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erſte Grundlehren des jezigen Europaͤiſchen Voͤlcker-Rechts, in Fridens - und Kriegs - Zeiten.
Zu finden beyGabriel Nicolaus Raſpe, Buchhaͤndlern inNuͤrnberg. 1778.

Vorrede.

Gegenwaͤrtige erſte Grundlehren ſeynd, auf des regierenden Herrn Herzogs zu Wuͤrtemberg Herzoglichen Durchlaucht gnaͤdig - ſten Befehl, zum Behuf Hoͤchſt-Deroſelben Militar-Academie abgefaſſet worden.

Ich habe wohlbedaͤchtlich meine Abſicht und Arbeit 1. bloß auf diejenige Handlungen und Begebenheiten eingeſchraͤnckt, welche a) un - ſtreitig unter denen unabhaͤngigen Staaten in Europa in beſtaͤndiger Uebung ſeynd, oder b) ſich ſonſt von Zeit zu Zeit wuͤrcklich zugetragen haben; weil ich keine bloß moͤgliche Faͤlle zu un - terſuchen, noch ein bloß in dem Gehirn der Ge - lehrten exiſtirendes-ideaͤliſches-ſondern ein wuͤrckliches-Europaͤiſches Voͤlckerrecht lehren): (2will;Vorrede. will; aus welchem ſich deßwegen die etwa neu - entſtehende Faͤlle dennoch, der Analogie deſſel - bigen gemaͤß, entſcheiden laſſen werden.

2. Ich habe bloß die Handlungen und Be - gebenheiten vorgeſtellet, wie ſie nun einmal ſeynd, oder ſich zugetragen haben, ohne dar - uͤber zu philoſophiren, oder zu raiſoniren; weil a) meine (wie aller anderer Gelehrten,) Meinung und Denckensart doch der Sache keinen Aus - ſchlag geben kan noch wird, noch irgend ein Staat ſeine Grundſaͤze und Handlungsweiſe deßwegen im geringſten aͤndern wuͤrde, und b) weil ich das Europaͤiſche Voͤlckerrecht nicht vor - ſtellen wollte, wie es ſeyn koͤnnte, oder auch ſollte; ſondern wie es wuͤrcklich uͤblich iſt.

Wie ich aber deßwegen einem Grotio, von Wolef, von Vattel, und Anderen, durchaus nicht verarge, wann ſelbige, nach ihrem Plan, mehr Theorie und Raiſonemens, hingegen weniger moderne Beyſpile, als ich, in ihre Schrifften haben einflieſſen laſſen; ſo wer - den hinwiederum billige Leſer es mir nicht als ei - nen Fehler, oder gar als einen Mangel der Faͤhigkeit, ſelber dencken zu koͤnnen, aufrechnen, daß ich, nach meinem Plan, (der gewiß auchunterVorrede. unter denckenden Koͤpfen ſeine Kenner und Lieb - haber finden wird,) mich um ſo mehr beſagten philoſophirens enthalten habe, als ohnehin die Schrancken diſes Lehrbuchs und der zu deſſen Erklaͤrung beſtimmten Zeit es unmoͤglich geſtat - tet haͤtten, oder ich doch dagegen manch-ande - res brauchbares haͤtte hinweglaſſen muͤſſen: Und es bleibt ja doch jedem, der diſes muͤndlich zu erklaͤren hat, frey, die Staͤrcke oder Schwaͤche ſeines Geiſtes und ſeiner Erfahrung in denen uͤber das, was Facti iſt, anzuſtellenden Be - trachtungen nach Gefallen und Kraͤfften zu zeigen.

3. Da ich ein - und zwar jeziges-Euro - paͤiſches Voͤlckerrecht lehre; ſo habe ich mich a) alles deſſen enthalten, was unter andern al - ten oder neuen Voͤlckern uͤblich oder vorgefallen iſt, auch b) ſelbſt von denen Europaͤiſchen Staa - ten nur dasjenige mitgenommen, was hoͤchſtens in das leztvorige Jahrhundert einſchlaͤget; am allermeiſten aber habe ich mich bey denen aller - neueſten Zeiten aufgehalten.

4. Einige Saͤze gehoͤren zwar nicht unmit - telbar in das Europaͤiſche Voͤlckerrecht; ich ha - be ſie aber kurz zu Grunde legen muͤſſen, um): (3dasVorrede. das eigentliche Voͤlckerrecht darauf erbauen zu koͤnnen.

3. Der ungeheuer groſſe Umfang diſer Wiſ - ſenſchafft, und die vile tauſend Faͤlle, ſo ſich in dergleichen ereignet haben, und zur Kenntniß des Publici gediehen ſeynd, reichen zwar kaum hin, ſelbſt von dem allernoͤthigſt - und brauch - barſten nur das allerwenigſte zu ſagen; indeſſen dienen doch diſe Saͤze und die Beyſpile, (wel - che offt kurz beruͤhrt worden ſeynd, offt aber auch nur in der Ferne auf ſie geditten worden iſt,) zu einem Leitfaden, wie man durch Leſung guter Schrifften, ja der taͤglichen Zeitungen, und Erfahrung, immer weiter hierinn kommen koͤnne.

6. Endlich wollen diejenige, welche nicht alle ſich wuͤrcklich ereignete Faͤlle hier antreffen, nicht glauben, als ob ſie mir nicht bekannt waͤren; ſondern es hat, (ſchon beruͤhrter maſſen,) der Plaz kein mehreres geſtattet: Und wer meine aͤltere Grundſaͤze des jezt-uͤblichen Euro - paͤiſchen Voͤlckerrechts, und die in Kriegs - zeiten nachſchlagen mag, wird noch vile hun - derte antreffen, die ich hier habe uͤbergehen muͤſſen.

Inn -

Innhalt.

  • 1. Cap. Von dem Voͤlckerrecht uͤberhaupt, und dem Europaͤiſchen ins beſondere. S. 1.
  • 2. Cap. Von Europa, als einem gewiſſer maſ - ſen einigen Staatscoͤrper. S. 18.
  • 3. Cap. Von der Souverainen Perſonen und Familien. S. 32.
  • 4. Cap. Von dem Ceremoniel. S. 53.
  • 5. Cap. Von Geſandtſchafften und Verſchickun - gen. S. 70.
  • 6. Cap. Von der Souverainen Landen und Meeren. S. 128.
  • 7. Cap. Von der Souverainen Bedienten und Unterthanen uͤberhaupt. S. 137.
  • 8. Cap. Von Religions-Sachen. S. 147.
  • 9. Cap. Von Staats-Sachen. S. 152.
  • 10. Cap. Von Juſtiz-Sachen. S. 158.
11. Cap.Innhalt.
  • 11. Cap. Vom Militar - und Seeweſen. S. 164.
  • 12. Cap. Von Cameral-Sachen. S. 171.
  • 13. Cap. Von Gnaden-Sachen. S. 174.
  • 14. Cap. Von Handlungs - und Muͤnz-Sa - chen. S. 177.
  • 15. Cap. Von Policey-Sachen. S. 190.
  • 16. Cap. Von Tractaten, beſonders Buͤndniſ - ſen, auch Garantien. S. 194.
  • 17. Cap. Von Anſpruͤchen, Beſchwerden, Strei - tigkeiten und Vermittelungen. S. 209.
  • 18. Cap. Von der Selbſthuͤlff, Retorſion, Ar - reſten und Repreſſalien. S. 218.
  • 19. Cap. Vom Krieg. S. 224.
  • 20. Cap. Von Alliirten, Huͤlffsvoͤlckern und Subſidien. S. 256.
  • 21. Cap. Von der Neutralitaͤt. S. 265.
  • 22. Cap. Von Waffenſtillſtaͤnden und Fridens - ſchluͤſſen. S. 274.
Erſtes
[1]

Erſtes Capitel. Von dem Voͤlckerrecht uͤberhaupt, und dem Europaͤiſchen ins beſon - dere.

Von dem Voͤlckerrecht uͤberhaupt.

§. 1.

Das Voͤlckerrecht, in engerem Verſtand, iſt ein Innbegriff des Verhaͤltniſſes, oder der Gerechtſamen und Pflichten, 1. derer von einander unabhaͤngigen Staaten oder Voͤlcker, 2. ſo auch ihrer Regenten und Haͤupter, nicht weniger 3. derer Unterthanen in diſen Staaten als ſolcher, unter und gegen einander; was mithin an und fuͤr ſich eine wahre Verbindlich - keit mit ſich fuͤhret:

§. 2.

In weitlaͤufftigerem Verſtand aber wird auch das mit darunter gerechnet, was an undAfuͤr21. Capitel. fuͤr ſich keine wahre Verbindlichkeit nach ſich ziehet, ſondern bey geſitteten Voͤlckern, 1. auf der Billigkeit, 2. dem Wohlſtand, oder 3. auf dem Herkommen in willkuͤhrlichen, und ſonſten freyen, Handlungen beruhet.

§. 3.

Es gibt wuͤrcklich ein natuͤrliches und allge - meines Voͤlckerrecht; ſo dann koͤnnte es auch vile poſitive oder beſondere Voͤlckerrechte geben.

§. 4.

Das natuͤrliche Voͤlckerrecht iſt ein Theil des allgemeinen Naturrechts, oder derjenigen Erkenntniß, welche GOtt der Natur der Men - ſchen von deme eingepflanzet hat, was gut oder boͤſe iſt, und was ins beſondere die Gerechtſa - me und Pflichten derer einzelnen und mehreren Menſchen unter und gegen einander ſeynd.

§. 5.

Haben es nun einzelne oder wenige Men - ſchen, z. E. Familien, mit einander zu thun; ſo wird es das allgemeine privat-Naturrecht genannt:

Haben es Regenten und Unterthanen mit einander zu thun; ſo heißt es das natuͤrliche all - gemeine Staatsrecht:

Haben es endlich ganze Nationen, oder de - ren Regenten, oder Unterthanen, als ſolche, mit einander zu thun; ſo iſt es ein natuͤrliches allgemeines Voͤlckerrecht.

§. 6.3Vom Europ. Voͤlckerrecht.

§. 6.

Die erſte Grundſaͤze ſollten in allen dreyen Gattungen einerley ſeyn, und die Gerechtſame und Pflichten derer einzelnen Menſchen und Familien ſollten auch bey ganzen Staaten und zwiſchen ganzen Voͤlckern, (welche moraliſche Menſchen und Familien im großen, wie jene im kleinen, vorſtellen,) Plaz greiffen:

§. 7.

Gleichwie aber die Gelebrte je laͤnger je mehr auch in denen erſten Grundſaͤzen des privat - Naturrechts bey nahe alles willkuͤhrlich machen, und jeder ſich ein Naturrecht nach ſeiner eigenen Einſicht, Leidenſchafften, Convenienz und Nu - zen bildet; ſo macht man es auch mit dem all - gemeinen Staats - und Voͤlckerrecht:

Und die große Herrn machen es in ihren Handlungen und Staatsſchrifften eben ſo.

§. 8.

Gar viles wird auch in theſi und oͤffentlich als unerlaubt erklaͤrt, das man doch bey allen Gelegenheiten, offentlich oder in der Stille, ſelber thut.

§. 9.

Bey diſen Umſtaͤnden bleibt, wann es zu wuͤrcklichen Streitigkeiten kommt, offt wenig genug von dem allgemeinen Voͤlckerrecht uͤbrig, was als unſtreitig wahr und verbindlich erkannt wird; ja man erkennet, (nach Erforderniß ſei -A 2nes41. Capitel. nes privat-Nuzens oder Schadens,) zu einer Zeit etwas vor wahr und verbindlich, verthei - digt es auch wo[hl]mit groͤſtem Eifer und Hize, was man doch zu anderer Zeit als ungegruͤndet erklaͤret, widerſpricht, und mit eben ſo groſſem Eifer und Hize widerlegt.

§. 10.

Indeſſen gehen rechtſchaffene und unpar - theyiſche groſſe Herrn, Miniſters, Raͤthe und Lehrer, auch hierinnen, nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen, gerade hindurch, und gruͤnden ihr pri - vat-Naturrecht, das allgemeine Staatsrecht, und das allgemeine Voͤlckerrecht, auf ſolche Saͤze, welche, wann ſie befolget werden, die Ruhe, Sicherheit, Zufridenheit, und uͤbrige Gluͤckſeligkeit, des menſchlichen Geſchlechts be - foͤrderen.

Gelehrte Geſchichte des natuͤrlichen Voͤl - ckerrechts. (1)Man ſehe H. Kahlens Biblioth. philoſoph. Tom. 2. Cap. 3. p. 312. ſqq.

§. 11.

Die Unterſuch - und Ausarbeitung des gan - zen Naturrechts, und beſonders auch des na - tuͤrlichen Voͤlckerrechts, bliebe biß in das 17de Jahrhundert eine unbekannte Sache.

§. 12.

Hugo de Groot, oder Grotius, gabe An. 1625. 4. erſtmals ſein Werck de jureBelli5Vom Europ. Voͤlckerrecht. Belli & Pacis heraus; darinn er einen groſſen Theil des allgemeinen Voͤlckerrechts in ein Sy - ſtem brachte, und ſeine Saͤze ſonderlich aus de - nen Geſchichten und Handlungen der Griechen und Roͤmer erlaͤuterte.

§. 13.

Sam. Puffendorff in ſeinem Werck: de Jure Naturæ & Gentium, (ſo erſtmals zu Lunden in Schweden 1672. 4. herauskame,) ergaͤnzte Grotium in manchem.

§. 14.

Auf ſelbige ſeynd eine Menge anderer gu - ter, mittelmaͤßiger und ſchlechter, Schrifften - ſteller gefolget, welche theils das ganze Natur - und Voͤlckerrecht zuſammen, theils das allge - meine Voͤlckerrecht allein, abgehandelt haben; bey denen ich mich aber nicht aufhalten kan.

Unter die beruͤhmteſte und neueſte theoreti - ſche Schrifften gehoͤret: Chriſtiani de Wolff Jus Gentium. Halle, 1749. 4.

Aus allen uͤbrigen will ich nur etlicher ge - dencken, welche meiner Abſicht am naͤchſten kommen, weil ſie ihre Saͤze zuweilen aus denen Europaͤiſchen neueſten Staatsbegebenheiten, Ge - ſchichten und Handlungen erlaͤuteret haben. Selbige ſeynd:

Ad. Frid. Glafeys Vernunfft - und Voͤl - cker-Recht; Franckfurt und Leipzig, 1723. 4. oder, nach der 2ten und 3ten Auflage, leztmalsA 31746.61. Capitel. 1746. 4. unter dem Titul: Recht der Ver - nunfft; deſſen dritter Theil aber, ſo das Recht des Krieges und Fridens enthalten ſollte, nicht zum Vorſchein gekommen iſt.

