PRIMS Full-text transcription (HTML)
Unterricht Von Der Teutſchen Spra - che und Poeſie / deren Uhr - ſprung / Fortgang und Lehrſaͤtzen. Wobey auch von der reimenden Poe - terey der Außlaͤnder mit mehren ge - handelt wird.
KIEL /Gedruckt und verlegt durchJoachim Reumann / Acad. Buchdr.im Jahr1682. Zu finden bey Johann Sebaſtian Riecheln.

Dem Wolgebohrnen Herrn / Hn. Jaſpar von Buchwald / Auff Muggesfelde ꝛc. Erbherren / Dero zu Schleßwig Holſtein Regierenden HochFuͤrſtl. Durchl. hochbetrauten Land-Raht und Ampt - mann zu Gottorp. Meinem hochgeneigten Herꝛn und Patron.

Sonnet.
NIm diß mein ſchlechtes Werck / o groſſer Goͤnner / an Mein Goͤnner / dem ich bin von lan - ger Zeit verpflichtet. Nim hin diß Werck / das Dir die ſchwache Feder richtet / Und dieſe Fauſt / die nichts als diß erbauen kan.
Doch ſey es / wie es iſt. Lobt dieſes nicht den Mann / So bleibt der Wille doch / den keine Zeit vernichtet / Und meine Tichtkunſt ſelbſt hat nichts hierin getichtet. Die Sprachkunſt ſpricht vor ihn. So bleibt dir dieſer dann.
Ein ſtarcker Wille gibt den Preiß dem ſchwachen Wercke. Durch Muht und deine Gunſt bekomt es dople Staͤrcke / Und ſeine Finſterniß durch deine Strah - len Schein.
So
So nim nun was diß iſt / von deines Die - ners Haͤnden. Iſt nichts zu loben dann an ſeinen Reim - gebaͤnden / So ſoll ein teutſches Hertz beyteut - ſcher Zungen ſein.

E. Exc. gehorſamſter Diener D. G. Morhoff.

An den geneigten Leſer.

WAs ich allhie von der Teutſchen Sprache und Poeſie geſchrieben / iſt mir ſo unter den Haͤnden gewachſen / daß / da ich erſt - lich nur etliche Bogen hievon meinen Gedichten anzuhaͤngen vermeinet / dieſes groͤſſer als die Getichte ſelbſt geworden. Daher dan kom - men / daß wie dieſelbe von der Feder ſo fort un - ter die Preſſe gebracht / an einem Ohrte was außgelaſſen / das am andern Ohrt / da es ſeine rechte Stelle nicht eben findet / beylaͤuffig ein - geſchoben; damit es gleichwoll nicht vergeſſen wuͤrde. Deſſen iſt ein Exempel in dem ſech - ſten Capittel des andern Theils / woſelbſt von dem Wort Barritus gedacht wird / ob es Teutſch ſey / welches der Hr. Rudbeck leugnet; nachge - hends habe ich aber bey einem alten Meiſter - ſaͤnger Hans Sachſen ſolches gefunden / und daſſelbe im folgenden ſiebenden Capittel ange - fuͤhret. Ich habe auch in dem andern Capit - tel des erſten Theils am 30. Blade / meines ge - ehrten Freundes Herrn Caſpar Vogten / vor - nehmen Buͤrgermeiſtern der Stadt Wißmarn gedacht / und eine groſſe Hoffnung von ſeiner Italiâ gemacht. Es hat aber derſelbe unter die - ſer Arbeit unvermuthlich die Welt geſegnen) (3muͤſ -An den geneigten Leſer. muͤſſen / da er nicht mehr als acht Capita von ſeinem Wercke außgearbeitet / welchen Ver - luſt ich ſehr bedaure. Dann es iſt mir zum Theil derſelben Einhalt bekant / und hat er viele Unterredungen mit mir deßhalben ge - pflogen / welchen ich zu erſt auff dieſe Gedan - cken gebracht. Ich habe von erſter Jugend an auff die Teutſche und andere Nordiſche Sprachen ein abſonderlich Auge geworffen / und ein hoͤhers und ehrwuͤrdigers Alterthum in ihnen vermerckt / als man ſonſt ins gemein davor haͤlt. Ich habe in Griechiſcher und Lateiniſcher Sprache ſo viele Fußſtapffen der - ſelben erſehen / daß ich mir auch einmahl ein gantzes weitlaͤufftiges Buch Originum Germanicarum zu ſchreiben vorgenommen. Dazu ich zwar ſchon viele Dinge in Bereit - ſchafft habe. Aber zu Außarbeitung eines ſo vollſtaͤndigen Werckes / da ein Tag den an - dern lehret / deſſen man ſich auch in der Ge - ſchwindigkeit nicht abhelffen kan / wuͤrde bey andern noͤthigern Dingen meine Lebens Zeit vielleicht zu kurtz fallen. Was ich in dem er - ſten Theil hier erwehne / iſt nur ein Schat - tenwerck deßjenigen was noch uͤbrig iſt. Ich zweiffle nicht / es werden viele daſſelbe als ein Paradoxon halten: Ich bitte aber dieſelben /einAn den geneigten Leſer. ein uͤbermuͤthiges Vorurtheil ſo lange bey ſei - te zu ſetzen / und zu keinem Endurthel zu ſchrei - ten / ehe ſie alles geleſen und wol betrachtet haben. Ferner muß ich auch noch einige von mir gefuͤhrte Umſchweiffe entſchuͤldigen / die wie ich vermuthe / dem Leſer nicht unan - genehm ſein werden. Die Schreibart / deren ich mich allhie gebraucht / iſt alſo beſchaffen / daß ich mich lieber einen Lehrer als Redner er - weiſen wollen / zu welchem Ende ich auch die uͤblichen Kunſtwoͤrter behalten. Dann ob es zwar mir nicht an Faͤhigkeit gefehlet / ein Teutſches Wort nach anleitung des Griechi - ſchen und Lateiniſchen zu erdencken / ſo dauchte es mir eine ungereimte Sache zu ſein / alſo zu ſchreiben / daß man uͤber ſeine eigene Woͤrter Anmerckungen zu machen von noͤ - then habe. Ich habe mich auch einiger Fran - tzoſiſchen und Lateiniſchen Woͤrter / da es der Nachdruck erfodert / nicht enthaltē / der erleuch - teten Criticorum Urtheil nicht ſcheuend / die das Laſter der beleidigten Majeſtaͤt / und den Gebrauch eines Außlaͤndiſchen Wortes gleiche ſtraffbar halten. Die Ohrter aus den fremb - den Autoribus habe ich offtmahlen gantz her - geſetzet / weil ſie in ihren Sprachen beſſer lau - ten / als wann ſie uͤberſetzet ſein / und ich auchdieAn den geneigten Leſer. die Uberſetzung fuͤr eine unnoͤthige weitlaͤuff - tigkeit gehalten. Dann ich glaͤube es ſey die Meinung der Woͤrter / einem der nur der Latei - niſchen Sprache maͤchtig iſt / unſchwer zu faſ - ſen. In dem letzten Theile habe ich bißweilen abbrechen muͤſſen / theils weil der Verleger bey einfallender Meſſen damit zum Ende ge - eilet / thels weil ich in einem Lateiniſchen Bu - che ſolches vollſtaͤndiger / ob GOtt will vortragen werde. Gehabe dich woll.

Da -
1

Daniel Georg Morhofen Unterricht Von Der Teutſchen Poeſie /

I. Theil. Von der Teutſchen Sprache /

Das I. Cap. Von der Vortrefflichkeit und dem Alterthum der Teutſchen Sprache.

Einhalt. UHrſachen / warum wir von der Teutſchen Sprach ins gemein handeln. Wird von eignen Landsleu - ten geringſchaͤtzig gehalten. Die Griechiſche und Lateiniſche neue und durch Kunſt außgeuͤbte Sprachen. Ob die Hebraͤiſche die aͤlteſte / und all - gemeine Sprache? iſt zweiffelhafftig und ſchwer zu erweiſen. Becanus zieht die Cimbriſche und Georg. aStiern -2Das I. Cap. von VortreflichkeitStiernhelm die Schwediſche der Hebraͤiſchen vor. Gleichheit der Teutſchen / Daͤniſchen un̄ Britaniſchē / mit der Hebraͤiſchen. Ob die Teutſche Sprache naͤhern Grund in der Natur habe. Meinung daß die Figur der Hebraͤiſchen Buchſtaben den Menſchen angebohren; und am Himmel zu leſen. Der Analogiſmus der Woͤrter und Dinge iſt nicht einer - ley. Borrichii Lob. Goropii Becani ſeltzame Einfaͤlle. Seine faſt enthuſiaſtiſche Critica uͤber das Hebraͤi - ſche und Lateim̃ſche Alphabet. Caramuels gleiche Gedancken uͤber das Lateiniſche. Jacobi Hugonis laͤcherliche Meinung / von der Lateiniſchen Sprache. Beſnier will alle Sprachen unter die Lateiniſche zie - hen. Georgii Stiernhelm Meinung von der Sey - thiſchen oder Schwediſchen Sprache. Deſſen Synopſis Capitum Runæ Sueticæ wird angefuͤhret. Hat das Werck nicht vollfuͤhren koͤnnen. Seine ande - re verheiſſene Schrifften. Olaus Rudbeck hat ei - nige Capita dieſer Synopſis mit groſſen Fleiß auß - gefuͤhrt. Johan Webbe ein Engellaͤnder haͤlt die Chineſiſche Sprache vor die aͤlteſte.

I.

WEiln wir den Uhrſprung und Fortgang der Teutſchen Poe - terey vorzuſtellen entſchloſ - ſen; ſo wird vielleicht nichtuͤbel3der Teutſchen Sprache. uͤbel gethan ſeyn / wenn wir erſtlich von der Teutſchen Sprache ins gemein handeln / und deren Vortreflichkeit erweiſen. Wel - ches auch deßhalben noͤthig iſt / weilen ſich auch unter gelehrten Leuten / und die von Teutſcher Herkunfft ſeyn / einige finden / die ihre Mutter-Sprache laͤſtern / und de - ren Grobheit und Ungeſchicklichkeit zu gu - ten Erfindungē und zierlicher Außbildung der Gedancken vorzugeben ſich nicht ſcheu - en. Damit nun hievon ordentlich ge - redet werde / ſo wollen wir erſtlich von derſelben Alterthum / als worinnen nicht der geringſte Theil ihrer Vor - treflichkeit beſtehet / handeln / unddann folgends von derſelben Geſchicklichkeit zur Poeterey mit mehren erwehnen.

Es ſiind faſt die meiſten ſo geartet / daß ſie vor einheimiſchen Dingen einen Eckel haben / ſich uͤber alle frembde Sachen verwundern / und dieſelbe hoch - halten / welches die Teutſche Sprache auch erfahren / die von ihren eigenen Landsleuten geringſchaͤtzig gehalten / unda 2der4Das I. Cap. von Vortreflichkeitder Hebrœiſchen / Griechiſchen und La - teiniſchen unterwuͤrffig gemachet: Da ſie doch / wenn ich ja die Hebrœiſche außnehme / der Griechiſchen und La - teiniſchen am Alter nicht allein nichts nachgiebt / ſondern weit bevor thut; hin - gegen aber jene in Anſehung der Teutſchen neue / und etwas ehe durch Kunſt außge - uͤbet ſeyn / als dieſe / die hingegen viel gruͤndlicher / und jenen zum Theil den Uhrſprung gegeben; Welches ob es jemand gleich frembd und ungereimet ſcheinen ſolte / dennoch der Wahrheit gemaͤß / und ſo gruͤndlich erwieſen werden kan / daß niemand daran zu zweiffeln fug hat / er habe ihm dann vorgenommen unbeſonnener Weiſe auff ſeinem Wahn zu verharren / und keiner Vernunfft zu fol - gen. Wovon vielleicht von mir mit mehren in einer Diſſertatione de Novi - tate Græcæ & Latinæ linguæ kuͤnfftig ge - handelt werden kan.

Ich will zwar itzo den Vorzug der Hebrœiſchen Sprache nicht in Zweif -fel5der Teutſchen Sprache. fel ziehen / wie Goropius Becanus gethan / welcher nach aller verſtaͤndigen Leute Meinung / mehr Sinnlichkeit als Urtheils gehabt: Und Georgius Stiernhelm ein gelahrter Schwediſcher Edelmann / welcher die Scythiſche Sprache der Hebrœiſchen vorgeſetzet. Es iſt a - ber dennoch nicht außgemacht / ob ſie e - ben die erſte und allgemeine Sprache ge - weſen / davon die andern herſtammen: Dan̄ der Grund von den Nahmen der al - ten Vaͤter / die in der ſelben vorkommen / iſt nicht ſo unwidertreiblich / daß des Grotij und Cluverii Gegeneinwendungē demſelbē nichts an haben ſolten / ob zwar Heidegger in ſeiner Exercit. XVI. de Linguâ & Literis Pa - triarcharum ſich dieſelbe zu beantworten ſehr bemuͤhet. Es iſt am glaͤublichſten / daß keine von den itzo bekandten Sprachen / als die das meiſte von der Kunſt entleh - net / die erſten geweſen / ſondern eine von dieſen unterſchiedene; von welchen alle Sprachen in ihren Woͤrtern / eine abera 3mehr6Das I. Cap. Von Vortreflichkeitmehr als die ander / etwas mit einge - miſcht haben. Auß dieſem Grunde ſcheue ich mich nicht die Teutſche Sprache mehr fuͤr eine Schweſter der andern / als fuͤr ih - re Tochter anzugeben / und zwar alſo / daß die Hebrœiſche und uhralte Scythi - ſche oder Celtiſche Sprache / als aͤltere vor den andern den Vorzug haben. Wie dann nicht allein Rodornus Schri - ckius an vielen Oehrtern ſeiner weitlaͤuff - tigen Schrifften / und inſonderheit lib. 3. Originum Celticarum behaupten wil / daß die Hebrœiſche und Teutſche Sprache nur als dialecti unterſchiedē ſein. Siehe hievon auch Harßtoͤrffer in Specimme Philolog. German Diſquiſit. VII Mit der Daͤniſchen und Brittaniſchen / welche ebenfals dialecti der alten Teutſchen Sprache ſein / wollen Lyſcander und Davieſius die Gleichheit er - weiſen.

Wann wir die Natur hieruͤber fragen; denn es ſein etzliche / die auff den analogiſmum nominum & rerum das Alter - thum un̄ den Vorzug der Sprachen gruͤn -den7der Teutſchen Sprache. den: ſo haben ſich zwar einige tiefſehende Leute gefundē / welche die Hebrœiſche Spra - che gar der Natur gemāß halten; daß ſie auch meinen / es werden die Buchſtaben derſelben / wann man ſie außſpricht / mit eben ſolcher Figur von der Zungen im Halſe gebildet / davon ſie ſchon einen ana - tomiſchen Abriß gegeben. Der juͤngere Helmontius hat hievon ein eigen Buch ge - ſchrieben / deſſen Titul: Delineatio Alpha - beti verè naturalis Hebraici, wor in man die - ſe mehr als Cabaliſtiſche Heimlichkeitē wei - ter nachſehen kan Die Rabbinen haben ih - nen eingebildet / ſie koͤnten am Himmel die Hebrœiſche Buchſtaben in den Ster - nen abgebildet leſen / davon mit mehren Claude Duret in ſeiner Hiſtoire des Langues, und inſonderheit Gaffarel in ſeinen curieuſi - tez inouyies, handelt. Wir mißgoͤnnen nie - mand ſeine Einfaͤlle: So aber auf die - ſen Grund etwas zu trauen / ſo iſt unter allen Sprachen keine eintzige / die der Teutſchen hierin vorgehet / welches der Herr Schottel in ſeinē Lobreden von dera 4Teut -8Das I. Cap. von VortreflichkeitTeutſchen Sprache zur gnuͤge erwieſen / dem ein weit mehrers hinzugethan wer - den koͤnte / wann es an dieſem Orte nicht zu weitlaͤufftig were. Es iſt aber diß auch hiebey zu bedencken / daß dieſer ana - logiſmus nicht einerley iſt / und nach ver - ſchiedener Betrachtung der Dinge / viel - faͤltig in den Worten kan außgebildet wer - den / wie ſolches Herr Olaus Borrichius in ſeiner gelehrten Diſſertatione de cauſis di - viſitatis linguarum mit mehren erwieſen. Es kan die Griechiſche / Lateiniſche und Teutſche Sprache ein einiges Ding mit verſchiedenen Worten abbilden / da doch ein jedes derſelben ſich auff einen analogis - mum naturæ gruͤndet / und wuͤrde dann die Frage ſein / welches unter dieſen allen am naͤheſten zum Ziel treffe.

Ich will mich hie nicht auffhalten mit weitlaͤufftiger Erzehlung der Mei - nungen / welche gelahrte Leute von dem Vorzug der Sprachen fuͤhren / und mit der Unterſuchung ihrer Gruͤnde. Die - ſes iſt doch zu mercken / daß ein groſſer Un -ter -9der Teutſchen Sprache. terſcheid unter ihnen ſey; weßhalben ei - nige den andern vorzuziehen. Goropius Becanus wird von vielen verlachet / und zwar nicht ohn Uhrſach / weil er ſich in gar ſeltzame abſtractive ſpeculationes und analogiſmos vertieffet / die doch we - nig zur Sachen thun und im Grunde nich - tes beweiſen. Eine ſonderliche Probe hierinnen iſt in ſeinen Hieroglyphicis, wo - ſelbſt er auß dem Hebrœiſchen Alphabet, welches er auß Cimbriſchen Woͤrtern zu - ſammenſetzet / ein Gebet eines Schulmei - ſters / vor ſeine Lehrjuͤnger / ſeltzamer laͤcherlicher Weiſe zuſammen brin - get / wovon er ſo viel Wercks machet / als wan̄ er ein Koͤnigreich gewon̄en. Eben der - gleichen Einfaͤlle hat er von dem Lateini - ſchen I. 9. Hermathenæ, davon man wol ſagen moͤchte / was Propertius von den Lieb - habern: Maxima de nihilo naſcitur hiſtoria. Caramuel, daß er auch alhie ſeine Weiß - heit ſehen lieſſe / hat in ſeinem Apparatu Philoſophic. lib. 2. c. 176. wieder den Be - canum beweiſen wollen / daß man nichta 5noͤthig10Das I. Cap. Von Vortreflichkeitnoͤthig haͤtte zu der Cimbriſchen Spra - chen zu gehen / ſondern auß der Lateini - ſchen ein gleiches Gebet machen koͤnne / welches alſo lautet: Abæ cede; efigia (ha: i) Elem. en ope quære te vix. Die Außle - gung mag jemand daſelbſt leſen / dann es der Muͤhe nicht wehrt / daß man mit ſol - cher Grillen faͤngerey ſich auffhalte. Nur iſt diß gleichwol von dem Becano nicht zu leugnen / daß er zum erſten und vor an - dern etwas hierin geſehen / ob ers gleich nicht tuͤchtig außfuͤhret: und gefaͤlt mir in verſchiedenen Dingen ſein Urtheil beſ - ſer als des Rodorni Schrieckii, welcher in - dem er die Gleichheit der Hebrœiſchen und Niederteutſchen Sprache darthun will / in den Nominibus propriis ſeltzame weitgeſuchte alliterationes heꝛbei holet / und die primitiva und compoſita nach ſeinem eigenen gefallen machet und zuſammen ſetzet / das man mit allen Sprachen ohne groſſe Muͤhe alſo anſtellen koͤnte. Jacobus Hugo hat ein rechtes Gauckel - werck mit der Lateiniſchen Sprache ange -fangen11der Teutſchen Sprache. fangen / in dem er faſt ein Lexicon von ei - genen nach ſeinem gefallen erdichteten Japhetiſchen Woͤrtern machet / die doch ei - nerley bedeuten ſollen / davon er die Woͤr - ter der Lateiniſchen Sprache herfuͤhret; zugeſchweigen vieler anderer Thorheiten und Deuteleyen / die in ſeinem Buch ge - nant / Origo Italiæ & Romæ ante hanc di - em ignota, zu finden. Beſnier in ſeinem Buͤchlein / la Reunion des langues, dar in er von einem Mittel handelt / wie man alle Sprachen unter einer lernen koͤnne / haͤlt die Lateiniſche als eine Mitlerin unter al - len / worunter auf eine ſonderliche Art alle Sprachen koͤnten gelernet werden. Geor - gius Stiernhelm / deſſen Boxhornius in ſei - ner Hiſtoriâ Univerſali ruͤhmlich gedenckt / hat von dem Alterthum der Scythiſchen Sprache zwar etwas zu ſchreiben vor - gehabt / aber er hat es nicht vollfuͤhrt / ſondern es iſt nur eine Synopſis Capitum des gantzen Wercks / deſſen Titul: RUNA SVETICA ſein ſollen / zu meinen Haͤnden gekommen. Worinnen er die Hebrœiſcheund12Das I. Cap. von Vortreflichkeitund faſt alle andere Sprachen zu dialectos der Scythiſchen gemacht / und endlich ein Syſtema verheiſſet / von einer gewiſſer Anzahl Radicum Univerſa - lium, darauß ſo viel andere Woͤrter in allen Sprachen folgen. Ichwill / dieſen Synopſin, weilen er ſonſten nicht leicht zu finden / allhie gantz her - ſetzen; die Capita des erſten Syſtematis ſein dieſe.

  • 1. VIderi omnes Linguas, que in Orbe cognito extiterunt, & hodiè extant, ortas ex una, & ad unam poſſe reduci.
  • 2. Naturæ conveniens, imò omninò neceſ - ſarium fuiſſe, ex una Lingua multas oriri.
  • 3. Ex confuſione Babylonica nullam novam Linguam exortam: & ſi qua exorta eſt, momentaneam, & ad breve tempus ex - titiſſe.
  • 4. Hebræam, Phœniciam, Chaldæam, Sy - ram, Arabicam, Ægyptiam, Æthiopi - cam, Phrygiam, Perſicam, Dialectorum, non linguarum eſſe vocamina.
  • 5. Temporum & Locorum intervallis, Dia -lectos13der Teutſchen Sprache. lectos abire in Linguas.
  • 6. Ex Scythica ortas Linguas Primas, non minùs Orientales, quàm Septentriona - les, & Occidentales.
  • 7. Thraces & Getas, fuiſſeScythas.
  • 8. Ex his profectos primos Populos, Pri - mamque Linguam Græciæ, quam aliàs di - ctam Barbaram cultu novo politam, mi - nimè vero extirpatam, poſterioribus tem - poribus demùm Hellenicam, & Græcam nuncupaverunt.
  • 9. Græcos cultum, elegantias, poēſin, Mu - ſas, ſacra, Deoſque ex Thracia habuiſſe.
  • 10. Scytharum propaginem prætereà eſſe Europæos; Germanos, Gallos, Iberos, Britannos, Aborigines, ſive Umbros, pri - mos Italiæ Incolas. Hiſce omnibus u - nam Linguam fuiſſe Scythicam, in varias Dialectos poſtmodum ſciſſam.
  • 11. Germaniæ Caput & Principium, olim fu - iſſe Scythiam Europæam Minorem, Pe - ninſulam nimirùm Scandiam; quam & Scanziam & Scandinaviam, antiquiſſimi verò Scriptores Balthiam, Baſiliam, Aba -lum,14Das I. Cap. von Vortreflichkeitlum, Bannomannam, &c. Hyperboreo - rum Inſulam indigitarunt.
  • 12. Ex hac Inſula (reverà Peninſula) deriva - tos in Germaniam, & diverſas Orbis Ter - rarum Regiones, non ſolum multos Po - pulos; ſed etiam Sacra, Ritus, & Deos.
  • 13. Peninſulæ ejusdem, & Hyperboreorum Gentem Principem fuiſſe Sueonas, ſive Suezios, quos hodie Suethos, Suecos, & Suedos vocitant.
  • 14. Græcis cum Hyperboreis ab antiquiſſi - mis uſque temporibus communionem fuiſſe Sacrorum, Amicitiæ, & mutuæ Neceſſitudinis; & quod magis eſt, Græ - cos Deos, coluiſſe inter Maximos, apud Hyperboreos natos.
  • 15. Suethis cum Thracibus & Byzantinis com - munes fuiſſe Deos; adeoque ipſos De - os Phrygios ad Hyperboreos migraſſe.
  • 16. Linguam Latinam ex tribus ortam po - ti ſſimùm; Aboriginum, ſive Thuſca, Græca, & Phrygia.
  • 17. Ciceronem & Varronem, qui propter peculiarem linguæ Latinæ peritiam, ha -bitas15der Teutſchen Sprache. bitus fuit Romanorum omnium ſapien - tiſſimus; linguam Latinam non intelle - xiſſe; nec Demoſthenem, ipſumque Pla - tonem linguæ Græcæ fundamentalem ſci - entiam habuiſſe.
  • 18. Linguam Hebræam, non minùs quàm Chaldæam, Chananæam, & Arabicam, Dialectum eſſe linguæ Primæ; minimè verò ipſam linguam Primam.
  • 19. Indolem, & Proprietates vocum linguæ Hebrææ veras impoſſibile eſſe, dari poſ - ſe, niſi ex radicibus linguæ Scythicæ.
  • 20. Voces Adamæas, cujus generis ſunt A - dam, Eva, Cæin, Seth, Noah, &c. quas pro antiquitate linguæ Hebrææ, vulgò, ejus Aſſertores adducunt; non minùs Scythi - cas, imò Svethicas eſſemagis, quàm He - bræas.
  • 21. Ex vocabulis priſcæ linguæ, Gallicæ, & Ibericæ, reliquiis; eas probari Scythicas fuiſſe.
  • 22. Antiquas voces Thuſcas, quæ ſuperſunt ex linguâ Aboriginum Scythicas eſſe.
  • 23. Linguam Cambricam, que vetus eſt Cim -brica16Das I. Cap. Von Vortreflichkeitbrica, Dialectum eſſe linguæ Scythicæ.
  • 24. Voces quæ ſuperſunt linguæ veteris Phry - giæ, Scythicas eſſe.
  • 25. Linguam Perſicam hodiernam, ut & Ar - menam, maximam partem conſtare ex lingua Scythica.
  • 26. Deorum Nomina, pleraque omnium Gentium, origine eſſe Scythica, & in illis Sanctum Dei Nomen Tetragammaton〈…〉〈…〉 Origine eſſe Scythicum; nec ul - lum hactenus Hebræum aut Cabaliſtam, veras nominis iſtius proprietates, multo minus myſteria aperire potuiſſe. Quæ Deo dante, reddet author.
  • 27. Ultimo, Sermonem, Primo homini con - creatum, aut cum ipſa Ratione, cujus cha - racter eſt, & index in ſenſum incurrens, infuſum.

Hier auff ſolte das Syſtema ſecundum folgen / deſſen Inhalt alſo lautet.

  • Exhibet 1. Connubium & Nuptias Panos & Echus, hoc eſt, Harmoniam & Annalo - giam Rerum, & Verborum.
2. Tra -17der Teutſchen Sprachen.
  • 2. Tradit Obſervationes & Axiomata, quæ propriè ſpectant ad Scientiam hanc no - vam Etymologicam.
  • 3. Eruitur & aperitur certus numerus Ra - dicum Univerſalium.
  • 4. Ponuntur ſigillatim ſingulæ Radices, ex quibus, certo ordine & methodo, in i - pſa rerum geneſi fundata, Rivi & Flumi - na vocum, in præcipuas & ex his ortas linguas educuntur. & hoc eſt, LE XICON, ſeu CLAVIS LINGUARUM PRIMA - RUM UNIV ERSALIS.

Es ſein in dieſem Synopſi viel Dinge / die in dem Grunde der Warheit ſich ſo ver - halten / worvon inſonderheit zu han - deln nicht dieſes Orths iſt: das andere laß ich andere verantworten. Iſt nur zu be - klagēdaß er uͤber dieſem ſeinem Wercke ge - ſtorben / und auch ſeine andere nicht her - auß gegeben / deren Titul hinter einem von ihm in Schwediſcher Sprach geſchriebenē Buͤchlein Archimedes reformatus genant / in einem des Loccenii angefuͤgten Carmine erwehnet werden: als Antiquarius: MagogbAra -18Das I. Cap. von Vortreflichkeit. Aramæo-Gothicus: Virgula Divina: Cla - vis Linguarum Generalis: Anti Clûverius, ſeu Origines Sueo Gothicæ. Nach ſeinem To - de hat man viele verworffene Schedas ge - funden / wie der Herr Scheffer / welcher ein gutes Urtheil von ihm faͤllet / in ſei - nem Schreiben an mich berichtet / die man nicht hat in Ordnung bringen koͤnnen. Nun gar neulich hat der gelahrte Olaus Rudbeckius in ſeiner Atlantica, unterſchied - liche Capita das Alterthum der Schwedi - ſchen Nation betreffend / ſo in dieſer Syno - pſi enthalten / mit groͤſſerm Fleiß / als er vielleicht ſelbſt wuͤrde gethan haben / auß - gefuͤhret / und wird noch ferner in deſſen Auctario hievon handeln. Von der Chi - neſiſchen Sprache hat ein Engellaͤnder Johannes Webbe behaupten wollen / daß ſie die erſte ſey: weil die Chineſer ein uhral - tes Volck / und ihr Land ſo fort nach der Suͤndfluht vor Erbauung des Babilo - niſchen Thurms / bey welchem ſie vermuth - lich nicht geweſē / bewohnet: weil ſie mit kei - nē fremden Voͤlckern vermiſchet: die Spra -che19der Teutſchen Sprache. che mehrentheils in einſylbigen Woͤr - tern beſtehe. Und muß ich geſtehen / daß es mit derſelben eine ſonderliche Bewand - nis habe / weil ſie mit keiner andern was gemein hat / und nach einem Muſicaliſchen Ton die Bedeutung der Woͤrter aͤndert: daß es faſt ſcheinet / ſie ſey mehr mit Fleiß außgedacht und erfunden / als von einigen andern algemaͤhlich abgeleitet. Wie denn Andreas Mullerus dieſer Sprache Be - ſchaffenheit und zuſam̃enſetzung in ſeinen Obſervationibus Sinicis uñ Propoſitione ſu - per Clave Sinica darzuthun ſich erbietet. Es kan aber auch bey einigen Voͤlckern die na - tuͤrliche Neigung zu einem gewiſſen Laut eine abgefuͤhrte Sprache ſo veraͤndern / daß ſie gantz frembd ſcheine / wie wir deſſen ſatſame Exempel in den Dialectis der Teut - ſchen Sprache haben.

b 2Das20Das II. Cap. Vom Alterthum

Das II. Cap. Daß die Teutſche Sprache aͤlter als die Griechiſche und Lateiniſche.

Einhalt. WIe die Philoſophie / ſo iſt auch die Spra - che von den Barbaris auff die Grichen kom - men. Zeugniß der Griechen ſelbſt. Pelaſgi haben eine Barbariſche Sprache geredet. Τέκμαρ, ein Wort auß der alten Griechiſchen Sprache / da - von Ariſtoteles erwehnet / iſt Celtiſcher oder Sey - thiſcher abkunfft. Platonis Zeugnuß. Die aͤlteſtē Ein - wohner Griechenlandes / die Pelasgi, und andere ſein ſelbſt Barbari geweſen. Die Buchſtaben der Grie - chen von den Barbaris. Olai Rudbeckii Meinung. Ein Ertzbiſchoff von Toledo haͤlt die Gothiſchen Buchſtaben vor die aͤlteſten. Zeugnuß der Grie - chen und Lateiner / von Abkunfft der Buchſtaben. Olai Rudbeck eintheilung der Europaͤiſchen Voͤl - cker und Sprachen. Menge der Teutſchen Woͤrter in der Griechiſchen und Lateiniſchen Sprache. Wer - den durch die frembde terminationes und andere veraͤnderungen unkentlich. Exempel der Teut - ſchen und Frantzoͤſiſchen Sprache. Lateiniſche Sprache iſt auß der Griechiſchen und Barbariſchen gemiſchet. Zeugniß Dionyſii Halicarnaſſæi. Mel - chior Inchofer widerleget. Buchſtaben der Latei -ner21der Teutſchen Sprache. ner von den Celtis. Die Nahmen der Voͤlcker und Staͤdte Celtiſcher und Teutſcher Abkunfft. Herrn Caſpari Vogten hieruͤber verfaßte Arbeit. Peireſcii Meinung / daß in der alten Galliſchen Sprache die Stammwoͤrter vieler Lateiniſchen ſein. Galliſche und Teutſche Sprache wenig unterſchieden. Skinnerns hat hievon andere Meinung. Seine Gruͤnde werden widerleget. Ein Ohrt auß dem Cæſare wird von jhm uͤbel angefuͤhret. Dialecti einer Sprache ſein bißwei - len ſo muͤhſam zu lernen / als neue Sprachen ſelbſt. Cluverus wird von jhm unbillig angegriffē. Die Nah - men der Voͤlcker / Leute / Staͤdte und Fluͤſſe / geben gute Nachricht von den Sprachen. Lutherus und Cambdenus haben etwas hievon geſchrieben. Skin - nerus fehlt ſehr in den Etymologiis der Galliſchen alten Nahmen. In der alten Britañiſchen ſein einige Stammwoͤrter der Lateiniſchen Sprache: Die auch Teutſche. Deren Exempla. Teutſche Sprache hat ſich biß in Aſia erſtrecket. Exempel von den Voͤl - ckern die in Taurica Cherſonelo wohnen beym Bus - bequio. Skinnerus verachtet dieſen Beweißthumb ohn Urſach. Die Perſiſche Sprache beſtehet von vie - len Teutſchen Woͤrtern. Exempel von den alten Perſiſchen Woͤrtern auß den Hiſtoricis. Salmaſii Zeugniß. Elichmannus hat hievon ein gantzes Buch ſchreiben wollen. Piccarti Oratio: daß die Teut - ſchen der Perſer Bruͤder ſeyn. Welchem Rupertus zwar widerſprechen will. Wird aber von Georgio Richtern zuruͤck gehalten. Bochartus muß es faſtb 3wider22Das II. Cap. Vom Alterthumwider ſeinen willen bekennen. Grafii Zeugnis. Ein Buchmit Gothiſcher Schrifft / hat ſich in China ge - funden. Einige Teutſche Woͤrter in andern Orien - taliſchen Sprachen / auch in der Americaniſchen.

WIr laſſen den Streit von der er - ſten Sprache an ſeinen Ohrt ge - ſtellet ſein / und bleiben bey der Teutſchen / welche dennoch zum wenig - ſten der Griechiſchen nnd Lateiniſchen in ihrem Alterthum vorzuziehen. Denn gleich wie der Uhrſprung der Philoſophie von denen den Griechen ſo genan - ten Barbaris genommen / ſo ſind auch die Sprachen als vehicula ſcientiarum, wie ſie Verulamius nennet / von ihnen fortgepflan - tzet. Was die Wiſſenſchafften anlanget / ſo bekennet Ariſtoteles außdruͤcklich / daß die Philoſophia von den Semnotheis der Celten ihren Uhrſprung habe / und daß Gallia die Lehrmeiſter in des Griechenlandes ſey. Von welchē ſehr weitlaͤuftig Piccard in ſeiner Cel - topædia handelt. Von der Sprachen ſagē e - benfals die Griechē / uñ unter jhnē der aͤlteſte Hiſtoricus Herodotus lib. 1. cap. 57. alſo: ἦσαν ὁι πελασγοὶ βάρβαρον γλ〈…〉〈…〉 αν ἱέντες, und bekraͤf -tigt23der Teutſchen Sprachetigt es Plato in ſeinem Cratylo mit unter - ſchiedlichen Exempeln / welche wann ſie recht unterſuchet werden / alte Scythi - ſche / daß iſt / Teutſche Woͤrter ſein: Es gedencket Ariſtoteles Rhetor. l. 1. c. 2. von dem Worte τέκμαρ, davon hernach das Wort τεκμήριον gekommen / daß es in der alten Griechiſchen Sprache ſo viel als fi - nem oder limitem bedeutet / welches ja nichts anders als das Wort tecken marck / zuſammen teeckmarck / das in der neuen Teutſchen Sprach Merckzei - chen genant wird / ſein kan; Deñ man die Grentzen mit dergleichen Zeichen zu un - terſcheiden pflag / und es iſt ja bekant / daß das Wort Mar oder Marck in der al - ten Teutſchen Sprach / ſo viel als eine Grentze bedeute. Das Griechiſche Wort ΔΕΙΚνυμι ich zeige / iſt dem vorigen auch verwandt. Plato ſaget ja ſelbſt in ſeinem Cratylo unter dem Nahmen des Socratis: ἐννοῶ γὰρ ὅτι πολλὰ οἱ Ἕλληνες ὀνόματα ἂλλως π καὶ οἱ〈…〉〈…〉 πὸ τοῖς βα〈…〉〈…〉 άραις οἰκοῦν〈…〉〈…〉 ες, παρὰ τῶν βαρ - βὰρων εἰλήφασι; das iſt: Ich halte davorb 4daß24Das II. Cap. Vom Alterthumdaß die Griechen viel Woͤrter von den Barbaris, inſonderheit die jenigen die unter ihnen wohnen / empfan - gen haben. Wie dieſer von den Grie - chen / ſo ſchreibt Varro von den Lateinern / daß ihrer Woͤrter Urſprung von den Bar - baren kommen und durch die langwierige Zeit faſt gantz verdunckelt ſey. Wie ſolte auch die Griechiſche Sprache nicht von den linguis barbaris ihren Uhrſprung haben: weil ja die Voͤlcker ſelbſt von den benacht - barten Phrygibus und Scythis in Griechen - Land zuſammen gekommen / und bezeugt diß Strabo in ſeinem ſiebenden Buch auß - drucklich und mit vielen Umſtãnden. Daß die Pelaſgi die aͤlteſten in Griechenland / ein herumſchweiffendes Volck / wie die Scythæ geweſen / von rauher harter Art / iſt im Herodot: l. 1. c. 56. und Halicarnaſsèo lib. 1. zuſehen / und hat Palmerius à Grentemeſ - nil in ſeiner Græciâ Antiquâ lib. 1. c. 9. und von allen Griechen in gemein es Guli - elmus Burtonus in Hiſtoriâ Linguæ Græc. pag. 13. weitlãufftiger außgefuͤhret. Nunſind25der Teutſchen Spracheſind die von den Pelaſgis entſtandene ande - re Voͤlcker nicht nach Sprachen / ſondern nur nach dialectis unterſchieden gewe - ſen. Ja es hat der gelahrte Olaus Rud - beck in ſeinem Buch Atlantica genant c. 38. neulich mit guten Gruͤnden behaup - ten wollen / daß die Griechen auch die Buchſtaben von den Hyperboreis und alten Scythis erſtlich empfangen ha - ben. Und iſt mercklich was Claude Duret, Hiſtoire de l origine des langues p. m. 860. ſaget von einem Ertzbiſchoff zu Toledo, welcher davor gehalten que l Alphabet des lettres Gothes a eſté le premier Alphabet des premiers & plus anciennes letrres, les quel - les furent données de Dieu à commence - ment du monde a noſtre premiere Pere Adã. Ja es bekennen die Griechen ſelbſt beym Varrone lib. 7. de linguâ latinâ, daß ſie ihr Alphabet von den Barbaris empfangen ha - ben / und Cæſar lib. 1. de bello Gallico. meldet: Man habe bey den Helvetiis ei - nige Regiſter gefunden mit Griechiſchen Buchſtaben geſchrieben. Die Gleichheitb 5der26Das II. Cap. Vom Alterthumder alten Cimbriſchen und Runiſchen Buchſtaben / mit der Griechiſchen ſtellet Olaus Wormius in ſeiner Literaturâ Runi - ca c. 21. 22. vor. Der Herr Rudbeckius, deſ - ſen wir zuvor gedacht / theilet zwar die Europœiſche Voͤlcker in Scythen, Celten, und Griechen / und haͤlt auch davor daß ſie von Sprachen unterſchieden. Ich glau - be aber wann dieſer vortrefliche Mann die Teutſche und deren vielerley Dia - lectos gruͤndlich begriffen / er ſo gar groſſen Unterſcheid unter dieſen Spra - chen nicht finden / und in vielen Din - gen eine andere Meinung fuͤhren wuͤr - de. Es kommen dieſelben in ihrem Grunde uͤberein / wie dann Bibliander in ſeinem Buch de ratione communi omni - um linguarum angemerckt / daß von 2000 Teutſchen Stammwoͤrtern mehr als 800 der Griechiſchen und Lateini - ſchen Sprache gemein ſein: welcher aber eine weit groͤſſere Zahl haͤtte außrechnen koͤnnen. Denn ich mich verpflichten wil / in einer jeden von den beiden Sprachen uͤberdie27der Teutſchen Sprachedie helffte Teutſcher und Gothiſcher Woͤr - ter zu zeigen. Sie klingen aber ſo frembd in unſern Ohren / weil die kuͤnſtliche Auß - arbeitung derſelben durch ſo viele permu - tationes literarum des wollauts halber / terminationes, flexiones, compoſitiones, translationes und fremde deutungen ſie faſt in eine andere form gegoſſen; ſie hiedurch als durch eine außlaͤndiſche Tracht / die ge - ſtalt der eingebohrnen verlohren / und einē außheimlſchen Schein gewoñen. Wie jetzo die Frantzoͤſiſche einē ſo groſſen Unterſcheid von der Lateiniſchen und Teutſchen hat / da - von ſie doch entſproſſen: das nicht leichtlich einer glauben wuͤrde / der nicht beyder Sprachen genaue wiſſenſchafft hat: auch die Frantzoſen ſelber nicht / welche viel Woͤrter von der Griechiſchen und Lateini - ſchen herziehen / die doch warhafftig Teutſch ſein. Solches iſt von Wolff - gango Hungero wider Bovillum zur gnuͤ - ge erwieſen / und koͤnte wider des Menagii Origines Gallicas und Italicas klaͤrlich von uns dargethan werden.

Was28Das II. Cap Vom Alterthum

Was die Lateiniſche Sprache anlan - get / ſo haben wir ein ſchoͤnes Zeugnis bey dem Dionyſio Halicarnaſſ: am Ende des erſten Buchs / welcher klaͤrlich ſchreibt: daß Rom von den Griechen zwar er - bauet / es ſey aber Wunder daß ihre Sprache durch die Vermiſchung der O - picorum, Marſorum, Sabinorum, Etruſco - rum, Brutiorum, Umbrorum, Ligurum, Hiſpanorum, und Gallorum, (welche eben aus den Celtis und Scythis hergekommen) nicht gantz in eine Barbariſche Sprache verkehret: Er ſchlieſſet endlich darauff / daß die Roͤmer eine Sprache angenom - men / die nicht gantz Griechiſch oder gantz Barbariſch / ſondern auß beyden gemiſcht geweſen. Iſt alſo gantz falſch / was Mel - chior Inchofer in Hiſtoria ſacræ latinita - tis lib. 1. c. 6. behauptē wollē / daß niemah[l]s einige ãltere Sprache in Italien gewe - ſen als die Lateiniſche: Denn es iſt glaub - lich / daß lange vorher / ehe Rom auffge - bauet uñ einige Hiſtoria hat koͤñen geſchrie - ben werden / auß Norden viel frembdeVoͤl -29der Teutſchen SpracheVoͤlcker nach Italien ſich gewandt. Gu - lielmus Poſtellus will in ſeinen Originibus Etruriæ erweiſen / daß ſie ihre Buchſta - ben von den Celtis haben. Scrieckius brin - get auch in ſeinen libris originum Celti - carum viel monumenta bey / worauß er die Abkunfft der Lateiniſchen von der Cel - tiſchen Sprache ſchlieſſet. Aber er ge - braucht hier in eine gar zu groſſe Freyheit. Wann nun die Griechiſche ihren Uhr - ſprung meiſtentheils von der Scythiſchen und Barbariſchen Sprache genom̃en: wie viel mehr wird denn die Lateiniſche davon empfangen haben / die auß der Griechiſchen und Barbariſchen zuſammen geſetzet? Die Nahmen der Voͤlcker / Laͤnder / Staͤdte / in Welſchland fuͤhrē noch die Keñzeichen ih - rer Herkunfft bey ſich / wie ſolches mit Ver - wunderung kan angemerckt werden / weñ man die alten Nahmen der Cimbriſchen / Galliſchen / Teutſchen / Gothiſchen Voͤlcker und Lãnder dagegē haͤlt. Welches alles mit groſſen Fleiß unterſuchet hat / mein ſehr groſſer Goͤnner und Freund / Herr Caſ -par30Das II. Cap. Vom Alterthumpar Voigt / hochverdienter Buͤrgermei - ſter der Stad Wißmar / von welchem die ge - lehrte Welt dermahleins / ſo ihm Gott / wie ich von Hertzē wuͤnſche / das Leben friſtet / ei - ne außfuͤhrliche Arbeit hieruͤber zu ſehen ha - ben wird. Dar auß deñ abzunehmen / wie ſo weit ſich von den erſten Zeiten her die Voͤl - cker dieſer Lãnder / und ihre Sprache auß - gebreitet. Hier zukan auch zum Zeugnis dienen / was Gaſſendus von dem unver - gleichlichem Mañe dem Peireſcio in der Be - ſchreibung ſeines Lebens p. 195. auffge - zeichnet: Ad Anaſtaſium Nannetenſem Capuccinum plurima perſcripſit de lingua Aremorica, in quâ conſenſit plurimas anti - quarum vocum latinarum eſſe radices. Nun iſt die alte Galliſche Sprache mit der Teut - ſchen einerley / und wo ja ein Unterſcheid darin iſt / ſo iſt er nicht hauptſachlich / als et - wa unter dialectos, wovon Lambecius l. 2. Comm. bibloth. Vindobonenſis p. 427. mit mehrem handelt. Skinnerus haͤlt zwar das Gegentheil in der præfatione ſeines Etymo - logici Lexici, und vermeint wider Cluverumund31der Teutſchen Spracheund faſt alle dieſer Sachen erfahrne / es ſey die Sprache der Gallier und Teutſchē gantz unter ſchieden geweſen: aber ſeine Gruͤn - de dar auff er bauet ſein uͤber auß ſchlecht. Denn was Cæſarem, der in Franckreich dreyerley Sprachen ſetzt; Tacitum / der die Teutſchen von den Frantzoſen der Spra - che halber unterſchieden / anlanget: ſo kan man auß beyder Zuſammenhaltung leicht ſehen / daß ſie nicht Sprachen / ſondern Dialectos verſtanden / deren aber etzliche vielleicht ziemlich weit entfernet / wie et - wa heute Schwediſch und Teutſch / Hollaͤn - diſch und Schwaͤbiſch. Welche ein Auß - lãnder leichtlich vor gantz unterſchiedene Sprachen halten koͤnnen. Die Galli ſein vor Alters in dreyerley Voͤlcker getheilet / Belgas, Celtas, und Aquitanos: die beiden er - ſten ſein unſtreitig Teutſcher Abkunft und werden die Celtæ, wie Cæſar ſelbſt bezeugt / κατ᾽ ἐξοχὴν Galli genant. Wer den Unter - ſcheid dieſer Voͤlcker und ihrer Sprachen genauer zu wiſſen verlanget / ſehe nur Merulam an / welcher Coſmogr. part. 2. lib. 1. cap. 32Das II. Cap. Vom Alterthum1. cap. 15. es alſo außgefuͤhret / daß ich nicht ſehe / was dawider ſonderliches koͤnne ge - ſagt werden. Er bringet ferner zum Beweißthum an: Cæſar ſage in ſeinem 1. Buch de Bello Gallico, daß Arioviſtus der Teutſche Koͤnig / durch lange Gewohnheit von 14. Jahren er ſtlich die Galliſche Spra - che erlernet / welche er ja wann der Unter - ſcheid ſo gering geweſen in etlichen Mona - then lernen koͤnnen. Wann man aber den Cæſarẽ recht anſiehet / ſo ſtehet nicht alda / daß Arioviſtus ſich 14. Jahr in Galllien auffgehalten um die Sprache zu erlernen / ſondern Cæſar haͤtte C. Valerium Procil - lum an Arioviſtum geſandt / propter fidem & propter linguæ Gallicæ ſcientiam, quâ multâ jam Arioviſtus longinqua conſue - tudine utebatur. Die Meinung dieſer Worte / wie ein jeglicher ſieht / iſt dieſe: Weil Arioviſtus nun eine geraume Zeit einē Theil von Galliam beſeſſen / und der Galli - ſche Sprache auß langē gebrauch gewoh - net / hãtte man dieſen dahin geſandt / der in dieſer Sprache ſich mit ihm unterre -den33der Teutſchen Sprache. den koͤnte. Es were ja auch endlich nicht zu verwundern geweſen / wenn Arioviſtus um die Fertigkeit dieſer Sprache zu ha - ben / einer langen Zeit beduͤrfftig geweſen: deñ auch in Dialectis ſo groſſer Unterſcheid ſein kan / daß man vieler Zeit Muͤhe von noͤthen hat / dieſelbe recht fertig zu erler - nen / inſonderheit wenn keine Grammati - ſche Lehr-Satze verhanden; Ja in Franck - reich und Teutſchland ſein heutiges Tages die einerley Sprache reden / und ſich doch nicht verſtehen. Wuͤrde man einen Schwa - ben in Niederland bringen / es wuͤrde groſ - ſe Muͤhe koſten / daß er des Landes Sprach ohne Anſtoß in langer Zeit reden lernete. Er greifft endlich auch den Cluverum an / welcher auß den Endigungen in den Nah - men der Koͤnige / Voͤlcker / Lãnder / Fluͤſ - ſe etc. dero Teutſchen Uhrſprung behaup - ten will. Welches ob es gleich ihm geringe daucht / dennoch ein Grund von groſſer Wichtigkeit iſt. Es were der Muͤhe wol wehrt die barbara nomina, die man bey den alten Autoribus findet mit Fleiß zu unter -cſuchen34Das II. Cap. vom Alterthumſuchen. Lutherus hat zwar ein Buͤchlein von den Nominibus propriis der alten Teutſchen / und Gotfried Wegener Anmerckungen daruͤber geſchrieben. Auch findet man bey dem Cambdeno in ſeinen Remaines concerning Britain, etwas von dergleichen Woͤrtern; Es iſt aber alles Un - vollkommen. Skinnerus meint er habe ein groſſes gewonnen / wann er am Ende ſeines Buchs erweiſen will / daß die im Cæſare und andern Autoribus vorkom̃ende Galliſche Nahmen / von andern Woͤrtern der alten Brittaniſchen Sprache herſtam - men. Aber er hat vielmehr ſeine Unwiſ - ſenheit in der Teutſchen zu Tage geleget. Welches weitlãutfig koͤnte dargethan wer - den: wann man ſich damit auffhalten wolte. Was ſonſt Peireſcius von den Stamwoͤrtern der Lateiniſchen Spra - che / die in der alten Galliſchen noch uͤbrig / erwehnet / ſolches kan auch auß dem alten Britanniſchen (welche Cæſar vor dieſelbe haͤlt) erwieſen werden: denn es hat Ro - bertus Sheringham in ſeinē Buch de OrigineGen -35der Teutſchen Sprache. Gentis Anglorum cap. 6. p. 109. (da er auch der Armoricaniſchē Woͤrter gleichheit mit den Lateiniſchen behauptet / und anweiſet / daß die Sprache ſelbſt von den Britan - niern da hinein gebracht) verſchiedene al - te Woͤrter angemerckt / die mit den Latei - niſchen uͤberein kommen: Wiewol er davor haͤlt das jene von dieſen entſprungen ſeyn. Daß ſolche aber mit den Teutſchen uͤber - einkommen und ſelbſt Teutſche ſein / will ich beweiſen. Latini veteres, (ſagt er p. III. ) inve - nuſtas & difformes perſonas vocabant Miri - ones; Cambro-Brittanni feminas in face - tas & ruſticas Mairiones. (Es iſt ein altes Runiſches Wort Mær ſive Môr Virgo. Worm in Lexic. Runico. und iſt hernach ein Mutter-Pferd ſo genandt / und wird noch heutiges Tages per translationem ge - ſagt: Es iſt eine loſe Maͤhr) Vete - ribus falla deceptio eſt: Cambro-Britannis faell (diß iſt ein teutſches Wort fehl / fall / fault / uñ faſt in allen andern Nebē-Spra - chen. Bey den Griechen hat man auch σφάλλομαι) Veteribus Guloſus gluton & glu -c 2via36Das II. Cap. Vom Alterthumvia dictus, Cambro-Britannis glvvth (Es iſt ein altes Wort Gul / welches in Dã - niſcher Sprache ſo viel heiſſet / als ein - ſchlucken / davon noch bey den Hollaͤn - dern das Wort Guͤlſich komt / und iſt per μετάϑεσιν literarum entſtanden) Vete - ribus Ruma mamma eſt, Cambro-Britan - nis Rhumen. (Es heißt aber bey ihnen auch abdomen. Vid. Boxhorn, Lexic. Britann. Latin. wie es bey den Lateinern auch das cavum colli bedeutet / worin bey dem Vie - he die Speiſe geſamlet wird / daher noch ruminare: iſt es alſo das teutſche Wort Rum oder Raum / das iſt der Orth / da etwas geſamiet wird.) Veteribus ſummus Oſcorum Magiſtratus Meddix vocabatur. Ca - mbro-Britannis Meddu ſignificat potentem eſſe. (Boxhorn. hat nicht dieſes Meddu, ſon - dern Mechdeyra. Iſt das Teutſche Macht / Mogen / Angl. Sax Mighty.) Veteribus Dalivus ſtultus. Cambro-Britannis Delff Barbarus. (Diß Wort kennen auch di[e]Bauren in Mecklenburg / wann ſie einen dum̃men Menſchen Delff nennen.) Hismul -37der Teutſchen Sprache. multa (ſagt er weiter) adjici poſſent nomina propria veterum Romanorum, quæ omnino nullum cum latina lingua, magnam cum Britannicâ cognitionem habent. (Ja ſolte er die Friſiſche / Dãniſche / Schwediſche Sprache durchſehn / ſo wird er noch viel mehr derſelben Nahmen finden: denn die jenigen / die er anfuͤhret / hat er mei - nes erachtens nicht recht unterſuchet. Von den Frieſen ſchreibt ſehr mercklich Boxhorn: in einem Briefe an Pibonem a Boma. p. 217. Lingua, mores, inſtituta antiqua Fri - ſiorum ea eſſe hactenus deprehendo, quibus ſua & Græci & Romani ferre debeant acce - pta. Nihil jacto. ſed de veteribus & Rep. & moribus & legibus, etiam origine Fri - ſiorum multa, eaque ampliſſima obſer vavi, aliis hactenus omnibus indicta.) Sheringham fuͤhrt frner in den Roͤmiſchen Nahmen / einige Britañiſche Woͤrter an / als / ſylla vi - dere: Da iſt bey den Teutſchen das Wort Zillen / davon Beſoldus de Nat. Po - pul. und das alte Lateiniſche cilleo, wie auch das Frantzoͤſiſche Wort Ciller, welches ſoc 3viel38Das II. Cap. vom Alterthumviel iſt als nictare. Er ſetzt das Wort celu bey den Lateinern celare: diß iſt bey den Teutſchen Helen / Gehelen und mit auß - geſtoſſenem (e) G’helen: oder das (c) wird in (h) verwandelt / wie in den Woͤrtern ca - lamus halm ΚΑΡΔία hart / und wie in dem folgenden Britañiſchen Worte cornel an - gulus, eene hoͤrn in der gemeinen Spra - che: ſo iſt in Gothreks Hiſtoria von dem Ve - relio herauß gegeben das Gothiſche Wort Pallshorn ſcamni angulus. Das Latei - niſche Cornu und das Teutſche Horn wer - den auch auff ſolche Ahrt verwechſelt. Das Wort occulere aber bey dē Lateinern / wird zwar bey Vosſio von colere hergefuͤhret / da iſt aber das Nieder teutſche Wort Kuͤl / welches ſo viel iſt als ein Loch darin man was vergraͤbet. Silyn ſoboles bey den Cam - brobritannis, iſt bey den Teutſchen auch zu - finden: Zielen / teelen heiſt / wann man eine junge Zucht zulegt. Cynne ſive cyn - nevv incendere & incendium: iſt aber das Teutſche Wort Zünden / anzünden. Dieſes ſein die wenige Wort / die er anfuͤhrt /deren39der Teutſchen Sprache. deren noch eine groſſe Menge uͤber iſt / davon viel koͤnte geſagt werden / wenn es dieſer Ohrt erleiden wolte.

Ferner iſt die Teutſche Sprache in Europa nicht beſtehen blieben / ſondern hat ſich auch in Aſia ſelbſt verbreitet / iſt vielleicht auch von dañen erſt heraus gekom̃en / welches noch von wenigen recht nach geforſchet iſt. Es iſt bekant was Busbequius nur obenhin aufgezeichnet hat von der Sprache einiger in Tauricâ Cherſoneſo wohnendē Voͤlcker / welche er entwedeꝛ vor Saxë haͤlt / die zu Ca - roli M. Zeiten da hinein getrieben / oder auch vor Gothen / dievon langer zeit hero da ge - wohnet / welches letzte viel glaubwuͤrdiger iſt. Skinnerus, der die Etymologias recht im grunde anzugreiffē nicht gnug Erfahrung hat / uñ viel falſche hypotheſes ſetzet / eine nuͤtz - liche Arbeit aber hierin gethan / daß er den parallelismũ Occidentaliũ & Septentrionaliũ linguarum zuſammen getragen / haͤlt dieſes fuͤr eine geringe Sache / und vermeinet auch es ſey ein Teutſches Volck / welches von den alten Scythis in dieſen Winckelc 4hinein40Das II. Cap. Vom Alterthumhinein getrieben / wie die alten Britanni von den Saxen innerhalb Walliam und Cornubiam beſchloſſen. Er hat aber nicht in acht genommen / daß die Gleichheit mit der Teutſchen Sprache nicht allein bey die - ſem Ohrte bleibt / ſondern durch groſſe Laͤn - der in Aſia ſich erſtrecket: Denn es ſind nicht ungefehr ſo ſehr viel Teutſche Woͤrter in die Perſiſche Sprache kommen; da deñ inſonderheit zu mercken / daß die alten Perſiſchen Woͤrter / die von Curtio und andern Hiſtoricis beylaͤuffig eingefuͤhret und von Burtono unter dem Titul: Veteris Linguæ Perſicæ λείψανα zuſammen ge - ſamlet / faſt alle Teutſche ſein / welches zwar Burtonus nicht in Acht genommen / ſondern zum Theil Boxhornius in einem Brieff an Blancardum, und Blancardus ſelbſt in den Anmerckungen uͤber den Cur - tium angezeiget. Es bezeugt Sal - maſius in ſeinem Buch de Lingua Hel - leniſtica mit dieſen außdruͤcklichen Wor - ten: Perſica ſeu Parthica, quæ & ipſa au - tores originis habet Scythas infinitas præ -fert41der Teutſchen Sprache. fert voces, quæ eædem reperiuntur in Græ - ciâ pariter & Teutonicâ dialecto. Der ſel - be hat in der Vorrede uͤber Tabulæ Cebe - lis verſionem Arabicam von dem Elich - manno, der ſie in Lateiniſch uͤberſetzet / und die Perſiſche Sprache gruͤndlich verſtan - den / dieſes berichtet: Quod ad hoc ævi la - tuit plerosque eruditorum, ex eâdem origine compererat fluxiſſe Germanicam & Perſi - cam linguam, ad hanc illum conjectur am du - cente infinitâ vocum copiâ utrique lingua communium: ſed & verbis ſimiliter termi - natis, eodem modo compoſitis, aliisque argumentis. Wie koͤnte ein glaubwuͤrdiger Zeugnuß hievon abgeſtattet werden? Es hatte ſchon zuvor der gelahrte Mann Mi - chael Piccartus eine Oration geſchrieben: Daß die Teutſchen der Perſer Bruͤ - der ſeyn / welche Meinung Rupertus hat widerlegen wollen / aber es ſchreibt Ge - orgius Richter in ſeinen Brieffen p. 416. an jhn / daß dieſe Meinung nicht ſo gar zu verwerffen / des Scaligeri urthel jhm vor - haltend / welcher ſagte: cum ratione illosc 5in -42Das II. Cap. vom Alterthuminſanire qui ita ſentiunt, wie deſſen Worte hievon lauten: und hat Rupertus nach - gehends meines wiſſens nichts dawi - der geredet. Bochartus der ſonſt der Teut - ſchen Sprache nicht ſonderlich gewogen / uñ alles auff ſeine Carthaginenſer ziehet / muß dennoch dieſes bekennen in ſeinem Phaleg l. 1. c. 25. Perſicam linguam quod quidam Viri docti ſcribunt accedere ad Germanicam, in tantâ locorum intercape - dine nemo facile ſibi perſuadere ſinat: Ta - men rei probandæ tot exempla congerunt, ut ab invitis pene fidem extorqueant. Uber dieſe von uns angefuͤhrte Zeugniße gelehr - ter Leute und Exempel der Woͤrter / an - gemerckt beim Lipſio Cent. 3. ad Belgas Epiſt. 44. und Abrahamo Mylio de antiq. ling. Belg. cap. 11. koͤnnen wir auch beybringē den Joannem Gravium, der ſelbſt in den Mor - genlaͤndern ſich lange auffgehalten / und E - lementa linguæ Perſicæ herauß gegebē. Die - ſer da er von der Syntaxi der Perſi - ſchen Sprache handelt / erkennet er / daß ſie mit der Engliſchen / (als welche gleichfalsTeut -43der Teutſchen Sprache. Teutſcher Eigenſchafft iſt) hierin uͤberein komme. Deñ ſo ſpricht er pag. 89. In reli - quis partibus Orationis nulla Syntaxeos dif - ficultas eſt, neque ullam puto eſſe linguam inter Orientales, quæ paucioribus indigeat regulis, aut cum Europæis magis conſen - tiat. Plurima vocabula reperio exacte cum Anglicis eodem ſenſu & numero fere litera - rum congruentia. E pleniori meſſe ſpicile - gium cape. Setzet hier auff einige Engli - ſche den Perſiſchen gleiche Woͤrter / die ebenfals Teutſch ſein. Uber dieſen brin - get er etzliche herbey / welche von den La - teiniſchen ihren Uhrſprung haben ſollen. A - ber es ſind die meiſten davon Teutſche / wie imgleichen auch die jenige / welche der Herꝛ Olearius in ſeiner Perſianiſchen Reiſe lib. 5. c. 26. anfuͤhret / der wegen der Gleichheit mit den Teutſchen auch einerley Meinung hat. Man hat auch wie Martinus Martinius in ſeinē Atlanto Sinico meldet / ein Buch mit Gothiſche Buchſtaben geſchrieben in China gefundē / dem etwas von der H. Schrifft in Lateiniſcher Sprache beygefuͤgt geweſen:Vidi44Das II. Cap. vom AlterthumVidi, ſagt er / unà cum Sociis hîc apud li - teratum quendam volumem vetus, Gothi - cis characteribus diligentiſſimè fexaratum. Adhibita fuit papyriloco tenuiſſima mem - brana. Maxima Scripturæ Sacræ pars Lati - erat conſcripta. Tentavi librum ut con - ſequerer: at ejus Dominus tametſi gentilis, nec prece nec precio ullo adduci potuit, ut traderet, in ſua familia per multas jam ne - potum progenies tanquam rariſſimum quod - dam antiquitatis cimelium ad ſervatum illud adſerens, Es ſcheinet aber daß dieſes Buch nichts andeꝛs geweſen / als die Evangelia Go - thica, die auß dē Codice argenteo von Fran - ciſco Junio mit ſeinen Anmerckungen / und vor etlichē Jahren in Schweden heraußge - geben. Dieſe ſein vielleicht vor Alteꝛs von je - mand in China gebracht / und von einē Lieb - haber biß auff dieſe Zeit verwahret wordē: der ſelber dieſes Buchs Einhalt nicht ver - ſtandē. Man hat auch noch in andern Ori - entaliſchen Sprachen / in der Ægyptiſchen / Arabiſchē einige Woͤrter die Celtiſcher Her - kunfft zu ſeyn ſcheinen. Das Wort Barabey45der Teutſchen Sprache. bey den Ægyptern, iſt / was bey uns ei - ne Bahr / Siehe Kircherum in Obeliſc. Pamphil. lib. 5. p. 472. deſſen Prodromus Copt: viel ſolche gleichlautende Woͤrter hat. Geſnerus hat in ſeinem Mithridate auch dieſes Worts Bar gedacht. Man kan auch bey dem Diodoro Sicul. lib. 2. & Hero - doto lib. 2. Petro Victorio variar. lect. lib. 10. c. 9. von einer cymba funerali dieſes Nah - mens etwas leſen. Bey den Arabern iſt das Wort Hamel, welches arietem bedeu - tet / und das ſelbſt Teutſch iſt. Daher mei - net Kircherus in Oedip. Ægypt: Synt. 3. c. 6. komme des Jovis Ammonis Beynahme. Ja ſo gar in America finden ſich viel den Celtiſchen gleichlautende und bedeutende Woͤrter / wovon mit groſſem Fleiß gehan - delt hat Myliusde antiquitate Linguæ Belgicæ cap. 25. und in Additionibus ejus capitis; Welcher gaͤntzlich der Meinung iſt / daß vor Alters einige Colonien von den Cim - bris oder Scythis hineingekommen / weiſet auch an / auf was Weiſe ſolches habe geſche - hen koͤnnen.

Das46Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſch

Das III. Cap. Daß viel Griechiſche und La - teiniſche Woͤrter von den alten Teut - ſchen oder Scythiſchen herkom̃en

Einhalt. DIe Scythiſche eine Stam̃ſprache der Euro - paͤiſchen. Wird von Salmaſio und Box - hornio davor gehalten. Welche aber den rechten Grund wegen Unkunde der Teutſchen Spra - che nicht entdecken koͤnnen. Boxhornii Origines Gal - licæ. Abraham Mylius hat von dem Alterthum der Hollaͤndiſchen Sprache geſchrieben. Die Gloſſaria der Barbariſchen Woͤrter und andere Schrifften in den Nordiſchen Sprachen koͤnnen hiezu nuͤtzen. Kircheri falſcher Wahn von der Teutſchen Spra - che. In dem Mecklenburgiſchen / Pom̃erſchen / Weſt - phaͤliſchen ſein viel Stammwoͤrter verborgen. In der Tentſchen Sprache ſein keine frembde Woͤrter / als die mit Fortpflantzung der Religion und auß dem oͤffentlichen Gebrauch in Politiſchen Sa - chen hinein kommen ſeyn. Je aͤlter die Lateiniſchen Worter / je mehr ſein ſie den Teutſchen aͤhnlich. Bacrio, Becher / Spectile, Speck / Stega, Steg / Stritare, Striden / Plancæ, Plancken / ThrocumTrog /46[47]von dem TeutſchenTrog / Caulis, Kohl / Matta, Matte / Rumpus, Rump / ꝛc. Woͤrter die allerhand Geraͤhtſchafft bedeu - ten ſein aus der Celtiſchen in die Lateiniſche Sprach gekommen. Auß dieſen kan inſonderheit der Uhr - ſprung der Sprachen dargethan werden. Honos Hohn / Duo Zwo / Æs Eiſen / Equs, Eik. (vox Gothica) Kaf, (Gothica vox) profundum: Cavare Cavea, Scapha. &c. ςείρα ſteur / τέυχω Zeuch / Tuͤch. Varro, Feſtus und alle andere Etymologi fehlen ſehr in ihren Etymologiis. Auch die Fran - tzoſen in ihrer Sprache. Die ihre uhrſpruͤng - lich Teutſche Woͤrter / von den Griechiſchen oder Lateiniſchen herbringen wollen. Mericus Caſau - bonus wil die Engliſchen Woͤrter von dem Grie - chiſchen leiten. Worinn faſt alle fehlen: Skinnerus; Franc. Junius, Rigaltus, Meurſius, Vosſius, &c. Die Urſachen dieſes Fehlers / Aquilonius hat eini - ge Griechiſche und Lateiniſche Woͤrter von den Daͤniſchen hergefuͤhret. Meinet daß die Daͤni - ſche Sprache der Lateiniſchen mehr Woͤrter ge - geben als die Deutſche. Worinn er irret. Seine angefuͤhrte Exempel werden widerlegt. Grunni - re, Gruntzen / Hinnus, Hind / Rapere, raffen / Tolerare, dulden / Torrere, duͤrren / Irritare, anreitzen / komt nicht von ira, irrire oder ritus wie Vosſius meinet / ſondern von dem alten teut - ſchen Wort Ratu, Riote, Rit, irritatio, Er - na, ein altes teutſches Wort / davon das Lateini -ſche48Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchſche ira, bedeutet eben daſſelbe. Olai Wormii Buch de literatura Runicâ. Edda Islandorum Re - ſenii. eine aͤltere Edda in Schweden vorhanden. Die alten Gothiſchen Schrifften / die in Schweden herauß gegeben worden. Collegium Antiquitatum und Profesſio linguarum Septentrionalium auff der Upſaliſchen Academia angeſtellt / gereicht der Schwediſchen Nation zu groſſem Ruhm. Codex argenteus der Gothiſchen Evangelien.

DUrch dieſe ſo augēſcheinliche Gruͤn - de ſind die Vortreflichen Leute / Sal - maſius uñ Boxhornius endlich auf die Gedancken gekom̃en / daß ſie die alte Scythi - ſche vor eine Stammſprache der Europæi - ſchen gehalten. Es hat ihnen aber hieran gefehlet daß ſie keine vollkommene Wiſſen - ſchafft der alten Teutſchen / und deren Dia - lectorum, der Gothiſchen / Schwediſchen / Daͤniſchen und anderer gehabt; ohn wel - chem nichts fruchtbarlichs hierin kan ver - richtet werden. Boxhornius hat zwar ei - nen guten Verſuch gethan in ſeinen Origi - nibus linguæ Gallicæ: woſelbſt in der Vor - rede einige nuͤtzliche und ungemeine Dingedeß49von dem Teutſchen. deßhalben verhandelt werden: und vor - hin in einem Hollāndiſchen Buͤchlein von der Abgoͤttin Nehalennia. Aber es iſt zu be - klagen / daß er uͤber dieſem Werck geſtor - ben / und es nicht vollfuͤhren koͤnnen. Es hat auch ſchon vor Boxhornio, Abrahamus Mylius in ſeinem Buch de Linguæ Belgicæ Antiquitate eine gute Arbeit ſeiner Mut - ter Sprache zum beſten verrichtet. Es be - ſtehet nur das meiſte in Vergleichung der Teutſchen und frembden Woͤrter / womit Boxhornitis ſich gleichfals bemuͤhet / und iſt noch zur Zeit niemand / der was haupt - ſachlichs darin gethan.

