PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Teutſche Gedichte.
Breſzlau /VerlegtsJohann Georg Steckh /Buchhaͤndler. Franckfurt am Mayn /DrucktsJohann Philipp Andreaͤ /1686.
) o (

Vorrede.

Hochgeehrter Leſer.

DJe Teutſche Poeſie / die bißher zimlich in die Hoͤ - he geſtiegen / ſcheinet nunmehr ein ſolches Ziel der Vollkom - menheit erreicht zu haben / daß / nach dem gewoͤhnlichen Lauff menſchlicher Sachen / mehr ſelbiger Abnehmen / als einiges Wachsthum zu befah -) (3ren.) o (ren. Zumahln da ein jeder hierinn den Meiſter ſpielen / und ſelbſt die Kraͤhen den Adlern gleich fliegen wollen. Es ſte - het verſichert zu beklagen / daß dieſe herrliche Kunſt / von ſo vielen gemeinen Seelen befle - cket / und gleichſam zum Schimpff auffgeſtellet wird / da man doch wohl weiß / daß zwi - ſchen einem Poeten und einem Reimen-Schmiede / ein groſſer Unterſcheid zu finden. Gleich - wohl muß die Poeſie bey den Boßhafftigen / oder vielmehr Unverſtaͤndigen / hieruͤber lei - den / und diejenigen / welcheſelbſt) o (ſelbſt nichts tuͤchtiges machen koͤnnen / nehmen dannenhero Anlaß / aufs ſchaͤndlichſte zu ſtuͤmpffen / und diß / was ſie nicht verſtehen koͤnnen und wollen / nach Art aller Unwiſ - ſenden zu verachten. Ein Geiſt - reicher Teutſcher Poet / der Feuer und Leben aus ſeinen Schrifften blicken laͤſt / iſt ver - ſichert nicht allenthalben zu fin - den / und obgleich Schleſien nach Auſſage vieler unpartheyi - ſchen Auslaͤnder / bißhero eini - gen Vorzug in dieſem Fall zu haben geſchienẽ / muß man doch geſtehen / daß unter koſtbarem) (4Gute) o (Gute nicht ſolten einiger Brack zu finden. Der ſelige Muͤhl - pforth / deſſen Teutſche Ge - dichte dir hiermit uͤberliefert werden / iſt auſſer allem Zwei - fel in die Reyh derjenigen zu ſe - tzen / die etwas mehr als Rei - men machen koͤnnen. Seine nette Erfindungen / herrliche Worte / und aus allen Zeilen hervorblickende Gelehrſamkeit / giebt genugſam zu erkennen / daß ihm die Roͤmiſche und Griechiſche Poeten / nebſt den Geheimnuͤſſen der innerſtenWeiß -) o (Weißheit nicht unbekandt ge - weſen. Weßwegen ihn auch die vortrefflichſten Lichter des Vaterlandes / ſonderlich der Unſterblichen Ruhms-wuͤrdig - ſte Herr von Hoff - manns-Waldau ſonder - bahren Gewogenheit nicht un - wuͤrdig geachtet; die geringe Obachtung / die er nach Art vieler hurtigen Gemuͤther auf ſeine Sachen geſchlagen / macht / daß viel von ſeinen Schrifften verlohren gegangen /) (5wel -) o (welche uͤberfluͤſſiger von ſeiner Zierlichkeit und Fertigkeit zeu - gen wuͤrden; ſolte inſonderheit ſein Hiob / der ihm vor etzlichen Jahren / ich weiß nicht / durch was Zufall entfuͤhret worden / bey der Hand ſeyn / ſo wuͤrde man gewahr werden / wie gluͤcklich er dieſes ſchwere und Geheimnuͤß-volle Werck in die gebundene Rede verſetzet. Jn - deſſen wird man doch zur Ge - nuͤge aus dieſen / offt in hoͤch - ſter Eil und unter den hefftigſtenGicht -) o (Gicht-Schmertzen verfertigten Gedichten gewahr werden / was vor eine treffliche Seele in einem zerbrechlichen und kraͤncklichen Leibe gewohnet. Diejenigen / welche ihn genauer gekennet / wiſſen / daß er nicht allemahl zu bequemer Zeit / ſondern auf anderer Bitte / offt unter der hoͤchſten Ungelegenheit etwas verfertigen muͤſſen. Deſſen un - geachtet wird der Leſer / wo nicht allenthalben / doch an den meiſten Orten ein ſonder -bah -) o (bahres Vergnuͤgen empfinden / und geſtehen muͤſſen / daß Poe - ten nicht durch vielen Fleiß ge - machet / ſondern von der Na - tur ſelbſt gezeuget werden. Zum Beſchluß iſt hierbey zu erinnern / daß ſo viel als der - mahlen von des Seligen Teutſchen Schrifften (dann die Lateiniſchen abſonderlich ge - drucket worden) zu erlangen ge - weſen / alhier zu befinden / wiewohln noch ein und anders unter ſeinen Manuſcriptis undbey) o (bey guten Freunden verborgen iſt / welches kuͤnfftig / geliebt es GOTT / an das Licht tretten ſoll / moͤgen derohalben dieje - nigen / welche ſich / wie bißhe - ro nicht ſelten geſchehen / un - terſtehen duͤrfften / dieſem ed - len Vater frembde Kinder auf - zubuͤrden / gewiß verſichert le - ben / daß es an Mitteln nicht ermangeln werde / der gelehr - ten Welt ihre Betruͤgereyen deutlich genung vor die Au - gen zu legen. Lebe wohl /hoch -) o (hochgeehrter Leſer / und wuͤn - ſche / daß die Teutſche Poeſie bey jetzigen zu der Unwiſſen - heit ſehr geneigten Zeiten / nicht voͤllig mit dieſem ſtat - lichen Tichter vergraben ſeyn moͤge.

H. M.
[1]

H. M. Gluͤckwuͤnſchungs - Gedichte.

[2]3
Das frohlockende Breßlau Wegen der Geburt des Kaͤiſerl. Printzens Erz Herzogs Joſephi.
WElt gepriſens Oeſterreich
Das nur Goͤtter hat gebohren / Das zu Sceptern iſt erkohren /
Dem nichts auff der Erden gleich /
Das von Oſten biß zu Weſten /
Prangt mit ſeinen Lorbern Aeſten.
Schaue was der Himmel ſchafft
Deine Zweige ſollen leben /
Unſerer Nachwelt Schatten geben /
Und der Wurtzel Krafft und Safft /
Meldet durch den Printz und Erben
Oeſterreich kan nicht abſterben.
Schleſien das treue Land
Und ſein ander Aug und Hertze
Breßlau brennt gleich einer Kertze
Jetzt bey dieſem Freuden Stand.
Daß der Laͤnder Wuͤnſch und hoffen /
So geſegnet eingetroffen.
Seht wie ſich Budargis ſchmuͤckt
Jhrem Kaͤiſer zu gefallen /
Wie ſie unter ſchall und knallen
Seuffzer zu dem Himmel ſchickt
Und vor ihres Printzens Leben
Sich ſelbſt wil zum Opffer geben.
A 2Solte4Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Solte gleich Harmonie
Und Amphrion mit den Seiten
Jetzt umb Ruhm und Ehre ſtreiten /
Finde ſich von Rhodope
Orpheus ein mit ſeinen Geiſtern
Wird Er Sie nicht uͤbermeiſtern.
Denn Bedorgis iſt die Stadt /
Die nie Pflicht und Treu gebrochen /
Von der laͤngſt der Neid geſprochen /
Daß ſie feſt gehalten hat:
Dieſer Ruhm wird auch bekleiben
Und ihr Eigenthum verbleiben.
Daß ſie an Geſetzen bluͤht
Und ein Spiegel guter Sitten /
Daß ſie nie kein Feind beſtritten
Ob er noch ſo ſehr geſpruͤht /
Dancket ſie den groſſen Keiſern
Und den gruͤnen Siges-Reiſern.
Nun ô Phœnix Leopold,
Der du nimmermehr wirſt ſterben /
Der du herſchſt in deinen Erben /
Dem der Himmel alſo hold /
Daß er gleich den Ewigkeiten
Seine Zweige auß wil breiten.
Schaue doch genaͤdigſt an /
Was wir dir fußfaͤllig bringen /
Zwar wir wiſſen unſer Singen /
Daß es gar nicht leben kan /
Wo du ihm nicht Geiſt und Sinnen
Laͤſt von deiner Hold zurinnen.
Pfand des Himmels / Troſt der Welt /
Nachſaß auff den Purpurthronen
Erbe von viel Kaͤiſer-Kronen /
Feinde-Zwinger / Friedens-Held /
Neugeborner Printz erwache /
Wie zur Freuden ſo zur Rache.
Oder ſchmidet Mulciber
Dir ſchon Waffen zu dem Sigen /
Legt Broontes zu der Wigen
Harniſch / Spieß und Kugeln her /
Und5Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Und geuſt Steropes Canonen
Kuͤnfftig deinen Lorberkronen!
Adler breitte dich ſo aus /
Daß der Han zu deinen Fuͤſſen
Kuͤnfftig wird bekennen muͤſſen /
Wie dein unvergaͤnglich Hauß
Nie kein Feind umbſonſt beſtritten
Sondern Schaden hab gelitten.
Nun er legt fuͤr deinen Thron /
Leopold / der Voͤlcker Wonne /
Der gekroͤnten Haͤupter Sonne /
Breßlau / ſeinen Helicon /
Und deſſelben Klang und Lieder
Jn getreuer Demuht nieder.
Muſen koͤnnen ſonſt nichts mehr /
Als daß Sie den Wunſch ausſchreyen
Und zugleich ihr Hertze weyhen.
Leben / Seegen / Ruhm und Ehr
Wachſen / Bluͤhen / Herſchen / Siegen /
Muͤſſe bey dem Printzen ligen.
Auf der Durchl. Fuͤrſtin und Fr. Frauen Eleonoren Charlotten / gebohrner und vermaͤhlter Hertzogin zu Wuͤrtemberg / Teck und Chaſtillon auch in Schleſien zur Oelß / ꝛc. erſchienenen Geburts-Tag 1680. im Namen Jhrer Hoch - Fuͤrſtl: Durchl. Durchlauchtigſten Gemahl.
SEh ich fuͤr Flock und Schnee auf heute nur Jeßminen /
Und wil die Morgenroͤht im Winter Roſen ſtreu’n /
Die Sonn als Koͤnigin der Strahlen Schmuck verneu’n
Bekroͤnet ſie ihr Haupt mit Kraͤntzen von Rubinen?
Jſt die geklaͤrte Lufft wie Hyacinthen ſchoͤn /
Und wil ſelbſt die Natur dem Tag zu Dienſte ſtehn?
So ſag ich diß geſchicht / Durchlaucht Eleonore /
Du Wunder dieſer Welt / du Pallas unſrer Zeit /
Du Perle meiner Luſt / Bild der Vollkommenheit /
A 3Du6Glückwuͤnſchungs-Gedichte.
Du vierdte Gratie und mehr als andre Flore
Nur eintzig dir zum Ruhm / weil deine Goͤttlichkeit
So wol der Erden Rund / als Sternen-Kreiß erfreut.
Dein erſter Urſprung iſt ja von dem Himmel kommen /
Dein Himmel-hoher Geiſt hengt gleicher Regung nach.
Erlauchte Seelen ziehn in kein gemeines Dach /
Es wird der beſte Zeug zu ihrem Hauß genommen.
Die Sterne ſtimmten bald durch ihren Einfluß bey /
Daß die Charlotte gantz dem Himmel aͤhnlich ſey.
Charlotte liebſte Seel mein einig Hertz und Leben
Dein hoher Fuͤrſten Stamm / den Auff - und Untergang
Jn tieffer Demuth ehrt / und den der Nach-Welt Klang
Bey Suͤden und bey Nord nach Wuͤrden wird erheben
Huͤllt in der Wiege zwar dich ſchon in Purpur ein;
Doch muſte Tugend da die treueſt Amme ſeyn.
Du Himmel-werthes Pfand zu Nutz der Welt gelihen /
Minerva legte dich behaͤglich an die Bruſt /
Die keuſche Muſen-Schaar ſah ihre Hertzens Luſt
Als ein neu Helikon umb dich fing an zubluͤhen;
Der Sinnen Trefligkeit / der himmliſche Verſtand
Bezeugte daß dein Geiſt nur Goͤttern ſey verwand.
Apollo wich vom Thron in Gold-beflammten Haaren
Und hieng ſein Lauten Spiel an einen Lorber-Baum /
Er rief / ihr Clarien / macht dieſer Fuͤrſtin Raum
Sie wird als Schuͤtzende ſtets euren Ruhm bewahren /
Sie iſt es / die euch ſchenckt aufs neue Seel und Geiſt
Und unter ihrem Schirm vergnuͤget wohnen heiſt /
Der Außgang kroͤnt die That. Charlotte macht ihr eigen /
Den Kreiß der Wiſſenſchafft / den Circkel dieſer Welt /
Nichts iſt ſo tief verſteckt / nichts iſt ſo hoch geſtellt /
Nichts wird manch kluger Kopff in der Erfindung zeigen /
Das ihre Faͤhigkeit nicht zu entſcheiden weiß /
Und Wercke voller Witz belohnt mit Danck und Preiß.
Was aber zuͤnd ich doch Durchlaucht Eleonore
Bey einem hellen Tag der Sonnen Fackeln an?
Ach Leit-Stern meiner Ruh / mit dem iſts nicht gethan
Was gleich Apollo ſingt mit ſeinem gantzen Chore.
Nein; viel ein ſtaͤrcker Zug und Wuͤrckung aus der Hoͤh
Erfordert daß ich heut dein Freuden-Feſt begeh?
Es wil die Liebe ſelbſt mir Hand und Feder leiten /
Und7Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Und die Eintraͤchtigkeit hat ein Altar gebaut /
Wo man mein Hertze gleich der Kertzen brennen ſchaut /
Und ich Charlotten ſol ein Opffer zu bereiten.
Mein Alles auff der Welt / mein irrdiſch Himmel-Reich /
Was bring ich weiter noch das deiner Hoheit gleich?
Jch weiß Charlotte kennt die treu-vermaͤhlten Flammen /
So hat die Livia nie den Auguſt geliebt /
Und ob Alceſtens Treu die Welt ein Zeugnuͤß gibt;
Ob Artemiſia die Aſche rafft zuſammen.
So weicht Charlottens Treu doch den Heldinnen nicht /
Wie ſchoͤn der Nach-Ruhm auch die Ehren Palmen flicht.
Es uͤberſchwemmet mich ein gantzes Meer der Freuden /
Jch lend itzt an den Port der guten Hoffnung an;
Wer iſt der Regungen in Ketten halt[e][n]kan?
So lange Fleiſch und Blut wird unſern Leib bekleiden /
So ſind doch Freud und Leid ein Spornen-Streich im Blut /
Das nach Begeben heit wol oder uͤbel thut.
Ach ziehmt es dieſen Tag Hochwerthſt Eleonore
Die Unruh in der Welt vernuͤnfftig anzuſchaun /
Wie nichts auff Eyd und Pflicht iſt ferner mehr zutraun /
Da auch der Unterthan ſpinnt Faden zu dem Flore /
Bedenckt nicht was er thut / des Landes Treu vergiſt
Und nach der Zeiten Lauff nur ſeinen Zuſtand mißt.
Wiewol den Helden Muht / die hocherlauchten Sinnen
Charlotte ſchrecket nicht ein harter Donnerſchlag.
Die unumbſchrieb’ne Macht ſo alles noch vermag
Wird auch die Ober-Hand in dieſem Sturm gewinnen.
Wenn itzt deß Himmels Burg von ſchwartzen Wettern kracht /
So hat in kurtzer Zeit die Sonne drauff gelacht.
Das gantze Teutſche Reich ruͤhmt die Beſtaͤndigkeiten /
GOtt und dem Kaͤiſer treu verdint den groͤſten Ruhm /
Der Wuͤrtenberger Stamm bleibt doch der Helden Bluhm
Und kan ſich mit dem Lauff der Sonnen gleich außbreiten.
Es bluͤhe dieſes Hauß / das viel Achilles zeigt
Viel Neſtor derer Lob die Nach-Welt nicht verſchweigt.
Mein Engel / meine Seel und Außzug voller Freuden /
Charlotte ſchwaͤrtz ich denn mit Kummer dieſes Licht?
Erlauchte Fuͤrſten-Sonn erhelle dein Geſicht
An deſſen Blicken ich mich eintzig nur kan weiden.
A 4Wilſt8Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Wilſt du Aurora ſeyn / ſo bin ich Memnons Bild
Das deiner Strahlen Glantz mit Lauten-Klang erfuͤllt.
Du ſolſt Aſpaſia in meinem Hertzen bleiben /
Es muͤſſe doch dein Fuß auff nichts als Roſen gehn /
Deß Gluͤckes milde Gunſt zu deinen Dienſten ſtehn /
Die Sternen ihre Hold / dir Sternen-Kind / verſchreiben /
So daß Charlotte noch allhier vergoͤttert ſey /
Und unſer Wolfahrts-Baum das gantze Land erfreu.
Es hat das Alterthum Pracht-Tempel angebauet /
Und ſeiner Obrigkeit Geburts-Tag hochgeſchaͤtzt.
Das Denckmahl / das dir hier / mein Schatz / dein Fuͤrſt auffſetzt /
Jſt / daß man ſtets dein Bild in ſeinem Hertzen ſchauet /
Bey dem der Unterthan wil opffern Leib und Geiſt /
Und dich mit hoͤchſtem Recht deß Landes Goͤttin heiſt.
Gluͤckwuͤnſchung an Jhr. Hochfuͤrſtl. Durchl. Hertzoa Chriſtian Albrechten zu Schleßwig / Hollſtein / ꝛc. uͤber Auffrichtung der Univerſitaͤt Kiel 1665. den 5. Octobr.
D dir / Hochwuͤrdigſter / jetzt die gelehrte Welt /
Gedaͤchtnuͤß-Tempel baut / und Ehren-Saͤulen ſetzet;
Dein Lob in Taffeln graͤbt / die keine Zeit verletzet;
Fuͤr deinem hohen Thron in Demuht nider faͤllt /
War vor auch ihre Pflicht: jetzt wird ſie zur Begierde /
Die reitzt / Held Chriſtian / dein Thun voll Ruhm und Zierde.
Deß Stammes Goͤttlichkeit / der Tugend Sonnen-Glantz
Hat dich zwar laͤngſt bekroͤnt / mit tauſend Lorbeer-Reiſern:
Nun kan Apollo nebſt den Muſen ſich nicht aͤuſſern /
Dir / hochgebohrner Fuͤrſt / zu winden einen Krantz /
Von Blumen die ihm ſelbſt / dein Helicon gegeben /
Nun du ihm Sitz erbauſt / und heißt ihn bey dir leben.
Wie frolockt Hollſtein jetzt ob ſeiner Seeligkeit;
Wie manch beruͤhmter Kiel wird Kiel unſterblich preiſen /
Der Cimbern edles Blut entzuͤcket dahin reiſen /
Zu ſehn die hohe Schul und die Vollkommenheit /
Erwehlter Wiſſenſchafft und andrer ſeltnen Gaben /
Die in dem Sammel-Platz ſich da befunden haben.
Durchlaͤuchter / weil der Kreyß der Erden bleibet ſtehn /
Wird dein hochfuͤrſtlich Hauß ein ewig Ruhm vergoͤttern /
Dein9Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Dein Lorbeer der iſt frey von allen Plitz und Wettern /
Und dieſes Muſen-Haus wird ein Gericht erhoͤhn /
Das zu den Sternen ſteigt / und reich an Herꝛlichkeiten /
Sich bey dem Monden und der Sonnen auß-kan breiten.
Esruͤhmt ſolch loͤblich Werck der Auff - und Niedergang /
Esſchaͤumt der nahe Bellt auß Freuden ſeine Wellen /
Daß ſich umb Mitternacht der Kuͤnſte Sonn erhellen
Und praͤchtig heitern ſol. Man hoͤrt den ſuͤſſen Klang
Auch uͤbers weite Meer / den deine Nachtigallen /
Zu Ehren / Dir / O Fuͤrſt / hertzraͤubriſch laſſen ſchallen.
Was vor dein Helden-Stamm / und Koͤnigliches Blut
Mit tapffrer Fauſt veruͤbt und Land und Volck beſchuͤtzet;
Wie deiner Hoheit Stral auch in die Fern geblitzet.
Den unerſchrocknen Geiſt / den rechten Leuen-Muht
Zeigt jetzt dein Muſen-Volck durch ſein er fahrnes Schreiben /
Und wirds der Ewigkeit-Regiſter einverleiben.
Porphyr und Marmel bricht / das Ertz zerſchleifft die Zeit.
Sapphir und Gold ſind nicht befreyet vom Verderben:
Alleine / groſſer Fuͤrſt / diß Lob kan nicht erſterben /
So deine hohe Schul auß Schuld und Danckbarkeit /
Jn klugen Schrifften weißt. Man wird dich preiſen hoͤren /
Biß daß die letzte Glut diß Gantze wird zerſtoͤren.
Egypten trotzte ſehr auff ſeine Wunderwerck /
Jetzt ſind ſie bey der Welt berufſne Saͤrge worden.
Diß iſt was Goͤttlichers / das / hoher Printz von Norden /
Dein Auffſicht hat erbaut. Es iſt der Muſen-Berg /
Und nicht nur Staub und Grauß / wie dort / von theuren Steinen.
Hier ſiht man weſentlich der Weißheit Pharus ſcheinen.
Unendliches Geluͤck beſchwinge deinen Thron /
Duchlaͤuchter! was zuvor in Griechen-Land gebluͤhet /
Was man von Kuͤnſten ſonſt hochſchaͤtzbares erſihet /
Entdecke dein Parnaß / und nehme gleichen Lohn
Deß Ruhmes zu ſich hin / drauff Holl-Stein ſich kan gruͤnden /
Wie noch bey ihm Athen und die Sorbon zu finden!
Gluͤckwuͤnſchung auff das Nahmens-Licht Tit. Fr. Barbara von Horn / gebohrner Trachin von Birckau / ꝛc. in einem andern Nahmen. A 5Nach10Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
NAch ſchwartzgewoͤlckter Nacht und rauhem Donner -
Knall /
Nach vieler Wetter-Sturm und ungeheurem Regen
Muß Aeol ſeinen Grimm / und wildes Raſen legen;
Nach Wermuth-herbem Weh und Gifft-vermiſchter Gall
Erfolgt ein Freuden-Kelch: Nach Schmertzen-reichen Stunden
Hat ſich ein heller Blick deß Himmels eingefunden.
Das iſt das theure Licht Frau Schweſter / das ihr ſcheint /
Das Phoͤbus wiederumb auff ſeinem goͤldnen Wagen
Durch die Saphyrne Burg deß Himmels bringt getragen.
Es hat ihr Auge nun ſich ſatſam außgeweint /
Auff heute ſey das Leid in Thetis Schoß verſencket /
Was nutzt es daß ſie ſich mit altem Kummer kraͤncket?
Mir iſt ihr edler Geiſt und hoher Sinn bekand /
Jhr Himmliſches Gemuͤt hegt ungemeine Flammen
Und pflegt die Niedrigkeit deß Poͤfels zuverdammen /
Geht nur den Sternen nach / mit denen es verwand /
Und laͤſſet unter ſich die feigen Seelen liegen /
Jndem es iſt gewohnt ob Zeit und Neid zuſiegen.
Wem iſt nicht dieſe Bahn der Sterbligkeit bewuſt?
Wir koͤnnen nicht allzeit auff Lilg und Roſen gehen /
Offt muß ein Helden-Muth bey Dorn und Diſteln ſtehen:
Ein Weichling zeiget nie den Feinden ſeine Bruſt:
Der Ehren Tempel ſteht auff hoher Felſen Spitzen /
Und was hochſchaͤtzbar iſt / erlangt Muͤh / Fleiß und Schwitzen.
Die Proben die ſie hat / Amazonin / gethan /
Sind wuͤrdig / daß man ſie den Cedern einverleibe /
Daß ihr Gedaͤchtnuͤß man in Ertz und Marmel ſchreibe /
Und kuͤndige ihr Lob der ſpaͤten Nachwelt an;
Nachdem durch Gottes-Schluß den Ehſtand ſie erwehlet /
Hilff Gott! was hat ſie nicht fuͤr Unheil da gezehlet;
Treu und Beſtaͤndigkeit blieb ihrer Sinnen Ziel /
Und hohe Tugend hieß der Grund-Stein ihrer Liebe.
Es kam kein Tag ſo ſchwartz / ſo neblich und ſo truͤbe
Daß nicht ihr Wahl-Spruch hieß: Jch will was mein Gott will.
Daher ihr Eh-Schatz auch in Zunder-reichen Flammen
Verknuͤpffte Seel und Hertz in gleicher Treu zuſammen.
Wie ſaur die Wirtſchafft war / wie ſchwer der Sorgen-Laſt /
So trat ſie alles an dem Liebſten zugefallen /
So11Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
So daß der arge Neid auch ſeine Gifft und Gallen
Daruͤber außgeſpeyt. Doch was wol abgefaſt /
Und reifflich iſt bedacht / muß endlich doch gedeyen /
Man ſahe Gluͤck und Heil auff ihre Sorgen ſchneyen.
Als nun der bleiche Tod das Demant-feſte Band
Der keuſchen Eh zerriß / und unter tauſend Thraͤnen /
Und in’rem Seelen-Schmertz / und Marter-vollem Sehnen
Sie ihren Schatz begrub / hat noch der Sohn erkand
Die allerwehrtſte Treu / durch Antrieb im Gewiſſen
Die außgeuͤbte Schuld und Fehl abbitten muͤſſen.
Es deckt die Tugend nicht Verſchwiegenheit / noch Nacht /
Es hieß der Lauff der Zeit ſie auch ihr Leid vergeſſen /
Die Myrten miſchten ſich mit tunckelen Cypreſſen /
Und weil die Ehen laͤngſt im Himmel ſchon gemacht:
Hat ſie zum andernmal der Liebe-Band verbunden /
Daß ſie ein gleiches Hertz und gleiche Seele funden.
Alleine was iſt doch beſtaͤndig in der Welt?
Es ſpielt mit uns den Ball das fluͤchtige Geluͤcke:
Jtzt laͤchelt es uns an / itzt gibt es Donner-Blicke.
Wie offt die ſchoͤnſte Roſ auch Wuͤrmer in ſich haͤlt
So iſt der beſte Stand / in dem wir uns vermeinen /
Mit Dornen außgeſetzt / bedeckt mit Kieſel-Steinen.
Man lobe wie man wil der Berenicen Treu /
Daß ſie ihr Haar verlobt umb den Gemahl zuſchauen /
Hypſicratea ſey ein Spiegel edler Frauen /
Daß weder Fried noch Krieg ſie macht im Vorſatz ſchen /
Daß ſie als Mann verkappt friſch auffdas Pferd geſchritten /
Und bey der Waffen klang geliebet und gelitten.
Frau Schweſter ohne falſch und ohne Heucheley
Muß ich weit groͤſſern Ruhm noch ihrer Treu zumeſſen;
Sie hat ein Weib zu ſeyn auß Helden-Muth vergeſſen /
Doch ſtand bey ſolcher That ihr Gottes Allmacht bey /
Daß zweymal ſie dem Sturm begluͤcket iſt entgangen
Noch ſie der Feinde Liſt und Capers konten ſangen.
So hat Penelope Ulyſſen nie geliebt /
Nicht die Semiramis den Ninus ſo geſchaͤtzet /
Laodamia ſich am Schatten noch[ergoͤtzet]
Nein. Ob der Himmel ſchon ſie / Wertheſte / betruͤbt
Hat ihrer Tugend doch und Sternen-gleichen Sinnen
Kein rauher Ungluͤcks-Fall was moͤgen abgewinnen.
So12Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
So hohe Sachen wuͤrckt der angebohrne Muht /
Der von den Ahnen her den Adern eingegoſſen /
Auß keiner Gold-Bach koͤmmt kein truͤber Quell gefloſſen.
Auß edlen Geiſtern quillt auch ein Hoch-Edles Blut.
Jhr alter Cedern-Stamm laͤſt auch auß ſeinen Zweigen
Durch Sie / o Tugend-Bild / die friſchen Kraͤffte ſteigen.
Es ſey die Livia an Witz und an Verſtand
Den Sternen zugezehlt / ihr Ruhm mag ſie vergoͤttern:
So weiß ich / daß ihr Haupt mit gleichen Lorber-Blaͤttern
Die Tugend laͤngſt bekroͤnt. Ja unſer gantzes Land /
Wie ſelig man es mag an edlen Weibern preiſen /
Wird leichtlich nicht ſo bald ein gleich Exempel weiſen.
Jſt es nun wunderns werht / daß ſich der blaue Neid
An hohe Seelenreibt. Deß Himmels anders Hertze /
Der Naͤchte Troſt und Zier / deß Mondes Silber-Kertze
Verliert nichts an dem Glantz und ſeiner Heiterkeit;
Wie grimmig auff ſie loß die tollen Hunde bellen /
So kan ein edles Hertz ſich auch zu frieden ſtellen.
Frau Schweſter / unſer GOtt iſt unſer Ehren-Schild
Dem ſey es heimgeſtellt / der Außgang ſol es lehren /
Wie Neider ſelbſten ſich durch ihren Wahn bethoͤren /
Wie offt der jene Mund / der laͤſtert / ſchilt und trillt /
Sein außgeſpeites Gifft zuruͤcke wieder ſchlinget /
Und uͤber ſeinen Kopff die Donner-Keile bringet.
Jndeſſen ſey das Licht viel tauſendmal begluͤckt /
Daß ihren Namen uns ſo Freuden-reich gewehret /
Was ein Menſch wuͤnſchen kan / und was er nur begehret /
Das ſey von GOttes Hand ihr haͤuffig zugeſchickt.
Jch aber / biß mich wird der blaſſe Tod auffreiben /
Verpflichte mich ihr Knecht und Diener ſtets zu bleiben.
Auf den 71. erlebten Namens-Tag Jhrer Hoch - Adel. Geſtr. Herꝛn Hauß von Goͤtz und Schwanenfließ / ꝛc. Breßl. Nahts-Præſidis.
KAn noch das Capitol / das Wunder-Schloß der Welt
Auff ſeine Tempel bau’n / mit Siges-Bogen prangen /
Die Pfeiler melden an / wo Cronen vor gehangen /
Die ein großmuͤhtig Geiſt / wenn er den Feind gefaͤllt /
Dem13Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Dem Jupiter geweyht / kan aus den Lorber-Zweigen
Ein unverwelckter Ruhm noch bey der Nach-Welt ſteigen:
Bekroͤnt den Fabins ein ewiges Gericht /
Und muß noch African aus dem Metalle blitzen /
Wenn Brutus wil ſein Blut vors Vater-Land verſpritzen /
Wenn Cato ſtandhafft bleibt der Weißheit Bild und Licht:
Lebt der Marcellus noch / und bluͤht in den Gemuͤhtern /
Steht des Auguſtus Bild frey von den Ungewittern /
Und ſtirbt die Tugend nicht / wie ſie nicht ſterben kan;
Veraltert nie ihr Glantz / vergehn nie ihre Straalen /
Darff unſre Vor-Welt nicht nur tapfre Helden mahlen /
Jſt auch zu unſer Zeit was groſſes je gethan /
So heiſt es Schuld und Pflicht / daß man erlauchten Seelen
Zum Denckmal Stein und Ertz und Marmel aus-ſol hoͤlen.
Denn das iſt je gewiß / daß eine groͤßre Macht
Gemeinem Heil zu Nutz auch groſſe Geiſter ſchicket /
Dieſelben mit Verſtand und ſeltner Weißheit ſchmuͤcket /
Daß vor das Vater-Land ihr munter Auge wacht /
Und der Gedancken Ziel nur eintzig dahin gehet /
Damit das Regimentin ſchoͤnſter Bluͤte ſtehet.
Was aber miſch ich viel von frembden Thaten ein?
Zeugt unſer Breßlau nicht / der Brunnquell der Geſetze
Und Spiegel guter Zucht / hierinnen ſeine Schaͤtze /
(Wo Staats-erfahrne Leut auch ſo zu nennen ſeyn:)
Kan unſer Haupt der Stadt wie Solon ſich nicht weiſen?
Und ſol man es nicht mehr als den Lycurgus preiſen?
Rom hat offt ſeinem Raht viel Saͤulen auffgericht /
Und ſo der Danckbarkeit Kennzeichen hinterlaſſen.
Hoͤchſtwertheſter Patron / dergleichen Schluß zu faſſen
Jſt zwar der Wille da / doch das Vollbringen nicht.
Jch kan nicht Mentors Hand / nicht Zeuxis Pinſel fuͤhren /
Die wuſten jedes Ding mit Leben außzuzieren.
Ein ſchlechtes Lorber-Blat / das mir Apollo giebt /
Mecænas unſrer Zeit / leg ich zu ſeinen Fuͤſſen;
Weil aus des Himmels Gunſt Er dieſen Tag kan gruͤſſen /
Der ſeinen Namen fuͤhrt / und den ein jeder liebt
Als ſelbſt ſein eigen Licht; darob die Stadt ſich freuet /
Weil durch ihr Haupt zugleich ihr Leben wird verneuet.
Zwar wuͤnſcht ich mir ein Lied / das nach dem Himmel ſchmeckt /
Und14Gluͤckwuͤnſchungs Gedichte.
Und Feur und Geiſter hat die Tugend zubeſingen
Samt der Verdinſte Preiß den laͤngſt auff guͤldnen Schwingen
Der Nachklang hebt empor / und durch die Welt außſtreckt /
Denn Breßlau nicht allein ein gut Theil deutſcher Erden
Muß deß von Goͤtzens Ehr und Ruhm theilhafftig werden.
Das edle Francken-Land hat uns diß Pfand vertraut;
Auß ſeinen Zweigen iſt der Baum deß Heils entſproſſen /
Daß wer da Rath geſucht / mehr Huͤlffe hat genoſſen
Als der auff Dodons Spruch und Raͤtzel je gebaut.
Der ungeſparte Fleiß / das eifrige bemuͤhen
Stellt noch das Wachsthum fuͤr / in dem die Stadt kan bluͤhen.
Man weiß der Sorgen Laſt / die vor der Cammer Nutz
Er lange Zeit gefuͤhrt / und heilſam außgeuͤbet /
Die Wetter abgelehnt / ſo offt die Stadt betruͤbet /
Bedraͤngten Rath geſchafft / dem Armen ſeinen Schutz
Unweigerlich ertheilt / und ihm ein Lob geſtifftet /
Das auch der bleiche Neid / wie arg er / nicht vergifftet.
Es ſchweigt der Prieſter nicht / noch Kirche noch Altar /
Und die Dreyfaltigkeit wird es auch dort belohnen /
Daß Gottes Diener hat bequem da koͤnnen wohnen /
Daß ſeiner Ehre Hauß von neuem Glantze klar.
Und was die milde Hand freygebig außgeſpendet /
Wenn ſie noch die Muſic der Andacht zugewendet.
Fuͤr dieſem Eyfer ſinckt deß Numa Heiligthum /
Metellus Goͤtterfurcht iſt hir nicht zu vergleichen /
Die Heiden muͤſſen nur den wahren Chriſten weichen /
Wie hoch an Trefflichkeit geſtigen iſt ihr Ruhm.
Doch bleibt der Haupt-Schluß feſt / daß / wer wil wol regiren /
Vor aller Menſchen Witz / muß SOtt in Augen fuͤhren.
Der Segen folgt darauff / denn wie ſein Ehren-Ampt /
Aſtraͤens Troſt und Zier / iſt immer hoͤher kommen
Biß er der Aelſten Stell im Raht hat eingenommen;
Nicht anders als wenn erſt Aurorens Purpur flammt /
Und ſcheinbar groͤſſer wird / biß daß die goͤldne Strahlen
Das blaue Himmels-Zelt auffs praͤchtigſte bemahlen.
So wuchs auch Cicero / der Redner Kern zu Rom
Biß ihn Jtalien auff ſeinen Schultern truge /
Zum Buͤrgermeiſter-Ampt der gantzen Stadt fuͤrſchluge /
Die er hernach befencht mit ſeiner Reden-Strom /
Als wie ein fruchtbar Tau / den Catilin gedaͤmpfet /
Und15Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Und was noch ſchwuͤrig war mit treuem Rath bekaͤmpfet.
Bild der Gerechtigkeit / Regirer unſrer Stadt /
Damit deß Gluͤckes Gunſt ſich recht vollkommen zeigte /
Und allen Uberfluß der Gnaden auff ihn neigte /
Die es den ſterblichen ſonſt mit zutheilen hat /
Empfahl es Breßlau gar in ſeine treue Haͤnde
Und heiſt ihn Sonne ſein / und nennt ſich Sonnen Wende.
Die Schwanen-reine Treu weiſt der gekroͤnte Schwan
So auch das Wapen zirt / und auff dem Helm die Crone /
Sagt wie der Erden Gott der Kaͤiſer die belohne /
So in verpflichter Treu ihm leben unterthan.
Der Adler in dem Feld lehrt wie Regenten muͤſſen
Recht und Gerechtigkeit als zwey Geſchwiſter kuͤſſen /
Der Augen Schaͤrffe heiſt auff Laſter ſtrenge ſeyn /
Der Fluͤgel ſchneller Flug die Fertigkeit zu ſtraffen
Der Klauen Staͤrcke weiſt / das recht zu ſchuͤtzen / Waffen.
Und wie der Adler mehr nah an der Sonnenſchein
Nicht immer leben kan / er ſinckt bißweilen nieder /
So kommet auch die Ruh nach Ampts-Geſchaͤfften wider.
Weil heute dieſer Tag nun zu der Ruh beſtimmt /
Der Scheitel heil gen Schnee die Ehren-Lilgen kroͤnen /
Deß Stammes Ewigkeit auch gruͤnt in beyden Soͤhnen /
Und ob dem werthen Feſt das Haus voll Freuden glimmt /
So wuͤntſch ich / Haupt der Stadt / daß durch und durch be - gluͤcket
Er ſolches Nahmens-Feſt zum offtern noch anblicket.
Auff den 72. Ejusdem.
ES ſchloß das deutſche Volck im Alterthum der Zeiten /
Daß etwas Heiliges in tieffen Waͤldern ſey:
Sie pflegten manchem Baum faſt Opffer zubereiten /
Und der geweyhte Stamm war von Verwuͤſtung frey
Sie fielen auff die Knie / die Goͤtter da zu ehren /
Wo ſelbſt die gruͤne Nacht ein groͤſſer Schrecken gab:
Kein unbeſonnen Beil dorfft einen Aſt verſehren /
Kein ſterblich Menſchen Arm die Reiſer brechen ab.
Jn andrer Ehren-Furcht und heiligerm Beginnen
Wil ich durch einen Wald der hohen Wuͤrden gehn /
Wo ſich der Ceder-Baum biß an der Wolcken Zinnen
Sieg -16Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Siegpraͤchtig hebt empor / und kan bey Sternen ſtehn.
Hochwertheſter Patron / indem ſein Tag erſchienen /
Und ſich ob deſſen Heil die gantze Stadt ergetzt /
Hat meine Poeſie ſich ſollen diß erkuͤhnen /
Daß zum Gedaͤchtnuͤß ſie JHM eine Ceder ſetzt.
Auch gar deß Hoͤchſten Mund wil die Regenten gleichen
Mit dieſem edlen Baum / und ſeiner Wuͤrdigkeit;
So kan das hohe Ampt den wahren Ruhm erreichen /
Den der Verdienſte Krafft ſchon laͤngſt hat zubereit.
Und die in ſeinem Weg und Wandel einher gehen /
Die ſollen fort fuͤr fort im ſchoͤnſten Wachsthum bluͤhn /
Und wie in Libanon die hohen Cedern ſtehen /
Die aller Menſchen Aug und Hertzen an ſich ziehn.
Gewiß der Segen hat hier reichlich eingetroffen /
Und Jhn / Geehrtes Haupt / zum Beyſpiel fuͤrgeſtellt;
Auff ſeinen Schultern ruht der Buͤrger Heil und Hoffen /
Und iſt / was Titus war / die Liebe dieſer Welt.
Ja wie der Cedern Baum / an Schoͤnheit hoch erhaben /
Die Aeſt in ſchoͤner Reyh und holder Bluͤthe zeigt /
So glaͤntzt auch ſein Gemuͤth von ſolchen groſſen Gaben /
Daß ſelbſt der Erden Gott / der Kaͤiſer / ihm geneigt.
Und wie die Zweige ſich in rechter Gleichheit breiten /
Als haͤtte ſie die Kunſt ſcharffſinnig außgedacht;
So muſte Ruhm auff Ruhm die Aempter ſtets begleiten
Biß ihn der groſſe GOtt hat auff den Gipffel bracht.
Wie ſich der Cedern Frucht nicht nach der Erden ſencket /
Und immer auffgericht anmutig ſproſt empor:
So hat ſein edler Geiſt ſich Himmelwerts gelencket /
Und deß Erloͤſers Lob vermehrt in Kirch und Chor.
Denn / ſoll der Ceder-Baum auch uͤberkoͤſtlich riechen:
Sein Tugend-Balſam ſticht der Cedern Oele weg:
Es darff kein garſtig Wurm den reinen Stamm bekriechen:
Deß Lebens Reinligkeit iſt hier ohn allen Fleck.
Es taurt das Cedern-Holtz und wird nicht leicht zerſpringen /
Es berſtet nicht der Stamm in Ritz und Spalten auff:
Kein Ungluͤck noch Gefahr kan ſeinen Muth bezwingen /
Er ſtehet unbewegt bey boͤſer Zeiten Lauff.
Und ſo ſoll ein Regent / wie Cato / ſtandhafft bleiben /
Der / wenn ſchon alles bricht / nie von der Tugend faͤllt /
Denn wirds gemeine Heil ihm Lob und Danck zuſchreiben /
Und ſein Gedaͤchtnuͤß bluͤht auch bey der juͤngern Welt.
Der17Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Der Adler freuet ſich in Cedern ſtets zu niſten /
Und ſeine Hoheit iſt mit dieſem Baum vermaͤhlt:
Hier unſre Ceder kan ſich unterm Adler bruͤſten /
Als deſſen Schutz und Schirm ſie einig zugezehlt.
Der liebliche Geruch vom ruͤhmlichen Verhalten /
Der angewandte Fleiß durch ſo viel lange Jahr /
Der Aempter treue Pflicht / und loͤbliches Verwalten /
Umbſchleuſt nicht nur die Stadt / es kom̃t fuͤrn Kaͤiſer gar.
Der groſſe Leopold / die Ceder zu erhoͤhen /
Hat ſie in ſeinen Raht / ein wuͤrdig Glied / geſetzt /
Und ſoll ein Baum deß Heils auch unſerm Breßlau ſtehen /
Der ſie mit Raht und That vielfaͤltig hat ergetzt.
Die Voͤgel und das Wild fliehn zu der Ceder Schatten /
Ein jedes ſuchet da die angenehme Ruh:
Wie vielen kommet nicht der graue Witz zu ſtatten /
Und wie viel decket nicht ſein Gnaden-Fluͤgel zu.
Er / Hoͤchſtgeehrtes Haupt / laͤſt niemand traurig gehen
Von ſeinem Angeſicht / wie jener Keyſer that /
Gibt den Bedraͤngten Troſt / laͤſt die nicht Huͤlffloß ſtehen /
So ein betruͤbter Fall in Roht geſetzet hat.
Der Cedern Oele bringt der Augen Klarheit wieder:
Sein himmliſcher Verſtand verworrnen Sachen Licht.
Es druͤcket Faͤulniß nie der Cedern Aeſt und Glieder:
Vergeſſenheit verleſcht die groſſen Dienſte nicht.
Deß Numens heilig Buch mit Cedern Safft geſchmieret
Blieb biß fuͤnffhundert Jahr von der Verweſung frey:
Die Buͤcher / die er hat der Stadt zu Nutz gefuͤhret /
Friſt nicht der Zeiten Roſt / noch vieler Jahre Rey.
Wenn der Poeten Volck ſolt etwas Hohes ſingen /
So wuͤnſchten ſie ihr Blat mit Cedern-Oel benetzt:
Ach koͤnte mir mein Wunſch hier gleichesfalls gelingen
Daß meine ſchwache Hand was Unverweßlichs ſetzt:
So wuͤrd ich mich bemuͤhn der Nachwelt anzuſagen
Der Tugend Treffligkeit / ſo ihn faſt goͤttlich macht.
Jch wolte ſeinen Ruhm biß an die Sternen tragen /
Und munter melden an der Ceder Ehren-Pracht.
Jtzt folg ich denen nach / die eh der Weyrauch kommen /
Citron - und Cedern-Holtz den Goͤttern angeſteckt:
Das Opffer reiner Treu iſt dennoch unverglommen /
(weckt.
So / Hochgeneigter Herr / die Pflicht-Schuld hat er -
BWie18Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichten.
Wie aber ſonderlich die Cedern hoch zu ſchaͤtzen
Theils wegen der Geſtalt / theils angeborner Krafft;
Jhr Balſam pfleget ſich dem Tod zu wiederſetzen /
Die Leichen wurden lang erhalten durch den Safft:
So auch / Geehrteſter / kan nimmermehr verweſen
Sein herrlich Ehren-Mahl und hochverdienter Ruhm:
Man wird ihn jederzeit auff allen Blaͤttern leſen /
Jhn heiſt die Ewigkeit ihr ſchoͤnſtes Eigenthum.
Wenn groſſer Herren Gluͤck und ſeliges Gedeyen
Der alten weiſer Mund annehmlich ſtalte fuͤr /
So wuͤnſchten ſie: Er muͤß in Cedern ſich erfreuen /
Weil alle Liebligkeit beſchleuſt derſelben Zier.
Jch wuͤnſch anjetzt der Stadt: Jhr Ceder-Baum der bluͤhe!
Der Adler ſey ihm hold! der Himmel ſtets geneigt!
Und daß ihn dieſes Licht mit ſolchem Glantz umbziehe /
Der auch Aurorens Gold und Purpur uͤberſteigt!
Er ſelbſt / geehrtes Haupt / muͤß als die Cedern leben
Von hohen Jahren alt / von Kraͤfften unverletzt!
Es muͤſſe Gluͤck und Heil umb ſeine Scheitel ſchweben /
Biß GOtt ins Paradiß die Edle Ceder ſetzt!
Auff den 74. Ejusdem.
HOch Edler Herr von Goͤtz / des Groſſen Kaͤiſers Raht /
Umb deſſen Silber-Haupt ſich Lorber-Zweige ſchlieſſen /
Dem auch die Nach-Welt wil ſich hoch-verbunden wiſſen /
Jhm Vater der Gemein / und Phoͤnix unſrer Stadt /
Nun vier und ſiebtzig mahl ſein Namens-Tag erſchienen /
Mit was fuͤr Schuldigkeit ſol ich diß Feſt bedienen?
Was thut nicht Schleſien in der Johannis Nacht /
Da wo der Berge Hoͤh die Wolcken uͤberſteiget /
Und ſich die Schneekopp als der Sonnen Nachbar zeiget?
Es wird aus Laub und Holtz ein Freuden-Feur gemacht /
So / daß wenn ſchon der Tau die duͤrren Felder kuͤhlet /
Durch aller Schatten Flor die liechte Flamme ſpielet.
Jch wil auff dem Parnaſſ / der Muſen Heiligthum /
Und des Apollo Thron / wo alles iſt zu finden /
Was nur an Wiſſenſchafft und Weißheit zu ergruͤnden /
Mein Opffer legen ab / und zwar nicht eine Blum
Und ſchwaches Epheu-Laub Jhm / Breßlaus Sonne / weyhen:
Es ſol der Lorberbaum ſein edles Hauß erfreuen.
Rom /19Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Rom / das der Ewigkeit Kampff anzubieten ſchien /
Und ſich der Erden Zaum / des Meeres Riegel nante /
So bald es aus der Schlacht den Sieger nur erkante /
Und ſah in Jovis Schoß das ſchoͤne Lorbergruͤn
Hoͤchſt-praͤchtig legen ab / rief: der Erretter lebe!
Daß ſtetes Gluͤck und Heil umb ſeine Scheitel ſchwebe!
Und ſolte Breßlau nicht den theuren Lorber-Krantz /
Der ſeine Schlaͤfe ziert / mit tauſend Wuͤnſchen kroͤnen /
Hochmoͤgender Patron / ja ſolten die Camenen /
Jn ihrer Schoß erzeigt / ſich ob der Tugend Glantz /
Der Thaten Treffligkeit nicht freudig laſſen hoͤren /
Und der Verdienſte Preiß in tieffſter Demuht ehren?
Es wird die Goͤttligkeit dem Lorber beygelegt /
Als deſſen heilig Blat / was kuͤnfftig iſt / entdecket.
Wie offt / wenn unſre Stadt in Sorg und Noht geſtecket /
Hat ſein hochweiſer Sinn dergleichen Raht gehegt /
Das / was verderblich war / in Wachsthum ſich verkehret /
Und reichen Uberfluß gemeinem Nutz gewehret.
Mehr / ward der Lorberbaum von Koͤnigen geehrt /
Die ihre Wohn-Pallaͤſt und Thore mit gezieret:
Der Kaͤiſer Julius hat ſolchen ſtets gefuͤhret
Zum Bild der Majeſtaͤt. Und wie das Zeitbuch lehrt /
Hat / wer zu Delphis ſich im kaͤmpffen durchgeſchlagen /
Den beſten Preiß davon / den Lorher Krantz / getragen.
Jſt es nun Wunderns werth / o Solon unſrer Stadt /
Wenn der Erlauchten Gnad auch ſeine Lorber-Zweige /
Mit groͤſſrem Ruhm belaubt / verſtumme Neid und ſchweige.
Der hoͤchſte Leopold / fuͤr dem nichts hoͤhers hat
Der weite Kreiß der Welt / ſchickt ſeine Sonnen-Blicke
Hier dieſem Lorberbaum auffs mildeſte zuruͤcke.
Es hat der Fuͤrſten-Brieff ein Lorber-Zweig bedeckt /
So offt ſie Gluͤck und Heil von Feinden uͤberſchrieben:
Der edle Lorberbaum iſt unverſehret blieben /
Da als das Schloß zu Rom war in den Brand geſteckt.
Der Richter Ampt und Beil bekroͤnen Lorber-Aeſte /
Und voller Lorbern bluͤhn Egyptens heilge Feſte.
Die Ceres hat den Baum vor andern hochgeliebt /
Denn ſeine Krafft die laͤſt die Fruͤchte nicht verderben:
Apollo braucht ihn ſelbſt fuͤr Faͤulniß / Gifft und Sterben /
Weil ſeiner Blaͤtter-Safft vielfaͤltig Artzney giebt.
B 2Ja20Glückwuͤnſchungs-Gedichte.
Ja Socrates / der wil beym Lorberbaume ſchweren /
Es wuͤnſcht Empedocles in den ſich zu verkehren.
Von ſolcher Trefligkeit gruͤnt dieſer ſchoͤne Baum /
Als deſſen ſtarck Geruch auch Todten kan erquicken.
Er wird zu Freud und Leid uns ſeine Zweige ſchicken /
Jſt bey den Freunden werth und hat bey Feinden Raum:
Deckt Alexanders Helm mit Welt-geprießnen Siegen /
Und laͤſt ſich auch hernach umb Pallas Schlaͤfe biegen.
Die Sonne kuͤſt den Baum / als die die Koͤnigin
Der Sternen heiſt und bleibt / ſie wird mit ihren Stralen
Den lieblichen Schmaragd der Blaͤtter ſchoͤner mahlen /
Daß wie ſie beym Geſtirn den Vortheil nimmt dahin /
Auch unter Baͤumen kan der Lorber Koͤnig bleiben /
Und ſich der Sonnen Luſt / der Waͤlder Krone ſchreiben.
Unſchaͤtzbahrer Patron / ſeh ich die Herrligkeit
Der Ehren-Lorber an / die voller Fruͤchte bluͤhet /
Die vor das Vaterland ſo heilſam ſich bemuͤhet /
Die GOtt ihr Wachsthum hat zur Danckbarkeit geweyht;
Die durch die Wohlthat ſich den Goͤttern gleich gemachet /
Als Schutz-Gott dieſer Stadt fuͤr aller Heil gewachet;
So ſag ich ſolchen Ruhm beſchleuſt kein enges Blat:
Und ob die Tugend zwar von eigner Wuͤrde glaͤntzet /
Jſt ſelbſt ihr Schmuck und Lohn: die ihre Folger kraͤntzet
Und ewig machen kan / ſo pflegt doch / wie dem Rad
Der Sonnen Schatten folgt / auch Lob ſie zu begleiten /
Und ihre Treffligkeit bluͤht unermeßne Zeiten.
Die hohe Eiche fuͤrcht des Donners harten Schlag /
Die ſchwancke Tanne heult / die Lorber bleibet ſtehen /
Und laͤſt auff ſich getroſt die lichten Blitze gehen /
Weiß / daß dem gruͤnen Haar kein Wetter ſchaden mag:
So hat / HochEdler Herr / auch bey verkehrten Sachen
Jhn die Beſtaͤndigkeit zum Eckſtein wollen machen.
Mahlt nicht der Lorber hier ein rein Gewiſſen ab /
Das eifrig GOtt geehrt / dem Kaͤiſer treu geweſen /
Das die Gerechttgkeit zum Hertzblat ihm erleſen /
Und Sanfft muht hat geliebt biß in das ſchwartze Grab:
Denn wie den Lorber kan kein Donner-Keil erſchrecken:
So kan hier keine Schuld die Reinligkeit beflecken.
Wo einſt das Griechenland Permeſſus Fluß durchnetzt /
Und ſeinen Silberthau der Wellen außgegoſſen /
Hat21Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Hat deſſen Ufer rings ein Lorber-Wald umbſchloſſen /
Da ſich das reine Volck der Schwanen hingeſetzt /
Dem Lorberbaum gedanckt fuͤr angenehmen Schatten /
Und ſich bemuͤht den Preiß durch Lieder zu erſtatten.
Wo Prieſter Schwanen / ſind die durch ein heilig Lied
Und Flammen-vollen Mund die Gottesfurcht entzuͤnden;
Bey dieſem Lorber-Baum wird man ſie embſig finden /
Als der zu ihrem Schirm und Wolfahrt hat gebluͤht.
Es traͤgt der weiſe Schwan den Lorber in dem Munde
Sein Rnhm der geht nicht eh als mit der Welt zu Grunde.
Es aͤndert auch der Baum nie ſein Schmaragden Kleid
Ein ewig Fruͤhling wohnt in den belobten Zweigen.
Kan uns der Lorber nicht als wie im Spiegel zeigen /
Daß er ein wahres Bild der Unverweßligkeit:
Denn wie er immer gruͤnt / ſo muß der Ruhm auch bluͤhen /
Der von der Tugend kommt und wurtzelt aus Bemuͤhen.
Diß Kleynod naget nicht der Zeiten ſcharffer Zahn /
Aſtræens hoͤchſte Zier / die Lorber ſeiner Ehren /
Wird gar die ſpaͤte Welt hoͤchſt-preißbar nennen hoͤren /
Und was bey dieſer Stadt ſein Obſicht hat gethan /
Schreibt Clio nicht allein in todte Marmelſteine /
Nein / deß von Goͤtzen Ruhm lebt unter der Gemeine.
Es ſah die Livia in ihrer zarten Schoß
Samt einem Lorber-Zweig ein weiſſes Huhn ſich fluͤchten /
Darauß entſtund ein Wald von tauſend Lorber-Fruͤchten:
Die Deutung lehrte klar / wie daß die Kaͤiſer groß /
Und maͤchtig wuͤrden ſeyn / und welcher uͤberwunden /
Hat einen Lorber-Krantz aus dieſem Wald gefunden.
Jch wuͤnſche / Licht der Stadt / daß ſich ſein Lorber-Stam̃ /
Und adliches Geſchlecht außbreit in tauſend Zweige /
Daß dero hohes Lob die Sternen uͤberſteige!
Ja wie der Lorberbaum gerieben eine Flamm /
Und gutes Zeichen giebt / ſo ſey mein Wunſch ein Zeichen:
Daß dieſes Namens-Feſt moͤg alles Heil erreichen.
Auff den 75. Ejusdem.
NAchdem / Hoch Edler Herr / und Neſtor unſrer Stadt /
Sich laͤngſt die Ewigkeit mit ſeinem Ruhm vermaͤhlet /
Deß Alters Ehren-Schnee / ſo ſiebentzig gezehlet /
Nun auch das fuͤnffte Jahr darzu geleget hat /
B 3Bluͤht22Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Bluͤht ſein Hoch-Adlich Hauß nicht nur allein in Freuden /
Der Himmel wil die Stadt mit gleicher Luſt bekleiden.
Der Buͤrger treuer Wunſch / der Unterthanen Pflicht /
So vor den Weyrauch-Kloß die Hertzen ſelbſt gewehret /
Hat nie nichts eyfriger von GOttes Hand begehret
Als dieſen Namens-Tag / das hoch-erwuͤnſchte Licht;
Dem gar Aurora ſich zu Dienſten ſchoͤner ſchmuͤcket /
Und in ihr goͤldnes Haar die friſchen Roſen druͤcket.
Der Lorber-Wald erklingt von einem ſuͤſſen Thon /
Die Goͤtter ſind bemuͤht ihr Opffer abzulegen.
Es heiligt Jupiter des hohen Alters wegen
Den Eichbaum / wie er pflegt / und Phoͤbus reicht die Kron
Von ſeinen Lorbern dar / Cybele Fichten-Aeſte /
Und Hercules ertheilt die Pappeln ſolchem Feſte.
Was ſol ich aber thun / Stern der Gerechtigkeit /
Hochwertheſter Patron? Mein Einfalt heiſt mich ſchweigen /
Die tieff-verbundne Schuld ſich danckbar zu erzeigen.
Minerva rufft mir zu: Wie mir vor jener Zeit
Athen / des Friedens Bild / den Oelbaum pflag zu weyhen /
So wil denſelben ich zum Opffer dir verleyhen.
Wolan! Nun ietzt die Welt mit Krieg zu Rahte geht /
Und Mars ſein Blut-Fahn ſchwingt / Bellona durch ihr raſen
Die liechte Krieges-Glut in Deutſchland auffgeblaſen;
Hingegen noch bey uns der Friedens-Oelbaum ſteht
Jn unverwelckter Pracht / ſo heiſt mich Herr’n von Goͤtzen /
Die Pallas ihren Baum zu einem Denckmahl ſetzen.
Daß guͤldner Fried und Ruh in unſern Mauren wohnt /
Recht und Gerechtigkeit einander ſich noch kuͤſſen /
Und heilſame Geſetz / als wie aus Quellen flieſſen /
Daß man die Laſter ſtrafft und Tugenden belohnt /
Und ſich gemeines Heil in gutem Wolſtand findet /
Wird durch ſein Regiment, Hoch Edler Herr / gegruͤndet.
Es geht an Nutzbarkeit der Oelbaum allen fuͤr.
Es hieß des Hoͤchſten Mund ſein Volck auch Oele ſteuren /
Das Heilige damit im Tempel anzufeuren.
Mehr hat der Prieſter Hand gekroͤnter Haͤupter Zier
Hoch-feyrlich eingeſalbt / und deutlich wollen lehren /
Daß in Regenten wir des Schoͤpffers Bildnuͤß ehren.
Es mag der Heyden Wahn die Steine ſalben ein /
Wir ehren billich die / ſo von dem lichten Morgen
Biß23Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Biß in die tieffe Nacht fuͤr aller Wolfahrt ſorgen /
Und ein beflammtes Licht gemeinem Weſen ſeyn /
Das mit der Weißheit Oel erſprießlich angefeuchtet /
Durch dicke Finſternuͤß der Kummer-Naͤchte leuchtet.
Sein hocherfahrner Witz / Geehrteſter Patron /
Hat wie des Pharus-Glantz zu Heil und Troſt geſchienen /
Und mit getreuem Raht in Noͤhten koͤnnen dienen /
So daß ihm ietzt mit Recht / als hoher Tugend Lohn /
Der Nach-Ruhm Kronen flicht / und von den Oele-Zweigen
Den immer gruͤnen Krantz wil umb die Schlaͤffe beugen.
Was heilet nicht das Oel? es iſt kein edler Safft /
Der mehr Ergetzung gibt den abgeſchwaͤchten Gliedern /
Der die verlohrne Kraͤfft und Geiſter kan erwiedern.
Was Wuͤrckung hat es nicht in der Artzney geſchafft?
So daß die Reiſenden fuͤr rahtſam es befunden /
Nie ſonder Oel zu ſeyn / dem Balſam ihrer Wunden.
Kein Oel iſt ſo gelind als ſeine Freundligkeit /
Budorgis Salomon. Die Sanfftmuht im regieren
Mit ſchlauem Witz vermiſcht / muß nur den Scepter fuͤhren
Sol bluͤhn die Policey. Und wenn bey ſchwerer Zeit
Sich irgend hie und da Gebrechen wollen finden /
Wird ſie die Guͤte mehr als ſtrenger Ernſt verbinden.
Es ließ das Morgenland voll Uppigkeit und Pracht
Auff ihre Haͤupter Oel mit vollen Stroͤmen flieſſen /
Der Jugend Roſen-Lentz anmuhtig zu genieſſen.
Weg mit der Eitelkeit. Des Hoͤchſten Wunder-Macht
Hat nun / Hoch Edler Herr / er dieſen Tag erblicket /
Mit friſchem Seegen-Oel ſein graues Haar erquicket.
Er gruͤnt dem Oelbaum gleich. Wie deſſen friſches Blat
Ein ſteter Fruͤhling ſchmuͤckt / und ſpielet in den Zweigen /
So ob die Jahre ſchon auff hohe Staffeln ſteigen /
Bluͤht doch des Geiſtes Krafft / der keinen Abgang hat
Von ſeiner Treffligkeit / und unablaͤſſig dencket /
Wie er das Regiment auff Heil und Wolfahrt lencket.
Der Oelbaum / wie man ſagt / ſteht in zweyhundert Jahr.
Den erſten Krantz davon hat Hercules erreichet
Jn der Olymper-Spiel. Ob ſchon diß Ziel nicht gleichet
Mit unſerm Lebens-Lauff / ſo iſt doch einmal wahr /
Daß GOtt die ſaͤttiget mit einem langen Leben /
So ſeinen Willen thun und ihm Gehoͤre geben.
B 4Frolockt24Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Frolockt nicht unſre Stadt / wenn ſein beſchneites Haupt
Sich in der Adler Krafft und Ehren-Lilgen weiſet?
Der muß von Marmel ſeyn / der nicht die Vorſicht preiſet /
Der nicht die Centner-Laſt der ſchweren Sorgen glaubt /
So Er dem Atlas gleich hoͤchſt-preißbar unterſtuͤtzet /
Und wie ein Scipio dem Vaterland genuͤtzet.
Deß Oelbaums Bluͤte zeigt deß Jahres Fruchtbarkeit /
Auch / Herr / ſein Wolergehn iſt unſer Heil und Leben.
Wir wollen ingeſamt zu GOtt die Haͤnd erheben /
Daß unſers Oelbaums Bluͤt uns bluͤhe lange Zeit /
Daß ſein Hoch-Adlich Stamm in Segen-vollen Zweigen
Moͤg als die Cedern hoch / ſchoͤn als die Palmen ſteigen.
Daß unter ihm die Stadt ſey Nohæ Kaſten gleich /
Zu dem die Taube fleugt mit Oel und Friedens-Blaͤttern.
Daß ihre Graͤntzen ſeyn befreyt von Krieges Wettern /
Daß ſie kein Feind erſchreck / kein Unfall mache bleich /
Der Kirchen Oelberg auch in Bluͤht und Wachsthum bleibe /
Und ſeine Pflantzen ſo dem Himmel einverleibe.
Aſtraͤens ewig Ruhm / des Kaͤiſers treuer Raht /
Hoch-Edler Herr von Goͤtz / es muͤſſen Roſen ſpriſſen
Wo hin ſein Fuß nur tritt und Oel aus Felſen flieſſen
Zu Preiß dem Namens-Licht. Er / Sonne dieſer Stadt /
Beblick uns noch viel Jahr / und ſeh auch allenthalben /
Wie GOtt ſein Alter wil mit Freuden-Oele ſalben.
Auff den 76. Ejusdem.
I.
KUhmwuͤrdigſter Regent / Neſtor unſrer Stadt /
Den GOtt im Alter wil auff Adlers-Fluͤgeln tragen /
Daß auch die Nach-Welt kan von ſeinen Wundern ſagen /
Es heiſt mich Schuld und Pflicht ein ewig Lorber-Blat
Zu opffern dieſem Feſt / weil Breßlau niemals hat
Dergleichen graues Haupt bey ſo verlebten Tagen
Und ſolcher Jahre Zahl auff ſeinem Ehren-Wagen
Jn Freuden angeblickt als Phoͤnix in dem Raht:
Alleine Geiſt und Muth laͤhmt mein beharrlich krancken /
Deß Ruhmes Treffligkeit faßt nicht mein ſchwacher Kiel /
Und der Verdienſte Preiß / ſo ich erzehlen wil /
Schleuſt auch die Ewigkeit in ihre graue Schrancken.
Selbſt die Verwunderung legt mir Stillſchweigen bey /
Und ſagt: Daß dieſes auch der Ehrfurcht Abriß ſey.
II. Wenn25Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
II.
WEnn jetzt der Sonnen Liecht die gantze Welt durch - fahren /
Der Erden Schoß erwaͤrmt / der Berge Haupt erhitzt /
Durch allgemeines Liecht der Menſchen Thun genuͤtzt /
So ſieht man / wie ſie ſich mit ihren Purpur-Haaren
Stuͤrtzt in die blaue See: deß Morgenlandes Wahren
Sind nichts fuͤr ihrem Glantz; wie hell der Demant blitzt /
Wie feurig der Rubin auch ſeine Funcken ſpritzt /
So koͤnnen ſie doch nicht mit ihrer Pracht ſich paaren /
Sie ſcheint am herꝛlichſten wenn ſie zu Golde geht /
Und gruͤſt die truͤbe Welt noch durch der Stralen Blicke.
O Sonne dieſer Stadt / ſo iſt Er auch erhoͤht /
Deß Lebens Abend glaͤntzt von Tugend / Ehr und Gluͤcke /
Seiu Ehren-Purpur wird in reinſter Hoheit ſtralen
So lange Phoͤbus wird das Rund der Welt bemahlen.
III.
DEr Phoͤnix / den man ſonſt der Sonnen Vogel heiſt /
Wenn er von Alter ſchwach / von Kraͤfften abgezehret /
Und nichts mehr als ſein Grab / den Port der Ruh / be - gehret /
Sucht / wo das Morgenland von Wuͤrtz und Balſam fleuſt /
Jhm Raͤuchwerck zu der Grufft; der Voͤgel Volck das preiſt
Den Hochbegluͤckten Tod / bald wird ſein Wunſch gewehret /
Jn dem der Sonnen Glut ſein gantzes Neſt verheeret /
Und auß der Aſchen ſich ein junger Phoͤnix weiſt.
Gewiß / Hoch-Edler Herꝛ / wenn unter Lorbeer-Zweigen
Und Kronen / ſo die Treu der Buͤrgerſchafft ihm flicht /
Er Ehr - und Lebensvoll ſich wird zum Grabe neigen /
Sol doch nicht untergehn das angebohrne Licht /
Sein Grab und Aſche wird noch dermaleins bekroͤnen
Das Edle Zwey-Geſtirn von hinterlaßnen Soͤhnen.
Auff Tit. Frauen Anna |Magdalena von Luͤttichen / Frauen auff Kmelen / Nahmens-Tag.
JCh wolte wohl was hohes ſchreiben /
Zu ehren dieſem edlen Tag /
Und meine Sinnen ſchaͤrffer treiben /
Als wie ich ſonſt zu tichten pflag.
B 5Doch26Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Doch wil mir faſt die Krafft gebrechen /
Und Phoͤbus Huld und Gunſt abſprechen.
Hoch-Edle Frau / von Trefflichkeiten
Der hoͤchſten Tugend außgeziert /
Wie mag ich Opffer zubereiten /
Das meiner Schuldigkeit gebuͤhrt?
Jch weiß wohl / daß man Heroinen
Nichts ſchlechtes gab / ſie zu bedienen.
Zu dem ſo muͤſſen kluge Geiſter
Die koͤſtlichſten Lobſprecher ſeyn.
Apollo ſelbſt der Kuͤnſte Meiſter
Schleuſt die Vernunfft in Schrancken ein /
Und ſaget / daß dergleichen Gaben
Auch nicht die Maͤnner-Sinnen haben.
Gewiß / es wird der Neid geſtehen /
Daß ihr Verſtand dem Himmel gleicht /
Daß ihre Tugend in den Hoͤhen
Viel heller als die Sternen leucht.
Der Rede Liebligkeit und Zierde
Macht Stock und Steinen auch Begierde.
Glantz aller ſchoͤnen Hoͤfligkeiten /
So je die Gratien erdacht /
Wie ſtlmm ich doch nur meine Seiten /
Daß ſie die außerleßne Pracht /
Nach ihrer Wuͤrde recht beſingeu /
Und angenehme Lieder bringen?
Begluͤckte Frau / nicht nur vom Stande /
Der die beruͤhmſten Ahnen weiß’t.
Zier in dem gantzen Meißner-Lande /
So weit die Elbe diß durchfleuſt;
Hoch und Wohledel von Gebluͤte /
Doch noch viel edler von Gemuͤhte.
Was ſonſt den Weibern karg gegeben /
Daß Schoͤnheit mit Verſtand ſich paart /
Das ſiht man hier vollkommen / eben
Auch in der ſchoͤnſten Toͤchter Art;
Bey denen Witz und Freundligkeiten
Stets um die beſte Tugend ſtreiten.
Es ſatzte Rom viel Sieges-Zeichen /
Den hochverdienten Fuͤrſten auff.
Koͤnt27Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Koͤnt ich die Krafft und Kunſt erreichen /
So wolt ich fuͤr der Zeiten Lauff /
Ein ſolches Angedencken ſtifften /
Jns kuͤnfftige durch meine Schrifften.
Denn Marmorſaͤulen auffzufuͤhren /
Jſt uͤber meiner Haͤnde Staͤrck /
Mit Diamanten ſie zu zieren /
Das iſt deß bloſſen Gluͤckes Werck.
So kan ich auch nicht ſolche Gaben /
Jn rothes Gold und Silber graben.
Jch will vielmehr durch Stilleſchweigen /
Als wie man ſonſt den Goͤttern pflegt /
Die Ehren-Furchten zu bezeugen /
Auff einen Wuntſch ſeyn angeregt.
Der Himmel ſchencke das Geluͤcke /
Den Seufftzern die ich zu ihm ſchicke.
Es muͤß Jhr / Außbund aller Frauen /
Der beſte Wohlſtand ſeyn bewuſt /
Der nur auff Erden iſt zu ſchauen /
Jn ungekraͤnckter Hertzens-Luſt.
Jhr Hauß ſey frey von Sturm und Wettern;
Und Tugend muß es noch vergoͤttern.
Der Tag der komme gluͤcklich wieder /
Der heut ihr Namens-Feſt uns bringt;
So opffert man ihm Klang und Lieder /
Die ein ergebnes Hertze ſingt.
Wohin ihr Fuß nur kommt zu gehen /
Da ſollen nichts als Roſen ſtehen.
Gluͤckwunſch an zwey vom Adel auff ihre Reiſe. Hoch-Edler /
DEinen Brief hab ich zurecht[empfangen] /
Es hat das reine Blatt dein reines Hertz entdeckt /
Wie unſer Freundſchafft-Licht im finſtrem nicht ver - gangen /
Wie dein beflammter Sinn der Liebe Feur erweckt.
Der einig-liebe Brief war voller Liebligkeiten /
Man ſah die Gratien auff jeder Seiten ſtehn /
Der28Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Der Roͤmer darff nicht mehr mit unſren Deutſchen ſtreiten /
Dein Red-Art zeugte ſchon daß du ihm vor-ſolſt gehen.
Nur eines lob ich nicht; daß du mich loben wollen;
Dein Ruhm beſchaͤmet mich; ich weiß wie ſchlecht ich bin;
Jch haͤtte freylich mehr auß Pflicht-Schuld leiſten ſollen /
Die Kraͤffte mangeln mir / doch aber nicht der Sinn.
Du ſihſt auß dieſem Brieff / wie ich ſo alber fchreibe /
Wie alle Zierlichkeit von meinen Reimen fleucht /
Weil ich die Poeſie nicht mehr ſo bruͤnſtig treibe /
So ſpuͤhrt man Sonnenklar / daß Phoͤbus von mir weicht.
Jch wolte ſonſt ein Lied zum Angedencken ſetzen /
Und beyder Bruͤder Ruhm den Sternen machen kund;
So / weil die Muſen nicht mich wollen mehr ergetzen.
So nimm das Hertze hin / nicht den beredten Mund.
Reiß immer wohlbegluͤckt du Zwey Geſtirn im Adel /
Und ziere deinen Stamm / dem nichts an Wuͤrden gleich /
Der Ahnen ewig Lob und Leben ſonder tadel
Schlaͤgt alle Mißgunſt weg / und macht den Neider bleich.
Der Zunder wird dich auch du werthes Paar anzuͤnden /
Der angebohrne Muth zu Thaten muntern auff /
Du wirſt Gelegenheit zu groſſen Dingen finden /
Je ſchoͤner iſt der Lohn / je weiter iſt der Lauff /
Wir koͤnnen nichts von dir als gute Fruͤchte hoffen /
Weil ſich die Bluͤthe ſchon in ſolcher Anmuth wieß /
Weil Adel / Witz und Kunſt bey dir zuſammen troffen /
Und die Vollkommenheit ſich ſcheinbar ſehen ließ.
Die Morgenroͤthe wil den Tag / der folget / zeigen /
Die Wiegen ſagen offt den Baur und Fuͤrſten an /
Wird nur die Jugend nicht nach Ruhm und Ehren ſteigen /
So iſts im Alter wol umb Wuͤrd und Pracht gethan.
Zu dem ſo darffſtu nicht erſt Ehren-Bilder ſuchen
Schau Vat - und Vettern an / und ihren hohen Stand /
Sie haben ſchon die Bahn / die du itzt gehſt / gebrochen /
Der Degen und der Kiel macht ſie der Welt bekand.
Wo dieſe beyde ſind da thut man Wunder-Sachen /
Die Feder und der Helm ſind Pallas Eigenthum;
Es muß fuͤr unſer Heil zu erſt der Lands-Knecht wachen /
Da gibt ein kluger Kopff auch ſeinem Fechter Ruhm.
Wohl an du edles Paar / du wirſt im frembden Sande
Erlernen / wie der Siaat mit Witz zu fuͤhren ſey /
Diß29Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Diß was uns Tacitus geſagt im Vatterlande /
Das koͤmmt dort lebendig durch viel Exempel bey.
Wo dich Argyrope zu erſten wird umfaſſen /
So fleuſt auß Boͤclers Mund / was deinen Geiſt erquickt /
Wo du das Rhein-Athen dann wieder ſolſt verlaſſen /
So fuͤhre dich der Fluß ins Niederland begluͤckt.
Der alte Vater Reihn / wird auß dem Schilffe ſchauen
Sein rechtes teutſches Blut und Trauben tragen fuͤr /
Ja lauter Freud und Luſt auff deine Scheiteln tauen /
Und dreymal huͤpffen auff von deiner Nahmen Zier.
Die blaue Schelde wil ingleichen dich begruͤſſen
Die ſchweſterliche Maß in Hafen laſſen ein /
Doch Ungluͤck! Seuch und Peſt / ſoll itzt die Ort umſchluͤſſen /
Wo wirſt du edles Paar hinfuͤro denn nun ſeyn?
Du ſeyſt auch wo du wolſt; niemahls auß meinem Hertzen /
Gelehrte Liebe trennt auch nicht die weite See.
Und wann die Lippen nicht / ſo muͤſſen Briefe ſchertzen /
Damit die helle Flamm der Freundſchafft nicht vergeh /
Du wirſt doch noch einmahl zuruͤck nach Breßlau dencken /
Wie manche Stunde wir mit Reden zugebracht /
Du wirſt noch einen Gruß dem alten Loͤchal ſchencken /
Den itzt im Fall dir Jehn gar zum Juriſten macht.
Jch klage diß allein / daß ich nicht kan vollbringen
Was ich beſchloſſen hatt ein himmliſches Gedicht /
Jn dem ich muſt mit Staub und tauſend Acten ringen /
So ſihſtu liebſtes Paar / wie mir mein Wunſch gebricht.
Was wuͤntſch ich endlich dann / nichts als nur langes leben /
Den Eltern und auch dir / ſo ſteht ſchon alles wohl /
Du wirſt noch Schleſien mit neuem Glantz umbgeben /
Das werthe Schleſien / das ſchier verfallen ſoll.
Hoch-Edles Zweygeſtirn erſchein uns auch denn wieder /
Weil unſerm Vaterland die Lichter noͤthig ſeyn;
Dann ſprechen in geſambt des Landes treue Glieder /
Hier gehet Caſtor auff / dort Pollux guͤldner Schein.
Hiemit hochwerther Freund / beſchließ ich meine Zeilen /
Doch baut die Liebe dir im Hertzen ein Mauſol /
Zeit und Gelegenheit die hieß mich alſo eilen /
Sey tauſendmahl gegruͤſt / mein Schweinitz lebe wohl.
Ein30Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Ein anderer an einen andern. JESUS.
DEr Eltern liebſtes Pfand / der Muſen Luſt und Wonne /
Gelehrter Tugend Kern / mein Modrach / zieht von hier /
Der Himmel ſchein ihn an / mit ſeiner Gnaden-Sonne /
Und ſtell ihm einen May der Liebligkeiten fuͤr /
Er aber / werther Freund / woll ihn geneigt empfangen /
Er wird dem Pleiß-Athen zu Ruhm und Ehren bluͤhn /
Es brennt ſein Hertze ſchon fuͤr eyfrigen Verlangen /
Jn deß Herꝛn Buhlen Hauß ein: als ein Gaſt zu ziehn.
Mit tauſend Traͤhnen hat er unſre Stadt verlaſſen /
Die ihm der Freunde Treu auß Pflicht geliefert hat /
Daß ſo viel Engel itzt ihn auf der Reiß umfaſſen /
Biß er ſiht wohl begluͤckt die gruͤne Linden-Stadt.
Es ſetzt das Vater-Land auf ihn ein groſſes hoffen /
Daß er ins kuͤnfftige ſol Rath und Schuͤtzer ſeyn /
Mich duͤnckt ich ſehe ſchon der Themis Tempel offen /
Die Goͤttin nimmt ihn auch zu ihrem Kleinod ein.
Er hat manch kluges Buch mit Nutzen auffgeſchlagen /
Der Tugend Morgenroͤth im Pindus zugebracht /
Wie ſolt er mit der Zeit nicht reiffe Fruͤchte tragen /
Da ihn von Wiegen an der Phoͤbus angelacht.
Es wird ſich Phylure deß werthen Gaſts erfreuen /
Der Clarien ihr Hertz Alberti ſeyn bemuͤht /
Wie dieſe Pflantze mog in Helikon gedeyen /
Als derer Treffligkeit er ſchon auffſproſſen ſiht.
Mein Buhle wird gewiß ſein Hertz auch laſſen blicken /
Dieweil er veſt und tief in unſern Hertzen ſteht /
Und ſein Gedaͤchtnuͤß kan oft unſern Geiſt erquicken /
Jch ſeh auch diß im Geiſt / wie er zu rathe geht /
Und alle Freundſchaffts-Pflicht iſt embſig zuerfullen /
Wer kennt die Redlichkeit deß werthen Buhlen nicht?
Der Hoͤchſte ſchicke diß nach ſeinem weiſen Willen /
Daß auch in Ewigkeit nichts dieſes Buͤndnuͤß bricht.
Jch wuͤnſche nochmahls Heyl und tauſendfaches Gluͤcke /
Der dreymahl groſſe GOtt halt uͤber ihn die Hand;
Mein Siegel iſt das Hertz / daß ich dem Brief aufdruͤcke /
Er oͤffne itzt ſein Hauß und kuͤſſe dieſes Pfand.
Ehren -31Gluͤckwuͤnſchungs-Gedlchte.
Ehren-Gedichte Als Hr. F. G. Magiſter in Leiptzig wurde.
JHr Tichter Schleſiens / ſo theils verblichen ſind /
(nen /
Theils noch mit Fleiſch und Blut die Sterbligkeit bewoh -
Vergoͤttertes Geſchlecht / nicht nur an Ehren-Kronen /
Und Sieges-Palmen reich: wo noch mein Wunſch ge - winnt /
Und zu dem Ziele trifft / ſo ſegne meine Reimen /
Gib zu daß Saft und Krafft aus deiner Gottheit kaͤumen.
Wirff hochbegluͤcktes Volck nur einen Gnaden-Strahl
Auff meine Poeſie / ich mag nicht Lorbern tragen;
Bleibt mir nur deine Gunſt und Hold unabgeſchlagen /
So bin ich ſchon vergnuͤgt. Der Sterne Schluß und Wahl /
Heiſt mich auff dieſen Tag den Pindus laſſen ſtehen /
Und in mein Vaterland und ſein Gebuͤrge gehen.
Hier ſol mein Helikon und mein Parnaſſus ſeyn.
Jhr Waͤlder / derer Haar kein Winters Froſt zerſchleiffet /
Jhr Fichten / die ihr auch bey ſtrenger Kaͤlte reiffet /
Vergoͤnnt mir eure Zier / ich ſammle Blumen ein
Vom groſſen Rieſen-Berg / und wil mich ſelbſt bekroͤnen:
Duͤrft auch ein neidiſch Maul / den ſchlechten Krantz verhoͤnen?
Die Dafne iſt ja ſonſt der Dichter ſchoͤnſte Braut /
Und Caſtalis ihr Wein / in dem ſie ſich bezechen /
Was ſolt ich meinen Kopff mit frembden Quellen ſchwaͤchen?
Ein Trunck vom Bober-Strohm machts eben wol das Kraut:
Der gibt mir einen Tranck / der Geißler / dich beſinget /
Und unſrer Freundſchaffts-Pflicht ein ſchuldig Opffer bringet.
Die Wirckung in der Hoͤh vermaͤhlt die Hertzen auch
& q; Jn dieſer Unter-Welt / und bindet ſie zuſammen:
Uns trieb ein gleiches Feur in gleich entbranten Flammen /
Der Tugend nach zugehn; Wie an dem gruͤnen Strauch /
& q; Zwey Roſen-Schweſtern ſeyn und aneinander haͤngen:
So pflag ſich beyder Sinn in Kuͤnſten zu vermengen.
Zumahl wenn Major kam / der hochgelehrte Greiß /
Und deſſen von Arpin, Glantz und Red-ſeeligkeiten
Von Grund-auß richtig wieß: Wenn Fechner ſeine Seiten /
Der Schwan Eliſiens und aller Weißheit Preiß /
Hertz-dringend gngeſtimmt / bald die Natur durchgangen /
Bald Himmel / Erd und See zumeſſen angefangen.
Wie32Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Wie aber faͤllt mir denn der ſeel’ge Koͤhler aus /
Ein Mann von theurem Witz und ſeltnen Wiſſenſchafften /
An dem ſich groſſe Leut und Fuͤrſten offt vergafften /
Dein Lehrer / meiner auch / ein wandlend Buͤcher-Hauß
Und lebend Helikon / den keine Grufft verdecket /
Weil ſeiner Schrifften Werth / was todt war / aufferwecket.
Den ſchmertzlichen Verluſt ob ſeinem fruͤhen Tod /
Er ſetzet Gebhard nun / Minervens Aug und Hertze /
Ein Varro unſrer Zeit / der deß Verſtandes Kertze
Zum Pharus auffgeſteckt. Welch Schiffer hat nun noth /
Daß er in Abgrund ſtuͤrtzt / ſein Leit-Stern wird ihm weiſen /
Wie man bey Seyllen ſol den Weg behutſam reiſen.
Sey tauſend-mahl gegruͤſt / mein Thales, Goͤnner / Freund /
Jtzt ehrt dich dieſes Blat / und fuͤgt es das Geluͤcke /
Daß ich dich / Gratie / in meine Armen druͤcke /
So ſoltu ſcheinbar ſehn / wie es die Seele meint:
Denn Briefe ſind doch ſtumm und haben keine Zungen /
Wiewol mir groſſer Nutz von deiner Fauſt entſprungen.
Die Geiſter haben nun / mein Geißler / deinen Geiſt
Zu Breßlau angefeurt / mit lehren aufferzogen /
Daß du nach Adlers-Art biſt munter außgeflogen /
Die Sonne anzuſehn / die Leiptzig praͤchtig weiſt /
Dein unverwandtes Aug erlitt ihr blitzend Strahlen /
Gennß der Weißheit Kern / ließ andern leere Schalen.
Apollo nahm dich auff als rechtgebornes Kind /
Und wahr-erzeugten Sohn; Denn dieſes ſind nur Affen /
& q; Und ſrembde Waͤchſel-Baͤlg / aus ihm niemahls erſchaffen /
& q; Die Laſtern zugethan / der Kuͤnſte Feinde ſind /
& q; Die mehr den Feder-Buſch als Feder-Kiel gebrauchen /
& q; Und laſſen ihre Zeit in Muͤſſiggang verrauchen.
& q; Den fuͤr ein gutes Buch ein ſchoͤnes Tuch beliebt /
& q; Jhr Grieffel iſt ein Stab ans Spanien gebohren /
& q; Man goͤnnt Sirenen mehr als den Camenen Ohren /
& q; Bevor wenn Chloris Blick und Laͤchlen von ſich giebt:
& q; Bret-Wuͤrffel-Karten-Spiel und weiter Glaͤſer Menge /
& q; Sind ſtatt der Lieberey / das Blaͤcken die Geſaͤnge.
Mein Geißler / ſo verkehrt und raſend haſtu nie
Jm Pleiß-Athen gelebt / ein Buch war deine Freude /
Dein gantzer Auffenthalt: dein Troſt und Augen-Weide
Beſtund auff klugem Fleiß und unverdroßner Muͤh
Jn33Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Jn Schrifften zu erſehn / wo Griechen-Land geblieben /
Was Rom von ſeinem Stuhl und Hoheit weggetrieben /
Das zehlſtu ingeſammt uns auff den Fingern her /
Durch-kreuchſt das Alterthum / ſchlaͤgſt Jahr - und Zeiten-Buͤcher
Zu beßrer Nachricht auff / machſt deine Meynung ſicher
Mit Gruͤnden der Vernunfft / bejahſt nichts ohngefaͤhr /
Und endlich wunderſtu die Stuͤrtzung groſſer Reiche /
Wie diß und jenes faͤllt / ſein Moͤrder / ſeine Leiche.
Nach dem Athen verging / verflog der Kuͤnſte Ruhm
Jns alte Latlen mit Roͤmiſchem Geluͤcke /
(Und diß war ſchon beſtimt vom ewigen Geſchicke)
Wie da der Clarien geheiligt Eigenthumb /
Und Schauplatz ſolte ſeyn / das drey-mahl drey Geſchwiſter
Fand Tempel und Altar / Weih-Lichter / Opffer / Prieſter.
Der Redner Zunge brach wie Donner-Schlaͤge loß /
Bewegte Land und Volck / die ſuͤſſen Nachtigallen
Hoͤrt jederman beſtuͤrtzt ein holdes Lied erſchallen:
Der himmliſche Virgil ſaß in Auguſtus Schoß;
Und andrer Seelen mehr anjetzo zu geſchweigen /
Die noch ihr Eben-Bild der Nach-Welt koͤnnen zeigen.
Gleich wie ihr Honig-Thumb und waͤchſern Koͤnigreich
& q; Die keuſche Jungfer-Bien im gruͤnen Lentz erbauet /
& q; Seugt friſche Blaͤtter aus / die Perlen-weiß betauet
& q; Vom kuͤhlen Morgen ſeyn / beiſt bald der Nelcken bleich
& q; Und rothes Kleid entzwey / benagt Lilg und Violen /
& q; Biß ſie die ſuͤſſe Buͤrd auch kan nach Hauſe holen:
So haſtu hier und da / mein Geißler / eingerafft /
Der Woͤrter Reinligkeit / der Reden Kunſt-Gepraͤnge /
Der Spruͤche weiſe Lehr / der Lehrer Blumen-Menge /
Die Anmuht von dem Laut / der Aus-ſprach Eigenſchafft /
Biß daß dein Roͤmiſch dich Quirinus Buͤrger nannte
Und Svada Lipp und Mund vor andern Soͤhnen kante.
Der edle Seneca, der Weiſen halber Chriſt /
Und Klugen halber GOtt / hieß dich den Tod verachten /
Und rieff groß muͤtig zu / den jenen die da ſchmachten
Jn ſtrenger Marter-Qual / er ſchriebe Zorn und Zwiſt
Gewiſſe Schrancken fuͤr / wieß dir ein ſelig Leben
Samt der Gemuͤhtes Ruh / die ſelten uns gegeben.
Welt-weiſer Pallas-Sohn / und nicht nur uͤberhin /
Wie mancher iſt / gelehrt: ein paar Geſetze wiſſen /
C& q; Und34Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
& q; Und eine Predigt thun / der Meditrin gefliſſen
& q; Und zugeſellet fein / kan auch ein niedrig Sinn /
& q; Der an der Erden kreucht / den Staub des Poͤfels lecket /
& q; Und wie Diogenes im Faß der Thorheit ſtecket.
Wer aber ſo wie du / der Kuͤnſte Grund durchſucht /
Und ihre Treffligkeit in ſein Gehirne ſchraubet /
Marck / Adern / Blut und Safft aus jedern Schrifften klaubet /
Und ſich zu eigen macht / der ſchoͤpffet wahre Frucht /
Ja ſelbſt die Ewigkeit von bluͤhendem Geruͤchte /
Daß keiner Wetter Brunſt / noch ſtuͤrmen macht zu nichte.
Der Nachklang iſt allein ein rechtes Himmel-Brodt
& q; Und Ambroſiner-Wein fuͤr hoch geſtirnte Helden.
& q; Es muß Mnemoſyne von ihrem Weſen melden /
& q; Wenn ſchon der Leib verfault / der Ruhm iſt doch ein Boht
& q; Und fliegender Mercur / biß an der Sternen-Bette /
& q; Er preiſt die Schaͤtzbarkeit der Gaben in die Wette.
Als nun der Hunnen Wuht Rom in den Brand gelegt /
Die Thronen umbgeſtuͤrtzt / der Purpur-Rock zerriſſen /
Die Scepter in den Koht und Tyber-Strohm geſchmiſſen /
So hat der Helikon ſich wiederumb bewegt /
Jſt in Germanien zu unſern Teutſchen kommen /
Die ihn voll Freud und Luſt großmuͤtig auffgenommen.
O unerforſchter Raht den GOttes Rechnung macht!
Die Fauſt ſo vor von Raub und Menſchen-Blut getroffen /
Ergreifft das Dinten-Faß / ſucht wider alles hoffen
Des Phœbus Gunſt und Hold / ſagt Kriegen gute Nacht /
Und zeucht die Sanfftmuht an / baut Muſen Wohn-Pallaͤſte /
Ehrt / liebet / kuͤſſt und hertzt die angenehmen Gaͤſte.
Sie ſind hinwiederumb verſchwenderiſch geneigt
Tuiſcens tapffren Stamm: was von Gelehrſamkeiten
Und Schaͤtzen uͤbrig war / was von Vollkommenheiten
Noch unter ihrer Bruſt / das haben ſie gezeigt
Und an das Liecht gebracht: der Himmel ſelbſtenlachte /
Als unſer Teutſches Blut ſo ſcharffnach Kuͤnſten dachte.
Der theure Lipſius (ein unvergleichlich Mann!)
Wie ſtieg er nicht empor? der Held von Burdus Stamme /
Der groſſe Scaliger, trieb ſeiner Geiſter Flamme
Auff unſer Teutſchland zu. Caſaubonus der kan
Mehr als ein Krieges-Heer bey Koͤnigen verrichten /
Wenn er den Glaubens-Streit in Engelland hilfft ſchlichten.
Dieſ35Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Dieſ und noch andre mehr / die mir die Zeit verbeuht
Zuſchliſſen in den Reim / ſind / Geißler / deine Reitzer
Zu deiner Wiſſenſchafft / du ſelbſt ein eifrig Geitzer /
Haſt ihnen nachgefolgt und ihrer Goͤttligkeit
Gedancken ausgeforſcht / ſo daß ich gaͤntzlich ſchlieſſe /
Wie kuͤnfftig gleiche Frucht von dir entſprieſſen muͤſſe.
Jch bilde mir von dir was ungemeines ein /
Du Perle Schleſiens / dein Fleiß wird noch erwerben /
Was nicht vergaͤnglich iſt / du kanſt nicht gar verderben /
Dein beſtes Theil das lebt / ob ſchon ein ſchwartzer Schrein
Dein Leib zu Grabe traͤgt. So koͤnnen wir durch Schrifften
& q; Ein Leben / das nicht ſtirbt / uns bey der Nach-Welt ſtifften.
& q; Jch weiß daß dein Gemuͤht fuͤr Durſt der Ewigkeit
& q; Wie Oel in Ampeln brennt / das Blut in Adern ſpringet /
Und weder Schlaff noch Ruh der Sinnen Aug umringet.
& q; Diß macht die Himmels-Brunſt ſo uns den Muht verleiht
& q; Was ewiges zu thun. Mein Geißler / dein Geruͤchte
& q; Glaͤntzt wie die Morgen-Roͤth in ihrem Purpur-Lichte.
Der Tag der folgen wird / verſpricht uns reines Gold
Und einen Sonnen-Blick / der Schleſten dich mahlen
Und uͤberleuchten wird! wirfdeine Gegen-Strahlen
Auff dieſen neuen Stern / und bleib ihm immer hold /
Er mehrt gewißdie Zahl in dem beruͤhmten Orden /
Worinnen Sterbliche den Engeln gleiche worden.
Mein liebes Vaterland / Europens Paradiß /
Und irrdiſch Himmel-Reich / vom Wachs / humb aller Gaben /
Gewuͤnſchter Fruchtbarkeit / biß an den Mond erhaben /
Frolocke deinem Sohn / der Kuͤnſte guͤldnes Fließ
Traͤgt dieſer Jaſon weg / dein Geißler ſteigt begeiſtert
Den Ehren-Gipfel auff / und iſt nu recht gemeiſtert.
Jch ſeh ein ſeelges Volck in ungezaͤhlter Reih
Aus dem Gebirge gehn / es haͤget Freuden-Taͤntze
Umb unſern Bober-Fluß / ihr Scheitel traͤget Kraͤntze /
Vom friſchen Wintergruͤn / kein Lorber iſt darbey /
Weil ſich hier die Natur ſo muͤtterlich erzeiget /
Daß man nicht allererſt nach Daffnes-Zweigen ſteiget.
Der Hoheit lichter Blitz verblendet mein Geſicht /
Doch ſchau ich / Acidal iſt ſchier der rechte Fuͤhrer
Jn dieſem Helden-Chor / ein maͤchtig Seiten-ruͤhrer
Und kuͤnſtlicher Poet / auch Conrad laͤſt es nicht
C 2Apol -36Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Apollens rechter Arm / weil Kraͤuter Klang und Lieder
Jhn und ſein gantz Geſchlecht der Erden bringen wieder.
Tilenus ſinget mit / ſein Roͤmiſches Latein
Kennt noch die guͤldne Zeit; Bucretz kan nicht verſchweigen
Den angebohrnen Muht: Monavius ſagt eigen
Was herrliche Gedicht und ſchlimme Reimen ſeyn /
Biß endlich Opitz kommt und loͤſt die Mutter-Zunge /
Bringt teutſcher Sprache Glantz zu ihrem rechten Sprunge.
Dreyfaͤchtiger Homer, gedoppelter Virgil,
Jch werde gantz erhitzt nur auff dein Angedencken /
Schatz uͤber alles Gut / den uns das Schickſal ſchencken
Und eignen hat gewolt: Mein ſtumpffer Feder-Kiel
Steht ſtill und iſt entzuͤckt. Du biſt genug geprieſen:
So hab ich anderswo dir auch ſchon Ehr erwieſen.
Die Folger deiner Leyr ſind eben wol bekand /
Jhr Ruhm durchfaͤhrt die Welt mit weiſſen Sieges-Pferden /
Zwey Koͤpfe laſſen mich noch nicht ſtillſchweigend werden.
Wolan es ſey gewagt / mein heiſſer Andachts-Brand
Vermiſcht mit Ehren-Furcht brech aus in ſeine Flammen /
Es wird das Edle Zwey die Pflicht-Schuld nicht verdammen.
Doch Goͤtter hat man ja mit ſchweigen mehr geehrt /
& q; Als durch ein laut Gewaͤſch. Jch ſchlieſſe Mund und Lippen /
Sonſt ſtoͤſt mein ſchwaches Schiff an toller Freyheit Klippen /
Und ſcheitert auff den Grund. Wer was genaue hoͤrt /
Merckt meiner Clio Wunſch / wie ſie ſo furchtſam ſtehet
Und ſchamroth / daß ihr nicht der groſſe Nam entgehet.
Der name / den das Haupt der Erden ſelber liebt /
& q; Und den die Majeſtaͤt mit hoͤchſten Wuͤrden zieret /
& q; Der Geiſt / der Fuͤrſten offt das Hertze hat geruͤhret /
& q; Der Breßlan deinem Rath nicht ſchlechten Zierath gibt.
Genug und mehr als viel: man ſiht den Demant brennen /
Und kan die helle Glut bey dunckler Nacht erkennen.
Was dieſer Phœnix itzt mit ſeinem Adler thut /
Den grundgelahrten Gryph / (ein Hertz und eine Seele /
Ein Außzug beyder Seel in zweyer Leiber Hoͤle)
Das koͤmmt noch Schleſien hinfuͤro dir zu gut;
O Sonnen teutſcher Pracht / holdſeliges Geſtirne /
Du traͤgſt Athen und Rom und Franckreich im Gehirne.
Nur jedes Wunder-Art und ſchoͤne ſonderheit
Verzaubert meinen Geiſt: Wenn jenes Reden flieſſen
Wie37Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Wie lauter Honigſeim mit tauſend Anmuths-Kuͤſſen
Cytherens eingemacht: Wenn reine Zierligkeit
Die Roſen-Worte ſchmuͤckt / gezuckert von der Liebe /
Und die die Liebe heiſt Seelfaͤnger / Hertzens-Diebe.
Diß aber was den Gryph ſo unnachamlich macht
Erſchreckt die gantze Welt: wenn Cron und Throne fallen /
Wenn Himmel / Erde / Lufft vom ſchwartzen Donner-Knallen /
Wenn uͤber unſerm Kopff ein gluͤend Blitz erkracht /
Gifft / Dolchen / Straͤnge / Pfahl / Todt / Wunden / Marter / Braͤn -
Vollziehn der Zeiten Lauf / und ihr erbaͤrmlich Ende.
(de
Komm Neid und berſte nu vor gruͤner Gall entzwey /
Nim unſern Schleſien das Vorzugs-Recht im Dichten /
Jm Schreiben auch dazu; du magſt ſo ſpoͤttiſch richten
Der Woͤrter groben Klang / der Mund-Art Barberey;
Gewiß ein Tichter fehlt / und ſolt uns der entſcheiden /
So wuͤrde deine Zier das ſchlimſte Urtheil leiden.
Nu Meiſter freyer Kunſt / mein Geißler / munter dran /
Tritt auf den Lehrer-Stul / entde〈…〉〈…〉 k uns ſcharffe Fragen /
Errege Wider-Streit / laß denn dagegen ſagen /
Ob dein Vernunfts-Schluß ſo und ſo beſtehen kan /
Verewige dich ſelbſt: du biſt dazu geweihet.
Von oben koͤmt die Krafft / ſo uns den Muht verleihet.
Seit daß mir Barth / ach fruͤh! ach! allzufruͤh verfiel /
So ſtarb mein Vorſatz mit / der dir nicht unverborgen
Als meinem treuſten iſt: doch macht ein leuchtend Morgen /
& q; Den Wolcken-Himmel klar / ſo ſetzt der Feder-Kiel
Was angelobt ins Werck; wo nicht ſo mag es bleiben:
Du / Geißler / wirſt uns noch was recht erbaulichs ſchreiben.
Gedencke meiner auch / mein Landsman und mein Freund /
Vergiß die Reden nicht / ſo von dem Nach-Ruhm waren:
Wie guter Leimund ſey ein Schmuck beruͤmter Bahren:
Wie Fama nach dem Tod am herrlichſten erſcheint:
Die Nimfe lacht dich an / umbhalſe ſie hinwieder /
Perenna dencket ſchon auff eure Hochzeit-Lieder.
Jhr Faunen / Dryaden / Napeen und Silvan
Singt mit ein Schleſtſch Lied / recht bey den Tannen-Baͤumen /
Gluͤck zu! Gluͤck zu! Gluͤck zu! weil ich vom langen Reimen
Faſt muͤde worden bin / ſo nim doch dieſes an /
Mein Geißler / wie es iſt; Zwar ohne Kunſt und Zierde.
Doch gleichwol ſihſtu hier die liebſte Dienſt-Begierde.
C 3Als38Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Als Tit. Herr Georg Schoͤbel in die Hochloͤbl. Frucht - bringende Geſellſchafft unter dem Titel des Himm - liſch-geſinnten Anno 1669. auffgenom - men wurde.
D eine Blumen-Uhr der Kircher hat erfunden /
Jſt der gelehrten Welt aus ſeinen Schrifften kund;
Der Sonnen-Wende Blat entdecket Zeit und Stunden /
So bald der Sonnen-Glantz beſtralt der Erden Rund.
Mein Schoͤbel / daß dein Geiſt der Sonnen-Wende gleichet
Und nach dem Himmel ſtets der Sinnen Blaͤtter lenckt /
Und daß gleich einer Uhr den Mittag du erreichet /
Den Mittag hoͤchſter Zier mit Ruhm Pracht umſchrenckt /
Jſt wurdig / daß es auch die Nachwelt moͤge wiſſen /
Und daß es in dem Buch der Ewigkeiten ſteh.
Wenn hohe Seelen als ein wahres Mitglied kuͤſſen /
Der hat ſich ſchon vermaͤhlt den Sternen in der Hoͤh.
Jch zweiffle nicht daran / daß ſich die Edle Palmen
Mit Lorbern untermengt bemuͤhn umb einen Krantz /
Den nicht die Tyranney der Zeiten kan zermalmen /
Und der bey Froſt und Glut nie aͤndert ſeinen Glantz.
Mich duͤnckt / ich hoͤre ſchon der Schwanen ſuͤſſe Lieder /
Wie jede Nachtigal der Muſen zierlich ſingt /
Und wie der Nachruhm ſie auff guͤldenem Gefuͤder
Dir / werther Muſen-Freund / als ein Geſchencke bringt.
Soll ich allein durchſteint und kalter Marmel bleiben?
Erhitzet keine Glut der Dichter meine Bruſt?
Jch muß es zwar geſtehn / daß offt und viele Schreiben
Macht zu den Reimen mir mehr Eckel als wol Luſt:
Und was mich reitzen kan / ſind himmliſche Gedancken /
Jn welche ſich dein Geiſt ſo feſt verwickelt hat /
Mein Freund / daß du verlaͤſt der Erden enge Schrancken /
Und in Betrachtung dich deß Himmels macheſt ſatt.
Laß uns das groſſe Nichts die gantze Welt durchreiſen /
Laß uns ins Alterthum verfloßner Jahre gehn /
Was uns der Grieche da / dort wird der Roͤmer weiſen
An Arbeit / Kunſt und Witz / wie lange kont es ſtehn?
Vermag39Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Vermag ein ſterblich Menſch was ewiges zu bauen?
Wo ſind die groſſen Staͤdt / ach groſſe Leichen! hin?
Vergebens ſchweifft man Ertzt / und laͤſſet Steine hauen /
Die ſchoͤnſten Wercke ſind deß Untergangs Gewinn.
Daß Laͤnder nicht mehr ſeyn / daß Koͤnigreiche ſterben /
Daß der bey Norden wohnt / ſo vor aus Weſten kam /
Daß Voͤlcker frembder Art von frembden Voͤlckern erben /
Und Magellan den Weg nach mehrern Welten nahm;
Ja / daß die Erde ſelbſt offt ihren Sitz verkehret /
Und da itzt Flutten ſpeyt / wo vor Getreyde ſtand /
Bald durch ein raſend Feu’r der Berge Marckverzehret /
Bald durch einewig Eyß verſchleuſt der Fluͤſſe Strand /
Sind nur deß Unbeſtands gemeine Trauer-Zeichen:
An unſern Coͤrpern gehn mehr Jammer-Blicke fuͤr.
Wornach der Hochmuth uns die Seegel heiſſet ſtreichen /
Was iſt es? Wind und Dunſt von thoͤrichter Begier.
Es ſey / daß wir die Welt und jede Kraͤuter kennen /
Die Sternen in der Hoͤh auff Fingern rechnen aus /
Der Sonnen Leib befleckt / den Monden bergicht nennen /
Corallen wachſen ſehn aus Thetis blauem Haus /
Ja offt ein heilſam Oel aus Stein und Ertzt erpreſſen /
Und wiſſen / was der Geiſt in dem Magneten wuͤrckt /
Daß wir des Himmels-Lauff / der Erden Ziel gemeſſen /
Und alle Wiſſenſchafft in unſerm Kopff umzirckt:
Wird hier die Eitelkeit nicht unſer Meiſter werden?
Der groſſe Triſmegiſt verfiel mit ſeiner Kunſt.
Und wem ſind unbekant die zornigen Geberden
Der Griechen / wenn ſie ſah’n / daß ihre Lehren Dunſt.
Es muͤht ſich Plato noch das hoͤchſte Gut zu finden /
Es ruffet noch Stagyr das erſte Weſen an /
Und die Unſterblichkeit kan Socrates nicht gruͤnden /
Er opffert nur umbſonſt dem Æ ſculap den Hahn.
Wie ſchoͤn Chriſyppus uns die Tugend vor kan mahlen /
Laͤſt doch ſein eitler Wahn den ſchnoͤden ſelbſt-Mord zu.
Des theuren Senecens erlauchte Weißheit-Strahlen
Verſagen ihm zuletzt der Sinnen wahre Ruh.
Das iſt das Tocken-Werck von menſchlichem Verſtande /
So weit kan die Vernunfft nach ihrem Duͤnckel gehn:
Die Maͤnner nannte man Orakel in dem Lande /
Noch konten ſie vor Fall und Faͤulnuͤß nicht beſtehn /
C 4Da40Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Da ſie das beſte Theil der Wiſſenſchafft erwehlet /
Und faſt der Ewigkeit am nechſten ſich gemacht.
Was ſonſt der ſtoltze Menſch von Wunderthaten zehlet /
Deckt die Vergeſſenheit mit ihrer langen Nacht.
Daß Voͤlcker gantz verhetzt einander auffgerieben /
Daß Monarchien nun beruͤhmte Baaren ſeyn;
Daß der entmannte Pers hat Uppigkeit getrieben /
Daß Griechen-Land der Tuͤrck jetzt ſchleuſt in Feſſel ein /
Und daß der Gothen Schwarm Rom und den Thron verſtoͤret /
Ja / daß die Majeſtaͤt auf teutſchen Schultern ſchwebt /
Und unſer Landes-Volck nicht mehr die Hainen ehret /
Und nach der Tugend ſo als vor nach Laſtern ſtrebt /
Das macht der Wechſel-Gang der abgemaͤſſnen Zeiten /
Von einer hoͤhern Macht vorlaͤngſten ausgeſetzt;
Alleine Schatten ſinds der grauen Ewigkeiten /
Weil auch der Untergang allhier die Zaͤhne wetzt.
Luſt nun die Kuͤnſtler ſehn und ihrer Haͤnde Wercke;
Apelles Farben ſind verblichen als wie er:
Und des Lyſippens Ertzt behaͤlt nicht ſeine Staͤrcke;
Was Myron ausgehoͤlt iſt aller Anmuht leer:
Was Phidias geſchnitzt / in tauſend Stuͤck gebrochen.
Trajanus Sieges-Pracht / und Bogen ſind entzwey
Die Schau-Plaͤtz umbgekehrt / die Waſſer-Kuͤnſt durchſtochen /
Der Baͤder Luſt verwuͤſt durch frembde Raſerey.
Auch unſrer Zeiten Kuͤnſt ob ſie auffs hoͤchſte kommen /
Und derer Treffligkeit die Vorwelt ſchamrot macht /
Sind dem gemeinen Schluß des Hinfalls nicht entnommen /
Der Tag / der ſie gebahr / der hat auch ſeine Nacht.
An was ſoll denn der Menſch nun ſein Ergetzung haben?
Soller ein Goͤtzen-Knecht des rothen Klumpen ſeyn?
Soll er in ſchnoͤder Luſt der Jahre Lentz vergraben /
Und tollen Regungen ſich gaͤntzlich geben ein?
So iſt die Seele tod / der Leib ein Aaß zu heiſſen /
So von dem faulen Koht verdammter Laſter ſtinckt;
So iſt er aus dem Buch der Lebenden zu reiſſen /
Und wuͤrdig / daß er Pech aus Lethens-Pfuͤtzen trinckt.
Zwar / wer der Erden Luſt / und hoch-geſchaͤtzte Sachen
Mit irrdiſcher Vernunfft und Urtheil uͤberlegt /
Kan keinen andern Spruch / als wol zu leben / machen /
Bevor / wenn das Geluͤck das ſeine darzu traͤgt.
Es41Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Es ſehnt ſich Fleiſch und Blut in Roſen auch zu ſchlaffen /
Und die Ergetzlichkeit iſt der Begierden Freund /
Geld / Guͤtter / Stand und Pracht ſind ihre Wehr und Waſſen /
Wormit die Tugend ſie offt gar zu faͤllen meynt.
Vlel muͤſſen ſich wie Wachs in eigner Brunſt verzehren /
Nachdem der Menſch geſinnt ſo hat er ſeinen GOtt:
Doch / wenn die letzte Glut wird Erd und Welt verkehren /
Erhellet auß der Wahl das Leben und der Tod.
Mein Schoͤbel / Himmel-Freund / und himmliſch auch geſinnet /
Der Charitinnen Hertz / der Muſen Luſt und Zier /
D in der Eitelkeit dein Hertze nicht zerrinnet /
D ein weit hoͤher Ziel du dir geſetzet fuͤr /
Erkennt der blaſſe Neid / und muß es ſelber loben.
Wer an der Erden hengt / der kommt nicht in die Hoh,
Die unbekante Krafft / die wuͤrcket| nur von oben /
D ein gantz himmliſch Sinn bey ſeinem Himmel ſich.
Es iſt ein groſſer Kampff und ungemeines Streiten /
Verachten / was die Welt mit Wuntſch und Seufftzen ehrt /
Und groͤſſer iſt es noch / nicht auff dem Eyſe gleiten /
Da gar die Heiligen hat Aberwitz bethoͤrt.
Wie biſt du nun geſinnt? Verzeihe / daß ichs ſage /
Mein Schoͤbel / wie es iſt / die Wahrheit liebt kein Kleid /
Und daß ich Heucheley nicht in dem Hertzen trage /
Hat dir / als altem Freund / entdecket laͤngſt die Zeit.
Du widmeſt deine Jahr entfernt von allen Luͤſten /
GOtt / und der Muſen-Volck. Was haſt du nicht gethan /
Von Kindes-Beinen auff? Von deiner Mutter Bruͤſten /
Hat dich Euſebie zum Sohn genommen an.
Der Hohen-Schulen Witz / der fernen Reiſen Laͤnge /
Und dann ſo manches Land / wo Kunſt und Weißheit bluͤht /
Dir weiter beygelegt beliebter Gaben Menge /
Die man in voller Frucht und hoͤchſtem Wachsthum ſiht.
Seit daß das Vater-Land dich wieder hat empfangen /
Und unſer Mutter-Stadt genommen in die Schoß /
Mit was vor Embſigkeit und brennendem Verlangen /
Haſt du derſelben Ruhm und Lob gemachet groß.
Jch ſchweige / was du ſonſt den Muſen zugeſchrieben /
Was der Unſterbligkeit dein Geiſt geopffert hat:
Nun aber du auch biſt im Palmen-Feld beklieben /
D ein Erlauchtes Haupt dir gibt der Sonnen Blat /
C 5So42Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
So heiß ich dtch mit Recht der Kuͤnſte Sonnen-Wende /
Du ſihſt den Himmel an / dich der Gelehrten Schaar /
Und ein Geſtrenger Rath wolt eben zu dem Ende /
Dich lebend Buͤcher-Hauß / den Buͤchern ſtellen dar.
Du haſt der Ewigkeit ihr Reichthumb zu verſorgen /
Schatz-Kammern / derer Schatz gewiß den Preiß behaͤlt.
Denn Guͤter deß Geluͤcks / die Menſchen taͤglich borgen /
Verfallen / Weißheit iſt der Tugend Loͤſe-Geld.
Wie wirſt du weiter nicht den Palmen-Orden zieren /
Und unſrer Mutter-Sprach ein theures Kleinod ſeyn.
Wir koͤnnen nimmermehr den wahren Ruhm verlieren /
Denn unſre Sprache trotzt Welſch / Spaniſch und Latein.
Wer ſiht im Teutſchen-Land / jetzt oͤde Wuͤſteneyen?
Wer klagt den Himmei an / daß er zu eiſern ſey /
Die Erde ſonder Frucht / die Luͤffte voller Dreuen /
Die Waſſer voller Schlamm / das Volck voll Barbarey?
Gewiß Arminius koͤnt als Achilles ſtralen /
Haͤtt unſer Teutſches Blut auf Kunſt ſo viel gewagt /
Als daß es ſich befliß den Schild mit Blut zu mahlen /
Und in die Angen gieng den Feinden unverzagt.
Nachdem die Enderung der Zeiten ſich begeben /
Daß gar der Kaͤyſer-Stamm auß unſer Wurtzel ſteigt /
Bekroͤnet Teutſch-Lands Bruſt ein unvergleichlich Leben /
Es war den Waffen hold / den Kuͤnſten auch geneigt.
Jſt nicht der Groſſe Carl ein Wunder anzumelden /
Der / was die Fauſt veruͤbt / in Teutſchen Reimen ſang /
Und hegte ſolche Leut / auß welcher Mund der Helden
Unſterblich Ehren-Ruhm / durch Sud und Norden / drang.
Die Fuͤrſten folgten nach / und ſungen in die Wette /
Es war kein ſchlechtes Lob hierinn ein Meiſter ſeyn.
Ach! daß der Zeiten Sturm uns nichts geraubet haͤtte /
Wir ſammleten darvon der Woͤrter Perlen ein.
Was uͤberblieben iſt / gibt uns den Grund zu kennen /
Und was der Sylben Laut und Eigenſchafft betrifft;
So iſt der Reime Band Kunſt-maͤſſig ja zu nennen /
Bevor / wer recht erwiegt der alten Ruhnen Schrifft.
Die Gothen haben auch Fuß-Stapffen hinterlaſſen /
Daß Anlaß unſrer Zeit wol nach zuforſchen gibt.
Die klugen Zeilen / ſo die Leichen-Steine faſſen /
Beweiſen / wie ſie ſtets die Sprache hochgeliebt.
Solt43Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Solt ich der Poeſt der Daͤnen noch erwaͤhnen /
Die ein gantz volles Meer ſinnreicher Sachen iſt /
So muͤſt ich mich zugleich auß Kunſt-Begierde ſehnen /
Und klagen / daß man nicht bey uns dergleichen liſt.
Wirfft nun der Neid mehr fuͤr / daß wir nicht Buͤcher haben?
Pocht denn der Roͤmer nur mit ſeiner Schrifften Zahl?
Viel hat / die Moͤrderin der Kunſt / die Zeit begraben /
Und viel dargegen gibt uns ein Gedaͤchtnuͤß-Mahl.
Doch / wo vergeh ich mich? Seh ich die Herꝛligkeiten /
Der Sprache Majeſtaͤt und Wunder-reinen Glantz /
Ja / wie ſie durch den Kreiß der Welt ſich kan außbreiten /
Und unter andern traͤgt den ſchoͤnſten Ehren-Krantz;
So muß ich ja gebuͤckt die groſſen Geiſter preiſen /
Die durch beruͤhmten Fleiß diß Weſen außgedacht.
Und wer nur| Teutſch geſinnt / wird ihnen Danck erweiſen /
Daß unſer Sprache bluͤht in unverwelckter Pracht /
Auch taͤglich ſich vermehrt durch uͤberſetzte Buͤcher /
Der Teutſchen Zunge legt faſt jeden Lands-Mann auß /
Und ſingt ein ſolches Lied / das vor dem Sterben ſicher /
Das von der Grufft befreyt / wenn gleich der Leib iſt grauß.
Mein Mund iſt viel zu ſchwach die Helden zu beſingen /
Und ihr erlauchtes Lob acht dunckeln Zuſatz nicht:
Der jene muß ſich in die Sternen-Fackeln ſchwingen /
Der Goͤttern uͤberreicht ein ziemendes Gedicht.
Mein niedrig Epheu-Laub welckt fuͤr den groſſen Palmen;
Die Weiden ſiht man nicht bey hohen Cedern ſtehn;
Ein ſtarcker Wind zerbricht dem Korn-Baum ſeine Halmen /
Die Eichen laſſen Blitz und Donner auff ſich gehn.
Jch bin vergnuͤgt / mein Freund / daß dich in dieſen Orden
Deß Wolgerathenen Durchlauchſter Schluß geſetzt;
Daß du ein wuͤrdig Glied ſo hoher Seelen worden /
Und deine Gaben man auch auſſer Landes ſchaͤtzt.
Dein himmliſches Gemuͤth entbrant von Himmels-Flammen /
Wird kuͤnfftig ſeiner Glut noch groͤſſer Funcken ſtreun.
Denn Lob und Ehre ſind der Tugend wahre Ammen /
Was kan den Menſchen mehr / als ſolch Geruͤcht / erfreun?
Jch ſehe ſchon im Geiſt die Kinder deiner Sinnen /
Die Buͤcher / welche du wirſt bringen an das Licht:
Denn Art laͤſt nicht von Art / dein himmliſches Beginnen /
Thut / wie der Himmel thut / und ruhet niemals nicht.
Du44Glückwuͤnſchungs-Gedichte.
Du wirſt den Helicon / den Sion mehr beſteigen /
Und mitten in der Welt dir bau’n ein Paradieß /
Frey / keines Menſchen Knecht / gluͤckſelig / und dein eigen /
Wie unſer Eltern ſelbſt die Unſchuld leben hieß.
Du kanſt die Eitelkeit mit frohem Muth verlachen /
Wenn der nach Gnaden laufft / und der umb Liebe dient /
Wenn zwey ſich eine Grub / umb vorzufallen / machen /
Ein ander ſich viel fuͤrcht / ein ander viel erkuͤhnt.
Diß iſt dir unbewuſt bey deinem Schreibe-Tiſche /
Da dich ein gutes Buch mit ſeltner Weißheit ſpeiſt /
Und wenn du muͤde biſt / was deinen Geiſt erfriſche /
Sind haͤuffig Mittel da / die dir Apollo weiſt.
So fuͤhrſt du auff der Welt ein Himmel-gleiches Leben /
Uad ſihſt dem Gauckel-Spiel verlarvter Menſchen zu;
Kanſt GOTT von deinem Thun genaue Rechnung geben /
Haſt bey Gelehrten Ruhm / und im Gewiſſen Ruh.
Du nutzeſt Menſchen mehr / als die zu nutzen meynen /
Hilffſt den muͤhſeeligen Camenen kraͤfftig auff /
Und laͤſt’s mehr in dem Werck als in den Worten ſcheinen /
Das gar ein ſeltſam Ding bey dieſer Zeiten lauff.
Jſt auch wol deine Hand dem Armen je verſchloſſen?
Haſt du den Duͤrfftigen verlaſſen in der Noth?
Der ſo dir treu gedient / hat deiner ſtets genoſſen /
Und durch die Wolthat iſt ein Menſch deß andern Gott.
So lebt wer / als wie du / nur himmliſch iſt geſinnet /
Der in der Ewigkeit Sicht-Spiegel ſich beſchaut /
Und / weil / was irꝛdiſch iſt / wie Well und Wind zerrinnet /
Jn der geſtirnten Hoͤh ſich eine Wohnung baut.
Er hinterlaͤſt der Welt ſein ruͤhmlich Angedencken /
Theils Schrifften einverleibt / theils Hertzen eingepraͤgt.
Ob man den Leib die Erd in Erde muß verſencken /
So bluͤhet doch der Ruhm / der Lorber-Kronen traͤgt.
Hochwerther Freund / diß iſt der Balſam / der nicht modert /
Der mit dem Tugend-Ruch die Nachwelt hauchet an.
Ein ewig Licht im Grab das nimmermehr verlodert /
Ein Wecker / der den Geiſt vom Schlaf ermuntern kan.
Jn dieſem Anmuths-Zug muß ich die Reime ſchluͤſſen /
Nimm doch von mir geneigt der Sinnen-Opffer an /
Und wie die Sonne pflegt die Sonnen-Blum zu kuͤſſen /
So wirff auch einen Stral / auff diß was ich gethan.
Jch45Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Jch wuͤnſche deinem Ruhm die rechten Adlers-Fluͤgel /
Daß er ſich heben kan biß an der Sonnen-Zelt.
Apollo ſtaͤrckt die Schrifft mit der neun Muſen Siegel:
Es ſey der Himmels-Freund unſterblich auff der Welt.
Auf die Reiſe Hn. M. G. F.
SO faͤllt ein himmliſch Feu’r / mein Freund / auf ſeine Zunge /
Gleich da der lichte Blitz um die Apoſtel ſchwebt /
Als ein zertheilter Strahl in ihre Seele drunge /
Und Krafft von oben ab ſie hat auffs neu belebt.
So wil der Troͤſter Jhn in ſeinen Weinberg ſenden /
Auff eben dieſen Tag / da er geſendet iſt;
Der Lehrer / der gelehrt an jeden Ort und Enden /
Den hoͤrt man wie er auch durch ſeine Lippen liſt.
Ruff in der Cantzeley deß Himmels unterſchrieben!
Und Schluß den eintzig nur macht die Dreyfaltigkeit!
Verwaltung / die bloß heiſt der Seelen Wohlfart lieben!
Und Arbeit welche zu deß Lebens Heil bereit!
Verwunderns voller Tag! dreymahl-begluͤckte Stunden!
Licht / daß den Anfang macht zu einem groſſen Werck!
Und Außgang / den gewiß kein Menſchen-Witz erfunden;
Nein / der alleine koͤmt von Zions heilgem Berg.
Ein Menſch iſt ohne GOtt mit ſeinem Dencken nichtig /
Und einer Harffen gleich / die falſch und ungeſtimmt:
Die Weißheit dieſer Welt als wie ein Schatten fluͤchtig /
Dem Regenbogen gleich / der bald ſein Ende nimmt.
Hingegen wenn der Geiſt deß Herren in uns faͤhret /
Und ſein lebendig Wort in Hertz und Adern wacht /
So wird uns neue Krafft und neue Macht gewehret /
Die unſre Bloͤdigkeit hier noch zu Engeln macht.
Wer haͤtt es außgedacht / wer haͤtte diß geſchloſſen /
Daß er / O Werther Freund / uns ſolt entfrembdet ſeyn?
Daß er die Mutter-Bruſt / die er bißher genoſſen /
Und was ſonſt Breßlau hegt ſetzt auß der Augen Schein?
Doch GOttes Stimme rufft ihn zu den nahen Polen /
Er fol zu Schlitigheim bedienen das Altar /
Die Hertzen anzugluͤhn / Feu’r auß dem Himmel holen.
Und treulich Tag und Nacht der Heerde nehmen war.
Wol -46Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Wohlan / er geh getroſt und guͤrte ſeine Lenden /
Sein Beyſtand huͤllet ihn in Stern und Flammen ein /
Und wird dem Hertzen Krafft / der Zunge Worteſenden /
Daß Frucht und Nutzen folgt im Wandel der Gemein.
Er ſey Baſilius / wenn ihn Gefahr bedreuet /
Und ein Ambroſius / wenn es zum troͤſten koͤmmt /
Ein hurtig Cyprian / der auch den Tod nicht ſcheuet /
Ein Bernhard dem ſein Hertz in Jeſus Liebe glimmt.
Er weiſe ſeinem Volck / das ihm iſt untergeben /
Und deſſen Seelen ſind vertrauet ſeiner Hand /
Wie unſer Heyland ſey / Weg / Wahrheit und das Leben /
Daß der nicht irren kan / der dieſes hat erkant.
Er ſey gletch einem Thau / der fuͤr der Sonnen-Hitze /
Die welcken Kraͤuter ſtaͤrckt mit ſeinem Perlen-Safft.
Er ſey gleich einem Schwerdt / das mit beflammtem Blitze
Die frechen Suͤnder hin zu der Beſtraffung rafft.
Er laſſe ſeine Stimm als wie Poſaunen hoͤren /
Und weck auß Sicherheit die traͤgen Hertzen auff.
So halt er fleiſſig an mit Beten / Troͤſten / Lehren /
Und foͤrdre / was er kan / der Andacht ihren Lauf.
Er ſey ein ſolcher Artzt / der boͤſe Schaͤden brennen
Und Unbußfertige mit Eſſig beitzen muß.
Hingegen wo er auch kan Reu und Leid erkennen /
Daß er ſo Wund und Druͤß heilt durch deß Oeles Fluß.
Er theile Manna mit dem Hunger ihrer Seelen
Und traͤnck auß Jſraels Heil-Quellen Leib und Geiſt.
Er ſteh als Waͤchter da vor ihren Huͤtt und Hoͤlen /
Den auch die Muͤdigkeit nicht einmal ſchlnmmern heiſt.
Diß hoffen wir von ihm; Erwegen wir die Gaben /
Die Kunſt und Wiſſenſchafft / mit welcher er geziert /
Mein Freund / ſo wird er ſchon ein ſattſam Zeugnuß haben /
Daß ihn von Jugend auff ein geiſtlich Trieb geruͤhrt.
Wenn andrer Eitelkeit in Helicon gegangen /
Und Blumen die vergehn / vom Pindus abgemeit;
Mit Aganippens Quell geſtillet ihr Verlangen /
Und aͤhnlich ſich gemacht den Weiſen dieſer Zeit:
So muſte Sinai nur ſein Parnaſſus bleiben /
Und Zion galt vielmehr als Pindus gruͤne Hoͤh.
Er forſcht in GOttes Wort / ließ andre Kuͤnſte treiben /
Die wol vergaͤnglicher als noch der Mertzen-Schnee.
Auro -47Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Aurora hat ihn offt zu Leiptzig fruͤh erblicket /
Wenn ſie ihr Angeſicht in Roſen eingehuͤllt /
Wie er ſo eyfrig ſich zu ſeinem Zweck geſchicket /
Und Fleiß und GOttes-furcht gebraucht zu einem Schild.
Es hat ihn offt der Mond bey Mitternacht erſchlichen /
Wenn er zu Wittenberg noch bey den Buͤchern ſaß /
Und von gefaſtem Schluß und Arbeit nie gewichen /
Daß er daruͤber Speiß und Tranck vielmahl vergaß.
Wir haben auch gemerckt der Sinnen edle Fruͤchte /
Wie hurtig er allhier auff Cantzeln ſich gezeugt /
Und von deß Hoͤchſten Gnad und ſchrecklichem Gerichte /
Deß Volckes Ohr gelehrt und hartes Hertz gebeugt.
Mit was vor freyem Muth und vor Beredſamkeiten /
Er eigentlich den Text und Oeutung hat durchſucht /
So daß kein Wort umbſonſt durfft auß dem Munde gleiten /
Und ſeine Lehren nie verſtrichen ſonder Frucht.
Ein Baum waͤchſt mit der Zeit / und nicht an einem Tage
Streckt ſich der Ceder-Baum biß an der Sternen Zelt.
Und daß ich von der Frucht der Aloe nichts ſage /
Die ihre Seltenheit viel Jahre vorbehaͤlt:
So wird ein Prieſter auch durch lange Zeit geuͤbet /
Die Kunſt thuts nicht allein / wenn die Erfahrung koͤmmt /
Und Truͤbſal denn dar zu / die den Probirſtein giebek /
So ſiht man wie ſo hell ſein Licht deß Glaubens glimmt.
Mein werthgeſchaͤtzter Freund / ſo tritt er voller Freuden
Den geiſtlichen Beruff mit Adlers Kraͤfften an.
Es wird ihn GOttes Geiſt mit ſolcher Weißheit kleiden /
Daß er ſein heilig Ampt getroſt verrichten kan.
Jndeffen wie ein Kind der Mutter nicht vergiſſet /
Es rufft ihr immer nach und denckt an ihre Gunſt;
So glaub er / ob ihn gleich jetzt Breßlau ſchon vermiſſet /
Daß ihre Mutter-Treu und Liebe nicht umbſonſt.
So eyfrig kan er nicht bey ſeinen Polen lehren /
Daß nicht ein heiß Gebet vor Breßlau mit ergeht;
Wie freudig werden wir die liebe Bothſchafft hoͤren /
Daß er im Gottes-Hauß wie eine Lenchte ſteht.
Freu -48Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Freuden-Schreiben an J. G. als ſein Sohn Hrn. F. G. zum Doctor beeder Rechte in Leipzig erklaͤret wurde.
DJeweil ich ſelbſt nicht kan / wie ich mir vorgenommen /
Die Berge Schleſiens / und deſſen Pindus ſehn /
So ſoll / verlebter Greiß / mein Brief zu euch itzt kommen /
Und / zwar gantz unbekant / entdecken was geſchehn.
Jch weiß / diß frembde Blat wird euch nicht frembde ſcheinen /
Wenn ihr von eurem Sohn / und deſſen Ehren hoͤrt;
Es wird das Vater-Hertz vor Freuden gleichſam weinen /
Und eurer Jahre Zahl durch dieſe Poſt vermehrt.
Mich duͤnckt / ich ſehe faſt die Thraͤnen auff den Zeilen /
Wie eine Regung ſich hier nach der andern weiſt /
Wie Freude / Hoffnung / Troſt / und Ruhm zuſammen eilen /
Und jedes einen Krantz / euch zu bekroͤnen / ſchleuſt.
Jhr denckt nun weiter nicht an die betruͤbten Zeiten /
Die vor das gantze Land in Aſch und Brand gelegt /
An euren ſauren Schweiß und Widerwertigkeiten /
Und was vor Kummer mehr das Acker-Leben traͤgt.
Der kalten Scheitel Schnee verkehrt ſich in Narciſſen /
Nach dem der Freuden-May in eurem Hauß auffbluͤht.
Die Kraͤffte wollen auch von keinem Abgang wiſſen /
Jhr ſeyd auffs neu belebt / es gruͤnt ein jedes Glied.
Die Nachbarſchafft die merckt veraͤnderte Geberden /
Und euer leimern Hauß / erſchallt von Froͤligkeit:
Wacholdern muͤſſen euch zu keuſchen Lorbern werden /
Womit ihr Tiſch und Baͤnck / und alles uͤberſtreut.
Denn dieſes iſt der Tag / der auf dem Pleiß-Athene /
Den Sohn im Doctor-Schmuck und Purpur / Hutte zeigt.
Es geht ſein Ehren-Glantz vor andre Muſen Soͤhne /
Die Themis iſt ihm hold / Apollo hochgeneigt.
Ach moͤcht ihr weſentlich / mein Freund / die Pracht anſchauen /
Die ich nicht ſo genau in Reim zu binden weiß!
Die Augen wuͤrden da mehr Liebes-Tropffen tauen /
Als bey euch Fichten ſind / und in dem Winter Eiß.
Wie eifrig ſoltet ihr vor euren Schoͤpffer treten /
Und tauſendfachen Danck abgelten ſeiner Gnad;
Jhr49Gluͤckwünſchungs-Gedichte.
Jhr faltet eure Haͤnd und wuͤrdet embſig beten /
Daß GOtt den lieben Sohn ſo hoch erhoben hat;
Und von des Poͤfels Staub und ſchwerer Armuth Bande /
Von Kranckheit / die ihn offt biß an den Tod verletzt /
Durch ſeine Hand befreyt / und zu dem Ehren-Stande /
Darinnen wir ihm itzt gluͤckwuͤnſchen / hat geſetzt.
Jch fuͤhle neue Glut / die meinen Geiſt erhitzet /
Es iſt was Himmliſches / ſo mir die Feder ruͤhrt /
Nachdem ein alter Freund in ſolchen Strahlen blitzet /
Die der Aſtraͤen Haupt Sieg-prangend umb ſich fuͤhrt.
Gewiß mir brennt die Bruſt / was Ewiges zu ſchreiben /
Jhr Teutſchen Clarien / wo ich nicht Frembdling bin.
Und ſolte Geißlers Ruhm von mir vergeſſen bleiben /
Dem ich ſchon laͤngſt geweyht Gemuͤthe / Hertz und Sinn?
Als Jhm Sophia gab die Muͤtze von Violen /
Und Bruder der Natur / ja Meiſter hat genannt /
Lieff meine Pieris ihm einen Krantz zu holen /
Der Teutſch geflochten war / nach Brauch in unſerm Land.
Jndeſſen weil das Gluͤck uns von einander reiſſet /
(Wiewol kein Zufall nicht die Freundſchafft reiſt entzwey /)
Dianens Silber-Horn zum vierten jaͤhrlich gleiſſet /
Kommt eine Poſt / daß er der Rechten wuͤrdig ſey.
Jch habe mich erfreut / und Roͤmiſch da geſungen /
Jhm nach dem Lorbeer-Strauß gewuͤnſcht der Raute Pracht.
Nun hoͤr ich / daß mein Wunſch iſt uͤberwol gelungen /
Nachdem ihn Philuris zu einem Doctor macht.
Der Tuͤrckis wird gelobt / den die Natur gemahlet /
Ob der / den Franckreich brennt / gleich offters ſchoͤner ſieht.
Ein Menſch / der weiter nicht als von der Tugend ſtrahlet /
& q; Hat vor dem Midas-Knecht doch jederzeit gebluͤht.
& q; Der groſſe Klumpen Gold / der ſchaͤrfft nicht das Gehirne /
& q; Wo nicht Verdienſte ſeyn / taug auch nicht hoher Stand.
& q; Der Ahnen grauer Ruhm beſchaͤmt der Kinder Stirne /
& q; Wenn jene Tugenden / die Laſtern ſind verwand.
Nein; Geißlern darf ich nicht von Stand und Guͤtern ruͤhmen /
Jhn hat ſein Reuſſendorff / ein ſchlechter Ort / erzeugt;
Doch weiß ich / daß er wird ſein Vaterland bebluͤhmen
Mit Wiſſenſchafft und Kunſt / die keine Zeit verſchweigt.
Ob unſer Himmel hart / und nicht voll ſanffter Winde /
& q; So iſt er dennoch nicht an groſſen Seelen leer.
DDaß50Glückwünſchungs-Gedichte.
Daß doch der Neid allhier nicht ſeinen Koͤder finde /
Sonſt kaͤme mir die Zahl zu nennen nicht gar ſchwehr.
Manch Berg / wie kahl er iſt / hat fruchtbar Eingeweide;
& q; Gibt nicht das Jthaca Ulyſſens Witz an Tag?
& q; Ja ein abſcheulich Wurm ſpinnt uns ſo ſchoͤne Seide;
& q; Der Tuͤrcken beſtes Gold hat den geringſten Schlag.
& q; Ort / Reichthum / thut es nicht / daß kluge Soͤhne werden /
& q; Sonſt ſtuͤnde Potoſi mit Goͤttern angefuͤllt:
& q; Man lobt den jenigen Aſturco von den Pferden /
& q; Der erſt das Ziel erreicht / und andrer Saͤumnuͤß ſchilt.
Als unſer Geißler nun / voll Geiſter-reicher Sinnen /
Die Perle Schleſiens / das Breßlau angeſchaut;
Fieng an in ſein Gemuͤth der Kuͤnſte Safft zu rinnen /
Biß die beruͤhmte Schul ihn beſſer noch erbaut.
Den Keim der Gottesfurcht pflantzt in die zarte Seele
Deß Schroͤckens guͤldner Mund / ein ander Auguſtin;
Den Leib beſchleuſt zwar laͤngſt des finſtern Grabes Hoͤle /
Wiewol ſein Name wird aus ſeinen Soͤhnen bluͤhn.
Was die Beredſamkeit / der Sprachen Eigenſchafften /
Und die Vernunfft Kunſt lehrt / hat Major wol erklaͤrt /
Ein hochverdienter Mann; ſein Ruhm bleibt bey uns hafften /
Biß daß die gantze Welt wird in ein Nichts verkehrt.
Was von Geſchichten je der Zeiten Buch beſchloſſen /
Was Kron und Thron erbaut / und was ſie nieder reißt /
Kam aus Colerus Mund / wie einer Bach / gefloſſen /
Der noch ein Wunder-Trieb gelehrter Koͤpffe heiſt.
Verhehl ich Fechners Brunſt und ſuͤſſe Wuͤtereyen /
Jn welchen er erwieß / was ein Poete kan /
Wie herrliche Gedicht uns von der Grufft befreyen /
Und des Gedaͤchtnuͤß Ruff den Sternen melden an?
Mein Gebhard / der auch hat das Griechenland durchkrochen /
Der uns das Alterthum der Stein und Muͤntzen ſagt /
Zeigt / wie der friſche Muth die Schalen durchgebrochen /
Und nach der Kuͤnſte Kern begierig hat gefragt.
Es waͤchſet Pofoſti eh als des Buch-Baums Aeſte /
& q; Dort bringts ein Tag und hier viel Jahre kaum hervor.
& q; Egyptens Hunde ſind nur an dem Nilus Gaͤſte /
& q; Wenn ſie das Waſſer labt, ſo ſchreckt ſie doch das Rohr.
& q; Kunſt und Geſchicklichkeit erfordert Muͤh und Schwitzen /
& q; Ein Jahr / das Faulen lang / macht keinen nicht geuͤbt:
& q; Wer51Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
& q; Wer nicht wil Tag und Nacht bey ſeinen Buͤchern ſitzen /
& q; Derſelbe lebt verhoͤnt / von Leuten nie geliebt.
& q; Die Wolle muß zuvor viel andre Saͤffte faſſen /
& q; Eh ſie zu ihrem Schmuck die Purpur-Farbe trinckt:
& q; Ein Demant wird ſich vor in Gold einſchlieſſen laſſen /
& q; Damit ſein ſpielend Schein zum angenehmſten blinckt:
& q; So auch / wer fuͤr der Welt die Fackel des Verſtandes
& q; Einſt auffzuſtecken denckt / muß durch der Kuͤnſte Licht /
& q; Durch die Gelehrſamkeit / die Flammen ſeines Brandes /
& q; Zuvor den klugen Geiſt wol haben unterricht.
Die Menge tapffrer Leut hat Geißlern offt geprieſen /
Wenn er ſein gut Latein von dem Catheder laß /
Und ſtreute Reden aus / gleich Blumen von den Wieſen /
Wobey er weder Schluß noch Reinlichkeit vergaß.
Er war nun ausgeruͤſt mit Pallas Helm und Waffen /
Die Hippocrene floß aus ſeiner Feder hell /
Als ihn die Reitzung hieß nicht mehr zu Hauſe ſchlaffen;
Er ſuchte frembde Lufft / und frembder Muſen Quell.
Es gab ihm Phoͤbus ein die Linden zu begruͤſſen /
Die Linden / derer Pracht fuͤr Palm und Lorbeern geht.
Wie er kaum angelangt / hoͤrt man die Schweſtern ſchlieſſen /
Der Neu-willkommne Gaſt ſoll von uns ſeyn erhoͤht.
Die Folge hats gelehrt. Sein ruͤhmlich Wolverhalten
Und unerſchoͤpffter Fleiß legt ihm bald Goͤnner zu;
Von welchen Schoͤbels Lob wird nimmermehr veralten /
Der Huͤlff-reich ſich erwieß / und ſchafft ihm ſuͤſſe Ruh.
Aurora / wenn ſie blaß noch ſonder Roſen blincket /
Und der begraute Tag ſich mehr und mehr verguͤldt /
Auch die beſternte Nacht / wenn ſie ins Mittel ſincket /
Hat offtmals beyd ertappt in Buͤcher eingehuͤllt.
Wie hoch ſich Schoͤbel nun / der Aoninnen Wonne /
Der Kuͤnſte Foͤrderer / ja Stuͤtze / Troſt und Heil /
Anitzo ſich erfreut ob Geißlers Wolfahrts-Sonne /
Bezeigt er anderswo / und durch mein Blat ein Theil.
Jſt je was ſeltenes von Schrifften ausgegangen /
Das Tyber / Tems und Sen ins Teutſchland abgeſchickt /
Wie brante Schoͤbel nicht vor eifrigem Verlangen /
Biß Geißler es verſchafft / daß ers zu Hauß erblickt.
Nun der Moͤcenas halff durch ſeiner Buͤcher Schaͤtze /
Als Buhlens Mildigkeit zugleich den Leib verpflegt /
D 2Der52Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Der Buhle / den ich ſtets zu den Gelehrten ſetze /
Weil er von Kunſt und Witz ein reiffes Urtheil haͤgt:
Ein Freund der jenigen / ſo ſich auff Tugend legen /
Und Geißlers freyer Wirth nun in das achte Jahr.
Der Himmel kroͤne doch ſein Hauß mit lauter Seegen /
Und / wenn er Lebens-ſatt / die Muſen ſeine Bahr!
Es meldet Griechenland viel von des Herculs Seulen /
& q; An die zwey Seulen hier hat Geißler ſich gelehnt;
Biß daß er auf die Hoͤh Parnaſſus koͤnnen eilen /
Und nun den argen Neid mit ſichern Augen hoͤhnt.
So muß der Weinſtock auch den Ulmen-Baum umbarmen /
& q; Jm Fall der ſchwancke Zweig noch weiter ſteigen ſoll /
& q; Und von der Sonnen Glut zu reiffer Frucht erwarmen:
& q; So iſt dem Nelcken-Strauch / wenn er geſtaͤngelt / wol.
& q; Der Menſch / wie klug er ſey / darff doch der Menſchen Rathen /
& q; Ein jeder Schluͤſſel ſchleuſt nicht jegliches Gemach:
& q; Wenn man vor Weiſe hoͤrt / und uͤberlegt die Thaten /
& q; So folget auch begluͤckt die edle Wuͤrckung nach.
Wie Geißler ſich bemuͤht den Kreiß erleſner Sachen /
Der Dinge Heimlichkeit und Wechſel zu verſtehn /
Wie er ihm die Natur bekandt hat wollen machen /
Jn ihrer Sacriſteiverborgnes Zimmer gehn /
Kan noch der Helikon und deſſen Vaͤter ſagen:
Er hat zu erſt gelernt / und darnach ſelbſt gelehrt /
Der Kuͤnſte Honigſeim anmuthig fuͤrgetragen /
So daß die Jugend ihn mit lauter Luſt gehoͤrt.
Bald ward die Sitten-Lehr / und bald das Buch der Zeiten /
Bald die Regirungs-Kunſt / und der verſtellte Stat
Zum theil von ihm erklaͤrt / zum theil durch kluges Streiten
Erwogen und durchſucht ſo manch beruͤhmtes Blat.
Hiemit hub an ſein Ruhm ſich in die Hoͤh zu ſchwingen /
Die Hohe-Schule hieß ihn Meiſter freyer Kunſt.
Jhm war es nicht genug: ſich weiter noch zu bringen /
Lag er den Rechten ob / und buhlt umb Themis Gunſt.
Was des Tribonians gelehrtes Ungeheuer /
Der Rechte groſſes Buch von den Geſetzen zeigt /
Beflammte ſeine Bruſt mit einem ſolchen Feuer /
Daß ſein Gemuͤthe nur auff ihren Zweck geneigt.
Jhm ſtand die edle Reyh der alten Rechtsgelehrten /
Der Paulus, Ulpian und Scævol im Geſicht.
Die53Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Die Lichter unſer Zeit / ſo jener Hoheit ehrten /
Die reitzten Geißlers Geiſt / wie ſehr er ſchon erpicht.
Und der Gerechtigkeit gantz Diamant’ne Krone
Warff Blitze / derer Glantz der Laſter Nacht zertrieb.
Aſtraͤa wieß bereit den Purpur ihrem Sohne /
Und ſchwur auß Mutter-Treu / Er waͤr ihr hertzlich lieb:
Er ſolte mit der Zeit geweyhter Prieſter heiſſen /
Betraͤngten ſchaffen Rath / und zweiffelnden ihr Recht;
Der Zaͤnckereyen Garn durch den Verſtand zerreiſſen /
Und ſorgen / daß niemand wo die Geſetze ſchwaͤcht.
Man wuͤrde ſeinen Mund wie ein Orakel ehren /
Wenn er als Oedipus / manch Raͤtzel außgelegt;
Die Nachwelt eilte ſchon ſein edles Lob zu mehren /
Wie Rom den Javolen in Marmel hat gepraͤgt.
Was wundern wir uns nun / daß dieſes Prophezeyen
Der Außgang hat erfuͤllt / und Geißlern es gelingt.
Wir hoͤren durch die Lufft / Gluͤck zu! die Muſen ſchreyen /
So / daß der Lorbeer-Wald im Helikon erklingt.
Und weiter ſind bemuͤht die hurtigen Poeten /
Zu ſchreiben ſeinen Ruhm ins Buch der Ewigkeit.
Der ſingt ihm auf der Ley’r / und jener auf der Floͤten /
Jedwede Gratie ſteht ihm zu Dienſt bereit.
Und ſolte Schleſten die Pflicht ſo gar vergeſſen?
Die angeborne Lieb und Treu nicht laſſen ſehn?
Wie groß die Freude ſey / iſt unſchwer zu ermeſſen /
Vor vollem Jauchzen muß die Bruſt ſich mehr aufblaͤh’n.
Er ſagt ſich ſelbſten wahr / daß / wie der Themis Hertze /
Der Treutler / der ſo hoch im Recht geſtiegen iſt /
Und Schweidnitz hell beſtrahlt durch ſeiner Weißheit Kertze /
Zu Reuſſendorfes Glantz auch Geißler ſey erkieſt.
Der Grund-gelaͤhrte Frantz ſoll kuͤnfftig in ihm leben /
Und Henels Schrifften kommt ſein Art zu ſchreiben gleich.
Man ſiehet Wirthens Ruhm ihm Kraft und Zunder geben /
Zuſamt dem Hottoman in der Frantzoſen Reich.
Und was vor Seulen mehr Aſtraͤens Tempel zieren /
So Schleſien ans Licht / zu Nutz der Welt gebracht.
Mnemoſyne graͤbt ein den taurenden Saffyren /
Zu was vor einem Mann ihn wacker Fleiß gemacht.
Allein ich werde laß: Ruh Clio / denn ein Schreiben /
Das beyde Haͤnd erfuͤllt / iſt ſelten angenehm.
D 3Mein54Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Mein eintzig Zweck der muß beym Alten Vater bleiben /
Dem dieſer werthe Tag zur Froͤlichkeit bequem.
Jhr habt / bejahrter Greiß / genugſam koͤnnen mercken /
Wie ſeiner Jahre Lauff der Sohn hat hingelegt /
Und was vor Ehr entſproſſt auß Kunſt und Tugend-Wercken /
Wie ſeine Scheitel nun die Sieges-Lorbeern traͤgt.
Unfehlbar wird euch jetzt das Blut in Adern quellen /
Und ener Sinnen-Hauß Ergetzligkeit beziehn.
Der Himmel hat euch woll’n ein ſolches Gluͤck zuſtellen /
Aus welchem Freud und Luſt gantz uͤberſchwencklich bluͤhn.
Wie wenig Vaͤter ſehn an ihren Kindern Kronen /
& q; Viel bauen dem Geſchlecht ein ewig Schmach-Altar:
& q; Doch weil die Froͤmmigkeit der Hoͤchſte wil belohnen /
So machet er den Spruch durch diß Exempel wahr.
Jndeſſen lebt vergnuͤgt; es muß euch ſelig preiſen
Die Nachwelt / ob den Leib die Faͤulniß ſchon verzehrt.
Denn wenn die Vaͤter ſich durch ſolche Soͤhne weiſen /
& q; Wird ihrem dunckeln Grab deß Ruhmes Licht gewaͤhrt.
Auf das groſſe Stuͤck-Schieſſen den 4. Julii den 1666. in Breßlau gehalten.
D die Gerechtigkeit und heilſame Geſetze /
Dein unvergaͤnglich Lob / du ſchoͤne Stadt erhoͤhn /
Daß Rath und That zugleich dir an der Seiten ſtehn /
Damit kein giſſtig Biß deß Feindes dich verletze /
Kroͤhnt Breßlau deinen Ruhm / und mehrt die groſſe Ziehr
Jn welcher du vorlaͤngſt / gehſt andern Staͤdten fuͤr.
Doch iſt diß nicht allein. Auch mitten in dem Frieden /
Da ungekraͤnckte Ruh die guͤldnen Zeiten weiſt /
Schlaͤft doch dein Buͤrger nicht / der embſig ſich befleiſt
Wie durch der Waffen Macht / wird aller Fall vermieden /
Und als jetzt hundert Jahr gleich ihren Kreiß vollziehn /
Sieht man deß Werders Platz an Stuͤck und Zelten bluͤhn.
Es wolte Jupiter nechſt ſeinen Blitz ablegen /
Als er den Donner-Knall auf Erden hoͤrte gehn /
Und Mars blieb nicht wie vor auf ſeinen Haͤmus ſtehn.
Er dachte gleiche Luſt mit ſolchem Volck zu haͤgen /
Das in dem Hertzen Feur / Krafft in den Armen hat /
Und das nicht ohn Verdienſt / erlangt ein Lorbeer-Blat.
Hier -55Gluͤckwuͤnſchungs-Gedichte.
Hiermit ſo wuchs der Muth als Kleinod und Geſchencke /
Von Goͤttern dieſer Stadt den Buͤrgern außgetheilt /
Ein jedes Auge hat der Kugel gleich geeilt /
Zu ſehen ob der Schuß tieff in dem Schirme hencke /
Wie weit daran geruͤckt / wie nah es muͤſſe ſeyn /
Und was da eigendlich zum Vortheil leitet ein.
Den Uberwinder hat die Stimme der Trompeten
Ein freudiges Gluͤck zu / ein ſilberner Pocal
Siegprangend aufgefuͤhrt / und denn ein koͤſtlich Mahl
Geheiſſen alle Noth und bittre Sorgen toͤdten /
Wer lobt im Frieden nicht Bereitung zu dem Streit /
Und daß man diß erlernt / was man braucht mit der Zeit.
Zwar ewiges Geluͤck / und Frieden-reicher Segen
Schweb umb dein bluͤhend Haupt / du unbefleckte Stadt /
Die nie kein Feind geſchwaͤcht / kein Sturm geſchaͤndet hat.
Es muͤſſe ſtetes Heil ſich umb die Mauren legen /
Der Oelbaum ſuͤſſer Ruh ein Paradiß dir baun /
Jn dem die Einigkeit iſt weſendlich zu ſchaun.

ENDE.

[1]

H. M. Hochzeit-Gedichte.

[2]3
Auff Hn. M. P. K. D. zu T. und Fr. M. B. g. L. Hochzeit 1658. 25. May.
DJe Liebe war noch Eis / und ihre Flamme Schnee /
Sie lag im Kieſelſtein / und harten Staal verſtecket /
Gantz Pafos ſchlieff in Nacht / die dunckle ſtille decket /
Und Cyperns heilge Burg umbfloß die wuͤſte See /
Es war umb Amathunt kein Weylicht zu erblicken /
Noch Eryx konte ſich mit neuem Glantze ſchmuͤcken.
Die Waͤlder ſchwiegen ſtill / aus grauſer Furcht erſchreckt /
Kein ſuͤſſer Schall beſchwang die halb-verblaſſten Baͤume /
Es ſchwermte durch die Lufft das leichte Volck der Traͤume /
Von Seuffzen herber Angſt / und ſchwerer Noht erweckt /
Ein wilder Dornenſtrauch bekroͤnete die Wuͤſten /
Und Thetis goß nur Saltz aus ihren blauen Bruͤſten.
Es ſproßte keine Blum / es wuchs kein ſchoͤnes Kraut /
Der Gaͤrten Luſt war grauß / und ungeheure Hecken /
Die Felder kunten ſich in keine Breite ſtrecken /
Das oͤd-verheerte Land blieb gantz unangebaut /
Man ſahe kein Altar von fettem Weyrauch rauchen /
Und niemand Opffer-Vieh zu ſeiner Andacht brauchen.
Der Menſch das kluge Thier lieff einſam und verirrt /
Gleich wie ein grimmer Loͤw Maſſylien durchziehet /
Und ſich nach fettem Raub und Unterhalt umbſihet /
Sein gantzes Thun war nichts / ſein Hoffen war verwirrt /
Das Leben war ihm bloß nur eine Laſt und Buͤrde /
Die ihn noch endlich ſelbſt zu Tode druͤcken wuͤrde.
Er muſt in Einſamkeit verſchlieſſen Tag und Nacht /
Wohin er nur den Strahl der truͤben Augen ſchickte /
Da ſah er nichts als Leid / das ſeinen Geiſt beſtrickte /
Und Wehmuht / unter dem die Seele faſt verſchmacht /
A a 2Ja4Hochzeit-Gedichte.
Ja als die Ungedult nicht mehr zu hintertreiben /
So wuͤnſcht er lieber todt als lebendig zu bleiben.
Drauff brach aus truͤber Wolck ein groͤſſer Licht herfuͤr /
Die Donnerſchwartze Lufft erfuͤllten neue Straalen /
Die heller als Rubin und Diamanten praalen /
Es war ein ſchoͤner Glantz und Perlen-klaare Zier.
Die See begunte ſich mit ſanfftem Sauß zu legen /
Es ſchien als wolte ſich ein trefflich Wunder regen.
Die Muſchel ſchwimmt herauf / und oͤffnet ihre Schaal /
Aus welcher ſich ein Bild der Liebligkeiten zeigte /
Vor dem der Himmel ſelbſt ſein hohes Antlitz beugte /
Und heller ſpielen ließ / der guͤldnen Sonnen-Strahl.
Sie brach ie mehr hervor / es treuffelt hin und wieder
Der ſuͤſſe Wolluſt-Thau durch alle Leibes-Glieder.
Es drang ein ſchneller Blitz aus ihrer Augen Licht /
Es eilten Stern und Stern / und Sonne zu der Sonnen /
Man ſah umb ihren Leib wol tauſend Anmuths-Wonnen /
Die Roſen nahmen Schein vom Himmliſchen Geſicht /
Jhr Kercker-freyes Haar floh umb die zarten Bruͤſte /
Als Zefyrs geiler Mund die Luſt-Rubinen kuͤſte.
Nicht anders faͤllt ein Schein durch Chloris Blumen-Feld /
Wenn Tulpen und Narziß / wenn Veilkund Nelken brennen /
Und jedes ſeinen Glantz wil in der Hoheit kennen /
Wenn es der Gegenblitz auf gleicher Wage haͤlt;
So ſtrahlt der Diamant bey Gold / und Gold bey Steinen /
So pflegt die Morgenroͤth im Purpur zu erſcheinen.
Sie war nun frey heraus / das Engel-gleiche Weib /
Jn keinen Floor verſteckt / noch in Gewand verhuͤllet /
Man kunte kuͤhnlich ſehn / was Hertz und Augen fuͤllet /
Die heiſſe Reitzungs-Gluth / der Schnee - und Lilgen-Leib /
Erhub die Sternen-Pracht die Silber-reinen Glieder /
Und ſchlug der Augen-klar mit Schaam gefaͤrbt darnieder /
Bald wo ihr Fuß nur kam / da ſtiegen Blumen auf /
Es beugten ſich fuͤr ihr die hohen Kaͤiſer Kronen /
Die Schmaͤrgeln buͤckten ſich mit ihren Anemonen /
Und iedes nahm den Glantz der Wunderung zu hauff /
Die Waͤlder regten ſich mit tieff gebognen Zweigen /
Der Goͤttin aller Luſt ein Ehre zu erzeigen.
Er rieff das leichte Volck der ſuͤſſen Saͤngerey /
Und ſchrye durch die Lufft mit Kunſtgeuͤbter Zungen /
Bald5Hochzeit-Gedichte.
Bald hoch / bald uͤber hoch / bald niedrig / bald gedrungen /
Der angenehme Schall / der zog ihr Ohr vorbey /
Sie ſetzte ſich zugleich / und ließ auff einem Wagen /
Sich von dem Schwanen-par auf ihrem Pafoß tragen.
Der Zephyr floh voran / und ſtreute Blumen aus /
Die Thore waren ſchon mit Myrthen-Laub geſchmuͤcket /
Ein ieder hatte ſich auf dieſes Feſt geſchicket /
Und ſchaffte Raͤuchwerck zu / und machte Fackeln draus /
Jhr eingeweihter Ort / der brante voller Flammen /
Die Ampeln muſten recht beym Opffer-Tiſche ſtammen.
Sie kam mit groſſer Pracht / und gleichem Glantz hinein /
Der Thron war herrlicher und hoͤher aufgeſetzet /
Den Ort den ſie zum Sitz ihr wuͤrdiglich geſchaͤtzet /
Nahm neue Strahlen an / und einen neuen Schein /
Es lag ein groſſes Volck gebuͤckt zu ihren Fuͤſſen /
Und muͤhte ſich die Hand der Goͤttin zu bekuͤſſen.
Der ſchlachte fettes Vieh zu einem Opffer ab /
Und jener dachte ſie durch Weyrauch zu verſoͤhnen /
Ein ander wolte ſie mit Myrten-Laub bekroͤhnen /
Sie ſtritten umb den Ruhm und wer am meiſten gab:
Jhr wundernt Aug erſtarrt und ihren ſuͤſſen Lippen
Entfuhr ein ſolches Wort von den beliebten Klippen.
Jch die ich Lufft und See hab unter mich gebracht /
Die ich den Himmel ſelbſt mit meinen Armen binde /
Und aller Goͤtter Macht großmaͤchtigſt uͤberwinde /
Jch / ſag ich / bin allein die jeder wuͤrdig acht /
Durch Opffer / durch Geſchenck / durch Demuth zu verehren /
Und meines Namens Lob mit Mund und Hertz zu mehren /
Sagt blaſſe Sterblichen / was euch bißher gekraͤnckt /
Und wo die Wurtzel ſey / aus der das Ubel kaͤumet /
Jch ſchwere / daß die Hand diß aus dem Wege raͤumet /
Und euch mit ſo viel Luſt / als vorhin Angſt beſchenckt /
Doch weiß ich / wo der Kern und Urſprung iſt zu finden /
Jch wil euch auf die Wund ein heilſam Pflaſter binden.
Die Einſamkeit die ſey von eurer Bruſt verbannt /
Es ſoll ein ſolch Geſchlecht euch an der Seiten ſtehen /
Das euch mit Lieb und Luſt wird ins Geſichte gehen /
Und weiſen was da ſey / der rechten Wolluſt Pfand /
Jhr ſolt an ihrer Bruſt die recht Ergetzung haben /
Und euch in hoͤchſter Noht bey dieſen Schoͤnen laben.
A a 3So6Hochzeit-Gedichte.
So ſprach ſie / und drauf kam der Liebes Engelſchaar /
Und fuͤhrt ein ſchoͤnes Volck gebunden mit den Haͤnden
Zu ihrem Tempel hin / die Augen muſten blenden /
Der andern Gegenpart / die bey dem Wey-Tiſch war;
Der Mund gab Roſenluſt / die Augen reitzer Blicke /
Und nahm das Maͤnner-Volck in ſelbſt-begehrte Stricke.
So brante Feur in Feur / und iedes war erhitzt /
Doch ein Paar loderte in hellen lichten Flammen /
Es ſchlug im Angeſicht die heiſſe Gluht zuſammen /
Wie wenn Veſuvius die groſſen Funcken ſpritzt /
Die Augen theileten die Strahlen mit einander /
Die Hertzen brenneten gleich wie die Salamander.
Die Venus nahms in acht / und rieff: Jhr Knaben laufft /
Bringt friſche Roſen her / die ſtillen ſonſt die Hitze /
Doch halt ich / dieſes iſt gar ſchlecht und wenig nuͤtze /
Seht immer nur wo ihr die Hochzeit-Fackeln kaufft /
Doch ſchaut / ſie ſind ſchon dar / und auch faſt bald verrauchet /
Geht ſagts dem lieben Paar / daß es der Luſt gebrauchet.
Jn deß ſo tritt die Nacht mit ihrem Schatten an /
Es eilt das Liebes-Volck / und laͤuffet in die Wette /
Es traͤget mit der Braut den Braͤutigam zu Bette /
Und ſchreyet / ſchlaffet wol / ihm ſey genug gethan /
Man wird es Morgen wol auf beyder Wangen ſehen /
Ob dieſem Liebes-Feur Vergnuͤgung ſey geſchehen.
Auf Hn. S. C. v. W. und Jfr. A. M. L. Hochzeit. 1658.
DJe angenehme Zeit der ſuͤſſen Fruͤlings-Luſt
Bricht nun gewuͤnſcht hervoꝛ / der Winter iſt ver gangen /
Und itzo kommt der May mit ſeinen Roſen-Wangen /
Jndem die Chloris ſchmuͤckt die blumbeſternte Bruſt.
Was dieſe gantze Welt in ihren Schrancken ſchleuſt /
Erquickt der Wolluſt Thau / der alles uͤbergeuſt.
Der Sonnen guͤldnes Licht glaͤntz praͤchtiger herfuͤr /
Umbkroͤnt mit neuem Schein und ewig ſchoͤnen Flammen /
Es rufft die Cynthia der Sternen Heer zuſammen /
Und mahlt ihr Silber-Horn mit Perlen klarer Zier.
Deß Himmels Hyacinth iſt heller als Cryſtall /
Die lebhafft-kuͤhle Lufft ſpielt mit gelindem Schall.
Der7Hochzeit-Gedichte.
Der ſchoͤne Zwillings-Stern verwechſelt Kuß umb Kuß /
Und das verbuhlte Volck der freyeriſchen Weſten /
Miſcht ſeinen Anmuhts-Hauch mit den begruͤnten Aeſten /
Daß Zweig bey Zweige ſteht / und ſchoͤner bluͤhen muß.
Die Baͤume kleiden ſich in weiſſen Atlaß an /
Trotz Lilgen / trotz Narciß und ſchoͤnſten Tulipan.
Deß Himmels keuſche Braut / die Erd iſt ſchwanger gruͤn /
Und hat ſich zur Geburt nun allbereit geſchicket /
Es ſteht ihr Koͤnigreich viel herrlicher geſchmuͤcket /
Als dieſe / die nur Gold und lichte Stein umbziehn.
Was die Natur erbaut / das pocht der Kuͤnſtler Fleiß /
Die reine Liebligkeit erwirbt den groͤſten Preiß.
Der Baͤche Lißpelthon durch fleuſt den ſcharffen Sand /
Das ſtamrende Geraͤuſch der Sauſel ſchlancken Wellen
Kan Seele / Hertz und Sinn / mit ſeiner Luſt erhellen /
Wenn uns ein ſuͤſſer Schlaff ſtreckt an den gruͤnen Rand /
Der Vogel Saͤngerey wiegt Ohr und Angen ein
Und faͤllt bald hoch / bald tieff / bald ſuͤß und wunder-rein.
Was lebt / fuͤhlt neue Luſt in dieſer Fruͤhlings-Zeit /
Dieſuͤſſe regungs-Glut beſpringet alle Glieder /
Der Zunder heiſſer Brunſt erweiſet hin und wieder /
Daß ſich die kleine Welt / der kluge Menſch erfreut.
Sein Geiſter-volles-Blut wird hefftiger erhitzt /
Und zeuget daß ein Feur in ſeiner Leber ſitzt.
Ein unverweßlich Feur das ware Gunſt anſteckt /
Und das ein keuſcher Brand mit reinen Flammen zieret /
Das offt in hoͤchſter Angſt den beſten Troſt gebuͤhret /
Und in der letzten Noht gewiſſe Huͤlff erweckt.
Die Funcken blaͤſt kein Wind der frechen Geilheit auff /
Sie ſteigen Himmel ab und nehmen ihren Lauff.
Es iſt nicht nur genung ein freundliches Geſicht /
Aus welchem Venus lacht / und der Cupido ſpielet /
Wenn ein verliebter Blick das tolle reitzen fuͤhlet /
Und wenn der Liebes-Dorn das Luͤſten-Hertz durchſticht.
Ob ſchon der Augenklar in tieffer Wolluſt ſchwimmt /
Und das entdeckte Feur auff beyden Wangen glimmt.
Viel kraͤncken ſich alſo und werden ſelbſt gekraͤnckt /
Mit ſeufftzender Begier / und hoffendem Verlangen /
Eh ſie den ſchnoͤden Lohn bethoͤrter Brunſt empfangen /
Der doch mit lauter Weh und herber Angſt verſchraͤnckt.
A a 4Die8Hochzeit-Gedichte.
Die Schoͤnheit zagt und ſchmacht / biß daß der Glantz vergeht.
Und ein geſchminckter Schein ſtatt wahrer Farbe ſteht.
Den fleucht wer vorgeliebt / und laͤſt die Dornen ſeyn /
Wenn ſchon die Roſen weg / ja was er vor geehret /
Wird nicht ſo hoch geſchaͤtzt / daß er den Namen hoͤret /
Und die geliebte trifft die hochbetruͤbte Pein /
Jtzt ſtirbet der vor ſie / itzt hat ſie der gekuͤſt /
Jtzt betet der ſie an / der morgen nur nicht gruͤſt.
O unbeſonner Wahn! der edlen Keuſchheit Bluhm
Erkennet keine Luſt / die Uppigkeit beflecket /
Jhr Himmel-heller Glantz wird nicht durch Nacht bedecket /
Es bluͤht den Cedern gleich ihr unverwelckter Ruhm.
Und kommt die Liebe ſchon zu ihrem Zimmer ein /
So muß ſie reiner noch als Schnee und Lilgen ſeyn.
Denn kan ſie nicht vergehn / ob ſchon die Erd erkracht /
Und durch die ſchwartze Lufft entbrandte Strahlen dringen /
Die treue Liebe kan kein Blitz noch Donner zwingen /
Sie bricht durch Weh und Noth / ja durch des Grabes Nacht.
Sie zwang des Orpheus-Geiſt durch Grufft und Hell zu gehn /
Damit ihm ſein Gemahl koͤnnt an der Seiten ſtehn.
Die veſte Liebe bleibt / wenn ſchon die ſtoltze See /
Den grunderboßten Schaum biß an die Sternen ſchmeiſſet /
Und Segel / Maſt und Schiff ins Saltzes-Zaͤuff einreiſſet.
Sie dringt durch Sturm und Wind / durch Abgrund und durch
Es muß Leanders Leib der Wellen Opffer ſeyn /
(Hoͤh /
Und Hero macht den Tod / mit ihrem Tod gemein.
Die Liebe die erhaͤlt / was auff der Erden lebt /
Was durch das blaue Feld der kuͤhlen Luͤffte ſtreichet /
Was in dem gruͤnen Saltz der feuchten Thetis ſchleichet /
Und was die Veſta mehr aus ihrem Schooß erhebt.
Daß Flora Blumen zeugt / daß alles lieblich ſicht
Diß macht die Lieb allein aus welcher alles bluͤht.
Die Liebe ziert den Geiſt / und muſtert den Verſtand /
Sie kan zu allem Thun uns viel geſchickter machen /
Die Liebe / wenn ſie wil / verrichtet Wunderſachen /
Sie ſchaͤrfft den bloͤden Sinn / und ſtaͤrckt die ſchwache Hand.
Sie giebt den Thoren Witz / den Weiſen Wiſſenſchafft /
Den hochbetruͤbten Troſt / den Krancken neue Krafft.
Gleich wie der Himmels-Thau bey Licht-beſtirnter Nacht /
Die matten Felder traͤnckt / und ſeine Silberfluͤſſe
Bald9Hochzeit-Gedichte.
Bald auf der Roſenkelch / bald auf der Lilgen Fuͤſſe
Jn hoͤchſter Anmuth geuſt / und ihrer Blaͤtter Pracht
Mit friſchem Naß beperlt / ſo floͤſt uns auch den Wein
Der ſuͤſſen Zuckerung die Liebe ſelbſten ein.
Das wundernd Aug erſtarrt / wenn ſo ein Jungfern Bild /
Und liebliche Syren mit ihren Blitzen ſtrahlet /
Wann die entfaͤrbte Scham der Wangen purpur mahlet /
Und den geſchickten Leib mit Liebligkeiten fullt.
Der Reder Gang / und Thun / zeugt mehr als gnugſam an /
Daß niemand ohne Luſt die Schoͤnheit ſchauen kan.
(Band /
Er / werther Braͤutigam / dem mich der Freundſchafft -
Und das Geſchlecht verknuͤpfft / kan jetzo froͤlich ſchauen
Ein ſolches Tugend-Bild / und ſeine Liebe bauen /
Auf ein befeſtes Schloß / das nicht wird umgewand.
Cupido kroͤhnt ihn ſchon mit gruͤnem Myrthen-Haar /
Und ſtellt die liebe Braut mit hoͤchſter Schoͤnheit dar.
So kommt der Tugendlohn von Gott ihm reichlich ein /
Und ſein bemuͤhter Fleiß verdienet ſolch Geluͤcke /
Das ſich zu ſeinem Nutz und Nahrung ewig ſchicke /
Weil Phoͤbus Fackel leucht mit Goͤldgemengtem Schein.
Er lebe hoͤchſt vergnuͤgt / deß Himmels milde Gunſt
Entzuͤnd in beyder Hertz die Seelen keuſche Brunſt.
Doch ſeht die ſchwartze Nacht zuͤnd ihre Lichter an
Und Hymes Luſtgeſchrey erklingt in allen Ohren /
Die Venus hat der Braut was heimliches geſchworen
Daß ſie auß Ungedult nicht laͤnger warten kan.
Geht hin / Verliebte geht / genieſt der ſuͤſſen Luſt
Und druͤcket Mund an Mund / und leget Bruſt an Bruſt.
Die badende Venus an der Oder Auf Hn. C. H. von G. und Jhr. D. M. R. v. b. Hochzeit dargeſtellet. 1662. 23. May.
DJe Welt und auch der Menſch / ihr kleiner Jnbegrif
Hing ſuͤſſer Regung nach / die in den andern wachte /
Dem Hertzen aber Glut / der Seelen Flammen brachte /
Als Venus ſchoͤner Sohn zu ſeiner Mutter lief /
Zwar ohne Kleider nackt / doch mit dem Schmuck gezieret /
Der ſonſt dem holden Drey den Gratien gebuͤhret.
A a 5Er10Hochzeit-Gedichte.
Er fiel ihr umb den Hals / der hertzgeliebte Sohn /
Und flocht in ihren Mund die langen Tauben-Kuͤſſe /
Die Lippen waren noch vom Himmel-Zucker ſuͤſſe /
Es trof der Goͤtter-Tranck auff Perlen-art davon:
So lag das ſchoͤne Kind im Paradieß der Liebe /
Und ſprach / was iſt es noth / daß ich mein Wort verſchiebe.
Dir / Mutter Paphie, bekenn ich Hitz und Brunſt /
Die ich einſt mit der Milch von deiner Bruſt geſogen /
Dir ſag ich meinen Sinn / in dem ich aufferzogen /
Wie noch der Krieges-Gott genoſſen deiner Gunſt:
Mein Feur kan laͤnger nicht in kalter Aſchen bleiben /
Jch will die lichte Loh der Welt in Buſen treiben.
Schau wie ſich die Natur zum Lieben fertig macht /
Die vorhin wilde See leert ihre Purpur-Schnecken /
Die Muſcheln ſperren auff / und Tropffen in ſich lecken /
Die der geſunde Thau ſpruͤtzt bey geſtirnter Nacht:
Die Lufft ſo ſonſten leer / die iſt nicht leer von Schertzen /
Man ſieht die Voͤgel ſich recht hertz-verbuͤndlich hertzen.
Geſchweig ich denn der Erd - und ihrer Felber-Luſt /
Wenn da die Wieſen ſtehn mit Sternen uͤberguͤldet
Auf denen Chloris ſich ſo holdreich außgebildet /
Daß einem luͤſtern Aug ein Feuer wird bewuſt:
Der kahle Dornen-Buſch ſchwitzt eben von Begierden /
Er wirfft die Bluͤten auß und kleidet ſich mit Zierden.
Drey Zeigungs-Quellen gehn gemeiner Reitzung nach.
Und ſoll denn nun die Flamm entkraͤfftet wuͤſte liegen /
So wuͤnſch ich mir den Tod: mich / den von vielen Siegen
Ein ewiges Geruͤcht hebt an das Sternen-Dach /
Verlaͤſt der Mutter-Gunſt / ich weiß von keinen Schulden /
Noch dennoch wil ſie mich / O Grauſamkeit / enthulden.
Hier lieget Idalis dein Sohn auff ſeinem Knie /
Gold-Mutter / laß dich doch ein ſehnlichs Flehn erweichen /
Jch bitte durch den Mund dem keine Roſen gleichen /
Durch deiner Augen-Blitz / den ich empfunden je /
Durch deiner Schoͤnheit Preiß / der uͤbergoͤttlich heiſſet /
Durch dein geflochtnes Haar / das wie ein Silber gleiſſet /
Vergoͤnne mir ſo viel / daß ich den hohen Ruhm /
Der meine Scheitel kroͤnt / mit friſchen Myrten-Zweigen
Weit groͤſſer machen kan / du wirſt dich mild erzeigen /
Wenn du dein Jungfer-Volck mir ſchenckſt zum Eigenthum.
Jch11Hochzeit-Gedichte.
Jch ſprech an Eydesſtatt mich erbar zu verhalten /
Nur daß ich mich ergetz an ihren Luſt Geſtalten.
Duͤnckt dich mein Wunſch zu hoch / und trauſt du mir nit viel
So wiß ein alte Hex verleumdet mich gantz reinen /
Jch will in Ewigkeit fuͤr dir nicht mehr erſcheinen /
Wo ich was Boſes thu / und irgend uͤppigs Spiel
Bring ich der Nymphen Reyh: verlebte Klafferinnen /
Die haſſen / was ſie nicht aus Mangel mehr beginnen.
Die Venus lachte drauff und ſprach du loſes Kind /
Verliebter Jungfer-Dieb / Freund aller ſchoͤnen Weiber /
Doch ſtrenger Wuͤter ich auf die beherꝛſchten Leiber /
Jch weiß nicht ob dein Wort bey mir wohl glauben find /
Du Lecker haſt mich gar zu vielmahl ſo betrogen /
Dein Milchmaul hat mir ſtets das from ſeyn fuͤrgelogen.
Und wann dir was erlaubt / ſo iſt kein aͤrger Schelm
Jn meinem Reich als du / ich weiß noch jene Stunden /
Da ich durch dein Getrieb / ich Goͤttin / Noth empfunden /
Wie offt haſt du dem Mars durchbohret ſeinen Helm /
Daß er zu andern gieng und mich veraͤchtlich hezte /
Wenn irgend Sylvia den Blut-Tyraun ergetzte.
Auch Zevs der hat nicht ruh / den ſchwartzen Donner-Keil /
Das blitzende Geſchoß / ringſt du ihm auß den Haͤnden /
So bald du ihm ſein Hertz gedenckeſt umzuwenden /
Und jagt durch ſeine Bruſt den ſcharffgeſpitzten Pfeil /
Er wird auff dein Geboth ein Schwaan / ein Stier / ein Regen /
Damit er ſeine Luſt mit Danaen mag pflegen.
Solt ich nun mein Geſchlecht und meiner Damen Zier.
Die edelſten Geſchoͤpff und wehrtſten Meiſterſtuͤcke /
Dir Lecker anvertraun / das waͤre kein Geluͤcke /
Du bleibſt ein ſchlimmer Gaſt / zumahl wenn ich bey dir
Nicht gegenwertig bin / da gehet es bund uͤber /
Die Jungfern werden kranck / und ſiechen an dem Fieber.
Zu dem ſo weiſt du wohl / daß eine gute Zeit
Wir Goͤtter unter uns in Froͤligkeit gelebet /
Dem Gaſtmahl zugethan. Davon mein Leib noch klebet /
Weil ſich das Zimmet-Oel hat in die Lufft zerſtreut
Und alſo der Geruch von Schweiß und Tantz verdorben /
Der Balſam iſt verdufft / die Blumen ſind geſtorben /
Drumb hab ich dieſes Liecht zum Bade-Tag beſtimmt /
Vom angelegten Wuſt die Glieder zu befreien:
Romm12Hochzeit-Gedichte.
Komm meine Kammer-Magd / Lupido ſchaff in Reyhen
Die feuchten Najaden / und was noch wieder koͤmpt /
Von ſeinen Nymfen an / ſie ſollen mit mir baden /
m̃nd nach verubter Luſt ſo will ich ſie begnaden.
Dir aber geiler Hengſt / verſag ich meine Bitt
Jch will und mag dich nicht bey meinen Toͤchtern leiden.
Geh hin ſuch anderswo die hochbegehrten Freuden /
Bey mir erlangſt du nichts; Diß war ein tieffer Schnitt /
Der Amathuntens Sohn biß in die Seele drunge /
Daß ein geſchwinder Zorn mit Macht ſein Hertz beſprunge.
Wie / ſagt er / Gnidia, bin ich dir ſo verhaſt?
Man heiſcht ein weniges / du wilſt mir nichts gewehren.
Jch ſchwere dieſer Pfeil ſoll noch ein Hertz verzehren /
Eh als die muͤde Sonn geht zu der Abend-Raſt:
So brach er hitzig loß von Rachgier uͤberzwungen /
Und hat dem Blitzen gleich die Fluͤgel aufgeſchwungen.
Als die Holdinnen nun ſich freundlich eingeſtellt
Und ein liebſelig Chor von Frauenzimmer kame /
Die Cypris auff und an zu treuen Dienſten nahme /
Beſtieg ſie ihren Thron / den rother Sammt erhellt /
Mit lauter Diamant und Perlen außgeſticket /
Der Sitz war Koͤniglich von reichem Gold geſchmuͤcket.
Wie ſie zum dritten mahl des Zepters Stab bewegt /
Fiel alles ihr zu Fuß und ehrte ſie mit ſchweigen.
Die Eryeina gab durch ein genaͤdigs neigen
Den Beyfall an den Tag / und ſprach was mich erregt /
Hertzallerliebſtes Volck / dich / zu mir zu verſchreiben /
Erfaͤhrſt du dieſen Tag / an dem wir Wollnſt treiben.
Nur ein bequemer Ort gebricht mir zu dem Werck /
Jch bin noch ungewiß wo ich denſelben finde /
Und wo wir ſicher ſeyn / daß nicht ein Mann entzuͤnde
Sich etwa gegen uns / die Muſen und ihr Berg
Die taugen nicht fuͤr mich / weil ſtatt der Liebligkeiten
Sie uns ein blaß Geſicht und Schwermuth zubereiten.
Das Waſſer muß auch hell und ungetruͤbet ſeyn /
Die Ufer voller Gras und guͤldner Schmergel ſtehen /
An denen Schaff und Vieh nach fetter Weide gehen:
Was ſchlieſt ihr ingeſambt / wenn wir den Vater / Rhein /
Den Keyſer deutſcher Fluͤß und Zeuger friſcher Quellen
Vermoͤchten / daß er uns ließ unſer Bad anſtellen?
Liebt13Hochzeit-Gedichte.
Liebt ihr den Neccer mehr der ſich mit Trauben ziert
Und nebſt der Flut die Glut von linden Wein uns ſchencket?
Sagt doch ihr Gratien wo ihr hinauß gedencket!
Welch Brunn / welch Strom / welch Fluß euch euer Hertze ruͤhrt?
Jch geh es willig ein / kies eben auch daſſelbe /
Was halt ihr von dem Mayn und von der breiten Elbe.
Euphroſyne fieng an mit groſſer Hoͤfligkeit
Tieffſinnig und beredt: huldſeligſte Dione
Vergib der Frechheit doch die itzt fuͤr deinem Throne
Ein arme Magd begeht / wir ſind zugleich erfreut /
Daß du O Koͤnigin mit Baden dich wilſt laben /
Wir wuͤnſchen daß du moͤgſt vergnuͤgt Ergoͤtzung haben.
Die Fluͤſſe die von dir ſo treflich hoch geruͤhmt
Sind an ſich ſelbſt beliebt / mit Fruchtbarkeit umbgeben /
Mit Fiſchen angefuͤllt / gekroͤnt mit gruͤnen Reben;
Doch dencke daß es nicht uns Schwachen groß geziemt
Es Maͤnnern vorzuthun / die in den Fluten ſchwimmen;
So ein geſchlanger Leib faͤllt leicht in Tieff und Kruͤmmen.
Und obſchon Clœlia die Tyger durchgeſetzt /
Als ſie Porſennens Hand und Banden außgeriſſen /
So wird es Rom und wir vielmehr zu ruͤhmen wiſſen /
Denn daß es unſre Luſt vor nachzuahmen ſchaͤtzt.
Jch weiß Gelegenheit (ohn einzigs Maaß zu geben)
Da du Princesſin ſolſt nach deinem Wunſche leben.
Das Land Elyſien fleucht dein Gedaͤchtnis nicht
Das Luſt-Haus der Natur / der Schauplatz ſeelger Felder /
Wo eine gruͤne Nacht geweyter Berg und Waͤlder /
Verblichner Coͤrper-Sitz / wie uns ein alt Gedicht
Von affterzeiten lehrt / wo Milch mit Honig rinnet /
Wo ein gediegen Volck zum Lieben Platz gewinnet:
Da thuͤrmt ſich eine Stadt mit ſtoltzer Mauren-Pracht
Den Sternen gleich empor / die Herꝛligkeit der Gaſſen
Kan ich nach Wuͤrden nicht in meine Rede faſſen /
Genug daß ſich ihr Glantz zu einem Koͤnig macht
Europens und der Welt. Carthago wird geprieſen:
Sie auch / ſo bald man ſchweigt / das heiſt ihr Ehr erwieſen.