Um viles vorzuͤglicher iſt:

  • de Vattel (Emer. ) le Droit des Gens, ou principes de la Loi naturelle, appliques à la conduite & aux Affaires des Nations & des Souverains. 2. Tomes. à Lon - dres, 1758. 4.

auch teutſch unter dem Titul:

  • Des Herrn von Vattels Voͤlckerrecht; oder gruͤndliche Anweiſung, wie die Grundſaͤze des natuͤrlichen Rechts auf das Betragen und auf die Angelegenheiten der Nationen und Souveraͤne angewendet werden muͤſſen. 3. Theile. Aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſezt von Johann Philipp Schulin. Franckfurt und Leipzig, 1760. 8.

Der Titul paſſet aber nicht ganz; indeme der ganze 1ſte Theil, und ſo auch manches von dem uͤbrigen, nichts von dem Voͤlckerrecht, ſondern das natuͤrliche oder allgemeine Staatsrecht und Staatsklugheit, enthaͤlt.

  • Precis du Droit des Gens, de la Guerre, de la Paix & des Ambaſſades, par Mr. le Vicomte de la Maillardiere. 1. Vol. Paris, 1775. 12.

iſt theoretiſch und practiſch: Aber ſehr kurz, undent -7Vom Europ. Voͤlckerrecht. enthaͤlt die wenigſte zu dem Umfang des Voͤl - ckerrechts gehoͤrige Materien.

Von dem Europaͤiſchen Voͤlckerrecht. (1)ſ. H. Nettelbladt Init. Hiſtor. litter. Jurid. (1774.) §. 307. p. 303. §. 549. ſqq. p. 489. ſqq.

§. 15.

Unter ſo vilen auf dem Erdboden befindli - chen Voͤlckern koͤnnte es zwar, (obbeſagter maſ - ſen,) allerdings mehrere beſondere und poſitive Voͤlckerrechte geben; man wird aber uͤberall nicht auch nur etwas weniges oder aͤhnliches dergleichen antreffen, auſſer in Europa.

§. 16.

Auch diſes Europaͤiſche Voͤlckerrecht kan in engerem oder weiterem Verſtand genommen werden.

§. 17.

In engerem Verſtand iſt es ein Innbe - griff des Verhaͤltniſſes, oder der Gerechtſamen und Pflichten, 1. derer Europaͤiſchen (abſon - derlich der Chriſtlichen,) von einander unabhaͤn - giger Staaten oder Voͤlcker, 2. ſo auch ihrer Regenten und Haͤupter, nicht weniger 3. derer Unterthanen in diſen Staaten, als ſolcher, un - ter und gegen einander; was mithin an und fuͤr ſich eine wahre Verbindlichkeit mit ſich fuͤhret.

A 4§. 18.81. Capitel.

§. 18.

In weitlaͤufftigerem Verſtand aber wird auch das mit darunter gerechnet, was an und fuͤr ſich keine wahre Verbindlichkeit nach ſich ziehet, ſondern bloß 1. auf der Billigkeit, 2. dem Wohlſtand, oder 3. auf dem Herkommen in willkuͤhrlichen und ſonſten freyen Handlungen derer Europaͤiſchen Souverainen und Nationen beruhet.

§. 19.

Hier wird das Europaͤiſche Voͤlckerrecht in dem lezteren Verſtand genommen.

§. 20.

Die Gruͤnde, worauf ſelbiges hauptſaͤchlich gebauet iſt, ſeynd: 1. Das allgemeine Voͤlcker - recht; 2. die Vertraͤge, und 3. das Herkommen.

§. 21.

Die Grundſaͤze des allgemeinen und des Europaͤiſchen Voͤlckerrechts koͤnnen wohl neben einander ſtehen, ſollten es auch; und in theſi widerſpricht man es nicht: Wann es aber zu einzelnen Faͤllen kommt, collidiren ſie offt gar ſehr mit einander, und ſchlaͤget das oben ſchon davon geſagte auch hieher an.

§. 22.

Allgemeine ausdruͤckliche oder ſchrifftliche Vertraͤge zwiſchen allen, oder auch nur allen chriſtlichen, Staaten in Europa, gibt es keine:

Hingegen deſto mehrere zwiſchen etlichen oder mehreren Europaͤiſchen Machten.

§. 23.9Vom Europ. Voͤlckerrecht.

§. 23.

Verzeichniſſe derſelben, nebſt Anzeigen de - rer Stellen, wo ſelbige anzutreffen ſeyen, findet man in Peter Georgisch Regeſtis chrono - logico-diplomaticis. (Halle,) 1740. 44. fol.

§. 24.

Ganz kurze Auszuͤge, nebſt einigen Raiſon - nemens, liſet man in des Abbé Mably Droit public de l’Europe, ſondé ſur les Traités. Coͤlin, 1758. 12. etc. woruͤber hernach J. J. Rousset Anmerckungen gemacht hat, beede aber zu Franckfurt, 1749. 8. ins Teutſche uͤber - ſezt worden ſeynd.

Groͤſſere Auszuͤge trifft man an in Joh. Jac. Schmaussens Corpore Juris Gentium academico, Leipzig, 1730. gr. 8. einem in di - ſer Wiſſenſchafft unentbehrlichen Buch.

Die neueſte wichtigſte ganze Tractaten, mit teutſchen Ueberſezungen, ſeynd zu leſen in der ſo genannten Ruhe von Europa. 4.

Am vollſtaͤndigſten aber iſt, (nach allerley aͤlteren dergleichen Sammlungen,) des J. J. du Mont Corps univerſel diplomatique du Droit des Gens, mit Barbeyracs Supple - ment. Amſterdam, 1726. u. f. fol. welches von K. Carls I. Zeiten anfangt; davon aber das meiſte heut zu Tag unbrauchbar iſt, oder allzuſehr in das beſondere gehet.

§. 25.

Diſe Vertraͤge verbinden nun allerdingsA 5ordent -101. Capitel. ordentlicher Weiſe nur diejenige Machten, wel - che ſolche eingegangen haben:

In ſo ferne aber vile, oder die mehrere, in etwas uͤbereinſtimmen, machen ſie eine Art ei - nes Herkommens aus.

§. 26.

Das Herkommen beſtehet in dem, wie es in vorigen aͤlteren oder neueren Zeiten, in eben dergleichen oder aͤhnlichen Faͤllen unter denen Europaͤiſchen Machten oder Nationen etliche - oder vile mahle gehalten worden iſt.

§. 27.

Weil die unabhaͤngige Staaten keinen Rich - ter uͤber ſich haben; ſo halten ſie ſehr vil auf das Herkommen, und ein einiges Beyſpil von dem Beſizſtand von diſem oder jenem gilt ungleich mehr, als alle aus Grotio, Pufendorff, Wolfen u. ſ. w. anzufuͤhren moͤgliche Gruͤnde; als denen man wieder andere Gruͤnde entgegen ſezt, hingegen auf ein erwiſenes Beyſpil, daß diſes oder jenes wuͤrcklich geſchehen ſeye, nicht ſo vil antworten kan.

§. 28.

Zwar iſt es allerdings an deme, daß eben deßwegen, weil die Europaͤiſche Staaten von einander unabhaͤngig ſeynd, dasjenige, was nur zwiſchen Einigen oder Mehreren herkommens iſt, Andere durchaus nicht nothwendig, oder an und fuͤr ſich und urſpruͤnglich, zur Nachfolge ver - binde:

Man11Vom Europ. Voͤlckerrecht.

Man kan aber(1)ſ. meinen Aufſaz in der Berlin. Intellig. 1737. n. 1. und Meine Moſeriana. 1. Stuͤck, S. 72. u. f. von allen und jeden der - maligen Europaͤiſchen Machten erweiſen, daß Sie ſelbſten in ihren Staatsſchrifften dasjenige, was zwiſchen den mehreren Europaͤiſchen Staa - ten nun einmal Herkommens iſt, ſonderlich das, was ſchon von geraumer Zeit herkommens iſt, als ein Voͤlckerrecht anſehen, demſelben die Krafft und Wuͤrckung einer Verbindlichkeit zu - ſchreiben, und Sich alſo freywillig darauf erge - ben, es in anderen Faͤllen, wie Sie es fuͤr Sich anfuͤhren, alſo es hinwiederum auch gegen Sich gelten zu laſſen.

§. 29.

Wie aber ſonſt in der Welt viles bloß de facto, ohne ein darzu habendes Recht, oder auch wider alle Rechte, geſchiehet; ſo traͤget ſich dergleichen unter denen unabhaͤngigen Eu - ropaͤiſchen Staaten ebenfalls nur allzuofft zu.

§. 30.

Dem beleidigten Theil ſtehet ſolchen Falles frey, 1. entweder es zu verſchmerzen, 2. oder dagegen zu proteſtiren und die Ungerechtigkeit dem Publico zu klagen, oder 3. ſich auf die unter Souverainen uͤbliche Weiſe Huͤlffe zu ver - ſchaffen.

Auch muß ein ſolcher Herr oder Staat es ſich gefallen laſſen, daß man ihme, oder denen Seinigen, in andern aͤhnlichen Faͤllen nach glei - chen Grundſaͤzen begegnet.

§. 31.121. Capitel.

§. 31.

Gleichwie ferner manche Gruͤnde, auf denen das Europaͤiſche Voͤlckerrecht beruhet, von Zeit zu Zeit all rley Abwechslungen unterworffen ſeynd; alſo muß man auch allemal am meiſten auf das Acht haben, was die neueſte Vertraͤge und das neueſte Herkommen an die Hand geben.

§. 32.

Bey allem deme aber bleibet dennoch Man - ches in diſer Wiſſenſchafft ungewiß, ſtreitig, oder willkuͤhrlich.

§. 33.

Indeſſen hindert ſolches nicht, daß nicht die Wiſſenſchafft des Europaͤiſchen Voͤlckerrechts eine uͤberaus angenehme Beſchaͤfftigung ſeye.

§. 34.

Aber nicht nur diſes; ſondern ſie iſt auch man - cherley Perſonen von dem groͤſten Nuzen und bey nahe unentbehrlich; nemlich:

Allen denenjenigen, welche als Miniſtri, Raͤthe, oder Subalternen, in Staatsgeſchaͤff - ten mit anderen groſſen Hoͤfen, im Cabinet oder Verſchickungen, gebraucht, oder darzu nachge - zogen werden ſollen, oder Anlage, Luſt oder Befehl darzu haben, ſich zu dergleichen Ge - ſchaͤfften auf die Zukunfft qualificirt zu machen.

Und eben ſo koͤnnen auch in Kriegszeiten allen und jeden hohen und nideren Officieren gar leicht ſehr vile Faͤlle vorkommen, darinn ſiekeine13Vom Europ. Voͤlckerrecht. keine Ordre haben oder erſt einhohlen koͤnnen, ſondern ſich nach dem Kriegsgebrauch richten muͤſſen; mithin durch eine Kenntniß darinn ih - rem Herrn und ſich nuzen oder ſchaden, ſich ver - dient und beliebt machen, oder Schande und Ungnade, oder Verachtung und Beſtrafung, davon tragen koͤnnen.

§. 35.

Es iſt dahero auch erſt kuͤrzlich an eine be - ruͤhmte Univerſitaͤt von hohen Orten Befehl er - gangen, daß auf derſelben uͤber diſe Wiſſen - ſchaft geleſen werden ſolle.

Gelehrte Geſchichte des Europaͤiſchen Voͤl - ckerrechts.

§. 36.

Diſe Wiſſenſchafft iſt noch vil ſpaͤter, als das allgemeine oder natuͤrliche Voͤlckerrecht, zu bearbeiten angefangen worden; was nemlich nicht nur einzelne Materien, ſondern den ganzen Um - fang ſolcher Wiſſenſchafft, betrifft:

§. 37.

Ich ſelber ware der erſte darinn, hielte An. 1732. ein Collegium daruͤber, und fienge an, zu dem Ende heraus zu geben: Anfangsgruͤn - de der Wiſſenſchafft von der heutigen Staats - verfaſſung von Europa, und dem unter denen Europaͤiſchen Potenzien uͤblichen Voͤlcker - oder allgemeinen Staatsrecht. Tuͤbingen, 1732. 8.

An.141. Capitel.

An. 1736. haͤngte ich dem 2ten Theil mei - ner Vermiſchten Schrifften aus dem Teut - ſchen Staatsrecht an einen Entwurff einer Einleitung zu dem allerneueſten Europaͤiſchen Voͤlckerrecht in Kriegs - und Fridens-Zeiten.

Als ich An. 1749. zu Hanau eine Staats - und Canzley-Academie anlegte, wiedmete ich der 2ten Claſſe die Europaͤiſche Staatsſachen, und unter denen drey Abtheilungen derſelbigen die 2te dem neueſten Europaͤiſchen Voͤlckerrecht in Fridens - und Kriegszeiten. davon die zu Hanau, 1749. 8. gedruckte naͤhere Anzeige ꝛc. das mehrere enthaͤlt.

Diſes wurde, zum Gebrauch gedachter Aca - demie, von mir weiter ausgefuͤhrt in denen Grundſaͤzen des jeztuͤblichen Europaͤiſchen Voͤl - ckerrechts in Fridenszeiten. Hanau, 1750. 8.

Worzu hernach noch kamen: Grundſaͤze des Europaͤiſchen Voͤlckerrechts in Kriegszeiten. Tuͤbingen, 1752. 8.

Die Grundſaͤze des Voͤlckerrechts in Fri - denszeiten wurden auch (ohne mein Vorwiſſen,) zu Nuͤrnberg, 1777. 8. wieder aufgelegt.

Noch gehoͤret hieher: Mein Teutſches Auswaͤrtiges Staatsrecht. Franckfurt und Leipzig, 1772. 4. darinn das Verhaͤltniß ꝛc. des Teutſchen Reichs und derer uͤbrigen Euro - paͤiſchen Staaten gegen einander entworffen wird;

So, wie mein Teutſches Nachbarliches Staatsrecht, Franckfurt und Leipzig, 1773. 4. das15Vom Europ. Voͤlckerrecht. das Verhaͤltniß derer Teutſchen Reichsſtaͤnde, als halbſouverainer Landesherrn, unter und ge - gen einander erklaͤret.

Hauptſaͤchlich aber iſt hier zu gedencken

  • Meines Verſuchs des neueſten Europaͤiſchen Voͤlcker-Rechts in Fridens - und Kriegs - Zeiten; vornemlich aus denen Staatshand - lungen derer Europaͤiſchen Machten, auch anderen Begebenheiten, ſo ſich ſeit dem To - de Kayſer Carls VI. im Jahr 1740. zuge - tragen haben. 1ſter Theil, 1777. gr. 8.
  • Alle folgende Theile ſeynd bereits auch im Druck.

§. 38.

Uebrigens bin ich in diſem Fach bißhero ohne Nachfolger gebliben; auſſer daß nach meines ſeel. Tochtermanns, Herrn Gottfrid Achen - walls, Tode herauskamen, Deſſelben Juris Gentium Europæarum practici primæ Lineæ; fragmentum Libelli, ob b. Auctoris mortem adfecti. Goͤttingen, 1775. 8. (1)ſ. Allgem. deutſch. Biblioth. 27. Band, 1. Stuͤck, S. 144.