Wer nun ſolches thun wolte / muͤſte theils die alte Griechiſche und Lateiniſche Woͤrter / die man in den Fragmentis noch - brig hat / auß den Gloſſariis hervor ſuchen / und darnebenſt gar genau die Uhralten Teutſchen Woͤrter / auß den alten Schrif - ten zuſammen leſen / die alte Gothiſche / Runiſche / Angelſaͤchſche / Cimbriſche / Frantzoͤſiſche / Spaniſche / die heutige Teut -dſche50Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchſche / und alle deren Dialectos, woran am meiſten gelegen; Hollaͤndiſche / Dāniſche / Schwediſche / Norwegiſche / etc. zum we - nigſten / ſo weit verſtehen / daß ihm die Woͤrter derſelben nicht unbekant. Kirche - rus in ſeinem Buch de Turri Babel. lib. 3. ſect. 3. c. 4. macht die Hollaͤndiſche / Engliſche und Weſtpfaͤliſche zu Toͤchter der Teut - ſchen / und meint daß die Teutſche Sprache deſto mehr verdorben ſey / je weiter ſie gen Norden ſich erſtrecket / worin er ſehr ir - ret. Denn es iſt das Gegenſpiel wahr / und ſeind die Stam̄woͤrter reiner und un - vermiſchter da zu finden. Es würde einer mit Verwunderung ſehen / wie eine Spra - che / ein Dialectus dem andern zu huͤlffe koͤmt / und wie viel Stammwoͤrter in dem alten Saͤchſiſchen / Cimbriſchen / Pom - merſchen / Weſtphaͤliſchen / Mecklenbur - giſchen etc. und inſonderheit in der alten Gothiſchen ſtecken; davon nicht allein viel Woͤrter in der Hochteutſchen unſtrei - tig hergeleitet / welches die Hochteutſchen ſelbſt nicht wiſſen; ſondern eine ſo groſſeMen -51von dem Teutſchen. Menge in der Griechiſchen und Latei - niſchen herſtammet. Denn daß die unſrige ſolche von den Griechen und Roͤ - mern geholet / kan nicht mit dem gering - ſten Schein der Warheit geſaget werden; und laufft wider des Dionyſii Halicarnaßæi, oben angefuͤhrtes Zeugnis. Es weren denn ſolche Woͤrter mit Einfuͤhrung der Chriſtlichen Religion, oder auß den ver - dorbenen Lateinſchen terminis, deren ſich die erſten teutſchen Keiſer in ihren oͤffent - lichen Schrifften gebrauchet / auff uns geleitet / davon ſo gar viel nicht zu finden ſeyn werden. Zu dem kan man ſolches an den Lateiniſchen Woͤrtern / die in Oſca, Volſca, Tuſca Lingua zu finden ge - weſen / ſelber ſehen: welche je aͤlter ſie ſeyn / je naͤher ſie dem Teutſchen kommen. Das Wort bacrio oder bacar, welches Feſtus nen - net genus vaſis longioris manubrii, quod alii trullam vocant (Trua oder Trulla iſt eben ſo wol das Teutſche Truhe) iſt unſer Teutſches Wort Becher / Bacher / oder Beker: und gleichwolleitet Voſſius das Lateiniſched 2von52Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchvon Bacho, aber οὑ πρὸς διώνυσυν, und das Hol - laͤndiſche beker von dieſem bacrio. Was iſt das Wort ſpectile bey dem Plauto, wel - ches Feſtus ſuillum obſonium nennet / an - ders als unſer Teutſches Speck? nur daß ſie eine ſonderliche termination hinan ge - haͤnget / und dennoch wollen einige erleuch - tete Critici lieber von dem Lateiniſchen Wort ſpecio und ſpecto: quaſi ſcilicet ſpe - ctabile aliquid iit in illo obſonio, es her - fuͤhren / als von dem Teutſchen Speck: da doch ſpecio und ſpecto eben ſo wol von alter Teutſcher und Scythiſcher herkunfft ſein / davon aber jetzo nicht zu ſagen. Das Wort Stega bey dem Plauto iſt tabula - tum navis, in quo nautæ ambulant; Iſt nicht dis daß rechte Teutſche Wort Steg? Stritare wird bey den alten Lateinern von denſelben geſaget / qui æquali paſſu ire non poſſunt, ſed vel pede ſummo vel talo terram ſtringebant. Was iſt dis anders / als unſer Niederteutſches Wort Strie - den? Welches doch Laurenberg in ſeinem Antiquario von ſtringere, und Voſſiusvon53von dem Teutſchen. von tero und deſſen ſupino tritum abzie - het. Sind nicht Plancæ, quæ Feſto vocan - tur tabulæ planæ, was wir noch heutiges Tages Plancken heiſſen? Von welchen Chimentellus in ſeinem Buch de Honore Beſellii cap. 21. das Italiāniſche Panche oder Banche, eine Banck / abziehen wil / das doch eben ſo wol ein Teutſch Wort iſt. Was iſt das Wort Caulis ſo bey den Scriptori - bus rei ruſticæ gebraucht wird / anders als unſer Teutſches Wort Kohl? denn die Roͤmer haben das au als ein o auß - geredet. Es iſt auch das Griechi - ſche καυλὸς, welches eine gemeine Bedeu - tung hat / und pro virgâ cujuscunque plan - genommen wird. Mit dem Worte Throcum deſſen Feſtus gedencket / quaͤlet ſich Chimentellus im vorerwehnten Bu - che cap. 27. ſehr. Es iſt aber eine Art von Stuͤhlen geweſen / die man getragen / und haben wir in Teutſcher Sprach dieſem ein gleich lautend Wort Trog. Welches mit dieſem wol kan verglichen werden. Das Wort Matta, Storea oder teges,d 3welches54Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchwelches Ovid. l. 6. Faſtor. gebraucht / wird beym Martino vergeblich vom Hebrāiſchen abgefuͤhret / weil es ein rechtes Teutſches Wort / und in eben demſelben Verſtande genommen wird. Bey den ſequioribus Scriptoribus iſt es viel haͤuffiger zufinden / welche Savaro in Sid. Apol. lib. 1. Epiſt. 24. an - fuͤhret: nicht bey andern als nur bey Ovi - dio einmahl: dar auß man ſehen kan / daß ſolche Woͤrter ehe geweſen / aber als ge - meine und Plebeia nicht gebrauchet worden. Es ſeyn aber ſolche den andern im Alterthumb vorzuziehen. Das Wort Sicilices iſt unſer Teutſches Si - chel / davon das Griechiſche ζάγκλη: auch nicht gar ſehr entfernet. Man fin - det unter den Woͤrtern die allerley Ge - raͤthe bedeuten / uͤberauß viele / die Celti - ſcher Abkunfft ſein. Worauß man einen feſten Schluß machen kan / daß die Latei - niſche von dieſen hergekommen. Denn ſolche Woͤrter ſein ins gemein die aͤlteſten / und bleiben am laͤngſten unveraͤndert / weil keine Uhrſach iſt eine Neuerung dabeyvor -55von dem Teutſchen. vorzunehmen: wie bey denen / die in oͤf - fentlichen Reden gebrauchet werden. A - ber hievon kan allhie nicht geredet wer - den. Wenn ich auch die uͤblichen Woͤrter in der Lateiniſche Sprache anſehe / wie viel ſeyn derer die ohne Veraͤnderung Teutſch ſeyn? Iſt nicht honos und hohn gleich? Denn das Wort iſt bey den La - teinern mediæ ſignificationis, wie das Wort dolus. Honos malus iſt ſo viel als inju - ria. Siehe Gell lib. 12. c. 9. und Lauren - berg. in Antiquario. Duo und bey den Teut - ſchen two oder zwo / iſt ein Wort / und wie Gifanius in ſeinem Indice Lucretiano p. 333. bezeuget / hat mans vor dieſem im Lateiniſchen einſilbig außgeſprochen. Von den andern Zahlen kan dergleichen be - wieſen werden: In der alten Runiſchen Sprache iſt das Wort Eik; in der Lateini - ſchen Equus: welches daſſelbe bedeutet. In der Gothiſchen hat man ein Wort Kæf, be - deutet profundum. Wovon in dē Lateiniſchē viel Woͤrter abſpringen / Cavare, Cavea, das Teutſche Kafen / und das Griechi -d 4ſche56Das III. Cap Griechiſch und Lateiniſchſche σκάπτω excavo, das Lateiniſche Scapha. Das Teutſche Scap hat hiemit auch einige Gleichheit. Was iſt das Lateiniſche æs, vor dieſem æſis anders als das Teut - ſche Eiſen? Das Griechiſche τεύχω, Fa - bricor hat im Teutſchen das Wort Tuͤch / oder Zeug / σμύχω, incendo das Wort Schmock / ſchmoͤcken / ſchmaͤuchen. Στιίρα carina navis, wird von ςέῤῥος ſolidus hergefuͤhret / und wir haben im Teutſchen das Wort Steur / welches viel eigentlicher den Urſprung fuͤrbildet Rumpus, ein abge - riſſeneꝛ Zweig / Rump ein geſtuͤm̄elteꝛ Coͤr - per komt uͤbereins. Ichkoͤnte hie ein gantz Lexicon ſolcher Woͤrter ſchreiben / wenn es dieſes Ohrts were. Die jenigen die von dem Varrone und Feſto der ſelben Uhrſprung erlernen wollen / betriegen ſich ſehr / denn es hat niemand die Origines der Lateini - ſchen Sprache weniger verſtanden als eben ſie: wie ſolches faſt in allen Sprachen ſo zu - gehet / in welchen die Eingeborne die groͤbe - ſte Fehler begehen: dann es folget nie - mand hierin der Natur und der Ver -nunfft57von dem Teutſchen. nunfft nach / ſondern ſeinem eigenen Wahn. Die die Hebreiſche oder Griechi - ſche Sprache vor andern lieben / wollen hievon alles herholen / wie Bochartus alles von der Puniſchen. Die der frembden keine ſonderliche Kundſchafft haben / erdencken einige ſonderliche alluſiones und allite - rationes, und da iſt denn alles gut. So muß Venus von veniendo herkommen / Veſta wird deßhalben ſo genant quod vi ſuâ ſtet: welche derivationes eben ſo gut ſein / als wenn das Wort Biſchoff davon gemacht ſein ſoll / weil er bey den Schaffen iſt: Denn es iſt der Nahme und die Verehrung dieſer Goͤttin von den Barbaris zu den Roͤmern kommen / da - von allhie weiter nicht kan geredet werden; Iſt derohalben eine Thorheit das ἔτυμον der Woͤrter bey den Roͤmern zu ſuchen. Die Frantzoſen und Italiaͤner die heuti - ges Tages Etymologias ſchreiben / ſind mit dergleichen Irrthuͤmern angefuͤllet. Bovillus hat in ſeinem Buch de differentiæ vulgarium linguarum gar kindiſche Ein -d 5faͤl -58Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchfaͤlle von den Frantzoͤſiſchen Woͤrtern / den aber Wolffgangus Hungerus gruͤndlich widerlegt hat. Menagius, ſonſt ein vorneh - mer Philologus und Criticus, welchem Skin - nerus gemeinlich folgt / ein Blinder dem an - dern / holt ins gemein auß Griechenland oder auß Rom die Stammwoͤrter her / die er in Teutſchland ſuchen ſolte. Beza, Peri - onius, welche von der Gleichheit der Grie - chiſchen und Frantzoͤſiſchen Sprachen ge - ſchrieben / fehlen auch ſehr hierin. Joh. Henricus Ottius in ſeiner Franco-Gallia hat viel beſſere Nachricht geben. So hat auch Monoſinus in ſeinem Buch genant Flos Linguæ Italicæ, viel Italiaͤniſche Woͤrter von den Griechiſchen abgeleitet / die doch Teutſchland vor jhre Mutter erkennen. Mericus Caſaubonus in ſeiner Commenta - tione de Græcâ Linguâ, worin er die Gleich - heit der Engliſchen und Griechiſchen Sprache zeiget / iſt dennoch auch der Mei - nung / als wann dieſe Woͤrter von dem Griechiſchen herſtammen; und kan end - lich wolſeyn / wie vor dieſem die Griechenihre59von dem Teutſchen. ihre Colonias und Schiffe hin und wie - der geſchickt / (denn Jacobus Eyndius in ſeinem Chronico Zelandiæ cap. 9. auch erweiſen wil / daß die Griechen die See - laͤndiſche Kuſten beſegelt) daß einige von ihren Woͤrtern bekleben geblieben: Aber es iſt eine groͤſſere und viel gruͤnd - lichere uͤbereinſtimmung dieſer Spra - chen / als daß von ungefehr ſolches ſolte geſchehen ſeyn. Es iſt diß præjudicium ſo ſehr bey gelahrten Leuten eingewurtzelt / daß ſie faſt pro paradoxo halten / wann man der Teutſchen und der verwandten Sprachen Alterthumb uͤber die Griechi - ſche und Lateiniſche erhebet / und dieſe von jener ableitet. Skinnerus der ein Etymologicum der alten Engliſchen Woͤr - ter geſchrieben / und eine Vergleichung mit den andern verwandten Sprachen angeſtellet / hat zwar eine nuͤtzliche Ar - beit verrichtet / wie imgleichen Franciſcus Junius in ſeinem Gloſſario Gothico, wel - ches er den Gothiſchen Evangeliis zugefuͤ - get / und jetzo vermehrter in ſeinem ho -hen60Das III. Cap. Griechiſch und Lateinſchhen Alter herauß geben wil. Aber ſie lie - gen gleichfals an dieſer Seuche kranck / da ſie doch deſſen ſo klarſcheinende Zeugnuͤße vor Augen liegenhaben. Sehen wir den Nico - laum Rigaltium Johannem Meurſium in ſei - nen Vocibus Mixo Barbaris, den Voſſium de Vitiis ſermonis Latini, Ludovicum de la Cer - da in ſeinen adverſariis, Lindenbrogium, Gothofredum Wendelinum, Henricum Spelmannum, und endlich du Freſne in ih - ren Gloſſariis an: Man koͤnte viel hun - dert / ja tauſend ſolche Fehler mercken / und ein groſſes Buch davon zuſam̃en tragen / welches aus keiner andern Uhrſachen kom̄t / als daß ſie dieſer Sprachen Grund nicht recht begreiffen. Und iſt zu verwundern / daß da der Augenſchein ſelbſt ſie vor Barbariſche Woͤrter angibt / ſie dennoch lieber den Uhrſprung in der Ferne bey den Griechen / als bey den Teut - ſchen ſuchen. Bey ſo groſſer Menge der irrenden hat dennoch einer in Denne - marck der ſich Aquilonium nennet / in ei - nigen kleinen Buͤchlein die er de miſtioneGræ -61von dem Teutſchen. Græcæ & Latinæ cum Danicâ Linguâ geſchrie - ben / das Gegentheil darthun wollen / und die Woͤrter hervor geſuchet / die auß der Dāniſchen Sprache in die Lateini - ſche und Griechiſche gekommen ſeyn. Da - von er ſeine Gedancken daſelbſt eroͤffnet. Er haͤtte aber / wann er die andere Spra - chen zu Huͤlffe gezogen / ſeine Meinung viel gruͤndlicher und beſſer außfuͤhren koͤn - nen: ob er zwar meinet / daß die Dā - niſche Sprache einen ſonderlichen Vor - zug vor der Teutſchen habe / was die Gleichheit mit der Lateiniſchen betrifft. Die Woͤrter die er p. 46. einfuͤhret / zeugen vielmehr / daß er ſelber der Teutſchen Spra - che nicht recht kuͤndig geweſen / denn ich beweiſen wil / daß die meiſten Teutſche an - gemerckte Woͤrter / eine beſſere Gleichheit mit der Lateiniſchen haben / als die Daͤni - ſchen; Und muß hierinnen nicht die Hoch - teutſche / ſondern vielmehr die Nieder - teutſche Sprache zur Richtſchnur geſe - tzet werden. Jedoch haben wir in der Hochteutſchen Sprache ſo wol dasWort62Das III. Cap. Griechiſch und LateiniſchWort Gruntzen (Gruunire) als die Daͤ - nen das Wort grynte / davor er den Teutſchen das Wort Rucheln / (Roͤ - cheln wolt er ſagen) zuſchreibet. Das Wort Hind (Hinnus) iſt gleichfals bey uns / wie bey ihnen / nicht Rechhochs / ſolte vielleicht Rehbock ſeyn. Wir haben ſo wol das Wort raffen (rapere) als ſie ihr Rape: Denn hinnehmen iſt ein an - ders. Tole (Tolero) koͤnnen wir ſo wol durch dulden / als ertragen geben / wie imgleichen Toͤrre (Torreo) durch dür - ren: den Drogen / daß er davor ſetzet / iſt nicht Hochteutſch / ſondern truckenen auch wol trengen. Das Lateiniſche Wort irrito ziehet er von dem Daͤniſchen Wort Irre / davor die Teutſchen an - reitzen. Aber es trifft diß Teutſche viel beſ - ſer zum Ziel / weil es das Stamm-Wort in ſich hat / davon das Lateiniſche herkom - met. Denn ob wol Voſſius ſich ſehr mit dieſem Worte quālt / in dem ers bald von Ira, bald von irrire, quod de Canibus di - citur, bald von dem Griechiſchen ἐρέϑω, dasdoch63von dem Teutſchendoch gleichfals von dem Teutſchen entſproſ - ſen / und nicht von dem Griechiſchen〈…〉〈…〉 ρις, wie er wil: bald von rite und ritus herfuͤh - ret: ſo fehlt er dochſehr weit. Daß das Wort ritare gebrāuchlich geweſen / erſcheinet auß dem Worte poritare welches er aus proiri - tare meinet zuſam̄en gezogen zu ſeyn / darin er doch irret: Denn man lieſet in den alten MStis-inritare, welches eine Anzeigung iſt / daß das Wort von in und rito zuſam̄en ge - ſetzet: wiedann auch Daumius in ſeinem Buch de Cauſis amiſſarum radicum linguæ latinæ. c. 2. p. 14. unter die ungebraͤuchli - chen ſimplicia es ſetzet. Iſt es alſo das rechte Teutſche Wort anreitzen / wie wir es nach dem hochteutſchen Dialecto auß - ſprechen. Das ſimplex hievon findet ſich in den alten Teutſchen Wortern / welche Lipſius Cent. 3. ad Belgas epiſt. 44. zuſam - men geleſen hat. Ratodon. Irritaverunt: & Ratuot, Irritat & Garatot, concita - tus eſt & Ratunusſi. Irritatione Wobey. Somnerus in den von Merico Caſau - bono heraus gegebenen Anmerckungenſetzet64Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchſetzet. Huic affine eſt noſtrum Wrath iram iracundiam ſignans: Nuſſi autem eſt ter - minatio nominum ſubſtantivorum. Iſt nun alſo das rechte Stammwort Ra - tu, Irritatio: mit dieſem koͤmpt uͤberein das alte Fraͤnckiſche Wort Riote, Rit welches in einer alten Verſione Franco-Gallicâ der Bi - bel geleſen wird / wie Skinnerus bezeu - get. Es heißt aber diß Wort ſo viel als jurgium altercatio, Rioter, Riottare, Jur - gari, altercari; und iſt laͤcherlich daß Skin - nerus ſolches von dem Lateiniſchen Arietare herziehen wil. Sonſt haben wir auch das Teutſche Wort terren / tarren / targen / welches der Bedeut - ung nach einerley iſt. Wil hie nicht ſa - gen von dem alten Wort erre, welches in den Niederlaͤndiſchen Geſetzen gefunden wird: in erre moede wat doen, animo ira - to aliquid facere; Wovon das Lateiniſche Ira herzu kommen ſcheinet. Wir haben jetzo in dergleichen Dingen viel Huͤlffmit - tel / von den alten abgeſtorbenen Spra - che die jetzo wieder hervor geſuchet wer -den.65von dem Teutſchenden. Wormius hat die alte Runiſche Sprache in ſeiner literatura Runica, Faſtis und Monumentis Danicis wieder auß dem Grabe erwecket. Die Edda Islandorum, darinnen der alten Nordiſchen Voͤlcker ihre Theologia und Mythologia beſtanden / iſt von Petro Reſenio herauß gegeben. Es ſol aber eine vollſtaͤndiger Edda noch in Schweden vorhanden ſeyn / welche zu ſeiner Zeit auch ans Licht wird gebracht werden: in welcher groſſe Nachricht iſt von der Aſiatiſchen Voͤlcker Ankunfft in die Nordiſche Laͤnder / wovon auch Schef - ferus in Upſalia antiqua c. 7. kan nachgeſe - hen werden. Es kan auch trefflich zuſtat - ten kommen / daß man die alte Gothiſche Sprache und antiquitaͤten mit ſolchem groſſen Fleiß jetzo in Schweden her - vorſuchet: Zu welchem Ende dann zu groſſem Ruhm dieſer Nation ein ab - ſonderliches Collegium Antiquitatum und Profesſio Linguarum Septentrionalium auff der Upſaltſchen Academiâ angeſtellet / und bereits eine zimbliche Anzahl ſolcher al -eter66Das III. Cap. Griechiſch und Lateiniſchter Schrifften mit gelahrten Anmerckun - gen / von Olao Verelio, wie auch andere hiezu dienende Buͤcher von Loccenio, Schef - fero, Rudbeckio hervor gegeben. Wor - unter vor allen andern zu ſetzen iſt der ſo genandte Codex argenteus Evangeliorum Gothicorum, welcher nach dem er einmahl auß der Koͤniglichen Schwediſchen Biblio - thec verlohren geweſen / vor eine groſſe Summa Geldes / von dem Herrn Reichs Cantzler de la Garde wieder herbey ge - ſchaffet / und erſtlich von Franciſco Junio, hernach in Schweden außgegeben wor - den iſt. Darinnen man bißweilen un - terſchiedliche Wurtzeln merckt / davon Griechiſche und Lateiniſche Woͤrter her - ſtammen: welches auch von denen Auto - ribus ſelbſten / die ſie herauß gegeben / nicht beobachtet worden.

Das67von dem Teutſchen

Das IV. Cap. Von den Gruͤnden der Ab - leitung in Woͤrtern / und zwar von dem erſten: daß eine einfaͤltige grobe Spra - che der kuͤnſtlichen den Anfang gegeben.

Einhalt. GRiechiſche und Lateiniſche Stammwoͤrter auß dem alten Scythiſchen. Es koͤnnen in der Etymologia richtige principia gegeben wer - den. Je einfaͤltiger die Sprache / je lauterer und aͤl - ter iſt ſie. Die alte Lingua Pelasga, hat der neuen Griechiſchen / und die alte Oſca, Tuſca, &c. der neuen Lateiniſchen den Urſprung gegeben. Thuſci dem Nahmen und der Außrede nach Teutſcher Art und Abkunfft. Joſephi Scaligeri Urtheil hievon. In Toſcanien ſein die aͤlteſten Staͤdte. Die plebeia Lingua Latina iſt von der zierlichen allezeit unter - ſchieden geweſen: wie in allen Sprachen der Unterſcheid iſt. Exempel auß dem Inſtrumen - to plenariæ ſecuritatis, ſo zu Juſtiniani Zeiten ge - ſchrieben. Fragmentum Petronianum. Skinnerus verwirfft die Meinung / daß Griechiſche Woͤrter von Teutſchen und Scythiſchen herkommen. Hat einen falſchen Grund. Die Griechen ſeyn ſelbſt wider jhn /e 2welche68Das IV. Cap. Von den Gruͤndenwelche geſtehen / daß jhre Sprache von den Barbaris herruͤhre. Treffliche Zeugniſſe auß den Jamblicho, Clemente Alexandrino, daß die Griechen durch jhre Leichtſinnigkeit und Kuͤnſteley mehr verdorben als verbeſſert. Anacharſis ein Scythiſcher Philoſophus wirfft den Griechen ſelbſt jhren Scythiſmum vor. Skinnerus hat keinen Unterſcheid gemacht un - ter die wachſende und vollkommene Sprache. Seine angefuͤhrte Gleichnuſſen koͤnnen wider jhn ſelbſt ge - braucht werden.

SO iſt dann nun dieſes meine gaͤntz - liche Meinung / die nicht ohne guten gruͤnden von den trefflichen Leuten Salmaſio und Boxhornio aufgebracht / wie - wol ſie dieſelbe nicht außgefuͤhrt / daß die alte Scythiſche die rechte Hauptquelle der Europeiſchē Sprachen ſey / auß welcher die alte Teutſche und Gothiſche zu erſt ent - ſprungen: wo ſie nicht faſt eben dieſel - be geweſen / und der Griechiſchen und La - teiniſchen zum Theil ihre Stammwoͤrter gegeben / welches zu beweiſen keine ſo groſſe Muͤhe erfordern wuͤrde. Wundert mich nur das gelehrte Leute nicht ehe auf dieſe Gedancken gerahten / und ſo viel ſel -tzam69in Ableitung der Woͤrtertzame thoͤrichte alluſiones an ſtatt gruͤndli - cher Etymologien angenommen / deren nichtigkeit ſich ſelbſt zu Tage leget / und Anlaß gegeben / daß viel gelehrte Leute alle Etymologias, als ein ungewiſſes Ding / und die auff keinen Vernunfftſchluͤſſen ge - gruͤndet zu verwerffen. Da doch ſo rich - tige principia darin koͤnnen geſetzet wer - den / auß welchen die Ableitung der Woͤrter folget: wie etwa è corporibus ſimplicibus & elementis die miſta entſte - hen / und findet faſt eine demonſtratio auch allhie ſtaat / jedoch ſo viel die Natur und Beſchaffenheit der Dinge zugiebt. Erſt - lich iſt dieſes fuͤr einen feſten Grund zu - ſetzen / daß je einfaͤltiger und groͤber eine Sprache / deſto aͤlter und unge - miſchter ſie ſey / und denen andern vorgehe. Will man nun die Stamm - woͤrter einer jetzo außgearbeiteten Spra - che ſuchen / ſo muß man nicht zu einer gehen / die in gleicher Vollkommen - heit iſt / ſondern man muß auf dem Lander unter den Bauren / an Oertern / dae 3nie -70Das IV. Cap. Von den Gruͤndenniemahls Frembde hingekommen / dieſel - be ſuchen. Denn es iſt mit den Sprachen wie mit den Voͤlckern bewandt / welche erſt roh und wilde / hernach mit der Zeit gebaͤndigt und außgeuͤbet werden. Wolte man nun die Stammwoͤrter der Griechi - ſchen Sprache haben / ſo muſte man was von der alten Linguâ Pelaſgâ noch uͤbrig hervorziehen. Die Lateiniſchen werden am beſten erforſchet in den alten fragmen - tis linguæ Oſcæ, Thuſcæ, inſonderheit dieſer / denn dieſe Voͤlcker auch faſt dem Nahmen nach ihren Uhrſprung aus Teut - ſchland zu haben ſcheinen: Wie dañ auch faſt der accent, den ſie in der Außrede fuͤh - ren / ſolches außweiſet / I. C. Scaliger auch in ſeiner Oratione de verbo ineptus angemerckt / wenn er ſpricht: Leniſſime pronunciat magna Italiæ pars, craſſiſſimè pene Univerſa Germania. At Thuſci qui Ar - num circumcolunt pene Germanicos illos ſpiritus ſuperant. Zu dem ſein daſelbſt Staͤd - te die aͤlter als Rom ſein / wie Ioſeph. Scaliger in den Excerpt. die die Fratres Pu -teani71in Ableitung der Woͤrter. teani herauß gegeben / bezeuget: In Italiâ ſunt multæ urbes antiquiores Româ: in To - ſcaniâ antiquiſſimæ. Es bilde ihm auch nie - mand ein / daß man in Italien auch zu Cice - ronis zeiten durchgehends auff dem Lande und bey Bauren / ſolche Sprache / wie er in Rom / gefuͤhret. Es eroͤrtert dieſe Frage: an vulgus & literati eodem modo & idio - mate Romæ locuti ſint Leonardus Aretinus libr. 6. Epiſt. p. m. 273. wieder den Flavium Forolivienſen, der anderer Meinung war / und beweiſet mit etlichen Exempeln: quod Latina lingua à vulgari differat terminatione, inflexione, ſignificatione, conſtructione, & accentu. Von des gemeinen Poͤbels art zu reden uhrtheilet er alſo. Non ad pi - ſtores tantum & laniſtas, ſed multò magis ad eos, qui in Reip. gubernatione verſaban - tur, & quorum intererat, quid populus decerneret, Orator loquebatur. Præſtan - tes igitur homines Oratorem latinè lite - ratèque concionantem, præclarè intellige - bant, piſtores verò & laniſtæ & hujus - modi turba ſic intelligebant Oratoris verba,e 4ut72Das IV. Cap. Von den Gruͤndenut nunc intelligunt mißarum ſolennia. Und wie ſolte die Lateiniſche Sprache hierin ei - nen Vorzug vor andernhaben? Denn faſt keine Sprache iſt / die nicht ſolchen unter - ſcheid hātte. In der Italiāniſchen / Fran - tzoͤſiſchen hat man eben ſo wol die ſo ge - nandte Ruſticam, und Romanam / da - von der Name der Romances herkom̃t / vor - mahls gehabt: und iſt ja bekant / wie heuti - ges Tages faſt in allen Oehrtern und Laͤndern eine doppele Sprache / eine wil - de und rohe / und eine zierliche und hoͤf - liche geredet werde. Es zeigt zum Theil das Inſtrumentum plenariæ ſecuritatis wel - ches zu Juſtiniani Zeiten geſchrieben / und Anno 1641. von Gabriele Naudeo auß der Bi - bliothec des Cardinalis â Balneo (der die Abſchrifft aus der Koͤniglichen Bibliothec in Franckreich bekommen) herauß ge - geben. Worinnen ſo viel frembde und ſeltzame arten zu reden / confuſiones caſuum wider die Regeln der Grammatic, ſo viel Teutſche Woͤrter von allerhand Hauß - geraht als Butta, Butticella, Sarica, ran -cilio73in Ableitung der Woͤrter. cilio, ſcotella, zu finden; daß man gnug darauß ſehen kan / wie bey dem ge - meinen Mann damahls eine gantz ande - re Art zu reden geweſen: weßwegen ich auch das vielen ſo verdaͤchtige Fragmen - tum Petronianum nicht gāntzlich verwerf - fen will. Je mehr man nun die ālteſte monumenta, und die von der Kunſt nicht außgearbeitet ſein / durchſuchet; je mehr wird man die Gleichheit der Teutſchen und Lateiniſchen Sprache finden. Hiebey kan ich mich nicht gnug verwundern / wie Skin - nerus in der mehrmahls erwehnten Vor - rede ſeines Lexici Etymologici, ſo gar wie - der alle Vernunfft dieſe Meinung tadele / daß von dem Teutſchen einige Griechi - ſche Woͤrter herſtam̃en / und ſie ſo gar hoͤ - niſch und mit ſchāndlichen Schmaͤhwor - ten auff die Teutſche Nation, durchziehe. Quid enim, ſagt er / à communi humani generis uſu & ratione ipsâ luculentius ab - horret, quam gentem omnium cultiſſi - mam eoque nomine ſuperbientem, popu - lorum cœterorum etiam mitiorum & hu -e 5manio -74Das IV. Cap. Von den Gruͤnden. maniorum, Perſarum ſc. Syrorum & Æ - gyptiorum contemptorem, è gentibus totius terrarum orbis immaniſſimis ſordi - diſſimis & plus quam barbaris (ein ſchoͤ - ner Lobſpruch vor die Teutſchen!) voca - bula & idiotismos avidè haurire, & tan - quam gemmas è ſterquilinio ſuo ſermoni inſuere. Wol getroffen! ein trefli - cher Schluß! Eben diß iſt die Uhrſach warum die alten Teutſchen nicht von den Griechen / ſondern dieſe vielmehr von jenen ihrer Woͤrter Uhrſprung haben: Weiln eine außgeputzte Sprache juͤnger iſt / als eine rauhe und unbeſchnittene. Will dann Skinnerus mehr wiſſen als die Griechen ſelbſt? welche auffrichtig beken - nen / daß die ālteſten Einwohner ihres Landes eine barbariſche Sprache gere - det / die Buchſtaben von den Barbaris bekommen / wie im vorigen erwehnet. Haben ſie nicht ihre Weißheit von den Barbaris erſt geholet? Es leſe einer nur den Joſephum contra Appionem, da wird er weitlaͤufftig ſehen / daß die Griechennichts75in Ableitung der Woͤrter. nichts von ihnen ſelber haben / und daß alles ihrige / Stādte / Kuͤnſte und Schrif - ten / nur von geſtern her / und ſie alle - zeit Kinder und Juͤnglinge geweſen. Was ſie von Scythis, Thracibus uñ andern erler - net / haben ſie vor ihre eigene Erfindung außgegeben. Die was ſonderliches haben lernen wollen / ſind bey den Barbaris in die Schul gegangen / wie beim Diodoro lib. 3. c. 6. zu leſen. Clemens Alexandrinus lib. 1. Stromatum ſaget / daß die ālteſten Philoſophi in Griechenland entweder ſelbſt Barbari geweſen / oder von den Barbaris unterwieſen. Pythagoras ſelbſt iſt bey den Gallis, oder Celtis in die Schule gegan - gen. Von dieſen Barbaris haben die Grie - chen das ihrige erlernet / und nur uͤber - hin gefaſſet. Denn ſo redet von ihnen Jamblichus, der ſie von auſſen und innen beſchreibet: Græci naturâ rerum novarum ſtudioſi ſunt & præcipites uſquequaque fe - runtur, inſtar navis ſaburrâ carentis nullam habentis ſtabilitatem. Neque conſervant, quod ab aliis acceperunt, & hoccito76Das IV. Cap. Von den Gruͤndencito dimittunt, & omnia propter inſtabi - litatem, novæque inventionis elocutionem transformare ſolent. Er ſagt ferner / wie die Barbari ernſthafftig und beſtāndig in ihrem Weſen und Reden ſeyn / und wie die Barbariſche Woͤrter ſehr kuͤrtz ſeyn / und einen groſſen Nachdruck haben / und de - rohalben bequem zu Goͤttlichen Dingen zu gebrauchen: Die Griechen haͤtten ſie aber verdorben / die ſie mit ihrer Spra - che gemiſchet / oder mit frembden Woͤr - tern außdruͤcken wollen. Man kan auch hiebey nachleſen des Cœl. Rhodigin. Lect. Antiquar: lib. 16. c. 14. Der von uns oben angefuͤhrte Clemens Alexandrinus zeiget viel andere Griechiſche Autores, als Scamonem Mitylenæum, Theophraſtum Ereſium, Cydippum Mantinæum, Anti - phanem, Ariſtodemum, Ariſtotelem, Phi - loſtephanum, & Stratonem, die hier in - nen mit ihm uͤbereinſtimmen / und die Barbaros zu Lehrmeiſter der Griechen ma - chen / ſetzt auch folgende Worte darauff: Παρεϑήμην δἐ α᾿υτῶν ὀλίγα ε᾿ις σύςασιν τὴς παρὰβαρ -77in Ableitung der Woͤrter. βαρ〈…〉〈…〉 άροις ἑυρετικῆς καὰ βιωφελοῦς φύσεως, παῤ ὧν ἕλληνες τὰ ἐπιτηδεύματα ὠφέληνται. Ex his pauca adjeci ad confirmandam inventricem & vitæ utilem naturam, quæ fuit apud Bar - baros, à quibus in ſtudiis & rebus exercen - dis Græci acceperunt magnam utilitatem. Nach dieſem redet er ſehr merckwuͤrdig von der Sprache: Ει δέ τις την〈…〉〈…〉 φωνὴν Δ〈…〉〈…〉 αβάλλει τὴν βαρβάρον, ἐμοὶ δέ, φησιν Ανά - καρσις, ΠΑΝΤΕΣ〈…〉〈…〉 ΑΛΗΝΕΣ ΣΚΥΘ〈…〉〈…〉 ΖΟΥ - ΣΙΝ. Si quis autem vocem reprehendit Bar - baram: Mihi, autem, inquit, Anachar - ſis: OMNES GRÆCI SCYTHÆ SUNT. Was koͤnte herꝛlichers und ruͤhmlichers geſagt werden zu dem Lobe der ſo genand - ten Barbariſchen Sprache und Philoſophie, und zur Behauptung des Alterthumbs derſelben. Und dieſe ſeyn die Voͤlcker / welche uns Skinnerus ſo heß - lich abgemahlet. Es wird ferner weder vom Mylio (mit welchen er zu thun hat) noch von jemand anders geſaget / daß die Griechen dazumahl / wie ſie durch Wiſſenſchafft oder Tapfferkeit ſich undihre78Das VI. Cap. Von den Gruͤndenihre Sprache ſo vollkommen gemacht / ihre Woͤrter und idiotiſmos, erſtlich von den Teutſchen genommen. Der Zeug ihrer Sprache iſt vor vielen Jahren erſt - lich von den ihnen ſo genandten Barbaris, die doch Witzes und Verſtandes gnug ge - gehabt / entſtanden / welchem ſie von Jah - zu Jahren ihre eigene Form und Außbil - dung gegeben / und da ſie die Sprache zu der groſten Stuffe ihrer Vollkommen - heit gebracht / nicht mehr noͤthig gehabt von andern was zu entlehnen. Die Gleichnuͤſſen die Skinnerus hiebey fuͤget / ſeyn gleichfals laͤcherlich und ungereimt. Perinde hoc eſt, ſagt er / ac ſi Galli Braſi - liæ, aut noſtrates Virginiæ coloni agreſtium ſubditorum dialectum tanquam ſuavem & fœcundum affectantes, vocabula inde in ſermonis ornatum cooptarent. Imò quid abſurdius quam Aulicum, egregiè expoli - tum Ruſticum ineptum loquendi magiſtrum adſciſcere? Es iſt ein groſſer Unterſcheid wenn eine wol cultivirte Nation eine Bar - bariſche uͤbermeiſtert / die ſie darnach anſtatt79in Ableitung der Woͤrterſtatt der Knechte gebrauchet / von denen ſie ihr nichts vorſchreiben laͤſt; Und wañ ein rauhes Kriegesvolck ein anders gleich oder minder Barbariſches uͤberwindet; oder mit ihm viel zu handeln hat. Der Baur iſt ehe geweſen / ehe der wolbered - te Hoffmann / und wuͤrde dieſer keine Be - redſamkeit haben / wenn nicht die Bau - ren vor ihm geredet hātten / und die Spra - che machen helffen. Aber wir muͤſſen endlich von dieſem Umbſchweiff wieder auff den rechten Weg kommen / und zu unſerm Wercke ſchreiten.

Das V. Cap. Von dem andern Grunde der Ableitung: daß vielſylbige Woͤrter von Einſylbigen muͤſſen gezo - gen werden.

Einhalt. VIelſylbige Woͤrter von Einſylbigen; deſſen Grund in der Natur / und in Methodo diſci -pli -80Das V. Cap. Einſylbigeplinarum. Die Teutſche Sprache beſtehet von vie - len Monoſyllabis. Deren anzahl. Viel alte Lateini - ſche einſylbige Woͤrter. Dieſe ſind durch die termi - nationes mehr außgedehnet. Worauff die Zuſam̃enſe - tzung der Lateiniſchen Sprache / jhre pronuntiatio, und modulatio in Poëſi beruhet. Viel Teutſche Woͤrter in der Griechiſchen und Lateiniſchen / die Mylius angemercket. Deren eine weit groͤſſere An - zahl. Puteanus wird widerlegt. Der Etymolo - gorum ſeltzame Einfaͤlle: kommen auß dieſer Unwiſ - ſenheit. Varro hat etwas dennochgeſchen / Caroli du Freſne Zeugnuß. Ein groſſes iſt an den termi - nationibus gelegen. Worin die idea der gantzen Sprache verborgen. Man kan unter ihnen als Locis Communibus eine gantze Sprache ordnen. Meinung von dem Dictionaire General eines Frantzoͤſiſchen Autoris, und Hr. Bechers Compendio Lexico in La - teiniſcher Sprache. Franciſci Guieti ſonderlicher Anſchlag von der Ableitung der Griechiſchen Woͤr - ter è monoſyllabis.

DEr ander Grund in Ableitung der Woͤrter kan hierin geſetzt wer - den / daß man die Einſilbi - ge und von Conſonantibus gleichſahm zu - ſammen gepreßte Woͤrter aͤlter halte als andere / von welchen die vielſylbigen undWoll -81von Vielſylbigen. wollklingende herkommen / ob zwar in ge - wiſſen Fāllen dieſe Regul einige Exception leidet. Es iſt der Natur gemāß / daß von den leichtern und einfāltigen Din - gen / man zu den ſchwerern und unbe - kanten ſchreite / wie auch in den Wiſſen - ſchafften ſelbſt der Ariſtot. 5. Metaph. c. 1. dieſen Weg vorſchreibet. Nun iſt wol keine Sprache zufinden die mehr einſyl - bige Woͤrter hat als eben die Teutſche / ſo gar daß auch die Buchſtaben ſelbſt nichts als ihren einfāltigen natuͤrlichen Laut haben / welche derohalben Scrieckius von den Celten oder Teutſchen auff die Roͤ - mer meint gekommen zu ſein. Simon Stevinus rechnet 2170. Monoſyllaba in der Teutſchen Sprache / und hat hievon gar ſinnreich und vernunfftig Goropius Beca - bus l. 2. Hermathenæ philoſophiret / der billig hieruͤber nach zu leſen iſt. Bernardus à Malincrot in ſeiner Diſſertatione Philolo - gicâ de naturâ & uſu literarum c. 27 er - ſtrecket die Zahl uͤber dreytauſend. Man findet auch daß die Oſci viel monoſyllabafgebraucht82Das V. Cap. Einſylbigegebraucht / als Gau pro gaudio cœl pro - lo; do pro domo: dann die terminatio - nes ſind / wie die Sprachen beſſer außge - arbeitet / hinzu gekommen / und haben die Lateiner und Griechen mit zwiſchen ſchie - bung einiger Vocalium und hinwegneh - mung einiger Conſonantium den har ten Klang der Woͤrter etwas gemiltert / da - mit in der Außſprach und hernach in dem metro ſle gleichſam einen Abfall beke - men / und die lange und kurtze Sylben eine richtige Maſſe gegen einander hātten. Daher ſieht man / daß in den flexionibus, declinationibus und conjugationibus, die Arten der Endigungen ſo vielfaͤltig meh - rentheils zwey - und wol gar dreyſylbig / und mit mehr kurtzen als langen vocali - bus außgemeſſen ſein. Welches der gan - tzen Sprache einen ſonderlichen rythmum und numerum in der pronunciation und in dem Metro Poëtico veruhrſachet: Wor - nach zum theil die alte jetzo verlohrne Muſic und modulation der Oden ſich ge - richtet / da hingegen in der Teutſchenund83von Vielſylbigen. und faſt den meiſten Sprachen wegen der kurtzen ein - und zweiſylbigen Woͤrter / eine durchgehende gleichfoͤrmige Maaß / die aber mehr der Natur gemāß / in Acht genom̃en wird. Ich kōnte hie einige hun - dert Teutſcher und Niederteuttſcher Woͤr - ter herſetzen; welche eben dieſelbige ſein / die im Lateiniſchen und Griechiſchen ſich ſinden / nur daß ihre terminationes hin - angehānget. Abraham Mylius in ſeinem Buch de Antiquitate Linguæ Belgicæ hat allein 200. Hollaͤndiſche Woͤrter gezehlet die in der Lateiniſchen / und noch ſo viel die in der Griechiſchen ſich finden: er hat a - ber nur die jenigen genommen die ihm im erſten Anblick vorgekommen / und ge - ſtehet daß er noch eine viel groͤſſere An - zahl derſelben liefern koͤnne. Common - ſtrare tantum viam volui, ſagt er / eamque aliquatenus præire ad hanc jucundam ob - ſervationem, tantum quæ ſponte ocur - runt, non quæ quæſita ſunt, recenſui. Si vis ipſe te oblectare his floribus, tranſi le - xica, inprimis Græca, ab Alpha uſq; Omegaf 2pro -84Das V. Cap. Einſylbigepromitto plenos calathos rerum bellarum. Auch hat Kilianus in ſeinem Etymologico Belgico beylāuffig einige Vergleichunge der Woͤrter angeſtellet / wie imgleichen Sigismundus Gelenius in ſeinem Lexico Symphoniaco, Andreas Helvvigius in ei - nem ſonderlichen Buch / Hadrianus Junius Animad: l. 5. c. 6. ſolches von Teutſcher und Hochteutſcher Sprache dargethan. Es ſeyn aber beym Mylio nur die ken̄lichen und nur auß der Hollaͤndiſchen Spra - che allein angemerckt. Was koͤnte man nicht eine Menge von alten Teutſchen / Sāchſiſchen / Gothiſchen / Dāniſchen Woͤr - tern hinzuthun / darauff noch keiner je - mahls gedacht hat? Diß erforderte aber ein gantz vollſtāndiges Buch. Puteanus in ſeiner Oratione 6. die er de facilitate Græ - linguæ geſchrieben / hat weitlāufftig von den Griechiſchſcheinenden Woͤrtern in der Teutſchen und andern Sprachen gehan - delt / wodurch er der Griechiſchen Spra - che weiten Begriff und Außſtreckung dar - thun wil. Er iſt aber gāntzlich auff Irr -wegen85von Vielſylbigen. wegen / weñ er meinet durch dieſen Grund zu erweiſen / daß jemahls Griechen die Oerter bewohnet / oder ſie vor dieſem Griechiſch geredet hātten. In Germania, ſagt er / non vocabula tantum, ſed loca quamplurima nomenclaturam Græcam reddunt. Nos verò Belgæ qui vicini & affi - nes, utita dicam, Germanis ſumus, annon habuimus olim hanc linguam & reliquias hodiè retinemus? Dieſes ſagt Puteanus und zwar als ein Orator, welcher bißwei - len zu Behauptung ſeines Satzes / alles hervorſucht / was die Sache warſchein - lich machen kan. Es beweiſet aber die - ſes im Gegentheil vielmehr / daß die Grie - chen von unſerer Sprache den Grund ihrer Woͤrter empfangen / weil ja auch nicht durch einen Schein kan wahr ge - macht werden / daß wir von ihnen unſe - re Sprache haben / auch jemahls die ihrige geredet. Was die vorangeregte bekante Woͤrter anlanget / ſo muß man ſich ver - wundeꝛn / wann man die Etymologias Gram - maticorum hierüber anſiehet / daß ſie bißhe -f 3ro86Das V. Cap. Einſylbigero ſo blind geweſen / und ſo viel thoͤrichte al - luſiones auff die Bahn gebracht / da ſie dem Wege gefolget / darauff ſie Varro, Feſtus und Iſidorus, die doch ſelbſt blind gewe - ſen / geleitet. Varro hat zwar etwas hier - in geſehen / aber nicht außfuͤhren koͤnnen / welches ſeine Worte anzeigen l. 4. de L. L. Non omnis impoſitio verborum extat, quod vetuſtas quædam delevit, nec quæ extat ſine mendo omnis impoſita, nec quæ re - ctè eſt impoſita, certamanet. Multa enim verba literis commutatis ſunt interpolata. OMNIS ORIGO EST NOSTRÆ LIN - GUÆ E VERNACULIS VERBIS, & mul - ta verba aliud nunc oſtendunt, aliud autem ſignificabant. Ich erfreue mich auch / daß ich eben ſolche Gedancken bey dem Caro - lo du Freſne in der Vorrede ſeines Gloſ - ſarii gefunden / da er von den Lateiniſchen Etymologis dieſes Urtheil faͤllet: Qui apud Græcos & Latinos, ετυμολογικὴν tractarunt, ab ipſamet Græcâ vel Latinâ linguâ origina - tiones ſuas fere ſemper formarunt: tamet -ſi non87von Vielſylbigen. ſi non inficias ierim eas interdum ab ex - teris repetendas. Auch hat derſelbige Autor gerahten wider alle andere / daß man die Origines ihrer Woͤrter in der Teut - ſchen und Hollāndiſchen Sprache ſuchen ſolte. Aber er thut es ſelbſten nicht wegen der Unkunde in dieſer Sprache. Wann die Endungen hinweg genommen werden / ſo ſtehen die nackten Teutſchen Woͤrter da / zum oͤfftern ohne die geringſte Ende - rung / bißweilen / daß ein Vocalis in den andern verwechſelt / welches auch wol in derſelben Sprache geſchicht. Solche terminationes muͤſſen wol in acht genom - men werden / denn es hālt eine jegliche Sprache hierin ihre Richtſchnur / daß nach gewiſſen Bedeutungen / und nach dem modo conceptuum de rebus ſie eingerichtet werden: Wie ich dann davor halte / daß der Frantzoͤſiſche Autor von der Grammaire General & Raiſonnée, welcher ein Dictio - naire General außzugeben verheiſſen / und Herr Joachim Becher / welcher in ſei - nem Methodo Didactica ſich ruͤhmet / daßf 4er88Das V. Cap. Einſylbigeer alle Woͤrter der Lateiniſchen Sprache auff einen Bogen Papier gebracht / nach der Eintheilung dieſer Endigungen / die Gedancken gerichtet. Denn ſie ſeyn gleich - ſam die Characteres, dadurch die Beſchaf - fenheit der Woͤrter außgedruͤcket wird. In Lateiniſcher Sprache hat ſonſten ei - ner Jacobus Engelbrecht / nach Anlei - tung dieſer terminationum ein kleines Lexi - con geſchrieben. Daß nun auf dieſe richtige natuͤrliche Art die Woͤrter abzuleiten nie - mand bißhero gekommen / da ſo viel ver - ſtāndige Leute hievon geſchrieben / iſt bil - lig verwunderns wehrt. Es ſcheinet aber daß Franciſcus Guyetus ein vornehmer ge - lahrter Frantzoſe und Criticus, deſſen An - merckungen ūber des Terentii Comœdien der Herr Bœclerus heraußgegeben / in dieſer Sache auff dem rechten Wege gewe - ſen: Denn ſo ſchreibet Antonius Periander in Vitâ Fr. Guyeti: Origines potisſimum ſcrutabatur, ac Latinam novo & ignoto an - teà conſilio à Græcâ derivabat: in quâ etiam primitiva omnia, unde cœtera deduceren -tur99[89]von Vielſylbigentur vocabula, eſſe monoſyllaba contendebat. Hoc profundum ſtudii genus, cujus ante ipſum nemini in mentem venerat totam vi - ejus ætatem occupavit. Sed cum in con - ſortium hujus inventi neminem alium ad - mitteret & illius gloriam ſibi retinere, quam pluribus communem facere mallet, nulli copiam ejus fecit. Unde accidit ut poſt ex - ceſſum ipſius nihil aliud ex tanto labore, quam collectio vocabularum græcorum in - digeſta planè ac informis reperta fuerit: quæ viginti quinque cartaceis voluminibus comprehenſa, quamvis eleganti charactere ſcripta ſint, nullo tamen ordine diſpoſita, vix in unum colligi potuerunt: cum præſertim Autor nihil ſit præfatus, unde de inſtituti ſui ratione, uſu & arcanis, quæ tantopere premebat, conſtare poſſet. Es iſt zu be - klagen / daß dieſes Mannes Arbeit verloh - ren gegangen / welche aber dennoch ohne Beyhuͤlffe der Teutſchen Sprache unvoll - kommen geweſen were. Es iſt aber diß an ihm zu loben / daß er den falſchen Weg ge - ſehen / und einen richtigern erwehlen wol -f 5len.90Das V. Einſylbigelen. Von der Griechiſchen Sprache hat dieſes gleichfals angemercket Iſacus Vosſius in ſeinem gelahrten Buche de Poëmatum cantu & viribus rythm. pag. 44. daß ſie anfangs lauter monoſyllaba gehabt: Aſpe - ram (ſagt er) ſcabram & omnis dignitatis & elegantiæ expertem fuiſſe vel inde ſatis in - telligas, quod vix alia quam monoſyllaba priſcis temporibus habuit vocabula, ceu il - la nomina eſſent, ceu verba. Neſciebant inſuper ea in modos, tempora, perſonas, & caſus inflectere, denique quod in bar - baris poſtmodum riſere, idem hoc in ſuis agnovere majoribus. In nachfolgenden ſagt er ferner. Hinc factum, ut verba quæ prius erant monoſyllaba, fierent polyſyl - laba, eademque vox ab una ad ſex vel ſe - ptem nonnunquam excreſceret ſyllabas, manente quidem priori ſignificatione, ſed quaſi longi ſyrmatis appoſitione aliquam ſibiacquirens majeſtatem. Und dieſes iſt e - ben geweſen / was Franciſcus Guyetus geſe - hen / und iſt ſolches das warhafftige Kenn - zeichen / daß ſie eine neue / und von der altenBar -91von vielſylbigen. Barbariſchen oder Celtiſchen abgeleitete Sprache ſey.

Das VI. Cap. Von dem dritten Grunde der Ableitung / der Veraͤnderung der Buchſtaben.

Einhalt. VEraͤnderung der Buchſtabẽ. Gleichheit der Be - deutung. Einige Exempel. Gleichheit der Woͤr - ter iſt keine gewiſſe Anzeige der Ableitung. Die ſind in einer Sprache offtmal vo verſchiedener Bedeu - tungen. Exempel an dem Teutſchen Worte Mat. Bedeutet (1) Speiſe. mats, matſa, matibalg, mæt, mets, Matte / Wieſe / macta, matta, Matte / Matten / Mettwurſt / mattia, mattiarii, Maͤtzcher / mactare, mattar, maitan, ματτύα, μάζα, μάδδα, mactea, mattici, mactra. Mathmas / maithms, παξαμάδιον, Backmatt / Maiz, matha, maddik Mat bedeutet (2.) einen der muͤd und ſchwach iſt. Mattare, mattus, madidus, via matta, mattus, triſtis, matt / natt / Schachmatt. Critici handhaben die loca Autorumuͤbel. Schach, Rex, latro bey denTeu[t]-92Das VI. Cap. Von VeraͤndrungTeutſchen. Skinnerus tadelt hieruͤber unbillig den Spelmannum. Scacchum rapina, Sca hero, Schaͤcher. Mat bedeutet (3.) Socium, Collegam. Maca, gamaca, Maker / metan, Moͤten: Mat / bedeutet (4.) menſuram ein Maſſe / Meten / meti - ri, meet, mes, meſa, menſa. Die Gleichheit und Veraͤnderung der Woͤrter nach den Buchſta - ben. Skinnerus wird gelobet. Lexica Harmonica verſchiedener Autorum. Die Veraͤnderung iſt in Teutſcher / Italiaͤniſcher / Frantzoͤſiſcher Sprach klaͤr - lich zu ſehen. Exempel Frantzoͤſiſcher und Teutſcher Woͤrter. Petri Caſanovæ Origines Gallicæ. Die Hoff - ſprach in Franckreich iſt am meiſtẽ verdorben. Vocales werden am meiſten geaͤndert / nach der Gleichheit und nach der natuͤrlichen Neigung des Landes. Die Thiere ſelbſt haben einen angebohrnen Vocalem. Die Conſonantes werden auch auff die Art veraͤndert. Dieſe Veraͤnderung muß in eine Richtigket gebracht werden. Exempel auß der Frantzoͤſiſchen / Italiaͤ - niſchen / Spaniſchen Sprache. In dieſer letzten hat Bernardus Aldrete ſeinen Fleiß erwieſen. Gemeine Haupſaͤtze der Veraͤnderung in Buchſtaben. Deſ - ſen Exempel werden angefuͤhret.

WIr ſchreiten zum dritten Haupt - grunde / und iſt derſelbe daß man gar genau die Verānderung der Vocalium und Conſonantium in acht neh -me /93der Buchſtaben. me / woran ein groſſes in den Derivationi - bus der Woͤrter gelegen. Die allzu groſ - ſe Gleichheit iſt viel verdāchtiger / als wenn einiger Unterſcheid in den Woͤrtern iſt: Es were denn / daß eine Gleichheit der Be - deutung da ſey / welches die erſte und beſte Art der Etymologie iſt. So kan ein jeglicher ſehen / daß Puteus von Puͤt / vermis von Worm / vallum von Wall / discus von Diſch / murus von Muͤr / habeo von habe / Θϒ´Ρα von Thuͤr (da - her das Lateiniſche obturare) ΜΕΤὰ von Met oder Mit / ſcævus von Scheff / Α᾽ΙΣΧρὸς von Aiſch / Locus von Lock / hochteutſch Loch. (Denn das Griechi - ſche ΛόΧος, davon Vosſius es herleitet / iſt daſſelbe / und bedeutet einen Orth / von dem man jemand auff dem Wege auffpaſ - ſet / welches in der Teutſchen Sprache ein Loch / eine Hoͤle genandt wird: was Loci muliebres heiſſen iſt auch bekant.) ΠϒΡ - ϒος von Burg / porcus von Borg / im - buo von Buͤe / (Lixivium Procella) axis von Art / Senſus von Sinn / (welchesletzte94Das VI. Cap. Von Veraͤnderungletzte Skinnerus meint von den Lateinern auff die Teutſche gekommen zu ſeyn / als wañ dieſelbe nicht ehe ihre Sinne zu nen - nen gewuſt / oder dieſelbe gar gehabt hāt - ten / ehe die Roͤmer ſie es gelehret) und viel andere von dergleichen Woͤrtern herkommen. Die Gleichheit aber der Woͤrter / die im bloſſen Laut beſtehet / machet keine Verwandſchafft unter ſie / wodurch ſich doch bißweilen gelehrte Leute verfuͤhren laſſen. So finden ſich in einer eintzigen Sprache Woͤrter / die glei - ches Lautes / aber verſchieden von Be - deutung und Uhrſprung ſeyn. In der Teutſchen haben wir liegen / jacere, und mentiri, arm / pauper & brachium, wa - gen / currus & audere, küſſen / pulvinar & oſculari, Thor / ſtultus & porta Wand / paries & pannus, welche keine Gemein - ſchafft zuſammen haben. Man kan deſſen ein klārliches Exempel vor Augen ſtellen in dem Teutſchen oder vielmehr Nieder - teutſchen Worte Mat / welches ſo viel[ Bedeutungen] hat / die doch unter -nicht95der Buchſtaben. einander keine Gemeinſchafft haben / und nicht von einander herkommen. Erſtlich heiſſet Mat eine Speiſe / davon noch in dem Niederteutſchen viel Woͤrter zuſam - men geſetzet werden: Mattfatt / Mattkorff: in dem Dāniſchen iſt auch dis Wort / daher noch Gammelmad. In dem alten Gothiſchen iſt Mats, davon Matza veſci, und das Compoſitum Mati - balg, Pera, ein Speiſeſack / das bey den Daͤnen Madpoſe / welches vorkomt in den Gothiſchen Evangelien Marc. 6, 8 Luc. 9, 3. wie auch Nathamat, Abendmahl - zeit / Undauknimat, Mittagsmahl: In dem Engelſaͤchſiſchen iſt das Wort Mæt. In dem Engelſchen Meat, in dem Cambro - Britanniſchen Maeth, Nutrimentum. Indem alten Fraͤnckiſchen iſt Mets Ferculin. Hie - von iſt auch / daß das Graß Matt genen - net wird von den Bauren / weil es dem Vieh zur Speiſe dienet / und nennet man auch in dem Hochteutſchen / die Wieſen Matten / wovon endlich der Nahme der Decken kan entſtanden ſeyn / dieman96Das VI. Cap. Von Veraͤnderungman in Latein uñ Teutſcher Sprache alſo neñet / weil ſie von Schilff und dergleichen dingẽ / die auf den Wieſen wachſen / gemacht. Cato hat auch herbam adultam mactam ge - nennet. In Niederlaͤndiſcher und Fran - tzoͤſiſcher Sprache wird auch matte ge - nauvu was in der Milch kāſich iſt / weil es zur Speiſe gebraucht wird. Hievon komt auch das Wort Mettwurſt / in unſer Sprache. Es ſeyn auch die Inteſtina Matia genandt worden / davon Papias die - ſes: Mætia dicuntur inteſtina, quæ ſordes emittunt, unde Matiarii dicuntur, qui ea tractant ac vendunt. Sein unſere heutige Maͤtſcher die hievon den Nahmen koͤn - nen bekommen haben. Matia aber wer - den die Inteſtina genant / von der Speiſe die darinnen verdeuet iſt. Das Wort Maͤtſcher / kan auch von dem Wort Mat herkommen / als ab objecto, weil es eine Speiſe iſt: davon es hernach auch bey den Opffern / und von allem hin - richten gebrauchet. Und komt mir ſehr glāublich vor / daß das Wort Mactare, undbey97der Buchſtaben. bey den Italiaͤnern und Spaniern mattare, pro occidere hievon entſproſſen. Ob ich ſonſt wol weiß / daß die alten Grammatici andere Gedancken hievon haben / davon bey anderer Gelegenheit weitlaͤufftiger kan geredet werden: es were dann / daß man daſſelbe von dem Gothiſchen Worte maitan, conſcindere, præſecare herfuͤhren wolle. Bey den Griechen hat man auch dieſe Woͤrter ματτύα und μάζα, auch bey den Hebreern ſelbſt mazon und matſah, davon Athenæus Deipnoſ: lib. 4. & 15. Caſaubonus Animadverſ. in Athen. lib. 4. c. 13. zu ſehen iſt. Suidas bezeuget auch / daß die Megarenſer μάδδα vor μάζα geſagt. Bey den Lateinern iſt das Wort mattea, ma - ctea eben ſo wol gebrāuchlich. Sueton. in Ca - ligula c. 38. Multis venenatas Macteas miſit. Martialis gebraucht es auch libr. 10. Epigr. 59. und in dem 92. Epigr. libr. 13. leſen etliche In - ter quadrupedes mattya prima lepus. Beſie - he Turneb: adverſ. 22. c. 6. Mattici wer - den auch genandt die Vielfrāßige. Beym Ariſtophane heiſt μάττειν ſo viel alsgfreſ -98Das VI. Cap. Von Veraͤnderungfreſſen. Das Wort mactra, ein Gefaͤß / darin das Meel geknetet wird / iſt auch hievon buͤr - tig. Man hat auch das Græco-barbarum παξαμάδιον, bedeutet ſo viel als panem re - coctum, buccellatum, δίπυρον ἄρτον, Zwie - back / und daß es recht nach dem Wort gegeben werde Backmat / geba - cken Brodt. Denn daß Suidas es von ei - nem Paxamo, der von dieſem Brodt ge - ſchrieben / abfuͤhret / komt mir faſt eben ſo vor / als weñ die jenigen / die eines Volckes Uhrſprung erforſchen / einen Koͤnig deſſelben Nahmens ertichten: oder wenn die Naturkuͤndiger um eine natuͤrliche Beſchaffenheit zu erweiſen / ad qualitatem occultam ihre Zuflucht nehmen. Es iſt diß Wort ſo gemein faſt in allen Spra - chen / wie das Wort Mann / daß ich da - vor halte / es ſey eines von den Stam - woͤrtern der erſten Grundſprache: Und ſcheinet das Indiſche Maiz auch hievon ge - holet zu ſeyn. Ein altes Teutſches Wort mathmas / bedeutet die Geſchencke / die man Gāſtē und Freunden pflag zu ſchenken. Xenia99der BuchſtabenXenia nanten ſie die Lateiner / ohn Zweiffel darum / weil es aller hand Speiſen anfangs geweſen. Die Gothi nenneten es Maithms davon Junius in Gloſſario Gothico p. 242. kan geſehen werden. Das Gothiſche Wort Matha, das Teutſche Maddick / Made iſt auchhievon / bedeutet einen Wurm der vom freſſen den Nahmen hat / oder in der Speiſe gezeuget wird. Dieſes ſey von der erſten Bedeutung geſaget. Die ander iſt dieſe / wenn das Wort Matt ſo viel iſt. als muͤ - de / ſchwach / weich / muͤrbe. Daß ſolches in dieſer Bedeutung ein altes Lateiniſches Wort ſey / bezeuget Salmaſius in Flavii Vop. vitâ Proculi Tyranni davon auch das Wort mattare, welches ſo viel iſt / als do - mare, ſubigere & macerare; auff Teutſch abmatten / daher matto hernach bey den Italiaͤnern per Metaphoram einen Melan - coliſchen oder Narꝛen bedeutet. Iſidorus in Gloſſis: mattum eſt, humectum eſt, emol - litum, infectum. Es fuͤhret Salmaſius ei - nen Ort auß dem Cicerone ad Atticum lib. 16. epiſt. 12. an / woſelbſt in allen MStisg 2be -100Das VI. Cap. Von Veraͤnderungbeſtaͤndig geleſen wird / longulum ſanè iter, & via matta i. e. lutoſa andere leſen hie in - epta: auß welchem Exempel / und dem obi - gen des Martialis von dem Worte Mat - tya zu ſehen / wie bißweilen von den Criticis die loca autorum gehandhabet / und die guten alten den Teutſchen gleichlautende Woͤrter / als verdāchtige außgemuſtert werden / denen man Glauben geben wuͤrde; wann nicht die alten Gloſſaria dieſe Woͤrter erhalten hātten Es heiſt auch mattus ſo viel als triſtis bey den Lateinern / welches Turne - bus in ſeinen adverſariis auß einigen alten Gloſſis beweiſet / und wil Salmaſius von dem Griechiſchen μάττω pinſo, ſubigo, μακτὸς ſuba - ctus, emollitus herfuͤhren; Da es denn auff die erſte Bedeutung wieder verfallen wuͤr - de. Ichduͤrffte ſchier ſagen daß das Lateini - ſche madere und madidus hievon ſey / denn Mattus und madidus iſt wenig unterſchie - den: Es koͤnte auch einer das Teutſche Wort natt und dieſes matt vor eines halten / wie Salmaſius in Flavii Vopiſci Vitâ Divi Aureliani das Lateiniſche matta,wel -101der Buchſtaben. welches eine Decke bedeutet / und das Frantzoͤſiſche Natte vor eines haͤlt. Das Wort Schachmatt in dem Schach - ſpiel / koͤmt von eben dieſem Urſprung / wiewol es Menagius in ſeinen Originibus Gallicis von dem Perſiſchen Wort Scach, Rex und Mata, mortuus eſt herfuͤhret. Es iſt aber das Perſiſche Mata eben auch un - ſer Teutſches / und das alte Frantzoͤſi - ſche Matter, Emmattir, das alte Engliſche Amate, wovon Skinnerus zu ſehen / wie imgleichen das Wort Schach; welches her - nach bey den Teutſchen latronem bedeu - tet / weiln vor Alters die Rāuberey eine Handthierung groſſer Herrn geweſen / als wie das Wort Tyrannus in uͤblen Beruff gekommen. Ich muß hier beylāuffig er - wehnen / daß Skinnerus in voce Check-ma - te den Spelmannum uͤber dieſe Worte un - billig tadele: Vocem Schach (ſagt er) in hoc ſenſu (Latrocinii ſc. ) nec audiſſe nec legiſſe memini, nec hucuſque in ullo Di - ctionario occurrit: Worauß man ſehen kan / was von ſeinen Etymologiis zu hof -g 3ſen /102Das VI. Cap. Von Veraͤnderungfen / da er in ſo bekanten Dingen fehlet: Er haͤtte nur die leges Longobardorum lib. 2. tit. 55. l. 37. anſehen ſollen woſelbſt de furto & ſcacho gehandelt wird / welches letztere rapinam, latrocinium bedeutet. Bey den Otfrido lib. 2. Evangel. cap. 11. wird die Moͤrder-Grube genant icahero luage, und lib. 4. c. 27. 31. die mit Chriſto gecreu - tzigte Moͤrder Scahero. Lutherus nennet ſie gleichfals Schaͤcher. Hievon koͤmt auch noch das Niederlāndiſche Wort Ont - ſchaecken, entfuͤhren; von welchen Wor - ten kan geleſen werden Antonius Matthæi de Criminibus ad lib. 48. Dig. Tit. 4. cap. 4. §. 7. Zum drittē bedeutet das Wortes Mat in Niederteutſcher und Engliſcher Sprache ſo viel als ſocium, Collegam, es wird aber der Vocalis (a) etwas länger außgeſprochen. Franc. Junius fuͤhret es her von dem Grie - chiſchen με〈…〉〈…〉: aber dieſes iſt das Teutſche met oder mit. In der Engelſaͤchſiſchen iſt das Wort Maca, Gemaca Æqualis, Socius auch in dem Niederlaͤndiſchen das Wort Maecker / welches aber vor ein beſonders Wort halte /, und von die -ſem103der Buchſtaben. ſem Matunterſchieden. Skinnerus fuͤh - ret es von dem Engelſaͤchſiſchen Worte Metan, occurrere, convenire. Wovon noch das Niederlāndiſche gemoet: te gemoet komen / und in dem Nieder - ſaͤchſiſchen moͤten / bemoͤten / das iſt begegnen: welches ich dahin geſtellet ſeyn laſſe. Zum vierdten bedeutet das Wort Mat / menſuram. Von Meten / komt metior, und viel andere in der Lateini - ſchen Sprache / welches kuͤrtze halben je - tzo vorbey gehe. Es iſt auch das Wort Meet, aptus, idoneus, decorus (gleich als abgemeſſen) bey den Engellāndern die - ſem verwandt / auch das Gothiſche Wort Mes / das Engelſāchſiſche Meſa, patina, diſcus. Wovon das Lateiniſche Wort Meſa, und hernach Menſa gemacht / dañ es bezeugt Varro, daß das (N) zwi - ſchen geſchoben. Die Urſache dieſer Ab - leitung iſt leicht zu ſehen / weil nemlich eine gewiſſe Maaß / ſo wol an den Gefaͤſ - ſen / als an dem Tiſche in acht genommen. Aus dieſem eintzigen Wort iſt nun zu er -g 4ſehen104Das VI. Cap. Von Veraͤnderungehen / wie nicht die Gleichheit der Woͤrter allein muͤſſe angeſehen werden. Denn allhie viererley Hauptbedeutungen dieſes eintzigen Wortes ſeyn: Welche mit einander keine Gemeinſchafft haben. Und ob zwar durch einige Umbſchweif - fe dieſelben kōnten vereiniget werden / ſo iſt doch glaublicher / daß dieſe gleichlau - tende / doch verſchiedene Stammwoͤrter ſeyn Es kan auch kommen daß in fremb - den Sprachen bißweilen Woͤrter vorkom - men gleiches Lautes und Bedeutung bloß von ungefehr / darauß ſo fort nicht zu ſchlieſſen / es komme dieſes Volck oder dieſe Sprache von dem andern her. Wie dann dieſes ein ſehr ſchwacher Grund iſt / dar - auff Hornius zum Theil den Urſprung der Americaner bauet / in dem er von Phœni - cieꝛn / Scythen / Tuͤrcken / Tartern und an - dern Voͤlckern einige Woͤrter bey den A - mer icanern angemerckt / und darauß die Ankunfft von ihnen ſchlieſſen will. Iſt al - ſo auff Gleichheit nicht ſo ſehr zu ſehen / als auff die Verānderung die in den Woͤr -tern105der Buchſtaben. tern vorfāllt. Hier kan nun gar wol ei - ne gewiſſe Richtigkeit getroffen nnd feſte Regulen auß inſtaͤndiger Obſervation ge - zogen werden. Wie denn in der Lateini - ſchē Sprache die alten Grammatici, und am vollkom̃enſten Voſſius in ſeinem Tractat de permutatione literarum gethan / unddavon etwas zu ſchreiben verheiſſen hat Scheffe - rus in Upſalia antiqua c. 1. welches aber nicht ans Tages Licht gekommen. In den andern Sprachen hat eine nuͤtzliche Ar - beit in dieſem Stuͤcke verrichtet Skinnerus in Prolegominis Lexici ſui Etymologici: Worin er auß dem Parallelismo ſo vie - ler Dialectorum gar eigentlich und genau die Verānderungen auffgezeichnet. Die - ſe Gleichheit und Verānderung in den Woͤrtern recht zu erforſchen giebt Tho - mas Hayme in ſeinem Buch de cognatiane linguarum poſit. 9. den raht / daß man Lexi - ca Harmonica auß allen Sprachen machen ſolle / und haben auch ſolches Cruciger, Gelenius, Nirmutanus gethan. Aber esg 5klagen106Das VI. Cap. Von Veraͤnderungklagen die Autores ſelber uͤber deren Un - vollkommenheit / und ihrem Unvermoͤ - gen. Welches nicht zu verwundern / weil ſie keinen gewiſſen Reguln und Grūnden folgen / und mit vielen falſchen præjudici - is beladen. Es hat auch ein Engelānder Gulielmus Lamplugh eine ſolche Arbeit verfertiget / welche noch geſchrieben in Bibliothecâ Oxonienſi verwahret wird / und Thomas Hayne in vorerwehn - tem Buche p. 46. ſehr ruͤhmet. Wir haben in der eintzigen Teutſchen Spra - che dieſelbe von Zeiten zu Zeiten und in den Dialectis vor Augen / wie ſolte denn die - ſes nicht geſchehen / wañ von einem Volck auff das andere die Woͤrter verſetzet wer - den? Der vortrefliche Peireſcius (wie Gaſſendus in ſeinem Vitâ p. 196. erzeh - let. ) hat uͤber die ſo ſehr verānderte Nahmen der Fluͤſſe ſeine Gedancken / die doch ohnſtreitig von einander her - kommen / und wuͤnſchet daß Schrieckius und Becanus ihren Fleiß hierin ange - wandt hātten. Man ſehe nur die Nah -men /107der Buchſtaben. men Petrus, Joanns, Jacobus, &c. an / wie ſie in allen Sprachen umbgekehret und verwandelt werden. In der jetzigen Frantzoͤſiſchen Sprache haben wir ſo wol an denen Einheimiſchen / als von den Teut - ſchen entlehneten Woͤrtern vielfaͤltige Ex - empel. Daß ich von dieſen letzten etwas ſage / wer ſolte meinen / daß Eſcreviße (lorica) Krebs / Esquif, Schiff / Alesne Ale (ſubula) Boulevert, Bollwerck / (creiche, Krippe / Eſchevin, Schoͤpffe / (Genus Magiſtratus,) Feu, Feur / Gaule, Gabel / Lagette, Lade / Eſprevier, Sperber / Esſieu, Ax / an dem Wagen / Eltrieu, Stegreiff / Guiſe, Wiſe / Wei - ſe / Houſeaux, Hoſen / Querquois, Koͤ - cher / Quille, Kegel / Reſne, Rieme / Roſeau, Rohr / Sergeant, Scherge / chagrigner, grimmen / einerley Woͤrter weren? welches ein Teutſcher zwar ſehen kan / aber keine Frantzoſen / die viel thoͤ - richte Einfaͤlle von dem Uhrſprung der - ſelben haben / die deßhalben mit rech - te von Barth. Adverſarior, lib. 13. cap. 4. ge -108Das VI. Cap. Von Veraͤnderunggetadelt werden / welcher mehr derſelben an dem Ohrte anfuͤhret. Es iſt auch faſt nicht muͤglich daß ein Frantzoſe / der anderer Sprachen unkuͤndig iſt / hierin et - was gruͤndliches verrichten koͤnne / wie - wol Bernardus Medonius in Vita Petri Ca - ſanovæ, ſo er an den Nicolaum Heinſium geſchrieben / uns verſichern wil / daß dieſer gelehrte Mann ein vollſtāndiges Werck Originum Linguæ Gallicæ unterhanden gehabt / darin dieſelbe gruͤndlich außge - fuͤhret: auch Menagius in der Vorrede ſeiner Orginum es bezeuget / daß ihm ſol - ches nicht bekant geweſen / wolte ſonſten von ſeiner Arbeit abgeſtanden ſeyn / und dieſem den Vorzug gelaſſen haben. Ich glaͤube aber daß er / ob wol ſonſt ein ver - ſtaͤndiger Mann; auch hierinnen nicht gluͤcklicher als Menagius wuͤrde geweſen ſeyn. Es bezeuget Beſnier in dem vor - hin erwehntem Buche / von der Frantzoͤ - ſiſchen Sprache / daß das alte Frantzoͤ - ſiſche / welches noch geredet wird in der Provence, Languedoc und Picardie viel -weniger109der Buchſtaben. weniger veꝛdoꝛben / uñ von dem Urſprung entfernet / dann die Hoffſprache / weiche je mehr ſie außgeputzet / deſto mehr ſie von ih - rem Anfang abweichet / und durch die Ver - aͤnderung der Vocaliũ, harten conſonanten, pronunciation, uñ durch ſo viele Ableitunge der Bedeutunge ihr ſelber gantz unehnlich wird. Dieſes iſt nicht allein von dieſer Sprache / ſondeꝛn von allen wahr. Von der Lateiniſchen ſagt Quintilianus l. 9. Inſt. Orat. Si antiquum noſtro ſermonem compare - mus, pene quicquid jam loquimur figura eſt. Es folget aber dieſes hierauß / daß in den derivationibus man dieſen Weg wieder zu ruͤcke gehen muͤſſe / und die Veraͤn - derung von Zeiten zu Zeiten mercken. Welche nicht auff einmahl ſondern Stupffenweiſe geſchehen. In den Woͤr - tern iſt nichts veraͤnderlicher / als die Vo - cales, welche ob ſie zwar die Seele der - ſelben ſeyn / und ohne ſie nicht koͤnnen außgeſprochen werden / ſo bleiben ſie doch bey den Orientalibus als ein prin - cipium ideale, und worauff die Ver -nunfft110Das IV. Cap. Von Veraͤnderungnunfft ihre meiſte Wirckung hat / ſchier in den Gedancken beſchloſſen / und wer - den unter den Conſonantibus verſtan - den / weßhalben bey ihnen auch ohne ſonderliche Muͤhe / von Jugend auff die Woͤrter auff ſolche ahrt faſt fertiger geleſen werden / als wann bey uns die Vocales dazwiſchen geſetzet ſeyn. Nach dem nun ein Vocalis dem andern an dem laut nāher komt / oder einem jeglichen Volck nach ſeiner Landes arth / ein na - tuͤrlicher Ton / der aus der conforma - tione organorum, oder auß einem gehei - men principio impreſſionum mentalium herflieſſet / eingepflantzet iſt: So wer - den die Woͤrter nothwendig nicht allein in frembden Sprachen / ſondern auch in den Dialectis von einer Sprachen verāndert. Zumahlen / da die Vocales unter ſich keinen groͤſſern Unterſcheid ha - ben / als nachdem einer den Mund en - ger oder weiter auffthut. Ja es ſchei - net faſt / daß auch die Natur etwas deß - gleichen in die Unvernuͤnfftige Thieregele -111der Buchſtaben. geleget / und auff einen gewiſſen Voca - lem oder Diphthongum ihre Stimme gleichſam gegruͤndet ſey / welcher zum theil auch in den Woͤrtern zu finden / womit man ihre Stimme zu bezeichnen pflegt / auch in einem jeglichem Thiere dieſelbige auff einen Vocalem ſich gruͤn - dende Stim̃e nach gewiſſer außdruͤckung ihres Verlangẽs in verwandte Vocales ge - āndert werde. Ein Schwabe und Spani - er veraͤndern alles in ein a oder o, ein Hol - lander und Frantzoſe lieben die gelinde Vo - cales. Die Conſonantes werden auch in ein - ander verwandelt / nachdem ſie ihnen un - tereinander verwandt / oder von einem or - gano gebildet werden / und den Voͤlckern ſie angebohren ſeyn / wie denn eine jegliche Sprache ihre eigene Conſonan - tes hat / welche ſie vor allen andern be - liebet. Bey etlichen Voͤlckern / die auff den Wollaut viel geben / oder præcipi - tant in reden ſeyn / wird man eine groſſe irregularitaͤt in den Veraͤnderungen finden. Wie bey den Frantzoſen / wel -che112Das VI. Cap. Von Veraͤnderungche gantze Conſonantes wegwerffen / ver - ſetzen / von einander trennen / neue hinein ſchieben. Dieſe Verānderun - gen muͤſſen ſo viel moͤglich in eine Rich - tigkeit gebracht werden / welches end - lich wol geſchehen kan. Die Stuffen dieſer Verānderung koͤnnen nicht beſ - ſer in acht genommen werden / als in der heutigen Italiāniſchen / Spaniſchen und Frantzoͤſiſchen Sprache. Denn weil dieſelbe / zum theil aus dem Latei - niſchen entſproſſen / ſo ſiehet man wie die Vocales und Conſonantes ſich ver - wechſelt haben. In der Frantzoͤſi - ſchen und Italiāniſchen hat diß Mena - gius gewieſen. In Spaniſcher hat es mit ſonderlichem Fleiß außgefuͤhret Bernardus Aldrete Canonicus Cordubenſis, ein gelahrter Mann / von welchem Nicolaus Antonius in ſeiner Bibliotheca Hiſpanica diß ſonderliche angemercket / daß er ſeinem Bruder Joſepho ſo āhnlich gewe - ſen / daß ſie nicht als durch den Geruch haben koͤnnen von einander geſchiedenwer -113der Buchſtaben. den. Dieſer hat in ſeinem Buch dell ori - gen della Lengua Caſtellana lib. 2. faſt durch die 12. Capita weitlāufftig und mit Exem - peln die Verānderung in allen Buchſta - ben vorgeſtellet: Und dabey auch einige Regiſter von heutigen und alten Woͤrtern gegeben / welche auß dem Griechiſchen / La - teiniſchen und Arabiſchen ꝛc. in die Spa - niſche Sprache gekommen. Dabey aber viel zu erinnern / weil er die Celtiſchen Woͤr - ter von den rechten frembden / als der Teutſchen Sprach unerfahren nicht zu unterſcheiden gewuſt Es hat auch Chri - ſtianus Nirmutanus in ſeinem Dictionario Harmonico viel Reguln gegeben von Ver - ānderung der Woͤrter auß dem Griechi - ſchen in der Lateiniſchen / und auß dieſer in der Frantzoͤſiſchen und Italiāniſchen Sprache / und mehrentheils auß ihm Tho - mas Hayme in ſeinem Buch de cognation[e]Linguarum poſit 8. Es beſtehet dieſe Ver - ānderung der Buchſtaben in vier Stuͤcken: im Zuſatz / Abzug / Verſetzung / und Ver - wechſelung derſelben. Der Zuſatz iſt ent -hwerde114Das VI. Cap. Von Veraͤnderungweder im Anfang des Worts / wird von den Grammaticis genant Proſtheſis, in der Mitten deſſelben / iſt Epentheſis, am Ende / iſt Paragoge. Der Abzug im Anfang des Worts iſt Aphæreſis, in der Mitten iſt Ec - thlipſis, am Ende iſt Apocope. Es kommen auch in etlichen Woͤrtern viele derſelben zuſammen. Von jeglichen koͤnten viel Exempel beygebracht werden / wen es die - ſes Orths were. Nur etliche wenige anzufuͤhren / ſo ſeyn Exempla proſtheſeos dieſe. Than in der Gothiſchen Sprache cum, bey den Griechen ὅΤΑΝ. Got / gut / ἀΓΑΘὸς: koſt / ἀΚΟΣΤὴ. Sterr bey den Nie - derlāndern (Stella) ἀΣΤΗ`Ρ. Roͤthe /〈…〉〈…〉 ΡΕϒΘος Nahm / ὄΝΟΜα Riven / reiben τΡΙΒΕΙΝ. Kant (ein Niederlāndiſch Wort) bedeutet eine Spitze / ἄΚΑΝΘος ſpina. Raicken / reichen / reichan, (Goth. ) ὀΡΕΓΕΙΝ die Hand außrecken: wie / (Belg.) qVI. &c. Exempla Epentheſeos ſein: Art / ΑΡεΤὴ. Gems / ΚΕΜἀΣ oder wie es He - ſychius außſpricht ΚΕΜΜὰΣ (welches etli - che gar laͤcherlich von κειμάω herſuͤhren /da115der Buchſtaben. da es daſſelbe Teutſche Wort iſt) Hembd / ΙΜάΤιον. Kron / CoRONa. Kouten (Bel - gica vox) ΚΩΤΤίλλΕιΝ. Salben ΑΛειφΕΙΝ. Zur Paragoge gehoͤren faſt alle Griechiſche und Lateiniſche Woͤrter / ſo von den Cel - tiſchen gebildet / deren faſt kein eintziges iſt / dem ſie nicht eine ſonderliche termination angehenget. Zum Exempel ſind dieſe. das alte Scythiſche Wort A / Aa / wel - ches auch unter den von Lipſio angefuͤhr - tẽ Teutſchen iſt / bedeutet Waſſer / auch noch heutiges Tages bey den Schweden. Da - von iſt das Teutſche Wort Au / das Frantzoͤſiſche Eau, das Lateiniſche Acua, und hernach Aqua gemacht. Von dieſen kommen viel andere Woͤrter ſo wol im Teutſchen als Lateiniſchen her / Sal, al, Al - bis, Æl, Sau, (Fluvius Pannoniæ) Salm ahl, &c. wovon weitlaͤufftig Schefferus kan nachgeſehen werden / libr. de Upſaliâ antiq. cap. 1. So iſt das Scythiſche und Runi - ſche Wort Ay, Æf, davon ἀιὼν, Ævum, ewig. Da iſt bey den Teutſchen das Wort Beyl / bey den Griechen ΠΕΛεκὸς: Aar ARiſta[,]h 2UN116Das VI. Cap Von VeraͤnderungUnn (Goth. Aqua) UNda bey den Latei - nern / auch bey den Teutſchen iſt Unde ge - braͤuchlich. Welches im Lobwaſſer. Pſ. 51. noch gefunden wird / Loͤſch die auß mit deiner Gnaden Unden. Aphæreſis iſt in dieſen Woͤrtern Schwelle ΒΗΛὸς Saltz ἍΛΣ. Gans (Ganza beym Plinio) ANSer. Stiur / (Gothis Vitulus) Stier / Germanis, Tiur, Danis, TAURus. Gruß / RUdUS, Schnur / NURus, Schliem / Leem / LIMus, Schwerẽ / Gothicè, Svva - ran, Schwur / JURare. Haat / ἌΤη, Grau / RAVus color. (vide Laurenberg in Antiquario) Saman (Goth. ) tſamen / ἍΜΑ &c. Von der Ecthlipſi und Apocope ſein we - nig Exempel[:]weil den Celtiſchen Woͤrtern / die ohn dem kurtz und mebrentheils ein - ſylbig nicht viel kan abgenommen werden. Von der Verſetzung ſein mehr / uñ von der Verwechſelung die meiſten zu finden. Das Griechiſche Wort ἄνταρ, weches Heſychi - us hat / und einen Adler bedeutet / iſt das verſetzte Wort Arendt. Das Wort Terra, iſt das verſetzte Teutſche Wort Erd. Esſein117der Buchſtaben. ſein lauter thoͤrichte Einfālle / daß etliche das Wort von Terendo herfuͤhren: und iſt die Verſetzung keiner andern Urſach / als des Wollauts halber geſchehen: denn vor dem iſt das rechte Teutſche Wort erda bey den Lateinern im Gebrauch geweſen / wel - ches Scaliger noch in denen ſo genan - ten Primis Scaligeranis, die der Tanaquil Faber herauß gegeben p. 80. angezeichnet. Es hat aber ſo viel als Stercus bedeutet / da - von homerda, bucerda, mucerda, hominis, bovis, muris ſtercus genant werden. Die - ſes Wort iſtfaſt in allen Sprachen: earth, hertha, airta, aerde, Græcis ἔρα, He - bræis arez. In der alten Runiſchen Sprache iſt das Wort Ar, bedeutet an - nuum terræ proventum, daher das Lateini - ſche / arare, aratrum. Die Lateiner nen - nen einen Jagt-Hund Vertagum, welches Wort auß dem Niederlāndiſchen Veltrag - ge gemacht, per abjectionem τοῦ (l) & με - τάϑεσιν τοῦ (r) wie ſolches Vlitius in ſeinem Commentario ad Gratiani Cyneget: verſ. 203. weitlaͤufftig und mit vielen angefuͤhr -h 3ten118Das VI. Cap. Von Veraͤnderungten Zeugniſſen beweiſet. Denn Ragge, bedeutet einen Hund / und iſt das Wort Veltraus noch in Legibus Burgundionum zu findē So iſt auch das Wort sTER Cus das Teutſche Dreck per μέταϑεσιν. ΦΙΛὸς, Lief / DORMire Dromen uñ andere mehr. Die Verwechſelung der Buchſtaben iſt man - nigfaltig / in vocalibus, diphthongis, und conſonantibus, wovon einige abſonder - liche Reguln muͤſſen in Acht genommen werden / von welchen zu handeln hie viel zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde. Zum Exem - pelſein dieſe: HORTus, Gart / Jord / HE - STERNus, Geſtern / HOSTis, Gaſt / HOEDus, Geit / Hoͤcken / denn die ad - ſpirationes werden leicht alſo verwandelt / wie Aagardus in ſeinem Buch de diagam - ma vielfaͤltig erwieſen. GRANum, Korn / Karn / Kern / FLOS, bloͤſſen / FLAre, blaſen / CURRus, Karn. mitzdo (Gothi - ) μισϑὸς, merces. APER, Eber / PORCus, Borg / ϓΣ, Sus, Su / Sau / MA - CER, mager / ΚίΧΛΗ, (Turdus) Kuͤch - lein. PISCis, Fiſch / Fiſk (thoͤricht iſtwann119der Buchſtaben. wann die Grammatici das Wort von pa - ſcere, oder πἰειν herführen) NATRix, Na - dr / Natter / Adder. MEL, Melith (Gothic.) ΒΡΑΣΚω, Braſſe / ΒΡΩΤὸν, Brot / ΣΑΤΤω, ſaͤtrige / ΒΟΡὰ Foder Voer / JUS, Jüch / PIRus, Birn / Belgis pir, (Voſſius wil es von dem Grichi - ſchen πῦρ herfuͤhren) RAPa, Kuͤbe / Belg, rape. POMus Boom / (dann wie das Wort Pomum allerley Fruͤchte bedeutet / ſo kan auch Pomus allerley Baͤume be - deutet haben / wie bey den Griechen ΔΡϒΣ eine Eiche / bey den Gothis Trui, bey den Engellaͤndern Tree einen jeglichen Baum bedeutet.) NUX, Nutt Nuß (von welchem Woꝛt Varro ſeltzame Traͤume hat) GRAmen, Graß / Groͤen to grew / (An - glis) iſt eines mit dem Lateiniſchen creſcere. ΛΕΓω λεγομαι, (cubare facio, cubo. ) ick leg - ge / ligge. Wovon viel andere Woͤrter λαγρὸς, λαγρὸν, lager / λέκτρον, lectus, λο - γεῖον, Logies, Loggi. λήγειν, (ceſſare) ſich legen. λέγαι γυναῖκες Archilocho, mulieres libidinoſæ, (een leeg Wyf) ΛΕΓω (dico) h 4ick120Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenick leege / λόγοι, luͤgen loͤgens (Belg.) SCUTum, een Skuͤtt / beſkuͤtten / ORIri, ORigo, Ur / Urſprunck / Lux, lys (Suec,) Licht / Cambro-Britanni, Llug. An - gli Luk videre, FRIgus, Frieſt / (Dan.) frieren / ΝΤΞ, ΝΤΧΘη. Nox, Nacht / neight / (Angl.) und viel andere in groſſer Menge / davon alhie weitlaͤufftiger nicht kan geredet werden. Esſeyn viel abſonder - liche Reguln / wegen dieſer Veraͤnderung: aber wir wollen die vollſtaͤndige und gruͤndliche Außfuͤhrung dieſer Sachen auff eine bequemere Gelegenheit verſparẽ.