Selbſt fleuſt der Oderſtrom in krauſer Wirbel-Fluth /
Und ſchenckt zwey Werder ein / ſo Eichen ringſt umſchatten /
Die Ufer ſind umzirckt mit Klee-durchwirckten Matten /
Priapus nimmt ſehr wohl die Gaͤrten in die Hut
Deß14Hochzeit-Gedichte.
Deß rechten Werders Raum verſucht der Buͤrger Waffen /
Das linck iſt einſam ſtill und locket uns zum ſchlaffen.
Worbey ein Garten ſteht / den Flora wunder-ſchoͤn
Mit ſeltenem Gewaͤchs und Blumen außgeputzet /
Verſichert daß kein Gold / noch Scharlach alſo ſtutzet /
Wie ſeiner Bluͤthe Frucht / kein Lobſpruch mag erhoͤhn
Des Saamens Koſtbarkeit / der Bilder Kunſt-Gepraͤnge
Die ſonderlichen Baͤum und dickbelaubten Gaͤnge.
Da wohnet eine Nymf die werthe Margaris
Betugnet uͤberaus / Hochedel von Gebluͤthe /
Nicht minder von Geſtalt und ſitſamen Gemuͤthe /
Ein Außzug keuſcher Zucht / ja wie es mir gewiß
Der Nachruff kund gethan / ſo gruͤnt deß Vatern Tugend
Und hochbejahrter Ruhm in ihrer wackern Jugend.
Die Acidalia verdienet deine Gunſt /
Der Oder-Strohm die Ehr / in ihm dich abzubaden /
Die Gegend ſolches Orts iſt ſeicht und ohne Schaden
Zu brauchen wie man wil: was mehr / es hat die Kunſt
Des Waſſers ſchnellen Lauff in einer Wand gefangen.
Auff Cypris / dieſer Ort erſaͤttigt dein Verlangen.
Euphroſyne brach ab / die Venus wurde laͤut:
Recht Tochter / ſprach ſie / recht / fort / ſpannet bald die Schwane
An meinen Wagen an / ſteckt bunte Taffend-Fahne
Zum Freuden-Zeichen auff / bringt Roſen die bethaut
Vom kuͤhlen Morgen ſeyn / und fuͤttert mir die Thiere /
Ein jede ſey bedacht / wie ſie mein Außfahrt ziere.
Wo ſind die Sperlinge / die Boten meiner Reiß?
Auff! ſchafft ſie vor mir her / daß ſie in Luͤfften zitzſchern /
Und ihrem Brauche nach verbuhlte Lieder zwitſchern:
Aglaja ſih doch zu / ob mein Geraͤthe weiß /
Pack jeglichs ſauber ein / den Kamm von Helffenbeine /
Das ſeidne Bade-Tuch / den Schmuck der Edelſteine.
Thalia nimm du was von Biſam Puder mit /
An ſtatt der Seiffe gib mir jene Narden-Salben /
Werſchleuß den Ambra wohl / ſchau zu / daß allenthalben
Geßminen umb mich ſeyn / geh auff ſehr leiſem Tritt
Zum erſten Schrancken hin / und hole mir die Schmincke /
Bring auch den Becher mit / wor auß ich taͤglich trincke.
Auf! rieff ſie noch zuletzt / auf auf / und zog davon.
Cupido dem der Zorn das Hertze durchgefreſſen /
Be -15Hochzeit-Gedichte.
Beſuchte manches Land und konte nicht vergeſſen /
Wie ihm der Mutter-Neid beſchmitzt mit Spott und Hohn.
Nach langer Ungedult ſitzt er zu Franckfurt nieder /
Spricht dapffern Leuten zu / und ſtaͤrckt ſich ſelbſten wieder.
Biß daß er ohngefaͤhr den edlen Hoffman ſieht
Am ſchlancken Oder-Strand entſondert leiſe gehen /
Der Schlauhe nimmt es wahr / bleibt etwas ſtille ſtehen /
Bald fragt er nach der Noth / in der ſein Hertze gluͤth /
Forſcht ihrem Urſprung nach / befindet ſolche Zeichen /
Womit die Liebe pflegt Liebhaber anzuſtreichen.
Was / fuhr er lachend rauß / zermarterſt du dich ſo /
Dich kraͤnckt der Venus Gunſt / mich ihr erboſter Wille /
Verſchaffe daß der Wind die holen Segel fuͤlle /
Und reiſe mit mir fort / ich wil dich machen froh /
Gewiß die Oder haͤlt / ob ſie dich hier betruͤbet /
Zu Breßlau noch was fuͤr / daß dir Vergnuͤgung giebet.
Und will der Himmel wohl / ſo denckt die Mutter gleich
Heut ihren Bade-Tag daſelbſten zu begehen /
Du muſt nur munter ſeyn dir nicht im Lichte ſtehen /
Und hurtig ſegeln fort / dein Schiff wird noch ſo reich /
Jch prophecey es itzt / nach Hauſe wieder kommen /
Wenn du den theuren Schatz die Liebſte drauff genommen.
Was fuͤgt nicht das Geluͤck! Sie beyde laͤnden an
Auch gleichfals an den Ort / den Venus außerleſen.
Sie ſind kaum eine Stund auß ihrem Schiff geweſen /
Als ſie gantz Koͤniglich durchs lincken Werders Bahn
Koͤmmt zu der Margaris / der ſtracks das Hertze brandte
Jn bloͤder Ehren-Furcht / wie ſie die Goͤttin kandte.
Cythera / die bereit in Luſt-Begierden ſchwam /
Gebrauchte kurtzer Wort / und rieff ſie mit zu baden /
Erkenne / ſagte ſie / drauß meine Huld und Gnaden /
Sey nicht ſo ſchuͤchtern wild und ſtelle dich doch zahm /
Wann wir nun fertig ſeyn / es ſoll in deinen Garten
Uns unſre Hofeſtad nach Moͤglichkeit auffwarten.
Drauff gieng ſie voller Glantz und Klarheit an der Strand /
Es war ein Eyfer-Streit ſie hoͤflich zu bedienen
Jn aller Nymfen Sinn / die giengen in dem Gruͤnen /
Und pfluͤckten Blumen ab / die wurffen ihr Gewand
Von Leib und Gliedern weg / weil jene fleiſſig wahre /
So kemmet dieſe hier der Goͤtter Locken Haare.
Dort16Hochzeit-Gedichte.
Dort ſchertzten gleich ein Paar / begoſſen ſich mit Thau
Der von den Wellen floß: die Eryzina lachte /
Daß ſie das ſpielen ſah. Wie ihr Thalia brachte
Die kalte Schal und Brod / ſo ſprach ſie gar genau:
Wie wird mein loſes Kind auf Rache ſich befleiſſen;
Doch richt er etwas an / wie wil ich ihn zu ſchmeiſſen.
Der wache Cypripor ſprach / Edler / nun iſts Zeit
Du als ein ſterblich Menſch darffſt zwar nicht nahe gehen /
Jch ſelber muß verdeckt an einem Baume ſtehen
Der finſtre Schatten gibt: denn die Gelegenheit
Heiſt mich behutſam ſeyn / ja wuͤrden wir erblicket /
So wird auch unſer Kopff mit Hoͤrnern außgeſchmuͤcket.
Actæon ging es ſo / wie er Dianen ſah /
Sein Beyſpiel macht mich klug / nur mercke dieſe Pfeile /
Die ich auf zweyerley Gebraͤuche kuͤnſtlich theile:
Der guͤldne weckt die Lieb und geht dem Hertzen nah
Hier der von ſchweren Bley / verjagt die Freundligkeiten /
Gibt vor Gewogenheit dem Menſchen gifftig ſtreiten.
Drumb wenn die Wutter ſich zum Abzug hat geſchickt /
Und heiſt zu guter Nacht die Nymfen etwas ſpielen /
So|will ich allererſt|mein zornigs Muͤthlein kuͤhlen
An ihr der Margaris: Du / wenn ich loß gedruͤckt /
Komm und ſih wundrend an / wie ſie ſich wird geberden /
m̃nd wechſelsweiſe roth / blaß / gruͤn und gelbe werden.
Als Cypris nun der Luſt zum uͤberfluß gebraucht /
Befahl ſie ihrem Volck die Kleider anzulegen /
Doch ſolten ſie zuvor die Freuden-Taͤntze hegen /
Beynebens ſagte ſie / der Ort iſt nicht beſtraucht /
Gelt / trifft uns dieſen Tag nicht noch ein Ungeluͤcke?
Jch weiß mein kleiner Schelm der laͤſt nicht ſeine Tuͤcke.
Die Nymfen eylten bald mit einen duͤnnen Schleyr /
Jhr kercker-freyes Haar aufs niedlichſte zu treugen.
Dann traten ſie ins Chor / die fingert auf der Geigen /
Die ruͤhret den Clavier / die dritte gibt zur Steur
Ein Thon-beſeeltes Lied / daß ſie drauf ſaͤmbtlich ſungen /
Und hat / wo ich nicht irꝛ / an Worten ſo geklungen:
1. Blu -17Hochzeit-Gedichte.
1.
Blumen-Wind
Lentzen-Kind
Hauch uns an mit deinē Weſten
Weil wir kuͤhlen in der Fluth
Unſer Bluth
Stelle dich Luſtinnens Gaͤſten.
2.
Daß uns nicht
Boͤſewicht
Amor alſo nackt erſchleiche
Hemme ſeiner Fluͤgel Macht
Biß die Nacht
(che.
Jhn mit ſchlafend Ruh beſtrei -
3.
Unſer Schaar
Soll fuͤrwar
Wie verlobte Nonnen leben.
Alle Liebe ſey verflucht;
Scham und Zucht
Kan den ſchoͤnſten Ruhm uns geben.
4.
Venus hat
Dieſes Bad
Rein zu werden anberaumet:
Morpheus, gibt die Nacht nicht
Jn der Ruh
(zu
Daß uns von Cupido traͤumet.
6.
Soll ein Kind
Das ſtock-blind
Unſrer Blicke Meiſter werden?
Ey ſo ſcharr ein Thieger-Thier
Seine Zier
Ausgefleiſchet in die Erden.
5.
Seine Plitz
Muͤſſe Hitz
Und ein liechter Brand verzehrē
Ja er brech ein Bein entzwey
Wenn er frey
Wil im Jungferbuſen maͤhren.
7.
Welcher Mund
Wird verwund
Dieſen Abend durch ein Kuͤſſen /
Die ſol ausgetilget ſeyn
Und den Reyhn
Ewig ewig meiden muͤſſen.
8.
Blumen-Wind
Lentzen-Kind
Hauch uns an mit deinen Weſten
Weil wir kuͤhlen in der Fluth
Unſer Blut
Stelle dich Luſtinnens Gaͤſten.
Die Gaͤſte ſind nichts werth / ſprach Amor voller Glut
Des Zornes der ihn ſtach / darffſt du mich ſo verfluchen
Meineidiges Geſchlecht / du ſolſt noch Huͤlffe ſuchen
Und kuͤſſen meine Hand: drauff zog er in der Wuth
B bDes18Hochzeit-Gedichte.
Des Bogens Sehne loß / der Pfeil traff zu dem Ziele /
Daß er der Margaris gletch in das Hertze fiele.
Die Nymfen wuſten nicht was ihr ſo ſchnell geſchehn /
Das Angeſicht ward bleich / die truͤben Augen dunckel /
Bald glaͤntzten ſie wie Feur und brennende Carfunckel /
Offt ringet ſie die Haͤnd und ſtoͤſſt ein ſehnlich Flehn
Mit ſchwachem Athem rauß / der Fuß erbebt und zittert /
Dieweil die ſtrenge Brunſt ohn Ablaß in ihr wittert:
Es gehet Phlegethon in Adern und Gebein /
Ein Ætna kocht die Bruſt zu ausgebranter Aſchen /
Ein donnernter Veſuv wil ſie mit Schwefel waſchen /
Es rauchet Lipare in ihres Hertzen-Schrein:
Gleich wie ein Wachs zerſchmiltzt von Waͤrm und Krafft der Son -
So iſt auch ihre Seel in Liebes-Glut zerronnen.
(nen:
Cythera ſteht beſtuͤrtzt und ſchreit: geht Nymfen geht
Holt meinen Himmel-Wein / die Ohnmacht reiſt ſie nieder /
Beſtreicht mit Roſen-Oel die| ſchon erſtorbnen Glieder /
Reibt ihr den Balſam ein mit ſchmeckendem Ziebeth /
Sie ſchnappet nach der Lufft / ſie wil mit Macht verbleichen.
Hilff Himmel / wird mein Bad geſchwaͤrtzt von einer Leichen!
Jhr Toͤchter tragt ſie doch auff euren Schuldern heim /
Solt ich das liebe Menſch ohn Huͤlff und Artzney laſſen /
So muͤſte mich hinfort mein Ruhm und Schoͤnheit haſſen /
Seht doch / ſie roͤchelt ſtarck / und wirffet dicken Schleim
Jn Athmen hoch herfuͤr. Jtzt ſpuͤhr ich erſt den Boſſen /
Mein Soͤhnlein hat vielleicht die Margaris geſchoſſen.
Wie ſie diß aus geredt / ſprang Liebreitz bald hervor
Bey einem Hecken-Buſch / und rieff / ich bin gerochen /
Nun iſt der Mutter-Zorn und meiner auch gebrochen /
Es helffe / wer da kan / mich hat der gantze Chor
Sehr ſpoͤttiſch ausgelacht: ſoll Margaris gedeyen /
So ſprecht mich Jungfern an umb ein gewillt verzeihen.
Schaut dieſen / den Verſtand / und weiſe Klugheit ziert
Von einem edlen Stamm ein edler Zweig entſproſſen
& q; Mit allem Nectar-Safft der Freundligkeit begoſſen /
Dem ſag ich / hat die Nymf ihr zartes Hertz geruͤhrt /
Sie auch hinwieder ihm / drum doppel ich die Braͤnde
Und ſchaffe langem Leid ein kurtz gefaſtes Ende.
Erſtarrte Margaris / ſieh auff! hier ſteht dein Schatz /
Dein eintzig Podalier / dein Artzt und dein Erretter /
Die19Hockzeit-Gedichte.
Die Flamme leget ſich / und der Begierden Wetter
Streut keinen Hagel mehr / gib meinen Worten Platz /
Ermuntre dich doch auff / betrachte den du liebeſt /
Dem du dein Hertz / er dir / noch dieſen Abend giebeſt.
Was fang ich endlich doch mit meinem Buben an /
Rief Venus uͤberlaut / ich laſſe dich doch ſpieſſen
Du abgefeimter Schelm: und ſolt michs nicht verdrieſſen /
Daß er bey meiner Luſt mir dieſen Schimpff gethan;
Weil aber Margaris nach Wuͤrden ſo vermaͤhlet /
So ſey er dieſes mahl von Ruthen loß gezehlet.
Setzt mir ihr Gratien den ſchoͤnſten Zierrath auff /
Jch wil dem Hochzeitfeſt in Gegenwart beywohnen /
Dreht in die Haare Gold / verſchoͤnet es mit Kronen /
Jn welchen Kunſt und Werth ſieg-prangend kommt zu hauff /
So weit ſol man den Hals und ſeine Lilgen ehren /
Die Bruͤſte bleiben bloß Liebs-Affen zu bethoͤren.
Langt mir die Atlaß-Schuh mit Stickwerck uͤberbluͤhmt /
Den Purpur Mantel auch / das Unterkleid ſieht lichte
Von weiſſen Zuͤndel aus / erweget mein Geſichte
Ob ihm ein Schwedchen noch auffs Kien verſetzt / geziemt /
Bebalſamt mir mein Haupt / daß ich recht Goͤttlich ſtrahle
Und meiner Hoheit Pracht mit Zierligkeiten mahle.
Komm / Margaris / komm / komm in deinen Garten hin /
Seh ich nicht ſchon das Mahl von außerleßnen Trachten
Auffs herrlichſte beſchickt / was ſchaͤtzbar iſt zu achten
Das findet ſich allhier: ſo wahr ich Koͤnigin
Und Liebes-Fuͤrſtin bin / wir haben kaum dergleichen /
Die wir im Himmel ſeyn / was Sterbliche dar-reichen.
Cupido trage doch der Braut die Fackeln fuͤr /
Was biſtu ſonſten nuͤtz als Liechter auffzuſtecken?
Der Hymen ſoll das Bett mit Roß und Nelcken decken
So ſchlaffe Margaris / den Becher bring ich dir
Auff deines Liebſten Heil / der Elternlanges Leben /
Hiemit ſo wil ich dir die Hand zum Abſcheid geben.
Goͤttinnen ſtehts nicht an / daß ſie biß in die Nacht
Bey Gaſtereyen ſeyn / den Nymfen iſts erlaubet /
Der Braut zu warten auff / doch wo euch einer raubet /
Jhr wiſt wohl wie er heiſt / ſo ſeyd ihr in die Acht
Und ſteten Bann gethan / die Farbe wirds bezeugen /
Wenn ſchon die Lippen als Theilhaber ſtille ſchweigen.
B b 2Damit20Hochzeit-Gedichte.
Damit ſo fahr ich hin gedenckt auch dis dabey /
Daß ihr zu Hauſe ſeyd / eh dann die Hahne ſchreyen /
Nehmt eure Margaris zuletzt in Jungfer Reyhen
Und ſchwatzt ihr freundlich fuͤr wie ſie entnommen ſey
Nunmehr der ſchoͤnſten Zunfft / ſagt ihr von Haub und Netze /
Gebt morgen nicht mehr zu / daß ſie ſich zu euch ſetze.
Wem hier der Muſen-Bronn in ſeine Feder fleuſt /
Der kan der Gratien Ergoͤtzlichkeit beſchreiben /
Printz Amor ließ nicht nach ſich an das Volck zu reiben /
Das ihm am liebſten war / er ſieht / er zielt / er ſcheuſt
Die jen und andre mehr / biß daß er ſelbſt verliebet
Sich / zu Beſtraffung hin / den Charitinen giebet:
Da brach ein Boſſen-Spiel beym Frauen-Zimmer aus /
Sie ſengten ihm die Haut / verbrandten ſein Gefieder /
Zerrupfften ihm die Haar / durchſtachen ſeine Glieder
Mit Pfriemen biß auffs Bein / die nimmt den Dornen-Strauß
Und ſteupt ihn daß er bludt / verſchleuſt ihn an die Kette
Nur ein erbarmt ſich noch / und fuͤhrt ihn mit zu Bette /
Jndeſſen hatte ſich die plejas umgewand /
Und Cynthia war ſchon das Mittel uͤbergangen
Die Nymfen ſtehen auff nachdem ſie ſich umfangen
Mit Margaris der Braut / ſie druͤcken ihr die Hand
Geſegnen auff das beſt und ſingen noch zu letzte
Ein Lied das Hymen ſelbſt hier zu Papiere ſetzte:
1.
GEwuͤnſchte Nacht / dem Hochzeit-Feſt beſtimmt
Gebehrer in der Ruh
Sih hocherfreuet zu
Jn was fuͤr Loh die Margaris itzt glimmt /
Wir ſchlieſſen nun den Tantz
Und reiſſen von dem Haupt der Braut den Jungfer-Krantz
2.
Gewuͤnſchte Nacht / die Blumen ſollen dir
Ein Liebes Opffer ſeyn
Verwunder nicht der Schein /
Daß ſie entblaſt / die ſeuffzende Begier
Traͤgt ſie dem jenen hin /
Der voͤllig nun beſitzt der Liebſten Hertz und Sinn.
3. Ge -21Hochzeit-Gedichte.
3.
Gewuͤnſchte Nacht / den Braͤutigam verlangt
Daß nicht ein lieber Traum
Gibt ſeinem Willen raum /
Streu deinen Mohn / der mit den Haͤuptern prangt /
Befiehl der Sternen-Schaar /
Daß ſie den Tag auffhaͤlt / und daͤmpfft das Morgen-Klaar.
4.
Gewuͤnſchte Nacht / die Margaris ſol nun
Hinfort von Breßlau ziehn /
Und ihren Garten fliehn /
Schau daß ſie nicht moͤg allzuſchmertzlich thun;
Doch ſind wir zweiffels loß /
Sie ſitzt dem reichen Gluͤck und Liebſten in der Schoß.
5.
Gewuͤnſchte Nacht / wir trauen ſie dir an /
So bald das Tage Liecht
Nur durch die Wolcken ſticht /
So ſind wir da / und iſt ihr was gethan
An ihrer Schoͤnheit Pracht
Wir ſagen kuhnlich aus; die Nacht hat diß gemacht.
Dis war der erſte Chor / als an der andern Rey
Die eine Najas rufft / hoͤrt was die Nymfen ſingen /
Jhr Schweſtern / ſolten wir nicht auch ein Luſt-Lied bringen
Mein Phoͤbus machet mir den Kopff zum Dichten frey /
Wohl ruͤhrt die Lauten mit / ſtreicht auff Viol de gammen
Und weihet alſo ein die Hertz-verknuͤpfften Flammen.
1.
ERhell aus dem Schilffedein blaues Geſichte
Sanfft-wallender Oder-Strohm / ſilberner Fluß
Die Segel zu foͤdern in gleichem Gewichte
So ſchwelle die Adern in ſtaͤrckerem Guß /
Verzoͤgre nicht deine Criſtalline Fluth
Du fuͤhreſt auff heut ein unſchaͤtzbares Gut.
2.
Kein ſtuͤrmender Nordwind entboͤhre die Wellen
Weil Mar garis deinem Gewaͤſſer vertraut
Es muͤſſe ſich liebliches Wetter erhellen
Daß ſie mit geſegneten Regen bethaut /
Der Zefyr-Wind blaſe Narciſſen herfuͤr
Und mehre der Margaris him̃liſche Zier.
B b 33. Auff22Hochzeit-Gedichte.
3.
Auff Franckfurt bereite dich ſie zu empfangen /
Dein Sohn zeugt begluͤcket nach Hauſe mit Beut /
Jhr Najaden kommt ihm entgegen gegangen
Die ihr umb dieſelbigen Ufer rumb ſeyd
Verehret die neue willkommene Braut
Mit Gaben / die euch der Geliebte vertraut.
4.
So bluͤhe nun Margaris unter den Reben /
Und ſiege dem Weinſtock an Fruchtbarkeit ab /
Wir wollen dir unſer Geleite hingeben /
Und ſchencken dir dieſen umbwundenen Stab
Zum Zeichen gepflogener Freundſchafft und Luſt
Der Margaris ſey nichts als Wohlſtand bewuſt.
Wie dieſer Freuden-Wunſch zu Ende war gebracht /
Kommt Venus Kammer-Magd / und ſaget wie der Wagen
Schon fertig angeſpannt / die Nymfen heim zu tragen /
Sie geben wiederumb der Braut noch gute Nacht
Und ziehn was traurig fort / weil Margaris vergnuͤget /
& q; Bey ihnen aber Stroh und Feur verborgen lieget.
Der gepeinigte Cupido bey Hn. S. R. von P. und Jfr. B. E. v. S. Hochzeit vorgeſtellet 4. Novembr. Anno 1664.
DEr ſtrenge Wuͤtterich ſo unſre Seelen plagt /
(net /
Den Venus Kind und Sohn / die Welt den Liebreitz nen -
Hat einmal wie man meint von Liebe ſelbſt gebrennet /
Und allen Himmliſchen die ſuͤſſe Pein geklagt.
Nur aber gantz umbſonſt / weil ſein bekantes Schertzen /
War Buͤrger auf der Lipp und Frembdling in dem Hertzen.
Die Flamme ſo ſich nicht mit Hoffnung ſpeiſen ließ /
Durchwuͤhlte Marck und Blut in ungewohnter Staͤrcke /
Wie / rief er / fuͤhl ich denn der Liebe Wunderwercke?
Die Pfeile / ſo ich vor großmuͤtig von mir ſtieß /
Sind auf mich ſelbſt gericht / mein Koͤcher ſteckt voll Feuer /
Der Bogen iſt ein Brand / die Sehn ein Ungeheuer /
Kein linder Weſten-Wind hebt meine Fluͤgel auf /
Es ſcheint als haͤtte mich der Mulciber gebunden /
Ach Ungluͤck! hab ich hier denn mein Gefaͤngnuͤß funden?
Koͤmt heiſſe Folter Angſt und Marter gantz zu Hauff /
Sol23Hochzeit-Gedichte.
Sol man der Mutter Reich in ſolchen Schatten finden /
Welch Stral verliebter Gunſt wird hier ein Hertz entzuͤnden.
Jch ſehe wie im Traum nur blaſſe Myrten ſtehn /
Der Wermut bittern Strauch / leidtragende Zypreſſen /
Dort ſeuftzt der H[i]acinth, hier Myrrhen die vergeſſen
Auf ewig nicht ihr Leid. Wo ſol mein Fuß denn gehn?
Weil ſcharffe Diſteln mir / die Wege gantz verſchrencken /
Zur rechten Heck und Dorn / zur lincken Kletten hencken.
Die Lufft iſt ohne Stern der Himmel ohne Licht /
Der Monde wil ſich mehr mit Blut als Silber faͤrben.
Der Sonnen Fackel muß im dicken Nebel ſterben /
Die Morgenroͤht entferbt ihr Roſen-Angeſicht.
Nichts als der Seuftzer Schall / verſtorbner Seelen wimmern /
Bewohnet dieſen Ort / und hilfft ihn mehr bekuͤmmern.
Hier kan nicht Paphos ſeyn / der ſonſt voll Ampeln brennt /
Nicht Cyperns heilge Burg / die ſtets von Opffern rauchet /
Nicht Gnidos, der nur Schertz und Luſt zum Opffer brauchet /
Nicht Amathunt, wo man die Anmuths Sonnen kennt.
Der Mutter Heiligthum und Wey-tiſch wird verhoͤnet /
Die Tempel ſind veracht / die Bilder ungekroͤnet.
Kein liebreich Anmuths Bild und Wunder ſchoͤnſter Zier /
Streut fetten Weyrauch auf die Goͤtter zu bewegen /
Die jenen die ſich ſonſt zu meinen Fuͤſſen legen /
Sind fluͤchtig und verbannt. Die Jnngfern fliehn von hier /
Und haſſen dieſen Ort / der nichts als Jammer gibet /
Den die Betruͤbnuͤß ſelbſt noch ſehnlicher betruͤbet.
Wo man ſonſt Kuͤſſe hoͤrt verſchrenckter Lippen Schall /
Da hoͤrt man gantz beſtuͤrtzt wehklagen ſehnlich heulen /
Molch / Unck / und Fledermauß / ſamt den verfluchten Eulen /
Bewohnen dieſen Platz. Hilff Himmel welch ein Fall
Schleuſt itzt den Liebes-Gott in Faͤſſel und in Banden!
Wird meine Heiligkeit und Majeſtaͤt zu ſchanden!
Der aller Hertzen kan bewegen iſt ohn Hertz /
Der Helden uͤberwand / muß ſich gefangen ſehen.
Der vor in Kronen gieng muß itzt in Faͤſſeln flehen.
Mein Schertz verwandelt ſich in einen tieffen Schmertz.
Nein Venus, Furien die haben dich geboren /
Du biſt ein Traum der Welt durch dich bin ich verlohren.
Mir ahnt ein groͤſſer Leid das ich noch buͤſſen muß /
Mich duͤnckt ich ſeh auch ſchon der Lethe Schwefel-Pfuͤtzen /
B b 4Wie24Hochzeit-Gedichte.
Wie umb den ſchwartzen Rand geplagte Geiſter ſitzen.
Dort raucht der Acheron vom lichten Flammen Fluß /
Cocytus oͤffnet ſchon den nimmer ſatten Rachen /
Jch hoͤre den Avern und ſeinen Donner krachen.
Dort koͤmt ein ander Bild / und duͤſtrer todten Schein
Eilt durch den ſtillen Wald und gehet wie im Leide /
Goͤttinnen kommen dar im langen Trauer-Kleide /
Wo nicht ſo muͤſſen es doch Heroinen ſeyn /
Und Geiſter weil ſie noch unſauber von der Erden /
Jm Feld Eliſiens nicht angenommen werden.
Die erſte von der Reih iſt Sappho mit der Laut /
Jch kenn ihr fliegend Haar und krauß gewundne Locken /
Welch Hertze reitzet nicht der Schmuck der ſchoͤnſten Tocken?
Ob nicht den zarten Schleir beſchaͤmt die Perlen-Haut
Nur daß ſie von dem Felß aus Raſerey entſprungen /
Und ſich mit ihr verſtimmt das Uhrwerck kluger Zungen.
Nechſt ihr tritt Hero auff / die von des Meeres Wuſt
Beſudelt / nichts als nur den Leib Leanders klaget /
Wie hochgehertzt ſein Muthund wie er unverzaget /
Den Wellen ſich vertraut / nur an der Liebſten Bruſt /
Und ſuͤſſem Mund zu ruhn. Zum Zeichen reiner Liebe /
Sind ihre Augen noch von bittern Zaͤhren truͤbe.
Die Dido folgt und traͤgt das Schwerd noch in der Hand /
Verflucht Æneas flucht und leicht-geſinntes Hertze /
Die ſchoͤne Helena des Trojens Flamm und Kertze.
Vermehrt die groſſe Zahl und alle ſind entbrannt
Auf Rache gegen mich. Jch hoͤre Ketten praſſeln.
Pfal / Zange / Holtz und Strick / auf mein Verderben raſſeln.
Mehr Worte hatte nicht der Zipripor gemacht /
Als der geſamte Hauff ihn ſchleunig uͤbereilet /
Und ieder war ihr Ampt der Marter ausgetheilet /
Die bind ihm Haͤnd und Fuͤß. Ein andre iſt bedacht /
Wie ſie an einen Pfal / den hoͤchſtverhaſten / ſpiſſe /
Die ſteupt ihn mit der Ruth / an ſtatt gewuͤnſchter Kuͤſſe.
Und iede reitzet Rach auf Rach / und Hohn auf Hohn /
Die ſticht ihm Pfriemen ein und ſcharffe Nadel-Ritze /
Und jene hackt die Haut in Purpur rohte ſchlitze
Cupido heult und ſchreyt. Noch weckt der Wieſel Thon /
Nicht einig beyleid auf. Der Vorwitz macht ſie ſchlimmer /
Und eingepflantzter Zorn in ihrer Thorheit grimmer.
Jndeß25Hochzeit-Gedichte.
Jndeß erbarmt ſich noch die Mutter aller Gunſt /
Erloͤſt den lieben Sohn durch unerforſchte weiſe.
Er / der ſich frey befand / begonte drauf gar leiſe /
Zu ſtreichen in die Lufft / als wie ein leerer Dunſt.
Sie peitſchen immer drauf / nur Flora will liebkoſen /
Und flicht die Geiſſeln ein in Blut-bemilchte Roſen.
Cupido der von Qual und Streichen muͤde war /
Fiel mitten in dem Flug bey einem Walde nider /
Kein Artzney ſtaͤrckte nicht die außgezehrten Glieder /
Er lag entſeelten gleich biß daß ſich eine Schaar /
Von Jungfern zu ihm macht / deß Kindes Noth beklagen /
Und ein erbeut ſich drauf nach Haus ihn mit zu tragen.
Die wehrtſte ſo die Sonn am Himmel je erblickt /
Die Zucht und Freundligkeit zu Schweſtern ihr erkohren /
Bey welcher Lilg und Roß zu herbergen geſchworen /
Die hat das nackte Kind mit ihrer Hold erquickt /
Jhm Pflaſter aufgelegt / die Wunden wol verbunden /
Biß daß die Schmertzens-Angſt iſt allgemach verſchwunden.
Die Kraͤfften bluͤhten auf / der Bogen ward voll Feur /
Die Sehne ſteiff und feſt / die Pfeile noch geſpitzter /
Seinfroher Geiſt entbrand im Lieben viel erhitzter /
Und als er Abſchied nahm / ſo ſchwur er hoch und theur /
Bey ſeiner Mutter Glantz / die Nymfe zu beſchencken /
Sie ſolte dieſer Treu und Danckbarkeit gedencken.
Jch ſigel itzt mein Wort / ſo ſprach er / mit dem Kuß /
Den dir dein Liebſter ſol gedoppelt wiedergeben.
Die Liebe wird dich einſt auff ihren Thron erheben /
Und deine Tugend kroͤhnt des Segens Uberfluß.
Ein Mann von edlem Stamm und tapffern Treffligkeiten /
Wird dich als Nymf und Braut zu ſeinem Ehbett leiten.
Der Monden der hat ſich nicht voͤllig umgewand /
Als die Hoch-edle Braut ein Krantz von Perlen zieret /
Als ſie den holden Leib ins Braut-Kleid eingeſchuuͤret /
Und willig ihre Lieb und edle Flamm bekant /
Den Amor hoch-geruͤhmt / und ſich vergnuͤgt geprieſen /
Der ihr nach Pflicht und Schuld dergleichen danck erwieſen.
Wolan ſo brenne nun die ewig lichte Glut
Bey dem vertrauten Paar! die Kertzen reiner Hertzen
Verleſchen nimmermehr / und bittre Noth und Schmertzen /
Beſiget trene Gunſt. Der edlen Ahnen Blut
B b vSol26Hochzeit-Gedichte.
Sol durch die wehrten Zwey noch mehr vereinigt werden.
So bleibt auch nach dem Tod ihr Ebenbild auff Erden.
Auf die Z. und H. Hochzeit den 24. Octobr. 1665.
DJe Liebe ſaß erfreut auf ihrem Purpur-Throne /
Vor dem Ergetzligkeit an ſtatt der Wache ligt /
Auf ihrem ſchoͤnen Haupt ſtund eine ſolche Krone /
Die uͤber Diamant und uͤber Perlen ſigt /
Das Haar lieff umb die Bruſt mit mehr als goldnen Fuͤſſen /
So von Jeßminen-Oel und Balſam traͤchtig war /
Man ſah der Bruͤſte hoͤh Rubinen Ringe ſchlieſſen /
Und wie der zarte Schnee ſo hulde Glut gebahr /
Jhr Auge / das den Kreiß der groſſen Welt durchſiehet /
Das Ohr / ſo niemahls Ruh von heiſſen Seuffzern hat /
Der Mund / der Urtheil ſpricht und ſich umbs Recht bemuͤhet /
Mit kurtzem jedes Glied / gieng wie es ſchien / zu rath /
Jhr himmliſches Geſicht / und das vertieffte Dencken /
Gab etwas wichtiges und groſſes zu verſtehn /
Die Augen konten nicht die Blicke recht verſencken /
Und in dem lichten Kreiß ſo gar behutſam gehn;
Drauff komt ein dichter Sturm / wie wenn ſich Wetter miſchen /
Nur daß diß Ungeſtuͤm ein Blumen-Hagel war /
Da auß gemahlter Wolck ein paar der Tauben wiſchen /
So eintzig ſind beſtimmt der Liebe Luſt-Altar /
Dolmetſcher aller Brunſt und Bothen der Gedancken /
Zu welchen ſich die Schaar der Silber-Schwanen fand /
Sie melden ingeſambt von nichts als tauſend Krancken /
Und / wo die Liebe ſaͤumt / erſtuͤrbe Volck und Land.
Wie? rief ſie halb beſtuͤrtzt und ſchlug auf ihre Bruͤſte /
Doch / daß der ſanfte Schlag die Lilgen nicht zerbrach /
Welch Sinnen-Fieber macht mir meine Laͤnder wuͤſte?
Belagert bleiches Weh mein luſtig Schlaffgemach?
Auf Tauben! mein Befehl der ſchwebt in eurem Munde /
Sagt wer empfindlich ſey der ſoll ſich ſtellen ein /
Mit Draͤuung / wer verſaͤumt die anberaumte Stunde /
Der ſol hinfort verbannt von meinen Graͤntzen ſeyn.
Ja ſelbſt die Feder ſtarrt bey ſolches Volckes Menge;
Denn als die Meinung nur die Tauben kund gethan /
Eilt27Hochzeit-Gedichte.
Eilt beyderley Geſchlecht in ſtuͤrmendem Gedraͤnge /
Und jedes wil die Noth zum erſten zeigen an.
Die Schwanen geben drauf ſanfftmuͤtig zu verſtehen /
Der Vorlaß ſey bereit den Jungfern zugeſagt.
Die Nymfen heißt Begier und ſchneller Vorwitz gehen /
Zu melden dieſe Qual ſo ſie bißher geplagt:
Die trauret / daß ihr Schatz mit Eyd und Schwuͤren ſchertze /
Und jene / daß man ſie nur liebe bey der Nacht;
Ein andre wie die Treu gar oft vom Buhler ſtertze /
Daß ſie ein Kuß / und nicht ein Ehſchluß froh gemacht;
Die zeigt ihr blaß Geſicht / und wie ſie ſich verwachet;
Die denckt durch Firniß noch zu mahlen Wand und Mund;
Viel ſchaͤtzen ſich vergnuͤgt wenn nur der Liebſte lachet /
Und bauen uns gemein auf einen faulen Grund.
Es ligt das bleiche Volck der Liebe zu den Fuͤſſen /
Kocht einer noch das Blut / ſo wil ſie einen Mann;
Viel die den Kern verzehrt und leer ſich ſpeiſen muͤſſen /
Die reitzet doch der Leim von eitler Wolluſt an;
Ja manchen waͤchſt der Muth und zancken mit dem Gluͤcke /
Sie ſchlagen Reichthum fuͤr / Witz / Jugend / Schoͤnheit / Stand;
Der Himmel iſt nur taub und eiſern das Geſchicke /
Sie werden nicht gefreyt / wie ſehr ſie ſonſt bekand.
Dergleichen Klagen mehr / erhub der Jungfern Orden /
Als eifrig umb Verhoͤr die Frauen hielten an;
Die / als ſie / nach Gebuͤhr / ſind vorgelaſſen worden /
Btfeſtigten den Streit deß Rechtes / wie man kan:
Die erſte wolte bald die Oberherꝛſchafft haben /
Der Mann der ſolle nur ein treuer Frohne ſeyn /
Und eine junge rufft: ach! daß mein Greiß begraben;
Die dritte / weh! mein Mann liebt mich nicht / nur den Wein;
Die ſpricht: mein Knoblochs Haupt hat weiter keine Keime /
Und die: ein Buch gilt mehr / als mein gerader Leib;
Die etwas bloͤder iſt: ſagt ich weiß nichts als Traͤume /
Bin Jungfer in dem Werck und vor der Welt ein Weib.
Viel andre klagen mehr und Angſt-erfuͤlltes Kuͤmmern /
Beſchwunge / wie mit Nacht / der Liebe goldnen Thron;
Sie aber ſprach: es muß bey mir heut Anmuth ſchimmern /
Und die Behaͤgligkeit verſchoͤnern meine Kron:
Es28Hochzeit-Gedichte.
Es ſey / auf eurer Bruſt / ſind Fehler wo begangen /
Man hoͤr ingleichen auch der Maͤnner Nothdurfft an /
Zwey Schalen hat das Recht / an ſelben muß es hangen /
Jch bin den Parten nicht wie Menſchen zugethan.
Die Reden unterbrach die Rey von den Poeten;
Es war ein praͤchtig Volck / mit Lorbern außgeziehrt /
Sie ſtimmten aufden Ruhm der Liebe ihre Floͤtten /
Und ſtritten / wem die Kron und Vorzugs-Recht gebuͤhrt /
Beklagten ſonſt ihr Gluͤck und wie der Jungfern Hertzen
So kalt als Zembliſch Eiß / mit Stein und Stahl umſchraͤnckt /
Wie ſie Gefangene vertruͤgen herbe Schmertzen /
Wie man vor tauſend Verf auch einen Kuß nicht ſchenckt;
Sie haͤtten nachgedacht / die Federn abgebiſſen:
Die Naͤgel ſchier verzehrt / den Kopf faſt kahl gemacht /
Auf daß ein ewig Lied holdſelig moͤchte flieſſen /
Und ruͤhmen Himmel-hoch des Frauen-Zimmers Pracht;
Die Liebe wolle doch ſich ihrer auch erbarmen /
Sie wuͤrden fuͤr den Spruch auf ewig danckbar ſeyn;
Jhr Wunſch waͤr / auf der Bruſt der Liebſten zuerwarmen /
Ein Kuß waͤr ihnen mehr als andern Himmel-Wein.
Ein freyes laͤcheln hat der liebe Mund entſchloſſen;
Diß was ihr vorgebracht ſchuͤtzt eure Sache nicht /
Mein Frauen-Volck und ihr treibt nur verliebte Poſſen /
Faßt euch zu andrer Zeit auf kraͤftigern Bericht /
Jetzt ſoll der werthe Tag mit zancken nicht verrauchen:
Wen aber ſeh ich dort in einem Krantze ſtehn?
Gewiß / ihr habt gewollt zum Vorſpruch ihn gebrauchen.
Allein er muß nur ſelbſt vor ſich zu rathe gehn
Und dencken wie er kan bey Gluͤck und Wolluſt lachen /
Weil ihr noch ſchmachten muͤſt in Marter-reicher Brunſt:
Mein Urthel das iſt kurtz: Jch gebe ſie zuſammen /
Jhr andern fuͤhrt eur Recht aufs nechſte beſſer auß;
Seht dieſer traͤgt den Preiß und ſeine ſuͤſſe Flammen /
Fuͤhrt die Ergetzligkeit in ein geſegnet Haus:
Holt / Tauben / holt mir her die friſchen Myrꝛthen-Kraͤntze /
Und Hymen zuͤnde nur die Hochzeit-Fackeln an;
Mein allerſchoͤnſtes Volck hegt itzt die Freuden-Taͤntze /
Und ſuchet / was den Geiſt durchaus erquicken kan.
Diß war der Liebe Schluß / in dem ein zartes Netze
Des Schlaffes linde Hand fuͤr ihre Augen webt;
Der29Hochzeit-Gedichte.
Der Glieder Sternen-Pracht entdeckte Luſt und Schaͤtze /
Und ſtund nun alles bloß was ſonſt der Flor begraͤbt /
Die Tauben ſchnaͤbelten und flochten Kuͤß in Kuͤſſe /
Sie wolten ſo ein Bild der erſten Ubung ſeyn /
Die Schwanen fachten zu / der Braut / die neuen Gruͤſſe /
Und ſungen: geht und ſchlaft / Verliebte / liebreich ein.
Hochzeit-Nacht Hn. P. H. d. R. und Jungf. H. A. 1666.
BRich angenehme Nacht mit deinem Schmuck hervor /
Wie ſehr du ſonſt verhaſt ſo wirſtu hier geliebet /
Weil deine tieffe ſtill offt mehr Ergetzung giebet /
Als wenn der Tag ſich weiſt an ſeinem Roſen-Thor /
Wer jemahls nur geliebt / hat Opffer dir gebrennet /
Damit kein Argus nicht ſein heimlich Feur gekennet.
Erſchein ingleichen auch der Clitemneſtern Sohn /
Du ſuͤſſer Abendſtern mit deinen guͤldnen Bruͤdern /
Fuͤhrt euren Reihen-Dantz und ſingt was von den Liedern /
So heiſſe Lieb erdacht / als vor der Venus Thron
Die Hertzen ſich gebuͤckt / das wunderholde wackeln
Zeugt noch ein lebend Feur in den verliebten Fackeln.
Du wirſt dein Silberlicht Diana nicht entziehn /
Noch der vermaͤhlten Zwey vertraulichs Kuͤſſen neiden /
Gedenck an jene Zeit und abgeſtohlne Freuden /
Da Latmus Steine dich von Flammen ſahen gluͤhn /
Als du Endimion dem Himmel vorgezogen /
Und hiengſt an ſeiner Bruſt und nicht an deinem Bogen.
Jhr Sternen die ihr nun verſchwendriſch habt geliebt /
Geht auf mit eurem Strahl und helfft die Braut-Nacht ziehren /
Verdolmetſcht Beider-Lieb aus euren Kreiß-Safieren
Der ſchlauhen Unter-Welt / die ſich im Lieben uͤbt /
Und vor der Sonnen-Licht des Mondenſchein erwehlet /
Wenn ſie die Einſamkeit beſtimmter Stunden zehlet.
Leandern ward bey Nacht und nicht bey Tage heiß /
Jn dieſe Kappe will ein Buhler ſich verhuͤllen /
Die friſche Regung laͤſt ſich nicht mit Worten ſtillen /
Der Menſch der iſt nur Menſch / und nicht ein Zembliſch Eiß /
Die kalte Mitternacht ſtarrt nicht in ſeinen Gliedern /
Wenn Liebes-Plitze gehn von ſchoͤnen Augen Liedern.
Ob30Hochzeit-Gedichte.
Ob fuͤr Gerichte gleich die Schoͤnheit wird verklagt /
Kan Phrynens Lilgen-Bruſt der Richter Augen fangen /
Daß ſie Barmhertzigkeit / dem Recht nicht nachgehangen /
Daß der verliebte Mund nicht / was der Wuͤrffel / ſagt.
Man weiß die Urſach auch ſo ihr Geſetz umbtrieben /
Die[Reitzung] war ins Blut in Marmel nicht geſchrieben.
Pericles den Athen und Grichen-Land gehoͤrt /
Hat bey Aſpaſien was ihn bewegt / gefunden /
Der Lacon und ſein Weib ſagt von Epaminonden
(Dem Abgott jener Zeit / der Laͤnder hat zerſtoͤrt)
Daß Lieb ihn nur ergetzt; der Periander brannte /
Als in Peloponeſ er einſt Meliſſen kannte.
Und iſts nun wunderns werth / daß itzt auch Flammen fuͤhlt
Das neu-verknuͤpffte Paar / daß ſich die Geiſter regen /
Und zu verſtrickter Gunſt itzt neuen Zunder hegen /
Daß Gegen-Liebe ſtets auß beyder Augen ſpielt /
Und die Vereinigung der Seelen gleichſam zeiget /
Ob ſchon der Mund nichts ſagt / und ob die Lippe ſchweiget.
Wie aber ſchoͤne Braut beliebt ihr denn die Nacht?
(Welch Cato will mich hier[umb] dieſe Frage ſchelten /)
Der Abend pflegt ſonſt auch bey Nimfen viel zu gelten /
Der offt mit Schertz / und Spiel / und Luſt wird zugebracht /
Jſts / daß vielleicht die Traͤum Ergetzligkeiten geben?
Wie? oder kan man da in etwas freyer leben.
Odatis hatte zwar zuvor im Traum geſehn
Den ſchoͤnen Zariad / und als er ſich verkleidet /
Ein unbekandter Gaſt an ihr die Augen weidet /
Jſt doch der Heyrath-Schluß mit Wnndern noch geſcheh’n.
Er ſteht vor andern da dem ſie die Schale giebet /
Und auch zugleich das Hertz / das vor im Traum geliebet.
Welch Jungfern Bild wuͤnſcht nicht dergleichen liebe Nacht /
Daß ihr ein Both ein Traum was kuͤnfftig moͤchte ſagen;
Und wer den Hymen wird recht umb die Urſach fragen /
Der ſpricht / dieweil die Nacht aus Jungfern Frauen macht /
So iſt ſie hoch geſchaͤtzt; und ſchon vor langen Zeiten
Ließ Venus bey der Nacht ihr Opffer zu bereiten.
Nun wol / Verliebte geht / braucht der benimmten Zeit /
Laſt / ſo viel Worte hier / bey euch auch Wercke werden /
Diß Weſen das erhaͤlt und fuͤllt den Bau der Erden /
Lebt in begluͤckter Eh / und ſteter Einigkeit /
Solt31Hochzeit-Gedichte.
Solt auch die Morgenroͤth euch ſehn beyſammen liegen /
So iſt doch diß der Troſt / die Nacht / die iſt verſchwiegen.
Auf die Hoch-Adel. Vermaͤhlung Hn. G. F. v. A. u. Jungf. U. M. v. K. 1668. den 12. Novembr.
ES iſt ein ſchoͤner Ort / und noch ein ſchoͤner Reich /
Das auch die alte Welt mit Tempeln hat geehret /
Ja das die Witterung der Zeiten nie verſehret /
Die Sonne ſcheinet da in hoͤchſter Klarheit gleich;
Des Mondens Wechſelung / deß Winters Grauſamkeiten
Vermoͤgen nimmer mehr diß Luſt Haus zu beſtreiten.
Der Floren Eh’-Gemahl der Weſt-Wind wohnet da /
Der Eteſinnen Schaar haucht Bieſam-ſtarcke Luͤfte /
Es ſteigt kein gifftig Dampf auß tiefer Thaͤler Gruͤfte /
Die Felder ſtrecken ſich den Huͤgeln nicht zu nah /
Der Blumen Zierath prangt in bund-gemahlten Bildern /
Und funckelt Sternen gleich auß jeden Luſt-Gefildern.
Da iſt der Sammel-Platz / der Freuden Aufenthalt /
Die bleiche Kuͤmmernuͤß wird ewig hier verwieſen /
Hergegen Luſt und Schertz / als Eigenthum / geprieſen /
Der Hohen groſſe Pracht und maͤchtige Gewalt
Schreibt nicht Geſetze vor / die Freyheit will regieren /
Und unter ibrem Stab Spiel / Anmuth / Liebe / fuͤhren.
Ob wol kein ſterblich Aug und ungeuͤbter Mund
Den Koͤniglichen Glantz der Zimmer kan beſchreiben;
Ob in der Feder ſchon die Worte ſtecken bleiben /
So iſt doch Zweifels frey / daß nie der Erden Rund
Dergleichen je gehabt und hier der Wolluſt Graͤntzen /
Jn welcher weſentlich der Schoͤnheit Strahlen glaͤntzen.
Das wolgebaute Schloß / ſo gleich den Sternen ſtieg /
Ließ ſeine Majeſtaͤt weit in die Ferne ſchauen /
Kein Kuͤnſtler duͤrffte was in ſeltnen Marmel hauen /
Des Phrygers kluge Hand behielt allein den Sieg:
Was Jupiter gethan / was Semele begehret /
Das hat ſein Nadel-Stich in Perl und Gold gewehret.
Die Waͤnde waren mit Rubinen außgeſetzt /
Und Saͤulen von Smaragd / und Fenſter von Eryſtallen /
Die lieſſen doppelt Liecht in jedes Zimmer fallen;
Hier war der Jaſpis nicht / noch der Achat geſchaͤtzt /
Jn -32Hochzeit-Gedichte.
Jndem der Diamant warf unerſchoͤpffte Strahlen /
Und auf dem Boden lag die Menge der Opalen.
Jn dieſem Wunder-Haus hielt ihre Hofe-Stadt
Die Mutter aller Luſt / die Herꝛſcherin der Erden /
Der Helden / wie ſie ſeyn / fuß-faͤllig muͤſſen werden /
Die Hertzen gleich Metall doch uͤberwunden hat.
Jhr ſchoͤnes Liebes-Volck erſchien in guͤldnen Haaren /
Und frey an Sinn und Geiſt / und angenehm an Jahren.
Es hatte ungefehr der Morgenroͤthe Schein
Den Himmel klar gemacht / als von den Schwanen-Kuͤſſen
Die Goͤttin ſuͤſſer Brunſt den zarten Leib geriſſen /
Der Schnee beſchaͤmen kan / und trotzt das Helffenbein /
Sie rief den Gratien / den Schmuck ihr anzulegen /
Und ihrer Schoͤnheit-Glantz aufs fleiſſigſte zu pflegen.
Jedwede ſteht bemuͤht / die rollt der Haare Zier
Jn krauſe Locken auf / wie wenn im hoͤchſten Scheine
Der Sonne Fackel ſteht / ſo blitzen auch die Steine
Umb das gekroͤnte Haupt; die bringet im Safier
Was von Jeßminen rinnt / und Pomerantzen ſchwitzen /
Das außgeputzte Haar anmuthig zu beſpritzen.
Ein andre ſtreuet drauf den Roſen Puder ein /
Weil die den Spiegel haͤlt die Goͤttigkeit zu zeigen /
Vor der ſich Oſt und Weſt demuͤtig muͤſſen neigen /
Doch / wie ſoll ein Cryſtall der Goͤttin noͤthig ſeyn?
Jhr himmliſch Angeſicht und ſeine Sternen-Blicke /
Schickt in vermehrter Pracht jedweder Ort zuruͤcke.
Jn dem ſie gantz entzuͤckt verwundert ihre Zier
Koͤmmt der geliebte Sohn hochmuͤhtig angezogen /
Gewaffnet / wie er pflegt / mit Koͤcher / Pfeil und Bogen /
Und kuͤſt der Mutter Hand; Was / ſpricht ſie / haſtu fuͤr;
Wer liegt von deinem Pfeil? Wilſtu die Goͤtter zwingen;
Dyctinnen wiederumb auß ihrem Kreiſſe bringen.
Es lag der kleine Schalck an ihrer Lilgen-Bruſt /
Und rief / der Sieg iſt mein / auf Mutter / auf Dione /
Dein Kind verdient mit recht die ſchoͤnſte Lorber-Krone /
Der Pfeil hat nicht gefehlt / und unbegraͤntzte Luſt
Erfuͤllet mir das Hertz / auf / ſchaffe Taub und Wagen /
Und laß dich / den Triumph zu ſehen / praͤchtig tragen.
Du kenſt Uranien / ſo mag der Nahme ſeyn /
Die Blum aus edlem Stamm / der Eltern Troſt und Freude /
Des33Hochzeit-Gedichte.
Des Vatern Augen-Luſt / der Mutter Seelen-Weide /
Die zwar der Ahnen Ruhm / doch eigner Tugend-Schein
Noch mehr vollkommen macht / und die durch ihre Sitten
Der Menſchen Gunſt erweckt / den blaſſen Neid beſtritten.
Nun derer zarter Geiſt / dem Lieben nicht bekant /
Der Mutter / kein Altar / noch Opffer dir geweyhet /
Und dem die Wolluſt nie Lockkoͤrner hat geſtreuet /
Fuͤhlt itzt durch meinen Trieb in Adern einen Brand /
Und hier / erweg es recht / bin ich nicht blind geweſen /
Weil ich zum Braͤut gam den / der wuͤrdig / ausgeleſen.
Der Adel / ſo ihn ziert / die Weißheit / ſo ihn kroͤnt /
Der ausgeſchaͤrffte Witz durch Leſen / Dencken / Reiſen /
Den auf dem Pindus noch die Muſen alle preiſen /
Bezeigen / daß ihm anch das Gluͤcke hier verſoͤhut /
Und guͤnſtig wollen ſeyn: Weil ſeine gantze Jugend
Ein wahrer Junbegrief der Wiſſenſchafft und Tugend.
Der Lieb-reitz hatte nicht die Worte recht vollbracht /
Die Hertzens-Wenderinn ſie ſattſam angehoͤret /
Als ſie des Hauptes Schmuck mit neuen Strahlen mehret /
Den Leib in Purpur huͤllt / den Guͤrtel fertig macht /
Zu guͤrten umb den Leib / der maͤchtig Wind und Wellen /
Samt aller Wetter-Brunſt / in ſanfte Ruh zu ſtellen.
Drauf hub ein linder Weſt die Goͤttin in die Hoͤh /
Des Himmels Hyacynth ward ob der Ankunfft helle /
Die Lufft warf vor den Schnee die Lilgen auf die Stelle /
Der Regen kehrte ſich in Roſen / Nelck und Klee /
Der gantze Bodem ſchien von neuem aufzubluͤhen /
Und die Ergetzligkeit den Wagen ſelbſt zu ziehen.
Sie rief dem Fluͤgel-Heer / und ſprach / Geliebte / geht /
Du / Hymen / ſolſt alsbald die Hochzeit-Flamm entzuͤnden /
Du aber / Einigkeit / die Hertzen ſo verbinden /
Als mit dem Eiſen ſich vermaͤhlet der Magnet /
Jhr andern holet Kraͤntz / und Blumen in der Menge;
Verbeſſert / wie ihr koͤnt / der Liebenden Gepraͤnge.
Theils ſtecke Lichter auf / theils ſchuͤtte Balſam aus /
Ja was uns Sidon ſchickt / und was der Serer webet /
Was Tyrus kuͤnſtlich faͤrbt / und was der Pers erhebet /
Das werde hin und her gebreitet durch das Haus /
Jhr muſt ein Braut-Bett baun / und in die Saͤulen graben
Den Ruhm / ſo beyderſeits verliebten Eltern haben.
C cOb34Hochzeit-Gedichte.
Ob zwar der Artzat laͤngſt das Reich der Sterbligkeit
Geſegnet und nunmehr in andern Freuden ſitzet /
So lebt der Nachruhm noch / wie er der Stadt genuͤtzet /
Wie ſeiner Sorgfalt-Treu bey Fruͤh - und Abends-Zeit
Der Buͤrger Heil geſucht; man ſieht von ſeinen Soͤhnen /
Mit gleicher Folg und Lob das werthe Grab bekroͤnen.
Der / den die gantze Stadt / aus Pflicht / als Vater ehrt /
Hat fuͤr gemeinen Nutz ingleichen ſtets gewachet /
Den itzt der Himmel ſelbſt mit Freuden-Schein anlachet /
Der ohne Thraͤnen nicht der Freunde Gluͤck-Wunſch hoͤrt /
Hat von dem Vaterland ſchon laͤngſt den Schluß erlanget /
Daß er mit Ruhm und Recht in Lorber-Kronen pranget.
So ſprach Jdalia / und trat mit voller Pracht
Jn das begluͤckte Haus / die ſchoͤne Braut zu gruͤſſen /
Und in der Armen Band holdſeeligſt einzuſchlieſſen.
Was thut Uranie / die von der Liebe Macht
Und Staͤrcke noch nicht weiß? von Zucht und Scham getrieben /
Giebt ihre Roͤth an Tag / ſie kenne nicht das lieben.
Nicht anders miſcht ſich Blut mit reinem Helffenbein /
So faͤrbt die Roſe ſich bey klaren Sommer-Tagen /
So ſieht bey fruͤher Zeit der Morgen-Roͤthe Wagen.
Die Venus brach heraus / es muͤſt ein Felſen ſeyn /
Der dich nicht lieben ſolt / ich muß es frey bekennen /
Du koͤnteſt Goͤtter ſelbſt / nicht nur die Menſchen / brennen.
Wolan / der Seiten-Klang / der Gaͤſte freyer Schertz /
Und deines Braͤutigams hoͤchſt-eyfriges Verlangen /
Erwarten Tantz und Spiel / der Tag iſt nun vergangen /
Diana weiſet ſchon die blancke Silber-Kertz /
Am hohen Himmels-Saal / und jede Sterne ruffen /
Des Namens Ewigkeit iſt aus der Eh zu hoffen.
Nim dieſen Demant-Krantz zum Zeichen meiner Gunſt;
Es muͤſſ euch Freud und Luſt zu Tiſch und Bette dienen /
Es muͤſſe fort fuͤr fort der Baum der Liebe gruͤnen /
Und unausloͤſchlich ſeyn die Flammen reiner Brunſt:
Sie ſchloß / und ließ zugleich das Liebes-Ambra glimmen /
Jndem der Goͤttin Wunſch bejahten aller Stimmen.
Auf35Hochzeit-Gedichte.
Auf die P. und W. Hochzeit 26. Febr. 1669.
DJe Venus ließ ein Mahl auffs praͤchtigſte bereiten /
Cupido ſolte da der Jungfern Marſchalck ſeyn;
Bald henckt der kleine Schalck den Koͤcher an die Seitẽ /
Und ladet hier und dort die ſchoͤnen Nimfen ein:
Er ſagte / werthes Volck / des Himmels Meiſter-Stuͤcke /
Jhr Edelſten Geſchoͤpff / und Wunder dieſer Welt /
Seht welch ein Freuden-Schein durch milde Gnaden-Blicke /
Von meiner Mutter Gunſt auff eure Scheitel faͤllt.
Sie hat ein Feſt der Luſt hoͤchſt-feyrlich angeſetzet /
Das eure Gegenwart noch angenehmer macht.
Was nur erſinnlich iſt / das euch durchaus ergetzet /
Wird da in einem Kreis als wie zuſammen bracht /
Die Tafel iſt beſtellt mit auserleſnen Speiſen /
Jhr habt da Goͤtter-Brodt und lauter Nectar-Wein.
Was meine Pflicht betrifft / wil ich mich ſo erweiſen /
Daß jeder ſagen kan / Cupido macht es fein.
Alleine laſt euch diß zu einer Warnung dienen /
Je ſchoͤner ihr geziert / je hoͤher man euch ruͤhmt.
Wo ihr / wie Sonnen / kom̃t in Schmuck und Pracht geſchienen /
Und daß der gantze Leib mit Sternen uͤberbluͤhmt /
So wird der Venus Aug euch mit Vergnuͤgung ſchauen.
Ja daß zum Uberfluß an Zierath nichts gebricht /
(Wo ihr nur anders wollt auch meinen Worten trauen /)
Urtheilet unter euch der Farben Nacht und Licht.
Drauff ſchloß der Hertzens-Dieb / als ihm das Frauen-Zimmer
Einhellig Antwort gab: er / als der liebſte Sohn /
Verſtuͤnde witziger der Farben Glantz und Schimmer /
Sie hofften treuen Rath und Unterricht davon.
Der Purpur deckte nur der Venus Perlen-Glieder /
Sie wolten Nimfen und nicht gleich den Goͤttern ſeyn.
Den Seiden-reichen Sammt beliebte nicht ein jeder /
Offt geb ein andrer Zeug den allerbeſten Schein.
Wol / ſprach der Fluͤgel-Schuͤtz / ihr Blumen zarter Jahre /
So viel als Blumen in dem guͤldnen Lentzen ſtehn /
So viel erwehlt euch von der Farben Art und Wahre /
Jhr ſolt zu Tantz und Spiel gemahlt wie Bilder gehn.
Ach angenehmer Schluß! jedwede ward erfreuet;
Das Liebens-werthe Volck hebt einen Wett-Streit an.
C c 2Die36Hochzeit-Gedichte.
Die kieſet ihr ein Kleid mit Lilgen uͤberſtreuet /
Die einen Sommer-Rock der gleich dem Majoran /
Der hat das Mohren-Braun und jener Roth beliebet /
Ein andre Himmel-Blau und Safran-Farb erwehlt.
Weil nu das meiſte Theil das Urtheil von ſich giebet /
Und den erkohrnen Zeug auch fuͤr den Schoͤnſten zehlt;
Hat eine Nimfe ſich / die Roſilis mag heiſſen /
Von Zucht und Froͤmmigkeit und Tugend werth geſchaͤtzt /
Nach keinem Mode-Kleid und Farben wollen reiſſen /
Weil eine beßre Tracht ihr rein Gemuͤth ergetzt.
Was / ſprach ſie / Schweſtern / ſoll ein leichter Rock mich zieren?
Gedenckt ihr Thoͤrichten / der Winter ſey ſchon hin?
Jhr moͤgt den ſtoltzen Leib in Seid und Sammt einſchnuͤren /
Laſt mir nur dieſen Ruhm / daß ich vorſichtig bin.
Der Farben Sternen-Glantz verwiſcht der Schwam der Zeiten /
Der Morgen-Roͤthe Gold bedeckt der Wolcken Nacht /
Jch wil mir einen Peltz zum Kleide zubereiten /
Der Fruͤh und Abends mir verlangte Waͤrme macht.
Cupido ruffte laut; Kommt Liebſten / kommt und eilet /
Die Venus muß die Nymf in ihrem Peltze ſehn /
Wir hoͤren den Beſcheid / den ſie darob ertheilet /
Und forſchen weiter nach / was irgend ſey geſchehn.
Sie hatten kaum genaht zu dem beruͤhmten Throne /
Der voller Diamant und Perlen traͤchtig ſtand /
Als das geſalbte Haupt und Stralen-reiche Krone /
Die Goͤttin ſuͤſſer Bruſt zu ihrem Volck gewand /
Anmuhtig ſagende: Willkommen holde Gaͤſte /
Der Seiden-Kleider Glantz / der ſchoͤnen Farben Schein
Bezeuget / daß ihr ſeyd anſtaͤndig dieſem Feſte /
Und ſollt noch tauſendmal von mir willkommen ſeyn.
Diß aber ſag ich klar / wer euch nicht ſchoͤne nennet /
Der iſt ein Tiger-Thier und der Vernunfft beraubt.
Alleine wuͤſt ihr nicht / daß die im Peltze brennet /
Daß ſie bey eurer Wahl das Beſt ihr ausgeklaubt?
Und merckſt du nicht mein Sohn die Roſen-Glutt der Wangen?
Ach unſre Roſilis iſt eine Faͤrberin.
Sie wuſte / daß der Froſt und Reiff noch nicht vergangen /
Drumb nimmt ſie einen Peltz fuͤr alle Farben hin.
Jhr lieber Braͤutigam ſoll ihr zum Peltze dienen /
Wenn dieſer ſie nur waͤrmt / ſo hat es keine Noth.
Tritt37Hochzeit-Gedichte.
Tritt denn der Fruͤhling an / ſo wird ſie gleich falls gruͤnen /
Annehmlich von Geſtalt / lebhafftig / Roſen-roth.
Jhr andre Nymfen moͤgt die duͤnnen Roͤcke preiſen /
Sie zieren euch den Tag und nuͤtzen nicht die Nacht!
Die Roſilis laͤſt ſich mit einem Peltz abſpeiſen /
Den ſie weit hoͤher ſchaͤtzt als aller Kleider-Pracht.
Wuͤnſcht / was die Schuldigkeit erfordert / beiden Gluͤcke /
Der Peltz / der ſchweb in Freud und ſeine Braut in Luſt;
Es ſey ein ſolches Kleid / das ſich zu allen ſchicke /
So wol im gruͤnen Lentz als in des Winters Wuſt.
Jndeſſen / liebſter Sohn / laß nur die Seiten klingen /
Und uns von Hertzen fro bey dieſem Feſte ſeyn;
Du magſt mit deinem Volck / als wie du pflegeſt / ſpringen /
Biß euch zu Bette jagt des Mondens ſpaͤter Schein.
Gluͤckwunſch auf die W. und G. Hochzeit den 17. Febr. 1670.
APollo kam zu mir und wolte mich beſprechen /
Er hatte ſein Geſicht in ſchwartzen Zorn verhuͤllt:
Er ſchwur; Jch und mein Chor muß dieſen Frevel raͤchen /
Weil keine Pflicht bey dir der alten Freundſchafft gilt:
Verſagſt du dem ein Lied / der an der Pallas Bruͤſten
Die Koſt der Wiſſenſchafft genoſſen als wie du?
Wirſt du bey dieſem Feſt den Pegaſus nicht ruͤſten /
Daß er der Schuldigkeit ein voll Genuͤgen thu?
Jch ſprach: Gekroͤnter Fuͤrſt / fuͤr dem der Pindus zittert /
Und den der Muſen Schaar als ihren Koͤnig ehrt /
Seynd eure Majeſtaͤt auff mich ſo hoch erbittert?
Ach ihr fußfaͤllig Knecht werd auff ein Wort gehoͤrt!
Den Freunden hab ich nie der Freundſchaffts-Pflicht entzogen /
Und der Vertrauten Feſt iſt mir nicht unbekand /
Es waͤre laͤngſt mein Geiſt in Helicon geflogen /
Und haͤtte zu dem Quell Pirenens ſich gewand.
Allein was bringt man fuͤr? von Lieb und Lieben fingen /
Von Schertzen / Freud und Luſt / das iſt ein altes Spiel /
Und uͤber Hals und Kopff die Reim auff Wuͤnſche zwingen
Jſt ein gemeines Werck / und gilt numehr nicht viel:
Des Frauen-Zimmers Pracht und Schoͤnheit zu beſchreiben
Muß ein Narciſſus ſeyn der ſelbſt voll Flammen brennt /
Denn / wem der Liebreitz nicht die Geiſter pflegt zu treiben /
Macht ungereimtes Ding / das keine Zierrath kennt.
C c 3Und38Hochzeit-Gedichte.
Und du / o Delius / kanſt ſelber nicht wol leiden /
Wenn man veraͤchtlich Zeug in deinen Tempel bringt:
Weß aber ſoll ich mich auff ſolchen Fall beſcheiden /
Wo nehm ich ein ſolch Lied / das dir und allen klingt?
Jch mag nicht den Gebrauch der Voͤlcker hier erzehlen /
Und wie das Morgenland ſein Hochzeit-Feſt gemacht /
Den Deutſchen wil ich nur zum Beyſpiel hier erwehlen /
Der einen Kopff der Braut gab vor die erſte Nacht.
Er muſte ſich zuvor wol fuͤr dem Feinde halten /
Eh als der Hymen ihn zu Bette hat gefuͤhrt:
Ob zwar nun die Geſetz auch mit der Zeit veralten /
Und diß was geſtern galt uns heute nicht gebuͤhrt /
Nichts deſtoweniger wuͤrd aus der Venus Munde
Kein ander Urtheil gehn / als: Welcher ſich verfreyt
Jſt ſchuldig / daß er auch zum feſten Liebes-Bunde
Mit einem Kopff die Braut beſchenckt die Lebens-Zeit.
Verknuͤpffte laſt euch nicht die Rede dunckel ſcheinen /
Die Warheit macht den Schluß als wie die Sonne klar:
Jch weis das Frauen-Volck wirds gaͤntzlich mit mir meynen /
Der Kopff / den ich verſteh / hat nicht nur Haut und Haar /
Er muß auch mit Verſtand und Weißheit ſeyn gezieret /
Denn Maͤnner ohne Witz ſind Lampen ohne Licht /
Und wem die Pallas nicht die Glut der Sinnen ruͤhret /
Vermiſt hernach zu ſpaͤt den Schatz / ſo ihm gebricht.
Denn wie im Gegentheil man an dem Frauen-Zimmer
Zucht / Schoͤnheit / Stand und Gut als Eigenſchafften zehlt /
So dencket es auch drauff / und irret hierin nimmer
Wenns einen weiſen Mann fuͤr eine Thoren wehlt.
Was ſoll dem Narren Geld umb Weißheit zuerkauffeu /
Und haͤtt er Potoſi und Lima im Beſitz
Er moͤcht in Lybien und gar nach Zembla lauffen /
Er aͤndert zwar die Lufft doch nie den Aberwitz.
Dis hat ja die Natur ſonſt einem Mann gegeben /
Daß er auff Ernſt bedacht / und nicht mit Tocken ſpielt /
Und wo die Weißheit uns gebricht in dieſem Leben /
Wird nimmermehr der Zweck verlangtes Gluͤcks erzielt.
Setzt ſie nicht Salomon weit uͤber alle Schaͤtze?
Erbaut die Koͤnigin nicht Staͤdte / Feld und Land?
Erklaͤrt ſie nicht das Recht / und ſchreibet die Geſetze?
Macht ſie uns Menſchen nicht dem Himmel nah verwand?
Ja39Hochzeit-Gedichte.
Ja iſt ſie nicht ein Licht / das uns die Wege weiſet?
Ein Leit-Stern der zum Troſt und auch zum Nutze brennt?
Ein unverzehrlich Tiſch der uns mit Manna ſpeiſet?
Ein unbeweglich Gut das keinen Zufall kennt?
Und dieſes iſt der Kopff den jederman ſoll briugen
Der Braut als ein Geſchenck / und wahres Heyrats-Gifft /
So wird das Band der Eh / hauptſaͤchlich wol gelingen /
Und Fried und Einigkeit hat nichts als Luſt geſtifft.
Der alte Deutſche mag den Kopff vom Feinde ſchencken /
Es gilt ein kluger Kopff zu unſern Zeiten mehr.
Die Richtſchnur der Vernunfft muß Hertz und Sinnen lencken /
Wo uns begluͤcken ſoll vollkom̃ner Ruhm und Ehr.
Herr Braͤutigam / der laͤngſt der Weißheit ſich verpflichtet
Und in dem Helicon ſich umbgeſehen hat /
Daß ſeine werthe Braut ihr Hertz auff ihn gerichtet /
Jſt eine gute Wahl / und Lobens / werthe That.
Denn / wem iſt unbekant wie in den erſten Jahren /
Er ſeine meiſte Zeit in Buͤchern zugebracht /
Und denn den Lauff der Welt noch beſſer zu erfahren /
Als Mars zu Felde bließ / ins Lager ſich gemacht.
Nun folgt auff Schweiß und Fleiß ein ruhiges Ergetzen:
Der Himmel ſey euch hold und ſegne euren Stand!
Und wolle gleich der Neid an euch die Zaͤhne wetzen /
So iſt er ungehirnt und fuͤhret einen Brand.
Diß iſt der Laͤſtrer Art die Tugend zu verdruͤcken /
Wiewol ſie Palmen gleich biß an die Sterne geht /
Wil euch das Gluͤcke wol mit ſeinen Gnaden blicken /
Was fraget ihr darnach wies umb den Momus ſteht.
Jndem ich dieſes ſing / heiſt mich Apollo ſchweigen /
Und ſpricht: Verſtoͤre nicht der Treu-verliebten Ruh;
Der Arm der da gekont die Schlange Python beugen /
Jſt maͤchtig / daß er auch dem Neid dergleichen thu.
Wer meine Muſen ehrt / den ehren ſie hinwieder /
Sie ſtellen insgeſammt ſich bey der Hochzeit ein /
Und wuͤnſchen dieſem Paar durch Freund-geſinnte Lieder /
Daß ihre Liebe moͤg ohn alles Ende ſeyn.
C c 4Klean -40Hochzeit-Gedichte.
Kleander und Roſellens Wechſelbrieff bey dem K. und E. Hochzeit-Feſte den 18. Nov. 1670. abgegeben.
Kleander.
MEin Licht / ob gleich mein Brief mit Blumen nicht ge - ſchmuͤcket /
Und ſchlechtes Wintergruͤn zu ſeiner Kleidung hat /
So kennſtu doch die Glut / die aus den Zeilen blicket
Mehr roth als eine Nelck / hell als ein Roſenblat.
Es hat die Flora zwar die Bilder ihrer Auen /
Der Gaͤrte Bluhmenwerck entzogen unſrer Luſt /
Noch dennoch heiſt die Lieb ein Paradiß aufbauen /
Dem die Veraͤnderung der Zeiten nicht bewuſt.
So muß der Winter auch zu einem Fruͤhling werden /
Und in dem Hertzen ſtets ein warmer Sommer ſeyn /
Ja deiner Augenſtral / und freundliche Geberden /
Sind mir mehr angenehm als aller Sonnenſchein.
So bald nur deine Hand wird meinen Brieff beruͤhren /
Ob gleich die ſtrenge Lufft ſchon mit Gefroͤſte dreut /
So wirſtu gar gewiß / wie ich muß brennen / ſpuͤren /
Und wie dem Ætna gleich mein Hertze Flammen ſpeyt.
Doch kanſtu ohn Gefahr eroͤffnen was geſchrieben /
Hier hemmt uns kein Verbot / noch ſchaͤles Angeſicht /
Der gantze Jnnhalt iſt / ich muß dich ewig lieben /
Mein Dencken und mein Thun iſt bloß auf dich gericht /
Und heute kommt der Tag der uns wird mehr verbinden /
Und dieſes Buͤndnuͤſſes ein kraͤfftig Zeuge ſeyn:
Jhr Buhler jener Zeit moͤgt Eyd und Schwur erfinden /
Er trifft an Heiligkeit mit dem nicht uͤberein.
Jſt nicht von jener Brunſt nur lauter Aſche kommen?
Wird nicht der Dido Schwerd / der Sappho Felß verlacht?
Jſt nicht ihr Lebens-Tacht im hoͤchſten Schimpff verglommen?
Ertranck Leander nicht in Wellen bey der Nacht?
Nein / gar ein ander Trieb regieret unſre Geiſter /
Es brennt ein ſtaͤrcker Arm die Hochzeit-Fackeln an.
Der Menſchen erſt erſchuff / und auch der Menſchen Meiſter
Hat Oele reiner Zucht zu dieſem Feur gethan.
Das41Hochzeit-Gedichte.
Das ſelbſt deß Prieſters Mund wird heut andaͤchtig ſegnen /
Das nimmermehr verleſcht und keinen Zufall kennt /
Jn ſolchen Flammen wil ich dir mein Schatz begegnen /
Biß daß der blaſſe Tod die Lebens-Geiſter trennt.
Jedoch du kennſt mein Hertz / was ſol ichs mehr entdecken /
Du weiſt ja wie du biſt verſichert meiner Treu /
Lieb und Verlangen ſinds ſo dieſen Wunſch erwecken /
D meine liebſte Braut doch bald zu Bette ſey.
Der Muſic ſuͤſſer Klang / der Safft von edlen Reben /
Der Speiſen Koſtbarkeit ergetze Freund und Gaſt!
Es wird dein rother Mund mir mehr Vergnuͤgung geben /
Wenn du mich ſo getraͤnckt / und ſatt geſpeiſet haſt.
Uns wird die Jugend ſchon zu neuen Freuden leiten /
Und Anmuth wickelt uns in ihre Schlingen ein.
Es wird der Juno Hand das Bette zubereiten /
Cupido rings umbher der Wolluſt Roſen ſtreun.
Doch wo vergeh ich mich? und ſpiele mit Gedancken?
Hier zeucht Verſchwiegenheit uns eine Decke fuͤr;
Der anberaumten Zeit geſatzte Stund und Schrancken /
Die wollen / daß ich nun ſoll eilen / Schatz / zu Dir.
Verzeyhe mir mein Kind ich muß den Brief beſchlieſſen /
Mein Hertz das ſehnet ſich gekroͤhnt bey dir zu ſtehn /
Und ich wil dieſe Nacht dich doppelt ſo viel kuͤſſen /
Als viel der Zeilen hier auß ſchneller Feder gehn.
Roſelle.
JCh muͤſte Marmel ſeyn und Stahl im Hertzen tragen /
Wenn deine ſchoͤne Schrifft nicht meinen Geiſt ergetzt.
Du darfſt mein Seelen-Freund nit erſt von Blumen ſagen /
War doch der gantze May in deinen Brief geſetzt /
Die Woͤrter rochen mir wie Balſam von Jeßminen /
Die Reden dauchten mich ein ſtarcker Ambra ſeyn.
Und was mich mehr erfreut / ich ſah die Liebe gruͤnen /
Jn unverwelckter Bluͤth / und unbeflecktem Schein.
Jch muß mit ſchwacher Hand nur diß zur Antwort geben /
Wann du von Flammen ſagſt / ſo fuͤhl ich eine Glut:
Nennſtu mich deinen Troſt / ſo nenn ich dich mein Leben:
Dein Mund der heiſt mich Schatz / ich dich mein hoͤchſtes Gut.
Denn weil die Tugend hat der Liebe Grund geleget /
So muß Beſtaͤndigkeit darauf ein Wohnhauß baun /
C c vUnd42Hochzeit-Gedichte.
Und weil dein Ebenbild ins Hertze mir gepraͤget /
So ſolſt du mich vermaͤhlt in deinen Armen ſchaun.
Es ſoll des Prieſters Mund heut unſern Schluß verſigeln /
Es windet uns die Eh ein unzertrennlich Band:
Die Liebes-[Knaben] ſtehn / und fachen mit den Fluͤgeln
Die lichten Funcken auf zu mehren unſern Brand.
Und weil du mir verſprichſt auf ewig mich zu lieben /
So ſol auch meine Treu der Deinen gleiche gehn /
Jch wuͤrde durch die Glut / durch Well / und Wind getrieben
So muͤſt ich doch bey dir als Mitgefertin ſtehn.
Jch wil mich hoͤchſt erfreun / wird uns die Sonn anlachen /
Und doch ſein Wolgemuth wenn gleich der Himmel weynt:
Jch wil die Sorgen Dir mit Liebe leichter machen /
Und weiſen wies mein Hertz bey allen Faͤllen meynt.
Es mag die Arria die graue Zeit erheben /
Laodami in Ruhm bey ihrem Ehman bluͤhu /
Jch will an Pflicht und Treu auch Dieſen nicht nachgeben
Und umb den Siges-Krantz der Liebe mich bemuͤhn.
Was aber ſaͤum ich mich das Braut-Kleid anzulegen /
Jch weiß dein Hertze wuͤnſcht / und ſehnet ſich nach mir.
Die Liebe laͤſt mich auch nicht lang Geſpraͤche pflegen /
Es wiſcht Ergetzlichkeit die Zeilen vom Papir.
Mein eintzig Aufenthalt / du Leitſtern meiner Sinnen /
Vergib mir wo mein Brieff von keiner Anmuth glaͤntzt /
Auß Eile kan ich nicht was Zierliches beginnen /
Die Hand die dencket nur / wie ſie dein Haupt bekraͤntzt /
Jn deinem Arm zu ruhn / das iſt itzt mein Verlangen /
Jhr Stunden lauffet fort / brich an gewuͤnſchte Nacht /
Daß ich kan meinen Schatz mit einem Kuß umbfangen /
Den Venus ſelbſten hat zum Siegelring gemacht.
Auf Hn. H. G. Z. auf L. d. R. u. Jungf. S. M. H. Hochzeit den 27. Jan. 1671.
Perlemuth.
DJe Haͤnde zittern mir / ich weiß nicht ob ich ſchreibe /
Die Liebe mahnt mich an / die Scham haͤlt mich zuruͤck /
Bald fuͤrcht ich daß der Neid ſich an die Zeilen reibe /
Bald ſtaͤrcket mir den Muth das dluͤhende Geluͤck /
Gelieb -43Hochzeit-Gedichte.
Geliebſter Hyaeinth / und ſolt ich gleich verfehlen /
So iſt der Trieb zu groß / der meine Feder regt /
Jch muß dir meine Lieb auch in dem Brieff erzehlen /
Und wie gleich einer Uhr mein Hertze nach dir ſchlaͤgt.
Den Himmel ruff ich an als einen reinen Zeugen /
Daß ich die Lebens-Zeit von keiner Brunſt gewuſt /
Daß nichts / was liebreich iſt / mein Hertz mir koͤnnen beugen /
Und daß ich gantz entfernt von eitler Liebes-Luſt.
Jch habe Venus-Thron mit Weyrauch nie verehret /
Noch des Cupidens-Pfeil von einer Krafft geſchaͤtzt /
Mein Ohr hat keinen Klang / der uͤppig iſt / gehoͤret /
Noch an der Buhlerey der Jugend ſich ergetzt.
Verliebte waren mir in den Gedancken Thoren /
Jch lachte wenn ich ſah ein bleiches Angeſicht:
Jetzt hat Jdalia auf Rache ſich verſchworen /
Und Amors guͤldner Pfeil iſt ſcharff auf mich gericht.
Begierde / Furcht und Scham beſtuͤrmen meine Sinnen /
Jch fuͤhle was mich reitzt / und weiß nicht was es ſey /
Nun werd ich allererſt der Seelen-Regung innen /
Nun merck ich / daß ich nicht von Liebes-Flammen frey.
Dein Anblick / Hyacinth / nahm mich alsbald gefangen /
Und die ich Maͤnnern feind war dir zum erſten hold /
Die angezuͤndte Glut vermehrt nun das Verlangen /
Daß ich dich lieben muß iſt meine groͤſte Schuld.
Zwar ſolte gleich die Welt auch hier ihr Urtheil ſprechen /
So weiß ich daß ſie mich nicht gar verdammen kan /
Und meinen Liebes-Bau wird leicht der Neid nicht ſchwaͤchen /
Weil ſich die Tugend hier zum Grund-Stein leget an.
Die / Edler Hyacinth / hat dich mir vorgemahlet
Und deine Treffligkeit in Spiegeln mir gezeigt /
Wie dein geuͤbter Sinn vom Glantz der Weißheit ſtralet /
Und dir die Gratien ſo trefflich wol geneigt.
Mich hat nicht nur die Luſt der friſchen Jahr entzuͤcket /
Die nur vergaͤnglich iſt / und ſchwindet mit der Zeit /
Als ich den Ehren-Stand / den du bedienſt / erblicket /
Ward Zunder groͤſſer Luſt ins Hertze mir geſtreut.
Zu dem ſo wuſt ich auch daß du getreu im Lieben /
Daß du Beſtaͤndigkeit zum Zwecke dir erziehlt /
Nicht wie[manch] gruͤner Sinn / der nur von Luſt grtrieben
Sich ſtellt verliebt zu ſeyn / und nur mit Eyden ſpilt.
Es44Hochzeit-Gedichte.
Es hat mich auch dabey noch die Natur gelehret〈…〉〈…〉
Daß Lieben in das Blut / und nicht in Staal gepregt /
Wer nun diß groſſe Recht / und meinen Haupt-Schluß hoͤret /
Wird zu geneigtem Spruch / und Beyfall leicht bewegt.
Verzeihe / Hyacinth / daß ich mich ſo vergehe /
Du weiſt / daß Lieben den die Sinnen ſind verwirꝛt /
Und ob mir wol bekand was Jungfern wol anſtehe /
So biß mir doch verſoͤhnt / wo hier die Feder irꝛt /
Die Morgenroͤthe ſcheint mir nicht genug zu eilen /
Jedwede Stunde die verkehrt ſich in ein Jahr /
Und ſolte Perlemuth ſich laͤnger denn verweilen /
Daß ſie ihr treues Hertz dir / Schatz / nicht reichte dar.
Mein Geiſt der wohnt bey dir / du biſt mein ander Leben /
Und ohne dich zu ſeyn iſt aͤrger als der Tod /
Die Blumen meiner Jahr wil ich dir uͤbergeben /
Dir zur Ergetzligkeit bluͤhn meine Lippen roth /
Wormit mich die Natur gewogen außgezieret /
Diß alles bring ich dir zum Opfer / und Genuͤß /
Es hat kein ſterblich Arm die Bruͤſte mir beruͤhret /
Die Aepfel ſind vor dich in dieſem Paradieß.
Vergieb mir / Hyacinth / daß mir die Wort entgleiten /
Der kleine Liebes-Schalck floͤſt ſie der Feder ein /
Die Mutter ſuͤſſer Brunſt die Venus lacht von weiten /
Das Frauen Zimmer auch muß ſo verliebet ſeyn.
Doch wil ich dieſe Glut mit gleicher Treu bekroͤnen /
Und aller Schaͤtze Schatz du biſt mein Hyacinth /
Das Gluͤcke wird ſich ja zugleich mit uns verſoͤhnen;
Daß man kein veſter Band als dieſes irgend find.
Genug. Jch muß den Brief als einen Boten ſchicken /
Der mein Verlangen dir entdecket ohne Schein;
Wenn du mich aber wirſt in deine Armen druͤcken /
So werd ich mehr vergnuͤgt als bey den Zeilen ſeyn.
Hyacinth.
ACh angenehmer Brief! Ach Pfand von treuem Hertzen!
Ein Kleinod das gewiß die Liebe ſchaͤtzbar macht!
Es pranget nicht die Nacht mit ſo viel Sternen-Kertzen /
Als viel der Freuden mir dein Blat hat zugebracht.
Ach ſolt ich / Perlemuth / nicht jede Zeile kuͤſſen /
Da jedes Wort in mir hat das Gebluͤt erhitzt /
Ja45Hochzeit-Gedichte.
Ja ſolte nicht wie Wachs mein treues Hertz zerflieſſen /
Nun deiner Schoͤnheit Strahl auf mich ſo holdreich plitzt.
Mehr / findeſt du an mir / was wuͤrdig iſt zu lieben?
So ſag ich daß ich noch ſo hoch verbunden bin:
Der Himmel hat diß Werck / kein Menſchen-Rath getrieben /
Jch aber gebe dir / Beherꝛſcherin / mich hin.
Daß du die Sonne biſt von Nymfen unſers Landes /
Daß deine Anmuth ſich der Morgen-Roͤthe gleicht /
Und daß an Ruhm und Zier / du Perle deines Standes /
Dir ſelbſt die Helena der Schoͤnheit Goͤttin weicht /
Jſt zwar verwunderns werth; doch daß fuͤr andern allen /
Dein Lilien reiner Geiſt ſich hat an mir ergetzt:
Daß ich dir / Perlemuth / in einem Blick gefallen /
Daß ich von deiner Gunſt in wahre Ruh geſetzt /
Haſt du durch dich gewuͤrckt / nicht die geruͤhmten Gaben /
Und was dir mehr von mir die Liebe bildet ein.
Was ſonſten eintzel iſt kanſt du vollkommen haben /
Und mit dem hoͤchſten Recht ein irꝛdiſch Wunder ſeyn.
Verzeyhe / Perlemuth / wo ich dich Goͤttin nenne /
Und wo ein ewig Feur in meinem Hertzen brennt /
Wo ich dich fuͤr den Zweck der hoͤchſten Luſt erkenne /
Und ſchnellen Pfeilen gleich mein Hertze zu dir rennt.
Die Reden / die Geſtalt / die Sitten / die Geberden /
Jedweder Tritt und Schritt bezwinget meine Seel /
Jch moͤcht in dieſem Brand faſt gar zu Aſchen werden /
Mein Geiſt der wohnt nicht mehr in meines Coͤrpers Hoͤhl /
Du haſt ihn / Siegerin / gelegt zu deinen Fuͤſſen:
Gebiete was du wilt / er iſt dein willig Knecht /
Legſt du ihm Feſſel an / er laͤſt ſich gerne ſchlieſſen /
Dein bloſſes Wollen iſt bey ihm ein heilig Recht.
Jch habe zwar geſehn die blauen Nereinen /
Und was Venedig mehr vor ſchoͤne Wunder hat /
Mir iſt zwar auch Pariß mit ſeiner Pracht erſchienen /
Jndeſſen inbegriff der Venus Hofe-Stadt /
Doch iſt kein ſolches Bild mir je vor Augen kommen /
Das deiner Liebligkeit die Wage halten kan:
Jch bleib nur kaltes Eyß / kein Feuer iſt entglommen /
Das ſonſt bey Reiſenden ſich leichtlich zuͤndet an.
Jch muß dich Perlemuth / die ſchoͤnſte Perle heiſſen.
Denck ich auff dein Geſchlecht, man ſah deß Vatern Witz /
Sich46Hochzeit-Gedichte.
Sich umb der Fuͤrſten Gunſt aufs eifrigſte befleiſſen /
Und war er nicht mit recht deß Vaterlandes Stuͤtz /
Als er das Cantzler-Ambt nicht ohne Laſt getragen /
Doch auch nicht ohne Ruhm biß an die letzte Pflicht?
Man mag das Fuͤrſtenthum zu einem Zeugen fragen /
Es bluͤht in vieler Mund ſein herꝛliches Geruͤcht.
Auß ſolcher Adlers-Art entſproſſen gleiche Fruͤchte /
Ein Gaͤrtner achtet ſie zum oͤfftern auß dem Kern:
Nun aber kommt dar zu dein Engliſches Geſichte /
Und daß dich jederman nennt hoͤchſter Anmuth-Stern.
Trit Goͤttin in mein Haus / mein Hertz iſt auffgeſchloſſen /
Was in mir lebt und ſchwebt ſoll dir zu dienſten ſeyn.
Die Zeit / ſo uns gehemmt / iſt allbereit verfloſſen /
Uns ladet Schertz und Luſt zu einem Nacht-Spiel ein.
Verſichert / ob ſich gleich die Winters-Luͤffte zeigen /
Daß doch ein ſuͤſſer Weſt mich endlich zu dir weht /
Wenn deine Augen ſich wie Fruͤhlings-Sterne neigen /
Und thauen nichts als Luſt auff unſer Liebes-Beth.
Ein ewig Paradiß ſind deine ſchoͤne Glieder /
Du haſt der Roſen Blut / und der Jeßminen Schnee /
Dein Antlitz bringet mir den ſuͤſſen Lentzen wieder
Und deine Jugend iſt anmuthig wie ein Reh.
Es ſind nicht nur bemuͤht das Hochzeit-Feſt zu ehren
So uns mit Muth und Blut verpflichtet beygethan;
Es laͤſt auff meiner Loh der Pan ſich ſchallbar hoͤren
Und dieſe nimmt dich auch als ihre Herꝛſchafft an.
Die Najaden bemuͤhn ſich Kraͤntze dir zu winden /
Es bittet Flora dich die Wieſen zu beſchaun.
So bald der Winter weg / du ſolt Vergnuͤgung finden /
Und auf dem gruͤnen Graß dir eine Ruhſtaͤdt baun.
Die Faunen graben ein den Wolcken-hohen Eichen:
Hier herꝛſcht die Perlemuth mit ihrem werthen Schatz.
Es wil das Nymfen-Volck der Waͤlder auch nicht weichen /
Und ſagen: Dieſes iſt der neu Vermaͤhlten Platz.
Was aber / Perlemuth / will ich die Luſt erzehlen /
So kuͤnftig dir mein Gut / und deſſen Zuwachs gibt?
Dich kan ich nur allein fuͤr alles Gut erwehlen /
Und daß auf dieſer Welt mir nichts als du beliebſt /
Die Straalen deiner Gunſt verblenden meine Geſichte /
Es heiſt der Abend mich nicht mehr alleine ſeyn.
Ver -47Hochzeit-Gedichte.
Verklaͤr dich / Perlemuth / in deiner Augen Lichte /
Jch weiß die Sterne ſelbſt die gehen tunckel ein.
Zwar deiner Schoͤnheit Glantz dringt mitten durch die Naͤchte /
Dein ſuͤſſer Purpur-Mund erquicket meinen Geiſt /
Und wenn die gantze Welt mir ihr Vermoͤgen braͤchte /
So glaube daß fuͤr dir mein Hertz diß nichtig heiſt.
Ach werthe Perlemuth ich fall in deine Armen /
Die Feder ſincket ſchon / mir iſt kein Wort bewuſt /
Jch will ſonſt nirgend nicht als nur bey dir erwarmen /
Die beſte Laͤgerſtaͤdt iſt / Schatz / auf deiner Bruſt.
Auf Hn. D. F. G. P. J. u. D. Jungf. R. M. B. Hochzeit den 27. Febr. 1671.
Florino.
RUbelle / nun mich heiſt Lieb und Verhaͤngnuͤß ſchreiben /
Zwey Dinge die gewiß der Seelen Meiſter ſeyn;
Das erſte lockt mich an / das ander kan mich treiben /
Mit beyden ſtimmet auch mein ernſter Vorſatz ein:
So wirſt du dieſen Brieff / als wie du pflegſt / erblicken /
Es iſt dir ja die Schrifft / als wie mein Hertz / bekand.
Du wirſt ihn tauſendmahl mit einem Kuß bedruͤcken /
Und ſagen: Ach mein Schatz Florin hat den geſand.
Wo jede Zeile nun von heiſſen Flammen gluͤhet /
Und wo ein ewig Feur ſich weiſet auf dem Blat /
Wo ſtatt der Dinten-Flut die Feder Funcken ſpruͤhet /
So ſag ich / daß mein Wunſch den Zweck erreichet hat.
Verwundre nicht den Schluß / holdſeeligſte Rubelle /
Daß / der ich Marmel war / ein ſiedend Ethna bin.
Was uns der Himmel ſchafft durch nnerfvrſchte Faͤlle /
Demſelben gebe ſich der Menſch nur willig hin.
D iſt der erſte Brand / der wein Gemuͤth entzuͤndet /
Es hat die Liebe mir die Sinnen nie beſtreifft /
Die Kette / ſo mein Hertz itzt an dein Hertze bindet /
Jſt hart wie Diamant mit Ertz und Stahl geſchweift.
Was mich zuvor vergnuͤgt / ſind Buͤcher nur gewefen /
Minerven hab ich fruͤh ein kraͤfftig Opffer bracht /
Mein Zeit-Vertreib beſtund im ſchreiben und im leſen /
Und was ſonſt einen Geiſt in etwas ſchaͤtzbar macht.
Der48Hochzeit-Gedichte.
Der kenſche Lorber-Wald ergoͤtzte meine Sinnen /
Wenn Venus Roſen-Krantz auff jungen Haͤuptern ſtund.
Jch ließ die Caſtalis durch Marck und Adern rinnen /
Wenn deß Lyaͤus Safft bethoͤrte manchen Mund.
Zu dem / das ſchlimme Gluͤck verkuͤrtzte mir die Zuͤgel /
Und hielt des Pindus Weg mit Dornen gantz umſchraͤnckt:
Zeit und Gelegenheit verſchnitten mir die Fluͤgel /
Ein Kummer / der gewiß den Kern der Seele kraͤnckt.
Jedennoch hab ich diß großmuͤthig uͤberwunden /
Und wie ein Hercules diß Ungeheur beſiegt:
Nach Blitz und Donner-Knall erfolgten helle Stunden /
Apollo nahm mich an / und hat fuͤr mich gekriegt /
Jch ſah ein weites Feld der edlen Wiſſenſchafften /
Was Grichenland geehrt / was Rom unſterblich ſchaͤtzt /
Wie in der Zeiten Buch noch Lehr und Reden hafften /
Die ein geſchickter Geiſt der Nachwelt aufgeſetzt.
Mir brandte mein Gemuͤth die Kuͤnſte zu begreiffen /
Wodurch ein ſterblich Menſch den Sternen ſich vermiſcht /
Sophia ließ mich auch bey ihren Lorbern reiffen /
Die Hippocrene hat den duͤrren Mund erfriſcht.
Nach dieſem waren mir die heiligen Geſetze
Zum End-Zweck fuͤrgeſtellt; Jch rieff die Themis an
Sie wolte mildreich ſeyn / und ihre hohe Schaͤtze
Eroͤffnen / weil ich nun ihr erblich unterthan.
Es hat ihr rother Sammt die Schultern auch gedruͤcket /
Jhr groſſes Buch war mir ein weites Koͤnigreich /
Die Milch von ihrer Bruſt / ſo meinen Mund erquicket /
Schien Himmel-Brodt zu ſeyn / und Goͤtter Speiſen gleich.
Bey ſolchem Muſen-Volck hat nur mein Hertz gelodert /
Dem hab ich viel Altaͤr / und Tempel auffgebaut.
Jch wuſte daß ihr Ruhm und Lob-Spruch nicht vermodert /
Wenn man gleich Stadt und Land in Staub und Aſche ſchaut.
Jn dieſer ſtoltzen Ruh hab ich bißher gelebet /
Cythercus Fackel war ein Jrꝛlicht voller Brunſt.
Euch / Muſen / ruff ich an / daß ich niemals geſtrebet /
Noch irgend mich bemuͤht umb ſchoͤner Jungfern Gunſt.
Was ſchlieſt der Himmel nicht / wenn Menſchen wollen ſaͤumen?
Wenn das Verhaͤngnuͤß klopfft / ſo mache man nur auf.
Rubelle kommt mir vor in unverhofften Traͤumen /
Ein unbekandte Krafft macht meiner Liebe Kauff.
Jch49Hochzeit-Gedichte.
Jch wil des Morgens fruͤh mich in den Buͤchern laben /
Jch ſuche fleiſſig nach in Themis groſſem Recht /
Alsbald erſchienen mir die nackten Fluͤgel-Knaben /
Und Venus gantzes Heer / das Sinn und Geiſter ſchwaͤcht.
Wie! rieff ich / ſoll ich nun die ſtummen Lehrer laſſen?
Ein Liebsgefangener der ſuͤſſen Wolluſt ſeyn?
Soll mich ein ander Arm / als Themis Hand umbfaſſen?
Nimmt denn die Strengigkeit der Recht auch Lieben ein?
Ach ja! ſo bald ich nur dein himmliſch Angeſichte
Und den Rubinen Mund / mein Engel / angeblickt /
So ward der Muſen Luſt und Eifer gantz zu nichte /
Cupido hatte mich ſchon in ſein Garn geruͤckt.
Der Rechte weites Buch ſchien ſchwartz fuͤr deinen Augen /
Kein maͤchtiges Geſetz verglich ſich deinem Kuß.
Dort kont ich leeren Troſt / hier ſuͤſſe Koſt ausſaugen /
Bey dir empfand ich Luſt / bey jenem nur Verdruß.
Ja was mich mehr beſtuͤrtzt: Jch der aus fremdem Sande
Von rauhem Schnee-Gebuͤrg ein bloſſer Frembdling war /
Erkuͤhnte mich nicht ſo in dieſem werthen Lande
Dem zarten Nymfen-Volck mich einſt zu ſtellen dar /
Das ſonſt die gantze Welt nennt hoͤchſter Schoͤnheit Sonnen /
Des Himmels Meiſter-Stuͤck / und aller Tugend Zier /
Spring-Quellen beſter Luſt / der Liebligkeiten Brunnen /
Der Hoͤffligkeiten Glantz / der Freundligkeit Saffir.
Noch ſchlingſt du mich / Rubell / in deine zarte Netze!
Dein unbefleckter Geiſt hat meine Seel umbzirckt.
Du / die ich uͤber Gold und theure Perlen ſetze /
Haſt / was kein Menſch vermocht / in meinem Hertz gewirckt.
Die Zucht und Froͤmmigkeit / ſo deinen Wandel zieren /
Das ehrliche Gemuͤth / und was ſonſt Jungfern ſchmuͤckt /
Sind Weiſer / ſo / mein Licht / mich richtig zu dir fuͤhren /
Dollmetſcher / derer Wort im Hertzen ſich abdruͤckt.
Mein allerliebſtes Kind / das gleich gemeintes Sinnen
Jn unſer Seel und Bruſt der Himmel hat gelegt /
D unſer Eyd und Schwur ſoll nimmermehr zerrinnen /
Und die Beſtaͤndigkeit in Marmel eingepraͤgt /
Wird ſelbſt des Prieſters-Mund ein heilig Zeugnuͤß geben /
Die Stund iſt anberaumt / ſo dich mir eigen gibt.
Es ſoll da eine Seel in zweyen Coͤrpern leben /
Und gleicher Wett-Streit ſeyn / wer vor dem andern liebt.
D dRubel -50Hochzeit-Gedichte.
Rubelle meine Luſt / und meiner Augen Weide!
Nun fuͤhl ich ſelber wie Verliebten iſt zu muth:
Mich duͤnckt ich ſeh dich ſchon im ſaubern Hochzeit-Kleide /
Wie Turtel-Tauben gleich dein Geiſt nach meinem thut.
Entfaͤrbe dich auch nicht mich Frembden zu empfangen /
Helm / Wapen / Schild / und Spieß ſind nicht fuͤr mein Ge - ſchlecht /
Die Tugend iſt mir ſtets zur Seiten nur gegangen /
Aſtraͤa nennet mich den Prieſter in dem Recht.
Offt hat der Ahnen Sonn ein ſchaͤndlich Sohn verdecket /
Jch habe durch mich ſelbſt ein Kleinod mir bereit /
Es hat die Ehren-Fahn der Enckel offt beflecket /
Jch nicht / mein Reuſſendorf / das ſich noch meiner freut.
Mein Schatz! Jch bin numehr leibeigen ja zu nennen /
Das edle Pleis-Athen goͤnnt mir nun Feur und Heerd.
Jch wilfuͤrs Vaterland das ſchoͤne Leipzig kennen /
Das herrlich Lob verdient / und vieler Kronen werth.
Rubell ich wil numehr die Laſt der Arbeit theilen
Der Themis iſt der Tag und dir die Nacht geweyht.
Was mich bißher betruͤbt / das ſolſt du / Aertztin / heilen /
Jch weiß daß es dein Mund mit Zucker uͤberſtreut.
Die Worte fehlen mir / und die Gedancken irren /
Denn wer verliebet iſt / iſt ſelten gantz bey ſich.
Die Augen / liebſtes Kind / ſo meinen Geiſt verwirren /
Sind Spiegel / derer Blitz entwerffen dich und mich.
Jch muß die Ewigkeit des Namens daraus ſchlieſſen /
Wenn GOttes Segen wird ins Mittel treten ein.
Genung. Nun Stund und Zeit mir unverhofft verflieſſen /
So iſt der Seelen Wunſch / mein Schatz / bey dir zu ſeyn.
Rubelle.
DEin außerwehltes Blat / Florino / war willkommen /
Es war mit Biſam-Oel / mit Tinte nicht benetzt;
Es kam aus einem Meer / das Ambra voli geſchwom̃en /
Die Flora hatte ſelbſt Jaßminen drauff geſetzt:
Von Pomerantzen-Safft roch ein jedwede Zeile /
Der Venus Purpur-Mund weht keinen ſolchen Hauch.
Das Band / daß es verknuͤpfft war wie Violen Seile /
Das Siegel lieblicher als ſonſt ein Roſen-Strauch.
Florino /51Hochzeit-Gedichte.
Florino / Blumen Sohn / du haſt mein Hertz beſeſſen /
Und ob du vom Gebuͤrg und harten Felſen ſagſt;
Wie treu-geſinnt ich lieb / iſt unſchwer zu ermeſſen.
Man ſiht die Flamme wohl / wenn du dich gleich nicht klagſt.
Es wird der arge Neid mich hier auch nicht verdencken /
Daß ich mein frommes Aug auff frembde Gunſt gewand /
Die Schluͤſſe von der Hoͤh / ſo Welt und Himmel lencken /
Macht / ſchreibet / und vollzieht gar eine groͤßre Hand.
Jch ſchaͤtze mich begluͤckt / daß von den Philurenen /
Die unſer Leipzig hegt / ich eintzig dir belibt /
Und ſage daß dein Glantz fuͤr andern Muſen-Soͤhnen
Mit ungemeiner Pracht dein edles Haupt umbgibt.
Diß was du an mir ruͤhmſt / Zucht / Reden und Geberden /
Sind Stuͤcke derer Brauch aus Pflicht uns kommet zu:
Wie kan ein Jungfern-Bild ſonſt recht vollkommen werden /
Wo Erbarkeit gebricht / die Freundin ſtiller Ruh?
Alleine / was an dir / Florino / mir gefallen /
Sind Guͤter die kein Feind / und die kein Dieb entwendt:
Jch hoͤrte deine Stimm in dem Parnaß erſchallen
Und wie Minerva dich fuͤr ihren Sohn erkennt.
Der allgemeine Ruhm trug dich auff guͤldnen Schwingen /
Dein herrliches Geruͤcht ſtieg wie die Cedern hoch:
Man ſah der Vaͤter Reyh dir ein ſolch Zeugnuͤß bringen /
Das nimmermehr verweeſt / und Leipzig ruͤhmet noch.
Die ungeſparte Muͤh / die ausgewachten Naͤchte /
Viel Jahre die du haſt in Buͤchern abgezehrt /
Sophiens milde Gunſt / der Themis heilge Rechte /
Die duppelt dir / mein Schatz / ſo Lohn als Thron gewehrt /
Bewegten meinen Sinn / der gruͤn und zart zum lieben.
Jch ſahe dich im Geiſt auff der Catheder ſtehn /
Und was Juſtinian und Paulus hat geſchrieben /
Hoͤrt ein begierig Ohr aus vollen Stroͤmen gehn.
Viel nennten dich den Kern und Stern von den Gelehrten /
Und wie dein Vaterland gewinne neues Licht.
Die Weiſen zehlten dich zu jenen weitgeehrten /
Die Fama preißbar macht / und ſetzt in die Geſchicht.
Jch kan dich ferner auch nicht einen Frembdling heiſſen /
Du haſt ins zwelffte Jahr als Buͤrger hier gelebt.
Der Stamm iſt Schleſtens / der Lebens-Wandel Meiſſen /
Und beyde zeigen an / wie du nach Kunſt geſtrebt.
D d 2Wie52Hochzeit-Gedichte.
Wie dich die Duͤrfftigkeit des Gluͤckes nicht gehindert /
Noch mancher ſauer Tritt abwendig hat gemacht;
Wie nicht der Kranckheit Schaar des Geiſtes Luſt gemindert /
Noch andre Truͤbſal dir hat Eckel uͤberbracht.
Es wird des Buhlens Mund / den ſelbſt die Charitinnen
Jn ihren Nectar-Strom anmuthig einget aucht /
Und dem die gantze Schaar der holden Caſtalinnen /
Hat ihre Freundligkeit und Demut angehaucht /
Ein unverwerfflich Lob ohn alles heucheln leiſten /
Jndem die gantze Zeit du frey bey ihm getiſcht.
Er wundert ſich annoch / wie von den allermeiſten
Bey Aganippens Quell du deinen Geiſt erfriſcht.
Solt ich nun dieſen nicht / den alle Muſen kroͤnen /
Der Groſſen heilger Rath mit ſeinen Stimmen ehrt
Auch ſchlieſſen in mein Hertz? Der Neid mag immer hoͤhnen /
Mich hat der Aberwitz und Tunckel nie bethoͤrt.
Es werden mirs auch nicht verweiſen die Lindinnen /
D einem Schleſter mein Hertz ich zugeneigt;
Wo Kunſt und Wiſſenſchafft die Oberhand gewinnen /
Was wunder / daß ſich da der Liebe Purpur zeigt?
Ja / iſt dein Vaterland an Berg und Steinen wilde /
So iſt / Florino / dir die Sanfftmut zugelegt.
Man lobet nur den Stamm / nicht aber das Gefilde /
Es gilt ein jeder Baum der gute Fruͤchte traͤgt.
Und biſt du endlich auch nicht von ſo hohem Stande /
Der iſt genung geziert / den Tugend edel macht.
Kunſt und Geſchickligkeit ſinds beſte Gut im Lande /
Wer dieſe nur beſitzt / darff keinen Schmuck und Pracht.
Florino meine Seel und ander Theil vom Hertzen /
Des Lebens Auffenthalt / und meiner Schaͤtze Schatz /
Du weiſt / Rubelle pflegt mit Worten nicht zu ſchertzen /
Sie nennt dich eintzig nur der Freuden Sammel-Platz.
Und nichts auff dieſer Welt weiß ſie dir vorzuziehen /
Gelehrte Liebe ſticht doch andre Liebe weg;
Die jene / ſo da kan bey Kunſt und Liebe bluͤhen /
Hat / wie mich duͤnckt / erreicht des Hoͤchſten Gluͤckes Zweck.
Der Sinnen Treffligkeit iſt nicht mit Gold zugleichen /
Und ein geſchickter Kopff er zihlt den groͤſſern Ruhm:
Beguͤttert ohn Verſtand ſind wie entſeelte Leichen /
Es iſt geborgtes Werck / und nichts ihr Eigenthum.
Was53Hochzeit-Gedichte.
Was Glut und Flut verderbt / was Zeit und Zufall nehmen /
Gleicht ſolchen Schaͤtzen nicht / wormit die Seele prangt;
Ja der Beſitzer muß ſich offt der Sachen ſchaͤmen /
Wenn groſſe Herrligkeit ein ſchnelles End erlangt.
Was aber wil ich viel von Kunſt und Weißheit ſagen /
Es fuͤhrt der Liebe Hand mich auff ein ander Bahn.
Jch ſehe dich numehr / mein Schatz / dein Braut-Krantz tragen /
Und wie die Venus ſich mit Pallas paaren kan.
Laß heute Pult und Buch und Schreiben ſein vergeſſen /
Die keuſchen Myrten ſtehn zu Dienſten uns bereit.
Florino / kanſt du auch der Freuden Krafft ermeſſen /
Wenn Mund auff Munde liegt / und neuen Kampff anbeut?
Die Sorge / ſo bißher verzehret deine Tage /
Der Kummer der dich hat von Kindheit auff gedruͤckt /
Und was der Uberreſt von Leiden und von Klage /
Werd in die blaue Schoß der wuͤſten See verſchickt.
Jch opffre willig dir die Blumen meines Lentzens;
Hat dir das Vaterland nur Tannen fuͤrgeſetzt /
So ſihſt du Lilg und Roſ auff meinen Wangen glaͤntzen /
Und was fuͤr Anmuth mehr ein liebreich Aug ergoͤtzt.
Laſt die Wacholdern ſeyn / uns zieren Anemonen /
Narcyſſen geben dir die Huͤgel meiner Bruſt /
Es ſtralen umb dein Haupt die hohen Kaͤiſer-Kronen /
Mich zieret Tauſend-ſchoͤn der treuverliebten Luſt.
Jn was fuͤr Freuden wird des Vaters Haus nicht rauchen /
Wie wird der gute Greiß erheben ſein alt Haupt!
Welch jauchzen wird er nicht nach Art des Landes brauchen!
Nun Philurena dich mit Myrten hat belaubt.
Genung. Florino komm / das Mahl iſt ſchon bereitet /
Die Venus wil allhier ſelbſt Koch und Keller ſeyn.
Cupido iſt bedacht / wie er die Jungfern leitet /
Der Seiten friſcher Klang ermahnet zu dem Rey’n.
Wie aber ſol ich doch / Florino / dich bedienen?
Die Trachten ſetzen auff / die Speiſen richten an?
Mein allererſter Gang ſind Schalen von Roſinen /
Wobey man Mandelkern und Datteln ſchauen kan.
Die beſte Specerey / womit ichs Eſſen wuͤrtze /
Sind ein verbuͤndlich Kuß / der nach der Seelen ſchmeckt /
Und daß kein langes Mahl die Zeit der Luſt verkuͤrtze /
So ſollen Berbis-Beern uns laben zum Confect.
D d 3Ein54Hochzeit-Gedichte.
Ein mehrers heiſſet mich der Juno Spruch verſchweigen /
Denn Liebreitz ruffet ſchon / das Braut-Bett iſt gemacht.
Florino lebe wol / diß Schreiben wird dir zeigen /
Wie unſern Hochzeit-Tag kroͤn eine ſuͤſſe Nacht.
Gluͤckwuͤnſchende Ode Bey Hoch Adel. Vermaͤhlung Hn. N. v. S. u. Fr. M. N. g. v. F. im Namen A. S. den 8. Febr. 1673.
1.
WAs ſoll ich opffern euren Flammen /
Hoch-Edle Zwey / in Kindes Pflicht /
Die Tugend fuͤhret euch zuſammen /
Und duppelt eurer Liebe Licht /
Die Treu verbindet
Den Edlen Muth /
Und hat entzuͤndet
So Geiſt als Blut
Jn gleicher Glut.
2.
So wird der Ruhm der grauen Ahnen /
Und eurer Haͤuſer Ewigkeit /
Der Eltern Ehren-Schild und Fahnen
Von allem Untergang befreyt /
Weil durch die Liebe
Der Bau der Welt
Jn ſtetem Triebe
Sich unterhaͤlt
Und nicht zerfaͤllt.
3.
Jch wolte meine Pflicht bezeigen
Jn angenehmſter Zierligkeit:
Es ſolte nicht mein Mund verſchweigen
Die ſchuldigſte Befliſſenheit /
Wenn nicht die Gaben
Und heiſſe Brunſt /
So Tichter haben
Jn ihrer Kunſt
Bey mir umbſonſt.
4. Zu -55Hochzeit-Gedichte.
4.
Zudem hab ich die Roſen-Felder
Der Venus niemals angeſchaut /
Jch kenne nicht die Lorber-Waͤlder
Wo man dem Phoͤbus Tempel baut /
Der Pierinnen
Jhr Seiten-Spiel
Jſt weit von hinnen /
Dieweil ihr Ziel
Nicht trifft mein Kiel.
5.
Und mehr: wil Venus eure Myrten
Jtzt ſelbſt mit ihrer Lilgen-Hand /
Und Demant-Lichtem Schmuck umbguͤrten /
Der Einigkeiten goͤldnes Band
Knuͤpfft beyder Hertzen
Durch reine Treu /
Das euren Kertzen
Stimmt zweifels frey
Der Himmel bey.
6.
Wer ſo das Schloß der Liebe bauet /
Das Tugend zu dem Grund-Stein hat:
Auf gleiches Hertz und Sinne ſchauet /
Erreicht des Gluͤckes hoͤchſten Grad:
Sonſt aͤndert alles
Die ſchnelle Zeit /
Und ſpielt des Balles /
Hier trotzt den Neid
Beſtaͤndigkeit.
7.
Diß iſt / die Euch Vermaͤhlte kroͤnet
Mit Segen-reichem Uberfluß /
Der Himmel iſt euch gantz verſoͤhnet /
Der Sternen unumbtreiblich Schluß
Hats unterſchrieben
Schon in der Hoͤh /
Daß euer Lieben
Kein herbes Weh /
Noch Leid angeh.
D d 48. Es56Hochzeit-Gedichte.
8.
Es ſpinnen euren Lebens-Faden
Die Parcen von dem feinſten Gold!
Der Hoͤchſte bleib euch mit Genaden /
Jhr mir als Eltern gleichfals hold!
Lebt / bluͤhet / liebet
Verſchmaͤhet nicht /
Was uͤbergiebet
Bey dieſem Licht
Des Sohnes Pflicht.
Liebes-Ring Bey Hn. T. S. R. J. U. C. u. Jfr. S. M. v. S. Hochzeit abgebildet 23. Jan. 1674.
JCh wuͤnſche mir ietzt Glut - und Flammen-reiche Zeilen /
Denn wer von Liebe ſchreibt und nicht die Feder brennt /
Wird die Verliebten nur in ihrer Luſt verweilen /
Und hat den rechten Zweck der Anmuth nicht erkennt.
Die Reden muͤſſen hier den ſchoͤnſten Roſen gleichen /
Jn die der liebe Weſt den ſuͤſſen Athem haucht /
Es muß jedwedes Wort die Venus uͤberſtreichen
Mit Balſam / den ſie ſonſt zu ihrer Zierrath braucht.
So hat Ovidius voll Seel und Geiſt geſchrieben /
Wenn er dem klugen Rom die Kunſt zu lieben wies /
Der liebliche Tibull iſt auf der Spur geblieben /
Wenn er die Cynthia ſein ander Leben hieß.
Es kan ihr ſchoͤnes Buch die Hertzen noch entzuͤnden /
Jhr reitzender Geſang bezaubert Sinn und Muth;
So daß der Kern der Luſt bey ihnen iſt zu finden
Und ihre gantze Schrifft ein Aetna voller Glut.
Mir fehlt dergleichen Art und Zunder ſolcher Dinge /
Es kleidet meinen Reim kein angenehme Zier;
Doch treu Verliebte Zwey ich ſtell in einem Ringe
Der Liebe theurem Pfand / euch eure Flammen fuͤr.
Es iſt ein guͤldner Ring verdienter Wuͤrde Zeichen.
Es hat die alte Welt Geſandten mit geehrt /
Und Raͤthen / welche nie von ihrem Fuͤrſten weichen /
Hat vor erwießne Treu ein guͤldner Ring gehoͤrt.
Der57Hochzeit-Gedichte.
Der zieret eure Lieb und eurer Eltern Haͤnde /
Wer kennet ſchoͤnſte Braut den werthen Vater nicht?
Es ruͤhmet ſeine Treu / Fuͤrſt / Fuͤrſtenthum und Staͤnde /
Und nennet ihn mit recht / der Rechte Troſt und Licht.
Sol was verbuͤndlich ſeyn in Menſchlichen Geſchaͤfften /
So muß der Siegel-Ring der beſte Zeuge ſeyn.
Da eure Hertzen ſich jetzt feſt zuſammen hefften /
So raͤumt ihr ja dem Ring das erſte Vortheil ein.
Ja es vollzieht ein Ring den erſt und letzten Willen /
Wir brauchen ihn zur Eh und wieder in dem Todt /
Denn als wir noch das Grab mit unſerm Leibe fuͤllen /
Bezeugt ein Teſtament des Sterbenden Geboth.
Deß Ringes Ubergab erklaͤrt den wahren Erben:
Ließ Alexander nicht ſein weites Reich ſo ſtehn /
Und wer vom groſſen Carl kont ein Abtey erwerben /
Der mochte von ihm weg im Ring und Stabe gehn.
Ja was mehr Wunderns werth / des Meeres wilde Wellen /
Die hat Venedig ſich durch einen Ring vermaͤhlt.
Wenn man den Kaͤyſern pflegt die Kronen zuzuſtellen /
So wird ein Ring dabey / der Wuͤrde Bild gezehlt.
Alleine dieſes dient jetzt nicht verliebten Ohren /
Es ſey der Voͤlcker Brauch und Recht dahin geſtellt;
Es hat in einem Ring zuſammen ſich geſchworen /
Was den ſo groſſen Bau der Erden Kugel haͤlt.
Und mahlt nicht die Natur am blauen Himmels-Bogen /
Den herꝛlichſten Saphier ins Ringes Zirckel ab?
Jn dieſe Rundung ſind die Sterne ſelbſt gezogen /
Die Sonn und auch der Mond hat gleichen Meſſe-Stab.
Es bild’t Egyptens-Witz die Ewigkeit im Ringe /
Man ſtellet durch den Ring den Lauff der Jahre fuͤr.
So ſag ich dieſes ſind zwar Lobens werthe Dinge /
Doch traͤgt der Liebenden ihr Ring die ſchoͤnſte Zier.
Es hat der Braͤutigam durch die geweyhten Rechte /
Und andre Wiſſenſchafft der Ehren Ring verdient.
Nun ſieht er wie die Braut von Preißbahrem Geſchlechte /
Des holden Jungfern Volcks als eine Palme gruͤnt.
Und iſt ſie nicht ein Ring holdſeel ger Liebligkeiten /
Der tauſend Gratien in ſeinen Zirckel ſchleuſt?
Es mag die neue Welt mit edlen Steinen ſtreiten /
Die alle ſticht hinweg ihr Tugend-edler Geiſt.
D d 5Und58Hochzeit-Gedichte.
Und wo die Schoͤnheit iſt ein guͤldner Ring zu nennen /
So laͤſt der Glieder Schmuck die ſchoͤnſten Ringe ſehn:
Der Haare weiches Gold giebt ſatſam zu erkennen /
Jn was vor Wuͤrbel ſich die zarten Locken drehn.
Es mag der Diamant gekroͤnte Haͤupter zieren /
Zwey Demant-Ringe ſind der Augen lichtes Paar /
So Leben / Seel und Geiſt mit ihrem Blitzen ruͤhren /
So als zwey Sonnen ſtehn auf Paphiens Altar.
Jſt nicht der Mund ein Ring verſetzet mit Rubinen /
Traͤgt nicht der Wangen Kreiß Achaten voller Pracht?
Es muß der Frauen Schmuck ſonſt Kunſt und Arbeit dienen /
Hier hat es die Natur in einen Ring gebracht /
Der Bruͤſte Marmel-Ring geſpitzet mit Granaten /
Vergnugt deß Braͤutgams Geiſt mehr als deß Gygis Pfand /
Der ſuchte ſeinen Leib darunter zu verrathen /
Hier zeugen Aug und Mund im Hertzen Flamm und Brand.
Es trieb die Zanber-Kunſt durch Ringe ſeltne Wunder /
Hat Wunden zugeheilt und tolle Lieb erweckt.
Nein / Eure Liebe kommt von gar weit anderm Zunder /
Die eigenhaͤndig hat die Tugend angeſteckt.
Es wird der Hannibal durch einen Ring vergifftet /
Demoſthenes ſtarb ſo und floh die Tyranney.
Durch euren Liebes-Ring wird Freud und Luſt geſtifftet /
Ja eures Nahmens Ruhm bleibt von Verweſen frey.
Wil ſchon Polycrates ſein Gluͤcke trotzig pochen /
Und wirfft den theuren Ring hochmuͤthig in das Meer;
So wißt ihr euer Gluͤck bey eurem GOtt zu ſuchen /
Und glaubt daß alles Heil von oben komme her.
Die Buhler trugen oft der Liebſten Bild im Ringe /
Jhr habt einander ſelbſt in Hertz und Seel gepraͤgt /
Seyd ſicher daß noch Neid / noch Zeit den Bund verdringe /
Zu dem die Ewigkeit den Grundſtein hat gelegt.
Begluͤckte Liebende kuͤſt auch der Eltern Bilder /
Auß denen weſentlich der Tugend Fackel ſtrahlt /
Die lengſt Mnemoſyne in ihre Ruhm Gefilder /
Zum Spiegel wahrer Treu lebendig abgemahlt.
Denckt nun / Vertraute Zwey / Jhr ſolt umb Ringe ringen /
Den beſten Ehren-Danck ſetzt die Vergnuͤgung auff /
Wer59Hochzeit-Gedichte.
Wer nun als Sieger will die Beute davon bringen /
Der muß gerade zu vollbringen ſeinen Lauff.
Unendlich iſt ein Ring. Es ſey auch ſonder Ende.
Die keuſche Liebes-Glut / und Hertzens-Einigkeit.
Der Himmel ſegne ſelbſt die angeſteckten Braͤnde /
Jch ruffe: Lebt und bluͤht in Segen / Ruh und Freud.
Abgebildte guͤldne Liebes-Bach / Bey Hn. A. G. J. U. C. u. Fr. J. M. S. g. L. Hochzeit den 3. Febr. 1674. Uberreichungs-Sonnet.
VErmaͤhlte / lebt und bluͤht bey den beruͤhmten Linden /
Und nehmt geneiget an diß ſchlechte Myrten-Blat /
So umb den Oder-Strom ein Freund gebrochen hat /
Der ſich zu eurem Dienſt auf ewig will verbinden.
Jſt keine Zierligkeit der Woͤrter hier zu finden /
So denckt die Liebe wird vom reden niemahls ſatt.
Es mag die Anmuth ſelbſt erfuͤllen meine ſtatt /
So eure Seelen kan in treuſter Glut entzuͤnden.
Es muͤſſe weil ihr lebt auß Zucker-Roͤhren rinnen /
Der liebe ſuͤſſe Bach / was bey der Sonnen-Blut
Ein lieblich-kuͤhler Brunn den Reiſenden ſonſt thut
Das werdet fort fuͤr fort bey euren Flammen innen.
Ja / wo ein kurtzer Wunſch kan viel bey ſich beſchlieſſen /
So wuͤnſch ich Gluͤck und Zeit muͤß euch nach Willen flieſſen.
DJe Goͤttin / ſo die Welt der Liebe Mutter nennet /
Die Reitzerin der Luſt / der Liebligkeiten Kern /
Der Schoͤnheit Jnbe griff / der Anmuth holder Stern /
Die Venus / der wie Wachs die zarte Jugend brennet /
Der nicht nur Amathunt / und Gnidens Tempel rauchet /
Die aller Menſchen Hertz zum Opffer-Tiſch gebrauchet /
Rief einſt / als ſich bey ihr die Liebes-Engel funden /
Und jede Gratie zu dienen war bereit /
Wie? Liebſten Kinder wie / verſchlieſſen wir die Zeit /
Verſchertzen unſern Ruhm / verſpielen alle Stunden?
Soll unſer Heiligthum ſo gar verlaſſen ſtehen /
Wenn fetter Weyhrauch glimmt auff des Parnaſſus Hoͤhen.
Kan60Hochzeit-Gedichte.
Kan nur der Helicon / und Jda nicht mehr gelten /
Da mir der Paris doch den guͤldnen Apffel gab?
Nimmt meine Herꝛligkeit bey Menſchen ſo gar ab /
Daß auch die Schoͤnheit darff ein ſcheles Auge ſchelten /
Und pocht Apollo ſo mit wolgerathnen Soͤhnen /
Ergetzt ſie eintzig nur der Quell von Hippocrenen?
Jſts Caſtalis allein woraus Vergnuͤgung rinnet?
So ſchwer ich bey dem Blitz / ſo aus den Augen laͤufft /
Uud bey dem guͤldnen Haar / das umb die Schlaͤffe ſchweifft /
Wo nicht mein kleiner Sohn noch heute was beginnet /
Das meinen hohen Ruhm mit Sieges-Kronen zieret /
Es iſt nicht Phoͤbus nur / der Pfeil und Bogen fuͤhret.
Auff! brennt die Ampeln an / ich muß mein Feſt begehen /
Schafft / daß ein ewig Licht in den Cryſtallen ſtrahlt /
Daß Tempel und Altar ein ſteter Fruͤhling mahlt /
Und ruffet mir das Volck der ſchoͤnen Phylureen /
Die Sonnen dieſer Zeit / die liebens-werthe Wunder /
Die Toͤchter voller Luſt / getreuer Hertzen-Zunder!
Jn einem Augenblick ſah man die nackten Knaben /
Was anbefohlen war gebuͤhrende vollziehn.
Der brachte Myrthen her / und lebend Wintergruͤn /
Die muſten Pfeil-geſchwind nach Taub und Schwanen draben.
Der hieng den Guͤrtel auf geweyhter Heimligkeiten /
Als andre Zimmet-Oel und Balſam umb ſich ſtreuten /
Es fiel ein groſſes Volck der Goͤttin zu den Fuͤſſen /
Es ſchien das Zimmer ſo / als wenn bey ſtiller Nacht /
Mit tauſend Sternen ſich der Himmel guͤlden macht;
Jedwedes muͤhte ſich der Venus Hand zu kuͤſſen /
Voll feuriger Begier den Vorzug zu erlangen /
Die Flamme fraß das Hertz und ſchwebt auf Mund und Wangen.
Ein winſelndes Geſchrey entdeckte die Begierden /
Die groſſe Thraͤnen aus / als Perlen / voller weh /
Die ſchickte Seufftzer fort durch Luͤffte / Land und See /
Die klagte daß verblaſt der Jugend beſte Zierden:
Theils rufften Rach auf Rach weil ihr verbuͤndlich lieben /
Der Meineyd aufgeloͤſt / die Falſchheit hintertrieben.
Man ſah kein Opffer zwar das ſichtbar abzuſchlachten /
Und Erycina ſelbſt liebt nicht vergoſſen Blut.
Jedoch zertheilte ſich der Ampeln heilge Glut /
Als ſie / ich weiß nicht wen / zu ihrem Throne brachten /
Biß61Hochzeit-Gedichte.
Biß Cypripors ſein Mund durch Raͤtzel hat entdecket:
Es ſey die Margenis in neue Glut geſtecket.
Was liebſte Tochter / ſprach die Paphie mit lachen /
Faͤllt dich vor Kranckheit an / gleich jetzo da ihr Feſt /
Die Goͤtt in aller Luſt hochfeyrlich halten laͤſt /
Wilt du mein Freuden-Schloß zum Trauer-Hauſe machen?
Der Glieder lieblich May / der Fruͤhling warmer Jahre /
Dient mehr ins Hochzeit-Bett / als auf die kalte Bahre.
Jndeß ſinckt Margenis entkraͤfftet gantz darnieder /
Sie fuͤhlt den heiſſen Brand in Marck und Adern gehn /
Sie kan den Regungen des Bluts nicht widerſtehn:
Es kuͤhlt ſie keine Lufft vom rauſchendem Gefieder
Deß zarten Liebes-Volcks / der tieffen Seufftzer Menge /
Bezeugt der Hitze Macht / des matten Hertzens baͤnge.
Die Phylureen ſtehn / mit bleicher Angſt umbgeben /
Sie nehmen Rath und That zu retten vor die Hand /
Nicht eine hat den Quell der Kranckheit recht erkand /
Und weiß deß Ubels Keim und Wurtzel außzuheben /
Jhr Angeſicht deckt Schnee / das Hertze kocht von Flammen /
Wie reimt bey Siechen ſich denn Froſt und Glut zuſammen?
Hier kan kein Bezoar / noch Lebens-Balſam dienen /
Es hilfft kein Eſculap mit der bewehrten Kunſt /
Was ſonſt das Hertze ſtaͤrckt das iſt nur hier umſonſt.
Die Seele vom Corall / das Oele von Jeſminen.
Wie hoch die Nymfen ſich der krancken Cur beflieſſen /
Je tieffer hat der Schmertz von neuem eingerieſſen.
Erbarmung oͤffnete der Venus hohe Lippen:
Geh / Hymen / ſprach ſie / geh! der Liebe heiſſem Feur /
Kommt oft ein kuͤhler Trunck aus einer Bach zu Steur /
Du kennſt den reinen Strom der klaren Aganippen /
Schoͤpff auß Pirenens Bach und der Meduſen-Bronnen /
Und wo ſonſt weiter kommt ein heller Quall geronnen.
Nein / rief der Braut-Gott / nein / mit ſitſamen Gebaͤrden /
Ach Hertzens-Wenderin der Brunnen ihr Cryſtall /
Jſt jetzt mit tieffem Schnee bedecket uͤberall /
Des Winters kalter Nord verſchleuſt die Schoß der Erden.
Du / der ſelbſt die Natur muß zu Gebote ſtehen /
Kanſt eintzig nur mit Huͤlff und Rath entgegen gehen.
Wo62Hochzeit-Gedichte.
Wo find ich eine Fluth / die Liebes-Flammen leſchet
Verwandle / wie du pflegſt den Winter in den May /
Den Schnee in bunten Klee / ſchaff einen Brunn darbey /
Und Silber-klaren Bach / der ſeine Ufer waͤſchet /
Mit liſpelndem Geraͤuſch / und unter Blum und Kraͤutern /
Sucht den beredten Lauff anmuthig zu erweitern.
Was / Aberwitziger / wilt du Geſetze geben /
Mir / die ich auch den Gott deß Donners zwingen kan /
Hub Venus faſt erzuͤrnt mit harten Worten an:
Durch mich ſoll Margenis die Liebſte wieder leben.
Trotz aller Muſen Quell! Seht auf ihr Charitinnen /
Das Wunder meiner Hand den ſchoͤnen Bach hie rinnen.
Es ſchien der linde Weſt Narciſſen auß zu blaſen /
Ein kraͤfftiger Geruch den Ort gantz zu umziehn;
Man ſah die Baͤume krauß / die Roſen-Straͤuche bluͤhn /
Der Spiegel-helle Bach floß durch den gruͤnen Raſen.
Als Margenis entzuͤckt vor Freuden aufgeſprungen /
Und durch die Amorn hin zu dieſer Flut gedrungen.
Ach! rief ſie / Brunn deß Heils ſey tauſendmal wilkommen /
Quell / der mich ſterbende auß Charons Nachen reiſt!
Fluth / die mit Lebens-Thau benetzet meinen Geiſt!
Strom / mit dem alle Luſt und Liebe kommt geſchwommen!
Bach / die den Urſprung hat auß den Elyſer Feldern /
Dem irꝛd ſchen Paradiß / und hoch geprießnen Waͤldern.
Sie ließ den Marmor-Leib in die geliebten Wellen /
So ſcheint die Lilie durch ein Venediſch Glaß /
Als Augen / Mund und Bruſt umfloß das ſuͤſſe Naß /
Und fieng ſich Buhlern gleich im kuͤſſen anzuſtellen /
Bald ſpielt es umb den Mund / bald lieff es umb die Bruͤſte /
Als wenn ein Doppel-Brunn auch hier entſpringen muͤſte.
Jhr Goͤtter laſt die Luſt auf ewig mich genieſſen /
Jhr / die ihr ſelbſt geliebt / wiſt was die Liebe thut /
Mir dringt durch Marck und Bein / die angenehme Fluth.
Ach koͤnt ich wie ein Bach in gleicher Luſt zerflieſſen!
Rief Margems erfreut mit ſehnlichem Verlangen
So daß die Flut mehr Glut und Zunder hat empfangen.
Was ſchaft die Venus nicht? die Bach kriegt Arm und Glieder /
Es fuͤhlt die Margenis die Lippe / ſo ſie kuͤſt /
Sie ſchmeckt das Zucker-Brod / das ihren Mund verſuͤſt /
Und gibt den treuen Kuß mit reichem Wucher wieder.
Sie63Hochzeit-Gedichte.
Sie merckt daß dieſe Bach den Namen nur gefuͤhret /
Und daß den wahren Schatz ſie in den Armen ſpuͤret.
Wol / ſagte Paphia / erkennet meine Wercke /
Nehmt die Verwandlungs-Kunſt / Verliebte / von mir an.
Wird Jupiter ein Stier / und bald ein weiſſer Schwan /
So iſt mein Scepter ja nicht von geringrer Staͤrcke.
Hat doch Dodonens-Brunn die Fackeln aͤngezuͤndet /
Und Brunnen flieſſen noch / die man recht ſiedend findet.
Es pocht America auf ſeine guͤldne Baͤche /
Herꝛ Goldbach / ſchoͤnſte Braut / behaͤlt bey ihr den Platz.
Nicht reich Braſilien / ſie eintzig iſt ſein Schatz;
Und daß als Goͤttin ich mein Urtheil druͤber ſpreche /
So kan den Gold-Sand zwar die lange Zeit aufreiben /
Getreue Liebe wird in Ewigkeit verbleiben.
Es thau’n euch / fort fuͤr fort deß Gluͤckes guͤldne Tropffen /
Die Parcen winden euch den Lebens-Drat von Gold /
Lebt / Treu-vermaͤhlte / lebt in unzertrennter Hold /
Es koͤnne nicht der Neid der Liebe Quell verſtopffen.
Genieſt der ſuͤſſen Ruh durch ſo viel guͤldne Jahre
Als Stralen um mein Haupt / und Perlen-ſchwangre Haare.
Mein Feſt iſt recht gefeyrt / wir haben uͤberwunden /
Sprach Venus / laſt uns bald zu voller Taffel gehn /
Der Ganymedes ſoll uns heut zu Dienſte ſtehn.
Wuͤnſcht den Verliebten / wuͤnſcht / ihr Amorn guͤldne Stunden /
Und daß ſich dieſe Nacht in einem guͤldnen Regen
Der Braͤutgam zu der Braut wie Jupiter mag legen.
Auf Hn. J. E. H. u. R. G. Hochzeit den 21. Aug. 1674.
VOn ungewohntem Zug und Regung angetrieben /
Hieng Hylas / der vorhin der Muſen Wonne war /
Jn tieffer Einſamkeit / der klugen Buͤcher Schaar /
Und der Gelehrten Mund wolt ihm nicht mehr belieben /
Nur Eckel und Verdruß befchloſſen ſeine Zeit /
Und das Gemuͤthe lag ſelbſt mit ſich in dem Streit.
Er ließ Hof und Pallaſt / und was ſonſt herꝛlich / ſtehen /
Und nahm ein oͤdes Feld zu der Gedancken Spiel /
Je mehr er aber ſich dem Trieb entreiſſen will /
Je eifriger pflegt der die Geiſter anzugehen /
Er64Hochzeit-Gedichte.
Er fuͤhlet eine Glutt ſo er nicht nennen kan /
Jſt frey / und ſpuͤhret doch man leg ihm Feſſel an.
Kein Ethna kocht nicht ſo die Schwefel-lichten Flammen.
Die Seufftzer wehen auf die Funcken ſeiner Bruſt /
Jhm iſt zu dieſem Feur der Zunder nicht bewuſt /
Doch ſchlaͤgt ſchon in dem Blut die helle Glut zuſammen:
Er klagt mit holer Stimm / den Felſen dieſe Pein /
Und rufft die Waͤlder an / ſie ſollen Zeugen ſeyn.
Als Majens witzig Sohn / den wir Mercur ſonſt heiſſen /
Jn Goͤttlicher Geſtalt und Majeſtaͤt erſchien /
Man ſahe Blitzen gleich der Augen Fackeln gluͤhn /
Und ſeinen Purpnr-Rock als wie die Sterne gleiſſen:
Er ſchwung den Herolds-Stab / und ruͤhmte ſeine Macht /
Die ſchon entgeiſterte ins Leben wieder bracht.
Was / ſagt er / ſo beſtuͤrtzt mein Hylas / ſo verwirret?
Dem die Geheimnuͤſſe der groſſen Gotter kund /
Der hat fuͤr dich auch Rath / du ſolſt den Tag geſund /
Von deiner Kranckheit ſeyn: Mein Wort das nie geirret /
Und nicht zu irren weiß / verſpricht dir eine Bach /
Zur Artzney deiner Pein: Auf folge mir bald nach.
Der blaſſe Hylas fieng wie Aſpen an zu zittern /
Der gantze Leib erbebt / die Glieder wurden Eiß /
Die Lenden uͤberfiel auß Furcht ein kalter Schweiß /
So wancket nicht ein Rohr bey donnernden Gewittern.
Ach! rief er / Fluͤgel-Gott ſey tauſendmal gegruͤſt /
Biſt du mein Eſculap der zu mir kommen iſt.
Mit dir geh ich getroſt biß zu den Naſamonen /
Biß wo der Troglodyt in ſtetter Sonne ſchwitzt /
Biß wo ein rauhes Volck auf Haͤmus Ruͤcken ſitzt /
Ja gar nach Zembla hin / wo keine Menſchen wohnen.
Allein ſchafft Sterbenden ein bloſſer Bach nur Rath /
So ſag ich daß er Krafft von deiner Gottheit hat.
Mir iſt nicht unbekand die Wuͤrckung vieler Brunnen /
Wie Hypanis in Saltz die Süſſigkeit verkehrt /
Wie Ammon kalt und warm in einer Nacht gewehrt /
Wie auß der Mohren Brunn die Schlaffſucht koͤmmt geronnen
Und wie der Ciconer ihr Waſſer ſteinern macht /
Der Athamantis Holtz hat zu dem Brand gebracht.
Doch65Hochzeit-Gedichte.
Doch diß ſind der Natur Kunſt-Spiel und Wunderwercke /
Wodurch ſie ihren Schatz und Reichthum zeigt der Welt.
Was meinen Geiſt beſtrickt / den Sinn gefangen haͤlt /
Das glaub ich zwingt noch hemmt der groͤſten Baͤche Staͤrcke /
Wiewol weil dir der Schluß der Himmliſchen vertraut /
So hat mein Hoffen nicht auff leerem Sand gebaut.
Nein / gab Cyllenius / in ſuͤſſer Antwort wieder /
Der ich die Geiſter ſelbſt ruff aus der Todten Klufft
Der Goͤtter Wort Befehl bring uͤber See und Lufft /
Es ſchlaͤgt kein Jrrthum leicht dein ſehnlich wuͤnſchen nieder /
Eh ſol mein Herolds-Amt von keinem Nachdruck ſeyn /
Wo mit Vollbringen nicht trifft mein Verſprechen ein.
Dort wo Budorgis-Stadt die Koͤnigin des Landes /
Europens ſein Smaragd / und Schleſiens Saphier
Mit ſtoltzen Thuͤrmen reicht biß an der Sterne Zier /
Die Mauren aber waͤſcht des ſanſſten Oderſtrandes
Gelinde Wellen-Fluth / da wird ein Quell entſtehn /
Der mit der Goͤtter-Tranck dir kan entgegen gehn.
Sie eilten / Liebe heiſts / zu der beraumten Stelle /
Als gleich der Sonnen Rad im hoͤchſten Mittag ſtand
Und Waͤlder / Thal / und Feld vor Hitze ſchier verbrand.
Der matte Hylas rieff: Wo? ach wo iſt die Quelle?
So mein verſchmachtes Hertz mit ihrem Thau erquickt /
Und mir Eutkraͤffteten den edlen Nectar ſchickt.
Unfern ereigte ſich ein angenehme Hoͤle /
Umb die der Baͤume Nacht wie einen Bogen ſchloß /
Ein rieſelnder Cryſtall ſprang aus der gruͤnen Schoß?
Die Anmuth dieſes Orts gab Steinen Geiſt und Seele /
Daß[durch] ein Echo ſie ſich lebendig gemacht /
Und fragten / wer diß Paar hett auff den Platz gebracht?
Es wandte vor Mercur der Goͤtter Schluß und Willen /
Und Hylas gantz entzuͤckt blieb unbeweget ſtehn /
Er ließ die Augen nie von dieſem Brunnen gehn /
Und ſah den Silber-Thau ſich in die Blumen huͤllen /
Jndem er bald durch Roſ und bald durch Lilgen rann /
Bald Hyacinthen vor Jeßminen lieb gewann.
Der Hylas muͤhte ſich das ſchoͤne Bild zu kuͤſſen /
So durch die Spiegel-Fluth zu kuͤſſen willig ſchien;
Wolt er den Marmel-Leib was naͤher zu ſich ziehn /
So ſah man ſeinen Wunſch im Augenblick zerflieſſen.
E eWie66Hochzeit-Gedichte.
Wie / rieff er / ſtrafft mich nun der Echo ſtrenge Rach
Und wird zur Marter mir der angenehme Bach!
Mercur ließ unterdeß den heilgen Guͤrtel fliegen /
Und ruͤhrte mit dem Stab dreymal der Erden Bruſt.
Als ſich ein Jungfern-Bild voll Schoͤnheit / Schertz und Luſt
Jm klaren Brunnen wieß. Nun / Hylas / dein Vergnuͤgen /
Sprach der beredte Gott / entdeckt die gruͤne Hoͤl /
Das Labſal deiner Noht / den Zucker deiner Seel.
Die Najas / ſo wir jetzt Roſette wollen nennen /
Jſt wuͤrdig / daß auch du zerſchmiltzſt in gleicher Flut.
Schau an der Augen-Pracht / der Wangen Milch und Blut /
Wo du kein Kieſelſtein / du wirſt empfindlich brennen.
Jch weiß daß ſonſt kein Thau den Liebes-Durſt dir leſcht /
Und daß dich dieſe Bach mit Roſen-Oele waͤſcht.
Narciſſens Schoͤnheit ſtarb in ihren eignen Flammen /
Diß iſt die Lebens-Bach / der auch nicht Tagus gleicht
Noch Hermes der uns Gold in ſeinem Sande reicht /
Flieſt nun / Verliebte / flieſt / wie Salmacis zuſammen /
Als ſie der Venus Sohn in ihren Arm umbfieng
Und wie ein Rebenblat an ſeinen Gliedern hieng.
Mercur faͤhrt in die Lufft / die lieblichſte Roſette
Rufft: Hylas fleuch doch nicht / hat Nymfen jene Zeit
Der Hylas in den Brunn verwandelt hoͤchſt erfreut /
Ach ſo verſchmaͤhe nicht mein Blumen-reiches Bette /
Du ſolſt mein Hylas ſeyn / ich deine Salmacis /
Und unſre Liebe bleibt biß in den Tod gewiß.
Was ſchafft des Himmels Rath wenn treue Seelen lieben
Es rinnet beyder Geiſt in einen Nectar-Fluß /
Der Lippen Roſen-Feld erquickt ein feuchter Kuß /
Nichts kan die Reinligkeit der Liebes-Bach betruͤben.
Biß daß die Wolluſt ſelbſt ein Zeugnuͤß leget bey /
Wie hier ein Paradieß der Treu-Verliebten ſey.
Auf Hn. B. G. u. J. R. R. Hochzeit den 7. May. 1675.
AUrora wieß numehr ihr Roſen-reiches Haar /
Und nahm den Purpur-Rock den fruͤhen Tag zu kleiden /
Der rund-gefallne Thau ſpan wie von zarter Seiden
Den Wieſen ein Gewand / das voller Perlen war /
Und67Hochzeit-Gedichte.
Und die erwachte Sonn fing an mit guͤldnen Strahlen
Der Erden gruͤne Bruſt anmutig zu bemahlen.
Es ſchallte Wald und Thal von einer Saͤngerey /
Die kuͤnſtlich angeſtimmt die bunten Forſt-Gebruͤder.
Es ließ die Nachtigal auch ihre Wunder-Lieder
Auff tauſend Arten gehn / die Echo ſaß dabey
Zwar lebloß / doch beredt / und gab noch zu verſtehen
Wie ihr Narciſſus ſtoltz zu Hertzen muͤſſe gehen.
Als nach vollbrachter Ruh die Mutter ſuͤſſer Pein /
Erhub den Lilgen-Leib von weichen Schwanen-Kuͤſſen /
Erfreut und auch betruͤbt weil Mavors ihr entriſſen:
Was / ſprach ſie / wolt ich nicht entſetzt des Himmels ſeyn /
Als meines Krieges Gotts Umbarmung ietzt entbehren?
Sol meine Schoͤnheit ſich in Einſamkeit verzehren?
Wie / Mutter / ſo beſtuͤrtzt? erſchien ihr kleiner Sohn /
Jch bringe nichts als Luſt in meiner Schoß getragen.
Mein Mund weis ſonſt von nichts als Liebligkeit zu ſagen.
Bewacht nicht Schertz und Spiel mehr deiner Hoheit Thron?
Wo ſind die Gratien? die faͤrbichten Napæen
Die feuchten Najaden / die hurtigen Oreen?
Weil ietzt die Erde wird des Himmels liebe Braut /
Und die verjuͤngte Welt ſcheint als wie neu gebohren /
Der Faunen Auffenthalt der Wald kriegt Aug und Ohren /
Sein zierlich Garten-Werck Priapus wieder baut /
Der Baͤume Schnee-Geruch die Luͤffte balſamiret /
Und iede Blume ſich mit neuen Farben zieret.
So iſt der Flora Wunſch in ihrem Koͤnigreich /
Das Sternen trotzen kan / Rubinen machet dunckel /
Den Demant uͤberwiegt / und wegſticht den Carfunckel /
Vor dem der Chryſolit und Carniol wird bleich /
Gold-Mutter dich zu ſehn / und ob von den Saphiren
Des Himmels ſie dich darff auch in ihr Luſt-Haus fuͤhren.
Auff / Acidalia! die allerſchoͤnſte Zeit
Der Jahrmarckt beſter Luſt / der Lentz lockt an zum lieben
Du ſihſt diß ſuͤſſe Werck Lufft / Erd und See veruͤben /
Die Pfeile ſind geſpitzt / mein Bogen iſt bereit /
Der Koͤcher angefuͤllt / ſo merck ich aus den Luͤfften /
Jhr liſpelndes Geraͤuſch wird uns mehr Freude ſtiſſten.
Drauff legte Paphie den heil’gen Guͤrtel an /
Der alle Heimligkeit der Liebenden beſchloſſen;
E e 2Wie68Hochzeit-Gedichte.
Wie ihr gekroͤntes Haupt mit Narden war begoſſen
Und ſie den hoͤchſten Schmuck / der Goͤtter zieren kan /
Mit gleicher Majeſtaͤt den Schultern umbgegeben /
Sah man in groſſer Schaar die Amorn umb ſie ſchweben.
Sie baten umb Befehl. Die Koͤnigin der Luſt
Und Herrſcherin der Welt ſprach: Knaben ihr muͤſt ſchwimmen /
Es darff mir Paphos nicht von fetten Opffern glimmen /
Mir iſt des Eryx Schloß und Tempel nie bewuſt.
Weg meine Tauben weg / ihr duͤrfft nicht heute girren /
Jch wil nicht eure Ruh ihr Silber-Schwanen irren.
Die Muſchel / ſo zu erſt mein Roſen-Fuß betrat
Muß mir zu einem Schiff auch auff der Oder dienen /
Mir der das Ufer lacht / der alle Baͤume gruͤnen /
Narciſſen ſproſſen auff und decken meinen Pfad /
Beliebt bey reiner Lufft und Spiegel-klaren Wellen
Mich zu der Garten-Luſt der Chloris einzuſtellen.
Wie wenn der Bienen-Volck ſchwaͤrmt umb den ſuͤſſen Klee
Und wil ſich in den Schoß der Blumen gantz verhuͤllen /
So ſah man auch die Lufft die Liebes-Engel fuͤllen /
Theils jagten Vogeln nach in der geſtirnten Hoͤh /
Theils ſchwebten in dem Kampff / und andre hieltens beſſer
Zu ſegeln durch die Fluth / zu ſchertzen im Gewaͤſſer.
So trug der Oderſtrom die Freuden-Koͤnigin /
So iſt ihr Schertz und Luſt und Anmuth nach geſchwommen /
Biß ſie der Flora Mund demuͤthig hieß willkommen
Und Hertz-vermoͤglich bat in ihren Garten hin /
Der wie ein Paradeiß voll Bluͤt und Blumen lachte
Und ein geſtirnt Gezelt der Liebes-Mutter machte.
Es hatte kaum ihr Fuß den ſchoͤnen Ort beruͤhrt /
Als eine gantze Reyh von holden Frauen-Zimmer
Sie zu bedienen ſtand. Der Stralen-reiche Schimmer
Den umb ihr goldnes Haupt die Erycina fuͤhrt /
Beſchwang gleich einem Blitz die Gegend dieſer Erden /
So daß die Nymfen da zu Engeln muſten werden.
Der auserleſne Platz gefiel der Goͤttin wol /
Weil dort der Blumen Luſt die Geiſter aufferweckte /
Und hier der Baͤume Nacht der Glieder Marmel deckte /
Sie ſprach: fort / Toͤchter / fort / weil man begehen ſoll
Den Blumen-ſchwangern May / wird Chloris es vergoͤnnen /
Daß wir durch einen Tantz uns recht ergetzen koͤnnen.
Zwar69Hochzeit-Gedichte.
Zwar meiner Majeſtaͤt ſteht nicht dergleichen an /
Jch bin vergnuͤgt darmit die Augen nur zu weiden /
Und hier der Roſen-Krantz ſoll dieſer Haupt bekleiden /
Die als die Meiſterin den Reyhen fuͤhren kan.
Die Amorn|werden auch zu fernerem Behagen
Euch Ambroſinen Marck und Goͤtter-Wein fuͤrtragen.
Alleine Zefyrs Schatz / Luſt-Wirthin / ſage mir /
Hub Venus weiter an / weil die beredten Geigen /
Der Laute ſuͤſſer Mund nicht laͤnger wolten ſchweigen
Und hinterziehn die Luſt / wie ſind in dein Revier
Die Blumen ſo zuvor im hohen Goͤtter Orden
Durch eine Wandlung ſo bald verſetzet worden?
Jſt diß hier der Narcyß ſo einſt ſich ſelbſt geliebt /
Und itzt bald weiß / bald gelb / bald hohl / bald voll gefuͤllet?
Steht da der Hyacinth dem Phoͤbus wol gewillet /
Ob deſſen Hintritt er ſich biß in Tod betruͤbt?
Seufftzt dort die Clytie noch immer nach der Sonne /
Folgt ihren Stralen nach und nennt ſie Troſt und Wonne?
Ja Mutter heiſſer Brunſt gab Chloris Antwort drauff /
Die Flamme / die du ſelbſt in ihrem Blut genaͤhret /
Hat Goͤtter wie du ſihſt in Blumen ſo verkehret /
Eh wird der Himmel gar veraͤndern ſeinen Lauff /
Die Fluͤſſe ruͤckwerts gehn / als ſie dir widerſtreben /
Dir / der zu Dienſten auch die Elementen leben.
Sih doch den Crocus an und ſein gantz guͤldnes Kleid /
Blick auffdie Lilien von Juno Bruſt begoſſen /
Als Hercules bey ihr die Nahrung hat genoſſen /
Und wo Adonis dir nicht ferner machet leid /
So ſproſſen fuͤr dir auff / dein Blut / die Anemonen /
Als Zeugen wahrer Treu und der verliebten Cronen.
Verwundert dichs noch mehr / das ſie beym Morgenroth
Voll runder Perlen ſtehn? Es ſind die heiſſen Zaͤhren.
Reitzt dich der Farben Glantz? das feurige Begehren
Stellt iedes Blat noch fuͤr. Des Cypariſſens Tod
Entdeckt hier die Cypreß mit ihren blaſſen Zweigen
Und wird aus Leid zerkerbt Apollens Liebe zeigen.
Wer ſiht den Lorberbaum / der nicht der Daphne denckt /
Wie in den gruͤnen Stock ſich ſelbſten muſte fluͤchten?
Wer kennt den Atys nicht in den lebhafften Fichten?
Und wenn der Palmenbaum verliebt die Armen ſchrenckt /
E e 3Sich70Hochzeit-Gedichte.
Sich umb den Ulmenſtamm die ſchlancke Rebe windet /
Wer leugnet daß ſie ſind vom Lieben angezuͤndet?
Geht deine Wuͤrckung nun durch Erde / Lufft und See /
So ſih genaͤdig an / daß meine Blumen brennen /
Der Garten wird gewiß als Goͤttin dich erkennen.
Denn wo mich nicht betreugt die Schickung aus der Hoͤh /
Und ich weiſſagen ſoll / ſo waͤhn ich: dieſe Stunden
Hat Roſabella was vom Liebes-Reitz empfunden.
Kaum hatte Flora ſo geſchloſſen ihren Mund /
Als durch die freye Lufft erhellt ein laut Gelaͤchter /
Die nackte Fluͤgel-Schaar der kleinen Liebes-Waͤchter
Eilt zu der Venus Thron / und rufft: Ach die iſt wund
Dein eintzig werthes Kind / ach Mutter / Roſabelle
Faͤngt aus der Bach die Glut / ſchoͤpfft Flammen aus der Quelle.
Und Hymen ſtimmet ein der Braut - und Hochzeit-Gott:
Der Garten mag mit Recht ein Wunder-Garten heiſſen.
Jch melde die Geſchicht. Wie ſich dem Tantz entreiſſen
Die Roſabella wil / und ſchertzt mit dem Geboth
Das Goͤttin du ertheilt / verlacht der Nymfen ſingen /
Wenn ſie von Lieb und Brunſt verdeckte Raͤtzel bringen.
Erwehlt die Einſamkeit zu der Gedancken Ziel /
Spatzieret hin und her die Sinnen zu ergetzen /
Meynt endlich / laſſ und matt / ſich an die Bach zu ſetzen
So wie Cryſtallen rein / anmuthig / friſch und kuͤhl
Aus guͤldnen Adern dringt / iſt dieſer Fall geſchehen /
Daß Roſabella ſich muß hoͤchſt verliebet ſehen.
Sie kennt die Regung nicht / ſo Marck und Adern ruͤhrt /
Ob in dem Hertzen ſchon die heiſſen Funcken ſpielen /
Sie ſucht der Liebe-Feur in dieſer Bach zu kuͤhlen
Die oben ſuͤſſen Thau / und unten Flammen fuͤhrt /
Und weiß den Aetna nicht ſo zwar mit Schnee bedecket /
Hingegen in der Schoß Krafft-reiche Braͤnde hecket.
Wol mir! ſprach Venus wol! was gleicht ſich meiner Krafft?
Fluͤgt hin geliebtes Volck und bringet doch zur Stelle
Der Tugend Ebenbild / die ſchoͤne Roſabelle /
Dir aber / Hymen / wird durch meinen Mund geſchafft /
Zuſehn ob ſolcher Bach Beſitzer nicht zu finden
Die Glut / ſo ſie geruͤhrt / muß jenen auch entzuͤnden.
Man laſſe Sina reich an Feuer-Brunnen ſeyn /
Es ruͤhme ſich Japan mit ſeinen heiſſen Baͤchen.
Jch71Hochzeit-Gedichte.
Jch Hertzens-Wenderin / wil ſo ein Urtheil ſprechen /
Das auch die Ewigkeit dem Demant graͤbet ein.
Und dieſer Garten ſol zu ſtetem Angedencken
Mir Opffer reiner Treu / dem Himmel Pflantzen ſchencken.
Jndem koͤmmt Roſabell erſchrocken im Geſicht
Und faͤllt halb zitternde der Goͤttin zu den Fuͤſſen /
Man ſah ſich Scham und Zucht auff ihren Wangen kuͤſſen.
So faͤrbt der Himmel ſich / wenn fruͤh das Morgen-Liecht
Der Purpur untermahlt. Jn einem ſolchen Scheine
Strahlt Tyrus Schnecken-Blut auff glattem Helffenbeine.
Nicht unfern nahte ſich die Blumen-Goͤttin an /
Es ſtund ihr Garten-Herr entzuͤcket an der Seiten
Und tauſend Amorn da das Schauſpiel zu begleiten.
Sie rieff / vergoͤtterte Luſt-Fuͤrſtin / wo ich kan
Und darff / ſo laß doch frey die Roſabell erkennen /
Als eine Richterin / ob dieſe Bach kan brennen?
Jhr keuſches Auge gab durch Wincken zu verſtehn /
Wie die geliebte Bach ihr eintziges Vergnuͤgen /
Und wie ſie ſchon bereit / dem was die Sterne fuͤgen /
Die Paphie befiehlt / Gehorſam nachzugehn.
Ja daß ihr hoͤchſter Wunſch an dieſem Ort zu leben /
Wo ihr die reine Bach Erfriſchung erſt gegeben.
So fleuſt Alpheus Strom nach Arethuſen nicht /
Es ſchmiltzet Salmacis in keine ſolche Fluten /
So rauchet Dodons Brunn kaum von ſo heiſſen Gluten /
Als hier Herr Goldbachs Hertz in gleiche Flamm ausbricht.
Er ſiht was ihn ergetzt / er liebt was ihn entzuͤcket /
Und hat ihr Bildnuͤß ſchon laͤngſt in ſein Hertz gedruͤcket.
Die ſitſame Geſtalt / die ſeltne Froͤmmigkeit /
Der Jahre ſchoͤner Lentz / die freundlichen Gebaͤrden
Die muͤſſen ihm allhier zu Liebes-Sonnen werden.
Und wo der Menſchen Hertz ein ſchoͤnes Weib erfreut /
Kan Roſabellens Zier / und ungeſchmincktes prangen
Von der Vergnuͤgung ſelbſt das Vorzugs-Recht erlangen.
Es nahm die Herrſcherin verliebter Seelen wahr /
Wie ſich ein gleiches Feur aus beyder Augen zeigte
Wie ſich ein gleicher Plitz auff beyder Hertzen neigte
Wie treue Lieb und Gunſt erbaut ein gleich Altar /
Und ließ die reine Flamm biß an die Sterne gehen
Der auch der blaſſe Neid nicht konte widerſtehen.
E e 4Dir72Hochzeit-Gedichte.
Dir Flora ſag ich Danck / daß deine Garten-Luſt /
Sprach Venus / auch mein Reich ſo herrlich wil erweitern.
Ein ewig Wachsthum ſey in Blumen / Graß und Kraͤutern!
Es kroͤne Fruchtbarkeit ſtets deine reiche Bruſt!
Es muͤß ein blumicht Lentz in deinen Graͤntzen ſchweben /
Und alle Gratien nach deinem Willen leben!
Du aber Edles Paar / das meine Hand vermaͤhlt /
Und das die Einigkeit verknuͤpfft mit guͤldnen Schlingen /
So viel der Garten hier kan ſchoͤne Blumen bringen /
Und man im erſten May der bundten Tulpen zehlt /
So viel Geluͤck und Ruh begleit euch ſtets zu Bette /
Und Wolluſt-voller Schertz umbarm euch in die Wette.
Es muͤſſe Roſabell auff nichts als Roſen gehn /
Und ihren liebſten Schatz in Freuden-Roſen kuͤſſen!
Der Zucker-Roſen Krafft ſoll dieſe Nacht verſuͤſſen.
Und wenn ſie morgen fruͤh wird von dem Schlaff auffſtehn
Soll mir Aurora ſelbſt von ihren Roſen leihen /
Daß ich das Hochzeit-Bett anmuthig kan beſtreuen.
Jetzt rufft die Demmerung mich zu der Sternen Hoͤh /
Es wil mir Heſperus durch Silber-Blicke wincken /
Jch ſeh auch / Flora / dir die matten Augen ſincken
Auff! Amorn / eh ich noch aus dieſem Garten geh
Ehrt Choris milde Gunſt / wuͤnſcht den Vermaͤhlten Beyden /
Daß ihre Liebe ſich in Roſen muͤſſe weyden.
Auf Hn. D. von R. und J. B. E. B. Hoch - zeit. den 14. May. 1675.
BAſille / und zugleich der andern Nymfen-Schaar /
Worunter ſie gewiß der Schoͤnheit Sonne war /
Gieng / umb die Liebligkeit des Wetters zu genieſſen /
Gleich als der Sonnen-Rad den Mittags-Punct erhoͤht /
Auff ein begruͤntes Feld / wo Chloris Luſt-Hauß ſteht /
Da die Natur und Kunſt viel Sieges-Bogen ſchlieſſen.
Sie ſahen ingeſamt des Fruͤhlings Reichthum an /
Mit was fuͤr Schmuck und Glantz die Blumen angethan /
Wie hier die Tulipan mit Flammen ſich gefaͤrbet /
Dort der Narciſſen Kleid als weiſſer Atlas gließ /
Unfern die Kaͤiſer-Kron in hoͤchſter Pracht ſich wieß /
Und ihrer Blaͤtter Gold von Sternen hatt ererbet.
Mit73Hochzeit-Gedichte.
Mit ſo viel Lichtern iſt der Himmel nicht gemahlt /
Wenn ſeiner Fackeln Reyh die braune Nacht beſtrahlt.
Es bließ der Weſten-Wind auch gleichſam Bieſem-Luͤſſte /
Den ſchoͤnen Gaͤſten zu / und ſpielt umb ihre Bruſt.
Das Geiſter-reiche Blut vermahnte ſie zur Luſt /
Weil ja der holde May nichts als nur Freuden ſtiffte.
Sie ſchertzten hocherfreut / der Gaͤnge Labyrinth
Den ſonſt kein Daͤdalus kunſt-artlicher erfindt /
Lockt ferner ihren Fuß in eine gruͤne Hoͤle /
Die oben rund gewoͤlbt faſt wie ein Tempel ſchien:
Baſille will zuruͤck auß Furcht und Schrecken fliehn /
Und ſprach: Weicht / Schweſtern weicht / es koſtet eure Seele.
Denckt / daß Proſerpina vom Pluto ward geraubt /
Als ſie hatt allzuviel der Felder Luſt geglaubt:
Nein / ſprach der Nymfen Volck / wir muͤſſen weiter ſchauen /
Was vor Geheimnuͤß doch in dieſer ſtillen Schoß /
Der Klee-durchwuͤrckte Platz / der lebhafft gruͤne Mooß /
Befehlen uns allhier ein Wohnhaus aufzubauen.
Sie treten kaum hinein / als die gefrorne. Grufft
Die ſpringende Fontain ſtoͤſt in die freye Lufft /
Und ein behaͤglich Bad zur erſten Ankunfft ſchencket.
Es nimmt Verwunderung die zarten Seelen ein /
Wie Fluthen in Cryſtall / und in dem Marmorſtein /
So ein verborgner Brunn doch muͤſſe ſeyn geſencket.
Bald hat ein kuͤnſtlich Felß ihr ſchoͤnes Aug ergetzt /
Wie umb denſelben ſich die Muſcheln angeſetzt /
Bald wie ein glaͤſern Meer ſich in den Spiegeln zeigte /
Bald wie an einer Klipp hing ein Corallen-Aſt /
Bald wie in Ritze lag zerſprengt der Alabaſt /
Und ſein gantz ſteinern Haupt biß in den Abgrund neigte.
Je mehr der Vorwitz ſie hieß dieſen Ort beſehn /
Jſt durch Cupidens Liſt was ſeltzames geſchehn;
Es kommt der kleine Schalck anmuthig von Geberden /
Holdſelig von Geſicht / gefluͤgelt mit Geſchoß /
Gewafnet / wie er pflegt / im uͤbrigen ſonſt bloß /
Und rief: Laͤſt Paphie mich ſo gluͤckſelig werden:
Daß ihr O Schoͤnſte noch mein kaltes Hauß beſucht /
Die ihr den Lieb-Reitz ſonſt wol tauſendmal verflucht /
E e 5Be -74Hochzeit-Gedichte.
Beſchreitet mein Gezelt / wie ſoll ich euch beehren?
Seht / weil der Mutter Zorn hart uͤber mich ergrimmt /
So iſt mir dieſer Ort zum Aufenthalt beſtimmt /
Wo mich die Einſamkeit muß mein Verbrechen lehren.
Jedoch ich oͤffne hier noch meiner Schaͤtze Schrein /
Die dunckie Hoͤle ſoll ein Paradies mir ſeyn /
Weil enrer Augen-Blitz und Feuer ſie macht lichte /
Weil ihr mit Uberfluß der Anmuth außgeziehrt /
Ja gar ſtatt meiner jetzt der Welt-Regierung fuͤhrt /
Tragt Roſen in der Hand / den Fruͤhling im Geſichte.
Wie fromm iſt Cypripor! der erſten an der Reyh /
Legt er auß milder Gunſt den theuren Demant bey /
Mit dieſer Uberſchrifft: Jch bleib unuͤberwunden.
Der andern ſchencket er den brennenden Rubin;
Bin ich von auſſen Eiß / ich werd im Hertzen gluͤhn /
Hat er zum Wahlſpruch ihr als ein Geſchenck erfunden.
Es hat der dritten Hand ein ſchoͤn Smaragd erfreut /
Mit Schrifft: Mein grünes Gluͤck verzehret nicht die Zeit.
Die Vierdte wolte faſt fuͤrm bleichen Agtſtein fliehen /
Als der ſonſt nirgends findt bey edlen Steinen ſtatt /
Da doch die Deutung war: Wer Zucht und Tugend hat /
Kan ſchon durch derer Trieb Gemuͤther zu ſich ziehen.
Die fuͤnffte hat die Perl als Kleinod ihr erkieſt /
So ohne Zuſatz auch des Kuͤnſtlers herꝛlich iſt /
Und zum Gedaͤchtnuͤß traͤgt: Jch haſſe Farb und Schmincke.
Der ſechſten ward ertheilt der liebliche Saphier /
Mit Jnhalt: Rein und klar / als wie des Himmels Zier /
Auf welche Seite mir deß Gluͤckes Außſchlag wincke.
Baſillen wolte faſt der Schimpff zu Hertzen gehn /
Daß ſie ſolt einſam da und unbegnadet ſtehn /
Sie ſeufftzte: Jſt es denn der leichten Goͤtter Wille?
Als einen edlen Stein ihr Liebreitz zugebracht /
Jn Scharlach eingehuͤllt und trefflich wol vermacht /
Nimm / ſagt er / dieſes hin / Beherꝛſcherin Baſille.
Laß andern Diamant und Perlen guͤnſtig ſeyn /
Rubin und auch Saphier iſt nichts fuͤr dieſem Stein.
Spott Nymfen ſpottet nur das himmliſche Geſchencke /
Der Außgang wird alsbald Baſillen ſtimmen bey /
Wie ihrer Schoͤnheit Pracht des Liebens wuͤrdig ſey /
Daß ſie als ein Magnet die Hertzen zu ſich lencke.
Was75Hochzeit-Gedichte.
Was / ſprach Baſill / iſt diß? als Keuſchheit / Zucht und Scham /
Gleich wie die Morgenroͤth auf ihren Wangen glam /
Es pflegt ja der Magnet nur Eiſen ſonſt zu kuͤſſen /
Sein heimlich ſtarcker Zug umbarmt den harten Stahl /
Sol der entſeelte Stein bey mir den Liebes-Strahl
Entzuͤnden / daß ich muß wie weiches Wachs zerflieſſen?
Es hatte kaum vollbracht diß Wort ihr Roſen-Mund /
Als gegen ſie Herꝛ Reuſch verliebt in Flammen ſtund /
Und ſah die Sternen an die mit beflammten Blitzen
Cupido angefuͤllt / wie ihr Magnetiſch Schein /
Anmuthig ſpielende drang in ſein Hertz hinein /
Und dieſes wieder ließ die lichten Funcken ſpritzen.
Triumph / ſprach Cypripor / ich habe nun geſiegt /
Und meiner Mutter Zorn und Rachgier eingewigt /
Der Nymfen Stern und Kern / die lieblichſte Baſille /
Der auch die Anmuth ſelbſt die Sieges-Kronen reicht /
Uud der an Stand / und Witz und Schoͤnheit keine gleicht /
Empfaͤngt anß meiner Hoͤl noch ihres Gluͤckes Fuͤlle.
Verwandle Venus doch in Schauplatz ihrer Luſt /
Den angenehmen Ort / daß wenn nun Bruſt an Bruſt /
Und Mund auf Munde liegt / magnetiſch ſie empfinden
Den Zucker den du floͤſt in ſuͤſſen Roͤhren ein /
Wie nichts durch dringliches auf dieſer Welt kan ſeyn /
Als wenn zwey Hertzen ſich in gleicher Gunſt verbinden.
Mich duͤuckt / ich ſeh auch ſchon / wie ihren Liebes-Schluß
Der Himmel unterſchreibt / und wie ſo manchen Kuß /
Herꝛ Reuſch nunmehr gekoſt auß den Rubinen-Schalen;
Wie ſich ſein feurig Geiſt auf Roſen-Feldern ſpeiſt /
Ja wie Baſillens Seel in heiſſer Luſt zerfleuſt /
Und mit verſchrencktem Hauch die Kuͤſſe wil bezahlen.
Wol mir / ich wil hinfort den Himmel wieder ſehn /
Nun die Magnetiſche Vermaͤhlung iſt geſchehn /
Jhr zarten Nymfen trotzt mit euren edlen Steinen /
Baſillen bleibt der Ruhm / der Schoͤnſten dieſer Stadt /
Die Tugend zum Magnet und Zucht zum Scharlach hat /
Und mit Herꝛ Reuſchen nun ſich ewig ſoll vereinen.
Drauf hub Cupido ſich / auß der Cryſtallnen Grufft
Gleich Helden ſo geſiegt durchs blaue Feld der Lufft.
Das76Hochzeit-Gedichte.
Das andre Nymfen-Volck von Freuden gantz entzuͤcket /
Sah nur verwundernde Baſillens Schoͤnheit an /
Und wie des Himmels-Gunſt die Tugend kroͤnen kan /
Als die mit gleicher Eh ihr keuſches Hertz erquicket.
Auf die H. u. H. eheliche Verbindung den 14. Julii 1676. in eines andern Namen.
ES thuͤrmte ſich ein Berg in Cypris Jnſel auf /
Den laͤngſt das Alterthum der Venus hat geweihet /
Und den die Anmuth ſelbſt mit Roſen uͤberſtreuet /
Es nahm ein groſſes Volck zu dieſem ſeinen Lauff /
Theils umb die Heiligkeit der Goͤttin zu verſoͤhnen /
Theils auch aus Schuld und Pflicht ihr Luſt-Altar zu kroͤnen.
Des Himmels Meiſter-Stuͤck / das liebliche Geſchlecht /
Das ſchoͤne Jungfern-Volck / dem zu der Maͤnner Leben
Der kleine Liebes-Gott die Schluͤſſel hat gegeben /
War wachſam daß niemand unreines Opffer braͤcht /
Und ihrer Ampeln Glut mit falſchem Oel entzuͤndte /
Als daß zu ſteter Treu ein ewig Schwur verbindte.
Viel klagten ihre Noth und zogen jener Zeit /
Verblaßte Buhler an / wie Dido ſich erſtochen /
Und Sappho von dem Fels den kuͤhnen Hals gebrochen /
Leandern in der Flut ſein Ende war bereit;
Adon / den Venus gar dem Himmel fuͤrgeſetzet /
Durch ein ergrimmtes Schwein im Walde ward verletzet.
Theils ſtunden murmelnde und wolten ihr Geſicht /
Von Schaam und Furcht beſtrickt nicht zu der Goͤttin heben:
Die ſchalt ihr Einſamkeit und Kummer-volles Leben;
Ein andre; daß der Lieb oft der Verſtand gebricht /
Und das / der heute kuͤßt / offt morgen nicht mehr gruͤſſet /
Und bey geſchworner Treu man den Beſtand vermiſſet.
Viel ſeufftzten / daß ſie viel auf Worte nur getraut /
Da doch der Maͤnner Schwur ein Spiel der leichten Winde:
Die weinten / daß die Zeit und Schoͤnheit bald verſchwinde /
Und daß auf ſchlipffrig Eiß man in dem Lieben baut:
Noch andre wolten gar des Lebens Reſt verdammen /
Jn dem Cupido ſie nicht einmal fuͤgt zuſammen.
Dione derer Thron mit Herꝛligkeit umzirckt /
Und von Jeßminen-Oel und Balſam angefeuchtet /
Sah77Hochzeit-Gedichte.
Sah wie die Morgenroͤth im erſten Purpur leuchtet:
Es ſchien ihr guͤldnes Kleid von Sternen gantz durchwuͤrckt /
Und als deß Scepters Stab ſie dreymahl kraͤfftig ruͤhrte /
Vernahm man ohngefehr die Worte / ſo ſie fuͤhrte:
Jch Goͤttin / der das Reich der vier-getheilten Welt
Muß unterthaͤnig ſeyn; die Goͤtter kan bezwingen /
Und Hertzen von Metall in meine Dienſte bringen /
Der ſelbſt der Donner-Gott gebuͤckt zu Fuſſe faͤllt /
Will meines Reiches Macht auf heute noch erweitern /
Es ſoll nicht bloß allhier ſich meine Sonn erheitern.
Da / wo ſie Schleſien mit ſeinen Bergen ſpitzt /
Soll meine Wunder-Krafft noch ihren Zweck erreichen;
Es muß dem werthen Ort auch dieſer Tempel weichen:
Vergebens habt ihr mir mein Heiligthum erhitzt
Durch vieler Lichter Reich / der Weyrauch ſo mir brennet /
Wird nur in Schleſien in reinſter Glut erkennet.
Auf / meine Gratien! auf / Freude / Schertz und Spiel!
Spannt meine Schwanen an, ich laſſe Berg und Hoͤhen /
Bloß auf ein holes Feld ſoll meine Reiſe gehen /
Das ich mit reiner Wonn und Luſt bebluͤmen will.
Die Roſen heiſſer Brunſt / die Treu-gefuͤllten Nelcken /
Die ſollen auf der Bruſt Verliebter nicht verwelcken.
Mich hat zu erſt ein Feld von der geſchaͤumten Flut /
Durch meiner Muſchel Schiff auß Thetis Schoß erhoben /
So muß ich noch ein Feld zu meinem Vorſatz loben:
Nicht Eryx nur allein und Amathunt haͤlt Glut;
Es wird auch Friedeland von meinem Blitzen ſagen /
Und wie ich Flammen kan in ſeine Zimmer jagen.
Diß iſt mein Zeit-Vertreib / daß ich der Berge Hoͤh
Auf Felder ſetzen kan / daß Felder muͤſſen ſchwellen /
Und mit erhabner Pracht zu Bergen ſich geſellen:
Ja / wo ich Koͤnigin der Liebe geh und ſteh /
Bluͤhn unter meinem Fuß der Wolluſt Tuberoſen /
Und meine Hand allein ſchenckt die Vergnuͤgungs-Roſen.
Sie ſchloß und rief alsbald dem Braut-Gott Hymen zu:
Du ſihſt ein edles Paar zu meinen Fuͤſſen liegen;
Frolocke daß mein Reich von ſo viel tauſend Siegen
Noch immer groͤſſer wird / und / weil nur Fried und Ruh /
Mein Haupt Geſetze bleibt: So dopple deine Braͤnde /
Verknuͤpff in gleiches Band der beyden Seel und Haͤnde.
Uhr -78Hochzeit-Gedichte.
Uhrploͤtzlich ſahe man die nackte Fluͤgel-Schaar /
Leicht-ſinnig von Geſtalt und fluͤchtig einher treten /
Sie trugen Myrten-Laub und friſche Roſen-Ketten /
Mit welchen ſie verknuͤpfft das angenehme Paar,
Ja ſelbſt die Einigkeit mit ihren guͤldnen Schlingen /
War muͤhſam in ihr Garn diß edle Zwey zu bringen.
Cupido rief erfreut: Wo Berge ſind und Felder /
Da pflegt die Fruchtbarkeit ſonſt weſentlich zu wohnen;
Lebt itzt / vergnügte zwey bey euren Tugend-Kronen /
Und fuͤllet / wie ihr ſolt / den Bau der groſſen Welt:
So viel als Blumen ſind auf Feldern und auf Hoͤhen /
So viel ſol Segen auch umb euer Eh-Bett ſtehen.
Auf Hn. M. S. J. C. und Jungf. E. C. F. Hochzeit den 1. Septembr. 1676.
FReund / dem Minerva mich von Jugend auf verbunden /
Es fodert meine Pflicht /
Durch ein beliebt Gedicht /
Zu ehren deinen Tag / und ſuͤſſe Hochzeit-Stunden;
Alleine Geiſt und Glut /
Verlaſſen meinen Muth /
Die alte Liebligkeit iſt bey mir gantz verſchwunden.
Denn wer von Liebe ſchreibt / dem muß die Feder gluͤhen /
Der Kopf recht feurig ſeyn /
Sol Leben / Licht und Schein /
Und aufgeweckter Schertz in ſeinen Reim einziehen:
Der Liebes Engel Chor /
Schenckt ſelbſt ein Zucker-Rohr /
Dem Dichter / der ſich will um Venus Gunſt bemuͤhen.
So wird der Martial in ſeinem Buch erhitzet /
Wenn er vom Kuͤſſen ſagt /
Und voller Eyfer klagt /
Daß nicht die Cynthia ihm an der Seite ſitzet.
Ja in nicht mindrer Brunſt /
Schreibt Naſo ſeine Kunſt /
Wie man recht lieben ſol / wenn ihn Corinna ritzet. |
Vergeß ich den Catull den Meiſter in dem Lieben /
Der nach der Sterne Wahl /
Jnungezehlter Zahl /
Deß Kuͤſſens ſuͤſſes Werck bey Leßbien will uͤben.
Wo79Hochzeit-Gedichte.
Wo bleibt Petronius,
Der allen Uberfluß /
Von Lieb und Buhlerey auf jedem Blat getrieben.
Die Lehrer gelten nicht nun mit verliebten Blicken /
Dir deine ſchoͤne Braut /
Tief in das Hertze ſchaut /
Uns deine Seele will ein heißre Luſt entzuͤcken /
Der Fuͤhling ihrer Zier /
Stellt dir mehr Anmuth fuͤr /
Als jener todte Schrifft iſt maͤchtig zu erquicken.
Gleicht nicht der Augen Pracht zwey hellen Liebes-Sonnen /
Jhr Blitz der flammt und ſpielt /
Biß er dein Hertz erziehlt /
Das von getrener Brunſt als wie ein Wachs zerronnen.
Jn der Cryſtallnen Hoͤhl /
Als Spiegel deiner Seel /
Hat Liebreitz anfangs bald ſein Netz und Garn geſponnen.
Und ſiehſtu wie ihr Mund in Schalen von Rubinen /
Dir liefert ein Confect /
Das nach dem Himmel ſchmeckt /
Als wie der Goͤtter Tranck und Koſt von Ambroſinen.
Geneuß den Honig-Thau /
Auf ihrer Lippen Bau /
Und zeuch da auß und ein / gleich den bemuͤhten Bienen.
Es ruͤhme ſich der Herbſt mit ſeinen Fruchtbarkeiten /
Wenn Bacchus ſpringt und ſingt /
Und ſeine Trauben bringt /
Pomona wil mit Obſt die Schuͤſſeln zu bereiten /
Diana jagt und hetzt /
Daß ſie den Tiſch vollſetzt /
Und umb den Vorzug kan mit ihrem Wiltpret ſtreiten.
So weidet ſich dein Geiſt in andern Reben-Feldern /
Die Aepfel auf der Bruſt /
Gewehren dir mehr Luſt /
Als deß Alcinoes in ſeinen goͤldnen Waͤldern /
So ſchmeckt dir auch zu Tiſch /
Kein / ob zwar ſeltner Fiſch /
Als den die Liebſte giebt auß ihren Liebes-Haͤldern.
Mein Freund / es muß dein Hertz in lichten Flammen brennen /
Wenn dieſes Tugend-Bild /
Der80Hochzeit-Gedichte.
Der Zucht und Keuſchheit Schild /
Jhr redliches Gemuͤth dir giebet zu erkennen.
Der Demant ihrer Treu /
Entdecket dir dabey /
Wie weder Noth noch Todt ſol eure Liebe trennen.
