlichkeit gebracht / und je mehr und mehr in der Kunſt maͤſ - ſigen Richtigkeit außgeuͤbet / wie imglei - chen auch die Hochteutſche. Welche her - riſcher und anſehnlicher iſt / da jene lieb - licher und weicher. Iſt alſo eine ſchānd - liche Schmachrede / wann Matth. van der Meervvede, Heer van Clotvvik in der Vorrede ſeines ſo genandten Uyt-heem - ſen Oorlogs-ofte Roomſen Min-triomfen in dieſe liederliche Worte heraußbricht: De Franskens ſullen noch veel er d Hoogh - als de Nederduytſe Tael leeren, meenen - de dat in haer plompigheyd eenige aen - ſienlykheyd is gelegen. Hoevvel dat tuſ - ſchen ons Duyts ende het ander by na ſo grooten onderſcheyd is, als tuſſchen ’t Frans dat te Parys vverd geſproken, en dat de Boeren in Bretagne ſpreken. Diß Bāu - riſche Urthel von einem Edelmann gruͤn - det ſich nur bloß auff die Unwiſſenheit. Denn258[259]Poeterey. Denn wenn er die Eygenſchafft der Hochteutſchen Sprache recht verſtan - den / wuͤrde ihm vielleicht dergleichen un - bedachtſame Rede nicht entfallen ſeyn / der ſonſt im uͤbrigen einen guten Trieb zur Niederlaͤndiſchen Poeterey hat. Er ſolte ihm lieber vorſtellen / was der tref - liche Herr von Zulichem Conſtantin Hui - gens zu lobe der Hochteutſchen Nation an ſeine Niederlaͤnder geſchrieben / in der Vorrede der aus dem Hochteutſchen ins Niederlaͤndiſche von ihm uͤberſetzten Epigrammatum:

Heeftu des Hemels gunſt verheven tot den top
Van des Hooghmogentheit; vveſt niet hooghmoedigh op
Een hoog dat daelen kan: daer is land hoogh geboren
’t Welck hooge Titulen van ouds heer toebehooren
En dar de reden vvil dat ghy voer vviecken moet,
Gelyckhet laege dal voor hooge Bergen doet.

Auff ihre Poeterey zu kommen / ſo iſt wol auſſer Zweiffel / daß ſie viel alter Lieder gehabt / wie die Teutſchen. Jooſt van Vondeln in ſeiner Aenleidinge ter Neder - duitſche Dichtkunſte erwehnet noch der - ſelben. In oude Hollantſche liedern hoortr 2men260Das V. Cap. Von der Niederlaͤndermen noch een natuurlyke vrypoſtigheyt, vloeientheit, en bevallycken zvvier; maer het gebrak den eenvoudigen Hollander aen opmercking en oefening, om zyn geeſtig - heit, uit een natuurlyke ader vloeiende, krachtigh op te zetten, en te voltojen. Sie haben auch ihre Reymers und Re - denryckers gehabt / welche allerhand Schauſpiel dem Volck vorgeſtellet / wie noch heutiges Tages unter den Bauren auff ihren Kirchmeſſen oͤffentlich gehal - ten werden. Der erſte den ich zu nen - nen weiß iſt der Anonymus, welcher vor etwa vierthalb hundert Jahren ein Nie - deꝛlāndiſch Chronicon in Reymen geſchrie - ben / wor aus Jacobus Eyndius in ſeinem Chronico Zeelandico unterweilen etwas anfuͤhret. Jan van der Does, oder wie er ſich ſonſten nennet Johannes Doula, hat dieſe Hollandiſche Rymkronyke her - außgegeben / im Jahr 1670 mit ſeiner Poetiſchen Vorrede in Alexandriniſchen Verſen verſaſſet. Welche art zu Poe - tiſieren er am erſten in Niederland ſichge[-]261Poeterey. gebraucht. Aber ſie waren damahls noch etwas unvollkommen. Der An - fang des Hollāndiſchen Chronici lautet alſo:

Ouden Boeken hoor ie gevvagen,
Dat alt land beneden Nyemagen
Wilen Nederſaſſen hiet,
Alſo als die ſtroom verſchiet
Van der Maſen en van den Rine.
Die Shelt vvas dat Weſt ende Sine
Alſo als ſi valt in de Zee
Oeſt ſtrekende min no mee.

Es iſt wenig Kunſt hier in zu finden: die Sprache aber iſt von der[j]etzigen nicht gar viel unterſchieden. Die rechte zier - liche Tichterey hat ſich in dieſem Seculo erſt angefangen / und haben die Nieder - lānder den Italiaͤnern und Frantzoſen hierin gefolget. Douſa wird von H. Gro - tio in einem Carmine auff den Opitium, als von den erſten einer geſetzet: Aber ihn uͤbertrifft ſehr weit Daniel Heinſius, deſſen von P. Scriverio herauß gegebene Niederlaͤndiſche Getichte ſo lieblich / ſuͤß und flieſſend ſein / daß[ ihnen nichts][]kanr 3[ve]r -262Das V. Cap. Von der Niederlaͤnderverglichen werden: Welche ich den hoch - trabenden Wercken der folgenden weit vorziehe. Er verdienet billig den groſ - ſen Ruhm / den ihm P. Scriverius in ei - ner abſonderlichen Lobrede beylegt / da er ihn als den erſten Urheber der kuͤnſt - lichen Niederlāndiſchen Poeterey auß - rufft. Er ſpricht von demſelben alſo:

Dees heeft hy uyt het ſlyck gebeurt en opgenomen
Zyn vverck daer van gemaeckt niet ſlachtende delomen,
Daer Nederland van vvaecht, en die nu (maer t on -
recht)
DeReden-ryckers bend en Rymers ſyn geſecht,
Een Volck dat veeltydt is entbloot van alle reden,
Onmatich, onbeſuyſt, vvanſchapen, onbeſneden:
In rreur ſpels bly van ſin, en vveer onbillich gram.

Er vergleicht ferner daſelbſt ihre Spra - che mit der Frantzoͤſiſchen / jedoch daß er die ſeinige derſelben weit vorziehet / ſtraffet auch ſeine Landsleute / daß ſie nicht ehe darauff bedacht geweſen / wie ſie die Vollkommenheit der Poeterey in der ihrigen ſuchten / die andere Voͤlcker ſo zeitig in den ihrigen gefunden. Nechſt dem Heins iſt woll Jacob Catz zu -ſetzen /263Poeterey. ſetzen / der groſſe weitlaͤufftige Poetiſche Wercke geſchrieben / und in der Sitten - leere / durch allerhand Sinnenbilder / (die aber nicht die vollenkommenſten ſein) vorzuſtellen ſich bemuͤhet: Seine Tich - terey iſt zwar von der niedrigen Art / und mit Worten mehr als von noͤthen angefuͤllet. Sie iſt aber dennoch ſuͤß / lieblich und ſauber / ohne die geringſte Haͤrtigkeit / darunter bißweilen ein ſinn - reicher Einfall hervor leuchtet. Sein Zweg iſt der gemine Nutz in unterrich - tung des Volcks / dadurch er ſich alſo be - liebt gemacht / daß er von allen durchge - hend geleſen / und auch bey den Außlaͤn - dern ſehr beliebt geworden. Wenn er ſich in der all zu groſſen weitlaͤufftigkeit etwas gemāßiget / wuͤrde man daß mei - ſte an ihm zu loben haben. Seine Lateini - ſche die er hin und wieder mit untermen - get ſein den Niederlāndiſchen vorzuzie - hen / von uͤberaus groſſer Lieblichkeit / ungezwungen / ſauber / und faſt nach des Lotichii art / daruͤber ich mich offt -r 4mahln264Das V. Cap. Von der Niederlaͤndermahln ſehr ergetzet. Conſtantin Huigens der Herr von Zulichem, deſſen wir ſchon droben gedacht / hat hingegen in ſeinen Poetiſchen Wercken / welche unter dem Titul der Korenblomen neulich wieder hervor gegeben / faſt in allen Zeilen ſeine ſinnreiche Einfaͤlle. Man kan nicht ohne verwunderung die ſo reiche Fruchtbarkeit dieſes ſo hohen Verſtandes betrachten. Seine Zede-printen wie er ſie nennet / Characteres, ſein lauter Geiſt / und hat faſt ein jeglicher Verß etwas / daruͤber man nachzuſinnen hat. Seine Snelldicht oder Epigrammata ſein ſonderlich ſpitz / und hat er unter allen Landsleuten niemand / der jhm in der ſcharffſinnigen Redensart es nachgethan. Diß iſt aber zu verwun - dern / daß er dergleichen Verſe unter der Laſt der Staats-Geſchāffte / damit er - berhāufft geweſen / hat hervor bringen koͤnnen. Und iſt noch jetzund nicht bey ſo hohem Alter faſt von 90. Jahren / ſeine Feder ſtumpff geworden. Die Schau - ſpiele ſind bey jhnen zur Vollkommenheitge -265Poeterey. gebracht. Inſonderheit hat die Stadt Amſterdam ein groſſes daran gewandt. Da haben ſich in groſſer Menge ge - funden / welche umb den Preiß hierin geſtritten. Vor andern hat Joſt van Vondel ſich hierin hervor gethan / von deſſen Comœdien und Tragœdien gantze groſſe Tomi her auß gekommen / welcher auch des Virgilii Buͤcher in Veꝛſe uͤbeꝛſetzet. Es iſt unter andern ein Glaͤſer geweſen Nahmens Jan de Voſs, der das beruͤhmte Trauerſpiel von Aran und Titus gemacht. Gantz Holland hat ſich hieruͤber ver - wundert / denn es iſt eine ungemeine Er - findung und Außzierung die man von einem Handwercks-Mann nicht vermu - then geweſen. Conſtantin Huigens und Caſpar Barlæus haben es mit ihren Lobſpꝛuͤ - chen beehr et und ſchreibet dieſer ſehr aꝛtig.

Ik ſtae gelik bedvvelmt en overſtolpt van geeſt.
De Schoubourgh vvort verzet, en ſchoeyt op hooge[t]leeſt.
Ryſt Sophocles vveer op? ſtampt Æſchylus vveer hier?
Of maakt Euripides dit ongevvoon getier?
Neen; t is een Ambachts man, een ongelettert gaſt;
De nu de gantſche rey van Helicon verraſt.
r 5De266Das V. Cap. Von der Niederlaͤnder
De noyt gezeten heeft aen Grieks of Roomſche Diſch.
Wyſt nu de vveerelt aen, vvat dat een Treurſpel is.
Athenen las het Spel, en ſprack: ik ſchryf niet meer,
Die ons door glas verlicht, verduyſtert al ons eer.

Was koͤnte herrlichers zu dieſes Man - nes Lob geſaget werden? Es haben eini - ge gemuthmaſſet ob were Barlæus ſelber der Autor dieſer Tragœdien geweſen / und dieſem Jan de Voſs die Freyheit gege - ben / ſie als die ſeinige vorzuſtellen / damit er denen eins anmachte welche zu ſeiner Zeit die Niederlaͤndiſche Tichterey ſchier hoͤher hielten als die Lateiniſche / und ſie dadurch veranlaſſet wuͤrden / die Niederlaͤndiſche zu verachten / welche auch ſo gemein wuͤrde / daß nunmehr die Handwercker ihnen ihr Lob ſtreitig mach - ten. Ich kan hierin nicht woll urtheilen. Es iſt dieſe Tragœdie ſehr woll nach allen ihren Stuͤcken geſchrieben / und ſcheinet ein hoͤher Geiſt hierin zu ſeyn als in den andern Verſen dieſes Mannes / wie denn auch ohn dem die Eigenſchafft der Tragœdien etwas ſonderliches erfo - dert. Wenn ich aber ſeine andere Verſebe -267Poeterey. betrachte und neben dieſe halte / ſo ſind ſie doch auch nach ihrer arth ſehr wol ge - ſchrieben / daß ich nicht ſehe wie man die - ſes ihm auffbuͤrden koͤnne / es were denn daß Barlæus ſie alleſampt gemacht hātte / welches nicht glāublich. Sonſten hat er die Niederlāndiſche Poeterey verach - tet / wiewoll er ſelbſt zierlicher darin ge - ſchrieben / als faſt alle andere. Man findet im andern Buch ſeiner Elegien eine an Jacob van der Burch und Johann Bro - ſterhuyſen, worin er ſie von der Nieder - laͤndiſchen Poeterey abmahnet und zur Lateiniſchen anfriſchet: Dieſe iſt ſehr woll geſchrieben / worin unter andern dieſe Verſe zu finden:

Non decet indoctam vatum ſapientia turbam,
Et nimium veſtro vulgus ab ore ſapit.
Cernitis ut viles ſcandant Helicona Puellæ,
Fœmineumque riget Caſtalis unda chorum?
Scribite fœmineis ali quid ſublimius auſis:
Pangite quod virgo non queat ulla, melos.

P. C. Hooft, Ritter von S. Michaelis, Droſt von Muyden und Baljovv von Goeiland hat nicht allein Trauer ſpiele / ſondern auchan -268Das V. Cap. Von der Niederlaͤnderandere Getichte geſchrieben / welche eine hochtrabende arth haben / viele ſonderli - che geſuchte und zuſammen geſetzte Woͤr - ter. Wie denn in ſeinen Hollandiſchen Geſchichten / die er deſchrieben / derglei - chen ungewoͤhnliche und faſt nach Taciti art eingerichtete Rede ſich findet. Weß - halben ſeine eigene Landsleute etwas an ihm zu tadeln finden. Und hat er einige Nachfolger gehabt / welche / da ſie an Urtheil und Verſtande ihm nicht gleich thaten / viel unzulāßige Neuerun - gen in der Rede angefangen. Auff die - ſe / wie es ſcheinet / hat Vondel gezieh - let / wann er in ſeiner Aenleidinge ſpricht: d Alleroutſte en beſte Poëten zyn de na - tuurlyckſte en eenvoudighſte. De nako - melingen, om hem voorby te rennen, vielen uit eerzucht of aen het ſnorcken en poffen of verniſſen en blanketten. Dat behaeghde in het eerſt, gelyck vvat nieuvvs, den min verſtandingen, en klonk den ni - eusgierigen, gelyck een donderſlagh, in d[ ']ooren; doch het vervvonderen duurdeeen269Poeterey. een korte vvyl, en de vvackerſte oogen zagen hier door; en d outſten tegens de jonger vvercken in de Schale van een be - zadight oordel opgevvogen, vielen de leeſten te licht, en d outſten behielden den verdienden prys. Es muß des Herrn Henric. Weſterbaens Herrn von Brandevvyck eines gelehrten Edelmanns nicht vergeſſen werden; deſſen Hollan - diſche Getichte ſonderlich zu loben / we - gen ihrer rennlichkeit und nicht gemei - nen Erfindung. : inſonderheit ſein Ockenburg und ſeine Nootzakelik mall, welche voller artigen Einfālle ſeyn / und von ſeinen vornehmſten Landsleuten hochgeprieſen werden / auch ſeine Lateini - ſche / die er untermiſcht / ſein woll geſchrie - ben. Henric Brunoos ſo genanntes Men - gelmoeſs iſt voller luſtigen Einfaͤlle / ſo woll in Niederlaͤndiſcher als Lateiniſcher Poeſey: denn er hat beydes zuſammen gemiſchet. Ich habe niemand geſehen / der in feſtivo genere es ihm gleich gethan. Johan Adolph Dans hat Liebesgedichtege270Das V. Cap. Von der Niederlaͤndergeſchrieben von unglāublicher Suͤßlg - keit. Der Herr von Meervvede, deſſen wir droben gedacht / gehet hierin etwas zu weit; und ob er zwar durch die Italiaͤ - niſche Uberſchrifften ſeine allzufreye Ein - faͤlle vertunckeln will / ſo ſtehn ſie doch gnug zu Tage. Was er hierin verſehen / hat er nachgehends mit ſeinen Geeſtely - ken Minne-vlammen verbeſſern wollen. Jann van der Veen in ſeinem ſo genand - ten Adams Appel iſt voll von Schertzen und Luſtigkeiten / die nicht unangenehm ſeyn / ob ſie gleich etwas gemeines bey ſich fuͤhren. Denn es iſt alles unge - zwungen aus ſeiner Feder gefloſſen. Decker der von dem Lobe der Geldſucht und andere Gedichte geſchrieben / ver - dienet auch billig ſein Lob. Bodicher Banning in jeinen Leydiſchen Oorloffsda - gen hat allerhand Gedichte welche die Mittelbahn halten. Daniel Jonctys hat nur wenig geſchrieben / mehrentheils Lie - besgedichte; Sie ſeyn aber angenehm und von zarten weſen. Seine RoſelinsOogi -229[271]Poeterey. Oogies ſeyn mit allen erdencklichen Far - ben angeſtrichen. Seine hedensdaeghſe Venus en Minerva, ein Geſprāch zwiſchen denſelben / ſtellet die Luſtigkeiten und Verdrießlichkeiten der liebenden und ſtu - dirende vor / und iſt woll außgezieret. Man hat auch bey ihnen einige Jung - frauen gehabt / die ein ſchoͤnes ſo woll Lateiniſches als Niederlaͤndiſches Gedicht geſchrieben: als die Anna Schurmans, auff welche noch der Herr Huigens ein Lateiniſches trefliches Carmen geſchrie - ben; darin er ſie ermahnet von dem La - badie abzuſtehen: und die Anna Teſſel - ſcha, deren verlohrnes Auge mit einem weitlāufftigen Niederlaͤndiſchen Gedichte Oogentrooſt genandt / derſelbe Herr Huigens beehret / welcher auch Barlæus viel zu ehren geſchrieben. Es ſeind auch bey ihnen viel außerleſene Carmina von den beſten Auctoribus und deren inſon - derheit / die ſonſt wenig geſchrieben / in abſonderlichen Buͤchern verſamlet / wor - unter meinem Beduͤncken nach das beſteiſt272Das V. Cap. Von der Niederlaͤnderiſt / de zeeuſche Nachtegael., worin der Seelaͤndiſchen Poeten Carmina enthal - ten. Es ſeyn hier Geiſtliche / Weltliche / Ernſthafftige / Luſtige untereinander vermiſchet / auch viele Bauren-kurtzweil / als die Eyerklacht eines Bauren Klag uͤber einen zerbrochenen Eyer-Korb und andere mehr / welche alle mit Luſt zu leſen. Ferner iſt Klioos Kraam in zwey - en Theilen herauß gegeben / Apollos Haarp, und andre mehr. Die darin enthaltene Gedichte ſeyn theils von Ano - nymis und unbekandten / theils von den bekandten und die gantze Wercke her auß - gegeben / gemacht. Man findet darinnen Gedichte von Anslo, van der Burgh, Brandt, Bremer, Camphuyſen, P. de Groot, Paſ - ſchier de Foine, I. Rivius, M. van de Heu - vel, F. Martinius, J. Schryver, F. Schnel - linx, Traudenius, R. Tel, Wittenoom, Abbes Gabbema, Aſſellyn, Caſpar von Baerle, Boogard, Brunsveld, Dullaart, Galama, Geeſtdorp, van Griethuyſen, Hu - go de Groot, Jacobs, Jonctys, Klinge,Ni -273Poeterey. Nicolaus Oudan, Reael, Rintius, Sanderꝰ, Six, Victorin, Wibinga, J. de Brune, Alida Bruno, J. van Daale, P. Dubbels, J. van Duisberg, Maria van Haeſtrecht, W. van Heemskerck, Sibylla van Jongſtal., J. Leschaille, J. Opper - veld, Paffenrode, (der eine ungemeine Ey - genſchafft hat / die Liebes-Schertze mit dop - peldeutigẽ Worten zufaſſen /) Carl Prince, Catharina Zveſtiers, D. Zveſtiers, W. Schel - lincks, Vollenhofe, Waterloes, Jan Zoet, H. Zvveerds. Dieſe Veꝛſamlungen ſeind zu loben / denn es werden die beſten Carmina außgeſucht uñ inſonderheit die wenige / die kein vollſtaͤndig Werck an ſich ſelbſt ma - chen koͤnnen / oder ſonſten verlohren gin - gen. Dieſes moͤchte man mit den Teutſchen auch alſo machen: denn es werden offt - mahls von feinen Ingeniis dergleichen ge - ſchrieben / die woll werth daß ſie bey be - halten wuͤrden. Ich wolte deren allein aus meiner wenigen Bibliothec ein groſ - ſes volſtaͤndiges Buch liefern.

Wir haben bißhero von den Außlaͤndi - ſchen Poeten geredet / die nicht alleinSun -274Das V. Cap. Vonder Niederlaͤnderunter ſich / ſondern auch mit andern Voͤl - ckern des Vorzugs halber ſtreiten. Die meiſten ſprechen ihren Landsleuten zu ge - fallen / und urtheilen nach ihrer Zunei - gung. Unter den Frantzoſen wird Ron - ſardus von dem Verdiero in ſeiner Cenſio - ne Autorum allen andern vorgezogen; denn er ſagt: Ronſardus eorum, qui qua - vis ætate aut linguâ ſcripſerunt, omnium laudes unus promeruit. Er zuͤrnet mit dem Muteto, daß er in den Anmerckungen uͤber ihn einige Oerther angezeichnet / die er aus den Italiaͤniſchen Poeten genom - men haben ſoll / da ſie doch beyde aus den Griechiſchen und Lateiniſchen als gemei - nen Brunquellen geſchoͤpffet. Es wāre des Verdiers Urthel nicht groß zu achten; aber der gelehrte Cardinal Perronius iſt ſelbſt in der Meinung / denn in den Ex - cerptis, die die fratres Puteani von ihm auff - gezeichnet / ſeyn dieſe Worte außdruͤcklich zu finden p. 284. Ronſard eſtoit l homme, qui avoit le plus beau genie, que Poete ait iamais eu, ie dis de Virgile & d Ho -me -275Poeterey. mere. Er zeucht ihn allen andern Poe - ten vor / und hālt ihn vor ein Wunder - werck ſeiner Zeiten / wie weiters daſelbſt kan nachgeleſen werden. Was die Ita - liaͤner aulanget / ſo ſtellet Alexander Taſ - ſon in ſeinen Penſieri diverſi lib. X. c. 14. eine Vergleichung zwiſchen den Griechi - ſchen / Lateiniſchen und den neuen Po - eten an / und ſcheuet ſich nicht dieſe jenen vorzuziehen. Arioſtus und Taſſus ſein ihm due ſourani lumi della lingua e dell età noſtra, illuſtri e glorioſi ſopra tutti gli antichi. In den Hirten-Getich - ten / poëſi Lyrica, haͤlt er ſeine Landsleute vor unvergleichlich / denen alle andere weichen muͤſſen. Unter den Spaniern / Engellaͤndern und Niederlaͤndern fin - den ſich gleichfalls / die die Ihrige den an - dern vorziehen / davon wir droben mit mehren gehandelt. Es gehet hierin nach dem gemeinen Sprichwort / daß man ſeinen eignen Rauch hoͤher halte / als ein frembdes Feur. Und muß man ſich verwundern / wie offtmahls nichtS 2nur276Das VI. Cap. Von der Teutſchennur verſchiedener ſondern derſelben Leute Urtheil wieder einander lauffen.

Das VI. Cap. Von der Teutſchen Poete - rey / und zwar von der erſten Zeit.

Einhalt. DRey Zeiten der Tentſchen Poeterey. Carolus Ortlob ſetzet fuͤnff. Die Uhralte Zeit beſte - het in den Carminibus, deren Tacitus ge - dacht. Dieſe alten Carmina machet Olaus Rudbeck den Teutſchen ſtreitig / und ſchreibet ſie den Schwe - den zu. Aber ohne Grund. Beantwortung ſei - ner angefuͤhrten Uhrſachen. Die Poëſis iſt die aͤl - teſte bey allen Voͤlckern / und dienet an ſtaat der Hiſtorien. Caſtelvetro und Taſsi Meinung hie - von. Wird mit Exempeln erwieſen. Iſt alſo auch bey den Teutſchen geweſen. Weil dieſe Carmina nicht koͤnnen vorgezeigt werden / folget nicht daß ſie nicht geweſen. Die vielfaͤltigen Kriege und der Teutſchen Nachlaͤßigkeit iſt Uhrſach an den Unter - gang der alten Lieder. Man hat uͤber des Taciti Zeugniß noch einige alte Nachrichte davon. Jo - annis Aventini und Chriſtian Hoffmans Zeugniſſen. Hunibaldus. Albertus Krantzius haben ſich ſol -cher277Poeterey erſte Zeit. cher Verſe bedienet. Einige art Schranckverſe / ſo vor alters bey den Schweden gebraͤuchlich geweſen / welche Olaus Rudbeck vor die alte dem Tacito er - wehnte Carmina haͤlt. Dieſes wird in zweiffel ge - zogen. Dann es ſcheinen dieſe Carmina nicht ſo gar alt zu ſein. Verſetzung der Woͤrter eine anzeige der Kunſt und Neuerung vielmehr / als des Alter - thums. Auß dem Wort Barditu welches Tacitus von der Teutſchen Kriegesliedern gebraucht / und Herr Rudbeck aus dem Schwediſchen ableitet / will er behaupten / daß es Schwediſche Lieder geweſen. Iſt kein richtiger Schluß. Kiempe Wyſar bey den Dānen. Bardi bey den Teutſchen. Barritus Baren gebaeren. Die Heldenlieder der Teutſchen ſcheinen vor Taciti Zeiten geſchrieben zu ſein. Melchioris Goldaſti Meinung davon. Meiſtergeſaͤnge und Meiſterſaͤnger ob ſie hievon den Urſprung haben. Al - te Carmina eine gute Nachricht in den Hiſtorien. I. Palmerius de Grentemesnil hat die alten Frantzoͤ - ſiſchen und andrer Nationen Lieder hoch gehalten.

YUn kommen wir endlich zu den Teutſchen / von deren Poeterey wir ietzo handeln wollen. Es muͤſſen aber hierin die Zeiten unterſchie - den werden / nemblich die Uhralte / deren Tacitus gedencket / die Mittele / die vonS 3Ca -278Das VI. Cap. Von der TeutſchenCarolo den Groſſem her zufuͤhꝛen / und die neueſte / die in dieſem ſeculo erſtlich ange - gangen. Carolus Ortlob / welcher de variis Germanicæ Poëſeos ætatibus eine Diſſer - tation geſchrieben / ſetzet fuͤnff Zeiten. Die erſte nennet er die Kindheit / dahin er die alten Carmina bringet / deren Ta - citus gedencket. Die andere die Jugend / welche er von Caroli M. Zeit herfuͤhret. Die dritte / als das mānnliche Alter ſetzet er unter des Barbaroſſæ und Henrici VI. Regierung. Die vierdte das Alter der - ſelben / wird nach des Friderici II. Zeit von ihm geſetzet. Die fuͤnffte als die Wiedergebuhrt derſelben nennet er die / welche in dieſem ſeculo von Herrn Opi - tio angefangen. Wir wollen aber in den dreyen Zeiten alles faſſen.

Was nun die Uhralte Zeit anlan - get / ſo haben wir deren keine Nachricht als welche wir beym Tacito finden. Deſ - ſelben Worte lauten alſo: Celebrant carminibus antiquis (quod unum apud illos memoriæ & annalium genus eſt (Tui -ſto -279Poeterey erſten Zeit. ſtonem Deum terrâ editum, & filium Man - num, originem gentis conditoresque. Die - ſes hat niemand in zweiffel gezogen / und ſtehet es ja ſo klar alhie / daß man deß - halben nicht noͤthig hat die geringſte Grubeley zu machen. Aber es hat den - noch neulich den Teutſchen der Herr Olaus Rudbeckius diß ſtreitig gemacht in ſeiner Atlantica cap. 24. l. 4. und darthun wollen / daß ſolches von keiner andern als der Schwediſchen Nation verſtanden werden koͤnne. Ich ehre dieſes vorneh - men Mannes hohen Verſtand: Aber hierin kan ich ihm keinen Beyfall geben. Dann bey ſeite geſetzet / was er von der Teutſchen herſtammung aus Schwe - den weitlaͤufftig darthun wollen / (da - von auff eine andere Zeit kan geredet werden) ſo iſt dieſes doch handgreiflich wieder des Taciti und aller / die den Ta - citum leſen und verſtehen konnen / Mei - nung: daß es alſo von keinen andeꝛn Teut - ſchen als mit welchen die Roͤmer damahls zu thun hatten kan verſtanden werden. S 4Denn280Das VI. Cap. Von der TentſchenDenn daß er dieſelbe verſtehe / erhellet ja auß ſeinem andern Buch der Annalium, da er von dem Arminio ſaget: Canitur adhuc apud barbaras gentes Græcorum annalibus ignotus, qui ſua tantùm miran - tur. Nun iſt ja bekandt daß die Cheruſci und die benachbahrte warhafftig Teutſche Voͤlcker ſeyn / davon Tacitus dieſes ſaget. Denn wer ſolte ſolche Lieder anders ge - macht haben als dieſe uͤber die der Armi - nius geherrſchet / und denen ſeine Tugend bekant. Haben ſie nun dieſe von Armi - nio gemacht / warumb ſolten ihre Vor - fahren nicht dergleichen gethan haben? Seine Gruͤnde ſein dieſe / daß bey den Schweden dergleichen viele Carmi - na zu finden / da doch in Teutſchland man nichts zum Vorſchein bringen koͤnne. Hierauff zu antworten / ſo iſt zu wiſſen / daß nicht nur bey den Schweden / ſon - dern bey allen andern Voͤlckern / die noch ſo weit nicht gekommen / daß ſie ih - res Landes Hiſtorien beſchreiben / dieſer Gebrauch ſey / den ſie faſt die Naturleh -281Poeterey erſte Zeit. lehret / daß ſie ihrer alten Helden Lob mit Liedern preiſen und ihr Andencken dadurch erhalten. Man hat ſolches bey den wilden Americanern ſelbſt gefunden / wie ſolches in den Reiſebeſchreibungen angezeichnet iſt / und einer aus ihrer Na - tion Ynca Garçillaſſo de la Vega in ſeiner Peruvianiſchen Hiſtorien ſelbſt bezeuget. Der gelehrte Caſtelvetro erwehnet in ſei - nen Anmerckungen uͤber des Ariſtotelis Poëtica dieſe Frage: Ob die Poeterey den Hiſtorien vorgehe / und ſpricht vor die Hiſtoria das Wort. Torquatus Taſ - ſus hingegen am ende des erſten Buchs de poëmate Heroico ſchlichtet dieſen Streit alſo: daß zwar die Hiſtoria der Poete - rey der natuͤrlichen Ordnung nach vor - gehe: dieſe aber ālter ſey als jene: wel - chem auch Auguſtinus Maſcardus in ſeinem Buch dell arte Hiſtorica trattat. 5. cap. 4. particell. 1. und aller Voͤlcker Exempel beypflichten. So hat man bey den Grie - chen von alters her keine andere Hiſtori - enſchreiber als ihre Poeten und SaͤngerS 5ge -282Das VI. Cap. Von der Teutſchengehabt. Bey den Roͤmern iſt vor des Appii Cæei ſeiner Zeit nichts in ungebun - dener Rede geſchrieben. Von den Chi - nenſen ſchreibt es auch Trigautius und Martinus Martinii: denn wann noch keine Schrifft iſt / dadurch man dem Gedaͤcht - niß zu huͤlffe komt / ſo erheiſcht die Noht - wendigkeit / daß man ſolches in Verſen verfaſſe. Wie mans auch mit den Ge - ſetzen alſo gehalten / von welchen noch der Nahme Νόμο〈…〉〈…〉 in der Poëſie geblie - ben. Wie ſolten dann nun die Teutſchen nicht faͤhig geweſen ſeyn ſolche Lieder zu machen? Daß er ferner vorgibt es koͤn - nen die Teutſchen ſolche nicht vorzei - gen / ſo beweiſet dieſes nichts; und iſt das Gegentheil war. Es beweiſet dieſes nichts: denn da ſo viel tauſend andere Buͤcher zu grunde gegangen / da Teutſchland durch ſo viele Kriege verheeret worden / da die Nachlaͤßigkeit letzter Zeiten dieſe alte Lieder geringſchaͤtzig gehalten / da ſie anfānglich nicht auffgeſchrieben. Wie ſolte es nicht moͤglich ſein / daß ſie verge -hen283Poeterey erſten Zeit. hen koͤnten? Daß ſie da geweſen / bezeuget Tacitus ein glaubwuͤꝛdiger Hiſtoꝛienſchꝛei - ber. Das Gegentheil erhellet hier auß: dann es ſchreibet Eginhartus in vitâ Ca - roli Magni von ihm: Barbara & antiquiſ - ſima carmina, quibus veterum Regum a - ctus & bella cantantur ſcripſit memoriæ - que mandavit. Dieſes ſein ohn zweiffel derjenigen etliche geweſen / deren Tacitus gedencket. Wo ſein dieſe aber nun zu finden? Joannes Aventinus der ſonſt al - le Bibliothecas, und Archiva durch ge - krochen / hat in dem erſten Buch ſei - ner Germaniæ illuſtratæ die er verheiſſen / und deren Einhalt Geſnerus erzehlet / handeln wollen de carminibus antiquis quibus Cornelius Tacitus uſus eſt, & quæ Carolus M. auxit, recentiores corrupere. Aber es iſt von ihm nicht anders als ſeine annales Bojorum hervor gekommen / und verſichert Geſnerus daß nichts mehr von ihm verhanden. In dem Lateiniſchen findet ſich von ihnen nichts hauptſaͤch - lichs / nur daß er von dem Tuiſcone die -ſes284Das VI. Cap. Von der Teutſchenſes erwehnet / daß er die Buchſtaben er - funden / quod jura dederit, leges tulerit, carminibusque complexus fuerit, quæ pu - blice & privatim cantarent. Er meldet a - ber nicht / woher er dieſe Nachricht ha - be / er zeuget auch / daß von den alten Carminibus noch einige in den Bibliothe - cis verhanden. Denn ſo ſpricht er lib. 1. p. 15. n. 40. Ingeramum & Adalogerionem more majorum antiquis proavi celebra - runt Carminibus, quæ in Bibliothecis ex - ſtant. In der Teutſchen Hiſtorie / die nach der Lateiniſchen herauß gegeben / und inſonderheit deſſen erſtem Buch wel - ches er ſelbſt ſehr vermehret / meldet er / daß er zu Regensburg in S. Hay - merans Kloſter / gute alte Lateini - ſche Verſe gefunden / darinnen et - licher alter Koͤnige und Helden Thaten beſchrieben worden / die aus Befehl Rayſer Carol des Groſ - ſen von den alten Teutſchen Tich - tern ins Latein gebracht. Aus den - ſelben fuͤhret er einige merckwuͤrdige dingean /285Poeterey erſt[e]Zeit. an / und iſt vermuthlich / daß ſolche aus den alten Teutſchen Liedern zuſammen getragen worden. In derſelben teut - ſchen Hiſtorie meldet er auch / daß wie der Koͤnig Tuiſco zu anreitzung der Nachkommen die Gutthaten der Frommen mit Liedern zu eh - ren befohlen / haͤtte Koͤnig Laber ge - boten / daß man auch von denen die Ubels thaͤten / damit ſie ſich ſchaͤme - ten und beſſerten / Lieder machete / dieſelbige bey Nachte offentlich auff den Gaſſen für den Haͤuſern ſuͤnge / wenn man das Licht ange - zuͤndet hatte / darum man auch ſol - che Geſanglichter genennet. Sein alſo dieſe gleichſahm Satyren und zu ver - beſſerung der Sitten angeſehen geweſen. Iſt ſchier eine ſolche Gewohnheit / wie bey den alten Aegyptern / bey welchen jemand tāglich des Koͤnigs Tugenden heraußſtreichen / und ſeyn Verſehen ent - ſchuͤldigen muͤſſen. Damit er zu den Tu - genden angefriſcht / und von Laſtern ab -ge -286Das VI. Cap. Von der Teutſchengehalten wuͤrde. In der Teutſchen Hi - ſtoria des Aventini ſein noch verſchiede - ne Oerter / woſelbſt er der alten Teut - ſchen Lieder gedencket / die in der Latei - niſchen nicht zu finden. Als da er von dem Hercules handelt lib. 1. p. 27. a. ſpricht er: Solches iſt viel in unſern al - ten Teutſchen Reymen / ſo der al - ten Teutſchen Chronica ſein / ange - zeiget. und p. 33. b. ſpricht er von dem alten Danheuſer. Von dem alten Danheuſer und ſeiner Reiſe / ſingen und ſagen noch viel unſere Teut - ſchen / man heiſt noch die alten Meiſtergeſaͤng von ihm Sprich - wortsweiß / der alte Danhaͤuſer. Er gedencket ferner daſelbſt einige / die aus dieſen Hiſtorien Romainen gemacht / und Liebesſachen mit darunter ge - menget / dadurch die Hiſtorien ver - faͤlſchet worden. Ferner p. 64. a. be - rufft er ſich auff die alte Teutſche Lieder von den Landhelden gemacht. P. 67. a. imgleichen P. 69. a. gedencketer einigeꝛ altẽReime287Poeterey erſten Zeit. Reime die von dem alten Teutſchen War - ſager Meiſter Alber lang vor Chriſti gebuhrt gemacht / von welchen noch thoͤ - richte Leute albern genant werden. P. 93. a. findet ſich dieſes: zu Regensburg in des Thumſtiffts Buchkammer / iſt gar ein alt Buch auff Pergamen in Lateiniſcher Sprache woll be - ſchrieben / von dem alten loͤblichen herkommen der Bayern / das ſagt daß die Bayern allein Alexander un - ter allen im Niedergang der Son - nen Nationen abgeſagt haben. Man hat ſolches bey den Alten geſagt und geſungen. Sehen wir alſo hier - auß daß auch dieſes alte Buch ſich auff die alte Carmina beruffe. P. 110. b. da er von dem Teutſchen und Bayriſchen Koͤ - nig Dieth handelt / berufft er ſich auff die alten Teutſchen Bayriſche Reymen und Chronicken. Es moͤgen noch wol einige andere Oehrter mehr daſelbſt verhanden ſein / die ich nicht angemerckt. In dem 4. Buche ſeiner Teutſchen Hiſtoriap. 289.288Das VI. Cap. Von der Teutſchenp. 289. b. redet er von den Carminibus die Carolus M. zuſammen tragen laſſen; aber er bedauret daß der meiſte Theil davon verlohren und hernach durch etliche ge - fālſchet worden: Denn es iſt den Alten nicht anders ergangen / als den Neuen / die von frembder Feder ſehr verdorben und unzeitlich verneuert ſein. Es geſte - het auch Albertus Crantizus, daß er zu behuff ſeiner Hiſtoria die alten Carmina gebraucht habe. Hunibaldus der von den Francken eine Hiſtoria geſchrieben / hat aus den alten Carminibus auch das meiſte zuſammen getragen wie Trithemius von ihm bezeuget / der gar viel auff ihn hālt / und aus einigen ſeinen Buͤchern einen Außzug gemacht. Er ſpricht: Ex Car - minibus & ſcriptis Flaminum ſuæ gentis con - tinuavit Waſthali hiſtoriam Ich weiß wol daß Voſſius und viele andere dieſen Autorem verwerffen / aber es kan doch wol wahr ſein / daß er aus den Carminibus, worinnen viel ertichtes we - ſens mit unterlaͤufft / ſeine Hiſtorien zu -ſam -289Poeterey erſten Zeit. ſammen getragen. Dazu iſt man noch nicht ſo gar aus den Roͤmern und an - dern Hiſtoricis, was uns Teutſche ange - het / der Warheit verſichert. Es kan dennoch unter dieſem Fabelhafftem We - ſen woll etwas wahres mit unterſpielen / das nun ſo leicht nicht von einander ge - ſchieden werden kan. Chriſtian Hoff - mann von Hoffmanns-Waldau / da er in der Vorrede ſeiner Gedichte von die - ſen alten Geſāngen redet / ſchreibet er hievon mercklich alſo: ſolche Geſaͤn - ge ſein nachmahls je mehr und mehr im Lauft kommen / und ha - ben viele bey der damahls zimlich harten und rauhen Sprache nicht uͤble Gedancken gefuͤhret / wie noch in vielen Kloͤſter Bibliotheken / als zu S. Gall / zu Eichſtatt / zu S. Eme - ran in Regensburg / und vielen an - deren Orten mehr dergleichen auff Pergament zu finden iſt. Es iſt traun unverantwortlich / daß man dergleichen Alterthuͤme ſo gartim290Das VI. Cap. Von der Teutſchenim finſtern ſtecken laͤſt / und ſie nicht zur Ehre der Teutſchen Nation hervor gege - ben werden / dahero es denn kommt / daß die Außlaͤnder unſere Nachlāßigkeit zu ihrem Vortheil gebrauchen / und auch die allerdeutlichſten Beweißthuͤmer ſtreitig machen wollen. Waͤre bey uns ein ſolcher Fleiß / ſolche dinge hervor zu ſuchen / der itzo bey den Schwe - den iſt / welches an ihnen zu loben / die faſt alle Winckel ihres Landes durchſu - chen / um etwas von ihren antiquitaͤten zu finden / wir wuͤrden auch das unſri - ge zeigen koͤnnen. Man findet hergegen bey den unſrigen wol ſo unartige Leute / die die alten Schrifften lieber die Mot - ten und Maͤuſe verzehren laſſen / als daß ſie jemand ihre Archiven und Bibliotheken durchſehe[n]laſſen / wie denn Aventinus ſehr daruͤber kla - get. Hingegen in Schweden iſt ein ei - gen Collegium antiquitatum von den ge - lehrteſten Leuten angeſtellet / die hier in -[n]en allen muͤglichſten Fleiß anwenden. Es291Poeterey erſten Zeit. Es ſetzet der Herr Rudbeck aus des Taub - manni Vorrede in Culicem Virgilianum, was er daſelbſt von etlichen Gedichten / die zu Friderici Barbaroſſæ Zeiten geſchrie - ben / herbey bringet / ad levandam Germa - norum (wie er ſaget) ſummam in his rebus inopiam, die er doch als neue verwirfft / und welche mit den Schwediſchen nicht zu vergleichen. Setzet ſo fort darauff: Verum enim vero noſtra ipſorum ſponte largiemur eis poëma multo antiquius ſecu - lorum nempe octo ex Ottfridi Evangeliis. Als wenn den Teutſchen dieſes ſo unbe - kandt / und niemand ſolches vorhin ge - ſehen / nun aber erſtlich von einem Auß - laͤnder deſthalben Bericht empfangen muͤſten. Auß dieſem angefuͤhrten er - ſcheinet / daß dennoch ſo gar nicht das Gedaͤchtniß der alten Teutſchen Geſaͤn - ge verloſchen / wie Herr Rudbeck ſol - ches behaupten will / als wann ihm al - le und jede heimlichkeiten der Teutſchen Archiven klar vor Augen legen Denn er ſpricht: Germanis Carmina, Tacito met 2mo -292Das VI. Cap. Von der Teutſcheumorata, prorſus deſunt, quorum aliquot centurias ex monumentis noſtris, ſi ita uſus exiget, eruemus; talium vero carminum, qualia in lucem protulerunt Ottofredus, & Taubmannus, daturi erimus myriadas. Wir laſſen dahin geſtellet ſein / was von dergleichen antiquitaͤten in Schweden verhanden / wir meinen aber / es ſolte gleichfalls keine geringer anzahl bey uns hervorkommen / wenn man alles auffs genauſte ſuchen wolte. Zu dem wuͤrde es wegen des eigentlichen alters noch viel zu eroͤrtern geben. Er ziehet an offt er - wehntem Orthe aus des Herrn Verelii Anmerckung in Hervara Saga ein Carmen an / welches er ſehr alt haͤlt aus dieſer Uhrſachen / weilen die Woͤrter ſo ſehr verworffen / und der Verſtand verſtecket / und dergleichen ſaget er ſein die Carmina geweſen / deꝛen Tacitus gedencket / in quibus inter vetuſtatis ſigna, wie er ſpricht / non poſtremum locum obtinuit ænigmatica illa vocum trajectio, qua vetuſtiſſimorum poë - tarum Græcorum & Latinorum ſcriptalon -293Poeterey erſten Zeit. longiſſime ſuperant. Nun moͤchte ich woll deſſen den geringſten Beweiß ſehen / worum die Verſetzung ein Kenn - zeichen des Alters ſein ſolte. Die Grie - chiſche und Lateiniſche Sprache kan hier nicht zum Exempel gebrauchet werden: denn die gantze Zuſammenſetzung der Sprache iſt anders / wie die Teutſche und Schwediſche / die der Natur folgen. In Griechiſcher und Lateiniſcher Spra - che hat die Kunſt eine andere Maſſe ge - ſetzet / und einen numerum gegeben / wor - nach ſie ſich richten muͤſſen. Dieſe auß - meſſung der Griechiſchen und Lateini - ſchen Verſe / und die Verſetzung der Woͤr - ter halte ich vor eine neuere Erfindung / als die Trochaiſche und Jambiſche metra, derer ſich die Teutſchen und andere Voͤl - cker gebrauchen / denn dieſe ſind in jener Sprache auch eher geweſen als die an - dere metra, und werden ſie mit derglei - chen kurtzſylbigen Sprachen gebohren. Aber hievon in folgenden ein mehres. Es laͤſt ſich dieſes eben ſo leicht ver -werf -294Das VI. Cap. Von der Teutſchenwerffen / als bejahen. Das Exempelwol - len wir hieher ſetzen

62345
Laturſaerhakonheitir
1415167
Hanrakirlidbannat
13111220
Jordkanfrelſafindum
819
Frid-roſzkongaroſza
2218231725
SialfurraͤdraltochElfar
192124
Eiraſtillira-milli
29302631
Gramurofgifftadfremri
271028
GandwitzJofurlandi

In Lateiniſcher Sprache hat ers auch ſo außgeleget und die rechte Conſtruction durch die Zahlen angedeutet:

62345
FacitillequiHaquinusvocatur
1415167
illepopulumregit,prohibere
13111220
patriampoteſtdefendereprovincias
819
pacis-rupturæRexinſolentiam
2218231725
ipſemetadminiſtratomnia&Goth-Albim
192124
Solusrepitinter
29302631
Rexvalde-virtuoſus&præaliis
271028
GandwicumTerræ Dominusprovinciam

Es finden ſich dergleichen mehr in den An - merckungen des Herrn Verelii uͤber Got - recks und Rolfs Hiſtoriam p. 56. 57. 72. 73. woſelbſt er berichtet / daß dieſe art des Carminis Refrun genannt worden. Daß einige derſelben ſo gar alt nicht ſein / iſt daraus abzunehmen / weil ſie geſchrieben / da der Chriſtliche Glaube in Schweden ſchon auffgekommen. Es ſcheinet viel - inehr / daß da die Nordiſche Poeten gar viel metra erfunden / ſie ein ſolches metrum außgedacht / daß in ſolchen verſchren - ckungen der Woͤrter beſtehet / das auch deßhalben Refrun iſt genannt worden. Wie man auch die Runen in den Uber -t 4ſchriff -296Das VI. Cap. Von der Teutſchenſchrifften der Graͤber verworffen / und darinnen ſonderliche Maaß geſetzet / ſolche wurden Villurunen genant / und ſaget Verelius in Runog. c. 12. davon, quod antiquis ignoratum fuerit hoc artificium. Olaus Wornius hat in ſeiner appendice li - teraturæ Runicæ unterſchiedliche arten ſol - cher logogriphorum vorgeſtellet / und auff was weiſe ſolche gemacht werden an - gewieſen. Iſt alſo meines erachtens dieſes kein gruͤndlicher Beweiß ihres Alter - thums / und wolte ich es vor eine neue Erfindung halten / die zu der Zeit auff - gekommen / wie man in der Lateiniſchen Sprache mit den verſibus quadratis, cu - bicis, palindromis beſchāfftig geweſen. Doch ſtelle ich ſolches zu weiterer unter - ſuchung / und will ich das Alterthum der Schwediſchen Poeſie nicht ſtreiten. Aber man muß hierauß nicht fort den Schluß machen: Bey den Schweden hat man ſolche Lieder gemachet / darum ſein ſie bey den Teutſchen nicht geweſen. Denn es kan beides wahr ſein / und ſein dieSchwe -297Poeterey erſten Zeit. Schweden den Teutſchen hier in nicht ent - gegen zu ſetzen / die einerley Urſprung / und in dem Grund einerley Sprache ha - ben. Von den alten Gothen bezeuget Jornandes eben daſſelbe / was Tacitus von den Teutſchen / daß ſie ſolche Lieder zum Lobe ihrer Helden geſungen. Es iſt gar ein ſchlechter Grund / wenn Herr Rud - beck aus dem Wort Barditus, welches er von dem Schwediſchen Barda, vulnerare herfuͤhret / beweiſen will: es muͤſſe bloß von den Schweden verſtanden werden / was Tacitus ſaget. Sunt illis hæc quo - que carmina, quorum relatu, quem Bar - ditum vocant, accendunt animos, futuræ - que pugnæ fortunam ipſo cantu auguran - tur. Denn warum ſolte eben von dem Worte Barda vulnerare ſolches herkom - men / dann von Wunden und Todtſchla - gen pflegt man nicht leicht ſolche Lieder zu nennen / ſondern von Fechten oder Streiten. Die Daͤnen nennen ſie viel eigentlicher Kiempe-Wyſar / bey wel - chen ſolche Krieges Lieder auch gebraͤuch -t 4lich296[298]Das VI. Cap. Von der Teutſchenlich / derer auch noch einige verhanden / und in einem Buch verſamlet[hervorge - geben] ſein / worauß noch Thom. Bar - tholinus der Juͤngere / in ſeinem Buch de Holgero Dano. p. 61. eines anfuͤhret. Ich will hier nicht anfuͤhren / was einige von den alten Bardis die ſich zu ſolchen Liedern zu machen gebrauchen laſſen / nicht ſo gar unwahrſcheinlich anfuͤhren / als Elias Schedius de Diis Germanis Syngram 2. cap. 41. und Cyriacus Spangenberg in einem abſonderlichen Buch von denſelben / welche davor halten / daß der Orth Bar - dewick von ihnen ſo benahmet ſey / wo - ſelbſt ſie ihren Sitz gehabt haben: Der Barden Creich. Es hat Henri - cus Meibomius in ſeiner Hiſtoriâ Bardovici hiervon eine andere Meinung / und laſ - ſen wirs an ſeinen Orth geſtellet ſeyn: Denn es iſt die lectio des Wortes Bar - ditus noch zweiffelhafftig. Einige MSta haben nicht Barditus, ſondern Barritus und finden wir daſſelbe Wort bey dem Ve - getio und Ammiano Marcellino etlichemahl299Poeterey erſten Zeit. mahl auff die art geſchrieben. Und hat dieſer inſonderheit den Barritum ſo be - ſchrieben / daß man eigentlich ſehen kan / daß es mehr auff den Schall als auff die Lieder gehet. Er ſaget / es ſey clamor ipſo fervore certaminis identidem exori - ens, qui paulatim adoleſcens ritu extolli - tur fluctuum cautibus illiſorum. Wel - ches ſo eigentlich beſchrieben iſt / daß man auch den Urſprung des Wortes hieraus abnehmen kan. Kilianus in ſei - nem Dictionario erklaͤret das alte Teut - ſche Wort alſo: Baren / Beren / ge - baeren. Barritum edere, ſublatè & fero - citer clamare more urſorum. Lipſius ſchlieſſet daher / daß die Wellen den Nah - men Baren bey den Niederlaͤndern ha - ben / und iſt mercklich daß der Ammia - nus Marcellinus den Schall mit den Wel - len vergleichet. Es bezeuget auch die Endigung des Wortes / die Lateiniſch iſt / das es muß von dem Schall verſtan - den werden: welches aus den Worten hinnitus tinnitus. &c. zu ſehen. Es fuͤhrenauch300Das VI. Cap. Von der Teutſchenauch einige aus den Aventino an / daß ſolcher Thon der lermenden und ſtuͤr - menden Barrit geheiſſen / davon noch ein Spiel das Baarlauffen verhan - den. Es ſey dem nun wie es wolle / ſo iſt endlich unſere Meinung ſo gewiß / wo nicht gewiſſer / als der jenigen / die es vom Schwediſchen Barda herfuͤhren. Inſon - derheit da Vegetius und Ammianus Marcellinus mercklich unſer Meinung zu huͤlffe kommen. Uber dem koͤnte jemand noch zweiffeln / ob es nothwendig ſey aus des Taciti Worten dieſe Meinung zu faſ - ſen / daß die Teutſchen es Barritum ge - nennet / denn die Worte quem Barritum vocant, koͤnnen wol auff die Roͤmer ge - deutet werden / daß die Roͤmer den Schall alſo genennet von den Barris oder Elephanten / qui barrire dicuntur. Aber es ſein die außdruckliche Worte bey dem Ammiano Marcellino, daß die Barbari den Schall barritum nennen. Daß ich auff die alten Heldengeſānge wieder komme: ſo iſt kein Zweiffel / daß ſie viele ſchoͤ -ne301Poeterey erſten Zeit. ne Lehren in ſich gehabt haben; und iſt auch darauß zu ſchlieſſen / daß die Teut - ſchen nicht ſolche Barbari geweſen / als die Hoffārtigen Griechen und Roͤmer ſie außgeſchrieen. Es iſt nicht glāublich / daß die Teutſchen gar von keinen ſchrei - ben gewuſt zu Zeiten Taciti, denn es ſchei - net / er habeſich ſo gar viel nicht dar - umb bekuͤmmert: er fuͤhret doch ſelbſten an / daß man in Teutſchland Griechiſche Buchſtaben gefunden / wel - ches auch Cæſar bezeuget. Es koͤnnen auch wol des Taciti Worte literarum ſe - creta pariter Viri fæminæque ignorant, de literaturâ ſecretiore verſtanden werden / wie ſie Heigius quæſt. illuſtr. 7. lib. 1. n. 60. verſtehet / nicht aber von den Buchſtaben. Viel weniger iſts zu glaͤuben / daß von Carolo M. erſtlich die Teutſche Schrifft ſolle erfunden ſein / wie einige wollen / die Melchior Goldaſtus in der Vorrede ſeiner Anmerckungen auff die Paræneles deß - wegen außlachet. Dieſer ſchreibet von den alten Carminibus alſo: imperiti imoridi -302Das VI. Cap. Von der Teutſchenridiculi, quicunque exiſtimant, brevicu - las fuiſſe cantandi formas ad inſtar nunc vulgi cantilenarum; hercle non magis quam vel Homeri poemata ac Virgilii. Cu - jusmodi ſunt quæ ex media antiquitate cir - cum feruntur carmina de Ottnite Longobar - do, de Wolftheodoricho Græco, de Gibicho Vangione, de Laurino, de Theodorico Vero - nenſi, de Hiltibrando Gottho, de Sigfrido A - grippinenſi cognomento corneo, de Eckio, de Eekardo Alſato, de Erneſto Auſtrio, an Ba - varo, alia quæ nec dum in manus noſtras pervenere. Diß ſchreibet er zwar / aber es ſein doch nichts als muthmaſſungen denn weil ſie geſungen worden / iſts nicht glaͤublich / daß ſie ſo gar weitlāuff - tig geweſen. Von dieſen vermeinet Bernegger quæſt. 6. in Taciti Germaniam ſein die ſo genante Meiſtergeſaͤnge und Meiſterſaͤnger hergekommen / welche Geiſtliche und Weltliche Hiſtorien in Reimen gebracht / und dieſelbe in Zu - ſammenkuͤnfften offentlich geſungen / den Trithenium[vor] ſich anfuͤhrend / der inſei -303Poeterey erſten Zeit. ſeiner Hiſtoria Francorum ſolcher Mei - nung zu ſein ſcheinet. Mos erat (ſaget er) majoribus noſtris Francis & Germa - nis, ut Heroum facta, vel dicta memoratu digna per Sacerdotes templorum patriis commendarentur carminibus, in quibus diſcendis memorandis & decantandis juve - num excitarentur ingenia quæ conſuetudo multis duravit annis, nec hodie defecit. Ich ſolte aber meinen daß zu der Mei - ſterſaͤnger Zeiten der meiſte Theil der alten Carminum ſchon verlohren und dieſe vielmehr ihrem eigenem Trieb / als dem Exempel gefolget: denn dieſe nicht uͤber 500 Jahr alt ſein. Es nennet zwar der Aventinus in ſeiner Teutſchen Hiſtorien 1. Buch p. 21. b. die alten Lieder Meiſter - Geſaͤnge aber nach der Gewohnheit ſei - ner und der nachgehenden Zeit. Denn er ſpricht: Von anfang lange Zeit hernach haben die Alten / was ſie geſchrieben haben wollen / und außgehen laſſen nur in Reime und Verſe verfaſſet / ſind gut zu ſingen / zu mercken und auß - wen -304Das VI. Cap. Von der Teutſchenwendig zu lernen / begreiffen mit kurtzen Woꝛten viel: heiſſen wir Meiſter geſaͤnge / welche aus Befehl unſerer alten Koͤnige / und Keyſer von den Helden Teutſches Landes beſchriebē worden auff Poetiſche art. Man moͤchte woll Muͤhe nehmen alles das jenige was hiervon iſt / wie ge - ringe es auch ſein mag / auffzuſuchen / und bey zu behalten / den ſolches bißwei - len einen unvermuthlichen Nutzen in der Hiſtorie geben kan. Von den Palmerio de Grentemeſnil einem gelehrten Frantzoͤ - ſiſchen Edelmann / der vor kurtzer Zeit gelebt / und in Schrifften ſich beruͤhmt ge - macht wird in Beſchreibung ſeines Le - bens / die ſeiner Græciæ antiquæ vorgeſe - tzet / dieſes ſonderlich geprieſen. Non ſprevit proprias cujusque provinciæ linguas, rudes licet & inamænas, quin plurimarum pro - verbia, & ſelectiores cantiunculas diſcere non eſt dedignatus. Von demſelbigen wird auch daſelbſt geſaget / Germanorum & Anglorum linguas familiares habuit, ut multa ex iis arcana erueret. Dieſes habenin305Poeterey erſten Zeit. in allen Voͤlckern die beſte bewaͤhrtſie Leute gethan / und bey den Teutſchen iſt dieſes ſo gar hindan geſetzet / daß wenn wir nicht den eintzigen Goldaſtum gehabt / wir nichts haͤtten vorzeigen koͤnnen.

Das VII. Cap. Von der andern Zeit der Teutſchen Poeterey.

Einhalt. Andere Zeit wird von dem Carolo M. angerechnet. Carolus M. hat ſelbſt Lateiniſche und Teutſche Carmina geſchrieben. Seine Teutſche Gram - matica. Ob er die Teutſchen Buchſtaben zu erſt erfunden. Vor Chilperici Zeiten haben die Fran - cken ſchon Buchſtaben gehabt. Strikers teutſche[s]Buch von den Thaten des Caroli M. Die Hei - lige Schrifft in Teutſche Reymen uͤberſetzt auff Ludovici I. Befehl. Das Neue Teſtament auff Caroli M. Geheiß in Teutſch uͤberſetzet. Etzliche alte Teutſche Monumenta, Das Gebeht des HErꝛn /uSym -306Das VII. Cap. Von der TeutſchenSymbolum Apoſtolorum, der Pſalter Davids. Eine neue Teutſche Paraphraſis rhythmica des Neuen Teſtaments; eine andere des Alten Teſta - ments auß dem Theodoro Biblandro. Melchior Goldaſtus gedencket auch einer / davon es zweiffel - hafft / ob es dieſelbe. Hottingerus erwehnet noch eine andere. Ottfridi Evangelia in teutſchen Verſen. Zu welcher Zeit er gelebet. Sein von Mat - thia Flacio heraußgegeben. Lambecius tadelt dieſe Edition. Die Vorrede dieſes Buchs. Verſe ſein zwar rauh / aber doch voller Geiſt. Seine andere Schrifften. Willerami Teutſche und La - teiniſche Paraphraſis uͤber das Hohelied Salomonis. Von Paul. Merula heraußgeben. Kompt mit dem Wieniſchen MSto nicht uͤberein. Fr. Junii An - merckungen daruͤber. Die teutſche Poeterey un - ter dem Friderico Barbaroſſa in das hoͤchſte Anſe - hen gebracht. Poetiſche Spiele / von Kayſern und Koͤnigen angeſtellt. Ob die Teutſchen die Frantzoſen darin zu Vorgaͤnger gehabt. Solches wird geleugnet / und das Gegenſpiel wieder den Herꝛn Caſaneuve behauptet. In Teutſchland ſind ehe Carmina geſchrieben / ehe die Proveneal Poëten auffgekommen. Die in der Provence und Languedoc haben Lieder auff ihre tapffre Helden gemacht. Welches ſie ohn Zweiffel den Teutſchen nachge - macht. Ihre Calender wurden auff Staͤbe ge - ſchnitten. Welches bey den Gothen auch gebraͤuch - lich geweſen. Des Winßbecken Carmina werdenge -307Poeterey andern Zeit. gelobet / und den Griechiſchen und Lateiniſchen gleich geſchaͤtzet. Waͤre zu wuͤnſchen / daß noch alle dieſelben Carmina verhanden waͤren. Es werden ihrer viele aus dem Melchiore Goldaſto erzehlet / Koͤnige / Fuͤrſten / Grafen / Freyherrn / Edele. Hel - denbuch. Die gelehrte Poëtria Hroſwita. Des Heiligen Annonis Reime mit des Opitzen Anmer - ckungen heraußgegeben. Catonis Diſticha uͤber - ſetzet. Wunſch des Autoris, daß von den gꝛoſſen Herꝛn dieſe Teutſche Antiquitaͤten beſſer hervor geſucht moͤgen werden. J. F. Gn. des Herrn Biſchoffs von Muͤnſter Monumenta Paderbornenſia, ein trefliches Exempel vor andere Fuͤrſten und Herrn / um die Alterthuͤme ihrer Laͤnder zum Vorſchein zu bringen. Die Poeterey iſt durch einfallende Krie - ge / auß den Haͤnden der Groſſen / Fuͤrſten / und Edelen unter den Poͤbel gekommen. Meiſter-Saͤnger. Ihre Privilegien / Freyheiten / Ceremonien / Meiſter - Saͤnger Krantz. Pritſchen Meiſter. Benedickt Edlbeck Siber Pritſchmeiſter. Ein altes Lied von dem Anthyrio. Verſchiedene fragmenta alter Verſe auff Pergament geſchrieben. Eine alte Saͤchſche Reim-Chronicke. Hugo von Trimberg hat ein Buch geſchrieben der Renner genandt. Iſt ſehr verſchieden von dem MSto des Herrn Marq. Gudii. Deſſen wird eine Probe gegeben. Agricola in der Vorrede ſeiner Sprichwoͤrter er - wehnet einige alte Teutſche Schrifften. Eck von Repkovv Poetiſche Vorrede des Sachſenſpiegels. u 2ge -308Das VII. Cap. Von der TeutſchenGemengete Teutſche Reime mit den Lateiniſchen - Exempel ſolcher Carminum. Petri Dreſdenſis Ge - ſaͤnge. David Freidanck. Sebaſtian Brand. Fe - lix Hemmerlin. Melchior Pfintzingen Ritter Theurdanck. Reincke Voß. Deſſen Autor. Wird ſehr geruͤhmet. Iſt keine Frantzoͤſiſche ſon - dern Teutſche Erfindung. Eſelkoͤnig. Rollen - hagens Froſchmaͤuſeler. Hans Sachſen Poe terey. Bar ein Lied. Johan Domans Lied von der alten Teutſchen Hanſe.

DIe Andere und Mittlere Zeit muß von Carolo dem Groſſen angerech - net werden / ſo gar daß von ihm ſel - ber der Anfang gemacht werde. Er hat die alte unbeſchriebene Geſetze ſeiner Voͤlcker zuſam̄en ſchreiben laſſen. Er hat eine Teut - ſche Grammaticam zu ſchreibē angefangen / um zu er weiſen / daß er zugleich ein Koͤ - nig und Lehrmeiſter ſeines Volcks were. Er hat die alte Teutſche Gedichte / wie droben gedacht auffzeichnen laſſen. Er hat alle Wiſſenſchafften außgeuͤbt / hohe und niedrige Schulen vor dieſelben ge - ſtifftet Er hat auch ſelbſt die Feder ange -ſetzt309Poeterey andern Zeit. ſetzt und ſo woll in Lateiniſcher als Teut - ſcher Sprache Carmina geſchrieben / wel - ches daß Chronicon Mindenſe von ihm be - zeuget p. 101. Es wird demſelbē / ein Epitaphi - um zugeſchꝛiebē welches er auf den Ruland gemacht haben ſoll. Aber dem fabel - hafften Turpino kan man nicht ſicher glaͤu - ben. Borell in der Vorrede ſeiner Recherches d’Antiquites Gauloiſes & Fran - coiſes berichtet / daß Carolus M. Hiſto - riſche Verſe von Franckreich gemacht / und zwar in Teutſcher Sprache / aber er bringet deſſen kein gewiſſes Zeugniß / ſondern er beruffet ſich nur auff ein gemei - nes Geruͤchte. Es iſt aber durchaus nicht glaͤublich / daß Carolus M. zum erſten die Teutſchen Buchſtaben ſolte erfunden ha - ben / wie einige wollen. Denn Grego - us Turonenſis ſchreibet von dem Chilperi - co einem Koͤnige der Francken l. 5. c. 45. Addidit & literas literis noſtris, id eſt[ω], ſicut græci habent, ae, the, vuui, quarum characteres ſubſcripſimus, hi ſunt o. ψ. z. 11. Et miſit epiſtolas in univerſas civitates regniu 3ſui,310Das VII. Cap. Von der Teutſchenſui ut ſic pueri docerentur, ac libri antiqui - tus ſcripti, planati pumice reſcriber entur. Weil nun dieſes von der Teutſchen Spra - che muß verſtanden werden / und allhie der Buͤcher die von alten Zeiten her ge - ſchrieben gedacht wird / ſo muß Teutſch - land lang zuvor ſeine Buchſtaben gehabt haben: welches allerdings auch der Warheit gemaͤß zu ſein ſcheinet. Sonſt hat man ins gemein die Lateiniſche Buch - ſtaben gebrauchet. Es iſt noch ein altes Teutſches Werck verhanden deſſen Gol - daſtus offt gedencket / und Lambecius Er - wehnung thut in lib. 2. comment. de Bib - lioth. Vindobonenſi von den Thaten des Caroli M. und des Rulands / deſſen Ver - fertiger ſich Striker nennet / und iſt diß druͤber geſchrieben: diz Puech iſt von Chu - nich Karl und von Ruland gemacht, vvie ſie diu heidenſchafft uberchomen. Es iſt aber diß Buch nicht uͤber ſechſthalb hundert Jahr alt / wie aus Goldaſti An - merckung uͤber die paræneſes p. 361. zu ſe - hen. Caroli des Groſſen Sohn Ludovicus,hat311Poeterey andern Zeit. hat ſich zum erſten bemuͤhet die gantze Heilige Schrifft in teutſche Verſe zu brin - gen / damit auch das gemeine Volck den Verſtand haben / und ſie zugleich dem Gedaͤchtniß einverleiben koͤnte. Diß er - wehnet Andr. du Cheſne tom. 2. p. 326. welcher aus der Vorrede eines alten in Saͤchſiſcher Sprache geſchriebenen Buchs dieſes zum Zeugniß anfuͤhret: Cum divinorum librorum ſolummodo literati atque eruditi prius notitiam habe - rent ejus ſtudio atque imperii tempore, ſed Dei omnipotentia at que inchoantia mi - rabiliter actum eſt nuper, ut cunctus po - pulus ſuæ ditioni ſubditus Theudiſca loquens lingua, ejusdem divinæ lectionis nihilomi - nus notitiam acceperit. Præcepit namque cuidam uni de gente Saxonum, qui apud ſuos non ignobilis vates habebatur, ut ve - tus ac Novum Teſtamentum in germani - cam linguam poëticè transferre ſtuderet: quatenus non ſolum literatis verum etiam illiteratis ſacra divinorum præceptorum lectio panderetur. Es wird diß Wercku 4fer -312Das VII. Cap. Von der Teutſchenferner gelobet und dieſes hinzu geſetzet. Juxta morem vero illius poëmatis omne opus per vitteas diſtinxit, quas lectiones nos vel ſententias poſſumus appellare. Die - ſe iſt ohn zweiffel die ālteſte Uberſetzung die in den Hiſtorien zu finden; nur daß von Carolo M. einige melden / ob haͤtte er das Neue Teſtament in Teutſch uͤberſe - tzen laſſen / und Geſnerus in ſeinem Mi - thridate p. 46. gedencket / es weren die Pſal - men Davids zu der Zeit verteutſcht noch in dem Kloſter S. Galli verhanden. Rhe - nanus ſchreibet dem Valdoni Epiſcopo Fri - ſingenſi die Uberſetzungen der Evangelien zu / ſo im Jahr 800 geſchehen. Man hat auch noch daß Gebeht des HErrn / das Symbolum Apoſtolicum zu der Zeit oder noch vor derſelben geſchrieben / ſo aus der Bibliotheca Vaticana hervor ge - kommen / welche Marquardus Freherus mit Anmerckungen her außgegeben / und wel - che auch bey dem Winckelmann in ſeiner Notitia Weſtphaliæ l. 3. c. 7. zu finden. Man hat auch noch einige Anglo-Saxoni -ſche313Poeterey andern Zeit. ſche Pſalmen / welche Johannes Seldenus mit ſeinen gelahrten Anmerckungen ge - zieret. Auch iſt eine Saxoniſche und Hochteutſche formul deß Symboli vom Boxhornio heraußgegeben. Lambecius hat in lib. 2. comm. de Bibl. Vindobonenſi c. 5. p. 38, noch eine Teutſche Beicht for - mul, die Carolus M. gebraucht haben ſoll / und p. 388. die Erzehlung deß was zwiſchē Chriſto und dem Samaritaniſchen Wei - be vorgegangen in alter teutſcher Spra - che. Es wundert mich daß Hottinge - rus, da er Bibl. Theolog. l. 1. c. 3. ſo fleiſ - ſig iſt in den vielfaͤltigen Uberſetzungen der Biebel hervor zu ſuchen / dieſer / die von dem Ludovico I. angeſtellet / nichts gedencket. Es iſt aberivermuthlich daß ſie verlohren gegangen. Ich habe zwar ei - nige Saͤchſche Uberſetzung des Neuen Te - ſtaments / oder vielmehr eine paraphraſin rhythmicam geſehen / die aber viel neuer geweſen / und mit vielen andern Erzeh - lungen vom Leben Chriſti / die in der Bibel nicht enthalten / vermiſcht. The -odo -314Das VII. Cap. Von der Teutſchenodorus Bibliander in ſeinem Buch de rati - one communi omnium linguarum p. 49. hat auch einer Poetiſchen Uberſetzung des Alten Teſtaments gedacht. Legi vetus inſtrumentum verſibus germanicis redditum â Rodolfo quodam oriundo ex familia quæ nomen habet ab eminente arce in Rhætia, quam vulgus nominat hohen Ems, idque rogatu & juſſu Regis Chon - radi, fil: Friderichi ſecundi Cæſaris Augu - ſti: qui verſus orthographiâ, verbis, in - flexione, ſtructura modoque carminis di - ſcrepant â præſente conſuetudine. Id quod uno exemplo perſtringam: nam de fide Ga - beonitis â loſua & cæteris Iſraëlitis data ſic canit

Swel man den Ban GOtts breche
Daß man es an ihm raͤche

pro illo quod ſermo nunc uſitatus diceret

Welcher Mann den GOttes Ban braͤch
Daß man es an ihm billig raͤch.

Dieſe iſt aber / wie er ſchreibt / viel juͤn - ger und in Hochteutſch geſchrieben. Mel - chior Goldaſtus Tom. 1. Rer. Alemanicar,p. 198.315Poeterey andern Zeit. p. 198. thut auch hievon einige Erweh - nung / und berichtet / daß ſie in der Schobingerſchen Bibliothec verhanden. In ſeinen Anmerckungen uͤber die Teut - ſche Paræneſes fuͤhret er viel aus einer Paraphraſi veteris Teſtamenti an: aber er nennet den Autorem Anonymum an - tiquiſſimum, denn er ſelbſt doch in ſeinen Alemannicis Rudolphum ab Ems genant / daß ich alſo im Zweiffel ſtehen muß / ob es dieſelbe oder ein ander paraphraſis ſey. Doch ſcheinet jenes glaubwuͤrdiger / und kan es vielleicht nur ein Gedāchtnißfeh - ler ſein: wiewol dieſes bedāchtlich / daß er ihn antiquiſſimum nennet / da doch die andern beinebenſt angefuͤhrten Zeugniſ - ſen gleiches Alters ſein. Hottingerus er - wehnet am vorigem Ohrte einer andern die er vor ſehr alt hālt / auß welcher ihm einige fragmenta zu handen kommen / deren eins wir hieher ſetzen wollen aus der Hiſtoria von Joſeph.

Do der hunger ſere /[i]e[m]ere und aber meere.
Begunde hertin ober duͤ lant. und niemand nicht korniß van[t].
Daz livt in hungers not began. den Kunte ſeere ruͤfien an.
Daz er in hieze geben da, die noidurfte die hietz et ſa.
Daz316Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Daz ſi zu Joſebe giengin. und von im da enpfingin.
Korn und ſpiſe daz geſchach. die ſchiure man ofſlietzin ſach.
Da ſi us verkoften korns vil. Naht uñ tac uñ alliv zil.
Watz umbe in vil groz gedranc. daz livt vil grozirhunger twane.
Daz ſi gultin durch hungers not. daz korn durch not ſwie man[s]
in bot.
Joſeph gewan in kurtzim zil. goldis und filbers vil.
Bz wendic rehtir maze zil. daz ez was meer danne vil.
Bn der Kunic ſo richite. daz ſih im niht gelichete.
Wann er mit dem rainen Mann. ſo ſere uchin began
Daz ſin guͤt wuͤchs un ſin gewalt. un wart mit richait manicvall.

Zu des Lotharii I. Zeiten hat gelebet Ott - friedus ein Munch des Kloſters Weiſſen - burg / hat aber unter Ludovici II. Zeit erſtlich die Evangelia in alten Teutſchen Verſen heraußgegeben / und dem Luith - berto Meintziſchen Ertzbiſchoff zu ge - ſchrieben. Er war des Rabani Mauri Lehrjuͤnger. Iſt alſo vielleicht ein Feh - ler der fluͤchtigen Feder / daß der Herr Hoffmann in der Vorrede ſeiner Ge - tichte ihn unter die Zeit des Lotharii und Friedrichs ſetzt / wodurch niemand an - ders als Lotharius II. und Fridericus Bar - baroſſa koͤnte verſtanden werden. Aber er hat vielleicht an ſtat Fridrichs den Nahmen Ludewig ſchꝛeiben wollen. Beatus Rhenanus hat zu erſt diß Buch gefunden. wie317Poeterey andern Zeit. wie er ſelbſt in ſeinen rebus Germanicis erzehlet. Hernach hat es Matthias Fla - cius Illyricus zu Baſel heraußgegeben unter dieſer Uberſchrifft Ottfridi Evange - lium, liber veterum Germanorum Gram - maticæ, poëſeos, theologiæ præclarum mo - numentum. Mit dieſer Edition iſt der Herr Lambecius lib. 2. comm. de Bibl. Vin - dobonenſi c. 5. nicht zu frieden / weil er ſie vor gantz unvollkommen haͤlt / und ſehr viel Fehler darin angemercket. Er hat eine dreyfache Vorrede: die eine lautet an Salomon einen Biſchoff zu Coſtnitz: die andere an Koͤnig Ludewig beide in Teut - ſchen Verſen / deren erſte Buchſtaben wenn ſie zuſammen geleſen werden einen abſonderlichen Verſtand machen: welche Carmina bey den Gꝛiechen Ακρόςιχα genant worden: die dritte an den Ertzbiſchoff zu Meintz Luitbert in Lateiniſcher Sprache. Worinnen er zu verſtehen gibt / daß er auff Bitte ſeiner Bruͤder und der Kay - ſerin Judithæ, der vor andern Weltli - chen und unflātigen Gedichten geeckeltdie318Das VII. Cap. Von der Teutſchendie Muͤhe auff ſich genommen / und ein Theil der Evangelien in Teutſche Verſe uͤberſetzet. Woraus denn erhaͤlt / daß doch vorhin einige Lieder und Getichte in Liebesſachen muͤſſen geweſen ſein. Die Verſe ſind des Maaſſes und der rauhen Sprache wegen ſehr unlieblich / uͤber welche er ſehr klaget in der Vorre - de ſeiner Evangelien. Die wenigen Verſe die der Herr Hoffmann in ſeiner Vorrede aus ihm anfuͤhret und in Verſe uͤberſetzet zeigen daß dennoch unter die - ſem ſo grobem Kittel der Sprache ein gu - ter Geiſt verborgen geweſen. Er hat noch andere dinge in Teutſcher Sprache geſchrieben / als Predigten uͤber die E - vangelia / Paraphraſes in Canticum Eſaiæ, Ezechiæ, Hannæ, Moiſis, Zachariæ, Ma - riæ uͤber das Vater Unſer / uͤber des Athanaſii Symbolum, uͤber die Pſalmen Davids / und noch drey groſſe Bucher uͤber dieſelbe. Lambecius hat l. 2. c. 5. p. 46. als zur Probe den erſten Pſalm an - gefuͤhret / hālt es vor ein ſonderliches ſel -tenes319Poeterey andern Zeit. tenes Gedenckmahl der alten Sprache / wuͤnſchend deß es dermahleins ans Licht gebracht wuͤrde: Trithemius in ſeinem Buch de Scriptoribꝰ Eccleſiaſticis neñet die - ſen Ottfridum, Virum in divinis ſcripturis eruditiſſimum, & in ſecularibus Virum egregiè doctum, Philoſophum, Rhetorem, Poêtam inſignum ingenio excellenti & diſertum eloquio. Zu Henrici des III. und IV. Zeiten lebte Willeramus, ein gelehr - ter Abt zu Merßburg / welcher uͤber das Hohelied Salomonis eine Lateiniſche Pa - raphraſin metro-rythmicam geſchrieben / und auch eine Teutſche in ungebundener Rede. Selber gehoͤret woll nicht unter die Teutſche Poeten / aber er iſt werth / daß wir ihn hier beruͤhren. Es iſt ein ſchoͤ - nes Denckmahl der alten Sprache / und kan man einen ſonderlichen Verſtand darin mercken. Die Lateiniſche Verſe ſind auch nicht ſo gar zu verachten / nur daß ſie mit der damahls uͤblichen Rei - merey auch angefuͤllet ſein. Der Paulus Merula hat dieſen Autorem zu erſt her -auß -320Das VII. Cap. Von der Teutſchenaußgegeben mit ſeinen Anmerckungen. Aber Lambecius urtheilet davon alſo: Tanta & tam multiplex Batavam illam edi - tionem impreſſam inter & vetuſtiſſimum Codicem MS. (welchen er in der Keyſer - lichen Bibliothec gefunden) eſt differentia, ut ad eam demonſtrandam integrâ novâ e - ditione ſit opus. Es hat der Franciſcus Junius hernach ſeine Anmerckungen ab - ſonderlich daruͤber außgegeben / worin - nen viel ſonderliche Dinge enthalten. Unter Friderico Barbaroſſa iſt die damah - lige Poeterey zum hoͤchſten Anſehen er - hoben / und nicht allein eine Ritterliche ſondern Koͤnigliche und Fuͤrſtliche Ubung worden. Man ſtritte damahls an dieſes Keyſers Hofe umb den Preiß dieſer Kunſt / und wurden eigne Spiele ange - ſtellet / in welchen von den vornehmſten Matronen die Krāntze den Singern auß - getheilet wurden. Wie dieſes Ampt die Winßbeckin gefuͤhret / deren trefliche Vermahnung an ihre Tochter in Teut - ſchen Verſen geſchrieben von dem Gol -daſto321Poeterey andern Zeit. daſto nebſt des Herrn Winßbecken ſei - nen an den Sohn und andern Verſen heraußgegeben. Der Herr de Caſaneu - ve in ſeinem Buch de l Origine des Jeux - fleureaux meinet / die Teutſchen haͤtten den Frantzoſen hierin nachgeahmet / und ihre Reime und die Poetiſche Spiele von ihnen gelernet / worin ich ihm doch nicht allerdings Beyfall geben kan. Das eintzige Exempel des Ottfridi, welches er anfuͤhret / widerlegt ihn / welcher Rei - me geſchrieben / ehe noch von einigen Frantzoſen etwas vorgewieſen worden. Es iſt bekandt / daß die Provinciales Po - etwa vor fuͤnffhundert Jahren erſtlich angefangen. Man kan keine Aeltere bringen / und hat der erſte den Claude Fauchet ſetzet / im Jahr 1155 geſchrieben / welches eben in die Regierung des Fri - derici Barbaroſſæ fāllt / da die Teutſche Poeſey in vollem ſchwange war / und nach ihrer Art / ja ſo gut und beſſer als der Provençalen ihre außgeuͤbt. Ottfridus aber hat lange zuvor ſeine Verſe geſchrieben /xund322Das VII. Cap. Von der Teutſchenund iſt er nicht der erſte geweſen / der Rey - men geſchrieben / wie de Caſaneuve meint: denn Ottfridus gedenckt ſelbſt in ſeiner Vorrede der Liebeslieder / die damahls im ſchwange geweſen / ob gleich die Spra - che grob und ungeſchickt / dar - uͤber Ottfridus klagt. Denn es folget nicht: Ottfridus klagt uͤber die Muͤhe / die er der rauen Sprache halber gehabt / dar - um iſt er der erſte geweſen / der die Rei - me gemacht. Carolus M. hat die Gram - matic zu ſeiner Zeit erſtlich zu ſchreiben angefangen / und waren doch vor ihm von Taciti Zeiten her und druͤber Lieder geweſen / die er in ein Buch verſamlen laſſen. Wir haben droben erwieſen / daß auff Ludovici I. Befehl eine Paraphra - ſis des Alten und Neuen Teſtaments in alten Sāchſchen Verſen verfertiget / die noch aͤlter als des Ottfridi ſeine. Iſt alſo falſch / daß dieſe des Ottfridi die er - ſten Reime geweſen. Wir haben ein klares Zeugniß aus dem Papirio Maſſonio der außdruͤcklich ſchreibt lib. 3. Annal. daßun -323Poeterey andern Zeit. unter dem Ludovico VIII. Koͤnige in Franckreich (war etwa im Jahr 1216. zu Keyſers Friderici II. Zeiten) die Provin - çal Poëſie erſtlich in auffnehmen gekom - men / welche Meinung auch Grabriel Naudæus in ſeiner Addition a l Hiſtorie de Louys XI. pag. 349. beypflichtet / da doch zu Friderici I. Zeiten in Teutſchland die Poeterey in vollen Flor geweſen. Wor - auß ich ſchier ſchließen durffte / daß die Frantzoſen ſolche von den Teutſchen ge - lernet. Was ſonſt der Herr de Caſa - neuve in erwehntem Buch / p. 22. 23. davon anfuͤhret / bekraͤfftiget abermahl unſere Meinung. Daß die Frantzoſen von den Teutſchen ihre Poeterey erler - net / kan auch hieraus dargethan wer - den / daß ſie eben auff die art / wie Taci - tus von den Teutſchen ſchreibet / das Ge - daͤchtniß der verſtorbenen Helden mit Liedern beehret. Wie denn von denen in der Provence und Languedoc Borellus in der Vorrede ſeiner Frantzoͤfiſchen antiquitaͤten außdruͤcklich bezeuget:x 2On324Das VII. Cap. Von der TeutſchenOn avoit anciennement accouſtumé d inſtituer des ieux à l honneur des Hommes illuſtres, & de reciter des Vers à leur loü - ange à certain jour de chaque anneé, afin de perpetuer leur memoire: on prati - que encore cela en quelques ville de Lan - guedoc. Ces Couſtumes ſont fort ancien - nes. Es erzehlet der Herr Borell weiter als ein ſonderliches Zeichen ihres Alter - thums / daß ſie ihre Calender und All - manach von Holtz machen. Les paiſans (ſagt er) ſe ſervent encore d une eſpece des hieroglyphiques en ſorte, qu ils font ces Almanachs ſur un morceau de bois qui n eſt pas ſi grand qu une carte à jouer, ſont marquez tous les mois & jours de l anneé auec les Feſtes & autres choſes no - tables par un artifice ſingulier. Ce qui marque que ce pais a eu des connoiſances, des ſciences, & autres belles choſes de puis un temps immemorial, retenant cela des Egyptiens ou autres qu ils avoient imitez. Und eben dieſes iſt eine Erfindung / die von der erſten Zeit bey den alten Gothenund325Poeterey andern Zeit. und Schweden gebraͤuchlich geweſen: darauß zu ſehen / daß wie ſie in einem alſo alſo auch in dem andern von ihnen ihre Sitten gefaſſet: dann die poëſie iſt bey den Nordiſchen Voͤlckern / worun - ter auch die Teutſche gehoͤren / eine uhr - alte Kunſt geweſen. Wie wir nun uns billig den Vorzug in der Poëſie, die zu Frid. Barbaroſſæ Zeit im Schwange ge - gangen / zumaſſen; ſo koͤnnen wir keine geringere Anzahl von Tichtern zum Vorſchein bꝛingen / und zwar nicht von ge - ringen und gemeinen Leuten / ſondern Koͤnigen / Fuͤrſten und Grafen / die in dieſer Zeit ihre Verſe geſchrieben / davon noch einige fragmenta vorhanden / deren Goldaſtus einen Theil in ſeinen Paræneticis hervor gegeben. Worunter des Winß - becken und der Winßbeckin ihre ſo herr - lich ſeyn / daß auch die ietzige Zeit nichts daran zu verbeſſern findet. Ich rede aber nicht von der reinen Sprache und deren Reim-gebānden / wiewoll ſolches zierlicher und beſſer iſt / als der proven -x 3cal326Das VII. Cap. Von der Teutſchençal Poëten die damahls geſchrieben. Gol - daſtus ſagt in der Vorrede ſeiner An - merckungen nicht unbillig von ihnen: Dicite ſodes, ſi latino carmine ceciniſſet, putatisne pauciores interpretes, quàm Guntherum, Petrum Bleſenſem, aliosque ejusdem ævi reperturum fuiſſe. Ich muß geſtehen / daß es mir eine groſſe Erge - tzung ſey / dieſe alte Schrifften und in - ſonderheit des Winßbecks / zu leſen / darinnen warlich eine groſſe Weißheit ſteckt / und faſt kein Wort vergebens ge - ſetzet iſt. Ich gedencke hiebey allezeit an das Urtheil des Joſephi Scaligeri, ſo er von des Ennii Schrifften gefāllet / wann er dieſelbe mit den neuen Poeten ver - gleichet. In den Primis Scaligerianis, ſo der Tanaquil Faber heraußgegeben / ſagt er alſo von ihm: Utinam hunc ha - beremus integrum, & amiſiſſemus Luca - num, Statium, Silium Italicum, & tous ces garçons-la. Dieſes moͤchte man auch woll zum Theil von dieſen alten Poeten ſagen. Es waͤre zu wuͤnſchen /daß327Poeterey andern Zeit. daß wir ſie alle gantz haͤtten / und an de - ren ſtatt einige von unſern Neulingen verlohren / die der gelehrten Welt mit ihren ungeſchickten Getichten ſehr be - ſchwerlich fallen. Es iſt ihrer keine ge - ringe Anzahl. Wir wollen nur die all - hie ſetzen / deren der Goldaſtus eine bey - laͤuͤffige Erwehnung thut. Des Koͤnigs Tyrol aus Schottland / und des Winßbecks Getichte ſein von dem Gol - daſto gantz geſetzt. Wer dieſer Koͤnig Tyrol geweſen ſey / kan er nicht ſagen; denn man findet ſeinen Nahmen nicht in Schottiſchen Hiſtorien. Er hat aber gantze Buͤcher von Koͤniglicher Auffer - ziehung geſchrieben / worauß dieſes nur ein Außzug iſt. Es bezeuget Boppo, der zu der Zeit gelebet / daß er 2. Buͤcher geſchrieben an ſeinen Sohn Fridebrand: eines / dar in er handelt von der Unter - weiſung in Goͤttlichen dingen; das an - dere / von einem guten Leben und Wandel. wovon Goldaſtus mit mehren handelt in der Vorrede der Anmerckungen uͤberdi328Das VII. Cap. Von der Teutſchendie Paræneſes. Winßbeck iſt bey dem Friderico Barbaroſſa und ſeinem Sohn in groſſen Anſehen geweſen / hat auch dem Zug in Syrien mit beygewohnet. In den Anmerckungen fuͤhret er nur bey Gelegenheit einige Stuͤcke aus den andeꝛn an: darunter ſeyn Wolffram Eſchel - bach / (der eben zu der Zeit gelebet / und im andern Theil des Helden Buchs ei - nige Carmina gemacht. Welches Helden - Buch nichts anders iſt / als eine Collectio vieler Getichte von den Helden der vo - rigen Zeit / deſſen erſter Collector den - noch unbekant iſt.) Marggraff Hen - rich von Meiſſen / Graff Con - rad von Kilchberg / Koͤnig Wen - tzel von Boͤhmen / Graff Friedrich von Liningen / Marckgraff Otto von Brandenburg / Graff Krafft von Toggenburg / Graff Rudolff von Neuenburg / Burggraff von Luͤntze / Graff Albrecht von Hei - gerlou / Hertzog Hinrich von Preß - la / Hertzog Johann von Bra -band /329Poeterey andern Zeit. band / Hertzog von Anhalt / Graff Otto von Bobenlube / Herr Gott - fried von Niffen / Herr Hinrich von Morunge / Herr Dithmer von Aſt / Herr Walter von Klin - gen / Herr Ulrich von Gutenburg / Herr Jacob von Wart / Herr Werner von Tuͤfen / (der Keyſer Frie - drichs Zug wieder den Saraceniſchen Koͤ - nig Saladin in Syrien in Verſen beſchrie - ben haben ſoll / auch ſelbſt demſelben mit beygewohnet.) Herr Hinrich und Herr Eberhard von Sax / Herr Rudolff von Rotenburg / Herr N. von Glirs / Herr Hinrich von Veldig / Noſter von Wengen / Walter von der Vogelweide / (wel - cher an den Kayſer Philippum umb das 1200. Jahr ein Buch geſchrieben hat) Noſter von Singenberge / Truch - ſes zu St. Gallen / Noſter von Gra - fenberge / M. Wigulais / Ulrich von Lichtenſtein / Henrich von Off - terthinge / Hans von Ringenberg /x 4Otto330Das VII. Cap. Von der TeutſchenOtto vom Turne / Ulrich Schenck von Winterſtaͤten / Reimer von Zweter / Konrad Schenck von Landegge / Tanhuͤſer / Marner / Tu - ning von Ringoltingen / Friderich von Huſen / Bruder Werner / Bie - teroltz / der die Hiſtorie des Dieterichs von Bern beſchrieben / Albert ab Ei - be / Meiſter Singebar / Hinrich von Frauenberg / Friederich von Suͤnnenburg / Hartmann von Owe / Meiſter Kunrad von Wüꝛtz - burg / Friederich der Knecht / Kunrad von Helmſtorff / welcher eine Vergleichung des Alten[und] Neueu Teſtaments in Verſen gemacht / Hin - rich von Frauenlob / welch er den Nahmen davon bekommen / daß er den Frauen viel Getichte zu Ehren gemacht / welche ihn in ſeinem Tode wieder damit geehret / daß ſie ſeine Leiche biß an ſeine Grabſtatt getragen / uñ dieſelbe mit Wein begoſſen / davon Wolff. Tom. 1. Rer. Mem. Cent. 14. p. 604. zu leſen. Hinꝛ. von Effer -lin -331Poeterey andern Zeit. lingen / der dem Heꝛtzogē Leopold von Oe - ſterreich viel Liebes-Getichte zu Ehren geſchrieben / Reinhard von Zwechin / Hermann von Sachſen / ein Ritter / der ein Romain von der Moͤhrin ge - ſchrieben. Man findet auch von einem Kantzler des Keyſers / der ſich nicht nennet / einige Verſe; einen andern / der ſich den Tugendhafften Schrei - nennet. Dieſes ſeyn nur etliche wenige / deren Getichte uns uͤber blieben / und von ihnen nur etliche wenige Stuͤckwercke / die hie und da in den Bibliotheken ſte - cken / auch mehrentheiis von den unwiſ - ſenden Leuten zerriſſen und verdorben ſeyn. Die Nahmen ſein uns nur bloß bekant auß den Anmerckungen des Gol - daſti, der ſie in der Schobingerſchen Bib - liothec geſehen und geleſen. Wer weiß wo ſie itzo ſtecken? und ob nicht ſchon der meiſte Theil von ihnen umkommen. Taubmannus in der Vorrede ſeines Com - mentarii in Culicem Virgilii, hālt ſie ſo wehrt / daß er gantze Oerter darauß ge -zogen332Das VII. Cap. Von der Teutſchenzogen und hingeſetzet. Sein Urtheil davon iſt dieſes: Hæc profectò talia ſunt, præ quibus genuinus aliquis Germanus Græcos Latinosque Poëtas faſtidiat. Verweiſet hernach ſeinen Landsleuten / daß ſie nicht bey ſolcher art zu poetiſiren geblieben / ſondern ſich je mehr und mehr verſchlim - mert Es ſind einige derſelben und an - dere Lieder in dem ſo genanten Helden - Buch zuſammen geſamlet / welches un - terſchiedliche mahl in Teutſchland her - außkommen. Die letzte Edition iſt / mei - nes wiſſens / zu Franckfurt Anno 1560. gedrucket: es iſt in vier Buͤcher getheilet. Es wird darin gehandelt von den alten Helden und Rieſen / von Keyſer Ottnit und dem kleinen Elberich / von Hug Diederich und Wolff Diedrichen / von dem beruͤhmten Garten zu Wormbs / von dem Koͤnig Laur in uñ ſeinem Roſen-Gar - ten ꝛc. Iſt allenthalben mit Fabeln gemi - ſchet. Es iſt aber von der Lieder eygenem Alterthum alles ungewiß und deßhalben keine Nachricht. Die Sprache gibt es / daßſie333Poeterey andern Zeit. ſie ſo ſo gar alt nicht ſein; glāube aber / ſie ſeyn von etlichen Kluͤgelingen in eine andere Form gegoſſen / wie andern Wercken auch geſchehen iſt. Es geden - cket der Taubmann ferner einiger ande - rer Carminum: Habui ego in Bibliotheca illuſtris puçllæ Germanæ, cui nomen HROSVITA, comœdias ſex in æmulario - nem (uti præſcripſit) Tereotii factas. Item Panegyricum Hexametro & Elegiaco car - mine Ottoni Magno dictum, annis abhinc ſeptingentis & amplius. Dieſen hat H. Meibomius heraußgegeben. Ihrer ge - dencket auch Malincrotius de Archicancel - lariis Imp. p. 29. Hie muſſen auch noch hergebracht werden eines unbekanten Teutſchen Poeten Reime / der des Cato - nis Diſticha uͤberſetzet / deſſen Goldaſtus offt gedencket / auch des St. Annonis, eines Coͤlniſchen Ertz Biſchoffen / Teutſche Ver - ſe / vor etwa 600. Jahren geſchrieben / die Herr Opitz noch kurtz vor ſeinem To - de mit Anmerckungen heraußgegeben. Es ſollen in der Wieniſchen Bibliothecnoch334Das VII. Cap. Von der Teutſchennoch einige der alten Teutſchen Schriff - ten verborgen ſeyn / wie Lambecius eini - ge neñet / worunter aber wenig poetiſche ſeyn. Dieſe hat er verſprochen in einem abſonderlichē Syntagmate rerum Germani - carum heraußzugeben / welche Hoffnung nun mit ihm verloſchen. Wir ermahnen aber alle und jede / die ſolcher alten Schaͤtze Beſitzer ſeyn / daß ſie ſolche nicht vergra - ben / ſondern dem Vaterland zu Ehre und Liebe ans Tages-Licht bringen: wuͤnſchen auch danebſt / daß Ihrer Key - ſerl. Mayt. / den Fuͤrſten des Reichs und allen Großmaͤchtigen Beforderern der Gelehrtheit und Wiſſenſchafft / dieſe loͤb - liche Begierde auffſteigen moͤge / unſers wehrten Vaterlandes Alterthuͤme durch Gelehrte und darzu bequeme Leute un - terſuchen zulaſſen / damit ſie endlich aus der Finſterniß ans Licht gezogen / und den Außlaͤndern / der gantzen Welt / und den Nachkommen vor Augen geſtellet werden moͤgen. Wir haben deſſen ein unvergleichliches Exempel an dem Hoch -wuͤr -335Poeterey andern Zeit. wuͤrdigſten Fuͤrſten und Herrn / Herrn Ferdinand / Biſchoffen zu Muͤnſter / deſſen Hochfuͤrſtl. Gnade ſelbſt die Feder zur Hand genommen und die unſterbli - che Arbeit Monumentorum Paderbor - nenſium zu aller Gelehrten verwunde - rung der Welt als einen koſtbahꝛen Schatz geſchencket. Worunter die ſchoͤnſten Lateiniſchen Epigrammata, die aller Roͤ - miſchen Kunſt und Zierlichkeit Trotz bie - ten koͤnnen / wie die herrlichſten Edel - geſteine in dem feinſten Golde hervor leuchten.