Das VII. Cap. Gleichheit der Griechiſchen uñ Lateiniſchen Woͤrter mit den Teutſchen / wird mit dem Exempel der Benennungen erwieſen / die von dem Menſchen und deſſen Thei - len genommen.

Einhalt. DIe Gleichheit der Griechiſchen und Lateini - ſchen mit den Teutſchen Woͤrtern wird alszum121und Lateiniſchen mit den Teutſchen. zum Exempel an dem Menſchen und den Be[n]ennun - gen ſeiner Glieder gezeigt. Homo iſt nicht von ὁμοῦ, humus, oder〈…〉〈…〉 ſondern von dem teutſchen Man. Mon. Hemon, Hemoni s Lucumon, lugemon, præfe - ctus. Mani bey dẽ Einwohnern des Reichs Congi. Go - ropii Becani ſonderliche cabala des Worts Man. Mannus ein Koͤnig der Teutſchen. Rudbeckii mei - nung hievon. I. C. Scaligeri ſonderliche Betrach - tung uͤber daß teutſche Wort Man. Das Griechi - ſche Μάνης, mannus, μάννος, monile. Man Mon eine Jungfer / Wyfman, Wimman, Wom[a]n, fe - mina. Menſch. Mas. Vir, Wer, Ver, Wayr, Fir - than, Wirth. Weerd / Vaer, Var, Ber, Baro, Baur, Bur, Por, Puer, Πορ. γυνὴ, cwen, quena, quind, Kun / Kone. Cynne (Genus) Cennan, Acennan generare Kind. geno, gigno, γείνομα〈…〉〈…〉 γεννά〈…〉〈…〉. Wino, Win, Wen, Venus, Wina, Winia, Volcwin, Amicus populi, nicht victor populi, wie Voſ - fius wil / lebwin. Venus iſt eine fremde Goͤttin bey den Roͤmern geweſen / wie auch der Nahme. Var - ronis und Macrobii Zeugnuͤß. Venus iſt bey den Nor - diſchen Voͤlckern als eine Goͤttin geachtet. Von ih - nen iſt viel des Goͤtzenweſens nach Orient gekommen. Vinulus βήνα, βάνα, βινέω bini. Μαγα Maja Moye / Maid, Magd / Senex, Sineigs (Gothic.) Volgus Volck / ϑ〈…〉〈…〉 λυ thoͤle. Κεφάλη, Kop / Kopf / Haupt / hapt / head, Oculus, Og / Specera, Spih 5aus122Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenausſpaͤhen / ſpock / ſpecies, auris Ohr. 〈…〉〈…〉ῖν, rinn naſus, νῆσος bedeutet in translato ſenſu bey den Grie - chen promontorium, Kimmernaͤß. Promontorium wird bey den Griechen γλῶσσα genant. ſkiaͤren χ〈…〉〈…〉 - ρὸς (littus) Σχέρα Inſul bey den Griechen. Scheer χεῖρ. Hand / hendo, hande / prehendo. Hentan. Maugon Maxilla, Mandibula, Mando, Mentum, Mund Mant, Munch. ἒϑειρα, het hair (Belgicè) capillus. ὄυλα Wulle. Ὀυλοκέφαλος, Wull - kopf. Es werden viel dergleichen Woͤrter mehr er - zehlet. Lacryma, dacruma. δάκρυον. Cambro - brittannis Daigr, Gothis Tagr, Anglo-Saxonibus Tear, Zaher / Zaͤhr. Traen / Thraͤn / ϑρῆνος. Mens, von Meenen, ein alt lateiniſch Wort Meno, Mind. &c. Schluß des erſten Theils.

NAchdem wir der Teutſchen Spra - che Alterthum hierauß erwieſen / baß die Griechiſche und Lateiniſche zum theil ihren Uhrſprung von ihr genom - men / ſo ſolte uns nun obliegen / ſolches mit mehren Exempeln darzuthun und zube - kraͤfftigen. Weiln aber dieſe Arbeit viel weitlaͤufftiger / als ſie hier kan außgefuͤh - ret werden / ſo wollen wir ſie vorbehal - ten / und in dieſem Capittel nur die Woͤr -ter123und Lateiniſchen mit den Teutſchen. ter / die von dem Menſchen und deſſen Thei - len und Gliedern genommen ſein / vor die Hand nehmen / und deren Gleich - heit mit den Griechiſchen und Lateiniſchen zeigen. Dann dieſe ſein die erſte die uns die Natur zu benennen unter - richtet / welchen hernach folgen die Dinge und Kuͤnſte / damit man taͤglich umgeht / Speiſe / Viehzucht / Acker bau / Bauwerck / Kleidung / und dergleichen. Welcher dinge Nahmen bey einem Volcke ſo nicht von andern verpflantzet / gebohren ſein muͤſſen / und nicht von andern erſtlich her - geholet. Wir wollen aber nur vor diß - mahl bey den erſten verbleiben. Hie find ich erſtlich bey den Lateinern das Wort HOMO. Was hat man nicht vor wun - derliche einfaͤlle hievon? Da iſt Varro der es von dem lateiniſchen humus ableitet. Scaliger fuͤhret es von dem Griechiſchen Wort ὁμοῦ her / weil der Menſch ein ζῶον πολιτικὸν und geſellig iſt: Voſſius von dem Ebreiſchen〈…〉〈…〉 welches die Syrer außgeſprochen ODOM, davon per con -tra -124Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchentractionem oom, hoom und endlich das La - teiniſche HOMO. Wer ſtehet aber nicht / daß dieſes nur ungegruͤndete Kuͤnſtelein und alluſiones ſein / deren keine wahrſchein - liche Urſach zu geben. Es iſt das teutſche Wort Man in den meiſten Sprachen ge - braͤuchlich / und ohnzweiffel eins von den erſten Grundwoͤrtern / welches auch Clu - verus lib. 1. Germ. Antiq. c. 9. p. 83. ſchon ge - ſehen. Von dieſem halt ich komme das Wort Homo her. Dieſes wird einer fuͤr einen mehr als Becaniſchen einfall halten: aber es wird die Wahrſcheinlichkeit bald hervor blicken / wenn man diß Wort ein wenig genauer beleuchtet. Diß Wort Man iſt bey den Angel-Saxen Mon außgeſprochen / wie bey dem Skinnero und Junio in ihren Lexicis zuſehen. Nun war bey den Lateinern das alte Wort nicht Ho - mo, Hominis, ſondern Hemon, Hemonis, wie in des Ennii und andrer alter Poëten Verſen zu leſen. Iſt alſo das Wort Mon ſo wol in recto als obliquis caſibus zu fin - den. Die Syllabe He, ſcheinet als aus demAr -125und Latniniſchen mit den Teutſchen. Articul geblieben und ein bloſſer Vorſatz zu ſein: Welche auch bey den Teutſchen und Sachſen pronomen demonſtrativum maſculini ſexus iſt. Ich duͤrffte ſchier auff die Gedancken kommen / als wenn das al - Wort Lucumon bey den Thuſcis von dem Wort Mon oder Hemon und dem alten teutſchen Wort Luͤgen Videre obſervar[e]zuſammen geſetzt / daß es ſo viel ſey als ἐπίσκοπος Lugemon. Denn ob zwar ei - nigen Gramaticis und andern Autoribus diß Wort einen Unſinnigen bedeutet / ſo iſt doch zu wiſſen / daß das Wort inſanus, in kei - ner andern Bedeutung hie gebraucht wer - de / als wenn Horatius den Labeonem in - ſanum nennet / iſt ſo viel als wunderlich / ſtreng / eigenſinnig / mit dem man nicht um - gehen kan. Eigentlich ſein die præfect[i]Thuſciæ Lucumones genennet worden / wie Servius bezeuget comm: in VIII. Æneid: Tuſ - cia duodecim Lucumones habuit id eſt reges, quibus unus præerat. Sein etwa ſolche ge - weſen / als bey uns Amptmaͤnner / Ge - walthaber. Dieſen der uͤber die Zwoͤlffezu126Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenzu gebieten hatte / nenten ſie Lartem / wel - ches gleichfals ein Wort iſt / das noch heute bey den Engellaͤndern gebraͤuchlich / woſelbſt die vornehmen Herrn des Lands Lords genant werden / welches Godelevæ - us in notis ſuper Livium und nach ihm andre ſchon angemerckt / und in den Nordiſchen Sprachen als ein Vornahme der Māñer gebraucht wird. So einem nicht gefallen wuͤrde von dem Worte Luͤgen Videre, (davon doch gantze Voͤlcker und Stātte benahmet) das Wort Lucumon heꝛzufuͤhrẽ / ſo iſt das alte Wort Log, welches noch heute einẽ Ohrt oder diſtrict eines Landes bey den Scotten und Irrlaͤndernbedeutet / und das Lateiniſche Locus, davon Lucumon ſeinen nahmen haben koͤñe / alsder eines gewiſſen Landes uñ Ohrtes beherſcher iſt. Daß aber das Wort Man ſo viel als Ducem, præfe - ctum bedeute koͤnte mit gar vielen Exempeln durch alle Sprachen erwieſen werden / ſo gar daß auch bey den Einwohnern des Koͤ - nigreichs Congi ſolches zu findẽ / davon Bar - læus in ſeinẽ Buch derebꝰ geſtis ſub Mauritioin127und Lateiniſchen mit den Teutſchen. in Braſilia p. 245. woſelbſt er das Koͤnigreich Congi beſchreibet: Bamba littora lis (pro - vincia regni) regitur à variis præfectis, quos Mani vocant, ut Mani Bamba, Mani Loanda Mani Coanza. Rex ipſe vocatur Mania Congo, & Regia Conjux Mannimom〈…〉〈…〉 banda. Bey den Ægyptiern iſt das Wort Meine auch ein Nahm der Koͤnige geweſen. Goropius Becanus in lib. 1. Gallicorum. und andern Orthen mehr hat uͤber dieſes Wort Man ſeine ſonderliche ſchier cabaliſtiſche einfaͤlle / welche ich an ſeinen Ohrt geſtellet ſein laſſe. Denn weil das Wort Man umgekehrt Nam macht / ſo meinet er / es ſey hie - durch als durch eine Prophetiſche Figur / die andere Perſon der Dreyeinigkeit abge - bildet / welche wahrer Menſch und zugleich auch das Wort des Vaters iſt. Es iſt nicht unangenehin zu leſen / was er fuͤr viel - faͤltige Betrachtungen hat / wegen der verkehrung der Woͤrter in der Teutſchen Sprachen / welche ſo ſonderlich iſt / als im - mermehr die cabala der Juden und Ara - ber ſein kan. Cluverus in dem vorheran -128Ders VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenangefuͤ[h]rtem Ohrte / meinet daß der bey den Teutſchen geprieſene Mannus niemand anders als Adam ſey / womit Voſſius in ſei - nem B[u]ch de Idololatria und Bocler. Exerc. in Joſe[p]h. lib. 1. c. 2. Antiq. Judaic uͤber ein - ſtimmen. Welchen aber Rudbeck in ſeiner Atlanti[c]a zu einem uhralten Koͤnige der Schweden macht / nach welchen Schweden ſelbſt Manheim / und noch gantze Lān - der dar innen genennet werden. I. C. Sca - liger hat uͤber dieſem Wort Man eine ſon - derliche Betrachtung / in der treflichen Rede / die er zum Ruhm der ienigen gehal - ten / die in dem Tuͤrcken Kriege vor Wien ge - blieben / welche nebſt ſeinen Briefen her - auß[g]egeben. Wie er nun die Teutſche Nation vor allen andern erhebt / und beſſer Urtheil von ihr faͤllet / als ſein Sohn Joſe - phus gethan: So hat er auß dem Nahmen MAN, der durch alle Voͤlcker gegangen / die vortreflichkeit des Teutſchen Volcks erwieſen. Der Ohrt iſt wuͤrdig allhie herge ſetzet zu werden: Hoc numen Terræ ſilium, ſicuti Etruſci Tagem, ita huncpu -129und Lateiniſchen mit den Teutſchen. putarent Majores noſtri: cujus proles fuerit MAN. Unde etiam nuncapud nos, quem - admodum apud Hebræos, primi Parentis no - men hominem ſignificat. Erigite nunc animos veſtros Germani Viri! Romanis ipsis vos hac in parte vel loquendi leges vel sal - tem principia atque elementa tradidi - stis. Nam cum illi novos homines atque avorum obſcuritate ignotos Terræ filios appellarent, eosdem quoque MANIOS dixerunt. Hæc veſtra vox eſt veſtrique conditoris: quæ ſi per univerſam Aſiam per - vagata eſt, ſi ex Parthia atque Scythia in for - tiſſimas nationes dimanavit, nullam vi - deo cauſam, quin Principis illius veſtri au - ſpiciis in eas omnes regiones colonias veſtras miſiſſe aut deduxiſſe videamini. Exſtant adhuc vocabula veſtimentorum, officiorum, Principum, Nationum. Eſt enim veſtis Aſiati - ca Doloman, quaſi Stolam Viri dixeris. Sto - la profecto eſt. Audimus functiones atque operas Turcimanorum & Dragomanorum, qui ſunt interpretes & Talaſimanorum, qui dicuntur obnunciatores. Habemus Varto -ima -130Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenmanos, Othomannos, & Solimannos, Re - gum atque Imperatorum appellationes. Er fuͤhret dieſes ferner auß / und weiſet wie die - ſer Nahme durch alle Voͤlcker gewandert. Das Wort Μάνης ein Knechts Nahme / iſt eben dieſes teutſche Man / wie auch das Lateiniſche Mannus, welches einen jungen Hengſt bedeutet. Das Griechiſche μάν - νος, das Lateiniſche mannus, eine Kette / leitet Schefferus in ſeinem Syntagmate de Antiquorum torquibus §. 1. von dem Worte Man. quia manis h. e. viris qui ſe fortiter geſſiſſent in bello, proprium ge - ſtamen fuit. Das Wort Monile iſt ihm von gleicher herkunfft. Das Wort Man Mon / Moen / hat auch bey den Teut - ſchen ſo viel als eine Jungſer geheiſſen / wo - von Schefferus in Upſalia antiqu. p. 113. Iſt alſo diß Wort beyderley Geſchlechts. Die alten Anglo Saxones haben eine Frau Wyfman, Wimman und hernach Woman geneñt / iſt ſo viel als ein Menſch Weibliches Ge - ſchlechts. Mit welchen das Lateiniſche Wort femina uͤberein komt. Das teut -ſche113[131]und Lateiniſchen mit den Teutſchen. ſche Wort Menſch iſt auch von dieſem Wort / nicht von den Lateiniſchen Mens o - der von dem Hebraͤiſchen〈…〉〈…〉 wie Voſſius meinet / davon Junius in ſeinem Gloſſario Gothico und weitlaͤufftig Vorſtius in ſeinem Specimine Obſervationum in Linguam Ver - naculam cap. 2. Das Lateiniſche Mas iſt auch von derſelben abkunfft. Aber von die - ſen allen wil ich mit mehren handeln in ei - ner abſonderlichen Diſſer[t]atione de Mannis Germanorum. Auß dieſem wenigen aber was ich angefuͤhret / kan man leichtlich ſchlieſſen / daß das Wort Homo auß kei - nen andern als aus dem alten Wort Man entſtanden. Ferner iſt das Latei - niſche Wort Vir, welches gleichfals von frembder herkunfft iſt. In den Gothiſchen Evangeliis hat man das Wort VVair Luc. 8, 27. VVairos twai, Viri duo. Zween Maͤn - ner. Luc. 9, 30. In der Angelſaͤchſiſchen Sprache iſt das Wort Wer, welches einen Man bedeutet. So findet man in der Angelſaͤchſiſchen uͤberſetzung des erſten Pſalms: Eath Ver Beatus Vir. In der Runi -i 2ſchen132Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenſchen Sprache / nennt man ihn Firthar, ein Armee Firth. Siehe Worm. in Epice - dium Regneri Lodbrog. Mit dieſen komt das teutſche Wirth / Werd uͤberein / wel - ches ſo viel iſt als das Wort Man. Das Niederlaͤndiſche Vaer, und das teutſche Bar, wovon das Wort Baro gemacht / iſt daſſelbe. In dem teutſchen Helden Buch wird das Wort Bar offtmahls pro Viro gebraucht. Die Gloſſæ veteres Gallico-La - tinæ. Ber, Baro, & Vir. Melchior Goldaſt. in den Anmerckungen uͤber Winsbekiæ pa - ræneſin. p. 417. haͤlt das Wort Ber vor teutſch / Ver vor das Lateiniſche. Ber ajo priſcos dixiſſe, qui latinis Vir, aliis βαρβαρί - ζουσι. Ver. Er fuͤhret eine alte Inſcriptionem Curienſem an / VECTOR, VER, INLU - STER, PRESES. das iſt: Victor, Vir &c. Aber es iſt nichts anders als das rechte teutſche Wort / und iſt in der Engelſaͤch - ſchen Sprache das Wort Ver auch ge - braͤuchlich geweſen / wie wir ietzo geſehen. Da von iſt hernach Baur, Bur, und das bey Teutſchen Griechen und Lateinern ge -braͤuch -133und Lateiniſchen mit den Teutſchen. braͤuchliche Por Πορ, Puer ein Knecht Bey den Lateinern hat man den Nahmen Mar - cipor, Lucipor, Quinctipor. Virgilius braucht das Lateiniſche Fur davor. Bey den Teutſchen hat man das Wort Schild - por welches ſonſt Schildknap. Wo - von Gryphiander de Weichbildis c. 67. n. 11. Die Griechen und inſonderheit die Dorcs haben das Wort Πὸρ fuͤr Παῖς gebraucht. Das Griechiſche Wort Γυνὴ iſt bey uns auch zu finden. Die Engelſaxen ſagen Cvven. Die alten Teutſchen Quena. Im Runiſchen iſt Quind, die Dani und Cimbri haben Kun / Die Ungarn Kone / wel - che Woͤrter eine Frau bedeuten. Bey den Engellāndeꝛn wiꝛd dieſeꝛ Nahme κατ̓ ἐξοχὴν der Koͤningin gegeben. So nanten auch die Angelſachſen eine Kuhe mit dieſem Nah - men / welcher noch heute in Holſtein ge - bråuchlich iſt. Die Niederlånder nennen ein loſes oder gemeines Weib alſo. Sonſt iſt auch bey den Angelſaxen Cynne, weiches ein Geſchlecht Genus, Generationem bedeu - tet / Connan, Acennan parere, generare. i 3In134Das VII. Cap. Gleichheit des GriechiſchenIn Teutſcher Sprache Kind / welches mit den Griechiſchen und Lateiniſchen geno, gigno, γείνομαι, γεννάω uͤbereinkomt. Das Gothiſche Wino Wen und Angelſaͤchſche Win, uxor iſt das Lateiniſche Venus, ſo von dieſen herkomt. Die alten Teutſchen Woͤrter Wine und Winia bedeuten ſo viel als dilectus und dilecta. Willeramus in Paraphraſi Cantici Canticorum min Wino dilectus meus. Daher ſein ſo viel compo - ſita bey den Teutſchen truotwin fidelitatis amicus Sigewin Victoriæ amicus Winirad a - micorum conſilium und viel andere mehr / welche Junius anfuͤhret commentario in Pa - raphraſin Willerami p. 20. 21. Hieher gehoͤret das teutſche Wort Volckwin, Amicus popu - li, welches Voſſius in ſeinem Lexico Etymo - logio ſub voce Vinco, von dem Wort Win - nen herleitet / davor haltend es ſey ſo viel als das Griechiſche Wort Nicolaus, wor - innen er doch fehlet. Es iſt das Wort Lebvin bey den Teutſchen geweſen / welches ſo viel als ein lieber Freund. Hucbaldus Monachus Elromenſis in vitâ S. Lebvini Pres -by -135und Lateiniſchen mit den Teutſchen. byteri cap. 1. Lebvinum carum ſibi amicum juxta idioma nominis ſui optime congruen - tis. Fertur enim â ſuæ peritis linguæ, quod Liefuuyn patrioticè ſit vocatus, quod Roma - nis ſonat carus amicus, ſed ecce quam digni - coſum illius vocabuli præſagiũ, dum quod fu - turus erat opere, jam eius præſignatum eſt no - mine. Melchior Goldaſtus der dieſes an fuͤhret in ſeiner Anmerckung uͤber den Pa - rænet. vet. p. 454. hat dieſe Zuſammen - ſetzung nicht recht begriffen / und von dem Worte Win nichts gedacht. Daß nun Venus, hievon oder von dem Gothi - ſchen Wen, amicus herkomt iſt darauß zu ſehen / daß kein Wort weder in der Grie - chiſchen und Lateiniſchen Sprache ſey / davon es koͤnne hergeleitet werden. Denn daß Cicero und Ovidius es von Venio her - fuͤhren / geſchicht nur per alluſionem, wel - ches ob es zwar Voſſius billiget / und daher ſchlieſſet / eſſe vocem origine Latinam non à Græcis, non ab Oriente, ſo irret er doch ſehr / denn es widerſpricht ihm Varro ſelbſt / welcher außdruͤcklich ſaget / nomen Ve -i 4ne -136Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenneris ne ſub Regibus quidem apud Romanos vel Latinum vel Græcum fuiſſe, welches auß ihm anfuͤhret Marcob. lib. 1. Saturn. cap. 12. zu beweiſen / daß der Monaht Aprilis nicht habe koͤnnen von der Venere oder Α᾽φορδίτη genennet werden / die da - mahls nicht bekandt geweſen. Scaliger ad Feſtum in voce aperta ſaget / man koͤn - ne auch auß dem Nahmen ſehen / daß ſie keine einheimiſche Goͤttin ſey / denn ſie wuͤrde deßhalben à veniendo ſo genandt / quod ſit προσήλυτ ος ϑεὸς. Welches mehr ſinreich als der Warheit gemaͤß: Denn da bekant Venus ſey einer frembden An - kunfft / worum wollen wir ſie nicht auß der Sprache herleiten / da ſie mit eben denſelben Buchſtaben das jenige außdeutet / worum ſie ſo genandt wird. Da noch dieſes hinzu koͤmt / daß bey den Nordiſchen Voͤlckern / dieſelbe von alters unter dem Nahmen Frigga von frigan, amare auch Wenna-des Dea Amoris genant / verehret worden. Und wird ſich niemand verwundern daß auß dem Norden dieſer Goͤtzendienſt auff dieRoͤ -137und Lateiniſchen mit den Teutſchen. Roͤmer verpflantzet / wenn er beym Dio - doro Siculo lib. 2. c. 47. leſen wird / wie die alten Heidniſchen bey den Griechen ge - woͤhnliche Goͤtzendienſte bey den Hyperbo - reis uhrſpruͤnglich geweſen / und von dan - nen dahin gekommen. Von demſelbigen Wort Wen oder Win, iſt das Lateiniſche Vinulus, lieblich / nicht von Vinum. Und hievon meine ich ſey das Griechiſche Wort βήνα, auff Doriſch βάνα Mulier, Filia, wie auch des Wort βινέω, welches den actum a - moris bedeutet / und das bey dem Cicerone lib. 9. ad Fam. Epiſt. 22. verdaͤchtige Wort bini. Aber wir muͤſſen wieder zu unſer Hauptſache kommen / und zu den uͤbri - gen Woͤrtern. Bey den Griechen iſt Μ〈…〉〈…〉 〈…〉〈…〉 Obſtetrix, Maja bey den Lateinern. Bey den Cimbris iſt noch heute Moye. In der Gothiſchen Sprache Mayi puella. Maid, bey den Engellaͤndern / Magd bey den Teutſchen. Das Wort Senex iſt ein alt Gothiſch Wort / wird faſt mit der - gleichen Buchſtaben in den Gothiſchen Evangeliis gefunden Sineigs Senex Luc. 1, 18. i 5Si -138Das VII. Cap. Gleichheit des GriechiſchenSiniſtans Seniores Marc. 11, 27. Die Ety - mologi haben viel ſeltzamer einfaͤlle hie - bey. Das Wort Volgus iſt nichts an - ders als das teutſche Volck / das Grie - chiſche ϑῆλυ, femininum, und das teutſche thoͤle bedeutend canem ſexus feminini komt auch uͤbeꝛein Gehet man nun die Glie - der des Menſchlichen Leibes durch / ſo wird man die Gleichheit uͤberallfindẽ. Das Wort κεφάλη, caput, Kop Kopff Haupt hapt Angl. head. iſt was die Stambuchſtaben be - trifft einerley. Den c und h werden un - ter ſich verwandelt / als cornu, horn / καρδία hart / cutis, hut / calamus, halm / κύων hund. Oculus iſt als ein diminuti - vum von Og / quaſi Ogulus, Auge / und das Griechiſche ἀυγὴ ſplendor, komt uͤber - ein. Das alte Wort Specere ſehen / komt von den alten Scythiſchen Spi, ſehe / daher noch Arimaſpi genant werden / die mit ei - nem Auge ſehen / und die Woͤrter auß - ſpaͤhen / verſpaͤhen / ſpok / die La - teiniſchen Speculum, Species, wovon Boxhornius in Præfatione Originum Galli -ca -139und Lateiniſchen mit den Teutſchen. carum weitlaͤufftiger handelt: Das Latei - niſche Wort Auris und das teutſche Ohr iſt eines: denn es iſt bekand daß das au bey den Lateinern als ein o außgeſprochen / und bezeugt es Laurenbergius in ſeinem An - tiquar. daß die Bauren oris an ſtat auris gebraucht. Das Griechiſche ῥῖν naſus iſt das teutſche rinn / denn die Naſe nicht anders als canalis cerebri iſt / und das La - teiniſche naſus iſt eben das teutſche. Das Griechiſche νῆσος welches in dem eigentli - chen verſtande nicht mehr / ſondern in ſen - ſu translato gebraucht wird / und inſulam bedeutet / iſt ohn zweiffel von dem Teut - ſchen naͤſe oder naſa / und komt nicht von dem Worte νεῖν natare, wie man will. Es iſt bekant daß das Wort νῆσος auch offt eine halbe Inſul bedeutet / da denn an - geregtes ἔτυμον kein ſtaat finden kan. Das Wort naͤß heiſt aber in der Gothiſchen Sprach metaphoricè ein promontorium, welches faſt einer peninſulæ kan verglichen werden / als Kimmernaͤß promontori - um Cimmeriæ, welcher nahm noch heuti -ges140Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenges Tages in Schweden uͤbrig iſt / wie Rud - bekius bezeugt / und andre mehr. Es wird aber das promontorium einer Naſen der Figur halben verglichen / und alſo ge - nannt / wie ein Promontorium bey der Inſul Saſena γλῶσσα lingua genant wird. Anna Comnena Alexiados lib. 3. p. 98. Καὶ δὴ τὴν κορυφὼ διελϑὼν, καὶ πρὸς τὸ Δυῤῥάχιον ἀποκλίνας, καὶ τὸ ἀκροτήριον Γλῶσσαν καλού - μενον μεγίςῳ κλωδώνι ἄιφνης περιπεπτώκ〈…〉〈…〉. Et quidem prætergreſſa claſſe Corcyræo - rum in ipſo verſus Dyrrhachium flexu, cir - ca promontorium quod Lingua dicitur, ma - xima in eam ſubito procella ingruit. Und eben dieſes Promontorium iſt / was noch heutiges Tages Lenguette, Lenguetta das iſt eine kleine Zunge genant wiꝛd / weil es hie - mit kan verglichen werden. In dem zwoͤlf - ten Buch Alexiados wird der Eingang des Meers alſo genant / und bezeugt Poſſinus in Gloſſario Annæo gar gebraͤuchlich bey den Frantzoſen zu ſein / daß die promon - toria langues de terre genant werden. Zu dem ſind dergleichen vielmehr translatano -141und Lateiniſchen mit den Teutſchen. nomina, als Umbilici, capita, cornua, daß es nicht ungereimt / es ſey das Wort νῆσος von eben ſolchen Worte genommen / in - ſonderheit da es in demſelben verſtande noch verhanden / und darff ſich niemand verwundern / daß aus Norden ſolches dahin verpflantzet / dann viel mehr der ſelben in der Griechiſchen Sprache ge - funden werden / als unter andern / das Wort ſkiaͤren wodurch die litora Sveciæ verſtanden werden / von den außſchnitten alſo genand / da hat man in der Griechi - ſchen Sprache / wie Heſychius bezeuget / das Wort χερὸς, littus und iſt die Inſul Corcyra Σχέρια vor alters genannt / wel - ches Wort Jac. Palmerius à Grentemesnil in ſeiner Græciâ antiqua lib. 2. c. 10. von dem Griechiſchen χερὸς lieber herfuͤhren will / als von der Fabul des Euſtathii. Wie ich es auch fuͤr war halte / auß dieſem grun - de. Denn es iſt dieſe Inſul auch Δρεπά〈…〉〈…〉 η genant welches eine Sichel bedeutet / um dieſer Urſachen willen / weil die eine Seite der Inſul ſo krum außgeſchnitten / daß ſieeine142Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſcheneine Sichel abbildet. Nun werden die ſkiaͤren in Schweden von ſkiaͤra das iſt außſchneiden ſo genant / und in der Teut - ſchen Sprache iſt das Wort Scheer ein Werckzeug damit man Außſchnitte macht / welches da es von einander gethan wird ſelbſt einen Außſchnitt und gleichſam eine Sichel vorſtellet. Dem Boxhornio traun iſt in ſeiner Symphonia Linguarum. p. 8. nicht ungereimt vorgekommen / das Griechiſche Wort Χε̃ῖρ eine Hand / und das teutſch Scheer vor eines zu halten. Nullus ambigo, ſpricht er / quin idem hoc vocabulum ſit cum iſto, quo arte factam manum, hoc eſt, forcipes Belgæ ſignificant. Scheer χείρ Poëtice χερὸς item χίῤῥος & χηρὸς appellatur. Welches ich an ſeinen Ohrt geſtellet ſein laſſe. Zu ferner Bekrāff - tigung kont auch dieſes angefuͤhret werdē / weil die Finger der Scheren gleich an ge - ſtalt ſein. Das teutſche Wort Hand iſt nicht mehr zu finden als in dem Wort præhendo, und haben die Dānen noch heu - tiges tages ein Wort henda, heiſt ſo viel alsma -143und Lateiniſchen mit den Teutſchen. manu capere welches das Lateiniſche pre - hendo, auch bedeutet / dieſes hat Aquilius in ſeinem Dictionario Danico-Latino an - gemerckt p. 19. Es iſt auch ein Angelſāch - ſiſches Wort Hentan perquirere, perſequi. Die Wangen werden in den alten teut - ſchen Woͤrtern / die der Lipſius herauß gege - ben Mangon genant / wir haben in der Lateiniſchen Sprache Mandibula, Ma - xilla, und ſolt ich ſchier davor halten / daß das Lateiniſche Mandere, Mentum von un - ſern Wort Mund herkomme. Unter den alten Britanniſchen Woͤrtern / deren Lexicon Boxhornius herauß gegeben / und in welcher viel Lateiniſche Origines ſtecken / wie der Hr. Peireſcius angemerckt / iſt das Wort Mant, Maxilla. In der Engelſchen Munch, maſticare, manger, mangeare. Iſido - rus ſelbſt leitet das Lateiniſche mentum von mandibula welches Voſſio unglaublich iſt / aber er ſchieſt nāher zum Ziel als er ſelber / der es bald von μηνύω indico, bald von movimentum, bald von meno, me - mini abziehet. Das Haar wird bey denGrie -144Das VII. Cap. Gleichheit des GriechiſchenGriechen ἔϑειρα genant / iſt das rechte Nie - derlaͤndiſche Wort mit dem Articulo het bayr. Die Athenienſer nennen die krauſe Haare Ὄυλας und einen krauſekopf Ὀυλο - κόμον, Ὀυλοκέφαλαν. Pollux hat dieſes an - gemerckt in ſeinem Onomaſtico lib. 2. c. 3. Dieſes iſt das teutſche Wull / lana, den die krauſen Haare der Wolle gleich: daß aber eine ſolche krāuſe wie die Wolle hat / damit gemeint werde / kan man aus dem loco Herodoti, den Pollux anfuͤhret / erſe - hen / den er ſaget von den Colchern μελαγ - χροές εισι καὶ〈…〉〈…〉 ὐλότριχες, nigri coloris ſunt & criſporum capillorum. Denn es pflegen die Schwartzen ſolche Wollkrauſigte Haar zu haben. Die Griechen koͤnnen aber das W, welches als ein Digamma Æo - licum iſt / nicht außſprechen / wie ſie keinen Buchſtaben dazu haben. (vid. Agardus de Digamma cap. 3. ſect. 3.) deßhalben laſſen ſie es auß / denn die literæ ſubſidiariæ β, ου, φ, hatten hie auch keine ſtaat. Man hat der - gleichen mehr Woͤrter als ἔργον Werck /〈…〉〈…〉 ινος Wein, Win / ἄειν Waeyen. Flarebla -145und Lateiniſchen mit den Teutſchen. ἒσεσϑαι eſſe Weſen / ἒικειν Wiecken / cede - re. &c. Folgende ſein ſo gleich unter ein - ander / als jemahls welche ſein koͤnnen: Bucca eine Backe / armus ein Arm (da - her armillæ Armbānde) χωλὴ Galle: οδοὺς, Dens, Tant, Zahn: Pes, Ποῦς, Fuß / Voet / pedden / calcare: Genu, γόνυ, Knie: Saliva, Salve / Sabbel / Sagul Danice: Barba Bart: Ἀρχὸς, Arßh (ſ. h.) podex: Lumbus Lend: κανϑὶς (oculi angulus) Kan - te: Κήλη, (tumor oris quicunque) kehl / col - lium: calvus kahl: Τὰ κύλα cavitates ocu - lorum, Kuhl: vellus, pellis, villus φέλ - λος, Fell / fillen: Pantex Panße / Wanſt: δερμὸς (cutis) Darm / Gedārme: (nihil enim inteſtina niſimenbrana & cutis) Mar - cus (mollis) Marck / medulla: Strundus, excrementum Laurenb. in Antiq. Strund ὅνϑος: Mucus Mug Danicè: Κάκκη (bey dem Heſychio,) merda: Lingo λείχω, licken / unde lingua: Edo, eten / eſſe eſſen: guſtare koſten: Spuo πτύω, σπεῖσαι, ſpeien: dor - mire, dromen / dormen: ἀγοστός (cavitas manus) goſpe: mingo, migo, ὀμίγειν, migen /kMeio146Cas VII. Cap. Gleichheit des GriechiſchenMeio, Meia, Danicum, wie Aquil: in ſei - nem Dictionario Danico-Latino p. 24. er - wehnet: Titte, Τιθτη: Sof (Gothicum) dor - mire, Sopor, Sopire, Dani Soffn: ἀυτμὴ ἄτμος, ἀνεμος Athem / Othem / aem Belgicè, animus anima. Labium. Danice Lceve. Gloſi. Lipſ. Lepira Belgæ Leppe / Germanicè Lippe. Νεφρὸς Ner / ren per metatheſin. Von dieſen Woͤrtern allen koͤnte viel merckwuͤrdiges angefuͤhret werden / aber es liegt ihre gleichheit ſo zu tage / daß es unnoͤthig ein Wort mehr druͤber zu verliehren / und muß es zu anderer Gelegenheit verſparet werden. Das Lateiniſche Wort Lacryma, davor die Alten dacryma gebraucht / wie Feſtus bezeugt / und zwar nach dem Griechiſchen δάκρυμα iſt weder bey den Griechen noch bey den Roͤmern gebohren. Bey den al - ten Gothen war Tagr Lacryma, Marc. 10, 24. afropgands mith tagran. Exclamans cum Lacrymis. Bey den Cambrobritannis Daigr, diß iſt das rechte Griechiſche und Lateini - ſche Wort: den (υον) oder (υμα) iſt nurdie147und Lateiniſchen mit dem Teutſchen. die endigung. Die Anglo-Saxones ſtoſſē das (g) berauß und ſprechen tear die Dānen taar welches einen Waſſerstropff bedeutet: die Alamanni haben Zaher darauß ge - macht / davon noch das heutige Zaͤhr / ſo eines Uhrſprungs mit δακρυον und Lacryma iſt / welches niemand glāuben ſolte / wenn er nicht die Ableitung vor Augen ſehe Das Niederlāndiſche Traen / das teutſche Thraͤn ſcheint auch hievon durch verſetzung zu ſein: mit welchen denn das Griechiſche Wort ϑρῆνος uͤberein kompt. Das Lateiniſche Wort Mens hat gleichfals ſeinen Uhrſprung nicht bey den Lateinern oder Griechen. Iſidorus fuͤh - ret es her von memini oder eminere / wel - ches letztere Perotto beſſer gefāllt / als daß es von μέμνημαι hergefuͤhret werde. Et - liche von metiendo. Scaliger von dem Griechiſchen μηνύω, indico, Voſſius will es von den alten Wort Meno, deſſen præteri - tum memini iſt / oder auch von dem Grie - chiſchen Wort μένος, impetus animi her - leiten. Welcher am nechſten trifft. Aberk 2ſo148Das VII. Cap. Gleichheit des Griechiſchenſo woll die Lateiniſchen als die Griechiſchen Woͤrter ſein außheimiſcher Abkunfft. Da iſt das teutſche Wort Meenen / das An - gelſāchſiſche Mænen, welches ſo viel iſt / als gedencken / cogitare, opinari, daher das alte Lateiniſche Wort menere, in quo conſiſtit ipſa animi eſſentia: Wie denn in der Engliſchen Sprache das von dieſen entſpringenden Wort Mind Mentem bedeutet. In der Gothiſchen Sprache iſt Gamunen Meminiſſe.

Aber wir ſchreiten in dieſem Wercke zu weit / und koͤnnen uns begnuͤgen / daß wir dargethan / wie die Woͤrter / welche von dem Menſchen und ſeinen Theilen und Gliedern allein genommen / als die ja die erſten in allen Sprachen ſein muͤſſen / die Gleichheit des Griechiſchen und Lateini - ſchen mit der Teutſchen vor Augen ſtellen: Daran aber noch mehr fehlē / als wir ange - fuͤhret haben / welche um weitlaͤufftigkeit zu veꝛmeidē / hie muͤſſen vorbey gegangen wer - den Solten wir nun die andēre Claſſes re - rum durchgehen / als / die Thiere / Baumeund149und Lateiniſchen mit den Teutſchen. und Krāuter / Speiſen / Kleidungen / Acker - bau / Bauwerck / Schiffart / Fiſchfang / allerley Haußgeraht / Maaß / Gewicht und Zahl / die Nahmen der Oehrter / Staͤdter / Lānder / Berge und Fluͤſſe / die Nahmen der Weiber und Maͤnner / die Nahmen der Aempte / Verwandſchaff - ten / die Pronomina, Conjunctiones, In - terjectiones und andere Particulas, Acti - ones Facultatis vegetativæ, locomotivæ Intellectus, Voluntatis und viele andere din - ge mehr: es konte ein groſſes Buch da - von zuſammen getragen werden / und werde ich ob GOtt will hievon abſonder - lich und außfuͤhrlich handeln. Aventinus ſchreibt Annal. Bojorum lib. 1. p. 10. von Joanne Camerario à Dalburgio, daß er etli - che tauſend Griechiſche Worter zuſam - men geleſen / die in der Teutſchen Sprache eben daſſelbe bedeuten. Was wir hie er - wehnen / iſt nur oben hin beruͤhret / und aus einem groſſen Vorraht gleichſam zum Vorſchmack vorgetragen worden. Wer nun auß ſo vielen Exempeln gleichwol nichtk 3ſchlieſ -150Das VII. C. Gleichh. des Gr. und Lat. ꝛc. ſchlieſſen wolte / daß die Griechiſche und Lateiniſche von dem Teutſchen und den verwandten Sprachen zum theil ihren Uhrſprung genomen / und vermeinte daß dieſe Gleichheit ſo von ungefehr kom - me / der hat gar keine Fāhichkeit von die - ſen Dingen zu urtheilen. Wir laſſen nun dieſes biß zu einer vollſtāndigen Eroͤrte - rung außgeſetzt ſein / und kom̄en zum andern Theil.

An -151

II. Theil. Von der Teutſchen Poeterey Uhrſprung und Fortgang.

Das I. Cap. Von dem auffnehmen der rei - menden Poeterey bey frembden Voͤl - ckern / und zwar erſtlich von der Poete - rey der Frantzoſen.

Einhalt. WOrum wir von der Außlaͤndiſchen Poeſey zu erſt handeln. Die Frantzoſen haben jederzeit das Lob der Beredſamkeit gehabt. Die Poe - terey iſt mit ſonderlichem Fleiß von ihnen außgeuͤbet. Die Provincial Poeten bey ihnen. Claude Fauchet, Jean Noſtredame handeln von ihnen. Aquitanien und die Stadt Toloſa iſt ihr vornehmſter Sitz ge - weſen. Sie ſind Romains und die Sprache die Roͤm - ſche Sprache genant worden. Franckreich in Frantzen und Provinciales getheilet. Die groſſen Herren haben die Poetiſchen Spiele angeſtellet. Wodurch die Po - eterey in groſſen Ruff gekommen / und die Provincial Sprach bey alleu Außlaͤndern wehrt gehalten. Diek 4Itali152Das I. Cap. Von der FrantzoſenItali haben den Provincialibus viel Erfindungen abge - ſehen. Die Frantzen haben es den Provincialibus nachgemacht: Cour d amour, arreſt d amour Die alten Spiele zu Toloſa Jeux-fleureaux genandt. Beſchreibung derſelben. Geſetze der Spiele. Lob des Hn. de Caſeneuve. Troubadours, Trouver - res, Chanterres, Jongleurs. Preißwuͤrdigkeit der Frantzoͤſiſchen Nation. Ihre ſonderlich. Zunei - gung zu der Poeterey Clement Marott, ein guter Epigrammatiſt. Sanmarthani Zeugniß von ihm. Ronſard iſt zu ſeiner Zeit in groſſen Beruff geweſen. was an ihm zu loben und zu tadeln. Malherbe hat zum erſten die beſte Richtigkeit in die Poeſey gebracht. Godeau legt ihm ein groſſes Lob bey. Balzacs Urtheil von ihm. Die Vergleichung mit ihm und Ronſard. Theophile ahmt ihm nach; aber er folgt doch ſeinen ei - genen Phantaſeyen. Voiture iſt in feſtivo genere beſſer als in ſerio. Moliere ein beruͤhmter Comedi - enſchreiber Corneille. Regnier. Rablais Re - nati Rapini Uhrtheil von der Frantzoſen / ſeiner Lan - desleute / Poeterey. Chapellaine. Menage. Colletet von dem Leben der Frantzoͤſiſchen Poeten. Sorelli Bibliotheque Francoiſe. Academie Fran - coiſe zu außuͤbung der Frantzoͤſiſchen Sprache auffge - richtet. Dieſelbe wird von dem Sorbier der Lateini - ſchen vorgezogen: aber ohne Grund. Iſaacii Voſſii Meinung hievon.

Wir153Poeterey.

WIr haben in dem vorigen Theile von der Teutſchen Sprache Alter - thum geredet: nun kommen wir auff die Poeterey ſelber / davon ich nicht alſo handeln will / wie man ins gemein zu thun pfleget. Es haben einige groſſe Buͤ - cher angefuͤllet / von den Regeln der Teut - ſchen Ticht - und Sprach-Kunſt / welcher Leute Schrifften ich allhie unberuͤhret laſ - ſe: als der ich nicht geſonnen bin / frembde / und gantz uͤberfluͤſſig außgefuͤhrte Arbeit / von neuen vorzuſtellen. Wir haben an dieſen Buͤchern gar keinen Mangel / und were eine thoͤrichte Sache von einem Papier auffs andere zu ſchreiben. Allhie wollen wir von dem Uhrſprung und Fort - gang der Teutſchen Poeterey handeln: damit aber ſolches deſto gruͤndlicher geſche - hen koͤnne / wollen wir vorher / der Auß - laͤndiſchen Voͤlcker / als der Frantzoſen / Italiaͤner / Hiſpanier / und deñ auch der Engellaͤnder und Niederlaͤnder reimen - de Poeterey anfuͤhren / um zu ſehen / ob ettwa bey denen dieſelbe ehe als bey denk 5Teut -154Das I. Cap. Von der FrantzoſenTeutſchen entſprungen: Zumahlen / da faſt unter allen denſelben / einige ſich fin - den / welche den Vorzug ihnen anmaſſen.

Wir fangen von den Frantzoſen an / welche Nation an Sinnlichkeit / und nei - gung zu der Poeterey den andern billig vorzuziehen iſt. Es iſt bekant / wie bereits die alten Gallier ſich in der Beredſamkeit hervor gethan. Tacitus gibt ihnen das Lob der Tapfferkeit und Beredſamkeit. Marcus Cato thut deßgleichen / welcher an ihnen ruͤhmet / argutè loqui. Es war zu Ciceronis zeiten ſchon der Stylus Gallicus im Beruff / und ward Cicero ſelber von dem Rufo vor einen Allobroger geſchol - ten / wie beym Juvenali zu ſehen. Sido - nius Apollinaris lib. 3. Epiſt. 3. von dem Arvernis redend bezeuget: quod în Arver - niam undique gentium confluxerint ſtudia li - terarum, ubi ſermonis Celtici ſquamam de - poſitura nobilitas, nunc oratorio ſtylo, nunc etiam camœnalibus modis imbuebatur. Hieronymus lobet auch an einem Ohrte ubertatem nitoremq; Gallici ſermonis, vonwel -155Poeterey. welchen ferner nachzuleſen Savaro ad Si - donii Apollinaris loc: citatum, und Creſol - lius Vacat. autumnal. lib. 1. cap. 4. wie auch Piccartus in einem abſonderlichen Buch genant Celtopædia. Damit wir aber auff die naͤhere Zeiten kommen / und auff die Landſprache an ſich ſelbſten: So iſt zu wiſſen / daß vor den Italiaͤnern und Spa - niern / ja auch zum Theil den Teutſchen / ſo die gemeine reimende Poeſey außgeuͤbet / nicht leicht eine Nation geweſen / dar - innen mehr Poeten ſich befunden / auch mehr wercks von der Poeterey gemacht / als eben bey den Frantzoſen. Claude Fau - chet ein beruͤhmter Frantzoſe / hat in einem Buch deſſen titul: Recueil de l origine de la Langue & Poëſie Francoiſe, Ryme & Ro - mans weitlāufftig von dem erſten Uhr - ſprung der Frantzoͤſiſchen Poeterey ge - handelt / und ein Regiſter der Autorum und der von 127. Tichtern vor dem 1300 den Jahr geſchriebenen Poetiſchen Wer - cke / geſetzet / welches alles der Verdier in ſeine Bibliotheque uͤberſetzet. Dererſte156Das I. Cap. Von der Frantzoſenerſte den er herbey bringet iſt Mr. Euſtace welcher zu Friderici Barbaroſſæ Zeiten im Jahr 1155. gelebet. Sie ſein aber faſt alle Provinciales, welche vor allē andeꝛn in Franckreich jeder zeit den groͤſten Ruhm gehabt / welcher Leben in einem abſonder - lichen Buch Johannes Noſtredamus be - ſchrieben. Dieſe Poëtæ Provinciales wur - den die jenigen genant / welche in Aquitanien wohnten / und zu Toloſa ihre Verſamlung hatten. Denn ſeit dem Aquitanien den titul eines Koͤnigreichs gehabt / iſt Toloſa die Hauptſtadt geweſen / und hat man daſelbſt alle Zierlichkeit des gantzen Landes gehabt. Sie war gleichſam eine Quel - le / worauß das gantze Land geſchoͤpfet. Es iſt bekant / was ſchon Auſonius ihr vor Lobſpruͤche geſchriebē. Strabo lib. 4. ſchreibt von den Aquitaniern / dz ſie vor keine barba - ren zu halten / ſondeꝛn faſt alle die Roͤmiſche geſchicklichkeit / Sprache und Lebens art an ſich haͤttē. Der Sulpicius Severꝰ in vitâ S. Mar - tini macht gar einen Unterſcheid unter einē Gallier und Aquitanier, und eignet dieſemdie157Poeterey. die Hoffſprache / jenen aber die Baurſpra - che zu. Dieſe Zierlichkeit iſt durch alle Zeiten geblieben / wiewoll ſie von Jahren zu Jahren ſich in etwas geaͤndert. Und diß war ebē die Urſache / warum ſie Romani, Romains und ihre Sprache Roman iſt ge - nant worden / und daß die Koͤnige ſich an - fangs Roys des François & des Romains geſchrieben. Nachgehends wie die Go - then und andre Nordiſche Voͤlcker alles uͤberſtroͤmten / haben ſie die Sprache in ſo weit geaͤndert / daß man dennoch die Fußſtapffen der alten Lateiniſchen ſehn koͤnnen / die aber mit der Fremb - den ſehr gemiſcht war / da ſie lingua Ro - mana Ruſtica genant worden. Welche Sprache hernach geblieben; darin noch das formular des Eides zwiſchē Carolo Cal - vo, und Ludovico Germanico verfaſſet / das Nitardus lib. 3. erwehnet und Marqurdus Freherus mit Anmerckungen herauß ge - geben. Dieſe Roͤmiſche Sprach iſt die Provençal Sprache auch genennet wor - den / und die Voͤlcker / die ſich deren ge -braucht158Das I. Cap. Von der Frantzoſenbraucht nante man Provinciales. Es waren aber die Voͤlcker Franckreichs da - mahls durchgehends in Francken / und Provinciales getheilet; unter den Provinci - alibus begriff man die von Languedoc, die Burgunder / die Allemannos und Gaſcones welche die Gothiſchen Provinciales genañt wurden. Bey dieſen iſt das Poëtiſiren ſehr gemein geweſen / davon auch der Nahme der Romainen und Romancen ge - kommen; weiln ſie ſich der gleichē Fabeln zu erfinden ſehr angelegen ſein lieſſen. Es mei - nen auch etzliche daß die gantze Art zu rei - men von ihnen hergekommen / welches ich nicht fuͤr glaͤublich halte / davon aber in folgenden mit mehren ſoll gehandelt wer - den. Es hat ſo viel ſinnreiche Geiſter die æmulation der unterſchiedlichen Herrn auffgeweckt. Dann da ein jeglicher ſei - nen eigenen Hoff angeſtellet / um dieſelben beruͤhmt zu machen / hat man alle luſtige und Kunſtreiche Koͤpffe an ſich gezogen; welche ſich dann in groſſer Zahl eingefun - den / da ſie gemerckt daß die Herren ihrLob159Poeterey. Lob gern außgebreitet geſehen / und ſie ſelbſt Ehre uñ belohnung davon zu gewar - ten. Dadurch iſt die Poeterey in ſo groſſen Ruff und Auffnehmen gekommen / daß auch der Adel / ja ſelbſt Koͤnige / Fuͤrſten und Grafen / dieſes Lob begierlich ſuchten / auch die vornehmſten Frauen und Jung - frauen / theil daran zu haben verlangten. Die Provincial Sprache ward ſo hoch ge - halten / daß auch die Außlaͤnder / als Spa - nier und Italiāner hierinnen zu ſchreiben anfingen: hernach wie die Italiaͤner ihre ei - gene Sprache auch etwas außzuuͤben an - gefangen / ſo haben ſie doch die meiſten Zier - lichkeiten von der Provincial Poeten Erfin - dungen genommen / wie diß Bembus lib. 1. Proſ. bezeuget / worauß die Oehrter Bo - rellus in der Vorrede ſeines Buchs Tre - ſor de Recherches & Antiquités Gauloiſes angefuͤhret. Es iſt unter den Provin - cial Poeten Arnaud Daniel geweſen im Jahr 1189; welchem Petrarcha viel gute Er - findungen abgeſehen: wie beym Verdiero angemerckt iſt / und gedenckt Petrarcha ſei -ner160Das I. Cap. Von der Frantzoſenner ſelbſt in Triumph. Amoris. c. 4. Her - nach haben auch die Frantzoſen nach dem unter ihnen die Hoffſtatt auffgerichtet es den Provincialibus nachmachen wollen / aber es iſt gegen der Provincialium Poeſey die ihre nichts zu ſchaͤtzen / welche mehren - theils das beſte auß den Provincialibus her - außgenommen. Man hat eigene zuſam - menkuͤnffte / Comitia Poëtica angeſtellet / worinnen man die Verſe hergeſagt / und um den Sieg geſtritten. Der Ohrt iſt genannt worden Cour d amour, und der Außſpruch arreſt d amour, weil die Verſe von Liebesſachen gemeiniglich gehandelt. Es ſein aber keine leichtfertige grobe Zoten vorgebracht worden / ſondern ehrliche Schertze. Woruͤber die geehrteſte Ma - tronen den Außſpruch gegeben: denn die - ſe hatten in ſolchen ergetzungen ihren Zeit - vertreib / wenn die Maͤnner des Krieges warteten. Welche aber zu Hauſe ihren Turnierſpielen uñ deꝛgleichen Ubungen ob - lagen / und ihre in Verſen beſchriebene Zū - ge und Siege ihrem Uhrtel uͤbergaben. Dieſe161Poeterey. Dieſer Cour d Amour wird hin und wie - der bey den Poeten ſelbſt / auch bey einigen Hiſtoricis gedacht. Vor dieſem hat man zu Toloſa dergleichen Verſamlungen auch gehabt / welche genannt worden College de la ſcience de Rhetorique oder dela gaye ſcience. Die Spiele an ſich ſelbſten ſein Jeux fleur eaux, oder Floralia genant / wur - den alle Jahr den 1 und 30 Maji gehalten. Auß ſolchen Zuſammenkuͤnfften wurden reimweiß geſchriebene Briefe durch die gantze province außgefertiget / uñ alle vor - trefliche ingenia eingeladen / ihre Carmina oͤffentlich herzuſagen. Es wurden ſieben Maͤnner hierzu erwehlet / welche Main - tenedors del gay ſaber genannt worden. Am erſten Meytage / wurden die Carmina vorgeleſen / des tages hernach / hielte man der Belohnung halber Rath / und am letzten des Maji, wurden die Pre iſe zu erkant / als ein Violette d or und der titu - lus le Docteur en gaye ſcience. Hernach hat man zu den vorigen Preiſen noch zwey andere ſilberne Blumen gethan. IDie162Das I. Cap. Von der FrantzoſenDie Geſetze in dieſen Spielē waren folgen - de: Kein Ketzer ward dieſer Blume fāhig erkant / auch keine Frauensperſon / wo ſie nicht von ſonderlicher Gelartheit / auch ſchweren koͤnte / daß ſie ihre Verſe ſelber verfertiget. Welche eine Blume erhalten / koͤnten nicht eher als nach drey Jahren um die andre anhalten. Es konte keiner ein Baccalaureus werden / er haͤtte denn ei - ne Bluhme uͤberkommen: Keiner ein Doctor, es hetten ihn deñ erſt die Mainte - nedores und der Cantzler examiniret in allen den ſtuͤcken der gayæ ſcientiæ, wie ſie es nennten. Nachdem muſte er in gebun - dener Rede anhalten um den Stul / oder Catheder, um das Buch / und den Hut: Worauff dann in Verſen geantwortet wurde / und ihm alles zuerkant. Denen die die vornehmſte Blume la Violette ge - nañt uͤberkamen / wurd der titul de fin aymant, eines treuen Liebhabers gege - ben. Dieſes alles hat ſehr weitlaͤufftig und mit allen umſtaͤnden / auß den alten Schrifften hervor geſucht der gelahrteMr. 163Poeterey. Mr. de Caſeneune in ſeinem Buch / deſſen titul: l Origine des Jeux-fleureaux de Tou - louſe welches zu Toulouſa ſelbſt im Jahr 1639 heꝛauß gegeben. Von deſſen gelahrten Hand wir noch viel ſchoͤnere Schrifften von Franckreichs antiquitaͤten zu erwar - ten gehabt / wenn ihn nicht der Tod zu fruͤhezeitig hinweggerafft. Es ſcheinet daß her nach erſtlich hervorgekommen die - jenige die ſie Troubadours, Trouverres, Chanterres, Jougleurs, Conteours genañt. Die Troubadours oder Trouverres waren die Erfinder der Reime und der Lieder / die andern ſpielten ſie auff allerhand In - ſtrumenten, oder ſangen ſie auch. Harſtoͤrf - fer in ſeinem Specimin. Philolog. Germ. disquiſ. 9. §. 6. wirfft dieſe Troubadours und Poëtes Provencales untereinander / und ſtellet ein Bildniß vor ſo er auß den Chaſtueil genommen. Von dieſen kan Claude Fauchet in vorerwehntem Buch chap. 8. nachgeſehen werden. Wir erſehen hierauß die Preißwuͤrdigkeit die - ſer vortreflichen Nation, welche zu jeder -l 2zeit164Das I. Cap. Von der Frantzoſenzeit den Verſtand außzuuͤben / und die Sinnreichen Kuͤnſte zur Vollkommenheit zu bringen ſich bemuͤhet. Wir ſehen / wie ſie auch ſchon zu der Zeit den alten nichts bevor geben wollen / welche ihre Ludos und Agones Poëticos zu erweckung mun - terer Gemuͤther angeſtellet. Man kan noch auß den fragmentis, welche bey Clau - de Fauchet, Noſtredame, Verdiere, und in abſonderlichen Wercken vorhanden / ſehen / was fuͤr ein Geiſt aus den Schriff - ten hervor leuchte deren ſich auch die Ita - liāner und der ſiñreiche Petrarcha ſelbſt an verſchiedenen Ohrten bedienet / und welche noch itzo unſre ſo zarte Ohren wol ver - gnuͤgen koͤnten / wenn nur die Erfindung in ein zierlicher Kleid verhuͤllet. Wie die Spiele endlich in Abgang geriethen / ſo iſt dennoch die Luſt zu dieſen Wiſſenſchaff - ten beygeblieben / und hat ſich von Jah - ren zu Jahren vermehret / auch die Wiſ - ſenſchafft ſelbſt ſich gebeſſert. Es iſt nicht dieſes Ohrts alle und jede Frantzoͤſiſche Poeten ſo nach und nach entſtanden auffden165Poeterey. den Fingern herzuzehlen. Wenn man des Verdiere Bibliothec nur durchlaͤufft / ſo wird die Zahl der Poeten die groͤſte ſein / da - von er bißweilen einige ſehr annehmliche Proben herbey bringet. Und iſt nicht zu leugnen / daß ſie an der Zahl andren Na - tionen weit uͤberlegen ſein / inſonderheit weñ wir die alten / die Verd[it]re auffgezeich - net / den neuen hinzu thun / die theils von dem Sorel, erwehnet / theils noch taͤglich neu gebohren werden. Es iſt auch der Fleiß zu loben / daß ſie nicht leicht etwas arti - ges und zierliches / es ſey eine Satyra, ein Epigramma, oder ſonſten was / uͤberge - hen / ſondern in gewiſſe Buͤcher Oeuures meslées, Pieces nouvelles, Mercures ga - lantes und dergleichen verfaſſen. Sorell in ſeiner Bibl. Françoiſ. c. 10. zehlet bey ſechs oder ſieben Buͤcher von ſolchen außerle - ſenen Poëmatibus, und ruͤhmet ſie ſehr hoch. Ja er ſagt / daß einige von Frauen darin gemacht / die alle der Maͤnner Wercke uͤbertreffen. Nur etzlicher der Vornehm - ſten zu gedencken / ſo iſt wol einer mitl 3von166Das I. Cap. Von der Frantzoſenvon den erſten / die nach der alten Pro - vincialiſchen Poeſie / die heutige auff die Bahn gebracht / Clement Marott, welcher / da er kein Gelahrter / dennoch ein Frantzoͤ - ſiſches Carmen von ſonderlicher artlichkeit geſchrieben. Inſonderheit ſein ſeine Epi - grammata ſo woll gemacht / daß ſie vor andern allen den Preiß haben / und wiſ - ſen / die nach[ihm]dergleichen geſchrieben / ihnen ſeine Erfindungen wol zu nutze zu machen. Scævola Sanmarthanus, ſo ſelbſt ein guter Lateiniſcher und Frantzoͤſiſcher Poet geweſen / gibt ihm in ſeinen Elogiis dieſes Zeugniß. Si literæ ipſi adfuiſſent, vix ullus erat futurus Poëta melior. Hoc certè Galliæ præſtitit, quod, cum illius tem - poris ſcriptores ſermone uterentur tam im - puro, ut non intelligi poſſent, primus in meliorem aptè & dilucidè loquendi viam ingreſſus ſit. Nechſt dieſem kan ich den Ronſard darſtellen / welcher zu ſeiner Zeit das groͤſte Lob der Frantzoͤſiſchen Poeſey erhalten. Sanmarthanus nennt ihn Poë - tarum ab omnibus ſeculis ſecundum Maro -nem167Poeterey. nem facile principem, und hat ihn mit ei - nem herlichen lateiniſchen Epitaphio ver - ehret. Der Koͤnig Carolus IX. hat ihn gewuͤrdiget mit unterſchiedlichen Frantzoͤ - ſiſchen Carminibus, welche Ronſard beant - wortet. Er iſt von den vornehmſten Ge - lahrten Leuten einem Foͤnix gleich gehal - ten worden. Muretus hat nebſt andern ſeine Verſe mit commentariis außgezieret. Neben ihm ſein verſchiedene andere gewe - ſen / als Jean Antoine de Baif, Joachim du Bellay, Pontus de Tyard, Eſtienne Jodelle, Remus Belleau, Eſtienne Paſquier, Olivier de Maigny, I. de la Peruſe, Robert Garnier, Jean Paſſerat, Perron &c. Aber ſein Stern hat alle verdunckelt / und haben ſie ihm alle gern den Vorzug gelaſſen. Es iſt traun eine ſonderliche artlichkeit in ſeinen Sonneten und Oden / in welchen er / nach Scaligers Urtheil etwas ſonder - liches hat. Er iſt von hohen Einfaͤllen / die er aber ſelbſt bißweilen verſtellet / in dem er gar zu viel Gelehrtheit eꝛweiſen wil. In ſeiner Franciade aber fāllt dieſer Geiſtl 4zim -168Das I. Cap. Von der Frantzoſenzimlich weg / deñ ein Heroicum Carmen mu - ſte mit einem groͤſſern nachdencken und Ur - theil geſchrieben werden. Du Bartas der das Werck der Schoͤpffung in Frantzoͤſi - ſchem Carmine beſchrieben / iſt mehr einem Hiſtorico als Poeten aͤhnlich / ſelbſt nach Sc. Sanmarthani Urtheil. Er affectiret ſehr die zuſammenſetzung der Woͤrter / nach art der Griechiſchen beym Homero und Pindaro. Welches aber in der Frantzoͤ - ſiſchen Sprach gar eine unfoͤrmliche und frembde Redensart machet. Malherbe der die groͤſte Lieblichkeit und Kunſt zu - ſammen verbunden / ward bey ſeinem Le - ben von wenigen hochgehalten. Denn er hatte viel Neider / und die an ihm was zu loben funden / wolten ihn vor keinen Poeten / ſondern vor einen außbuͤndigen Verßmacher halten / weiln er ſich mehr mit Uberſetzungen als mit eigenen Erfin - dungen hervor gethan. Es meldet da - von Balzac an einem Ohrt ſeiner Schriff - ten: daß / wie eines ſeiner Sonneten in ei - ner vornehmen Geſellſchafft vorgeleſenwur -169Poeterey. wurde / habe man alles daran verwun - dert / ehe man ſeinen Nahmen gehoͤret: So bald aber dieſer kund worden / habe man alles getadelt / und waͤre nichts gu - tes daran geweſen. So ſeltzam faͤllt bißweilen das Uhrtheil der Leute! Nach ſeinem Tode aber hat man mehr Wercks vom ihm gemacht / und auch die gering - ſten Zeilen von ihm in dem groͤſten Wehrt gehalten. Der gelahrte Biſchoff Godeau, welcher ſelbſt die Pſalmen Davids in die ſauberſte und zierlichſte Frantzoͤſiſche Ver - ſe gebracht / hat zu ſeinem Lobe eine eige - ne Schrifft auffgeſetzet / worin er ihn nen - net l honeur de ſon ſiecle, les delices des Rois, l amour des Muſes, & l’un de leurs plus accomplis chef-d oeuvres. Der be - ruͤhmte Menage, welcher ſelbſt die zierlich - ſten Frantzoͤſiſchen Verſe geſchrieben / hat des Malherbe Verſe mit einem anſehn - lichen Commentario beehret / welcher in der Vorrede eines Mr. Chevreau gedencket / der gleichfals uͤber dieſe Poemata Anmer - ckungen geſchrieben. Der Herr Menagel 5ſcheuet170Das I. Cap. Von der Frantzoſenſcheuet ſich nicht ihn allen ſeinen Lands - leuten vor zuziehen. Balzac in ſeiner Lateiniſchen Briefe einem an den Sil - hon p. m. 196. gibt ihm den groͤſten Lob - ſpruch: Primus Franciſcus Malherba, inprimis viam vidit, qua iretur ad carmen atq; hanc inter erroris & inſcitiæ caliginem ad veram lucem reſpexit primus, ſuperbiſ - ſimoque aurium judicio ſatisfecit. Non tulit noſtros homines inventis fugibus am - plius βαλανηφαγ〈…〉〈…〉 ν. Docuit quid eſſet pu - & cum religione ſcribere. Docuit in vo - cibus & ſententiis delectum eloquentiæ eſſe originem atque adeo rerum verborumque collocationem aptam ipſis rebus & verbis plerumque potiorem eſſe. Ferner ſagt er: Perſpicaci maximè & caſtigato judicio plurima in ſe, in aliis nimium pene multa inquirens, finxit & emendavit civium ſuorũ ingenia, tam felici ſucceſſu, ut elegantiorum autorum turbam, qua nunc Gallia cele - bratur, una ipſius diſciplina Galliæ dede - rit. Man kan ein mehres daſelbſt leſen. So urtheilte dieſer trefliche Mann vonMal -171Poeterey. Malherbe, unter welchen und Ronſard er eine Vergleichung angeſtellet Entretien XXXI, darin er die jenigen anſticht / die denn Ronſard jenem vorziehen wollen. In - ſonderheit hat Richelet ein Commenta - tor des Ronſards einige Verſe wieder Mal - herbe gemacht. Es iſt aber nicht zu leug - nen daß Malherbe an unterſchiedlichen Ohrten ſich des Ronſards gebraucht. Von dieſen und andern dingen kan nachgeſe - hen werden Mr. de Racan in ſeinen Memoi - res pour la vie de Malherbe. Dieſem Malherbe folgte Theophile, welcher in dem er die weiche und leichte arth zu ſchreiben nachahmen will / auff eine niedrige Kin - diſche verfaͤllt. Er folgt mehr ſeiner Phantaſey als dem guten Urtheil / und iſt bey ſeiner Verwegenheit offtmahlen gluͤcklich. Voiture hat luſtige Einfālle in ſeinen Oden: aber da er die Rede erhe - ben ſoll / faͤllt er zu niedrig / und iſt nicht bequem durch hohe Außbildungen / die dem Lyrico Characteri zu ſtehen / eine groſ - ſe Sache vorzuſtellen. Sonſt hat er inScher -172Das I. Cap. Von der FrantzoſenSchertzen / Auffzugen und andern feſti - vis den Preiß vor andern. In den Co - mœdien haben die Frantzoſen ſich ſehr hervor gethan / und hat es niemand hoͤ - her gebracht als Moliere, wiewol er die Regeln der Kunſt / ſo der Ariſtoteles vor - geſchrieben / uñ derer andre ſich gebraucht / weit ūberſchritten. Er iſt aber dennoch gluͤcklich geweſen / und hat ſeine verwe - gene Sinnigkeit ſich allen beliebt gemacht / ob er gleich wieder der Comoedie geſe - tze / die vornehmſten Leute des Hofes und des Landes auff den Schauplatz ge - bracht / und mit ihnen ſeinen Schertz ge - trieben. Sein Miſantrope iſt wol eins der beſten Spiele / die er je gemacht. In Tragœdien hat man den Corneille und an - dere gehabt / welche ihr Werck woll ge - than: aber es iſt nicht die Krafft der Woͤrter und der Außbildungen / welche bey den Griechen iſt. Corneille iſt durch die Cid erſtlich empor kommen / welche mit unglaͤublichem Vergnuͤgen des Hofes und des Volcks ſo offt iſt auff den Schau -platz173Poeterey. platz gekommen / daß man ſich nicht daran erſāttigen koͤnnen. Es wurdē auff des Car - dinal Richelieu angeben einige Zuſammen - kuͤnffte gehalten / daꝛin von allē dieſes Werck gar genau geurtheilet ward / welche Ur - theile hervor gegeben / und iſt das jenige was ſie getadelt / wieder von Corneille ver - thediget worden. Der Herr de Scudery hiedurch auffgemuntert hat eine Tragœ - die erfunden / deſſen titul l Amour Tyran - nique, welche dem Cardinal gleichfals ein groſſes Vergnuͤgen gegeben. Es hat der Corneille einen Bruder gehabt / der ihm hierin nichts nachgegeben: Er aber hat endlich dieſe weltliche Sachen fahren laſ - ſen und ſich auff den Kempis de Imitatione Chriſti in Frantzoͤſiſche Verſe zu uͤberſe - tzen begeben. Von andern Comœdien und Tragœdienſchreibern / wie auch von den Schauſpielen ſelbſt kan Sorell geleſen werden in ſeiner Bibliotheque Françoiſe chap. 10. p. 208. Regnier in ſeinen Satyren iſt zwar ſinnreich / aber etwas grob. Dem Rablais fehlet die Zierlichkeit dieſer Zeit. Uber -174Das I. Cap. Von der FrantzoſenUberhaupt von der Frantzoſen Poeterey zu urtheilen / ſo findet man ins gemein Lebhafftigkeit / und Sinnlichkeit in Wor - ten und Gedancken / ſie ſein geſchwinde und weitſchweiffend / ungedultig zu lan - gem nachſinnen / uͤberfluͤſſig in der Rede / welche natuͤrliche Eygenſchafft ſie zu ho - hen tieffſinnigen Werckē ungeſchickt macht. Ich wuͤrde mich ſcheuen ſolches zu ſchrei - ben / wenn nicht ihr eigener Landsmann Renatus Rapinus, der Lateiniſche Verſe geſchrieben / die des Virgilii ſeinen ſo ehn - lich ſein als ein Ey dem andern / in ſeinen in Frantzoͤſiſcher Sprach geſchriebenen Reflexionibus uͤber des Ariſtotelis Poētic. part. 1. refl. 25. dieſes bekraͤfftigte / welches wir auß der Engliſchen Uberſetzung auff Teutſch hieher ſetzen, Wir moͤgen uns ſelbſt mit unſerm Verſtand und mit dem Genio unſer Nation ſchmei - cheln; aber unſer Geiſt iſt nicht gnug erhoͤhet / um groſſe Außbil - dungen (ideas) zu machen. Wir bemuͤhen uns mir kleinen Dingen /ſein175Poeterey. ſein in groſſen Dingen kalt / und erſcheint in unſerm Werck kaum ein Schatten der hohen Poeſie, deren Form uns die alten Poeten als Virgi - lius und Homerus hinterlaſſen. Am an - dern Orthe Reflex 30. ſagt er: daß in der Frantzoſen Tichterey die Lo - gica oder Vernunfftkunſt nicht ge - braucht werde / ſondern es ſey ins gemein lauter Pedanterei oder Non - ſenſe. (Denn dieſer Worte gebraucht er ſich. ) deſſen er unzehlige Exempel aus dem du Bartas und Ronſard bey - bringen wolle. Ob nun zwar dieſer vortrefliche Mann auffrichtig in ſeinem Urtheil iſt / ſo ſcheinet es doch / wo ers von den heutigen verſtanden haben will / etwas zu ſtreng zu ſein: Es iſt kein Haupt - werck geſchrieben / ſeiner Meinung nach / das dem Virgilio nachahme: So wun - dert mich doch daß er des Chapellaine nicht gedacht / der ein Heroicum Po - ëma von der Puella Aurelianenſi geſchrie - ben / welches dennoch in einigemWerth176Das I. Cap. Von der Frantzoſenwerth gehalten wird: Auch mag des Herrn de Scudery ſein Alaric woll geprieſen werden. Sorell gedencket noch des Pere le Moine le Saint Louys, le S. Paul de M. Godeau, le Moyſe ſauvé de M. de S. Aymant, le Clouis de M. Deſmareſts, le David de M. de Lesfargue. So hat auch der Herr Sorbier eines von dem Carolo M. oder ſein reſtabliſſement de l empire Ro - main verſprochen / wovon er den anfang in ſeinem Buch von der Frantzoͤſiſchen Sprache ſehen laſſen. Aber hie von als unbekanten Dingen iſt nicht zu urtheilen. Rapinus ſchreibet von den Eclogis, daß ih - rer Landsleute keiner einige tuͤchtige ge - ſchrieben / da doch Menage unter ſeinen Frantzoͤſiſchen Poematibus etliche hat / an welchen der ſcharffſichtigſte nichts zu ta - deln finden ſolte. Die heute ſchreiben / befleiſſigen ſich ſolcher Rennlichkeit und Zierlichkeit / als immer erdacht werden kan; Da es faſt unmuͤglich iſt die Scharff - ſinnigkeit ſo vieler gelahrten Leute zu ver - gnuͤgen / wann man nicht ein vollkomme -nes177Poeterey. nes Meiſterſtuͤck hervor zu bringen ihm getrauet. Es wird nicht alles zu uns herauß gebracht / wuͤrde alſo ſehr gut ſeyn / wenn das Werck von Mr. Colletet ans Tages Licht kommen ſolte / welcher von dem Leben der Frantzoͤſiſchen Poëten ein Werck geſchrieben / das Menage in ſei - nen Obſervat. uͤber Malherbe p. 429. ſehr ruͤhmet. Es iſt noch einige kleine Nach - richt zu finden in des Sorelle Bibliotheque Françoiſe chap. 67. Welcher aber mehr ein Panegyriſtes und Nomenclator als Cenſor iſt. Man iſt auch bemuͤhet die Sprache ſelbſt in die richtigſte Verfaſſung zu brin - gen / wie denn von dem Cardinal Richelieu ein eigenes Collegium dazu angeſtellet / und von vielen vornehmen Leuten darin gearbeitet iſt. Es ward genant Acade - mie Françoiſe, davon eine Hiſtoriſche Re - lation an den Tag gegeben iſt / worin von dieſes Collegii auffrichtung / Ordnungen / Orth und Tage der Verſamlungen / und andern denckwuͤrdt - gen Dingen / die darin vorgegangen / vonm mde -178Das I. Cap. Von der Frantzoſendenen Academicis und Gliedern deſſelben gehandelt wird. Es iſt hierauß zu ſehen / wie weit man in dieſem Wercke gekom - men / und geben es die heutigen Schriff - ten zum theil zu erkennen. Ob gleich der vornehmſte Zweg nemlich die Verfer - tigung eines Dictionarii ſeinen Fortgang nicht gehabt. Sorell hat in ſeiner Bibl. Françoiſ. p. 12. du progrez de la langue Francoiſ. eine vollenkommene Erzehlung / wie die Sprache durch jede ſecula geſtie - gen / und in ſeinem erſten capit: de la pure - de la langue Françoiſe handelt er von den Autoribus, die hier in bemuͤht geweſen. Wie hoch nun gleich die beſſerung der Spra - che ſich erhoben / ſo kan ich doch nicht des Herꝛn Sorbier Meinung billigen / der unter dem Nahmen Laboureur ein Buch herauß gegeben mit dieſer Uberſchrifft: Avantages de la langue Francoiſe ſur la langue latine. Worinnen er erweiſen will / daß die Fran - tzoͤſiſche Sprache vollenkommener ſey / als die Lateiniſche / ob gleich Renatus Franci - ſcus Sluſius in einigen Lateiniſchen Brie -fen179Poeterey. fen das Gegentheil wieder ihn behauptet. Sein vornehmſter Grund iſt / weil die Frantzoͤſiſche Sprache die Gedancken viel richtiger und ordentlicher außdruͤcke / als die Lateiniſche / die die Woͤrter und Mei - nungen verwerffe / und nicht ſecundum concipiendi modum alles außſpreche. Nun iſt zwar dieſes nicht nur der Fran - tzoͤſiſchen ſondern vielmehr der Teutſchen eigen: und beruhet hierin die natuͤrli - che Ubereinſtimmung. Die Griechiſche und Lateiniſche Sprache aber ſind auff eine kunſtreiche Maaß der Sylben gerich - tet / wornach die gantze Zuſammenfuͤ - gung des Periodi ſich ſchicken muß. Er Sorbier hat zu behauptung ſeiner Mei - nung die 30. Ode des 4. Buchs auß dem Horatio in Frantzoͤſiſch uͤberſetzet / mit eben ſo viel Strophen und Verſen / zu er - weiſen / daß die Frantzoͤſiſche Sprache mit eben ſo viel Worten eine gleiche Rede auß - bilden koͤnne. Aber es hat Iſaacus Voſſius in ſeinem Buch de Poëmatum Cantu p. 39. dieſe ſeine Meinung mit ſehr guten Gruͤn -m 2den180Das II. Cap. Von der Italiaͤnerden widerleget: und wird in folgenden noch ein mehres hievon geredet werden. Der Herr Godeau in ſeiner Vorrede - ber deß Malherbe Poëmata iſt faſt einer gleichen Meinung: daß er der Frantzo - ſen ahrt zu ſchreiben der Lateiniſchen vor - ziehet.