So theilen Venus jetzt und Themis ihre Schaͤtze /
Und wollen daß du bleibſt /
Und unablaͤſſig treibſt /
Das Lieben bey der Nacht / im Tage die Geſetze.
Auf daß ja keine Friſt /
So dir gegeben iſt /
Verſtreiche / daß ſie nicht auch deinen Schatz ergetze.
Wolan! laß heute nur den Luͤſten freyen Zuͤgel /
Geneuß der Freud und Ruh /
Die Cancelley iſt zu /
Und vor der Richter-Stub iſt auch ein groſſer Riegel:
Die Venus ſagt alleiu /
Wie du ſolt fertig ſeyn /
Zu oͤffnen als ein Mann der Jungferſchafft ihr Siegel.
Cupido hat die Nacht holdſelig anberaͤumet /
Der Hertzog eurer Luſt /
Nun druͤcke Bruſt an Bruſt /
Sieh wie die ſchoͤne Braut ſich auch nicht laͤnger ſaͤumet /
Sie wuͤnſcht in deinem Arm /
Von Lieb und Wolluſt warm /
Zu ſchlaffen / daß ihr drauf was angenehmes traͤumet.
Nun miſche Kuß in Kuß wie die verliebte Tauben /
Die Muſcheln in der See /
Die Schnecken in dem Klee /
Und an dem Reben-Stock die ſchweſterlichen Trauben /
Daß beyder Seelen ſind /
Jn gleicher Luſt entzuͤndt /
Und Wechſelweiſe Kuß auf Kuß einander rauben.
Aurora wird hernach mit ihrem Scharlach prangen /
Wenn ſie den Tag entdeckt /
Sehn wo die Braut verſteckt /
Ob ſie ihr Morgen-Roth geſetzt auf ihre Wangen /
Weil ſie auß Scham nicht will /
Bekennen / ob das Spiel
Bey juͤngſt verlauffner Nacht anmuthig abgegangen.
Auf81Hochzeit-Gedichte.
Auf Hn. C. F. u. J. S. P. Hochzeit. Feſt den 10. Septemb. 1676.
1.
PErle keuſcher Zucht und Tugend /
Bild der angenehmen Jugend /
Schoͤne Braut was ſol es ſeyn /
Daß ſie ihrer Freyheit Schaͤtze
Liefert in das Ehſtands Netze /
Und ſtellt ſich gefangen ein?
2.
Oder wil ſie nach den Zeiten
Jhre kluge Sinnen leiten /
Weil ſich jetzt verjuͤngt das Jahr /
Und faͤngt alles an zu bluͤhen?
Wil ſie diß zum Beyſpiel ziehen /
Wenn ſieh ſchnaͤbelt Paar und Paar?
3.
Muß die Schoß der reichen Erden
Jetzt des Himmels Braut nicht werden
Wenn ſie ſich mit Blumen ſchmuͤckt?
Wenn er mit den goͤldnen Stralen
Pfleget ihre Bruſt zu mahlen
Und viel tauſend Farben ſchickt?
4.
Wenn ietzt in dem bunten Lentzen
Tulpen und Narciſſen glaͤntzen /
Und der Gaͤrten Reichthum prangt /
Wenn der Baum in ſeinem Kleide /
Als wie in Schnee-weiſſer Seide /
Die vollkommne Zier erlangt.
5.
Solte da der Menſch nicht leben /
Da die Goͤtter ſelbſten ſchweben
Jn erwuͤnſchter Froͤligkeit?
Solte dann der Menſch nicht lieben /
Dem ſchon in das Blut geſchrieben /
Paart euch daß ihr fruchtbar ſeyd?
F f6. Werth -82Hochzeit-Gedichte.
6.
Werthſte Braut / der Jungfer Orden
Wann er hochgehalten worden /
Jſt ein Garten ſonder Nutz /
Und ein Thau der nicht befeuchtet /
Eine Sonne die nicht leuchtet
Noch der Nachwelt Schirm und Schutz.
7.
Jungfern ſind wie Roſen fluͤchtig /
Jhre Schoͤnheit iſt gantz nichtig /
Sie verlieren die Geſtalt;
Da hingegen Jungefrauen
Maͤnnern das Geſchlecht erbauen /
Und im Lieben werden alt.
8.
Und die wird ein Unding heiſſen /
Die ſich ewig wolte fleiſſen
Der geſtrengen Jungferſchafft.
Ach man laſſe die Veſtalen
Jn verlobter Keuſchheit pralen /
Und ſtets leben in der Hafft.
9.
GOtt und die Natur gebitten /
Was ſie ietzt hat eingeſchritten /
Schoͤne Braut / das Band der Eh /
Nichts als Heil wird ihr begegnen /
Gluͤck und Wolfahrt auff ſie regnen
Aus der blau-geſtirnten Hoͤh.
10.
Seh ich nicht wie ihre Blicke
Flechten mehr als goͤldne Stricke /
Einzuſchnuͤren beyder Hertz /
Zuverbinden beyder Sinnen /
Daß ſie ſich nicht trennen koͤnnen
Jn Betruͤbnuͤß / Leid und Schmertz.
11.
Und wer wolte nicht Herr Francken /
Der ietzt aus dem Wittber-Schrancken
Wieder ſetzet ſeinen Fuß /
Wuͤn -83Hochzeit-Gedichte.
Wuͤnſchen / daß er froͤlich lebe
Daß er ſtets in Wonne ſchwebe /
Bey verneurtem Heyraths-Schluß.
12.
Er wird nicht den May verlangen /
Schoͤne Braut / weil ihre Wangen
Mehr als Tulipanen bluͤhn /
Weil die Sitten / die Geberden
Jhm zu Luſt-Magneten werden /
Und ſein Hertze nach ſich ziehn.
13.
Er wird ſie den Garten nennen /
Wo man kan die Liebe kennen /
Die da brennt ie mehr und mehr:
Wo Vergiß mein nicht entſprieſſet
Wo ihn Wolgemuth bekuͤſſet /
Und Manns-Treu behaͤlt die Ehr.
14.
Sie hingegen ſeine Taube /
Seines Weinſtocks edle Traube /
Sein gekroͤnt Oliven-Baum /
Wird ſo ihren Schatz empfangen /
Seinem Hoffen und Verlangen
Auch in allem geben Raum.
15.
Sie wird nichts von Dienſtbarkeiten
Wiſſen bey vermaͤhlten Zeiten /
Sondern leben franck und frey /
Und in goͤldner Eintracht Schrancken /
Sagen ja daß bey Herr Francken
Jhre wahre Freyheit ſey.
Auf Hn. P. K. JCti. u. J. A. B. v. E. Hoch - zeit / den 23. Septemb. 1676.
ES wolt AlBaniE / der Nymfen Cron und Licht /
Der Jugend Morgen-Roͤth und wunder-ſchoͤne Sonne /
Die Perle keuſcher Zucht / der Eltern Troſt und Wonne /
Nachdem der Blumen-Schmuck nun meiſtens hingericht /
Des Herbſtes Fruchtbarkeit / und ſeine reiche Fruͤchte
Jn einer Garten-Luſt noch nehmen zu Geſichte.
F f 2Sie84Hochzeit-Gedichte.
Sie gieng und zwar umbzirckt von Jungfern voller Pracht /
Gleich wie Proſerpina auff Aetnens bunte Wieſen /
Es ſchien / als ob der Tag vom Himmel ſelbſt erkieſen
Zu ihrer Wolluſt waͤr: Aurorens Fackel lacht
Von der geſtirnten Hoͤh / und doppelt ihre Stralen
Der blauen Luͤffte Feld mit reinem Gold zu mahlen.
Wohin ihr Auge ſah / erblickt ſie nichts als Luſt /
Wenn hier ein reicher Baum der Aepffel Scharlach zeiget /
Und dort das Pflaumen-blau die Aeſte niederbeuget;
Wenn da der Bachus kroͤnt mit Trauben ſeine Bruſt /
Die an dem Reben-ſtock voll ſchwangrer Augen haͤngen /
Und ſich bald Purpur-roth / bald weißlich-gruͤn vermengen.
AlBaniEn erfreut der Gaben Uberfluß.
Als die Goͤttinnen ſelbſt erſchienen ihr zu dienen.
Der Blumen letzter Schmuck / die riechenden Jeßminen
Bringt Flora zum Geſchenck / und der Pomonen Fuß
Eilt eine Schuͤſſel voll vom beſten Obſt zu reichen /
So wil auch Bromius mit ſeinem Safft nicht weichen.
Es lagert Schertz und Spiel ſich umb der Nymfen Schaar /
Sie leben hoͤchſt vergnuͤgt bey auffgeſetzten Trachten;
Beginnen durch ein Lied die Liebe zu verachten /
Worinn AlBaniE die rechte Meiſtrin war /
Und als ſie ſich gantz frey unuͤberwindlich ſchaͤtzten /
Ja ruͤhmten / wie ſie ſich den Flammen wiederſetzten.
So kommt der kleine Dieb / den man der Benus Sohn
Und Bogen-Schuͤtzen nennt / an dieſen Ort geflogen /
Hat ihm ein Frauen-Kleidargliſtig angezogen /
Tritt voller Zucht und Scham hin in der Jungfern Kron /
Spricht: Schweſtern / ſolten wir uns ferner nicht ergetzen?
Wir wollen unſern Fuß in jene Hoͤle ſetzen.
So wird der Huͤner Volck offt durch das Garn beruͤckt /
So gehen in den Schlag die Einfalts-volle Tauben.
Wie nun AlBaniE gibt dem Betruͤger Glauben /
(Jn Meinung / daß der Ort nichts mehr als nur erquickt)
Und in die Hoͤle tritt mit den geliebten Nymfen /
Faͤngt an der kleine Schalck zu ſchertzen und zu ſchimpffen.
Sie ſehn die Felſen an / worauff viel edler Stein
Als Sternen bey der Nacht aus jeden Ritzen leuchten;
Als ſie von oben rab ein Regen wil befeuchten.
Wie nun das arme Volck noch wil umb Huͤlffe ſchreyn /
Lacht85Hochzeit-Gedichte.
Lacht Cypripor / und ſpricht: Hier iſt gar kein Erretter /
Zieht alle Roͤhren loß / und macht ein groſſes Wetter.
Nicht einer iſt bekant was dieſe Suͤnd-Fluth ſey.
Jn einem Augenblick iſt alles wieder ſtille /
Sie ſehen / wie ein Glantz die Hoͤle gantz erfuͤlle.
Cupido faͤhrt nur fort mit ſeiner Gauckeley /
Verſichert / das diß Naß nicht ein’ger wuͤrde ſchaden /
Es pflegte Venus ſelbſt hierinnen offt zu baden.
Es heiſt der Vorwitz drauf ſie in die Spiegel ſchaun /
Bald faͤhrt ein Waſſer-Stral der Schoͤnſten ins Geſichte /
Jndem die andre forſcht woher der Quall ſich richte /
Faͤngt an von unten auff die Fluth ſie zu bethaun /
Und als die dritte wil auff eine Seite weichen /
Kan ein noch ſtaͤrcker Strom ſie hinter-ruͤcks beſtreichen.
Hier klagen ſie zu ſpaͤt ihr albre Thorheit an;
Und daß Cupido noch die Jungfern mehr erſchrecke /
So wirfft er von ſich weg die angenom̃ne Decke /
Steht nackt / als wie er iſt / lacht / was er lachen kan /
Zeigt Bogen / Koͤcher / Pfeil / und ſagt: Jhr ſeyd gefangen.
Denn ohne Fluth und Glut iſt kein hinausgegangen.
Glaubts / daß hier meine Stroͤm ohn End entzuͤndlich ſeyn| /
Und es entſpringen nur aus meinen Quellen Flammen /
Mein unvertrocknet Naß bringt alles Feur zuſammen /
Und meinen Roͤhren ſenck ich nichts als Braͤnder ein.
Mehr / daß ihr meiner Red ein mercklich Wunder ſchauet /
So ſeht AlBaniEn / die brennt / ſo vor bethauet.
Das allerwerthſte Kind / voll Schrecken / voll Gefahr /
Ließ in die hole Lufft viel tauſend Seuffzer ſteigen /
Die Roſen wolten ſich nicht auf den Wangen zeigen.
Man ſah ihr Angeſicht / das gantz veraͤndert war /
Als dieſes Wort erſchallt. Ach! wer wil mich befreien?
Leib-eigen wil ich dem mein gantzes Hertz verleihen.
Herr Kuͤnemann der vor in Rechten obgeſiegt /
Gedacht auch hier davon den Sieges-Krantz zu tragen;
Faͤngt an mit kuͤnem Muth ſich an den Ort zu wagen;
Und als er in die Schoß der Hoͤle ſich verfuͤgt /
Wil die AlBaniE Cupidens Liſt entziehen /
So ſiht man auff ihn zu viel tauſend Funcken ſpruͤhen.
Wie wenn der Mulciber in einen groſſen Kloß
Vielfaͤlt’ge Schwaͤrmer miſcht / und laͤſt ſie alle fahren.
F f 3Das86Hochzeit-Gedichte.
Das ſchien ein Wunder-Werck daß Tropffen Flammen waren /
Und daß die Hoͤle Feur aus Waſſer-Roͤhren goß /
Das ſich Herr Kuͤnemann / der Rettung wil gebrauchen /
Siht dem Berg Aetna gleich von Gluth der Liebe rauchen.
Nein / ſprach Dionens Sohn / man widerſtrebe nicht /
Der Himmel hat den Rath laͤngſt uͤber euch beſchloſſen;
So viel als Tropffen itzt umb eure Bruſt gefloſſen /
So viel Behaͤgligkeit gewehrt diß edle Licht.
Auff daß ihr preißbar ſpuͤrt / wie ich alleine rette /
So wandle ich die Hoͤl itzt in ein Hochzeit-Bette.
Eh daß Vernunfft und Sinn es nur begreiffen mag /
Verlohr der Marmel-Stein die Haͤrtigkeit und Flecke /
Von oben welbte ſich der groben Steine Decke
Jn Jaſpis und Rubin / des Demants lichter Tag
Vertrat der Fenſter Glaß / ſtatt der gefrornen Spitzen
Sah man von Helffen-Bein ſich Seulen unterſtuͤtzen.
Die Quellen goſſen itzt Amonens Balſam aus /
Und Pomerantzen-Oel / und der Jeſminen Seele;
Violen und Narciß bebluͤmeten die Hoͤle /
Und die vor eine Grufft / wurd itzt der Liebe Hauß
Und ewig Luſt-Pallaſt / und der Vergnuͤgungs-Bette /
Bot auch der alten Kunſt und Schnitzwerck Kampff und Wette.
Vier Bilder / derer Sinn verborgne Deutung gab /
Bekleideten den Raum / Apelles muſte weichen /
Noch Zeuxes / noch Parrhas wuͤrd eintzig Lob erreichen.
Es ſey daß Polyclet und Mentor kuͤnſtlich grab
Jn Marmol / Gold und Ertz / ſo muͤſten ſie bekennen /
Daß ihre Arbeit nur ein Schatten-Werck zu nennen.
Zu erſt ſtand Juno da / der Wolcken-Koͤnigin /
Die ſchloß dem Hercules / von wegen hoher Tugend
Die Hebe in die Hand / das Bild haupt-ſchoͤner Jugend.
Denn hielt des Tituls Spruch und Kuͤrtze dieſes inn:
Zwey Gleiche ſonder Gleich. Wer kan hier nicht verſtehen /
Daß dieſes ſol allein auff die Vermaͤhlten gehen.
Die andre Seit entwarff den Orpheus mit der Laut /
Und wie er embſig iſt Euridicen zu holen /
Die ſchon dem Pluto war und ſeiner Nacht befohlen /
Verliehrt dieſelb indem als er zuruͤcke ſchaut /
Mit ſolcher Uberſchrifft: Getreuer Liebe Funcken
Sind in der Aſchen auch der Todten nicht verſuncken.
Zum87Hochzeit-Gedichte.
Zum dritten / liebten da Eyß-Voͤgel in der See.
Das Meer ſtund ohne Sturm und ungeheure Wellen /
Und ſeine Heiterkeit ſah wie Cryſtallen-Quellen /
Ceycis lebte da mit der Alcinoe /
Daraus der Jnnhalt floß; Es muͤſſ euch nichts betruͤben /
Jht ſolt in Ewigkeit in Fried und Segen lieben.
Die vierdte Seit erſchien / wie Perſeus zuckt ſein Schwerdt /
Befreyt Andro meden vom Wall-Fiſch und von Banden /
Worbey der Jnnbegrieffrecht ſinnreich war vorhanden:
Der eintzig und allein iſt meiner Liebe werth.
Der hat mich auch verdient / der ſol mich auch beſitzen /
Mich kanſein Helden-Muth fuͤr allem Unfall ſchuͤtzen.
Jndeß die beyde nun das ſchoͤne Zimmer ſehn /
Und fuͤhlen gleichen Trieb in gleich entbranten Flammen /
Rufft Amor uͤberlaut die Gratien zuſammen /
Und ſchreyt: Kommt Nymfen / kommt / bemercket was geſchehn /
Die ſchoͤn AlBaniE entſaget eurem Orden /
Und iſt Herr Kuͤnemanns vermaͤhlte Liebſte worden.
Damit euch aber ſey der edle Stamm bekant /
Von dem die edle Nymfden Urſprung hat genommen /
So wiſſt / ihr Lebens-Licht iſt von dem Mann entglommen /
Den / als ein Wunder ehrt das gantze Vaterland /
Und den der Erden-Gott / der Kaͤiſer / hat erhoben /
Von wegen ſeiner Dienſt und ungemeinen Proben
Was Rom und was Athen in ihren Circkeln fuͤhrt /
Was ſonſt die Wiſſenſchafft in den geheimen Schaͤtzen /
Hat Herr von Ehrenhold / die Seele von Geſetzen /
Der Ruhm der einem Paul und Ulpian gebuͤhrt /
Wird mit nicht minderm Ruhm aus ſeiner Feder leuchten /
Und mit der Weißheit-Thau das gantze Land befeuchten.
Nun dieſ AlBaniE hat den ererbten Glantz
Der Eltern vor ſich ſelbſt mit eigner Zier geſchmuͤcket /
Es ſind die Tugenden tieff in ihr Hertz gedruͤcket.
Der Froͤmmigkeit Safier / der Keuſchheit Lorber-Krantz /
Der Freundligkeit Smaragd / der Liebligkeit Rubinen
Und ſeltner Redligkeit ſtets gruͤne Roßmarinen.
Seht aber / wie ihr Aug in ſuͤſſen Blicken ſpielt /
Wie ihre Roſen ſich der Wangen wieder faͤrben /
Ob fuͤr dem Nelcken-Mund nicht die Corallen-Schaͤrben /
Und wie der Augen-Blitz nur nach dem Liebſten zielt.
F f 4Ob88Hochzeit-Gedichte.
Ob nicht Herr Kuͤnemann gluͤckſeelig ſey zu preiſen /
Dem Venus und Aſtraͤ ſich ſo geneigt erweiſen.
Eh noch Cupido ſchleuſt / kommt wie ein Bienen-ſchwarm
Ein ungezaͤhlte Zahl von allen Liebes-Engeln /
Und ruffen: lebt und liebt / und ſtreun von Blumen-ſtaͤngeln
Viel hundert Arten aus. Es weiche Neid und Harm
Sagt Eros goͤldner Mund / und knuͤpfft die Friedens-ſchlingen /
Es muͤſſ euch Gluͤck und Heil bey Tiſch und Bett umbringen!
Lucina ſagte zu gewuͤnſchte Fruchtbarkeit /
Es ſolt ein reicher Herbſt ſie offtermals erfreuen.
Und Flora ließ darauff ſo ein Gewitter ſchneyen /
Das von der Blumen Geiſt und Anmuth war bereit.
Was ſonſt die Gratien holdſeeliges nur hatten /
Das kam dem Edlen Feſt der Liebenden zu ſtatten.
Nach dem ſchwung Cypripor die Fluͤgel in die Lufft /
Lebt Nymfen / lebet wol / und bleibet mir bewogen /
Bis daß in meine Hoͤl euch gleiche Liſt gezogen /
Und wie er dreymal diß mit lauter Stimm ausrufft /
Sucht er der Mutter Schoß / in welcher er erzehlte /
Wie er den Sieg erlangt / und ſeine Kunſt nicht fehlte.
Auf Hn. F. C. u. F. R. M. g. G. Hochzeit. den 12. Jan. 1677.
HErr Chremitz dieſer Tag iſt einer von den beſten /
So ihm des Himmels Gunſt auff dieſer Erden ſchenckt.
Er ſetz ietzt auff ſein Haar die Kron aus Myrten-Aeſten /
Und was betruͤben kan ſey in die See geſenckt.
Auff heute muß ſein Hertz in wahren Freuden gluͤhen /
Es iſt die Einſamkeit von ſeiner Bruſt verbannt /
Nun Liebe / Luſt und Schertz in allen Zimmern bluͤhen
Und ſeine Seele fuͤhlt den heiſſen Liebes-Brand.
Er hat zwar lange Zeit den Flammen widerſtrebet /
Jetzt ſpuͤrt er daß der Zug von einer hoͤhern Macht.
Er ſieht / daß er in nichts als Wuͤſteney gelebet
Nun ihn Cupido hat ins Garn der Luſt gebracht.
Wer ruffet nicht Gluͤck zu? nun auch Herr Chremitz liebet
Und ſeines Namens Ruhm und Ewigkeit bedenckt
Nun er der keuſchen Eh ſich willig untergiebet /
Und den ſich lencken laͤſt / der Welt und Himmel lenckt.
Jch89Hochzeit-Gedichte.
Jch mag von Buhlerey und Kuͤſſen ihm nichts ſchreiben /
Jch weiß ſein reiner Geiſt verlacht die Leckerey.
Mein Gluͤckwunſch ſoll allein bey dieſem End-Zweck bleiben /
Daß ſein gefaſter Schluß des Hoͤchſten Satzung ſey.
Denn / wie er alles ſonſt laͤſt gehn nach GOttes Willen /
Und mit Gedancken ſtets dem Himmel iſt verwand.
So will auch Gottes Huld mit Segen ihn erfuͤllen /
Und Gluͤck und Wolfarth wird bekroͤnen ſeinen Stand.
Wie treu er Gott geliebt / befoͤrdert was zur Ehre /
Und ſeines Namens Preiß bey Kirchen dienen kan /
Jſt unnoth daß mein Reim bey dieſem Feſt es lehre /
Der Nachruff hat es laͤngſt ruhmwuͤrdig kund gethan.
Er fuͤhrt die Gottesfurcht in keinem Heuchel-Hertzen /
Und ſeine Redligkeit iſt auf die Stirn gepraͤgt /
Laͤſt andrer Wanckelmuth mit Eyd und Schwuͤren ſchertzen /
Sein Anfrecht-deutſcher Sinn wird nicht dadurch bewegt.
Ja iſt der Chriſten Kirch ein Weinberg zu benennen /
Wie embſig hat er nicht denſelben angebaut /
Man wird nach ſeinem Tod auch ſeine Wolthat kennen /
So oft ein frembdes Aug[auf] unſern Altar ſchaut.
Es klingen ihm zum Ruhm des Vaterlandes Glocken /
Die ſeine Mildigkeit zu Bautzen hat geweyht.
Und ſeiner Andacht Feſt kan ſichre Menſchen locken /
Daß ſie den Fuß entziehn der ſchnoͤden Eitelkeit:
Was ſchenckt uns nicht ſein Buch fuͤr ſchoͤne Todten-Lieder /
Wann vor den Schauplatz er den Kirchhof ihm erkieſt /
Und merckt daß alle Pracht der vor Schnee-weiſſen Glieder /
Nichts als ein duͤrꝛ Geruͤpp und Aſchen-Hauffen iſt.
Was meld ich / wie er offt die Hungrigen geſpeiſet /
Die Durſtigen getraͤnckt / Entbloͤſte hat bedeckt?
Wer in den Weinberg ſich ſo thaͤtig nun erweiſet /
Und ſeines Lebens Ziel nach Gottes Willen ſteckt;
Der hat gewiß auch nichts von ſeiner Hand zu hoffen /
Als uͤberſchwenglich Heil und Gnade fruͤh und ſpat.
Wohl ihm Herꝛ Chremitz wohl / der ſo den Zweck getroffen /
Und ihm das beſte Theil zuvor erwehlet hat.
Geſetzt / es rufft ihn Gott auch um die letzte Stunde /
Die Letzten ſollen offt bey ihm die Erſten ſeyn.
Wer nur bey ſeinem Gott ſteht im Genaden-Bunde /
Dem bringt das letzte Loß den beſten Vortheil ein.
F f 5Sein90Hochzeit-Gedichte.
Sein Wahlſpruch bleibet wahr. Es geht nach Gottes Willen /
Hier nntzet ihm der Menſch mit ſeinem rathen nicht /
Kein gruͤbeln der Vernunfft noch ſcharff-erdachte Grillen
Berhindern / wenn der Mund des HErren etwas ſpricht.
Er ſchleuſt deß Himmels Rath in den geſtienten Hoͤhen /
Eh man auf Erden noch die Ehen recht vollzeucht.
Und unſer kuͤnfftiges Geluͤck und Wolergehen /
Jſt nur ein bloß Geſchenck auß Gottes Hand gereicht.
Hier darff der erſte ſich nicht auf ein Vorrecht gruͤnden /
Der letzte nimmt ſo wol den Segens-Groſchen hin.
Herr Chremitz der ſich kan in Gottes Willen finden /
Weiß daß die Froͤmmigkeit ein herꝛlicher Gewin.
Drum hat er mit Bedacht ihm eine Braut erwehlet /
Die an Verſtand und Witz und edler Tugend reich /
Er lobts nicht / wenn ein Kind dem andern ſich vermaͤhlet /
Und preiſt den alten Spruch: am beſten gleich und gleich.
So traͤgt der Palmen-Baum die Laſt mit gleichen Zweigen /
So nimmt der Rebenſtock den Ulmenbaum in Arm /
Er wird Herꝛ Braͤutigam / denn auß Erfahrung zeugen /
Wie ein gedoppelt Bett auch iſt gedoppelt warm.
Zu dem ſo iſt die Eh dem Weinberg zuvergleichen /
Den Erſt - und Letzten trifft hier Arbeit / Muͤh und Fleiß /
Wie kan / was man nicht baut verlangte Fruͤchte reichen?
Und ein vergnuͤgter Lohn folgt erſt auf ſauren Schweiß.
Ein Wintzer muß zuvor den Berg aufs beſte duͤngen /
Eh ihm der Trauben Blut der reiche Herbſt gewehrt /
Und den durch klugen Schnitt die Senck auf Knotten bringen /
Damit den Weinſtock nicht der Schoſſen Trieb verzehrt.
Denn muß er mit Bedacht biß zu den Wurtzeln raͤumen /
Daß die Pfeil-Wurtzel ſich noch deſto tieffer ſtreckt.
Drauf ſtaͤbelt er den Stock an zubereiten Baͤumen /
Und hefftet / daß die Reb an ihren Pfaͤhlen ſteckt.
Noch iſt diß nicht genug / er mnß ſehr embſig hacken /
Zu letzt den Uberfluß des Laubes wol verhaun /
Wil er denſuͤſſen Moſt in ſeine Schlaͤuche ſacken /
Und den geklaͤrten Tranck in reinem Golde ſchaun.
Sein Weinberg / Werthſter Freund / erfodert gleiche Pflege /
Er muß in allem Thun und Trachten ſeyn bemuͤht /
Daß zur Vermehrung er bequeme Senckerlege /
Daß mit Verlauff der Zeit ſein Weinſtock froͤlich bluͤht.
Wie -91Hochzeit-Gedichte.
Wiewol er laͤſt auch hier deß Hoͤchſten Willen walten /
Und weiß / wer langſam kommt der bringt offt gute Beuth.
Der wird auch uͤber ihn und ſeinen Weinberg halten /
Daß ihn kein Sommer brennt / kein Winter nicht beſchneyt.
Alsdenn ſo kan ihn nicht die ſpaͤte Wahl betruͤben /
Wenn die Vergnuͤgung ſich in beyder Hertzen legt /
Und unzertrennter Fried und ewig-treues lieben /
Das Bild der Einigkeit in ihre Seelen praͤgt.
Gluͤckſelig iſt der Mann / der ſo zuletzt iſt kommen /
Daß er den erſten noch den Vortheil abgerennt /
Der wie Herr Chremitz hat den Zweck in Acht genommen /
Und Gottes Willen nur als ſeinen Fuͤhrer kennt.
Auf Hn. M. J. B. D. zu St. E. u. F. B. H. g. O. Hachzeit / den 18. May 1677.
ES hat / Ehrwuͤrdiger / der Himmel außgeweinet /
Deß Traurens ſchwartze Nacht zertheilt ein liechter Strahl:
Verſichert daß ihm jetzt der Wolfahrt Sonne ſcheinet /
Das Gluͤcke fuͤhret ihn in ſeinen Freuden-Saal.
Weg mit Napell und Bur und tunckelen Cypreſſen /
Hier muß der Lilgen Schnee / der Roſen Purpur ſeyn.
Es iſt das alte Leid auf dieſen Tag vergeſſen /
Und Lieb und Froͤligkeit ſtellt ſich zu Gaͤſten ein.
Es pflegt deß Himmels Schluß nicht ewig zu betruͤben /
Es plagt die Sterblichen nicht ſtets Egyptens Nacht:
Und wenn der Wetter-Sturm faſt alles auffgerieben /
Hat fruͤh ein Dornen-Strauch die ſchoͤnſten Roſen bracht.
Diß Leben iſt vermiſcht mit Leiden und mit Freuden.
Veraͤndert doch das Jahr Lauff / Wechſel und Geſtalt:
Jm Fruͤhling wird es ſich in bundten Taffend kleiden /
Jm Winter iſt es Schnee / voll Runtzeln kalt und alt.
Es iſt kein Becher nie der Traurigkeit ſo bitter /
Daß nicht der Wolluſt Hand geuſt was von Tropffen ein.
So ſchrecklich iſt auch nie das hefftigſt Ungewitter /
Es folgt nach Sturm und Plitz ein heller Sonnenſchein.
Er hat / Ehrwuͤrdiger / bey ſeines Hauſes Leichen /
Bißher ſich ſatt gequaͤllt / und ſeinen Geiſt betruͤbt.
Jetzt wandelt ſich das Leid in neue Freuden-Zeichen /
Nun ſein getreues Hertz in reinen Flammen liebt.
Die92Hochzeit-Gedichte.
Die angenehme Zeit / (da alles bluͤht und lachet.
Und Feld und Gaͤrten ſtehn mit Blumen außgeſtickt /
Da ſelbſt die Flora ſich zu einem Teppich machet /
Und ihre Kinder gleich den Tocken hat geſchmuͤckt /)
Lockt durch geheimen Zeug zu dieſen ſuͤſſen Stunden /
Und heiſt die Einſamkeit deß Winters ſeyn verbannt.
Er hat des Traurens Froſt nur allzuſehr empfunden /
Jetzt ſoll ſein Hertze gluͤhn in einem wahren Brand.
Denn ſoll er fuͤr das Hauß des HErrn embſig wachen /
So muß in ſeinem Hauß auch eine Leuchte ſeyn /
Die weiß die Finſternuͤß der Sorgen licht zu machen /
Und durch Behaͤgligkeit vertreibt deß Kummers Pein.
Unmoͤglich kan ein Menſch ihm ſelbſt in allem rathen /
Bevor / wo Ampt und Pflicht verzehrt das befle Theil.
Der Koͤrner Uberfluß zerſprenget die Granaten;
Nicht nur ein eintzig Arm regiert der Schiffe Seil.
Was iſt ein Garten doch von keinem Zaun umbgeben?
Was iſt der guͤldne Lentz / wenn er nicht Blumen traͤgt?
Was iſt der beſte Stock / der ohne Safft und Reben?
Was iſt ein ſolcher Grund worzu kein Stein gelegt?
Diß iſt der Wittber-Stand. Denn Seelen zuverſorgen.
Bleibt ein hochwichtig Werck / das Centnern gleich beſchwert.
Stehn fertig und bereit vom Abend biß zum Morgen /
Wenn hier ein Krancker Rath / ein Armer Troſt begehrt /
Wenn Welt und Teuffel offt den Menſchen Stricke legen /
Mit unerſchrocknem Geiſt da fuͤr den Fall zuſtehn /
Und / wie ſein Wollen-Vieh ein Hirte denckt zu pflegen /
Mit Wachſamkeit und Treu dem Volck entgegen gehn /
Jſt nur die groͤſte Muͤh. Ein Traͤger fodert Stuͤtzen /
Wenn allzu groſſe Laſt die muͤden Schultern druͤckt:
Und ſoll ein Prieſter denn gantz ohne Beyſtand ſitzen /
Daß nie ein freundlich Aug und Anblick ihn erquickt?
Der erſten Kirche Satz hat dieſes Band beſtaͤrcket /
Da ſich ein Biſchoff nicht der keuſchen Eh entfernt /
Ja wie die Folgerung der Zeiten aufgemercket /
So war des Prieſters Eh ein Himmel der beſternt /
Ein Tempel wahrer Treu / ein Opffer der Gemuͤther /
Des Glaubens ſein Petſchier / der Hoffnung Unterpfand /
Ja die Gemeinſchafft gar der groſſen Himmels-Guͤter /
Und weit geſegneter noch als der Jungfer-Stand.
Kan93Hochzeit-Gedichte.
Kan nun / Ehrwürdiger / ſein Himmel ohne Segen /
Sein Ehbett ohne Sonn und Liebes-Strahlen ſeyn?
Wie ſelig iſt doch der / der es kan ſo erwegen /
Daß gleiche Seelen gehn ein gleiches Buͤndnuͤß ein!
Es wird die werthe Braut mit ungemeinen Gaben /
Was nur erſinnlich iſt / nach ſeinem Hertzen thun.
Er wird nach Muͤh und Schweiß ſo ein Ergetzen haben /
Daß ſeine Seele kan in ihren Armen ruhn.
Denn es wird beyder Hertz in gleicher Andacht brennen /
Von wahrer Gottesfurcht und Glauben angeflammt.
Sie wird ihn ihres Haupts Schmuck / Heil und Krone nennen /
Den Baum auf dem geruͤſt ihr gantzes Wolſeyn ſtammt;
Sein Garten iſt umbzaͤunt / ſein Hauß iſt wol verſchloſſen /
Und neue Mutter-Treu nimmt ſich der Kinder an.
Ach gleichgeſinntes Zwey! Geſegnet Ehgenoſſen!
Die ſo des Hoͤchſten Hand nach Leid erfreuen kan.
Jhr habt ja beyde wol in Aſch und Staub geſeſſen.
Wer ſucht im Schulen-Staub die Witwen jetzt hervor?
Doch / ſcheint es auf der Welt / ſie waͤren gantz vergeſſen /
So reicht der Hoͤchſte doch ſein gnaͤdig Aug und Ohr.
Die hoch-geliebte Braut bringt ihm weit beßre Schaͤtze /
Als jetzt die tolle Welt nach tauſenden nur zehlt.
Sein Wort iſt ihr Befehl / ſein Will iſt ihr Geſetze!
Sagt ob man in der Eh was herꝛlichers erwehlt?
Wie muß der Mutter-Hertz in Freuden jetzt zerflieſſen /
Nun ihres Hauptes Schnee ein ſolcher Segen deckt!
Nun ſie der Kinder Heil mit Augen noch genieſſen /
Eh ſie der blaſſe Tod hat in den Sand geſtreckt.
Was wird die Freundſchafft nicht vor treue Wuͤnſche hegen!
Wie wird ſich unſer Buhl in Leiptzig nicht erfreun!
Der unter Gluͤck und Heil und Gnaden-vollem Segen /
Spricht / daß dergleichen Eh ein Paradiß kan ſeyn.
Gewiß / Ehrwuͤrdiger / wie jetzt die Blumen bluͤhen /
So wird auch ihre Lieb in ſtetem Wachsthum ſtehn /
Was Angſt und Leid gebuͤhrt / das muͤſſe ferne ziehen /
Hingegen ſtets ihr Fuß auf Roß und Nelcken gehn.
Er kan weit freudiger zu ſeinem Ambte ſchreiten /
Da vor das gantze Haus Abigail jetzt wacht /
Da Wonn und Liebligkeit ihm ruhet an der Seiten /
Und ihm der Liebſten Mund den ſchoͤnſten Fruͤhling macht.
Es94Hochzeit-Gedichte.
Es ſey ein ewig May das hochvertraute Lieben /
Es kroͤn / Ehrwuͤrdiger / ihn Segen auß der Hoͤh;
Denn weil die Ehen laͤngſt im Himmel unterſchrieben /
So wuͤnſch ich diß allein: Ein Himmel ſey die Eh.
Hochzeit-Gedichte Auf Hn. F. A. K. M. D. u. J. M. M. T. Ehren-Feſt / den 19. Octobr. 1677.
ES lebte Filidor in banger Einſamkeit /
Sein Geiſt der konte nicht auß den gelehrten Buͤchern
Sich fuͤr des Traurens-Nacht des Kummers-Weh ver - ſichern /
Und Eckel und Verdruß verzehrte ſeine Zeit /
Was vormals er bewehrt den Krancken fuͤrgeſchrieben /
Jſt bey ihm ohne Krafft / und ohne Wuͤrckung blieben.
Hier halff die Weisheit nichts / ſo uns zu wundern macht /
Die tiefſte Wiſſenſchafft erfreute nicht die Sinnen:
Die Sprachen / ſo gar viel begierig lieb gewinnen /
Die waren ihm verhaßt: was ein Galen erdacht /
Und Aeſculap gelehrt / und Theophraſt erfunden /
Gab keinen Balſam nicht fuͤr ſeine Seelen-Wunden.
Sein Hauß ſchien ohne Liecht und eine Wuͤſteney /
Er ſelbſt in dicker Nacht und Fuͤnſternuͤß zuſitzen;
Als ſich der Artzney-Gott mit ſtralen-reichen Blitzen /
Apollo zu ihm fand; das goͤldne Haar flog frey /
Um ſein geweyhtes Haupt die Majeſtaͤt zu zeigen /
Fuͤr der ſich Sterbliche demuͤthig muͤſſen beugen.
Die himmliſche Geſtalt wieß ſeiner Jugend Blum /
Es war ſein Angeſicht ein traͤchtig May zu nennen /
Und uͤber ſeinem Haupt ließ er den Drey-Fuß kennen /
Der / was verborgen / ſagt / und den vollkommnen Ruhm /
Der Wahrheit hat ererbt. Die Roſen-gleichen Wangen /
Hat nie kein Milch-Haar nicht mit Schatten uͤberhaugen.
Und ſeine rechte Hand trug Koͤcher / Bogen / Pfeil /
Als in der lincken er die Geig und Laute zeigte /
Und zu dem Filidor ſein Haupt holdſelig neigte /
Und ſprach: weil nichts mehr hilfft / ſo ſuche Rath und Heil
Bey meiner Goͤttligkeit / ich ſchwere bey den Kronen /
Wo mit mein Haupt geziert / ich will mit Troſt beywohnen.
Du95Hochzeit-Gedichte.
Du weiſt wie einſten ich in Dafnen war entbrand /
Wie mich das ſchoͤne Kind in lichte Flammen ſetzte /
Wie meine Majeſtaͤt in ihr ſich hoch ergetzte /
Biß ſie auf ſchnelier Flucht aus meinem Arm verſchwand.
Zum Zeichen nun der Brunſt des unverfaͤlichten Lieben /
So iſt der Lorberbaum ein ewig Zeuge blieben.
Komm / wirfden ſchwartzen Flor des bleichen Kummers hin.
Laß ſehn / wie wol der Herbſt die Waͤlder itzt entkleidet /
Der ungeſtuͤmme Nord nicht Chioris-Kinder leidet /
Ob noch was gruͤnt und bluͤht / das deinen krancken Sinn /
Aufs neu beleben kan / laß Buch und Kolbe ſtehen /
Hier dieſer goͤldne Pfeil ſoll deine Lieb erhoͤhen.
Was thut nicht Filidor / der ſeinen Fuͤrſten kennt /
Der alle Heimligkeit ihm der Natur vertrauet /
Der ſeiner Sieges-Pracht viel Tempel aufgebauet /
Und ihm von Jugend auff Danckopffer angebrennt /
Auch die Belohnung hat des Lorbers weggetragen /
Daß oft durch ſeinen Mund ein krancker Rath muß fragen:
Er folgt dem hohen Schluß ſie eilen beyde fort /
Jhr Auge ſaͤumt ſich nicht in den Cypreſſen-Waͤldern /
Sie wuͤnſchen nicht zu ſeyn in duͤrren Myrrhen-Feldern.
Nein / die Vergnuͤgung ſucht nur den beſtimmten Ort /
Biß daß ein eben Feld mit einem Baum ſich kroͤnte /
Bey deſſen gruͤner Nacht den Phoͤbus man verſoͤhnte.
Hier nun / ſprach Cynthius / erforderts Muth und Blut /
Geliebter Filidor / hier muß man ſich verweilen;
Du ſolt zu dieſem Baum die Gratien ſehn eilen;
Bemercke doch mit Fleiß / was jede wuͤnſcht und thut.
Denn meine Dafne lebt und ſchwebt in Lorberzweigen /
Jch hoffe / daß ſie auch dir deinen Schatz ſol zeigen.
Die Kronen / die du ſiehſt / wormit der Gipfel prangt /
Hab ich des Vatern Ruhm und Dienſten laͤngſt geweyhet /
Verſichert / daß ein Pfand der Himmel dir verleyhet /
So nur von Ahnen nicht bloß ihren Glantz erlangt /
Mehr durch deß Vatern Witz und angebohrne Tugend /
Jn reiner Keuſchheit faͤrbt den Purpur ihrer Jugend.
Solt ich euch beyden nicht von Hertzen guͤnſtig ſeyn /
Die ihr der Parcen Reich mit ſolchem Ruhm beſtritten /
Unfehlbar Rath geſchaft / wenn Krancke Noth gelitten /
Ja oft den Sterbenden gefloͤſt das Leben ein.
Wohl /96Hochzeit-Gedichte.
Wohl / wer mir treulich dient / den wil ich auch ergetzen /
Und ſeiner Dienſte Preiß biß an die Sternen ſetzen.
Es hielt ſich Delius mit fernern Reden auf:
Die gantze Gegend fieng behaͤglich anzubluͤhen /
Und ihr geſtuͤcktes Kleid von neuen anzuziehen /
Als ſich drey Gratien in ungehembtem Lauff /
Dem Baume nahen zu / ihr Opffer zu vollbringen /
Und den Sirenen gleich mit ſuͤſſer Stimme ſingen.
Die lobt die Einſamkeit / und jene Lieb und Glut /
Alleine Margenis will nichts von Liebe wiſſen /
Biß ihr den goͤldnen Pfeil laͤſt in ihr Hertze ſchieſſen /
Der Kunſt - und Artzney-Gott: Es wallt und kocht ihr Blut /
Sie weiß nicht was geſchehn / ſie kan nicht widerſtehen /
Und fuͤhlt den heiſſen Brand durch Marck und Adern gehen.
Die andern ſehn betruͤbt die ſchoͤne Schweſter an /
Und ſagen / laß uns doch zu Kraͤntzen Blumen leſen.
Ja rief die Margenis / wie ſoll ich nur geneſen /
Jch ſehe freylich wol den blum-beſternten Plan;
Nein / Blumen thun es nicht / ſucht Schweſtern Tuberoſen /
Hier muͤſſen Kraͤuter ſeyn ſoll ich der Qnal geloſen.
Sie ſucht / der Kraͤuter-Schaar ſproßt unter ihrem Fuß /
Es pfluͤckt die zarte Hand je laͤnger / und je lieber /
Den friſchen Augen-Troſt / und was bald gegen uͤber
Vergiß mein nicht aufbluͤht; hat / nach des Himmels-Schluß /
Liebſtoͤckel unvermiſcht mit Ehren-Preiß umwunden /
Und nutzbar Frauen-Haar zum Liebes-Garn geſunden.
Apollo fuͤhrt darauf den Filidor hinzu /
Bemuͤh dich dieſen Krantz der Nymfen abzubitten /
Ertheilt er dieſen Rath. Du haſt genug gelitten /
Hier / glaube Filidor / iſt wahre Seelen-Ruh.
Der Artztin geb ich Krafft die Schmertzen dir zu heilen /
Und du als Artzt ſolſt Hertz und Leben mit ihr theilen /
Die ſchoͤne Margenis ſtand / als die Morgen-Roͤth /
Jm erſten Purpur blinckt mit roſen-lichten Wangen /
Hier hielt ſie Scham und Zucht / dort treue Glut gefangen.
Der Filidor der nun entzuͤndet zu ihr geht /
Ruft den Apollo an / den Bund zu unterſchreiben /
Daß ihre Liebe ſoll in Ewigkeit bekleiben.
Wie mein Baum immer gruͤnt / wahrſagte Phoͤbus-Geiſt /
Und auf ſein krauſes Haar kein Donnerſtral kan blitzen:
So97Hochzeit-Gedichte.
So ſol euch Heil und Luſt in eurer Eh beſchuͤtzen /
Daß euch kein herber Fall des Ungluͤcks-Keile weiſt.
Vergnuͤgung muͤſſ euch ſtets zu Tiſch und Bette dienen
Und eures Namens-Ruhm wird in den Kindern gruͤnen.
Kein Paͤan hat mich ſo im Capitol erfreut
Als dieſer Lobgeſang: daß Prieſter meiner Ehren
Rathgeber der Natur / ſo Sohn als Vater / hoͤren /
Wie itzt Budorgis Stadt viel tauſend Gluͤck zuſchreyt:
Lebt zu gemeinem Heyl / nutzt zu gemeinem Weſen!
Man muͤſſe ſpaͤt von euch des Todes Urtheil leſen!
Der Eiſen-ziehende Liebes-Magnet Bey Hn. D. O. u. F. M. T. g. M. Hochzeit den 9. Novemb. 1677.
WAs macht man auf der Welt das allen doch gefalle?
Viel Lieben iſt nicht gut
Und wer es gar nicht thut
Der ſpielet mit der Zeit als wie mit einem Balle;
Und wenn die beſten Jahre hin /
So ſieht er / nichts iſt ſein Gewin.
Was iſt der Menſch ihm ſelbſt? ein oͤde Trauer-Wuͤſte /
Ein Ampel ohne Licht /
Ein Feld / dem Graß gebricht /
Ein Garten ohne Frucht / ein ſchwartzes Schau-Geruͤſte /
Wo die Perſonen alle ſchreyn:
Weh! wer in Einſamkeit muß ſeyn.
Herr Nachbar / er hat auch bißher genung erfahren /
Wie nah der Wittber-Stand
Dem Kummer ſey verwand /
Und daß / wer Handlung treibt / und fuͤhret Gut und Wahren /
Sol es in vollem Lauffe gehn /
Alleine nicht kan wol beſtehn.
Es mag ein ander nun von groſſen Wundern ſagen:
Diß iſt der Lauff der Welt /
Die nichts vor ſchaͤtzbar haͤlt /
Was nicht mit groſſer Pracht und Ruhm wird fuͤrgetragen.
Jch weiß / ſein redlich dentſcher Sinn
Wirft ſolche Eytelkeiten hin.
G gJch98Hochzeit-Gedichte.
Jch wil in ſeinem Kram bey ſeinem Eiſen finden
Wofern es mir erlaubt
Und er nur ſelber glaubt /
Was ihn / Herr Ockert / kan mit ſuͤſſer Lieb entzuͤnden /
Und was mit Zunder-reicher Brunſt
Jhn hat bewegt zur Gegen-Gunſt.
Vor war ſein Kram zwar voll und uͤberall geſpicket
Man ſah der Kunden Schaar
Faſt alle Stunden dar /
Und ſeine Handlung lief nach Hertzens Wunſch begluͤcket /
Er ſelbſt nahm alles wol in acht
Und wieß ſich embſig Tag und Nacht.
Allein was wuͤrcken nicht die Schickungen von Oben?
Die Hand / ſo alles ſchafft
Durch ihre Macht und Krafft
Braucht bey uns Sterblichen die groͤſten Wunder-Proben;
Jndem Herr Ockert gar wohl ſteht
Fehlt in dem Kram noch ein Magnet.
Es kommet Magdalis umb Naͤgel einzukauffen /
Sie wil den Urbar bauhn /
Pflegt ſich da umbzuſchaun /
Alsbald ſo reget ſich der Wahren gantzer Hauffen /
Man ſieht aus Eiſen / Bley und Stahl
Auffahren einen Liebes-Strahl.
Es eilt das Pflugſchaar nach / und wil ſie gar begleiten /
Der Ege-Zincken ſchwitzt
Von heiſſer Gluth erhitzt /
Die Bohrer fahren aus / und ſtellen ſich zur Seiten /
Ja was der gantze Kram nur fuͤhrt /
Das wird durch dieſen Blitz beruͤhrt.
Wohl! ſpricht Herr Ockert / wohl! du beſte meiner Wahren
Du werthſte Magdalis
Biſt mein Magnet gewiß.
Es iſt dein ſuͤſſer Strahl auch in mein Hertz gefahren
Dein Auge zeucht mich gantz nach dir
Jch brenne voller Liebs-Begier.
Zerſchmiltzt der harte Stahl durch deiner Augen-Blicke /
Wie ſolt ich denn allein
Gantz unempfindlich ſeyn?
Jch lencke mich zu dir / mein Leben / mein Geluͤcke /
Jch99Hochzeit-Gedichte.
Jch ſeh wie alles lacht und bluͤht /
Nun mich dein Auge zu ſich zieht.
Jndem ließ Magdalis viel tauſend Strahlen ſchieſſen /
Durch Adern und Gebein
Lauft alle Krafft hinein.
So daß Herr Ockert muß wie weiches Wachs zerflieſſen /
Und wundert ſich / wie ein Magnet
So tief mit ſeiner Wuͤrckung geht.
Er rief / numehr entzuͤckt / den Punct hab ich gefunden /
Durchgruͤbelt die Natur /
Sucht eine neue Cur /
Obs Pflaſter vom Magnet auch heilt die Eiſen-Wunden /
Jch bin nun vollig im Beſitz /
Und lache nur ob eurem Witz.
Jhr moͤget den Compaß ſtets nach dem Nord-Pol lencken /
Jch weiß ſchon wie ich ſol
Aufſetzen meinen Pol /
Und wo ich Ancker kan bey meiner Liebſten ſencken /
Wenn ihr noch Lauf noch Wind verſteht /
So weiſet mich mein Liebs-Magnet.
Jch darf auch keiner Uhr / ſo nur die Stunden zeiget /
Wenn nur der Wecker ſchlaͤgt /
Verſichert das ſich regt
Was in mir lebend iſt / und Geiſt und Blut auffſteiget /
So daß ich froͤlich ſagen kan /
Das hat mir mein Magnet gethan.
Nun ich wil Eiſen ſeyn / eroͤffnen was verſchloſſen /
Wird ſonſt in der Chymi
Durch Kunſt ſo ſpaͤt als fruͤh
Der Stahl in einen Saft hochfaͤrbig umbgegoſſen;
Wie ſolte nicht der Liebes-Strahl /
Magnetiſiren meinen Stahl.
Es flechte der Magnet von Nadeln eine Kette /
Genung wenn ich verſchrenckt
Wie Mars und Venus henckt /
Den Außzug ſuͤſſer Luſt genuͤß im Hochzeit-Bette /
Daß diß was mich itzt zieht und treibt
Auf ewig nun mein eigen bleibt.
G g 2So100Hochzeit-Gedichte.
So ſchloß der Braͤutigam / biß ſich der Kram verkehrte
Und einen groſſen Saal
Sambt einem Ehren-Mahl
Den Gaͤſten voller Luſt und Froͤligkeit gewehrte /
Daß ieder dieſen Wunſch erhoͤht
Es zieh ſein Eiſen der Magnet.
Die verwittibte Venus Bey Hn. D. v. R. u. Fr. M. E. S. v. S. g. B. v. L. Hochzeit den 20. Jun. 1678.
EJn oͤd und wuͤſter Ort / wo nie kein Stern erſcheint /
Den nicht das Morgen-Roth mit ſeinem Purpur zieret /
Umb den nie einen Tantz die goͤldne Sonne fuͤhret /
Wo nichts als Schatten ſind und ſtets der Himmel weint /
Die Luͤffte ſeufftzen nach / die Baͤche gieſſen Zaͤhren /
Und lauter Weh und Ach die Echo wil gewehren.
Der war zum Auffenthalt der Koͤnigin beſtimmt /
So die gevierdte Welt mit ihrem Scepter druͤcket /
Und in der Menſchen Bruſt die Liebes-Flammen ſchicket /
Die ſonſt das ſuͤſſe Wort der Mutter an ſich nimmt /
Und Luſt und Wonne ſchenckt und voller Anmuth lachet /
Die hatte ſich alldar zum Trauer-Bild gemachet.
Die gantze Hofeſtadt beſtand in Einſamkeit /
Und ein bemoſter Stein muſt ihr zum Stuhle dienen /
Der Leib / der Sternen gleich in Perl und Gold geſchienen /
War ohne Pracht und Glantz. Kein Opffer ſtand bereit /
Kein Weyrauch angezuͤndt die Goͤttin zu verſoͤhnen /
Es kam kein eintzig Menſch ihr Altar zu bekroͤnen.
Man ſah die Schwanen nicht in friſchen Roſen gehn /
Es ſchwieg der liebe Mund der ſchweſterlichen Tauben /
Die Fuͤrſtin ſelber ſaß verkappt in Flor und Hauben;
Kein Liebes-Engel wolt ihr da zu Dienſte ſtehn /
Die Koͤcher hingen leer ohn ein’ge Pflitz und Pfeile /
Jhr Bogen und Geſchoß ward andern nur zu Theile.
Jhr Mund / der vorhin nichts als Amber von ſich bließ /
Rieff mit gebrochner Stimm: Verwittibte Dione
Wo iſt dein maͤchtig Arm? Wo iſt dein Reich und Krone?
Wo der / umb den ich auch das Schloß des Himmels ließ /
Mein101Hochzeit-Gedichte.
Mein ſchoͤneſter Adon / der Außzug meiner Seele /
Schleuſt meine Hoheit ein die ungeheure Hoͤle?
Recht / dieſe Wuͤſteney hab ich mir ſelbſt erwehlt /
Umb mein unendlich Leid und Klagen auszuſchuͤtten /
Der Welt durch ein Gebot das Lieben zu verbitten;
Und ich / nach dem Adon den Sternen zugezehlt /
Fuͤg allem Frauen-Volck als Koͤnigin zu wiſſen /
Wenn ſie verwittibt ſind / die Werckſtadt zuzuſchlieſſen.
Hier ſollen ſie den Reſt vollbringen ihrer Zeit /
Der Orden den ich ietzt mit ihnen angefangen
Setzt dieſen Denckſpruch bey: im Grab iſt mein Verlangen:
Und iede welche mir als Prieſterin geweiht /
Sol ſich Veſtalen gleich einkerckern und verbauen /
Daß ſie kein Maͤnner Aug und Vorwitz an kan ſchauen.
Sie ſanck in Ohnmacht hin und ſchloß den blaſſen Mund:
Das Tropffen-volle Graß ſchien gieichſam mit zu weinen /
Als / wie in einem Traum / zwey Seelen ihr erſcheinen /
Die was ſie druͤcken mag / durch ſeufftzen machen kund.
Es gab ihr Traur-Habit und alles zu verſtehen
Als wolten ſie zugleich in neuen Orden gehen.
Jndem ſchallt durch die Lufft ein froͤliches Geſchrey:
Der Himmel wimmelt gantz von tauſend Liebes-Engeln /
Sie werffen aus der Lufft von Ros und Nelcken Stengeln
Auff dieſes neue Paar den ſchoͤnſten Blumen-May /
Und einer den wir ſonſt den kuͤhnen Braut-Gott nennen
Gab ſich durch folgen des der Venus zu erkennen.
Jch ehre deinen Schluß Beherrſcherin der Welt /
Laß / die mir ſind zum Raub durch meine Kuͤnſte worden /
Jn gleich-geſinnter Treu einſchreiten deinen Orden;
Und weil die Gleichheit ſtets die Oberhand behaͤllt /
So wird ein Wittwer ſich wol zu der Wittwe ſchicken /
Was ſoll dein Einſamkeit ſie ferner noch beſtricken?
Wend’t nicht Frau Sommerin den Sommer aller Luſt
Herr Reuſchens Hertze zu / beut nicht ihr hold Geſichte
Jhm treue Neigung an / der wahren Liebe Fruͤchte?
Es kroͤne ſonſt der May mit Blumen ſeine Bruſt /
Der Sommer reichet uns ein reichlicher Vergnuͤgen
Und wird der gruͤnen Zeit mit ſeiner Krafft obſiegen.
Gib / Liebes-Koͤnigin / dich aus dem wuͤſten Ort /
Die harte Satzung muͤß in Anmuth ſich verkehren /
G g 3Worzu102Hochzeit-Gedichte.
Worzu ſoll denn der Menſch ſich in ſich ſelbſt verzehren /
Veraͤndre doch den Schluß und laß das groſſe Wort /
Liebt / in den erſten Trieb und Regung wieder kommen /
So iſt dein Thron bepfaͤhlt / dein Reich hat zugenommen.
Der unbewohnte Platz / es ſteht in deiner Macht /
Kan in ein Paradieß ſich Augenblicks verwandeln /
So iſt auch nicht dein Thun mit Sorg und Angſt zu handeln /
Die Goͤttin / die die Welt zum erſten angelacht /
Mit Luſt und Liebligkeit / wirſt auch die Wuͤſteneyen
Des oͤden Wirtwer-Stands mit Blumen uͤberſchneyen.
So weicht die ſchwartze Nacht nicht fuͤr dem guͤldnen Tag
Und das erblaſte Heer der Sternen fuͤr der Sonnen /
Als Schmertz und Einſamkeit gleich wie ein Dunſt zerronnen /
Und Anmuth / Schertz und Spiel auff Venus Schuldern lag.
Wohin ihr Auge ſchoß / fieng alles an zu bluͤhen /
Die Lufft begunte Feu’r die Gegend Gluth zu ſpruͤhen.
Es trat in Seel und Leib die himmliſche Geſtalt;
Sie ſchien als wie ſie war / da ſie den Fuß geſetzet
Erſt aus der Wellen Schaum / mit Roſen Thau benetzet /
Frey / Majeſtaͤtiſch / ſchoͤn. Es wurff ſo Feld als Wald
Der Hecken Decken weg / und wolte ſich aus Freuden
Jn Schnee der Lilien / der Roſen Purpur kleiden.
Umb daß ihr meine Gunſt / ſprach ſie / ietzt moͤget ſchaun /
Und daß mein Hertze noch durch bitten zu erweichen /
So ſoll mein Trauer-Hauß ietzt einem Luſt-Ort gleichen.
Helfft / wie es euch gebuͤhrt / die Sommer-Burg mir baun.
Mein Orden muß ietzund ein andre Schrifft empfangen
Auff die Verwittibten: im Bett iſt mein Verlangen.
So embſig / wenn jetzund ſein waͤchſern Koͤnigreich /
Das Volck der Bienen baut / kan es ſich nicht gebehrden /
Die Worte muͤſſen hier alsbald zu Wercken werden.
Die Amorn ſtehn bereit / von keiner Muͤhe bleich
Und wollen den Pallaſt mit ſolcher Kunſt aufffuͤhren /
Daß es dem Jupiter ſein Hertze moͤchte ruͤhren.
Die vor Verwittibten bindt ietzt ein ſolches Band /
Worzu der Parcen Gunſt den guͤldnen Drat geſponnen /
Die Augen ſpiegeln ſich in gleichen Liebes-Sonnen /
Jn beyder Hertzen glimmt ein unausleſchlich Brand.
Es kan die Sommers Zeit ſo warm ſich nimmer wittern /
Das nicht ſey groͤſſer Gluth in Seelen und Gemuͤthern.
Die103Hochzeit-Gedichte.
Die Lieb - und Sommers-Burg / rieff Venus / ſey begluͤckt /
Hier laſſe ſich kein Nord noch rauher Winter ſpuͤren /
Euch muͤſſe ſo viel Heil und Wolgedeyen zieren /
Als mit viel Nelcken ſich der heiſſe Sommer ſchmuͤckt.
Und daß Jhr Beyde koͤnt mein letztes Urtheil wiſſen /
So Wittw als Wittwer mag die Werckſtadt jetzt auffſchlieſſen.
Die geharniſchte Venus Bey der S. und G. Hochzeit den 20. Septemb 1678.
DJe Sonne nahte ſich nun zu der Wage-Schalen
Und theilte Tag und Nacht in gleiche Stunden ein;
Sie ſchenckte nicht ſo fruͤh der Welt den guͤldnẽ Schein /
Und warff was ſparſamer die reinen Purpur-Stralen.
Die Morgenlufft war friſch / und kurtz: die gantze Zeit
Bracht uns den reiffen Herbſt und ſeine Fruchtbarkeit.
Als ſich die Sylvia (ſo ſol ihr Namen heiſſen /)
Geſpielen ihrer Luſt / entſchloß zu laden ein;
Sie ſolten ja bey ihr willkommne Schweſtern ſeyn /
Und ſich der Liebligkeit des Wetters mit befleiſſen /
Eh als der Winter noch beraubt der Gaͤrten Zier
Und traͤgt uns Froſt und Schnee ſtatt Klee und Kraͤuter fuͤr.
Die Sylvia / ſo bloß der Mutter Hertz und Wonne /
Jhr eintzig Augentroſt und Freude dieſer Welt /
Eilt mit den Nymphen fort in das erkieſte Feld /
Gleich als in Mittag trat die Stralen-reiche Sonne:
Sie ſuchen noch zu letzt des Sommers Uber-Reſt /
Und was von Zierath mehr die Flora ſehen laͤſt.
Theils uͤben ſich in Schertz und Spiel die Zeit zu kuͤrtzen;
Theils leſen Blumen aus und winden einen Krantz /
Theils lauffeu in die Wett / und theils beliebt den Tantz /
Nur ſo kan Sylvia nicht ihre Sorgen ſtuͤrtzen.
Sie gehet gantz allein / ſucht den Gedancken Raum /
Was andre da vergnuͤgt ſcheint ihr ein bloſſer Traum.
Sie trifft gleich einen Gang von dick-belaubten Reben /
Der Blaͤtter gruͤne Nacht ſcheint ihr bequem zu ſeyn /
Den ſuͤſſen Regungen was mehr zu raͤumen ein.
Hier hat ſie Scham und Furcht / dort Brunſt und Gluth umbgebẽ.
Sie denckt nicht was ſie weiß / und thut nicht was ſie wil /
Sie iſt der Hoffnung Raub / und der Begierden Spiel.
G g 4Jn104Hochzeit-Gedichte.
Jndem erſcheinet ihr ein Wunder-ſchoͤner Knabe /
Sein Antlitz war ein May / geflochten Gold ſein Haar.
Die Wangen Milch und Blut / die Augen Sternen-klar.
Ein Pfeil und Bogen hieß ſein eintzig Gut und Habe.
Sonſt ſtand er ſplitter nackt / als wie die Schoͤnheit iſt /
So ihr nie falſchen Grund und Schmincke haſt erkieſt.
Er ſprach: Komm Sylvia / ich wil dir etwas zeigen /
Der Blitz und Donner-Gott / der Mars / iſt weggereiſt /
Und weil die Mutter ietzt bey andern Goͤttern ſpeiſt /
So wil ich / wo du nur getreu biſt / und kanſt ſchweigen /
Dir weiſen / wo der Mars den Harniſch hingelegt /
Wenn er der ſuͤſſen Luſt mit meiner Mutter pflegt.
Er fuͤhrte ſie darauf in ein gewoͤlbtes Zimmer /
Das vieler Kuͤnſtler Hand zum praͤchtigſten ſtaffirt /
Es ſtand ein koſtbar Bett von Marmel auffgefuͤhrt /
Die Seiten kleidete der Blitz von Demant-Schimmer.
Scarlat und Purpur hing als wie ein Vorhang fuͤr /
Den werth ſelbſt uͤbertraff die ſeltne Kunſt und Zier.
Wohin nur Sylvia ließ ihre Lichter ſchieſſen /
Da ſchlug Behaͤgligkeit und Luſt die Wohnung auf /
Was Lieb und Wolluſt heiſt kam hier als wie zu Hauff.
Und daß du ferner moͤgſt / ſprach der Cupido / wiſſen
Was dieſe Ruͤſtung ſey? diß iſt des Mavors Kleid /
So ſucht er ſeinen Feind / ſo zeucht er in den Streit.
Wie kan der Vorwitz nicht das Jungfer-Volck verblenden?
Sie ſieht begierig an wie alles blinckt und ſtrahlt /
Und ob ſchon keuſche Furcht die Wangen uͤbermahlt /
So greifft ſie dennoch zu mit gantz verwegnen Haͤnden.
Fuͤhlt ob der Harniſch ſchwer / ſieht wie er ausvoliert?
Wuͤnſcht heimlich / daß mir nicht dergleichen Kleid gebuͤhrt!
Cupido der bereit den Poſſen wahrgenommen /
Pflantzt mit viel Liebligkeit ihr dieſe Meinung ein:
Sie koͤnte ſchoͤner nicht als in dem Harniſch ſeyn /
Biß er von ihrem Mund den Beyfall auch bekommen.
Er legt ihr ſolchen an / iſt ſorgſam und bemuͤht /
Damit die Sylvia gleich wie der Mars ausſieht.
Es deckt ihr zartes Haupt die eiſerne Kamm-Haube /
Und der Ring-Kragen nimmt der Bruͤſte Lilgen ein /
Mit halben Achſeln muß ſie auch gewaffnet ſeyn /
Das forn und hinter-Theil giebt nicht den Leib zum Raube /
Denn105Hochzeit-Gedichte.
Denn bringt er ihr mit Liſt noch die Bein-Taſchen bey /
Die Handſchuch / daß ſie frey vor Stich und Wunden ſey.
Es war nun Sylvia in Krieges-Gott verkehret /
Die eiſerne Geſtalt erſchrecklich anzuſchauen /
Dem Liebreitz wolte ſelbſt fuͤr dieſer Wandlung graun /
Als ſie auf ſeinen Leib die Pickque zugekehret;
Und der Rubinen-Mund der vor nur Roſen bließ /
Glamm itzt voll Rach und Zorn wenn er ſein Feuer wieß.
Cupido wie er pflegt hat ſich drauf fort geſchwungen /
Schreyt durch die freye Lufft: Triumph ich bin vergnuͤgt /
Triumph! denn Sylviens ihr Hertz iſt nun beſiegt /
Triumph! denn meine Liſt iſt abermahl gelungen.
Jch eil ich eil ich eil in meiner Mutter Schoß /
Damit ichs melden kan / der Sieg iſt ſchoͤn und groß!
Unfern gieng Siegersdorf / den wir Adonis nennen /
Und hoͤrte durch die Lufft diß ſchallende Geſchrey:
Ach! ſprach er dieſer Poſt meß ich nicht Glauben bey /
Es weiß der Himmel wol mein lieben und mein brennen /
Und daß die Sylvia in Adern und Gebein /
Mit mehr als Diamant mir iſt gepraͤget ein.
Weil aber nimmermehr ihr Hertze zu erweichen /
Weil keine gegen-Gunſt auß ihrer Seelen rinnt /
Eh noch die Lacheſis den Faden mir abſpinnt /
Such ich den Krieg wie vor / da wuͤnſch ich zuerbleichen.
Mir ſol noch Blitz noch Bley ſo ſchaͤd - und ſchrecklich ſeyn /
Als die umb Sylvien erdulte Liebes-Pein.
Es ſuchet drauf Adon in allen Ort und Enden /
Wo Mars zu Felde rufft und ſeine Fahne ſchwingt.
Als ihn ein ſtarcker Zug in dieſe Gegend bringt /
Wohin ſich Sylvia ſpatzirend pflag zu wenden.
Er trifft auch gleich den Ort / und findt den er erkieſt /
Die Sylvie verſtellt / daß ſie dem Mars gleich iſt.
Beherꝛſcher aller Welt / und Geber aller Siege!
Jch falle dir zu Fuß / ſo fieng er bebend an /
Du kennſt ja deinen Sohn / biß mir doch zugethan /
Mein Schluß iſt Eiſen-feſt ich folge deinem Kriege /
Schreib mich doch in die Roll als wie vor dieſem ein /
Es ſoll der Feinde Blut mein ſchoͤnſter Purpur ſeyn.
Jch habe mich nunmehr der Dienſtbarkeit entriſſen /
Die Lieb iſt meinem Ohr ein harter Donnerſchlag.
G g 5Da106Hochzeit-Gedichte.
Da mir der kalte Pol faſt auf den Schultern lag /
Dn hab ich nicht ſo viel Bedraͤngnuͤß dulden muͤſſen /
Als mir die Liebe nur hat einen Tag gemacht /
Drumb Mars ich folge dir / weg Liebe! gute Nacht!
Es konte Sylvia des lachens ſich nicht halten /
Doch zwang den treuen Geiſt Schwur und Verſchwiegenheit.
Nichts grauſes war an ihr / als nur ihr eiſern Kleid /
Jnwendig wohneten viel tauſend Luſt-Geſtalten.
Jndeß kommt Venus an mit ihrer Engel-Schaar /
Umb die ein lichter Blitz von edlen Steinen war.
Vom Goͤtter-Wein erhitzt / von Wolluſt angetrieben /
Umbfaſt ſie Sylvien und denckt ihr Gott ſey da.
Cupido ſchreyt alsbald / ach Mutter! nicht zu nah /
Jch habe bloſſen Schertz mit Mavors Kleid getrieben:
Es iſt die Sylvia in dieſen Stahl verhuͤllt /
Die vierdte Gratie / das keuſche Jungfer-Bild.
Drauf fuhr Adonis auf / ſo bitt ich / Venus / Rache!
Wie vielmal hat ſie nicht veraͤndert Farb und Schein?
Es kan nicht Jupiter ſo oft verwandelt ſeyn.
Steh Liebes-Koͤnigin bey der gerechten Sache /
Und wo du den Gott Mars haſt jemals treu geliebt /
So hilff / daß Sylvia ſich endlich mir ergiebt!
Die Mutter muſte ſelbſt des Sohnes Tuͤcke lachen /
Und ſprach: Wolan! Adon / ſieh dieſen Mavors an /
Wie ich mit einer Hand ihn bald entkleiden kan /
Und ſeinen blancken Stahl zum Spinn-Gewebe machen.
Wie jetzt Haub und Gezeug gleich wie ein Wachs zerfleuſt /
So ſchmeltz in Liebes-Glut der Sylvien ihr Geiſt.
Und weil der Vorwitz auch mit Ernſt iſt zu beſtraffen;
So ſey Adonis Raub / diß was du traͤgſt und haſt /
Er ſoll dem Mavors ſeyn / ihn ziehre dieſe Laſt /
Und ihm gebuͤhren auch zu fuͤhren ſolche Waffen.
Die Picque die du haſt jetzt gegen ihn gekehrt /
Gedenck es / wenn ſie dir weit nach dem Hertzen faͤhrt.
Allein ihr Amorn ſolt die Sylvie jetzt kleiden /
Daß ſie ein Ebenbild von meiner Schoͤnheit ſey.
Jch geb euch allen Schmuck den ich beſitze / frey /
Schnuͤrt ihren zarten Leib in Gold / Damaſt und Seiden.
Diß wird ihr zierlicher als vor der Harniſch ſtehn /
Und mehr: Jhr Amorn ſolt auch mit zu Bette gehn.
Es107Hochzeit-Gedichte.
Es ſchlug die Sylvia beſchaͤmt die Augen nieder /
Und warff doch jeden Blick auf ihren Schatz / Adon /
Denn ſprach ſie: Herꝛſcher in der Hertzen / ach Dion /
Entlaß mich doch der Schuld / mir zittern Arm und Glieder.
Was du O Goͤttin ſchaffſt / nehm ich gehorſam an /
Und was geſuͤndigt iſt hat Einfalt nur gethan /
Es iſt mir mein Adon in Seel und Hertz geſchrieben /
Und ſein Gedaͤchtnuͤß brennt in der getreuen Bruſt;
Mein Alles liegt an ihm / dem Außzug meiner Luſt /
Jch will ihn / als wie du den Mars umfangen / lieben.
Nur Goͤttin ſchaffe doch wo meine Nymphen ſeyn /
Daß ſie bey dieſem Feſt zugleich ſich ſtellen ein.
Adonis ſchien auffs neu ins Leben wieder kommen /
Er band die Sylvia durch einen ſolchen Kuß /
Als nicht die Epheu ſich flicht umb der Baͤume Fuß /
Als nicht zwey Muſcheln thun die auß der Fluth geſchwommen.
Als kaum der Tauben Paar durch langes ſchnaͤbeln zeigt /
Wenn gleiche Liebes-Luſt in ihr Gebluͤte ſteigt.
Es rief nun der Adon / jetzt hab ich uͤberwunden /
Nun ruh ich in des Gluͤcks und in der Liebſten Schoß.
Mein Unſtern wandelt ſich / nun bin ich Sorgen loß;
Dem Himmel dem ſey Danck / daß ich den Port gefunden!
Es ſpeye mich der Neid mit ſeinem Geifer an /
Diß iſt die groͤſte Luſt / daß er nicht ſchaden kan!
Komm / komm O Sylvia / und ſtille mein Verlangen /
Schau; Liebe / Huld und Schertz / belagern unſer Hauß /
Es ſieht Ergetzligkeit zu allen Fenſtern rauß /
Und die Vergnuͤgung will uns in dem Beth umfangen.
Die Sternen wincken uns mit guͤldnen Augen zu /
Und leiten durch ihr Licht uns gleichſam zu der Ruh.
Das zarte Nymphen-Volck war allbereit erſchienen /
Als nun den Gaͤſten / was erſinnlich / fuͤr geſetzt /
Und ſich mit Tantz und Wein faſt alle ſatt ergetzt /
Gieng noch ein groſſes Glaß / dem neuen Paar zu dienen.
Mit einem Freuden-Ruff herumb in einer Rey /
Daß Venus Harniſch-loß / und Mars gewaffnet ſey.
Der108Hochzeit-Gedichte.
Der gefrorne Cupido / Bey Hn. J. W. B. u. Jungf. C. A. A. Hochzeit / den 7. Febr. 1679.
DEr kleine Liebes-Gott der ſtets gewohnt zu ſiegen /
Der jede Stunde was von Raub und Beuthe zehlt /
Und deſſen guͤldner Pfeil kein Hertze hat verfehlt /
Ließ auch den Koͤcher nicht im Winter muͤſſig liegen:
Er ſchwung ſich wie er pflegt gewaffnet in die Hoͤh /
Und lachte trotzig auß deß Himmels Froſt und Schnee.
Es war das albre Kind kaum durch die Lufft gedrungen /
Als voller Flocken hieng das aufgekrauſte Haar.
Es fuhr durch ſeinen Leib der grimme Februar /
So daß im Augenblick der Glieder Wachs zerſprungen.
Er ſtarrt als wie Metall / iſt durch und durch beeiſt /
Und ſincket auß der Lufft gantz ohne Seel und Geiſt.
Er lag da in dem Schnee ein Raub der wilden Thiere.
Nicht einer nahm ſich mehr von Goͤttern ſeiner an.
Sie ſprachen / der uns hat viel Schalckheit angethan /
Jſt wuͤrdig daß er auch ſein Leben ſo verliere.
Es toͤdt ihn Kaͤlt und Froſt und der erboſte Nord /
Vollziehe wie er ſol den wolverdienten Mord.
Jndeß kommt Celadon gefahren auffdem Schlitten /
Der ſo geraume Zeit in Einſamkeit gelebt /
Und mit bedachtem Muth den Flammen widerſtrebt /
Daß ſein getreues Hertz nicht irgend Glut erlitten.
Er ſiehet recht beſtuͤrtzt den Knaben hingeſtreckt /
Und wie ſonſt nichts als Schnee die zarte Bloͤſſe deckt.
Dann naht er ſich herzu und zwar nicht ohn erbarmen /
Es ſchien die Goͤttligkeit auch unterm Froſt herfuͤr.
Er lobte die Geſtalt und Engel-gleiche Zier /
Schloß endlich bey ſich ſelbſt. Verlaß ich nun den Armen /
So fuͤrcht ich Venus Zorn. Der Glieder Helffen / Bein
Zeugt / daß er muß ein Sohn der groſſen Goͤttin ſeyn.
Er nimmt ihn zu ſich ein / kein Leben war zufinden.
Der ſchoͤne Purpur-Mund ſah als wie Kreide bleich /
Das Haar hieng voller Eiß ſo vor wie Wolle weich /
Es weiß nicht Celadon die Urſach zuergruͤnden /
Begehrt nur wohl zuthun und reiſet ferner hin /
Biß daß er kan zu Brig nach ſeinem Wunſch einziehn.
So109Hochzeit-Gedichte.
So bald nur Celadon den Fuß in Brieg geſetzet /
So wittert ſich bey ihm ein ungewohnter Trieb /
Er fuͤhlt durch Marck und Blut den Zunder neuer Lieb
Und ſucht ein ſchoͤnes Bild das Aug und Seel ergetzet.
Der Himmel ſtimmt mit bey und laͤſt es drauf geſchehn /
Daß es Chlorinden kan der Tugend Perle ſehn.
Er hatte kaum erblickt die Sternen ihrer Augen /
Die Sonnen ſo ſein Hertz mit hellem Glantz beſtrahlt /
Die Spiegel wo ſich ſelbſt die Venus abgemahlt /
Die Blitze ſo ergluͤht ihm Seel und Geiſt ausſaugen /
Als er gefangen ſich nennt einen Unterthan /
Chlorinde nehm ihn doch zu ihrem Diener an.
Chlorinde die voll Scham als wie Aurorens Wangen /
Jm erſten Purpur ſtehn / entfaͤrbt ſich im Geſicht:
Mein unbefleckter Geiſt / antwort ſie / weiß ja nicht /
Was Lieb und Flammen ſeyn / bißher bin ich gegangen /
Als eine Prieſterin der Veſta nur geweyht:
Jn meines Vatern Mund beruht auch mein Beſcheid.
Wie eilte Celadon den Vater zuerbitten /
Der Themis groſſen Rath / des Vaterlandes Zier /
Der Muſen Heil und Troſt / den an das Stern-Revier /
Der Nachruhm laͤngſt geſetzt und Cedern eingeſchnitten.
Wie er ein Atlas ſtand bey manchem Fuͤrſten-Tag /
Als oft des Landes Laſt auf ſeinen Schultern lag /
Er ſprach mein eintzig Troſt der abgeſchwaͤchten Kraͤffte /
Mein ſuͤſſer Aufenthalt in meiner Einſamkeit /
Der muͤden Jahre Stab / mein Alles / meine Freud| /
Und Kummerwenderin im Drangſal der Geſchaͤffte /
Dich ſoll ich ſo verliehrn? Doch / was der Himmel will /
Das ſey uns Sterblichen geſetzet auch zum Ziel.
Was Celadon begehrt wie kan ich es verſagen?
Mich reitzt ſein edler Stamm / Witz und Beſcheidenheit.
Wo gleiche gegen-Gunſt Chlorindens Hertz erfreut /
So mag das Kleinod er zu einem Preiß weg tragen.
Wie liſtig iſt die Lieb und was erſinnt ſie nicht /
Damit ſie ihr die Bahn zu jenen Roſen bricht?
Wie Celadon nach Haus iſt in ſein Zimmer kommen /
So denckt er ferner nach / Cupido faͤlt ihm ein /
Als der ſchon unterdeß wuͤrd aufgetauet ſeyn /
Und daß ſein Lebens-Tacht ſey wieder aufgeglommen:
Er110Hochzeit-Gedichte.
Er ſagt: Damit ihr Hertz Chlorinde zu mir lenckt /
So ſey er / wie er iſt / Cupido / hier geſchenckt.
Es lag der ſchlimme Gaſt als koͤnt er ſich nicht ruͤhren.
So bald Chlorind ihn hub auf ihre zarte Schoß /
So fieng der Boͤſewicht den Pfeil zu druͤcken loß /
Die Fluͤgel flatterten / es ſchien da kein erfrieren.
Der Koͤcher ſtrotzte gantz von Flammen / Glut und Brand /
Und ihre Liebe nahm zuſehend uͤberhand.
Erſchrick Chlorinde nicht wo ich dein Hertz erreiche /
Sn ſprach der kleine Schalck / diß heiſcht die Danckbarkeit /
Es nimmt mich Celadon erfroren und beſchneyt /
Auf ſeinen Schlitten mit / ſonſt waͤr ich eine Leiche.
Geh diß Verbuͤndnuͤß ein / vergnuͤge ſeine Glut /
Du find’ſt an dieſem Mann dein hoͤchſt und beſtes Gut.
Drauf ſog er Bienen gleich auß der Chlorinden Munde /
So einen ſuͤſſen Kuß der nichts als Ambra bließ /
Ja der die Seelen ſelbſt zugieich zerſchmeltzen hieß /
Und ſprach / diß Siegel geb ich itzt zu eurem Bunde.
Wolthaͤter Celadon / lebt in erwuͤnſchter Eh.
Es deck euch ſo viel Luſt als Flocken mich von Schnee.
Chlorinden war es nur als wie im Traum erſchienen /
Als aber Celadon ihr an der Seite ſtand /
Und ſie der Liebe Trieb mit groͤßrer Macht empfand /
So ſchwur ſie: Meine Treu ſoll auch auf ewig gruͤnen /
Geliebter Celadon. Jch opffer Geiſt und Seel /
So lang ein Athem wohnt in dieſes Leibes Hoͤl.
Wie Celadon entbrand in der Chlorinde Zierden /
Und wie ſie ferner ſich in ſeine Arme ſchloß /
Wie ſie den Nectar-Safft der hoͤchſten Luſt genoß /
Und ihm ingleichen gab den Zunder der Begierden /
Verſchweigt die ſchwartze Nacht. Und meine Hippocren /
Jn dem es Phoͤbus heiſt darff nicht mehr weiter gehn.
Auf Hn. D. C. O. M. P. u J. E. G. Hochzeit / den 13. Febr. 1679.
GAr weit ein ander Ort den nicht der Nord beſtreicht /
Aufden der Winde Heer kan keinen Winter blaſen /
Noch der erhitzte Loͤw mit ſeinen Flammen raſen /
Von deſſen Graͤntzen nie der bundte Fruͤhling weicht /
Den111Hochzeit-Gedichte.
Den Flora ſtets bewohnt / der feuchte Zephyr gruͤſſet /
Und den Aurora fruͤh durch Ros und Perlen kuͤſſet /
War Venus Hofeſtadt: Judem uns Froſt und Eiß /
Als wie verſchloſſen haͤlt und tieffer Schnee bedecket:
Sie hatt ihr Sieges-Fahn zum Zeichen außgeſtecket /
Und ſaß nun aufdem Thron. Kein ſterblich Auge weiß
Den Glantz / den Straal / den Blitz der Hoheit zu beſchreiben /
Der beſte Redner wird erſtummt und ſprachloß bleiben.
Es macht ihr Angeſicht / ſo Erd als Himmel klar /
Die Luͤffte fingen an mit Biſam ſich zu ſchwaͤngern /
Die Sonne muſte ſelbſt des Tages Lauff verlaͤngern /
Von Myrrh und Aloe troff ihr geſalbtes Haar /
Die gantze Gegend ſchien von angenehmen Hauchen /
Als Weyrauch in der Glut und Coſten-Oel zu rauchen.
So kan die Roſe nicht in ihrem Purpur ſtehn /
Dergleichen Scharlach wird die Beere nicht verleyhen /
So kan der erſte Lentz die Baͤume nicht beſchneyen /
Noch der Narciſſen Haupt in weiſſem Atlas gehn /
Als Blut und Helffenbein ſich auf der Goͤttin Wangen /
Jn gleich gemiſchter Zier recht ſchweſterlich umfangen.
Sie ſtreute Lieb und Luſt durch jeden Anblick auß:
Die Augen wurffen Blitz / die Blitze Feuer-Funcken /
So in der Menſchen Hertz mehr als entzuͤndlich ſuncken /
Wohin die Glut nur fiel / da brandte Hof und Hauß /
Jhr Mund der Nectar goß und rahn von Zucker-Quellen /
Kont auch die Finſternuͤß der tunckeln Nacht erhellen.
Das Wunder-ſchone Weib / der Außzug aller Pracht /
Die Wolluſt dieſer Welt / der Aufboth aller Freude /
Der muͤden Sterblichen erwuͤnſchte Seelen-Weide /
Als ſich das Jungfern-Volck umb ihren Thron gemacht /
Und beugte Haupt und Knie; ſprach: Toͤchter / ihr muͤſt kennen /
Warumb ihr taͤglich mir pflegt Opffer anzubrennen.
Bey meines Hauptes-Zier / bey meines Scepters-Gold /
Nicht eine ſoll von mir abtreten ſonder Gnaden!
Sind alle Nymfen mir / Napeen und Najaden /
Zu meinem Dienſt verpflicht / ſo bin ich euch mehr hold /
Jhr Sternen meines Ruhms / ihr Blumen meines Namens /
Jhr Kronen meines Staats und Perlen meines Saamens /
Urploͤtzlich klang die Lufft von einer Harmoni /
Der es nicht gleich gethan die ſingenden Sirenen /
Noch112Hochzeit-Gedichte.
Noch aller Luſt-Geſang der kuͤnſtlichen Camenen /
Und die deß Orpheus Griff und ſeine gantze Muͤh
Nicht zierlicher erdacht / der Hertzogin zu Ehren /
Ließ jede Nymfe ſich in Engels-Stimmen hoͤren /
Was aber was geſchicht! Liſette ſinckt dahin /
Liſette die noch nie fuͤrm Opffer-Tiſch erſchienen /
Und die das erſte mahl die Goͤttin will bedienen /
Sie zittert / ſie erbebt; Geiſt / Leben / Muth und Sinn /
Verſchwinden allgemach / man weiß nicht was geſchehen /
Nur daß Liſetten ſie wie eine Leiche ſehen.
Jndeß kommt Hymen an den ſtets die Jugend kroͤnt /
Und deſſen glatten Mund kein Milch-Haar uͤberſchattet /
Der Hertzen / wo er kan / verliebt zuſammen gattet /
Und der der Venus Zorn durch ſeinen Dienſt verſoͤhnt;
Ruft: Seelen-Herꝛſcherin / Bezwingerin der Erden /
Liſetten kan alsbald durch Cur geholffen werden.
Erlaube daß ſie mit in deinen Garten geht /
Laß deine Fluͤgel-Schaar die zarte Nymfe tragen /
Oft hat ein eintzig Kraut gluͤckſelig angeſchlagen /
Und wer der Kranckheit Quell und Urſprung recht verſteht /
Der weiß auch von Grund auß den Schaden wol zu heilen /
Laß mit Liſetten uns / O groſſe Fuͤrſtin eilen /
Cardenio der ſich das weite Koͤnigreich /
Der guͤtigen Natur befliſſen durchzuſchauen /
Dem ſeine Heimligkeit Apollo zuvertrauen /
Jn vielen Stuͤcken pflegt / vor keiner Arbeit bleich /
Vor keiner Muͤh erſchreckt / der manches Land durchgangen /
Der Kuͤnſte goͤldnes Fließ durch forſchen zu erlangen.
Den erſt das Pleiß-Athen in ſeine Liebe ſchloß /
Den Schelde / Maß und Temß in Weißheit außgeuͤbet /
Dem auch der ferne Po deß Ruhmes Lorbern giebet /
Die ſelbſt der Delius genommen aus der Schoß /
Und deſſen Haupt geweyht als ſeiner Schaͤtze Kronen /
Daß Witz und Artzney-Kunſt da kuͤnfftig ſolten wohnen.
Nun der Cardenio durch Buͤcher ſatt gelehrt /
Was Avicenna ſchleuſt und was Galen erfunden /
Und was Hippocrates ſchreibt Krancken und Geſunden /
Was noch den Theophraſt macht unſrer Zeit geehrt /
Und was vor Geiſter mehr durch ihre kluge Schrifften /
Ein unvergaͤnglich Lob ſich bey der Nach-Welt ſtifften.
Der113Hochzeit-Gedichte.
Der hielte Buch und Kunſt bloß fuͤr ein todtes Werck /
Wenn die Erfahrung nicht ihm Geiſt und Seele gebe /
Er ſchloß / wie daß ein Menſch gantz unvollkommen lebe /
Und ob er ſchon durchſucht den gantzen Muſen-Berg
Und was Athen ſonſt hat / wenn nicht an ſeiner Seiten
Erſchien ein ſchoͤn Geſicht / ein Bild der Freundligkeiten.
Doch blieb Cardenio nur eifrig wie zuvor /
Was in der Artzney-Kunſt verborgen zu ergruͤnden /
Er ſucht ob Augentroſt ſey irgend wo zufinden /
Geht in dem Garten umb ob wo der Floramor
Noch anzutreffen ſey / ob Ehrenpreiß noch gruͤne /
Und ob das Jungfern Haar zu ſeiner Artzney diene.
Alsbald kommt ihm die Schaar der nackten Buben fuͤr.
Er ſiht Liſetten an. Sie / wie bey dunckelm Lichte
Der graue Tag ſich zeigt / erhebt auch ihr Geſichte /
Stoͤſt hole Seufftzer aus / und legt der Wangen Zier
Auffs neue Roſen bey / friert / brennet und erzittert
Daß man die Bruſt bemerckt in der ihr Hertze wittert.
Cardenio ſah bald was da vergraben lag /
Er ſprach: Die Nymfe kranckt an einem harten Fieber.
Auff! pfluͤckt ihr Amorn pfluͤckt Jelaͤnger und ie lieber /
Bringt ſchleunig Wolgemuth / und Mannstreu an den Tag /
Mengt Liebſtuͤck / Himmelthau / und Engelſuͤß zuſammen
Zu wehren ihrem Froſt / zu leſchen ihre Flammen.
Liſette nimmt getroſt die Hertz-Mixturen ein:
Das Ubel weicht / ſie rufft / ſol ich den nicht umbfangen
Durch deſſen Vorſicht ich zum Leben kan gelangen.
Ach Venus laß ihn doch auff ewig meine ſeyn!
Es ſey Cardenio mein Troſt / mein Artzt / mein Retter /
Jhm ſey ich zugeſellt bey hell und truͤbem Wetter!
Es ſtand das ſchoͤne Kind gleich wie die Helena /
Als Paris ſie geraubt / wie Sappho wenn ſie ſunge /
Wie Philomel eh noch die wolberedte Zunge
Der Tereus abgeloͤſt / wie Dafne / da ſie ſah
Den Artzney-Gott verliebt / als wie Coronis brandte
Eh ſie die Eyferſucht des Phoͤbus noch erkante.
Die Goͤttin ſuͤſſer Luſt / ſo Seel und Seel entzuͤndt /
Trat mitten unter ſie / und flocht in beyder Haͤnde
Der Eintracht goͤldnen Strick / mit Wunſch: Es muͤß ohn Ende
Seyn eure Liebes Glut! was meine Macht ietzt bindt /
H hDas114Hochzeit-Gedichte.
Das ſey unauffgeloͤſt biß in den Tod gebunden!
Drauff iſt ſie in der Lufft ſampt ihrem Heer verſchwunden.
Auf Hn. J. L. B. u. J. M. W. Hochzeit im Namen eines andern den 11. Apr. 1679.
1.
THeures Blut / der Edlen Schwaben /
Die durch ihre Tapfferkeit /
Tugend / Weißheit / Witz und Gaben /
Loͤwen-Muth in Kampff und Streit /
Sich vor andern hoch geſchwungen /
Daß biß an den Sternen-Kreiß
Jhres Namens Ruhm erklungen.
Und gegruͤnt ihr Ehren Preiß.
2.
Die nicht Rom / der Zwang der Erden
Und der Zaum der gantzen Welt /
Jemals ſehen dienſtbahr werden /
Die entgegen ſich geſtelt
Und biß an die Apenninen
Jhren Feind zuruͤck gejagt /
Daß wie trotzig er erſchienen
Endlich worden doch verzagt.
3.
Theures Blut / der Edlen Schwaben
Die nicht nach der Mode-Welt /
Jhre Tracht veraͤndert haben
Und ſich frembden gleich geſtelt.
Die ihr deutſches Hertz und Sitten /
Sambt der alten Redligkeit
Noch in iedem Tritt und Schritten
Weiſen bey ſo langer Zeit.
4.
Werther Landsmann biß erfreuet
Nun dir ſo das Gluͤcke lacht /
Nun der Himmel es verleihet
Daß dir von der Myrten Pracht
Venus eine Krone windet /
Und mit einem ſolchen Bild
Voller115Hochzeit-Gedichte.
Voller Tugend dich verbindet /
Daß dein wunſchen iſt erfuͤllt.
5.
Froſt und Winter iſt vergangen?
Einen Blumen-reichen Maͤy
Zeiget dir auff Mund und Wangen /
Deiner Liebſten Conterfei.
Du darffſt dich nicht nach Violen
Und den Hyacinth umbſchaun /
Weil denſelben unverholen /
Deiner Nympfe Augen Baun.
6.
Sih wie alles im Gewaͤſſer
Sich von neuem wieder regt /
Auch der Menſch macht es nicht beſſer
Dem das Blut in Adern ſchlaͤgt.
Wie ſich ietzt die Tauben paaren /
Wie der Hahn betritt das Huhn /
So muſtu bey gruͤnen Jahren
Gleich es Huhn und Tauben thun.
7.
Wirſtu aber auch wohl geben
Meinem Reim ein guͤttig Ohr?
Nein ich hoͤre du wilſt weben /
Und haſt andre Arbeit vor.
Ulm kan nicht ſo kleine ſpinnen
Dein geliebtes Vaterland /
Als was du ietzt wirſt beginnen
Und bald nehmen vor die Hand.
8.
Jndem ich wil weiter tichten /
Tritt Cupido bey mir ein /
Spricht; laſt doch dein Thun und richten
Jetzt gantz abgeſtellet ſeyn.
Dieſer Braͤutgam wird heut backen /
Und weil ich ihm helffen muß
Sauber alles Mehl ausſacken /
So nuͤtzt nicht der Reime Schluß.
H h 29. Er116Hochzeit-Gedichte.
9.
Er wird in den Ofen ſchieben /
Manche Sorten mancher Art.
Leckerle die ſehr belieben /
Kuchen von ſehr guter Schwart.
Kugel-Dorten / Schlangen-Schwaͤntze /
Laͤmmer / Maͤußle die gantz rauch /
Eyer-Baben / Butter-Kraͤntze
Und Spritz-Kuchen wie ein Schlauch.
10.
Jch wil ſo den Ofen hitzen
Daß bey recht beſtelter Gluth /
Jhm der Teig nicht bleibe ſitzen
Sondern ſich wie Schwaͤm auffthut.
Daß ſich Schleſier und Schwaben
Uber dem Gebaͤck erfreun;
Und daß ſie dergleichen haben
Nie geſehn mit Wahrheit ſchreyn.
11.
Was ſoll ich bey ſolchen Sachen /
Werther Landsmann ſtimmen an /
Wem die Goͤtter Hochzeit machen
Umb den iſt es wohl gethan.
Wem die Parcen ſeinen Faden
Weben nur von lauter Gold /
Dieſem kan kein Ungluͤck ſchaden
Und der Himmel iſt ihm hold.
12.
Nun er backe / nun er webe /
Schwaͤbſche Kuchen / Schleſiſch Gut /
Daß die Welt ihm Zeugnuͤß gebe
Wie der Schwaben Edles Blut
Jn Nachkommen wachſ / und bluͤhe
Hurtig / friſch / und munter ſey /
Und der Ehſtand nach ſich ziehe
Nichts / als einen Seegen-Maͤy.
Auf117Hochzeit-Gedichte.
Auf Hn. S. R. v. R. u. J. A. M. S. Hoch - zeit in eines andern Namen / 29. Aug. 1679.
1.
SOll denn die Vor-Burg deutſcher Erden /
Das Schatz-Haus aller Fruchtbarkeit /
Der Barbarn Raub und Beute werden /
Durch Enderung der boͤſen Zeit?
Gewehrt es nicht mehr ſeine Gaben
Und zieh’t uns ſeine Guͤter ein /
Laͤſt es die Berge nicht durchgraben
Und wil ohn Gold und Silber ſeyn?
2.
Nein: Unger-Land ſteht dennoch feſte /
Wie ſehr ietzt Blitz und Donner kracht /
Wie hoch es kraͤncken wilde Gaͤſte
Mit zugeſtoßner Krieges-Macht;
Es weiſet uns noch ihre Schaͤtze
Die Wunder-guͤtige Natur /
Sie kroͤnt mit Fruchtbarkeit die Plaͤtze /
Mit Adern die erfundne Spur.
3.
Es wil ſich Flora zwier da kleiden
Und Bacchus immer traͤchtig ſtehn /
Die Pales trotzet Samm’t und Seiden /
Wenn ſie ihr Vieh laͤſt weyden gehn;
Die Ceres lehrt mit ihren Garben /
Daß nichts an Reichthum noch gebricht /
Wenn andre Laͤnder muͤſſen darben
Hat ſie ein Korn-Haus aufgericht.
4.
Alleine dieſe Treffligkeiten
Wie herrlich man ſie ſchaͤtzen mag /
Thun nichts zu den’n Vollkommenheiten
Und halten nicht die Gegen-Wag /
Jn welcher ſich ſein Hertz ietzt wieget /
Herr Braͤutigam / das nunmehr brennt /
Und iſt von einem Schatz beſieget
Der keinen Feind noch Zufall kennt.
H h 35. Wenn118Hochzeit-Gedichte.
5.
Wenn andre reiche Beute loben /
Und ſie erfreut manch fuͤndig Gang /
Wenn ſie ergetzen Silber-Proben /
Und auch der Wuͤnſchel-Ruthe Hang;
So ſind der Silbermannin Augen
Von ſolchem Fadem / Zeug und Krafft /
Daß ſie ihm das Gebluͤt ausſaugen
Und nehmen Hertz und Seel in hafft.
6.
Es ſey daß uns viel Silber-Kuchen
Zuſenden kan die neue Welt;
Hier kan er mehr Vergnuͤgung ſuchen /
Sein Preis iſt hoͤher noch geſtell’t.
Die Schaͤtze kan der Feind verderben:
Der Seelen Lieb und Einigkeit /
Die bleibt beſtaͤndig biß ans Sterben /
Und wird nicht durch den Tod entzweyt.
7.
Das Bergwerck mag ſo reich ſich zeigen /
Gefahr und Muͤh die ſchlaͤft dabey /
Offt wenn ſich gute Blicke neigen /
Jſt man vom Kobolt doch nicht frey.
Hier aber ſeiner Liebſten Blicke
Sind ihm auch Sternen bey der Nacht /
Die ihm weiſſagen ſein Geluͤcke
Und was ihn hat verpflicht gemacht.
8.
Und ſolt er nicht bey Amaryllen
Ein Bergwerck finden voller Luſt?
Ein gleicher Sinn / ein gleicher Willen /
Ein gleiches Hertz in einer Bruſt.
Die werden ihn noch mehr ergetzen
Und voller Liebes-Pfaͤnder ſeyn /
Als wenn er lieſſe Stuffen ſetzen
Und fuͤhre frembde Fahrten ein.
9.
Sein Wald wird auch im Winter bluͤhen /
Ob ietzt des Herbſtes Purpur prahl’t /
So119Hochzeit-Gedichte.
So iſt die Roͤthe vorzuziehen /
Womit der Liebſten Mund ſich mahl’t:
Er findet auf der Liebſten Wangen
Stets einen Blumen-reichen May /
Was er kan wuͤnſchen und verlangen /
Das legt ihm dero Schoͤnheit bey.
10.
Diß iſt die beſte Zeit im Jahre /
Wenn Bacchus ſeine Kelter tritt /
Die Ceres liefert ihre Wahre /
Und den ſo reichen Erndten-Schnidt /
Wenn uns der Wald ſein Wildpret ſendet /
Die Gaͤrten liefern ihre Frucht /
Wer iſt der ſeinen Sinn wegwendet /
Und da nicht Luſt und Freude ſucht?
11.
Doch was die Seele kan vergnuͤgen /
Und was des Menſchen Hertz erfreut /
Das kan die Liebe nur zufuͤgen /
Der Zucker aller boͤſen Zeit:
Noch Wald / noch Berg / noch alle Gaben
Sind ſeiner Liebſten Tugend gleich;
Hier kan er ſeine Ruh-Staͤtt haben
Und faſt ein irrdiſch Himmelreich.
12.
Jch wuͤnſche / daß weil Mars ietzt blitzet /
Und Unger-Land noch immer breun’t /
Sein Hertz im Lieben ſey erhitzet /
Jn gleichen Flammen unzertrenn’t.
Der ſchoͤnen Braut wuͤnſch ich ingleichen /
Daß ſie wie Gold und Silber ſey /
Und in des Gluͤckes Prob und Streichen
Behalte reine Lieb und Treu.
Der handlende Mercur und ſiegende Cupido Bey H. F. B. u. J. H. G. Hochz. 14. Nov. 1679
Cupido.
WEicht nur ihr Goͤtter weicht fuͤr meiner Herrligkeit /
Mein maͤchtig Scepter druͤckt all eure Hoheit nieder /
Jm Koͤcher fuͤhr ich Brand und Funcken im Gefider /
Und meiner Siege Ruhm erſchallet weit und breit.
H h 4Der120Hochzeit-Gedichte.
Der Himmel iſt nicht frey und Jupiter gefangen /
Wenn dieſer ſchnelle Pfeil durch ſeine Bruſt gegangen.
Mercurius.
Daß die Verwegenheit dir angebohren ſey /
Erweiſt du taͤglich noch mit Worten und mit Wercken /
Man kan den Ubermuth aus deinen Thaten mercken /
Ein Kind / das nackt und bloß / gantz ohne Scham und Schen
Greift auch die Goͤtter an / ach unbeſonner Knabe /
Gedencke doch wie viel der Himmel Keile habe!
Cupido.
Die Donnerkeile ſind nur Stroh fuͤr meinem Pfeil /
Und fluͤchtiger Mercur erinn’re dich der Stunden /
Da ſich die Chione umb deinen Halß gewunden.
Sucht nicht wer toͤdlich kranck bey mir noch Huͤlf und Heil.
Jch mache Loͤwen zahm und ſpiele mit den Drachen /
Die Tyger muͤſſen ſtehn / die Crocodilen lachen.
Mercurius.
Nichts als nuꝛ Schadenfroh / was gleicht ſich meinem Ruhm?
Die Goͤtter brauchen mich zu ihrem Abgeſandten /
Jch bin der Scheide-Mann bey Fried und Kriegs Verwandten.
So iſt Beredſamkeit mein eintzig Eigenthum
Es hat die Lilien die Vorwelt mir geweyhet /
Weil offters meine Zung anmuthig ſie erfreuet.
Cupido.
Du fuͤhlſt die Ohren nur / ich aber Seel und Geiſt /
Man kan bey ſchwartzer Nacht nicht ſo viel Sterne kennen /
Als von der Liebe Gluth mir treue Hertzen brennen.
Und was diß groſſe Rund in ſeinem Kreiß beſchleuſt
Hengt meiner Regung nach / empfindt die ſuͤſſen Zuͤge /
Womit ich Hertz an Hertz und Seel an Seele fuͤge.
Mercurius.
Die Flamme die du ruͤhmſt brennt viel in Aſch und Grauß /
Jch baue Land und Stadt / mein handeln und verkehren
Wird uns die neue Welt durch Kauffmanſchafft gewehren
Was bringt uns nicht vor Gut ſo manches Segel-Hauß?
Wir ſpeiſen Jndien und China auff dem Tiſche /
Ja der beeiſte Nord muß liefern ſeine Fiſche.
Cupido.
Es ſey / ein Kauffmann muß durch Hitze Froſt und Schnee
Durch Unruh und Gefahr in frembde Laͤnder reiſen.
Jſt121Hochzeit-Gedichte.
Jſt mein ergebnes Volck nicht ſeliger zu preiſen?
Das ruht bey einem Baum / das ſchlaͤfft in bundtem Klee /
Treibt kein Gewerbe nicht / weiß Wechſel nicht zu ſchluͤſſen /
Das beſte Lagio beſteht in tauſend Kuͤſſen.
Mercurius.
Weg mit der Naͤſcherey du Sinnen-loſes Kind /
Hat nicht das guͤldne Rom mir Tempel aufgeſetzet /
Weil ich den Handels-Mann ſtets mit Gewinn ergetzet?
Reicht er nicht Lorbern mir / die reine Jungfern ſind /
Die tauch ich vor in Brunn / die Waaren zu beſprengen /
Damit hernach das Volck zum Kauff ſich moͤge draͤngen.
Cupido.
Schau an ein Jungfern-Bild / ob Tempel und Altar /
Du mir nicht wirſt gebaut in ihrer Seele finden.
Schau wie die Augen ſich den Blitzen gleich entzuͤnden /
Der Roſen-volle Mund / das aufgekrauſte Haar /
Der Wangen Milch und Blut / ſind angenehme Waaren /
Hier wird / wer kauffen will / das Lager-Geld nicht ſparen.
Mercurius
Kauff / den der meiſte Theil zum oͤfftern ſehr bereut!
Jch mag nicht mit Geſchwaͤtz die Zeit mit dir vertreiben /
Die Goͤtter laſſen mich nicht lang auf Erden bleiben.
Doch daß du wuͤrcklich ſiehſt die Handlung dieſer Zeit /
Wie Kunſt und Arbeit hat vortrefflich zugenommen /
So wolſt du bald mit mir in ein Gewoͤlbe kommen.
Cupido.
Der Arbeit bin ich feind / mein Zeit-Vertreib iſt Luſt /
Verſichert daß es mir viel mehr Ergetzung bringet /
Wenn Bruſt auf Bruſt gebruckt und Mund mit Munde ringet.
Damit mir aber ſey dein Zuſtand recht bewuſt /
So folg ich willig nach / dem Vorzug unvergeben /
Den ich von dir Mercur gedencke zu erheben.
Mercurius.
Bemercke Floramorn der in der Handlung ſitzt /
Von preißbahrem Geſchlecht / von gutem Witz und Tugend /
Durch Reiſen außgeuͤbt im Fruͤhling ſeiner Jugend /
Dem hab ich anvertraut / daß er mein Haupt-Gut nuͤtzt.
Durchſuche was du wilſt / der Phryger Meiſterſtuͤcke /
Der Serer Nadelſtich kreucht fuͤr dem Glantz zuruͤcke.
H h 5Cupido. 122Hochzeit-Gedichte.
Cupido.
Jch ſehe freylich hier die ſchoͤnen Sorten an /
Zeug / in den bloß allein die Venus einzukleiden;
Gewebe / das gemacht iſt von der beſten Seiden.
Jedoch was meine Hand vor Arbeit wircken kan /
Sticht das Geſpenſte weg / das uns Venedig ſchicket /
Womit ſich Piſa ruͤhmt und Genua ſonſt ſchmuͤcket.
Mercurius.
Verwunderſt du nicht hier die guͤldne Poſament?
Die Poinct d Eſpagnie pflegt ja vielen zu belieben /
Wenn ſonſt Poinct de Paris der Ruhm wird zugeſchrieben.
Schau dieſen Stoffen an / der faſt die Augen blendt.
So kan die Tulipan im Lentzen ſich nicht mahlen /
Als bund die Farben hier auf ſo viel Stuͤcken ſtrahlen.
Cupido.
Es gleicht Couleur de feu doch nimmer meinem Feur /
Incarnadin iſt nichts fuͤr ſchoͤner Jungfern Wangen /
Kein Atlas kan den Ruhm fuͤr zarter Haut erlangen /
Und obſchon Pou de Soye und die Brocaten theur /
So iſt noch mehr bebluͤhmt ein liebreich Angeſichte /
Das auch den feinſten Sammt ziehrt mit noch groͤſſerm Lichte.
Mercurius.
Taugt denn Ourange nicht / noch edles Grisdelin?
Jſt Feuillemort zu ſchlecht und Bleumourant zu tadeln /
Couleur de Prince pflegt die Hohen ſonſt zu adeln /
Wilſt du denn Iſabeau und Celadon gantz fliehn?
So wuͤnſch ich daß du moͤgſt auf ewig nackt erſcheinen /
Jm Sommer leiden Glut / fuͤr Froſt im Winter weinen.
Cupido.
Vergoͤnne mir Mercur daß ich dem Floramor /
Es heiſcht es Danckbarkeit auch meine Waar aufſtelle.
Jm Augenblick betrat ein Jungfern-Bild die Schwelle /
Umb die in vollem Schwarm der Liebes-Engel Chor /
Behaͤglich ſich geſellt / die Charitinnen lachten /
Als ſie die Hofeſtadt von Luſt und Schertz betrachten.
Mercurius.
So haſt du kleiner Schalck mir wieder obgeſiegt?
So weiſt du gleich und gleich Magnetiſch zu verbinden?
Man wird hier gleichen Stand bey gleicher Neigung finden /
Und beyder Eltern hat die Kauffmanſchafft vergnuͤgt.
Nun123Hochzeit-Gedichte.
Nun Floramor erfreut / es heiſſe nun dieſelbe /
Die allerbeſte Waar auß allen im Gewoͤlbe.
Cupido.
Hyelle klingt ihr Nahm / der Fruͤhling ihrer Jahr|
Jſt noch viel lieblicher als bundter Farben Menge.
Hier bluͤhet Seel und Geiſt / das ſeidene Gepraͤnge
Friſt Alterthum und Wurm / ein immer friſche Waar /
Jſt ein Rubinen-Mund / auf den man Kuͤſſe druͤcket /
Die viel lebendiger / als was Paris ſonſt ſtuͤcket.
Mercurius.
Mir iſt Hyellens Ruhm und Tugend wohl bekandt /
Kein Scharlach faͤrbt ſich ſo als ihre keuſche Wangen /
So iſt das ſchoͤne Kind nur wuͤrdig zu empfangen /
Ein hurtig Floramor: Sein Lieben hat Beſtand /
Dieweil Beſtaͤndigkeit den Grundſtein erſt geleget.
Worauf die Einigkeit hat das Geluͤck gepraͤget.
Cupido.
Schwaͤtzhafftiger Mercur / die Liebe laͤſt ſich nicht
Mit Worten ſpeiſen ab / und die Redſeligkeiten /
Vermuͤgen ſonſten wol Gemuͤther zu beſtreiten /
Allein hier muß ich ſelbſt Wegweiſer ſeyn und Licht.
Du magſt der Handlung Ruhm und Eigenſchafft behalten.
Laß mich mein Ober-Recht der Seelen nur verwalten.
Mercurius.
Sind auch die Goͤtter ſelbſt von deinen Pfeilen wund /
Wie ſolte Floramor nicht die Hyell umarmen;
Und der Hyellen Geiſt in gleicher Glut erwarmen?
Jhr ſchoͤnes Auge winckt / und ſchweiget gleich der Mund /
Dem liebſten Braͤut’gam zu / du magſt die Sache handeln /
Jch als Bottſchaffter muß noch ferne Wege wandeln.
Cupido.
Gefluͤgelter Mercur / bey dem Wahrſagungs-Stab /
Den deine Rechte fuͤhrt / bey deinem ſchoͤnen Singen /
Wenn du den Argus kanſt umb hundert Augen bringen /
Und haueſt noch darzu mit Liſt den Kopff ihm ab /
Jch laſſe dich nicht weg / du wirſt noch hoͤren muͤſſen /
Was die Verliebten jetzt fuͤr Wechſel werden ſchlieſſen.
Verleyhe mir Geduld und ein geneigtes Ohr.
Was waͤre doch die Welt die ohne Flammen bliebe?
Ein Frauenzimmer iſt ein Zeughaus voller Liebe /
Ein124Hochzeit-Gedichte.
Ein Paradieß der Luſt / worinnen Floramor /
Granaten ſuͤſſer Gunſt / Erdbeeren reiner Treue /
Und Roſen brechen ſoll / womit er ſich erfreue.
Jch ruffe dich hierinn zu einem Zeugen an:
Sind nicht die Augen oft Verraͤther der Gedancken?
Und wie die Sonne laufft in ihres Kreiſſes Schrancken /
So ſtehn ſie an der Stirn / Leit-Sterne zu der Bahn /
Die zu dem Hertzen geht. Jſt nicht der Mund ein Koͤcher /
Mit Pfeilen außgeruͤſt und auch ein Wolluſt-Becher?
Es liebt zwar jedes Glied / doch eintzig nur der Mund /
Beuth Seel und Geiſter auf / was an dem Brief ein Siegel /
Ein feſtes Schloß am Thor / an Thuͤren iſt ein Riegel /
Das iſt ein feuchter Kuß / wann Liebend ihren Bund /
So oft beſtaͤtigen / als offt die Geiſter brennen /
Und die Corallen-Bahn bald auf bald nieder rennen.
Schmeckt da die Zunge nicht der Goͤtter Marcipan /
Wenn Mund an Munde hangt und durch vermiſchtes ſtreiten /
Die Seelen ſelber will auff dieſen Kampff-Platz leiten /
Wo der ſo ſiegen will nicht fuͤr dem andern kan /
Und der erhitzte Mund mit Seufftzern untermenget /
Zu einem Loͤſe-Geld ſtets Kuß auf Kuß empfaͤnget.
Und eh der erſte Kuß zuruͤcke wiederkehrt /
So iſt der andre ſchon dem Hertzen zugezogen /
Das Hertze hat die Krafft und Liebligkeit geſogen /
So daß es auß dem Leib zu ſpringen ſtets begehrt /
Und waͤr es von Natur ſo feſt nicht angebunden /
Man haͤtt offtmal das Hertz auf Beyder Lippen funden /
Und ſage mir Mercur / ein Hertz-vereinter Kuß /
Macht der dem Menſchen nicht das kurtze Leben ſuͤſſe?
Ob nicht von einem Kuß ſtets uͤbrig bleiben muͤſſe /
Ein Vortrab neuer Luſt? ob aller Uberfluß /
Der Liebe nicht da ſteckt? und ob nicht in dem Kuͤſſen
Die Lippen gar ein Theil der Seele mit genieſſen?
Und ſchau mein Wort iſt wahr / wie jetzt der Floramor /
Sich an Hyellens Aug und Sternen recht beſpiegelt /
Und wie er ſeine Glut mit einem Kuß beſiegelt /
Der nach der Seele ſchmeckt / von Hertzen quillt hervor.
Es mag die ſchoͤne Braut in Zeug und Farben wehlen /
Jch muß als Haupt-Gut ſie dem Braͤutigam zuzehlen.
Gefaͤllt125Hochzeit-Gedichte.
Gefaͤllt mein Handel dir / verſtummender Mercur /
Du Kuͤnſtler der du ſonſt die Todten bringeſt wieder /
So viel kan und vermag mein Bogen und Geſieder.
Wie oft hab ich dich ſelbſt auf dieſer Liebes-Spur
Zu Nymfen hingefuͤhrt? Kan ſich der Menſch verwahren /
Und ſich von dem befreyn was Goͤttern wiederfahren.
Mercurius.
Wem die Beredſamkeit die Roſen legt in Mund /
Den Koͤcher in die Hand / den Nachdruck in die Wercke /
Der nimmt den Rieſen auch ihr ungeheure Staͤrcke.
Und ich erklaͤre mich / daß der Verliebten Bund
Hauptſaͤchlich mir gefaͤllt / ich muß es rund ausſagen /
Cupido hat den Sieg mit Ruhm von mir getragen /
Cupido.
Damit du aber moͤgſt des Sieges theilhafft ſeyn /
So ſoll das neue Paar den Tag dir gantz einraͤumen.
Hingegen bleibt die Nacht mit ihren ſuͤſſen Traͤumen /
Jhr liebſtes Eigenthum / der Heimligkeiten Schrein.
Und was deß Tages iſt in Handlungen gepflogen /
Das wird bey ſtiller Nacht von neuem uͤberwogen.
Mercurius.
Wolan der Schluß iſt gut / ſo geht / Verliebten / geht /
Und traget eur Gewerb und Handelſchafft zuſammen /
Zeigt der beſchneyten Welt wie eurer Liebe Flammen /
Jn lichter Loh entbrandt / ſo zieht nicht der Magnet /
Das Eiſen zu ſich an / ſo ſchnaͤbeln ſich nicht Tauben /
Und ſo verſchweſtert ſtehn am Weinſtock nicht die Trauben.
Cupido.
Sey ſtoltz mein wuͤrdig Haar das mit der Myrten-Kron /
Der Hertz-Vertrauten Hand bald praͤchtig wird bekraͤntzen.
Jch muß nun zu dem Mahl und zu den Hochzeit-Taͤntzen /
Die Venus laden ein / daß ſie von ihrem Thron /
Zu uns herunter faͤhrt / und weiter Heil und Segen /
Das muͤſſe ſich zu euch Verliebt ins Bette legen.
Mercurius.
Lebt / liebet und genieſt der Jugend und der Zeit /
Deß milden Himmels-Gunſt verdoppel eure Braͤnde /
Hochwerther Braͤntigam / ſein Lieben ſey ohn Ende /
Und trift ihn gleich die Runt auf heunt / er iſt befreyt.
Wer bey der Liebſten ſoll geſchaͤfftig ſeyn und wachen /
Der darſ gleich andern nicht ſich auf die Poſten machen.
Das126Hochzeit-Gedichte.
Das verliebte Rieſen-Gebuͤrge / Bey Hn. J. J. u. J. M. R. Hochzeit / vor - geſtellet den 6. Febr. 1680.
CUpido zog unlaͤngſt nach Leiptzig auf die Meſſe /
Und kauffte hier und dort vor Frauenzimmer ein /
Der abgerichte Schalck wolt auch freygebig ſeyn /
Der ſchenckt er einen Pfeil / der andern eine Kreſſe /
Der dritten einen Storch / der vierdten einen Hahn /
Und was vor Gauckeley man nur erdencken kan.
Er forſchte fleiſſig nach wo der und jener blieben?
Und ob Herr Jaͤniſch auch hier gegenwaͤrtig ſey?
Als ein vertrauter Freund ihn macht deß Zweiffels frey /
Und ſpricht / wer Ehhafft hat muß Reiſen nur verſchieben /
Herr Jaͤniſch wird nunmehr in dem Gebirge ſeyn /
Und kaufft ihm andern Zeug zu ſeiner Nahrung ein.
Cupido flog empor als wie beflammte Blitze /
Und ſegelte behertzt durchs freye Feld der Lufft /
Die Venus haͤtt ihn ſelbſt zuruͤcke nicht geruft /
Biß daß er oben ſtand auf deß Riphaͤus Spitze;
Da wo der kalte Nord die Gegend gantz beeiſt /
Und einen tieffen Schnee anch in dem Sommer weiſt /
Wie / ſagte Cypripor / will der den Himmel ſtuͤrmen?
Es ſey hier Athos Berg / es ſey auch Rhodope /
Und daß der Pelion zu nechſt dem Oſſa ſteh /
Ja was ſich Sternen gleich von Bergen auf mag thuͤrmen /
Und braͤcht er Rieſen gar der alten Welt hervor /
So zwingen ſie doch nicht mich und der Goͤtter Chor.
Bey ſolcher Witterung / bey ungeſchlachten Wegen /
Wo auch Mercurius nicht ſicher reiſen darf /
Der Himmel zu betruͤbt / die Winde gar zu ſcharf /
Und Eckel und Verdruß die Bahn uns oft verlegen /
Sucht dieſer ſeine Luſt / graͤbt Flammen auß dem Schnee /
Holt Zunder von dem Froſt und in dem Winter Klee.
Denn / wem iſt unbekand der Berge breiter Ruͤcken /
Wo nichts als Einſamkeit die Trauer-Geiſter naͤhrt /
Wo ſich der Ruͤbenzahl ſo oft und viel verkehrt /
Und die Geſpenſter ſich faſt taͤglich laſſen blicken /
Die man die Seelen noch verblichner Helden nennt /
Und die den Platz der Welt ſo als wie wir gekennt.
Nein /127Hochzeit-Gedichte.
Nein / diß taug nicht fuͤr ihn / er liebt nicht Wuͤſteneyen /
Noch macht die Reiſe mir ein ſeltſam Abentheur!
Wie irr ich? oder ſolt ein ſchoͤnes Ungeheur
Auch mitten im Gebirg Herr Jaͤniſchen erfreuen?
Es iſt wol eh geſchehn daß ſich bey ſtiller Nacht /
Zu dem Endymion Diana hat gemacht.
Und ſucht die Venus nicht auf Buͤſchen und auf Hoͤhen /
Wo ihr Adonis ſey / den Außzug ihrer Luſt?
Wie brennt Auroren nicht die Strahlen-reiche Bruſt /
Wenn ſie den Cephalus ſiht auf die Jagt außgehen?
Was gilts ich treff es noch / wie ſehr man es verdeckt /
Daß im Gebirge Feur vor unſern Jaͤniſch ſteckt.
Jch will die Wuͤnſchel-Ruth in meine Haͤnde nehmen /
Kein Wittichen vergleicht ſich meinen Kuͤnſten nicht /
Jch mach auß Tage Nacht und auß der Nacht ein Licht.
Jch will die Rieſen ſelbſt mit meiner Macht beſchaͤmen.
Kein Kobold ſchreckt mich ab / daß ich nicht Wunder thu /
Und ſuche nach dem Sieg bey meiner Mutter Ruh.
Er ſtreiffte hin und her durch die beſchneyten Hoͤlen /
Biß daß er ohngefehr Herr Jaͤniſchen erblickt /
Wie / rief er / hat es doch der Himmel ſo geſchickt /
Daß ich dich ſchauen mag / entdecke deiner Seelen /
Geheime Regungen und der Begierden Streit /
Wer weiß ob nicht mein Arm von allen dich befreyt?
Herr Jaͤniſch fuͤhlte nun von ungewohntem Triebe /
Daß etwas maͤchtigers ſchon uͤber ihn beſtimmt /
Eh er den kleinen Gott recht in die Augen nimmt /
So rufft er gantz entzuͤckt: Jch lieb ich lieb ich liebe.
Ach eine Rieſin hat mich auf den Berg gefuͤhrt /
Die mir den Mittelpunct des innern Hertzen ruͤhrt!
Gut / ſprach Cupido / gut / ich will das Spiel verkehren /
Mein klug-verſchlagner Geiſt weiß allenthalben Rath /
Wenn ihn die Omphale in ihren Armen hat /
So liebet Hercules den Rocken und die Scheeren.
Wie mancherley Geſtalt nimmt Jupiter nicht an /
Damit er ſeine Luſt nach Wunſch erfuͤllen kan.
Auf / folge mir nur nach / ein unverzagtes Hertze /
Bleibt nur der ſchoͤnſte Schmuck der treue Buhler ziert.
Verſichert das die Schoß der Erden nichts gebiert /
So mir nicht dienen ſoll zu einer Opffer-Kertze.
Auch128Hochzeit-Gedichte.
Auch unter Felß und Stein und tieffſter Kluͤffte Schoß /
Wird meine Herꝛlichkeit durch neue Wuͤrckung groß.
Herr Jaͤniſch enderte bald Blicke / bald Geberden /
Und ſprach wie kan ich doch / ich ſchwacher / widerſtehn /
Jch ſoll auf einen Berg wo Rieſen wohnen gehn /
Jch fuͤrchte daß ich muß ein Raub des Todes werden.
Was hat Medea nicht fuͤr dieſem wolgethan?
Und ſiht ein ſterblich Menſch auch frey die Goͤtter an?
Wie ſagt Cupido drauf / wer zweiffelt / wird nicht ſiegen /
Die Lieb iſt freylich wol ein unermeßner Berg.
Die Liebe thut allein die groͤſten Wunder-Werck /
Der Liebe Wurtzel kaͤumt aus nichts als Streit und kriegen.
Wer Rieſen fangen will muß Alexander ſeyn /
Dem war die zehnte Welt fuͤr ſeinen Muth zu klein.
Komm / wo du reiſen wilſt auf Haͤmus weiſſe Klippen /
Und wo der Taurus ſich biß an die Wolcken ſtreckt /
Wo nie der Sonnen-Strahl den Caucaſus ableckt /
Und wo der Apennin zeigt ſeine duͤrre Rippen.
So wirſtu nimmermehr der Liebe widerſtehn /
Wer hier nicht folgen will / der muß gezwungen gehn.
Sie gehn / Herr Jaͤniſch faͤllt in eine Ohnmacht nieder /
Er weiß nicht wo er iſt / er denckt nicht was er thut /
Bald greifft ihn Schrecken an / bald wallet ihm das Blut /
Es klopfft das Hertze ſtarck / es zittern alle Glieder.
Er ſicht und ſieht auch nicht / er ſihet einen Berg /
Und ſchreyt Cupido hilff! ach welch ein Wunder-Werck!
Er roͤchelt halb entſeelt / ſagt mit gebrochnen Worten /
Welch eine Rieſin nimmt mir Leben und Geſtalt /
Jhr Goͤtter werd ich nicht noch dieſe Stunde kalt /
Ach daß die Pfeile doch mein Hertze nicht durchbohrten /
Cupido biß mir gut und Venus biß geneigt /
Nun das Gebirge ſich und eine Rieſin zeigt.
Jn einem Augenblick verſchwunde Schnee und Flocken /
Wo vor die Wuͤſteney da war ein Paradiß /
Man ſah die Anmuth ſelbſt die umb die Berge bließ /
Und Venus ſtellte ſich mit tauſend ſchoͤnen Tocken
Jn ihrer Hochzeit ein. So daß Cupido ſprach /
Ach Mutter laß doch was noch meinem bitten nach.
Hiemit ſo flocht er ſich umb ihre Marmel-Bruͤſte /
Und ſaugte ſuͤſſe Milch von den Granaten auß /
Sie129Hochzeit-Gedichte.
Sie ſtaͤupte ſeinen Leib mit einem Blumen-Strauß.
Er aber rief und ſprach. Ach Mutter / wenn ich wuͤſte
Das deiner Majeſtaͤt Haupt Urtheil ſtimmte bey /
So ſagt ich / daß nunmehr Herr Jaͤniſch Sieger ſey.
Jndem erzeigte ſich ein Berg von ſeltnen Wundern /
Er als Cupido kaum der Mutter Bruſt entfaͤllt /
Hat eine Rieſin ſich zur Gegenwehr geſtellt /
Mit Waffen ausgeruͤſt von nichts als Brand und Zundern.
Hier ſteht Herr Jaͤniſch bloß / er kennt den ſchoͤnen Feind /
Und der in einer Nacht kan werden beſter Freund.
Wie treugt uns nicht der Wahn! Er denckt zu ſehen Rieſen /
Und weiß nicht daß die Stadt / die Perle dieſer Welt /
Dergleichen Rieſin ſchon in ihren Armen haͤlt /
Die von der Tugend Lob und Hoͤffligkeit geprieſen.
Sie tritt ihm ins Geſicht und zeuget daß ſein Geiſt
Jn das Gebirge nicht / in ſie / nur ſey gereiſt.
Cupido ſagte zwar / die Kuͤnſte meiner Kuͤnſte
Sol ich in einem Berg und Rieſen ſtellen dar /
Daß meine Deutung doch in allem werde war /
So webe Venus mir ein ſeidenes Geſpinſte /
Das unſern Braͤutigam mit ſeiner Rieſin deckt /
Und meldet was dabey vor ein Geheimnuͤß ſteckt.
Drauff fuhr er ferner fort / ein auserwehlt Gebirge
Verheiſcht dir das Geluͤck / beſchert dir dieſe Nacht.
Die Venus ſpricht / es werd ein Opffer abgeſchlacht
Das auch dein eigne Hand im erſten Blut erwuͤrge.
Jch aber mahle dir den Berg der Liebe fuͤr /
Wo eine Rieſin ſteht voll Seufftzen / voll Begier.
Ein Rieſ iſt lang und groß / ſchau die gerade Laͤnge /
Wie gleich den Lilien ſich deine Rieſin weiſt.
Schau ihren treuen Sinn / ſchau ihren keuſchen Geiſt /
Und haſtu nicht dabey der Tugend-Gaben Menge?
Ein Berg iſt ja ein Schatz der reiche Schaͤtze reicht /
Jch glaube daß ſich doch nichts deinem Schatze gleicht.
Sih an der Berge Hoͤh / wie ſchoͤn iſt ihre Stirne!
Der Himmel iſt niemahls ſo hell und ausgeklaͤrt /
Als ihre Blicke ſie holdſelig dir gewehrt /
Die Venus im Geſicht und Pallas im Gehirne.
Betrachteſtu genau der Augen Sternen-Schein
So koͤnnen ſie bey Nacht ein rechter Pharus ſeyn.
J iEin130Hochzeit-Gedichte.
Ein Berg der breitet ſich. Auch ihre ſchoͤne Wangen
Umb eine Helena krigt Paris noch zehn Jahr.
Der Jungfern hoͤchſter Schmuck und prachtig Ruhm Altar
Jſt wenn die Ketten ſie der Scham und Zucht umbfangen.
Ob ſich des Berges Knopff mit nichts als Wolcken deckt /
So iſt doch Sanfftmuth nur in dieſen Berg verſteckt.
Zwey Huͤgeln gleichen ſich die Schwanen gleiche Bruͤſte /
Die Rieſin ladet dich auff ihre Klippen ein /
Du muſt an Hertz und Muth nur unerſchrocken ſeyn /
Und daß ſich deine Hand mit Liebes-Waffen ruͤſte.
Erſchrick nicht daß der Schnee ſich hat ſo rund gelegt
Und ſeine Lilien ſo lebendig bewegt.
Laß den Veſuvius von Gluth und Feuer rauchen /
Er gleicht nicht dieſem Brand der hier verborgen blitzt /
Ob Aetna ſeine Bruſt mit Schweffel ſchon erhitzt /
Und in ein Flammen-Meer die ſchuͤchtre Welt wil tauchen /
So iſt bey weiten doch das brennen nicht ſo ſtarck /
Als diß / das angefeurt / der Liebſten Blut und Marck.
Auch unter dieſem Schnee kanſtu Erd-Beeren finden /
Die Tuberoſen bluͤhn auch bey der Winter-Zeit /
Und ob ſich Aetna ſchon mit Aſchen hat beſtreut /
So traͤgt ſie Trauben doch in ihren ſchoͤnen Gruͤnden.
Die Aepffel ſind vor dich in dieſem Paradiß
Und Adam thaͤte ſelbſt hier wieder einen Biß.
Bey Bergen iſt ein Thal nach rundgewoͤlbten Hoͤhen /
Nach auffgethuͤrmter Pracht ziht ſich die Gegend ein /
Wo ſilber-helle Quell / und kuͤhle Hoͤlen ſeyn.
So bleiben Rieſen auch nicht ſtets auff Spitzen ſtehen /
Sie ſuchen ihre Luſt in Schatten-reicher Nacht /
Als wie zur Dido ſich Aeneas hat gemacht.
Der nackte Fluͤgel-Gott fing weiter anzumelden /
Wer im Gebirge reiſt bedarff gar offt der Ruh /
Es ſagt mein treuer Mund dergleichen Schlaf dir zu /
Den kaum genoſſen hat der Kern beruͤhmter Helden.
Die Rieſin iſt nicht wild / ſie ladet dich zu ihr
Das Zimmer iſt ihr Hertz / der Bote die Begier.
Herr Jaͤniſch in die See der Freuden eingeſencket /
Nahm das erfreute Wort mit Danck verpflichtet an /
Und ſagte / kleiner Gott / wo ich was bitten kan /
Wo Venus noch an mich / die ich geehret / dencket.
So131Hochzeit-Gedichte.
So ſchaffe daß der Berg verſpuͤre meine Treu /
Und daß die Rieſin auch ein Schlaf-Geſelle ſey.
Was wirckt die Liebe nicht / ſie lernt mit Rieſen kaͤmpffen;
Cupido zog den Pfeil den man den guͤldnen heiſt /
Der Fried und Einigkeit in die Gemuͤther geuſt /
Und ſagte Beyder Gluth ſol keine Zwitracht daͤmpffen.
Den andern Pfeil / der Neid und bittern Haß erweckt /
Der bleibe wie vorhin im Koͤcher eingeſteckt.
Jch wil die Juno ſammt dem Hymen itzt auffbitten /
Daß ſie das Hochzeit-Bett zum ſchoͤnſten butzen aus /
Daß Freude / Spiel und Schertz ſchallt durch das gantze Haus /
Und man viel Taͤntze hegt mit kunſtgeuͤbten Tritten.
Daß ein vergnuͤgt Gluͤck zu! ein froͤlich Lebet wohl;
Aus Mund und Hertzen ſteigt biß an den Sternen Pol.
Herr Jaͤniſch fuͤhrt nunmehr die Beut in ſeinen Armen /
Er hat den beſten Schatz aus dem Gebirge bracht /
Worzu ſich ſeine Braut in allen Gliedern macht /
Und in der Rieſin Schoß ſol er hinfort erwarmen.
So viel als Federn hier in meinen Fluͤgeln ſeyn /
So viel Ergetzligkeit muß auff die beyde ſchneyn.
Mein Handel iſt nun nichts mit allen meinen Wahren /
Diß was hoͤchſt-noͤthig iſt hab ich doch nicht gekaufft;
Eh aber gar die Zeit mir aus der Hand entlaufft /
Und mich die Mutter heiſt in Himmel wieder fahren /
So / ſag ich heilig zu / das binnen Jahres Friſt
Die Meſſe ſo ich bring in einer Wiegen iſt.
Berg-Reyhen Auf Hn. C. W. u. F. A. S. V. g. H. Hoch - zeit den 29. Apr. 1680.
1.
HErr Weiß er hat auf ſeinen Zechen
So manchen guten Gux erlangt;
Und weiß wie man das Ertz ſol brechen
Das in der Menſchen Augen prangt /
Laͤſt er nun Fahrt und Stollen ſtehen /
Veraͤndert Vorſatz / Hertz und Sinn /
Und wil in Schleſien gar gehen /
Was ſuchet er da vor Gewinn?
J i 22. Er132Hochzeit-Gedichte.
2.
Er iſt ja nicht Bergſuͤchtig worden /
Das zeigt die lebende Geſtalt /
So thut ihm auch der kalte Norden
Durch die Gewonheit nicht Gewalt.
Es muͤſſen andere Magneten
Jhm ſeine Wuͤnſchel-Ruthe ziehn /
Wo er wil bauen / ſchmeltzen / loͤthen
Und in gewuͤnſchter Nahrung bluͤhn.
3.
Wie / oder wil er dem nachſetzen /
Wie das gemeine Spruͤchwort klang?
Nichts kan den Bergmann mehr ergetzen /
Als ein ſchoͤn Weib und ein ſchoͤn Gang.
Und ſucht er Fletzen und Geſchicke
Bey ſeiner liebſten Vogelin /
So ruͤhm ich billich das Geluͤcke
Das ihn gewieſen hat dahin.
4.
Ein Berg-Mann kan nicht immer hauen /
Er hat auch ſeine Wechſel-Schicht;
Es iſt ihm auch vergunt zu ſchauen
Nach einem klaren Angeſicht.
Wann ihn der Berg-Muͤnch hat erſchrecket
Und daß er auffgefahren iſt /
So wird ihm neue Krafft erwecket /
Wenn ihn ſein Liebes-Engel kuͤſt.
5.
Sein Außbeuth bleibt doch Ertz und Liebe
Die Mehrerin der gantzen Welt /
Zu dieſem herrlichen Geſchiebe
Wird aller Nachſchlag angeſtellt.
Wer ſeinen Gang bringt ſo ins ſtreichen /
Als wie Herr Weiße hat gethan /
Der kan die rechte Zeit erreichen /
Und ſchaut vollkommen alles an.
6.
Er findt den Vogel in dem Neſte /
Der Gang entbloͤſſet ſeinen Bauch;
Frau133Hochzeit-Gedichte.
Frau Braut der Knapp iſt wol der beſte
Den Gruben-Compaß braucht er auch /
Er wird bald muthen und drauff ſchuͤrffen
Beſtaͤtigen und werffen Seil /
Biß er / wird gar anſitzen durffen
Die Fluth verſchroten in der Eil.
7.
Darnach gewaͤltigen und machen /
Damit er recht zu Tag ausfaͤhrt;
Frau Braut ſie muß daruͤber lachen
Wenn ſich ihr Berg-Mann alſo naͤhrt.
Die Arbeit iſt wol ſchwer und ſauer
Wenn er den groſſen Peiſchel fuͤhrt /
Manch wilder Kamm und harter Knauer
Das Marck ihm in Gebeinen ruͤhrt.
8.
Jedoch die Liebe zu den Schaͤtzen /
So in der Berge Schoß verwahrt /
Die Seiffen und ſaamhaffte Fletzen /
Reichhaltig von ſo mancher Art /
Ermuntern wieder ſein Gemuͤthe;
Als wie der Liebſten rother Mund /
Wenn ſie ihm ihre Treu und Guͤte
Durch einen heiſſen Kuß macht kund.
9.
Und es veredelt dieſe Gaͤnge
Der Abgrund treuer Einigkeit.
Sie theilt mit ihm der Sorgen-Menge
Jhr Gux iſt eben ſein Ausbeuth;
Gold-Ertz und Silber-Knoſpen trieffen
Von Treu-vermaͤhlter Liebes-Hand /
Und eure Namen hat geſchlieffen
Beſtaͤndigkeit in Diamant.
10.
Es wird euch nichts zu Sumpffe gehen /
Kein Koblicht Stanck bringt euch Gefahr.
Kein gifftig Schwaden kan entſtehen /
Noch Dampff und Nebel iſt alldar;
Euch wird nicht Marcaſit betruͤgen
Noch Letten / Eiſenſchuß und Speiß /
J i 3Noch134Hochzeit-Gedichte.
Noch Katzen-Silber was vor luͤgen /
Glantz / Bleyſchweif / Plenden / Gelb und Greiß.
11.
So fahr er nun Hr. Weiß zu Schachte /
Das Ertz das ſchneidet ſich nicht ab /
Noch daß ein Zufall taub es machte /
Nein es haͤlt ſeine Guͤtt und Gab
Und wird geſetzet auff die Halle
Den Erb-Gux endlich bringen bey /
So daß Herr Weißes Lob erſchalle
Wie er der beſte Berg-Mann ſey.
12.
Er wird kein Grubenlicht bemercken /
Wenn ſeine Braut den Handſtein ruͤhrt /
Und ihn zu ſuͤſſen Liebes-Wercken
Mit| ihrer Augen Strahlen fuͤhrt.
Sein Uberſchuß iſt Centner Gluͤcke /
Sein from Ertz iſt gediegen Gold;
Und ſelbſt das himmliſche Geſchicke /
Jſt eurem neuen Ehſchluß hold.
Auf Hn. J. M. u. J. E. T. Hochzeit den 3. Junii 1680.
ACh lebte Tſcherning noch / der Ruhm gelehrter Zeiten!
Der himmliſche Poet / des Vaterlandes Preiß /
Von deſſen Kunſt und Witz der Belth zu ſagen weiß /
Daß er geweſen ſey ein Meiſter deutſcher Seiten.
Ach lebte Tſcherning noch / wie ehrt er dieſes Feſt!
Das euch Verlobte Zwey zuſammen treten laͤſt.
Er wuͤrde / wie er pflag / den Helicon bewegen /
Es muͤſte Caſtalis mit vollen Stroͤmen gehn /
Und ihm der Lorber-Wald zu dienſt und willen ſtehn /
Damit er ſeiner Muhm als Braut des Himmels Segen
Erklaͤrte durch ein Lied / weiſſagte Heil und Ruh /
Und Phoͤbus ſpreche ſelbſt ein kraͤfftig ja darzu.
Umbſonſt! ſein edler Geiſt wohnt nunmehr bey den Sternen /
Er hat die Sterbligkeit ſchon laͤngſten abgelegt /
Mich / den kein heiſſer Zug der Dichter mehr bewegt /
Der ich den Kindern gleich die Reim-Kunſt wil verlernen /
Brennt135Hochzeit-Gedichte.
Brennt itzt kein ſuͤſſes Feur / das ſolche Funcken ſpruͤht /
Worinnen man gebildt der Liebe Schoͤnheit ſieht.
Jedoch die Freude wil die ſchwache Feder fuͤhren /
Wenn ich die Eltern ſeh bey ihren Kindern ſtehn /
Und wie ſie mit der Braut zu dem Altare gehn /
Der Braut die Zucht und Scham als wie mit Purpur zieren /
Und ſeufftzen da zu GOtt / dem Stiffter keuſcher Eh /
Daß es doch ihrem Blut und Saamen wolergeh.
Es ſchmiltzt der Vaͤter Hertz in unermeßne Freuden /
Nun ſich ihr Ehren-Schnee mit Wolfahrts-Lilgen ſchmuͤckt /
Und es der groſſe Rath des Himmels hat geſchickt /
Daß ſich in gleiche Treu zwey gleiche Seelen kleiden /
Und daß ein Buͤrgers Kind dem andern ſich vermaͤhlt /
Und in der Gleichheit auch noch Stand noch Uhrſprung fehlt.
So baut ihr Vaͤter noch bey Leben eu’r Geſchlechte /
Und fuͤhret Seulen auff aus eurem eignen Blut /
Denn fromme Kinder ſind doch nur das hoͤchſte Gut.
Wer die gezeuget hat / den ehren gar die Rechte /
Jhr wiſt wem ihr den Schweiß von euren Haͤnden laſt /
Und Erb und Eigemhum beſitzt kein frembder Gaſt.
Laſt ietzt die Sorgen ſeyn ihr hochbegluͤckten Alten /
Der muͤden Kraͤffte Stab iſt ein geliebter Sohn /
Und keuſche Toͤchter ſind der Eltern Schmuck und Cron.
Die Gunſt des Himmels wil ob eurem Namen walten /
Jhr koͤnt nicht untergehn / ob euch das Grab ſchon haͤlt /
Dieweil ihr wieder lebt durch eurer Enckel Welt.
Nun zehlet dieſen Tag vor einen von den beſten.
Allein / wo laſſen wir denn unſre ſchoͤne Braut /
Die itzt mit keuſchem Blick auff ihren Liebſten ſchaut /
Und windet in ſein Haar den Krantz von Myrten-Aeſten.
Gibt durch Veraͤnderung der Mienen zuverſtehn /
Es muͤß ein heimlich Feur in ihren Adern gehn.
Nichts anders ſteht die Roſ als wie Eleonore /
Wenn itzt die Morgenroͤth im lichten Scharlach blitzt /
Und den geſunden Thau auff jede Blumen ſpritzt /
Und gantz beperlet ſteht die Sternen-reiche Flore /
Da breitet ſie zugleich den Purpur Mantel aus /
Und ſie iſt Koͤnigin in ihrem Blumen-Hauß.
Jhr Thron iſt gruͤner Sammt / die Doͤrner ſind Trabanten /
Biß daß ſie aus dem Schlaff mit ihrem Haupt erwacht /
J i 4Und136Hochzeit-Gedichte.
Und hundertfaͤltig ſich / in ihrer Blaͤtter Pracht /
Zeigt mit Verwunderung den Augen der Bekandten.
Der ruͤhmet den Geruch / und der der Farben Glantz
Und ſagt die Roſe dient zu einem Jungfer-Krantz.
Jch weiß Herr Braͤutigam das mehr als alle Roſen
Und Blumen ſo uns je der Gaͤrte Schoß gewehrt /
Er ſeinen liebſten Schatz und ſchoͤne Braut begehrt /
Der ſelbſt die Gratien und Tugenden liebkoſen.
Der Fruͤhling ihrer Zeit traͤgt Blumen die ſtets bluͤhn /
Und nicht ſo bald davon als unſre Roſen fliehn.
Wolan die Jugend iſt ein Jahrmarckt ſuͤſſer Liebe /
Es beut ihm ſeine Braut dergleichen Wahren an /
Die Perſien nicht ſchickt noch Ormus lieffern kan.
Was Noth Herr Braͤutigam daß er den Kauff verſchiebe.
Wer hier bey zeiten nicht dergleichen Guͤter ſucht /
Der findet denn zu ſpaͤt die Schalen ſonder Frucht.
Ein Frauenzimmer hegt noch mehr als eine Meſſe.
Sticht nicht der Augenlicht die Diamanten hin?
Die Zeuge mancher Art / wie kuͤnſtlich ſie auch bluͤhn /
Wie zierlich ſie gedruckt die neuerfundne Preſſe /
Verlieren Farb und Glantz vor dieſer Schoͤnheit Schein /
Wo die Vollkommenheit wil Obermeiſter ſeyn.
Erblaſt der Atlas nicht vor einem rothen Munde?
Gleicht weiſſe Seide ſich wol einer zarten Haut?
Und wer das Roſenfeld der ſchoͤnen Wangen ſchaut
Wird ſagen Sammet hat nicht ſolche Glut zum Grunde.
Es ſey verwunderns werth / was Morgenland uns webt /
Ein Bild verdient mehr Ruhm / das ſich bewegt und lebt.
Wolan / ſo kauff er ein das beſte von den Schaͤtzen /
Die Venus ſiehet ihn Herr Braͤutgam guͤnſtig an /
Der witzige Mercur / der viel verkehren kan /
Verſpricht ihm zum Gewinn / Vergnuͤgen und Ergetzen.
Es flicht die Einigkeit ſo ein gewuͤnſchtes Band /
Dergleichen ihm noch nie ein Marckt hat zugeſand.
Was aber ſchoͤne Braut ſchlaͤgt ſie die Augen nieder?
Scheint ihr der Sonnen-Rad was langſamer zu gehn /
Weil Hoffen und Begier ſchon in Bereitſchafft ſtehn /
Und Hymen ſie gereitzt durch ſeine ſuͤſſe Lieder /
Daß ſie den Abend ihr hat vor den Tag erkieſt /
Dieweil als wie bekandt die Nacht verſchwiegen iſt?
So137Hochzeit-Gedichte.
So gehe ſie nun hin aus ihrer Eltern Armen /
Es folge Gluͤck und Heil ihr auf der Ferſen nach /
Getreue Lieb und Gunſt ſtehn umb das Schlaffgemach /
Und der Cupido will bey euer Luſt erwarmen /
Und dieſer neue Stand den ihr itzt ſchreitet ein /
Der muͤſſe fort fuͤr fort ein traͤchtig Sommer ſtyn.
Pflantzt Blumen ſuͤſſer Luſt in eurem neuen Stande /
Darob der Eltern Hertz und Auge ſich erfreut:
Die Nahrung geh nach Wunſch / lebt in Zufridenheit /
Jn eurer neuen Eh / wie im gelobten Lande.
Damit ihr / wenn das Jahr hat ſeinen Lauff verkehrt /
Von euer Fruchtbarkeit die Erſtlinge gewehrt.
Auf Hn. F. C. P. in K. u. J. A. E. K. Hochzeit / den 9. Julii 1680.
WEg mit der Einſamkeit / was ſoll der leere Stand?
Kein Menſch lebt auf der Welt / der ſich kan ſelber lieben.
Es iſt das Weib erbaut aus einer Seiten-Rieben /
Die Adam / wie er nur erwachte / fertig fand.
Diß war ſein erſter Schatz / an dem er ſich ergetzte /
Die er ein Paradis im Paradiſe ſchaͤtzte.
Er ſah verwundernde der Augen Sternen an /
Die Lichter konten ihn mehr als die Fackeln blenden /
So uns bey ſtiller Nacht der Monden pflegt zu ſenden /
Wenn er ſein guͤldnes Heer fuͤhrt auf die blaue Bahn.
Die Strahlen zogen ihn / die Blicke wurden Blitze /
Und er empfand bey ſich ein ungemeine Hitze.
Ob ſchon die gantze Welt zu ſeinen Fuͤſſen lag /
Und Flora unter ihm den ſchoͤnſten Teppicht machte /
Das Feld gruͤn / wie Smaragd / der Wald von Anmuth lachte /
Der Sonnen guͤldnes Rad verlaͤngerte den Tag /
Die Lufft wie Demant hell / die Brunnen wie Cryſtallen /
Mit welchem ſich vermiſcht der Thon der Nachtigallen.
So ruͤhrt ihn doch nicht ſo das groſſe Kunſt-Gebaͤu /
Als ihn die Lilien auf der Geliebten Wangen /
So ſind die Roſen nie im Fruͤhling aufgegangen /
Mit ſolchen Blumen prangt nicht der beſternte May /
Als ſeiner Eva Mund / der / wenn er ſich nur regte /
Den Zunder groͤßrer Glut in feine Seele legte.
J i 5Er138Hochzeit-Gedichte.
Er ſah die Glieder an / ſein eigen Fleiſch und Blut /
Ein ſolches Helffenbein / das Jndien nicht ſchicket /
Da mit Saphiren war der Aderu Grund durchſtuͤcket /
Er ſiht den Schnee der Bruſt / da waͤchſet ihm der Muth.
Daß auf der weiſſen Hoͤh Granaten-Knoſpen bluͤhen /
Und die Rubinen die Narciſſen uͤberziehen.
Die Woll iſt nicht ſo zart / die Seide nicht ſo weich /
Als der formirte Leib auß ſchlechtem Thon und Erden.
Es muß ihm jedes Glied zu Luſt-Magneten werden /
Und ſie iſt Koͤnigin in ſeinem Koͤnigreich.
Er theilt mit ihr ſein Hertz / und gibt ihr zu verſtehen /
Daß dieſe Wuͤrckung komm auß den geſtirnten Hoͤhen.
Sie hatte kaum den Kuß / den heiſſen Kuß geſchmeckt /
Dem ſich kein Zimmet-Oel und Amber-Kuchen gleichet /
Dem Ambroſiner-Marck und Safft des Nectars weichet /
Als ſie ihn gantz verliebt deß Hertzens Grund entdeckt /
Sich flicht umb ſeinen Hals / und in die Armen ſchrencket /
Und wie ein Reben-Blat am grunen Stocke hencket.
Mein Adam / ſagte ſie / du An-Herꝛerſter Welt /
Ertz-Vater vom Geſchlecht / und Brunn-Quell aller Kinder /
Mein Herꝛſcher und mein Herꝛ und der Natur Ergruͤnder /
Der ungewohnte Trieb / der meine Bruſt befaͤllt
Heiſt mich deß Hoͤchſten Schluß gehorſam nur erkennen /
Jch will in gleicher Glut biß auf die Aſche brennen.
Sie ſchloß; und Augenblicks rieff Erde / See und Lufft /
Ein ſchoͤnes Braut-Lied zu / der Nach-Welt anzuzeigen /
Daß gleiche Regung ſolt in ihre Seele ſteigen.
Wer glaubt / mein Vetter / nun / daß nicht ſein Hertze pufft
Und ſchlaͤgt / gleich einer Uhr / von Flammen angegluͤhet /
Wenn er das Ebenbild der erſten Mutter ſihet?
Sie ſtellt ihm gleichfalls fuͤr ein ſchoͤnes Paradis /
Die keuſche Scham und Zucht ſind ihre Purpur-Decke /
Die ſeltne Haͤußligkeit vergleicht ſich einer Schnecke /
Und ihre Tugend iſt mehr als ein guͤldnes Fließ.
Ein wilder Jaſon mag nach Colchos immer reiſen /
Es wird ihm ihre Treu weit beßre Schaͤtze weiſen.
Diß was er vormals nur in ſtummen Buͤchern laß /
Wie offt die Lesbia hat den Catull gekuͤſſet /
Wie Cynthia die Nacht hat dem Propertz verſuͤſſet /
Wie Naſo hoͤchſt-vergnuͤgt bey der Corinna ſaß /
Wie139Hochzeit-Gedichte.
Wie Violanten hat der Statius beſchrieben /
Das iſt ein Gauckel-Spiel fuͤr Eh-verknuͤpftem Lieben.
Zwar / Vetter / er verzeih / daß ich deß Prieſters Ohr /
Jn Heydniſche Gedicht / als ein Wegweiſer / fuͤhre /
Wo bey der klugen Welt ich nicht das Lob verliere /
So weiß ich / daß mein Mund ihm diß geleſen vor /
Und daß kein munter Pferd ſo kan zum Ziele rennen /
Als wie ſein feurig Geiſt in Kuͤnſten pflag zu brennen.
Wenn nicht verwandtes Blut mir ſchnoͤder Heucheley
Brennt einen Argwohn an / ſo wolt ich Zeugnuß geben /
Wie Rom und Griechen-Land in ſeinem Kopfe leben /
Wie er ein Jnbegrieff der Wiſſenſchafften ſey /
Und / was das Alterthum in ſeiner Schoß verborgen /
Er ihm bekandt gemacht durch Leſen / Wachen / Sorgen.
Allein ich wende mich zu ſeiner ſchoͤnen Braut;
So prangt die Nelcke nicht in ihrem Sommer-Kleide /
Der Gaͤrten hoͤchſte Zier / deß Frauen-Zimmers Freude /
Als er jetzt ſeine Blum im beſten Wachsthum ſchaut;
So werden nimmermehr der Chloris Kinder ſtrahlen /
Als Tugend und Verſtand die Eh-Geliebte mahlen.
Man liebet einen Baum von einer guten Art.
So koͤnnen Adler nicht gemeine Tauben hecken.
Jm Crocodilen-Ey wird nicht ein Phoͤnix ſtecken.
Man ſeh die Ceder an / die ſich mit Cedern paart:
So auch ein edler Sinn von guter Zucht entſproſſen /
Sucht wieder mit Bedacht dergleichen Ehgenoſſen /
Es wird der Giertiſchen ihr Wolverhalten bluͤhn /
Und ihre Redligkeit noch im Gedaͤchtnuͤß bleiben /
Dieweil der Oder-Strom wird ſeine Wellen treiben /
Und mit vermehrtem Fluß vor Briges Mauren ziehn.
Wenn Eltern eifrig nur der Tugend nachgeſtrebet /
So ſieht man / wie ihr Licht auch in den Kindern lebet.
Er nehm / als Prieſter / an das Himmels-werthe Pfand /
Sie ſelbſt / als Prieſterin / wird helffen eifrig beten /
Und vor den hoͤchſten GOtt in gleicher Andacht treten /
Zu ſegnen unſern Staat / zu ſegnen Dorff und Land.
Diß Rauchwerck wird gewiß dem Schoͤpffer wolgefallen /
Und dieſes Jubel-Lied in ſeinem Ohr erſchallen.
Mein Vetter / weg mit dem / was Eckel und Verdruß /
Jhm hat bißher gemacht. Er huͤlle ſich in Roſen.
Und140Hochzeit-Gedichte.
Und wie Adonis pflag der Venus liebzukoſen /
So geb er ſeiner Braut durch einen heiſſen Kuß
Zu wiſſen / wie ſie ſey ein Paradis-Geruͤchte /
Das kuͤnfftig bringen wird die angenehmſten Fruͤchte.
Die Wonneburg der Liebe / Auf Hn. C. W. u. J. H. C. V. Hochzeit / den 3. Septembr. 1680.
ES ſtieg die Venus gleich aus ihrem Schwanen-Bette /
Und huͤllt in zarten Flor den Schnee der Glieder ein /
Jn dem die Gratien umb ſie geſchaͤfftig ſeyn /
Und ihre treue Dienſt erweiſen in die Wette.
Die flichtet Perl und Gold in die gerollten Haare /
Ein andre ziert die Bruſt mit der Eder Wahre.
Sie ſchien nun ſatt geſchmuͤckt das Engel-gleiche Weib /
Als / wie der ſchnelle Blitz und wie der Parther Pfeile /
Cupido zu ihr rennt; Rufft / Mutter / auf und eile
Wo mich getragen hat dein Lilgen-reicher Leib /
Und wo du Mutter biſt / ſo komm und laß dich leiten /
Jn eine Burg voll Wonn ein Schloß der Froͤligkeiten.
Jch habe ſelbſt darzu den Grundſtein erſt gelegt /
Der Meßſtab / den du ſihſt / hat alles abgemeſſen /
Jedweder Balcken iſt gezimmert von Cypreſſen /
Und thenrem Cedern-Holtz / das Libanon ſonſt traͤgt /
Das Pflaſter iſt gemacht von Jaſpis und Achaten /
Und Roſen drein geſetzt von brennenden Granaten.
Den Eingang ziert ein Thor von klarem Helffenbein /
Der Hof gruͤnt von Smaragd und bluͤht von Amethiſten /
Es muß der Hyacinth ſich an den Mauren bruͤſten.
Die Waͤnde putzt nicht nur ein ſeltner Marmelſtein /
Sardonich und Topaß vermiſchen ſich Ophiten /
Es blutet der Rubin bey gruͤnen Chryſoliten.
Die Seulen ſind Berill / mit denen der Saffir /
Vermaͤhlet ſeine Pracht / und die gewelbte Decke /
Beſchaͤmt den Himmel faſt; das Blut der Purpur-Schnecke /
Und was vor Schmeltzwerck mehr erhebt der Muſcheln Zier /
Ja Farben auf ſie mahlt die uͤber Pinſel-Striche /
Sind wuͤrdig daß man ſie mit dieſem Glantz vergliche.
Jedweder Zimmer prangt mit ſeinem edlen Stein /
Die Fenſter ſind erleucht von Demant und Chryſtallen /
Es141Hochzeit-Gedichte.
Es darff kein Sonnen-Strahl in ihre Spiegel fallen /
Sie haben an ſich ſelbſt ein ewig Licht und Schein.
Der Leib des Chalcedons / das Fleiſch der Carniolen /
Jſt von der Rahmen Rand als ſchlechter Zeug zu holen.
Die Tiſche ſind klamm Gold / darein des Kuͤnſtlers Hand
Geſchichte jener Zeit und der Verliebten Traͤume
Vortreflich hat gepraͤgt; wie theils verkehrt in Baͤume /
Theils Blumen worden ſind durch den ſo ſuͤſſen Brand.
Narciſſens Schoͤnheit ſchmiltzt in einem klaren Bronnen /
Und Clytie buhlt noch mit ihrem Mann / der Sonnen.
Kurtz / dieſe Taffeln ſtehn mit Uberfluß gedeckt.
Der guͤldne Reben-Safft ſpringt in den blancken Sch alen.
Die Goͤtter ſchmecken nicht auf ihren Freuden-Mahlen
So angenehme Koſt / ſo herꝛliches Confect.
Siren und Nachtigall und auch der Orpheus weichen /
Wenn hierdas Ohre hoͤrtViol de gammen ſtreichen.
Es wohnt nur Schertz und Spiel in dieſem ſchoͤnen Saal.
Die Wolluſt hellt hier Hauß und geht auch hier zu Bette.
Die Zwitracht iſt verbannt / der Zorn ligt an der Kette /
Und ſtete Wonne daͤmpfft der Sorgen bleiche Qual.
Ein Kuß / ein keuſcher Blick und Hertzverbindlich lachen /
Muß da den Friedensbund vereinter Seelen machen.
Jn dieſe Wonnen-Burg fehlt niemand nicht als du /
O Mutter aller Luſt / der tauſend Hertzen brennen /
Die dich Vermehrerin deß Erden-Kreiſſes nennen.
Komm Liebes-Koͤnigin und nimm hier deine Ruh;
Es ſind ſchon angeſpannt die Tauben und die Schwanen /
Der Perlne Wagen iſt beſteckt mit Sieges-Fahnen.
Der Venus Außfarth war von groſſer Herꝛligkeit.
Gleich wie Diana koͤmmt in Silber-weiſſen Wangen /
Mit einem Sternen-Heer bey brauner Nacht gegangen /
So zog ihr Nymfen-Volck / das Blumen umb ſich ſtreut /
Und Freuden-Lieder ſingt / biß daß ſie eingezogen /
Die Wonne dieſer Burg / des Schloſſes Pracht erwogen.
Cupido lieff bemuͤht / nackt ſonder einen Pfeil /
Die Seelen Herꝛſcherin demuͤthig zu bedienen.
Ob ſchon die Gratien und Nymfen all erſchienen /
So ſprach er; meiner Burg iſt doch das groͤſte Heil
Auff dieſen Tag geſchehn / itzt bluͤhet mein Geluͤcke /
Ach daß die Mutter ſich doch bey dem Sohn er quicke.
Als142Hochzeit-Gedichte.
Als ſie nun Speiß und Tranck und die Muſic vergnuͤgt /
Verwundert Venus nur die theuren Seltenheiten.
Wie Kunſt und Koſtbarkeit ſtets umb den Vorzug ſtreiten.
Sie ſchwoͤrt daß dieſe Burg gar weit bequemer liegt /
Als Erix hoher Berg / als Amathuntens Spitzen /
Als ihr Schloß Gnidien / wo ſie ſonſt pflegt zu ſitzen.
Darauf bringt der kleine Schalck / (O Stiffter ſuͤſſer Pein!)
Herr Wonneburgen her / Gefangnen gleich gebunden /
Und ſchreyt aus hellem Hals / den Gaſt / den ich gefunden /
Gold-Mutter laß ihn doch bey dir Leib-Waͤchter ſeyn.
So lange du hier wirſt mit deinen Toͤchtern wohnen /
So wird er keinen Fleiß noch Muͤh und Arbeit ſchonen.
Er goß drauf in ein Glaß / das auch Venedig nicht
So ſauber liefern kan / Safft / roͤther als Rubinen /
Und der viel ſtaͤrcker riecht als Balſam und Jeßminen.
Jedweder Nymfe tranck und faͤrbt ihr Angeſicht /
So daß auch eine gar mit Blicken und Geberden /
Gab deutlich zu verſtehn / ſie muͤſt ein Aetna werden.
Dione nahm die Kron von ihrem Locken-Haar /
Und ſatzte ſie ihr auf / ſpricht / weil ich bin geladen /
So bin ich wie du heiſt auch voller Gunſt und Gnaden.
Auf / bau aus Andacht mir ein keuſches Liebs-Altar.
Du Vollgenadin biſt in dieſer Burg voll Wonne /
Ein Strahlenreicher Stern und Anmuths-volle Sonne.
Trinck dieſen Nectar-Tranck / den itzt Cupido reicht.
Dein Hertze ſoll allein ſein wuͤrdig Opffer heiſſen;
Und der hier fuͤr dir ſteht wird eben ſich befleiſſen /
Daß ſeine Liebes-Glut und Treu der deinen gleicht.
Die Jugend kuͤſt mit recht der Jugend Morgen-Roſen /
Und Lilien ſtehn wol bey bluͤhenden Zeitloſen.
Mehr / ſo ergriff ſie auch den Braͤutgam bey der Hand /
Und baid ſie beyderſeits in Gold-geflochtne Schlingen.
Es muͤſe rief die Schaar der Nymfen wolgelingen.
Mit gildnen Zeilen ſchrieb auch Libreitz an die Wand.
Weg Neid / dein gifftig Maul kan nicht den Beyden ſchaden /
Hier iſt die Wonnenburg / daß Schloß Voll-Lieb und Gnaden.
Auf143Hochzeit-Gedichte.
Auf Hn. G. E. v. S. u. J. M. C. v. B. Hoch - Adel. Hochzeit-Feſt. 22. Oct. 1680.
ADonis ſah das Jahr mit Frucht barkeit erfuͤllt.
Wie da ein reicher Herbſt mit Purpur-Trauben prangte /
Pomona Schuͤſſeln dort voll ſchoͤner Aepffel langte /
Und wie die Quitten ſich in Woll und Gold gehuͤllt.
Der Miſpeln dicke Reyh ſtund zeitig nur zum brechen /
Die Fruͤchte wolten faſt der Zweige Demuth ſchwaͤchen.
Er rief auß frohem Muth: O mehr als guͤldne Zeit!
Schenckt uns der Garten-Mann Priapus volle Schalen?
Und reicht der Bachus uns den Nectar-Safft zu mahlen?
Kroͤnt Wachsthum ſo das Jahr / iſt Vieh und Menſch erfreut?
Hat ſo manch hohes Wild Diana ſchon gefaͤllet
Und zu der Tafeln Zier den Voͤgeln nachgeſtellet?
Gewehrt die Nais uns darzu ihr Schuppen-Heer /
Und machen Goͤtter uns ſo angenehme Stunden /
So hat gewiß bey mir ſich eine Regung funden /
Die ich nicht nennen kan; mein Hertz wallt als ein Meer /
Es kocht das heiſſe Blut / der Adern Quellen ſieden /
Und Marck und Beine gluͤhn wie Eiſen in den Schmiden.
Wer hilfft mir? Venus nahm Adonis in die Schoß.
Leander der entſchlief in ſeiner Hero Armen.
Den Paris hat erfreut der Helenen Erbarmen.
Man weiß was Hercules bey Omphalen genoß.
Soll ich Adonis ſeyn / ſo wuͤnſch ich gleiches Gluͤcke /
Daß eine Venus mich in meiner Noth erquicke.
Wo aber ſuch ich ſie / in einem Myrten Wald?
Nein / hat ein wildes Schwein nicht den Adon zerriſſen.
Wie / oder find ich ſie bey Cryſtallinen Fluͤſſen?
Hier ſchreckt uns Proteus offt in heßlicher Geſtalt.
Soll ich auf hohen Berg und Felſen mich umbſchauen /
Da find ich nichts als Stein als bange Furcht und Grauen.
Erwehl ich denn das Feld? die Gegend lacht mich an /
Vulcanus aber hat / der alles nur verzehret /
Zweymal die Schaͤferey in Aſch nnd Grauß gekehret.
Jch zweiffle / daß ich da die Nymfe finden kan /
So mich vergnuͤgen wird / doch ich will mich bemuͤhen /
Pflegt doch der Roſen Zier auf Heck und Dorn zu bluͤhen.
Er144Hochzeit-Gedichte.
Er ſucht / weil Echo nach den holen Seufftzer ſpricht.
Er eilt begierig fort biß daß er im Gefilde /
Die Nymfe hat erblickt / ſo einem Goͤtter-Bilde
Vollkommen aͤhnlich war / der Augen Sonnenlicht
Warff tauſend Strahlen auß / als wie wenn Feuer-Ballen
Bey ſchwartz gewoͤlckter Nacht in guͤldne Funcken fallen.
Jhr Angeſichte ſchien ein Blumenreicher May.
Narciß und Lilien bekuͤſten Stirn und Glieder.
Corall und Scharlach fand hier ſeine Farbe wieder /
Das Mahlwerck keuſcher Zucht / der Liebe Lieberey.
Aurora meinte gar hier wuͤchſen ihre Roſeu.
Der Hals war Helffenbein / die Adern von Tuͤrckoſen.
Jn dieſem ſchoͤnen Leib hat noch ein ſchoͤner Geiſt /
Sein Wohnhaus ihm erwehlt / der Adel vom Gebluͤte /
Die Klugheit im Gehirn / die Tugend im Gemuͤthe /
Veredelten ſie mehr / es ſchien in ſie gereiſt /
Der Venus Freundligkeit / der Pallas Weisheit-Gaben /
Daß ſie den Vorzug kan vor andern Nymfen haben.
Sie baute dazumal gleich ihren Garten an /
So daß wir ſie mit recht die Chloris koͤnnen nennen.
Adonis dem ſein Hertz zu Aſche wolte brennen /
Rief uͤberlaut: Das iſt mein Artzt der helffen kan /
Das Pflaſter fuͤr den Schmertz / der Balſam fuͤr die Wunden /
Die meine Seele liebt hab ich nunmehr gefunden.
Er ſchloß ſie drauf in Arm und gab ihr einen Kuß /
Der nach dem Himmel-Brod der Goͤtter Tafel ſchmeckte /
Sie / daß nicht ein Verdacht ihr Unſchuld wo befleckte /
Gab diß in Antwort hin: Jch will der Sterne Schluß /
Und Wahl nicht widerſtehn / ich kenne deine Flammen.
Dein lieben iſt getreu / ich kan es nicht verdammen.
So weiß man das Geſchlecht daß ſich den Cedern gleich /
Biß an die Sterne ſchwingt / die Tapferkeit und Sitten /
Die haben mir mein Hertz ich ſag es frey beſtritten /
Adonis iſt mein Schatz / mein irꝛdiſch Himmel-Reich.
Allein Gehorſam will mein Ja-Wort mir verrigeln /
Es muß der Mutter Schluß vor unſern Bund beſiegeln.
Wol ſprach Adonis / wol / es iſt der Mutter Ruhm /
Witz / Klugheit und Verſtand laͤngſt Buͤchern eingeſchrieben,
Sie145Hochzeit-Gedichte.
Sie wird nicht Feinden ſein mißgoͤnnen unſrem lieben /
Als die vor alles ſchaͤtzt des Adels Sonnen-Blum.
Sie hat es auch verdient durch ihre Sorg und Treue
Daß mit Gehorſam ſie der Kinder Pflicht erfreue.
Nur ſchoͤnſte Gaͤrtnerin / ſchau was der Himmel ſchafft.
Wie herrlich iſt nicht ſonſt bey aller Welt geprieſen
Der Sitz der Luſtbarkeit / die Felder in Elyſen /
Wo aus den Felſen ſchwitzt ein ewig Nectar-Safft.
Wo ſtets der Weſt-Wind ſpilt / wo nie die Blumen ſterben /
Wo ieder Baum iſt Gold / die edlen Steine Scherben.
Die ſag ich ſind beruͤhmt durch der Poeten Mund.
Noch dennoch gleichen ſie nicht unſern Sommer-Feldern:
Die Venus ſchaͤmt ſich ſelbſt mit ihren Myrthen-Waͤldern.
Und ob Alcinoens ſein Garten praͤchtig ſtund
Zum Wunderwerck der Zeit / und ob gleich Pomerantzen
Selbſt die Heſperides von klarem Golde pflantzen.
So ſind ſie Schatten-Werck fuͤr unſerm Paradiß /
Das Chloris du mir bauſt / die allerreinſten Lilgen
Stehn Schatz auff deiner Bruſt / die nicht der Wind vertilgen
Der Winter toͤdten kan / und das iſt wol gewiß
Daß dein Mund lieblicher denn Amber und Violen /
Die Nelcken wollen hier Schmuck / Farb und Anmuth holen.
Es wurtzelt reine Treu in deiner keuſchen Seel
Es kaͤumet Freundligkeit aus Reden und Geberden.
Ach ſolt ich nicht wie Wachs und Oele flieſſend werden!
Eh muß bedecken mich des duͤſtern Grabes-Hoͤl /
Als daß ich deine Gunſt nicht fuͤr mein Kleinod ſchaͤtze /
Und dir das Hertze hier zum Unterpfand verſetze.
Komm Blumen-Goͤttin komm / komm Chloris dein-Adon
Eilt dich zu bitten aus / ſo bald nur diß geſchehen
Sol man drauff unſer Hertz und Hand verknuͤpffet ſehen.
Wie aber / hoͤren wir nicht einen Freuden-Thon
Der Wuͤnſche? wollen uns nicht bald mit Roſenbetten
Das kleine Liebes-Volck / die nackten Amouretten.
K kDie146Hochzeit-Gedichte.
Die Ritterliche Venus Auf Hn. J. H. v. B. u. J. A. E. v. T. Hoch - Adel. Vermaͤhlung / den 5. Novemb. 1680.
DArs als er einſt vergnuͤgt aus Venus Armen ſtieg /
Von Wolluſt uͤberſtroͤhmt / von Liebe ſatt geſpeiſet /
Sprach; Goͤttin daß mein Hertz ſich danckbahr dir er - weiſet /
Daß dein erhitzter Kuß mehr als ein blutig Sieg
Mich auffgemuntert hat / ſo ſchwer ich bey den Leichen
Die dieſe Fauſt gewuͤrgt / ich wil dir alles reichen.
Die Venus redte drauff und fiel ihm umb den Leib /
Du Feld-Herr aller Welt / ſol ich noch was begehren?
Daß nicht Vulcanus Nutz uns wieder wird beſchweren /
So iſt auch buhlen nicht mein beſter Zeit-vertreib
Jch habe deinen Geiſt und Helden-Muth gefangen
Stell ein Thurniren an / ſo ſtillſt du mein Verlangen.
Es iſt ein Kuͤraß mir zu tragen gar nicht ſchwer.
Jch laſſe meinen Leib in blancken Stahl einſchrauben /
So ſol hier dieſer Hand niemand die Kolbe rauben.
Ach daß doch Tag und Stund alsbald benimmet waͤr /
Wie freudig wil ich nicht in hohen Zeugen ſtechen /
Nie werden Buͤgel-loß und friſch die Lantzen brechen.
Der ſtrenge Waffen-Gott ſchrieb ein Thurniren aus /
Die Pracht und Herrligkeit kan keine Feder melden:
Der Kern der Ritterſchafft / die Blumen von den Helden
Die Seelen voller Gluth / verlieſſen Hof und Hauß
Und eilten zu dem Ort! die Erde muſt erzittern /
Als ſie den Auffzug ſah bekroͤnt mit ſo viel Rittern.
Erſt ſchalte durch die Lufft der Tromm - und Paucken Klang.
Denn ritten Glied auff Glied / die hohe Lantzen fuͤhrten /
So noch zu groͤſſrer Pracht des Strauſſes Federn zierten;
Bald kamen Fahnen nach / darinn der Loͤwe ſprang /
Der Tyger Klauen wieß / der Drache Feuer ſpeyte /
Daß das beſtuͤrtzte Volck vor Schrecken trat zu Seite /
Drauff zog als im Triumpffder Welt-Bezwinger ein.
Der Wagen troff voll Blut / der Hengſte Sprung und Schaͤumen
Bließ Feuer-Funcken aus / die Bahn rein auszuraͤumen.
Zorn / Rauben / Mord und Tod ſah man Gefehrten ſeyn.
Es147Hochzeit-Gedichte.
Es klunge ſchon das Schwerd / es ſchwirrten ſchon die Spieſſe /
Als wenn der Marſpiter in Klumpen alles ſchmiſſe.
Hingegen Venus kam in Freundligkeiten an.
Jhr Herold war die Lieb / ihr Auffboth ſuͤſſe Blicke /
Jhr Perſevante Gunſt und himmliſches Geſchicke;
Erſt traten Gratien verſchweſtert auff den Plan
Sambt der neun Muſen Reyh / mit Lauten und Violen
Jn lieblichſter Muſic / die Goͤttin abzuholen.
Denn folgten Glieder weiß die nackten Amorn nach /
Und ſchmiſſen in die Lufft Nareiſſen| und Jeßminen /
Jhr Gold-gekrauſtes Haar ſah man von Myrten gruͤnen.
Der Wagen kehrte ſich in ein ſchoͤn Schlaff-Gemach /
Darin die Venus lag / den zogen Silber-Schwanen /
Vorn flogen rings umbher die bunten Taffend-Fahnen.
Statt einer Loſung war der Spatzen Feld-Geſchrey.
Die Tauben flochten ſchon durch ſchnaͤbeln Roſen-Kraͤntze.
Es machten Saͤngerin viel angenehme Taͤntze /
So die Amazonin begleiten in der Reyh /
Die wolten im Thurnir / als Edle Ritterinnen /
Die beſten Daͤnck und Preiß fuͤr Helden weggewinnen /
Mars ſprengte hurtig aus und ſchrenckte ſeinen Spieß /
Als der zum Balgen nur und Grauſamkeit gebohren /
Und ſich zum Gegentheil die Venus außerkohren;
Jhr / die mehr Lieb und Gunſt als irgend Kraͤffte wieß /
Jndem ſie nun beginnt zum zierlichſten zu ruͤſten /
Entfaͤllt im Rennen bald der Spieß von Hand und Bruͤſten.
Cupido der allhier ein recht Grieß-Waͤrtel war
Rieff; freilich iſt Carrer und auch der Danck verfallen /
Wo aber einer ſich wagt von den Rittern allen /
So ſtellt ſich zu dem Kampff die Anemone dar.
Das Frauen-Zimmer ſol hauptſaͤchlich hier erkennen /
Wie anzuſtellen ſey das vorgeſetzte Rennen.
Scharff-Rennen taug allhier und Krondel-Stechen nicht.
Beliebt der Caraſell / wo man mit Kugeln ſchmeiſſet?
Wie oder die Copi / da man den Kopff wegreiſſet?
Welch Ritter lebt / der nicht gern nach dem Ringe ſticht?
Auff Ritter / auff den Platz / es muß die Anemone
Bey dieſem Ritter-Spiel erhalten Preiß und Krone.
K k 2Jhr148Hochzeit-Gedichte.
Jhr Adel und Verſtand erfordert ſolchen Danche
Bald macht ein Ritter ſich / den wir ietzt Hector nennen /
Begierig auff die Bahn / traͤgt in dem Ringel-Rennen
Die meinſten Treffen weg. Die Venus wurde kranck
Und ſchry / wagt Caraſell; als er mit ſeinem Pfeile
Und Kugeln ihren Schild gleich mitten brach im Theile.
Der Kriegs-Gott rieff / es ſey Copy die letzte Luſt /
Wie ſpielt nicht das Geluͤck mit Siegern im Thurniren!
Die Ring und Caraſell vor muſte nur verliehren /
Setzt ferner ihr die Lantz behertzter an die Bruſt /
Und hat Stirn-maͤſſig nun ſo wol den Kopff getroffen /
Daß ungezweiffelt ſie den beſten Dauck zu hoffen.
Mars als Beſiegter ſchloß die Venus in den Arm /
Vermehrerin der Welt / Luſt-Goͤttin dieſer Erden /
Der auch die Ritter ietzt fuß-faͤllig muͤſſen werden /
Hier leg ich Helm und Spieß und ruff erbarm erbarm
Jch und mein Ritter-Volck bin durch das Spiel geſchlagen /
Laß doch den letzten Danck mich von den Jungfraun tragen.
So zieren Sterne nicht des Mondens Silber-Blat /
Wie Liebes-Engel ſich bald umb die Goͤttin machten
Frolockten in der Lufft / liebkoſten / ſchertzten / lachten.
Held Hector der behertzt umb die Belohnung bat
Erlangte zwar den Ring / doch blieben Anemonen
Dem Edlen Tugend-Bild / Kopff / Hertze / Seel und Kronen.
Der Schwanen langer Halß ſchry tauſendmal Gluͤck zu.
Einhellig ſtimmten bey die unbefleckten Tauben;
Man ſol die Ritterin begnaden mit der Hauben /
Die unter Lorbern hat bey der Laurette Ruh
Und Schirm und Schutz geſucht / iſt wuͤrdig ſuͤſſer Ketten /
Und die Preiß Geberin verehrt man in Lauretten.
Mars als ein Krieges Mann / der nicht der Woͤrter Pracht /
Der Reden Anmuth liebt / ſprach; unter Amazonen
Stell ich mit hoͤchſtem Recht die Heldin Anemonen;
Und weil die Venus hier das beſte Vortheil macht /
So uͤberlaß ich ihr den Stech-Danck im Thurniren /
Und Anemone wird den Hector triumfiren.
Der149Hochzeit-Gedichte.
Der Fruͤhling im Winter / Bey Hn. H. C. G. u. J. A. J. K. Hochzeit dargeſtellet / den 28. Jun. 1681
WJe ſpielet auch im Schnee die guͤtige Natur /
Und zeigt ſie Lilien aus den gerollten Ballen?
Jſt denn Adonis Blut auff kaltes Eiß gefallen /
Entſproſt die Anemon auf einer neuen Spur?
So muß der Goͤtter Rath was ſonderbahres handeln /
Und in des Fruͤhlings Luſt des Winters Froſt verwandeln.
Hoͤrt was Cupido nur nach neulich hat gethan /
Als Venus und ihr Volck der Schlittenfarth genoſſen /
Hat ſie den kleinen Schalck ins Cabinett geſchloſſen /
Und daß ihn Muͤſſiggang nicht wo verleiten kan /
Legt ſie ihm Arbeit auff / zu der er ſich ſol ſchicken
Und ein gewiſſes Theil von Schwanen-Federn pfluͤcken.
Der Gaſt / dem Spiel und Schertz ein ſuͤſſes Handwerck war /
Und deſſen Zeit-vertreib bey ſchoͤnem Frauenzimmer /
Ergrimmte bey ſich ſelbſt / und ſprach / diß thu ich nimmer
Verſchleuſt der Winter mir denn meine Freuden gar /
Die Mutter lebt in Luſt / ich ſol in Einſamkeiten
Diß was ſonſt Nymſen thun mit meiner Hand bereiten.
Er geht drauff hin und her / er ſucht bald diß bald das
Biß daß er ohngefehr zu einem Schrancken kommen /
Da er in langer Reyh viel Glaͤſer wahrgenommen /
Er ſiht den Vorath an und denckt welch einen Spaß
Laͤſt mir der Himmel zu / trotz aller Winter Wettern
Jch wil als Venus ſelbſt mich heute mehr vergoͤttern.
Kaum hat er ein Gefaͤß in etwas auffgemacht /
Das ausgehoͤlet war von reineſten Cryſtallen /
Als ſo ein ſtarck Geruch den Fuͤrwitz angefallen /
Daß er als wie entzuͤckt / ſpringt / ſinget / tantzt und lacht
Ja noch begieriger aus einer andern Flaſchen /
Denckt von dem Nectar-Tranck der Mutter was zu naſchen.
Was Palæſtina ſchwitzt / was Jndien uns reicht /
Und was aus Syrien von Baſam koͤmmt gefloſſen /
Was ſonſt Egypten-Land auff Graͤber hat gegoſſen
Jſt nichts fuͤr dem Geruch / Zibeth und Amber weicht
K k 3Der150Hochzeit-Gedichte.
Der Pomerantzen-Oel / der Tuberoſen Geiſter /
Erkennen dieſen Hauch fuͤr ihren Ober-Meiſter.
Es zog der ſtarcke Dampff dem Knaben in das Haupt /
Es faͤngt der Himmel-Wein ihm beſſer anzuſchmecken /
Als ihm die Farben auch noch groͤſſer Luſt erwecken /
Theils Glaͤſer ſind gantz gruͤn mit Reben rings umblaubt /
Theils leuchten Purpurroth und andre wie Violen /
Theils ſchimmern wie ein Gold / theils gluͤhen wie die Kohlen.
Er koſtet uͤberall / ihm waͤchſet Hertz und Blut /
Biß daß der ſuͤſſe Safft ihn dergeſtalt durch krochen
Daß er zu Boden faͤllt / die Glaͤſer hat zerbrochen /
Das gantze Zimmer ſchwimmt in dieſer Balſam-Fluth /
Und / hoͤchſtes-Wunder-Werck! Wo hin was koͤmt zufliſſen /
Da ſiht man Hyacinth und Lilien auffſpriſſen.
Statt der Tapeten hengt ein friſch gewachſnes Graß /
Die Lufft iſt lieblich warm wie in den Fruͤhlings-Tagen /
Die Waͤnde fangen Klee und Schmergeln anzutragen.