Und, als diſes in Druck ſolle, kommt zum Vorſchein: Grundriß eines Europaͤiſchen Voͤl - kerrechts, nach Vernunft, Vertraͤgen, Herkom - men und Analogie, mit Anwendung auf die teut - ſchen Reichsſtaͤnde. Regensburg, 1777. 8. Es iſt ein bloſſer Anfang, und der Plan von dem meinigen mercklich unterſchiden.

§. 39.161. Capitel.

§. 39.

Von Burc. Gotth. Struvens Corpore Juris Gentium, ſive Jurisprudentia heroica, ſeynd zwar nach ſeinem Tode 7. Theile, Jena, 1743. u. f. in 4. herausgekommen; welche aber noch nicht den groͤſten Theil diſes vorgehabten Wercks ausmachen, und das meiſte gehoͤret wohl in das Europaͤiſche Staats - aber nicht in das Voͤlckerrecht.

§. 40.

Eine ſo genannte Bibliothec, oder Nach - richt von denen im Druck vorhandenen, in das Europaͤiſche Voͤlckerrecht einſchlagenden, vilen Schriften uͤber einzelne Materien, und deren Beurtheilung, waͤre von ſehr groſſem Nuzen; mangelt aber noch.

§. 41.

Als Huͤlffsmittel zu diſer Wiſſenſchafft ſeynd vornemlich zu gebrauchen:

  • 1. Die Staatsſchrifften, ſo zwiſchen denen Europaͤiſchen Machten, ſonderlich in denen neueſten Zeiten, gewechſelt, oder ſonſten oͤffent - lich bekannt worden ſeynd; davon wir aber we - der ein allgemeines Verzeichniß, und noch vil weniger eine Sammlung, haben.
  • 2. Die Sammlungen von Staatshandlun - gen und Staatsſchrifften einzelner Staatsmini - ſters und Geſandten; deren wir eine groſſe Menge haben; daruͤber ein eigenes Verzeichniß auch wohl zu wuͤnſchen waͤre.
3. Die17Vom Europ. Voͤlckerrecht.
  • 3. Die Sammlungen von Staatsſchriff - ten, ſo von einzelnen Fridens - und anderen Congreſſen in ebenfalls nicht geringer Anzahl heraus ſeynd.
  • 4. Pragmatiſche und in Abſicht auf die Staatshandlungen geſchribene Geſchichte aller oder einzelner Vertraͤge, Fridens - und andere Congreſſe, u. ſ. w.
  • 5. Eben ſo abgefaßte Lebens - oder Regie - rungs-Geſchichte groſſer Herrn, wie auch derer Staatsminiſters und Geſandten der jezig - und leztvorigen Zeiten.
  • 7. So auch derer in neueren Zeiten gefuͤhr - ten Kriege und der ſich darinnen ereigneten, hie - her einſchlagenden, Vorfaͤlle.

Endlich kan eine aufmerckſame Leſung und Betrachtung derer gewoͤhnlichen Zeitungen, auch anderer periodiſcher Staatsſchrifften, zu - malen wann ſie mehrere Jahre ununterbrochen fortgeſezet wird, ſehr viles zur Erweiterung in diſer Wiſſenſchafft beytragen.

§. 42.

Schließlichen iſt auch noch Joh. Jac. Schmaussens Einleitung zu der Staats - wiſſenſchafft und Erlaͤuterung des von ihm her - ausgegebenen Corporis Juris Gentium acade - mici, und aller andern ſeit mehr als zweyen Seculis her geſchloſſenen Buͤndniſſe, Fridens - und Commercien-Tractaten; Leipzig, 1741. 2. Theile, in groß. 8. als ein in vilen hernach vorkommenden Materien uͤberaus brauchbaresBBuch,182. Capitel. Buch, ſehr zu empfehlen, und nur zu bedau - ren, daß der verſprochene dritte Theil von Hand - lungsſachen nicht herausgekommen, auch das ganze Werck nicht biß jezo von Jemanden auf gleiche Art fortgeſezet worden iſt.

§. 43.

Uebrigens tragen 1. der Umgang mit ſol - chen Staatsminiſtern und denen Subalternen, die an groſſen Hoͤfen in dergleichen Geſchaͤfften gebraucht werden, 2. Reiſen, welche (nach zuvor hinlaͤnglich erwobener Theorie,) in diſer Abſicht und mit Verſtand vorgenommen wer - den, und 3. mit der Zeit eigene Erfahrung, vollends ſo vil bey, daß man nach und nach Meiſter darinn wird.

Zweytes Capitel. Von Europa, als einem gewiſſer maſ - ſen einigen Staats-Coͤrper. (*)ſ. mein Verſuch des neueſt. Europ. Voͤlcker - Rechts, 1. Theil, S. 1.

Beſtandtheile von Europa.

§. 1.

Europa hat zu allen Zeiten aus vilen, (bald mehreren, bald wenigeren,) von einan - der unabhaͤngigen Staaten, oder Reichen und Freyſtaaten, beſtanden.

§. 2.19Von Europa, als einem ein. Staatscoͤrp.

§. 2.

Anjezo ſeynd darinn 13. Reiche, 4. groſſe Republiquen oder Freyſtaaten; ſo dann der Johanniter-Orden und einige kleine Republi - quen: Auch wird der Roͤm. Pabſt mit unter die weltliche Souverainen gerechnet.

§. 3.

Hierzu kommen, in ſeiner Art, und in vilen in das Voͤlckerrecht einſchlagenden Faͤllen, ge - wiſſe halb-ſouveraine Herrn und Republiquen; nemlich

  • 1. die Chur - und Fuͤrſten, auch uͤbrige Staͤnde des heil. Roͤmiſchen - oder Teutſchen Reichs;
  • 2. Die (von Rechtswegen ebenfalls unter dem Roͤm. Kayſer und Reich ſtehende,) groſſe Italiaͤniſche Herrn, Toſcana, Parma, und Modena;
  • 3. Der unter Polen ſtehende Herzog von Curland wie auch 4. Danzig.

§. 4.

Zuweilen beſizet Ein Herr, oder doch Ein Haus, 1. etliche unabhaͤngige Reiche, oder auch 2. etliche halbſouveraine Staaten, oder 3. beederley zugleich:

Und zwar entweder nur fuͤr ſeine Perſon, oder aber erblich.

*)Beyſpile: Oeſterreich; Koͤnige, die Lan - de in Teutſchland haben; K. Friderich I. in Schweden; Polen und Chur-Sach - ſen; vile Teutſche Chur - und Fuͤrſten.
*)
B 2Ob202. Capitel.

Ob Europa ein Oberhaupt habe?

§. 5.

Die Roͤmiſche Kayſere (ſo zugleich Teutſche Koͤnige ſeynd,) ſahen Sich in denen mittleren Zeiten als Herrn der ganzen Welt, und ins beſondere als das weltliche Haupt der von alten Zeiten her in Europa ihren Siz habenden Chri - ſtenheit, an.

§. 6.

Der guͤldenen Bull von 1356. nicht zu ge - dencken; ſo finden ſich noch jezo Spuhren da - von in allen Eyden der Churfuͤrſten und ihrer Ge - ſandten, ſo vor der Wahl eines Roͤm. Koͤnigs oder Kayſers abgelegt werden, und in allen Kay - ſerlichen Wahlcapitulationen Art. 1. §. 1.

§. 7.

Von des Roͤm. Kayſers aus diſem Grunde noch jezo ſuchenden Vorrechten bey Pabſtwah - len aber werde ich hernach reden.

§. 8.

Es iſt auch an deme, daß nicht nur einzelne Koͤnige ſich darinn ſehr nachgiebig bewiſen ha - ben; ſondern daß auch bey ſolchen Gelegen - heiten, wo alle chriſtliche Staaten gleichſam ein einiges Collegium formiret haben, nemlich bey Conciliis, oder allgemeinen Kirchenverſammlun - gen, desgleichen bey Creuzzuͤgen gegen die Sa - racenen, ja auch bey Ertheilung der Koͤniglichen Wuͤrde, u. ſ. w. denen Roͤm. Kayſern allerleyVor -21Von Europa, als einem ein. Staatscoͤrp. Vorzuͤge vor anderen chriſtlichen Regenten zu - geſtanden worden ſeynd;

Die aber jezo nicht mehr zum Vorſchein kommen.

§. 9.

Seit dem 16den Jahrhundert ſehen uͤber - haupt alle unabhaͤngige Europaͤiſche gecroͤnte Haͤupter ſich als gleichen Standes und Wuͤr - de an; unter denen ſie doch dem Roͤm. Kayſer, als erſten unter allen ſeines gleichen, den Vor - gang laſſen; welches ſich auch der Roͤm. Kay - ſerliche Hof je laͤnger je mehr muß gefallen laſſen.

§. 10.

Europa hat alſo kein gemeinſchafftliches weltliches Oberhaupt.

§. 11.

Wohl aber erkennen alle Catholiſche Regen - ten und Staaten in Europa den Roͤmiſchen Pabſt, in der angenommenen Eigenſchafft eines Statthalters Chriſti auf Erden, fuͤr das ſichtbare geiſtliche Oberhaupt der ganzen Chriſtenheit:

Deſſen bißanhero genoſſene Gerechtſame und Gewalt aber werden ſeit kurzem je laͤnger je mehr eingeſchraͤnckt, doͤrfften vermuthlich auch noch weiter fallen.

Univerſal-Monarchie.

§. 12.

Die im vorig - und jezigen Jahrhundert ge - aͤuſſerte Furcht, daß Franckreich nach einer uni - verſal-Monarchie in Europa ſtrebe, iſt derma - len verſchwunden.

B 3Pro -222. Capitel.

Project einer Europaͤiſchen Republic.

§. 13.

Koͤnig Heinrich IV. in Franckreich hatte zwar den Einfall, alle chriſtliche Staaten von Europa in eine naͤhere Verbindung und in ei - nen gemeinſchafftlichen einigen Staatscoͤrper zu bringen: Es bliebe aber ein bloſſer Gedancke; der ſchwerlich jemalen zur Wuͤrcklichkeit gedeyhen wird.

*)von Vattel 3, 61. Schmaussens Staatswiſſenſch. 1. Theil, S. 53.
*)

Unabhaͤngigkeit und Souverainite.

§. 14.

Ein unabhaͤngiger Herr oder Staat iſt der, welcher keinen anderen Herrn oder Staat zum wahren und wuͤrcklichen Oberherrn hat.

§. 15.

Souverain, und: Souverainete, ſeynd in eigentlichem und ordentlicher Weiſe gewohn - lichem Verſtand einerley mit: Unabhaͤngig, oder: Unabhaͤngigkeit:

§. 16.

In weiterem und abuſivem Verſtand aber legt man diſen Titul mehrmalen auch denen halbſouverainen Herrn bey.

Doch will der Roͤm. Kayſer nicht leiden, daß ein Reichsſtand ſelbſt ſich diſes Praͤdicats bediene; wiewohl bey dem Reichsconvent ſeitvilen23Von Europa, als einem ein. Staatscoͤrp. vilen Jahren das Gegentheil bey gewiſſen Gele - genheiten geſchiehet.

*)Beyſpile von Salm und Taxis.
*)

§. 17.

In Franckreich und Teutſchland fuͤhren einige Herrn den Titul als Souverainen, die ſie doch in der That nicht ſeynd, oder doch nur von einem Gebiet, da manches Dorff mehr zu bedeuten hat.

*)Dombes; Monaco; (ehemals auch: Vianen.)
*)

§. 18.

So kan auch ein Souverain in ſeinem Reich Koͤnig und in einem anderen unabhaͤngi - gen Staat eine Art eines Staats - oder Kriegs - bedientens ſeyn.

*)Beyſpile von K. Wilhelm III. in Engel - land, und K. Carl VII.
*)

§. 19.

Ferner kan ein unabhaͤngiger Herr, in An - ſehung gewiſſer Lande, des andern 1. Lehen - mann, oder 2. gar ſein Untergebener und Reichs - ſtand ſeyn.

*)Beyſpile von Neapel, Maltha und Teutſchland.
*)

§. 20.

Bey denen lezteren kan es leicht zu Faͤllen kommen, wo ſchwer iſt, beederley Eigenſchaff - ten allemal voͤllig von einander zu unterſcheiden.

*)Beyſpile von Kriegen.
*)

Unabhaͤngigkeit und Wuͤrde.

B 4§. 21.242. Capitel.

§. 21.

Von der gleichen Unabhaͤngigkeit gilt kein Schluß auf eine Gleichheit der Wuͤrde.

§. 22.

Die halb-Souveraine ſeynd denen ganz Souverainen in Anſehung der Wuͤrde zuweilen gleich, zuweilen nicht:

In Anſehung derer Gerechtſamen aber ſeynd jene diſen allemal ungleich.

Gleichheit und Ungleichheit der ſouverai - nen Staaten.

§. 23.

Alle Europaͤiſche Souverainen ſehen ſich, (ſchon beruͤhrter maſſen,) in ſeiner Art als gleich an; ſo vil nemlich die Unabhaͤngigkeit und die daraus folgende Gerechtſame betrifft.

§. 24.

Auſſer deme weichen alle Republiquen allen gecroͤnten Haͤuptern; doch reſp. mit Vorbe - halt Koͤniglicher Ehrenbezeugungen fuͤr ihre Ge - ſandte.

§. 25.

Unter denen gecroͤnten Haͤuptern kommt, ſo vil die Wuͤrde und was davon abhaͤnget, betrifft, nichts auf das Alter oder die Macht eines Hauſes, oder Reiches, u. d. an.

§. 26.

Wohl aber hat der Roͤmiſche Kayſer einen Vorzug der Kayſerlichen Wuͤrde vor der Koͤnig - lichen zu behaupten verlangt:

Und25Von Europa, als einem ein. Staatscoͤrp.

Und der Tuͤrckiſche Kayſer heget gleiche Grundſaͤze.

In eben diſer Abſicht hat auch Czaar Pe - ter I. in Rußland den Kayſerlichen Titul an - genommen:

§. 27.

Die andere Souverainen aber erkennen di - ſen Vorzug nicht.

§. 28.

Die ganz ſouveraine Staaten ſeynd in An - ſehung ihrer Regierungsart, Macht und Kraͤff - ten, auch ſonſten etwa, einander offt gar ſehr ungleich.

Rang.

§. 29.

Theoretiſch iſt:

  • Kahle (Lud. Mart.) Diß. de Præceden - Gentium. Halle, 1738. 4.

Practiſch iſt, aber nun zu alt:

  • Zwanzigs (Zach.) Theatrum Præceden - tiæ. Leipzig, 1709. fol.
  • Ueberhaupt ſehe man davon die Biblioth. Jur. Imperant. p. 297. ſqq.

§. 30.

Aus der vorhin beruͤhrten Gleichheit derer unabhaͤngigen Europaͤiſchen Staaten flieſſet, daß keine gewiſſe Rangordnung unter denen Eu - ropaͤiſchen gecroͤnten Haͤuptern ſtatt findet.

§. 31.

Die der Roͤm. Catholiſchen Religion zuge - thane gecroͤnte Haͤupter laſſen dem Roͤm. PabſtB 5den262. Capitel. den Vorgang; die der Evangeliſchen Religion beypflichtende hingegen nicht.