Das II. Cap. Von der Italiaͤner Poeterey.

Einhalt. DIe Italiaͤniſche Sprache eine Mißgebuhrt der Lateiniſchen. Wird von den Landsleuten hoͤher als die Italiaͤniſche geſchaͤtzet / und in oͤffentlichen Schrifften ihr vorgezogen. Andere hingegen tadeln ſolches. Die Italiaͤniſche Spra - che unterſchiedlicher ahrt. Toſcaniſche iſt die beſte / und doch mit vielen Provencaliſchen Woͤrtern angefuͤllet. Dantes, Petrarcha und Boccacius die erſten Poëten welche die Sprache außgeuͤbt. Urtheil von Dantes Schrifften. Franciſcus Petrarcha, der groͤſte Poët ſeiner Zeit. Ihm wird groſſe Ehre erwieſen. Hat durchauß zu der Rechts-Gelahrtheit ſich nicht be - quemen wollen. Alexander Taſſonus hat ſeinePoë -181Poeterey. Poëmata angegriffen. Wird von andern verthaͤdi - get. Nicolaus Villanus verachtete ihn gleichfals. Welche dennoch Beide gute Poeten geweſen. Cl. Verdier zieht den Ronſardum dem Petrarchæ unbillig vor. Commentatores uͤber Petrarcham. Seine ungereimte Carmina. Unterſchiedlicher ge - lehrten Leute Urtheil von Boccacio. Lexicon auß dieſer dreyen Schrifften. Die alten Toſcaniſchen Woͤrter werden von etlichen ſonderlich außgeſucht. Die doch beym Petrarcha mit groſſen Bedacht geſetzt. Nach dieſem iſt P. Bembus und I. Caſa gekommen. Bembus hat die barbariem auß dem Lateiniſchen und Italiaͤniſchen erſtlich verwieſen. Lob des Caſæ. Seine Commentatores. Victoria Columna und Margareta Sarrochia vortrefliche Poetinnen. Arioſtus hat Bojardo was abgeſehen. Torquatus Taſſus der beſte Heroiſche Poet bey den Italiaͤnern. Sein groſſes Lob. Hat den Trißinum zum Vor - gaͤnger gehabt. Sein Vater ein vortreflicher Poet. Hat bißweilen geraſet / und alsdann die beſten Ver - ſe geſchrieben. Sein Gjeruſalemme liberata iſt von Didrich von dem Werder ins teutſche uͤber - ſetzt. Herrn Buchners Urthel davon. Seine andere Carmina. Die Academia della Cruſca hat ſein erloͤſtes Jeruſalem in vielen getadelt. Paulus Benius hat ihn verthaͤdiget und dem Homero und Virgilio vorgezogen. Belmontes Cagnolus, Paulus Gui - dottus Burgheſius haben durchdergleichen Poëmatam 3ſei -182Das II. Cap. Von der Italiaͤnerſeinen Ruhm verkleinern wollen. Mambrunus, Sangeneſius urtheilen auch nicht zum beſten von ihm. Welche aber nicht in allen zu billigen ſein. Guarini Hirtenſpiel Paſtor Fido. Chriſtian Hoff - mans teutſche Uberſetzung. Iſt auch von Unter - ſchiedlichen beſtritten und verthaͤdiget worden. Marini groſſes Lob auß dem Lor. Craſſo. Sein Adonis von etzlichen gelobet / von andern getadelt. Iſt all zu frey und ungebunden in ſeiner Poëſi. Gaudentii Verthaͤdigung komt ihm hierin wenig zu ſtaat. Ur - theil von den Oden des Chiabrera: von Girolamo Preti und Fulvio Teſti. Auguſtini Maſcardi Urtheil von den Italiaͤniſchen Poeten. Italiaͤner ſein nach - laͤßig in auffzeichnung ihrer Poeten. Gregorio Leti. Die Italiaͤniſche Sprache iſt woll außgeuͤbet. Vo - cabularium della Cruſca wird geruͤhmt.

WIr kommen von den Frantzoſen zu den Italiaͤnern / als welche von jenen das Muſter ihrer Ticht - Kunſt genommen / wie ſie ſelbſt geſtehen muͤſſen / und wir ſchon in vorigen Cap. angefuͤhret. Es iſt die Italiaͤniſche Spra - che eine unechte Gebuhrt der Lateini - ſchen / durch Vermiſchung mit der Gothi - ſchen gezeuget. Welche wie ungeſtalltſie183Poeterey. ſie gleich iſt / und ihrer Mutter an Zier - lichkeit nicht zu vergleichen / ſo haben doch die Italiaͤner / dieſe ihre neue baſtard - Rede / durch einen wunderlichen Trieb der Natur immer hoͤher gehalten / als die auffrichtige alte Lateiniſche Sprache / die ſie doch in die Welt gebracht / und dieſel - be andre Voͤlcker gelehret. Denn da ſie dieſelbe billig zu ihrem alten Stande zu bringen ſich hātten bemuͤhen ſollen / ſo haben ſie noch mehr frembde Redensar - ten von andern Voͤlckern dazu gebettelt / und durch dieſe Vermiſchung zierlicher zu machen gemeinet. Franciſc. Floridus Sabinus lib. 1. ſucciſiu: klaget ſehr uͤber dieſe Thorheit ſeiner Landsleute / und fuͤhret deſſen Urſach an / wie auch Melchior In - chofer in Hiſtoria Sacræ Latinitatis lib. 3. cap. 10. welche hieruͤber koͤnnen nachgele - ſen werden. Es ſein auch etliche auff die - ſe Gedancken kommen / daß ſie die gemeine Italiaͤniſche Sprache in oͤffentlichen Schrifften erhoben und der Lateiniſchen vorgezogen / als Joannes Baptiſta Evan -m 4ge -184Das II. Cap. Von der Italiaͤnergeliſta Picenus in einer abſonderlichen O - ration, und Alexander Taſſon Penſieri di - verſi lib. 9. qu. 15. Wieder welche billig zu leſen iſt des Johannis Nicolai Saulii Carregæ, eines gelahrten Italiaͤners / Brieff an Jo - hannem Franciicum Gropallum, welcher unter ſeinen andern Briefen lib. 2. p. 129. zu finden. Worinnen er weitlaͤufftig den Unfug derſelben darthut / und wie ſchādlich ſolche Meinung ſey erweiſet. Was nun die Sprache anlanget / ſo iſt ſie nicht einerley Gattung von Anfang ge - weſen. Dann gleich wie in Griechenland viel Dialecti waren / wegen der vielen Voͤl - cker Herrſchafften und Nachbarſchafften / alſo iſt es auch in Italien geweſen. An welcher Seiten es Griechenland nahet haben die Calabrier die Griechiſche Spra - che mit der ihrigen vermiſchet: Wo es an Franckreich ſtoſt / da haben die Ciſalpi - ni viel von der Frantzoͤſiſchen Sprache angenommen. Die Roͤmer und Toſca - nier, welche mitten in Italien wohnten / waren am wenigſten dieſen Verānderun -gen185Poeterey. gen unterworffen. Die Toſcaner haben doch mehr Zierlichkeit als die Roͤmer be - halten / welche jederzeit von frembden Gaͤſten ſind verunruhiget worden. Aber der Toſcaner Sprache iſt gleichwoll mit den Frantzoͤſiſchen Woͤrtern der Provincia - lium erfuͤllet geweſen / wie Al. Taſſon an vorehrwehntem Ohrte ſaget: Firenze in particulare era piena allora di Franceſi e di Provenzali, da quali la lingua noſtra preſe una infinità di vocaboli. Ihr erſtes auffkommen / und gleichſam ihre Jugend iſt geweſen um das Jahr Chriſti 1300 / da Dantes, Petrarcha und Boccacius gelebt haben / als die erſten Triumvîri, unter den Italiāniſchen Poeten. Dieſe drey haben nach Melchioris Inchoveri Meinung angefangen die gemeine Sprache außzu - uͤben / ſo woll in loſer als gebundener Rede / weil ſie ſich nicht getrauet in der Lateiniſchen Sprache etwas tuͤchtiges außzurichten / da alles damahls in voller barbarie war: Wiewoll Petrarcha noch am meiſten darin gethan und als ein un -m 5ver -186Das II. Cap. Von der Italiaͤnervermutheter Stern durch die tunckle Nacht hervor geleuchtet. Dantes iſt voll von alten Woͤrtern / unter welchen doch ein tieffſinniges Weſen ſtecket. Seine Poëmata haben viel Widerſacher und ver - thaͤdiger gehabt. Caſtravilla hatte zwey Buͤcher wieder den Dantem geſchrieben / welche Jacobus Mazonius widerleget / er - weiſend daß des Dantes (divini hominis, wie er ſagt) Comœdia unbillig getadelt werde. Dieſen Streit haben nachge - hends Beliſarius Bulgarinus, und Hierony - mus Zobbius wieder erneuret / deſſen Auß - gang Ianus Nicius Erythræus Pinacoth. I. imag. 38. Pinacoth. II. imag. 21. außfuͤhrlich beſchrieben. Jacobus Gaddius libro de ſcriptoribus tom. 1. p. 206. urtheilt von dem Dante, daß wo ſein Werck eine Comœdie ſey / ſo uͤbertreffe ſie viel der Griechen und Lateiner / wo es aber ein Heroicum Poëma zu nennen / wāre es allein dem La - teiniſchen des Virgilii nicht zu vergleichen / des Homeri ſeinen Schrifften aber vor - zuziehen. Franciſcus Petrarcha die Zierdeſei -187Poeterey. ſeiner Nation, iſt vor ein Wunder ſeiner Zeit gehalten worden / und hat von den vornehmſten Koͤnigen und Fuͤrſten Eu - ropæ die groͤſte Ehr bey ſeinem Leben ge - noſſen. Von welchen allen weitlāufftig handelt Thomaſinus in ſeinem Patrarcha redivivo: worinnen er die Hiſtoria ſeines Lebens außfuͤhrlich und mit allen um - ſtaͤnden beſchreibet / ſo gar / daß er auch ſeiner ſo geprieſenen Katzen nicht vergeſ - ſen / und ihr Bildniß vorgeſtellet. Der vornehme Rechtsgelahrter Cinus, wel - cher ſelbſt gute Italiaͤniſche Carmina ge - ſchrieben / wie Gaddius in ſeinem Buch de Scriptoribus bezeuget / hat ihn zu der Rechtsgelahrtheit noͤthigen wollen / aber er hat ſich gantz nicht hiezu bequemen wollen / dann er ſchreibet an ihn: Stu - dium ad quod me hortaris, ſervile officium reputo, & mancipium omnibus ſe præſtant qui illo utuntur. Quis eſt qui non dicat hæc jura venalia eſſe & ad bene rectéq; vi - vendum longè aliis ſtudiis eſſe inferiora? Quid ad faciendum virum bonum iſta con -ve -188Das II. Cap. Von der Italiaͤnerveniunt? ſed quis non videt ad virtutem conſequendam nihil pertinere? ſed cupi - dum magis mendacem iracundumque ho - minem reddunt. Hat er ſich derohalben gantz auff die Philoſophie und Poeterey geleget / und dadurch eine unvergleichliche Ehrerlanget. Dieſen Ruhm des Petrarchæ hat nachgehends beſtritten Alexander Taſſon in ſeinem Buch Conſiderationi ſopra le rime del Petrarca, col confronto de luoghi de Poëti antichi di varie lingue. Wieder denſelben hat ihn verthaͤdiget Joſephus de Aromatariis, dem der Taſſo - nus wieder unter dem Nahmen Creſcen - tis Pepe è Suſa geantwortet. Dieſer Jo - ſephus hat wieder zum andern mahl un - ter den Nahmen Falcidii Melampodii in vier Dialogis, den Taſſonum angegriffen / und hat endlich Taſſonus dem nicht leicht was ab zu gewinnen war / mit einem an - dern Buch / deſſen titul Tenta roſſa, ihm wieder begegnet. Es iſt aber auff des Taſſoni ſein Vrtheil ſo groß nicht zu ach - ten. Er war zwar ein gelahrter luſtiger /aber189Poeterey. aber verwegener und zanckſuͤchtiger Geiſt / und ward dieſes ſeines verfahrens halber von allen angefeindet. Und was iſt es von Petrarcha zu verwundern / da er des Homeri ſelbſt nicht ſchonet / wie I. N. Erythræ. Pinac. 1. im. 110. erwehnet / welcher ihn an dem Ohrt nach ſeinen Far - ben ahmahlet. Von ſeinen Animadver - ſionibus in Petrarcham ſpricht er: Etruſca Fr. Petrarchæ Poëmataad reprehendendum arripuit, quem unum non modo lyricorum noſtrorum, ſed Græcorum etiam Latinorum - que omnium principem ponimus; in quem quasdam edidit animadverſiones, in qui - bus nihil fere ab eo dictum reliquit, quod non vel tanquam vitioſum reprehēderit, vel ut abſurdum neglexerit, vel ut ineptum irriſerit, nullam ejus laudem prætermiſe - rit, quam non ſit conatus convellere, labe - factare, evertere. Eben dergleichen Ge - muͤths art hat der Nicolaus Villanus an ſich gehabt / welcher Petrarcham, Ario - ſtum, Taſſum; die vortreflichſten Leute / vor ſich verachtet / war aber dennochſelbſt190Das II. Cap. Von der Italiaͤnerſelbſt ein vortreflicher Poet / inſonderheit in ludicro genere: Dann wie Erythræus bezeugt / edidit eruditiſſimos de Poëſi jo - coſa & ridiculâ ſermones unâ cum facetis - ſimis ſuis rhythmis. In Heroico genere hat er Florentiam liberatam geſchrieben / daß nach ſeinen Tod hervorgekommen / worinnen nach Erythræi Urthel digni Homero verſus. Alexander Taſſonus hat gleichfalls ein artig Poëma jocoſum geſchrieben / la Secchia rapita, welches Ery - thræus ſehr lobet / darinnen er einen Krieg zwiſchen den Bononienſern und Mutinen - ſern, der um eines Eimers willen entſtan - den ſein ſoll / beſchreibet. Theodotus Oſius Nov. Opin-Sylvâ. c. 20. macht viel Wercks von dieſem Poëmate, und nennt ihn Poë - tam ſuper omnes tum noſtrorum tum an - tiquorum ſeculorum celebrandum. Es bringet auch Jacobus Gaddius in ſeinem Buch de Scriptoribus tom. 2. p. 245. 246. unterſchiedliche Dinge vor / worin er den Petrarcham tadelt; Aber es iſt von keiner Erheblichkeit / und iſt dieſes MannesUr -191Poeterey. Urtheil nicht hoch zu ſchaͤtzen; wie im - gleichen des Claudii Verdieri, welcher in ſeiner ungehoͤbelten Cenſione Autorum veterum & recentium, den Ronſardum dem Petrarchæ vorziehet / worin er dem Mureto wiederſprochen / welcher das Ge - gentheil behaupten wollen. Selbiger hat auch Petrarcham beſchuldigen wollen / als haͤtte er die erfindung ſeiner Trium - phorũ auß einem alten Poëten genom̃en / deſſen Lactantius lib. 1. Inſtit. divin gedencket. Uber den Petrarcham ſind viel Anmerckun - gen von vielen geſchrieben. Menage in der Vorrede ſeiner Anmerckungen uͤber des Malherbe Poëmata haͤlt davor / daß die Zahl der Commentatorum nicht gerin - ger ſey / als derer die uͤber den Virgilium geſchrieben. Er hat in der Sprache ſich groſſer Freyheiten gebraucht / hat viel gewaltſamer Reyme / und alte Idio - tiſmos. Nicolo Franco hat nachgehends in ſeinem Buch Il Petrarchiſta genannt / unterſchiedliche Carmina des Petrarchæ hervor gegeben / die bey ſeinen Lebzeitennicht192Das II. Cap. Von der Italiaͤnernicht hervor gekommen / worin er der Reime ſich nicht gebraucht. Labbæus in ſeiner Bibliotheca MStorum p. 67. geden - cket noch unterſchiedlicher Carminum des Petrarchæ, die noch nicht hervor gegeben. Boccacius iſt den vorigen nicht zu verglei - chen / die ihn weit an Erfindung und tieffſinnigen Gedancken uͤbertreffen: aber er hat dennoch eine groͤſſere renlichkeit in der Sprache beliebet / und dieſelbe zu mehrer Zierlichkeit gebracht. Taſſonus ſchreibt ihm zu daß er der erſte ſey / der die Italiaͤnſche Sprache außgezieret. Hieron. Boſſius hat ein Buch geſchrie - ben des Inhalts: Che la volgar lingua habbia havuto del Petrarcae del Boccacio il compimento ſuo. Melch. Inchofer Hiſt. S. Latinit. lib. 3. c. 9. urtheilet alſo: Bocca - cius naturâ quodamodo factus ad el oquen - tiam, cum probè noſſet ſe cum antiquis la - tinis facile certare poſſe: maluit tamen in - genium à medio curſu convertere, ut cum ſummus inter latinos eſſe diffideret Tulli - um in vulgari eloquentia affectaret. Ne -193Poeterey. Neque tamen poſtea hanc laudem illi con - ceſſerunt, frigidum appellantes in nugis, qui in ſeriis, ſi latinus eſſe voluiſſet, magno calore effervebat. Ita qui primus eſſe ma - luit inter vulgares, quam ſecundus inter nobiliores, vix gradum inter utrosque ob - tinuit. Franciſcus Alumnus Ferrarienſis hat auß Dante, Petrarcha und Boccacio ein Lexicon jhrer Woͤrter zuſammen ge - ſchrieben / unter dem Titul, Fabrica del Mondo; und ein anders / Richezze della lingua vulgare. Wodurch denen Anlaß gegeben / die jhre Zierlichkeit ſuchten in alten verlegenen Florentiniſchen Woͤr - tern / welcher viel bey dieſen Autoribus zu finden. Deñ ſolcher ahrt Poeten wurden damahls gefunden / die nichts anders ge - brauchen wolten / als die alten Florentini - ſchen Woͤrter / welche Jacobus Michalori - us in einer artigen Satyrâ durchgezogen / deſſen Erythæus erwehnung thut Pina - coth. I. im. 157. Von den Triumviris, Dan - te, Petrarcha, und Boccacio hat offter - wehnter Erythræus Pinacoth. III. p. 220. nein194Das II. Cap. Von der Italiaͤnerein ſonderlich Lob / und weiß wegen der alten Woͤrter nichts an jhnen zu tadeln. Inferunt ſe quidem, ſagt er / in ipſorum ſer - monem verba aliqua paulò antiquiora: ſed ea miram habent venuſtatem, & quia loco ſunt poſita adeò omnium in telligentiæ ſunt obvia atque aperta, ut nulla ferè interpre - tis cujusquam ope auxilioque indigeant. Campanella lobt in ſeinem Buch de ratio - ne ſtudendi artic. 2. den Dantem vor allen / ob ideationem Exemplorum, mirificenti - am narrationis, imitationem rationis. Die Zeit von 1400 biß 1500 hat nicht viel ſon - derliches hervorgebracht / weiln Krieg / Peſt und allerhand Unruhe die guten Gei - ſter ſchier erſticket. Da iſt endlich Petrus Bembus heran gewachſen / welcher der erſte / der ſo wol in der Lateiniſchen als I - taliaͤniſchen Sprache die alte Zierlichkeit wieder hervor geſuchet. Johannes Caſa in ſeinem des Bembi Leben gibt deſſen ein ſattſames Zeugnuß: Par erat atque i - dem eorum error, (Er hatte vorhin von der Lateiniſchen Sprache geredet) qui Ita - licè ſcribebant: qui cum duos haberent ſcri -pto -195Poeterey. ptores meâ quidem ſententiâ vel cum Lati - nis vel cum Græcis conferendos (Dantem & Petrarcham) nam alterius verſus & ſua vita - tis plurimum habent & dignitatis, & variis ingenii aut etiam artis luminibus referti ſunt, & animum ſæpè permovent, atque im - pellunt, ut de amore ne Græcus quidem quiſquam melius; alterius oratio dulcis, copioſa, polita, ornata, mollis, faceta, rem ante oculos ponens, ut geri ea quæ legas, non narrari videantur. Hos cum haberent autores duos, utrumque in ſuo genere ma - ximè excellentem, ſcribebant ipſi ineptè, abjectiſſimis verbis, nullus erat ornatus, nullo homine erudito dignæ ſententiæ, nulla compoſitionis aut numerorum ratio. Licet in manus ſumere, quæ tunc multi ſcri - ptitarunt, præter unum Politianum, illum - que ipſum minus dulcem, minus omnino elegantem, quam ut legiſſe Petrarchæ le - ctiſſimos verſus videatur, cæteros ad unum indignos dico, qui in ſcriptorum numero habeantur. Unum ſcurrile vigebat dicendi genus; in eo ſanè ridiculi nonnulli; ſedn 2ipſi196Das II. Cap. Von der Italiaͤneripſi quoq; multis in locis inertes & languidi. Des Bembi ſeine Italiaͤniſche Carmina ſein ſehr gut / und nach des Petrarchæ ahrt ein - gerichtet: welchem er inſonderheit gefol - get. Gaddius vergleicht jhn dem Bocca - cio, ich halt jhn hoͤher / ziehe jhm aber den Caſam vor / welcher wie er das zier - lichſte Latein zu ſeiner Zeit geſchrieben / weßwegen er billig von ſeinen Landsleu - ten hochgehalten wird; ſo hat er auch im Italiaͤniſchen ſeine annehmligkeit gehabt / wiewol er in beyden nur wenig geſchrie - ben. Gaddius hālt ſeine Italiaͤniſche hō - her als die Lateiniſche / nnd zwar nicht unbillig: denn die Lateiniſchen ſind etwas trucken und mager / und haben nicht ſol - chen Geiſt und Trieb wie jene. Die Flo - rentiner ſchaͤtzen dieſen jhren Calam uͤber alles / als den zierlichſten Autorem, und der am ſauberſten ſchreibet / wie Erythræus be - zeuget Pinacoth. III. p. 220. Menagius hat einen Commentarium uͤber ſeine Italiāni - ſche Poëmata geſchrieben / deſſen er ge - denckt in ſeinen Obſervationibus uͤber denMal -197Poeterey. Malherbe p. 503. Ja der trefliche Poet Taſſus hat ſie ſelbſt mit ſeinen Anmerckun - gen gewuͤrdiget / worauß Herr Menage etwas anfuͤhret an gedachtem Ohrt / pag. 536, wie auch Querengus. Giraldus hālt die Victoriam Columnam vor eine unvor - gleichliche Poetin / und ſein einige / die ſie dem Petrarchæ gleich ſchaͤtzen. Derglei - chen eine nemlich die Margaretam Sarrochi - am lobt Erythræus Pinacoth. I. imag. 145. welche des Scanderbegs Leben und Thaten / Etruſco Carmine weitlaͤufftig und zierlich beſchrieben. Sannazarius der ſo trefliche Lateiniſche Verſe gemacht / hat auch ſeinen Ruhm in der Mutterſprache einlegen wollen mit ſeiner Arcadia. End - lich folgen Arioſtus und Taſſus, die in aller Welt bekandte Heroiſche Poeten / von deren Trefligkeit und Vorzug gantze Buͤ - cher geſchrieben. Es iſt nicht zu leugnen daß Arioſtus an der Heroiſchen ahrt die vorgehende uͤbergehe. Er iſt groß und hoch von Geiſt / ſeine außbildung iſt ver - wunderlich / ſeine Beſchreibungen ſeinn 3Mei -198Das II. Cap. Von der ItaliaͤnerMeiſterſtuͤcke / aber das Syſtema des Wercks an ihm ſelbſten hat nicht die Voll - kommenheit / die es haben ſoll. Vor ihm hat Matthæus Boyardus, Comes Scan - dianus ein Poëma von dem Lobe des Orlan - do geſchrieben / aus welchem / wie Jacobus Gaddius. de Scriptoribus tom. 1. p. 70. will / er viel ſoll außgeſchrieben haben / und hat er unterſchiedliche Proben deſſen zum Vorſchein gebracht: auch hat Thomaſius in ſeinem Buch de plagio §. 362. etliche Oer - ter auß dem la Cerda und Baronio ange - merckt / woruͤber er eines plagii beſchuldi - get wird. Aber dieſes auß Boyardo iſt von groͤſſer Erheblichkeit / weil ſie einer - ley materie unter haͤnden gehabt. Tor - quatus Taſſus uͤbertrifft den Arioſto weit / in ſeinem erloͤſten Jeruſalem / einem rech - ten Meiſterſtuͤck / womit die Italiaͤner allen andern Nationen Trotz bieten koͤn - nen / welches ſo viel gelehrte Leute als Scipio Gentilis, Julius Gaſtavinus, Lau - rentius Pignorius &c. mit ihren Anmer - ckungen beehret. Es ſein dennoch etzlichewel -199Poeterey. welche behaupten wollen / er habe von Georgio Trisſino, der vor ihm ein Poëma von dem von den Gothen befreiten Ita - lien geſchrieben / die Form ſeines Wercks genommen / wie der des Homeri Ilias ihm zur Nachfolge vorgeſetzet. Es iſt traun eine weit beſſere Einrichtung des Wercks / und richtiger in allen ſtuͤcken eines Poë - matis wie der andern Italiāner. Der ſcharffe Cenſor Rapinus weiß nichts an ihm zu tadeln / als daß er bißweilen mehr Zier - lichkeit gebraucht als die Ernſthafftigkeit der Sachen erfodert. Er hat zum Vater gehabt Bernhardum Taſſum, von welchem Erythræus Pinac. II. p. 50. ſaget / quod omnes concinnitates ſententiarum, omnes lepores omnes véneres Græcorum Latinorumque poetarũ Etruſcam in poêſin transferre cona - tus fuerit. Seiner gedencket auch Lilius Giraldus in ſeinem Dialogo II. de Poëtis no - ſtri temporis; woſelbſt viele andere ſon - ſten unbekante erwehnet werden / die in Italiànſcher Sprach etwas geſchrieben / und deren viel nicht ans Licht gekom -m 4men.200Das I. Cap. Von der Frantzoſenmen. Iſt alſo kein Wunder / daß un - ter ſolches Vaters Auffziehung / ein ſo vollkommenes Muſter gebildet iſt. Joh. Baptiſta Manſo Marchio Villenſis, welchem Torquatus Taſſus ſein Geſpraͤch von der Freundſchafft zugeſchrieben / den Johan - nes Miltonus in ſeinen Poêmatibus Juve - nilibus p. 74. mit einem feinen Lateiniſchen Carmine beehret / hat des Torquati Taſſi Leben weitlāufftig beſchrieben / worinnen viel ſonderliche dinge ſein: Unter andern iſt nicht vorbey zu gehen / welches auch Thuanus in dem 113 Buch ſeiner Hiſtoria erzehlet / daß in ſeiner Jugend ihn eine Raſerey befallen / welche hernach zu ge - wiſſen Zeiten wiederkommen; dadurch ihm nicht das Gemuͤth verruͤcket / ſon - dern vielmehr ſo geſaubert worden / daß er nach ſolchen Uberfall die herr - lichſten / tieffſinnigſten unvergleich - lichſten Carmina geſchrieben. Gleich als wann er durch eine Goͤttliche Regung were geruͤhret worden. Von derglei - chen Exempeln werde ich einmahl mitmeh -201Poeterey. mehren in meiner Diſſer tatione de Enthu - ſiaſmo Poëtico handeln. Sein Gluͤck iſt ſeinem Geiſte nicht gleich geweſen / dann er ein hoͤhers verdient. Aber diß iſt ins gemein groſſen Maͤnnern eigen / daß ſie bey ihrem Leben nicht nach ihren Ver - dienſte gehandelt werden. Erythræus Pina - coth II, p. 74. will nichts von ſeinem Lobe ſagen / weil er nicht gnug ſagen kan. Sein herrlicher Verſtand leuchtet hierauß her - vor / daß er in dem ſiebenzehenden Jahr ſeines Alters Theologiæ, Jurispru - dentiæ und Philoſophiæ Doctor geworden / welche Dinge er aber alle hernach ver - laſſen hat / und ſich auff die Poeterey allein begeben. Es iſt keine Sprache / darin nicht ſein Werck uͤberſetzet. Didrich von dem Werder hat es Teutſch gemacht / aber es iſt alles gezwungen und hat keine ſon - derliche art. Es hat dennoch dem Hn. Buchnero ſeine Arbeit einige Vergnuͤ - gung gegeben / wie auß ſeinem andern Briefe / den er an den Opitz geſchrieben / er - hellet: De Poëſi ſpricht er / ita ego ſentioillu -202Das II. Cap. Von der Italiaͤnerilluſtrem prorſus atq; eximiam eſſe & paria poſſe facere cum Epica Græcorum Latino - rumque, quorum vineta inſigniter cædit. Translationem vero multô & operoſiorem Huberianâ Bartaſii & meliorẽ judico, quan - quam Italica nondum licuit cum noſtris con - ferre. Er ſetzet aber nachgehends auch fer - ner / was er an ihm tadelt. Des Taſſi Gjeru - ſalemme Conquiſtata, ein ander Werck / hat nicht die Vollkommenheit des erſten. Deſſen Amynta iſt von Menagio mit ei - nem Commentario außgeſchmuͤckt. Sei - ne Oden ſein voller Leben und Feuer. Dieſer ſo trefliche Mann hat dennoch bey ſeinem Leben ſeine Neider gehabt. Die Academia della Cruſca hat in ſeinen Poë - matibꝰ viel zu tadeln gefundē; Aber Paulus Benius hat es mit den Academicis auffge - nommen / und in einem abſonderlichen Buch den Taßum verthaͤdiget. Ja er iſt ſo weit gegangen / daß er des Taßi Poëma des Homeri und Virgilii ihren vorgezo - gen / und viel Oehrter auß ihm angefuͤh - ret / dadurch er ſolches behaupten wol -len.203Poeterey. len. Worin er nach ſeiner Weiſe ver - fahren / dann er ohn dem den alten Auto - ribus auffſetziger als billig iſt / und ſein Ur - theil begreifft. Wie er dann des Livii Hiſtorien ſehr veraͤchtlich gehandelt / und ihn / der doch der vornehmſte nach aller gelahrter Leute Urtheil iſt / auß der Zahl der guten Hiſtorienſchreiber außſchlieſſen wollen. Belmontes Cagnolus hat durch ſein Poëma, das verſtoͤrte Aquileia, des Taßi ſeinen Ruhm verkleinern wol - len / ſeinen aber dadurch vernichtet / ob zwar das Poëma an ſich nicht zu verach - ten. Paulus Guidottus Burgheſius hat des Torquati Tußi erloͤſtem Jeruſalem ein an - ders / nemlich das verſtoͤrte Jeruſalem / entgegen geſetzet / in eben ſo viel Geſaͤngen und Verſen. Von welchen beyden Ery - thræus in ſeiner erſten Pinacotheca zu le - ſen. Es hat auch Cardanus von den La - teiniſchen und Italiaͤniſchen Poëten ſein Urtheil gefāllet / welches in tom. X. Para - lipom. lib. 17. c. 4. zu finden. Mambrunus in ſeiner Diſſertatione Peripateticade Epico car -mi -204Das II. Cap. Von der Italiaͤnermine hat an dem Taſſo und Arioſto zu ta - deln / daß ſie die Unitatem Actionis, welche in ſolchem Poëmate inſonderheit erfodert wird / nicht in acht nehmen. Beym Tor - quato ſein zu viel Epiſodia, worinnen er ſich zu weitlaͤufftig auffhalte. Die auß - theilung und einrichtung des erloͤſeten Jeruſalems / wie ſie an ſich ſelbſt iſt und ſein ſoll / wird ohne Nahmen und Epiſodiis nebſt Homeri und Virgilii ihren vorgeſtellet in ſeinen Buch part. 2. quæſt. 1. Aber es iſt in allen Dingen leichter zu richten / als ſelbſt etwas ins Werck zu ſetzen. Sol - che kleine Fehler / welche die Academie della Cruſca auch groß gemacht / werden leicht durch die andre Vortreflichkeiten uͤberwogen: und faͤllt mir allhie des Ho - ratii Spruch bey: Ubi plura nitent in carmine, non ego paucis Offendor maculis. Beim Arioſto aber ſein vielmehr Maͤngel zu finden; welcher ſich allzuſehr in ſeinen Epiſodiis vertiefft / und mit weitſchweif - fenden Romain-Einfaͤllen alles erfuͤllet. Iſt alſo Sangeneſius ein unbilliger Richterwann205Poeterey. wann er in ſeinen Satyren de Parnaſſo lib. 2. cap. 2. ſchreibet / daß ietzo auff den Ita - liaͤniſchen Parnaſſo der Torquatus Taſſus regire numero magis, quam virtute ſe - quentium ſuperior. Guarinus hat in den Hirtenſpielen ein vollkommenes Muſter hervor gebracht. Darin meinen die Italiaͤner / daß ſie allen Griechen und Lateinern zuvor thun. Deſſen Paſtor Fido iſt ſo beruͤhmt / und in ſo viel Spra - chen uͤberſetzt / daß er niemand unbekant ſein kan. Auch neulicher Zeit iſt er von dem vortreflichen Chriſtian Hoffmann / in teutſche Verſe uͤberſetzt / faſt mit groͤſſer Zierlichkeit als er geſchrieben: dann er die Reime hinzu gethan / und alſo viel mehr Wercks in der Uberſetzung gefun - den / als der Autor in der Erfindung / der ſich an keine Reime gebunden. Die - ſes Hirtenſpiel / oder wie es der Autor ſelbſt nennet Tragi-Comœdia, iſt von un - terſchiedlichen angegriffen worden / und ſein deßhalben Buͤcher auff beyden ſeiten geſchrieben worden / wovon dieNach -206Das II Cap. Von der ItaliaͤnerNachricht zu finden in des Herrn Vin - centii Placii Buch de Anonymis detectis cap. 15. §. 528. Sonſten ſcheinet woll / daß ſeine Hirten die er einfuͤhret / mehr Zier - lichkeit haben / als ihnen Standes halber zu kommen kan / und der Anſtand erfo - dert. Seine Sonneten und andere Car - mina verdienen gleichfalls ihren Lob / ob gleich einige ſie gering halten. I. B. Ma - rinus ein Neapolitaner, der viel ſeiner Lan - desleute die in der Poèſie beruͤhmt ge - weſen / gehabt / wird in dieſer ſanff - ten Poeterey gleichfalls hochgehalten. Lor. Craſſ. Elog. d huomini litterati part. 1. p. 212. legt ihm dieſen Lobſpruch bey: Il Neapolitano Ovidio, digno ſolamente dell aurea penna dell immortal fenice. Non fu ingegno nelle fecondità de verſi più di lui dotato della Natura, dolce nel - lo ſtile, chiaro nell eſpreſſiva, acuto ne penſieri, e mirabile nella varieta de com - ponimenti &c. Er vergleicht ihn mit Martiali, Petronio, und der Griechen Anacreonte, inſonderheit aber dem Ovidio,deſ -207Poeterey. deſſen Seele gleichſam durch eine Pytha - goriſche Verhauſung in ihn gefahren. Sein Vater hat ihn in ſeiner Jugend den Rechten gewidmet / dazu er ſich / eben wie der Ovidius, durchauß nicht bequemen wollen. Ob er gleich viel in Lyrico genere geſchrieben / ſo hat er doch ſein meiſtes Lob durch ſeine Adonis verdienet. Weil er aber bißweilen etwas unſauber und geil in ſeinen Reden / ſo iſt es zu leſen verboten worden. Diß Buch haben F. Thomaſo Stigliani und Angelicus Aproſius du Ventiniglia angegriffen. Nicolaus Vil - lanus und Hieronymus Aleander ein ge - lehrter treflicher Mann / haben es verthaͤ - diget. Beſiehe Erythræum Pinac. I. p. 46. und p. 189. Leonem Allatium in Apibus ur - banis, und Vincentium Placcium in Pſeu - donymis. p. 193. Caſpar Murtula, wie er am Savoiſchen Hofe / da er vorhin ſei - ner Poeſie halber angenehm geweſen / durch den Marinum herunter geſetzt / hat denſelben erſchieſſen wollen wie Erythr. Pi - nac. I. p. 33. bezeugt. Es iſt ſonſt dieſer Mari -nus208Das II. Cap. Von der Italiaͤnernus von denen / welche ihrem Geiſte und Erfindungen die Zuͤgel gar zu frey ſchieſ - ſen laſſen / und in einem Dinge zu zieren unauffhoͤrlich und unendlich ſein / worin doch gewiſſe maaß muß gehalten werden / wenn den Lehrſaͤtzen dieſer Kunſt ein gnuͤgen geſchehen ſoll. Es vermeinet zwar Paganinus Gaudentius in ſeiner Ora - tione Apologetica pro Marinianä Poëſi, welche in ſeinem Inſtar. Academic. p. 95. zu finden: man hātte nicht von noͤthen ſo gar ſich an des Ariſtoteles Lehrſaͤtze zu halten / und koͤnne keiner etwas ſonder - liches uͤnd ruͤhmliches ſchreiben / wann er ſich ſo knechtiſch hieran binden wolle. Aber es iſt ſein Urthel nicht groß zu ach - ten / als welcher in ſeiner Schreibahrt wenig Kunſt und Fleiß erweiſet / und von ſeinen Landesleuten deßhalben verach - tet wird. Iſt derowegen dem Marino mit ſeiner Verthaͤdigung nicht ſonderlich gedienet. Gabriel Chiabrera, hat in Ita - liaͤniſcher Sprach Oden geſchrieben / welcher die Pindariſche hohe ahrt nachzu209Poeterey. zu machen jhm vorgenommen / und ſein etliche welche meinen / er habe ſeinen Zweg voͤllig erhalten; andere hingegen ſeyn in dieſer Meinung / es ſtehe dieſe Schreib - ahrt der Italiāniſchen Sprache gar nicht an / als welche ſolche ſchwuͤlſtige Compoſita nicht wol vertragen koͤnne. Girolamo Preti, Fulvio Teſti und viel an - dere / die nicht allhie zu nennen / verdie - nen ein gutes Lob / welche kurtze / ſinnrei - che Sonnetten / Oden und Carmina ge - ſchrieben / aber ſie ſchmincken ſich allzuſehr und verlieren offt den guten Anſtand / in dem ſie ſcharffſinnig und zierlich ſchrei - ben wollen. Auguſtinus Maſcardus ſelbſt ein treflicher Poet / iſt mit den meiſten I - taliaͤniſchen Poeten nicht zu frieden / und iſtſein Urtheil von dieſen zu leſen in ſeinen Proſe Vulgari Diſcorſ. 9. worinn er uͤber ein Poëma vom Cometen urtheilet: Sono alicuni poëti Toſcani (ſagt er) ſi temerari, che ſu l ali de lor capriccio, tanto intrepi - damente traſcorrono l aria d una proſon - tuoſa licenza, che tutto il rimanente delomon -210Das II. Cap. Von der Italiaͤnermondo diſpreggiano, e non curano punto il maturo giudicio de ſavi; e poi ſi leggo - no ne cartocci infelici di que barbari ci - urmatori, figure & hiperboli ſi gelate, che apunto hiperboree posſon nomarſi, e nate ſotto il fiero clima dell orſe. Es we - re eine gute Arbeit / wenn jemand aller Italiāniſchen Poeten Leben und Wercke außfuͤhrlich beſchreiben wolte / denn es ſeyn jhrer ſehr viel / und uͤbertreffen ſie an Geiſt die Frantzoſen / als welche jhnen gern in jhren Laſtern nachfolgen: ſolche kommen uns ſelten zum vorſchein / und ſein die Italiāner nicht ſo fleiſſig die Sa - chen jhrer Landsleute auffzuzeichnen / wie die Frantzoſen. Von denen jetzo lebenden Italiāniſchen Poeten / giebt uns die naͤ - heſte Nachricht der Gregorio Leti in ſeiner Italia regnante part. 3. & 4. worin viel merckwuͤrdiges von denſelben enthalten. Ihre Sprache haben ſie dennoch beſſer außgeuͤbt als die Frantzoſen / und viel Fleiß an deren Grammatiſche Richtigkeit gewandt. Das Vocabularium della Cruſcakan211Poeterey. kan deſſen Zeuge ſeyn / welches Chimen - tellus in ſeinē Buch de Honore Biſellii cap. 29. ingentem Etruſcarum literarum theſau - rum nicht unbillig nennet / dergleichen Franckreich nicht vorzuweiſen hat: zu - geſchweigen anderer Buͤcher die der Toſca - niſchen Sprache Sprichwoͤrter und der - gleichen ſchoͤne Anmerckungen vorſtel - len.

Das III. Cap. Von der Spanier Poeterey.

Einhalt. WAru[mb]die Spanier nicht ſo gluͤcklich in der Poeterey ſeyn / als andere Nationen. Sie haben eine gute Faͤhigkeit hierzu. Sie wollen die Romanen erfunden haben. Die ſie doch von den Frantzoſen erlernet. Barthius meinet die Frantzo - ſen haben alle jhre zierlichſte Sachen von den Spa - niern. Thomas Spraat ein Engelaͤnder wirfft ſol - ches auch den Frantzoſen vor. Man thut jhnen a - ber unrecht. Die Spaniſchen Poëmata ſeyn mit Romainiſchen Schwermereyen angefūllet. Diego Ximenes, Quevedo, Gongora. Dieſen letzteno 2lobt212Das III. Cap. Von der Spanierlobt Nicolaus Antonius ſehr. Camœns ein Por - tugiſiſcher Poët. Michaël de Silveira ein Portu - gieſe hat ein Heroicum Poëma El Macabeo ge - ſchrieben. Von welchem Torquatus Taſſus ein Mu - ſter nehmen wollen. Cervantes Satyriſche Romain Don Quixot. Barthol. Leonard. Argenſolæ Oden. Lope de Vega hat 1800. Comoͤdien geſchrieben. Sei - ne ſonderliche Fertigkeit. Was an jhm zu tadeln. Juan Velaſquez de Azevedo hat von den Tragœ - dien geſchrieben. Garſias Laſo de la Vega. Al - phonſus de Ledesma hat in geiſtlichen Sachen viel geſchrieben. Iſt mit dem Beynahmen Divinus geehret. Nicolai Antonii und Campanellæ auff - richtige Bekaͤntnnß von der Spanier Poeterey. Der Spaniſchen Sprache Uhrſprung von Bernar - do Aldrete beſchrieben. Barthii Meinung / daß die Spaniſche Sprache der Lateiniſchen die gleichſte ſey. Wird widerlegt.

ICh wende mich zu den Spaniern / einem Volcke / deſſen Ernſthafftig - keit kaum der Poetiſchen Zierlig - keit faͤhig zu ſeyn ſcheinen ſolte. Aber wir finden doch gleichwol bey jhnen einen Trieb / der ſie hoch genug fuͤhren kan / ſo ſie nur folgen wollen: dadurch ſie auchan -213Poeterey. andere uͤberſteigen koͤnnen / wenn ſie ſol - ches mit Ernſt jhnen vorſetzen. Weiln die allgemeine Landsahrt von der Natur nicht dahin gefuͤhret wird / als wird nicht gar viel fleiß darauff gewandt / und die bey den ingeniis ſich findende Zuneigung in dem erſten Beginnen gehemmet / als welche durch die vielheit der Exempeln / und hochachtung ſolcher Wiſſenſchafft nicht gereitzet und geleitet wird / wie bey andern Voͤlckern. Nur wann ſich die Na - tur von ſelbſten hervor thut / ſo hat man die herrlichſten Poeten auch bey jhnen geſehen. Man kan dieſen Trieb in den alten Lateiniſchen auß Spanien buͤrtigen Poeten / als dem Seneca Tragico, Lucano und Martiali ſehen. Dann ob man ſie gleich beſchuldiget / daß ſie ein frembdes Weſen in die Lateiniſche Sprache ge - bracht: So iſt doch ein groſſer Tichteri - ſcher Geiſt in jhren Schrifften verborgen / der den Roͤmern ſelbſt zuvor thut / als des Seneca in Tragœdien / welchekein Roͤ - mer ſo hochgebracht / des Martialis in Epi -o 3gram -214Das III. Cap. Von der Spaniergrammatibus, deren Scharffſinnigkeit un - vergleichlich / und welche alle andere in die - ſem Stuͤcke nachgeben muͤſſen. Sie ſein et - was ſpāt zu der heutigē Poeterey gekom - men. Nur haben ſie ſich vorhin mit ihren Romainen und einigen gemeinen Moren - Liedern ſich vergnuͤget. Denn die Ro - mainen wollē ſie gar erfunden haben / wel - ches Nicolaus Antonius in der Vorrede ſei - ner Bibliothecæ Hiſpanicæ behaupten will / dabey erwenend / daß dem Ferdinando Haulo einem Marggrafen von Piſſarien, durch das leſen dieſer Buͤcher ein ſolcher Muth gewachſen / daß er dadurch in den Schlachten unglāubliche Thaten verrich - tet. Aber es iſt auſſer ſtreit / daß dieſe art zu Romanciren von dē Provencal Poë - ten in Franckreich nach Spanien und Italien gekommen ſey / welche ſie vor an - dern Voͤlckern nachgemacht. Petr. Da - niel Huet in ſeiner gelehrten diſſertation de l origine des Romans ſagt. l Eſpagne & l Italie receurent de nous un art, qui eſtoit le fruit de noſtre ignorance, & qui avoiteſté215Poeterey. eſté le fruit des Perſes, des Joniens, & des Grecs. Woſelbſt viel ſchoͤnere Dinge hievõ koͤnnen nachgeleſen werden. Da nun die Spanier ſpatt und noch unter zweyhun - dert Jahren die Poeterey und deren Zierlichkeit angenommen / und ſie den Frantzoſen und Italiānern abgeler - net / ſowundert mich ſehr / daß Barthius in der Vorrede ſeiner Lateiniſchen Uber - ſetzung der Celeſtina ſagen mag: Si quæ in cæteris Gallica præcipuè delectantia ſimul & utilia talia ſcripta prodeant pleraque vel inventionibus Hiſpanorum vel illuſtratio - nibus deberi. Es hat auch ein Engellaͤn - der Thomas Spraat, welcher Anmerckun - gen uͤber des Sorbiers Engliſche Reiſe ge - ſchrieben p. 212. den Frantzoſen beyge - meſſen / daß ihre beſte Comœdien und Tragœdien ſie auß den Spaniſchen ge - nommen. Welches doch dieſer ſinn - reichen Nation nicht mit Fug kan nach - geredet werden / als die deſſen Proben gnug zu Tage geleget hat. Aber man muß dem Thomas Spraat etwas zu guten 4hal -216Das II. Cap. Von der Spanierhalten / deſſen Nation von dem Sorbier in ſeiner Engliſchen Reiſebeſchreibung etwas zu nahe getreten war / und deren Ehre er allhie verfechten wollen. Zu den Spaniern wider zu kommen / ſo iſt gewiß / daß ihre Gemuͤthsregung alles was ſie vornehmen zur hoͤchſten vollkom - menheit bringen laͤſt / auß Uhrſachen wel - che Erythræus Pinacoth. III. p. 163. gar wol und weitlaͤufftig angefuͤhret. Es iſt a - ber ihr Trieb zu der Tichterey mit vielen außſpuͤrigen Romain ſchen Gedancken / als wie mit einer Kranckheit eingenommen / welche ſie in allen ihren Vornehmen be - gleitet. Ihre Ritter die ſie einfuͤhren / muͤſſen nothwendig Liebhaber ſein. Ih - re Heroiſche Poëmata, ihre Tragœdien ſein mehrentheils mit ſolchen Thorhei - ten verdorben. Sie ergieſſen ſich in weit - laͤufftige Digreſſiones wie Diego Xime - nes in der[ eroberung] von Valencia. Sie ergoͤtzen ſich in ihren Einfaͤllen und han - gen ihnen nach / wollen dinge mit weit geholten Zierrathen mehr und mehr auß -putzen.217Poeterey. putzen. Wie ſolches Quevedo in ſeinem Werck von den neun Muſen / und Gon - gora in ſeinen Romancen gethan. Die - ſen hālt Nicolaus Antonius ſehr hoch / deſſen Werck er nennet poſteris admiran - dum potius quam imitandum. Er ſagt ferner: Illum ſi genius accinxiſſet ad epi - cum fabricandum poêma, hodie nec Helladi Homerum, nec Romæ Virgilium, nec Italiæ Torquatum invideremus. Camoens ein Heroiſcher Poet auß Portugal / ge - braucht ſich einer ſchwuͤlſtigen auffgebla - ſenen ahrt zu ſchreiben in ſeinen Poemate von Indiens eroberung. Nicolaus An - tonius gedencket eines Portugieſen Mi - chaëlis de Silveira, welcher in ſeinem zwey und zwantzigſten Jahr ein Poëma He - roicum El Macabæo geſchrieben / von auffbauung des Juͤdiſchen Tempels welches er ſaget dem Torquato Taſſo ſo gefallen habe / daß er ſolches zur materia eines Poematis erwehlen wol - len; hat aber hernach die Hiſtoriam vom Gothofredo demſelbigen vorgezogen. d 5Die -218Das II. Cap. Von der SpanierVon dieſem / weil es wenigen bekant iſt / kan man nicht urtheilen. In ihren Hirten - liedern iſt nicht ſonderliches zartes zu fin - den. Die artigſte Satyre die jemahls ge - macht werden kan / iſt des Cervantes ei - nes Secretarii bey dem Duc d Alba, welche Don Quixot genannt wird. Die Uhrſa - che die ihn ſolche zu ſchreiben veranlaſſet erzehlet Rapin. Reflexion. poët. 28. part. 2. Er war bey dem Duc de Lerma erſten Staatsbedienten des Philippi III. welcher keine gelehrte Leute geachtet / in Ungna - den gekommen. Als hat er um ſich zu raͤchen / dieſe Satyriſche Romain verferti - get / wodurch er den Romainſchen Geiſt der Spaniſchen Landahrt / ſo durchge - zogen / daß nichts zierlichers kan erdacht werden. In Odis gibt Nic. Antonius den Preiß einein Bartolomæo Leonardo Ar - genſolæ, den er den Spaniſchen Horati - um nennet / welchen die Koͤnigin Chriſti - na inſonderheit hochgehalten. In dem laͤcherlichen zu unterſcheiden haben die Spanier eine ſonderliche ahrt / und ſeinihre219Poeterey. ihre Comœdien voll von ſonderlicher Erfindung. Hier in hat bey ihnē den Preiß gehabt Lope de Vega von welchem Rapi - nus ſagt / daß er 300 Comœdien geſchrie - ben. Aber er irret weit / denn es hat Nicolaus Antonius angemerckt / daß er tauſend achthundert geſchrieben. Es ſein XXV. Tomi davon gedruͤckt: aber es iſt eine groͤſſere Anzahl geſchrieben / wel - che Nicolaus Antonius mit groſſem Fleiß erzehlet hat. Es iſt aber kein wunder daß er ſo viel geſchrieben. Dann weil er keiner Reime ſich gebraucht / ſo hat er viel ehe damit fertig werden koͤnnen. Zu dem iſt ſein Trieb von Jugend auff un - glaͤublich geweſen. Er hat in ſeiner Kind - heit andern Knaben Verſe in die Feder geſagt / da er die Buchſtaben noch nicht recht bilden koͤnnen. Er ſchreibt ſelbſt von ſich / daß er die gantze Zeit ſeines Le - bens durch / jeden Tag fuͤnff Bogen Pa - pier voll geſchrieben: welches wann es zuſammen gerechnet wird / viel mehr außtrāgt. Bey ſo vielfāltiger Ar -beit220Das III. Cap. Von der Spanierbeit war es nicht muͤglich alles nach der Richtſchnur zu ſtellen. Denn es ja nicht anders ſein kan nach dem gemeinē Sprich - wort: Canis ſeſtinans cœcos parit catulos. Er hat ſich an keine Reguln der Kunſt gebunden / ſondern ſeine Feder lauffen laſſen / wohin ſie die Gedancken gefuͤhret. Bey ihm machte die Unitas Acti - onis, probalitas und andere Dinge keine groſſe Sorge. Diß fand ſich von ſelbſten / und die Gabe ſeiner ſinnreichen Einfālle machte alles angenehm. Es iſt aber billig zu verwundern / daß den - noch bey ſolcher Mānge und tāglicher be - muͤhung ſie nicht ermattet / und ihren Preiß behalten / welchen bloß des Autoris Nahm ihr geben konte. Gleichwol ſein bey den Spaniern einige geweſen / die die Kunſt der Dramatiſchen Poëſie und der Tragœdie auß dem Ariſtotele vor - geſtellet. In Spaniſcher Sprache hat ſolches gethan Johannes Valeſque de Aze - vedo in ſeiner Idea de la Tragœdie. Es wird von dem Nicolao Antonio auch Gar -ſias221Poeterey. ſias Laſo de la Vega des Koͤnigs Ferdi - nandi Raht und Legatus an den Pabſt gelobet / welcher auß den Lateiniſchen und Italiāniſchen Carminibus, die er fleiſ - ſig geleſen / die beſte ahrt zu poetiſiren angenommen / auch einige Form der I - taliaͤniſchen Reimgebaͤnde der Spani - ſchen Sprache einverleibet. Deſſen Wercke ſein mit des vornehmen Philologi Franciſci Sancti Anmerckungen zu Sal - mantica im 1574ten Jahr heraußgegeben / welcher nachgewieſen / wo der Autor die al - ten Poeten in ſeinem Wercke gefolget / und ihnen die Zierlichkeiten abgeliehen. In Geiſtlichen Sachen lobt er den Alphonſum de Ledeſma welcher in kurtzen Spaniſchen Verſen und Epigrammatibus dieſelbe vorgeſtellet / und den Zunahmen des Di - vini bey ihnen erworben. Metaphoricis inventionibus ſagt er / genio quodam ſin - gularique felicitate mancipavit animum, docilis ubique & accinctus quodcunq; argu - mentum per verba non unius ſignificatio - nis, quo genere Hiſpanus ſermo plurimumviget222Das III. Cap. Von der Spanierviget (Homonyma Græca dicunt) acutè ac ſuaviter deſcribere. Seine Schrifften ſein: Conceptos Eſpirituales, Epigramas y Geroglyficos al Vida de Chriſto &c. Es ſein viel andere uns zum theil unbe - kante / die ſchwerlich auſſerhalb Landes kommen. Der offt gemeldete Nicolaus Antonius hat in ſeiner mit unvergleichli - chem Fleiſſe geſchriebenen Bibliothecâ Hiſpanicâ viele geſetzet und gelobet / bey welchem ſie koͤnnen nachgeſehen werden. Dieſer geſtehet gerne / daß es ſeinen Lan - desleuten an die rechte Kunſtrichtigkeit gefehlet. Dann ſo ſagt er in der Vor - rede: Poëtica facultas ſingularis eſt noſtræ genti, & ſi junxiſſent vulgò noſtri artem eruditionemque (ut exteri conſuevere) lo - cupletiſſimæ inventionum naturæ, indu - ſtriamque non in pangendo adhibuiſſent ac dedolando tantum carmine, ſed in eo ad veterum imitationem tam Græci quam latini ſermonis vatum confirmando, do - ctrinaque multiplici, ut doctum non minus ſit quam elegans, imbuendo, poſſi -dere223Poeterey. deremus planè antè alias omnes gentes Mu - ſarum principatum. Dieſes auffrichtige Bekāntniß iſt zu loben: Dann es pfle - gen ins gemein ſolche Autores an der Πατριδομανία kranck ſein. Aber dieſer hat nicht zuviel geſagt / und wurde dieſe Na - tion gewiß andere uͤbertreffen / wenn ſie mit Fleiß das Werck triebe / und groͤſſe - re anreitzung fuͤnde. Dergleichen Urtheil faͤllet auch Campanella lib. de recta ratio - ne ſtudior. artic. 2. Da er ſeiner Lands - leute Fehler nicht verhelet: Hiſpani Poë - , quales Erzilla, & qui Columbeidem ſcripſit ad hiſtoriam magis accedunt, ſed minus benè fictiones inſerunt, quas etiam plerumque ab Italis mutuantur: Sane Gar - cilaſſus Petrarchæ lyram feliciter æmula - tur. Lopes verò Comœdias fingit in ma - teriâ non Comica, ſed moribus Hiſpanicis ſatis convenientes. Die Spaniſche Sprache iſt meines wiſſens mit ſolcher Sorgfaͤltigkeit nicht außgeuͤbt / wie die an - dern. Ihre Origines hat Aldrete in einem gelahrten Buch del Origen y principio dela224Das III. Cap. Von der Spanierla lengua Caſtellana beſchrieben / welches Ferdinandus de Cordua in Didaſcalia mul - tiplici cap. 44. nicht ohn urſach lobet. Was ſonſt Barthius ſchreibet Adverſar. lib. 47. cap. 13. nullum idiotiſmum Romano pro - piorem eſſe, und daß ſie deßhalben nicht unbillig ihre Sprache die Roͤmiſche nen - nen / daß er auch lib. 41. cap. 17. die gleich - heit erweiſen wil / iſt nur bloß von ſei - ner ſonderlichen Zuneigung zu dieſer Nation hergefloſſen / welche er anderen weit vorziehet: Dann die Urſach / daß bey der noch ſtehenden Lateiniſchen Sprache / Spanien von frembden Voͤlckern einge - nommen / bey / deren abgang in Welſch - land und Franckreich erſt die frembden Voͤlcker gekommen / ſoll ehe das gegen - theil darthun. Dann je eher eine Spra - che durch frembder Voͤlcker vermiſchung verfaͤlſchet wird / je laͤnger iſt ſie ja der Veraͤnderung unterworffen. Man hat ja in der Spaniſchen Sprache ſo viel Moh - riſche / Arabiſche / Gothiſche / Vandaliſche Woͤrter / dadurch das Lateiniſche gar ver -dun -225Poeterey. Zu dem zeugen die Exempel / die Barthius lib. 41. c. 17. anfuͤhret / gar das Widerſpiel. Die Spanier ſagen Hermoſo, hazer, ha - blar, havo &c. Die Lateiner formoſus, facere, fabulari, favus. Die Italiāner haben ja dieſelben Woͤrter behalten; So iſt ja jhre Sprache auch auß dieſen Exem - peln / und durchgehends der Lateiniſchen viel nāher.

Das IV. Cap. Von der Engelländer Poeterey.