Wo vor in ihrer Ruh die Liebes-Fuͤtſtin ſaß /
Da hat die Flora itzt ihr Bilder-Werck geſtellet /
Und zu mehr Liebligkeit den Zephyr zugeſellet.
Was nur die Trefligkeit der Gaͤrten zeigen kan /
Und was die Goͤtter ie in Blumen nur verkehret /
Das wird hier dieſem Platz durch Wunder-Art gewehret /
Narciſſus ſiht ſich hier als wie im Brunnen an.
Der Myrrhen Rinde weint und Clytie die lachet /
Daß ſie des Phoͤbus Gunſt zu einer Braut gemachet.
Die Tulpen haben hier ein tauſend faͤrbig Kleid /
Die Nelcken fodern ſie auff Wechſel der Geſtalten /
Es wil der Roſen-Sammt die Ehr allein behalten /
Kurtz / einem Jnbegriff der weichſten Zaͤrtligkeit
Stellt dieſe Gegend fuͤr / die fuͤr Olympens Zimmern
Der guͤldnen Sternen-Burg / noch ſchoͤner pflegt zu ſchimmern.
Das eingeſchlaͤffte Kind Cupido lag da bloß /
Frey / ſicher unbeſorgt was er zuvor begangen /
Als neben ſeinem Haupt in ungemeinem Prangen
Von Balſam auffgebluͤht / ein Anemonen-Roß?
Anmuthig von Geſtalt / voll Blumen / voller Leben /
Dergleichen Zierath ihr nicht Flora weiß zu geben.
Nicht151Hochzeit-Gedichte.
Nicht die Poͤonie iſt ſo viel-Blaͤttrich reich /
Dergleichen Purpur darff kein andre Blume tragen /
Jndeß koͤmt Venus heim auff ihrem Schlitten-Wagen /
Als ſie der Celadon begleitet und zugleich
Erſuchet umb Gehoͤr / den Kummer zuerzehlen /
Womit er Tag und Nacht ſein Leben muͤſſe quaͤlen.
Sie hat ins Cabinett kaum ihren Fuß geſetzt /
Und ſiht verwundernd an; dort den Cupido liegen
Und wie zu einem Haupt die Blum iſt auffgeſtiegen /
So durch ihr Anmuth auch der Venus Aug ergetzt /
Daß ſie zuruͤck gedenckt was ſie zuvor genoſſen /
Ob von Adonis Blut die Anemon entſproſſen.
Erblickt ſie wiederumb / was das verwegne Kind
Vor Schaden angericht ſo heiſt der Zorn ſie ſtraffen.
Cupido der erwacht / ſpricht: Mutter deine Waffen
Sind ja nur Kuͤß / und Gunſt: Schnee / Wetter / Kaͤlt und Wind
Hab ich in May verkehret / den Winter in den Lentzen
Und ſolte nicht mein Haupt ein Myrthen-Schmuck bekraͤntzen?
Wie aber Celadon mein Freund ſteht auch allhier /
Wil er der Fruͤhlings-Luſt im Winter ſich bedienen?
Muß ihm zu ſeinem Troſt die Anemone gruͤnen /
Der Blumen Koͤnigin / der Garten Schmuck und Zier.
Sind Menſchen eh verkehrt in ſchoͤne Blumen worden /
So ſetze Venus doch die Blum in Menſchen Orden.
Dione ruͤhrte nur der Blumen Stengel an /
So wuͤrd ein Engel-Bild die bluͤhend Anemone /
Vorhin des Lentzen Ruhm itzt aller Nymfen Krone.
Der nackte Fluͤgel Gott laufft was er lauffen kan /
Schreyt / kommt ihr Gratien / ſeht Wunder uͤber Wunder /
Es faͤngt der Celadon von Anemonen Zunder.
Es hatte Venus ſchon der Treu-verliebten Zwey
Geiſt / Hertz und Seel verknuͤpfft / als auch die Nymfen kommen
Und haben fuͤr das Graß Smaragden-Schmuck genommen /
Damit die Anemon im Winter gruͤne ſey /
Fuͤr Nelcken lieffern ſie die brennenden Rubinen /
Und fuͤr gefrohren Eiß ſol lichter Demant dienen.
Es ſchaͤtzte Celadon unendlich ſich begluͤckt /
Denn Anemone war ſein Fruͤhling / ſeine Sonne /
K k 4Der152Hochzeit-Gedichte.
Der Jugend Morgen-Roͤth und keuſcher Augen Wonne.
Cupido der ſich wol zu Hochzeit Freuden ſchickt /
Nahm das vermaͤhlte Paar und ſprach in euren Gruͤnden
Sol man bey Winters-Zeit auch Anemonen finden.
Auf Hn. S. R. u. J. A. E. G. Hochzeit den 10. Febr. 1681.
1.
KOmm Krantz du Krohne meiner Jahr /
Und ziere noch einmahl das Haar /
Eh ich der Freyheit Urlaub gebe.
Beſtreut ihr Blumen mich zuletzt /
Eh ich den Fuß ins Garn geſetzt /
Und in den ſuͤſſen Feſſeln lebe.
2.
Jhr Myrten die ihr immer bluͤht /
Die keine Zeit verwelcken ſiht /
Bekraͤntzet mich mit euren Zweigen /
Auch mitten unter Froſt und Schnee /
Wird Flora Lilien und Klee /
Und einen Blumen Monat zeigen.
3.
Was Schweſtern ſchaut ihr mich ſo an /
Daß ich den Vorſatz aͤndern kan /
Und euren treuen Orden laſſen?
Daß ich von euer ſchoͤnen Reyh /
Hinfuͤhro gantz entſondert ſey /
Und gebe mich dem Garn zu faſſen?
4.
Jch bin zu ſchwach der groſſen Gluth /
Die bey den Menſchen Wunder thut /
Durch Gegenwehr zu widerſtreben /
Jch kan auff Erden nicht allein
Gantz ohne Geiſt und Flamme ſeyn /
Und als ein kalter Marmel leben.
5.
Jch fuͤhle wol was mich beſtrickt /
Mir iſt zu tieff ins Hertz gedruͤckt /
Ein153Hochzeit-Gedichte.
Ein Bildnuͤß das ich mir erleſen /
Vor wuſt ich zwar von keiner Gunſt /
Nun aber fuͤhl ich Lieb und Brunſt /
Durch die ich eintzig kan geneſen.
6.
Mein Braͤutigam / mein Artzt und Rath /
Der ſich mit mir verbunden hat /
Erweckt in mir dergleichen Freuden /
Daß ich von euch entweichen will /
Weg von der Nymfen Schertz und Spiel /
Hin in der Frauen Orden ſcheiden.
7.
Mein Krantz / der itzt ſo friſch und ſchoͤn /
Wird in viel groͤßrem Zierath ſtehn /
So bald ihn hat ein Netz umbfangen.
Der Faden der ſchon an mir klebt /
Den hat Cupido ſelbſt gewebt /
Als er der Mutter nachgegangen.
8.
Brich an / brich an / gewuͤnſchte Nacht /
Da ich die Blumen meiner Pracht /
Zu einem Erſtlings-Opffer bringe /
Die Flamme nimmt nur uͤberhand /
Vergebens daͤmpfft ich dieſen Brand /
Mit dem ich angefeuret ringe.
9.
Jch weiß zwar nicht was Liebe ſey /
Doch fuͤhl ich daß ich nicht mehr frey /
Belagert von ſo viel Gedancken.
Mein Hertz iſt eine Renne-Bahn /
Da ich den Lauff nicht halten kan /
Und muß mit Furcht und Hoffuung zancken.
10.
Wiewol mein außerwehlter Freund /
Der es von gantzem Hertzen meynt /
Ermuntert die verwirꝛten Sinnen /
Die Treu ſo mir ſein Mund verſpricht /
Die werd ich ſonſten nirgend nicht
So ungefaͤrbet finden koͤnnen.
K k 511. Ade154Hochzeit-Gedichte.
11.
Ade mein Krantz / des Hauptes Kron /
Jch ſoll nunmehr fuͤr Venus Thron /
Jn einem andern Kleinod prangen:
Das Netz iſt auch fuͤr mich geſtrickt /
Das Mars und Venus hat beruͤckt /
Als ſie der Liebe nachgehangen /
12.
Seht ihr / ihr Nymfen mein Geluͤck?
Ein freyer Kuß / ein freyer Blick /
Mag itzt nach meinem Liebſten ſchieſſen /
Jch kan nun was ihr ſtets gedenckt /
Woruͤber ihr euch heimlich kraͤnckt /
Jn unzerſtoͤrter Luſt genieſſen.
13.
Er iſt der Außzug meiner Seel
Mein heilſam Troſt - und Freuden-Oel /
Ein rechter Balſam meinen Wunden /
Seht Schweſtern nicht mißguͤnſtig an
Den Wechſel den ich itzt gethan /
Den guten Kauff den ich gefunden.
14.
Wenn ihr von der Begierden Streit /
Als wie ein Laub erſchrocken ſeyd /
Und zittert wie die bleichen Aſpen /
So leb ich aller Sorgen loß /
Sitz’t in des Liebſten Hertz und Schoß /
Und bin vergnuͤget wohl mit Raſpen.
15.
Weg Krantz / der Jungfern Ehren-Schild /
Weg Krantz / der Keuſchheit Ruhm und Bild /
Jch tauſche mit der Frauen Haube /
Denn meine Blumen / meine Pracht /
Bekommet doch in einer Nacht /
Herr Raſpen zu dem Liebes-Raube.
Auf155Hochzeit-Gedichte.
Auf Hn. B. H. d. R. in H. u. J. A. C S. Hochzeit / den 22. Aprill 1681.
JHr Nymfen an dem Zack / ihr Berg-Einwohnerinnen /
Mit denen Echo oft bey ſtillen Naͤchten waͤſcht /
Und die ihr euren Durſt am klaren Bober leſcht /
Ermuntert Hertz und Geiſt was hohes zubeginnen.
Werfft nur den Fichten / Krantz von dem beſchneyten Haar /
Der Winter iſt hinweg / der Fruͤhling mahlt das Jahr.
Wie ſeyd ihr denn ſo wild als eures Zackes-Fluthen?
Was traget ihr fuͤr Scheu auß Wald und Puſch zugehn?
Verlaſt / Armſeligſte / der Felſen gaͤhe Hoͤh’n /
Der Tag iſt euch geweyht und gehet euch zum guten.
Laſt ſuͤſſes Seitenſpiel erklingen durch die Luft /
Nun euch die Nachtigall mit ihrer Stimme rufft.
Was aber ſpiel ich viel mit dunckler Woͤrter Decke?
Auf Nymfen kleidet euch in Seiden-Zarten Schleyr /
Herr Huͤbner / den ihr kennt / begeht die Hochzeit-Feyr /
Daß eurem Vorwitz ich ja weiter nichts verſtecke /
Deß Sommers Auszug koͤmmt und ſtellt ſich bey euch ein /
Die ſchoͤne Sommerin will eure Schweſter ſeyn.
Heiſt dieſe Gaͤſtin doch viel tauſendmahl willkommen /
Denn eure Gegend wird durch ihre Blicke klar /
Eilt / ſucht Violen auf / zu zieren Haupt und Haar /
Denn Blumen haben ſelbſt von ihr den Glantz genommen.
Seht wie der rothe Mund beſchaͤmt der Nelcken-Pracht /
Und wie ſich jedes Glied zu Luſt-Narciſſen macht.
Sucht Nymfen / ſucht hervor was von Erſinnligkeiten /
Die Liebe finden mag / wenn ſie ſich dienſtbar weiſt /
Und ob ſchon eure Bruſt vor dieſem ſtund beeiſt /
So wird der Lentz bey euch itzt ſeine Schaͤtz außbreiten.
Seht wie das nahe Thal mit Blumen iſt beſternt /
Und wie des Zackes Mund ſchwatzhafftig buhlen lernt.
Ehrt dieſe Freundin doch als eurer Freuden Sonne /
Der reichen Berge Schoß traͤgt allen Uberfluß /
Und weil der Liebes-GOtt zur Tafel dienen muß /
Dem Schmertzen eine Luſt / und Schmauſen eine Wonne /
So wird er / wie er pflegt / ſeyn liſtig abgericht /
Daß jedem treflich wol und auch genug geſchicht.
Zu156Hochzeit-Gedichte.
Zu dem ſo ſind beruͤhmt Herr Huͤbners Mildigkeiten /
Wie Gaſtfrey jederzeit er Freunden ſich geweiſt /
Und wenn ein Frembder nur in ſein Haus eingereiſt /
Mit was vor Hoͤffligkeit pflag er ihn zubegleiten /
So daß der Goͤtter Mahl fuͤr dem man nichtig ſchaͤtzt /
Wo ſich die Redligkeit und Treu zu Tiſche ſetzt.
Und ſolte dieſem Mann und ſeiner Braut zu Ehren /
Das zarte Nymfen-Volck nicht auch geſchaͤfftig ſeyn?
Welch Ganymedes ſchenckt die Kryſtalinen ein /
Und reicht den guͤldnen Saft in Muſcheln und in Roͤhren?
Das Mahl iſt ja bereit / die Tafel iſt gedeckt /
Und Flora hat den Tiſch mit ihrem Schmuck beſteckt.
Cupido / der gewohnt ſonſt uͤberall zu fiſchen /
Traͤgt die Forellen auf / des Schuppen Heeres Ruhm /
Und Schmerlen ſo recht groß / der Waſſer Eigenthum /
Befihlt bey jeder Rey die Glaͤſer auffzufriſchen.
Laͤſt in Paſteten ſehn was jetzt der Koͤche Fleiß /
Durch neu erfundne Kunſt dem Mund zu liefern weiß.
Allein als noch zu letzt ſo Krebs als Schincken kommen /
Treibt der verbuhlte Gott ſein altes Poſſen-Spiel:
Er gauckelte bezecht / biß er zu boden fiel /
Und ihr Mitleidende die Scheren ihm genommen.
Aus Furcht / ihr frommes Volck / damit er ſich nicht ſticht /
Wie wol ihr kennt noch nicht den nackten Boͤſewicht.
Er ſahe ſich beraubt von ſeinen liebſten Sachen /
Und weinte wie ein Kind das was verlohren hat;
Herr Huͤbner trat darzu und ſprach diß iſt mein Rath /
Daß du nur mit Gedult vertraͤgſt der Nymfen Lachen.
Laß meine Sommerin mich druͤcken an die Bruſt /
Jch ſchwere daß ich will erſetzen den Verluſt.
Wer ſprang behertzter auf als dieſer kleine Knabe /
Er rief / ihr Nymfen eilt und bringet das Confect;
Erſinnet was der Braut am allerbeſten ſchmeckt /
Hernach ſo holet was daß ſich der Braͤut gam labe.
Bald ſtunden Datteln da / Liebſtoͤckel / Knaben-Kraut /
Daß man in einem Schnee als wie gefroren ſchaut.
Dort lag Satyrion in aufgefuͤllten Schalen /
Und die Piſtacien in Marcipan gepregt.
Der Lecker lachte drauf / rief laut / dergleichen hegt
Auch kaum der Jupiter bey ſeiner Juno Mahlen.
Nun157Hochzeit-Gedichte.
Nun flieg ich in die Lufft / ihr Nymfen ſeht und denckt /
Wie ihr der Sommerin das Sommer Netze ſchenckt.
Weicht Nymfen / weicht zuruͤck / ihr habt nun ſatt bedienet /
Die außerwehlte Braut / jetzt iſt Herr Huͤbners Pflicht /
Zu leiſten was er ſoll: Der ſchoͤnen Augen Licht /
Rufft ihn zu einem Kampff; und daß er ſich erkuͤhnet /
Den angenehmen Feind ſtandhafftig zubeſtehn /
Damit ihm nicht der Raub und Beute moͤg entgehn.
Ja ſeht ihr Nymfen nicht / die Buͤcher der Gedancken /
Die Augen / wie ſie ſtets gleich einer Rennebahn /
Den liebſten Braͤutigam halb zwinckernd ſchauen an /
Wie Scham / Begier und Furcht ſich untermenget zancken.
Und wie jedweder Blick auf dieſe Straſſe weiſt /
Wo hin der Adam iſt im Paradieß gereiſt.
Jhr Nymfen tretet ab / es ziemt nicht euren Ohren /
Daß ihr der Liebenden Beredung irgend merckt;
Die Worte werden hier mit Wercken bald beſterckt /
Worzu Vergnuͤgung ſich und Wolluſt hat verſchworen.
Verſichert / daß der Zack nicht ſo viel Waſſer fuͤhrt /
Als ſich Ergetzlichkeit itzt in den Adern ruͤhrt.
Fort Nymfen / denn die Braut will gantz verſchwiegen lieben.
Es ſetzt der Braͤutigam bereits den Riegel fuͤr /
Damit kein Ungethuͤm klopff an die Cammer-Thuͤr.
Jhr ſeyd bey Schertz und Spiel nun lang genug verblieben.
Sucht an dem Zacken-Fluß / da itzt der guͤldne May
Sonſt alles herꝛlich ziert / ob was fuͤr euch noch ſey.
Sonnet auf eine Hochzeit.
NUn will Cupido ſich mit Myrten wieder ſchmuͤcken /
Er legt die Wermuth hin ſo nur bey Graͤbern nuͤtzt /
Und weil die Mutter ſelbſt im Sternen Schmucke blitzt /
So iſt er auch bemuͤht ſich zu dem Feſt zu ſchicken /
Er ſieht die ſchoͤne Braut mit hoͤchſter Anmuth blicken /
Und wie der holde Glantz des Liebſten Hertze ritzt.
Er lacht / daß er ſo ſcharff hat ſeinen Pfeil geſpitzt /
Und ihn ſo meiſterlich kan in das Hertze druͤcken.
Was will ſie / Jungfer Braut / noch ihre Glut verdecken?
Die Liebe deckt man nicht wie ſehr man ſie verhelt /
Jhr ewig Zunder brennt im Mittelpunct der Seel /
Die nichts als Gegengunſt des Liebſten kan erſtecken.
Und158Hochzeit-Gedichte.
Und weil ſie der gewiß / ſo mag ſie ſich drauf freuen /
Die Venus ſelbſten will umbs Bette Blumen ſtreuen.
Auf eine andere Hochzeit.
JCh lieſſe meine Pflicht in ſchoͤnen Reimen ſpuͤren /
Wann mir die Blumen in dem Helicon bekandt;
So wil Apollo nicht die gruͤnen Geiſter ruͤhren /
Und was ich ſchreiben ſoll geſchicht mit ſchwacher Hand.
Jedoch / hochwerther Herr / es wird ihm nicht mißfallen /
Schlaͤgt doch der Jupiter kein Mehl zum Opffer aus.
Mein ungeuͤbter Mund kan freylich nichts als lallen;
Der Phoͤbus hat mir nie geſchenckt den Lorbeerſtraus.
Jch ehre dieſen Tag mit tieff verbundnem Hertzen /
Da wieder eine Braut des Himmels-Gunſt ihm ſchenckt /
Und wil daß er bey Luſt und Anmuts reichen ſchertzen /
Vergrabe dieſe Pein ſo ihn bißher gekraͤnckt.
Der Hoͤchſte gebe Gluͤck und Segen zu dem Stande!
Lebt hochgeliebte Zwey in goͤldner Einigkeit!
Die Flamme ſo da ſcheint von beyder Liebes-Brande /
Heg ewigliche Glut / die Funcken von ſich ſtreit!
Die Parcen ſpinnen euch von Gold des Lebens Netze!
Der Segen aus der Hoͤh kroͤn euer Bett und Stamm!
Seht Neff und Niefftelin / der Ehe wehrtſte Schaͤtze /
Es lieb und lebe wohl ſtets Braut und Braͤutigam!

ENDE.

[1]

H. M. Leichen-Bedichte.

[2]3
Uber den unverhofft jaͤmmerlichen Todes-Fall Hn. C. L. Studioſi 1658. 28. Jan.
NUn tritt herzu du ſtoltze Welt /
Und lerne dich doch ſelbſt erkennen /
Du wirſt dich einen Schauplatz nennen /
Da Tod und Leben fuͤrgeſtellt!
Da Jahr und Zeit das Urtheil ſprechen /
Und Kron / und Thron / und Scepter brechen
Mit unerhoͤrter Grauſamkeit:
Wie gantze Reich in Aſchen koͤnnen ſtehn /
Und wie der Menſch ihr Herrſcher ſoll vergehn.
Diß was viel Kuͤnſtler auffgebaut /
Mit Steinen / Stahl und Ertz gebunden /
Schwindt und vergeht in wenig Stunden /
Eh als man faſt den Zufall ſchaut.
Der Haͤuſer Himmel-gleiche Spitzen;
Die muͤſſen offt in Flammen ſchwitzen /
Wenn der ergrimmte Donner tobt:
Wie offt zerreibt die allzuſtrenge Zeit /
Durch eigne Krafft des Marmels Ewigkeit.
Wo Troja ſtund / da iſt ein Feld /
Und wo Athen vorhin geſieget /
Da wird geackert und gepfluͤget /
Wo bleibt die alte Forder-Welt?
Was Erde Mutter heiſt / muß ſterben /
Und auch in ihrer Schoß verderben /
Der Schluß der iſt ſchon laͤngſt gemacht:
Kein Bauwerck hilfft / noch Rhodis groſſe Kunſt /
Sein Sonnenbild das waͤre hier umbſonſt.
A a a 2Und4Leichen-Gedichte.
Und ſolte Rom ſchon ewig ſeyn /
Mit ſeinen Bergen und Pallaͤſten /
So ward es doch von frembden Gaͤſten
Biß auf den Grund geaͤſchert ein.
Die Stadt / der nichts iſt gleich geweſen /
Die kan man kaum in Buͤchern leſen /
Man findt ihr Ebenbild nicht mehr.
Geh trotze nun / o Menſch / auff deine Macht /
Und ſuche Licht in dieſer finſtern Nacht.
Betrachte deine Lebens-Zeit /
Die wie ein ſchneller Traum vergehet /
Und in dem Unbeſtand beſtehet /
Die voll von frecher Eitelkeit:
Was heute bluͤht kan morgen welcken /
Gleich wie die ſchoͤnen Fruͤhlings-Nelcken
Der Sonnen heiſſe Gluth verzehrt.
Ein eintzig Augenblick macht uns den Schluß /
Dem jederman gezwungen folgen muß.
Wie ſucht man nicht den Ehrendunſt /
Durch der Geſchlechter groſſe Titel?
Und ſchreibt biß an der Sonnen Mittel /
Des Gluͤckes ausgeputzte Gunſt?
Die doch ein Rauch / der bald verſchwindet /
Und ſeinen Todt im Leben findet /
Noch eher als man es vermeynt.
Ein purpur Kleid und liechter Diamand
Wird offt befleckt mit hoͤchſter Laſter Schand.
Erforſche / Himmel / Erd und See /
Ja gar die beyden Wandel-Sternen /
Du wirſt auch dar dein Ende lernen /
Und wie die gantze Welt vergeh.
Die Herrligkeit der weiten Erden
Muß endlich Staub und Aſche werden /
Und ſelbſt ein Grab / ihr Grabmahl ſeyn.
Kein Gold und Geld bewegt diß ſtrenge Recht /
Die Sterbligkeit friſt unſer gantz Geſchlecht.
Der ſchoͤnen Wangen Roſengluth /
Und die geſtirnten Liebes-Blicke /
Die halten Todt dich nicht zuruͤcke /
Du achteſt weder Milch noch Blut /
Das5Leichen-Gedichte.
Das ſonſt die Edlen Leiber zieret /
Und tauſend Augen zu ſich fuͤhret
Mit angenehmer Liebligkeit.
Der Haare Gold / der Jahre Silber ſchwindt /
Wenn ſich dein Grimm mit Trauer-Fackeln findt.
Der Jugend unverwelckter Maͤy /
Des Alters grau-beſchneite Haare /
Fuͤhrt eine Wehlung auff die Bahre /
Und reiſſt ſie auff einmal entzwey:
Der ſtirbet in der erſten Wiegen /
Und jener muß im Bette liegen /
Wenn er ſchon achtzig Jahr erlebt.
Die ſtarcke Krafft der Glieder hilfft uns nicht /
Wenn Zeit und Todt die matten Augen bricht.
Das Ende ſo uns wird beſtimmt /
Darff keine Saͤumung hintertreiben /
Wir muͤſſen / wo wir ſollen / bleiben /
Wenn ſchon des Hoͤchſten Schickung koͤmmt:
Offt wenn die Freuden-Roſen bluͤhen /
So muͤſſen wir das Kleid anziehen /
Worinn man uns zu Grabe traͤgt.
Und wie GOtt wil / ſo trifft die Rechnung ein /
Der muß itzt todt / und der beym Leben ſeyn.
Die ſchwartze Bahre / ſo hier ſteht /
Muß unſern Worten Zeugniß geben /
Daß nichts in unſerm gantzen Leben /
Auff immer-feſten Fuͤſſen geht.
Der junge Menſch / das Bild der Tugend /
Wird in dem Fruͤhling ſeiner Jugend /
Gleich wie die Blumen abgemeit /
Und zwar o Schmertz von einer ſolchen Hand /
Die niemals nicht ſo friſches Blut erkant.
Wer haͤtte diß doch je gedacht /
Daß wir eiu Grab-Lied ſolten ſingen /
Und deiner Leiche dieſes bringen /
Was uns die groͤſten Schmertzen macht?
War diß die Nacht und dieſe Stunden /
Da dich mit toͤdtlich-tieffen Wunden /
Ein jeder ſolt entleibet ſehn?
A a a 3O See -6Leichen-Gedichte.
O Seelen-Angſt / o Hertz-durchdringend Weh /
O Eltern Schmertz / o heiſſe Trauer-See.
Die Glieder ſind nun gantz erkalt /
Der unbefleckte Schnee der Haͤnde /
Verſchwindet in dem letzten Ende /
Der gantze Leib wird ungeſtalt.
Doch kroͤnt dein Haupt die Blumen-Krone /
Und bleibet deiner Treu zu Lohne /
Biß in das ſchwartze Grab hinein.
Die Bahre bluͤht / o Blume / dir zur Luſt /
Der Roßmarin deckt die verwundte Bruſt.
Wir laſſen dich nun / Liebſter / ſeyn /
Und ehren itzt dein Leich-Gepraͤnge /
Mit dem bemuͤhten Traur-Geſaͤnge /
Das alle Muſen ſtimmen ein.
Dein Name ſol bey uns nicht ſterben /
Noch in Vergeſſenheit verderben /
So lang ein Geiſt im Leibe wohnt.
Gehab dich wol / geneuß der Himmels-Freud
Und ruff uns nach aus dieſer Sterbligkeit.
Ehren-Gedaͤchtnuͤs Hn. A. v. B. Studioſi. 1659. den 25. Mertz.
MEnſch / deſſen Uhrſprungs-Quell aus Staub und Erden fleuft /
Wilſtu dein irdiſch Haus und ſeinen Fall beweinen /
So laß ohn unterlaß die Jammer-Thraͤnen ſcheinen /
Dieweil ein ewig Weh dein gantzes Thun beſchleuſt;
Fang an in Mutterleib von Noth und Angſt zuſagen /
Biß man dich wieder wird zu deiner Mutter tragen.
Du haſt ja kaum das Licht der guͤldnen Sonn erblickt /
So muͤſſen dich alsbald die ſtrengen Windeln binden /
Und gleichſam Feſſel ſeyn / an welchen nichts zu finden /
Als Zeugen dieſer Noth / die dich von Anfang druͤckt.
Die Kindheit kennt ſich nicht / und weiß von keinen Jahren /
Biß daß ſie erſt darnach derſelben Flucht erfahren.
Denn tritt die Jugend an / des Alters Leutz und May /
Der voller Roſenbluͤth / und ſchoͤne Blumen heget /
Die die Ergetzligkeit auff weichen Haͤnden traͤget /
Daß auch der meiſten Hertz entbrennt in Raſerey.
Der7Leichen-Gedichte.
Der ſelbſt ein Spiel der Zeit / verſpielet ſeine Zeiten /
Und jener laͤſt ſich Furcht und Hoffnung uͤberſtreiten.
Dem ſinckt die Lieb ins Hertz / gleich wie ein ſchneller Pfeil /
Die Gluth dringt durch das Blut / und wallet in den Gliedern /
Der angenehme Blitz der aus den Augenliedern
Mit holder Anmuth ſpielt / macht ſeine Wunden heil.
Diß iſt der groͤſte Wunſch / ſo ſucht man ſein Verderben /
Und ſo wil auch der Menſch auff Wolluſt-Federn ſterben.
Den duͤrſt nach Menſchen-Blut / ô grauſam wildes Thier /
Vermiſcht Verzweiffelung mit Zagheit offt zuſammen /
Und ſuchet ſeinen Tod / wo die Carthaunen Flammen /
Und Blitz und Hagel ſpeyn / den findet er auch hier.
Ein ander ſchwaͤcht den Leib mit ungeheurem ſauffen /
Und pflegt ihm fuͤr ſein Geld die groͤſte Noth zu kauffen.
Wen treibt nicht die Begier durch Erde / Lufft und See?
Der wil die gantze Welt in ſeinen Kopff einſchlieſſen /
Und jener frembde Suͤnd aus frembden Landen wiſſen /
Und wo die Uppigkeit im beſten ſchwange geh
Er ſetzt die Rechnung auff und richtet ſich nach Sachen /
Die auch die Eitelkeit weit eitler koͤnte machen.
Jn zwiſchen Furcht und Angſt / in zwiſchen Freud und Leid
Muß der geklemmte Geiſt in ſeinem Kercker ſchwitzen /
Wann Hochmuth und der Geitz bey uns zu rathe ſitzen
Da den der Ehren-Dunſt / und jenen Geld erfreut.
Das Geld und auch das Gold / das blaß von heiſſen Zaͤhren /
Sol nach der meiſten Spruch den Himmel uns gewehren.
So faͤhrt die Zeit dahin / biß an der Jahre Schnee /
Das Leben kocht in Angſt / die Seel in tauſend Schmertzen /
Wenn in dem Munde Luſt und ſuͤſſe Worte ſchertzen:
Offt liegt beym Zuckerrohr ein bittres Aloe.
So iſt des Lebens Glantz ein Engliſch ſeyn von forne /
Das Teuffliſch uns bekriegt / die Roſe ſteckt im Dorne.
Leg einen Purpur um / gewinne Cron und Thron /
Haͤng einen Diamant an den geſalbten Nacken;
Und du nimm einen Hut von Stroh und eine Hacken /
Laß ſehn ob auch der Tod nach gleichen Wuͤrden lohn?
Es iſt ein gleicher Schluß / der Jugend guldne Haare /
Der alten graues Haupt bedecket eine Baare.
Wiewohl die Sterbligkeit gewiſſe Schrancken hat!
Der ſtirbt noch eh er ſtirbt / und noch fuͤr ſeinem Leben /
A a a 4So8Leichen-Gedichte.
So iſt er ſchon dem Tod zum Opffer hingegeben /
Und kriegt in Mutterleib auch ſeine Grabeſtatt.
Der ſucht den Tod im Bett und findt ihn auff der Gaſſen /
Ein ander liebt das Grab / ein ander pflegts zu haſſen.
(Meer /
Der faͤllt durch Schwerd und Brand / der ſtirbet auff dem
Der geht mit friſchem Muth aus ſeinen Heimaths-Graͤntzen /
Und muß noch vor der Nacht / und vor der Sterne glaͤntzen /
Jn ſeinem Sande ſeyn; den friſſet die Beſchwer
Die Kranckheit ausgebruͤt bey vielen ſichen Tagen /
Und jener wird zu tod auff einer Reiß erſchlagen.
Elende ſterblichen / gebrechliches Geſchlecht /
Entſinnet bey euch ſelbſt wie eitel euer Leben /
Und einem ieden Blick und Zufall unter geben /
Jch weiß ihr ſprecht mir ſelbſt die wahre Dentung recht.
Das Leben iſt ein Traum / der Menſch des Lebens Schatten /
Zu dem ſich Angſt und Pein in ſteter Reyhe gatten.
Wir muͤſſen es an dir / ô Seeliger / itzt ſehn /
Und wolte wolte GOtt daß dieſes Klag-Gedichte /
Uns auff ein ander Werck verpflichter Freundſchafft richte /
Nun aber iſts mit dir / ô werther / gantz geſchehn.
Wie tief der ſchnelle Tod uns in die Seele ſchneidet /
Das weiß ein ieder Menſch der gleiche Wehmuth leidet!
Muß diß der letzte Dienſt bey dir / ô treuer / ſeyn!
Wirſtu von unſrer Bruſt ſo zeitlich weggeriſſen!
Muß unſer Hertz in Leid und Thraͤnen gantz zuflieſſen!
Ach wie ſo gar zu fruͤh ſtellt ſich der Tod itzt ein!
Des Leibes friſche Krafft / die Staͤrcke deiner Glieder
Der Jugend Liebligkeit faͤllt ploͤtzlich gantz darnieder.
So ſchweigt der liebe Mund der uns ſo offt ergetzt /
Wenn uns ein gleicher Tiſch und gleiche Treu verbunden /
Wenn wir die Lehr-Begier der Wiſſenſchafft empfunden /
Wenn uns der Muſen-Quell mit ſeinem Naß benetzt.
Der Sitten Hoͤffligkeit / der Freundſchafft reine Liebe /
Die macht daß ieder ſich ob dieſem Fall betruͤbe.
Du haſt ſo liederlich wie mancher nicht gethan /
Der Honig in dem Mund und Gall im Hertzen fuͤhret /
Der offt ein hoͤfflich Wort mit frembden Farben zieret /
Und haͤngt das Schlangen-Gifft zu einen Ausſchlag dran.
Dein ungefaͤrbtes Hertz muſt allen offen ſtehen /
Du wareſt nicht gewohnt mit Luͤgen umzugehen.
Ein9Leichen-Gedichte.
Ein jeder liebte dich und dir war jeder lieb /
Ja weder Zanck noch Streit iſt unter uns entſproſſen /
Es ſind nun faſt drey Jahr zu Leipzig weggefloſſen /
Als dich dein eigner Sinn hieher zu reiſen trieb /
Nun aber wirſtu ſo in ſrembden Sand geſcharret /
Und haſt noch zu Athen dein Lebens-End erharret.
Zwar es iſt vieler Wunſch / in ihrem Vaterland /
Und fuͤr das Vaterland auch ihren Geiſt zu geben /
Doch der gemeine Schluß der machet alles eben /
Man ſchlaͤfft ſo wohl in dem / als einem andren Sand.
Es iſt kein Unterſcheid uͤm unſer Grab zu ſuchen /
Der Geiſt-beraubte Leib der ruht bey allen Knochen.
Die Seele nur allein / die keinen Zufall kennt /
Und unverweßlich iſt / ſteigt uͤber alle Luͤffte /
Bricht durch die tieffe Nacht der dunckeln ſtillen Gruͤffte /
Verlacht ihr irrdiſch Haus / das Zeit und Tod zertrennt.
Den Leib faͤllt Faͤulniß an mit Stanck und grauem Schimmel /
Der Himmels-werthe Gaſt / die Seele / geht in Himmel.
So zeuch nun froͤlich aus du unbefleckter Geiſt /
Und nimm die Klarheit an in der die Engel leuchten /
Muß ſchon ein Thraͤnen-Naß die Augen itzt befeuchten
So biſtu doch gar wohl zu deinem GOtt gereiſt.
Man ſetzet zwar den Leib / der Erden iſt / in Erden /
Doch er ſol wiederumb zu Stern und Perlen werden.
Die Augen die vergehn / auff daß ein ewig Blitz
Aus ihren Winckeln ſtrahl; und ob der Mund verbleichet /
So denckt daß ihn die Schaar der Engel roth anſtreichet /
Und daß er in dem Schoß der Ewigkeiten ſitz.
O unerſchoͤpffte Luſt / o angenehme Wonne!
Wohl dem der zeitig koͤmmt zu dieſer Lebens-Sonne!
Wir / werther Seeliger / wir koͤnnen nichts mehr thun /
Als daß wir dieſes Lied zu deinem Grabe ſingen /
Und ſchoͤne Lilien und Hyacinthen bringen /
Zu ſchmuͤcken deinen Leib / auff daß er wohl mag ruhn.
Wir ſehn das gantze Chor der Muſen traurig gehen /
Und Treu und Redligkeit bey deinem Grabe ſtehen.
A a a 5Lei -10Leichen-Gedichte.
Leichen-Gedicht zum ruͤhmlichen Andencken / Fr. M. v. H. g. A. 1662. den 10. Decembr.
WJe kan die Tugend ihr auf dieſer Unter-Welt /
Ein ewig Wonhaus bau’n / und ſchnoͤden Augen dienen?
Wenn ſie in ihrem Licht vollkommen iſt erſchienen /
So zeucht ſie von uns ab / damit ihr nicht entfaͤllt
Der angebohrne Glantz / weil unſer Fehl und Flecken /
Die hoͤchſte Reinligkeit mit Laſtergift anſtecken.
Je heller ſich die Flamm im erſten Aufgang zeigt /
Je ſchneller faͤhrt der Schein nach den geſtirnten Hoͤhen;
So eben iſt die Seel / ſie laͤſt diß Weſen ſtehen /
Das irꝛdiſch iſt und heiſt / ihr Tugend-Feuer ſteigt
Weit uͤber Wolck und Luft / verlaͤſt des Coͤrpers-Bande /
Geht ſeinem Urſprung nach zum wahren Vater-Lande.
Ob zwar ein ſterblich Leib der Seelen Wohnhaus bleibt /
Und ſie als Koͤnigin das Leben uͤbermeiſtert /
So iſt doch Fleiſch und Blut mit der Gewalt begeiſtert /
Die Anfruhr gegen ihr faſt alle Stunden treibt.
Und ſoll die Hoheit nicht in tiefſten Suͤnden ſchmachten /
So muß ſie / Himmliſche / nur nach dem Himmel trachten.
Sie ſieht wol / wie die Welt ſucht Finſternuͤß und Nacht /
Wie ſie ihr Hertz verſtellt den Nechſten zubetriegen /
Wie ſich der Mund befleiſt der Tugend vorzuliegen /
So unter Schimpf und Schand an Bettelſtab gebracht /
Wie in der Augen-Glantz die Freundligkeiten ſpielen /
Wie in dem Buſen Haß / Zorn / Rach und Meineid wuͤhlen.
Sie jammerts / daß der Menſch bey ſolcher Nichtigkeit
Sich ſo vergnuͤget ſchaͤtzt / ſie klagt daß unſer Leben /
Begierden unterthan / und Wolluſt uͤbergeben
Ja daß wir ſelbſten ſeyn ein Spiel und Traum der Zeit /
Das Leben ein Magnet / der uns zur Bahre ziehet /
Ein blaſſer Wermuthſtrauch / der auf dem Kirchhof bluͤhet.
Ein Alabaſter-Grab mit Kohlen außgeſetzt /
Ein Gold-geflochtner Strick / der Jahr und Freyheit bindet /
Ein Molch / den man verdeckt in Roſ und Lilgen findet.
Ein Spiegel / deſſen Schein uns auf den Tod verletzt /
Ein Feur / das unſer Blut zu kalter Aſchen brennet /
Ein Bild / das man bey Nacht und nicht bey Tage kennet.
Ein11Leichen-Gedichte.
Ein Mahler / der nur ſich und keinen ſonſten trift /
Ein Aethna / der mit Schnee von auſſen uͤberdecket /
Ein brennender Veſuv / der doch Kryſtallen hecket /
Ein Thau / der ſeine Perl im Eſſig beitzt und ſchliefft /
Ein Pomerantzen Knopf / in dem die Maden niſten /
Ein Stall / den nur der Tod / ſonſt niemand / auß kan miſten.
Was wunder iſt es nun / wenn ſich die Seel entbricht?
Es ſey / daß noch den Leib der Tugend-Roſen ziehren /
Er mag den Mittlernſtand erwachſner Jahre fuͤhren.
Es ſey auch / daß der Schnee gibt Haar und Scheitel Licht /
So bleibt ſie doch nicht hier / und bey verlebten Zeiten
Wird ſie noch froͤlicher auß dieſem Nothſtall ſchreiten.
Sie ſchleicht denn wie ein Gaſt auß ihrem Herberg-Haus.
Es iſt kein groß Geraͤuſch und ſtuͤrmendes Gedraͤnge /
Das ihrem Aufbruch folgt / ſie haͤlt ſich in die Enge /
Und blaͤſt das Lebens-Licht ohn alles daͤmpffen auß.
Drauf reiſ’t ſie freudig fort / weil ſchon ein ander Morgen /
Den Himmel aufgeklaͤhrt / den vor die Nacht verborgen.
Ein ewig-lichte Sonn und Klarheit voller Blitz /
Beſtrahlt den reiffen Tag / und macht ihn gantz vollkommen.
Die muͤde Pilgramin wird freudig aufgenommen /
Jns Schloß der Ewigkeit / deß Hoͤchſten Schoͤpffers Sitz /
Da kleidet ſie ſich erſt ins rechte Braut-Gepraͤnge /
Und opfert mit der Schaar der Engel Lobgeſaͤnge.
Orumb ruffen wir itzt recht der ſeel’gen Frau Gluͤck zu /
Daß ſie nach Sturm und Wind den Port iſt eingelauffen /
Daß ſie das Jrꝛd’ſche kan umbs Ewige verkauffen /
Und daß ſie nun geneuſt der ungekraͤnckten Ruh:
So tragen wir auch nur den muͤrben Leib zu Grabe /
Weil ihrer Tugend-Ruhm friſt weder Wurm noch Schabe.
Gluͤckfelig iſt der Tod / der ſo viel Leiden ſchafft /
Durch einen ſuͤſſen Schlaf und ſanften Hintrit endet.
Diß was nicht ſterblich iſt / wird Himmel-an geſendet /
Ob ſchon ein duͤrres Bein bleibt in des Grabes haft /
& q; Was auferſtehen ſol / das muß zuvor verderben:
& q; Heißt doch ein weltlich Recht erſt nach dem Tod uns
erben.
Trauer -12Leichen-Gedichte.
Trauer-Gedancken uͤber dem Abſterben / Fr. H. W. g. S. den 11. Jan. 1664.
WEr ſo ein groſſes Leid und ſo ergrimmte Schmertzen
Mit ſuͤſſen Worten nur zu uͤberzuckern denckt /
Der weiß noch nicht wie tieff ſie ſchneiden in die Hertzen
Und iſt ein Cynicus / den Stein und Stahl umb - ſchraͤnckt.
Die Bruſt muß Rhodope / das Blut ein Kieſel werden /
Eh man empfindlich-ſeyn auß unſrem Leben nimmt /
Der Menſch ſey wie er will / er traͤgt was mehr als Erden /
Der Geiſt iſt zart und fuͤhlts ſo bald ein Wetter koͤmmt.
Gantz unerſchrocken ſtehn wenn ſchwartze Donner krachen /
Kommt einem harten Fels nicht einem Weiſen zu;
Wer in dem Hafen liegt / der kan der Winde lachen /
Nicht aber der da irrt in Fluthen ſonder Ruh.
Hochwerthſter / daß wir ſehn jetzt Thraͤn auf Thraͤnen ſtuͤrtzen /
Daß unerſchoͤpfftes Weh die Seel in Stuͤcke bricht /
Und denckt der Jahre Reſt bey ſolcher Angſt zu kuͤrtzen /
Trifft ein mit der Vernunfft und iſt zu wundern nicht.
Diß was man hertzlich liebt / muß man nur ſehnlich klagen /
Je groͤſſer der Verluſt / je herber iſt das Leid /
Geringe Schmertzen ſind großmuͤtig zu ertragen /
Den Stoß ſo ihn jetzt trifft heilt nicht die lange Zeit.
Gold / Guͤter zu verliern / das Tockenwerck des Gluͤckes /
Und ſelbſt zerfallen ſehn der Ehren ſchimmernd Glaß /
Kraͤnckt. Doch wenn weg geraubt vom Hauptſchluß des Geſchickes /
Die Seele ſo man liebt / denn wird das Aug erſtnaß.
Und ſoll ich weiter noch gefirnſter Reden brauchen?
Nein; ſeines Hauſes Sonn und Morgen-Roͤth iſt hin /
Wo Anmuth vor geſpielt / da muͤſſen Lichter rauchen /
Die vor der ſchwartzen Bahr das Trauren an heiſt gluͤhn.
Wer leugnet / daß ihm nicht Cometen jetzt geſchienen?
Da gleich der Wunder Stern die ſchuͤchtre Welt erſchreckt;
Kan nicht der Jammer-Blick zu einer Warnung dienen /
Was kuͤnfftig uͤber uns des Hoͤchſten Zorn erweckt.
Und freylich iſt ſein Leid gedoppelt zu erwegen /
Was einfach iſt das druͤckt / gehaͤuffte Laſt doch mehr.
Die Mutter mit der Frucht zugleich zu Grabe legen /
Preſt bittre Thraͤnen auß / und ſchmertzt mehr allzu ſehr.
Deß13Leichen-Gedichte.
Deß Lebens Eingang iſt durchgehend allgemeine /
Und tauſend Arten ſind wodurch der Tod uns faͤllt.
Die Mutter wird ein Grab / die Schoß zum Leichen-Steine /
Des Kindes / ſo noch nie geſehn das Licht der Welt.
Diß iſt ja wunderns voll eh Sarch als Wieg empfangen /
Daß in deß Lebens-Brunn der Kelch deß Todes ſchwebt /
Den Sterbe-Kittel vor als Weſter-Hembd erlangen /
Den ſelbſt die zarte Haut der Kreiſſerin gewebt.
Die ſo das Leben gab / kriegt Sterben zum Geſchencke /
Spinnt wie der Seiden-Wurm ihr ſelbſt das eigne Grab /
Thut wie der Pelican / daß er die Jungen traͤncke /
So ſchlitzt er ſeine Bruſt und reiſt die Adern ab.
Daß wir die Koͤrner ſehn / zerberſten die Granaten /
Offt dorꝛt die Wurtzel ein / daß nur die Blume ſtrahlt /
Dem Schmertzen der Geburt war hier gar nicht zu rathen /
Er muſte mit dem Kind und Leben ſeyn bezahlt.
Medea die hat recht / ſo lieber dreymal ſterben /
Fuͤr ihrem Feinde will ans erſte Glied geſtellt /
Als daß ſie kreiſten ſoll / und ihr diß Weh erherben /
So noch vom erſten Biß als Erb auff Weiber faͤllt.
Ach unbegreifflich Angſt! die bey ſo ſtrengen Noͤthen /
Der angeſippten Seel als wie ein Schwerdt durchdrang /
Es konte faſt diß Leid die treuſte Mutter toͤdten /
Als noch viel groͤſſre Pein deß Liebſten Hertz beſprang.
Sein eintzig Angen-Troſt und Leit-Stern der Gedancken
Entwich; das Ebenbild der Liebligkeiten ſtarb /
Der reitzende Magnet von dem ſein Sinn zu wancken /
Noch ſchretten nie vermocht; ward krafftlos und verdarb.
Der Weinſtock der geprangt mit mehr als goͤldnen Fruͤchten /
Der Oelbaum welchen ſelbſt Minerva eingeſetzt /
Verlohr Knoſp und Gewaͤchs / als ſchon der Tod zu nichten
Den Kern der Wurtzel wolt und ſeinen Zahn gewetzt.
Der Artzt war ohn Artzney bey ſo geſtalten Sachen /
Ob ihn auch Eſculap ſonſt Sohn und Erben nennt /
Es konte Gottes Schluß kein Oele linder machen /
Beſonders weil der Tod noch Safft / noch Pulver kennt.
Sie14Leichen-Gedichte.
Sie eilte nur ins Grab / der Außbund ſchoͤner Frauen /
Der Mutter Wonn und Luſt / deß Liebſten Hertz und Heil /
Bey welcher weſentlich die Tugend war zu ſchauen /
Und die auf gleicher Wag / Huld / Lieb / und Treu bot feil.
Sie war der Livia gar wol an Witz zu gleichen /
Und der Sulpitien kam ihre Sanfftmuth nah /
Jhr muſt Aſpaſie an Scham und Demuth weichen /
Und die Cornelia ſampt der Gedult ſtand da.
Was ſonſt den Weibern karg von der Natur gegeben /
Daß Schoͤnheit mit Verſtand / und Witz mit Zucht ſich paart /
Das ſah man unzertrennt bey ihr vollkommen leben /
Die Sinnen ohne Falſch / die Sitten guter Art.
Noch hemmt und aͤndert nichts der Sterbligkeit Geſetze /
Das unverſchraͤnckte Wort ſagt daß man ſterben muß /
Wie hoch zwar dieſer Fall das treue Hertz verletze /
Machaons Ruhm und Luſt / bezeugt ſein Thraͤnen-Fluß.
Alleine wenn er denckt / wie herꝛlich ſie verklaͤret /
Und was vergaͤnglich war mit Ewigkeit verſetzt /
So heiſt es Gott und Recht / daß er dem Trauren wehret /
Der Sarch wird nur beſchwert / je mehr er wird benetzt.
Ob ſchon die Augen hier in tieffe Nacht verſincken /
Der Roſen-rothe Mund ſich falltet und verbleicht /
So werden ſie doch dort als wie die Sternen blincken /
Der Purpur iſt ſehr hoch der Mund und Aug anſtreicht.
Die Klarheit uͤbertrifft auch der Eoer Steine /
Der Glieder helle Pracht wird fuͤr die Sonne gehn /
Der gantze Leib beſtrahlt mit einem ſolchen Scheine /
Der ohne Wandelung bleibt an dem Himmel ſtehn.
Beruͤhmter Podalier / ſo unermeßne Schaͤtze /
Die keine Faͤulnuͤß friſt und die kein Dieb entfuͤhrt /
Mißgoͤnnt er ſeinem Schatz? Nein: Daß er ſich ergetze /
Heiſcht dieſer Ehren-Schmuck der jetzt die Liebſte ziert.
Der Erden Liebe muß der himmliſchen nur weichen /
Wie Finſternuͤß verſchwind vor einer lichten Flamm /
Es iſt gewiß / obs ſchon mit Worten nicht zu gleichen /
Die Schaffin betet an das unbefleckte Lamm.
Der15Leichen-Gedichte.
Der Seelen Sieg-Gepraͤnge / Bey Fr. B. L. g. S. den 23. Mertz 1664. ge - ſchehener Beerdigung vorgeſtellet.
GLuͤck zu! Erlauchte Seel in dieſem Hoheits-Stande!
Dein herꝛlich Sieggepraͤng entzuͤndet unſern Geiſt /
Daß er mit gleicher Luſt die Welt vergaͤnglich heiſt /
Und deine Kronen lieb’t / haſt aber ſeine Bande /
Die Freyheit kleidet dich mit weiſſen Lilgen an /
Die weder Noth noch Tod hinfort verwuͤſten kan.
Der Leib lieg’t hier entſeel’t / ein außgedorrte Schaale /
Die Feſſel ſind zermalmt / ſo dich ſo hart beſtrick’t /
Das muͤrbe Wohnhaus iſt biß auf den Grund zerſtuͤck’t /
Du prangeſt unverletz’t im guͤldnen Sternen-Saale /
Jn GOtt verklaͤrte Seel / diß Zimmer iſt mehr ſchoͤn
Als diß / wo Schmertzen nur / des Lebens Hencker geh’n.
Doch muͤſſen wir zuvor die Folterbanck betrachten /
Die dich im Fleiſch und Blut erbaͤrmlich hat geklaͤmt /
Die Thraͤnen / die die Bach der Augen uͤberſchwaͤmt /
Die Angſt / in der das Hertz unendlich muſte ſchmachten /
Bezeugen wie der Leib gantz ausgemergelt lag /
Wie ſehnlich du gewuͤnſch’t den ſuͤſſen Loͤſungs-Tag.
Bey ſolches Alters Laſt / bey ſo verlebten Jahren /
Bey ſo verkehrter Zeit / da Tuͤrck und Teufel raaſt /
Als abgeſagter Freund nach unſrem Kopff uns graaſt /
Beſtand der Hoffnung Schluß von hinnen weg zu fahren:
Die Lippen wurden ſtum / das Auge ſanck in Nacht
Die Beine ſtreckten ſich / noch Puls noch Ader wacht.
Man hoͤrte weiter nichts als ein bedraͤngtes roͤcheln /
Und wie du mit dem Tod unuͤberwindlich ſchlaͤgſt /
Wie du bißweilen noch das matte Hertz bewegſt
Und wilſt der muͤden Lung ein wenig Luft zufaͤcheln /
Biß dich des Hoͤchſten Hand aus ſolchem Kercker fuͤhrt /
Und deine Tapfferkeit mit Sieges-Palmen ziert.
Jtzt wirſtu erſt belehr’t was wir im Buſen tragen /
Ob gleich der Jugend Maͤy aus allen Gliedern lacht /
Ob ſich das Angeſicht zu Ros und Lilgen macht /
So werden Wuͤrmer doch den ſchoͤnſten Schmuck benagen /
Die16Leichen-Gedichte.
Die Kraͤffte ſchwaͤchen ſich / die Weißheit lig’t entſin’t
Wo nicht der Menſch ſein Ziel auf etwas beſſers gruͤndt.
Ein Sammelplatz der Noth iſt ein verlaͤngtes Leben /
Die beſten Schaͤtze ſind / Peſt / Seuche / Kranckheit / Gifft /
Und wer gleich bey Charybd gluͤckſeelig weggeſchifft /
Muß doch bey Scyllens Schlund den Zoll dem Tode geben /
Die Koſt der Sterblikeit iſt ein Sardiniſch Gras /
Das lachend toͤdten kan und lebend macht zum Aas.
Jedwede Stunde traͤg’t doch was von uns zu grabe /
Und wenn das Alter ſchon auf hohen Staffeln ſteh’t /
So folg’t / daß es behend drauf in die Kindheit geh’t.
Ein hochbejahrter Greiß ſcheint wie ein junger Knabe /
Vergiſt was er geredt / verkent was er geſehn /
(Ach Bild der Eitelkeit!) und weiß nicht was geſcheh’n.
Gewiß / befreyte Seel in ſolchen deinem Hauſe /
War Jammer ſtets zu Gaſt und Elend ſaß zu Tiſch /
Das Sichen lag zu Bett und machte ſich doch friſch /
Wenn gleich der Glieder Bau verfiel in ſeinem Grauſe /
Noch haſtu Weibliche mit Maͤnner-Muth gekaͤmpf’t
Den Feind der ſchrecken wolt aufs hurtigſte gedaͤmpft.
Du laͤſt auch bey der Welt ein ehrliches Geruͤchte /
Das Kleinod das man mehr als Gold und Perlen acht /
Der gantze Lebens-Lauf iſt ruͤhmlich zugebracht /
Und ſchweb’t gemeiner Stadt noch gleichſam im Geſichte /
Nur weil kein irdiſch Wort auf itzt dir mehr belieb’t
So laß die Freuden ſehn / die dir dein Schoͤpfer gieb’t.
Wie? blendet das Geſicht ein Straal beflammter Blitze?
Wer ſchleuſt denn unſer Ohr und bindet Zung und Mund?
Wird keinem ſterblichen die Luſt deß Himmels kund?
Und iſt hier die Vernunfft ſambt ihrem Wahn nichts nuͤtze?
Nein; wer kan Sonnen ſehn bey tieffer Mitternacht /
Hier hat der Glaube zwar die Bahn uns ſchon gemacht.
Du ſiehſt den Klos der Welt zu deinen Fuͤſſen liegen /
Mit Gott vermaͤhlte Seel / und ſpuͤreſt unter dir
Mond Sonn und Sternen gehn / wie dieſer Schauplatz hier /
Faſt taͤglich wechſelt ab mit notherfuͤllten Kriegen /
Wie Hoffnung und Begier von keinem Schrancken weis /
Und unſer Haͤnde Werck baut|auff gebrechlich Eis.
Nun17Leichen-Gedichte.
Nun iſt Jeruſalem zu deiner Wohnſtat worden /
Wo Fried und Einigkeit der Thore Waͤchter ſeyn.
Jndem uns Geitzigen die Erde wird zu klein /
Und jedes Raſerey beſteh’t auf Raub und Morden /
Daß auch die weite See des Krieges Gluth nicht leſcht
Jndem man Cron und Thron mit nichts als Blute waͤſcht.
Der Morgen pocht auff Stahl / den Abend ſchwaͤrtzen Leichẽ /
Dein ungekraͤnckte Ruh weis keinen Zufall nicht /
Du wohnſt / o Seelige / in einem ſolchen Licht /
Das aller Wetter Brunſt nicht maͤchtig zu beſtreichen /
Du biſt nunmehr verklaͤrt / der Diamanten Schein
Wird vor ſo hellem Licht nur ſchwartz und tunckel ſeyn.
Ach angenehmſter Gaſt in neuen Himmels-Zimmern!
Wo Jaſpis und Saphier / die reinen Waͤnde deck’t /
Wo mit Rubinen ſich der Boden| uͤberſteckt!
Und das Gewoͤlbe muß von Chryſoliten ſchimmern /
Wo ewig Sonnenſchein / und nie kein Tag entſteh’t /
Wo noch die Hecate noch Heſperus aufgeh’t.
Gedenck’ſtu einſt zuruͤck bey ſo viel tauſend Freuden /
Wann dich des Lebens Brod gantz uͤberſchwenglich ſpeiſt /
Wann dir der Brunn des Heils ſein klares Silber geuſt /
An unſre Sterbligkeit und Kummer-reiches Leiden;
Wenn dich der Engel Stimm und Lobgeſang erquick’t /
So fuͤrchten wir den Feind / der ſchon die Sebel zuͤckt.
Des Friedens Oelbaum bluͤh’t im Vorhoff der Gemaͤcher /
Und deinen Wohnpallaſt beſchuͤtz’t der Engel Wacht /
Wenn uͤber unſerm Kopff der Stuͤcke Donner kracht /
Und uns das praſſeln ſchreck’t der ſtarcken Mauerbrecher /
Du hoͤrſt den Lauten-Klang / wir der Trompeten Schall /
Dein Ehr iſt unumbſchrenck’t / uns bleibet Sturtz und Fall.
Dich hieß der Cherubim und Seraphim willkommen /
Als eine Buͤrgerin des Himmels / ja wol Braut /
Die GOtt von Angeſicht zu Angeſichte ſchau’t /
Wir ruffen dir Gluͤck zu / daß du biſt auffgenommen.
& q; Und wiſſen / das ſolch Schmuck die jenen Sieger ziert /
& q; So Leben / Zeit und Tod wie im Triumpf gefuͤhrt.
B b bDer18Leichen-Gedichte.
Der unvergeſſene Amaranth Bey Chriſt-Adel. Beerdigung Hn. G. R. v. F. im Majo 1664.
ALs ſich der ſuͤſſe Lentz in holder Anmuth zeigte /
Und die belebte Lufft wie Diamanten ſchien
Als ſich der Himmel ſelbſt zu ſeiner Erden neigte /
Und wolt ihr wiederumb den Sommer-Rock anziehne
Hat Flora ſich bemuͤht ihr Garten-Werck zu bauen /
Sie rief den Weſten-Wind als ihren Liebſten an /
Er ſolte Safft und Krafft auf ieder Luſt-Stuͤck thauen /
Und durch den linden Hauch beſeelen ihren Plan.
Die Sonne ſtimmte bey mit reichen Gnaden-Blicken /
Der Monde ſagt ihr nichts als Fruchtbarkeiten zu /
Die Lufft die wolte ſich nach ihrem Willen ſchicken /
Mit Regen milde ſeyn / den Winden ſchaffen Ruh.
Drauff hat ſie ingeſambt die Gratien gebeten /
Sie moͤchten bey der Luſt doch nur Gehuͤlffin ſeyn /
Es wuͤrden auch hierzu die Feld-Napeen treten /
Und Samen bringen mit und Pflantzen ſencken ein.
Drauff ſind nach ihrem Wunſch die Nymfen alle kommen /
Und haben mit Begier den Garten angelegt /
Die Flora hat zu erſt den Roſen-Stock genommen /
Weil ſie ihr buntes Kleid damit zu zieren pflegt.
Den Gratien beliebt der Stengel weiſſer Lilgen /
Denn ihre Reinligkeit ſucht eben ſolchen Glantz.
Beynebenſt Roßmarin / den nicht der Froſt kan tilgen /
Der unbefleckte Strauch mehrt ihren Ehren-Krantz.
Das andere Nymfen-Volck kuͤſt Blumen von dem Orden
Der Buhler / wo Narciſſ die Oberſtelle hat /
Weil ſeine Schoͤnheit iſt ſein Meuchel-Moͤrder worden /
Das weiche Hochzeit-Bett ein eitle Grabesſtat.
Die hat den Hyacinth der Sonnen-Schatz / erkohren
Und jen ein Anemon in ihrer Purpurtracht
Ein andre Clytien ſo mit dem Tag gebohren
Und mit dem Tage ſich auch wieder ſchlaffen macht.
Hier ſtieß des Saffrans Gold / dort der Jeßminen Seele /
Den ſtaͤrckſten Balſam aus / der den Geruch ergetzt /
Die19Leichen-Gedichte.
Die Myrrhen ſchwitzten noch ihr bruͤnſtig Liebes-Oele /
Nebſt welchen nach der Rey Citronen eingeſetzt.
Der Garten war nunmehr dem Himmel zu vergleichen /
Die Blumen konten da die ſchoͤnſten Sterne ſeyn /
Als Febus und ſein Chor von dem Parnaſſus weichen /
Und ſtellen ſich behend in Florens Luſt-Haus ein.
Es ſey uns auch vergoͤnnt / ſprach eine Pierinne /
Weil der Apollo wil zuſetzen unſre Blum /
Jhr Nam heiſt Tauſendſchoͤn und wenn ichs recht beſinne /
So ſchaͤtzt der Grieche hoch der Amaranthen Ruhm.
Diß ſchoͤne Tauſendſchoͤn / der Muſen liebſte Pflantze
Sol unvergaͤnglich ſeyn und ewig lieblich bluͤhen /
Es brauchet unſer Fuͤrſt die Blume ſelbſt zum Krantze.
Drumb iſt die Fuͤrſten-Blum auch andern vorzuziehn.
Nimm Flora dieſer wahr daß ſie kein Wurm beflecke /
Daß keine Raupe nicht an ihren Blaͤttern nagt /
Daß ſie kein kalter Wind / noch gifftig Thau erſtecke.
Und dencke daß die Zeit von deiner Pflegung ſagt.
Bald iſt die gantz Rey der Muſen weggezogen /
Der niedlich Amaranth waͤchſt praͤchtig in die Hoͤh /
Die Sonne lacht ihn an vom blauen Himmels-Bogen /
Die Hitze brennt ihn nicht / noch irgend rauher Schnee /
Ein wundernd Aug erſtarrt ob dieſen Liebligkeiten /
Der Roſe Purpur ſtirbt / die Lilgen werden blaß /
Nur ſeine Schoͤnheit lebt und die Vollkommenheiten
Erregen bey dem Heer der Blumen ſchier den Haß.
Die Chloris weiß ihr Gluͤck nicht ſattſam zu erheben /
Umb daß ihr Garten war ein Paradiß der Luſt /
Das dieſen Amaranth die Muſen ſelbſt gegeben /
Dem keine Wechſelung der Zeiten ſey bewuſt.
Doch allzuſchnelle Freud und ungegruͤndtes ſchlieſſen
Der Fruͤhling hatte ſich dem Sommer kaum genaht /
Als von der Hitze Gluth die Blume hingeriſſen /
Der matte Stengel dorrt / es welckt das ſchoͤne Blat.
Fruͤh eh der Tag erwacht eilt Flora ihre Bilder
Und unter dieſen nur den Amaranth zu ſehn /
Der Seuffzer truͤber Schall klingt durch die Luſt-Gefilder /
Und bleich erſchrecken lehrt das Ungluͤck ſey geſchehn.
Die Blumen prangten nicht / ſie hingen ihre Cronen
Und duͤſtre Traurigkeit lag auff dem truͤben Feld /
B b b 2Sie20Leichen-Gedichte.
Sie fraget gantz beſtuͤrtzt die nechſten Anemonen
Und hoͤrt ihr Tauſendſchoͤn ſey aus der Blumen-Welt.
Und Chloris auch zugleich / rief ſie mit vollem wimmern /
Und riß den lichten Rock / der Sternen trotzt / entzwey /
Man ſah kein einzig Glied wie vor von Schoͤnheit ſchimmern /
Die Wehmuth lehrte ſchon / wer ihr geſtorben ſey.
Ach / rieff ſie abermahls / welch Unſtern der Cometen
Jſt auff mein Reich verhetzt / hat je ein Ohr gehoͤrt /
Daß auch der Himmel wil aus Neid die Blumen toͤdten /
Die ſeine Hoheit doch gebuͤcket ſtets geehrt.
Wie mir nur einzig lieb mein Amaranth geweſen /
Das werthe Tauſendſchoͤn weiß auch der Muſen Schaar
Die Goͤtter ſollen ſelbſt auf ieden Blumen leſen
Das nur mein Augen-Troſt die werthe Pflantze war.
Jm Aufwachs zarter Jahr in ſo beliebten Tagen
Reiſt unvermerckte Hitz all unſre Hoffnung ein;
Nur was noch uͤbrig iſt muß ich zu Grabe tragen
Doch ſol der Name ſtets bey mir geheiligt ſeyn.
Auf meine Nymfen auf / und windet Trauer-Kraͤntze /
Brecht die Cypreſſen ab und auch den Eybenbaum /
Hegt umb mein Tauſendſchoͤn die herben Todes-Taͤntze.
Gebt ungehemmtem Leid nur freyen Platz und Raum.
Es ſollen Blumen ſtets den lieben Ort umſchlieſſen
Und die Favonien die Trauer-Lieder wehn;
Wenn auf den Stengeln fruͤh die Thraͤnen werden flieſſen /
So weiß man daß es umb den Amaranth geſchehn /
Den mir hinweggerafft der Hitze duͤrres Fieber /
Pflantzt ihm den Ehren-Preiß ihr Nymfen / doch aus Pflicht /
Jch ſetz ihm dieſe Blum / je laͤnger und je lieber /
Mein letztes Opffer iſt / das Kraut / Vergiß mein nicht.
Troſt-Elegie An Hn. J. E bey Beerdigung ſeiner Ehelieb - ſten / den 24. Septemb. 1664.
WIl mich der Himmel denn in nichts als Flor verhuͤllen?
Muß Myrrh und Aloe mein Roſen-Zucker ſeyn?
Der Mutter Aſche brennt / und iſt noch nicht zu ſtillen /
Als ſich gehaͤufftes Leid nun wieder findet ein.
Die21Leichen-Gedichte.
Die tieffe Traurigkeit ſo meinen Geiſt umfangen /
Hat mich ein Grabelied zu ſingen ſtets gehemmt.
Nun itzt die Seelige / mein Vetter / nachgegangen /
So wird mein Aug aufs neu mit Thraͤnen uͤberſchwemmt.
Mit Thraͤnen die ſein Leid bezeigen / doch nicht brechen /
Weil das zerſchlagne Hertz in heiſſen Aengſten pocht /
Ob ſeiner Liebſten Tod; wer wil da Troſt zuſprechen /
Wenn beyder Augen-Quell die Zaͤhren-Lauge kocht.
Jen hieß des Lotos Frucht des Vater-Lands vergeſſen /
Der wahren Lieb und Treu vergiſt man ewig nicht /
Wenn Hertzen in der Eh in ſolchem Fried geſeſſen /
Welch Jammer iſt es doch wenn eins der Tod zerbricht.
Die Liebe die ergetzt / die macht auch Seelen-Wunden /
Jhr Zunder giebt zwar Licht / beynebenſt Glut und Brand /
Der Tod / der Ehen bricht / wird allzuhoch empfunden /
Daß dem betruͤbten Sinn kein Troſt-Wort iſt bekant.
Hier kan nicht die Vernunfft die Sieges-Fahnen tragen /
Jn ihre Palmen flicht ſich blaſſer Wermuth ein /
Der unverhoffte Stoß wird allen Troſt verjagen /
Die Trauer-Nacht bedeckt der Weißheit Sonnenſchein.
Jch ſuche wo ich wil ein Labſal zu erfinden /
Der Goͤtter Panace iſt hier nur Gauckeley /
Des Chirons kluger Arm kan Wunden nicht verbinden /
Die in die Seele gehn und brechen ſie entzwey.
Nicht ſtarcker Bezoar / nicht fette Maſtix-Kloͤſſer /
Und was vor koſtbar Oel Aegyptens Buͤrger ſchickt /
Benehmen hier den Schmertz / das Leiden wird nur groͤſſer /
Jemehr mans euſerlich mit Nard und Salben ſchmuͤckt.
So laͤſt es ſich auch nicht durch ſuͤſſe Lieder zwingen /
Und die Tarantula ertoͤdtet nicht den Schmertz.
Er wird noch hefftiger durch Marck und Adern dringen /
Jemehr man Perlen-Traͤnck ertheilt dem matten Hertz.
Es muß was hoͤhers ſeyn / das Seelen ein kan wiegen /
Wenn ſo ein ſchmertzlich Fall ſie faſt zu Boden reiſt.
Gottſeelige Gedult kan uͤber alles ſiegen /
Und Hoffnung die uns recht im Glauben unterweiſt.
Er gebe dieſen Platz bey ſolchem Sturm der Zeiten /
Mein Vetter / GOtt und Zeit heilt Streich und Wunden zu.
Daß Trauren billich ſey / wil ich nicht wiederſtreiten
Nur diß erweg er wol die Liebſte lebt in Ruh.
B b b 3Sie22Leichen-Gedichte.
Sie lebt / ob wir gleich nicht ein irrdiſch Leben ſpuͤren /
Ob ſchon der Seelen Kleid der Leib im Sarg erbleicht /
Sie kan nun keine Noth noch arges Drangſal ruͤhren /
Da aller Wetter-Brunſt auf unſre Koͤpffe ſtreicht.
Dort wuͤtet Seuch und Peſt / hier brennt die Krieges-Flamme /
Jndem die ſichre Welt in Schimpf und Schande ſinckt /
Die Zweige fallen ab von des Piaſtus Stamme /
Woruͤber Schleſien unendlich Thraͤnen trinckt.
Wer wuͤnſcht nicht aufgeloͤſt zu ſeyn von dieſen Banden /
Die unſer Goͤttlich Theil der Seelen feſſeln an?
Die Liebſt iſt nun im Port / ihr Schiff kan nicht mehr ſtranden /
Weil auff der wuͤſten See irrt unſer Lebens-Kahn.
Den ſchmertzlichen Verluſt / daß ſie hinweg geriſſen /
Daß ſo ein bittres Weh die ſuͤſſeſt Eh entzweyt /
Wird ihr Gedaͤchtniß nun bey ihm erſetzen muͤſſen
Dem ſchon zum Tempel iſt ſein treues Hertz geweyht.
Die reine Liebe wird in guͤldnen Ampeln ſchimmern /
Jhr unbeflecktes Feur gantz unausleſchlich ſeyn /
Was wil er / werthſter Freund / ſich denn ſo gar bekuͤmmern?
Dort gehen ſie aufs neu die werthe Freundſchafft ein /
Jn hoͤchſter Heiligkeit / und einzig reinem Weſen /
Sie geht den Weg zuvor / den er einſt treten muß /
Wer Roſen ſammlen wil / muß vor die Dornen leſen.
Der Biene Stachel ſchuͤtzt den ſuͤſſen Honigfluß.
Es kan ihr Tugend-Ruhm auch ſeine Schmertzen mindern /
Wie bruͤnſtig ſie geliebt / GOtt / Kirchen und Altar:
Es wird ihr haͤußlich ſeyn die groſſe Wehmuth lindern /
Wie ſie bey Tag und Nacht nur auff die Nahrung war /
Und eine Thais / nicht die ſtets beym Spiegel ſtehet /
Nicht eine Tanaquil die nur zu herrſchen denckt /
Nicht eine Cynthia ſo auſſer Hauſe gehet /
Und ihre Zucht und Ehr mit frembden Kuͤſſen kraͤnckt.
Sie hat ſtets eine Macht auf ihrem Haupt getragen /
Und Fried und Einigkeit mit ihrer Hand gepflantzt /
Sie hub die Sorgen auf / ſo Geiſt und Sinnen plagen /
Und hat durch Wachſamkeit das Haus als wie umbſchantzt.
So ein vollkommen Chor der Tugenden verſchwindet?
So ſeltne Froͤmmigkeit verlaͤſt die boͤſe Welt?
Genung / daß ſie alldort / was wir verlangen / findet /
Daß ſie ſchon im Beſitz / wornach wir trachten / haͤlt.
Aus23Leichen-Gedichte.
Aus heiſſer Liebe ſtieg der Orpheus in die Hoͤlle /
Zu hol’n Euridicen ſein liebſtes Ehgemahl /
Umbſonſt / er brachte ſie nicht wieder an die Stelle /
Sie blieb an jenem Orth wo weder Licht noch Strahl.
Und ſo viel that die Lieb: Ach waͤren Wuͤnſche kraͤfftig /
Sie haͤtten hier noch mehr auf ander Art gethan /
Die Lieb und werthe Treu entbrandten allzuhefftig /
So daß den Jammer nicht die Feder melden kan.
Allein der arme Menſch kan diß nicht hintertreiben /
Was ſchon des Hoͤchſten Rath hat uͤber ihn beſtimmt.
Wir muͤſſen in Gedult bey dieſem Willen bleiben /
Weil auſſer ſein Bewuſt kein Haar uns wird gekruͤmmt
Die Seelige ruht wol / ihr Grabmahl auszuzieren /
Darff aus Numidien kein ſcheckicht Marmel ſeyn /
Noch daß man irgend wolt erhoͤhte Thuͤrm auffuͤhren /
Jhr guter Nachruf iſt ihr ſchoͤnſter Leichenſtein.
Ehren-Gedaͤchtnuͤß Fr. S. M. g. P. v. G. den 7. Decembr. 1664.
DJe letzte Stunde darf uns ja kein Schrecken machen /
Weil ſie der Ewigkeit beſtimmt Geburts-Tag iſt.
Wir ſchlaffen zwar im Grab / doch daß wir wieder wachẽ /
Wir leben / ob gleich hier den Leib die Faͤulniß friſt.
Das minſte Theil verdirbt / der Seele Goͤttlich Weſen
Kennt keinen Zufall nicht / noch grimmer Zeiten Sturm.
Was irrdiſch iſt und heiſt / mag nicht vom Tod geneſen /
Man goͤnne doch das Fleiſch / das Suͤnden-Neſt / dem Wurm.
Ein Tageloͤhner wuͤnſcht / der Abend wolle kommen /
Und ſeiner Arbeit Laſt beſaͤnfftigen mit Ruh:
Begehren wir denn nicht / daß wir der Noth entnommen
Als wie in einem Schlaff die Augen druͤcken zu?
Der Wandersman legt ab die Buͤrde die ihn kraͤncket /
Und ſiehet hoch erfreut der ſchweren Reiſe Ziel;
Verſichert daß die Seel ſo hier der Leib uͤmſchrencket /
Wenn ſchon ihr Schoͤpffer rufft / nicht laͤnger raſten wil.
Ein Zaͤrtling dieſer Welt der mag diß Leben ehren /
Und als ein Goͤtzen-Knecht ihm Opffer zuͤnden an:
Uns ſoll viel mehr das Grab / den Weg zum Himmel lehren /
Wenn jenes Tempel ſind in lichten Brand gethan.
B b b 4Mece -24Leichen-Gedichte.
Mecenas der in Perl und Purpur hat geſeſſen /
Und des Auguſtus Hertz und Heimligkeit beſchloß /
Hat ſeiner Hoheit ſelbſt zum ſchimpflichſten vergeſſen /
Als er die Thraͤnen umb des Lebens Friſt vergoß;
Und bettelt als ein Knecht geraume Zeit zum ſterben
Wil Folter / Zange / Pfahl / Gifft / Brand und Dolch ausſtehn /
Es mag das Glieder-Weh den gantzen Leib verderben /
Wenn er nur eine Zeit auff Erden noch ſol gehn.
Hier raͤumt man freilich ein / daß aller Schrecken Schrecken
Der Tod / ſo heßlich ſich dem Heyden fuͤrgeſtallt.
Bey uns wird er nur Freud und neue Luſt erwecken /
Wir wiſſen / daß wir Tag fuͤr Tag zum ſterben alt.
Es iſt auch nicht beſchwert / das Leimen-Haus zu laſſen /
Und von der irdnen Wand zu nehmen gute Nacht /
Weil viel ein ſchoͤner Ort uns wieder wird uͤmfaſſen /
Der den verklaͤrten Leib zu Stern und Sonne macht.
Das ſchleuſſende Gewand iſt denn nicht zu beklagen
Bricht doch nach der Geburth bald unſer erſtes Kleid!
Wir Blinden / die wir uns von Grab zu Grabe tragen /
Beſeuftzen / daß ſo ſchnell koͤmt unſre Sterbens-Zeit.
Beym Eintritt in die Welt / da ſol man billich weinen /
Weil tauſendfache Qual der Menſch erdulden muß /
Beym Abzug nuͤtzt es nicht / und ob ſchon Thraͤnen ſcheinen
So ſind ſie nur der Hertz - und Schmertzen Uberfluß.
Der Koͤder an ſich ſelbſt / ſo uns zu leben reitzet
Jſt nichts als ſchimlend Brodt und ein vermodernd Gut /
Daß faſt ohn unterlaß der Truͤbſal Eßig beitzet /
Und wenig oder nichts dient dem gekraͤnckten Muth.
Es deckt nur Finſternuͤß das menſchliche Beginnen /
Jn dieſer Nacht der Welt ſtrahlt keiner Klarheit Schein /
Die Kunſt iſt Schatten-Werck / die Wunder kluger Sinnen
Reiſt doch die After-Zeit durch andre Meinung ein.
Die tieffe Demmerung umhuͤllt das Licht der Seelen /
Der reiffe Rath und Witz zerſchmeltzt in grauen Schnee;
Der Aufgang kan ſchon nicht den Untergang verhoͤlen /
Die Waſſer die ſie gibt verſchlucket auch die See.
Was einſt gebunden war / muß aufgeloͤſet werden /
Und ſo hat die Natur ſchon ihren Lauf erſehn /
Die Erde ſamlet ſich nur wieder zu der Erden /
Was laͤngſt beſchloſſen iſt / muß endlich doch geſchehn.
Diß25Leichen-Gedichte.
Diß iſt der Unterſcheid. Ob zwar der Tod gemeine /
Und ſeiner Satzung nach durchgehend alle trifft /
So ſetzt doch Hohn und Lob als wie zum Leichen-Steine /
Die Nachwelt / ſo befreyt von falſchem Schmeichel-Gift /
Die Tugend zeigt ſich denn in Purpur / lichten blicken /
Die weder Neid noch Zeit hinfort beflecken kan /
Der Lafter Ungeheur muß in ſich ſelbſt erſticken /
Und uͤberhaͤufter Fluch meld’t es der Hoͤllen an.
Einmahl hat Nero nur den Kaͤyſer-Stab gefuͤhret /
Noch wird / die Peſt der Welt / biß heute noch verdammt /
Hergegen der Auguſt mit Lorbern außgezieret /
Weil ſein Gedaͤchtnuͤß auch viel Helden angeflammt.
Denn ob die Wiegen gleich von Gold und Silber lachen /
Und ob die Jugend ſich voll guter Hoffnung zeigt;
So koͤnnen wir doch nicht den Schluß grundrichtig machen /
Daß ſich mit gleichem Ruhm der Menſch zum Grabe neigt.
Oft wenn die Morgenroͤth gantz Roſenklar geſchienen /
Hat drauf ein Donnerſchlag den Mittag eingeſchwaͤrtzt /
Wenn fruͤh den Honig-Bau mit Fleiß vollfuͤhrt die Bienen /
Sind ſie fuͤr Abend noch auß ihrem Stock geſtertzt.
Die Wiege bluͤhet nicht / wo nicht die Bahre bluͤhet:
Das Schauſpiel iſt nicht gut / wann es ſich alber ſchleuſt.
Wer in dem Leben nicht auf ein gut Ende ſiehet /
Der glaube; daß er denn gar ſchlechten Ruhm geneuſt.
Wer ruͤhmlich ſterben kan / hat ſchon das Ziel erreichet.
Ein klares Beyſpiel ſtellt uns dieſe Leiche fuͤr.
Ob ſchon der muͤrbe Leib in ſeiner Grufft verbleichet /
So glaͤntzt die Seele dort in Engel reiner Zier.
Jhr guter Leymund gruͤnt auf mehr als hundert Zungen /
Die edlen Tugenden verewigt gleicher Ruhm /
Wie ihre Gottesfurcht die Wolcken durchgedrungen /
Und wahre Froͤmmigkeit ihr eintzig Eigenthum.
Mehr faßt nicht dieſes Blat. Jm Abend ſpaͤter Jahre
Fuͤhrt der verlangte Tag die Seel’ge zu der Ruh.
Betruͤbſte hem̃t den Schmertz: Jhr Ruhm kroͤnt auch die Bahre /
Und ſagt uns bey der Welt ein ſtets Gedencken zu.
Umbſonſt / daß ſie anitzt ein ewig Klagen trieben /
Die Seelige die kan gar nicht verlohren ſeyn /
Denn unſre Namen ſind im Himmel eingeſchrieben /
Das Buch des Lebens zeigt den ewig-lichten Schein.
B b 5Die26Leichen-Gedichte.
Die ſeufftzende Zion / Bey Beerdigung Hn. A. W. S. S. Th. D. vor - gebildet / den 2. Febr. 1665.
JHr Toͤchter Solyme / helfft eurer Schweſter klagen /
Der Schmertz ſo Zion druckt iſt tauſend Zehren werth /
Erſtarr’t nicht daß ihr mich ſeht beyde Bruͤſte ſchlagen /
Daß mein verhuͤlltes Haupt mit Aſchen iſt beſchwert.
Jch reiſſe Schmuck und Gold von dem gekroͤnten Haare /
Die Thraͤnen ſeht ihr hier ſtatt rundter Perlen ſtehn /
Jn meiner heilgen Burg / des Traurens Ziel / die Bahre;
Auf Schweſtern auf und eilt ihr ſolt zur Leiche gehn!
Die Stimme ſo man vor im Tempel hoͤrt erſchallen /
Der Mund ſo Welt und Tod mit Lehren hat beſiegt /
Mein Ober-Prieſter iſt / (unendlich Leid!) verfallen /
Ach Angſt die allen Schmertz der Schmertzen uͤberwiegt!
Muß mir das Neue Jahr auch neue Pein gebaͤren?
Schleicht blaſſe Traurigkeit zu Pfort und Mauren ein?
Und iſt dem End-Schluß nicht / der ſchon vollbracht zu wehren?
So muß nur Zion hier ein Bild des Klagens ſeyn.
Frolockte nicht mein Volck im Eingang dieſer Tage /
Hat Harff und Seitenſpiel die Andacht nicht geweyht /
Als ſo ein ſuͤß Geruch auf ſo viel Opffern lage /
Und meine Prieſterſchafft den Weyhrauch ausgeſtreut.
Die Kirche ſchwebt in Wonn und unergruͤndten Freuden /
Die Himmels-Liebe wies ſich ſcheinbar umbs Altar /
Jetzt aber ſoll in Flor mein Heiligthum ſich kleiden /
Und vor dem Predigtſtuhl erſcheint mir Sarg und Bahr.
Jch traure nicht vermummt / wie die verſtellten Hertzen /
Der Augen reiche Bach entdeckt der Seelen Riß /
Sie ſind auch nicht ſo ſtumm / es reden tieffe Schmertzen /
Die Wunde ſperrt ſich auf nach eingeſetztem Biß.
Doch Thraͤnen thun es nicht / der Weiber beſte Wuͤrtze /
Daß ich den theuren Mann damit ſoll ſalben ein /
Jch weiß daß klagen nur der Todten Ruhm verkuͤrtze /
Daß Jammer und Verdienſt ungerne Nachbarn ſeyn.
Das herꝛliche Geruͤcht / ſo meinen Lehrer zieret /
Jſt wuͤrdig daß es auch der Nachwelt werde kund /
Wie er zum Beyſpiel hat deß Lebens-Lauff vollfuͤhret /
Wie GOtt mit Menſchen ſich beſpracht durch ſeinen Mund.
Die27Leichen-Gedichte.
Die Quellen Jſraels ſind durch ihn hell gefloſſen /
Sein Finger hat mit Fleiß deß Lebens Brunn entdeckt /
Und ein verſchmachtend Hertz mit dieſem Thau begoſſen /
Dem Jeſſe Wurtzel gibt / der nach dem Himmel ſchmeckt.
Der Moyſes unſrer Zeit / hat offt das Volck verſoͤhnet /
Wenn GOttes rechte Rach und Eifer war entbrand /
Daß neues Gluͤck und Heil die reuigen bekroͤnet /
Und die verdiente Straff in Gnade ſich verwand.
Ach Hirte ſonder Schlaf! ein nnablaͤſſig wachen /
Hat die vertrauten Schaf / in Huͤrd und Stall bewahrt /
Kein Miedling durffte ſich meyneidig dazu machen /
Sie ſchlugen auch nicht umb und wichen von der Art.
Jch kan ihn wol mit Recht den Kirchen-Engel nennen /
Der ſeine Stimme gleich Poſaunen hoͤren ließ /
Wenn der erlauchte Geiſt in GOtt fieng an zu brennen /
Und die Gemeine ſcharff im Glauben unterwieß /
Erklaͤrte dieſe Kunſt / die alle Wiſſenſchafften
Und Weißheit uͤbertrifft; wie man recht ſterben ſoll /
Wies daß deß Menſchen Leib nicht blieb im Grabe hafften /
Jns Himmels Wohnungen da ſey ihm ewig wol.
Unſtraͤfflich hat er ſelbſt im Wort und Ambt gelebet / |
Verfluchet Schmeicheley / die Prieſtern nicht geziemt /
Und hat behertzt der Schand und Suͤnde widerſtrebet /
Die Reden waren nicht mit Falſchheit uͤberbluͤmt.
Damit blieb unbefleckt das wertheſte Gewiſſen /
Das aller Sterblichen unſchaͤtzbar Kleinod iſt:
Ja der Begierden Sturm hat ihn nie hingeriſfen /
Daß er was Laſter war vor Tugend außerkieſt.
Ob ſchon das Creutz im Ampt mit nichten auſſen blieben /
Hat doch Beſtaͤndigkeit die Sieges-Kron erlangt.
Der Kirchen Wolfahrt war ihm tieff ins Hertz geſchrieben /
Deß Hoͤchſten Ehre blieb ſein Schmuck in dem er prangt.
Jch Ungluͤckſelige muß den Verluſt betrauren /
Mein Beter iſt dahin / mein treuer Prieſter tod.
Nichts denn nur truͤbes Weh ſchallt in den hohen Mauren /
Und meine Burg beſtuͤrtzt die Jammer-reiche Noth.
Erweg ich ſein Geluͤck ſo kan ich es nicht neiden /
Jch ſpreche / wenn ich ſeh den edlen Wechſel an /
Er lebt nun franck und frey / er lebt und ſchwebt in Freuden /
Die Seel in ſolchem Glantz / der Sterne trotzen kan.
Er28Leichen-Gedichte.
Er dient fuͤr GOttes Stuhl ſein eifriger Bekenner /
Das Blut des Lammes wiſcht jetzt ſeine Thraͤnen ab /
Er gruͤſt / umhalſt und kuͤſt die auserwehlten Maͤnner /
So mit der Herꝛligkeit vertauſcht das finſtre Grab.
Der hier ein Knecht nur war / iſt dort ein Freyherꝛ worden /
Den Feſſel eingeſpann’t / traͤgt Kronen ohne Zahl /
Jhn labt ein lieblich Weſt / hier bließ auf ihn der Norden /
Nun ſpuͤrt er Fried und Ruh nach außgeſtandner Qual.
Verklaͤrter Mitgenoß der himmliſchen Heerſcharen /
Gluͤck zu / zu dieſem Stand / dem Gnad - und Ehren-Reich
Jch Zion will gewiß noch Fleiß noch Mittel ſparen /
Zu klagen umb dein Grab / zu ſchmuͤcken deine Leich.
Jhr Toͤchter Solyme muͤſt ſelbſt die Bahre tragen /
Diß fodert Pflicht und Schuld / diß heiſchet Lieb und Treu /
Schmeltzt in ein Thraͤnen-Quell und ungehemmtes Klagen /
Verkuͤndiget der Welt wer euch geſtorben ſey.
Als im Gebuͤrge Hor der Aaron verblichen /
Hat ſich gantz Jſrael mit einem Sack belegt.
Und als Elias war auß dieſer Welt gewichen /
Welch herbes Seuffzen hat ſein Nachſaß nicht erregt?
Der wurd ingleichen auch recht bitterlich beweinet /
Von dem geſalbten Haupt / als Zeit und Stunde kam;
Wo unſre Wehmuth nicht im hoͤchſten Grad erſcheinet /
So leb ich nicht vergnuͤgt und bin mir ſelber gram.
Der hochbegabte Mann iſt bey mir unvergeſſen /
Den treuen Prediger beſeufftzt mein Heiligthum /
Klagt / liebſte Schweſtern / klagt / und windet die Cypreſſen /
Was nur erſinnlich iſt / das thut ihm noch zu Ruhm.
Allein auch dieſe Pracht die kan hier nicht viel dienen /
Jch Zion weiß es wol wie ihm geſchehen ſey /
Er ruht in Gottes Hand / die Todten-Beine gruͤnen /
Der muͤden Jahre Schnee bekroͤnt ein ewig May.
Troſt-Worte / An Hn. T. G. J. U. C. bey Beerdigung ſeiner Eheliebſten / den 16. Febr. 1665.
D ihm das groͤſte Theil des Hertzens ſey geruͤhret /
Daß dieſer Fall / mein Freund / biß an die Seele geht /
Darff keiner Wunderung. Wo Liebe wird geſpuͤret /
Da wird zu gleich das Leid / ſo bald was koͤm̃t / erhoͤht.
Die29Leichen-Gedichte.
Die Augen ſo zuvor den Weg zur Huld gezeiget /
Jn denen Lieb und Gunſt als wie zuſammen lieff /
Sind weiter nur ein Quell auß dem die Thraͤne ſteiget /
Und ſagt auf welcher Fluth ſchwebt der Gedancken Schiff.
Ein eintzig Jahr gewehrt ihm Luſt vermengt mit Leiden /
Die Roſen-Liebe ſo zu erſt die Eh fing an;
Muß ſich jetzt mit Napell / mit Bux und Rauten kleiden /
Wer dencket / was alsdenn nicht ſo ein Wechſel kan?
Hier iſt kein Eigenthum / es wird nur dargeliehen /
Wie Kleider zu dem Spiel. Nach dem das Ende ſchleuſt /
Muß der vor Koͤnig war / den Purpur-Rock ausziehen /
Und jeder lernt daß man in frembden Kleidern gleiſt.
Das Leben ſelbſten iſt leibeigen nicht gegeben /
Der Brauch der Jahre hat ſchon ſein geſetztes Ziel.
Dem eintzig-weiſen GOtt darff niemand widerſtreben /
Der muß gezwungen fort der nicht gutwillig will.
Zwar diß verwerff ich nicht die Todten zu beweinen /
Wir aber ſind vielmehr / denn jene / Thraͤnen werth /
Der Himmel kan uns nicht ſtets hell und goͤlden ſcheinen /
Wer wol geſtorben iſt / der wird nicht mehr beſchwert.
Es ſey daß ihm / mein Freund / die Liebſte fruͤh verblichen /
Man glaub’ts / der Eltern Angſt vergroͤſſert ſeinen Schmertz.
Daß ſie bey ſtrenger Noth von dieſer Welt gewichen /
Zugleich ein Pfand verlaͤſt / drumb blutet jetzt das Hertz.
Je dennoch wenn er will des Hoͤchſten Schluß erwegen /
Und wie die Liebſt ihn treu biß in den Tod geliebt /
So wird der wache Schmertz ſich endlich ſchlaffen iegen /
Weil auch der Seel’gen Ruhm dazu viel Artzney gibt.
Ob Agathocles lobt ſein eintzige Texene /
Ob ſchon die Porcia ein Spiegel aller Welt /
Die Arria bekand / wie auch ihr Klag-Gethoͤne /
Als ſie mit ihrem Mann dem Thraſea verfaͤllt;
Der Reigersbergin Ruhm biß an die Sterne ſteiget /
Durch welche Grotius / der Phoͤnix unſrer Zeit /
Mit neu-erdachter Liſt die ſcharffe Wacht beſchweiget /
Laͤſt ſie zur Geiſſel da / und macht ſich anderweit.
Nichts minder war die Treu in Demant eingepraͤget /
So ihm ſein Schatz erwieß. Die hulde Freundligkeit
Hat offt der Sorgen Laſt vernuͤnfftig weggeleget /
Mit angenehmer Luſt verſuͤßt die ſchwere Zeit.
Jch30Leichen-Gedichte.
Jch ſolt ein ewig Lied ihr zum Gedaͤchtnuͤß ſchreiben /
Die Freundſchafft reitzet mich / ſo uns im Pleiß-Athen
Verknuͤpfft. Doch wider Wunſch und Willen muß es bleiben /
Die Reime wollen nicht auf guten Fuͤſſen gehn.
Der ſtete Leichen-Dienſt verwandelt mich in Leichen /
Jch werde lebendig was ich einſt werden muß /
Und weil die Gratien aus den Gedichten weichen /
So ſag ich gute Nacht der Hippocrene Fluß.
Jch uͤberlaſſe was den kuͤnfftigen Poeten /
Und reiffer Vorbedacht veraͤndert meinen Sinn /
Apollo nimm von mir die anvertrauten Floͤthen /
Nun Reim auch eitel ſind / ſo geht ihr Reime hin.
Seliger Hintritt J. A. R. M. den 19. Febr. 1665.
BJßhero haben wir verlebte hin getragen /
Die ſelbſt des Alters Laſt von Thraͤnen loß gezehlt.
Nun aͤndert ſich das Spiel / und was bey zarten Tagen
Jn voller Bluͤthe ſtund / hat jetzt den Sarch erwehlt.
Holdſeligſtes Geſchlecht / ihr ſchoͤnen Anmuths-Sonnen /
Durch welche Breßlau ſich gleich Paphos Tempel macht.
Welch Leid hat uͤber euch die Oberhand gewonnen?
Vergaͤllt ſich eure Luſt / verfinſtert ſich die Pracht?
Ach ja! Die Augen ſind nur Zeichen rauher Blicke /
Die Seuffzer Bothen / ſo was ſchweres melden an.
Und angeborne Hold fleucht / wie beſtuͤrtzt / zu ruͤcke /
Wo ſind die Roſen hin? Was ſoll der Majoran?
Jſt die Ergetzligkeit von eurer Bruſt gewichen?
Rauſcht jetzt kein ſuͤſſer Weſt durchs Kercker-freye Haar?
Jſt Liebe von dem Mund / von Wangen Luſt geſchlichen?
Kraͤnckt / was behaͤglich vor / ein unverhoffte Bahr?
Hoch maͤchtig muß das Leid in weichen Hertzen wuͤtten /
Nun eures Ordens Ruhm und Blum ins Grab verfaͤllt.
Zu fruͤh hat Atropos den Faden abgeſchnitten /
Der ſchoͤnen Machnerin / der Liebe dieſer Welt.
Das eintzig werthe Kind / der Mutter Luſt und Prangen /
Der Freuden Jnbegriff / und aller Hoffnung Schatz /
Laͤſt freylich hinter ſich ein ſchmertzliches Verlangen /
Uud einer vollen See / der Thraͤnen Fluten / Platz.
Jm31Leichen-Gedichte.
Jm Anfang beſter Jahr / im Blumen-reichen Lentzen /
Da man die Jugend faſt wie eine Fuͤrſtin ehrt /
Wenn jede Glieder / wie die goͤldnen Sterne glaͤntzen /
Und der beredte Mund ein waͤchſern Hertz bethoͤrt /
Verlacht man nur das Grab. Sie aber / die verſchieden /
Hat ihre Jahre ſo verſchwenderiſch nie geliebt /
Der Wunſch war / frey zu ſeyn und hin zufahrn im Frieden /
Den dort / den Glaͤubigen der Allerhoͤchſte gibt.
Deß engen Lebens friſt hat Tugend doch erweitert.
Es ſchien das Ebenbild der Gratien an ihr /
Wenn ſich die Stirn in Zucht und Schoͤnheit aufgeheitert /
Und ſtellt uns einen May der Liebligkeiten fuͤr.
Die niedliche Geſtalt / die ſittſamen Geberden /
Der Augen raſche Glut und ſuͤſſer Zwincker-Blitz
Beſtrahlte gleichſam hier den Ball der groſſen Erden /
Und im Gehirue nahm die Pallas ihren Sitz /
So bald der Mund entſchloß das Helffenbein der Pforte /
Drang kluger Reden Art ins Hertze mehr als tieff /
Ja ſie beſeelte ſelbſt die ſonſt nur todten Worte /
Wenn die gelehrte Hand auf den Clavieren lieff.
Wer goͤnnte nun nicht Raum zu leben dieſer Schoͤuen?
Die vieler Augen Luſt und keuſche Wonne war.
Wer wuͤnſcht ihr nicht den Krantz / ſie einſt als Braut zu kroͤnen?
Umſonſt: Der Hochzeit-Schmuck liegt mit ihr auf der Bahr.
Weint / ſchoͤnſte Schweſtern / weint / hier zieren euch die Thraͤnen /
Flecht dieſe Perlen nur in ihre Kronen ein /
Ertheilts / wor nach ſich pflag die Seelige zu ſehnen /
Ein herbes Seuffzen / wird das beſte Opffer ſeyn.
Kuͤſt noch den lieben Mund / den Geilheit nie beflecket /
Statt eines Sterblichen ruht ſie an JEſus Bruſt.
Seyd muͤhſam daß der Sarch mit Roßmarin umbſtecket /
Denn ihre Seele gruͤnt / und ſchwebt in Engel-Luſt.
Wie hertzlich bat ſie Gott umb ein vernuͤnfftig Ende /
Sie ſchreckte faſt den Tod / der ſonſt nur Schrecken macht /
Und gab die Seel erfreut dem Heyland in die Haͤnde /
Sie ſagte wohlgemuth der Erden gute Nacht.
Es war ein ſuͤſſer Schlaf und nicht ein Tod zu nennen /
Der Cherubinen Schaar empfing den muͤden Geiſt.
Die nichts nicht hat vermocht von ihrem Gott zu trennen /
Jſt eine Pilgramin von dieſer Welt gereiſt
So32Leichen-Gedichte.
So ſtirbt die Lilie / wenn ſie viel Regen trincket /
Der weiſſe Atlaß ſchleiſt / der morſche Staͤngel bricht /
Biß das beperlte Haupt zu ſeinem Grabe ſincket /
Und nimmt zugleich mit ſich der Gaͤrten Schmuck und Licht.
So muß der Roſen Flamm in Aſche ſich verkehren /
Wenn Phoͤbus Feuer-Rad den Mittel-Kreiß geht ein.
Der Morgenroͤthe Glantz kan nicht den Sturm erwehren /
Der nach dem Aufgang folgt / und ſchwaͤrtzt den erſten Schein
Alleine wenn der Lentz mit linden Weſten ſpielet /
Bepurpert / wie zuvor / die Roſe Chloris Feld /
Die Lilge ſtehet auf / nach dem ſie Wetter fuͤhlet /
Aurora hat / wie vor / die Morgenwacht beſtellt /
Sie auch / die Selige / wird mehr als Blumen bluͤhen /
Der unverwelckte May des Lebens geht erſt an.
Wenn ſie das Lilgen-Kleid der Unſchuld an-wird ziehen /
Den Braut-Rock / der Gewand der Fuͤrſten pochen kan.
Die Engel ſind nun ſelbſt zu ihren Buhlern worden /
Der Mund treibt jetzt Rubin / die Wangen Nelcken ein.
Weil irꝛdſche Schoͤnheit ſtirbt / ließ ſie der Menſchen Orden /
Und liebte vor den Tand der Ewigkeiten Schein.
Wir trauren ohne Grund / daß ſie zu kurtz gelebet;
Hofft ein Gefangener nicht endlich freye Lufft?
So lange Fleiſch und Blut an unſern Gliedern klebet.
Verſichert / daß der Tod uns jede Stunde rufft.
Das Grab iſt unſer Ziel / nach dem wir alle rennen /
Und iſt der Neidens werth der fruͤh den Sieg erhaͤlt?
Muß endlich dieſes Rund in grimmen Flammen brennen /
Wie ſuchet denn Beſtand der Menſch / die kleine Welt?
Durchgruͤble diß und das / betruͤbtes Frauen-Zimmer /
Wie hoch die Schoͤnheit iſt / der Tod wird nicht verliebt.
Und von der Perlen-Haut der angenehme Schimmer
Jſt nur ein duͤnnes Netz / das Erd und Staub umbgibt.
Der Jugend-Roͤthe bleicht / die Wunder-holde Sitten
Verrauchen mit der Zeit; die auſerleſ’ne Zier /
Hat oft ein eintzig Stoß der Kranckheit uͤberſtritten /
Und mit den Jahren faͤllt die reitzende Begier.
Der Sarch / wie ſchwartz er iſt / macht uns doch erſt vollkommen /
Deckt alte Schaͤdel mit den krauſen Locken zu /
Der Anmuth Licht / wie klar / wie lang es auch geglommen /
Verleſcht / der Heßliche find bey dem Schoͤnen Ruh.
Die33Leichen-Gedichte.
Die Selige die lehrt / wie|weit die Welt zu achten.
Viel bau’n zwar einem Leib / der zart iſt / ein Altar /
Doch wenn wir mit Vernunfft die Eitelkeit betrachten /
Eh noch das Opffer glimmt / ſo fault er auff der Bahr.
Schuldiges Mitleiden Bey Beerdigung Hn. J. G. Z. juͤngſten Soͤhnleins 22. April. 1665.
DEr Menſch iſt ja mit recht ein Gaſt der Welt zu ſchaͤtzē /
Denn heute kehrt er ein / und Morgen wieder aus:
Die Trachten / ſo die Zeit ihm pfleget fuͤrzuſetzen /
Sind balſamirtes Gifft und uͤberzuckert Grauß.
Es ſey die Koͤderung ſo lieblich als ſie wolle /
Die Koͤrner erſter Luſt ſind Doͤrner letzter Pein /
Daß nicht ein Aloe auf Julep folgen ſolle /
Waͤr in dem groſſen Saal der Erden ungemein.
Und unſre meiſte Koſt ſind raſende Begierden /
Jetzt macht uns Hoffnung ſatt / bald fuͤllt uns Schrecken an.
Den ſpeiſet hoͤchſt vergnuͤgt ein Auge voller Zierden /
Wenn der aus Gelddurſt nicht bey Nachte ruhen kan.
Wir laſſen nicht der Zeit erſt Raum uns zu verzehren /
Jndem vergaͤlter Haß und duͤrrer Neid uns friſt /
Denckt man fuͤrm Untergang durch Kraͤuter ſich zu wehren /
So iſt doch Fleiſch und Blut das uns vom Tode liſt.
Wir muͤſſen ingeſammt die Wuͤrme Schweſtern nennen /
Und die Verweſung nur als Mutter ſehen an.
Der Schluß iſt laͤngſt gemacht / daß Seel und Leib ſich trennen /
Die wird dem Himmel / der der Erden beygethan.
Weil Sterben und Geburt ſich feſt umbwickelt haben /
Das Leben und der Todt in gleichen Ketten gehn;
So iſts kein Unterſcheid / daß dieſer fruͤh begraben /
Ein ander ſpaͤt hernach wird auff der Bahre ſtehn.
Betruͤbtſte / daß mein Wort von keiner Anmuth linde /
Und heiſſen Schmertzen auch noch mehr die Sporen giebt /
Erwecket der Verluſt ob ihrem zarten Kinde /
Das / weils von Hertzen kam / das Hertze tief betruͤbt.
Dem Gaͤrtner bringt es Pein wenn ſeine Luſt-Gefielder
Ein gifftig Reif beſtreicht / und alle Muͤh verderbt.
Wenn er erſticken ſieht des Fruͤhlings ſchoͤne Bilder /
Und vor den wachen Fleiß nur lehre Stoppeln erbt.
C c cDer34Leichen-Gedichte.
Der Garten eurer Eh hat zweyfach Frucht getragen /
Und mit der doppel-Luſt das gantze Haus ergetzt;
Run eure Blume faͤlt / ſo iſt ſie werth zu klagen /
Und daß der Thraͤnen Thau noch ihre Blaͤtter netzt.
Denn ob zwar die Vernunfft hier wil den Meiſter ſpielen /
Jndem ſie ſchleuſt: Ein Sohn / der Freuden Sammel-Platz /
Der kuͤnftig Ehr und Ruhm kan dem Geſchlecht erzielen /
Des Vatern Ebenbild / der Mutter Luſt und Schatz /
Ein Kleinot / das geneigt hat die Natur gegeben /
Ein Gut / warumb der Menſch / ſo ſehr nach Guͤtern denckt /
Ein Stab / woran ſich haͤlt das hochbejahrte Leben /
Ein Pfand / das mit der Zeit den reichſten Wucher ſchenckt:
So muß doch die Gedult vernuͤnfftig dis erwegen /
Daß auch das Himmelreich den Kindern offen ſteht.
GOtt hat es heimgeholt / ein Kleid ihm anzulegen /
Das vor der Sonnenſtrahl und Schmuck der Sterne geht.
Es hat der reine Geiſt die Welt nicht ſollen ſchmecken /
Die Biſamkugeln weiſt / und Wermuth-Knoſpen reicht.
Noch mit der Schmincke ſich der Eitelkeit beflecken /
So Suͤnde mit dem Schein der Tugend uͤberſtreicht.
Die Laſterreiche Kunſt Gemuͤther anzukleiden /
Verſtellen Hertz und Sinn / ſo bald es Nutzen bringt /
Und unter vielem Lob des Nechſten Wolfahrt neiden /
Hat die ſo zarte Seel nicht mit dem Netz umbſchlingt.
Die ſaubren Glieder ſind von Luſten nicht entweyhet /
Denn ſeine Unſchuld trotzt auch Perlen / Lilgen / Schnee /
Er iſt von ſo viel Qual / die uns noch druͤckt / befreyet /
Er lauft den Hafen ein / wir irren auf der See.
Hemmt Eltern euren Schmertz. Jn dieſem Truͤbſals Garten
Traurt keine Blume nicht; Drumb iſt der liebſte Sohn
Jn jenes Land verſetzt / wo ihn die Engel warten /
Er waͤchſt / er gruͤnt / er bluͤht / gleich einer Kaͤiſer-Cron.
Hier knallt der Himmel offt von harten Donnerſchlaͤgen;
Dort weht ein Weſten-Wind dem Sohn Narciſſen zu.
Das eitle Blumwerck tilgt Wind / Nebel / Schnee und Regen;
Die Himmels-Blume hat von allen Wettern Ruh.
Sie konte den April der Zeiten nicht vertragen /
Drumb ward ſie einverleibt dem ewig gruͤnen May.
Nun mag kein Hagel auf die edle Pflantze ſchlagen /
Die Pracht bleibt unverletzt / die Bluͤten immer neu.
Unwie -35Leichen-Gedichte.
Unwiederrufflich iſts / daß Luſt ins Grab gewichen /
Daß die Ergoͤtzligkeit ſo aus den Haͤnden faͤllt /
Und mit dem lieben Kind viel Freuden ſind verblichen /
So mit Verlauf der Zeit ſein Wachsthum angeſtelt.
Alleine unſer Fuß kan nicht ſtets Roſen treten /
Weil Jammer-Diſteln offt verſchrencken Weg und Bahn.
Der Menſch iſt nur zu ſchwach die Doͤrner auszujaͤten /
Sie hengen unvermerckt des Lebens-Acker an.
Auch jener Weiſe nennt / ein todtes Meer / das Leben /
Jn welchem niemals ſich die Kummer-Welle regt.
Was hier der Hoͤchſte nimmt / das kan er wieder geben /
Weil ſein gewaltig Arm das Horn des Heiles traͤgt.
Ein rauher Saſſafras gleicht keinem Mußcateller /
Und doch der Wuͤrckung nach iſts ein geſunder Tranck /
Nach dickgewoͤlckter Nacht erſcheint die Sonne heller /
Und durch Verſtimmung lauft der zierlichſte Geſang.
Der Sohn iſt Thraͤnen werth / doch / weil auch dieſe ſchwinden /
So kan / Bekuͤmmerte / der Schmertz nicht ewig ſeyn.
Die Zeit und die Gedult pflegt Wunden zuzubinden /
Da eh ein hitzig Artzt ſetzt alle Meſſer ein.
Genung: die Fluͤchtigkeit iſt Roſen nicht zu nehmen /
Und unſrer Sterbligkeit Jnſiegel bleibt der Todt /
Wer ſich dem alten Bund und Recht nicht wil bequemen /
Der laͤſtert die Natur und handelt wider GOtt.
Beyleid Bey Beerdigung Hn. G. N. M. D. Toͤchter - lein den 4. May 1665.
BEſtuͤrtzte / wo mein Reim nach einer Leiche ſchmecket /
So wiſſt bey Sterbenden hab ich ihn auch gemacht /
Wo weder Liebligkeit noch Zucker drinnen ſtecket /
So dencket daß der Tod Kunſt / Witz und Zier verlacht.
Euch iſt ein liebes Kind / und mir ein Freund verblichen /
Und beyde fallen hin im angenehmen May;
Es ſind die Gratien von meiner Bruſt gewichen /
Statt eines ſuͤſſen Klangs erthoͤnt ein Leich-Geſchrey.
Die Kirchhoffs-Blumen ſind nicht nur die grauen Haare /
Weil bey den Kindern offt der Tod in Wiegen liegt /
C c c 2Das36Leichen-Gedichte.
Das Grab verzehret auch der Jugend Roſen-Jahre /
Man weiß von keinem Held der uͤbern Tod geſiegt.
Wenn ſchon die Stunde ſchlaͤgt / kan Eſculap nicht rathen /
Und gantz Arabiens ſein Balſam gilt nicht viel.
Der Syrer theures Oel und Jndiens Mußkaten
Sambt allem Bezoar verlaͤngern nicht das Ziel.
Jch weiß / Apollens Sohn / wie ſehr er ſich bemuͤhet
Sein allerliebſtes Kind dem ſterben zu entziehn:
Alleine dieſe Roſ und Lilg iſt nur verbluͤhet /
Ein Wolluſt-reicher May der Eltern gehet hin.
Es ſcheinet der Natur Geſetze faſt zu wieder /
Und ſtellt mit der Vernunfft ſchier einen Wett-Streit an /
Den Kindern druͤcken zu die matten Augen-Lieder /
Da man doch ſonſten wuͤnſcht / daß ſie uns diß gethan.
Doch unterſtehet ſich ein Menſch mit GOtt zu rechten?
Betagt der Erden-Kloß den Schoͤpffer fuͤr Gericht?
Ach nein! ein ſproͤder Thon der kan nicht wieder fechten /
Dem Allgewaltigen haͤlt niemand das Gewicht.
Es iſt dem ſchoͤnen Kind ſo uͤbel nicht geſchehen /
Wie ſaur es Fleiſch und Blut auch immer deucht zu ſeyn /
Die Eltern kraͤnckt es zwar / daß ſie die Luſt nicht ſehen /
So ſtets den Fruͤhling gab und einen Sonnen-Schein.
Der zarten Glieder Schmuck iſt freylich jetzt verſehret /
Der Wangen Nelcke bleich / der Lippen Scharlach blaß.
Der Aeuglein Sternen-Glut hat Finſterniß verſtoͤret /
Und dieſe Tods-Geſtalt macht eure Augen naß.
Es lacht euch nicht mehr an / gibt weiter keine Kuͤſſe /
Und redet / was den Geiſt von Grund erquicken kan.
Ach ja ich geb es zu / daß herbe Seelen-Riſſe /
Als Wecker ſtrenger Noth / euch hefftig greiffen an.
Hingegen wann ihr wohl des Hoͤchſten Schluß erweget /
Und grimmer Zeiten Lauff vernuͤnfftig uͤberſchlagt;
So hat ein zeitlich Tod das Kind zur Ruh geleget /
Da Unruh / Furcht und Angſt uns alle Stunden plagt.
Was iſt die Jugend ſonſt? Ein Jahrmarck ſchoͤner Suͤnden /
Worbey ein gruͤner Sinn faſt gar zu geitzig kaufft.
Das Blut iſt voller Gluth und kan ſich leicht entzuͤnden /
Daß einer Zuͤgel-loß in ſein Verderben laufft.
Je laͤnger man hie lebt / je mehr man ſich beflecket /
Und in die Gauckeley der ſchnoͤden Welt verliebt /
Wir37Leichen-Gedichte.
Wir ſpuͤren nicht das Gifft / biß daß wir angeſtecket
Und denn / der Laſter-Brand erhitzte Stiche giebt.
Die Seele ſehnet ſich dem Block-Hauß zu entgehen /
Wo die Begierden ſtets erboſte Hencker ſeyn /
Sie wil aus dieſer Nacht zu den geſtirnten Hoͤhen /
Und vor das Thraͤnen-Brod / des Himmels Freuden-Wein.
Viel Kummer wird zugleich mit in den Sarch geſetzet.
Betruͤbſte / denn das Kind iſt trefflich wohl verwahrt /
Wie ſehr ihr es geliebt / wie hoch ihr es geſchaͤtzet /
Und was von Guͤttern ihm ihr haͤttet fuͤrgeſpahrt /
Waͤr doch nur Sorgen voll und Aengſten reich geweſen.
Es hat den Himmel nun / der groͤſten Schaͤtze Schatz /
Umbzirckt mit lichtem Schmuck / und kan jetzt recht geneſen;
Drumb wiſcht die Zehren ab diß lehrt der Weißheit-Satz.
Man ruffet ſonſt Gluͤck zu / dem / der das Ziel erreichet /
Der Schiffer ſingt und ſpringt wenn er den Hafen ſieht /
Und warumb weinen wir / daß einſt der Menſch verbleichet /
Der zu mehr Herrligkeit und Wuͤrde nur verbluͤht.
Daß eurer Freude May im erſten May vergangen /
Und ſolche Lebens-Blum aus Mattigkeit verfaͤllt /
Thut weh und uͤberſchwemmt mit Thraͤnen Aug und Wangen:
Weil aber ſie nunmehr den Engeln zugeſellt
So treten Freuden ein. Denn ihre ſchoͤne Bluͤthen
Hat nicht ein gifftig Wurm noch Schmetterling befleckt /
Die Roſen im Geſicht / die ſo hochfaͤrbig gluͤhten /
Stehn dort noch unverwelckt / mit neuem Glantz umbſteckt.
Bewerfft des Kindes Grab mit Chloris Fruͤhlings-Kindern
Denn dieſes iſt die Thuͤr zu jenem Paradiß /
Hier ruht der zarte Leib. Das Leiden wird ſich mindern
So ſich bey Eltern erſt unbaͤndig ſehen ließ.
So weit kan ich nur Troſt / und zwar betruͤbet / bringen /
Denn wer bey Leichen ſitzt / ſchreibt ſelten was ergetzt.
Jch ſahe meinen Freund gleich mit dem Tode ringen /
Als ich theils Reim und Thraͤn auff dieſes Blat geſetzt.
Der Leſer wird hier nicht Ziebeth und Amber finden /
Denn ein Wacholder-Rauch verduͤſtert mir den Sinn;
Ein Artzt der ſelber kranck kan Wunden nicht verbinden /
Mich wunderts daß ich nicht ſchon laͤngſt ein Grab-Lied bin.
C c c 3Doch38Leichen-Gedichte.
Doch ſol mein Helicon hinfort der Kirchhoff heiſſen /
Weil jenen Eitelkeit / den Ewigkeit umſchraͤnckt /
Wer ſich den Banden nicht wil dieſer Welt entreiſſen /
Der zeiget / daß er mehr an Erd als Himmel denckt.
Klag-Elegi An Hn. M. v. H. bey Beerdigung ſeines ei - nigen Sohns im Junio 1666.
WEr jener Herrligkeit hoͤchſt-ſeligſtes Vergnuͤgen
Das unumbſchribne Licht / und unumgraͤntzte Reich /
Des Lammes Roſen-Blut / der Außerwehlten Sigen /
Verklaͤrter Leiber Glantz / der Sonn und Sternen gleich /
Mit Augen der Vernunfft was ernſtlicher betrachtet /
Und denn die Fluͤchtigkeit des Menſchen recht bedenckt /
Wie hier ſein ſicher Leib in ſtrengen Martern ſchmachtet /
Wie kaum ein Blick der Zeit verfleuſt der ihn nicht kraͤnckt /
Der merckt den Unterſcheid / den Schatten und die Sonne /
Das Licht und Finſternuͤß / den hell und truͤben Tag /
Des Lebens bittern Kelch / des Sterbens neue Wonne /
Das Thor dadurch man ein zur Freyheit gehen mag.
Wie ſchwartz der Todt auch ſcheint / wie finſter Grufft und Hoͤle /
So ſind ſie doch der Weg in das beſtimmte Reich.
Es zancke Fleiſch und Blut mit ſeinem Gaſt der Seele /
Was dorte ſchimmern ſol das muß hier werden bleich.
Wir koͤnnen nicht die Frucht noch fuͤr den Bluͤten haben /
Und wenn die Schlacken weg / ſo iſt das Gold erſt rein /
Wie ſehr die Laͤuffer ſonſt in ihrem Kreiſſen draben /
So wird / ders Ziel erreicht / nur Uberwinder ſeyn.
Ach ſichre Sterblichen / wie koͤnnen wir geneſen?
Wenn auch die Himmel ſelbſt in druͤm̃ern ſollen gehn.
Des Lebens kurtzer Brauch iſt ſo ein eitel Weſen
Daß wir mit einem Fuß ſtets in dem Grabe ſtehn.
Ein Schiffer der die See hat hin und her durchkreutzet
Wuͤnſcht / und erlanget auch den Hafen ſichrer Ruh.
Der Menſch / der ſo erhitzt nach langem Leben geitzet /
Weiß nicht aus Aberwitz / wie er ſo thoͤricht thu;
Welch Kauffman tauſchet Glas / und giebet Amethiſten?
Wer wechſelt den Demant umb Folgen und Criſtall?
Noch39Leichen-Gedichte.
Noch laͤſt ein Sterblicher zum offtern ſich geluͤſten /
Daß vor des Himmels Schloß er wehlt der Erden Ball.
Da keine Gleich nuͤß doch iſt irgend wo zu finden /
Hier iſt der Doͤrner Thal und dort das Roſen-Land:
Wer lieſt ihm Ketten aus vor Kron und Ehren-Binden?
Der guten Acker hat der ſaͤ’t nicht in den Sand.
Hoch-Edler / wolte GOtt daß dieſe Zeilen kraͤfftig
Zubrechen Angſt und Weh / das ſeine Seele nagt!
Die Feder waͤr anitzt mittleidende geſchaͤfftig /
Und haͤtte ſich was mehr zu fertigen gewagt.
Allein ein ſolcher Schmertz der nach dem Hertzen greiffet /
Ein Leid das groͤſſer nicht auff Erden kommen kan /
Ein Blitz / der umb das Haus mit Feuer-Stralen ſchweiffet /
Ein unerhoͤrtes Ach nimmt ſchlechten Troſt nicht an.
Es ward ja Niobe verwandelt in die Steine /
Als ſie die Leichen ſtatt der Kinder liegen fand /
Daß itzt / Hochwertheſter / ſein Hertz nicht blutt und weine
Erzwingt kein Stoiſch-Kopff durch harter Lehre Tand.
Die Thraͤnen moͤgen hier mit reichen Stroͤmen flieſſen /
Was unerſetzlich iſt / iſt billich klagens werth /
Den einig lieben Sohn in ſchoͤnſter Bluͤte miſſen /
Bringt Jammer der den Kern der Geiſter gar verzehrt.
Der Eifer bey der Welt ſich wol verdient zu machen /
Die Thaten / die dem Land erſprießlich offt genutzt /
Der Ruhm / der endlich kroͤhnt die Helden-hafften Sachen
Wird / wo nicht Erben ſeyn / doch von der Zeit getrotzt.
Und was noch ſchmertzlicher; wenn ſchon der May der Jugend
Den Zuwachs guter Zucht auff allen Seiten zeigt /
Wenn ſchon der Eltern Muth / und angeerbte Tugend
Mit gleicher Treffligkeit auch in den Kindern ſteigt.
Der liebens-werthe Sohn / den reine Sitten zierten /
Der ſchon den Hoffnungs-Baum voll Fruͤchte ſehen ließ /
Den Mars und Delius zu hohen Wercken fuͤhrten /
Der ſich den Buͤchern hold / den Waffen Freund erwieß;
Verlaͤſſet nun nichts mehr / als ſehnliches Verlangen /
Und iſt den Blumen gleich / die wunder-praͤchtig bluͤhn /
Doch eh die Sonne noch im Schooß der See gegangen /
Das bleiche Sterbe-Kleid des welckens an ſich ziehn.
C c c 4Die40Leichen-Gedichte.
Die freundliche Geſtalt / die viel bißher ergetzet /
Des Leibes Hurtigkeit fleucht itzt das Licht der Welt
Das Kleinot / das ſo hoch die Traurenden geſchaͤtzet /
Der Freuden Sammel-Platz wird durch den Tod verſtellt.
Wer ſolche Regungen des Blutes wil beſigen
Muß mehr als Hercules bey Ungeheuren ſeyn /
Die zaͤrtlichſte Vernunfft muß hier nur unterliegen /
Denn Tod und Liebe gehen wol kein Verbuͤndnuͤß ein.
Jedoch wie ſetzt der Menſch des Hoͤchſten Willen Schrancken?
Der Schluß iſt laͤngſt gemacht: Es muß geſtorben ſeyn.
Wie mag der Erdenkloß mit ſeinem Schoͤpffer zancken?
Die Hand / die ihn gemacht / die reiſt ihn wieder ein.
Ein williger Soldat wird nur gedultig hoͤren
Die Stimme die ihn heiſt ſein Leben opffern auff /
Der Zeiten Wechſel-Rad kan uns grundrichtig lehren /
Daß ſtehen und vergehn ſey der gemeine Lauff.
Es iſt zwar der Natur Geſetze faſt zu wider
Daß der dem Sterbenden die muͤden Augen druͤckt /
Der ſehnlich nur gewuͤnſcht / wenn die verdorrten Glieder
Vom Alter abgeſchwaͤcht / daß ihm es ſo geluͤckt.
Weil aber fuͤr den Tod noch niemand iſt begnadet
Und unſre Sterbligkeit von keinem Freybrief weiß /
Ja auſſer dem gewiß / daß Baar und Grufft nicht ſchadet /
Denn ſie eroͤffnen nur die Pfort ins Paradeiß:
Als wird auch hier der Schmertz ſich mit Gedult verbinden /
Horatz hat unbewegt das Capitol geweyht
Wie ihn die Poſt beſprang ſein Sohn ſey todt zu finden.
Der Anaxagoras vollfuͤhrt der Fragen Streit /
Ob ſchon ſein eintzig Kind ins Finſtre ſich begeben.
Wie ſol / Hoch-Edler / nicht ſein unerſchrocken Muth /
Der keinen Feind geſcheut / auch GOttes Schluß nachleben
Der allzeit Vater iſt / wie ernſtlich er ſonſt thut?
Der hertzgeliebte Sohn ſchwebt unter tauſend Engeln /
Die Unſchuld kleidet ihn in weiſſen Atlas an /
Er weiß nichts von der Welt / und ihren Suͤnden-Maͤngeln /
Nun er des Lebens Brod ſo wol genieſſen kan.
Verehr -41Leichen-Gedichte.
Verehrte Aſche / Fr. A. M. v. R. g. v. S. den 13. Martii. 1667.
MEin Leſer laß dir nicht vor meinen Zeilen grauen /
Die voller Aſche ſind und reden nur von Staub /
Du wirſt den Jnbegriff der Eitelkeiten ſchauen /
Wie nichts mehr uͤbrig iſt als dieſer Aſchen-Raub.
Jn eitlen Augen ſind es wol betruͤbte Blicke /
Daß von der Herꝛligkeit des Menſchen diß nur bleibt /
Doch weil ſie GOtt erwehlt / und braucht zum Opferſtuͤcke /
Ja gar des Himmels Erb in ſolcher uns verſchreibt:
So kan ein feurig Geiſt auch hier Vergnuͤgung finden /
Wenn er ſich Adlern gleich ſchwingt zu der Sternen Hoͤh /
Und weiß durch wahre Spur deß Glaubens zuergruͤnden /
Daß der verweſte Leib in Aſche nicht vergeh.
Hier iſt ſie ein Entwurff der irꝛdiſchen Gebrechen /
Und dort ein Saame der zu Schmuck und Klarheit bluͤht;
Wenn GOttes Richt-Tag wird das groſſe Urtheil ſprechen /
Gewiß / daß ſie mehr ſchoͤn als alle Blumen ſieht.
Die tieffſte Weißheit kan ein Aſchen-Hauff uns zeigen /
Ein morſcher Todten-Kopff iſt eine hohe Schul.
Wenn ſich das Leimen Hauß muß zu der Erden neigen /
So ſteht doch einſt der Leib verklaͤrt fuͤrs Hoͤchſten Stul.
Die Heyden glaubten ſelbſt was Goͤttlichs von der Aſchen /
Bevor das guͤldne Rom hielt ſeine Kaͤyſer werth;
Denn wenn ſie ſie genug mit Thraͤnen abgewaſchen /
Faſt ein vergold Geſchirꝛ diß was noch unverzehrt.
Jch will vom Goͤtzendienſt der neuen Welt nichts ſagen /
Diß iſt ja wunderns voll was Pegu aufgebracht:
So bald ſein Prieſter wird / ein Rolim / hingetragen /
So iſt ein Traur-Gezelt aufs herꝛlichſte gemacht;
Die Leiche ſteht umzirckt vom Koͤnig und den Seinen /
B den geſalbten Leib die Flamme hat verzehrt /
Alsdenn bey Seiten-Spiel / und bey der Grepos weinen /
Hebt die geheiligt Aſch ihr Koͤnig auf und ſchwehrt.
Man frag in China nur die witzigen Bramipen /
Was vor ein Heiligthum verbrandte Coͤrper ſeyn.
Fing nicht auch Jſrael dem Moloch an zu dienen /
Als in dem Aſchen-Thal diß Ungeheur brach ein?
C c c 5Nun42Leichen-Gedichte.
Nun dieſer Aſchen-dienſt gleicht mit der Hoͤllen Kohlen /
Und geht nicht unſern Leib noch die Verweſung an.
Wir koͤnnen beſſern Troſt auß erſter Kirche holen /
Da ſie mit einem Kuß die Aſche beygethan;
Und dieſe Pflicht beruht auf gutem Angedencken;
Der Menſch iſt ja kein Felß / noch irgend Zembliſch Eiß /
Daß er den Seinigen nicht Thraͤnen ſolte ſchencken /
Wenn er ſie von dem Liecht der Welt geſchieden weiß.
Hoch-Edle / die ihr jetzt in Staub und Aſche ſitzet /
Und eurer Mutter Aſch auß treuem Hertzen ehrt;
Jch glaube daß der Schlag tieff in die Seele ritzet /
Und ein ergrim̃tes Leid nicht gern vom troͤſten hoͤrt.
Jedoch muß hier Gedult den kluͤgſten Meiſter ſpielen /
Und daß des Hoͤchſten Schluß unwiderruflich ſey.
Wer vor der Erden Ball den Himmel kan erzielen /
Lebt in gekroͤnter Luſt von bleichen Sorgen frey.
Das Sodom dieſer Welt zeigt Frucht und Koſt von Aſchen /
Da Schwefel / Graus und Stanck im innern Buſem ſteckt.
Weh dem / der aus Begier wird von den Aepffeln naſchen /
Weil ſie der Fluch noch mehr als ſelbſt ihr Gifft befleckt.
Betruͤbtſte / dieſe Bruſt ſo wir zu erſt geſogen /
Der Mund / der uns ſo offt hertzinniglich gekuͤſt /
Die Pflegung die uns hat als Kinder aufgezogen /
Jſt tauſend Thraͤnen werth / und wird nicht gern vermiſt.
Allein die Seelige iſt nicht ſo gar geſtorben /
Das minſte Theil das wird hin in die Grufft gelegt;
Es iſt auch bey der Stadt ihr Ruhm noch unverdorben /
Den ſelbſt die Tugenden in Marmel eingepregt.
Sie iſt dem Labyrinth der Eitelkeit entgangen /
Dem Fallſtrick der ſich offt umb Leib und Seele zeucht:
Sie darff nun weiter nichts noch hoffen noch verlangen /
Weil ihre Freude ſich mit Menſchen Luſt nicht gleicht.
Wir feyren nur noch hier die Angſt - und Marter-Wochen /
Sie ſpeiſt vom Oſter-Lamb und trinckt den Lebens-Wein:
Sie / als Amazonin / iſt hurtig durch gebrochen /
Und geht als Siegerin die Ehren-Pforten ein.
Wir wollen auch den Reſt der Aſche nicht entweihen /
Weil ſie ein wahres Bild der Auferſtehung gibt.
Der Saamen / den wir hier in Gottes Acker ſtreuen
Bringt Aehren / welcher Frucht der Himmel eintzig liebt.
Er -43Leichen-Gedichte.
Ergruͤnder der Natur / und ihrer Heimligkeiten /
Die koͤnnen durch die Kunſt die Blumen wecken auf /
Man wird im Glaſe ſehn ſich Laub und Bluͤth außbreiten /
Jn einem Augenblick ſo iſts ein Aſchenhauff.
Der Kircher hats zu erſt in Neſſeln ſo erwieſen /
Die andern durch die Nelck und Roſen dargethan /
Daher bleibt dieſer Grund bey ihnen hoch geprieſen /
Wie daß kein Coͤrper nicht durchauß verfaulen kan.
Geſchicht diß in Gewaͤchs in Blumen und in Kraͤutern /
Vielmehr wird unſer Aſch ein edle Blume ſeyn;
So kan der Tod ſie nicht verderben / ſondern laͤutern /
Daß ſie dort oben ſtrahlt im Sternen-lichten Schein.
Es mag Arabien den ſeltnen Vogel ruͤhmen /
Den die gelehrte Welt den Phoͤnix hat genannt /
Der / wenn er ſterben ſoll / ſein Neſt pflegt zubebluͤmen /
Und ſteckt es mit Gewuͤrtz in den frucht-reichen Brand.
Auß dieſer Aſche wird ein Phoͤnix neu gebohren /
Der ſo viel hundert Jahr als eben jener lebt /
Wer glaubet diß Gedicht und Luſtſpiel leerer Ohren /
Das gleich mit der Vernunfft der Warheit wiederſtrebt?
Nein / unſer Aſche ſol den Phoͤnix neu gewehren /
Und die Verweſung ſoll vollkommen fruchtbar ſeyn.
Das Grab das kan nichts mehr als Haut und Fleiſch verzehren /
Der Phoͤnix / unſre Seel iſt ohne Mackel rein.
Es mag ſich Ophir auch mit guͤldner Aſche weiſen /
Sie kan in Schaͤtzbarkeit doch der nicht gleiche gehn /
Jn jene raaſt die Zeit und kluger Kuͤnſtler Eiſen /
Aus dieſer aber ſolln die Menſchen auferſtehn.
Dreyfache Ehren-Krone / Fr. A. v. H. g. B. den 10. April 1667.
DJe Tugend iſt nie bloß und ohne Glantz erſchienen /
Es hat die alte Welt ihr Kronen zugezehlt /
Und Lorbeern / die noch heut in Zeiten-Buͤchern gruͤnen /
Weil Tugend ihr ja ſtets den Ruhm zum Zweck er - wehlt.
Zwar44Leichen-Gedichte.
Zwar wie ein freyes Volck in reinen Sitten lebte /
Und nicht ein Goͤtzen-Knecht des ſchnoͤden Goldes war /
Als ein ermuntert Geiſt nach Helden-Thaten ſtrebte /
Und ihm ſein eignes Lob ſein eigne Fauſt gebahr;
Hat oft ein ſchlechtes Blat des Siegers Haupt bekraͤntzet;
Rom theilte friſches Graß an ſtatt der Kronen aus /
Jn welchem Ehrenſchmuck ſein Buͤrger mehr geglaͤntzet /
Als der ſo Perlen ſucht itzt bey der Sonnen Hauß.
Minerva hat darumb den Oelzweig ſelbſt geſetzet /
Damit ihr jaͤhrlich Feſt bekroͤnet konte ſeyn;
Die Eiche Jupiter zu Kronen werth geſchaͤtzet.
Jm gruͤnen Myrtenſchmuck ſtellt ſich die Venus ein.
Der Heyden Prieſter ward belaubt mit Blum und Blaͤttern /
Und ihm das Opffer Vieh in Kraͤntzen zugefuͤhrt /
Und wenn die Kaͤyſer ſelbſt ſich wolten recht vergoͤttern /
Hat ihr geweyhtes Haupt der Lorbeer-ſtrauß geziert.
Der Zeiten Unſchuld blieb in ſolchen guten Schrancken /
Biß daß die Uppigkeit die Oberhand gewan:
Dann fieng der Vaͤter Witz und Tugend an zukrancken /
Als ein gantz Morgenland zu Kleidern Seide ſpan.
Auguſtus ließ zu erſt die goldnen Kronen blicken /
Und ſeine Herꝛlichkeit im hoͤchſten Purpur ſehn
Drauf hat was Oſt und Weſt von Steinen koͤnnen ſchicken /
Deß Phrygers kluge Hand auf Kronen muͤſſen nehn.
Biß der Tyrannen Stoltz und Hochmuth ſo geſtiegen /
Daß ihre Scheitel ſtets von Demant traͤchtig ſtand /
Daß Strahlen umb ihr Haupt wie Sonnen muſten fliegen /
Und dieſe Raſerey verzehrt ein gantzes Land.
Es war das Capitol ein Schauplatz ſolcher Schaͤtze /
So von dem Kronen-Gold verſchwendriſch beygelegt /
Biß daß Veſpaſian entweyhte die Geſetze /
Und hat das Heiligthum durch Muͤntzen umbgepraͤgt.
Zwar Kronen bleiben noch der Majeſtaͤten Zeichen /
Und Spiegel / welche recht die Hoheit ſtellen fuͤr;
Sie ſind Kleinodien bey den begluͤckten Reichen /
Der Throne Morgenroͤth und aller Zepter Zier.
Hingegen ſind ſie auch ein Gauckelſpiel der Zeiten /
Ein Ziel worauf das Gluͤck die ſchaͤrffſten Augen hat:
Wenn ſie von auffen Pracht und Herꝛlichkeit begleiten /
So haͤlt inwendig Angſt und Noth die Hofeſtadt.
Und45Leichen-Gedichte.
Und ferner druͤcken ſie nicht immer kluge Haare /
Die Statſucht kieſet oft fuͤr Weiſe Thoren auß /
Ja wann mans recht bedenckt / ſo iſts geborgte Waare /
Ein Schimmer der verfaͤllt in Aſche / Staub und Grauß.
So viel Rubinen da in ihrem Umbkreiß brennen /
So viel vergoſſen Blut befleckt den lichten Schein /
Die blancken Schwerdter gibt der Tiamant zu kennen /
Es muß der Chryſolith offt gifftig Schirling ſeyn.
Wir ſehen im Sapphir den blauen Neid ſich regen /
Granaten machet ihm der Zorn zu Waffen recht /
Der liebliche Smaragd wird die Verſtellung hegen /
Ein faͤrbichter Opal zeigt Gnad und Gunſt geſchwaͤcht.
Der Reſt vom Zierath iſt ein Band geflochtner Hecken /
Wo Sorgen-Doͤrner ſtehn und Kummer-Neſſeln bluͤhn.
Den Glantz bezwingt die Zeit / die Wuͤrde banges Schrecken /
Jn einem Augenblick iſt Kron und Zepter hin.
Verkehrte Sterblichen! Kommt zeiget eure Griechen /
Die Spiel - und Rennebahn von tauſend Kronen reich.
Sind ihre Kraͤntze nicht als wie ihr Leib verblichen /
Und ſchaͤtzte ſich Athen auch ſchon den Goͤttern gleich?
Stellt doch die Roͤmer dar; vom Blitz der Edelſteine /
Von Perlen derer Werth offt fette Laͤnder fraß /
Vom Purpur und Scarlat / vom zaͤrtſten Helffenbeine /
Blieb nichts: Alt Rom iſt ſelbſt nur ein beruͤhmtes Aaß.
Ach weit in ſchoͤnrem Schmuck und weit in ſchoͤnrer Krone /
Die ſelbſt die Ewigkeit zuſammen hat geſetzt.
Prangt itzt der Frauen Ruhm / die ſeelige Matrone /
Die keiner Zeiten Sturm noch Zufall mehr verletzt.
Es heiſcht es Schuld und Pflicht das werthe Grab zu kroͤnen /
Diß ſag ich: Blumen ſind hier ein ohnmaͤchtig Werck;
Wo etwas ewiges mir goͤnnen die Camenen /
Wo ich nicht Frembdling bin in jenem Muſen-Berg /
So ſolte freylich hier die Pieris nicht ſchweigen /
Wiewol die Tugend will und mag die Schmincke nicht /
Sie kan ſich weſentlich durch ſchoͤne Wercke zeigen /
Jſt ſelbſt ihr Redener und auch zugleich ihr Liecht.
Es hat die Seelige untadelhafft gelebet /
Der Ahnen graues Lob durch ihres gruͤn gemacht /
Dem Guten nachgefolgt / dem Boͤſen wieder ſtrebet /
Und allzeit mit Vernunfft der Sachen Zweck bedacht.
Drey46Leichen-Gedichte.
Drey Kronen zieren hier und dort ihr Angedencken /
Zur erſten webte bald die Keuſchheit ſeidnen Schnee.
Die folgende wolt ihr der Himmel ſelber ſchencken /
Jn dem er ſie bekroͤnt mit einer edlen Eh.
Der letzte Sieges-Krantz iſt reich an ſeltnen Zierden /
Weil nichts Verweßliches ihn zugeſchloſſen hat.
Der herꝛliche Triumph von irꝛdiſchen Begierden /
Flicht jetzt umb beyde Schlaͤff ein ewig gruͤnes Blat.
Drey Soͤhne laſſen mich noch nicht verſtummet werden /
Wiewol mein todtes Wort nicht ihren Ruhm verklaͤrt.
Der Mutter Augen-Troſt und hoͤchſte Freud auf Erden /
Ward ihr durch derer Mund und Gegenwart gewehrt.
Cornelia ſchleuſt recht: Die nicht gehaͤuffte Schaͤtze /
Gold / Ring / und Edelſtein ihr beſtes Kleinod heiſt.
Gezogne Soͤhne ſehn / Liebhaber der Geſetze /
Verurſacht daß ihr Hertz in Freuden ſich ergeuſt.
Es ſchien der Seeligen ihr Ehſchatz nicht verlohren /
Nach dem ſich auch ihr Sohn auf gleichen Staffeln fand /
Mit jener Roͤmerin hat ſie den Schluß erkohren /
Daß ſie der Soͤhne Gluͤck nennt ihren Ehren-Stand.
Beſtuͤrtzte / der Verluſt iſt unſchwer zuermeſſen /
Der Mutter Leiche kan nicht ſonder Thraͤnen ſeyn.
Jch weiß / daß dieſes Leid muß grimmig umb ſich freſſen /
Und reiſt ein gutes Theil von eurem Vorſatz ein.
Jedoch weil ſie den Lauff in Tugenden vollendet /
Und ihre Bahre kroͤnt ein ewiges Geruͤcht /
Weil ihr die Ewigkeit die Palmen zugewendet /
So ſaget die Vernunfft zwey Woͤrter: Trauret nicht.
Helden-Ruhm / Hn. M. v. H. den 31. Julii 1667.
ES ſollen / Held / dein Grab die Thraͤnen nicht entweyhen /
Und ein betruͤbtes Ach dem Sarch beſchwerlich ſeyn.
Es wird dir keine Hand hier Nelck und Lilgen ſtreuen;
Denn Buhler ſcharret man in ſolches Blumwerck ein.
Es darff kein Klage-Weib ein traurig Winſeln fuͤhren /
Der Lydier ihr Thon der wird hier nur verlacht.
Wer deine Bahre will nach den Verdienſten zieren /
Der ſchaffe / daß die Grufft von Blitz und Donner kracht.
Der47Leichen-Gedichte.
Der Fahnen freyer Flug / die hagelnden Muſqueten /
(Klang /
Der Drommeln rauher Thon / der Spieß - und Schwerter -
Granaten in der Lufft / und Schlooſſen aus Falckneten /
Die ſtimmen / Seeliger / dir ſchon den Leich-Geſang.
Bello na hat ſich ſelbſt in blancken Stahl geſchloſſen /
Und will die letzte Pflicht / dir / ihrem Sohne / thun:
Und Helden die ihr Blut vors Vaterland vergoſſen /
Laͤßt dieſer Trauer-Dienſt nicht in den Graͤbern ruhn.
Wich duͤnckt Arminius / der Kern von Teutſchen Rittern
Erſcheint in der Geſtalt / wie er die Roͤmer ſchlug:
Und dorten ſeh ich auch ſich den Tuiſco wittern /
Der tauſendfachen Raub von ſeinen Feinden trug.
Jhr Augen fuͤnckeln noch und brennen voller Flammen /
Der Mund bricht auf alt Teutſch in ſolche Worte loß:
Der Ahnen feurger Geiſt muß auch auf Soͤhne ſtammen;
Zu unſrer Nachwelt Ruhm / wuchs uns das Hertze groß.
Das Fell von einem Thier ſo wir zu erſt geſchlagen /
Die Kolbe ſo da hat die eigne Hand geſchnitzt /
Und Wunden auf der Bruſt die wir mit Luſt ertragen /
Die haben / Kinder / euch die Graͤntzen ſtets beſchuͤtzt.
Die Fauſt war nur gelehrt den Streich wol zu vollfuͤhren /
Der Thaten Tapfferkeit ſchrieb keiner an die Wand.
Rom zwang den Kreiß der Welt / und konte triumphiren /
Doch niemahls uͤber uns / und uͤber unſer Land.
Ach haͤtte doch der Arm der ſich in Blut gewaſchen
Die Feder auch ſo wol als Spieß und Schwerdt gebraucht!
Viel Helden legen nicht vergeſſen in der Aſchen /
Es waͤr ihr wahrer Ruhm nicht in der Lufft verraucht.
Jedoch die Tapfferkeit bluͤht noch in unſern Erben /
Der angebohrne Muth ſteigt Cedern gleich empor /
Und laͤſt den Sieges-Krantz der Vaͤter nicht verderben /
Er thut ſich noch vielmehr als wie ein Loͤw hervor.
Was unſern Schatten jetzt hat an das Liecht getrieben /
Was aus der Gruben hat die Geiſter aufgeweckt /
Diß iſt des Haunolds Tod / den wir entſeelt auch lieben /
Und deſſen werthes Grab mit Lorbern man umbſteckt.
Wir wiſſen wie er bald von zarten Kindes-Beinen /
Sein hurtiges Gemuͤth und Hertze ſehen ließ.
Er gieng nach Adlers-Art / wo Ehren-Sonnen ſcheinen /
Ob ſchon manch rauher Wind ihm in die Augen bließ.
Sein48Leichen-Gedichte.
Sein erſte Krieges-Schul iſt Grafenhag geweſen /
Und Maſtrich nahm ihn drauf nechſt andern Siegern ein.
Die Nachwelt wird noch mehr von friſchen Thaten leſen;
Wir hoͤrten ſein Gewehr auch klingen umb den Rhein;
Und ſahen hoch erfreut zum Hauptmann ihn erwehlet /
Und wie er mit Verſtand den Knechten Ordre gab:
Wie weder Muth / noch Blut / noch Rathſchlag ihm gefehlet /
Das Vortheil ſeinem Feind bey Speyr zu rennen ab.
Ja unſre Kronen ſind durch ihn vollkommen worden:
Die Plaͤtz auf welchen er ſo ritterlich gekaͤmpfft /
Bewohnten weiland wir / doch unter Raub und Morden /
Biß der / der uns ſo hart verfolgte / ward gedaͤmpfft.
Die unverruͤckte Treu / und unermuͤdet Wachen /
Die Dienſte ſo er hat dem Vaterland gethan.
Die laſſen uns allhier nicht viel Gepraͤnge machen /
Weil unſer Mund auch nicht recht zierlich reden kan.
Ein Teutſches Helden-Lied / wie wir im Lager ſungen /
Klingt / nun die Sprache ſteigt / in zarten Ohren nicht;
Zu dem gruͤnt Haunolds Lob auf mehr denn tauſend Zungen /
Und ſeine Wercke kroͤnt ein ewiges Geruͤcht.
So ſchloß der Fuͤrſten Mund: und ſie umbgab ein Reyen /
Von Siegern / derer Haupt mit Palmen war bekraͤntzt:
Willkommen tauſendmahl fieng jeder an zu ſchreyen /
Willkommen Held / der nun bey unſern Sternen glaͤntzt.
Dein Grabmahl ſoll auch hier nicht ohne Zierath bleiben /
Wir pflantzen dir zum Ruhm / Spieß / Lantze / Helm und Schwerdt /
Wir wolln in deinen Schild auch neue Thaten ſchreiben /
Und was nur Krieariſch heiſt ſey dir hiermit gewehrt.
Auf! ihr Soldaten! auf! laſt euren Donner hoͤren!
Nur nicht ein Klaggeſchrey / denn das kommt Welbern zu.
Jhr werdet euer Haupt ſtillſchweigend beſſer ehren /
Frolocket eurem Held / nach Streit hat er jetzt Ruh.
Sie ſchwinden: Und mir faͤllt ein Nebel vors Geſichte /
Jch hoͤre Knall auf Knall der durch die Luͤffte bruͤllt.
Will meine Clio fliehn? Erſinnt ſie kein Getichte /
Das wegen deß Verluſts das Trauren etwas ſtillt?
Nein. Denn wer alſo faͤllt / ſtirbt unter Ehren-Kronen.
Der mitten im Beruff die Seele von ſich blaͤſt /
Umb49Leichen-Gedichte.
Umb deſſen Grab kan nichts als Ruhm und Hoheit wohnen /
Und oben fuͤhlt der Geiſt des Himmels Freuden Weſt.
So bleibt auch bey der Welt ein ruͤhmlich Angedencken;
Der lobt den friſchen Muth / und der die Redligkeit.
Denn Tugend laͤſſet ſich nicht in das Grab verſencken /
Noch daß der Jahre Hand mit Schimmel ſie beſtreut.
Wir legen nu den Reſt des Coͤrpers in die Erden /
Und duͤrffen nicht bemuͤht umb theuren Marmel ſeyn.
Der Ruhm faͤhrt durch die Welt auff weiſſen Sieges-Pferden /
Und Haunolds Seele ſchwebt in Sternen lichtem Schein.
Todes-Liebe Jfr. M. S. S. v. L. den 7. Aug. 1667.
SO wilſtu / Seelige / nicht mehr im Schatten leben?
So eilt dein reiner Geiſt dem Abend zu entgehn?
So ſol kein ſterblich Arm dir hier ein Brant-Kleid webẽ?
Nein; denn du wilſt verklaͤrt dort bey den Engeln ſtehn.
Beliebt dir ferner nicht den Schau-Platz zu beſchreiten /
Der deine Jugend ſelbſt zum Bild der Schoͤnheit macht?
Schlaͤgſtu großmuͤthig aus ſo viel Ergetzligkeiten /
Und legſt veraͤchtlich hin den Fruͤhling deiner Pracht?
Muß nun das ſchwartze Grab der Glieder Anmuth freſſen?
Verfaͤllt der Jahre Blum in einen duͤrren Sand?
Kroͤhnt dein ſo ſchoͤnes Haupt ein Strauch von Leid-Cypreſſen /
Da doch die gantze Stadt dir Myrten zuerkannt?
Ach jal ſo viel / deucht uns / es ſey von dir verdorben /
Wir albern Sterblichen / wir nennen diß Verluſt /
Da doch die Seeligſte im wenigſten geſtorben /
Sie lebt / und lieget nun dem Heyland an der Bruſt.
Fleuch / rieff er / Freundin / fleuch / und geh in deine Kammer /
Verbirg dich / biß du wirſt mein Antlitz wieder ſehn /
Der Jrrſaal dieſer Welt hegt nichts als Angſt und Jammer /
Wer ſich vergehen wird / umb den iſts auch geſchehn.
Die Stimme trieb ſie an die Erde zu verlachen /
Und was ſonſt praͤchtig ſcheint / das ſah ihr heßlich aus /
Sie wuſte / daß wie groß wir unſre Wercke machen /
Sie endlich doch vergehn in Aſche / Staub und Grauß.
Daß die Begierden uns im Leben noch verzehren /
Die Kindheit kennt ſich nicht / die Jugend brennt voll Gluth /
Den Kern der beſten Zeit wird Sorg und Neid beſchweren /
Das Alter weiß es nicht / wie es ſo kindiſch thut.
D d dUnd50Leichen-Gedichte.
Und ſolt ein zarter Geiſt nicht dieſe Dornen fliehen /
Die umb der Keuſchheit Blum / als Feind im Angriff ſtehn?
Sol ſich ein reines Hertz dem Netze nicht entziehen /
Das zwar die Wolluſt ſpinnt / doch macht / daß wir vergehn?
Es hat die Seelige keine andre Flamm entzuͤndet /
Als die ihr Braͤutigam ihr von dem Himmel wieß /
Und die uns Sterbliche mit GOtt ſo feſt verbindet /
Und zu Einwohnern macht in jenem Paradieß.
Wen ſolche Liebe ruͤhrt / und ſolch Verlangen brennet /
Der eilet aus dem Thal der Thraͤnen Tag und Nacht /
Und weiß / daß weder Noth noch Tod den Vorſatz trennet /
Den Glaube unterbaut / und Andacht embſig macht.
Die werthe Jungfrau rieff / komm Tod / kom̃ mein Verlangen /
Jch bilde mir dich nicht / wie man dich mahlet / ein /
Denn meine Seele wil dich liebſter Gaſt / umbfangen /
Du ſolſt ihr Fuͤhrer / und ſie wird Gefaͤrtin ſeyn.
Was ſaͤumſtu mir anjetzt die Augen zuzudruͤcken?
Klopf’immer an das Hertz / es ſchlaͤget nur nach dir.
Jch trage keine Scheu vor deinem Pfeil und Stricken /
Dein Anſehn das erweckt zum Sterben die Begier.
Mein Braut-Krantz / den ich geb in des Erloͤſers Haͤnde /
Das iſt mein rein Gemuͤth / von keiner Brunſt befleckt.
Die Seuffzer / ſo ich aus dem Grund des Hertzens ſende /
Sind Zeugen / daß nach ihm mein eintzig Ziel geſteckt.
Doch irr ich / oder nicht / mein Braͤutgam iſt zugegen /
Jn ſeinen Armen find ich die gewuͤnſchte Rul.
Willkommen Seelen-Schatz / mein eintziges Vermoͤgen /
Der mich vergnuͤgen kan / iſt keiner ſonſt / als du.
Klagt doch ihr Eltern nicht der Jugend Morgen-Roͤthe /
Die hier im Sarg erbleicht / geht dort den Sternen fuͤr.
Denckt nicht daß meinen Ruhm ein zeitlich Tod ertoͤdte /
Der neuen Klarheit weicht der ſchoͤnſten Perlen Zier.
So ſtarb Sie / als den Leib die Mattigkeit bezwungen /
Gleich einer Blume / die von groſſer Hitze faͤllt /
Die in der Sommers-Zeit der Hunds-Stern hat verdrungen /
Daß ihre Hoheit nicht deu erſten Glantz behaͤlt.
Wiewol den edlen Stamm / die Lieblichkeit der Jugend /
Die Sitten guter Art / den himmliſchen Verſtand /
Des Leibes Hurtigkeit / und angeerbte Tugend
Man nicht zu Grabe traͤgt / noch ſcharret in den Sand.
Sie51Leichen-Gedichte.
Sie prangt im Sieges-Krantz / der Schnee und Lilgen pochet /
Die Unſchuld kleidet ſie in weiſſe Seiden ein.
Vergebens daß man was ihr Grab zu kroͤnen ſuchet.
Sie iſt des Hoͤchſtens Braut / wie kan ſie ſchoͤner ſeyn.
Ein andre frey nach Stand / nach Hoheit / nach Geluͤcke /
Sie hat den Sammel-Platz der Freuden ſchon erlangt /
Sie kuͤßt des Liebſten Mund / und gibt ihm ſolche Blicke /
Jn welcher Straal und Blitz ſie Engeln gleiche prangt.
Du Seelig Edle Seel haſt nun den Bitterkeiten /
Die dir dein Name bringt / gluͤckſelig obgeſiegt /
Die Wuͤrde / ſo dich ziert / kennt nicht das Rad der Zeiten /
Du ſiehſt / wie Sonn und Mond zu deinen Fuͤſſen liegt.
Dein Ehren-Wagen glaͤntzt von tauſend Lorbeer-Reiſern /
Die Ampel iſt voll Oel / und zeigt die lichte Loh /
Dein Braͤutgam ſchleuſt dir auff / und wil ſich nicht enteuſern
Ob deiner Ankunfft Ruhm / die Keuſchheit macht ihn froh.
Die Liebe / die du fuͤhrſt / iſt unerſchoͤpffte Wonne /
Die Flamme / die dich brennt / weiß weder Maß noch Ziel.
Die Gluth / in der du ſtirbſt / gibt dir die Lebens-Sonne /
Dein Brand iſt ſolche Brunſt / die JEſus haben wil.
Es wird der blaſſe Mund mehr als Rubinen glaͤntzen /
Der Wangen Roſ iſt dort an hundert Blaͤttern reich.
Und ob wir ſchon den Sarg mit allem Schmuck bekraͤntzen /
So koͤmmt er nimmermehr den Himmels-Schluͤſſeln gleich:
Geht hin ihr Sterblichen / verliebt euch in Geſtalten /
Die offt ein einzig Wind und Fieber ſchaͤndlich macht /
Nein unſrer Seeligen Grab-Liebe kan nicht alten /
Sie leuchtet wie ein Stern aus dunckel-ſtiller Nacht.
Wer irrdiſch iſt verliebt / hat zur Belohnung Schmertzen /
Wer ſeine Jungferſchafft alleine GOtt geweiht /
Empfindet nichts als Luſt / wenn er von hier ſol ſtertzen /
Und ſeine Seele wohnt im Schloß der Ewigkeit.
Erlangte Ruhe Fr. E. S. v. P. g. v. J. den 25. Sept. 1667.
JHr die ihr auff der See des Kummer-reichen Lebens
Mit vollen Segeln laufft und neue Hafen ſucht /
Die ihr der Hoffnungs Haupt umbſchweiffet gantz verge - bens /
Und den Genaden-Port verliehrt bey ſolcher Flucht /
D d d 2Was52Leichen-Gedichte.
Was meint ihr? Woll’t ihr Ruh in dieſer Unruh finden?
Da euer Fleiſch und Blut ſtets neuen Auffſtand macht /
Da die Begierden ſich als wie ein Feur entzuͤnden /
Und mancher Donnerſchlag in dem Gemuͤt erkracht.
Elende Sterblichen! was eure Ruh zerſtoͤret
Und mas meineydig offt des Geiſtes Frieden bricht;
Das ſind die Regungen / die man liebkoſend hoͤret /
Ja die der Selbſt-Betrug mit Bieſam zugericht.
So bald nun der Geruch euch ins Gehirne ſteiget /
Nimt die verborgne Gifft Vernunfft und Sinnen ein /
Denn iſts nicht wunderns werth daß ihr euch raſend zeiget /
Von Aberwitz verkehrt / verblendt durch falſchen Schein.
Man uͤberlege nur das Endziel unſrer Wercke /
Der wenigſte lebt ſo / daß er ihm ſelber lebt.
Jndeſſen faͤllt dahin der Jahre Kern und Staͤrcke /
Jndem der arme Menſch ſich lebendig begraͤbt.
Wir waͤren wol geſchickt auch Ruh allhier zu haben /
Allein der ſproͤde Geiſt der wil und mag nicht ruhn /
Bald heiſt ihn Neid und Geitz / bald Zorn und Hochmuth traben /
Was nur die Reitzung ſchafft das muß er willig thun.
Denn zancken wir uns ſelbſt in unſrem eignen Hertzen /
Verdammen alle Raſt / und lieben ſteten Streit /
Gedencken nicht einmal welch Gut wir uns verſchertzen /
Wie weit wir irre gehn vom Weg der Ewigkeit.
So ruht der innre Menſch. Ob ſchon des Gluͤckes Sonne
Von auſſen nichts als Gold umb ſeine Scheitel flicht /
So quaͤlt ihn Angſt und Furcht bey hoͤchſter Luſt und Wonne
Wird arm durch Uberfluß und kennt ſich ſelbſten nicht.
Zu dem wohnt ſchlechte Ruh in praͤchtigen Pallaͤſten /
Wer groſſe Sorgen fuͤhrt ſchlaͤfft ſelten allzuwol.
Wie offt faͤllt heute der / ſo geſtern ſtund am feſten /
Und mancher wird gedruͤckteh als er ſteigen ſol.
Noch thoͤrichter ſind die / ſo bey der Wolluſtraſten /
Und richten ihnen ſelbſt ein Bett von Dornen zu /
Sind Moͤrder ihrer Zeit / die ſie ſo ſehr nicht haſten /
Wenn ihr Gemuͤthe daͤcht auff ungekraͤnckte Ruh.
Mit kurtzem / was wir hier genieſſen / das betruͤbet /
Auch Weiſe finden offt nicht bey der Weißheit Rath /
Und der ſo vielen Troſt und Unterrichtung gibet /
Beklagt ſich / daß erſelbſt nicht die Vergnuͤgung hat.
Arm -53Leichen-Gedichte.
Armſelige! wenn nu der Schauplatz dieſer Erden /
Wie ſehr er auch mit Gold und Silber angefuͤllt /
Zu einem ſteten Haus euch nimmermehr kan werden /
Und Eckel und Verdruß aus euren Thaten quillt.
Was ſehnt ihr euch denn nicht die Huͤtten zu verlaſſen /
Die nichts als Leimen iſt und voll Unſauberkeit?
Flieht ihr Jeruſalems gewuͤnſchte Freuden-Gaſſen?
So ſag ich daß ihr mehr als unvernuͤnfftig ſeyd.
Die Seelige ſo wir anitzt zu Grabe tragen /
Der auch die gantze Stadt getreue Thraͤnen ſchenckt /
Fand / was die Welt ergetzt / an dem nur mißbehagen /
Jhr Andacht-volles Hertz war Himmelwerts gelenckt.
Und ob ſie zwar die Pracht und irrd’ſche Herrligkeiten
Durch Einfluß des Geluͤcks auffs mildigſte beſaß /
So konte doch den Geiſt der Schimmer nie verleiten /
Daß er die Seelen-Ruh zu wuͤnſchen je vergaß.
Der angeborne Muth aus dem beruͤhmten Stamme /
So der Jeſſynsker Ruhm den Cedern graͤbet ein /
Wieſ auch durch ihr Gemuͤth der Tugend helle Flamme /
Daß Kinder guter Art gleich ihren Ahnen ſeyn.
Die Lehrer der Natur / die melden von den Eſchen
Wie keine Schlange ſich zu derer Schatten macht.
Jhr reiner Wandel / den die Zeit nicht wird verleſchen /
Nahm ſolches Waffenbild im Leben auch in acht.
Sie hat den Eſchen gleich / durch den Geruch der Sitten /
So von den Tugenden zum beſten ausgeſchmuͤckt /
Den Laſtern Weg und Steg großmuͤthig abgeſchnitten /
Und Frommigkeit ins Hertz zum Siegel eingedruͤckt.
Wer ſaget nicht es ſey des Hauſes Sonn entwichen /
Da man des Liebſten Hertz halbieret mit begraͤbt?
Daß fruͤh / ach allzufruͤh / der Kinder Troſt verblichen
Daß tieffe Traurigkeit ſie jetzt mit Flor uͤmwebt.
Wie emſig ſorgte ſie fuͤr aller wolergehen /
Wie wachſam war ſie nicht zu dencken auff ihr Heil /
Die unerſchoͤpffte Muͤh der Wirtſchafft fuͤrzuſtehen /
Verzehrt ihr manchen Tag und auch der Naͤcht ein Theil.
Wie reuig der Verluſt / wie ſchmertzlich dieſes ſcheiden
Verknuͤpfften Hertzen ſey bezeigt der Thraͤnen-See:
Jedoch bedencken wir den Wechlel ihrer Freuden /
Und wie ſie hat vertauſcht den Abgrund mit der Hoͤh /
D d d 3So54Leichen-Gedichte.
So muß man ſie begluͤckt und dreymahl ſelig ſchaͤtzen /
Der herrliche Gewinn geht uͤber allen Werth.
Jhr Augen koͤnnen ſich an ihrem GOtt ergetzen;
Die Finſter nuͤß iſt hin und was ſie vor beſchwehrt.
Sie ſiht kein Ungluͤck mehr / ſie weiß von keinem Schrecken /
Jhr Antlitz ſaͤttiget ſich an des Hoͤchſten Bild.
Die Ohren wird hinfort kein arge Poſt auffwecken /
Weil dieſe Stimm / kommt her Geſegneten / erſchillt.
Der Mund ſo offt geſeufftzt; ob ſchwerer Zeiten Faͤlle /
Bricht in ein jauchzen loß und preiſet GOttes Macht;
Lobſagt ihm / daß er ihn hat von der Todten Stelle
Jns Land der lebenden mit ſolchem Glantz gebracht.
Die Haͤnde ſo zuvor von Arbeit ſtets bemuͤhet /
Die ruhn von Suͤnd und Creutz und aller Hand-Arbeit.
Die Fuͤſſe gehn nicht mehr durchs Thal / da Jammer bluͤhet /
Von Fehl und ſtraucheln ſind ſie ſicher und befreyt.
Trotzt nun / ihr Sterblichen / auff eure Ruh im Leben /
Da nichts als Unruh iſt / Quaal / Marter / Angſt und Pein /
Wer / wie die Seelige / nach jener Ruh wird ſtreben /
Dem kan hier zeitlich wol und dort auch ewig ſeyn.
Abgebildtes Grab Fr. A. J. v. R. g. M. v. B. den 9. Octobr. 1667.
ES hat die Forder-Welt hoͤchſt-eifrig ſich befliſſen
Das allerletzte Hauß dem Menſchen wol zu bau’n;
So bald / was ſie geliebt / ihr ward hinweg geriſſen /
Muſt eines Kuͤnſtlers Hand das Bild im Marmel hau’n.
Und recht; ob an ſich ſelbſt die Tugend nicht vermodert /
Die Lorbern von dem Ruhm die Faͤulniß nicht verzehrt /
Ja der Verdienſte Licht auch aus den Gruͤfften lodert /
Nichts minder hat ſie doch ein Denckmahl hier begehrt.
Die Unſchuld erſter Zeit erkieſte Berg und Hoͤlen /
So ward der meiſte Theil der Vaͤter beygelegt /
Biß daß der Ubermuth ſtieg in der Heyden Seelen /
Die zu den Graͤbern Gold und theures Ertz gepraͤgt.
Man weiß Egyptens Pracht und hohe Wunder-Spitzen /
Die guͤldenen Gefaͤß / aus welchen Balſam floß /
Die55Leichen-Gedichte.
Die Coͤrper vor dem Wurm und Schimmel zu beſchuͤtzen /
Wie man verſchwenderiſch mit Narden ſie begoß /
Und muſt ein ewig Licht viel hundert Jahre brennen.
(Der gleichen Ampeln hat alt Rom unzehlich viel)
Aus den Geſchichten iſt das Wunder-Grab zu kennen /
So der Cleopatra gedient zum Trauer-Spiel.
Was that der Grieche nicht mit den verſtorbnen Helden?
Jhr Grab war von Cryſtall / ſie ſtets zu ſehn / gemacht /
Die Leiche ſtund geſchmuͤckt / und / wie ſie ſelbſten melden /
Unſchaͤtzbar ausgeputzt in Goͤtter-gleicher Tracht.
Die Perſen ſetzten gar den Groſſen aus Achaten
Und andrem ſeltnen Stein ein herrlich Grabmahl auf.
Rom / aller Voͤlcker Haupt / belohnte tapffre Thaten
Mit Graͤbern / derer Zier noch trotzt der Zeiten Lauff.
Hoch-Edler / der itzt auch ein Grab muß zubereiten
Der Jenen / ſo ſein Troſt und andre Seele war /
Der ſich zugleich mit Jhr muß zu der Grufft begleiten /
Und ſeinen Schatz verſcharrn / ſo nichts als Luſt gebahr:
Mit was vor herbem Weh und unerſchoͤpfftem Leiden
Er dieſe letzte Pflicht der Seeligen bezeugt /
Wietief der Schmertzen mag in Grund der andern ſchneiden /
Bekennt das Auge ſchon / ob gleich die Lippe ſchweigt.
Jſts wahr / als wie der Schluß der meiſten Weiſen lehret /
Daß aus getreuer Lieb entſprieß ein hoͤchſtes Gut?
So iſt auch diß gewiß / daß / wann ſie wird zerſtoͤret /
Ein Centner-ſchweres Leid preßt den gekraͤnckten Muth.
Der vorige Beſitz ſo viel und ſchoͤner Gaben /
Vermehret den Verluſt / und doppelt nur die Pein /
Es kan hier die Gedult faſt keine Stelle haben /
Weil Schmertzen umb ſie her / wie ein Gewoͤlcke / ſeyn.
Zu dem / die Seelige verdienet tauſend Thraͤnen /
Der Frauen Schmuck und Cron / und Sonne dieſer Stadt /
Jhr Adel / Zucht und Witz lockt aus ein herbes Sehnen /
Ach daß der Schoͤnheit Blum ſo kurtz gebluͤhet hat!
Die holde Freundligkeit / die lieblichen Geberden /
Der Sitten reine Pracht / und was ſonſt Weiber ziert /
Die lieſſen Sie allhier zu einer Pallas werden /
So nechſt der Schoͤnheit Ruhm auch Weißheit bey ſich fuͤhꝛt.
Was mehr? Jhr Antlitz war ein May der Liebligkeiten /
Die Augen Sternen / ſo des liebſten Hertz beſtrahlt /
D d d 4Die56Leichen-Gedichte.
Die Reden gleich dem Klang von wolgeſtimten Seiten /
Die Blicke / Mahler / ſo nur ihre Treu gemahlt.
Man hoͤrt Aſpaſien noch bey der Nachwelt loben /
Daß ihre Sittſamkeit entſorgt des Mannes Hertz;
Gewiß / die Seelige hat nicht mit ſchlechtren Proben
Den Kummer weg gelenckt durch angenehmen Schertz.
Was nur behaͤglich ſchien / das war ihr angebohren /
Ein irrdiſch Himmelreich und weltlich Paradiß.
Hoch-Edler / nun er hat ſo einen Schatz verlohren /
So klagt die gantze Stadt den herben Seelen-Riß.
Alleine weil die Macht des Hoͤchſten ohne Schrancken /
Sein unerforſchlich Rath nicht unſrem Willen gleicht /
So faßt ein edler Muth großmuͤtige Gedancken /
Gibt dem Verhaͤngnuͤß nach / das Flehen nicht erweicht.
Was erſt unheilſam ſchien / hat offt die Zeit geheilet /
Je mehr der Schmertze tobt / je kuͤrtzer iſt ſein Ziel;
Daß man Verblichenen die letzte Pflicht ertheilet /
Jſt billich; Doch das Leid thut offt hierinn zu viel.
Er / als der Themis Sohn / der Buͤrger Rath und Hoffen /
Lenck auff gemeines Heil ein Auge wieder hin /
So wird der harte Schlag / der jetzt ſein Hauß betroffen /
Gleich einer Schmertzen-Wolck in etwas ſich verziehn.
Denn wer Gerechtigkeit mit ſolchem Eifer liebet /
Und das geweyhte Recht / wie er / im Hertzen traͤgt /
Wird / ob der Himmel iſt bißweilen gleich betruͤbet /
Von ſeiner Vater-Hand mit Freuden auch belegt.
Und mehr: der Seeligen gefuͤhrtes Tugend-Leben /
Die Blumen keuſcher Eh und Zeugen reiner Treu /
Sind maͤchtig an ſich ſelbſt krafft-reichen Troſt zu geben /
Dieweil der Mutter Bild ihr Anblick machet neu.
So viel verweßlich war / ſo viel hat man begraben /
Das Theil / das himliſch iſt / nimt auch den Himmel ein /
Jhr unvergaͤnglich Ruhm wird ein Gedencken haben /
So langedieſes Rund beſtrahlt der Sonnenſchein.
Ob Artemiſia ein koſtbar Grabmahl bauet /
Und zu beſondrem Ruhm des Ehmanns Aſche trinckt /
Ob andre Wunden mehr die graue Zeit geſchauet /
Daß dieſer Feu’r erwehlt / und jene Kohlen ſchlingt /
So hat der tolle Wahn und Ehrſucht diß geſtifftet /
Der Jahre nagend Mund die Zaͤhne dran gewetzt /
Ver -57Leichen-Gedichte.
Verleumbdung und der Neid die Uberſchrifft vergifftet /
Biß daß der Wetter-Sturm Gemaͤhl und Zier verletzt.
Jn viel ein ander Grab / das Diamant verhoͤnet /
Rubin und Jaſpis pocht / den Chryſolith verlacht /
Das unbefleckte Treu mit Liebes-Palmen kroͤhnet /
Hoch-Edler / hat er nun den werthen Schatz gebracht.
Den Coͤrper laͤſſet man zu ſeiner Erde ſtertzen /
Die Tugend / und was mehr an ihr unſterblich war /
Begraͤbt er hoͤchſt-betruͤbt in Mittel-Punct des Hertzen /
Sagt / ob ein treuer Grab und eine ſchoͤn’re Bahr?
Wohlbeſchloſſenes Alter / Hn. T. S. v. L. den 11. Octobr. 1667.
WAs klagt / ihr Sterblichen / die Wenigkeit der Tage /
Daß eurer Jahre Ziel ſo kurtz iſt abgefaſt?
Legts Leben und den Brauch des Lebens auf die Wage /
Gewiß / das letzte macht euch nur die groͤſte Laſt.
Viel leben gantz verkehrt / viel lernen niemals leben /
Ein Theil ſchaͤtzt ſich begluͤckt daß Jahr und Zeit verraucht:
Wenn nun die Stunde ſchlaͤgt / und man ſoll Abſchied geben /
So ſeufftzt man nur umbſonſt / daß dieſes Gut verbraucht.
Wir haͤtten langen Raum der Tugend nach zuſetzen /
Und gar bequeme Friſt die Weißheit anzuſchaun /
So laſſen wir allhier uns die Begierden hetzen /
Und pflegen Babels Thurn hoch in die Lufft zu baun.
Der vor der Thuͤren ſteht / und auf Genaden harret /
Der Aempter bettelt aus / und neue Titul ſucht /
Weiß nicht wie liederlich er ſeine Zeit vernarret /
Und wie viel Monat ihm zerflieſſen ſonder Frucht.
Ein ander ſtirbt verwirꝛt in zweiffelhafften Rechten;
Die von dem Ehrgeitz frey / die faͤllt der Gelddurſt an.
Theils leben unverſoͤhnt / und wollen immer fechten /
Was hat unreine Brunſt bey manchen nicht gethan?
Wer ſo ſein Leben nutzt / da hat es freylich Fluͤgel /
Jſt ſchneller als ein Pfeil / der durch die Luͤffte ſtreicht
Denn hilfft uns vor den Tod kein Freybrieff oder Siegel /
Das Ende / das man ſo geſuchet / iſt erreicht.
Hier kan man endlich wol noch einen Fuͤrhang machen /
Verſtellen Aug und Hertz; dort ſteht die Seele bloß /
D d d 5Und58Leichen-Gedichte.
Und wenn diß Wort erſchillt: Thu Raitung deiner Sachen /
So geht der Aengſten Angſt mit vollem Hauffen loß.
Gar einen andern Zweck ſein Leben wol zu ſchlieſſen /
Zu dienen GOtt / und auch dem Nechſten nutz zu ſeyn /
Hat ihm der Seelige klug zu erwehlen wiſſen /
Den man nun Lebensſatt dem Grabe ſencket ein.
Des Geiſtes Fertigkeit / der muntern Jahre Kraͤffte /
Hat Arbeit außgeſchaͤrfft / und ſteter Fleiß vergnuͤgt;
Es ruͤhmt ein jederman den Fortgang der Geſchaͤffte /
Das noch der Stadt gar wol im Angedencken liegt.
Biß daß ſein Alter ihn hieß auf die Ruhe dencken /
Auf eine ſolche Ruh / die Weiſe ſtets geliebt /
Die ſicher von dem Neid / die Hoffart nicht kan kraͤncken /
Jn welcher Helden ſich vor jener Zeit geuͤbt.
Er hat auf ſeinem Gut ein Unſchuld-volles Leben /
Als wie die Tugend lehrt / in reiner Luſt gefuͤhrt;
Den Anreitz kont ihm da jedwede Pflantze geben /
So zu deß Schoͤpffers Lob ſtund praͤchtig außgeziert.
Der Alten Waffen ſind die Ubungen der Tugend /
Mit welchen meiſten ſie die Laſter ſchon bekaͤmpfft;
Das Blut brennt nicht vor Glut / wie in der erſten Jugend /
Die Regungen ſind auch durch grauen Witz gedaͤmpfft.
Sie leben ihnen ſelbſt / was uͤbrig von den Zeiten /
Verzehrt ein kluges Buch / und ein gelehrt Gedicht:
So lebte Scipio, der Kern von Weiſen Leuten /
Zu unſer Zeit Petrarch, der Kuͤnſte Sonn und Licht.
Was iſt wol ſeeligers als iſt den freyen Feldern /
Bey einem gruͤnen Baum / und Silber-hellen Bach /
Jn einem tieffen Thal / und Schatten-reichen Waͤldern /
Dem Elend dieſer Zeit vernuͤnfftig dencken nach.
Es ließ der Seelige die groſſen Purpur tragen /
Und / welchen es gebuͤhrt / umb Kronen ſeyn bemuͤht /
Er konte beßre Luſt auf ſeiner Brief erjagen /
Wenn er in Garten ſah / wie alles aufgebluͤht.
Da jedre Zeit deß Jahrs gab Anlaß nachzuſinnen;
Der Sommer / ſo bereit ſein volles Wachsthum zeigt /
Entdeckte / daß wir auch erwachſen nuͤtzen koͤnnen /
Und daß der Kuͤnſte Frucht auß weiſſen Knoſpen ſteigt.
Der Herbſt / ein Ebenbild der außgewuͤrckten Jahre /
Die voll ſind an Verſtand / wie jener Trauben-reich /
Daß59Leichen-Gedichte.
Daß da deß Menſchen Sinn die ſchwerſten Ding erfahre /
Und ſeine Fruchtung ſey Pomonens Baumwerck gleich.
Sah denn der Seelige den truͤben Winter kommen /
Die Fluͤſſe gantz geharnſcht / die Felder gantz beſchneyt;
So ſchloß er / daß nun ſo ſein Leben abgenommen /
Die Glieder kaltes Eiß / und daß ſein Grab nicht weit.
Erblickt er denn auffs neu deß guͤldnen Fruͤhlings prangen /
Wenn alles ſich verjuͤngt / und gruͤnes Laub gewan /
Entſprang bey ihm zugleich das ſehnliche Verlangen
Deß Himmels Paradiß / und Gott zu ſchauen an.
Er wuſte wie das Graß ſproſt auß der Schoß der Erden /
Wie jede Blum ihr Kleid und Schoͤnheit wieder nimmt.
Athen ruͤhm immer hin des Epicurus Garten /
Und ſchaͤtze ſeine Lehr / und Schluͤſſe wunder groß:
Wer ſo der Sterbekunſt im Leben lernt abwarten /
Und taͤglich daran denckt / erlangt der Freuden Schloß.
Es hat der werthe Greiß auch ſattſam ſich ergetzet /
Wenn er an ſeinen Sohn / Apollens Arm / gedacht;
Der ſelbſt durch Buͤcher ihm ein ewig Denckmahl ſetzet /
Und bey der Nachwelt ſich ſchon laͤngſt unſterblich macht.
Ein Stecken / Stab / und Troſt bey den verlebten Jahren /
Die Krone ſo anitzt gar wenig Vaͤter ziert /
Ja was von Kindern mehr fuͤr Treu ihm widerfahren /
Jſt unnoth daß es erſt mein kurtzer Reim beruͤhrt.
Wiewol er nun gelebt / wie ſeelig er geſtorben /
Und vieler Jahre Zahl Gottsfuͤrchtig hingelegt /
Wie er durch Tugend ihm ein gutes Lob erworben /
Bedarff nicht erſt der Muͤh / daß mans in Marmel praͤgt.
Der Schiffer jauchtzt und ſpringt / wenn er den Port erreichet /
Man rufft dem Gluͤcke zu / ſo in dem Kaͤmpffen ſigt.
Nun unſer Seeliger auß dieſem Nothfall weichet /
Und zu der himmliſchen Gemeinſchafft ſich verfuͤgt /
So ſol man ſich mit Recht ob ſeinem Gluͤck erfreuen /
Das keinen Zuſatz will / auch keinen Zufall kennt.
Der iſt gewiß / wer ſo beſchleuſt deß Alters Reyen /
Daß weder Noth doch Tod von Gottes Lieb ihn trennt.
Abend60Leichen-Gedichte.
Abend deß Menſchlichen Lebens / Fr. H. M. R. g. v. R. den 26. Novembr. 1668.
BEy angetretner Nacht und finſtren Abends-Schat ten /
Da gleich der Sonnen-Rad durch Schuͤtz und Stein - Bock geht /
Soll ich den letzten Dienſt der edlen Leich abſtatten /
Die Ehr - und Lebens-ſatt auf ihrer Bahre ſteht.
Unwiderruflich iſts / daß ſie die Nacht erreichet /
Die ein Verruchter fleucht / ein Frommer aber hofft.
Ja weil deß Lebens-Baum nur einem Tage gleichet /
Koͤmmt ſie bey Demmerung deß Alters zu der Grufft.
Ach freylich iſt ein Tag des gantzen Lebens-Laͤnge!
Wie ſich der Morgen-Schein mit Dampff und Nebel weiſt /
So ſind wir auch befleckt durch vieler Suͤnden-Menge /
Die bald nach der Geburt mit Erb-Schuld druͤckt den Geiſt.
Und wie der Sonnen-Liecht uns zu der Arbeit fodert /
So mahnt die Tugend auch die Fruͤh-Jahr ernſtlich an /
Daß nicht in Muͤſſiggang die erſte Zeit verlodert /
Wer hier nicht wachſam iſt fehlt kuͤnfftig Ziel und Bahn.
Wenn nun des Himmels Hertz und Auge hoͤher kommen /
Stellt uns die ſchoͤnſte Pracht der Mittags-Circel dar.
So auch wenn jetzt der Menſch in Jahren zugenommen /
Nimmt man der Ehre Glantz und Strahlen an ihm wahr.
Den ziert ein wichtig Ampt / den des Geluckes-Blicke /
Der ſteht bey Kronen wol / ein ander auf der See /
Doch wie den Mittag truͤbt der Wolcken ſchwartze Tuͤcke /
So ſtuͤrtzt die Groſſen auch ein unverhofftes Weh.
Und wenn man nun gedenckt des Liechtes zu genieſſen /
Ach wie bald eilet nicht die Sonne Himmel ab!
Da ſehn wir Liecht und Tag die Finſternuͤß beſchlieſſen /
Und unſer gantzes Thun verfaͤllt in Sarg und Grab.
Des Lebens Abend hat uns heimlich uͤberſchlichen /
Die Herbrig in der Welt iſt voller Mord und Tod /
Geſpenſter werden uns im Finſtern uͤberkriechen /
Wo ſuchen wir nun Troſt und Rettung als bey GOtt.
Noch61Leichen-Gedichte.
Noch weiter / wenn der HErꝛ die Rechnung ab-will nehmen /
Stellt das Gewiſſen nicht uns tauſend Maͤngel aus?
Wenns zu dem Schluſſe kommt / ſo muͤſſen wir uns ſchaͤmen /
Und jede Ziefer lehrt / wie ſchlecht beſtellt das Haus.
Der Jugend Morgen iſt in ſchnoͤder Luſt verflogen /
Des Lebens Mittag hat die Ehr-Sucht gantz verbrant.
Den hat der duͤrre Geitz ſo hefftig außgeſogen /
Daß er den Goldklos zwar doch niemals GOtt gekant.
Wenn nun ſich allgemach Geiſt / Krafft und Blut verliehren /
Als wie der guͤldne Tag geſchwinde von uns fleucht /
Deß Abends Schatten drauf der Augen-Fenſter ſpuͤhren /
Die eingeſchrumpffte Haut ſich in viel Runtzeln zeucht.
So ſeufftzet man zu ſpaͤt die Kuͤrtze unſrer Tage /
Und fuͤrcht ſich fuͤr der Nacht / die uns befallen ſoll /
Denn ſchrecket Seel und Hertz die innerliche Klage /
Und dem bedraͤngten Menſch iſt bey ſich ſelbſt nicht wol.
Hergegen wer ſich hat im Anfang ſeiner Stunden
Biß auf das letzte Ziel in Tugenden geuͤbt /
Die Laſter dieſer Welt großmuͤthig uͤberwunden /
Und uͤber alles Gut der Guͤter GOtt geliebt.
Die ſchwere Creutzes-Hitz als wie ein Chriſt ertragen /
Jm Glauben und Gedult gepochet Angſt und Pein /
Der kan / wenn nun die Zeit des Abends kommen / ſagen /
Jetzt wuͤnſch ich aufgeloͤſt bey meinem GOtt zu ſeyn.
Denn nimmet auch das Joch der Hoͤchſte von dem Ruͤcken /
Fuͤhrt auß Egyptens-Land die Seinen durch das Meer /
Und laͤſt ſie ſuͤffe Ruh nach ihrer Muͤh erquicken /
Verkehrt in Frend und Luſt die vorige Beſchwer.