Nach dieſer ſo gluͤcklichen Zeit / da Koͤnige / Fuͤrſten / Grafen und Edele die Poeterey fuͤr ihre Zierd und Ergetzung hielten / fiel dieſelbe auff einmahl / und ge - riht unter die Hānde des gemeinen Poͤ - bels. Dann wie in Teutſchland die Kriege und Zerruͤttunge des Reichs an - giengen / und bey 23. Jahren kein Haupt war / ſondern bald dieſer / bald jener das Reich mit Gewalt zu ſich zu reiſſen ge - dachte / da iſt unter ſo viel Kriegen undDrang -336Das VII. Cap. Von der TeutſchenDrangſahlen / wie die Ritter und Edele immer in den Waffen lagen / dieſe Edle Kunſt gar verlaſſen und viel ungeſchick - tes Dinges von nichtswuͤrdigen Leuten geſchrieben worden. Wie nun deren Verſtand ſich nicht weit erſtrecket / al - ſo iſt ihre Kunſt demſelben gleich geweſen.

Zu dieſer Zeit wurden die ſo genante Meiſterſaͤnger hochgehalten / deren Lieder Reineccius Orat. de Hiſtoriæ digni - tate nach den alten Heldenliedern ſtellet: Welche aber immer an Guͤte abgenom - men. Es haben dennoch einige auff die - ſelbe etwas gehalten: und haben die Keyſer ſelbſt ihnen Privilegia ſampt einem ſon - derlichen Meiſterſaͤnger-Krantz erthei - let. Harſtoͤffer gedencket in ſeiner Vor - rede uͤber ſein Specimen Philologiæ Teu - tonicæ, daß Keyſer Otto der andere ihnen ſonderliche Freyheiten ertheilet ha - be / Maximilianus I. hat eine ſonderliche Conſtitution de honore & Privilegiis Poë - tarum gegeben welche beym Goldaſto zu finden: Worunter einige dieſe Meiſter -ſaͤnger337Poeterey andern Zeit. ſaͤnger begreiffen. Von Carolo V. und Rudolpho II. werden ſie in den Po - licey Ordnungen de Anno 1548. zu Aug - ſpurg und de Ao. 1577. zu Franckfuhrt / von andern gemeinen Saͤngern und Reimern abgeſondert / als die nicht ſol - len geduldet werden. Ihnen iſt allein vergoͤnnet geweſen / im Roͤmiſchen Rei - che allerhand Getichte nnd Reimen zu ſchreiben. Bey den Turnier und Rit - terſpielen / haben ſie ihre Lobſpruͤche auff die Wollverdienten verfertiget / und nebſt den Herolden das ihrige verrichtet. Wie auch alle Ritterſchafft des Roͤmſchen Reichs in vier Ordnungen nrch den vier Landen als Rhein / Francken / Bayern und Schwaben eingetheilet / ſo ſind auch ſolche Meiſter-Saͤngeꝛeiē in den vornehm - ſten Staͤdten der vier Landen / als Nuͤrn - berg / Straßburg / Augſpurg / Ulm / Regenſprug / Heilbrun / Wimpffen ꝛc. auffgekommen. Sie haben ihre gewiſ - ſe Collegia und Zuſammenkuͤnffte ge - habt / worinen ſie ihre Reime oͤffentlichyin338Das VII. Cap. Von der Teutſchenin Gegenwahrt Ritterlicher und anderer vornehmen Perſonen hergeſagt / und iſt daſelbſt von ihnen der Meiſter-Saͤn - ger-Krantz denſelben auffgeſetzet worden / welchen ſie in ihre Geſellſchafft auffzuneh - men gewuͤrdiget / den ſie mit gewiſſen Ceremonien mit Gang Klang und Ge - ſang / zu einen Meiſterſaͤnger gemacht: wodurch er dann Freyheit erhalten / daß er ſich offentlich hat moͤgen hoͤren laſſen / auch dabey mit den Degen ſich ſchmuͤcken / Wie von dieſen und andern Ceremonien weitlaͤufftiger handelt Chriſtian von Ge - he in ſeiner Beſchreibung des Herolds Memb. 3, de Laurea decantatoria .. Es wundert mich aber daß in dem Turnier - Buch dieſer Meiſterſaͤnger ſo gar mit keinem eitzigen Worte gedacht wird. Harſtoͤrffer der uns die beſte Nachricht geben kan / weil er an ſolchem Ohrte gelebet / da ſie ihre meiſte Exercitia ge - habt / beſchreibt im iv. Theile der Ge - ſpraͤch Spiele im 151. Sp. §. 8. der Meiſter - ſaͤnger ihr Weſen etwas außfuͤhrlicher alsſonſt339Poeterey andren Zeit. ſonſt iemand ayders / aus welchem wir die Worte anher ſetzen wollen. Sie be - obachten allein die Anzahl der Sylben und der Reimen; daß aber eine Sylbe lang / die ander kurtzlautend ſey / daß gilt ihnen gleichviel. Ob nun ihre Ge - dichte ſchlecht ſind / und das Geſang der Choral oder der Ebreer Muſick nicht ungleich zu hoͤren / ſo haben ſie doch fei - ne Regul / und ihre Wiſſenſchafft in ſol - cher Verfaſſung / daß ſie ungezweiffelt ſagen koͤnnen / was gut oder boͤß iſt. Sie halten fuͤr einen Fehler / wann zween oder mehr Reime / ſie ſein gleich ſiumpff (einſylbig) oder klingend (zwey - ſylbig in einem Geſetze erfunden werden / die mit einerley Buchſtaben geſchrieben ſind / als leben und erleben / in han - den und verhanden u. d. g. und wer - den von ihnen ruͤhrende Reimen ge - nannt. Oder wenn abgeleitete Worter nicht ferne von den Stammwoͤrtern geſetzet werden / als Herr und herr - lich / Ehr und ehrlich: Oder wenn y 2zwey340Das VII. Cap. Von der Teutſchenzwey gleiche Woͤrter oder Sylben ein - ander folgen / als daß / das / ewig - lich / ich. u. d. g. Oder eine blinde Mei - nung oder Wort fuͤhren daß keinen rich - tigen Verſtand hat: oder ein halbes Wort und die Stimmen zuſammen zie - hen / als wie ſoll wir fuͤr ſollen wir gborn fuͤr geboren u. d. g. werden ſchnurrende Reimen genannt. Ferners achten ſie fuͤr einen Fehler / wann Reim woͤrter mit ungleichen Stimmen gebun - den werden / als Gluͤck nnd Strick gehoͤrt und gelehrt / oder wann die Schreibung gleich / aber die Außꝛede in ei - nem Lied weich / in dem andern hart iſt / als eine neue Maͤhre / und eine feine Lehre. Die Gebānde ziehen ſie nach belieben und haben derſelben uͤber 500. unterſchiedliche Arten. Iſt alſo darauß zu ſchlieſſen daß die Urheber dieſer Kunſt das Reimweſen woll verſtanden / und die Teutſche Sprache bereit vor ſechs - hundert und mehr Jahren darin geuͤbet worden: nemlich zu Kayſer Otto des Groſ -341Poeterey andern Zeit. Groſſen und des Pabſts Leonis des VII. Zeiten / welche die vier gekroͤnte Toͤne / wie es die Meiſter noch anheut zu Tageſingē / ſelbſt angehoͤrt / uñ mit gewiſſen Freyhei - ten begabt haben / weil es zu ſelbiger Zeit etzliche fuͤr eine Ketzerey außgeſchrieen hatten. Iſt alſo vermuthlich / daß die Uhralten Heidniſchen Helden Geſaͤnge mit Einfuͤhrung des Chriſtenthums von Keyſer Carl den Groſſen ab / und hingegen dieſe in den Kirchen eingefuͤhrt Es fuͤhret der Herr Zeiler in ſeinem 321. Briefe auß einer Limpurgiſchen Chronic an / wie die Teutſchen um das Jahr 1350. nicht allein ihre Kleidungen / ſondern auch ihre Geſaͤng und ihre Muſic veraͤn - dert haben / wie er dann ein Lied / wel - ches man damahls durch gantz Teutſch - land / wie er ſagt / ſange / hiebey fuͤgt:

Ach reines Weib von guter Art
Gedenck an alle Stetigkeit
Daß man auch nie von dir ſait
Das reinen Weiben uͤbel ſteit
Daran ſoltu nu gedencken
Und ſolt von mir nit wencken
Dieweil daß ich das Leben han.
y 3Noch342Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Noch iſt mir eine clage noht
Von der liebſten Frauen mein /
Das ihr zartes Muͤndlein roht
Will mir ungenedig ſein
Sie will mich zu grund verderben /
Untroſt will ſie an mich erben /
Dazu en weiß ich keinen Rath.

Es findet ſich in dieſer Chronic auch ein Geſang einer die man wieder ihren Willē zur Nonnen gemacht. Daſſelbe meldet / daß ums Jahr 1370. auff dem Mayn ein Außſaͤtziger Barfuͤſſer Moͤnch die beſten Lieder und Reihen in der Welt von Ge - dicht und Melodeyen gemacht / daß ihm niemand auff Reinesſtroom / oder in ſel - bigen Landen woll gleichen moͤchte: und was er ſang das ſungen die Leut alle gern / und alle Meiſter pfiffen / und andere Spielleute fuͤhrten den Geſang und diß Gedicht. Er ſang diß Lied

Ich bin außgezehlt
Man weiſet mich armen vor die Thuͤr
Untreu ich ſpuͤr
Nun zu allen Zeiten.

Ich will hie zu ergoͤtzung des Leſers ein Schlacht-Lied / ſo ein ſolcher Meiſterge -ſaͤnger343Poeterey andern Zeit. ſaͤnger / der die Hiſtoria des Henrici Au - cupis beſchrieben und wie eine Comœdia in gewiſſe Actus eingetheilet / derſelben mit einverleibt: Dann er fuͤhret einen Poeten ein / der fuͤr Anfang der Schlacht ein Lied / nach dem alten Gebrauch der Teutſchen abſinget / iſt nicht gar alt / und auß einem geſtuͤmleten Buche von meinem hochgeehrten Collega Herr D. Reihern mir mitgetheilet.

VIel Krieg hat ſich in dieſer Welt / Mancher Vrſach erhaben: Denſelben hat Gott zugeſellt / Die Muſic als ſein Gaben: Ihr erſtr Erflnder war Jubal / Des Lamechs Sohn mit Namen: Erfand Drommetn und Pfeiffen Schall / Kondt ſie ſtimmen zuſammen. Die Muſic gut / Erweckt den Muth / Friſch unverzagt / Die Feind verjagt / Rufft ſtarck / dran / dran / An Feind hinan / Brecht gwaltig durch / Schlacht Gaſſn und Furch / Schieſt / ſtecht / und haui alls nider Das keiner auͤffſteht wider.
2.
Als dort Eliſa weiſſagn ſolt / Da Iſrael Durſt lidte:Sprach er: Mir bald ein Spiel - man holt / Der ſpielt nach Davids Sitte: Bald kam auff ihn des HErren Hand / Troͤſtlich thet er weiſſagen: Ohn Regē floß groß Waſſr durch[s]Land Der Feind wurd auch geſchlagen / Drom Drart / Drom / Pom / Pom / Pom / Pom / Dromml und Pfeiffn gut / Macht Heldenmuth / Erweckt Prophetn / Reitzt die Poetn / In Frted und Streit / Hoͤrt mans allzeit / Muſicam ſoll man ehren / Man kan ihr nicht entbehren /
3.
Man ſchreibt / daß wenn Timo -
theus /
Nach dr Dorier weiſe thet ſingen:
y 4Als344Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Als ein beruͤhmter Muſicus /
Kondt er in Harniſch bringen:
Alexandrum Magnum / den Held
Streits ſatt kondt er nicht weꝛdeu /
Biß eꝛ zwang faſt die gantze Welt /
Bekriegt den Kreyß der Erden.
T[i]motheus /
Mileſius /
Kondt gwaltig ſingn /
That mit auffbringn /
Alexandrum /
Regem Magnum /
Das er im Wuth /
Vnd Heldenmuth /
(waffen /
Faſt Schild / Schwert / uñ Kriegs -
Im Grim die Feind zu ſtraffen.
4.
Denn was Gott treibt / daß muß fortgehn / Indith / die Heldin thut ſingen: Niemand kan ſolchem widerſtehn / Alles muß ihm gelingen: Welchem Gott gibt ein ſtreitbarn Muth / Gwaltig kan er durchbrechen / Sicht man an ſtarcken Helden gut Thut ſich an Feinden raͤchen. Pidi / Pom / Pom / Pom / Steh feſt mein Comp / Laß Pfeil / Saͤbl / ſauſſn / Vnd umb uns prauſſn / Solchs gar nicht acht / Sondern betracht / Was flichen brecht fuͤr Ehre / Drumb dich nur Hertzhafft were.
5.
Ob theils gleich wolten weichen ab / Wie offtmahls iſt geſchehen: Jedoch ein Loͤwenmuth ich hab / Thut Keyſer Heinrich ſehen:Der Kern ſpringt vor / die Spreu bleibt hindn / Laſt uns Hertzhafft drein ſchlagen / Sie werden ſich wol widrumb wendn / Ihr Bruͤdr thut nicht verz[a]gn. Kyrieleiſon / Pidi / Pom / Pom / Pom / Lerm / Lerm / Lerm / Lerm / Sich keiner herm / Wirſt gleich gepfetzt / Vom Feind verletzt / Solchs thu jetzt gar nicht achten / Hilff nur die Feind abſchlachten.
6.
Wir haben viel Feldtſcheerer gut / Die uns woll wider heilen: Mit Gottes Huͤlff / drumb faſt ein Muth / Die Vngrer ſich zurtheilen: Sich nit auff die erſchlagne Feind / Laß ja dein Muth nicht fincken / Der unſern wenig drunter ſeynd / Wollns jhm mit Rach eintrenckē[.]Drom / Drari / Drom / Kyrieleiſon / Schlagt / ſtecht / ſchieſt dr[e]in Vnſer muß ſeyn / Der Sieg und Preiß / Keiner außreiß / Bruder weich nicht / Dich nach mir richt / GOtt helffs mit Gnaden walten / Daß wir nurs Feld behalten.
7.
Gott iſt ſelbſ[t]foꝛnen mit uns dꝛan /
Thut ſelber fuͤr uns ſtreiten:
Der Feind nicht laͤnger ſtehen kan /
Weicht ab auff allen Seiten:
Ihr Bꝛuͤdeꝛ ſetzt nuꝛ muhtig dꝛein /
Die345Poeterey andern Zeit.
Die Feinde thun verzagen /
(ſeyn /
Der Sieg und Preiß ſoll unſer
Gott Lob ſie ſind geſchlagen.
Drom / Trari Trom /
Kom / Bruder / kom /
Pomp / Pomp / Pomp / Pomp /
Freu dich mein Comp /
Hilff friſch nach[j]ag[n] /
Thu wackr drein ſchlagn /
Acht nicht der Beut /
Sie hat ihr Zeit /
Wir wollens noch wol finden /
Bleib kelner nicht dahinden
8.
Gott Lob / ihr wehrten Kriges leut / Vnd ſtreitbahrn Helden gute / Den Sieg habn wir erhalten heut / Habt nun ein guten Muhte / Raubt / uñ beutet was jeder find / Doch theilts fein friedlich auſſe / Damit ihr Eltern / Freund / Weib und Kind / Was ſchickt odr bringt zu Hauſe / Pidi / Pom / Pom / Pom / Feldtſcherer kom / Vnd mich verbind / Bin halber Blind / Hie ſteckt ein Pfeil / Ziecht aus in Eil / Verbind mich vor / Sonſt koſts mein Ohr / Verbind mich auch / Bech / Feur / und Rauch / Laß mich vorgehn / Kan nicht laͤngr ſtehn / Lieber gebt her zu trincken / Mein Hertz wil mir verſincken.
9.
(gut /
Ihr Hertzliebſten Kriegsbr[]der
Kein Fleiß wil ich nicht ſpahren:
Weil euch fuͤrm Feind im Helden -
muth /
Solches iſt widerfahren:
Gehabt euch wol / faſſt ein friſch
Hertz /
Gotts Huͤlff wird ſich bald finden /
Ob gleich itzt ebē gꝛoß deꝛ Schmeꝛtz /
Verleurt ſich im verbinden.
Wiſch ab das Blut /
Halt Bruder gut /
Reich her die Scheer /
Gibs Pflaſter her /
Halt hie den Arm /
Bind zu fein warm /
Gebt jenem zu trinckn /
Laß ihn hinhinckn /
Gott Lob ſie ſeiud verbunden /
Mit ihren Stichn / Schuͤſſn / und
10.
(Wunden.
Ein Wundartz hat drey Angeſicht /
Wird z 'erſt fuͤr GOtt gehalten:
So offis in Schaͤden wuͤetet und
ſticht /
Koͤmpt er in Engels Gſtalten
Wenn man ihn aber zahlen ſolt /
Vndanck thut ſich bald finden /
Wolt daß ihn dieſr und jener holt /
Oder muͤſt gar verblinden.
Vndanck / Vndanck /
Macht Gutthat tranck /
Iſt ein groß Laſtr /
Fuͤr heilſame Pflaſtr /
Halt den Artzt werth /
Der Verſtaͤndig ihn eh[rt]/
Des Artztes Kunſt /
Soll bringen Gunſt /
In groſſer Roth /
Schafft dir jhn GOtt /
Kein Artztg[e]lt ſoll man ſparen /
GOtt woͤlt uns all bewahren.
y 411. Kein346Das VII. Cap. Von der Teutſchen
11.
Kein ſeeligr Tod iſt in der Welt / Als wer fuͤrm Feind erſchlagen: Auff gruͤner Heid / im freyeu Feld / Darff nicht hoͤrn groß Wehkla - gen: Im engen Bett / da einr allein / Muß an den Todesreyhen / Hie aber find er Gſellſchafft fein / Falln mit / wie Kraͤutr im Meyen / Ich ſag ohn Spot / Kein ſeeligr Tod /Iſt in der Welt / Als ſo man fellt / Auff gruͤner Heid / Ohu Klag und Leid / Mit Trommeln Klang / Vnd Pfeiffen Gſang / Wird man begrabn / Davon man thut haben / Vnſterblichen Ruhm / Mancher Held fromm / Hat zugeſetzt Leib und Blute / Dem Vaterland zu gute.

Es iſt nichts laͤcherliches in dieſem gan - tzen ungeſchmackten Liede / als wann er das Kyrieleiſon unter Pom bidi Pom miſchet / lautet faſt eben ſo / als wann man Schertz oder Sprichworts - weiſe ſagt: Fein luſtig / daß GOtt erbarm. Es ſcheinet aber / daß dieſes ein Gebrauch bey den Schlachten gewe - ſen / daß ſie das Wort Kyrieeleiſon geruffen: Daß die alten Norweger ſolches gethan / bezeuget Janß Dolmer in ſeiner Anmerckung uͤber die Norſke Hirdſkraa / (iſt ein Buch von der Hoff - haltung) welches in uhralter Daͤni - ſcher Sprache beſchrieben / er heraußge - geben und erklāret. Denn er fuͤhret inder347Poeterey andern Zeit. der Anmerckung uͤber das 5. Cap. auß einer Norwegiſchen alten Chronic. p. 483. an. Gamle Norbagger hafve icke alleniſte brugt deſſe Ord / deres Kongers Kroning / men end ocſaa udi Striid. Erling Skak befa - lede ſit Folck / udi Strüden mod Grafve Signrd / at de ſkulle paa - kalde Gnd / ſiunge Kyrie eleiſon / oc ſlaa paa deres Skiolde. Es haben auch die alten Gothen wenn ſie mit den Roͤmern geſtritten die Wort Herre dig forbarme iſt ſo viel als Kyrie eleiſon gebraucht / und haben die Roͤmer ſolches von ihnen gelernet / wie ein Ohrt bey dem Auguſtino Epiſtolâ 178. ſolches anzeigt. Si enim licet dicere non ſolum barbaris lingua ſua ſed etiam Romanis Si hora armen, quod interpreta - tur: Domine miſerere, cur non liceret in conciliis patrum in ipſa terrâ Græcorum, lingua propria homouſion confiteri. Es iſt aber diß Si hora armen auß dem vori - gen Herre dig forbarme verfaͤlſchet. Es348Das VII. Cap. Von der TeutſchenEs iſt noch eine andere dieſer gleiche art Reimenmacher die man die Pritſchmei - ſter nennet / welche bey offentlichen Auff - zugen / Vogelſchieſſen und dergleichen / ihre naͤrriſche und ungereimte Reime hervor gebracht. Man findet derglei - chen noch etliche / und iſt mir einer Bene - dickt Edlbeck Siber bekant / der in einem weitlaͤufftigen Buch das Ritterli - che Schieſſen zu Zwickau Anno 1574. in Reimen gefaſſet / welche voll laͤcherlicher Einfaͤlle ſein. Er nennet ſich des Ertz - hertzogen Ferdinanden zu Oſtereich Britſchmeiſtern. Aber es iſt der Muͤhe nicht wehrt mit dieſen ſich ferner auff - zuhalten. Nur iſt gleichwol diß zu mer - cken / daß zuweilen von etlichen feinen Leuten einige artige dinge zu der Zeit ge - ſchrieben / welche wo nicht des Reimge - baͤnds wegen / dennoch der Erfindung halber zu loben ſein. Ich habe offtmahln alte Tentſche auff Pergamen geſchrie - bene Verſe geſehen / darinnen von Hi - ſiorien gehandelt worden / oder auch etli -che349Poeterey andern Zeit. che Oerter auß der Biebel uͤberſetzet / worinnen andere Buͤcher eingebunden geweſen: und iſt zu beklagen / daß der - gleichen dinge als unnuͤtze Wercke ver - brauchet werden. Der ſo genante un - verdroſſene Carl Guſtav von Hille hat in ſeinem Teutſchen Palmbaum / darin er von der Fruchtbringendẽ Geſellſchafft Anfang und Auffnehmen geſchrieben / ein Teutſches Lied angefuͤhret / welches in dem Meckelburgiſchen Kloſter Dobran von etlichen Kayſerlichen Soldaten in einem gemauerten Schrancke gefunden worden / von 28. dem Reimgebānde nach woll geſetztē Steophen beſtehend / zu Lobe des Wendiſchen Koͤnigs Anthyrii gemacht: Davon ich 2. Strophen herſetzen will:

1.
Duͤ Tugend hat ken Raſt / ſy ſchlaͤffet nicht in Betten / Beſonder ſy trinckt Blut /
Das kan man wager ſeen / wy ſy vor Taten teten.
Der Recken Rieſen hoher Muht.
Set ſuͤ gekommen in duͤ Schlachten
Und manchen wilden Biderman
Mit ihrem Sturm gewand umbrachten /
Wy man noch hete ſeen kan.
2. Ein350Das VII. Cap. Von der Teutſchen
2.
Ein Edler Konig ricke in dieſem Lande ware /
Das Wendenland genant /
Duͤ mer behalten iſt / ſo lange viele Jahre
Gar manchen Drud bekant
Sein Nahme heiſet ſonſt Anthyre
Er war gar ein getreuer Mann /
Er fuͤhrt mit Ruhm ſein Ritter Ziere
Als ihm ſolt wol anſtahn.

Die Worte geben es daß es ſo gar alt nicht ſey / aber es iſt der Zeit nach nicht uͤbel gemacht. Beim Henrico Meibomio wird in ſeinen Schrifften offtmahls et - was auß einem alten Chronico Rhythmico Saxonico welches vor 400. Jahren ge - ſchrieben / angefuͤhret / dem er groſſen Glauben beyleget. Dieſes gedencket unter andern von dem Henrico Leo - ne, daß er nach dem Exempel des Ca - roli M. die alten Chronicken habe zu - ſammen tragen laſſen. Denn diß ſein die Worte:

Alleim dho groz Kranckheit
Zoghinge her was doch gemeyt
Gemuter natuͤrlicher Tugent /
Darnach her an der jugent /
Vnz an alder kunde ringhen
Her leyz zo ſamene bringhen
De351Poeterey andern Zeit.
De alten Kronicken und ſcriben /
Deß began her ſo verne treiben /
Vnd war dha vff verdacht
Mengen Tach und Nacht.

Ich muß hie auch eines nicht gar viel be - kanten Hugo von Trimberg geden - cken / welcher vor etwa 380. Jahren ge - lebet / und ein weitlāufftig Buch in Rei - men geſchrieben / ſo er den Renner neñet: worin die Mißbrāuche die damahls in allen Stānden geweſen vorgeſtellet / viel Maͤngel der Geiſtlichen endeckt / und alle zur Tugend und Wollſtand angewie - ſen werden. Solch Buch iſt von Cyria - aco Jacob zum Bock / Buchdrucker Anno 1549. unter den Titul der Renner her - außgegeben. Es ſind viel artiger Ein - faͤlle / viel ſchoͤner wollgeſetzte Lehren darin: und iſt nicht ohne Luſt zu leſen. Es iſt aber gar ſehr durch unzeitige Zu - ſātze / und Verānderung der Woͤrter verdorben. Denn weil der Stylus we - gen alters bißweilen etwas unverſtānd - lich hat der Editor die alten Woͤrter in neue verkehret / wodurch der Verſtandwie -352Das VII. Cap. Von der Teutſchenwieder des Autoris intention verfālſchet. Er hat bißweilen gantze Verſe nach der Reihe / auß groſſer Nachlaͤßigkeit / auß - gelaſſen. Deſſen wir eine Probe dar - ſtellen wollen. Ich habe ein MStum E - xemplar von dieſen Buche / bey meinem Hochgeneigten Goͤnner / dem Herrn Hoff R. Marquardo Gudio, geſehen / wel - cher auch dieſes in ſeine ſo herrliche Schatzkammer / der außerleſenen MSto - rum auffzunehmen gewuͤrdiget hat. Wir wollen ein Stuͤck des Capittels von den Meyden vornehmen / und das gedruckte Exemplar mit dem geſchriebenen zuſam - men halten / da man den groſſen Unter - ſcheid mercken wird.

Das Gedruckte.

KBrtzen muͤht und langes haar
Haben die Meyd / daß iſt war /
Die zu ihren tagen kommen ſindt /
Die wahle jn machet das hertze
blind /
Die angen zeygen ihn den weg /
Von ihren augen geht ein ſtegk
Zuͤ dem hertzen nit gar lang
Auff dem ſteiget mancher gedangk.
Wen ſie woͤln nemen oder nicht /
Q wehe wie offt daſſelbe geſchicht.

Das Geſchriebene.

Haben die Meyd ſonderbar /
O wehe wie dickh das geſchicht /
Das353Poeterey andern Zeit.
Das ſie gar zweiffeln von der
wahle /
Die ſie haben darinn / ohne zahl.
Diß iſt zum erſten ihr gedangt:
Dieſer iſt kurtz / yener iſt lang /
Dieſer iſt hoͤfferig und alt /
Der ander jung / und uͤbel geſtalt
Dieſer iſt mager / und iſt kahl,
Der iſt feyſt / der iſt ſchmal.
Dieſer iſt Edel / yener iſt ſchwach /
Der nuͤm̃er nie kein ſpchr zuͤbrach.
Eyner iſt weiß / der ander iſt
ſchwartz /
So heyſſet einer meyſter hartz /
Dieſer iſt bleich / yener iſt roht /
Yener iſſet ſelten froͤlich brodt.
Dieſer iſt eygen / der iſt frey /
Woͤlte er / dem lege ich gern bey.
Dieſer iſt reich / yener iſt arm /
Der kompt nit in meinen arm.
Dener iſt des leibs gar verzagt /
Der ander iſt ein boͤſer krage.
Eyner iſt nicht gar wol gezogen /
Dieſer hat meyde viel bedrogen.
Der iſt mir lieb dem bin ich leyt /
Das machet ſeine unſtedigkeyt.
Eyner geht greynen als ein hundt.
(fundt.
Der ſiebende kan manchen boͤſen
Deꝛ achte hat gaꝛ manches pfundt
Boͤßlich ver zehrt bev ſeinen tagen /
Das horte ich ſeine freunde klagẽ.
Dieſer iſt ein dreſter korb /
Das juͤnglin ſitzen bey der wahle /
Die ſie haben libratz ohne zal.
Eyner iſt parthot und iſt alt /
Yener ſelten ſpehr zubrach
Yener iſt des Leibes gar ein za[g]/
Der ander iſt ein loſer trage.
Eyner geht grimmẽ als ein hundt,
Dem andern ni kein Zucht ward
kund /
Der dritt iſt Edel und gar ein
Schlund /
Der vierth ein S alck biß an den
Grund.
Des fuͤnſſten Oden iſt ungeſund /
Der ſechſte hat ein weiten Mund.
Der achte hat viel manches pfund
[z]Die -354Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Dieſes naſe iſt als ein ſenſſē worb.
Der iſt knorrechtig als ein ſtock /
Der dritte eine leine hoſe und ein
ſock.
Der vierdte hat einen boͤſen rock /
Der fuͤnffte iſt gar ein narr /
Der ſechſte iſt ein ſchlauch und ein
Farr.
Der kan ſich mauſſẽ als ein hab ich /
Yeme hangen die Wangen als ein
taͤppich.
Eim ſiehet man die ſchulderen ſtor -
ren /
Als bockes ohrẽ / und rindes knor -
ren.
Der iſt gehler dann ein Quitten /
Der ander von huͤbſchen ſitten
Yener ſchnauffet als ein Dachs.
Gleich wie ein neu gebrochẽ flachß
Die naſe yener auffrimpffet /
Gar ſelten yener ſchimpfet.
Eyner ſpielt / der ander ſtilt /
Dieſem kein Boßheyt nit gefellt.
Drr vierdte heimlich unſaͤnffte
haͤlt.
Nach dem mein hertze ſelten quaͤlt.
Der iſt ſchier ein lem̃elein auſſen /
Doch mag ein Wolff wol in jhm
laußen /
Yener were wol ein ſeiner knecht /
Er ſpringt daher gleich wie ein
hecht /
Dieſee iſt gur ein ſeiden ſchwantz /
Yener iſt der meyde roſen krantz.
Seine ſtimme zieꝛet wol den dantz /
An ihm leyt gar meins hertzen
glantz /
Dan er hat gehl und rohtes haar /
Eyner iſt wannicht als ein trog
Der andeꝛ knoꝛꝛachtig als ein ſtock
Der dritte ein linhoſ und ein ſock.
[[De]]r vierdte hat einen bloſſen rock /
Der fuͤnfft iſt gar ein narren pock /
Der ſechſt iſt ein ſchlauch und ein
gedrock.
Yem hangen die Wangen als ein
Wabich.
Als bockes horen und rindes knoꝛ -
ren.
Dirr (i. e. dieſer) iſt gelber dann
ein Wachs /
Yener ſchnaudet als ein Dachs /
Dieſem geſtrichen leit ſein Vachs /
Als ein neu gebuͤrſter Blachs.
Die naſe dirr auffrimpffet /
Viel ſelten yener ſchimpfet.
Dem dritten boßheit nit bewillt /
Der vierte unſanfft heimlich ſchilt.
Nach den meia Hertz ſelten quillt.
Doch mag ein Woͤlfflin in jhm
laußen
Yener wer gar ein Edling
Den der zitter Howling /
Dieſer iſt gar ein ſidenſchwantz /
An jhm leit meines Hertzen glantz /
Denn er hat gehl und reides haaꝛ /
Mit
355Poeterey andern Zeit.
Mit dem ich leider nit wol dar
Mich gnug bereden nach meinem
Muthe /
Die leut habens vielleicht in huͤte
Mit dem ich leider nicht getar
Mich erkoſen nach meinen muthe /
Vor der leiden mercker hute.

Aus dieſem Exempel iſt zu erſehen / wie man mit den alten Verſen gehandelt / nach belieben außgelaſſen / und hinein ge - ſetzt was man gewolt / und iſt es mit den aͤltern auch alſo ergangen. Wer dieſer Autor geweſen und wann er geſchrieben / kan man auß dem Beſchluß des Buches abnehmen: denn er ſpricht:

Der diß Buͤch gedichtet hat
Der pflag der ſchulen zuͤ Thuͤrſtat /
Viertzig Jahr vor Babenberg /
Und hieß Huͤgo von Trymberg.
Es wardt follenbracht das iſt war /
Da tauſend und dreyhundert jar
Rach Chriſtus geburt vergangen waren.

Ferner ſetzet er die Uhrſach / warum diß Buch der Renner genannt werde / denn er vor dieſen eines geſchrieben welches er denn Samler genennet / worauß er viel genommen und in dieſes verſetzt:

Ich hatte vor vier und dreiſſig jaren /
Meinen geſellen / die da bey mir waren
Gemacht ein kleynes Buͤchelein /
Daß ſie da bey gedaͤchten mein.
z 2Das356Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Das war der Sameler genant /
Ehe das kam von memer handt /
Da wart ſem eyne Quintern verlorn /
Die ſelbe Verluſt / die thaͤt mir zorn /
Das ichs da nit follenbrachte /
Mit dem ſume / als ich gedachte.
Wie viel ſein aber iſt geſchrieben /
Das iſt hin und her beklieben
Viel daß / dann ich mich verſach /
Yens leuffet vor / dis rennet nach /
Wer yenes lieſet der mercke dabey /
Das diß von yeme genommen ſey /
Das jr beyder ſiñ ſei gleich /
Wiewol jhr liebe doch ſey ungleich.

Seine Reime entſchuͤldiget er in vorher - gehenden / weil er deren ungewohnet:

Vnd wiſſet / daß ich wol dreiſſig jar /
Meinen ſinn hatte auff Latein ſo gar
Geleit / das mir die Teutſchen Reimen /
Schnuͤr / hafften / pynſel und leym /
So gar waren unbekant /
Als ob ich fuͤhre in frembde landt
Und woͤlte eyne ſprache lernen da /
Die ich doch vor vielleicht anderſwo
Gehoͤrt hette / und ſie nit foͤrderlich
Follbrengen kuͤndte / und endelich.
Drumb ſolt jr mir vergeben /
Wann etliche Reimen nit ſtehn gar eben.
Wer dichten kan / der ſchmide ſie baß /
Mit meinem Dienſte / ohn allen haß.
Agri -357Poekerey andern Zeit.

Agricola der teutſche Sprichwoͤrter geſchrieben / gedencket dieſes Renners / und fuͤhret bißweilen auß ihm etwas an. In der Vorrede derſelben erwehnet er etliche alte teutſche Schrifften von Creck Ivan / Triſtrand / Koͤnig Ruͤcker / Par - tzival / und Wiglois / von dem alten Hildebrand / Ditrich von Bern / Herrn Ecken / Koͤnig Faſolt / Riſen Signot / dem edlen Moringer / Ritter Pontus / von der Taffelrunde / von dem Ritter vom Thurn / Siebenmeiſtern. ꝛc. Es werden etliche von dieſen beym Goldaſto gedacht / und ſein einige davon nur in Prolâ geſchrieben / die ſich unter den alten Teutſchen Romainen befinden / welche in dem ſo genanten Buch der Liebe / zu Franckfurth Anno 1585. gedruckt / zuſam - men getragen. Noch vor des Trim - bergs ſeiner Zeit etwa um das Jahr 1200. hat Ecko von Repkovv, der das Saͤchſiſche Recht unter dem Titul des Sachſenſpie - gels in Ordnung gebracht / eine Vorrede in Reimen davor gemacht. Esz 3ſchei -358Das VII. Cap. Von der Teutſchenſcheinet aber / daß die alten Teutſchen Worte nach der damahls uͤblichen Rede etwas geaͤndert / wie ſolches auch der Un - terſcheid der MStorum weiſet / die in der Oldenburgiſchen Bibliotheca noch ver - handen / und deren Gryphiander in ſei - nem Buch de Weichbildis Saxonicis cap. 53. gedencket. Der Schluß von der Vor - rede lautet alſo:

Nun dancket all gem ein
Dem von Falckenſtein
Der daiſt Graf Hoyer genant /
Das an Deudſch iſt gewant /
Dis Buch durch ſein bete.
Eck von Repkow es thete /
Ungern er es ankam /
Da er aber vernam /
So groß des herrn gere /
Da hat er kelme wehre /
Des herrn liebe in gar uͤberwan /
Das er des Buches began /
Das im war viel unbedacht /
Da er es in Latein hatte bracht /
On huͤlff und onlere.
Da daucht ihm das zu ſchwere
Das er es in Deudſch wante /
Zu letzt er es doch geandte
Die arbeit / und thete
Graff Hoyers Bete.
Es359Poeterey andern Zeit.

Es iſt kein richtiges Reimgebānde und maaß der Sylben / nur daß die Reime in acht genommen werden; mit welcher Reimſucht damahls alle behafftet waren / daß man auch in den Lateiniſchen die - ſelben gebrauchte / ja wolgar Lateiniſche unter die Teutſche miſchte / deſſen wir unterſchiedliche Exempla in alten Grab - ſchrifften haben / dergleichen eins in dem Dobberaniſchen Kloſter in Mecklenburg auff einen Peter Wiſen zu leſen; deſſen anfang alſo lautet:

Hier Peter Wieſe tumba requieſcit in iſtâ,
God geef em Spiſe cæleſtem, quiq; legis ſta. &c.

Es iſt aber dieſe art zu reimen ſo gar alt nicht. Denn es iſt Anno 1380. in Fri - dericum Strenuum Landgrafen von Thuͤ - ringen / dergleichen Gꝛabſchrifft gemacht / welches Fridericus Hortleder in einigen La - teiniſchen auff einen Saͤchſiſchen Hertzog gemachten Grabſchrifften mit anfuͤhret / Selbiges lautet alſo:

Hye lyt ein Fuͤrſte loͤbelich
Quem vulgus flebile plangit,
z 4Von360Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Von Miſne Marcgrav Friderich
Cujus inſignia pangit
Clerus, clauſtralis, laicus.
Den Fuͤrſten leidlichen klagen
Dives, inops, altus, infimus.
Fuͤrſtliche Weꝛck von ihm ſagen
Warhafft / Wiſe / Tugentlich /
Affabilis atque benignus
In Gottes Fuͤrchte ſtaͤtiglich
Fuit hic laudarier dignus
Da veniam Chriſte
Laß uns Gnaden erfinden.
Annue quod iſte
Loß werd von ſinen Suͤnden.

Es wird auch noch heute unter den Kir - chengeſaͤngen / das Lied In dulci jubilo gebraucht / ſo auff dieſe art von dem Pe - tro Dreſdenſi etwa Anno 1410. oder noch wol ehe gemacht. Es meinen etzliche / daß er vor gehabt die Teutſche Geſānge in der Kirchen auffzubringen / und were es vom Pabſte alſo vermittelt / daß ihm dieſe Vermiſchung mit dem Lateiniſchen vergoͤnnet / oder er haͤtte es deßhalben gethan / daß allgemach der Weg zu den Teutſchen Liedern gebahnet wuͤrde: Wel -ches361Poeterey andern Zeit. ches ich nicht fuͤr glaubwuͤrdig halte. Sondern er hat ſich vielmehr nach dem Trieb ſeiner Zeit gerichtet / da man ſol - che art zu Poetiſiren vor eine ſonderli - che Zierlichkeit gehalten. Von dieſem Petro Dreſdenſi und ſeinen Liedern kan ein mehres bey dem Herrn Thomaſio in einer abſonderlichen Diſſertation de Petro Dreſdenſi geleſen werden. Matthias Fla - cius gedencket in ſeinem Catalogo Teſt. Veritatis lib. 19. auch dieſer art Verſe / als welche zu der Zeit gemein geweſen / davon er ſpricht: Sunt etiam rhythmi qui - dam ſemigermanicè & ſemilatinè jam olim editi. Es ſind dergleichen Carmina ietziger Zeit von einigen luſtigen ingeniis nach gemacht / und findet man etliche beym Henrico Brunone in ſeinem Mengel - moeſs. p. 177. und 202. wie Baudius und an - dere ſolche auß Griechiſch und Lateiniſch gemiſchte Verſe gemacht / darauß dieſes zur Probe:

Erant & duæ bellulæ
Bly-geeſtig, ſoet van aert
z 5Et362Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Et non minus tenellulæ,
En t ſoenen beyde waert.
Libens tulißem haſia.
Maer ick en ſagh gheen kans.
Want elck was daer amaſia
Van een veel groter Hans.

Ich habe ſelbſt wol einige dieſer art in meiner Jugend gemacht. Zu derſelben Zeit des Hugo von Trimbergs lebte Freydanck / der von jenem offt angefuͤh - ret wird / hat ein Buch in teutſchen Rei - men geſchrieben / ſo er die Laien Bibel nennet / darinnen er die fuͤrnehmſte Hi - ſtorien altes und neues Teſtaments in teutſche Verſe verfaßt / und allerhand feine Lehren mit untermiſcht. Er hat auch einen Außzug der ſiebenden Zahl aus der Bibel und den Chronicken her - vorgegeben / deſſen doch Leonhard Wurffbain in ſeinem Buch de Septenario keine Erwehnung gethan. Sie ſein zu Franckfurth Anno 1569. gedruckt. Es hat Anno 1494. Sebaſtian Brand ein vor - nehmer Rechtsgelahrter und Keyſerli -cher363Poeterey andern Zeit. cher Raht ein recht artiges Buch ge - ſchrieben / ſo er neñet: Das Niv Schiff von Narragonia / worinnen er die Laſter und Eitelkeiten durchziehet / und die damit behafftet ſind als Narren in einem Narren-Schiffe in 104. Capitteln und Gemaͤhlden vorbildet. Diß Buch hat Nicolaus Honiger mit Anmerckungen gezieret / und hat ein Straßburger The - ologus Johan Geiler Këiſersberg Predig - ten daruͤber gehalten wie Moſcheroſch in der Vorrede des Buchs / das Gumpel - zhaimer de Exercitiis Academicorum ge - ſchrieben; bezeuget. Iſt auch in Lateini - ſche Verſe uͤberſetzet. Es iſt ein gelehr - ter ſinnreicher Mann geweſen / und hat noch ein zimlich Lateiniſches Carmen ge - ſchrieben / wie er dann vor des Felicis Hemmerlin oder Malleoli opuſculis / die er heraußgegeben / ein Elegiam gemacht. Selbiger Hemmerlin hat noch vor ihm gelebet / war ein Rechtsgelahrter und Canonicus, und hat unter andern ſeinen Sachen ein ſehr aꝛtiges ſcriptum gemacht /deſ -364Das VII. Cap. Von der Teutſchendeſſen titul: Doctoratus in Stultitia, wor - innen er / nach der damahlen gebraͤuchli - chen Schreibart / viel ſonderliche Einfāl - le hat / und ein recht vollkommenes Di - ploma Doctoratus in ſtultitia hinangehaͤn - get. Es iſt auch im Jahr 1497. von ei - nem Ritter das Hoffleben Reimenweiß beſchrieben / und Anno 1535. von Johann Morßheim her außgegeben / welches auch wol wuͤrdig daß es hier erwehnet werde. Es iſt die Poetiſche Hiſtoria von dem Ritter Theurdanck in teutſche Verſe be - ſchrieben: worinnen das Leben des Keyſers Maximiliani enthalten iſt. Es werden Fuͤrwitz / Neid / und Verwe - genheit / unter gewiſſen Perſohnen / als Fuͤrwittig / Neydelhart / Unfalo / vorgeſtellt / welche den Ritter Theurdanck zu allen boͤſen dingen gerathen / die aber endlich ihren Lohn davor bekom - men. Die Erfindung iſt nicht unge - ſchickt / wiewol an den Verſen nichts kuͤnſt - liches. Es haben einige dem Maximilia - no ſelbſt diß Buch zugeſchrieben / welchesauch365Poeterey andern Zeit. auch Voſſius lib. 3. c. 10, de Hiſtoricis Lati - nis gethan; der es ſelber nicht geſehen / ſetzet es unter die Lateiniſche Hiſtoricos, woruͤber er von Sandio in ſeinen Animad - verſionibus und von andeꝛn getadelt wird. Der ware Autor aber iſt Melchior Pfin - tzing / der ſolches dem Carolo V. zuge - ſchrieben im Jahr 1517. Er nennet ſich J. Majeſtaͤt Capellanen zu St. Alban bey Meintz und St. Seebald zu Nuͤrnberg Probſten. Das Buch iſt in anſehnlicher Form gedruͤcket / mit einer art Buch - ſtaben / welche noch heutiges Tages den Nahmen Theuerdanck davon behaltẽ Hꝛ. von Bircken hat in ſeinem Spiegel der Ehren des Hauſes Oeſterreichs lib. 6. c. 20. dieſes Buchs gedacht / und des Maximiliani Tugenden ſo hoch erhaben / daß ſie viel groͤſſere Ehre verdienen als dieſe. Nachgehends hat einer Burcar - dus Waldis daßelbe zu Franckfurt nachdrucken laſſen / und gar viel Verſe darin geaͤndert / und wie er ſelbſt be - kennet etzliche tauſend paar dazu geſetzet;der366Das VII. Cap. Von der Teutſchender aber dieſe Aꝛbeit wol haͤtte moͤgen blei - ben laſſen. In Niederſaͤchſiſchẽ Verſen hat man den ſo genanten und jederman wol bekanten Reincken Voß / ein uͤber - auß ſinnreiches Buch / worinnen unter einer Fabul / der Lauff der Welt / und alle Hoͤfiſche Sitten und Streiche ſo artig abgebildet werden / daß von keinem alten Poeten ſolches beſſer haͤtte vorgeſtellet werden koͤnnen. Es moͤgen billig alle Niederſachſen diß Buch als eine Frucht eines wollgeſchliffenen Verſtandes werth und in Ehren halten. Denn ob zwar in der Vorrede deſſelben gedacht wird / ob ſey es auß der Frantzoͤſiſchen Sprache uͤberſetzet / ſo iſt ſolches von dem Autore vorgegeben / damit er deſto ſicherer unter dieſem Vorwand ſich ver - ſtecken koͤnne. Wer die Niederſaͤchſche Sprache verſtehet / und davon urthei - len kan / ſiehet wol auß der Fuͤgung der gantzen Rede / daß es einheimiſcher und nicht frembder Abkunfft ſey. Die es in Lateiniſche und Hochteutſche Spracheuͤber -367Poeterey andern Zeit. uͤberſetzt / haben es vielmehr verdorben / Janus Guilielmus Laurenbergius der die ſinnreichen Schertzgedichte in Nieder - ſaͤchſcher Sprache geſchrieben / hālt da - vor es ſey kein beſſer Buch nechſt der Bibel als dieſes. Der Autor ſoll ſein Nicolaus Bauman, beym urſprung des Waͤſerſtroms buͤrtig: andere haben mich verſichern wollen / er ſey aus Wiß - mar / meiner Gebuhrtſtadt / entſproſſen / woſelbſt des Nahmens von alters her unterſchiedliche geweſen / wie ich mich auch ſelbſt wol erinnere. Dieſer iſt / nach dem er am Juͤliſchen Hofe durch Verlaͤumbdung auß des Hertzogs Gna - de geſetzet worden bey Hertzog Magnus in Mecklenburg Secretarius geworden. Da er dann das Buch aus eigener Er - fahrung geſchrieben / und es alſo im Jahr 1522. als wans zuvor ein altes Frantzoͤ - ſiſch Werck were geweſen / in den Druck gegeben. Welche Nachricht in der Vor - rede des Froſchmaͤuſelers zu finden / nebſt dem Epitaphio auff den Autorem. Gry -368Das VII. Cap. Von der TeutſchenGryphiander l. 1. Oecom. Legal. c. 1. n. 51. nennet den Autorem Ludovicum Roma - num, davon mir gar nicht wiſſend / dann ich nie einige edition unter dieſem Nah - men geſehen. Iſt ſie aber / ſo iſt der Nah - me ohn zweiffel ertichtet / oder einem an - dern des Nahmes beygemeſſen. Man findet zwar bey dem Geſnero und Iſraele Spachio den Nahmen Ludovici Romani, der Navigationes in Æthiopiam, Ægyptum, Arabiam uñ von verſchiedenen daſelbſt be - findlichen Sachen Buͤcher geſchrieben. Aber von dieſem Buch wird nichts ge - dacht. Schopperus der den Reincken Fuchs in Lateiniſch uͤberſetzet / ſaget in der Vorrede / daß er den Autorem des Buchs nicht kenne / welchen er ja kennen muſte / weil er ſich um denſelben zu wiſſen ohn zweiffel bemuͤhet hat. Es iſt auch diß Buch in Schwediſch und Dāniſch uͤberſetzet / wie zu ſehen aus des Herrn Schefferi Buch de Scriptis & Scriptoribus Gentis Svecicæ p. 117. Aber er irret ſehr / wann er meinet / daß es zu erſt in Lateini -ſcher369Poeterey andern Zeit. ſcher Sprache hervorgegeben / dann ja Schopperus in der Vorrede außdruͤcklich der Uberſetzung auß den Teutſchen ge - dencket. Man findet zwar in der Bibli - otheque des Verdiers ein Buch: Reynier, le Renard, davon Verdier ſaget: Hiſtoire treſioyeuſe & recreativ contenant 70. chapitres. impr. en deux languages, Franco - is & bas Aleman en Anvers 8. par Chriſto - ple Plantin 1566. Dieſes ſcheinet daſſel - be zu ſein / und hat es un Niederſaͤchſchen 75. Capittel: in dem Frantzoͤſiſchen 70. Da dann etwas außgelaſſen ſein kan / vielleicht was von den Paͤbſtiſchen Kir - chenſachen bißweilen eingemiſchet. Muß es alſo eine Uberſetzung ſeyn weil es ſo lange hernach gedrucket worden / und haͤtte Verdier es nicht geſchwiegen / wann er von dem Autore was gewuſt haͤtte / oder eine aͤltere edition ihm bekant geweſen Zu dem ſetzet er / daß es im Fran - tzoͤſiſchen und Niederſaͤchſiſchen zugleich gedꝛuckt: Worauß abzumehmen daß es ei - ne Ubeꝛſetzung ſein muß. Die Vorrede desa aFroſch -370Das VII. Cap. Von der TeutſchenFroſchmaͤuſelers meldet außdruͤcklich / daß es ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet ſey. Auch wuͤrde es Huetus nicht verheelt ha - ben in ſeiner Diſſertation de l origine des Romains, der p. 61. des Eulenſpiegels ge - dencket / ſo ins Fꝛantzoͤfiſche uñ von Ægidio Periandro in Lateiniſche Verſe uͤberſe - tzet / dieſes Buchs aber mit keinen eintzi - gen Worte erwehnet: Im uͤbrigen noch zweiffelnd ob die Hiſtoria von dem Eulen - ſpiegel eine Frantzoͤfiſche oder Teutſche Erfind[u] ng ſey / da doch bekant / daß ſo wol der ſo genandte Til Eulenſpiegel / als daß Buch von ihm in Niederſachſen gebohren. In den Anmerckungen des Reincken Fuchſen werden aus unter - ſchiedlichen Teutſchen Poeten viel ſchoͤ - ner Lehren angefuͤhret / die mir noch nicht zu handen kommen / als: auß Jo - hann Morßheim Rittern / der von Frau Untreu geſchrieben / auß Hans von Schwartzenberg Rittern Memorial der Tugend und Kummertroſt / auß dem Schweitzer / auß dem Henſelin. Es iſt auchim371Poeterey andern Zeit. im Hebraͤiſchen ein Buch〈…〉〈…〉 Miſchle Schualim, Fabulæ Vulpium, wel - ches ein Rabbi Berachias Ben - Natronai gemacht / daß dem Titul nach / dem Rein - cken Fuchs gleich zu ſein ſcheinet. Aber es ſind in dieſem Buche nicht allein Fa - beln von den Fuͤchſen / ſondern auch von andern Thieren / und nach art der Fa - beln Æſopi geſchrieben. Es iſt zu Man - tua Anno 1557. gedruckt / und wird von Plantavicio in ſeiner Bibliotheca Rabbini - num. 425. ſehr hoch gehalten / denn wie er ſaget: eloquentiam & puritatem linguæ ubique oſtendit, multiplici dicendi ratione abundans & flumen quoddam inſigne in prosâ, rhythmicâ & carmine profundens. Buxtorffius nennet es in ſeiner Bibliothecâ Librum rariſſimum ad virtutem & pruden - tiam comparandam directum. Der Fa - buln ſind 107. an der Zahl / welcher Uber - ſchrifften Plantavicius ſamt einigen Pro - ben derſelben auffgezeichnet. Melchior Hânel ein Jeſuit hat daſſelbe nebſt der La - teiniſchen Uberſetzung zu Prag Ao. 1661. a a 2in372Das VII. Cap. Von der Teutſchenin 8 vo. heraußgegeben. Man hat auch ein altes Teutſches Buch von den lo - ſen Fuͤchſen dieſer Welt / welches zu Dreßden Anno 1585. gedruckt / worinnem die Laſter aller Stānde unter Fabeln / Bildern und Geſichtern von Fuͤchſen vor - geſtellet woꝛdẽ: ſolches iſt aͤlter als der Rei - nicke Fuchs / wozu dieſes Autoris Buch vielleichtanlaß kan gegeben haben. Dann wie im Titul deſſelben ſtehet / und der Edi - tor in der Vorrede gedencket / iſt es in Brabandiſcher Sprache Anno 1495. auß - gegangen. Worauß dann zu ſehen / daß es dem Herrn D. Luthero nicht kan zu ge - ſchrieben werden / wie einige wollen. Se - baſtian Brand hat eine Lateiniſche Ele - giam davor gemacht / worauß man ſchier ſchlieſſen ſolt / als wann er deſſen Autor were: Denn er ſpricht

Hæc ſibi quid pictura velit, velinane poëma
Qui legis hæc, aures arrige quæſo pias
Plus tibi nam pictura feret, quam Carmina noſtra
Rauca, improviſus me lupus ecce videt.

Man konte es auch ſchier darauß abmer -cken /373Poeterey andern Zeit. cken / weil in der gantzen Elegia deß Au - toris mit keinem eintzigen Worte gedacht wird. Diß laſſen wir aber dahin ge - ſtellet ſein. Es hat der Editor, viele alte Woͤrter veraͤndert / und andere hinein - geſchoben / wie faſt mit allen ſolchen Schrifften verfahren iſt. Welches an ihm nicht zu loben. In Hochteutſcher Sprache iſt ein Getichte von einem ſinn - reichen Mann Rollenhagen / einem Re - ctore der Schulen zu Magdeburg unter dem Nahmen des Froſchmaͤuſelers geſchrieben: worin er handelt von der Froſchen und Maͤuſe wunderlichen Hoff - haltung. Alle Weltliche Haͤndel ſein hier - unter vorgeſtellet / und ſtecket es voll Klugheit und allerhand Lehren / davon nicht noͤthig mehr zu erwehnen / weil es jederman ſamt ſeinen andern Buch von den warhafftigen Luͤgen und[wunderli - chen] Reiſen bekant iſt. Faſt dergleichen Buch iſt in Proſa geſchrieben unter dem titul des Eſelkoͤnigs / deß inhalts; wie nemblich der Leue des Regiments untera a 3den374Das VII. Cap. Von der Teutſchenden Thieren entſetzet / und die Krone auff einen Eſel gerathen / welcher geſtallt der - ſelbe regiret / und wieder um das Koͤnig - reich kommen. Der Autor nennet ſich Adolph Roſen von Creutzheun / welches ohnzweiffel ein ertichteter Nahme iſt. Er meldet in der Vorrede / wie er durch das Getichte von Reinicken Fuchs / und ein Buͤchlein der Gānſe Koͤnig genant / faſt gleichen einhalts / ſo Anno 1607. gedruckt hiezu angereitzet. Deſſen Autor in der Voꝛ - rede des Gānſe-Koͤnigs eines Poetiſchen Wercks vom Eſelkoͤnig andeutung ge - than / und die anßfuͤhrliche entwerffung des Wercks Anno 1608. hinterlaſſen / worauß er dann dieſe Beſchreibung oh - ne Abbruch oder Zuſatz verfertiget. Es iſt ſehr artig luſtig und nuͤtzlich zu leſen / und verdienet unter andern Teutſchen Erfindungen kein geringes Lob. Um dieſe Zeit lebte Hans Sachſe der erſtlich ein Schuſter ſeines Handwercks und hernach ein Buͤrger und Schulmeiſter zu Nuͤrnberg geweſen. Er hat vonAnno375Poeterey andern Zeit. Anno 1514. biß 1567. in die ſechstauſend acht und viertzig Stuͤcke geſchrieben / wie er ſelbſt die Rechnung machet / in dem letzten Theil ſeiner Gedichte. Die ſein unterſchiedliche mahl heraußgegeben / in etzlichen Theilen in quarto und in folio, nnd muß man ſich verwundern / daß ein Handwercksmann der Lateiniſchen und Griechiſchen Sprach unkuͤndig / ſo man - cherley Sachen hat ſchreiben koͤnnen / die nicht ohne Geiſt ſein / von welchem Hoff - mann urtheilet / daß wann er beſſere Wiſſenſchafft von gelehrten Sachen / und genauere Anweiſung gehabt haͤtte / es vielen die nach ſeiner Zeit geſchrieben / und manche ungereimte Dinge uns ſehen und hoͤren laſſen / weit vorgethan haben wuͤrde. Er ſelbſt geſtehet ſolches in den Schluß ſeines Wercks wann er ſpricht.

GOtt ſey Lob / der nur ſant herab
So mildiglich die GOttes gab
Als einem ungelehrten Mann /
Der weder Latein noch Griechiſch kan /
Daß mein Gedicht gruͤn / bluͤh und wachs
Und viel Frucht bring / das wuͤnſcht Hans Sachs.
a a 4Schop -376Das VII. Cap. Von der Teutſchen

Shopperus machet in ſeiner Teutſchlands Beſchreibung ſo viel Wercks von ihm daß er ihn den Teutſchen Virgilium nen - net / welchen titul er zu ſeiner Zeit nicht unbillig fuͤhren konte: dann es ging ſeine Poeterey auch ultra crepidam, und unter den Blinden kan auch ein Einaͤugiger Koͤnig ſein / im Finſtern anch ein faules Holtz glaͤntzen. Er iſt einer von den Meiſter ſaͤngern geweſen / wie er ſelbſt in ſeinem Lebenslanff ſchreibet / worinnen ich das Wort Bar in dem Verſtande ge - braucht finde / daß es der Meiſter ſānger Lieder bedeutet / worauß dann zu ſchlieſ - ſen / daß diß Wort muß von alten Zeiten davor gebraucht ſein / und daß bey dem Tacito verhandene Wort Barritus da - von den Uhrſprung haben: Dann ſo ſpricht er:

Ich hatt von Lienhard Nunnenbecken
Erſtlich der Kunſt einen Anfang /
Wo ich im Land hoͤrt Meiſtergſang
Da lernet ich in ſchneller Eil
Der BAR unnd Thoͤn ein groſſen Theil
Und als ich meines Alters war
Faſt377Poeterey andern Zeit.
Faſt eben im zwantzigſten Jahr
That ich mich erſtlich unterſtahn
Mit GOttes Huͤlff zu dichten an
Mein erſt BAR im langen Marner
Gloria Patri Lob und Ehr.

Was er durch das Bar im langen Mar - ner verſtehe / kan ich nicht ſagen. So viel kan man darauß ſchlieſſen / daß es ei - ne gewiſſe art von Toͤne geweſen / die etwa einer Marner genant vor dieſen erfunden. Dieſes Marners haben wir droben gedacht / und gedencket auch ſei - ner Harſtoͤrffer in des erſten Theils der Geſprāchſpiel Anhang p. 45. wo - ſelbſt er die Nahmen der Sānger erzeh - let / die die Lieder geſungen und abgeleſen die zu Friderici Barbaroſſæ und der fol - genden Keyſer Zeiten von Fuͤrſten und Herren gemacht. Er ſpricht: Es ha - ben damahls auch hohe Standsperſo - nen ihre Gedichte zwar ſelbſt zu Papier gebracht / im Beyweſen des Frauen - zimmers aber andere ſingen oder auch leſen laſſen / die Urtheil von allem An - ſehen ihrer Wuͤrde zu befreyen. Sol - a a 5che378Das VII. Cap. Von der Teutſchenche Singer und zugleich auch Dichter ſein geweſen Wilde / Bieterolff / Boppo / Saffer / Ehinheim / Fol - cuin ein Abt / Gaſt Herdegger / Ga - mart / Ticlinger / Kero / MAR - NER / Nithart / Notker / Ott - fried / Rabken / Sigeher / Scher - vogel / Stricker / Tanhuͤſer / Wa - lefried / Werner / Willeram / der Tugendſame Schreiber / und viel andre unbenante. Er gebraucht fer - ner diß Wort Bar / da er von ſeinen Buͤchern redet:

Darin viel ſchrifflicher BAR warn.

Und da er ſeine Geſānge ruͤhmet / wie ſie von der Sittenlehre handeln / und allen angenehm geweſen /

In einer ſumma dieſer BAR Der Meiſtergeſang aller war.

Iſt alſo auß dem ſo offt wiederholten Gebrauch dieſes Wortes faſt zu ſchlieſ - ſen / daß daſſelbige vor alteꝛs ſchon von ſol - chen Liedern gebraͤuchlich geweſen / und ſey davon derſelbe Ton bey dem TacitoBar -379Poeterey andern Zeit. Barritus genennet worden. Daß ſie ſon - derliche art von Toͤnen gehabt / ſo wol alte / als neue die die Nachfolger erfun - den / iſt aus dieſen Worten des Sachſen an angeregtem Orthe zu ſehen / da er ſpricht:

Auch fand ich in meinen Buͤchern geſchrieben
Artlicher Dialogos ſieben ꝛc.
Auch Lieder von Kriegsgeſchrey /
Auch etliche Bullieder dabey /
Der allerſammen ich vernumm
Drey und ſiebentzig in der ſumm.
In Thoͤnen ſchlecht und gar gemein
Der Thoͤn ſechttzehn mein eigen ſein.

Nach Hans Sachſen weiß ich niemand zu nennen / der einige des Andenckens wuͤrdige Verſe geſchrieben: es were dann / daß man der Kurtzweil und Ergetzung halber ihr Gedāchtniß beybehielte / wie die Epithaphia ſein / welche Taubmannus in præfatione Culicis Virgiliani anfuͤhret. Die Meiſterſaͤnger haben dennoch ihre Singe - und Reime-Werck jederzeit ge - trieben / und haben einige ſolche Fertig - keit darin gehabt / daß ſie auff jeden vor - gegebenen Satz auß dem Stegereiff oderwie380Das VII. Cap. Von der Teutſchenwie Horatius ſagt ſtantes pede in uno etz - liche Dutzent Reime daher ſchneiden koͤn - nen. Dann ihre Erfindungen beruhe - ten bloß auff den Reimen / und nach dem ein Reim dem andern den Weg gebah - net / ſo muſten die Wort mit dem Ver - ſtande nachfolgen. Eine lācherliche Hi - ſtoria iſt mir erzehlet / daß da eineꝛ aus die - ſer Zunfft von dreyen unbekandten Bu - ben uͤberfallen / und in den Koth geſtoſ - ſen / er auß dem Koth ſich erhebend alſo fort ſeine Reimen daher gemacht: deren Anfang dieſer geweſen:

O GOtt du gerechter Richter /
Der du kennſt die Menſchlichen Geſichter /
Ich bitte dich / thue mir diß zu Lieb /
Und entdecke dieſe drey Dieb ꝛc.

Aber wir laſſen diß Gauckelweꝛck fahrẽ / uñ muͤſſen ehe wir ferner ſchreiten / noch eines artlichen Carminis gedencken / daß ein be - ruͤhmter Mañ Johannes Doman, der Hanſe Stādte Syndicus, der ſein Vaterland Weſt - phalen / wider des Lipſii Schimpff-Briefe in einem abſonderlichen Buͤchlein verthā - diget / und dannenhero bey gelahrten Leu -ten381Poeterey andern Zeit. ten wol bekant / von der alten Teutſchen Hanſe gemacht. Ich weiß mich nicht zu erinnern / daß ich daſſelbe bey jemand angefuͤhrt geſehen / will es deßhalben als etwas ungemeines / daß mir von einem guten Freunde als eine raritaͤt geſchen - cket / und voll von klugen reden iſt / (wiewoll er etwas zu frey geſchrieben) zum Beſchluß dieſes Capittels hieherſetzẽ / Es iſt Anno 1618. eben da die Morgenroͤth der Teutſchen Poeterey unter Hr. Opi - tzen hervor brach heraußgegeben / unter dem Titul eines Liedes / im Thon des Rolands / oder wie es einen jeden beſſer gefāllt zu ſingen / und lautet a[lſ]o:

1.
WOlan laſt uns eins ſingen / ein Lied und neu Gedicht Obs ſo wolt baß gelingen / dañ ſo mans ſagt und ſpricht / Was ſchads einmahl geſungen / wann ſagen nicht viel gilt / Es iſt wol eh gelungen / was man im ſchertz geſpielt.
2.
Die Welt iſt zwar geneiget / nach ihrem ſtoltzen Kropff / Das ſie / wer Warheit geiget / die Geigen ſchlegt an Kopff / Noch dennoch ſoll man wiſſen / was Warheit und gut iſt / Drumb ſeyd hieher gefliſſen / und merckt was euch gebriſt.
3.
Euch Hanſe Staͤdt ich meyne / wo jr gelegen ſeyd /Dann382Das VII. Cap. Von der TeutſchenDann euch iſt es alleine / zun Ehren zubereit / Drumb thut es nicht verachten / halt an der Warheit feſt / Darnach thu ich auch trachten / ſuch nichts dann euer beſt.
4.
Vorzeiten wahrt ihr Haͤnſe benahmet mit der That / Jetzt ſagt man ſeyt ihr Gaͤnſe / von ſchlechter That und Rath / Ein Ganß fleugt uͤber Meere / nach jrem Kopff und Sinn / Endert ſich doch nicht ſehre / / iſt Gagag her und hin.
5.
So ſagt man von euch Haͤnſen (wolt Gott es wer nit war) Daß ihr euch ſolt den Gaͤnſen verglichen haben gar /[Vnd] wann jr kompt zuſammen / und ſcheint es ſey was werth / So habs doch nur den Namen / bleibt ſonſten heur wie ferth.
6.
Nu ſeyd ihr dennoch Haͤnſe / wann ihr nur ſelber wolt / Doͤrfft nit des Nahmens Gaͤnſe / habt noch wol was jhr ſolt / Weißheit / Verſtand und Sinne / Reichthum / Vermoͤgenheit / Vnd daß euch nichts entrinne / die ſchoͤn Gelegenheit.
9.
Gott hat[euc]h außgetheilet / zu Waſſer und zu Landt / So ihrs zu mercken eylet / habt jhrs ſchon in der Hand / Ein Gluͤck euch ſelbſt zuſchmieden / daß ohne Fluͤgel ſey / Dabey ihr koͤnt im Frieden / vorm Garauß bleiben frey.
8.
So laſt nu diß ob allen / euch erſt befohlen ſeyn / Daß es thu Gott gefallen / daß niemand ſey allein / Ja das er euch gezeiget / durch die Gelegenheit / Wie daß er ſey geneiget / zu euer Einigkeit.
9.
Wolt Gott ich koͤndt erbitten euch allen diß groß Gut / Das jhr die Zweyuug mitten / mit gleichem Sinn und Muth / Vnd hieltet euch bey ſammen / und ſtuͤndet all vor ein / Hilff Gott was Nutz nnd Nahmen ſolt bald erworben ſein.
Nu383Poeterey andern Zeit.
10.
Nu Hettich iſt ein Vogel / Habich zwar beſſer iſt / Doch ſtehts als auff der Kugel / drum traut zu aller friſt / Ob Gott einſt wolt beſcheren / die liebe Einigkeit / Vnd euch dadurch gewehren / der alten Herrlichkeit.
11.
In Gottes Hand verſchloſſen ſteht alle Ding allein / Darumb ſeyd nnverdroſſeu / rufft an den Nahmen ſein / Auff das ihr einſt geneſen von der Zweyhelligkeit / Vnd kriegt ein friedſam Weſen / in Lieb und Einigkeit.
12.
Doch thut allein nit nuͤtzen / daß man viel ruff und ſchrey / Wann die Karr ſteckt im Pfuͤtzen / die Hand muß ſeyn dabey / Arbeit die hat den Segen / macht was hart helt doch loß. Drumb ſolt jr Arbeit pflegen / legn nit die Haͤnd in Schoß.
13.
Was wolt ihr aber machen / in dieſer argen Zeit / Da ſich bey bunten Sachen / ſo Welt verſchrauffte Leut / An allen oͤrten finden / die vorne lecken ſuͤß / Vnd kratzen doch von hinden / nach dem alt Katzen kuß.
14.
Ihr Mund redt auß der Lungen / daß Hertz ligt weit davon / Wans nur hat wol geklungen / ſo iſt das Mundwerck ſchon / Vnd wann mans hoͤren muͤſſen / ein Stund zwo oder drey / So kan man doch nicht wiſſen / obs Fuchs oder Haſe ſey.
15.
Nun iſts mit ſolchn Geſellen einig zu bleiben ſchwer / Doch wil ich euch erzehlen / der Alten gute Lehr / Wie man ſich ſolle ſchicken / recht und geſcheidentlich / Damit ſolch falſche Tuͤcken / gehn moͤgen hinderſich.
16.
Vor allem muß man haben / doch wenig fromme Leut / Die auffrecht einher traben / uͤnd mein ens hertzlich gut /Vnd384Das VII. Cap. Von der TeutſchenVnd gehn mit threm Wandel / andern zur folg voran / Daß ſie ſich auch zum handel / gleich ſchicken auff die bahn.
17.
Was man in andern preiſet / das ſoll man ſelber thun / Vnd was man jhn verweiſet / gleich ihn verbleiben lahn / Falſch muß doch endlich ſchwinden / wie man zuſagen pfiegt / Wer recht thut ſols auch finden / Untreu ſein Herrn ſchlågt.
18.
Wanns dann von etlichn Staͤdten / nur ſo gemeinet iſt / Die doch gantz gerne hetten / vielmehr bey ſich ohn Liſt / Die ſollen ferner wiſſen / was hiezu dienlich ſey / Vnd ſeyn darauff befliſſen / wie ſies auch bringen bey.
19.
Niemand ſoll man verachten / wie klein er immer ſey / Allein man ſoll betrachten / ob Treu auch ſey dabey / Iſt er auffrecht und treue / er thut auch ſeinen Strauß / Das hat wol eh der Leue / erfahren an der Mauß.
20.
Es iſt nichts ſo geringe / es hat ſein nutz und brauch / Solchs zeigen alle Dinge / klein Gloͤcklein klingen auch / Vom Donner und Platzregen waͤchſt nicht alleine Graß / Dann auch durch GOttes Segen / klein Reglin machen naß.
21.
Doch weils nit tauren wuͤrde / und lange ſtehen an / So man wolt gleiche Buͤrde auff laden jederman / Muß man Geleichheit halten / ſehn das Vermoͤgen an / Sonſt muß ſich doch abſpalten / wer nicht mehr tragen kan.
22.
So libt nun tren und reine / wie ihr von andern wahrt Niemand ſey euch zu kleine / beſchwert niemand zu hart / So wird auch Lieb und Treue / hergegen finden ſich / Vnd ohne Leid und Reue / bleiben beſtaͤndiglich.
Wann385Poeterey andern Zeit.
23.
Wann aber nit wil gelten / treu / lieb und treglich Laſt / Wie man dann ſindet ſelten / ein Holtz gerad ohn Aſt / Vnd ſelten Companeyen / darin nicht Meiſter ſeyn / So lernt euch ferner freyen / von ſolchen Hemmerlein.
24.
Vorzeiten war ein Probe / ſo man ein reden hoͤrt / Jetzt iſt es nur ein Klobe / damit man Leut bethoͤrt / Wer trauet dem Geſange / das alls ſoll Amen ſeyn / Der iſt gar bald geſangen / weils Hertz ſpricht lauter Nein.
25.
Drumb muß man tieffer ſtreichen / die abgevierdte Leut / Damit man moͤge reichen / durch die viel Zwibeln Haͤut / Zur lincken Zitzengrunde / ſo kan man pruͤfen gantz / Ob zwiſchen Hertz und Munde / auch ſey ein Concordautz /
26.
Die That thu ich euch nennen / That iſt der rechte Teſt / Darob ihr koͤnt erkennen / welch Leut ſein dicht und feſt / Drumb laſſet euch nicht aͤffen / die Wort ſein heur wolfeil / Wanns aber kompt zum treffen / ſo find ſichs erſt weit fehl.
27.
Welch Leute viel parliren / wiſſen vom Schluͤſſel nicht / Vnd immer dilatiren, biß beſſer Zeit anbricht / Erbieten ſich doch milde / ſie wollens Morgen thun / Fuͤhren nichts guts im Schilde / wers thun wil / thu es nun.
28.
Wann ihr nun dieſe kennet / halt ſie zum Werck und that / Wer ſich dann davon trennet / muß leiden andern Rath / Daß man die Thuͤr ihm weiſe / und ſchließ ihn gentzlich auß / Dann all zu ſanfft und leiſe / endlich auffhoͤren muß.
29.
Man ſagt es ſey im Leben / wie mit dem Wuͤrffelſpiel / Wann nicht thut fallen eben / was man woll haben wil /b bSo386Das VII. Cap. Von der TeutſchenSo muß man was gefallen / gedultig nehmen an / T〈…〉〈…〉 oi cinq́; vor quater allen / oder ſes duis anſchlan.
30.
So thut ihr nu dergleichen / ſpielt was gefallen iſt / Man muß der zeit doch weichen / biß auff ein ander friſt / Wie man kan muß mans treiben / halten alls vor Gewum / Drumb was nicht treu wil bleiben / laß immer fahreu hin.
31.
Eins man kein Zahl nit nennet / was fragt ihr dañ darnach / Wann einer von ench rennet / habt dannoch gute Sach / Seyd auff ihr nicht gebauet / auff einig zahl und Schar. Darumb mir auch nicht grauet / ob ihr ſchon lieff ein par.
32.
Vnd wann ihr dann ſeyd worden / des uͤbels etwas loß / So mercket auff den Orden / er ſey klein oder groß / Vnd haltet ihn in Ehren / ihr wißt es warlich nicht / Was ihr koͤndt ſein fuͤr Herren / ſtuͤnd ihr euch nicht im Licht.
33.
Vor allem thut euch fleiſſen / das ihr Gott habt zum freund / Das koͤnt ihr dann genieſſen / daß ihr mehr haben kuͤndt / An GOtt iſt es gelegen / ſolt ihr recht werden froh / Dann ohne ſeinen Segen / all Haͤnde dreſchen Stroh.
34.
Darnach wie gring und wenig / daß euer immer ſind / Bleib mit einander emig / wie jener lehrt ſein Kind / Da er viel Beſemreiſer / verfaſſet in ein Bund / Das doch kein ſtarck noch weiſer mit macht zerbrechen kund.
35.
Da er ſie aber theilet / und eintzel leget dar / Da wars nicht mehr geſeihlet / man brach ſie alle gar / Alſo vermehrt und ſtercket / all Ding die Einigkeit / Wie man nichts guts vermercket / auß der Zweyhelligkeit.
Wann387Poeterey andern Zeit.
36.
Wann ihr die Augen wendet / ein wenig hin und her / So muͤſt ihr ſein verblendet / ſolt ihr nicht mercken ſehr / Wie daß die nechſten Jahren / da mans vermuthet nicht / Durch ſo gar wenig Scharen / groß Dinge ſind verricht.
37.
So ſeyd nu auch eintraͤchlig / halt an einander feſt / So ſeyd ihr leicht ſo maͤchtig / auch bey den treuen Reſt / Daß ihr wol koͤnt abtreiben / die ohne fug und recht / An euch ſich wollen reiben / doͤrfft nicht ſein andrer Knecht /
38.
Von Frembden thu ich ſagen / deß muͤſt ihr ſein bericht / Die euch ohn ſug nachjagen / denn wem ihr ſeyd verpflicht Zu Zollen / Schoß und Ehren / und was des dings mehr iſt / Dem thut es auch gewehren / treulich ohn Gfahr und liſt.
39.
Es kan wol ſtehn beyſammen / hat unter ſich kein Streit / Daß man in GOttes Nahmen / treu bleib der Oberkeit / Geb andern auch die Ehre / behalt ſein Freyheit doch / Sich nehre / ſchuͤtz und wehre / zieh nicht an frembden Joch.
40.
Davon nicht noth zu ſagen / mit mehren / weil man weiß / Allein muß ich beklagen / den gar geringen Fleiß / Den Leute thun ankehren / damit ſie wuͤſten recht / Was ſie vermoͤgens weren / das iſt doch gar zu ſchlecht /
41.
Jetzt wil ichs aber ſtellen / an den gemeinen Ort / Dahm mau ſolche fellen / zuſetzen pfleget fort / Vnd wil das numehr treiben / das Lieb und Einigkeit / Nicht koͤnnen wol bekleiben / wor Geitz im wege leidt.
42.
Wor unter Menſchenkin dern / Hans Eigen Man regirt / Daſelbſt bleibt weit dahinden / was gmeinen Nutz fovirt /b b 2Das388Das VII. Cap. Von der TeutſchenDas leugnet niemand ſehre / darff auch gar keiner Lehr / Wie man ihm aber wehre / das iſt zumahlen ſchwer.
43.
Wol iſt es zwar nicht ohne / das Nutz und Nießlichkeit Anmuhtig iſt und ſchone / geweſen allezeit / Iſt auch der Menſchen Hertzen / gleichſamb naturet ein / Daß ſie mit Muͤh und Schmertzen / darauff befliſſen ſeyn /
44.
Drumb laß ich auch pasſiren / der Narung rechten Brauch Sonſt muß man warlich feyren / bey gſunden Zaͤhnen auch / Wers aber recht bedencket / dem gibt hiebey ein ſtutz Wanns gmeine beſte krencket / der heilloß Eigennutz.
45.
Derwegen laſt euch lehren / daß gar kein Nutz nicht ſey / Was man mit GOit und Ehren / nicht hat gebracht herbey / Vnd daß bey Arm und Reichen / Privat geſuch und Geld / Dem gmeinen Nutz muß weichen / wanns ſoll ſein recht beſtellt
46.
Es iſt auch nicht beſtaͤndig / auch nicht ſo groß und fein / Was man alſo unbaͤndig / an ſich erzwackt allein / Wann man dem gantzen Leibe / ſein Speiß und Narung leßt So ſicht man daß auch bleibe / ein jedes Gliedmaß feſt.
47.
Wann aber eins der Glieder / dem andern goͤnnet nicht / So ſicht man das herwieder / dem Neidhard ſelbſt entbricht / Leufft doch wiedr durch die Finger / der Finger faule ſach / Davon ſing ich was ringer / ihr denckt ihm doch wol nach.
48.
Vnd zwar wans moͤchte werden / auff ſolche weiß bedach So wuͤrd man hie auff Erden / nicht ſein ſo hoch veracht / Vnd wuͤrd doch nicht alleine / ins gmeine beſſer ſtahn / Sondern beyd groß und kleine / jeder ſein Fuͤlle han.
W -389Poeterey andern Zeit.
49.
Was aber allzeit eben / nuͤtzlich und Erbar ſey / Darnach man ſolle ſtreben / muß man hie wiſſen bey / Vnd iſt doch aus dermaſſen / eim Menſchen viel zu ſchwer / Daß ers ſolt koͤnnen faſſen in gwiſſe kurtze Lehr.
50.
Darumb bey allen Sachen / man erſt rathſchlagen muß / Damit man moͤge machen / darauff gewiſſen Schluß / All Ding hat ſein Vmſtaͤnde / die man erwegen ſoll / So kan man dann behende / zum Ziel gelangen wol.
51.
So kompt nun auch zuſammen und rathet in gemein / Was in geſamten Nahmen / will zu verrichten ſeyn / Die alten Deutſchen Helde / dens gbrach an gmeinem Rath / Erſchlagen ſind im Felde / wie mans auffſchrieben hat.
52.
Wer ſorg und furcht kan tragen / und dencken recht herum̃ / Der kans auch gluͤcklich wagen / Sorg felt nicht leichtlich um / Was aber iſt gewaget / auffs gluͤck und wolgeraht / Schaden zum Spott eintraget / nach reu folgt ſolcher that.
53.
Doch kan niemand rath geben / wer ſelber nicht viel weiß / Drumb muß man darnach ſtreben / mit ſonderlichem fleiß / Daß man mag leute haben / die fromm ſeyn und gelehrt / Vnd redlich einher traben / und darob ſeyn bewehrt.
54.
Wer ſein Sach hat ſtudiret, hat auch das Hertz dabey / Daß er niemand boſiret / bekent die Warheit frey / Vnd weiß was nah und ferne / nuͤtzen und gehen kan / Vnd thut es dann auch gerne / das iſt der rechte Mann.
55.
Doch weil man dieſe Ruͤben / gar duͤnn geſaͤet ſind / Sols uns nicht gar betruͤben / weil man noch Menſchenkind /b b 3Auch390Das VII. Cap. Von der TeutſchenAuch ſindet unter Leyen / die nicht ſind ſo gelahrt / Doch auch ſo krum nicht dreyen / wie nunmehr iſt die art.
56.
Die furcht und lieb des HErren / ein Hertz das offen ſteh / Vnd ſich wil laſſen lehren / wuͤnſcht das es recht zugeh / Thut auch kein Fleiß nit ſpahrẽ / denckt ihm ſelbſt treulich nach / Solch ſtuͤck hab ich erfahren / verrichten alle Sach.
57.
Man muß ihm aber nehmen / zum Rathſchlag rechte well / Vnd ſich mit nichte ſchemen / ſo man nicht inder eyl / Kan alle Sachen ſchlichten / Morgen kompt auch ein Tag / Da man kan weiter richten / was Heut nicht langen mag.
58.
So thut auch mit ſich bringen / ein jeder Tag ſein Raht / Vnd pflegt dem langſam glingen / daß er Feyrabend hat / Wann nach dem fall die Straſſe / die Eil noch hinckend tritt / Drumb ſoll man halten maſſe lauffen und fallen nicht.
69.
Doch iſt auch nicht zu rathen / daß man ſitzt ſtets zu Hauß / Gleich man auß Eyern gbraten / wolt Huͤnlein bruͤten auß / Wie die Procraſtinirer, nunmehr im Brauche han / Welch nur ſind Worte ſchmierer / greiffen das Werck nit an.
60.
Wer auff eim Schenckel hincket / der kom̃t nicht hin ſo drat / Vnd wem zu fruͤh ſtets duͤncket / der kompt gewiß zu ſpat / Hab acht / heiſts / auff die ſchantze / eh man vor dich zugreifft / Vnd wiltu mit zum Tantze / ſo zieh auff weil man pfleifft /
61.
Zu rechter Zeit nnd maſſen / wil alles ſeyn verricht / Darumb man auch ſol laſſen / an Fleiß ermangeln nicht / Das tapffer werd erwogen / was man vorhanden hat / Sonſt ſind man ſich betrogen / wann iſt verricht die That.
Wie391Poeterey andern Zeit.
62.
Wie man ſich nun ſol huͤten / daß nichts zu wenig ſey / So kan man uͤberguͤten / gleichfals ein ding hiebey / Drumb muß man rechnung machen / verruͤcken nicht das ziel / Das man nicht thu den Sachen / zu luͤtzel noch zu viel.
63.
Wer die Floͤh huſten hoͤret / und daß Graß wachſen ſicht / Vnd leicht den Fried zerſtoͤret / leſt von der Geißwoll nicht / Vnd fuͤhrt in ſeiner Kreiden / kurtz Wuͤrſt und lang Serinon / Der ſteht nicht wol zu leiden / daß iſt gewiß nicht ohn.
64.
Alſo durch diſputiren / geſchwind und gar ſubtil Thut man offt gar verlieren / die Warheit in der eil / Vnd iſt ohn daß nicht artig / wie ihr vorhin wol wißt / Dann allzu ſcharff macht ſchartig / ſchlecht bald geſchliffen iſt.
65.
Drumb ſeyd nicht allzu weiſe / ſolch Leut haſſet das Gluͤck / Vnd fuͤhrt nicht groß beweiſe / uͤber eim ſchlechten Siuͤck / Thut nicht im Katzbalg liegen / ſchleifft nicht viel glatte wort / Vnd was nicht ſchad geſchwiegen / ſpart an ein andern Ort.
66.
Doch muß man gar nicht ſchweigen / wans iſt zu reden zeit / Wer heimlich frißt die Feigen / und legts doch von ſich weit / Dem muß man[ſouſt] abtreiben / damit es komm herfuͤr / Vnd da nicht moͤge bleiben / die Schuld fuͤrs Nachbars Thuͤr.
67.
So thut man aber ſparen / die Warheit allerbeſt / Wo nicht zun Jubeljahren / doch gwiß ans hohe Feſt / Vnd ſchlāgt derweil den Ballen / wann man recht ſtim̃en ſol / Damit man moͤg gefallen / ſein lieben Nachbar wol.
68.
Daher ſo thuts auch gehen / wie Krebſe kriechen fort / Vnd bleibt leyder beſtehen / am alten boͤſen Ort /bb 4Dañ392Das VII. Cap. Von der TeutſchenDañ was man nicht darff ſagen / das thut man nimmermehr / Derhalb man auch erjagen / kan nimmer Ruhm nnd Ehr.
69.
Drum laſt euch ungekrauet / und ſtreicht den Kautzen nicht / Dann ſolches gar nicht bauet / ſondern viel mehr zerbricht / All Regiment auff Erden / den hohen theuren Schatz / Vnd ſolls einſt beſſer werden / muß han die Warheit platz.
70.
Warheit du biſt es einig / die lang auff Erden wehrt / Weil man dich brauchet wenig / drum wirſtu nicht verzehrt / Doch hab ich dich erkohren / vor Silber und roth Goldt / Dir hab ich einſt geſchworen / dir bleib ich ewig hold.
71.
Wil mich von deinent wegen / jemand ſaur ſehen an / Machs wie es ihm gelegen / waͤchſt mir kein Bart davon / Es hilfft doch nicht ſaur ſehen / die Milch ſaurt davon nicht / Muß endlich doch recht gehen / wanns ſoll ſein außgericht.
72.
So thut nu dergeleichen / wann ihr zu Rathe geht / Vnd thut der Warheit weichen / wanns euch auch widerſteht / Ein Schiff thut alſo lauffen / ein Gurren nennt ein Gaul / Das ihut ſo uͤbern hauffen / und nehmt kein Blat vors Maul.
73.
Wol iſt die Warheit reſſig / hat gar ein ſcharffes Saltz / Doch uͤbertrifft ihr Eſſig / der Dreyer tummes Schmaltz / Viel beſſer Freunde Wunden / wie hart ſie kommen an / Dann aller falſcher Hunden / ſuͤß Wort und Paſelman.
74.
Wann man dann hat gehalten / zeitig und weißlich Raht / Wie nach der Lehr der Alten / man thun ſoll vor der That / So iſt auch hoch von noͤhten / das man koͤnn ſchweigen wol / Vnd doͤrff nicht erſchamroͤthen / wann mans verlegen ſoll.
Viel393Poeterey andren Zeit.
75.
Viel koͤnnen weidlich ſchwetzen / und kuͤtzeln ſich damit / Thun ſich darob ergetzen / gleich iſt des Storchen Sitt / Der bald die Fluͤgel ſchwinget / wenn ihm der Schnabel geht / Meynt daß er lieblich ſinget / weil er ſo hohe ſteht.
76.
Aber die Kunſt zu ſchweigen / wird nimmer proſitirt / So gibt ſich ihr zu eigen / niemand der ſie ſtudirt / Noch iſt wol ſchweigen koͤnnen / ein treflich edel Kunſt / Dargegen nichts zu nennen / das brecht ſo groſſe Gunſt /
77.
Darum dann auch zwey Ohren / und nur ein zung uñ mund / Der Menſch hat / daß er hoͤren / ſol mehr zu aller ſtund / Als reden und auch ſchweigen / iſt ein natuͤrlich Bild / Darob ſoll niemand ſetzen / ſonſt iſt er gar zu wild.
78.
Aber vor allen dingen / wil Raht verſchwiegen ſeyn / Sonſt mag er nicht gelingen / wer er auch noch ſo fein / Wann man leſt andre wiſſen / was unſer Anſchlaͤg ſein / So ſind uns bald geriſſen / der Boſſen zwey vor ein /
79.
Das darff man nicht bewehren / iſt hell und klar am Tag / Doch thut man hievon hoͤren / noch hin und wider Klag / Das bald der Nachbar frage / was fuͤr geweſen iſt / Vnd daß mans ihm auch ſage / ob ers zubeſſern wißt.
80.
Der kans dann bald verfuͤgen / dz lauff durch Stad uñ Land / Leſt ſich noch nicht dran gnuͤgen / ſchickt uͤber See und Sand / Vnd wann man dann zu ſchaffen / wil einmahl heben an / So weiß davon zu klaffen / niemand dann jedermann /
81.
Derhalb wie mit eim Schilde / ein Wirt zeigt an ſein Hauß / So ſolt man Schweigersbilde / zum Rathhauß hengen auß /b b 5Dar -394Das VII. Cap. Von der TeutſchenDarmit des Fingers ſchloſſe / ſein Maul verriegelt feſt / Vnd ſeines Bauches groͤſſe / noch nicht zertrennen leſt.
82.
Damit uns anzuzeigen / wie nuͤtz und noth es ſey / Vnd daß von vielem ſchweigen / der Bauch nicht reiß entzwey / Darumb ſtets ſolt gedencken / der Schwetzer an das Bild / Sonſt ſeh man beſſer hencken / den Schwetzer ſelbſt zum ſchild.
83.
Damit ich aber wende / weil ich noch heiſer bin / Vnd komme ſchier zum Ende / ſo ſchließ ich nu dahin / Daß mans auch muͤſſe wagen / wann mans erwogen hat / Vnd ohne ſchreck und zagen / greiffen zum Werck und That.
84.
Das Gluͤck hat oben Fluͤgel / und fleugt geſch wind daher / Vnd weils ſteht auff der Kugel / wancken ſein Fuͤſſe ſehr / Darumb es in der mitten / wil angegriffen ſein / Gemeiſtert und geritten / und nicht gefoͤrchtet ſein.
85.
Wer hat ein Schwert in handen / dem thut kein Degen leid / Damit pflegts mans zuahnden / helts ander in der Scheid / So muß man eim begegnen / allzeit in breitſchafft ſtehn / Meynt jener er koͤnn regnen / kan der auff Steltzen gehn.
86.
So hab ichs vor bewogen / und frey geſagt herauß / Zwar auß keim Finger gſogen / und ſags euch noch zu hauß / Daß jhr ſeyd leicht ſo maͤchtig / zu treiben euer Sach / Wañ jhr nun bleibt eintråchtig / dem denckt doch weiter nach.
87.
Jetzt wolt ich gar beſchlieſſen / ſo ſorg ich noch hiebey / Daß jemand moͤcht verdrieſſen / was ich geſungen frey / Moͤchts moͤglich beſſer wollen / und laͤngſthin han gewißt / Darumb ich nur hett ſollen / ſchweigen zu dieſer friſt.
Dem395Poeterey andern Zeit.
88.
Dem thu ich kuͤrtzlich ſagen / daß ichs ihm glaͤube zwar / Daß ers im Kopff umbtragen / hab mannich zeit und Jahr / Hab auch davon parliret, mit beyden Backen voll / Hett er nur mit ſtudiret / daß mans auch thuen ſoll.
89.
Es hilfft doch gar nit Wiſſen / wans nur beim Wiſſen bleibt / Nuͤtzt auch nicht viel gebiſſen mit Worten / wie mans treibt / Die Tugend ſteht im Wercke / die That muß ſeyn damit / Da wird erkand ihr ſtercke / Wort ſchlan die Leute nicht.
90.
Drum loßt nu diß zuletzte die macht des Werbens ſein / Das mans ins Werck eins ſetze / wenn man weiß alſo fein: Am Werck iſt alls gelegen / Werck bringt viel Nutz und Ehr / Damit euch GOtt geſegen. Dißmahl ſing ich nicht mehr.