Einhalt. ENgellaͤnder kommen den Teutſchen naͤher. Alte Britanniſche Poeten. Angelſachſche eine Teutſche Sprache. Jetzige Engliſche Sprache wird von jhren Landsleuten hochgehalten. Der Grund iſt Teutſch. Im uͤbrigen iſt ſie ſehr dermiſcht. Groſſe Freyheit der Engellaͤnder in er - findung der Woͤrter. Der Uberſetzer des Rapini, verachtet alle Sprachen / und alle jhre Poeten vorpdie226Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderdie Engliſche. Sein ungeſchliffenes Urtheil von der Teutſchen. Camdeni Remains, darin von der Eng - liſchen Sprache. Ihre Poeterey iſt zimlich dun - ckel und verkrochen / voll von weitgeholten Meta - phoris. Der Koͤnig Ælfredus und Aldhelmus die er - ſten Angelſachſiſche Poeten. Aldhelmus bringt die Britten durch ſeine Lieder zur Gottesfurcht und Tugend. Ælfredi uͤbergebliebene fragmenta. Ro - main von der Roſe iſt eine Frantzoͤſiſche und keine Engliſche Erfindung. Guillaume de Lorris hat ſie erſt angefangen: Jean Clopinel de Meun vollfuͤh - ret. Alte Chymiſche Poeten bey den Engellaͤndern / die Elias Ashmol verſamlet. Unter dieſen iſt auch Geoffry Chaucer, welcher der erſte unter jetzigen Poeten iſt. Spencer wird dem Arioſto gleich ge - ſchaͤtzt. William d Avenant. Abraham Covv - ley hat ſchoͤne Lateiniſche und Engliſche Car - mina geſchrieben. Wird von ſeinen Landsleuten dem Virgilio und Horatio gleich geſchaͤtzt / andern vorgezogen. Deren Meinung wird widerlegt. Sei - ne in Engliſcher Sprache geſchriebene Davideis wird des T. Taſſi Wercke vorgezogen. Seine Pin - dariſche Oden. Fehler in den Metaphoris. John Donne ein trefflicher Poet. Jacob Catz, Barlæus haben jhm einige Erfindung abgeſehen. Conſtantin Huigens hat einige Carmina in Niederlaͤudiſch - bergeſetzt. Cleveland. Waller. Georg Herbert geiſtliche Oden. Baconis Verulamii in Verſe uͤber -ſetzte227Poeterey. ſetzte Pſalmen Davids. Engellaͤnder wollen in Dramatica Poeſi allein den Preißhaben. John Dry - den of the Dramatick Poeſie. Teutſche und Nie - derlaͤnder werden von den Engellaͤndern verachtet. Der Autor verheißt eine Diſſertation de meritis Germanorum in Literas. Des Rapini Beſchei - denheit in ſeiner Critiq. Shekeſpeare, Fletcher, Beaumont, Ben: Johnſon. Deſſen Lob. Johannis Miltoni Poemata. Sein Poema Heroicnm: The Paradis loſt. Allgemeines Urtheil von den Engel - laͤndern.

VOn den Spaniern komme ich auff die Engellaͤnder / welche allge - mach den Teutſchen etwas nāher kommen. Dann welche heutiges Tages von alten Verſen noch uͤbrig ſeyn / kommen von den Anglo-Saxonibus her die Teutſches Urſprungs ſein / und in Engelland ſo woll die alten Britanni - ſchen / als die Lateiniſchen gaͤntzlich unter - druͤcket. Von den alten Brittanniſchen hat Boxhornius in ſeinen Originibus Gal - licis gehandelt / in welcher die alten Druides und hernach die Bardi ohn zweiffel einige Carmina oder Lieder gemacht / aber ſiep 2ſein228Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderſein untergangen. Chaucer ein alter Eng - liſcher Poetbezeugt diß in dieſen Verſen:

The old gentle Brittons in her dayes
of divers aventurs maden layes
Rymed Firſt in her Mother tongue
Whych layes, vvith her Inſtruments they
ſonge.

Die Angelſaͤchſche iſt mehr der Teutſchen Sprache gleich / als die heutige / welche ſehr vermiſcht iſt. Was nun die tetzige Engli - ſche Sprache anlāget / ſo ſein einige Lands - leute fleiſſig gnug das Lob ihrer Sprache hervor zu ſtreichen / welche ſie allen mitt einander vorziehen. Worin man ihrer Liebe zu dem Vaterlande was zu gut hal - ten muß. Sonſten iſt nicht zu leugnen / weil ſie den Wōrtern und der Conſtructi - on nach Teutſch / ſie billig an dem Lob dieſer Sprache mit einen Theil habe / jedennoch daß ſie ſich nicht unternehme der Mutter vorzugreiffen. Denn es iſt beyweiten die rennlichkeit nicht in der Engelſchen Sprach die in der Teutſchen / die auß ſich ſelbſt beſtehet. Dann dieEn -229Poeterey. Engellaͤnder nehmen ungeſcheut aus an - dern Sprachen was ſie wollen und ihnē dienet / und iſt nach ihrem belieben alles gut Engliſch. Wodurch ſie bißweilen dieſen Vorthel haben / daß ſie etwas kuͤrtzer und nachdencklicher geben koͤnnen / inſonderheit in Carmine: Aber dieſes iſt eine ſelbſt angemaſte Freyheit / oder viel - mehr Verwegenheit / welche nicht zu bil - ligen / und von ihren eignen Landsleuten / welche etwas verſtāndiger ſeyn / nicht ge - lobet wird. Derjenige der des Rapini reflexions in die Engliſche Sprache uͤber - ſetzet / verachtet die Spaniſche Sprache / als die bloß nur zu Rodomontades ſich ſchicke / und wie eine Paucke in der Muſic ſey. Die Italiāniſche iſt ihm nur bequem zu Burlesque und laͤcherliche Dinge / und iſt wegen der endungen Kindiſch: Die Frantzoͤſiſche iſt ihm eine Ruhmſpra - che: Die Teutſche grob und ungeſchickt / und noch nicht gnug außgeuͤbt und zur vollkommenheit der Engliſchen gebracht. Die Engliſche habe dieſe Gluͤckſeeligkeitp 3vor230Das IV. Cap. Von der Engellaͤndervor allen daß ſie zur heroiſchen Poëſie be - quem ſey. Iſt gar ein Kindiſch und naͤr - riſch Urtheil. Dann nicht allein die Spa - niſche Italiaͤniſche und Frantzoͤſiſche Sprache nicht ſo veraͤchtlich zu haltẽ ſeyn / ſondern was den laut anlanget / beſſere Eygenſchafft haben / als die Engliſche. Daß er von der Teutſchen / darin ſo viel herrliche Poēmata geſchrieben ſo liederlich urtheilet / iſt eine unverſchaͤmte Ver - wegenheit: Deñ ich ſchier verſichert bin / daß er weder die Sprache verſtehe / noch einige unſer Poëten geleſen. Alles was an der Teutſchen Sprache iſt / iſt einem Heroico Poëmati bequemer / als irgend eine andere / geſchweige noch die Engelſche / die eine baſtard-teutſche iſt / und durch die vermiſchung / und die Weibiſche pro - nuntiation gar verdorben / daß ſie ſchier nichts maͤnnliches an ſich hat / was a - ber gutes an ihr iſt / eintzig und allein der Teutſchen / die ihre Mutter iſt / zuſchrei - ben muß. Guilielmus Cambdenus, wel - cher das herrliche Buch Antiquitatum An -gli -231Poeterey. glicarum, heraußgegeben / hat in Eng - liſcher Sprach nachgehends einige Re - mains geſchrieben / worin er handelt von denen Dingen die er in vorigem Buche außgelaſſen. Dieſer hat ſo fort im An - fang dieſes Buchs eine Betrachtung von der Votreflichkeit der Engliſchen Spra - che / die aber ein ander geſchrieben / und er ſeinem Wercke einverleibet / worin er alle Theile derſelben durchgehet und behaupten will / daß ſie beſſer ſey als die ander. Ja die Vermiſchung ſelber legt er zu ihrem Vortheil aus / und ſchlieſſet endlich: daß in der Engliſchen Sprache die Seltenheiten und Zierlichkeiten aller Sprachen als ein Schatz verborgen / und in die diviſos orbe Britannos gleich - ſam vertheilet ſein. Welchen Rhetori - ſchen oder Poëtiſchen Strich wir ihm bil - lig zu gut halten / der ſonſt alle alte Philoſophos und Poeten in derſelben zu finden meinet. Er ſpricht: Will you haue Platoes vein? read Sir Tho. Smith. the Jonick? Sir Thomas Moore. Ciceroes? p 4Aſchan. 232Das IV. Cap. Von der EngellaͤnderAſcham. Varro? Chaucer. Demoſthenes? Sir John Cheek (vvho in his treatiſe to the Re - bells hath compoſed all te figures of Rhe - torik) Will you read Virgill? Tak the Earl of Surrey. Catullus? Shakeſpeare and Bar - rows fragment. Ovid? Daniel. Lucan? Spen - cer. Martial? Sir John Davies aud others. Will you have all in all for proſe and ver - ſe? take the miracle of our age Sir Philipp Sidney. Daß wir nun zu ihrer Poeterey kommen / ſo haben ſie dieſes eigen / daß ih - rer viel zimlich verkrochen und tunckel / ſo woll in der zuſammenſetzung der Woͤr - ter / als in dem Verſtande ſelbſt ſein. Denn / gleichwie / als John Milton in ſeiner Diſſertation of Education angemerckt / ſie mehr mit verſchloſſenen Munde ſprechen als andere Voͤlcker / ſo iſt ihre Rede auch geartet. Sie belieben die Tieffſinnigkeit / und in jhren Verſen haben ſie faſt allezeit Metaphyſiſche und weit umbſchweiffende Conceptus, worauff keine andere Nation leicht dencken ſolte / und welche der Sa - che ſelbſt allzu weit entlegen: da man dochſich233Poeterey. ſich mehr nach dem durchgehenden Ver - ſtande / als nach der Schule richten muß / die ſolchen dingen eine ungeſtalte Farbe anſtreichet. Hierin uͤbergehen ſie die Italiāner ſelbſt / welche doch in dieſen ſchlipffrigen Wegen offt ſtraucheln und fallen. Daß alſo billig ſolche jhre Redens Ahrt nicht unter die ὑψηλὰ, ſondern viel - mehr unter die μετέωρα zu ſetzen. Wovon im dritten Theile ein mehres ſoll gehan - delt werden. Die ālteſten Carmina, da - von wir Nachricht finden bey den Engel - lāndern / ſein wol dieſelbe geweſen / welche der Koͤnig Ælfredus; der Engelland von dē Daͤnen erloͤſet / und in einen neuen woll - eingerichteten Stand geſetzet / ſelbſt ſei - nem Volcke zum beſten gemacht / und es dadurch zur Gottesfurcht und Tugend auffgemuntert. Joann. Speelmannus in vi - Ælfredi Magni lib. 2. n. 38. & ſeqq. hat viel von des Kōnigs Poeſey: Maximus il - le fuit, ſagt er / poſt aſſertum à Danis re - gnum, ejus inſtaurator & velut novus fun - dator: nam legibus omnia circumſcripſit,p 5Scho -234Das IV. Cap. Vpn der EugellaͤnderScholas, Academias inſtituit, artes & diſci - plinas reduxit: ipſe multa carmina rhythmos ſcripſit, apologos, fabulas, ænigmata ad eru - diendum populum, quibus barbarus po - pulus deliniebatur, inter maximos poëtas ſui temporis numerandus. Derſelbe Spelmannus erwehnet / in den notis ad §. 43. daß der Ælfredus in dieſen Geſaͤngen zu machen dem heiligen Aldhelmo der faſt in die 200 Jahr vor ihm gelebet / nachgefolgt. von welchen Malmesburienſis lib. 5. de ge - ſtis Pontificum diejes erzehlet: Nativæ linguæ Aldhelmus non negligebat carmina, adeò ut teſte libro Ælfredi nulla unquam ætate ei par fuerit quisquam, poeſin An - glicam poſſe facere, cantum componere eadem appoſitè vel canere vel dicere. De - nique commemorat Ælfredus carmen triviale, quod adhuc vulgo cantillatur, Ald - helmum feciſſe; adjiciens cauſam, quâ probat rationabiliter tantum virum his quæ videntur frivola inſtitiſſe. Populum co tempore ſemibarbarum parum divinis ſermonibus intentum cantatis misſis do -mos235Poeterey. mos curſitare ſolitum. Ideo ſanctum vi - rum ſuper pontem, qui urbem & rura continet abeuntibus ſe oppoſuiſſe obicem quaſi artem contandi profeſſum. plus quam ſemel facto plebis favorem & con - curſum emeritum, ſenſimque inter lu - dicra verbis ſcripturarum inſertis cives ad ſanctitatem reduxiſſe, qui ſi ſevere & cum excommunicatione agendum pu - taſſet, profectò profeciſſet nihil. Die - ſe ſein trefliche Exempel / wie durch huͤlffe der Poeſi die Leute zur GOttes - furcht und Tugend zu bringen. Dieſer Koͤnig Ælfredus iſt ein rechter Vater ſei - ner Unterthanen geweſen / von deſſen Sorgfalt vor die Oxfordiſche Academia, die er zum Stande gebracht / Antonius Wood in ſeiner Hiſtoria & Antiquitatibus Oxonienſibus kan nachgeleſen werden. Der Spelmanus fuͤhret an ſelbigem Ohrte auß einem MSt Bibliothecæ Cottonianæ ei - nige Lehren an / die Ælfredus zuſammen geleſen / berichtet auch daß in der Ox - fordiſchen Bibliotheca ein Buch verhan -den /236Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderden mit dem Titul Parabola Ælfredi Regis. Er haͤlt ſie aber nicht vor auffrichtig / in - ſonderheit der Uhrſachen halber / weiln zu der Zeit man nicht ſo gute Reimen gehabt oder gar keine / worinnen er doch irret. Dann es ſein ſchon damahls die Reime gebråuchlich geweſen / wovon in folgenden ein mehres. Der Uberſetzer der Poetiſchen Reflexionē des Rapini haͤlt die Romain von der Roſe vor das erſte Engliſche Gedichte / und ruͤcket den Frantzoſen auff / daß ſie ſich damit groß gemacht. Er nennet deffelben Autorem Richard Baker, bringet aber nichts bey dadurch er ſolches behaupte. Denn es ja ſonſt auß der Frantzoſen Anmer - ckungen bekant / und auch auß der Ro - maine ſelbſt / daß einer Nahmens Guil - laume de Lorris dieſe Romaine angefangē / Jean Cloppinell de Meun genant hernach vollfuͤhret. Dieſer Lorris hat gelebet zu Zeiten Ludovici uud iſt geſtorben im Jahr 1263. Der Jean de Meun hat vier - zig Jahr hernach diß Buch vollfũhret. Er237Poeterey. Er iſt genant worden premier inventeur de Rhetorique Franzoiſe. Von jhm iſt weitlāufftige Nachricht bey dem Claude Fauchet in vormahls erwehntem Buche / und bey dem Antoine Verdier in ſei - ner Bibliotheque. Kommt mir derhal - ben gar nicht warſcheinlich vor / daß es eine Engliſche Erfindung ſey. Der Autor der dieſe Romaine geſchrieben / iſt ein Chymicus, und hat zu dem Ende / daß er die Heimligkeiten der Kunſt verbuͤrge / diß Werck geſchrieben. Denn es ſind viel merckwuͤrdige Dinge von dieſer Wiſſen - ſchafft darin enthalten. Es iſt nicht zu leugnen / daß gar alte Poetiſche Schriff - ten von dieſer Kunſt in Engeland vorhan - den ſeyn. Denn es hat in dieſer Nation ſchon vor alters Leute gehabt / die in die - ſen Geheimnuſſen groſſe Meiſterſtuͤck er - wieſen / davon ich an einem andern Ohrt mit mehren erwehnung gethan. Ein Engliſcher Edelman Elias Aſhmol hat ei - nige derſelben in einem Buche / ſo er Thea - trum Britannicum nennet / verſamlet. A -ber238Das IV. Cap. Von der Engellaͤngerber er gedencket des Richards Bakers mit keinem eintzigem Worte. Welches er doch billig hātte thun ſollen. Denn er hat die aͤlteſten Poëtas Chymicos darinn / welche mit recht ποιηταὶ genennet werden / dann Salmaſius Exercit. in Solin: erwieſen / daß die Chimici mit dieſem Nahmen genennet. Der Aelteſte Engliſche Poet wird von dem Uberſetzer des Rapini geſetzet Geoffry Chau - cer, der im Jahr 1400 gelebet. Selbiger iſt mit unter den Chymiſchen Poeten / und findet ſich in deß Aſhmols ſeinen Tractat ein Getichte / deſſen Uberſchrifft The Tale of the Chanons Yeoman; woriñen er von dieſer Kunſt handelt. Sein Bildnuß und ſein Epitaphium welches in der Kirchen zu Weſtmuͤnſter zu finden / hat er dabey ab - mahlen laſſen. Dieſer gebraucht ſich vie - ler alten Woͤrter und Redensarten / die nicht mehr gebraͤuchlich ſeyn. Spencer wird von jhm vor den erſten Heroiſchen Poeten / und dem Italiaͤner Arioſto - gleich gehalten. Er wil jhn faſt allen vor - ziehen / die nach dem Vitgilio geſchrieben. Er239Poeterey. Er muß aber geſtehen / daß er ſehr hin - faͤlt und von weitlaͤufftigen unfoͤrmlichen Einfaͤllen iſt. Welches dieſem ſeinē Urtheil entgegen ſteht. Der Torquatus Taſſus muß bey jhm auch verkleinert werden / damit dieſer deſto groͤſſer werde: Nechſt dieſem ſetzet er den William d Avenant welcher ein Poëma Gondibert genant / ge - ſchrieben / den er zwar lobet / aber er erzehlet gleichfals ſeine Fehler. End - lich ſetzet er den Abraham Covvley, wel - chen er den andern in der Heroiſchen Poeterey vorziehet. Dieſer hat traun den groͤſten Preiß unter den Engliſchen Poeten verdienet / weiln er in der Grie - chiſchen und Lateiniſchen Sprache keine gemeine Gelahrtheit gehabt / und nach de - ren Anleitung die gemeine Poeterey ver - beſſert. Er hat auch Lateiniſche Carmi - na geſchrieben welche voll von Scharff - ſinnigkeit ſein / ſo wol in Heroico als Ly - rico genere. Daher einige ſeiner Lan - desleute ihn dem Virgilio und Horatio gleich machen: Darin ſie doch viel zu weitgehen240Das IV. Cap. Von der Engellaͤndergehen. Denn ob gleich er ſinnreich gnug iſt / ſo iſt doch bey jhm die rechte ſauber - keit / uñ die ungeſchminckte Zierlichkeit der Roͤmiſchen Sprache nicht zu finden / und haben alle andere Voͤlcker / ja auch die Schotten / die ſie ihm weit vorziehen koͤn - nen. Aber unter ſeinen Landsleuten iſt keiner der ihm gleich gehalten werden kan. Thomas Spraat der ſein Leben La - teiniſch bey den Lateiniſchen / und weit - lāufftiger in Engliſcher Sprache / bey den Engellaͤndiſchen Gedichten beſchrieben / ſetzet dieſe Worte: In verbis nec curioſus admodum nec nimium negligens. Com - munibus & uſitatis contentus pauciſſima aut immutavit aut innovavit. Rem præ - cipuè ſpectabat in eaque immorabatur. Nun betrachte ein Verſtaͤndiger / wie ſo gar nicht dieſes mit dem Urthel uͤberein komme; wann er in folgenden ſpricht. In duobus poſtremis pede Heroico uſus eſt, & abſit verboinvidia, ſi non Virgilium, - teros certe omnes ſuperavit: als wenn es von dem Virgilio noch in zweiffel zu ziehenwere.241Poeterey. were. Da doch alle andere / ſo wol der materia, und einrichtung / als der Rede halber jhm weit vorzuziehen. Wo irgend in einem dinge / ſo iſt in der Tichterey de - lectus verborum, qui origo eſt eloquentiæ, noͤthig / daß alſo gar wider alle Vernunfft iſt / wenn man jhn / als nach jhrem Ur - theil den beſten Poeten / davon ruͤhmet; quod in verbis non curioſus admodum fue - rit. Der uͤberſetzer des Rapini geht etwas beſcheidener / und da er lobt die groſſen Gaben dieſes Mannes / die in warheit zu loben ſind / ſo beklagt er doch / daß er ſeine Davideis vor ſeinem Ende nicht wieder - berſehen habe / welches er in ſeiner Ju - gend gemacht / uud worin wider die Ge - ſetze eines Heroiſchen Poematis offtmahls gefehlet wiꝛd. Aber des Taſſi ſeinem Weꝛcke ziehet er daſſelbe weit vor / Jn the Davideis (ſpꝛicht er) there ſhines ſomething of a mo - re fine, more free, more nevv, and more no - ble air than appeares in the Hieruſalem of Taſſo, vvhich for alle his care is ſcar - ce perfectly purged from Pedantry. DieqWel -242Das IV. Cap. Von der EngellaͤnderWelſchen moͤgen dieſen Hohn verfechten / daß man jhren ſo hochgeprieſenen Poeten noch der Pedanterey beſchuͤldiget. Ich wuͤrde traun noch vor Taſſo ſprechen. In den Lyriſchen und Pindariſchen Getich - ten / weiß ſo wol Thomas Spraat als der - berſetzer des Rapini keinen unter allen I - taliaͤnern zu finden der jhm gleich ſey / da doch dieſe den Ruhm hierin ſuchen und vieleicht gefunden haben. Mich daucht es ſey vor Covvley Ehre gnug jhnen gleich geſchaͤtzt zu werden. Welches Lob er bil - lig verdienet. Die Pindariſche ahrt zu ſchreiben hat er zum erſten unter ſeinen Landsleuten angefangen / wiewol er in den Metaphoris zimlich weit außgehet. Als wann er unter den Pindariſchen O - den in der uͤberſetzung der 2 Oden des 4. Buchs Horatii von Pindaro ſchreibet:

The Phœnix Pindar is a vaſt Species alone.

Da ſtreicht das Wort Species als ein Schulwort den Verſen eine pedanterey - farbe an / welche ſich nicht wol bey der hohen Redens-Art ſchicket. Aber es iſtſchier243Poeterey. ſchier kein eintziger Engliſcher Poet der ſich nicht hierin verſtoͤſſet / wovon wir in unſerm dritten Theil weiter handlen wol - len. Ferner ſagt er in der erſten Stroph.

Pindars unnavigable ſong
Like a ſvvoln Flood from ſome ſteep Mountain
pours along.

Da iſt zwar gut daß er des Pindars Carmi - na mit einem lauffenden Fluß vergleichet / daß Horatius auch gethan / aber deſſen epitheton unnavigable, findet bey dem Worte Song Geſang / gantz keinen Platz. Dergleichen wuͤrde man viel fin - den / wenn man alles genau unter ſuchen wolte. Der Uberſetzer Rapini bringet unterſchiedliche Beſchreibungen auß La - teiniſchen / Italiaͤniſchen / Frantzoͤſiſchen Poeten hervor / welche er mit Eng - liſchen Poeten vergleichet / davor hal - tend / daß jene weit von dieſen uͤberwun - den worden; Aber es lāſt ſich allhie fer - ner nicht davon reden. Es wundert mich / daß er andere ſeiner Nation außge - laſſen / als den John Donne, welcher imq 2acht -244Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderachtzehnden Jahr ſeines Alters tieffſinni - ge Verſe geſchrieben / welchem unter den Niederlaͤndern Jacob Catz die Erfindung von der Floͤhe / die zweyer Liebhaber Bluth geſogen / abgeſehen / und hernach Barlæus in einer abſonderlichen Elegia: Pulex duorum amantium ſanguine paſtus, beſſer außgezieret. Der Vortrefliche Conſtantin Huigens Herr von Zuli - chem und des Fuͤrſten von Orange vor - nehmſter Raht hat einige von ſeinen Getichten in Niederlaͤndiſch uͤbergeſe - tzet / ob zwar der Koͤnig von Engelland Carolus I. ſolches vor unmoͤglich gehal - ten. Er hat aber dennoch unter dieſen ſchwierigkeiten ſolches Werckſtellig ge - macht / ob er gleich mit ſo vielen frembden Woͤrtern als Ecſtaſis, Atomi, Influentiæ &c. ſich hat plagen muͤſſen / und ſolche in gut Niederlaͤndiſch verſetzen / welches die Engellaͤnder nicht achten; Denn wie Herr Huigens ſagt: haer taele is alle taelen, en als’t haer belieft, Grieeſch en Latyn ſyn plat Engelſch: deñoch hat er voꝛ keine gerin -ge245Poeterey. ge Sache gehalten / dieſe in Niederlaͤn - diſch uͤberſetzt zu haben. Tis my veel eers (ſpricht er) ſoo grooten Man nageſtamert te hebben, ende vel genoegens ſal’t my geven, ſoo mijn ſtout vordoen betere pen - nen aengemoedigt moge hebben om ons Land vvijder deelachtigh te maecken van ſo veel overzeeſche Koſtelikheden, als ick met ſchrick ende eerbiedigkeit ongeroert gelaten hebbe. Sehet hier ein trefliches Zeugniß / von einem ſo groſſen Mann / der dieſes John Donne ſeine Poetiſche Wercke / die er in ſeiner Jugend geſchrie - ben / (denn in ſeinem Maͤnnlichen Alter hat er als Decanus der S. Paulus Kirchen viel geiſtreicher Predigten hervorgege - ben) ſo hoch gehalten / daß er ſie des U - berſetzens wuͤrdig geachtet / der in ſeiner Sprache nicht allein / ſondern auch in der Lateiniſchen ſo viel herrlicher ſinnreicher Verſe geſchrieben / die dieſe ſelbſt uͤber - gehen. Wir findenaber auch allhie den Mangel allzu groſſer Kunſt und Wiſſen - ſchafft / der nicht an bequemen Ohrt an -ge -246Das IV. Cap. Von der Engellaͤndergebracht wird. Man hat ferner des Clevelands, Edmond Wallers, John Den - hams Engliſche Poëmata, welchen nichts an gutem Geiſt und Einfaͤllen gebricht / und andre mehr / daran unſer Cenſor nicht gedacht. George Herbert hat ſehr gute Geiſtliche Oden geſchrieben / auff welchen Abrah. Covvley eine trefliche Lobſchrifft gemacht / und dem der Cantzler Baco Ve - rulamius ſeine in Verſe uͤberſetzte Pſal - men Davids zu geſchrieben hat / welche ſelber von keinen gemeinen Geiſte ſeyn; und in den Engliſchen Schrifften die nach ſeinem Tode hervor gekommen zu finden. Was ihre Tragœdien anlanget / ſo urtheilet Rapinus, daß ſie vor allen an - dern Voͤlckern hiezu eine ſonderliche nei - gung haben / weil daß Gemuͤth dieſer Nation an Grauſamkeit eine ſonderliche Ergoͤtzung habe. Wodurch ſie zugleich gelobet und geſcholten worden. Der U - berſetzer leugnet dieſes nicht / aber die Uhrſache will ihm nicht anſtehen / uͤber - laͤſt ſolches den Tragœdienſchreibern zuun -247Poeterey. unterſuchen / ob der gemeine Trieb der Nation, oder ihre Eigenſinnigkeit veran - laſſen / daß ein ſolch Urtheil von der beſt - geſinnten Nation unter der Sonnen (es beliebt ſie ſolchen Lobſpruch ihnen ſelbſt bey zu legen) von Frembden gefaͤllet wer - de. In der Dramatiſchen Poëſie, ſagt er / hat die Welt nichts / daß mit den Engel - lāndern zu vergleichen. John Dryden ein gelehrter Edelmann / der ein Eßay of Dramatick Poëſie geſchrieben / hat ihm vorgenommen / von den Engliſchen Comœdien und Tragœdienſchreibern ſein Bedencken zu geben. Es laͤſt ſich aber ſo bald im Añfang mercken / daß die - jenigen die ietzo in Engelland ſchreiben / alle Italiaͤniſche / Frantzoͤſiſche / und Spaniſche Comœdienſchreibers uͤber - treffen. The Drama is vvholly ours ſpricht er: Wir eignen uns die Dramaticam Poëſin allein zu.

Hi ſapiunt ſoli: reliqui volitant velut umbræ.

Der Teutſchen wird nicht gedacht / alsq 4wann248Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderwann die kein Theil hieran haͤtten / oder ſolches Wercks unfaͤhig weren. Denn wie der ungeſchliffne Uberſetzer des Rapi - ni urtheilt The German ſtill continues rude and unpolisht, not yet filed and civilized by the commerce and intermixture vvith ſtrangers, to that ſmoothneß and huma - nity, vvhich the Engels may boaſt of. Ge - rade als wann alle Welt die Engellānder vor Lehrmeiſter erkennen muͤſſe / deren erleuchteter Verſtand allhie den unwiſſen - den unverſtaͤndigen groben Teutſchen als eine Idea vorgeſtellet wird / nach wel - cher ſie ſich zu richten. Ich hoffe ob Gott will noch einmahl die Gelegenheit zu ha - ben / nicht allein ihnen ſondeꝛn auch andeꝛn Nationen, die dergleichen Schnarcherey - en ūber die Teutſche machen / in einem ab - ſonderlichem Werck zu zeigen: daß die Verdienſte derſelben in allen Wiſſen - ſchafften groͤſſer ſein / als daß ſie von ih - nen koͤnnen erkant und vergolten wer - den: ja daß wir in vielen Kuͤnſten ihre Lehrmeiſter geweſen. Der Niederlaͤn -der249Poeterey. der wird gleichfalls mit keinem eintzigen Worte gedacht / da doch bekant / was bey ihnen nicht allein von gemeinen Ge - tichten / ſondern auch von Comœdien, Tragœdien, von Joſt van Vondeln, und andern verfertiget hervor gekommen / welche weder Frantzoſen und Italiaͤnern / geſchweige Engellaͤndern was nach zuge - ben haben. Thomas Spraat, deſſen wir dro - ben gedacht / von Sorbiere in ſeiner Rei - ſebeſchreibung von Engelland gereitzet / hat in den Anmerckungen uͤber dieſelbe gleichfalls behauptet / daß die Engliſchen Comœdien und Tragœdienſchreiber beſ - ſer als die Frantzoſen. Es hat mir vor andern die groſſe Beſcheidenheit des Ra - pini gefallen / daß / da er ſich als einen Cenſorem und Criticum angibt / welches Amt er in dieſer Kunſt mit guten Fug verwalten kan / (denn er ohne Streit einer von den groͤſten Poeten in Franck - reich iſt) ſo hat er doch mehr an ſeinen eigenen Landsleuten zu tadeln / als an al - len andern / worauß ſeine Auffrichtigkeitq 5zu250Das IV. Cap. Vpn der Engellaͤnderzu ſpuͤren / und daß er niemand zu ſchmei - cheln gemeinet. Von welchem ſolcher entfernet ſein muß / der ſich einer ſo groſſen Sache unternimt. Die Unpartheiligkeit muß bey einem Richter ſein / ſonſt ver - liehrt er den Nahmen. Es waͤre beſſer daß dieſe / die von den Engellaͤndern ge - ſchrieben / ſich nicht vor ihre Cenſores, ſondern Panegyriſtas außgegeben haͤtten / wie ſie in Warheit ſolche ſein / und diß Ampt mit aller erſinnlicher artlichkeit und Kunſt verrichten. Der John Dryden hat gar woll und gelahrt von der Dramaticâ Poeſi geſchrieben. Die Engellānder die er hierin anfuͤhrt ſein Shakeſpeare, Fletcher, Beaumont von welchen ich nichts geſehen habe. Ben. Johnſon hat gar viel geſchrieben / welcher meines erachtens kein geringes Lob ver - dienet. Er iſt in Griechiſchen und La - teiniſchen Autoribus woll beſchlagen ge - weſen. Die Außbildungen ſein kraͤfftig und lebhafft. John Dryden urtheilet / daß in ihm die Engliſche Sprache zurhoͤch -251Poeterey. hoͤchſten Vollkommenheit gebracht / und was nach ihm darin gethan iſt mehr uͤber - fluͤßig als nothwendig geweſen ſey: welcheꝛ ihn nach allen umſtaͤnden beſſer beſchꝛeibt / auch einige ſeiner Comœdien genauer un - terſuchet. I. Seldenus hat ihm in einē Latei - niſchen Carmine, ſo ſeinen Wercken vorge - ſetzt / ein ſonderlich Lob gegeben. Er hat alles woll unterſucht / ehe ers hervor ge - bracht / und bezeugt Dryden, daß er dem Beaumont alles unter die Haͤnde geſtel - let und ſeine Cenſur daruͤber gehen laſ - ſen. Antonius Wood in ſeinen Antiqui - tatibus Oxonienſibus lib. 2. p. 145 meldet daß er dem Johanni Hoskyns einem vor - treflichen Mann / der von ſeinen Lands - leuten uͤberauß hochgehalten / und von dem Ovveno mit vielen Epigrammatibus beehret / was er gemacht erſtlich vorge - wieſen. Ille Johnſoni ſtylum (ſpricht er) expolivit terſumque reddidit. Er hat a - ber ohne Reime mehrentheils geſchrie - ben / welches Dryden an ihm lobet / der darauß anlaß nimt wieder der Rei -me252Das IV. Cap. Von der Engellaͤnderme Gebrauch viel zu reden. Dieſer Dryden hat auch einẽ andern Theil verheiſ - ſen / darin er von den Tugenden und Fehlern aller Engliſchen Poeten han - deln will / worunter jene den groͤſten Platz vielleicht beſtreitten werden. Von einigen / die wir bereits angefuͤhret / ur - theilet er alſo: Nothing ſo curtly as Sir John Suckling; nothing ſo even ſvveet and flovving, as Mr. Waller; nothing ſo maje - ſtique, ſo correct as Sir John Denham; nothing ſo elevated, ſo copious, and full of Spirit as Mr. Cowley. Es ſein noch viele andere / deren weder der Uberſetzer / noch dieſer Dryden erwehnet / die woll ver - dienet haben / daß ihrer gedacht werde. Worunter wir billig des John Miltons Poemata begreiffen. Dieſe ob ſie zwar in der erſten Jugend gemacht / ſo blickt doch der gute Geiſt hervor / und ſein ſie den beſten gleich geſchaͤtzt: Von ſeinem Poëmate Heroico The Paradis loſt, davon ſie gleichfalls Beyde ſchweigen / wollen wir im nachfolgenden handeln. Wirehren253Poeterey. ehren dieſe ſinnreiche Nation und halten ſie hoch und wehrt: Wuͤnſchen aber daß allen ihren Vollkommenheiten noch dieſe hinzu komme: Die Beſcheidenheit von ihnen ſelbſt und von andern Voͤlckern zu urtheilen.

Das V. Cap. Von der Niederlaͤnder Poeterey.

Einhalt. NIederlaͤndiſch iſt Teutſch. Hochteutſch ein neuer Dialectus. Becanus und Antonius Riccardi halten dïe Niederlaͤndiſche Sprache aͤlter als die Hebreiſche. Abraham Mylius hat von dem Alter der Sprache geſchrieben. Sie hat ſich von vielen ſeculis her wenig geaͤndert. Wel - ches Mylius mit Exempeln wieder Lipſium bewei - ſet. Hochteutſche Sprache wird von Merwede als eine Baͤuriſche verachtet. Seine Grobheit wird mit des Herrn Conſtantini Huigens Beſchei - denheit wiederlegt. Deſſen Lobſpruch von den Hochteuteutſchen. Alte Niederlaͤndiſche Lieder. Vondels Urthel davon. Reden-riikers. Einalt254Das III. Cap. Von der Niederlaͤnderalt in Reimen geſchriebenes Niederlaͤndiſch Chro - nicon. Douſa und Heinſius haben die erſte Zier - lichkeit in die Niederlaͤndiſche Poeterey gebracht. Heinſii Niederlaͤndiſche Gedichte von P. Scriverio heraußgegeben. Sein Lobſpruch hieruͤber. Jacob Catz hat eine liebliche Art / ſo woll im Niederlaͤndi - ſchen als im Lateiniſchen. Conſtantin Huigens Korenblomen. Seine Scharffſinnigkeit. Schau - ſpiele von Amſterdam. Joſt van Vondels Lob. Jan de Voß ein Glaͤſer / hat das trefliche Traur - ſpiel von Aran und Titus geſchrieben. Conſtantin Huigens und Caſpar Barlæus erheben ihn ſehr. Einige haben diß Trauerſpiel Barlæo ſelbſt zu ſchrei - ben wollen. Iſt aber nicht glaͤublich. Barlæus hat die Niederlaͤndiſche Poeterey verachtet: Selbſt aber die ſchoͤneſte Verſe geſchrieben. P. C. Hoofts Gedichte ſeyn hochtrabend. Einige ſchwuͤlſtige Art zu ſchreiben bey den Niederlaͤndern. Vondels Urtheil davon. Weſterbaan wird gelobet. Wie auch Henrichs Brunoos Mengelmoes. Johan van Dans Liebesgedichte. Matth. van Merwede. Jan van der Veen Adams Appel. Decker. Bodecher Banning. Daniel Jonctys. Anna Schurmans. Anna Teſſelſcha. Unterſchiedlicher Autorum zu - ſammen geſuchte Carmina. Zeeuſche Nachtegael Klioos Kraam. Apollos Harp. Einige Auctores werden erzehlt. Die Teutſchen ſolten dergleichen Arbeit ihnen angelegen ſein laſſen. Der Außlaͤn -der255Poeterey. der Parteiſche Urtheil von ihren und andern Poeten. Verdiers Urtheil von Ronſard. Des Cardinals Perrons gleiches Urthel. Alexander Taſſon haͤlt die Italiaͤniſche neue Poeten hoͤher als die alten. Deßgleichen thun auch andere.

DIe Poeterey der Niederlānder / von welcher wir itzo reden wollen / iſt von der Teutſchen nicht unter - ſchieden / ja ſie iſt ſelbſt Teutſch / und die Woͤrter dieſer Sprache / haben mehr von demalten Teutſchen / als irgend eine andere. Die Hochteutſche iſt gegen ſie ein gar neuer Dialectus. Das Uhralte Teutſche hat mit dem Niederlāndiſchen in vielen Stuͤcken eine zimliche Gleich - heit. Wir haben ſchon vorhin erweh - net / daß der Goropius Becanus und nach ihm Schrieckius ſie zur aͤlteſten Sprache machen / und andern allen vorziehen wollen. So meldet auch Ghilini in ſei - nen Theatro d huomini litterati von ei - nem Antonio Riccardi, der in Welſcher Sprache ein Buch geſchrieben / della pre - cedenza delle lingue, worinnen er be -haup -256Das IV. Cap. Von der Niederlaͤnderbehauptet / daß die Cimbriſche Sprache (wodurch Becanus die Niederlāndiſche verſtehet) ihres Alters und Vortreflich - keit halber der Hebreiſchen weit vor zu - ziehen. Dieſes Buch habe ich nie geſe - hen / nimt mich aber wunder / daß ein Italiāner eine ihm frembde Sprache als die Niederlāndiſche ſo genau durchſuchet haben ſolte / daß er ſolchen weit außſe - henden Satz zu behaupten ſich unterſtan - den haͤtte. Es wāre denn daß er von dem Becano ſeine meiſte Gruͤnde entliehen / welches ich ſchier glauben ſolte. Dieſes iſt ſonſt gewiß / daß ſie und andere Dia - lecti der Teutſchen / der Griechiſchen und Lateiniſchen billig vorzuziehen / und aͤlter als dieſelben ſeyn. Abrahamus My - lius hat in ſeinem Buch de Antiquitate linguæ Belgicæ inſonderheit cap. 28. dieſes klar genug dargethan: erweiſend / daß die Cimbri und Celtæ ſchon zu ihren mān - lichen Jahren gekommen / wie Griechen - land noch in der Wiegen gelegen: und daß / da die anderen Sprachen ſo groſſeVer -257Poeterey. Veraͤnderungen erlitten / die ihrige faſt ungeāndert geblieben. Er ſaget: Eſt mi - hi libellus Orationum in membranis ma - nuſcriptus, qui ex charactere & aliis indi - ciis apparet, eſſe antiquiſſimæ notæ. Sed ſermo in illis tam ſimilis hodierno noſtro Belgico, quam aqua, qua tunc Scaldis fluxit, ei, qua nunc fluit. Er fuͤhret auch etwas daraus an / imgleichen auch aus etzlichen Uhralten Diplomatibus die er in den Archivis gefunden. Er behauptet wieder den Lipſium daß das alte Nieder - lāndiſche / ſo derſelbe aus einem alten Pſalterio von Caroli M. Zeiten her in ei - nem Briefe an den Schottum herbey ge - bracht hat / daſſelbe ſey was heutiges Tages geredet wird. Er ſetzet auch den 19. Pſalm nebenſt der Lateiniſchen und neuen Niederlāndiſchen Uberſetzung da - hin / damit ein jeder die Gleichheit ſehen koͤnne. Nur iſt in einigen Endungen ein Unterſcheid / und ſind die alten Woͤrter gaͤntzlich nach der Conſtruction der Latei - niſchen verſion geſetzt. Iſt die Nieder - laͤndiſche Sprache nun zu Caroli M. Zei -rten258Das V. Cap. Von der Niederlaͤnderten ſo beſchaffen geweſen / ſo kan ſie etzli - che hundert Jahr vorher ſo geweſen ſeyn: weil ſie ja nicht zu der Zeit gebohren. Itzo iſt ſie zu der groͤſten Zierlichkeit gebracht / und je mehr und mehr in der Kunſt maͤſ - ſigen Richtigkeit außgeuͤbet / wie imglei - chen auch die Hochteutſche. Welche her - riſcher und anſehnlicher iſt / da jene lieb - licher und weicher. Iſt alſo eine ſchānd - liche Schmachrede / wann Matth. van der Meervvede, Heer van Clotvvik in der Vorrede ſeines ſo genandten Uyt-heem - ſen Oorlogs-ofte Roomſen Min-triomfen in dieſe liederliche Worte heraußbricht: De Franskens ſullen noch veel er d Hoogh - als de Nederduytſe Tael leeren, meenen - de dat in haer plompigheyd eenige aen - ſienlykheyd is gelegen. Hoevvel dat tuſ - ſchen ons Duyts ende het ander by na ſo grooten onderſcheyd is, als tuſſchen ’t Frans dat te Parys vverd geſproken, en dat de Boeren in Bretagne ſpreken. Diß Bāu - riſche Urthel von einem Edelmann gruͤn - det ſich nur bloß auff die Unwiſſenheit. Denn258[259]Poeterey. Denn wenn er die Eygenſchafft der Hochteutſchen Sprache recht verſtan - den / wuͤrde ihm vielleicht dergleichen un - bedachtſame Rede nicht entfallen ſeyn / der ſonſt im uͤbrigen einen guten Trieb zur Niederlaͤndiſchen Poeterey hat. Er ſolte ihm lieber vorſtellen / was der tref - liche Herr von Zulichem Conſtantin Hui - gens zu lobe der Hochteutſchen Nation an ſeine Niederlaͤnder geſchrieben / in der Vorrede der aus dem Hochteutſchen ins Niederlaͤndiſche von ihm uͤberſetzten Epigrammatum:

Heeftu des Hemels gunſt verheven tot den top
Van des Hooghmogentheit; vveſt niet hooghmoedigh op
Een hoog dat daelen kan: daer is land hoogh geboren
’t Welck hooge Titulen van ouds heer toebehooren
En dar de reden vvil dat ghy voer vviecken moet,
Gelyckhet laege dal voor hooge Bergen doet.

Auff ihre Poeterey zu kommen / ſo iſt wol auſſer Zweiffel / daß ſie viel alter Lieder gehabt / wie die Teutſchen. Jooſt van Vondeln in ſeiner Aenleidinge ter Neder - duitſche Dichtkunſte erwehnet noch der - ſelben. In oude Hollantſche liedern hoortr 2men260Das V. Cap. Von der Niederlaͤndermen noch een natuurlyke vrypoſtigheyt, vloeientheit, en bevallycken zvvier; maer het gebrak den eenvoudigen Hollander aen opmercking en oefening, om zyn geeſtig - heit, uit een natuurlyke ader vloeiende, krachtigh op te zetten, en te voltojen. Sie haben auch ihre Reymers und Re - denryckers gehabt / welche allerhand Schauſpiel dem Volck vorgeſtellet / wie noch heutiges Tages unter den Bauren auff ihren Kirchmeſſen oͤffentlich gehal - ten werden. Der erſte den ich zu nen - nen weiß iſt der Anonymus, welcher vor etwa vierthalb hundert Jahren ein Nie - deꝛlāndiſch Chronicon in Reymen geſchrie - ben / wor aus Jacobus Eyndius in ſeinem Chronico Zeelandico unterweilen etwas anfuͤhret. Jan van der Does, oder wie er ſich ſonſten nennet Johannes Doula, hat dieſe Hollandiſche Rymkronyke her - außgegeben / im Jahr 1670 mit ſeiner Poetiſchen Vorrede in Alexandriniſchen Verſen verſaſſet. Welche art zu Poe - tiſieren er am erſten in Niederland ſichge[-]261Poeterey. gebraucht. Aber ſie waren damahls noch etwas unvollkommen. Der An - fang des Hollāndiſchen Chronici lautet alſo:

Ouden Boeken hoor ie gevvagen,
Dat alt land beneden Nyemagen
Wilen Nederſaſſen hiet,
Alſo als die ſtroom verſchiet
Van der Maſen en van den Rine.
Die Shelt vvas dat Weſt ende Sine
Alſo als ſi valt in de Zee
Oeſt ſtrekende min no mee.

Es iſt wenig Kunſt hier in zu finden: die Sprache aber iſt von der[j]etzigen nicht gar viel unterſchieden. Die rechte zier - liche Tichterey hat ſich in dieſem Seculo erſt angefangen / und haben die Nieder - lānder den Italiaͤnern und Frantzoſen hierin gefolget. Douſa wird von H. Gro - tio in einem Carmine auff den Opitium, als von den erſten einer geſetzet: Aber ihn uͤbertrifft ſehr weit Daniel Heinſius, deſſen von P. Scriverio herauß gegebene Niederlaͤndiſche Getichte ſo lieblich / ſuͤß und flieſſend ſein / daß[ ihnen nichts][]kanr 3[ve]r -262Das V. Cap. Von der Niederlaͤnderverglichen werden: Welche ich den hoch - trabenden Wercken der folgenden weit vorziehe. Er verdienet billig den groſ - ſen Ruhm / den ihm P. Scriverius in ei - ner abſonderlichen Lobrede beylegt / da er ihn als den erſten Urheber der kuͤnſt - lichen Niederlāndiſchen Poeterey auß - rufft. Er ſpricht von demſelben alſo:

Dees heeft hy uyt het ſlyck gebeurt en opgenomen
Zyn vverck daer van gemaeckt niet ſlachtende delomen,
Daer Nederland van vvaecht, en die nu (maer t on -
recht)
DeReden-ryckers bend en Rymers ſyn geſecht,
Een Volck dat veeltydt is entbloot van alle reden,
Onmatich, onbeſuyſt, vvanſchapen, onbeſneden:
In rreur ſpels bly van ſin, en vveer onbillich gram.

Er vergleicht ferner daſelbſt ihre Spra - che mit der Frantzoͤſiſchen / jedoch daß er die ſeinige derſelben weit vorziehet / ſtraffet auch ſeine Landsleute / daß ſie nicht ehe darauff bedacht geweſen / wie ſie die Vollkommenheit der Poeterey in der ihrigen ſuchten / die andere Voͤlcker ſo zeitig in den ihrigen gefunden. Nechſt dem Heins iſt woll Jacob Catz zu -ſetzen /263Poeterey. ſetzen / der groſſe weitlaͤufftige Poetiſche Wercke geſchrieben / und in der Sitten - leere / durch allerhand Sinnenbilder / (die aber nicht die vollenkommenſten ſein) vorzuſtellen ſich bemuͤhet: Seine Tich - terey iſt zwar von der niedrigen Art / und mit Worten mehr als von noͤthen angefuͤllet. Sie iſt aber dennoch ſuͤß / lieblich und ſauber / ohne die geringſte Haͤrtigkeit / darunter bißweilen ein ſinn - reicher Einfall hervor leuchtet. Sein Zweg iſt der gemine Nutz in unterrich - tung des Volcks / dadurch er ſich alſo be - liebt gemacht / daß er von allen durchge - hend geleſen / und auch bey den Außlaͤn - dern ſehr beliebt geworden. Wenn er ſich in der all zu groſſen weitlaͤufftigkeit etwas gemāßiget / wuͤrde man daß mei - ſte an ihm zu loben haben. Seine Lateini - ſche die er hin und wieder mit untermen - get ſein den Niederlāndiſchen vorzuzie - hen / von uͤberaus groſſer Lieblichkeit / ungezwungen / ſauber / und faſt nach des Lotichii art / daruͤber ich mich offt -r 4mahln264Das V. Cap. Von der Niederlaͤndermahln ſehr ergetzet. Conſtantin Huigens der Herr von Zulichem, deſſen wir ſchon droben gedacht / hat hingegen in ſeinen Poetiſchen Wercken / welche unter dem Titul der Korenblomen neulich wieder hervor gegeben / faſt in allen Zeilen ſeine ſinnreiche Einfaͤlle. Man kan nicht ohne verwunderung die ſo reiche Fruchtbarkeit dieſes ſo hohen Verſtandes betrachten. Seine Zede-printen wie er ſie nennet / Characteres, ſein lauter Geiſt / und hat faſt ein jeglicher Verß etwas / daruͤber man nachzuſinnen hat. Seine Snelldicht oder Epigrammata ſein ſonderlich ſpitz / und hat er unter allen Landsleuten niemand / der jhm in der ſcharffſinnigen Redensart es nachgethan. Diß iſt aber zu verwun - dern / daß er dergleichen Verſe unter der Laſt der Staats-Geſchāffte / damit er - berhāufft geweſen / hat hervor bringen koͤnnen. Und iſt noch jetzund nicht bey ſo hohem Alter faſt von 90. Jahren / ſeine Feder ſtumpff geworden. Die Schau - ſpiele ſind bey jhnen zur Vollkommenheitge -265Poeterey. gebracht. Inſonderheit hat die Stadt Amſterdam ein groſſes daran gewandt. Da haben ſich in groſſer Menge ge - funden / welche umb den Preiß hierin geſtritten. Vor andern hat Joſt van Vondel ſich hierin hervor gethan / von deſſen Comœdien und Tragœdien gantze groſſe Tomi her auß gekommen / welcher auch des Virgilii Buͤcher in Veꝛſe uͤbeꝛſetzet. Es iſt unter andern ein Glaͤſer geweſen Nahmens Jan de Voſs, der das beruͤhmte Trauerſpiel von Aran und Titus gemacht. Gantz Holland hat ſich hieruͤber ver - wundert / denn es iſt eine ungemeine Er - findung und Außzierung die man von einem Handwercks-Mann nicht vermu - then geweſen. Conſtantin Huigens und Caſpar Barlæus haben es mit ihren Lobſpꝛuͤ - chen beehr et und ſchreibet dieſer ſehr aꝛtig.

Ik ſtae gelik bedvvelmt en overſtolpt van geeſt.
De Schoubourgh vvort verzet, en ſchoeyt op hooge[t]leeſt.
Ryſt Sophocles vveer op? ſtampt Æſchylus vveer hier?
Of maakt Euripides dit ongevvoon getier?
Neen; t is een Ambachts man, een ongelettert gaſt;
De nu de gantſche rey van Helicon verraſt.
r 5De266Das V. Cap. Von der Niederlaͤnder
De noyt gezeten heeft aen Grieks of Roomſche Diſch.
Wyſt nu de vveerelt aen, vvat dat een Treurſpel is.
Athenen las het Spel, en ſprack: ik ſchryf niet meer,
Die ons door glas verlicht, verduyſtert al ons eer.

Was koͤnte herrlichers zu dieſes Man - nes Lob geſaget werden? Es haben eini - ge gemuthmaſſet ob were Barlæus ſelber der Autor dieſer Tragœdien geweſen / und dieſem Jan de Voſs die Freyheit gege - ben / ſie als die ſeinige vorzuſtellen / damit er denen eins anmachte welche zu ſeiner Zeit die Niederlaͤndiſche Tichterey ſchier hoͤher hielten als die Lateiniſche / und ſie dadurch veranlaſſet wuͤrden / die Niederlaͤndiſche zu verachten / welche auch ſo gemein wuͤrde / daß nunmehr die Handwercker ihnen ihr Lob ſtreitig mach - ten. Ich kan hierin nicht woll urtheilen. Es iſt dieſe Tragœdie ſehr woll nach allen ihren Stuͤcken geſchrieben / und ſcheinet ein hoͤher Geiſt hierin zu ſeyn als in den andern Verſen dieſes Mannes / wie denn auch ohn dem die Eigenſchafft der Tragœdien etwas ſonderliches erfo - dert. Wenn ich aber ſeine andere Verſebe -267Poeterey. betrachte und neben dieſe halte / ſo ſind ſie doch auch nach ihrer arth ſehr wol ge - ſchrieben / daß ich nicht ſehe wie man die - ſes ihm auffbuͤrden koͤnne / es were denn daß Barlæus ſie alleſampt gemacht hātte / welches nicht glāublich. Sonſten hat er die Niederlāndiſche Poeterey verach - tet / wiewoll er ſelbſt zierlicher darin ge - ſchrieben / als faſt alle andere. Man findet im andern Buch ſeiner Elegien eine an Jacob van der Burch und Johann Bro - ſterhuyſen, worin er ſie von der Nieder - laͤndiſchen Poeterey abmahnet und zur Lateiniſchen anfriſchet: Dieſe iſt ſehr woll geſchrieben / worin unter andern dieſe Verſe zu finden:

Non decet indoctam vatum ſapientia turbam,
Et nimium veſtro vulgus ab ore ſapit.
Cernitis ut viles ſcandant Helicona Puellæ,
Fœmineumque riget Caſtalis unda chorum?
Scribite fœmineis ali quid ſublimius auſis:
Pangite quod virgo non queat ulla, melos.

P. C. Hooft, Ritter von S. Michaelis, Droſt von Muyden und Baljovv von Goeiland hat nicht allein Trauer ſpiele / ſondern auchan -268Das V. Cap. Von der Niederlaͤnderandere Getichte geſchrieben / welche eine hochtrabende arth haben / viele ſonderli - che geſuchte und zuſammen geſetzte Woͤr - ter. Wie denn in ſeinen Hollandiſchen Geſchichten / die er deſchrieben / derglei - chen ungewoͤhnliche und faſt nach Taciti art eingerichtete Rede ſich findet. Weß - halben ſeine eigene Landsleute etwas an ihm zu tadeln finden. Und hat er einige Nachfolger gehabt / welche / da ſie an Urtheil und Verſtande ihm nicht gleich thaten / viel unzulāßige Neuerun - gen in der Rede angefangen. Auff die - ſe / wie es ſcheinet / hat Vondel gezieh - let / wann er in ſeiner Aenleidinge ſpricht: d Alleroutſte en beſte Poëten zyn de na - tuurlyckſte en eenvoudighſte. De nako - melingen, om hem voorby te rennen, vielen uit eerzucht of aen het ſnorcken en poffen of verniſſen en blanketten. Dat behaeghde in het eerſt, gelyck vvat nieuvvs, den min verſtandingen, en klonk den ni - eusgierigen, gelyck een donderſlagh, in d[ ']ooren; doch het vervvonderen duurdeeen269Poeterey. een korte vvyl, en de vvackerſte oogen zagen hier door; en d outſten tegens de jonger vvercken in de Schale van een be - zadight oordel opgevvogen, vielen de leeſten te licht, en d outſten behielden den verdienden prys. Es muß des Herrn Henric. Weſterbaens Herrn von Brandevvyck eines gelehrten Edelmanns nicht vergeſſen werden; deſſen Hollan - diſche Getichte ſonderlich zu loben / we - gen ihrer rennlichkeit und nicht gemei - nen Erfindung. : inſonderheit ſein Ockenburg und ſeine Nootzakelik mall, welche voller artigen Einfālle ſeyn / und von ſeinen vornehmſten Landsleuten hochgeprieſen werden / auch ſeine Lateini - ſche / die er untermiſcht / ſein woll geſchrie - ben. Henric Brunoos ſo genanntes Men - gelmoeſs iſt voller luſtigen Einfaͤlle / ſo woll in Niederlaͤndiſcher als Lateiniſcher Poeſey: denn er hat beydes zuſammen gemiſchet. Ich habe niemand geſehen / der in feſtivo genere es ihm gleich gethan. Johan Adolph Dans hat Liebesgedichtege270Das V. Cap. Von der Niederlaͤndergeſchrieben von unglāublicher Suͤßlg - keit. Der Herr von Meervvede, deſſen wir droben gedacht / gehet hierin etwas zu weit; und ob er zwar durch die Italiaͤ - niſche Uberſchrifften ſeine allzufreye Ein - faͤlle vertunckeln will / ſo ſtehn ſie doch gnug zu Tage. Was er hierin verſehen / hat er nachgehends mit ſeinen Geeſtely - ken Minne-vlammen verbeſſern wollen. Jann van der Veen in ſeinem ſo genand - ten Adams Appel iſt voll von Schertzen und Luſtigkeiten / die nicht unangenehm ſeyn / ob ſie gleich etwas gemeines bey ſich fuͤhren. Denn es iſt alles unge - zwungen aus ſeiner Feder gefloſſen. Decker der von dem Lobe der Geldſucht und andere Gedichte geſchrieben / ver - dienet auch billig ſein Lob. Bodicher Banning in jeinen Leydiſchen Oorloffsda - gen hat allerhand Gedichte welche die Mittelbahn halten. Daniel Jonctys hat nur wenig geſchrieben / mehrentheils Lie - besgedichte; Sie ſeyn aber angenehm und von zarten weſen. Seine RoſelinsOogi -229[271]Poeterey. Oogies ſeyn mit allen erdencklichen Far - ben angeſtrichen. Seine hedensdaeghſe Venus en Minerva, ein Geſprāch zwiſchen denſelben / ſtellet die Luſtigkeiten und Verdrießlichkeiten der liebenden und ſtu - dirende vor / und iſt woll außgezieret. Man hat auch bey ihnen einige Jung - frauen gehabt / die ein ſchoͤnes ſo woll Lateiniſches als Niederlaͤndiſches Gedicht geſchrieben: als die Anna Schurmans, auff welche noch der Herr Huigens ein Lateiniſches trefliches Carmen geſchrie - ben; darin er ſie ermahnet von dem La - badie abzuſtehen: und die Anna Teſſel - ſcha, deren verlohrnes Auge mit einem weitlāufftigen Niederlaͤndiſchen Gedichte Oogentrooſt genandt / derſelbe Herr Huigens beehret / welcher auch Barlæus viel zu ehren geſchrieben. Es ſeind auch bey ihnen viel außerleſene Carmina von den beſten Auctoribus und deren inſon - derheit / die ſonſt wenig geſchrieben / in abſonderlichen Buͤchern verſamlet / wor - unter meinem Beduͤncken nach das beſteiſt272Das V. Cap. Von der Niederlaͤnderiſt / de zeeuſche Nachtegael., worin der Seelaͤndiſchen Poeten Carmina enthal - ten. Es ſeyn hier Geiſtliche / Weltliche / Ernſthafftige / Luſtige untereinander vermiſchet / auch viele Bauren-kurtzweil / als die Eyerklacht eines Bauren Klag uͤber einen zerbrochenen Eyer-Korb und andere mehr / welche alle mit Luſt zu leſen. Ferner iſt Klioos Kraam in zwey - en Theilen herauß gegeben / Apollos Haarp, und andre mehr. Die darin enthaltene Gedichte ſeyn theils von Ano - nymis und unbekandten / theils von den bekandten und die gantze Wercke her auß - gegeben / gemacht. Man findet darinnen Gedichte von Anslo, van der Burgh, Brandt, Bremer, Camphuyſen, P. de Groot, Paſ - ſchier de Foine, I. Rivius, M. van de Heu - vel, F. Martinius, J. Schryver, F. Schnel - linx, Traudenius, R. Tel, Wittenoom, Abbes Gabbema, Aſſellyn, Caſpar von Baerle, Boogard, Brunsveld, Dullaart, Galama, Geeſtdorp, van Griethuyſen, Hu - go de Groot, Jacobs, Jonctys, Klinge,Ni -273Poeterey. Nicolaus Oudan, Reael, Rintius, Sanderꝰ, Six, Victorin, Wibinga, J. de Brune, Alida Bruno, J. van Daale, P. Dubbels, J. van Duisberg, Maria van Haeſtrecht, W. van Heemskerck, Sibylla van Jongſtal., J. Leschaille, J. Opper - veld, Paffenrode, (der eine ungemeine Ey - genſchafft hat / die Liebes-Schertze mit dop - peldeutigẽ Worten zufaſſen /) Carl Prince, Catharina Zveſtiers, D. Zveſtiers, W. Schel - lincks, Vollenhofe, Waterloes, Jan Zoet, H. Zvveerds. Dieſe Veꝛſamlungen ſeind zu loben / denn es werden die beſten Carmina außgeſucht uñ inſonderheit die wenige / die kein vollſtaͤndig Werck an ſich ſelbſt ma - chen koͤnnen / oder ſonſten verlohren gin - gen. Dieſes moͤchte man mit den Teutſchen auch alſo machen: denn es werden offt - mahls von feinen Ingeniis dergleichen ge - ſchrieben / die woll werth daß ſie bey be - halten wuͤrden. Ich wolte deren allein aus meiner wenigen Bibliothec ein groſ - ſes volſtaͤndiges Buch liefern.

Wir haben bißhero von den Außlaͤndi - ſchen Poeten geredet / die nicht alleinSun -274Das V. Cap. Vonder Niederlaͤnderunter ſich / ſondern auch mit andern Voͤl - ckern des Vorzugs halber ſtreiten. Die meiſten ſprechen ihren Landsleuten zu ge - fallen / und urtheilen nach ihrer Zunei - gung. Unter den Frantzoſen wird Ron - ſardus von dem Verdiero in ſeiner Cenſio - ne Autorum allen andern vorgezogen; denn er ſagt: Ronſardus eorum, qui qua - vis ætate aut linguâ ſcripſerunt, omnium laudes unus promeruit. Er zuͤrnet mit dem Muteto, daß er in den Anmerckungen uͤber ihn einige Oerther angezeichnet / die er aus den Italiaͤniſchen Poeten genom - men haben ſoll / da ſie doch beyde aus den Griechiſchen und Lateiniſchen als gemei - nen Brunquellen geſchoͤpffet. Es wāre des Verdiers Urthel nicht groß zu achten; aber der gelehrte Cardinal Perronius iſt ſelbſt in der Meinung / denn in den Ex - cerptis, die die fratres Puteani von ihm auff - gezeichnet / ſeyn dieſe Worte außdruͤcklich zu finden p. 284. Ronſard eſtoit l homme, qui avoit le plus beau genie, que Poete ait iamais eu, ie dis de Virgile & d Ho -me -275Poeterey. mere. Er zeucht ihn allen andern Poe - ten vor / und hālt ihn vor ein Wunder - werck ſeiner Zeiten / wie weiters daſelbſt kan nachgeleſen werden. Was die Ita - liaͤner aulanget / ſo ſtellet Alexander Taſ - ſon in ſeinen Penſieri diverſi lib. X. c. 14. eine Vergleichung zwiſchen den Griechi - ſchen / Lateiniſchen und den neuen Po - eten an / und ſcheuet ſich nicht dieſe jenen vorzuziehen. Arioſtus und Taſſus ſein ihm due ſourani lumi della lingua e dell età noſtra, illuſtri e glorioſi ſopra tutti gli antichi. In den Hirten-Getich - ten / poëſi Lyrica, haͤlt er ſeine Landsleute vor unvergleichlich / denen alle andere weichen muͤſſen. Unter den Spaniern / Engellaͤndern und Niederlaͤndern fin - den ſich gleichfalls / die die Ihrige den an - dern vorziehen / davon wir droben mit mehren gehandelt. Es gehet hierin nach dem gemeinen Sprichwort / daß man ſeinen eignen Rauch hoͤher halte / als ein frembdes Feur. Und muß man ſich verwundern / wie offtmahls nichtS 2nur276Das VI. Cap. Von der Teutſchennur verſchiedener ſondern derſelben Leute Urtheil wieder einander lauffen.

Das VI. Cap. Von der Teutſchen Poete - rey / und zwar von der erſten Zeit.

Einhalt. DRey Zeiten der Tentſchen Poeterey. Carolus Ortlob ſetzet fuͤnff. Die Uhralte Zeit beſte - het in den Carminibus, deren Tacitus ge - dacht. Dieſe alten Carmina machet Olaus Rudbeck den Teutſchen ſtreitig / und ſchreibet ſie den Schwe - den zu. Aber ohne Grund. Beantwortung ſei - ner angefuͤhrten Uhrſachen. Die Poëſis iſt die aͤl - teſte bey allen Voͤlckern / und dienet an ſtaat der Hiſtorien. Caſtelvetro und Taſsi Meinung hie - von. Wird mit Exempeln erwieſen. Iſt alſo auch bey den Teutſchen geweſen. Weil dieſe Carmina nicht koͤnnen vorgezeigt werden / folget nicht daß ſie nicht geweſen. Die vielfaͤltigen Kriege und der Teutſchen Nachlaͤßigkeit iſt Uhrſach an den Unter - gang der alten Lieder. Man hat uͤber des Taciti Zeugniß noch einige alte Nachrichte davon. Jo - annis Aventini und Chriſtian Hoffmans Zeugniſſen. Hunibaldus. Albertus Krantzius haben ſich ſol -cher277Poeterey erſte Zeit. cher Verſe bedienet. Einige art Schranckverſe / ſo vor alters bey den Schweden gebraͤuchlich geweſen / welche Olaus Rudbeck vor die alte dem Tacito er - wehnte Carmina haͤlt. Dieſes wird in zweiffel ge - zogen. Dann es ſcheinen dieſe Carmina nicht ſo gar alt zu ſein. Verſetzung der Woͤrter eine anzeige der Kunſt und Neuerung vielmehr / als des Alter - thums. Auß dem Wort Barditu welches Tacitus von der Teutſchen Kriegesliedern gebraucht / und Herr Rudbeck aus dem Schwediſchen ableitet / will er behaupten / daß es Schwediſche Lieder geweſen. Iſt kein richtiger Schluß. Kiempe Wyſar bey den Dānen. Bardi bey den Teutſchen. Barritus Baren gebaeren. Die Heldenlieder der Teutſchen ſcheinen vor Taciti Zeiten geſchrieben zu ſein. Melchioris Goldaſti Meinung davon. Meiſtergeſaͤnge und Meiſterſaͤnger ob ſie hievon den Urſprung haben. Al - te Carmina eine gute Nachricht in den Hiſtorien. I. Palmerius de Grentemesnil hat die alten Frantzoͤ - ſiſchen und andrer Nationen Lieder hoch gehalten.

YUn kommen wir endlich zu den Teutſchen / von deren Poeterey wir ietzo handeln wollen. Es muͤſſen aber hierin die Zeiten unterſchie - den werden / nemblich die Uhralte / deren Tacitus gedencket / die Mittele / die vonS 3Ca -278Das VI. Cap. Von der TeutſchenCarolo den Groſſem her zufuͤhꝛen / und die neueſte / die in dieſem ſeculo erſtlich ange - gangen. Carolus Ortlob / welcher de variis Germanicæ Poëſeos ætatibus eine Diſſer - tation geſchrieben / ſetzet fuͤnff Zeiten. Die erſte nennet er die Kindheit / dahin er die alten Carmina bringet / deren Ta - citus gedencket. Die andere die Jugend / welche er von Caroli M. Zeit herfuͤhret. Die dritte / als das mānnliche Alter ſetzet er unter des Barbaroſſæ und Henrici VI. Regierung. Die vierdte das Alter der - ſelben / wird nach des Friderici II. Zeit von ihm geſetzet. Die fuͤnffte als die Wiedergebuhrt derſelben nennet er die / welche in dieſem ſeculo von Herrn Opi - tio angefangen. Wir wollen aber in den dreyen Zeiten alles faſſen.