Sie gehn der Zeiten Sturm zu meiden in die Kammern /
Entlediget der Angſt / befreyet aller Laſt /
Jhr Hingang iſt mit Recht durchaus nicht zu bejammern /
Weil ſie des Himmels Burg in ihren Mauren faſt.
Wie Tage-Loͤhner ſonſt bey ſtrenger Arbeit ſchwitzen /
Nur nach dem Abend ſchreyn dem End-Zweg ihrer Ruh:
Und wie ein Wanders-Mann bey Hageln und bey Blitzen /
Auß Furcht der grauſen Nacht eilt auf das Wirthshaus zu.
So ſehnet ſich ein Menſch / der in des Leibes Banden /
Elende Tag und Naͤcht in hoͤchſter Quaal gezehlt /
Daß doch die Abends-Zeit des Lebens ſey verhanden /
Und gaͤntzlich nehme weg die Marter / ſo ihn quaͤlt.
Zu62Leichen-Gedichte.
Zu dem der Abend iſt hoͤchſt-gluͤcklich den Erquickten /
Sie ruhen nicht allein in ihres Schopffers Hand /
Sie tragen nicht allein die Kronen der Begluͤckten /
Und leben fort fuͤr fort in der Gerechten Hand /
Sie werden ferner noch zu einem Mahl geladen /
Zu einem Abendmahl / das ſelbſt das Lamm bereit /
Da ſehn und ſchmecken ſie des Allerhoͤchſten Gnaden /
Mit Gaͤſten / welcher Schmuck iſt voller Herꝛlichkeit:
Weil in des Lammes Blut ſie ihr Gewand erhellet /
Jhr reines Hochzeit-Kleid beſchimpffet Lilg und Schnee /
Gluͤckſeelig iſt der Menſch / der dieſen zugeſellet /
Den ein ſolch Abend fuͤhrt zu der geſtirnten Hoͤh.
Die Seelige ſo jetzt zu ihrer Ruh begleiten
Des Liebſten treues Hertz / die Kinds - und Enckels-Pflicht /
Hat maͤnnlich obgeſigt dem rauhen Sturm der Zeiten /
Und kroͤnet Bahr und Grab mit eigner Tugend Liecht.
Der Andacht reine Flamm ſo biß an Himmel floge /
Das eifrige Gebet / womit ſie GOtt gefiel /
Die Unſchuld ſo ihr ſelbſt das weiſſe Kleid anzoge /
Die wahre Gottes-Furcht ihr eigen Maß und Ziel /
Die haben ihren Stand des Adels mehr geadelt /
Denn Zucht und Froͤmmigkeit iſt wahrer Ehren-Schild.
So daß der Neid auch ſelbſt nicht ihren Hintrit tadelt /
Und frey ſein Urtheil ſpricht / ſie war der Tugend Bild.
Drumb als ſie mercklich ſah ihr Leben ſich vollenden /
Hat ſie dem Leibe Ruh / den muͤden Gliedern Raſt
Erſeufftzet und die Seel in GOttes Gnaden-Haͤnden /
Geliefert / da ſie nun der Cherubinen Gaſt.
Doch / wie nach tieffer Nacht und ungeheurem Schrecken /
Der Sonne Purpur-Glantz den Himmel wieder mahlt:
So wird des Schoͤpffers Ruff den Leib einſt auferwecken /
Daß ſeine Klarheit mehr als Gold und Perlen ſtrahlt.
& q; Der Tugend Roͤthe muß des Lebens Abend zieren /
& q; Soll uns das Morgen-Licht der Seeligkeit erfreun /
& q; Wer GOttes Hof-Farb auch wird auf der Welt verlieren /
& q; Den muß der fruͤhe Tag mit Winſeln uͤberſchneyn.
Letztes63Leichen-Gedichte.
Letztes Ehren-Gedaͤchtnus / Fr. R. K. v. T. g. v. T. 18. Junii 1669.
DEr Welt-Kreiß war halb Tag / und noch halb Nacht zu nennen /
Der Sternen goͤldnes Heer verlohr ſich allgemach /
Jndem der graue Tag ſchon durch die Wolcken brach /
Und durch die Daͤmmerung Aurora war zu kennen /
Als mich ein ſchneller Zug / und eine ſtarcke Hand /
So ich nicht melden kan / riß in ein ander Land.
Mir gieng die reine Lufft was friſcher ins Geſichte /
Jch ſahe hohe Berg und Felſen vor mir ſtehn /
Mich hieß ein frembdes Wort behertzt noch weiter gehn /
Zu dem die Sonne ſchien in ihrem Roſen-Lichte /
Daß ich von ferne noch das Schnee-Gebirg erblickt /
Und unverſehens auf den Eych-Berg bin geruͤckt.
Das Luſt-Haus der Natur / ſo ſonſt von Liebligkeiten
Und allem Uberfluß verlangter Anmuth reich /
Sah vielmehr einer Heck / und oͤden Wuͤſten gleich /
So daß ich bey mir ſelbſt muſt in Gedancken ſtreiten /
Ob mich ein Nacht-Geſicht und falſcher Schein bethoͤrt /
Und ob mein bloͤdes Ohr nur ein Geſpenſt gehoͤrt.
Die gantze Gegend war mit Trauren uͤberſchwemmet /
Der kalte Bober-Strom / der ſonſt den Ort umbarmt /
Floß langſam und betruͤbt / als ob es ihn erbarmt /
Daß keine Kunſt noch Macht den Schluß des Himmels hemmet /
Die Eichen / derer Haupt vom Alter heilig war /
Verdorꝛten an Geſtalt / verlohren Safft und Haar.
Man ſah die Dryaden mehr keine Taͤntze hegen /
Und umb die Mittags-Zeit genieſſen Schatten-Luſt /
Die Chloris hatte nicht bebluͤmet ihre Bruſt /
Statt goͤldner Schmergeln wuchs Napell auf allen Wegen:
Der Baͤche Silbern Fuß erſtarꝛt / und gieng entzuͤckt /
Kein Vogel hat den Ort mit ſeinem Klang erquickt.
Jndem ich bey mir ſelbſt der Sachen Lauff erwogen /
Und ſchlieſſe / daß ein Fall und Leid verhanden ſey /
Kommt dem beſtuͤrtzten Ohr ein traurlg Winſeln bey /
Und mir ein ſeufftzend Ach! und Girren nachgezo gen:
Die Stimme / ſo halb tod / und halb lebendig ſchien /
Gab endlich zum Verſtand mir dieſe Worte hin;
Unſchaͤtz -64Hochzeit-Gedichte.
Unſchaͤtzbahrer Verluſt! der Ruhm von unſern Feldern /
Die Sonne / die da hat die Gegend hier belebt /
Die hat der Parcen Hand des Todes Garn gewebt;
Die Pallas / die / zum Theil in dieſen heilgen Waͤldern
Doch meiſt in Blumenau den Helicon gebaut /
Wird nun erblaſt / erkalt / verſtummt / und tod geſchaut.
Der zarten Jahre Lentz entzeucht ſich ſeinen Auen /
Kein Weſt-Wind hauchet mehr der Lilgen Knoſpen an /
Der Blumen-Koͤnigin verlaͤſt den Blumen-Plan /
Die Gaben ihrer Zier ſind weiter nicht zu ſchauen /
Des Mundes Relcke welckt / die Roſen gehen ein
Und Blumenau muß noch der Blumen Kirchhof ſeyn.
So ſchlaͤgt kein Donner-Keil in hoher Felſen Klippen /
Als mir diß trauer Wort durchſchnitten meinen Geiſt:
Die Glieder zitterten / das Hertze lag beeiſt /
Die bange Schreckens-Angſt verſchloß mir Mund und Lippen /
Es wolte der Vernunfft im minſten aͤhnlich ſeyn /
Daß dieſe Roſen ſchon verlohren Glantz und Schein.
Jch nahte mich darauf zu dem benimmten Hauſe /
Wo vor Ergetzligkeit und Liebe hat geſpielt /
Wo unerſchoͤpffte Luſt ſtets neue Luſt erzielt /
Ach Jammer! alle Pracht die lag in Aſch und Grauſe.
Kurtz: jeder Winckel gab wehmuͤthig zu verſtehn /
Wie tieff dem Eh-Gemahl diß muͤſt ins Hertze gehn.
Die ewig-treue Glut / ſo beyder Hertz entzuͤndet /
Des Friedens goͤldnes Band / ſo ſie ſo feſt verſtrickt /
Der Liebe Himmel-Brodt / ſo taͤglich ſie erquickt /
Und was fuͤr Anmuth mehr man bey Vermaͤhlten findet /
Verleſcht / zertrennt / vergifft / entweicht des Todes Macht /
Und legt / was Sterne trotzt / hin in die lange Nacht.
Des Vatters Seelen-Riß iſt unſchwer zu ermeſſen /
Der Vatter / dem das Land ſich hoͤchſt verbunden weiß /
Den ſelbſt der Kaͤyſer liebt ob der Verdienſte Preiß /
Muß nun der Haare Schnee erſt kroͤnen mit Cypreſſen /
Jndem vor Wehmuth ihm die Wunden ſo ergrimmt /
Daß ſein beaͤngſtigt Hertz in nichts als Blute ſchwimmt.
Deß Brudern wahre Treu und ungefaͤrbtes Lieben /
Der / was Paris / und Rom / und Rhein / und Temſe praͤgt /
Jhm durch geſchickten Fleiß hoͤchſt-ruͤhmlich beygelegt /
Jſt auch von dieſem Stoß nicht unbefreyt geblieben /
Und65Leichen-Gedichte.
Und wie man ſichtbarlich bey ſeinen Thraͤnen ſchaut /
So hat er in dem Hertz der Schweſter Grab gebaut.
Und freylich iſt ſie auch auff ewig zu beklagen /
Weil weſentlich bey ihr der Tugend Wohn-Haus war /
Vernunfft und Froͤmmigkeit ihr ſatzten ein Altar /
Witz / Zier und Hoͤffligkeit bey ihr verſamlet lagen:
Die Muſen muͤſſen ſelbſt bekennen alle neun /
Daß ſie mit gutem Fug die zehnde konte ſeyn.
Jhr freundliches Geſpraͤch / und hochbeliebte Sitten
Die haben offt das Hertz des Liebſten eingewiegt /
Den Kummer abgewand / die Traurigkeit beſiegt /
Sind Meiſter ſtets geweſt mit Luſt ihn zu beſchuͤtten.
Nun ſolchen Freuden-Schatz entzeucht des Todes Raub
Macht aus der Schoͤnheit nichts / und aus dem Leibe Staub.
Jndem ich ſo vertiefft den fruͤhen Tod beſchmertze /
Und auff ein ewig Lied die Sinnen ſchaͤrffen wil /
(Wenn meine Kranckheit nicht verkehrte Schluß und Ziel)
So ſeh ich dort und hier ein angeflammte Kertze /
Und ein gehaͤufftes Volck in Trauer-Boy verhuͤllt /
Mit ſeufftzen ausgeruͤſt / mit Thraͤnen angefuͤllt.
Ein jeder muͤhte ſich den letzten Dienſt der Leichen
Nach beſter Moͤgligkeit und Pflicht zu ſtatten ab /
Und brachte ſie begleit zu ihrer Eltern Grab /
Zum Grab / das ſie ihr ſelbſt erkieſt zum Liebes-Zeichen
Der Mutter / die ſie ſtets gehorſam hat gehoͤrt /
Und mit verbundner Treu biß an den Tod geehrt.
Du Seelig edle Seel der Zeiten Sturm entriffen /
Verklaͤrte Buͤrgerin in dem beſternten Reich
Geneuß der werthen Luſt / der keine Luſt hier gleich /
Speiſ jetzt dein Freuden-Brodt / trinck von des Lebens Fluͤſſen /
Jndem uns Myrrhen hier und Aloen noch traͤnckt /
Und eine neue Quaal ſtets an der andern henckt.
Dein Ruhm vermodert nicht / dein Lob frißt keine Schabe /
So lange Tugend noch in hohen Seelen ſitzt /
So fuͤnckelt dein Geruͤcht / das wie die Sterne blitzt /
Ob man gleich noch ſo fruͤh dich Blume traͤgt zu Grabe.
Wenn jener Lebens-May uns alle wird beziehn /
Wirſt du im Himmels-Au gantz unverweßlich bluͤhn.
E e eAuf66Leichen-Gedichte.
Auf das ſeelige Abſterben Hu. G. W. M. D. den 28. Junii 1669.
UMſonſt gedenckt der Menſch dem Tode zu entfliehen /
Vergebens ſtuͤrmt ſein Witz das Schloß der Sterb - ligkeit /
Er muß das Leichgewand / wie klug er iſt / anziehen /
Und vor dem letzten Stoß iſt kein Galen befreyt.
Es mag der Theophraſt ſein Perlen-Saltz erheben /
Womit er Sterbenden die Geiſter wieder bringt /
Er mag bald trinckbar Gold bald Hertz-Miſturen geben /
Bald Milch / die er durch Kunſt aus den Granaten zwingt;
So haͤlt doch nichts zuruͤck der Libitinen Wuͤten /
Wie edel die Artzney / wie hoch der Artzt bewaͤhrt /
Die Parcen haben nur den Faden abgeſchnitten /
Wie ſehr man widerſtrebt / und alle Buͤchſen leert.
Des Lebens Balſam wird zum Abzug nicht mehr dienen /
Und kein zermalmt Saphir macht uns vom Tode frey /
Noch die Smaragd-Eſſenz / noch Oele von Rubinen /
Und ſo was herrlichers ein Podalir traͤgt bey.
Der abgezogne Geiſt und Farbe von Corallen /
Womit die kluge Welt ſich noch zu retten denckt /
Jſt ohne Macht und Krafft / wenn ſchon die Geiſter fallen /
Und tieffe Todes Nacht die Augen hat umbſchrenckt.
Da muß auch Mantua mit ſeinem Pulver weichen /
Kein guͤlden Latwerg ſtaͤrckt das matte Hertze mehr.
Der abgezehrte Menſch der ſoll und muß verbleichen /
Er brauche wie er wil / und hoffe noch ſo ſehr.
Die Prieſter der Natur / ſo Erd und See durchkrochen /
Und jedes Element umb einen Rath gefragt /
Die muͤſſen ihre Muͤh beym Hintritt noch verfluchen /
Und daß ſie ſich zu weit / doch ohne Nutz / gewagt.
Und es iſt wunderns werth / was menſchliches Beginnen
Aus Steinen hat erpreſt / aus Gold und Staal geſaugt /
Jn Hoffnung doch noch ſo der Clotho zu entrinnen /
Und das was auff der Welt noch fuͤr das Sterben taugt.
Allein es hat daraus gantz Sonnen-klar erhellet /
Daß in jedwedem Glied der Tod uns finden kan.
Wird67Leichen-Gedichte.
Wird nicht zuerſt das Haupt vom Schlag offt ſo gefaͤllet /
Daß umb den gantzen Menſch im Augenblick gethan?
Jtzt quaͤlt das Aug ein Fluß / bald wirds das Sternſel druͤcken /
Jtzt ſauſt es in dem Ohr / dann ſchlaͤgt die Taubſucht zu;
Bald wird der Naſe-Gang ein boͤß Geſchwuͤr beſtricken /
Bald laͤſt die Faͤulniß nicht des Mundes Graͤntzen Ruh.
Jtzt iſt die Zung erſtarrt / itzt ſchmertzlich aufgeſchwollen /
Dem macht das Zaͤpflein weh / den breñt der Mandeln Glut /
Des Athems Schwerigkeit wil nicht der Lunge Zollen /
Und ein ſehr truckner Huſt benimbt uns Luſt und Muth.
Den faͤrbt die Gelbeſucht / der muß beym Leben ſchwinden /
Wird Machtloß und vergeht / dem eckelt fuͤr der Speiß.
Ein ander kan nicht Ruh fuͤr dem Erbrechen finden /
Drauf kom̃t deꝛ Fieber Schaaꝛ die macht bald kalt / bald heiß.
Was ſag ich von dem Hertz und deſſen Bangigkeiten?
Der Leber / mit Geſchwuͤr und Waſſer angefuͤllt?
Dem Miltz / ſo gantz verhaͤrt? dem Stechen in den Seiten?
Dem argen Nieren-Weh / bey dem kein Artzney gilt?
Zerreiſſet nicht die Gicht die vor geraden Glieder?
Nimmt nicht die Waſſerſucht uns / eh mans meinet / hin?
Wirft manchen nicht der Fraß hin auf die Erden nieder?
Wird die Verkrummung nicht die Nerven gantz einziehn?
Und ſo muß jedes Glied auch ſeinen Hencker leiden /
Die Beine / ſo ſonſt feſt / bricht Zufall / Zeit und Tod /
Das Angſt-Haus unſer Leib lehrt wie wir muͤſſen ſcheiden /
Und zeiget wie der Menſch ein Handvoll Staub und Koth.
Auch nicht erfahrner Witz und tieffgegruͤndtes Wiſſen /
Erkaͤntniß der Natur / die koͤnnen hier beſtehn /
Sonſt duͤrfte nicht der Artzt die Augen gleichfals ſchlieſſen /
Es wuͤrd ein ewig Lob und Leben ihn erhoͤhn.
Der vor des Todes-Pfeil offt hat zuruͤck gehalten /
Apollens groſſer Ruhm / und Meditrinens Sohn
Muß ſelbſt itzt eine Leich / als ihrer viel / erkalten
Bringt keine Opffer mehr vor der Hygeen Thron.
Der Edle Wilhelm ligt / und kan nicht mehr beſiegen
Gepreſten / ſo er offt gluͤckſeelig hat geheilt.
Es muͤſſen Kunſt und Witz und Wiſſenſchafft erliegen /
So bald die Atropos mit ihrem Faden eilt.
Doch war ihm wol bekand das himmliſche Geſetze /
Es war des Hoͤchſten Schluß ſein Wille unterthan /
E e e 2Er68Leichen-Gedichte.
Er liebte vor die Welt der Ewigkeiten Schaͤtze /
Die keine Zeit nicht raubt / kein Dieb nicht ſtehlen kan.
Und wie ihn Padua mit Lorbern hier gekroͤnet /
So hofft er einſt gekroͤnt bey ſeinem GOtt zu ſtehn;
Wenn er im Glaubens-Kampff die Eitelkeit verhoͤnet /
Und liß der Sinnen Flug biß an die Sterne gehn.
Betruͤbtſte / die ihr itzt des Vatern Treu vermiſſet /
Und Thraͤnen auf ſein Grab aus wahrer Liebe ſtreut /
Als Kinder / wie ihr ſolt / noch ſeine Aſche kuͤſſet /
Und in dem Hertzen fuͤhlt ein recht empfindlich Leid /
Denckt daß er hat mit Ruhm der gantzen Stadt gedienet /
Nun aber fuͤr dem Thron des Hoͤchſten dienen ſol;
Daß ſein Gedaͤchtniß noch in den Gemuͤthern gruͤnet /
Er ſelbſt in Freuden lebt und iſt ihm ewig wol.
Der ſieche Leib verdirbt der aus der Erden kommen /
Und wieder Erde wird nach dem gemeinen Schluß:
Hingegen ſeine Seel iſt herrlich auffgenommen /
Und fuͤhlt an Luſt und Wonn itzt einen Uberfluß /
Mißgoͤnnt ihm nicht die Ruh / verzehrt euch nicht in Sorgen /
Der dieſen groſſen Bau der weiten Welt regirt /
Dem iſt der Waͤiſen Klag und Seuffzen unverborgen:
Denckt daß an Vaters ſtatt er Sorge fuͤr euch fuͤhrt.
Kein theures Perlen-Oel / kein Zucker von Corallen /
Kein Pulver / Safft noch Kraut macht von deꝛGrufft befreyt.
Die Menſchen kommen auff und muͤſſen auch verfallen /
Der kluͤgſte Artzt der iſt ein Bild der Sterbligkeit.
Erlangte Freyheit der Seelen Hn. J. C. R. den 28. Junii 1669.
DEr Menſch / der irrdiſch iſt / und Erde Mutter heiſſet /
Der die Verweſung ſelbſt zu einem Vater hat /
Die Wuͤrmer Schweſtern nennt / und nur von auſſen gleiſſet /
Jſt nur ein Spiel der Zeit / und des Geluͤckes Rad;
Muß / weil er Athem zeucht / in ſtrenger Knechtſchafft leben /
Und ſeine Dienſtbarkeit faͤngt bey der Wiegen an;
Die Windeln / ſo zu erſt ein zartes Kind umgeben /
Sind Zeugen / daß die Zeit ihn ſtaͤrcker feſſeln kan.
Und freilich iſt der Leib ein Angſt-Gemach der Seele /
Ein Block-Haus / das an Qual und grauſen Martern reich /
Ein69Leichen-Gedichte.
Ein arge Folter-Banck und ſchreckens-volle Hoͤle /
Wo Kranckheit / Kummer / Weh vollfuͤhren Streich auff Streich.
Der Gottheit Ebenbild des Schoͤpffers Meiſter-Stuͤcke /
Die Seele / kan hier nicht in reiner Freyheit ſeyn.
Theils flicht der erſte Fluch / theils Fleiſch und Blut die Stricke /
Die ihre Reinligkeit in Netze huͤllen ein.
Welch einen harten Sturm erwecken die Begierden?
Und ob ſie gleich behertzt die Wellen niederſchlaͤgt /
So kommen anderwerts hervor vermummte Zierden /
Von denen ſie gewiß mit Banden wird belegt.
Die edle Kaͤmpfferin ob ſie ſich gleich entbrechen /
Und zu der Sternen-Hoͤh gefluͤgelt heben wil /
So wird der Leibes Laſt ihr ſo die Schwingen ſchwaͤchen
Daß ſie aus Muͤdigkeit verlihrt das rechte Ziel.
Der Glieder Bley-Gewicht das druͤckt ihn zu der Erden /
Der angehengte Stein des Fleiſches iſt zu ſchwer.
Rom ſchweige doch nur ſtill von ſeinen Marter-Pferden
Und braͤcht es Pfahl und Rad / und Pech und Fackeln her!
Des Hoͤchſten Feuer-Zorn ob den begangnen Suͤnden /
So unſre Kraͤffte friſt und gleich den Scherben macht /
Die innern Seelen Riß / und was wir mehr empfinden
Wenn der geklemmte Geiſt in ſeinem Kercker ſchmacht /
Die uͤbertreffen auch der Hencker Schlaͤg und Striemen!
Ach! unſre Seel iſt mehr gefangen als man denckt;
Mit ſeinem Labyrint mag ſich der Creter ruͤhmen /
Der Tauſend hat verfuͤhrt und mit dem Tod umſchrenckt.
Was mehr? Meſſina kan von dem Theſaurus ſagen /
Dem unterirrdſchen Haus / erfuͤllt von Leich und Stanck /
Und / von der Lethe mag man nur den Perſen fragen /
Jn welche niemand nicht / als der verdammte ſanck
Wem iſt das Tullian, und des Tarpejus Steine /
Des Eccelinus Grufft / der Japoneſer Qual /
Der Abgrund zu Athen / ſo frembd und ungemeine?
Noch dennoch gleicht hier nichts der Seelen Trauer-Saal.
Und / wer vermag die Art der Martern zu beſchreiben?
Wenn Hiob halb entſeelt kaum ſeinen Speichel ſchlingt /
Wenn David nicht mehr wil in dieſem Kercker bleiben /
Und / fuͤhre mich heraus / nechſt vielem winſeln ſingt?
Die Schmertzen-Zuͤge ſind unmoͤglich zu erzehlen!
Jtzt kroͤnt uns das Geluͤck zu einem hoͤhern Fall /
Eee 3Jtzt70Leichen-Gedichte.
Jtzt wil ein Ehren-Dieb uns Nam und Leymund ſtehlen /
Jtzt gibt ein Heuchler uns im Zucker Gifft und Gall.
Viel hat ihr Ampt gefaͤllt / viel ihre Schaͤtz und Guͤtter /
Viel unverdienter Haß in die Verfolgung bracht.
Viel / ſo ſonſt hoch im Bret / des Hofes Ungewitter
Zu einem Gauckelſpiel des Fuͤrſten Gunſt gemacht!
Und / was noch ſchrecklicher / ſtuͤrmt nicht ein jede Stunde /
Ein jeder Angenblick auff unſer Leben zu?
Reiſt eine Kranckheit nicht uns alſobald zu Grunde /
So laͤſt die folgende doch nicht der erſten Ruh.
Weil nun die Edle Seel in ſolchem Zwang gefangen /
Und in dem Jrregang der truͤben Zeiten irrt /
Was wunder / daß ſie traͤgt ein brennendes Verlangen
Und nach der Freyheit Kron gleich Turteltauben girrt?
Jn ſolcher reinen Brunſt den Hoͤchſten anzuſchauen /
Der ſtrengen Dienſtbarkeit der Feſſel zu entgehn /
Und / das gelobte Land fuͤr Ebal anzubauen /
Sah man Herr Richters Geiſt und Seel entzuͤndet ſtehn.
Der Kranckheit Tyranney iſt gluͤcklich uͤberwunden /
Gedult und Tapfferkeit traͤgt hier die Sieges-Fahn /
Die Ketten ſind zerknickt ſo ihn zuvor gebunden /
Die Feſſel abgeſtreifft / die Stricke weggethan.
Gewuͤnſchte Wechſelung! der vor in Angſt und Leiden
Elende Naͤcht erlitt und ſchwartze Tage ſah /
Traͤgt nun ein Sieges-Kleid von Silberweiſſer Seiden.
Trotz / daß ſich weiter mehr die Truͤbſal zu ihm nah!
Weg / ihr Cypreſſen / weg / die Pracht und Ehren-Palmen
So ſeine Seele dort / hier ſein Gedaͤchtnuͤß traͤgt /
Wird nicht der Zahn der Zeit / noch blaſſer Neid zermalmen /
Was Goͤttlich war / das iſt in GOttes Schoß gelegt.
Den wolgeplagten Leib verzehret zwar der Schimmel /
Denn / was vergaͤnglich heiſt / das ſoll und muß vergehn.
Der Geiſt bewohnet jetzt ſein Vaterland / den Himmel /
Wo Engel neben ihm / als Mitgeferten ſtehn.
Die Deutſche Redligkeit ſo Hertz und Sinnen zierte /
Der gantze Lebens-Lauff in Tugenden geuͤbt /
Der wache Fleiß des Ampts / und was ihm ſonſt gebuͤhrte
Beweiſen / daß er GOtt und Nechſten hat geliebt.
Betruͤb -71Leichen-Gedichte.
Betruͤbtſte! laſt den Schmertz nicht Oberhand gewinnen
Man goͤnnt Gefangenen ja endlich freye Lufft /
Herr Richter wird erfreut den Richtſtuhl ſehen koͤnnen /
So bald des Hoͤchſten Stimm / ſteht auff ihr Todten / rufft!
Unverbluͤhte Lilie / Bey Beerdigung Fr. S. Z. g. O. den 2. Julii 1669.
WOIEdler / wo ſein Geiſt mit Ach und Weh umbſchren - cket /
Von Seufftzen angefuͤllt / von Thraͤnen uͤberſchwem̃t
An ſeine Garten-Luſt noch einſt zuruͤcke dencket /
Und nicht des Hertzens Blut der Augen Stralen hemmt;
So wird er unverbluͤht die edle Blumeſchauen
Die Name / Stand und Zucht zu einer Lilge macht /
Und daß / ob in der Hitz ietzt ſchmachten Feld und Auen /
Jhr Glantz im hoͤchſten Grad der Schoͤnheit ſey gebracht.
Es mag des Sommers Kleid mit Nelcken ſich beſternen /
Die Lilie bleibt doch der Blumen Koͤnigin /
Der Gaͤrten beſter Schmuck / der Balſam der von fernen
Uns Hertz und Seelerfreut / und ſticht den Amber hin.
Es legte Jupiter an ſeiner Juno Bruͤſte
Den Helden Hercules / als einen Saͤugling / an /
Ob ſo der Himmel ihm zu theile werden muͤſte.
Wie das geſtillte Kind nicht weiter trincken kan /
Jſt doch der Goͤttin Milch im doppel Strom gefloſſen /
Der zarte Perlen-Safft / ſo auff die Erde ſprang /
War Zeug aus welchem erſt die Lilien entſproſſen /
Und daß ein Schnee Geruch auff dero Blaͤtter ſanck:
Was in die hoͤh geſpritzt das iſt die Milchbahn worden /
Die ſich bey heller Nacht in tauſend Sternen zeigt.
Nun dieſer Uhrſprung ſetzt die Lilg in Hoheits Orden /
Daß ſich fuͤr ihrem Stab der Blumen Poͤfel neigt.
Alleine Fantaſey und toller Wahn der Alten:
Dem Fabelwercke miſt die Warheit niemand bey /
Nein / unſer Lilie kan dieſen Ruhm behalten /
Daß ſie der Ankunfft nach des Himmels Pflantze ſey /
Von GOttes Hand erbaut / von ſolchem Stamm geboren /
Der durch der Ahnen Ruhm und Thaten iſt bekand /
Eee 4Zu72Leichen-Gedichte.
Zu einem Tugend-Bild auff Erden auserkohren /
Zu einer Augen-Luſt dem Liebſten zugeſand.
Und jetzt ob es wol ſcheint / daß ſie von uns gewichen
Jn jenem Paradiß ein unverwelckte Blum /
So mehr den Milch-Weg kroͤnt / als was der Mund der Grichen /
Der irrdſchen Lilien vermeldet hat zum Ruhm:
Die werden hochgeſchaͤtzt von angenehmen Hauchen
Und kraͤfftigem Geruch / der jederman beliebt /
Daß ihre Blaͤtter vor die Schlangen-Stich zu brauchen /
Und daß ihr lindes Oel den Wunden Artzney gibt:
Der gute Tugend-Ruch von der erblaſten Frauen /
Jhr herrliches Geruͤcht ergetzet noch die Stadt /
Und laͤſt die Reinligkeit des Lebens Wandel ſchauen /
Der warlich Lilgen rein / und keine Flecken hat.
Ja ihre Froͤmmigkeit kan auch den Neid bezwingen /
Daß nicht ſein gifftig Zahn des Ruhmes Blat benagt /
Wenn ſie ſo muͤhſam war dem Armen Troſt zu bringen
Und huͤlffreich ſich erwieß / wenn er die Noth geklagt.
Kein Pomerantzen Oel / noch der Jeßminen Tropffen
Die gleichen ſich dem Ruhm der Grufft und Bahre ziert.
Wie iſt / Hochwerther / nun der Thraͤnen Quell zuſtopffen
Zu heilen dieſer Schlag / der gar die Seel beruͤhrt?
Jn Chloris Blumen-Reich und luſtigen Gefildern
Kommt keine Blume ſo / als wie die Lilg / empor:
Sie auch die ſeelige der Kern von Weibes-Bildern
Schwung ſich durch Tugenden biß an der Sternen Chor.
Und wie die Lilg ihr Haupt ſtets nach der Erde lencket
Damit ſie uns ein Bild der Demuth ſtellet fuͤr /
So war ihr frommer Geiſt in Hoffart nicht verſencket /
Sie wuſte / daß wir frembd / und keine Bleibung hier.
Das uns manch truͤber Tag in Staub und Aſchen leget /
Daß nicht die Sonne ſtets mit gleichen Blicken ſcheint.
Und uns des Gluͤckes Hand nicht guͤldne Muͤntze praͤget /
Daß / der im Morgen lacht / offt auff den Abend weint.
Ob gleich die Lilie mit Dornen wird verſetzet /
So geht ihr Silber Glantz / und der Geruch nicht ein;
Ob ſchon die ſeelige viel Truͤbſal offt verletzet /
Hat die Beſtaͤndigkeit doch Meiſter muͤſſen ſeyn /
Und ſie dem Golde gleich in aller Noth bewehren
Daß ſie der Kranckheit Sturm großmuͤthiguͤberſtand /
Und73Leichen-Gedichte.
Und ließ / was irꝛdiſch war / den Wuͤrmern zu verzehren /
Und zog der Seelen nach ins wahre Vaterland.
Dem Purpur Salomons und ſeinen Herꝛligkeiten /
Setzt der Erloͤſer ſelbſt der Lilgen Schoͤnheit fuͤr /
Die reine Anmuth kan mit allen Blumen ſtreiten /
Weil ſie ſich nie vermiſcht mit frembder Farben Zier.
War die Entſeelte nicht der Schoͤnheit Morgen-Sonne?
War ihrer Glieder May mit Roſen nicht bebluͤmt?
Gebahr der Augen Glut nicht tauſendfache Wonne /
Und hat ein ſteinern Hertz nicht die Geſtalt geruͤhmt?
Die Kenſchheit wird auch ſonſt durch Lilgen vorgemahlet;
Daß dieſe Lilge der Keuſchheit Seele hieß /
Und reiner Liebe Flamm ihr treues Hertz beſtrahlet /
Jſt Sonnenklar am Tag und mehr als zugewiß.
Es ſind die Lilien auch Muͤtter vieler Fruͤchte /
Ein eintzig Staͤngel hat zu Wien ihr funfftzig bracht /
Wo anders Cluſius ſein Schreiben kein Getichte /
Und Perſiens Tuſai ſich nicht verdaͤchtig macht.
Woledler / hat nicht auch im Lentzen erſter Jahre /
Der Garten ſeiner Eh mit Blut und Frucht geprangt?
Die Zweige ſtehen noch umb ihrer Mutter Bahre /
Der Mutter die allhier Hertzſchmertzlich wird verlangt.
Welch Redner kan doch nur den Seelen-Riß entdecken?
Es mnſten Lilien der Alten Speiſe ſeyn /
Wenn ihnen nicht die Wort im Munde ſolten ſtecken.
Mir floͤſt der h[e]rbe Fall nichts als nur Myrrhen ein.
Jch ſinnte ſonſt auf Troſt das tieffe Leid zu ſtillen /
Das ſelbſt dem Haupt der Stadt nah ins Gebluͤte geht /
Was den geehrten Schnee mit Freuden kont erfuͤllen /
Sein Hertze zu ſich zog / wie Eiſen der Magnet /
Ach ſchmertzlicher Verluſt / das iſt nun mehr erblaſſet /
Und gibt / zuſammt der Frucht / das kurtze Leben hin!
Die Mutter wird ein Grab / das noch ein todtes faſſet /
Die erſt das Leben gab / kriegt ſterben zum Gewin /
Ach zarte Lilie unendlich zu beklagen!
So dicke faͤllt der Thau nicht bey geſtirnter Nacht /
Als wir jetzt Thraͤnen nur zu deiner Leiche tragen /
Die Schmertzen außgepreſt / und Wemuth heiß gemacht.
Doch ſchlagen wir uns noch mit eitelen Gedancken /
So bald der Regungen umbzogner Fuͤrhang weg /
Eee 5So74Leichen-Gedichte.
So muͤſſen wir geſtehn / daß jetzt in Edens Schrancken
Die Blume hat erlangt der Ewigkeiten Zweck.
Sie iſt gantz unverbluͤt in den ſo zarten Kindern /
Und ihre Seele ruht in Gottes Hand und Reich.
Woledler / dieſes kan den Schmertz in etwas lindern /
Biß daß die lange Zeit hielt den er grimmten Streich.
Wohlverdienter Rathsmann / Bey Beerdigung Hn. A. H. v. K. d. R. in B. den 7. Julii 1669.
DJe allerſchwerſte Kunſtiſt weißlich zu regieren /
Es darff kein niedrig Sinn und feige Seele ſeyn /
Die uͤber Menſchen ſoll Gewalt und Herꝛſchafft fuͤhren /
Weil ihre Hertzen oft ſo hart als Kieſel-Stein:
Der ungezaͤhmte Will / ein Feind der guten Sitten /
Die thoͤrichte Vernunfft vor Frieden Unruh wehlt /
Und der Gedancken Schloß vom Frevel wird beſtritten /
Der ſtets die Einigkeit mit der Empoͤrung quaͤlt.
Die See iſt nicht ſo wild / und ihre ſtoltze Wellen /
Als der gemeine Mann in ſeinem duͤnckel-Witz /
Und wo der Poͤfel will ſein albers Urtheil faͤllen /
Da folgt gemeiniglich des Ungeluͤckes Blitz /
Drumb muß ein hoher Geiſt von ungemeinen Gaben /
Und ſcharffen Sinnen ſeyn / dem man die Laſt vertraut /
Den Weisheit Lehr und Witz ſo ausgemuſtert haben /
Daß er / dem Altas gleich / das Weſen unterbaut:
Bald muß Ulyſſens Witz / bald Carons Tapfferkeiten /
Bald Neſtors guͤldner Mund an ſtatt der Stuͤtze ſeyn:
Oft muß die Freundligkeit ein ſtrenger Ernſt begleiten;
Durch Schrecken mehret ſich der Majeſtaͤten Schein.
Vergebens iſt ja nicht der Purpur ſo erhoben /
Die Krone ſo beperlt / des Scepters Gold ſo ſchwer /
Als daß ſie Bilder ſind der Allmacht von dort oben /
Der tieff zu Fuſſe faͤllt / Lufft / Erde / Feuer / Meer.
Kein Dorff iſt ohne Haupt / geſchweige groſſe Reiche /
Jedwedrer Stadt der ſind Pfleg-Vaͤter fuͤr geſetzt;
Sonſt wuͤrd in einem Nun die Welt zu einer Leiche /
Und jeder Acker mit der Menſchen Blut benetzt.
Wie75Leichen-Gedichte.
Wie ſeelig iſt der Ort in dem Aſtraͤa wohnet /
Und zu der Obrigkeit geſchickte Raͤthe hat /
Wo man die Laſter ſtrafft / und Tugenden belohnet /
Wo die Gerechtigkeit fuͤhrt ihre Hofe-Stadt;
Und ſolche Leute ſind des Himmels Meiſterſtuͤcke /
Und lichter derer Glut gemeinem Nutzen brennt /
Die durch Erfahrenheit und kluges Weltgeſchicke /
Die Art des beſten Staats Hauptſaͤchlich wol erkennt.
Bey ſolchem konte ſich mit groſſem Ruhme weiſen /
Der Numa unſrer Stadt / der nunmehr liegt erblaſt /
Der ob der Dienſte Treu und Sorgfalt iſt zu preiſen /
Und deſſen Ehrenmahl bereits die Nachwelt faſt.
Er war zu Nutz und Heil des Vaterlands geboren /
Bald von der Wiegen an ziert ihn der Ahnen Schild /
Der Thaten Tapferkeit die gab ihm dranff die Sporen /
Die feurige Begier war eher nicht geſtillt /
Biß daß ſein Helden-Geiſt der gleichen Bahn beſchritten.
Ob ſchon ſein edler Stamm ihm Glantz und Wuͤrde gab /
So wolt er doch den Ruhm nicht nur von Ahnen bitten /
Es brach der muntre Sinn ihm ſelbſt die Lorbern ab.
Als Jhn der Kunſte Milch zu Hauſe ſatt getraͤncket /
Und er mit Wiſſenſchafft gar reichlich war verſehn /
Hat ſich ſein reger Muth nach Leiptzig hingelencket /
Von dar in frembden Sand / zu lernen was geſchehn.
So manches Koͤnigreich ſo mancher Volcker Leben /
Der Britten ſcharffer Witz / und der Frantzoſen Muth /
Der Spanier Bedacht / die konten Nachricht geben /
Was einer Policey ſey ſchaͤdlich oder gut:
Und ſeiner Reiſe Ziel war Mauren nicht zu ſchauen /
Noch aufgethuͤrmte Berg und unbeſeelte Stein:
Er wolt je mehr und mehr in Kuͤnſten ſich erbauen /
Den Buͤchern zwar geneigt / doch Freund der Waffen ſeyn.
Jhm lag Miltiades faſt taͤglich in dem Sinne /
Der durch die Krieges-Kunſt das Vaterland geſchuͤtzt /
Er laß faſt halb entzuckt / wie Caͤſar Rom gewinne /
Jndem er erſt mit Kunſt und drauff mit Waffen blitzt.
Er hat die Pallas mehr geharnſcht als bloß geliebet
Weil doch der Muſen Volck nicht gerne Lantzen fuͤhrt /
Und einem groſſen Geiſt es groͤſſers Anſehn giebet /
Wenn ihn ſo wol der Helm / als eine Feder / ziert.
Als76Leichen-Gedichte.
Als ihn die frembde Lufft genugſam hat durchgangen /
Und mancher Fuͤrſten-Hof Staats-Sachen beygebracht /
Reitzt ihn doch wiederumb das brennende Verlangen /
Sein Vaterland zu ſehn / das da im Kriege ſchmacht /
Und auf der Bahre lag. Es hieß ihn drauf willkommen /
Verwandte / Freund und Stadt mit hoͤchſten Freuden ſeyn
Und als er kurtz hernach ward in den Rath genommen /
Traf ſeine Trefligkeit mit aller Hoffen ein.
Wie embſig er zu erſt die Aempter hat verwaltet /
So ſeinem wachen Fleiß ſind worden anvertraut /
Belehrt ſein Nachruhm noch / der nimmermehr veraltet /
Und ihm Gedaͤchtnuͤß-Stein und Ehren-Tempelbaut.
Die Themis ſelbſten kan ihm dieſes Zeugnuß geben /
Daß er das rechte Recht hat jederzeit gehegt /
Daß er die Jrrungen nicht lange laſſen ſchweben /
Und ſchwerer Sachen Fall bey ſich vor uͤberlegt.
Der Laͤuffte Heimligkeit ins Hertzens Grund verrigelt /
Mit unerſchrocknem Muth die Rathſchluͤß außgericht /
Und haͤtt es noth gethan / mit ſeinem Blut beſiegelt /
Die Liebe vor die Stadt / und ſeiner Dienſte Pflicht.
Und ſo weit muͤſſen ihn die Oelen-Zweige ſchmuͤcken /
Der Buͤrger Danckbarkeit ſein werthes Lob erhoͤhn;
Als er im Krieges-Ampt begunte fortzuruͤcken /
Muſt an der Dice ſtatt ihm Mars zur Seiten ſtehn.
Bellona nant ihn gar den Schutz-Herꝛn ihrer Waffen /
Wenn er im Zeng-Haus ſich ſo hurtig ſehen ließ /
Die Sorge nahm ihm offt auch bey der Nacht das ſchlaffen.
Er dacht oft eher dran als ſich der Tag noch wieß.
Der Stuͤcke Donnerſchlag / der Hagel von Muſqueten /
Der war in ſeinem Ohr der beſte Lautenklang /
Der Brommeln rauher Thon / die Pfeiffen und Trompeten /
Beliebten ihm viel mehr als ſonſt ein Kunſt-Geſang.
So hatte Pallas ſich mit Marſpitern verbunden /
So kont Eunomie Bellonens Schweſter ſeyn:
Der hochverdiente Herr der theilte ſeine Stunden /
Theils in die Raths-Geſchaͤfft / theils in die Waffen ein.
Es hatte Breßlau ſich gluͤckſelig ja zu ſchaͤtzen /
Daß ſo ein Manlius ihr Schmuck und Kleinod war /
Allein jetzt muß ſie nur die truͤben Augen netzen /
Jhr Rath und Vater liegt entſeelet auf der Bahr.
Zwar77Leichen-Gedichte.
Zwar diß was ſterblich iſt / das wird uns nur entzogen /
Sein Angedencken das verweſt im Grabe nicht /
Es heiſt es Schuld und Pflicht / daß Nuhm und Sieges-Bogen
Und Ehren-Kronen ihm der Buͤrger Liebe flicht.
Hochedle / die ihr Herr und Vater habt verlohren /
Nembt diß zu einem Troſt in eurem Schmertzen ein:
Wer ſo den Kreiß der Welt beſchreitet / wol geboren /
Wol lebt / und auch wol ſtirbt / der muß unſterblich ſeyn.
Erlangte wahre Ruh / Hn. H. von B. den 15. Octobr. 1669.
WOldem der ſeine Ruh kan in ſich ſelbſten finden /
Den keine Regung nicht zu ihrem Sclaven macht /
Der ſeinen Willen kan vernuͤnfftig uͤberwinden /
Und nit nach falſchem Schein der hohen Dinge tracht.
Der / wie die alte Welt / ein gleiches Leben fuͤhret /
Die Unſchuld erſter Zeit ihm zum Exempel ſtellt /
Dem nie der Hoffarts-Geiſt das innre Hertz beruͤhret /
Der groſſer Hoͤffe Pracht fuͤr Dampff und Nebel haͤlt:
Der fuͤr ſein hoͤchſtes Gut ein ruhiges Gewiſſen /
Und fuͤr den ſchoͤnſten Schmuck die goͤldne Freyheit ſchaͤtzt /
Der nicht auf Eitelkeit des Poͤfels iſt befliſſen /
Und ſeinen gantzen Wunſch auf andrer Schmeicheln ſetzt;
Der mit ſich ſelbſten Freund die falſchen Freunde haſſet /
Und Einfalt von der Liſt zu unterſcheiden weiß /
Jn eine ſolche Form ſein gantzes Thun verfaſſet /
Die richtig Kugelrund als wie der Erden-Kreiß:
Der ſich zuviel nicht freut / und nicht zu ſehr betruͤbet /
Bey hellem Wetter ſo als wie beym ſchwartzen ſitzt / |
GOtt und der Tugend nur ſich eintzig uͤbergibet /
Und wolgemuthet ſteht wenn gleich der Himmel plitzt.
Der wird ein gruͤnes Feld vor die Pallaͤſt erwehlen /
Weil dort die Anmuth ſelbſt hier nichts als Kummer bluͤht /
Der ſeine Stunden nicht darff nach der Uhr abzehlen /
Noch daß er halbbeſtuͤrtzt auf andrer wincken ſieht:
Ein Blumen-reiches Graß beliebt ihm vor Tapeten /
Weil jene nur die Kunſt und dieſe Flora mahlt /
Und darff drauf außgeſtreckt vor keinem nicht erroͤthen /
Und ob er noch ſo ſehr von groſſer Hoheit ſtrahlt.
So78Leichen-Gedichte.
So lebte Cicero wenn er ſein Rom verlaſſen /
Und ſich der Wuͤrde Buͤrd entband in Tuſculan /
Es konte der Horaz mehr friſche Geiſter faſſen /
Wenn er auf ſeinem Gut die Leyer ſtimmet an /
Entfreit von Schloß und Hof / entfreit vom Lieb dienen /
Sein eigen Herꝛ und Knecht / und doch deß Kaͤyſers Freund.
Sagt nicht der Plinius daß alle Sinnen gruͤnen /
Wenn er zu Laurentz lebt und da die Sonn ihm ſcheint?
Wie lobet Sannazar ſein Gut die Marginille?
Wie ſang nicht fuͤr Florentz Politian im Thal?
Schaͤtzt nicht Lotichius der gruͤnen Gaͤrten ſtille /
Und einen friſchen Brunn mehr als der Printzen Stahl:
Der Weiſen meiſter Schluß der ſtimmet hier zuſammen /
Daß wer der Sinnen Ruh und auch des Leibes ſucht /
Des Volckes Meng und Luſt und Haͤndel muß verdammen /
Daß in der Einſamkeit nur bluͤh des Friedens Frucht.
Nicht daß man gaͤntzlich ſich den Menſchen ſoll entziehen /
Und gleich Gefangenen in Kammern ſperren ein /
Daß man in Hoͤlen ſolt als wie der Timon fliehen /
Und wie Domitian ein Fliegen-Stecher ſeyn.
Nein / dieſe fuͤrchteten ihr Laſterhafftes Leben
Fuͤr einer ehrbarn Welt zu bringen an das Licht.
Diß meyn ich / wer ſich will der Erbarkeit begeben /
Und etwas gutes thun / dem nutzt Geſellſchafft nicht.
Zu dem ſo iſt die Art des Lebens untermenget:
Es kan ein jeder nicht bey Kron und Jnfeln ſtehn;
Wohin der Unbeſtand ſich des Geluͤckes haͤnget /
Auf dieſe Seite muß der Menſch gehorſam gehn.
Dem gibt es Gold und Sammt / und jenem Stroh zur Decke /
Der ſitzet auf dem Stuhl / ein ander fuͤr der Thuͤr:
Der tauchet ſein Gewand ins Blut der Purpur-Schnecke /
Da mancher armer Menſch ſich nicht kan kleiden hier /
Und alle ſind wir nicht zu Sceptern außerkohren /
Wer nur in ſeinem Stand mit Gott vergnuͤget lebt /
Derſelbe hat noch nie die wahre Ruh verlohren /
Weil in Zufridenheit ſo Leib als Seele ſchwebt.
Der ſeinen Acker baut / der ſeinen Baum beſchnitzet /
Der ſeiner Fruͤchte Krafft nach ſeinen Jahren zehlt /
Dient eben GOtt wie der / der bey den Hohen ſitzet /
Mit dem ſich nichts als Pracht und Herꝛligkeit vermaͤhlt.
Ja79Leichen-Gedichte.
Ja ferner liebet nicht jedweder groſſes Weſen /
Es kieſt ein Sternen-Geiſt ihm vielmahls Cellen aus /
Und gibt durch Witz und Kunſt der grauen Welt zu leſen /
Daß einem weiſen Mann ein jeglich Ort ſein Haus.
Viel wollen durch Geſchaͤfft und Dienſte diß erlangen /
Was nur der Weiſ allein / und niemand ſonſt beſitzt /
Doch endlich / wenn wir kaum im Vorſatz angefangen /
So hat der Todt bereit die Pfeile ſchon geſpitzt:
Und wenn wir gar genau das Leben uͤberlegen /
Was iſt es? Angſt und Streit und immer neue Noth.
Will nun ein Menſch auch nicht den Sinnen-Frieden hegen /
So iſt der Lebens-Reſt noch aͤrger als der Tod.
Wer einſam und vergnuͤgt verlacht den Wahn der Zeiten /
Gewiſſen / Gott und Menſch vorſetzlich nie betruͤbt /
Der kan ein Ebenbild der Freuden ihm bereiten /
Die ſeinen Glaͤubigen der Allerhoͤchſte gibt.
Was iſt ſonſt unſer Thun? So bald der Tag erwachet /
So legen wir zugleich die Kummer-Kleider an /
Wenn eine gute Stund uns wo der Himmel machet /
Haͤngt Eckel und Verdruß zu einem Ausſchlag dran.
Und ob gleich Ehr und Luſt das Leben uͤbergolden /
Wird doch die Bitterkeit im erſten Biß geſchmeckt /
Abgoͤtter ſeiner Zier darff es ſo ſchlecht beſolden /
Daß nur ein Leinen Tuch die kalten Glieder deckt.
Denn iſt der Nahm ein Ruff / der ſtoltze Leib nur Aſche.
Elende Sterblichen denckt eurem Jammer nach!
Womit die Thraͤnen man bey ſolcher Noth abwaſche /
Jſt Ruh / und dieſe ſtoͤrt kein Hertz-erzwungnes Ach /
Welt / Teufel / Fleiſch und Blut ſind arge Seelen-Feinde /
Doch wer nur hurtig kaͤmpfft / erlangt gewiß die Kron /
Auff ſeine Muͤh folgt Ruh / und er hat Gott zum Freunde /
Beſitzt die Ewigkeit fuͤr ſeiner Arbeit Lohn.
Herr Bierle der die Ruh und nicht die Eitelkeiten
Der ſchnoͤden Welt geliebt / ruht jetzt auf ewig wol /
Es ſtehn dem reinen Geiſt die Engel an der Seiten /
Er liebt das Paradeiß in dem er wohnen ſoll /
Weil jetzt die Flora pflegt die Gaͤrte zu verlaſſen /
Der Blume praͤchtig Haupt verwelckt / und untergebt /
Sucht er Jeruſalems gewuͤnſchte Himmels-Gaſſen /
Und ſiht wie unverwelckt der Baum deß Lebens ſteht.
Der80Leichen-Gedichte.
Der Wandel den er hier in ſeinem Leben fuͤhrte /
Der bietet ihm auch dort die Unſchulds-Lilgen all.
Die wolbedachte Ruh / ſo ihn auff Erden zierte /
Macht daß er in der Hand deß HErren ruhen kan /
Uber das fruͤhzeitige Abſterben / Hn. P. V. aͤlteſten Toͤchterlein / 2. Febr. 1670.
DAs kalte Todes-Eis jetzt euer Hertz beſchweret /
Betruͤbtſte / daß der Froſt den Bronn der Adern ſchleuſt /
Und ein erbaͤrmlich Weh euch Hertz und Seel ver - zehret /
Weil eure Luſt und Troſt von dieſer Erden reißt /
Jſt heiſſer Thraͤnen werth / auch billich zu beklagen.
Es ſolte Caſtalis mit vollen Stroͤmen gehn /
Wenn nicht deß Hornungs Grimm in Harniſch ſie geſchlagen /
Und ſo mit Stadt und Land verfroren muͤſte ſtehn.
Vergebens hab ich nur den Lorber-Wald beſuchet /
Der Pindus ſiand verſchneyt / Parnaſſus gantz bedeckt;
Und als ich bey der Thuͤr der Muſen angepochet /
Hat mich die Grauſamkeit des Wetters mehr erſchreckt.
Jch forſchte ferner nach in der Gelehrten Buͤchern /
Wiewol ein grimmig Leid nimmt ſchlechten Troſt nicht an;
Diß was[die] Heyden zwang mit Troſt ſich zu verſichern /
Gilt bey uns Chriſten nicht und iſt nur eitler Wahn.
Wie ſehr wir uns bemuͤhn die Kuͤnſte zu ergruͤnden /
Und alle Wiſſenſchafft in den Beſitz zu ziehn /
So iſt die groͤſte Kunſt in Gottes Schluß ſich finden /
Und ſeinem Willen nicht vorſetzlich zu entfliehn.
Es bleibet unverruͤckt das Goͤttliche Geſetze /
Wie wiederwertig es Vernunfft und Sinnen ſcheint.
So ſind doch nirgends ſonſt deß Himmels wahre Schaͤtze /
Die andern aufder Welt raubt Untreu / Zeit und Feind.
Jſt nun ein Kind ein Schatz / wie billich / zu benennen /
Was Wunder daß auch GOtt fuͤr ſolche Schaͤtze wacht!
Und eh das Sodoma der Welt noch muß verbrennen /
Bey zeiten zu ſich holt und ſelber nimmt in acht.
Der Eltern Sorg und Fleiß / wie muͤhſam ſie ſonſt wachen /
Legt Erben von dem Gut deß Gluͤckes etwas bey;
Doch81Leichen-Gedichte.
Doch kan kein ſterblich Menſch ſie druͤber ſicher machen /
Daß diß ein wahrer Grund verlangter Wolfahrt ſey.
Offt ſchimpfft des Enckels That der Ahnen Lorber-Kronen /
Und ſeiner Laſter Nacht verhuͤllt des Anherrns Licht;
Offt laͤſt der Zeiten Sturm die nicht das Land bewohnen /
Das ihre Vaͤter vor erbaut und zugericht.
Der Sohn der zu der Kron und Jnfel war beſtimmet
Stirbt durch des Henckers Hand in hoͤchſten Schimpff und Schmach /
Und wie das Schickſel ſich auff Schlangen-weiſe kruͤmmet /
Jſt nicht Bolen bekand der auffdie Tochter ſprach?
Die Hoffnung vieler Jahr und Sorgen-volle Stunden /
Des Hauſes treuer Wunſch / des Stammes wahrer Ruhm
Jſt weder von dem Fall noch Untergang entbunden /
Hat auſſer Sarg und Grab kein ander Eigenthum.
Geſetzt; und Eltern ſehn an ihren Kindern Freuden /
Ja ihr vermaͤhlt Geſchlecht in Gluͤck und Wolfahrt bluͤhn /
Wie manchmal wird ſie nicht der Tod mit Boy ankleiden
Und ihnen bey der Luſt die Trauer-Kapp anziehn.
Beſtuͤrtzte / das diß ſchlecht und nicht das Leid bezwinget /
So euren Geiſt bekaͤmpfft und zu der Erden druͤckt /
Jſt wahr / weil die Vernunfft den Gegenwurff einbringet:
Warumb wird unſer Kind in erſter Bluͤt entruͤckt?
Verſchwindet uns ſo bald das angenehme Schertzen?
Die freundliche Geſtalt und was ergetzlich ſchien?
Verſcharrt ein ſchwartzes Grab das Theil von unſrem Hertzen?
Nimmt ein ſo harter Sturm die erſte Pflantze hin?
Heiſt uns der bleiche Tod der Freude gantz vergeſſen?
Muß der Groß-Eltern Troſt der Schmertzen Werck-Zeug
Und bleiben uns nichts mehr als dunckele Cypreſſen
(ſeyn?
Zum Reſt / und fuͤr den Sarg der Todten-Lichter Schein?
Hingegen wer bedenckt das Goͤttliche Gerichte /
Den unerforſchten Schluß und unumſchriebne-Macht?
Und wie das liebe Kind in jenem groſſen Lichte
Bey tauſend Engeln ſitzt in Sonnen-klarer Pracht;
Entnommen aller Noth / die uns kan kuͤnfftig druͤcken /
Frey in dem hoͤchſten Grad und reiner als der Schnee /
Der wird ob ſeiner Ruh ſich in der Seel erquicken
Und ſagen / ihm iſt wol / uns Hinterlaßnen weh.
Was bringen uns viel Jahr? ein Anzahl vieler Plagen.
Und auff was warten wir? Auff immer-neue Noth?
FffSo82Leichen-Gedichte.
So lang uns Menſchen muß der Grund der Erden tragen /
So tragen wir bey uns im Buſem Noth und Tod.
Beſturtzte / GOttes Weg iſt nicht gleich unſern Wegen /
Denn ſeine Vaterhand wird heilen / wen ſie ſchlaͤgt /
Ob ſchon ſein Angeſicht von unſrem Aug entlegen /
So iſt ſein Hertz uns kund / das ſtets Erbarmnuͤß hegt.
Des Schoͤpffers Wille iſt und bleibt der allerbeſte /
Wer dem gehorſam folgt / fehlt nie die rechte Bahn;
Der jene ſo regiert die Wolck und Himmels-Feſte
Jſt recht / trotz daß ein Menſch mit recht ihn tadeln kan.
Wir die mit Schuld befleckt / voll ſuͤndlicher Begierden
Kuͤhn ins Verderben gehn / und ſuchen was uns kraͤnckt /
Vergaffen in der Welt verlarvten Schmuck und Zierden /
Vergnuͤgt mit Gauckeley und Eitelkeit umſchrenckt /
Erwehlen nimmermehr was uns zum beſten reichet /
Wo nicht des Hoͤchſten Rath zuvor den Ausſpruch gibt.
Wer diß Gebot erkennt und weder wanckt noch weichet /
Der mag geſichert ſeyn daß GOtt ihn hertzlich liebt.
Was jetzt nach Wermuth ſchmeckt / kan ſich in Manna kehren /
Weil GOttes Guͤtigkeit haͤlt keine Maß noch Ziel.
Den ſtaͤrckſten Troſt wird uns ein ſolcher Schluß gewehren /
Daß unſer Wille ſtets nach ſeinem Willen wil.
Ein Gaͤrtner laͤſt getroſt den Froſt die Bluͤthen ſterben /
Wenn in dem Fruͤhling nur die Blumen wieder ſtehn:
Jhr Eltern eure Blum / die Tod und Sarg verderben /
Wird in dem Himmel ſo als Lilg und Roſ auffgehn.
Ehren-Stern Hn. M. R. v. L. d. R. in B. den 9. Mar - tii 1670.
DJe ihr das groſſe Rund durch GOttes Arm geſchaffen /
Jn jedem Augenblick verwundernd ſchauet an /
Sagt / ob es thulich ſey hierin ſich zu vergaffen /
Und / ob nicht ruͤhmlicher zu gehn die Himmels-Bahn?
Hier findet ihr Verdruß und tauſend Eitelkeiten
Wo nichts als Tand und Wahn / und ein verlarvtes Spiel,
Dort gehen ſtetig auff gewuͤnſchte Freuden-Zeiten
Wo die Unendlichkeit ſich ſetzet zu dem Ziel;
Hir glimmt ein tunckel Tacht und wird gar bald verzehret /
Der Flammen rothe Gluth iſt ein verlodernd Schein;
Dort83Leichen-Gedichte.
Dort wird zur Opfferung ein reines Feur gewehret /
Und muß an hellem Glantz den Sternen gleiche ſeyn.
Werfft ab die Suͤnden-Laſt und irrdiſche Gedancken /
Die euren Sinn gar leicht vom Himmel abwerts zichn /
Seht auff und uͤber euch / wie in geſetztem Schrancken
Sonn / Mond und Sterne ſich in ihrem Lauff bemuͤhn /
Jhr werdet alſobald die Wuͤrckungen empfinden
Und was vor Eigenſchafft in eu’ren Coͤrpern ſey;
Doch doͤrffen wir hier nicht voll Aberwitz ergrunden
Und Epicurus Schluß unſchluͤßlich ſtimmen bey;
Es ſey des Menſchen Seel vom Schoͤpffer ſo gebohren /
Daß ein beſonder Stern mit der Geburt auffgeh /
Wem Gold und Guͤter hier und Reichthum auserkohren /
Dem ſey ein ſchoͤner Stern geſetzet in die Hoͤh /
Ein Armer habe nur ein kleines Licht zu ſchauen /
Der Noth und Mangel ſpuͤrt / ſeh tunckles glimmen an;
Wem aber wolte nicht vor ſolcher Narrheit grauen
Die nur mit Laͤſterung beſchimpfft des Himmels Bahn.
Wir / die des Vatern Glantz und helles Wort erleuchtet
Verſtehen aus der Schrifft / daß die den Sternen gleich /
So mit Gerechtigkeit gleich einem Strom befeuchtet /
Die werden ſtehen dort in GOttes Gnaden-Reich.
Hier glaͤntzt ein ſolcher Stern / der allbereit verſetzet /
Die Straalen ſchieſſen ſchon vom Firmament herab /
Ob bey der Reinigung man gleich die Wangen netzet /
Und den unreinen Leib verſcharret in das Grab.
So bald der Morgen-Stern im Hertzen auffgegangen
Und dieſes Tage-Licht die zarte Frucht geſehn /
So bald trug Vater-Treu / und Mutter-Luſt Verlangen
Und wuͤnſchten Freud und Luſt / die ihnen auch geſchehn;
Worauff als der Verſtand der Jahre ſich genahet
Und Klugheit ihren Sitz zu ſuchen ſich bemuͤht /
Da wurde gleich hierauff von beyderſeits bejahet
Den Fremden zu vertraun die angenehme Bluͤt /
Daſelbſt ſie auch erlernt den Weltberuͤhmten Handel /
Der durch blutſaure Muͤh und vieler Naͤchte Schweiß
Geſuchet werden muß. Hier hat der gute Wandel
Und wahres Chriſtenthum gefuͤhrt den wachen Fleiß /
Daß er bey Feindes-Noth und ungeſtuͤmem wuͤten
Gefaßt ein Loͤwen-Hertz und die Gefahr veracht /
Fff 2Denn /84Leichen-Gedichte.
Denn / wender Hoͤchſte wil durch ſeinen Schutz behuͤten /
Der kan geſichert ſeyn / wenn Blitz und Donner kracht.
Und / wie nicht leicht ein Stern am Himmel einſam ſtehet
Beſondern andere an ſeiner Seiten fuͤhrt /
So hat den Edlen Stern auch hier der Glantz erhoͤhet /
Wenn ihm die Tugenden die Liebſte zugefuͤhrt /
Die Sternen erſter Krafft / und vielen zum Exempel
Jn ihrem Chriſtenthum beyſammen koͤnnen ſeyn;
Man frage nach der That / man ſchau des Herren Tempel /
Und was in ſelbte ſie mit Ruhm geſetzet ein.
Wie glaͤntzen Sterne nicht in den koſtbaren Stuͤhlen /
Wo von das reine Wort des Hochſten wird gelehrt /
Die / weil ſie GOtt begluͤckt / hinwiederumb bey vielen
Erwieſen / daß es ſein / was ihnen er verehrt?
Mehr / wie der Sternen Pracht am Tage nicht zu ſchauen /
Beſondern wenn der Mond die Wache auffgefuͤhrt /
So hat auff unſern Stern auch ſehnliches Vertrauen
Ein Edler Rath geſetzt / und ſich mit ihm beziert /
Als deſſen guter Schein und wolbekandte Straalen /
Sie offters angeblickt; es wiſſen Ampt und Pflicht /
Es weiß die Buͤrgerſchafft / wie er mit gleichen Schalen /
Was ihm vertrauet ward / gewogen im Gericht!
Wo iſt nun Stern und Pracht / und wo des Hauſes Schimmer?
Man ſihet Finſternuͤß ſtatt hellen Lichtes Schein /
Warum bekleidet man die außerleßnen Zimmer
Und haͤnget ſchwartzen Boy ſtat der Tapeten ein?
Man hoͤret Ach und Weh / und Kopff und Haͤnde ſchlagen
Ein klagendes Geſchrey vor Luſt-Geſaͤnge an /
Es wiſſen Land und Haus von nichts als Schmertz zu ſagen /
Die Kinder kuͤmmern ſich / es ſeufftzt der Unterthan.
Die Enckel / ſo hier Troſt und klugen Rath genommen /
Bejammern daß ihr Schirm ſo bald gefallen ein /
Jndem die Glocke heißt zu dem Begraͤbnuͤß kommen /
Daß ohn verlangte Pracht beſtellet wollen ſeyn.
Wahr iſts / Bekuͤmmerte / es iſt die Nacht verhanden
Jndem die Finſternuͤß euch in die Wohnung faͤllt;
Denn / wo vor euer Stern in hoͤchſtem Glantz geſtanden /
Da bauet Traurigkeit vor ſich ein Todten-Zelt.
Jhr klaget billich ja / weil eurem Haupt entwichen
Der Straal / ſo euch zuvor als einer Sonnen ſchien /
Judem85Leichen-Gedichte.
Jndem durchwircktes Weh muß Leib und Geiſt durchkriechen /
Nach dem des Sternes Zier und Klarheit faͤllet hin.
Doch / warum klaget ihr? der Stern iſt nicht vergangen /
Des Hoͤchſten Hand hat ihn an andern Ort verſetzt /
So bald der Abend nur wird wieder Licht empfangen /
Da werdet ihr ihn ſehn und hoͤchiich ſeyn ergoͤtzt.
Denn / wer was Liebes hat und wenig Zeit vermiſſet /
Dem iſt es noch ſo lieb wenn es drauff wieder koͤmmt;
So wird die Freude auch euch werden dort verſuͤſſet /
Die euch des HErren Hand zu geben ſchon beſtimmt.
Drum goͤnnet eurem Stern des Himmels Glantz und Scheinen
Schaut an den lichten Straal aus dem gewoͤlckten Reich /
Und / wollen alle wir uns ruͤhmen als die Seinen /
So muͤſſen wir zuvor dem Sterne werden gleich!
Geſetzter Leichen-Stein Hn. B. S. den 31. Julii 1670.
WEil unſer Fleiſch und Blut ſind Kleider die verweſen /
Und dieſes irrdne Haus verfaͤllt in ſeinen Sand /
So ließ die kluge Welt noch ihr Gedaͤchtnuͤß leſen /
Und hat den groͤſten Fleiß auff Graͤbern angewand.
Rom wolt ein ewig Licht den Abgelebten brennen /
Aegypten fuͤhrte Thuͤrm / und hohe Saͤulen auff;
Viel gaben die Begier durch Tempel zu erkennen /
Jn welchen einverleibt der Todten Lebens-Lauff.
Es muſte Morgenland den beſten Balſam ſchicken /
Und angenehmes Oel / ſie mit zu ſalben ein.
Der letzte Wille hieß das Grab mit Fleiß zu ſchmuͤcken /
Und es mit Lilien und Roſen zu beſtreun.
Es ſtunden Redner auff / die mit beredter Zungen
Der grimmen Sterbligkeit entgegen ſich geſetzt /
Es ward des Todten Ruhm durch Lieder abgeſungen /
Der beſten Thaten Ruff in Stein und Stahl geetzt.
Jch wil den grauen Mund der alten Zeit nicht fragen /
Noch frembder Voͤlcker Recht und Braͤuche fuͤhren an;
Denn wo wir mehr zu ſehn nur ein Verlangen tragen /
So iſt der Daͤhn und Ruhn / der uns vergnuͤgen kan.
Jhr Eifer / der ſie trieb die Graͤber auffzubauen /
Die Liebe ſo ſie auch die Steine legen hieß /
Fff 3Und86Leichen-Gedichte.
Und drein mit kluger Kunſt ein Angedencken hauen /
So voller Weißheit war / diß macht uns ſchon gewiß.
Und einen groſſen Ruhm begriffen kurtze Zeilen /
Das Schwerdt wormit ſie offt den ſtoltzen Feind erlegt /
Hing an dem Leichen-Stein / als wie an Ehren-Saͤulen /
Jn die der Helden Lob und Thaten eingepraͤgt.
Auff dieſe Weiſe nun blieb feurigen Gemuͤthern
Des Namens Ewigkeit zu ſtifften eingepflantzt /
Sie ſahn den Untergang von allen irrd ſchen Guͤtern /
Und daß des Menſchen Thun mit Noth und Tod umbſchantzt.
Allein die Eitelkeit hat Meiſter hier geſpielet /
Vergeſſenheit nnd Neid was reiſſen ſie nicht ein?
Was hat die Tyranney der Zeiten nicht durchwuͤhlet /
Daß ſolche Graͤber nun ein Hauffen Steine ſeyn?
Sol denn ein Ehren-Mahl auff dieſer Welt uns bleiben /
Das nicht gebrechlich iſt / und ſo / wie wir / vergeht /
So muß die Tugend uns die Grabe-Zeilen ſchreiben /
Die iſts / wenn gleich die Welt wird brennen / ſo beſteht.
Herr Scheiden / den wir jetzt zwar aus den Augen tragen /
Und nach bekandtem Brauch der Erden anvertraun /
Kan die gemeine Stadt / was ruͤhmlich iſt / nachſagen /
Die Tugend wil ihm auch ein ewig Denckmahl baun /
Das keine Zeit verletzt / das in den Hertzen gruͤnet
Der jenen / ſo ihm ſind mit Freundſchafft beygethan:
Denn wer getreu und recht / GOtt / und dem Nechſten dienet /
Der legt zu ſtetem Lob ihm ſelbſten Zunder an.
Der hurtige Verſtand der zierte ſeinen Handel /
Zu dem Erfahrenheit ihr Theil getragen bey.
War nicht im uͤbrigen ſein gantzer Lebens Wandel
Von alter Redligkeit / und ſonder Heucheley?
Verſtellen Hertz und Sinn / diß reden / jenes dencken /
Jn Worten milde ſeyn / in Wercken aber karg /
Jſt zwar ein Meiſterſtuͤck von den Welt-klugen Rencken /
Jedennoch zieren ſie gar ſelten Grab und Sarg.
Nein / unſer Seeliger prangt in gar andrer Seide /
Die ihm ſein Unſchuld ſpinnt / ein rein Gewiſſen webt /
Den Zeug ſo er auch braucht zu ſeinem Ehren-Kleide /
Jſt / daß die Buͤrgerſchafft ſein gutes Lob erhebt.
Daß er den Aemtern wol und embſig fuͤrgeſtanden /
So von der Oberkeit ihm wurden uͤberreicht /
Daß87Leichen-Gedichte.
Daß keine Maͤngel nicht bey ſolcher Pflicht verhanden /
Und jetzt ſein Ehren-Ruhm in reinen Flammen leucht.
So viel entfuͤhrt uns nun der Tod mit ſeinem Netze /
Zerreiſt das Band der Eh / macht Waͤiſen / raubt den Freund /
Jedoch weil nichts nicht hemmt die himmliſchen Geſetze /
Und GOtt doch Vater bleibt / wie frembd es immer ſcheint /
So muß / Bekuͤmmerte / die dieſer Fall betruͤbet /
Gedult bey ſolcher Noth das beſte Pflaſter ſeyn:
Weil ſelbſt der Seelige ein klares Beyſpiel giebet /
Mit was vor Muth er hat gelitten ſeine Pein /
Wie ſehr den ſiechen Leib des Steines Marter plagte /
Und ihn noch lebende den Leichen gleich gemacht /
Wie bey der hoͤch ſten Qual ſein Hertze nicht verzagte /
Und auffgeloͤſt zu ſeyn ihm wuͤnſchte Tag und Nacht.
Der muͤſte ſteinern ſeyn / dem dieſes Steines Leiden
Nicht das Gebluͤte ruͤhrt / und zur Erbarmnuͤß bringt /
Diß kont euch Hertz und Seel / Bekuͤmmerte / durchſchneiden /
Diß iſt / was Thraͤnen-Saltz aus beyden Augen zwingt.
Hergegen wenn ihr nun den Wechſel uͤberleget /
Die unaus ſprechlich Angſt vertauſcht mit hoͤchſter Luſt /
Daß ſeinen Leichen-Stein er nicht mehr bey ſich traͤget /
Und dort im Paradies ligt an des Heilands Bruſt /
Hier aber Gottesfurcht den Leichen-Stein ihm ſetzet /
Worauff die Tugend ſelbſt die Grabe-Schrifften ſchreibt /
So findet ihr vielmehr was euren Geiſt ergetzet /
Und was bey ſolchem Werck die Thraͤnen ruͤckwerts treibt.
Ein langes Leben iſt nur ein verlaͤngtes quaͤlen /
Wo taͤglich neue Noth die muͤden Jahre friſt /
Wo wir mehr Sorgen als wol Morgen werden zehlen /
Und ſtatt der Fruͤchte man die Kummer-Diſteln liſt.
Gluͤckſelig wer den Lauff ſo wohlgemuth vollendet /
Und kaͤmpfft den guten Kampff im Glauben und Gedult /
Der traͤgt den Preiß darvon / und wenn ſein Leben endet /
So bleibt den Tugenden die Nach-Welt dennoch huld.
Den Marmel bricht die Zeit / der Roſt verzehrt das Eiſen /
Und was kan Ewiges von Menſchen Haͤnden ſeyn?
Das Leben und der Tod des Seeligen die preiſen
Herr Scheidens Nachruhm fuͤr den beſten Leichen-Stein.
Fff 4Trauer -88Leichen-Gedichte.
Trauer-Ged ancken Bey Beerdigung Fr. R. G. g. K. den 17. Jan. 1671.
SO ziehſtu / Seelige / aus deiner irrdnen Huͤtten
Verlaͤſt des Leibes-Hauß von Erd und Leim erbaut /
Nachdem du mit Gedult den Tod haſt uͤberſtritten /
Und deine Seele nun das Schloß der Freuden ſchaut.
Diß iſt ein ander Hauß als unſre Leimne Waͤnde /
Die einer Folterbanck mit Recht zu gleichen ſind;
Diß hellbeſternte Schloß kennt keine Menſchen-Haͤnde /
Weil es von Ewigkeit der Schoͤpffer hat gegruͤndt.
Du ſihſt nun Sonn und Mond zu deinen Fuͤſſen ligen /
Haſt Engel neben dir / als treue Nachbarn ſtehn /
Wir leben noch im Kampf / du prangſt in lauter Siegen /
Da uns das Creutze druͤckt / kanſt du gekroͤnet gehn.
Dich ſpeiſt des Lebens Brod / uns Salſen bittrer Suͤnden /
Und deiner Herrligkeit iſt keine Hoheit gleich.
Der beſte Redner wird hier keine Worte finden /
Womit er melden kan den Glantz in GOttes Reich.
Zu dem / ſo iſt dein Ruhm auch hier nicht gar geſtorben /
Dein frommer Lebens-Lauf ziert deinen Leichen-Sein;
Die wahre Gottesfurcht hat dir den Spruch erworben /
Daß du ein Muſter kanſt betagter Witwen ſeyn.
Du haſt wie Monica mit Beten und mit Singen
Die meiſte Lebens-Zeit andaͤchtig zugebracht /
Und dir des HErren Furcht vor allen andren Dingen
Zur Richtſchnur fuͤrgeſetzt / und dich darnach geacht.
Du biſt Zenobia dem Armuth ſtets geweſen /
Und haſt in Leid und Noth beſtaͤndig dich geuͤbt /
Nun kanſtu auch davor die Freuden-Erndt einleſen /
Ob gleich der Thraͤnen Bach zum oͤfftern dich betruͤbt.
Wie haſtu nicht gewuͤnſcht in den verlebten Tagen /
Und da die boͤſe Welt in Laſtern ſich verjahrt /
Die Hand voll Fleiſch und Blut zu ſeiner Ruh zu tragen!
Wie hat ſich nicht dein Geiſt geſchickt zur letzten Fahrt!
Wol dem / und aber wol / der zeitlich lernet ſterben!
Es haͤngt an dieſem Punckt die gantze Seeligkeit.
Es89Leichen-Gedichte.
Es iſt kein leichtes Stuͤck den Himmel zu ererben /
Welt / Teuffel / Fleiſch und Blut die fuͤhren uns in Streit.
Ein ſolcher Feind der ſtets uns dencket zu beruͤcken /
Wann Wolluſt / Ehr / und Gluͤck uns ihre Schlingen ſtellt /
Bey ſo viel Hinterliſt / bey ſo viel argen Tuͤcken;
Wie leichte wird doch nicht ein ſterblich Menſch gefaͤllt.
Die groſſe Sicherheit / ſo unſern Sinn bethoͤret /
Laͤſt nicht des Lebens Ziel und Kuͤrtze dencken nach /
Weil der Begierden Sturm der Sinnen Frieden ſtoͤret /
So ſchaffen wir uns ſelbſt durch uns viel Ungemach /
Vertrauen auf die Zeit / da ſie doch nur geliehen /
Und keiner einen Tag beſitzt zum Eigenthum.
Wann nun die Stunde ſchlaͤgt / die uns befihlt zu ziehen /
Und uns der Tod abmeit gleich einer Wieſen-Blum /
Ach welch ein klaͤglich Wort entbricht aus unſerm Hertzen!
Wir werden erſt gewahr was zu beſtellen ſey.
Allein den Demant-Schluß: Du ſolſt und muſt jetzt ſter - tzen /
Hemmt keine Bitte nicht / noch klaͤglich Angſtgeſchrey.
Was zu verwundern iſt: Wir tragen Froſt und Hitze /
Durchziehn ſo manches Land / durchkreutzen manches Meer.
Der Wunſch iſt Geld und Gut zu haben im Beſitze /
Hingegen bleibt die Seel von Himmels-Sorgen leer.
Diß allerſchwerſte Werck macht ihm der Menſch ſo leichte /
Denckt wenig an den Tod / den er im Buſen traͤgt /
Als ob des Lebens Ziel ſich Phoͤnix-Jahren gleichte /
Und Neſtors Alterthum waͤr jedem beygelegt.
Nein / unſre Seelige / war gar weit andrer Sinnen /
Sie zog ihr Sterbe-Kleid der Pracht der Erden fuͤr /
Jhr eintzig Hoffen war zu ſehen Sions Zinnen /
Die Stadt Jeruſalem / und ihrer Schoͤnheit Zier.
Betruͤbte / die ihr itzt erſcheinet in der Klage /
Und theils der Kinder Pflicht / theils Enckel Liebe weiſt /
Frolockt der Seeligen / die nun von Angſt und Plage /
Entbunden / Himmel an zu ihrem GOtt gereiſt.
Jhr ruͤhmlich Wandel kan euch hier zum Troſte dienen /
Die Zucht und Erbarkeit lobt noch gemeine Stadt /
F f f 5Jhr90Leichen-Gedichte.
Jhr Angedencken wird bey ſpaͤter Nachwelt gruͤnen /
Weil ſie der Froͤmmigkeit ſich gantz gewidmet hat.
Jhr Hingang machet uns zu folgen ein Verlangen.
Denn was erwarten wir als Jammer-reiche Noth?
Sind wir nicht Sclaven gleich mit Feſſeln ſtets gefangen?
Gluͤckſeelig / wen erloͤſt ein wolbereiter Tod,
Zwar das iſt von Natur / daß bey der Eltern Grabe /
Ein Kind kein Marmel iſt / und es mit Thraͤnen ehrt:
Doch wil das Chriſtenthum / daß man auch Maß hier habe /
Weil endlich mit der Zeit das groͤſte Leid aufhoͤrt.
Sie iſt recht Lebens ſatt verſammlet zu den ihren /
Jhr hohes Alter hat den letzten Grad erlangt /
Wir wiſſen / daß ſie dort die Sieges Lorbern zieren /
Daß ſie im Unſchulds-Kleid als eine Lilje prangt.
Seelige Nachfolge / Fr. S. E. g. R. den 21. May 1671.
ES war der hoͤchſte Wunſch bey treu-verliebten Hertzen /
Die noch das Alterthum der erſten Zeit erkant /
Daß / wie ſie ſich vermaͤhlt bey gleichen Hochzeit-Kertzen /
Sie auch in ihrem Tod umbfieng ein gleicher Brand.
Wie ſehnlich wuͤnſchten ſie / daß die entleibten Schatten /
Jn dem Elyſer-Feld beyſammen moͤchten ſeyn!
Und wie ſie ſich verknuͤpfft in dieſem Leben hatten /
So hofften ſie auch dort diß Buͤndnuͤß zu verneu’n.
Es kan das Morgen Land ſein Frauen-Zimmer zeigen /
So voller Brunſt und Geiſt ſprang in die Todten Glut:
Es wird auch Sina nicht von ſolchen Weibern ſchweigen /
Die eben diß gethan mit tapfferm Helden-Muth.
Die Arria kroͤnt noch ein ewiges Geruͤchte;
Paulina ſchneidet ihr die Adern friſch entzwey /
Als ſie den Seneca mit blaſſem Angeſichte
Allmaͤhlich ziehen ſieht zu der entſeelten Rey.
Tranck Arthemiſia nicht ihres Ehmanns Aſche /
Und baut ein koͤſtlich Grab zum Zeichen reiner Gunſt?
Und daß ſich Porcia von aller Schuld abwaſche /
Sind Kohlen nicht ſo heiß als ihre Liebes-Brunſt.
Allein ein eitler Wahn verblendte die Gemuͤther;
Die raſende Begier nach der Unſterbligkeit /
Schlug91Leichen-Gedichte.
Schlug ihnen gleichſam auß Heil / Leben / Stand und Guͤter /
Wenn nur ein praͤchtig Lob ihr Grab-Mahl hat erfreut.
So weit kam die Vernunfft mit irrigen Gedancken.
Nein / wahrer Chriſten Lieb iſt ſtaͤrcker als der Tod /
Sie iſt ſo feſt gegruͤndt / und kan nicht leichtlich wancken /
Ob ſie gleich uͤberfaͤllt die allergroͤſte Noth.
Und dieſe Liebe thut die groͤſten Wunderwercke /
Es iſt das Heydenthum nur lauter Poſſenſpiel.
Wer kennt nicht ihre Macht / wer weiß nicht ihre Staͤrcke?
Wie nur Beſtaͤndigkeit ihr ausgeſetztes Ziel /
Ein Zeugnuͤß wahrer Treu und ungefaͤrbter Liebe /
Die auch dem Tode ſich entgegen hat geſetzt /
Und wuͤrdig daß man ſie in Ertz und Marmel ſchriebe /
Daran die grimme Zeit nicht ihre Zaͤhne wetzt /
Zeigt der Frau Doctorin nunmehr entſeelte Leiche /
Die ihrem Ehgemahl folgt auf dem Fuſſe nach /
Und daß ſie nimmermehr von ſeiner Seiten weiche /
Deckt beyder Coͤrper auch ein gleiches Schlaff-Gemach.
Sie hatte ihrem Schatz die Augen kaum geſchloſſen /
Das Sterbekleid geneht / den Todten-Zeug beſtellt /
So ſieht ſie ebenfalls ihr Stunden-Glas verfloſſen /
Und eine Woche faſt nimmt beyde von der Welt.
Mehr als begluͤckter Tod / mehr als gewuͤnſchtes Sterben /
Und Liebe die die Nacht der ſchwartzen Grufft beſiegt!
Was ſonſt den Witwenſtand Verlaßnen kan erherben /
Und was Verwaiſte druͤckt / das hat ſie nie bekriegt.
Sie iſt in voller Ruh und Lebens-ſatt verſchieden /
Hat ihres Leibes Fruͤcht in Ehren ſehen bluͤhn /
Und auch noch Kindes-Kind in Segen-reichem Frieden /
Verſpuͤrt / zu Ruhm des Stamms aumuthig auferziehn.
Nun dieſe Wunderthat / ſo vielen nicht beſcheret /
Hat ihr des Lebens-Luſt noch nie ſo ſehr verſuͤſt /
Daß ſie bey ihrem Schatz nicht mehr zu ſeyn begehret /
Jhm eiligſt nach gefolgt / und in der Grufft begruͤſt.
Die jenen / ſo ein Bett und auch ein Grab bedecket /
Sind ſtatt der Thraͤnen ja der Freuden-Lieder werth /
Und daß ihr Leichen-Stein mit Blumen ſey umbſtecket /
Und der begluͤckte Sand Narciß und Lilg ernehrt.
Es kan ein ſolches Grab Mauſolens Thurm verlachen /
Zumal wenn Gottesfurcht die beſte Grabſchriſſt iſt /
Wenn92Leichen-Gedichte.
Wenn Tugend / Zucht und Treu den Lebens-Wandel machen /
Wie ihr die Seelige Lob-wuͤrdig außerkieſt.
Verehrt der Eltern Grab mit ſtetem Angedencken /
Betruͤbte / die ihr jetzt in Flor und Boy verhuͤllt /
Erkennt was Gottes Gunſt den beyden wollen ſchencken /
Daß ihrer Leiber Reſt ein gleiches Grab erfuͤllt.
Sie leben noch in euch / und bluͤhn in euren Kindern /
Des Vatern kluger Geiſt / der Mutter Froͤmmigkeit.
Ja was die tieffſte Wund und groͤſten Schmertz kan lindern /
Sind Chriſtliche Gedult und denn die lange Zeit.
Sie ſind vorangeſchickt / wir ſind noch eingeſpannet /
Biß uns des Hoͤchſten Schluß die Feſſel nimmet ab;
Uns die noch taͤglich Angſt und Truͤbſal uͤbermannet /
Was ſuchen wir denn mehr als nur den Weg ins Grab?
Hat man den jenigen der wohl gekaͤmpfft bekraͤntzet;
Macht des Soldaten Blut den Ehren-Purpur klar;
Und iſt ein Schiffmann froh wenn er am Lande graͤntzet /
Befreyt von Wind und Sturm / entnommen der Gefahr /
So ſind die Seeligen vielmehr noch zu bekroͤnen /
Die uͤber Welt / und Tod / und Teuffel triumphirt /
Die nun vor Gottes Thron ihr Sieges-Lied erthoͤnen /
Und die die Lorbeer-Kron erlauchter Hoheit ziert.
Uberdruß Menſchlichen Lebens / Bey Beerdigung Hn. J. L. D. zu St. E. den 18. Junii 1671.
SO ſchleuſt du / Seeliger / die Wallfarth deiner Tage /
Und ſchickſt den muͤden Leib zu der gewuͤnſchten Ruh!
So hat ſein End erreicht des Leidens lange Plage /
Und diß was irꝛdiſch war / deckt Erde wieder zu!
Es konte dir die Welt mit ihren ſchnoͤden Sachen /
So bloſſes Blend-Werck ſind und eitles Gauckelſpiel /
Nur Eckel und Verdruß hinfort zu leben machen /
Weil deiner Seele nicht ihr boͤſes Thun gefiel.
Du ſahft mit Salomon daß alles alles eitel /
Und wuͤnſcht mit Davids-Mund von Meſech weg zu gehn.
Ja weil wir gantz verderbt vom Fußbret biß zur Scheitel /
So muſte Hiob dir zu dem Beweißthumb ſtehn.
Sein93Leichen-Gedichte.
Sein abgemartert Leib und außgekreiſchte Knochen /
Das Eyter volle Fleiſch / der heßliche Geſtanck /
Die Glied er hin und her vom Faͤulniß gantz durchkrochen /
Er ſelbſt / ſein Folterer und eigne Folterbanck /
Belehrten / was der Menſch / und ſein vergaͤnglich Weſen /
Wie er noch lebendig ſich ſchon zu Grabe traͤgt;
Daß immer Noth auf Noth / ſo bald er nur geneſen /
Auf ſeines Lebens Schiff / gleich einer Welle / ſchlaͤgt.
Und vielen wird der Leib der Mutter auch zum Grabe /
Viel fallen Blumen gleich im erſten Fruͤhling hin.
Geſetzt ſchon / daß der Menſch von Jahren etwas habe /
Raubt nicht die Eitelkeit den Reſt noch zum Gewin?
Was iſt die Wiſſenſchafft / in welcher wir uns bruͤſten?
Ein Wahn / der meiſtentheils aus falſchem Grunde quillt.
Was iſt die Weißheit denn / nach der ſo viel geluͤſten?
Ein eingebildtes Thun / ſo bey ſich ſelbſt nur gilt.
Was iſt denn der Verſtand? ein unvollkommen Sinnen.
Was die Erforſchung denn? gantz eine leere Muͤh.
Daß Reichthum? ein ſolch Gut / das fluͤchtig muß zerrinnen.
Die Schoͤnheit der Geſtalt? der Augen Phantaſie.
Was die Gerechtigkeit? ein Tuch / das / ſehr beflecket.
Was Hoheit? ein glatt Eiß / auf dem man leichtlich faͤllt.
Was maͤchtige Gewalt? ein Neſt / das Suͤnden hecket:
Und kurtz; ein Schattenwerck iſt aller Pacht der Welt.
Wenn nun ein feurig Geiſt in Himmel gantz verliebet /
Und von der Ewigkeit ſchon einen Vorſchmack fuͤhlt /
Das Marter-Haus den Leib großmuͤtig uͤbergiebet /
Wer zweiffelt / daß er nicht den beſten Zweck erziehlt?
Wir ſuchen Ruh und Luſt auf Erden nur vergebens /
Vom Kummer abgematt von Schmertzen abgezehrt:
Ja wir empfinden auch den Uberdruß des Lebens /
Wenn von des Coͤrpers Laſt die Seele wird beſchwert.
Was iſts nun daß wir uns ſo lange hier geſaͤumet /
Wenn uns zu letzte noch muß vor uns ſelber graun?
Wenn meiſtens der Verſtand dem Menſchen iſt entraͤumet /
Und er nicht ferner kan auf ſein Gedaͤchtnuͤs baun:
Wenn ſich die Augen ſchon in tieffe Nacht verſtecken /
Und ſich die kalte Stirn in lauter Runtzeln zeucht /
Wenn man die Haͤnde nicht vor Zittern auß kan ſtrecken /
Den ſiechen Ruͤcken kruͤmt und kaum aus ſchwachheit kreucht:
Wenn94Leichen-Gedichte.
Wenn der Zahn-loſe Mund nicht mehr geſchickt zum Eſſen /
Und den bedraͤngten Leib bald Froſt bald Hitze plagt.
Der Eckel und Verdruß iſt leicht denn zu ermeſſen /
Und daß man / nimm mich auf / mit dem Elias klagt.
Wem waͤchſt bey ſolcher Noth nicht ein erhitzt Verlangen /
Die Huͤgel voller Fried in jener Hoͤh zu ſehn?
Wer ſchaͤtzt ſich nicht begluͤckt / der ſo dem Sturm entgangen /
Jm Paradiß anlendt / wo Freuden-Weſte wehn?
Wir muͤſſen / Seeliger / der Kirchen Ruhm und Zierde /
Auch deiner Pilgramſchafft den Seegen ruffen nach.
Denn wem iſt unbekand die hertzliche Begierde /
Jn welcher du geeilt auß dieſem Angſt-Gemach?
Wie vor des HErren Wort dein Mund hat vorgetragen /
Wie du / beſtaͤndig ſeyn / beweglich haſt gelehrt /
Und heiſam unterweiſt in den Gewiſſens-Fragen /
Und was den Glanben baut / und was ihn auch zerſtoͤrt;
Wie das ein ewig Weh und ewig Wol uns bleibet /
Der Himmel oder Hell einſt die Belohnung ſeyn;
Und daß je mehr den Menſch deß Creutzes Laſt aufreibet /
Je mehr er wird erfreut in jenes Reich gehn ein.
Das haſt du an dir ſelbſt zur Probe fuͤrgeſtellet /
Der ſiechen Tage Zahl / der Schmertzen Bitterkeit /
Hat die Beſtaͤndigkeit deß Glaubens nie gefaͤllet;
Du warſt mit Helden-Muth zu dieſem Kampf bereit.
Biſt wie ein Prieſter ſol / im Lehren / Leben / Wandel /
Mit Sanfftmuth und Gedult gedrungen durch die Zeit /
Jn dem dir wol bewuſt / daß nach vollbrachtem Handel /
Nach Elend / Creutz und Angſt die Krone ſey bereit.
Die Kinder laſſen auch nicht dein Gedaͤchtnis ſterben /
Zwey Soͤhne ziert das Recht und der Hygeen Gunſt.
Du haſt den Eydam ſehn dein Ehren-Ambt erwerben /
Durch wahrr Gottesfurcht / Geſchickligkeit und Kunſt.
Ehrwuͤrdiger ruh wol / ſchlaf in der Vaͤter Frieden /
Der du viel Muͤh gehabt / erndſt itzt viel Freuden ein.
Ach ſeelig / wer ſo wol / von dieſer Welt geſchieden /
Daß ihm kan ewig wol fuͤr Gottes Throne ſeyn!
Das95Leichen-Gedichte.
Daß ehrwuͤrdige Alter / Bey Beerdigung Fr. M. L. g. E. den 9. Julii 1671.
DAs ungemenſchte Bolck / die rauhen Maſſageten /
So theils Moͤotis Pful / theils Tanais umſchraͤnckt /
Mag aus ergrimmtem Haß ſein alte Greiſen toͤdten;
Ob es die Grauſamkeit auch zu beſchoͤnen denckt;
Daß ein verlebter Leib nicht zu Geſchaͤfften nuͤtze /
Daß ein krafftloſer Arm nicht ferner dienen kan /
Daß ein betagter Mann mehr bey dem Ofen ſitze /
Als er zu Felde geht / und legt den Harniſch an.
So laufft doch der Natur diß Raſen gantz zuwider.
Jſts moͤglich daß ein Menſch den andern Menſchen ſchlacht?
Und jaͤmmerlich zermetzt ſein eigen Fleiſch und Glieder?
Ja oft den jenen Leib ſo ihn zur Welt gebracht?
Jhr wilden Scythen geht mit den verdammten Braͤuchen /
Mit dem verfluchten Neid / der auf das Alter faͤllt.
Ein Anblick grauer Haar / und derer Ehren-Zeichen
Hat gar was Herꝛlichers in unſerm Sinn beſtellt.
Pflantzt ein beſchneites Haupt und ernſtliches Geſichte
Der rohen Jugend nicht Pflicht und Gehorſam ein?
Weiſt nicht der Jahre Schnee der Weißheit reiffe Fruchte?
Und bey Betagten muß auch viel Erfahrung ſeyn.
Des Menſchen Seele faͤngt alsdenn erſt an zu leben /
Je mehr der muͤrbe Leib ſich zu dem Grabe neigt;
Jſt von den Reitzungen und Luͤſten nicht umbgeben /
Auß derer Keim und Kern nur lauter Unfall ſteigt.
Da vor der Jahre May vom warmen Blut erhitzet /
Hat hier des Alters Froſt die Flammen abgekuͤhlt /
Da in Begierden vor das geile Fleiſch geſchwitzet /
Verzehrt es hier die Zeit daß nichts dergleichen fuͤhlt.
Zu dem verleſcht auch nicht des Geiſtes Feuer-Funcken /
Die Aſche grauer Haar / ſo ſie vielmehr ernehrt.
Die Seele / ſo vorhin von dem Gebluͤte truncken /
Wird gleichſam nuͤchtern da / und bleibet unbeſchwert.
Verſchwind des Leibes Krafft / ſo waͤchſt der Klugheit Staͤrcke /
Verbluͤhn die Glieder ſchon / ſo gruͤnet der Verſtand.
That nicht Themiſtocles im Alter Wunder-Wercke?
Lebt er nicht hundert Jahr an Sinnen unverwand?
Und96Leichen-Gedichte.
Und alte Leute ſind recht himmliſche Sibyllen /
Die ins Verborgne ſehn / weiſſagen was ergeht /
Die den Oraculn gleich die Welt mit Weißheit fuͤllen /
Und lehren was da wol / und was da uͤbel ſteht.
Ließ uns das Alterthum nicht Sitten und Geſetze?
Hat der begraute Witz nicht Laͤnder auferbaut?
Und Staͤdte angelegt / und zu denſelben Schaͤtze
Und aller Voͤlcker Recht der Nachwelt anvertraut?
Welch Undanck waͤr es nun / die ſich umb uns verdienet /
Durch ihre Muͤh und Fleiß in Wolſtand uns gebracht /
Nicht wieder ſo zu ehrn / daß ihr Gedaͤchtnuͤß gruͤnet /
Daß ihnen Lob und Ruhm ein ewig Denckmal macht!
Und weyht der Danckbarkeit Athen ſo viel Altare /
So kan ein Menſch ſein Hertz zum Danck-Altare weyhn /
Der Scheitel Lilien / dem Silber-grauen Haare /
Das uns mit Gutthat pflegt und Segen zu beſtreun.
Bevor wann ſie nun diß was ſterblich abgeleget /
Und den erſtarꝛten Leib der Erden ſchicken zu /
Daß man nicht ihren Ruhm zugleich zu Grabe traͤget /
Den letzten Ehren-Dienſt als wie es billich thu.
Jhr hochbetruͤbten ihr / in Flor und Schleyr verſtecket /
Fuͤhlt jetzt des Todes Grimm in mancherley Geſtalt.
Jhn hat / geehrter Freund / der Fall zu erſt erſchrecket /
Der ihm ſein Hertze raubt / in dem die Liebſte kalt.
Denn muß der Kinder Reyh die treue Mutter miſſen /
Stoͤſt heiſſe Seuffzer auß / ſchmiltzt in ein Thraͤnen-See /
Klagt / daß ihr Aufenthalt / und Zuflucht hingeriſſen /
Und daß der beſte Freund von ihrer Seiten geh.
Der Enckel zarte Schaar / von Wehmuth uͤberſchwemmet /
Weiß nicht genug ſein Leid zu geben an das Licht /
Laͤſt ſeiner Augen-Brunn abſchieſſen ungehemmet /
Jn dem der muͤde Mund Groß-Mutter rufft und ſpricht.
So ſehnlich wird betraut die Seelige Matrone /
Die Ehr und Lebens ſatt gegangen auß der Welt /
Und deren graue Haar auch ihres Alters Krone /
Weil ſie die Lebens-Zeit der Tugend zugeſellt.
Mißgoͤnnt / Betruͤbte / nicht den Wechſel ihrer Freuden /
Daß ſie der Erden Angſt vertauſcht umb ſtete Luſt /
Daß ſtatt der Dornen ſie in Roſen jetzt kan weiden /
Und vor deß Crentzes Kelch den Tranck des Lebens koſt.
Wie97Leichen-Gedichte.
Wie viel elende Naͤcht und Tage ſie gelitten /
Wie offt der Kranckheit Schmertz den matten Leib geplagt /
Und wie ihr Mutter-Hertz der Kummer hat beſtritten /
Jſt ſattſam an dem Licht / und unnoth daß mans ſagt.
Nun hat ſie obgeſiegt / ihr iſt der Kampff gelungen /
Weil Glauben und Gedult als Waffen ſie gefuͤhrt /
Und mit durch Noth und Tod hertzhafftig durchgedrungen /
Daß ihre Scheitel nun die Ehren-Krone ziert.
Das kan / Betruͤbte / noch zum ſchoͤnſten Beyſpiel nuͤtzen /
Jhr Alter wird euch auch ein Tugend-Spiegel ſeyn /
Und Stralen guter Zucht in eure Hertzen blitzen /
Und in der Seelen Grund ihr Denckmahl ſencken ein.
Was wolt ihr viel das Grab mit tauſeud Thraͤnen waſchen?
Wer ſo den Lauff vollbracht / dem rufft man mehr Gluͤck zu!
Ruͤhmt eurer Mutter Treu / und ehrt den Reſt der Aſchen /
Biß daß euch GOttes Schluß rufft zu dergleichen Ruh.
Thraͤnen der Muſen Zu Ehren Fr. U. M. v. A. g. v. K. geheiliget den 23. Aug. 1671.
Calliope.
DEckt / Schweſtern / euer Haupt mit blaſſen Leid-Cypreſſē /
Denckt auff ein Klage-Lied / das Felſen machet weich /
Denn eure Luſt und Zier iſt nunmehr kalt und bleich /
Ja von dem grimmen Raub des Todes auffgefreſſen.
Apollo unſer Fuͤrſt kan nicht den Fall ermeſſen /
Der ihm hoͤchſt-ſchmertzlich ſcheint / und in dem gantzen Reich
Ein Beyleid hat erweckt; Auff Schweſtern! ſtim̃t zugleich
Die Leyr / laſt uns den Ruhm der Werthſten nicht vergeſſen.
Die Thraͤnen trocknen nicht / ſo ihr dem Grabe weyht /
Es wil den Trauer-Klang das Echo hoch erheben /
Und durch den Lorbeer-Wald dreyfaͤltig wiedergeben
Des Pindus Blumenſtehn vor Wehmuth wie beſchneyt.
Ach Schweſtern! ach beklagt die Sonne von den Frauen /
Bey der Zucht / Adel / Witz und Keuſchheit war zu ſchauen!
Melpomene.
WIch duͤnckt ich ſehe noch die halb gebrochnen Blicke /
So auffdes Liebſten Seel als Pfeile giengen loß;
G g gJch98Leichen-Gedichte.
Jch ſeh ein blutend Hertz von dieſem Todes-Stoß
Von Grund aus durchgebohrt / zerſchmettert in viel Stuͤcke.
Verhaͤngnuͤß voller Noth und zorniges Geluͤcke!
Die ein geſegnet Band der treuſten Lieb umbſchloß /
Aus derer Regungen ein gleicher Wille floß /
Die trennet und entzweyt das himmliſche Geſchicke!
Timantes Pinſel muß hier einen Fuͤrhang ziehen
Es wuͤrd ein guͤldner Mund ſolch unausſprechlich Leid /
Das Marck und Blut verzehrt / und in die Seele ſchneidt /
Durch Troſt zu legeu hin umbſonſt ſich nur bemuͤhen.
Der Jnbegrieff von Angſt / der Schau-Platz aller Schmertzē
Jſt / wenn der Tod zerreiſt zwey treu-vermaͤhlte Hertzen.
Erato.
SO liegt ſein Augen-Troſt im Blumen-reichen Lentzen
Der Jahre hingerafft / ſo ſchweigt der Roſen-Mund /
Der durch Behaͤglich ſeyn den Unmuth wenden kont /
Und der Geſpraͤch und Schertz nie ließ von ſeinen Graͤntzen?
So ſieht man ferner nicht der Augen Sterne glaͤntzen /
Noch Nelck / und Lilien bluͤhn auff der Wangen Rund /
So ſtaͤrckt kein Blick / kein Kuß hinfort der Liebe Bund /
Das werth-geſchaͤtzte Haupt wird nicht ihr Arm bekraͤntzen?
Ach ſchmertzlicher Verluſt! die ſeine Seele war /
Ohn derer Gegenwart er nicht zu leben ſchiene /
Die eilt aus dieſer Welt / der groſſen Trauer-Buͤhne /
Und legt ſein halbes Hertz zugleich mit auff die Bahr.
Hoch-Edler / auſſer Streit ſoll er diß Zeugnuͤß haben /
Daß bey der Liebſten Tod er ſelber ſich begraben.
Polymnia.
DJe Cedern des Geſchlechts ſind nicht vom Tode frey /
Der Ahnen grauer Ruhm kan nicht dem Schim̃el wehrē /
Sonſt koͤnte dieſes Grab nicht dieſen Schatz verzehren /
Den unter tauſend Ach! und Weh! man leget bey.
Es wird ohn alles Ziel der Edlen Mutter Treu
Jhr hoch-geliebtes Kind Blut-thraͤnende begehren /
Mit Seufftzen voller Gluth des Himmels Gunſt beſchweren /
Ob nicht ihr eintzig Troſt zuruͤck zu ruffen ſey.
Nicht ſeltne Froͤmmigkeit / nicht angeborne Tugend /
Und was die Menſchen ſonſt auff Erden himmliſch macht /
Vermoͤgen zu entfliehn des ſchwartzen Grabes Nacht /
Sie deckt des Alters Schnee und auch den Kern der Jugend.
Ver -99Leichen-Gedichte.
Vermoͤchten diß der Stand / Zucht / Schoͤnheit / holde Sitten /
Es waͤr der Seligen ihr Faden nicht zerſchnitten.
Thalia.
SInd Sarg und Hochzeit-Bett einander ſo verwand?
Der gantze Helicon klang voller Freuden-Lieder /
Die Venus und die Schaar der kleinen Liebes-Bruͤder
Entzuͤndten beyder Hertz in angenehmen Brand /
Und ſtreuten Myrten aus / und legten Hand in Hand /
Daß weder Noth noch Tod diß Buͤndnuͤß riſſe nieder.
Ach aber! eh der Herbſt zum vierdten kommet wieder /
So liegt die Gratie verblaſt im kuͤhlen Sand.
Jhr Braut-Krantz iſt zu fruͤh verkchrt in Wermut-Straͤuche /
Jhr praͤchtger Ehren-Rock ins duͤnne Sterbe-Kleid /
Die Fackeln erſter Luſt bezeugen nun das Leid /
Und ſind von Angſt geſchwaͤrtzt Geferthen bey der Leiche.
So viel Ergetzligkeit das Hochzeit-Feſt gezieret /
So viel Betruͤbnuͤß wird jetzt umb den Sarg geſpuͤret.
Terpſichore.
WAs / Schweſtern / laſt ihr doch ſo bittre Thraͤnen rinnen?
Es lebt die Selige in hoͤchſter Wonn und Luſt /
Sie liegt als eine Braut dem Heiland an der Bruſt /
Und wohnt als Koͤnigin in Zions heilgen Zinnen.
Jetzt wird ſie allererſt der Herrligkeiten innen /
Nun ſie den Kelch des Heils / das Brod des Lebens koſt.
Was keines Menſchen Aug und Ohren iſt bewuſt /
Diß kan ſie gantz verklaͤrt vor GOttes Thron gewinnen.
Sie tritt die Sterbligkeit nun unter ihre Fuͤſſe /
Und ſiehet Sonn und Mond weit niedriger geſtellt /
Sie lacht der Eitelkeit der Grund-erboßten Welt /
Nachdem ſie JEſus labt durch heiſſe Liebes-Kuͤſſe.
Ach ſelig / wer ſo wol legt ab des Fleiſches Kleid!
Dem iſt das finſtre Grab ein Thor zur Ewigkeit.
Euterpe.
ES iſt der edle Geiſt dem Urſprung nachgegangen /
Dieweil der Himmel ihm zum Ziele war geſteckt /
Damit ihn nicht die Welt das Suͤnden-Haus befleckt /
Wo Laſter ſtets an uns wie Kletten bleiben hangen /
Wo Froͤmmigkeit erſtirbt / wo Redligkeit gefangen
Und an den Feſſeln liegt / wo Tugend man verdeckt /
Hingegen Trug und Liſt im Grund des Hertzens heckt /
Und / gleich wie Etna / brennt von Hoffart und Verlangen.
G g g 2Hinge -100Leichen-Gedichte.
Der Kercker voller Qual / der konte ſie nicht halten /
Wo wahre Liebe ſchwindt / wo Glaub und Demuth ſinckt /
Wo eines lachende dem andern Gifft zutrinckt /
Und alle gute Werck im Chriſtenthum erkalten.
Drumb hat ſie ihren Fuß der Laſter-Bahn entzogen /
Damit ſie freudiger ſchritt auffdes Himmels Bogen.
Urania.
HOch-Edler / ſeine Seel Urania iſt todt /
Allein ihm bleibt bekand der Wechſel / den ſie troffen /
Wie viel der Herrligkeit er dermaleins zu hoffen /
Wenn ſie wird neben ihm vereinigt ſtehn bey GOtt.
Jetzt iſt nicht Wunderns werth / daß unerhoͤrte Noth
Und Jammer-reicher Schmertz laͤſt ſeine Wunden offen /
Daß in der Thraͤnen-Flut die Geiſter ſind erſoffen /
Und ſeine Seele ſpeiſt der Truͤbſal hartes Brod.
Jedoch ein groß Gemuͤth in Weißheit ausgeuͤbet /
Mit Tugend wol verwahrt / und mit Gedult umbſetzt /
Weiß daß die jenigen / ſo GOtt am liebſten ſchaͤtzt /
Offt mit dem ſchwerſten Creutz und haͤrtſten Proben uͤbet.
Wiewol was ſorg ich viel mit Troſt ihn zu beſchencken?
Er ſelbſt / der Weisheit Licht / weiß ſich hierin zu lencken.
Clio.
KOmmt / Schweſtern / ſchmuͤckt das Grab / ſingt himmliſche Gedichte!
Des Adels ſchoͤne Blum / der Keuſchheit Glantz Zier /
Der Tugend Sammelplatz muß zwar verweſen hier /
Doch glaͤntzt die reine Seel in unumſchriebnem Lichte.
Was ſeufftzt ihr Clarien mit blaſſem Angeſichte?
Schafft / daß ein ewig May ſproß aus der Grufft herfuͤr /
Und daß die Nach-Welt auch kenn eure Dienſt-Begier /
So meldt den Sternen an ihr herrliches Geruͤchte.
Sonſt ſolt ihr euch nicht muͤhn ein Denck-Mahl auffzubauen:
Sie lebt ins Liebſten Hertz durch ſich und durch ihr Kind.
Wo ſolche Zeugen nun ſtets gegenwaͤrtig ſind /
Da darff man nicht die Lieb in Ertz und Marmel hauen /
Sie iſt auffs praͤchtigſte der Seelen eingepraͤgt /
Und wird nicht in das Grab / als wie der Leib / gelegt.
Ach101Leichen-Gedichte.
Troſt-Schreiben An Hn. M. F. J. P. uͤber dem Abſterben ſeiner Ehellebſten M. M. g. R. den 30. Novemb. 1671.
ACh hoch betruͤbter Freund was ſoll ich dir doch ſchreibē
Jetzt da dein treues Hertz in heiſſem Blute ſchwimmt!
Darff mein elender Reim den Seelen-Riß auffreiben?
Den ſtets ein neues Weh / und herbes Ach! ergrimmt.
Denn ſolche Schmertzen ſind zu groſſen Potentaten /
Der beſte Redner wird hier ſprachloß und verſtummt /
Dein bleiches Angeſicht / die Augen wie Granaten /
Und der erſchrockne Leib in ſchwartzen Flor vermummt /
Zu dem der Mutter Leid und aͤngſtlich Haͤnde ringen /
Der Schweſter Jam̃er-Gall / der Freundſchafft Thraͤnē-See /
Die laſſen mich kein Lied bey ſolchem Zuſtand ſingen /
Jndem ich ſelbſt nicht weiß ob ich bey Todten ſteh.
Jch ſeh dein Hochzeit-Bett in einen Sarch verkehret /
Eh noch die Cynthia uns neunmal angelacht /
So wird dein Rebenſtock ſambt Bluͤth und Frucht verheeret /
Muß deſſen ſeyn ein Grab / dem er das Leben bracht.
Ach haͤngt Geburt und Tod in ſo genauen Ketten /
Und ſol das Leben denn des Sterbens Nachbar ſeyn!
Die Stunde ſo uns heiſt das groſſe Rund betreten
Fuͤhrt uns offt wieder ab / und in das Grab hinein /
Schien nicht des Himmels Gunſt vollkommen dir geneiget /
Als in dem erſten Lentz die Blume deiner Eh
Was nur ergetzen kan / anmuthig hat gezeiget?
Floß dir nicht Segen zu von der geſtirnten Hoͤh?
Es brandte deine Lieb in unzertrennten Flammen /
Sie war dein Augen-Troſt / du ihrer Wuͤnſche Ziel /
Und goͤldner Friede band euch dergeſtalt zuſammen /
Daß nichts als Freud und Luſt in beyder Armen fiel.
Wer haͤtte da vermeynt (und war es zu ergruͤnden?)
Daß nach ſo kurtzer Zeit du deine Seelen-Luſt
Jns Leich-Tuch eingehuͤllt / im Sarche ſolteſt finden?
Ach unverhoffter Fall / und ſchmertzlicher Verluſt!
Ein eintzig Augenblick beraubt dich aller Freuden /
Und laͤſt dich nicht die Frucht von eurem Segen ſehn /
G g g 3Zwey102Leichen-Gedichte.
Zwey Hertzen muͤſſen ietzt von deinem Hertzen ſcheiden /
Welch Menſch verarget dir dein Winſeln und dein Flehn?
Des Creutzes Aloe iſt hier nur allzubitter /
Sie nimmt die Zuckerung des Troſtes gar nicht an /
Ein ſolcher Fall beſtuͤrtzt die trefflichſten Gemuͤther /
Daß auch ein Stoicus ſich hier nicht halten kan.
Es mag die Vorder-Welt des Orpheus Treu beſchreiben /
Der ſein Eurydice mit tauſend Thraͤnen ſucht /
Laͤſt biß an Plutons Reich ſich auch die Liebe treiben /
Auff daß er nur erblickt den Schatten ihrer Flucht /
Verſoͤhnt mit ſeinem Klang die unverſoͤhnten Geiſter /
Und macht daß Klipp und Felß zugleich mitleidig ſeyn;
So bleibt der groſſe Schmertz hierinnen dennoch Meiſter
Und keine Sehnſucht hilfft / noch ein unendlich ſchrey’n.
Gewiß / betruͤbter freund / du wuͤrdeſt ſie mit Thraͤnen /
Mit Thraͤnen voller Blut zuruͤcke wieder ziehn /
Jhr gar durch deinen Tod den Weg zum Leben baͤhnen
Wann die verfallne Blum nur wieder koͤnte bluͤhn.
Alleine kan ein Menſch den groſſen GOtt betagen?
Und rufft ein Erdenkloß den Schoͤpffer vor Gericht?
Sein unerforſchter Rath iſt gar nicht aus zufragen /
Das Urthel Zweiffels frey ſo ſeine Allmacht ſpricht.
End-Urtheil muͤſſen ja bey Sterblichen hoch gelten /
Und ſolte GOttes Spruch bey dir nicht guͤltig ſeyn?
Der die Gerechtigkeit / laͤſt auch ſein Recht nicht ſchelten
Das uͤber alle Welt durchgehend allgemein.
Jch weiß doch daß dein Sinn wie tieff er ietzt gebeuget
Sich noch ermannen wird / und ſchicken in die Zeit /
Wie ſehr der Trauer-Fall dir zu Gemuͤthe ſteiget /
So hat doch die Gedult ein Pflaſter ſchon bereit.
Es muß dein Hertz hierinn nur einem Amboß gleichen
Den jeder Ungluͤcks-Schlag noch immer haͤrter macht.
Ein weiſer ſteht getroſt auch mitten unter Leichen /
Und hofft auff ſeinen GOtt wenn gleich die Erd erkracht.
Mißgoͤnne nicht die Ruh der Hochgeliebten deinen /
Ob ſie ſchon in dem Lentz und erſter Bluͤth vergeht /
Es wird die Richterin vor GOttes Stul erſcheinen
Jn einem ſolchen Glantz worinn kein Stern nicht ſteht.
Die ſeltne Froͤmmigkeit / das Tugend-volle Leben /
Die Andacht gegen GOtt / die Liebe gegen dich
Sind103Leichen-Gedichte.
Sind Zeugen welche ſie mit einem Ruhm umbgeben /
Den nicht die Grufft befleckt / vergifft des Neides Stich.
Wie fleiſſig hat ſie nicht des HErren Hauß beſuchet
Mit feurigem Gebet verehret ihren GOtt /
Jn rechtem Helden-Muth die Eytelkeit verfluchet /
Und ſelbten noch bezeugt biß in die letzte Noth?
Bey ſolchem Zuſtand muß der Mutter Hertz auch bluten /
Weil ihrer Jahre Troſt und Hoffnung ſo verſinckt /
Wie groß der Kummer ſey iſt unſchwer zu vermuthen /
Jndem der Wangen-Feld nichts als nur Thraͤnen trinckt.
Wiewol ſie hoch begluͤckt daß ſo ein Bild der Tugend
Zu ihrem Troſt und Ruhm ſie auffer zogen hat.
Die Keuſchheit / Zucht und Witz das Kleinod gruͤner Jugend
Wird nicht in Sarg gelegt / und bluͤht noch bey der Stadt.
Betruͤbte / die ihr ſie als Tochter theils beweinet /
Als Eh-Schatz hoͤchſt vermiſt / als Schweſter ſehr be -
Jn ſchwartzem Boy und Flor wehmuͤtigſt hier erſcheinet /
(klagt /
Und mit der Seeligen euch faſt zu Grabe tragt /
Bekaͤmpffet euren Schmertz. Das ſchreckliche Gerichte /
Wovon den Prieſter ſie des Sontags noch gehoͤrt /
Macht unſre Richterin im wenigſten zu nichte /
Sie wird zur Rechten ſtehn und herrlich ſeyn geehrt.
Mitleiden Bey Beerdigung Hn. H. G. abgeleget den 12. April. 1672.
SO gehſt du / Seeliger / nach ſo viel Creutz und Leiden /
Mit dem Gecreutzigten in deines Grabes Nacht!
So kan auch nicht der Tod von deinem GOtt dich ſcheidē /
Weil er durch ſeinen Tod das Leben dir gebracht!
So haſt du dich geſehnt mit JEſu zu erblaſſen /
Damit du kanſt verklart einſt in ihm aufferſtehn!
Und weil ein finſter Grab das Heil der Welt muß faſſen /
Wilſtu auch Glaubens-voll zu deinen Vaͤtern gehn.
Der Oelberg voller Angſt iſt nunmehr uͤberſtiegen /
Des HErren Leichen-Tuch huͤllt jetzt den Coͤrper ein:
Wie der Erloͤſer nicht im Grab iſt blieben liegen /
So wird auch dir dein Sarch kein ewig Wohn-Haus ſeyn.
G g g 4Denn104Leichen-Gedichte.
Denn ob uns allbereit die Finſternuͤß verſchlungen /
Die Suͤnde gantz verſtellt / der Tod ins Garn geruͤckt /
Jſt doch die Herrligkeit des GOttes durchgedrungen /
Und hat mit neuem Glantz uns wiederumb geſchmuͤckt.
Den alle Himmel nicht in ſich begreiffen koͤnnen
Umbfaſt ein enges Grab zu Troſt der Sterbligkeit:
Er ſelbſt das Leben ſtirbt / das Leben zu gewinnen /
Geht willig in den Tod / damit er uns befreyt.
O unermeßner Lieb hochwerthe Wunder-Zeichen /
Die recht magnetiſch uns mit GOtt verbinden kan!
Der muß ein Felſen ſeyn / der bey des Herren Leichen
Jn Thr aͤnen nicht zerrinnt / und nimmt diß Leiden an.
Ein Heyde kroͤne frey die Graͤber mit Cypreſſen /
Und ſchuͤtt aus Onychſtein den theuren Balſam drauff;
Pracht / Bilder / Thuͤrm und Zier hat doch die Zeit gefreſſen /
Des Heylands Grabmal weckt die Chriſten ſtuͤndlich auff.
Wer woltenicht die Welt und ihre Marter-Wochen
Verwechſeln mit der Luſt der ungeſtoͤrten Ruh?
Wer wil nicht / wenn ihm ſchon die Augen halb gebrochen /
Auff des Erloͤſers Grab mit Freuden eilen zu?
Und legen willig ab die Laſt der muͤden Glieder /
Die Buͤrde ſo uns hier zu Boden hat gebeugt?
Der Erden Angſt-Geſchrey vertauſchen umb die Lieder /
Wormit der Engel-Chor vor GOtt ſich freudig zeigt?
Ju ſolcher Andachts-Flamm / und heilger Glut entzuͤndet
Haſt du / o Seeliger / dem Himmel dich genaht /
Jm Glauben wolgemuth / in Hoffnung ſtets gegruͤndet
Verlaſſen dieſe Welt an Ehr und Leben ſat.
Du haſt erſt GOtt geliebt / und dann ein rein Gewiſſen /
Jn das die Redligkeit ihr Bildnuß hat gepregt:
Es wird der blaſſe Neid ſelbſt zu geſtehen muͤſſen /
Daß mit dir deutſche Treu wird in den Sarg gelegt.
Das Kunſt-Stuͤck dieſer Zeit / verſtellen Sinn und Hertze /
Nicht ſagen / was man meynt / war dir gantz unbekant /
Jn deiner Seele ſchien der Tugend helle Kertze /
Mehr als bey dunckler Nacht ein lichter Diamant.
Dir hat nicht Heucheley noch Gleißnerey gefallen /
Und wie du GOtt geehrt / ſo warſt du Menſchen treu /
Die Worte floſſen auch gantz ohne Gifft und Gallen /
Und deiner Freundſchafft Band riß Argwohn nicht entzwey.
Es105Leichen-Gedichte.
Es hat dein gantzes Thun ſchlecht und gerecht behuͤtet /
Wenn manches Ehr-Geitz ſich mit bloſſen Tituln kroͤnt /
Die doch nicht ewig ſeyn / die Neid und Zeit zerruͤttet /
Und die der Urtel-Tiſch der Nachwelt oft verhoͤnt.
Die Saͤulen ſtehen frey von allen Ungewittern /
So im Gedaͤchtnuͤß ſind der Menſchen aufgeſetzt;
Der Freundſchafft Tempel wird in redlichen Gemuͤthern /
Wenn alles Aſch und Staub / nicht minder hoch geſchaͤtzt.
Dir iſt / O Seeliger / auf ewig wol geſchehen /
Dich greifft die Moͤrderin / die Kranckheit nicht mehr an /
Du darffſt nun weiter nicht des Leibes Foltern ſehen /
Noch / wie ein harter Stoß die Glieder martern kan.
Allein ach allzu fruͤh! entfaͤlleſt du den Deinen.
Zu fruͤh! Ach allzufruͤh! miſt dich der Liebſten Hertz /
Und aber allzufruͤh! Die unerzognen Kleinen /
So gantz verſencket ſtehn in Wehmuth / Leid und Schmertz.
Und koͤut es moͤglich ſeyn / es hielten dich zuruͤcke /
Der Eh-Geliebten Treu / der Pflegung Embſigkeit /
Die Seufftzer vor dein Heil / die unverwandten Blicke /
Das thraͤnende Geſicht / und ungemeine Leid.
Jedoch es iſt vorhin vom Hoͤchſten ſo beſchloſſen /
Der Weg zur Seligkeit geht durch das Grabes Thuͤr;
Am beſten daß man folgt dem Schoͤpffer unverdroſſen /
Kein Seufftzen / Winſeln / Flehn ſcheubt einen Riegel fuͤr.
Betruͤbtſte / der verſpricht ſtets uͤber uns zu wachen /
Der ſich der Witwen Schutz / der Waiſen Vater nennt /
Wird ſeiner Allmacht nach diß Creutze linder machen /
Daß mitten in der Noth ihr ſeine Guͤt erkennt.
Traͤnckt euch deß Hoͤchſten Hand itzt nur auß Angſt-Geſchirren /
Und ſpeiſet euren Mund der Truͤbſal herbes Brod /
So denckt / ein Zucker Rohr folgt auf die bittre Myrrheo /
Und Gnaden-reicher Troſt begleitet eure Noth.
Zu dem der Seelige iſt aller Qual entgangen /
Da noch manch Ungluͤcks-Sturm auf unſre Scheitel blitzt /
Er wird von Cherubim und Seraphim umbfangen /
Da unſer ſiecher Leib in ſtetem Jammer ſitzt.
Uns druͤckt der Faͤſſel Band / ihn ſchmuͤckt der Freyheit Krone /
Und unerſchoͤpffter Glantz umbgibet ſeinen Geiſt.
Er als ein treuer Knecht ſteht vor des Hoͤchſten Throne /
Und hoͤrt wie ihn die Schaar der Außerwehlten preiſt.
G g g 5Er106Leichen-Gedichte.
Er feyrt den Sabbath ſchon der ſuͤſſen Ruhe-Stunden /
Weil wir elende Tag und Naͤchteſtehen aus /
Die Brunnen Jſraels hat nun ſein Hertze funden /
Er wohnet fort fuͤr fort in GOttes Freuden-Haus.
Gluͤckſelig wer ſo kan mit ſeinem Heyland ſterben /
Und uͤber Kidrons Bach und Thraͤnen-Quaͤllen gehn /
Der hoͤrt das Freuden-Wort: Du ſollſt den Himmel erben /
Du ſollſt im Paradiß an meiner Seiten ſtehn.
Verzeih mir / Seeliger / daß ich mit ſchlechten Reimen /
Aus anverwandtem Blut dir leiſte meine Pflicht;
Ein ander kroͤne dich mit gruͤnen Lorber-Baͤumen /
Jch mag den Phoͤbus hier und auch die Muſen nicht.
Wer Chriſtus Marter will vor unſer Heil erwegen /
Dem kan auch Golgatha mehr als der Pindus ſeyn /
Wenn dieſen GOttes Hand wird in die Aſche legen /
So geht auf jenem man getroſt in Himmel ein
Jndianiſche Triſtis oder Trauer-Blume / Bey f. uͤhzeitigen Erblaſſen Fr. S. C. P. g. H. entworffen / den 8. May 1672.
DUrchaus betrübter Freund! in dem deß Lentzen Bilder /
Die Blumen wir erfreut im ſchoͤnſten Wachsthum ſehn /
Und Florens Eh-Gemahl der Weſt-Wind die Gefilder /
Durch einen ſuͤſſen Hauch pflegt freundlich anzuwehn.
Da Tulpen und Narciß in glattem Atlas prangen /
Und ſich dem Himmel gleich der Erde Bruſt beſternt /
Jſt euer gantzes Haus mit Ach! und Weh! umfangen /
Weil deine Blume ſich den Augen hat entfernt.
Und ſie nicht nur allein. Jn ſo gar kurtzen Zeiten /
Eh noch Dianens Licht zum vierdten ſich verkehrt /
Muſt du dem Fleiſch und Blut zwey Kinder auch begleiten.
Fall! der gleich einem Blitz durch Marck und Beine faͤhrt.
Gleicht nun dein Zuſtand jetzt nicht wilden Wuͤſteneyen /
Wo Angſt und Einſamkeit dir eine Wohnung baut /
Wo alles dich erſchreckt / was vor pflag zu erfreuen /
Jn dem dein Auge nichts als Saͤrch und Leichen ſchaut?
So107Leichen-Gedichte.
So gar heiſt Gottes Spruch dich in der Aſchen ſitzen /
Und ſchenckt des Creutzes Kelch dir wolgemeſſen ein.
Jch ſeh umb deinen Kopff nichts als Cometen blitzen /
Und wen dein Leid nicht ruͤhrt / der iſt ein Marmelſtein.
Der Gaͤrtner wird betruͤbt wenn ſein vertraulich hoffen /
Und vieler Stunden Fleiß / ein Blumenſtuͤck / verdirbt.
Dich hat / beſtuͤrtzter Freund / ein groͤſſer Ungluͤck troffen /
Jndem dir Stock und Blum an deiner Seite ſtirbt.
Wo ſuch ich etwas aus / das ſolche Wunden heile?
Das dieſen Seelen-Riß mit Troſt verbinden kan?
Achilles heilte zwar die Schaͤden ſeiner Pfeile /
Hier geht die Huͤlffe nur des Hoͤchſten Allmacht an.
Stell alles dem anheim / der von der erſten Wiegen /
Biß auff das kalte Grab uns wunder-heilſam fuͤhrt.
Jch weiß / und will ſichs gleich mit der Vernunfft nicht fuͤgen /
Daß doch den ſchaͤrffſten Kampff die beſte Krone ziert.
Die Hand / ſo dich jetzt druͤckt / die wird dich bald umbarmen /
GOtt greiffet / die ihm lieb / mit harten Proben an /
Und in der hoͤchſten Noth iſt ſein geneigt erbarmen /
Ein unbeweglich Fels / auf den man gruͤnden kan.
Der Menſch beliebe nur was GOtt hat wolgefallen /
Gehorſam iſt allhier ein Opffer voller Ruhm /
Und ſchmeckt es unſerm Mund als bitter Gifft und Gallen /
So bleibt das Creutze doch der Chriſten Eigenthum.
Jedoch was muͤh ich mich den Mittag zuerleuchten?
Dir wohnt dergleichen Troſt ſonſt uͤberfluͤſſig bey.
Den mit der Caſtalis die Clarien befeuchten /
Wer glaubt nicht / daß bey dem ein Schatz der Weißheit ſey?
Wo aber Thraͤn auf Thraͤn als wie die Wellen ſchlagen /
Hilfft auch der Seneca mit ſeinen Schrifften nicht.
Ein ungemeiner Schmertz iſt ſchwerlich zuverjagen /
Es roͤthet ſich nicht dald ein bleiches Angeſicht.
Wie wol / geehrter Freund / es ruffet dich zuruͤcke /
Der Liebſten Tugend Ruhm / ſo unverweßlich bluͤht;
Und daß ich durch ein Bild deſſelben Krafft abdruͤcke /
Bin ich umb einen Baum aus Jndien bemuͤht:
Denſelben koͤnnen wir Nacht-Blum und Triſtis heiſſen /
Der / wenn der Abend uns mit dichtem Schatten deckt /
Und an dem blauen Saal die guͤldne Sterne gleiſſen /
Erſt ſeiner Blaͤtter Zier und Liebligkeit erweckt /
Denn108Leichen-Gedichte.
Denn ſteht er voller Bluͤt als wie in weiſſer Seide
Der liebliche Geruch / ſo von den Blumen faͤllt /
Beut einen Wett-Streit an der Pomerantzen Kleide /
Kein Balſam iſt ſo ſtarck der ihm die Wage haͤlt.
So bald Aurora kommt in ihren Purpur-Wangen
So ſteht er wie verdorꝛt / der Tag iſt ihm verhaſt /
Hat denn die braune Nacht ſich wieder angefangen /
Prangt ſeiner Zweige Rey mit Blumen-reicher Laſt.
Der Blumen Wuͤrckung dlent daskrancke Hertz zu ſtaͤrcken /
Jhr ſtarckes Waſſer netzt der Goͤtzen Opffer-Tiſch /
Und was man zehlen mag zu andern Wunder-Wercken.
Er ſteht das gantze Jahr an Zweig und Bluͤten friſch.
Der Jnder pflantzet ihn an ſeines Hauſes Graͤntzen /
Darmit ein ſchoͤn Geruch erquicke Seel und Geiſt.
Weg mit Bux und Napell! Weg mit Cypreſſen Kraͤntzen!
Weil dieſer Trauer-Baum auf die Verblichne weiſt.
Der Himmel hatte ſie in frembdem Land erkohren /
Ein unerforſchlich Schluß in Preßburg außgeſucht /
Und reine Gottesfurcht blieb ihr ſchon angebohren /
Weil ſie der Vater ſelbſt gelehrt mit vieler Frucht:
Jhr Tugend-frommer Sinn / und ſittſame Geberden /
Der Keuſchheit-Lilgen Glantz / deß Lebens ſtille Ruh /
Bezeugten daß ein Baum auß unbekanter Erden /
Jhm oft in andrer Lufft legt mehr Gedeyen zu.
Es ließ ihr edler Stamm ſich voller Bluͤte ſchauen /
Die dir dein Hertz ergetzt und deine Seel erfreut:
Sie war dein Augen-Troſt / dein Alles / dein Vertrauen /
Ein irꝛdiſch Paradeis in dieſer Sterbligkeit.
Sie als ein fruchtbar Baum wieß ſich in dreyen Zweigen /
Die einſt des Vatern Witz / der Mutter Treu geziert;
Wenn ſie ſich nicht ſo bald zur Erden muͤſſen beugen.
Und ſie der Parcen Hand mit ihrem Stahl beruͤhrt.
Der Unfall war genug / Betruͤbtſter / dich zu kraͤncken /
Wenn nicht ein groͤſſer Leid vermehrte deine Pein /
Jn dem du bald hernach die Liebſte ſiehſt verſencken /
Und legſt dein halbes Hertz mit in den Sarch hinein.
Nun iſt dein Freuden-Baum zu einer Triſtis worden /
So doch unſchaͤtzbar ſchoͤn fuͤr jener Anmuth bluͤth;
Die ſtreicht ein eintzig Tag weg auß der Blumen Orden /
Wenn auß deß Grabes Nacht man unſre funckeln ſiht.
Der109Leichen-Gedichte.
Der Tugend ewig Licht daͤmpfft nie deß Todes Schatten /
Der lieblichſte Geruch verbleibt ein gut Geruͤcht.
Es mag darwider ſich Neid und Verleumbdung gatten /
Die Nachwelt thuts allein ſo hier das Urtheil ſpricht.
Das angedencken kan / mein Freund / die Schmertzen mindern /
Weil es der Triſtis gleich dein mattes Hertze ſtaͤrckt /
Der Balſam ihres Ruhms wird Beul und Wunden lindern /
So daß man ſichtbarlich deß Hoͤchſten Beyſtand merckt.
Laß jetzt den guͤldnen Lentz mit ſeinen Blumen prangen /
Sie werden endlich doch ein Raub der grimmen Zeit.
Nun deine Triſtis iſt den Himmel eingegangen /
Kroͤnt ſie ein ewig May der groſſen Herꝛligkeit.
Auf das Abſterben / Jungf. R. g. K. den 26. May 1672.
DEin Außfahrt / Seelige / geſchicht zu dieſen Zeiten /
Da gleich dein Braͤutigam / dein Heiland / Aufffahrt haͤlt /
Der Triumphirende rufft dich an ſeine Seiten /
Umb mit ihm einzugehn des Himmels Ehren-Zelt.
So iſt dein Freund doch treu biß in des Todes Schatten /
Biß ſich deß Lebens Tag und Abend hat gekuͤhlt /
So will er dein Gebet und Sehnen recht erſtatten /
Daß der erblaſte Leib nun keine Qual mehr fuͤhlt.
Unſchaͤtzbarer Triumph! Weit uͤber das Gepraͤnge /
Worinn das ſtoltze Rom ſein Sieges-Feſt begieng /
Daß der bezwung’nen Staͤdt und Laͤnder Nahm und Maͤnge /
Kunſt-artig abgemahlt an hohe Saͤulen hieng /
Wenn ſich der gantze Rath in weiſſen Kleidern zeigte /
Der Uberwinder ſelbſt in Cron und Scepter wieß;
Wenn das gefangne Volck ſich zu der Erden neigte /
Ja vielmals ein Tyrann die Fuͤrſten ziehen hieß.
Es war nicht nur genug das Helffenbein zum Wagen /
Wenn nicht ein Elefant denſelben auch gefuͤhrt /
Und ſo ins Capitol den Siegenden getragen /
Worinn noch groͤſſer Pracht / und Hochmuth ward geſpuͤrt;
Man ſchlachte Menſchen ab zum Opfer ihren Goͤttern /
Und gab gediegen Gold mit fettem Weyrauch hin /
Man legt in ihren Schoß den Krantz der Lorber-Blaͤttern /
Und ließ die gantze Stadt in Luſt und Freuden bluͤhn:
Dar -110Leichen-Gedichte.
Darbey ward auch das Volck der Knechte frey gelaſſen /
Der Jungfern zarte Schaar ſtimm’t Harff und Seiten an:
Der Uberwinder leb! Erklang auf allen Gaſſen /
Und ſo ward dem Triumph ſein hoͤchſtes Recht gethan.
Allein vern irꝛter Traum! Ein Puͤnctlein von der Erden /
Das mit Gewalt beherꝛſcht erweckte ſolche Pracht.
Gar in weit andrem Glantz und herꝛlichern Geberden /
Hat unſer Lebens-Fuͤrſt erwieſen ſeine Macht.
Er hat zuvor den Feind der gantzen Welt bezwungen /
Der Hoͤllen Reich zerſtoͤrt / des Todes Zahn zermalmt /
Bey ſeiner Auffahrt hat der Engel Mund geſungen /
Und ſeine Heiligen Jhm nachgefolgt bepalmt.
Wir Suͤnden-Knechte ſind dadurch nun gantz befreyet /
Und ſollen einſt vor ihm in weiſſen Kleidern ſtehn.
Das Seufftzen und Gebet / ſo unſer Hertz außſtreuet /
Sind Opffer die zu ihm durch alle Wolcken gehn.
Ach ſeliger Triumph! Der uns den Himmel giebet /
Der uns die Ewigkeit zu einem Erbtheil ſchenckt.
Kenn-Zeichen wahrer Treu / wie GOtt die Welt geliebet /
Wie unſer Heyland ſtets der Seinigen gedenckt:
Sie ſollen bey ihm ſeyn / ſie ſollen bey ihm bleiben /
Und in des Vatern Reich genieſſen Fried und Ruh.
Welch Koͤnig dieſer Welt kan uns ſo viel verſchreiben?
Und welche Sieges-Pracht legt uns dergleichen zu?
Ach Seelige der Sieg iſt dir nun auch gelungen /
Du edle Kraͤtſchmarin haſt Noth und Tod beſiegt:
Dein unbefleckter Geiſt iſt Himmel angedrungen /
Und hat den Brautſchmuck ſelbſt von JEſu Haͤnden kriegt.
Nun weideſt du mit ihm in unverwelckten Roſen /
Biſt als ein Siegel ihm gedruͤcket in ſein Hertz /
Es tilgt noch Glut noch Flut das himmliſche Liebkoſen /
Wenn Eckel und Verdruß folgt auf der Menſchen Schertz.
Du biſt dem Namen nach auch Roſen gleich geweſen.
Wie die ein frembder Ort und Stamm offt ſchaͤtzbar macht /
So iſt deß Vatern Ruhm noch uͤberall zu leſen /
Und wie er ſein Geſchlecht weit hoͤher hat gebracht.
Er war des Rathes Zier / der Muſen Luſt und Wonne /
Was wunder / ſo ſein Kind Sineſer Roſen gleich?
Jhr Landsmann nennt ſie ſelbſt der| Blumen Hertz und Sonne /
Und eine Koͤnigin in Florens holdem Reich:
Deß111Leichen-Gedichte.
Deß Morgens iſt ſie weiß / deß Mittags voller Flammen /
Biß ihr das Abend-Roth den braunen Purpur gibt.
Auch bey der Seeligen fand man das Lob beyſammen /
Das ſonſt das Jungfern Volck wie theure Perlen liebt.
Die reine Gottesfurcht / die Roͤthe keuſcher Sitten /
Der Tugend Purpur-Ruhm / ſo Grufft und Bahre mahlt /
Die Chriſtliche Gedult / in welcher ſit gelitten /
Biß ſie den letzten Reſt hat der Natur bezahlt.
Und wie ſich Himmel-blau deß Welſchlands Roſen faͤrben /
So blieb ihr frommer Sinn dem Himmel zugewand /
Jndem ſie war gelehrt in Chriſto abzuſterben /
Und dermal eins zu ſehn das wahre Vaterland.
Es mag ſonſt Mompelgart mit Moſchus Roſen prangen /
Den koͤſtlichen Geruch annemlich ſtellen fuͤr /
Was nach der Tugend ſchmeckt / dem iſt ſie nachgegangen /
Und ſchaͤtzte die allein des Frauen-Zimmers Zier.
Es ruͤhmet Memphis ſich daß ſeine Roſen / Lilgen
An Farben und Geſtalt am meiſten aͤhnlich ſeyn /
Wie leichtlich kan ein Nord die erſten Bluͤthen tilgen /
Der Keuſch heit Blume blieb bey der Verblichnen rein.
Ob auch Praͤneſte ſich in Milch und Scharlach kleidet /
Und ſeiner Roſen-Art fuͤhrt Hundert-Blaͤtrig auf /
So iſt es eine Luſt ſo von den Augen ſcheidet /
Eh zweymal Cynthia ver aͤndert ihren Lauff.
Nein unſre Seelige bemuͤhte ſich zu leben /
Daß keine Wechſelung des Gluͤckes ſie verkehrt:
Jhr JEſus war ihr Stock / ſie aber eine Reben /
Die nicht des Winters-Froſt / der Sonnen-Glut verzehrt.
Das reiche Perſien hegt volle Roſen-Baͤume /
Die der Geſunden Luſt / der Krancken Artzney ſeyn.
Die Abgelebte ſenckt auch ihrer Tugend Kanne /
Theils zu deß Nechſten Nutz / Gott zugefallen ein.
Weil aber Dornen ſtets den Roſen-Zweig umbſchrencken /
(Zeigt ſie ſchon Jndien von allen Stacheln frey /)
Ließ die Entſeelte ſich nichts von dem Himmel lencken /
Und wuſte wie die Welt ein Feld voll Diſteln ſey.
Sie rieff: Ach Braͤutigam / noch in der Todes-Stunde /
Mein Hertze klopfft nach dir / und meine Seele wacht.
Es kuͤſſe mich doch[nur] ein Kuß von deinem Munde!
Und gab ſo wolgemuth der Erden gute Nacht.
Ach112Leichen-Gedichte.
Ach kluge Seelige! Dein Ampel hat gebrennet /
Dein Roſen-Krantz verblaſt auch bey der Nach Welt nicht!
Dich hat der Braͤutigam / du wieder ihn gekennet /
Und im Triumph gefuͤhrt fuͤr Gottes Angeſicht.
Mexicaniſcher Lebens-Baum / Bey Beerdigung Fr. E. W. g. K. abgebildet / den 12. Junii 1672.
JNdem / Hochwuͤrdiger / ſein Hauß geht in der Klage /
Er ſelbſt in Flor und Boy ſich itzt verhuͤllen muß /
Und hochbekuͤmmert ſieht den traurigſten der Tage /
So uͤber ihn beſtimmt deß Allerhoͤchſten Schluß /
Will ich den Lebens-Baum ſtatt der Cypreſſen waͤhlen /
Den Neu Hiſpanien und Mexico gebuͤrt /
Und deſſen Eigenſchaſſt und Namen zu erzehlen /
Den er in frembder Sprach Kokochiati fuͤhrt.
Wenn eines Menſchen Hand die Blaͤtter nur betaſtet /
So ſtehn ſie wie betruͤbt / und in den Schlaff geſetzt.
Geſchichts zum andernmal / ſo wird der Baum entlaſtet /
Von ſeiner Blaͤtter Rey / und ſcheint als wie verletzt.
Erkuͤhnt man ferner ſich ein Stuͤck darvon zu ſchneiden /
Wird der beruͤhrte Ort gantz ſchwartz / als wie verbrand /
Und mehr / ſo kan er nicht des Menſchen Athem leiden /
Er ſchuͤttelt augenblicks die Blaͤtter in den Sand.
Doch in Gujana ſiht ihn eine Viertelſtunde /
Vom neuen wieder bluͤhn / und gleichſam lebend ſeyn.
Steht unſer Leben nicht auf eben ſolchem Grunde?
Und trifft mit dieſem Baum ſein Eigenſchafft nicht ein?
Hier macht des Menſchen Hand daß Bluͤth und Blaͤtter fallen:
Mit uns deß Todes-Arm dergleichen Trauer-Spiel.
Die außgeſtreckte Zeit / die wir auff Erden wallen /
Was iſt ſie? als nur bloß der Eitelkeiten Ziel.
Wir traͤumen wie im Schlaff / und irren mit Gedancken /
Sind wie ein brennend Licht / das ſelber ſich verzehrt /
Hier wird durch Kuͤmmernuͤs / und dort durch ſtetes krancken /
Faſt Stuͤckweiß unſer Leib in Aſch und Grauß gekehrt.
Jedwede Stunde traͤgt auch was von uns zu Grabe /
Wir ſterben da nicht erſt / wenn uns der Tod befaͤllt /
Wann den entſeelten Leib friſt Faͤulnis / Wurm und Schabe /
Nein; unſern Wiegen wird der Sarg ſchon beygeſellt.
Der113Leichen-Gedichte.
Der Lebens-Baum wird ſchwartz / da / wo er angeſchnitten:
Uns ſchwaͤrtzt der Suͤnden Nacht den nackten Mohren gleich.
Mehr / jener hat den Hauch der Menſchen nicht erlitten:
Wir nicht die Warnungen aus GOttes Gnaden-Reich.
So giebt der Lebens-Baum nur lauter Trauer-Blicke /
Sein ſtuͤndlich ſterbend Stamm mahlt uns den Tod nur fuͤr:
So vieler Blaͤtter traͤgt / ſo viel legt er zuruͤcke /
Und wirfft wie Kleider weg des kalten Laubes Zier.
Nichts anders gehts mit uns: Das Wonhauß dieſer Erden /
Wie groß und weit es iſt / ſteckt voller Roth und Tod /
Ja wo nur Menſchen ſind / da muͤſſen Leichen werden /
Unwiedertreiblich iſt das Himmliſche Gebot.
Doch koͤnten wir nur ſo / wie dieſe Pflantze leben /
Der einig und allein des Menſchen Hand verhaßt:
Blieb unſer Hertze nicht an ird ſchen Dingen kleben
Und nennten wir den Leib der Seelen ſchwere Laſt /
So wuͤrden wir getroſt das groſſe Nichts verlaſſen
(Als wie / Hochwuͤrdiger / die Liebſte hat gethan)
Die nach vollbrachtem Kampff und ſeeligem Erblaſſen
Den wahren Lebens-Baum itzt freudig ſchauet an.
Das Sodoma der Welt das wolt ihr nicht belieben /
Weil ihr Verlangen ſtets nach Edens Garten war.
Jn dieſem Helden-Muth iſt ſie bchertzt verblieben
Bis ſie der letzte Stoß geworffen auff die Bahr.
Jhr Tugend-eyfrig Sinn / der Himmliſch nur geſinnet /
Hat nie der Erden Luſt und Anmuth hochgeſchaͤtzt.
Sie wuſte daß wie Wind der Menſchen Pracht zerrinnet /
Daß bey dem Zucker-Rohr ſtets Wermuth iſt geſetzt /
Die Aepffel / reich an Glantz / inwendig Aſche fuͤhren /
Wie bey Aſphaltens See dergleichen Baͤume ſtehn /
Daß alle Herrligkeit ſich bald pflegt zu verlieren /
Und wie die Anemon im Bluͤh’n noch zu vergehn.
Geſetzt auch / daß man hier auff Tugend Pfeiler baute /
Reiſt nicht das Alterthum auch Ehren-Saͤulen ein?
Und wenn man endlich recht die gantze Welt beſchaute /
So wuͤrde Ruhm und Ruh nur in dem Himmel ſeyn.
Beruͤhmter Kirchen-Rath und groſſer GOttes Lehrer /
Diß hat die Seelige von ſeinem Mund erlernt /
Wenn als Chryſoſtomus die Geiſtlichen Zuhoͤrer
Sein grundgelahrter Geiſt mit Gottesfurcht beſternt.
H h hUnd114Leichen-Gedichte.
Und ſolt er ſeinen Schatz nicht alſo koͤnnen weiden
Der ſelbſt mit Himmels-Koſt Erlauchte Haͤupter nehrt.
Drumb ward der Seeligen ein ſo vergnuͤgt Abſcheiden
Als wie dem Simeon im Tempel einſt gewehrt.
Der Kranckheit Schmertzen hat nie die Gedult ermuͤdet
Sie war Amazonin in Ungluͤck und Gefahr /
Sie uͤbt ihr Chriſtenthum ſo ſittſam und befriedet /
Daß wie die Sonne ſtets ihr Lebens-Wandel klar.
Nichts was nur eitel heiſt und irrdiſch iſt zu nennen
Hat den ergebnen Sinn vom Himmel abgewand /
Sie ließ ihr reines Oel in wahrer Andacht brennen /
Und hat den Armen frey geboten ihre Hand.
Die Cedern hoher Ehr / der Palmen Liebes-Zweige /
Der Oelbaum ſanffter Ruh / der Mandelbaum der Treu
Erfreuten zwar ihr Hertz / doch blieb es ſtets ein Zeuge
Daß ihr Vergnuͤgen nur ein Baum des Lebens ſey;
Der hieß ihr Heyland ſelbſt / ſo das verlohrne Leben /
Das nach dem Apffelbieß verfallen / wiederbracht.
Es mag Malabar ſonſt ſein Engelſuͤß erheben
Der Stamm iſt bloß allein der Menſchen ſeelig macht.
Der Stock entwirfft ſein Creutz / ſein Wort die heilgen Blaͤtter /
Als wie der graue Mund der Kirchen hat gelehrt /
Die Sacramenta ſind die Fruͤchte / ſo kein Wetter
Noch einge Wechſelung der Zeiten ie zerſtoͤrt.
Man kan ja Mexico den Lebens-Baum verſtatten /
Der einen duͤrren Reiß am nechſten aͤhnlich ſieht /
Und deſſen Frucht und Bluͤth bezeichnen nur die Schatten
Jn welchem ſonderlich der Menſchen Elend bluͤht.
Nein / dieſer Lebens-Baum / den CHriſtus uns vorſtellet
Macht alle Blumen bleich / ſticht alle Pflantzen weg.
Ach ſeelig wer ſich ſtets zu dieſem Stock geſellet /
Dem wird die Ewigkeit im Sterben auch ſeyn Zweg.
Hochwuͤrdiger / daß zwar ſein Hertz im Blute ſchwimmet
Weil ſeiner Seelen Troſt und Augen-Luſt entweicht /
Trifft ein mit der Natur / doch was ſchon GOtt beſtimmet
Das iſt ein ſolch Befehl / dem keine Satzung gleicht.
Die Tugend laͤſt ſie nicht in ſeinem Hertzen ſterben /
Es baut ihr Treu und Pflicht noch taͤglich ein Altar /
Hier kan ſie Ehr und Ruhm / und dort den Himmel erben /
Welch ein begluͤckter Sarg! welch eine ſchoͤne Bahr!
Redli -115Leichen-Gedichte.
Redlicher Buͤrger Bey Abſterben Hn. St. Z. abgebildet den 27. Julii 1672.
WJr ſcharren / Seeliger / mit dir auch in die Erde /
Ein Stuͤck der Deutſchē Treu / und Alten Redligkeit;
Und eh ich ſelber noch zu Staub und Aſche werde /
So ſey zum Nachruhm dir der ſchlechte Reim ge - weyht.
Jch wildein ruhig Grab mit Worten nicht beſchweren /
So eintzig angefuͤllt mit Zierligkeit und Pracht:
Doch wird der blaſſe Neid der Feder nicht verwehren /
Daß bey der Nachwelt dir ſie noch ein Denckmal macht.
Und ob dich zwar geraubt der grimme Menſchen-Wuͤrger /
Und diß / was Jrrdiſch war uns aus den Augen geht /
So bleibſt du doch allhier / ein Spiegel / Werther Buͤrger /
Der noch gemeiner Stadt ſtets fuͤr Geſichte ſteht.
Der Erden Herrſcherin / Rom / hielt es nicht geringe /
Wer dieſen Titel hat durch ſeine Gunſt gefuͤhrt /
Und der Gelehrten Schaar bejahte ſchlechter Dinge /
Daß diß Vernuͤnfftigen und Weiſen nur gebuͤhrt.
Wie muͤhſam waren nicht die hocherfahrnen Grichen /
Von erſter Jugend auff die Kinder ſo zu ziehn /
Daß ſie zu keiner Zeit von den Geſetzen wichen /
Wordurch das Vaterland im Segen konte bluͤhn.
Ob zwar der groſſe GOtt den Unterſcheid der Staͤnde /
Nach ſeiner Weißheit Schluß hat heilſam ausgeſetzt /
So lehrt doch die Natur / zu welchem Ziel und Ende /
Vor andern ſie den Menſch offt wuͤrdig hat geſchaͤtzt.
Jedwede Sterbliche ſind nicht zu Kronen tuͤchtig /
Und allen ſteh’t auch nicht der Pflug und Acker an:
Doch bleibt gemeines Heil auff ſeinem Grunde richtig /
Wenn jeder nur ſein Ampt nach Pflicht verwalten kan.
Denn / ſollen Reich und Land / und Staͤdt und Doͤrffer bleiben /
So muß der Niedrigſte zugleich dem Hohen ſeyn /
Und wer ſich zu Athen wolt einen Buͤrger ſchreiben /
Der gieng den andern vor mit ſeiner Tugend Schein.
Jch wil den Socrates nicht auff den Schau-Platz fuͤhren /
Und was der Phocion zum Beyſpiel hat gethan.
H h h 2Kurtz:116Leichen-Gedichte.
Kurtz: Aller Griechen Witz und embſiges ſtudiren /
War / wie im Buͤrger-Stand ein Menſch wol leben kan.
Durch diß iſt Rom erbaut / als ſie die Tugend liebte /
Und manchen Freyheits Brieff den Buͤrgern zugelegt /
Ja / daß kein Blut-Tyrann die Ordnungen betruͤbte /
So hat man ſie in Ertz mit hoͤchſtem Fleiß gepregt.
Da ward ein hurtig Geiſt zur Tugend angefeuret /
Wenn man die Buͤrger-Kron auff ſeiner Scheitel ſah /
Der hat hinwiederumb Gehorſam auch geſteuret /
Und Pflicht und Redligkeit ſtund als ein Opffer da.
Wer nun nicht in dem Staub des Poͤfels wolte ſitzen /
Hat durch Geſchickligkeit / durch Tugend und Verſtand
Sich jederjeit bemuͤht dem Vaterland zu nuͤtzen /
Und ſein getreues Hertz demſelben zugewand.
Nicht Cato nur allein hat ſolchen Preiß erworben /
Nicht nur die Alte Welt weiſt tapffre Buͤrger vor.
Es iſt die Redligkeit bey uns noch nicht geſtorben /
Sie hebt des Seeligen Geruͤcht und Lob empvr.
Sein auffgemuntert Sinn hat in den gruͤnen Jahren
Nicht bey der Ofen-Banck die edle Zeit verzehrt /
Er gieng friſch in die Welt / umb da was zu erfahren /
Was kuͤnfftig einen Mann macht bey den Leuten werth.
Jhn hat Jtalien das Paradiß der Erden /
Das Schloß der Gratien und aller Hoͤffligkeit /
Holdſelig angelockt / mit freundlichen Geberden /
Jhm Feur und Herd gegoͤnnt und Wohnung zubereit.
Es zeigt ihm Padua der Kunſt und Weißheit Schaͤtze /
Als Vendrominons Gunſt ihn nahm zu Dienſten an /
Der nachmals Fuͤrſt und Haupt Venediſcher Geſetze
Von dieſes Teutſchen Treu ein Zeugnuͤß geben kan.
Drauff hat Siena ihn mit Klugheit ausgezieret /
Der Sinnen Hurtigkeit noch ſchaͤrffer ausgeuͤbt /
Biß das Verlangen ihn auch nach Florentz gefuͤhret /
Wo er der Sprache Zier und Reinligkeit geliebt.
Ein Welſcher kont ihn faſt mit Rechte Landsman heiſſen /
Er hatt ihm deſſen Witz und Mund Art beygelegt /
Und was ein Reiſender ſich eintzig ſoll befleiſſen /
Daß er die Tugend nur mit ſich nach Hauſe traͤgt.
Drauff hat Neapolis den Seeligen umbfangen /
Der Schau-Platz der Natur / das Zeughauß aller Luſt /
So117Leichen-Gedichte.
So da von Mitternacht mit Huͤgeln ſchoͤn umbhangen /
Von Mittag aber zeigt des Meeres ſtille Bruſt.
Hier ſah er Floren ſich mit Blumen zweymal ſchmuͤcken /
Der Felder Fruchtbarkeit in vollem Wachsthum ſtehn /
So pflegt ihn auch die Art der Buͤrger zu erquicken /
Mit der ſie Frembdlingen entgegen koͤnnen gehn.
Der milde Himmel ſchien ihm allzu wol geneiget /
Es war kein Edler Ort / den er nicht angeſchaut /
Biß ſie das groſſe Rom zu letzt ihm hat gezeiget /
Das mehr von Goͤttern / als von Menſchen / ſchien erbaut.
Doch dieſe Wunderwerck und ſchoͤne Sieges-Bogen /
Die praͤchtige Pallaͤſt und Gaͤrte voller Zier /
Die haben ſeinen Sinn ſo weit niemals bewogen /
Daß er das Vaterland nicht allem zoͤge fuͤr.
Dem wolt er nutzbar ſeyn / und auch gewidmet haben
Der Klugheit reiffen Witz / der Sitten reinen Glantz.
Wie denn das Vaterland erkante ſeine Gaben /
Und Breßlau legt ihm zu der Buͤrger Ehren-Krantz.
Sein groͤſter Eifer war dem Hoͤchſten zu gefallen /
Und auch der Obrigkeit treu und gewehr zu ſeyn;
Der Wandel war gerecht / und was der Mund ließ ſchallen /
Mit ſelbtem ſtimmte ſchon des Hertzens Meinung ein.
Bey Hohen ſucht er Gunſt / bey ſeines gleichen Liebe /
Gieng mit Beſcheidenheit dem Nechſten ſtets zuvor /
Hielt Falſchheit und Betrug fuͤr rechte Seelen-Hiebe /
War auſſen nicht ein Schwan / und in dem Hertz ein Mohr.
Er ließ ſein Chriſtenthum auch in dem Leiden blicken /
Nachdem des HErren Hand mit Kranckheit ihn belegt /
Und konte mit Gedult ſich zu der Hinfahrt ſchicken /
Die nur was ſterblich iſt / an uns / zu Grabe traͤgt.
Er hat den Kampffvollbracht / er hat nun uͤberwunden /
Von nun an ruͤhret ihn kein Schmertzen / keine Qual /
Er hat die wahre Ruh bey ſeinem Heiland funden /
Und ſchwebt voll Freud und Lnſt in dem geſtirnten Saal!
Sie / Hochbekuͤmmerte / in Thraͤnen gantz verſencket /
Der jetzt der grimme Schlag das Hertze bricht entzwey /
Die ſich ob dieſem Fall von Grund der Seelen kraͤncket /
Und derer Leid vermehrt der Kinder Klage-Reyh;
Wird ſo ihr Haupt und Hertz doch zu betrauren wiſſen /
Daß ſie des Hoͤchſten Schluß und Willen auch erkennt /
H h h 3Und118Leichen-Gedichte.
Und mußſte ſchon anjetzt des Liebſten Treu vermiſſen /
So bleibt doch GOtt ihr Freund / der Schutz und Schirm ſich nennt.
Sein wolerworbner Ruhm wird nicht in Sand begraben /
Der Tugend Kertze brennt auch durch des Grabes Nacht /
Er kan von gantzer Stadt diß Ehren-Zeugnuͤß haben:
Daß Treu und Redligkeit zum Beyſpiel ihn gemacht!
Ehren-Gedaͤchtnuͤs F. B. Freyin v. N. g. v. T. u. K. den 18. Septemb. 1672.
ES iſt ein hartes Wort: Menſch / du muſt Aſche werden:
Ja die Natur erſchrickt / wenn ſie ſoll untergehn /
Und klaͤglich / daß der Herr und Herrſcher dieſer Erden
Offt nicht ſo lange kan als Baum / und Blumen ſtehn.
Diß Elend hat auch laͤngſt die kluge Welt bewogen /
Daß ſie die Sterbligkeit zu trotzen hat gedacht /
Und durch viel hohe Baͤu / und ſchoͤne Sieges-Bogen
Sich gleichſam wie bewehrt fuͤr Tod und Fall gemacht.
Es lag die Ewigkeit den Heyden in dem Hertzen /
So doch ein Schatten-Werck von eitlem Hochmuth war;
Sie fuͤhrten Tempel auff / und weyhten Opffer-Kertzen /
Ja wurden gar zuletzt Abgoͤtter ihrer Baar.
Jch wil Egyptens Pracht und Wunder nicht erzehlen /
Und wie es Goͤttern gleich die Leichen hat geehrt:
Es wird auch Perſien an Herrligkeit nicht fehlen /
Daß in dem Meſar noch der Todten Lob vermehrt.
Doch der Sineſer Witz hat alles uͤberſtiegen /
Wo Jrrthum auch ein Theil kan von der Weißheit ſeyn:
Sie wolten mit Gewalt den Untergang beſiegen /
Und hieben Grab und Grufft den harten Felſen ein.
Kein Fuͤrſtlich Zimmer kan an Koſtbarkeit ſo prangen /
Als ſie des Grabes Pfort und Kammern ausgeziert /
Worinn des Todten Bild / und Thaten auffgehangen /
Und aller Uberfluß des Reichthums ward geſpuͤrt.
Doch die Pagoden ſind mit nichten zu vergleichen
Der jenen Raſerey / womit ſie mehr befleckt /
Wenn ſie ein ewig Ziel gedachten zu erreichen /
Und daß ihr Leben ſey unendlich ausgeſtreckt:
Es119Leichen-Gedichte.
Es ſolt ein Nectar-Tranck ſie von der Grufft befreyen /
So ihnen der Chymi verborgne Kunſt geſchenckt;
Allein die Lacheſis hat nie geſcheut ihr dreuen /
Sie wurden wie zuvor nur in den Sand geſenckt.
So viel vermag der Menſch / ſo weit gehn ſeine Wercke /
Und von der Ewigkeit bloß eingebildter Wahn:
Gekroͤnter Haͤupter Macht / beruͤhmter Helden Staͤrcke /
Gelehrter Koͤpffe Witz geht die gemeine Bahn.
Der Schauplatz dieſer Welt hegt ſeine Trauer-Spiele /
So der elende Menſch nicht ſatt bejammern mag /
Er iſt Gefahr und Noth geſetzt zu einem Ziele /
Ein Amboß wo das Gluͤck vollfuͤhret manchen Schlag.
Des Solons Schluß bleibt wahr / daß vor der letzten Stunde
Kein Menſch / wie groß er iſt / begluͤckt zu nennen ſey.
Denn leiden Scepter noth / gehn Kron und Thron zu Grunde:
Wird offt ein gantzes Reich ein oͤde Wuͤſteney:
So kan nichts Ewiges ein Sterblicher hier hoffen /
Noch auff des Gluͤckes Gunſt und ſeine Schaͤtze baun.
Der Leib / die Handvoll Staub / ſteht tauſend Martern offen
Eh wir den Reſt davon der Erden anvertraun.
Und fliehen wir das Grab? viel koͤnnens nicht erlangen:
Die reibt das Feuer auff / und andre friſt die See:
Wie mancher iſt beſchimpfft an Rad und Pfal gegangen
Den vor der Groſſen Gunſt gehoben in die Hoͤh?
Der Cæſar wird erwuͤrgt von ſeiner Freunde Haͤnden;
Pompejus durch Betrug umb ſeinen Kopff gebracht:
Catull der Redner ſtirbt von eingeſchluckten Braͤnden /
Homerus aus viel Harm / Philemon weil er lacht.
So handelt uns der Tod / und ſo viel Art und Wege
Sind zu der langen Nacht den Sterblichen beſtimmt:
Da uns doch die Natur nur bloß auff einem Stege
Willkommen an das Licht in ihre Armen nimmt.
Wiewal den Heyden mag diß Wort wie Wermuth ſchmecken
Das uns heiſt untergehn / und Staub und Aſche ſeyn:
Wir wiſſen GOttes Mund wird dieſen Staub erwecken /
Und in verklaͤrtem Glantz zum Leben fuͤhren ein.
Gluͤckſelig / die den Tod bey ſo ergrimmten Zeiten /
Da uͤber unſerm Kopff nichts als Cometen ſtehn /
Durch einen ſanfften Schlaff zur ſuͤſſen Ruh wil leiten /
Und heiſt ſie Lebens-ſatt in ihre Kammern gehn.
H h h 4Die120Leichen-Gedichte.
Die Wolgeborne Frau / ſa wir zur Grufft beſchicken /
Die ihr verweßlich Kleid des Fleiſches abgelegt /
Die konte weiter nicht die Luſt der Welt erquicken /
Weil gar ein ander Trieb den hohen Geiſt bewegt /
Sie ſehnte ſich zu ſehn die Huͤgel voller Freuden /
Und das Jeruſalem vors Labyrinth der Welt:
Sie wuſte daß doch nichts als nur ein langes Leiden
Dem langen Leben hier unfehlbar beygeſellt:
Sie ließ großmuͤthig ſtehn / was ſonſt die Menſchen achten /
Der Ahnen grauen Ruhm / der Ehren hohen Stand /
Weil mehr Vergnuͤgung ihr die Himmels-Sorgen brachten /
Und ſie beym Ewigen mehr Sicherheit empfand.
Dreymal begluͤckte Frau / ſo von des Gluͤckes Gaben
War praͤchtig ausgeziert / und Seegen-reich beſchenckt /
Die noch auff ihre Schoß die Ehre mehr erhaben /
Und mit dem Lorber-Krantz des Ruhmes hat umbſchrenckt:
Sie geht nun hoͤchſt vergnuͤgt zu einem beſſern Leben /
Begruͤſt der Ewigkeit gantz unermeßnes Reich /
Kennt keinen Zufall mehr / der uns noch kan umbgeben /
Und wird ob keiner Poſt betruͤbter Laͤuffte bleich.
Es mag das China viel Gedaͤchtnuͤß-Tempel weiſen:
Der Seelen Ewigkeit ruht in den Gruͤfften nicht:
Wer Chriſtlich lebt und ſtirbt iſt ſeeliger zu preiſen /
Als der / den man in Gold / Metall und Jaſpis ſticht.
Suͤſſeſter Todes-Schlaff Hn. G. S. d. R. in B. den 9. Octobr. 1672.
SToͤrt nicht den Seligen mit Thraͤnen-reichem Klagen /
Betrübtſte / denn er ſchlaͤfft in angenehmer Ruh:
Die Buͤrde druͤckt ihn nicht / ſo er bißher getragen /
Und GOttes Fluͤgel deckt die muͤden Glieder zu.
Ach hoͤchſt-verlangte Ruh! ach Frieden-volles Schlaffen!
Ach ſtete Sicherheit die nie kein Unfall kraͤnckt!
Jn dem der Erdenkreiß erſchuͤttert von den Waffen /
Und Auff - und Niedergang uns hinzurichten denckt!
Es mag der Heyden Mund den Tod erſchrecklich nennen /
Und ihrer Kuͤnſtler Hand ihn heßlich ſtellen fuͤr;
Wir121Leichen-Gedichte.
Wir Chriſten werden ihn vor heilſam nur erkennen /
Die Bahn zur Seligkeit / zum Himmelreich die Thuͤr.
Der Schlaff / der ſeeliger fuͤr jenem iſt zu ſchatzen /
Den uns die Muͤdigkeit zuwege hat gebracht:
Hier folgt ein ewiges und himmliſches Ergetzen /
Wenn jenes Luſt und Ruh verſchwindet mit der Nacht.
Doch was iſt ohne Schlaff der Menſchen gantzes Leben?
Kan auch ein ſterblich Leib entbehren ſolche Krafft?
Muß nicht die ſuͤſſe Ruh die Staͤrckung wieder geben?
Den Beinen neues Marck / den Adern friſchen Safft?
Der Tod der ſanffte Schlaff bedeckt uns mit der Erde /
Verwahret Fleiſch und Blut in ſeiner kalten Schoß /
Doch daß es dermaleins gleich jungen Adlern werde /
Und ſchwinge ſich verklaͤrt an das geſtirnte Schloß.
Wer ſchlaͤfft / empfindet nichts / auch in des Grabes Kammer /
Der Wohnung wahrer Ruh / und ſichrer Einſamkeit /
Jſt unſers Coͤrpers Reſt entnommen allem Jammer
Und vor der Zeiten Sturm / und Tyranney befreyt.
Des Leibes Mattigkeit befoͤdert uns zu Bette /
Doch daß wir mit dem Tag an unſer Arbeit gehn:
Wir ruhen / nicht / daß uns das Grab auf ewig haͤtte /
Es wird des Hoͤchſten Stimm uns heiſſen aufferſtehn.
Der Gorgias hat Recht / als er nun ſollen wandern
Und hatte hundert Jahr nechſt ſieben hingelegt /
So ſprach er: Schlaff und Tod ein Bruder kuͤſſt den andern /
Diß iſi der letzte Freund ſo mich zu Grabe traͤgt.
Ja was iſt unſer Bett in das wir uns vergraben?
Ein Sarch / der lebend uns wie jener tod beſchleuſt.
Wenn wir uns ſatt gemuͤht / und laß gequaͤlet haben /
Jſt diß allein der Ort wo man der Ruh geneuſt.
Ach ſchoͤnſtes Schlaffgemach! ach Grab du Port der Freuden!
Schatzkammer hoͤchſter Luſt! Ertzſchrancken reinſter Zier!
Es mag ein irꝛdiſch Geiſt in Roſ und Lilgen weiden /
Du bleibſt der Glaͤubigen erquickendes Revier.
Vergebens muͤhen ſich die Tichter abzubilden /
Deß Schlaffes tunckles Haus / wo nichts als Stille ſitzt /
Wo nur der blaſſe Mohn entſproſt in den Gefilden /
Und nie der Sonnen-Glantz den kalten Ort erhitzt /
Wo Baum und Staude ſchweigt / wo nichts als leichte Schatten
Und die Vergeſſenheit die ſtumme Herꝛſchung fuͤhrt /
H h h 5Wo122Leichen-Gedichte.
Wo nie kein Fluß entſpringt / kein Vogel ſingt in Matten /
Und wo die Faulheit ſich zu keinen Zeiten ruͤhrt.
Es iſt ſolch Zimmer nur die Vorburg zu der Hoͤllen /
Wo ein verdammter Schlaff die Menſchen ſicher macht.
Mecoͤnas weiß allhier ein Urtheil nicht zu ſtellen /
Wie hoch ihn ſonſt ſein Witz und ſcharffe Klugheit bracht.
Es ſoll ein guͤldnes Netz und Schwanen-weiches Kuͤſſen
Mit Roſen von Milet Haupt-zaͤrtlich angefuͤllt /
Sambt lindem Seitenſpiel ihm ſeine Ruh verſuͤſſen /
Jndem Terentia den alten Weichling trillt.
Nein / auch der theure Schlaff durch Kuͤnſte zubereitet /
Jſt ein gefaͤhrlich Gaſt / und ungewiſſer Freund:
Wo uns zu reiner Ruh nicht das Gewiſſen leitet /
Wird auch der ſuͤßte Schlaff ein hoͤchſt gefaͤhrlich Feind.
Viel hat ein langer Schlaff zur langen Nacht gewieſen /
Gleich wie der Attila in eignem Blut erſtickt.
Doch dieſer wird allein am ſeeligſten geprieſen /
Den hier des Todes Schlaff zu groͤßrer Luſt erquickt.
Des Lebens Ewigkeit entwerffen auch die Graͤntzen
Des Schlaffes / wer genau deſſelben Urſprung weiß /
Denn wenn ſein Honigſeim den Leib pflegt zu ergaͤntzen /
So wachet erſt recht auf der Seele hoher Fleiß.
Sie iſt nicht wie zuvor an ihre Laſt gebunden /
Rennt ihrem Urſprung nach zu der ſaphirnen Hoͤh /
Wird bey den Boͤſen boͤß / und Frommen fromm gefunden /
Denckt wie der Goͤttligkeit ſie ſtets am nechſten ſteh.
Und diß kan unſer Seel im Leibe noch vollbringen /
Wenn ihr ein kurtzer Schlaff nur wenig Freyheit gibt:
Welch eine Herꝛligkeit wird ſie bey GOtt umringen /
Wo ſie ihn anders hat beſtaͤndig hier geliebt.
Herr Scholtzens edle Seel erkennt nun ſolche Guͤter /
Geneuſt der Liebe Frucht / der Treu erfreuten Lohn /
Entgeht durch einen Schlaff viel herbem Ungewitter /
Traͤgt Glauben und Gedult zu ſeinem Schmuck davon.
Es iſt ſein Lebens-Tag ihm hier auch ſaur erſchienen /
Weil ihn manch harter Wind zu See und Land geplagt.
Der Eyfer volle Ruhm durch Kunſt und Witz zu gruͤnen
Hat den geſchickten Geiſt in frembde Lufft gejagt.
Europens meiſter Theil iſt ihm bekand geweſen /
Der Polen weites Land / der Frantzen kluges Reich.
Er123Leichen-Gedichte.
Er konte derer Schrifft in ihrer Mund-Art leſen /
Und war von keiner Muͤh noch wachen Sorgen bleich.
Er hieß den Britten lieb / dem Niederland willkommen /
Biß daß ihn Spanien in ſeine Schoß geſetzt /
Es iſt zu Liſabon ſein Ruhm noch unverglommen:
Wer etwas ruͤhmlichs thut / wird uͤberal geſchaͤtzt.
Wie denn die Mutter-Stadt ſich auch geneigt erzeiget /
Und ein Hoch-edles Pfand ihm ehlich anvertraut:
Ja ſo die Tugend auch den Palmen gleiche ſteiget /
So ward ſie hier gewiß nicht unbelohnt geſchaut.
Es hieß das Vaterland den Raths-Stuhl ihn begruͤſſen /
Ach aber allzukurtz laͤſt diß der Himmel zu!
Wie eifrig er ſonſt war gemeinem Nutz befliſſen /
Laufft doch ſein Stunden-Glaß / und rufft ihn zu der Ruh.
Ach Hoͤchſt-bekuͤmmerte wer will die Thraͤnen ſchelten /
Die auß vermaͤhlter Treu benetzen Sarch und Bahr?
Doch laſt bey ſolchem Leid auch dieſen Troſt noch gelten:
Der Liebſt iſt frey von Qual / der Vater von Gefahr.
Gluͤckſeelig wer entſchlaͤfft in ſeines Heylands Haͤnden /
Dem wird der blaſſe Tod kein eiſern Schlaff nicht ſeyn /
Es pflegt der Jrꝛdiſche des Tages Laſt zu enden /
Hier dieſer alle Noth und fuͤhrt uns Himmel ein.
Der unſterbliche Foͤnix die Seele / Bey Beerdigung Hn. G. v. S. entworffen / den 10. Octobr. 1672.
WO ſich das Morgen-Licht in erſten Roſen weiſet /
Weit hinter Jndien bluͤht ein geheiligt Wald /
Das ſchoͤne Wunder-Thier ſo man den Foͤnix preiſet /
Hat hier ſein Vaterland und ſteten Aufenthalt.
Er wohnet hochbegluͤckt als Nachbar bey den Sternen /
Weil ihm verjuͤngte Krafft ein ewig Leben gibt /
Kennt keinen Hunger nicht / wird ſich vom Trauck entfernen /
Jndem ihm eintzig nur der Sonnen-Glantz beliebt.
Der Augen gluͤend Blitz ſtreut gleichſam lichte Funcken /
Es ſpitzt ſich als ein Stern der Kamm auf ſeinem Haupt /
Die Beine ſcheinen wie vom Blut der Schnecken truncken /
Die Federn Himmel-blau mit Golde reich belaubt.
Ein guͤldner Zirckel flicht ſich umb deß Halſes Graͤntzen /
Des Ruͤckens ſtoltze Pracht ſticht auch den Purpur hin /
Ja124Leichen-Gedichte.
Ja was mehr wunderns werth / er kan ſich ſeibſt ergaͤntzen /
Und wird auß eigner Aſch am ſchoͤnſten wieder bluͤhn.
Der / wenn nun tauſend Jahr in ihrem Lauff verfloſſen /
Nimmt gleich dem Monden ab an Kraͤfften und Geſtalt /
Der Augen hell Cryſtall ſtarꝛt als vom Froſt geſchloſſen /
Es wanckt der gantze Leib wie Fichten die ſehr alt.
Denn denckt er auf ſein Grab / und wieder neue Wiegen /
Er baut ihm ſelbſt die Baar von Zimmet-Stauden auf /
Er traͤgt / in ſolchem Neſt bequem und wol zu liegen
Amom und Narden zu / und ſtreut viel Kraͤuter drauff.
Denn rufft er mit Geſang der Sonnen heiſſe Stralen /
Sich und auch ſeinen Sarch zu ſtecken in den Brand /
Wirfft ſo ſein Alter weg / deß Leibes duͤrre Schalen /
Sucht mitten in dem Tod deß Lebens neuen Stand.
Hier muͤht ſich die Natur / daß nicht ihr Schatz verderbe /
Sie mahnt die Flammen an / daß ſie nicht ſchaͤdlich ſeyn /
Daß nicht ihr Troſt und Ruhm der edle Vogel ſterbe /
So geuſt ſie neue Krafft den zarten Gliedern ein.
Die Aſche faͤngt ſich an wie lebendig zu ruͤhren /
Das Grab weicht der Geburt / was vor geſtorben / lebt.
Es iſt nach kurtzer Zeit der Foͤnix neu zu ſpuͤren /
Den gleicher Farbe Glantz und Herꝛligkeit erhebt.
Bild der Unſterbligkeit! Und Abriß unſrer Seele!
So ſich dem Foͤnix gleich in vielen Stuͤcken zeigt /
Die / ob ſie zwar umbringt noch in des Leibes Hoͤle /
Doch ihrem Urſprung nach ſiets zu dem Himmel ſteigt.
Der Plato wird entzuͤckt / wenn er ihr heilig Weſen /
Unendlich / ewig / klug / allwiſſend / goͤttlich / nennt.
Man kan den Seneca in ſeinem Schreiben leſen /
Der ſie vor einen Gott noch in dem Leib erkennt.
Alleine was iſt das fuͤr jenem groſſen Lichte /
Fuͤrm Glantz der Ewigkeit / wo ſie einſt wohnen ſoll /
Der Foͤnix wendet ſtets zur Sonnen ſein Geſichte:
Sie muß auf Chriſtum ſehn / ſo thut ſie recht und wol /
Er der Gerechtigkeit / und auch des Lebens Sonne /
Wird ſeine werthe Braut / die er ſo theur erloͤſt /
Mit Stralen voller Huld mit Blicken hoͤchſter Wonn /
Entzuͤnden daß ſie ſich im Tod deß Lebenstroͤſt /
Und weiß / wie ſie durch ihn zum Leben neu gebohren /
Daß ſie dem Foͤnix gleich durchs Sterben ſich verneut /
Daß125Leichen-Gedichte.
Daß weder Haut noch Bein von unſerm Fleiſch verlohren /
Und daß es nur verweſt zu groͤßrer Herꝛligkeit.
Der Foͤnix lebt gantz rein / holt Balſam aus Jdumen /
Sucht Wuͤrtz und Kraͤuter zu / iſt ohne Raub und Liſt /
Erhaͤlt ſein Leben nur von dem Geruch der Blumen /
Jndem auß Maͤſſigkeit er weder trinckt noch ißt.
Die Seele haſſet auch der Suͤnden ſchwartze Flecken /
Und will ein gut Geruch fuͤr ihrem Schoͤpffer ſeyn /
Wird fuͤr der Laſter-Schaar als ihrem Feind erſchrecken /
Und haͤlt den Uberfluß fuͤr ſeine Straff und Pein.
Der Foͤnix wenn er matt und krafft los iſt an Gliedern /
Fleht an umb ſeinen Tod / die Fackel dieſer Welt
Weiß / daß ihm ſolcher Brand das Leben kan erwiedern /
Daß diß was ihn verzehrt / auch gleiches Falls erhaͤllt:
Nichts anders machts die Seel in ihres Kerckers Schrancken /
Wo ſie der Glieder Laſt faſt zu der Erden druͤckt.
Wo ſie ſich ſtuͤndlich muß mit den Begierden zancken /
Und ſie bald hier bald dort des Feindes Garn beruͤckt.
Sie wuͤnſchet frey zu ſeyn / ihr eintziges Verlangen /
Jſt vor des Hoͤchſten Thron und Majeſtaͤt zu ſtehn /
Sie wird mit groſſer Luſt den blaſſen Tod empfangen /
Der ſie vom Leben auß heiſt in den Himmel gehn.
Dahin iſt auch nach Wunſch Herr Schmettaus Seele kommen
So Eckel und Verdruß vom Leben nur empfieng /
Denn als der beſte Theil der Jahre war verglommen /
Und der geſchwaͤchte Leib zu ſeinem Ende gieng:
Hat diß was irꝛdiſch war ihn weiter nicht ergetzet /
Er ſchwang nach Foͤnix Art ſich zu der Sternen Hoͤh:
Hat alle Zuverſicht auf ſeinen GOtt geſetzet /
Und mit Gedult bekaͤmpfft der Schmertzen langes Weh.
Mehr / weil der Menſchen Ziel ſo gar genau verſchrencket /
Der Tage ſchnelle Flucht als wie ein Schatten weicht /
So war ſein fromm Gemuͤth und Thun dahin gelencket /
Daß Krafft der Tugend er ein ewig Lob erreicht.
Wo dieſe Rednerin ein Grabmal uns bereitet /
Jſt vieler Woͤrter Pracht und Zierath gantz umbſonſt:
Der allerſchoͤnſte Klang / der uns zu Grabe leitet /
Verbleibt ein gut Geruͤcht / und frommer Menſchen Gunſt:
Die hochgeſchaͤtzte Kunſt / die offt die Gruͤffte zieret /
Veraltet mit der Zeit / und ſinckt in ihrer Nacht.
Der126Leichen-Gedichte.
Der / wem der Tugend Hand ein Ehren-Mahl auffſuͤhret /
Haͤlt niegeſuchten Ruhm fuͤr ſeine beſte Pracht.
Herꝛ Schmettau lebt noch hier in Kindern und Gemuͤthern /
Sein minſter Theil verdirbt / und wird der Wuͤrme Raub /
Und ſeine Seele ſchwebt jetzt bey des Himmels Guͤtern /
Jndem der murbe Leib wird Aſche / Koth und Staub.
Doch ſoll aus dieſer Aſch auch noch ein Foͤnix werden /
Und in verjuͤngter Krafft zum Leben aufferſtehn /
Wir trauen unſern Leib der Mutter-Schoß der Erden /
Biß daß ihn Gottes Schluß heiſt zu Geruͤchte gehn.
Trauer-Gedancken / Bey Beerdigung Hn. G. F. L. den 11. Decembr. 1672.
JJr Hochbekuͤmmerten / die ſieden-heiſſe Thraͤnen /
Womit ihr jetzt den Sarch des liebſten Vaters netzt /
Die Seufftzer voller Angſt / das marterreiche Sehnen /
Sind Zeugen welch ein Leid den matten Geiſt verletzt.