§. 32.

In Anſehung derer weltlichen Staaten un - ter ſich hat man dißfalls weder allgemeine Ver - traͤge, noch ein allgemeines allerſeits erkanntes Herkommen.

§. 33.

Der Paͤbſtliche Hof und die Generalconci - lien haben ſich zwar ehemals unterfangen, eine Rangordnung unter denen unabhaͤngigen Staa - ten zu beſtimmen: Jezo aber geſtehet man ih - nen dergleichen nicht mehr zu.

§. 34.

Zwar kan ein Souverain auch darinn an ſeinem Hof einem Herrn vor dem andern favo - riſiren: Diſes verbindet aber Andere nicht, ein gleiches zu thun.

*)Beyſpile von allerley Hoͤfen.
*)

§. 35.

Sondern alles kommt dißfalls an:

  • 1. auf ausdruͤckliche Vertraͤge; (deren es aber keine allgemeine gibt;) ſo dann
  • 2. auf das Herkommen, und den Beſiz.

Was der Roͤm. Kayſer aus diſem Grunde vor einen Vorzug habe, iſt ſchon gemeldet worden.

Dem Roͤmiſchen Koͤnig hingegen geſtehet man es nicht ein.

§. 36.

Franckreich weichet zwar dem Roͤm. Kay - ſer; will aber allen anderen Koͤnigen vorgehen:Die27Von Europa, als einem ein. Staatscoͤrp. Die meiſte von diſen aber wollen es nicht zu - geben.

Eben ſo gehet es nunmehro auch mit Ruß - land.

§. 37.

Es werden dahero an denen Hoͤfen, an dritten Orten, und in gemeinſchafftlichen Ur - kunden, in vorkommenden Faͤllen, allerley Aus - kunfftsmittel gebraucht, die Gleichheit des Ran - ges derer Souverainen zu erhalten, oder denen dißfalls obwaltenden Streitigkeiten auszuwei - chen.

§. 38.

Ein gewohnliches Mittel iſt, daß, wo Rangſtreitigkeiten mit-einſchlagen, jeder Hof ein beſonderes Original ausfertigen laͤſſet, und darinn ſich vor-den oder die Andere aber nach - ſezt.

§. 39.

Auch die Republiquen haben zuweilen Rang - ſtreitigkeiten unter ſich.

§. 40.

Uebrigens wird es darinn gehalten, wie al - lererſt von denen gecroͤnten Haͤuptern geſagt worden iſt.

§. 41.

Alle halb-ſouveraine Herrn weichen allen gecroͤnten Haͤuptern.

§. 42.

Hingegen gehen Einige gewiſſen Republi - quen ohne Anſtand vor:

Mit282. Capitel.

Mit andern aber haben ſie noch Streitig - keiten deßwegen.

§. 43.

Und ſo auch zum Theil unter ſich ſelbſten.

*)Teutſche und Italiaͤniſche.
*)

Gleichgewicht in Europa.

§. 44.

  • Vile reſp. Wechſel-Schrifften hieruͤber, von Lehmann, Freyherrn von Huldenberg, (oder Kressen,) Schmaussen und Stisser, findet man erzaͤhlt in Weid - lichs Nachricht. von jeztleb. Rechts - gel. 1. Theil, S. 405. u. f.
  • Pragmatiſch handelt davon ein groſſes Stuͤck von Schmaussens Einleit. zur Staats - wiſſenſch. 1. Theils, und S. 624. f. fin - det ſich ein Raiſonement uͤber den (1741.) gegenwaͤrtigen Zuſtand der Balance von Europa.
  • Man ſehe auch: Reflexions, touchant l’Equi - libre de l’Europe; (teutſch, in der neuen Europ. Fam. 98. Stuͤck,) und Stru - bens Pruͤfung derſelben; in ſeiner Ne - benſtund. 2ten Theil, S. 267. inglei - chem, den 6ten Theil, S. 1. f.

§. 45.

Ob zwar, (vorhin gemeldeter maſſen,) die groͤſſere oder kleinere Macht derer Europaͤiſchen Souverainen keine Folgen auf mehrere oder we - nigere Gerechtſamen hat; ſo hat ſie doch einen ſehr ſtarcken Einfluß auf die wuͤrckliche Bege -ben -29Von Europa, als einem ein. Staatscoͤrp. benheiten, und auf die Sorglichkeit in Anſe - hung des Zukuͤnfftigen.

§. 46.

Die mehreſte Europaͤiſche Staaten ſeynd dahero darauf bedacht, zu verhuͤten, daß 1. nicht ein einiger Herr, oder ein einiges Haus, eine ſolche uͤberwiegende Macht bekommen moͤ - ge, welche denen uͤbrigen Staaten nachtheilig ſeyn koͤnnte, oder daß ſie 2. wenigſtens ſich der - ſelben nicht wuͤrcklich zu ihrem Nachtheil gebrau - chen doͤrffe.

*)von Vattel 3, 61.
*)

§. 47.

Als das Haus Oeſterreich zu Ende des 15 den Jahrhunderts die Burgundiſche Lande erbte, und zu Anfang des 16den Jahrhunderts auch die Spaniſche Reiche darzu bekame, wurde Franckreich eyferſuͤchtig daruͤber, und ſuchte, ſich der anwachſenden Macht des Hauſes Oe - ſterreich auf alle Weiſe zu widerſezen: Welches etliche hundert Jahre dauerte.

Die uͤbrige Europaͤiſche Staaten ſahen bald der Sache zu, bald nahmen ſie Parthie, jezt mit dem einen-jezt mit dem andern Theil.

§. 48.

Als aber im Jahr 1700. ein Franzoͤſiſcher Prinz zum Beſiz derer Spaniſchen Reiche ka - me, machten die meiſte Franckreich und Spa - nien benachbarte Staaten gemeinſchafftliche Sa - che, der Macht des Franzoͤſiſchen Hofes Schran - cken zu ſezen.

§. 49.302. Capitel.

§. 49.

Seit dem Utrechtiſchen und Badiſchen Fri - den hingegen hat das Europaͤiſche allgemeine Staatsſyſtem ſich hierinn ſtark geaͤndert, und offt abgewechſelt; ſonderlich nachdeme 1. Ruß - land (deſſen Namen man zuvor kaum nennen hoͤrte,) ſich mit dem uͤbrigen Europa nun vil zu thun macht und zu einer ſo groſſen Macht herangewachſen iſt; 2. Chur-Brandenburg nicht bloß den Koͤniglichen Titul von Preuſſen angenommen, ſondern auch ſeine Kraͤfften je laͤnger je mehr ungemein verſtaͤrcket hat, ſo dann 3. Chur-Braunſchweig zum Beſiz der Crone von Groß-Britannien gelanget iſt.

§. 50.

Diſes alles veranlaſſet beſtaͤndige Allianzen und Gegenallianzen; ſelbſten Oeſterreich und Franckreich ſeynd nun gute Freunde; die Eyfer - ſucht uͤber die Großbritanniſche Macht zur See und deſſen kuͤrzlich gemachte Erweiterung ſeiner Beſize in America iſt bey Franckreich und Spa - nien ſichtbar; und, bey aller Abnahm der Re - ligion ſelbſten, menget ſich doch zuweilen auch ein politiſcher Religionseyfer mit unter; die Freundſchafft zwiſchen Oeſterreich, Rußland und Preuſſen, (welche, wann ſie aufrichtig und beſtaͤndig waͤre, ganz Europa Geſeze vor - ſchreiben koͤnnte,) iſt allzuveraͤnderlich; viles kommt offt auch auf die (zuweilen ebenfalls ſehr abwechslende,) perſonelle Denckensart eines gecroͤnten Haupts, oder Miniſters, oder ſon - ſtigen Favoritens, an, ꝛc.

§. 51.31Von Europa, als einem ein. Staatscoͤrp.

§. 51.

Die Europaͤiſche Staaten haben alſo der - malen hierinn kein fermes Syſtem; alles iſt voll Mißtrauen und Abſicht, Conqueten zu machen; und einige Zufaͤlle, die ſich zum Theil wahr - ſcheinlich voraus ſehen laſſen, villeicht auch zum Theil ganz unvermuthet ereignen doͤrfften, koͤn - nen die allerwichtigſte Revolutionen in dem Staatsſyſtem von Europa verurſachen.

§. 52.

Neben diſem allgemeinen Gleichgewicht in Europa, iſt man beſonders auch bemuͤht,

  • 1. um die Erhaltung des Gleichgewichts in dem weſtlichen Theil von Europa; und zwar zwiſchen Franckreich und Spanien einer ſo dann Großbritannien und Portugall anderer Seits.
  • 2. Um die Erhaltung des Gleichgewichts in Norden, zwiſchen Rußland, Preuſſen, Daͤ - nemarck und Schweden; beſonders auch auf dem Baltiſchen Meer; ſo auch
  • 3. in Teutſchland; beſonders a) zwiſchen der Kayſerlichen Macht und denen Reichsſtaͤn - diſchen Freyheiten, ſo dann b) denen beederley Religionsverwandten.
  • 4. Vormals ware auch viler Streit wegen des Gleichgewichts in Italien: Nun aber ru - het er.

§. 53.

5. Die ehemalige Furcht wegen der groſſen - und der Chriſtenheit ſchaͤdlichen Macht der Ot - tomanniſchen Pforte hingegen iſt ſeit kurzer Zeitver -323. Capitel. verſchwunden, und, wann ſich nicht beſondere Zufaͤlle ereignen, noch maͤchtige chriſtliche Staa - ten ſelbſt mit darunter ſtecken, wird ſchwerlich ſo bald von diſer Seite her etwas ſonderliches zu beſorgen ſeyn.

Drittes Capitel. Von der Souverainen Perſonen und Familien. (1)ſ. mein Verſuch des Eur. Voͤlck. Rechts, 1. Theil, S. 75. Mein Teutſch. auswaͤrt. Staatsrecht, S. 1. 39. 47. 269.

Erbfolge. (2)ſ. meine Diß. de jure ſuccedendi in Regna Europæ, ſpeciatim in Regnum Bohemiæ. Franckfurt an der Oder, 1739. 4. und in mei - nen Opuſc. acad.

§. 1.

Die meiſte Reiche in Europa ſeynd erblich; wenigſtens ſo lang, als ehlich gebohrene Perſonen von dem jezt-regierenden Haus vor - handen ſeynd.

§. 2.

Nur von Rußland ſtreitet man: Ob es ganz erblich ſeye? oder ob der jedesmals regie - rende Kayſer oder Kayſerin ſich ſelber einen Thronfolger beſtimmen doͤrffe?

§. 3.33Von der Souverain. Perſon. u. Famil.

§. 3.

Die meiſte Erbreiche haben eigene Grund - geſeze wegen der Thronfolge.

§. 4.

Und wann wegen der Thronfolge in einem Erbreich neue Verordnungen gemacht werden wollen, haben die uͤbrige Europaͤiſche Machten ordentlicher Weiſe nichts damit zu thun.

§. 5.

Wohl aber kan es geſchehen, daß ſie erſu - chet werden, ſelbige zu garantiren; da es dann auf eines jeden dritten Staats eigenes Belie - ben ankommt: 1. Ob? 2. wie ferne? und 3. unter was fuͤr Bedingungen? er die Garan - tie uͤbernehmen, oder ſelbige abſchlagen will.

Man iſt auch wohl ſchon von bereits uͤber - nommenen Garantien wieder abgegangen; oder hat doch, wann es zum Fall gekommen iſt, ſich der verſprochenen Garantie entzogen.

*)Beyſpile von Garantierung der Franzoͤſi - ſchen, Großbritanniſchen, Oeſterreichi - ſchen, Rußiſchen, Schwediſchen und Spa - niſchen Thronfolge.
*)
  • ſ. Kurze actenmaͤßige Nachricht von der Groß - britanniſchen Cronfolge und deren Praͤten - denten; in meiner Nachleſ. von Staats - bedenck. 2. Theil, S. 16.

§. 6.

Ordentlicher Weiſe ſeynd alle Prinzen vom Gebluͤte eines regierenden Hauſes Succeßions - faͤhig.

C§. 7.343. Capitel.

§. 7.

Doch hat man, um des Gleichgewichts in Europa willen, fuͤr nicht unrecht befunden, ein - oder andere Linie von der Thronfolge ge - wiſſer Reiche auszuſchlieſſen.

*)Beyſpile von Franckreich und Spanien.
*)

§. 8.

In denen meiſten Reichen ſeynd auch die Prinzeßinnen, doch erſt nach Abgang des gan - zen maͤnnlichen Stamms, Thronfaͤhig.

§. 9.

Es pflegen dahero auch die Toͤchtern bey ih - rer Vermaͤhlung ſich der Erbfolge zum Beſten des Mannsſtamms zu begeben; welche Ver - zichte auch von allen anderen Staaten fuͤr rechts - kraͤfftig gehalten werden.

§. 10.

Indeſſen haben doch ſchon Deſcendenten einer Tochter die Agnaten ausſchlieſſen wollen.

*)Franckreich und Spanien.
*)

§. 11.

In welcher Ordnung die Toͤchtern und ihre Nachkommen, nach Abgang des Mannsſtamms, folgen? iſt nicht allemal ausgemacht.

*)Streit wegen der Oeſterreichiſchen Erb - folge. Derer Freyherrn von Cramer und von Senckenberg Wechſelſchriff - ten.
*)

§. 12.

In denen meiſten Reichen iſt die Thronfolgean35Von der Souverain. Perſon. u. Famil. an die Bekennung zu einer gewiſſen Religion verbunden:

Wogegen auch die andere Machten nichts einzuwenden-ſondern es nur hinwiederum eben ſo zu machen pflegen.

Uebrigens ruͤhren dergleichen Verordnun - gen urſpruͤnglich mehr von dem Regenten, oder mehr von der Nation, her:

Es ſeynd auch nicht uͤberall ausdruͤckliche Normen deßwegen vorhanden.

§. 13.

Ein Beſizer eines Erbreichs kan wenigſtens ſo lang nicht daruͤber teſtiren, als noch des Thrones und der Erbfolge faͤhige Perſonen vor - handen ſeynd:

Indeſſen hat man es doch ſchon verſucht und durchgeſezt.

*)Spanien.
*)

§. 14.

Einige Machten haben ſich auch ſchon, (aus dem Grund, das Gleichgewicht in Europa zu erhalten,) berechtiget zu ſeyn geglaubt, noch vor beſorgtem Abgang einer regierenden Familie, uͤber eine kuͤnfftige Erbfolge ihrer Laͤnder Ver - traͤge zu ſchlieſſen.

*)Partage-Tractaten wegen der Spaniſchen Erbfolge.
*)

§. 15.

Lehenbare Staaten ſollten zwar, nach Ab - ſterben der lehensfaͤhigen Erben eines Hauſes,C 2dem363. Capitel. dem Lehenherrn heimfallen: Man laͤſſet es aber mehrmalen nicht darzu kommen.