Was nun die Uhralte Zeit anlan - get / ſo haben wir deren keine Nachricht als welche wir beym Tacito finden. Deſ - ſelben Worte lauten alſo: Celebrant carminibus antiquis (quod unum apud illos memoriæ & annalium genus eſt (Tui -ſto -279Poeterey erſten Zeit. ſtonem Deum terrâ editum, & filium Man - num, originem gentis conditoresque. Die - ſes hat niemand in zweiffel gezogen / und ſtehet es ja ſo klar alhie / daß man deß - halben nicht noͤthig hat die geringſte Grubeley zu machen. Aber es hat den - noch neulich den Teutſchen der Herr Olaus Rudbeckius diß ſtreitig gemacht in ſeiner Atlantica cap. 24. l. 4. und darthun wollen / daß ſolches von keiner andern als der Schwediſchen Nation verſtanden werden koͤnne. Ich ehre dieſes vorneh - men Mannes hohen Verſtand: Aber hierin kan ich ihm keinen Beyfall geben. Dann bey ſeite geſetzet / was er von der Teutſchen herſtammung aus Schwe - den weitlaͤufftig darthun wollen / (da - von auff eine andere Zeit kan geredet werden) ſo iſt dieſes doch handgreiflich wieder des Taciti und aller / die den Ta - citum leſen und verſtehen konnen / Mei - nung: daß es alſo von keinen andeꝛn Teut - ſchen als mit welchen die Roͤmer damahls zu thun hatten kan verſtanden werden. S 4Denn280Das VI. Cap. Von der TentſchenDenn daß er dieſelbe verſtehe / erhellet ja auß ſeinem andern Buch der Annalium, da er von dem Arminio ſaget: Canitur adhuc apud barbaras gentes Græcorum annalibus ignotus, qui ſua tantùm miran - tur. Nun iſt ja bekandt daß die Cheruſci und die benachbahrte warhafftig Teutſche Voͤlcker ſeyn / davon Tacitus dieſes ſaget. Denn wer ſolte ſolche Lieder anders ge - macht haben als dieſe uͤber die der Armi - nius geherrſchet / und denen ſeine Tugend bekant. Haben ſie nun dieſe von Armi - nio gemacht / warumb ſolten ihre Vor - fahren nicht dergleichen gethan haben? Seine Gruͤnde ſein dieſe / daß bey den Schweden dergleichen viele Carmi - na zu finden / da doch in Teutſchland man nichts zum Vorſchein bringen koͤnne. Hierauff zu antworten / ſo iſt zu wiſſen / daß nicht nur bey den Schweden / ſon - dern bey allen andern Voͤlckern / die noch ſo weit nicht gekommen / daß ſie ih - res Landes Hiſtorien beſchreiben / dieſer Gebrauch ſey / den ſie faſt die Naturleh -281Poeterey erſte Zeit. lehret / daß ſie ihrer alten Helden Lob mit Liedern preiſen und ihr Andencken dadurch erhalten. Man hat ſolches bey den wilden Americanern ſelbſt gefunden / wie ſolches in den Reiſebeſchreibungen angezeichnet iſt / und einer aus ihrer Na - tion Ynca Garçillaſſo de la Vega in ſeiner Peruvianiſchen Hiſtorien ſelbſt bezeuget. Der gelehrte Caſtelvetro erwehnet in ſei - nen Anmerckungen uͤber des Ariſtotelis Poëtica dieſe Frage: Ob die Poeterey den Hiſtorien vorgehe / und ſpricht vor die Hiſtoria das Wort. Torquatus Taſ - ſus hingegen am ende des erſten Buchs de poëmate Heroico ſchlichtet dieſen Streit alſo: daß zwar die Hiſtoria der Poete - rey der natuͤrlichen Ordnung nach vor - gehe: dieſe aber ālter ſey als jene: wel - chem auch Auguſtinus Maſcardus in ſeinem Buch dell arte Hiſtorica trattat. 5. cap. 4. particell. 1. und aller Voͤlcker Exempel beypflichten. So hat man bey den Grie - chen von alters her keine andere Hiſtori - enſchreiber als ihre Poeten und SaͤngerS 5ge -282Das VI. Cap. Von der Teutſchengehabt. Bey den Roͤmern iſt vor des Appii Cæei ſeiner Zeit nichts in ungebun - dener Rede geſchrieben. Von den Chi - nenſen ſchreibt es auch Trigautius und Martinus Martinii: denn wann noch keine Schrifft iſt / dadurch man dem Gedaͤcht - niß zu huͤlffe komt / ſo erheiſcht die Noht - wendigkeit / daß man ſolches in Verſen verfaſſe. Wie mans auch mit den Ge - ſetzen alſo gehalten / von welchen noch der Nahme Νόμο〈…〉〈…〉 in der Poëſie geblie - ben. Wie ſolten dann nun die Teutſchen nicht faͤhig geweſen ſeyn ſolche Lieder zu machen? Daß er ferner vorgibt es koͤn - nen die Teutſchen ſolche nicht vorzei - gen / ſo beweiſet dieſes nichts; und iſt das Gegentheil war. Es beweiſet dieſes nichts: denn da ſo viel tauſend andere Buͤcher zu grunde gegangen / da Teutſchland durch ſo viele Kriege verheeret worden / da die Nachlaͤßigkeit letzter Zeiten dieſe alte Lieder geringſchaͤtzig gehalten / da ſie anfānglich nicht auffgeſchrieben. Wie ſolte es nicht moͤglich ſein / daß ſie verge -hen283Poeterey erſten Zeit. hen koͤnten? Daß ſie da geweſen / bezeuget Tacitus ein glaubwuͤꝛdiger Hiſtoꝛienſchꝛei - ber. Das Gegentheil erhellet hier auß: dann es ſchreibet Eginhartus in vitâ Ca - roli Magni von ihm: Barbara & antiquiſ - ſima carmina, quibus veterum Regum a - ctus & bella cantantur ſcripſit memoriæ - que mandavit. Dieſes ſein ohn zweiffel derjenigen etliche geweſen / deren Tacitus gedencket. Wo ſein dieſe aber nun zu finden? Joannes Aventinus der ſonſt al - le Bibliothecas, und Archiva durch ge - krochen / hat in dem erſten Buch ſei - ner Germaniæ illuſtratæ die er verheiſſen / und deren Einhalt Geſnerus erzehlet / handeln wollen de carminibus antiquis quibus Cornelius Tacitus uſus eſt, & quæ Carolus M. auxit, recentiores corrupere. Aber es iſt von ihm nicht anders als ſeine annales Bojorum hervor gekommen / und verſichert Geſnerus daß nichts mehr von ihm verhanden. In dem Lateiniſchen findet ſich von ihnen nichts hauptſaͤch - lichs / nur daß er von dem Tuiſcone die -ſes284Das VI. Cap. Von der Teutſchenſes erwehnet / daß er die Buchſtaben er - funden / quod jura dederit, leges tulerit, carminibusque complexus fuerit, quæ pu - blice & privatim cantarent. Er meldet a - ber nicht / woher er dieſe Nachricht ha - be / er zeuget auch / daß von den alten Carminibus noch einige in den Bibliothe - cis verhanden. Denn ſo ſpricht er lib. 1. p. 15. n. 40. Ingeramum & Adalogerionem more majorum antiquis proavi celebra - runt Carminibus, quæ in Bibliothecis ex - ſtant. In der Teutſchen Hiſtorie / die nach der Lateiniſchen herauß gegeben / und inſonderheit deſſen erſtem Buch wel - ches er ſelbſt ſehr vermehret / meldet er / daß er zu Regensburg in S. Hay - merans Kloſter / gute alte Lateini - ſche Verſe gefunden / darinnen et - licher alter Koͤnige und Helden Thaten beſchrieben worden / die aus Befehl Rayſer Carol des Groſ - ſen von den alten Teutſchen Tich - tern ins Latein gebracht. Aus den - ſelben fuͤhret er einige merckwuͤrdige dingean /285Poeterey erſt[e]Zeit. an / und iſt vermuthlich / daß ſolche aus den alten Teutſchen Liedern zuſammen getragen worden. In derſelben teut - ſchen Hiſtorie meldet er auch / daß wie der Koͤnig Tuiſco zu anreitzung der Nachkommen die Gutthaten der Frommen mit Liedern zu eh - ren befohlen / haͤtte Koͤnig Laber ge - boten / daß man auch von denen die Ubels thaͤten / damit ſie ſich ſchaͤme - ten und beſſerten / Lieder machete / dieſelbige bey Nachte offentlich auff den Gaſſen für den Haͤuſern ſuͤnge / wenn man das Licht ange - zuͤndet hatte / darum man auch ſol - che Geſanglichter genennet. Sein alſo dieſe gleichſahm Satyren und zu ver - beſſerung der Sitten angeſehen geweſen. Iſt ſchier eine ſolche Gewohnheit / wie bey den alten Aegyptern / bey welchen jemand tāglich des Koͤnigs Tugenden heraußſtreichen / und ſeyn Verſehen ent - ſchuͤldigen muͤſſen. Damit er zu den Tu - genden angefriſcht / und von Laſtern ab -ge -286Das VI. Cap. Von der Teutſchengehalten wuͤrde. In der Teutſchen Hi - ſtoria des Aventini ſein noch verſchiede - ne Oerter / woſelbſt er der alten Teut - ſchen Lieder gedencket / die in der Latei - niſchen nicht zu finden. Als da er von dem Hercules handelt lib. 1. p. 27. a. ſpricht er: Solches iſt viel in unſern al - ten Teutſchen Reymen / ſo der al - ten Teutſchen Chronica ſein / ange - zeiget. und p. 33. b. ſpricht er von dem alten Danheuſer. Von dem alten Danheuſer und ſeiner Reiſe / ſingen und ſagen noch viel unſere Teut - ſchen / man heiſt noch die alten Meiſtergeſaͤng von ihm Sprich - wortsweiß / der alte Danhaͤuſer. Er gedencket ferner daſelbſt einige / die aus dieſen Hiſtorien Romainen gemacht / und Liebesſachen mit darunter ge - menget / dadurch die Hiſtorien ver - faͤlſchet worden. Ferner p. 64. a. be - rufft er ſich auff die alte Teutſche Lieder von den Landhelden gemacht. P. 67. a. imgleichen P. 69. a. gedencketer einigeꝛ altẽReime287Poeterey erſten Zeit. Reime die von dem alten Teutſchen War - ſager Meiſter Alber lang vor Chriſti gebuhrt gemacht / von welchen noch thoͤ - richte Leute albern genant werden. P. 93. a. findet ſich dieſes: zu Regensburg in des Thumſtiffts Buchkammer / iſt gar ein alt Buch auff Pergamen in Lateiniſcher Sprache woll be - ſchrieben / von dem alten loͤblichen herkommen der Bayern / das ſagt daß die Bayern allein Alexander un - ter allen im Niedergang der Son - nen Nationen abgeſagt haben. Man hat ſolches bey den Alten geſagt und geſungen. Sehen wir alſo hier - auß daß auch dieſes alte Buch ſich auff die alte Carmina beruffe. P. 110. b. da er von dem Teutſchen und Bayriſchen Koͤ - nig Dieth handelt / berufft er ſich auff die alten Teutſchen Bayriſche Reymen und Chronicken. Es moͤgen noch wol einige andere Oehrter mehr daſelbſt verhanden ſein / die ich nicht angemerckt. In dem 4. Buche ſeiner Teutſchen Hiſtoriap. 289.288Das VI. Cap. Von der Teutſchenp. 289. b. redet er von den Carminibus die Carolus M. zuſammen tragen laſſen; aber er bedauret daß der meiſte Theil davon verlohren und hernach durch etliche ge - fālſchet worden: Denn es iſt den Alten nicht anders ergangen / als den Neuen / die von frembder Feder ſehr verdorben und unzeitlich verneuert ſein. Es geſte - het auch Albertus Crantizus, daß er zu behuff ſeiner Hiſtoria die alten Carmina gebraucht habe. Hunibaldus der von den Francken eine Hiſtoria geſchrieben / hat aus den alten Carminibus auch das meiſte zuſammen getragen wie Trithemius von ihm bezeuget / der gar viel auff ihn hālt / und aus einigen ſeinen Buͤchern einen Außzug gemacht. Er ſpricht: Ex Car - minibus & ſcriptis Flaminum ſuæ gentis con - tinuavit Waſthali hiſtoriam Ich weiß wol daß Voſſius und viele andere dieſen Autorem verwerffen / aber es kan doch wol wahr ſein / daß er aus den Carminibus, worinnen viel ertichtes we - ſens mit unterlaͤufft / ſeine Hiſtorien zu -ſam -289Poeterey erſten Zeit. ſammen getragen. Dazu iſt man noch nicht ſo gar aus den Roͤmern und an - dern Hiſtoricis, was uns Teutſche ange - het / der Warheit verſichert. Es kan dennoch unter dieſem Fabelhafftem We - ſen woll etwas wahres mit unterſpielen / das nun ſo leicht nicht von einander ge - ſchieden werden kan. Chriſtian Hoff - mann von Hoffmanns-Waldau / da er in der Vorrede ſeiner Gedichte von die - ſen alten Geſāngen redet / ſchreibet er hievon mercklich alſo: ſolche Geſaͤn - ge ſein nachmahls je mehr und mehr im Lauft kommen / und ha - ben viele bey der damahls zimlich harten und rauhen Sprache nicht uͤble Gedancken gefuͤhret / wie noch in vielen Kloͤſter Bibliotheken / als zu S. Gall / zu Eichſtatt / zu S. Eme - ran in Regensburg / und vielen an - deren Orten mehr dergleichen auff Pergament zu finden iſt. Es iſt traun unverantwortlich / daß man dergleichen Alterthuͤme ſo gartim290Das VI. Cap. Von der Teutſchenim finſtern ſtecken laͤſt / und ſie nicht zur Ehre der Teutſchen Nation hervor gege - ben werden / dahero es denn kommt / daß die Außlaͤnder unſere Nachlāßigkeit zu ihrem Vortheil gebrauchen / und auch die allerdeutlichſten Beweißthuͤmer ſtreitig machen wollen. Waͤre bey uns ein ſolcher Fleiß / ſolche dinge hervor zu ſuchen / der itzo bey den Schwe - den iſt / welches an ihnen zu loben / die faſt alle Winckel ihres Landes durchſu - chen / um etwas von ihren antiquitaͤten zu finden / wir wuͤrden auch das unſri - ge zeigen koͤnnen. Man findet hergegen bey den unſrigen wol ſo unartige Leute / die die alten Schrifften lieber die Mot - ten und Maͤuſe verzehren laſſen / als daß ſie jemand ihre Archiven und Bibliotheken durchſehe[n]laſſen / wie denn Aventinus ſehr daruͤber kla - get. Hingegen in Schweden iſt ein ei - gen Collegium antiquitatum von den ge - lehrteſten Leuten angeſtellet / die hier in -[n]en allen muͤglichſten Fleiß anwenden. Es291Poeterey erſten Zeit. Es ſetzet der Herr Rudbeck aus des Taub - manni Vorrede in Culicem Virgilianum, was er daſelbſt von etlichen Gedichten / die zu Friderici Barbaroſſæ Zeiten geſchrie - ben / herbey bringet / ad levandam Germa - norum (wie er ſaget) ſummam in his rebus inopiam, die er doch als neue verwirfft / und welche mit den Schwediſchen nicht zu vergleichen. Setzet ſo fort darauff: Verum enim vero noſtra ipſorum ſponte largiemur eis poëma multo antiquius ſecu - lorum nempe octo ex Ottfridi Evangeliis. Als wenn den Teutſchen dieſes ſo unbe - kandt / und niemand ſolches vorhin ge - ſehen / nun aber erſtlich von einem Auß - laͤnder deſthalben Bericht empfangen muͤſten. Auß dieſem angefuͤhrten er - ſcheinet / daß dennoch ſo gar nicht das Gedaͤchtniß der alten Teutſchen Geſaͤn - ge verloſchen / wie Herr Rudbeck ſol - ches behaupten will / als wann ihm al - le und jede heimlichkeiten der Teutſchen Archiven klar vor Augen legen Denn er ſpricht: Germanis Carmina, Tacito met 2mo -292Das VI. Cap. Von der Teutſcheumorata, prorſus deſunt, quorum aliquot centurias ex monumentis noſtris, ſi ita uſus exiget, eruemus; talium vero carminum, qualia in lucem protulerunt Ottofredus, & Taubmannus, daturi erimus myriadas. Wir laſſen dahin geſtellet ſein / was von dergleichen antiquitaͤten in Schweden verhanden / wir meinen aber / es ſolte gleichfalls keine geringer anzahl bey uns hervorkommen / wenn man alles auffs genauſte ſuchen wolte. Zu dem wuͤrde es wegen des eigentlichen alters noch viel zu eroͤrtern geben. Er ziehet an offt er - wehntem Orthe aus des Herrn Verelii Anmerckung in Hervara Saga ein Carmen an / welches er ſehr alt haͤlt aus dieſer Uhrſachen / weilen die Woͤrter ſo ſehr verworffen / und der Verſtand verſtecket / und dergleichen ſaget er ſein die Carmina geweſen / deꝛen Tacitus gedencket / in quibus inter vetuſtatis ſigna, wie er ſpricht / non poſtremum locum obtinuit ænigmatica illa vocum trajectio, qua vetuſtiſſimorum poë - tarum Græcorum & Latinorum ſcriptalon -293Poeterey erſten Zeit. longiſſime ſuperant. Nun moͤchte ich woll deſſen den geringſten Beweiß ſehen / worum die Verſetzung ein Kenn - zeichen des Alters ſein ſolte. Die Grie - chiſche und Lateiniſche Sprache kan hier nicht zum Exempel gebrauchet werden: denn die gantze Zuſammenſetzung der Sprache iſt anders / wie die Teutſche und Schwediſche / die der Natur folgen. In Griechiſcher und Lateiniſcher Spra - che hat die Kunſt eine andere Maſſe ge - ſetzet / und einen numerum gegeben / wor - nach ſie ſich richten muͤſſen. Dieſe auß - meſſung der Griechiſchen und Lateini - ſchen Verſe / und die Verſetzung der Woͤr - ter halte ich vor eine neuere Erfindung / als die Trochaiſche und Jambiſche metra, derer ſich die Teutſchen und andere Voͤl - cker gebrauchen / denn dieſe ſind in jener Sprache auch eher geweſen als die an - dere metra, und werden ſie mit derglei - chen kurtzſylbigen Sprachen gebohren. Aber hievon in folgenden ein mehres. Es laͤſt ſich dieſes eben ſo leicht ver -werf -294Das VI. Cap. Von der Teutſchenwerffen / als bejahen. Das Exempelwol - len wir hieher ſetzen

62345
Laturſaerhakonheitir
1415167
Hanrakirlidbannat
13111220
Jordkanfrelſafindum
819
Frid-roſzkongaroſza
2218231725
SialfurraͤdraltochElfar
192124
Eiraſtillira-milli
29302631
Gramurofgifftadfremri
271028
GandwitzJofurlandi

In Lateiniſcher Sprache hat ers auch ſo außgeleget und die rechte Conſtruction durch die Zahlen angedeutet:

62345
FacitillequiHaquinusvocatur
1415167
illepopulumregit,prohibere
13111220
patriampoteſtdefendereprovincias
819
pacis-rupturæRexinſolentiam
2218231725
ipſemetadminiſtratomnia&Goth-Albim
192124
Solusrepitinter
29302631
Rexvalde-virtuoſus&præaliis
271028
GandwicumTerræ Dominusprovinciam

Es finden ſich dergleichen mehr in den An - merckungen des Herrn Verelii uͤber Got - recks und Rolfs Hiſtoriam p. 56. 57. 72. 73. woſelbſt er berichtet / daß dieſe art des Carminis Refrun genannt worden. Daß einige derſelben ſo gar alt nicht ſein / iſt daraus abzunehmen / weil ſie geſchrieben / da der Chriſtliche Glaube in Schweden ſchon auffgekommen. Es ſcheinet viel - inehr / daß da die Nordiſche Poeten gar viel metra erfunden / ſie ein ſolches metrum außgedacht / daß in ſolchen verſchren - ckungen der Woͤrter beſtehet / das auch deßhalben Refrun iſt genannt worden. Wie man auch die Runen in den Uber -t 4ſchriff -296Das VI. Cap. Von der Teutſchenſchrifften der Graͤber verworffen / und darinnen ſonderliche Maaß geſetzet / ſolche wurden Villurunen genant / und ſaget Verelius in Runog. c. 12. davon, quod antiquis ignoratum fuerit hoc artificium. Olaus Wornius hat in ſeiner appendice li - teraturæ Runicæ unterſchiedliche arten ſol - cher logogriphorum vorgeſtellet / und auff was weiſe ſolche gemacht werden an - gewieſen. Iſt alſo meines erachtens dieſes kein gruͤndlicher Beweiß ihres Alter - thums / und wolte ich es vor eine neue Erfindung halten / die zu der Zeit auff - gekommen / wie man in der Lateiniſchen Sprache mit den verſibus quadratis, cu - bicis, palindromis beſchāfftig geweſen. Doch ſtelle ich ſolches zu weiterer unter - ſuchung / und will ich das Alterthum der Schwediſchen Poeſie nicht ſtreiten. Aber man muß hierauß nicht fort den Schluß machen: Bey den Schweden hat man ſolche Lieder gemachet / darum ſein ſie bey den Teutſchen nicht geweſen. Denn es kan beides wahr ſein / und ſein dieSchwe -297Poeterey erſten Zeit. Schweden den Teutſchen hier in nicht ent - gegen zu ſetzen / die einerley Urſprung / und in dem Grund einerley Sprache ha - ben. Von den alten Gothen bezeuget Jornandes eben daſſelbe / was Tacitus von den Teutſchen / daß ſie ſolche Lieder zum Lobe ihrer Helden geſungen. Es iſt gar ein ſchlechter Grund / wenn Herr Rud - beck aus dem Wort Barditus, welches er von dem Schwediſchen Barda, vulnerare herfuͤhret / beweiſen will: es muͤſſe bloß von den Schweden verſtanden werden / was Tacitus ſaget. Sunt illis hæc quo - que carmina, quorum relatu, quem Bar - ditum vocant, accendunt animos, futuræ - que pugnæ fortunam ipſo cantu auguran - tur. Denn warum ſolte eben von dem Worte Barda vulnerare ſolches herkom - men / dann von Wunden und Todtſchla - gen pflegt man nicht leicht ſolche Lieder zu nennen / ſondern von Fechten oder Streiten. Die Daͤnen nennen ſie viel eigentlicher Kiempe-Wyſar / bey wel - chen ſolche Krieges Lieder auch gebraͤuch -t 4lich296[298]Das VI. Cap. Von der Teutſchenlich / derer auch noch einige verhanden / und in einem Buch verſamlet[hervorge - geben] ſein / worauß noch Thom. Bar - tholinus der Juͤngere / in ſeinem Buch de Holgero Dano. p. 61. eines anfuͤhret. Ich will hier nicht anfuͤhren / was einige von den alten Bardis die ſich zu ſolchen Liedern zu machen gebrauchen laſſen / nicht ſo gar unwahrſcheinlich anfuͤhren / als Elias Schedius de Diis Germanis Syngram 2. cap. 41. und Cyriacus Spangenberg in einem abſonderlichen Buch von denſelben / welche davor halten / daß der Orth Bar - dewick von ihnen ſo benahmet ſey / wo - ſelbſt ſie ihren Sitz gehabt haben: Der Barden Creich. Es hat Henri - cus Meibomius in ſeiner Hiſtoriâ Bardovici hiervon eine andere Meinung / und laſ - ſen wirs an ſeinen Orth geſtellet ſeyn: Denn es iſt die lectio des Wortes Bar - ditus noch zweiffelhafftig. Einige MSta haben nicht Barditus, ſondern Barritus und finden wir daſſelbe Wort bey dem Ve - getio und Ammiano Marcellino etlichemahl299Poeterey erſten Zeit. mahl auff die art geſchrieben. Und hat dieſer inſonderheit den Barritum ſo be - ſchrieben / daß man eigentlich ſehen kan / daß es mehr auff den Schall als auff die Lieder gehet. Er ſaget / es ſey clamor ipſo fervore certaminis identidem exori - ens, qui paulatim adoleſcens ritu extolli - tur fluctuum cautibus illiſorum. Wel - ches ſo eigentlich beſchrieben iſt / daß man auch den Urſprung des Wortes hieraus abnehmen kan. Kilianus in ſei - nem Dictionario erklaͤret das alte Teut - ſche Wort alſo: Baren / Beren / ge - baeren. Barritum edere, ſublatè & fero - citer clamare more urſorum. Lipſius ſchlieſſet daher / daß die Wellen den Nah - men Baren bey den Niederlaͤndern ha - ben / und iſt mercklich daß der Ammia - nus Marcellinus den Schall mit den Wel - len vergleichet. Es bezeuget auch die Endigung des Wortes / die Lateiniſch iſt / das es muß von dem Schall verſtan - den werden: welches aus den Worten hinnitus tinnitus. &c. zu ſehen. Es fuͤhrenauch300Das VI. Cap. Von der Teutſchenauch einige aus den Aventino an / daß ſolcher Thon der lermenden und ſtuͤr - menden Barrit geheiſſen / davon noch ein Spiel das Baarlauffen verhan - den. Es ſey dem nun wie es wolle / ſo iſt endlich unſere Meinung ſo gewiß / wo nicht gewiſſer / als der jenigen / die es vom Schwediſchen Barda herfuͤhren. Inſon - derheit da Vegetius und Ammianus Marcellinus mercklich unſer Meinung zu huͤlffe kommen. Uber dem koͤnte jemand noch zweiffeln / ob es nothwendig ſey aus des Taciti Worten dieſe Meinung zu faſ - ſen / daß die Teutſchen es Barritum ge - nennet / denn die Worte quem Barritum vocant, koͤnnen wol auff die Roͤmer ge - deutet werden / daß die Roͤmer den Schall alſo genennet von den Barris oder Elephanten / qui barrire dicuntur. Aber es ſein die außdruckliche Worte bey dem Ammiano Marcellino, daß die Barbari den Schall barritum nennen. Daß ich auff die alten Heldengeſānge wieder komme: ſo iſt kein Zweiffel / daß ſie viele ſchoͤ -ne301Poeterey erſten Zeit. ne Lehren in ſich gehabt haben; und iſt auch darauß zu ſchlieſſen / daß die Teut - ſchen nicht ſolche Barbari geweſen / als die Hoffārtigen Griechen und Roͤmer ſie außgeſchrieen. Es iſt nicht glāublich / daß die Teutſchen gar von keinen ſchrei - ben gewuſt zu Zeiten Taciti, denn es ſchei - net / er habeſich ſo gar viel nicht dar - umb bekuͤmmert: er fuͤhret doch ſelbſten an / daß man in Teutſchland Griechiſche Buchſtaben gefunden / wel - ches auch Cæſar bezeuget. Es koͤnnen auch wol des Taciti Worte literarum ſe - creta pariter Viri fæminæque ignorant, de literaturâ ſecretiore verſtanden werden / wie ſie Heigius quæſt. illuſtr. 7. lib. 1. n. 60. verſtehet / nicht aber von den Buchſtaben. Viel weniger iſts zu glaͤuben / daß von Carolo M. erſtlich die Teutſche Schrifft ſolle erfunden ſein / wie einige wollen / die Melchior Goldaſtus in der Vorrede ſeiner Anmerckungen auff die Paræneles deß - wegen außlachet. Dieſer ſchreibet von den alten Carminibus alſo: imperiti imoridi -302Das VI. Cap. Von der Teutſchenridiculi, quicunque exiſtimant, brevicu - las fuiſſe cantandi formas ad inſtar nunc vulgi cantilenarum; hercle non magis quam vel Homeri poemata ac Virgilii. Cu - jusmodi ſunt quæ ex media antiquitate cir - cum feruntur carmina de Ottnite Longobar - do, de Wolftheodoricho Græco, de Gibicho Vangione, de Laurino, de Theodorico Vero - nenſi, de Hiltibrando Gottho, de Sigfrido A - grippinenſi cognomento corneo, de Eckio, de Eekardo Alſato, de Erneſto Auſtrio, an Ba - varo, alia quæ nec dum in manus noſtras pervenere. Diß ſchreibet er zwar / aber es ſein doch nichts als muthmaſſungen denn weil ſie geſungen worden / iſts nicht glaͤublich / daß ſie ſo gar weitlāuff - tig geweſen. Von dieſen vermeinet Bernegger quæſt. 6. in Taciti Germaniam ſein die ſo genante Meiſtergeſaͤnge und Meiſterſaͤnger hergekommen / welche Geiſtliche und Weltliche Hiſtorien in Reimen gebracht / und dieſelbe in Zu - ſammenkuͤnfften offentlich geſungen / den Trithenium[vor] ſich anfuͤhrend / der inſei -303Poeterey erſten Zeit. ſeiner Hiſtoria Francorum ſolcher Mei - nung zu ſein ſcheinet. Mos erat (ſaget er) majoribus noſtris Francis & Germa - nis, ut Heroum facta, vel dicta memoratu digna per Sacerdotes templorum patriis commendarentur carminibus, in quibus diſcendis memorandis & decantandis juve - num excitarentur ingenia quæ conſuetudo multis duravit annis, nec hodie defecit. Ich ſolte aber meinen daß zu der Mei - ſterſaͤnger Zeiten der meiſte Theil der alten Carminum ſchon verlohren und dieſe vielmehr ihrem eigenem Trieb / als dem Exempel gefolget: denn dieſe nicht uͤber 500 Jahr alt ſein. Es nennet zwar der Aventinus in ſeiner Teutſchen Hiſtorien 1. Buch p. 21. b. die alten Lieder Meiſter - Geſaͤnge aber nach der Gewohnheit ſei - ner und der nachgehenden Zeit. Denn er ſpricht: Von anfang lange Zeit hernach haben die Alten / was ſie geſchrieben haben wollen / und außgehen laſſen nur in Reime und Verſe verfaſſet / ſind gut zu ſingen / zu mercken und auß - wen -304Das VI. Cap. Von der Teutſchenwendig zu lernen / begreiffen mit kurtzen Woꝛten viel: heiſſen wir Meiſter geſaͤnge / welche aus Befehl unſerer alten Koͤnige / und Keyſer von den Helden Teutſches Landes beſchriebē worden auff Poetiſche art. Man moͤchte woll Muͤhe nehmen alles das jenige was hiervon iſt / wie ge - ringe es auch ſein mag / auffzuſuchen / und bey zu behalten / den ſolches bißwei - len einen unvermuthlichen Nutzen in der Hiſtorie geben kan. Von den Palmerio de Grentemeſnil einem gelehrten Frantzoͤ - ſiſchen Edelmann / der vor kurtzer Zeit gelebt / und in Schrifften ſich beruͤhmt ge - macht wird in Beſchreibung ſeines Le - bens / die ſeiner Græciæ antiquæ vorgeſe - tzet / dieſes ſonderlich geprieſen. Non ſprevit proprias cujusque provinciæ linguas, rudes licet & inamænas, quin plurimarum pro - verbia, & ſelectiores cantiunculas diſcere non eſt dedignatus. Von demſelbigen wird auch daſelbſt geſaget / Germanorum & Anglorum linguas familiares habuit, ut multa ex iis arcana erueret. Dieſes habenin305Poeterey erſten Zeit. in allen Voͤlckern die beſte bewaͤhrtſie Leute gethan / und bey den Teutſchen iſt dieſes ſo gar hindan geſetzet / daß wenn wir nicht den eintzigen Goldaſtum gehabt / wir nichts haͤtten vorzeigen koͤnnen.

Das VII. Cap. Von der andern Zeit der Teutſchen Poeterey.

Einhalt. Andere Zeit wird von dem Carolo M. angerechnet. Carolus M. hat ſelbſt Lateiniſche und Teutſche Carmina geſchrieben. Seine Teutſche Gram - matica. Ob er die Teutſchen Buchſtaben zu erſt erfunden. Vor Chilperici Zeiten haben die Fran - cken ſchon Buchſtaben gehabt. Strikers teutſche[s]Buch von den Thaten des Caroli M. Die Hei - lige Schrifft in Teutſche Reymen uͤberſetzt auff Ludovici I. Befehl. Das Neue Teſtament auff Caroli M. Geheiß in Teutſch uͤberſetzet. Etzliche alte Teutſche Monumenta, Das Gebeht des HErꝛn /uSym -306Das VII. Cap. Von der TeutſchenSymbolum Apoſtolorum, der Pſalter Davids. Eine neue Teutſche Paraphraſis rhythmica des Neuen Teſtaments; eine andere des Alten Teſta - ments auß dem Theodoro Biblandro. Melchior Goldaſtus gedencket auch einer / davon es zweiffel - hafft / ob es dieſelbe. Hottingerus erwehnet noch eine andere. Ottfridi Evangelia in teutſchen Verſen. Zu welcher Zeit er gelebet. Sein von Mat - thia Flacio heraußgegeben. Lambecius tadelt dieſe Edition. Die Vorrede dieſes Buchs. Verſe ſein zwar rauh / aber doch voller Geiſt. Seine andere Schrifften. Willerami Teutſche und La - teiniſche Paraphraſis uͤber das Hohelied Salomonis. Von Paul. Merula heraußgeben. Kompt mit dem Wieniſchen MSto nicht uͤberein. Fr. Junii An - merckungen daruͤber. Die teutſche Poeterey un - ter dem Friderico Barbaroſſa in das hoͤchſte Anſe - hen gebracht. Poetiſche Spiele / von Kayſern und Koͤnigen angeſtellt. Ob die Teutſchen die Frantzoſen darin zu Vorgaͤnger gehabt. Solches wird geleugnet / und das Gegenſpiel wieder den Herꝛn Caſaneuve behauptet. In Teutſchland ſind ehe Carmina geſchrieben / ehe die Proveneal Poëten auffgekommen. Die in der Provence und Languedoc haben Lieder auff ihre tapffre Helden gemacht. Welches ſie ohn Zweiffel den Teutſchen nachge - macht. Ihre Calender wurden auff Staͤbe ge - ſchnitten. Welches bey den Gothen auch gebraͤuch - lich geweſen. Des Winßbecken Carmina werdenge -307Poeterey andern Zeit. gelobet / und den Griechiſchen und Lateiniſchen gleich geſchaͤtzet. Waͤre zu wuͤnſchen / daß noch alle dieſelben Carmina verhanden waͤren. Es werden ihrer viele aus dem Melchiore Goldaſto erzehlet / Koͤnige / Fuͤrſten / Grafen / Freyherrn / Edele. Hel - denbuch. Die gelehrte Poëtria Hroſwita. Des Heiligen Annonis Reime mit des Opitzen Anmer - ckungen heraußgegeben. Catonis Diſticha uͤber - ſetzet. Wunſch des Autoris, daß von den gꝛoſſen Herꝛn dieſe Teutſche Antiquitaͤten beſſer hervor geſucht moͤgen werden. J. F. Gn. des Herrn Biſchoffs von Muͤnſter Monumenta Paderbornenſia, ein trefliches Exempel vor andere Fuͤrſten und Herrn / um die Alterthuͤme ihrer Laͤnder zum Vorſchein zu bringen. Die Poeterey iſt durch einfallende Krie - ge / auß den Haͤnden der Groſſen / Fuͤrſten / und Edelen unter den Poͤbel gekommen. Meiſter-Saͤnger. Ihre Privilegien / Freyheiten / Ceremonien / Meiſter - Saͤnger Krantz. Pritſchen Meiſter. Benedickt Edlbeck Siber Pritſchmeiſter. Ein altes Lied von dem Anthyrio. Verſchiedene fragmenta alter Verſe auff Pergament geſchrieben. Eine alte Saͤchſche Reim-Chronicke. Hugo von Trimberg hat ein Buch geſchrieben der Renner genandt. Iſt ſehr verſchieden von dem MSto des Herrn Marq. Gudii. Deſſen wird eine Probe gegeben. Agricola in der Vorrede ſeiner Sprichwoͤrter er - wehnet einige alte Teutſche Schrifften. Eck von Repkovv Poetiſche Vorrede des Sachſenſpiegels. u 2ge -308Das VII. Cap. Von der TeutſchenGemengete Teutſche Reime mit den Lateiniſchen - Exempel ſolcher Carminum. Petri Dreſdenſis Ge - ſaͤnge. David Freidanck. Sebaſtian Brand. Fe - lix Hemmerlin. Melchior Pfintzingen Ritter Theurdanck. Reincke Voß. Deſſen Autor. Wird ſehr geruͤhmet. Iſt keine Frantzoͤſiſche ſon - dern Teutſche Erfindung. Eſelkoͤnig. Rollen - hagens Froſchmaͤuſeler. Hans Sachſen Poe terey. Bar ein Lied. Johan Domans Lied von der alten Teutſchen Hanſe.

DIe Andere und Mittlere Zeit muß von Carolo dem Groſſen angerech - net werden / ſo gar daß von ihm ſel - ber der Anfang gemacht werde. Er hat die alte unbeſchriebene Geſetze ſeiner Voͤlcker zuſam̄en ſchreiben laſſen. Er hat eine Teut - ſche Grammaticam zu ſchreibē angefangen / um zu er weiſen / daß er zugleich ein Koͤ - nig und Lehrmeiſter ſeines Volcks were. Er hat die alte Teutſche Gedichte / wie droben gedacht auffzeichnen laſſen. Er hat alle Wiſſenſchafften außgeuͤbt / hohe und niedrige Schulen vor dieſelben ge - ſtifftet Er hat auch ſelbſt die Feder ange -ſetzt309Poeterey andern Zeit. ſetzt und ſo woll in Lateiniſcher als Teut - ſcher Sprache Carmina geſchrieben / wel - ches daß Chronicon Mindenſe von ihm be - zeuget p. 101. Es wird demſelbē / ein Epitaphi - um zugeſchꝛiebē welches er auf den Ruland gemacht haben ſoll. Aber dem fabel - hafften Turpino kan man nicht ſicher glaͤu - ben. Borell in der Vorrede ſeiner Recherches d’Antiquites Gauloiſes & Fran - coiſes berichtet / daß Carolus M. Hiſto - riſche Verſe von Franckreich gemacht / und zwar in Teutſcher Sprache / aber er bringet deſſen kein gewiſſes Zeugniß / ſondern er beruffet ſich nur auff ein gemei - nes Geruͤchte. Es iſt aber durchaus nicht glaͤublich / daß Carolus M. zum erſten die Teutſchen Buchſtaben ſolte erfunden ha - ben / wie einige wollen. Denn Grego - us Turonenſis ſchreibet von dem Chilperi - co einem Koͤnige der Francken l. 5. c. 45. Addidit & literas literis noſtris, id eſt[ω], ſicut græci habent, ae, the, vuui, quarum characteres ſubſcripſimus, hi ſunt o. ψ. z. 11. Et miſit epiſtolas in univerſas civitates regniu 3ſui,310Das VII. Cap. Von der Teutſchenſui ut ſic pueri docerentur, ac libri antiqui - tus ſcripti, planati pumice reſcriber entur. Weil nun dieſes von der Teutſchen Spra - che muß verſtanden werden / und allhie der Buͤcher die von alten Zeiten her ge - ſchrieben gedacht wird / ſo muß Teutſch - land lang zuvor ſeine Buchſtaben gehabt haben: welches allerdings auch der Warheit gemaͤß zu ſein ſcheinet. Sonſt hat man ins gemein die Lateiniſche Buch - ſtaben gebrauchet. Es iſt noch ein altes Teutſches Werck verhanden deſſen Gol - daſtus offt gedencket / und Lambecius Er - wehnung thut in lib. 2. comment. de Bib - lioth. Vindobonenſi von den Thaten des Caroli M. und des Rulands / deſſen Ver - fertiger ſich Striker nennet / und iſt diß druͤber geſchrieben: diz Puech iſt von Chu - nich Karl und von Ruland gemacht, vvie ſie diu heidenſchafft uberchomen. Es iſt aber diß Buch nicht uͤber ſechſthalb hundert Jahr alt / wie aus Goldaſti An - merckung uͤber die paræneſes p. 361. zu ſe - hen. Caroli des Groſſen Sohn Ludovicus,hat311Poeterey andern Zeit. hat ſich zum erſten bemuͤhet die gantze Heilige Schrifft in teutſche Verſe zu brin - gen / damit auch das gemeine Volck den Verſtand haben / und ſie zugleich dem Gedaͤchtniß einverleiben koͤnte. Diß er - wehnet Andr. du Cheſne tom. 2. p. 326. welcher aus der Vorrede eines alten in Saͤchſiſcher Sprache geſchriebenen Buchs dieſes zum Zeugniß anfuͤhret: Cum divinorum librorum ſolummodo literati atque eruditi prius notitiam habe - rent ejus ſtudio atque imperii tempore, ſed Dei omnipotentia at que inchoantia mi - rabiliter actum eſt nuper, ut cunctus po - pulus ſuæ ditioni ſubditus Theudiſca loquens lingua, ejusdem divinæ lectionis nihilomi - nus notitiam acceperit. Præcepit namque cuidam uni de gente Saxonum, qui apud ſuos non ignobilis vates habebatur, ut ve - tus ac Novum Teſtamentum in germani - cam linguam poëticè transferre ſtuderet: quatenus non ſolum literatis verum etiam illiteratis ſacra divinorum præceptorum lectio panderetur. Es wird diß Wercku 4fer -312Das VII. Cap. Von der Teutſchenferner gelobet und dieſes hinzu geſetzet. Juxta morem vero illius poëmatis omne opus per vitteas diſtinxit, quas lectiones nos vel ſententias poſſumus appellare. Die - ſe iſt ohn zweiffel die ālteſte Uberſetzung die in den Hiſtorien zu finden; nur daß von Carolo M. einige melden / ob haͤtte er das Neue Teſtament in Teutſch uͤberſe - tzen laſſen / und Geſnerus in ſeinem Mi - thridate p. 46. gedencket / es weren die Pſal - men Davids zu der Zeit verteutſcht noch in dem Kloſter S. Galli verhanden. Rhe - nanus ſchreibet dem Valdoni Epiſcopo Fri - ſingenſi die Uberſetzungen der Evangelien zu / ſo im Jahr 800 geſchehen. Man hat auch noch daß Gebeht des HErrn / das Symbolum Apoſtolicum zu der Zeit oder noch vor derſelben geſchrieben / ſo aus der Bibliotheca Vaticana hervor ge - kommen / welche Marquardus Freherus mit Anmerckungen her außgegeben / und wel - che auch bey dem Winckelmann in ſeiner Notitia Weſtphaliæ l. 3. c. 7. zu finden. Man hat auch noch einige Anglo-Saxoni -ſche313Poeterey andern Zeit. ſche Pſalmen / welche Johannes Seldenus mit ſeinen gelahrten Anmerckungen ge - zieret. Auch iſt eine Saxoniſche und Hochteutſche formul deß Symboli vom Boxhornio heraußgegeben. Lambecius hat in lib. 2. comm. de Bibl. Vindobonenſi c. 5. p. 38, noch eine Teutſche Beicht for - mul, die Carolus M. gebraucht haben ſoll / und p. 388. die Erzehlung deß was zwiſchē Chriſto und dem Samaritaniſchen Wei - be vorgegangen in alter teutſcher Spra - che. Es wundert mich daß Hottinge - rus, da er Bibl. Theolog. l. 1. c. 3. ſo fleiſ - ſig iſt in den vielfaͤltigen Uberſetzungen der Biebel hervor zu ſuchen / dieſer / die von dem Ludovico I. angeſtellet / nichts gedencket. Es iſt aberivermuthlich daß ſie verlohren gegangen. Ich habe zwar ei - nige Saͤchſche Uberſetzung des Neuen Te - ſtaments / oder vielmehr eine paraphraſin rhythmicam geſehen / die aber viel neuer geweſen / und mit vielen andern Erzeh - lungen vom Leben Chriſti / die in der Bibel nicht enthalten / vermiſcht. The -odo -314Das VII. Cap. Von der Teutſchenodorus Bibliander in ſeinem Buch de rati - one communi omnium linguarum p. 49. hat auch einer Poetiſchen Uberſetzung des Alten Teſtaments gedacht. Legi vetus inſtrumentum verſibus germanicis redditum â Rodolfo quodam oriundo ex familia quæ nomen habet ab eminente arce in Rhætia, quam vulgus nominat hohen Ems, idque rogatu & juſſu Regis Chon - radi, fil: Friderichi ſecundi Cæſaris Augu - ſti: qui verſus orthographiâ, verbis, in - flexione, ſtructura modoque carminis di - ſcrepant â præſente conſuetudine. Id quod uno exemplo perſtringam: nam de fide Ga - beonitis â loſua & cæteris Iſraëlitis data ſic canit

Swel man den Ban GOtts breche
Daß man es an ihm raͤche

pro illo quod ſermo nunc uſitatus diceret

Welcher Mann den GOttes Ban braͤch
Daß man es an ihm billig raͤch.

Dieſe iſt aber / wie er ſchreibt / viel juͤn - ger und in Hochteutſch geſchrieben. Mel - chior Goldaſtus Tom. 1. Rer. Alemanicar,p. 198.315Poeterey andern Zeit. p. 198. thut auch hievon einige Erweh - nung / und berichtet / daß ſie in der Schobingerſchen Bibliothec verhanden. In ſeinen Anmerckungen uͤber die Teut - ſche Paræneſes fuͤhret er viel aus einer Paraphraſi veteris Teſtamenti an: aber er nennet den Autorem Anonymum an - tiquiſſimum, denn er ſelbſt doch in ſeinen Alemannicis Rudolphum ab Ems genant / daß ich alſo im Zweiffel ſtehen muß / ob es dieſelbe oder ein ander paraphraſis ſey. Doch ſcheinet jenes glaubwuͤrdiger / und kan es vielleicht nur ein Gedāchtnißfeh - ler ſein: wiewol dieſes bedāchtlich / daß er ihn antiquiſſimum nennet / da doch die andern beinebenſt angefuͤhrten Zeugniſ - ſen gleiches Alters ſein. Hottingerus er - wehnet am vorigem Ohrte einer andern die er vor ſehr alt hālt / auß welcher ihm einige fragmenta zu handen kommen / deren eins wir hieher ſetzen wollen aus der Hiſtoria von Joſeph.

Do der hunger ſere /[i]e[m]ere und aber meere.
Begunde hertin ober duͤ lant. und niemand nicht korniß van[t].
Daz livt in hungers not began. den Kunte ſeere ruͤfien an.
Daz er in hieze geben da, die noidurfte die hietz et ſa.
Daz316Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Daz ſi zu Joſebe giengin. und von im da enpfingin.
Korn und ſpiſe daz geſchach. die ſchiure man ofſlietzin ſach.
Da ſi us verkoften korns vil. Naht uñ tac uñ alliv zil.
Watz umbe in vil groz gedranc. daz livt vil grozirhunger twane.
Daz ſi gultin durch hungers not. daz korn durch not ſwie man[s]
in bot.
Joſeph gewan in kurtzim zil. goldis und filbers vil.
Bz wendic rehtir maze zil. daz ez was meer danne vil.
Bn der Kunic ſo richite. daz ſih im niht gelichete.
Wann er mit dem rainen Mann. ſo ſere uchin began
Daz ſin guͤt wuͤchs un ſin gewalt. un wart mit richait manicvall.

Zu des Lotharii I. Zeiten hat gelebet Ott - friedus ein Munch des Kloſters Weiſſen - burg / hat aber unter Ludovici II. Zeit erſtlich die Evangelia in alten Teutſchen Verſen heraußgegeben / und dem Luith - berto Meintziſchen Ertzbiſchoff zu ge - ſchrieben. Er war des Rabani Mauri Lehrjuͤnger. Iſt alſo vielleicht ein Feh - ler der fluͤchtigen Feder / daß der Herr Hoffmann in der Vorrede ſeiner Ge - tichte ihn unter die Zeit des Lotharii und Friedrichs ſetzt / wodurch niemand an - ders als Lotharius II. und Fridericus Bar - baroſſa koͤnte verſtanden werden. Aber er hat vielleicht an ſtat Fridrichs den Nahmen Ludewig ſchꝛeiben wollen. Beatus Rhenanus hat zu erſt diß Buch gefunden. wie317Poeterey andern Zeit. wie er ſelbſt in ſeinen rebus Germanicis erzehlet. Hernach hat es Matthias Fla - cius Illyricus zu Baſel heraußgegeben unter dieſer Uberſchrifft Ottfridi Evange - lium, liber veterum Germanorum Gram - maticæ, poëſeos, theologiæ præclarum mo - numentum. Mit dieſer Edition iſt der Herr Lambecius lib. 2. comm. de Bibl. Vin - dobonenſi c. 5. nicht zu frieden / weil er ſie vor gantz unvollkommen haͤlt / und ſehr viel Fehler darin angemercket. Er hat eine dreyfache Vorrede: die eine lautet an Salomon einen Biſchoff zu Coſtnitz: die andere an Koͤnig Ludewig beide in Teut - ſchen Verſen / deren erſte Buchſtaben wenn ſie zuſammen geleſen werden einen abſonderlichen Verſtand machen: welche Carmina bey den Gꝛiechen Ακρόςιχα genant worden: die dritte an den Ertzbiſchoff zu Meintz Luitbert in Lateiniſcher Sprache. Worinnen er zu verſtehen gibt / daß er auff Bitte ſeiner Bruͤder und der Kay - ſerin Judithæ, der vor andern Weltli - chen und unflātigen Gedichten geeckeltdie318Das VII. Cap. Von der Teutſchendie Muͤhe auff ſich genommen / und ein Theil der Evangelien in Teutſche Verſe uͤberſetzet. Woraus denn erhaͤlt / daß doch vorhin einige Lieder und Getichte in Liebesſachen muͤſſen geweſen ſein. Die Verſe ſind des Maaſſes und der rauhen Sprache wegen ſehr unlieblich / uͤber welche er ſehr klaget in der Vorre - de ſeiner Evangelien. Die wenigen Verſe die der Herr Hoffmann in ſeiner Vorrede aus ihm anfuͤhret und in Verſe uͤberſetzet zeigen daß dennoch unter die - ſem ſo grobem Kittel der Sprache ein gu - ter Geiſt verborgen geweſen. Er hat noch andere dinge in Teutſcher Sprache geſchrieben / als Predigten uͤber die E - vangelia / Paraphraſes in Canticum Eſaiæ, Ezechiæ, Hannæ, Moiſis, Zachariæ, Ma - riæ uͤber das Vater Unſer / uͤber des Athanaſii Symbolum, uͤber die Pſalmen Davids / und noch drey groſſe Bucher uͤber dieſelbe. Lambecius hat l. 2. c. 5. p. 46. als zur Probe den erſten Pſalm an - gefuͤhret / hālt es vor ein ſonderliches ſel -tenes319Poeterey andern Zeit. tenes Gedenckmahl der alten Sprache / wuͤnſchend deß es dermahleins ans Licht gebracht wuͤrde: Trithemius in ſeinem Buch de Scriptoribꝰ Eccleſiaſticis neñet die - ſen Ottfridum, Virum in divinis ſcripturis eruditiſſimum, & in ſecularibus Virum egregiè doctum, Philoſophum, Rhetorem, Poêtam inſignum ingenio excellenti & diſertum eloquio. Zu Henrici des III. und IV. Zeiten lebte Willeramus, ein gelehr - ter Abt zu Merßburg / welcher uͤber das Hohelied Salomonis eine Lateiniſche Pa - raphraſin metro-rythmicam geſchrieben / und auch eine Teutſche in ungebundener Rede. Selber gehoͤret woll nicht unter die Teutſche Poeten / aber er iſt werth / daß wir ihn hier beruͤhren. Es iſt ein ſchoͤ - nes Denckmahl der alten Sprache / und kan man einen ſonderlichen Verſtand darin mercken. Die Lateiniſche Verſe ſind auch nicht ſo gar zu verachten / nur daß ſie mit der damahls uͤblichen Rei - merey auch angefuͤllet ſein. Der Paulus Merula hat dieſen Autorem zu erſt her -auß -320Das VII. Cap. Von der Teutſchenaußgegeben mit ſeinen Anmerckungen. Aber Lambecius urtheilet davon alſo: Tanta & tam multiplex Batavam illam edi - tionem impreſſam inter & vetuſtiſſimum Codicem MS. (welchen er in der Keyſer - lichen Bibliothec gefunden) eſt differentia, ut ad eam demonſtrandam integrâ novâ e - ditione ſit opus. Es hat der Franciſcus Junius hernach ſeine Anmerckungen ab - ſonderlich daruͤber außgegeben / worin - nen viel ſonderliche Dinge enthalten. Unter Friderico Barbaroſſa iſt die damah - lige Poeterey zum hoͤchſten Anſehen er - hoben / und nicht allein eine Ritterliche ſondern Koͤnigliche und Fuͤrſtliche Ubung worden. Man ſtritte damahls an dieſes Keyſers Hofe umb den Preiß dieſer Kunſt / und wurden eigne Spiele ange - ſtellet / in welchen von den vornehmſten Matronen die Krāntze den Singern auß - getheilet wurden. Wie dieſes Ampt die Winßbeckin gefuͤhret / deren trefliche Vermahnung an ihre Tochter in Teut - ſchen Verſen geſchrieben von dem Gol -daſto321Poeterey andern Zeit. daſto nebſt des Herrn Winßbecken ſei - nen an den Sohn und andern Verſen heraußgegeben. Der Herr de Caſaneu - ve in ſeinem Buch de l Origine des Jeux - fleureaux meinet / die Teutſchen haͤtten den Frantzoſen hierin nachgeahmet / und ihre Reime und die Poetiſche Spiele von ihnen gelernet / worin ich ihm doch nicht allerdings Beyfall geben kan. Das eintzige Exempel des Ottfridi, welches er anfuͤhret / widerlegt ihn / welcher Rei - me geſchrieben / ehe noch von einigen Frantzoſen etwas vorgewieſen worden. Es iſt bekandt / daß die Provinciales Po - etwa vor fuͤnffhundert Jahren erſtlich angefangen. Man kan keine Aeltere bringen / und hat der erſte den Claude Fauchet ſetzet / im Jahr 1155 geſchrieben / welches eben in die Regierung des Fri - derici Barbaroſſæ fāllt / da die Teutſche Poeſey in vollem ſchwange war / und nach ihrer Art / ja ſo gut und beſſer als der Provençalen ihre außgeuͤbt. Ottfridus aber hat lange zuvor ſeine Verſe geſchrieben /xund322Das VII. Cap. Von der Teutſchenund iſt er nicht der erſte geweſen / der Rey - men geſchrieben / wie de Caſaneuve meint: denn Ottfridus gedenckt ſelbſt in ſeiner Vorrede der Liebeslieder / die damahls im ſchwange geweſen / ob gleich die Spra - che grob und ungeſchickt / dar - uͤber Ottfridus klagt. Denn es folget nicht: Ottfridus klagt uͤber die Muͤhe / die er der rauen Sprache halber gehabt / dar - um iſt er der erſte geweſen / der die Rei - me gemacht. Carolus M. hat die Gram - matic zu ſeiner Zeit erſtlich zu ſchreiben angefangen / und waren doch vor ihm von Taciti Zeiten her und druͤber Lieder geweſen / die er in ein Buch verſamlen laſſen. Wir haben droben erwieſen / daß auff Ludovici I. Befehl eine Paraphra - ſis des Alten und Neuen Teſtaments in alten Sāchſchen Verſen verfertiget / die noch aͤlter als des Ottfridi ſeine. Iſt alſo falſch / daß dieſe des Ottfridi die er - ſten Reime geweſen. Wir haben ein klares Zeugniß aus dem Papirio Maſſonio der außdruͤcklich ſchreibt lib. 3. Annal. daßun -323Poeterey andern Zeit. unter dem Ludovico VIII. Koͤnige in Franckreich (war etwa im Jahr 1216. zu Keyſers Friderici II. Zeiten) die Provin - çal Poëſie erſtlich in auffnehmen gekom - men / welche Meinung auch Grabriel Naudæus in ſeiner Addition a l Hiſtorie de Louys XI. pag. 349. beypflichtet / da doch zu Friderici I. Zeiten in Teutſchland die Poeterey in vollen Flor geweſen. Wor - auß ich ſchier ſchließen durffte / daß die Frantzoſen ſolche von den Teutſchen ge - lernet. Was ſonſt der Herr de Caſa - neuve in erwehntem Buch / p. 22. 23. davon anfuͤhret / bekraͤfftiget abermahl unſere Meinung. Daß die Frantzoſen von den Teutſchen ihre Poeterey erler - net / kan auch hieraus dargethan wer - den / daß ſie eben auff die art / wie Taci - tus von den Teutſchen ſchreibet / das Ge - daͤchtniß der verſtorbenen Helden mit Liedern beehret. Wie denn von denen in der Provence und Languedoc Borellus in der Vorrede ſeiner Frantzoͤfiſchen antiquitaͤten außdruͤcklich bezeuget:x 2On324Das VII. Cap. Von der TeutſchenOn avoit anciennement accouſtumé d inſtituer des ieux à l honneur des Hommes illuſtres, & de reciter des Vers à leur loü - ange à certain jour de chaque anneé, afin de perpetuer leur memoire: on prati - que encore cela en quelques ville de Lan - guedoc. Ces Couſtumes ſont fort ancien - nes. Es erzehlet der Herr Borell weiter als ein ſonderliches Zeichen ihres Alter - thums / daß ſie ihre Calender und All - manach von Holtz machen. Les paiſans (ſagt er) ſe ſervent encore d une eſpece des hieroglyphiques en ſorte, qu ils font ces Almanachs ſur un morceau de bois qui n eſt pas ſi grand qu une carte à jouer, ſont marquez tous les mois & jours de l anneé auec les Feſtes & autres choſes no - tables par un artifice ſingulier. Ce qui marque que ce pais a eu des connoiſances, des ſciences, & autres belles choſes de puis un temps immemorial, retenant cela des Egyptiens ou autres qu ils avoient imitez. Und eben dieſes iſt eine Erfindung / die von der erſten Zeit bey den alten Gothenund325Poeterey andern Zeit. und Schweden gebraͤuchlich geweſen: darauß zu ſehen / daß wie ſie in einem alſo alſo auch in dem andern von ihnen ihre Sitten gefaſſet: dann die poëſie iſt bey den Nordiſchen Voͤlckern / worun - ter auch die Teutſche gehoͤren / eine uhr - alte Kunſt geweſen. Wie wir nun uns billig den Vorzug in der Poëſie, die zu Frid. Barbaroſſæ Zeit im Schwange ge - gangen / zumaſſen; ſo koͤnnen wir keine geringere Anzahl von Tichtern zum Vorſchein bꝛingen / und zwar nicht von ge - ringen und gemeinen Leuten / ſondern Koͤnigen / Fuͤrſten und Grafen / die in dieſer Zeit ihre Verſe geſchrieben / davon noch einige fragmenta vorhanden / deren Goldaſtus einen Theil in ſeinen Paræneticis hervor gegeben. Worunter des Winß - becken und der Winßbeckin ihre ſo herr - lich ſeyn / daß auch die ietzige Zeit nichts daran zu verbeſſern findet. Ich rede aber nicht von der reinen Sprache und deren Reim-gebānden / wiewoll ſolches zierlicher und beſſer iſt / als der proven -x 3cal326Das VII. Cap. Von der Teutſchençal Poëten die damahls geſchrieben. Gol - daſtus ſagt in der Vorrede ſeiner An - merckungen nicht unbillig von ihnen: Dicite ſodes, ſi latino carmine ceciniſſet, putatisne pauciores interpretes, quàm Guntherum, Petrum Bleſenſem, aliosque ejusdem ævi reperturum fuiſſe. Ich muß geſtehen / daß es mir eine groſſe Erge - tzung ſey / dieſe alte Schrifften und in - ſonderheit des Winßbecks / zu leſen / darinnen warlich eine groſſe Weißheit ſteckt / und faſt kein Wort vergebens ge - ſetzet iſt. Ich gedencke hiebey allezeit an das Urtheil des Joſephi Scaligeri, ſo er von des Ennii Schrifften gefāllet / wann er dieſelbe mit den neuen Poeten ver - gleichet. In den Primis Scaligerianis, ſo der Tanaquil Faber heraußgegeben / ſagt er alſo von ihm: Utinam hunc ha - beremus integrum, & amiſiſſemus Luca - num, Statium, Silium Italicum, & tous ces garçons-la. Dieſes moͤchte man auch woll zum Theil von dieſen alten Poeten ſagen. Es waͤre zu wuͤnſchen /daß327Poeterey andern Zeit. daß wir ſie alle gantz haͤtten / und an de - ren ſtatt einige von unſern Neulingen verlohren / die der gelehrten Welt mit ihren ungeſchickten Getichten ſehr be - ſchwerlich fallen. Es iſt ihrer keine ge - ringe Anzahl. Wir wollen nur die all - hie ſetzen / deren der Goldaſtus eine bey - laͤuͤffige Erwehnung thut. Des Koͤnigs Tyrol aus Schottland / und des Winßbecks Getichte ſein von dem Gol - daſto gantz geſetzt. Wer dieſer Koͤnig Tyrol geweſen ſey / kan er nicht ſagen; denn man findet ſeinen Nahmen nicht in Schottiſchen Hiſtorien. Er hat aber gantze Buͤcher von Koͤniglicher Auffer - ziehung geſchrieben / worauß dieſes nur ein Außzug iſt. Es bezeuget Boppo, der zu der Zeit gelebet / daß er 2. Buͤcher geſchrieben an ſeinen Sohn Fridebrand: eines / dar in er handelt von der Unter - weiſung in Goͤttlichen dingen; das an - dere / von einem guten Leben und Wandel. wovon Goldaſtus mit mehren handelt in der Vorrede der Anmerckungen uͤberdi328Das VII. Cap. Von der Teutſchendie Paræneſes. Winßbeck iſt bey dem Friderico Barbaroſſa und ſeinem Sohn in groſſen Anſehen geweſen / hat auch dem Zug in Syrien mit beygewohnet. In den Anmerckungen fuͤhret er nur bey Gelegenheit einige Stuͤcke aus den andeꝛn an: darunter ſeyn Wolffram Eſchel - bach / (der eben zu der Zeit gelebet / und im andern Theil des Helden Buchs ei - nige Carmina gemacht. Welches Helden - Buch nichts anders iſt / als eine Collectio vieler Getichte von den Helden der vo - rigen Zeit / deſſen erſter Collector den - noch unbekant iſt.) Marggraff Hen - rich von Meiſſen / Graff Con - rad von Kilchberg / Koͤnig Wen - tzel von Boͤhmen / Graff Friedrich von Liningen / Marckgraff Otto von Brandenburg / Graff Krafft von Toggenburg / Graff Rudolff von Neuenburg / Burggraff von Luͤntze / Graff Albrecht von Hei - gerlou / Hertzog Hinrich von Preß - la / Hertzog Johann von Bra -band /329Poeterey andern Zeit. band / Hertzog von Anhalt / Graff Otto von Bobenlube / Herr Gott - fried von Niffen / Herr Hinrich von Morunge / Herr Dithmer von Aſt / Herr Walter von Klin - gen / Herr Ulrich von Gutenburg / Herr Jacob von Wart / Herr Werner von Tuͤfen / (der Keyſer Frie - drichs Zug wieder den Saraceniſchen Koͤ - nig Saladin in Syrien in Verſen beſchrie - ben haben ſoll / auch ſelbſt demſelben mit beygewohnet.) Herr Hinrich und Herr Eberhard von Sax / Herr Rudolff von Rotenburg / Herr N. von Glirs / Herr Hinrich von Veldig / Noſter von Wengen / Walter von der Vogelweide / (wel - cher an den Kayſer Philippum umb das 1200. Jahr ein Buch geſchrieben hat) Noſter von Singenberge / Truch - ſes zu St. Gallen / Noſter von Gra - fenberge / M. Wigulais / Ulrich von Lichtenſtein / Henrich von Off - terthinge / Hans von Ringenberg /x 4Otto330Das VII. Cap. Von der TeutſchenOtto vom Turne / Ulrich Schenck von Winterſtaͤten / Reimer von Zweter / Konrad Schenck von Landegge / Tanhuͤſer / Marner / Tu - ning von Ringoltingen / Friderich von Huſen / Bruder Werner / Bie - teroltz / der die Hiſtorie des Dieterichs von Bern beſchrieben / Albert ab Ei - be / Meiſter Singebar / Hinrich von Frauenberg / Friederich von Suͤnnenburg / Hartmann von Owe / Meiſter Kunrad von Wüꝛtz - burg / Friederich der Knecht / Kunrad von Helmſtorff / welcher eine Vergleichung des Alten[und] Neueu Teſtaments in Verſen gemacht / Hin - rich von Frauenlob / welch er den Nahmen davon bekommen / daß er den Frauen viel Getichte zu Ehren gemacht / welche ihn in ſeinem Tode wieder damit geehret / daß ſie ſeine Leiche biß an ſeine Grabſtatt getragen / uñ dieſelbe mit Wein begoſſen / davon Wolff. Tom. 1. Rer. Mem. Cent. 14. p. 604. zu leſen. Hinꝛ. von Effer -lin -331Poeterey andern Zeit. lingen / der dem Heꝛtzogē Leopold von Oe - ſterreich viel Liebes-Getichte zu Ehren geſchrieben / Reinhard von Zwechin / Hermann von Sachſen / ein Ritter / der ein Romain von der Moͤhrin ge - ſchrieben. Man findet auch von einem Kantzler des Keyſers / der ſich nicht nennet / einige Verſe; einen andern / der ſich den Tugendhafften Schrei - nennet. Dieſes ſeyn nur etliche wenige / deren Getichte uns uͤber blieben / und von ihnen nur etliche wenige Stuͤckwercke / die hie und da in den Bibliotheken ſte - cken / auch mehrentheiis von den unwiſ - ſenden Leuten zerriſſen und verdorben ſeyn. Die Nahmen ſein uns nur bloß bekant auß den Anmerckungen des Gol - daſti, der ſie in der Schobingerſchen Bib - liothec geſehen und geleſen. Wer weiß wo ſie itzo ſtecken? und ob nicht ſchon der meiſte Theil von ihnen umkommen. Taubmannus in der Vorrede ſeines Com - mentarii in Culicem Virgilii, hālt ſie ſo wehrt / daß er gantze Oerter darauß ge -zogen332Das VII. Cap. Von der Teutſchenzogen und hingeſetzet. Sein Urtheil davon iſt dieſes: Hæc profectò talia ſunt, præ quibus genuinus aliquis Germanus Græcos Latinosque Poëtas faſtidiat. Verweiſet hernach ſeinen Landsleuten / daß ſie nicht bey ſolcher art zu poetiſiren geblieben / ſondern ſich je mehr und mehr verſchlim - mert Es ſind einige derſelben und an - dere Lieder in dem ſo genanten Helden - Buch zuſammen geſamlet / welches un - terſchiedliche mahl in Teutſchland her - außkommen. Die letzte Edition iſt / mei - nes wiſſens / zu Franckfurt Anno 1560. gedrucket: es iſt in vier Buͤcher getheilet. Es wird darin gehandelt von den alten Helden und Rieſen / von Keyſer Ottnit und dem kleinen Elberich / von Hug Diederich und Wolff Diedrichen / von dem beruͤhmten Garten zu Wormbs / von dem Koͤnig Laur in uñ ſeinem Roſen-Gar - ten ꝛc. Iſt allenthalben mit Fabeln gemi - ſchet. Es iſt aber von der Lieder eygenem Alterthum alles ungewiß und deßhalben keine Nachricht. Die Sprache gibt es / daßſie333Poeterey andern Zeit. ſie ſo ſo gar alt nicht ſein; glāube aber / ſie ſeyn von etlichen Kluͤgelingen in eine andere Form gegoſſen / wie andern Wercken auch geſchehen iſt. Es geden - cket der Taubmann ferner einiger ande - rer Carminum: Habui ego in Bibliotheca illuſtris puçllæ Germanæ, cui nomen HROSVITA, comœdias ſex in æmulario - nem (uti præſcripſit) Tereotii factas. Item Panegyricum Hexametro & Elegiaco car - mine Ottoni Magno dictum, annis abhinc ſeptingentis & amplius. Dieſen hat H. Meibomius heraußgegeben. Ihrer ge - dencket auch Malincrotius de Archicancel - lariis Imp. p. 29. Hie muſſen auch noch hergebracht werden eines unbekanten Teutſchen Poeten Reime / der des Cato - nis Diſticha uͤberſetzet / deſſen Goldaſtus offt gedencket / auch des St. Annonis, eines Coͤlniſchen Ertz Biſchoffen / Teutſche Ver - ſe / vor etwa 600. Jahren geſchrieben / die Herr Opitz noch kurtz vor ſeinem To - de mit Anmerckungen heraußgegeben. Es ſollen in der Wieniſchen Bibliothecnoch334Das VII. Cap. Von der Teutſchennoch einige der alten Teutſchen Schriff - ten verborgen ſeyn / wie Lambecius eini - ge neñet / worunter aber wenig poetiſche ſeyn. Dieſe hat er verſprochen in einem abſonderlichē Syntagmate rerum Germani - carum heraußzugeben / welche Hoffnung nun mit ihm verloſchen. Wir ermahnen aber alle und jede / die ſolcher alten Schaͤtze Beſitzer ſeyn / daß ſie ſolche nicht vergra - ben / ſondern dem Vaterland zu Ehre und Liebe ans Tages-Licht bringen: wuͤnſchen auch danebſt / daß Ihrer Key - ſerl. Mayt. / den Fuͤrſten des Reichs und allen Großmaͤchtigen Beforderern der Gelehrtheit und Wiſſenſchafft / dieſe loͤb - liche Begierde auffſteigen moͤge / unſers wehrten Vaterlandes Alterthuͤme durch Gelehrte und darzu bequeme Leute un - terſuchen zulaſſen / damit ſie endlich aus der Finſterniß ans Licht gezogen / und den Außlaͤndern / der gantzen Welt / und den Nachkommen vor Augen geſtellet werden moͤgen. Wir haben deſſen ein unvergleichliches Exempel an dem Hoch -wuͤr -335Poeterey andern Zeit. wuͤrdigſten Fuͤrſten und Herrn / Herrn Ferdinand / Biſchoffen zu Muͤnſter / deſſen Hochfuͤrſtl. Gnade ſelbſt die Feder zur Hand genommen und die unſterbli - che Arbeit Monumentorum Paderbor - nenſium zu aller Gelehrten verwunde - rung der Welt als einen koſtbahꝛen Schatz geſchencket. Worunter die ſchoͤnſten Lateiniſchen Epigrammata, die aller Roͤ - miſchen Kunſt und Zierlichkeit Trotz bie - ten koͤnnen / wie die herrlichſten Edel - geſteine in dem feinſten Golde hervor leuchten.

Nach dieſer ſo gluͤcklichen Zeit / da Koͤnige / Fuͤrſten / Grafen und Edele die Poeterey fuͤr ihre Zierd und Ergetzung hielten / fiel dieſelbe auff einmahl / und ge - riht unter die Hānde des gemeinen Poͤ - bels. Dann wie in Teutſchland die Kriege und Zerruͤttunge des Reichs an - giengen / und bey 23. Jahren kein Haupt war / ſondern bald dieſer / bald jener das Reich mit Gewalt zu ſich zu reiſſen ge - dachte / da iſt unter ſo viel Kriegen undDrang -336Das VII. Cap. Von der TeutſchenDrangſahlen / wie die Ritter und Edele immer in den Waffen lagen / dieſe Edle Kunſt gar verlaſſen und viel ungeſchick - tes Dinges von nichtswuͤrdigen Leuten geſchrieben worden. Wie nun deren Verſtand ſich nicht weit erſtrecket / al - ſo iſt ihre Kunſt demſelben gleich geweſen.

Zu dieſer Zeit wurden die ſo genante Meiſterſaͤnger hochgehalten / deren Lieder Reineccius Orat. de Hiſtoriæ digni - tate nach den alten Heldenliedern ſtellet: Welche aber immer an Guͤte abgenom - men. Es haben dennoch einige auff die - ſelbe etwas gehalten: und haben die Keyſer ſelbſt ihnen Privilegia ſampt einem ſon - derlichen Meiſterſaͤnger-Krantz erthei - let. Harſtoͤffer gedencket in ſeiner Vor - rede uͤber ſein Specimen Philologiæ Teu - tonicæ, daß Keyſer Otto der andere ihnen ſonderliche Freyheiten ertheilet ha - be / Maximilianus I. hat eine ſonderliche Conſtitution de honore & Privilegiis Poë - tarum gegeben welche beym Goldaſto zu finden: Worunter einige dieſe Meiſter -ſaͤnger337Poeterey andern Zeit. ſaͤnger begreiffen. Von Carolo V. und Rudolpho II. werden ſie in den Po - licey Ordnungen de Anno 1548. zu Aug - ſpurg und de Ao. 1577. zu Franckfuhrt / von andern gemeinen Saͤngern und Reimern abgeſondert / als die nicht ſol - len geduldet werden. Ihnen iſt allein vergoͤnnet geweſen / im Roͤmiſchen Rei - che allerhand Getichte nnd Reimen zu ſchreiben. Bey den Turnier und Rit - terſpielen / haben ſie ihre Lobſpruͤche auff die Wollverdienten verfertiget / und nebſt den Herolden das ihrige verrichtet. Wie auch alle Ritterſchafft des Roͤmſchen Reichs in vier Ordnungen nrch den vier Landen als Rhein / Francken / Bayern und Schwaben eingetheilet / ſo ſind auch ſolche Meiſter-Saͤngeꝛeiē in den vornehm - ſten Staͤdten der vier Landen / als Nuͤrn - berg / Straßburg / Augſpurg / Ulm / Regenſprug / Heilbrun / Wimpffen ꝛc. auffgekommen. Sie haben ihre gewiſ - ſe Collegia und Zuſammenkuͤnffte ge - habt / worinen ſie ihre Reime oͤffentlichyin338Das VII. Cap. Von der Teutſchenin Gegenwahrt Ritterlicher und anderer vornehmen Perſonen hergeſagt / und iſt daſelbſt von ihnen der Meiſter-Saͤn - ger-Krantz denſelben auffgeſetzet worden / welchen ſie in ihre Geſellſchafft auffzuneh - men gewuͤrdiget / den ſie mit gewiſſen Ceremonien mit Gang Klang und Ge - ſang / zu einen Meiſterſaͤnger gemacht: wodurch er dann Freyheit erhalten / daß er ſich offentlich hat moͤgen hoͤren laſſen / auch dabey mit den Degen ſich ſchmuͤcken / Wie von dieſen und andern Ceremonien weitlaͤufftiger handelt Chriſtian von Ge - he in ſeiner Beſchreibung des Herolds Memb. 3, de Laurea decantatoria .. Es wundert mich aber daß in dem Turnier - Buch dieſer Meiſterſaͤnger ſo gar mit keinem eitzigen Worte gedacht wird. Harſtoͤrffer der uns die beſte Nachricht geben kan / weil er an ſolchem Ohrte gelebet / da ſie ihre meiſte Exercitia ge - habt / beſchreibt im iv. Theile der Ge - ſpraͤch Spiele im 151. Sp. §. 8. der Meiſter - ſaͤnger ihr Weſen etwas außfuͤhrlicher alsſonſt339Poeterey andren Zeit. ſonſt iemand ayders / aus welchem wir die Worte anher ſetzen wollen. Sie be - obachten allein die Anzahl der Sylben und der Reimen; daß aber eine Sylbe lang / die ander kurtzlautend ſey / daß gilt ihnen gleichviel. Ob nun ihre Ge - dichte ſchlecht ſind / und das Geſang der Choral oder der Ebreer Muſick nicht ungleich zu hoͤren / ſo haben ſie doch fei - ne Regul / und ihre Wiſſenſchafft in ſol - cher Verfaſſung / daß ſie ungezweiffelt ſagen koͤnnen / was gut oder boͤß iſt. Sie halten fuͤr einen Fehler / wann zween oder mehr Reime / ſie ſein gleich ſiumpff (einſylbig) oder klingend (zwey - ſylbig in einem Geſetze erfunden werden / die mit einerley Buchſtaben geſchrieben ſind / als leben und erleben / in han - den und verhanden u. d. g. und wer - den von ihnen ruͤhrende Reimen ge - nannt. Oder wenn abgeleitete Worter nicht ferne von den Stammwoͤrtern geſetzet werden / als Herr und herr - lich / Ehr und ehrlich: Oder wenn y 2zwey340Das VII. Cap. Von der Teutſchenzwey gleiche Woͤrter oder Sylben ein - ander folgen / als daß / das / ewig - lich / ich. u. d. g. Oder eine blinde Mei - nung oder Wort fuͤhren daß keinen rich - tigen Verſtand hat: oder ein halbes Wort und die Stimmen zuſammen zie - hen / als wie ſoll wir fuͤr ſollen wir gborn fuͤr geboren u. d. g. werden ſchnurrende Reimen genannt. Ferners achten ſie fuͤr einen Fehler / wann Reim woͤrter mit ungleichen Stimmen gebun - den werden / als Gluͤck nnd Strick gehoͤrt und gelehrt / oder wann die Schreibung gleich / aber die Außꝛede in ei - nem Lied weich / in dem andern hart iſt / als eine neue Maͤhre / und eine feine Lehre. Die Gebānde ziehen ſie nach belieben und haben derſelben uͤber 500. unterſchiedliche Arten. Iſt alſo darauß zu ſchlieſſen daß die Urheber dieſer Kunſt das Reimweſen woll verſtanden / und die Teutſche Sprache bereit vor ſechs - hundert und mehr Jahren darin geuͤbet worden: nemlich zu Kayſer Otto des Groſ -341Poeterey andern Zeit. Groſſen und des Pabſts Leonis des VII. Zeiten / welche die vier gekroͤnte Toͤne / wie es die Meiſter noch anheut zu Tageſingē / ſelbſt angehoͤrt / uñ mit gewiſſen Freyhei - ten begabt haben / weil es zu ſelbiger Zeit etzliche fuͤr eine Ketzerey außgeſchrieen hatten. Iſt alſo vermuthlich / daß die Uhralten Heidniſchen Helden Geſaͤnge mit Einfuͤhrung des Chriſtenthums von Keyſer Carl den Groſſen ab / und hingegen dieſe in den Kirchen eingefuͤhrt Es fuͤhret der Herr Zeiler in ſeinem 321. Briefe auß einer Limpurgiſchen Chronic an / wie die Teutſchen um das Jahr 1350. nicht allein ihre Kleidungen / ſondern auch ihre Geſaͤng und ihre Muſic veraͤn - dert haben / wie er dann ein Lied / wel - ches man damahls durch gantz Teutſch - land / wie er ſagt / ſange / hiebey fuͤgt:

Ach reines Weib von guter Art
Gedenck an alle Stetigkeit
Daß man auch nie von dir ſait
Das reinen Weiben uͤbel ſteit
Daran ſoltu nu gedencken
Und ſolt von mir nit wencken
Dieweil daß ich das Leben han.
y 3Noch342Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Noch iſt mir eine clage noht
Von der liebſten Frauen mein /
Das ihr zartes Muͤndlein roht
Will mir ungenedig ſein
Sie will mich zu grund verderben /
Untroſt will ſie an mich erben /
Dazu en weiß ich keinen Rath.

Es findet ſich in dieſer Chronic auch ein Geſang einer die man wieder ihren Willē zur Nonnen gemacht. Daſſelbe meldet / daß ums Jahr 1370. auff dem Mayn ein Außſaͤtziger Barfuͤſſer Moͤnch die beſten Lieder und Reihen in der Welt von Ge - dicht und Melodeyen gemacht / daß ihm niemand auff Reinesſtroom / oder in ſel - bigen Landen woll gleichen moͤchte: und was er ſang das ſungen die Leut alle gern / und alle Meiſter pfiffen / und andere Spielleute fuͤhrten den Geſang und diß Gedicht. Er ſang diß Lied

Ich bin außgezehlt
Man weiſet mich armen vor die Thuͤr
Untreu ich ſpuͤr
Nun zu allen Zeiten.

Ich will hie zu ergoͤtzung des Leſers ein Schlacht-Lied / ſo ein ſolcher Meiſterge -ſaͤnger343Poeterey andern Zeit. ſaͤnger / der die Hiſtoria des Henrici Au - cupis beſchrieben und wie eine Comœdia in gewiſſe Actus eingetheilet / derſelben mit einverleibt: Dann er fuͤhret einen Poeten ein / der fuͤr Anfang der Schlacht ein Lied / nach dem alten Gebrauch der Teutſchen abſinget / iſt nicht gar alt / und auß einem geſtuͤmleten Buche von meinem hochgeehrten Collega Herr D. Reihern mir mitgetheilet.