Eur Alles liegt verblaſt / eur Hoffen iſt verſchwunden /
Eur Helffer / Rath und Schutz ſteht euch nicht ferner bey.
Ach klaͤglicher Verluſt! Ach tieffe Seelen-Wunden!
Sagt ob was ſchmertzlichers noch zu erfinden ſey?
Wenn ſich das Licht der Welt / der Sonnen guͤldne Kertze
Jn Finſternuͤß verhuͤllt / erſchricket Feld und Land:
Wie vielmehr wird ein Kind / wenn ihm ſein Vater-Hertze /
Des Lebens-Sonn entweicht / geſetzt in Trauerſtand.
Wir ehren einen Baum / der Schatten uns gegeben /
Der uns ſo offt erfriſcht mit ſeiner gruͤnen Nacht /
Mehr noch die jenigen / ſo uns zu erſt ans Leben /
Und dann mit Fleiß und Muͤh auch auf die Beine bracht.
Ein gantzer Wald erbebt / wenn hohe Cedern fallen /
Die lange Tanne heult / die ſchlancke Birck erblaſt /
Und ſolt ein Angſt-Geſchrey bey Kindern nicht erſchallen /
Wann ihres Vatern Haupt des Todes Sichel faſt?
Ja freylich / Traurigſte wer will das Winſeln ſchelten?
Der Menſch iſt nicht von Stahl und Marmel-Stein gebaut.
Doch aber muß auch hier des Hoͤchſten Wille gelten /
Und daß bey ſolcher Angſt man dieſem ſich vertraut.
Legt127Leichen-Gedichte.
Legt Schmertzen und Vernunfft auf gleiche Wage-Schalen /
Und hengt den Lauff der Zeit zu einem Ausſchlag dran.
Jſts mit den jenigen ſo die Natur bezahlen /
Und zu der Ruhe gehn / nicht recht und wohl gethan?
Denn was erwarten wir? Wol ſchwerlich guͤldne Zeiten /
Daß die Gerechtigkeit vom Himmel wieder koͤmmt /
Daß Tugend / Zucht und Treu einander ſtets begleiten /
Daß weder dein noch mein dem Nechſten etwas nimmt.
Und was er werben wir mit einem langen Leben?
Stets neues Hertzeleid / gehaͤuffter Kranckheit Noth /
Bekuͤmmern uns ſo ſehr den Athem aufzugeben /
Da doch in Fleiſch und Blut nichts wohnet als der Tod.
Ein Tageloͤhner ſeufftzt nach ſeiner Arbeit Ende /
Wir aber fliehn das Ziel / das uns doch GOtt geſteckt:
Es folgt der hellen Sonn ihr Kind die Sonnemvende:
Wir nicht dem hoͤchſten Glantz / der uns vom Tod erweckt.
So gar verzaubern uns des Lebens Luſt-Sirenen /
Die Frucht vom Lotos-Baum ſchmeckt jedem Weltling wol.
Man ſucht auch die Begier ſo kuͤnſtlich zu beſchoͤnen /
Daß einer ohne Schnee von hier nicht wandern ſoll.
Zwar es iſt ein Geſchenck von GOttes Hand verliehen /
Wer ſeiner Jahre Reyh auf hohe Staffeln bringt /
Und deſſen Scheitel kan voll Ehren-Lilgen bluͤhen /
Vor dem die Enckel-Schaar in mildem Segen ſpringt.
Doch nach des Moſis Spruch / wie koͤſtlich es geweſen /
So hat nur Muͤh und Noth das meiſte Theil verzehrt /
Man hat mehr Diſteln hier als Roſen eingeleſen /
Selbſt von dem Alterthum als einer Laſt beſchwert.
Denn wenn der Berg voll Schnee / die Seiten gantz bereiffet /
Der Muͤller muͤſſig ſteht / die Fenſter finſter ſeyn /
Der Starcke nach dem Stab ſich anzulehnen greiffet /
Der Eimer gar zulechſt / das Rad am Born geht ein /
So koͤnnen uns alsdenn die Tage nicht gefallen /
Und wer recht klug ſeyn will / lernt daß er ſterben muß.
Die eintzige Begier / das Wuͤnſchen unter allen /
Jſt aufgeloͤſt zu ſeyn von dieſer Welt Verdruß.
Der Menſch wird wolgemuth des Leibes duͤrre Schalen /
Der muͤrben Glieder Reſt der Erden anvertraun /
Dieweil er gantz befreyt von angeſtrengten Qualen /
GOtt ſeinen Schoͤpffer kan in hoͤchſter Wonne ſchaun.
Oſelig /128Leichen-Gedichte.
O ſelig / wer entgeht dem rauhen Sturm der Zeiten /
Dem ſchoͤden Labyrinth der Laſter-vollen Welt!
Wer nechſt den Vaͤtern kan ihm einen Raum bereiten /
Der biß auf jenen Tag ihn in der Kammer haͤlt!
Betruͤbtſte / ſinnet nach und mindert eure Schmertzen /
Es hat der Seelige das beſte Theil erwehlt:
Was ſoll ein ewig Leid Hertz und Gedancken ſchwaͤrtzen?
Der Vater iſt nunmehr den Engeln zugezehlt.
Er hat recht Lebens-ſatt das groſſe Rund verlaſſen /
Und Troſt - und Glaubens-voll geeilt dem Himmel zu /
Wo er Jeruſalems gewuͤnſchte Friedens-Gaſſen /
Nunmehr betreten kan in ungekraͤnckter Ruh.
Wie bitter war es nicht / als binnen zweyen Jahren /
Er ließ ſein halbes Hertz verſcharren in dem Sand?
Nun muß der Vater auch die Todes-Straſſe fahren /
Und doppeltſchweres Leid klemmt euren Waiſen-Stand.
Jedoch / Betruͤbtſte / denckt / daß dieſer ſo da ſchlaͤget /
Auch wieder heilen kan / ſein Arm iſt unverkuͤrtzt /
Und daß des Creutzes Laſt / womit ihr ſeyd beleget /
Noch wird ertraͤglich ſeyn / und euch nicht nieder ſtuͤrtzt.
Jſt gleich der Vater tod / der Richter aller Sachen /
Den Erd und Himmel ehrt / trit an deß Vaters ſtatt /
Und wird vor euer Heil und Wolergehen wachen /
Weil ſeine Vater-Treu noch Ziel noch Graͤntzen hat.
Die Thraͤnen werden nicht den Todten balſamiren /
Ehrt euers Vatern Grab in Kinds-verbundner Pflicht /
Weil er ſich hat bemuͤht ſein Leben ſo zu fuͤhren /
Daß / ob er ſchon erblaſt / glaͤntzt ſeiner Tugend Licht.
Des Glaubens Lauterkeit wird unſern Luther preiſen /
Der Eyfer fuͤr das Wort zeigt noch den Anherꝛn an /
Und wie er weiter noch ſich wollen ſo erweiſen /
Daß ihn die Buͤrgerſchafft glauhwuͤrdig ruͤhmen kan.
Er hat der Fuͤrſten Gnad / deß Nechſten Gunſt behalten /
Und ſtellt ſein gut Geruͤcht euch zum Exempel fuͤr.
So ein bejahrter Greiß kan nimmermehr veralten /
Er lebt im Nachruhm theils / und theils in Kindern hier.
Betruͤbtſte traurt nicht mehr / daß bey den Winter-Tagen
Und kalten Todes-Schweiß der Vater gehet ein /
Wenn jener Freuden-Lentz wird Schnee und Froſt verjagen /
Soll umb den Luther dort ein lauter Fruͤhling ſeyn.
Troſt -129Leichen-Gedichte.
Troſt-Schxeiben An Hn. M. P. bey Beerdigung ſeiner Toch - ter J. E. den 22. Jan. 1673.
ALs ich / geehrter Freund / ſein Schreiben nur erblicket /
Sah ich das ſchwartze Wachs / den Boten groſſer Pein /
Und wie ich weiter noch im leſen fortgeruͤcket /
Traff mein Gedencken auch mit dem Verhaͤngnuͤß ein.
Des Briefes Jnhalt war: Mein Leitſtern iſt verblichen /
Der Eltern liebſter Troſt und Hoffnung faͤllt dahin /
Nun unſer Tochter Treu aus unſrem Haus entwichen /
Wird mit des Traurens Nacht umbzogen Hertz und Sinn.
Der Schmertz ſaugt Safft und Krafft aus Adern und Gebeinen /
Daß ich vor Leid ihr kaum die letzte Pflicht kan thun;
Jch bitte mir mit Troſt gewierig zu erſcheinen /
Der meinen Jammer ſtillt / und heiſt die Thraͤnen ruhn.
Ja freilich werther Freund / entſpringen dieſe Zehren
Von einem ſolchen Brunn der aus dem Hertzen quillt /
Die nicht allein den Leib die Seele ſelbſt beſchweren /
Die auch kein Barbar nicht / wie hart er ſonſten / ſchillt.
Denn / ſeiner Kinder Tod mit trocknen Augen ſchauen /
Und umb derſelben Bahr ohn ein ge Regung ſtehn /
Jſt faſt der Menſchligkeit unmoͤglich zuzutrauen /
Es wuͤrde der Natur nur ſtracks zu wieder gehn.
Hingegen nutzt auch nicht ein unauffhoͤrlich Weinen /
Noch daß man vor der Zeit im Kummer ſich vergraͤbt;
Hier muß das Chriſtenthum vor allem Leid erſcheinen /
So uns verſichert macht / daß einſt der Todte lebt.
Man pflegt mit hoͤchſtem Fleiß was ſchaͤtzbar zu verwahren.
Wie ſicher hebt der Tod die muͤrben Glieder auff.
Wir leben hier umſchrenckt mit Aengſten und Gefahren /
Der / in der Erde ruht / fuͤhlt nicht der Zeiten Lauff.
Und taͤglich ſehen wir von Kraͤfften was verſchwinden /
Gleichwie ein altes Kleid der Wurm und Moder friſt /
Bald mangelts uns am Blut / bald iſts zu viel zu finden /
Bald wird am Haupte Staͤrck / umbs Hertze Lufft vermiſt.
Und diß nicht nur allein. Ach wie viel tauſend Faͤllen
Muß hier der arme Menſch ſtets unterworffen ſeyn!
JiiDer130Leichen-Gedichte.
Der ſtirbt in Feuers-Noth / ein ander in den Wellen /
Und mit dem Athem zeucht man offt den Tod auch ein.
Die Weyſen muͤhen ſich das Leben abzubilden /
Der Varro ſtelt es uns in Waſſer-Blaſen fuͤr.
Viel durch die Hiacinth in luſtigen Gefilden
Wie ſchoͤn er immer bluͤht / ſo fluͤchtig iſt die Zier.
Es nennets Epictet ein Licht vom Wind umbgeben /
Der kluge Seneca des Gluͤckes Gauckel-Spiel /
Ein Werck das ſich nicht kan durch eigne Huͤlff erheben /
Ja alles Ungeluͤcks und alles Neides Ziel.
Noch kan der leere Traum / das bloſſe Nichts uns blenden
Daß wenn die Stunde ſchlaͤgt / der Tod uns bitter ſcheint /
Daß man die jenigen ſo wir voran abſenden /
Faſt ohne Maaß und Ziel als wie Verluſt beweint.
Nein: Ob es ungereimt in menſchlichen Gedancken /
Das offt der Jugend Blum in beſter Zier erblaſt.
So kennen wir doch wol des Todes enge Schrancken /
Der gruͤner Jahre Lentz / als Schnee und Winter / faſt.
Es iſt die Selige / Betruͤbtſte / nicht entriſſen /
Sie hebt ein neues Jahr mit groͤſſern Freuden an /
Jhr reiner Jungfer-Mund wird jetzt die Engel kuͤſſen /
Sie traͤget einen Krantz der Sternen trotzen kan.
Unwiedertreiblich iſts / daß die GOtt eyfrig lieben
Jm Glauben und Gebet auff ſeinen Wegen gehn /
Er ſie nicht wiederumb von allem Weltbetruͤben /
Bey zeiten zu ſich rufft in die geſtirnte Hoͤh’n.
Es iſt der Lilie Jhr Leben gleich geweſen.
Die keuſche Reinligkeit fuͤr ihren Schmuck geacht;
Die ſich als Himmels-Braut durch beten und durch leſen /
Schon in der Sterbligkeit den Engeln gleich gemacht.
Der Lilie Geruch ergetzet Hertz und Sinnen /
Auch ihr Gehorſam gab den Eltern hoͤchſte Luſt /
Die Sorge fuͤr das Haus / das nahrſame Beginnen /
Und was die Wirthſchafft heiſcht / war ihrem Fleißbewuſt.
Doch wie die Lilie in beſten Sommer-Tagen /
Durch Regen oder Sturm ſich laͤnger nicht erhaͤlt:
So wird / ihr Eltern auch eur Hoffen und Behagen /
Die werthe Seelige / durchs Todes Pfeil gefaͤllt.
Hingegen iſt der Troſt / daß bey verjuͤngtem Lentzen /
Wenn Froſt und Hagel weg / und ſich der Himmel klaͤrt /
Die131Leichen-Gedichte.
Die ſchoͤnen Lilien von neuem wieder glaͤntzen /
Und der begruͤnte Stock den Silberſchein gewehrt;
Jn gar weit herrlicherm und ungemeinem Schimmern /
Wird die verblichne Blum auch dermaleinſten bluͤhn;
Wenn von des Braͤutgams Hand in jenen Freuden-Zimmern /
Sie wird das Lilgen Kleid der Hoͤchſten Wonn anziehn.
Betruͤbtſte klaget nicht / wie ſchmertzlich es mag kommen /
Jhr habt die Tochter wol und uͤber wol verthan.
Sie iſt aus Dorn und Heck ins Roſen-Land genommen /
Da uns Muͤhſeelige ſtets neue Noth ficht an.
Wie ſcheinbar ſich das Gluͤck auff dieſer Welt mag weiſen /
So iſt es Sardiſch Graß das uns im lachen ſterbt.
Nein / unſre Preuſin kan jetzt ihren Schoͤpffer preiſen /
Und hat das hoͤchſte Gut / den Himmel ſelbſt / ererbt.
Jch weiß / geneigter Freund / es ſtirbt ihr Angedencken
Jn ſeinem Hertzen nicht / er ruͤhmt noch ihre Treu /
Weil keinen groͤſſern Schatz GOtt kan den Eltern ſchencken /
Als daß ſtets ihrem Wort ein Kind gehorſam ſey.
Der unverwelckte Ruhm / ſol umb ihr Grab noch wohnen /
Und ob der Winter uns nicht laͤſt zu Blumen gehn /
So tilgt kein Wetter doch der Tugend Anemonen /
Die in der ſchoͤnſten Bluͤth umb ihre Baare ſtehn.
Mehr Worte brauch ich nicht / die Zeit wil mir verflieſſen;
Jch ſchlieſſe meinen Brieff / ſo gut er iſt geluͤckt /
Und wuͤnſche das ſein Leid ſich gleichfalls moͤge ſchlieſſen /
Man trage mit Gedult / was uns der Himmel ſchickt.
Der in Friede fahrende Simeon Bey Beerdigung Hn. C. M. den 8. Febr. 1673.
NAch ſo viel Angſt und Weh / nach ſo gehaͤufften Schmertzē
Kommt deine Friedenfarth / Verlebter / auch herbey:
Du traͤgſt wie Simeon den Heiland in dem Hertzen /
Daß er auff ſolcher Bahn dir Licht und Fuͤhrer ſey.
Und ſolte nicht das Licht der ausgebreiten Heiden /
Der Glantz der Ewigkeit auch hier dein Leitſtern ſtehn?
Daß du mit Freuden kanſt von dieſer Welt abſcheiden /
Und durch das wuͤſte Reich der Todes-Schatten gehn.
J i i 2Der132Leichen-Gedichte.
Der abgematte Greiß ſtund gantz entzuckt in Wonne /
Als er das Kindlein ſah / den Herrſcher aller Welt /
Sein Glaubens-Aug empfand die wahre Lebens-Sonne /
Die mit Gerechtigkeit und Troſt ins Hertze faͤllt.
So trug der Simeon den Himmel auff den Armen /
Weil / wer an JEſum glaubt / den Himmel finden kan /
Und rieff: HErr nun iſts Zeit / ich preiſe dein Erbarmen /
Entlaß mich meines Dienſts / o GOtt / es iſt gethan.
Nun ich den Tag erlebt / ſo wil ich gerne ſterben /
Rath zu Jeruſalem / Welt / Ehre / gute Nacht!
Mein wuͤnſchen iſt erfuͤllt / ich kan den Himmel erben /
Und mein Verlangen iſt zum hoͤchſten Zweck gebracht.
Auch du haſt / Seeliger / bey dieſer Niederlage /
Mit Seufftzen und mit Flehn umb Rettung angeſucht:
Nun; die Erloͤſungs-Zeit kommt eben an dem Tage /
Daß du wie Simeon geneuſt des Glaubens Frucht.
Der hatte GOtt gedient / und fuhr dahin in Friede /
Ein Hoͤrer ſeines Worts / als wie ſein Name heiſt /
Von Jahr und Kraͤfften zwar / doch nicht vom Glauben muͤde
Als deſſen Beyſtand war / und blieb des HErren Geiſt.
Ach ſoll uns Sterblichen die letzte Fahrt geluͤcken /
Soll man die Bitterkeit des Todes ſchmecken nicht /
So muͤſſen wir uns ſtets mit Glaub und Hoffnung ſchicken /
Verſiegelt mit dem Geiſt / daß uns nie Krafft gebricht.
Ach / rieff der Seelige / HErr / wenn ich dich nur habe /
So ſchrumpfft ihr Himmel ein / brecht Felſen / Erde reiß!
Mit rechter Hertzens-Luſt eil ich zu meinem Grabe /
Da ich der Schmertzen Ziel / der Freuden Anfang weiß.
Es ſihet Simeon den Heiland mit den Augen /
Sein irrdiſch Arm umbfaſt den / dem die Welt zu klein /
Doch wuͤrde weder Sehn noch das Umbarmen taugen /
Wenn nicht des Glaubens-Arm ihn mehr geſchloſſen ein.
Des Glaubens rein Cryſtall zeigt auch dem Abgelebten
Den Heiland / welcher uns von Suͤnden hat befreyt /
Der das Geſetz erfuͤllt / und die uns wider ſtrebten /
Hoͤll und den Tod zerknirſcht / erlangt Gerechtigkeit.
Wie aus den Wunden Hold / Gehorſam in den Striemen /
Die Demuth in der Schmach / die Sanfftmut in dem Spott /
Der Schaͤcher ſelbſt am Creutz am Heiland muſte ruͤhmen /
Daß des Verſoͤhnungs Werck vollzoͤge Menſch und GOtt.
Hier133Leichen-Gedichte.
Hier fand der Seelige den Frieden im Gewiſſen /
Des Geiſtes Freudigkeit / der Gnaden Zuverſicht /
Daß ob der Kranckheit Weh der Glieder Bau zerriſſen /
So blieb ſein JEſus doch / Weg / Warheit / Leben / Licht.
Den hat er ihm geſehn / den ließ er ſich nicht nehmen /
Wiewol des Creutzes Laſt offt unertraͤglich ſchien:
Noch kont er ſeinen Feind / Welt / Fleiſch und Blut beſchaͤmen /
Und wuſte wie das Creutz der Chriſten ihr Gewin.
Mehr preiſet Simeon / entbrand von heilgen Flammen
Den Heiland / daß er ſoll ein Licht der Heiden ſeyn /
Daß was der Erden-Kreiß von Voͤlckern bringt zuſammen /
Sein Licht erleuchten wird in unerſchoͤpfftem Schein.
Licht das Erkaͤntnuͤß bringt! Licht das beſtrahlt die Seele!
Licht voller Glaub und Troſt! Licht das im Hertzen brennt!
Licht aller Tugenden! Licht das der Graͤber Hoͤle
Mit neuem Glantz umbgibt / und ihre Nacht zertrennt!
Und dieſes Licht erſchien in ſeiner letzten Stunde
Herr Meichſnern / als er nun zur Hinfarth ſich geſchickt /
Damit ſein Glaubens-Licht nicht konte gehn zu Grunde /
Und ihn des Todes Netz und Finſternuͤß beruͤckt.
Er warff der Suͤnden Laſt auff des Erloͤſers Ruͤcken /
Der aller Heiden Troſt / war ſeiner Seelen Heil /
Der die Muͤhſeligen und Schwachen kan erquicken /
Gab ihm hinwiederumb an ſeinem Reich ein Theil.
Als endlich Simeon den Schwan-Geſang wil ſchlieſſen /
So ruͤhmt er wie diß Kind ſey Jſraelts Preiß /
Nicht Jſraels allein: Wer JEſum nur wird kuͤſſen /
Jſt ſicher / daß bey ihm er Troſt und Leben weiß /
Dem GOtt der Herrligkeit / des Ruhmes / und der Staͤrcke /
Der uns den Sieg gebracht / ja gar den Himmel ſchenckt /
Der / ſeine Glieder / uns / durch Lieb und Wunder-Wercke /
Als Reben in den Stock gnadſelig eingeſenckt.
Wie iſt nun ſo begluͤckt / Herr Meichſner / itzt verſchieden /
Der ſich ins Leichen-Tuch mit ſeinem Heiland huͤllt /
Traͤgt ihn in Arm und Hertz / und faͤhrt dahin in Frieden /
Gibt den erſtarrten Leib daß man die Grube fuͤllt.
Ach ſanffte Friedenfahrt! Schlaff / den ein ewig Wachen
An jenem groſſen Tag mit neuem Glantze ziert!
Koͤnt es der hoͤchſte GOtt mit Menſchen beſſer machen /
Als wenn er graue Haar in ſeine Cammern fuͤhrt?
J i i 3Gluͤck -134Leichen-Gedichte.
Gluͤckwuͤnſcht dem Seeligen / daß er der Qual entgangen /
Betruͤbtſte / die ihr muͤſt in Leid und Klage gehn /
Er hat nun allererſt zu leben angefangen /
Die Seele ſchwebt bey GOTT / ſein Ruhm bleibt bey uns ſtehn
Die Teutſche Redligkeit begleitet noch die Bahre /
Und ruͤhmet / daß er GOtt und Menſchen treu gedient /
Daß Tugend er geliebt biß an den Schnee der Haare /
Jm Leiden / im Gedult / den Palmen gleich gegruͤnt.
Wol dem und uͤber wol / der bey ſo boͤſen Zeiten /
Faͤhrt hin mit Simeon zu der verlangten Ruh!
Jn dem wir uͤbrigen mit Welt und Teuffel ſtreiten /
Deckt den Verblichenen der Friede GOttes zu.
Der Tod der beſte Apothecker Bey Beerdigung Fr. R. S. g. G. den 19. Febr. 1673.
SO kan / geehrter Freund / beym Schnee der grauē Haare
Die lang Erfahrenheit und wolbewehrte Kunſt
Den Eh-Schatz nicht entziehn / dem Sterben Grufft und Bahre?
Verraucht der Artzney Geiſt? iſt alle Huͤlff umbſonſt?
Ach ja! wie guͤtig ſich auch die Natur erwieſen /
Und zu des Menſchen Heil viel Mittel auffgebracht /
Wie hoch der Kuͤnſtler Fleiß und Forſchen wird geprieſen /
Hat die Unſterbligkeit doch keiner nicht erdacht.
Es iſt ein ſuͤſſer Traum / worinn die Perſer ſtecken /
Und der Sineſer Witz der Sinnen Luſt-Spiel treibt;
Den einmal todten Leib wird wol kein Tranck erwecken /
Noch daß der Geiſt zuruͤck im Coͤrper wieder bleibt.
Alleine diß mag wol ein rechtes Wunder heiſſen /
Daß Gluth / daß Fluth / daß Lufft / daß Erd uns zinßbar ſeyn /
Daß wir die Seelen ſelbſt von Elementen reiſſen /
Und vor dem Hintritt uns offt lange Zeit befreyn.
Ja daß die Sterne gar mit wuͤrcken uns zu heilen /
Jndem die Sonn aus Gold den Purpur-Saffran zeigt /
Der Mond uns Silber wil / das trinckbar iſt / ertheilen /
Mars in Blutrothem Safft aus Stahl und Eiſen ſteigt.
Das Ertz und Blumen gibt / Bley / Zucker / durchs Geſtirne
Erregt, und denn durch Kunſt im Tiegel ausgekreiſcht.
Mehr /135Leichen-Gedichte.
Mehr / daß erfunden hat ein hochgelahrt Gehirne /
Wie man dem Menſch zu nutz jedwedes Glied zerfleiſcht.
Daß uns der Schwefel Milch / die Steine Balſam geben /
Daß Oel aus Vitriol und zwar recht ſuͤſſes quillt /
Das Spießglaß / wenns durch Kunſt wird Butter / bringt das Lebē
Gereinigt Salmiac viel in den Fiebern gilt:
Daß ein jedwedes Kraut ſein eigne Kraͤffte habe /
Daß Wurtzel / Bluͤth und Blat zu heilen tuͤchtig iſt /
Daß in der Baͤume Rind und Kern ein edle Gabe;
Daß Agtſtein / Gumm und Hartz zur Artzney wird erkieſt:
Daß auch der Thiere Bein / Blut / Unßlit / Harn / muß dienen
Draus Pflaſter / Pulver / Safft und Salbe wird bereit /
Daß ſtatt der Aertzte ſeyn die Jungfer-reinen Bienen
Und manch verachter Wurm hilfft auff der Paͤßligkeit:
Daß uns der Natterſtich biß auff den Tod verletzet /
Hingegen auch ihr Saltz vor Peſt und Gifft beſchuͤtzt /
Gleich einer Panace ſich Seuchen wiederſetzet /
Die ſonſt unheilbar ſeyn / und da kein Artzt nichts nuͤtzt:
Diß und noch anders mehr / was ich nicht deutſch kan nennen /
Was die gelehrte Welt nicht ohne Entzuͤckung ſchaut;
Wornach ein Himmliſch Sinn fuͤr Eyfer pflegt zu brennen /
Worauff ſich die Natur als wie auff Pfeiler baut /
Beſchloſſen / Werther Freund / der Apothecke Schrancken
Das Zeug Haus / ſo den Tod mit tauſend Waffen pocht /
Der Libitinen Trotz / die Burg der matten Krancken /
Das Rath-Haus / wo der Siech offt heilſam Rath geſucht.
Zudem blieb ihm bekand Metallen auffzuloͤſen /
Zu mercken was verpufft und was verjoren war /
Wie auffzuheitern ſey das klare von dem boͤſen /
Ob der Alembic recht / die Colben ohn Gefahr.
Wieviel hat ſeine Hand von Pulvern nicht gemiſchet /
Von Saͤfften ausgepreſt / von Salben auffgeſchmirt /
Eſſenzen zugericht / Tincturen angefriſchet /
Und ſo das Feldpanier fuͤrs Leben ſtets gefuͤhrt?
Es wird jedweder Gran ihm hier ein Zeugnuß leiſten /
Wie ſehr der blaſſe Tod die Doſes hat geſcheut /
Wenn Scrupel ja wol Untz die Parcen ruͤckwarts weiſ’ten /
Und der Hygeen Sieg die Menſchen hoͤchſt erfreut.
Diß alles aber kan / Betruͤbtſter Freund / nicht helffen /
Die Liebſte ſol und muß den Weg des Fleiſches gehn.
J i i 4Kein136Leichen-Gedichte.
Kein Staͤrck-Tranck / kein Condit von edler Fruͤchte ſchelffen
Noch Lebens-Balſam mag dem Sterben wiederſtehn.
Der allgemeine Tod verachtet die Capellen /
Schlaͤgt Colb und Vorlag ein / bricht Moͤrſel und Phiol /
Laͤſt weiter nicht den Roſt noch die Retorten ſtellen /
So bald nach GOttes Schluß der Menſch abſcheiden ſol.
Artzt / Apothecker wird als wie ihr Werck zu Aſchen.
Doch wie wir aus der Aſch auch Blumen ſehen bluͤhn /
So wird was man allhier mit Thraͤnen abgewaſchen /
Mit Thraͤnen eingeſarcht / dort neuer Glantz umbziehn.
Es ſtirbt die Seelige gleich in der Aſcherwochen /
Und heiligt ihr Gebein / und Aſche GOttes Hand.
Der Artzt des Lebens hat den Himmel ihr verſprochen /
Dem ſie mit Seel und Hertz auff Erden zugewand.
Er muß / Betruͤbſter Freund / zwar ihren Tod beklagen /
Es heiſcht es die Natur / es foderts Schuld und Pflicht;
Des muͤden Alters Troſt wird durch ſie hingetragen /
Nun ſeine Pflege ſtirbt / des Hauſes Ruhm und Licht.
Jedoch wenn er bedenckt / wie treu ſie ihn geliebet /
Weil ihre Seele ſtets an ſeiner Seelen hing:
Wie in den Tugenden ihr Leben ſie geuͤbet /
Mit was vor Andacht ſie ins Hauß des HErren ging:
Wie ſie ihr Chriſtenthum nicht nur mit Worten zeigte /
Es muſten Wercke da der Worte Siegel ſeyn /
Wenn ſie ihr gantzes Hertz zum lieben Armuth neigte /
Nahm Arm und Hungrige / wie Gaͤſte GOttes ein.
Es wird manch Hoſpital noch ihr Gedaͤchtnuͤß ehren /
Das ſie mit milder Hand erfreulich hat verpflegt /
So ſollen Thraͤnen nicht der Seelgen Ruh verſtoͤhren /
Sie hat was irrdiſch war / nur in das Grab gelegt.
Jhr wahres Ebenbild lebt in der Tochter Sitten /
Die ſie ſtatt ihrer nun zur Wartung hinterlaͤſt /
Die zu begluͤckter Eh nach Will und Wunſch geſchritten /
Und Lieb und Thraͤnen voll verſcharrt den Aſchen-Reſt.
So viel ſcheint menſchlichem Betrachten jetzt zu ſterben /
So viel ſcheint die Artzney zu wuͤrcken ohne Krafft.
Wiewol der Artzt / der Tod / ob dem wir uns entfaͤrben /
Giebt durch ſein Elixir den wahren Lebens-Safft.
Der137Leichen-Gedichte.
Der kocht und ſchaͤumt uns ab zu groͤſſern Herꝛligkeiten /
Daß wir vor Gottes Thron ein riechend Balſam ſeyn /
Was Artzt und Apotheck auf dieſer Welt bereiten /
Bleibt wieder auf der Welt / der fuͤhrt uns Himmel ein.
Der Menſchen Hertz bey ihrem Schatz / Als Hr. J. A. S. S. Th. D. Juͤngſtes Soͤhnlein beerdigen ließ / den 21. Febr. 1673.
JHr ſchnoͤden Sterblichen / die ihr nach Schaͤtzen trachtet /
Und oft die Seele gar fuͤr Geld und Gut verkaufft /
Die ihr das Reichthum mehr als euer Leben achtet /
Und umb das eitle Geld nach Oſt - und Weſten laufft;
Jn Hoffnung durch groß Gut was herꝛlich zu erreichen /
Daß eures Hauſes Stamm von hohen Namen prangt /
Daß das Vermoͤgen ſoll nicht von den Kindern weichen /
So mit viel tauſend Muͤh / und noch mehr Suͤnd erlangt;
Jhr die der Geld-Geitz auch noch in dem Sterben quaͤlet /
Und niemals nicht verlaͤßt biß an denletzten Hauch;
Sagt / wo ihr ſchlieſſen koͤnnt / was ihr euch habt erwehlet /
Fuͤr Diamante Glaß / fuͤr Roſen Heck und Strauch.
GOtt der von Ewigkeit der Menſchen Hertz ergruͤndet /
Und deſſen Heimligkeit ihm nicht verborgen bleibt /
Spricht: Sammlet einen Schatz den man im Himmel findet /
Den auch kein Dieb nit ſtiehlt / noch Mott und Roſt zerreibt.
Wie reimen ſich denn nun des Plutus ſchwartze Kammern /
Und deß Jeruſalems beſtrahlte Sonnen-Stadt?
Ein Schatz der wird bewacht mit Winſeln / Sorgen / Jammern /
Ein Schatz der Fried und Ruhm in ſich die Fuͤlle hat.
Was ſucht ihr Reichthum hier umb ewig dort zu darben /
Kriecht in der Erde Schoß / den Himmel nicht zuſehn?
Streut immer Saamen auß und erndet niemals Garben /
Baut auf gehaͤufften Sand / den Winde leicht verwehn?
Erkennet nicht einmal den Geber alles Guten /
Haͤngt / als wie angeleimt / an einem klumpen Gold;
Traut ſeinem Worte nicht / mehr aber wilden Fluten /
Verwechſelt um Gewin des Schoͤpffers Gnad und Huld.
Sagt was ſind eure Schaͤtz? Abgoͤtter eurer Sinnen /
An was haͤngt euer Hertz? Ach am verdammten Geld.
J i i 5Was138Leichen-Gedichte.
Was wird euch dieſer Schatz noch dermal einſt gewinnen?
Den Pful / der alle Zahl der Martern in ſich haͤlt.
Nicht reich Arabien / nicht Japans theure Wahren /
Was Quinſay hocherhebt und Peru liefern kan /
Nicht die in Potoſi und Lima Bergwerck fahren /
Gewehren was den Schatz der Hertzen gehet an.
Und ich verſtehe nicht hier Hertzen ſo verhartet /
Die mehr als ſteinern ſeyn / ver finſtert / voller Nacht:
Nein / die auch in dem Creutz auf ihren GOtt gewartet /
Sich fuͤr ihm ausgeſchuͤtt / durch ſeufftzen matt gemacht;
Die aufs zukuͤnfftige den guten Grund geleget /
Und dieſen außerwaͤhlt / wo alle Schaͤtze ſeyn;
Ja die Erkaͤntnuͤß tieff ins Hertzens Blat gepraͤget /
Daß ſie nichts trennen kan von Goͤttlicher Gemein.
Die ſammlen einen Schatz / der uͤber Mogols Schaͤtze /
Und der zum Wucher bringt den Schatz der Seeligkeit.
Wenn Kinder dieſer Welt umbringet der Hellen Retze /
Jſt jener Hertz und Schatz fuͤrm Hoͤchſten ausgebreit.
Nun Hoch-Ehrwuͤrdiger und Pfleger unſrer Seelen /
Dem ſelbſt der HErꝛ ſein Wort in Hertz und Mund gelegt /
Der nicht die Schaͤtze pflegt des Himmels zuverhoͤlen /
Und Leben und auch Tod durch Lehren uns fuͤrtraͤgt /
Es hat des Schoͤpffers Hand / ſein Hertz itzt wie zerbrochen /
Jn dem der zarte Sohn gleich Blumen welcken muß /
Da ihn des Todes Wurm wie Lilien durchſtochen /
Der nun den Eltern gibt den letzten Abſchieds-Kuß.
Er war ſein Augen-Troſt / ſein Schatz an dem das Hertze
Als ſeinem Theile hieng / der Mutter Luſt und Zier /
Der Jahre zartes Wachs / ein angenehme Kertze /
So ſchon der Tugend Glut und Flammen ſtieß herfuͤr.
Es ſtand der Hoffnung Schatz auf ſein zukuͤnfftig bluͤhen /
Daß er des Vatern Ruhm und Thaten ſchluͤge bey.
Wie aber? muß er bald das Sterbe-Kleid anziehen?
Und wird ſo fruͤh geſellt zu der verblichnen Reyh?
Ja / GOtt der alles weiß / der will ihn bey ſich wiſſen /
Er ſoll der Eltern Schatz / doch mehr des Himmels ſeyn.
Er wird der Zeiten Sturm / der Laͤuffte Peſt entriſſeu /
Sieht die Cometen nicht die uns faſt ſtuͤndlich draͤun.
Zwar weil der Kinder Lieb entſpringet auß dem Hertzen /
So iſt es zweifels frey daß ſie zum Hertzen ſteigt /
Daß139Leichen-Gedichte.
Daß wir die Unſrigen nicht ohne Weh und Schmertzen
Hingeben / wenn der Tod die ſcharffe Senſe zeigt:
Alleine wer ſein Hertz dem Himmel hat geweyhet /
Nichts auf der Sterblichkeit vergaͤnglich hoffen baut /
Wird bey der Kinder Tod in ſeinem GOtt erfreuet /
Weil ſeiner Ober-Pfleg und Schirm ſie ſind vertraut.
Der kleine Auguſtin hat ſchon mehr Gluͤck erlebet /
Als Meylands Lehrer ſelbſt / der rieff den HErren an /
Gleich da die Tyranney der Kirchen wiederſtrebet /
Daß es umb ſeine Schaff und Volck nicht ſey gethan.
Es waͤr auch ſeliger Tertullian verblichen /
Eh als deß Alters Schnee die Ketzerey bedeckt.
Viel die in erſter Zeit vom HErren nie gewichen /
Hat doch der Laſterſchwarm zuletzte noch befleckt.
Wohl dem der zeitlich ſtirbt / GOtt hat mit kleinen Kindern
Sein hoch Geheimnuͤß fuͤr / wie ſeltzam es uns duͤnckt.
Er weiß des Elends Ziel und kan die Schmertzen mindern /
Wenn das bedraͤngte Hertz ins hoͤchſte Trauren ſinckt.
Ach all zu Thoͤrichte / die an der Erde kleben /
Und derer Hertz allein beym Schatz im Kaſten liegt?
Ach dreymal Seelige / die Guͤtern ſich ergeben /
So ſelbſt die Ewigkeit auf ihren Schalen wiegt.
Denn kan ihr himmliſch Hertz des Himmels Schaͤtze zehlen /
Wenn hier die irꝛdiſchen ſo Glut als Fluth verzehrt:
Wenn Diebe Freund und Feind offt das Vermoͤgen ſtehlen /
Wird doch der Seelen Schatz von keinem Fall beſchwert.
Nun weil denn Kinder Schaͤtz und zwar Hochedle Schaͤtze /
Den auch des HErren Mund den Himmel ſelbſt verſpricht:
So unterwerffen ſich nur Eltern dem Geſetze /
So uͤber uns beſtimmt beym erſten Lebens-Licht.
Es muß / Hochwuͤrdiger / ſein Hertze Gott gefallen /
Dem er das vierdte Kind / als vierdten Schatz itzt gibt /
Wenn zeitlich Menſchen Gut wird ſchwinden und zerfallen /
So bleibt ſein Schatz beſtehn / dieweil er GOtt geliebt.
Peru -140Leichen-Gedichte.
Peruaniſche Granadille / Bey ſeel. Abſterben Fr. S. C. G. g. Z. abge - bildet / den 13. Martii 1673.
ES ſcheinet ungereimt / daß ich will Blumen briugen /
Da ihr mit Aſch und Staub / Betruͤbtſte / ſeyd be - ſtreut.
Ein Hauß / in dem ſonſt nichts als Todten-Glocken klingen /
Wird von deß Fruͤhlings-Schmuck und Bildern nicht erfreut.
Alleine dieſe Blum hat diß zum Eigenthume /
Daß ſie deß HErren Pein und Marter ſichtbar weiſt /
Blat / Staͤngel / Bluͤth / und Cron zeigt was zu ſeinem Ruhme /
Jn dem es Striem und Blut zu bilden ſich befleiſt.
Drumb laſt nur / Traurigſte / die heilge Granadille /
Weil des Gecreutzigten Gedaͤchtnuͤß wird gefeyrt /
Ein ſolches Vorbild ſeyn / das eure Wunden ſtille /
Das Ach und Seufftzen wehrt / den bittren Thraͤnen ſteurt.
Jhr unbeflecktes Kleid bluͤht als die weiſſen Roſen /
Die hoͤchſte Reinigkeit damit zu ſtellen fuͤr /
Weil der Unſchuldigſte vor unſre Schuld muß loſen /
Und ein Vertilger ſeyn der ſuͤndlichen Begier.
Die in dem Umbkreiß ſtehn mit Blut beſprengte Blaͤtter /
Sind Zeugen / daß der Leib deß Heylands Blut geſchwitzt /
Als unſrer Sterbligkeit hoͤchſt-heiliger Erretter /
Dort am Oliven-Berg der Menſchen Heil beſchuͤtzt.
Die drauf erwachßne Seul in der beruͤhmten Pflantze /
Mahlt uns die Seulen ab / wo er gegeiſſelt ward /
Drey Aeſtlein ſo entſtehn auß dem geflochtnen Krantze /
Sind der drey Naͤgel Bild / der Dornen Kronen Art.
Die zarten Faͤſerlein ſo umb die Blaͤtter ſpielen /
Die Geiſſeln / ſo den Leib deß Leidenden zerkerbt.
Koͤnt auch was herꝛlichers wol die Natur erzielen /
Als daß ſie ihre Blum mit ſolchem Anblick faͤrbt?
So gar muß die Natur ein Bild der Wunder werden /
Das groß Erloͤſungs-Werck damit zu deuten an:
Wie ſich der Himmel hat verbunden mit der Erden /
Und der befreyte Menſch vor GOtt beſtehen kan.
Ach141Leichen-Gedichte.
Ach ſolte nicht ein Chriſt entzuͤckt in Andachts-Flammen
Verlangen / daß die Blumin ſeinem Hertzen ſteh /
Daß Hoffnung / Lieb und Glaubals Blaͤtter ſich zuſammen
Vereinten und davon der Ruch des Lebens geh?
Daß ſie des Heylands Blut als ihes Schmucks Corallen
Der ſchnoͤden Eitelkeit der Erden zoͤgen fuͤr /
Und daͤchten eintzig nur dem Schoͤpffer zu gefallen
Jn wahrer Gottesfurcht / erlauchter Seelen-Zier.
Nun dieſe Blume hielt tieff in ihr Hertz gedruͤcket /
Die Tugendvolle Frau / ſo n[u]r der Grufft vertraun /
Nichts hat den reinen Geiſt mehr in der Welt erquicket /
Als wann ſie kont im Creutz aufs Creutz des HErren baun.
Das irꝛd’ſche Blumen-Werck / die Lilgn hoher Ehren /
Der Freuden Hyacinth / die Roſen voller Luſt /
Und was ſonſt praͤchtig ſcheint / pflag ſie nicht zu bethoͤren /
Als der die Granadill alleine blie bewuſt.
Weg! rieff ſie / was nur kan der Gaͤrten Schoß hergeben /
Mich ſtinckt das Bieſem-Kraut der ſchnoͤden Hoffart an /
Jch mag die heiſſe Brunſt der Nelcken nicht erheben /
Die Schwerd - und Ringel-Blum ſ[i]n weit von mir gethan.
Auch nicht das Tauſend-ſchoͤn mag fuͤr den Glantz beſtehen /
Den meine Blume mir in reichſter Amuth ſchenckt.
Wo wird man eine ſehn in einer Krone gehen
Die ſelbſt mit ſeinem Blut mein Braͤutigam hat getraͤnckt?
Welch Zweig weiſt Naͤgel auf / die meinen Schatz durchſtochen?
Wo iſt ein Pyramis dran er gegeiſſelt ſind?
Wo ſind die Ruthen ab zu ſeiner Pein gebroche[n]?
Diß und ein mehrers noch ziert meiner Blume Rand.
Ach aber welcher kan die innern Fruͤchte nennen
Es ſtaͤrckt die Granadill das abgematte Hrtz;
Mir ſoll mein JEſus auch in meiner Hitze brenm /
Die beſte Kuͤhlung ſeyn / und lindern Qua〈…〉〈…〉 d Schmertz.
Der Granadillen Tranck daͤmpfft all Unreinigkeiten /
Bey mir des HErren Kelch / der Suͤnden ſchartzen Fleck.
Man pflegt drauß ein Artzney vor Schaͤden zu bereen /
Mein eintzig Seelen-Artzt nimmt alle Schaͤden weg.
Jhr lieblicher Geruch ergetzt die bloͤden Sinnen:
Wen JEſus nicht erquickt / der muß verlohren ſ[e][y]n.
Kein Balſam wird uns hier das Leben geben koͤnnen /
Allein er ſalbet mich vor der Verweſung ein.
Die142Leichen-Gedichte.
Die Granadille geht gleich mit der Sonnen unter /
Daß ſie des Morgens fruͤh mit ihr hinwieder ſtrahlt.
Ach wie wird mein Gemuͤth im wahren Glauben munter /
Weil dieſe Blume mir auch ab-mein Sterben mahlt.
Jn ihm hab ich allhier der Schnertzen Qual erlitten /
Jn ihm gedenck ich auch vor GOtt zu gehen ein:
Jn ihm hab ich allhier mit Flei[ſ]ch und Blut geſtritten;
Jn ihm umbgibt mich dort der Sieges-Kronen Schein.
Jn ihm ſoll mir das Licht der matten Augen brechen /
Daß mein verklaͤrter Leib dort herꝛlich aufferſteh:
So ſchloß die Seelige / und ſtarb in ſolchem ſprechen /
Der gantze Leib erſtar[r][t]/ die Glieder wurden Schnee.
Wer wolte ſteinern ſeyn / und hier die Thraͤnen laſſen /
Da euch Betruͤbtſte nichts als Angſt und Weh beſtrickt?
Hingegen koͤnnen wir ein herꝛlich Beyſpiel faſſen /
Jn das ihr Contra[ſ]ey die Tugend ſelbſt gedruͤckt /
Both nicht die Seel ge ſtets der boͤſen Welt den Ruͤcken /
Und ward ihr Angeſicht dem Himmel eintzig zu?
Wie konte ſie ſich nicht in Creutz und Leiden ſchicken?
Jn Hoffnung und Gedult war ihrer Seele Ruh.
Erſt hieß die Froͤmigkeit ihr Schatz / und denn die Liebe /
Jn der ſie biß an Tod den Eh-Schatz hat geehrt.
Was Wunder daß er ſich auch biß in Tod betruͤbe?
Nun ihm der Sammel-Platz der Freuden wird zerſtoͤrt.
Denn war die Kinderzucht / der Kern von ihren Sorgen /
Sie nechſt daß HErren Furcht in Tugend zu erziehn.
Es hat die ſpaͤte Nacht / und offt der fruͤhe Morgen
Geſehn vorſ gantze Hauß ihr embſiges Bemuͤhn.
Mehr hat ſie auch ihr Brod dem Armenſtets gebrochen /
Und keinen ohne Huͤlff und Beyſteur laſſen ſtehn /
Diß was ihr Hertz gedacht / hat auch ihr Mund geſprochen /
Dieweile nicht gewohnt mit Falſchheit umbzugehn.
Ach ſchmertzlicher Verluſt! Doch herꝛliches Erbleichen!
Betruͤbſt ich troͤſte nicht / ſie hat es ſelbſt gethan.
Schaut auf die Granadill und ihres Leidens Zeichen /
Jhr ſind / was euch mit Troſt genug erquicken kan.
Aloe143Leichen-Gedichte.
Aloe Menſchlichen Lebens / Bey Beerdigung Fr. A. G. g. B. den 16. April 1673.
ES buhlet noch die Welt mit ihren ſchoͤnen Suͤnden /
(Wo Laſter ſchoͤne ſind / und Tugend ungeſtalt)
Man wird die Aloe in ſolchem Mißbrauch finden /
Als ſie im Morgenland bey Uppigkeiten galt.
Jhr Bette ſteht geſchmuͤckt mit koͤſtlichen Tapeten /
Das Lager iſt mit Myrrh und Aloe beſprengt.
Auf! ſpricht ihr glatter Mund / laſt uns die Sorgen toͤdten /
Weil noch der Jugend-Strauch voll Purpur Roſen haͤngt!
Egypten nicht allein hat Schwelgerey getrieben /
Zum Werckzeug ſuͤſſer Luſt die Aloe gebraucht /
Die ſinds: Die in die Welt ſich allzuſehr verlieben /
Und derer Fleiſch und Blut voll toller Bruͤnſte raucht.
Es hat der Perſier die Goͤtter mit verſoͤhnet /
Und in die Opffer-Glut die Aloe geſtreut.
Wo Luͤſte Goͤtzen ſeyn / ſo werden ſie bekroͤnet /
Wenn unſer Hertz und Sinn dem Zeitlichen ſich weiht
Die Aloe wird alt / eh ſie kan Fruͤchte bringen /
Viel Menſchen die verbluͤhn im Leben ohne Frucht.
Die Bluͤth muß mit Geplatz auß ihrer Knoſpe dringen:
Von uns wird auch die Welt erſt mit Geſchrey beſucht.
Mehr iſt die Aloe in ſondrer Schaͤrffe bitter:
Ach wie viel Bitterkeit quaͤlt nicht deß Lebens Ziel!
Pracht / Hoffart / Geitz und Neid / die Stachel der Gemuͤther /
Sind in uns / da ſie dort nur umb der Pflantze Stiel.
So ſcheint die Aloe in den verkehrten Sinnen /
Wenn ſie der Mißbrauch nutzt / und eitler Wahn erwegt;
Da wir die Wuͤrckung doch viel anders finden koͤnnen /
Weil ihr deß HErren Wort weit beßre Krafft zulegt.
Ruͤhmt nicht der Braͤutigam der Sulamithin Garten?
Wo ein verſiegelt Brunn / Gewaͤchſe voller Zier /
Wo die Granaten ſtehn / und Fruͤchte von viel Arten /
Wo Myrrh und Aloe geht andern Wuͤrtzen fuͤr.
Ja iſt nicht ſeine Braut mit Aloe gekleidet?
Und laͤſt er ſeinen Leib darmit nicht ſalben ein?
Weil dieſe Pflantze nun nicht Stanck noch Faͤulnuͤß leidet /
Kan ſie der Sterbligkeit ein klarer Spiegel ſeyn.
Es144Leichen-Gedichte.
Es darff die neue Welt uns ſelbte nicht gewehren /
Soccotra wird hierumb / noch Spanien begruͤſt.
Nein unſer Schleſien erfuͤllet das Begehren /
So aller Fruchtbarkeit geſegnet Schatz-Haus iſt.
Sie hatte dreyſſig Jahr ſich zur Geburt geſchicket /
Da ſie auf hundert ſonſt das Alter hat geſchaͤtzt /
Als aus der gruͤnen Schoß der Bluͤthen Pracht geblicket /
Und ſie auff achtzehn Schuh den Staͤngel hoch geſetzt.
Die Armen ſtreckten ſich als wie die Leuchter-Cronen /
Und wieſen ihre Blum / Aurorens Tochter / vor.
Es ſchien die Mutter ſelbſt im Himmel nicht zu wohnen /
Als ſich die Aloe ſo praͤchtig hub empor;
Sie war deß Garten Ruhm / und Wunderwerck zu heiſſen /
Doch ließ die Flora bald ein Bild des Sterbens ſeyn /
Jndem nach kurtzer Zeit ſie muß die Bluͤth abſchmeiſſen /
Und gar von Wurtzel auß verliehren Pracht und Schein.
Steht unſer Lebens-Baum nicht in dergleichen Schrancken?
Mahlt uns die Fluͤchtigkeit nicht unſern Zuſtand ab?
Nach ſo viel Angſt und Muͤh / und ſorgſamen Gedancken /
Nach hoͤchſter Ehr und Pracht fuͤhrt uns der Tod ins Grab.
Doch iſt die Aloe des Lebens / das wir fuͤhren /
Bey wahren Chriſten nie ohn angenchme Krafft.
Wie jene die Artzney kan durch ihr wuͤrcken zieren /
So thuts der Tod allhier / der groͤſſern Nutzen ſchafft.
Es kan Frau Goldbachin ein herꝛlich Beyſpiel geben /
So Ehr und Lebens ſatt zu ihren Vaͤtern geht /
Daß gleich der Aloe das Creutz ſey zu erheben /
Wenn Hoffnung und Gedult uns an der Seite ſteht.
Vor alle Seuch und Peſt bey angeſteckten Zeiten /
Wird jene hochgeruͤhmt als eine Panace:
Jhr war vors Suͤnden-Gifft / ja vor der Hoͤllen-Streiten /
Selbſt der am Creutze ſtund die heilſamſt Aloe.
Der Safft der Aloe ſind Thraͤnen die wol riechen /
Jhr thraͤnendes Gebet hat GOtt auch angehoͤrt.
Sie iſt von ſeinem Wort und Troſte nie gewichen /
Jhr Balſam war der Mund des Prieſters der gelehrt.
Gleich wie die Aloe hat ſie allhier gebluͤhet /
Der Soͤhn und Toͤchter Heil im beſten Stand geſehn:
Wenn jene nimmermehr das Leben wieder ſiehet /
Wird ſie ein ewig Weſt der Herꝛligkeit anwehn.
Das145Leichen-Gedichte.
Das Holtz der Aloe ſoll es recht kraͤfftig werden /
So wird es klein zerhackt / in kuͤhlen Sand verſcharrt:
Auch dieſer Coͤrper muß vor in den Schoß der Erden
Biß er den groſſen Tag des Aufferſtehns erharrt
Es mag der ſchwartze Mohr die Mumie bereiten /
Und vor die Faͤulnuͤß ſie mit Kreid und Gips umbziehn /
Nicht Myrrh und Aloe ſamt andern Koſtbarkeiten /
Macht daß ſie kan dem Zahn der grimmen Zeit entfliehn.
Laſt das Hebreer-Volck mit Cedern Safft begieſſen /
Mit Narden und Amom des Coͤrpersleeres Haus:
Diß Balſamiren wird auch mit der Zeit zerflieſſen /
Statt aller Specerey gewehren Aſch und Grauß.
Und von dem Nero iſt es ein unſinnig Raſen
Der ſeinen Balck Poppen ſo ſchaͤtzbar hat verbrand /
Weil die gewuͤrtzte Gluth mehr Weyrauch auffgeblaſen /
Als ſonſt in einem Jahr ſchickt der Araber Land.
Aus ſolcher Aſche hat kein Phoͤnix koͤnnen ſteigen
Ob ſchon der ſchoͤnſte Pfau ihr Bild vergoͤttert hat /
Und muſte ſchon das Rom es loben oder ſchweigen /
So ſchilt die Nachwelt doch dergleichen Miſſethat.
Ach eitle Graͤber Pracht! wo Aſch und Koth ſoll leben /
Wo Myrrh und Aloe der Todten Balſam ſeyn.
Wird uns die Tugend nicht mit ihrem Ruhm umbgeben
So ſalbet man umbſonſt die ſchlotternden Gebein.
Es iſt die Seelige weit herrlicher geſtorben /
Betruͤbtſte / mindert hier der bittern Thraͤnen-See /
Sie hat bey maͤnniglich ein gutes Lob erworben
Und bluͤht in GOttes Hand ein ewig Aloe!
Uber den unverhofften Todes-Fall Fr. H. W. g. P. den 15. May 1673.
JSts moͤglich / daß ſein Aug und gantz zerſchlagnes Hertze /
Jns Leid verſenckter Freund / ſiht meine Zeilen an:
So glaub er / diß Pappier und aufgetragene Schwaͤrtze
Weiß ſelbſt vor Wehmuth nicht / was man hier melden
Die Liebſte wil zur Ruh die muͤden Glieder legen /
(kan.
Und denckt nicht daß ihr Bett auch werd ihr Grabmal ſeyn.
Fall! der uns Sterblichen vernuͤnfftig zu erwegen /
Und lehret wie der Tod ſich uͤberall findt ein.
K k kEr146Leichen-Gedichte.
Er ſteht bey der Geburt / er wachet bey der Wiegen;
Er gaͤngelt unſern Fuß / ſchaut[unſrer] Kindheit Bluͤth.
Wird mitten in dem Spiel der freyen Jugend liegen.
Jſt / wenn wir Maͤnner ſind / auch neben uns bemuͤht.
Bald geht er mit zu Feld / bald tritt er vor Gerichte /
Bald ſagt er wer er ſey / bald wie man ihn bezwingt /
Entlarvt nicht / wenn er gleich ſo handelt ſein Geſichte /
Weiß daß der ſichre Menſch ihn nirgends wo verdringt.
Er ſetzet ſich zu Tiſch / iſſt mit von unſren Speiſen /
Braucht einerley Getraͤnck / und iſt bey Freuden frey;
Wird bey Geſchaͤfften ſo / wie wir bemuͤht / ſich weiſen.
Wer meynt nun daß er nicht auch bey dem ſchlaffen ſey?
Der groſſe Lipſius / das Wunder kluger Sinnen /
Rieff: Ein Tritt geht ins Bett der ander in das Grab.
Ward ſeiner Sterbligkeit bey jedem Abend innen /
Und wie das Lebens-Garn nehm allgemaͤhlich ab.
Zwar es macht der Natur und Fleiſch und Blut ein Schrecken /
Wenn man der Sonnen Rad ſiht froͤlich untergehn /
Und weiß nicht ob ſie uns auch morgen auff wird wecken /
Und ob wir auch geſund von unſerm Bett auffſtehn.
Daß wir wie Attila nicht in dem Blut erſticken /
Daß uns der Donner nicht wie Zoroaſtern trifft /
Daß uns der Haͤuſer Fall nicht gehling moͤcht erdruͤcken /
Noch wie den Ladislau im Schlaff uns was vergifft.
Alleine dieſe Furcht ermuntert unſre Geiſter /
Daß wir Soldaten gleich ſtets in Bereitſchafft ſtehn;
Damit wenn ja der Tod an uns noch wird zum Meiſter /
Wir unerſchrocknes Muths ihm in die Augen gehn.
Doch wie ein Krieges-Knecht mit Recht iſt zu verlachen /
Der erſt nach Waffen fragt / wenn es ſchon blitzt und kracht:
So koͤnnen wir uns leicht auch gleiche Rechnung machen /
Daß unſer letztes Ziel zuvor muß ſeyn bedacht.
Denn ſtehts dem Tode frey / denn kan ein ſolches Sterben /
Wie ſchnell es immer koͤmmt / mit nichten ſchaͤdlich ſeyn.
Wir wiſſen / unſer Leib muß einmal doch verderben.
Was hilfft es ob er ſo / und wieder ſo geht ein?
Ja ſagt er / werther Freund / dergleichen Todes-Lehren
Sind meinem Chriſtenthum vor langer Zeit bekand;
Jetzt aber da ich ſeh der Liebe Bund zerſtoͤhren /
Da mein gantz Hoffen wird in nichts als Ach verwandt;
Und147Leichen-Gedichte.
Und zwar da ſich der Tod an meine Seite fuͤget /
Und von der Seiten reiſt / die ich ſo hochgeliebt /
Die Abends noch geſund / fruͤh lebloß bey mir lieget;
So iſt der Fall zu ſchwer / der Hertz und Seel betruͤbt.
Jch ſtimme billich bey; jedoch ein groß Gemuͤthe
Muß auch bey groſſem Creutz die Probe halten aus /
Und dennoch danckbar ſeyn fuͤr GOttes Wunder-Guͤte /
Als die in Truͤbſal fuͤhrt und wieder zeucht heraus.
Zu dem / der Weißheit Schatz der ſeine Seele zieret /
Legt ihm vergnuͤgten Troſt in goͤldnen Schrifften bey.
Daß einem weiſen Mann das Trauren zwar gebuͤhret /
Doch auch mit Helden-Muth zu uͤberzwingen ſey.
Weil hier nichts ewiges / und der vermaͤhlten Seelen
Jhr Buͤndnuͤß Zeit und Tod / wie alles ſonſt / zerreiſt;
So iſt das eintzige daß man der Graͤber Hoͤlen
Mit einem Denckmahl noch zu ehren ſich befleiſt.
Wiewol die Seelige durch Gottesfurcht und Tugend /
Ein unvergaͤnglich Lob ihr bey der Welt gebaut;
Weil ſie vom erſten Keim der auffgewachſnen Jugend
Biß an den letzten Gieb ſtets ihrem GOtt vertraut.
Die Wolluſt dieſer Welt den Spinnen gleich gehaſſet /
Der ſeltnen Froͤmmigkeit ihr Hertze nur verpflicht.
Jm Leiden und im Creutz ſich mit Gedult gefaſſet /
Biß ſie des HErren Hand hinwieder auffgericht.
Timantes Pinſel wird die Liebe nicht abmahlen /
Und wie ſie ihren Schatz mit ſondrer Treu geehrt.
Aus welchem Segen auch die Liebes-Fruͤchte ſtrahlen /
Von deren Lippen man jetzt nichts als Seufftzer hoͤrt /
Die biß ins ſchwartze Grab die liebſte Mutter preiſen /
Und fuͤr die treue Pfleg und Vorſorg danckbar ſeyn /
Die ihre letzte Pflicht mit Thraͤnen noch erweiſen /
Und haͤuffig auff den Sarg ſie als ein Opſſer ſtreun.
Wol der Verblichenen / die durch ein ſanfftes ſchlaffen
Des Todes Bitterkeit am wenigſten gefuͤhlt /
Und weil ſie Lebens-Zeit ſich mit des Glaubens Waffen
Geruͤſtet / hat ſie auch den rechten Zweck erzielt.
Es wuͤnſcht ein Julius ihm ein geſchwindes Ende /
Wenn er das Raht-Haus drauff mit eignem Blut beſpritzt.
Wer ſeine Seele gibt in des Erloͤſers Haͤnde /
Dem hat ein ſchnelles Ziel zur Ewigkeit genuͤtzt.
K k k 2Er /148Leichen-Gedichte.
Er / Hochgeehrter Freund / wird ſeinen Schatz beklagen
Daß ihre Lieb und Treu nicht aus dem Hertzen koͤmmt.
Doch wieder als ein Chriſt ſein Creutz auch ſo ertragen /
Daß das empfundne Weh nicht allen Muth wegnimmt.
Kein Ungluͤck auff der Welt kan einen Weiſen faͤllen /
Wie uͤbers Mondens Kreiß ſtets klares Wetter bleibt:
So wird er in der Noth auch ſein Gemuͤth erhellen /
Ob umb und unter ihm der Sturm ſein Weſen treibt /
Diß iſt die groͤſte Kunſt / wer uͤber Schmertzen ſiegen /
& q; Und uͤber Regungen des Geiſtes herſchen kan;
& q; Der findet in der Angſt ein heilſames Vergnuͤgen /
& q; Und in dem Dornen Puſch offt eine Roſen Bahn.
Die hoͤchſte Klugheit die ſelige Todes-Betrachtung / Erwogen bey Abſterben Hn. G. R. den 28. May 1673.
DEr Menſch / das kluͤgſte Thier / und Meiſter aller Sachē /
So das gevierdt Rund der weiten Welt umſchleuſt /
Kan ſich zum Wunderwerck durch Witz und Tugend machen /
Und was nur Athem hat / beherrſcht ſein kluger Geiſt.
Er hat nicht nur allein den Schauplatz dieſer Erden
Jn Graͤntzen abgeſteckt / die Felder angebaut /
Es haben ihm die Thier auch muͤſſen dienſtbar werden /
Und ſein Verſtand erlernt jedweder Blum und Kraut.
Jhm blieb der Sternen Reyh und Namen unverborgen /
Er nahm des Meeres Fluth / der Fluͤſſe Quell gewahr /
Und endlich muſt er auch fuͤr die Verfaſſung ſorgen /
Daß er und ſein Geſchlecht ſey ſicher in Gefahr.
Den Zwang die Nothdurfft aus Gehorſam und Geſetze /
Zwey Seulen / drauffberuht gemeine Policey.
Ja er wieß ſattſam aus durch ſeiner Klugheit Schaͤtze /
Daß er des Landes Herr / der Erden Herrſcher ſey.
Nun muſten mit Vernunfft die ungezaͤhmten Sinnen
Der wuͤſten Sterbligkeit noch werden ausgeziert /
Damit ihr gantzes Thun / ihr Leben und Beginnen /
Wuͤrd auff den rechten Zweck des Regiments gefuͤhrt.
Denn als die Koͤnigreich und Voͤlcker ſich gebreitet /
Der Menſchen Maͤnge wuchs in uͤberhaͤuffter Zahl /
Hat149Leichen-Gedichte.
Hat ſein erfahrner Witz die Rechte ſo geleitet /
Daß Cron und Scepter ſtund bey jedes Volckes Wahl.
Wem nun die Wuͤrdigkeit des Reiches auffgetragen /
Der ging an Treffligkeit und Tugend andern fuͤr;
Des Volckes Richter ſeyn / Entſchied und Urtheil ſagen /
Und ſchlichten / was verwirrt / dis hieß die hoͤchſte Zier.
Und ſolche Klugheit hat ſich weiter ausgeſtrecket /
Biß ſie die Monarchie zu vollem Wachſtum bracht /
Denn ward mit ihr zugleich die Staatsſucht ausgehecket /
Die ihrer Eitelkeit Abgoͤtter hat gemacht.
Es blieb der alte Spruch: Daß weißlich zu regieren
Die groͤſte Klugheit ſey und wenigen geſchenckt.
Alleine wie man ließ ſich die Begierden fuͤhren /
Hat an die Stats-Kunſt ſich der Laſter Schaar gehenckt.
So daß man jetzt nicht weiß / ob Thorheit und Gelucke /
Fuͤr Weißheit und Verſtand zu unterſcheiden ſeyn.
Wenn diß nun ſo beſtallt der Klugheit meiſtes Stuͤcke /
So geht die Klugheit auch in Wiſſenſchafften ein.
Das Auge ſicht nicht ſatt / das Ohr kan nicht ſatt hoͤren /
Der Mund redt niemals aus / des ſchreibens iſt kein Ziel /
Sehn wir ins Alterthum / und deſſen kluge Lehren /
Was heiſſen ſie bey uns? Der Sinnen Gauckel-Spiel.
Wo ſind des Griechenlands beruͤhmte Schulen blieben?
Die Stoa liegt verwuͤſt / und Epictet verſtummt /
Der Garten iſt nur Grauß / wo Cicero geſchrieben /
Jn ewig ſchweigen hat Pithagor ſich vermummt.
Selbſt Plato weiß nicht viel / wenn er wil alles wiſſen /
Und was man heute lobt / wird morgen offt verlacht.
Was ſollen wir denn nun von unſrer Klugheit ſchlieſſen /
Die uns fuͤr GOttes Thron zu nichts / als Thoren macht?
Mit recht rufft Salomo: Es iſt nur eitel Jammer /
So weit das lichte Rad der goͤldnen Sonnen geht /
Angſt / Graͤmen / Leid und Qual nagt unſers Hertzens Kammer /
Daß es zu Tag als Nacht in keiner Ruhe ſteht.
Auch den / ſo hochberuͤhmt / muß man zum Todten zehlen /
Den klug - und thoͤrichten ſcharrt man in einen Sand.
Wir werden wol gewiß des rechten Weges fehlen /
Wo wir auf Luſt und Pracht nur baun der Wolfahrt Stand.
Aus einem andern Geiſt und Andacht angetrieben /
Schreyt ein recht glaͤubig Hertz / das gleich der Taube girrt.
K k k 3Was150Leichen-Gedichte.
Was dort des Hoͤchſten Hand im Pſalm uns vorgeſchrieben:
HErr / damit ja mein Fuß in dieſer Welt nicht irrt /
So lehr uns / daß wirs wol ohn unterlaß bedencken /
Daß Zeit und Stunde da / und daß man ſterben muß.
Diß Dencken wird uns auch die rechte Klugheit ſchencken /
Und zu der Seeligkeit den wolgegruͤndten Schluß.
Denn was iſt doch der Menſch / vom Weib ans Licht gebohren?
Der Funcken unſrer Red / ach wie bald liſcht er aus!
Wie bald iſts ſchnauben nicht als wie ein Rauch verlohren!
Wie flattert nicht der Geiſt aus unſers Leibes Haus!
Welch Aberwitz wil nun was ewiges hier hoffen /
Wenn er wie Graß verwelckt / wie Blumen ſchrumpffet ein?
Wenn der geplagte Leib ſteht tauſend Martern offen /
Des Lebens Tage nur gleich einer Handbreit ſeyn?
Kein Pfeilder eilet ſo / kein Strom kan ſo verſchieſſen /
Kein Schatten ſo vergehn / als unſre Fluͤchtigkeit:
Muͤh iſt das koͤſtlichſte / ſo wir allhier genieſſen /
Und uͤber achzig Jahr ſteigt keines Menſchen Zeit.
So weit war auch Herr Roth in ſeinen Jahren kommen /
Die Staffeln hatte nun ſein muͤder Fuß beruͤhrt /
Als ihm das Lebens-Licht gemachſam iſt verglommen /
Und ihn des Todes Hand zu den verblichnen fuͤhrt.
Doch wie des HErren Furcht bald bey den erſten Jahren
Sein Anfang iſt geweſt zur Weißheit und Verſtand /
So hat er derer Frucht im Alter auch erfahren /
Und GOtt ſein gantzes Hertz in Demuth zugewand /
Deſſelben Vaterhuld mit tieffſtem Danck geprieſen /
Der ihn geſaͤttiget mit Leben und Gedeyn /
Der auch zu deſſen Ehr ſich wieder mild erwieſen /
Durch Gutthat ſtets gedacht den Armen zuerfreun /
Und dieſe Klugheit nur die ſeeligſte geſchaͤtzet /
So uns die Sterbligkeit im Hertz und Sinnen praͤgt.
Hat in dem groͤſten Schmertz von GOtt niemals geſetzet /
Als der auch wieder heilt die Wunden / ſo er ſchlaͤgt.
Was wil / Betruͤbtſte / nun dem Trauren ſie ſich laſſen /
Da jetzt ihr Eh-Schatz gleich wie Simeon faͤhrt hin?
Sie muß nur mit Gedult und ſolchem Troſt ſich faſſen /
Daß frommer Chriſten Tod ein herrlicher Gewinn.
Wir151Leichen-Gedichte.
Wir koͤnnen nicht mehr Ruhm auff dieſer Welt erwerben /
Mit groͤſſer Wiſſenſchafft und Klugheit ſeyn geziert /
Als wenn wir ſtuͤndlich nur im HErren lernen ſterben;
Diß iſt die beſte Kunſt / ſo uns in Himmel fuͤhrt.
Molucciſche Manucodiata oder Paradiß-Vogel / Bey Beerdigung Fr. E. M. v. M. g. H. den 2. Julil 1673.
DEr Griechen Leichen-Dienſt / den theils jetzund veruͤben /
Nachdem das Tuͤrckſche Joch ſie gantz bewaͤltigt hat /
Stellt zwar Exempel vor von ihrem treuen Lieben /
Doch findet Aberglaub allda die meiſte ſtatt.
Denn / wenn Mann oder Weib von hinnen abgefahren /
Hat man des Grabes Ort mit einem Pfal beehrt /
Dran Thiere / Hirſch und Reh gehenckt in Bildern waren /
So von des Todten Ruhm und Eigenſchafft gelehrt.
Sie zeigten ſo die Treu und Fleiß in den Geſchaͤfften /
Ja was ein Ehgatt mehr dem andern Guts gethan /
Sie raufften gar ihr Haar / und lieſſens daran hefften
Die Tieffe ihres Leids hierdurch zu melden an.
Doch eitler Aberwitz! Wir / die wir CHriſtum kennen
Und in dem Gnaden-Bund der Kinder GOttes ſtehn /
Die wiſſen unſer Leid weit anders zu benennen /
Wann uͤber unſern Kopff ſo ſchwartze Wolcken gehn.
Denn daß / Wol-Edler Herr / ſein ausgepreßtes Hertze
Jn Jammer-Fluthen ſchwim̃t iſt nicht verwunderns werth /
Weil der ergrimmte Schlag von einem ſolchen Schmertze /
Recht durch den Mittel-Punct der treuen Seele faͤhrt.
Es wird ſein beſter Schatz / der Außzug aller Freuden
Des Hertzens halber Theil in ihren Sarch gelegt.
Er ſiht jetzt Lieb und Treu von ſeiner Seiten ſcheiden /
Und wie die Aſche man davon zu Grabe traͤgt.
Er miſſt die Tugenden / ſo ihn vorhin ergetzet /
Des Hauſes Wachſamkeit hat ſich nunmehr verwacht:
Die Mutter ſo begluͤckt an Soͤhnen ward geſchaͤtzet /
Die Kummer-Wenderin geht in die lange Nacht.
Er darff nicht erſt ihr Grab mit einem Bild bekraͤntzen /
So lange ſie gelebt war ſie der Tugend Bild:
K k k 4Sie152Leichen-Gedichte.
Sie wiech nach Schnecken-Art nicht aus des Hauſes Graͤntzen /
Die ſtille Froͤmmigkeit blieb ſtets ihr Ehren-Schild,
Doch weil es Chriſtlich iſt / und es auch ruͤhmlich heiſſet /
Daß man der Todten Ruhm der Nach-Welt einverleibt /
Und ihr ſo reines Grab von eigner Zierath gleiſſet /
Die in Gemuͤthern bluͤht und ſtets beſtaͤndig bleibt /
So ſoll ein Vogel jetzt ihr Angedencken ehren /
Der von dem Paradiß den ſchoͤnen Nahmen fuͤhrt /
Der die Unſterbligkeit kan durch ſein Vorbild lehren
Und der Verblichnen Lob mit ſeiner Gleichheit ziert.
Molucco ſendet ihn aus ſeinen reichen Jnſeln /
Wo Nelcken / Maſtix / Zimm’t in reichſter Fruchtbarkeit /
Es kan der Mahler Hand mit allen ihren Pinſeln
Erreichen nimmermehr der Farben Unterſcheid:
Es war die Seelige aus ſolchem Stamm entſprungen /
Denlaͤngſt der Kaͤyſer Gunſt in Adel-Stand geſetzt /
Der Nach-Ruhm meldet noch auff mehr denn hundert Zungen
Wie hoch der Fuͤnffte Carl den Dietrich hat geſchaͤtzt.
Es glaͤntzt des Vogels Haupt mit gruͤn und blauen Straalen /
Biß ein recht goͤldner Schein der Farbē Schmuck vermehrt.
Sie konte der Saphir der ſeltnen Keuſchheit mahlen
Der Reinligkeit Smaragd wurd uͤberall geehrt.
Des Vogels Feuer-Glantz ſcheint Sternen ob zu ſiegen /
Weil wunder-ſchoͤne Zier den gantzen Leib beſternnt:
Sie hat mit Tugenden den Poͤbel uͤberſtiegen /
Und mehr als guͤldne Zucht von Jugend auff gelernt.
Mehr iſt nur Himmels-Thau des zarten Vogels Eſſen;
Jhr war die heilge Schrifft das wahre Himmel-Brodt /
Sie hat nie bey der Luſt der ſchnoͤden Welt geſeſſen /
Weil ihr Veranuͤgen ſtund nur bey dem hoͤchſten GOtt.
Denn / ſagt der jenen Mund ſo die Natur durchgangen /
Und ihre Heimligkeit der Nach-Welt kund gethan /
Daß nie der Vogel ſich an einen Baum gehangen /
Er ruhte ſchwebende auff blauer Luͤffte Bahn.
Es taurte Tag und Nacht ſein unablaͤſſig fliegen /
Und dieſes ſchien ein Bild der ſteten Ewigkeit.
Es man nun dieſer Schluß ob-oder unterliegen
Jch bin jetzt nicht geſchickt zu ſchlichten dieſen Streit:
Das iſt doch einmah! wahr / daß der entſeelten Frauen
Entbrandter Himmels-Geiſt dem Vogel gleiche kam /
Un153Leichen-Gedichte.
Und ließ bey Andacht mehr ſich als der Wolluſt ſchauen /
Weil ſie der Sinnen Fahrt nur nach dem Himmel nahm.
Sie hat auch nie geruht in deß Beruffes Schrancken /
Mit Embſigkeit und Treu verſorgt des Hauſes Heil.
Bedacht / wie ſie erfuͤllt deß Eh-Gemahls Gedancken /
Weil ſeiner Wolfarth Nutz auch ihrer Wolfarth Theil.
Der Manucodiat haßt Heck / und dick Geſtraͤuche /
Fleucht ſumpfichten Moraſt und Pfluͤtzen voller Schlam:
Sie nicht mit minderm Grimm die uͤppigen Gebraͤuche /
Als die ein lockend Gifft der Sunde Brut und Sam.
Und ſolt ihr edler Geiſt noch hier auf Erden ſchweben?
Wo Untreu / Liſt / Betrug der Menſchen Klugheit heiſt /
Wo wie im Vogel-Leim die Seelen bleiben kleben /
Und auf Verſtellungs-Kunſt der Menſch ſich nur befleiſt.
Und wie dem Vogel nutzt ſein fliegendes bemuͤhen /
Weil ihn kein Garn beruͤckt / kein Vogler leicht nicht faͤngt /
So kan die Luſt-Siren den niemals nach ſich ziehen /
Der wie die Seelige ſich nur zum Himmel lenckt.
Es freut der Vogel ſich / je naͤher er der Sonnen:
Welch Menſch der wolte nicht der Engel Nachbar ſeyn?
Auß Liebe gegen GOtt iſt ſie als Wachs zerronnen /
Weil ſie hat weich gemacht deß Hoͤchſten Allmacht Schein.
Wenn diß / Wol-Edler Herr / wie die ſo ſie erzeuget /
Faͤllt euren Sinnen bey / und Zeit und Ewigkeit
Auf gleiche Schalen legt / ich weiß es uͤberſteiget /
Der wolgetroffne Tauſch das Jammer-reiche Leid.
Zwar daß der Mutter-Hertz nicht ſolt in Stuͤcken ſpringen /
Wann ſie ihr eintzig Kind / ihr Kleinot / ſcharrt in Sand:
Und daß / Hochwerther / ihn nicht ſolte Noth umbringen
Schilt auch kein Hertze nicht / das hart als Diamant.
Alleine weil ſie war ſo an das Liecht gebohren /
Daß Auf - und Untergang ihr an der Seiten ſtund /
Hat ſie zum Hauß der Ruh das Paradiß erkohren /
Unb gleich dem Labyrinth geacht der Erden Grund.
Es waͤchſt in Mexico auch eine ſolche Blume /
Die auff den Blaͤttern recht des Vogels Federn traͤgt /
Sie ſproſt auch der Artzney nicht zu geringem Ruhme /
Weil ſie der Bruſt zu gut des Magens Schmertzen legt.
Jch wuͤnſche daß die Blum auß ſeinem Ehe-Garten /
Jhm noch / Wol-Edler Herr / erſprißlich moͤge ſeyn:
K k k 5Denn154Leichen-Gedichte.
Denn wenn erreifferwegt der ſeltnen Tugend Arten /
So ſchlaͤfft der Balſam noch des Traurens Unmuth ein.
Letzter Jahres-Schlus / Hn. G. H. den 29. Septembr. 1673.
SO hat dich / Seeliger / der Hoͤchſte nun quittiret /
Dein Raͤitungs-Schluß iſt recht / du wirſt mit Ruhm beſtehn.
Wer ſeiner Jahre Lauff ſo / als wie du / gefuͤhret /
Der kan mit Fried und Ruh zu ſeinen Vaͤtern gehn.
Du uͤbergiebeſt nun die Anzahl deiner Tage /
Dem / ſo von Anbegin derſelben Maß beſtimmt /
Legſt ab dein Cammer-Ampt ſampt aller Kranckheit Plage /
Weil dich des Hoͤchſten Ruff zu ſeinen Renten nimmt.
Du biſt ein treuer Knecht hier jederzeit geweſen /
GOtt und der Obrigkeit geleiſtet Schuld und Pflicht:
Nun hoͤrſt du auß dem Buch deß Lebens dich verleſen /
Und was vor hohen Lohn dein Heyland dir verſpricht.
Du dachteſt zwar noch wol den Jahr-Schluß zu vollenden /
Allein der blaſſe Tod leſcht dir die Ziffern auß /
Nimmt das gehaltne Buch von den verwelckten Haͤnden /
Und fuͤhrt dich ſanfft und ſtill ins finſtre Sterbe-Haus.
Nun iſt dein Wunſch erfuͤllt / was du ſo offt gebeten /
Was du ſo hoch verlangt / das wird dir jetzt zutheil /
Daß du auß dieſem Joch deß Lebens moͤchteſt treten /
Und in dem Himmel ſehn der Auserwehlten Heil.
Erwegſt du hier die Weit / was haſt du eingenommen?
Nichts als von Kindheit an viel Creutzer bittrer Noth:
Und als die Jugend war zu ihrem Wachsthum kommen /
So ſahſt du dich umbringt mit Rauben / Peſt und Tod.
Der naͤchſten Jahre Lauff iſt nur mit Schreckenbergern /
Nicht feiner Muͤntze Gold geweſen uͤberlegt /
Es haͤtte ſich dein Hertz offt druͤber muͤſſen aͤrgern /
Wenn nicht auch wiederumb der Hoͤchſte dein gepflegt.
Das Gluͤcke ſchien dir drauff mit ſeinen Gnaden-Blicken /
Als dir vom Fuͤrſtenthum die Caſſa ward vertraut /
Da aber wolt es dich noch freundlicher erquicken /
Als es den Lebens-Sitz in Breßlau dir gebaut:
Denn155Leichen-Gedichte.
Denn haſt du viel ſummirt / viel Poſten außgezahlet /
Belag und Quittungen in Richtigkeit geſetzt /
So daß der Vaͤter Gunſt dich mildreich hat beſtrahlet /
Und zu der Heimligkeit der Cammer werth geſchaͤtzt.
Du warſt in deinem Ampt wach / embſig / unverdroſſen /
Von keiner Muͤh erſchreckt / von keiner Arbeit bleich /
Du haſt die Rechnungen mit ſolcher Art geſchloſſen /
Daß unter Hunderten dir wol nicht einer gleich.
Du bliebeſt ſtets bedacht / wie Rechenſchafft zu geben /
Hier fuͤr der gantzen Stadt / und dort fuͤr Gottes-Thron.
Ein Tugend-Spiegel ſchien dein wolgefuͤhrtes Leben /
Recht und Gerechtigkeit blieb deines Hauptes Cron.
Du Kern der Redligkeit / und Muſter aller Sitten /
Dem nicht die Gleißnerey der neuen Welt gefiel /
Es iſt kein falſches Wort aus deinem Mund geglitten /
Die nackte Warheit ſtand zu der Gedancken Ziel.
Den Kuͤnſten biſt du hold von Jugend auf geweſen /
Und war dir irgend Ruh von Pflicht und Ampt beſchert /
So haſt du deine Zeit mit rechnen / ſchreiben / leſen /
Und nicht wie mancher thut im Muͤſſiggang verzehrt.
Verlieh GOtt eine Stund in Froͤligkeit zu ſitzen /
Wieviel Geſchichte hat dein Mund nicht fuͤrgeſagt:
Du konteſt mir oft mehr mit deiner Antwort nuͤtzen /
Als wenn die Weiſen ich aus Griechenland gefragt.
Allein wir ſehn nicht mehr einander aufdem Saale /
Die Cammer findet uns fort nicht beyſammen ſtehn.
Du ſchlaͤffſt / hochwerther Freund / itzt in dem Todten-Thale /
Da ich gebuͤckt und krum noch muß auf Erden gehn.
Ach hochbegluͤckter Greiß / wie du zu dieſer Reiſe /
So lange dich geſchickt / iſt maͤnniglich bekand /
Wie offt du dich verſorgt mit der hochſeelgen Speiſe /
Wenn von des Himmels-Glut dein Hertze war entbrand.
Wie vielmal hab ich dich beym Todten-Buch gefunden?
Da du zu mir geſagt: diß iſt mein eintzig Fleiß:
Jch freu und ſehne mich nach meinen letzten Stunden /
Weil ich doch beſſers nichts als ſelig ſterben weiß.
Der ſilber-weiſſe Schwan / wenn er von Kraͤfften muͤde /
Streckt bey Maͤanders-Fluß ſich ins gebluͤmte Graß /
Und giebet gute Nacht / mit einem ſolchen Liede /
Daß Zefyr / der ihn liebt / macht Aug und Fluͤgel naß.
Du156Leichen-Gedichte.
Du Schwanen-gleiches-Haupt vom Ehren-Schnee beſchneyet /
Lehnſt / nun du ſterben ſolſt / dich an der Kinder-Bruſt /
Und ruffſt der Liebſten zu: Was weint ihr? ſeyd erſreuet /
Goͤnnt mir Entkraͤffteten die unumbſchriebne Luſt.
Hier iſt kein bleiben mehr / hier find ich keine Huͤtten /
Laſt mich die Frieden-Stadt Jeruſalem doch ſehn /
Jch will diß als ein Pfand der Liebe von euch bitten /
Beſchwert doch nicht mein Grab mit uͤberhaͤufften Flehn.
So ſchloß dein Schwanen-Lied / du auch zugleich die Augen /
Die dir der Kinder-Schaar wehmuͤtigſt zugedruͤckt /
Und die dein Eh-Schatz itzt mit ihrer Augen Laugen /
Wol unter tauſend ach! ins Haus der Ruhe ſchickt.
Ach ſelig / wer erblaſt in ſeiner Kinder Armen /
Und nimmt Natur gemaͤß ſo an die Liebes Pflicht /
Wem bey der Seinigen Troſtſprechen und Erbarmen /
Ein Wolbereiter Tod das Stunden-Glaß zerbricht.
Dem hinterbliebnen Theil ſcheint es zwar allzubitter /
Wenns muß verwittibt ſeyn / wenn es ſein Hertz vermiſt;
Wenn uͤbers gantze Haus ſtuͤrmt ein ſolch Ungewitter /
Und wenn deß Todes-Wurm der Ehe Palm-Baum friſt.
Jedoch / betruͤbtſte Frau / ſie laſſe Gottes Willen /
Auch hier ihr wollen ſeyn / ſo iſt es wol gethan /
Der Segen-Vater wird ſchon Angſt und Kummer ſtillen /
Und als Vertreter ſich ſtets ihrer nehmen an:
Klagt / Kinder / klaget nicht / und hemmt die milden Zaͤhren!
Der liebſte Vater iſt entbunden ſeiner Laſt;
Er wird ins Haus der Noth zuruͤcke nicht begehren /
Der Sternen Nachbar’n hat / und iſt der Engel Gaſt.
Dir aber / Seeliger / Gluͤck zu dem neuen Orden /
Du haſt dein Capital vortrefflich angelegt /
Biſt hier auf dieſer Welt nicht eine Nulle worden /
Nein / ſondern eine Zahl die guͤltig Nutzen traͤgt.
Du darffſt der Buͤrgerſchafft den Jahr-Schluß nicht mehr leſen /
Von Auß - und Einnahm iſt dein reiner Geiſt befreyt /
Und lebeſt hoͤchſt vergnuͤgt in einem ſolchem Weſen /
Das keine Zahlen hat / noch Ziel und Maß der Zeit.
Als157Leichen-Gedichte.
Als Hr. M. Z. den 5. Novembr. 1673. zur Erden beſtattet wurde.
WJe handelt nicht mit uns das Goͤttliche Geſchicke?
Wer forſcht den innern Rath der hoͤchſten Allmacht auß?
Jetzt kroͤnt uns Freud und Luſt / in einem Augenblicke /
Treibt uns ein rauher Sturm ins Weh und Klage - Haus.
Und wolte / wolte Gott / Betruͤbtſte von den Frauen /
So je das guͤldne Licht der Sonnen hat beſtrahlt /
Wir duͤrfften nicht an ihr ein traurig Beyſpiel ſchauen
Ein wahres Contrafeit das Noth und Elend mahlt.
Wer ohn Erbarmnuͤß kan bey ihren Thraͤnen ſitzen /
Dem iſt ein kalter Stahl umb ſeine Bruſt gelegt /
Die Augen / ſo jetzund mehr Blut / als Zaͤhren ſchwitzen /
Hat / weil ſie Athem ſchoͤpfft / kein Zufall ſo bewegt.
Sie als Penelope ſitzt in des Hauſes Graͤntzen /
Hofft mit dem Untergang noch ihren Schatz zu ſehn /
Sein Ankunfft ſoll den Harm der Einſamkeit bekraͤntzen /
Sie will der Liebe Weſt ihm durch den Kuß zuwehn.
Sie denckt jetzt kommt er an / jetzt tritt er auf die Schwelle /
Sie bringt den Kindern auch dergleichen Freuden bey /
Und hoͤrt man daß ein Hund ſtarck in der Gegend belle /
So glaubt mans vor gewiß / daß er verhanden ſey.
Allein die tieffe Nacht geziert mit tauſend Sternen
Hat nun das guͤldne Heer / ſchon auff ihr Mittel bracht /
Als ſich ihr Liebſter will nur laͤnger noch entfernen /
Und ihr getreues Hertz in muͤden Sorgen wacht.
Sie hofft / wird nur den Tag Aurorens Purpur faͤrben /
Den Treuſten von der Welt zu ſchlieſſen in den Arm /
Jn dem kommt eine Poſt / und ſagt von Tod und Sterben /
Ja wie ihr Schatz nicht mehr von Blut und Geiſtern warm.
Jſts moͤglich daß ſie nicht wie Niobe zu Steinen /
Ja wie die Byblis ſich in einen Fluß verkehrt /
Daß ein unendlich Ach! und unaufhoͤrlich weinen /
Diß was noch uͤbrig iſt / vom Leben / gantz verzehrt.
Sie hoͤrt / zwar halb entſeelt / daß Seyfersdorff die Buͤhne
Der hoͤchſten Traurigkeit und Hertzens Trennung iſt /
Daß ein gewaltig Fluß / in dem er reiſt durchs gruͤne
Deß Lebens letztes Ziel da ihrem Schatz erkieſt.
Daß158Leichen-Gedichte.
Daß ihn ein eintzig Nun der Erden hat entriſſen /
Ein unverhoffter Tod den Bleichen zugeſellt /
Und daß durch ſolchen Fall ſie alles muß vermiſſen /
Was ſie noch eintzig hat vergnuͤgt auf dieſer Welt.
Jch hoͤchſt verlaßnes Weib / ſeufftzt ſie / von Furcht und Zittern
Von Schrecken angefuͤllt / wo bin ich? Leb ich noch?
Ach Kinder! unſer Haus verſinckt in Ungewittern /
Uns ſpannt der blaſſe Tod zugleich ins Sterbens Joch.
Wir ſehn des Hauſes Glantz und Krone nicht mehr wieder /
Jch bin des Schmucks beraubt / ihr ſeyd des Schirms ent - bloͤſt /
Was Wunder ſo auf uns / Ach! allzu ſchwache Glieder /
Des Todes kalter Nord mit grimmen Wirbeln ſtoͤſt.
So ſanck ihr bebend Leib / ohn allen Troſt zur Erden /
Biß daß der Freunde Schaar ihr an die Seite trat /
Und rieff / ſelbſt Schreckens-voll / mit aͤngſtlichen Geberden /
Sie ſolte doch auch hier erkennen GOttes Rath.
Es ſey kein Unterſcheid umb unſer Grab zu machen /
Ob uns die See verſchluckt / ob uns das Feur verderbt /
Ob uͤber unſerm Kopff der Thuͤrme Spitzen krachen /
Und man offt ſeinen Tod aus Gifft-Geſchirren erbt.
Der Hoͤchſte hab uns ſchon das letzte Ziel beſtimmet /
Das keine Klugheit kan der Menſchen uͤbergehn /
Er ſey des Lebens-Fuͤrſt / der jedem gibt und nimmet /
Und uns mit einem Wort heiſt auff und untergehn.
Es ſcheint ein ſchneller Tod nur feigen Seelen bitter /
Wer wol gelebet hat / und ſich nur GOtt vertraut
Jſt / wenns an ſterben kommt / ein unerſchrockner Ritter /
Dem fuͤr der Feinde Trotz und ſchnauben gar nicht graut.
Der Zuruff troͤſtet noch die hoͤchſt erſchrocknen Ohren /
Und wo Bekuͤmmertſte ſie meinen Worten glaubt /
So ſag ich daß ſie zwar hat ihren Schatz verlohren /
Doch daß den minſten Theil der Tod ihr weggeraubt.
Sie weiß die Gottes Furcht / wie hoch er der verpflichtet /
Wie Gottes Willen er hat alles heimgeſtellt /
Wie er ſein Chriſtenthum auf ſolchen Grund gerichtet / |
Der unbeweglich bleibt / wenn alles bricht und faͤllt.
Er hielt ſein hoͤchſtes Gut ein unbefleckt Gewiſſen /
Und nahm zum Spiegel an die alte Redligkeit /
War159Leichen-Gedichte.
War Gott und jederman zu dienen ſtets befliſſen /
Von aller Laſter Pracht der ſchnoͤden Welt befreyt /
Was ſchlecht war / hieß er ſchlecht / ließ andrer Thorheit prangen
Die offt die Eitelkeit mit Fuͤrniß uͤberſtreicht /
Jſt ſeinen Weg und Steg aufrichtig hin gegangen /
Und hat durch dieſes Thun ein herꝛlich Lob erreicht.
Die gantze Buͤrgerſchafft liebt ihn von Grund der Seelen /
Als der in Worten rein / in Wercken thaͤtig war.
Man darff ſein Bild nicht erſt auß Ertz und Marmel hoͤlen /
Ein unverfaͤlſcht Gericht umbgibet ſeine Baar /
Sie weiß / geehrte Frau / wie hoch er ſie geliebet /
Wie er die Wolfarth hat der Seinigen bedacht /
Wie er ſein Chriſtenthum ohn allen Schein geuͤbet /
Und reifflich uͤberlegt des ſchwartzen Grabes Nacht.
Wie kan ſie denn anjetzt ſo allen Troſt außſchlagen /
Was ungemeine koͤmmt / iſt Menſchen doch gemein /
Wir muͤſſen lebendig uns ſelbſt zu Grabe tragen /
Und in dem ſchoͤnſten bluͤhn nur Maden-Saͤcke ſeyn.
Man ſtirbet uͤberall / und auch in jedem Sande /
Find der entſeelte Leib der Glieder ſanffte Ruh /
Biß daß ihm dermaleins in dem verklaͤrten Stande /
Der Gott der Herꝛligkeit legt groͤſſern Zierath zu.
Sie wird dort ihren Schatz in groͤſſer Freud empfangen /
Als in der Sterbligkeit die Aukunfft ſich gezeigt.
Die Thraͤnen ſo jetzund bewoͤlcken ihre Wangen /
Sind ein getreuer Thau / der auß dem Hertzen ſteigt.
GOtt der ein Vater iſt der Witwen und der Weyſen /
Wird mit Troſt-reicher Krafft ihr an der Seite ſtehn /
So / daß ſie auch hierin / muß ſeine Allmacht preiſen /
Und laſſen was geſchehn / nach ſeinem Willen gehn.
Es ſcheint zwar der Natur-Geſetzen was zuwider /
Daß nicht der Liebſten Hand des Mannes Augen ſchleuſt /
Daß / wenn ſie nunmehr ſieht verfallen ſeine Glieder
Nicht ihren Liebes-Thau / als Balſam darauf geuſt /
Alleine Gottes Will / iſt nur und bleibt der beſte /
Wer dieſem ſich ergibt / ſo iſt es wohlgethan /
Der hat auch in dem Creutz ſo einen Grund und Feſte /
Die weder Feind noch Welt darnieder reiſſen kan.
Bey160Leichen-Gedichte.
Bey Abſterben / Hn. D. J. A. Juͤngſten Jungf. Tochter / den 26. Novembr. 1673.
WAs kan / Bochwuͤrdiger / ich ſeinen Ohren ſingen?
Kein aͤngſtlich Jammer-Lied tilgt bittre Schmer - tzen auß /
Jhm / Brunnquell alles Troſts / Troſt-Worte wollen bringen /
Heiſt Fackeln tragen ein in Titans guͤldnes Haus.
Die Brunnen Jſraels / wo friſches Waſſer quillet /
Woraus der Silber-Thau der Seeligkeit entſpringt /
Die haben ſeinen Geiſt ſo heilſam angefuͤllet /
Daß auch kein Aeſculap ein beſſer Pflaſter bringt.
Alleine weil wir nur was Menſchlich muͤſſen leiden /
Und unßrer Sterbligkeit Empfindnuß ſchuldig ſeyn /
So glaub ich / daß kein Schmertz kan mehr ins Hertze ſchneiden /
Als wenn wir Fleiſch und Blut die Augen druͤcken ein.
Zwar ein Praͤxaſpes ſchaut des Kindes Hertz aufſchlitzen /
Wenn des Cambyſes Pfeil ſein blutig Luſt-Spiel treibt.
Harpag kan unbewegt ans Perſen Tafel ſitzen /
Und eſſen ſeinen Sohn / der neulich nur entleibt /
Hingegen wer ein Chriſt / und weiß / daß Kinder Gaben /
Auß groſſer Gnaden-Hand der Hoͤchſten Majeſtaͤt /
Daß ſie ein Vorrecht auch ans Himmels Erbtheil haben /
Von dem wird ſolcher Sinn und ſteinern Hertz verſchmaͤht.
Eh wird der Sonnen-Glantz mit tieffer Nacht ſich decken /
Die Erde ſchiffbar ſeyn / die Wellen angebaut /
Eh wir die Regungen in unſer Bruſt verſtecken /
Und man die Seinigen mit trucknen Augen ſchaut.
Bevorab wenn der Tod iſt bey uns eingeſtiegen /
Und eh ein Jahr verſtreicht ſich zweymal grimmig weiſt;
Wenn man jetzt einen Sohn ſieht auf der Bahre liegen /
Und drauf der Eltern Luſt die Tochter ohne Geiſt.
Denn ſchallts: die Trauben ſind vom Weinſtock abgeriſſen /
Des Oelbaums fruchtbar Stamm wirfft ſeine Bluͤthen ab.
Die Roſen muͤſſen ſich in erſter Knoſpeſchlieſſen /
Die Nelcken ſchoͤnſter Zucht verfallen in das Grab /
Denn bricht uns unſer Hertz / denn iſt der Geiſt zerknicket.
Wiewol des Hoͤchſten Mund hinwieder Troſt ausgiebt /
Daß161Leichen-Gedichte.
Daß die Verſtorbenen ſind vieler Qual entruͤcket /
Daß ſeine Allmacht mehr als Eltern ſie geliebt.
Drumb hat er fort geeilt im Morgen erſter Jahre
Als ſich des Lebens-Tag mit guͤldnen Blicken wieß /
Drumb legt er ſie noch jung voll Unſchuld auff die Bahre /
Eh als ſie angeſteckt der Laͤſter-Gifft und Druͤß.
Jeſchneller wir den Fuß aus dieſem Welt-Kreiß ſetzen /
Je groͤſſer der Gewinn / je ſeliger der Tod:
GOtt holt die Frommen heim / daß ſie nicht kan verletzen /
Gottloſer Menſchen Tuͤck / und angedraͤute Noth.
Zu dem lehrt jeder Tag / und zeigt es jede Stunde
Mit was vor Elend nicht das Leben uͤberlegt /
Wie mit der groſſen Welt die Kleine geht zu Grunde /
Und Ungluͤck auff uns zu aus jeden Orten ſchlaͤgt.
Es tret jetzt Adam auff ſambt allen ſeinen Soͤhnen:
Sie ſagen; was ſie hier genoſſen auff der Welt.
Ob ihre Freuden nicht die Schmertzen muͤſſen kroͤnen?
Ob ihrem Frieden nicht ſich Zanck hat zugeſellt?
Ob ihre Paͤßligkeit nie wanckelbar geweſen?
Ob ihren Uberfluß der Mangel nie genagt?
Ob ſie vor Manna nie die Diſteln auffgeleſen?
Und vor verhofften Troſt Verſuchung ſie geplagt?
Ja / wem iſt nur ein Tag ſo gar begluͤckt erſchienen /
Daß nichts Verdrießliches gekraͤncket ſeine Bruſt?
Das Gluͤcke wird uns nie nach unſerm Willen dienen /
Es miſcht mit Aloe den Zucker beſter Luſt.
Und wir / ſo viel wir nur von Jahren noch weglegen
So viel nur legen wir von Suͤnden wieder bey.
Drauff wenn wir gar genau das Leben uͤberwegen /
Schleuſt man: daß beſſer noch ein zeitlich Sterben ſey.
Die Noth / ſo uns jetzt druͤckt / die Sorgen / ſo uns freſſen /
Der Kummer / der den Kern des Geiſtes gantz verzehrt
Die Aengſte / ſo numehr Dorff / Staͤdt und Laͤnder preſſen /
Sind dieſem unbewuſt der ſanfft von hinnen faͤhrt.
Jch mag / Hochwuͤrdiger / mich laͤnger nicht verweilen /
Betruͤbten Hertzen iſt Weitlaͤufftigkeit verhaſt.
Erblickt ſein naſſes Aug die kurtzen Trauer-Zeilen /
Die aus verpflichter Schuld mitleidig abgefaſt /
So ließ er freylich hier der Jenigen Erbleichen /
Die vor der Augen-Luſt / des Hertzens-Wonne war /
L l lDie162Leichen-Gedichte.
Die mit Behaͤgligkeit / und tauſend Liebes-Zeichen
Nicht einmahl ſein Gemuͤth gemacht von Sorgen klar.
Das zarte Jungfern-Bild / die ſelige Juſtine
Lockt Vat - und Mutter-Hertz warhaffte Thraͤnen aus.
Sie ſehn die Blum verwelckt / den Stengel nicht mehr gruͤne /
So vor mit ſuͤſſer Huld erfuͤllt das gantze Hauß.
Es ſchweigt der liebe Mund / ſo vielmal GOtt geprieſen /
Umb mit den Engeln dort ein Lied zu ſtimmen an:
Gehorſam / welchen ſie den Eltern hier erwieſen
Bereitet ihr den Weg zu der geſtirnten Bahn.
Jhr herrlicher Geruch von ſchoͤnen Tugend-Gaben
Sticht aus Jeßminen-Oel und Zimmet-Tropffen weg /
Sie darff nicht einen Krantz von irrdſchen Blumen haben
Die Kron der Ewigkeit iſt ihrer Zierde Zweck.
Ob ſchon der Wangen Roſ und Purpur muß erblaſſen /
Des Mundes Nelckerbleicht / der Glieder Lilg erſtirbt /
So wird in jenem Licht ſie ſolcher Glantz umbfaſſen /
Vor dem die Sonn vergeht / der Edelſtein verdirbt.
Sie hat ihr Glaubens-Oel in reinen Andachts-Flammen
Mit jener Jungfer-Schaar dem Braͤutigam geweyht /
Und Tag und Nacht gehofft / biß er ſie rufft zuſammen /
Und in des Himmels-Zelt vermaͤhlt in Ewigkeit.
Dem Braut-Krantz / den ſie traͤgt / weicht auch der Sternen Krone
Und Ariadne neigt ihr hell-beſtraltes Haupt /
Die Freundin ſtehet nun fuͤr ihres Lammes Throne /
Geneuſt was ſie gehofft / erkennt was ſie geglaubt.
Es muß / Hochwürdiger / der Wechſel ihm gefallen /
Und der ergoßne Strom der Thraͤnen etwas ſtehn.
Erfahren wir doch hier auff dieſem Erden-Ballen
Daß Blumen ſchoͤnſter Art am erſten untergehn.
Es heiſt und bleibt die Welt des Draculæſein Garten /
Wo nur Geripp! und Aaß die Baͤth als Zaͤun umbziehn /
Die Seelige nimmt GOtt / und wil ſelbſt ihrer warten /
Daß ſie im Paradiß ſol unverweßlich bluͤhn.
Trauer -163Leichen-Gedichte.
Trauer-Ode Uber fruͤhzeitiges Verbluͤhn J. L. S. v. S. den 27. Decembr. 1673.
1.
SOll JEſus in dem Stalle liegen /
Und findt nicht in der Herberg Raum?
So ruffſt du ihn in deine Wiegen
Louys und kuͤſt ihn in dem Traum?
Doch eylſt du ſolchen Traum zu ſchlieſſen /
Hier in der blaſſen Sterbligkeit /
Umb daß du ihn dort moͤgeſt kuͤſſen /
Und ſeyn in deinem Schatz erfreut.
2.
Es ehre unſers Heylands Krippen
Entbrandter Hertzen Andachts-Schall /
Du liſpelſt noch mit zarten Lippen
(Ach! eine ſuͤſſe Nachtigall.)
Jetzt unter tauſend Cherubinen;
Ein Kind hat uns das Heyl gebracht:
Und ſtimmeſt bey den Seraphinen:
Diß Kind hat uns befreyt gemacht.
3.
Man laß aus der Cumaner Gruͤfften /
Sibyllen haben propheceyt /
Wie GOtt ein Buͤndnuͤß wuͤrde ſtifften /
Vermaͤhlen Zeit und Ewigkeit.
Du keine Heydniſche Sibylle /
Haſt JEſum dir zum Troſt erkieſt /
Und weiß daß aller Weißheit Fuͤlle /
Und aller Guͤtter Schatz er iſt.
4.
Sein Arm der hat dich auch gefuͤhret
Jn ſo ein ruhig Schlaff-Gemach /
Da dich kein Schmertzen mehr beruͤhret /
Da dir kein Elend folget nach.
Wie friedſam liſſt du deine Wiegen /
Die Windeln / als wie Feſſeln / ſtehn /
L l l 2Nun164Leichen-Gedichte.
Nun du an JEſus Bruſt ſolſt liegen /
Und mit ihm ein in Himmel gehn.
5.
Dein Augen werden nicht erſterben /
Bricht ſie ſchon hier des Todes Hand.
Er wil mit ſeinem Blute faͤrben
Der Wangen jetzt verblaſten Rand.
Er wil den Todes-Schweiß weg wiſchen /
Dich Laͤmchen nehmen in die Schoß /
Und dich mit jenem Kelch erfriſchen /
Den er zu deinem Heyl vergoß.
6.
Muß ſchon das Fleiſch wie Heu verſchwinden /
Schlieff doch dein Heiland auff dem Heu /
Als er ſich erſt bey uns ließ finden;
Und alles Fleiſch iſt Heu und Spreu.
Wie eine Blume auff der Wieſe
Gar bald des Maͤders Senß abmeyht /
So auch Holdſeeligſte Louyſe
Verfaͤllſt du in der erſten Zeit.
7.
Du zartes Kind ſtirbſt in der Wiegen /
Gleich wie der Retter dieſer Welt /
Als Menſch wil in der Wiege liegen /
Und uns die Ewigkeit fuͤrſtellt.
Verſichert / daß er wird dein weinen
Mit ſeinen Thraͤnen trocknen ab /
Du wirſt verklaͤrter einſt erſcheinen /
Und als wie er / gehn aus dem Grab.
8.
Er Bruder / kleidet deine Seele /
Als Schweſter / in ein ſolch Gewand /
Das hier auff duͤſtrer Erden Hoͤle
Kein ſterblich Auge hat erkant.
Er ſchencket dir ein ſolch Geſchmeide /
Vor dem des Demants Straal erblaſt /
Hat Leben / Herrligkeit und Freude
Jn deinen Trau-Ring eingefaſt.
9. Laß165Leichen-Gedichte.
9.
Laß Menſchen Haͤnde immer weben /
Ein bald vermodrend Ehren-Kleid.
Die Unſchuld ſo dich jetzt umbgeben
Jſt reiner als die beſte Seid.
Ach! Blum ins Paradieſes Wieſe /
Stern / deſſen Licht ſich nie verzehrt /
Dreymal gluͤckſeelige Louyſe
Was hat dein JEſus dir beſchert.
10.
Geehrtſte Eltern ſtellt die Zaͤhren
Der naſſen Wehmuth Perlen ein /
Die zwar der Liebe ihr Begehren
Und auch getreue Zeugen ſeyn.
Doch weil ſie iſt ſo wol verſetzet /
So rufft Geluͤck Sibyllen zu.
Und denckt / daß die ſeyn hochgeſchaͤtzet
Die GOtt ſo zeitlich kroͤnt mit Ruh.
Trauer-Zeilen Uber das Abſterben Fr. A. F. g. G. den 9. Febr. 1674.
SO hat des HErren Hand Dich abermal gebuͤcket /
Daß du muſt ſchwartz gekleidt in tieffſtem Trauren gehn:
Hat diß / betruͤbter Freund / der Himmel ſo geſchicket /
Daß wiederumb dein Schatz muß auff der Bahre ſtehn?
Und zwar ein gleicher Tod / und faſt auch gleiche Stunde
Reiſt ſie im erſten Lentz der beſten Jahre hin.
Wer tadelts / wenn diß Ach! erſchallt aus deinem Munde:
Jch glaube daß ich gar des Ungluͤcks Wurffball bin:
Daß Kertzen meiner Luſt ſind Fackeln blaſſer Leichen /
Und Grab und Hochzeit-Bett zuſammen ſtehn gebaut.
Laͤſt das Verhaͤngnuͤß denn durch Flehn ſich nicht erweichen /
Daß man mich anders nicht als zweymal Wittber ſchaut!
Und zwar eh noch ein Jahr hat ſeinen Kreiß vollzogen /
Vollziehet ſchon der Tod den Eiſen-harten Schluß.
Ach daß fuͤr Roſen-Safft ich Wermuth nur geſogen!
Und meine Liebe ſtets ins Grab verſchicken muß!
L l l 3Ja166Leichen-Gedichte.
Ja was noch klaͤglicher / und mich darnieder ſchlaͤget /
Der Seegen meiner Eh und Hoffnung geht mit ein /
Die Mutter wird ein Grab des Pfandes / ſo ſie traͤget /
Zwey Hertzen / die mein Troſt / deckt itzt ein Leichen-Stein.
So nun ſolch Angſt-Geſchrey erthoͤnt von deinen Lippen /
So / treu-verbundner Freund / diß Winſeln dir entfaͤhrt:
So ſteh ich freylich zu: Wir ſind nicht Felſ und Klippen /
Und ein vernuͤnfftig Weib iſt tauſend Thraͤnen werth.
Jedoch dir ſind bekant nicht nur der Themis Rechte /
Du weiſt auch GOttes Recht das ſey unwandelbahr.
Beym erſten Apffel-Biß ſtarb unſer gantz Geſchlechte /
Des Ungehorſams Frucht war Sterben und Gefahr.
Biß dieſes ſchwartze Recht mit ſeinem Blut durchſtrichen
Der Mittler unſers Heils und Retter aller Welt.
Da iſt der andre Tod von uns hinweg gewichen /
Der erſte ſo bewand / daß er den Leib nur faͤllt.
Diß irrdiſche Gefaͤß erbaut von ſchlechter Erden
Wie leichtlich ſchlaͤgtes nicht der Schopffer wieder ein?
Die Huͤtte / ſo von Leim / muß Koth und Aſche werden /
Der Glieder muͤrbes Glas kan nicht beſtaͤndig ſeyn.
Befreyt uns nun der Tod von angelegten Banden /
Fuͤhrt uns ſein duͤrrer Arm in ſtille Sicherheit /
So iſt uns mehr als wohl / daß wir nun uͤberſtanden
Die Reiſe voller Angſt / den Weg der Sterbligkeit.
Mein Freund / es iſt voran die Liebſte nur geſchicket
Dieſ allgemeine Bahn betreten ich und du.
Wie ſehnlich hat ſie nicht von Andacht gantz entzuͤcket
Jhr jeden Augenblick gewuͤnſcht die ſanffte Ruh?
Sie ſchien im Himmel mehr als auff der Welt zu leben /
Weil ſie der Erden Luſt veraͤchtlich von ſich ſtieß /
Und ſich der groͤſten Kunſt / der Sterbekunſt / ergeben
Als die ihr auch den Zweck zu jenem Leben wieß.
Nicht Jugend / Gluͤck und Zeit / und was wir Menſchen achten /
Hat ihren frommen Sinn in Eitelkeit verhuͤllt:
Jhr GOtts-ergebner Geiſt pflag ſelig zu betrachten /
Bloß die Gerechtigkeit / die dort fuͤr GOtte gilt.
Sie flog wie Monica mit Fluͤgeln des Gemuͤthes
Aus dieſem Marter-Haus / und Kercker voller Noth:
Diß was hat auffgefacht die Funcken des Gebluͤtes /
War feurige Begier zu ſehen ihren GOtt.
Jhr167Leichen-Gedichte.
Jhr Wunſch iſt auch erfuͤllt / ihr Seuffzen iſt erhoͤret /
Und kaͤm es / werther Freund / dir noch ſo ſchmertzlich fuͤr.
Du weiſt / was ſonſt das Recht vom Tod und Sterben lehret /
Goͤnn auch in dieſem Fall des Himmels Erbtheil ihr.
Und klagſt du ferner noch / daß ſie ſo bald verſchieden /
Daß eurer Seelen Bund ſo kurtze Zeit gewehrt /
So dencke: daß ſie ruht in ungekraͤncktem Frieden
Und daß ſie dermaleins dir wieder wird beſchehrt.
Entbehrſt du ihre Pflicht und ewig-treues Lieben?
Sorgt ihre Haͤusligkeit / wie vormals / nicht vors Hauß?
Ja ich vernein es nicht / diß kan den Geiſt betruͤben /
Doch Chriſtliche Gedult ſteht alles Ubel aus.
Befrembdet dich der Fall / daß du vor Kinder Leichen
Vor Liebes-Kuͤſſe nichts als Seelen-Riſſe ſihſt?
Erwege / daß es ſeyn des Hoͤchſten Allmachts-Zeichen /
Daß unter Dornen du / auch wie die Roſen bluͤhſt.
GOtt wil kein feiges Hertz bey ſeinem Leib-Fahn haben /
Der ſtets mit Winſeln folgt / iſt gar ein ſchlecht Soldat.
Und wenn die Schmertzen uns biß zu der Seelen graben /
So ſieht man / wer die Kron der Uberwindung hat.
Sieh in das Alterthum / wie Chriſten Blut vergoſſen /
Wie ihre Unſchuld muſt in lichten Flammen ſtehn /
Wie ſie der Heiden Grimm an Pfaͤler eingeſchloſſen /
Und ließ zerlaſſen Pech auff ihre Leiber gehn.
Sie trugens mit Gedult / frolockten untern Wunden /
Daß die Beſtaͤndigkeit die Hencker abgeſchreckt.
Wir ſind mit gleicher Pflicht zu unſerm Creutz verbunden /
Wie wunderbarlich auch uns GOtt es auffgeſteckt.
Es wird nie das Gemuͤth dem Himmel naͤher treten /
Als wenn die Truͤbſal ſich an unſre Seite legt.
Gedrucktes Fleiſch und Blut wird viel erhitzter beten /
Als wenn die Wolluſt es auf ihren Fluͤgeln traͤgt.
Gemeine Faͤlle ſind bey nur gemeinen Leuten /
Ein rechter Helden-Muh kennt Auf - und Untergang.
Du wirſt / geehrter Freund / dein Leiden ſo beſtreiten /
Das Hoffen und Gedult beſiegt des Jammers Zwang.
Ach unterwirff dich nur der Sterbligkeit Geſetze!
Hier iſt kein Eigenthum / kein Bleiben / keine Statt:
Und glaube / daß dein Schatz ſich mehr begluͤcket ſchaͤtze /
Nun ſie die Eitelkeit der Welt verlaſſen hat.
L l l 4Sie168Leichen-Gedichte.
Sie iſt als eine Bach ins Todten-Meer geronnen /
Daß ſie Jeruſalems Heil-Quellen dort geneuſt.
Und ſchmiltze gleich dein Hertz in einen ſteten bronnen /
Du bringſt ſie nicht zuruͤck / und kraͤnckſt nur deinen Geiſt.
Es kan unmoͤglich ſeyn / der Hoͤchſte muß dich lieben:
Zwey Liebſten hohlt er heim / die ruffen dich hernach.
Dich wird die Richterin beym Richt er nicht betruͤben /
Die Anna ſeelig ſehn bey jener Lebens-Bach.
Noth-Recht deß Todes / Bey Beerdigung Hn. L. C. F. den 1. Mar - tii 1674.
ENtweyhet denn der Tod auch Themis heilge Stuffen /
Und uͤbet ungehem̃t ſein grauſam Noth-Recht aus?
Heiſt er fuͤr ſein Gericht Aſtraͤens Prieſter ruffen /
Und ſchiebt Gebot und Zwang denſelben in das Hauß?
So hat die Sterbligkeit wol eiſerne Geſetze /
Die auch die Tugend nicht durch laͤutern linder macht;
So ſind von Stahl geſchmidt der Parcen ſchwartze Netze /
Und Libitina nimmt Frey-Briefe nicht in acht.
Hier hilfft uns keine Friſt / kein Vorſtand macht uns ſicher /
Kein Ausflucht bringt verſchub / der Tod verfuͤhrt ſein Recht;
Es gelten vor ihm nicht der Rechts-Gelahrten Buͤcher /
Beweiß und Zeigungen / ja Eyde ſind zu ſchlecht.
Sein Urtheil iſt gemein / und wird ſo ſcharff vollzogen /
Daß nicht ein eintzig Menſch ſich auszuſchlieſſen weiß:
Da wird nicht Kunſt noch Witz noch Wiſſenſchafft erwogen /
Den Klug - und Thoͤrichten befaͤllt der Todes-Schweiß.
Alleine dieſes kan uns noch Vergnuͤgen bringen /
Daß der Gerechten Lob und Name nicht vergeht.
Es hebet ſie der Ruhm auff ſeine goͤldne Schwingen /
Wenn in Vergeſſenheit der andern Leiche ſteht.
Denn ihre Wercke ſind / und ruhn in GOttes Segen /
Und ihre Wurtzel wird von keinem Sturm bewegt /
Jhr Hauß iſt wie ein Schloß auff einem Fels gelegen /
Und gruͤnen wie ein Zweig / der Lebens-Fruͤchte traͤgt.
Ja ihr Gedaͤchtnuͤß wird von Frommen ſtets geprieſen:
Es ſchallt ihr Lobgeſang durch alle Theil der Welt;
Daß169Leichen-Gedichte.
Daß ſie ſich ihrem GOtt gewehr und treu erwieſen /
Die Laſter hart geſtrafft / die Boßheit abgeſtellt.
Daß ſie des Rechtens Weg den Armen nie verſchrencket /
Noch den Unſchuldigen in ſeiner Noth gedruͤckt;
Daß arme Waͤiſen ſie / und Witwen nie gekraͤncket /
Und den Bedraͤngten offt mit ihrem Rath erquickt.
Herr Friedrich / der nunmehr dem Tod dingpfluͤchtig worden /
Aſtraͤens groſſer Ruhm / der Rechte ſondre Zier /
Wird auch mit Recht gezehlt zu der Gerechten Orden /
Und ſtellet uns zum Troſt ſein herꝛlich Beyſpiel fuͤr.
Erſt hat er ſich bemuͤht den HErren zu erkennen /
Weil aller Weißheit Fuͤll an dem Erkaͤntnuͤß liegt /
Und die Gottſeligkeit ein Kleinod iſt zu nennen /
Das aller Schaͤtze Werth / und Reichthumb uͤberwiegt.
Sein eifrig Chriſtenthum kan unverwerfflich zeugen /
Jn was vor Andacht er den Schoͤpffer hat geehrt /
Mit was fuͤr Senfftzen er / ſo durch die Wolcken ſteigen /
Deß Prieſters goͤldnen Mund und Lehren angehoͤrt:
Wie lockten ihn nicht an der heilgen Vaͤter Schrifften /
Jhm war der Kern und Safft von jeden wolbekand.
Es wird ſein eignes Buch ihm ein Gedaͤchtnuͤß ſtifften /
Auff das ein herꝛlich Fleiß und Arbeit iſt gewand.
Nachdem er GOttes Recht in Heiligkeit veruͤbet /
Hat er der Themis ſich von Jugend auff geweyht;
Die Goͤttin als ein Sohn in ſolcher Pflicht geliebet /
Biß mit dem Lorber-Krantz ſie ſeine Treu erfreut.
Er war im Helicon ein lieber Gaſt willkommen /
Es ſah ihn Cynthius mit holden Blicken an /
Und wie die Muſen-Schaar von dieſer Poſt vernommen /
Hat ſie ihm Ehr und Gunſt vortrefflich angethan.
Es bluͤthe nun ſein Ruhm bey den gelehrten Leuten /
Als Gottes Schickung ihn noch heilſamer verpflegt /
Daß bey der Kriegs-Gefahr / und ſo bedraͤngten Zeiten /
Jhm ſie zu Breßlau doch ein Ampt noch beygelegt.
Es zog der Schoͤppen Stuhl ihn zum geheimen Schreiben /
Das Ding-Haus alles Rechts / der Thron der Billigkeit /
Wo die Gerichte frey in hoͤchſter Wuͤrde bleiben /
Und derer Urſprung noch erhebt die graue Zeit.
Bey den Egyptiern ſind Prieſter ſtets geweſen /
So das hochheilge Recht verwahrt in ihrer Schoß.
L l l 5Man170Leichen-Gedichte.
Man kan von Druiden der Gallier noch leſen / |
Und was in Grichen-Land Areopagus ſchloß.
Der alten Teutſchen Kuͤhr ließ ſie Cent-Grafen heiſſen /
Wenn ſie mit bloſſem Schwerd die Richter-Banck beſetzt;
Der muſte Schoͤppenbahr an reiner Tugend gleiſſen /
So zu dem Richter-Ampt vor guͤltig war geſchaͤtzt.
So uͤbten ihr alt Recht die Francken und die Sachſen /
So zwar der Einfalt Zier zur erſten Mutter hat;
Biß daß die Schoͤppen-Stuͤhl in vollem Flor gewachſen /
Und nun Oraculn gleich den Fragern geben Rath.
Hier hat Herr Friedrich auch ſo ruͤhmlich ſich verhalten /
Daß man ihn Schoͤppenbahr-frey billich nennen kan.
Sein Lob der Redligkeit wird nimmermehr veralten /
Der Nachruhm meldet es den goͤldnen Sternen an.
Er hat die dreyſſig Jahr viel Urtheil abgefaſſet /
Viel Friſten anberaumbt und Tagefarth beſtimmt:
Nun kriegt er den Beſcheid / daß er darob erblaſſet /
Weil auß gehegtem Ding deß Todes Grimm ihn nimmt.
Doch wol / bejahrter Greiß / dein ſeeliges Erbleichen /
Schreibt dir des Himmels Recht und gantzes Erbtheil zu.
Wir ehren deinen Ruhm und folgen deiner Leichen /
Wenn durch ſein Noth-Recht uns der Tod bringt zu der Ruh /
Dich hat deß HErren Huͤlff in ein ſolch Haus gewieſen /
Wo der Gerechten Fried und Freude voͤllig bluͤth.
Du ſiehſt kein Elend-Recht / noch Eyd-Schwur / wie vor dieſen /
Biſt umb kein Urtheil mehr zum kleinen Ding bemuͤht.
Auch das Blut-Urtheil iſt vom Heyland ſchon ertragen /
Und machet ewig dich des Todes Urthels frey.
Die Engel werden dir als reine Zeugen ſagen /
Wie alle Schuld gebuͤſt / das Heil erworben ſey.
Betruͤbtſte / die ihr jetzt deß Vatern Aſche netzet /
Wehmuͤthigſt ſeinen Tod auß Kinder-Pflicht beklagt:
Erwegt den Wechſel nur / wiewol er iſt verletzet /
Nun ihn vor ſein Gericht der Hoͤchſte GOtt betagt.
Wer die Gerechtigkeit ſo / als wie er / geliebet /
Der nimmt den Preiß hinweg die unverwelckte Kron.
Und ob ſein Noth-Recht ſchon der Tod an ihm veruͤbet /
So bleibt der Nach-Ruhm doch ein ſchoͤner Ehren-Lohn.
Heil -171Leichen-Gedichte.
Heilſame Myrrhen / Bey Beerdigung Fr. S. R. g. S. den 26. Martii 1674.
SO haſt du / Selige / dein Vaterland gefunden /
Das Littaus Graͤntze nicht / noch Polen geben kan?
Die Windeln haben dich in Wildau zwar gebunden /
Und Thoren nahm dich drauff als eine Freundin an.
Gantz Polen ſtund erfreut ob deinen Hochzeit-Kertzen /
Wiewol des Todes Grimm ſie allzufruͤh verleſcht.
Ja des Verhaͤngnuͤß Schluß hieß dich nach Franckfurt ſtertzen /
Das unſer Oderſtrom mit ſeinen Wellen waͤſcht.
Auch dieſe Pilgramſchafft nahm ein geſchwindes Ende.
Wer leugnet / daß der Menſch ein Gauckelſpiel der Zeit?
Als Polen ward verheert durch Kriege / Mord / und Braͤnde /
Hat Breßlau dir zuletzt den Lebens-Sitz bereit.
Ach ſtete Pilgramin auf dieſem Rund der Erden!
Dein Wandel hat gelehrt / daß hier kein bleiben ſey:
Daß wir als Frembdlinge bald auffgejaget werden /
Pallaͤſt und Staͤdte nur ein oͤde Wuͤſteney:
Wie unſers Lebens-Lauff gar eine ſchwere Reiſe /
Da Truͤbſal und Gefahr jedwede Stunde bluͤth:
Da Thraͤnen ſeyn der Tranck / und Hertzens-Angſt die Speiſe /
Biß uns mit ſeinem Garn der blaſſe Tod bezieht.
Standhaffte Wanderin! die ſich ließ nichts verwirren /
Ob manch betruͤbter Tag das Leben dir vergaͤllt:
Du ſiehſt nun unter dir die Berge voller Myrrhen /
Und haſt auff die zugleich dein gantzes Thun geſtellt.
Jch meine nicht der Welt gehaͤuffte Bitterkeiten /
Die ihren Siegern auch / wie Rom / nur Wermuth ſchenckt:
Nein / ach Erblaſte / nein! Du ruhſt an JEſus Seiten /
Sein Puͤſchel Myrrhen iſt umb deine Bruſt gehenckt.
Du Sulamithin ruffſt: Mein Liebſter iſt wie Myrrhen /
Jch muß zu dieſem Berg und Weyrauch-Huͤgeln gehn:
Er klopfft mir an das Hertz: in meinen Angſt-Geſchirren
Seh ich den Perlen-Thau von ſeinen Fingern ſtehn.
Wie froͤlich brechen mir / gleich in der Marter-Wochen /
Die Augen / da mein GOtt ſtirbt fuͤr der Erden Heil.
Jch172Leichen-Gedichte.
Jch hab auf ewig ihm / Geliebte / mich verſprochen /
Hier ernd und ſaml ich mir mein außerwehltes Theil.
Solt ich jedweden Zweig nicht in mein Straͤußlein binden?
Da dieſe Statte mir des Lebens Freyheit giebt /
Da ich die Hefftigkeit der Liebe kan empfinden /
Gehorſam biß in Tod / den GOtt hat ſelbſt geliebt.
Die wahre Myrrhen kont auch nicht ein Werth erreichen /
Denn Heyden haben ſie den Goͤttern faſt verſagt:
Deß HErren Leiden iſt mit nichts nicht zu vergleichen /
Als der ſein eigen Blut fuͤr mich im Creutz gewagt.
Gekroͤnte Haͤupter hat das Myrrhen-Oel geweyhet /
Der Hohe-Prieſter ward mit dieſem Safft beſprengt:
Nun die Theilhafftigkeit des Creutzes mich erfreuet /
Fuͤhl ich die Myrrhen erſt die mir mein JEſus ſchenckt.
Ach ſolcher Balſam heilt der Suͤnden tieffe Wunden /
Daß wir ein gut Geruch fuͤr unſerm GOtte ſeyn.
Weg mit der Laſter Stanck! Hier hab ich Krafft empfunden /
Mehr als von Specerey die man traͤgt Tempeln ein.
Vergoͤnnt mir unterm Baum der Myrrhen zu entſchlaffen /
GOtt / der Gecreutzigte / reitzt meine Andacht an:
Kein Waͤchter iſt mir noth / noch der Beſchirmer Waffen /
Sein Leiden zeiget mir der ew’gen Ruhſtaͤtt Bahn.
Des Creutzes Myrrhen will ich nimmermehr vergeſſen /
Die mein Erloͤſer tranck zu buͤſſen unſer Schuld:
Bloß nur die Bitterkeit der Suͤnden zu ermeſſen /
Und was fuͤr unſre Schmach er an dem Ereutz gedult.
Mir wird die Myrrhen auch / womit er balſamiret /
Der Unverweßligkeit erbaulich Denckmahl ſtehn /
Daß wenn mein ſiecher Leib ins Grab wird hingeführet /
Er dort an jenem Tag verklaͤrt hervor kan gehn.
So trug der Simeon diß Puͤſchel auff den Armen /
Maria in der Schoß; es ſoll auch in der Noth /
Jm Glauben und Gebet mir an der Bruſt erwarmen /
Biß daß ſein ſtrenges Recht vollzieht der duͤrre Tod.
Flieſt heilge Myrrhen / flieſt / und waſcht die muͤde Seele /
Von ſolchen Lilien treufft meines Heylands Mund /
Legt den erblaſten Leib in die beſtimmte Hoͤle /
Jch ſterbe Freuden-voll / nun mir die Myrrhen kund.
Und / werthſte Seelige / ſo iſt dein Geiſt geſchieden /
Der auff der Erden ſchon den Himmel hat geſchmeckt /
Den173Leichen-Gedichte.
Den unſer Heyland hier in Myrrhen hat gewieden /
Daß er ihm dort den Tiſch mit Freuden-Roſen deckt.
Du Roſe reich bebluͤhmt mit edlen Tugend-Gaben /
Die nicht Praͤneſte naͤhrt / nicht Alaband er zeugt:
Du wirſt auch auf der Welt ein Angedencken haben /
Das nicht der graue Mund der Affterzeit verſchweigt.
Das ſtoltze Morgenland hieß ſeine Leichen leben /
Wenn Nard und Aloe den holen Leib gefuͤllt /
Ein unverweßlich Tuch die Glieder feſt umbgeben /
Und die gemahlte Bruſt bedeckt der Goͤtzen-Bild.
Bald muſte Myrrhen-Safft die Faͤulniß hintertreiben /
Und theures Cedern-Oel die Wuͤrmer jagen weg:
Es mag das Heydenthum bey dieſem Jrrthum bleiben /
Der Frommen Chriſten Grab hat einen andern Zweg.
Jch weiß / geehrter Freund / dem jetzt ſein Hertz getroffen /
Daß man gar andern Troſt bey tieffen Wunden bringt /
Und daß nicht Linderung der Schmertzen iſt zu hoffen /
Wo ſelbſt die Seele ſteht mit heiſſer Noth umbringt.
Alleine kan er ſich noch einſt zuruͤcke lencken /
Und leſcht der Thraͤnen-Fluth nicht meine Zeilen auß:
So woll er ſein Gemuͤth nicht ſo gar peinlich kraͤncken /
Verſichert daß ſein Schatz vollkommen nun zu Hauß.
Jhr edler Tugend-Ruhm bey vielen unverſchwunden /
Das Lob der Gottes-Furcht vertilgt kein Sterben nicht:
Mit was vor Andacht ſie ſich in den Tempel funden /
Den Prieſter angehoͤrt / zeigt noch ihr gut Geruͤcht.
Ja / wo die Demuth iſt ein Perlen-Schmuck der Frauen /
Hat dieſe Tugend ſie unendlich außgeziert.
Wo ein mitleidend Hertz bey Armen laſſen ſchauen /
Jſt die gewiſſe Bahn / ſo uns in Himmel fuͤhrt /
So kan der blaſſe Neid kein ander Zeugnuͤß ſagen /
Als daß ihr Beyſpiel hat viel Hertzen auferweckt:
Und daß ſie dieſen Ruhm wird in die Grube tragen /
Wie ſie huͤlffreiche Hand Elenden fuͤrgeſtreckt:
Und wolt ich / werther Freund / die Sorgfalt vor ſein bluͤhen /
Die Wachſamkeit vors Haus mit mehrerm ſtellen dar /
So wuͤrd ich mich umbſonſt unzeitig nur bemuͤhen.
Den Abriß ſolcher Treu bezeugt auch ihre Bahr.
Ach174Leichen-Gedichte.
Ach hochbegluͤckte Frau! Die alles Leidens Myrrhen /
Mit ihrem Heyland hat zugleich ins Grab gelegt.
Man ehrt der Todten Aſch in goͤldenen Geſchirren.
Der Liebſten / Traurender / iſt in ſein Hertz gepraͤgt.
Bewillkommung / Hn. W. S. v. S. von denen beruͤhmteſten Seel. Teutſchen Dichtern in der Ewigkeit / den 6. May 1674.
KAn dir / O edler Scherffenſtein /
Mein Thon noch was erfreulich ſeyn /
Der du ſchon ſitzſt bey jenen Dichtern /
Jm Schoß der grauen Ewigkeit /
Und tritſt mit Fuͤſſen Zeit und Neid /
Beſtrahlt mit tauſend Sternen-Lichtern.
Wie? Oder iſts Elyſer-Feld?
Das eine Wohnung dir beſtellt /
Wo nichts als Liebligkeiten ſpielen:
Wo ſtets der linde Weſt-Wind ſchwebt /
Und wenn er ſeine Fluͤgel hebt /
Den Ort pflegt rauſchend abzukuͤhlen.
Wo Baͤche voller Nectar gehn /
Wo Baͤume keinmal Frucht-loß ſtehn /
Wo Flora ſich zum Teppich machet.
Und bald der Lilgen Attlas weiſt /
Bald Tulipanen brennen heiſt /
Bald durch Viol und Nelcken lachet.
Wo fruͤh ein rundter Perlen-Thau
Beſilbert den Schmaragd der Au /
Und laͤſt die Demant-Tropffen fallen:
Wo unterm Schatten laufft ein Brunn /
Verwahrt fuͤr Regen / Lufft und Sonn /
Und ſpracht mit rieſelnden Chryſtallen.
Da / ſag ich / wo die goͤldne Zeit /
Hat eine Tafel zubereit /
Da niemand ſonſt als Goͤtter ſpeiſen /
Wo Schertz und Spiel die Liebe gruͤſt /
Wo Fried und Einigkeit ſich kuͤſt /
Und wechſelweiſ einander preiſen.
Da175Leichen-Gedichte.
Da ſolſt du auch / O Scherffenſtein /
Ein theurer Gaſt willkommen ſeyn /
Der Opitz ſchleuſt dich in die Armen /
Der klugen Geiſter Ungeheur /
Der durch der Sinnen heilig Feur /
Auch tode Marmel hieß erwarmen.
Es ſieht dich Tſcherning freudig an /
Daß du deß muͤden Lebens Bahn
Nach ſo viel Schmertz und Angſt verlaſſen:
Er meld Poetiſch ſeinen Gruß /
Und will mit einem Liebes-Kuß
Dich Uberwinder jetzt umbfaſſen.
Es kennt dich Czepco allbereit /
Der Fuͤrſten Rath / der Ruhm der Zeit /
Der ſo manch ſchoͤnes Buch geſchrieben,
Er ſpricht: Solt ich dich jetzt verſchmaͤhn /
Da ein Hof uns doch hat geſehn /
Von wegen Kunſt nicht ferner lieben.
Ja Gryphius der theure Mann /
Den niemand ſattſam preiſen kan /
Der Phoͤnix Schleſiſcher Poeten /
Stellt jetzt der Reden Donnern ein /
Und reicht dir / edler Scherffenſtein /
Zu ſuͤſſen Liedern neue Floͤten.
Dein Golau laͤchelt von Geſicht /
Und zeiget dir ein rund Gedicht /
Auß dem du kanſt den Zuſtand kennen /
Wenn Laſter man fuͤr Tugend ehrt /
Wenn Thorheit oft die Weißheit lehrt /
Und man pflegt Schwartzes Weiß zu nennen.
Wie laß ich den Apelles auß /
Der ſich biß an der Sonnen Hauß /
Durch himmliſch Dichten hat geſchwungen.
Vergeſſ ich unſers Koͤhlers Geiſt /
Der zu den Sternen laͤngſt gereiſt /
Und hier noch bluͤth auf vieler Zungen?
Nein! Schleſiens ſein Paradeiß /
Das ſo viel hohe Dichter weiß /
Als Teutſchland ſonſten nicht kan zeigen /
Dieweil es keinen Ruhm begehrt /
Und176Leichen-Gedichte.
Und meine Feder es nicht werth /
Heiſt mich auß Ehr-Furcht ſtille ſchweigen.
Dich preiſ ich nur / O Scherffenſtein /
Daß du kanſt in Geſellſchafft ſeyn
Bey ſo viel Hoch-Erlauchten Seelen;
Wie irꝛ ich? Oder kommt auch mir
Der Hugo fuͤr Geſichte fuͤr
Und will nicht ſeine Glut verhoͤlen?
Ach ja! Er fraget rund und frey.
Daß ſein Verlangen himmliſch ſey /
Und ſinget ſeine Liebes-Lieder;
Du hoͤreſt ſie entzuͤcket an /
Und ſprichſt: Wo dirs gefallen kan /
So nimm ſie deutſch gedolmetſcht wieder.
Es trit das ſeelge Volck hervor /
Es rufft? Laß uns ein gantzes Chor /
Du neuer Geiſt von Stimmen hoͤren.
Vermiſche doch dein Orgelwerck
Mit unſerm gruͤnen Pindus-Berg /
Wir ſingen ſelber dir zu Ehren.
Du haſt Piaſtens-Fuͤrſten-Haus /
Das ſich wie Cedern breitet aus /
Und ſchoͤner als die Palmen gruͤnet /
Nun viertzig Jahr als treuer Knecht /
Jn deinem Handel ſchlecht und recht /
Nicht mit geringem Nuhm bedienet.
Wie manches Lied / wie mancher Thon /
Jſt doch / du kluger Muſen-Sohn /
Aus deinem Mund und Kiel gefloſſen?
Nun ſiehſt du / wie der Schwanen Schaar /
Bekroͤhnt mit Lorbern deine Haar /
Und nennt dich ihren Mit-Genoſſen.
Gluͤck zu! Du edler Scherffenſtein!
Und laß dir nicht verdrießlich ſeyn /
Den Nachruff / der dich itzt begleitet:
Diß iſt der Muſen Eigenthum /
& q; Daß man Gelehrter Leute Ruhm
& q; Und ihr Gedaͤchtnuͤß weit außbreitet.
Trauer -177Leichen-Gedichte.
Trauer-Gedancken Bey Beerdigung F. M. W. g. H. den 25. May 1674.
JCh ſolte / Werthſter Freund / mit tieffgeſinnten Rei - men /
Und Reden-voller Zier beſaͤnfftigen ſein Leid:
Was nur erquickend iſt von Pindus Lorberbaͤumen /
Von Fluͤſſen Caſtalis / das ſolt ihm ſeyn geweyht;
Denn es ſchreckt unſer Ohr / wenn man von Graͤbern ſaget /
Und daß der arme Menſch ſo bald verfaulen muß /
Und wer bey Traurenden nicht auch mitleidend klaget /
Vergroͤſſert nur das Leid / erweckt nichts als Verdruß.
Allein / ich wil allhier der Aertzte Kunſt-Grief brauchen
Die aus dem aͤrgſten Gifft / die heilſamſt Artzney ziehn.
Wir werden wenn der Dampff des Blutes wird verrauchen /
Auch mitten aus dem Grad ſehn unſer Leben bluͤhn.
Es haͤngt an einem Punct der Anfang und das Ende /
Jn einem Zirckel ſeyn Gebohren und vergehn;
Vergebens / daß der Menſch Fleiß / Wuͤnſche / Klag einwende:
Dem ewigen Geſetz kan niemand wiederſtehn.
Es mahlt uns die Natur an jeden Blum und Zweigen /
Den Auff - und[Untergang mit] klaren Farben fuͤr.
Man ſieht der Sonnen-Rad bald auff-bald abwerts ſteigen /
Wie offt deckt Finſternuͤß des Mondes Silber-Zier?
Wie aͤndern nicht den Lauff die feurigen Cometen?
Wie ſchnell zerfleuſt die Lufft in Regen / Wolck und Wind?
Es wird eiu Purpur-Glantz die Demmerung erroͤthen /
Wenn auff den Mittag gleich die ſchwartzen Wetter ſind.
Der lebende Cryſtall der Brunnen muß offt ſterben /
Wenn dort ein rauſchend Strom die Ufer uͤberſchwemmt:
Den groſſen Ocean wird Eol ſo erherben /
Daß den erboſten Schaum noch Kunſt noch Macht mehr hemmt.
Wie ungeheur die Fluth / ſo wird ſie endlich ſchwinden /
So daß man ſchlieſſen muß / daß nichts beſtaͤndig ſey.
Sehn wir die Erden an! ſie lehrt mit tauſend Gruͤnden /
Daß ſie nicht feſte ſteh / und vor Zerruͤttung frey.
M m mBald178Leichen-Gedichte.
Bald bebt vor zittern ihr das innerſte Geweide /
Bald ſchluckt das wilde Meer die ſchoͤnſten Jnſeln ein /
Dort finckt ein hoher Berg / hier waͤchſt in Wellen Seide /
Es werden Doͤrffer auff Neptunus Ruͤcken ſeyn.
So dieſe Coͤrper nun abnehmeu und vergehen /
Die man vor ewig doch in unſern Augen ſchaut:
Wie koͤnnen Koͤnigreich und Laͤnder doch beſtehen /
Die ſo gebrechlich ſeyn / als der / ſo ſie erbaut:
Wer kennet jetzt Corinth und Thebens ſtoltze Mauren?
Wo iſt Numantia? der Kuͤnſte Sitz Athen?
Wo Rom / die Herrſcherin / die immer wolte tauren?
Durch wie viel Tode muſt ihr Glantz nicht untergehn?
Was wil der ſproͤde Thon der Menſch fuͤr Rechnung machen?
Die beſten Redner ſind in Griechenland verſtummt:
Die kluͤgſten Koͤpffe fuͤhrt des Charons ſtiller Nachen /
Schoͤnheiten hat die Hand der Atropos vermummt.
Beherrſchern / ſo der Welt ihr meiſtes Theil beſeſſen /
Hat eine Hand-voll Sand zu ihrem Grab gefehlt /
Und die / ſo hochberuͤhmt / die liegen ietzt vergeſſen /
Daß auch die Nach-Welt nicht mehr ihre Namen zehlt.
Diß predigt uns den Tod mit mehr als hundert Zungen /
Ja unſer eigen Leib legt ſtuͤndlich Zeugnuͤß ab /
Wie allenthalben uns die freye Lufft umbrungen;
So haͤlt von Anbegin uns auch umbringt das Grab.
Und mehr / Geehrter Freund / das Trauren zu erweichen /
So ſtellt ſein Kirchen-Ampt ihm klar Beweißthum fuͤr.
Wir ſetzen unſern Fuß auch in der Kirch auff Leichen:
Der Glocken ihr Gelaͤut rufft: Morgen gilt es dir.
Jtzt wird des Prieſters Mund fuͤr Schwach und Krancke beten /
Drauff kommt ein naher Freund / und bitts Begraͤbnuͤß aus:
Wir werden kaum zuruͤck von dem Verſcharrten treten /
So gruͤſt ein anderer umb gleichen Dienſt ſein Hauß.
So gar hat ihm der Tod fuͤr Augen wollen ſchweben /
Damit ſein Chriſtenthum durch die Gedult geſchmuͤckt;
Sich GOttes Willen nun kan willig untergeben /
Da ihm die Liebſte wird von ſeiner Seit entruͤckt.
Zwar179Leichen-Gedichte.
Zwar / diß vernein ich nicht / daß Myrrhen-bitter Schmertzen
Beaͤngſtigen den Geiſt / nun ihm ſein Schatz entfaͤllt:
Daß wenn der Tod zertrennt zwey gleich geſinnte Hertzen /
Dadurch die laͤngre Luſt zu leben wird vergaͤllt.
Jedoch / wenn er bedenckt / daß ſie hat muͤſſen ſterben /
Daß unſer Leben Wind / Dampff / Waſſer / Graß und Heu /
Daß weil wir lebend ſeyn / der Leib muß ſchon verderben /
Und jede Stunde was ſchlaͤgt an dem Bau entzwey /
Ja daß ſie numehr ruht und ſchlaͤfft in ihrer Kammer /
Jſt fuͤr viel Ungeluͤck und Truͤbſal weggerafft:
So wird der edle Tauſch was mindern ſeinen Jammer
Und der Verblichnen Ruhm ihm geben Troſt und Krafft.
Es war die Gottesfurcht ihr gleichſam angebohren /
Als die aus Heſſens Stamm / des theuren Mannes kam /
Und was ſonſt Frauen ziert zum Kleinod ihr erkohren
Ein gantzes Tugend Chor / Witz / Demuth / Zucht und Scham.
Die ungefaͤrbte Treu / das embſige Bemuͤhen /
Fuͤr ſeines Hauſes Heil ruͤhmt noch gemeine Stadt:
Die Soͤhne / ſo er ſiht des Stammes Saͤulen bluͤhen /
Sind ſtatt der Mutter jetzt im Kummer Troſt und Rath.
Wer ſo / wie ſie gelebt / der faͤhrt mit Luſt von hinnen
Und laͤſt das Suͤnden-Hauß / den Leib / den Kercker ſtehn /
Kan durch den kurtzen Tod den Himmel ihm gewinnen
Und in des Vatern Reich mit Sieges-Kronen gehn.
Man ſol der Frommen Tod gluͤckwuͤnſchende begleiten /
Als der den Jammer endt / der Freuden Anfang macht.
Sie haben obgeſiegt / wir liegen noch im ſtreiten /
Sie ſchmuͤckt der Klarheit Glantz / uns deckt Egyptens Nacht.
Jch weiß / Geehrter Freund / er wird ſein Leid beſtillen /
Der Vater alles Troſts ſteh ihm genaͤdig bey /
Und woll ihn durch und durch mit Krafft und Heil erfuͤllen /
Daß er noch lange Zeit der Kirchen Vater ſey /
Und ruͤhmlich / wie bißher / gemeinem beſten diene.
Die ſpaͤte Nach-Welt nennt darvor ſich Schuldnerin.
Vernuͤnfft’ger Leute Ruhm bleibt nach dem Tode gruͤne /
Wenn man die andern ſonſt vergeſſen traͤgt dahin.
M m m 2Uber180Leichen-Gedichte.
Uber dem fruͤhzeitigen Abſterben Hn. G. T. juͤngſten Toͤchterleins 24. Ju - nii 1674.
ER hofft / Hochwerther Freund / ein Lied von meinen Haͤnden /
Das ſeine Thraͤnen ſtillt / und ſeinen Schmertz beſiegt:
Zwar wie bereit ich bin was troͤſtliches zu ſenden /
So glaub er / Muth und Geiſt und alle Krafft erliegt.
Wer kan / wenn auffder See / Well / Sturm und Wetter krachen /
Und nun der Untergang fuͤr aller Augen ſchwebt /
Dem Nachbar / der beſtuͤrtzt / ein froͤlich Hertze machen /
Jndem er Schreckens voll kaum ſelbſt weiß ob er lebt.
Bey hellem Sonnenſchein / und gutem Zuſtand ſingen /
Und wenn der Weſt-Wind weht / die Segel ſpannen auff /
Das iſt ein Werck voll Luſt; bey Schiffbruch Lieder bringen /
Jſt wider die Natur / und der Gewohnheit Lauff.
Es raucht die Aſche noch von meines Sohnes Leiche /
Geſchweige wie mich hat die Kranckheit zugericht:
Wo ich nun / Werther Freund / nicht meinen Zweck erreiche /
So denck er: wer ſtets kranck / der ſchreibt kein gut Gedicht.
Doch wie bey meinem Schmertz er ließ ſein Beyleid ſpuͤren /
So locket gleiche Pflicht itzt meine Thraͤnen aus.
Wolan! er folge mir: wo ich ihn hin wil fuͤhren /
Jſt ſonſt kein ander Ort als nur ſein Garten-Haus.
Er hat mit Luſt geſehn wie bey den Sommer-Tagen
Der Chloris bundte Zucht ſich hundertfaͤrbig weiſt /
Jn welcher Herrligkeit den hohen Purpur tragen
Die Roſen / derer Kleid gleich goͤldnen Sternen gleiſt.
Es hat ſein Hertz erfreut / wenn aus dem Scharlach-Bette
Aurora ſich gemacht / und ihrer Perlen Naß
Den Blaͤttern auffgepfropfft / wenn gleichſam in die Wette
Ein ied als Koͤnigin auff ihrem Throne ſaß.
Die ſtand in voller Knoſp als wie bewacht / verſchloſſen /
Ein andre breite ſchon den rothen Mantel aus /
Die hing / als wie gebadt / von Morgen-Thau begoſſen /
Und jener praͤchtig Haupt ſtieg an der Sternen Haus.
So viel nun Liebligkeit und ſuͤſſe Zimmet-Winde
Der Roſen fruchtbar Stock ihm reichlich hat gewehrt /
So181Leichen-Gedichte.
So wuſt er doch dabey daß Blume / Stock und Rinde
Des heiſſen Sommers Gluth im Mittag offt verheert.
Die ſtirbt in der Geburt eh ſie die Sonn erblicket /
Ein andre wenn ſie kaum die gruͤnen Windeln bricht /
Die hat ein ſcharffer Wind / wenn ſie ſchon voll / zerknicket /
Die wirfft die Blaͤtter weg / wenn ſie die Sonne ſticht.
Viel hat ein gifftig Wurm in ſchoͤnſter Pracht zernaget /
Viel ſtarcker Regen-Guß zur Faͤulniß eingeweicht:
Und wer in kurtzer Zeit nach vollen Roſen fraget /
Erfaͤhret / wie ein Tag ſie mahlt / erhoͤht / und bleicht.
Diß nimmt er taͤglich wahr / Mein Freund / in ſeinem Garten /
Nichts anders geht es zu im Garten ſeiner Eh;
Da er zwar Blumen ſieht von beſter Tugend Arten
Und doch nicht ſicher iſt vor Untergang und Weh.
Es hat die Roſen-Zeit Roſina zwar erlebet /
Und biß ins dritte Jahr ihm Troſt und Hoffnung bracht;
Nun ſich des Todes Sturm im Augenblick erhebet /
So ſieht er ſeine Blum verwelcket und verſchmacht.
Welch Blumen-Freund ſieht gern die ſchoͤnſten Blumen ſterben?
Und ſolten Eltern denn bey Kindern ſteinern ſeyn?
Ach Kinder pflegen nur die Schmertzen zu erherben!
Und was von Hertzen kommt / das nim̃t das Hertz auch ein.
Man kan die Menſchligkeit den Heiden nicht benehmen /
Wenn ſie der Kinder Tod ſo bitterlich beklagt:
Jndem ſie ihren Geiſt von ihnen ſolten nehmen /
Und dieſen letzten Dienſt der ſchnelle Tod verſagt.
Wiewol das Chriſtenthum zeigt uns gantz andre Wege;
Wir wiſſen daß / was bluͤht / auch wieder muß vergehn /
Daß GOttes Geiſt das Fleiſch / wie Heu darnieder lege /
Wie Blumen / die geſchmuͤckt auff gruͤnen Wieſen ſtehn.
Der Blumen Fluͤchtigkeit entwirfft des Lebens Enge /
Und ihr gemahlt Gewand die menſchliche Geſtalt /
Jhr Wachsthum in dem Lentz der Menſchen groſſe Menge /
Jhr ſchneller Untergang / daß wir bald bleich und kalt.
Diß iſt einſtarcker Grund / daß ihr als Eltern ſchlieſſen
Bey euren Schmertzen koͤnnt: GOtt hat ſie hochgeliebt.
Denn was vollkommen iſt / wird zeitlich weggeriſſen /
Eh es die boͤſe Welt mit ſeinem Gifft betruͤbt.
So viel ſcheint unſerm Fleiſch und Blute nur zu wieder /
Daß itzt des Vaters Troſt / der Mutter Hoffnung faͤllt;
M m m 3Daß182Leichen-Gedichte.
Daß die Behaͤgligkeit / der zarte Schnee der Glieder
Muß in dem ſchwartzen Grab ſeyn Wuͤrmern zugeſellt.
Allein / wenn ihr erwegt die Noth / der ſie entgangen /
Die Truͤbſal / ſo uns ſtets biß zu der Erden beugt /
Hingegen auch betracht das hocherlauchte Prangen /
Jn welchem euer Kind die Sternen uͤberſteigt:
So werdet ihr gewiß die heiſſen Schmertzen ſtillen /
Denn eure Roſilis bluͤht itzt im Paradieß /
Liegt in des Lammes Schoß / geneuſt der Freuden Fuͤllen /
Und lacht großmuͤthig aus des herben Todes Biß.
Es ruͤhme / wer da wil / ein hochbe-Jahrtes Leben /
Wohl dem der aus der Wieg ins Him̃els Wohnung faͤhrt.
Der Lohn / den uns die Welt / die ſchnoͤde / pflegt zu geben /
Jſt immer neues Leid / das Seel und Geiſt verzehrt.
Laſt / Werthſte Eltern / laſt euch GOttes Schluß belieben /
Der von dem Roſen-Stock die kleinſte nimmt hinweg /
Die ſo er hertzlich meint / die pflegt er zu betruͤben /
Und unter Creutz und Angſt iſt Liebe doch ſein Zweck.
Die letzte Reiſe Hn. W. G. den 6. Septembr. 1674.
JSt diß die letzte Fahrt von allen deinen Reiſen?
Und ſchleuſt du auch zugleich mit der die Augen zu?
So muͤſſen / Seeliger / wir dich begluͤcket preiſen /
Den ſo ein ſanffter Tod fuͤhrt zu der langen Ruh.
Es hat noch nicht viermal das Silber ihrer Wangen
Der Naͤchte Koͤnigin / die Cynthia / entdecket /
Als dein geliebter Sohn den Weg vorangegangen /
Und ihn der Parcen Hand hat in den Sarg geſtreckt.
Die Muſen klagten ſelbſt / daß ihres Lentzens Blume
So zeitlich untergieng. Apollo ſprach: Mein Sohn /
Der mir im Pleiß-Athen gelebt zu ſonderm Ruhme /
Muß / ach zu ſtrenger Schluß des Himmels! nur davon.
Der Abzug / Seeliger / ſtieg dir ſo tieff zu Hertzen /
Daß nie kein froͤlich Tag dich ferner angeblickt.
Der klaͤgliche Verluſt / die blaſſen Todes-Kertzen
Die haben neues Leid dir ſtuͤndlich zugeſchickt:
So / daß die Wanderſchafft des Lebens dir recht bitter /
Das groſſe Rund der Welt wie eine Wuͤſte ſchien:
Von183Leichen-Gedichte.
Von oben ſchwaͤrtzet ſie ein ſchreckliches Gewitter /
Und unten ſihet man nur Dorn und Diſteln bluͤhn.
Noch dennoch muͤſſen wir diß Thraͤnen-Thal durchreiſen /
Wo bald ein tieffer Schlund uns in den Abgrund ſtuͤrtzt /
Bald auff der Seite laurt ein moͤrderiſches Eiſen /
Bald die vergiffte Lufft das Leben uns verkuͤrtzt.
Und diß entſpringt daher: Wir ſind nur frembd auff Erden /
Das Leben iſt geliehn / hier iſt kein ewig Hauß;
Wir muͤſſen Gaͤſten gleich in einer Herbrig werden /
Die heute ziehen ein und morgen wieder aus.
Ach! unſre Jahre ſind doch nur ein ſtetes Wallen /
Wir lauffen in der Welt wie einem Labyrinth /
Biß daß wir Lebens-ſatt ermuͤdet niederfallen /
Und der gequaͤlte Leib zuletzt noch Ruhe findt.
Wie fruͤh ein Reiſemann ſich auffden Weg begiebet /
Des Tages Hitz ertraͤgt / und ſehnt ſich nach der Nacht:
So ſeufftzen gleichfalls wir / durchs Creutzes Gluth geuͤbet /
Daß doch ein ſeelig Tod den Feyrabend macht.
Nun dieſe ſuͤſſe Raſt / das ungeſtoͤrte Schlaffen
Haſt du / verblaßter Freund / vollkommen itzt erreicht:
Es ſchreckt dich weiter nicht noch Liſt / noch Feindes Waffen /
Und was ſonſt fuͤr Gefahr die Reiſenden beſtreicht.
Wir irren hin und her in fluͤchtigen Gedancken /
Da dich die Sicherheit mit ihren Fluͤgeln deckt:
Wir muͤſſen uns offt ſelbſt mit unſerm Gluͤcke zancken /
Den tollen Wuͤnſchen iſt noch Ziel noch Maß geſteckt.
Unſeelige Begier! das Reiſen in die ferne /
Das Kreutzen durch die See / das Fahren auff dem Land /
Gewehrt uns neue Lufft / und weiſt uns frembde Sterne /
Jndeſſen aber ſeyn wir uns nicht ſelbſt bekand.
Es ſuch ein Geitziger die Gold - und Silber-Kuchen /
Und fiſch umb Goa-Strand die runden Perlen aus /
Beym Abſchied wird er ſich und ſeine Muͤh verfluchen /
Der allenthalben war / iſt nirgends da zu Hauß.
Es mag noch eine Welt Columbus Witz entdecken:
Es ſuche Magellan mehr Straſſen in der See:
Der Menſchen Geld-Durſt laͤßt ſich keinen Abgrund ſchrecken
Daß er durch Gluth und Fluth nicht unerſchrocken geh.
Ein kluger Wanderer wird niemals ſich verweilen /
Jhn haͤlt kein praͤchtig Schloß und ſchoͤner Garten auf;
M m m 4Das184Leichen-Gedichte.
Das vorgeſetzte Ziel heiſt ihn begierig eilen /
Er weiß daß Ruh und Luſt kroͤnt den vollbrachten Lauf.
Ach waͤren wir ſo klug / und blieben hier nicht kleben!
Die Fluͤgel der Vernunfft hemmt ſchnoͤder Wolluſt Leim /
Daß ſie zu ihrem GOtt ſich ſelten recht erheben /
Die Eitelkeit der Welt bleibt nur ihr Honigſeim.
Verkehrte Reiſeude! die Laſter Tugend heiſſen
Und vor die Panace erkieſen das Napell.
Wer liebet nicht den Grund vor angeſtrichnes gleiſſen?
Ja wer verwechſelt doch den Himmel umb die Hoͤll?
Und nach was reiſen wir? nach Schaͤtzen die vermodern /
Nach Sitten / die nur offt verſtellen Seel und Geiſt.
Nach Guͤtern / die von uns genaue Rechnung fodern /
Und derer Herrligkeit als wie ein Kleid zerſchleuſt.
Nein dieſes Reiſen heiſt uns ſtets zu Felde liegen /
Und der Begierden Heer zum Kampff-Platz fuͤhren an:
Wer ihm denckt dermaleins die Sieges-Cron zu kriegen /
Der mache ſich geſchickt zur letzten Reiſe-Bahn.
Die haſt du Seeliger / nun wol bereits betreten /
Du legeſt Ehren voll itzt deinen Handel ein.
Wie ſonſt von Reiſenden beweglich wird gebeten /
Daß ihr Gedaͤchtnuͤß nicht vergeſſen moͤchte ſeyn:
So ſoll auch unter uns dein ehrlich Ruhm nicht ſterben /
Der theils in Kindern lebt / theils deine Baare ziert.
Wer eyfrig GOtt gedient / und laͤſt der Nachwelt Erben /
Verſichert / daß er ihm ein Ehren-Mahl aufffuͤhrt.
Den Deinen ſcheint es fruͤh / daß du numehr erblaſſet /
Und alter Buͤrger tod iſt billich klagens werth /
Weil Treu und Redligkeit ihr Lebens Ziel umbfaſſet /
Die itzund Wildpret heiſt / und ſchier von hinnen faͤhrt.
Doch dir iſt wol geſchehn. Rom hat den Krantz von Eichen
Dem / der gemeinem Heil gedienet / auffgeſetzt:
Dir / Seeliger / gebuͤhrt dergleichen Ehren-Zeichen /
Als der gemeinen Nutz ſein hoͤchſtes Gut geſchaͤtzt.
Es hofft ein Reiſender die jenen einſt zu ſchauen /
Von denen er betruͤbt den letzten Abſchied nimmt:
Auch du wirſt wieder ſehn Freund / Enckel / Kinder / Frauen /
Jn derer Hertzen noch die Liebes-Flamme gimmt.
Man pflegt abweſender Gutthaten ſtets zu preiſen:
Es ruͤhmt dein gantzes Hauß / wie du ſo treu gewacht.
Drey -185Leichen-Gedichte.
Dreymal begluͤckter Greiß! den ſo ein ſeelig Reiſen
Jtzt in Jeruſalem zum Himmels-Buͤrger macht.
Elende Sterdlichen! wenn ihr die Welt durchzogen /
Und das gevierdte Rund vorwitzig angeſchaut /
So hat euch Eitelkeit und Ruhmſucht doch betrogen /
Wo endlich euch noch ſelbſt vor eurer Hinfahrt graut.
Der Schau-Platz dieſer Welt verbleibt ein Traur Geruͤſte
Wo auf - und Untergang einander ſind verwand:
Wir arme Pilgramer / wir wandeln in der Wuͤſte:
Biß uns der letzte Zug fuͤhrt ins gelobte Land.
Blumen / Womit Hn. E. D. J. U. C. Grabe beſtreuet / den 14. Octobr. 1674.
ES ſollen umb dein Grab die ſchoͤnſten Blumen bluͤhen /
Zu fruͤh erblaſter Freund / du Blume deiner Zeit;
Die Flora will den Ort mit einem Lentz umbziehen /
Der alle Schaͤtze traͤgt geprießner Liebligkeit.
Es wird die Roſe ſich hier hundert-blaͤttrig zeigen /
Mitleidig / daß ſie dich / der Jugend Roſe / deckt:
Die Lilg ihr Silber-Haupt betrubt zur Erde neigen /
Der ſchoͤne Hyacinth mit Thraͤnen ſtehn befleckt:
Die Kinder der Natur / wie ingeſambt ſie heiſſen /
Der Gaͤrten hoͤchſter Schmuck / deß Zephirs ſuͤſſe Zucht /
Sieht man auß groſſem Leid ihr Sternen-Kleid zerreiſſen /
Und wie nur duͤrres Laub zu Klage wird geſucht.
Ja dieſes nicht allein! ich ſeh die Parnaſſinnen
Verſchweſtert um dein Grab / O Seel’ger Dreyſchuch / ſtehn
Jch ſeh’den Fuͤrſten ſelbſt der hohen Pindus-Zinnen
Jn tieffen Flor verkappt bey deiner Leiche gehn.
Was mehr? Jch hoͤr auch noch die Zucker-ſuͤſſen Lieder
Den Stimmen-reichen Klang / wie ſie dich ſegnen ein.
Wo mein zerbrechlich Kiel als Echo was giebt wieder /
So koͤnnens ohngefehr dergleichen Seufftzer ſeyn:
Hoͤchſt-ſchmertzlicher Verluſt / ihr Schweſtern / den wir leiden!
Wird unſer Helicon mit Todten auch entweiht?
Soll unſer Wiſſenſchafft der Parcen Urtheil leiden?
Jſt unſer kluger Witz vom Sterben nicht befreyt?
M m m 5So186Leichen-Gedichte.
So pflantzen wir umbſonſt die keuſchen Lorbeer-Baͤume?
So kront ein gruͤner Krantz vergebens unſre Haar?
Und die Unſterbligkeit iſt fluͤchtiger als Traͤume.
Was baut uns dann die Welt viel Tempel und Altar?
Wir ſehen ja fuͤr uns den Jenigen entgeiſtert /
Der unſre Augen-Luſt und Hertzens-Wonne hieß /
Den in den Kuͤnſten wir ruhmſeelig außgemeiſtert /
Und der auch allbereit die reiffen Fruͤchte wieß.
Man klagt die Baͤume nicht / die mit verlebten Aeſten /
Und Wurtzeln ſonder Safft zu letzte gehen ein:
Alleine wenn ein Sturm bricht / und zerreiſt die beſten /
So muß ja der Verluſt mehr als empſindlich ſeyn.
Wir hofften dieſer Baum / den Breßlau erſt geſetzet /
Geheiligt unſerm Wald / und ſorgſam ſtets bedacht /
Den Franckfurts hohe Schul mit Nectar hat benetzet /
Und auch das Saal-Athen zu groͤſſern Wachsthum bracht;
Er ſolte dermaleins gewuͤnſchte Schatten geben /
Mit Fruͤchten beſter Art das Vaterland erfreun.
Ach ja! ſo muß im Flor und Geiſter-vollem Leben /
Man Bluͤthe / Frucht und Baum verdorret ſcharren ein.
Dich / Dreyſchuch / klagen wir / und werden ewig klagen /
Dich / Luſt der Gratien / dich Kleinod unſrer Zier!
Die Gaben / ſo zugleich mit dir ſind hingetragen /
Graͤbt noch Mnemoſyne zum Denckmal in Saphir.
Dich hatte die Natur holdſelig außgeſchmuͤcket /
Des Leibes Hurtigkeit kam ſtets den Sinnen gleich /
So war die Gottesfurcht dir in das Hertz gedruͤcket /
Du lebteſt voller Muth fuͤr keiner Muͤhe bleich.
Wie eyfrig haſt du nicht uns Tag und Nacht geehret
Mit was vor Embſigkeit erſtiegen unſern Berg?
Apollo der gar offt dein Fragen angehoͤret /
Hieß da ſchon ſolchen Fleiß ein ungemeines Werck;
Biß dich Aſtraͤa gar zu ihrem Sohn erkohren /
Und der Geſetze Kern dir aufgeſchloſſen hat.
Es gieng kein Augenblick der Zeit dir da verlohren /
Dich fand die Nacht bey ihr und auch das Sonnen-Rad.
Wenn unſer Muſen-Volck auff des Parnaſſus-Hoͤhen /
Die Opfer uͤberbracht / muſt du der erſte ſeyn.
Gleich wie ein edel Pferd / das / ſieht es andre gehen /
Auß voller Hitz und Brunſt wird ſchnauben / wiehern / ſchrein /
So187Leichen-Gedichte.
So gar bemuͤhſt du dich die Krone zu erreichen /
Und hatteſt dir den Ruhm zum Endzweck vorgeſetzt.
Was haſt du itzt davon? nichts mehr als andre Leichen /
Die durch die Wuͤrge-Hand deß Todes abgemetzt.
Doch iſt ein Unterſcheid: Gelehrte Leute leben
Wenn gleich der Uberzug deß Leibes ſchleuſt und bricht /
Jhr Nachruhm kan ſie ſchon bey aller Welt erheben /
Jhr eigne Tugend iſt ein Strahlen-reiches Licht.
Die / viel zu wiſſen / hier ſich gleichſam wie vergraben /
Ziehn / wenn ſie eingeſcharrt / erſt durch der Klugen Mund.
Diß iſt das Eigenthumb ſo Phoͤbus Toͤchter haben /
Daß wir der Unſrigen Gedaͤchtnuͤß machen kund.
Du werthſter Dreyſchuch du ſolt immer ſeyn geprieſen
So lange Sonn und Mond in ihrem Zirckel gehn:
So lange Chloris Hand bebluͤhmt die gruͤnen Wieſen
Und unverwelckte Baͤum im Lorbeer-Walde ſtehn.
Auch unſre Caſtalis laͤſt ihre Baͤche rinnen /
Verkehrt ihr Spiegel-Glaß in einen Thraͤn-Cryſtall.
Die Lieder / die wir itzt auß Traurigkeit beginnen /
Die klingen dir zu Ruhm / Apollens Nachtigall!
Was nur Parnaſſus kan von Blumen Schmuck gewehren /
Streun wir mit Uberfluß / Geliebter / auf dein Grab:
Ja Blumen nicht allein: auch Seufftzer / Wuͤnſche / Zehren /
Die legen wir zugleich / ein ſchuldig Opffer / ab.
Und ſo viel leiſten wir. Was thun die Charitinnen?
Sie trauren / daß ſie ſind der Froͤhligkeit beraubt /
Deß herꝛlichen Gemuͤths / der Sitten dieſer Sinnen /
Und haben ſich auß harm in Schleyer eingehaubt.
Sie pflantzen auf die Grufft die gruͤnen Amaranthen /
Und geben einen Schnee von der Jeſminen Strauch:
Hier nutzt kein ewig Licht / was ſonſt die Heyden brandten /
Noch deß Egypten-Lands Abgoͤttiſcher Gebrauch.
Es kaͤmpfft der Roſmarin / deß Saffrans Gold / Narziſſen /
Und was ſonſt ins gemein die Graͤber bluͤhen heiſt /
So einen ſchoͤnen Kreiß umb dieſe Grufft zu ſchlieſſen /
Den auch nicht zierlicher des Zeuxis Pinſel reiſt.
Diß war / wo ich nicht irꝛ / und bin auß mir geruͤcket /
Der Muſen Leichen-Dienſt / und ſchuldig-treue Pflicht.
Hergegen wo mein Aug itzt / Eltern / ſie erblicket
So kenn ich wol den Schlag der Seel und Hertze bricht.
Unmoͤg -188Leichen-Gedichte.
Unmoͤglich iſts die Wund auf einmal zuzuheilen /
Wenn ſchon der Theophraſt das Pflaſter ſelbſt erdacht:
Jch bringe meinen Troſt in dieſe kurtze Zeilen /
Die ſonſt zum Leichenſpruch die Andacht hat gemacht:
GOtt hat von Ewigkeit den lieben Sohn geliebet /
Und hat ihn je und je mit lauter Guͤt erfreut /
So daß er vor die Welt deß Himmels Schatz ihm giebet /
Und legt ihn fuͤr Gefahr gar fruͤh an ſeine Seit.
Ach unvergleichlich Troſt! ehrt / Eltern / Gottes Willen:
Er kennt die Seinigen / und bringt ſie zu der Ruh:
Und endlich / eure Fluth der Thraͤnen was zu ſtillen /
Rufft noch der Muſen-Volck die ſuͤſſen Worte zu:
Hier ruht deß Phoͤbus Sohn / die Blume ſchoͤnſter Jugend /
Der Gratien ihr Hertz / der Themis Zuverſicht /
Sein Leben fuͤhrte ſelbſt die eigne Hand der Tngend
Sein Grab kroͤnt Ehrenpreiß / und auch Vergiß mein nicht:
Klagende Gratien / Uber dem Abſterben Fr. M. v. G. g. K. den 4. Novembr. 1674. Sonnet An den hochbetruͤbten Herrn Wittiber.
WEr ſchilt / hochwerther Freund / die Wehmuths - vollen Zaͤhren /
Womit er noch das Grab der Treu-geliebten netzt?
Hat die Euridice der Orpheus werth geſchaͤtzt /
Daß er von Goͤttern darff nur dieſen Wunſch begehren;
Sie ſolten ihm das Bild der Liebſten noch gewehren /
Und ob ſie allbereit in Plutons Reich verſetzt:
So ehrt er die mit recht / die ihn ſo hoch ergetzt /
Wenn er der blaſſen Leich auch will die Pflicht erklaͤren.
Ob ihre Klugheit zwar und himmliſcher Verſtand
Sie auff der Erden noch erhoben zu den Goͤttern /
Ob ihre Lieb und Treu in ſeinem Hertzen ſtrahlt /
Und ihre Tugend ſie in ſeiner Seel abmahlt;
So leſ er doch / wenn ſich der Schmertzen was gewand /
Das Lied der Gratien auf dieſen Trauer-Blaͤttern.
Die189Leichen-Gedichte.
DJe Blumen-Koͤnigin die Flora ſaß betruͤbet /
Der Garten ihrer Luſt ſchien eine Wuͤſteney /
Die Blumen / die ſie vor als ihre Zucht geliebet /
Trat der beſtuͤrtzte Fuß als Unmuth faſt entzwey.
Was / rief ſie / muͤh ich mich mein Koͤnigreich zu mehren?
Nun mir der kalte Nord den beſten Schmuck geraubt:
Nun Regen / Wind nnd Lufft die Pflantzen mir verſehren /
Und hart-gefrorner Reiff ſtuͤrmt auff mein goͤlden Haupt.
Jch ſeh der Nelcken-Kleid / das wol auf hundert Arten
Bald voller Feuer glamm / bald voller Schnee erſchlen /
Bald bund / bald ſtriemig war zum Wunderwerck im Garten /
Jtzt wie ein altes Tuch ſich in die Falten ziehn:
Mein Amar anth verbleicht / die Liebſten Anemonen
Sind fluͤchtig / es ver geht der Tuberoſen Pracht /
Jch Aermſte mag nicht mehr in meinem Luſt-Haus wohnen /
Es ſey mein Aufenthalt dort jener Hoͤle Nacht.
Da ſoll ein Buchsbaum mir zum Luſt-Gefilde dienen /
Und ein Cypreſſenſtr auch / den man ſonſt Graͤbern ſchenckt /
Da ſoll zu Ehren mir die blaſſe Wermut gruͤnen.
Der Himmel weiß allein / was meine Seele kraͤnckt!
Drauff eilte ſie verwirrt zu der erkohrnen Hecken /
Und ſuchte Ranm und Ruh in tieffſter Einſamkeit.
Allein die Hoͤle / ſo die Flora ſoll bedecken
Hat durch ein Traur-Geſicht verdoppelt Harm und Leid.
Sie merckt da einen Sarch / umb den viel Ampeln brennen /
Und hoͤrt ein klaͤglich Ach! ziehn durch die ſtille Lufft:
Ja wie die Schatten ihr auch geben zu erkennen /
Verſpuͤrt ſie / daß ein Volck der Goͤtter ſeufftzt und rufft.
Der Anblick macht ſie kuͤhn zu forſchen das Beginnen /
Und die Erkaͤntnuͤß macht ſie von dem Zweiffel ſrey.
Es redt ihr traurig zu die Mutter der Holdinnen
Eunomie / und ſagt was ihre Pflicht hier ſey:
Wie durch deß Himmels-Schluß / und unerforſchten Willen /
Die edle Gutsmuthſin / der Tugend wahre Zier /
Der Freundligkeiten Bild / die Grube muͤſſen fuͤllen /
Wie ſie als Gratien abſtatten die Gebuͤhr.
Und / ſprach Eunomie: Wilt du noch weiter wiſſen /
Warumb der Leichen-Dienſt uns Vieren auffgelegt?
Der Frauen / die wir itzt Wehklagende vermiſſen /
War unſer Contrafey in Seel und Geiſt gepraͤgt.
Und190Leichen-Gedichte.
Und ob mein himmliſch Leib Goͤttinnen nur getragen
Und die Vollkommenheit auf meine Toͤchter ſtammt /
Jſt doch die Seelige ſo zart uns nachgeſchlagen /
Daß faſt ein gleicher Witz auß ihrer Bruſt geflammt.
Jſt als die Richterin der angebohrnen Sitten
Hab in der Kindheit Wachs der Tugend Gold gedruͤckt /
Und als ſie in dem May der Jahre fort geſchritten /
Hat meiner Toͤchter Gunſt und Liebe ſie begluͤckt.
Was meine Gratien vor Anmuth bey ſich haben /
Die Frauen-Zimmer hier auf Erden Engliſch macht /
Tieffſinnigen Verſtand / Zucht / Klugheit / andre Gaben
Schien wie in einem Ring bey ihr zuſammen bracht.
Man ſagt / die Pallas ſey aus Jovis Hirn entſproſſen:
Jn unſer Gutsmuthſin bluͤth noch deß Vatern Geiſt.
Wie der war mit dem Quell der Caſtalis begoſſen /
Wie die Beredſamkeit die ſpaͤte Nachwelt preiſt /
So hatt ihr feurig Sinn dergleichen Zug bekommen /
Der von geſtirnter Hoͤh nur edle Seelen ruͤhrt.
Nun dieſes Tugend-Licht / ach leider! iſt verglommen.
Jch thraͤne / daß der Tod ſo einen Schatz entfuͤhrt.
Der Schmertz hemmt meinen Mund: Geſpielen ihrer Jugend /
Holdſeel’ge Gratien erhebt den ſchoͤnen Ruhm:
Ehrt / wie ihr wißt und koͤnnt auch in dem Sarch die Tugend
Denn ihre Herꝛligkeit hat Lob zum Eigenthum.
Ach rieff Euphroſine! Ach Mutter holder Sitten!
Nun unſre Freundin tod / ſo ſind wir mit erblaſt.
Ach daß die Parcen uns den Faden abgeſchnitten
Eh uns Verſchweſterten ſtirbt ſo ein werther Gaſt!
Es hat mir die Natur die Anmuth angebohren /
Daß Luſt und Freundligkeit auf meinen Wangen ſpielt;
Daß bey mir Zucht und Scham die Hofeſtadt erkohren;
Auch unſre Gutsmuthſin hat gleichen Zweck erzielt.
Es kan die Roſe nicht im Fruͤhling ſchoͤner glaͤntzen /
Und keine Lilie zieht weiſſern Atlas an /
Als ihre Jugend ſich wies in der Jahre Lentzen /
So daß ihr Liebſter ſie vor allen lieb gewan.
Penelope mag viel von ihrer Keuſchheit ſagen /
Creuſa in die Flucht mit dem Aeneas gehn:
Mit mehr Ergoͤtzligkeit / und freundlicherm Behagen
Sah man ſie treu vermaͤhlt bey ihrem Eh-Schatz ſtehn.
So191Leichen-Gedichte.
So gar / daß Beyder Hertz und Mund-Art war vereinet /
Der Sprache Reinligkeit ſo rein als Meiſſens fiel.
Verdenckt mich nun der Neid / wenn itzt mein Auge weinet /
Und wo der Todes-Fall verſtimmt mein Floͤten-Spiel?
Doch / Freundin / dieſen Schleyr benetzt mit heiſſen Zaͤhren /
Und denn ein traurig Weh ſo meine Floͤth erthoͤnt /
Will ich dir / Meiſteriu / aus Lieb und Pflicht gewaͤhren /
Es ſey mit dem Jeſmin zuletzt dein Grab bekroͤhnt.
Jch liefre dir ihn weiß / ein Bild der reinen Sinnen /
Ein Bild der reinen Treu / und unbefleckten Gunſt /
Womit dein Ruhm ſich ſchwingt biß an des Himmels Zinnen /
Und legt dir Zengnuͤß ab von Witz / Verſtand und Kunſt.
Aglaja unterbrach mit kurtzgefaßten Worten
Den Nach ruff halb entzuͤckt. Wie / Schweſtern / kan es ſeyn?
Der Leib iſt zwar erkalt; ihr Ruhm lebt aller Orten.
Solt ich Saumſeelige zu ſpaͤth mich ſtellen ein?
Nein / der Jeßminen Gold ſoll ihre Grufft noch zieren /
Dieweil ihr goͤldner Mund von lauter Nectar ran.
Und wo Redſeeligkeit die Hertzen kan regieren /
So ſtund es ihr noch mehr als Frauen-Zimmer an?
Jtzt liegſt du nun verſtummt / erquickende Sirene /
Davor manch nettes Lied von deinen Lippen floß.
Doch ſchlaf itzt ungeſtoͤrt / entgeiſterte Camene /
Apollo macht dich ſelbſt mit ſeinen Muſen groß.
Thalia ließ ſie nicht mehr Klage-Worte ſprechen /
Sie ſprach: mein Schmertzen iſt dem Himmel bloß bekand /
Duedle Gutsmuthſin / ich will Jeſminen brechen /
So von den Farben auch ſind Himmelblau genant.
Dieweil du nunmehr haſt der Erden Rund verlaſſen /
Und in des Himmels Sitz itzt deine Laute ſchlaͤgſt /
So kan ich ſchoͤner nicht dir deinen Lob-Spruch faſſen /
Als den du allbereit von klugen Frauentraͤgſt.
Du warſt des Mannes Troſt / des Hauſes Wolfarths-Sonne
Des Gartens ander May / des Gutes Zuverſicht.
Ja ſchrie die Flora drein: Weicht meiner Graͤntze Wonne?
Was Wunder / ſo der Tod mein Garten-Werck zernicht!
Sie rieß ihr fliegend Haar in mehr als tanſend Stuͤcken /
Und ſprach: Mein Koͤnigreich verfaͤllt in Aſch und Grauß.
Wie ſoll nicht Wind und Froſt die Blumen niederdruͤcken
Nun mich nicht mehr beſcheint die Sonne von dem Hauß?
Jch192Leichen-Gedichte.
Jch will / mein tieffes Leid we hmuͤthig zu bezeigen /
Verwandeln meinen Rock in einen Trauer-Schnee:
Nicht eine Blume / die der Thau bethraͤnt / ſoll ſchweigen /
Daß ihr nicht der Verluſt biß an die Wurtzel geh.
Trauer-Ode / Bey Abſterben Fr. E. C. g. R. den 22. Decembr. 1674.
1.
WOhl-Edler Herꝛ / Pirenens Quellen /
Der Hippocrenen Silber-fluth /
Des Pindus Lorber-reiche Stellen /
Der Mufen heil’ge Dichter-gluth /
Apollo ſelbſt / mit Harff und Lauten /
Die wuͤrden ihm zu Dienſte ſtehn /
Wenn unter ſeiner Trauer-Rauten
Parnaſſus Blum-Werck koͤnt aufgehn.
2.
Und ſolten ſie nicht dieſen ehren /
Der laͤngſt zu ihrem hohen Ruhm /
So ſchoͤne Lieder laſſen hoͤren /
Die Pallas nennt ihr Eigenthum?
Der laͤngſt ins Buch der Ewigkeiten
Durch kluges Schreiben ſich gepregt /
Dem opfferten ſie Klang und Seiten.
Ach wuͤrde ſo ſein Leid gelegt!
3.
Allein wenn zwey vermaͤhlte Hertzen
Des Todes eiſern Arm zerbricht.
So wird durch ſo ergrimmte Schmertzen
Faſt Geiſt und Seele hingericht.
Wenn dieſes Buͤndnuͤß muß zergehen
Das unauffloͤßlich ſchien zu ſeyn;
So bleibet auch kein Held nicht ſtehen /
Er laͤſſt ſich Trauren nehmen ein.
4.
Wohl-Edler Herr / er muß ja klagen
Nun bey der Jahre grauem Schnee
Die193Leichen-Gedichte.
Die Liebſte wird dahin getragen;
Nun nach ſo Seegen-voller Eh /
Er ſol in oͤden Einſamkeiten /
Beſchlieſſen ſeines Lebens Reſt.
Schmertz / der die Seele kan beſtreiten /
Und aller Hoffnung Licht ausblaͤſt!
5.
Bevor / wenn er zuruͤck gedencket /
Wie bey verkehrter Laͤuffte Zeit /
Da Krieg und Brand das Land gekraͤncket /
Die Peſt die Menſchen abgemeyt /
Die Theurung alles auffgerieben;
Sie in beſtaͤndigſter Gedult
Des Ehriſtenthumes treu geblieben /
Und ihn erquickt mit Lieb und Huld.
6.