Das VIII. Cap. Von der Nordiſchen Poetererey.

Einhalt. DJe Nordiſche Poeterey iſt alt. Iſt aber ungewiß ob ſie an Alterthum der Teutſchen vorzuziehen. Die Schweden koͤnnen ſo gar alte Lieder nicht beybringen. Der Hr. Schefferus meldet von dieſen nichts in ſeiner Sveciâ literata. Es iſt alles davon ungewiß. Die art die Hiſtorienin396Das VIII. Cap. Von der Nordiſchenin Lieder zu faſſen iſt bey den Teutſchen noch vor kurtzer Zeit gebraͤuchlich geweſen. Die Heldenlie - der bey den Schweden auff Gaͤſtereyen geſungen. Die alten Daͤniſchen Heldengeſaͤnge. Das aͤlteſte Daͤniſche Lied bey dem Olao Wormio. Schran - nen der Teutſchen Schulen. Die Chineſiſche Poeterey. Zweyerley Eddæ der Ißlaͤnder. Noch eine andere in Schweden. Scalda. Die Proſodia der Nordſchen Sprache. Scaldri die Poeten / ſein in groſſen Ehren geweſen. Die vielerley Metra Verelii Meinung von der Poeterey der Scaldrorum. Sie iſt ohne Reimen. Skalviingl. Unterſchied - liche Schwediſche Reim-Chronicken und andere Carmina. Daͤniſche Poeterey. Der Finnen al - te und neue art zu Poetiſiren. Exempel eines Baͤrenlieds / ſo ſie bey der Baͤren-Jagt gebraucht. Die Lappen haben auch dergleichen Lieder. Der - ſelben Liebeslieder. Eines von denen wird in Teut - ſcher Sprache angefuͤhret. Iſt ſonderlich ſinnreich geſchrieben. Die Poeterey der Peruvianer. De - ren wird ein Exempel angefuͤhret.

EHe wir zu der Dritten Zeit der Teutſchen Poeterey kommen / und von der andern abgehen / muͤſſen wir noch von der Nordſchen Poeterey reden / die an Alterthum der Teutſchennicht397Poeterey. nicht nachgibt / und wie etliche wollen viel aͤlter iſt. Welches ich an ſeinen Ort geſtellet ſein laſſe. Denn es ſein die Be - weißthuͤmer die deßhalben gefuͤhret wer - den nicht ſo richtig / daß man hierauff ſo feſte Schluͤſſe machen koͤnne. Noch zur Zeit habe ich nichts geſehen / daß zum beſtaͤndigen Grunde angenommen wer - den koͤnne. Ob zwar Olaus Wormius in ſeiner Literaturâ Runicâ, und Olaus Rudbeck in ſeiner Atlantic. dieſes Alter - thum warſcheinlich zu machen ſuchen. Wormius behauptet daß ſie vor Chriſti Gebuhrt ſchon in vollem Schwange ge - weſen / und fuͤhret zum Beweißthum an / daß kurtz nach Chriſti Gebuhrt der Hi - arnus dadurch das Koͤnigreich an ſich ge - bracht. Die Teutſchen haben des Taciti klares Zeugniß / der zu ſeiner Zeit ihre Lieder Carmina antiqua nennt / muͤſſen ſie alſo lange vor Chriſti Gebuhrt gewe - ſen ſein / da dañ niemand wird Schieds - mann ſein koͤnnen / welchen der Vorzug zu geben. Bevorab da dieſer Gebrauchdie398Das VIII. Cap. Von der Nordiſchendie Helden mit Liedern zu ehren bey allen Voͤlckern / ja auch bey den wilden Ame - ricanern ſelbſt gebraͤuchlich / wie ſolches Jnannes Lerius von den Menſchenfreſſen bezeugt / und ihren Geſang vorſtellet part. 3. p. 221. Der Herr Rudbeck will zwar des Taciti Zeugniß auff die Schwe - den ziehen. Aber daß dieſes ohne Grund geſaget werde / haben wir im VI. Cap. klaͤrlich dargethan. Er gibt zwar vor daß er bundert derer Carminum vorzei - gen wolle / deren Tacitus gedenckt / da die Teutſchen ſolches nicht thun koͤnten. Wie weit dieſer Schluß zureiche / iſt dro - ben angefuͤhret / wann gleich ia das ei - gentliche Alter der Schwediſchen Car - minum ſolte dargethan werden koͤnnen / woran ich noch einen groſſen Zweiffel ha - be. Der Herr Scheffer / der die Alter - thūme der Schweden ſorgfaͤltig gnug durchgeſuchet / und alles was ihm muͤg - lich geweſen herbeygebracht / hat in ſei - ner Svecia literata, da er de Scriptoribus Svecis handelt / und inſonderheit ſo merck -wuͤr -399Poeterey. wuͤrdige dinge hātte beybringen ſollen / nur von Anno Chriſti MCL. den An - fang gemacht. Er gedencket einiger Scaldrorum oder Poëten, als des Halbi - orn Hale und Torſtein die Anno 1168. des Sumerlide, und Torgelr Danaſkald, die Anno 1192. des Grane Hialbianarſon, und Jonas Sverkers die Anno 1202. des Olai Tordeſon, der Anno 1223. gelebt / aus dem Regiſter der Schwediſchen Scal - drorum, ſo bey dem Wormio zu finden. Aber dieſe Carmina ſein alle verlohren / da doch bey den Teutſchen noch einige die vor der Zeit geſchrieben / verhanden ſein. Er ſaget außdruͤcklich in der Vorrede: licet haud ſit dubium quin & diu ante illa tempora gens Svetica habuerit, qui vale - rent ingenio ejusque rei ad poſteritatem - darent documenta, ut vel ex Scaldris priſcis certum fit, clariſſimèque docet exemplum Starkoteri, quem ex Svecis ortum & pro Svecis militantem res ſuorum temporum bellaque carmine complexum Saxo auctor eſt: tamen cum & ætas plerorumque ſitin -400Das VIII. Cap. Von der Nordiſchenincerta, opera etiam atque tituli eorun - dem non ſat noti, ratio eſt manifeſta, cur à ſupra memorato demum tempore inci - piendum. Wann nun dieſem ſo iſt / mit was vor Gruͤnden will man beweiſen / daß einige Lieder vor Taciti Zeiten ge - ſchrieben? Es wird zwar in ſeinem Bu - che unter dem Nahmen des Johannis Meſſenii gedacht / daß er verheiſſen habe herauß zu geben: Antiquiſſimas ac po - tiſſimas heroum cantilenas, ex quibus Hi - ſtoria Sveticæ gentis primum coſignari - pta eſt: Ich ſolte aber kaum glaͤuben / daß darauß das eigentliche Alter werde abzunehmen ſein. Es wird vermuthlich mit den Schwẽdiſchen Liedern nicht an - ders / als mit dem Teutſchen ergangen ſein / daß die Nachkommen ihrer Vor - fahren Heldenlieder verfālſchet / oder endlich gar vergeſſen / wann die neuen / deren man allezeit begieriger iſt / an de - ren Stelle kommen. Dañ dieſe art die Geſchichten in Lieder zu verfaſſen hat zimlich lang gewehret / ſo woll bey denNor -401Poeterey. Nordiſchen Voͤlckern / als bey den Teut - ſchen. Von dieſen ſagt Schmid in ſei - nen Zwickauiſchen Annalibus im Jahr 1450. außdruͤcklich: Apel Vitzthum hat einen boͤſen Nahmen hinter ihm gelaſ - ſen / daß man in allen Bier und Wein - hāuſern von ihm geſungen: Dann es damahls noch ſehr im Gebrauch gewe - ſen / daß man was ſich begeben nicht in Chronicken und Geſchichtbuͤcher em̃ - geſchrieben / ſondern in ſolche Lieder darinnen ſie ihre Haͤndel und Thaten kuͤrtzlich verfaſſet / gebracht / und auff die Nachkommen fortgepflantzet. Da nun eine ſo groſſe Menge ſolcher Lieder geweſen / wie kont es muͤglich ſein / daß derſelben Gedaͤchniß ſo unveraͤndert bey - behalten worden. Johannes Magnus ge - dencket in der Vorrede ſeiner Hiſtoria daß die alten Gothen die Thaten ihrer Helden in Verſen verfaßt auff ihren Gaͤ - ſtereyen bey den Angedencks Bechern / die ſie ihren Helden zu Ehren getruncken zugleich geſungen, damit die Jugend da -c cdurch402Das VIII. Cap. Von der Nordiſchendurch auffgemuntert wuͤrde. Schefferus in ſeiner Upſaliâ antiqua. c. 10. p. 46. mei - net es ſey ſolches Lied Bragerbott genant worden / davon Sephanius in ſeinen An - merckungen uͤber den Saxonem Erweh - nung thut / iſt ſo viel als im Lateiniſchen Nuncius Virorum fortium, wie der Be - cher damit ſie ihrer Helden Angedencken beehret Bragebægere genant. Bey den Dānen hat Andreas Welleius auch heꝛauß - gegeben Centuriam Cantilenarum Dani - carum de priſcis Danorum Regibus & rebus geſtis, wie Albertus Bartholinus in ſeinem Buch de Scriptis Danorum bezeuget. Ich kan aber hievon nicht urtheilen / weil ich ſie nicht geſehen habe. Olaus Wormius der de literaturâ Runicâ geſchrieben / und in deſſen Anhang von der alten Tichte - rey der Dānen gar außfuͤhrlich gehan - delt hat / bringet kein ālters vor / als das der Regner Lodbrog, vor ſeinem Tode geſungen / welcher Anno 857. zu Ludovici II. Zeiten gelebet. Daß wir in Teutſch - land āltere gehabt haben / iſt droben er -wie -403Poeterey. wieſen / und ſchrieb um Ludovici II. Zeit der Ottfridus ſeine Evangelia. Von dem Tuiſcone meldet Aventinus, von welchen Boxhornius urtheilet / daß er die glaub - wuͤrdigſten Nachrichten gehabt / daß ſchon zu ſeiner Zeit Lob und Schelt - lieder gemacht ſein / wie wir droben er - wehnet / auch die Schulen oder wie ſie es damahls auff recht Teutſch genannt haben / die Schrannen von ihm ange - ſtellet / worinnen dergleichen dinge gelehrt worden. Dergleichen art der Poeterey iſt bey den Sinenſern vor dieſen auch ge - brāuchlich geweſen: Denn es bezeuget Martinus Martinii in ſeiner Hiſtoriâ Sinenſi. Ars Poëtica apud Sinos antiquiſſima eſt & varia vario metro carmina complectitur. Inter quinque Carminum libros è quibus doctrinam eorum qui dignitates ambiunt in Republ. periclitantur, unus in explican - dis antiquorum Principum rectè ſecusque factis ita verſatur, ut malis terrorem addat, bonis calcar ad virtutem, In dieſem ſein aber die Nordiſchen Voͤlcker etwas gluͤck -c c 2licher404Das VIII. Cap. Von der Nordiſchenlicher / daß ſie mehr von ihren monumen - tis beybehalten haben / als die Teutſchen / deſſen Uhrſachen wir droben angefuͤh - ret. Bey den Ißlaͤndern hat man ein ſonderlich Buch die Edda gehabt / wel - ches war die Mythologia Poetica der al - ten Nordiſchen Voͤlcker / oder vielmehr ihre Theologia, Phyſica und Ethica. Es ſind zweyerley Eddæ geweſen / die eine als die aͤlteſte / iſt in alte unverſtaͤndliche Ver - ſe verfaſſet von Saͤmund Sigfuſon / der mit dem Zunahmen Froda / daß iſt / der Weiſe genant worden / und An. 1077. zu Odde in Ißland Prediger ge - weſen. Die neue Edda hat gemacht Snorrre Sturlaͤſon / ein Vorneh - mer kluger Mann / und Ober-Richter uͤber Ißland im Jahr 1222. und auß der āltern des Saͤmunden zuſammen ge - zogen / welche Petrus Reſenius mit ſehr nuͤtzlichen Anmerckungen / und einer weit - laͤufftigen Vorrede her außgegeben / dar - innen er mit mehren von dieſen beyden ddis handelt. In der Koͤniglich en Schwe -di -405Poeterey. diſchen Bibliothec ſoll noch eine andere und beſſer verhanden ſein / wie Herr Rudbeck meldet. Dieſer Snorre Sturleſon hat die alte Eddam etwas verāndert / und auff ihre Poeterey ge - richtet. Wie nun die Edda ihre Mytho - logia, ſo iſt die Scalda ihre Metrica und Proſodia geweſen. Arngrimus ſagt von dieſer alſo: Scalda eſt liber de arte Poë - ticâ Iſlandorum, qui eſt quaſi praxis Eddæ ut Edda inventionem, Scalda uſum vel ar - tem adiuvet, Von welchem Wort Scalda die Poeten hernach Scaldrer genant / welche bey den Koͤnigen in ſolchen Anſe - hen geweſen / wie heutiges Tages Cantz - ler und Raͤhte. Ja es haben die Koͤni - ge ſelbſt es fuͤr ihre groͤſte Ehre geſchaͤ - tzet / wann ſie mit in ihren Orden haben kōnnen auffgenommen werden / und mit vielen Liedern ihre Faͤhigkeit dazu vor - geſtellet. Der Autor dieſer Scaldæ ſoll wie Arngrimus Crymog. lib. 1. bezeugt / Anno Chr. 1216. gelebet haben / und wird von den Wormio in ſeiner Literaturâ Ru -nicâ406Das VIII. Cap. Von der Nordiſchennicâ auß dieſem Buche offt was ange - fuͤhret. Es iſt auch ſehr glaͤublich daß die Alten gewiſſe Reguln dieſer Kunſt ge - habt; dann wie Olaus Wormius ſaget in Appendice Literat. Runic. Rhythmorum veterum inſinita ſunt genera, vulgo tamen uſitatorum centum triginta ſex eſſe putan - tur. Er ſetzet daſelbſt unterſchiedliche arten und die Nahmen derſelbe / als Sextanmælli Vyſa. Worinnen ein gewiſ - ſer Schall der Woͤrter ſechzehnmahl wiederholt wird / die ſie auch Drottquætt nennen. Imgleichen gedenckt er vieler Logogryphorum, welche ohne gewiſſe Kunſtreguln nicht wol haben verfertiget werden koͤnnen. Auch haben ſie bißwei - len gewiſſe Verſus intercalares gebraucht / wie Thomas Bartholinus der Juͤngere in ſeiner Diſſertation de Holgero Dano cap. 15. erweiſet. Aber Verelius behauptet in ſeiner Runographia cap. 6. das Gegen - theil / daß nemblich die alten Scaldri kei - ne gewiſſe Reguln gehabt. Er ſagt: Scaldrorum poëſis naturâ magis quam arte /con -497[407]Poeterey. conſtabat. Et licet in eorum poëmatibus omnia ſchemata Grammatica & Rhetorica inveniantur, recte tamen dixeris ipſos Grammaticæ & Rhetoricæ artis rudes ſola ingenii felicitate & abundantiâ ea peperiſſe, quæ & ipſorum ævo & nobis admirationi fuere & hodiè admiramur. Ex illis ſua con - geſſit Snorro & in formam artis redegit ipſe Scaldrus ingenioſus. Wañ dieſem alſo were / ſo wuͤrde auch des Hn. Rud - becks Grund von keiner Erheblichkeit ſein / da er die art der Carminum, die ſie Reſrun nennen / vor die aͤlteſten haͤlt / und von denen / deren Tacitus gedencket / dañ die hierunter gebrauchte Kunſt an den Tag geben wurde / daß ſie ſo gar alt nicht ſein. Worinnen die Kunſt der Verſe beſtanden / ſolches wird weitlāuff - tig von Wormio außgefuͤhret / und iſt merckwuͤrdig / daß ſie keine bey uns uͤbli - che Reime gehabt haben / ſondern die Verſe ſind beſtanden in gewiſſer Zahl der Sylben / und gleichſtimmung derſel - ben / aber nicht am Ende. Sie habenc c 4die -408Das VIII. Cap. Von der Nordiſchendieſer Poeſey groſſe geheime faſt zaͤubri - ſche Krafft zugeſchrieben wie ſie dann auch ihre Runas magicas gehabt. Eini - ge haben einen gewiſſen Trieb der Na - tur dazu gehabt / den ſie Scallviingl, daß iſt einen Poetiſchen Schwindel nennen / wel - cher ſich gemeinlich mit dem neuen Mohn eingefunden / da dieſe auff ſolche art Lu - natici oder Monſuͤchtige Poeten ihre Verſe mit unglāublicher Fertigkeit auß - geſchuͤttet. In Schwediſcher Sprache wird bey dem Herrn Scheffer in ſeiner Sveciâ literatâ zum erſten angefuͤhret ein Chronicon rhythmicum majus von einem Anonymo Anno 1319. geſchrieben / und Anno 1674. von Johanne Hadotph her - außgegeben Dieſem iſt hernach das Chronicon Rhythmicum minus hinzu ge - kommen / ſo Anno 1448 gleichfals von einem Anonymo geſchrieben / nebſt eini - gen in verſchiedenen Zeiten verfertigten continuationibus. Man hat auch Ale - xandri M. Hiſtoriam eines Anonymi An - no 1363, ein Chronicon Epiſcoporum Sca -ren -409Poeterey. renſium Anno 1397. von Brynolpho in Schwediſche Reimen verfaſſet. Der Koͤnig Carolus IX. hat Anno 1600 ſeine eigene Geſchichte in Schwediſchen Verſen beſchrieben. Es ſein viel andere Chro - nica auch auff dieſe art verfertiget / und eine zimliche Menge theils geiſtlicher theils weltlicher Getichte / die bey dem Herrn Scheffer koͤnnen nachgeleſen wer - den. Worunter inſonderheit des Hn. Stiernhelins ſeine Balletten / Sonneten und andere Carmina zu loben. Es hat auch einer Zacharias Brokenius eine An - leitung zur Schwediſchen Poeterey ge - ſchrieben Es fehlet auch in der Daͤni - ſchen Sprache nicht an guten Poeten / und wird ietziger Zeit eine Frauensper - ſon Dorothea Engelberts Datter ſehr geruͤhmet / welche geiſtliche Carmina von ungemeiner Zierlichkeit geſchrieben. Eraſmus Bartholinus hat in einer abſon - derlichen Diſſertation de ſtudio Linguæ Danicæ ſeine Landsleute zur Außuͤbung ihrer Sprache angefriſchet. Es hat ei -c c 5ner410Das VIII. Cap. Von der Nordiſchenner Aquilonius, deſſen wir ſchon vormah - len gedacht in Lateiniſcher Sprache eine Manuductionem ad Poeſin Danicam her - außgegeben: worin er die Griechiſche und Lateiniſche metra, in Daͤniſcher Spꝛa - che einzufuͤhren gedencket / wovon in fol - genden ein mehres ſoll geredet werden. Man ſpuͤhret auch bey den Finnen eine neigung zur Poeterey. Aber wie Mich. O. Wexionius in Epitome Deſcriptionis Sveciæ lib. 3. c. 14. ſchreibet / Fenni præter Rhythmum & Lamdaciſmum, ubi cædem literæ initiales continuantur ut.

Poiat parat / panhakam
Neitzet nuoret ilotcam
Wanhut wahwaß weiſatkam

neque ullum carmen agnoſcunt. In quibus omnibus una antiquitus melodia fuit. Di - cebantur & olim Runoi ad imitationem Runarum Sveco-Gothicarum. Ich ſolte aber meinen daß dieſes von den gemei - nen Verſen zu verſtehen ſey; Dann die geiſtliche Lieder und Pſalmen / die bey ihnen in Verſe geſetzt / und das Finni -ſche411Poeterey. ſche Chronicon in Finniſchen R[eim]en / ſo zu Abo 1658. heraußgegangen / ſein wie ich vermeine / uach art der Schwediſchen eingerichtet. Petrus Baͤng Profeſſor The - ologiæ auff der Finlaͤndiſchen Academia zu Abo hat in ſeiner Hiſtoriâ Eccleſiaſticâ Sveo-Gothorum lib. 6. cap. 6. auß des A - gricolæ, eines Wiburgiſchen Biſchoffs Poetiſchen Vorrede uͤber die Pſalmen Davids / einige Finniſche Verſe angefuͤh - ret / worinnen die Nahmen der alten Finniſchen Goͤtter erzehlet werden / dieſe ſein aber nach art der Teutſchen gemacht. Ferner hat er ein ſo genantes Baͤren - lied in Finniſcher Sprache cap. 7. ejusd. libri hingeſetzt / welches die Finnen bey ihrer Baͤrenjagt haben pflegen zu ſingen / dieſes iſt nach der erſten art geſchrieben und lautet alſo:

Medzaͤn dyris woitettu
Tuo meil taͤyttaͤ terweyttaͤ /
A[i]tta waſtan ſaalihita.
Tuo tuhatta tulleſaßa
Saata ſata ſaalihixi.
Julli tulin Jumaliſta
Canſa412Das VIII. Cap. Von der Nordiſchen
Canſa ſaalin iloiſeſta /
Jokailmam ihmet / waiwat
Annon andoi / rahan radei.
Coſca tulen kotihijn
Colme yoͤtaͤilon pidaͤn.
Ilos tulin / ilos laͤhdin
Laͤpi laxo / wuoret / waarat /
Aja paha edellaͤnſaͤ.
Pertos tuli Paͤiwaͤn tulo.
Paiwaͤ tule wielaͤ pertos
Cunnioitan ſua jaͤliſtaͤnſaͤ
Wuoſi wuodel ſaalihixi
Etten unhoidz Ochton wirren.
Sitaͤ waſt wiel toiſti tulen.

Dieſes kan auff Teutſch ungefehr alſo ge - geben werden:

O ſchoͤnes Wild von unſern Pfeilen
Durch ſo viel Wunden hie beruͤckt /
Das ſich getraut bey uns zu heilen /
Will ſein von unſrer Speiß erquickt /
Durch dich wird uns numehr gelingen
Noch hundertmahl dergleichen Beut /
Und du kanſt tauſend Nutzen dringen /
Biſtu zu kommen nur bereit.
Ich konte hie vielleicht woll kommen
Selbſt von den Goͤttern hergeſant /
Die mir zu meinem Nutz und frommen
Viel guter Beute bracht zur Hand.
Wird413Poeterey.
Wird dieſer Tag dann nun ſich enden
So geh ich in mein Hauß hinein:
So will ich zwiſchen meinen Waͤnden /
Drey Naͤchte durch voll Freuden ſein.
Ich habe mich mit Luſt und Gluͤcke
Hieher durch Berg und Thal gebracht /
Nun komm ich froͤlicher zuruͤcke.
All Unluſt habe gute Nacht.
Der Tag iſt froͤlich angefangen /
Mit denen die noch uͤbrig ſein /
Bald komt er wieder hergegangen
In voller Luſt und Freudenſchein.
Ich ehre dich allzeit in deſſen
Von dir erwartend Beut und Danck /
Daß ich nicht moͤge dich vergeſſen
Und meinen guten Baͤrenſang.

Die Lapplaͤnder haben auch bey ihnen der gleichen Baͤrengeſaͤnge / davon Schef - ferus in ſeiner Lapponiâ cap. 19. handelt. Sie haben ſonderliche Ceremonien. Weñ ſie einen Baͤren erſchoſſen / ſo heben ſie ihren Geſang als ein Triumph-Lied an. Der Vorſaͤnger unter ihnen iſt ihr Fuͤh - rer / der einen Stab mit einen Meßin - gen Ringe in der Hand fuͤhret. In dem erſten Lied dancken ſie dem Baͤren / daß er ihnen keinen Schaden an Leib undGe -414Das VIII. Cap. Von der NordiſchenGewehr zugefuͤget. Hernach haben ſie einen andern Geſang / darin ſie den Baͤh - ren bitten / er wolle ihnen kein uͤbel zu fuͤgen / noch Ungewitter zu ſchicken / weil ſie ihn umgebracht haͤtten: dann ſie ha - ben einen Aberglauben / als wann ſie biß - weilen einige Thiere halben / die ſie um - gebracht Schaden haben koͤnten. Sie haben auch noch einen andern Geſang darin ſie GOtt dancken / daß er das Wild zu ihren Nutzen erſchaffen / und die Krafft verliehen / daß ſie ein ſo grauſames Thier haben uͤberwinden koͤnnen. Wann ſie nun den Baͤren zu Hauſe gebracht / ſo fangen ſie einen andern Geſang an dar - in ſie ihre Frauen bitten / daß ſie die Rinde von den Ellerbaum zerkauen / und ihren Maͤnnern ins Geſicht ſpeyen moͤ - gen / welches ſie dann thun / daß ſie als blutruͤſtig erſcheinen / und man meinen moͤge / es ſey die Jagt nicht ohn Gefahr und Blut abgangen. Sie haben viel andere Gebraͤuche die dabey vorfallen / von welchen der Herr Schefferus kan nach -ge -415Poeterey. geleſen werden. Wer ſolte meinen daß unter den Lappen ſich auch ein Poetiſch Feur bey Liebesſachen regen ſolte? Es hat der Herr Scheffer in ſeiner Lapponia cap. 25. einige ihre Liebeslieder angefuͤh - ret / die ſie Morſe faurog nennen. Es iſt aber kein gewiſſes Gebaͤnde / noch abge - meßne Zahl der Sylben. Ein Verß iſt lang der ander iſt kurtz haben bißweilen gleichſylbige Reime / bißweilen gar kei - ne. Sie richten ihnen ſelbſt nach ihrem belieben den Geſang ein. Wann ich die Einfaͤlle derſelben betrachte / ſo ſein ſie warlich nicht ohne Geiſt / wie dann das eine / ſo der Herr Scheffer daſelbſt bey - bringet recht ſinnreich iſt. Es iſt ein Ge - ſang eines der von ſeiner Liebſten weit entfernet und nicht zu ihr kommen kan. Wir wollen es verteutſchet hieher ſetzen /

Laß / Soñe / deinen Schein vorhin nach Orra gehen /
O koͤnt ich dieſen Ort von ferne nur erſehen;
Ich klim̃te Huͤgel an und deren hoͤchſten Baum /
Und machte miꝛ dazu duꝛch Laub uñ Zweige Raum /
Zu ſehen / wo mein Lieb in Blumen geht ſpatziren /
Ich lieſſe mich dahin von Wind uñ Wolcken fuͤhꝛẽ /
Ich416Das VIII. Cap. Von der Nordiſchen
Ich floͤge hin / haͤtt ich der Kraͤhen Fluͤgen nur /
Nun iſt kein Fluͤgel da / kein Fuß zu deiner Spur.
Kein feſter Gaͤnſe Fuß / der mich hin zu dir trage.
Und dich verlangt nach mir ſo manche liebe Tage.
Du lenckſt dein liebes Aug und inneꝛs Heꝛtz zu mir.
Doch lieffſt du uͤber Meer ich folget endlich dir.
Wie Stricke / Baͤnde / Stahl uñ Eiſen uns beſpiñẽ /
So lenckt die Liebe mich / ſo zeꝛꝛt ſie Hertz un Siñen.
Der Kinder Wille zwar ſteht / faͤllt zur ſelben Zeit.
Ein junges Blut das libt das dencket lang uñ weit.
Solt ich ſie allezeit und ihre Meinung hoͤren:
So wuͤꝛd ich leichtlich mich vom ꝛechtẽ wege kehꝛẽ.
Nur ein Raht iſt noch da / den ich ergreiffen kan.
So find ich / wie mich daucht / die ꝛechte Liebes Bahn

Ich habe ſo viel muͤglich geweſen es an Worten und Meinungen ungeaͤndert gelaſſen. Nun ſehe mir einer dieſen Lap - laͤnder / wie artig er der Bewegungs Fi - guren zu gebrauchen weiß / ſein Verlan - gen darzuſtellen / was er fuͤr zierliche Gleichniſſe und Bildunge in dieſem Liede habe. Dieſes alles klinget in der Mutter Sprache noch beſſer weil darin Figuræ dictionis, Appoſitiones, Anadiploſes vor - kommen / die ſich in Teutſchen nicht wol ſchicken / welche aber den Hirtenliedern /ſehe417Poeterey. ſehr wol anſtehen / und eine zierliche Ein - falt vorſtellen. Als wann beyin Virgilio am Ende der zehenden Eclogæ ſteht: gra - vis eſſe ſolet cantantibus umbra, Iuniperi gravis umbra: ſo iſt in dieſem Carmine nach der Lateiniſchen Uberſetzung des Herrn Scheffers: omnes ramos præſe - carem, virentes ramos; ſi ad te volare poſſem alis, cornicum alis; per tot dies, tot dies tuos optimos &c. Welches zugleich ein Lieb - koſen und eine Außdruͤckung des Ver - langens vorſtẽllet. Diß Lied kan ſicher - lich der Meiſterſaͤnger Kunſt beſchaͤmen. Ich muß hier beylaͤuffig der Peruvianer auch erwehnen / welche eine art der Po - eterey unter ihnen gehabt / die nach ih - rer art recht vollkommen geweſen / wie hievon der Yncas Gateillaßo de la Vega, in ſeiner Hiſtoria Peruvianâ cap. 27. weit - laͤufftig handelt. Sie haben gehabt die ſie Amautas daß iſt Philoſophos genannt / die Tragœdien vor den Koͤnigen und vor - nehmen Herren von ihren Kriegen / Sie - gen / der Vorfahren Heldenthaten / undd dCo -418Das VIII. Cap. Von der NordiſchenComœdien von allen in dem gemeinen Leben vorfallenden Dingen geſpielet. Man hat auch allerhand Encomia - ſtica und Moralia Carmina unter ihnen / die vorgemeldter Autor uͤberauß lobet. Sie lieben mehrentheils kurtze Verſe in vier Sylben beſtehend / aber ohne Rei - me / damit ſie dieſelbe deſto beſſer im Ge - daͤchtniß behalten / und deſto bequemer ſingen / und auff der Floͤten ſpielen koͤn - nen / inſonderheit in Liebesſachen / da - von ſie verſchiedene Thoͤne haben. Der Autor vergleichet ſie der Spaniſchen Re - dondilla, welche eine art der Rondeaux iſt. Man hat auch welche bey ihnen / die man Haravec nennet / iſt ſo viel als Erfinder / welche eben den Nahmen ge - habt / wie bey den alten Frantzoſen die Troubadours. Selbige haben von na - tuͤrlichen dingen Verſe geſchrieben / und einige Fabeln mit untermiſcht / nemlich wie der Schoͤpffer der Welt / eine Jung - frau vom Himmel geſandt / in der Hand einen Krug Waſſer haltend / welcherwann419Poeterey. wann er von ihrem Bruder zerbrochen wird / Donner und Regen erreget / und andere dergleichen / welche er aus P. Blas Valera geſchriebenem Buche ange - fuͤhret / ſampt einem Carmine, daß er bey den Zeitknoten und Baͤnder / deren ſie ſich in der Jahr Rechnung gebrauchen / gefunden. Die Verſe die er ſpondiacos nennt lauten alſo / welche wir ſamt der Lateiniſchen Uberſetzung hieher ſetzen wollen:

Cumac Nuſta,
Torallayquin,
Puynnuy quita
Paguir Cayan
Hina mantaræ
Cununnunun
Tllapantac
Canri Nuſta
Unuy quita
Paramunqui
May nimpiri
Chici munqui
Pulchra Nympha
Frater tuus
Vrnam tuam
Nunc infringit:
Cujus ictus
Tonat, fulget,
Fulminatque:
Sed tu Nympha
Tuam Limpham.
Fundes pluis
Interdumque
Grandinem ſeu
d d 2Piti420Das IX. Cap. Von der Teutſchen
Piti munqui
Pacha rurac
Pachacamac
Viracocha
Cayhmapac
Churas unqui
Camas unqui
Niuem mittis;
Mundi factor
Pachacamac
Viracocha
Ad hoc munus
Te ſuffecit
Ac præfecit.

Herr Hoffmann hat in der Vorrede ſei - ner Getichte auch ein Indianiſch Liebes - geticht von einer Schlangen in Teutſch verſetzet angefuͤhret / welches traun recht ſinnreich iſt / und bey ihm kan nachgeleſen werden.

Das IX. Cap. Von der dritten Zeit der Teutſchen Poetery.

Einhalt. DIe dritte Zeit faͤngt an vom Herrn Opitzen. Vor ihm hat Petrus Denaiſius Aſſeſſor Ca - meræ Spirenſis teutſche Carmina geſchrieben. Wird421Poeterey dritten Zeit. Wird ſehr gelobet von Melch. Adami. Hubners verdeutſchung des Bartas. Opitzen erſte Verſe. Er hat dem Ronſard, Douſæ und Heinſio gefol - get. Dem Dulæ wird vom Voſſio die Reim-Chro - nicke zugeſchrieben. Opitzen ſonderliche Gelehrt heit. Seine Dacia iſt verlohren. Des Herrn - von dem Werder Teutſche Carmina. Buchnees Urthel von Opitzen. Flemming iſt hoͤher geſtiegen. Wird vor allen andern geruͤhmet. Von ſeinen eige - nen Landsleuten werden ſeine Tugenden nicht recht erkant. Der Herr Olearius hat ſeine Carmina herauß - gegeben. Seine Lateiniſche Epigrammata. Des Herrn Tſchernings Teutſche Carmina. Werden gleich - fals ſehr gelobet. Matthaͤus Appellis geiſtliche Oden. Colerus. Czepko. Hr. Gryphius. Daniel Caſpar von Lohenſtein. Haben die Traurſpiele in Teutſch - land zur Vollkommenheit gebracht. Verdienen ein groſſes Lob. Herr Chriſtian Hoffmann von Hoff - mans-Waldau ein vortreflicher Poet. Schreibt faſt nach der Italiaͤniſchen art. Herrn Riſten ſei - ne Oden. Seine Muſa Teutonica. Simon Dach. Johan Roͤlings Geiſtliche Getichte. Johan Fran - cken Geiſtliches Sion und irrdiſcher Helicon. Sei - ne vielfaͤltige veraͤnderung des Vater Unſers. Des Herrn Harſtoͤrffers / Betuli, von Bircken / Johan Klai Teutſche Poemata. Die Bayern / Tyroler und Oeſterreicher haben in Teutſcher Poeterey ſchlechte Proben gegeben. Scioppii Urtheil von ihnen. Jacobi Balde[teut]ſche Carmina de vanitate Mundi. d d 3Herr422Das IX Cap. Von der TeutſchenHerrn Chriſtian Weiſen Teutſche Gedichte wer - den gelobet. Es werden unterſchiedliche andre er - zehlet. Die heutige Zeit hat viel naͤrriſche Tichter gegeben. Eines der ſich Hartmann Reinhold neñet / Satyriſche Schrifft wieder dieſelbe. Ungelehrte Leute fuͤhlen bißweilen einen ſonderlichen Trieb zur Tichterey. Benedicti eines Italiaͤniſchen Bauren Carmina. Gabriel Voigtlaͤnders eines Trompeters Lieder. Zachariæ Lundii, Joh. Freinshemii Teutſche Carmina. Getichte Teutſcher Frauens - perſonen. Sibylla Schwartzin wird ſehr geruͤh - met. Eine Probe ihrer Carminum. Der Frey - herrin Henrietta Catharina Gerſtoͤffin gebohrnen Frieſin trefliche Carmina. Der Frau D. Moͤlle - rin gebohnen Eiflerin heraußgegebene Lieder. Con - ſtantia Sirenbergin. Fruchtbringende Geſellſchafft. Schluß des andern Theils.

WIr muͤſſen endlich auff die dritte Zeit der Teutſchen Poeterey kom - men / da dieſelbe gleichſam aus dem Grabe wider erwecket worden / und viel herrlicher als jemahls hervorkom - men / unter des Herrn Opitzen an - fuͤhrung. Es haben zwar einige vor ihm ſich etwas darin angenommen / aber es macht doch nichts gegen ſeine Vollkom -men -423Poeterey dritten Zeit. menheit. Petrus Denaiſius, ein vornehmer JCtus und Aſſeſſor Cameræ Spirenſis, ſoll vor Herrn Opitio im Anfang dieſes Se - culi ſehr gute Teutſche Verſe geſchrieben haben. Dann diß bezeugt Melchior Adami in ſeinem Vitâ. In vernaculâ ele - gantiſſimæ venæ poëta fuit, docuitq; ipſe ſuo exemplo; linguam Germanicam nullam omnino cultus elegantiam reſpuere, mo - excolatur. Nos hunc unum, ſi nullus alius eſſet, omnibus Italis Gallisque oppo - nere non dubitamus, tantâ facilitate, tan - felicitate, tantâ ſermonis puritate ac le - poribus uſus eſt in vernaculis carminibus concinnandis Dieſes iſt ein groſſes Zeug - niß vom ihm / das der Autor Anno 1620. da Herr Opitz ſchon einige Carmina her - außgegeben / geſchrieben. Daß alſo ver - muthlich / er habe der Warheit gemaͤß geurtheilet. Weil ich aber nichs davon geſehen laß ichs dahin geſtellet ſein. Huͤbner der des Bartas Schrifften faſt um dieſelbe Zeit uͤberſetzet / ſchrei - bet nichts / das mit Opitzen kan vergli -d d 4chen424Das IX. Cap. Von der Teutſchenchen werden. Er ſelbſt hat in ſeinen er - ſten Verſen die er geſchrieben / viel arten zu reden und reimen von der alten Zeit / wie man in der Vorrede der verteutſch - ten Arriana ſehen kan / da dergleichen et - liche von ſeinen Erſtlingen herbey ge - bracht werden / wie dann auch in ſeiner uͤberſetzten Argenis die Verſe nicht alle - mahl gleich zierlich ſein. Doch hat er nach dem Muſter des Herrn Ronſards in Frantzoͤſiſcher / und des Herren Douſæ und Heinſii in Niederlaͤndiſcher Sprache ſeine Poeterey und Schreibart viel ver - beſſert. Von Heinſii Poematibus iſt dro - ben geredet. Douſa hat meines wiſſens nichts ſonderlichs geſchrieben / nur daß er die alte Hollandiſche Reim Chronica / deren wir droben gedacht / her außgege - ben / welche Gerh. Voſſius de Hiſtoricis Græcis lib. 2. cap. 27. dem Duſæ ſelbſt / weiß nicht durch was Irthum / zu ſchreibet / dann er ſpricht: Janus Douſa in præfatione hiſtoriæ ſuæ metricæ, und wiederum: in præfatione quam præmi -ſit425Poeterey dritten Zeit. ſit annalibus Batavis carmine à ſe compoſi - tis: da doch in dem titul ſelbſt enthal - ten / daß ſie nicht von ihm geſchrieben / ſondern nur heraußgegeben ſey. Der Herr Opitz war ein gelehrter Mann / und in Hiſtorien / Griechiſcher und La - teiniſcher Sprache wol erfahren / wie ſei - ne Variæ lectiones, Commentaria in Ca - tonis Diſticha, und andere Sachen zur Gnuͤge anzeigen. Seine Dacia anti - qua welche ſehr geruͤhmet wird / und wel - che der Herr Chriſtian Hoffmann von Hoffmans Waldau ſelbſt in ſeinen Haͤn - den gehabt / wie er in der Vorrede ſei - ner Poematum bezeuget / iſt verlohren ge - gangen / und wird von vielen ſehr bedau - ret. Er war ſehr gluͤcklich im Uber ſetzen / wie er dann viele Verſe auß dem Nie - derlaͤndiſchen und Frantzoͤſiſchen ins Teutſche gebracht. Des[Herrn] von dem Werder Teutſche Uberſetzungen und Getichte ſein auch um dieſelbe Zeit hervor gegeben / von welchen wir dro - ben ſchon gedacht / und kan man desd d 5Herrn426Das IX. Cap. Von der TeutſcheuHerrn Buchners Urtheil davon leſen in ſeiner andern Epiſtol, woſelbſt er ſeine Fehler angemerckt. Von des Opitii Ge - tichten urtheilet er Epiſt. 51. Non poteſt aſcendere altius Muſa Patria, & neceſle eſt ut acquieſcat eo faſtigio, quo tu collocaſti. Interim te ſequemur longè & tua veſtigia adorabimus: ſic tamen non obſcuri pror - ſus morituri. Ich gebe ihm Beyfall / daß zu ſeiner Zeit er der vortreflichſte Poet geweſen / vermeine aber daß die Teutſche Tichtkunſt in dem Herrn Flemmingen noch hoͤher geſtiegen. Dann in War - heit es ſteckt ein unvergleichlicher Geiſt in ihm / der mehr auff ſich ſelbſt / als fremb - der Nachahmung beruhet. Wir haben an ihm / den wir den Italiaͤnern und Frantzoſen entgegen ſetzen koͤnnen / und wo einer bequem geweſen ein vollſtaͤndi - ges Epicum Poëma, wie Taſſus, und Ari - oſtus hervor zu geben / ſo haͤtte es dieſer vor allen andern ſeinen Landsleuten voll - fuͤhren koͤnnen. Die Elocutio iſt an ge - buͤhrenden Ohrt herrlich und Helden -maͤßig427Poeterey dritten Zeit. maͤßig / in Oden lieblich und ſinnreich / Die Außbildung kraͤfftig / die Erfindung angenehm und ſonderlich / und iſt dieſen allen eine ſonderliche / auß der Sachen ſelbſt flieſſende / nicht weit geholete / und mit harten Metaphoris verbluͤmte Schaꝛff - ſinnigkeit vermiſcht. Ja es mag mit Ehren vom ihm geſaget werden / was er ſelbſt in ſeiner Grabſchrifft ſetzet / daß ihm kein Landsman gleich geſungen. Ich kan mich aber nicht gnug verwundern / daß man ſo wenig Wercks von ihm ge - macht / und ſeine Tugenden nicht im hoͤ - hern Werth gehalten. Der Hr. Schot - tel hat ihn ſehr kaltſinnig gelobet / wann er ihm keinen andern Lobſpruch / als ei - nes guten luſtigen Poetens beyleget Der Herr Hoffmann lobt nichts anders an ihm / als daß er ein feines Sonnet ge - ſchrieben. Welches ob es zwar wahr iſt; dann er hierin unvergleichlich gewe - ſen; ſo war doch ein weit mehr es an ihm zu loben. Man ſiehet nur hier auß / wie die Urtheil von vornehmen Leutenſo428Das IX. Cap. Von der Teutſchenſo ungleich und parteiiſch fallen. Wir ſein dem Sehl. Herrn Oleario ſehr ver - pflichtet / der uns die herrlichen Schriff - ten dieſes Mannes erhalten / und der ge - lehrten Welt mit getheilet / wuͤnſche daß die verlohrne / ſo ſie noch irgend wo ver - borgen ſein / wieder zum Vorſchein ge - bracht werden moͤgen. Es hat unſer wehrtes Holſtein billig auch ein Theil daran / welches durch die Perſiſche Ge - ſandſchafft zu den meiſten Getichten an - laß gegeben. In Lateiniſcher Sprache hat er zwar einige Epigrammata geſchrie - ben / aber ſie reichen nicht an die vollkom - menheit der Teutſchen. Nach ihm iſt der Herr Tſcherning zu ſetzen / deſſen Fruͤhling und Vortrab des Sommers viel ſchoͤner Getichte hat / welche des Hn. Opitzen ſeinen auff alle weiſe und wege koͤnnen gleich geſchaͤtzet werden. Es iſt eine ſonderliche Rennlichkeit / und unge - ſchminckte Zierlichkeit bey ihm / weßhal - ben man ihn billig unter Teutſchlands Hauptpoeten zu ſetzen hat. Es war ei -ne429Poeterey dritten Zeit. ne ſondeꝛliche Gelahꝛtheit in Wiſſenſchafftẽ und Sprachen bey ihm / wie ſolches ſeine Lateiniſche Carmina und die verteutſch - ten auch mit Anmerckungen heraußge - gebene Arabiſche Sprichwoͤrter bezeu - gen / hat auff der Roſtockiſchen Academia die Profeſſionem Poëſeos betreten / welche vor ihm Lubinus, Chytræus, Kirchman - nus, Laurenbergius, und ich nach ihm / als meinem Lehrmeiſter und Vorgaͤnger ver - waltet. Es ſind noch viel ſeiner Getichte uͤbrig / welche verdienen / daß ſie auch ans Licht gebracht / und mit den uͤbrigen in ein vollſtaͤndig Werck verſamlet werden. Er hat viel andre ſeiner Landsleute / (denn er war ein Schleſier) gehabt / die zur ſel - ben Zeit und nach ihm geſchrieben: wie dann Schleſien allemahl ſehr fruchtbar von Poeten geweſen. Aber es ſein von ihnen nicht eben rechte vollſtaͤndige Wer - cke hervorkommen. Matthaͤus A - pelles / von Leuenſtein / auff Lan / genhoff Keyſerlicher und Fuͤrſtlicher Muͤnſterberg-Oelßniſcher Rath / demHeren430Das IX. Cap. Von der TeutſchenHerr Tſcherning ſeinen Fruͤhling zu geſchrieben / hat einige Geiſtliche Lieder unter dem Titul des Fruͤhlings-Mayen hervorgegeben / mehrentheils auff Wahl - ſpruͤche Fuͤrſtlicher Perſonen / und zu ſonderlicher Erweckung ihrer Andacht gerichtet / welche mein Hochgeehrter Col - lega Herr D. Major, ſeinem vor nehmen Landsman zu ehren / allhie im Kiel wie - derum zum Druck befordert. Auß deſſen gelahrter Feder ſelbſt / ſo viel ſchoͤner Ge - tichte gefloſſen / womit er / unter andern vielfaͤltigen Schrifften den Ruhm ſeines Vaterlandes vermehret. Es haben auch aus derſelben Nation Colerus und Czepko Teutſche Verſe geſchrieben / und ſein end - lich der Herr Gryphius, der Herr Da - niel Caſpar von Lohenſtein / und Chriſtian Hoffmann von Hoff - mans Waldau auß derſelben hervor - kommen. Die beiden erſten haben die Trauerſpiel in Teutſcher Sprache zur hoͤchſten Vollkommenheit gebracht / daß wir den Außlaͤndern nichts darin nach -zu -431Poeterey dritten Zeit. zugeben haben / wie dann ihre Wercke einem jeden vor Augen liegen. Anderer art Getichte zu geſchweigen / darin ſie gleichfalls ſehr gluͤcklich geweſen. Herr Daniel Caſpar iſt ſehr Spruch-reich in ſeiner Schreibart / und hat eine ſon - derliche art ſehr kurtz diefelbe zu faſſen / ſo woll in Trauerſpielen / als in Oden. Es iſt ihnen dieſe Poeterey ſo woll auß - geſchlagen / weil ſie die alten Griechen und Lateiner zum Zweg ihrer Nachah - mung gehabt / ohn welchen nichts beſtaͤn - diges und vollkommenes außgefuͤhret werden kan. Dann wo keine gruͤndliche Gelartheit bey einem Tichter iſt / ſo wird nie was gutes und vollenkommenes von ſeinen Haͤnden kommen. Der Herr Thriſtian Hoffmann von Hoff - mans Waldan hat eine Sinn - und Spruchreiche Schreibart nach art der Italiaͤniſchen im Teutſchen gefuͤhret / ſei - ne Helden Briefe nach art des Ovidii ge - ſchrieben / ſein ſehr zierlich / und mit Me - taphoriſchen Redensarten / nach der Ita -liaͤ -432Das XI. Cap. Von der Teutſchenliaͤniſchen weiſe durch und durch gewuͤr - tzet. Es muß des Herrn Riſten auch nicht vergeſſen werden / welcher eine fluͤſ - ſige art Lieder zu ſchreiben gehabt / deſſen letzte Schrifften ſehr von den eꝛſtẽ verſchie - den ſein. Dann ſeine Muſa Teutonica, die er Anno 1640. heraußgegeben hat / lauffen ſehr wieder die Reguln der Kunſt. Simon Dach hat auch ſehr gute Oden geſchrieben / deſſen Nachfolger in der Pro - feſſione Poëſeos zu Koͤnigsberg der Hr. Roͤling mein lieber Freund / geweſen / der gar zu fruͤhe uns durch den Tod ent - riſſen iſt. Seine Geiſtliche Lieder / deren ein Theil heraußgegangen / ſein voll tieff - ſinniger Einfaͤlle / und fuͤhren eine Flem - mingiſche art bey ſich / als die er jederzeit beliebet hat. Es iſt zu beklagen / daß nicht alle ſeine Verſe in ein vollſtaͤndig Werck verſamlet werden ſollen / die faͤhig ſein unter die treflichſten Geiſter dieſer Zeit ihn zu ſetzen / und der Nachwelt vorzuſtellen. Johann Franck / ein Raͤthsherr der Stadt Guben / hat einrenn -433Poeterey dritten Zeit. rennliches und wollgeſetztes Teutſches Carmen geſchrieben / deſſen Geiſtlicher Sion und irrdiſcher Helicon hervorge - geben / worinnen viel ſchoͤner Geiſtlicher und Weltlicher Lieder ſich befinden. Der Herr Buchner / als der verſtaͤndigſte Richter in dieſen Dingen / hat ihm ein groſſes Lob beygelegt: Poêmatibus tuis ſpricht er / nec ipſæ Muſæ Muſicæ ma - gis. Ita & dictionis venuſtate & inventio - num præſtantiâ ſe approbabant, ut de ſe jure poſſint jactare, quod Flaccus olim de ſe: Odi profanum vulgus & arceo. Es iſt in - ſonderheit die vielfaͤltige Veraͤnderung des Vater Unſers / die er in ſeiner Va - ter-Unſers-Harffe darſtellet / verwun - derns wuͤrdig. Dann er hat dreyhun - dert drey und dreißig mahl daſſelbe um - geſetzet. Harſtoͤrffer / Betulius von Bircken / Klai / haben viele Dinge ſo wol in gebundener als loſer Rede ge - ſchrieben / denen es nicht an Geiſt / Er - findung / ſinnreicher Außbildung fehlet. Aber es iſt doch etwas frembdes dabey /e edaß434Das IX. Cap. Von der Teutſchendaß in den Ohren der Schleſier und Meißner nicht wol klinget. Sie ge - brauchen gewiſſe Freybeiten in verſe - tzungen und beſchneidungen der Woͤrter / fuͤgung der Rede / und in dem numero, daß den etwas unlieblich lautet. Die Bayern / Tyroler und Oeſterreicher ha - ben keine ſonderliche art im Poetiſiren / und weiß ich deren keine zu nennen. Dann ihre Sprache und Mundart iſt unfreundlich / deßhalben die Tichterey frembd und unlieblich. Scioppius hat in ſeinen Conſultationibus p. 29. die Grob - heit ihrer Sprache weitlaͤufftig beſchrie - ben / und inſonderheit den Wieniſchen Bi - ſchoff Melchiorem Cleſeliũ, der doch inſon - derheit der Teutſchen Sprache Zierlichkeit ſich angelegen ſein laſſen / heßlich durch ge - zogen / und ſeine Idiotismos Bavaricos ihm vorgehalten. Auß dieſer Urſache / halte ich / ſein des Jacobi Balde eines Bayern Carmina, die er ſeinen Lateiniſchen de Vanitate Mundi mit eingemiſcht / ſo un - foͤrmlich und hart / ob gleich die Sachengut435Poeterey andern Zeit. gut ſein. Des Herrn Chriſtian Wei - ſen Teutſche Gedichte / die vor etlichen Jahren hervor gekommen moͤgen billig unter die beſten Gebuhrten dieſer Zeit gerechnet werden. In der Schertzhaff - ten art iſt er unvergleichlich / wie ſoͤlches ſeine uͤber fluͤßige Gedancken / und andere Satyriſche Schrifften darthun Wir koͤnten hier eine gantze Menge teutſcher Poeten herbey bringen / als Zeſens / Caldenbachs / Neumarckeu / Flei - ſchers / Schirmers / Sibers / Hel - den / Schochs und anderer / und koͤn - te viel von ihnen / wie auch von den obi - gen geſagt werden. Aber ich werde mich nicht unter nehmen allhie den Richterſtab zufuͤhren / und wird es im folgenden offters Gelegenheit geben / eines und an - dern an gehoͤrigem Ohrte zu gedencken / daß es alſo nicht noͤthig uns hiemit auff - zuhalten. Wir haben der er ſo wol bekan - ten als unbekanten Tichter gar keinen Mangel / und fehle[t]wenig daß die Tich - terey nicht gar den Handwerckern untere e 4die436Das IX. Cap. Von der Teutſchendie Faͤuſte geraͤht. Wer einen Reim zuſammen ſetzen kan / der ſchreibet ſchon unmer drauff loß / und weiß doch im grunde nicht / worin die rechte zierlich - keit eines Verſes beſtehet. Wieder der - gleichen unzeitige Reimer iſt eine gar finnreiche Satyriſche Schrifft geſchrie - ben von jemand der ſich Hartmann Reinhold nennet. Dieſer ſey wer er wolle / ſo hat er traun dieſelbe ſo artig abgemahlet / daß nichts druͤber iſt: Dañ es iſt eine perpetua μίμησις, und Unterrich - tung eines naͤrriſchen Verſemachers. Es iſt ohne Zweiffel derſelbe Autor der den kurtzweiligen Redner neulich geſchrie - ben / worinnen viel auß dieſem Buche wieder holet / wird / der ſonſt auß andren Schrifften wol bekant. Die Uberſchrifft dieſes Buchs iſt Reime dich oder ich freſſe dich Antipericatametaparnabeuge damphirribificationes Poëticæ, oder Schel - len und Scheltens wuͤrdige Thorheit Bœotiſcher Poeten in Teutſchland Hans Wurſten zu ſonderbahren Nutzen undEhren437Poeterey dritten Zeit. Ehren vorgeſtellet. Wer eine Ergetzung bey muͤßigen Stunden ſuchet / wird ſeine Muͤhe bey durchleſung dieſes Buches nicht uͤbel anlegen. Ich muß zwar be - kennen / daß bißweilen auch bey den ge - meinen ungelehrten Leuten ein Tichter - Geiſt ſich erreget / ſich uͤber deren Ver - ſtand erhebet / und was ungemeines bey ſich fuͤhret / wie dann der jenige Baur Benedictus geweſen / deſſen Jan. Nic. Ery - thræus gedencket / welcher nach verrichte - ter Baurarbeit Verſe geſchrieben / und unter andern IIluſtre poëma, (wie ers nennet) quod cum omnibus ab aliis editis eruditione elegantiaque æquari conferriq; poſſe videatur, de Ignatio Lojolâ Soc. Jeſu fundatore. Aber es iſt dieſes mehr dem Trieb der Natur als der Kunſt zuzuſchrei - ben. Des Gabriel Voigtlaͤndern eines Trompeters Lieder haben viel artiger Einfaͤlle / ob ſie gleich nicht nachder kunſt gemacht. Hingegen ſein gelehrte Leute die in Lateiniſcher Sprache die groͤſten Poeten ſein / und in Teutſcher gantze e 3auß -438Das IX. Cap. Von der Teutſchenaußaꝛtẽ / nach des Ennii aꝛt /[i]ngenio maximi, arterudes, wie Jacob Balde in ſeinen Teut - ſchen Carminibus de vanitate Mundi und Zacharias Lundius in ſeinen Teutſchen Po - ematibus, die doch beyde ſchoͤne Latei - niſche Carmina geſchrieben. So haben auch des Herrn Johannis Freinshemii, der doch ein grundgelehrter Philologus geweſen / Teutſche Carmina, nicht dieſel - art / die wir an andern ſehen. Man findet ſelten die Vollkommenheit in bey - den Sprachen beyſammen. Vor allen dingen muß allhie nicht vorbey gegangen werden / daß wir in Teutſchland Frau - ensperſonen gehabt / und auch noch zur Zeit haben / die die Maͤnner ſelbſt in der Tichtkunſt beſchaͤmen koͤnnen. Um das Jahr 1638. lebte Sibylla Schwar - tzin / Herrn Cbriſtian Schwartzen Fuͤrſtlichen Pommeriſchen geheimen Landraths uñ Burge&rrNneiſtern der Stadt Greiffswald Tochter. Dieſe war traun ein Wunder ihrer Zeit / dann ſie hat von dem dreyzehenden Jahr ihres Altersbiß439Poeterey dritten Zeit. biß zum ſiebenzehnden / worin ſie ſeel gen Todes verblichen / Verſe geſchrieben / die vor ſolche zarte Jugend und zwar einer Frauenperſon / unvergleichlich ſein. Da zu derſelben Zeit Maͤnner / die in ihrem vollſtaͤndigen Alter / und nachgehends keinen geringen Ruhm in der Poeſie er - worben / ihr beyweiten nicht gleich ge - than. Nach ihrem Tod ſein ihre Verſe von M. Samuel Gerlach zu Dantzig Anno 1650. in 4to heraußgegeben / und mit des Herrn Paſtorii und Herrn Tini auffrichtigen Lobſpruͤchen beehret Dañ es iſt der Warheit aller dings gemaͤß / was Herr Titius von ihr ſchreibet:

Hæc fuerat, ſi quà potuisſent rumpere ſata
Teutonici Virgo gloria prima Chori.
Quos olim cantus annis provecta dediſſet,
Tam docto tangens ungue puella chelyn!

Weiln nun ihre Getichte in weniger Haͤn - de ſein / ſo will ich einige wenige Verſ[e]hieher ſetzen / Ut quemadmodum ex an - gue Leo, ita vel ex uno folio hæc Sibylla æſti - metur. Es leſe einer das Schimpfflied /e e 4wel -440Das IX. Cap. Von der Teutſchenwelches ſie auff den unadelichen Adel ge - ſchrieben; es iſt warlich ſo ſinnr eich und ſtachlicht / als etwas koͤnte von dem beſten Geiſte erdacht werden. Zur Probe ſein etzliche Strophen aus dieſem Liede:

Wer den Weg der Demuth kennet / Der iſt edel nur allein. Wer ſich ſelbſt unedel nennet / Der mag zweymahl edel ſein. Der iſt edel von Gemuͤth / Und nicht ſchlecht nur von Gebluͤht.
Marius will nicht viel preiſen Seiner Ahnen Ruhm und Schild / Sondern will viel lieber weiſen An ihm ſelbſt der Eltern Bild. Denn es ſind nur bleiche Wangen / Die mit frembder Roͤthe prangen.

Die andern Strophen die wir kuͤrtze hal - ber nicht hieher ſetzen ſein gleiches Schla - ges. Die Sonneten / die ſie geſchrieben / ſein alle ſo gut als ſie ſein koͤnnen. Zur Probe ſey dieſes:

Iſt Lieb ein Feur und kan das Eiſen ſchmiegen /
Bin ich voll Feur und voller Liebes Pein /
Wovon mag doch der liebſten Hertze ſein?
Waus Eiſern waͤr / ſo wuͤrd es mir erliegen /
Wanns441Poeterey dritten Zeit.
Wanns Guͤlden waͤr / ſo wuͤrd ichs koͤnnen biegen
Durch meine Gluht / ſolls aber fleiſchern ſein /
So ſchließ ich fort: Es iſt ein fleiſchern Stein.
Doch kan mich nicht ein Stein / wie ſie betriegen.
Iſts dann wie Froſt / wie kalter Schnee und Eiß;
Wie preßt ſie dann aͤus mir den Liebes-Schweiß?
Mich daucht: Ihr Hertz iſt wie die Loorberblaͤtter /
Die nicht beruͤhrt ein ſtarcker Donnerkeil.
Sie / ſie verlaeht / Cupido / deine Pfeil.
Und iſt befreit fuͤr deinem Donnerwetter.

Die andern uͤbertreffen ſchier dieſes an - gefuͤhrte Exempel. Worauß dann zuſe - hen / was in ihr fuͤr ein groſſer Geiſt ge - ſtecket / der in ſo zartem Alter ſchon ſol - chen hellen Schein von ſich gegeben. Dieſes nimt mich aber Wunder / daß man ſie nicht in groͤſſer Hochachtung gehalten / ſondern noch dazu dieſer groſ - ſen Gaben halber verleumbdet / woruͤber ſie hin und wieder klaget / welches ein un - fehlbahres Kennzeichen der ungeſchliffen - ſten Grobheit iſt. Die alten Griechen und Roͤmer / ja auch noch heute die Auß - laͤnder haͤtten vielmehr unter ſolchen E - xempeln die Ehre ihrer Nation geſucht;e e 5wie442Das IX. Cap. Von der Teutſchenwie ſie dann dergleichen nicht verſchwei - gen / kaum aber eins daß dieſem gleich in ſolchem Alter werden hervor bringen koͤnnen. Wir haben zu unſer Zeit noch ein groͤſſers Exempel an J. Exc. des Hn. Baron Caroli von Frieſen Fraͤulein Tochter / Henrietta Catharina / ietzo J. Exc. des Herrn Baron von Gerſtoͤrffen Gemahl gehabt / die nicht allein unter - ſchiedliche vortrefliche Teutſche und Lateiniſche auff J. Chur-Fuͤrſtl. Durchl. von Sachſen in erſter Jugend geſchriebene Getichte / welche von dero hohen Hand zu empfangen ich gewuͤrdi - get worden / heraußgegeben; ſondern in andern Sprachen und Wiſſenſchafften eine ungemeine Vollkommenheit erlan - get; deꝛo voꝛtꝛefliches Lob ob ich zwar nicht ſatſam erheben kan / und ſie vielmehr ſelbſt ſolches zu verhelen ſuchet / ſo hat doch die Ehre unſers Vaterlandes nicht zugeben wollen / daß ich ſolches mit ſtill - ſchweigen vorbeygehen / und dieſe unver - gleichliche Zierde unſer Zeit / ungeruͤb -met443Poeterey dritten Zeit. met laſſen ſolte Wie ich dann bereits ei - ne Lateiniſche Elegiam druͤber verfertiget. Wir muͤſſen auch allhier der Frauen Gertrud Muͤllerin des Sehl. Hn. Pe - tri Muͤllern geweſenen Med. D. und Pro - feſſoris auff der Koͤnigsbergiſchen Acade - mie, Eheliebſten / gebohrnen Eifflerin / nicht vergeſſen / welche ein Buch Teut - ſcher Oden / die ſo woll geſetzet ſein / als ſie der beſte Poet ſetzen mag / an das Licht gegeben. Es fehlet hie nicht allein nichts an Erfindung / an Eygenſchafft und zierlich - keit der Rede / an gehoͤriger Kunſtrich - tigkeit / ſondern ich darff kuͤhnlich ſagen / daß ſie einigen Tichtern unſerer Zeit / die dennoch einen Nahmen geſucht und erlanget haben weit vorzuziehen ſey: Hat ſie alſo billig das Lob verdienet / welches der Herr Titius in ſeinem ſinn - reichen Epigraͤmmate auff dero Ehelieb - ſten Tod / ihr mit recht beyleget / da er ſpricht:

Gertrudis decimum pridem jubar addim Muſis Pallados & Phæbi gloria quanta tui.
und444Das IX. Cap. Von der Teutſchen

und ferner:

Quæ manus inſcribet doctis Eifleria cedris Per maria & terras ſedula fama vehet

ſchlieſſet endlich:

Priſtina commemorent veteres miracula chartæ: Audebunt etiam ſecula noſtra loqui.

Der Carolus Ogerius gedencket in ſeinem Itinere Polonico der Conſtantiæ, des Hn. Sirenbergs vornehmen Burgerineiſters in Dantzig Jungfern Tochter / auff wel - che er eine Lateiniſche Elegiam geſchrie - ben / und in derſelben ein unvergleichli - ches Lob ihr beygelegt / nennet ſie Sire - nem Balthicam. Es ſein noch andere Exempel bey uns verhanden / deren der Herr Thomaſius in ſeiner Diſſertation de Eruditione Feminarum gedencket / und die mir theils ſonſten bekant / von denen mir aber nichts ſonderliches zu handen kommen: deren Ruhm ich ietzo mit ver - ſchweigung ihres Nahmens nichts entzo - gen haben will. Ich halte traun den Ruhm der Frauen / den ſie aus der Po - eterey erlanget / viel hoͤher als den Ruhmder445Poeterey dritten Zeit. der Maͤnner - Denn es iſt gar ein un - billiges Urtheil des vornehmen Arabi - ſchen Poeten Pharezdaki, welcher / da er ein ſehr ſchoͤnes Carmen einer Araberin geleſen / geſagt: (wie Pocokius in der Vor - rede ſeiner Anmerckungen uͤber das Ara - biſche Carmen Tograi erzehlet) Galli can - tum cum Gallina imitatur iuguletur: Wann die Henne wie der Hahn ſinget / muß man ihr den Halß ab - ſchneiden. Sonſten hat man in dieſer Zeit mit a[ll]em Ernſt die Verbeſſerung der Teutſchen Sprache fortgeſetzet / und nach dem Exempel der Frantzoſen und Italiaͤ - ner / ſonderliche zu dieſen Zweg zielende Geſellſch[a]fften angeſtellet. Worunter inſonder[h]eit die ſo genante Fruchtbrin - gende / d[a]runter auch Fuͤrſtliche Perſo - nen ſich[b]efinden / den Vorzug hat / durch deren Stifftung viel gutes erfolget / und viel tre[ffl]icher Buͤcher hervor gekommen. Von i[hr]em Urſprung / Satzung / Vorha - hen / G[l]iedern / hat der ſo genandte unver - droſſe[n]Carl Chriſtoph von Hille eineige -446Das IX. Cap. Von der Teutſcheneigenes Buch unter dem Nahmen des Teutſchens Palmbaums heraußgegeben. Nachgehends haben auch andere dieſem Exempel gefolget / und andere Geſellſchaff - ten angeſtellet. Aber es iſt dadurch zu vielen thoͤrichten Weſen anlaß gegeben / davon allhie nichts weiters zu erwehnen. Wir laſſen dieſe als ietzo bekandte dinge fahren / und ſchreiten zum dritten Theil.

Drit -447

III. Theil. Von der Teutſchen Poeterey an ihr ſelbſten.

Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeit der Teutſchen Sprache / und deren faͤhigkeit zur Poeterey.

Einhalt. DEr Teutſchen Sprache Zierlichkeit. Die Teutſchen haben ſie ſelbſt verkleinert. Sie wird bey den Autoribus barba[r]a lingua genannt. Iſ. Voſſius verachtet die heutige Teut - ſche Sprache ohne Fug. Die harten dialecti koͤnnen dieſelbe an ſich nicht verunzie - ren. Der Bayern und Deſterreicher Außrede wiꝛd von Scioppio nicht unbillig getadelt. Des Herrn Conringii und Herrn Praſchen Urtheil von der treflichkeit der Teutſchen Sprache. Caroli M. teutſche Grammatica. Teutſche Sprache hat ſich weit erſtrecket. Ott[f]ridus und Trithemius haben die Teutſche Sprache auch zu verbeſſern geſuchat. Des Keyſers Maximiliani loͤblicher Vorſatz. Ur -theil448Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeittheil von der Teutſchen Grammatica auß dem Bibliandro. Adami Bohorizi Arcticæ horulæ ſucciſivæ. Joannis Grachi Pierii, Ladislai Sunt - heim, Johann Bruͤcken / Alſtedii, Laurentii Al - berti Oſtro Franck / Valentin Ickelſammer / Johan - nis Claii, Teutſche Grammatiken. Herrn Schottels Teutſche Sprach-Arbeit. Claubergius hat de Cauſis linguæ Germanicæ ſchreiben wollen. Teutſche Sprache iſt vor andern ſonderlich zu er - heben. Allgemeine Sprach-Arbeit. Carteſii Urtheil von eineꝛ Eꝛfindung eineꝛ Linguæ Univerſalis. Deſſen Vorſchlag von einer lingua Philoſophica Georgii Dalgarne, John Wilkins, und Joachimi Friſichii hierauff zielende Erfindungen.