VIel Krieg hat ſich in dieſer Welt / Mancher Vrſach erhaben: Denſelben hat Gott zugeſellt / Die Muſic als ſein Gaben: Ihr erſtr Erflnder war Jubal / Des Lamechs Sohn mit Namen: Erfand Drommetn und Pfeiffen Schall / Kondt ſie ſtimmen zuſammen. Die Muſic gut / Erweckt den Muth / Friſch unverzagt / Die Feind verjagt / Rufft ſtarck / dran / dran / An Feind hinan / Brecht gwaltig durch / Schlacht Gaſſn und Furch / Schieſt / ſtecht / und haui alls nider Das keiner auͤffſteht wider.
2.
Als dort Eliſa weiſſagn ſolt / Da Iſrael Durſt lidte:Sprach er: Mir bald ein Spiel - man holt / Der ſpielt nach Davids Sitte: Bald kam auff ihn des HErren Hand / Troͤſtlich thet er weiſſagen: Ohn Regē floß groß Waſſr durch[s]Land Der Feind wurd auch geſchlagen / Drom Drart / Drom / Pom / Pom / Pom / Pom / Dromml und Pfeiffn gut / Macht Heldenmuth / Erweckt Prophetn / Reitzt die Poetn / In Frted und Streit / Hoͤrt mans allzeit / Muſicam ſoll man ehren / Man kan ihr nicht entbehren /
3.
Man ſchreibt / daß wenn Timo -
theus /
Nach dr Dorier weiſe thet ſingen:
y 4Als344Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Als ein beruͤhmter Muſicus /
Kondt er in Harniſch bringen:
Alexandrum Magnum / den Held
Streits ſatt kondt er nicht weꝛdeu /
Biß eꝛ zwang faſt die gantze Welt /
Bekriegt den Kreyß der Erden.
T[i]motheus /
Mileſius /
Kondt gwaltig ſingn /
That mit auffbringn /
Alexandrum /
Regem Magnum /
Das er im Wuth /
Vnd Heldenmuth /
(waffen /
Faſt Schild / Schwert / uñ Kriegs -
Im Grim die Feind zu ſtraffen.
4.
Denn was Gott treibt / daß muß fortgehn / Indith / die Heldin thut ſingen: Niemand kan ſolchem widerſtehn / Alles muß ihm gelingen: Welchem Gott gibt ein ſtreitbarn Muth / Gwaltig kan er durchbrechen / Sicht man an ſtarcken Helden gut Thut ſich an Feinden raͤchen. Pidi / Pom / Pom / Pom / Steh feſt mein Comp / Laß Pfeil / Saͤbl / ſauſſn / Vnd umb uns prauſſn / Solchs gar nicht acht / Sondern betracht / Was flichen brecht fuͤr Ehre / Drumb dich nur Hertzhafft were.
5.
Ob theils gleich wolten weichen ab / Wie offtmahls iſt geſchehen: Jedoch ein Loͤwenmuth ich hab / Thut Keyſer Heinrich ſehen:Der Kern ſpringt vor / die Spreu bleibt hindn / Laſt uns Hertzhafft drein ſchlagen / Sie werden ſich wol widrumb wendn / Ihr Bruͤdr thut nicht verz[a]gn. Kyrieleiſon / Pidi / Pom / Pom / Pom / Lerm / Lerm / Lerm / Lerm / Sich keiner herm / Wirſt gleich gepfetzt / Vom Feind verletzt / Solchs thu jetzt gar nicht achten / Hilff nur die Feind abſchlachten.
6.
Wir haben viel Feldtſcheerer gut / Die uns woll wider heilen: Mit Gottes Huͤlff / drumb faſt ein Muth / Die Vngrer ſich zurtheilen: Sich nit auff die erſchlagne Feind / Laß ja dein Muth nicht fincken / Der unſern wenig drunter ſeynd / Wollns jhm mit Rach eintrenckē[.]Drom / Drari / Drom / Kyrieleiſon / Schlagt / ſtecht / ſchieſt dr[e]in Vnſer muß ſeyn / Der Sieg und Preiß / Keiner außreiß / Bruder weich nicht / Dich nach mir richt / GOtt helffs mit Gnaden walten / Daß wir nurs Feld behalten.
7.
Gott iſt ſelbſ[t]foꝛnen mit uns dꝛan /
Thut ſelber fuͤr uns ſtreiten:
Der Feind nicht laͤnger ſtehen kan /
Weicht ab auff allen Seiten:
Ihr Bꝛuͤdeꝛ ſetzt nuꝛ muhtig dꝛein /
Die345Poeterey andern Zeit.
Die Feinde thun verzagen /
(ſeyn /
Der Sieg und Preiß ſoll unſer
Gott Lob ſie ſind geſchlagen.
Drom / Trari Trom /
Kom / Bruder / kom /
Pomp / Pomp / Pomp / Pomp /
Freu dich mein Comp /
Hilff friſch nach[j]ag[n] /
Thu wackr drein ſchlagn /
Acht nicht der Beut /
Sie hat ihr Zeit /
Wir wollens noch wol finden /
Bleib kelner nicht dahinden
8.
Gott Lob / ihr wehrten Kriges leut / Vnd ſtreitbahrn Helden gute / Den Sieg habn wir erhalten heut / Habt nun ein guten Muhte / Raubt / uñ beutet was jeder find / Doch theilts fein friedlich auſſe / Damit ihr Eltern / Freund / Weib und Kind / Was ſchickt odr bringt zu Hauſe / Pidi / Pom / Pom / Pom / Feldtſcherer kom / Vnd mich verbind / Bin halber Blind / Hie ſteckt ein Pfeil / Ziecht aus in Eil / Verbind mich vor / Sonſt koſts mein Ohr / Verbind mich auch / Bech / Feur / und Rauch / Laß mich vorgehn / Kan nicht laͤngr ſtehn / Lieber gebt her zu trincken / Mein Hertz wil mir verſincken.
9.
(gut /
Ihr Hertzliebſten Kriegsbr[]der
Kein Fleiß wil ich nicht ſpahren:
Weil euch fuͤrm Feind im Helden -
muth /
Solches iſt widerfahren:
Gehabt euch wol / faſſt ein friſch
Hertz /
Gotts Huͤlff wird ſich bald finden /
Ob gleich itzt ebē gꝛoß deꝛ Schmeꝛtz /
Verleurt ſich im verbinden.
Wiſch ab das Blut /
Halt Bruder gut /
Reich her die Scheer /
Gibs Pflaſter her /
Halt hie den Arm /
Bind zu fein warm /
Gebt jenem zu trinckn /
Laß ihn hinhinckn /
Gott Lob ſie ſeiud verbunden /
Mit ihren Stichn / Schuͤſſn / und
10.
(Wunden.
Ein Wundartz hat drey Angeſicht /
Wird z 'erſt fuͤr GOtt gehalten:
So offis in Schaͤden wuͤetet und
ſticht /
Koͤmpt er in Engels Gſtalten
Wenn man ihn aber zahlen ſolt /
Vndanck thut ſich bald finden /
Wolt daß ihn dieſr und jener holt /
Oder muͤſt gar verblinden.
Vndanck / Vndanck /
Macht Gutthat tranck /
Iſt ein groß Laſtr /
Fuͤr heilſame Pflaſtr /
Halt den Artzt werth /
Der Verſtaͤndig ihn eh[rt]/
Des Artztes Kunſt /
Soll bringen Gunſt /
In groſſer Roth /
Schafft dir jhn GOtt /
Kein Artztg[e]lt ſoll man ſparen /
GOtt woͤlt uns all bewahren.
y 411. Kein346Das VII. Cap. Von der Teutſchen
11.
Kein ſeeligr Tod iſt in der Welt / Als wer fuͤrm Feind erſchlagen: Auff gruͤner Heid / im freyeu Feld / Darff nicht hoͤrn groß Wehkla - gen: Im engen Bett / da einr allein / Muß an den Todesreyhen / Hie aber find er Gſellſchafft fein / Falln mit / wie Kraͤutr im Meyen / Ich ſag ohn Spot / Kein ſeeligr Tod /Iſt in der Welt / Als ſo man fellt / Auff gruͤner Heid / Ohu Klag und Leid / Mit Trommeln Klang / Vnd Pfeiffen Gſang / Wird man begrabn / Davon man thut haben / Vnſterblichen Ruhm / Mancher Held fromm / Hat zugeſetzt Leib und Blute / Dem Vaterland zu gute.

Es iſt nichts laͤcherliches in dieſem gan - tzen ungeſchmackten Liede / als wann er das Kyrieleiſon unter Pom bidi Pom miſchet / lautet faſt eben ſo / als wann man Schertz oder Sprichworts - weiſe ſagt: Fein luſtig / daß GOtt erbarm. Es ſcheinet aber / daß dieſes ein Gebrauch bey den Schlachten gewe - ſen / daß ſie das Wort Kyrieeleiſon geruffen: Daß die alten Norweger ſolches gethan / bezeuget Janß Dolmer in ſeiner Anmerckung uͤber die Norſke Hirdſkraa / (iſt ein Buch von der Hoff - haltung) welches in uhralter Daͤni - ſcher Sprache beſchrieben / er heraußge - geben und erklāret. Denn er fuͤhret inder347Poeterey andern Zeit. der Anmerckung uͤber das 5. Cap. auß einer Norwegiſchen alten Chronic. p. 483. an. Gamle Norbagger hafve icke alleniſte brugt deſſe Ord / deres Kongers Kroning / men end ocſaa udi Striid. Erling Skak befa - lede ſit Folck / udi Strüden mod Grafve Signrd / at de ſkulle paa - kalde Gnd / ſiunge Kyrie eleiſon / oc ſlaa paa deres Skiolde. Es haben auch die alten Gothen wenn ſie mit den Roͤmern geſtritten die Wort Herre dig forbarme iſt ſo viel als Kyrie eleiſon gebraucht / und haben die Roͤmer ſolches von ihnen gelernet / wie ein Ohrt bey dem Auguſtino Epiſtolâ 178. ſolches anzeigt. Si enim licet dicere non ſolum barbaris lingua ſua ſed etiam Romanis Si hora armen, quod interpreta - tur: Domine miſerere, cur non liceret in conciliis patrum in ipſa terrâ Græcorum, lingua propria homouſion confiteri. Es iſt aber diß Si hora armen auß dem vori - gen Herre dig forbarme verfaͤlſchet. Es348Das VII. Cap. Von der TeutſchenEs iſt noch eine andere dieſer gleiche art Reimenmacher die man die Pritſchmei - ſter nennet / welche bey offentlichen Auff - zugen / Vogelſchieſſen und dergleichen / ihre naͤrriſche und ungereimte Reime hervor gebracht. Man findet derglei - chen noch etliche / und iſt mir einer Bene - dickt Edlbeck Siber bekant / der in einem weitlaͤufftigen Buch das Ritterli - che Schieſſen zu Zwickau Anno 1574. in Reimen gefaſſet / welche voll laͤcherlicher Einfaͤlle ſein. Er nennet ſich des Ertz - hertzogen Ferdinanden zu Oſtereich Britſchmeiſtern. Aber es iſt der Muͤhe nicht wehrt mit dieſen ſich ferner auff - zuhalten. Nur iſt gleichwol diß zu mer - cken / daß zuweilen von etlichen feinen Leuten einige artige dinge zu der Zeit ge - ſchrieben / welche wo nicht des Reimge - baͤnds wegen / dennoch der Erfindung halber zu loben ſein. Ich habe offtmahln alte Tentſche auff Pergamen geſchrie - bene Verſe geſehen / darinnen von Hi - ſiorien gehandelt worden / oder auch etli -che349Poeterey andern Zeit. che Oerter auß der Biebel uͤberſetzet / worinnen andere Buͤcher eingebunden geweſen: und iſt zu beklagen / daß der - gleichen dinge als unnuͤtze Wercke ver - brauchet werden. Der ſo genante un - verdroſſene Carl Guſtav von Hille hat in ſeinem Teutſchen Palmbaum / darin er von der Fruchtbringendẽ Geſellſchafft Anfang und Auffnehmen geſchrieben / ein Teutſches Lied angefuͤhret / welches in dem Meckelburgiſchen Kloſter Dobran von etlichen Kayſerlichen Soldaten in einem gemauerten Schrancke gefunden worden / von 28. dem Reimgebānde nach woll geſetztē Steophen beſtehend / zu Lobe des Wendiſchen Koͤnigs Anthyrii gemacht: Davon ich 2. Strophen herſetzen will:

1.
Duͤ Tugend hat ken Raſt / ſy ſchlaͤffet nicht in Betten / Beſonder ſy trinckt Blut /
Das kan man wager ſeen / wy ſy vor Taten teten.
Der Recken Rieſen hoher Muht.
Set ſuͤ gekommen in duͤ Schlachten
Und manchen wilden Biderman
Mit ihrem Sturm gewand umbrachten /
Wy man noch hete ſeen kan.
2. Ein350Das VII. Cap. Von der Teutſchen
2.
Ein Edler Konig ricke in dieſem Lande ware /
Das Wendenland genant /
Duͤ mer behalten iſt / ſo lange viele Jahre
Gar manchen Drud bekant
Sein Nahme heiſet ſonſt Anthyre
Er war gar ein getreuer Mann /
Er fuͤhrt mit Ruhm ſein Ritter Ziere
Als ihm ſolt wol anſtahn.

Die Worte geben es daß es ſo gar alt nicht ſey / aber es iſt der Zeit nach nicht uͤbel gemacht. Beim Henrico Meibomio wird in ſeinen Schrifften offtmahls et - was auß einem alten Chronico Rhythmico Saxonico welches vor 400. Jahren ge - ſchrieben / angefuͤhret / dem er groſſen Glauben beyleget. Dieſes gedencket unter andern von dem Henrico Leo - ne, daß er nach dem Exempel des Ca - roli M. die alten Chronicken habe zu - ſammen tragen laſſen. Denn diß ſein die Worte:

Alleim dho groz Kranckheit
Zoghinge her was doch gemeyt
Gemuter natuͤrlicher Tugent /
Darnach her an der jugent /
Vnz an alder kunde ringhen
Her leyz zo ſamene bringhen
De351Poeterey andern Zeit.
De alten Kronicken und ſcriben /
Deß began her ſo verne treiben /
Vnd war dha vff verdacht
Mengen Tach und Nacht.

Ich muß hie auch eines nicht gar viel be - kanten Hugo von Trimberg geden - cken / welcher vor etwa 380. Jahren ge - lebet / und ein weitlāufftig Buch in Rei - men geſchrieben / ſo er den Renner neñet: worin die Mißbrāuche die damahls in allen Stānden geweſen vorgeſtellet / viel Maͤngel der Geiſtlichen endeckt / und alle zur Tugend und Wollſtand angewie - ſen werden. Solch Buch iſt von Cyria - aco Jacob zum Bock / Buchdrucker Anno 1549. unter den Titul der Renner her - außgegeben. Es ſind viel artiger Ein - faͤlle / viel ſchoͤner wollgeſetzte Lehren darin: und iſt nicht ohne Luſt zu leſen. Es iſt aber gar ſehr durch unzeitige Zu - ſātze / und Verānderung der Woͤrter verdorben. Denn weil der Stylus we - gen alters bißweilen etwas unverſtānd - lich hat der Editor die alten Woͤrter in neue verkehret / wodurch der Verſtandwie -352Das VII. Cap. Von der Teutſchenwieder des Autoris intention verfālſchet. Er hat bißweilen gantze Verſe nach der Reihe / auß groſſer Nachlaͤßigkeit / auß - gelaſſen. Deſſen wir eine Probe dar - ſtellen wollen. Ich habe ein MStum E - xemplar von dieſen Buche / bey meinem Hochgeneigten Goͤnner / dem Herrn Hoff R. Marquardo Gudio, geſehen / wel - cher auch dieſes in ſeine ſo herrliche Schatzkammer / der außerleſenen MSto - rum auffzunehmen gewuͤrdiget hat. Wir wollen ein Stuͤck des Capittels von den Meyden vornehmen / und das gedruckte Exemplar mit dem geſchriebenen zuſam - men halten / da man den groſſen Unter - ſcheid mercken wird.

Das Gedruckte.

KBrtzen muͤht und langes haar
Haben die Meyd / daß iſt war /
Die zu ihren tagen kommen ſindt /
Die wahle jn machet das hertze
blind /
Die angen zeygen ihn den weg /
Von ihren augen geht ein ſtegk
Zuͤ dem hertzen nit gar lang
Auff dem ſteiget mancher gedangk.
Wen ſie woͤln nemen oder nicht /
Q wehe wie offt daſſelbe geſchicht.

Das Geſchriebene.

Haben die Meyd ſonderbar /
O wehe wie dickh das geſchicht /
Das353Poeterey andern Zeit.
Das ſie gar zweiffeln von der
wahle /
Die ſie haben darinn / ohne zahl.
Diß iſt zum erſten ihr gedangt:
Dieſer iſt kurtz / yener iſt lang /
Dieſer iſt hoͤfferig und alt /
Der ander jung / und uͤbel geſtalt
Dieſer iſt mager / und iſt kahl,
Der iſt feyſt / der iſt ſchmal.
Dieſer iſt Edel / yener iſt ſchwach /
Der nuͤm̃er nie kein ſpchr zuͤbrach.
Eyner iſt weiß / der ander iſt
ſchwartz /
So heyſſet einer meyſter hartz /
Dieſer iſt bleich / yener iſt roht /
Yener iſſet ſelten froͤlich brodt.
Dieſer iſt eygen / der iſt frey /
Woͤlte er / dem lege ich gern bey.
Dieſer iſt reich / yener iſt arm /
Der kompt nit in meinen arm.
Dener iſt des leibs gar verzagt /
Der ander iſt ein boͤſer krage.
Eyner iſt nicht gar wol gezogen /
Dieſer hat meyde viel bedrogen.
Der iſt mir lieb dem bin ich leyt /
Das machet ſeine unſtedigkeyt.
Eyner geht greynen als ein hundt.
(fundt.
Der ſiebende kan manchen boͤſen
Deꝛ achte hat gaꝛ manches pfundt
Boͤßlich ver zehrt bev ſeinen tagen /
Das horte ich ſeine freunde klagẽ.
Dieſer iſt ein dreſter korb /
Das juͤnglin ſitzen bey der wahle /
Die ſie haben libratz ohne zal.
Eyner iſt parthot und iſt alt /
Yener ſelten ſpehr zubrach
Yener iſt des Leibes gar ein za[g]/
Der ander iſt ein loſer trage.
Eyner geht grimmẽ als ein hundt,
Dem andern ni kein Zucht ward
kund /
Der dritt iſt Edel und gar ein
Schlund /
Der vierth ein S alck biß an den
Grund.
Des fuͤnſſten Oden iſt ungeſund /
Der ſechſte hat ein weiten Mund.
Der achte hat viel manches pfund
[z]Die -354Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Dieſes naſe iſt als ein ſenſſē worb.
Der iſt knorrechtig als ein ſtock /
Der dritte eine leine hoſe und ein
ſock.
Der vierdte hat einen boͤſen rock /
Der fuͤnffte iſt gar ein narr /
Der ſechſte iſt ein ſchlauch und ein
Farr.
Der kan ſich mauſſẽ als ein hab ich /
Yeme hangen die Wangen als ein
taͤppich.
Eim ſiehet man die ſchulderen ſtor -
ren /
Als bockes ohrẽ / und rindes knor -
ren.
Der iſt gehler dann ein Quitten /
Der ander von huͤbſchen ſitten
Yener ſchnauffet als ein Dachs.
Gleich wie ein neu gebrochẽ flachß
Die naſe yener auffrimpffet /
Gar ſelten yener ſchimpfet.
Eyner ſpielt / der ander ſtilt /
Dieſem kein Boßheyt nit gefellt.
Drr vierdte heimlich unſaͤnffte
haͤlt.
Nach dem mein hertze ſelten quaͤlt.
Der iſt ſchier ein lem̃elein auſſen /
Doch mag ein Wolff wol in jhm
laußen /
Yener were wol ein ſeiner knecht /
Er ſpringt daher gleich wie ein
hecht /
Dieſee iſt gur ein ſeiden ſchwantz /
Yener iſt der meyde roſen krantz.
Seine ſtimme zieꝛet wol den dantz /
An ihm leyt gar meins hertzen
glantz /
Dan er hat gehl und rohtes haar /
Eyner iſt wannicht als ein trog
Der andeꝛ knoꝛꝛachtig als ein ſtock
Der dritte ein linhoſ und ein ſock.
[[De]]r vierdte hat einen bloſſen rock /
Der fuͤnfft iſt gar ein narren pock /
Der ſechſt iſt ein ſchlauch und ein
gedrock.
Yem hangen die Wangen als ein
Wabich.
Als bockes horen und rindes knoꝛ -
ren.
Dirr (i. e. dieſer) iſt gelber dann
ein Wachs /
Yener ſchnaudet als ein Dachs /
Dieſem geſtrichen leit ſein Vachs /
Als ein neu gebuͤrſter Blachs.
Die naſe dirr auffrimpffet /
Viel ſelten yener ſchimpfet.
Dem dritten boßheit nit bewillt /
Der vierte unſanfft heimlich ſchilt.
Nach den meia Hertz ſelten quillt.
Doch mag ein Woͤlfflin in jhm
laußen
Yener wer gar ein Edling
Den der zitter Howling /
Dieſer iſt gar ein ſidenſchwantz /
An jhm leit meines Hertzen glantz /
Denn er hat gehl und reides haaꝛ /
Mit
355Poeterey andern Zeit.
Mit dem ich leider nit wol dar
Mich gnug bereden nach meinem
Muthe /
Die leut habens vielleicht in huͤte
Mit dem ich leider nicht getar
Mich erkoſen nach meinen muthe /
Vor der leiden mercker hute.

Aus dieſem Exempel iſt zu erſehen / wie man mit den alten Verſen gehandelt / nach belieben außgelaſſen / und hinein ge - ſetzt was man gewolt / und iſt es mit den aͤltern auch alſo ergangen. Wer dieſer Autor geweſen und wann er geſchrieben / kan man auß dem Beſchluß des Buches abnehmen: denn er ſpricht:

Der diß Buͤch gedichtet hat
Der pflag der ſchulen zuͤ Thuͤrſtat /
Viertzig Jahr vor Babenberg /
Und hieß Huͤgo von Trymberg.
Es wardt follenbracht das iſt war /
Da tauſend und dreyhundert jar
Rach Chriſtus geburt vergangen waren.

Ferner ſetzet er die Uhrſach / warum diß Buch der Renner genannt werde / denn er vor dieſen eines geſchrieben welches er denn Samler genennet / worauß er viel genommen und in dieſes verſetzt:

Ich hatte vor vier und dreiſſig jaren /
Meinen geſellen / die da bey mir waren
Gemacht ein kleynes Buͤchelein /
Daß ſie da bey gedaͤchten mein.
z 2Das356Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Das war der Sameler genant /
Ehe das kam von memer handt /
Da wart ſem eyne Quintern verlorn /
Die ſelbe Verluſt / die thaͤt mir zorn /
Das ichs da nit follenbrachte /
Mit dem ſume / als ich gedachte.
Wie viel ſein aber iſt geſchrieben /
Das iſt hin und her beklieben
Viel daß / dann ich mich verſach /
Yens leuffet vor / dis rennet nach /
Wer yenes lieſet der mercke dabey /
Das diß von yeme genommen ſey /
Das jr beyder ſiñ ſei gleich /
Wiewol jhr liebe doch ſey ungleich.

Seine Reime entſchuͤldiget er in vorher - gehenden / weil er deren ungewohnet:

Vnd wiſſet / daß ich wol dreiſſig jar /
Meinen ſinn hatte auff Latein ſo gar
Geleit / das mir die Teutſchen Reimen /
Schnuͤr / hafften / pynſel und leym /
So gar waren unbekant /
Als ob ich fuͤhre in frembde landt
Und woͤlte eyne ſprache lernen da /
Die ich doch vor vielleicht anderſwo
Gehoͤrt hette / und ſie nit foͤrderlich
Follbrengen kuͤndte / und endelich.
Drumb ſolt jr mir vergeben /
Wann etliche Reimen nit ſtehn gar eben.
Wer dichten kan / der ſchmide ſie baß /
Mit meinem Dienſte / ohn allen haß.
Agri -357Poekerey andern Zeit.

Agricola der teutſche Sprichwoͤrter geſchrieben / gedencket dieſes Renners / und fuͤhret bißweilen auß ihm etwas an. In der Vorrede derſelben erwehnet er etliche alte teutſche Schrifften von Creck Ivan / Triſtrand / Koͤnig Ruͤcker / Par - tzival / und Wiglois / von dem alten Hildebrand / Ditrich von Bern / Herrn Ecken / Koͤnig Faſolt / Riſen Signot / dem edlen Moringer / Ritter Pontus / von der Taffelrunde / von dem Ritter vom Thurn / Siebenmeiſtern. ꝛc. Es werden etliche von dieſen beym Goldaſto gedacht / und ſein einige davon nur in Prolâ geſchrieben / die ſich unter den alten Teutſchen Romainen befinden / welche in dem ſo genanten Buch der Liebe / zu Franckfurth Anno 1585. gedruckt / zuſam - men getragen. Noch vor des Trim - bergs ſeiner Zeit etwa um das Jahr 1200. hat Ecko von Repkovv, der das Saͤchſiſche Recht unter dem Titul des Sachſenſpie - gels in Ordnung gebracht / eine Vorrede in Reimen davor gemacht. Esz 3ſchei -358Das VII. Cap. Von der Teutſchenſcheinet aber / daß die alten Teutſchen Worte nach der damahls uͤblichen Rede etwas geaͤndert / wie ſolches auch der Un - terſcheid der MStorum weiſet / die in der Oldenburgiſchen Bibliotheca noch ver - handen / und deren Gryphiander in ſei - nem Buch de Weichbildis Saxonicis cap. 53. gedencket. Der Schluß von der Vor - rede lautet alſo:

Nun dancket all gem ein
Dem von Falckenſtein
Der daiſt Graf Hoyer genant /
Das an Deudſch iſt gewant /
Dis Buch durch ſein bete.
Eck von Repkow es thete /
Ungern er es ankam /
Da er aber vernam /
So groß des herrn gere /
Da hat er kelme wehre /
Des herrn liebe in gar uͤberwan /
Das er des Buches began /
Das im war viel unbedacht /
Da er es in Latein hatte bracht /
On huͤlff und onlere.
Da daucht ihm das zu ſchwere
Das er es in Deudſch wante /
Zu letzt er es doch geandte
Die arbeit / und thete
Graff Hoyers Bete.
Es359Poeterey andern Zeit.

Es iſt kein richtiges Reimgebānde und maaß der Sylben / nur daß die Reime in acht genommen werden; mit welcher Reimſucht damahls alle behafftet waren / daß man auch in den Lateiniſchen die - ſelben gebrauchte / ja wolgar Lateiniſche unter die Teutſche miſchte / deſſen wir unterſchiedliche Exempla in alten Grab - ſchrifften haben / dergleichen eins in dem Dobberaniſchen Kloſter in Mecklenburg auff einen Peter Wiſen zu leſen; deſſen anfang alſo lautet:

Hier Peter Wieſe tumba requieſcit in iſtâ,
God geef em Spiſe cæleſtem, quiq; legis ſta. &c.

Es iſt aber dieſe art zu reimen ſo gar alt nicht. Denn es iſt Anno 1380. in Fri - dericum Strenuum Landgrafen von Thuͤ - ringen / dergleichen Gꝛabſchrifft gemacht / welches Fridericus Hortleder in einigen La - teiniſchen auff einen Saͤchſiſchen Hertzog gemachten Grabſchrifften mit anfuͤhret / Selbiges lautet alſo:

Hye lyt ein Fuͤrſte loͤbelich
Quem vulgus flebile plangit,
z 4Von360Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Von Miſne Marcgrav Friderich
Cujus inſignia pangit
Clerus, clauſtralis, laicus.
Den Fuͤrſten leidlichen klagen
Dives, inops, altus, infimus.
Fuͤrſtliche Weꝛck von ihm ſagen
Warhafft / Wiſe / Tugentlich /
Affabilis atque benignus
In Gottes Fuͤrchte ſtaͤtiglich
Fuit hic laudarier dignus
Da veniam Chriſte
Laß uns Gnaden erfinden.
Annue quod iſte
Loß werd von ſinen Suͤnden.

Es wird auch noch heute unter den Kir - chengeſaͤngen / das Lied In dulci jubilo gebraucht / ſo auff dieſe art von dem Pe - tro Dreſdenſi etwa Anno 1410. oder noch wol ehe gemacht. Es meinen etzliche / daß er vor gehabt die Teutſche Geſānge in der Kirchen auffzubringen / und were es vom Pabſte alſo vermittelt / daß ihm dieſe Vermiſchung mit dem Lateiniſchen vergoͤnnet / oder er haͤtte es deßhalben gethan / daß allgemach der Weg zu den Teutſchen Liedern gebahnet wuͤrde: Wel -ches361Poeterey andern Zeit. ches ich nicht fuͤr glaubwuͤrdig halte. Sondern er hat ſich vielmehr nach dem Trieb ſeiner Zeit gerichtet / da man ſol - che art zu Poetiſiren vor eine ſonderli - che Zierlichkeit gehalten. Von dieſem Petro Dreſdenſi und ſeinen Liedern kan ein mehres bey dem Herrn Thomaſio in einer abſonderlichen Diſſertation de Petro Dreſdenſi geleſen werden. Matthias Fla - cius gedencket in ſeinem Catalogo Teſt. Veritatis lib. 19. auch dieſer art Verſe / als welche zu der Zeit gemein geweſen / davon er ſpricht: Sunt etiam rhythmi qui - dam ſemigermanicè & ſemilatinè jam olim editi. Es ſind dergleichen Carmina ietziger Zeit von einigen luſtigen ingeniis nach gemacht / und findet man etliche beym Henrico Brunone in ſeinem Mengel - moeſs. p. 177. und 202. wie Baudius und an - dere ſolche auß Griechiſch und Lateiniſch gemiſchte Verſe gemacht / darauß dieſes zur Probe:

Erant & duæ bellulæ
Bly-geeſtig, ſoet van aert
z 5Et362Das VII. Cap. Von der Teutſchen
Et non minus tenellulæ,
En t ſoenen beyde waert.
Libens tulißem haſia.
Maer ick en ſagh gheen kans.
Want elck was daer amaſia
Van een veel groter Hans.

Ich habe ſelbſt wol einige dieſer art in meiner Jugend gemacht. Zu derſelben Zeit des Hugo von Trimbergs lebte Freydanck / der von jenem offt angefuͤh - ret wird / hat ein Buch in teutſchen Rei - men geſchrieben / ſo er die Laien Bibel nennet / darinnen er die fuͤrnehmſte Hi - ſtorien altes und neues Teſtaments in teutſche Verſe verfaßt / und allerhand feine Lehren mit untermiſcht. Er hat auch einen Außzug der ſiebenden Zahl aus der Bibel und den Chronicken her - vorgegeben / deſſen doch Leonhard Wurffbain in ſeinem Buch de Septenario keine Erwehnung gethan. Sie ſein zu Franckfurth Anno 1569. gedruckt. Es hat Anno 1494. Sebaſtian Brand ein vor - nehmer Rechtsgelahrter und Keyſerli -cher363Poeterey andern Zeit. cher Raht ein recht artiges Buch ge - ſchrieben / ſo er neñet: Das Niv Schiff von Narragonia / worinnen er die Laſter und Eitelkeiten durchziehet / und die damit behafftet ſind als Narren in einem Narren-Schiffe in 104. Capitteln und Gemaͤhlden vorbildet. Diß Buch hat Nicolaus Honiger mit Anmerckungen gezieret / und hat ein Straßburger The - ologus Johan Geiler Këiſersberg Predig - ten daruͤber gehalten wie Moſcheroſch in der Vorrede des Buchs / das Gumpel - zhaimer de Exercitiis Academicorum ge - ſchrieben; bezeuget. Iſt auch in Lateini - ſche Verſe uͤberſetzet. Es iſt ein gelehr - ter ſinnreicher Mann geweſen / und hat noch ein zimlich Lateiniſches Carmen ge - ſchrieben / wie er dann vor des Felicis Hemmerlin oder Malleoli opuſculis / die er heraußgegeben / ein Elegiam gemacht. Selbiger Hemmerlin hat noch vor ihm gelebet / war ein Rechtsgelahrter und Canonicus, und hat unter andern ſeinen Sachen ein ſehr aꝛtiges ſcriptum gemacht /deſ -364Das VII. Cap. Von der Teutſchendeſſen titul: Doctoratus in Stultitia, wor - innen er / nach der damahlen gebraͤuchli - chen Schreibart / viel ſonderliche Einfāl - le hat / und ein recht vollkommenes Di - ploma Doctoratus in ſtultitia hinangehaͤn - get. Es iſt auch im Jahr 1497. von ei - nem Ritter das Hoffleben Reimenweiß beſchrieben / und Anno 1535. von Johann Morßheim her außgegeben / welches auch wol wuͤrdig daß es hier erwehnet werde. Es iſt die Poetiſche Hiſtoria von dem Ritter Theurdanck in teutſche Verſe be - ſchrieben: worinnen das Leben des Keyſers Maximiliani enthalten iſt. Es werden Fuͤrwitz / Neid / und Verwe - genheit / unter gewiſſen Perſohnen / als Fuͤrwittig / Neydelhart / Unfalo / vorgeſtellt / welche den Ritter Theurdanck zu allen boͤſen dingen gerathen / die aber endlich ihren Lohn davor bekom - men. Die Erfindung iſt nicht unge - ſchickt / wiewol an den Verſen nichts kuͤnſt - liches. Es haben einige dem Maximilia - no ſelbſt diß Buch zugeſchrieben / welchesauch365Poeterey andern Zeit. auch Voſſius lib. 3. c. 10, de Hiſtoricis Lati - nis gethan; der es ſelber nicht geſehen / ſetzet es unter die Lateiniſche Hiſtoricos, woruͤber er von Sandio in ſeinen Animad - verſionibus und von andeꝛn getadelt wird. Der ware Autor aber iſt Melchior Pfin - tzing / der ſolches dem Carolo V. zuge - ſchrieben im Jahr 1517. Er nennet ſich J. Majeſtaͤt Capellanen zu St. Alban bey Meintz und St. Seebald zu Nuͤrnberg Probſten. Das Buch iſt in anſehnlicher Form gedruͤcket / mit einer art Buch - ſtaben / welche noch heutiges Tages den Nahmen Theuerdanck davon behaltẽ Hꝛ. von Bircken hat in ſeinem Spiegel der Ehren des Hauſes Oeſterreichs lib. 6. c. 20. dieſes Buchs gedacht / und des Maximiliani Tugenden ſo hoch erhaben / daß ſie viel groͤſſere Ehre verdienen als dieſe. Nachgehends hat einer Burcar - dus Waldis daßelbe zu Franckfurt nachdrucken laſſen / und gar viel Verſe darin geaͤndert / und wie er ſelbſt be - kennet etzliche tauſend paar dazu geſetzet;der366Das VII. Cap. Von der Teutſchender aber dieſe Aꝛbeit wol haͤtte moͤgen blei - ben laſſen. In Niederſaͤchſiſchẽ Verſen hat man den ſo genanten und jederman wol bekanten Reincken Voß / ein uͤber - auß ſinnreiches Buch / worinnen unter einer Fabul / der Lauff der Welt / und alle Hoͤfiſche Sitten und Streiche ſo artig abgebildet werden / daß von keinem alten Poeten ſolches beſſer haͤtte vorgeſtellet werden koͤnnen. Es moͤgen billig alle Niederſachſen diß Buch als eine Frucht eines wollgeſchliffenen Verſtandes werth und in Ehren halten. Denn ob zwar in der Vorrede deſſelben gedacht wird / ob ſey es auß der Frantzoͤſiſchen Sprache uͤberſetzet / ſo iſt ſolches von dem Autore vorgegeben / damit er deſto ſicherer unter dieſem Vorwand ſich ver - ſtecken koͤnne. Wer die Niederſaͤchſche Sprache verſtehet / und davon urthei - len kan / ſiehet wol auß der Fuͤgung der gantzen Rede / daß es einheimiſcher und nicht frembder Abkunfft ſey. Die es in Lateiniſche und Hochteutſche Spracheuͤber -367Poeterey andern Zeit. uͤberſetzt / haben es vielmehr verdorben / Janus Guilielmus Laurenbergius der die ſinnreichen Schertzgedichte in Nieder - ſaͤchſcher Sprache geſchrieben / hālt da - vor es ſey kein beſſer Buch nechſt der Bibel als dieſes. Der Autor ſoll ſein Nicolaus Bauman, beym urſprung des Waͤſerſtroms buͤrtig: andere haben mich verſichern wollen / er ſey aus Wiß - mar / meiner Gebuhrtſtadt / entſproſſen / woſelbſt des Nahmens von alters her unterſchiedliche geweſen / wie ich mich auch ſelbſt wol erinnere. Dieſer iſt / nach dem er am Juͤliſchen Hofe durch Verlaͤumbdung auß des Hertzogs Gna - de geſetzet worden bey Hertzog Magnus in Mecklenburg Secretarius geworden. Da er dann das Buch aus eigener Er - fahrung geſchrieben / und es alſo im Jahr 1522. als wans zuvor ein altes Frantzoͤ - ſiſch Werck were geweſen / in den Druck gegeben. Welche Nachricht in der Vor - rede des Froſchmaͤuſelers zu finden / nebſt dem Epitaphio auff den Autorem. Gry -368Das VII. Cap. Von der TeutſchenGryphiander l. 1. Oecom. Legal. c. 1. n. 51. nennet den Autorem Ludovicum Roma - num, davon mir gar nicht wiſſend / dann ich nie einige edition unter dieſem Nah - men geſehen. Iſt ſie aber / ſo iſt der Nah - me ohn zweiffel ertichtet / oder einem an - dern des Nahmes beygemeſſen. Man findet zwar bey dem Geſnero und Iſraele Spachio den Nahmen Ludovici Romani, der Navigationes in Æthiopiam, Ægyptum, Arabiam uñ von verſchiedenen daſelbſt be - findlichen Sachen Buͤcher geſchrieben. Aber von dieſem Buch wird nichts ge - dacht. Schopperus der den Reincken Fuchs in Lateiniſch uͤberſetzet / ſaget in der Vorrede / daß er den Autorem des Buchs nicht kenne / welchen er ja kennen muſte / weil er ſich um denſelben zu wiſſen ohn zweiffel bemuͤhet hat. Es iſt auch diß Buch in Schwediſch und Dāniſch uͤberſetzet / wie zu ſehen aus des Herrn Schefferi Buch de Scriptis & Scriptoribus Gentis Svecicæ p. 117. Aber er irret ſehr / wann er meinet / daß es zu erſt in Lateini -ſcher369Poeterey andern Zeit. ſcher Sprache hervorgegeben / dann ja Schopperus in der Vorrede außdruͤcklich der Uberſetzung auß den Teutſchen ge - dencket. Man findet zwar in der Bibli - otheque des Verdiers ein Buch: Reynier, le Renard, davon Verdier ſaget: Hiſtoire treſioyeuſe & recreativ contenant 70. chapitres. impr. en deux languages, Franco - is & bas Aleman en Anvers 8. par Chriſto - ple Plantin 1566. Dieſes ſcheinet daſſel - be zu ſein / und hat es un Niederſaͤchſchen 75. Capittel: in dem Frantzoͤſiſchen 70. Da dann etwas außgelaſſen ſein kan / vielleicht was von den Paͤbſtiſchen Kir - chenſachen bißweilen eingemiſchet. Muß es alſo eine Uberſetzung ſeyn weil es ſo lange hernach gedrucket worden / und haͤtte Verdier es nicht geſchwiegen / wann er von dem Autore was gewuſt haͤtte / oder eine aͤltere edition ihm bekant geweſen Zu dem ſetzet er / daß es im Fran - tzoͤſiſchen und Niederſaͤchſiſchen zugleich gedꝛuckt: Worauß abzumehmen daß es ei - ne Ubeꝛſetzung ſein muß. Die Vorrede desa aFroſch -370Das VII. Cap. Von der TeutſchenFroſchmaͤuſelers meldet außdruͤcklich / daß es ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet ſey. Auch wuͤrde es Huetus nicht verheelt ha - ben in ſeiner Diſſertation de l origine des Romains, der p. 61. des Eulenſpiegels ge - dencket / ſo ins Fꝛantzoͤfiſche uñ von Ægidio Periandro in Lateiniſche Verſe uͤberſe - tzet / dieſes Buchs aber mit keinen eintzi - gen Worte erwehnet: Im uͤbrigen noch zweiffelnd ob die Hiſtoria von dem Eulen - ſpiegel eine Frantzoͤfiſche oder Teutſche Erfind[u] ng ſey / da doch bekant / daß ſo wol der ſo genandte Til Eulenſpiegel / als daß Buch von ihm in Niederſachſen gebohren. In den Anmerckungen des Reincken Fuchſen werden aus unter - ſchiedlichen Teutſchen Poeten viel ſchoͤ - ner Lehren angefuͤhret / die mir noch nicht zu handen kommen / als: auß Jo - hann Morßheim Rittern / der von Frau Untreu geſchrieben / auß Hans von Schwartzenberg Rittern Memorial der Tugend und Kummertroſt / auß dem Schweitzer / auß dem Henſelin. Es iſt auchim371Poeterey andern Zeit. im Hebraͤiſchen ein Buch〈…〉〈…〉 Miſchle Schualim, Fabulæ Vulpium, wel - ches ein Rabbi Berachias Ben - Natronai gemacht / daß dem Titul nach / dem Rein - cken Fuchs gleich zu ſein ſcheinet. Aber es ſind in dieſem Buche nicht allein Fa - beln von den Fuͤchſen / ſondern auch von andern Thieren / und nach art der Fa - beln Æſopi geſchrieben. Es iſt zu Man - tua Anno 1557. gedruckt / und wird von Plantavicio in ſeiner Bibliotheca Rabbini - num. 425. ſehr hoch gehalten / denn wie er ſaget: eloquentiam & puritatem linguæ ubique oſtendit, multiplici dicendi ratione abundans & flumen quoddam inſigne in prosâ, rhythmicâ & carmine profundens. Buxtorffius nennet es in ſeiner Bibliothecâ Librum rariſſimum ad virtutem & pruden - tiam comparandam directum. Der Fa - buln ſind 107. an der Zahl / welcher Uber - ſchrifften Plantavicius ſamt einigen Pro - ben derſelben auffgezeichnet. Melchior Hânel ein Jeſuit hat daſſelbe nebſt der La - teiniſchen Uberſetzung zu Prag Ao. 1661. a a 2in372Das VII. Cap. Von der Teutſchenin 8 vo. heraußgegeben. Man hat auch ein altes Teutſches Buch von den lo - ſen Fuͤchſen dieſer Welt / welches zu Dreßden Anno 1585. gedruckt / worinnem die Laſter aller Stānde unter Fabeln / Bildern und Geſichtern von Fuͤchſen vor - geſtellet woꝛdẽ: ſolches iſt aͤlter als der Rei - nicke Fuchs / wozu dieſes Autoris Buch vielleichtanlaß kan gegeben haben. Dann wie im Titul deſſelben ſtehet / und der Edi - tor in der Vorrede gedencket / iſt es in Brabandiſcher Sprache Anno 1495. auß - gegangen. Worauß dann zu ſehen / daß es dem Herrn D. Luthero nicht kan zu ge - ſchrieben werden / wie einige wollen. Se - baſtian Brand hat eine Lateiniſche Ele - giam davor gemacht / worauß man ſchier ſchlieſſen ſolt / als wann er deſſen Autor were: Denn er ſpricht

Hæc ſibi quid pictura velit, velinane poëma
Qui legis hæc, aures arrige quæſo pias
Plus tibi nam pictura feret, quam Carmina noſtra
Rauca, improviſus me lupus ecce videt.

Man konte es auch ſchier darauß abmer -cken /373Poeterey andern Zeit. cken / weil in der gantzen Elegia deß Au - toris mit keinem eintzigen Worte gedacht wird. Diß laſſen wir aber dahin ge - ſtellet ſein. Es hat der Editor, viele alte Woͤrter veraͤndert / und andere hinein - geſchoben / wie faſt mit allen ſolchen Schrifften verfahren iſt. Welches an ihm nicht zu loben. In Hochteutſcher Sprache iſt ein Getichte von einem ſinn - reichen Mann Rollenhagen / einem Re - ctore der Schulen zu Magdeburg unter dem Nahmen des Froſchmaͤuſelers geſchrieben: worin er handelt von der Froſchen und Maͤuſe wunderlichen Hoff - haltung. Alle Weltliche Haͤndel ſein hier - unter vorgeſtellet / und ſtecket es voll Klugheit und allerhand Lehren / davon nicht noͤthig mehr zu erwehnen / weil es jederman ſamt ſeinen andern Buch von den warhafftigen Luͤgen und[wunderli - chen] Reiſen bekant iſt. Faſt dergleichen Buch iſt in Proſa geſchrieben unter dem titul des Eſelkoͤnigs / deß inhalts; wie nemblich der Leue des Regiments untera a 3den374Das VII. Cap. Von der Teutſchenden Thieren entſetzet / und die Krone auff einen Eſel gerathen / welcher geſtallt der - ſelbe regiret / und wieder um das Koͤnig - reich kommen. Der Autor nennet ſich Adolph Roſen von Creutzheun / welches ohnzweiffel ein ertichteter Nahme iſt. Er meldet in der Vorrede / wie er durch das Getichte von Reinicken Fuchs / und ein Buͤchlein der Gānſe Koͤnig genant / faſt gleichen einhalts / ſo Anno 1607. gedruckt hiezu angereitzet. Deſſen Autor in der Voꝛ - rede des Gānſe-Koͤnigs eines Poetiſchen Wercks vom Eſelkoͤnig andeutung ge - than / und die anßfuͤhrliche entwerffung des Wercks Anno 1608. hinterlaſſen / worauß er dann dieſe Beſchreibung oh - ne Abbruch oder Zuſatz verfertiget. Es iſt ſehr artig luſtig und nuͤtzlich zu leſen / und verdienet unter andern Teutſchen Erfindungen kein geringes Lob. Um dieſe Zeit lebte Hans Sachſe der erſtlich ein Schuſter ſeines Handwercks und hernach ein Buͤrger und Schulmeiſter zu Nuͤrnberg geweſen. Er hat vonAnno375Poeterey andern Zeit. Anno 1514. biß 1567. in die ſechstauſend acht und viertzig Stuͤcke geſchrieben / wie er ſelbſt die Rechnung machet / in dem letzten Theil ſeiner Gedichte. Die ſein unterſchiedliche mahl heraußgegeben / in etzlichen Theilen in quarto und in folio, nnd muß man ſich verwundern / daß ein Handwercksmann der Lateiniſchen und Griechiſchen Sprach unkuͤndig / ſo man - cherley Sachen hat ſchreiben koͤnnen / die nicht ohne Geiſt ſein / von welchem Hoff - mann urtheilet / daß wann er beſſere Wiſſenſchafft von gelehrten Sachen / und genauere Anweiſung gehabt haͤtte / es vielen die nach ſeiner Zeit geſchrieben / und manche ungereimte Dinge uns ſehen und hoͤren laſſen / weit vorgethan haben wuͤrde. Er ſelbſt geſtehet ſolches in den Schluß ſeines Wercks wann er ſpricht.

GOtt ſey Lob / der nur ſant herab
So mildiglich die GOttes gab
Als einem ungelehrten Mann /
Der weder Latein noch Griechiſch kan /
Daß mein Gedicht gruͤn / bluͤh und wachs
Und viel Frucht bring / das wuͤnſcht Hans Sachs.
a a 4Schop -376Das VII. Cap. Von der Teutſchen

Shopperus machet in ſeiner Teutſchlands Beſchreibung ſo viel Wercks von ihm daß er ihn den Teutſchen Virgilium nen - net / welchen titul er zu ſeiner Zeit nicht unbillig fuͤhren konte: dann es ging ſeine Poeterey auch ultra crepidam, und unter den Blinden kan auch ein Einaͤugiger Koͤnig ſein / im Finſtern anch ein faules Holtz glaͤntzen. Er iſt einer von den Meiſter ſaͤngern geweſen / wie er ſelbſt in ſeinem Lebenslanff ſchreibet / worinnen ich das Wort Bar in dem Verſtande ge - braucht finde / daß es der Meiſter ſānger Lieder bedeutet / worauß dann zu ſchlieſ - ſen / daß diß Wort muß von alten Zeiten davor gebraucht ſein / und daß bey dem Tacito verhandene Wort Barritus da - von den Uhrſprung haben: Dann ſo ſpricht er:

Ich hatt von Lienhard Nunnenbecken
Erſtlich der Kunſt einen Anfang /
Wo ich im Land hoͤrt Meiſtergſang
Da lernet ich in ſchneller Eil
Der BAR unnd Thoͤn ein groſſen Theil
Und als ich meines Alters war
Faſt377Poeterey andern Zeit.
Faſt eben im zwantzigſten Jahr
That ich mich erſtlich unterſtahn
Mit GOttes Huͤlff zu dichten an
Mein erſt BAR im langen Marner
Gloria Patri Lob und Ehr.

Was er durch das Bar im langen Mar - ner verſtehe / kan ich nicht ſagen. So viel kan man darauß ſchlieſſen / daß es ei - ne gewiſſe art von Toͤne geweſen / die etwa einer Marner genant vor dieſen erfunden. Dieſes Marners haben wir droben gedacht / und gedencket auch ſei - ner Harſtoͤrffer in des erſten Theils der Geſprāchſpiel Anhang p. 45. wo - ſelbſt er die Nahmen der Sānger erzeh - let / die die Lieder geſungen und abgeleſen die zu Friderici Barbaroſſæ und der fol - genden Keyſer Zeiten von Fuͤrſten und Herren gemacht. Er ſpricht: Es ha - ben damahls auch hohe Standsperſo - nen ihre Gedichte zwar ſelbſt zu Papier gebracht / im Beyweſen des Frauen - zimmers aber andere ſingen oder auch leſen laſſen / die Urtheil von allem An - ſehen ihrer Wuͤrde zu befreyen. Sol - a a 5che378Das VII. Cap. Von der Teutſchenche Singer und zugleich auch Dichter ſein geweſen Wilde / Bieterolff / Boppo / Saffer / Ehinheim / Fol - cuin ein Abt / Gaſt Herdegger / Ga - mart / Ticlinger / Kero / MAR - NER / Nithart / Notker / Ott - fried / Rabken / Sigeher / Scher - vogel / Stricker / Tanhuͤſer / Wa - lefried / Werner / Willeram / der Tugendſame Schreiber / und viel andre unbenante. Er gebraucht fer - ner diß Wort Bar / da er von ſeinen Buͤchern redet:

Darin viel ſchrifflicher BAR warn.

Und da er ſeine Geſānge ruͤhmet / wie ſie von der Sittenlehre handeln / und allen angenehm geweſen /

In einer ſumma dieſer BAR Der Meiſtergeſang aller war.

Iſt alſo auß dem ſo offt wiederholten Gebrauch dieſes Wortes faſt zu ſchlieſ - ſen / daß daſſelbige vor alteꝛs ſchon von ſol - chen Liedern gebraͤuchlich geweſen / und ſey davon derſelbe Ton bey dem TacitoBar -379Poeterey andern Zeit. Barritus genennet worden. Daß ſie ſon - derliche art von Toͤnen gehabt / ſo wol alte / als neue die die Nachfolger erfun - den / iſt aus dieſen Worten des Sachſen an angeregtem Orthe zu ſehen / da er ſpricht:

Auch fand ich in meinen Buͤchern geſchrieben
Artlicher Dialogos ſieben ꝛc.
Auch Lieder von Kriegsgeſchrey /
Auch etliche Bullieder dabey /
Der allerſammen ich vernumm
Drey und ſiebentzig in der ſumm.
In Thoͤnen ſchlecht und gar gemein
Der Thoͤn ſechttzehn mein eigen ſein.

Nach Hans Sachſen weiß ich niemand zu nennen / der einige des Andenckens wuͤrdige Verſe geſchrieben: es were dann / daß man der Kurtzweil und Ergetzung halber ihr Gedāchtniß beybehielte / wie die Epithaphia ſein / welche Taubmannus in præfatione Culicis Virgiliani anfuͤhret. Die Meiſterſaͤnger haben dennoch ihre Singe - und Reime-Werck jederzeit ge - trieben / und haben einige ſolche Fertig - keit darin gehabt / daß ſie auff jeden vor - gegebenen Satz auß dem Stegereiff oderwie380Das VII. Cap. Von der Teutſchenwie Horatius ſagt ſtantes pede in uno etz - liche Dutzent Reime daher ſchneiden koͤn - nen. Dann ihre Erfindungen beruhe - ten bloß auff den Reimen / und nach dem ein Reim dem andern den Weg gebah - net / ſo muſten die Wort mit dem Ver - ſtande nachfolgen. Eine lācherliche Hi - ſtoria iſt mir erzehlet / daß da eineꝛ aus die - ſer Zunfft von dreyen unbekandten Bu - ben uͤberfallen / und in den Koth geſtoſ - ſen / er auß dem Koth ſich erhebend alſo fort ſeine Reimen daher gemacht: deren Anfang dieſer geweſen:

O GOtt du gerechter Richter /
Der du kennſt die Menſchlichen Geſichter /
Ich bitte dich / thue mir diß zu Lieb /
Und entdecke dieſe drey Dieb ꝛc.

Aber wir laſſen diß Gauckelweꝛck fahrẽ / uñ muͤſſen ehe wir ferner ſchreiten / noch eines artlichen Carminis gedencken / daß ein be - ruͤhmter Mañ Johannes Doman, der Hanſe Stādte Syndicus, der ſein Vaterland Weſt - phalen / wider des Lipſii Schimpff-Briefe in einem abſonderlichen Buͤchlein verthā - diget / und dannenhero bey gelahrten Leu -ten381Poeterey andern Zeit. ten wol bekant / von der alten Teutſchen Hanſe gemacht. Ich weiß mich nicht zu erinnern / daß ich daſſelbe bey jemand angefuͤhrt geſehen / will es deßhalben als etwas ungemeines / daß mir von einem guten Freunde als eine raritaͤt geſchen - cket / und voll von klugen reden iſt / (wiewoll er etwas zu frey geſchrieben) zum Beſchluß dieſes Capittels hieherſetzẽ / Es iſt Anno 1618. eben da die Morgenroͤth der Teutſchen Poeterey unter Hr. Opi - tzen hervor brach heraußgegeben / unter dem Titul eines Liedes / im Thon des Rolands / oder wie es einen jeden beſſer gefāllt zu ſingen / und lautet a[lſ]o:

1.
WOlan laſt uns eins ſingen / ein Lied und neu Gedicht Obs ſo wolt baß gelingen / dañ ſo mans ſagt und ſpricht / Was ſchads einmahl geſungen / wann ſagen nicht viel gilt / Es iſt wol eh gelungen / was man im ſchertz geſpielt.
2.
Die Welt iſt zwar geneiget / nach ihrem ſtoltzen Kropff / Das ſie / wer Warheit geiget / die Geigen ſchlegt an Kopff / Noch dennoch ſoll man wiſſen / was Warheit und gut iſt / Drumb ſeyd hieher gefliſſen / und merckt was euch gebriſt.
3.
Euch Hanſe Staͤdt ich meyne / wo jr gelegen ſeyd /Dann382Das VII. Cap. Von der TeutſchenDann euch iſt es alleine / zun Ehren zubereit / Drumb thut es nicht verachten / halt an der Warheit feſt / Darnach thu ich auch trachten / ſuch nichts dann euer beſt.
4.
Vorzeiten wahrt ihr Haͤnſe benahmet mit der That / Jetzt ſagt man ſeyt ihr Gaͤnſe / von ſchlechter That und Rath / Ein Ganß fleugt uͤber Meere / nach jrem Kopff und Sinn / Endert ſich doch nicht ſehre / / iſt Gagag her und hin.
5.
So ſagt man von euch Haͤnſen (wolt Gott es wer nit war) Daß ihr euch ſolt den Gaͤnſen verglichen haben gar /[Vnd] wann jr kompt zuſammen / und ſcheint es ſey was werth / So habs doch nur den Namen / bleibt ſonſten heur wie ferth.
6.
Nu ſeyd ihr dennoch Haͤnſe / wann ihr nur ſelber wolt / Doͤrfft nit des Nahmens Gaͤnſe / habt noch wol was jhr ſolt / Weißheit / Verſtand und Sinne / Reichthum / Vermoͤgenheit / Vnd daß euch nichts entrinne / die ſchoͤn Gelegenheit.
9.
Gott hat[euc]h außgetheilet / zu Waſſer und zu Landt / So ihrs zu mercken eylet / habt jhrs ſchon in der Hand / Ein Gluͤck euch ſelbſt zuſchmieden / daß ohne Fluͤgel ſey / Dabey ihr koͤnt im Frieden / vorm Garauß bleiben frey.
8.
So laſt nu diß ob allen / euch erſt befohlen ſeyn / Daß es thu Gott gefallen / daß niemand ſey allein / Ja das er euch gezeiget / durch die Gelegenheit / Wie daß er ſey geneiget / zu euer Einigkeit.
9.
Wolt Gott ich koͤndt erbitten euch allen diß groß Gut / Das jhr die Zweyuug mitten / mit gleichem Sinn und Muth / Vnd hieltet euch bey ſammen / und ſtuͤndet all vor ein / Hilff Gott was Nutz nnd Nahmen ſolt bald erworben ſein.
Nu383Poeterey andern Zeit.
10.
Nu Hettich iſt ein Vogel / Habich zwar beſſer iſt / Doch ſtehts als auff der Kugel / drum traut zu aller friſt / Ob Gott einſt wolt beſcheren / die liebe Einigkeit / Vnd euch dadurch gewehren / der alten Herrlichkeit.
11.
In Gottes Hand verſchloſſen ſteht alle Ding allein / Darumb ſeyd nnverdroſſeu / rufft an den Nahmen ſein / Auff das ihr einſt geneſen von der Zweyhelligkeit / Vnd kriegt ein friedſam Weſen / in Lieb und Einigkeit.
12.
Doch thut allein nit nuͤtzen / daß man viel ruff und ſchrey / Wann die Karr ſteckt im Pfuͤtzen / die Hand muß ſeyn dabey / Arbeit die hat den Segen / macht was hart helt doch loß. Drumb ſolt jr Arbeit pflegen / legn nit die Haͤnd in Schoß.
13.
Was wolt ihr aber machen / in dieſer argen Zeit / Da ſich bey bunten Sachen / ſo Welt verſchrauffte Leut / An allen oͤrten finden / die vorne lecken ſuͤß / Vnd kratzen doch von hinden / nach dem alt Katzen kuß.
14.
Ihr Mund redt auß der Lungen / daß Hertz ligt weit davon / Wans nur hat wol geklungen / ſo iſt das Mundwerck ſchon / Vnd wann mans hoͤren muͤſſen / ein Stund zwo oder drey / So kan man doch nicht wiſſen / obs Fuchs oder Haſe ſey.
15.
Nun iſts mit ſolchn Geſellen einig zu bleiben ſchwer / Doch wil ich euch erzehlen / der Alten gute Lehr / Wie man ſich ſolle ſchicken / recht und geſcheidentlich / Damit ſolch falſche Tuͤcken / gehn moͤgen hinderſich.
16.
Vor allem muß man haben / doch wenig fromme Leut / Die auffrecht einher traben / uͤnd mein ens hertzlich gut /Vnd384Das VII. Cap. Von der TeutſchenVnd gehn mit threm Wandel / andern zur folg voran / Daß ſie ſich auch zum handel / gleich ſchicken auff die bahn.
17.
Was man in andern preiſet / das ſoll man ſelber thun / Vnd was man jhn verweiſet / gleich ihn verbleiben lahn / Falſch muß doch endlich ſchwinden / wie man zuſagen pfiegt / Wer recht thut ſols auch finden / Untreu ſein Herrn ſchlågt.
18.
Wanns dann von etlichn Staͤdten / nur ſo gemeinet iſt / Die doch gantz gerne hetten / vielmehr bey ſich ohn Liſt / Die ſollen ferner wiſſen / was hiezu dienlich ſey / Vnd ſeyn darauff befliſſen / wie ſies auch bringen bey.
19.
Niemand ſoll man verachten / wie klein er immer ſey / Allein man ſoll betrachten / ob Treu auch ſey dabey / Iſt er auffrecht und treue / er thut auch ſeinen Strauß / Das hat wol eh der Leue / erfahren an der Mauß.
20.
Es iſt nichts ſo geringe / es hat ſein nutz und brauch / Solchs zeigen alle Dinge / klein Gloͤcklein klingen auch / Vom Donner und Platzregen waͤchſt nicht alleine Graß / Dann auch durch GOttes Segen / klein Reglin machen naß.
21.
Doch weils nit tauren wuͤrde / und lange ſtehen an / So man wolt gleiche Buͤrde auff laden jederman / Muß man Geleichheit halten / ſehn das Vermoͤgen an / Sonſt muß ſich doch abſpalten / wer nicht mehr tragen kan.
22.
So libt nun tren und reine / wie ihr von andern wahrt Niemand ſey euch zu kleine / beſchwert niemand zu hart / So wird auch Lieb und Treue / hergegen finden ſich / Vnd ohne Leid und Reue / bleiben beſtaͤndiglich.
Wann385Poeterey andern Zeit.
23.
Wann aber nit wil gelten / treu / lieb und treglich Laſt / Wie man dann ſindet ſelten / ein Holtz gerad ohn Aſt / Vnd ſelten Companeyen / darin nicht Meiſter ſeyn / So lernt euch ferner freyen / von ſolchen Hemmerlein.
24.
Vorzeiten war ein Probe / ſo man ein reden hoͤrt / Jetzt iſt es nur ein Klobe / damit man Leut bethoͤrt / Wer trauet dem Geſange / das alls ſoll Amen ſeyn / Der iſt gar bald geſangen / weils Hertz ſpricht lauter Nein.
25.
Drumb muß man tieffer ſtreichen / die abgevierdte Leut / Damit man moͤge reichen / durch die viel Zwibeln Haͤut / Zur lincken Zitzengrunde / ſo kan man pruͤfen gantz / Ob zwiſchen Hertz und Munde / auch ſey ein Concordautz /
26.
Die That thu ich euch nennen / That iſt der rechte Teſt / Darob ihr koͤnt erkennen / welch Leut ſein dicht und feſt / Drumb laſſet euch nicht aͤffen / die Wort ſein heur wolfeil / Wanns aber kompt zum treffen / ſo find ſichs erſt weit fehl.
27.
Welch Leute viel parliren / wiſſen vom Schluͤſſel nicht / Vnd immer dilatiren, biß beſſer Zeit anbricht / Erbieten ſich doch milde / ſie wollens Morgen thun / Fuͤhren nichts guts im Schilde / wers thun wil / thu es nun.
28.
Wann ihr nun dieſe kennet / halt ſie zum Werck und that / Wer ſich dann davon trennet / muß leiden andern Rath / Daß man die Thuͤr ihm weiſe / und ſchließ ihn gentzlich auß / Dann all zu ſanfft und leiſe / endlich auffhoͤren muß.
29.
Man ſagt es ſey im Leben / wie mit dem Wuͤrffelſpiel / Wann nicht thut fallen eben / was man woll haben wil /b bSo386Das VII. Cap. Von der TeutſchenSo muß man was gefallen / gedultig nehmen an / T〈…〉〈…〉 oi cinq́; vor quater allen / oder ſes duis anſchlan.
30.
So thut ihr nu dergleichen / ſpielt was gefallen iſt / Man muß der zeit doch weichen / biß auff ein ander friſt / Wie man kan muß mans treiben / halten alls vor Gewum / Drumb was nicht treu wil bleiben / laß immer fahreu hin.
31.
Eins man kein Zahl nit nennet / was fragt ihr dañ darnach / Wann einer von ench rennet / habt dannoch gute Sach / Seyd auff ihr nicht gebauet / auff einig zahl und Schar. Darumb mir auch nicht grauet / ob ihr ſchon lieff ein par.
32.
Vnd wann ihr dann ſeyd worden / des uͤbels etwas loß / So mercket auff den Orden / er ſey klein oder groß / Vnd haltet ihn in Ehren / ihr wißt es warlich nicht / Was ihr koͤndt ſein fuͤr Herren / ſtuͤnd ihr euch nicht im Licht.
33.
Vor allem thut euch fleiſſen / das ihr Gott habt zum freund / Das koͤnt ihr dann genieſſen / daß ihr mehr haben kuͤndt / An GOtt iſt es gelegen / ſolt ihr recht werden froh / Dann ohne ſeinen Segen / all Haͤnde dreſchen Stroh.
34.
Darnach wie gring und wenig / daß euer immer ſind / Bleib mit einander emig / wie jener lehrt ſein Kind / Da er viel Beſemreiſer / verfaſſet in ein Bund / Das doch kein ſtarck noch weiſer mit macht zerbrechen kund.
35.
Da er ſie aber theilet / und eintzel leget dar / Da wars nicht mehr geſeihlet / man brach ſie alle gar / Alſo vermehrt und ſtercket / all Ding die Einigkeit / Wie man nichts guts vermercket / auß der Zweyhelligkeit.
Wann387Poeterey andern Zeit.
36.
Wann ihr die Augen wendet / ein wenig hin und her / So muͤſt ihr ſein verblendet / ſolt ihr nicht mercken ſehr / Wie daß die nechſten Jahren / da mans vermuthet nicht / Durch ſo gar wenig Scharen / groß Dinge ſind verricht.
37.
So ſeyd nu auch eintraͤchlig / halt an einander feſt / So ſeyd ihr leicht ſo maͤchtig / auch bey den treuen Reſt / Daß ihr wol koͤnt abtreiben / die ohne fug und recht / An euch ſich wollen reiben / doͤrfft nicht ſein andrer Knecht /
38.
Von Frembden thu ich ſagen / deß muͤſt ihr ſein bericht / Die euch ohn ſug nachjagen / denn wem ihr ſeyd verpflicht Zu Zollen / Schoß und Ehren / und was des dings mehr iſt / Dem thut es auch gewehren / treulich ohn Gfahr und liſt.
39.
Es kan wol ſtehn beyſammen / hat unter ſich kein Streit / Daß man in GOttes Nahmen / treu bleib der Oberkeit / Geb andern auch die Ehre / behalt ſein Freyheit doch / Sich nehre / ſchuͤtz und wehre / zieh nicht an frembden Joch.
40.
Davon nicht noth zu ſagen / mit mehren / weil man weiß / Allein muß ich beklagen / den gar geringen Fleiß / Den Leute thun ankehren / damit ſie wuͤſten recht / Was ſie vermoͤgens weren / das iſt doch gar zu ſchlecht /
41.
Jetzt wil ichs aber ſtellen / an den gemeinen Ort / Dahm mau ſolche fellen / zuſetzen pfleget fort / Vnd wil das numehr treiben / das Lieb und Einigkeit / Nicht koͤnnen wol bekleiben / wor Geitz im wege leidt.
42.
Wor unter Menſchenkin dern / Hans Eigen Man regirt / Daſelbſt bleibt weit dahinden / was gmeinen Nutz fovirt /b b 2Das388Das VII. Cap. Von der TeutſchenDas leugnet niemand ſehre / darff auch gar keiner Lehr / Wie man ihm aber wehre / das iſt zumahlen ſchwer.
43.
Wol iſt es zwar nicht ohne / das Nutz und Nießlichkeit Anmuhtig iſt und ſchone / geweſen allezeit / Iſt auch der Menſchen Hertzen / gleichſamb naturet ein / Daß ſie mit Muͤh und Schmertzen / darauff befliſſen ſeyn /
44.
Drumb laß ich auch pasſiren / der Narung rechten Brauch Sonſt muß man warlich feyren / bey gſunden Zaͤhnen auch / Wers aber recht bedencket / dem gibt hiebey ein ſtutz Wanns gmeine beſte krencket / der heilloß Eigennutz.
45.
Derwegen laſt euch lehren / daß gar kein Nutz nicht ſey / Was man mit GOit und Ehren / nicht hat gebracht herbey / Vnd daß bey Arm und Reichen / Privat geſuch und Geld / Dem gmeinen Nutz muß weichen / wanns ſoll ſein recht beſtellt
46.
Es iſt auch nicht beſtaͤndig / auch nicht ſo groß und fein / Was man alſo unbaͤndig / an ſich erzwackt allein / Wann man dem gantzen Leibe / ſein Speiß und Narung leßt So ſicht man daß auch bleibe / ein jedes Gliedmaß feſt.
47.
Wann aber eins der Glieder / dem andern goͤnnet nicht / So ſicht man das herwieder / dem Neidhard ſelbſt entbricht / Leufft doch wiedr durch die Finger / der Finger faule ſach / Davon ſing ich was ringer / ihr denckt ihm doch wol nach.
48.
Vnd zwar wans moͤchte werden / auff ſolche weiß bedach So wuͤrd man hie auff Erden / nicht ſein ſo hoch veracht / Vnd wuͤrd doch nicht alleine / ins gmeine beſſer ſtahn / Sondern beyd groß und kleine / jeder ſein Fuͤlle han.
W -389Poeterey andern Zeit.
49.
Was aber allzeit eben / nuͤtzlich und Erbar ſey / Darnach man ſolle ſtreben / muß man hie wiſſen bey / Vnd iſt doch aus dermaſſen / eim Menſchen viel zu ſchwer / Daß ers ſolt koͤnnen faſſen in gwiſſe kurtze Lehr.
50.
Darumb bey allen Sachen / man erſt rathſchlagen muß / Damit man moͤge machen / darauff gewiſſen Schluß / All Ding hat ſein Vmſtaͤnde / die man erwegen ſoll / So kan man dann behende / zum Ziel gelangen wol.
51.
So kompt nun auch zuſammen und rathet in gemein / Was in geſamten Nahmen / will zu verrichten ſeyn / Die alten Deutſchen Helde / dens gbrach an gmeinem Rath / Erſchlagen ſind im Felde / wie mans auffſchrieben hat.
52.
Wer ſorg und furcht kan tragen / und dencken recht herum̃ / Der kans auch gluͤcklich wagen / Sorg felt nicht leichtlich um / Was aber iſt gewaget / auffs gluͤck und wolgeraht / Schaden zum Spott eintraget / nach reu folgt ſolcher that.
53.
Doch kan niemand rath geben / wer ſelber nicht viel weiß / Drumb muß man darnach ſtreben / mit ſonderlichem fleiß / Daß man mag leute haben / die fromm ſeyn und gelehrt / Vnd redlich einher traben / und darob ſeyn bewehrt.
54.
Wer ſein Sach hat ſtudiret, hat auch das Hertz dabey / Daß er niemand boſiret / bekent die Warheit frey / Vnd weiß was nah und ferne / nuͤtzen und gehen kan / Vnd thut es dann auch gerne / das iſt der rechte Mann.
55.
Doch weil man dieſe Ruͤben / gar duͤnn geſaͤet ſind / Sols uns nicht gar betruͤben / weil man noch Menſchenkind /b b 3Auch390Das VII. Cap. Von der TeutſchenAuch ſindet unter Leyen / die nicht ſind ſo gelahrt / Doch auch ſo krum nicht dreyen / wie nunmehr iſt die art.
56.
Die furcht und lieb des HErren / ein Hertz das offen ſteh / Vnd ſich wil laſſen lehren / wuͤnſcht das es recht zugeh / Thut auch kein Fleiß nit ſpahrẽ / denckt ihm ſelbſt treulich nach / Solch ſtuͤck hab ich erfahren / verrichten alle Sach.
57.
Man muß ihm aber nehmen / zum Rathſchlag rechte well / Vnd ſich mit nichte ſchemen / ſo man nicht inder eyl / Kan alle Sachen ſchlichten / Morgen kompt auch ein Tag / Da man kan weiter richten / was Heut nicht langen mag.
58.
So thut auch mit ſich bringen / ein jeder Tag ſein Raht / Vnd pflegt dem langſam glingen / daß er Feyrabend hat / Wann nach dem fall die Straſſe / die Eil noch hinckend tritt / Drumb ſoll man halten maſſe lauffen und fallen nicht.
69.
Doch iſt auch nicht zu rathen / daß man ſitzt ſtets zu Hauß / Gleich man auß Eyern gbraten / wolt Huͤnlein bruͤten auß / Wie die Procraſtinirer, nunmehr im Brauche han / Welch nur ſind Worte ſchmierer / greiffen das Werck nit an.
60.
Wer auff eim Schenckel hincket / der kom̃t nicht hin ſo drat / Vnd wem zu fruͤh ſtets duͤncket / der kompt gewiß zu ſpat / Hab acht / heiſts / auff die ſchantze / eh man vor dich zugreifft / Vnd wiltu mit zum Tantze / ſo zieh auff weil man pfleifft /
61.
Zu rechter Zeit nnd maſſen / wil alles ſeyn verricht / Darumb man auch ſol laſſen / an Fleiß ermangeln nicht / Das tapffer werd erwogen / was man vorhanden hat / Sonſt ſind man ſich betrogen / wann iſt verricht die That.
Wie391Poeterey andern Zeit.
62.
Wie man ſich nun ſol huͤten / daß nichts zu wenig ſey / So kan man uͤberguͤten / gleichfals ein ding hiebey / Drumb muß man rechnung machen / verruͤcken nicht das ziel / Das man nicht thu den Sachen / zu luͤtzel noch zu viel.
63.
Wer die Floͤh huſten hoͤret / und daß Graß wachſen ſicht / Vnd leicht den Fried zerſtoͤret / leſt von der Geißwoll nicht / Vnd fuͤhrt in ſeiner Kreiden / kurtz Wuͤrſt und lang Serinon / Der ſteht nicht wol zu leiden / daß iſt gewiß nicht ohn.
64.
Alſo durch diſputiren / geſchwind und gar ſubtil Thut man offt gar verlieren / die Warheit in der eil / Vnd iſt ohn daß nicht artig / wie ihr vorhin wol wißt / Dann allzu ſcharff macht ſchartig / ſchlecht bald geſchliffen iſt.
65.
Drumb ſeyd nicht allzu weiſe / ſolch Leut haſſet das Gluͤck / Vnd fuͤhrt nicht groß beweiſe / uͤber eim ſchlechten Siuͤck / Thut nicht im Katzbalg liegen / ſchleifft nicht viel glatte wort / Vnd was nicht ſchad geſchwiegen / ſpart an ein andern Ort.
66.
Doch muß man gar nicht ſchweigen / wans iſt zu reden zeit / Wer heimlich frißt die Feigen / und legts doch von ſich weit / Dem muß man[ſouſt] abtreiben / damit es komm herfuͤr / Vnd da nicht moͤge bleiben / die Schuld fuͤrs Nachbars Thuͤr.
67.
So thut man aber ſparen / die Warheit allerbeſt / Wo nicht zun Jubeljahren / doch gwiß ans hohe Feſt / Vnd ſchlāgt derweil den Ballen / wann man recht ſtim̃en ſol / Damit man moͤg gefallen / ſein lieben Nachbar wol.
68.
Daher ſo thuts auch gehen / wie Krebſe kriechen fort / Vnd bleibt leyder beſtehen / am alten boͤſen Ort /bb 4Dañ392Das VII. Cap. Von der TeutſchenDañ was man nicht darff ſagen / das thut man nimmermehr / Derhalb man auch erjagen / kan nimmer Ruhm nnd Ehr.
69.
Drum laſt euch ungekrauet / und ſtreicht den Kautzen nicht / Dann ſolches gar nicht bauet / ſondern viel mehr zerbricht / All Regiment auff Erden / den hohen theuren Schatz / Vnd ſolls einſt beſſer werden / muß han die Warheit platz.
70.
Warheit du biſt es einig / die lang auff Erden wehrt / Weil man dich brauchet wenig / drum wirſtu nicht verzehrt / Doch hab ich dich erkohren / vor Silber und roth Goldt / Dir hab ich einſt geſchworen / dir bleib ich ewig hold.
71.
Wil mich von deinent wegen / jemand ſaur ſehen an / Machs wie es ihm gelegen / waͤchſt mir kein Bart davon / Es hilfft doch nicht ſaur ſehen / die Milch ſaurt davon nicht / Muß endlich doch recht gehen / wanns ſoll ſein außgericht.
72.
So thut nu dergeleichen / wann ihr zu Rathe geht / Vnd thut der Warheit weichen / wanns euch auch widerſteht / Ein Schiff thut alſo lauffen / ein Gurren nennt ein Gaul / Das ihut ſo uͤbern hauffen / und nehmt kein Blat vors Maul.
73.
Wol iſt die Warheit reſſig / hat gar ein ſcharffes Saltz / Doch uͤbertrifft ihr Eſſig / der Dreyer tummes Schmaltz / Viel beſſer Freunde Wunden / wie hart ſie kommen an / Dann aller falſcher Hunden / ſuͤß Wort und Paſelman.
74.
Wann man dann hat gehalten / zeitig und weißlich Raht / Wie nach der Lehr der Alten / man thun ſoll vor der That / So iſt auch hoch von noͤhten / das man koͤnn ſchweigen wol / Vnd doͤrff nicht erſchamroͤthen / wann mans verlegen ſoll.
Viel393Poeterey andren Zeit.
75.
Viel koͤnnen weidlich ſchwetzen / und kuͤtzeln ſich damit / Thun ſich darob ergetzen / gleich iſt des Storchen Sitt / Der bald die Fluͤgel ſchwinget / wenn ihm der Schnabel geht / Meynt daß er lieblich ſinget / weil er ſo hohe ſteht.
76.
Aber die Kunſt zu ſchweigen / wird nimmer proſitirt / So gibt ſich ihr zu eigen / niemand der ſie ſtudirt / Noch iſt wol ſchweigen koͤnnen / ein treflich edel Kunſt / Dargegen nichts zu nennen / das brecht ſo groſſe Gunſt /
77.
Darum dann auch zwey Ohren / und nur ein zung uñ mund / Der Menſch hat / daß er hoͤren / ſol mehr zu aller ſtund / Als reden und auch ſchweigen / iſt ein natuͤrlich Bild / Darob ſoll niemand ſetzen / ſonſt iſt er gar zu wild.
78.
Aber vor allen dingen / wil Raht verſchwiegen ſeyn / Sonſt mag er nicht gelingen / wer er auch noch ſo fein / Wann man leſt andre wiſſen / was unſer Anſchlaͤg ſein / So ſind uns bald geriſſen / der Boſſen zwey vor ein /
79.
Das darff man nicht bewehren / iſt hell und klar am Tag / Doch thut man hievon hoͤren / noch hin und wider Klag / Das bald der Nachbar frage / was fuͤr geweſen iſt / Vnd daß mans ihm auch ſage / ob ers zubeſſern wißt.
80.
Der kans dann bald verfuͤgen / dz lauff durch Stad uñ Land / Leſt ſich noch nicht dran gnuͤgen / ſchickt uͤber See und Sand / Vnd wann man dann zu ſchaffen / wil einmahl heben an / So weiß davon zu klaffen / niemand dann jedermann /
81.
Derhalb wie mit eim Schilde / ein Wirt zeigt an ſein Hauß / So ſolt man Schweigersbilde / zum Rathhauß hengen auß /b b 5Dar -394Das VII. Cap. Von der TeutſchenDarmit des Fingers ſchloſſe / ſein Maul verriegelt feſt / Vnd ſeines Bauches groͤſſe / noch nicht zertrennen leſt.
82.
Damit uns anzuzeigen / wie nuͤtz und noth es ſey / Vnd daß von vielem ſchweigen / der Bauch nicht reiß entzwey / Darumb ſtets ſolt gedencken / der Schwetzer an das Bild / Sonſt ſeh man beſſer hencken / den Schwetzer ſelbſt zum ſchild.
83.
Damit ich aber wende / weil ich noch heiſer bin / Vnd komme ſchier zum Ende / ſo ſchließ ich nu dahin / Daß mans auch muͤſſe wagen / wann mans erwogen hat / Vnd ohne ſchreck und zagen / greiffen zum Werck und That.
84.
Das Gluͤck hat oben Fluͤgel / und fleugt geſch wind daher / Vnd weils ſteht auff der Kugel / wancken ſein Fuͤſſe ſehr / Darumb es in der mitten / wil angegriffen ſein / Gemeiſtert und geritten / und nicht gefoͤrchtet ſein.
85.
Wer hat ein Schwert in handen / dem thut kein Degen leid / Damit pflegts mans zuahnden / helts ander in der Scheid / So muß man eim begegnen / allzeit in breitſchafft ſtehn / Meynt jener er koͤnn regnen / kan der auff Steltzen gehn.
86.
So hab ichs vor bewogen / und frey geſagt herauß / Zwar auß keim Finger gſogen / und ſags euch noch zu hauß / Daß jhr ſeyd leicht ſo maͤchtig / zu treiben euer Sach / Wañ jhr nun bleibt eintråchtig / dem denckt doch weiter nach.
87.
Jetzt wolt ich gar beſchlieſſen / ſo ſorg ich noch hiebey / Daß jemand moͤcht verdrieſſen / was ich geſungen frey / Moͤchts moͤglich beſſer wollen / und laͤngſthin han gewißt / Darumb ich nur hett ſollen / ſchweigen zu dieſer friſt.
Dem395Poeterey andern Zeit.
88.
Dem thu ich kuͤrtzlich ſagen / daß ichs ihm glaͤube zwar / Daß ers im Kopff umbtragen / hab mannich zeit und Jahr / Hab auch davon parliret, mit beyden Backen voll / Hett er nur mit ſtudiret / daß mans auch thuen ſoll.
89.
Es hilfft doch gar nit Wiſſen / wans nur beim Wiſſen bleibt / Nuͤtzt auch nicht viel gebiſſen mit Worten / wie mans treibt / Die Tugend ſteht im Wercke / die That muß ſeyn damit / Da wird erkand ihr ſtercke / Wort ſchlan die Leute nicht.
90.
Drum loßt nu diß zuletzte die macht des Werbens ſein / Das mans ins Werck eins ſetze / wenn man weiß alſo fein: Am Werck iſt alls gelegen / Werck bringt viel Nutz und Ehr / Damit euch GOtt geſegen. Dißmahl ſing ich nicht mehr.