*)Beyſpile von Neapel, Toſcana, Parma.
*)

§. 16.

Wird wegen einer Thronfolge geſtritten; ſo ſtehet es allen und jeden dritten Machten, (welche ſich nicht vorhin durch Vertraͤge zu et - was verpflichtet haben,) frey, ob ſie bey diſem Streit neutral bleiben, oder Parthie nehmen wollen? auch lezteren Falles welche? und wie lang?

*)Beyſpile von Spanien und Oeſterreich.
*)

§. 17.

Wann in einem Erbreich eine Staatsrevo - lution entſteht, welche in die Thronfolge ein - ſchlaͤgt, wird es wiederum auf beſagten Fuß gehalten:

Kan ſich nun eine ſolche Perſon auf dem Thron erhalten, ſo wird ſie auch von denen Mach - ten, mit denen ſie im Friden lebt, wenigſtens in einiger Zeit, erkannt:

§. 18.

Ereignet ſich aber ein ſolcher Zufall waͤhrend eines Krieges; ſo bleibt es gemeiniglich biß auf einen erfolgenden Fridensſchluß anſtehen; wo alsdann auch diſer Punct mit ausgemacht wird.

*)Beyſpile von Großbritannien.
*)

§. 19.

Wann ein Prinz ein Erbreich durch Krieger -37Von der Souverain. Perſon. u. Famil. obert, und den Titul, als Eigenthuͤmer deſſel - bigen, davon annimmt, haͤlt es jede dritte Macht ſo lang, biß der Streit durch einen Fri - densſchluß entſchiden wird, ſo, wie ſie es gut findet.

*)Beyſpil von dem Infant Carl, als Koͤ - nig in Sicilien, und Boͤhmen.
*)

§. 20.

Wann ein Erbkoͤnigreich, daran ein Dritter eine Anſprache macht, einem Prinzen in einem particular-Fridensſchluß zugetheilet wird, ſeynd weder der, ſo die Anſprache daran macht, noch andere Machten, ſchuldig, den neuen Regen - ten in diſer Eigenſchafft zu erkennen, biß der Streit ein Ende hat: Wollen aber leztere es freywillig thun, kan man es ihnen nicht weh - ren.

*)Beyſpil von dem durch den Utrechtiſchen Friden an Savoyen uͤberlaſſenen Koͤnig - reich Sicilien.
*)

§. 21.

Wann ein Herr oder Staat einen Prinzen als Koͤnig ꝛc. eines Landes erkennet, in deſſen Beſiz er nicht iſt, haͤlt es der, ſo im Beſiz iſt, fuͤr eine Beleidigung, und fordert deßwegen Genugthuung.

*)Beyſpile vom Praͤtendenten von Engel - land.
*)

Wahl.

§. 22.

Wahlreiche in Europa ſeynd:

C 31. Teutſch -383. Capitel.
  • 1. Teutſchland, oder das Roͤm. Reich; deſſen Crone aber ſchon ſeit mehreren hundert Jahren bey dem Hauſe Oeſterreich nicht vil we - niger als erblich ware, vermuthlich es auch noch weiter bleiben wird.
  • 2. Polen; mit deſſen Wahlrecht es durch mancherley Abwechslungen gegangen iſt.
  • 3. Weil auch der Roͤm. Pabſt mit unter denen gecroͤnten Haͤuptern laufft; iſt ſeiner hier ebenfalls zu gedencken.
  • 4. Schweden iſt nur in gewiſſen Faͤllen ein Wahlreich geweſen; ſo auch
  • 5. Großbritannien.
  • 6. Hungarn und Boͤhmen ſeynd es auch in einem einigen Fall, welcher ſich aber ſchwer - lich jemalen ereignen wird.

§. 23.

In allen Wahlreichen ſeynd Wahlgeſeze vor - handen.

§. 24.

Selbige werden zuweilen von dritten Mach - ten garantirt.

*)Beyſpile von Teutſchland und Polen.
*)

§. 25.

Die Staͤnde eines Wahlreichs haben von Rechts-wegen allein die Freyheit, Ordnungen wegen der Wahl ihrer Regenten zu machen, oder ſelbige abzuaͤndern.

§. 26.

Doch haben auch ſchon dritte Machten vonge -39Von der Souverain. Perſon. u. Famil. gewiſſen Umſtaͤnden profitirt, ſich in dergleichen zu mengen.

*)Beyſpile von Teutſchland und Schwe - den.
*)

§. 27.

Mit denen einzelnen Wahlen hat es die nemliche Beſchaffenheit.

*)Beyſpile von allen Wahlreichen.
*)

§. 28.

Doch wird auch wohl ein Throncandidat bloß freundſchafftlich und unverfaͤnglich zur Wahl recommendirt.

§. 29.

Bey denen Pabſtwahlen nehmen ſich die groͤſte Catholiſche Machten die Freyheit, einen ihnen unanſtaͤndigen Candidaten von der Wahl - faͤhigkeit auszuſchlieſſen.

§. 30.

Wann eine Wahl zwiſpaltig ausfaͤllt, kommt es auf eines jeden dritten Souverains oder Staats freyes Belieben an, wie er ſich ſo lang dabey bezeugen wolle, biß die ganze Sache, auf eine guͤtliche oder gewaltſame Weiſe, ihre voͤllige Entſcheidung erhaͤlt.

*)Beyſpile.
*)

§. 31.

Auch andere Wahlen werden zuweilen aus allerley Gruͤnden angefochten.

*)Neuere Beyſpile.
*)
C 4Throns -403. Capitel.

Throns-Begebung, Entſezung und An - ſprach darauf.

§. 32.

Ein gecroͤntes Haupt, ſo ſich der Erb-Re - gierung freywillig begeben hat, genieſſet in drit - ter Souverainen Landen doch die perſoͤnliche vorige Gerechtſame:

Das weitere aber kommt auf das Gutbefin - den des Landesherrns an.

*)Beyſpile.
*)

§. 33.

Daß ein Souverain an die Staͤnde eines anderen Reichs mit Recht verlangen koͤnne, ihren Koͤnig ſeines Thrones zu entſezen, iſt ein nicht leicht moͤglicher Fall.

§. 34.

Wohl aber gibt es Beyſpile, da es wuͤrck - lich verlangt und durchgeſezet worden iſt; ob es gleich doch am Ende keinen Beſtand damit gehabt hat.

*)Beyſpil von Schweden und Polen.
*)

§. 35.

Wann aber Reichsſtaͤnde ſelber ihren Koͤnig abſezen und einen andern waͤhlen, kommt es auf der uͤbrigen Machten freyes Belieben an, wie ſie ſich dabey verhalten wollen:

So auch, wann der Abgeſezte, (ſo gar, wann er ſich gleich des Rechts zur Crone bege - ben hat,) ſich wieder auf den Thron ſchwingt.

*)Beyſpile von Großbritannien und Polen.
*)
§. 36.41Von der Souverain. Perſon. u. Famil.

§. 36.

Wann ein im Krieg ungluͤcklicher, oder von ſeinem Thron verſtoſſener, Regent ſeine Zu - flucht in andere Landen nimmt; beruhet es auf der Willkuͤhr des Landesherrns, ob er ihne auf - nehmen - und was fuͤr Ehren und Gerechtſame er ihme angedeyhen laſſen will, oder nicht.

*)Beyſpile von Engelland, Polen nnd Schweden.
*)

§. 37.

Wann ihm aber gar Beyſtand geleiſtet wird, ſiehet es jene Nation als eine Beleidigung und hinlaͤngliche Kriegsurſach an.

*)von Vattel 2, 235.
*)

§. 38.

Das Gluͤck der Waffen und das Staats - intereſſe enſcheiden ſo dann den Streit.

*)Allda, S. 236.
*)

§. 39.

Wird ein ſolcher Herr eine Zeitlang gedul - det, muß er ſich in dem fremden Lande nicht zu vil herausnehmen:

Und wann an ihne verlangt wird, ſich an - derwaͤrts hin zu begeben, kan er ſich deſſen nicht entziehen.

*)K. Carl XII. in Schweden.
*)

§. 40.

Gleiche Beſchaffenheit hat es, (in dem Fall, wann keine beſondere Vertraͤge dißfalls vorhan - den ſeynd,) mit der Geduldung oder Aus -C 5ſchaf -423. Capitel. ſchaffung eines, der ein bloſſer Cron-Praͤten - dent auf ein drittes Reich iſt; auch erſten Fal - les mit dem uͤbrigen Betragen gegen ihme.

*)Praͤtendent von Gr. Britannien.
*)

Wuͤrden.

§. 41.

Die Roͤmiſch-Rußiſch - und Tuͤrckiſche Kayſere halten die Kayſerliche Wuͤrde fuͤr hoͤher, als die Koͤnigliche:

Die Koͤnige wollen aber ſolches nicht einge - ſtehen.

§. 42.

Als der Kayſer noch als das Haupt der Chri - ſtenheit angeſehen wurde, lieſſen ſich manche groſſe Herrn, die nach einer hoͤheren Wuͤrde ſtrebten, von Ihme den Koͤniglichen Titul bey - legen, wurden auch darauf von Jedermann in diſer Eigenſchafft erkannt.

§. 43.

Auch die Paͤbſte haben in vorigen Zeiten ſich angemaßt, die hoͤchſte weltliche Wuͤrde zu er - theilen: Gleichwie es aber ſchon im 16den Jahr - hundert Widerſtand gefunden hat; alſo wuͤrden ſie es nun noch vil weniger wagen, am allerwe - nigſten mit einem gluͤcklichen Erfolg.

§. 44.

In denen neueren Zeiten haben die Europaͤi - ſche Machten den Grundſaz angenommen: Je - der unabhaͤngiger Herr koͤnne ſich ſelber eineWuͤr -43Von der Souverain. Perſon. u. Famil. Wuͤrde beylegen, welche er wolle; nur koͤnne er keinen Dritten noͤthigen, ſelbige wider Wil - len zu erkennen.

§. 45.

Dahero unterbauen die groſſe Herrn, wel - che etwas dergleichen im Sinn haben, es ent - weder vorher, und verſicheren ſich aller oder mehrerer groſſer Hoͤfe Beyfalls; oder ſie laſſen es darauf ankommen, daß und wann die uͤbrige ſich hierzu bequemen werden; welches offt ge - raume Zeit anſtehen kan, biß man ſich in Fri - densſchluͤſſen, oder anderen Vertraͤgen, deß - wegen vergleicht; biß dahin bald diſe bald jene Auskunfftsmittel getroffen werden.

*)Beyſpile von Preuſſen und Rußland.
*)

§. 46.

Leichter gehet es her, wann ein groſſer Herr eine Wuͤrde annimmt, die an und fuͤr ſich ſelb - ſten nicht neu iſt, ſondern nur auf ein anderes Haus oder Herrn kommt:

Es ſeye dann, daß derſelbe, aus anderen beſonderen Gruͤnden, einen Widerſpruch erfah - ren muͤſſe.

*)Beyſpile von Sicilien und Sardinien.
*)

Paͤbſtliche Praͤdicate.

§. 47.

Die Paͤbſte haben von Alters her ein - oder anderen gecroͤnten Haͤuptern von ihrer Religion Praͤdicute beygelegt, z. E. Franckreich: Chri - ſtianiſſimus; Spanien: Catholicus &c.

§. 48.443. Capitel.

§. 48.

Noch zu unſerer Zeit erhielte Portugall: Fideliſſimus, und Ungarn wurde das alte Praͤdicat: Apoſtolicus, erneuert.

§. 49.

Diſe gecroͤnte Haͤupter machen ſo dann eine Canzleytitulatur daraus; welches ihnen auch Niemand wehren kan:

§. 50.

Ingleichem nehmen die Catholiſche Hoͤfe keinen Anſtand, ſelbige zu geben;

Bey denen Evangeliſchen aber wird es nicht uͤberall gleich gehalten; und noͤthigen kan man ſie nicht, wohl aber die Schreiben ꝛc. ſo es nicht enthalten, nicht annehmen, wann man es dar - uͤber auf das aͤuſſerſte will ankommen laſſen.

§. 51.

Indeſſen hat Engelland, ſelbſt nach veraͤn - derter Religion, das Paͤbſtliche Praͤdicat: De - fenſor fidei, biß jezo beybehalten.

Titul.

§. 52.

Titul kan ein unabhaͤngiger Herr annehmen, und ſie ordnen, oder veraͤndern, wie er will: Gemeiniglich werden ſie ſo dann auch von an - dern Staaten erkannt und zuruͤckgegeben.

  • ſ. Meine Anmerckungen uͤber die Koͤnigl. Fran - zoͤſiſche Titulatur; in meiner vermiſcht. Anmerck. (1750.) 1ſtem Stuͤck, S. 47.
§. 53.45Von der Souverain. Perſon. u. Famil.

§. 53.

Wann aber ein dritter Staat glaubt, daß eine Titulatur ihme zum Nachtheil gereiche, ſo werden entweder

  • 1. dergleichen Schreiben und Urkunden ꝛc. nicht angenommen; oder
  • 2. man nimmt ſie zwar an, proteſtirt aber dagegen, und gibt
  • 3. die ſtreitige Titulatur nicht zuruͤck; oder
  • 4. man gebraucht allerley unverfaͤngliche Auskunfftsmittel.
  • 5. Bey Fridensſchluͤſſen, und anderen Tractaten, pfleget ein ſeparater Articul deßwegen angehaͤnget zu werden.

§. 54.

Hingegen hat man die Fuͤhrung widerſpro - chener Titul auch ſchon als Urſachen eines er - klaͤrten Krieges angefuͤhrt.

*)Beyſpile von Daͤnemarck, Polen, Oe - ſterreich.
*)

Wappen.

§. 55.

Mit denen Wappen hat es eben die Be - ſchaffenheit, wie mit denen Titulaturen.

Unverlezlichkeit und perſoͤnliche Achtung.

§. 56.

Daß die Perſonen der Souverainen fuͤr unverlezlich zu halten ſeyen, darinn machenalle463. Capitel. alle Europaͤiſche Souverainen gemeinſchafftliche Sache.

§. 57.

Selbſt in Kriegszeiten wird nicht fuͤr erlaubt gehalten, einen ſolchen Herrn heimlich aus dem Wege raumen zu laſſen:

*)Beyſpile von 1741.
*)

§. 58.

Andere perſoͤnliche Beleidigungen derer Souverainen unter ſich kommen jezo nicht mehr leicht und offentlich vor; doch auch nicht gar nicht.

*)Beyſpile.
*)

Reiſen.

§. 59.

Wann ein Souverain durch ein fremdes Gebiet reiſen will, laͤßt er billig vorher deſſen Landesherrn die Anzeige davon thun; oder auch einen Paß begehren:

§. 60.

Und wann diſer Fall ſich mehrmalen zu - traͤgt, werden auch wohl Vertraͤge deßwegen errichtet.

*)Beyſpil von Polen und Preuſſen.
*)

§. 61.

Man hat auch Beyſpile, daß groſſe Herrn, die ohne Paß incognito durch ein Land reiſeten / mit Arreſt belegt worden ſeynd.