EHe wir zu der Teutſchen Poeterey ſelbſt kommen / muͤſſen wir etwas ſtille ſtehen / und von der Kunſt - richtigkeit der Teutſchen Sprache / und deren Grammatica etwas reden. Dann es ſein etliche die die Teutſche fuͤr eine barbariſche / und zur Poetiſchen Lieblich - keit unbequeme Sprache halten Ja es haben ſich die Teutſchen ſelbſt Barbaros und ihre Sprache Barbaram genannt / Eginhartus in vitâ Caroli M. in præfationenen -449der Teutſchen Sprache. nennet ſich hominem barbarum. Der Wal - lefridus Strabo de Vitâ Galli cap. 6. nennet linguam Alemannicam barbaricam locuti - onem. Derſelbe hat de reb. Eccleſiaſt. c. 7. dieſe Worte. Dicam ſecundum noſtram barbariem, quæ eſt Theodiſca. Kero ein Muͤnch von S. Gallen hat geſchrieben Interpretationem Vocabulorum Barbarico - rum, meinet dadurch die Teutſche. Ein mehres hat Savaro in notis ad Sidonium. Apollinar. lib. 4. epiſt. 16. angefuͤhret. Welches alles aus der groſſen Ehrerbie - tung gegen die Lateiniſche Sprache her - gefloſſen / dadurch andere ſich der Teut - ſchen Beſcheidenheit mißbrauchet / und die Sprache noch mehr verkleinert / die einige Landsleute ſelbſt verachtet. Ja es iſt dahin gekommen / daß diejenigen die ſelbſt Teutſcher Abkunfft ſein / nicht die alte nur ſondern auch die jetzige / die doch nach allen ihren ſtuͤcken außgezieret iſt / noch vor Barbariſch außſchelten. Iſt derowegen unleidlich was Iſ. Voſſius de Poëmatum Cantu p. 56. von derſelben ſa -f fget:450Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeitget: Germanorum ut vaſta ſunt corpora, ta quoque vaſtus eſt ſermo. Plus ille pon - deris quam majeſtatis habet, quâ tamen non deſtitueretur, niſi illam infringeret ſyllaba - rum ipſas quoq; fauces abradentiũ aſperitas & frequens nimis conſonantium concur - ſus. Und ferner: Germanorum ſermo li - cet nullum non admittat pedum genus, dif - ficulter tamen hic ſe inſinuat delicatioribus auribus, non tantum propter crebrum ſi - bilum literæ S. & concurſum nimium con - ſonarum, & præterea ruſticum & obſcurum A & O longi ſonum, ſed & quod maximâ ſui parte conſtat ſpondeis & moloſſis. Diß Urtheil iſt viel zu hart und unfreundlich / auch der Warheit nicht gemaͤß. Dann es werden ja endlich die Conſonantes ſo gar ſehr nicht uͤberhāufft / wie er vorgiebt / und kan auch hier in eine Maaſſe gegeben werden: ſehe auch nicht / wie die Vocales A und O eine Sprache bāuriſch machen ſolten / dann ja die majeſtas linguæ inſon - derheit von ſolchen Vocalibus herkommen muß. Wie man ſolches beym Virgilioſehen451der Teutſchen Sprache. ſehen kan / der inſonderheit dieſer Vocalium ſich gebrouchet / wann er die Worte klin - gend und anſehnlich in einer wichtigen Sache machen will. Was wolte er dann von der Spaniſchen und Italiaͤniſchen Sprache ſagen / da dieſe Vocales gar haͤuf - fig ſich finden? Sind alſo nur nichtige kluͤgeletẽ / damit man der Teutſchen Spꝛa - che Wuͤrde und Anſehen zu ſchmaͤhlern ge - dencket. Es kan auch einer oder andern Nation harte und raue Außrede / der gantzen Sprache nicht beygemeſſen werden. Die Bayern und Oeſterreicher koͤnnen aus einem Vocali bißweilen 3. oder 4. machen / wie Scioppius in ſeinen Con - ſultationibus p. 29 von ihnen anfuͤhret / in dem ſie Aaa an ſtatt auch / Waarle vor Warlich / Gooold / Taaeler vor Gold / teller ſagen. Talis, ſagt er / facile Galus & altis ſuſpicionem movet, ut eum vervecum in patriâ craſſoꝙ ſub aëre na - tum putent. In quâ ſuſpicione ſaltem de plebeiis hominibus non multum eos falli vel opificum, quiea dialecto magis utuntur. f f 2exem -452Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeitexempla fidem faciunt, quas magnam partẽ obtuſi ingenii, ignavos & laboris fugitantes eſſe conſtat. Aber man muß aus dieſen E - xempeln nicht uͤberhaupt von der gantzen Sprache urtheilen: wie man bey den Griechen / ja bey allen Nationen ſolche ver - ſchieden gehabt / und noch heutiges Tages hat. Ich wolte ein gantzes Woͤrterbuch durchgehen und nach der Reihe erwei - ſen / daß unſre Woͤrter nicht hārter ſein als die Griechiſche und Lateiniſche / ja woll weicher als jene / und wo ſie haͤrter ſein / der Natur mehr nachahmen als jene. Welches vielmehr unter die Tu - genden als Laſter einer Sprache zu - ſetzen. Ich ziehe alhie des Herrn Conringii Urtheil in der Epiſtola auff des Herrn Schottelii Werck von der Teut - ſchen Sprach / dieſem des Voſſiii vor / deſſen Worte dieſe ſein. Habet Germa - nica lingua, quâ ſe præ Græca pariter & Latinâ commendat, ſimul incredibilem at - que infinitam vocum componendarum vim & felicitatem, habet primitiva pluri -ma453der Teutſchen Sprache. ma, modo probè eruantur. Nec eſt ali - quid temere elegantiæ, quo cuiquam lin - guarum ſit ſecunda: niſi quod dum verbis auxiliaribus cogitur aliis ſuppetias nimis frequentes ferre, juſto poſſit videri prolixi - or & Græcanicam Latinamque brevitatem haud aſſequatur. Quas dotes & quam fe - licitatem non agnoſcere, ideo autem dun - taxat vilius illa æſtimare, quoniam exo - tica non ſunt hæc bona, indignum profecto facinus eſt, nec tolerandum prudentibus. Der Herr Praſch hat in ſeinem Buch von fuͤrtreflichkeit und verbeſſerung Teut. ſcher Poeſie / die Teutſche Sprache nicht allein an ihrer Heldenmaͤßigen Eygen - ſchafft / ſondern auch an Lieblichkeit der Griechiſchen Lateiniſchen und anderer Voͤlcker Sprachen vorgezogen / da - durch ſie zur Poeterey geſchickter als an - dere / deſſen ſeines Satzes Uhrſachen er da ſelbſt weitlaͤufftig anfuͤhret. Ob nun zwar dieſe Eigenſchafften der Teutſchen Sprache von verſtaͤndigen Leuten woll gemerckt worden / ſo iſt man doch ſpātef f 3dazu454Das I. Cap. Von der Kunſtrichkigkeitdazu kommen / daß man ſie in richtige Reguln gebracht. Hierin iſt Carolus M. zu loben / welcher zum erſten ſeine Mut - ter Sprache in eine Grammatiſche Rich - tigkeit verfaßt / durch Beyhuͤlffe des Nannonis Theobaldi, Albim und Beren - geri. Dann ob zwar die Theodiſca und Francica lingua unterſchieden geweſen / wie Lambecius lib. 2. de Biblioth. Vindo - bon. p. 427. erweiſet / ſo iſt doch kein we - ſentlicher Unterſcheid darinnen geweſen. Dieſe des Caroli M. Grammâtica iſt wie Geſnerus in ſeiner Bibliothecâ erwehnet noch zu ſeiner Zeit verhanden geweſen. Sie iſt aber dennoch nicht zur Voll - kommenheit gebracht: denn es kla - get nachgehends der Ottfridus in der Vorrede ſeiner Evangelien ſehr uͤber die haͤrtigkeit und unfreundlichkeit der Spꝛa - che. Es hat auch Trithemius nicht we - nig ſich bemuͤhet dieſelbe in Richtigkeit zu bringen. Der Kayſer Maximilianus hat auch die Beſſerung der Teutſchen Sprache vorgehabt. Bibliander de ratio -ne455der Teutſchen Sprache. ne communi omnium linguarum ſagt p. 27. Ferunt & Maximilianum Imperatorem in animo verſaviſſe emendationem ſermo - nis Teutonici. Non prætermittere hic etiam ſententiam gravem & ſapientem; ut judico Fabiani Francki civis Bolislavienſis, debeo. Cujus hæc ſunt verba: Es waͤr on Schaden ja meines Beduͤn - ckens hoch von noͤthen / daß eine gantze Grammatica hierin beſchrieben wuͤrde / recht regulirtes Teutſchen: Die Sprache iſt ſo luſtig / nuͤtzlich und dapfer in ihrer redmaß; als indert eine andere befunden wird. Lambecius gedencket lib. 1. Biblioth. Vindo - bon. eines Adami Bohorizi, wel - cher ein Buch genant / Arcticas horulas ſucciſivas geſchrieben de Latino Carnio - lanâ literaturâ ad Latinæ linguæ Analogi - am accommodatâ, ſo zu Wittenberg An. 1584. in 8vo heraußkommen / quo libello wie er ſagt / Slavonicæ linguæ Gramma - tica & Moſcoviticæ Rutenicæ, Polonicæ Bohemicæ & Luſaticæ linguæ cum Dalma -f f 4ticâ456Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeittieâ & Croateâ cognatio indicatur, deſſen Lazius und Geſnerus in ſeinen Mithridate ſich viel gebraucht. Koͤnte alſo auch die - ſes zur Teutſchen Grammatic einen groſ - ſen Vorſchub thun. Lambecius hat hievon in ſeinen Prolegomenis Annalium Auſtri - acorum weitlaͤufftiger handeln wollen / und des Taciti und anderer Autorum lo - ca erklaͤren wollen. Welche Arbeit aber nun mit ihm verloſchen. Es ſoll einer Johannes Gracchus Pierius auch uͤber einer Grammatica gearbeitet / aber nicht vollfuͤhret haben / und hat Ladislaus Suntheim, deren Geſnerus und Simlerus gedencken / einige heraußgegeben. Drau - dius gedencket eines Johann Bruͤcken / deſſen Teutſche Grammatica zu Franck - furth A. 1620 hervorkommen. Aber ich habe deren keine geſehen / auch nicht wo mir recht / bey dem Herrn Schottel eini - ge erwehnung von ihnen gefunden. Man wird auch in des Altſtedii Encyclopædia eine finden. Laurentius Albertus Oſtro - Franck hat eine Teutſche Grammaticamzu457der Teutſcheu Sprache. zu Auſpurg Anno 1573 druckenlaſſen / wel - ches der Herr Schottel vor ein unvoll - kommen Werck haͤlt / wie auch Valentin Ickelſammer eine andre / die Hr. Schot - tel ruͤhmet / ob es zwar ein kleines Buͤch - lein iſt. Johannes Claius hat auch ſeinen Fleiß hierin angewandt / deſſen Teutſche Grammatica uͤber achtmahl gedrucket. Das vollſtāndigſte Werck das in der Teutſchen Sprache und Tichtereykunſt hervorgekommen / iſt des Herrn Schot - tels ſeines / weches billig allen andern vorzuziehen / dann er ſich befliſſen / alle Stuͤcke der Teutſchen Sprachkunſt vol - lenkoͤmlich außzufuͤhren / und da ers nicht gethan / ſolchen Entwurff vorzuſtellen / wornach es weiter außgeuͤbet werden koͤnne. Es were zu wuͤnſchen / daß des gelahrten und tieffſinnigen Carteſiani des Claubergii Buch de Cauſis linguæ Germa - nicæ, deſſen er in ſeinen Arte Etymologi - Teutonum gedencket / hervorkommen were. Es wurde gewißlich eine gute Arbeit geweſen ſein. Dann er allent -f f 5hal -458Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeithalben nach philoſophicis principiis uñ der Analogiâ gehet / und eine ſonderliche Scharfſiñigkeit in erforſchung der Woͤꝛteꝛ gebraucht / welche ich nicht bey andern finde / ob er zwar bißweilen mehr ſinnreich als gruͤndlich zu ſein ſcheinet. Von die - ſem wird nachgehends ein mehres geſa - get werden. Wir ſehen aber drauß / daß keine Sprache bequemer ſey nach der Vernunfft und den Conceptibus re - rum gerichtet zu werden / als die Teut - ſche. Es ſaget Laurentius Albertus O - ſtrofranck recht / Sub ſole vix brevior & facilior lingua eſt, quæ ἀυτοφυὴς eſt, ex ſe nata ex ſe conſtans. Der Nachdruck / die ſonderliche Faͤhigkeit in Zuſammen - ſetzung der Woͤrter / und andere Be - ſchaffenheiten derſelben / werden gar weitlāufftig von dem Herrn Schottel in ſeinen Lobreden vorgeſtellet / daß es eine uͤberfluͤßige Sache were hievon ein meh - res zu erwehnen. Man hat einige ge - habt welche ſich bemuͤhet eine Sprache zu erfinden / die der Natur / und der Phi -loſo -459der Teutſchen Sprache. loſophie gemaͤß / und gantz keine Unrich - tigkeiten habe. Ich halte aber davor daß man die Teutſche / was diß betrifft allen andern vorziehen koͤñe. Es were gar leicht zu erweiſen / daß diejenigen Gruͤnde / welche der gelahrte Frantzoͤſiſche Autor in ſeiner Grammaire Generale & raiſonneé ge - ſetzet vor allen andern der Teutſchen Sprachen zukommen koͤnnen. Ich kan nicht unterlaſſen bey dieſer Gelegenheit / einen Außſchweiff zu machen und von de - nen / die ſolche allgemeine Sprach-Ar - beiten vorgehabt eine Erwehnung zu thun. Es urtheilet Carteſius part. 1. Epiſt. 111. ad Merſennum, der ihn wegen Erfin - dung einer linguæ Univerſalis, die jemand vorgegeben / um Raht gefraget / daß es eine vergebliche und unnuͤtzliche Arbeit ſey / wann es auff die Art / wie der Autor vorgeſchrieben / angefangen wuͤrde. Der Autor ruͤhmet von ſeiner neuen Sprache / daß man durch deren erlernung alle andere Sprachen als ihre dialectos erlernen koͤnne / und daß er der AltenGe -460Das I. Cap Von der KunſtrichtigkeitGedancken / durch ihre Woͤrter erfor - ſchen wolle. Solches wird aber von Carteſio vor eine Grillenfaͤngerey gehal - ten. Derſelbe hat auch vor gehabt ei - ne neue allgemeine Grammatica zu ma - chen / nach welcher eine Sprache in fuͤnff oder ſechs Stunden koͤnne gelernet wer - den. Welches Carteſius nicht eben ta - delt. Kan nicht wiſſen / ob es nicht etwa demienigen gleich ſein ſolte / welches der Autor der Grammaire Generale erſonnen. Er ſetzet aber zweene Fehler / welche die Arbeit unangenehm machen wuͤrden: als erſtlich die zuſammenſtoſſung vieler Buch - ſtaben / die den Ohren zu wider iſt: dañ um dieſer Uhrſachen willen hat man die vielen flexiones der Woͤrter eingefuͤhret: zum andern / die beſchwerlichkeit die Woͤrter der Sprache außwendig zu ler - nen; dann es muſte ein jede Nation ent - weder die Stammwoͤrter ihrer Syrache gebrauchen: ſo wer es zwar leicht / aber man wuͤrde mit andern keine Gemein - ſchafft haben koͤnnen / oder auch fremb -de461der Teutſchen Sprache. de Sprachen ihm mit hinzu ſetzen / und ſo wuͤrde man ſchwerlich jemand finden der dieſe Muͤhe auff ſich nehmen wolte. Dennoch wuͤrde es im ſchreiben den Nu - tzen haben / daß wann vieler Spra - chen gleichdeutige Woͤrter mit einem Zei - chen in einem Lexico vorgebildet wurden / durch dieſelbe ſich alle Nationes verſtehen koͤnten. Welches vom Herrn Becchero in ſeinem Charactere Univerſali, und nach - gehends von Kirchero in ſeiner Polygra - phia, vorgeſtellet worden: worinnen et - licher maſſen der Weg gewieſen. Es thut aber Carteſius einen andern Vor - ſchlag / daß man durch Huͤlffe eines rich - tigen Methodi Philoſophicæ eine Sprache erdencken koͤnne die allen gemein ſey. Er ſagt: Adverto poſſe adhoc addi inven - tionem aliam tum ad primitiva linguæ hu - jus vocabula, tum ad characteres inveni - endos, ita ut breviſſimo tempore doce[r]i poſſit, idque ope ordinis, h. e. ordinem ſtabiliendo inter omnes cogita[n]ones, quæ animum humanum ſubire poſſunt, quem -da -462Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeitadmodum inter numeros ordo eſt natura - liter conſtitutus: & ſicut uno die quilibet do - ceri poteſt numeros omnes in infinitum nominare linguâ incognitâ & ſcribere, quæ tamen innumeris diverſis vocabulis deſig - nantur: idem quoque fieri poſſit de aliis omnibus vocabulis ad cætera quæ in men - tem hominis cadunt exprimenda neceſſa - rius. Es ſcheinet daß einige Engellaͤn - der dieſen Vorſchlag ergrieffen. Dann es hat Georgius Dalgarne ein Buch ge - ſchrieben / deſſen titul: Ars ſignorum vulgo Character univerſalis & Lingua Phtloſo - phica. Worinnen er nach den Claſſi - bus Prædicamentorum, und den einthei - lungen der dinge in allen Wiſſenſchaff - ten mehrentheils Einſylbige Woͤr - ter ertichtet / die nach den Vocalibus und ihren poſicu und der Conſonantium ver - ſetzung eine richtige Veraͤnderung der Bedeutungen bekommen. Alſo bedeu - tet ihm Av, Ens, res, Ar Subſtantia, Er Accidens, Fr Ens completum vel concre - tum, Or Corpus, Rr Spiritus, Vr compoſitumid463der Teutſchen Sprache. id eſt: Homo, Meis concretum mathema - ticum. Dieſen folgen nun alle ſpecies nach der reihe / und ein jegliches was unter ihnen gehoͤret / worinnen einer ich - tige Ordnung der Conſonantium und Vo - calium gehalten wird; Wie er dann ein Lexicon Grammatico-Philoſophicum auff einen Bogen verfaſſet. Eben dieſe Ar - beit hat D. John Wilkins vorgenommen; der ein groſſes Buch von dem Reali Cha - ractere und Lingua Philoſophica geſchrie - ben / und der Koͤniglichen Geſellſchafft zur eroͤrterung auffgetragen. Er hat groſſe Muͤhe angewand alle Dinge unter 40. Generibus einzutheilen; hat auch gleich - fals nach dem Unterſcheid der Vocalium und Conſonantium die dinge mit ſeinen Woͤrtern benennet / und mit gewiſſen Zieffern gezeichnet. So hat auch gar neulich ein Profeſſor Gymnaſii Rigenſis Joachimus Friſichius dergleichen allgemei - nes Sprach-Werck und eine Linguam Ludoviceam dem Koͤnige in Franckreich zu Ehren vorgenommen / davon er denAb -464Das I. Cap. Von der KunſtrichtigkeitAbriß und Einhalt / auff etlichen Bo - gen hervorgegeben / die mir von mei - nem hochwehrten Freunde Hr. Heñing Witten / deſſelben Gymnaſii beruͤhmten Profeſſore zugeſaudt worden. Es wer - den hierin viel groſſe dinge verheiſſen. Das meiſte wird daran gelegen ſein / daß man andere Nationes auch zu der - gleichen Einfaͤlle bringen koͤnne. Car - teſius urtheilet an angefuͤhrtem Ohr - te von ſolcher Sprache alſo: Exiſtimo poſ - ſibilem eſſe hanc linguam & reperiri poſſe ſcientiam illam, ex quâ illa pendet: cujus certè beneficio ruſticus quiſpiam de rerum veritate poſſet melius judicare, quam jam Philoſophus aliquis. Sed ne ſpera te un - quam viſurum illam in uſu: id magnas in orbe mutationes ſupponit, eſſetque ne - ceſſe totum Orbem in Paradiſum terreſtrem converti; quod ſanè in fabulis tantum lo - cum habeat. Was die Lieblichkeit anlan - get / kan dieſelbe in dieſen ertichteten Sprachen keine ſtatt finden. Vermei - ne alſo daß eine Sprache die durch dieNa -465der Teutſchen Sprache. Natur und Kunſt zugleich zur Vollen - kommenheit gebracht / wie unſre Teut - ſche iſt / billig vor allen andern wehrt zu halten ſey.

Das II. Cap. Von der Orthographia der Teutſchen Sprache.

Einhalt. DIe Orthographia muß mit gewiſſer Maaſſe außgeuͤbet werden. Die Hollaͤnder ſein die erſten hierin. Cornel. Giſbert. Plempius hat von der Orthographia geſchrieben. Ob die Etymologia ein richtiger Grund der Orthographia ſey. Maͤnſch wird von etlichen vor Menſch geſchrieben. Des Worts Uhrſprung und Ablei - tung. Die Veraͤnderung der Buchſtaben kan nicht vermieden werden. Ob man ſo ſchreiben ſolle / wie man redet. Iſt keine richtige Regul. Die Vocales claræ und obſcuræ koͤnnen an Schrifft nicht wol unterſchieden werden. Doͤmuͤthig wird vor Demuͤthig von Butſchkj geſchrieben. tleo, theo, deomutah. Das (h) und die Ver[d]op -g glung466Das II. Cap. Von der Orthographialung der Vocalium wird von etlichen zur außdeh - nung des Vocalis gebraucht. Menſchſchen vor Menſchen / Lachchen vor Lachen ꝛc. iſt unge - reimt. Die endigung der Woͤrter iſt auff ein en / ohne Zuſatz eines Conſonantis. Plempius behauptet dieſes auch in der Hollaͤndiſchen und Griechiſchen Spꝛache. Tadelt die Tentſchen unbillig wegen verdoppelung der Conſonantium. Baco - nis Verulamii urtheil von der Regul / daß man ſo ſchreiben ſolle / wie man redet. Dergleichen Neue - rung in Frantzoͤſiſcher Sprache. Herrn Titii Urthel von der neuerung in der Teutſchen Ortho - graphia. Die hinzuſetzung und hinwegwerffung des (e) im Teutſchen. Das (e) mutum bey den Engellaͤn - dern. Der Zuſatz des (e) in Nominativo Plurali der Woͤrter die auff er und el außgehen / wird geta - delt / wie auch die hinwerffung von dem Dativo ſingulari und Imperativo. Exempel der Zuſam - menfuͤgung in den alten Teutſchen Verſen. Vie - lerley Dialecti der Teutſchen Sprache. Scioppius ſetzet deren ſechs. 1. Den Meißniſchen. Deſſen Fehler. 2. Den Reiniſchen. 3. Den Schwaͤbi - ſchen. 4. Den Schweitziſchen. 5. den Saͤchſchen. Iſt den andern vorzuziehen. Micrælii Urtheil. 6. Den Bayeriſchen. Solche Dialecti ſein vor alters auch geweſen. Ob die Dialecti untereinander zu miſchen. Ronſard und Mambrunus geben es zu. Aber ohne Fug. Des Hugo von Trimberg Reime hie - von. Sam. Butſ[ki]accentus in der Teutſchẽ Spꝛache.

Da -467der Teutſchen Sprache.

DAmit wir auch die Theile der Grammatica kurtz beruͤhren / ſo wollen wir etwas weniges hie - von anfuͤhren: Dann weiln von andern groſſe Buͤcher davon geſchrieben / ſo iſt es nicht noͤthig / daß wir uns hierin auff - halten. Was nun erſtlich die Orthogra - phiam anlanget / ſo hat man in dieſer Zeit Leute gehabt / die alle ihre Kunſt in dieſer Gruͤbeley geſuchet / und fuͤr groſſe Meiſter haben wollen gehalten ſein / wann ſie nur etwas neues ihren thoͤ - richten Einfaͤllen nach hierin haben her - vor gebracht. Ich tadele nicht / daß man die Orthographiam außuͤbe; aber es muß eine Maaß darin ſein / und allezeit ein Auge auff den gemeinen Gebrauch ge - richtet werden. Die Teutſchen haben ſpaͤter die Orthographiam außgeuͤbt / als die Hollaͤnder / welches der Herr Conring. angemerckt in dem Briefe uͤber des Hn. Schottels Sprach-Arbeit. Cornelius Giſebertus Plempius hat ein Buch de Orthographiâ Belgicâ geſchrieben: worin -g g 2nen468Das II. Cap. Von der Orthographianen er viel ſonderlicher Einfaͤlle hat / de - nen ich durchgehends nicht beyfall geben kan. Ins gemein ſetzet man die Etymo - logiam zu einem grunde der Orthogra - phie. Es iſt aber ſolche Regul nicht ſo unfehlbar / daß man nicht davon ab - ſchreiten muͤſſe. Dann man fehlet zum oͤfftern ſelbſt in den Etymologiis, und lei - det die uͤbliche Außrede ſolche Schrifft nicht. Dann es iſt ein ungereimter Schluß: Dieſes Wort kan mit ſolchen Buchſtaben fuͤglicher geſchrieben wer - den: darum muß es auch alſo ſein. Man muß hier der gemeinen Beliebung / da - von vornehmlich eine Sprache / und nicht von dieſes oder jenes unzeitiger Critica hanget / fuͤr die Richtſchnur hal - ten. Was erhebliche Uhrſachen ſein / daß ich Maͤnſch / nicht Menſch ſchreiben ſolle? Man ſagt weil es von Mann herkomt. Es iſt dieſes wol war / dann das Wort Menſch vor Alters kein ſub - ſtantivum ſondern ein Adjectivum gewe - ſen / biß es endlich durch den Gebrauchzum469der Teutſchen Sprache. zum Subſtantivo geworden / wie ſolches Vorſtius in ſeinem Specimine obſervatio - num in linguam Vernaculam cap. 2. weit - laͤufftig außfuͤhret: Es iſt aber allezeit Menniſch, nicht Manniſch geſchrieben worden / da das Hauptwort in ſingulari Mann / in Plurali Menn gehabt / und gantz irrig iſt daß die Derivata eben die Buchſtaben behalten muͤſſen / die in pri - mitivo ſein. Iſt auch unmuͤglich wegen der nothwendigen Verānderung der Buchſtabēn / wie ſolches aus der Grie - chiſchen und Lateiniſchen Sprache ſatt - ſam erhellet / (deren vielfaͤltige Exempel bey dem Voſſio in ſeinem Buch de permu - tatione literarum, ja auch in der formati - one temporum und caſuum bey allen Voͤlckern zu ſehen) und nicht anders mit der Teutſchen Sprache kan gehalten wer - den. Es haben dieſe neue Critici auch dieſe Haupt-Regul: daß man ſo ſchreiben ſolle wie man rede. Iſt wiederum ein unrichtiger Schluß: dann da ſind fuͤrs erſte unterſchiedliche Dialecti und Mund -g g 3arten470Das II. Cap. Von der Orthographiaarten / und were was nach dieſer geſchrie - ben nach der andern verwerflich. Bleibt man alſo lieber / weil die Teutſchen in ei - ner art zu ſchreiben uͤbereinkommen / bey der einſtimmung ihrer Feder / als daß man dem ungleichen Mundlaute fol - ge. Thoͤricht iſt deßhalben / daß ich ſoll ſchreiben haͤben fruͤr heben / waͤrffen fuͤr werffen / laͤben fuͤr leben / ſaͤnden fuͤr ſenden: dann man kan keinen unter - ſcheid machen unter das e clarum und obſcurum, wo es nicht von allen vocali - bus gelten ſoll / welche per remisſionem vel elationem ſoni nicht koͤnnen ſo fort in literas ſpecie diverſas oder diphthongos verwandelt werden. Alſo iſt bey den La - teinern (e) obſcurũ in dem Worte Severus (e) clarum in dem Worte merces, welches aber deßhalben nicht anders darff ge - ſchrieben werden. I obſcurum iſt in dem Worte inimici, clarum in dem Worte piſcis. Auch iſt gar laͤcherlich wann Samuel Butſchki doͤmuͤthig vor de - muͤthig zum theil aus dieſen grundeſchreibet471der Teutſchen Sprache. ſchreibet. Dann ob zwar das Wort deomuat bey den alten Teutſchen geſchrie - ben / dann man hat das Wort deo, theo, welches humilem oder ſervum bedeutet / bey ihnen gehabt / davon Vorſtius in ob - erwehnten Buch c. 3. zu leſen. Aber deß - halben muß man nicht eben die gemeine ſchreibart endern. Es ſein auch etliche die die erhebung und außdehnung der voca - lium mit Zuſatz eines (h) oder mit Ver - doppelung des vocalis außdruͤcken / wel - ches auch unnoͤthig iſt. Wieder dieſe / die ſolches gleichfalls in der Schwediſchen Sprache thun / hat Martinus Brunnerus einige diſſertationes geſchrieben / wie der Herr Schefferus in Sveciâ literatâ p. 216. bezeuget. Auß dieſer ungegruͤndeten Einbildung komt auch / daß man Menſchſchen vor Menſchen / lach - chen vor lachen / Sachchen vor Sachen / ſchreibt: Weil man meinet man rede alſo / welches doch falſch iſt; dann es iſt in Teutſcher Sprache die fle - xio in plurali nicht auff ein ſchen ſon -g g 4dern472Das II. Cap. Von der Orthographiadern en oder er: als heid / heid, en / licht / licht er. Man kan hieruͤber den Herrn Tſcherning in ſeinem unvorgreiff - lichen Bedencken uͤber etliche Mißbrāu - che in der Teutſchen Schreib und Spꝛach - Kunſt cap. 1. obſer v. 2. nachſehen / woſelbſt er des Buchners Urtheil / und viel andre merckwuͤrdige und die Teut - ſche Orthographiam betreffende dinge an - fuͤhret / deſſen Mannes Urtheil ich viel hoͤher halte / als dieſer Neulinge unzeiti - ge Critic. Plempius, deſſen wir droben gedacht / hat in ſeiner Orthographia Belgi - mit vielen gruͤnden erweiſen wollen: daß die duplicatio Conſonantium inſon - derheit in den Infinitivis falſch und unrich - tig und nur von einer unfoͤrmlichen Auß - rede herkomme. Die jenigen die die en - digung des Infinitivi auff ben / den / fen / gen / ken / len / men / nen / pen / ren / ſen / ren / jen / wen machen / irren alle nach ſeiner Meinung / denn die endigung iſt bloß auff en / als in dieſen worten / hebben / wedden / ſuffen / leggen /bak -473der Teutſchen Sprache. bakken / willen / temmen / ꝛc. und iſt er hierin auff rechter Meinung. Er meinet aber daß die Conſonantes in dem Hauptwort nicht zu verdoppeln ſondern nur einfach zu ſetzen ſein / wie ich bey den Lateinern nicht ſage ſpuvvere, ſondern ſpuere, nicht ruvvere, ſondern ruere. Si quis objiciat, ſpricht er / krabben fieri ex krabb & en / ex eo quæſiverim quis homo tam auritus ſit ut in krabb duo (bb) audire poſſit. Ja er komt ſo weit daß er meinet man ſoll auch im Griechiſchen die Con - ſonantes nicht verdoppeln ſondern vor ϛέλλειν ϛέλ-ειν vor ἀγγέλλειν ἀγγέλ-ειν vor πραττειν πρατ-ειν ſchreiben. Worinn ich mit ihm nicht uͤbereinſtimmen kan / wie - wol er einige gruͤnde beybringet die nicht allerdings zu verwerffen ſein. Daß er aber von den Teutſchen die duplicationem Conſonantium herholen will / als wenn durch Grobheit unſer Sprache die Zier - lichkeit der Hollāndiſchen verdorben / dar - in irret er ſehr und urtheilet von derſel - ben ſehr grob und ungeſchliffen nach artg g 5eini -474Das II. Cap. Von der Orthographiaeiniger ſeiner andern Landsleute. De Germanis ſpricht er p. 25. nihil dicam Mann Sonn ſcribentibus ſecundum plumbeas ſuas linguas atque craſſas, und p. 32. Auriculis aſini profecto carere non poterit, ſi cum Germanis auſcultet, qui in Sonn Mann duo (nn) clarè audiri vo - lunt. Daß in dem Worte Sonn und Mann von etlichen die Conſonantes ver - doppelt werden / hat dieſe Uhrſache: Dañ jenes iſt mehr ein zwey-als einſylbig Wort: Das gantze Wort heißt die Sonne / bleibt alſo wenn es einſylbig ge - braucht wird die Sonn; aber ſo wird in dem Verß vor einem folgenden Vocali das (e) per Apoſtrophum weggeworffen. Dann es gar unlieblich klingen wuͤrde / wann ich es einſylbig vor einen folgen - den Conſonantem ſetzen wolte. Das Woꝛt Mann wird darum ſo geſchrieben / weil es in obliquis caſibus ein doppeltes (n) hat. Hātt alſo der gute Plempius mit ſeinem ſo groben Urtheil von der Teutſchen Sprache woll zu Hauſe bleiben koͤnnen. Hin -475der Teutſchen Sprache. Hingegen hat Claubergius in ſeinẽ 5. Buch de Cauſ. L. Germ. eꝛweiſen wollẽ / dz aus der verdoplung der Conſonantiũ die euphonia, volubilitas, vehementia in teutſcher Spra - che beſtehe / wie er in ſeiner arte Etymol. p. 34. bezeuget. Daß nun dieſe Regul falſch / und man nach der Außrede die Schreibart nit einrichtenkoͤñe / eꝛhellet ſattſam hier auß / uñ ſtim̃et mit uns uͤber ein der vortrefliche Ba - co Verulamius in ſeinem Buche de augmen - tis ſcientiarum lib. 6. c. 1. woſelbſt dieſe Worte ſich befinden. Illa ſcriptio, quæ formata videri poſſit, ut pronuntiationi con - ſona ſit. eſt ex genere inutilium ſubtilita - tum. Nam & ipſa pronuntiatio quotidie gliſcit, nec conſtans eſt, & derivationes verborum, præſertim ex linguis extraneis prorſus obſcurantur. Denique cum ex more recepto ſcripta morem pronunciandi nullo modo impediant, ſed liberum relin - quant; quorſum attinet iſta novatio? Man hat auch in der Frantzoͤſiſchen Sprache ſolche neuerung einfuͤhren wollen / welches noch viel naͤrriſcher iſt / davon der Hr. So - rel in ſeiner Bibliotheque Françoiſe kannach -476Das II. Cap. Von der Orthographianachgeleſen werden. / und eben derſelbe Autor (dann daß er derſelbe ſey / bezeuget Mr. Denys in ſeinen Memoires des Artes & ſciences p. 74.) in ſeinem Buche de la connoiſſance des bons livres traité 4. chap. 4. du nouveau langage françois. Durch dieſe und dergleichen unrechte Rechtſchrei - bung / iſt die ehrliche Teutſche Sprache ſo verketzert geworden / daß ſie faſt ihr nicht mehr ehnlich geſehen: Und iſt des Hn. Titii ſein verſtāndiges Urtheil in Manu - ductione ad excerpendum p. 137. hievon dieſes: Quod ſi ratione ſolâ nitendum eſ - ſet, bona linguæ pars faciem longè aliam & ſæpe variam haberet. Id quod in Ger - manicâ noſtrâ fieri videmus, quibusdam ratiunculas neſcio quas tantâ indulgentiâ amplectentibus, ut quæ ſcribant exalio or - be advecta videantur.

Ich konte hier viel abſonderliche Lehr - ſātze von der Teutſchen Orthographia beybringen; aber es ſein von vielen der - gleichen dinge geſchrieben / unter welchen inſonderheit des Herrn Tſchernings Be -den -477der Teutſchen Sprache. dencken zu loben. Zugeſchweigen derer / die gantze Buͤcher allein davon geſchrie - ben; als Gueinzius und andere. Man muß aber die Novatores meiden / worun - ter Bellin in ſeiner Rechtſchreibung der vornehmſte iſt. Eines muß ich noch von dem (e) gedencken / welches offt zur un - zeit weggeworffen und hinzugeſetzet wird. Der Opitz ſelber ſetzet es bißweilen eini - gen Woͤrtern zu / dahin es nicht gehoͤret / als Bande / Helde / Hande / Din - ge / Munde. So wird es auch in die Dactyliſche Verſe bißweilen hinein ge - ſchoben: Aber es iſt ein groſſer Unſtand der Sprache / und klinget ſehr Außlaͤn - diſch. In der Engliſchen Sprache wird daß (e) auch ſehr haͤuffig hinter die verba und nomina gehenget / wird aber nim - mermehr in der Außrede / oder in dem Carmine angeſehen / deßhalben es auch (e) mutum genannt wird / davon der Wal - lis in ſeiner Engliſchen Grammatica c. 1. §. 2. p. 56. & ſeqq. Dergleichen findet ſich auch in der Teutſchen Sprache: Aberdie478Das II. Cap. Von der Orthographiadie Engellaͤnder gebꝛauchen ſich einer gꝛoͤſ - ſeren Freyheit in Zuſammenziehung der Woͤrter / und heraußſtoſſungdes (e) Jo - annes Bellin hat in ſeiner Syntaxi Præpo - ſitionum Teutonicarum von p. 44. biß 58. auß der Bibel und andern Poeten die Exempel der Woͤrter zuſammen getra - gen / denen das (e) am Ende angehangen oder entzogen wird. Es wollen auch einige Grammatici, unter denen Hꝛ. Schot - tel denen / Woͤrtern / die in ſingulari auff ein er oder el außgehen in plurali ein (e) zuſe - tzen / als der Vater / die Vaͤtere / oder da es ſich im Verß nicht ſchicke / das erſte (e) wegwerffen / und dafuͤr ſetzen / die Ubel - thaͤt’re / die Buͤrg’re. Hergegen in den Woͤrtern / ſo einen vocalem oder li - quidam vor dem er haben / laſſen ſie es nicht gelten; als Mahlre / Beſchwe - r’re / Zuhoͤr’re. Ob nun zwar dieſes von der analogia in declinãdo kan abgefuͤh - ret werden / und Herr Schottel den O - pitz deßhalben beſtrafft / daß er dieſes nicht in acht genom̃en / ſo iſt doch die Ge -wohn -479der Teutſchen Sprache. wohnheit / die den pluralem dem ſingulari gleich machet / vorzuziehen. Des Herrn Buchners Urtheil / das Herr Tſcher - ning in ſeinem Bedencken c. 2. obſ. 2. an - fuͤhret / gibt den beſten Außſchlag Pro - nunciatio hæc, ſagt er / ſoni difficilis eſt & ingrati, quod fugiendum, quicquid etiam Grammatici præcipiant, quorum vita & ſpiritus in regulis vertitur. Es gebrau - chen auch einige groſſe Freyheit in weg - werffung des (e) von den Imperativis in den letzten Sylben / ſequente vocali; wor - auff die Niederlānder nicht groß achten: von den Dativis und Ablativis ſingulari - bus: womit Harſtoͤrffer und andre Ober - laͤnder es ſo genau nicht nehmen. Aber es machet die Rede ſehr hart und unlieb - lich. Die Zuſammenziehung der Woͤr - ter / durch außſtoſſung des (e) und andrer Vocalium iſt bey den alten Teutſchen noch heutiges Tages in unſer Niederſaͤchſcher Sprache ſehr gebraͤuchlich: So findet man unter den alten Teutſchen Poeten beym Goldaſto ſoſt vor ſo iſt / daſt vordas480Das II. Cap. Von der Orthographiadas iſt / erſt vor er iſt / mirſt vor mir iſt / ſiſt vor ſie iſt / derſt vor der iſt / ſus vor ſo es / eſt vor es iſt. Aber heutige Oh - ren ſein viel zu zart / daß ſie dergleichen Laut dulden ſolten. Es iſt auch ein groſ - ſer Unterſcheid unter den Dialectis und Mundarten / nach welchen die Rede und Schreibart ſolte eingerichtet werden / wie ſchon droben gedacht. Dann es ſein einige gar zu rau / und muͤſſen durch - auß nicht zum Muſter geſetzet werden. Der Meißner Außrede iſt die zierlichſte / aber ſie haben auch einige ſonderlichkei - ten / die nicht nachzuahmen ſein. An den Meißnern tadelt Scioppius in ſeinen Con - ſultationibus p. 28. dieſes: Miſnenſes o - ptimis ac probatiſſimis vocabulis ac phra - ſibus utuntur: quamvis in pronunciandis diphthongis ac conſonantibus nonnullis, riſum ceteris Germanis meritò debeant verbi gratia cum dicunt: Heebt pro Haubt / Zeeberer pro Zauberer / Jod pro Gott / Gar pro Jahr. Jott jeb euch een jutes naues Gar proGott481der Teutſchen Sprache. Gott geb euch ein gutes neues Jahr. Dem Meißniſchen ſetzet Sciop - pius zur Seiten Turingicam, Francicam, Haſſicam Dialectum. Den andern Haupt - Dialectum nennet er den Rheiniſchen / deſſen ſich die Voͤlcker bey dem Rheine biß an Niederland gebrauchen. Der dritte iſt ihm der Schwaͤbiſche / welcher doch auch an unterſchiedlichen Orthen ſich aͤndert. Der vierdte iſt der Schweitzerſche / der vorhin allen Ale - mannis eigen geweſen. Dieſen Dialectum nennet Scioppius copioſiſſimam omnium - que minimè depravatam, weiln die alte Schweitzer von andern abgeſondert und nicht durch frembdeꝛ Voͤlcker vermiſchung ihre Sprache verdorben. Der fuͤnffte iſt ihm der Saͤchſche Dialectus, welchen die alten Sachſen / Weſtphaͤlinger / Hol - ſteiner / Mecklenburger / Pom̃erer / Bran - denburger gebraucht / und der mit den Schweitzerſchen des Alterthums / der unveranderlichkeit / ja mit allen andern auch der Zierlichkeit halber wol ſtreitenh hkan.482Das II. Cap. Von der Orthographiakan. Dann es iſt der Warheit gemaͤß / was der beruͤhmte Herr Micrælius, mein vormahliger Lehrmeiſter / in ſeiner Pom - merſchen Chronica / in der Vorrede des dritten Buchs ſchreibet: Die alten Svevi haben auch die rechte Sāchſche Wurtzel ihrer alten Niederteutſchen Sprache mit in Helvetiam gebracht / und daſelbſt den Swyzern oder Sweyzern / das iſt Sve - vitzern ihren Nahmen und ein groß theil ihres Idiomatis mitgetheilet. Dagegen hat die ſibilirende und mit vielen harten diphthongis erfuͤllete Hochteutſche Spra - che der Francken auch ſich hin und her außgebreitet / und die Svevi oder Suobeni (Schwaben) die ſich in Schwaben ſetz - ten haben ſie gar gelernet. Die Ober - ſaͤchſche auch in Meiſſen und Thuͤringen haben ſie ſich belieben laſſen. Wir an - dern Sachſenleute haben nun auch an unſere Mutterſprache einen ſolchen Eckel gehabt / das unſre Kinder nicht ein Va - ter unſer / wo nicht in Hochteutſcher Sprache / beten / und wir keine Pom - mer -483der Teutſchen Sprache. merſche Predigt faſt mehr in gantz Pom - mern hoͤren moͤgen. Unſer maͤnnliches Atticißirendes Tau (T) müß allenthal - ben der Sigmatiſirenden (S) Sprache weichen. Unter deſſen kan gnugſam dargethan werden / daß die Saͤchſiſche / Schveviſche / oder Gothiſche Sprache die rechte alte Teutſche Sprache iſt. Der ſechſte iſt der Bayerſche / welchen die Leute in Bayern / Tyrol / Steirmarckt / Kaͤrnten / Oeſterreich reden / ei - ne von den raueſten Redarten / mit welcher Scioppius an demſelben Orthe viel Spottes treibet. Solche unterſchiedli - che Red - und Schreib-arten ſein ſchon vor alters in den Sprachen geweſen / wie ſolches auß den verſchiedenen Exem - peln der alten Teutſchen Sprache zu er - ſehen / die Zeiler in der 381. Epiſtel anfuͤh - ret. Wer nun ein rennliches Teutſches Carmen ſchreiben will / der muß den lieb - lichſten Dialectum, wie der Meißniſche iſt ihm vorſetzen: Unter welchen aber die andern Oberlaͤnder ſchwerlich zu bringenh h 2ſein.484Das II. Cap. Von der Orthographiaſein. Dann ihre Idiotiſmi lauffen allezeit mit unter. Meines erachtens ſoll ein Niedkrſachſe die beſte art im ſchreiben an ſich nehmen / wann er in den Hoch - teutſchen Idiotiſmis etwas geuͤbet iſt. Daß man aber alle Dialectos unter einander vermiſchen koͤnne / iſt eine viel zu groſſe Freyheit / welche Ronſard ſeinen Frantzo - ſen gibt / jedoch daß die Hoffſprache den Fuͤrzug vor ihnen habe. Dann er ſpricht in ſeinem diſcurs von der Frantzoͤſiſchen Poeterey: Je te conſeille d uſer indiffe - remment de tous dialectes, entre lesquels le courtiſant eſt touſiours le plus beau, a cauſe de la majeſtè du Prince; mais il ne peut eſtre parfait ſans l aide des autres. Car chacun jardin a ſa particuliere fleur & toutes nations ont affaire les unes des au - tres. Ich wundre mich / daß der gelehrte Mambrunus in ſeinem Buch de Carmine Epico part. 2. quæſt. 10. num. 12. dieſer Mei - nung Beyfall gibt / und ſeine Landsleu - te die heutigen Frantzoſen ſtraffet / daß ſie all zu ſtrenge hierin ſeyn. Er wirfft ihnender485der Teutſchen Sprache. der Griechen und Lateiner Exempel vor / da zwar war / daß die Griechen etwas frey er geweſen / wiewoll ſie auch die Vermi - ſchung ohn Unteꝛſcheidnicht gebꝛaucht Die Lateiner hergegen ſein ſo ſorgfaͤltig ge - weſen / als jemahls eine Nation ſein moͤ - gen / in der ſauberkeit ihrer Sprache zu beobachten / daß ſie auch den Spaniern deßhalben auffſetzig ſein / weil ſie eine frembde art in die Lateiniſche Sprache der ſo genandten guͤldnen Zeit gebracht. Hugo von Trimberg / deſſen wir droben gedacht / hat in ſeinem Renner eine gleiche Meinung / deſſen Urtheil / ob es zwar zu unſern Zeiten kein Anſehen hat / ſo will ich doch ſeine Verſe hieher ſetzen / welche doch ihres Alters halber uns ergetzen koͤn - nen: Dann er ſpricht unter dem Titul von allerley Sprache: p 112.

Wer Teutſch will eben dichten /
Der muß ſein hertze richten
Auff mancherleye ſprache /
Wer meynet / daß die von Ache
Reden / als die von Francken /
Dem ſollen die Meuſe dancken.
h h 3Ein486Das II. Cap. Von der Orthographia
Ein yegklich landt hat ſeine rede und ſitte /
Der ſeinem Landtvolck wonet mit /
An ſprache / an maſſe / und an gewande /
Iſt unterſcheyden landt von lande.
Der welte ding ſteht uͤber all /
An ſprache / an maſſe / an wage / an zal.
Iſt aber nit tugend an dieſen dreyen /
Straffet man ſie dann / das laß ich ſein.
Die Schwaben ihr Woͤrter ſpalten /
Die Francken ein theil ſie falten.
Die Beyern ſie zu zerren /
Die Doͤringen ſie auff ſperren.
Die Sachſen / ſie underzuͤcken /
Die Reinlender ſie underdruͤcken.
Die Wederauwer ſie wuͤrgen /
Die Meiſſener ſie wol aus ſchuͤrgen.
Egerlandt die Woͤrter ſchwencken /
Steyerland ſie baß lencken /
Oſterlandt ſie ſchrencken /
Kernthen ein theil ſie ſencken.
Boͤhem / Ungern / Pohlen / Lamparten
Die hauen nit mit Teutſcher Barten.
Franckreich / Wahlen / und Engelandt /
Norwegen / Ybernia ſind unbekandt /
An ihren Sprachen Teutſchen leuten
Niemandt kan euch wol gedeuten
Kriegiſch / Juͤdiſch / Heydeniſch /
Syriſch / Windiſch / Kaldeiſch /
Wer das miſchet in Teutſch gedichte /
Sein meyſterſchafft wuͤrd gar zu nichte.
Die landt ſprachen davor genant /
In487der Teutſchen Sprache.
In Teutſchen landen ſind bekandt /
Wer aus denen was gutes nimet /
Das wol in ſe nem dichte zimet /
Mich dunckt der habe nit miſſethan /
Thut ers mit kunſte / und nit durch wahn.
Weſtphalen / Heſſen / und manch landt
In Teutſchen landen ſindt bekandt /
Wiewol ſie wuͤrgen / zwicken / und binden
Die ſprach / vorn / mitten / und hinden.
Dann T / und N / und R.
Sind von den Francken ferꝛ
An manches wortes enden /
Wil yemand ſie darumb pfenden?
Das Schwanfelder ihr woͤrter lengen /
Und Bamberger ihr ſprache brengen
Von den huͤlſen auff den kern /
Eyn yegklich menſch ſprichet gern
Die ſprache / bey der er iſt erzogen.
Sint meine wort ein theil gebogen
Auff francken / niemandt ſei das zorn /
Dann ich von Francken bin geborn.

Was ſonſt in der Orthographiâ noch zu erinnern iſt / kan bey andern Autoribus weitlaͤufftig geleſen werden: Diß eine muß ich noch erwehnen / daß Samuel Burſki in ſeiner Hochteutſchen Cantze - ley durchgehend[s]nach art der Griechen einen accent uͤber die Woͤrter ſetzet / dar -h h 4nach488Das II. Cap. Von der Orthographianach ſie ſollen außgeſprochen werden[:]ich ſehe aber nicht wozu diß dienen ſolt[e]in einer bekandten Sprache: man moͤcht[e]es dann einem Außlaͤnder zu gefalle[n]thun.

Das III. Cap. Von der Etymologiâ der Teutſchen Sprache.

Einhalt. ETymologia zweyerley art. Die Ableitung der Woͤrter geſchieht durch veraͤnderung der Buchſtaben. Deſſen Exempel im Frantzoͤſi - ſchen und Lateiniſchen. Bey den Teutſchen ſind dergleichen Woͤrter viel / deren Wurtzel unbekant / aber in abgeſtorbenen Sprachen lieget. Exempel auß des Vorſtii Specimine obſervationum. Clau - bergii Ars Etymologica Teutonum Seine ſon - derliche Scharffſinnigkeit hierin. Seine Reguln werden angefuͤhret. Sein Buch de Cauſislinguæ Germanicæ wird ſehr verlanget. Teutſche Lexica. Rabani Mauri und Keronis Gloſſaria Latino-Theodiſca. Jenes iſt von Lambeciover -489der Teutſchen Sprache. verheiſſen. Goldaſtus und Freherus haben einige alte Woͤrter auffgezeichnet / und hat dieſer ein voll - ſtaͤndiges Lexicon verſprochen. Sein Buch de No - minibus propriis. Lutheri Buch hievon. Teutoniſta, der Teutſchlaͤnder. Der Autor des Buchs. Ano - nymi Gloſſæ Latino-Germanicæ MStæ in der Kiliſchen Academiſchen Bibliothec. Kiliani Di - ctionarium Etymologicum. Iſt ſehr geſtuͤmlet. Georgii Heniſchii Theſaurus Linguæ & Sapientiæ Germanicæ. Lindenbrogii vorhaben ein Lexicon Germanicũ zu ſchreiben. Gloſſarium Latino The - odiſcum. Viel Teutſche Woͤrter beim Iſidoro. Joh. Bernhard Zinzerlings vorhabẽ wegen eines Teutſchen Lexici. Frembde Woͤrter bey den Teut - ſchen. Articuli, verba auxiliaria, und pronomina bey den Gothen und Teutſchen außgelaſſen. Der Articulus muß nicht vor die Nomina Propria ge - ſetzt werden. Kan bißweilen aber geſchehen. Etzliche endigungen der Woͤrter von andern Gram - maticis vorbeygegangen. Die Præpoſitiones in - ſeparabiles Wan und Ver. Harſtoͤrffers fuͤnff - facher Gedenck-Ring. Das alte verbum auxilia - re Ich thue noch heute bey den Engellaͤndern ge - braͤuchlich.

DEr ander Theil der Sprachkunſt beſtehet in der Etymologiâ oder Woͤrterforſchung. Dieſe iſt nunh h 5in490Das III. Cap. Von der Etymologiâin der Teutſchen Sprache von groſſer Erheblichkeit. Sie kan aber auff zwey - erley art betrachtet werden / erſtlich / wann man der Stammwoͤrter Urſprung ſelbſt unterſuchet / und auch aus andern Sprachen herbey holet. Zum andern / wann man die Eygenſchafft jeglicher Woͤꝛ - ter in Betrachtung ziehet / und ihre Be - deutunge nach den neun Haupttheilun - gen der Rede und deren Abtheilung und Verwandſchafft eroͤrtert. Von der er - ſten art der Etymologie haben wir in dem erſten Theil weitlaͤufftig gehandelt / und were der Muͤhe werth / daß man alles am genaueſten unter ſuchte: welches keine gemeine Scharffſinnigkeit erfodert. Ei - ne Hauptregul iſt / wie ich ſchon vorhin erwieſen / daß man nicht ſo ſehr auff die Gleichheit / als auff die Veraͤnderung der Woͤrter ſehe. Dann es kommen bißweilen Woͤrter von andern her / die faſt keinen Buchſtaben gleich haben / und kan doch gar klārlich dargethan werden. Wer ſolte meinen daß in der Frantzoͤſi -ſchen491der Teutſchen Sprache. ſchen Sprache das Wort dechoir von dem Lateiniſchen cadere komme / und iſt doch in Warheit nichts anders. Erſtlich hat man das e finale weggeworffen und cader vor cadere geſaget wie die Italiā - ner noch heutiges Tages. Hernach hat man das d heraußgeſtoſſen und caer dar - auß gemacht / das noch die Spanier ge - brauchen. Einige haben gar câr oder kêr darauß gebildet / wie die in der Picar - die es außſprechen. Die ein wenig lieb - licher in der Rede ſein wollen / haben es in cher verāndert / wie es noch in alten Frantzōſiſchen Romainen gebraucht wird. Endlich hat man den Vocalem in einen diphthongum verwandelt und choir da - von gemacht / davon das Compoſitum dechoir noch im Gebrauch iſt. Wann einem das Stammwort nicht bekant were / und die Mittel-Woͤrter noch ver - handen / wer ſolte ſagen / daß dechoir von cadere komme. Eben auff dieſe art hat man viel Woͤrter in der Lateiniſchen Sprache / die durch viele Veraͤnderungerſt -492Das III. Cap. Von der Etymologiâerſtlich auff den rechten Uhrſprung ge - bracht worden. Diß hat Salmaſius in dem Worte Pollinctor vorgeſtellet: wer ſolte meinen daß ſolches von Per und li - gare herkom̃e? und iſt doch ſo augenſchein - lich / daß es kein verſtaͤndiger leugnen kan. Da hingegen andere Grammatici viel naͤr - riſcher Einfaͤlle davon haben. In Teut - ſcher Sprache hat man eine groſſe Men - ge ſolcher Woͤrter / deren Uhrſprung nie - mand errathen kan: wer aber die mo - numenta der alten Teutſchen Sprachen nachſiehet / und auff die Veraͤnderung der Buchſtaben acht hat / der wird ſich bald darin finden. Dergleichen Arbeit iſt von keinem Teutſchen noch zur Zeit vorgenommen / nur daß Vorſtius in ſei - nem Specimine obſervationum in linguam vernaculam folgende Woͤrter zur Probe vor gebracht: Wer will ſagen / woher daß Wort ruchloß komme / wann er nicht weiß daß das Wort ruch oder ruach ſo viel als Sorge bey den alten Teutſchen bedeutet? Des Wortes Beicht Uhr -ſprung493der Teutſchen Sprache. ſprung wird ſchwerlich einer geben / wel - cher nicht weiß / daß es in dem al - ten Teutſchen Pſalter begiht, oder begicht geſchrieben wird / und alſo zuſammen geſetzet iſt aus der præpoſitione inſepara - bili be und dem Wort giht oder gicht. Worauß hernach per Syncopen bicht und im Hochteutſchen beicht geworden. Die Woͤrter freund und feind werden vor primitiva gehalten. Wer aber die alten Woͤrter fien odiſſe frigan amare kennet / ſiehet leicht daß es die particicipia fiant, und frigond ſein / die nachgehends in ein - ſylbige Woͤrter zuſammen gezogen. Er handelt ferner von den Urſprung der Woͤrter erquicken / barmhertzig / er - eugen / Beyſpihl / Wucher / die von alten abgeſtorbenen Woͤrtern herkom - men. Es konte aber ein groſſes vollſtaͤn - diges Buch von Exempeln zuſammen getragen werden. Iſt derowegen dieſes der naͤheſte Weg / daß man aus den al - ten Woͤrtern derſelben Sprache / die Ab - leitung ſuche / nicht aber aus den fremb -den.494Das III. Cap. Von der Etymologiâden. Claubergius, deſſen wir im vor - gehenden capite gedacht / weiſet auch eben denſelbigen weg in ſeiner Arte Etymolo - gicâ Teutonum e Philoſophiæ fontibus de - rivatam wie man Teutſch vom Teutſchen herleiten ſoll. Es iſt eine kurtze aber ſinn - reiche Schrifft / die ich inſonderheit deß - halben hoch halte / weil er auch geſehen / daß man das Teutſche nicht von dem Griechiſchen und Lateiniſchen / ſondern dieſes von jenem herleiten muͤſſe / und iſt ſehr zu beklagen / daß ſein Buch de Cau - ſis linguæ Germanicæ nicht hervorgegeben / worinnen er außfuͤhrlicher von allen han - deln wollen. In dieſer kleinen diſſerta - tion hat er nur die drey Woͤrter Ver - nunfft / Suchen / Sprechen eroͤr - tert / und durch dieſe Gelegenheit ſchoͤne Reguln / und viel andre Exempel mit eingemiſchet. Seine Reguln ſind dieſe: 1. Germanica vocabula prius & potius e Germanicis, quam è peregrinis derivanda. 2. Argumenta ab analogia petita ſunt validiora, quò major vocum quæ inter ſecon -495der Teutſchen Sprache. conferuntur ſimilitudo elucet. 3. Cum ad materialem vocum ſimilitudinem accedit formalis, (i. e. ſignificatio) tum demum e - tymologia certa eſt. 4. Dialectorum & an - tiquitatis conſideratio multum facit ad lin - guæ Germanicæ origines inveniendas. 5. Quoties in aliis eruditis linguis ſimilem quoad materiam aut formam, maxime quo - ad utramque conſpicimus derivandi ratio - nem, nova inde Germanicis originibus lux accedit. 6. A ſenſilibus ad intelligibilia quam plurima vocabula ſunt traducta. 7. Vocabulorum Teutonicorum major eſt quandoque bonitas quam Græcorum Lati - norum aliorumque peregrinorum. 8. Vo - ces quæ à rei perfectione petitæ ſunt me - lius eam exprimunt, quam quæ ab ejus de - fectu vel corruptione. 9. Veritas & ele - gantia originationis Germanicæ & propriæ ex oppoſitione originationis falſæ & alienæ clarius elucet. 10. Vocales omnes inter ſe permutari poſſunt. 11. Nulla vocalis tam eſt Germanis familiaris quam E. 12. Ma - jores nominum vocales (O & V) ſunt èmi -496Das III. Cap. Von der Etymologiâminoribus (A, E, I) verborum, unde de - rivantur. 13. In aliarum vocum ab aliis de - ductione ſæpius magnæ vocales abeunt vi - ciſſim in parvas. 14. Non omnes conſonæ æquè facile jungi poſſunt, ſed aliæ magis aliis ſociari gaudent. 15. Germani mul - tas amant conſonas una ſyllaba comprehen - dere. 16. Conſonæ lenes tantum cum le - nibus, aſperæ cum aſperis conjungi poſſunt in pronunciando. 17. Germani ad fortem potius quam ad mollem pronunciationem inclinant. 18. Sæpius S conſona fortis eſt & fortibus jungitur. 19. Nulla eſt magis ami - ca conſonantium ſocietas, quam ſi planè ſimiles jungantur. 20, Sonus longus vo - calium compenſat geminationem conſo - nantium & contra. 21. Germani certas vo - cales certis rebus per vocabula denotandis eleganter accommodant. 22. Germani ſæ - pe diphthongos amant, ubi Græci & Latini vocalibus utuntur ſimplicibus. Dieſe ſein die Reguln / die ich aus ihm habe auß - zeichnen wollen / weiln daß Buch nicht uͤberall bekant. Worauß er zu erkeñengibt497der Teutſchen Sprache. gibt daß keine Sprache der Natur ſelbſt und unſern conceptibus naͤher komt als die Teutſche. Wann das vollſtāndige Werck de Cauſis linguæ Germanicæ her - vorgekommen / wuͤrde es ohn Zweiffel das vollenkommenſte geweſen ſein / ſo biß auff dieſe Zeit davon geſchrieben. Er iſt ietzo geſtorben / und zweiffle ich / ob das Buch noch vorhanden ſey. Es iſt aber zu mercken / daß er die Analogiam bißweilen allzuweit außdehnet / und mehr tieffſinnigkeit / als etwa grūndlich iſt / er - weiſet. Als wann er Suchen / von Sehen / Zechen von Ziehen / Fluchen / von Flehen herfuͤhret. Wiewoll er es ſo warſcheinlich machet / als es immer - mehr ſein kan. Seine hier in gebrauch - te Critica iſt ſo ſpitz und fein / als jemahls Scaliger, Sanctius, Voſſius oder Scioppius von der Lateiniſchen Sprache etwas moͤ - gen erdacht haben. Deßhalben wir die - ſes Mannes ſonderliche Geſchicklichkeit und Faͤhigkeit in dieſem Wercke ſehr er - heben und allen andern vorziehen

i iDaß498Das III. Cap. Von der Etymologiâ

Daß die Woͤrterforſchung recht von ſtatten gehe / ſo ſolte billig ein vollſtaͤndi - ges Woͤrterbuch oder Lexicon in Teut - ſcher Sprache geſchrieben werden / wel - ches Harſtoͤrffer in ſeinem Specimine Phi - lologiæ Teutonicæ diſq. 8. §. 13. mit unter ſeine zu Verbeſſerung der Teutſchen Sprache zielende Vorſchlaͤge ſetzet / deſ - ſen entwurff Herr Schottel in ſeiner Sprach-Arbeit vorgeſtellet. Aber noch zur Zeit iſt nichts vollkommenes zum Vorſchein gekommen / da man hingegen in Welſcher und Frantzoͤſiſcher Sprache ſo viel Muͤhe der Sprache halben an - gewandt. Man hat einige alte Gloſſa - ria, ſo billig in hohem werthe zu halten ſein / weil in dieſen der ietzigen Sprache Stammwoͤrter zum theil ſtecken; Da iſt des Rabani Mauri Gloſſarium Latino-The - odiſcum, in tota Biblia Veteris & Novi Teſtamenti, ſo noch nimmmer hervorge - geben. Dieſes Buch hat Lambecius auff ſeiner Tyroliſchen Reiſe irgend in einem Schloß unter alten Buͤchern gefunden /und499der Teutſchen Sprache. und der Keyſerlichen Wieniſchen Biblio - theck einverleibet / hat auch verſprochen in ſeinem Syntagmate rerum Germanica - rum es hervorzugeben / welche Hoffnung nun verloſchen. Er ſetzet den Anfang dieſes Gloſſarii lib. 2. com. de Biblioth. Vin - dob. c. 5. p. 416. welcher alſo lautet Pikin - nant Samenunga Uuorto fona dero nivum anti deru altun Euu. Inchoant congrega - tiones verborum ex novo & vetere teſta - mento. Dieſes iſt warlich eine ſchoͤne antiquitāt; dann es iſt etwa Anno Chr. 847. geſchrieben. Deſſelben Autoris Gloſ - ſæ Latino-Theotilcæ de partibus humani corporis / wie auch de inventione lingua - rum ab Hebraico ad Theotiſcam & notis antiquis, welche der Walefridus Strabo, auß ſeinem Munde in die Feder verfaßt / hat Melchior Goldaſtus dem andern tomo ſeiner Rerum Alemannicarum part. 1. p. 65. & 66. einverleibet / welche auch unter den Wercken des Rabam, die zu Coͤln Anno 1607. heraußgegeben / ſich mit befinden. Es hat auch ferner ein Munch zu S. ii 2Galle500Das III. Cap. Von der EtymologiâGallen Kero genant / Interpretationem vo - cabulorum barbaricorum, wie er die Teut - ſche Woͤrter nennet / geſchrieben / ſo an eben demſelben Ohrt bey Goldaſto à p. 69. usq; 92. befindlich. Derſelbige Melchior Goldaſtus hat in ſeinem Tom. I. Rerum A - lemannicarum ein Gloſſarium hinzugeſetzt / wie auch Marq. Freherus in dem ſeinigen / welcher auch ein vollſtaͤndiges Lexicon Etymologium der Teutſchen Sprache verſprochen / wie Melchior Adami in ſei - ner Lebensbeſchreibung bezeuget. Er hat auch vorgehabt ονομαϑέτην ſ. de no - minibus propriis Alemannorum tractatum. Wovon der Herr Lutherus ein abſonder - lich Buͤchlein auch geſchrieben / das von Gottfried Wegener mit Anmerckungen neulich wieder heraußgegeben. Aber des Freheri Arbeit iſt ohn Zweiffel verlohren gegangen / welcher Verluſt traun nicht wenig zu bedauren. Man hat auch ein altes Lexicon Germanico-Latinum, wel - ches unter dem titul Teuthoniſta oder der Teutſchlānder zu Coͤln Anno 1477. ge -druckt501der Teutſchen Sprache. druckt. Der Autor nennet ſich am Ende deſſelben / woſelbſt dieſe Worte ſich befin - den. Explicit præſens vocabulorum ma - teria à perdocto eloquentiſſimoque viro Dno. Gerhardo de Schuren, Cancellario illuſtrisſimi Ducis Clivenſis ex diverſorum terminiſtarum voluminibus contexta. In der Vorrede ſetzet der Autor Huguico - nem vetuſtiſſimum & ampliſſimum termi - niſtam huic operi penè totum inſerui ali - osque etiam totos immiſcui. Worauß zu ſehen / daß noch einige andre uns un - bekante Lexicographi damahls geweſen. In dieſem Buche finden ſich unterſchied - liche ietzo ungebrāuchliche alte Teutſche Woͤrter. Es findet ſich auff unſer Aca - demiſchen Bibliothec eines Anonymi ge - ſchriebenes Latino-Germanicũ Gloſſarium, welches aber nach dem ſo genanten Ca - tholico erſtlich herauß gekommen / und mit den obigen eines Alters zu ſein ſchei - net. In der Niederlāndiſchen Sprache hat Cornelius Kilianus eine gute Arbeit gethan / deſſen Etymologicum Teutonicæii 3lin -502Das III. Cap Von der Etymologiàlinguæ ſehr offt heraußgegeben. Wird von Lipſio und andern gelehrten Leuten billig hoch gehalten / dann es finden ſich offtmahls ſehr gute Anmerckungen dar - innen. Es iſt aber nachgehends unter dem Titul Kiliani aucti ſch aͤndlich geſtuͤm - melt hervorgekommen / woruͤber der Franciſcus Junius in ſeiner Vorrede uͤber des Willerami Paraphraſin ſehr klaget / und die Obrigkeit ermahnet / daß ſie ſolche ſtuͤmmelung / die zum Nachtheil des Va - terlandes gereichen / ſtraffen und nicht zugeben ſoll. Er nennet das vollſtān - dige Werck billig eximium Belgarum o - mnium Theſaurum. Es hat im Jahr 1616. Georgius Heniſchius ein gelehrter Mann unter dem Titul Theſauri Linguæ & Sapientiæ Germanicæ den erſten Theil eines Lexici heraußgegeben. Er aber iſt nicht weiter als biß zu dem Buchſtaben H gekommen. Er hat alle Teutſche ſy - nonyma, derivata, phraſes, compoſita, epi - theta, proverbia, anthiteta bey jegliche Woͤrter geſetzet / und were eine ſehr nuͤtz -liche503der Teutſchen Sprache. liche Arbeit geweſen / ſo er ſie zu Ende gebracht. Aber von den Uhralten Woͤr - tern findet man ſo gar viel nicht darin. Es iſt auch der gelehrte Lindenbrogius mit ſolcher Arbeit ſchwanger gegangen dann es ſchreibet Grotius Epiſt. ad Gailos 144. ad Cordeſium: Laborat nunc Linden - brogius in concinnando Lexico veteris ſer - monis Germanici & multa habet adjumen - ta, quæ nec Spelmannus, nec alii habuerunt. Erit id opus eruditis nec ingratum nec in - utile. Dieſes iſt aber niemahls hervor - gekommen / nur daß mir berichtet / ob were noch in Bibliotheca Hambuigenſi ein Gloſſarium MStum von ihm verhanden: halte aber es ſey nur das Gloſſarium La - tino-Theodiſcum, daß er offtmahls in ſeinen Schrifften anfūhret. Das jenige ſo er uͤber den Codicem Legum geſchrie - ben / iſt Anno 1613 heraußkommen Hat alſo dieſes eine andere vollſtaͤndige Ar - beit ſein ſollen. Es were dieſer Mann ſehr bequem zu dieſem Wercke geweſen / weiln er eine groſſe Kunde in den altenii 4Gloſ -504Das III. Cap. Von der EtymologiâGloſſariis gehabt / wormnen ſich meiſtens Teutſche Woͤrter befinden / wie auch bey dem Iſidoro viel derſelbigen mit Lateini - ſchen terminationibus ſein / welche Bar - thius Adverſar. lib. 7. c. 13. angemercket. Noch iſt von meinem vormahls lieben Freunde / dem Sehl. Herrn D. Johann Bernhard Zinzerling / des Juſti Zmzerlingii Sohne / eine vollſtaͤndige Arbeit eines Teutſchen Lexici vorgenom - men geweſen / das er mit groſſen Fleiß in ſchoͤner Ordnung zuſammen getragen / welches ich geſehen und geleſen. Es iſt aber durch ſeinen fruͤhzeitigen Tod diß Werck unvollkommen geblieben. Iſt alſo bißhero nichts hauptſaͤchliches bey den Teutſchen hier in geſchehen / und blei - bet dieſe Muͤhe noch einem getreuen Lieb - haber des Vaterlandes / und gelehrten Mann vorbehalten. Hiezu gehoͤret auch / daß man frembde Woͤrter auß der Sprache außmuſtere; Dieſe ſein entwe - der Kunſt oder Rechtswoͤrter oder ſonſt auß frembden Sprachen der Teutſchenmit505der Teutſchen Sprache. mit eingemiſcht. Der Kunſtwoͤrter hat Zeiler Cent. 3. Ep. 35. einen Theil verdeut - ſchet. Es iſt auch ein gantzes Buch da - von neulich geſchrieben. Dieſes hat auch Harſtoͤrffer unter andern mit zur ver - beſſerung der Teutſchen Sprache vorge - ſchlagen; auch ſind unterſchiedliche Sa - tyriſche Schrifften uͤber ſolche miſchung der Woͤrter verhanden. Es ſein aber ei - nige gar zu aberglaubiſch hierin / die auch die ſchon laͤngſt bey den Teutſchen auff - genommene Woͤrter nicht dulden wollen / deren Thorheit billig zu verlachen iſt.

Nun ſolten wir auch die Theile der Etymologiæ als den Articulum, nomen, pronomen, verbum, participium, præpo - ſitionem, Adverbium, Conjunctionem, interjectionem betrachten. Aber es ſind hievon alle Buͤcher voll / und hat Herr Schottel ſolches zur genuͤge außgefuͤh - ret. Will nur dieſe wenige Anmerckun - gen hinzu thun. Die Artirulos prono - mina und verba Auxiliaria findet man in der ālteſten Gothiſchen und Teutſchenii 5Spra -506Das III. Cap. Von der EtymologiâSprache offtmahls außgelaſſen / und an ſtaat derer gewiſſe endigungen der Woͤr - ter / dadurch der Unterſcheid der Caſuum temporum und perſonarum außgebildet wird / wie in dem Anfang des Gloſſarii Rabaniani ſo wir droben angefuͤhret / zu ſehen / und in dem was der Herr Zeiler in der 381. Epiſtel aus dem Micrælio her - bey gebracht. Ich ſolte aber den Ge - brauch der articulorum und verborum auxiliarium aͤlter halten / und ſcheinet / daß man hierin den Lateinern nachgeah - met habe. Von den Articulis hat der Menage in ſeinen Anmerckungen uͤber des Malherbe poëmata p. 325. dieſes in Fran - tzoͤſiſcheꝛ Spꝛache eriñeꝛt / daß dieſelben vor die nomina propria geſetzt nicht woll klin - gen. Man ſaget alſo nicht recht le Ju - piter le Bachus, l Amour ſondern Jupiter Bacchus, Amour. Er tadelt auch die I - taliaͤner / die ſich hierin verſtoſſen. Die - ſes muß gleichfalls in der Teutſchen Sprache in acht genommen werden / Aber wann ihnen epitheta beygeſetzt ſein /ſo507der Teutſchen Sprache. ſo muͤſſen die Articuli nothwendig geſetzt werden. Es kan auch bißweilen / wann andere Nomina propria unter ſich vergli - chen oder entgegen geſetzet werden / der Articulus woll beſtehen bleiben. Die En - digungen der Woͤrter werden fleiſſiggnug von den Grammaticis angezeichnet / jeden - noch hat Vorſtius in ſeinen obſervationibus cap. 5. angemerckt / dz die endigung de von ihnen außgelaſſen / welche ſich findet in den woͤrtern / freude / begierde / ziehr - de / geluͤbde. Die endigungen auff (ft) und (ſt) / ſind gleichfalls vom Hn. Schot - tel außgelaſſen / da doch viel Nominä, die von verois herkommen / ſich alſo endigen / als brennen / brunſt / ankommen / ankunfft / goͤnnen / gunſt / verneh - men / vernunfft ꝛc. Man findet auch beim Vorſtio einige Anmerckung von der præpoſitione inſeparabili wan cap. 11. Clau - bergius hat in ſeiner arte Etymologica Teutonum von der præpoſitione inſepa - rabili Ver ſehr weitlāufftig und gruͤnd - lich gehandelt / und ihre vielfāltige Be -deu -508Das III. Cap. Von der Etymologiâdeutungen mit den Bedeutungen des La - teiniſchen PER verglichen / welche Woͤr - ter auch den Buchſtaben nach gaͤntzlich uͤbereinkommen. Wer die richtige Ord - nung der Theile darauß die Wōrter zu - ſammen geſetzet gleichſam als in einer Taf - fel und Spiegel ſehen will / ſehe nur den fuͤnfffachen Gedenckring des hn. Har - ſtoͤrffers an / welcher durch eine ſinnrei - che Erfindung / in deſſen Rādern und Ringen die Woͤrter vor Augen geſtellet / daß nach dem dieſelben geſchoben werden / bald dieſes bald jenes Wort heraußkomt. Worauß dann die Kunſtrichtigkeit gleich - ſam als durch eine Mathematiſche demon - ſtration dargethan wird. Dieſe iſt in ſeinem Poetiſchen Trichter zu finden. Un - ter die alten verba auxiliaria muß auch das Wort thun geſetzet werden / welches ſie zu den verbis activis hinzugeſetzet / und geſchiehet ſolches noch heute bey vie - len Oberlāndern / in taͤglichen Gebrauch der Rede. Daher der Herr Opitz es an etlichen Orthen zugelaſſen / als wanner509der Teutſchen Sprache. er ſpricht: Ein fettes Haſelhun / wornach die Buͤrger ſonſt die Fin - ger lecken thun. So hat es Herr Riſt in ſeiner Musâ Teutonica faſt in al - len Carminibus. Solches iſt nun zwar nicht zu loben. Aber es iſt doch keine neuerung wie etliche meinen; Man hat auch dergleichen Verbum auxiliare noch heutiges Tages in der Engliſchen Spra - che. Dann ſie conjugiren alſo I doe love ich thue lieben und ſo ferner. Wer aber recht ſauber reden will / der laſſe die - ſe unnoͤthige periphraſes fahren. Und ſo viel von der Etymologiâ.

Das IV. Cap. Von der Syntaxi der Teutſchen Sprache.

Einhalt. SYntaxis der Teutſchen Sprache komt mit der Griechiſchen inſonderheit uͤberein. Sie iſt derna -510Das IV Cap. Von der Syntaxinatuͤrlichen Ordnung gemaͤß. Syntaxis Poëtica iſt ſehr verſchieden von der Proſaica. Elocutio Po - etica muß nicht allzu proſaiſch ſein. Ob man die Syntaxin Poeticam nach der Proſaica richten muͤſſe. Diß meinen viele. Andere gebrauchen groͤſſere Freyheit. Es findet einige Verſetzung der Woͤrter in den Verſen ſtaat. Es werden Exempel ange - fuͤhret. Die Ordnung der Woͤrter iſt in einem Reimgebaͤnde anders / als ungebundener Rede. War - um die Lateiniſche Sprache die Verſetzungen beſſer vertragen kan / als die Teutſche. An der zuſam̃en - ſetzung der Woͤrter iſt ſehr viel gelegen. Ariſtotelis Urtheil von den Poetiſchen Verſetzungen. Exem - pel der Verſetzung in einer Teutſchen Rede. Ver - ſetzungen in Lateiniſcher Poeſi. Wird unbillig von Sorbier getadelt. Exempel einiger Lateiniſchen Verſe / die durch gewiſſe Woͤrter / nach dem ſie ge - ſetzt / gezieret / oder verunzieret werden. Deſmareſts Urthel von den Verſetzungen in der Frantzoͤſiſchen Sprache. Joh. Bellini Syntaxis Præpoſitionum Germanicarum. Dergleichen Arbeit ſolte mau in andern particulis in epithetis, antithetis, ſynony - mis vornehmen.

WIr kommen zu der Woͤrterfuͤ - gung in der Teutſchen Sprache / welche nicht weitlaͤufftig und ver - worren iſt / und zum Theil mit der La -tei511der Teutſchen Sprache. teiniſchen / vielmehr mit der Griechiſchen uͤbereinkomt / welches letzte Bernegger. quæſt. 11. in German. Tac. mit einigen E - xempeln erwieſen. Ja ſie folgt der na - tuͤrlichen Ordnung genauͤer nach / als ir - gend eine andre Sprache / worin ihr die Frantzoͤſiſche nachahmet / welche der Herr Sorbier dieſer Uhrſachen halber der Lateiniſchen in einem abſonderlichem Bu - che / wie wir droben geſehen / vorgezo - gen. So hātte die Teutſche vielmehr Recht ihr den Vorzug anzumeſſen / wañ man auff dieſen Grund gehen wolte. Ich will hier nicht weitlaͤufftig die Reguln der Woͤrterfuͤgung anfuͤhren / dann dieſes iſt zur gnuͤge von andern geſchehen. Diß muß inſonderheit in acht genommen wer - den / daß in allen Sprachen die Syntaxis in Carmine von der Syntaxi in Proſa ver - ſchieden ſey / wie dieſes in Griechiſcher und Lateiniſcher Sprache bekant iſt / und ſolches in dieſer Maſenius Palæſtr. Eloq - ligatæ lib 2. c. 12. gar artig außgefuͤhret. So hat man auch im Teutſchen Carminebiß -512Das IV. Cap. Von der Syntaxibißweilen eine Conſtruction die in Prolâ nicht eben gebraͤuchlich iſt. Daher es vor ein vitium gehalten wird / wann die Außrede im Carmine allzu proſaiſch iſt / welches nicht in dem Syntaxi allein / ſon - dern auch in den Woͤrtern / und der Re - de ſelbſt beſtehet. Dieſes tadelt auch Menage in ſeinen Obſervat. uͤber den Mal - herbe liv. 5. da er dieſe Verſe des Autoris erklaͤret: Ou trouves-tu qu il faille avoir ſemè ſon bien, & ne recueillir rien. Dann er ſagt hievon: Ces vers ſon trop proſai - ques, qui eſt le plus grand defaut des vers, comme celui de la proſe, d eſtre trop po - ëtique. Wann wir nun vieler Teutſcher Poeten Verſe beſehen / ſo finden wir / daß diß Laſter bey vielen ſehr gemein: Wiewoll bey der Teutſchen Sprache es weniger getadelt wird / als bey den an - dern. Ja es kommen einige ſo weit / daß ſie gar nicht zugeben wollen / daß man im geringſten die Conſtruction endere / die in Proſâ gebraͤuchlich iſt / vermeinen / daß man alsdann die hoͤchſte Zierlichkeitim513der Teutſchen Sprache. im Teutſchen Carmine erhalten. Einige gehen gar zu weit / und gebrauchen ſich einiger Verſetzungen / die den Teutſchen Ohren gar unlieblich klingen; welche Freyheit bey den Oberlaͤndern ſehr ge - mein iſt / Und findet man deren ſehr viel Exempel bey Harſtoͤrffer / Klai und andern. Alſo klinget es der gebrāuchli - chen Außrede zu wider.

Die Geigen nicht ſchweigen / verſuͤſſen den Laut.

wie auch dieſes:

Die ſchoͤne Reuterey in ſchoͤner Ordnung ſteht
Ein jeder ruͤſtet ſich / auff ſeinen Platz hingeht.

Herr Chriſtian Weiſe / der einen Un - terricht von verfertigung der Teutſchen Getichte ſeinen Getichten angehaͤnget / iſt gar zu ſorgfaͤltig in dieſem ſtuͤcke / wann er die Conſtructionem Proſaicam zu einer vollkommenẽ Richtſchnur ſetzet; Vermei - ne derohalben nicht / daß die von ihm angefuͤhrte Verſe

Der Himmel mag ſtuͤrmen / mag hitzen und blitzen:
Wann unter den Schirmen der Liebe wir ſitzen

ſo gar zu tadeln / ja ich vermeine vielmehr / daß es beſſer klinge / wann inkkdem514Das IV. Cap. Von der Syntaxidem Verß an ſolchem Ohrte dz Woꝛt wir geſetzet werde. Ich hielte davor man ſolte auch in Proſa bißweilen ſolche Ord - nung der Woͤrter belieben koͤñen. So ſind auch dieſe arten zu reden: Ich werde gehen ein / und andere dergleichen in Poẽſi nicht allein zu dulden / ſondern die Nothwendigkeit ſelbſt gibt uns die Thei - lung dieſer Woͤrter an die Hand. Dann ſolche Woͤrter als eingehen / außge - hen / abnehmen / auffkommen / und viele andere / gar ſchwerlich einen Ohrt im Teutſchen Metro finden / wann man ſie nicht vonander trennet / welche tren - nung dañ auch in Proſa bißweilen geduldet wird. Zugeſchweigen daß der Reim offt - mahl von der Proſaiſchen Conſtruction ableitet / welches nicht woll zu vermeiden iſt. Es iſt die gebundene Rede einer ge - wiſſen art der Verſetzung fāhig / die in der ungebundenen Rede keinen ſtaat fin - det: inſonderheit / wann der Nachdruck der Woͤrter ſelbſt ſolche an die Hand gibt / weiches das Urtheil der Ohren bey einemver -515der Teutſchen Sprache. verſtaͤndigen Maun nur allein begreiffen kan. Man verſuche es nur / und nehme eine Ode aus dem Flemming oder jemand anders / und ſetze an ſtatt der Reimwoͤr - ter / andere gleichdeutige / die ſich nicht reimen / ſo wird man klaͤrlich ſehen / wie ſo gar nicht die Ordnung der Rede / mit derſelben / die man in Proſa gebraucht / uͤbereinkomme. Dann daß Maaß der Fuͤſſe / das Reimgebānde / gibt der Re - de eine eigene Geſtallt / die woll klinget / wann man ſie mit den Reimen und in demſelben maaß lieſet; uͤbel aber / wann man ſie davon abſondert. In der La - teiniſchen Sprache kan man dieſes klār - lich ſehen / in welcher die vielſylbigen Woͤrter und derſelben Maaß eine ſonder - liche art von Verſetzung erfodern / die in Proſa durchauß nicht klinget. In der Teutſchen / weil ſie verba auxiliaria, articu - los, und pronomina gebraucht / laͤßt ſich dieſe art der Verſetzung nicht anbrin - gen. Dann weiln dieſe bey allen nomi - nibus und verbis ſtehen / ſo lāſt ſich dieſerkk 2Band516Das IV. Cap. Von der SyntaxiBand nicht trennen / und muͤſſen die adverbia und andere Particulæ ihren ge - wiſſen Platz behalten / der in Lateini - ſcher Sprache ſich vielfaͤltig āndern kan. Diß iſt eben der ſo genante Numerus in der Rede / der noch viel geheimes in ſich hat / und von niemand noch zur Zeit recht unterſuchet iſt. In Lateiniſcher Spra - che hat es viel auff ſich / ſo gar / daß ich den vor den beſten Meiſter derſelben halten will / der von dem rechten poſitu der Woͤrter wird urtheilen koͤnnen / wel - che Kunſt dem Ciceroni und Virgilio in - ſonderheit mit tieffſinnigen Nachden - cken abzuiernen iſt. Es glaͤubt niemand / was doch warhafftig iſt / quod voces & phraſes per ſe bonæ ſolâ juncturâ fieri poſ - ſint ineptæ & degeneres. Aber hievon kan an einem andern Ohrt weitlaͤuffti - ger geredet werden. Die Griechen und Lateiner haben jederzeit das genus Orati - onis πεφυκός und πεπλαςμένον unterſchie - den. Diſt letzte iſt / was in Orationibus und Carminibus gebraucht wird / da ge -wiſſe517der Teutſchen Sprache. wiſſe Inverſiones und Verſetzungen ſtaat finden. Ariſtoteles hat in ſeinem Buch de Poëtica c. 12. vom Ariphrade angefuͤh - ret / daß er die Tragœdos außgelachet / welche δωμάτων ἀπὸ vor ἀπὸ δωμάτων: Α᾽χιλλέως περὶ vor περὶ Α᾽χιλλέως geſagt: A - ber Ariſtoteles urtheilet gantz anders / dann er beſchuldiget den Ariphradem der Unwiſſenheit / daß er nicht unter eine ge - meine und poetiſche oder vielmehr tra - giſche Rede zu unterſcheiden gewuſt. Bey dem Homero und andern findet man ſol - cher Exempel eine groſſe Menge. Iſt alſo auch nicht ungereimt / wann ich ſa - ge / daß in der Teutſchen Poeſi einige Verſetzung / jedoch nach art der Spra - chen / zugelaſſen ſey. Wir wollen deſſen ein Exempel nehmen. Es iſt eine Enun - ciatio die in richtiger Ordnung ſteht / wañ ich in gemeiner Rede ſpreche: Ich wil Gaben bringen. Da ſtehet das Prono - men vor / das verbum auxiliare folget. Das verbum ſchlieſſet / und hat ſeinen Accuſativum vor ſich: aͤndert man dieſekk 3Ord -518Das IV. Cap. Von der SyntaxiOrdnung; ſo hat es ſo fort einen fremb - den Laut. Wann es aber in einen andern contextum geſetzt wird / als wann ein membrum vorhergehet / drauff das andere eine ἀπόδοσιν hat / ſo veraͤndert ſich der numerus alſo fort. Zum Exem - pel:

Wann nun das Neu Jahr komt / ſo will ich Gaben bringen.

Da wird das pronomen hinter dem ver - bo auxiliari geſetzet. Der Accuſativus kan hinter dem verbo geſetzt werden / wann etwas auff den Accuſativum folget / das ſich auff denſelben referiret als:

Wann andre bringen Gold / ſo will ich bringen Gaben /
Die keine Zeit verzehrt.

Dann die Antitheſis unter Gold und Gaben macht dieſe uͤbereinſtimmung / die in den Ohren nicht unlieblieblich klin - get; Man koͤnte zwar auch den Accuſati - vum vorſetzen / aber es hat einen viel groͤſſern Nachdruck / wann er hinten hergeſetzet wird. Dergleichen Verß iſt bey dem Flemming

Diß / was uns iſt Verluſt / iſt Mutter / dein Gewinn.
Hie519der Teutſchen Sprache.

Hie ſtehn die Wort Verluſt und Gewinn gleichſam in Antitheſi, eines in der Cæſur, das andere am Ende / dadurch es die Harmonia lieblich macht. So kan ich auch in vorigẽ Exempel den Dativum Dir hintenan ſetzen / der ſonſt vorher geben muß / wann etwas anders drauff folget / als:

Wuͤnſche wil ich bringen Dir /
Dir / dn mein ander Hertz.

Hie ſteht der Accuſativus vor und der Dativus hinter / gantz wieder die ordent - liche fuͤgung der Rede. Weil die Empha - ſis und der Gegenſatz offtmahls eine un - ordnung der Woͤrter veranlaſſet / die ſonſt ungebraͤuchlich iſt. Ich habe in ei - nem Carmine dieſe Verſe geſetzet

Rom iſt hie und Athen
Als wie im Schauplatz noch der Nachwelt anzuſehn.

Dieſe Verſetzung der Woͤrter wuͤrde viel - leicht jemand tadeln / dann ich haͤtte ſa - gen ſollen hie iſt Rom und Athen. Aber es iſt der Klang der Woͤrter viel beſſer / wann ich das Wort Rom vor -kk 4ſetze.520Das IV. Cap. Von der Syntaxiſetze. In Lateiniſcher Poëſi findet man Verſetzungen beym Virgilio, da faſt al - les untereinander verworffen zu ſein ſchei - net. Es iſt gar eine figur σύγχυσις ge - nannt. Solche wird vom Virgilio mit groſſem Verſtande gebraucht. Dann was der Laboureur oder Sorbier in ſeinem Buch Avantages de la langue Francoiſe ſur la langue Latine wieder dieſe Verſetzun - ge p. 66. anfuͤhret / iſt von keiner Er - heblichkeit. Daß uns die Verſetzung in der Lateiniſchen Sprache dunckel vorkom - inet / komt nicht nur daher / daß wir die alte pronuntiation nicht wiſſen / wie Slu - ſius in der Antwort auff des Sorbieri Buch meinet / ſondern vielmehr aus die - ſem Grunde / weil wir des Rhythmi und numeri gantz unerfahren ſein. Was der poſitus der Woͤrter in Lateiniſchen Ver - ſen vermag / kan man aus dieſen Exem - peln ſehen. Der bekandte Verß des Virgilii: Tityre, tu patulæ recubans ſub teg - mine fagi, wuͤrde gar uͤbel lauten / wann ichs alſo ānderte: Tu patulæ recubans ſubtog -521der Teutſchen Sprache. tegmine, Tityre, fagi. Tibullus ſchrei - het gar zierlich. Me retinent vinctum for - moſæ vincla puellæ, & ſedeo duras ianitor ante fores. Kehrt man die Woͤrter um auf dieſe art. Formoſæ retinent vinctum me vincla puellæ, duras & ſedeo ianitorante fo - rës, klingt es uͤbel. Propertius ſaget: Cynthia prima ſuis miſerum me cepit ocellis, lautet viel beſſer / als wann man alſo ſchriebe. Prima ſuis miſerum me Cynthia cœpit o - cellis. Wuͤrde mann den ſo lieblichen Verß des Virgilii: Molli paulatim flaveſcet campus ariſta, anders umſetzen / wie es dann wol dreymahl geſchehen kan / man wūrde ihn ſo fort veꝛderben / theils daß der poſitus verborum ſich nicht ſo woll ſchicket / theils daß die conſecutio pedum, nicht die erſte Lieblichkeit hat. Iſ. Voſſius hat in ſeinem Buch de Poëmatum Cantu p. 42. angemerckt / daß in proſa an dem poſitu verborum gleichfals ſehr viel gelegen. Quis non perinde eſſe putet, ſagt er / ſi quis dicat: vir eſt optimus, aut vir optimus eſt? Auribus tamen minimè ſatisfacere cre -kk 5de -522Das IV. Cap. Von der Syntaxidebatur, ſi quis vel in communi ſermone poſterius uſurpaſſet. Der Herr Deſma - reſts, der das Poëma Clouis oder la France Chreſtienne in Frantzoͤſiſcher Sprache ge - ſchrieben / hat in ſeinem Advis, das er hin - ten angehaͤnget / erwieſen / daß in einem Frantzoͤſiſchen Poëmate gleichfalls die Verſetzungen die beſte Zierlichkeit ma - chen. Denn er ſaget: La Poëſie Fran - çoiſe n a rien de plus beau, que ces nobles inverſions, que Malherbe a ſi bien faites; ou l on reſerve au dernier vers â deſigner la perſonne de qui l on parle; parce que l eſprit attend avec grand plaiſir, ce nom que ſembloit devoir eſtre au commence - ment. Er fuͤhrt deſſen unterſchiedliche Exempeln an / und ſtraffet ſeine Lands - leute einige / die gar keine Inverſiones dul - den wollen / nennet es une pauvre & mi - ſerable politeſſe deren ſie ſich hierin zu ge - brauchen vermeinen. Sein Urtheil lau - tet alſo: Ce ſeroit une pure foibleſſe que d abandonner la force en ces rencontres pour de tels ſcrupules; pourveu que l onn’y523der Teutſchen Sprache. n’y retombe pas ſouvent. Et l on recon - noiſt bien, ſi le Poëte n a pas voulu per - dre la force de ſon expreſſion, pour une conſideration moins forte. Dieſes alles wird ſich in der Italiaͤniſchen Sprache gleichfalls alſo finden / und ſehen wir hierauß / daß nicht alle Inverſiones zu ver - werffen / und nicht allein koͤnnen gedul - det werden / ſondern bißweilen / inſonder - heit in Heroico Carmine, nothwendig ſein. Was ſonſt noch ferner von dem Syntaxi in Teutſcher Sprache konte geſaget wer - den / ſolches iſt vom Herrn Schotteln weitlaͤufftig außgefuͤhret. Die Conſtru - ctio der Præpoſitionum muß in - ſonderheit im Teutſchen woll in acht ge - nommen werden. Hievon hat Johannes Bellin ein nuͤtzliches Buch geſchrieben / welches auſſerhalb der uͤblen Schreibart / die dar in enthalten / ſehr woll zu gebrau - chen / were aber beſſer / daß er die Latei - niſche uͤbliche terminos behalten hātte / weil er durch die neue von ihm ertichtete Teutſche Kunſtwoͤrter die Reguln ſehrdun -524Das IV. Cap. Von der Syntaxi[a]dunckel macht. Es were eine feine Ar - beit / wann man andre particulas mit gleichen Fleiß behandelte / und ſie inſon - derheit betrachtete / wie ſie mit andern Woͤrtern und Gliedern der Rede zu fuͤ - gen. Man ſolte auch die ſynonyma, e - pitheta, antitheta, phraſes in Teutſcher Sprache zuſammen leſen / wie man dergleichen in der Lateiniſchen hat. Worinnen Rudolff Sattler einen klei - nen Anfang gemacht / und Heniſchius in ſeinem unvollkommenen Theſauro lin - guæ Germanicæ. Aber noch zur Zeit hat niemand ſonderlich hierauff gedacht / und iſt doch gewiß / daß in dieſen Stuͤ - cken am allermeiſten die Fuͤgung einer foͤrmlichen Rede beſtehe.

Das525der Teutſchen Sprache.

Das V. Cap. Von der Proſodia der Teutſchen Sprache.

Einhalt. ES ſein viele / die die Teutſche Proſodiã beſchrei - ben. Hr. Opitius. Und vor ihm Johann Engard / und noch ein ander Anonymus. Nach ihm Herr Buchner. Titius. Schottel. Tſcherning. Georg Neumarck. Caldenbach. Harſtoͤrffer. Sigismundus Betulius von Bircken. Johann Ludewig Praſch. Die quantitas im Teut - ſchen iſt anders / wie im Lateiniſchen und Griechi - ſchen. Dieſe art die Sylben zu meſſen iſt neuer als jene. Ob die Lateiniſchen metra im Teutſchen nachgemacht koͤnnen werden. Plempius hat im Niederlaͤndiſchen ſolches thun wollen. Exempel eines Sapphiſchen / Jambiſchen / und Hexametri Car - minis. Conſtantini Hugenii Elegia im Niederlaͤn - diſchen. Teutſche latiniſirende Carmina von etli - chen gemacht. Burchardi Berlichii Teutſche He - xametri Leonini. Dergleichen Verß im Spani - niſchen Italiaͤniſchen und Frantzoͤſiſchen. Sorbieri und Caſauboni Urthel hievon. Aquilonius hat in Daͤniſcher Sprache die Lateiniſchen metra einfuͤhren wollen. Exempel des Vater Un -ſers526Das V. Cap. Von der Proſodiaſers in einem Daͤniſchẽ Phaleuco. Baconis Verulamii Urthel von dergleichen metris. Einiger Autorum ſonderlicher Handgriff im Verſe machen. Kir - cheri Artificium Poeticum. Webbe eines Engel - laͤnders vermeintes Kunſtſtuͤck / wie einer der Lateini - ſchen Sprache unwiſſend Verſe machen koͤnne. Stanislai Minck von Weißheun Teutſcher Proteus. Quirini Kuhlmans vorgegebenes Kunſtſtuͤck. Ur - thel von dieſen Erfindungen. Ein Vorſchlag die Woͤrter unter die Pedes zuſammen zu leſen. Nu - tzen ſolcher Arbeit. Die Reime geben bißweilen Erfindungen an die Hand. Von der quantitate der dreyſylbigen zuſam̃engeſetzten Woͤrter im Teu - ſchen. Von den Monoſyllabis. Die vervielfaͤl - tigung derſelben kan im Teutſchen nicht vermieden werden. Menagii Urthel von den Einſylbigen Woͤrtern im Frantzoͤſiſchen. Einſylbige Endigun - gen der Verſe.