Das VIII. Cap. Von der Nordiſchen Poetererey.

Einhalt. DJe Nordiſche Poeterey iſt alt. Iſt aber ungewiß ob ſie an Alterthum der Teutſchen vorzuziehen. Die Schweden koͤnnen ſo gar alte Lieder nicht beybringen. Der Hr. Schefferus meldet von dieſen nichts in ſeiner Sveciâ literata. Es iſt alles davon ungewiß. Die art die Hiſtorienin396Das VIII. Cap. Von der Nordiſchenin Lieder zu faſſen iſt bey den Teutſchen noch vor kurtzer Zeit gebraͤuchlich geweſen. Die Heldenlie - der bey den Schweden auff Gaͤſtereyen geſungen. Die alten Daͤniſchen Heldengeſaͤnge. Das aͤlteſte Daͤniſche Lied bey dem Olao Wormio. Schran - nen der Teutſchen Schulen. Die Chineſiſche Poeterey. Zweyerley Eddæ der Ißlaͤnder. Noch eine andere in Schweden. Scalda. Die Proſodia der Nordſchen Sprache. Scaldri die Poeten / ſein in groſſen Ehren geweſen. Die vielerley Metra Verelii Meinung von der Poeterey der Scaldrorum. Sie iſt ohne Reimen. Skalviingl. Unterſchied - liche Schwediſche Reim-Chronicken und andere Carmina. Daͤniſche Poeterey. Der Finnen al - te und neue art zu Poetiſiren. Exempel eines Baͤrenlieds / ſo ſie bey der Baͤren-Jagt gebraucht. Die Lappen haben auch dergleichen Lieder. Der - ſelben Liebeslieder. Eines von denen wird in Teut - ſcher Sprache angefuͤhret. Iſt ſonderlich ſinnreich geſchrieben. Die Poeterey der Peruvianer. De - ren wird ein Exempel angefuͤhret.

EHe wir zu der Dritten Zeit der Teutſchen Poeterey kommen / und von der andern abgehen / muͤſſen wir noch von der Nordſchen Poeterey reden / die an Alterthum der Teutſchennicht397Poeterey. nicht nachgibt / und wie etliche wollen viel aͤlter iſt. Welches ich an ſeinen Ort geſtellet ſein laſſe. Denn es ſein die Be - weißthuͤmer die deßhalben gefuͤhret wer - den nicht ſo richtig / daß man hierauff ſo feſte Schluͤſſe machen koͤnne. Noch zur Zeit habe ich nichts geſehen / daß zum beſtaͤndigen Grunde angenommen wer - den koͤnne. Ob zwar Olaus Wormius in ſeiner Literaturâ Runicâ, und Olaus Rudbeck in ſeiner Atlantic. dieſes Alter - thum warſcheinlich zu machen ſuchen. Wormius behauptet daß ſie vor Chriſti Gebuhrt ſchon in vollem Schwange ge - weſen / und fuͤhret zum Beweißthum an / daß kurtz nach Chriſti Gebuhrt der Hi - arnus dadurch das Koͤnigreich an ſich ge - bracht. Die Teutſchen haben des Taciti klares Zeugniß / der zu ſeiner Zeit ihre Lieder Carmina antiqua nennt / muͤſſen ſie alſo lange vor Chriſti Gebuhrt gewe - ſen ſein / da dañ niemand wird Schieds - mann ſein koͤnnen / welchen der Vorzug zu geben. Bevorab da dieſer Gebrauchdie398Das VIII. Cap. Von der Nordiſchendie Helden mit Liedern zu ehren bey allen Voͤlckern / ja auch bey den wilden Ame - ricanern ſelbſt gebraͤuchlich / wie ſolches Jnannes Lerius von den Menſchenfreſſen bezeugt / und ihren Geſang vorſtellet part. 3. p. 221. Der Herr Rudbeck will zwar des Taciti Zeugniß auff die Schwe - den ziehen. Aber daß dieſes ohne Grund geſaget werde / haben wir im VI. Cap. klaͤrlich dargethan. Er gibt zwar vor daß er bundert derer Carminum vorzei - gen wolle / deren Tacitus gedenckt / da die Teutſchen ſolches nicht thun koͤnten. Wie weit dieſer Schluß zureiche / iſt dro - ben angefuͤhret / wann gleich ia das ei - gentliche Alter der Schwediſchen Car - minum ſolte dargethan werden koͤnnen / woran ich noch einen groſſen Zweiffel ha - be. Der Herr Scheffer / der die Alter - thūme der Schweden ſorgfaͤltig gnug durchgeſuchet / und alles was ihm muͤg - lich geweſen herbeygebracht / hat in ſei - ner Svecia literata, da er de Scriptoribus Svecis handelt / und inſonderheit ſo merck -wuͤr -399Poeterey. wuͤrdige dinge hātte beybringen ſollen / nur von Anno Chriſti MCL. den An - fang gemacht. Er gedencket einiger Scaldrorum oder Poëten, als des Halbi - orn Hale und Torſtein die Anno 1168. des Sumerlide, und Torgelr Danaſkald, die Anno 1192. des Grane Hialbianarſon, und Jonas Sverkers die Anno 1202. des Olai Tordeſon, der Anno 1223. gelebt / aus dem Regiſter der Schwediſchen Scal - drorum, ſo bey dem Wormio zu finden. Aber dieſe Carmina ſein alle verlohren / da doch bey den Teutſchen noch einige die vor der Zeit geſchrieben / verhanden ſein. Er ſaget außdruͤcklich in der Vorrede: licet haud ſit dubium quin & diu ante illa tempora gens Svetica habuerit, qui vale - rent ingenio ejusque rei ad poſteritatem - darent documenta, ut vel ex Scaldris priſcis certum fit, clariſſimèque docet exemplum Starkoteri, quem ex Svecis ortum & pro Svecis militantem res ſuorum temporum bellaque carmine complexum Saxo auctor eſt: tamen cum & ætas plerorumque ſitin -400Das VIII. Cap. Von der Nordiſchenincerta, opera etiam atque tituli eorun - dem non ſat noti, ratio eſt manifeſta, cur à ſupra memorato demum tempore inci - piendum. Wann nun dieſem ſo iſt / mit was vor Gruͤnden will man beweiſen / daß einige Lieder vor Taciti Zeiten ge - ſchrieben? Es wird zwar in ſeinem Bu - che unter dem Nahmen des Johannis Meſſenii gedacht / daß er verheiſſen habe herauß zu geben: Antiquiſſimas ac po - tiſſimas heroum cantilenas, ex quibus Hi - ſtoria Sveticæ gentis primum coſignari - pta eſt: Ich ſolte aber kaum glaͤuben / daß darauß das eigentliche Alter werde abzunehmen ſein. Es wird vermuthlich mit den Schwẽdiſchen Liedern nicht an - ders / als mit dem Teutſchen ergangen ſein / daß die Nachkommen ihrer Vor - fahren Heldenlieder verfālſchet / oder endlich gar vergeſſen / wann die neuen / deren man allezeit begieriger iſt / an de - ren Stelle kommen. Dañ dieſe art die Geſchichten in Lieder zu verfaſſen hat zimlich lang gewehret / ſo woll bey denNor -401Poeterey. Nordiſchen Voͤlckern / als bey den Teut - ſchen. Von dieſen ſagt Schmid in ſei - nen Zwickauiſchen Annalibus im Jahr 1450. außdruͤcklich: Apel Vitzthum hat einen boͤſen Nahmen hinter ihm gelaſ - ſen / daß man in allen Bier und Wein - hāuſern von ihm geſungen: Dann es damahls noch ſehr im Gebrauch gewe - ſen / daß man was ſich begeben nicht in Chronicken und Geſchichtbuͤcher em̃ - geſchrieben / ſondern in ſolche Lieder darinnen ſie ihre Haͤndel und Thaten kuͤrtzlich verfaſſet / gebracht / und auff die Nachkommen fortgepflantzet. Da nun eine ſo groſſe Menge ſolcher Lieder geweſen / wie kont es muͤglich ſein / daß derſelben Gedaͤchniß ſo unveraͤndert bey - behalten worden. Johannes Magnus ge - dencket in der Vorrede ſeiner Hiſtoria daß die alten Gothen die Thaten ihrer Helden in Verſen verfaßt auff ihren Gaͤ - ſtereyen bey den Angedencks Bechern / die ſie ihren Helden zu Ehren getruncken zugleich geſungen, damit die Jugend da -c cdurch402Das VIII. Cap. Von der Nordiſchendurch auffgemuntert wuͤrde. Schefferus in ſeiner Upſaliâ antiqua. c. 10. p. 46. mei - net es ſey ſolches Lied Bragerbott genant worden / davon Sephanius in ſeinen An - merckungen uͤber den Saxonem Erweh - nung thut / iſt ſo viel als im Lateiniſchen Nuncius Virorum fortium, wie der Be - cher damit ſie ihrer Helden Angedencken beehret Bragebægere genant. Bey den Dānen hat Andreas Welleius auch heꝛauß - gegeben Centuriam Cantilenarum Dani - carum de priſcis Danorum Regibus & rebus geſtis, wie Albertus Bartholinus in ſeinem Buch de Scriptis Danorum bezeuget. Ich kan aber hievon nicht urtheilen / weil ich ſie nicht geſehen habe. Olaus Wormius der de literaturâ Runicâ geſchrieben / und in deſſen Anhang von der alten Tichte - rey der Dānen gar außfuͤhrlich gehan - delt hat / bringet kein ālters vor / als das der Regner Lodbrog, vor ſeinem Tode geſungen / welcher Anno 857. zu Ludovici II. Zeiten gelebet. Daß wir in Teutſch - land āltere gehabt haben / iſt droben er -wie -403Poeterey. wieſen / und ſchrieb um Ludovici II. Zeit der Ottfridus ſeine Evangelia. Von dem Tuiſcone meldet Aventinus, von welchen Boxhornius urtheilet / daß er die glaub - wuͤrdigſten Nachrichten gehabt / daß ſchon zu ſeiner Zeit Lob und Schelt - lieder gemacht ſein / wie wir droben er - wehnet / auch die Schulen oder wie ſie es damahls auff recht Teutſch genannt haben / die Schrannen von ihm ange - ſtellet / worinnen dergleichen dinge gelehrt worden. Dergleichen art der Poeterey iſt bey den Sinenſern vor dieſen auch ge - brāuchlich geweſen: Denn es bezeuget Martinus Martinii in ſeiner Hiſtoriâ Sinenſi. Ars Poëtica apud Sinos antiquiſſima eſt & varia vario metro carmina complectitur. Inter quinque Carminum libros è quibus doctrinam eorum qui dignitates ambiunt in Republ. periclitantur, unus in explican - dis antiquorum Principum rectè ſecusque factis ita verſatur, ut malis terrorem addat, bonis calcar ad virtutem, In dieſem ſein aber die Nordiſchen Voͤlcker etwas gluͤck -c c 2licher404Das VIII. Cap. Von der Nordiſchenlicher / daß ſie mehr von ihren monumen - tis beybehalten haben / als die Teutſchen / deſſen Uhrſachen wir droben angefuͤh - ret. Bey den Ißlaͤndern hat man ein ſonderlich Buch die Edda gehabt / wel - ches war die Mythologia Poetica der al - ten Nordiſchen Voͤlcker / oder vielmehr ihre Theologia, Phyſica und Ethica. Es ſind zweyerley Eddæ geweſen / die eine als die aͤlteſte / iſt in alte unverſtaͤndliche Ver - ſe verfaſſet von Saͤmund Sigfuſon / der mit dem Zunahmen Froda / daß iſt / der Weiſe genant worden / und An. 1077. zu Odde in Ißland Prediger ge - weſen. Die neue Edda hat gemacht Snorrre Sturlaͤſon / ein Vorneh - mer kluger Mann / und Ober-Richter uͤber Ißland im Jahr 1222. und auß der āltern des Saͤmunden zuſammen ge - zogen / welche Petrus Reſenius mit ſehr nuͤtzlichen Anmerckungen / und einer weit - laͤufftigen Vorrede her außgegeben / dar - innen er mit mehren von dieſen beyden ddis handelt. In der Koͤniglich en Schwe -di -405Poeterey. diſchen Bibliothec ſoll noch eine andere und beſſer verhanden ſein / wie Herr Rudbeck meldet. Dieſer Snorre Sturleſon hat die alte Eddam etwas verāndert / und auff ihre Poeterey ge - richtet. Wie nun die Edda ihre Mytho - logia, ſo iſt die Scalda ihre Metrica und Proſodia geweſen. Arngrimus ſagt von dieſer alſo: Scalda eſt liber de arte Poë - ticâ Iſlandorum, qui eſt quaſi praxis Eddæ ut Edda inventionem, Scalda uſum vel ar - tem adiuvet, Von welchem Wort Scalda die Poeten hernach Scaldrer genant / welche bey den Koͤnigen in ſolchen Anſe - hen geweſen / wie heutiges Tages Cantz - ler und Raͤhte. Ja es haben die Koͤni - ge ſelbſt es fuͤr ihre groͤſte Ehre geſchaͤ - tzet / wann ſie mit in ihren Orden haben kōnnen auffgenommen werden / und mit vielen Liedern ihre Faͤhigkeit dazu vor - geſtellet. Der Autor dieſer Scaldæ ſoll wie Arngrimus Crymog. lib. 1. bezeugt / Anno Chr. 1216. gelebet haben / und wird von den Wormio in ſeiner Literaturâ Ru -nicâ406Das VIII. Cap. Von der Nordiſchennicâ auß dieſem Buche offt was ange - fuͤhret. Es iſt auch ſehr glaͤublich daß die Alten gewiſſe Reguln dieſer Kunſt ge - habt; dann wie Olaus Wormius ſaget in Appendice Literat. Runic. Rhythmorum veterum inſinita ſunt genera, vulgo tamen uſitatorum centum triginta ſex eſſe putan - tur. Er ſetzet daſelbſt unterſchiedliche arten und die Nahmen derſelbe / als Sextanmælli Vyſa. Worinnen ein gewiſ - ſer Schall der Woͤrter ſechzehnmahl wiederholt wird / die ſie auch Drottquætt nennen. Imgleichen gedenckt er vieler Logogryphorum, welche ohne gewiſſe Kunſtreguln nicht wol haben verfertiget werden koͤnnen. Auch haben ſie bißwei - len gewiſſe Verſus intercalares gebraucht / wie Thomas Bartholinus der Juͤngere in ſeiner Diſſertation de Holgero Dano cap. 15. erweiſet. Aber Verelius behauptet in ſeiner Runographia cap. 6. das Gegen - theil / daß nemblich die alten Scaldri kei - ne gewiſſe Reguln gehabt. Er ſagt: Scaldrorum poëſis naturâ magis quam arte /con -497[407]Poeterey. conſtabat. Et licet in eorum poëmatibus omnia ſchemata Grammatica & Rhetorica inveniantur, recte tamen dixeris ipſos Grammaticæ & Rhetoricæ artis rudes ſola ingenii felicitate & abundantiâ ea peperiſſe, quæ & ipſorum ævo & nobis admirationi fuere & hodiè admiramur. Ex illis ſua con - geſſit Snorro & in formam artis redegit ipſe Scaldrus ingenioſus. Wañ dieſem alſo were / ſo wuͤrde auch des Hn. Rud - becks Grund von keiner Erheblichkeit ſein / da er die art der Carminum, die ſie Reſrun nennen / vor die aͤlteſten haͤlt / und von denen / deren Tacitus gedencket / dañ die hierunter gebrauchte Kunſt an den Tag geben wurde / daß ſie ſo gar alt nicht ſein. Worinnen die Kunſt der Verſe beſtanden / ſolches wird weitlāuff - tig von Wormio außgefuͤhret / und iſt merckwuͤrdig / daß ſie keine bey uns uͤbli - che Reime gehabt haben / ſondern die Verſe ſind beſtanden in gewiſſer Zahl der Sylben / und gleichſtimmung derſel - ben / aber nicht am Ende. Sie habenc c 4die -408Das VIII. Cap. Von der Nordiſchendieſer Poeſey groſſe geheime faſt zaͤubri - ſche Krafft zugeſchrieben wie ſie dann auch ihre Runas magicas gehabt. Eini - ge haben einen gewiſſen Trieb der Na - tur dazu gehabt / den ſie Scallviingl, daß iſt einen Poetiſchen Schwindel nennen / wel - cher ſich gemeinlich mit dem neuen Mohn eingefunden / da dieſe auff ſolche art Lu - natici oder Monſuͤchtige Poeten ihre Verſe mit unglāublicher Fertigkeit auß - geſchuͤttet. In Schwediſcher Sprache wird bey dem Herrn Scheffer in ſeiner Sveciâ literatâ zum erſten angefuͤhret ein Chronicon rhythmicum majus von einem Anonymo Anno 1319. geſchrieben / und Anno 1674. von Johanne Hadotph her - außgegeben Dieſem iſt hernach das Chronicon Rhythmicum minus hinzu ge - kommen / ſo Anno 1448 gleichfals von einem Anonymo geſchrieben / nebſt eini - gen in verſchiedenen Zeiten verfertigten continuationibus. Man hat auch Ale - xandri M. Hiſtoriam eines Anonymi An - no 1363, ein Chronicon Epiſcoporum Sca -ren -409Poeterey. renſium Anno 1397. von Brynolpho in Schwediſche Reimen verfaſſet. Der Koͤnig Carolus IX. hat Anno 1600 ſeine eigene Geſchichte in Schwediſchen Verſen beſchrieben. Es ſein viel andere Chro - nica auch auff dieſe art verfertiget / und eine zimliche Menge theils geiſtlicher theils weltlicher Getichte / die bey dem Herrn Scheffer koͤnnen nachgeleſen wer - den. Worunter inſonderheit des Hn. Stiernhelins ſeine Balletten / Sonneten und andere Carmina zu loben. Es hat auch einer Zacharias Brokenius eine An - leitung zur Schwediſchen Poeterey ge - ſchrieben Es fehlet auch in der Daͤni - ſchen Sprache nicht an guten Poeten / und wird ietziger Zeit eine Frauensper - ſon Dorothea Engelberts Datter ſehr geruͤhmet / welche geiſtliche Carmina von ungemeiner Zierlichkeit geſchrieben. Eraſmus Bartholinus hat in einer abſon - derlichen Diſſertation de ſtudio Linguæ Danicæ ſeine Landsleute zur Außuͤbung ihrer Sprache angefriſchet. Es hat ei -c c 5ner410Das VIII. Cap. Von der Nordiſchenner Aquilonius, deſſen wir ſchon vormah - len gedacht in Lateiniſcher Sprache eine Manuductionem ad Poeſin Danicam her - außgegeben: worin er die Griechiſche und Lateiniſche metra, in Daͤniſcher Spꝛa - che einzufuͤhren gedencket / wovon in fol - genden ein mehres ſoll geredet werden. Man ſpuͤhret auch bey den Finnen eine neigung zur Poeterey. Aber wie Mich. O. Wexionius in Epitome Deſcriptionis Sveciæ lib. 3. c. 14. ſchreibet / Fenni præter Rhythmum & Lamdaciſmum, ubi cædem literæ initiales continuantur ut.

Poiat parat / panhakam
Neitzet nuoret ilotcam
Wanhut wahwaß weiſatkam

neque ullum carmen agnoſcunt. In quibus omnibus una antiquitus melodia fuit. Di - cebantur & olim Runoi ad imitationem Runarum Sveco-Gothicarum. Ich ſolte aber meinen daß dieſes von den gemei - nen Verſen zu verſtehen ſey; Dann die geiſtliche Lieder und Pſalmen / die bey ihnen in Verſe geſetzt / und das Finni -ſche411Poeterey. ſche Chronicon in Finniſchen R[eim]en / ſo zu Abo 1658. heraußgegangen / ſein wie ich vermeine / uach art der Schwediſchen eingerichtet. Petrus Baͤng Profeſſor The - ologiæ auff der Finlaͤndiſchen Academia zu Abo hat in ſeiner Hiſtoriâ Eccleſiaſticâ Sveo-Gothorum lib. 6. cap. 6. auß des A - gricolæ, eines Wiburgiſchen Biſchoffs Poetiſchen Vorrede uͤber die Pſalmen Davids / einige Finniſche Verſe angefuͤh - ret / worinnen die Nahmen der alten Finniſchen Goͤtter erzehlet werden / dieſe ſein aber nach art der Teutſchen gemacht. Ferner hat er ein ſo genantes Baͤren - lied in Finniſcher Sprache cap. 7. ejusd. libri hingeſetzt / welches die Finnen bey ihrer Baͤrenjagt haben pflegen zu ſingen / dieſes iſt nach der erſten art geſchrieben und lautet alſo:

Medzaͤn dyris woitettu
Tuo meil taͤyttaͤ terweyttaͤ /
A[i]tta waſtan ſaalihita.
Tuo tuhatta tulleſaßa
Saata ſata ſaalihixi.
Julli tulin Jumaliſta
Canſa412Das VIII. Cap. Von der Nordiſchen
Canſa ſaalin iloiſeſta /
Jokailmam ihmet / waiwat
Annon andoi / rahan radei.
Coſca tulen kotihijn
Colme yoͤtaͤilon pidaͤn.
Ilos tulin / ilos laͤhdin
Laͤpi laxo / wuoret / waarat /
Aja paha edellaͤnſaͤ.
Pertos tuli Paͤiwaͤn tulo.
Paiwaͤ tule wielaͤ pertos
Cunnioitan ſua jaͤliſtaͤnſaͤ
Wuoſi wuodel ſaalihixi
Etten unhoidz Ochton wirren.
Sitaͤ waſt wiel toiſti tulen.

Dieſes kan auff Teutſch ungefehr alſo ge - geben werden:

O ſchoͤnes Wild von unſern Pfeilen
Durch ſo viel Wunden hie beruͤckt /
Das ſich getraut bey uns zu heilen /
Will ſein von unſrer Speiß erquickt /
Durch dich wird uns numehr gelingen
Noch hundertmahl dergleichen Beut /
Und du kanſt tauſend Nutzen dringen /
Biſtu zu kommen nur bereit.
Ich konte hie vielleicht woll kommen
Selbſt von den Goͤttern hergeſant /
Die mir zu meinem Nutz und frommen
Viel guter Beute bracht zur Hand.
Wird413Poeterey.
Wird dieſer Tag dann nun ſich enden
So geh ich in mein Hauß hinein:
So will ich zwiſchen meinen Waͤnden /
Drey Naͤchte durch voll Freuden ſein.
Ich habe mich mit Luſt und Gluͤcke
Hieher durch Berg und Thal gebracht /
Nun komm ich froͤlicher zuruͤcke.
All Unluſt habe gute Nacht.
Der Tag iſt froͤlich angefangen /
Mit denen die noch uͤbrig ſein /
Bald komt er wieder hergegangen
In voller Luſt und Freudenſchein.
Ich ehre dich allzeit in deſſen
Von dir erwartend Beut und Danck /
Daß ich nicht moͤge dich vergeſſen
Und meinen guten Baͤrenſang.

Die Lapplaͤnder haben auch bey ihnen der gleichen Baͤrengeſaͤnge / davon Schef - ferus in ſeiner Lapponiâ cap. 19. handelt. Sie haben ſonderliche Ceremonien. Weñ ſie einen Baͤren erſchoſſen / ſo heben ſie ihren Geſang als ein Triumph-Lied an. Der Vorſaͤnger unter ihnen iſt ihr Fuͤh - rer / der einen Stab mit einen Meßin - gen Ringe in der Hand fuͤhret. In dem erſten Lied dancken ſie dem Baͤren / daß er ihnen keinen Schaden an Leib undGe -414Das VIII. Cap. Von der NordiſchenGewehr zugefuͤget. Hernach haben ſie einen andern Geſang / darin ſie den Baͤh - ren bitten / er wolle ihnen kein uͤbel zu fuͤgen / noch Ungewitter zu ſchicken / weil ſie ihn umgebracht haͤtten: dann ſie ha - ben einen Aberglauben / als wann ſie biß - weilen einige Thiere halben / die ſie um - gebracht Schaden haben koͤnten. Sie haben auch noch einen andern Geſang darin ſie GOtt dancken / daß er das Wild zu ihren Nutzen erſchaffen / und die Krafft verliehen / daß ſie ein ſo grauſames Thier haben uͤberwinden koͤnnen. Wann ſie nun den Baͤren zu Hauſe gebracht / ſo fangen ſie einen andern Geſang an dar - in ſie ihre Frauen bitten / daß ſie die Rinde von den Ellerbaum zerkauen / und ihren Maͤnnern ins Geſicht ſpeyen moͤ - gen / welches ſie dann thun / daß ſie als blutruͤſtig erſcheinen / und man meinen moͤge / es ſey die Jagt nicht ohn Gefahr und Blut abgangen. Sie haben viel andere Gebraͤuche die dabey vorfallen / von welchen der Herr Schefferus kan nach -ge -415Poeterey. geleſen werden. Wer ſolte meinen daß unter den Lappen ſich auch ein Poetiſch Feur bey Liebesſachen regen ſolte? Es hat der Herr Scheffer in ſeiner Lapponia cap. 25. einige ihre Liebeslieder angefuͤh - ret / die ſie Morſe faurog nennen. Es iſt aber kein gewiſſes Gebaͤnde / noch abge - meßne Zahl der Sylben. Ein Verß iſt lang der ander iſt kurtz haben bißweilen gleichſylbige Reime / bißweilen gar kei - ne. Sie richten ihnen ſelbſt nach ihrem belieben den Geſang ein. Wann ich die Einfaͤlle derſelben betrachte / ſo ſein ſie warlich nicht ohne Geiſt / wie dann das eine / ſo der Herr Scheffer daſelbſt bey - bringet recht ſinnreich iſt. Es iſt ein Ge - ſang eines der von ſeiner Liebſten weit entfernet und nicht zu ihr kommen kan. Wir wollen es verteutſchet hieher ſetzen /

Laß / Soñe / deinen Schein vorhin nach Orra gehen /
O koͤnt ich dieſen Ort von ferne nur erſehen;
Ich klim̃te Huͤgel an und deren hoͤchſten Baum /
Und machte miꝛ dazu duꝛch Laub uñ Zweige Raum /
Zu ſehen / wo mein Lieb in Blumen geht ſpatziren /
Ich lieſſe mich dahin von Wind uñ Wolcken fuͤhꝛẽ /
Ich416Das VIII. Cap. Von der Nordiſchen
Ich floͤge hin / haͤtt ich der Kraͤhen Fluͤgen nur /
Nun iſt kein Fluͤgel da / kein Fuß zu deiner Spur.
Kein feſter Gaͤnſe Fuß / der mich hin zu dir trage.
Und dich verlangt nach mir ſo manche liebe Tage.
Du lenckſt dein liebes Aug und inneꝛs Heꝛtz zu mir.
Doch lieffſt du uͤber Meer ich folget endlich dir.
Wie Stricke / Baͤnde / Stahl uñ Eiſen uns beſpiñẽ /
So lenckt die Liebe mich / ſo zeꝛꝛt ſie Hertz un Siñen.
Der Kinder Wille zwar ſteht / faͤllt zur ſelben Zeit.
Ein junges Blut das libt das dencket lang uñ weit.
Solt ich ſie allezeit und ihre Meinung hoͤren:
So wuͤꝛd ich leichtlich mich vom ꝛechtẽ wege kehꝛẽ.
Nur ein Raht iſt noch da / den ich ergreiffen kan.
So find ich / wie mich daucht / die ꝛechte Liebes Bahn

Ich habe ſo viel muͤglich geweſen es an Worten und Meinungen ungeaͤndert gelaſſen. Nun ſehe mir einer dieſen Lap - laͤnder / wie artig er der Bewegungs Fi - guren zu gebrauchen weiß / ſein Verlan - gen darzuſtellen / was er fuͤr zierliche Gleichniſſe und Bildunge in dieſem Liede habe. Dieſes alles klinget in der Mutter Sprache noch beſſer weil darin Figuræ dictionis, Appoſitiones, Anadiploſes vor - kommen / die ſich in Teutſchen nicht wol ſchicken / welche aber den Hirtenliedern /ſehe417Poeterey. ſehr wol anſtehen / und eine zierliche Ein - falt vorſtellen. Als wann beyin Virgilio am Ende der zehenden Eclogæ ſteht: gra - vis eſſe ſolet cantantibus umbra, Iuniperi gravis umbra: ſo iſt in dieſem Carmine nach der Lateiniſchen Uberſetzung des Herrn Scheffers: omnes ramos præſe - carem, virentes ramos; ſi ad te volare poſſem alis, cornicum alis; per tot dies, tot dies tuos optimos &c. Welches zugleich ein Lieb - koſen und eine Außdruͤckung des Ver - langens vorſtẽllet. Diß Lied kan ſicher - lich der Meiſterſaͤnger Kunſt beſchaͤmen. Ich muß hier beylaͤuffig der Peruvianer auch erwehnen / welche eine art der Po - eterey unter ihnen gehabt / die nach ih - rer art recht vollkommen geweſen / wie hievon der Yncas Gateillaßo de la Vega, in ſeiner Hiſtoria Peruvianâ cap. 27. weit - laͤufftig handelt. Sie haben gehabt die ſie Amautas daß iſt Philoſophos genannt / die Tragœdien vor den Koͤnigen und vor - nehmen Herren von ihren Kriegen / Sie - gen / der Vorfahren Heldenthaten / undd dCo -418Das VIII. Cap. Von der NordiſchenComœdien von allen in dem gemeinen Leben vorfallenden Dingen geſpielet. Man hat auch allerhand Encomia - ſtica und Moralia Carmina unter ihnen / die vorgemeldter Autor uͤberauß lobet. Sie lieben mehrentheils kurtze Verſe in vier Sylben beſtehend / aber ohne Rei - me / damit ſie dieſelbe deſto beſſer im Ge - daͤchtniß behalten / und deſto bequemer ſingen / und auff der Floͤten ſpielen koͤn - nen / inſonderheit in Liebesſachen / da - von ſie verſchiedene Thoͤne haben. Der Autor vergleichet ſie der Spaniſchen Re - dondilla, welche eine art der Rondeaux iſt. Man hat auch welche bey ihnen / die man Haravec nennet / iſt ſo viel als Erfinder / welche eben den Nahmen ge - habt / wie bey den alten Frantzoſen die Troubadours. Selbige haben von na - tuͤrlichen dingen Verſe geſchrieben / und einige Fabeln mit untermiſcht / nemlich wie der Schoͤpffer der Welt / eine Jung - frau vom Himmel geſandt / in der Hand einen Krug Waſſer haltend / welcherwann419Poeterey. wann er von ihrem Bruder zerbrochen wird / Donner und Regen erreget / und andere dergleichen / welche er aus P. Blas Valera geſchriebenem Buche ange - fuͤhret / ſampt einem Carmine, daß er bey den Zeitknoten und Baͤnder / deren ſie ſich in der Jahr Rechnung gebrauchen / gefunden. Die Verſe die er ſpondiacos nennt lauten alſo / welche wir ſamt der Lateiniſchen Uberſetzung hieher ſetzen wollen:

Cumac Nuſta,
Torallayquin,
Puynnuy quita
Paguir Cayan
Hina mantaræ
Cununnunun
Tllapantac
Canri Nuſta
Unuy quita
Paramunqui
May nimpiri
Chici munqui
Pulchra Nympha
Frater tuus
Vrnam tuam
Nunc infringit:
Cujus ictus
Tonat, fulget,
Fulminatque:
Sed tu Nympha
Tuam Limpham.
Fundes pluis
Interdumque
Grandinem ſeu
d d 2Piti420Das IX. Cap. Von der Teutſchen
Piti munqui
Pacha rurac
Pachacamac
Viracocha
Cayhmapac
Churas unqui
Camas unqui
Niuem mittis;
Mundi factor
Pachacamac
Viracocha
Ad hoc munus
Te ſuffecit
Ac præfecit.

Herr Hoffmann hat in der Vorrede ſei - ner Getichte auch ein Indianiſch Liebes - geticht von einer Schlangen in Teutſch verſetzet angefuͤhret / welches traun recht ſinnreich iſt / und bey ihm kan nachgeleſen werden.

Das IX. Cap. Von der dritten Zeit der Teutſchen Poetery.

Einhalt. DIe dritte Zeit faͤngt an vom Herrn Opitzen. Vor ihm hat Petrus Denaiſius Aſſeſſor Ca - meræ Spirenſis teutſche Carmina geſchrieben. Wird421Poeterey dritten Zeit. Wird ſehr gelobet von Melch. Adami. Hubners verdeutſchung des Bartas. Opitzen erſte Verſe. Er hat dem Ronſard, Douſæ und Heinſio gefol - get. Dem Dulæ wird vom Voſſio die Reim-Chro - nicke zugeſchrieben. Opitzen ſonderliche Gelehrt heit. Seine Dacia iſt verlohren. Des Herrn - von dem Werder Teutſche Carmina. Buchnees Urthel von Opitzen. Flemming iſt hoͤher geſtiegen. Wird vor allen andern geruͤhmet. Von ſeinen eige - nen Landsleuten werden ſeine Tugenden nicht recht erkant. Der Herr Olearius hat ſeine Carmina herauß - gegeben. Seine Lateiniſche Epigrammata. Des Herrn Tſchernings Teutſche Carmina. Werden gleich - fals ſehr gelobet. Matthaͤus Appellis geiſtliche Oden. Colerus. Czepko. Hr. Gryphius. Daniel Caſpar von Lohenſtein. Haben die Traurſpiele in Teutſch - land zur Vollkommenheit gebracht. Verdienen ein groſſes Lob. Herr Chriſtian Hoffmann von Hoff - mans-Waldau ein vortreflicher Poet. Schreibt faſt nach der Italiaͤniſchen art. Herrn Riſten ſei - ne Oden. Seine Muſa Teutonica. Simon Dach. Johan Roͤlings Geiſtliche Getichte. Johan Fran - cken Geiſtliches Sion und irrdiſcher Helicon. Sei - ne vielfaͤltige veraͤnderung des Vater Unſers. Des Herrn Harſtoͤrffers / Betuli, von Bircken / Johan Klai Teutſche Poemata. Die Bayern / Tyroler und Oeſterreicher haben in Teutſcher Poeterey ſchlechte Proben gegeben. Scioppii Urtheil von ihnen. Jacobi Balde[teut]ſche Carmina de vanitate Mundi. d d 3Herr422Das IX Cap. Von der TeutſchenHerrn Chriſtian Weiſen Teutſche Gedichte wer - den gelobet. Es werden unterſchiedliche andre er - zehlet. Die heutige Zeit hat viel naͤrriſche Tichter gegeben. Eines der ſich Hartmann Reinhold neñet / Satyriſche Schrifft wieder dieſelbe. Ungelehrte Leute fuͤhlen bißweilen einen ſonderlichen Trieb zur Tichterey. Benedicti eines Italiaͤniſchen Bauren Carmina. Gabriel Voigtlaͤnders eines Trompeters Lieder. Zachariæ Lundii, Joh. Freinshemii Teutſche Carmina. Getichte Teutſcher Frauens - perſonen. Sibylla Schwartzin wird ſehr geruͤh - met. Eine Probe ihrer Carminum. Der Frey - herrin Henrietta Catharina Gerſtoͤffin gebohrnen Frieſin trefliche Carmina. Der Frau D. Moͤlle - rin gebohnen Eiflerin heraußgegebene Lieder. Con - ſtantia Sirenbergin. Fruchtbringende Geſellſchafft. Schluß des andern Theils.

WIr muͤſſen endlich auff die dritte Zeit der Teutſchen Poeterey kom - men / da dieſelbe gleichſam aus dem Grabe wider erwecket worden / und viel herrlicher als jemahls hervorkom - men / unter des Herrn Opitzen an - fuͤhrung. Es haben zwar einige vor ihm ſich etwas darin angenommen / aber es macht doch nichts gegen ſeine Vollkom -men -423Poeterey dritten Zeit. menheit. Petrus Denaiſius, ein vornehmer JCtus und Aſſeſſor Cameræ Spirenſis, ſoll vor Herrn Opitio im Anfang dieſes Se - culi ſehr gute Teutſche Verſe geſchrieben haben. Dann diß bezeugt Melchior Adami in ſeinem Vitâ. In vernaculâ ele - gantiſſimæ venæ poëta fuit, docuitq; ipſe ſuo exemplo; linguam Germanicam nullam omnino cultus elegantiam reſpuere, mo - excolatur. Nos hunc unum, ſi nullus alius eſſet, omnibus Italis Gallisque oppo - nere non dubitamus, tantâ facilitate, tan - felicitate, tantâ ſermonis puritate ac le - poribus uſus eſt in vernaculis carminibus concinnandis Dieſes iſt ein groſſes Zeug - niß vom ihm / das der Autor Anno 1620. da Herr Opitz ſchon einige Carmina her - außgegeben / geſchrieben. Daß alſo ver - muthlich / er habe der Warheit gemaͤß geurtheilet. Weil ich aber nichs davon geſehen laß ichs dahin geſtellet ſein. Huͤbner der des Bartas Schrifften faſt um dieſelbe Zeit uͤberſetzet / ſchrei - bet nichts / das mit Opitzen kan vergli -d d 4chen424Das IX. Cap. Von der Teutſchenchen werden. Er ſelbſt hat in ſeinen er - ſten Verſen die er geſchrieben / viel arten zu reden und reimen von der alten Zeit / wie man in der Vorrede der verteutſch - ten Arriana ſehen kan / da dergleichen et - liche von ſeinen Erſtlingen herbey ge - bracht werden / wie dann auch in ſeiner uͤberſetzten Argenis die Verſe nicht alle - mahl gleich zierlich ſein. Doch hat er nach dem Muſter des Herrn Ronſards in Frantzoͤſiſcher / und des Herren Douſæ und Heinſii in Niederlaͤndiſcher Sprache ſeine Poeterey und Schreibart viel ver - beſſert. Von Heinſii Poematibus iſt dro - ben geredet. Douſa hat meines wiſſens nichts ſonderlichs geſchrieben / nur daß er die alte Hollandiſche Reim Chronica / deren wir droben gedacht / her außgege - ben / welche Gerh. Voſſius de Hiſtoricis Græcis lib. 2. cap. 27. dem Duſæ ſelbſt / weiß nicht durch was Irthum / zu ſchreibet / dann er ſpricht: Janus Douſa in præfatione hiſtoriæ ſuæ metricæ, und wiederum: in præfatione quam præmi -ſit425Poeterey dritten Zeit. ſit annalibus Batavis carmine à ſe compoſi - tis: da doch in dem titul ſelbſt enthal - ten / daß ſie nicht von ihm geſchrieben / ſondern nur heraußgegeben ſey. Der Herr Opitz war ein gelehrter Mann / und in Hiſtorien / Griechiſcher und La - teiniſcher Sprache wol erfahren / wie ſei - ne Variæ lectiones, Commentaria in Ca - tonis Diſticha, und andere Sachen zur Gnuͤge anzeigen. Seine Dacia anti - qua welche ſehr geruͤhmet wird / und wel - che der Herr Chriſtian Hoffmann von Hoffmans Waldau ſelbſt in ſeinen Haͤn - den gehabt / wie er in der Vorrede ſei - ner Poematum bezeuget / iſt verlohren ge - gangen / und wird von vielen ſehr bedau - ret. Er war ſehr gluͤcklich im Uber ſetzen / wie er dann viele Verſe auß dem Nie - derlaͤndiſchen und Frantzoͤſiſchen ins Teutſche gebracht. Des[Herrn] von dem Werder Teutſche Uberſetzungen und Getichte ſein auch um dieſelbe Zeit hervor gegeben / von welchen wir dro - ben ſchon gedacht / und kan man desd d 5Herrn426Das IX. Cap. Von der TeutſcheuHerrn Buchners Urtheil davon leſen in ſeiner andern Epiſtol, woſelbſt er ſeine Fehler angemerckt. Von des Opitii Ge - tichten urtheilet er Epiſt. 51. Non poteſt aſcendere altius Muſa Patria, & neceſle eſt ut acquieſcat eo faſtigio, quo tu collocaſti. Interim te ſequemur longè & tua veſtigia adorabimus: ſic tamen non obſcuri pror - ſus morituri. Ich gebe ihm Beyfall / daß zu ſeiner Zeit er der vortreflichſte Poet geweſen / vermeine aber daß die Teutſche Tichtkunſt in dem Herrn Flemmingen noch hoͤher geſtiegen. Dann in War - heit es ſteckt ein unvergleichlicher Geiſt in ihm / der mehr auff ſich ſelbſt / als fremb - der Nachahmung beruhet. Wir haben an ihm / den wir den Italiaͤnern und Frantzoſen entgegen ſetzen koͤnnen / und wo einer bequem geweſen ein vollſtaͤndi - ges Epicum Poëma, wie Taſſus, und Ari - oſtus hervor zu geben / ſo haͤtte es dieſer vor allen andern ſeinen Landsleuten voll - fuͤhren koͤnnen. Die Elocutio iſt an ge - buͤhrenden Ohrt herrlich und Helden -maͤßig427Poeterey dritten Zeit. maͤßig / in Oden lieblich und ſinnreich / Die Außbildung kraͤfftig / die Erfindung angenehm und ſonderlich / und iſt dieſen allen eine ſonderliche / auß der Sachen ſelbſt flieſſende / nicht weit geholete / und mit harten Metaphoris verbluͤmte Schaꝛff - ſinnigkeit vermiſcht. Ja es mag mit Ehren vom ihm geſaget werden / was er ſelbſt in ſeiner Grabſchrifft ſetzet / daß ihm kein Landsman gleich geſungen. Ich kan mich aber nicht gnug verwundern / daß man ſo wenig Wercks von ihm ge - macht / und ſeine Tugenden nicht im hoͤ - hern Werth gehalten. Der Hr. Schot - tel hat ihn ſehr kaltſinnig gelobet / wann er ihm keinen andern Lobſpruch / als ei - nes guten luſtigen Poetens beyleget Der Herr Hoffmann lobt nichts anders an ihm / als daß er ein feines Sonnet ge - ſchrieben. Welches ob es zwar wahr iſt; dann er hierin unvergleichlich gewe - ſen; ſo war doch ein weit mehr es an ihm zu loben. Man ſiehet nur hier auß / wie die Urtheil von vornehmen Leutenſo428Das IX. Cap. Von der Teutſchenſo ungleich und parteiiſch fallen. Wir ſein dem Sehl. Herrn Oleario ſehr ver - pflichtet / der uns die herrlichen Schriff - ten dieſes Mannes erhalten / und der ge - lehrten Welt mit getheilet / wuͤnſche daß die verlohrne / ſo ſie noch irgend wo ver - borgen ſein / wieder zum Vorſchein ge - bracht werden moͤgen. Es hat unſer wehrtes Holſtein billig auch ein Theil daran / welches durch die Perſiſche Ge - ſandſchafft zu den meiſten Getichten an - laß gegeben. In Lateiniſcher Sprache hat er zwar einige Epigrammata geſchrie - ben / aber ſie reichen nicht an die vollkom - menheit der Teutſchen. Nach ihm iſt der Herr Tſcherning zu ſetzen / deſſen Fruͤhling und Vortrab des Sommers viel ſchoͤner Getichte hat / welche des Hn. Opitzen ſeinen auff alle weiſe und wege koͤnnen gleich geſchaͤtzet werden. Es iſt eine ſonderliche Rennlichkeit / und unge - ſchminckte Zierlichkeit bey ihm / weßhal - ben man ihn billig unter Teutſchlands Hauptpoeten zu ſetzen hat. Es war ei -ne429Poeterey dritten Zeit. ne ſondeꝛliche Gelahꝛtheit in Wiſſenſchafftẽ und Sprachen bey ihm / wie ſolches ſeine Lateiniſche Carmina und die verteutſch - ten auch mit Anmerckungen heraußge - gebene Arabiſche Sprichwoͤrter bezeu - gen / hat auff der Roſtockiſchen Academia die Profeſſionem Poëſeos betreten / welche vor ihm Lubinus, Chytræus, Kirchman - nus, Laurenbergius, und ich nach ihm / als meinem Lehrmeiſter und Vorgaͤnger ver - waltet. Es ſind noch viel ſeiner Getichte uͤbrig / welche verdienen / daß ſie auch ans Licht gebracht / und mit den uͤbrigen in ein vollſtaͤndig Werck verſamlet werden. Er hat viel andre ſeiner Landsleute / (denn er war ein Schleſier) gehabt / die zur ſel - ben Zeit und nach ihm geſchrieben: wie dann Schleſien allemahl ſehr fruchtbar von Poeten geweſen. Aber es ſein von ihnen nicht eben rechte vollſtaͤndige Wer - cke hervorkommen. Matthaͤus A - pelles / von Leuenſtein / auff Lan / genhoff Keyſerlicher und Fuͤrſtlicher Muͤnſterberg-Oelßniſcher Rath / demHeren430Das IX. Cap. Von der TeutſchenHerr Tſcherning ſeinen Fruͤhling zu geſchrieben / hat einige Geiſtliche Lieder unter dem Titul des Fruͤhlings-Mayen hervorgegeben / mehrentheils auff Wahl - ſpruͤche Fuͤrſtlicher Perſonen / und zu ſonderlicher Erweckung ihrer Andacht gerichtet / welche mein Hochgeehrter Col - lega Herr D. Major, ſeinem vor nehmen Landsman zu ehren / allhie im Kiel wie - derum zum Druck befordert. Auß deſſen gelahrter Feder ſelbſt / ſo viel ſchoͤner Ge - tichte gefloſſen / womit er / unter andern vielfaͤltigen Schrifften den Ruhm ſeines Vaterlandes vermehret. Es haben auch aus derſelben Nation Colerus und Czepko Teutſche Verſe geſchrieben / und ſein end - lich der Herr Gryphius, der Herr Da - niel Caſpar von Lohenſtein / und Chriſtian Hoffmann von Hoff - mans Waldau auß derſelben hervor - kommen. Die beiden erſten haben die Trauerſpiel in Teutſcher Sprache zur hoͤchſten Vollkommenheit gebracht / daß wir den Außlaͤndern nichts darin nach -zu -431Poeterey dritten Zeit. zugeben haben / wie dann ihre Wercke einem jeden vor Augen liegen. Anderer art Getichte zu geſchweigen / darin ſie gleichfalls ſehr gluͤcklich geweſen. Herr Daniel Caſpar iſt ſehr Spruch-reich in ſeiner Schreibart / und hat eine ſon - derliche art ſehr kurtz diefelbe zu faſſen / ſo woll in Trauerſpielen / als in Oden. Es iſt ihnen dieſe Poeterey ſo woll auß - geſchlagen / weil ſie die alten Griechen und Lateiner zum Zweg ihrer Nachah - mung gehabt / ohn welchen nichts beſtaͤn - diges und vollkommenes außgefuͤhret werden kan. Dann wo keine gruͤndliche Gelartheit bey einem Tichter iſt / ſo wird nie was gutes und vollenkommenes von ſeinen Haͤnden kommen. Der Herr Thriſtian Hoffmann von Hoff - mans Waldan hat eine Sinn - und Spruchreiche Schreibart nach art der Italiaͤniſchen im Teutſchen gefuͤhret / ſei - ne Helden Briefe nach art des Ovidii ge - ſchrieben / ſein ſehr zierlich / und mit Me - taphoriſchen Redensarten / nach der Ita -liaͤ -432Das XI. Cap. Von der Teutſchenliaͤniſchen weiſe durch und durch gewuͤr - tzet. Es muß des Herrn Riſten auch nicht vergeſſen werden / welcher eine fluͤſ - ſige art Lieder zu ſchreiben gehabt / deſſen letzte Schrifften ſehr von den eꝛſtẽ verſchie - den ſein. Dann ſeine Muſa Teutonica, die er Anno 1640. heraußgegeben hat / lauffen ſehr wieder die Reguln der Kunſt. Simon Dach hat auch ſehr gute Oden geſchrieben / deſſen Nachfolger in der Pro - feſſione Poëſeos zu Koͤnigsberg der Hr. Roͤling mein lieber Freund / geweſen / der gar zu fruͤhe uns durch den Tod ent - riſſen iſt. Seine Geiſtliche Lieder / deren ein Theil heraußgegangen / ſein voll tieff - ſinniger Einfaͤlle / und fuͤhren eine Flem - mingiſche art bey ſich / als die er jederzeit beliebet hat. Es iſt zu beklagen / daß nicht alle ſeine Verſe in ein vollſtaͤndig Werck verſamlet werden ſollen / die faͤhig ſein unter die treflichſten Geiſter dieſer Zeit ihn zu ſetzen / und der Nachwelt vorzuſtellen. Johann Franck / ein Raͤthsherr der Stadt Guben / hat einrenn -433Poeterey dritten Zeit. rennliches und wollgeſetztes Teutſches Carmen geſchrieben / deſſen Geiſtlicher Sion und irrdiſcher Helicon hervorge - geben / worinnen viel ſchoͤner Geiſtlicher und Weltlicher Lieder ſich befinden. Der Herr Buchner / als der verſtaͤndigſte Richter in dieſen Dingen / hat ihm ein groſſes Lob beygelegt: Poêmatibus tuis ſpricht er / nec ipſæ Muſæ Muſicæ ma - gis. Ita & dictionis venuſtate & inventio - num præſtantiâ ſe approbabant, ut de ſe jure poſſint jactare, quod Flaccus olim de ſe: Odi profanum vulgus & arceo. Es iſt in - ſonderheit die vielfaͤltige Veraͤnderung des Vater Unſers / die er in ſeiner Va - ter-Unſers-Harffe darſtellet / verwun - derns wuͤrdig. Dann er hat dreyhun - dert drey und dreißig mahl daſſelbe um - geſetzet. Harſtoͤrffer / Betulius von Bircken / Klai / haben viele Dinge ſo wol in gebundener als loſer Rede ge - ſchrieben / denen es nicht an Geiſt / Er - findung / ſinnreicher Außbildung fehlet. Aber es iſt doch etwas frembdes dabey /e edaß434Das IX. Cap. Von der Teutſchendaß in den Ohren der Schleſier und Meißner nicht wol klinget. Sie ge - brauchen gewiſſe Freybeiten in verſe - tzungen und beſchneidungen der Woͤrter / fuͤgung der Rede / und in dem numero, daß den etwas unlieblich lautet. Die Bayern / Tyroler und Oeſterreicher ha - ben keine ſonderliche art im Poetiſiren / und weiß ich deren keine zu nennen. Dann ihre Sprache und Mundart iſt unfreundlich / deßhalben die Tichterey frembd und unlieblich. Scioppius hat in ſeinen Conſultationibus p. 29. die Grob - heit ihrer Sprache weitlaͤufftig beſchrie - ben / und inſonderheit den Wieniſchen Bi - ſchoff Melchiorem Cleſeliũ, der doch inſon - derheit der Teutſchen Sprache Zierlichkeit ſich angelegen ſein laſſen / heßlich durch ge - zogen / und ſeine Idiotismos Bavaricos ihm vorgehalten. Auß dieſer Urſache / halte ich / ſein des Jacobi Balde eines Bayern Carmina, die er ſeinen Lateiniſchen de Vanitate Mundi mit eingemiſcht / ſo un - foͤrmlich und hart / ob gleich die Sachengut435Poeterey andern Zeit. gut ſein. Des Herrn Chriſtian Wei - ſen Teutſche Gedichte / die vor etlichen Jahren hervor gekommen moͤgen billig unter die beſten Gebuhrten dieſer Zeit gerechnet werden. In der Schertzhaff - ten art iſt er unvergleichlich / wie ſoͤlches ſeine uͤber fluͤßige Gedancken / und andere Satyriſche Schrifften darthun Wir koͤnten hier eine gantze Menge teutſcher Poeten herbey bringen / als Zeſens / Caldenbachs / Neumarckeu / Flei - ſchers / Schirmers / Sibers / Hel - den / Schochs und anderer / und koͤn - te viel von ihnen / wie auch von den obi - gen geſagt werden. Aber ich werde mich nicht unter nehmen allhie den Richterſtab zufuͤhren / und wird es im folgenden offters Gelegenheit geben / eines und an - dern an gehoͤrigem Ohrte zu gedencken / daß es alſo nicht noͤthig uns hiemit auff - zuhalten. Wir haben der er ſo wol bekan - ten als unbekanten Tichter gar keinen Mangel / und fehle[t]wenig daß die Tich - terey nicht gar den Handwerckern untere e 4die436Das IX. Cap. Von der Teutſchendie Faͤuſte geraͤht. Wer einen Reim zuſammen ſetzen kan / der ſchreibet ſchon unmer drauff loß / und weiß doch im grunde nicht / worin die rechte zierlich - keit eines Verſes beſtehet. Wieder der - gleichen unzeitige Reimer iſt eine gar finnreiche Satyriſche Schrifft geſchrie - ben von jemand der ſich Hartmann Reinhold nennet. Dieſer ſey wer er wolle / ſo hat er traun dieſelbe ſo artig abgemahlet / daß nichts druͤber iſt: Dañ es iſt eine perpetua μίμησις, und Unterrich - tung eines naͤrriſchen Verſemachers. Es iſt ohne Zweiffel derſelbe Autor der den kurtzweiligen Redner neulich geſchrie - ben / worinnen viel auß dieſem Buche wieder holet / wird / der ſonſt auß andren Schrifften wol bekant. Die Uberſchrifft dieſes Buchs iſt Reime dich oder ich freſſe dich Antipericatametaparnabeuge damphirribificationes Poëticæ, oder Schel - len und Scheltens wuͤrdige Thorheit Bœotiſcher Poeten in Teutſchland Hans Wurſten zu ſonderbahren Nutzen undEhren437Poeterey dritten Zeit. Ehren vorgeſtellet. Wer eine Ergetzung bey muͤßigen Stunden ſuchet / wird ſeine Muͤhe bey durchleſung dieſes Buches nicht uͤbel anlegen. Ich muß zwar be - kennen / daß bißweilen auch bey den ge - meinen ungelehrten Leuten ein Tichter - Geiſt ſich erreget / ſich uͤber deren Ver - ſtand erhebet / und was ungemeines bey ſich fuͤhret / wie dann der jenige Baur Benedictus geweſen / deſſen Jan. Nic. Ery - thræus gedencket / welcher nach verrichte - ter Baurarbeit Verſe geſchrieben / und unter andern IIluſtre poëma, (wie ers nennet) quod cum omnibus ab aliis editis eruditione elegantiaque æquari conferriq; poſſe videatur, de Ignatio Lojolâ Soc. Jeſu fundatore. Aber es iſt dieſes mehr dem Trieb der Natur als der Kunſt zuzuſchrei - ben. Des Gabriel Voigtlaͤndern eines Trompeters Lieder haben viel artiger Einfaͤlle / ob ſie gleich nicht nachder kunſt gemacht. Hingegen ſein gelehrte Leute die in Lateiniſcher Sprache die groͤſten Poeten ſein / und in Teutſcher gantze e 3auß -438Das IX. Cap. Von der Teutſchenaußaꝛtẽ / nach des Ennii aꝛt /[i]ngenio maximi, arterudes, wie Jacob Balde in ſeinen Teut - ſchen Carminibus de vanitate Mundi und Zacharias Lundius in ſeinen Teutſchen Po - ematibus, die doch beyde ſchoͤne Latei - niſche Carmina geſchrieben. So haben auch des Herrn Johannis Freinshemii, der doch ein grundgelehrter Philologus geweſen / Teutſche Carmina, nicht dieſel - art / die wir an andern ſehen. Man findet ſelten die Vollkommenheit in bey - den Sprachen beyſammen. Vor allen dingen muß allhie nicht vorbey gegangen werden / daß wir in Teutſchland Frau - ensperſonen gehabt / und auch noch zur Zeit haben / die die Maͤnner ſelbſt in der Tichtkunſt beſchaͤmen koͤnnen. Um das Jahr 1638. lebte Sibylla Schwar - tzin / Herrn Cbriſtian Schwartzen Fuͤrſtlichen Pommeriſchen geheimen Landraths uñ Burge&rrNneiſtern der Stadt Greiffswald Tochter. Dieſe war traun ein Wunder ihrer Zeit / dann ſie hat von dem dreyzehenden Jahr ihres Altersbiß439Poeterey dritten Zeit. biß zum ſiebenzehnden / worin ſie ſeel gen Todes verblichen / Verſe geſchrieben / die vor ſolche zarte Jugend und zwar einer Frauenperſon / unvergleichlich ſein. Da zu derſelben Zeit Maͤnner / die in ihrem vollſtaͤndigen Alter / und nachgehends keinen geringen Ruhm in der Poeſie er - worben / ihr beyweiten nicht gleich ge - than. Nach ihrem Tod ſein ihre Verſe von M. Samuel Gerlach zu Dantzig Anno 1650. in 4to heraußgegeben / und mit des Herrn Paſtorii und Herrn Tini auffrichtigen Lobſpruͤchen beehret Dañ es iſt der Warheit aller dings gemaͤß / was Herr Titius von ihr ſchreibet:

Hæc fuerat, ſi quà potuisſent rumpere ſata
Teutonici Virgo gloria prima Chori.
Quos olim cantus annis provecta dediſſet,
Tam docto tangens ungue puella chelyn!

Weiln nun ihre Getichte in weniger Haͤn - de ſein / ſo will ich einige wenige Verſ[e]hieher ſetzen / Ut quemadmodum ex an - gue Leo, ita vel ex uno folio hæc Sibylla æſti - metur. Es leſe einer das Schimpfflied /e e 4wel -440Das IX. Cap. Von der Teutſchenwelches ſie auff den unadelichen Adel ge - ſchrieben; es iſt warlich ſo ſinnr eich und ſtachlicht / als etwas koͤnte von dem beſten Geiſte erdacht werden. Zur Probe ſein etzliche Strophen aus dieſem Liede:

Wer den Weg der Demuth kennet / Der iſt edel nur allein. Wer ſich ſelbſt unedel nennet / Der mag zweymahl edel ſein. Der iſt edel von Gemuͤth / Und nicht ſchlecht nur von Gebluͤht.
Marius will nicht viel preiſen Seiner Ahnen Ruhm und Schild / Sondern will viel lieber weiſen An ihm ſelbſt der Eltern Bild. Denn es ſind nur bleiche Wangen / Die mit frembder Roͤthe prangen.

Die andern Strophen die wir kuͤrtze hal - ber nicht hieher ſetzen ſein gleiches Schla - ges. Die Sonneten / die ſie geſchrieben / ſein alle ſo gut als ſie ſein koͤnnen. Zur Probe ſey dieſes:

Iſt Lieb ein Feur und kan das Eiſen ſchmiegen /
Bin ich voll Feur und voller Liebes Pein /
Wovon mag doch der liebſten Hertze ſein?
Waus Eiſern waͤr / ſo wuͤrd es mir erliegen /
Wanns441Poeterey dritten Zeit.
Wanns Guͤlden waͤr / ſo wuͤrd ichs koͤnnen biegen
Durch meine Gluht / ſolls aber fleiſchern ſein /
So ſchließ ich fort: Es iſt ein fleiſchern Stein.
Doch kan mich nicht ein Stein / wie ſie betriegen.
Iſts dann wie Froſt / wie kalter Schnee und Eiß;
Wie preßt ſie dann aͤus mir den Liebes-Schweiß?
Mich daucht: Ihr Hertz iſt wie die Loorberblaͤtter /
Die nicht beruͤhrt ein ſtarcker Donnerkeil.
Sie / ſie verlaeht / Cupido / deine Pfeil.
Und iſt befreit fuͤr deinem Donnerwetter.

Die andern uͤbertreffen ſchier dieſes an - gefuͤhrte Exempel. Worauß dann zuſe - hen / was in ihr fuͤr ein groſſer Geiſt ge - ſtecket / der in ſo zartem Alter ſchon ſol - chen hellen Schein von ſich gegeben. Dieſes nimt mich aber Wunder / daß man ſie nicht in groͤſſer Hochachtung gehalten / ſondern noch dazu dieſer groſ - ſen Gaben halber verleumbdet / woruͤber ſie hin und wieder klaget / welches ein un - fehlbahres Kennzeichen der ungeſchliffen - ſten Grobheit iſt. Die alten Griechen und Roͤmer / ja auch noch heute die Auß - laͤnder haͤtten vielmehr unter ſolchen E - xempeln die Ehre ihrer Nation geſucht;e e 5wie442Das IX. Cap. Von der Teutſchenwie ſie dann dergleichen nicht verſchwei - gen / kaum aber eins daß dieſem gleich in ſolchem Alter werden hervor bringen koͤnnen. Wir haben zu unſer Zeit noch ein groͤſſers Exempel an J. Exc. des Hn. Baron Caroli von Frieſen Fraͤulein Tochter / Henrietta Catharina / ietzo J. Exc. des Herrn Baron von Gerſtoͤrffen Gemahl gehabt / die nicht allein unter - ſchiedliche vortrefliche Teutſche und Lateiniſche auff J. Chur-Fuͤrſtl. Durchl. von Sachſen in erſter Jugend geſchriebene Getichte / welche von dero hohen Hand zu empfangen ich gewuͤrdi - get worden / heraußgegeben; ſondern in andern Sprachen und Wiſſenſchafften eine ungemeine Vollkommenheit erlan - get; deꝛo voꝛtꝛefliches Lob ob ich zwar nicht ſatſam erheben kan / und ſie vielmehr ſelbſt ſolches zu verhelen ſuchet / ſo hat doch die Ehre unſers Vaterlandes nicht zugeben wollen / daß ich ſolches mit ſtill - ſchweigen vorbeygehen / und dieſe unver - gleichliche Zierde unſer Zeit / ungeruͤb -met443Poeterey dritten Zeit. met laſſen ſolte Wie ich dann bereits ei - ne Lateiniſche Elegiam druͤber verfertiget. Wir muͤſſen auch allhier der Frauen Gertrud Muͤllerin des Sehl. Hn. Pe - tri Muͤllern geweſenen Med. D. und Pro - feſſoris auff der Koͤnigsbergiſchen Acade - mie, Eheliebſten / gebohrnen Eifflerin / nicht vergeſſen / welche ein Buch Teut - ſcher Oden / die ſo woll geſetzet ſein / als ſie der beſte Poet ſetzen mag / an das Licht gegeben. Es fehlet hie nicht allein nichts an Erfindung / an Eygenſchafft und zierlich - keit der Rede / an gehoͤriger Kunſtrich - tigkeit / ſondern ich darff kuͤhnlich ſagen / daß ſie einigen Tichtern unſerer Zeit / die dennoch einen Nahmen geſucht und erlanget haben weit vorzuziehen ſey: Hat ſie alſo billig das Lob verdienet / welches der Herr Titius in ſeinem ſinn - reichen Epigraͤmmate auff dero Ehelieb - ſten Tod / ihr mit recht beyleget / da er ſpricht:

Gertrudis decimum pridem jubar addim Muſis Pallados & Phæbi gloria quanta tui.
und444Das IX. Cap. Von der Teutſchen

und ferner:

Quæ manus inſcribet doctis Eifleria cedris Per maria & terras ſedula fama vehet

ſchlieſſet endlich:

Priſtina commemorent veteres miracula chartæ: Audebunt etiam ſecula noſtra loqui.

Der Carolus Ogerius gedencket in ſeinem Itinere Polonico der Conſtantiæ, des Hn. Sirenbergs vornehmen Burgerineiſters in Dantzig Jungfern Tochter / auff wel - che er eine Lateiniſche Elegiam geſchrie - ben / und in derſelben ein unvergleichli - ches Lob ihr beygelegt / nennet ſie Sire - nem Balthicam. Es ſein noch andere Exempel bey uns verhanden / deren der Herr Thomaſius in ſeiner Diſſertation de Eruditione Feminarum gedencket / und die mir theils ſonſten bekant / von denen mir aber nichts ſonderliches zu handen kommen: deren Ruhm ich ietzo mit ver - ſchweigung ihres Nahmens nichts entzo - gen haben will. Ich halte traun den Ruhm der Frauen / den ſie aus der Po - eterey erlanget / viel hoͤher als den Ruhmder445Poeterey dritten Zeit. der Maͤnner - Denn es iſt gar ein un - billiges Urtheil des vornehmen Arabi - ſchen Poeten Pharezdaki, welcher / da er ein ſehr ſchoͤnes Carmen einer Araberin geleſen / geſagt: (wie Pocokius in der Vor - rede ſeiner Anmerckungen uͤber das Ara - biſche Carmen Tograi erzehlet) Galli can - tum cum Gallina imitatur iuguletur: Wann die Henne wie der Hahn ſinget / muß man ihr den Halß ab - ſchneiden. Sonſten hat man in dieſer Zeit mit a[ll]em Ernſt die Verbeſſerung der Teutſchen Sprache fortgeſetzet / und nach dem Exempel der Frantzoſen und Italiaͤ - ner / ſonderliche zu dieſen Zweg zielende Geſellſch[a]fften angeſtellet. Worunter inſonder[h]eit die ſo genante Fruchtbrin - gende / d[a]runter auch Fuͤrſtliche Perſo - nen ſich[b]efinden / den Vorzug hat / durch deren Stifftung viel gutes erfolget / und viel tre[ffl]icher Buͤcher hervor gekommen. Von i[hr]em Urſprung / Satzung / Vorha - hen / G[l]iedern / hat der ſo genandte unver - droſſe[n]Carl Chriſtoph von Hille eineige -446Das IX. Cap. Von der Teutſcheneigenes Buch unter dem Nahmen des Teutſchens Palmbaums heraußgegeben. Nachgehends haben auch andere dieſem Exempel gefolget / und andere Geſellſchaff - ten angeſtellet. Aber es iſt dadurch zu vielen thoͤrichten Weſen anlaß gegeben / davon allhie nichts weiters zu erwehnen. Wir laſſen dieſe als ietzo bekandte dinge fahren / und ſchreiten zum dritten Theil.

Drit -447

III. Theil. Von der Teutſchen Poeterey an ihr ſelbſten.

Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeit der Teutſchen Sprache / und deren faͤhigkeit zur Poeterey.

Einhalt. DEr Teutſchen Sprache Zierlichkeit. Die Teutſchen haben ſie ſelbſt verkleinert. Sie wird bey den Autoribus barba[r]a lingua genannt. Iſ. Voſſius verachtet die heutige Teut - ſche Sprache ohne Fug. Die harten dialecti koͤnnen dieſelbe an ſich nicht verunzie - ren. Der Bayern und Deſterreicher Außrede wiꝛd von Scioppio nicht unbillig getadelt. Des Herrn Conringii und Herrn Praſchen Urtheil von der treflichkeit der Teutſchen Sprache. Caroli M. teutſche Grammatica. Teutſche Sprache hat ſich weit erſtrecket. Ott[f]ridus und Trithemius haben die Teutſche Sprache auch zu verbeſſern geſuchat. Des Keyſers Maximiliani loͤblicher Vorſatz. Ur -theil448Das I. Cap. Von der Kunſtrichtigkeittheil von der Teutſchen Grammatica auß dem Bibliandro. Adami Bohorizi Arcticæ horulæ ſucciſivæ. Joannis Grachi Pierii, Ladislai Sunt - heim, Johann Bruͤcken / Alſtedii, Laurentii Al - berti Oſtro Franck / Valentin Ickelſammer / Johan - nis Claii, Teutſche Grammatiken. Herrn Schottels Teutſche Sprach-Arbeit. Claubergius hat de Cauſis linguæ Germanicæ ſchreiben wollen. Teutſche Sprache iſt vor andern ſonderlich zu er - heben. Allgemeine Sprach-Arbeit. Carteſii Urtheil von eineꝛ Eꝛfindung eineꝛ Linguæ Univerſalis.