*)von Vattel 3, 539.
*)
§. 62.47Von der Souverain. Perſon. u. Famil.

§. 62.

In contagioſen Zeiten kan ein Herr und ſein Gefolg ſich der Haltung der Contumaz, (wann darauf beſtanden wird,) nicht wohl entbrechen.

*)Beyſpil von Venedig und Toſcana.
*)

§. 63.

Man iſt nicht ſchuldig, einem reiſenden Sou - verain ein militariſches Gefolg zu geſtatten.

§. 64.

Ein reiſender Souverain hat, fuͤr ſich und ſein Gefolg, die privat-Uebung ſeiner Religion.

§. 65.

Ein reiſender Souverain muß ſich alles deſ - ſen enthalten, wodurch er ſich gefaͤhrlicher Ab - ſichten verdaͤchtig macht, und das er ſelber kei - nem anderen Souverain in ſeinem Lande geſtat - ten wuͤrde, noch zu geſtatten ſchuldig waͤre.

*)Beyſpil von Czaar Peter I.
*)

§. 66.

Hingegen muß man ſich auch nicht ohne Noth ſo mißtrauiſch beweiſen, daß der reiſende Souverain es mit Recht als eine Beleidigung aufnehmen kan.

§. 67.

Ein reiſender Souverain kan wegen einer ihme widerfahrenden perſoͤnlichen Beleidigung, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, nicht alle - mal eine groſſe Genugthuung fordern.

*)Beyſpil von Czaar Peter I.
*)
§. 68.483. Capitel.

§. 68.

Wann ein Souverain ſich in eines andern Souverains Landen aufhaͤlt, iſt er fuͤr ſeine Perſon und Familie von der Gerichtbarkeit des Landesherrns frey; auch, wann er incognito - nicht aber, wann er als eine Privatperſon reiſet.

§. 69.

Die civil-Gerichtbarkeit uͤber ſein Gefolg in Dienſt - und anderen Sachen wird ihme nicht leicht ſtreitig gemacht werden:

§. 70.

Aber eine criminal-Strafe uͤber ſolche Per - ſonen zu verhaͤngen, will nicht geſtattet werden, und wird, wo es doch geſchiehet, geahndet.

*)Beyſpile von Schweden und Mecklen - burg.
*)

§. 71.

Von dem Ceremoniel gegen einen auf Rei - ſen begriffenen Souverain werde ich hernach reden.

§. 72.

Bey denen Reiſen halb-ſouverainer Herrn gibt es noch manche beſondere Anmerckungen; die aber hieher zu weitlaͤufftig ſeynd.

Geſchencke und andere Galanterien.

§. 73.

  • ſ. Mosers (Frid. Carl) Abhandlung von der Staats-Galanterie, oder denjenigen Hoͤf -lich -49Von der Souverain. Perſon. u. Famil. lichkeiten der groſſen Welt, welche ihren Urſprung nicht in dem auf Vertraͤgen oder dem Herkommen begruͤndeten Ceremoniel haben; in ſeiner klein. Schrifft. 1. Theil, S. 1. Sie handelt 1. von der groſſen Herrn Staatsgalanterien unter ſich ſelbſt, 2. gegen fremder Souverainen Miniſters und Unterthanen, 3. auswaͤrtiger Mini - ſters und Corporum gegen fremde Souve - rains ꝛc.

§. 74.

Zwiſchen denen Roͤmiſch - und Tuͤrckiſchen Kayſern iſt es eine Art der Schuldigkeit, daß ſie in gewiſſen Faͤllen einander Geſchencke ma - chen.

§. 75.

Unter chriſtlichen Souverainen gibt es einige wenige Beyſpile eines ſchuldigen Praͤſents:

*)Neapel; Großmeiſter von Maltha.
*)

§. 76.

Auch ſolche, die zwar nicht ſchuldig, wohl aber gewoͤhnlich, ſeynd.

*)Islaͤndiſche Falcken.
*)

§. 77.

Die meiſte ſeynd freywillig, wann man will, und womit man will.

§. 78.

Uud ſo gehet es auch mit denen Gegenge - ſchencken.

D§. 79.503. Capitel.

§. 79.

Von anderen ſo genannten Staatsgalan - terien ſehe man beſagte Schrifft.

Andere perſoͤnliche Sachen.

§. 80.

In denen Familien der Souverainen ſiehet man nicht allemal auf die Ahnen.

§. 81.

Die Nachſtechung derer Sigille und die Er - oͤffnung dritter groſſer Herrn Depechen mißbil - liget man oͤffentlich, und thut es doch taͤglich.

§. 82.

In Kriegszeiten aber doͤrffen des Feindes Depeſchen weggenommen und eroͤffnet werden.

§. 83.

Schuldforderungen, welche ganz und halb ſouveraine Herrn an einander zu machen haben, werden auf die unten folgende allgemeine Art, Anſpruͤche zu behandlen, ttactirt.

§. 84.

Daß ein Souverain vor die Bezahlung ei - nes anderen Souverains Garantie leiſte, iſt etwas ſeltenes.

*)Beyſpil von Polen und Rußland 1776.
*)

Gemahlin.

§. 85.

Ein unabhaͤngiger Herr mag heurathen,wen51Von der Souverain. Perſon. u. Famil. wen er will, ſo wird ſolche Perſon, wann er ſie einmal oͤffentlich als ſeine ordentliche Gemah - lin erkannt hat, auch von Auswaͤrtigen dafuͤr erkannt und geehret.

*)Beyſpil von Kayſer Peter I. in Ruß - land.
*)

§. 86.

Halb-ſouveraine Herrn hingegen muͤſſen ſich darinn den Ausſpruch ihres Oberhaupts gefal - len laſſen:

Ob und wie ferne aber dritte Machten, in deren Landen jene Herrn Guͤter ligen - oder hin - terlaſſen haben, daran gebunden ſeyen? iſt nicht ganz ausgemacht.

*)Beyſpil von Wuͤrtemberg-Moͤmpelgart.
*)

§. 87.

Wann eine regierende Koͤnigin eine Perſon heurathet, die kein Koͤnig iſt, laſſen es andere Staaten bey deme bewenden, wie ſie und reſp. ihre Nation es ſeinetwegen verordnen.

*)Beyſpile von Engelland und Ungarn.
*)

§. 88.

Wann zwiſchen einem Souverain und deſ - ſen Gemahlin Streitigkeiten entſtehen, menget ſich ſelten ein dritter Hof darein.

§. 89.

Und wann es auch etwa, um der nahen Anverwandtſchafft willen geſchiehet, gebrauchet man doch alle moͤgliche Behutſamkeit, und nur guͤtliche Mittel.

D 2*) Bey -523. Capitel.
*)Beyſpil von Daͤnemarck.
*)

Kinder.

§. 90.

Wann zwiſchen Souverainen und ihren Kindern Streitigkeiten entſtehen, nehmen dritte Machten ſich derſelbigen meiſtens gar nicht an;

§. 91.

Oder, wo ſie auch darinn einen Schritt thun, geſchiehet es doch bloß auf Art einer freundſchafftlichen ohnmaßgeblichen Vorſtel - lung.

*)Beyſpil von Preuſſen und Rußland.
*)

§. 92.

Wann auch ein Dritter Herr einem Prin - zen, den ſein Herr Vater als einen ungehorſa - men behandelt, oͤffentlich oder heimlich den Auf - enthalt in ſeinem Lande verſtattet, erreget es Beſchwerden, und man verlangt die Auslife - rung.

*)Beyſpil von Rußland.
*)

§. 93.

Natuͤrlichen Kindern groſſer Herrn darff wegen ihrer Geburt kein Vorwurff gemacht werden.

Man haͤlt ſie auch uͤberall derer hoͤchſten ſubalternen Wuͤrden faͤhig.

Uebrigens richten ſich auch andere Staaten nach dem, was ihr Vater ihretwegen verordnet.

§. 94.53Von der Souverain. Perſon. u. Famil.

§. 94.

Und in einigen Reichen ſeynd oder ſollen ſie gar des Throns oder anderer Erbfolgen faͤ - hig ſeyn.

*)Beyſpile von Franckreich, Portugall, Parma.
*)

Uebrige Familie.

§. 95.

Wann Souveraine in Familienſachen etwas verordnen, richten ordentlicher Weiſe auch die uͤbrige Staaten ſich darnach.

*)Beyſpil von Oeſterreich.
*)

Viertes Capitel. Von dem Ceremoniel.

§. 1.

Die wichtigſte und brauchbarſte Wercke in diſer Wiſſenſchafft ſeynd:

  • Lünigs (Joh. Chriſtian) Hiſtoriſch - und po - litiſcher Schauplaz aller Ceremonien ꝛc. 2. Theile. Leipzig, 1719. 20. fol. Deme iſt auch ein Schauplaz des Europaͤiſchen Canzley-Ceremoniels beygefuͤgt.
  • Le Cérémoniel diplomatique des Cours de l’Europe, ou Collection des Actes, - moires & Relations, qui concernent les Dignités, Titulatures, Honneurs & Préé -D 3minen -544. Capitel. minences, les Fonctions publiques des Souverains, leurs Immunités & Fran - chiſes, leurs Demelées &c. Recueille en partie par Mr. du Mont, mis en Or - dre & conſiderablement augmenté par Mr. Rousset. Amſterdam, 1739. fol. Auch leiſtet in diſer Materie nuͤzliche Dienſte:
  • von Mosers (Frid. Carl) Teutſches Hof - recht, in 12. Buͤchern. Franckfurt, 1754. 55. 4. 2. Baͤnde.

§. 2.

Ceremoniel heißt die Norm des Betragens im aͤuſſerlichen gegen Standes - oder andere an - geſehene Perſonen, nach eines jeden Umſtaͤnden, und nach Verſchidenheit der Vorfaͤlle.

§. 3.

Diſes Ceremoniel iſt von ungemeiner Weit - laͤufftigkeit und Verſchidenheit, und erfordert ein eigenes Studium; dahero leicht zu erachten iſt, daß hier nur die allererſte Grundſaͤze davon beruͤhret werden koͤnnen.

§. 4.

Die meiſte groſſe Herrn ſeynd auf das Ce - remoniel, abſonderlich auf das Canzley-Cere - moniel, gar ſehr verſeſſen; dahero die, ſo in Staatsgeſchaͤfften gebraucht werden, ſich wohl in Acht zu nehmen haben, daß ſie weder darinn etwas vergeben, noch auch dagegen anſtoſſen.

§. 5.

Manche Hoͤfe nehmen es auch vor andernbiß55Vom Ceremoniel. biß auf die geringſte Kleinigkeiten ſehr genau; andere hingegen gehen darinn uͤber manches hinweg.

§. 6.

Man kan es theilen 1. in das perſoͤnliche - 2. Hof - 3. Miniſters - 4. Geſandtſchaffts - 5. Waſſer - 6. Kriegs - und 7. Canzley-Cere - moniel.

§. 7.

Von dem Geſandtſchaffts-Ceremoniel wird Cap. 5. geredet werden;

Von dem Miniſters-Ceremoniel, Cap. 7.

Und von dem Kriegs-Ceremoniel, Cap. 19. und 20.

Hier iſt alſo nur noch von denen uͤbrigen Gattungen etwas zu melden.

§. 8.

Das perſoͤnliche Ceremoniel faͤllt vor, wann groſſe Herrn in Perſon zuſammenkom - men.

§. 9.

Und zwar 1. in eines von ihnen eigenen Lan - den, oder 2. an einem dritten Ort.

§. 10.

Erſten Falls kommt es darauf an: Ob der reiſende Souverain 1. unter ſeinem Namen erſcheinet, oder 2. ob er halb - oder 3. ganz incognito, oder 4. als eine Privatperſon reiſet.

§. 11.

Sehr viles kommt auch darauf an: 1. ObD 4der564. Capitel. der reiſende Souverain ein Liebhaber vom Cere - moniel iſt, oder nicht? 2. Ob die Souverains in der Reſidenz, oder an einem dritten Ort in - nerhalb Landes, zuſammen kommen? 3. Ob der Landesherr beſondere perſonelle oder Staats - urſachen hat, dem fremden Souverain vorzuͤg - liche Ehren zu erzeigen, oder nicht?

§. 12.

Nach Verſchidenheit diſer Faͤlle nun iſt auch das Ceremoniel davon gar ſehr unterſchiden; und hat keine gewiſſe Reglen.

*)Beyſpile beym Lünig.
*)

§. 13.

Daß eine hinlaͤngliche Urſach zu einer Kriegs - erklaͤrung ſeye, weil man einem incognito reiſen - den Souverain nicht genug Ehre angethan habe, waͤre nicht glaublich, wann nicht die Erfahrung das Gegentheil lehrete.

*)Beyſpil von Czaar Peter I.
*)

§. 14.

Uebrigens iſt herkommlich, daß der Landes - herr in ſeinem Land und Quartier dem Fremden die Oberhand laͤßt; wann er es gleich bey ande - ren Gelegenheiten nicht thut.

§. 15.

Nur die Roͤmiſche Kayſere und Koͤnige wollen auch in ihrem Land und Quartier keinem fremden Souverain den Rang laſſen.

*)Beyſpil von Polen und Spanien.
*)
§. 16.57Vom Ceremoniel.

§. 16.

An dritten Orten pflegen die Souverains im Rang entweder taͤglich zu wechslen, oder gar keinen Rang zu beobachten, oder ſonſt ein Auskunfftsmittel zu erwaͤhlen.

§. 17.

Die Republiquen haben gegen die gecroͤnte Haͤupter ꝛc. ihr beſonderes, entweder herge - brachtes, oder nach Zeit und Umſtaͤnden ein - richtendes, Ceremoniel.

*)Beyſpile aus den neueſten Zeiten von al - len Freyſtaaten.
*)

§. 18.

Einer Gemahlin eines Souverains wider - fahren die nemliche Ehrenbezeugungen, wie ih - rem Gemahl.

§. 19.

Reiſet nicht ein Souverain ſelbſt, ſondern ein Cronprinz, Thronfolger, oder Prinz vom Gebluͤt; ſo wird ein geringeres Ceremoniel gegen ihne beobachtet; er reiſe oͤffentlich, oder incog - nito: Uebrigens iſt auch diſes willkuͤhrlich.

*)Neueſte Beyſpile von Großbritannien, Portugall, Rußland, Schweden.
*)

§. 20.

Das Ceremoniel derer gecroͤnten Haͤupter und Republiquen gegen halb-ſouveraine Herren iſt noch willkuͤhrlicher und manchen Streitig - keiten unterworffen.

*)Beyſpile von Teutſchen Chur - und Fuͤrſten.
*)
D 5§. 21.584. Capitel.

§. 21.

Die Titulaturen und Curialien ſchlagen auch ſtarck in das perſoͤnliche Ceremoniel ein: Es iſt aber theils davon ſchon Cap. 3. geredet wor - den; theils kommt hernach bey dem Canzley - Ceremoniel mehreres davon vor.

§. 22.