WIr kommen endlich auff die Pro - ſodiam ſelbſt / welche von der Quantitate Syllabarum, Pedibus, Met[ri], und was zu dieſem gehoͤrig iſt / handelt. Hierin iſt von vielen weitlāuff - tig geſchrieben / daß man auch alles was zu der Kunſt gehoͤret / herbey gebracht. Weß -527der Teutſchen Sprache. Weßhalben unnoͤthig iſt / daß wir uns darin auffhalten. Herr Opitz / der zum erſten die Teutſche Poeſie in Richtigkeit gebracht / hat auch eine Anleitung dazu geſchrieben / welche offtmahls und auch mit Hannemans Anmerckungen herauß - gegeben. Vor ihm ſind zwar einige ge - weſen / die hier in etwas geſchrieben / die mir nie zu Geſichte gekommen. Es ge - dencket Draudius eines Johann En - gard / der ein Buch mit dieſem titul zu Ingolſtad Anno 1583. in 8. heraußgege - ben: Teutſche Proſodia, das iſt: Nothwendiger Unterricht / auf wel - cherley weiſe und art in teutſcher Sprache Verß und Reimen nach rechter poetiſcher Kunſt zu ma - chen / und noch eines andern Anonymi von dem zu Magdeburg Anno 1605. ein Buch heraußgekommen / genannt: Epa - tologica Hieroglyphica Rhythmica. Neu Formular zierliche Reime vorzu - bringen. Es iſt aber leich[t]zu erach - ten / daß dieſer Leute ihre Arbeit demTrieb528Das V. Cap. Von der ProſodiaTrieb dieſer Zeit gleich geweſen. Nach Herrn Opitz hat Herr Buchner eine Teutſche Proſodiam geſchrieben / worin dieſer trefliche Mann eine richtige Maaß geſetzet / welcher man hier in zu folgen ha - be. Ich muß auch allhie meines ſehr wehrten Freundes des Herrn Titii nicht vergeſſen / welcher zwey Buͤcher von der Kunſt Hochteutſche Verſe und Lieder zu machen / her außgegeben. Worinnen alles viel vollſtaͤndiger vorgetragen / und eine ungemeine Gelahrtheit gezeiget wird / der auch ſelbſt eine ſaubere art zu ſchreiben nicht allein in Teutſcher ſon - dern auch in Lateiniſcher Sprache ge - wieſen. Nachgehends haben auch un - terſchiedliche in Proſodicis was ans Licht gebracht. Des Hn Tſchernings Teut - ſche Anmerckungen haben wir ſchon viel - mahls angefuͤhret. Hn. Schottels Arbeit iſt allen bekant. Georg Neu - marcken Poetiſche Taffeln / mit den ge - lehrten Anmerckungen / verdienen billig ihr Lob / Caldenbach hat eine Poëticam. Ger -529der Teutſchen Sprache. Germanicam in Lateiniſcher Sprache ge - ſchrieben / und zugleich einge zu verfer - tigung unteꝛſchiedlicher Carminum dienen - de Ideas mit hinangeſetzet. Des Herrn Harſtoͤrffers Poetiſcher Trichter iſt gleichfalls niemand unbekant / und mit vielen gelehrten Diſcourſen, und nuͤtzli - chen Huͤlffsmitteln angefuͤllet. Herr Weiſe hat auch einige gute Lehrſaͤtze hervorgegeben. Sigißmund Betu - lius von Bircken hat vor etli - chen Jahren eine Anweiſung zur Teut - ſchen Poeſie geſchrieben / worinnen eini - ge ſonderliche dinge vorkommen. Der aus vielen ſchoͤnen Schrifften wollbekan - te Johann Ludewig Praſch hat auch neulich von fuͤrtreflichkeit und verbeſſe - rung Teutſcher Poeſie ſeine gelahrte Ge - dancken der Welt mit getheilet: Wor - in er inſonderheit weiſet / wie der Laut der Sylben / quantitas Syllabarum, in Carmine beſſer in acht zu nehmen ſey. Dieſe ſein die vornehmſten die ſich in dieſem Stuͤcke hervor gethan: vieler andern zu geſchwei -l lgen530Das V. Cap. Von der Proſodiagen / die ſich ohne Noht bemuͤhet. Iſt alſo nicht noͤthig hierin ſich weitlaͤufftig auffzuhalten.

Das erſte damit die Proſodia um - gehet / iſt / daß die quantitas Syllabarum woll in acht genommen werde. Sel - bige iſt nun in der Griechiſchen und La - teiniſchen Sprache mehr auff die Eygen - ſchafft der Buchſtaben gerichtet / als in der Teutſchen / Frantzoͤſiſchen und Itali - āniſchen / welche nur bloß auff den Accent gehen. Nachdem derſelbe die Woͤrter erhebet oder niederdrucket / nach dem muß auch die quantitas Syllabarum ſich richten. Wie nun bey den Griechen und Latei - nern ihre quantitas Syllabarum mehꝛ Kunſt hat / ſo folgt bey uns die quantitas Sylla - barum der Natur und Außſprach. Deñ auch der Griecheñ und Lateiner Woͤr - ter vor alters nicht anders als die unſri - ge geweſen / nachgehends aber ſein durch die verſchiedene endigungen / Zertrei - bung der Conſonantium, dieſe Sprachen in eine gantz andere Form gegoſſen / undhat531der Teutſchen Sprache. hat nach dem die quantitas Syllabarum ſich geaͤndert / das metrum und ſelbſt die Muſic ſich auff dieſen Grund faſt geſe - tzet. Nach der Griechiſchen und Latei - niſchen Sprache aber zu urtheilen / ſo hat die Teutſche Sprache mehr Moloſſos und Spondæos als eine eintzige / deßhal - ben wurde das in dem Lateiniſchen und Griechiſchen uͤbliche metrum ſich zu derſel - ben nicht ſchicken. Die andern Spra - chen als Italiaͤniſche / Spaniſche uñ Fran - tzoͤſiſche / weiln ſie der Lateiniſchen etwas naͤher kommen / haben eine groͤſſere Ver - ānderung der Pedum, als bey uns. Sie ſind aber dennoch gleichwoll des Lateini - ſchen metri nicht faͤhig. Es haben ſich zwar einige bemuͤhet dergleichen metrum in dem Teutſchen auffzubringen: Aber es will ſich durchauß bey unſern Ohren nicht ſchicken. Plempius hat in ſeiner Orthographia Belgica eine ſolche art zu Poetiſiren in der Niederlaͤndi - ſchen geſucht. Zu dem Ende er die Ver - doplung der Conſonantium in den infini -l l 2tivis532Das V. Cap. Von der Proſodiativis und andern Woͤrtern auffhebet / wel - che er fuͤr unnoͤthig hālt. Daher dann ſolche Sylben ihm lang oder kurtz geſetzt werden / nachdem die Natur des vocalis es erfodert. Er hat die 10. Ode des 2. Buchs aus dem Horatio in ein gleiches Sapphiſches Niederlåndiſches verſetzet / deſſen Anfang alſo lautet:

Leeft vvel, en dringd, als ſchip-er hooge baren
Niet te ſeer, niet al te bedeeſt in onvveer
Siinde, feild ontrent rif-en, of gevaer van
Sandige banken. &c.

Er hat allhie aus dem Wort Schipper das eine p aus dem Wort riffen, das ei - ne f weggeworffen. Er hat noch ande - re als Phaleucos, Jambos im Niederlān - diſch geſetzet / aber die Reimen am Ende behalten. So klingen dieſe Jambi nicht ſo gar ungereimt

Het kleine hert, dan’t groote veel is moediger,
De lichte voet, dan ſvvaere veel is ſpoediger &c.

Das Vater Unſer hat er in Niederlaͤn - diſche / aber auch am Ende reimende He - oxametrs verſetzet:

On -533der Teutſchen Sprache.
Onſer al-er Vader tot in Heemelen hoochſte
ver heeven
(ven &c.
U diin heilige naem moet vverden, en eere gege -

Conſtantinus Hugenius hat in ſeinen Nie - derlaͤndiſchen Getichten ein Elegiacum nach art des Lateiniſchen gemacht / aber die uͤbliche quantitatem Syllabarum behalten / jedoch ohne Reimen. Es faͤnget alſo an.

Muyden ik legg te bedde gevelt veel platter als
yemant,
(kuſt.
Die mette vallende ſucht d aerde van achtere
Koortſige kolen in helderen brand verlange ver -
andert
(nochtans &c.
Doen my den andeen dagh vreeſen en vieren

In Teutſcher Sprache haben auch eini - ge die Latiniſirende Carmina gemacht: Gleich wie dieſes / das jemand auff Herꝛn Opitium geſchrieben.

(ehret /
Unſer / Opitz / Teutſchland / dir jungſt die Sprache ver -
Welche mit hoͤchſtem Fleiß ſuchte der edle Poet.
Ei ſo danck demſelben fuͤr die trefliche Muͤhe
Daß auch den Teutſchen ſind die Getichte bekant.

Der in der Teutſchen Bibel ungefehr vorfallende Hexameter iſt auch von unter - ſchiedlichen angemerckt: Und Iſaac ſchertzet mit ſeinem Weibe Rebecca. Burchardus Berlichius der ein Buch de Ju -l l 3re534Das V. Cap. Von der Proſodiare Novercarum geſchrieben Anno 1628. hat die verſus Leoninos im Teutſchen nach - ahmen wollen / indem er die Pflicht der Stieffmuͤtter in ſolche art Verſe begrif - ffen / welche aus deſſen Buch part. 1. art. 5. ſect. 8. der kurtzweil halber ich hieher ſe - tzen will:

Ein fromm Stieffmutter thut die verſtorbene Mutter
Faſt wieder erwecken; Sie thut gleichfoͤrmige Wercke
Liebt ihren Ehgatten / dem ſie nach Wunſche gerathen /
Macht ihm viel Freuden / die macht ſie lang ohne Leiden.
In Zorn deßgleichen / ſie thut ihm mit Gnade weichen.
Hilfft ihrn Stiefftindern / und mag ſie nichts daran hin - dern
Dieſelb ſie liebet; Sie nie kein Schande veruͤbet /
Hilfft ihnn zu freyen: Hilfft ſonſt zu dem / ſo gedeyen
Denſelben bringet: Sie fleiſſig nach deme ringet /
Was Gott / was G'wiſſen / was der Nechſt koͤnne genieſſen.
Iſt nicht ein Starbock / odr ſonſt ein garſtiger Harbock:
Iſt auch nicht untreu / was recht iſt / ſie thuet ohn ſchen
Iſt keuſch / iſt nehrlich / iſt freundlich / wandelet ehrlich /
Iſt nicht den Kindern haͤſſig; nicht ſauerer Eſſig:
Will nicht verletzen / da ſie doch koͤnte verhetzen
Den Mañ gegn Kindern: Sondern will gerne verhindern
Daß der boͤſe Vater mit ihn nicht anfaͤhet Hader.
Das gut ſie mehret / das Hauß ſie glinde regieret.
Hilfft Ungluͤck wenden / hilfft aus den armen Elenden.
Die Toͤchtr imgleichen ſie zieht / als weren ihr eigen
In Zucht und Tugend. So gibts daher artige Jugend.
In535der Teutſchen Sprache.
In Summ was billig / das thut dieſelbige willig
Und trifft das Mittel.

Dergleichen Verſus Leoninos, wie auch an - dere nach Lateiniſcher art / hat auch Cam - panella im Italiaͤniſchen und Spaniſchen geſchrieben / und meinet daß ſolche gar wol und leicht in denſelben zu machen. Dann er ſaget Poetic. cap 10. art. 2. Hanc menſu - rā nec in Italica vulgari, nec in Hiſpanica, nec in Gallica habemus: ſed poteſt facile inve - niri, & eleganter, uti in verſificatoria Ita - lica oſtendi, & in noſtris canticis plurima ſunt vulgaria metro latino compoſita. Sorbier hat in dem Buch / daß er von der Frantzoͤſiſchen Sprache geſchrie - ben / deſſen wir droben erwehnet p. 227. von derſelben eben ſolches be - hauptet: daß es nicht unmoͤglich die La - teiniſchen metra darin nach zu machen / gedencket auch des Rapini der deſſen eine Probe gegeben / welche der gelehrte Ca - ſaubonus in ſeinem commentario uͤber den Perſium lobet. Bey dem Geſnero in ſeinē Mithridate findet man ein Exempel eines Teutſchen Hexametri und Frantzoͤſi -ſchen536Das V. Cap. Von der Proſodiaſchen Phaleuci. Joh. Gerh. Voſſiꝰ meldet Inſt. Orat. lib. 5. c. 5. p. 329. daß er im Niederlaͤndi - ſchen auch dergleichē gemacht. Es hat auch Aquilonius in ſeiner Manuductione ad Poe - ſin Danicam inſonderheit ſich bemuͤhet die Lateiniſche art zu Poetiſiren ſeinen Landsleuten beliebt zu machen / wie er dann viel genera Metrorum Latinorum in Daͤniſcher Sprache angefuͤhret / uñ unter andern ein Heroicū auff die Stad Malmoͤ / ſo zimlich weitlaͤufftig iſt. Das Vater Unſer hat er in einem Phaleuco Carmine verfaſſet welches alſo lautet:

Fader milde der Himmelen beſid der /
Nafnit være dit immer ærit hos os /
Os dit Rige bekomme lad oc infa /
Oc din Ville begas her oc forholdis /
Som den ſkeride Land her ofven erre.
Vort Brod daglige gif met al behsring.
Vor Skyld bortleg oc ey betale / ſom vi
Oc ſtrax Skyldener alle vil benade /
Fra Friſtelſe bevare lengo / fra alt[o]nt
Rigit thi dit er / ævig Ære / Loff / Prijs /
Mact oc Herlighed / immer nden ende.

Wir laſſen zwar einem jedem in dieſem Wercke ſeine uͤberfluͤſſige Gedancken. Ich halte aber / daß es eine vergebliche Ar -beit537der Teutſchen Sprache. beit ſey / eine Sprache wieder ihre Ey - genſchafft in ſolches Gebaͤnde zu zwingen. Dieſes urtheilet auch Baco Verulamius lib. 6. de augmentis ſcientiarum cap. 1. Il - lud reprehendendum, ſagt er / quod quidam antiquitatis nimium ſtudioſi linguas mo - dernas ad menſuras antiquas heroicas, ele - giacas, ſapphicas traducere conati ſunt, quas ipſa linguarum fabrica reſpuit: nec minus aures abhorrent: in hujusmodi re - bus ſenſus judicium artis præceptis præpo - nendum. Iſt alſo das beſte / daß man bey der uͤblichen Poeſie im Teutſchen bleibe / und dieſe Kunſt ſo viel als immer muͤglich iſt / außuͤbe. Von den Lehrſaͤ - tzen ſelbſt wird bey andern weitlaͤufftig gehandelt / worinnen man eben ſich nicht ſo viel auffzuhalten. Dann es lernet ſich die Poeſis viel gluͤcklicher durch die Ubung an ſich ſelbſt / als durch viele Reguln. Es haben ſich auch einige gefunden wel - che ſonderliche Handgriffe in dieſer Kunſt verheiſſen / wodurch man ohne groſſe Bemūhung alſo fort ein Carmen ſchrei - ben kōnne / ob man gleich keine Proſodiaml l 5ge -538Das V. Cap. Von der Proſodiageleſen. Dergleichen artificium eignet ihm Kircherus im Lateiniſchen zu / gleich wie er auch einige Erfindungen hat einen der Muſic unwiſſenden dahin zu bringen / daß er etwas richtig in die Muſic ſetzen ſolle. Und geſchicht eben auff ſolche art / als wañ man durch die Virgulas Nepperi - anas rechnet ohne ſondeꝛliche Wiſſenſchafft der Rechenkunſt. Dergleichen Arbeit hat lange vor Kirchero ein Engellaͤnder Webbe in einem abſonderlichen Buch / deſſen titul: Uſus & autoritas loquens vor - geſtellet / worinnen einige Verſe aus dem Ovidio in ihre pedes auffgeloͤſet / und nach Ordnung derſelben die Woͤrter hinge - geſetzt. Wann nun einer Verſe machen will / der lieſet die Woͤrter aus den pedi - bus zuſammen / daß ein Hexameter oder ſonſt was drauß wird. Aber es kan ein jeglicher leicht gedencken / daß dieſes eine armſeelige Erfindung ſey / dadurch zwar Worte koͤnnen zuſammengebracht wer - deu / aber ohne Verſtande und Geiſt. Im Teutſchen hat Stanislaus Minck vonWeinß -539der Teutſchen Sprache. Weinßheun / oder der unter dieſem Nah - men verborgen iſt / Johannes Juſtus Win - kelmann ein Buch genant Proteus geſchrieben / worinnen er nach der Lullia - niſchen Kunſt anweiſen will / wie ein jed - weder ohne Muͤhe alſobald etliche tau - ſend Verß machen und zu Papier brin - gen koͤnne. Er ſetzet des Lullii neun Faͤ - cher als Guͤte / Groͤſſe / Beſtaͤndig - keit / Gewalt / Weißheit / Begier - de / Tugend / Warheit / Ruhm. Dieſen ſeyn ſo viel andre Contraria entge - gen geſetzt. Ein jedes Fach muß nach dem Alphabet in ſich begreiffen 1. Subſtantiva. 2. Adjectiva. 3. Verba. Ein jegliches von den erſten Fāchern iſt mit einem auff - gerichteten / die contraria mit ei - nem umgekehrten Buchſtaben gezeich - net. Wie offt nun die Buchſtaben unter einander verwechſelt werden koͤnnen / ſo koͤnnen auch die Faͤcher durch einander gefuͤhret werden / und was darunter enthalten zu einer Rede oder Carmine gebraucht werden. So hat auch Quiri -nus540Das V. Cap. Von der Proſodianus Kuhlman in ſeinem Prod[r]omo Quin - quennii mirabilis ein Buch verheiſſen / deſſen Titul ſehr weit hinauß ſiehet: Ars magna Poëtica, Verſificatoria, Rhythmi - ca in quâ porta ad Germanicam triplicem Poeſin cum Deo aperienda, multa millia carminum genera docenda, Epitheta plus - quam 100000 Poëtica virtute inventorum novorum artis Alphabetorum eruenda: verbo: in paucis quibusdam methodus de - monſtranda tantæ perfectitudinis, ut Teu - tonica lingua cum aliis non de copiâ ſolum, ſed de ipſo principatu elaborationis poſſit contendere facillime. In ſeiner Epiſtel de mirabilibus quibusdam inventis, geden - cket er auch dieſer Erfindung / und gibt zu verſtehen / daß ſolches in einer Ro[t]â Naturæ beſtehe. Worauß zu ſehen / daß es dem Artificio Lulliano gleich ſein muͤſſe. Ich laſſe dieſe Kuͤnſte an ſeinen Ohrt ge - ſtellet ſein / und weiß ich woll / was man ins gemein von der Lullianâ arte urthei - let. Halte aber davor daß man eini - gen Nutzen davon haben koͤnne: wannman541der Teutſchen Sprache. man zuvor die rechten Gruͤnde der wa - ren Rede und Tichtkunſt geleget hat. Dañ es gibt auch die Natur in den Er fin - dungen an die Hand / daß wann man die gewiſſe Ordnung der Dinge in rich - tiger Bereitſchafft hat / man ſeine Ge - dancken ſehr woll darnach einrichten koͤn - ne / die in dem Analogiſmo Naturæ ihren Grund haben muͤſſen. Es iſt aber gleich viel / ob ich die Artem Lullianam oder die zehn Prædicamenta dazu gebrauche. Wo - von ich ob ob GOtt will in einem Buche de arguta dictione mit mehren handeln will. Wer aber die rechte Gruͤnde der Wiſſenſchafften an ſich ſelbſt nicht voll - ſtaͤndig erlernet / als die von Ariſtotele gewieſene locos und Enthymemata in Rhe - toricis, die aus den Hertzen der Sachen flieſſen / alle dieſe Kuͤnſte und circulatoria inventa, die nur an ſtatt eines Jndicis und Directorii dienen koͤnnen / wenig nuͤtzen; Dañ er wird / weil er keinē delectum dar - unter zu machen weiß / an ſtat einer foͤrm - lichen Rede und Carminis ein unnuͤtzesPa -542Das V. Cap. Von der ProſodiaPapegeien-Geſchwaͤtze hervorbringen.

Es ſolte auch nicht wenig zu erleich - terung der Teutſchen Verſe helffen / wañ man / wie in dem Griechiſchen von Georg. Koͤnig / im Lateiniſchen von Bucellino und Balbino die Woͤrter nach den pedi - bus geordnet hātte: dann ich habe die - ſes eine gute Beyhuͤlffe befunden / wann man bißweilen auff ein epitheton, verbum oder ſubſtantivum nicht kommen kan; ja es gibt offtmahlen zu einigen Einfaͤllen und Erfindungen anlaß / in dem man auff ein Wort geraͤht / das eine Metapho - ram (welche ein Grund aller ſolchen Ein - faͤlle iſt) an die Hand gibt / daß man offt 2, 3. oder mehr Verſe darauß ableiten kan. Wie ſolches im Teutſchen auch die bloſſe Reime thun koͤnnen / deßhalben die Reim-Lexica einen groſſen Nutzen haben. Es geſchieht ſolches bißweilen in der Teut - ſchen Poeſi / daß ein Wort geſetzet wird / ſo eben nicht anſteht / oder welches durch eine Metaphoram koͤnte erhoͤhet werden. Weiln man aber an den pedem gebun -den543der Teutſchen Sprache. den iſt / ſo wird man lange herum den - cken muͤſſeu / ehe man ein bequemes und anſtaͤndliches Wort außfindet. Wann man nun ſolchen Abacum von denen unter ihren pedibus geſetzen ſubſtantivis, ver - bis, adjectivis, particulis hat / ſo darff man nur den pedem anſehen / und wird ſo fort ſich aͤuſſern / ob ein bequemes Wort zu finden oder nicht.

Wir ſolten nun zwar auch von der quantitate Syllabarum ins beſondere han - deln. Aber es ſein groſſe Buͤcher hievon geſchrieben. Nur wollen wir dieſes we - nige allhie anfuͤhren. Wann ein adjecti - vum zu dem ſubſtantivo geſetzet wird / o - der ſonſt ein zweyſylbig ſubſtantivum zu einen andern einſylbigen Worte / oder ei - nem zweyſylbigen Verbo infinitivo eine præpoſitio vorgeſetzet wird / ſo gibt ſolches einen dactylum: Wiewoll dem Accent nach zu gehen / die Mittelſylben gleichſam halb lang ſein / oder die beyden erſten Sylben gar einen ſpondæum machen. Dergleichen Woͤrter ſein Ehrſuͤchtig /Groß -544Das V. Cap. Von der ProſodiaGroßmuͤthig / Wahnwitzig / Anlie - gen / Antreffen / Großvater ꝛc. So findet man bey dem Flemming / daß er lieber die letzte Sylbe in dieſen Woͤrtern lang ſetzen wolle / als das Mittel / weil die Nothwendigkeit in den Dactylis ſolches erheiſchet. Dann er ſaget / Großva - ter / - υ-Großmutter. - υ - Es klinget aber ſehr unlieblich. Plempius hat in ſeiner Orthograghia p. 30. von den Infinitivis cum particulâ junctis dieſelbe Meinung. In illis, ſagt er / etſi penultima ſyllaba vi - deatur eſſe longa; non eſt tamen, ſed ac - cèntu eminet, quod in vis ipſa verbi ſit, nequaquam in ſyllabam appoſititiam trans - ferenda. Ich wolte doch liber im Tro - chaico und Jambico genere, wann ſo ein Wort unvermeidlich muͤſte gebraucht werden / die mittle Sylbe lang ſetzen. Es iſt aber viel beſſer dergleichen Woͤrter zu fliehen / weil ſie faſt bey den Teutſchen keines metri recht faͤhig ſein: Dieſes muß auch von denen Woͤrtern in acht genommen werdeu / die in plurali einenDa -545der Teutſchen Sprache. Dactylum machen / und in ſingulari eine zweyſylbige Compoſition haben / als Wirthshaͤuſer / Zehrgelder. Es hat auch faſt eine gleiche Bewandniß mit den Woͤrtern / die in ſingulari zweyſylbig in plurali dreyſylbig ſein / als: Kleidung / Kleidunge / Irrthum / Irrthuͤmer / und dergleichen. Beſſer iſt ſolche gantz und gar zu vermeiden. Ferner muß auch noch etwas von den Einſyl - bigen Woͤrtern erinnert werden. Dieſe weil ſie ſehr haͤuffig in der Teutſchen Sprache ſein / und dannenhero bißwei - len gantze Verſe davon beſtehen / ſo hat man die Regul gemacht; daß die Mono - ſyllaba lang und kurtz ſein / welche Herr Praſch nicht will gelten laſſen. Dann nach ſeiner Meinung ſein etliche von Natur lang / etliche kurtz / etliche frey / etliche zufālliger weiſe lang oder kurtz / nachdem fie ſtehen / oder mit andern ver - einiget werden. Er fuͤhret dennoch viel Monoſyllaba an / die nach der Veraͤnde - rung des Verſtandes bald lang bald kurtzm mſein.546Das III. Cap. Von der Proſodiaſein. Welches zwar an ſich ſelbſt rich - tig gnug iſt / aber es iſt etwas zu genau geſuchet. Dañ wan alle die Exempeln die er ſelbſt anfuͤhret / ſolten verworffen werden / ſo wuͤrde der helffte theil von den beſten Getichten der vornehmſten Poeten Gefahr lauffen. Es werden in allen Sprachen einige Freyheiten von den vornehmſten Poeten gebrauchet / die man nicht eben nach der Gramma - tiſchen Richtſchnur abmeſſen muß. Dañ es erfodert bißweilen der Numerus, die Nothwendigkeit und der Wollaut et - was / das man ſonſt nicht billigen wuͤr - de. Wie wir dann aus dieſen Uhr ſa - chen beym Homero und Virgilio groſſe Freyheiten ſehen: Worinn ein gemei - ner Verſtand / der uͤber die Grammatic und die Proſodia nicht ſchreitet / ſich nicht zu finden weiß. Und iſt uͤber dem zu be - trachten / was der Herr Menage ur - theilet / daß man kleine Fehler von groſſen Poeten uͤberſehen muß. Im uͤbrigen iſt von den Einſylbigen Woͤrtern zu mer -cken547der Teutſchen Sprache. cken / daß es eine uͤberfluͤſſige Sorgfalt ſey / derſelbē vielfāltigkeit zu meiden. Die - ſes kan in dergleichen Sprachen nicht ge - ſchehen. Wie es dann auch im Fran - tzoͤſiſchen Herr Menage vor unmoͤglich hālt / in ſeinen Anmerckungen uͤber den Malherbe lib. 5. p. 452. So ſind auch die ein ſylbigen Endigungen nicht zuverwerffen / es were dann / daß dieſe Woͤrter einen ſenſum abruptum haͤtten / und ein comma machen / wenn andre vielſylbige vorher gehen. Im Griechiſchen und Lateini - ſchen wird es bißweilen vor eine Zierraht des Verſes gehalten / wie Hermogenes ſelbſt davon urtheilet. Ob zwar Servi - us von des Virgilii einſylbigen Endigun - gen der Verſe / das Gegentheil behaup - ten will. Deſſen / als eines Grammatici Urthel / nicht groß zu achten iſt.

m m 2Das548Das VI. Cap. Von dem Numero

Das VI. Cap. Von dem Numero Poëtico.

Einhalt. DEr Numerus muß inſonderheit in Carmine in acht genommen werden. Bringt ihm ein Leben bey. Drey Theil eines Carminis λόγος, ἁρμονία, ῥυϑμὸς. Was rhythmus ſey. ein ander iſt im Lateiniſchen / einander im Teutſchen. Pedes ſimplices und Compoſiti im Lateiniſchen und Teutſchen. Teutſche Spondæi. Ein jegliches metrum hat ſeinen ſondeꝛlichen Rhythmum. Wie auch die Odē die geſungen werden. Der rhythmus an ſich ſelbſt iſt faͤhig das Gemuͤth zu bewegen. Rhythmus in dem Trommelſchlag / und in andern Bewegungen. Rhythmus in dem Kaͤmmen der Hare / auß Iſaaco Voſſio. Collocatio & harmonia verborum. Marii Bettini Mathematiſche Betꝛachtungē hieruͤber. Exempel der Harmoniſchen Zuſam̃enſetzung in den Verſen. Der Autor des Buchs de la connoiſſance des bons livres urtheilet nicht woll / wañ er die Lateini - ſche Poeſie leichter haͤlt / als die Frantzoͤſiſche. Derglei - chen Harmoniſche Collocation findet man auch im Teutſchen. Die Zuſam̃enſtimmung der Strophen. Marii Bettini Commentarius uͤber Ariſtotelis Po -eti -549Poetico. eticam. Homeri und Virgilii Vortreflichkeit be - ruhet vornehmlich auff dem Numero Poetico. Clau - diani ταυτομετρία. Man muß auff die Lieblichkeit im Carmine nicht allein ſehen. Torquatus Taſſus iſt bißweilen mit Fleiß unlieblich. Rapini Lateiniſche Poeſis. Frantzoͤſiſche Sprache iſt ſolches numeri nicht faͤhig / zum theil auch nicht die Teutſche. Hievon wird ein mehres am andern Ohrte gehan - delt werden.

DIe Betrachtung der kurtzen und langen Sylben / und deren darauß entſtehenden Fuͤſſe / und Reimgebānde / fuͤhret uns allhie auff die Betrachtung des Numeri Poëtici oder Rhythmi. Von welchem auch die vor - nehmſten Poeten ſo gar wenig zu ſagen wiſſen / da dennoch dieſes gleichſam das Leben eines Carminis iſt / und andere Geiſter / die es hoͤren oder leſen / gleich - ſam lebendig macht und auſſer ſich fuͤh - ret. Dann gleich wie die Kuͤnſtler / Bild - ſchnitzer und Mahler es fuͤr die groͤſte Kunſt halten / ihren Wercken die Leben - dige Bewegunge / ſo weit es ſich thunm m 3laͤſt550Das VI. Cap. Von dem Numerolaͤſt / mit zu theilen: So muß auch die Poëſis, deren gantzes Weſen in imitatione beſtehet / den Woͤrtern eine ſonderliche Krafft und Regung / theils durch das Gebaͤnde / Wollaut und gebuͤhrliche Zu - ſammenſetzung und Verſetzung / theils durch die Metaphoras, die Ariſtoteles κατ 'ἐνέργειαν neñet / geben. Dañ es wird ein jeglich Carmen, oder vielmehr alle Rede von dem Platone Dial. 2. de legibꝰ in 3. Theil λόγον, ἁρμονἰαν, ῥυϑμὸν getheilet / worunter dieſes alles begriffen wird. Ohne dieſem iſt alles todt / und beſtehet nur aus ei - nem leeren Schall. Der Rhythmus (dann ſo nennen die Alten die gewiſſe proporti - on der Fuͤſſe unter ſich / die aus ihrer kuͤrtze und laͤnge entſtehet) muß wie im Griechiſchen und Lateiniſchen inſonder - heit / ſo auch im Teutſchen woll in acht genommen werden. Jene haben eine viel genauere Eintheilung der Fuͤſſe / als die Teutſche / die nur bloß nach dem Ac - cent gehen. Nach dem nun die Be - ſchaffenheit der Sache es erfodert / inden551Poetico. den Gemuͤhtsbewegungen zu erregen / dar - nach richtet ſich auch der Gebrauch der pe - dum, und der darauß zuſammen geſetzten metrorum. Uber die pedes ſimplices hat man auch compoſitos, welche nicht glei - cher art mit den einfachen ſeyn / ſondern eine gantz andre Natur an ſich nehmen. Dann ſie bewegen viel hefftiger / und iſt ihr Schall in der Muſic viel durchdrin - gender / wee dergleichen viel in den Odis und Dithyrambis ſein. Im Teutſchen hat man zwar wenig pedes, als Trochæum, Jambum, Anapæſtum, Dactylum. Wel - chen Herr Praſch auch den Spondæum hinzuſetzet / wie er dann in dieſem Pan liebt / Gott lebt / und in den beyden erſten Sylben der im vorigen Capitel angefuͤhrten Woͤrter Blutruͤnſtig / Mannsliebe / Andaͤchtig / Gold - bergwerck denſelben zu finden meinet. Man kan auch nach art der Lateiniſchen einige pedes compoſitos machen / wie wir im folgenden ſehen werden. Wie nun ein jedes Reimgebaͤnde aus einem ge -m m 4wiſſen552Das VI. Cap. Von dem Numerowiſſen Maaß der Fuͤſſe beſtehet / ſo folget auch darauß / daß ein jedes metrum ſei - nen ſonderlichen rhythmum habe / wel - cher / da er nicht in acht genommen wird / das gantze Weſen deßhalben in unꝛichtig - keit kommet / und durchauß kein Geſchicke hat / ob gleich die quantitas Syllabarum und das metrum im uͤbrigen woll in acht genommen. Es verhaͤlt ſich auch dieſes mit der Teutſchen Poëſi nicht anders / wie wir nachgehends / wann wir von den O - den handeln / darthun wollen / daß der Rhythmus derſelben / die zur Muſic ge - macht werden / gantz anders ſein muͤſſe / als der gemeine. Vondem rhythmo in loſer und gebundener Rede iſt beym Ariſtotele in Rhetoricis, Cicerone in Oratore, auch bey den altē Muſicis, Claude Fauchet de la langue & poëſie francoiſe l. 1. c. 6. Patricio in ſeinem ſchoͤnen Buch della Poëtica part. 1. libr. 6. part. 2. lib. 9. und endlich dem Voſſio in ei - nem abſonderlichen Buch ein mehres zu leſen. Zu geſchweigen des Dioniſii Hali - carnaſſenſis, der 24. Buͤcher von der Rhyth -mi -553Poetico. mica veterum geſchrieben / welche aber verlohren ſein. Es haben auch die Medici in dem Pulß der Hand ihren Rhythmum. Ja alles was auff gewiſſe art und Maaſſe bewegt wird / hat denſelben / im - gleichen auch das Tantzen. Man kan ſolchen Rhythmum, auch ohne den Woͤr - tern und dem metro ihm einbilden: Wie ſolches aus den Woͤrtern des Vir - gilii in Bucolicis erhellet: numeros memi - ni, ſi verba tenerem. Man kan die - ſes am beſten auff einer Trommel vor - ſtellen / worauff durch die Ordnung der Schlāge / und deren gewiſſe Zeiten nicht allein ſonderliche und mit den Kriegs Auffzugen ſehr woll uͤbereinkommende Zeichen koͤnnen gegeben werden / ſondern alle Lieder / auff was weiſe und art ſie auch gemacht / ſich ſpielen laſſen / ob gleich keine Worte / keine andre Melodey dabey iſt. Man hat bey den alten Mu - ſicos gehabt / die auch ohne eintzige Re - de bloß durch den Rhythmum die Gemuͤ - ther der Menſchen kraͤfftiger bewegen koͤn -m m 5nen /554Das VI Cap. Von dem Numeronen / als die Oratores jemahls mit der gelehrtſten Rede gethan / wie ſol - ches aus dem Hermogene περὶ ἰδεῶν zu ſe - hen. Es iſt ja auch bekant / was von den Pantomimis erzehlet wird / wie dieſelbe bloß allein durch ihre geſtus und einen gewiſſen rhythmum alles haben nachma - chen koͤnnen. Es iſt laͤcherlich und merck - wuͤrdig was Voſſius in offterwehntem Buch p. 63 anfuͤhret. Non ſemel recor - dor, ſagt er me in ejusmodi incidiſſe ma - nus, qui quorumvis etiam canticorum mo tus ſuis imitarentur pectinibus, ita ut non - nunquam, jambos vel trochæos, alias da - ctylos vel anapæſtos, nonnunquā amphibra - ches aut pæonas quam ſcitiſſime exprime - rent, unde haud modica oriebatur dele - ctatio. Wann nun zu dieſem Rhythmo die Woͤrter hinzu gekommen / und dieſel - ben ihre gute harmoniam nach ihrem po - ſitu gehabt / ſo hat ſolches bey verſtaͤndi - gen Leuten eine groͤſſere Bewegung erre - gen muͤſſen. Was an der Collocatione verborum nach dem Maaß und der har - monia gelegen / ſolches hat eine viel tieff -ſin -555Poetico. ſinniger Betrachtung von noͤthen / als hie kan vorgeſtellet werden. Dieſer Verß aus dem Horatio

(cus, rem
Indignum coges: adimam bona: mempe pe -

hat mit dieſem des Claudiani

Hæc largo matura die ſaturataque vernis &c.

eine gleiche dimenſionem. Aber dieſer klingt viel lieblicher und hat einen beſſern Poetiſchen numerum, als jener. Dann die vielen kleinen inembra und inciſa, die ohn einiger harmoniſcher Verwechſelung der Subſtantivorum und Epithetorum auff einander folgen / geben dem Verß eine frembde art / die einer loſen als gebund - nen Rede āhnlicher iſt Weßhalbē die in O - ratione ſoluta ungefehr einfallende Ver - ſe / bey ermanglung des numeri keine rech - te Verſe zu nennen. Der Marius Bet - tinus ein gelehrter Mathematicus philoſo - phirt uͤber dieſe Woͤrter Ordnung / auß Mathematiſchen und Muſicaliſchen gruͤn - den / in ſeinen ſo genandten Apiariis, A - piar. 10. progym. 1. prop. 7. woriñ er von der Harmonia metrica in den Lateiniſchen Carminibus handelt. Er hat alle genera derCon -556Das VI. Cap. Von dem NumeroConſonantiarum Muſicarum in Elegiaco Carmine unterſucht / als diapaſon, dia - pente, diateſſaron. Zum Exempel von die - ſen Verſen.

Et Phaetontæas ſolitæ deflere querelas
Roſcida frondoſæ revocant electra ſorores.

urtheilet er alſo: Solitæ & frondoſæ quinto inter ſe loco conſonant, per conſonantiam diapente. Solitæ & ſororos octavo loco per diapaſon. Præterea Phaëtontæas & querelas item roſcida & electra quartis inter ſe locis reſonant diateſſaron. Dergleichen mehr exempla fuͤhret er aus ſeinem Sylviludio und Satyro-paſtorali an. In dieſem di - ſticho:

Fertilis aſſiduo ſi non renovetur aratro,
Nil niſi cum ſpinis gramen habebit, ager

findet er Diapaſon diateſſaron. Dann die Woͤrter Fertilis und ager klingen gleich - ſam in einem Circul zuſammen / und gibt traun dieſes die ſchoͤnſte Harmoniā in Ele - giaco Carmine, ob gleich keine Conſonantia in den Endigungen der Woͤrter iſt / wie in aſſiduo und aratro. Dann dieſeiſt /557Poetico. iſt / wie er ſaget / Conſonantia intelle - ctualis è correlationibus verborum. Die - ſe Harmonia meinet er ſey dem Lateini - ſchen ſo eigen / daß ſie durchauß in an - dern Sprachen keine ſtaat habe. Wel - ches auch der Warheit gemaͤß. Es iſt durchauß nicht zu billigen / was der Autor des Buchs de la connoißance des bons livres traité 3. urtheilet: daß die - ſer ſo vielfaͤltigen Verſetzungen halber ein Lateiniſches Carmen leichter zu ma - chen ſey / als ein Frantzoͤſiſches / worin man gar keine Freyheiten haͤtte / und ſich gar genau an die Regeln der natuͤr - lichen Rede binden muͤſſe. Dañ es iſt eben dieſer Uhrſachē halber vielmehr um zu keh - rē: weiln in der Lateiniſchen und Griechi - ſchen Sprache viel Verſetzungen ſein / die aber nicht / wie er meinet / nach belie - ben koͤnnen geſetzet werden: dañ es hoͤret eine groͤſſere Ubung und Sorgfalt zu den - ſelben / als zu dem Frantzoͤſiſchen. Man hat auch gleichfals im Teutſchen eine U - bereinſtim̃ung der commatum und mem -bro -558Das VI. Cap. Von dem Numerobrorum, welche einen groſſen Unterſcheid in der Elocutione Poëtica macht. Man le - ſe Herrn Opitzen und Herrn Flemmings Carmina, und halte ſie gegen einander / man wird eine groſſe ungleichheit dieſes Rhythmi halber finden: Dann bey dem Flemming ein concitatior numerus ſich findet / als bey dem Opitz. Eben dieſe Con - ſonantiæ, die ex collocatione verborum metricâ in einem Verſe kommen / koͤn - nen auch in den Stophis der Oden dar - gethan werden. Dann es iſt auch allhie ſo woll eine generalis conſonantia Stro - pharum, als eine particularis verſuum. Bet - tinus findet auch hierin ſtrophas tetrachor - das, pentachordas, hexachordas, octochor - das &c. deren Exempel er in ſeinen Eutra - peliis und in ſeinem Viridario vorbringet / verweiſet auch den Leſer auff ſeinen Com - mentariū in Ariſtotelis Poticam, davon ich nicht weiß / ob er hervorgegeben ſey. Er ſaget ſonſt ſelbſt von dieſem Wercke: Ad hoc opus exornandum congeſſimus pene omnes opes poeticas è præcipuis Poetarumac559Poetico. ac è fabularum Scriptoribus Græcis, Lati - nis, Italis. Wodurch mir keine geringe Begierde erwachſen / dieſes Buches hab - hafft zu werden / dann er eine ungemei - ne Scharffſinnigkeit in erforſchung des Rhythmi in Carmine zeiget / welches nie - mand vor ihm in den Sinn gekommen. Die alten Griechiſchen und Lateiniſchen Poeten haben durch dieſen Numerũ ihre Carmina unvergleichlich gemacht / und je mehr er von ihnen in acht genommen wordẽ / je vortreflicher iſt ihre dictio und Elocutio geweſen. Dieſes macht des Homeri Poeſie ſo herrlich: daher auch Athenæus davor hālt / daß keine Carmina beſſer zu ſingen ſein / als die ſeinige. Vir - gilius iſt im Lateiniſchen der Meiſter / deſ - ſen unvergleichliches Urthel alle Worte und Verſe ſo abmißt / daß man die Sa - chen ſelbſt vor Augen zu haben meinet. Wer dieſes begreiffen kan / und den Vor - zug / den Virgilius in dieſem Stuͤcke vor andern hat / der hat einen vollkommenen Verſtand von der Lateiniſchen Poeſi zuur -560Das VI. Cap Von dem Numerourtheilen. Alle die andern wie ſie heiſſen kommen ihm beyweiten hierin nicht gleich. Der Claudianus wird zwar vom Barthio Aduerſ. lib. 57. c. 11. pro numeroſiſſimo Po - eta gehalten. Aber es iſt eine Ταυτομε - τρία, daß ichs alſo nenne / darin / und ei - ne durchgehende gleichſam tantzhafftige Woͤrtermaaß. Welches vor ein Hel - dengeticht nicht ernſthafftig gnug iſt / und in der vielfāltigkeit der Dinge die vor - geſtellet werden ſich nicht außnimt. Dañ man muß nicht auff die Lieblichkeit allein ſeyen / ſondern ſie muß nach Beſchaffen - heit unterbrochen werden. Gleich wie auch der Mißlaut ſelbſt / die Harmoniam bißweilen lieblich macht. Darum hat der unvergleichliche Taſlo die Lieblichkeit der Italiaͤniſchen Sprache mit harten Conſonantibus verſetzet / wie auß dem Anfang des vierten Buchs ſei - ner Gjeruſalemme liberata zu ſehen. Nachgehends hat man dieſe ſpringende Woͤrtermaaß noch vielmehr beliebt / wie der Sidonius Apollinaris gethan / biß mangar561Poetico. gar auff die ὁμοιοτέλευτα zu Teutſch genan - te Reime gekommen. Die Afri Scriptores haben inſonderheit dieſe Reimerey auch in Prolâ beliebt. Die in dem Virgilio dieſen numerum der Verſe etwas genauer gemerckt / und ſolches nachahmen koͤn - nen / ſein ohnzweiffel die beſten: Worun - ter zu unſer Zeit billig der Rapinus zu rechnen / welcher in ſeinen Reflexionibus num. 36. die Frantzoͤſiſche Sprache dieſer Zierde unfāhig zu ſein ſchaͤtzt; weil kein Unterſcheid der Abfaͤlle darin iſt. Wel - ches auff gewiſſe Art auch von der Teut - ſchen war iſt. Wir wollen hievon nicht mehr handeln / damit nicht / was zu ei - ner andern Arbeit von uns außerſehen / allhie vergriffen werde.

Das VII. Cap. Von den Reimen / ob ſie nothwendig ſein in der gemei - nen Poeſi.

Einhalt. ES verwerffen einige die Reime / als Iſaacusn nVoſſi -562Das VII. Cap. Von der ReimeVoſſius, Rolandus Mareſius. Sie ſind aͤlter als die verſus Leonini. Des Sluſii und Sorbiers wiederwertige Meinungen hierin. Die Reimende poeſis erregt durch den Gleichlaut keinen Eckel oder Einſchlaͤffrung. Sorbier ſagt diß vielmehr von der Griechiſchen und Lateiniſchen. Italiaͤner und Spanier belieben die ungereimte Verſe. Nicht a - ber die Frantzoſen. Deſſen Uhrſach wird vom Sorbier angefuͤhret. Es wird gezweiffelt / ob man in Comoedien Reime gebrauchen ſolle. Deſſen Urſachẽ. Voſſii Urtheil von des Arioſti ungereimtẽ Comœ - dien. de Meſſiriac hat Ovidii Epiſtolas in Fran - tzoͤſiſche ungereimte Verſe verſetzet. Sorbiers Urthel. John Milton hat ein Poemata The Pa - radis loſt ohn Reime geſchrieben. Ein Exempel in dem Niederlaͤndiſchen / auß dem Abrahamo Mylio.

DIe Reimen machen einen groſſen Theil der Teutſchen Poeſie, und iſt deren Betrachtung an dieſem Ohrte etwas gruͤndlicher anzuſtellen; dann bey andern werden nur bloß die Lehrſaͤtze von den Reimen gefunden / mit welchen wir uns nicht auffhalten wollen. Es haben die Außlānder dieſe Frage auff die Bahn gebracht / ob es nicht beſſerſey563Nothwendigkeit. ſey daß man die Verß ohne Reimen ſchreibe? Ja es ſind gelehrte Leute die dieſe Reimerey als ein barbariſches und Außlaͤndiſches Weſen verwerffen wollen. Iſaacus Voſſius hat in dem ſo offt erwehn - ten Buch de Poematum Cantu p. 25. gar weitlāufftig davon gehandelt / und aus den alten erwieſen / wie ſehr ſie den gleich - laut in den Sylben getadelt. Er neñet ſolches Reimgebānde / barbarum & in - conditum metri genus. Rolandus Mare - ſius ein gelehrter Mañ hat lib. 2. Epiſtol. Philologic. 4. wieder desſelben Gebrauch geredet / und vermeinet / daß dieſe art der gemeinen Verſe von den ver - ſibus Leoninis hergekommen / woriñen er irret: dañ ich davor halte / daß die verſus Leonini von der Reimerey in den gemeinen Sprachen ihren Urſprung ge - nommen / wie wir nachgehends mit meh - ren darthun werden. Dieſer Streit von der Nothwendigkeit und Nuͤtzlichkeit der Reimen in den gemeinen Verſen iſt zwiſchen dem Sluſio und Sorbier in demn n 2offt564Das VII. Cap. Von der Reimeofft erwehntem Buche auch abgehandelt. Jener wirfft dieſein vor daß die Reimen - de Poeſie durch den gleichlaut mehr den Schlaff als die Auffmunterung veruhr - ſache. Welches aber Sorbier leugnet / und zwar nicht ohn Urſach: Dann ob ſchon die Gleichheit ſich findet / ſo iſt doch dieſelbe verſchieden / und iſt die Vielfaͤl - tigkeit und Abwechſelung der dinge auch da / die einen Zuhoͤrer oder Leſer in der Auffmerckſamkeit erhalten kan. Ja er behauptet das Gegentheil / daß bey An - hoͤrung eines noch ſo herrlichen ungereim - ten Getichtes ihm der Schlaff und Eckel eher ankommen wuͤrde; als wañ der Reim die Ohꝛen / die ihre Vergnuͤgung da - von haben / allezeit gleichſam als durch eine harmonie eroͤffnet. Welche har - monia dañ durch die Abwechſelung der Reime ſehr unterhalten wird. Dero - halben die Italiaͤner in ihrem Poëmate Heroico inſonderheit dieſe Wechſel - Rei - me beliebet / die dann nicht weniger ein - ſchläffern koͤnnen / als eine wollgeſetzteMu -565Nothwendigkeit. Muſic denjenigen / der mit Fleiß darauff mercket. Dann wer ſolche nicht begreif - fet / oder keinen auffmerckſamen Sinn hat / den wird auch die allerzierlichſte und kuͤnſtlichſte Rede leicht in den Schlaff bringen. Er will vielmehr durch viele angefuͤhrte philoſophiſche Gruͤnde a p. 235. ad 243. darthun / es koͤnnen die Grie - chiſchen und Lateiniſchen metra einen eher einſchlaͤffern / als die reimende Frantzoͤſi - ſche Verß / wovon weiter bey ihm kan nachgeleſen werden. Es iſt zwar war / daß die Italiaͤner und Spanier ſolche ungereimte Tichterey belieben / wie dann Voſſius diejenige lobet. Aber Sorbier hālt davor es komm von ihrer Faulheit her / daß ſie nicht ſo viel Muͤhe anwen - den wollen. Wie er dann ſeine Fran - tzoſen deßhalben lobet / daß ſie lieber eini - ge metra, als Sonnet, Rondeau, Balade, Virelais erfinden wollen / darinnen einer - ley art Reime offtmahls widerholet wer - den / als dieſelbe vermeiden: welches / wie es muͤhſamer / ſo auch ergetzlicher iſt. n n 3Haͤtte566Das VII. Cap. Von der ReimeHaͤtte Lope de Vega ſeine Comoedien al - le in Reimen ſchreiben ſollen / er wuͤrde eine ſo groſſe Anzahl nicht hervor ge - bracht haben. Doch wuͤrde der Dra - matiſchen Poeſis halber noch einiger zweif - fel entſtehen koͤnnẽ. Dann man moͤchte hie einwenden / die Schauſpiele beſtuͤn - den auß Geſpraͤchen / die Geſprāche auß geſchwinden Einfaͤllen / wozu kein Reim ſich ſchicke / als welcher erſt mit Muͤhe und nicht ohne Kunſt / die doch billig ver - heelet werden ſoll / muͤſſe geſuchet wer - den. Es were dann daß man die Per - ſonen eines Schauſpiels vor gebohrne Poeten halten koͤnte. Weßhalben auch die Lateiner hiezu eine art Verſe erwehlt / die der ungebundnen Rede am nechſten komt. Es geben auch einige vor / es ſey ein Reim unfaͤhig groſſe Gedancken außzudruͤcken / und ſey vor kleine dinge laͤ - cherlich. Dann es koͤnne ja nichts un - geſchickter ſein / als wann man einem Diener ein gemeines Gewerbe / die Pforte zu ſchlieſſen / die Taffel zudecken ꝛc. reim -567Nothwendigkeit. reimweiß anbefehlen / und hingegen da man etwas groſſes vorzuſtellen / ſich an die Nothwendigkeit eines ſo unnoͤthi - gen Wortes ſo feſt verbinden wolte / daß man offt ſeine Gedancken dem Reim zu gefallen āndern muͤſte. Ob nun zwar dieſes nicht ohn einigen Schein der War - heit eingewandt wird / ſo fehlt es doch nicht an ſattſamer Beantwortung / wie wir dann im folgenden Cap. mit mehren davon handeln wollen. Dieſe und an - dere Uhrſachen haben einige be - wogen / daß ſie lieber ungereimte / als reimende Verſe ſchreiben wollen. Bey dem Arioſto ſein Comœdien, wel - che aus ungereimten Jambis beſtehen. Voſſius urtheilet von ihnen: Multis illæ placuere, & certè dignæ ſunt, quæ ab omni - bus laudentur, propter ingenium, ſed eti - am quod eo carminis genere expreſſæ ſunt, quod cantum admittat. Torquatus Taſ - ſus hat in ſeinem Amynta und Guarinus in ſeinem Paſtor Fido ſich derſelben Frey - heit auch gebraucht. Petrarcha hat eini -n n 4ge568Das VII. Cap. Von der Reimege ſolche Carmina hinterlaſſen / davon Nicolaus Franco in ſeinem Buche Il Petrar - chiſta einige heraußgegeben. Es hat auch im Frantzoͤſiſchen der Herr de Meſ - ſiriac des Ovidii Epiſtolas Heroidum in un - gereimte Frantzoͤſiſche Verſe uͤberſetzet / welche einigẽ nicht uͤbel gefallen. Aber der Herr Sorbier urtheilet von den Fran - tzoͤſiſchen ungereimten Verſen: Si quel - que un de nous ſe hazardoit auiour d’huy de faire des vers ſans rimes, tout le monde ſ en moqueroit au lieu de luy en ſavoir gré en faveur de noſtre langue. In der Engliſchen Sprache hat man nicht allein Comoedienſchreiber / wie den John - ſton und andre gehabt / ſondern auch ei - nige / die in Heroico poëmate die unge - reimte art beliebet. Der bekante Johan - nes Miltou hat ein vollſtāndig Poëma: ge - nannt The Paradis loſt, ohne Reimen ge - ſchrieben / woſelbſt er in der Vorrede die - ſer Schreibart das Wort redet / inſon - der heit dieſer Uhrſachen halber / daß des Reims wegen man offtmahlen wider wil -len569Nothwendigkeit. len Woͤrter ja gantze Reden ſetzen muß / die man viel eigentlicher und beſſer ohne dieſen Zwang haͤtte geben koͤnnen. In der Niederlaͤndiſchen Sprache iſt Abra - hamus Mylius ein Feind der Reimen / welcher in ſeinem Buch de Lingua Belgi - ca c. 29. eine gantze Ode de officio & ſide - litate veræ Amicitiæ, in Hollāndiſcher Sprache gleichſam zur Probe gegeben / deſſen Anfang alſo lautet:

Coomt hier mien Luidt geluydeloos
Noch ſtomm vvilt ſo niet hangen
Coomt, doet my nu den beſten dienſt,
Die immer ghy ſoudt moegen:
Coomt, helpt nu myne ſinnen:
Wilt nu te vverke legghen
Al d angenaem heid die ghy hebt
Al uvve lieflickheid. &c.

In Teutſcher Sprach hat noch niemand es zu verſuchen begehret / iſt auch eine un - noͤtige Aꝛbeit. Meines erachtens / wañ eineꝛ die ungereimte Verſe hoͤher als die an - dern halten wolte / were es eben / als wañ einer einer Stroh fidel vor einer wollge - ſtimten Geige den Vorzug gebe.

n n 5Das570Das VIII. Cap. Von der Reime

Das VIII. Cap. Verthedigung der Reime.

Einhalt. DIe Verſe in den gemeinen Sprachen haben ihre meiſte Zierlichkeit von den Reimen. Godeau Meinung hievon wird gelobet. Bey den alten Griechen und Lateinern hat man einige Reime auch vor alters gehabt. Anacreontis und Varronis reimende Verſe. Barthii Urthel. Rei - me flieſſen aus der Natur. Sein derowegen nicht zu verwerffen. Dieſer Grund wird vergeblich von Iſaaco Voſſio umgeſtoſſen. Seine Einwuͤrffe werden wiederlegt. Der auß den Reimen entſte - hende Woͤrterzwang iſt gleichfals nichtig. Dele - ctus verborum kan beſſer in einem gereimten als unngereimten Carmine in acht genommen werden. Der Reim umſchrencket die weitaußſchweiffende Gedancken. Iſt im Teutſchen nothwendig. Gibt bißweilen Erfindungen an die Hand. Man muß auch in den Schauſpielen die reimende Verſe zuge - ben. Antwort auff die im vorigen Capitel geſche - hene Einwuͤrffe. Die Reime ſein in den Lateini - ſchen Hymnis beliebet worden / vor den gewoͤhnlichen Lateiniſchen metris. Des Muͤnchs Ehrenfrieds Lateiniſcher Rhythmus. Buchneri Urtheil. Lateini -ſche571Verthedigung. ſche Reimen aus dem Cambdeno. Plcmpii, - ſii, Caldenbachii, Maſenii Lateiniſche Reimen. Petermanns Lateiniſche Oden auß des Riſten Lie - dern. Gemengete Lateiniſche und Teutſche Rei - men. Eine Probe aus des Barthii Adverſariis, und aus des Plempii Muſio. Conſtantini Huge - nii Olla podrida. Æquivoca Carmina. Eins das zugleich Teutſch und Hebraͤiſch iſt. Einan - ders / das zugleich Italiaͤniſch und Hebraͤiſch. Derglei - chen Carmina ſindet man auch im Italiaͤniſchen und Frantzoͤſiſchen. Macaronica Carmina.

OB nun zwar von vielen gelehrten Leuten / wie wir bereits angefuͤh - ret / die Reimen als eine Kindi - ſche Zierlichkeit verworffen werden / ſo kan und muß dennoch behauptet wer - den / daß dieſelben in den gemeinen Spꝛa - chen / und auch alſo in der Teutſchen nicht allein zu dulden / ſondern auch nothwendig ſein / und nicht koͤnnen auß - gelaſſen werden. Weßhalben der Herꝛ Godeau in ſeinem Diſcours uͤber des Mal - herbe Poëmata ſolche art Verſe als un - taugliche verwirfft / und den Malherbe lobt / daß er eine genauere Richtigkeit indie572Das VIII. Cap. Von der Reimedie Frāntzoͤſiſche Reime gebracht. Dañ dieſe neue Ketten / wie er ſagt / ſein viel - mehr eine Zierde derſelben / als Keñzei - chen der Dienſtbarkeit. Es ſein die Reime nicht ſo barbariſch wie die Roͤ - mer und Griechen ſie davor gehalten / dann man findet auch einige figuren der Rede; deren Zierlichkeit bloß in Reimen beſtehet / welche auch zu rechter Zeit ei - nen guten Platz in der Rede finden. Der Griechiſche Poet Anacreon hat ſie auch bißweilen in den Verſen / die nach ſeinen Nahmen genannt werden / beliebet. Wel - chen bey den Lateinern viele gefolget ſein / wie Barthius Adverſar. lib. 31. c. 7. ange - merckt / deren Schrifften ob ſie zwar un - tergangen / ſo haben dennoch eini - ge Grammatici etliche fragmenta uns er - halten / zu dem Ende fuͤhret er dieſe verſe des Varronis an:

Orthophallica attulit pſalteria
Quibus ſonant in Græcia dicteria,
Qui fabularum collocant exordia.
Es573Verthedigung.

Es ſetzet Barthius hinzu: In eam rem alii priſcorum loci adduci poſſent, ſi Analecta noſtra poëtica exſcribere vellemus. Sufficit Terentiani autoritas, qui rhythmos à me - tris diſtinguit, ut utrumque genus in uſu fu - iſſe confiteatur. Et eam diſtinctionem novit ultimum ævum, ſtudio non igno - rantiâ peccans. Es werden aber allhie an - dere rhythmi verſtanden / wie im folgen - den cap. zu ſehen. Ob nun zwar die Grie - chen und Lateiner ſolche Reime nicht durchgehends gebraucht / dann die Fuͤ - gung und Abmeſſung der Rede laͤſt es nicht zu. / ſo ſehen wir dennoch darauß / daß ſolche Reime mit der Sprache ſelbſt gebohren werden / und der Natur ge - māß ſeind. Von welcher die Griechen und Roͤmer ſich / durch geſuchte Kunſtre - guln / zu weit entfernet. Jſaacus Voſſius kan nicht leugnen / daß die Reimen na - turlich ſein / und das Ohr beluſtigen. Aber er tadelt diß / daß man der Natur lieber als der Kunſt folgen wolle. Er ſagt: p. 29. Fruſtra argumenta petuntur àna -574Das VIII. Cap. Von der Reimenatura, quæ non imperfecta tantum ſed & vitioſa eſt in multis. Multa homines na - turæ faciunt inſtinctu, quæ inſigniter inepta ſunt. Dieſer Grund iſt nicht der Er - heblichkeit / daß er den Gebrauch der Reimen umſtoſſen ſolte: Ja es iſt vielmehr dieſer Schluß gantz unrichtig. Dann was iſt die Kunſt anders als eine Nach - ahmung der Natur? welche zu einē Grun - de aller Wiſſenſchafften nothwendig ge - ſetzet werden muß. Eben dieſe hat in der Griechiſchen und Lateiniſchen Spra - che die kurtze und lange Sylben veran - laſſet / wie ſie uns den Reim gegeben: und wer will hierin urtheilen / welches unter dieſen beyden ihr wuͤrdigſtes Ge - ſchencke ſey. Es iſt eine groſſe Verwegen - heit den allgemeinen Trieb / den wir bey Italiānern / Spaniern / Frantzoſen / Teutſchen / Morgenlāndern und allen Voͤlckern mercken / als eine nichtswuͤr - dige thōrichte Sache zu verlachen. Man pflegt es vor eine Richtſchnur des Rech - ten zu halten / wann alle Voͤlcker darinuͤber -575Verthedigung. uͤbereinſtimmen / deßhalben das ſo be - kante Jus Gentium allen Buͤrgerlichen Rechten vorgezogen wird. Warum ſol - len wir in dingen die zur Kunſt und Wiſ - ſenfchafft gehoͤren / nicht ein gleiches be - haupten koͤnnen. Es hat uͤber dem ein jegliches ſeculum ſeinen ſonderlichen Ge - nium, der ſich wie in allen dingen / ſo auch in Wiſſenſchafften und Kuͤnſten her - vorthut / welchem niemand mit ſeinem ei - gnen Witz zu wiederſtreben vermag. Es geben einige vor / der Reim zwinge den Tichter offtmahlen die beſten Gedancken ſeinent halben fahren zu laſſen / oder etwas uͤberfluͤſſiges beyzubringen / daß zur Sachen nicht gehoͤre. Als wann ſich dieſer Zwang nicht vielmehr bey den Griechen und Lateinern fuͤnde / da es viel ſchwerer die metra und pedes recht zu ſetzen / als bey uns die Reime zu erfinden. Die dieſe Einwuͤrffe machen / die ſchlieſſen aus dem Mißbrauch der Reime wieder den rechten Gebrauch derſelben. Es iſt ja bekant / daß in der Poeterey in -ſon -576Das VIII. Cap. Von der Reimeſonderheit ein delectus verborum und deren richtige Ordnung ſein muͤſſe. Iſt dieſe da / wie kan der Reim hierin eine aͤnderung machen. Man ſagt der eine Verß werde des andern halber gemacht. So antwort ich: Es iſt entweder eine natuͤrliche dependence zwiſchen dem erſtē und andern Verß / oder nicht: Iſt dieſe Connexion da / ſo muß der andre Verß nothwendig aus dem erſten flieſſen. Iſt ſie nicht; ſo muß doch die Ordnung der Woͤrter geāndert werden / daß alſo der Reim keine Nothwendigkeit bringt / auff ſolche art und nicht anders zu ſchreiben. Ein guter Poet ſchlieſſet keine Meinung in dem erſten Verſe / biß er ſeinen Reim außgeſucht habe / der bequem ſey dieſelbe außzudruͤcken. Deßhalben auch bey den Hebraͤeꝛn und Arabern die beyden Reime die vor - und hinter-Tuͤhrē des Hauſes das iſt des diſtichi genant werdē. So faͤllt auch offtmahls der Schluß der Meinung in die haͤlffte des nechſtfolgendē Verſes und wei - ter hinauß: wozu die Vermiſchung der Maͤnnlichen und Weiblichen Reime vor -ſchub -577Verthedigung. ſchub thut. Wodurch man die vorge - gebene Nothwendigkeit der Reimen leichtlich umgehen kan. Es veruhrſa - chet auch dieſer Reimzwang nicht / daß man weitlaͤufftiger ſein muͤſſe / als die Sa - che erfodert: Dann dieſes iſt viel ehe bey den ungereimten Verſen zu befuͤrchten; worinn die Phantaſie die Woͤrter und ſententias weiter ziehen kan / als wan die Reime denſelben Maaß und Ziel ſetzen. Wer ein guter Poet iſt / wird die Woͤr - ter und Reime ſo fuͤgen koͤnnen / daß es ſcheine / als wann ſie dazu gebohren we - ren. Ja es kan ein Reim bißweilen zu ſolchen guten und bequemen Ge - dancken anlaß geben / die niemand in den Sinn gekommen weren / wann man nicht den Reim zum Fuͤhrer gehabt. Iſt al - ſo der Vortheil ſo groß / als der Nach - theil. Was ſolte auch endlich bey uns vor ein unterſcheid unter die gebundene und ungebundene Rede ſein? wann die Reime die groſſe Freyheit / die wir in quantitate Syllabarum haben / nicht ein - ſchrenckete? Was die Comœdien anlan -o oget578Das VIII. Cap. Von der Reimeget / ſo ſein die im vorigen Capittel an - gefuͤhrte Einwuͤrffe keines weges ſo be - ſchaffen / daß man ſie dieſer halben des Reimes entledigen ſolte. Waꝛum ſolten die Dialogi, wie bey den Lateinern uñ Griechen in ihꝛen Eclogis, ſo nicht auch in Reimen bey uns koͤnnen vorgeſtellet werden? Dann ob ſchon die Natur die geſchwinden Einfālle uñ extemporales cogitationes nicht in Ver - ſen hervor bꝛinget; ſo hindert doch dieſes nicht / dz man dergleichen Dialogos in Ver - ſen begreiffe. Sie ſein keine extemporales conceptus wedeꝛ bey dem Poeten / oder bey dem Actore, ſondern werden in einem gantzen Syſtemate auff gewiſſe art und weiſe geordnet / wie die membra eines an - dern vollſtāndigen Carminis. Deßhal - ben auch hierin nicht die Kunſt außzu - ſchlieſſen: die dennoch ſo kan verhelet werden / daß ſie nicht ſo ſehr in die Au - gen leuchte: dann man hat nicht noͤthig alle und jede Reden in voͤllige dople Verſen zu faſſen / ſondern man kan ſie in den halben Verſen / und noch wol kuͤr - tzer enden. Wodurch dann die Reimeſo579Verthedigung. ſo unterbrochen werden / daß ſie kaum in die Ohren fallen. Bleibt es alſo da - bey / daß die Suͤſſigkeit der ins gemein uͤb - lichen Reime ja ſo gut / wo nicht beſſer ſey / als die in den Lateiniſchen und Grie - chiſchen Carminibus ſich befindende Ab - faͤlle und Erhebunge der Woͤrter. Es ſeind hiedurch etliche bewogen worden / daß weiln die Reime viel ſanffter und nachdencklicher in den Ohren klingen / ſie viel lieber die Geiſtlichen Hymnos in Lateiniſche reimende Verſe / als in die ſonſt uͤblichen Oden und Lyrica Carmina verfaſſen wollen; wie des Heiligen Tho - Hymni von dieſer art und noch aͤlte - re verhanden. Barthius hat in ſeinen Adverſariis lib. 32. c. 12. eines Muͤnchen Erinfredi, der Anno 806. gelebet Carmen Rhythmicum, ſo er in der Mertzpurgi - ſchen Bibliothec gefunden / vorgebracht / deſſen Anfang alſo lautet:

Felicitatis Regula
Hac fine ſemper conſtitit,
Ad puncta cum venit ſua.
In ſe voluta corruit &c.
o o 2Der580Das VIII. Cap. Von der Reime

Der Herr Buchner urtheilet in ſemer 99. Epiſtel des erſten Theils von dieſen Lateiniſchen Reim-Oden alſo: Hoc ge - nus poëſeos etſi aut ignorarunt veteres, aut non probarunt magnoperè, ut minus grave; non aſpernandum tamen penitus eſt: præcipuè cum pietati inſervit. Quare ſu - perioribus quoque ſeculis nonnulli pii & ſancti viri inprimis ſe delectarunt. Dieſes ſchreibt er an den Tobiam Hauſ - conium, welcher ein Buch von ſolchen La - teiniſchen Odis geſchrieben. Der gelehr - te Cambdenus hat in ſeinen Remaines con - cerning Britain p. 327. gar viel dergleichen reimende Verſe und Oden / aus ihren alten monumentis hervorgezogen / wel - che aber kein Lateiniſches metrum haben / ſondern nach dem jetzigen accent in der pronuntiation gerichtet ſein. Etzliche ſein gar ohne metro, wie dieſes des Waiter de Mapes ſo gar laͤcherlich iſt: deſſen Anfang alſo lautet:

Mihi eſt propoſitum in taberna mori,
Vinum ſit appoſitum morientis ori:
Ut581Verthedigung.
Ut dicant, cum venerint Angelorum Chori,
Deus ſit propitius huic potatori.
Poculis accenditur animi lucerna,
Cor imbutum nectare volat ad ſuperna.
Mihi ſapit dulcius vinum in taberna,
Quã quod aqua miſcuit Præſulis Pincerna &c.

Nach der ietzo uͤblichen pronuntiaton ſein von unterſchiedlichen reimende Carmina geſchrieben. Cornelius Giſbertus Plem - pius hat in ſeinem Muſio dergleichen etli - che gemacht / deſſen Vorrede ſo anfaͤnget:

Si vis Lector, quis ſim ſcire,
Poſſum paucis expedire,
Nec eſt opus fuſius,
Ex ſutore Delphi natus
Sum Cornelius vocatus
Cognomento Muſius. &c.

Cæſius hat in der Vorrede ſeiner Roſe - mund zu bezeugung ſeines kuͤnſtlichen ingenii dergleichen zum Exempel vorzei - gen wollen / meinend er der erſte ſey von dem dieſe herrliche Erfindung entſtanden. Caldenbach hat in ſeinen Lyricis ein abſon - derlich Buch von Lateiniſchen Reimen / uñ in den Sylvis Tubingenſ. lib. 1. eines auff des Thomæ Lanſii Tod / jedoch mit behaltungo o 3der582Das VIII. Cap. Von der Reimeder quantitaͤt geſchrieben / welches nicht uͤbel gemacht. So hat auch Maſenius ein Lateiniſches Saufflied in ſeiner Co - mœdia, Bacchi Schola everſa, und einer Pe - termann des Riſten Himmliſche Lie - der in Lateiniſche Reimen gebracht. Chriſtianus Daumius der den Palponiſtam heraußgegeben / gedencket in der Vor - rede unterſchiedlicher alter Lateiniſcher Reimenſchreiber. Man hat einige gehabt / die Teutſche uñ Lateiniſche Verß unterein - ander gemiſcht / und gereimet / davon wir droben gedacht. Es hat Barthius Adverſ. lib. 34. cap. 17. ſolchen Rhythmum Iatino Germanicum von Anno 1259. der in einem Kloſter bey Straßburg gefunden / hervorgeſuchet / der alſo anfānget:

Gens ſine capite mag keinen Rath geſchaffen
Imperium vacat capite. So hant kein hopt die
Pfaffen
Propter quod ſchisma vertitur in deꝛ Chriſtenheit
Chriſma per hoc deſtruitur. Jederman lugt zu
wemehr bret ꝛc.

Dergleichen haben einige zu un -ſrer583Verthedigung. ſrer Zeit nachgemacht / als Plempius in ſeiner Strenula:

Gaude amus, laet ons blye
Weſen, heden, hoc in die
Filius nam, vvant den ſone
Des goe moeders matris bonæ
Toont der aerden, monſtrat terræ
Stellam ſuam zynen ſterre. &c.

In welchen daß Lateiniſche und Nieder - laͤndiſche einerley bedeutet. Conſtantinus Hugenius hat unter ſeinen Niederlaͤndi - ſchen Getichten ein Carmen, ſo er Olla podrida nennet / welches aus Niederlaͤn - diſchen / Frantzoͤſiſchen / Italiāniſchen / Spaniſchen / Lateiniſchen / Griechiſchen unter ſich reimenden Verſen beſtehet. Solche art Verſe aber ſein nur der kurtz - weil halber von ſinnreichen Leuten / nicht aber zur Nachfolge geſchrieben. Eine faſt gleiche oſtentatio ingenii iſt dieſe / da einige Carmina gemacht / die in zweyen Sprachen zugleich ihre Bedeutung und Reimgebānde haben. Es fuͤhret der Herr Wagenſeil in ſeiner Sota, de Uxore A - dulterii ſuſpectâ cap. 1. p. 49. an / daß einero o 4R. 584Das VIII. Cap. Von der ReimeR Juda. Med. D. ein Epithalamium geſchrie - ben / welches zugleich Teutſch und Hebrā - iſch geweſen / deſſen Anfang alſo gelautet:

〈…〉〈…〉

Jaacob is jo ſo vvol im eben heraus auf eina. Das uͤbrige von dem Carmine hat der Autor vergeſſen gehabt. Er erzehlet ferner / wie er auff ſeiner Reiſe ein Buch angetroffen genant〈…〉〈…〉 worinn der R. Leo Mutinenſis ein ſolches Epicedi - um ἀμφοτε〈…〉〈…〉 γλωο〈…〉〈…〉 σν, von 8. Verſen ge - ſetzt; das zugleich Hebraͤiſch und Italiaͤ - niſch iſt / welches er auff ſeinen Præcpto - rem Moſem gemacht. Welches wir hie - her ſetzen wollen.

〈…〉〈…〉
Chi naſce muor, Oime, che paſs acerbo.
〈…〉〈…〉
Colto vien l huom, cosi ordin il Cielo.
〈…〉〈…〉
Moſe mori Moſe gia car de verbo.
〈…〉〈…〉585Verthedigung.
〈…〉〈…〉
Santo ſia ogn huom, con pure zelo.
〈…〉〈…〉
Ch alla metà, gia mai ſenza riſerbo.
〈…〉〈…〉
Arriu huom, ma vedran in cangiar pelo,
〈…〉〈…〉
Se fin habiam, ch’al Cielo vero ameno,
〈…〉〈…〉
Va l’huomo ſe viva aſlai, ſe meno.

Die Lateiniſche Außlegung der Italiaͤni - ſchen Wōrter iſt dieſe:

Qui naſcitur, moritur, mihi! quam paſſus a -
cerbus!
Colligitur (i. e. θερ〈…〉〈…〉 ζεται) homo, ſic iſta ordinavit
Cœlum.
Moſes mortuus eſt, Moſes, olim carus eloquio.
Sanctus ſit omnis homo, cum puro Zelo.
Nam, ad medietatem aliquando, haud quicquam
reſervans,
Pertingit homo. Sed, cum pili mutantur, apparet,
Quem finem habeamus. Quippe ad cœlum verum
amœnum
Vadit homo, ſive multum, ſive parum vivat.
o o 5Der586Das VIII. Cap. Von der Reime

Der Hr. Wagenſeil haͤlt dieſes fuͤr eine ſonderliche und verwunderungswuͤrdige Sache: dann er ſaget Non habeo ſatis exploratum, an quisquam usquam genti - um tale quid præter Judæos auſus ſit, ſcio tamen Junilium Epiſcopum Africanum I. 1. de part. Div. Leg. c. 9. pro re impoſſibili id habuiſſe, cum ſcriberet: Nulla dictio me - trum in alia lingua conſervat, ſi vim verbo - rum ordinemque non mutat. Ich verwun - dere mich aber / daß dieſem gelehrten Mann nicht eingefallen / wie daß in der Frantzoͤſiſchen Sprache der Seigneur des Accords unter dem titul les Bigarrures, dergleichen Æquivoca Latino-Gallica viel zuſammen geleſen / worunter dieſes epita - phium auff ein Pferd.

En pré morelicy eſt, ſellé, bridé, mort & coy
giſt,
Fuyant euſt en dos, coup y a long aſpre
au cul.
En premor eliciet celebri de morte coêgit
Fiant utendos copia longa procul.
Es587Verthedigung.

Es gedencket der Verdier auch eines Blaiſe d Auriol, welcher ein Buch / les ioyes & douleurs de noſtre Dame avec une oraiſon par Equivoques latins & francois geſchrie - ben / ſo eben dieſes Schlages iſt. Der Nicolaus Antonius lobet in ſeiner Biblio - thecâ Hiſpanica den Alphonſum de Ledeſ - ma, der in Spaniſcher Sprache ſonderlich in dieſen Æquivocis gluͤcklich geweſen. Es ſieht aber ein jeder / daß die vorgehende Exempla mehr affectation als Verſtandes haben / und vielmehr eine bemuͤhung muͤſ - ſiger als rechtſchaffener gelehrtē Leute ſein. Die von den Italiānern beliebte Carmina Macaronica ſind aus den gemeinen nach der Lateiniſchen art eingerichteten Itali - aͤniſchen Woͤrtern / und den Lateiniſchen gemiſchet / deren ein gantzes Buch unter dem Nahmen Merlini Cocaji hervorge - kommen. Haben aber ein gemeines lie - derliches Weſen / und iſt zu verwundern daß auch gelehrte Leute als Bernhardinus Stephonius mit dieſen Thorheiten ſich be - muͤhet: Dann es bezeuget Erythræus vonihm588Das VIII. Cap. Von der Reimeihm in Beſchreibung ſeines Lebens: Cir - cumfertur Macheronicum ejus Carmen, quod Macharonis Forza inſcribitur; quo nihil fieri poteſt in eo genere venuſtius. A - ber es heiſſet auch bey gelehrten / quod monſtra etiam delectent, und daß die Heß - lichkeit ſelbſt bißweilen angenehm ge - macht werden koͤnne.

Das VIII. Cap. Von dem Urſprung der Reime.

Einhalt. DIe Reime ſein nicht ſo gar neu. Ob ſie von den Arabern / Siciliern / Provincial Poeten in Franckreich gekommen? Die He - braͤer haben ſie ſpaͤte angenommen. Ihre alte Poeſis iſt verlohren. Gomari Lyra Davidica. Ob die Gothen ſie in Italien auffgebracht? Kan nicht gruͤndlich erwieſen werden. Jociſtæ wurden die Gothiſchen Poeten genannt. Jocticos facere ein Spiel am Neuen Jahrs Tage. Was Rhyth -mi -589der Reime. ca Carmina bey den Griechen und Roͤmern erſtlich geweſen? Sie waren ohne Reime / und hatten nur bloß die menſuram temporum. Exempel ſolcher Lateiniſchen Verſe. Verſus Politici bey den Grie - chen. Worauß dieſelbe entſtanden. Auff was art ſie geſchrieben. Griechiſche Reim-Verſe. Tzetzæ und Conſtantini Manaſſis verſus politici. Warum jener lieber verſus politicos ſchreiben wol - len. Die Reimen werden von der Natur gelehrt. Verſus Leonini. Autores die dergleichen / und die von ihnen geſchrieben. Eine genauere Eintheilung und Exempel derſelben. Dieſe Reimerey iſt auch in Predigten und Diſputationibus beliebt worden.

IN den vorigen Capitteln haben wir eroͤrtert / was wieder die Rei - me vorgebracht wird / und dieſel - ben gegen die Einwuͤrffe verthediget. Die dieſe machen halten die Reime vor eine Erſindung der neuen Zeit / und ver - werffen ſie mehꝛentheils aus dieſem Grun - de. Wir haben in dem vorgehenden Capittel erwieſen / daß man ſie auch bey den Griechen und Roͤmern gehabt / ob man ſie gleich durchgehends nicht ge - braucht. Welcher Meinung zum theilauch590Das IX. Cap. Von dem Urſprungauch der gelehrte Huet beypflichtet; dann ob er zwar in ſeiner Diſlertation de l’o - rigine des Romaines p. 13. davor haͤlt / daß dieſe Reimkunſt erſtlich von den Arabern in Europam gebracht nach des Taric und des Muza ankunfft in Spanien / welches war Anno Chr. 713. ſo ſetzt er doch hinzu / daß er gar leicht beweiſen wolle / wie auch den alten Roͤmern die reimende Verſe nicht unbekant geweſen. Campa - nella gibt in ſeinen Poëticis die Araber auch vor die Erfinder der Reimen an / uñ iſt auff ſeine Landsleute ſchellig / daß ſie dieſelbe ſo begierig angenommen. Ich laſſe dieſes dahin geſtellet ſein. Wann ich aber die art der Reime bey den Ara - bern / die Clerice in ſeiner Proſodia Arabi - ca beſchrieben anſehe / ſo ſein ſie doch von unſer art etwas unterſchieden / dann ſie eine viel groͤſſere Freyheit ihnen neh - men. Linus Gyraldus will in ſeinen Dia - logis de poetis ſui temporis den Urſprung derſelben auff die Sicilier, einige aber wol - len ſie auff die Provincial Poëten in Franck -reich591der Reime. reich bringen / von denen auch die Sicilier die ihrigen uͤberkommen. Dieſes bemuͤ - het ſich Claude Fauchet in ſeinem Buch de l’origine de Poëſie Francoiſe liv. 4. chap. 7. zu behauptē: abeꝛ ohne gꝛund. Es ſein auch einige die von den Hebraͤern die Reime herziehen wollen / welche aber hierin ir - ren; dann die Juden hierin den Chri - ſten gefolget / und haben ettwa vor 500. Jahren ſeit des R. David Kimchi ſeiner Zeit dergleichen Verſe wie die unſern ge - ſchrieben. Dann ihre alte Poëſis iſt gar verlohren / welche zu erforſchen ſich viele vergeblich bemuͤhet und die Koͤpffe druͤ - ber zerbrochen haben. Scaliger vermei - net / daß man niemahls einig metrum in Hebraicis gehabt: Andere / es ſey eine gewiſſe Zahl der Silben geweſen / ohne eintziger quantitāt zuſammen geſetzet / und nun in ſolchen Periodum gebracht / daß man ſie deſto fuͤglicher ſingen koͤnnen. Gomerus in ſeiner Lyrâ Davidica meinet was ſonderliches gefunden zu haben / in dem er alle art der Pedum und metro -rum592Das IX. Cap. Von dem Urſprungrum in den Pſalmen Davids ſo zerſtreu - et / auffgeſuchet. Aber Capellus wendet dagegen ein / und zwar nicht ohne Fug / daß wann man auff ſolche art die metra in den Reden ſuchen wolte / nie keine Pro - ſa ſein wuͤrde / darin ſich nicht viele fin - den wuͤrde. Bleibt alſo bey ihnen alles ungewiß. Die die Araber zu den erſten Urheber der Reime machen / bringen dennoch ihrer Meinung keinen ſo gruͤnd - lichen Beweiß. Dann ich ſchwerlich glaͤube / daß man von der Zeit an einige Carmina werde herbey bringen koͤnnen. Jſaacus Voſſius ſetzet den Urſprung die - ſer Reimen auff die Zeiten / wie die Go - then erſtlich in Italien gekommen / die die Lateiniſchen Verſe nach den Reimen ihrer Landsart eingerichtet. Aber er bringet doch nichts hauptſāchliches zum Beweiß: Dann wann man die Poeſin der alten Gothen anſieht / ſo findet man / ſo viel man nachricht haben kan / keine Rei - me an dem Ende der Verſe / in den Lie - dern / welche nach Caroli M. Zeiten geſchrie -ben593der Reime. ben. Wie ſolches aus des Wormii Poëſi Runica zu ſehen. So ſolte ich auch mei - nen / daß es ſchwer zu erweiſen / ob bey den uhralten Gothiſchen Verſen auch die Reime ſich befunden. Daß ſie aber ihre Verſe und Poeten gehabt / iſt auſſer zweiffel / und wurden ihre Lateiniſirende Poeten Jociſtæ genant / wie auß des Iſi - dori Gloſſario zu ſehen. Von dieſen ſagt auch Barthius Adverſ. lib. 3. c. 4. Apud Re - ges Gothicos, Romanis dilaceratis, rhythmi vice carminum in pretio erant, & adeò perti - nax fuit Rhythmicorum iſtorum Jociſtarum natio, ut hodie etiam in nullis non magna - tum Aulis reperiantur, qui verſiculis rhyth - micis linguâ vernaculâ pronunciandis ad miraculum uſque expediti ſunt. Iſidorus ſagt: Jociſta eſt, qui verbum iocatur. Bar - thius ſetzet vor verbum verſum, und am andern Orthe lib. 12. c. 29. lieſet er verum. Der du Freſne aber āndert es aus den Gloſſis MStis Regiis, Jociſta, qui verbis io - catur. Sie werden auch Joculatores, Jo - culares genant / wovon das Teutſchep pWort594Das IX. Cap Von dem UrſprungWort Goͤchel Goͤcheler noch herkomt. Hievon muß auch das Spiel ſo man auff den Calendis Januariis gebraucht / genant worden ſein / welches in den con - ciliis verboten / Jocticos facere. Das Strau - chius in ſeinen Calendis Januariis c. 5. von dem Wort Juchten herfuͤhret: dann er meinet es ſey geweſen corium pilis a - braſis præparatum. Ich halte aber dieſe Meinung vor irrig: Dann ob zwar das zu der Zeit uͤbliche Spiel: Vecula vel Cer - volo facere einige meinen mit abgezognen Hāuten geſchehen zu ſein / ſo iſt von dem Wort Jocticos doch ſolches nicht zu er - weiſen. Ja auch das Wort Cervolo fa - cere, wird vor conviciari, Geckerey trei - ben gebraucht / davon Barth. lib. 43. Ad - verſ. c. 15. zu leſen. Von den Reimen find ich hie nichts. Dann ob zwar bißweilen auch Rhythmici verſus genant werden / ſo meint man nicht diejenigen / die am Ende gleich lauten / ſondern die mit hinanſetzung der rechten Lateiniſchen quantitāt / nur bloß den rhythmum nachdem595der Reime. dem Zahl der Fuͤſſe und dem accent in acht nehmen. Welches klaͤrlich auß des Bedæ ſeinem Buch de metris zu ſehen / der dieſe Verſe zum Exempel bringet:

Apparebit repentina dies magna Domini

deſſen metrum trochaicum iſt / ob gleich die quantitas Syllabarum nicht in acht ge - nommen. Solcher art verſus, die bey den Griechen politici genant worden / ſind auch ſchon vor alters bey den Rō - mern geweſen / und nicht von den Gothen auffgebracht: Dann das gemeine Volck hat ſolche Geſaͤnge bißweilen erdacht / un̄ gebraucht / welche zwar den rhythmum des Carminis hatten / aber nicht die ge - buͤhrende und von den verſtaͤndigern ein - gefuͤhrte quantitatem pedum. Wuͤrden al - ſo ad diſtinctionem metricorum Carmi - num, rhythmica genant / weil ſie nichts als nur die bloſſen tempora behielten. Solcher art war auch dieſes der Solda - ten auff den Cæſarem. Urbani ſervate u - xores, mœchum calvum adducimus. Die metra bey den Comicis koͤnnen auch deſſenp p 2ein596Das IX. Cap. Von dem Urſprungein Exempel geben. Dergleichen art waren die Verſe / ſo die Kinder und das gemeine Volck auff den Aurelianum ge - ſungen / und nach ihrem rhythmo getan - tzet / welche beym Flavio Vopiſco in ſeiner Lebensbeſchreibung zu leſen:

Mille, mille, mille, mille, mille, mille, mille, de -
collavimus
Unus homo, mille, mille, mille, mille, decolla -
vimus
Mille, mille, mille vivat, qui mille mille occidit
Tantum vini habet nemo, quantum fudit ſan -
guinis.

Hieruͤber ſein die gelehrte Anmer - ckungen des Salmaſiii zu leſen / welcher von dergleichen art Verſen / und ih - rem rhythmo viel gelehrte Dinge zuſam - men getragen. Es er hellet doch hier auß / daß unter Griechen und Roͤmern je - derzeit bey dem gemeinen Mann ſo eine art Verſe geweſen / wie hernach auffge - kommen / und durch die oͤffentliche ein - fuͤhrunge der Reime eine groͤſſere an - nehmlichkeit bekommen. DergleichenVer -597der Reime. Verſe wurden wegen des gemeinen Ge - brauchs bey den Griechen politici verſus genannt / oder wie andre meinen / weil ſie der ungebundnen Rede naͤher war: dann die Proſa iſt bey den Griechen λό - γος πολιτικὸς genant / davon Jſaacus Voſſi - us meinet / daß ſie in den Gebrauch ge - kommen / wie die Griechiſche Sprache durch die barbaros verdorben / und die alte Muſic, pronuntiatio, und Abmeſſung der Woͤrter verlohren gegangen. Wann jemand des Homeri Carmina nach dem Accent außſpricht / ſo ſein dergleichen art Verſe viele darin zu finden. Wie auch die hexametri nicht gleich / und bald 12, bald 13 auch wol 17. Sylben haben / ſoſein die verſus Politici auch ungleich. Die dreyzehn Sylben haben / kommen mit dem Ale - xandriniſchen Genere bey den Frantzoſen und Teutſchen uͤberein. Ins gemein aber gehen ſie nicht uͤber 15 Sylben. Leo Al - latius hat in ſeinem Buch de Simeonum ſcriptis, von ihnen außfuͤhrlich geſchrie - ben. Solcher politicorum verſuum, diep p 3noch598Das IX. Cap. Von dem Urſprungnoch zur Zeit nicht hervorgegeben / ſein viele verhanden in der Koͤnigl Frantzoͤ - ſiſchen Bibliothec. wie bey dem Labbeo in ſeiner Nova Bibliotheca MStor. p. 132. 133. 134. und 135. zu ſehen. Man hat auch ei - nige Griechiſche Reim-Verſe / worin die Hiſtoria Apollonii Tyrii verfaßt / die zu Ve - nedig hervorgegeben / und des Demetri Zeni Βατραχομυομαχίαν, davon Cruſius in ſeiner Turco-Græciâ. Sonſt ſein des Tzetzæ und Conſtantini Manaſſis verſus politici allen bekant. Und hat Tzezes in der Vorrede ſeiner Verſe / die Uhrſachen geſetzet / worum er die politicos verſus lieber brauchen wollen / welche Joachi - mus Cammer Epiſt. 19. lib. 5. in gute La - teiniſche Jambos uͤberſetzet; Er ſpricht:

Et cur enim aliquis artifici ſcribat modo
Leges ubiq; temporum & ſervans pedum?
Et cuncta poliens ut decet ſubtiliter?
Artificioſa cum pari atque barbara
Majore ſint adeo inque honore barbara
Et ineruditi plauſum uti docti ferant
Auß599der Reime.