Ja wie ſie auch zwo Stammes-Saͤulen
Begluͤckt gebohren an das Licht /
So von der Parcer Moͤrder-Pfeilen
Jm erſten bluͤh’n zwar hingericht /
Und wie vor zweymahl vieren Jahren
Der ſchoͤnen Tochter Anmuths-May /
Den laͤngſt-erblaſten Leichen-Schaaren /
Wurd ebenfalls geſellet bey.
7.
Da eckelt ihm fort mehr zu leben /
Weil ſeiner Augen Luſt dahin /
Und was ihm konnt Ergetzung geben /
Den Sterbe-Kittel muſt anziehn.
Wenn nicht der Liebſten Troſt und Pflegen /
Der Schmertzen Bitterkeit zertheilt /
Und mit erſeufftztem Himmels-Seegen
Die tieffen Wunden zugeheilt.
8.
Nun aber ſo viel edler Gaben
Der muͤden Jahre beſter Rath /
Jhm wird entzogen und begraben /
Klagt / wer nicht Stahl im Hertzen hat /
Mit ihm / ſein gantz verlaßnes Leben /
Wohl-Edler Herr / daß Einſamkeit
N n nJetzt194Leichen-Gedichte.
Jetzt ſoll ſein Trauer-Hauß umbgeben /
Und aller Troſt faͤllt von der Seit.
9.
Jedoch ihm iſt der Bau der Erden /
Und unſer Hingang wol bekand.
Muß Erd und Himmel Aſche werden /
Was hat denn ewigen Beſtand?
Sein unerſchrocknes Hertz und Sinnen /
Jn Noth und Unfall hoͤchſt bewehrt /
Die werden hier auch ſchlieſſen koͤnnen /
Daß bloß der Tod den Leib verzehrt.
10.
Sein Leid wird auch die Zeit verbinden
Gedult legt alle Schmertzen hin.
So wird er auch im Pindus finden
Was troͤſtet den betruͤbten Sinn:
Er kan mit den gelehrten Buͤchern /
Darauff die Nach-Welt ſehnlich hofft /
Sich eines ſteten Ruhms verſichern /
Und trotzen Libitinens Grufft.
11.
Er hat ſo vielen laͤngſt gegeben
Das Kleinod der Unſterbligkeit.
Und wo nur ewig bleibet leben
Was der Poeten Feder ſchreibt;
So wird er mehr als Orpheus preiſen
Der Abgelebten Tugend-Lauff /
Und / ſeine Liebe zu erweiſen /
Jhr ein Gedaͤchtnuͤß ſetzen auff.
12.
Mnemoſyne und das Geſchwiſter
Der drey-gedritten Muſen-Schaar /
Setzt ihren Ruhm ins Zeit-Regiſter /
Apollo kroͤnt die ſchwartze Bahr
Mit unverwelckten Leid-Cypreſſen /
Und ſetzet dieſes Zeugnuͤß bey /
Daß ihre Tugend nicht vergeſſen /
Noch / wie der Leib / begraben ſey.
Die195Leichen-Gedichte.
Die Hemerocallis oder Lilie von Calvarien Bey Abſterben Hn. J. H. D. z. E. juͤngſten Toͤchterlein den 23. Decembr. 1674.
1.
SEh ich dich auff die Schaͤdel-ſtaͤte /
Du zartes Kind / ſchon hingelegt /
Und wie dein Tauff - und Leich[-]Geraͤthe
Faſt einerley Bedeutung traͤgt!
Das Weſter-Hembde war ein Zeichen /
Daß du numehr von Suͤnden rein;
Die letzte Kleidung deiner Leichen
Wird auch ein gleicher Zeuge ſeyn.
2.
So muß ich dich vor Lilgen halten /
Die auff den Schaͤdel-ſtaͤten ſtehn /
Jn einem Tage bluͤhn und alten /
Und mit der Sonnen untergehn:
Jhr Anmuth ſtraalt im hoͤchſten prangen /
Wenn fruͤh der goͤldne Tag erwacht;
Und Schmuck und Blume ſind vergangen /
So baͤld ſich braͤunt die ſchwartze Nacht.
3.
Doch wie die ſchoͤnen Farben mahlen
Der edlen Blumen Treffligkeit /
So fuͤnckelt mit nicht mindern Stralen /
Verblaſtes Kind / dein Sterbe-Kleid;
Die Lilgen ſind erſt Weis zuſchauen /
Du auch / nachdem das heil’ge Bad
Mit dem geſegneten Bethauen
Von Suͤnden dich gewaſchen hat.
4.
Da biſt du ſchon ein Mit-Glied worden
Des Heilands / der dich hertzlich liebt /
Und vor des Teuffels Liſt und Morden
Sein Erbtheil dir den Himmel giebt /
Ja dich zu GOttes Tempel machet /
Jns Buch des Lebens ſchreibet ein /
N n n 2Daß196Leichen-Gedichte.
Daß wenn gleich Erd und Himmel krachet /
Du kanſt des Himmels Erbin ſeyn.
5.
Es glaͤntzen auch beruͤhmt Lilgen
Jn einer rothen Purpur-Gluth.
Was konte deine Flecken tilgen /
Als CHriſtus roth-vergoßnes Blut?
Durch diß biſt du ſo rein gewaſchen /
Als wol ein unbetretner Schnee.
Diß fuͤhrt dich / nun der Leib iſt Aſchen /
Auch zu der Licht-geſtirnten Hoͤh.
6.
Zuweilen laſſen ſich im Golde
Die Deutungs-volle Lilgen ſehn.
Wer lebt und ſchwebt in GOttes Holde /
Wie wol iſt dieſem doch geſchehn!
Du zartes Kind / GOtt wil dich laͤutern /
Und machen / wie ein Gold bewehrt /
Daß wenn die Welt gleich geht zu ſcheitern /
Dein Leib wird herrlich ſeyn verklaͤhrt.
7.
Der Spanier nennt die Lilgen bitter;
Ach freylich nichts als Bitterkeit /
Und Tage voller Ungewitter
Beſchlieſſen unſre Lebens-Zeit.
Wer wuͤnſcht ihm nicht die Welt zu laſſen /
Den Kaͤrcker aller Angſt und Noth /
Und dort in Salems Frieden-Gaſſen
Zu ſiegen uͤber Zeit und Tod?
8.
Es hat der Hoͤchſte mit den Seinen
Doch allzeit was beſonders fuͤr.
O ſeelig / wer mit ſolchen Kleinen
Eingehen kan zur Lebens-Thuͤr!
Eh ihn die Welt noch mehr beſchmitzet /
Die ſich in lauter Unflat waͤſcht /
Und von dem Ehrgeitz angehitzet /
Den Durſt mit eignem Blute leſcht.
9. Ver -197Leichen-Gedichte.
9.
Verblichnes Kind / du reine Seele /
Verbirg dich in dein Schlaf-Gemach!
Und ruh in deines Grabes-Hoͤle!
Das Ungluͤck ſo uns folget nach /
Das wird dich weiter nicht beruͤhren /
Die Schaͤdel-ſtaͤte ſind befreyt /
Denn JEſus wolte da vollfuͤhren
Das Werck der hohen Seeligkeit.
10.
Betruͤbtſte Eltern / die verſencket
Jetzt in die tieffſte Wehmuth ſeyn /
Bevorauß / wenn ihr Hertz bedencket /
Wie ſie die Dritte buͤſſen ein
Von ihren hochgeliebten Toͤchtern /
Sie goͤnnen dieſer auch die Ruh;
Jndem ſie Engel hat zu Waͤchtern /
Und GOttes Finger deckt ſie zu.
11.
Jch mag nicht von Parnaſſus Hoͤhen
Und Pindus-Huͤgeln Blumen ſtreun.
Man laſſe hin die Heyden gehen /
Uns Chriſten kan es mehr erfreun /
Wenn zu der heil gen Schaͤdel-ſtaͤte
Wir in entflammter Andacht ziehn /
Und als auff einem Blumen-Bette
Noch unſre Lilge ſehen bluͤhn.
12.
Sie bluͤht den Blumen beygeſetzet /
So aus dem Garten eurer Eh
Zu Himmels-Blumen werth geſchaͤtzet
Der Herrſcher der geſtirnten Hoͤh.
Sie iſt verſchweſtert mit den Engeln /
Und kuͤſſet jetzt das Heil der Welt.
Gluͤckſeelge Lilge die von Stengeln
Jn einen ſolchen Reiffthum faͤllt.
N n n 3Stepha -198Leichen-Gedichte.
Stephani Worte: Jch ſehe den Himmel offen / Bey Beerdigung Hn. S. S. d. R. den 26. Decembr. 1674.
JEtzt ſeh ich hoͤchſt erfreut die Schos des Himmels offen /
Und gehe durch mein Grab zu jenem groſſen Licht!
O Gnadenreiche Zeit! o ſeeligſtes Verhoffen!
Jetzt kan ich erſt recht ſehn nun mir mein Auge bricht.
Nun kalter Todes-Schweiß auff meinen Gliedern klebet /
So brennt mein Hertze mehr die Glaubens-Fackel an.
Ob die verzehrte Lung auch kaum mehr Athem hebet /
Fuͤhrt mich doch GOttes Geiſt auf einer guten Bahn.
Verlangte Finſternuͤß du kanſt mich nicht erſchrecken /
Jhr Schatten voller Heil / nehmt hin die Hand-voll Staub /
Der Stern iſt gar nicht ſchwer ſo meinen Leib ſol decken /
Jſt noch was Fleiſch an mir das ſey der Wuͤr mer Raub.
Hier wil ich gantz nicht weg. Aus dieſer engen Hoͤle
Hoff ich ins weite Reich des Himmels einzugehn.
Den Vorſchmack hat ſchon laͤngſt empfunden meine Seele /
Wenn ſehnlich ſie gewuͤnſcht fuͤr GOttes Stuhl zu ſtehn.
Jſts moͤglich daß ſo ſcharff die Sterbenden noch ſehen?
Ja / Glaubens-Augen ſind in letzten Zuͤgen klar.
Verſichert Sterbliche / daß mein unendlich flehen
Nach einem ſanfften Tod vor vielen Jahren war.
Jch konte mich ſo ſehr nicht in die Welt vergaffen /
Daß ich das ewige geſchlagen in den Wind /
Jch wuſte ſchon den Lohn / den ſie pflegt zu verſchaffen /
Daß Diener ihrer Pracht verblendte Thoren ſind.
Und freilich ſehen wir den Schau-Platz dieſer Erden
Mit bloͤdem Angeſicht und tuncklen Augen an.
Sind Gauckler nach der Zeit / verſtellen die Geberden /
Und leben andrer Sinn und Meynung unterthan.
Das allerthoͤrichſte iſt daß wir diß nicht achten /
Was uns zum Untergang den erſten Fallſtrick legt;
Nach Hoheit / Ehre / Stand / und ſolchen Guͤtern trachten /
Auff die die Eitelkeit ihr Bildnuͤß doch gepregt.
Wir199Leichen-Gedichte.
Wir meynen / unſerm Witz ſteh auch der Abgrund offen /
Und den Begier den ſey noch Ziel noch Mas geſteckt.
Und wenn wir nun allhier ein ewig bleiben hoffen /
So kommt der blaſſe Tod der uns in Sarck hinſtreckt.
Bey ſolcher Sicherheit denckt niemand an das ſterben:
Wir hengen Kuͤnſten nach die meiſtens ſchaͤdlich ſeyn:
Wie vielen dient ihr Witz und Wiſſen zum Verderben?
Die Weißheit dieſer Welt iſt ein betruͤglich Schein.
Wir lernen Lufft und See / und Erd und Himmel kennen /
Und machen uns den Tod im Leben nicht bekannt /
So daß wir gantz beſtuͤrtzt den Namen hoͤren nennen /
Und fuͤr dem Kirchhof fliehn als einem Hecken-Land.
Verwirrte Sterblichen! ſchweigt doch von Kuͤnſten ſtille:
Die allerſchoͤnſte Kunſt bleibt ein bereiter Tod.
Der Klugheit Jnbegrieff / der Wiſſenſchafften Fuͤlle
Jſt / wenn die letzte Fahrt gerichtet iſt zu GOtt.
Da heiſt der Weiſen Schul ein Marck voll Narretheyen /
Es ſchweigt Pythagoras / und Plato wird ein Thor;
Da kan nichts heilſames der harte Zeno ſchreyen /
Und Seneca geraͤth zu der verdammten Chor;
Was hilfft uns nun die Welt? was hilfft uns dieſes Tichten /
Das uns zu Wundern hier fuͤr Menſchen hat gemacht?
Was nutzt es daß man ſich laͤſt Ehren-Mahl auffrichten /
Die offt die Nachwelt ſchilt und mehr der Neid verlacht?
Es ſchleuſt den Himmel zu und macht die Hoͤllen offen /
Wo nicht auff beſſern Grund die Sterbe-Kunſt gebaut:
Ach nein! mein Sinn iſt nie in ſolchem Wahn erſoffen /
Jch ſag es frey mir hat ſtets fuͤr der Welt gegraut.
Und ſolt ich nicht die Welt den Suͤnden-Kercker laſſen /
Den Noth-Stall / welcher ſtets hat meinen Leib gekraͤnckt.
Und ſolt ich nicht mit Luſt des Himmels Schloß umbfaſſen?
Das Heil und Seeligkeit auch mir Verblichnen ſchenckt.
Frolocket doch mit mir: Jch ſeh den Himmel offen!
Mein JEſus nimmet mich zum Himmels-Buͤrger an.
Ach goͤnne mir / mein Schatz / den Wechſel / den ich troffen /
Daß ich aus meinem Bett in Himmel ſteigen kan.
Jch ſehe mich ins Buch des Lebens eingeſchrieben /
Welch Schreiber auf der Welt ſchreibt dieſe Vorſchrifft nach:
Dem ich bin treu geweſt / der wil mich ewig lieben /
Und macht mir ietzt mein Grab zu einem Schlaf-Gemach.
N n n 4Hier200Leichen-Gedichte.
Hier ſeh ich meinen Sarg! Sey tauſendmahl gegruͤſſet
Du letzt - und beſtes Hauß / das mein Gebein beſchleuſt;
Jch fuͤhle wie den Kampff des Todes mir verſuͤſſet
Mein Heiland / der ein Fuͤrſt des Lebens iſt und heiſt.
Der Kirchen Andacht ehrt jetzt die hoch-heil’gen Krippen /
Da ich Weihnachten gleich im Himmel halten ſol!
Jch wil mit vollem Mund und Danck-verpflichten Lippen
Ein Halleluja ſchreyn: Der HErr macht alles wol!
Weint doch Geliebte nicht / jetzt hab ich uͤberwunden /
Jhr wallet auff der See / ich lauff in Hafen ein /
Nach hartem Streit und Kampff hab ich die Krone funden /
Die von GOtt beygelegt wird den Gerechten ſeyn.
Stadt / Rathhauß / gute Nacht / ich mag nicht weiter ſorgen /
Des Hoͤchſten Sorge ſchweb ob dem gemeinen Heil;
Und ſeine Guͤt und Treu verneu ſich alle Morgen /
Er wende gnaͤdig ab des Krieges Donner-Keil.
Mein Ehſchatz gute Nacht. Dein Ehre / Treu und Liebe
Ruͤhm ich nochſterbender ſo viel ich ruͤhmen kan /
Du haſts umb mich verdient / daß man ein Lob dir ſchriebe /
Das auch die Nach-Welt zoͤg als ein Exempel an.
Mein eintzig Augen-Troſt / du Aertztin meiner Tage /
Und treue Pflegerin / ſtell jetzt das weinen ein /
Verzehre nicht den Geiſt in Kummer-reicher Klage /
Der Schluß iſt Eiſen-hart: Es muß geſchieden ſeyn!
Es wird dich meine Hand nicht mehr in Garten leiten /
Des Jahres gruͤne Luſt und Blumen anzuſchaun /
Bis du im Paradies mir wieder ſtehſt zur Seiten /
Und GOttes Seegen wird auff unſre Scheitel thaun.
Mit dreymal groͤſſrer Freud wil ich dich da umbfangen /
Als dreymal groſſem Leid ich dich jetzt laſſen muß.
Der Hoͤchſte ſegne dich / mein eintziges Verlangen /
Mein ander Hertz / Ade! Diß iſt der letzte Kuß!
Nun ruh ich / ſtoͤrt mich nicht: Jch ſeh den Himmel offen!
Jn deine Haͤnde / HErr / befehl ich meinen Geiſt /
Der Helden Licht und Troſt / und aller Chriſten hoffen /
HErr JEſu / nimm mich auff und ſey von mir gepreiſt.
Der201Leichen-Gedichte.
Der wehklagende Æſculapius, Bey Beerdigung Hn. H. M. M. D. den 10. Febr. 1675.
JCh ſaß im Alterthum der Graͤber gantz vertiefft /
Diana ſah mir zu und ihre goͤldne Sterne /
Es wieß die letzte Nacht die ſterbende Lucerne;
Jndem ich manchen Stein / und ſeine Schrifft gepruͤſt /
Befand ich daß der Menſch noch durch Gedaͤchtnuͤß-Schrifften
Sich denckt was Ewiges auff dieſer Welt zu ſtifften
Als mir das Licht vergieng / und ein geſchwinder Geiſt
Mich in die Armen faſt: Jch kan es nicht entdecken
Mit was beſtuͤrtzter Angſt / mit Zittern und mit Schrecken /
(Das Haar ſtieg mir empor / die Bruſt war wie beeiſt /)
Jch ſelbten angeſchaut / und ſeine duͤrre Knochen
Weiſſagten: Komm / ich will ein herꝛlich Grab dir ſuchen.
Mich zog ein ſtarcker Trieb in eine tieffe Grufft /
Der Leichen dicke Meng erweckte nur mehr Schauren /
Jch ſahe weiter nichts als ſchwartz gewoͤlbte Mauren /
Und Sarg auf Sarge ſtehn / biß etwas freye Lufft
Durch anfgeſchloßne Thuͤr nur einen Tempel zeigte /
Worinn ein haͤuffig Volck ſich zu der Erden neigte.
Da ſaß der Aeſculap auf einem ſchwartzen Thron /
Es ſchien ſein heilig Haupt mit keinem Glantz umbgeben /
Man ſah zwar das Baret in ſeiner Wuͤrde ſchweben /
Den ſtarck bewachſnen Bart / daß er Apollens Sohn /
Coronis Mutter ſey / im erſten Anblick lehren /
Und daß die Sterbligkeit als Helffer ihn ſolt ehren.
Sein rechter Arm ließ ſehn den Stab der hohen Krafft /
Den Knoten / und noch mehr der Schlangen Band umbwun - den /
Man hat der Fichten Frucht in ſeiner Lincken funden /
Die Eule / ſo ein Bild gelehrter Wiſſenſchafft /
Stand fuͤr ihm / als ein Hund ſich auf die Seite machte /
Und nicht gar weit davon der Hahn und Drache wachte.
Die aller hoͤchſte Still in reinſter Einſamkeit
Hieß mich das Wunderwerck noch fleiſſiger bemercken /
Es wolte mich der Geiſt mein Reiß-Geferte ſtaͤrcken:
Als gar der Aeſculap / in der Vollkommenheit
N n n 5Worinn202Leichen-Gedichte.
Worinn er Todte hat der Parcen Netz entriſſen /
Ließ die betruͤbte Wort aus ſeinem Munde flieſſen:
Umbſonſt hat Griechenland Altaͤre mir gebaut /
Der Tempel-Raum mit Gold und Marmel ausgezieret;
Umbſonſt hat mich ein Schiff der Tyber zugefuͤhret /
Und da zu erſt als Schlang hernach als GOtt geſchaut:
Umbſonſt hab ich das Reich der Hoͤllen uͤberzwungen /
Die Todten auferweckt / den Cerberus verdrungen /
Nun mir noch dieſer Ort ein Schau Platz herber Pein
Jn Traur-Geruͤſte ſoll der hoͤchſten Schmertzen werden /
Flog mein unſterblich Ruhm nicht durch den Kreis der Erden /
Zog die Geſund heit nicht und aller Segen ein /
Wohin ich mich gekehrt / und unter meinen Soͤhnen
Sah ich die Tugend ſelbſt ihr edle Haͤupter kroͤnen.
Jetzt aber ſeh ich mich mit Leichen faſt verſetzt /
Nicht daß unmoͤglich ſey daß Menſchen koͤnnen ſterben;
Diß klag ich / wenn ein Mann gleich andern muß verderben
Den doch der gantze Chor der Muſen werth geſchaͤtzt /
Daß er gemeinem Heil zu Troſt auf ewig lebte /
Und mit Verſtand und Kunſt den Seuchen widerſtrebte.
Unſchaͤtzbarer Verluſt / nun mein Martini tod.
Der Fuͤrſten Rath und Artzt / der Heimligkeit Ergruͤnder /
So die Natur verſteckt / ein neuer Kunſt-Erfinder /
Der auch den Hippocras und den Galen macht roth
Mit ſeinem ſchoͤnen Buch / ſo er vom Harn geſchrieben /
Das noch die kluge Welt als einen Schatz muß lieben.
Deß Leidens Hefftigkeit ſchloß Aeſculapens Mund.
Jch der begierig war / die Urſach außzufragen /
Seh unter Ach und Weh die edle Leiche tragen /
Und wie ein groſſes Volck ſie zu beklagen ſtund.
Als zwey in weiſſem Flor verkleidete Goͤttinnen
Den letzten Trauer-Dienſt und Liebes-Pflicht beginnen.
Ja wo ich nicht geirrt muſt es die Tugend ſeyn /
Jhr ungebundnes Haar trug eine Lorber-Krone /
Die Hand dem Palmen-Zweig / und als ſie fuͤr dem Throne /
Aeſclapens ſich gebeugt / den nun ein groͤſſer Schein
Der Majeſtaͤt beſchwang / ſprach ſie mit holer Stimme /
Wehr’ſt du O Lebens-Fuͤrſt nicht jetzt des Todes Grimme?
Der Zeiten Ruhm und Preiß Martini liegt erblaſt /
Der mich von Kindheit an zu ſeinem Schutz erwehlet /
Und203Leichen-Gedichte.
Und meinen rauhen Weg / wie hart er / nie verfehlet /
Biß ihn nach Schweiß und Fleiß mein Ehren-Schloß umbfaſt /
Da ihn die Treffligkeit / und ungemeine Gaben
Gar zu der Fuͤrſten Rath und Leibes-Cur erhaben.
Es ſah Piaſtens Haus / das mit der Ewigkeit
Faſt gleiche Graͤntzen weiß / zu Sceptern auserkohren /
Und dem Loyſe noch den Phoͤnix hat geboren
Des gantzen Landes Heil / und Hoffnung unſrer Zeit
Mit Gnaden-Augen an / wie ſich ſein Artzt bemuͤhte /
Daß der Erlauchte Hof an Leibes-Kraͤfften bluͤthe.
Und die Genade weicht auch von der Baare nicht.
Loyſens Goͤttlich Witz ſchaͤtzt wuͤrdig zu begleiten /
Den / der ſo offt vermocht die Kranckheit zu beſtreiten /
Und ihrer Hoheit Straal theilt noch dem Grabe Licht
Fuͤr treue Dienſte zu / deß Printzen Sonnen-Blicke
Ziehn faſt die ſchwartze Nacht des Traurens gantz zuruͤcke.
Das nahe Poler-Land ſammt ſeinen Groſſen preiſt
Martini Huͤlff und Cur. Was Podalir geweſen
Bey jener Affter-Zeit / das giebt er hier zu leſen
Jm kurtzen Jnbegriff / der zu der Artzney weiſt.
Viel von der Ritterſchafft / daß ſie noch gehn und leben /
Die muͤſſen dem Martin / nechſt Gott die Ehre geben.
So hab als Tugend ich ihm ſeine Muͤh belohnt /
Und ehre noch ſein Grab. Laß Aeſculap geſchehen /
Daß meine Schweſter / die Erfahrenheit / kan ſehen /
Wie hoch du ihn geliebt / und weil du nicht gewohnt
Gehaͤuffter Reden biſt / wird ſie mit kurtzem ſagen /
Wie dir dein Sohn / Martin / in allem nachgeſchlagen.
Was kan mein bebend Mund / ſprach die Erfahrenheit /
Die Runtzel-volle Stirn / die eingeſchrumpfften Haͤnde /
Das weiß-beſchneyte Haupt / mein langer Rock ohn Ende /
Und mein bemoſter Fuß / ein Bild der grauen Zeit /
Bey dieſem werthen Grab auß Hertzens-Angſt mehr ſprechen?
Als daß / O Aeſculap / dein Troſt und Stab will brechen.
Wie du der Aertzte Gott und erſter Vater heiſt /
Und traͤgeſt ein Baret / als deiner Wuͤrde Zeichen /
So hat ihm Heidelberg den Hut noch wollen reichen /
Der ihn zum Doctor macht / wiewol ſein feurig Geiſt
Schon laͤngſt der Ehren werth / die Reih von vielen Jahren /
Bey hingelegter Zeit noch laſſen mehr erfahren.
Dein204Leichen-Gedichte.
Dein Stab / das Regiment / ſo bey den Krancken gilt /
Wieß ihm die rechte Maß die Artzney einzutheilen /
Und auf was Weg und Art der Sieche ſey zu heilen /
Die Knoten / ſo den Stab ſambt einer Schlang umbhuͤllt /
Der Kuͤnſte Schwerigkeit / deß kurtzens Lebens Enge /
Der Wiſſenſchafften Schein / und der Gebrechen Menge.
Die Schlange / daß ein Artzt vorſichtig ſolle ſeyn /
Die Krancken ſo / wie ſie liebt ihre Brut / zu lieben /
Nachſinnen / was er hat zur Artzney vorgeſchrieben.
Diß traff / O Aeſculap / ſtets bey dem Sel’gen ein /
Der wol ein Ebenbild mag kluger Aertzte heiſſen /
Die umb deß Krancken Heil zum hoͤchſten ſich befleiſſen.
Der Fichten Aepffel Frucht / ſo bittre Schalen traͤgt /
Doch einen ſuͤſſen Kern den oͤffnenden gewehret /
Lehrt / daß dem jenen nur der Ehren Kron beſcheret /
So ſich zuvor mit Muͤh und Arbeit hat belegt.
Gewiß Martini Fleiß / und hochgelahrtes Schreiben
Wird bey der Nach-Welt auch nicht unbelohnet bleiben.
Des Sieges Bild / die Eu[l]/ entdeckt daß dieſer ſiegt /
So hurtig hat gekaͤmpfft / es ſagt ihr naͤchtlich wachen /
Wie daß Minervens Gunſt zu Goͤttern koͤnne machen
Verehrer ihrer Zier. Und ob Martini liegt
Und ſchlaͤft in ſanffter Ruh / ſo wird Athen bezeugen /
Daß auch die Wiſſenſchafft der Griechen ſey ſein eigen.
Der Hund / ſo wach und treu / an deiner Seiten ſitzt /
Ertz-Vater aller Kunſt / gibt deutlich zu verſtehen /
Es muß ein redlich Artzt zu ſeinen Krancken gehen
Mit nicht geringer Treu. Martini / dem wir itzt
Den letzten Dienſt anthun / ließ ja durch Treu und Glauben
Den Tod / wie ſtarck er war / Breßhaffte ſelten rauben.
Der Hahn / der dir ſo offt zum Opffer wird geſchlacht /
Uhralter Schlangen-Gott / von denen die geneſen /
Laͤſt uns hierinnen auch gleich einem Spiegel leſen /
Daß weil er embſig iſt / die ſeinen ſchuͤtzt / und wacht /
Ein Artzt die jenigen fuͤr Noͤthen muͤſſen ſchuͤtzen
So der Geſundheit Bau auf ſeine Curen ſtuͤtzen.
Der Drache ſiehet ſcharff: So ſoll auch die Natur /
Und ihren gantzen Lauff ein Sohn von dir / durchmeſſen
Noth-Wender Aeſculap. Martini wird vergeſſen
Von keinen Zeiten nicht / der eine ſondre Spur
Be -205Leichen-Gedichte.
Bedachtſam außerſehn / das Ubel weg zu treiben /
Und wie jedwedes Glied bey Kraͤfften koͤnne bleiben.
Ja Aeſculap / ich klag / als die Erfahrenheit /
Daß ſo viel Witz und Kunſt die finſtre Grufft ſoll decken:
Doch kan noch ſeinem Grab ein ewig Licht aufſtecken
Der ihm gantz gleiche Sohn / den Phoͤbus laͤngſt geweyht
Zu ſeinem Prieſter hat / und der der Meditrinen
Als wie der Vater wird mit gleichem Ruhme dienen.
Des Eydams Pieris laͤſt ihn nicht unter gehn /
So lebt er durch ſich ſelbſt in den beruͤhmten Schrifften
Was / Epidaurius / was ſollen wir ihm ſtifften?
Du biſt allein genug ſein Lob recht zu erhoͤhn.
Zn dem der Liebſten Hertz wird ein Mauſol ihm bauen|
Darinn man ihre Lieb und Treu kan kennbar ſchauen.
Sie ſchloß / und Aeſculap erhub ſein traurig Haupt /
Rieß von dem grauen Haar die gruͤnen Lorber-Zweige /
Und ſprach: Damit ich noch in was mein Leid bezeige /
So ſey der edle Sarg mit Lorbern ſtets belaubt.
Der die Verweſung hat getrotzet durch Geneſen /
Deſſelben Ehren-Ruhm ſoll nimmermehr verweſen.
Gelehrte Koͤpffe ſind doch tauſend Thraͤnen werth /
Und du Martini kanſt dich jenen Seelen gleichen /
So durch Geſchickligkeit ein herꝛlich Lob erreichen.
Wenn alles / was der Menſch beſitzt / die Zeit verzehrt /
Soll dein Gedaͤchtnuͤß doch in den Gemuͤthern gruͤnen /
Der lobt die hohe Kunſt / und der dein redlich Dienen.
Solch reden unterbrach der Muſic Trauer-Klang /
Die Floͤten wuͤnſchten Ruh den ſchlaffenden Gebeinen /
Jch ſah den gantzen Ort voll heller Fackeln ſcheinen /
Und wo mein Ohr nicht fehlt / der Clarien Geſang
Macht ein ſolch Schwanen-Lied bey der entſeelten Leichen /
Dem auch Amphion muͤſt / und Orpheus Laute weichen.
Jndeſſen merck ich mich umbgeben mit der Nacht /
So mich vorhin bedanckt; ich will den Fuß entziehen /
Und aus der finſtern Grufft zu meinen Buͤchern fliehen /
Als diß Geſichte mir der Morgen wahr gemacht /
Und mich die Poſt belehrt / den Podalir der Zeiten /
Den wertheſten Martin muß Brieg ins Grab be -
gleiten.
Die206Leichen-Gedichte.
Die in beſtaͤndiger Gedult erſeufftzete Todtes - Stunde / Herrn C. G. des R. den 24. Febr. 1675.
SO hat nun die Gedult Herr Grundmanns uͤber - wunden /
Jn welcher er den Grund des Glaubens hat gelegt:
So brechen nunmehr an die hoͤchſt - erwuͤnſchte Stun - den /
Daß man den muͤden Leib zu ſeiner Ruhe traͤgt.
Er wuſte / daß er nur im Staube war gegruͤndet /
Und daß ſein leimen Haus nicht ewig koͤnte ſtehn.
Drumb rieff er / von der Glut des Himmels angezuͤndet:
HErꝛ / laß doch deinen Knecht aus dieſem Kercker gehn!
Je mehr der Schmertzen Qual den ſiechen Leib umbgeben /
Je feuriger ſein Geiſt den Sternen ſich genaht /
Und da kein Mittel mehr / die Kranckheit zuerheben /
Floh er zu ſeinem GOtt als Vater / Artzt / und Rath.
Des muden Alters Laſt / die abgeſchwaͤchten Glieder /
Die Adern ohne Safft / die trockene Gebein /
Und gantz entkraͤffte Krafft rieß nie den Glauben nieder /
Der mitten in der Noth muſt Uberwinder ſeyn.
Die edle Palme wird von keiner Buͤrde ſincken /
Jhr gruͤner Gipfel ſteigt anmutiger empor.
Ein Fels / und muß er gleich den Schaum deß Meeres trincken /
Weiſt dennoch unbewegt ſein ſteinern Haupt hervor.
Mit ſolcher Palmen Art / und Felſen-gleichem Muthe
War in dem grimmen Schmertz Herr Grundman auß - geruͤſt.
Er kuͤſte mit Gedult des Hoͤchſten Zucht und Ruthe /
Die ſeiner Lieb und Treu ein kundbar Zeichen iſt.
Der vielen Jahre Lauff und Wechſelgang der Zeiten
Hatt ihn ſchon laͤngſt belehrt was lange leben ſey.
Nichts als ein langer Kampff / mit Fleiſch und Blut zu ſtreiten.
Und ſeine Herꝛligkeit ein albre Gauckeley.
Er ſah auch daß er hier auf nichts ſich konte gruͤnden /
Der Gliederbau zerfaͤllt / der Ehre Licht verglimmt /
Die Guͤter deß Geluͤcks ſind weiter nicht als Binden /
Worinn der Geiſt verwirrt / faſt zu ſich ſelbſt nicht koͤmmt.
Und207Leichen-Gedichte.
Und wenn wir alles diß zum Uberfluß beſitzen /
Macht uns die Menge nicht bey ſolchem Reichthum arm?
Jndem wir ſind bemuͤht es offt und viel zu nuͤtzen /
Verzehrt den meiſten Theil / Zeit / Zufall / Furcht und Harm.
Diß hat Herr Grundmans Geiſt andaͤchtig uͤberwogen /
Und dieſen nur allein zu ſeinem Grund gelegt /
Der vor der Menſchen Heil die Menſchheit angezogen /
Und durch ſein heilig Blut von Suͤnden uns gefegt.
Dem gab er ſich anheim bey noch geſunden Tagen /
Als Beyſtand in dem Creutz und Helffern in der Noth;
Den hat er jederzeit im Hertz und Mund getragen /
Mit ſeinem Namen ihm verzuckert Schmertz und Tod.
Und ob durch Gottes Huld das Gluͤck ihn angelachet /
Und Segen aus der Hoͤh das gantze Haus erfreut;
Sein frommer Wandel ihn deß Rathes werth gemachet /
Als der der Tugend nur und Erbarkeit geweyht;
Der Liebſten treue Sorg und Wartung ihn vergnuͤget /
So Kind als Kindes Kind der Jahre Schnee erquickt /
Mit zarter Luſt und Schertz ſein Alter eingewie get /
Und durch viel Anmuth ihn der Traurigkeit entruͤckt:
So merckt / und ſpuͤrt er doch bey dem begluͤckten Leben /
Und Segen-vollen Eh den Hingang auß der Welt;
Hat ſeinen Willen bloß dem Schoͤpffer untergeben /
Sein Hoffen und Vertraun auf deſſen Schluß geſtellt.
Er ſprach: Mein JEſu komm! du weiſt ja Zeit und Stunde /
Du weiſt es nur allein / wenn es am beſten iſt:
Jch habe dich erwehlt zu meinem Glaubens-Grunde /
Jch habe dich zum Weg und Fuͤhrer außerkieſt.
Jch ſeh ja das Gebaͤu der muͤrben Glieder fallen /
Die Seulen zittern ſchon / auff die der Leib geſtuͤtzt /
Und die gelaͤhmte Zung entdecket nichts als lallen /
Jndem der Augen-Stern von keinen Strahlen blitzt.
Und meiner Tage Zahl iſt laͤngſt ſchon aufgeſchrieben /
Du haſt in Mutterleib / O GOtt / an mich gedacht /
Jch weiß gewiß / daß auch den jenen / die dich lieben /
Der Tod die Thuͤr und Thor zur Ewigkeit aufmacht.
Mein208Leichen-Gedichte.
Mein Siechbett iſt es gleich voll Doͤrner / voller Hecken /
Auß dieſem ſollen mir die Roſen Knoſpen bluͤhn.
Nach ſolcher herben Angſt will ich das Manna ſchmecken /
Und fuͤr den Suͤnden-Rock ein weiſſes Kleid anziehn.
Jch habe ſatt gelebt GOtt / Welt / Stadt / und den Meinen /
Deckt das / was Erde war / mit Erde wieder zu.
Der Tag da JEſus will zu ſeinem Creutz erſcheinen /
Bringt mich / O Tag voll Heils! Zu der gewuͤnſchten Ruh.
Er ſang als wie ein Schwan der an Cayſters Rande
Den ſilber-reinen Leib ins gruͤne Graß hinſtreckt /
Und durch ſein ſuͤſſes Lied mitleiden in dem Strande /
Und von den Najaden Liebs Thraͤnen noch erweckt.
Betruͤbtſte / ſolten nicht auch eure Thraͤnen rinnen?
Nun / werthe Frau / die Kron von ihrem Haupte faͤllt:
Nun / der vor Vater war und Helffer / zeucht von hinnen
Und eures Hauſes Ruhm und Pfeiler wird zerſchellt.
Allein es iſt ſein Grab mit Zaͤhren nicht zu plagen /
Und naſſe Wehmuth dient erblaſten Leichen nicht;
Wohl! Daß ein jeder weiß diß Lob ihm nachzuſagen:
Es bluͤth bey gantzer Stadt ſein ehrliches Geruͤcht.
Er iſt ja Lebens ſatt und Ehren-voll verſchieden /
Lebt in der Liebſten Hertz und in den Kindern noch.
Wenn wir mit Furcht und Angſt das Leben ſatt ermuͤden /
Zeucht doch ein gleicher Tod uns in ſein eiſern Joch.
Ach ſeelig / wer dem Grund der eitlen Welt nicht trauet /
Den ein betruͤglich Sand und ſchlipffrig Schlam bedeckt!
Ach ſeelig / wer allein auff dieſen Eckſtein bauet /
Der uns der Ewigkeit begraͤntztes Ziel außſteckt!
Den / wie den Seeligen / die letzte Stunde findet /
Und der / wie Gottes Volck den Segen mit ſich traͤgt:
Jch babe / Grundman / dich Saffiren eingegruͤndet /
Es iſt dein Leichen-Stein mit Zierath eingelegt.
Troſt -209Leichen-Gedichte.
Des Menſchen verklaͤrter Leib / Betrachter bey Beerdigung Hn. C. S. v. S. den 21. Martii 1675.
JSts moͤglich / daß noch was kan aus der Aſchebluͤhen
Daß die Verweſung auch erlauchte Fruͤchte traͤgt?
Daß / wenn nun unſren Leib Wuſt / Schimmel / uͤber - ziehen /
Er dennoch dermaleinſt mit Klarheit wird belegt?
Soll der erſtarrte Leib / die abgefleiſchten Knochen /
Das ſchlotternde Gebein von neuem aufferſtehn?
Soll ein ſolch irrdiſch Haus / das itzt wird abgebrochen /
An Pracht und Herrligkeit den Sternen gleiche gehn?
Das itzt gefrorne Blut von neuen Geiſtern brennen /
Die eingeſchrumpfne Haut voll Schmuck und Zierath ſeyn?
Das Auge / ſo nichts ſiht / GOtt mehr als vor erkennen?
Ach! das geht der Vernunfft wie bittre Myrrhen ein.
So faͤllt des Heydenthums und vieler Alten Weiſen
Von Auff - und Niedergang geſuchter Glaubens-Grund.
Sie fragten nicht darnach / ob die von hinnen reiſen
Hatt eine Gluth verzehrt / Fiſch / Vogel / oder Hund.
Es hieß ein Ganckelſpiel die Leiber zu begraben /
Und einem todten Aaß ein Denckmahl auffzubaun.
Uns aber / die wir nun das Licht der Warheit haben /
Gebuͤhrt auff andre Maß die Todten anzuſchaun.
Es laß ein Stoicus den Himmel ſich bedecken /
Und gebe ſeinen Leib zum Opffer Glut und Flut.
Nein dieſe Handvoll Staub wird Der auch aufferwecken
Der uns zu erſt geſchenckt / Geiſt / Leben / Fleiſch und Blut.
Und die Unſterbligkeit ſcheint uns faſt angebohren /
Die Seele wil doch ſtets dem Leib / als Bruder / wol.
Daß wenn ſie durch den Tod ſich gleich von ihm verlohren /
Er doch in ſeinem Grab geruhig ſchlaffen ſol.
Mehr ſtellet die Natur in Pflantzen / Blumen / Kraͤutern
Der Unverweßligkeit lebhaffte Bilder fuͤr:
Es kan des Kuͤnſtlers Hand ſo ihren Saamen laͤutern /
Daß ſie ein zartes Feur gewehrt in eigner Zier.
Der Baum / den man geſehn bey Froſt und Schnee erſterben /
Zieht ſein Schmaragden Kleid im Fruͤhling wieder an.
O o oUnd210Leichen-Gedichte.
Und Flora wird im May ſo ihre Tulpen faͤrben /
Daß auch kein Edelſtein nicht ſchoͤner funckeln kan.
Muß nicht das Weitzen-Korn im Acker erſt verweſen /
Biß daß es ſeine Frucht uns hundertfaͤltig giebt?
Die Trauben beſter Art / ſo wir vom Weinſtock leſen /
Hat Hagel / Froſt / und Wind im Wachsthumb oft betruͤbt.
So mag ſich nun umbſonſt der Heyden Weißheit kraͤncken /
Es forſcht doch nicht ihr Witz deß Hoͤchſten Allmacht auß.
Wir wiſſen / daß der Leib / den wir ins Grab verſencken /
Der Geiſter Anffenthalt / der Seelen irꝛdiſch Haus /
Nach der Verweſung wird in neuem Glantz erſcheinen /
Ja unſer Aſch und Staub belebet Gottes Geiſt:
Es ſteckt was Ewiges in duͤrren Todten-Beinen /
So bald deß Schoͤpffers Mund ſie auferſtehen heiſt.
Wer wolte nun den Reſt der abgelegten Glieder
Der allgemeinen Schoß der Erden nicht vertraun?
Man giebt der Mutter nur ihr Eingeweide wieder
Und laͤſſet Thraͤnen da als naſſe Zeugen ſchaun.
Jedoch / es fragt ſich noch / ob dieſe zu beklagen /
Die ein gewuͤnſchter Tod macht Sorg und Kummer frey?
Ob wir nicht uͤber uns mehr Jammer ſollentragen
Daß unſrer Wanderſchafft noch nicht ein Ende ſey!
Denn jede Stunde traͤgt doch was von uns zu Grabe /
Jedweder Augenblick hat uns was abgezehrt /
Den wir ein Kind geſehn / wird gar geſchwind ein Knabe /
Und dieſer hat hernach in Juͤngliug ſich verkehrt /
Der kommt zum Alterthumb / und ſihet ſich begrauet /
Eh er ſich jung und ſriſch hat ſattſam angeſehn.
Sein gantzes Lebens-Ziel / auff das er hat gebauet /
Jſt wie ein Hauffen Sand / den Wind und Zeit verwehn.
Kein Waſſer ſtuͤrtzt ſo ſchnell die auffgeſchaͤumten Wellen /
Wenn der erboſte Strom die Ufer uͤberfleuſt:
Kein Pfeil wird ſo behend das Feld der Lufft durchſchnellen /
Als ſich der Jahre Flucht auß unſern Haͤnden reiſt.
Da jaget uns der Tod ſchon in ſein Garn und Netze /
Da hat uns Fleiſch und Blut betruͤglich auffgeſtellt.
Hier dienets / daß der Menſch ſich ein ſolch Ziel fuͤrſetze
Das zu dem Himmel weiſt / und abfuͤhrt von der Welt.
Das heiſſet Zeit und Noth das Leben zu bethraͤnen /
Als das mit nichts als Harm und Schmertzen angefuͤllt /
Da211Leichen-Gedichte.
Da heiſt der Seelen Durſt ſich nach den Brunnen ſehnen /
Woraus der Gnaden-Strom der Himmels Freuden quillt.
Es kan Herrn Sommersburg numehr entſeelte Leiche
Des Lebens Fluͤchtigkeit beweglich Beyſpiel ſeyn /
Das nicht das Alter nur der grimme Tod beſtreiche /
Nein / er ſcharrt offt den Kern der gruͤnen Jugend ein.
Wer haͤtte diß vermeynt / daß bey ſo friſchen Tagen
Und Jahren / derer Zahl auff viertzig nicht gebracht /
Wir unſern Sommerburg zu Grabe ſolten tragen
Da ihn im beſten Flor das Gluͤck hat angelacht?
Jedoch ſeiu Chriſtenthum darinnen er geprieſen
Hat dieſen Lehr-Spruch ihm ſchon laͤngſt ins Hertz gelegt:
Daß alles Fleiſch wie Heu und Blumen auff den Wieſen
Und daß der Menſch bey ſich den Tod im Buſen traͤgt.
Daher er nachgefolgt der goͤldnen Sonnen-Wende
Wie die ſich eintzig nur nach ihrer Sonne kehrt;
So hielt Herr Sommersburg biß an ſein ſelig Ende
Den Retter aller Welt / die Lebens-Sonne wehrt.
Und wie er vor gewohnt bey ſeinen Handlungs-Reiſen
Mit Vorrath auff den Weg ſich heilſam zu verſehn;
So ließ er ſich auch hier das Brod des Lebens ſpeiſen /
Eh als die letzte Noth bey ihm fing an zu drehn.
Nach dem mit dieſem Pfand ſein Glaube war verſiegelt /
So kont er wolgemuth den bittern Kampff beſtehn /
Und zu der Sternen-Burg mit Andacht wie gefluͤgelt /
Trotz aller Finſternuͤß / durchs Thal des Todes gehn.
Allein / Betruͤbtſte Frau / ich weiß / daß dieſes Scheiden
Der allzufruͤhe Tod / ihr tieff zu Hertzen ſteigt /
Und daß ein ſolcher Schmertz die Seele kan durch ſchneiden /
Den beſten Troſt aus ſchlaͤgt / die Geiſter nieder beugt.
Jch weiß ihr treues Hertz und Auge ſchwimmt in Zaͤhren /
Nun ihres Hauptes Kron und Kleinod faͤllt dahin.
Nun in den Winter ſich ihr Sommer muß verkehren /
Und ihre Lilien der Liebe ſo verbluͤhn.
Nun nichts als Einſamkeit ihr an der Seite lieget /
Und / was ſie vor ergetzt / itzt hefftiger betruͤbt.
Nun jeder Blick und Ort ihr neues Leid zufuͤget
Bevor wenn ſie erwegt / wie treu er ſie geliebt.
Jedoch / Geehrte Frau / das Goͤttliche Geſchicke
Kan hier des Traurens Ziel / der Schmertzen Pflaſter ſeyn /
O o o 2Denn212Leichen-Gedichte.
Denn Thraͤnen bringen doch den Todten nicht zuruͤcke /
Die Hand / ſo ſie itzt ſchlaͤgt die wird ſie auch erfreun.
Was hier verweßlich iſt geſaͤet in die Erden /
Muß unverweßlich doch zur Herrligkeit auffſtehn /
Der Leib / ſo hier verfault / ſol einſt verklaͤret werden /
Und uͤber Sonn und Mond mit ſeinem Glantze gehn.
Troſt-Elegie An die betruͤbte Eltern und Groß-Eltern uͤber dem Abſterben J. A. C. den 21. April. 1675.
DJe Thraͤnen ſo jetzund aus euren Augen rinnen /
Und noch zu guter Nacht die Tochter ſalben ein /
Betruͤbtſte / wird kein Menſch / als unrecht / tadeln koͤnnen
Er muͤſte den ein Felß und kalter Marmel ſeyn.
Hier iockt ſie die Natur aus treuen Liebes-Quellen /
Der Regen trocknet nicht ſo ſich ins Hertz ergeuſt.
Zuweilen laſſen ſich die Zaͤhren noch verſtellen /
Nicht aber / wenn der Schmertz biß in die Seele reiſt.
Zudem iſt auch ver gonnt die Seinen zubeklagen /
Denn Thraͤnen bleiben wol Dolmetſcher unſer Noth /
Geſehrten / ſo uns erſt in dieſes Leben tragen /
Begleiter / wenn aus dem uns rufft der blaſſe Tod.
Doch aber ſollen ſie den jenen Fluͤſſen gleichen
Die nie aus ihrem Bett und gruͤnen Ufern gehn.
Ein Weiſer wird das Ziel bey ſeinem Leid erreichen
Wenn er bedenckt wie nah ſo Tod als Leben ſtehn.
Der Schluß iſt laͤngſt gemacht / daß Menſchen muͤſſen ſterben /
Wer diß betrauren wil / der kennt ſich ſelbſten nicht.
Wie ſoll nicht dieſer Leib / der Aſch und Staub / verderben /
Wenn uns bey der Geburt die erſte Haut ſchon bricht?
Der Anfang fuͤhrt mit ſich ſein eintzig Kind das Ende /
Wie groß der Unterſcheid macht uns der Ausgang gleich.
Auch Kindern iſt zuviel die Maͤnge vom Elende /
Und fuͤr der Jahre Flucht wird ein verlebter bleich.
Sagt / Hochbekuͤmmerte / den Vortheil ſo die haben
So ihrer Jahre Zahl auff hohe Staffeln bracht.
Ob213Leichen-Gedichte.
Ob ſie bey Angſt und Noth ſich taͤglich nicht begraben /
Und ſaurer Tage Laſt ſie todten aͤhnlich macht:
Alsdenn legt auch die Zeit auff gleiche Wage-Schalen /
Und meſſet mir den Raum ſo unſer Leben hat.
Gewiß / die der Natur fruͤh ihre Schuld bezahlen
Sind mehr gluͤckſeliger als die ſo Lebens-ſat.
Theils ſehen ſich zuvor an ihren Kindern ſterben /
Theils gehen ſtets gebuͤckt / voll Eckel / voll Verdruß /
Und vielen wird der Harm das Leben ſo erherben /
Daß nichts als Angſt und Noth ihr eintzig Uberfluß.
Man heiſt den jenigen erfreuet ſonſt wilkommen /
Der ſeiner Reiſe Ziel ein kurtzes Ende macht.
Nun in dem Himmel iſt die Tochter auffgenommen /
Und zu der Nachbarſchafft der Engel hingebracht /
So klagt / Betrübtſte / nicht. Wil die Vernunfft einwenden
Daß eures Lebens Troſt und Hoffnung faͤllt dahin.
Gedenckt der unſer Zeit und Tage fuͤhrt in Haͤnden
Hat ihr den fruͤhen Tod gerechnet zum Gewinn.
Zwar die Behaͤgligkeit / die freundlichen Geberden /
Die liebliche Geſtalt / des Leibes Hurtigkeit /
Und andre Schaͤtze mehr / ſo ench entzogen werden /
Sind Wecker neuer Angſt und Auffboth zu dem Leid.
Allein / wie kan ein Menſch den innern Rath ausfragen /
Den GOttes Macht-Gericht hat uͤber uns beſtimmt?
Jndem der Erden-Kreyß erbebt von vielen Plagen /
Geſchicht nicht denen wol ſo fruͤh GOtt zu ſich nimmt?
Jhr rein und zarter Geiſt hat nie das Gifft geſchmecket /
So offt die Heiligen auff dieſer Welt verfuͤhrt /
Und ihre Seele war von Laſtern nie beflecket
Die unſer Fleiſch und Blut im Alter ſonſt gebirt.
Geſetzt: Daß ferner auch der Fruͤhling ihrer Jugend
Jn holder Liebligkeit zum ſchoͤnſten auffgebluͤht /
Und ihr begierig Sinn in ungefaͤrbter Tugend /
Und wahrer Gottes furcht nur eintzig ſich bemuͤht;
So waͤr ihr Stunden-Glaß doch endlich auch zerfallen /
Es haͤtte ſie der Tod / als wie an jetzt / geſtreckt:
Diß Leben bleibet nur ein unablaͤſſig Wallen /
Biß den verblaſten Leib die Schoß der Erden deckt.
O o o 3Man214Leichen-Gedichte.
Man leide mit Gedult / was alle muͤſſen leiden /
Und thu nur unverzagt was doch gethan muß ſeyn.
Den Schluß von Ewigkeit / Antreten und Abſcheiden
Reiſt keine Ungedult noch klaͤglich Winſeln ein.
So weit die Cynthia ihr ſilbern Tauhorn lencket /
Und Phoͤbus goͤldnes Rad den Kreiß der Welt durchfaͤhrt /
Jſt nichts als Unbeſtand der unſer Thun umbſchrencket /
Und Kummer der den Kern des Geiſtes faſt verzehrt.
Ja endlich unſer Leib iſt nur ein Grab der Seele /
Ein Kercker wo uns nichts als Nacht und Schrecken ruͤhrt /
Ein arge Folter-Banck und Marter-reiche Hoͤle /
Die mit ſtets neuer Noth die ſchwachen Glieder ſchnuͤrt.
Ein Schiffmann jauchtzt und ſpringt / wenn er den Port erblicket:
Jſt nicht der Tod bey uns ein Port der ſuͤſſen Ruh?
Der vor des Lebens Luſt die Menſchen mehr erquicket /
Wenn ſeine Hand zuletzt uns druͤckt die Augen zu.
Betrübtſte / weiter wird auch diß noch Troſt bereiten.
Daß die ſo wol gelebt und ſeelig ſcheiden ab /
Man ſol mit Lobgeſang zu ihrer Grufft begleiten.
Die Thuͤr zur Ewigkeit iſt frommer Chriſten Grab.
Die bittern Schmertzen wird ihr Angedencken ſtillen /
Denn die man hochgeliebt / vergiſſt man nimmer nicht.
Muß ſchon was irrdiſch war die Erde wieder fuͤllen
So ſchwebt ihr Bildnuͤß doch euch immer im Geſicht.
Ja rufft vielmehr Gluͤck zu! der ſeelgen Catharinen
Die den April der Welt tauſcht mit des Lebens May:
Bekroͤnt ihr enges Grab mit friſchen Roßmarinen
Zum Troſt / daß eure Blum hierinn verſchloſſen ſey.
Der Garten eurer Eh muß jetzt zwar Anſtoß leiden
Des Todes Witterung raubt Pflantzen beſter Art.
Doch wird das Paradeis mit neuem Glantz ſie kleiden /
Und zu mehr Herrligkeit hat ſie das Grab bewahrt.
Drumb ſtillt / Betruͤbtſte / ſtillt die Hertzerpreſten Thraͤnen /
Jhr kurtzes Leiden hat erlangt den ſchoͤnſten Preiß.
Umbſonſt beklagt man ſie mit ſeufftzen-vollem Sehnen.
Der traurt am Chriſtlichſten / der Maß zu halten weiß.
Die215Leichen-Gedichte.
Die zu End gelauffene Lebens-Friſt Hn. C. K. J. U. L. den 16. May 1675.
WOl / Hochgelahrter Kuͤhn / die Friſt iſt nun geendet /
Es ſetzt die Angſt der Welt dir keinen Tag mehr an.
Die Urſach die du haſt erheblich eingewendet /
Gilt vor dem Richter-Stuhl der alle richten kan.
Es ſind die Ferien zu ruhen eingefallen /
Die du ſo lange Zeit ſo ſehnlich haſt gehofft.
Ruh wol / biß dermaleinſt wird GOttes Stimm erſchallen /
Und dich aus deinem Grab zum groſſen Richt-Tag rufft.
Zwar wollen wir auch hier dein Richter-Ampt noch preiſen /
Das zu gemeinem Heyl du ruͤhmlich haſt gefuͤhrt /
Wir wollen unſre Pflicht und letzten Dienſt erweiſen /
Nachdencken auff ein Lied das deine Leiche ziert.
Und ob die Tugend zwar in eignen Ehren-Kronen /
Und lichtem Purpur-Kleid als eine Fuͤrſtin prangt /
Kan durch die Treffligkeit der Thaten ſelbſt ihr lohnen /
Und weitgeſuchten Ruhm noch Farben nicht verlangt;
So mutz doch unſer Grab von beyden eines dulden /
Wen frey den Urtheils-Spruch die kluge Nachwelt ſpricht /
Und wir entnommen ſind / Verfolgung / Neid und Hulden /
Daß ſie Verdienſt erhebt und Laſter ſtraͤfflich richt.
Hochwerther Seeliger / gewiß daß dir zu Ehren
Aſtræa Klage fuhrt und ſich in Flor verhuͤllt /
Die Muſen im Parnaß ihr Beyleid laſſen hoͤren /
Und Hippocrenens Brunn voll Jammer-Fluthen quillt.
Es zeugt noch Leucoris wie embſig du geweſen
Wie du umb den Verſtand der Rechte dich bemuͤht /
Biß dein gehaͤuffter Fleiß und unauffhoͤrlich Leſen /
Den Lorbeer-Krantz erzielt der unverweßlich bluͤht.
Als dir die Themis nun den Tempel auffgeſchloſſen /
Jn ihrem Heiligthum zum Prieſter dich geweyht.
Du ihrer Wuͤrden Preiß / der Groſſen Gunſt genoſſen /
Und das gelehrte Haupt der Purpur-Hut erfreut /
Lockt dich das Vaterland in ſeine Schoß und Armen /
Dalaͤſt du wol vergnuͤgt der Weißheit Fruͤchte ſchaun.
O o o 4Es216Leichen-Gedichte.
Es goͤnnt dir Feur und Herd / worbey du ſolſt erwarmen /
Und wil das Stadt-Vogts-Ampt bedaͤchtig dir vertraun.
Die Wahl iſt wol geſchehn. Du haſt Gericht geſeſſen /
Gleich wie ein Richter pflegt der von Begierden frey /
Du haſt der Sachen Grund und Umbſtand wol ermeſſen /
Es hat dich nie verblendt Geſchenck und Heucheley.
Der Themis Augen ſind vergebens nicht verbunden /
Dieweil ein Richter ſoll gantz unpartheyiſch ſeyn.
Drumb hat der Alten Witz die Wageſchaal erfunden /
Daß die Gerechtigkeit auff jeden Gran treffein.
Es nennt es GOttes Mund ſelbſt eine hohe Wuͤrde /
Geſetze legen aus und ſprechen in dem Recht;
Allein was war es auch vor eine ſchwere Buͤrde /
Die dir / offt Seeliger / Leib und Gemuͤth geſchwaͤcht.
Doch haſt du mit Gedult und Sanfftmuth uͤbertragen
Die Boßheit / ſo die Liſt der Menſchen auserſinnt.
Jetz hoͤrſt du ferner nicht die angeſtrengten Klagen /
Und auff was fuͤr Beweiß das Gegentheil ſich gruͤndt.
Der Hoͤchſte ſpricht dich ſrey vom Ampt das du gefuͤhret /
Unb ſeine Vater-Hand nimmt alle Schmertzen weg /
Die deinen ſiechen Leib ſo grauſam hier beruͤhret /
Daß man an ihm geſehn der ſchaͤrffſten Martern Zweck.
Jſts nicht Erbarmens werth / daß Menſchen ſteinern werden /
Daß ſich ihr Fleiſch und Blut in harten Grieß verkehrt?
Kein Redner auff der Welt erzehlet die Beſchwerden /
Die grimme Hencker-Pein / ſo hier den Leib verzehrt.
Es iſt Jrions Rad mit nichten zu vergleichen /
Noch wenn Prometheus Hertz ein Rabe taͤglich friſt;
Es wuͤrde Tytius mit ſeinen Qualen weichen?
Weil Angſt am Blaſen-Stein der groͤſte Schmertz nur iſt.
Den Ubelthaͤter kan die Folter ſo nicht ſpannen /
Den Leib ſo dehnen aus / als Seelge〈…〉〈…〉 dir geſchehn.
Und ließ die Angſt was Raum ſich wieder zu ermannen /
Sah man ſie hefftiger in kurtzer Friſt andrehn.
Wie hat dein Seuffzen nicht des Himmels Burg durchdrungen?
Wie haſt du Maͤrtyrer Erloͤſung nicht gehofft?
Und mitten in der Qual mit Davids Mund geſungen:
Mein Schoͤpffer fuͤhre mich zu meiner Vaͤter Grufft.
Jch bin nur Haut und Bein ich bin zerknickt wie Scherben;
Ach / daß ſo langſam doch der Lebens-Faden reiſt!
Komm /217Leichen-Gedichte.
Komm / komm / erſeuffzter Tod / mein eintzig Wunſch iſt Sterben;
Jch fuͤhle ſchon nicht mehr wie mich dein Stachel beiſt.
Denn meine Tage ſind ja Truͤbſals voll geweſen /
Mein Lager jederzeit nur eine Folter-Banck.
Ein Aufſchub großrer Oual mein weniges Geneſen;
Nun deucht mich auch die Friſt von einer Stunde lang.
Jn ſolcher Andachts Glut iſt dein Erloͤſer kommen /
Daß du die Bitterkeit des Todtes nicht geſchmeckt.
Biſt einem Lichte gleich / das ſchon verzehrt / verglommen!
Und haſt den muͤrben Leib zu ſeiner Ruh geſteckt.
Gluͤck zu dem Freyheits-Stand! Gluͤck zu der Sieges-Krone
Die die Gerechtigkeit ſammt der Gedult dir flicht!
Wie hoch wird dichs erfreun wenn fuͤr des Lammes Throne
GOtt ſeinen Glaͤubigen ein gnaͤdig Urtheil ſpricht.
Es mag die Sterbligkeit mit Jahren ſich befriſten!
Der groß Erſcheinungs Tag naht endlich doch herzu.
Nach der Verlaͤngerung wird Eitle nur geluͤſten:
Woͤl dem / der wie Herr Kuͤhn / kom̃t zu der wahren Ruh.
Daß aber der Verluſt / Betruͤbtſte Frau / ſie kraͤncket /
Und daß ihr treues Hertz in Thraͤnen ſich ergeuſt /
Wenn ſie an ihren Schatz / deß Hauſes Sonne / dencket /
Jſt niemand der es nicht ein ſchuldig Opffer heiſt.
Sie ehrt / wie billich iſt / das unverfaͤlſchte Lieben /
Und wie der Seelige ſie ſtets ſo hoch geſchaͤtzt:
Jedoch es dient auch nicht ein ewiges Betruͤben /
Das Lebende nur quaͤlt / und Todte nicht ergetzt.
Wenn wir die Tugenden Entſeelter ruͤhmlich preiſen /
So ſcheints als waͤren ſie noch immer[uns] geſellt.
Diß iſt die groͤſte Pflicht ſo wir hierinn erweiſen;
Wenn ihr Gedaͤchtnuͤß nie uns aus dem Hertzen faͤlli.
Trauer-Ode / Auf Hn. A. O. juͤngſten Soͤhnlein A. Leich - begaͤngnus / den 9. Junii 1675.
1.
ES laufft der Natur zuwieder
Ja / Betruͤbtſt / ich geb es zu /
Wenn wir unſrer Kinder Glieder
Mit der Erden decken zu:
O o o 5Wenn218Leichen-Gedichte.
Wenn gleich einem Regen-Bogen
Unſer Hoffen muß vergehn /
Und die Luſt ſo man gepflogen
Wir ſehn auf der Bahre ſtehn.
2.
Daß ſie uns die Augen ſchlieſſen
Jſt der wuͤnſchte Ziel und Zweck.
Wenn hingegen wir ſie muͤſſen
Auß den Augen tragen weg /
Scheint es der Vernunfft zwar bitter /
Und dem Hertzen ſchwer zu ſeyn /
Daß deß Todes Ungewitter
Reiſt Geſetz und Ordnung ein.
3.
Aber wie auff gleich Gewichte
Tod und Leben iſt gelegt /
Und das Goͤttliche Gerichte
Nicht zu unterſcheiden pflegt /
Ob es an begrauten Haaren
Seinenletzten Schluß vollzieht?
Oder die wirfft auff die Bahren
So in ihrer erſten Bluͤth?
4.
Alſo muͤſſen wir auch dencken /
Daß beym Eintrit in die Welt /
Ab - und Hinzug uns umbſchrencken
Und der Tod gefangen helt.
Es ſind bald die Windel-Binden /
Feſſel unſrer Sterbligkeit /
Und der Vorrath den wir finden /
Jſt gehaͤufftes Hertzeleid.
5.
Thraͤnen ſind die erſten Wahren
Und der letzte Sterbens-Zoll /
Kummer waͤchſet mit den Jahren /
Elend macht das Leben voll.
So daß man muß Beyfall geben /
Was der Weiſen Mund gelehrt /
Daß es beſſer gar nicht leben
Oder daß es bald auffhoͤrt.
6. Denn219Leichen-Gedichte.
6.
Denn die Freuden ſo wir haben /
Sind nur ein Sardiniſch Graß /
Und deß Gluͤckes Gut und Gaben
Noch gebrechlicher als Glaß.
Auch der Glantz von hoͤchſten Ehren
Jſt ein falſcher Jrrwiſch-Schein /
Der die Sinnen wird bethoͤren
Und in Laſter ſencken ein.
7.
Zwar Betruͤbſt ihr werdet ſchlieſſen?
Soͤhne bauen das Geſchlecht /
Laſſen uns viel Ruhm genieſſen /
Treten in der Eltern Recht /
Sind nach haͤuffigem Bemuͤhen
Unſers muͤden Alters Stab /
Heiſſen Ruhm und Namen bluͤhen
Wenn wir faulen in dem Grab.
8.
Diß ſind irꝛdiſche Gedancken /
Die auff keinen Grund gebaut /
Hoffnung / ſo gar leicht kan wancken
Die man offt verlaſſen ſchaut.
Aber wenn ſie auß ber Wiegen
GOtt in ſeine Armen nimmt /
Welch ein ſeeliges Vergnuͤgen
Jſt den Eltern da beſtimmt!
9.
Niemand kan den Gaͤrtner ſchelten /
Wenn der Himmel blitzt und kracht /
Daß er Blumen / die recht ſelten /
Vor den andern nimmt in acht.
Sollen wir nicht GOttes Gnaden
Und grundloſe Guͤtigkeit
Ruͤhmen / wenn vor Qual und Schaden
Seine Hand uns fruͤh befreyt?
10.
Eltern ihr duͤrfft euch nicht kuͤmmern
Weiter fuͤr ſein Wohlergehn /
Weil220Leichen-Gedichte.
Wril nun in deß Himmels-Zimmern
Engel ihm zur Seiten ſtehn /
Auß der Wiegen in die Erden
Hat er fruͤh den Lauff vollbracht /
Und ſoll einſt verklaͤret werden
Jn der ſchoͤnſten Sternen-Pracht.
11.
Laſt die Thraͤnen minder flieſſen /
Nennt den Tod ja nicht Verluſt /
Weil er jetzund kan genieſſen /
Statt der ſuͤſſen Mutter-Bruſt /
Jſraels beliebte Quellen /
Die ſein hoͤchſtes Labſall ſeyn /
Die ſein Unſchulds-Kleid erhellen /
Daß es wie die Lilgen rein.
12.
Gleich wie nur auß ſchlechter Erden
Unſer Anherr war erbaut /
Und durch Suͤnde muſte werden
Wieder ihrer Schoß vertraut:
So ſoll auch / was Menſch iſt / ſterben /
Doch nicht ewig untergehn;
Denn es wird mit Chriſto erben
Und lebendig aufferſtehn.
Das Sterbe-Kleid / Bey Beerdigung Fr. E. P. g. W. betrachtet / den 17. Julii 1675.
JSt diß der letzte Schmuck / du wertheſte der Frauen /
Der deinen kalten Leib nunmehr bekleiden ſoll?
Jch weiter Seelige / kein Anmuth mehr zu ſchauen?
Gefaͤllt ein Leinen Tuch fuͤr andern dir ſo wol?
Und wuͤnſcht du eintzig nur diß Kleid bald anzulegen /
Hingegen Fleiſch und Blut die Huͤlle wegzuthun?
So ſag ich dieſe Tracht bringt dir mehr Nutz zu wegen /
Als wenn du ſonſt auf Sammt und Purpur wuͤrdeſt ruhn.
Diß iſt nicht ungemein daß bey verſtrichnen Zeiten
Sich ſchon die alte Welt zum Sterben hat geſchickt /
Daß221Leichen-Gedichte.
Daß ſie ihr Grufft und Sarg ließ herrlich zubereiten /
Ja hat gleich einer Braut zur Heimfarth ſich geſchmuͤckt.
Die / ſo gemeines Heil mit Sorgen unterſtuͤtzet /
Verlangten in dem Rock der Ehren zu vergehn.
Die / ſo ihr Helden-Blut fuͤrs Vaterland verſpritzet /
Begehrten in der Pracht der Helden gleich zu ſtehn.
Und Maͤnner nicht allein hat dieſer Wahn beſeſſen /
Daß Zier und Herꝛligkeit den Tod verſuͤſſen kan /
Nein! kluger Frauen-Witz hat gleiches Ziel ermeſſen /
Und legt die Sterbenden mit ſchoͤnen Kleidern an.
So lieff Olympias den Feinden in die Haͤnde /
Alceſte gieng geſchmuͤckt auß Lieb und Treu in Tod.
Man weiß Cleopatrens ihr wurder-praͤchtig Ende /
Wenn ſie die Schlangen fuͤhlt / doch nicht der Roͤmer Noth.
Allein ein falſcher Traum von thoͤrichten Gedancken
Hat nur ein Sterbe-Kleid dem blinden Volck gewebt /
Als daß niemals erkand der Eitelkeiten Schrancken /
Und an der Erden nur mit Hertz und Sinn geklebt.
Ach ſo ein Laſter-Rock / er ſey von edlen Steinen
Als Sternen angefuͤllt / von Gold und Silber ſchwer /
Wird fuͤr dem Richter-Stuhl deß Hoͤchſten gar nicht ſcheinen
Wenn die entbloͤſte Seel von aller Tugend leer
Was Jndien gewuͤrckt / was Perſien geſponnen;
Und was das Morgen-Land von ſeidnen Schaͤtzen weiſt /
Dient zwar zu Schmuck und Pracht den edlen Schoͤuheits-Sonnen
Doch weil der Faden eh als noch ihr Leben reiſt.
Sind es der Nichtigkeit geſpannte Spinne-Weben /
Darinn der Menſchen Hertz ſich leicht verwickeln kan /
Daß wenn oft Perl und Gold von auſſen ziert das Leben
Ein Suͤnden-volles Mahl brennt das Gewiſſen an.
Verblaſte Seelige / in einem andern Kleide /
Das nie die Uppigkeit und Hoffart hat erdacht /
Dazu die Tugend ſelbſt geliefert reine Seide /
Haſt du den kurtzen Lauff der Jahre hingebracht.
Dein Himmel-blauer Schmuck war Gottesfurcht im Hertzen /
Dein koſtbar Silber-Stuͤck ein unbefleckter Sinn /
Dein gruͤnes Sommer-Kleid ein unverfaͤlſchtes Schertzen /
Und deine Redligkeit warff Farb und Schmincke hin.
So hat dich frauſtadt erſt dem Henning anvertrauet
Apollens klugem Sohn deß Vaterlandes Zier /
Dem222Leichen-Gedichte.
Dem Kunſt und Wiſſenſchafft ein ewig Denckmahl bauet /
Und dem die Nachwelt traͤgt deß Ruhmes Lorbern fuͤr.
Da ſchien dein Hochzeit-Kleid vom Himmel zubereitet.
Als nach verfloßnem Jahr dich Boy und Schleyr verhuͤllt /
Und dein verwittibt Haupt mit Aſchen iſt beſpreitet /
Jn dem der theure Mann die Schoß der Erden fuͤllt.
Doch Gottes Vorſicht wacht und ſorgt fuͤr unſere Sachen
Und gleichet den Verluſt mit neuem Segen aus.
Du ſollſt zum andern mal in Breßlau Hochzeit machen /
Herr Pohl gibt dir ſein Hertz und Breßlau Hof und Hauß.
Jhr ſehet euren Tiſch gleich einem Weinſtock gruͤnen /
Und Blumen euer Eh in ſchoͤnem Wachsthum ſtehn.
Da deine Haͤußligkeit iſt embſig wie die Bienen /
Und weiß mit Rath und That der Nahrung nach zugehn.
Es kan des Mannes Hertz in allem ſich verlaſſen /
Und dein vernuͤnfftig Thun bringt reichen Nutzen ein.
Du / als Abigail weiſt ſo den Schluß zu faſſen /
Daß Seegen und Geluͤck euch ſtets Gefehrten ſeyn.
Ach aber / daß doch nichts beſtaͤndiges auf Erden
Daß Liebes-Roſen nur bey Dorn und Stacheln bluͤhn!
Wie offt hieß / Seelige / Noth / Kranckheit und Beſchwerden
Dich einen Marter-Rock fuͤrs Freuden-Kleid anziehn?
Der ſiechen Tage Zahl / deß Leibes ſtete Schmertzen /
So zwar die Hurtigkeit des Geiſtes nie gefaͤllt /
Erklaͤrten was die Welt / und ihr vergaͤnglich Schertzen /
Und wie ſie Noth und Tod in ihrem Buſen haͤlt.
Wie Schoͤnheit als ein Kleid muß ſchlieſſen und veralten /
Der Jugend friſche Krafft als glattes Eiß zerbricht.
Der Adern fenrig Brunn im Tode muͤß erkalten /
Und fuͤr den letzten Stoß hilfft auch die Tugend nicht.
Drumb haſt du Seelige / die Welt ſo wol erwogen /
Jhr praͤchtig Schatten-Werck veraͤchtlich angeſchaut.
Weil ihre Herꝛligkeit ein ſolcher Regenbogen /
Den nur ein Gegenſtrahl vons Gluͤckes Sonn erbaut.
Auch denen / ſo ſich hoch in ihre Pracht verliebet /
Abgoͤtter ihrer Zier ſich jederzeit genennt.
Sieht man / was ſie zuletzt fuͤr ſchlechte Lohnung giebet /
Wenn es ans Scheiden kommt und Leib und Seel ſich trennt.
Nackt treten wir hervor / nackt muͤſſen wir von hinnen /
Man nimmt ja weder Kron noch Zepter in das Grab:
Witz /223Leichen-Gedichte.
Witz / Weißheit und Verſtand / ſo uns ſonſt leiten koͤnnen /
Sind bey der letzten Reiß ein ſchlechter Wander-Stab.
Du / werthſte Seelige / haſt JEſum dir erwehlet
Der auch im Finſternuͤß kan Weg und Leuchte ſeyn /
Mit dieſem haſt du dich in Ewigkeit vermaͤhlet
Er ruffte dich als Braut in ſeine Wohnung ein.
Drauf konteſt du getroſt dein Sterbe-Hembde kuͤſſen /
Dein allerliebſtes Kleid mit Freuden legen an /
Und ſaheſt Glaubens voll den Himmel den aufſchlieſſen
Der fuͤr das Heil der Welt laͤngſt hat genug gethan.
Wie aber / werther Freund / wie daͤmpf ich ſeine Zaͤhren?
Jch lob es / daß ſich frey der Augen-Brunn ergeuſt.
Gemuͤthern / was ſie groß geſchaͤtzt und hoch begehren /
Jſt Weinen eine Luſt / wie ſtarck der Strom auch fleuſt.
Die Schmertzen koͤnnen ſich in ſolcher Fluth verlauffen /
Biß Gottes Hand zuletzt die Augen wieder wiſcht /
Und wenn der krancke Geiſt in Truͤbſal will erſauffen /
Jhn ſeine Guͤttigkeit mit Krafft und Troſt erfriſcht.
Derſelbe richt ihn auf und heile ſeine Wunden /
Daß dieſer Seelen-Riß noch zu ertragen ſey!
Denn wenn bey Menſchen Rach und Rettung iſt verſchwunden /
Traͤgt ſeiner Allmacht Krafft die beſte Huͤlffe bey.
Die Nachbarſchafft des Lebens und Todtes / Bey Beerdigung Fr. E. T. g. S. erwogen / den 7. Aug. 1675.
WAs kan / O Nachbarin / ich krancker Nachbar ſchrei - ben?
Der Tod ſieht weder Freund-noch Nachbarſchafft mehr an.
Doch mein Verſprechen ſoll auch nicht zuruͤcke bleiben /
Jch halte noch mein Wort ſo viel ich immer kan.
Zwar wer Ergetzligkeit und ſchoͤne Blumen liebet /
Der leſe nicht das Blat / das Wermuth nur bedeckt.
Die Feder ſo vor laͤngſt bey Leichen außgeuͤbet
Sucht nicht der Redner Zier / der Dichter ihr Confect.
Jch wuͤrde / Seelige / dein Grab nur mit beſchweren.
Wer goͤnnt Verlebten nicht die hoͤchſt verlangte Ruh?
Es224Leichen-Gedichte.
Es ſtoͤrte nur mein Reim dein eiſriges Begehren /
Das dieſes in ſich haͤlt: Man ruffe mir Gluͤck zu!
Und ſolches ſchrey ich nach: Gluͤck zu! zum uͤberwinden;
Wo noch deß Nachbars Mund dein leichter Schatten hoͤrt.
Gluͤck zu / daß du den Port deß Friedens koͤnnen finden
Und dich kein Ungluͤcks-Sturm noch Jammer-Welle ſtoͤrt.
Du haſt genug gelebt / du haſt genug erfahren /
Wie Leben und der Tod verknuͤpffte Nachbarn ſeyn!
Jtzt geh ſtu Lehens-ſatt bey den beſchneyten Haaren
Als Himmels-Buͤrger in die Ehren-Pforten ein.
Hier gruͤbelt die Vernunfft: Ob bey der erſten Wiegen
Den Tod ein Sterblicher auch Nachbar nennen mag?
Ob ſtehn / und unter gehn ſich ſo zuſammen fuͤgen
Das nichts verhindern kan Zeit / Monat / Jahr und Tag?
Nein / weil der Mutter-Leib den Menſchen haͤlt umbfangen
Baut Furcht und Schrecken offt demſelben eine Bahr:
Und wie viel ſind dahin unangeſchaut gegangen
Wenn ein verleſchtes Licht der Frucht Erſtickung war?
Ja treten wir heran: Die erſte Stund iſt Weinen
Wenn viertzig Tag hernach ein wenig Laͤcheln koͤmmt /
Wir ſind Gefangnen gleich eh als wirs koͤnnen meinen /
Wenn uns ein harter Druck des Nachts den Athem nimmt.
Und wie viel ſterben ſo? Jſt nicht bey unſerm Schreiten
Nur die Gebrechligkeit ſo uns die Fuͤſſe fuͤhrt?
Nenn ich der Jugend Eiß? Wo tauſend Seelen gleiten
Wo jede Stunde ſich der Tod als Nachbar ruͤhrt.
Viel ſtuͤrtzt Verwegenheit zu den verblaſten Schaaren /
Viel laͤſt der ſelbſt-Betrug deß Todes Garn nicht ſchaun.
Theils ſind in ihrer Luſt / theils in dem Zorn gefahren /
Den Meiſten muß oft ſelbſt vor ihrem Leben graun.
Verklaͤrt ſich der Verſtand? ſo werden doch Begierden
Jn einem vollen Heer mit uns zn Felde ziehn.
(den /
Pracht / Hoheit / Mißgunſt Geitz / Frucht / Ehrſucht / Lieb und Zier -
Sind Neſſeln / die niemals das Leben laſſen bluͤhn.
Es ruͤcket unvermerckt der Tod an unſre Seite /
Wacht mit den Wachenden / ſchlaͤfft mit den Muͤden ein.
Denckt / wie er uns ein Garn ſo kuͤnſtlich zubereite
Daß bey der Sicherheit wir erſt beſtricket ſeyn.
So iſt und bleibt der Tod nur Nachbar wider willen /
Biß ihn deß Alters Laſt uns angenehmer macht.
Denn225Leichen-Gedichte.
Denn wenn die Regungen ſich des Gemuͤthes ſtillen /
Wird ſeine Nutzbarkeit und Wolthat erſt bedacht.
Ob mancher ſchon nicht denckt / daß man des Todes Muhmen /
Auffbothen zu dem Grab / Wegweiſer zu der Fahrt
Die grauen Haare nennt / des Kirchhoffs ſchoͤnſte Blumen /
Und fuͤr der letzten Friſt ſich ſo viel moͤglich ſpart.
So lehrt der Ausgang doch / daß wie der Schnee muß ſchwinden
Bey auffgewachter Sonn / der weiſſe Reiff vergeht /
Auch unſres Lebens Ziel ſein Ende muͤſſe finden /
Und daß uns Tag und Nacht der Tod zur Seiten ſteht.
Hergegen wer verwirfft des Fleiſches faule Brillen /
Siht durch des Glaubens Glaß die Herrligkeiten an:
Glaubt das / und kan auch ſo ſein Hertz mit Troſt beſtillen.
Kein treuer Nachbar nicht als nur der Tod ſeyn kan.
Wie offt ſind Nachbarn nicht auf Erden ſchlimme Feinde /
Ja goͤnnen vielmals kaum einander friſche Lufft?
Nein / der getrene Tod fuͤhrt uns zum Seelen-Freunde
Auf den diß matte Hertz in letzten Zuͤgen hofft.
Viel Nachbarn wuͤnſchen ſich der Seythen ihre Huͤtten /
Daß nach Belieben ſie dieſelben ruͤcken fort.
Wie heilſam iſt der Tod! der aus des Satans Wuͤthen /
Und aus der Angſt der Welt die Chriſten fuͤhrt zum Port.
O ſeel ge Nachbarſchafft! wer hie den Tod wol kennet
Und ihn die Lebens-Zeit fuͤr einen Gleits-Mann haͤlt /
Wird / wenn ſich der maleinſt die Seel vom Leibe trennet
Zuletzt den Engeln noch als Nachbarn beygeſellt.
Begluͤckte Nachbarin! Du haſt es wol getroffen
Nachdem dein Auge nun die groſſen Freuden ſchaut.
Du haſt auff den gegruͤndt dein unbeweglich Hoffen
Der dieſes gantze Rund der weiten Welt erbaut.
Schlaf in der Erden Schoß! kein Nachbar wird dich ſtoͤren
Ob Nord / Oſt / Sud und Weſt die Nachbarſchafft nicht haͤlt.
Man kan noch deinen Ruhm auf vieler Zungen hoͤren
Wie du geweſen biſt ein Bild der alten Welt.
Dein Tugend-eyfrig Geiſt hat / Seelige Matrone
Die Wolluſt dieſer Zeit aus Haus und Hertz verdammt.
Zucht / Ehr und Redligkeit war deiner Scheitel Krone
Und dieſe bleibt auch noch den Kindern eingeſtammt.
Die Mode von der Welt hieß eine Schanden-Decke;
So Laſter nur allein nicht Tugend ſichtbar macht.
P p pUnd226Leichen-Gedichte.
Und Uberfluß und Pracht ſo eine Suͤnden-Hecke
Die viel an Bettel-Stab und ins Verderben bracht.
Der erſten Schleſier genau und ſparſam Leben
Wieß deine Haͤußligkeit in einem Spiegel fuͤr.
Was Rom fuͤr Zeugnuͤß den Sabinern koͤnnen geben
Das gibt man ja mit Recht / Verblichne Nachbarn / dir.
Dein langer Witben-Stand war nur ein embſig Beten /
Und GOttes Willen muſt in allen Richtſch nur ſeyn.
Biß dich hat Lebens-ſatt der blaſſe Tod betreten
Und den entſeelten Leib beſchleuſt der ſchwartze Schrein.
Noch mehr: Du ſtirbſt erfreut in deiner Kinder Haͤnde
Und ihre Liebes-Pflicht druͤckt dir die Augen zu.
Jſt wol ein beßrer Tod? iſt wol ein ſeelgers Ende?
Als wenn die Unſrigen uns bringen zu der Ruh?
Was aber ſetz ich dir / ein Nachbar / fuͤr Cypreſſen?
O Seelge / weil die auch / wie wir vergaͤnglich ſeyn /
So wil dich dieſes nur ohn unterlaß ermeſſen /
Der Tod als Nachbar ſteigt bey mir zum Fenſter ein.
Ehren-Gedaͤchtnuͤß Hn. G. A. Kaͤiſ. H. u. W. der St. B. den 11. Aug. 1675.
NUn haſtu wahre Ruh und Freyheit dir erſtritten /
Du gehſt den Siegern gleich ins Schloß der Freuden ein.
Nun kan kein eintzig Feind dir mehr die Stirne bieten /
Weil Suͤnde / Welt und Tod gantz ausgetilget ſeyn.
Er mag ins Capitol ein Roͤmer Lorbern tragen /
Wenn dich die goͤldne Kron der Ewigkeiten ziert.
Wir hoͤren umb dein Grab den Nachruhm dieſes ſagen /
Daß / Seel ger Hauptmann / dir ein Helden-Lied ge -
Wie ſtimm ich dieſes an? die ſchuͤchteren Camenen
(buͤhrt.
Und Phoͤbus Lauten-Spiel ſtehn bey Soldaten nicht.
Hier muſt dir Mavors ſelbſt ein Donner-Lied erthoͤnen /
Das durch die Luͤffte ſauſt und durch die Ohren bricht.
Mich duͤnckt ich ſeh auch ſchon / wie ſich Bellona muͤhet /
Den letzten Ehren-Dienſt mit ihrer Pracht zu thun.
Wie ſich ein blanckes Schwerd / das noch gefaͤrbet ſihet /
Als Bild der Tapfferkeit heiſt auff der Bahre ruhn.
Kein227Leichen-Gedichte.
Kein Blumwerck gilt hier nicht. Der Hagel von Muſqueten /
Der Fahnen rother Flug / der Trummeln rauher Klang /
Der Spieß - und Degen-Schall / das Blitzen von Falckneten
Singt dir / o Seeliger / den ſchoͤnſten Leich-Geſang.
Und die Kleinodien / ſo deine Leiche ſchmuͤcken /
Sind Wunden / die du jetzt als Purpur-Binden traͤgſt.
Der Himmel konte dich nicht herrlicher begluͤcken /
Als daß du Ehren-ſatt dich ſo zur Ruhe legſt.
Du tapfferer Soldat / der in den erſten Jahren
Sich bald ins Feld gemacht / und Rauch und Dampff geſehn /
Viel Ungemach erduldt / viel Ungeluͤck erfahren /
Verlacht Hitz oder Kaͤlt / und ſcharffer Winde wehn /
Biſt von der Picken an zum Hauptmanns-Stab geſtiegen:
Ach wie viel beiſſen nicht / eh diß geſchicht / in Sand!
Und deine Tapfferkeit in den ſo vielen Zuͤgen
Hat zwar der Freund geruͤhmt / noch mehr der Feind erkant.
Es preiſet Freyberg noch den Loͤwen-Muth bey Stuͤrmen /
Wie dein bewaͤhrter Arm ſo manchen hat geſtuͤrtzt /
Wie deine Wachſamkeit bey ſchon erſtiegnen Thuͤrmen
Dem eingefallnem Volck den fernern Weg verkuͤrtzt.
Brieg ſiht dich noch behertzt aus ſeinen Mauren ſetzen /
Und wie dein blaſſer Arm ſo unermuͤdet ſchlacht /
Ja ſpringt die Mine gleich / ſie kan dich nicht verletzen /
Weil GOttes Guͤttigkeit auch uͤber Helden wacht.
Du Edler Krieges-Mann / der keinen Feind geſcheuet /
Dem Fechten nur ein Spiel und ein Ergetzen hieß:
Es iſt mehr als bekant / wie ſich dein Hertz erfreuet
Wenns an ein Treffen gieng / und man zu Felde bließ.
Wer zweymal zwantzig Jahr / ſo als wie du gedienet /
Und fuͤr des Kaͤiſers Heil die Waffen hat gefuͤhrt /
Jſt ſicher daß ſein Ruhm in den Geſchichten gruͤnet
Und ihn die Nachwelt ſelbſt mit Sieges-Lorbern ziert.
Wie ſchwer der Krieg auch iſt / ſo lohnet doch den Muͤhen
Nach ausgeſtandnem Kampff ein unvergaͤnglich Ruhm.
Diß iſt der Purpur-Rock / den Helden bloß anziehen /
Und hoher Geiſter nur ihr rechtes Eigenthum.
Achilles lebt bey uns / man ruͤhmet Hectors Thaten /
Und Alexanders Ruhm iſt noch die Welt zu klein.
Ja Caͤſars tapffer Arm / und kluger Witz im Rathen
Macht / daß er kont zu Rom der erſte Kaͤiſer ſeyn.
P p p 2Und228Leichen-Gedichte.
Und dieſe ſind mit Recht Schutz Goͤtter auch zu nennen /
So fuͤr das Vaterland aufſetzen Muth und Blut.
Es muß die Policey ſich Schuldnerin erkennen /
Erhaltne Freyheit bleibt doch nur das hoͤchſte Gut.
Nun / Werthſter Seeliger / dein ruͤhmlich Angedencken
Wird gleichfalls auff der Welt in vieler Hertzen bluͤhn.
Brieg wil aus Liebes-Pflicht dir Leid-Cypreſſen ſchencken /
Und uͤber deinen Tod den Klage-Rock anziehn.
Denn als des Fuͤrſten Huld zum Hauptmann dich erkohren
So wuͤnſcht es unter dir in Ruh geſchuͤtzt zu ſeyn:
Und dieſe Hoffnung hat die Folge nicht verlohren /
Jhr Wuͤnſchen traff zugleich mit deinen Wercken ein.
Biß Breßlau dich zuletzt in ihre Mutter Graͤntzen
Zuruͤcke wieder rufft und deine Dienſt erkennt /
Ja den erworbnen Ruhm noch weiter zu bekraͤntzen /
Dich zur gemeiner Stadt Wachtmeiſter hat ernennt.
Du haſt auch dieſem Ampt gewehrſam dich gezeiget.
Doch weil des Mondens Licht nur / was vergaͤnglich / ſchaut /
Der Anfang jederzeit zu ſeinem Ende ſteiget /
Und ihm der arme Menſch nichts Ewiges hier baut;
So hat / da dich kein Bley / kein Pulver koͤnnen faͤllen /
Die Glieder-Henckerin die Gicht noch hingericht.
Die konte durch ihr Weh das Leben ſo vergaͤllen /
Daß keine Folter-Banck gleicht dieſen Martern nicht.
Erbarmens iſt es werth. Der Menſch / der alles zwinget /
Dem Erde / See und Lufft muß zu Gebothe ſtehn /
Wird / thun es Feinde nicht / von Kranckheit doch umbringet /
Und muß in einem Nun zu ſeinem Grabe gehn.
Wiewol dein Helden-Muth der hatte ſich verbunden /
Mit wahrer Glaubens-Art. Dir / Seel ger / war bekand
Daß dieſe / ſo GOtt liebt / nie ohne Streich und Wunden /
Daß unſer Lebens-Ziel ſteht in des HErren Hand.
Der dich aus Mutter-Leib ſo wunderbar gefuͤhret /
Wuͤrd auff der letzten Fahrt auch dein Begleiter ſeyn.
Wol! Du haſt ſeine Treu im Ende noch geſpuͤret /
Und ſchlaͤffſt in Fried und Ruh mit deinen Vaͤtern ein.
Du / Seel ger Hauptmann / Du haſt ritterlich gerungen /
Und manchen tapffern Streich auff deinen Feind vollfuͤhrt /
Jetzt biſtu durch den Tod zum Leben eingedrungen /
Und traͤgſt den Sieges-Krantz / der doppelt dir gebuͤhrt.
Bey229Leichen-Gedichte.
Bey Beerdigung Fr. H. F. g. J. den. 2. Octobr. 1675.
1.
ENtbrichſt du dich der Erden Hoͤle /
Und ſuchſt das unumſchriebne Licht /
Du Tugend-Weib / du edle Seele
Gefaͤllt dir dieſer Nothſtall nicht?
Jn dem dein Leib hier eingeſpannet?
Eilſt du des Himmels Freyheit zu /
Und legſt vom Sterben uͤbermannet /
Die muͤrben Glieder zu der Ruh?
2.
Ach ja du weiſt daß dieſe Huͤtten
Aus ſchlechtem Leim ſeyn auffgebaut /
Daß Zeit und Zufall ſie zerruͤtten /
Und man daran nichts ewigs ſchaut;
Es reiſſet jeder Tag und Stunde
Vom Bau des Lebens etwas ein /
Da gehn wir aͤrmſten auch zu Grunde /
So bald wir nur gebohren ſeyn.
3.
Der Tod faͤllt nicht nur graue Jahre /
Und die beſchneiten Haͤupter an.
Der Jugend krauſe locken Haare /
Und was beheglich heiſſen kan /
Der Augen lichtes Sternen-prangen;
Der Glieder Anmuths-reicher May
Die Lilg und Roſen auff den Wangen /
Sind nicht von der Verweſung frey.
4.
Vergebens / daß ihr Luſt geſtalten
Schaͤtzt eure Schoͤnheit ſonder gleich;
Die zarte Haut kan bald ſich falten /
Ein eintzig Fieber macht euch bleich;
Und wenn ihr bey dem hoͤchſten bluͤhen
Stecht aller Blumen Zierath hin /
Wird euch der Tod ein Kleid anziehen /
Vor dem ihr andern werdet fliehn.
P p p 35. Es230Leichen-Gedichte.
5.
Es ſind doch[nur] geborgte Wahren
Und Guͤter auff gar kurtze Zeit /
Die nicht / wenn wir von hinnen fahren /
Wegweiſer zu der Ewigkeit.
Es ſey; das Laͤnder angeſtecket
Die Helena das ſchoͤne Weib;
Hat ſie der Tod nicht hingeſtrecket /
Gleich einem ungeſtalten Leib?
6.
Ach nein! ob ſchon ein ſolcher Namen
Dir / Seelige / war zugelegt
So ſproſt aus deinem Tugend-Saamen
Ein Baum der andre Fruͤchte traͤgt.
Du hielteſt es mit jener Griechen
Der Helenen / ſo von dem Haus
Des Hoͤchſten niemals iſt gewichen
Und Welt und Wolluſt nannte Grauß.
7.
Die Bluͤthe deiner friſchen Jugend
War nicht mit Uppigkeit erfuͤllt /
Dein eintzig Kleinod hies die Tugend /
Und Demuth die bey GOtt viel gillt.
Die Eitelkeit der ſchnoͤden Luͤſte
Hat nie den keuſchen Sinn befleckt /
Du kanteſt dieſe Welt / die Wuͤſte /
Die keine Freuden-Roſen heckt.
8.
Die Schoͤnheit / ſo Gemuͤthes Gaben
Als ſeltne Schaͤtze bey ſich fuͤhrt /
Und Zucht wil zur Gefertin haben
Ein Schmuck der holde Sitten ziert /
Wieß / das was pflegt die Welt zu ſchaͤtzen
Doch mit der Zeiten Lauff zerrinnt /
Und die ſo ſich daran ergetzen
Umbarmen einen leeren Wind.
9. Du231Leichen-Gedichte.
9.
Du Seelige haſt deine Zeiten
Jn reiner Andacht GOtt geweyht /
Und ließt dich ſeinen Rathſchluß leiten /
Bis zu erwuͤnſchter Heyraths Zeit /
Du haſt den Seegen aus der Hoͤhe
Empfangen von des Schoͤpffers Hand /
Den du mit ſo viel Angſt und Wehe
Verlaͤßt im truͤben Waͤiſen Stand.
10.
Wer glaubt nicht daß ſein Hertz jetzt blutet
Mein Freund bey ſolchem Seelen Riß?
Diß was er nimmermehr vermuthet
Vollzeucht der Tod nur zu gewiß.
Eh kaum drey Jahre ſind verfloſſen /
Ach Liebenden ſehr enge Zeit!
So ſiht er ſeinen Ehgenoſſen /
Jn einem weiſſen Sterbe-Kleid.
11.
Diß / was man kurtze Friſt beſeſſen /
Macht nur den ſchmertzlichſten Verluſt:
Wer kan / Betruͤbtſter / recht ermeſſen
Die Folter-Angſt in ſeiner Bruſt?
Doch wird auch GOtt die Wunden heilen /
Und weil ſie ihm gefallen hat /
So wolt er zeitlich mit ihr eilen
Zu der erwuͤnſchten Friedens-Stadt.
12.
Jhr minſtes Theil iſt nur geſtorben
Man legt was irrdiſch iſt ins Grab /
Jhr herrlich Lob bleibt unverdorben
Der Tugend eintzig Gut und Haab.
Sie hat in einem ſeel’gen hoffen
Beſchloſſen ihren Lebens-Lauff;
Drumb wird ihr auch ihr Heiland ruffen
Jch ſage / Helena ſteh auff.
P p p 4Fruͤh -232Leichen-Gedichte.
Fruͤhzeitiges Erblaſſen Hn. M. J. B. D. zu St. E. bejammert den 6. Novembr. 1675.
WEr kan den Wundeꝛ-Rath des Hoͤchſten doch ergruͤndē?
Sein unerforſchlich Schluß bleibt heilig und ge - recht,
(binden /
Sein Allmacht laͤſt ſich nicht der Menſchen Satzung
Es wird hier Fleiſch und Blut ſammt der Vernunfft geſchwaͤcht /
Es ſchenckt / Ehrwuͤrdiger / vor noch gar wenig Wochen
Die milde Vater-Hand ihm einen jungen Sohn /
Jetzt ſieht er ſeinen Troſt und Hoffnung unterbrochen /
Nun mit dem aͤlteſten zieht alle Luſt davon.
So wechſelt Freud und Leid / ſo miſchen ſich zuſammen
Ein Quell von kurtzer Luſt / und Thraͤnen-volles Meer;
So folgt die ſchwartze Nacht den hellen Tages Flammen /
Und Freuden ſind gantz leicht / hergegen Schmertzen ſchwer.
Wohin ſein Auge blickt / iſt Zunder zu dem Trauren /
Er ſiht nur uͤberall ein Bild der Sterbligkeit /
Denn Sarg und Wiege ſtehn bey ihm in gleichen Mauren:
Dort liegt der todte Sohn / hier dieſer weint und ſchreyt.
Den einen hat er ſchon geliefert GOttes Haͤnden /
Der neugebohrne iſt ein eingeſetztes Gut;
Der aͤltſte kan nunmehr in Port des Friedens lenden /
Da deſſen Lebens-Schiff noch ſchwimmt auff wuͤſter Fluth.
Es muß / Ehrwuͤrdiger / ſein Hertz es tieff empfinden /
Und diß Betruͤbnuͤß ihm biß an die Seele gehn.
Vor ſchlechte Wunden ſind Heilpflaſter leicht zufinden /
Nicht wenn ſie ſich ſo ſperr’n und immer offen ſtehn.
Wie wenn der letzte Herbſt die Gaͤrten gantz entkleidet
Den Blumen ihren Rock und Purpur-Mantel nimmt;
Die Floraferner nicht der Menſchen Auge weidet /
Das Luſt-Stuͤck ohne Luſt in Reiff und Regen ſchwimmt:
Der Gaͤrtner ſich betruͤbt / daß ſeine Blume welcken /
Die Lilgen untergehn / die Roſen ſind verblaſt;
Es lacht kein Hyacinth / es riechen keine Nelcken /
Weil alle Liebligkeit des Winters Sichel faſt:
So glaub ich daß auch jetzt der beyden Eltern Seele
Den ſchmertzlichen Verluſt mit heiſſen Seufftzen klagt;
Der233Leichen-Gedichte.
Der hochgeliebte Sohn muß in deß Grabes Hoͤle /
Die ſchoͤne Blume hat des Todes Wurm zernagt.
Er wuchs von guter Art / gleich Baͤumen an den Baͤchen /
Der Jahre Morgenroͤth erhellte ſich in GOtt.
So bald ſein zarter Mund nur deutlich konte ſprechen /
Lernt er des HErren Weg und heilige Gebot;
Ließ zu der Eltern Luſt und troͤſtlichem Behagen /
Bald ſeinen Schulen-Fleiß in vollem Eyfer ſchaun.
Man ſchloß / | daß dieſer Zweig wuͤrd edle Fruͤchte tragen
Und in deß HErren Haus viel Seelen noch erbaun.
Die Klau zeigt einen Loͤw / den Knaben friſche Minen / |
Wie man ihn offentlich mit Anmuth hat gehoͤrt.
Ach daß ſein Wachsthum hier nicht laͤnger ſollen gruͤnen /
Und alle Freud und Luſt des Todes Arm zerſtoͤrt /
Ein wohlgerathen Kind erpreſt nur bittre Zehren /
Wie ſehr man auch den Schmertz zu uͤbermeiſtern denckt.
Welch Zeno will allhier die naſſen Augen wehren?
Diß Leid iſt nur zu tieff in Fleiſch und Blut geſenckt.
Jedoch / Ehrwuͤrdiger / er hebe ſein Geſichte
Aus dieſer Trauer-Nacht zu der geſtirnten Hoͤh /
Und denck in welchem Glantz und Strahlen-reichen Lichte
Dem allerliebſten Sohn es ewig wohl ergeh.
Er hat die hoͤchſte Schul der Weißheit nun erreichet /
Weis / ein zwar kleines Kind / vielmehr als hier ein Greiß.
Wenn unſre Wiſſenſchafft / gleich einem Schatten / weichet /
Schleuſt ſein Erkenntnuͤß ein der Ewigkeiten Kreiß.
Er darff nun weiter nicht die treuen Lehrer hoͤren /
Und ſeine Lection wie vormals / ſagen auff:
Jhm will ſein A und O / der groſſe Meiſter lehren
Der Erd und Himmel hat vollfuͤhrt in ihrem Lauff /
Er iſt wol fortgeſetzt nach dem Examen worden /
Das bloß an Fleiſch und Blut der bleiche Tod vollbracht /
Nun ſitzt er hocherfreut in einem ſolchen Orden /
Wo jeder Engel ſich zum Neben-Schuͤler macht;
Er wird nichts anders auff als heilig / heilig / ſagen /
Wenn wir bey Rauch und Wind uns Redner duͤncken ſeyn.
Es wird ſein praͤchtig Haupt die Sieges-Kronen tragen /
Wenn Doͤrner voller Angſt ſich bey uns flechten ein.
Er hat dem hoͤchſten GOtt nur allzuwol gefallen /
Drum eilt er mit ihm fort auß dieſer Sterbligkeit.
P p p 5O ſeelig234Leichen-Gedichte.
O ſeelig wer nicht lang als Pilger hier darff wallen
Und ruht in GOttes Hand / voll Freud und Sicherheit!
Jch weiß / Ehrwuͤrdiger / er muß den Wechſel loben /
Wie ſcharff es auch zu erſt hat Fleiſch und Blut gedruͤckt /
Und weil er Traurende mit viel bewehrten Proben /
Und rechtem Himmels-Troſt / nicht ohne Ruhm / erquickt /
So woll er was er offt Betruͤbten hat gerathen /
Zu ſeiner Linderung ihm heilſam legen bey.
Des Schoͤpffers Allmacht uͤbt bey uns doch Wunderthaten /
Sie ſchlaͤgt / und heilet drauf / ſie bind und macht auch frey.
GOtt nimmt ihm einen Sohn / und giebet einen wieder
Den ſchmertzlichen Verluſt erſetzt ein gleich Gewinn:
Sein Obſicht ſtaͤrck an ihm die Knorpel-weichen Glieder /
Und laß ihn unverletzt zu Troſt und Freude bluͤhn.
Jch kan / Ehrwuͤrdiger / nichts mehr von Troſt anfuͤgen /
Weil ſelbſt in ſeinem Hertz und Mund der Himmel ſchwebt /
Doch wird diß kurtze Wort den langen Schmertz einwiegen:
Er gehins HErren Haus / ſein liebſter Sohn der lebt.
Leichen-Gedichte / Bey Beerdigung Fr. B. E. v. R. g. B. den 6. April. 1676.
WElch Ungewitter hat den Garten ſo verheeret?
Der vor ein Paradieß der ſchoͤnſten Blumen war /
Da die Ergoͤtzligkeit ſtets neue Luſt gebahr /
Und den die Liebe ſelbſt mit ihrem Thau ernehret.
Wie! irr ich / oder deckt ein Nebel mein Geſicht?
Daß ich den werthen Ort ſchau ohne Glantz und Licht.
Ach ja! ich ſehe nichts als blaſſe Wermuth-Straͤuche /
Die Baͤthe ſonder Luſt / die Felder ſonder Zier /
Der Eppich ſproſt allein / das Todten-Kraut / herfuͤr /
Und oͤde Wuͤſteney wohnt in der Chloris Reiche:
Die Lufft wird von dem Stral der Sonnen nie beblickt
Noch durch den ſuͤſſen Hauch der Weſten einſt erquickt.
Man hoͤrt die Voͤgel nicht erfreute Lieder ſingen.
Als Echo nur allein erthoͤnt ein klaͤglich Ach!
Die Baͤche lauffen dem mit truͤben Fuſſe nach /
Und dicke Finſt ernuͤß will auch den Tag verdringen /
Die235Leichen-Gedichte.
Die Nacht ſo nichts als Furcht und Schrecken in ſich fuͤhrt /
Wird durch die goͤldne Glut der Sterne nie geziert.
Jſt diß der Platz der Noth? Sind diß die Trauer-Felder
Wo bleiche Kuͤmmernuͤß ihr Lager ſchlaͤget auf?
Wo innig Seelen-Leid und Jammer koͤmmt zuhauff?
Ach welch Verhaͤngnuͤß zeigt mir die Cypreſſen-Waͤlder!
Ein mehr als menſchlich Zug laͤſt mich nicht weiter gehn
Jch fuͤhle meinen Fuß bey kalten Leichen ſtehn /
Hilff Himmel! welch ein Volck von den verblaſten Schaaren
Nimmt mich auch wider Wunſch zum Reißgeferten an.
Ja / Morta / troͤſtet mich / wo dieſe troͤſten kan /
Es ſolte mir kein Leid noch uͤbel wiederfahren.
Sie wolte mir geheim als Herꝛſcherin der Zeit
Vertrauen ihrer Burg verſchloßne Herꝛligkeit.
Mir brachten nichts als Furcht die ſchlotternde Gebeine
Als ihr verweſter Arm die Schloͤſſer ſtieß entzwey /
Und wie die Thuͤren nun von Band und Ketten frey
Sprach ſie: Betrachte hier die ſterbliche Gemeine.
So viel man noch von Aſch und leeren Saͤrchen ſieht
Das iſt der Uber-Reſt von denen die gebluͤht.
Hier ſchlaͤffet Feind und Freund einander an der Seiten /
Und die gekroͤnte Macht ruht bey geringem Stand /
Den Scyth und Jndian bedeckt ein gleicher Sand
Haß / Liebe / Neid und Ruhm / Furcht / Jammer / Krieg und Strei - ten /
Und was vor Sorgen mehr der Menſchen Hertz gequaͤlt /
Sind der Vergeſſenheit nun gaͤntzlich zugezehlt.
Doch daß du gleichwol ſiehſt / wie Tugend nicht erſterbe /
Getreuer Liebe Licht brenn auf deß Grabes-Nacht /
Wie ihr Gedaͤchtnuͤß noch ſich Ehren-Tempel macht
Und nur den bloſſen Leib den Wuͤrmen gibt zum Erbe /
So folg: und alſobald nimmt ein Gewoͤlb[uns] an /
Von deſſen Leichen-Schmuck ich nicht wol melden kan.
Jch ſah umb eine Baar vier Klage-Weiber ſtehen /
Die / ſo der Glaube war / trug einen Scepter vor
Der Zweygeſchloßne Haͤnd hub mit der Spitz empor.
Es ließ die Gottesfurcht ihr Feur nie untergehen /
Das ſie auf dem Altar deß Hertzens ſtets aufbließ /
Worbey die Einigkeit noch den Magnet-Ring wieß.
Es236Leichen-Gedichte.
Es ſchloß die Fruchtbarkeit an Oelbaum ihre Reben:
Nimm / ſagte Morta mir / diß Traurſpiel wol in acht /
Goͤttinnen haben ſich umb dieſen Sarg gemacht.
Der Abgeſtorbnen Ruhm und Tugend zu erheben.
Und wo dein Auge nicht in den Gemaͤlden treugt /
So mercke weſſen Tod die dunckle Deutung zeugt:
Die Wort erweckten mir noch immer mehr Begierden /
Als an der naͤchſten Wand ein Sinnen-Bild erſchien /
Der Monde ſo verblaſt / mit Beyſchrifft: Es iſt hin
Deß Hauſes heller Glantz ſamt aller Stralen Zierden.
Nicht unweit ſtand ein Baum auff deſſen duͤrren Aſt
Die Turteltaub: Allein. Zum Sinnbild abgefaſt.
Dort ſanck die Lilie verwelcket zu der Erden.
Mit Thraͤnen geh ich auf / mit Thraͤnen geh ich ein /
Mit Thraͤnen muß ich auch im Tode fruchtbar ſeyn.
Zwey Lauten ſo ſonſt nie getrennet koͤnnen werden /
Die lagen gantz entzwey / die Seiten ſprungen ab
(Grab.
Der Wahlſpruch druͤber war: Den Klang zerſtoͤrt das
Unweit ſah ich ein Hertz in vollem Blute ſchwimmen
Durch deſſen Mittel-Punct ein ſpitzig Demant fuhr
Mit Beyſatz: Dieſe Wundheilt ferner keine Cur.
Und weiter wuchs Corall ins Meeres tieffen Kruͤmmen
Die Uberſchrifft kam ſo: Jch lebe nur in Fluth /
(Gut.
Und bittres Thraͤnen-Saltz iſt jetzt mein hoͤchſtes
Jch eilte furchtſam fort mehr Spruͤche nachzuleſen /
Als meine Fuͤhrerin den Vorſatz unterbrach /
Und rieff: Ach ſinne doch den Sachen tieffer nach
Verſteh / durch meine Gunſt wer dieſe ſey geweſen /
Die jetzt Herr Reuſch auß Pflicht mit tauſend Thraͤnen netzt
Und die die gantze Stadt deß Lebens wuͤrdig ſchaͤtzt.
Es hat die Sonne noch den Thier-Kreiß nicht durchrennet /
Als dieſe Gratie und ſchoͤnſter Nymfen Zier /
Des Himmels Meiſterſtuͤck / der Freundligkeit Saphier
Von reiner Liebes-Glut Herr Reuſchens angebrennet /
Durch das hochheilge Band der Eh ſich ihm vermaͤhlt |
Und nichts als Freud und Luſt in dieſem Stand gezehlt.
Ach aber ach! wie ſpielt das himmliſche Geſchicke /
Und miſcht die Aloe deß Lebens-Zucker ein!
Ach daß der Monden ſol ſo bald verdunckelt ſeyn!
Und ſich ſein Silber-Glantz verkehrt in Leichen-Blicke!
Der237Leichen-Gedichte.
Der einen Himmel Luſt Herr Reuſchen hat gebracht /
Sinckt / ach unendlich Leid! ins Grabes ſchwartze Nacht.
Die Turteltaube flieht von ihrem liebſten Gatten.
Die keuſche Lilie / ſo unvergleichlich ſchoͤn /
Man mit Verwunderung ſah in dem Garten ſtehn /
Muß von deß Todes Hitz und Brennen gantz ermatten;
Wer ſieht nicht / wie ihr Haupt / eh es zur Erden ſinckt
Mit einem Liebes-Blick noch nach Herr Reuſchen winckt.
Die Blume / die ſo viel Ergetzligkeit gegeben
Und einen gantzen May der Anmuth fuͤrgeſtellt /
Zu der die Morgen-Roͤth im Purpur ſich geſellt /
Umb die die Liebe pflag als Nachbarin zu ſchweben /
Stuͤrtzt jetzt Herr Reuſchens Geiſt in ein hoͤchſt-ſchmertz - lich Weh /
Macht ſeinen Port der Luſt zu einer Thraͤnen-See.
Der wolgeſtimmte Klang von gleich-geſinnten Hertzen /
Verſtimmt deß Todes Hand / ſo daß die Harmonie
Mit lauterm Winſeln ſchleuſt: Die Allerwerthſte die /
So vor als ein Magnet durch ihr beheglich Schertzen
Den Eh, Schatz an ſich zog / bringt deſto mehr Verluſt /
Weil fuͤr den Seelen-Rieß kein Pflaſter iſt bewuſt.
Das Trauren wandelt ihn faſt in Corallen Aeſte /
Umb welch ohn unterlaß die Jammer-Welle ſchlaͤgt.
Jch den mein Auge noch mehr wahrzunehmen traͤgt /
Leß eine neue Schrifft: Mein Kleinod iſt das beſte /
Worunter eine Kron mit Sieges-Zweigen lag /
Der ſich gantz Morgenland an Werth nicht gleichen mag.
Mehr ſah ich einen Baum voll herꝛlicher Granaten
Die ſchoͤnſte borſt entzwey: Mein Leben / das iſt hin /
Auf daß nur meine Frucht zum Leben moͤge bluͤhn.
Und wie ich embſig bin diß Raͤtzel zuerrathen /
Sagt Libitina mir: Der Außgang zeuge frey
Daß er der Seeligen verlaßne Pflantze ſey.
So muß der Seiden-Wurm ſein eigen Grab ſich ſpinnen /
So floͤſt der Pelican ſein Blut den Jungen ein.
Ja / Hochbekuͤmmerter / der muͤſt ein Marmel ſeyn /
Der hier auß Beyleid nicht die Thraͤnen lieſſe rinnen.
Sein238Leichen-Gedichte.
Sein Kind iſt Mutterloß / er ſieht ſich ohne Schatz:
Heiſt dieſer Zuſtand nicht der Schmertzen Sammel-Platz?
Jedoch / was will er ſich dem Leiden uͤberlaſſen /
Es geht die Seelige / der Welt Aprill vorbey /
Geneuſt dort in der Hoͤh der Ewigkeiten May /
Und ſieht die Engel ſich mit Wonn und Luſt umbfaſſen;
Lernt wie die Blumen-Luſt ſo hier ihr Garten wieß /
Nur ſey ein Schattenwerck fuͤr jenem Paradieß.
Der immer-gruͤne Buchs / die dunckelen Cypreſſen /
Der Cedern ewig Haar / und was ſonſt Graͤber ſchmuͤckt
Jſt unnoth / weil ſein Hertz in ſich ihr Bildnuͤß druͤckt /
Betruͤbtſter / und der Ruhm der Tugend unvergeſſen.
Vergebens daß man will das Grab mit Schmuck umbziehn,
Macht doch deß HErren Wort die Todten-Beine gruͤn.
Gedancken auß dem 126. Pſalm / Bey Beerdigung Fr. J. B. g. L. den 19. April 1676.
EIn Stoß / der’s Auge trifft / bringt freylich naſſe Zaͤhren /
Doch der ins Hertze geht / richt Seel und Leben hin.
Was ſoll / Ehrwuͤrdiger / ich nun fuͤr Troſt gewehren?
Sein Zufall kraͤnckt mich ſelbſt / daß ich voll Thraͤnen bin.
Es ſcheint zwar ungeſchickt zu Thraͤnen / Thraͤnen ſetzen
Und bey Bekuͤmmerten mehrt weinen nur das Leid:
Doch weil die Thraͤnen ſind der Engel ihr Ergetzen /
Ein Balſam / der mit Macht bekaͤmpfft die Traurigkeit;
Und was man ſatt beklagt / doch niemals ſatt beweinet /
So laß er Thraͤnen jetzt der Liebſten Opffer ſeyn.
Jch weiß daß auch ſein Geiſt gantz willig hier erſcheinet /
Weil ſelbſt der Himmel ihm floͤſt dieſe Tropffen ein.
Diß was ſein Mund gelehrt in feurigen Gedancken /
Wenn wahrer Andacht Blitz die Zunge hat entflammt;
Wie unſer Sterbligkeit beſteh in engen Schrancken /
Und von der erſten Schuld der Tod noch auf uns ſtammt /
Ja ein verweßlich Korn wir ſaͤen in die Erden:
Macht jetzt die Folgerung an ſeiner Liebſten klar.
Er ſieht ſein halbes Hertz zu Stanb und Aſche werden /
Und ſeiner Jahre Troſt liegt auf der ſchwartzen Baar.
Heiſt239Leichen-Gedichte.
Heiſt dieſes nicht in Angſt und bittren Thraͤnen ſaͤen?
Gleich wie der Ackersmann mit ſeufftzen ſeine Frucht /
Wenn ſtarcker Hagel faͤllt / wenn rauhe Winde wehen /
Der Erden zuvertraun auf kuͤnfftig Wachsthum ſucht:
Es ſchleuſt der Baͤthe Schoß die Hoffnung von dem Jahre
Die er nur mit Gebet und Wunſch befoͤdern kan:
Hier liegt Ehrwuͤrdiger ſein Hoffen auf der Baare
Und nimmt die Thraͤnen noch / die er jetzt liefert / an.
Vors erſte nenn ich es erhitzte Liebes-Thraͤnen
Die von den Tugenden der Liebſten außgepreſt.
Gewiß daß ſie nach ſich ein unaufhoͤrlich ſehnen
Zum Denckmal ſteter Treu in ſeinem Hertzen laͤſt.
Es mag das Morgenland des Balſams theure Gaben /
Die Myrrh und Aloe beruͤhmten Graͤbern weyhn;
Hier kan die Seelige ein ſchoͤner Grabmahl haben /
Wenn es ihr Ehſchatz wird mit Thraͤnen uͤberſtreun.
Denn dieſe rinnen auch auß recht getreuem Hertzen /
Bevor wenn er erwegt den klaglichen Verluſt /
Und wie ſie jederzeit als Aertztin ſeiner Schmertzen
Und Kummerwenderin zu rathen hat gewuſt.
Der Kern der Gottesfurcht der war ihr angebohren /
Deß Vaters Prieſterthum hieß ſie nicht weltlich ſeyn /
Nach dem ſie nun / mein Herr / als Prieſter ihm geſchworen /
Traff gleiche Lebens-Art mit ihren Sitten ein.
Jch mag mit Heucheley die Leiche nicht beſchuͤtten /
Noch der Exempel Zahl zum Beyſpiel fuͤhren an.
Jhr Wohl-Verhalten wird ihr ſo ein Lob anbieten /
Daß / der ſonſt alles ſchillt / der Neid nicht ſchelten kan.
Sie war die Monica in Seufftzen-reichem bethen /
Placilla wenn es kam den Armen Guts zuthun /
Jſt wie Gorgonia fuͤr ihren GOtt getreten /
Mit Wuͤnſchen / daß ihr Hauß moͤcht in dem Segen ruhn.
Hat in Beſcheidenheit und Tugend-vollem Leben /
Als wie Paulina that / den Ehren-Spruch erlangt /
Daß ſie als eine Zier der Frauen zu erheben /
Die auch bey Creutz und Leid den Roſen gleich geprangt.
Sie merckte daß ſie hier in Thraͤnen wuͤrde ſaͤen /
Und daß der Chriſten Creutz ihr auf den Schultern lag /
Ja wie die Welt uns nichts als Hohn / Verfolgung / Schmaͤhen /
Und einen Kelch der Angſt zu bieten nur vermag.
Doch240Leichen-Gedichte.
Doch glaubte ſie dabey daß diß ein edler Samen
Der uns die Pflantzen bringt der groſſen Herꝛligkeit /
Daß in das Lebens-Buch geſchrieben ſey ihr Namen /
Und hat mit Helden-Muth zum Sterben ſich bereit.
Jch meyn / Ehrwuͤrdiger / daß nach den Liebes Fluten
Womit ſein treues Aug und Hertz iſt uͤberſchemmt /
Er Creutzes-Thraͤnen fuͤhlt / dabey er mehr muß bluten /
(hem̃t.
Und daß der Schmertzen Strom kein Wehr der Troͤſtung
Verliehren / was uns hier das Leben noch erweitert /
Den allerliebſten Freund ſehn von der Seite fliehn /
Die Sonne / ſo das Hauß mit ihrem Glantz geheitert /
Sehn in die Finſternuͤß der todten Schatten ziehn /
Jſt ein hochmaͤchtig Leid. Bevor wenn man verlaſſen
Jn oͤder Einſamkeit die zarten Pflantzen ſieht /
Es kan das Mutter-Hertz die Trauben nicht umbfaſſen /
So doch aus ihrem Blut holdſelig auffgebluͤth.
Creutz uͤber alles Creutz! Die lallend halbe Stimme
Spricht noch der Mutter Treu um Bruſt und Nahrung an.
Und er / Ehrwürdiger / ſieht ſeines Hauſes Jmme /
Wie embſig ſie auch war / nun in den Sarg gethan.
Doch liegt in dieſem Creutz nnd Thraͤnen was verborgen /
Das von der Ewigkeit uns einen Vorſchmack giebt.
Nach Donner-ſchwartzer Nacht folgt offt ein heller Morgen /
Und dieſer der uns ſchlaͤgt iſt Vater / der auch liebt.
Wir duͤrffen auf die Welt nicht unſern Samen ſaͤen /
Deß Fleiſches faule Luſt zeigt Puͤltze voller Gifft:
Bald wirds den Schwaͤmmen gleich in Hoffart ſich aufblaͤhen /
Bald kommt der Geitz hervor / ſo nichts als Jammer ſtifft:
Nein / Chriſten muͤſſen erſt durchs Creutz gepruͤfet werden /
Wie uns ſein heilig Mund ſchon laͤngſten hat gelehrt.
Der Menſch iſt mehr als Menſch und traͤgt was mehr als Erden
Der Gott ſich unterwirfft und ſeinen Willen ehrt.
Jch weiß / wie hefftig ihn die Thraͤnen jetzt auch beiſſen /
Sionis theurer Ruhm / der Kirchen Troſt und Liecht /
So wird er mit der Zeit ſie linder flieſſen heiſſen /
Weil ſeiner Liebſten es an keinem Gut gebricht.
Denn ihre Thraͤnen ſind zu lauter Perlen worden /
Wormit ſie Gottes Hand als eine Braut geſchmuͤckt /
Es ſtuͤrmt auf ihre Saat kein kalter Wind auß Norden /
Jhr Ernd iſt uͤberauß gerathen und begluͤckt.
Ach241Leichen-Gedichte.
Ach Wonne der nichts gleicht! Sie traͤgt nun ihre Garben
Mit Jauchtzen und Geſchrey des Himmels Scheuren ein.
Verwundert derer Glautz / daß mit der Purpur Farben
Von unſers Heylands Blut ſie ſo gemahlet ſeyn.
Zu dem / Ehrwuͤrdiger / ſind die dreyfachen Thraͤnen
So Liebe / Creutz und Freud in einem Circkel fuͤhrt /
Ein Auffboth daß wir uns nach jenen Freuden ſehnen /
Worinn ſein werthſter Schatz gekroͤnet triumphirt.
Jhr Angedencken tilgt auch nicht die See der Zaͤhren /
Des Creutzes ſchwere Laſt mehrt ſeiner Liebe Preiß /
Jhr edler Saame muß uns dieſen Troſt gewehren;
Daß / wer mit Thraͤnen ſaͤet / die Erndte ſelig weiß.
Die fluͤchtige Anemone / Bey Abſterben Fr. A. E. K. g. H. den 20. April. 1676.
ADonis / den man mag der Schoͤnheit Seele nennen /
Den auch die Venus ſelbſt dem Himmel zoge fuͤr /
Nachdem ohn unterlaß ihr Hertze pflag zubrennen /
Gieng auff ein hauend Schwein voll muthiger Begier /
Wird / weil er zu viel wagt / biß auff den Tod verletzet.
Bald laͤſt die Goͤttin ſich von der geſtirnten Hoͤh /
Und findet den erblaſt / den ſie ſo hoch geſchaͤtzet /
Siht ihre Luſt verkehrt in ein erbaͤrmlich Weh.
Sie kuͤſte tauſendmahl die ſchon erkalten Glieder /
Und goß den Thraͤnen-Strom auff das geronne Blut /
Sie rieff: Ach mein Adon / mein Leben / kommt nicht wieder!
Jhr Goͤtter / daß ihr doch ſo grauſam an mir thut!
Doch ſolt du meiner Gunſt ein praͤchtig Denckmal haben /
Holdſeeligſter Adon / dein Blut wird ewig bluͤhn /
Und andrem Garten-Werck und ſchoͤnen Fruͤhlings-Gaben /
An Glantz und Herrligkeit gar weit ſeyn fuͤrzuziehn.
Uhrploͤtzlich ſproſten auff die zarten Anemonen /
Man ſah den Purpur-Safft auff ihren Blaͤttern ſtehn
Zum Zeichen ſteter Pflicht / zum Ehren-Mahl Adonen /
Daß treue Liebe nicht im Grabe kan vergehn.
Jch weiß / Betruͤbtſter Freund / daß mit dergleichen Schmer - tzen
Und tieffem Seelen-Leid er ſeinen Schatz beklagt /
Q q qDaß242Leichen-Gedichte.
Daß er ein ewig Grab auffbauet in dem Hertzen /
Und Leben / Geiſt / und Blut zulieffern nicht verſagt.
Sein An Emone welckt jetzt / da ſonſt alles bluͤhet /
Und ein Smaragden-Kleid der Erdenkreiß legt an /
Da man der Flora Reich beſternt mit Blumen ſiehet /
Und ihrer Farben Glantz Rubinen trotzen kan.
Jſt diß nicht Thraͤnen werth? die Blume gruͤner Jugend /
Auß der die Schoͤnheit lacht / und Anmuth hat geſpielt /
Die einen ſuͤſſen Ruch gab von der edlen Tugend /
Und dieſe nur allein zum End-Zweck ihr erziehlt /
Wird von deß Todes Hand im Wachsthum abgebrochen?
Deß Ehbetts Morgenroͤth erblaſt im erſten Schein /
Hat in die Finſternuͤß deß Grabes ſich verkrochen /
Daß nichts mehr uͤbrig kan als Thraͤnen-Regen ſeyn.
Doch / wie ein durſtig Feld nach dieſen Tropffen laͤchſet /
Umb ihre Fruchtbarkeit mit duͤrren Furcheu fleht:
So glaub er / werther Freund / ſein An Emone waͤchſet
Gantz zur Vollkommenheit auff dieſem Trauer-Baͤth.
Es hat faſt der Natur die Kunſt die Hand geboten /
Der Anemonen Pracht vielfaͤrbig anzuſchau’n /
Bald funckelt ihr Gewand vom lichten Feuer Rothen /
Bald ſieht es gelb als Gold / bald faͤngt es an zu Blau’n /
Jetzt iſt es Purpur-Braun und denn Schneeweiß erſchienen /
Sieht wie die volle Roſ und wickelt Blat in Blat /
So daß fuͤrn Blumen wol / die in den Gaͤrten gruͤnen /
Der Anemonen Glantz den erſten Vorzug hat.
War ſeine Liebſte nicht dergleichen Anemone /
Der Purpur keuſcher Scham maͤhlt ihrer Wangen Roth /
Und die Beſtaͤndigkeit reicht ihr die goͤldne Krone
Der unverruckten Treu biß an den blaſſen Tod
Sah man die Gottesfurcht ſie Himmelblau nicht kleiden /
Wenn gleich der Kranckheit Glut den zarten Leib gebraͤunt?
Und ihre Reinligkeit hat in Schnee-weiſſer Seiden
Der Sitten holde Krafft mit Demuth ſtets vereint.
Die Anemone kan kein Auge ſo vergnuͤgen /
Als ſeine Seele ſich an ihr hat abgeſpeiſt /
Wenn ſuͤſſe Liebligkeit ſein Hertz wuſt einzuwiegen /
Und in zwey Leibern wohnt ein gleich-geſinnter Geiſt.
Der Gaͤrtner ſieht erfreut / wenn ſeine Anemonen
Vielfaͤltig / voll und ſchoͤn / in dem Gefaͤſſe bluͤhn.
Auch243Leichen-Gedichte.
Auch da ſieng neue Luſt ſein Hertz an zu bewohnen /
Als er ſah ſeine Blum ihm eine Pflantz er ziehn.
Wie herrlich aber nun in Chloris Luſt-Gefildern
Die Anemone ſich mit ihren Farben ſchmuͤckt:
So iſt nichts fluͤchtigers von allen Lentzen-Bildern /
Als die ein eintzig Wind zur Erde nieder druͤckt.
Ach unſrer Sterbligkeit ein klares Jammer-Zeichen!
Ein Spiegel der entwirfft der Schoͤnheit Untergang!
Wenn ſich will Fleiſch und Blut den Anemonen gleichen /
Verkehrts ein Augenblick in Faͤulnuͤß und Geſtanck.
Diß was vor Anmuth hieß muß da zum Scheuſal werden /
Der Augen Sterne ſind ein Waſſer / das zerfleuſt /
Der Athem nur ein Wind / die lieblichen Geberden /
Die Haut ſo Perlen gleich in ihrer Schoͤne gleiſt /
Nichts als ein ſchlechter Thon und ein gebrechlich Scherben /
Das leicht ein eintzig Stoß der Kranckheit ſchlaͤgt entzwey /
Corallen / die vorhin ſo Lipp-als Wangen faͤrben
Macht eine boͤſe Lufft zu einem bleichen Bley.
Was iſt nun fluͤchtiger? Die ſchnellen Anemonen?
Nein. Schoͤnheit die ein Raub der kurtzen Zeit verſchwind.
Und wenn wir heute bluͤhn als hohe Kaͤyſer-Kronen /
Glaubts / daß der Abend drauff erblaſte Leichen find.
Diß zeigt der Seeligen ihr ſchoͤn und kurtzes Bluͤhen /
Jhr zartes Alter hat nicht zweymal Zehn erreicht /
Sie muß das Sterbe-Kleid im hoͤchſten Flor anziehen /
Da ihre Liebligkeit der Anemone gleicht.
Ein hitzig Todes-Wind verbrennt die ſchoͤne Blume /
Schafft vor den May der Luſt dem Liebſten kaltes Eis /
Verlaͤſt von dem Verluſt nichts mehr zum Eigenthume
Als Thraͤnen / die gewiß von naſſer Wehmuth heiß.
Und dieſe will er auch dem Grab unendlich ſchencken /
(Gleich Tropffen die der Thau bey hell-geſtirnter Nacht
Pflegt Blumen und Gewaͤchs erſprießlich einzuſencken /)
Biß jener Fruͤhling ſie lebendig wieder macht.
Denn / muß die Anemon in ihrem Purpur ſterben /
Sieht das verjuͤngte Jahr ſie doch in neuer Zier!
Vielmehr wird ſeine Liebſt im Grabe nicht verderben /
Und in weit groͤſſerm Glantz und Klarheit gehn herfuͤr.
Q q q 2Man244Leichen-Gedichte.
Man weihte ſonſt der Grufft Violen und Narciſſen;
Er lege ſeinem Schatz dergleichen Schoͤnheit zu /
Die Blume ihrer Zeit / ſo hier verwelcken muͤſſen /
Jſt wuͤrdig / daß ſie auch nur unter Blumen ruh.
Uber den ſeeligen Todt Hn. J. G. E. M. D. den 7. May 1676.
WEr / Vetter / deinen Tod mit trucknen Augen ſchauet /
Der iſt ein harter Fels und unempfindlich Stein.
Wer deinem Grabe nicht ein Ehrenmahl auffbauet /
Der muß im Helicon ein bloſſer Frembdling ſeyn.
Der Kunſt und Artzney Gott Apollo ſteht betruͤbet /
Und reiſt vor Hertzeleid die Lorbern aus dem Haar /
Giebt traurig an den Tag / wie hoch er dich geliebet /
Und wie ſein Meiſter Ruhm mit dir liegt auff der Baar.
Die keuſche Daphne ſeufftzt und Flora ſchwimmt in Thraͤnen /
Die ſie ohn unterlaß auff Blum und Kraͤuter ſetzt.
Die Mutter aller Ding eroͤffnet frey ihr Sehnen
Weil ſie dich jederzeit als Rath und Troſt geſchaͤtzt;
Hygea tritt hervor in einem weiſſen Kleide /
Siht nicht ſo lebhafft ſchoͤn als wie ſie vormals pflag /
Klagt deinen Untergang und geht in tieffem Leide /
Nun ihr Geſundheit Kelch dir nicht mehr nutzen mag.
Jhr Vater Aeſculap durchforſchet in Metallen
Ob irgend eintzig Geiſt / dir auffzuhelffen / ſey?
Ach Eiſenharter Schluß! du ſolſt und muſt verfallen;
Hier macht noch Artzt noch Kunſt dir vom Verweſen frey.
Die Haͤupter voller Witz / ſo alles auffgeſchloſſen
Was in der Erden Schoß hat die Natur verſteckt /
Vermiſſen nur zu fruͤh dich ihren Mitgenoſſen /
Und ſind mit gleichem Weh der Traurigkeit bedeckt.
Du biſt auch Thraͤnen werth / Apollens Aug und Hertze /
Und groß iſt der Verluſt den man empfinden muß.
Dein edle Wiſſenſchafft hat gleich der Sonnen Kertze
Mit ihrer Stralen Krafft beherrſcht der Lethe Fluß.
Der Acheron erſchrack / Coeytus floß zuruͤcke /
Und Charon nehm nicht mehr ſo haͤuffig Faͤhrgeld ein.
Die Parcen ſtarrten gar ob dieſem Meiſterſtuͤcke.
Wenn Krancke deine Cur hieß friſch und munter ſeyn.
Was245Leichen-Gedichte.
Was haſt du nicht fuͤr Luſt von Jugend auff getragen
Dem groſſen Vater gleich an Ruhm und Kunſt zu gehn;
Wie eyfrig war dein Fleiß im Leſen / Forſchen / Fragen /
Und wie die alte Welt und neue zu verſtehn.
Gantz Jehna ruͤhmt dich noch / da du den Grund geleget /
Worauff ein Podalir das Schloß der Weißheit baut.
Wo du mit groſſem Ruhm Streit-Fragen haſt erreget /
Und ſolche mit Vernunfft zu loͤſen dir getraut.
Drauff nahm dich Leiden an und wieß dir ſeine Schaͤtze
Und war mit Mutter-Treu und Liebe dir geneigt /
Bald labten deinen Geiſt der Vaͤter Lehr-Geſetze /
Bald hat man Coͤrper dir und Florens Reich gezeigt.
Die feurige Begier blieb nicht damit zu frieden
Sie eilte ferner fort die weite Welt zu ſehn.
Denn als du von der Bruſt der Muſen abgeſchieden /
So lieſt du nach Sedan dich Wind und Segel wehn.
Biß dich die Koͤnigin der Staͤdte hat empfangen
Das praͤchtige Pariß / der Jnbegrieff der Welt.
Hier ſchien numehr vergnuͤgt dein Hoffen und Verlangen
Nachdem dich zum Patin das Gluͤcke hat geſellt.
Und was nur Franckreich hegt von klugen Wunder-Meiſtern /
Die wurden dir mit Gunſt und Hulden zugethan.
Da ſchaͤrffſt du den Verſtand bey ſo erlauchten Geiſtern
Die ſelbſt der Nach-Welt Mund nicht ſatſam ruͤhmen kan.
Ein himmliſches Gemuͤth erkennt des Urſprungs Flamme /
Sucht / wie der Himmel thut / nur in Bewegung Ruh;
Du auch von guter Art und von beruͤhmtem Stamme
Theilſt deine Wiſſenſchafft noch andre Reiſen zu.
Du wilſt Jtalien das Paradies der Erden.
Und wo der Artzney Kunſt in vollem Schwange geht /
Nicht obenhin beſchaun. Nein. Wer gekroͤnt wil werden
Muß dencken wie er auch im Kampff und Streit beſteht.
Der Lehrer gantzer Rath beſchleuſt mit gleichen Stimmen /
Daß Padua die Cron von Lorbern reichen ſol.
Man ſah der Deutſchen Hertz in wahren Freuden glimmen
Als dieſer Rufferſchallt: Herr Elßner haͤlt ſich wol.
Doch der erlangte Preiß und Kleinod vom ſtudieren
Hat dich mehr angeſpornt / die Lichter dieſer Zeit
So jetzt die Sieges-Fahn in Wiſſenſchafften fuͤhren /
Zu ehren mit Bedacht / zu ſehn in Hoͤffligkeit.
Q q q 3Das246Leichen-Gedichte.
Das herrliche Florentz verſchloß dir nicht die Kammern /
Was Naples ſchoͤnes weiſt / hat da dein Aug ergetzt.
Es wolte dich zu Rom faſt derer Maͤnner jammern
Weils zum verlaſſen kam / die du ſo hoch geſchaͤtzt.
Denn nahm das Vaterland / hilff GOtt mit was fuͤr Freuden!
Dich wieder in die Schoß. Der Vater ſtaud entzuͤckt /
Und konte niemals ſatt an dir die Augen weiden /
Als deſſen Hoffnungs-Ziel ſo uͤberauß begluͤckt.
Ja / wie das Sprichwort war / daß Adler Adler zeugen /
Und aus der Klau ein Loͤw ſich zuerkennen gibt.
So machſt du auch den Ruhm des Vaters dir gantz eigen /
Und wieſt durch Curen aus was du ſeither geuͤbt.
Du haſt ſtets der Natur die rechte Hand geboten /
Und ihrer Heimligkeit Mirakel offenbahrt /
Viel wieder auffgebracht / die zugezehlt den Todten /
Und keinem Rath und Huͤlff in ſeiner Noth verſagt.
Wir wuͤnſchten ingeſammt dir ein unſterblich Leben /
Und daß fuͤr deiner Cur moͤg alles Ubel fliehn.
Umbſonſt. Wer kan dem Schluß des Himmels wiederſtreben?
Wenn GOtt ſchafft / muß der Artzt das Sterbekleid anziehn.
Und zwar du ſtirbſt ſehr fruͤh im Wachsthum beſter Jahre /
Da deine Weißheit reiff und deine Kunſt bewehrt.
Mein Vetter / ach verzeih daß deine Todten-Bahre
Mit einem ſchlechten Thon mein traurig Kiel beſchwert.
Die Harff iſt gantz verſtummt / die Leyer gantz verſtimmet /
Jn jede Fuge fuͤgt ſich Ach und Winſeln ein /
Nun das Verhaͤngnuͤß ſo ſich uͤber mich ergrimmet /
Daß ich muß ohne Sohn und ohne Vetter ſeyn.
Die Hoffnung von dem Stamm vertraut ich gleich der Erden /
Als mich die bittre Poſt von deinem Tod erſchreckt.
Jch ſehe ſtuͤndlich mich in meinen Aſche werden /
(ſchmeckt.
Was Wunder ſo mein Reim nach nichts als Wermuth
Doch hoff ich GOttes Arm iſt maͤchtig auffzurichten /
Und was er itzt betruͤbt / das kan er auch erfreun.
Denn wil ich deinem Ruhm ein Roͤmiſch Loblied dichten /
Das bey der Nachwelt ſol der Freundſchafft Siegel ſeyn.
Schul -247Leichen-Gedichte.
Schuldiges Mitleiden Uber das Abſterben Hn. A. v. A. u. S. S. V. den 17. May. 1676.
SInckt jetzt das Aug in Nacht / ſo lange Zeit gewachet /
Und fuͤr das Vaterland Vorſorge hat gefuͤhrt?
Schweigt jetzt der guͤldne Mund / der Steine weich ge - machet /
Und hohen Haͤuptern offt die Hertzen hat geruͤhrt?
Starrt die gelehrte Fauſt / die Urtheil hat geſchrieben /
Und in dem weiten Recht viel Schrifften auffgeſetzt?
Jſt von dem theuren Mann denn nichts mehr uͤberblieben /
Das auch die Nach-Welt noch zu ehren wuͤrdig ſchaͤtzt?
Ach ja! Herr Aſſig lebt in vieler Menſchen Seelen /
Sein unvergaͤnglich Ruhm verlacht nur Grab und Grufft /
Und Fama wil den Preiß der Dienſte nicht verhoͤlen
Jndem ſie durch die Welt ſein ewig Lob ausrufft.
Was thut nicht unſre Stadt nun ihr Oracul ſchweiget?
Was thut das Rathhauß nicht nun jetzt ſein Eckſtein faͤllt?
Rufft nicht die Buͤrgerſchafft wenn ſie ihr Beyleid zeiget?
Die Mauren dieſer Stadt ſind durch den Rieß zerſchaͤllt.
Die Taffel der Geſetz iſt / leider| nur zerbrochen /
Der Fuͤrſten Kleynod hin / der Armen Hoffnung tod /
Und / der Partheyen hat das rechte Recht geſprochen /
Kan nicht entaͤuſert ſeyn der Sterbligkeit Gebot.
Unſchaͤtzbarer Verluſt! du Ulpian der Zeiten /
Den Themisſtets geliebt / und Suada Sohn genant /
So laͤſt du uns allhier mit Recht und Unrecht ſtreiten /
Und ſuchſt die wahre Ruh in jenem Vaterland?
Wie wol iſt dir geſchehn! wie ſehr wird dich doch miſſen
Das gantze Schleſien / ſo deinen Witz geehrt.
Was unter tauſenden die Kluͤgſten auch kaum wiſſen
Hat in verwirrtem Stand uns offt dein Mund gelehrt.
Dir war das Alterthum des Landes unverborgen /
Deſſelben Policey Erfindung wol bewuſt.
Der nimmer-laſſe Fleiß / und unerſchoͤpffte Sorgen
Die legten einen Schatz der Braͤuch in deine Bruſt.
Es haben Fuͤrſten offt in zweiffelhafften Dingen
Den Gordens-Knoten dir zu loͤſen fuͤrgelegt /
Q q q 4Dein248Leichen-Gedichte.
Dein tieffgeſchaͤrffter Witz war maͤchtig durch zu dringen
Und hat verhaͤrtete zur Lindigkeit bewegt.
Aſtræa hat dir ſelbſt die Schalen anvertrauet /
Wenns die Gerechtigkeit recht abzuwaͤgen kam.
Jn Faͤllen da wol offt den meiſten hat gegrauet /
Sah man doch deinen Muth / der alles unternahm.
Es kan des Solons Ernſt / des Catons Tapfferkeiten
Mit ſo viel Spruͤchen nicht der Nach-Welt Mund erhoͤhn /
Als dich mit Tugenden gekroͤnt von allen Seiten
Hieß in ihr Heiligthum der Themis Urtheil gehn.
Du wahres Meiſterſtuͤck / du Ebenbild der Gaben
Womit ein Prieſter ſol der Rechte ſeyn geziert:
Zu erſt hat Gottes furcht dein gantzes Thun erhaben /
Ein Leitſtern der dich hat zum hoͤchſten Gut gefuͤhrt.
Denn blieb dein beſter Schatz ein unbefleckt Gewiſſen
Jn welches Unrecht nie ein Schanden-Mahl gepraͤgt.
Was ſonſt verblenden kan / dem haſt du dich entriſſen /
Und wie ein Richter ſoll / ſtets gleiches Recht gehegt.
Der Ruhm / daß unſre Stadt ein Brunquell der Geſetze
Und aller Erbarkeit gemeßne Richtſchnur ſey /
Ward mehr und mehr vermehrt durch deiner Gaben Schaͤtze
Du hieſt mit Recht ein Stern in unſrer Policey.
Dich hat der Erden-Gott genaͤdigſt angehoͤret /
Wenn vor das Vaterland was auszubitten war /
Ja deine Treu geruͤhmt / und deinen Fleiß beehret
Dich wuͤrdig zugezehlt der Edlen Ritter-Schaar.
Du Rechtsgelehrter Mann / nenn ich die Wiſſenſchafften
So nenn ich dich zugleich ein lebend Buͤcher-Hauß.
Was nur dein Auge ſah blieb im Gedaͤchtnuͤß hafften /
Und theilte jederman der Weißheit Gaben aus.
Dein gantzes Leben war ein unauffhoͤrlich leſen.
Was vielen ſonſt mit Zwang floß dir mit Anmuth bey.
Du biſt / ach ja / du biſt Pericles ſtets geweſen /
Der durch Beredſamkeit uns machte Sorgen frey.
Der Sitten Hoͤffligkeit war ein Magnet zu nennen /
Der durch verborgnen Zwang die Hertzen an ſich zog /
Daß ſie von reiner Lieb und Freundſchafft muſten brennen /
Wenn man den theuren Schatz die Redligkeit erwog.
Was Wunder? ſo nun jetzt das werthe Grab umbfaſſen
Die Muſen / weil ihr Ruhm und hoͤchſte Wonne todt.
Apol -249Leichen-Gedichte.
Apollo wird ſich hier mitleidig ſehen laſſen /
Der bittren Thraͤnen Fluth macht Themis Augen roth.
Jhr Geiſter / denen ſich der Himmel eingegoſſen /
Durch die die Ewigkeit noch ihre Werckſtaͤt ſchmuͤckt /
Wo je was herꝛliches auß eurem Kiel gefloſſen /
So denckt auff einen Thon / der Sarg und Grufft begluͤckt.
Verſprechen bindet mich zwar meine Pflicht zu weiſen /
Doch wer im Kummer lebt / ſchreibt niemals was er will.
Den Neſtor dieſer Stadt / den koͤnnen die nur preiſen
Den’n Phoͤbus ſelbſten ſchenckt ſein eignes Lauten-ſpiel.
Diß meld ich: Gottesfurcht / Gewiſſen und auch Wiſſen
Sind Stuͤcke / welche ſtets den theuren Mann geziert.
Doch hat ſein Glaube da dem Demant gleich geglieſſen
Als er mit Helden-Muth im Tode triumphirt.
Jhn hat der Stein erlegt. Den Leichen-Stein zu legen /
Gibt / hochbetruͤbtſte Frau / ſie ſelbſt ihr Hertze dar.
Will Artemiſia durch ihr Mauſolbewegen /
Gewiß / ſie bauet ihm noch eine ſchoͤnre Baar.
Und kan es anders ſeyn? die Krone iſt zerfallen /
Jhr guͤldner Ehren-Ring durch dieſen Tod zerſtuͤckt.
Wer tadelts? Wenn ſie jetzt laͤſt Ach! auff Ach! erſchallen /
Und Seufftzer ohne Maß nach ihrem Liebſten ſchickt.
Wie treu ſie ihn geliebt / und hertzlich hat gemeynet /
Weiß noch die gantze Stadt und leget Zeugnuͤß ab /
Wie ihre Seelen ſtets ſo huldreich ſich vereinet /
Und nach dem Sterben auch gewuͤnſcht ein gleiches Grab.
Wer unterfaͤngt ſich nun Troſt-Worte beyzufuͤgen /
Wenn ſo ein grimmer Schmertz ſo tieffe Wunden reiſt?
Es wird das herbe Leid nur die Vernunfft beſiegen
Wenn ſo ein klaͤglich Fall zerfoltert Seel und Geiſt.
Allein / Betruͤbteſte / ihr Stern iſt zwar vergangen /
Damit er in der Hoͤh deß Himmels heller ſcheint:
Doch wer hier auff der Welt kan dieſen Ruhm erlangen /
Daß er mit Gott und Stadt es redlich hat gemeynt;
Stirbt niemals / wenn er ſtirbt. Man muß denſelben ehren
Und ſein Gedaͤchtnuͤß geht nicht bey der Nach-Welt ein /
Biß daß die letzte Glut diß Gantze wird zerſtoͤren /
Und die gevierdte Welt ein Aſchen-Hauffen ſeyn.
Q q q 5Die250Leichen-Gedichte.
Die Auffopfferung der Kinder von Chriſtlichen Eltern / Bey Beerdigung Hn. J. H. S. zu St. E. juͤng - ſten Toͤchterlein T. den 30. May 1676.
ES mag das Heydenthum mit ſeinem Moloch huren /
Und in dem Aſchen-Thal durchs Feur die Kinder ziehn /
Ja es geh ferner auch auf den verfluchten Spuren /
Daß Sohn und Tochter muß in ſeinen Haͤnden gluͤhn.
Es hatte ſieben Thor und Haͤuſer ihm bereitet;
Jns erſte wurde nur der Semmel-Teig gelegt /
Die Turtel-Taube drauff ins andre Thor geleitet /
Jns dritte denn ein Schaaf / ſo nichts als Sanfftmuth hegt.
Der Wider iſt darzu nebſt Kalb und Ochſe kommen /
Damit die ſechſte Zahl deß Opffers ward erfuͤllt.
Jetzt aber muß mein Mund auß Eyferſucht verſtummen /
Weil bey dem ſiebenden nichts als ein Menſch nur gilt.
Verdammter Aberwitz / mehr als verteuffelt raſen!
Und ſolche Grauſamkeit die kein Exempel hat.
Man ſchlug darbey die Pauck und ließ die Tromm’ten blaſen /
Damit das Winſeln nicht bey Eltern finde ſtat.
Und iſt es moͤglich nur / daß / da wir ſonſt empfinden /
Was unſer Fleiſch und Blut am wenigſten beruͤhrt /
Die Eltern muſten ſo im Goͤtzen-Dienſt verblinden /
Daß ſie hier keine Lieb noch Schuldigkeit geſpuͤrt.
Diß hieß ein Wuͤrge-Thal wodurch der Hoͤllen Schlange
Das Opffer Jephta war zu bilden hoͤchſt bemuͤht;
Alle ine welchem Chriſt wird hier nicht hertzlich bange /
Wenn er die Hurerey deß ſchnoͤden Volcks anſiht.
Der Moloch der verſchlang die Kinder in den Rachen /
Da unſer Heyland ſie heiſſt in den Himmel gehn /
Will ihnen Thor und Thuͤr als Bruder ſelbſt auffmachen /
Und laͤſt ſie neben ſich an ſeiner Seiten ſtehn.
Sie ſollen auch das Reich der Herꝛligkeit beſitzen /
Vor Klugen / ſo die Welt in hoͤchſter Demuth ehrt.
Jhr Einfalt ſoll vielmehr als eitle Weißheit nuͤtzen /
Weil ſelbte meiſtentheils den Grund der Andacht ſtoͤrt.
Doch525[251]Leichen-Gedichte.
Doch kommet Eltern zu / daß ihres Blutes Trauben /
Die Blumen des Geſchlechts / die Sprießlinge der Art /
Nach dem ſie einverleibt der Kirche wahrem Glauben /
Bedencken / wie man ſie fuͤr allem Fall bewahrt.
Und in der Opfferung dem Hoͤchſten eintzig giebet /
Zu deſſen Ehr und Ruhm ihr gantzes Leben fuͤhrt /
Denn wie er alle Welt von Anbegin geliebet /
So wird auch ſeine Lieb in Kindern klar geſpuͤrt.
Sie ſollen nicht allhier dem ſchnoͤden Baal dienen /
Nicht Heck und Dornen ſeyn im Auffwachs erſter Zucht /
Sie muͤſſen Roſen gleich in JESUS Haͤnden gruͤnen /
Mit ſeinem Blut beſpritzt / deß Paradieſes Frucht.
Es brandte Molochs Glut die Kinder zu der Aſchen /
Und dieſe Reinigung ward uͤber hoch geſchaͤtzt /
Hier hat ſie JESUS ſelbſt von Suͤnden abgewaſchen /
Und mit der heil gen Flut des Waſſer-Bads benetzt.
Ach aber wie viel ſind die auß des Oelbaums Zweigen
Nur wilde Feigen-Staͤmm und ſcharffe Diſteln ziehn!
Daß / wenn ſie mit der Zeit an Jahren etwas ſteigen /
Sie ſelbſt vor ſolchem Strauch und Rangen muͤſſen fliehn!
Die finds / ſo ſie verſchmitzt und hoͤfflich wollen haben /
Damit ſie einſt der Welt verblenden ihr Geſicht:
Jndeſſen bleibt die Frucht des HErren gantz vergraben /
Und wahres Chriſtenthum kommt niemals an das Licht.
Jhr Mund wird JEſum nie / doch Spiel und Poſſen lallen /
Die Laſter werden eh / als Tugenden / erkennt /
Und dieſes wird wol offt den Eltern ſo gefallen /
Daß ſie nicht ſehn / wie ſchon ihr Kind dem Moloch brennt.
Hingegen derer Sinn der Geiſt des HErren ruͤhret /
Und ſie der Eltern Ampt mit Wort und Wercken lehrt /
Die werden auch mit Ruhm der Kinder-Zucht gezieret /
Und wiſſen daß ſie GOtt durch Kinder gleichfalls ehrt.
Sie nennens ein Geſchenck und Gabe von den Haͤnden /
Deß der die Welt erbaut / und alles hat gemacht /
Sie werden wiederumb ihr Hertz zu ihnen wenden /
Damit ihr junges Hertz ſey Selbtem nur gebracht.
Was niemand geben kan / und was kein Fuͤrſt mag ſchencken /
Was eintzig und allein deß Hoͤchſten Allmacht thut /
Jſt / wenn ſie Eltern pflegt mit Kindern zu bedencken /
Und laͤſt ſie Pflantzen ſehn auß ihrem Fleiſch und Blut.
Diß252Leichen-Gedichte.
Diß koͤnnen Reben ſeyn auß einem Stock entſproſſen /
Der Chriſtus ſelbſten iſt / ihr Wachsthum und ihr Heil /
Der ſie auß Liebes-Brunſt nennt ſeine Mitgenoſſen /
Und von der Ewigkeit verſprochen hat ein Theil.
Doch dieſe wachſen auff nach ihres Gaͤrtners Willen /
Theils kommen hoch empor theils brechen zeitlich ab.
Und wenn der Schoͤpffer will deß Himmels Scheuren fuͤllen /
So wird das zaͤrtſte Kind getragen in das Grab.
Wie jetzt / Ehrwuͤrdiger / ſammt ſeiner Ehgeliebten /
Die liebſte Theodor er muß entſeelet ſehn.
Wen ſolche Wunden nicht vons Hertzens grund betruͤbten /
Dem waͤr es unbewuſt / was Menſchen kan geſchehn.
Jedoch / wenn er bedenckt / wie ſie vom Himmel kommen /
Vom Hoͤchſten ein Geſchenck und Segen-reiches Pfand /
Und daß ſie durch den Tod deß Leibes Qual entnommen /
Ja der noch reine Geiſt den Engeln iſt verwand /
So wird er ſie gewiß ein ſelig Opffer nennen /
Das als ein ſuͤß Geruch ſteigt in das Paradeiß;
Es wird das Vater-Hertz in groſſer Liebe brennen /
Nun er des Leibes Frucht ſo wol verſorget weiß.
Man legt in Molochs Arm kein Kind nicht ſonder ſchrecken;
Er legt mit Freuden jetzt ſein Kind an JESUS Bruſt /
Verſichert / daß wenn GOtt die Todten auff wird wecken /
Die Blume bluͤhen wird voll Herꝛligkeit und Luſt.
Gleich mit deß Mayens Schluß ſchleuſt auch die Theodore
Deß Lebens Geiſterlein und ſinckt ins Grabes Nacht /
Doch wird ſie ewig bluͤhn ein unverwelckte Flore /
Wenn hier manch Ungeſtumm den Himmel truͤbe macht.
Jch kan / Ehrwuͤrdiger / mehr Troſt jetzt nicht erfinden /
Weil ihm ſelbſt Lehr und Troſt wohnt uͤberfluͤſſig bey.
Es wolle GOttes Hand die Wunden ſo verbinden /
Damit er ſpuͤren kan wie er noch Vater ſey.
Rede / F. B. K. g. S. an ihren Ehe-Herrn F. A. K. M. D den 28. Junii 1676.
JA mein Erloͤſer lebt / Mein Retter iſt verhanden / |
Mich leitet ſeine Hand itzt durch das finſtre Thal;
Jch weiß von keiner Angſt / ich weiß von keinen Banden /
Und bin nun auffgeloͤſt von meines Leibes Qual.
Ver -253Leichen-Gedichte.
Verwundert / Sterbliche / nicht meine friſche Worte /
Daß bey geſchloßnem Mund ich ſo beredſam bin.
Was unver gaͤnglich war ſchwebt an dem Freyheits-Orte /
Tragt die verwelckte Haut und Glieder immer hin.
Ja freylich hab ich lang im Kercker hier geſeſſen /
Wie ſchrecklich hat mich nicht die Folter-Banck geſtreckt /
Wie hab ich nicht mein Brod in Angſt und Truͤbſal geſſen /
Wenn vieler Jahre Reyh mehr Kranckheit mir erweckt /
Wenn alle Krafft entfiel den abgeſchwaͤchten Gliedern /
Geſichte Mund und Ohr auß Ohnmacht faſt vergieng /
Und den gefallnen Muth kein Artzney kont erwiedern /
Jndem mein Leben mir an einem Faden hieng.
Nun bin ich franck und frey / geſund und lebend worden /
Nun weiß ich daß noch Welt / noch Fleiſch noch Blut mich pfloͤckt.
Jch wach / ob ihr mich ſchon zehlt in der Todten Orden /
Und hoͤre hocherfreut wie mich mein Heyland weckt.
Und ſolte der nicht ſeyn mein Wecker / der mein Leben
Und meines Lebens Heil / mein End und Anfang heiſt?
Solt ich auf ſeinen Ruff mich auß der Grufft nicht heben /
Wenn durch die Todten Bein blaͤſt ſein lebendig Geiſt?
Bethoͤrte Sterbliche! die eingeſchrumpffte Wangen /
Der Augen tieffe Nacht / die heßliche Geſtalt /
Der Glieder kaltes Eiß / der Beine duͤrre Stangen /
Der Faͤulnis-volle Leib der Wuͤrmer Auffenthalt /
Erſchrecken zwar bey euch die Zaͤrtligkeit der Augen /
Jhr wendet Naſ und Mund von todten Coͤrpern weg.
Doch glaubet / daß ſie euch zu ſtummen Lehrern taugen /
Und ſatſam zeigen an der Ewigkeiten Zweck.
Hier ruh ich freylich itzt nur unter Wuſt und Schimmel /
Wo Faͤulnuͤß Vater iſt und Wuͤrmer Schweſtern ſeyn;
Doch ein gantz neues Kleid / das ſchoͤner als der Himmel
Wird von deß Retters Hand empfangen mein Gebein.
Und dieſe meine Haut wird mich auffs neu umbgeben /
Daß ich an Klarheit kan den Sternen gleiche gehn.
Ja mein Erloͤſer lebt / und heiſt ſein Glied mich leben /
Und laͤſt als Schweſter mich zu ſeiner Seite ſtehn.
Ach unerſchoͤpffte Luſt! das Fleiſch / das itzt verweſen
Und Aſche werden muß / ſoll wieder herꝛlich bluͤhn.
Denn254Leichen-Gedichte.
Denn mein Erloͤſer lebt / ſo muß ich auch geneſen /
Und meines Fleiſches Kleid zu neuem Glantz anziehn.
Ach Ehre! Welche mich deß Himmels faͤhig machet.
Ach Nutz! Dem ſich kein Schatz der weiten Erden gleicht.
Vergnuͤgung! Daß mein Hertz und Seele druͤber lachet /
Jn dem ich nun den Punct der Seeligkeit erreicht.
Mein Eh-Schatz / den nechſt GOtt ich eintzig hier geliebet /
Der meiner Seelen Seel / und Hertzens Hertze war /
Was nutzt es / daß er ſich ſo inniglich betruͤbet?
Und ſtuͤrtzt der Thraͤnen Fluth auf meine ſchwartze Bahr?
Beſeufftzt er / daß das Band der ſuͤſſen Eh zerſchnitten?
Daß unſre feſte Treu der Tod zerbrochen hat?
Daß drey und zwantzig Jahr ſo friedſam hin geglitten?
Und niemals ſich verkehrt der Liebe goͤldnes Blat?
So denck er wie allhier kein Buͤndnuͤß wird geſchloſſen /
Das nicht die Moͤrderin die lange Zeit zernicht /
Und wie zum offtern mal bey treuen Eh genoſſen
Jm Anfang ihrer Luſt dergleichen Rieß geſchicht.
Jch kenn auch ſein Gemuͤth / er wird mir nicht mißgoͤnnen /
Daß neue Klarheit mich fuͤr altes Siechthum deckt /
Und waͤre durch Artzney das Leben zugewinnen /
Es haͤtte ſeine Kunſt mich wieder aufferweckt.
Jch ſah ihm ſehnlich zu die Staͤrck-Eſſentzen miſchen /
Und wie er trinckbar Gold und Lebens-Oele gab /
Und wie er ſich bemuͤht die Geiſter zuerfriſchen /
Und dachte mich noch ſo zu retten fuͤr dem Grab:
Allein / mein Schatz / umbſonſt. Jn den geſtirnten Hoͤhen
War mir der Urtheil-Sprnch ſchon laͤngſten zuerkant /
Es iſt nur kurtze Friſt / daß ich voran muß gehen /
Jch weiß / ſein treues Hertz wuͤnſcht auch dergleichen Stand.
Klagt er die Einſamkeit / daß die ihm ſey entnommen /
Die ſtets in dem Beruff ſo treu Gehuͤlffin war /
Die mit bewehrter Pfieg ihm iſt entgegen kommen /
Und durch Vergnuͤgligkeit verlaͤngert ſeine Jahr;
So denck er / daß der Tag / der groſſe / wird erſcheinen /
Der uns / die wir getrennt / einander wieder giebt.
Ach Krone meines Haupts! Er ſtille nur ſein Weinen.
Wer uͤbermaͤſſig traurt der hat nie recht geliebt.
Jch weiß daß unſre Eh ein Paradieß kan heiſſen /
Wo Fried und Einigkeit einander ſtets gekuͤßt /
Der552[255]Leichen-Gedichte.
Der Neid ſol mir den Spruch von meinem Stein nicht reiſſen:
Daß ein vernuͤnfftig Weib hoch zu beklagen iſt.
Jedoch der jene Glantz / in dem ich hier geſchienen /
Hab ich als Monden nur von ſeiner Sonn erlangt.
Diß iſt mein hoͤchſter Ruhm / nach ſeinem Wunſch zu dienen /
Und in Gehorſam hat mein treues Hertz geprangt.
Sol / Hochgeliebteſter / diß nicht ſein Leiden mindern?
Ach ja! Er trage nur / was GOtt ihm aufferlegt.
Es wird ſein Vater-Hertz die heiſſen Schmertzen lindern /
Das Wetter wenden ab / ſo auff ihn plitzt und ſchlaͤgt.
Sein Hochgelahrter Geiſt er mahne ſich in Thraͤnen /
Sein tieff gegruͤndter Witz behalte hier das Maß.
Was einmal ſchlaffen geht erweckt kein aͤngſtlich Sehnen /
Er machet nur umbſonſt umb mich die Augen naß.
Jch ſchicke nichts ins Grab als eine Hand-voll Knochen /
So itzt die lange Nacht mit Schimmel uͤberwebt /
Und dennoch / ob mir ſchon die Augen hier gebrochen /
So ſchan ich GOtt doch an / und mein Erloͤſer lebt.
Troſt-Schreiben / An Hn. F. K. d. R. in D. uͤber das Abſterten ſeines Sohnes Hn. J. K. den 21. Au - guſt. 1676.
WJe ſoll / Woledler Herꝛ / mein Blat ihn nicht er - ſchrecken /
Das dieſe Botſchafft bringt: der liebſte Sohn iſt tod.
Jedwede Zeile wird nach Gall und Wermuth ſchmecken /
Und meine gantze Schrifft erfuͤllt nur Ach und Noth
So ſchlaͤgt der Donner nicht mit ungeheuren Krachen
Und Schwefel-lichtem Blitz bey Vieh und Menſchen ein /
Als dieſe Poſt ſein Hertz itzt wird zu nichte machen /
Und ihn faſt ohne Geiſt und Seele heiſſen ſeyn.
So wirfft ein Augenblick die gantze Hoffnung nieder /
Und aller Wuͤnſche Zweck verkehrt des Todes Macht.
So ſieht er ſeinen Troſt der Jahre nicht mehr wieder /
Und deß Geſchlechtes Stern ſinckt in des Grabes Nacht.
Welch Stoicus kan hier die heiſſen Thraͤnen hemmen /
Das Zoll Geld der Natur bey unſrer Sterbligkeit /
Und256Leichen-Gedichte.
Und wenn ſie Stroͤmen gleich die Augen uͤberſchwemmen /
So bilden ſie nicht ab das innre Seelen-Leid.
Timanthes muß verhuͤllt den Agamemnon mahlen /
Wenn ſeine Tochter wird zum Opffer abgeſchlacht.
Kein Pinſel gibt an Tag der heiſſen Liebe Strahlen
Die in der Eltern Hertz vor ihre Kinder wacht.
Die Guͤter des Geluͤcks ſind ſchmertzlich zu verlieren
Stand / Hoheit / Ehre / Ruhm ſchaͤtzt man dem Leben gleich:
Doch ſeynd die Regungen weit hefftiger zu ſpuͤren /
Wenn unſer Fleiſch und Blut zertrennt deß Todes Streich.
Auf die man hat gebaut / daß ſie deß Stammes Erben /
Deß Namens Ewigkeit Fortpflantzer ſolten ſeyn /
Seh’n in der erſten Bluͤth / im Lentz der Jahre ſterben /
Bringt nur gedoppelt Leid und ungemeine Pein.
Und zwar / Wol-Edler Herr / was mehr den Schmertz ergrimmet /
Daß itzt in frembdem Sand ſein Sohn erblaſſen muß /
Daß er abweſende den herben Abſchied nimmet /
Und nicht auß Liebes-Pflicht ertheilt den letzten Kuß:
Daß nicht die Vater-Hand die Augen kan zudruͤcken /
Und biß ins ſchwartze Grab nachruffen: Ruhe wol!
Gehab dich ewig wol / mein Hoffen und Erquicken!
Ach daß ich / liebſter Sohn / dir nicht bald folgen ſoll!
Denn tritt auch die Vernunfft dem Schmertzen an die Seite /
Stellt ſeine Groͤſſe fuͤr und zeiget den Verluſt /
Bemuͤht ſich / wie ſie ſiegt bey ſolchem Zweiffel-Streite /
Und ob ſie Rath und Troſt kan reiſſen auß der Bruſt.
Bevor wenn ſie die Lieb als Beyſtand ihr erwehlet
Und deß verblaßten Bild tieff in das Hertze druͤckt.
Wenn ſie die ſuͤſſe Zeit und Freuden-Tag erzehlet /
Da der geliebte Sohn das gantze Hauß erquickt.
Wie er ſo embſig war der Tugend nachzugehen /
Wie er durch Gottesfurcht den Grund darzu gelegt /
Und glaubte / daß der Schatz auß den geſtirnten Hoͤhen
Unſchaͤtzbaren Gewinn die Zeit des Lebens traͤgt.
Wie er von guter Art und angenehmen Sitten /
Gleich einem ſchoͤnen Baum behaͤglich hat gebluͤht /
Dem Guten nachgelebt / den Laſtern widerſtritten /
Und in der Handlung ſich mit groſſer Treu bemuͤht.
Diß ſind itzt der Vernunfft ſehr ſcharff-geſpitzte Pfeile /
Womit ſie / werther Herr / ſein Hertz zu theilen denckt:
Hier257Leichen-Gedichte.
Hier dient kein Podalier / der ſolche Wunden heile /
Das beſte Pflaſter iſt / das uns der Himmel ſchenckt.
Der unverruckte Schluß von Ewigkeit geſprochen
Jſt: Menſchen kommen auf / und muͤſſen auch ver - (gehn.
Ob dem die Augen fruͤh / und jenem ſpat gebrochen /
Wer kan den Schickungen des Hoͤchſten widerſtehn?
Wir eilen all ins Grab gleich Laͤuffern zu dem Ziele /
Ein kleiner Unterſcheid kommt aus der Tage Flucht /
Wir treten in die Welt als wie zu einem Spiele /
Da jeder mit Begier nur bald das Ende ſucht.
Was hat ein alter Greiß fuͤr Vortheil vor den Jungen?
Nichts / als daß ſeinen Raum erweitert groͤßre Noth;
Je mehr er durch die Zahl der Jahre iſt gedrungen /
Je mehr er Marter fuͤhlt Begleiter in den Tod.
Die Lebens Bitterkeit iſt Kindern auch zu lange
Und ſeine Fluͤchtigkeit bejahrten auch zu ſchnell /
Und eh der Tod erſcheint / wie offt wird uns nicht bange!
Wie lechzet nicht die Seel als wie nach einer Quell!
Ja wenn wir alle Noth / Gefahr und Angſt ermeſſen /
So iſt das laͤngſte Ziel nicht einer Elle breit.
Geſchweige / wenn wir recht zu leben gar vergeſſen /
Und ſelber uns verliehr’n in ſchnoͤder Uppigkeit.
Er kan Betruͤbtſter Herr / den Sohn ſo nicht verlangen /
Daß er ihm nicht zugleich die beſſern Freuden guͤnnt.
Er iſt ja nur voran auff kurtze Friſt gegangen /
Er weiß / daß ſie entzweyt / doch nicht getrennet ſind.
Dem Allerhoͤchſten hat ſein feiner Geiſt gefallen /
Weil er ihn fruͤh entzeucht der Suͤnden-vollen Welt /
Da auff der Jugend Eyß viel gleiten / ja wol fallen
Und ſtatt der Tugenden ſeyn Laſtern zugeſellt.
Er darff auff dieſer Welt nach Guͤtern nicht mehr reiſen /
Nun er die Himmliſchen erlangt zum Eigenthum /
Wer ſo den Wechſel ſchleuſt / der iſt recht klug zu preiſen /
Und ſeine Handelſchafft beſteht fuͤr GOtt mit Ruhm.
Und ob die Mutter Stadt nicht ſein Gebeine decket /
Der abgeſeelte Leib ruht wol in jedem Sand.
Der Tod hat keinen Platz zum Sterben ausgeſtecket /
Den holt er auff der See / und jenen auff dem Land.
Es iſt uns ja bewuſt / daß hier kein ewig Bleiben:
Des Himmels Wohnungen ſind unſre Vater-Stadt.
R r rDa258Leichen-Gedichte.
Da kan der liebſte Sohn ſich itzt als Buͤrger ſchreiben /
Da ſpuͤhrt er Uberfluß an Herrligkeit und Gnad.
Genug! Wol-Edler Herr / ich muß mein Schreiben enden.
Ach koͤnte doch zugleich der Schmertzen Ende ſeyn!
Er nehme nur getroſt von GOttes Vater-Haͤnden
Den Creutz Kelch voller Angſt / ſo er ihm ſchencket ein.
Auch mitten in dem Leid wird Freude ſich entſpinnen /
Wenn dieſes Lob erſchallt: Es war ein frommer Sohn.
GOtt nahm nach ſeinem Rath ihn zwar ſehr fruͤh von hinnen /
Doch traͤgt er dieſen Ruhm zur Grabeſchrifft davon.
Der bewehrte Schulmann / Bey Beerdigung Hn. C. N. des G. zu St. M. M. C. den 27. Aug. 1676.
MEin Lehrer / gehſt du auch nun Lebens-ſatt zu Grabe /
Der meine Kindheit hat mit Muſen-Milch ge - traͤnckt?
Jch ſeufftze daß ich nicht was Geiſter-reiches habe:
Es ſolte deinem Sarch aus Liebe ſeyn geſchenckt
Du wohlbewehrter Mann der in dem ſchweren Stande /
Ein ander Hercules / viel Ungeheur bekaͤmpfft;
Gibſt nun die Seele GOtt / den welcken Leib dem Sande /
Und haſt des Teuffels Liſt / den Hohn der Welt gedaͤmpfft.
Es heiſt die Danckbarkeit mich dir ein Denckmahl bauen;
Denn treuer Lehrer Fleiß verdient den hoͤchſten Danck.
Dein Bildnuͤß kan ich nicht in Ertzt und Marmel hauen;
Es fehlt mir an der Kunſt / und meine Fauſt iſt kranck.
Zu dem / was helffen auch dergleichen Ehren-Saͤulen /
Die zwar vom Lob erfuͤllt von Wahrheit aber bloß?
Genung / daß unſre Stadt dir kan den Ruhm ertheilen /
Wie du ihr junges Volck gefuͤhrt zu Pindus Schloß.
Diß iſt ein wichtig Ampt / dem meuſchlichen Geſchlechte
Hoch nuͤtzbar / und ein Grund vollkommner Policey.
Wo gute Schulen ſind / da wachſen Kuͤnſt und Rechte;
Da bluͤht gemeines Heil / und ſtirbt die Barbarey.
Die Nutzen nicht allein die Purpur haͤlt umbgeben /
Und die der Ehren-Liecht auff hohen Stuffen fuͤhrt.
Die bey Regierungen und Staats-Geſchaͤfften leben /
Und derer Namen ſtets ein langer Titel ziert.
Nein:259Leichen-Gedichte.
Nein: Wer die Jugend weiß zur Tugend anzuweiſen /
Von Laſtern abzuziehn / bey der verkehrten Welt:
Lehrt / wie Gerechtigkeit / wie Gottesfurcht zu preiſen /
Und wie die Weißheit ſey weit koͤſtlicher als Geld.
Und welch ein edel Schatz verbleib ein rein Gewiſſen /
Das bey der letzten Fahrt den Tod verſuͤſſen kan.
Dem wird man ja mit Recht das Zeugnuͤß geben muͤſſen /
Er ſey fuͤr aller Welt ein Ehrenwehrter Mann.
Geſetzt / daß auch ſolch Ampt nicht in die Augen ſtrahlet /
Als wenn ein Cicero das gantze Rom bewegt.
Und daß die ſaure Muͤh nie wird ſo theur bezahlet /
Als dem / der uͤber Meer uns frembdes Gut zutraͤgt.
So iſt die Tugend doch ihr eigner Glantz und Krone /
Wie groß die Finſternuͤß: Sie dringt durch Wolck Nacht.
Zu dem ſagt GOttes Mund von einem groſſen Lohne /
Der Reichthum / Schaͤtz und Geld zu Spott und Schanden (macht.
Es blendet uns der Schein der euſerlichen Dinge /
Wir ſehn das wahre Gut mit halben Augen an.
Und was die Tugend lehrt / das achten wir geringe /
Vertiefft im Duͤnckelwitz / bethoͤrt durch falſchen Wahn.
Du ſelger Næve du / war ſchon dein Lehrer Orden
Von keiner Herrligkeit noch ſtoltzer Pracht geziert;
So biſt du doch in dem dergleichen Meiſter worden /
Der tauſend Seelen hat dem Himmel zugefuͤhrt.
Du haſt die Gottesfurcht den untergebnen Knaben
Jn unverruckter Treu erſprießlich beygebracht;
Und wuſteſt / daß die offt ein ſchlechtes Zeugnuͤß haben /
Die man zwar fuͤr gelehrt / doch nie fuͤr fromm geacht.
Denn war dein eintzig Fleiß den Grund recht wol zu legen.
Wenn Schuͤlern der gebricht / ſo ſaͤen ſie in Sand.
Der Seegen kam darzu / du brachteſt diß zuwegen /
Daß zarten Kindern auch war gut Latein bekandt.
Es wird ein Thraſo wol ob dieſem Lobſpruch lachen:
Doch wo bey erſter Zucht wir hier ſaumſeelig ſeyn /
So duͤrffen wir uns denn kein andre Rechnung machen;
Der Fehler ſtellt ſich auch im Ampt und Alter ein.
Denn biſt du von der Bahn des Lehrens nie gewichen /
Du haſt die Tugenden den Hertzen eingepraͤgt /
Und ſtets mit Ruhm belohnt: die Fehler ausgeſtrichen /
Zum guten Beyſpiel ſtets die Knaben angeregt.
R r r 2Jhr260Leichen-Gedichte.
Jhr Fleiß / war dein Triumff / die Freud im wolgerathen
Viel groͤſſer / als wenn Rom die Buͤrger-Meiſter macht.
So freut der Gaͤrtner ſich wenn ſeine junge Schnaten
Ein fruchtbar Sonnenſchein zum Wachsthum aufgebracht.
Und ſol ich die Gedult bey dieſer Muͤh erwegen /
Wie redlich haſt du nicht du werther Greiß getaurt!
Es hieß Augiens Stall bey den Gemuͤthern fegen /
Wenn ihr verſtockter Sinn mit Boßheit ſtund verm aurt.
Ja neun und dreyſſig Jahr in ſolchem Zirckel lauffen /
Jſt ein weit ſchwerer Werck als ein Olympiſch Spiel.
Es bringe Griechenland ſein Rennen gantz zu hauffen /
Sein Schweiß / ſein Staub und Muͤh / ſind nichts fuͤr dieſem (Ziel.
Der arge Neid weiß ſonſt dieſ Arbeit ſtets zu tadeln /
Die er aus Zaͤrtligkeit doch nicht verrichten kan.
Hingegen wil GOtt ſo das Ampt und Lehrer adeln /
Daß ſie ſind Sternen gleich / mit Klarheit angethan.
Du Seelger Lehrer du / den Creutz und Noth bewehret /
Schlaff in der Erden-Schoß / du haſt genung gewacht.
Du fuͤhlſt nicht mehr den Schmertz der deinen Leib verzehret /
Du ſihſt nicht mehr die Angſt ſo dir offt heiß gemacht.
Dein Leben ſchien wol recht ein Meer voll Bitterkeiten /
Als in des Waſſers-Fluth der aͤltſte Sohn ertranck /
Den andern kurtz hernach der Tod dich hieß begleiten:
Wer ſah nicht wie dein Geiſt im trauren da verſanck!
Und was erwehn ich viel die Jammer-vollen Faͤlle?
Jch ſchaͤtze dich begluͤckt / der du haſt obgeſigt /
Dein Schulen-Ampt vertauſcht mit einer beſſern Stelle /
Und Truͤbſal / Angſt und Noth / zugleich begraben ligt.
Kein Tageloͤhner kan ſo nach dem Abend ruffen /
Da ſeiner Arbeits Laſt gewuͤnſchtes Ende nimmt /
Als du von deinem GOtt mit beten / ſeufftzen / hoffen /
Dein Stuͤndlein haſt begehrt / ſo uͤber dich beſtimmt.
Du biſt wie Simeon in Frieden hingefahren /
Von Kraͤfften abgeſchwaͤcht / des ſauren Lebens ſatt;
Nun ſchweben umb dich rumb der Cherubinen Schaaren /
Da deine Herrligkeit kein Ziel noch Ende hat.
Mein Lehrer / ich wil nicht dein ruhig Grab entweyhen /
Und ſchreibe weit entfernt von aller Heucheley:
Mir wird gemeine Stadt den Beyfall gern verleyhen /
Daß ſo ein Schulen-Mann ein edles Kleinod ſey.
Bey261Leichen-Gedichte.
Bey Beerdigung J. S. F. den 3. Septembr. 1676.
SO machſt du dich ſo bald im Morgen erſter Jahre /
Du zarte Freyerin / von Band und Ketten loß.
Gibſt den verblaſten Leib der ſchwartz-bedeckten Bahre
Und deine reine Seel in des Erloͤſers Schoß?
So ſol dein Braͤutgam dich ſo fruͤh in Roſen weiden /
Und magſt das Leben nicht mit ſeinem Schatten ſehn?
So eilſt du franck und frey zu den gekroͤnten Freuden /
Und laͤſt umbſonſt nach dir der Seufftzer Winde wehn?
Gewiß dein Freyheits-Stand iſt wol mit nichts zu gleichen
Und dein erlauchtes Heil geht allen Wuͤrden fuͤr.
Ach aber! wer entdeckt bey der entſeelten Leichen
Was fuͤr ein tieffer Schmertz der Eltern Hertze ruͤhr.
Je hefftiger die Lieb / je groͤſſer auch die Wunden /
Denn ihrem Urſprung nach entſproſt ſie aus dem Blut /
Und wird hinwiederumb zum zarteſten empfunden
Wenn einen ſolchen Streich des Todes Mord-Beil thut.
Wie ſol / Betruͤbteſte / die Seele nicht erzittern /
Das Auge wie ein Brunn voll heiſſer Thraͤnen ſtehn?
Nach dem ſo einen Sturm von rauhen Ungewittern.
Laͤſt uͤber euer Hauß der Schluß des Himmels gehn.
Die Tochter ſchau’n verblaſt / ſo eure hoͤchſte Freude /
Ja gar auff dieſer Welt das andre Leben hieß /
Des Vatern Troſt und Luſt / der Mutter Augen-Weide.
Sehn auff der Baare ſtehn / diß iſt ein Seelen-Rieß.
Haͤlt denn die Wuͤtterey des Todes nichts zuruͤcke?
Kont ihre Liebligkeit und Anmuth nicht entfliehn?
Wo bleibt ihr munter Geiſt / die freundlich-holden Blicke?
Muß dieſe Blume denn im erſten Lentz verbluͤhn?
Ach ja der Augen Liecht / ſo Sternen gleich geſtralet /
Blickt in der Sterbligkeit nicht mehr die Eltern an:
Der Mund / den Lieb und Huld mit Roſen uͤbermahlet /
Er zehlt nicht wie zuvor / was ſie ergetzen kan:
Der Glieder Schnee zergeht / der Jahre Wachs zerrinnet
Die ſittſame Geſtalt / ſo allen wol gefiel /
Verſtellt des Todes Grimm / die Tugend liegt entſinnet /
Die Anmuth abgemeyht / es ſchlaͤfft nun Schertz und Spiel.
R r r 3Hier262Leichen-Gedichte.
Hier muß abſonderlich der Mutter Hertze bluten /
Nun ihrer Muͤh und Fleiß gerathner Seegen faͤllt.
Bevor / wenn ſie erwegt / wie ſtets zu allem guten
Von erſter Kindheit an die Zucht war angeſtellt.
Wie ihre Gottes furcht dem Schoͤpffer dieſer Erden
Ein angenehm Geruch und Opffer muͤſſen ſeyn /
Daß er ſie hier ſo bald vollkommen laſſen werden /
Und holet ſie ſo fruͤh zu ſich in Himmel ein.
Denn ſind die Tugenden / in denen ſie gebluͤhet /
Durchaus / Betruͤbtſte Frau / ihr immer im Geſicht:
Wie ſie zwar zart und jung in Wirthſchafft ſich bemuͤhet /
Und auff die Haͤußligkeit war von Natur gericht.
So viel Behaͤgligkeit / ſo viel geprießne Gaben /
So einen Freuden-Schatz deckt nun die lange Nacht.
Wird nicht der Mutter Hertz die Helffte mit begraben /
Jndem ſie ſchier der Fall zu einer Leiche macht.
Das heiſt vor Wonn und Luſt in Staub und Aſche ſitzen /
Und vor den Ehren-Rock jetzt einen Sack anziehn /
Seh’n uͤber ſeinem Koff nichts als Cometen blitzen /
Und in gehaͤuffter Angſt erhitzter Truͤbſal gluͤhn.
Jedoch / Beſtürtzte / laſt nicht der Vernunfft den Zuͤgel
Ein herrlicher Gewin hat den Verluſterſetzt.
Die liebſte Tochter die begruͤſt die Freuden-Huͤgel /
Wird in des Lammes Schoß getroͤſtet und ergetzt.
Jhr muſt dem groſſen GOtt ſein Pfand nur wiedergeben /
Das Er auff kurtze Zeit euch Eltern anvertraut.
Wer wil dem Gaͤrtner wol den Umſatz je verheben /
Wenn er zu ſeiner Blum in beſſer Erdreich ſchaut?