Zum perſoͤnlichen Ceremoniel gehoͤret ferner, daß die gecroͤnte Haͤupter einander von ihrem Regierungsantritt, Vermaͤhlung, Geburten und Abſterben derer Ihrigen Nachricht erthei - len.

§. 23.

Die Notification geſchiehet 1. entweder nur muͤndlich, oder (und zwar meiſtens,) 2. nur ſchrifftlich, oder 3. muͤnd - und ſchrifftlich zu - gleich.

§. 24.

Auf die alſo beſchehene Notification (aber nicht zuvor,) wird 1. entweder ein bloſſes muͤnd - oder ſchrifftliches Gegencompliment ge - macht, oder 2. reſp. zugleich eine Trauer an - gelegt.

§. 25.

Die Art und Weiſe, wie auch die Dauer, einer ſolchen Hof - und Cammer-Trauer kommt ſchlechterdings auf das Belieben eines jeden Regentens an.

§. 26.

Weiter iſt zu gedencken derer (nun nachund59Vom Ceremoniel. und nach in Abgang kommenden,) Neujahrs - ſchreiben.

Freye Gedancken (meines l. aͤlteſten Soh - nes,) uͤber die Neujahrs-Schreiben groſ - ſer Herrn, trifft man in meiner ver - miſcht. Abhandl. (1750.) 2tem Stuͤck, S. 175. und im 3ten Stuͤck, S. 196. an.

§. 27.

Selbſt die (in ganz anderer Abſicht ent - ſprungene,) Gevaterſchafften werden unter groſſen Herrn nun zu einer Art des Ceremo - niels.

  • ſ. meines Sohnes Abhandlung von den Ge - vatterſchafften groſſer Herrn; in ſeiner klein. Schrifft. 1. Band, S. 291.

§. 28.

Das Hofceremoniel, oder die Etiquette, iſt eine Vorſchrifft, wie ein groſſer Herr an ſei - nem Hof, und in ſeinen Landen es in gewiſ - ſen Faͤllen will gehalten wiſſen.

§. 29.

Es betrifft das Betragen 1. gegen den Re - genten und ſeine Familie ſelbſt, 2. gegen alle Arten von einheimiſchen und fremden Perſonen, 3. bey allen Arten von Gelegenheiten, wobey etwas auf das Ceremoniel ankommt.

§. 30.

An groſſen Hoͤfen ſeynd offt eigene Perſo -nen604. Capitel. nen darauf beſtellt, auch wohl eigene Verord - nungen deßwegen gemacht.

*)Beyſpile vom Paͤbſtlichen und anderen Hoͤfen.
*)

§. 31.

Bey auſſerordentlichen groſſen Feyerlichkei - ten werden auch beſondere Inſtructioneu aufge - ſezt, wie es dabey ſolle gehalten werden.

§. 32.

Ingleichem pflegen bey denen Hofmarſchal - lenaͤmtern in allen wichtigen Vorfallenheiten ei - gene Protocollen daruͤber gefuͤhret zu werden, wie es im Ceremoniel dabey gehalten worden ſeye.

§. 33.

Zu dem Hofeeremoniel gehoͤren auch die Sprachen, deren man ſich in Staatsſachen, ingleichem bey Audienzien, u. d. bedienen darff, oder muß.

  • ſ. Mosers (Frid. Carl) Abhandlung von den Europaͤiſchen Hof - und Staats-Sprachen, nach deren Gebrauch im Reden und Schrei - ben. Franckfurt, 1750. 8.

§. 34.

Jeder groſſer Herr nun ordnet das Cere - moniel an ſeinem Hof, und aͤndert es wieder ab, wie es ihme gefaͤllig iſt; ohne daß ordent - licher Weiſe ein dritter Souverain etwas dage - gen ſagen koͤnnte.

§. 35.61Vom Ceremoniel.

§. 35.

Stuͤnde aber doch ihme einiges nicht an, und es waͤre darinn keine Aerderung zu erhal - ten; ſo laͤſſet er entweder ſeine Geſandte ꝛc. bey ſolcherley Vorfaͤllen hinweg, oder braucht an ſeinem Hof gegen jenes Souverains Geſandte Repreſſalien, oder man weichet der Sache ſonſt aus.

§. 36.

Das Waſſerceremoniel iſt eines der aller - delicateſten, woruͤber nicht nur ſchon viler Streit und Beſchwerden, ſondern ſo gar Kriege, ent - ſtanden ſeynd:

Dahin gehoͤren vornemlich folgende Stuͤck.

§. 37.

1. Das Recht einer eigenen Flagge, und die derſelben zu erweiſende Ehrenbezeugungen, welche derer Seemachten Flaggen gebuͤhret und widerfaͤhrt.

§. 38.

2. Das Segelſtreichen iſt die Einzieh - und Herablaſſung des Pavillons, oder, in deſſen Ermanglung, des Perroquetmaſts.

Von dem Flaggen - und Segelſtreichen, auch Schiffs - oder See-Gruß, liſet man von mir einen Aufſaz in meinen vermiſcht. Abhandl. (1750.) S. 134. Noch ausfuͤhr - licher iſt meines l. Sohnes

  • von Moser (Frid. Carls) Abhandlung von dem Seegelſtreichen und Schiffsgruß; nachden624. Capitel. den Grundſaͤzen und Praxi der Voͤlcker; in ſeiner klein. Schrifft. 9. Band, S. 287. 10. Band, S. 218. 12. Band, S. 1.

§. 39.

Wann es an den Kuͤſten, oder in einer ge - wiſſen Entfernung davon geſchiehet, iſt es ein Anzeigen, daß man die Oberherrſchafft eines Souverains uͤber ſolches Meer erkenne.

§. 40.

Auſſer deme iſt es eine Ehrenbezeugung ge - wiſſer einzelner oder geringerer Schiffe gegen Flotten, oder groͤſſere Schiffe.

§. 41.

3. Der Schiffsgruß iſt die Loͤſung mehrerer oder wenigerer Canonen vor Veſtungen, oder anderen Schiffen;

Darauf wird durch gegenſeitige Loͤſung de - rer Canonen gedencket.

§. 42.

In allen diſen Faͤllen ſeynd die Landesherrli - che Verordnungen und das Herkommen, nach Verſchidenheit der Umſtaͤnde auch gar ſehr ver - ſchiden.

§. 43.

Im Canzleyceremoniel gehen einige groſſe Hoͤfe ſehr hoch und ſteiff; wo hingegen andere ihres gleichen, ja wohl Hoͤhere, darinn nachge - bender ſeynd.

§. 44.63Vom Ceremoniel.

§. 44.

Das Canzley-Ceremoniel begreiffet forde - riſt das geſammte, 1. Titulatur - 2. Curialien - und 3. Courtoiſie-Weſen im ſchreiben und reden.

  • ſ. von Moser (Frid. Carl) auserleſene Titu - latur-Anmerckungen; in ſeiner klein. Schrifft. 5tem Band, S. 343.

§. 45.

Von denen beſonderen Titulaturen derer einzelnen Souverainen iſt ſchon oben geredet worden:

Hier iſt es um die allgemeine Titulaturen zu thun.

§. 46.

Dahin gehoͤret forderiſt der Majeſtaͤts - Titul, den alle gecroͤnte Haͤupter einander ge - ben.

  • ſ. von Moser (Frid. Carl) der Titul: Ma - jeſtaͤt aus den Geſchichten, dem Voͤlcker - recht und Ceremoniel erlaͤutert; in ſeiner klein. Schrifft. 6. Band, S. 20.

§. 47.

Die Roͤm. Kayſere wollten zwar vormahls in Canzleyſchreiben anderen Koͤnigen nur: Koͤ - gliche Wuͤrde, Serenitas, oder: Euer Liebden, geben:

§. 48.

Zu unſerer Zeit aber haben Sie nach und nach auch allen anderen Koͤnigen, zu erſt ausihren644. Capitel. ihren Erblandcanzleyen, hernach auch aus der Reichscanzley, die: Majeſtaͤt gegeben.

§. 49.

Auſſer in Lehensſachen.

*)Neueſtes Beyſpil von Schweden.
*)

§. 50.

In der dritten Perſon wird das Wort: Majeſtaͤt, zuweilen mit einem Zuſaz gefuͤhrt.

*)Vile Beyſpile.
*)

§. 51.

2. Der gewohnliche Titul aller gecroͤnten Haͤupter in Urkunden ꝛc. iſt: Sereniſſimus & Potentiſſimus.

§. 52.

Im Teutſchen iſt der Gebrauch der Woͤr - ter: Allerdurchlauchtigſter, und: Durch - lauchtigſter, ſo dann: Großmaͤchtigſter, und: Großmaͤchtiger, nicht in allen Faͤl - len beſtimmt.

§. 53.

3. Einige gecroͤnte Haͤupter bedienen ſich auch noch beſonderer Titulaturen; welche von anderen Souverainen nach Gefallen erkannt werden, oder nicht.

*)Beyſpile: Invictiſſimus; Auguſtiſſi - mus; ſemper Auguſtus; die von den Paͤbſten erhaltene Praͤdicaten, ꝛc.
*)

§. 54.

Auf die Titulaturen der Prinzen vom Ge -bluͤt65Vom Ceremoniel. bluͤt und derer halb-ſouverainen Herrn kan ich mich, wegen Enge des Raums, hier nicht ein - laſſen.

  • ſ. Mosers (Frid. Carl) Titul: Hoheit, Alteſſe, Alteſſe Sereniſſime, Celſitudo &c. mit hiſtoriſchen und Ceremoniel-Anmer - ckungen erlaͤutert; in ſeiner klein. Schrifft. 7dem Band, S. 167.

§. 55.

Curialien ſeynd Ehrenworte, die keine ei - gentliche Titulaturen ſeynd.

§. 56.

Dahin gehoͤret, daß alle Koͤnige einander (wiewohl zuweilen mit einigem Unterſchid,) Bruͤder nennen.

  • ſ. Meine Abhandlung: Von dem Bruder - Titul unter groſſen Herrn, beſonders denen gecroͤnten Haͤuptern. Franckfurt an der Oder, 1737. 4. und, vermehrt, in mei - nen Opuſc. acad. S. 413;

§. 57.

Von Anderen aber nehmen ſie diſen Aus - druck nicht an, noch geben ſie ihnen ſolchen; auſſer etwa einigen weltlichen Churfuͤrſten.

*)Beyſpil von K. Carl VI. und dem Spa - niſchen Infanten Carl.
*)

§. 58.

Es wird aber diſes Wort nicht allemal zu - ruͤckgegeben, oder angenommen.

E§. 59.664. Capitel.

§. 59.

Von dem Wort: Herr, und deſſen Ge - brauch gegen und von ganz und halb ſouverai - nen Herrn laͤſſet ſich gar viles ſagen.

  • ſ. Moser (Frid. Car.) de Titulo: Domini. Leipzig, 1751. 4.

§. 60.

Aller uͤbrigen (zuweilen in das widernatuͤr - che oder widerſprechende fallenden,) Curialien hier zu gedencken, iſt hieher zu weitlaͤufftig.

  • ſ. Mosers (Frid. Carl) Abhandlung von den Tituln: Vater, Mutter und: Sohn, nach dem Welt-Hof - und Canzley-Ge - brauch; in ſeiner klein. Schrifft. 1. Band, S. 366.
  • Derſelbe von dem Titul: Gnade, nach dem Welt-Hof - und Canzley-Gebrauch; in ſeiner klein. Schrifft. 6. Band, S. 178.

§. 61.

In was fuͤr einer Sprache Souverainen an einander ſchreiben muͤſſen oder doͤrffen, muͤſ - ſen die Vertraͤge oder das Herkommen entſchei - den.

  • Meines l. Sohnes Abhandlung von denen Europaͤiſchen Hof - und Staats-Sprachen iſt ſchon oben gedacht worden.

§. 62.

Bey der uͤbrigen Schreibart, deren ſich die Souverainen gegen einander bedienen, kommt es gar ſehr offt bald auf die Anwendung dererallge -67Vom Ceremoniel. allgemeinen grammaticaliſchen Reglen, bald auf Abfaͤlle davon, an.

  • ſ. Mosers (Frider. Carl) Verſuch einer Staats-Grammatic. Franckfurt, 1749. gr. 8.

§. 63.

Es iſt ein groſſer Unterſchid zwiſchen 1. Canzley - 2. Hand - und 3. eigenhaͤndigen Schreiben.

§. 64.

Bey verſchidenen Gelegenheiten bedienet man ſich zu gleicher Zeit, und in einerley Sache zu - mal, zweyer oder dreyer diſer Gattungen.

§. 65.

In Canzleyſchreiben wird mehr auf die Strenge der Curialien ꝛc. geſehen, als in Hand - oder eigenhaͤndigen Schreiben:

§. 66.

Doch darff man in denen lezteren ſich auch durchaus nicht einer willkuͤhrlichen Freyheit be - dienen.

§. 67.

Courtoiſien heiſſen die Ehrenworte im Schluß eines Brieffs, auch vor der Unter - ſchrifft:

Es wird darinn bald nach einerley Grund - ſaͤzen gehandelt, bald behandelt man es her - kommlich oder willkuͤhrlich.

§. 68.

Selbſt die Unterſchrifften koͤnnen anſtoͤßig ſeyn.

E 2*) Bey -684. Capitel.
*)Beyſpile von Spanien.
*)

§. 69.

Bey denen Contreſignaturen gibt es zuwei - len auch allerley anzumercken.

  • ſ. von Moser (Frid. Carls) Abhandlung von der Contraſignatur, nach dem neueren Ge - brauch der Hoͤfe und Canzleyen; in ſeiner kleinen Schrifft. 5. Band, S. 1.

§. 70.

Jede groſſe Canzley hat ihre eigene Buͤcher, darinn verzeichnet iſt, was jedem Herrn und Staat, an den geſchriben wird, fuͤr Titul, Curialien und Courtoiſien gegeben werden; wie auch, was man von ihnen an dergleichen er - haͤlt.

§. 71.

Wann die Titulaturen oder Curialien nicht abgefaſſet ſeynd, wie man es gerne haͤtte, ge - ſchiehet es entweder mit Fleiß, oder es iſt ein Canzleyfehler.

§. 72.

Wann es mit Fleiß geſchiehet, nimmt man 1. entweder dergleichen Schreiben, oder andere Schrifften, gar nicht an, oder 2. nur mit Proteſtation, oder 3. beantwortet ſie nicht, oder 4. ahndet es ſonſt, oder 5. braucht Re - preſſalien, u. ſ. w.

  • ſ. Moser (Frid. Carl) Tr. von Ahndung fehlerhaffter oder unanſtaͤndiger Schreiben. Franckfurt, 1750. 8.
§. 73.69Vom Ceremoniel.

§. 73.

Canzleyfehler ruͤhren von denen her, welche die Aufſaͤze concipiren oder expediren.

  • ſ. von Moser (Frid. Carl) Abhandlung von Canzleyfehlern; in ſeinen klein. Schrifft. 5. Band, S. 229.

§. 74.

Alle Gattungen von Ceremoniel leiden mit der Zeit allerley, bald mehr bald weniger allge - meine, Abwechslungen.