Auß dieſem / was wir weitlāufftig ange - fuͤhret / iſt zu ſehen / daß dennoch der na - tuͤrliche Trieb allgemaͤhlich zu ſolchem me - tro diſponiret / und die Reime endlich von ſich ſelbſt darauff gefolget. Es kan aber keine Gewißheit dargethan wer - den / welche den erſten Anfang der Reime gemacht. Meinem Beduͤncken nach ſo iſt die Natur die Lehrmeiſterin geweſen / und iſt nach und nach dieſe Reimerey auffgekommen / und kan vielleicht bey den Teutſchen ſo woll / als bey jemand anders am erſten geweſen ſein. Wir wuͤrden ſolches deſto gewiſſer ſagen koͤnnen / wann die Uhralten Carmina noch verhanden weren. Daß wir in Teutſch - land ſie ehe als die Frantzoͤſiſchen Poeten gehabt / iſt auſſer Streit / und droben an - gefuͤhret. Die ſo genandte Verſus Leo - nini haben ſonſt in der Lateiniſchen Spra - che zeitig den Anfang genommen / und erweiſet Naudæus Addition. à l Hiſtoire de Louys XI. p. 146, daß ſchon Anno Chr. 480, man dergleichen art Verſe gehabt. o o 4Nach -600Das IX. Cap. Von dem UrſprungNachgehends ſind dieſelben ſo in den Ge - brauch gekommen / daß man keine ande - re als dieſe beliebet / inſonderheit ln dem zwoͤlfften ſeculo. Worunter des Bern - hardi Morlanenſis, die er de contemptu mundi geſchrieben / die allerartigſten ſein. Ja man findet die alten Bibliothecas ſuperiorum ſeculorum mit dergleichen Scriptoribus angefuͤllet / deren Nahmen und hiſtorien allhie zuerzehlen viel zu weit - laͤufftig iſt. Man hat die bekandte Scho - lam Salernitanam in ſolchen Verſen etwa um das Jahr 1100 von einem Joanne de Mediolano geſchrieben / woruͤber der ge - lehrte Moreau Anmerckungen außgege - ben / und in den Prolegomenis viele ge - lehrte Dinge hievon zuſammen getra - gen. Man findet bißweilen einige gute Einfaͤlle und ſententias proverbiales in dieſen Schrifften / deren eine zimliche Anzahl Michael Neander ſeiner Ethicæ Ve - terum Latinorum hinzugeſetzt. Die Form der Verſe iſt nicht einerley / und wie Mo -reau601der Reime. reau angemerckt / ſo koͤnnen ſie getheilet werden in Aritificioſos und vulgares, die Aritificioſi wiederum in Adſonantes oder Conſonantes & Concordantes. Jene be - ſtehen bloß in dem Reim / dieſe haben ent - weder Woͤꝛter oder Reime / die zweien oder mehr Verſen gemein ſein. Der Adſo - nantium ſein zweyerley arten / eine / worin das Mittel dem Ende gleich lau - tet. Dieſe hat wieder 3. Gattungen un - ter ſich 1. wann der Reim in einem Verſe iſt / wie in dieſem: Hic jacet Henricus ſemper pietatis amicus, 2. Wann Anfang / Mittel und Ende zuſam - men reimen / als in dieſem Verß: Vos eſtis, Deus eſt teſtis, teterrima peſtis. 3. Wañ der Anfang / mit dem Mittel rei - met / und das Ende des erſten Ver - ſes mit dem Ende des andern Zum Exempel:

Janua mortis, paſſio fortis, crimen eorum
Attulit orbi, ſemina morbi, totq; malorum.

Die andere art iſt: Wann das Endep p 5des602Das IX. Cap. Von dem Urſprungdes erſten Verſes mit dem Ende der andern Verſen reimet. Dieſe ſein eigentlich diejenigen die Leonini genannt werden von dem Leonio Canonico, wel - cher 43 Verſe geſchrieben / die einen Reim haben. Solches geſchiehet 1. in zweien Verſen / Deſſen iſt ein Exem - pel in dieſen Verſen eines Raimundi,

Ut mens ſe videat poſita caligine fumi,
Quis vetat appoſito lumẽ de lumine ſumi?
Quod ſi perfectè nequeo res edere cunctas,
Ut deſint vires tamen eſt laudãda voluntas

Worinn keine ſchlechte Zierlichkeit iſt / daß allezeit nach dem dritten Verß der vierdte auß einem bekandten Poeten genommen. Dergleichen art iſt der Jambus, welcher bey dem Academiſchen Depoſitionis ritu an etlichen Ohrten ge - braucht wird.

Nos dum iocamur craſſius,
Bonis ſtudemus moribus,
Lignum fricamus horridum,
Craſſum dolamus ruſticum
Cur -603der Reime.
Curvum quod eſt, hoc flectimus,
Craſſum quod eſt deponimus, & cc.

Zum andern geſchieht ſolches in vielen wie in dieſen Verſen des Floreti

Qui peccat nimium præſumens de pietate
Vel qui deſperat de divinâ bonitate,
Aut induratus non ceſſat ab impietate
Et qui fratris odit virtutes improbitate

und wie ſie ferner nach einander lauten. Die dritte art iſt aus beyden vorigen gemiſcht / welche viel ſchwerer / als die andern iſt. Deſſen Exempel ſein unter - ſchiedliche als wann 1. Mittel und En - de in unterſchiedlichen Verſen rei - men. z. e.

Stat foris ante fores Michael, dicens, quod
honores
Immutent mores rarò tamen in meliores.

Dergleichen Carmen de bello Trojano, welches warlich nicht ſo gar ungeſchickt iſt / wird von Barthio lib. 31. Adverſ. c. 5. heraußgegeben / ſo ihm von Caſp. Gevar - tio geſchencket und in jedem diſtichoglei -604Das IX. Cap. Von dem Urſprunggleiche Reime hat; deſſen Anfang alſo lautet:

Pergama flere volo fato Danais data ſolo
Solo rapta dolo capta redacta ſolo

2. Wann Anfang Mittel und En - de / auch das Ende verſchiedener Verſe zugleich ſich reimen. z. e.

Æneꝰ hic coluber, cruce luguber, ipſe ſaluber,
Atq; cruore ruber, vitæ faber, omnibus uber
Omne fugans tuber & culpæ vexile ſuber.
Hunc puer hunc puber nunc fugat canus &
uber

Concordantes ſein / wann der Anfang ei - nes Verſes in allen iſt / und das Ende aller Verſe auff einen Reim außgehet / der dem Mittel gleichet z. e.

  • In reterrenâ
    • nihil eſt aliud niſi poe
    • labor eminet atq; cate
    • nec lex nec juris habe
    na.

Dieſen ſein entgegen geſetzt / da der Anfang unterſchieden / das Mittel aber und Ende in vielen Verſen einerley Wort oder Reim iſt. Das allerſchwerſte in dieſer art iſtwann605der Reime. wann alle Sylben und Reimen beyder Verſe gemein ſein z. e.

Quos anguis dirus Chriſti mulcedine pavit,
Hos ſanguis mirus triſti dulcedine lavit.

Die inartificiales ſein ſolche / als wir im vorigen Capittel beygebracht haben / wel - che ohn metro ſein und nur bloß die Rei - me haben. Es haben aber auch einige die artificiales unter die inartificiales gemi - ſchet / in dem ſie nach 4. reimenden unge - meßnen Verſen / allezeit einen Verß aus einem bekandten Poeten hinanhengen. Solcher art ſein die Verſe die ein Carme - lite Gualterus Diſſe heraußgegeben / deren Anfang alſo lautet:

Heliconis rivulo modicè conſperſus Vereor ne pondere ſim verborum merſus. Sed quia jam labitur mundus univerſus Incipe Mænalios mecum mea tibia verſus
Rhythmis dũ laſcivio, verſus dum propino, Rodet forſan aliquis dente me canino, Quia nec afflatus ſum ſpiritu divino, Nec labra fonte prolui caballino &c.
Es606Das IX. Cap. Von dem Urſprung

Es iſt kein Zweiffel daß dergleichen arten vielmehr koͤnnen erfunden werden / und wer weiß was in dem MSto Cantabrigienſi, welches de metris reſonantibus geſchrie - ben ſein ſoll / davon Moreau gedencket / noch vor verholene Kuͤnſte ſtecken? Die Epitaphia dieſer art ſein unzehlig / deren etliche Labbeus in ſeinem Theſauro Epita - phiorum zuſammen geleſen. An dieſer Reimſucht haben damahls faſt alle kranck gelegen. Dann man hat ihrer auch nicht auff den Cantzeln und Cathedern entbehꝛen koͤñen. Die Pꝛediger haben ihre Predigten Reimweiß diſponiret / welches bey einigẽ noch zur Zeit gebraͤuch - lich. Wann man hat diſputiren wollen ſo hat man die theſes und quæſtiones in Reimen gefaſſet / wie A. Wood in ſeiner Hiſtoriâ Academ. Oxon. lib. 1. p. 23. dieſe folgende zur Probe gibt.

Utrum futura contingentia Comparans ad præſentia Prudentia Cardinalis
Pra -607der Reime.
Praxin regat intellectus, Cui concors eſt effectus Appetitus rationalis?

Die andre quæſtion, die er ſetzet / iſt dieſe:

Utrum potentiarum imperatrix, Celſa morum gubernatrix Vis libera rationalis
Sit laureatâ dignitate, Electionis conſiliatæ Ut domina principalis?

Die art und weiſe hieruͤber zu diſputiren wird an angeregten Orthe weitlāuffti - ger beſchrieben. Wir laſſen dieſe Rei - merey fahren / welche wir deſto umſtaͤnd - licher allhie vortragen wollen / je weni - ger man ſonſt bey andern davon findet. Denen die mir dieſe weitlaͤufftigkeit ver - dencken / antwort ich mit dieſem ungefehr einfallenden Epigrammate:

Spernis difficiles, Amice, nugas?
Ars, ut ſint faciles, facit canoras.
Das608Das X. Cap. Von Beſchaffenheit

Das X. Cap. Von einigen Beſchaffenheiten der Reimen.

Einhalt. DIe Maͤnnliche und Weibliche Reime machen in Teutſcher Sprachen eine angenehme Ab - wechſelung. Die Italiaͤniſche und Spani - ſche hat mehrentheils Weibliche Woͤrter und Rei - me. Weßhalben ihre Poeſis einige Beſchwerlich - keit hat. Ihre Heroica werden in gewiſſe Stan - ces deßhalben getheilet. Die Frantzoſen enden ihre Stances und Sonneten gern mit Maͤnnlichen Rei - men. Rapini Oden von lauter Maͤnlichen Reimen. Catmina Ταυτόρυϑμα des Monconiſiii, Angeli Ra - parii, Conſtantini Hugenii. Tengnagels, Brunonis. Niederlaͤndiſche Carmina von lauter Ein - und Zweyſylbigen eintzelen Reimen. Rhythmus Identicus. Widerholunge der Reime ob ſie zu dul - den. Die Italiaͤner laſſen ſie nicht zu. Die Fran - tzoſen ſein nicht ſo ſtreng hierin. Die Reime muͤſſen zum wenigſten eine halbe Meinung ſchlieſſen. Les enjambements. Solche billigen die Italiaͤ - ner. Nicht die Teutſchen. Reime von Nomi - bus propriis und frembden Woͤrtern. Laͤcherliche Hiſtoria von Antonio Maraffa. Die mit der Cæſurgleich -609der Reime. gleichſtimmende Reime. Die vielfaͤltige Reime in Dactylico genere werden getadelt. Das Dactyli - ſche genus iſt zu ernſthafften Dingen nicht geſchickt. Allgemeine Eigenſchafften des Reimes / aus dem Vondel.

WIr wollen zu den Reimen der Teutſchen Verſe uns wiederum wenden. Von welchen diejeni - gen / die Teutſche Proſodien geſchrieben viel Lehrſaͤtze haben / die hier unnoͤthig zu wiederholen. Die Teutſche Sprache hat vor der Italiaͤniſchen und Spani - ſchen den Vorzug / daß ſie eine Abwech - ſelung unter den Reimen hat: Da hin - gegen dieſe mehrentheils Weibliche Rei - ine gebrauchen muͤſſen / welches ein Poë - ma ſchwach und krafftloß macht / weil die Worte alle abfallen / und dadurch den Poetiſchen Trieb hemmen / der durch die Maͤnnliche Reime immerfort un - terhalten und angefriſchet wird. Die Italiāner werden deßhalben genoͤthiget ihre Poëſin in gewiſſe Stances einzuthei -q qlen /610Das X. Cap. Von Beſchaffenheitlen / weßhalben ſie die Einfaͤlle mitten in ihrem Lauff zu unterbrechen gezwungen werden. Welches viel Verhinderung macht. Die Frantzoſen inſonderheit a - ber der Malherbe, endigen ihre Stances und Sonnetten viel lieber mit Mānnli - chen als Weiblichen Reimen / weil ſie beſſer ſchlieſſen als die Weiblichen / inſon - derheit in Sachen / da eine Haͤrtigkeit und Hefftigkeit außzudruͤcken. Hingegen in traurigen Dtngen ſchlieſſen die Weibli - chen beſſer. Die Vermiſchung der beyden iſt am allerlieblichſten. Dann wie die Weiblichen zu ſchwach / ſo ſein die Mānn - lichen zu hefftig. Die μονοτονία iſt allezeit verdrießlich. Deßhalben iſt es nicht ſo gar angenehin / wann die Verſe auff lauter Mānnliche Reimen außgehen / wie dergleichen unterſchiedliche Frantzoͤſiſche Oden der Rapinus gemacht. Welche der I. Guillot in einem Brieff an Ioſ. Scalige - rum (welcher der 41te unter den Frantzoͤ - ſiſchen Briefen iſt / die der Revius herauß - gegeben) ſehr ruͤhinet / ſo aber andernnicht611der Reime. nicht gefallen. Vielweniger iſt es ange - nehm / wann ein Reim durch das gantze Carmen beybehalten wird / welches den - noch einige mehr ad oſtentationem ingenii gethan / als daß ſie ſolche art zum Exem - pel vorſtellen wollen. Wir finden ein Frantzoͤſiſches Ταυτόρυϑμον unter des Monconiſii ſeinen Carminibus, die ſeiner Voyage angehaͤnget. Von dergleichen Italiaͤniſchen Carmine, ſo einer Angelus Raparius gemacht / ſchreibt Erythræus Pinac. II. imag. 28. Longum rhythmicum Car - men ex minutulis ſtrophis confectum, in illius laudem edulii compoſuit, quod vulgo raviolos appellant: ac ſingulis Stro - phis intercalaris verſus erat inſertus; & quo - niam carminis ea lex erat, ut ultima Stro - phæ uniuscujusque ſyllaba, eodem quo ex - trema intercalaris modo, deſineret, tre - centa fere verba, ſimiliter eodemque mo - do cadentia, repererat, Dergleichen Carmina ſein in lächerlichen kurtzweiligen Dingen woll / aber nicht in ernſthafften Sachen zu gebrauchen. Conſtantinusqq 2Hu -612Das X. Cap. Von BeſchaffenheitHugenius, welcher alle ſolche ingenii lu - ſus im Niederlaͤndiſchen nachgemacht / hat auch dergleichen in ſeinen Poematibus; wie auch ein Exempel eines Carminis, ſo von lauter Ein und Zweyſylbigen Reimwoͤrtern durch und durch beſtehet / deſſen Anfang alſo lautet:

  • Siet Niet Na den Quaden Sang - Gang Leſer Deſer Sucht - Klucht

Dergleichen wird man auch in Tengna - gels ſeinen Amſterdamſchen Lindenbladen finden / und beym H. Bruno in ſeinem Mengelmoes. p. 165. 166. Im uͤbrigen ſein noch viele nuͤtzliche Anmerckungen von den Reimen / die wir nicht koͤnnen vor -bey613der Reime. bey gehen. Im Teutſchen wird kein Rhythmus Identicus zugelaſſen / ob gleich die Woͤrter der Bedeutung nach unterſchieden. Welches dennoch die Frantzoſen und Niederlaͤnder nicht ach - ten. Die Italiaͤner ſein auch ſehr be - hutſam in Wiederholung eines Reimes. Dann ſie halten es vor einen Fehler / wañ in einer Ode ein Reim unterſchiedliche mahl wiederholet wird / ob gleich in ver - ſchiednen Worten. Menage fuͤhret deß - halben unterſchiedliche Oerter auß Ita - liāniſchen Autoribus an. Es iſt aber zu genau geſuchet. Malherbe Urtheil iſt die - ſes geweſen / man muͤſſe nur daſſelbe Wort nicht zum Reime wieder gebrau - chen / den Reim aber koͤnne man in einer Ode woll wieder anbringen. Menage aber ſagt / daß man dieſes in der Frantzoͤſi - ſchen Sprach ſo gar genau nicht in acht nehmen duͤrffe / inſonderheit wann das Wort ſo weit von dem erſten Orthe da es geſetzet entfernet / daß mans ſich nicht mehr erinnere. Wobey mans in Teut -q q 3ſcher614Das X. Cap. Von Beſchaffenheitſcher Sprache auch woll bewenden laſſen kan. Dann in den Oden die ihre ge - wiſſe Strophen haben / macht faſt eine jegliche Strophe als ein abſonderlich Car - men. Es iſt auch diß zu mercken / wel - ches viele nicht in acht nehmen / daß ein jeglicher Reim gleichſam eine pauſam ha - ben muß / und es ſehr hart klinget / wann zum wenigſten mit dem Reim keine halbe Meinung ſchlieſſet; oder wann der Reim auff ein epitheton oder præpoſition auß - gehet / und das Subſtantivum im andern Verſe nachfolget. Welches die Italiā - ner ſehr haͤuffig thun / ja gar vor eine Zierlichkeit halten. Die Frantzoſen nen - nen es eniambemens, gebrauchen ſie a - ber gar wenig / als nur an Oertern / da mans nicht uͤberhoben ſein kan / wie es Des Mareſts auff ſolchen Fall zugibt. Ronſard tadelt ſie nicht / Menage aber ver - wirfft ſie gantz und gar in ſeinen Anmer - ckungen uͤber den Melherbe p. 536. In Teutſcher Sprache haben ſie gar keine art / wiewoll ich einen ſonſt beruͤhmtenPoe -615der Reime. Poeten kenne / der ſie in dem Alexandri - niſchen genere ſehr haͤuffig gebraucht. Menage tadelt auch in demſelben Buche p. 368. daß man Nomina propria oder ſonſi andere neue ſonderliche Woͤrter zu den Reimen gebraucht. Welches Mal - herbe ſehr offte thut / woruͤber der Theophile mit denen / die ihm hierin nach - affen wollen / den Spott treibet. Der - gleichen ſonderlichkeit hat ſich auch einer Antonius Maraffa gebraucht / von welchen Erythræus Pinacoth. II. im. 45. dieſe lācher - liche Hiſtoria erzehlet. Erat inuſitato - rum monſtroſorumque verborum inven - tor, quæ partim à ſe inventa & excogitata afferebat, partim ab Iſtris, Gallis, Hiſpanis, Illyriis, Teutonicis, Sarmatis atque etiam ſi Dis placet, Indis paululum mutata mu - tuitabat, iisque tum præſertim utebatur, cum verſus rhythmo eſſet terminandus. Quamobrem multorum ad illum concur - ſus fiebant, ſimulantium ſe rhythmorum inopiâ laborare, ac rogantibus ut verbis ſi - militer cadentibus, quibus egerent, ſibiq q 4ſub -616Das X. Cap. Von Beſchaffenheitſubvenirent: quibus ille ea ſuppeditabat, quæ deinde riderent. Es wird auch fuͤr einen Fehler gehalten / wann die Cæſur in demſelben oder folgenden Verſe ſich mit der Rede gleich reimet. Aber es muß ein Unterſcheid gemacht werden: wann ein Reim die Strophen ſchließt / und die Cæſur in dem erſten Verß der folgenden Strophen ſich mit dem Ende des erſten reimet / iſt ſolches von keiner Erheblich - keit / welches Menage an vorerwehnten Ohrte p. 511. p. 538. auch angemercket. Es iſt auch ein ſehr groſſer Unſtand / wañ man in dem Dactyliſchen genere die Reime ſo ſehr vervielfāltiget. Dann es halten einige fuͤr die grōſte Zierlichkeit / deren ſich andere auch in den uͤbrigen generibus gebrauchen / daß ſie faſt alle Woͤrter des Verſes unter einander rei - men. So ſchreiben etliche:

Im Lentzen / da glaͤntzen die bluͤmigen Auen
Die Auen / die bauen die Perlenen Tauen
Die Nympfen in Suͤmpfen ihr Antzlitz beſchauen.

Es klinget dieſes aber gar kindiſch / undiſt617der Reime. iſt einem unangenehmen Klapperwerck āhnlicher / als einer Harmoniſchen Lieb - lichkeit. Zugeſchweigen daß das dactyli - ſche genus an ſich ſelbſten etwas gemei - nes und liederliches mit ſich fuͤhret. Wie man dann auch bey den Lateinern ſolche geſchwinde huͤpffende Reime in ernſthaff - tigen Dingen nicht gebilliget. Dann es klinget nicht maͤnnlich / ſondern weibiſch und gauckelhafftig. Der beruͤhmte Roſ - cius hat pflegen zu ſagen: Se quò plus ſibi ætatis accederet, tardiores tibicinis modos & cantus remiſſiores eſſe facturum. So muß man auch dieſes in den generi - bus Carminum in acht nehmen / und er - fodert ſolches die Sache an ihr ſelbſt. Die allgemeine Eigenſchafften des Rei - mes werden von Vondel in ſeiner Aen - leiding ter Nedderduitſche Dichtkunſt gar artig beſchrieben: Het Riimvvort ſchient niet gevonden om het rijm te vin - den, maer zy zo geſtellt of het geen riim - term vvaer. Het vars ſchine ookk geen rymelooze rede, maer trecke den aert vanq q 5een618Das XI. Cap. Von dem Generibuseen vaers an, en ſta vvacker op zijne voe - ten. Heeft het geene zenuvven, zoo hangt het ſlap en vadzich: is het te gedrongen, zoo ſtaet het ſtijf gelijck een lantsknecht in zijn harnas. Was weiter von den Rei - men in acht zu nehmen / kan bey andern nachgeleſen werden.

Das XI. Cap. Von den Generibus Car - minum.

Einhalt. DIe Genera Carminum werden allhie gar kurtz abgehandelt. H. Schævii Exempel derſelben generum, ſo aus des Horatii O - den uͤberſetzet. Die allgemeine Eintheilung der Carminum. Jambiſche. Trochaiſche. Trochaici mit Abſchnitten. Dactyliſche und Anapaͤſtiſche. Ob ſie Herr Buchner erfunden. Sie ſein ſchon bey den alten Teutſchen geweſen. Dactyliſche Reimen. Dactyliſche Verſe klingen beſſer / wann ſie mit andern pedibus und metris unterbrochen. Pedes compoſiti wie bey den Lateinern / ſo bey denTeut -619Carminum. Teutſchen. Es koͤnnen bey den Teutſchen viel metra nach den Lateiniſchen gemacht werden. Gly - con-Ithyphall - und Phalæciſche Ode bey Herrn Tſcherning. Alcaicum, Elegiacum, Aſclepiade - um, Anacreonticum Carmen bey den Teutſchen. Andre arten der Lateiner koͤnnen fuͤglich nach ge - macht werden.

DIe genera Carminum die bey den Teutſchen vorkommen / und theils aus der Natur der Fuͤſſe / und dem Gebaͤnde flieſſen / theils von frembden Sprachen abgeſehen werden / ſein von vielen Autoribus ſo außgefuͤhret / daß we - nig hinzu zuſetzen. Daß wir aber die - ſes Stuͤck nicht umhin gehen / ſo wollen wir die weitlaͤufftigen Lehrſaͤtze und E - xempel andern uͤberlaſſen / und nur all - hie / was etwa ſonderliches vorfůllt er - wehnen. Daß es auch nicht an Exem - peln fehle / ſo ſollen zu ende dieſes Wercks 17. aus des Horatii 1. Buche uͤberſetzte / und noch nie heraußgegebene Oden / in deren jeglicher ein ſonderlich genus vorgeſtellet wird / hinangehaͤnget werden. Dieſehat620Das XI. Cap. Von den Generibushat D. Henricus Schævius Sehl. ein Mañ von groſſem Geiſt und vielen Wiſſenſchaff - ten / vormahliger Profeſſor des Stetini - ſchen Gymnaſii, und mein Lehrmeiſter / gemacht: der ihm ſelbſt das beſte Denck - inahl ſeines Ruhmes haͤtte ſtifften koͤn - nen / wann ihn nicht der Tod zu fruͤh - zeitig hinweg geriſſen. Die genera Car - minum werden 1. nach den Fuͤſſen / 2. nach den Strophen und Reimſchluͤſſen / 3. nach der Materia eingetheilet. Die letzte art beruhet nicht auff die Proſodia, ſondern auff der Erfindung. Nach den Fuͤſſen ſein erſtlich die Jambiſche. Die metra die von ihnen gemacht werden / koͤnnen biß auff 16. Sylben außgedehnet werden. Hieruͤber kan man nicht wol ſchreiten. wie man auch unter vier Sylben nicht gehen kan. Die Abwechſelung der Mān - lichen und Weiblichen kan auff vielerley arten geſchehen / und hat Herr Weiſe zwoͤlff derſelben vorgeſtellet. Eines aus allen Gattungen der Jamborum gemiſch - tes wird man finden in der UberſetzungOd. 621Carminum. Od. 1. lib. 1. Horat. Eben dieſe Bewand - niß hat es mit dem Trochaiſchen genere deſſen ein gemiſchtes Exempel auß der 2. Ode vorgeſtellet wird. Man macht in Trochaicis in gewiſſen regionibus Cæſuras oder Abſchnitte / welche die ſonſt matte Trochaiſche Verſe etwas lebhafft machen: deren Exempel wird aus der 3. Ode ge - geben. Dergleichen Cæluræ koͤnnen auch in andern metris nachgemacht werden / entweder mit oder ohne Reime / davon Harſtoͤrffer in ſeinem Poetiſchen Trich - ter in der fuͤnfften Stunde handelt. Wie - woll die gereimten Cæſuræ hieher nicht eigentlich gehoͤren / dann ſie machen eine andre art von metro, daß nach Stro - phen eingetheilet wird. Die Dactyliſche und Anapæſtiſche Carmina gehen nicht uͤber die vierzehn und funffzehn Sylben deren Exempel aus der 4. und 5. Ode des Horatii darunten zu ſehen. Selbige ſoll Herr Buchner im Teutſchen erfunden haben / welches ihm viel auffbuͤrden / und hat ihm Caldenbach lib. 1. Lyric. Od. 12. ein622Das XI. Cap. Von den Generibusein Lobgetichte deßhalben zugeſchrieben / da er doch ſelbſt der Ehren gern entbeh - ren will. Dann man findet ſchon unter den alten Teutſchen Carminibus, die Gol - daſtus heraußgegeben p. 399. dergleichen Verſe; Er fuͤhret aus dem Ulrich von Lichtenſtein einige an / die alſo lauten:

Swer folget dem ſchilde / der ſoll es enblanden
Dem liebe / dem gute / dem Hertze / den Handen
Das lonet vil hohe mit hohem gewinne
Duͤ vil werdu minne. ꝛc.

Man koͤnte auch wol Dactyliſcher Rei - men ſich gebrauchen / wie die Hollānder thun: Aber bißher hat bey den Teut - ſchen niemand ſolches gethan / nur daß Der Hr. von Bircken in ſeiner Anwei - ſung zur Teutſchen Poeſie cap. 5. n. 33. etliche ſolche Carmina zur Probe geſetzet / wie diſes

Wird mich der Himmel noch immer begnaͤdigen /
ſol mir kein Eiferer /
Neidiſcher Geiferer
Meine zufriedenheit koͤnnen beſchaͤdigen

Sonſt lautet es faſt beſſer / wann die Da - ctyliſchen entweder mit Trochæis unter -bro -623Carminum. brochen / wie Harſtoͤrffer davon einige Exempel beybringt; als dieſes:

Lieblicher JEſu / hertzliche Wonn
Heiliger Heiland / guͤldne Sonn /

Oder wann Dactyliſche und Trochaiſche Anapæſtiſche und Jambiſche Wechſelweiſe geſetzet werden: Dann die huͤpffende art dieſes metri hat etwas Kindiſches an ſich / welches ſehr dadurch gemehret wird / wann man ſo viel alliterationes und paro - nomaſias mit hinein bringt / das etli - che fuͤr eine Zierlichkeit halten / ja wol gar unter die Lehrſaͤtze dieſes generis brin - gen / denen ich durchauß keinen Beyfall geben kan. Wie man nun im Lateini - ſchen pedes compoſitos hat / ſo kan man ſie auch im Teutſchen haben / und kan man viel aus denſelben zuſammen geſe - tze metra nach der Lateiniſchen art erſin - nen / die nicht ſo uͤbel klingen / wann nur die in den Teutſchen uͤbliche quantitas in acht genommen wird. Ja ich halte dafuͤr / dz man auch allerhand genera erfindē koͤn - ne / wann man die pedes und verſus auffge -624Das XI. Cap. Von den Generibusgewiſſe art, in ihren Strophis verwechſelt / die auch bey den Latemern nicht im ge - brauch ſein. Solcher generum ſein unter - ſchiedliche ſchon zur Probe gegeben. Die Glycon-Ithyphall - und Phalæciſche Ode bey Herrn Tſcherning in ſeinem Vor - trab des Sommers an Johann Heer - mann / gibt eine ſo liebliche Vermiſchung / daß es das Ohr und Gemuͤth ergetzet. deren Anfang lautet alſo:

O daß Caſtalis mir nicht fleuſt!
Wie er andermahl ſich ergeuſt /
O daß Erato von mir ſetzt!
Die ſonſt meine Gedancken wetzt
Ein Getichte zu ſingen /
Als ich meinte zu bringen /
Wo ſich Himmel und Feuer in mir ruͤhrte
Als mein eifriger Geiſt Apelliſirte.

Er ſagt Appelliſirte: weil Herr Apel - les zu erſt dergleichen Art geſchrieben. Dem Alcaico, welches der Herr Tſcher - ning in ſeinem Fruͤhling p. 394. hat / fehlet nichts an Zierlichkeit und Wollaut. In meinen Getichten wird ſich auch eins dergleichen art finden. Betulius hat in ſeiner Anweiſung cap. 3. gar ein Elegiacum, deſſen Anfang dieſer:

Laß625Carminum.
Laſſe ja / laß dich nicht den Wein und die Weiber be -
thoͤren:
Dann die Weiber und Wein ſchaden auff einerley
weiß.
Weiber und Wein die koͤnnen Leib und Kraͤffte ver -
ſehren:
Weiber und der Wein ſtellen die Fuͤſſe auff Eiß. ꝛc.

Diß klinget aber nicht ſo woll / weiln die Verſe allzu lang und die pedes ſich allzu offt āndern. Die vielbāndige Oden ſchicken ſich beſſer hiezu; und will ich mich verpflichten daß ich die meiſten da - von im Teutſchen ſo nachmachen will / daß ſie nicht unlieblich ſein ſollen. Das Aſclepiadeũ mit dem Glyconico vermiſcht iſt bey Betulio l. c. Anacreontica hat man haͤuffig. Von dem Sapphico iſt im folgenden ein mehres. Warum ſolte man nicht den Jonicum à Majore & Mino - re, Dactylicum, Alcmanicum, Archilochi - um Dicolon, Hipponactium und die andre unter ſich vermiſchte metra nachmachen koͤnnen? Wer es nur verſuchen will / und die Worte und Reime zu ſeinen Wil - len hat / dem wird es nicht fehlen / undr rwun -626Das XII. Cap. Von den Arten. wundert mich ſehr / daß da man ſo viele Neuerungen gemacht / auch hierauff nicht mehr befliſſen geweſen iſt. Aber wir ſchreiten zu den uͤblichen arten der Ge - tichte / die bey den Teutſchen nach den Strophen eingetheilet.

Das XII Cap. Von den verſchiedenen Arten der Reimſchluͤſſe.

Einhalt. WOher das Alexandriniſche genus den Nah - men habe: Komt vermuthlich von den Fran - tzoſen her. Ob es zu Heroiſchen Getichten bequem. Joannes Boſcanus und Garcilaſſo de la Vega haben lieber ein kurtzes genus in der Spani - niſchen Poeſi erwehlen wollen. Teutſche Elegien. Vers communs. Sonnetten. Der Nahme iſt bey den Provincial Poeten ſchon geweſen. Es iſt ungewiß ob ſie von den Italiaͤnern oder Frantzo - ſen herkommen. Claude Fauchet und Menage Meinung. Wer ſie in Spaniſcher Sprach zu erſt auffgebracht. Joſepho Baptiſta hat die zierlichſtenSon -627der Reimſchluͤſſe. Sonnetten in Italiaͤniſcher Sprache geſchrieben. Flemming im Teutſchen. Iſt keine geringe Kunſt. Der Frantzoſen Freiheiten in den Sonnetten Quadrains Hexains, Huictains. &c. Das Sapphi - cum genus. Echo - Ringel-Reimen. Rondeaus. Wiederholung der Reime bey den Meiſterſaͤngern. Barrit eine gewiſſe art der Reime aus Herꝛn Schot - tel. Widerkehr. Gegentritte. Ketten-Reime. Pindariſche Oden: ſein einem Syllogiſmo Oratorio gleich. Sechſtinne. Deren erſter Erfinder. Teut - ſche Centones. Bilder-Reime. Griechiſche / die unter des Theocriti Carminibus gefunden wer - den. Joachimi Camerarii Urthel von ihnen. Ra - bani Mauri Carmina cruciformia. Madrigalen. Woher ſie kommen. Covarruviæ, Cotins Mei - nung. Mandrial. Ob die Frantzoſen oder Ita - liaͤner zu erſt ſie gebraucht. Cotin beſchreibt ein Madrigal nicht recht durch ein Epigramma. Herr Ziegler haͤlt die Magdrigalen fuͤr die ſchwerſte art. Die Teutſche Epigrammata koͤnnen auch in anderm metro bißweilen beſſer als in Madrigaln verfaſſet werden. Madrigalen ſein zur Muſic bequem. Madrigalonen, Madrigaletti. Stances inegales. ὲπίμικτα. Teutſche Inſcriptiones haben nicht die beſte art. Die Italiaͤniſchen ſchicken ſich unter den gemeinen Sprachen am dazu beſten.

r r 2Un -628Das XII. Cap. Von den Arten

VNter denen nach den Strophen eingetheilten Carminibus iſt das Alexandriniſche das bekanteſte. Woher dieſes den Nahmen habe / kan man nicht eigentlich wiſſen. Claude Fau - chet handelt hievon in ſeinem Buche de Poëſie Françoiſe liv. 2. p. 85. meinet / daß es entweder von den Buͤchern und Ro - mainen alſo genannt / darin die Thaten des Koͤnigs Alexandri in dergleichen Ver - ſe beſchrieben / wovon er einige Exempel in gemeldten Buche beybringet / oder auch von einem Frantzoͤſiſchen Poeten Alexandro. Andre meinen / es werde von einer Stadt Alexandriâ in Welſch - land / woſelbſt es erſt erfunden ſein ſol - le / alſo genant. Zeiler wolte es gern aus Teutſchland herfuͤhren / deßhalben er in ſeiner 569. Epiſtel an jemand ſchrei - bet / und von ihm zu wiſſen begehret / ob man nicht unter den uhralten Carminibus eine ſolche art finden ſolte. Ich halte a - ber / daß man ſich deßhalben vergeblich bemuͤhen werde / und vermeine man muͤſ -ſe629der Reimſchluͤſſe. ſe deſſen Erfindung den Frantzoſen laſſen. Welches wie herrlich es etzlichen auch vor - kom̄et / ſo urtheilet deñoch der ſcharfſiñi - ge Cenſor Rapinus in ſeinen Reflexioni - bus part. 2. n. 10. davon / daß es eine monotoniam habe / und den unterſcheid des numeri nicht vorſtellen koͤnne / ja gar in einem langen poëmate endlich ver - drießlich falle. Joannes Boſcanus und Gar - cilaſſo de la Vega haben es lieber in Spa - niſcher Sprache fahren laſſen wollen / und an ſtatt deſſen / die bey den Italiā - nern gebraͤuchliche eilffſilbige Verſe ange - nom̄en / wie Nicolaus Antonius in ſeiner Bibliotheca Hiſpanica bezeuget / in qui - bus, wie er ſagt / majeſtatem explicarent ſtyli atque uberiores venæ latices abun - dantius effunderent. Man ſolte in den Teutſchen Sprache die Heldenart gleich - falls hierin faſt beſſer außdruͤcken koͤnnen. Worin die Eygenſchafft dieſer Verſe be - ſtehe / iſt allen bekant. Darunten wird ein Exempel aus der 6. Ode des Horatii vorgeſtellet. Man hat auch einige artr r 3Ver -630Das XII. Cap. Von den ArtenVerſe / die man nach art der Lateiniſchen Elegias nennet / bloß deßhalben / weil Weibliche und Mānnliche unter einan - der verwechſelt werden. Dergleichen hat man nicht allein im Alexandriniſchen genere ſondern auch in andern. Man vermiſcht auch wol zweyerley arten / alſo daß ein Verß Alexandriniſch / der an - der Anapæſtiſch iſt / welches eine ſehr gu - te harmoniam macht. Deſſen ein Exem - pel aus der 7. Ode des Horatii gegeben wird. Im Alexandriniſchen Genere hat Herr Ziegler ein Buch ſolcher Elegien geſchrieben / von der Gebuhrt / Leiden und Aufferſtehung Chriſti. Eine ande - re art Elegien hat Herr Weiſe in ſeinen Getichten N. 37. und 38. Man hat fer - ner eine Art / die man gemeine Verß vers communs nennet / aus zehn und eilffſilbigen Jambis beſtehend. Dieſe fuͤ - gen ſich ſehr woll / und koͤnnen zu vielen dingen gebraucht werden. Wir wollen deren ein Exempel aus der 8. Ode des Horatii beybringen. Die Sonnetten /wie631der Reimſchluͤſſe. wie und auff wie vielerley Art ſie zu ma - chen / kan man bey andern uͤberfluͤſſig finden. Es iſt zweiffelhafftig welche Na - tion ſie erfunden. Die Italiaͤner und Frantzoſen ſtreiten hierum. Gewiß iſt es / daß bey den Frantzoſen der Nahme Sonneten ſchon in der Roman de la Ro - ſe, die ums Jahr 1260. geſchrieben / ſich findet / und auch in andern Autoribus die zur ſelben Zeit gelebet. Aber wie Mena - ge in ſeinen obſervationibus uͤber den Malherbe p. 570. angemerckt / ſo kan man noch nicht hierauß beweiſen / ob dieſelbe eben dieſe Maaß von 14. Verſen und der - gleichen Reimen gehabt wie die heutige. Verdier tadelt auch diejenige in ſeiner Cenſione autorum, welche den Petrar - cham vor den erſten Erfinder halten / ſich auff den Fauchet beruffend / der ein Son - net anß einem alten Frantzoͤſiſchen Auto - re hervorgebracht. Welches ich aber bey ihm nicht finden koͤnnen / und ſolte mich wunder nehmen / daß Menage diß vorbey gegangen were / welcher außdruͤck -r r 4lich632Das XII. Cap. Von den Artenlich bekennet / daß es den Frantzoſen an glaubwuͤrdigen Beweiß noch zur Zeit mangele / wiewoll es nicht ſo gar unglāu ich iſt / daß wie die Italiaͤner von den Provincial Poëten ihre Poeterey / ſo auch die Sonnetten uͤberkommen haben / in - ſonderheit da der Nahme bey ihnen ver - handen. Dann es koͤnnen ſolche kleine Carmina woll verlohren gegangen ſein. Wer es unter den Frantzoſen zu unſer Zeit am erſten auffgebracht / das unter - ſucht Menage weitlaͤufftig am vorgedach - ten Ohrt / daran uns aber nicht ſonder - lich gelegen. In Spaniſcher Sprache hat Joan Boſcan es zum erſten geſchrie - ben / wie Nicolaus Antonius in ſeiner Bibliotheca Hiſpanica bezeuget. Bey den Italiānern iſt Petrarcha von den er - ſten / deſſen Sonnette / wie alle ſeine andere Carmina gar woll gemacht. Es ſchreibt aber Lorenz. Craſlo. in ſeinen Elog: d huomini litterat. part. 1. p. 336. von dem Jo - ſepho Baptiſta, daß er dieſe art der Car - minum zur hoͤchſten Vollkommenheit ge -bracht /633der Reimſchluͤſſe. bracht / dann er ſagt: egli è ſtati il pri - mo in queſto ſecolo, che in un Sonnetto ſaputo unire tutte le bellezze imagina - bili, Eruditioni ripoſti, ma feli ciſſamente applicate: forme de dire magnifiche, ma non iſcompagnate della chiarezza: Con - cetti nobiliſſimi, ma genitori nel mede - ſimo punta della maraviglia e del diletto. Was dieſer von dem Joſepho Baptiſta ſa - get / daß koͤnnen wir billig von Flem - ming ſagen / dann es hat niemand in Teutſcher Sprache ein ſo ſchoͤnes Son - net geſchrieben / als er. Welches traun keine geringe Kunſt iſt. Dann es iſt von dieſem war / was Martialis von den Epigrammatibus ſagt; librum ſcribere dif - ficile eſt. Balzac ſaget in ſeinen Entre - tiens Entr. 32. daß er zwar viel Elegias ge - ſehen / die ihm ſehr woll gfallen / aber gar wenig Sonnetten / die ihn recht vergnuͤ - get haͤttē. Die Frantzoſen brauchen ſonſt viel Freyheiten / die dem Sonnet ſeine klingende art benehmen. Als wann Mal - herbe, die andre quatrain der erſten anr r 5den634Das XII. Cap. Von den Arten. Reimen nicht gleich macht / welches doch etwas nothwendiges bey einem Sonnet iſt. Dieſes iſt nicht nachzumachen. Seine eigene Landsleute tadeln ihn deßhalben. Es verwerffen auch einige unter ihnen die Reime und ſetzen ſie nicht an gebuͤh - rendem Ohrte / verwechſeln auch nicht die Maͤnnljche mit den Weiblichen / wie es ſich gebuͤhret / ſo daß drey / vier maͤnliche nach einander folgen. Es werden auch von ihm die ſechs letzte Rei - men / drey Maͤnliche drey Weibliche / wechſelweiſe widerholet. Es hat im Teut - ſchen der Herr Harſtoͤrffer ſieben Māñ - liche und ſieben Weibliche wechſelweiſe widerholet / welches ſehr ſchwer iſt / und keine ſonderliche art hat. Deꝛgleichē Wech - ſelreime findē ſich auch in dem Italiāniſchē bey Girolamo Preti. Ein Exempel eines Sonnets / wird auß der Od. 9. Horatii vorgeſtellet. Man hat bey den Frantzo - ſen / auch vier / ſechs / achtzeilige Verſe / Quadrains, Hexains Huictains, auff un -ter -635der Reimſchluͤſſe. terſchiedliche art unter ſich verwechſelt und gemiſchet / welchen etliche drey-fuͤnff - ſieben-neun-zehn - und zwoͤlffzeilige hinzu thun / deren Exempel bey dem Betulio cap. 8. ſeiner Anweiſung zu leſen Hier - in kan ein jedweder feinen eigenē Einfaͤllē zum Theil folgen. Darunten wird ein E - xempel der Sechszeiligen / welche die Vier - zeilige in ſich begreiffen auß der 10. Ode / und ein anders von den achtzeiligen / aus der 11. Ode herbey gebracht werden. Das Sapphicum genus iſt bey den Teutſchē auff unterſchiedliche art auffgebracht / ſo daß es numehr bey ihnen faſt das Buͤrger - recht gewonnen. Dann verſchiedene Gattungen von den Autoribus vorgezei - get werden. Darunten wird eins aus der 12. Ode des Horatii angefuͤhret / wel - ches zugleich ein Echo fuͤrbildet / ſo kein genus carminis vor ſich iſt / ſondern nur eine affectio deſſelben. Von dieſem ha - ben auch andere außfuͤhrlich gehandelt / inſonderheit Herr Schottel und Betu - lius cap. 9. ſeiner Anweiſung. Ringel -Rei -636Das XII. Cap. Von den ArtenReime ſein diejenigen / welche mit den - ſelben Woͤrtern damit ſie anheben auch den Schluß machen. Wovon aber zu mercken / daß der Anfang und Ende / muß etwas ſententioſum odeꝛ patheticum in ſich haben / dann ſonſt dieſe art ohn alle Zierlichkeit ſein wuͤrde. Dergleichen hat einer Almeſius, oder wie er mit rech - ten Nahmen heiſt / Zamelius, ein gantzes Buch geſchrieben unter dem titul Muſæ Cyclades. Darunten wird ein Exempel aus der 13. Ode des Horatii gegeben. Die Frantzoſen haben ihre Rondeaus, Herr Schottel hat auch eine andre art Rin - gelreimen / in Oden / da 2. Verſe in ei - ner jeden Strophe den Verß anfangen und ſchlieſſen / davon in den Anmerckun - gen uͤber Neumarcks Taffeln p. 249. zu leſen / und viele andere / davon in ſeiner Reimkunſt lib. 3. c. 10. gedacht wird. Beym Betulio findet man in ſeiner Anweiſung cap. 9. deren auch unterſchiedliche Gat - tungen / und unter andern eine / da das gewoͤhnliche Tiſchgebet Aller Augenwar -637der Reimſchluͤſſewarten auff dich: ſtuͤckweiß eine jegli - che Strophe / jedoch ohne Reim ſchlieſ - ſet. Solche Wiederholunge der Reime ſind auch bey den alten Meiſterſaͤngern geweſen; die ihre Klapperreime / anhan - gende Reime / Reim-Wetzler / oder Reim - Schleiffer / Schlag-Reime gehabt / davon Schottel in ſeiner Reimkunſt lib. 3. c. 21. Die offte Wiederholung eines klingenden Maͤñlichen Reimes / wie beim Schottel in dem Carmine, ſo eꝛ von deꝛ Teutſchē Haupt - ſprache / im Anfange ſeines fuͤnfften Bu - ches hat / in dem 18. 19. 20. 21. 22. 23ten Reim - ſchluß / nennet er in den Anmerckungen Barrit oder Bardit / und kan es ſein / daß ſie ſolcher art ſein / die Hans Sachs ſeine Thoͤne oder Bare neñt / davon wir part. 2. c. 7. erwehnet. Aber er brin - get deſſen keinen Beweiß bey. Die wider - kehrende Reime beſtehen hierin / daß in dem gantzen carmine nur eine Reimung ſey / es ſein ſo viel Strophen als ſie wol - len / und von dem Mitteltheile des Car - minis die Reime ruͤckgaͤngig wieder an -fan -638Das XII. Cap. Von den Artenfangen / alſo daß der erſte in der Wider - holung dem letzten des erſten Theils gleich werde / und alſo biß auff den letzten in gleicher Zahl uñ Reimwoͤrtern fortgehe / der dem erſten gantz gleich iſt. Der erſte Theil iſt gleichſam der Vorſatz / der an - der der Nachſatz / oder Beantwortung und Gegen-Rede. Die Wieder oder Gegentritte haben in den vierverſichten Strophē nur zwey Reimwoͤrter / die ſo fort wiederkehren / und kan die Zahl der Strophen nach belieben geſetzet werden. Beyder Arten Exempel ſind darunten zu finden / der erſtē / aus der 14, der an - dern auß der 15. Ode deß Horatii. Man hat auch eine art die man Kettenreime neñt / die ſich vorn / in der mitten und am Ende reimen. Von dieſen und der - gleichen Reimgebānden ſein bey dem Hn. Schottel in ſeiner Reimkunſt ſehr viel abſonderliche Arten zu finden / davon man bey ihm weiter nachleſen kan. Wir kommen auff die Pindariſche Oden / wel - che art die unſrigen nacht Art der Grie -chi -639der Reimſchluͤſſe. chiſchen und Lateiniſchen gemacht. Mit dieſen iſt es faſt / wie mit einem Epiche - remate oder Syllogiſmo Oratorio beſchaf - fen / darinnen die Strophe gleichſam eine Propoſitio iſt / welche dañ mit ihren rati - onibus amplificirt wird. Antiſtrophe iſt dem Minori zu vergleichen / welche wider - um amplificiret, und mit allerhand Po - etiſchen figuris außgezieret werden kan. Die Epodos macht gleichſam die Conclu - ſionem. Dieſe Ordnung kan auch woll geāndert werden / daß Strophe den Mi - norem, Antiſtrophe den Majorem ma - chet / wie ſolches auch in den Syllogiſmis oratoriis geſchieht. Im Lateiniſchen haben Heinſius, Sanmarthanus und an - dere dergleichen Oden geſchrieben. Die vielen Gattungen im Teutſchen / wer - den von andern weitlāufftiger angefuͤh - ret. Wir ſetzen deren ein Exempel aus der 16. Ode des Horatii. Die Sechſtinen ſein von den Spaniern am erſten erfun - den / und wird von dem Nicolao Antonio D. Petrus Vanegas de Saavedra der erſtebe -640Das XII. Cap. Von den Artenbenennet / der ſie gebraucht. Es iſt be - kant / worin ihre Eygenſchafft beſtehe. Harſtoͤrffer hat auch an ſtatt der ſechs Verſe / drey und vierzeilige. Sie klingen aber unlieblich. Drunten iſt ein Exem - pel aus der 17. Ode des Horatii, und in meinen Getichten findet ſich auch eins part. 1. n. 32.

Dieſe ſein alſo die vornehmſten nach den ſtrophis eingetheilte Genera, deren viele Veraͤnderungen bey andern ſich be - ſinden / und noch mehr koͤnnen erdacht werden. Betulius hat auch Centones, ſo er Stuͤckelgebaͤnde neñet / deren Exempel er eines auß dem Opitio zuſam - men geſetzet. Es hat aber in Teutſcher Sprache nicht die art / wie im Griechi - ſchen oder Lateiniſchen. So hat man Parodias, Acroſticha, Chronoſticha, wel - che hieher nicht gehoͤren / und den Nah - men eines rechtſchaffenen Carminis nicht verdienen. An Bilderreimen / da die Verſe eine gewiſſe Figur darſtellen / be - luſtigen ſich einige ſehr / indem ſie baldein641der Reimſchluͤſſeeinen Pocal / bald einen Baum und deꝛglei - chen außbilden. Die Griechen haben ſolche dinge vor dieſen gemacht / wie wir einige des Theocriti ſeinen Carminibus hinange - haͤnget finden Von dieſen urtheilt Came - rarius Epiſtol. 2. lib. 5. an den Eobanum Heſlum. In his Carminibus nihil eſt do - ctorum admiratione dignum. Quid e - nim elegans & Atticum vel in argumento vel elocutione, vel ſententiâ? An tu ve - iſtos ςαυροποιητὰς & γωνιοκάμπτας pro - baſti? Minimè probaſti aut probas, qui auguſtiam iſtam ingenii & tormenta com - poſitionis per luſum aliqua in parte bella videri poſſe, in totâ poëſi laudem ſcis prorſus non habere. Tribuuntur & alia hujusmodi poëmata Theocrito Bipennis Alæ, Ara. Quæ quidem facilè vitabunt induſtriam noſtram, & non adeò digna res videtur, ubi tu nervos intendas. E - ben ſolches Urthel kan man auch von den Bilderreimen faͤllen / wie auch von den verſibus quadratis, cubicis, die einige nach - ahmen wollen. Unter allen dieſen Artens sſein642Das XII. Cap. Von den Artenſein des Rabani Mauri Lateiniſche Carmi - na, darin ſo vielerley art Kreutze ge - bildet werden verwunderns wuͤrdig: dann es muß dieſer Mann eine unglaub - liche Muͤhe gehabt haben / deren ſo gar verſchiedene Formen / in ſo vielerley art Verſe zu verfaſſen. Wer aber ein recht tuͤchtiges Gedichte ſchreiben kan / wird ſich nie mit dergleichen armſeeligen Er - findungen behelffen.

Der Madrigalen haͤtte ich beynahe vergeſſen / welches eine ſehr feine art von Reimgebānden iſt / die von den Italiā - nern und Frantzoſen etwas ſpāte auff die Teutſchen gekommen. Woher ſolche Art Verſe und das Wort an ſich ſelbſt den Urſprung habe / iſt ungewiß. Covarru - vias hat in ſeinem Theſauro Linguæ Hi - ſpanicæ viel mit dieſem Worte zu thun / imgleichen auch Cotin in einer abſonder - lichen Diſſertation von den Madrigalien. Das Vocabularium della Cruſca fuͤhret es her von Mandra, welches eine Schāf - ferey bedeutet / und Gallo: welches letzteCo -643der Reimſchluͤſſe. Cotin nicht gefaͤllt. Einige leiten es von dem Spaniſchen Wort Madragan ſummo mane expergiſci her / wie die Liebhaber zu thun pflegen / wann ſie ihre Liebeslie - der bringen wollen. Das glāublichſte iſt / daß es von Mandra komme / und vor alters ein Schāfferlied bedeutet / welches auch hiedurch bekraͤfftiget wird / wie Menagius in ſeinen Originibus Italicis angemerckt / daß es bey den alten Itali - aͤnern Mandriagale genañt worden Das Wort ἀγέλη bedeutet auch bey den alten Atticis, eine Heerde / koͤnte es alſo von μάνδρα und ἀγέλη zuſam̄en geſetzet werden. Des Herrn Cotins Meinung iſt dieſe / daß wie vor dieſen bey den Siculis zu erſt die Hirtenlieder auffgekommen / ſie viel - leicht dieſe art von Verſen und Nahmen gehabt haͤtten / ehe noch die foͤrmlichen E - clogæ abgefaſſet worden. Ja er meinet gar / daß bey den Morgenlāndern der - gleichen Art vor langer Zeit im gebrauch geweſen. Weiln nun die Gallier mit den Griechen vor dieſen viel Gemein -s s 2ſchafft644Das XII. Cap. Von den Artenſchafft gehabt / ſo koͤnte ſolches entweder von ihnen auff die Masſilier gebracht / oder auch von Sicilien dahin gekommen ſein. Die Italiaͤner aber hatten dieſes Wort / und die art der Verſe von den Provinci - al Poeten empfangen. Womit auch Speron Speroni in ſeinen gelehrten Dia - logis einig iſt. Seine Einfaͤlle ſein artig und woll außgefuͤhrt / aber wie mich be - duͤncket / was zu weit her geholet. Es kan endlich gleich viel ſein woher das Wort komme. Die Sache an ſich ſelbſt iſt bekant gnug. Cotin gibt dieſe, Be - ſchreibung: Le Madrigal eſt d ordinaire une Epigramme galante compoſée de vers inegaux pour la meſure, & irreguliers pour la rime. Le tendre eſt ſon chara - ctere. Er nennet es ein Epigramma, wo - durch es aber nicht recht beſchrieben wird. dann ob zwar die Epigrammata hierin woll abgefaßt werden koͤnnen / ſo ſeind doch nicht ſo fort alle Madrigalen Epi - grammata. Der beruͤhmte Herr Zieg - ler hat ſie am erſten in die Teutſche Spꝛa -che645der Reimſchluͤſſe. che gebracht / und eine gelehrte Diſſerta - tion davon geſchrieben / welcher er unter - ſchiedliche Exempel anhaͤnget. Worin - nen er von ihren Eygenſchafften handelt. Er haͤlt ſie vor die ſchwerſte art eines Teutſchen Carminis. Sie iſt aber wie Herr Weiſe recht urtheilet ſehr leicht und ſehr ſchwer. Leicht / weil das Madrigal ungebunden iſt. Schwer / weil dieſe un - gebundene Freyheit mit nachdenckli - chen und ſcharffſinnigen Reden erſetzet werden muß. Weßhalben auch Hꝛ. Ziegler es fuͤr das eintzige genus haͤlt / ſo zu den Epigrammatibus. bequem iſt / dann er meinet es ſey ſehr ſchwer / in einer andern Art ein Fpigramma zu verfaſſen. Wor - in ich gantz andrer Meinung bin Dann ob man zwar ein Epigramma circumſcri - ptum, wie ichs nenne / in einem Madri - gal verfaſſen kan / ſo iſt man doch durch die ungleichheit bißweilen mehr gebun - den / daß man umſchweiffe gebrauchen muß / da man vielleicht in einem andern genere kuͤrtzer zum Ziel treffen koͤnte. s s 3Es646Das XII. Cap. Von den ArtenEs iſt ſo gar ſchwer und unmuͤg - lich nicht / wie er davor haͤlt / daß man gute Epigrammata im Teutſchen / auch auſſerhalb der Madrigalen ſchreiben kan. Daß meiſte hierin komt auff den Wollaut und das Urtheil der Ohren an. Auß dieſem muß man ſchlieſſen / ob man kurtze oder lange / gereimte oder ungereimte Verſe ſetzen ſoll. Weiln auch dieſe art zur Muſic erfunden / angeſehen in den Singeſpielen / die faſt durchgehende Ma - drigalen ſein / ſie von den Muſicis mit dem ſtylo reci ativo exprimirt wird / ſo muß in allen Zeilen zum wenigſten ein halber / oder auch gantzer ſenſus ſein / nachdem es die Muſic erfodert / ſonſt wuͤrde es gar uͤbel klingen. Wie man dieſes auch noth - wendig in den Oden die geſungen wer - den in acht nehmen muß / worinnen ſich doch viele verſtoſſen. Kempe und Stock - man haben gantze Buͤcher von Madriga - len geſchrieben. Dieſe art des Carmi - nis kan nach belieben außgedehnet / und in gewiſſe Sātze eingetheilet werden. Herr647der Reimſchluͤſſe. Hr. Weiſe neñet ſolche Madrigaliſche O - den. Mein hochgeehrter Collega Herr D. Major nennet ſie Madrigalonen / weil dergleichen Endigung in der Italiaͤniſchen Sprache etwas vergroͤſſert / und zwar mit guten Fug / weil im gegentheil bey den Italiaͤnern in ſignificatione diminu - tivâ, die kleinen Madrigale Madrigaletti genant werden. Der Frantzoſen ihre Stances inegales ſein derſelben art. Bey den Lateinern haben etzliche / als Heinſius und Hugenius faſt dergleichen Carmina geſchrieben / die ſie〈…〉〈…〉 πίμικτα nennen. Aber hierin ſind allerhand metra gemiſchet / die Dithyrambi koͤñen auch zum Theil mit ihnen verglichen werden. Es ſein deren einige Exempeln auch in meinen Getich - ten zu finden. Einige haben die bey den Lateinern gebrāuchliche Inſcriptiones auch nachahmen wollen / welches ſich bißweilen thun laͤſſet / und hat man deſ - ſen Proben bey dem Autore des Mau - ſolei Regum & Ducum Hungariæ, Betu - lio und andern. Aber die Teutſches s 4Spra -648Das XIII. Cap. Von denSprache iſt wegen der weitlaͤufftigen Zu - ſammenfuͤgung nicht woll bequem hiezu. Dann die Periodi laſſen ſich wegen der Huͤlffwoͤrter / Articuln, und Pronomi - num ſo enge nicht einſchrencken: oder man mußder Rede einige Gewalt anthun / und ſie wieder ihre natuͤrliche Eygen - ſchafft zwingen / und in kleine Theile zer - ſtuͤcken. Die Italiaͤniſche Sprache weil ſie ſo viel unnoͤthige Woͤrter nicht hat / laͤßt ſich unter den gemeinen Sprachen am beſten hiezu gebrauchen / wovon un - terſchiedliche Exempel in des Boldoni E - pigraphice ſich befinden.

Das XIII. Cap. Von den Erfindungen /

Einhalt. ZU den Erfindungen koͤnnen die Excerpta dienen. Excerpta Phraſium, Deſcriptionum, Com - parationum, Iconiſmorum. Iconologia - ſaris Ripæ. Zu einem Gedichte gehoͤret ein voll -kom -649Erfindungen. kommener Verſtand. Cardinal Perrons Urthel. Poeterey hindert keine andre Wiſſenſchafft: Der Poetiſche ἐνϑουσι μὸς Die rennlichkeit und deut - lichkeit der Rede. Die ſchwuͤlſtigen Compoſita, Epitheta und periphraſes werden getadelt / wie auch die ertichtete Woͤrter. Neue frembde Woͤrter ob und wann ſie zu gebrauchen. Unterſchiedliche Exempla die getadelt werden. Metaphoræ Poeticæ, muͤſſen von den gemeinen Woͤrtern unterſchieden werden. Exempel der gemeinen Woͤrter. Lexi - con Metaphorarum Poeticarum muß gemacht wer - den. Die Griech ſchen und Lateiniſchen Metaphoræ koͤnnen in Teutſcher Poeſi nachgemacht werden / doch mit gewiſſer Maaß. Exempel derſelben. Vondels Urtheil. Latiniſmi von Joh Baptiſta einem Italiaͤniſchen Poetengluͤcklich gebraucht. Die Metaphoriſche Epitheta finden keine gute ſtelle in Teutſcher Sprache. Die Italiaͤner gehen den Teutſchen hierin vor. Aus was Uhrſachen? Inſcri. ptiones haben in der Frantzoͤſiſchen und Teutſchen Sprache die art nicht / wie in dem Italiaͤniſchen. Von den Metaphoris des Cardinal Perrons Urtheil. Metaphoræ Poeticæ ſein in gewiſſe Maaß einge - ſchrenckt. Auguſtini Maſcardi Urthel. Meta - phoræ frigidæ. Deren Exempel. Metaphori - ſche Kunſtwoͤrter werden verworffen. Die Kunſt - woͤrter ſein an ſich verboten in Carmine. In ge - wiſſen Faͤllen zugelaſſen. Die Engellaͤnder belu - ſtigen ſich hierin. Burlesque. Wird gaͤntzlichs s 5ver -650Das XIII. Cap. Von denverworffen. Vavaſſoris Buch wieder dieſelbe. Die Beſchaffenheit der Deſcriptionum. Der Trans - lator Rapini urtheilet von der Beſchreibung der Nacht. Sein Urtel wird unterſucht und wider - legt. Virgilius wider ihn verthediget. Hugenii Zedeprinten. Caraffæ Dicerie Poetique. Diſpoſitio Außarbeitung eines groſſen und kleinen Carminis. Die Ordnung der Stuͤcke eines kleinen Carminis durch gewiſſe Lemmata. Spilimbergii Commen - tarius in Horatium wird gelobet. Reim Exercitium.

NAchdem wir die Reimgebānde be - trachtet / ſolten wir von den Er - findungen reden / davon vielmehr als von dem obigen zu handeln fiele / in - ſonderheit da von andern dieſes Theil nur obenhin beruͤhret. Dieſe Erfin - dungen koͤnten erſtlich in gemein / hernach abſonderlich nach Anleitung der Materie unterſucht werden. Weiln wir aber der - maleins ein abſonderlich Buch von den Erfindungen in Latina Poeſi hervor zu geben geſonnen / ſo wollen wir allhie de - ſto kuͤrtzer verfahren. Erſtlich ehe einer erfinden kan / muß er zuvor geleſen undge -651Erfindungen. geſamlet haben / ſonſten wird er ein lee - res Stroh dreſchen. Er muß nicht al - lein die vornehmſten Teutſchen Poeten / ſondern auch die Lateiniſchen und Grie - chiſchen / von welchen doch alles herflieſ - ſet / woll durchkrochen / und ihre Kuͤnſte ihnen abgelernet haben. Will er dieſen die Außlaͤnder / als Spanier / Frantzo - ſen Italiaͤner / hinzuſetzen / wird er ſei - nen Schatz deſto groͤſſer machen. Der delectus verborum muß inſonderheit all - hie woll in acht genommen werden / denn wie derſelbe origo eloquentiæ genannt wird / ſo iſt derſelbe in Carmine vor al - len andern das vornehmſte. Zu ſol - chem Ende kan man in der Teutſchen Tichterey eben ſolche Excerpta machen / wie in der Lateiniſchen / davon ich / ob GOtt will / in einem andern Buche mit meh - rem handeln will. Die excerpta phraſi - um, deſcriptionum haben beꝛeits einige zu - ſam̃en getragē. Tſcherning in dem Abriß ſeiner Poetiſchen Schatzkam̃er / Treu in ſeinen Dædalo, Bergman / Harſtoͤrfferin652Das XIII. Cap Von denin dem Anhang ſeines Poetiſchen Trich - ters / woſelbſt er die Außbildungen mit anfuͤhret / welche von den vornehmſten Stuͤcken der Poetiſchen Zierrahten ſein / davon Julius Cæſar Ripa ein abſonderlich Buch in Portugieſiſcher Spꝛache geſchꝛie - ben / welches ietzo verteutſchet. Maſe - nius hat einen kurtzen Außzug aus ihm und andern gemacht in ſeinem Speculo i - maginum veritatis occultæ. Die Com - parationes muͤſſen auch angemerckt wer - den / wie ſolches in Lateiniſcher Poeſi von Trognæſio geſchehen Im uͤbrigen iſt ein groſſer Unterſcheid unter der gebundenen und ungebundenen Redensart / und wer - den die Poeten durch einen ſonderlichen Geiſt getrieben. Es meinen etliche / als wann ein Carmen nur ſo von ungefehr gemacht werde / beſtuͤnde nur von auß - ſpuͤrigen Einfāllen / die keine ſonderliche Schlußreden von noͤthen hātten. Die - ſe aber die ſo urtheilen / legen ihren groſ - ſen Unverſtand zu tage / und haben nie - mals was rechtſchaffenes in Wiſſenſchaff -ten653Erfindungen. ten gethan. Dann es iſt gewißlich alſo / wie J. C. Scaliger urtheilet / es fallen die Poetiſche Zuneigunge auff keinen gemei - nen Verſtand. Ein vollenkommenes Carmen, wie die Æneis Virgilii, Comœ - dien, Tragœdien, und auch andere Ge - tichte erfodern ein wollgelaͤutertes Urthel / ſo woll in richtigen aus den locis Rhetori - cis genommenen Schlußreden / als an - dern Zierlichkeiten / die ihre gewiſſe art und proportion haben muͤſſen. Es ſagt der Cardinal Perronius in ſeinen Excerptis gar artig. L’Excellence de vers conſiſto comme en un point indiviſible de perfe - ction, de ſorte, que s il s y peu mettre un ſeul mot plus propre, ou plus ſignifi - catif, ou meſme plus agreable a l oreil - le, il ne peut eſtre dict parfait. Es iſt die hoͤchſte Staffel eines Verſtandes zu der Vollkommenheit dieſer Kunſt zu ge - langen / wie wir an den vortreflichſten Geiſtern dieſer Zeit / als Hugone Grotio, Heinſio, Alexandro Moro und vielen an - dern geſehen / die in allen Stuͤcken derWiſ -654Das XIII. Cap. Vou denWiſſenſchafften zu Hauſe geweſen / ob ſie gleich die beſten Poeten waren. Dann was einige halbgelehrten hievon kluͤgeln / ob hindere die Poeterey die andern Wiſ - ſenſchafften / iſt ein thoͤrichter Schluß der - jenigen / die nicht wiſſen unter den rech - ten Gebrauch und Mißbrauch einen Un - terſcheid zu machen. Es heißt / wie der Griechiſche Verß ſaget.

Γράμματα μαϑε̃ιν δε̃ι, καὺ μαϑοῦντα νοῦν
ἔχειν,

Wer ein gutes Urthel hat / weiß woll / wie weit er gehen / und wie weit er zuruͤcke halten ſoll. Denen Uberklugen aber die es vor eine Thorheit halten in dieſen Studiis ſich zu uͤben / will ich mit dem Verſe des Horatii antworten:

O major tandem, parcas inſane minori,

Wie weit die Erhoͤhung des Verſtandes in Carmine gehe / kan man hierauß ſehen / daß die Alten hiezu einen ſonderlichen ἐν - ϑουσιασμὸν erfodert / der die Gedancken offtmahls auſſer ſich fuͤhret. Wie vonden655Erfindungen. dem Marino geſaget wird / daß da er bey dem Camin-Feur ſitzend / einige Stances in ſeiner Adonis gemacht / in den Ge - dancken ſich ſo vertieffet / daß ers nicht inne geworden / wie ihm das Feuer den Schenckel verbrant. Dieſer ἐνϑουσιαςμὸς weiſet ſich in allen Stuͤcken ei - nes Gedichtes; ja in den Worten ſelbſt. Daher man von den Poeten ſaget / daß ſie eine andre Sprache haben / und mehr als Menſchlich reden. Harſtoͤrffer ma - chet unter die gemeine und Poetiſche Re - de einen Unterſcheid / wie unter tantzen und gehen. Es muͤſſen die Woͤrter und Phraſes in gebundener / wie in unge - bundener Rede auch ihre Rennlichkeit und Deutlichkeit haben / welche Herr Tſcher - ning in der Vorrede ſeines Fruͤhlings inſonderheit erfodert / und iſt alles was dieſer zu wiederlaͤufft den Ohren unan - genehm. Dannenhero die viele gemach - te Dithyrambiſchē Compoſita welche einige ſehr hāuffen / und in ihnen eine ſonderli - che Zierlichkeit ſuchen / ſchwuͤlſtige Epi -the -656Das XIII. Cap. Von dentheta und Periphraſes gāntzlich zu mei - den. Worunter auch die alten Woͤrter gehoͤren / welche einige in der Italiaͤni - ſchen Poeſi außgeſuchet / von denen I. Nic. Erythræus Pinacoth. I. num. 157. zu leſen: imgleichen auch die neuen / inſon - derheit die ertichteten: Es ſein etliche die es vor eine ſonderliche Zierlichkeit halten / ja wol gar unter die Lehrſātze bringen / daß man die Stim̄en der Thiere mit gleichlautenden ertichteten Woͤrtern außdruͤcken ſoll / welches in allen Carmi - nibus nicht zu billigen. Des Hn. Buch - ners Urthel in ſeinem Buch de comm - dic. ratione. c. 9. ſect. 1. gefaͤllt mir ſehr woll. Ut in Comœdia & in ludicro opere talia aliquando deceant, in Epico carmi - ne, quod totum inprimis gravitate cenſe - tur, & ad ſplendorem ac majeſtatem com - paratum eſſe debet, locum non habet. Er tadelt deßhalber nicht unbillig den Gabriel Lermæum, der des Bartas Wercke in Lateiniſche Verſe uͤberſetzet / wañ er den Leꝛchen Geſang mit dieſen Verſen vor - ſtellet

Ipſa657Erſindungen.
Ipſa ſuum tireli tireli tire tirlire tractim
Ingemimans ſecat aſtra levis.

Virgilius der doch offt der Trompeten ge - dacht / hat niemahls das Ennianiſche Taratantara gebraucht. Lautet alſo nicht eben ſo zierlich wann Betulius von den Bienen ſchreibet.

Brummet / Immen um und um.
ſummet brummet ſeid nicht ſtum.

und an einem andren Ohrte:

Wie offte wird das Summen /
Hier von dem Nachbar Zaun auß dem Gehaͤge
brummen /
(ein /
Das Bienlein das vom Buſch ſein Honig ſamlet
Sein ſuͤſſes Surgeſauͤß wird deine Wiege ſein.

Virgilius hat niemahls / da er doch ein gantz Buch von den Bienen geſchrieben / das Wort bombus, welches von den Bienen ſonſt gebraucht wird / ſetzen wol - len. Deſſelben Schlages iſt / was Klajus in ſeinem Friedens Einzuge ſchreibt

Bumb bidi bumb bumb halt
Der Trompten lauter Laut auff den Paſteien ſchallt.

Bey denſelben Autoribus findet man vie - le ſchwuͤlſtige und Dithyrambiſche Compo -t tſita658Das XIII. Cap. Von denſita, als von den Wellen der See: die giſchgeſaltzen lauſchen und eilen uferwerts: Der Wellen Wallen - wuͤten. So auch ferner: das Schiff - gepfluͤgte Meer: Das Flammge - ſpaͤnn. d. i. die Sonnenpferde. Die bunte Wuͤrmermuͤh / opus vermicu - latum, und hundert andre mehr / wel - che von einigen als ſonderliche Zierlich - keiten geachtet werden / mir aber nicht lieblicher in den Ohren klingen als die vom Plauto erdachte Woͤrter: Sycolatro - nidæ, Argentiextenebronidæ Fuſtitudi - næferrierepinæ inſulæ, und des Pacuvii: Repandiroſtrum incurvicervicum pecus. welche Woͤrter kein verſtaͤndiger auſſer - halb der Comœdie oder einem Schertz - Gedichte gebrauchen wird. Die fremb - den Woͤrter muͤſſen auch gemieden wer - den. Worunter doch nicht zu verſtehen die ſchon lāngſt in Teutſcher Sprache das Buͤrgerrecht gewonnen; als Fen - ſter / Kloſter / ꝛc. welche einige Kluͤg - linge außmuſtern wollen / die deßhalbenbil -659Erfindungen. billig von Buchnero de comm. dicend. rat. lib. 1. c. 8 p. 141. außgelacht werden. La - teiniſche und Frantzoͤſiſche Woͤrter haben in einem ernſthafften Carmine und in ei - ner abgemeßnen Rede keinen Platz. In Diſcourſen (welches Wort auch durch kein Teutſches recht außgedruckt werden kan /) in Briefen / in politiſchen Schriff - ten / wird man gezwungen dieſelbe zu gebrauchen: dann es kan bißweilen viel nachdencklicher dadurch gegeben werden. Man hat in der Frantzoͤſiſchen Sprache / welche reich iſt von Woͤrtern / die einen ab - ſtractivum und genericum conceptum importiren einige Woͤrter / als z. e. pe - dant, (von deſſen Bedeutung der Autor artis cogitandi in Diſſ. 1. handelt /) conduit, und hundert andere / die man im Teut - ſchen nicht außdruͤcken kan / wie J. C. Sca - liger in ſeiner Oration von dem Wort ineptus, dieſes und andre Woͤrter an - fuͤhret / die man nicht im Griechſchen geben kan. Warum ſolte man nicht derſelben ſich bißweilen / da es diet t 2noht -660Das XIII. Cap. Von denNohtturfft erfodert im Teutſchen auch ge - brauchen? Es iſt keine Sprache ſo rein / daß nicht frembde Woͤrter darin zu fin - den. Die Frantzoͤſiſche hat ſehr viel von der Italiaͤniſchen angenommen / dann es hat Henricus Stephani ſchon zu ſeiner Zeit ein gantzes Buch du nouveau Lan - gage Francois Italianizé, ou autrement déguiſé entre les courtiſans du temps; hervorgegeben. Warum ſolte dann die Teutſche Sprache hierin vor andern einē Vorzug haben? Conringius hat dieſen Mißbrauch der Teutſchen Poeſie in ſeinem Brieff an den Herrn Schottel getadelt: Scilicet, ſpricht er / dum ditiorem & ele - gantiorem ſolito linguam reddere conan - tur, condunt nova vocabula, nunc ineptis compoſitionibus, nunc cothurnatis meta - phoris. Er nennet dieſe die ſolches thun grallatoria ingenia. Aber dieſe rennlich - keit und deutlichkeit muß nicht dahin ge - leitet werden / daß man alle Metapho - ras meiden ſolle / wie einige Frautzoſen in ſolchem wahn ſein / und der halbenvon661Erfindungen. von Rapino getadelt werden. Dann dieſe muͤſſen in einer Poetiſchen Rede ſein / ſonſten kriecht ſie bey der Erden / und hat nichts wodurch ſie ſich erheben kan. Es muͤſſen auch dieſe keine gemeine Metapho - ſein / denn die gemeinen Metaphoræ ſein weniger zu gebrauchen / als die ſonſt gebraͤuchliche propriæ voces, wie Menage recht urtheilet in ſeinen obſervationibus uͤber den Malherbe p. 522. weil ſie durch den Gebrauch des Poͤbels verkleinert werden / und dadurch unter außerleſe - nen Woͤrtern keinē Platz verdienen. Weß - halben man auch die Alltagswoͤrter / wie Betulius im 6. Capittel anmercket / als Semmel und dergleichen meiden ſoll. Man hat angemerckt / daß in dem gan - tzen Werck des Virgilii das Wort Panis ſich nicht findet / weil es ſo gemein iſt / ſondern er gibt es durch periphraſes, als dona labotatæ Cereris, und andere Woͤr - ter. Es ſein auch einige Particulæ Periodicæ in Proſa gebraͤuchlich / die ſich durchauß in die Verſe nicht ſchicken / als unangeſehn /t t 3wel -662Das XIII. Cap. Von denwelchermaſſen / dannenhero / de - rentwegen / wie ſolche auch im Lateini - ſchen ſich befinden. Man hat auch gewiſſe Metaphoras Poeticas, ſolche muß man mit groſſem Verſtande gar genau unter - ſcheiden. Dieſe ſein in allen Sprachen bey Griechen / Lateinern / Italiaͤnern / Frantzoſen ꝛc. woll in acht zu nehmen und zuſammen zu leſen. Welches eines von den vornehmſten Mitteln iſt zur vollenkommenheit in der Tichterkunſt zu gelangen. Da muß man nun von die - ſen Metaphoris gantze Lexica zuſammen tragen / die mehr nutzen als alle Æraria Poetica geben werden. Weiln auch eine jede Sprache ihre ſonderliche Eygen - ſchafft in den translatis hat / aber auch bißweilen etwas mit andern gemein / ſo muß man inſonderheit hierauff mercken / da man deren etwas pcr analogiam auß einer frembden Sprache in die Teutſche uͤbernehmen kan / welches aber mit groſ - ſer Beſcheidenheit geſchehen muß. Wir koͤnnen dieſes bey den Lateiniſchen Poe -ten663Erfindungen. ten ſehen / welche dergleichen Redensar - ten den Griechen ſo artlich abſtehlen koͤn - nen / daß mans kaum gewar wird / wañ mans nicht recht genau betrachtet. Hie - von wird an einem andern Ohrte ein mehres geredet werden. Ich will nur von denen in der Lateiniſchen Sprache vorkommenden Metaphoris und Redens - arten diß erwehnen / daß ſelbige biß - weilen gar zierlich in Teutſcher Poeſi koͤn - nen angebracht werden. Horatius nen - net fundum mendacem, der nicht die ver - hoffte Frucht bringet: warum ſolte ich im Teutſchen ſolches nicht nachmachen / und aus dem Gegentheil ſagen? Wann ihm ſein treues Land auff guten Glauben zahlt die Fruͤchte die er hofft. Oder: Sein Acker will nicht Glauben halten. Claudianus ſaget: Tempeſtas pretioſa Tagi: dieſes habe ich nachgemacht in dem Carmine von der Mertensgans / da ich des Jupiters guͤl - dnen Regen nenne / ein koſtbahres Gold und Liebsgewitter. Harſtoͤrffer hat ohnet t 4Fug664Das XIII. Cap. Von denFug in ſeinem Poetiſchen Trichter p. 101. getadelt / wann man nach der Lateini - ſchen art / intonſum caput Libani das unbeſchorne Haupt des Berges Libanus ſagen wolte. Dann warum ſolte ich nicht von einem Waldreichen Ber - ge ſagen koͤnnen? Er hebt ſein unbe - ſchornes Haupt empor. Ich kan zwar nicht ſagen / veſcitur aurâ er frißt die Lufft / ſondern gar woll: Weil er mit friſcher Lufft die Lebensgei - ſter ſpeißt. Virgilius ſaget: Mane ſa - lutantum totis vomit ædibus undam, da laͤſt ſich das Wort vomere im Teutſchen nicht nachmachen. Longinus hat in ſei - nem Buch περὶ ὕφους einen Griechiſchen Poeten getadelt / der da ſchrieb: πρὸς οὐρανὸν ἐξεμει̃ν, in cœlum vomere, und ſe - tzet Tanaquil Faber in den Anmerckun - gen / Turpis & ſordida eſt locutio; ge - dencket aber nicht des Virgilii der von dem Berge Ætna diß Wort gebraucht: ja daß gar die Thuͤren in den Theatris Vomitoria genant worden. Dieſesmacht665Erfindungen. macht der unterſchiedliche Gebrauch der Sprachen / wiewoll man von dem Feu - erſpeienden Berge Ætnâ im Teutſchen daſſelbe ſagen kan. Es hat Joſephus Baptiſta, deſſen wir droben gedacht / die latiniſmos ſehr gluͤcklich in der Italiāni - ſchen Poeſie gebraucht wie Nicol. Craſl. in Elogi d huomini litterati part. 1. p. 337. be - zeuget: Parue, ſagt er / ad alcuni che i ſuoi latiniſmi gli porgeſſero qualche nota di reprenſione. Ma egli di coteſti ſi ri - de, que nulla conoſcono la vaghezza di quelle idee, delle quali come opulentiſſi - ma matrona pompoſamente allan da la lingua latina, e ſenza le quali povera me - ſchina rimarebbe l Italica. In allen Din - gen muß Maaſſe gehalten werden. Man muß allezeit auff den Gebrauch und die Eigenſchafft der Sprachen ſehen. Wo dieſes nicht geſchieht / kan man mit dem - ſelben es verderben / damit mans gut zu zu machen vermeinet. Die Frantzoſen haben auch in ihrer Sprache die Italiciſ - mos bißweilen nicht zum beſten ange -t t 5bracht:666Das XIII. Cap. Von denbracht: deßhalben Joachim du Bellay wieder ſeine Petrarchiſirende Landsleute ein abſonderliches Buch geſchrieben. So haben auch Ronſard, Jodell, Bartas viel Græciſmos in die Frantzoͤſiſche Sprache gebracht / welche deßwegen von andern getadelt werden / inſonder - heit von dem I. F. Grandis in ſeinem Diſ - cours Encomiaſtique ſur la Rhetoriq; Fran - coiſ. de Monſ. de Bary p. 25. Vondel hat in ſeiner Aenleidinge hievon auch nuͤtzliche Lehren gegeben: Wy moeten deſe tongen matigen, en mengen, en met kenniſſe beſnoeien, oock niet alte latinachtig, noch te nau gezet en nieu - vvelyck Duitſch ſpreken, maer zulcks dat de tong haer eigenſchap niet verlieze, vvaer van de hervormers onzer ſpraecke niet geheel vry zijn. Men vermide ge - lijck een peſt, de vvoorden tegens den aert onzer tale te verſtellen: een evel da doorluchtige Italianen Spanjarden en Franſchen oock van ziek zijn. Was die Teutſche Sprache anlanget / ſo iſt ſiezwar667Erfindungen. zwar bequem genug alle Metaphoras auß - zudruͤcken / nur in dieſem reichet ſie nicht zu / daß ſie die Metaphoriſchen Epithe - ta ſo nicht geben kan / wie die Griechen / Lateiner und die heutigen Italiāner Die Teutſchen Adjectiva ſein ſo gar unbaͤn - dig / daß ſie nicht woll in den uͤblichen Reimgebānden ſtaat finden. Dero - halben wann die Italiaͤner ein mtaphori - ſches epitheton ſetzen / ſo muß man im Teutſchen das Adjectivum in ein Subſtan - tivum verwandeln / und ſolches gleichſam in Abſtracto ſetzen / welches dann eine weitläufftigkeit der Rede / und ein fremb - des Weſen veruhrſachet: Da man biß - weilen zwey oder dreymahl einige Zei - len leſen muß / ehe man den Verſtand erreichen kan. Zum Exempel wann man ſagen wolte / die Eiſerne Zeit / ſo ſchickt ſich dieſes nicht in den Verß / ſondern ich muß hievor ſetzen / das Eiſen dieſer Zeit. Die Italiaͤner aber koͤnnen bey jeglichem ſubſtantivo ein epithcton meta - phoricum ſetzen / wodurch ſie eine Redeſehr668Das XIII. Cap. Von denſehr ſcharffſinnig machen / ja bißweilen mehr als noͤthig iſt / nnd die Gebuͤhr er - fodert. Sie haben auch ihre Gerundia, wodurch ſie die ſentcntias ſo zuſammen ziehen koͤnnen / als keine andre nation thun kan. Was ſie in einem eintzigen com - mate begreiffen / davon muß ein Teut - ſcher woll drey machen. Deſſen konten hundert Exempel angefuͤhret werden. Wird alſo beſſer ſein man ſuche in Teut - ſcher Sprache die Scharffſinnigkeiten / nicht ſo ſehr in Metaphoriſchen Beſchrei - bungen / als in neben und gegen ſaͤtzen gantzer Enuntiationum, wie Flem̃ing und andꝛe thun. Daheꝛ komt es auch dz die Ita - liaͤner viel fuͤglicher die Inſcrptiones faſſen koͤñen / als die Teutſchen uñ Fꝛantzoſen / von welchen letztern man doch einige Exempel ſo auff den ietzigen Koͤnig geſchrieben / in dem Mercure Galant de l Anno 1678. fin - det. Es iſt traun ein groſſes an dem rech - ten Gebrauch der Metaphorarum gelegen / weßhalben auch Ariſtoteles in Rhetoricis ſaget: Man koͤñe hieran ein vollkom̃enesUr -669Erfindungen. Urthel kennen / wer ſie recht zu gebrauchen weiß. Der Cardinal Perron hat gar weiß - lich geurtheilet / wie in den Excerptis p. 193. zu ſehen / daß die Sprachen den Urſprung von der Nothwendigkeit habē / aber durch die affectation verdorben werden / welche mehrentheils in den metaphoris beſtehet. Dann wie der luxus ein Zeichen iſt / daß das Regiment zu Grunde geht / ſo iſt auch der luxus in den Sprachen ein Zei - chen ihres verderbens. Er ſagt ferner / es ſey mit den Sprachen beſchaffen wie mit den Fruͤchten / welche / wann ſie reiff werden / allerhand Wuͤrmer bey ſich zeu - gen. Welches man zu dieſer Zeit von der Teutſchen Sprache mit gutem grun - de der Warheit ſagen kan. In der Po - ëſi werden zwar hārtere Metaphoræ, als in Proſa nicht allein zu gelaſſen / ſondern gar erfodert / jedoch mit gewiſſer Maaſſe. Dann weil man von einem Poeten viel - mehr etwas außgeſonnens erwartet / als von einem Oratore, bey welchem etwas neues alſofort verdāchtig iſt / ſo mūſſenauch670Das XIII. Cap. Von denauch einige hoͤhere Metaphoræ zugeſtan - den werden. So ſieht man auch / daß die Proſa immer ehe verdorben wird / als die gebundene art zu reden. Weiln man hierin ſich mehr um die Wahl der Woͤrter bekuͤmmern muß. Es iſt aber auch den Poeticis metaphoris ein Ziel geſchrieben / daruͤber ſie nicht gehen muͤſſen. Dann es wird ſo woll in exceſſu als defectu hierin gefehlet. Ob zwar die Poetica translata weiter als die Oratoria gehen / ſo kan man doch auch allzu weit gehen. Der gelehr - te und ſinnreiche Auguſt. Maſcard. ſaget gar artig in ſeinen Proſe vulgari p. 1. diſſ. 9. La metafora è figlivola della neceſſita, ma poſcia adottata dal diletto: ritien però ſempre l occhio fiſo alla madre, e di con - ſentimento di lei accarezza il diletto: non é de dimenticarſi la favella commune, per contrar l habito nel parlar metafori - co. Die Italiaͤner und Spanier ſetzen offt aus der Mittelbahn / weßhalben ſie von vielen getadelt worden. Die alten ſelbſt haben hierin keine Maaß gehalten. Wann671Erfindungen. Wann man den Pindarum anſiehet / wie erhebt er ſich durch Woͤrter! was iſt bey ihm fuͤr eine ungezāhmte Phantaſie / die nicht allemahl gleich lobwuͤrdig iſt / aber dennoch in Lyrico genere vor andern kan geduldet werden. Plautus geht auch hier - in weiter / als Terentius, welcher die Vernunfft und das Urthel mehr zu Ra - the gezogen. Die Metaphoræ werden alsdann frigidæ, von welchen Ariſtoles lib. 3. Rhetoric. und Longinus περὶ ὕφους weitlāufftig handeln / davon wir in un - ſern Buch de arguta dictione ein mehres beybringen werden. Ein Exempel der - gleichen naͤrriſchen hochtrabenden meta - phorarum, hat ein Frantzoſe ſchertzweiſe geſchrieben / und unter dem titul: Lettres Methodiques heraußgegeben. Es muß auch hieher gebracht werden / wann die Engellānder die Kunſtwoͤrter als meta - phoras in ihren Poematibus einbringen / wie man bey dem Donne ſiehet / da fin - det man / Atomos, Influentias, Ecſtaſes, und ſo viel außſpuͤrige Conceptus, daßman672Das XIII. Cap. Von denman daruͤber einen Eckel bekommen moͤch - te. Caſtelvetro hat in ſeiner Poetica ein artiges Urthel von denen gefaͤllet / die dieſe Kunſtwoͤrter in Getichten gebrauchen / dann er ſpricht: Weiln die Wiſſenſchaff - ten und die Kuͤnſte von dem Volcke nicht verſtanden werden / ſo ſolte man derglei - chen Woͤrter nicht gebrauchen: Was wuͤrde er von dieſen ſagen / die die Meta - phyſiſchen und Logicaliſchen terminos nicht propriè ſondern gar metaphoricè gebrauchen. Es iſt eine verdrießliche Sache / wann man die Gelehrtheit will ſehen laſſen an Oertern / da es ſich nicht ſchicket / welches Rapinus inſonderheit an dem du Bartas und Ronſard tadelt. Es hat eine andre Bewandniß / wann man einen luſum ingenii darin ſucht / wie Chriſtian Hoffmann ein Teutſches Car - men: Die Bergprobe oder Reichſteini - ſcher Goͤldner Eſel genannt / in Bergmaͤn - niſcher Redensart geſchrieben. Es iſt auch der groͤſte Mißbrauch in den Me - taphotis, wann man dieſelben von gemei -nen673Erfindungen. nen nichtswuͤrdigen und ſchāndlichen din - gen holet / und auff die hohen und vor - treflichen dinge bringet. Man hat gar eine Schreibart erdacht / die man Bur - leſque nennet / die von den Italiaͤnern und Frantzoſen auffgebracht. Es iſt zu verwundern / daß in ſo klugen Nationen dergleichen nārriſch Ding einen Beyfall hat finden koͤnnen. Der gelehrte Va - vaſlor hat in ſeinem Buch de ludicra di - ctione dieſe Schreibart billig durchgezo - gen / und ſeinen Landsleuten ſolche ver - wieſen. Worinnen er darthut / daß man bey keinem alten Autore dergleichen Schreibart finde: da dennoch Cuperus in ſeinen obſervationibus lib. 1. c. 10 das Gegentheil zu behaupten vermeinet / den Rhinton bey den Griechen zum Urheber derſelben vorgebend. Die Italiaͤner haben uns dieſe Zierlichkeit / die die Heß - lichkeit zur Mutter hat / zu ihrer ewigen Schande erſtlich auff die Bahn gebracht / und haben hernach einige in Franckreich an dieſer Mißgebuhrt einen gefallen ge -u uhabt /674Das XIII. Cap. Von denhabt. Ein gelehrter Mann nennet der - gleichen Carmina nicht unbillig excremen - ta Pegaſi. Der Autor de la connoiſſan - ce des bons livres handelt in ſeinem Trait. 3. mit mēhren hievon. Wir wollen uns hie mit dergleichen unflātigen Weſen nicht auffhalten. Erfreue mich druͤber daß kein Teutſcher ſolches bißhero nach gemacht. Ein Niederlānder hat den - noch auch ſeinen Geiſt hierin wollen ſe - hen laſſen / welcher in ſeiner Thalia oder Geurigen Sanggodin, das erſte Buch des Virgilii mit ſo herrlichem Zierrath beklei - det / wie es im Frantzoͤſiſchen der Scar - ron gethan.

Nechſt den Metaphoris iſt das vornem - ſte / die Deſcriptiones in einem Getichte wol zu ordnen: dann hierin iſt ein groſ - ſer Mißbrauch / daß man die Gedan - cken und die Phantaſie weiter lauffen laͤſt / als die Gebuͤhr erfodert. Die alten La - teiniſchen Poeten ſelbſt thun hierin zu viel. Der eintzige Virgilius weiß die Maaß zu halten. Der EngliſcheTrans -675Erfindungen. Translator der Reflexionum des Rapini hat in der Vorrede hievon gehandelt / und weiß an allen Nationen was in die - ſem ſtuͤcke zu tadeln. Nur bey ſeinen Landesleuten hat er eine groͤſſere Vollen - kommenheit gefunden. Zu welchem En - de er dann eine Beſchreibung der Nacht auß einem Engliſchen Poeten anfuͤhret / die er den Beſchreibungen des Virgilii Apollonii, Taſſi, Marini, Chapellains, le Moyne entgegen geſetzt: dann er meinet / daß in den vier Verſen ſeines Lands - mans mehr Verſtand ſtecke / als in den andern. Die Verſe lauten alſo:

All things are huſh’d, as Nature’s ſelflay dead. The Mountains ſeem to nod their drovvſie head.
The little Birds in dreams their Songs repeat, And ſleeping flovvers beneath the Night-devv ſvveat.

Wann ich alle dieſe Worte zergliedern wolte / ſo konte ich leicht darthun / daß ſie mehr Phantaſie als Urtheils haben / und denen andern / inſonderheit des Vir -u u 2gilii676Das XIII. Cap. Von dengilii ſeiner Beſchreibung / die er Æn. 4. hat im geꝛingſten nicht zu veꝛgleichen. Virgilius bleibt in den Schrancken der Natuͤrlich - keit / Jener aber hat ein wildes weſen an ſich: Virgilius ſaget placidum carpebant feſſa ſoporcm corpora per terras, Jener ſagt / die Natur ſey erſtorben. Vitgilius bleibt bey den Thieren / die des Schlaf - fes faͤhig ſein / Jener eignet den Schlaff auch den Bergen und Bluhmen zu. Vir - gilius ſaget / daß die Voͤgel ſchweigen / Je - ner / daß ſie ihren Geſang im Traume wiederholen. Welches ſo es recht gegen einander gehalten wird / ſo leuchten die außſpuͤrigen Einfālle des Engliſchen Poeten klårlich unter Augen. Ich mag allhie nicht anfūhren was er uͤber den Verſen des Virgilii fūr eine unzeitige und nuͤchterne Critic gebraucht. Nur diß ei - ne kan ich nicht unberuͤhrt laſſen / daß er den Verß des Virgilii der mit ſo groſſer Vernunfft geſchrieben / tadelt / cum me - dio volvuntur ſidera lapſu. Er ſaget / er koͤnne den Verß nicht loben / weil dieſeWor -677Erfindungen. Worte von lauter Bewegung handelen und were auch der numerus der Worte ſelbſt der allgemeinen Ruhe / die der Poet beſchreibt / zu wieder: Er wolte lieber da - vor ſetzen / cum medio librantur ſi - dera curſu, dann wan die Sterne an die Mittagslinie / bey Mitternacht kommen / ſo ſchienen ſie als zu ruhen / dadurch wuͤrde der Poetiſche Con - cept mehr erhoͤhet. Man muß ſich bil - lig verwundern uͤber dieſe elende Spitz - findigkeit: Dann was haben die Ster - ne mit der Ruhe der Menſchen und Thie - re zu thun? Die Nacht bedecket nur die Erde / darum ſagt Virgilius: carpebant feſſa ſoporem corpora per terras / der Sternen Lauff wird am meiſten des Nachts gemerckt / darum muß der vor - nehmlich beſchrieben werden / und ſagt Virgilius am andern Ohrte gar artig ſuadentque cadentia ſidera ſomnos. Es hātte dieſer mit ſeiner ſo ſinnreichen Cen - ſur woll zu Hauſe bleiben moͤgen / und iſt der Muͤhe nicht wehrt / ob man gleichu u 3noch678Das XIII. Cap. Von dennoch eins und anders genauer unterſu - chen koͤnte. Es iſt nicht gnug ſinnreiche Beſchreibungen zu machen / ſondern man muß nach anleitung eines guten Urthels und der Sachen ſelbſt hierin verfahren. Sonſt kan man weit genug gehen / wann man der Phantaſie und dēn Worten den Zuͤgel ſchieſſen laſſen will. Ein anders iſt / wann man abſonderliche Carmina dieſer Art macht / wie Conſt. Hugenius in ſeinen Zedeprinten gethan / und Ca - raffa in einem Buche / deſſen titul: Dicerie Poetiche. Dieſe ſein luſus ingenii, und kan man darin nach belieben verfahren; Aber in einem vollſtaͤndigen Poemate, muß man allezeit auff das gantze Syſte - ma ſehen.

Von der Außarbeitung eines Carminis oder von deſſen Zuſammenfuͤgung / were noch woll etwas zu ſagē: dañ ob zwar von der Erfindung noch daß meiſte zu eroͤꝛteꝛn uͤbrig / ſo ſpahren wir diß in ein davon handelndes Latein iſches Buch. Ein gan - tzes Poema als die Æneis Virgilii hat einean -679Erſindungen. andre Ordnung als ein kleines Carmen - Mambrunus hat in ſeinem Buch de Epico Carmine, und Maſenius in ſeiner Palæſtra Eloquentiæ Ligatæ die Außtheilung eines groſſen Wercks artig vorgeſtellet / dahin ich den Leſer verweiſen will. Die klei - nen Carmina koͤnnen am beſten durch ge - wiſſe Lemmata und Ornamenta gefaſſet werden / welche art mir jederzeit belie - bet / dann die Diſpoſitiones Rhetoricas ſo genau hierin zu ſuchen / ſcheinet zu haarklāuberſch zu ſein. Man ſetzt etliche ſententias, die auff einander ſchlußrichtig folgen / dieſe ſchmuͤcket man auß mit Metaphoris, Deſcriptioni - bus, Iconiſmis, Fabulis und dergleichen / wie es ſich am beſten ſchicket. Dieſeꝛ aꝛt ha - be ich mich jederzeit bedienet / und hernach geſehen / daß Bernhardinus Parthenius Spilimbergius in ſeinem ſchoͤnen Commen - tario uͤber des Horatii Odas das artifici - um Rhetorico-Poeticum eben auff ſolche art vorgeſtellet. Auch habe ich dieſelbe bey Herrn Weiſen angetroffen. Der ſei -u u 4nen680Das XIII. Cap. Von dennen nothwendigen Gedancken / die Pra - xin in Verfertigung ſolcher Getichte hin - angehānget. Es hat auch Caldenbach in ſeiner Poetice Germanica einige Diſpo - ſitiones von allerhand arten der Carmi - num gegeben / worinnen doch keine rich - tige Idea ſich findet / ſondern nur ein ar - gumentum und vielmehr paraphraſis la - tina der ſchon gemachten Teutſchen Car - minum. Es finden die enthymemata Rhetorica eben ſo woll hierin ihren Platz / inſonderheit wann die Carmi - na aus einem gewiſſen genere beſtehen / in weitlaͤufftigen Elegiis, als wie die Epi - ſtolæ Heroidum ſein / davon laͤſt ſich aber allhie nicht weitlāufftiger handeln. Biß - weilen koͤnnen auch die Reime etwas an die Hand geben / zu welchem Ende Herr Weiſe ein Reim Exercitium angibt / da er einen Satz nunt / und aus dem Reim - regiſter alle Reimen auff den erſten fuͤgt / deſſen er unterſchiedliche feine Exempel vorſtellet.

Das681Helden-Getichten.

Das XIV. Cap. Von den Helden-Getichten.

Einhalt. DDas Heldengetichte iſt das ſchwerſte / und erfodert den reiffſten Verſtand. Man muß ſchier eine gantze Lebenszeit hierauff wenden. Vir - gilius iſt hierin der beſte Meiſter. Wird deßhal - ben unbillig getadelt / daß er die Erfindungen nicht von ihm ſelbſt / ſondern von andern habe. Torqua - tus Taſſus hat unter den neuen den Preiß. Die Frantzoſen haben zwar offt einen Verſuch gethan / aber nie die Vollkommenheit erlangen koͤn - nen. Groſſe Freygebigkeit gegen den Cha - pellaine. Cardinal Perrons Urthel von den Fran - tzoͤſiſchen Helden-Getichten. Verſus Heroici der alten Baxden. Dieſe waren eben den Paraſitis und Scurris nicht zu vergleichen / wie Valeſius mei - net. Eine alte Gewohuheit bey den Gaͤſtereien die Helden zu loben. Das bey den Frantzoſen und Teutſchen gebraͤuchliche Ihrtzen ſchickt ſich nicht in einem Helden-Getichte. Des-mareſts Urthel hievon. Romainen. Woher ſie ſo genant und erſtlich ent - ſprungen. Huet ſchreibt ihre Erfindung den Mor - genlaͤndern zu. Die Frantzoſen haben ſie ehe ge - habt als die Spanien und Italiaͤner. Die beſten Frantzoͤſiſchen Romainen. Des Herrn Caſeneu. u u 5ve682Das XIV. Cap. Von denre Charithea: Worauß der Continuator Barclaii gantze Seiten außgeſchrieben. Teutſche Romainen. Ob die Romainen zu leſen. Hugo Grotius. P. Fortin billigen ſolche. Jacobus Palmerius à Gren - temesnil verwirfft ſie gaͤntzlich. Die Mittelſtraſſe muß gehalten werden. Flemming wird in der Heldenart ſehr gelobet. Es koͤnnen auch luſtige kurtzweilige Sachen in dem Alexandrino genere verfaßt werden.

WIr ſchreiten ietzo zu den vor - nehmſten arten der Getichte / wel - che von der materia oder objecto ihren Nahmen empfangen. Unter die - ſen hat das Helden-Getichte / Epi - cum Carmen den Vorzug / welches das groͤſte Meiſterſtuͤck in der Tichtkunſt iſt. In dieſem kommen alle Zierlichkeiten zu - ſammen / und will derohalben mit ſon - derlichem Verſtande gemacht ſein; iſt auch nicht eines jeden Werck. Dann diejenigen die hierzu bequem ſein / muͤſſen von der Natur recht dazu gemacht ſein. Und ob ſchon einige deſſen faͤhig wāren / ſo werden ſie durch andere Verhinderun -gen683Helden-Getichten. gen davon abgehalten / daß ſie kein Werck zur Vollenkommenheit bringen koͤnnen. Dann wem iſt eben gelegen ſeine gantze Lebens Zeit an ſolche Bemuͤ - hung zu verwenden / deſſen keine Beloh - nung zu hoffen / davon auch wenige recht urtheilen koͤnnen. Wāre Auguſtus kein Liebhaber ſolcher Wercke geweſen / es haͤtte Virgilius vielleicht niemahlen was geſchrieben / und uns ſo unvergleichliches Werck hinterlaſſen. Es iſt eine Sache von langem Nachſinnen / welches man nicht ſo vor die lange Weile ſchreiben kan: ſondern da muß das gantze Syſtema woll außgedacht / die Erfindung ſonderlich / die Außbildung nachdruͤcklich und ver - ſtāndig / die Rede gebuͤhrlich erhoͤhet ſein / jedoch daß ſie nicht frech / wild und wind brechriſch werde. Worin wenige ſich zu maͤſſigen wiſſen. Es iſt zwiſchen einem kleinen Carmine, und einem groſſen Helden-Getichte / ein unterſcheid / wie zwiſchen einem Kōniglichen Pallaſt / und kleinen Hauſe. Der in den kleinen biß -wei -684Das XIV. Cap. Von denweilen ein Meiſter iſt / wird ſich nicht ſo fort unterſtehen / in einem groſſen Wer - cke die Meiſterſchafft zu fuͤhren. Es kan offtmahls ein Meiſter ein kleines Bild be - reiten / der eben den Coloſſum Rhodium nicht auffrichten kan. Der vornehmſte Meiſter / den wir in alten Zeiten gehabt iſt Virgilius geweſen / ein Mann von un - vergleichlichem Urthel und hohem Geiſte. Dann ob zwar einige ihn deßhalben verkleinern wollen / daß er ſeine Erfin - dung andern abgeſehen / ſo urtheilen die - ſelben eben ſo / als wann ſie einen vortrefli - chen Mahler deßhalben geringſch aͤtzig und ohne Erfindung halten wolte / wann er bekante Hiſtorien in einem kuͤnſtlichen Ge - maͤhlde vorgeſtellet. Virgilius hat viel beſſer gethan / daß er ein bekantes Hel - denmaͤſſiges und zur Roͤmſchen Herr - lichkeit zielendes Getichte außzuarbeiten vorgenommen / als wann er etwas frembdes und neues auff die Bahn ge - bracht / davon er noch die allgemeine Be - liebung erwarten muͤſſen. Zudem ſtecketdie685Helden-Getichten. die Erfindung nicht ſo ſehr in dem argu - mento, als in der Außtheilung / und Auß - fuͤhrung des Wercks / oder vielmehr in Imitatione, da dieſelbe in allen Stuͤcken zu ſpuͤhren / und am allermeiſten in die Augen leuchtet. Wer wolte deßhalben einen Baumeiſter geringer halten / daß er ein altes unfoͤrmliches Gebāude uͤber einen Hauffen wirfft / und auß denſelben materialien einen neuen viel herrlichern Pallaſt aufffuͤhret? Die Italiaͤner koͤn - nen ſich ihres Torquati Taſſi ruͤhmen / der gleichfalls eine bekante Helden Hiſto - rie zu ſeinem Getichte genommen / und ſo herrlich außgefuͤhret / daß es billig fuͤr ein Meiſterſtuͤcke zu halten. Es kan hier - uͤber Franciſc. Patrit. della Poëtica part. 3. lib. 8. nachgeleſen werden / wo er die Fra - ge eroͤrtert; ob man aus einer Hiſtoria ein Poema machen koͤnne. Bey den Frantzoſen / ob zwar viele dergleichen vorgehabt / auch deſſen Proben gethan / ſo iſt man doch noch nicht zu einer Vol - lenkommenheit gekommen / da doch vor -neh -686Das XIV. Cap. Von dennehme Herren groſſe Belohnung dar - auff geſetzet / Jaͤhrliche Beſoldungen deß - wegen gegeben. Dann es iſt bekant / daß der Herr Chapellaine, weil er die Hoff - nung zu ſeinem Helden-Getichte von der Virgine Aurelianenſi gemacht / eine gute Zeit voꝛhero 600 Rthal. jāhꝛlich genoſſen. Welche Fꝛeygebigkeit ſchweꝛlich bey andeꝛn Voͤlckern zu hoffen. Es will zwar der Cardinal Perron behaupten / daß die Frantzoͤſiſche Sprache ſich beſſer zu ei - nen Epico Carmine ſchicke / als die Italiaͤ - niſche / aus Uhrſachen / daß bey den Ita - liānern lauter Weibliche Reime ſein. A - ber dieſes will es allein nicht außmachen. Dann es ſein andre Dinge / darin die Italiaͤner den Frantzoſen uͤberlegen ſein / welches er ſelber geſtehen muß / dann er ſpricht: Les Eſprits Italiens ſont plus propres pour en faire l oeuvre la matiere pour ſe l imaginer, l inventer. Er ta - delt auch an ſeinen Landsleuten / daß ſie nicht die Gedult haben ein weitlāuffti -ges687Helden-Getichten. ges Werck außzuarbeiten / das eines Menſchen Leben erfodere. Er ſelbſt / ſpricht er / haͤtte in ſeiner Jugend ihm vor - genommen ein Poema epicum von der Kinder Iſrael Außzug aus Aegypten unter dem titul la Moſaide zu ſchreiben. Aber er habe es der weitlāufftigkeit hal - ber bleiben laſſen / weil er ſeine Lebens - zeit hieruͤber hātte zu bringen muͤſſen. Der Herr Scudery, der ein Poema Epi - cum von dem Alarico unter dem titul. Ro - me vaincu geſchrieben / hat in deſſen Vor - rede hievon auch mit mehrem gehandelt / imgleichen Mambrunus in ſeinem Buche de Epico Carmine, und Buſſiers in der Vorrede ſeines Poematis von dem Scan - derbeck, welche alle ihrer Landsleuͤte un - gluͤckſeeligkeit in den Helden-Getichten beklagen. Bey den alten Celtis und Teut - ſchen hat man auch Helden-Tichter ge - habt / die Bardos, aber dieſelbe haben nur Lieder auff die alten Koͤnige und Fuͤrſten gemacht / die der Ammianus Marcellinus lib. 15. c. 9. heroicos verſus nennt. Bardiqui -688Das XIV. Cap. Von denquidam fortia virorum illuſtrium facta he - roicis compoſita verſibus cum duleibus lyræ modulis cantitarunt. Durch dieſe verſus Heroicos werden nicht hexametri verſtanden / ſondern der Marcellinus nen - net ſie deßhalben ſo / weil ſie zum Lob der Helden gemacht / wie der Valeſius in ſei - nen Anmerckungen dieſe Worte auch er - klaͤret. Von dieſen Bardis iſt mit meh - ren zu leſen bey dem Athenæo in ſeinem 4. und 6. Buch / Appiano in ſeinem Cel - tico, und Diodoro Siculo im 5. Buch. Dieſer letze ſchreibt alſo: Ε᾽ισὶ παρ᾽ ἀυτοῖς καὶ ποηταὶ μελῶν,〈…〉〈…〉 ς βάρδους ὀνομά〈…〉〈…〉 ομσιν. 〈…〉〈…〉τοι δὲ μετ᾽ ὀργάνων ταῖς λύραις ὁμόιων,〈…〉〈…〉 ς μέν ὑμνῆσιν,〈…〉〈…〉 ς δε βλασφημ〈…〉〈…〉 σι. Sunt apud eos Melici Poetæ, quos Bardos nominent: hi ad in - ſtrumenta quædam lyris ſimilia, horum laudes, illorum vituperationes decantant. Valeſius vergleicht ſie den Scurris und Pa - raſitis, welches aber etwas zu hart iſt. Dann daß dergleichen Poetæ ſich bey der alten ihren Conviviis gefunden / und bey denſelben ihre Heldengeſaͤnge geſpieletund689Helden-Getichten. und abgeſungen iſt zwar war. Aber dieſes iſt den Poeten nicht ſchimpflicher geweſen / als ihnen ſelbſt / wann ſie bey den Gāſtereyen ihre wichtigſte Anſchlaͤ - ge gemacht. Wir haben ſchon droben erwehnet / daß bey den alten Gothen die - ſer Gebrauch auch geweſen / daß ſie ihren alten Helden und Goͤttern zu ehren ge - wiſſe Becher getruncken / und dabey zu ihrem Lobe geſungen. Daß dieſer Ge - brauch ſehr alt ſey / kan man auch auß dem Virgilio ſehen / welcher in der Be - ſchreibung der Gāſterey die von der Di - done angeſtellet lib. 1. Æneidos, den Jopam einfuͤhret / als einen Poeten und Muſicum,

citharâ crinitus Jopas Perſonat auratâ, docuit quæ maximus Atlas. &c.

Von der alten Teutſchen Heldenliedern iſt im vorigen / nemlich im 6. Theil des an - dern Theils mit mehren gedacht / wor - unter auch die Heldenlieder auff den Atti - lam zu ſetzen / deren Aventinus in ſeinen Annalibus Bojorum lib. 2. p. 130. gedencket. Dann er ſpricht: Complura apud nos ex -x xtant690Das XIV. Cap Von dentant de virtutibus Attilæ carmina patrio ſermone more majorum ſcripta. Nam & adhuc vulgò cantatur, & eſt popularibus noſtris etiam literarum rudibus notiſſimus. Die Helden-Getichte muͤſſen inſonder - heit mit allerhand Erfindungen / Tichte - reyen / Außbildungen / Beſchreibun - gen / Vergleichungen außgezieret / die Rede mit metaphoris erhoͤhet wer - den / Maͤnnlich und Heldenmaͤſſig ſein. Die in Teutſcher wie auch in der Fran - tzoͤſiſchen Sprache gebrāuchliche art in plurali anzureden / muß hierin gantz ver - mieden werden. Dieſe iſt erſtlich durch Schmeicheley auffkommen / wie davon Celſus Cittadinus ein ſonderlich Buͤchlein von dieſes Gebrauchs Urſprung geſchrie - ben. Des Mareſts in ſeinem Advis bey ſei - nem Clovis oder France Chreſtienne ur - theilt hievon alſo: Le mot de vous en parlant a une ſeule perſonne n a eſté in - troduit, que par la baſſe flatterie des der - nier ſiecles. En Poeſie Heroique ne peut ſouffri cette foibleſſe, principalementlors691Helden-Getichten. lors, qu il faut faire agir les fortes paſſi - ons, dans lesquelles les mots de vous & de votre n auroient nulle force & nulle grace. Iſt alſo eine Thorheit wann ei - nige aus unzeitiger Hoͤflichkeit / das Wort Ihr / oder gar in der dritten Perſohn Er gebrauchen / welches die Rede noch vielmehr verſtellet / und in keinem Car - mine ſich ſchicket.

Es iſt eine andre art Getichte / aber in ungebundner Rede / welche dennoch mit guten Fug Helden-Getichte genannt werden koͤnnen. Dann ſie ſein von den andern nicht unterſchieden / als nur bloß an dem metro. Es hat aber Ariſtoteles zugegeben / daß auch ein Poema ohne Me - tro ſein kōnne. Solche ſein die ſo ge - nanten Romainen, von welcher Urſprung nicht einerley Meinung iſt. Einige ſchrei - ben ſie den Arabern zu / einige den Spa - niern / einige den Frantzoſen. Huetus hat eine gelehrte Diſſertation von ihrem Urſprung in Frantzoͤſiſcher Sprache ge - ſchrieben. Dieſer bringt ihre Erfindungx x 2auff692Das XIV. Cap. Von denauff die Morgenlānder / Aegyptier / Sy - rer / Araber / Perſer / von wel - chen ſie auff die Griechen und Roͤmer gekommen / bey denen man unterſchied - liche ſolche Poetiſche Schrifften hat. Daß bey den alten Nordlaͤndern / dergleichen Getichte geweſen / geben die Fabeln an den Tag / die man in der Edda noch vor - findet. Ja wann man des Herrn Rud - becks Meinungen annehmen ſolte / duͤrff - te woll die gantze Mythologia der Grie - chen davon entſtanden ſein / daß alſo die - ſelben nicht von Caroli M. Zeiten nur her - zu holen / wie Huetus meinet. Der Nahme der Romainen iſt ſonder zweiffel bey den Frantzoſen entſtanden / bey wel - chen dieſe Getichte / weil ſie in verdorbe - ner Roͤmſcher Sprach / die Romance genant worden / geſchrieben / Romancen heiſſen. Von welchem Wort Borellus in ſeinē threſor des antiquitées Gauloiſes wei - teꝛ zu ſehen. Iſt alſo die Meinung des Clau - dii Verdieri falſch / der in ſeiner Cenſione Autorum p. 43. meinet / es ſey der NahmeRo -693Helden-Getichten. Roman per metatheſin von dem Wort Norman entſtanden / weil ſie in der Spra - chen erſt geſchrieben. In Spanien iſt auch die alte Spꝛache Romance genant woꝛden / von welcher Bernard. Aldrete ein gantzes Buch heraußgegebē. Huetus ſaget. L Eſpa - gne & l’Italie receurent de nous un art, qui eſtoit le fruit de noſtre ignorance, & de noſtre groſſierité, & qui avoit eſté le fruit de la politeſle des Perſes, des Ioni - ens, & des Grecs. Dieſe Romancen ſein aber in Verſe mehrentheils / und zwar in groſſer Menge von den Provincial Po - eten beſchrieben / von welchen Claude Fau - chet ein ſonderlich Buch hervorgegeben. Von dieſen Provincial Poeten ſein ſie erſt auff die Spanier / hernach auff die Itali - āner kommen / und iſt Salmaſi[i]Meinung falſch / daß die Araber zum erſten dieſelbe auff die Spanier gebracht / und von de - nen auff die andern Voͤlcker in Europa. Dann die Spaniſchen Romainen, wor - unter der Amadis wol der vornehmſte iſt / ſein ohn ſtreitig junger als die Frantzoͤſi -x x 3ſchen694Das XIV. Cap. Von denſchen. Unter dieſen lobt der Huetus vor allen andern des Herrn d’Urfé Aſtrée, wel - cher erſt eine Kunſtrichtigkeit in dieſe Schreibart gebracht / und dann der Frau - en de Scudery Romainen, wie auch des Hn. de Segrais la Zaide. Der Herr Ca - ſaneuve hat auch ein Romaine Charithea geſchrieben / von welcher der Medonius in ſeiner Lebensbeſchreibung dieſes erweh - net. Caſanovæ Charithea arriſit usque a - deò Autori ignoto, alioquin ingenioſo, qui Barclaji Argenidos Hiſtoriam continua - vit, ut eum non puduerit plurimas ejus pa - gellas totidem ferè verbis in ſe transmove - re. Es iſt bey ihnen eine groſſe Men - ge ſolcher Schrifften / deren Erzehlung wir bey dem Sorell in ſeiner Bibliotheque Francoiſe finden. Dieſer hat auch in ſei - nem Buche de la connoiſlance des bons li - vres, weitlaͤuffrig von deren Einrichtung gehandelt / auch von einigen ſein Urtheil gefaͤllet / womit wir uns nicht auffzuhal - ten haben. In Teutſchland hat man ſich erſtlich nur mit den Uberſetzungen derfremb -695Helden-Getichten. frembden Romainen vergnuͤget. Jetzo aber hat man auch einige gute ſinnreiche Wercke aus eigener Erfindung hervorge - bracht / als den Teutſchen Hercules, und Herculiscus, die Aramena, die Octavia, welche den Außlaͤndern nichts nachgeben. deren Autores, wiewoll man ſie ſonſten woll kennet / noch zur Zeit ſich ſelbſt nicht haben nennen wollen. Man koͤnte auch allhie die Frage eroͤrtern / ob ſolche Buͤ - cher einen Nutzen haben / und leſens wuͤr - dig ſein. Worin die Urthel verſchieden ſein. Ich wolte ſie ſo gar ſehr nicht tadeln / wann nur Maaſſe darin gehalten wird. Gleich wie eine Comœdia nicht allein erge - tzet / ſondern auch viel nuͤtzliches und lehr - reiches in ſich hat / ſo koͤnnen auch dieſe Romainen ein gleiches thun. Man ſagt das Hugo Grotius ein ſonderlicher Liebha - ber derſelben geweſen / und deren keine un - geleſen gelaſſen. Der Herr de la Hoguette, P. Fortin hat in ſeinem Buch genañt Te - ſtament ou conſeils fideles d un bon pere a ſes enfans. part. 2. ch. 10. die leſung derſel -x x 4ben696Das XIV. Cap. Von denben Buͤcher nicht widerrathen / und viele Uhrſachen beygebracht / daß dieſelben auch in vielen dingen nuͤtzlich ſein koͤnnen. Wie aber nichtes mehr dem Mißbrauch unterworffen / als die ergetzlichen dinge; ſo geht es auch mit dieſen Romainen, wor - in einige zu viel Zeit verwenden / die ſie ſonſt nuͤtzlicher gebrauchen koͤnten. So iſt es dem gelehrten Jacobo Palmerio â Grentemesnil ergangen / von welchem in ſeiner Lebensbeſchreibung diß erzehlet wird. Quidam nobilis Brittogallus has Palmerio incauto pernicioſas nugas ob - truſit, quibus utpote ad nativum homi - num ingenium artificiosè compoſitis, ita captus eſt, ut per integrum ferè anni cur - riculum ſui compos eſſe non valuerit: ſed eo tandem elaplo, ad ſuam mentem rever - ſus ingemuit, acerboque dolore perculſus animadvertit, ſe pro veris hiſtoriis, quibus admiranda Dei providentia agnoſcitur, figmentis libidinum incentivis memori - am ſuam oneraſle, & pro heroibus egre - giisq; eorum ſacinoribus veritatem hiſto -ricam697Helden-Getichten. ricam illuſtrantibꝰ ineptos thraſones & va - imaginationis otio ſuo abutentis ludi - bria coluiſſe: Similis itaq; factus iis qui con - vivia lauta ſomniant; excitati autem con - ficiuntur inedia, indignatus eſt & impla - cabile contra illas furaces temporis affani - as concepit odium. Er hat auch des Herrn de la Hoguette, der ſein guter Freund war / und ihm ſein Buch zu ge - ſandt / Meinung / ſo er von den Romai - en gehabt / gar nicht loben wollen / und ihn endlich dahin gebracht / daß in den letz - ten editionibus er ein Corollarium hin - angehaͤnget / worin er dieſe Schreibart noſtri ſeculi morbum nennet / und bereuet / daß er mit dergleichen Eitelkeit behafftet geweſen. Aber wie in allen Dingen eine gewiſſe Maaß iſt / ſo iſt ſie auch hierin / und muß man nicht von einem extremo auff das andre fallen. Solche Sachen ſein mehr zur Ergetzung / als zum taͤgli - chen Gebrach gewidmet. Moriſottus hat in ſeinen Briefen Cent. 1. Ep. 58. auch wider dieſelben geſchrieben. Von dieſenx x 5wer -698Das XIV. Cap. Von denwerde am andern Ohrt ein mehres zu reden haben.

Die Heldengetichte / pflegen in dem Ale - xandriniſchen genere bey den Teutſchen und Frantzoͤſiſchen verfaſt werden / deren Gebrauch / wie wir droben geſehen / der Herr Rapinus nicht fuͤr bequem haͤlt. Aber man muß hier dem gemeinen Trieb fol - gen. Im Teutſchen haͤtte Herr Flem - ming ein Poema Epicum am beſten auß - fuͤhren konnen. Dann er bey der ho - hen Redensart auch den Numerum dieſes Carminis ſonderlich zu miſchen weiß / deſ - ſen eine ſchoͤne Probe in dem Lobe des Sol - daten zu Roß und Fuſſe bey ihm zu ſehen iſt. Es kan auch dieſes genus zu kurtzwei - ligen dingen gebraucht werden / deſſen ein Exempel bey dem Flemming in ſeiner Schnee-Graͤffſchafft / und bey dem Betu - lio in ſeinem Niederſāchſchen Loorber - hain p. 66. woſelbſt er ein Epicedium hat auff einen Hoff-leu-hund / und bey vielen andern zu finden.

Das699Oden.

Das XV. Cap. Von den Oden.

Einhalt. DIe Verbindung der Muſic und der Verſe iſt ſehr alt. Wird von der Natur gelehrt / und iſt bey allen Voͤlckern gebraͤuchlich. Ode iſt ein Sing-Getichte. Ronſard hat diß Wort zu erſt in Frantzoͤſiſcher Sprache gebraucht / und will dieſe art Carminum in derſelben auffgebracht ha - ben. Die alte art der Muſic iſt verlohren. Arias Barboſa. Iſaacus Voſſius, Franciſcus Patricius. Die Muſic der heutigen Oden iſt ſehr unterſchieden von der alten. Odæ des Horatii in die Muſic ge - ſetzet. Die Oden ſein nach verſchiedenen Inſtrumen - tis Muſicis abgeſungen. Die eintheilung der Oden in Strophas. Die Italiaͤner haben in Lyrico Carmine ſich ſonderlich hervor gethan. Stances. Die heu - tigen Oden ſein nach Voſſiii Meinung nicht zur Muſic bequem. Die Oden die geſungen werden muͤſſen anders eingerichtet werden. Solche ſein ſchwerer zu machen als andere. Zieglers Urtheil. Die Redensart in den Oden komt der Heldenart am naͤheſten. Oden werden zu allerhand Sachen gebraucht. Geiſtliche Oden. Hymni der alten. Des Sehl. Herrn. Lutheri Geiſtliche Lieder. Wer -den700Das XV. Cap. Von denden vor allen andern geruͤhmet. Geſaͤnge vor Lutheri Zeit. Pſalmi ὶδιωτικοὶ, plebeii. Was dieſelbe geweſen. Solche ſein verboten worden in Concilio Laodiceno. Was durch die pſalmos po - eticos verſtanden werde. Noëls. Die alten Kir - chengeſaͤnge ſollen ohne groſſe Uhrſachen nicht geaͤn - dert werden. Campanellæ Hymni. Die Vollenkom - menheit der Pſalmen Davids. Odæ morales, Heroicæ, amatoriæ. Schertz-Oden. Diræ Scheltlieder. Gewiſſe Schlußverſe in Odis Wiederholunge der Woͤrter und Verſe in Car - mine. Figuræ Dictionis & affectuumſein inſon - derheit in Odis in acht zunehmen. Exempel aus dem Flemming. Metra darin die Oden zu verfaſ - ſen. Der Trieb der Natur thut das meiſte. Der ὲνϑουσιαςμὸς muß bey den Erfindungen ſein. Die erſten Einfaͤlle ſein die beſten. Exempel derer / die ihre erſte Einfaͤlle durch Verbeſſerung verſchlim̃ert. Es koͤnnen bißweilen verſchiedenen Poeten gleiche Gedancken / ja dieſelben Verſe einfallen. Deſſen Exempel.

ES hat nichts eine groͤſſere Macht uͤber den Menſchlichen Geiſt / als wann ein ſchoͤnes wollgeſetztes Car - men mit der Muſic verbunden wird / dann die Muſic gibt den Verſen gleichſamein701Oden. ein Leben / dadurch die Gemuͤther auffge - muntert / und zu allerhand Bewegungen gereitzet werden. Daher iſt gekommen / daß wann man etwas auff die Nachkom - men fortbringen wollen / man ſol - ches in Geſānge verfaſſet / da man noch die Schreibkunſt nicht gehabt. Wann unter dem Poͤbel etwas ſeltzames ſich be - gibt / ſo pflegen ſie reimende Sprichwoͤr - ter davon zu machen. Dann ſie bilden ihm viel ehe die Woͤrter ein / die eine har - moniam bey ſich fuͤhren. Weiln[n]un das metrum nicht allein beluſtiget / ſondern auch die Rede gleichſam befeſtiget und verewiget / ſo hat man zu dem Gottesdienſt und der Helden Lob ſolche Geſānge er - wehlet. Es iſt nicht unglāublich / daß auch vor der Suͤndfluth dergleichen ge - weſen. Nach derſelben ſind keine aͤltere als des Moſis ſeine / welchen hernach die Heidniſchen gefolget / die Campanella gar artig degeneres Prophetas neñet. Solche Carmina ſind bey den Griechen Oden / bey den Teutſchen Lieder genant. Das WortOde702Das XV. Cap. Von denOde iſt eiu Griechiſch Wort / ſo nun auch bey den Teutſchen faſt das Buͤrgerrecht gewonnen. Ronſard hat es zu erſt in Frantzoͤſiſcher Sprache gebraucht / will auch die Lyrica metra in derſelben zu erſt erfunden haben; dem aber einige den Clement Marott vorwerf - fen / der die Pſalmen Davids ſchon vor - hin in gewiſſe Lieder gebracht. Hievon kan mit mehren beym Menagio in ſeinen Anmerckungen uͤber Malherbe Poemata p. 563, 564, 565. geleſen werden. Auff was Weiſe die alte Lyrica Carmina geſungen / davon iſt wenig Nachricht uͤber / nur daß einige ſo etwas oben hin davon ge - ſchrieben; es were dann das Arias Barbo - ſa ein Luſitanus, deſſen Nicolaus Antonius in ſeiner Bibliotheca Hiſpanicâ gedencket / etwas ſonderliches hervor gebracht. Dañ er ſaget von ihm: Scriplerat ille Rele - ctionem magnificam doctam uberemque, in qua multa queſtus eſt, quod non modo Muſice temporum vitio indignam paſſa eſt jacturam duorum generum enarmo -nici703Oden. nici & chromatici, cum tempeſtate no - ſtra vix diatonico cantetur; ſed etiam quod pcriere vocum ſyllabarumque tum poeticæ tum communes pronunciationes. Dieſes Buch aber iſt mir nie zu Geſichte kommen. Eben dieſes hat Iſaacus Voſſi - us in ſeinem gelehrten Buch de Poematum Cantu & viribus Rhythmi weitlāufftig dargethan. Aber die art und Weiſe zu Singen iſt von niemand recht entdecket / und iſt noch woll das beſte und vollſtaͤn - digſte hierin / was Franciſc. Patricius in ſei - nen Buͤchern della Poetica inſonderheit lib. 5, 6, 7. part. 2. nach Anleitung der al - ten Muſicorum geſchrieben / deſſen ſich einige ſehr fleiſſig in ihren groſſen Buͤ - chern gebraucht / und ihn kaum zu nen - nen gewuͤrdiget. Dieſes iſt gewiß / daß die Muſic an der quantitate pedum und dem metro gebunden geweſen / und ver - meinet Voſſ. der p. 37. und 38. eine Odam aus dem Horatio und die Frantzoͤſiſche Ubeꝛſe - tzung des Sorbiers derſelbē entgegen ſetzet / daß da man im Lateiniſchē durch alle Stro -phas704Das XV. Cap. Von denphas richtige numeros hat / im Frantzoͤ - ſiſchen und alſo auch im Teutſchen in jeg - lichen Strophis eine neue Melodiam haben muͤſſe. Und dieſes kan auch nicht anders ſein / wann die Muſic auff der quantitate pedum gegruͤndet wird. Jedennoch be - zeuget der Autor de la connoiſſance des bons livres trait 3 p. 214. daß jemand die Odas Horatianas in die Muſic geſetzet. Nous avons veu de noſtre temps qu un ſcavant & curieux Muſicien avoit mis en Air les Odes d Horace, & les faiſoit chan - ter dans des Concertes pour nous donner des épreuves de la Muſique ancienne. Ich bilde mir aber gaͤntzlich ein / es ſey dieſe Muſic / nicht anders als die heuti - ges Tages uͤbliche geweſen. Die alten metra haben ihre Muſic bey ſich gehabt / und haben durch die Krafft der pedum, wann ſie auff gewiſſe arten geſungen wor - den / die Gemuͤther bewegen koͤnnen / da die heutigen nicht anders als durch die Krafft der Woͤrter bewegen. Die alten Muſici haben uͤber jegliche Sylben derVer -705Oden. Verſe ihre notas geſetzt / wodurch man wiſſen koͤnnen / was vor einen Thon man darzu ſingen oder ſpielen muͤſſen / von den ſieben tropis oder modis, Dorio, Æolio, Phrygio &c. Derer Carminum die ge - ſungen worden / ſein vielerley arten gewe - ſen. Man hat auch nicht einerley Spiel - werck dazu gebraucht / von deren aller richtigen Außtheilung Fr. Patricius in dem andern Theil ſeiner Poetica weitlaͤufftig zu leſen iſt. Man hat auch ſingende Tra - gœdien und Comœdien gehabt / davon im folgen Cap. ein mehres. Ja es ſein alle arten der Getichte geſungen worden / es ſey bey den Goͤtzendienſten / bey Gaͤſte - retzen / bey oͤffentlichen Spielen oder ſon - ſten geweſen. Die Heroici und Elegiaci haben gleichfalls eine art von ſingen ge - habt. Die Oden aber ſein inſonderheit zu der Muſic bequem geweſen / wegen der Eintheilung in gewiſſe membra oder ſtrophas. Dieſe hat ihre Richtigkeit mehrentheils gehabt / aber Pindarus hat groͤſſere von vielen Verſen beſtehendey ype -706Das XV. Cap. Von denperiodos gemacht / und ſie in drey Theile getheilet / Stropham, Antiſtropham, und Epodon. Man hat auch auff den Thea - tris eigene Oehrter gehabt / ſo Odea ge - nant worden / darauff man dieſe Carmina geſungen. Wie die Eintheilung der al - ten Oden geweſen / und was fuͤr Thoͤne zu denſelbigen gebräuchlich / davon finden wir zwar einige Nachricht bey den alten Muſicis: Aber wir koͤnnen doch dieſelbe nicht in gewiſſe Reguln ſetzen; Franc. Patricius hat dieſes ſehr fleiſſig zu - ſammen geleſen della Poetic. part. 2. lib. 6. p. 284. & ſeqq. woſelbſt die beſte Nachricht kan gefunden werden / und nach ihm oder vielmehr aus ihm hat Kircherus in ſeiner Muſurgia auch davon gehandelt / der a - ber in vielen geirret / wie Marcus Méibo - mius in den Anmerckungen uͤber die alten Muſicos erweiſet. Die Italiāner haben wie Taſſon davor haͤlt die allerbeſten Odas geſchrieben / ſo gar daß ſie auch / wie er meinet / den Alten hierin zuvor thun. Es iſt dieſes zum Theil war; dann ſiewiſ -707Oden. wiſſen die Redensart treflich zu erhoͤhen / wobey doch auch bißweilen viel Mißbrāu - che vorfallen. Wir haben auch in der Teutſchen Sprache / einige von Flem - ming / Hoffmanswaldau und andernge - ſchrieben / die wir den Italiānern wolent - gegen ſetzen koͤnnen. Dieſe der Italiaͤ - ner Oden / wie auch die Teutſchen haben ihre gewiſſe Stanccs, welche deßhal - ben ſo genant werden / daß man am En - de der Strophen etwas verziehen muß / dann wie Dantes ſagt / in eſſe ſtà e ſi rin - chinde tutto l artificio della Canzone. Darum werden auch in den achtzeili - gen Stancen, darin ihr genus Epicum be - ſteht / die beiden letzten Verſe / der Schluͤſ - ſel genant. Aber es will ſich die Muſic ſo nicht dazu ſchicken / wie zu den alten La - teiniſchen Oden. Voſſius ſagt p. 35. Si quis ad Odas ſe conferat, quales Fuluius Teſti - us & innumeri alii ſcripſerunt, illæ, elegan - tiſſimæ licet, cantari tamen nequeunt pro - pter diverſitatem numerorum. Eadem eſt ratio eorum Carminum, quæ ipſi vo -y y 2cant708Das XV. Cap. Von dencant rimas octavas, quæ nec ipſa uno eo - demq; cantus genere animari poſſunt Neq; tamen me fugit & illa quoq; vulgo cantari verum hâc conditione quælibet etiam pro - ſa cantari poſſit. Deßhalben ſpricht Voſ - ſius, daß bey den Italiānern nur die poe - mata zur Muſic bequem gehalten werden / darin keine ſtrophen ſich finden. Wir ſuchens mit den Teutſchen Odis ſo genau nicht. Dann wann die erſte Strophe einer Ode in die Muſic geſe - tzet / ſo muͤſſen die folgenden denſelben Ge - ſang annehmen / er ſchicke ſich dazu oder nicht / da bißweilen die ſenſus verſuum zer - riſſen werden / die Muſic auff die Worte ſich nicht reimet. Man nehme nur eine Ode auß dem Flemming Tſcherning und andern / und ſetze die erſte Strophe in die Muſic / ſelten wird man finden / daß die uͤbrigen recht dazu bequem ſein wer - den. So muß nun dero wegen einer / der eine Ode die geſungen werden ſoll / ma - chet / nothwendig die Muſic verſtehen / und wann die erſte Strophe in die Muſicge -709Oden. geſetzet / alle andere darnach richten / und wo muͤglich mit jeden Verß den ſenſum zum wenigſten auff die helffte ſchlieſſen. Ja er kan gar eine ſchon erfundene Melo - dey nehmen / und darnach das metrum einrichten / welches ich vielfaͤltig gethan. Solches komt Jſaaco Voſſio am vorer - wehnten Ohrte woll laͤcherlich vor. Aber die zu unſer Zeit uͤbliche Muſic legt uns die - ſe Nothwendigkeit auff. Wiedrigen falls wuͤrde man gar uͤbelklingende Lieder ma - chen. Herr Ziegler urtheilet gar woll hievon: Gewiß / es will unter den gene - ribus carminum nicht alleine vor ſich / ſondern auch / und zwar um ſo viel de - ſto mehr wenn ſie in die Muſik geſetzet werden ſollen / ein jedwedes ſeine ſonder - liche qualitet und Eigenſchafft haben / da man denn dem componiſten die Worte ſo treuge nicht vorlegen darff / ſondern man muß denſelben einen feinen Nach - druck und nach gelegenheit der materie eine gebuͤhrende ſtaͤrcke oder ſchwaͤche geben / auch die commata zu rechter Zeit y y 3ſchnei -710Das XV. Cap. Von denſchneiden und den Verß nicht wie eine Saue von der Weide lauffen laſſen. Ich bekenne es / wenn Ich eine Ode zur Mu - ſik machen ſol / ſo wird ſie mir allezeit duppelt ſauer / als wann ich ſie vor mich und nach meinem gefallen machen darff Ich wolte auch davor halten / daß man zwar außerleſene Woͤrter in den Liedern die geſungen werden / aber keine gar hohe und Metaphoriſche Redensarten ge - brauchen ſolle: Dann wann die Woͤrter nicht verſtaͤndlich ſein / daß man zugleich mit den Thon den vollenkommenen Ver - ſtand der Woͤrter haben kan / ſo hat ſol - ches keine Krafft in Bewegung der Ge - muͤther. Sonſten iſt eine Ode / inſon - derheit wann ſie nicht geſungen wird / der hoͤheſten Redensart faͤhig. J. C. Sca - liger ſaget: proximè ad Heroici Carminis majeſtatem accedit. Ja ſie uͤberſteigt ſelbſt die Heldenart; dann es ſein audaci - ores Metaphoræ und andere Redensar - ten zu gelaſſen / die man in Heroico ge - nere nicht gebrauchen kan. Wann diealte711Oden. alte Proſodia der Muſic auch im Teutſchen were / ſo koͤnte man Thoͤne und Woͤrter ohne groſſem Nachdencken verſtehen. A - ber ietzo muß die deutlichkeit des Carmi - nis, der undeutlichen Muſick zu Huͤlffe kommen. Es koͤnnen alle Sachen ſich zu den Oden ſchicken / Geiſtliche / Sitt - liche / Liebreitzende / Kriegriſche und der - gleichen mehr: da dann zum Theil auch die Redensart ſich nach der materie ſchi - cken muß. Was die Geiſtlichen anlan - get / ſo ſein bey den Griechen und Latei - nern des vielfaͤltigen Goͤtzendienſtes hal - ber unterſchiedliche Arten derſelben gewe - ſen / welche Franc. Patricius in ſeinem an - dern Theil della poetica nach der laͤnge erzehlt. Das gemeine Wort / damit ſie genennet worden iſt Hymnus ein Lobge - ſang. Bey den alten ward die hoͤheſte Redensart in denſelben gebraucht / im Teutſchen aber wird der Muſic und des gemeinen Gebrauchs halber eine Maaſſe hierin zu halten ſein. Es ſein aber die Geiſtlichen Lieder nicht alle Hymni, ſon -y y 4dern712Das XV. Cap. Von dendern haben auch andere verſchiedene Arten unter ſich. Wir muͤſſen hie von den Liedern gedencken / die der Sehl. Herr Lutherus gemacht / welche voll Geiſtes und nachdruͤcklicher Woͤrter ſein / dar in ein richtiges metrum iſt: dann er hat gar genau auff die Sylben ge - ſehen / welches von den Frantzoſen und Italiānern nur am meiſten in acht genommen wird. Die quantitas iſt zwar nicht allezeit beobachtet; Es muͤſſen aber ſolche kleine Fehler in ſo wichtigen Dingen / da die Woͤrter und der Ver - ſtand vollenkommen / uͤber ſehen werden. Dann man wuͤrde der Vollenkommen - heit eine Gewalt anthun / wann man hierin etwas āndern wolte. Vor Lu - theri Zeiten ſein auch verſchiedene Hymni und Geiſtliche Lieder auch im Pabſtthum ſchon geſchrieben / darin etliche nicht ſo gar uͤbel gemacht / und des Alters halben in Ehren zu halten / und hat mir einer berichtet / daß ein abſonderlich Geſang - Buch von denſelben zuſam̄en geleſen undjemand713Oden. jemand heraußgegeben / das ich aber nicht geſehen. Man hat im uͤbrigen Hr. Riſten / Hn. von Stoͤcken / und vieler an - derer Geiſtliche Lieder / welche ihren Fleiß hierin ruͤhmlich angewandt / und niemand unbekant ſein. Hr. Roͤlings ſeine Geiſt - liche Oden ſein voll Tieffſinnigkeit und an Erfindung reich. In der alten Kirchen hat man keine andre Pſalmen zugeben wollen / als die aus den Buͤchern der Heil. Schrifft genommen / nemblich die Pſal - men Davids und andre Lobgeſaͤnge. Die ſonſten gemacht wurden / wuͤrden ψαλ - μοὶ ἰδιω〈…〉〈…〉 ικοὶ Pſalmi Plebei genant / und wa - ren verboten in oͤffentlichen Verſamlun - gen zu ſingen. Davon ſagt der LIX. Ca - non des Concilii Laodiceni alſo: ὅτι οὐ δε̃ι ἰδιωτικοὺς ψαλμοὺς λέγεσϑαι〈…〉〈…〉 ν τῆ ἐκκλησία, οὐδὲ ἀκανόνιστα βιβλία. Quod non oportet plebeios Pſalmos in Eccleſiá legere; aut libros non canonicos. Balſamon und Zo - naras erwehnen allhie in ihren Anmer - ckungen / daß unter den Pſalmis Plebeis die Pſalmi Salomonis verſtanden werden /y y 5die714Das XV. Cap. Von dendie man damahls gehabt / und nicht fuͤr auffrichtig gehalten. Es erhel - let aber aus unterſchiedlichen Oehrtern der Hiſtoriæ Eccleſiaſticæ des Euſebii, das viele Pſalmi von privatis gemacht / die man in den Kirchen geſungen / wie dergleichen einer bey dem Clemente Ale - xandrino am Ende ſeines dritten Buchs ſich findet auff den Herrn Chriſtum / und auch Plinius lib. 10. Ep. 97. von den Chri - ſten ſolches erwehnet. Von den Thera - peutis (davon doch noch zweiffelhafftig ob ſie Chriſten geweſen) ſchreibt Euſe - bius lib. 2. c. 17. ποιοῦσιν ἄσματα καὶ ὕμνους ἐις τ〈…〉〈…〉 ν ϑεὸν, διὰ παντ〈…〉〈…〉 ίων μέτρων καὶ μελῶν ῥυϑ - μοῖς σεμνοτέροις χαράσσοντες. Cantica & hymnos omni metrorum genere rhyth - mis gravioribus conficiunt. Widerum lib. 5. c. 28. ſagt er / daß viel Pſalmen von den glaͤubigen Bruͤdern geſchrieben / die Chriſtum als einen wahren GOtt loben und erkennen / und lib. 7. c. 30. von dem Paulo Samoſateno, daß er die zu Chriſti Ehren gemachte Pſalme / unter dieſemVor -715Oden. Vorwand abgethan / daß ſie neulich er ſt - lich / und nicht von den alten gemacht / welches dann der Synodus ſo wieder ihn außgeſchrieben getadelt / weil er dadurch die Ehre Chriſti angefochten. Iſt alſo glaͤublich daß ſolcher Pſalmen viel in der Kirchen geweſen / welche aber in dem angefuͤhrten Canone deßhalben verbotten worden / weiln man zur Eh - ren GOttes lieber die von dem Geiſt GOttes ſelbſt geſetzte / als die von Men - ſchen erdachte Hymnos gebrauchen wol - len. Valeſius hat dieſes angemerckt in ſeinem Commentario uͤber den Euſeb. lib. 7. c. 24. Diſertè prohibetur ne Pſalmi ἰδιω - τικοὶ id eſt à privatis hominibus compoſi - ti in Eccleſiâ recitentur. Invaluerat enim hæc conſuetudo, ut multi Pſalmos in ho - norem Chriſti componerent, eosque in Eccleſiâ cantari facerent. Deßhalben wurden auch κανονικοὶ ψάλται in den Kir - chen beſtellet / welche gewiſſe Pſalmen auff gewiſſe art und Weiſe ſingen muͤſten / wie Bevereggius in den Anmerckungen -ber716Das XV. Cap. Von denber den XV. Canon. Conc. Laodiceni weit - laͤufftiger außfuͤhret / und inſonderheir der Cardinal Bona in ſeiner Pſalmodia. S. Agobardus, der im Jahr 840. geſtor - ben / deſſen Wercke der Stephanus Balu - zius heraußgegeben / handelt hievon auch in einem abſonderlichen Buch de divinâ Pſalmodia. Dann er ſpricht: Reveren - da concilia Patrum decernunt nequaquam plebeios pſalmos in Eccleſia decantan - dos, & nihil poëtice compoſitum in divi - nis laudibus uſurpandum. Durch wel - che letzten Verſe der Baluzius verſtehet levia carmina & faciles verſus, cujusmodi ſunt, quæ moteta hodie dicimus. Zu deſſen Beweiß fuͤhrt er einen Ohrt an aus den Gulielmo Durandi, Epiſcopo Mimatenſi, in ſeinem andern Buche de modo generalis concilii celebrandi cap. 19. Vi - deretur valde honeſtum eſſe, quod cantus indevoti & inordinati motetorum & ſi - milium non fierent in Eccleſia. Die - ſe haben ſie aber nur bloß einmahl im Jahr bey dem Weynachtfeſt gebrauchet /wel -717Oden. welche Geſaͤnge Noels das iſt Natalitia Car - mina genant woꝛden. Paſquier des Recher - ches de la France l. 4. ch. 14. beſchreibt dieſe Nouels daß ſie geweſen / Chanſons ſpiri - tuelles faites en l honneur de la Nativite de noſtre Seigneur. Es iſt aber auch diß Wort gebraucht worden / wann das Volck Koͤnigen und Fuͤrſten ein Freuden Geſchrey gemacht / da ſie daſſelbe ih - nen zu geruffen / wie Paſquier weitlaͤuffti - ger an ſelben Ohrte anfuͤhret. Dieſes ha - be ich bey dieſer Gelegenheit von den Geiſtlichen Geſangen beybringen wollen / in welchen man es gerne bey dem alten bleiben laͤſſet. Der Heilige Agobardus iſt ſehr ſorgfaͤltig hierin geweſen; daß er nichts hat zugeben wollen / als was auß den Buͤchern der Heil. Schrifft genom - men / wie aus ſeinem Buche de cortecti - one Antiphonarii zu ſehen. Der Balu - zius thut denckwuͤrdig hinzu. Conſtat res ſemel receptas in Eccleſia non facile mutari, cautioresque in his rebus debere eſſe Pontifices, ne miniſterium eorum vi -tupe -718Das XV. Cap. Von dentuperetur. Sic Urbanus VIII. hymnos correxit, & tamen ſemper hymni antiqui canuntur in Eccleſiâ. Deßhalben erin - nert auch Campanella Poeticor. c. 8. art. 2. daß man auff einige kleine Fehler des metri nicht ſo gar genau in den Geiſtli - chen Geſaͤngen ſehen ſoll. Non tam me - tri curanda eſt regula, quam ſonus auribus gratus & doctrina recondita bene reſtricta & deſtillata. Si S. Thomas menſuras in - ſpexiſſet, non ſic altè locutus eſſet, mira - bili lepore doctrinam profundiſſimam ex - primendo. Derſelbe Autor, der ein Mann von ſeltzamer und wunderlicher Wiſſen - ſchafft geweſen / hat ſelbſt einige Hymnos geſchrieben / wie er art. 4. an dem vori - gen Ohrte ſchreibet: Nos triplicem Pſal - modiam ſcripſimus de rerum naturâ: in primâ cæleſtia & incolas, in ſecunda ter - reſtria, in tertia hominem cecinimus & Dei laudes ex his & gratiarum actiones expreſſimus. Fecimus & poemata meta - phyſica, unum de ſumma potentia, unum in tribus cantilenis de ſummâ ſapientiâ:unum719Oden. unum de primo Amore: duo de ſummo bono. Er hat auch an denſelben Ohrte art. 1. gar artig dargethan / wie in den - Pſalmen Davids alle arten der Carmi - num, ſo viel ihr ſein moͤgen enthalten; Drum man billig demſelben als einem Goͤttlichen Wercke ſeiner Vollenkommen - heit halber den Vorzug geben muß.

Nechſt den Geiſtlichen Oden folgen die / welche ein argumentum morale ha - ben / welches ſich zu den Oden ſehr wol ſchicket. Wir finden deren unterſchiedli - che bey Flemming und andern. Die Chi - nenſer halten auff die Poemata moralia am meiſten / wie dann ihr Confutius vier Buͤcher von alten Carminibus, wozu er das fuͤnffte gemacht / nachgelaſſen. In welchen die gantze Sittenlehre / die art und Weiſe das Regiment zu fuͤhren / und die Exempel der Tugenden begriffen ſein. Welche von ihnen in dem groͤſten wehrt gehalten werden. Die Lobgedichte auff die Helden und ihre Thaten koͤnnen auch in Oden vorgeſtellet werden. Dann beyden720Das XV. Cap. Von denden alten Teutſchen und Gothen hat man dergleichen auff dieſelben gemacht. Es muß aber alsdann die Redensart ja ſo hoch ſein / als in einem rechten Epico Po - emate, und muß mans machen wie Ste - ſichorus, davon Quintilianus lib. 10. c. 1. urtheilet / quod epici carminis onera lyrâ ſuſtinuerit. In Liebesſachen iſt dieſelbe ungleich / nach dem die affectus ſollen außgedruͤcket werden. Klagende oder verlangende Oden / koͤnnen bißweilen abruptos ſenſus, tieffſinnige acumina ha - ben / wie die unvergleichliche erſte Ode im fuͤnfften Buch des Flemmings. Scher - tzet man aber / ſo muß ein gleicher ſty - lus ſem / und ſind die acumina von ſol - chen fontibus genommen / die mehr ein lachen / als verwundern erwecken. Wir haben verſchiedene in Teutſcher Sprache; die man zum Exempel vorſtellen kan. Der gruͤnen Jugend uͤberfluͤſſige Gedan - cken verdienen hierin billig ihr Lob. Juſt Georg Schochs Luſt und Blumengar - ten von hundert Schaͤffer-Hirten-Liebes -und721Oden. und Tugendlieder / Filidors geharniſch - te Venus gehoͤren auch hieher. Die Preußſiſche Lieder inſonderheit des Si - mon Dachen ſein ſehr gut und inſonder - heit auff die Muſic gerichtet. Man kan auch Diras und Sechltlieder ſchreiben wel - che dergleichen Redensart haben / wie faſt andre Satyræ. Man hat auch in den O - dis moralibus und amatoriis etzliche Schlußverſe / welche allezeit zu Ende einer Strophen widerholet weꝛden. Dieſe wol - len auch ihre ſonderliche Zierlichkeit ha - ben / und zwar alſo / daß ſie gleichſam wie eine Concluſion in einem Syllogiſmo auff die vorhergehende Veꝛſe folgen. Sie ſchi - cken ſich inſonderheit woll zur Muſic. Sonſten muß man nicht leicht ohn Uhr - ſach gantze Verſe in einem Carmine wi - derholen. In verſchiedenen Carminibus kan es bißweilen wol geſchehen / wie wir beym Homero und Virgilio ſehen / die offt - mahlen einerley Verſe an unterſchiedli - chen Oehrtern geſetzet haben. Der Eu - ripides hat mit einer ſentence fuͤnff Tra -z z -722Das XV. Cap. Von dengœdien geſchloſſen. Malherbe hat dieſes in ſeinen Frantzoͤſiſchen Carminibus auch gethan / deßhalben der Cavallier Marin von ihm in Schertze geſaget / Malherbe waͤr ein Mann von vielen Feuchtigkeiten / (dann er war den Fluͤſſen ſehr unter worf - fen) aber ein ſehr truckner Poet. Alle Figuræ Dictionis & Affectuum uͤber haupt zieren die Oden treflich / dar in der Herr Flemming ein unvergleichlicher Meiſter iſt. Wir koͤnten hie ein gantzes Buch allein mit dergleichen Anmerckungen fuͤl - len / wann wir alle ſonderliche Umſtaͤnde eines jeden Carminis, und deſſen Theile gar genau erwegen wolten. Die Repeti - tiones, Anadiploſes, Epizeuxes, Anapho - , Antitheſes, Contentiones &c. ſein in groſſer Menge bey dem Flemming / welche inſonderheit in acht zu nehmen / und von einem Liebhaber der Poeſie unter gewiſſe titul zuſammen koͤnnen geleſen werden. Dann ſie haben ein zartes Weſen bey ſich / und koͤnnen die Gemuͤthsbewegungen kraͤfftig vorſtellen. Der gleichen wider -ho -723Oden. holungs Figuren ſein beym Flemming in in der 9. Ode des 5. Buchs

O du ſchoͤne Salibene
Salibene o du ſchoͤne

Gleichen Schlags iſt dieſes in der 26. Ode deſſelben Buchs.

Die getreue Baſilene
Baſilene die getreue
thut ſtaͤts / was ich mich ſtaͤts freue.

Eine andre art von den Wiederholungen iſt in der 22. Ode / in der andern Strophe / auch in der erſten Strophe / der 19. Ode / in demſelben Buche. Macrobius nennet ſolche amœnas repetitiones Saturn. lib. 5. c. 14. da er von Virgilio redet / und unter andern dieſes anfuͤhret.

Pan etiam Arcadia mecum ſi judice certet,
Pan etiam Arcadiâ dicet ſe judice victum.

Campanella Poetic. cap. 8. art. 8. ſagt von den Repetitionibus in Hymnis, quod gau - dium præſtent. Antitheſes, Contentio - nes, Converſiones ſein ſehr viele bey ihm / z. e. in der 30. Od. des 5. Buchs.

Die Sonne ſcheint fuͤr mich nicht helle /
Mich kuͤhlt die Gluth / mich brennt das Eiß /
z z 2Ich724Das XV. Cap. Von den
Ich weiß und weiß nicht was ich weiß.
Die Nacht tritt an des Tages Stelle.
Jetzt bin ich dort / itzt da / itzt hier
Ich folg und fliehe ſelbſt fuͤr mir.

In der 11. Ode deſſelben Buchs iſt dieſes ſehr zierlich:

Der freie Wind faͤhrt ohne Zuͤgel /
Ein leichter Pfeil eilt auff Gewinn.
Der ſtarcke Plitz hat ſchnelle Fluͤgel
Ein ſchneller Fall ſchieſt ploͤtzlich hin.
Fuͤr ihren Sinnen ſind nicht ſchnelle /
Lufft / Pfeile / Plitz und Waſſerfaͤlle.

Ich koͤnte dieſes mit allerhand Exempeln und Gegenhaltungen der Grichſchen und Lateiniſchen Poeten klārer machen / wan̄ es nicht allhie zu weitlāufftig were. Die Metra koͤnnen in den Oden vielfaͤltig ſein; Trochaiſche ſchicken ſich am beſten / da man ein Verlangen vorſtellet / in Sittlichen und Liebesſachen / Jambiſche in Schertz - und Schelt-Gedichten / Anapæſtiſche und Dactyliſche / wann man etwas luſtiges vorſtellet. Dann es wuͤrde ſehr uͤbel klingen / wann man ſie in traurigen Sa - chen gebrauchen wolte. Die vielerleyarten725Oden. arten der Reimgebānde ſind drobenſchon beruͤhret. Woſelbſt ich auch von denen nach den Lateiniſchen eingerichteten met[ris]erwehnung gethan / deren unterſchiedliche auch im Frantzoͤſiſchen von dem Paſquier des Recherches de la France liv. 7. ch. 12. als ein Elcgiacum, Phaleucus, Oda Sap - phica, Jonicum à Minore angefuͤhret werden. Der Trieb der Natur / oder wie ihn die Poeten nennen / der ἐνϑουσιασ - μὸς iſt das vornehmſte in dieſer Sachen. Derſelbige gibt den Erfindungen ein le - ben / und wird in den Oden durch die Muſick erwecket / und gereitz[e]t. Es laͤſ - ſet ſich auch eine Ode viel b[e]ſſer machen / wann man die Melodey ih[m]vorhero vor - ſtellet / und die Verſe na[ch]derſelben ein - richtet. Dieſer ἐνϑουσιοσμὸς iſt etwas / das von einer ſonderlichen Gluͤckſeeligkeit der Natur komt / und durch die Kunſt und und Nachſinnen bißweilen nur gehindert wird. Es iſt zu mercken daß insgemein die erſten Einfaͤlle als welche aus dieſem Trieb entſtehen die beſten ſein / welchesz z 3ich726Das XV. Cap. Von denich offt an mir ſelbſt wargenommen. Dan̄ ich pflege in verfertigung eines Carminis alles was mir uͤber einer Sachen einfāllt ſo fort zu Papier bringen / ohne Ord - nung / ohne Connexion, halbe / gantze Verß / damit mir die erſten Gedancken nicht aus dem Sinn fallen. Unter dieſen ſein allezeit die mir ohne ſonderlichen Nachdencken beykommen die beſten / die ich aber ſo fort oder nachgehends durch weiters Nachſinnen hinzuſetze / und aus einigen fontibus, die die Kunſt eroͤffnet / her - hole / en[t]fernen ſich was mehr von den Sachen / und haben den Nachdruck nicht Wan[n]dieſe erſt angemerckt / die gleichſam wie ein Chaos ſein deſſen was darauß gemacht ſoll werden / ſo findet ſich die Außa[rb]eitung leicht. Worin man endlich nicht zu eilen hat / ſondern je mehr man druͤb[e]r nachſinnet / je beſſer wird die Arbeit ſein. Da man dann zum erſten auff des gantzen Carminis und als dann der andern Strophen Schluß wie zu einem Ziel / darauff alles abdruͤcket /ſehen727Oden. ſehen muß. Solte man dieſe Vorarbeit vorbey ſtreichen laſſen / und nur ſo fort den Auffſatz beſchleunigen / ſo wuͤrde man den Trieb hemmen / und mitten in dem Wercke beſtecken bleiben. Gilt alſo im Carmine nicht allezeit das Sprichwort der Griechen δευτέραι φροντίδες σοφωτερα〈…〉〈…〉. ſondern man verdirbt / an der Erfin - dung inſonderheit / leicht etwas wann man zu viel druͤber nachſinnet / und durch all zu groſſe Kunſt / die natuͤrlichkeit ei - ner Sachen verdunckelt / wie jener Mah - ler / qui manum tollere de tabula neſciebat Claude Binet hat in dem Leben des Ron - ſards, von ſeinen Poematibus ſolches an - gemerckt: Aucuns, ſpricht er / ont trouvé la correction, qu il a faite en ſes œuvres en quelques endroits moins agreable, que ce qu il avoit premierement conceu: comme il peut avenir principalement en la Poeſie, que la premiere fureur eſt plus naive, & que la lime trop des fois miſe, en lieu d éclaircir & polir, ne fait qu uſer & corrompre la trempe. Les doctes quiz z 4ver -728Das XV. Cap. Von denverront fans paſſion ſes derniers concep - tions en jugeront. Es hat Paſquier in ſeinen Recherches liv. 6. ch. 7. daßelbe von ihm auffgeſchrieben und ſich uͤber ihn beklaget / daß er drey Jahr vor ſeinem Tode / da er von dem Podagra und andern Schwachheiten uͤbernommen / die beſten und artigſten Carmina auß ſeinen Wer - cken hinweg gethan / und viele Verſe al - ſo geaͤndert / daß die ſcharffſinnigſten Re - den verlohren gegangen. Er berichtet ferner / daß ein ander das verworffene wieder den Autorem ſelbſt zu behaupten geſonnen / und dem andern Druck ſeiner Wercke hinbey fuͤgen wollen. Mit dem To quato Taſlo iſt es gleichfalls ſo ergan - gen / daß er durch veꝛmeinte Verbeſſerung an ſeinem ſo herrlichen Poemate viel ver - dorben. Durch dieſen Tichterſchen Trieb koint es bißweilen / daß verſchiedene Po - eten nicht allein einerley Einfaͤlle ſon - dern gar einerley Verſe und Worte haben / da doch niemand des andern ſeine Carmina geſehen oder geleſen. Deſſen iſtein729Oden. merckwuͤrdiges Exempel bey dem Menage in ſeinen obſervationibus uͤber Malherbe p. 255. 256. 257. von M. de Racan, welcher gantzer vier Verſe gemacht / die hernach in des de Matthieu Tablettes de la vie & de la mort ihm von einem andern gezeiget worden / da er doch mit hohen Eiden be - theuret / daß er das Buch nicht gekant noch geſehen. So hat auch Leonard. Salviat. in ſeinem erſten Buch ſeiner Aver - tiſſemens de la langue Italienne berichtet / das ein Poet ſeiner Zeit / der des Cardi - nalen Bembo ſeine Sonnetten niemahls geſehen / eines gemacht daß des Bembe ſei - nem durchauß gleich geweſen. Es kan auch offt geſchehen / daß jemand Woͤrter und Verſe im Gedaͤchtniß hat / da er vergeſſen wo un̄ ob er ſie geleſen / welche bey Gelegen - heit ſich unteꝛ ſeinen eignen Gedan[k]en veꝛ - ſtecken / wo zu die Reime bißweilē den Weg bahnen. Der Herr Menage verheißt in einer ſonderlichen Diſſertation de furtis & imitatione Poetarum hievon zu han - deln.

z z 5Das730Das XVI. Cap. Von den

Das XIV. Cap. Von den Schauſpielen / Hir - ten - und Straff-Gedichten.

Einhalt. DIe Schauſpiele ſein nicht gaͤntzlich zu verwerf - fen. Albericus Gentilis hat ſie in einer ab - ſonderlichen Schrifft verthaͤdiget. Cardi - nal de Richelieu hat in Franckreich ſie von den Un - reinigkeiten geſaubert. Koͤnnen in den Schulen ihren Nutzen haben. Comenii Vorſchlag. Hr. Weiſen Comoedien. Vorſchlag eines vornehmen Frantzoͤſiſchen Herrn von Auffrichtung einer fon - derlichen Schauſpielſchule. Der alten ihre Schau - ſpiele ſein vollenkommener als die heutigen. Ihre Singeſpiele. Der Rhythmus ihrer Verſe und Muſic wird durch den Trommelſchlag vorgeſtellet. Wie die neuen Singeſpiele in Italien erſtlich auff - gekom̄en. Der Teutſchen Schauſpiele. Comedien in Proſa. Poſſenſpiele / Kluchten / Balletten Maſquera - den / wie weit beyde unterſchieden. Worauff ſie koͤn - nen gemacht werden. Außbild-Bau-und Perſpectiv - Kunſt iſt beyhuͤlfflich hiezu. Des Herrn Carteſii Ballet, ſo Joh. Freinsheim verteutſcht. Andre werden erzehlt. Benjamin Jonſons eines Engliſchen Poeten Balletten und Maſqueraden. Johannis MiltonsMaſ -731Schauſpielen. Maſquerade. Schwediſche Balletten des Herrn Stirnhelms. Exempel Teutſcher Balletten. Da - vid Schirmers. Ballet von der Vortreflichkeit des Weiblichen Geſchlechts von Herrn Vito Bering in Lateiniſche Verſe geſetzet. Verſchiedene andre. Repræſentation, ſo dem Carolo V. geſchehen. Hir - teugeſpraͤche. Die Italiaͤner wollen hierin auch vor den Alten den Vorzug haben. Wie ſie im Teut - ſcheu zu machen. Satyre oder Straff-Gedichte. Vondel nennet ſie Hekeldichte. Wie ſie zu machen. Janus Gulielmus Laurenbergius hat in dem Nieder - ſaͤchſiſchen ſolche geſchrieben. Joachimus Rachel im Hochtentſchen. Der Frantzoſen Satyriſche Schriff - ten / Satyræ in Proſa bey den Teutſchen. Herrn Weiſen unterſchiedliche Schrifften dieſes Schlags.

DIe Schauſpiele / die an ſich ſelbſt loͤblich und gut ſein / haben durch die eingeſchlichene Mißbraͤuche bey einigen ihren guten Glauben ſo ver - lohren / daß man ſie gar fuͤr ſuͤndlich und ārgerlich gehalten. Dieſe gehen aber zu weit / und werden ihre dawieder einge - brachte Gruͤnde / von dem vortreflichen JCto Alberico Gentili in ſeiner Gelehr - ten Diſſertatione de Actoribus Fabula -rum732Das XVI. Cap. Von denrum non notandis ſattſam wiederleget. Sie ſein bey den ſin̄reichſten und verſtān - digſten Voͤlckern durchgehends beliebet / und die Theatra fuͤr eine Schule des Volcks gehalten worden. Dann was iſt fuͤr ein Unterſcheid / ob ich eine Hiſto - rie geſchrieben leſe / oder in einem Ge - maͤhlde betrachte / oder auch in einer a - ction mir vorſtelle. Die Mimi der alten ſein auch nicht zu tadeln / die die ſinnreich - ſten Spruͤche / die koͤnnen erdacht wer - den / unter die Actiones eingemiſchet / und die Zuſeher entweder erluſtiget oder unter - richtet. Wann alles in dieſen Schran - cken bleibt / und ſonſt keine unflātereyen / und grobe Narrenpoſſen / daran keine verſtaͤndige ehrbahre Leute einen gefal - len haben / hinzukommen / ſein ſie nicht allein zu dulden / ſondern in einer Volck - reichen Gemeine bißweilen anzuordnen. Der Cardinal de Richelieu hat es ſeinem Geiſtlichen Stande nicht unanſtaͤndig ge - halten / daß er der Schauſpiel halber gewiſſe Ordnunge gemacht / und nachdemer733Schauſpielen. er ſie von den Unſauberkeiten gereiniget / ſelbſt Anlaß gegeben / daß ſolche geſpielet / und vorgeſtellet worden. Wie er dann die vortreflichſten Geiſter ſeiner Zeit durch die groͤſte Belohnungen dazu auff - gemuntert. Ja ich komme ſo weit / daß ich vermeine / es muͤſſen bißweilen gute Schulen angeſtellet werden / um die Ju - gend auch in der action zu uͤben / wozu ſie ſonſt keine Gelegenheit hat. Es war kein uͤbler Vorſchlag des Comenii, daß die vornehmſten Hiſtorien in Comœdien ge - faßt / und durch die Action der Jugend eingebildet wuͤrden; wie er dann zur Pro - be eine Comœdie von dem Diogene Cyni - co ſelbſt auffgeſetzet / worinn alle Thaten und Spruͤche deßelben angebracht wer - den. Der Herr Weiſe hat auch unter - ſchiedliche zu ſolchem Zweg zielende Comœ - dien geſchrieben / worunter mir die ſo genante Complementir-Comœdie, ſo er ſeinem Politichen Redner beygefuͤgt / ſehr wollgefaͤllt. Worin er alle Actus Converſationis Civilis in ein Schauſpielge -734Das XVI. Cap. Von dengebracht. Der Autor des Buchs de la connoiſlance des bons livres, welcher von dem Nutzen der Schauſpiele gar weitlaͤuff - tig gehandelt / erwehnet p. 273. daß ein vornehmer Herr in Franckreich geweſen / der auff ſeinen Koſten einen Profeſſorem Poeſeos Theatricæ anſtifften wollen / wel - cher oͤffentliche Lehrſaͤtze geben ſolle / wie die Schauſpiele anzuſtellen / und das un - gebuͤhrliche davon zu thun. Er hat vor - geſchlagen eine ſo genante Academie an - zurichten / worin nur vornehmer Leute wolerzogne Kinder in ſolchen Actionibus ſich uͤben ſolten / damit hinfuͤhro die Schauſpiele von den Schandflecken / die ihnen nichtswuͤrdige und gewinſuͤchtige Leute anhingen / geſaubert wuͤrde. So ſol - ten auch aus dem Magiſtratu gewiſſe Cen - ſores verordnet werden / die die Comœ - dien unterſuchten / ob in ihnen etwas der Kunſt und dem Wollſtand zu wieder lauffend anzutreffen, daß alſo keine ohn derſelben Bewilligung gehalten wuͤrde. Es ſein gewißlich dieſe Vorſchlaͤge nichtzu735Schauſpielen. zu verachten / und wuͤrde nicht undien - lich ſein / wann ſo etwas ins Werck gerich - tet wuͤrde. Abſonderliche Geſellſchafften und Lehrmeiſter hierin zu beſtellen wuͤrde nur uͤberfluͤſſig ſein / wann nur auff den ſonſt gewoͤhnlichen Schulen eine zulaͤng - liche Ordnung deßfals gemacht wuͤrde. Es ſein gantze Buͤcher von den Comœ - dien und Tragœdien geſchrieben / darin - nen die Lehrſaͤtze dieſes Poematis auß - fuͤhrlich und grundlich dargethan wer - den / womit / als bekanten Dingen / wir uns nicht auffzuhalten haben. Dieſes iſt zu mercken / daß die alten Griechen und Roͤmer es ſo weit hierin gebracht haben / daß wir noch bey ihnen in die Schul gehen muͤſſen. Was wir darin gethan / haben wir alles aus ihrer Nach - ahmung. Man hat bey ihnen die Sin - geſpiele / Tāntze und Toͤne viel vollen - kommener gehabt / als wir jetzo ihnen nachkuͤnſtlen / davon niemand vollſtaͤn - diger als Fr. Patric. della poetica part. 2. gehandelt. Die nach ihren pedibus ab -ge -736Das XVI. Cap. Von dengemeßne Verſe / die drauff ſich gruͤnden - de Mufic / und mit derſelben verknuͤpffte Taͤntze / und Bewegungen der Glieder koͤnnen von uns nicht begriffen werden. Man hat die Pantomimos gehabt / welche durch ihre ſtumme Leibsbewegung auch alle Reden haben vorſtellen koͤnnen / wel - ches allein durch den Rhythmum, den man in der pronuntiation der Sylben und in der Muſic gebraucht / hat geſchehen koͤnnen. Droben haben wir ein mehres davon geꝛedet / woſelbſt wir an dem Tꝛom - melſchlag ein geringes und noch zimlich weit entlegenes Beyſpiel gegeben / das a - ber das weſen des Rhythmi gleichſam als in einem Schatten vorzeiget; weil es nur ein bloſſer Schall ohn einiger harmonia iſt. Iſaacus Voſſius gibt den̄och ein groſ - ſes hier auff. Dann er ſagt p. 132. Vidi qui adeò ſcitè tympana tractarent, ut qui - busvis etiam adſtantibus modò bellicos, modo languidos & meticuloſos incuterent motus, alias verò verſá vice ad ſaltandum inſtigarent, idque ſolâ mtuatione rhyth -mi737Schauſpielen. mi & tranferendo pulſum fortiorem â fine in principium cujusque menſuræ, mutando nempe jambos in trochæos, a - napæſtos in dactylos, & pæonas quartos in pæonas primos. Si Muſici noſtri id ip - ſum præſtare jubeantur etiamſi cum o - mnibus ſuis accurrant inſtrumentis, e - runt tanquam aſini ad lyram, & niſi ipſos imitentur tympanotribas, nihil omnino, ſi ſapiant, audebunt. Illi ipſi tamen in - dignantur ſi muſicis accenſeantur tympa - notribæ, in quo tantum abeſt, ut cum il - lis ſentiam, ut potius exiſtimen meminem eſſe bonum Muſicum, niſi idem quoque bonus ſit tympanotriba. Ob nun dieſe alte art der Muſic zwar verlohren / ſo haben dennoch ſich einige bemuͤhet / die Schauſpiele wieder mit der Muſic zu ver - binden. Von dem Octavio Rinuccino einem Florentiniſchen Poeten meldet J. N. Erythr. Pinacoth. I. n. 34. daß er der erſte geweſen / der die alte art der ſin - genden Schauſpiele wieder auff die Bahn gebracht / wiewoll vor ihm Æmilius Ca -a a aval -738Das XVI. Cap. Von denvellerius ſchon einen Verſuch gethan. Mit ihm haben zugleich ſich hervor[ge - geben] / Jacobus Perius, Horatius Vecchi - ns, Dominicus Mazochius, und deſſen Bruder Virgilius, P. Auguſtinus Mannus, Octavius Tronſarellus, Anareas Salvado - rus, Jacobus Cicogninus. Von welchen Erythræus Pinac. III. n. 35. weitere Nach - richt gibt. Dieſe haben auff groſſer Her - ren Zuſchub die treflichſten Theatra ge - bauet / und dieſe Wercke zu ſpielen ange - fangen / durch der alten ihre Exempel auff - gemuntert. Welchen ob ſie zwar nicht gleich gethan / ſo haben ſie doch in der heutigen art der Muſic es auffs hoͤchſte gebracht. Der droben gemeldete Joſeph. Baptiſta hat von dieſer art Muſic ein Buch la Poeſie Auletiche nachgelaſſen / wie Craſſ. Elog. d’huom. litt. part. 1. p. 341. bezeuget / ſo aber noch zur Zeit nicht her - vorgegeben. Numehr haben den Itali - aͤnern die Frantzoſen und andre Nationes nachgefolget / und koͤn̄en wir ſie in Teutſch - land auch ſehen. Die Schauſpiele habeneinen739Schauſpielen. einen groſſen Unterſcheid in der Redens - art: Die Luſtſpiele haben einen niedrigen / die Traurſpiele einen hōhern ſtylum. In dieſen ſein Andreas Gryphus und Daniel Caſpar vortreflich / von welchen in Teut - ſcher Sprache das Muſter zu nehmen. Dann an den alten Schauſpielen / die in groſſen Buͤchern zuſammen getragen / wie dann der bekandte Juriſt Jacob Ayrer ein groſſes Buch derſelben verfertiget / iſt wenig nutze: ob gleich bißweilen einige Einfālle nicht zu verachten. Welche in Proſa geſetzt ſein / gehoͤren eben hieher nicht / weil ſie mehr actus Oratorii als Poetici ſein: dergleichen ſein viel von Herrn Riſten / Filidor und andern ge - ſchrieben. Unter die Comœdien koͤnnen mit gerechnet werden die alſo genanten Poſſenſpiele / die bey den Niederlaͤndern Kluchten / wegen der ſiñreichen Erfin - dung heiſſen. Dieſe beſtehen nicht in gro - ben Narrenpoſſen / wie dergleichen ge - meine Comœdianten viel haben / ſondern in einer artigen und zierlichen außſchmuͤ -a a a 2ckung740Das XVI. Cap. Von denckung einer lācherlichen Action. Die mei - ſten Comœdien bey den Frantzoſen ſein dieſes Schlages. Dergleichen haben in Niederland auch vornehme Leute als Conſtantinus Hugenius und andere ge - ſchrieben. Bey den Teutſchen kan man des Daniel Schwenters ſein Poſſen - ſpiel Peter Squnetz genant / wie auch des Gryphii Horriblicribrifax ruͤhmen.

Hieher gehoͤren auch die Balletten und Malqueraden, worin man durch Gebehr - de agiret / ſo etwas nach des alten Roſcii art iſt. Dann es beſtehet allhie bloß in Außzierung der Perſon / und in kunſt - fertiger application des Tantzes auff die Perſon. Der Tichter hat ſonſt hiebey nichts zu thun / als daß er die Erfindung zu Papier ſetze / und etzliche kurtze ſinn - reiche Verſe vor jede Perſon dabey / wel - che von den Zuſehern geleſen werden / da - mit ſie den Einhalt des Ballets beſſer verſtehen. Unter den Balletten und Maſ - queraden iſt ein geringer Unterſcheid. Jene ſind weitlāufftiger / und haben garvie -741Schauſpielen. viele Abtheilungen und Eintritte / ſein faſt einer vollſtaͤndigen Comœdien gleich / Die Maſquerade hat etliche wenige Auff - zuͤge. Die Perſonen werden vorgeſtel - let gleichſam als viva emblemata, und kan deren Einhalt beſtehen aus Hiſtoticis, fa - buloſis, moralibus. Sie koͤnnen auch auff gewiſſe Faͤlle als Hochzeiten / Gebuhrts-Feſte / Kroͤnunge der Koͤni - ge / und der gleichen gerichtet werden. In - ſonderheit muß hier die Außbildkunſt woll verſtanden werden / weil das meiſte ſchier darin beſtehet / dazu dann die Ico - nologia des Cæſaris Ripæ, Maſenii Spe - culum imaginum veritatis occultæ gute Anleitung geben kan. Auch ſind die Ver - āndrungen des Theatri, die aus der Bau - uñ Perſpectiv Kunſt flieſſen noͤthig zu wiſ - ſen. Im Italiāniſchen hat man deꝛgleichen gar viel Exempel. Der beruͤhmte Fran - tzoͤſiſche Philoſophus Renatus Carteſius hat / da er in Schweden war / eines auff der Koͤnigin Chriſtinen Gebuhrts-Tag gemacht / eben um die Zeit / wie in Teutſch -a a a 3land742Das XIV. Cap. Von denland der Friede geſchloſſen ward / deſſen Uberſchrifft iſt la Naiſſance de la Paix. Solches iſt von Johanne Freinshemio in Teutſche Verſe uͤberſetzet. Die Erfin - dung iſt ſehr gut / und iſt diß Ballet des beruͤhmten Autoris und Uberſetzers hal - ben wuͤrdig / daß es auffgehoben werde. Man hat auch ein Frantzoͤſiſches Ballet de la naiſſance de Venus, welches viel ſchoͤ - ne Veraͤnderungen des Theatri hat / und vor den Koͤnig offt geſpielet worden. Des Ange ſein Ballet d Eloquence, wel - ches unter den Pieces curieuſes ſo zu Pa - ris 1664 gedrucket / ſich findet / iſt gleich - falls ſehr woll und artig erfunden. Ben - jamin Johnſon ein vornehmer Engliſcher Poet / hat unter ſeinen Wercken gar vie - le / die auff allerhand Begebenheiten / Fuͤrſtliche Einzuͤge / Gebuhrtsfeſte und dergleichen gemacht / und vor dem Koͤnige getantzet; worin viel ſchoͤner Einfaͤlle und Außzierungen ſein. In des beruͤhmten Johannis Miltoni ſeinen Engliſchē Poema - tibus wird man auch deren finden / dieſehr743Schauſpielen. ſehr woll gemacht. Bey den Teutſchen hat man auch unterſchiedliche. David Schirmer hat in ſeinem Rautengepuͤſche einige / die auff unterſchiedliche Vorfaͤlle von ihm verfertiget. Der Hr. Stiern - helm hat in Schwediſcher Sprache einige hervorgegeben. Das Bal - let von der Eitelkeit welches zu Zelle gehalten / von verlohrner Zeit und Arbeit ſo in Copenhagen geſpie[let]/ von des Weib - lichen Geſchlechtes vortr[ef]lichkeit / wel - ches an demſelben Ohrt / bey der Gebuhrt der Durchlaͤuchtigſten Friederica Ama - lia / unſꝛeꝛ ietzigen gnaͤdigſten Pꝛinceßin uñ Landes-Mutter vorgeſtellet / und von dem vortreflichen Poeten Hn. Vito Beringio in Lateiniſchen Verſen beſchrieben wor - den / und viele andre koͤnten hie erzehlet werden / wann es nicht zu weitlaͤufftig fiele. Man pflegt auch aus den natuͤrli - chen Dingen Erſindungen zu nehmen / wie das Roßballet ſo ihrer Kayſerl Maj. prælentiret worden. Es iſt einem Ballette nicht unāhnlich die aꝛtige Vorſtellung / diea a a 4dem744Das XVI. Cap. Von dendem Kaiſer Carolo V. geſchehen / davon Maſenius in ſeinem Speculo Imaginum l. 6. c. 3. §. 2 gedencket / darinnen dem Kayſer alles was in Religions-Sachen theils von ihm theils von andern vorgenom - men und verſehen geweſen / vorgehalten. Es were nicht undienlich / wann ſolche ſtuͤckweiſe außgearbeitete Balletten in ein Buch zuſammen getragen wur - den.