Ritterorden.

§. 75.

Als eines Anhanges zu dem Ceremonielwe - ſen kan man fuͤglich allhier derer weltlichen Rit - terorden gedencken.

Nicht zwar des, ſo zu ſagen, univerſal - oder gemeinſchafftlichen Johanniter - oder Mal - theſer-Ritter-Ordens, ſondern derjenigen, welche die einzelne Souverainen errichten.

§. 76.

Jeder hat darinn freye Hand, es damit zu halten, wie er will:

Und jeder pflegt etliche Arten davon zu ha - ben.

§. 77.

Auch denen Chur - und alt-weltlichen Fuͤr - ſten geſtehet man diſes Recht zu; deſſen ſich doch nicht alle bedienen.

E 3§. 78.705. Capitel.

§. 78.

Die Orden von dem erſten Rang nehmen auch manche Souverains fuͤr ihre eigene Perſo - nen von einander an.

§. 79.

Und noch haͤuffiger beehret ein Souverain des anderen Anverwandte, auch Staats-Hof - und Militar-Bediente, damit; doch mit Er - laubniß ihres Herrns.

§. 80.

Ueber Familien-Orden ſeynd ſchon Strei - tigkeiten unter denen Souverainen entſtanden.

*)Beyſpil von Oeſterreich und Spanien.
*)

Fuͤnftes Capitel. Von Geſandtſchafften und Verſchi - ckungen. (1)ſ. mein teutſch. auswaͤrt. Staatsrecht, S. 51. 89. 269.

§. 1.

Von Geſandtſchaffts-Sachen ſeynd vile Schrifften heraus. (2)ſ. Struvii Biblioth. Juris, (1756.) p. 283. ſqq. Kahle Biblioth. philoſoph. Tom. 2. p. 268. u. f. 371. u. f.

Die practiſche handlen 1. entweder von dem Geſandtſchafftsrecht, der Geſandten Perſonen,Rech -71Von Geſandtſchafften. Rechten, u. ſ. w. oder 2. von der Art, zu negotüren.

Ich will hier nur folgender gedencken.

  • de Callieres (Franc. ) de la maniere de negocier avec les Souverains; de l’uti - lité des Negociations; du choix des Ambaſſadeurs & des Envoyés & des Qualités neceſſaires pour réüiſſer dans ces Emplois. Amſterdam, 1716. 12. auch teutſch: Der Staatserfahrene Abge - ſandte. Leipzig, 1717. 12.
  • de Sarras du Franquenay le Miniſtre pub - lic dans les Cours étrangeres, ſes fonc - tions & ſes Prérogatives. Paris, 1731. 12.
  • Pecquet Diſcours ſur l’Art, de negocier.
  • de Wicquefort (Abr.) l’Ambaſſadeur & ſes fonctions. Erſtmals im Haag, 1680. 4. auch zulezt, Amſterdam, 1741. 4. iſt noch immer ein ſehr brauchbares Buch.

Von dem Geſandtſchafftsrecht der Teutſchen Reichsſtaͤnde von allen Gattungen ins beſondere ſeynd auch allerley Schrifften heraus.

Von Geſandten ꝛc. uͤberhaupt.

§. 2.

Geſandte und andere oͤffentliche Perſonen ſeynd nicht mit einander zu vermengen.

§. 3.

Ein Geſandter iſt eine oͤffentliche Perſon,E 4die725. Capitel. die von einem Herrn, der das Geſandtſchaffts - recht hat, mit einem Geſandtſchafftsmaͤßigen Cre - ditiv an einen andern Herrn oder Staat, oder an einen dritten Ort, geſchickt wird.

§. 4.

Aus Gefaͤlligkeit, oder ſich ſelbſt damit eine Ehre zu geben, behandelt man zuweilen auch Perſonen als Geſandte, die es doch nicht ſeynd.

§. 5.

Ein Geſandter kan oͤffters an einerley Hof eine gedoppelte oder mehrfaͤltige Perſon vor - ſtellen.

§. 6.

Ein Geſandter kan nemlich zugleich des Herrn, oder Staats, an den er accreditiret iſt, Bedienter, oder Unterthan, oder Vaſall ſeyn.

*)Beyſpile; von Vattel 3. Th. S. 552.
*)

§. 7.

Oder er kan ſonſt eine angebohrene, oder angenommene, zeitliche oder beſtaͤndige, Eigen - ſchafft haben.

*)Fuͤrſt ꝛc. Geiſtlicher, Vormund, Teſta - ments-Executor, ꝛc.
*)

§. 8.

Dahero iſt noͤthig, entweder uͤberbaupt, oder doch bey vorkommenden Faͤllen, zu erklaͤ - ren, in welcher Eigenſchafft man ihne erkenne, oder wuͤrcklich behandle, oder nicht.

Widri -73Von Geſandtſchafften.

Widrigen Falles koͤnnen beſchwerliche Fol - gen daraus entſteben.

*)Beyſpil: Graf von Wartensleben.
*)

Die Liſte aller jedes Jahres an allen Hoͤfen befindlichen Europaͤiſchen Geſandten liſet man an verſchidenen Orten.

*)ſ. des Franckfurtiſchen jaͤhrlichen Genea - logiſchen Handbuchs 2ten Theil.
*)

Geſandtſchafftsrecht.

§. 9.

Das Geſandtſchafftsrecht iſt ein Vorzug, welchen, in eigentlichem Verſtand, nur ganz und halb ſouveraine Herrn und Staaten haben.

§. 10.

Es haben dahero auch ſelbſten Prinzen vom Koͤniglichen Gebluͤt daſſelbe nicht.

§. 11.

Vil weniger andere unterthaͤnige Corpora, Communen, oder Perſonen; ob ihnen gleich etwa ihr Souverain einen Schatten davon ge - ſtattet.

*)Beyſpile vom Pabſt.
*)

§. 12.

Selbſt die Unabhaͤngigkeit berechtiget einen Herrn oder Staat deswegen noch nicht, auch alle Arten von Geſandten ſchicken zu koͤnnen.

*)von Vattel iſt anderer Meinung.
*)
E 5§. 13.745. Capitel.

§. 13.

Vicekoͤnige und General-Gouverneurs hin - gegen ſeynd im Beſiz, Geſandte vom zweyten Rang zu ſchicken und anzunehmen.

§. 14.

Und einige Staͤtte in der Schweiz, welche einen Fuͤrſten haben, behaupten doch, daß ſie das Geſandtſchafftsrecht haben.

*)Vattel 3, 457.
*)

§. 15.

Ob die das Evangeliſche Corpus zu Regens - burg ausmachende Geſandte das Recht haben, formliche Geſandte zu ſchicken? wurde geſtritten.

§. 16.

Reichspraͤlatiſche Collegial-Geſandte paßie - ren als ſolche vom zweyten Rang.

*)Weſtph. u. Rysw. Frid. Handl.
*)

§. 17.

Reichsgraͤfliche Collegialgeſandte desglei - chen.

*)Anfaͤnglicher Streit im Haag. Streit beym Reichstag.
*)

So auch die von einzelnen alten Graͤflichen Haͤuſern.

*)Acta beym Reichstag.
*)

§. 18.

Reichsſtaͤttiſche Collegialgeſandte kommen auf dem Europaͤiſchen Staatstheater nie zum Vorſchein:

Wohl75Von Geſandtſchafften.

Wohl aber von denen Hanſeeſtaͤtten, die man als Geſandte vom zweyten Rang paßieren laͤßt.

Bey einzelner Reichsſtaͤtte Bevollmaͤchtig - ten kommt es auf jeden Hofes Willkuͤhr an.

§. 19.

Reichsritterſchafftliche Collegial-Geſandte kommen, auſſer dem Kayſerlichen Hof, in ſehr langen Zeiten nicht vor.

§. 20.

Auſſerordentlicher Weiſe genieſſen das Ge - ſandtſchafftsrecht:

  • 1. Das Cardinalscollegium, bey erledig - tem Paͤbſtlichem Stuhl:
  • 2. Die Staͤnde eines Wahlreichs, bey vacantem Thron;
  • 3. Die Domcapitul derer Teutſchen Erz - und Hochſtiffter, waͤhrender Sedisvacanz.

Deſſen Grade.

§. 21.

Es gibt ferner verſchidene Grade des Ge - ſandtſchafftsrechts.

§. 22.

Im hoͤchſten Grade haben es 1. alle ganz unabhaͤngige groſſe Staaten.

§. 23.

Kayſer-Wahltaͤge werden von auswaͤrtigen Machten mehrmalen durch Geſandte vom erſten Rang beſchickt.

§. 24.

Auch die einzelne Churfuͤrſten ſeynd im Be -ſiz,765. Capitel. ſiz, Geſandte vom erſten Rang zu ſchicken; doch haben noch nicht alle Koͤnigliche Hoͤfe es nach allen Umſtaͤnden in gleichem Grad mit ihnen er - kennen wollen.

*)Franckreich und Chur-Bayern.
*)

§. 25.

Verſucht haben es, aber noch nicht erhal - ten, verſchidene weltliche alte Teutſche Fuͤrſten.

Davon handlen Fürstenerii, (Leie - nitii) und Anderer Schrifften. (1)ſ. Struvii Biblioth. Juris, (1756.) p. 809. 847. 901.

§. 26.

Wohl aber werden von denen Italiaͤniſchen groſſen Fuͤrſten da und dort Geſandte vom er - ſten Rang angenommen.

§. 27.

Die teutſche geiſtliche Fuͤrſten, die neue welt - liche Fuͤrſten, wie auch die uͤbrige Reichsſtaͤnde, begnuͤgen ſich damit, wann man ihre Collegial - und einzelne Bevollmaͤchtigte als Geſandte vom zweyten Rang paßieren laͤßt; auſſer was auf Teutſchen Reichstaͤgen zuweilen vorfaͤllt.

§. 28.

Man theilt das Geſandtſchafftsrecht ſonſt auch in das active und paßive; oder das Recht - Geſandte zu ſchicken, und anzunehmen: Eines flieſſet aber aus dem andern.

§. 29.77Von Geſandtſchafften.

§. 29.

An Untergebene, als ſolche, werden keine Geſandte, ſondern Commiſſarien, geſchickt.

*)Unterſchid zwiſchen Reichs - und Chur - fuͤrſtlichen Collegial-Taͤgen.
*)

§. 30

Doch beſchicken die Churfuͤrſten und Fuͤrſten die Reichstaͤge, wo ſie eben als Reichsſtaͤnde erſcheinen, durch Perſonen, welche Geſandte vom erſten Rang ſeyn wollen:

Und der Kayſer Selbſt beſchicket die Crays - und andere Reichsſtaͤndiſche Convente, auch die einzelne hoͤhere Reichsſtaͤnde, vilfaͤltig durch form - liche Geſandtſchafften.

*)Wahltagsacta 1764.
*)

Gattungen der Geſandten.

§. 31.

Es gibt drey Hauptgattungen von Geſand - ten: 1. Von der erſten - und 2. von der zweyten Claß, ſo dann 3. von einer dritten Art, die weder zu der einen noch andern gehoͤ - ren, und 4. wegen einer noch weiteren Art wird geſtritten: Ob ſie zu denen Geſandten ge - hoͤren, oder nicht?

  • ſ. (Hagedorn) Diſcours ſur les différens Caractéres des Envoyés extraordinaires, des Envoyés ordinaires, ou Réſidens & des Agens, revétus du Caractére de Re - ſident. Amſterdam, 1736. 4. und bey meiner folgenden Schrifft.
Meine785. Capitel.
  • Meine Abhandlung von denen dermalen uͤbli - chen Gattungen derer Geſandten und ande - rer oͤffentlichen Perſonen; vor meinem Belgrad. Fridensſchl. (1740.)

§. 32.

Ob im Teutſchen zwiſchen: Geſandter, und: Abgeſandter ein Unterſchid ſeye, und jener Ausdruck einen vom erſten-diſer aber einen vom zweyten Rang bedeute? iſt nicht ganz aus - gemacht.

§. 33.

Geſandte von der erſten Claß oder Rang werden Ambaſſadeurs oder Bottſchaffter ge - nannt:

Unter ſie gehoͤren auch die Paͤbſtliche Nuncii.

*)Gebrauch des Worts: Bottſchaffter auf Teutſchen Reichs - oder Crays-Taͤgen.
*)

Das Kennzeichen eines Bottſchaffters iſt, wann er 1. entweder in ſeinem Creditiv aus - druͤcklich alſo benennet wird, oder 2. doch in dem Creditiv ſtehet: Der andere Hof moͤchte den Geſandten annehmen, als ob er der ſchicken - de Herr ſelbſt waͤre.

*)Beyſpil von einem Canzleyfehler darinn.
*)

Diſes nennet man den Characterem repræ - ſentativum.

§. 34.

Der Unterſchid zwiſchen ordentlichen und auſſerordentlichen Bottſchafftern hat keine Fol - gen.

Doch79Von Geſandtſchafften.

Doch gibt es zuweilen und in gewiſſen Faͤl - len wuͤrckliche auſſerordentliche Bottſchafftere.

§. 35.

Zuweilen wird der Character eines Bott - ſchaffters nur zu einer einigen Handlung ange - nommen, und ſo gleich wieder nidergelegt.

§. 36.

Geſandte von der zweyten Claß ſeynd die Abgeſandte, oder Envoyés extraordinaires.

Ob und was fuͤr ein Unterſchid zwiſchen ei - nem Envoyé ordinaire oder extraordinaire ſeye? ſtreitet man.

§. 37.

Zu der dritten Claß gehoͤren die in ihren Creditiven alſo genannte Miniſtres plenipoten - tiaires, oder bevollmaͤchtigte Miniſters.

§. 38.

An vilen Hoͤfen wird keiner als ein form - licher Geſandter vom zweyten Rang behandelt, er werde dann als bevollmaͤchtigter Miniſters accreditirt.

*)Beyſpile.
*)

§. 39.

Miniſtres plenipotentiaires werden, nach ihren uͤbrigen perſonellen oder Amts-Um - ſtaͤnden, bald denen Geſandten der erſten oder zweyten Claß gleich gehalten, oder reſp. auch vorgezogen.

§. 40.805. Capitel ..

§. 40.

Die meiſte Schwuͤrigkeit machen die bloſſe Miniſters, oder Miniſtres reſidens und die Reſi - denten: Ob ſolche formliche Geſandten ſeyen, oder nicht? Keine allgemeine Regel gibt es diß - falls nicht; ſondern es kommt darinn theils auf die beſondere Obſervanz eines Hofes, theils auf die Legitimation, theils auf die uͤbrige perſoͤnliche und Amtsumſtaͤnde einer ſolchen Perſon, an.

§. 41.

Einerley Perſon kan, an einerley Hof, bloß durch Veraͤnderung des Creditivs, ein Geſand - ter von einer hoͤheren oder nidrigeren Claſſe werden.

Wann Geſandte geſchickt werden.

§. 42.

Ordentlicher Weiſe ſchickt ein Herr einen Geſandten an einen Ort,