Zu der Dramatiſchen Poeſie gehoͤ - ren auch die Hirtengeſprāche / weil ſelbi - ge auch gleichſam einen Auffzug haben / wiewoll ſie nur einfaͤltig / und nicht nach art der Schauſpiele eingerichtet. Die Italiaͤner haben hierin einen groſſen Fleiß angewandt / ja gantze Comœdien dar - auß gemacht / und vermeinet Taſſon daß ſeine Landsleute den Griechen und La - teinern hierin viel zuvor gethan. Dañ er ſaget in ſeinen Penſieri diverſi lib. 10. c. 14. [I]noſtri hanno inventata una terza ſpe - zie, ne comica, ne tragica, chiama a Pa - ſtorale; ſi che poſſiamo ſicuramente dire,che745Schauſpielen. che oggi ella ſi divida in tre, cioè, Co - mica, Tragica, e Boſcherreccia. Aber wann man die Sache recht unterſuchen wolt / ſo ſind die Italiaͤner hierin etwas zu weit gegangen / dann ſie machen ihre Hirten kluͤger / als ſie billig ſein ſollen / und ſchreiben denſelben ſo viel ſinnreicher Spruͤche zu / daß es gar uͤber die Eigen - ſchafft des Characteris gehet. Der Ra - pinus der ein trefliches Buch de Carmine Paſtorali geſchrieben / und ſelbſt die be - ſten Meiſt erſtuͤcke deſſelben gegeben / ur - theilet dieſes von den Italiaͤnern / und ſei - nen eignen Landleuten: In eo peccatum eſt ab hominibus noſtris, qui patrio ſermo - ne eclogas ſcripſerunt; ſed multò magis ab Italis, qui ut abundant ingenio, in re - bus acutè copioſè que excogitandis, no[n]poſſunt tenere ſe, quia quicquid venit in mentem effundant, nihilque habent ægri - us, quam ut ſibi temperent, quod per - ſpicuum eſt in Marini Idylliis, cæterisque ab illâ gente bene multis qui hoc carmi - ne ſcripſerunt. Von des Guarini Paſtora a a 5Fido,746Das XVI. Cap. Von denFido, Torquati Taſſi Amynta, und Bo - narelli Phyllide, urtheilet er zwar / daß ſie ſehr woll geſchrieben. Aber er ſetzet hin - zu: Peccant in eo Itali fere omnes, quod quæ afferunt, quamvis ut plurimum conje - cta belle ſint & acutè largamque habeant & felicem copiam ſermonis atque rerum: tamen ad perſonarum indolem & ad id quod in una quaquere maximè decens eſt, in iis præſertim quæ ad paſtores pertinent, non ſatis accommodant. accidit quod nimis fuſè & abundanter dicant, quæ di - cenda ſibi proponunt, quod Italis ſermo per ſeſe bene locuples ſit & copioſus eam - que proferat ex ſe verborum vim & abun - dantiam, in quâ modum tenere diſſicile ſit. Quod tamen vitium eſt in poetâ præſertim paſtorali non modiocre. Den Ronſard lobt er zwar / daß er die Einfallt der Hir - ten auch in der Redensart außgedruͤckt / aber er tadelt an ihm die weitlaͤufftigkeit. In demſelbigen Buche wird von den Ei - genſchafften eines Bucolici Carminis ſo herrlich und außfuͤhrlich gehandelt / daßnichts747Schauſpielen. nichts hinzu zu ſetzen / darauß man den Unterricht auch von einem Teutſchen Hiꝛ - ten-Gedichte nehmen kan. Man hat bey uns wenige in dieſem genere geſchrieben. Nur daß der Hr. Neumarck ſeinem Luſt - wald von denſelben hinangehānget. In proſâ hat man dergleichen mehr / und ge - hoͤren die ſo genante Schaͤffereien zum Theilauch hieher. Wir haben aber we - nige / die man ſonderlich ruͤhmen kan. Das genus Carminis kan ſein Trochaicum wel - ches ſich zur Unterredung am beſten ſchi - cket / auch wol ein Alexandriniſches. Es iſt auch nicht noͤthig / daß alle Verſe gleich lang ſein / ſie koͤnnen wol nach einer Di - thyrambiſchen art gemacht werden / der - gleichen auch bey dem Neumarck zu fin - den. Man kan ſie auch in Oden vorſtel - len / wie bey dem Opitz die ſonſt bekante Ode iſt: Coridon der ging betruͤbet: Da dann bißweilen der Dialogiſmus auß - gelaſſen wird / und bloß der Tichter un - ter einer Erzehlung dieſelbe vortraͤgt.

Die748Das XVI. Cap. Von den

Die Satyræ, welche auch vor dieſem ein Anhang der Schauſpiele geweſen / ſein in Teutſcher Sprache noch von wenigen geſchrieben. Vondel hat einige in ſeinen Niederlaͤndiſchen Gedichten: nennet ſie Heckeldichte, weiln man darin die Laſter durchhechlet. Man kan ſie im Teutſchen Schimpff - oder Straff-Gedichte nennen. Eine Satyre iſt ein Gedichte / darin die heimlichen Laſter die bey etlichen Per - ſonen im Schwange gehen geſtraffet und hōniſch auffgezogen worden / und hat zur Enduhrſach die Verbeſſerung der Sit - ten. Iſt derohalben von den Paſquillen unterſchieden / welche ehrliche Leute an - ruͤchtig machen / und alſo billig nicht ge - litten werden. Das Alexandriniſche ge - nus ſchicket ſich am beſten hiezu / wiewoll auch bißweilen die Oden hierzu koͤnnen gebraucht werden. Theophile, Regnier und andre haben in Frantzoͤſiſcher Spra - che das Alexandriniſche genus, andre auch woll Oden gebraucht / deren gantze Buͤcher voll ſein / als le Cabinet Satyriqueund749Schauſpielen. und le Parnaſſe Satyrique, worinnen ſol - che Satyrica zuſammen geleſen / die aber zum theil viel Schandpoſſen und lieder - lichkeiten bey ſich fuͤhren. Des de Boilau ſeine ſein von den juͤngſten / und ſehr ſinn - reich und picquant / die zu Pariß im Jahr 1675. heraußgegeben / nebſt der Uberſetzung des Longini. In der Redensart werden weithergeholete / verwegene metaphoræ ſinnreiche laͤcherliche Reden und Sprich - woͤrter / ſeltzame Beſchreibungen zugelaſ - ſen / die in andern Carminibus eines ernſt - hafften argumenti nicht gebilliget wer - den. Die Lehrſaͤtze dieſes Carminis wer - den von Scaligero, Caſaubono, Heinſio in abſonderlichen Buͤchern vorgetragen. Ja - nus Guilielmus Laurenbergius hat vier ſolcher Straffgedichte / die er Schertzge - dichte neñet / in Niederſāchſcher Sprache geſchrieben / deren artlichkeit nicht zu be - ſchreiben iſt. Ich ſchaͤtze ſie was den Cha - racterem und die Erfindung anlanget den alten gleich / und wird derjenige der die Eigenſchafft dieſer Sprache verſteht / mitgroſſer750Das XVI. Cap. Von dengroſſer Luſt und Ergetzlichkeit ſie leſen. Ei - nige haben ſie in Hochteutſche Sprache uͤberſetzen wollen / aber die Zierlichkeit der - ſelben gantz verdorben. In der Hoch - teutſchen Sprache hat zum erſten Satyten geſchrieben der Hr. Joachim Rachel / ein gelehrter Mann und ſehr guter Poet / der den Characterem dieſer Schreibart inſonderheit wol im Teutſchen aus der Nachahmung des Juvenalis außgedruͤckt / welches an ihm billig zu loben. Dann wer die alten Autores zur Richtſchnur hat / der gehet einen richtigen Weg / und thut es andern zuvor. Unſer Teutſchland iſt ihm billig verpflichtet / daß wir auch in dieſem Stuͤcke nicht noͤthig haben / den Außlaͤndern den Vorzug zu goͤñen. Man kan auch in der ungebundnen Rede einige Satyras ſchreiben / welche auff vielerley arten koͤnnen eingerichtet werden. Und haben wir in Teutſcher Sprache viel aus dem Italiaͤniſchen / Spaniſchen und Fran - tzoͤſiſchen uͤber ſetzet / auch unterſchiedliche aus eigener Erfindung. Da kommenin -751Schauſpielen. inſonderheit die Fictiones, Trāume / Ge - ſichter / Fabeln wol zu ſtaat. Es koͤn - nen hundert Wege und Arten erdacht werden / wodurch man ſolche vorſtellet / und mag ich mich nicht auffhalten in er - zehlung derjenigen Buͤcher / die bey uns von dieſer art geſchrieben. Man faſſet ſie bald in Geſpraͤchen ab / wie die Paſquilli ſein / die in etlichen tomis ſchon im vorigen ſeculo hervorgegeben: bald in Briefen / wie in der Frantzoͤſiſchen Sprache der Secretaire Critique neulich eingerichtet / bald in einer Romaine, wie die Argenis Bar - claji, bald in einer Reiſebeſchreibung wir Greiffenſohns Satyriſcher Pilgram / Mundusalter & idem, und viele andre. Und wer kan die arten alle erzehlen? Dieſe Schreibart erſtrecket ſich durch alle Din - ge / politica, moralia, oeconomica, Scho - laſtica, von welchen allen ich viele Exem - pel beybringen koͤnte / aber an einem andern Ohrte mit mehrem handeln werde. Der Herr Weiſe hat hierin eine ſonderliche Fāhigkeit gewieſen / von demviel752Das XVI. Cap. Von denviel artiger Schrifften dieſes Schlages hervorgekommen. Er hat auch ein Buch von dem Politiſchen Nāſcher geſchrieben / worin er eine Anleitung gibt / wie der - gleichen Buͤcher zu ſchreiben. Solche Arbeiten ergetzen und erbauen zugleich / und koͤnnen nicht als von tieffſinnigen oder weitſehenden ingeniis erſonnen werden.

Das XVII. Cap. Von den Epigrammatibus.

Einhalt. KUrtze und Scharffſiñigkeit die Tugenden eines Fpigrammatis. Wie die kuͤrtze zu verſtehen. Scharffſinnigkeit kan mißbraucht werden. Findet in Geiſtlichen Reden und Predigten vor an - dern ihren Platz. Vortrefliche Geiſtliche Redner bey verſchiednen Voͤlckern. Simeon Polocenſis ein vortreflicher Geiſtlicher Redner und Poet bey den Ruſſen. Die Brunquellen darauß die Erfindun - gen in Epigrammatibus flieſſen. Die Sprichwoͤr - ter dienen inſonderheit hiezu. Welche TeutſcheSprich -753Epigrammatibus. Sprichwoͤrter geſchrieben. Selbige ſind mit Fleiß zuſammen zu leſen. Velſchius und Kuhlmann ha - ben ſolches vorgehabt. Exempel einiger Erfindun - gen ſo von den Sprichwoͤrtern genommen / auß dem Kurandor. Opitz / Flemming / Gryphii, Salomo - nis von Golow / Hugenii, Brunonis, A Steyn. Epigrammata. Epigramma ſimplex & circumſcri - ptum. Exempel aus dem Niederlaͤndiſchen. Ein gutes Lemma verkuͤrtzert das Epigramma. Gno - mica. H. Schævii Leberreime. Grabſchriffte des Herrn Hoffmans. Svvertii Epitaphia jocoſeria. Lydii vrolicke uyren des Doods. Das Metrum der Epigrammatum Der letzte Verß des Epigrammatis. Loͤbers verſio Epigrammatum Ovveni. Fictio in Epigrammate. Kleine Liebs-Carmina. Baſia Weſterbans, I. Dans Kuſhes, Anagrammata Des Chek-Bouni Buch hievon. Man findet bißwei - len wie etwas fatales in ihnen. Exempel einiger Anagrammatum, und andrer Spiel-Verſe. Sin - nenebilder. Wie viel arten derſelben. Ihre Beſchaffenheit. Die Italiaͤner haben ſie inſonderheit außgeuͤbt. Einige Autores werden geruͤhmet. Hieroglyphiſche Buchſtaben / die zu gleich Symbola darſtellen. Deren Exempel. Re - bus de Picardie. Catz, Heinſ. Andr. Poirtier, Schoonhove, Zevecot, Franc Quarles werden ange - fuͤhrt. Raͤtzel. Barlæus, Harſtoͤrffer / Schoch / van der Veen, Cotin, haben ſolche geſchrieben. Schluß des Buchs.

bbbDie754Das XVII. Cap. Von den

DIe Epigrammata haben in der Teutſchen Sprache eben ſo woll ihre Zierlichkeit / wie in den an - dern / wann nur die richtigen Lehrſaͤtze dabey in acht genommen werden. Die Kuͤrtze / und die Scharffſinnigkeit / ſind die vornehmſten Tugenden derſelben. Die Kuͤrtze beſtehet nicht eben darin / daß man nothwendig innerhalb zween oder vier Verſe dieſelben einſchlieſſen muͤſſe / ſon - dern wann man in Woͤrtern und ſenten - tiis nicht unnoͤthige Umſchweiffe macht. Dann es kan bißweilen in einem Epigram - mate (welches aus zweien theilen Narra - tione & Acumine beſtehet) die Narratio einige noͤthige Umſtaͤnde haben / die in der Kuͤrtze nicht woll koͤñen begriffen werden; Wann nur das acumen fein kurtz und un - vermuthet darauff komt / wie in den Epi - grammatibus geſchieht / die ich circumſcri - pta neñe. Sonſt kan man auch woll in zwo - en oder vier Zeilen zu weitlaͤufftig ſein. Es iſt eine groſſe Kunſt die Rede nicht wei - ter zu ziehen / als die Sache erfodert / deß -hal -755Epigrammatibus. halben auch der Antonius bey dem Cicero - ne copioſum oratorem prudenti entgegen ſetzt / welches auch in den Carminibus ſtaat findet. Die Scharffſiñigkeit wird auch hierin mißbrauchet / wann ſie gar zu hāuffig und zu viel geſucht iſt. Die Ita - liaͤner gehen offtmahls zu weit / und beſetzen faſt alle Zeilen der Rede mit acu - minibus, welchen andere unbedachtſamer Weiſe folgen. In Geiſtlichen Reden hat das ſententioſum dicendi genus noch vor andern Platz. Dann die hohe Re - densart / die Longinus ὕφος nennet / be - ſtehet zum Theil hierin / welche zu Goͤtt - lichen Sachen inſonder heit wol gebraucht wird. Spanier / Italiaͤner / Engellaͤn - der / und numehro auch die Teutſchen haben deſſen die herrlichſten Proben gezeiget. Zu dieſen kommen auch ietzo die Ruſſen / von denen ich allhie einen klei - nen Umſchweiff machen muß. Es hat mein ſehr wehrter Freund Hr. von Horn / bey ſeiner neulichen Zuruͤckkunft aus Muſcow /b b b 2mir756Das XVII. Cap Von denmir Simeonis Polocenſis, eines Rußſi - ſchen Muͤnchen Predigten vorgezeiget / und erklāret / die in Warheit den ſinn - reichſten Meditationibus der Itali - aͤner und Engellaͤnder / nicht allein nicht nachgeben / ſondern faſt zuvor thun. Der - ſelbe hat auch die Rußiſche Poeſie erſt - lich angefangen / und zur Vollkommen - heit gebracht / wie er dann die Pſaline Da - vids in allerhand bey uns uͤblichen arten der Reimgebaͤnde uͤberſetzet / deren tref - lichkeit er nicht gnug ruͤhmen koͤnnen. Ich koͤnte hie deſſen eine ſchoͤne Probe / nem - lich eine Poetiſche Rede eines in die Einoͤ - de ſich begebenden Indianiſchen Koͤnigs / aus dieſes meines guten Freundes Dolmetſchung / beybringen; wann es uns nicht zu weit aus den Schrancken ſetzte.

Daß ich auff die Epigrammata wieder komme / ſo werden dieſelbe von dem Gry - phio Beyſchrifften / von andern Siñge - tichte / von den Niederlāndern Snell-dicht, Puntdicht genant. Von der Beſchaffen -heit757Epigrammatibus. heit derſelben wie ſie muͤſſen gemacht wer - den / koͤnt ich viel allhie ſchreiben. Weiln ich aber daſſelbe zu einer abſonderlichen Arbeit de argutâ dictione verſpare / ſo will ich ſolches allhie uͤbergehen. Merce - rius, Carolus à S. Antonio, Maſenius und andre haben einige gewiſſe fontes ange - wieſen / worauß die Erfindungen zu zie - hen. Die Lateiniſchen Exempla werden haͤuffig bey ihnen angefuͤhret. Dieſe koͤnnen auff ſelbige art im Teutſchen auch leicht gewieſen werden. Auß dem fonte alluſionum, welcher in alluſionibus auff die Woͤrter und Sprichwoͤrter beſtehet / iſt zum Exempel dieſes / auff einen thoͤ - richten Barbierer.

Die Schererey geht gut / wir ſcheren uns zugleich
Ihr ſchert an mir den Bart / ich ſcher den Gech
an euch.

Es finden ſich andre mehr in dem dritten Theil meiner Getichte / als n. 19. 29. 34. 64. Aus dem fonte comparatorum, wann ungleiche Dinge unter ſich verglichen; o -b b b 3der758Das XVII. Cap. Von dender gleiche Dinge artlich vorgeſtellet wer - den / iſt dieſes / ſo n. 15. daſelbſt zu finden. Auß dem fonte alienatorum, wann man von einem Ding etwas bejahet / das ihm nicht zukommen kan / oder ihm nicht zu - gibt was man billig von ihm ſagen ſoll / ſein dieſe. n. 40. 43. Aus dem fonte Re - pugnantium & oppoſitorum, wann nem - lich wiederwertige Dinge von einem zu - gleich geſagt werden / oder ein Ding zu gleich bejahet oder beneinet wird / ſein die - ſe n. 41. n. 62. Es kommen viel andre E - xempel daſelbſt vor / die theils aus jedem fonte vor ſich / theils aus vielen gemiſch - ten abgefuͤhret / die wir der weitlāufftig - keit halber ietzo vorbeygehē. Man hat auch noch einige andere Beyhuͤlffe in Erfin - dung der Epigrammatum davon am an - dern Ohrte ein mehres. Die Sprich - woͤrter die wir bey allen Voͤlckern finden / koͤnnen uns ſehr nuͤtzen / weßhalben ich je - derzeit zu rathen pflege / daß man die Adagia und Adagialia, aus aller art Auto - ribus und Sprachen unter gewiſſe titulnzu -759Epigrammatibus. zuſammen leſen ſolle / wie der Gulio Var - rini mit den Italiāniſchen Sprichwoͤrtern in ſeineꝛ Scuola del Volgo es gemacht. Es iſt nicht zu glauben / was dieſes zu Erfindun - gen nuͤtze. In Teutſcher Sprache ha - ben wir des Agricolæ, Sebaſtian Fran - cken Sprichwoͤrter / auch die Janus Gute - rus nebſt andern in ſeinem groſſen opere beygebracht. Frideric. Petri hat unter dem Titul der Teutſchen Weißheit / derer vorigen Autorum Sprichwoͤrter alle zuſammen getragen. Endlich hat Lehman in ſeinem Florilegio Politico unter gewiſſe tituln, allē Sprichwoͤrter und ſcharffſinnige Reden zuſammen ge - ſucht / welches der Schuppius ſo hoch haͤlt / daß ers nach der Bibel ſetzet. Ob nun zwar hieran zu viel geredet iſt / ſo iſt es doch ſicherlich ein nuͤtzlich Buch / und moͤch - te woll ein Univerſal corpus Adagiorum von allen Sprachen auff ſolche art ge - macht werden. Der gelehrte Medicus G. Hieronymus Velſchius, hat unter ſei - nen vorhabenden Arbeiten / auch eineb b b 4Ideam760Das XVII. Cap. Von denIdeam operis Adagiorum Panglotti ge - habt. Aber es iſt dieſes mit ihm zugleich verſtorben. Es hat auch Quirinus Kuhl - man in ſeinem Prodromo Quinquennii mirabilis artem magnam ſ. Harmoniam adagiorum omnium populorum verheiſ - ſen. Von den Adagiographis in andern Sprachen erwehne ich am andern Ohrte ein mehres. Nur dieſes will ich hie in einem und andern Exempel zeigen / wie nuͤtzlich man dergleichen Sprichwoͤr - ter gebrauchen koͤnne. Der Herr Kin - dermann / oder wie er ſich ſonſt nennet / Kurandor / hat auff eine Zittauiſche Hoch - zeit / einige Madrigalen geſchrieben / de - ren Schluͤſſe beſtehen mehrentheils aus ſinnreicheu Spruͤchen und Sprichwoͤr - tern / die der Lehman in ſeinem Florilegio unter dem titul des Eheſtandes zuſammen geleſen. Bey ihm findet man an dem vorgedachtem Ohrte / n. 58. dieſes: Jeder - man zeucht lieber neue Hoſen an / als die einander verſchliſſen. Ku - randor macht hievon dieſes Madrigal:

Ich761Epigrammatis.
ICh frage nichts darnach /
Sie mag ſein / wie ſie wil /
Auff Geld und Gutt acht ich nicht allzu viel
Ihr ſchlechter Stand ſoll ihr durchauß nicht ſcha -
den.
Iſt ſie nur reich von Tugend /
Und in der beſten Jugend /
So hab ich ſchon / was mich vergnuͤgen kan
Mein Kopff will nichts / als nur von Jungfern /
wiſſen.
Denn lieber zeucht man neue Hoſen an /
Als die vorlaͤngſt ein ander hat zerriſſen.

Bey demſelben Lehman findet man n. 70. dieſes. Wer ein alt Weib um Reich - thum willen nimt / der bekomt den Sackgewiß / wie es ums Geld ſteht / wird er erfahren. Kurandors Madrigal lautet alſo:

HAn faͤngt den Fuchs
nur uͤm des Balges wegen:
Allein / uͤms Geld / wolt ich mich nimmermher
zu einer alten legen.
Ich / Bruder / ich verdencke dirs gar ſehr /
Daß du den Wahn dich ſo betruͤgen laͤſſt.
Du haſt den Sack gewiß genug in Haͤnden /
Den wird ſo bald dir keiner nicht entwenden:
b b b 5Wies762Das XVII. Cap. Von den
Wies aber mag uͤms Geldgen ſein bewandt /
Das wirſt du nach der Hand /
Mit groſſem Gram / erfahren.
Wil jemand ſich mit einer Alten paaren /
Der laſſe ſich zuvor das Geld außzaͤhln /
Der Sack wird ihm hernachmahls doch nicht
fehln.

Beym Lehman iſt n. 86. dieſes. Ein ſung Weib iſt dem Alten ein Poſt - pferd zum Grabe. Kurandors Ma - drigal iſt dieſes:

JEhoͤher man das Leben hat gebracht /
Je mehr man ſich auch fuͤr den Tod entſetzet.
Wie bebt der Greiß /
Dafern Er weiß /
Das itzt der Todauff Ihn die Sichel wetzet.
Wie wolt er doch ſo gerne lange leben?
Der nuß ihm bald ein glattes Maͤdchen geben.
Gar recht! Nu darff Er nicht /
zu ſeiner Gruft / ſo gar beſchwerlich ſchreiten;
Er kan in vollem Trabe
dahin noch eins ſo bald uud zeitlich reiten.
So muß alsdann
Ein junges Weib auch ihrem alten Mann
Ein Poſt Pferd ſein zum Grabe.

Man wird noch unterſchiedliche daſelbſt finden / die gleichfalls aus des LehmansFlo -763Epigrammatibus. Florilegio genommen / welches ich nicht tadele / ſondern vielmehr lobe. Dann auff dieſe art koͤnnen viel Erfindungen / ja bißweilen aus einem Metaphoriſchen Woꝛ - te zu einem gantzen Carmine an die Hand gegeben werden. Davon am andern Ohrte weitlaͤufftiger. John Heydon hat 300. Epigrammata auff 300. Proverbia in Engliſcher Sprache geſchrieben.

Derer die gantze Buͤcher Epigramma - tum heraußgegeben ſein wenig: dann wie Martialis ſagt / iſt es ſchwer gantze Buͤcher derſelben zu ſchreiben. Der Herr Opitz hat nicht viele gemacht / und die meiſten aus dem Griechiſchen / Lateiniſchen / Fꝛan - tzoͤſiſchen / Niederlaͤndiſchen uͤbergeſetzet. Beym Flemming ſein auch etzliche zu fin - den / der ſonſt in der Scharffſinnigkeit den Preißhat. Bey Gryphio und andern lauffen allemahl einige unter andern Poe - matibus. Salomon von Golow / ein Schle - ſier hat 3000. Teutſche Epigrammata ge - ſchrieben / welchen an Scharffſinnigkeit nichts fehlet: nur iſt der Numerus bißwei -len764Das XVII. Cap. Von denlen etwas hart. Bey den Niederlaͤndeꝛn hat Conſtantin. Huigens eine gantze Men - ge Epigrammatum die er Snelldicht nen - net / unter ſeinen Gedichten / davor er dieſes artige Epigramma geſetzet:

Veracht miin Snel-dicht niet, ’t is Alchimiſtery;
Tis mergh van langen ſin, ’k ſegh niet hoe veel
het vveerdt is
En of’t uyt goede ſtof of quae gediſteleert is.
Maer ſoeckt ghy ſot of vvijs in ’t korte, ſo leeſt my.

Man hat auch einige Niederlaͤndiſche Epi - grammata in des Henrici Brunonis ſeinem Mengelmoes. A. Steyn hat auch einige Punt dichte heraußgegeben / ſein aber nicht ſonderlich. Bey den Italiaͤnern und Frantzoſen findet man auch eine zim - liche Anzahl / aber nicht viel derer / die gan - tze Buͤcher davon geſchrieben.

Ein Epigramma iſt / wie droben ge - dacht einfach oder Circumſcriptum. Je - nes iſt / weñ nur ein acumen in einem oder zweien diſtichis iſt. Dieſes iſt wie ein Enthymema auß 2. Saͤtzen. Der Vorſatz wird durch allerhand Figuren / Diſtribu -tio -765Epigrammatibu. tiones, Enarrationes &c. außgedehnet / daß der Leſer begierig wird zu vernehmen was endlich kom̃en werde. Der Schluß beſtehet nur in einem oder zween Verſen / kont er mit dꝛeyē Woͤrteꝛn gegeben werdē / were es noch beſſer. Dann je kuͤrtzer das acumen drauff faͤllt / je kraͤfftiger und ſpitzer iſt es. Exempel ſind in dem dritten Theil unſer Gedichte n. 17. n. 24. In den Niederlāndiſchen Getichten / die in der Zeevvſchen Nachtegal verſamlet / findet man derſelben die ſehr artig ſein / wiewoll von freien metro, deren ich etliche hieher ſetzen will.

Iorden reyſde naer Amſterdam te mart
Met een ſtijve beurs, en een moedich hart,
Omalle coſtelickheit tecoopen:
Daer ging hy alle vvinckels deur-loopen,
Hy dede langen ſilvere Lampetten,
Vergulde Schroeven, goude Braſſeletten,
Groote Diamanten van veel caraten,
Dikeurde hy nauvv voor duerop de ſtraten,
Hy proefde Ringen, of ſ hem ook paſten,
Hy ſach Fluvvelen, Satijnen, Damaſten,
Turckſche Tapijten, Milaenſche neer-baſen,
Schoone Porceleynen, Veneetſche glaſen,
Spie -766Das XVII. Cap. Von den
Spiegels van Ebben-hout, Brand-yſers vvichtich,
Copere croonen groot en opſichtich,
Hy taelde naer vermaerde Schilderyen,
Van de beſte meeſters van de oude tyen,
Van Lucas van Leyen, of van Mabuyſen.
Naer lang geloop door veelderley huyſen,
Naer dat hy’t al deur-pluyſt en beknoeyt had,
En twintich winckel-knechts vermoyt had,
Raet wat hy cocht, die ſinnelike Iorden?
Vier houte lepels, en ſes tafelborden.
Het ſchijnt dat Signoor ſeer ſterck moet handelen,
Naer dat hy noeſt over ſtraet gaet wandelen:
Hy treet de Kay heele dagen plat,
Nu ſtaet hy en ſiet by een droogh vat,
Dan by een block wijnen, en ’tloſſen van ſchepen,
Het graen ſiet hy ſtorten, de balen ſlepen,
De Schippers vraegt hy watter comt uyt zee,
Of de Weſt-vaerders noch zijn op de ree.
Hoe dattet ſtaet met de vindemi:
Maeckelaer vragt hy naer wiſſel en premi:
Op de beurs treckt hy uyt ſijnen ſak
Veel brieven, die leeſt hy met ghemak:
Dan gaet hy dringen deuralle hoecken,
Quanſuys om coop luy of boden te ſoecken:
En als Signoor ſo een ront jaer gegaen heeft,
Weet niemant dat hy oyt party gedaen heft.
Eenich767Epigrammatibus.
Eenich goet van vveſten of ooſten gecregen,
Geladen, of in de vvaegh doen vvegen.
Wel vvar toe dient dan al ſijn getrantel?
Signoor draegt te pronck ſijnen mojen mantel,
Ghy zijt vvelproper in alu dinghen,
Proper in’t ſpreken, proper in’t ſinghen,
Proper van aenſicht, voeten, en handen,
Proper van oogen, neus, en tanden.
Proper van cleeren, kouſſens, en cragen,
Proper van riem en ommeſlagen,
Proper van ſchoenen, linten, en canten,
Proper van mantel, hoet, en vvanten,
Proper van hayr, van baert, en knevels,
Proper van ſporen, en van ſtevels,
Proper te peerd, en proper op ſchaetſen,
Proper in’t kolven, proper in’t kaetſen,
Proper in al u doen en laten,
Proper int vvandelen over ſtraten,
De handen in ſy als een coper-potjen,
Voorvvaer, ghy zijt een proper ſotjen.

Dieſe ſein nun Epigrammata circumſcri - pta: Will ich dieſe kuͤrtzer machen / ſo ma - che ich ein weitlāufftiger Lemma oder Uberſchrifft / ſo kan ich die Narrationesent -768Das XVII. Cap. Von denentweder kuͤrtzer machen oder wol gar bißweilen außlaſſen / weil das Lemma die - ſelbe erſetzet.

Man kan in den Epigrammatibus aller - hand materien verfaſſen / als Gnomica, wie dergleichen Opitz auß dem Pibrac - berſetzet hat. Wohin man auch die bey den Teutſchen gebrāuchliche Leber-Reime bringen kan / von welchen Henricus Schæ - vius ein Buͤchlein / unter dem Nahmen der Euphroſinen von Sittenbach her auß - gegeben / deren Autor ſonſt niemand leicht bekant iſt. Conſtantin Huigens hat die Apophoreta des Martialis in ſeiner Spra - che nachgemacht / und von allem Haußge - raht Epigrammata geſchrieben. Die E - pitaphia koͤnnen ja ſollen billig als Epi - grammata abgefaßt werden. Der Herꝛ Hoffmann hat einige Epitaphia ſudicra geſchrieben / die unvergleichlich ſein. Fran - ciſcus Svvertius hat in ſeinen Epitaphiis Iocoſeriis aus allen Sprachen ſolche zu - ſammen geleſen. Hieher gehoͤren auch des Lydii Vroliicke Uyren des Doods. Dasme -769Epigrammatibus. metrum kan nach belieben gemacht wer - den / von kurtzen / langen und gemiſchten Verſen: dann hierin muß man einige Freyheit haben. Man muß ſich allezeit nach dem letzten Verſe richten / und nach - dem das acumen ſich dazu bequemet / das genus Carminis darnach neh - men. Inſonderheit muß der letzte Verß deutlich / wollklingend und ſcharffſinnig ſein / ſo gar auch / daß das letzte Wort das treflichſte ſey. Die Uberſetzungen der frembden Epigrammatum ins Teutſche ſein ſchwer / inſonderheit / wann ſie ihre acumina ex fonte alluſionum nehmen. Iſt alſo des Loͤbers Arbeit nicht ſon - derlich zu ruͤhmen / da er des Ovveni Epi - grammata zu verteutſchen vorgenom̃en / das aber bißweilen gar uͤbel klinget / in dem er alle Epigrammata, die aus Lateini - ſchen alluſionibus kommen ohn Unter - ſcheid verteutſcht. Es kan auch eine fi - ctio in den Epigrammatibus ſtaat ha - ben / ſie muß aber nur kurtz und nicht weitlaͤufftig ſein / wie dergleichen Exempelc c cin770Das XVI. Cap. Von denin des Claudiani Epigrammate in Sphæ - ram Archimedis / und des Sannaza - rii, auff die Stad Venedig. Die kur - tzen amatoria Carmina haben auch kei - ne Art / wo ſie nicht einen guten Epigram - mariſchen Schluß haben / oder ſonſt mit einer guten Figur ſchlieſſen. Derglei - chen ſein im Lateiniſchen des Johannis Se - cundi Baſia, deren etliche Weſterban ins Niederlāndiſche verſetzet / auch des Bonefoni ſeine. Des Johan van Dans Kuſies ſein desgleichen Schlages / und im Niederlāndiſchen ſehr artig geſchrie - ben.

Ich haͤtte ſchier der Anagrammatum vergeſſen / welche wann ſie woll gemacht / unter die Epigrammata, die ex fonte allu - ſionum flieſſen / mit koͤnnen gebracht wer - den. Sonſten iſt es eine armſelige Er - findung / und nicht wehrt / daß man mit ſolcher ſich bemuͤhe. Der Hebrœer ihre Cabala beſtehet zum Theil in Anagramma - tiſmo. Jacob Spon gedencket in ſei - ner Reiſebeſchreibung lib. 2. p. 53. daß ei -ner771Epigrammatibus. ner Chek-Bouni ein Aegyptier von der Krafft des Goͤttlichen und Menſchlichen Wortes ein Buch geſchrieben / nebſt einer groſſen Anzahl Linien und Figuren / in welchen er tauſenderley curieuſe Sachen durch Anagrammata heraußzubringen verſprochen. Der Erythræus meldet an einem Ohrte ſeiner Pinacothecæ, von den Aurato, quod vaticinatus ſæpe fuerit anagrammatibus. Ich habe dergleichen unteꝛſchiedliche Exempel angemercket: daß in Anagrammatibus etwas von deꝛ Natur / Eigenſchafft und Gluͤck eines Menſchen / der den Nahmen gefuͤhret / ſo außdruͤcklich vorgebildet / daß es ſchier unglāublich iſt. Koͤnte ich dieſelbe hieher ſetzen / ſolte man ſich billig verwundern. Ich weiß daß aus dem Nahmen eines der jemand entleibet / durch reinen letterwechſel her - außgekommen; daß er ein Todſchlāger deſſelben ſey. Dergleichen Dinge habe ich zur Kurtzweil offtmahlen verſuchet / und bin ſehr gluͤcklich darin geweſen. Es kommet aber dieſes vielmehr von ohnge -c c c 2fehr /772Das XVII. Cap. Von denfehr / als daß hierin etwas geheines ſte - cken ſolle. Wann ſie in wenig Worten beſte - hen / ſo ſein ſie die beſten / als wie die jenige ſein / die man in F. David Stendern Anagrammatibus findet. Z. E. der heili - ge Geiſt: der ſie geheiliget. General: erlange. Wagen: gewan. Mahl - zeit: zahle mit. Rechenkunſt: unſer Knecht. Stockfiſch: Schiffkoſt. Teutſcher: Recht feſt. Vernunfft: unter fuͤnff ſc. Sinnen. Buͤgermei - ſter: Er reiſt Berge um. Geilheit: heiliget. Armuth: hat Ruhm. Diener: Neider. Friederich: ich red frey ꝛc. Man pflegt auch aus den Nomini - bus propriis Anagrammata zu machen daß man unter denſelben die rechte Nahmen verheele / wovon Menage in obſerv. uͤber Malherbe p. 454. und 548. kan geleſen wer - den. Es haben einige ſonderliche Griffe da zu erfunden / daß ſie die Buchſtaben eines Nahmens auff Wuͤrffel ſchreiben / und dann was etwa durch die Wuͤrffe her auß - komt / mercken. Aber es heiſt auch hie -mit773Epigrammetibus. mit: Sultum eſt difficiles habere nugas. Einige Exempel von ſolchen Anagramma - tibus oder luſibus ingenii ſind zu finden in des Paſquier ſeinen Recherches liv. 6. ch. 13. 14. Die Acroſticha, die ſchon zimlich alt ſein / wie Naudæus in ſeiner Addit. ad Hiſt. Ludov. XI. p. 73. 74. erweiſet / und andere luſus ingenii, Carmina deren jedes Wort von einem Buchſtab anfaͤnget / wel - che Sandius in ſeinen Animadv. uͤber den Voſſium de Hiſt. Latin. p. 234. vor unmoͤg - lich haͤlt / die abeꝛ deñoch von vielē gemacht / und andere Muͤnchgalantereyen / ſein Sachen die man vor die lange weile biß - weilen lieſet / darin aber eine ſchlechte Kunſt ſtecket.

Die Sinnbilder und Rātzel ſein nicht anders als eine Ableitung oder Species von den Sinngetichten / und iſt ein Siñ - bild gleichſam ein gemahltes Epigramma. Die Bilder koͤnnen von allen Dingen ge - nommen werden / nur daß man in den Emblematibus dieſelbe à re intelligenti nimt. Ein Symbolum, Impreſa, bey denc c c 3Ita -774Das XVII Cap. Von denItaliānern genant / iſt ein Bild welches durch Gleichheit eines unvernuͤnfftigen Dinges das Leben uñ die Sitten eines ver - nuͤnfftigen in einem Conceptu vorſtellet. Die Erfindung der ſelben koͤñen von eben denſelben fontibus der Epigrammatum ge - nommen werden / wovon Maſenius in Speculo Imaginum veritatis occultæ mit mehrem handelt. Die Uberſchrifft deß - ſelben muß woll gemacht ſein / dieſe iſt als ein ſcharffſinniger Schluß eines Epigram - matis, und die Seele des Bildes / welches gleichſam den Leib vorſtellet. Hemiſtichia auß Virgilio und andren clasſicis Poetis ſchicken ſich am allerbeſten dazu. Im Teutſchen pflegt man reimende Verſe zu gebrauchen / die nicht ſo nachdruͤcklich wie die Lateiniſchen Woͤrter ſein. Alcia - tus, Sambucus, Beza, verſtoſſen ſich ſehr hierin / in dem ſie nicht den heimlichen Verſtand des Bildes / ſondern das Bild ſelber vorſtellen. Man kan Henr. Ste - phani in ſeinem Frantzoͤſiſchen Buch l’art de faire les de viſes hieruͤber auch nachle -ſen.775Epigrammatibus. ſen. Die Italiāner ſind hierin die ſinn - reichſten / deren Symbola in einem Buche zuſammen getragen / unter dem Titul: Theatro d Impreſe di Giovanni Ferro. Es ſein ſehr gute Indices hierin / welche ein - getheilet ſein nach den Inſcriptionibus, wie auch nach den Bildern / darauß man man - che ſchoͤne Erfindung ziehen kan. Des Picinelli Mundus Symbolicus iſt noch vollſtāndiger. Bey dem Maſenio ſein etzliche artige Exempla Symbolorum, als da er aus dem Wapen des Fabii Chiſii ei - nen Adler nimt / worauß er 50. Symbola macht / und auß der Pamphiliorum Wa - pen / eine Taube und Oelbaum / von wel - chen er gleichfalls 50. Symbola erfunden. Der Index Maſenii, darin er alle Ordnun - gen der Dinge durchgeht / und von jeden kuͤrtzlich die Eygenſchafft ſetzt / am Rande aber den ſenſum moralem, nuͤtzt treflich zu den Erfindungen. Die von Gleich - niſſen geſchrieben haben als Eraſmus, Ly - coſthenes koͤnnen auch hiezu dienen. Die Emblementa werden zu allen Dingen ge -c c c 4braucht /776Das XVII. Cap. Von denbraucht / zu außzierung der Haͤuſer / zu Triumphbogen / und Fuͤrſtlichen Feſtivi - taͤten / deren Exempel bey dem Theſauro, Joanne Bocchio und andern zu finden. Hieroglyphica ſein von den Sinnbildern unterſchieden / die nur ein Ding bedeu - ten / ſine aliquâ morali applicatione, wie die Hieroglyphica der Ægyptier geweſen. Es haben auch einige Hieroglyphiſche Buchſtaben erfunden / welche unterſchied - licher Gattung ſein / dann etliche nichtes anders in ſich haben / als daß ſie nur die Figur des Buchſtaben darſtellen / etzliche aber uͤber dem Symbola ſein / und auch ihre lemmata haben koͤnnen. Von jenen iſt ein Exempel bey dem Harſtoͤrffer in ſei - nem Specimine Philologico diſquiſitione 6. p. 113. Von dieſen habe ich ein Exempel aus dem Nahmen J. Hoch F. Durchl. weines guaͤdigſten Fuͤrſten und Herrn CHRISTIANI ALBER TI erfunden: dann ob zwar von etzlichen andern als Crame - ro, Herm. Glaſero, Sithmanno derglei - chen dinge gemacht / ſo haben ſie doch kei -ne777Epigrammatibus. ne Emblematiſche Richtigkeit. Hieher gehoͤret auch was die Frantzoſen Rebus de Piccardie nennen / von welchen Seigneur des Accords viel geſchrieben / davon eini - ge Exempel Harſtoͤrffer in ſeinen deliciis Mathematicis tom. 1. p. 14. publ. 6. anfuͤh - ret. Derer die Emblemata in Teutſcher Sprache hervorgegeben / haben wir we - nige. In Niederland ſein mehr der ſelben. Catzen und Heinſens ſeine ſind nicht al - lemahl richtige Emblemata, ſondern nur bloſſe Bilder / darauff einige Betrachtun - gen gemacht ſein. Adrian Poirtier hat in ſeinem Maſker der Wereld auch deꝛgleichen Betrachtungen vorgeſtellet. Schoonho - ven ſeine Lateiniſche Emblemata hat Zeve - cot behalten / und andre Niederlaͤndiſche Verſe unter andern Lemmatibus drauff gemacht. Im Engliſchen hat Franciſ - cus Quarles Geiſtliche Emblemata ge - ſchrieben / wie auch Epigrammata, die er divine fancies, nennet. Aber die Em - blemata ſein mehr entheils aus des Her - mani Hugonis piis deſideriis genommen /c c c 5da778Das XVII. Cap. Von denda er doch der ſelben mit keinem Worte ge - dencket.

Die Raͤtzel gehoͤren auch zu den Sinn - bildern / welche gleichfalls ihre fontes in - ventionum in den vorigen locis haben und beſtehen theils in Bildern / theils in Schrifften. Von jenen handelt Maſenius weitlaͤufftig in Speculo Imaginum. Die in Schrifften beſtehen / werden durch tun - ckle und weitentlegene Metaphoras be - ſchrieben. Im Lateiniſchen hat Barlæus einige gemacht / von denen Tſcher - ning etzliche ins Teutſche uͤberſetzet. Har - ſtoͤrffer hat deren in ſeinem Nathan und Jonathan. Juſtus Georg. Schoch in ſeinem Liebes-Blumen Garten. Im Nieder - lāndiſchen hat Johan van der Veen ein gantzes Buch derſelben geſchrieben / die aber nicht ſonderlich ſinnreich ſein. Im Frantzoͤſiſchen ſein des Herrn Cotin ſeine recht artig / der auch einen Diſcours von denſelben hinbey gefuͤget.

Von den uͤbrigen / als Grab-Gebuhrt - Hochzeit - und Ehren-Gdichten / wie dieſel -be779Epigrammatibus. be zu machen und was dazu gehoͤrig / kon - te noch gar viel geſaget werden. Aber die - ſes werde zur andern Gelegenheit verſpa - ren. Wir wollen hiemit in GOttes Nahmen dieſe unſre Betrachtungen von der Teutſchen Sprache und Poeſie ſchlieſſen.

ENDE.

Zuſatz.

P. 596. Nach dieſen Worten: Die metra bey den Comicis koͤnnen auch deſſen ein E - xempel geben / kan folgends hinzu geſetzet werden:

Diß iſt eben das metrum welches Saturnium genant wurde / von welchem Servius in ſeinem Commentario uͤber dieſe Verſe des Virgilii Ge - org. l. 2. v. 385.

Nec non Auſonii Troja gens miſſa coloni
Verſibus incomptis ludunt, riſuque ſoluto.

mit mehren handelt / dann er erklaͤret dieſe Verſus incomptos alſo: Verſibus incomptis i. e. carminibus Saturnio metro compoſitis: quos ad rhythmum ſolùm vulgares componere conſueve - runt. Solcher art ſein auch die bey den Roͤ -mern780Zuſatz. mern alte gebraͤuchliche Feſcennini, und die vom Ariſtotele ſo genante Α᾽υτ〈…〉〈…〉 χ〈…〉〈…〉 διασματα geweſen. In den uhralten Schauſpielen hat man auch ſolche art Verſe gehabt von welchen Livius lib. 7. c. 2. Cæterum, parua hæc quoque, (ut ferme principia omnia,) & ea ipſa peregrina res fuit. ſine carmine ullo, ſine imitandorum car - minum actu, ludiones ex Hetruria acciti, ac tibi - cinis modos ſaltantes, haud indecoros motus mo - re Thuſco dabant. imitari deinde eos iuuentus ſi - mul, inconditis inter ſe iocularia fundentes verſi - bus, cœpere: nec abſoni à voce motus erant. Ac - cepta res, ſæpiusque uſurpando excitata verna - culis artificibus, quia Hiſter Tuſco verbo ludio vo - cabatur, nomen hiſtrionibus inditum: qui non ſicut ante Feſcennino verſui ſimilem, compoſitum temere ac rudem alternis iaciebant: ſed impletas modis ſatiras deſcripto jam ad tibicinem can - tu, motuq. congruenti peragebant.

Exem -[781]

Exempel Der verſchiedenen Reimgebaͤnde / vorgeſtellet in uͤberſetzung einiger Oden des Horatii Derer droben pag. 619. ge - dacht worden.

782Exempel der Reimgebaͤnde.

ODE I. Horat. Carm. Lib. 1. Darinnen die 17. Genera Der Jambiſchen Verſe einge - fuͤhret werden.

13. Mæcenas, deß Geſchlecht von ſolchen ſich vermehret /
Die Rom mit Purpurtracht / mit Kron uñ Scepter eh -
ret
2. Mein Schutz /
Mein Trutz /
Mein alles was ich kan /
6. Nim dieſe Reimen an.
17. Natura aller Goͤtter Preiß hat ihre Kinder ſo bereitet /
Daß ſie bald den zu dieſer Luſt / den andern zu was anders
leitet.
15. Der freut ſich weñ ein Ritterſpiel bey Elis außgeſchriebẽ /
Da er fuͤr andern Helden hat den Wagen woll getriebẽ.
12. Iſt denn ein Kleinoht ihm vom Gluͤcke zugekehrt /
So meint er daß kein Gott ſo ſehr denn er geehrt;
8. Den treibt der Muht zum Ehrenſtand
Und herſchet uͤber Leut und Land.
10. Wenn Thyrſis nur hat ſeines Vatern Feld /
Das ſo viel Korns als eins in Lydien haͤlt /
7. Und wol zu Hauſe bringet /
So ſinget er und ſpringet.
Er ſinget: laß die Reichen
Nur andre Leut erweichen /
14. Zu trauen einem duͤnnen Holtz / da Regen Sturm und Wind
Auff ihre Noth und Ungemach verbruͤdert gleichſam ſind /
4. Der Wellen Heer
Greifft auch zur Wehr.
16. Sie783Exempel der Reimgebaͤnde
16. Sie ſchnauben / ſchnarchen toben ſo / als wen die groͤſte Krie -
ges Macht
Dem Feinde mit gantz tollem Wuht numehr den garauß
zugedacht.
3. Da ſchuͤttert
Und zittert
11. Der Kauffman; ſprechend: Ach der Himmel liebet
Dem außer Meers das Land die Nahrung giebet.
5. Bald ſpuͤrt man wieder /
Wie er die Glieder
9. An ſeinem wuͤſten Schiff erbauet /
Und wiederum nach Vortheil ſchauet.
13. Den laͤſſet ſich auch wol ein feuchter Bruder finden /
Der mit dem Alicanth ſich hertzlich will verbinden /
2. Und ſpricht:
Mein Licht.
6. Entfleucht mir gleich ein Tag
So komt einander nach
17. Dann legt er ſein bewolcktes Haupt beſchirmt von einer
gruͤnen Linden /
Und lauſchet / wie die Steinchen da im klaren Bach ſich
artlich winden
15. Der jauchtzet wan des Spiel geregt und wann Trom -
peten klingen /
Weint Tethys gleich / ſo muß dennoch Achilles froͤlich
ſingen.
12. Das Hertz geht ienem auff wann je ein Waldge -
ſchrey
Von Hunden wird erweckt / da findet er ſich bey.
8. Was er zu Hauſe lieben pflegt /
Bleibt auff ein andre Zeit verhaͤgt.
10 Ein Hindin iſt ſein Weib / ein junges Thier
Das784Exempel der Reimgebaͤnde.
Daß ziehet er faſt ſeinen Kindern fuͤr.
7. Nun diß und daß Beginnen /
Bald diß bald daß Erſinnen
6. Iſt diß was den beliebt /
Iſt diß was den betruͤbt.
14. Wenn mir auch nun der Wuͤnſche-GOtt zu wehlen was
erlaubt /
So wuͤnſch ich / daß ein Epheuſchnur umkraͤntze mir mein
Haupt.
4. Ein Goͤtter Mann
Bin ich alsdann
16. Wenn ich in meine Laute ſo als kein gemeiner Tichter kan
Mag ſpielen wie das Satyr-Volck geht mit den ſuͤſſen
Nymphen an
3. In Waͤldern
Und Feldern.
11. Reicht den Euterpe mir ſelbſt ſelbſt die Pfeiffe /
Schuͤtzt Clio ſelbſt um die Pandor die Reiffe.
4. So wie ſie pflegt
Wenn Sappho ſchlaͤgt.
9. Zaͤhlſt du mich zum Poéten Orden /
Bin ich ein Gott und mehr geworden.

Od. II. Trochaico-Mixta. STROPHE.

Solten gleich die Flocken Trifften /
Die uns ſo viel Ungluͤcks ſtifften /
Solte gleich der Halmen Tod
Die betruͤbte Hagels-Noht /
12. Solt785Exempel der Reimgebaͤnde.
Solt O Blitzens GOtt! das wuͤſte wilde toben
Deiner Donnerkeilen nunmehr ſeyn gehoben;
Waͤr uns deſſen
Gnug gemeſſen
Moͤchte doch wol alles Weſen / was zu deinem Dienſt ſich
buͤcket
Wann von Ganimeden gieſſen allesalles wird beruͤcket
Zittern
Schuͤttern /
Und befuͤrchten / die betruͤbten Jahren
Kaͤmen wieder auff ſie zugefahren.
Die / da Pyrrha ſo erſchrocken ſtand /
Wie ſie nirgends wo kein Land mehr fand
Helfft ihr Goͤtter ſprach ſie helfft! Ach wann iſt das wol
vorhin geſpuͤhret /
Was iſt daß? das Proteus all ſein Vieh auff unſre Ber - ge fuͤhret?
Wer hat je geſehn Fiſch auff Ruͤſtern ſtehn?
Ruͤſtern / die den Venus Voͤgeln ſonſt bekant: Ja den Kletter-Thieren ſchmeltzt das feiſte Land.
Alles ſchwim̃t Was fonſt klim̃t.
Unſer ſonſt gelinde Tyber gehet weſtwerts ein Daß es mit den ſchoͤnſten Baͤumen ſcheinet auß zu ſeyn.
Wilt du Reen Kinder wuͤrgen / O du ungetreues Rom / Spiel ichs mit dir wieder ſo / ſpricht der treue Weiber - ſtrohm.
Denn zu hauſe kriegen Macht die Perſer ſiegen.
d d d13. Ach786Exempel der Reimgebaͤnde.
Ach zerſcheiter ihre Mauren / nicht dem eigen Hauß / Sonſten hoͤhnen kuͤnfftig dich noch deine Kinder auß.
ANTISTROPHA.
Weil es nun dahin gerathen /
Wegen unſrer frechen Thaten /
Daß kein Gott mit uns mehr haͤlt /
Daß ſich Veſta grauſam ſtellt /
Ey ſo wolſt du / du Apollo unſrer Zeiten / Deine Gnaden Wolcken uͤber uns außbreiten.
Uns verſuͤhnen
Dir zu dienen.
Oder Erycina komm und zeig uns lachend deine Wangen /
Die des kleinen Liebesbuben Amor Luſt und Schertz anhan -
gen.
Lindre Mindre.
Oder ſuch uns Vater Mavors wieder Uns dein Fleiſch und Blut uns deine Glieder /
Laß dir unſer langes uͤbelſtehn Einmahl endlich doch zu Hertzen gehn.
Gnug des Balgens / gnug des Spiels / da lauter Tod und Blut zu ſpuͤren iſt /
Kan es dir wol Kurtzweil heiſſen / weñn das Schwerd bald
den bald ienen friſt /
Wenn ein Mohr ergrimmt / Und vom Zornfeur glimmt.
Oder nim des leichten Majen Sohns Geſtalt / Du an Jahren jung / und groſſen Thaten alt
Raͤche fort Cœſars Mord.
14. Eyle787Exempel der Reimgebaͤnde.
Eyle langſam Himmelwehrts / wo von du biſt entſproſſen / Eyle nicht bevor dein Volck recht voͤllig dein genoſſen.
Laß dir unſer wuͤſtes Leben nicht ein Sporn und Antrieb ſeyn / Daß du vor den grauen Jahren ziehſt bey deinen Sternen ein.
Laß der Meder Schaaren Erſt noch recht erfahren
Warum man dich Landes Vater und Auguſtus nennt / Wie man deine Lorbeer-reiſer hin und wieder kennt.

Od. III. Exemplum Trochaicorum remanentium.

11. Schiff / o wehrtes Schiff / dencke was du fuͤhreſt /
Schuͤtze deinen Schatz / daß du nicht verliereſt
10. Meiner Seelen Seel / den begehrten Mann
Maro / der es ſo / wie mein Foͤbus kan.
15. Schaff Ihn ſchadloß aus der Noth / der Ihn nur ein Brett
entziehet /
Biß die kluge Pallasburg ihn das Land betretten ſiehet.
12. Venus Kertze wird dir ſelbſt auffgeſtecket ſtehn /
Caſtor und das andre Kind wirſtu gleichfals ſehn.
13. Alles beut ſich deinem Dienſt / auch der Winde Meiſter /
Auſſer dem / der dich bedient / hemt er alle Geiſter.
14. Deſſen Hertz muß ſtaͤhlern ſeyn / und von Marmor zuge -
richt
Welcher auff ein ſchlechtes Holtz erſtmahl ſetzte Zuverſicht
8. Zwiſchen Nord und dem ſtoltzen Weſt /
d d d 2Da788Exempel der Reimgebānde.
Da Neptun gantz ſich auff verlaͤſt /
9. Wenn er eins ſeines Scepters koͤnnen
Palinur will zu ſehn vergoͤnnen.
11. Was fuͤr Todes Ahrt koͤnte ſolchen ſteuren
Dem gut lachen daucht bey den Ungeheuren /
10. Wenn der Winde Gott gantze Felſen raͤumt /
Und der Donnerberg von den Wellen ſchaͤumt.
14. Unraht muß es gleichſam ſeyn / daß des allerkluͤgſten
Raht
Land und Acker von dem Merr wolbedacht geſtellet hat.
12. Nun wir Menſchen wagens drauff / geht es gleich ver -
ſpielt /
Seht nur was der Feuerdieb Japhets Sohn erhielt.
13. Fieber / Peſt / und ſterbens Noth ruffen uns mit Schaaren
Morta koͤmt noch eins ſo ſchnell als vorhin gefahren
14. Dædalus der wuſte woll / daß der Menſch kein Fittig Thier;
Gleichwol wie man fliegen ſoll / that er ſeinem Kinde fuͤr.
8. Plutons Reich muſt Alcides ſehn.
Nichtes kan unſer Brunſt entgehn.
9. Unſer Zwang will es ja nicht goͤnnen /
Daß die Blitz iemahls feiren koͤnnen.

Od. 4. Dactyl. gen.

11. Weichet Ihr graͤulich behgreten Felder /
10. Raͤumet mir Floren die uͤberhand ein
11. Eilig entſcep[t]ert den Æol ihr Waͤlder /
10. Zephyr erbeut ſich Regente zu ſeyn /
14. Kan man doch wieder den flieſſenden Stroͤmen vertrauen /
4. Laufft doch das Vieh
14. Hur -789Exempel der Reimgebaͤnde.
14. Hurtig die graulich bethaueten Felder zu ſchauen /
4. Dorten und hie.
13. Tityrn geluͤſtet nicht laͤnger im Hauſe zu ſeyn.
5. Seht wie gelinde
Buhlen die Winde
13. Treiben mit ihrem Beſauſen das Reiffwetter ein /
7. Venus tritt ſelbſt jetzt mit auff /
Locket die Nymphen zu hauff.
8. Ehe noch Cynthia blicket /
Gehen ſie tantzend verſtricket.
11. Venus mag lieber mit Charis ſpatzieren /
10. Lieber als ihren beraͤucherten Mann
11. Hoͤren in Æthna den Hammertackt fuͤhren.
10. Was gehet Venus ſein Schmiedewerck an?
14. Kinderchen / ſpricht ſie / brecht ab meine ſchoͤneſte Myrten /
4. Kraͤntzet euch fein.
14. Kommet und opfert Ihr Faunus Geſellen / ihr Hirten /
4. Lam oder Schwein.
14. Dencket wie ſchleunig / wie ſchleunig euch Clotho beſtricket /
5. Nichtes verſchonet /
Ob man gleich wohnet /
14. Da man nur lauter Rubinen und Purpur erblicket.
7. Iſt dieſes Kurtze den auß /
Geht ihr mit Pluto zu Hauß
8. Da iſt es uͤbel zu ſpielen /
Ubel auf Lycida ziehlen.

Od. 5. Gen. Anapæſt.:

12. Ach junger Geſelle / du zahrtes Gemuͤthe /
11. Du Roſengemaͤldte / du waͤchſernes Bild /
d d d 312. Er -790Exempel der Reimgebaͤnde.
12. Erlerne doch / wie man vor Pyrrha ſich huͤte /
11. Bedencke wie theur dieſes Lieben dir gilt.
15. O meide den ſchaͤdlichen Balſam / die koſtbaren Salben /
5. Die Saba uns ſchickt.
15. Weñ Pyrrha ſich einſaͤltig zieret und ſchmuͤcket deßhalben /
5. Daß du ſeyſt beſtrickt.
14. So traue nicht ſolcher vergifften betrieglichen Zier.
6. Du wirſt es beſchmertzen /
6. Verfluchen die Kertzen /
14. Da Pyrrha die Gluthen und Flammen mit ſchaffet in
dir /
8. Recht wie es dem Schiffenden geht /
8. Der mitten im Ungemach ſteht.
9. Dem etwa der Himmel vor dieſen
9. Sich goͤnſtig und freundlich erwieſen.
12. Jetzt haͤlſt du / du Schaͤlckin / ietzt haͤlſt du auch einen /
11 Der deiner ſo liſtigen Trieglichkeit traut /
12. Den nichtes als Einfalt dein Weſen kan meinen /
11. Der trauet / und welcher er trauet / nicht ſchaut.
15. Der alles vor guͤlden erkennet / was blincket und ſcheinet
5. Und liebet den Klang /
5. Sirenen Gefang.
15. Der alles was lieblich nur ſchallet / auch nuͤtzlich vermeinet.
14. O uͤbel betrogen und tauſendmal uͤbel verfuͤhrt!
6. Den ſolcherley Pfeilen /
6. So tuͤckiſch ereilen.
14. Ich ſelber bin weiland von ſolchem Geſchoſſe geruͤhrt /
8. Nun borg ich es keinem nicht mehr /
8. (Den Gottern ſey Opfer und Ehr!)
9. Daß mich dieſes ungeluͤcks Wellen
9. Den Parcen nicht koͤnten geſellen.
Od. 791Exempel der Reimgebaͤnde.

Od. 6. Exempel der Hel - denart.

Agrippa / deſſen Schwerd noch niemal außgezuͤcket /
Daß nicht der Feinde Volck bey hauffen zugeſchicket
Dem / der zu Pluto ſuͤhrt / laß Varius den Mann
Der wie Homerus ſelbſt ſo trefflich ſchreiben kan /
Laß Varius / der gleich wie Pegaſus kan fliegen
Den uͤbermachten Ruhm / das Land - und Waſſer ſiegen
Und was ſonſt deine Fauſt / und was dein Arm vermag
Erheben biß zum Mond und an der Sternen Dach.
Mir iſt ein ſolches Werck ja viel zu hoch gelegen /
Kein ſo beregter Geiſt / kein ſo begeiſtert Regen
Fuͤhrt meineu Griffel an: drum wag ichs nicht zuweit /
Zu ſchreiben / wie der Held Achilles kam in Streit.
Eins mit Atreen Sohn / da er wie Æthna brante /
Und in dem Zornefeur ſich gleichſam ſelbſt nicht kante:
Zu ſchreiben / wie Ulyß dem Hertz und Zunge nicht
Die gleiche Wage haͤlt / die Waſſerwogen bricht
Mit einem leichten Kahn: wie Pelops Haußgenoſſen
Den Mord und Wuͤrgegifft auff ihr Geſchlecht gegoſſen.
Ich bin mir woll bewuſt / was meine Leier kan /
Drum ſtimm ich nicht zu hoch auff ihren Seiten an /
Daß ſie auff Cœſars Lob / und dich Agrippa / kommen /
So hat die Schreibeſucht mich noch nicht eingenommen.
Ich nehm es mir nicht vor zu ſehen wie ein Held
Auff den die gantze Macht der Pfeile niederfaͤlt
Sich ſchuͤtzet in dem Stahl das ieden Streich verſetzet /
Daß nicht kein Diamant / wie hart er auch / verletzet.
Laß leben wer da kan / wie Merion ſich hielt
d d d 4Als792Exempel der Reimgebaͤnde.
Als jeder auff ihn zu bey Troja tapfer ſpielt
Und redlich um ſich ſteubt / und wie Tydides Waffen
So Pallas ſelbſt geſchnitzt den Feind ein ſchlechtes ſchlaffen
Und wenig Ruh gegoͤnt / hat jemand aber Luſt
Zu leſen was man ſchreibt von einer ſchoͤnen Bruſt /
Und was zur Tafel dient / und was ein Spiel ergetzet /
Und wie das Nympfen Volck im Zorn die Naͤgel wetzet /
Imfall es Kriegens gilt um etwa einen Kuß /
Und wie es ſich alsden ſo ungern wehren muß.
Das lehrt mich meine Ruh und meine ſtille Tage
Und meine liebe Luſt / das iſt davon ich ſage /
Wovon ich ſing und ticht. Iſt lieben mir gemein
So darff mir alles doch noch nicht gefreiet ſeyn.

Od. 7. Exempl. Elegiæ.

Ein ander will Rhodis und Mitylene loben /
Der ziehet Corinthus und Epheſus vor.
Macht Bacchus Theben groß / ſind Delphi hoch erhoben /
Theßalien fuͤhret die Tempe empor.
Iſt jemand drauff bedacht der keuſchen Pallas Huͤtten
Zu leiten biß uͤber der Sternen Gezelt /
Nimt einen Oelbaum-Krantz an Blaͤttern wol beſchnitten /
Iſt jemand der Juno zu Dienſten ſich ſtellt /
Und nent ihr Argos reich / das leuter Pferde zeuget
Und ſchaͤtzet Mycenen das Beſte zu ſeyn /
So nimt mir Sparta nicht / das woll den Bogen beuget /
So nimt mir Larißa die Sinnen nicht ein /
Als wie Albunen Wald der allerſchoͤnſten Nymphen
Da793Exempel der Reimgebaͤnde.
Da Anio fleußt bey der Tybur hinab /
Da kan das Obſtgewaͤchs die Tempe ſelbſt beſchimpfen /
Da rauſchen die Baͤche mit ſittigem Trab.
Der Suͤdwind der ſonſt feucht / heiſt hie die Wolcken weichen /
Da lachet der Himmel mit freundlichen Blick.
Da muß der Regen Naß nicht ſtets das Land durchſtreichen.
Ach Plancus dis zielet auff menſchliches Gluͤck.
Die Klugheit die bey dir ſich hat zum Steur geſetzet /
Die ladet dich ſelber zur Luſtigkeit ein /
Wenn man beym Traubenſafft ſich recht und wol ergetzet /
Und laͤſſet die Voͤgel bemuͤhet nur ſeyn.
Du muſt den gleich darauff zum blutgen Treffen gehen
Es ſey noch daß Tiburs ſein Schatten dich haͤlt.
So macht es Teucer auch der ruͤcklings muſte ſehen
Sein Vaͤterlich Ertheil und Salamins Feld.
Er nam den Poͤppelkrantz in Regen-Thau genetzet /
Sprach: werthe Geſellen / was trauren wir viel?
Hat uns das leichte Gluͤck auß unſerm Raum verſetzet /
So gehet auch wieder das guͤnſtige Spiel.
Wir tratten ihm nur nach / wohin es immer leitet /
Gedencket wie freudig geht Teucer vorn an.
Uns hat ein Salamin ſchon wieder zubereitet
Apollo / der liegen und triegen nicht kan.
So ſeit nur was ihr ſeyt / ſeyt Maͤnner an dem Hertzen
Uns hat wol vor dieſem ein haͤrters gedruͤckt
Daß ſuͤſſe Kelterbluht das ſteuret allem Schmertzen.
Auff Morgen ſeit wieder zu ſchiffen geſchickt.
Ex -794Exempel der Reimgebaͤnde.

Exemplum der gemeinen Art ex Od. 8.

OLydia / der Jugend Fall und Stricke / Ich bitte dich ſag an / was ſinds fuͤr Tuͤcke / Was iſt fuͤr Gifft das Sybaris ſo liebt / Und ſich um dich der eitlen Luſt ergiebt?
Wie komt es doch daß er den Platz ſo meidet / Der manchem ſonſt den Lorbeerkrantz beſcheidet? Er fliehet / wo die Sonn den Staub erweckt. Wie komt es / daß er ſich davor verſteckt?
Was haͤlt ihn ab / daß er ſich nicht begiebet In Mavors Pflicht / den unſre Jugend liebet? Gibt Franckreich ſonſt im Reiten unterricht; Das ſchlaͤgt er hin / das kuͤmmert ihn gantz nicht.
Der ſanfften Fluht / die unſre Tibur fuͤhret / Verguͤldten Sand den hat er nie beruͤhret / Er meidet ihn als Phlegetons geſtad / Da Charons Faͤhr allein zu laden hat.
Wenn andre ſich mit glattem Oel beſchmieren / Die Ringekunſt viel beſſer ſo zu fuͤhren / Das meidet er / als ſey es ſolch ein Gifft / Das Hydra ſelbſt auß ihren Adern triefft /
Man hoͤret ihn auch nicht wie andre klagen / Daß er ſich wund am Kuͤriß hat getragen /Wo795Exempel der Reimgebaͤnde. Wo bleibet ietzt die vielberuͤhmte Krafft / Die ihm den Sieg ſo oͤffters hat verſchafft?
Da ſteckt er nun veraͤndert und verlohren / So wie der Held von Tethys ſelbſt gebohren / Da manches Bluht vor Troja eingeſenckt / Da bleibt er nur den Damen eingeſchrenkt.
Ein Weiberkleid bedeckte ſeine Thaten / Er mochte ſonſt in Ungluͤck ſein gerathen / Der Phryger Volck befand ſich woll dabey / Und blieb in deß vom Tod und Wuͤrgen frey.

Exemplum eines Sonnets ex Od. 9.

Im dem du jetzt das Feld / o Thaliarchus, ſieheſt Beſchleyret von dem Reiff / ſo daß der Wald ſich lenckt / Und nirgends eine Fluth fuͤr dicken Froſt ſich ſchraͤnckt: So iſt mein rathen das / daß du dich nur bemuͤheſt Wie du das Holtz zum Feur und lichten Flammen zieheſt / Zapf an ein altes Faß! die Sorg auff Gott geſenckt. Das Laub wird ja nicht ſtets vom leichten Sturm ge - kraͤnckt
Laß heute heute ſein / damit du kluͤglich flieheſt Was Morgen ſchaden kan. Nim deiner Zeit gewin Und ſchicke traurig ſein zum krummen Alter hin / Treib deine Ritterſpiel und dein verliebtes Singen / Dein Schertzen mit dem Volck / das gerne ſich verſteckt / Und mit dem Lachen bald ſich wiederum entdeckt / Das darum widerſtrebt / daß man es ſoll bezwingen.
Ex -796Exempel der Reimgebaͤnde.

Exemplum ex Od. 10. der Sechsverſichten / darinnen gleichſahm die Quadrains oder Vierverſe begriffen.

1.
Mercur du Majen Sohn / durch deß Behuff vor dieſen Die unbelebte Welt / ſo gleichſam thieriſch war Auff einen feinern Schlag und auff ein beſſer Haar / Nach dem du ihr die Kunſt beredt zu ſeyn gewieſen / Gerathen und gewandt / als waͤre ſie geſtellt Auff einen Tummelplatz und wo man Schul-recht haͤlt.
2.
Dich Donner-Vaters-Kind nehm ich mich jetzt zu ſingen / Dich ſchneller Goͤtter-Poſt / von deſſen ſchlauer Hand Die Leyr und was ſie klingt den Tichtern iſt bekant / Und wie man ahrtig ſoll von ſeiner Stelle bringen / Was andre hingelegt / daß kanſtu mehr den woll / Du weiſt es meiſterlich wie man es treiben ſoll.
3.
Apollo lachte dein / wie du ſein Vieh geſtohlen Verſtellet in ein Kind / als er dich ſo erſchreckt. Durch dich blieb Piramus fuͤr ſeinen Feind verſteckt. Du kanſt durch deinen Stab die nackten Seelen holen / Ins ſchwartze Minos Reich: du dieneſt beyder Macht / Drum nimt der Himmel dich und Pluto ſelbſt in acht.

Exemplum ex Od. 11. der Achtzeiligen.

Leuconoe enthebe doch zu fragen
(Der Himmel ſelbſt entſiehet ſich dafuͤr)
Wie797Exempel der Reimgebaͤnde.
Wie Clotho dir die Heimfahrt anzuſagen /
Nun klopfen wird an deine Hertzens Thuͤr.
Du meinſt die Noth ſey leichter zu ertragen
Die vorgewuſt: Ach nein! Ach lebe dir.
Weil noch die Zeit zu leben dir wil goͤnnen.
Sie laufft und weicht eh wir es mercken koͤnnen.

Exemplum Echus ex Od. 12.

Clio du Seele der gelahrten Seelen / Was ſoll mein Spiel fuͤr einen Held erwehlen Wem ſol zu Ehren Echo auch erſchallen / Wem ſols gefallen? E. Allen.
Soll ichs den Pindus oder Hemus lehren? Soll es der Schatten in den Waͤldern hoͤren? Da gleichſam Orpheus die verliebten Rinden Pflag zu verbinden. E. in den.
Da Orpheus ſpielte / daß die Stroͤme ſtunden / Die Winde ſchlieffen gleichſam feſt gebunden Baͤum / derer Locken biß zun Wolcken reichen Muͤſten da weichen. E. Eichen.
Soll ich dich Vater aller Goͤtter ſingen / Und deine Thaten uͤber alle bringen Du Vater / kanſt ja auch die Welt verkehren Dein Lob vermehren. E. ehren.
Du798Exempel der Reimgebaͤnde.
Du biſt der Groͤſte / wirſt es auch wol bleiben. Kan deinen Willen einer hintertreiben? Iſt jemand nechſt dir / iſt wie ich vermeine / Pallas alleine. E Eine
Bachus hoͤrt gerne von Scharmuͤtzeln ſagen / Diana freut ſich kan ſie Wild erjagen / Phœbus ſein Bogen pflegt auch nicht verweilen. Seht ſeine Pfeilen. E. eilen.
Seht auff Alciden und der Leden Kinder / Wie Caſtor reitet / Pollux auch nicht minder. Laͤſt ſeinen Feinden von den tapffern Keulen Schreckliche Beulen / E. heulen.
Wen ſie wie Sterne durch das Blaue blincken / Den Schiffen freundlich von dem Himmel wincken / Starren die Winde / und der Fluhten prangen Bleibet gefangen. E. hangen.
Romulus ſoll ich auch von dir was ſchreiben? Tarquin und Numa zu den Sternen treiben? Wodurch wil Cato ſich dem Pluto weiſen? (Soll ich es preiſen.) E. Eiſen.
Regulus / Scaurus / ihr beruͤhmten Seelen Kan iemand billig euren Ruhm verhelen. Paulus und Faber wie man euch ſoll loben. Stehet erhoben. E. oben.
Curius kan zwar nicht von Reichthum ſagen / Auch hat Camillus dieſe Laſt getragen / Waren zu fechten jedoch woll gerathen / Brave Soldaten. E. Aten. i. e. noxii hoſtibus ab Ate Dea Noxæ.
Mar -799Exempel der Reimgebaͤnde.
Marcellus gruͤnet gleich den Palmen-Zweigen / Ihn kan kein Unfall zu der Erden beugen. Cæſars ſein Funcken / wie der Sterne Ballen / Muß ja gefallen. E. Allen.
Vater der Goͤtter von Saturn gebohren / Du biſt vom Himmel ja darzu erkohren / Daß du dem Cæſar ſein Gebieth vermehreſt / Boͤſes verkehreſt / E. ehreſt.
Hat er die Parther nicht alſo bezwungen / Wieder die Serer iſts ihm auch gelungen Indien wo bleits mit dem uͤberwinden / Wo ſoll mans finden? E. hinden.
Jupiter goͤnn ihm neben dir zu ſitzen. Er kan wie du auch auß den Wolcken blitzen. Er weiß den Suͤndern ihre Luſt zu brechen / ſtraffen die Frechen. E. raͤchen.

Exempel der Vierzeiligen Ringelreimen. auß der 13. Od.

1.
OLydia mein Licht / ich weiß mich kaum zu halten / Die Galle ſtoͤßt mir auff / die Zierde will veralten / Die Waͤrme die mir ſonſt faſt niemals nicht gebricht / Die weichet gantz von mir / o Lydia mein Licht.
2.
Ich bin nicht mehr bey mir / ſieh wie die Thraͤnen flieſſen / Die wieder meinen Sinn ſich durch die Wangen gieſſen /Mein800Exempel der ReimgebaͤndeMein Feur / mein Lebensfeur iſt nirgens als bey dir / Vor Liebe brenn ich gar / und bin nicht mehr bey mir.
3.
Ach dieſes druͤcket mich / daß Telephus muß heiſſen Dein allerſchoͤnſtes Kind. Er muß dich zu ſich reißen. Sein Mund iſt Roſenroht (ſo daucht es Lydia dich) Sein Arme wie der Schnee. Ach dieſes druͤcket mich.
4.
Fuͤrwahr es laufft wol auß / es wird nicht immer gelten / Wenn er vom Wein erhitzt dich hebet an zu ſchelten. So mancher tieffer Kuß! So mancher Liebes Strauß Und was ſonſt mehr dabey / fuͤrwahr es laufft woll auß.
5.
Ich lob und liebe diß / was auff Beſtande gruͤndet / Wann ſich ein ſuͤſſes Paar recht hertzlich ſo verbindet / Daß nie kein Mißverſtand / daß nie kein Scheiden-Riß Bey Leben ſie zertrent / ich lob und liebe diß.

Exempel der Wiederkehr auß der 14. Od.

1.
Odu ſonſt kluges Schiff / wie laͤſt du dich ietzt dringen Und durch der Flutheu Macht ſo weit vom Ufer bringen / Ach ſieh auff deine Schantz / ob nicht vor allen Dingen Den Hafen einzugehn dir moͤge noch gelingen.
2.
Die Ruder koͤnnen ja dich numehr nicht bezwingen / In dem bald Nord bald Oſt um deinen Maſtbaum ſingen /Ja801Exempel der Reimgebaͤnde. Ja alle Plancken auch von ihren Stuͤrmen klingen / Und da die Segel faſt in tauſend Stuͤcke ſpringen.
3.
Ach ja es iſt alſo / dir Armen beyzuſpringen / Iſt faſt kein Gott daheim / es will ja gar nicht klingen / Daß du von deinem Stand wilſt pralen / ruͤhmen / ſingen / Wie du o Dannenbaum die Wellen koͤnſt bezwingen.
4.
O Schiff du merckſt es wol / es koͤnne nicht gelingen / Imfall du fechten ſo lſt mit außgemahlten Dingen. Es muß da Manſchafft ſeyn / drum laß dich ja nicht bringen Auffs hohe Meer noch auff die Klippen dringen.

Exempel der Wiedertritte auß der 15. Od.

1.
Der Waſſer-GOtt ſah eins den Paris eilen / Durch ſeine Fluht / ſich mit der Beut zu heilen. Sprach bey ſich ſelbſt / der meinet ſich zu heilen / Er ſchlaͤgt ſich wund mit ſeinem Raub und Eilen.
2.
Halt ein du Nord / damit er eben hoͤre / Wie ſehr er ſich mit dieſer Fahrt bethoͤre / Was nuͤtzt es den / daß man ſich ſo bethoͤre / Und keinen GOtt und keinen Menſchen hoͤre?
3.
Du fuͤhreſt zwar die Braut mit dir zu Hauſe: Doch huͤte dich / daß nicht mit groſſem Brauſe Ihr Menelaus / daß nicht mit groſſen Brauſe Der Griechen Macht ſie fuͤhr anheim zu Hauſe.
e e e4. Die802Exempel der Reimgebaͤnde.
4.
Die werden dir die Hochzeit ſo verſtoͤren / Daß man nachdem wird Troja krachen hoͤren. Wie wird es gehn? wenn man wird rauſchen hoͤren Der Feinde Heer die dich zu Grund verſtoͤren?
5.
Da wird es den recht an ein Wuͤrgen gehen / Wen Pallas laͤſt den Schlangen Schild nur ſehen. Wenn ſie den Puſch auff ihren Helm laͤßt ſehen / Und ſchon die Haͤngſt in vollem Trabe gehen.
6.
Du wirſt vieleicht auff Venus dich verlaſſen Und uͤben nur die Zoͤpfe recht zu faſſen. Ach laß dem Volck der Nymphen ſolches faſſen. Dein Seitenſpiel bleibt auch den woll verlaſſen.
7.
Das Venuswerck / bey frembden Weibern ſchlaffen / Kan dir alsden kein ſichers Weſen ſchaffen. Was Ajax fuͤhrt / wird dir ein anders ſchaffen / Er wird gewiß zu deiner Noht nicht ſchlaffen.
8.
Das krauſe Haar wird er dir ſo beſtrauben / Ulyßes Blitzen kanſtu nimmer glauben / Doch wirſtu ſehn / und muſt es den wol glauben: Wenn Neſtor wird mit ſeinem Haͤngſte ſtrauben.
9.
Wenn Stenalus nicht wird zu Hauſe bleiben / Der artig weiß den Wagen fort zu treiben. Der Nereon wird dich auff Hoffrecht treiben Tydides laͤſt dich auch nicht ruhig bleiben.
10. So803Exempel der Reimgebaͤnde.
10.
So wirſtu denn ſo wie die ſchoͤne Hinden An kemem Ohrt dich maͤnlich laſſen finden / Denn wenn der Wolff ſich blickend laͤſſet finden / Wo bleiben denn die faſt-erſtarte Hinden.
11.
Achilles zwar wird was zu ruͤcke bleiben / Dakanſt du den die Luſt ein Weilchen treiben: Doch wird die Zeit den Kitzel dir vertreiben / Wenn Troja raucht / das wird nicht auſſenbleiben.

Exempel einer Pindariſchen Ode auß der 16. Od.

Satz oder Strophe.

Phyllis die von ſchoͤner Art /
Schoͤner als ſonſt alle Schoͤnen /
Die ſo hoch gehalten ward /
Daß ſie kan die Mutter hoͤnen /
Die doch ſo woll geſtalt /
Daß der gantze Wald
Mehr auff ſie als die geſehen /
Die mit Phoͤbe jagen gehen
Ich bin ſchwartz bey dir geſchrieben
Weil ich vormals Schimpf getrieben /
Dich in Verſen auffgezogen
Und dich ſo zum Zorn bewogen.
Liebſte thu ſie ab
Laß ſie zu Pulver brennen.
Senck ſie in ein Grab /
Das wir Helleſponten nennen.
e e e 2Mich804Exempel der Reimgebaͤnde.
Mich hat der blinde Zorn zu ſolchem Thun verleitet /
Der machet / daß der Witz auß ſeinen Schrancken ſchreitet.
Nie kein Gott hat ſo entzuͤndet /
Auch die Dindymene nicht.
Ob man zwar ſich blind befindet /
Weñ uns Phoebus ſelbſt zuſpricht /
Ob uns Bacchus ſchon bethoͤret /
Ob wan / wan man trum̃eln hoͤret
Von der Corybanten Hand /
Wird von allem Witz entwand /
Kan doch Zorn ein mehres ſtifften /
Und uns durch und durch vergifften.

Gegenſatz Antiſtrophe.

Zorn der ſchadet mannigmahl /
Mannigmahl hat Zorn verletzet.
Kein mit Fleiß geſchliffen Stahl /
Hat es Mars auch ſelbſt gewetzet /
Bricht uns ſo viel ab /
Stuͤrtzet in das Grab /
Als das leichte Feuer der Sinnen
Unſerm Thun kan abgewinnen.
Nicht die wiederholten Wellen /
Die um Scylla grauſam bellen:
Nicht die ſchwefelblauen Flammen
Die Vulcanus ſcharrt zuſammen.
Auch der Donner-Gott
Wird mit ſeinen Rieſen-Keulen.
Gleichſahm nur zu ſpott
Zorn kan uns viel eh ereilen.
Promethens wie er uns aus ſeinem Thon geſchaffen
Hat faſt von iedem Thier / von Woͤlffen / Hunden / Affen.
Ja805Exempel der Reimgebaͤnde.
Ja auch von dem Leuen Magen
Unſern etwas zugeſetzt.
Duͤrffen alſo minder fragen /
Was uns Menſchen ſo verhetzt.
Auch Thyeſtes ward verblendet /
Wie er ſeinen Bruder ſchaͤndet /
Ach wie manche Stad und Land
Iſt durch Rachgier umgewandt /
Da die hohen Mauren ſtunden /
Hat man Pflug und Miſt gefunden.

Nachſatz Epodos.

Drum Schoͤnſte ſtill dich jetzt /
Weil die Jugend mich erhitzt /
Jugend die nicht weiß /
Was der Tugend Preiß.
Hab ich was zu viel geſchrieben.
Und das Spiel zu hoch getrieben /
Ey ſo bin ich ietzt bereit meine boͤſe Sitten
Zu verfluchen / und mein Licht / gern dir abzubitten /
Stell dich nur nicht wieder mich / der dir ſo bekennt /
Seelig bin ich wen mein Schatz ihren Freund mich nennt.

Exempel einer Sechſtinne auß der 17. Od.

1.
Faunus laͤſſet ſeinen Wald Und vergiſſet ſeiner Hirten Die ihm doch ſo manchen Tag Liebes Lieder vorgebracht /e e e 3Laß806Exempel der Reimgebaͤnde. Laͤſt ſich meines Hoͤfchen Zier Mehr als ienes koſtbar ſein.
2.
Ich will ſelbſt der Huͤter ſeyn Meiner Ziegen / wen der Wald Brennet / und die andre Hirten Wunſchen einen kuͤhlen Tag / Keines hat er mir verbracht Faunus meiner Heerde Zier.
3.
Er gibt ſelbſt den Blumen Zier Macht mein Viehchen ſicher ſeyn / Boͤck und alles geht im Wald Sonder auffſicht / ſonder Hirten / Keine Schlange hat bey Tag Roch kein Wolff was umgebracht.
4.
Diß hat mir die Kunſt gebracht Und der ſuͤſſen ſeiten Zier. Solt ich den nicht gaſtfrey ſeyn! Goͤtter ſchuͤtzen meinen Wald. Kommet meine lieben Hirten / Spielt bey mir den gantzen Tag.
5.
Komm auch meiner Seelen Tag / Tyndaris / dir ſey gebracht Jetzt der ſchoͤnſten Trauben Zier. Um uns ſoll kein Streitten ſeyn. Stoͤrt807Exempel der Reimgebaͤnde. Stoͤrt dein Cyrus gieich den Wald Und ſonſt alle Luſt der Hirten.
6.
Nimm die Krohno Licht der Hirten. Sey nur froͤlich dieſen Tag. Trauren ſey gantz umgebracht. Cyrus ſoll des Krantzes Zier Heute traun nicht Meiſter ſeyn. Koſt es gleich den halben Wald.
[808]

Fehler / die in dieſem Unterricht zu verbeſſern.

Pag. 12. lin. 11. fuͤr que liß quæ. p. 69. l. ultim. fuͤr lander liß lande. p. 124. l. 3. fuͤr kuͤn - ſtelein liß kuͤnſteleien. p. 163. l. 1. fuͤr Caſeneune liß Caſeneuve. p. 180. l. 13. fuͤr Italiaͤniſche liß La - teiniſche. p. 220. l. 9. fuͤr probalitas liß probabili - tas. p. 214. l. 7. loͤſche aus das Wort ſich. l. 2. fuͤr welche liß welcher. p. 247. l. 14. fuͤr Es liß Er. p. 283. l. 21. fuͤr Geſnerus liß Ciſnerus. p. 296. l. 6. fuͤr Wornius liß Wormius. p. 302. l. ult. fuͤr Trithenium liß Trithemium. p. 307. l. 6. 7. fuͤr: des H. Annonis Reime / liß Reime von den Heil. Annone. p. 308. l. 3. fuͤr David liß Jacob. p. 318. l. 3. fuͤr erhaͤlt liß erhellt. 333. l. 9. fuͤr Tereotii liß Terentii. l. 19. fuͤr: auch des S. Annonis, liß: auch die von dem S. Annone einem. p. 398. l. 4. fuͤr Men - ſchenfreſſen liß Menſchenfreſſern. p. 419. l. 6. fuͤr Baͤnder liß Baͤndern. p. 526. l. 6. fuͤr Sprache liß Paeſie. p. 541. l. 19 nach dem Worte flieſſen ſetze hinzu: dem werden. p. 544. l. 10. fuͤr Ortogra - ghia liß Ortographia. p. 562. l. 14. fuͤr Poemata liß Poema. p. 579. l. 10. fuͤr nachdencklicher liß nachdruͤcklicher. p. 662. l. 17. fuͤr aber liß oder. p. 671. l. 10. fuͤr Ariſtoles liß Ariſtoteles. p. 688. l. 17. fuͤr nominent liß nominant.

About this transcription

TextUnterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie/ deren Uhrsprung/ Fortgang und Lehrsätzen
Author Daniel Georg Morhof
Extent826 images; 117252 tokens; 24053 types; 832649 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationUnterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie/ deren Uhrsprung/ Fortgang und Lehrsätzen Wobey auch von der reimenden Poeterey der Außländer mit mehren gehandelt wird Daniel Georg Morhof. . [4] Bl., 907 [i.e. 807] S. ReumannKiel1682.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, Yc 4556

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Philologie; Wissenschaft; Philologie; core; ready; china

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