GOtt hat die Rechnung ſchon ob unſerm Thun geſchloſſen /
Den einen rufft er fruͤh / den andern ſpaͤt davon.
Ein williger Soldat / der folget unverdroſſen /
Wer widerſpenſtig iſt / hat Straff und Schmach zu Lohn.
Recht Chriſtliche Gedult muß hier den Schmertz beſiegen /
Den gleichfalls auch die Zeit in ewas linder macht /
Der HErr hat es gethan / und wollen ſo verfuͤgen /
Daß euer Tochter fruͤh der Erden Tand verlacht.
Jhr unerſchoͤpffter Glantz ſteigt uͤber Sonn und Sterne /
Jhr weiſſes Unſchulds-Kleid ſticht Lilg und Seiden hin /
Sie ſieht das groſſe Rund nun unter ſich von ferne /
Und kan im Paradieß als Kaͤiſer-Kront bluͤhn.
Die263Leichen-Gedichte.
Die Engel locken ſie zu neuen Sieges-Liedern;
Daß ihr beflammter Mund ein Halleluja ſingt.
Was traurt ihr Eltern denn / daß ihr den Reſt von Gliedern
Der alten Mutter-Schoß der Erden wiederbringt?
Auch diß verweſte Fleiſch wird dermaleinſten gruͤnen /
Und der Unſterbligkeit verklaͤrtes Bildnuͤß ſeyn.
Ehrt jetzt der Tochter Grab mit Nelcken und Jeßminen /
Und ſtoͤrt durch Klagen nicht die ruhigen Gebein.
Es ſtehn die Gratien bemuͤht den Sarck zu ſchmuͤcken /
Jedwede traͤgt ein Kraut zum Angedencken bey.
Euphroſyne wil ihr den Ehren-Preiß abpfluͤcken /
Weil ihrer Tugend-Ruhm zu preiſen wuͤrdig ſey.
Thalia ſuchet ihr das Tauſendſchoͤn zu ſchencken /
Nun ſie fuͤr allem Schmuck des Himmels Schoͤnheit ziert.
Aglaja / ihrer noch unendlich zugedencken /
Hat den Vergiß mein nicht mit in die Reyh gefuͤhrt.
Das andre Nymfen-Volck bricht friſche Roßmarinen /
Und was an Vorrath noch der Sommer uͤbrig hat /
Aus treuer Lieb und Pflicht das Grab-Mahl zu bedienen /
Der freyen Freyerin gewuͤnſchte Ruheſtatt.
Wol dem! der zeitlich kan der Dienſtbarkeit entrinnen /
Und aus dem Draͤnger-Stall und Marter-Hauſe fliehn.
Laſt / Eltern / weiter nicht die bittern Zaͤhren rinnen /
Den allgemeinen Weg muß jedes von uns ziehn.
Jch weiß / wenn ſich der Zug der Regungen wird legen /
Daß euer Zunge ſpricht: Dem Kind iſt wol geſchehn.
Man kan des Hoͤchſten Rath durch gruͤbeln nicht erwegen /
Die ſind am ſeeligſten / die glauben und nicht ſehn.
Die biß in Tod treu-beſtaͤndige Liebe / Bey Beerdigung Fr. R. v. A. g. B. entworf - fen den 13. Septembr. 1676.
ALs Seneca das Licht und Wunder kluger Sinnen /
Der Weißheit Jnbegrieff / der Wiſſenſchafften Ziel /
Nachdem der Blut-Tyrann nicht aͤrger wuͤten koͤnnen /
Auch in ſein Ungenad und Halsgerichte fiel /
Und muſt auffs Kaͤiſers Wort die Adern ihm zerſchneiden /
Ließ die Paulina da ein herrlich Beyſpiel ſchaun.
R r r 4Ach!264Leichen-Gedichte.
Ach! ſprach ſie / mein Gemahl / uns kan der Tod nicht ſcheiden /
Mir ſol noch fuͤr dem Stahl / noch fuͤr dem ſterben graun.
Vergoͤnne mir den Ruhm zugleich mit zuverblaſſen /
Getreue Liebe iſt viel ſtaͤrcker als der Tod.
Jch wil / ein Roͤmiſch Weib die Nachwelt wiſſen laſſen /
Daß meine treue Gluth beſiegt die letzte Noth.
Sie ſchloß und hieß das Blut aus beyden Armen ſpringen /
Biß Nero ſie durch Zwang zum Leben wieder rieff.
Allein ihr blaſſ Geſicht entdeckt in allen Dingen
(Daß keine Roͤthe mehr wie vormahls uͤberlieff /)
Es ſteck ihr Senecens Gedaͤchtnuͤß noch im Hertzen /
Mit ihm ſey auch zugleich die Luſt des Lebens hin.
Der laͤngere Verzug erweiß ihr nichts als Schmertzen /
Und ein geſchwinder Tod waͤr eintzig ihr Gewinn.
Gar in weit anderm Fall / und ſeeligerm Vergnuͤgen /
Doch nicht in mindrer Treu / und reiner Liebe Preiß
Wil Frau von Aſſigin ſich itzt zur Ruh verfuͤgen /
Und ihren Fuß entziehn der Eitelkeiten Kreiß.
Als unſer Senecn / ihr Eh-Schatz / iſt entwichen /
Und dieſer Sterbligkeit gegeben gute Nacht /
Da iſt ihr beſtes Theil des Lebens mit verblichen /
Sein Grab hat ihr die Bahn bald nach zugehn gemacht.
Eh noch zum fuͤnfften mahl das Silber ihrer Wangen /
Der Naͤchte Troſt und Zier die Cynthia entdeckt /
So muß ein gleiches Grab diß edle Paar umbfangen /
Und beyder Leichen ſind in einen Sand geſtreckt.
So wuͤnſchet ihm Pontan / der Ruhm gelehrter Zeiten /
So bald er nur entſeelt bey ſeinem Schatz zu ſeyn /
Er wil ſonſt nirgend ruhn / als nur an ihrer Seiten /
Und baut bey Leben noch ihm Grufft und Grabe-Stein.
Jn Meinung / daß ſich auch die leichten Schatten kuͤſſen /
Und die Vereinigung der Aſche wie verneut
Daß ſich die Geiſter noch wie in die Armen ſchlieſſen /
Und ſolche Gegenwart ſie beyderſeits erfreut.
Petrarcha wil auch ſo bey ſeiner Laura ſterben /
Und Abelardens Leib Heliſſens Nachbar ſeyn.
Es kan die Panthea kein groͤſſer Lob erwerben /
Als wenn ihr eigner Tod ſalbt Abradaten ein.
Philemon weiß nichts mehr von Goͤttern auszubitten /
Nachdem der Jahre Schnee ihn und die Baucis druͤckt /
Als265Leichen-Gedichte.
Als daß ihr Faden nur zugleich ſey abgeſchnitten /
Und eine Stunde ſie auß dieſem Leben ſchickt.
Ja meint man / daß nicht auch bey ſeinem Schmertz und Jammer /
Als Herr von Aſſig ſatt deß eiteln Lebens war /
Er ſeinem Schatz gerufft: Fleuch Freundin in die Cammer /
Verbirg dich / Freundin fleuch / hier iſt nichts als Gefahr.
Die beſte Ruheſtatt iſt nur im Sarg zu finden /
Ein Haus voll Sicherheit bereitet uns das Grab.
Beſeufftze nicht ſo ſehr mein ſeeliges Entbinden /
Jch wuͤnſche / daß ich dich bald zur Gefertin hab.
Und wohl! es iſt geſchehn. Die ewig-treuen Flammen /
Jn welchen jederzeit der Seel’gen Hertz gebrannt /
Verleſchet nicht der Tod er bringt ſie mehr zuſammen /
Daß ihrer Liebe Licht werd auch im Grab erkand.
Die unverruckte Treu / das Tugend-volle Leben /
Der Sitten Freundligkeit entfernt von Gleißnerey /
Die haben ihrer Eh das Zeugnuͤß laͤngſt gegeben /
Wie ſie ein Paradieß vollkommner Liebe ſey.
Denn obwol dieſer Schmertz unmoͤglich zuergruͤnden /
Wenn zweyer Seelen Band der grimme Tod zerreiſt.
So konte doch ihr Sinn ſich willig darein finden /
Sie wuſte / daß es GOtt beſchloſſen / und auch heiſt.
Umbſonſt weiſt Seneca Paulinens treue Seele
Auff ſeines Lebens Ruhm in Tugenden vollbracht.
Jhr Eh-Schatz wieſe ſie zu deſſen Wunden-Hoͤle /
Der fuͤr das Heil der Welt am Creutze hat geſchmacht.
Paulinen hat allein die Ehrſucht angezuͤndet /
Daß ein geſellter Tod ihr gebe Ruhm und Licht.
Nein / unßre Seelige hat auf den Fels gegruͤndet /
Der uns deß Himmels Bau / und nicht die Welt verſpricht.
Zu dem / Herr Aſſigs Ruhm war ihre ſchoͤnſte Leuchte /
Dem laͤngſt das Vaterland ſich hoch verbunden weiß.
Sie wuſte / daß ſein Lob biß an die Sternen reichte
Er ſelbſt unſterblich war durch ſeiner Dienſte Preiß.
So girrt in Waͤldern nicht die aͤrmſte Turtel-Taube /
Wenn itzt deß Falcken Liſt den Eh-Genoſſen greifft /
So ſehnlich ſieht ſie nicht nach dem geſtolnen Raube /
Wenn ſein behender Flug die freye Lufft durch ſtreifft.
Als unſre Seelige mit unerſchoͤpfften Thraͤnen
Deß Liebſten Grab benetzt / den herben Tod beklagt.
R r r 5Ja266Leichen-Gedichte.
Ja gern ihr auch den Weg zu ſelbem wollen baͤhnen /
Wenn nicht ihr Chriſtenthum was heilſamers geſagt.
Es ſey das Morgenland in dieſem Wahn erſoffen /
Das bey der Maͤnner Leich auch ihre Weiber brennt;
Es ſteh der Porcia die Bruſt durch Dolchen offen /
Die Treu der Arria werd auß der Kohl erkennt;
So iſts ein Aberwitz der raſenden Gemuͤther /
Theils die der Schmertz erhitzt / theils Ehrgeitz angeflammt!
Was ſucht ihr toller Sinn? nichts als des Ruhmes Guͤter /
Krafft welcher ſie zugleich mit Leib und Seel verdammt.
Ach Frau von Aſſigin hat anders was erwehlet /
Und Gottes Finger ſchrieb ihr tieff ins Hertz hinein:
Daß Seelen / ſo allhier in Frieden ſind vermaͤhlet /
Jn Freuden wieder dort im Himmel ſolten ſeyn /
Denn ſtund ihr Hoffen nur und feuriges Verlangen
Zufolgen ihrem Schatz / zu ruhen in der Grufft.
Jtzt hat ſie hohen Lohn fuͤr ihre Treu empfangen /
Sie ſchlaͤffet neben ihm biß ihr der Hoͤchſte rufft.
Betruͤbtſte die ihr ſie an Mutterſtatt geehret /
Und auß verwandtem Blut biß in das Grab geliebt /
Frolockt der Seeligen / ſie iſt vergnuͤgt erhoͤret /
Nun GOtt ihr ihren Schatz und auch den Himmel gibt.
Geſtreute Jeßminen auf das Grab / Jungf. A. R. F. den 25. Septembr. 1676.
JCh lieffre deinem Grab wolriechende Jeſminen /
Du werthe Froͤlichin / der Jungfern Cron und Zier;
Derſelben reiner Ruhm ſoll deiner Leiche dienen /
Du Bild der Reinligkeit / der Keuſchheit ihr Saffier.
Was aber meld ich vor? Der Eltern heiſſe Thraͤnen
Und wie ein blutig Strom auß ihren Augen rinn’t?
Ein unauffhoͤrlich ach! und ein unendlich ſehnen!
Und was ihr Hertzen Schmertz auß herber Angſt beginnt?
Wie / oder klag ich dich / der Jugend Morgen-Roͤthe
Das in dem erſten Schein dein lichter Purpur bricht?
Nein / ſelbſt die Gratien die ſtimmen meine Floͤte /
Und ſagen unſer Ruhm verdient ein Traur-Gedicht.
Ja267Leichen-Gedichte.
Ja warlich haſtu auch dein Leben ſo gefuͤhret /
Daß ein unſterblich Lob umb deine Bahre ſchwebt.
Und wenn die Flora gleich dein Grab mit Blumen zieret /
So iſt dein eigner Ruhm / die Blume ſo noch lebt.
Es ſey daß jetzt der Herbſt die Blumen will vertilgen /
Der Tulpen Sammt iſt hin / der Veilgen Atlaß tod /
Die Kaͤyſer-Kron erſtickt / verdorrt die hohen Lilgen /
Und die Paͤonien macht keine Farbe roth:
So ſollen doch zum Schmuck Jeſminen dir verbleiben /
Jhr himmliſcher Geruch gleicht deiner Tugend Art /
Wenn ander Blumen wird der Zeiten Sturm aufreiben /
So hat die Ewigkeit mit ihnen ſich gepaart.
Jhr ſchlecht und weiſſes Kleid iſt wie dein reines Leben /
Das niemals Schminck und Dunſt der tollen Welt geliebt.
Dein unbefleckter Sinn war einzig GOtt ergeben /
Und hielt in deſſen Furcht die Andacht außgeuͤbt.
Wie der Jeſminen Strauch nicht in die Hoͤhe ſteiget /
Bleibt niedrig von Geſtalt / von Kraͤfften doch bewehrt:
So hat ſich deine Zucht demuͤthig ſtets erzeiget.
Ein Kleinod das gewiß gar wenigen beſchert.
Dein Auge gaffte nicht nach bundten Roſen-Kraͤntzen /
Jn welche Buhlerey offt ihre Liebe praͤgt.
Du wuſteſt daß die Nympff am ſchoͤnſten pflegt zu glaͤntzen /
Die eine reine Seel und keuſches Hertze traͤgt.
Was iſt die Keuſch heit ſelbſt? Ein Spiegel ſonder Flecken /
Den offt ein eintzig Hauch der Lufft vergifften kan.
Ein Garten / wenn den nicht der Sitten Zaun umbſtecken /
So greifft offt frembde Hand den Kern von Fruͤchten an.
Nein Seelge Froͤlich in / wie unter den Jeſminen
Kein gifftig Kefer wohnt und keine Kroͤte ſitzt;
So hat die Eitelkeit ſich duͤrffen nie erkuͤhnen /
Daß ihr verblendter Wahn dein redlich Blut erhitzt.
Es mag Arabien von ſeinem Weyrauch ſagen /
Es oͤffne uns die See die Amber-volle Schoß.
Es mag Egyptenland den theuren Balſam tragen /
Der ſonder Eiſen-Schnitt auß ſeinen Stauden floß.
So wird doch der Jeſmin mit ſeinem ruͤhmen Siegen /
Und ſein gefuͤnfftes Blat ein ſtarcker Labſal ſeyn /
Der balſamirte Hauch die Sinnen ſo vergnuͤgen /
Daß neue Krafft ſich geuſt dem Hertz und Adern ein /
Weit268Leichen-Gedichte.
Weit aber herꝛlicher / weit uͤber die Jeſminen
Entſeelte Froͤlichin ſtieg deiner Tugend Ruch.
Du konteſt unſer Stadt zu einem Beyſpiel dienen /
Ach aber allzufruͤh deckt dich das Leichen-Tuch!
So war nicht unſer Wunſch / wir hofften dich zuſehen /
Du liebens-werthe Seel als eine ſchoͤne Braut.
Wie fluͤchtig iſt es doch umb Menſchen bald geſchehen /
Die man des Morgens bluͤhn des Abends ſterben ſchaut:
Allein die Keuſchheit ſelbſt in einem weiſſen Kleide /
Will nechſt der Gottes Furcht bey deiner Leiche ſtehn.
Und Zucht und Froͤm̃igkeit flicht einen Krantz von Seide /
Dem keine Lilge kan an Klarheit gleiche gehn.
Sind die Jeſminen nicht der Menſchen ihr Ergetzen /
Wenn von deß Sommers Pracht ſonſt aller Zierath faͤllt?
Gewiß man konte dich fuͤr eine Krone ſchaͤtzen /
Zu der die Tugenden ſich weſentlich geſellt.
Dein Antlitz war ein May / die ſittſamen Geberden /
Die holde Freundligkeit ein reitzender Magnet.
Diß iſt erbarmnuͤß werth / daß Jungfern Aſche werden /
Wenn ihrer Anmuth Strahl im hoͤchſten Glantz aufgeht.
Wiewol du Seelige von tauſend Ungewittern
Der Angſt-erfuͤllten Welt kommſt in die ſichre Ruh /
Du darffſt ob keinem Sturm der Zeiten mehr erzittern /
Der Hoͤchſte decket dich mit ſeineu Fluͤgeln zu.
Du ſiehſt nun hocherfreut / den deine Seele liebet /
Und deſſen Mundes Kuß dir Heil und Leben ſchenckt /
Liegſt in deß Lammes Schoß / und was dich vor betruͤbet /
Wird mit der Glieder Reſt zugleich ins Grab geſenckt.
Wie praͤchtig leuchten nicht die gruͤnen Lorber-Kronen /
So deinen Scheitel nun als Himmels Braut erhoͤhn?
Vor ſah ſtu Menſchen nur / itzt Engel umb dich wohnen /
Und kanſt als Nachbarin vor Gottes Stuhle ſtehn.
Laſt andere Sterblichen ihr Braut-Gewand erheben /
Das offt ein Kummer-Neſt vergaͤlter Sorgen heiſt.
Den jenen Ehren-Rock / den JEſus dir wird geben /
Verſichert / daß er mehr als Diamanten gleiſt.
Du haſt mit Ruhm gelebt / du biſt mit Ruhm geſtorben /
Verblaſte Froͤlichin / itzt wirſtu recht erfreut.
Dein Wolverhalten hat dir ſo ein Lob erworben /
Daß auch nicht ſchelten kan / der alles ſchilt / der Neid.
Ruh269Leichen-Gedichte.
Ruh wol in deinem Grab: ſo lang als mit Jeſminen:
Der Chloris milde Hand geprießne Gaͤrten ziert /
So lange ſolſtu auch in unſern Seelen gruͤnen /
Die Tugend hat dir ſchon ein Denckmahl auffgefuͤhrt.
Wo aber laß ich euch / Betruͤbtſte / derer Hertzen
Der allzu fruͤhe Tod gleich wie ein Stuͤcke bricht.
Ach Kinder machen nur die aller groͤſten Schmertzen /
Jhr ſeyd durch dieſen Tod faſt beyde hingericht.
Was auf der gantzen Welt euch eintzig kont ergetzen /
Was euer Seelen-Zug und Hertzens Freude war /
Deß Hauſes Sonn und Licht / das Kleinod von den Schaͤtzen /
Die Perle keuſcher Zucht / beſchleuſt die ſchwartze Bahr.
Kont auch ein haͤrter Leid itzt eure Schultern druͤcken?
Nein; euer hoͤchſtes Gut und Reichthum faͤllt dahin.
Deß Alters Troſt und Luſt / der muͤden Jahr erquicken /
Die liebſte Tochter muß das Sterbe-Kleid anziehn.
Doch muſt ihr auch allhier den Muth nicht laſſen ſincken.
Das Creutze bleibet nur der Chriſten Liberey.
Denckt / muͤſt ihr ſchon allhier den Kelch der Thraͤuen trincken /
Daß ſie euch hertzlich lieb / Gott mehr geweſen ſey.
Man wird mit Ungedult und Seufftzen nichts erlangen /
Und Todte wecket auch kein klaͤglich winſeln auff.
Genug / ihr werdet ſie in Freuden dort empfangen /
Nach außgeſtandnem Kampſſ / geſchloßnem Lebens-Lauff.
Der Granaten-Baum / Vorgeſtellet bey Beerdigung Fr. R. S. g. B. den 18. Octobr. 1676.
HOchwerth-vertrauter Freund / dein Leid geht mir zu Hertzen /
Die Nacht erſchreckt mich auch / ſo deinen Geiſt ver - huͤllt /
Der Schlag ſo dich betrifft / erweckt zu groſſe Schmertzen /
Es iſt dein Thraͤnen-Maß biß oben an gefuͤllt.
Die Thraͤnen kan kein Menſch auff dieſer Welt verdammen /
Man laſſe ſolche frey und ungehindert gehn /
Denn wo getreue Lieb und Scheiden kommt zuſammen /
Da kan deß Menſchen Hertz in nichts als Blute ſtehn.
Jch dencke hin und her wo Rath und Troſt zu finden /
Nicht daß dir ſonſt nicht Rath und Huͤlffe wohnte bey /
Und270Leichen-Gedichte.
Und daß dir / der du pflegſt die Rechte zu ergruͤnden /
So gaͤntzlich unbekand deß Todes Urtheil ſey /
Nein; einen weiſen Mann betruͤbt kein Ungeluͤcke /
Wie grauſam es auf ihn mit allen Wettern kracht;
Doch wenn den Seneca durch ihre Liebes-Blicke /
Paulina noch zu letzt in ſeiner Wann anlacht /
So ſinckt ihm Geiſt und Muth. Bey außgeklaͤrten Tagen
Kan Witz / Sinn und Vernunfft mit Luſt ſpatzieren gehn;
So bald die Keil ins Hauß / darinn wir wohnen / ſchlagen /
So will nur Fleiſch und Blut das Ubel nicht verſtehn.
Und muß doch offt der Artzt / der ihr ſonſt viel errettet /
Umb Huͤlff und treuen Rath zu ſeinem Nechſten fliehn /
Und unerſchrocken ſehn / wie man ſein Lager bettet /
Auff welchem er gewiß wird zu den meiſten ziehn.
Jns Leid verſenckter Freund / wie willig ich zu dienen /
Und wie mich deine Gunſt darzu verbunden haͤlt;
Wie ich bey Graͤbern mehr als Freuden bin erſchienen /
So glaube / daß mein Schluß und Vorſatz gantz zerfaͤllt.
Jxion liegt nicht ſo auff ſeiner Marter-Speiche /
Als mich der Kranckheit Schmertz erbaͤrmlich hat gereckt /
Der Geiſt lebt noch in mir / ſonſt bin ich eine Leiche /
Und gleich Verblichenen gedehnet und geſtreckt.
Zu dem erwege doch / ein Quell muß jetzt verſeigen /
Und auch ein fuͤndig Gang gewehrt nicht immer Gold:
Kau doch der reiche Herbſt nicht allzeit Fruͤchte zeigen;
Jſt doch das gantze Jahr nicht Graß und Blumen hold.
Wie ſoll denn mein Gemuͤth unendlich koͤnnen bluͤhen /
Deß Leibes Leiden greifft zugleich die Geiſter an.
Und wird ein ſolches Blat den Leſer nach ſich ziehen
Das nicht mit Kunſt und Zier ihn recht vergnuͤgen kan.
Ein Laͤuffer muß doch ruhn / wenn er genug gelauffen:
Der beſte Fechter wird nach vielem kaͤmpffen matt;
Bey mir kommt Leich auf Leich und Reim auff Reim zu hauffen /
So daß man wenig Zeit recht nach zu dencken hat.
Dem allem ungeacht / ſo bring ich die Granaten:
Laß dieſe ſchoͤne Frucht ein Bild der Liebſten ſeyn.
Wie ihr annehmlich Safft den Krancken pflegt zu rathen /
So ſchlaͤffre der bey dir die heiſſen Schmertzen ein.
Wird nicht deß Heylands Brant / und ihre Purpur-Wangen
Verglichen mit dem Ritz der in Granaten klafft:
Und271Leichen-Gedichte.
Und ſagt ſie wieder nicht? Komm / eile / mein Verlangen /
Jch traͤncke dich mit Moſt von meiner Aepffel Safft.
War dem Granaten Baum dein Schatz nicht zuvergleichen /
Die unter Creutz und Schmertz doch ihres Gottes Braut?
Und fuͤhrt die Kirche wol ein ander Glaubens-Zeichen /
Als wenn ſie ſich gefaͤrbt im Blut der Maͤrtrer ſchaut?
Als ſie genug geritzt von bangem Seiten-ſtechen /
Wie rieff ſie: Labet mich mit ſeiner Aepffel Gut;
Jch bin vor Liebe kranck / mein Hertze will zerbrechen /
Erquickt mich doch mit nichts als deß Erloͤſers Blut.
Auß dieſem Lebens-Safft / auß dieſen Heil-Granaten
Will ich der Ewigkeit beſeelten Nectar ziehn:
Gebt / was verweſen kan deß Grabes ſchwartzen Schatten.
Es mag mein welcker Leib den Blumen gleich verbluͤhn.
Aſtraͤens Ruhm und Licht / in ſolcher Glut entzuͤndet
Ließ der Geliebtſte Schatz den Jrrſal dieſer Zeit /
Jhr Leben / das auf Gott und Tugend war gegruͤndet
Verſichert / daß es noch dein mattes Hertz erfreut.
Wie der Granaten-Baum zwar niedrig in den Zweigen
Und duͤnn an Aeſten iſt / doch reich an edler Frucht /
So war der Liebſten Zweck durch Demuth ſich zu zeigen /
Den Stern der Tugenden und denn durch keuſche Zucht.
Hat ein Granaten-Knopff des Prieſters Rock geziehret /
So ſchmuͤckte ſie gewiß dein Hauß mit neuem Glantz.
Und hat ſie Salomon umb ſeinen Stul gefuͤhret /
So gaben ſie bey dir des Ehbets ſchoͤnſten Krantz.
Sie nannte dich ja ſtets die Krone von Granaten /
Jhr Baum der muſte bluͤhn durch deinen Sonnenſchein.
Und ſiehſt du traurig an die auffgeſproßne Schnaten /
So pflantzen ſie dir ſtets der Mutter Namen ein.
Wie ſchlecht der Apffel auch von auſſen pflegt zu glaͤntzen /
Da geht ihm Pomerantz / Quitt und Citrone fuͤr;
So weicht / ſo bald ein Schnitt ſein Mittel wird zergaͤntzen /
Der Koͤrner-reichen Reyh auch der Rubinen Zier.
Nicht anders muͤhte ſich dein ander Hertz zu leben /
Als daß ihr innres Hertz an Tugend-Fruͤchten ſchoͤn.
Sie liebte nicht den Schein der Welt von ſich zu geben
Und wolte mehr vergnuͤgt auf GOttes Wegen gehn.
Deß Apffels Koͤrner ſind noch ihres Blutes Fruͤchte /
Und Zeugen eurer Lieb / und Siegel eurer Treu -
Die272Leichen-Gedichte.
Die jetzund hochbetruͤbt mit klaͤglichem Geſichte
Der Mutter ſtimmen an das letzte Leich-Geſchrey.
So kan die aͤußre Schal ihr inn’res Marck nicht decken /
Als ſie mit ihrer Treu die Kinder ſtets bewacht.
So tieff kan nicht ein Kern in ſeinen Faͤchern ſtecken /
Als ſie vor ſie geſorgt bey Tag und auch bey Nacht.
Nun dieſe Mutter ſtirbt / gleich wie Granaten reiſſen
Wenn reiffe Fruchtbarkeit die muͤrbe Schale bricht:
Da jetzt pflegt jeder Baum die Aepffel abzuſchmeiſſen /
So ſegnet ſie anjetzt das goͤldne Sonnen-Licht.
Ein Gaͤrtner ſieht erblaſt mit Zittern und mit Zagen /
Wenn ihm der Norden-Wind hat einen Baum geſtuͤrtzt.
Der Themis wahrer Ruhm / und ſolteſt du nicht klagen /
Nun deinem Eh Gemahl der Tod das Leben kuͤrtzt:
Was kan wol ſchmertzlicher hier auff der Welt erſcheinen?
Dergleichen Seelen-Rieß hat dich noch nicht gebeugt.
Das Winſeln und das Schreyn der unerzognen Kleinen
Macht / daß dir faſt der Quell deß Lebens gantz verſeugt.
Alleine / werthſter Freund / wo eintzig Troſt verhanden /
So reicht ihn ſelbſt dein Schatz durch ihre Gaben dar.
Deß Hertzens Zittern ſtillt der Syrup von Margranden /
Es ſtille doch dein Leid ihr Ehren-volle Bahr!
Entgeht ſie dir ſchon fruͤh / ſo wird doch ihre Tugend
Der allerbeſte Safft den Schmertz zu kuͤhlen ſeyn.
Welckt wie Granaten-Bluͤt auch ihre friſche Jugend /
Deß Todes blaſſer Herbſt reiſt alles Blumwerck ein.
Der Hoͤchſte ſegne nur die hinterlaßne Zweige /
Daß ſie Granaten gleich auffwachſen mit der Zeit!
Und daß / Geehrter Freund / ſich ſo dein Hertz erzeige /
Daß es zu trauren weiß / und hegt nicht ewig Leid.
Trauer-Ode / Bey Beerdigung Fr. H. H. g. S. den 11. Novembr. 1676.
1.
JM Ehren-Schnee der grauen Haare /
Du Cron der Frauen / Zier der Stadt /
Legſtu dich auch hin auff die Bahre /
Deß jammer vollen Lebens ſatt?
Wohl273Leichen-Gedichte.
Wohl dir / du haſt das Ziel getroffen
Weil deines Alters gantze Zeit
Jm Reden / Beten / Ruͤhmen / Hoffen /
Dem Allerhoͤchſten war geweiht.
2.
Denn ob ſonſt ein vernuͤnfftig ſchweigen /
Der klugen Leute Kleinod bleibt:
Sind doch die Wunder anzuzeigen
Die GOttes Finger in uns ſchreibt.
Der dich von Jugend auff gelehret /
Und ſeinen Weg dir kund gethan /
Den haſt durch Reden du geehret /
Gewandelt auff des HErren Bahn.
3.
Du haſt mit David auch gebeten /
Verlaß mich GOtt im Alter nicht /
Wenn nun die grauen Tag antreten /
Und Mattigkeit die Kraͤffte bricht:
Damit ich meinen Kindes-Kindern
Verkuͤndige von deinem Arm /
Wie du dein Heil nicht pflegſt zu mindern /
Und ſich dein Hertze ſtets erbarm.
4.
Alsdenn haſt du mit Ruhm erhoben
Des groſſen GOttes Herrligkeit /
Wie hoch ſein Sitz im Himmel oben /
Wie praͤchtig er ihm zubereit.
Wie gar nichts gleichet ſeiner Guͤte
Die geht ſo weit die Wolcken gehn.
Wie ſeine Warheit uns behuͤte /
Daß wir in Noth und Tod beſtehn.
5.
Auff dieſen Fels haſt du gebauet /
Und deine Hoffnung feſt geſetzt /
Jn groſſer Augſt dich ihm vertrauet /
Der ob er ſchlaͤget und verletzt /
So iſt er / der aus tieffer Erden
Die Seinigen erheben kan:
Und laͤſt ſie groß und herrlich werden
Mit Troſt und Seegen angethan.
S ſ ſ6. Diß274Leichen-Gedichte.
6.
Diß alles Seelige Matrone /
War deines Alters Ampt nnd Pflicht.
Nun traͤgſt du auch die Ehren-Krone /
Die ſelbſt die Tugend zugericht.
Was ſollen dunckele Cypreſſen
Bey deines Grabes-Hoͤle thun?
Du wirſt und bleibeſt unvergeſſen /
Jn vieler Angedencken ruhn.
7.
Wie ſich der Printz der Voͤgel ſchwinget /
Der Adler zu der Sternen-Hoͤh /
Und Pfeilen gleich die Lufft durchdringet /
Daß er der Sonn am nechſten ſteh.
So haſt du zu der Lebens-Sonne
Auch deiner Andacht-Feur geſchickt /
Die dich mit unerſchoͤpffter Wonne /
Biß an den letzten Gieb erquickt.
8.
Dein Reden / Beten / Ruͤhmen / Hoffen /
Entrieß dich dieſer Eitelkeit /
Du ſahſt ſchon hier den Himmel offen /
Und wenn des bloͤden Fleiſches Streit /
Die Sinnen wolte niederbeugen /
Stand Gottesfurcht dir an der Hand.
Die pflag was ewig iſt zu zeigen
Fuͤr dieſer Erden Pracht und Tand.
9.
Man wird dich nur zu ſehr vermiſſen /
Denn frommer Leute Tod iſt werth.
Wenn ſolcher Schnee faͤngt an zuflieſſen /
Wenn dieſe Lilg ein Nord verheert /
So kommen nicht begluͤckte Zeiten;
Des Hauſes Troſt und Sonne fleucht /
Man ſiehet wie zu allen Seiten
Sie Thraͤnen-Wolcken nach ſich zeucht.
10.
Die Enckel / den das Mutter-Hertze
So unvergleichlich wol geneigt /
Gehn275Leichen-Gedichte.
Gehn jetzt aus tieffem Seelen-Schmertze
Jm Flor verhuͤllet und gebeugt.
Sie muͤſſen doppelt Leid ertragen /
Die erſte Mutter iſt dahin /
Und die Groß-Mutter zubeklagen /
Kraͤnckt noch mehr ihren treuen Sinn.
11.
Wol Edler Herr Er wird bekennen /
Wie redlich ſie es hat gemeynt.
Daß ſie des Hauſes Hertz zu nennen
Der liebſten Soͤhne beſter Freund.
Jedoch er kan vernuͤnfftig ſchlieſſen
Daß ſie an Ehr und Leben ſatt /
Nunmehr im Himmel zugenieſſen
Das Buͤrger-Recht der Heil’gen hat.
12.
Belobte Frau von Tugend-Gaben /
Schlaff in der ſtillen Erden wol:
Dein Ruhm der bleibet unbegraben
Die Tugend baut dir ein Mauſol.
Du haſt das beſte Ziel getroffen
Auff dieſer Welt und GOtt erkannt
Dein Reden / Beten / Ruͤhmen / Hoffen /
Hat dir den Himmel zugewand.
Die Himmel-blaue Jris Bey Beerdigung Hn. W. G. hinterlaſſenen Toͤchterleins J. R. den 18. Novembr. 1676.
1.
BEtruͤbtſte Frau / wo ihren Thraͤnen
Ein eintzig Anſtand iſt vergunt /
Und ihr mit Angſt erfuͤlltes Sehnen
Das Hertze nicht durchaus verwundt;
So blicke ſie doch dieſe Zeilen
Aus ihrem tieffſten Trauren an /
Sie ſollen troͤſten / wo nicht heilen /
Und ſelbſt mit Leid ſeyn angethan. |
S ſ ſ 22. Jch276Leichen-Gedichte.
2.
Jch geb es zu / daß ihrer Schmertzen
Nicht leicht was zuvergleichen iſt.
Weil erſt die Helffte von dem Hertzen
Sie ihren Ehſchatz fruͤh vermiſt.
Und denn / nach zwey verfloßnen Jahren /
Jhr eintzig Ebenbild und Pfand /
Sieht gleichfals zu den Todten fahren
Und eingeſcharret in den Sand.
3.
Gedoppelt iſt das Ungewitter /
So uͤber ihrem Haupt erkracht.
Dtr Creutz-Kelch nur zu voll und bitter /
Der ihr anjetzt wird beygebracht.
Bricht doch die unerſchrocknen Palmen
Gantz uͤberhaͤuffte Laſt entzwey.
Und Ertz und Felſen muß zermalmen
Der wiederholten Stoͤſſe Reih.
4.
Jedoch ſie kan des Himmels-Schluͤſſen
Und Satzungen ſich nicht entziehn.
GOtt wil ſie wol bewehret wiſſen /
Jhr Glaubens-Gold ſol alſo gluͤhn.
Zudem ſind ihr die Wechſel-Gaͤnge
Der Sterbligkeit gar wol bekand;
Wie alles Fleiſches Guͤtt und Menge
Sey unterthan des Todes Hand.
5.
Jhr Kind trat in der Waͤyſen Orden /
Eh es das Licht der Welt erblickt.
Jſt wieder / was es vor war / worden
Und zu der Mutter Schoß geſchickt.
Der Mutter Leib / die Schoß der Erde /
Gab ſie nechſt her / die nimmt ſie an /
Und lehret daß dergleichen werde
Mit jedem Sterblichen gethan.
6.
Das zarte Kind / die ſchoͤne Blume
Hat kurtze Zeit ſie angelacht.
Doch277Leichen-Gedichte.
Doch weil wir nicht zum Eigenthume
Das Leben / noch umb Geld gepacht.
So raͤume ſie dem Ober-HErren
Sein Erbgut ungezwungen ein.
Wenn ſich der Menſch zu ſehr wil ſperren /
So folgt nur groͤſſer Straff und Pein.
7.
Geſetzt daß ſie auff dieſem Garten
Der Welt anmuthig fortgebluͤht /
Und ſich gleich Blumen ſchoͤnſter Arten
Umb Zucht und Tugend hoͤchſt bemuͤht.
Wie gar bald kommt ein Wind aus Norden
Und reiſt das beſte Blum-Werck ein?
Nun iſt ſie eine Jris worden /
Jn unerſchoͤpffter Klarheit-Schein.
8.
Wie bey dem warmen Fruͤhlings-Wetter
Die ſo beruͤhmte Jris glaͤntzt /
Und durch die Himmel-blaue Blaͤtter
Des glatten Stengels Haupt bekraͤntzt /
Drey Blaͤtter zu der Erden neiget /
Und meldet daß ſie fluͤchtig iſt;
Hergegen drey der Sonne zeiget /
Die ſie ihr eintzig auserkieſt.
9.
So hat die ſeel’ge Juliane
Gleich einer Jris hier gebluͤht /
Und weil man auffdem Erden Plane
Nichts / was beſtaͤndig bleibet / ſieht /
So hat ſie ihre zarte Glieder
Als Blaͤtter in den Sand geſtreut /
Biß ſie des Lebens-Sonne wieder
Jm Himmel-blauen Schmuck verneut.
10.
Die Blaͤtter aber ihrer Seele
Bluͤhn unverweſt in GOttes Hand /
Es decket ja des Grabes Hoͤle
Nur eine Hand-voll Staub und Sand.
Und wie der Jris Wurtzel riechen
Die Lebens-Geiſter recht erquickt;
S ſ ſ 3So278Leichen-Gedichte.
So hat ſie auch / eh ſie verblichen /
Der Mutter Aug und Hertz entzuͤckt.
11.
Die Jris widerſteht der Schlangen /
Und toͤdtet ihr hochſchaͤdlich Gifft.
Glaubt daß der Juliane prangen
Und Herrligkeit ſie uͤbertrifft.
Jhr Heiland hat vom Gifft der Suͤnden
Sie durch ſein Gnaden-Bad befreyt /
Daß man ſie wird geſchmuͤcket finden /
Jm Himmel-blauen Unſchulds-Kleid.
12.
Betruͤbtſte Frau / es kommt nach Regen
Die Jris / ſo den Himmel mahlt /
Und iſt ein Bote / daß mit Segen
Uns GOttes Huld auffs neu beſtrahlt.
Es ſoll aus ihrem Thraͤnen-Bogen
Auch noch ein Freuden-Strahl auffgehn /
Und wenn des Traurens Nacht verflogen /
Wird Wonn ihr an der Seite ſtehn.
Der unverwelckte Amaranth oder Tauſendſchoͤn Bey fruͤhzeitigem Erblaſſen Hn. P. C. B. Toͤchterlein A. J. den 22. Novembr. 1676.
1.
GJeßt Nimfen eure heiſſe Zaͤhren
Auff dieſen kalten Leichen-Stein.
Der Eltern hoffen und begehren /
Jhr Kleinod / ſchleuſt der Sarch jetzt ein.
Streut Blumen aus / denn eure Blume
Die lieblich Amarant erblaſt.
Singt ihr ein Lied zum Ehren-Ruhme
Das Lieb und Treu hat abgefaſt.
2.
Ob ſchon des Winters kaltes Raſen
Den Gaͤrten ihren Purpur nimmt /
Und279Leichen-Gedichte.
Und fuͤr der Luͤffte ſtrengem blaſen
Nichts weiter mehr zum Wachsthum koͤmmt:
So bluͤht doch eure Amaranthe /
Das wunder-holde Tauſendſchoͤn /
Und wird / des Himmels Anverwandte /
Dort unter Cherubinen ſtehn /
3.
Die Vor-Welt hat ihr zugeſchrieben /
Daß ihre Pracht unſterblich ſey.
Wenn nichts von Blumen uͤbrig blieben /
Kroͤnt ihren Strauch ein ewig May.
Es weichen ihr die bunten Nelcken /
Der Tulpen Sammt / der Lilgen Schnee.
Wenn dieſe fangen an zu welcken /
Steigt ihre Blume in die Hoͤh.
4.
Es mag ein tieffer Schnee ſie decken /
Sie bluͤhet unter Froſt und Eiß.
Der Hundsſtern kan ſie nicht erſchrecken /
Jhr macht des Sommers Gluth nicht heiß.
Egypten hat ſie hoch geſchaͤtzet /
Und von der Blumen Liebligkeit
Den Alten Kronen auffgeſetzet /
Zum Zeichen der geſunden Zeit.
5.
Sagt Nymfen ob des Lebens Gruͤne
Und Anmuth von der Seel’gen weicht?
Ob die verſchweſterte Juſtine
Sich nicht den Amaranthen gleicht?
Wir ſehen ſie zwar hier erblaſſen /
Doch nur zu groͤßrer Herrligkeit:
Denn ſie wird dort ein Glantz umbfaſſen /
Der edlen Steinen Kampf anbeut.
6.
Die Augen / ſo jetzund verſincken /
Verklaͤrt ein Diamanten Licht.
Sie ſollen wie die Sterne blincken
Und ſchauen GOttes Angeſicht.
Denckt nicht daß die Geſtalt verfallen /
Noch daß die Wangen ſich gebleicht;
S ſ ſ 4Weil280Leichen-Gedichte.
Weil ſie mit lebenden Corallen
Die Hand des HErren uͤberzeucht.
7.
Der blaſſe Mund wird als Rubinen
Jn angenehmſter Roͤthe ſtehn.
Die Glieder weiſſer als Jesminen
Jns Schloß der Ewigkeit eingehn.
Es flicht dem Kronen-reichen Haare
Die Huld der Engel Lorbern ein.
Wie kan denn nun die ſchwartze Bahre
Der Seeligen Behaͤltnuͤß ſeyn?
8.
Nein / unſer Amaranthe bluͤhet
Weit ſchoͤner noch als Tauſendſchoͤn /
Nun Sie ihr Unſchulds-Kleid anziehet
Das hell / als wie der Sterne Hoͤh’n.
Jhr unverweßliches Gepraͤnge
Sticht aller Blumen Schoͤnheit weg /
Und ihrer Freuden Laͤng und Menge
Begraͤntzt der Ewigkeiten Zweck.
9.
Der Gaͤrten Amaranthen kleidet
Die Purpur-braune Liebligkeit.
Die Seel’ge ſo in Roſen weidet /
Bey noch gar friſcher Tages-Zeit /
Geht jetzt durch des Erloͤſers Wunden
Bepurpert zu dem Leben ein /
Und hat den Braͤutigam gefunden
Weil ihrer Andacht Ampel rein.
10.
Ein Heide nennt das Grab voll Schrecken /
Ein Hauß der langen Einſamkeit.
Ein Neſt wo ſich nur Schlangen hecken /
Wo nichts als ſchwartze Dunckelheit.
Wir wiſſen daß des Lebens Sonne
Der Aufferſtehung Morgenroͤth
Jn unumbſchrenckter Luſt und Wonne
Mit uns aus unſerm Grabe geht.
11. Lebt281Leichen-Gedichte.
11.
Lebt Amaranth durchs Waſſer wieder
So bald daſſelb ihn nur benetzt.
Ach wie viel mehr wird unſre Glieder /
Die in der Erden Schoß verſetzt /
Des HErren Geiſt lebendig machen /
Sein maͤchtig Athem hauchen an!
Daß ſie / wenn Welt und Himmel krachen /
Beſchreiten jene Freuden-Bahn.
12.
Folgt ſchoͤnſte Nymfen / folgt der Leichen
Und fuͤget dieſe Grabſchrifft bey:
Die Amaranthe ſo zugleichen
War einem Blumen-vollen May;
Der Mutter inniglich Ergetzen /
Deß Vatern Augentroſt und Licht;
Sieht man zwar hier in Sand verſetzen /
Doch raubt ſie die Verweſung nicht.
Auf Hn. S. R. v. P. d. R. hertz-geliebten Sohnes W. C. v. P. Seel. Abſterben / den 13. Decembr. 1676.
DEn Himmel eurer Eh hat Finſternuͤß bekleidet /
Hochedle / was euch jetzt befaͤllt / iſt nichts als Nacht.
Nach dem der liebſte Sohn ſo fruͤh von hinnen ſcheidet /
Der ſich zum Ebenbild der Ahnen ſchon gemacht.
Wenn jetzt ein gantz Geſtirn in Stralen-reichen Fackeln
Der Schatten ſchwartzen Flor mit goͤldnen Funcken ſtickt /
Und nur ein eintzig Stern gemach faͤngt an zu wackeln /
Biß den erkranckten Schein die Wolcke gantz erdruͤckt /
So ſehen wir betruͤbt / daß ſo ein Liecht muß fallen /
Das vor der Naͤchte Zier und helle Leuchte war.
Gar viel mehr klagen ſie / Betrübteſte vor allen /
Nun ihres Stammes Stern und Liecht liegt auf der Bahr.
Denn wie die Sterne ſonſt den blauen Himmel zieren /
So ziehrt gemeines Heil gewiß der Adelſtand.
Ja ein Hochedles Blut pflegt Flammen bald zu ſpuͤren
Die ihrem Urſprung nach dem Himmel ſind verwand.
S ſ ſ 5Drumb282Leichen-Gedichte.
Drumb ſchien auch auß dem Sohn und ſeiner erſten Wiegen /
Ein Sternen-heller Glantz / der / (wie der Ahnen Schild
Und Tapfferkeit gewohnt zu ſtreiten und zu ſiegen /)
Mit gleichem Helden-Muth der Eltern Wunſch erfuͤllt.
Ach aber allzu fruͤh iſt nur ſein Schein vergangen /
Das Hoffnungs-volle Feur wird in der Aſche kalt:
Der ungeſtuͤme Tod bleicht ſeine Purpur-Wangen
Und zeigt ſich / wie er iſt / in heßlicher Geſtalt /
Wer nimmt deß Traurens Nacht / deß Kum̃ers ſchwartze Schatten
Hochadeliches Zwey / von euren Hertzen weg?
Der muß eiu Felſen ſeyn / der diß nicht will verſtatten /
Daß Soͤhne guter Art der Eltern Troſt und Zweck.
Und zwar wo allbereit ein ſolcher Ruhm erworben /
Der deß Geſchlechtes Stand in hohe Wuͤrden ſetzt.
Vorfahren ſind alsdann in Kindern nicht geſtorben
Wenn ſie die Nachwelt auch von gleichem Weſen ſchaͤtzt.
Wolff Chriſtoph ſahe ſchon die Bahn von groſſen Thaten
Auff der die Vogtbarkeit der Jahre ſolte gehen:
Jhm kam im Spiegel fuͤr der Ahnen weiſes Rathen /
Die Kaͤyſer Heinrich ſchon der Finckler wolt erhoͤh’n.
Solt ich die Peiner ſonſt in langer Rey erzehlen /
So vor der Fuͤrſten Heil mit hoͤchſtem Ruhm gewacht /
Es wuͤrde mir an Zeit nicht an Verdienſten fehlen /
Die ſie bey aller Welt unſterblich laͤngſt gemacht.
Denn wieß der Mutter Blut ihm auch viel theure Helden
So ſelbſt die Ewigkeit mit Lorber-Kronen ziehrt /
Die Saͤulen Schleſiens / wie die Geſchichte melden /
Daß ſie fuͤr Kirch und Herd ihr Schwerd mit Ruhm gefuͤhrt.
Es ſind nun tauſend Jahr und mehr noch weggefloſſen /
Daß unſer Vaterland die Seidlitzer beſchuͤtzt /
Und vor des Kaͤyſers Heyl ihr edles Blut vergoſſen /
Denn auch im Friedenſtand mit Rath und That genuͤtzt.
Jſt nun der Lehr-Satz wahr? daß auß der Cedern Samen
Ein Wolcken-hoher Stamm / nicht eine Weide / ſteigt;
Ein Loͤw nur Loͤwen bringt dem Muth nach und dem Namen /
Ein edler Adler nicht gemeine Tauben zeugt:
So ſtand Wolff Chriſtophs Seel und Hertzen eingepraͤget
Daß er ein Loͤw an Muth und Adler wuͤrde ſeyn.
Es hat die zarte Bruſt ſchon ſolche Glut geheget /
Die von ſich blicken ließ der hohen Ehren Schein;
Zu283Leichen-Gedichte.
Zu dem / ein edles Blut fuͤhlt eh den Trieb der Tugend
Und ſeine Regungen gehn groſſen Dingen nach.
Stieg nicht Themiſtocles im Lentzen ſeiner Jugend
Mit ſeinem Helden Muth biß an der Sternen Dach?
Und Hercules erknickt noch in der Wiege Schlangen /
Der groſſe Julius will nicht bey Gades ruhn.
Es wird ein himmliſch Sinn ſich fruͤh diß unterfangen
Was ſonſt behertzte Leut im hohen Alter thun.
Zwar ſteht der Tugend Feld durchgehend allen offen /
Doch duͤncket mich der Schluß unwiedertreiblich wahr /
Daß von erlauchtem Blut ein mehrers ſtets zu hoffen /
Der Lorber ſchoͤner prangt auff einem edlen Haar,
Alleine / daß der Tod hier nicht will unterſcheiden /
Es kehrt ſein duͤrrer Fuß in Hoff und Huͤtten ein;
Er nimmt die Groſſen weg / ſo ſich in Purpur kleiden
Und wuͤrgt auch die halb nackt und ſchlecht bedecket ſeyn:
Es gilt ihm alles gleich ob Menſchen ſich verjahren /
Und ob er ihren Lentz und erſte Blumen bricht.
Es muß ein zartes Kind eh als ein Greiß hinfahren
Sein unermuͤdet Arm ſchont die Geſchlechter nicht.
Wolff Chriſtoph lege lonſt nicht in dem Sarg geſtrecket /
Hochedle / den ihr jetzt mit heiſſen Thraͤnen klagt.
Der allerliebſte Sohn / der ſo viel Freud erwecket /
Macht / daß ihr groͤſſer Leid umb ſeinen Hingang tragt.
Der Morgenroͤthe Gold bezeugt mit ihren Stralen
Was vor ein kuͤnfftig Tag die Unter-Welt erfreut.
Und Blumen pflegt der May in Knoſpen ſchon zu mahlen
Biß gar die volle Bluͤth entdeckt ihr bundes Kleid.
So gab der werthſte Sohn durch Minen zu erkennen
Den angeſtammten Witz / deß Geiſtes Hurtigkeit /
Man ſahe mit Begier die Funcken in ihm brennen /
So groſſen Seelen nur zum Eigenthum geweyht.
Doch / was hier hochgeſchaͤtzt / will Gott noch hoͤher ſchaͤtzen /
Er rufft ihn auß der Welt in ſein Genaden-Reich /
Eh noch den reinen Geiſt ein Laſter kan behetzen
Eh ihn der Zeiten Sturm und Drangſal machet bleich.
Denn was iſt auff der Welt auch in dem beſten Gluͤcke
Wenn die Vergnuͤgung uns liebkoſende lacht an?
So gibt der Himmel drauff nur ſchwartze Donner-Blicke
Es ſind in einem Sack ſo Freud als Leid gethan.
Hoch -284Leichen-Gedichte.
Hochedle nur umbſonſt vergießt ihr eure Zaͤhren /
Jhm iſt bey ſeinem Stand gantz unvergleichlich wol.
Er lebt als Ritters-Mann jetzt bey den Himmels-Heeren /
Und geht den Siegern gleich ins Sternen Capitol.
Vergebens wuͤnſchen ihn die vier verlaßnen Bruͤder /
Nun er der Engel Schar zu ſeinen Bruͤdern hat.
Wolff Chriſtoph der verlangt in unſrer Welt nicht wieder /
Und iſt an Freud und Wonn und Herꝛligkeiten ſat.
Die Ahnen heiſſen ihn jetzt tauſendmal willkommen /
So laͤngſt ein ſeelig Tod mit Ruhm voran geſchickt.
Er wird als neuer Gaſt von ihnen auffgenommen /
Und hat den hoͤchſten Glantz der Klarheit angeblickt.
Hochedle Eltern laſt hier euren Stern verſincken /
Laſt jetzt deß Grabes Nacht die Glieder huͤllen ein.
Er wird auß Grab und Grufft mit neuen Stralen blincken
Und dort ein Morgenſtern verklaͤrter Freuden ſeyn.
Troſt-Worte / An Fr. R. Z. g. T. uͤber dem Abſterben ihrer Tochter Jungf. E. den 6. Jenner 1677.
D heiſt / betruͤbtſte Frau / in Angſt und Noth be - ſchloſſen /
Und in vermehrtem Leid ein Neu Jahr fangen an;
Diß heiſt das Ubermaß der Thraͤnen außgegoſſen /
So daß ihr Aug und Hertz faſt nicht mehr bluten kan.
Es hat die Sonne noch den Thier Kreiß nicht durchgangen
Als ihres Hauptes Kron / ihr ander Hertze fiel /
Die Thraͤnen ſolten noch recht trucknen auff den Wangen /
Und bleiche Kuͤmmernuͤß biieb ihres Leidens Ziel.
Sie lebt in Harm und Qual / und ſaß in Staub und Aſchen
Jn Hoffnung / daß die Hand / die alles hat gebaut
Auch ihre Thraͤnen wird auß ihrem Aug abwaſchen
Und daß man nach der Nacht die guͤldne Sonne ſchaut.
Ach! aber nur umbſonſt! Die unerforſchten Wege
So Gottes Allmacht zeigt ſind Menſchen nicht bekand.
Es rufft ein hoͤher Schluß ſie von dem Dornen-Stege
Ach uͤberhaͤufftes Leid! jetzt in ein Hecken-Land.
Erſt Witwe muͤſſen ſeyn / und bey deß Lebens Ende
Da man faſt gleiche Jahr im Ehſtand zu gebracht /
Sehn /285Leichen-Gedichte.
Sehn / wie die Sonne zeucht von ihrer Sonnen-Wende /
Empfinden / wie der ſchlaͤfft / der vor das Haus gewacht /
Denn auch deß Alters Troſt die liebſte Tochter miſſen
Die Tochter / ſo allhier der Jugend Blume war /
Und nur der Gottesfurcht und Tugenden geflieſſen / |
Und derer reines Hertz deß Hoͤchſten Lob-Altar.
Diß iſt ein doppelt Schlag / der Geiſt und Seele beuget /
Der Sinnen und Vernunfft mit Macht zu Boden druͤckt.
Wem ſo das Neue Jahr im Anfang ſich erzeiget
Gewiß / daß er den Zweck der hoͤchſten Noth erblickt.
Allein / Geehrte Frau / ich weiß ihr friſch Gemuͤthe
Daß Hoffnung zum Pauier / Gedult zum Pantzer hat /
Traut / wie es ſtets gethan / deß Schoͤpffers Huͤlff und Guͤte
Weiß / daß er iſt und bleibt betruͤbter Wittwen Rath.
Sie iſt ſchon laͤngſt bewehrt durch Creutz und bittre Zeiten /
Kennt auß Erfahrenheit / die Plagen dieſer Welt /
Wenn Hunger / Krieg und Peſt ihr ſtunden an der Seiten /
Ward doch ihr Glaubens-Fels von keinem Sturm zerſchellt.
Nun / der ſie wunderlich von Jugend auff gefuͤhret
Will auch im Alter noch ihr Stab und Leuchte ſeyn.
Verſichert / daß nichts mehr warhaffte Chriſten ziehret
Als ein durchbeitzter Geiſt in ſcharffer Angſt und Pein.
Ein Menſch iſt ohne Creutz ein todtes Meer zu nennen /
Das wie das rothe Meer von Suͤnden fault und ſtinckt /
Und wenn Begierden uns mit ihren Fackeln brennen /
Wer ſieht nicht daß der Kahn deß Lebens unterſinckt?
Nein / Hochbekuͤmmerte / ſie iſt noch nicht verlohren /
Ob Mann und Tochter ſchon der Sterbligkeit entflieht /
Sie weiß / daß ſterblich iſt / was je ein Weib gebohren
Daß unſer Fleiſch und Bein zu groͤßrer Ehr aufbluͤht.
Sie iſt kein Frembdling nicht bey unterſchiednen Leichen /
Jhr Gott-geweyhter Sinn erkennt die Ewigkeit.
Jetzt bin ich nur bemuͤht ein Pflaſter ihr zu reichen
Das die Vernunfft beſtillt / und daͤmpfft das heiſſe Leid.
Wie fang ichs aber an? Es ſoll mit ihrem Munde /
Und wie ſie ſterbende die Seufftzer abgeſchickt
Das keuſche Jungfern-Bild / noch lehren dieſe Stunde /
Daß ihr die letzte Farth ſo uͤberauß geluͤckt.
Ach! rieff ſie / Mutter / Ach! Vergießt nicht eitle Zaͤhren /
Sie zeugen eure Lieb / und ſtoͤren mir die Ruh;
Mein286Leichen-Gedichte.
Mein Braͤutgam holt mich heim / mein Schatz will mich begehren;
Rufft mir zu dieſem Tag / dem Hochzeit-Tag / Gluͤck zu;
Jch laſſe frey der Welt ihr Gold - und Silber-Stuͤcke /
Schmuck / Ketten / Perl und Gold iſt lauter Gauckeley.
Frolocket doch mit mir / erkennt mein groß Geluͤcke /
Mein JEſus leget mir die Sieges-Krone bey.
Verſtarrt und wundert ihr die Palmen in den Haͤnden
Ja dieſe Zweige bluͤhn in jenem Paradeiß:
Hoͤrt ihr mich roͤchelnde noch tauſend Seufftzer ſenden /
So glaub ich / daß allein Gott dieſen Lob-Spruch weiß.
Nein / die verwelckte Hand ſoll kein Clavier mehr ruͤhren
Nun ich die Saͤngerin ſoll Gottes-Lammes ſeyn.
Dem ſoll auff ewig Heil / Lob / Preiß und Danck gebuͤhren
Der als ein Opffer ſich fuͤr mich geſtellet ein.
Wie? kennt ihr mich nicht mehr in meinem weiſſen Kleide?
Wie? daß denn alle ſo den Sterbekittel fliehn?
Jhr Albern! ſeh ich doch den Rock von reinſter Seide /
Den in ſein Blut getaucht mir JEſus an wird ziehn
Diß iſt mein letztes Wort: Sein Blut hat mich gewaſchen:
Jn dieſem Seufftzer geb ich Geiſt und Leben auff.
Ach werde / ſiecher Leib / was du ſolt werden / Aſchen!
Jch ſtehe ſchon gekroͤnt bey der Erwehlten Hauff.
Es darff kein Pfleger mehr noch Vormuͤnd vor mich ſorgen
Jch diene Gottes Stul in reichem Uberfluß:
Da wohn ich hoͤchſt vergnuͤgt / mich brennt kein heiſſer Morgen
Jch ſchmeck ins Lammes Schoß den ſeel’gen Liebes-Kuß.
Frau Mutter trauret nicht / ich bin / ich bin erhoͤret /
Jch folge / wie mein Wunſch / dem lieben Vater nach /
Laſt Klag und winſeln ſeyn / das meine Ruh nur ſtoͤret /
Benetzt mit Thraͤnen nicht mein Grab / mein Schlafgemach.
Was kan / betruͤbtſte Frau / ich mehr an Troſt beyſetzen
Die Hertzens-Worte ſind an Troſt und Nachdruck reich.
Die liebſte Tochter muß / ihr Hoffen und Ergetzen /
Jetzt wuͤrcklich Lehrer ſeyn durch die erblaſte Leich.
Jch weiß ihr kluger Sinn in Gottesfurcht geuͤbet /
Urtheilet / daß ihr wol und uͤberwol geſchehn,
Nur bloß die zarte Lieb in derſie ſie geliebet
Laͤſt noch die Seufftzer Wind und Jammer Duͤnſte ſehn.
Wenn ihr behaͤglich thun / die Sitten / die Geberden
Und der ſo kluge Geiſt kommt ihren Sinnen fuͤr:
So287Leichen-Gedichte.
So ſeufftzt ſie / Liſelis hat wuͤſſen Erde werden
Der Tugend Conterfey / der Jungfern Ruhm und Zier.
Sie wird auch ihren Witz und Vorſicht ſonſt entrathen
Der bangen Einſamkeit verfall’nen Stern und Licht.
Doch ſey ſie nur getroſt / weil auch auß Wolck und Schatten
Deß Hoͤchſten Gnaden-Glantz mit groͤſſern Stralen bricht.
Sie iſt auff kurtze Zeit jetzt nur voran gegangen /
Beſchleuſt deß Lebens End und Elend in der Zeit /
Sie wird ein neues Jahr / und Jubel-Jahr anfangen
Wenn uns im neuen Jahr noch druͤcket altes Leid.
Ehren-Gedaͤchtnuͤß / Jungf. A. S. v. J. den 31. Jenner 1677.
HOchedle / daß ihr itzt mit anverwantem Klagen /
Den letzten Ehren-Dienſt und Liebes-Pflicht legt ab
Und Muhm und Schweſter laſt mit Ruhm von hin - nen tragen
Und ſchickt die kalte Leich / ins Haus der Ruh / das Grab /
Verdient nicht ſchlechtes Lob. Es heiſcht es das Geſetze /
So GOtt und die Natur uns in die Bruſt gelegt /
Daß man der Seinen Sarch mit heiſſen Thraͤnen netze /
Und daß in Seel und Hertz man ihr Gedaͤchtnuͤß traͤgt.
Es iſt ein toller Wahn von den verdammten Heyden /
Die die Beerdigung am wenigſten geacht /
Und nichts darnach gefragt / ob brennen / reiſſen / ſchneiden
Hat auß dem todten Leib ein lauter nichts gemacht.
Nein / Gottes Eben-Bild und ſeiner Hand Geſchoͤpffe
Muß nicht wie ſchlechter Staub ſeyn in die Lufft geſtreut /
Hat das noch blinde Rom geehrt ſein Aſchen-Toͤpffe
Und gar das Grab genennt ein Haus der Ewigkeit:
Wie vielmehr ſollen wir die abgelebten Glieder /
Der allgemeinen Schoß der Erden anvertraun.
Geſichert durch den Troſt / der Hoͤchſte giebt ſie wieder /
Die Huͤtte / die er bricht / die kan er neu auffbann.
Denn ſind die Graͤber auch ein Denckmahl unſrer Ehren /
Wobey ein ewig Ruhm mit hellen Augen wacht /
Wo offt die Tugend pflegt den Wanders-Mann zu lehren /
Daß hoher Thaten Preiß nicht fault ins Grabes Nacht.
Und288Leichen-Gedichte.
Und weiter ſind ſie auch ein kennbahr Liebes-Zeichen /
So Angeſipptes Blut einander ſetzen ſol /
Wer weiß nicht wie ſo hoch Egyptens Saͤulen reichen
Und was vor Schrifften trug das goͤldne Capitol /
Wir Ertz und Marmel noch die reine Treu benennen
Uhrhebern ihrer Zier beharꝛlich danckbar ſeyn /
Wie man die Liebe ſieht noch auß der Aſche brennen
Und wo ſonſt nichts mehr redt / ſo redt der Leichenſtein.
Hoch-edle / wenn ihr nun mit Adlichem Gepraͤnge
(ſter ehrt
Nach Stand und nach Gebuͤhr itzt Muhm und Schwe -
So iſts der Ahnen Ruhm und ihrer Tugend Maͤnge
Die euch / den werthen Sarch zu ſchmuͤcken hat gelehrt.
Jhr keuſcher Jungfern-Krantz ſucht diß zum Eigenthume /
Wozu die Gottes-Furcht die weiſſe Seiden ſchenckt /
Die Engel heiſſen ſie itzt auserwehlte Muhme /
Die an die Luſt der Welt ihr Hertze nie gelenckt.
Was iſt die Keuſchheit ſelbſt? Ein Zweig vom Paradieſe /
Ein Kleinod das den Leib doch mehr die Seele ziert.
Ein Purpur deß Geſchlechts und Blumen-volle Wieſe
Die in die Nachbarſchafft der Engel uns eiufuͤhrt.
Die auff der Erden noch uus dieſen Vorſchmack giebet
Der in dem Himmel ſonſt die Heiligen erquickt.
Ein Glaube / der bezeigt / wie hoch er GOtt geliebet /
Ein Uhr-Werck / das niemals auß dem Gewichte ruͤckt.
Jn ſolcher Einſamkeit und Engel-gleichem Stande /
Beſchloß die Seelige den Reſt der ſchnellen Zeit /
Gekraͤnckt von keiner Noth / gequaͤlt von keinem Brande
Den der Begierden Feur und Flamme von ſich ſtreut /
Jhr Garten war ein Feld Gottſeeliger Gedancken /
Wo eintzig nur gebluͤht der Tugend Ehren-Preiß.
Jhr Leben Schnecken-gleich / das vorgeſetzte Schrancken
Und feines Hauſes Dach nie zu verlaſſen weiß.
Sie kante nicht die Welt / und ihre ſchlaue Rencke /
Wie unter einem Kuß Gifft der Verleumbdung ſteckt /
Wie an dem Seil der Luſt ein Garn deß Todeshencke /
Und die Verſtellungs-Kunſt der Menſchen Sitten deckt.
So offt der Fruͤhling ſich gezeigt mit ſeinen Schaͤtzen /
Den Baͤumen Amber-Schnee / den Blumen Purpur gab /
So konte ſich ihr Aug an dieſem Schmuck ergetzen /
Und brach die Erſtlinge von Chloris Kindern ab.
Ließ289Leichen-Gedichte.
Ließ / wie pflegt zu geſchehn / das Frauen-Zimmer lieben /
Warff was ergetzen kan veraͤchtlich von ſich weg /
Jndem ſie kraͤfftig ſchloß / daß Lieben nur Betruͤben
Und zu der wahren Ruh der Sinnen nicht ein Zweck.
Jhr unbefleckter Geiſt trug nur an dem Gefallen /
Was edle Tugend lehrt / und Zucht und Demuth ziert.
Daher / ob ſie gleich offt geſchmeckt des Creutzes Gallen
So hat den Vorſatz doch kein Wanckel-Muth beruͤhrt.
Sie glaubte / daß ſie GOtt / dem ſie als Braut geſchworen /
Mit welchem ſie ſich auch in Ewigkeit vermaͤhlt /
Zu gar weit groͤſſrer Ehr und Herrligkeit erkohren
Als die ein ſterblich Menſch auff dieſer Erden zehlt.
Denn was iſt unſer Thun? ein Marck voll Angſt und Sorgen
Ein Wechſel / wo uns Leid fuͤr Freuden wird gewehrt:
Ein ungewiſſer Tag und ſchwartz-gewoͤlckter Morgen /
Der / eh der Mittag kommt / in Donner ſich verkehrt.
Sind wir nicht Laͤuffern gleich die zu dem Ziele rennen?
Sind wir nicht ein ſolch Rad das auff - und abwerts ſteigt?
Wol gar ein ſolches Licht / das ſelbſt ſich muß verbrennen:
Ein Quell / der / wenn er koͤmmt / auch trucknet und verſeigt.
Ach mehr als Hochbegluͤckt! Wer in ſo reinem Stande
Des Lebens engen Raum GOtt ſeinem Schoͤpffer weyht /
Weiß / daß er Pilgram iſt in einem frembden Lande
Biß ihm Jeruſalem den Friedens-Ort anbeut.
Die Edle Seelige gruͤſt itzt der Engel Orden /
Worinn ſie Keuſchheit laͤngſt und Tugend hat verſetzt.
Nun aber iſt ſie erſt ein wuͤrdig Mittglied worden /
Das alle Pracht der Welt fuͤr Rauch und Rebel ſchaͤtzt.
Jhr Wohlgebohrner Stamm fuͤhrt in dem Wapen Eſchen /
Weil die verborgne Krafft hegt mit der Schlange Streit.
So wird auch ihren Ruhm und Tugend nicht verleſchen
Der / ſo ſonſt alles ſchilt / der Schlangen-arge Neid.
Hoch-Adeliches Zwey / und Außbund kluger Frauen /
Die ihr der Schweſter Sarch mit treuen Zaͤhren netzt.
Jhr Ohmen / die ihr hier laſt gleiches Beyleid ſchauen
Und eurer Muhmen Tod nie aus den Augen ſetzt /
Ziert / wie es billich iſt / mit keuſchen Lorber-Kronen
Jhr Ehren-volles Grab / denn ihr Gedaͤchtnuͤß bluͤht
Und ihre Seele lebt / ob ſchon der Leib muß wohnen
Jm Reich der ſchwartzen Nacht und keine Sonne ſiht.
T t tEs290Leichen-Gedichte.
Es iſt ein groſſer Ruhm hier wol gebohren werden /
Und noch ein groͤſſer Schmuck wer Tugendreich gelebt /
Ja unter Ehr und Ruhm verlaͤſt das Rund der Erden
Und nach dem Sieges-Krantz der Himmels-Freuden ſtrebt.
Trauer-Gedichte Bey Beerdigung Hn. H. v. G. u. S. R. P. den 4. April. 1677.
WEnn itzt des Himmels Hertz und Auge dieſer Welt /
Der Sternen Koͤnigin und Fuͤrſtin aller Zeiten /
Den Strahlen-reichen Lauff zu Troſt und Nutz den Leuten /
Durch das gevierdte Rund mit reicher Frucht beſtellt /
Ermuͤdet in die Schoß der blauen Thetis ſincket /
Und uns zu letzte noch mit guͤldnen Blicken wincket.
So ſiht man / wie entzuckt die gantze Sterbligkeit
Den lichten Purpur ehrt / ihr Glantz ſol nun erbleichen /
Doch pflegt ſie ſo ein Gold den Wolcken darzureichen /
Das den Carfunckeln Kampff / Rubinen Hohn anbeut.
Die Waͤlder ſtehn erſchreckt und fuͤrchten ſchwartze Schatten /
Die Kraͤuter buͤcken ſich fuͤr Trauren auff den Matten.
Die Flora druͤckt beſtuͤrtzt der Kinder Augen zu /
Die Fluͤſſe ſchlaffen ein / die ſtillen Luͤffte ſchweigen.
Es muß die Clytie ihr Haupt zur Erde neigen /
Der Vogel ſucht im Neſt / das Wild im Forſte Ruh.
Ja ſelbſt die kleine Welt / der Menſch klagt / daß der Sonnen
Durchlauchte Treffligkeit in Finſternuͤß zerronnen.
So auch da itzt das Hertz und Auge dieſer Stadt /
Der Hochverdiente Greiß / der Edle Herr von Goͤtzen /
Wil aus der Sterbligkeit die muͤden Fuͤſſe ſetzen /
Und ſeiner Tugend Sonn uns ſatt beſtrahlet hat /
Siht man die Funcken noch von ſeinem Ehren-Leben
Der Nachwelt neuen Glantz zu gleichem Spiegel geben.
Die Fackel von dem Ruhm dem laͤngſt die Ewigkeit
Sich zugeſchworen hat / muß itzt weit heller ſchimmern;
Es ſcheint des Rathes Licht noch in des Rathes Zimmern /
Der Sinnen waches Feur / ſo bey verwirrter Zeit
Dem Pharus gleich geleucht / und Weg und Bahn gewieſen /
Wird bey dem Untergang von maͤnniglich geprieſen.
Des291Leichen-Gedichte.
Des Lebens Demmerung zeigt ſo ein Abend roth /
Daß wie die Sonne geht im Golde nur zu Grunde /
Wie aber ſeufftzt die Stadt mit allgemeinem Munde?
Ach unſer Scipio und Appius iſt todt!
Es iſt der Mund erſtummt der uns offt Rath gegeben /
Und Geiſt und Seel iſt hin / durch die wir konten leben.
Verzeih hoͤchſtwerther Goͤtz / Aſtræens Ruhm und Schild /
An Ernſt dem Cato gleich / dem Phocion an Guͤte /
Lycurgen an dem Witz / Camillen am Gemuͤthe /
Periclen am Verſtand / der wahren Tugend Bild /
Wo ich bey deiner Grufft nicht mit gelehrten Thraͤnen /
Kan ſtellen an das Licht der Buͤrger Schmertz und Sehnen.
Es ſtirbt der Phoͤnix ſo wenn nun achthundert Jahr
Der Sonnen-Vogel ſich Siegprangende gewieſen /
Wenn ſeine Treffligkeit die gantze Welt geprieſen /
Baut ihm der Luͤffte Printz von Zimmet eine Bahr /
Legt an das Balſam Holtz zu einem reichen Zunder /
Den uͤbergiebet ſich der Gluth das ſeltne Wunder.
Das leichte Feder-Volck zerhackt die weiche Bruſt
Singt ein beweglich Lied / das Stein und Fels entzuͤcket /
Bringt eine Harmoni / die Goͤtter ſelbſt erquicket /
Vollzieht den ſuͤſſen Thon / thut was ihm nur bewuſt /
Und giebt durch Saͤngerey und Andacht zuerkennen /
Jn was vor edler Gluth ſein Hertzog muͤſſe brennen.
Gewiß Hochſeeliger bey deinem Leichenſtein
Erſcheint der Muſen Chor / Apollo ſteht betruͤbet /
Und dencket wie er dir ein wuͤrdig Opffer giebet.
Was auff dem Helikon nur mag vortrefflich ſeyn /
Jſt einzig dir geweyht, der Pierinnen Saͤiten /
Und Harff - nnd Lauten-Klang die wollen dich begleiten.
Wie aber leg ich ab die tieffverbundne Pflicht?
Steckt noch was ewiges in meinen krancken Reimen?
Empfind ich noch den Hauch von jenen Lorber-Baͤumen?
Vergoͤnnt mein Zuſtand mir ein ſolches Traur-Gedicht /
Das Gluth und Geiſter hat / das nach dem Himmel ſchmecket /
Und dich in deinem Grab / Entſchlaffner Neſtor / wecket?
So nimm doch hoch geneigt / was ich itzt liefern kan /
Und was dein weiſer Mund im Leben noch begehret /
Ach das nichts ſchaͤtzbahres mein danckbar Hertz gewehret!
Doch ſehn die Goͤtter offt auch den Gehorſaman.
T t t 2Und292Leichen-Gedichte.
Und dein ſo hoher Ruhm darff keiner Farbe Strahlen /
Er kan ſich von ſich ſelbſt durch eigne Wuͤrde mahlen.
Als dich Lucina trug / beſchloß des Himmels Rath /
Es ſolte dieſer Zweig in einen Baum ſich breiten /
Der ſeiner Blaͤtter Pracht und Gipffel auch von weiten
Geb allen anzuſchaun: Drauff hat dich Brixen-Stadt
Jm freyen Francken-Land ein freyer Ort empfangen /
Als deiner Eltern Pfand / Troſt / Hoffen und Verlangen.
Das Gluͤcke wiegte dich / die Tugend war dein Freund /
Die Gottesfurcht dein Zweck; es zeigten ſchon die Minen
Wie mit der Zeit dein Geiſt auff hohen Ehren-Buͤhnen
Beruͤhmet wuͤrde ſtehn. Gleich wie der Demant ſcheint
Noch in der Erden Schoß und herrlich pflegt zu brennen /
So gabſt du auch dein Feur durch Funcken zu erkennen.
Drauffrieß ein ſtaͤrcker Zug dich in die weite Welt /
Es war der Jugend Wachs die Weißheit einzudruͤcken /
Es lernte ſich dein Sinn in Menſchen Haͤndel ſchicken;
Witz und Erſahrenheit / die ſich zu dir geſellt /
Durchſchaͤrfften den Verſtand und zierten ihn mit Sitten /
Krafft welcher du gar offt der meiſten Hertz beſtritten.
Ein himmliſches Gemuͤth eilt ſeinem Urſprung nach
Und ſteiget in die Hoͤh / verlaͤſt des Poͤfels Schrancken /
Sucht ſeinen Thaten Raum voll feuriger Gedancken;
Erſchrickt vor keiner Muͤh / Gefahr noch Ungemach /
Weiß daß der Tugend Cron durch Schweiß ſey zugewinnen /
Und daß der nichts erlangt / der nichts nicht wil beginnen.
Dich hat Ulyſſens Witz / O Hochbegluͤckter Greiß!
Bey ſchwerer Krieges Zeit gefuͤhrt auff deinen Reiſen /
Wenn hier Brand / Seuch und Peſt / dort ein verraͤthriſch Eiſen
Die Menſchen weggerafft / ſo ſchiffte doch dein Fleiß
Durch die Charybden hin / und kam mit gutem Winde
An Hafen des Geluͤcks / der Wolfahrt ihr Gemuͤnde.
Noch hat kein Ort der Welt ſo deinen Sinn beſtrickt
Als dich die Herrligkeit von Breßlau eingenommen.
Es ſolte hier dein Gluͤck zum hoͤchſten Wachsthum kommen /
So hat der Ausgang auch den Vorſatz nie verruͤckt;
Die Sorgfalt / der Verſtand / die ungemeine Gaben
Bemuͤhte Breßlau ſich zum Eigenthum zu haben.
Die Mutterkluger Koͤpff und Richtſchnur aller Zucht /
Der Weißheit Naͤhrer in iſt dir mit Huld begegnet;
Es293Leichen-Gedichte.
Es ſchien dein gantzes Hauß mit Segen uͤberregnet /
Als ſie ein gleich Gemahl vorſichtig ausgeſucht /
Durch derer Haͤußligkeit dein Wolſtand iſt beklieben
Die biß ins Grab jetzt zeigt ihr unverrucktes Lieben.
Es waͤchſt ein Cedern-Baum nicht irgend uͤber Nacht /
Es heiſt die Aloe die lange Zeit erſt bluͤhen
Nach unerſchoͤpfftem Fleiß / nach embſigem Bemuͤhen
Hat Gluͤck und Ruhm zugleich fuͤr deinen Stand gewacht.
O Solon unſrer Stadt / es ſchafft der Vaͤter Orden /
Daß du in ihrem Rath ein wuͤrdig Mitglied worden.
Hier gieng dein edler Sinn / als wie ein Adler pflegt
Weit uͤber alle Lufft und Wolcken ſich zu ſchwingen /
Biß er der Sonne kan ins Schlaffgemach eindringen /
Von Gottesfurcht erhitzt von Tugend angeregt
Gemeinem Nutzen nach / es wird das Ampt der Waͤyſen
So lang ein Menſch noch lebt die treue Sorgfalt preiſen.
Es ſey daß Jupiter theils Koͤpffe macht von Gold
Theils nur von Ertz und Bley: So muß doch / wer regieren
Und nutzbar herrſchen ſol / nichts ſchlechtes in ſich fuͤhren.
Verdienen unſers GOtts und auch der Menſchen Huld
Jſt ein hochwichtig Werck; in nichts das Recht verletzen
Bleibt bey dem Himmel ſelbſt ein Schatz von allen Schaͤtzen.
Du andrer Atticus der Buͤrger Troſt und Heil /
Verblichner Herr von Goͤtz / es ſchwebt der Zeiten Jammer
Und Unruh noch fuͤr uns / als du im Ampt der Cammer
(Das warlich hat verzehrt des Lebens beſtes Theil /)
Bey ſpaͤter Abends Zeit und auch bey fruͤhem Morgen
Mit hoͤchſtem Nutzen haſt gefuͤhrt viel tauſend Sorgen.
Jch ſchweige / daß der Neid mir nicht die Heucheley /
Die ich als Gifft und Peſt der Redligkeit verfluche /
Wie er ſonſt pflegt zu thun / hier vorzuwerffen ſuche:
Diß ſag ich wenn ich ſolt ein wahres Conterfey
Vom Staats-Mann ſtellen fuͤr / ſo muͤſt ich den von Goͤtzen
Mit gutem Fug und Recht auch in die Rolle ſetzen.
Wer GOttes Diener ehrt / den ehrt hinwieder GOtt.
Du haſt ihm ſein Altar im Hoſpital gebauet /
O Numa dieſer Zeit! der hat dich auch bethauet
Mit Seegen aus der Hoͤh / dieweil du ſein Gebot
So eifrig haſt bewahrt und alles ſo erhoben /
Daß Prieſter und Muſic dich noch im Kirchlein loben.
T t t 3Es294Leichen-Gedichte.
Es kommt das Leinwand-Hauß mir niemals aus dem Sinn /
So offt ich an das Heil der Schulen nur gedencke;
Wie ſelten ach geſchichts! daß Lehrern ein Geſchencke
Von milder Hand kommt zu! Nein / die Ernaͤhrer in
Zukuͤnfft’ger Policey / die Schule / war dein Sorgen /
So daß die Wolthat noch bey keinem iſt verborgen.
Dein Rath hieß eine Maur und die Beredſamkeit
Ein ſcharf durch dringend Pfeil Gemuͤther zu bewegen /
Und deine Wachſamkeit die kont ein Bollwerck legen
Daß wenn ein Sturm gleich kam / ſtets die Beſcheidenheit
Den Mittel-Punckt erzielt; das ſelbſt das Ende lehrte
Was vor ein reiffer Witz zum Regiment gehoͤrte.
Du zogſt Begierden aus als wie ein taͤglich Kleid /
So offt dich hieß das Recht den ſcharffen Ernſt gebrauchen /
Ließ ſchlechte Fehler bald gleich einem Dampff verrauchen /
Befreyt von Lieb und Haß / von Argwohn / Zorn uud Neid /
Wollſt / wie der Sonnen Licht / nur allen Menſchen nuͤtzen /
Wolt’ſt wie die Themis ſelbſt nur alle Menſchen ſchuͤtzen.
Die ſeltne Treffligkeit / der himmliſche Verſtand
Hat gar der Hohen Gunſt und Hold an ſich gezogen.
Es blieb ein jeder Hoff im Lande dir gewogen /
Biß daß der Leopold / der Erden Gott / erkand
Dich hochverdienten Mann in Ritterſtand zuſetzen
Und dich als einen Rath vor andern werth zuſchaͤtzen.
Jch weiß die Demuth nech / wie du der Majeſtaͤt
Großmaͤchtigſte Genad in tieffſter Pflicht geehret.
Es hat mein Ohre noch den treuen Wunſch gehoͤret
Wie du zu deinem GOtt andaͤchtig haſt gefleht /
Daß unſerm Kaͤiſer moͤg in Lorber-vollem Siegen /
Der Erden weiter Kreiß zu ſeinen Fuͤſſen liegen.
Es traͤgt der Eltern Blut zwar viel dem Adel bey /
Die Tugend wird noch mehr die Ehren-Fahn auffſtecken
Wenn dieſe Glocke klingt / pflegt ſie die Welt zuwecken /
Daß ein Themiſtocles ein edles Hertze ſey.
Denn ſol das Vaterland in vollem Flor gedeyen /
Muß erſt der Kopff den Witz / die Fauſt die Krafft darleihen.
Agrippa voller Rath / nun Seeliger Patron /
Als Praͤſes Saͤbiſch ließ des muͤden Leibes Buͤrde /
Und dir ward anvertraut der gantzen Herrſchafft Wuͤrde /
Wie mancher Hertzens-Wunſch / wie mancher Jubel-Thon /
Brach295Leichen-Gedichte.
Brach bey den Buͤrgern aus? Sie ſchryen unſer hoffen
Hat nun mit unſrem Haupt gluͤckſeelig eingetroffen.
Ach Vater unſrer Stadt! wie wol haſtu regirt!
Du Leuchte / die zum Nutz gemeinem Heil gebrennet /
Jſt noch ein Schleſier der deinen Ruhm nicht kennet?
Und was fuͤr Sorgen du die lange Zeit gefuͤhrt?
Es hinderten niemals die Raths und Ampts-Geſchaͤffte
Des Alters ſchwere Laſt und abgeſchwaͤchte Kraͤffte.
Schwan / den der Tugend Gold / der Ehre Silber kroͤnt /
Die graubeſchneyte Haar ſind unſrer Wolfarth Lilgen.
Dein Angedencken kan nie aus dem Hertzen tilgen /
Der Zeiten Tyranney / ſo alles ſonſt verhoͤhnt:
Eh muß die gantze Welt in lichter Gluth vergehen /
Als deiner Tugend Ruhm nicht ſolt in Bluͤthe ſtehen.
Ach Waͤchter unſrer Stadt der zwey und dreyßig Jahr
So redlich hat gewacht / ſo treulich es gemeinet /
Du biſt der Sonne gleich / wenn die am ſchoͤnſten ſcheinet
Und nun ihr letztes Gold ermuͤdet ſtellet dar /
So ſinckt ſie in die Nacht / du auch nach vielen Strahlen /
Muſt itzt der Sterbligkeit den letzten Reſt bezahlen.
Ach unſer Rathhaus klagt! wir ſchauen dich nicht mehr
Dein Anſehn von Geſtalt / der Ernſt beliebter Sitten /
Mit Freundligkeit vermiſcht / die Pracht in Tritt und Schritten /
Jſt alles nun hinweg / die treue Pflicht und Ehr /
So deiner Scheitel Schnee wir jederzeit erwieſen /
Muß bey ſo herbem Fall die Thraͤnen nur erkieſen.
Doch Hochverdienter Greiß / der unter Ehr und Ruhm
Und Sieges-Kronen ſtirbt / und laͤſt uns ſeines gleichen /
Mag auch ein Sterblicher mehr Wolfahrt hier erreichen /
Als wenn aus ſeiner Aſch entſprieſſt ſo eine Blum?
Geſchwiſtert an der Frucht / und zeiget durch den Saamen
Daß nicht ver gehen kan der Edlen Goͤtzen Namen.
Verſichert daß dein Grab voll Herrligkeit und Pracht
Wird auch der ſpaͤten Welt noch in die Augen blitzen.
Kein koſtbahres Mauſol / Egyptens hohe Spitzen /
Und was fuͤr Wercke mehr das guͤldne Rom gemacht.
Beſiegen Zeit und Tod. Nein / ſondern tapffre Thaten
Die koͤnnen uns allein fuͤr der Verweſung rathen.
Du haſt den Kuͤnſtlern gleich / O hohes Meiſterſtuͤck
Die letzte Linie des Lebens wol gezogen /
T t t 4Den296Leichen-Gedichte.
Den Grundſtein feſt gelegt / geſchloſſen recht den Bogen.
Nun iſt der Bau vollbracht / an dem ſich das Geluͤck
Nicht ſatt verwundern kan / und ſchamroth muß geſtehen
Daß uͤber ſeine Macht kan deine Weißheit gehen.
Empfang Hochſeeliger jetzt die beſternte Cron /
Du ſieheſt Sonn und Mond zu deinen Fuͤſſen liegen /
Und uͤberſchwenglich Heil und himmliſches Vergnuͤgen
Erhaͤlt dein edler Geiſt zu einem Gnaden-Lohn.
Orion macht dir Raum / und bey Aſtræens Schalen
Solt du ein neuer Stern im hoͤchſten Glantze ſtrahlen.
Der Marmel macht ſich weich zu faſſen deinen Ruhm.
Wiewol man darff dir nicht Gedaͤchtnuͤß Tempel bauen /
Man mag der Buͤrgerſchafft ihr treues Hertz anſchauen
Da ſteht dein Ehrenmahl / der Tugend Eigenthum.
Die ſchoͤnſten Wercke hat der Zeiten Zahn zerrieben /
Was Seelen eingepraͤgt iſt unvergaͤnglich blieben.
Ruh wol in deiner Grufft O Vater dieſer Stadt!
Es muͤſſen ſich daſelbſt die Palmen hoher Ehren /
Der Cedern Ewigkeit / des Ruhmes Lorbern mehren /
Ruh und ſchlaff ewig wol des muͤden Lebens ſatt.
Es wil der Nachruff dir die ſchoͤne Grabſchrifft ſetzen:
Hier liegt der Buͤrger Haupt / der Edle Herr von Goͤtzen.
Die ſterbende Alcyone Bey Beerdigung Fr. E. v. S. g. N. den 4. Julii 1677.
ESließ Alcyone / die Perle keuſcher Frauen /
Mit heiſſem Seelen-Schmertz den Liebſten von ſich hin;
Aus Furcht / ſie wuͤrd ihn nun auffewig nicht mehr ſchauen /
Jhr Hertze ſchwam in Blut / gefoltert war ihr Sinn.
Und dennoch blieb der Schluß Ceycis muſte ſcheiden /
Er ſchwur in Monatsfriſt zu faſſen ſie in Arm.
Wie aber kan ein Menſch doch ſein Verhaͤngnuͤß meiden?
Was uͤber ihn beſtimmt / hemmt kein vergebner Harm.
Er muß durch Schiffbruch nur ins Meeres Schoß verderben /
Wie ſehr er widerſtrebt / der Wellen Opffer ſeyn.
Und297Leichen-Gedichte.
Und dieſer Fall der heiſt zugleich zwey Seelen ſterben /
Alcyone verlangt nicht mehr der Sonnen Schein.
Es ſtellt die truͤbe Nacht / wenn ſie jetzt Traͤume ſaͤet /
Und mit vergnuͤgter Ruh die muͤden Glieder ſpeiſt
Wie fuͤr der Liebſten Bett Ceycis ſeufftzt und flehet /
Und ſeinen Untergang durch einen Schatten weiſt.
Was thut Alcyone? Sie laufft an das Geſtade
Denckt an den letzten Kuß / den ſie zum Abſchied gab /
Rufft: Find ich Himmel denn nicht weiter mehr Genade?
So mach ein gleicher Tod uns doch ein gleiches Grab.
Ach Muſter voller Zucht und Spiegel reiner Sitten!
Ja der vermaͤhlten Lieb unſchaͤtzbar Ebenbild!
Als unſre Schmettaum von dieſer Welt geſchritten /
Hat ſie mit gleichem Ruhm des Lebens Ziel erfuͤllt.
Woledler / ſeinen Schmertz lebhafftig vorzuſtellen
Muß wol Alcyone das beſte Vorbild ſeyn
Es ſey ein Menſch ein Fels / bey ſolchen Trauer-Faͤllen
Reiſt die Beſtuͤrtzung nur den beſten Rathſchlag ein.
Ein Artzt / der vielen offt die Schmertzen hat geheilet /
Weiß / wenn er ſelber liegt / fuͤr ſeine Noth nicht Rath.
Wenn ſo ein Donnerſchlag die Sinnen uͤbereilet /
So glaubt / daß Seneca auch nicht mehr Pflaſter hat.
War diß der letzte Kuß / war diß das letzte Reiſen
Als ihn Alcyone auß ihren Armen ließ?
Verſprach ſie nicht mehr Luſt in kuͤnfftig zu erweiſen?
Als Leid er jetzt empfind bey ſolchem Seelen-Rieß.
War ſeine Wiederkunfft nicht nur ihr eintzig hoffen?
Wer haͤtte doch geglaubt den Wechſel voller Noth?
Daß ſo ein Ungeluͤck ſein Hertz und Haus betroffen /
Und dieſe Poſt erſchallt: Alcyone iſt tod.
Jch weiß / daß ſein Gemuͤt / Woledler Herr / bewaͤhret /
Jedoch aus langem Troſt nur einen Eckel ſpuͤrt.
Durch Reden wird die Zeit / gar nicht das Leid verzehret /
Weil oft das ſchoͤnſte Wort die Wunde nicht mehr ruͤhrt.
Die werthſte Seelige / verdient viel tauſend Thraͤnen /
Dergleichen Ehgemahl iſt ſeltzam auf der Welt.
Es kan ſich Orpheus nicht ſo nach der Liebſten ſehnen /
Daß ihm wol ſeine Treu nicht gleiche Wage haͤlt.
Man mag den Schmertzen auch mit allen Farben mahlen /
Das innre Seelen-Leid nimmt keinen Pinſel an.
T t t 5Drumb298Leichen-Gedichte.
Drumb bring ich nur zu Troſt ihr edle Tugend-Stralen
So keine Demmerung der Zeit verdunckeln kan.
Es ſoll Alcyone der Nahme ſeyn und bleiben /
Jhr Stand / Gemuͤth und Geiſt erfodern dieſen Ruhm.
Man weiß / daß Cedern nicht geringe Schnaten treiben /
Auß edlem Saamen waͤchſt gewiß dergleichen Blum.
Und ſolte Nuͤßler nicht die Krone von den Schwanen /
Der Fuͤrſten treuer Rath / der Themis theurer Sohn
Jn dieſer Tochter Bild das Blut gelehrter Ahnen /
Uns haben fuͤrgeſtellt / erlauchter Seelen Lohn?
Der Nuͤßler der noch lebt in Kindern / Witz / und Schrifften /
Ja ſeinem Vaterland zu Ruhm geſungen hat
Und kont ihm durch ſich ſelbſt ſo ein Gedaͤchtnuͤß ſtifften /
Daß deſſen Namen hier nicht faßt mein enges Blat.
Diß iſt die Eigenſchafft erhobener Gemuͤther
Daß ſtets ihr eiffrig Wunſch der Sonnen nah zu ſtehn.
Es ſchenckt der Unterwelt ihr Glantz uns alle Guter /
So auch der Fuͤrſten Gnad den Menſchen Wolergehn.
Die Pallas Schleſiens / die Hertzogin Sybille
Hieß ſie in ihrem Hof als eine Roſe bluͤhn.
Deß Geiſtes Hurtigkeit / der edlen Gaben Fuͤlle
Kont ein vernuͤnfftig Aug und Hertze nach ſich ziehn.
Biß daß ſie Gottes Hand / die Wunder-Hand / vermaͤhlet /
Und ihm / Wohl-edler Herr / an ſeine Seite ſchloß.
Der Himmel hat ihm da Alcyonen erwehlet
Die Tugend / Lieb und Treu bey aller Welt macht groß.
Jhr himmliſcher Verſtand / den wenig Frauen haben /
War auch dem Himmel gleich zu Nutzen nur bemuͤht:
Gewiß / daß ſein gantz Hauß von vielen Gluͤckes Gaben
Vornehmlich aber mehr durch ihren Witz gebluͤht.
Man ruͤhmt Alcyonen / daß ſie ihr Neſt ſo baue /
Damit der Jungen Heil kein Feind nicht ſchaden mag /
Und daß man ſicher da dem Wetter ſich vertraue
Weil ihre Ruh beſtuͤrmt kein ſchwartz-gewoͤlckter Tag.
Die ſeelig-edle Seel hat ſo ein Lob verdienet /
Als kaum Cornelia von ihrem Gracchen fuͤhrt.
Jndem der Soͤhne Heil durch ihren Rath gegruͤnet /
Und ihr geehrtes Grab jetzt ſiebenfaͤltig ziehrt.
Sol auch Alcyone ein Bild der Treue heiſſen /
Die ihren krancken Mann auff ihren Fluͤgeln traͤgt.
So299Leichen-Gedichte.
So war / Geehrter Herr / der Liebſten ihr Befleiſſen /
Wie ihn geſund und kranck ſie jederzeit gepflegt.
Verdient Alcyone den Ruhm getreuſter Liebe /
Daß nichts vollkommeners die Nach-Welt melden kan;
So weiß man / daß bey ihr ſtets das Verlangen bliebe /
Solt ich doch meinen Schatz zuletzt noch ſchauen an.
Diß alles iſt hinweg. Was von ſehr edler Guͤte
Das acht der Himmel nicht der Erden einmal wehrt.
Es eilt dem Urſprung nach ein feuriges Gemuͤte
Jndem deß Leibes-Laſt die Seele nur beſchwert.
Jſt jen Alcyone dem Himmel zugeflogen:
Auch unſre Schmettauin eilt in ihr Vaterland;
Worinn ſie mit dem Rock der Unſchuld angezogen
Deß Allerhoͤchſten Hoff als Dienerin bekand.
Wie kan / Woledler Herr / er ferner ſich betruͤben?
Es ruht in GOttes Hand ſein Schatz Alcyone.
Es bleibt den Chriſten nur an Stirn und Bruſt geſchrieben:
Daß unſer Zucker ſey deß Creutzes Aloe.
Bey Beerdigung Hn. H. F. den. 11. Julii 1677.
SO biſt du / Seeliger / nun deiner Qual entbunden?
So macht ein ſanffter Tod dich von den Feſſeln loß?
Nach ſo viel rauhem Sturm haſt du den Port gefunden
Und gehſt mit Seegen in der alten Mutter Schoß.
Ach! abgelebter Greiß / was haſt du nicht erlitten /
Wenn auf die Folter-Banck die ſtrenge Gicht dich warff?
Wenn ihre Tyranney die Glieder dir durchſchnitten /
Wenn ihr zerreiſſend Weh mehr als ein Meſſer ſcharff.
Das Alter an ſich ſelbſt war eine Laſt zu tragen /
Als das ein Sammel-Platz der bittern Schmertzen hieß /
Und was verſpuͤrt man mehr bey den beſchneyten Tagen
Als ſtuͤndiich neue Noth / Angſt / Eckel und Verdrieß?
Du biſt / O Seeliger / nicht erſt anjetzt verblichen /
Nein / wie viel Jahre hat der Tod dich nicht beſucht?
Da ſchon die Lebens-Kraͤfft / und Geiſter abgewichen
Ja ſelbſt die Seele ſtand als wie auff ſchneller Flucht.
Sie ſah ihr Wohnhauß da mit ſeinen Saͤulen ſincken /
Der Eymer war zulechſt / die Raͤder morſch entzwey /
Es300Leichen-Gedichte.
Es wolte nicht das Licht mehr durch die Fenſter blincken
Die Sprache zog farm Ohr als wie ein Gaſt vorbey.
Ach was elender Naͤcht haſt du nicht da empfunden
Und mit dem Hiob dir gewuͤnſcht erloͤſt zu ſeyn?
War’ſt du nicht an dein Bett als einen Pfahl gebunden?
Und mit dem Morgen-Liecht erſchien auch neue Pein?
Der Martern Grauſamkeit und aller Hencker reiſſen /
Was Eccelin erfand / und Nero hat erdacht /
Sind nur ein Kinderſpiel fuͤr deiner Gicht zu heiſſen.
Die dich noch lebenden Gerippen gleich gemacht.
Dein Lager war gewiß von nichts als Dorn und Hecken /
Ein Nothſtall / den Japan nicht ſchlimmer zeigen kan:
Noch lieſt du keine Qual ſo deinen Geiſt erſchrecken
Daß er nicht Glaubens-voll ſich ſchwunge Himmel an.
Je mehr der Leib erlag / je hurtiger die Sinnen
Mit feurigem Gebet den hoͤchſten GOtt verſoͤhnt.
Du lieſt die Ungedult nicht Oberhand gewinnen
Und ruffteſt: Wer wol kaͤmpfft / der wird zuletzt gekroͤnt.
Nun iſt dein Feind erlegt / dein Leiden hat ein Ende /
Dein wol geplagter Leib geneuſt der ſuͤſſen Ruh.
Du biſt auch ſo begluͤckt / daß dir der Kinder Haͤnde
Jn heiſſer Liebes-Pflicht die Augen druͤcken zu.
Wem wird wol als wie dir von GOtt das Heil beſcheret
Daß Kind und Kindes Kind er neun und funfftzig hat.
Wem wird wol ſo erſtreckt der Tage Friſt gewehret
Daß fuͤnff und achtzig Jahr ſein Leben machet ſatt?
Mich duͤnckt wie umb dein Grab ein ſchoͤner Regenbogen
Voll Segen / voll Genad den bundten Zirckel fuͤhrt /
Zum Zeichen / daß dir GOtt von Jugend auf gewogen
Und daß du ſeine Guͤt und Wunder haſt geſpuͤrt.
Hat nicht ſein Vater-Arm im Alter dich getragen?
Du haſt bey keiner Noth verlaſſen dich geſehn.
Es wird der Enckeln Mund des HErren Wolthat ſagen /
Und ruͤhmen was an dir vor Dinge ſind geſchehn.
Betruͤbtſte / die ihr hier bey eures Vatern Bahre
Zu zeigen eure Pflicht / in einer Crone ſteht;
Begieſt mit Thraͤnen nicht den grauen Schnee der Haare /
Und daß er Lebens-muͤd auß unſern Schrancken geht.
Er hat das Ziel erreicht / nach dem wir alle rennen /
Ein langes Leben iſt doch nur ein langer Tod /
Jetzt301Leichen-Gedichte.
Jetzt koͤnnen wir ihn frey und franck von Schmertzen nennen
Sein ſeelig Sterben iſt die Endſchafft aller Noth.
Er trit vom Schau-Platz ab / und hat die Welt erfahren
Ja als ein alter Greiß manch Wunder-Spiel geſehn.
Er kennt ihr falſches Gut und auffgeborgte Wahren /
Wie ſich die Thoͤrichte kan hoch damit aufblaͤhn.
Ein redlich-Teutſches Hertz erſchrack ob den Gebaͤrden
Wormit ſich jetzt die Kunſt der neuen Sitten ziehrt /
Da Worte nicht einmal zu Wercken ſollen werden /
Da man Zibeth im Mund und Gifft im Hertzen fuͤhrt.
Herr Francke redte frey / ein Feind der Heucheleyen /
Der Baſilißken gleich ein Luͤgen-Maul gehaſt /
Hielt Gott fuͤr ſeinen Schatz / recht thun / und ſich nicht ſcheuen /
Diß hat er zu dem Zweck deß Lebens abgefaſt.
Er wieß in Leid und Freud ein unbewegt Gemuͤthe
War denen Felſen gleich / die nie kein Donner ſchreckt:
Vertraut in Angſt und Noth auf ſeines Schoͤpffers Guͤte /
Weil der gar ſicher ruht / den Gottes Fluͤgel deckt.
Hingegen hat das Gluͤck ihm nie den Muth erhoben /
Die alte Redligkeit blieb in die Bruſt gepregt.
Und that er Freunden guts / ſo ließ ers andre loben /
Dieweil ein danckbar Sinn das Zeugnuͤß bey ſich traͤgt.
Sein Hertze war erfreut / wenn er die Enckel kuͤßte
Und Gottes Segen ſah aus wolgerathner Eh.
Gewiß / daß dieſe Schaar ſein Leben ihm verſuͤßte
Und ihr noch lallend Mund verjagt der Sorgen Weh.
Erfreut euch / Traurende / daß der zur Freyheit kommen
Der hier gefangen gleich ins Leibes Kercker ſaß /
Die Stricke ſind entzwey / die Feſſel abgenommen /
Macht eure Augen nicht mit Thraͤnen ferner naß.
Er iſt als wie ein Gaſt von hier recht ſatt geſchieden /
Begehret weiter nicht die Herberge der Welt.
Vor fuͤhlt er Kampf und Streit / jetzt ſchmeckt er nichts als Frieden /
Vor war er Menſchen nur jetzt Engeln zugeſellt.
Er wird wie reines Gold durchs Feur gelaͤutert glaͤntzen
Und ſein zerfoltert Leib gerad als Cedern ſeyn /
Es ſtutzt ſein graues Haar von Sieg - und Lorber-Kraͤntzen
Er geht als treuer Knecht zu ſeinem HErren ein.
Wir nur ſind Klagens-werth / die an dem Joch noch ziehen /
Der Sinnen Fluͤgel druͤckt deß Fleiſches Laſt zuruͤck.
Was302Leichen-Gedichte.
Was iſt doch unſer Thun / Rathſchluͤſſen und Bemuͤhen /
Ein duͤnnes Suͤnden-Garn / ein klebricht Vogelſtrick.
Wir wenden Aug und Mund von einer todten Leichen /
Ein kahler Schaͤdel ſcheint ein ſchaͤndlich Ding zu ſeyn;
Und eh der Sonnen-Glantz den Morgen wird erreichen
So faſt offt dich und mich der ſchwartze Leichen-Schrein.
Betrübtſte / wer mit Schnee aus dieſem Leben ſchreitet /
Und ſolche Vater-Treu an Kindern hat veruͤbt /
Jſt wuͤrdlg / daß man ihm die Denckſchrifft zubereitet:
Er hat Gott / Weib und Kind von gantzer Seelge - liebt.
Schenckt doch dem Seeligen vor Thraͤnen Freuden-Lieder /
Daß er die Noth der Welt ſo uͤberwunden hat;
Es ruhen ewig wol die ausgekreuſchten Glieder /
Und unſer Francke leb ins Himmels Freyheits-Stadt.
Trauer - Ode / Bey Beerdigung Hu. P. V. den 29. Julii 1677.
1.
MIſcht Traͤncke der Unſterbligkeit /
Zieht Safft und Saltz auß edlen Steinen;
Sucht was der Theophraſt bereit /
Und Helmont kocht aus duͤrren Beinen;
Ja haͤttet ihr der Weiſen Stein /
Jhr Sterblichen / den Schatz der Schaͤtze:
So koͤnt ihr doch nicht ewig ſeyn /
Euch faͤllt des Todes Haupt-Geſetze.
2.
Jhr Klugen die ihr graue Haar /
Als einen groſſen Wucher zehlet /
Und bettelt umb viel lange Jahr /
Erkennt doch wie ihr weit gefehlet.
Wer wuͤnſcht ihm auf der Folter-Banck
Jn Schmertzen angeſpannt zuliegen?
Und euch ſol Elend / Siech und Kranck
Des Lebens weiter Friſt vergnuͤgen.
3. Ge -303Leichen-Gedichte.
3.
Gelehrte / wenn ihr nun gefaſt
Was Himmel / Erd und See umbſchlieſſen /
So ſeyd ihr doch ein bloſſer Gaſt /
Der muß / was man ihm giebt / genieſſen.
Ach Phantaſey! ach toller Wahn!
Bey Hohen Kuͤnſten diß entbehren /
Was uns nach dieſem Leben kan
Der Wiſſenſchafften Kern gewehren.
4.
Hier gilt auch nicht ein eiſern Arm.
Noch des Aleides Tapfferkeiten;
Es ſey das Blut ſo friſch und warm /
Die Fauſt bereit und keck zum Streiten.
Wie viel hat nicht der Sand bedeckt /
Die man der Zeiten Wunder nante /
Die gantze Laͤnder offt erſchreckt /
Und man ſie vor den Mars erkante?
5.
Nichts was des Menſchen Witz erſinnt /
Wie hoch er immer auch geſtiegen /
Was ſeiner Haͤnde Werck beginnt /
Kan uͤber die Verweſung ſiegen.
Wir treten auf / wir treten ab /
Und wenn wir uns genug gezeiget /
So ſieht man wie der Hirten-Stab
Zugleich ſich mit dem Scepter neiget.
6.
So wird ihm auch kein Eigenthum
Ein Menſch durch ſein Vermoͤgen bauen.
Band / Hoheit / Ehre / Pracht und Ruhm
Und was wir ſo erhitzt anſchauen /
Das Blendwerck der ſehr kurtzen Zeit
Kan uns die Augen ſo verbinden /
Daß wir den Weg der Ewigkeit
Bey unſerm Abſchied ſchwerlich finden.
7.
Ein Spieler zieht die Kleider aus /
Wenn ſich die Schau-Luſt hat geendet.
So304Leichen-Gedichte.
So laſſen wir auch Hof und Haus
Und was uns das Geluͤck geſendet.
Muͤſt einer ohne Maßque ſeyn /
Wie heßlich wird er ſich gebehrden /
Stat angenommner Tugend Schein /
Der Laſter groͤſter Scheuſal werden.
8.
Was ſuchen wir denn auf der Welt?
Sie wird mit ſchnoͤdem Danck uns lohnen /
Man weiß / daß man vor kindiſch haͤlt
Die ſpielen mit gemahlten Bohnen.
Wir Kluͤgſten ſind ein albers Kind /
Das gar kein gutes kan erzielen /
Wenn wir bey vielem Rauch und Wind /
Deß Himmels Kleinod offt verſpielen.
9.
Es ſey das Grab ſo ſchoͤn geziert /
Die Leichen-Pracht ſo wol beſtellet;
Umbſonſt daß man Gewoͤlb auf fuͤhrt
Wo nicht die Seele GOtt gefaͤllet.
Der Leib / das ſchnoͤde Suͤnden-Neſt
Mag ja in ſeiner Grufft verſchimmeln;
Wenn nur die Seel im Glauben feſt
Sich ſchwingt zu den geſtirnten Himmeln.
10.
Geehrtſte Muhme die der Tod
Durch ſo viel Leichen hat bewehret /
Sie weiß ja wie uns Angſt und Noth
Des Lebens beſte Krafft verzehret.
Erſt Vater / und denn Bruder ſehn
Geſtrecket auff der Bahre liegen /
Verurſacht nur ein klaͤglich flehn
Und iſt ſo leicht nicht einzuwiegen.
11.
Nun aber ihr der Tod ins Hertz /
Und an den Punct der Seele ſchneidet /
So glaub ich daß dergleichen Schmertz
Gemeinen Troſt und Rath nicht leidet.
Sie ſcheint geboren nur zu ſeyn /
Zu leben unter lauter Leichen;
Man305Leichen-Gedichte.
Man ſcharrt den Vetter noch nicht ein
So muß ihr Ehſchatz auch verbleichen.
12.
Doch ſeiner Tugend Wuͤrdigkeit /
Die Wiſſenſchafft und edle Gaben /
Stehn nicht in der Vergeſſenheit
Und werden wie der Leib begraben.
Sie glaube daß wer ſo gelebt
Der faͤhrt mit Ehr und Ruhm von hinnen.
Er hat nach dieſem Gut geſtrebt
Das bleibt / wenn anders muß zerrinnen.
Der hoͤchſtſchaͤtzbare Smaragd Bey Beerdigung Hn. O. P. des juͤngern / entworffen den 3. Novembr. 1677.
WJe ſol / Wohl-Edle Frau / ſie nicht in Thraͤnen ſchwim - men? (gehn?
Was kan aus ihrem Mund itzt mehr als Seufzen
Mag auch was ſchrecklichers des Himmels Schluß be - ſtimmen /
Als daß ihr liebſter Sohn muß auf der Bahre ſtehn?
Jſt nicht ihr gantzer Schmuck von ihrem Haupt geriſſen
Der Liebligkeit Smaragd / ihr beſtes Kleinod hin?
Muß das / was vor ihr Hertz / anitzt der Sarg einſchlieſſen?
Jſt bleiche Traurigkeit der uͤbrige Gewin?
Ach ja! der Jahre Troſt und unvergleichlich Hoffen /
Die Blume / ſo zu Ruhm des Stammes aufgebluͤht /
Hat in dem erſten Lentz des Todes Strich betroffen /
Daß man ſie welck und blaß in kaltem Sande ſieht.
Nennt die Cornelia / der Kern von Roͤmſchen Frauen /
Die Kinder Edler Art ihr Gut und Edle Stein /
Und laͤſt vor aller Pracht die tapffre Soͤhne ſchauen /
Die ihrer Schaͤtze Schatz und Reichthum ſolten ſeyn;
So war / Wohl-Edle Frau / ja ein Smaragd zu heiſſen
Der allerliebſte Sohn voll Witz und Hoͤffligkeit.
Wie jenes Gruͤne kan die Augen nach ſich reiſſen /
So ſtand auch Anmuth hier ihm immer an der Seit.
Entwirfft nicht der Smaragd uns eine gruͤne Wieſen /
Woran das Auge ſich nicht ſattergetzen kan?
U u uWird306Leichen-Gedichte.
Wird ſeine Farbe nicht vor andern hochgeprieſen /
Weil offt die nahe Lufft den gruͤnen Blitz nimmt an?
So gruͤnt und bluͤht ihr Sohn die ſuͤſſeſt Augen-Weide /
Des Hertzens einzig Troſt / der muntren Jugend Preiß.
Es ſchien ſein Lebens-Garn gewebt von reiner Seide /
Das Angeſicht ein May und Freuden-Paradeiß.
Es pflegt in den Smaragd der Kuͤnſtler Hand zu graben /
Hier pflantzte Tugenden der Lehrer Fleiß ihm ein /
Das Bildniß / das er ſolt in Seel und Hertzen haben /
War / daß er moͤchte gleich den Edlen Ahnen ſeyn:
Daß angeerbter Glantz ſamt eigner Tugend-Flammen
Steckt ein verduppelt Licht der ſpaͤten Nach-Welt auf;
Und braͤchte Stand und Witz / Kunſt und Vernunfft zuſammen /
Waͤr als ein Hercules in ſeinem Tugend-Lauff.
Der liebliche Smaragd wird in der Hoͤh gebohren
Und weil er koſtbar iſt von Greiffen wol verwacht;
Sie hat Wohl-Edle Frau noch Muͤh noch Fleiß verlohren /
An nichts ſo auf der Welt / als an den Sohn gedacht.
Vorhin war der Smaragd dem Gott Mercur geweyhet
Als der Beredſamkeit und holde Sitten ſchenckt:
Wie hat nicht dieſer Sohn der Mutter Hertz erfreuet
Wenn er den edlen Sinn den Muſen zugelenckt?
Woruͤber ſie mehr Luſt und Liebligkeit empfunden /
Als wenn durch den Smaragd der Nero Fechter ſchaut.
Und als durch Spiegel ſiht die aufgeſchlitzten Wunden /
Aus denen friſches Blut den Purpur-Regen thaut.
Der herrliche Smaragd iſt voller Krafft und Tugend /
Staͤrckt wunderlich das Hertz / und wiederſteht der Gifft:
Voll Anmuth / voller Geiſt war des Erblaſten Jugend /
Die was behaͤglich heiſt und preißbar nur geſtifft.
Es kan nicht der Smaragd ſo das Geſicht erquicken /
Als ſich ob dieſen Sohn ihr Auge hat ergetzt /
Den ſie mie tauſend Ach! itzt muß zu Grabe ſchlcken
Und aus den Augen zwar / nicht aus dem Hertzen ſetzt.
Jhr koſtbahrſter Smaragd iſt leider! nur zerbrochen /
Glantz / Farbe / Licht und Schein bedeckt die lange Nacht
Es hat der grimme Tod ſein Siegel drein geſtochen /
Der alle Sterblichen zu Staub und Aſche macht.
Und iſt es wunderns werth / daß Menſchen Leichen werden?
Zerſpringt doch Klipp und Felß / und harter Marmelſtein /
Wie307Leichen-Gedichte.
Wie ſol denn ein Gefaͤß von Thon aus ſchlechter Erden /
Auf dieſer Unter-Welt beſtaͤndig koͤnnen ſeyn.
Wie lieblich der Smaragd / wie ſchoͤn er immer blincket
So hat Gebrechlichkeit bey ihm die Oberhand:
Wenn itzt der Jahre May mit goͤldnen Blumen wincket /
So koͤmmt ein raucher Nord und ſtuͤrtzt ſie in den Sand.
Wir ſehn bey der Geburt ſchon Tod und Leben ſtreiten /
Und Auff - und Untergang verknuͤpfft beyſammen ſtehn.
Wie langſam die Natur uns pfleget zubereiten /
So ſchnelle heiſt der Tod uns aus dem Leben gehn.
Der Eingang iſt gemein / nur daß auf tauſend Arten
Ein jeder Augen-Blick den Menſchen faͤllen kan.
Man darf nicht auf den Tod / er wird auf uns ſchon warten /
Greifft offt ein Wiegen-Kind fuͤr einen Alten an.
Und ſcheint / betruͤbtſte Frau / es der Natur zuwieder /
Daß ſie dem liebſten Sohn die Augen druͤcket zu /
Da ſie wol eh gemeint / daß ihre muͤden Glieder
Er ſolt aus Kindes Pflicht begleiten zu der Ruh:
Faͤllt ſo viel Hoffnung weg / verſchwinden ſo viel Freuden
Verſincket ſo viel Troſt durch zweyer Augen-Schluß:
So dencke ſie doch nach: vom HErren kommt das Leiden
Wer hier nicht folgen wil / der hoͤrt ein Wort: Man muß.
Wil diß noch ſchwerer ſeyn / daß er ſo fruͤh geſtorben
Die Seele / die GOtt liebt / wird zeitlich Kercker frey.
Wie mancher iſt hernach in Suͤnden erſt verdorben
Wenn ſchon des Alters Laſt ihm Schnee geleget bey?
Wie wol und nicht wie lang urtheilen wir das Leben:
Der allerliebſte Sohn hat ſchon viel Jahr erreicht.
Nun ſieht er umb ſich her die Eherubinen ſchweben /
Und lebt in ſolcher Luſt der keine Freude gleicht.
Man pflegt ja den Smaragd in reines Gold zuſetzen
Damit er groͤſſer Licht und Liebligkeit gewinnt:
Wohl-Edle / den Smaragd legt GOtt zu ſeinen Schaͤtzen /
Die nicht wie edle Stein allhier gebrechlich ſind.
Und hat auf Arons Bruſt dort ein Smaragd gegliſſen /
So glaͤntzet auch ihr Sohn nun in der Ewigkeit.
Er iſt zur Freyheits-Burg durch Band und Strick geriſſen /
Und gibt der Grufft nicht mehr als nur der Seele Kleid.
Er dient itzt fuͤr dem Stuel und ſchaut den Regen-Bogen /
Der ſchoͤn als ein Smaragd / mit groſſen Wundern an /
U u u 2Und308Leichen-Gedichte.
Und hat das reine Kleid der Unſchuld angezogen /
Das Perlen uͤbertrifft und Lilgen trutzen kan.
Er iſt nun ein Smaragd in jenen Friedens-Mauren
Wo GOttes Leuchte ſcheint und Sonn und Monden fliehn.
Dieweil ihm war bekand / daß gar kein Stein kan tauren /
So wolt er ſeinen Glantz gar bald der Welt entziehn.
Wie letzlich der Smaragd uns zum Gedaͤchtnuͤß dienet /
So wird ihr liebſter Sohn auch unvergeſſen ſeyn /
Er hat / Wohl-Edle Frau im Tugend-Blitz gegruͤnet /
Die legt ihm von Smaragd den ſchoͤnſten Leichen-Stein.
Troſt-Zeilen an die Fr. Wittib Bey Beerdigung Hn. G. M. den 19. Decembr. 1677.
WEnn jetzt zwey Palmen ſtehn mit Lieb-vereinten Zweigē
Und Bluͤt und Liebligkeit auff allen Blaͤttern lacht;
Und drauff des Wetters-Straal wird einen niederbeu - gen /
Und ihm das gruͤne Haar verſengt und duͤnne macht:
So faͤngt die andre an aus Beyleid zuerblaſſen /
Jhr laubicht Gipffel haͤngt / die Zweige ſchlaffen ein /
Ja ſie wird ſo ein Bild des Traurens blicken laſſen
Daß man bekennen muß / daß ſie vermaͤhlte ſeyn.
So auch die Anemon in ihrem Purpur-Kleide /
Alsbald ihr Aug und Licht die goͤldne Sonne ſinckt /
Wirfft allen Zierath weg / und gehet wie im Leide /
Wenn ſie den Thau der Nacht als Thraͤnen in ſich trinckt.
Nicht anders / werthſte Frau / iſt ihr auch jetzt zu muthe /
Nachdem der Liebſte muß den Weg des Fleiſches gehn /
Jhr Auge ſchwimmt in Fluth / ihr Hertz in heiſſem Blute
Und man ſieht umb ſie rumb viel naſſe Zeugen ſtehn.
Die Turtel-Taube kan den Gatten nicht ſo klagen
Als ſie itzt ihren Schatz und ander Hertz betraurt.
Jhr Sonnen-Schein iſt hin / ſie ſieht bey Winter-Tagen
Sich nur mit Einſamkeit und banger Furcht ummaurt.
Gleicht ſie nicht dem Corall / der in geſaltznen Thraͤnen
Des Meeres wilder Fluth ſein eintzig Wachsthum hat?
Mach nicht das innre Weh / und wiederholte Sehnen
Die Leibes-Kraͤfft ſchwach / die Lebens-Geiſter mat?
Gemei -309Leichen-Gedichte.
Gemeine Schmertzen ſind noch endlich zuertragen /
Alleine wenn der Tod biß an das Hertze greifft /
Wird der erſchrockne Mund nicht Angſt und Wehmuth ſagen /
Jndem der Plagen-Heer in ſeine Glieder ſtreifft.
Und Hochſtbetruͤbtſte Frau / man muß ihr diß einraͤumen
Der beſt und liebſte Freund auff dieſer Welt iſt hin:
Die Zuflucht / die ſie nahm zu ſeinen Wolfahrts-Baͤumen /
Erſtirbt / und Thraͤnen ſind ihr uͤbriger Gewin.
Zwey Perlen / wenn ſie ſich in zweyen Muſcheln trennen
Sieht auch der tolle Schaum der See mitleidig an:
Zwey Hertzen / die zugleich in einer Flamme brennen /
Sehn durch den Tod zertheilt / ſo ſonſt nichts theilen kan /
Jſt ein erbaͤrmlich Werck; der Sterbligkeit ihr Spiegel
Den ſie hat auff den Platz der weiten Welt geſetzt.
Das eiſerne Gebot bricht Eh-Schluß / Brieff und Siegel
Und was der Menſch fuͤr feſt und unverbruͤchlich ſchaͤtzt.
Wiewol Betruͤbtſte Frau / auch dieſes bittre Scheiden
Zu ihrem Chriſtenthum erbaulich dienen kan /
So lange wir im Fleiſch / ſo muͤſſen wir nur leiden /
Es greifft der groſſe GOtt auff tauſend Weg uns an.
Wenn bloß nur die Vernunfft hier wil zu Rathe ſitzen /
Und das Gemuͤthe ſol nach ſeiner Regung gehn /
So wuͤrde nur mein Wort mehr ihre Wunden ritzen;
Ergrimmten Schmertzen iſt nicht leicht zuwiederſtehn.
Hingegen / wenn ſie denckt / was aus des Liebſten Munde
Fuͤr ein beweglich Wunſch und Seelen-Seuffzer ging /
So achte ſie begluͤckt den Tag / und dieſe Stunde /
Da erſt ihr Ehe-Schatzrecht an zu leben fing.
Wuͤnſcht er nicht frey zu ſeyn von ſeinen Kett - und Banden?
Wer / rieffer / macht mich doch von meinem Kaͤrcker loß?
Es werde dieſer Leib der Suͤnden Neſt zuſchanden!
Erloͤſer / nimm mich auff in deine Gnaden-Schoß!
Jch ſterbe gern der Welt umb dort mit dir zu leben /
Jch ſchlieſſe hier mein Aug umb dort dich anzuſchaun.
Hier haͤlt mich Suͤnd und Tod ſo lang ich ſchnaub umbgeben /
Bey dir wil ich mir erſt die Freyheits-Staͤdte baun.
Gewiß / Bekümmerſte / wie treu ſie auch geliebet /
Wie tieff in ihre Seel ihr Liebſter war gepraͤgt:
So weiß ich / wo ſie nicht dem Schmertz ſich gantz ergiebet /
Daß ſein Erloͤſung ihr den beſten Troſt zulegt.
U u u 3Wenn310Leichen-Gedichte.
Wenn einer / der anitzt tieff im Gefaͤngnuͤß ſitzt /
Mit Ketten angezwaͤngt / mit Feſſeln hoch beſchwert /
Auff deſſen Scheitel nie der Sonnen Fackel blitzet
Und den geklem̃ten Leib Stanck / Faͤul und Wurm verzehrt /
Solt in ein Fuͤr ſtlich Schloß frey / quit und ledig kommen
Wie wuͤrde nicht ſein Hertz und Seele ſich erfreun?
Und wir / wenn unſer Freund ins Himmelreich genommen /
Bemuͤhn ſich umb ihr Grab noch Thraͤnen aus zuſtreun.
Es iſt ja nur der Leib ein Stockhaus unſrer Seele
Das Fleiſch ein ſolches Bley / das ihre Fluͤgel druͤckt.
Und dennoch haͤngen wir an dieſer Marter-Hoͤle
So feſt als Echeneis die Schiffe zu ſich ruͤckt.
Wer loͤſet uns nun auff von ſo verwirrten Seilen?
Welch ſtarcker Samſons Arm reiſſt dieſe Strick entzwey?
Heiſt uns nicht jene Stimm Fleuch / mein Geliebter / eilen?
Fleuch / wer gefangen lebt wird nach dem Tode frey.
Nunſolchem Draͤnger-Stall iſt auch ihr Schatz entgangen /
Betruͤbtſte / keine Qual der Kranckheit ſetzt ihm zu.
Wir ſterben / da er hat zu leben angefangen:
Uns plagt noch Zanck und Streit / ihr kroͤnet Heil und Ruh.
Beklagt ſie endlich diß / daß ſo getreue Flammen /
So ungemeine Lieb in ſolcher Fluͤchtigkeit?
Geſetzt / ſie braͤcht ihr Wuͤnſch und Hoffen hoch zuſammen
Verſchluͤnge ſolches nicht der Abgrund von der Zeit?
Auch dieſe kurtze Friſt macht lang ſein Angedencken /
Nichts mehr ließ Seneca als ſeiner Tugend Bild /
Nach dieſer ſolte ſich Paulinens Seele lencken /
Die blieb in Freud und Leid ihr ſchoͤnſter Ehren-Schild.
Wo ſolche Tempel ſind erbauet in dem Hertzen /
Wo diß Gedaͤchtnuͤß Licht in treuen Seelen brennt /
So koͤnnen ſie mit Tod und mit Verweſung ſchertzen /
Weil er die Glieder nur / nicht die Gemuͤther trennt.
Hat Artemiſia mit ſeltnen Mauſolaͤen
Die Treu zu ihrem Schatz der Zeit gemeldet an.
So glaub ich / daß auch wird in ihrer Seele ſtehen
Sein wolverdienter Ruhm / der nicht vermodern kan.
Der preſt die Redligkeit und jener ein Gemuͤthe
Daß mit dem Gifft der Zeit und Falſchheit nicht befleckt.
Sein Hertze trug Metall / daß noch von alter Guͤte
Jn dem kein Zuſatz nicht von frembdem Ertzte ſteckt.
Sie311Leichen-Gedichte.
Sie laſſe / Werthſte Frau / den Schmertz ſich nicht bemeiſtern
Das Opium der Zeit ſchlaͤfft Schmertz und Wunden ein.
Diß iſt die Eigenſchafft an Hoch und Edlen Geiſtern /
Daß ſie auch in dem Creutz gantz unerſchrocken ſeyn.
Wenn viel ſich in Aſbeſt und in Aſphalt begraben
So tilget doch die Zeit der ſtoltzen Graͤber Zier:
Herr Myhmer wird gewiß ein beſſer Grabmahl haben:
Der Leib ruht in der Grufft / das Hertze lebt bey ihr.
Die erloͤſende Chriſt-Nacht Bey Beerdigung Hn. M. B. D. E. hertzge - liebten Toͤchterleins Judith den 30. De - cembr. 1677.
DJe Nacht / ſo uns das Heil und Leben hat gebohren /
Druͤckt dir / o zartes Kind / die matten Augen zu /
Die Nacht von Ewigkeit zum Frieden auserkohren /
Bringt nach der Kranckheit-Weh dich auch in Fried und Ruh.
Verlaß dein ſieches Bett / geh aus der engen Wiegen /
Dein Heiland ladet dich zu feiner Wiegen ein /
Hier ſiehſt du deinen GOtt und deinen Bruder liegen /
Die Windeln binden ihn / auff daß du frey kanſt ſeyn.
Den nichts begreiffen kan / der alles iſt in allen /
Wirfft deiner Duͤrfftigkeit jetzt neuen Reichthum bey /
Wird GOtt und Menſch zugleich den Menſchen zu gefallen /
Und legt die Majeſtaͤt auff ſchlechtes Stroh und Heu.
Ach hochbegluͤckte Nacht / fuͤr der die Morgenroͤthe
Jn ihrem Purpur-Glantz und Roſen-Schein erbleicht!
Jſts moͤglich daß die Nacht des Tages Stralen toͤdte /
Und daß der Sonnen Rad vor dieſen Fackeln weicht?
Jch ſeh das lichte Heer der guͤldnen Sterne ſchimmern /
Und wie ihr ewig Feur die Freuden-Blicke zeigt /
Jch ſeh wie die Natur aus allen ihren Zimmern
Lufft / Erde / See und Gluth / zu dieſer Nacht ſich neigt.
Ach hoch gewuͤnſchte Nacht / die uns der Hoͤllen Schrecken
Des Todes Finſternuͤß mit ihrem Glantz vertreibt!
Nacht / derer Klarheit kan die Todten aufferwecken /
Und die uns zu dem Licht / das unumbſchrieben / ſchreibt.
U u u 4Es312Leichen-Gedichte.
Es ſey die Nacht erfreut den Buͤrgern in Jdumen /
Da Judiths Helden-Arm den Holofern enthaupt /
Ach / Judith / mit mehr Schmuck und Himmels-ſchoͤnen Blumen
Hat dich dein Braͤutigam in dieſer Nacht belaubt.
Wie ſolte doch dein Mund des Todes Wermuth ſchmecken?
Da das gebohrne Kind dir Lebens-Zucker bringt:
Wie kan der Fluͤgel dich der Finſternuͤß bedecken?
Nun neuer Klarheit Blitz in deine Augen dringt.
Auff Judith! biß erfreut / dein Heyland hat beſcheret /
Dein Bruder theilt mit dir den Schatz der Ewigkeit /
Was nicht der Himmel hat / was nicht die Welt gewehret /
Was keine Zeit ſonſt giebt / das ſchenckt dir dieſe Zeit.
Verlangſt du theures Gold? Sein Glantz iſt mehr als guͤlden.
Liebſt du den Perlen-Schmuck? die Perl iſt ohne Fleck.
Gefaͤllt dir denn ein Bild? hier wil ſich der abbilden /
Der durch Geburt und Tod iſt dein Erloͤſungs-Zweck.
Wil wo ein edler Stein dein zartes Aug ergetzen?
Sein Aug iſt Diamant / ſein Mund iſt ein Rubin.
Wilſt du Geſpielin dich zu deinem Nachbar ſetzen?
Er wird das ſchoͤnſte Kleid der Ehren dir anziehn.
Und haſt du Blumen lieb? die Ros in Saarons Feldern
Bluͤht / Judith greiff ſie an mit deiner Glaubens-Hand.
Beliebt ein Puͤſchel dir von ſeinen Myrrhen-Waͤldern?
Auch dieſes hat er dir im ſterben zugeſand.
Es ſey die Nacht mit Furcht und Schrecken angefuͤllet /
Wann uns der Raͤuber Schaar nach Gut und Leben tracht;
Dein JEſus fuͤhret dich / in den du biſt verhuͤllet /
Der allen Schatten dir zu lichten Sternen macht.
Er liegt im Weſterhembd / und du im Sterbe-Kleide /
Er druͤckt die Wiegen jetzt / und du das kalte Grab.
Ach Wechſel ſonder gleich! Ach unerſchoͤpffte Freude!
Daß in dem Tod ein Chriſt des Lebens Anfang hab.
Es ladet / Judith / dich dein Heyland in die Krippen
So dir ein ſchwartzes Brett von wenig Spannen macht;
Ja dein geſchloßner Mund ſoll mit beredten Lippen
Dort in der Ewigkdit lobſingen dieſer Nacht.
Vergiß der boͤſen Tag / und der gekraͤnckten Stunden /
Worinn dein ſchwaches Fleiſch noch Evens Schuld gebuͤſt /
Du haſt des Lebens Artzt in deiner Wiegen funden /
Der dir die Aloe des Sterbens gantz verſuͤſt;
Vergiß313Leichen-Gedichte.
Vergiß das Licht der Welt / deß Vaters Liebes-Blicke /
Und der Groß-Mutter Schoß / worauf du offt geruht /
Du ſchwebſt in einem Stand / und lebſt in dem Geluͤcke /
Worzu der Menſchen Wunſch gar keinen Zuſatz thut.
Es wird dir weiter nichts an treuer Vorſicht maͤngeln;
Der jene ſorgt vor dich / ſo Erd und Welt regiert.
Zu dem / du wirſt bedient von ſo viel tauſend Engeln /
Da jeder deine Hand mit Sieges-Palmen ziert.
Gib ewig gute Nacht dem treuen Vater-Hertzen /
Sprich / Frau Großmutter lebt / von mir geſegnet wol /
Was von dem Hertzen kommt / das macht nur bittre Schmertzen /
Doch glaubet daß ich erſt vollkommen leben ſol.
Gottloſen ſey die Nacht des Todes voller Schrecken
Mir iſt die Chriſt-Nacht jetzt das Licht der Ewigkeit:
Jch Erde ruh in Erd / und weiß daß mich erwecken
Wird dieſer / ſo der Welt den Ruhtag hat bereit.
Ja Judith / dieſer wird verklaͤren deine Wiegen.
Und ſeelig / wer auß der ſo fruͤh zu Grabe geht /
Den nicht der Eitelkeit ihr Luͤgen und Betriegen
Kan kuͤnfftig zu ſich ziehn / wie Eiſen der Magnet.
Dein Leben iſt verlaͤngt / nun uns die Tage kuͤrtzet
Deß Winters rauher Froſt / der Jahre ſchneller Lauff /
Da Stund auf Stunde ſich zu unſer Hinfarth ſtuͤrtzet /
Und jeder ruffen ſoll; Erloͤſer nimm mich auf.
Die Chriſtnacht ſetzet dich zu den geflammten Sternen /
Da du / zwar kleiner Stern / wirſt groſſe Funcken ſtreun /
Und unfre Nieder-Welt / durch dein Exempel / lernen /
Wie ſich ein frommer Chriſt ſoll auf die Chriſt-Nacht freun.
Wie aber ſtill ich jetzt / Ehrwurdiger / die Thraͤnen /
So ſein getreues Aug aus vollen Stroͤmen geuſt?
Gerathner Kinder Tod verurſacht Eltern ſehnen /
Und daß ihr weiches Hertz / als wie im Blute / fleuſt.
Wiewol ſein heilig Sinn / in Gottes Wort gegruͤndet /
Kennt Auf - und Untergang / den Wechſel dieſer Zeit /
Jch weiß daß man ihn nicht bey Leichen Troſtloß findet /
Und daß ihm ſatt bekandt der Weg der Seeligkeit.
& q; Der Lehrer iſt bewehrt / der ſelbſt durch eigne Proben
& q; Jn rechtem Helden-Muth beſieget Noth und Tod:
& q; Jch wuͤnſche bey dem Schmertz Rath / Huͤlff und Troſt von oben /
& q; Und der es allzeit war / ſein Beyſtand bleibe GOtt.
U u u 5Ehren -314Leichen-Gedichte.
Ehren-Gedaͤchtnus / Hn. J. R. v. R. den 9. Januarii 1678.
ES ſey des Orpheus Grab an Ehren ſo begluͤckt /
Daß jaͤhrlich Schwanen ihm die Sterbe-Lieder ſingen /
Die Buͤrger in der Luft die ſchoͤnſten Stimmen bringen /
Daß ſeiner Aſchen-Reſt die Nachtigal erquickt /
Und durch den Wunder-Thon mit Kunſt geuͤbter Zungen
Beklagt den Leyer-Printz / der Thier und Fels bezwungen.
Es ſey deß Memnons Brand / ein Bild der Ewigkeit
Wenn mitten aus der Glut der Sonnen-Voͤgel ſteigen;
Wenn gar die Morgenroͤth ihr Beyleid will bezeigen
Und bey erwachtem Tag die naſſe Perlen ſtreut.
Ja ſelbſt der Phoͤnix ſterb auf Wuͤrtz und Zimmet-Roͤhren
Und laſſe ſich zuletzt durch Klang und Lieder ehren.
So hat HErr Roſenberg ein weit begluͤckter Grab /
Sie Zunge Schleſtens / der Mund deß Vater - landes
Ser Fuͤrſten treuer Rath / der Redner jedes Stan - des;
Es bricht der Nachruhm ihm ſchon Palm und Lorbern ab
Umb einen Helicon auff ſeine Grufft zu ſetzen /
Und will den hohen Ruhm in Ertz und Marmel aͤtzen.
Die Geiſter Schleſiens ſo laͤngſt die Sternen-Rey
Mit ihrem Glantz vermehrt / der Zeiten Uberwinder
Und unſer Poeſie ſinnreicher Kunſt-Erfinder /
Die fuͤgten / Seeligſter / ſo eine Lobſchrifft bey
Die deinen Wuͤrden gleich und geben uns zu leſen /
Wie Tugend und Verſtand unmoͤglich kan verweſen.
Hat Orpheus Fluß und Wald gezogen durch den Klang /
So bunden vieler Hertz die Ketten deiner Zungen.
Jſt von der Vogel-Schaar deß Memnons Grab erklungen /
So wuͤrde manch Poet Geiſt / Leben und Geſang
Noch deiner Aſchen weyhn / Apollo mit den Neunen
Umb ſeinen Roſenberg in Trauer-Flor erſcheinen.
Allein Hochedler Greiß / noch Klang noch Leichenſtein
Vergroͤſſert deinen Ruhm / du haſt dir in den Hertzen
Laͤngſt Tempel aufgebaut / der lichten Ehren Kertzen
Verduͤſtert keine Nacht / ſo lang als Menſchen ſeyn
Und315Leichen-Gedichte.
Und Schleſien wird ſtehn / muß auch der Neid bekennen
Daß dir bey vielen noch Gedaͤchtnuͤß-Ampeln brennen.
Offt wird der Marmelſtein fuͤr falſchem Lobe roth /
Und die erdichte Schrifft zerſprenget ihn in Ritze.
Was iſt das uns fuͤr Faͤul und Untergang beſchuͤtze?
Zerſtoͤrt die Pyramis und das Mauſol der Tod?
Macht ſeine Tyranney auch Leichen aus den Steinen?
Zerbricht er Ertzt und Stahl gleich unſern duͤrren Beinen?
So iſt ja diß nur bloß was von uns uͤbrig bleibt /
Der Sinnen Treffligkeit und deß Gemuͤthes Gaben;
Die Herr von Roſenberg dich ſo gefuͤhret haben /
Das dich ins graue Buch der Ewigkeiten ſchreibt
Ein unausleſchlich Ruhm. Den du dir ſelbſt verdienet
Durch deſſen Ehren-Pracht auch dein Geſchlechte gruͤnet.
Dich ſah von Jugend auff Minerva guͤnſtig an.
Dein Fruͤhling war beruͤhmt vom Leſen und vom Reiſen.
Man hoͤrte hier und dort dich hohe Schulen preiſen.
Dir war der Fuͤrſten hold in Norden zugethan.
Drauf biſt du auch nach Oſt und Sud und Weſt gegangen
Dann Franckreich gab dir Feur und Welſchland Witz der Schlangen /
Es hat dir Themis auch ihr heilig Recht vertraut /
Den Purpur umbgelegt / die Lorber-Cron geſcheucket /
Als gleich dein edles Hertz ans Vaterland gedencket.
Und wie Ulyſſes hat ſein Jthaca gebaut /
Und wuͤnſcht noch einſt zu ſehn den Rauch der aufgegangen.
So zog dich auch nach Haus ein eifriges Verlangen.
Diß iſt der Tugend Art / ihr angeborner Schein
Dringt durch des Poͤfels Nacht den Groſſen in die Augen /
Es zeigt ſich in der That was hohen Seelen taugen /
Und ruͤhmlich nuͤtzen kan und was veracht ſoll ſeyn.
Man ſuchte bey dir Rath / das Land hielt dich in Ehren
Und wolte deinen Mund als ein Oracul hoͤren.
Es hat manch Graff und Fuͤrſt durch dich ſein Recht vollfuͤhrt.
Es gab Piaſtus Stamm dir angenehme Schatten.
Viel Hoͤfen kam dein Witz und kluger Rath zu ſtatten.
Und wo Demoſthenes der Richter Hertz geruͤhrt;
So haſtu mit mehr Krafft mit mehr Red-Seeligkeiten
Von Grund aus beygelegt das zweiffelhaffte Streiten.
Es316Leichen-Gedichte.
Es hat bey Dodons Wald das Alter ſich befragt /
Bey dir das gantze Land in ungewiſſen Faͤllen.
Du konteſt jedem Rath wo nicht das Recht zu ſtellen.
Umb guͤtige Verhoͤr hat keiner ſich beklagt.
Dein Haus ſtand jedem frey gleich Themis Tempel offen /
Und ſie entdeckten dir ihr Wuͤnſchen und ihr Hoffen.
Ruͤhmt gleich das Griechenland Pericles guͤldnen Mund.
Und hat der Lyſias gedonnert und geblitzet /
Jſaͤus durch ſein Feur der Buͤrger Hertz erhitzet /
So war dir auch die Kunſt recht durch zu dringen kund.
Es ſchien dir Honigſeim in Lipp und Mund geleget /
Wenn du der Stimmen Schluß und Beyfall haſt erreget.
Der Erden ander Gott / der groſſe Leopold
Hoͤrt offt des Landes Noth gehorſamſt dich verbitten.
Du wuſteſt Schleſiens ſein Flehen aus zu ſchuͤtten.
Es blieb die Majeſtaͤt den treuen Dienſten hold /
Und weil ſie ſchon vorlaͤngſt viel Gnaden dir verliehen /
So muſt auch deine Bruſt von ihrem Bildnuͤß bluͤhen.
Es faſt mein enges Blat nicht deiner Wuͤrden Raum /
Mund / durch den Schleſien ſo oft und viel geſprochen /
Der noch ihr Alterthum und Freyheit hat durchkrochen /
Der reich an Wiſſenſchafft / und was man ſonſten kaum
Zertheilet finden kan / zuſammen hat getragen;
Wie ſoll das Vaterland nicht dein Erblaſſen klagen?
Zwar du haſt ſatt gelebt an Ehren und an Ruhm /
Die letzte Linie des Lebens wohl gezogen:
Es bleibt dir Land und Stadt auch nach dem Tod gewogen
Und die Unſterbligkeit / iſt itzt dein Eigenthum.
Weg mit Napel und Bux und Myrrhen und Cypreſſen /
Wer ſo geſtorben iſt wird nimmermehr vergeſſen.
Ruh’wohl in deiner Grufft / ruh Herr von Roſenberg.
Der Menſchen Redner-Kunſt iſt Dunſt und unvollkommen.
Hingegen nun dich hat der Himmel auffgenommen /
So ſiehſt und kenneſt du des Hoͤchſten Wunderwerck
Und alle Wiſſenſchafft; itzt kanſt du diß ausſprechen
Worzu uns Sterblichen will Geiſt und Krafft gebrechen.
Ehren -317Leichen-Gedichte.
Ehren-Gedaͤchtnus / Hn. A. C. v. A. d. R. den 5. Febr. 1678.
VErlache nur dein Grab / du Auge dieſer Stadt /
Das zwar die lange Nacht nunmehr geſchloſſen hat;
Gib was verweſen kan / den Reſt der muͤrben Glieder /
Der alten Mutter Schoß auf neuen Wucher wieder /
Nichts als der Leib bleibt tod. Nachdem nun allbereit
Der Seelen himmliſch Feur in jener Ewigkeit
Als wie die Sterne glaͤntzt / ſo laͤſt du uns zwar Zehren /
Die anverwandtes Blut dir haͤuffig wird gewehren /
Und die die Buͤrgerſchafft aus treuen Hertzen zollt
Jn dem ſie ſeufftzt und klagt. Ach wenn doch GOtt gewollt /
Daß wir den theuren Mann noch laͤnger ſolten haben!
Der herꝛliche Verſtand / die ungemeine Gaben /
Der Eyfer gegen GOtt und fuͤr gemeines Heil /
Verdienen ewig Lob. Das Leben waͤr uns feil
Umb ſeiner Jahre Friſt noch laͤnger zu erweitern.
Jſt alle Kunſt umbſonſt? iſt nichts in Blum und Kraͤutern
Das Rettung bringen kan? So iſt es gantz geſchehn.
Wir Buͤrger muͤſſen nur die Mauren fallen ſehn
So uns bißher beſchuͤtzt / und wie Metellus klagen /
Der Pfeiler unſers Heils wird von uns weg getragen.
Jn ſolches Seufftzen bricht der allgemeine Mund
Mit heiſſen Thraͤnen aus. Wer aber machet kund
Das innre Seelen-Leid / die tieffen Hertzens-Wunden
So Hochbetruͤbtſte ſie ob dieſem Fall empfunden?
Da die Frau Mutter muß den allerliebſten Sohn
Deß ſchwachen Alters Stab / der grauen Haare Krohn /
Deß Lebens beſten Troſt ſo fruͤh und bald vermiſſen /
Und ihm / was ſie von ihm gehofft / die Augen ſchlieſſen.
Welch Redner ſtellt uns vor der beyden Bruͤder Weh
Und Angſt erfuͤlltes Leid? Der Liebſten Thraͤnen-See /
Womit ſie ſtets den Sarch aus treuer Pflicht benetzet?
Lebt jemand in der Stadt der nicht hoͤchſiklaͤglich ſchaͤtzet
Den unverhofften Riß? Allein des Himmels Schluß /
Dem unſre Sterbligkeit gehorſam folgen muß /
Er -318Leichen-Gedichte.
Erweicht kein ſehnlich flehn. Genug daß wir die Gaben /
Die Schaͤtze der Natur / nicht wie den Leib begeaben.
Herr Artzat lebt und bluͤht den Hertzen eingepraͤgt /
Sein Ruhm / den weder Zeit noch Neid zugrabe traͤgt /
Wird auch der juͤngern Welt hell in die Augen ſcheinen.
Und wem iſt unbekand / wie er von Kindes Beinen
Der Tugend nachgeſtrebt? Ob ſchon der Ahnen Ruhm /
Und Adliches Geſchlecht ſein erſtes Eigenthum /
So meint er nicht genug von Eltern edel heiſſen.
Er wolte ſich vor ſich ſo auff ein Lob befleiſſen
Das unvergaͤnglich iſt. Sein unermuͤdet Sinn
Hing freyen Kuͤnſten nach / er gieng begierig hin
Wo theure Wiſſenſchafft und Weißheit war zu finden.
Man preiſte ſeinen Fleiß bey den beruͤhmten Linden /
Wo er das heilge Recht mit groſſem Eiſſer trieb.
Apollo ward ihm hold / Minerva hat ihn lieb.
Und wie ein feurig Geiſt ſtets ſeinem Himmel gleichet /
So ließ er auch nicht nach biß er den Zweg erreichet.
Er trat die Reiſen an / und als er in der Welt
Was hoch - und ſchaͤtzbar iſt / und was ſie nuͤtzlich haͤlt /
Mit Rath ihm beygelegt / bracht er die reiffen Fruͤchte
Jns Vaterlandes Schoß. Gleich wie im erſten Lichte
Die Morgenroͤthe ſchon den braunen Purpur zeigt
Und drauf ins klare Gold des hellen Tages ſteigt:
So ſchien Herr Artzats Thun auch da voll Ehren-Sonnen.
Die Hoffnung hatte ſchon die Oberhand gewonnen
Daß er bey dieſer Stadt ein Vater wuͤrde ſeyn /
Der Ausgang traff begluͤckt mit allen Wuͤnſchen ein.
Hier oͤffnet ſich ein Feld von ſeinem Ruhm zu melden.
Rom ſchaͤtzte ſich beruͤhmt mit ſeineu theuren Helden.
Wenn da ein Appius der Buͤrger Heilbewacht /
Camillus es beſchuͤtzt / und Cato den Verdacht
Durch nichts als Unſchuld daͤmpfft und Tugendhafftes Leben:
So koͤnnen wir gewiß mit beſſerm Grund erheben
Herrn Artzats edlen Ruhm. Denn als der Sterbligkeit
Der hochverdiente Greiß der Vater ſich befreyt /
Und nun in gleiche Wuͤrd und Stand der Sohn war kommen /
Wie eyfrig hat er ſich nicht alles angenommen?
Gleich319Leichen-Gedichte.
Gleich wie ein reicher Strom ſich in viel Baͤche theilt /
Und mit dem Silber-Quell das Feld zu traͤncken eilt:
So kam von ſeinem Rath / als einem reichen Bronnen /
Gemeinem Weſen Huͤlff und jedem Heil geronnen.
Der ruͤhmte den Verſtand / ein ander ſeine Treu /
Der ſeine Redligkeit / und das ohn Heucheley
Sein reines Hertze war. Wie auch ſein loͤblich Leben
Der gantzen Buͤrgerſchafft kont einen Spiegel geben.
Und ſolten Menſchen auch davor nicht danckbar ſeyn?
So meldeten ſein Lob / Stadt / Waͤlle / Mauren / Stein /
Und muͤſten Zeugen ſeyn der immerwachen Sorgen.
Dem groſſen Kayſer ſelbſt blieb ſein Fleiß unverborgen /
Er ſah ihn gnaͤdig an / und nannt ihn ſeinen Rath.
Ja wie die Tugend diß zu ihrem Lohne hat /
Daß ſie der Ruhm bekroͤhnt: So ward von vielen Zungen
Herr Artzats weiſes Thun und Treffligkeit beſungen
Wie die Gerechtigkeit durch ihn ihr Recht vollfuͤhrt /
Wie er ſein Richter-Ampt mit Anſehn hat geziert /
Mit Glimpff und Ernſt vermiſcht / ſein Ohre nie verſchloſſen.
Wie in Verrichtungen der Stadt er unverdroſſen
Den beſten Zweg erkieſt. Und ließ ja eine Ruh /
Die doch ſehr ſelten kam / das Cammer-Weſen zu /
Hieß ſeine groͤſte Luſt ein gutes Buch zu leſen /
Ein ander Laͤlius / der muͤſſig nie geweſen /
Und deſſen wuͤrdig Haupt die Buͤrger-Cron verdient /
Und daß ſein Name ſtets in unſren Seelen gruͤnt.
So viel Vollkommenheit / ſo hoch - und edle Gaben /
Die koͤnnen fuͤr den Tod kein frey Geleite haben.
Das Auge ſchlaͤfft jetzt ein / ſo fuͤr uns hat gewacht /
Der Kopff iſt ohne Rath der allem nachgedacht /
Die Zunge kan nicht mehr das Recht Partheyen ſprechen /
Die Ohren horen nicht der Armen ihr Gebrechen /
Die Haͤnde ſchlieſſen nicht die Freunde ferner ein.
Kurtz / ſo viel Schaͤtze deckt der ſtumme Leichen-Stein.
Wiewol ſein Nachruhm lebt / der giebt der Welt zuleſen /
Daß er ein Scipio bey unſrer Stadt geweſen.
Letzter320Leichen-Gedichte.
Letzter Ehren - und Liebes-Dienſt / Hn. L. D. den 27. Febr. 1678. erwieſen.
BEh zu den Vaͤtern hin / du haſt genug gelebet
Du redlich-deutſcher Mann! es iſt nun Zeit zu ruhn:
Du haſt das Ziel erlangt / wornach ein Laͤuffer ſtrebet /
Mau muß der Sterbligkeit auch ein Genuͤgen thun.
Es iſt kein Eigenthum das Leben / nur geliehen:
Der Erb-Herr braucht ſein Recht / wie / wenn / und wo er wil:
Wir muͤſſen Fleiſch und Blut wie ein alt Kleid außziehen /
Und treten von dem Platz nach außgeuͤbtem Spiel.
Zwar / du gehſt Segens-voll in den beſchneyten Jahren /
Deß Alters hoͤchſtem Grad / in das gewunſchte Grab.
Du haſt genug geſehn / gelitten und erfahren /
Und weiſt / daß hier der Menſch kein ewig bleiben hab.
Du zeuchſt geſaͤttiget mit einem langen Leben
Aus dieſer Eitelkeit in jenes groſſe Reich;
Du kanſt den Deinigen mit Freuden Abſchied geben /
Kein Unfall kraͤnckt dich mehr / kein Kummer macht dich bleich.
Wer achtzig hingelegt iſt mehr als reiff zum ſterben /
Das ſtellt uns die Natur auch in den Gaͤrten fuͤr;
Wenn ſich die Aepffel ſchon im hoͤchſten Purpur faͤrben /
Heiſcht Wurm und Faͤulnuͤß doch in kurtzem die Gebuͤhr.
Das herꝛlichſte Gebaͤu / wie lang es auch geſtanden /
Verzehrt der Jahre Reſt / zermalmt der Zeiten Zahn.
Ein Schiff das weit gekreutzt wird leck und muß offt ſtranden.
Greifft die Verweſung doch Magnet und Eiſen an.
Das Auge dieſer Welt wird uns nicht ewig ſcheinen /
Es ſollen dermaleinſt die Himmel Aſche ſeyn.
Wie kan denn nun der Menſch / erbaut von Haut und Beinen /
Gehn fuͤr den Untergang ein Erb-Verbuͤndnuͤß ein?
Man klagt auch wider Recht / daß uns zu kurtz gegeben
Der engen Tage Brauch / der Jahre Fluͤchtigkeit.
Es iſt ein weites Feld ein Tugendhafftes Leben
Und wer will gutes thun / dem mangelts nie an Zeit.
Das Alter an ſich ſelbſt iſt eine ſchwere Buͤrde
Die Eckel und Verdruß als ihre Schaͤtze weiſt;
Wenn321Leichen-Gedichte.
Wenn ein bejahrter Greiß nun nicht erloͤſet wuͤrde /
Verſchmachtete fuͤr Angſt nicht Hertze / Seel und Geiſt?
Pflegt auff den bunten Lentz der Winter doch zu kommen /
Und auffden guͤldnen Tag der ſchwartze Flor der Nacht:
So auch wenn Menſchen hoch in Jahren zugenommen /
So hofft man / daß es heiſt: Es iſt ſein Lauff vollbracht.
Gleich wie ſich allgemach ein helles Licht verzehret /
So nimmt auch unſer Leib an Bluͤth und Kraͤfften ab /
Biß daß er Lebens-ſatt von allem nichts begehret /
Als nur den Port der Ruh / ſein letztes Hauß / ein Grab.
Jn dieſem ſchlaͤffſt du nun / o Seeliger / im Frieden
Den Krieg - und Friedens-Zeit getroͤſtet und betruͤbt:
Doch konte deinen Geiſt kein Unfall nicht ermuͤden /
Du haſt bey harter Zeit Beſtaͤndigkeit geuͤbt.
Wie ehr ich doch dein Grab? Mich bindet mein Verſprechen /
Diß iſt die letzte Pflicht ſo ich dir leiſten kan.
Dein Schatten wuͤrde noch die Untreu an mir raͤchen /
Daß mein Geloͤbnuͤß ich nicht in dem Werck gethan.
Nein / Schmincke dieſer Welt / viel Heucheley und Prangen /
Den Weyrauch / den man jetzt gemein bey Todten brennt /
Den brauch ich nicht allhier / du wirſt ihn nicht verlangen /
Der Fuͤrnis wird zu bald / wie ſchoͤn er auch / gekennt.
Die Muſen mag ich nicht mit ihren Lorber-Baͤumen /
Es darff noch Caſtalis noch Hippocrene gehn /
Es haͤlt die kluge Welt nichts von den alten Traͤumen /
Wo vielmals weder Sinn noch Meynung zu verſtehn.
Du Bild der Redlichkeit / du Buͤrger deutſcher Sitten /
Verdienſt ein deutſches Lob / das klare Warheit ziert.
Du haſt in jedem Thun / in Wandel / Tritt und Schritten /
Dein Leben ſchlecht und recht fuͤr GOtt und Welt gefuͤhrt.
Von Hertzen ehren GOtt / und dann ſich ſelbſt erkennen /
Vergnuͤgt ſeyn in dem Stand / in dem man iſt geſetzt /
Aus tollem Hochmuth nicht nach groſſen Dingen rennen /
Wird vor ein Meiſterſtuͤck und weiſe Kunſt geſchaͤtzt.
Und worzu leitet Uns ein Buͤrgerliches Leben?
Es iſt der groſſe Leib in Glieder abgetheilt.
Der Fuß muß nicht dem Kopff und Haͤnden wiederſtreben /
Genung / wenn ſelne Pflicht zu leiſten jedes eilt.
Der Sorgen Unterſcheid laufft auff ein gleiches Ende /
Damit gemeines Heil kan ungekraͤncket bluͤhn.
X x xDem322Leichen-Gedichte.
Dem giebt der Hoͤchſte GOtt die Herrſchafft in die Haͤnde /
Den andern heiſt er ſonſt in Handlung ſich bemuͤhn.
GOtt und dem Kaͤiſer treu / diß iſt die ſchoͤnſte Krone /
So je der Buͤrger Haupt auff Erden zieren mag.
Den Nachruhm traͤgſt du jetzt / O Seeliger / zu Lohne /
Diß unverfaͤlſchte Lob kroͤnt deinen letzten Tag.
Du wareſt nicht gewohnt aus Vorwitz nachzufragen /
Wie mancher Kluͤgling thut / obs Regiment beſtellt;
Du haſt das deinige gutwillig beygetragen /
Dein Urtheil / eh es Zeit / von andern nicht gefaͤllt.
Auffrichtig war dein Hertz / und redlich dein Beginnen /
Es ſchien die alte Welt die lebte noch in dir.
Veraͤndern Hertz und Mund / verſtellen Blick und Sinnen /
Kam dir wie Drachen-Gifft und Baſilisken fuͤr.
Und weil das Leben iſt erfuͤllt mit Angſt und Leiden
So haſt du es nicht ſelbſt dir bitterer gemacht.
Man ſah dich wolgemuth bey Freunden und bey Freuden /
Und deine Freundſchafft war ohn Argwohn und Verdacht:
Ja deine hoͤchſte Luſt freygebig ſich zu weiſen /
Kein karger Euclio und filtzig Sauer-Topff /
Der lieber ſterben wil als eine Mahlzeit ſpeiſen /
Und meynt der Lauff der Welt beſteh auff ſeinem Kopff.
Beſprang dich Creutz und Noth / die uͤberhaͤuffig kommen /
Und die mein kurtzer Reim nicht einzuſchlieſſen weiß /
So haſt du Huͤlff und Troſt zu deinem GOtt genommen /
Verſichert daß auff Schnee folgt Klee / die Waͤrmbd auf Eiß.
Wie ſchwer das Alter ſonſt / dich ſchien es nicht zu druͤcken /
Es blieb dein reger Geiſt in friſcher Hurtigkeit;
Und diß war auch ein Pfand von GOttes Gnaden-Blicken /
Der bey der Jahre Schnee den Seinen Krafft verleyht.
Dich wird als Capitain die Compagnie beklagen /
Die zwey und zwantzig Jahr du ruͤhmlich haſt gefuͤhrt.
Und wird der Nach-Welt Mund von alten Buͤrgern ſagen /
So weiß ich / daß dein Nam und Ruhm die Rolle ziert.
Es iſt ein ſchoͤner Klang von allen Todten-Glocken /
Als wenn der Hall erſchallt: Es war ein ehrlich Mann.
Es wird der Graͤber Pracht nicht ſo die Augen locken /
Als dieſe Grabe-Schrifft den Leichſtein zieren kan.
Ruh wol / du alter Greiß / in deinem kuͤhlen Sande!
Goͤnut Sohn und Toͤchter doch / wie ſehr ihr immer klagt /
Daß323Leichen-Gedichte.
Daß er den Ancker wirfft in dem gelobten Lande /
Da ihn kein Sturm erſchreckt noch Kummer-Welle plagt.
Jhr habet Pflicht gemaͤß die Augen ihm geſchloſſen.
Betruͤbtſte Toͤchter ſtellt die bittren Zaͤhren ein:
Denn wenn ihr die genug aus Schuldigkeit vergoſſen /
So lehrt euch Zeit und That; daß Gott wird Vater ſeyn.
Erlangte Ruhe in dem Vaterlande Hn. G. G. den 3. Martii 1678.
WJe wird die ſchwartze Poſt dein gantzes Hauß erſchre - cken
Nun du / o Seeliger / gehſt in der Frembde heim!
Und ſolte Thraͤnen nicht dein Todes-Fall erwecken?
Nun ſich in Wermuth kehrt der Hoffnung Honigſeim.
Sie warten gantz umbſonſt dich freudig zu empfangen
Die GOtt dir zugeſellt und die dein Blut erzeugt:
Dieweil du biſt den Weg zur langen Ruh gegangen /
Du ſchreibſt nicht mehr zuruͤck und Mund und Feder
So ſah Alcyone durch naͤchtliche Geſichte /
(ſchweigt.
Ein Vorbild / wie ihr Schatz im Schoß der See ertranck.
Wer zweiffelt daß der Mund von fliegendem Geruͤchte
Bereit erzehlet hat / wie du zu Breßlau kranck.
Wiewol es fuͤhrt dich GOtt auff ſeinen Wunder-Wegen
Und was ſein heilig Schluß beſtimmt / das muß geſchehn.
Du ſolſt im Vaterland dich ſanfft zur Ruhe legen
Und dich wird Dantzig nicht mehr ſeinen Buͤrger ſehn.
Die Reiß iſt wol verbracht. Jetzt biſt du heimgezogen
Vors erſt in Schleſien / denn nach dem Himmel zu /
Da baut die Freyheit dir ſo einen Sieges-Bogen
Der deine Pilgramſchafft deckt mit gewuͤnſchter Ruh.
Wir ſind doch frembd allhier / und Gaͤſte dieſer Erden /
Beſchiffen ein ſolch Meer das tauſend Syrten hegt.
Und unſer gantzer Lauff iſt Kummer und Beſchwerden
Biß daß man uns verblaſt hin zu drn meiſten traͤgt.
Wie iſt die groſſe See nicht voller Tieff und Kruͤmmen?
Wie lacht uns ihr Cryſtall in aller Sanfftmuth an?
Bald wird ſie umb das Schiff mit linden Wellen ſchwimmen /
Als wenn ohn Arg und Liſt die Marmel-glatte Bahn.
Jn einem Augenblick wird drauff ihr Zorn ſich heben /
Daß ſie den grauen Schaum biß an die Sterne ſchmeiſt /
X x x 2Die324Leichen-Gedichte.
Die Winde nichts als Sturm / die Luͤffte Donner geben /
Und das erſchrockne Schiff mit Maſt und Kiel zerreiſt.
Von groͤſſerm Unbeſtand / von mehr geſaltznen Wellen
Jſt unſer Lebens-See / jetzt zeigt ſie Ebb jetzt Fluth:
Wird gleich der Morgen ſich in lichter Sonn erhellen /
So weiß man / daß ſie doch vor Abends ſchaden thut.
Wir ſtreiffen hin und her von Winden der Begierden
Verſuchungen des Fleiſchs und Blutes angefuͤhrt;
Bald lockt die Wolluſt uns durch der Sirenen Zierden /
Bald ſieht man wie der Geitz auff die Charybden ruͤhrt.
Heiſt uns der Hochmuth denn die vollen Segel ſpannen /
Wie ſchnelle ſtoſſen wir auff der Tyrrhener Schlund.
Und gehn wir allzu weit / ſo wird uns uͤbermannen
Der Hoffnung leichter Sand und ſtets betruͤglich Grund.
Mehr wird ein guter Wind ſo ſchnell ein Schiff nicht fuͤhren /
Als unſre Jahre ſtuͤrtzt die unermeßne Zeit.
Ja unter Haͤuden wird das Leben ſich verliehren /
So koͤſtlich es geweſt / ſo iſt es Eitelkeit.
Und ſag ich von der Ruh? Kein Ungeheur der Wellen /
Kein unbebauter Strand / kein Caper ſchreckt uns ſo /
Als die Vielfaͤltigkeit von tauſend Ungluͤcks-Faͤllen /
Wie ſelten wird der Menſch aus Grund des Hertzens froh!
Wie ſeufftzet er nicht da? HErr hilff uns wir verderben /
Die Fluth erſaͤuffet uns / die Tieffe ſchlingt uns ein!
Und kan auch eh der Menſch als durch ein ſelig ſterben /
Jm Hafen wahrer Ruh im Port der Freuden ſeyn?
Der Heyde / wenn er war dem Schiffbruch noch entgangen /
Hieng ſeinem Gott Neptun Gedaͤchtnuͤß-Bilder auff /
Hat eine Hand-voll Sand mit einem Kuß empfangen /
Zum Zeichen / daß nunmehr geendet Weg und Lauff.
Nein / unſer Seliger / als er nach jenem Lande /
Die Klippen dieſer Welt gluͤckſelig uͤberſchifft
Rieff: Schutz-HErr meiner Seel / ach gib daßlich nicht ſtrande /
Sey Stern wenn mich der Tod im finſtern Thal antrifft.
HErr reiche deine Hand / der Maſtbaum ſol mich leiten
Des Creutzes / daß mich nicht der Suͤnden See verſchlingt.
Steh / nun ich ſincken ſol / mir kraͤfftig an der Seiten /
Sey Fuͤhrer / der gewuͤnſcht mich an den Hafen bringt!
Dein Wunſch iſt ſatt erfuͤllt / das Land / das dich gebohren /
Deckt nun / Erblaſter / dich mit Erde wieder zu.
Du325Leichen-Gedichte.
Du haſt / wie mich beduͤnckt / gewonnen / nicht verlohren /
Da Breßlau dir zu letzt bereitet Raum und Ruh.
Wil wo ein ſtoltzer Geiſt dem Urſprung ſich entziehen?
Und goͤnnt dem Vaterland auch nicht die duͤrren Bein?
Und wil aus Haſſ und Neid ein ander ſolches fliehen /
Ja in der Hoͤlen Klufft mehr als bey Menſchen ſeyn.
So hat dein Urtheil doch den tollen Wahn verlachet /
Du wuͤnſchſt in Schleſien zu liefern Seel und Geiſt.
Wie haſt du GOtt gedanckt / der hier dein Grab gemachet /
Und dir von Jugend auff viel Vater-Treu erweiſt.
Es kan auch Breßlau nicht undanckbar ſich bezeigen /
Die dich als Handels-Mann und Gaſt genommen an:
Es wird der Duͤrfftigen ihr bebend Mund nicht ſchweigen /
Was du aus Guͤtigkeit haſt gegen ſie gethan.
Dein ehrliches Geruͤcht iſt weit bey uns erſchollen.
Denn Tugend iſt nicht frembd und uͤberall zu Hauß.
Und glaube daß wir ſo dein Grab verehren wollen /
Daß keiner Zeiten Lauff leſcht dein Gedaͤchtnuͤß aus.
Es ſtreuten Hyacinth / Narciſſen und Violen /
Ja einen gantzen May die Alten auff die Grufft:
Wir duͤrffen Blumen nicht zu deinem Grabe holen /
Jndem die Tugend ſelbſt: Sein Name bluͤht: ausrufft.
Wie einer hat gelebt / erklaͤrt ſein letztes Ende /
Die Wercke folgen uns ſtets als Geferten nach.
Wie treu befahlſt du GOtt die Seel in ſeine Haͤnde!
Und ſchwungſt mit Andacht dich biß an der Sternen Dach
Ja koͤmmt mir aus der Acht der Vaͤterliche Seegen /
Den du mit Thraͤnen noch den Kindern ſchickteſt zu.
Die Worte / die genung auch Felſen zu bewegen /
Die Neigung / die gewehrt biß an die letzte Ruh.
Dir war es hoch erfreut ins Vater-Landes Armen /
Der Freunde Gegenwart / zu ſcheiden aus der Welt /
Du ſahſt ſie ins geſammt mitleidig ſich erbarmen /
Ach daß kein Flehen nicht den Tod zuruͤcke haͤlt!
Wiewol wir ſollen nicht dein beſſer Gluͤck beklagen /
Bloß unſre Sterbligkeit iſt bittrer Thraͤnen werth.
Zu dem / Hoͤchſt Traurigſte / hemmt gleichfals Euer Zagen /
& q; GOtt hat uns unſer Grab an jedem Ort beſchert.
X x x 3Himm -326Leichen-Gedichte.
Himmliſche Vermaͤhlung Jfr. M. M. W. v. W. den 27. Martii 1678.
SO zeuchſtu / Seeligſte / numehr von dieſer Erden?
Verlaͤſt des Vaters Haus / dein Volck und dieſe Stadt?
Ach ja! der Hoͤchſte ſelbſt wil jetzt dein Braͤutgam werden.
Was Wunder? daß kein Menſch theil deiner Liebe hat?
Du weiſt daß doch die Welt muß wie ein Kleid veralten /
Daß nichts beſtaͤndig hier als Unbeſtaͤndigkeit /
Darumb ſo laͤſtu ſie den ſchwartzen Sontag halten /
Weil Jubilate du feyrſt in der Ewigkeit.
Es geht zwar bitter ein ſo zeitlich dich zu miſſen /
Die Welt kennt dich kaum recht / ſo ſagſtu ſchon Ade!
Doch ſiht man daß dein Geiſt den rechten Weg kan wiſſen /
Du ſuchſt den Himmels; May vor dieſen Mertzen-Schnee.
Es moͤgen andre ſich den Kindern gleich vergaffen
An dem / was ſonſt der Menſch zum hoͤchſten Gute zehlt.
Die Welt gab Martha dir doch allzu viel zuſchaffen
Drumb haſt Maria du das beſte Theil erwehlt.
Ja wol! das beſte Theil du haſt den Schatz gefunden /
Den uns kein Potoſi kein Peru geben kan.
Die zehlſt nicht mehr wie vor Schlaffloſe Naͤcht und Stunden:
Hier geht dein Ruhe-Tag und Feyerabend an.
Jtzt wechſelſtu mit GOtt / Verlobte / Hand und Ringe
Du bringſt des Glaubens-Schmuck mit dir zum Heyrath -
Er gibt den Himmel dir zu einem Leibgedinge
(Gut:
Eur Ehberedung iſt beſiegelt durch ſein Blut.
Prangt Mogols Hochzeit-Feſt mit lichten Diamanten
Mit Lampen welche gar von Balſam ſind gemacht?
Das Stern - und Engel-Heer ſind Lichter und Trabanten
So dir zur Seite ſtehn in unerſchoͤpffter Pracht.
Es iſt das Paradiß dein himmliſch Hochzeit-Bette /
Hier liegſtu hochvergnuͤgt dem Braͤutgam an der Seit
Er gibt ſich ſelber dir ſtatt der Vermaͤhlungs-Kette
Dein Schmuck iſt ſein Verdienſt / dein Krantz die Ewigkeit.
Vergoͤnn uns / Schoͤne Braut / die wir im Geiſte ſchauen /
Wie du in Eden ſchon gleich Palm und Cedern gruͤnſt /
Daß deiner Tugend wir ein Ehren-Mahl noch bauen /
Und melden durch diß Blat was du mit Ruhm verdienſt.
Dein327Leichen-Gedichte.
Dein ſchoͤn Gedaͤchtnuͤß brennt noch hell in unſren Seelen /
Es lebt im Seegen hier / wie bey dem Heiland du /
Traͤgt man was Erde war gleich in der Erden Hoͤlen /
Druckt deinem Coͤrper man gleich Mund und Augen zu.
Der Tugend Phoͤnix ſteigt nichts minder aus der Aſchen /
Die auch der blaſſe Neid als heilig ehren muß.
Ja Lethe ſelbſt kan hier dein Denck-Mahl nicht abwaſchen /
Dein guter Leumund tritt die Faͤulnuͤß untern Fuß.
Es gibt Orion dort dem Geiſt die Ober-Stelle /
Hier ſpricht die Wahrheit ſelbſt: die Redligkeit iſt todt!
Der Tugend Conterfey betritt des Todes Schwelle /
Den Spiegel aller Zucht zerbricht die letzte Noth.
Des groſſen Vaters Mund / der Mund des Vaterlandes
Schweigt jetzt / und ſchuͤttet nichts als bittre Seuffzer aus
Jndem du Eh-Betts-Stern / du Zweig des Edlen Standes
So fruͤh geriſſen wirſt von ihm und ſeinem Haus.
Es wird dein Todes-Fall beklaget noch von vielen /
Die von Gebluͤte zwar nicht eben dir verwand;
Wie klaͤglich weinen nicht die trauteſten Geſpielen?
Die deine Freundligkeit beharrlich dir verband.
Was aber nuͤtzt diß Ach! Wohin mit dieſen Zaͤhren?
Es wird uns kein Mauſol aus Ach! und Weh! gebaut
Laſt uns die Seeligſte mit Thraͤnen nicht beſchweren
Sie lacht das winſeln aus die ſtete Wonne ſchaut.
Hochedles Haus zerreiß die hart gedrchten Stricke
Damit die Traurigkeit dir feſſelt Geiſt und Bruſt!
Ach! wuͤnſche ja vielmehr der Edlen Braut Geluͤcke
Die ſchon den Himmel ſchmeckt in unverruͤckter Luſt.
Es ſind die Thraͤnen nicht hochzeitliche Geſchencke
Vor eine ſolche Braut die ihren Heiland kuͤſt.
Sie labet ihren Geiſt durch ſolche Nectar-Traͤncke /
Dergleichen Anmuth nicht aus irrd’ſchen Trauben flieſt.
Sie hat nach ihrem Wunſch / den ſie geſucht / gefunden /
Sie haͤlt ihn ewig feſt / und laͤſt ihn nicht von ſich.
Sie kennet nun nicht mehr die bittre Creutzes-Stunden
Weil mit dem letzten Hauch ſie aller Noth entwich.
Die Lieb und Luſt der Welt war ihr ſtets frembde Dinge
Sie hat der Venus nie den Opffer-Tiſch gedeckt.
Sie wuſte daß der Tod am Wolluſt-Angel hienge /
Und daß verdammlich Gifft in Liebes-Mandeln ſteckt.
X x x 4Trug328Leichen-Gedichte.
Trug auch ihr Garten gleich nur eitel Granadillen /
Ward ihrer Jugend Baum zu einer Aloe /
So daß kein Aeſculap die Schmertzen konte ſtillen
Biß daß ein ſanffter Tod ward ihre Panace.
So hat ſie ſtandhafft doch auch unter tauſend Schmertzen
Mit ihres Heilands Tod hertzhafftig ſich erfriſcht.
Ja / unveraͤnderlich behalten den im Hertzen /
Der itzt in ſeinem Schoß ihr Schweiß und Thraͤu abwiſcht /
Sie iſt nun beygeſellt den Geiſtlich klugen Frauen /
Bey der gefuͤnfften Zahl ſol ſie die ſechſte ſeyn.
Und was wir alle noch itzt nur im Spiegel ſchauen /
Schaut die erloͤſte Seel in vollem Augen-Schein.
Wie ſeelig! daß ſie nicht die Bitterkeit darff ſchmecken
Die in dem Stand der Eh uns offt das Hertz abfriſt.
Sie kan kein Haus-Tyrann / kein boͤſer Mann erſchrecken /
Jhr Braͤutgam iſt das Lamm / ſo voller Sanfftmuth iſt
Sie ſpeiſet nun nicht mehr von harten Faſten-Speiſen /
So uns der Kummer-Koch hier ſcharff zu ſaltzen pflegt.
Es wil das Oſter-Lamm ſie zu der Taffel weiſen /
Da Milch und Honig man in Ewigkeit aufftraͤgt.
Genung! Maria iſt aus Mara weggegangen /
Sie hat gewuͤnſcht erreicht des Himmels Canaan.
Und weil ſie lebend noch zu ſterben angefangen /
So weiß man / daß ſie mehr den Tod nicht ſchmecken kan.
Zeuch gluͤcklich / holde Braut des Heilands / zeuch in Frieden!
Und ſey viel tauſendmal zu guter Nacht gegruͤſt.
Dein Denck-Mahl lebt bey uns / ob du gleich abgeſchieden /
Weil auch der Tugenden die Nachwelt nicht vergiſt.
Laß nur was Erde war verſcharren in die Erden /
Gib GOtt was GOttes iſt! denn weil er dich geliebt
So konte deiner Zier kein ander wuͤrdig werden.
& q; Er troͤſte / die er hat durch deinen Tod betruͤbt.
Die Fremdlinge alhier / Betrachtet bey Abſterben Fr. M. S. v. L. g. K. v. F. den 27. Mart. 1678.
ACh Leben voller Muͤh / voll Schrecken / voller Thraͤnen!
Gebrechlicher als Glaß / und fluͤchtiger als Wind!
Mit Jrrthum uͤberhaͤufft / durchbeitzt mit herbem Sehnen
Jn deſſen Unbeſtand ſich kein Beſtand nicht findt.
Wie329Leichen-Gedichte.
Wie reitzeſt du uns nicht? Wie kanſt du uns nicht blenden?
Da doch dein lauter Nichts dein erſter Anfang heiſt.
Du ſchwindeſt / wenn du waͤchſt / wie Schatten untern Haͤnden /
Biſt / wenn du gleich erhoͤht / ein ſcharffer Rauch der beiſt.
Den Narren ſcheinſt du ſuͤß und weiſen Leuten bitter /
Der jene / ſo dich liebt / der kennt dich nicht einmal.
Wer dich verachten lernt / verſtehet deine Guͤter /
Und wer dir glauben will / der traut auf Frucht und Qual.
Du ſiehſt ſo ſchoͤne nicht / als du dich kanſt vorſtellen /
Ja vielen zeigſt du dich[durch] graue Haare lang
Nur daß ſie ſuͤndigen und fahren zu der Hoͤllen.
Viel raubſt du unverhofft eh ſie noch ſchwach und kranck /
Bloß daß du kanſt den Raum der Buſſe ſo beſchneiden /
Je mehr du uns verheiſcht / je weniger du ſchenckſt.
Dein groͤſtes Wolthun iſt ein lang und ſchmertzlich leiden /
Daran zum Ausſchlag du noch neue Martern haͤngſt.
Das biſt du / Leben / nun. So ſitzen wir zu Miethe
Und wiſſen nicht die Zeit wenn Gott uns / ziehet! ſagt.
Wenn ſeine Stimm erſchallt: Menſch geh auß dem Gebiethe /
Sein Stunden-Glaß iſt auß / deß Lebens Friſt vertagt.
Wer wolte ſich alsdenn von Meſech nicht begeben?
Und laͤnger Frembdling noch bey ſeinen Huͤrden ſeyn?
Wer wolte weiter dann bey Kedars Huͤtten leben?
Umzirckt von Krieg und Streit gedruͤckt von Angſt und Pein.
Es ſcheint dem Menſchen ſchwer bey wildem Volck zu wohnen /
Das gar an Grauſamkeit den Thieren gleiche geht.
Und wer will Nachbar ſeyn bey Scyth und Naſamonen /
Da keiner weder Gott noch die Natur verſteht.
Allein viel ſchmertzlicher wird es der Seele fallen
Wenn ſie ſo lang allhier im Leibe bleiben muß /
Und unter Fleiſch und Blut bey Moͤrd - und Raͤubern wallen /
Da ihr macht taͤglich Weh der Suͤnden Uberfluß.
Der iſt ein feiger Menſch / der / wenn er ſatt gelebet /
Zuletzt noch klagen will die abgekuͤrtzte Zeit:
Der Viehiſch / welcher frech dem Himmel widerſtrebet /
Und ſich nur weltzen will im Schlam der Eitelkeit.
Wer hier ſtets Wirth ſeyn will / kan dort nicht Buͤrger werden /
Wir muͤſſen auß der See deß Lebens an den Port.
Das Elend das wir bau’n auf dieſem Rund der Erden
Ermahnt / und rufft uns zu: Fleuch / Frembdling / eile fort!
X x x 5Frau330Leichen-Gedichte.
Frau Sachſin die nunmehr den Reſt von ihrer Huͤtten
Dem ſchwartzen Grabe ſchenckt / hat ſich auch aufgemacht
Und iſt als Frembdling in das Vaterland geſchritten
Befreyt der Pilgramſchafft / die ſie mit Ruhm vollbracht.
Jhr war die Bitterkeit deß Lebens nicht verborgen
Und wie das Wechſel-Rad der Zeiten ſich verkehrt /
Sie kannte noch die Noth und Thraͤnen-volle Sorgen
Als unſer Schleſien die Krieges-Glut verheert.
Sie zog von Kedar aus umb Ruh allhier zu finden /
Wo Ruh auf dieſer Welt ein Menſch zu hoffen hat.
Doch / wer ſich nur auf Gott beſtaͤndig pflegt zu grunden
Dem wandelt ſich die Frembd in eine Vater-Stadt.
Sie glaubte / daß der Weg der Frommen rauh und harte /
Daß Gott die Seinen nicht ſtets auff den Haͤnden traͤgt /
Damit ſich nicht der Menſch in eitler Luſt verwarte /
So hat er uns die Bahn mit Dornen uͤberlegt.
Wiewol ihr Chriſtenthum auch in dem Creutz geſieget
Und die Beſtaͤndigkeit die Lorber-Cron erreicht.
Die Hand die ſie betruͤbt / die hat ſie auch vergnuͤget /
Daß ihrer Wolfarths Stern viel herꝛlicher geleucht.
Sie ſahe ſich begluͤckt in zwey Geehrten Ehen
Und Trauben ihres Bluts und Blumen vom Geſchlecht /
Und Seegen umb ihr Hauß / Heil umb ihr Bette ſtehen /
Jhr Thun gefiel GOtt wol / ihr Wandel war gerecht.
Die Palmen reiner Gunſt / die Nelcken treuer Flammen
Der Keuſchheit Lilien / der Demuth Majoran
Der Tugend Ehren-Preiß trat hier vereint zuſammen /
Und legt ihr einen Schmuck von holden Sitten an.
Es war ihr Band der Eh gleich einem Paradiſe
Wo die Ergetzligkeit und die Vergnuͤgung bluͤht.
Es ſchien ihr Lebens-Weg ein angenehme Wieſe
Umb welche Florens-Gunſt den bunden Teppicht zieht.
Ach aber wie betreugt das ſchmeichelhaffte Leben?
Jndem es Freude ſaͤt / ſo ernd es Trauren ein.
Bald wird es nichts als Muth und Adlers-Kraͤffte geben /
Drauf heiſt es uns betruͤbt / gepreſt und elend ſeyn.
Der ſich nicht weiſen laͤſt / der Tod / trennt Lieb und Ehe /
Die vor gluͤckſelig ſchien iſt Wittib und gekraͤnckt.
Die Anmuth weicht davon / und unter Ach und Wehe!
Wird ihr des Ereutzes Kelch von neuem eingeſchenckt.
Sie331Leichen-Gedichte.
Sie nimmt auch den getroſt von ihres Schoͤpffers Haͤnden
Und bringt in Einſamkeit die Zeit deß Lebens zu /
Traut dem / der Vater iſt und Retter der Elenden
Sucht bloß in ſeinem Wort Troſt / Hoffnung / Fried / und Ruh.
Kein Unfall zog ihr Hertz von den geſtirnten Hoͤhen /
Sie blieb der Hanna gleich dem Himmel zugewand.
Was nicht zu aͤndern war / ließ ſie vernuͤnfftig gehen
Und ſeufftzte Tag und Nacht nach jenem Vaterland.
Jetzt iſt ihr Wunſch erfuͤllt. Der Tod ein treuer Weiſer
Fuͤhrt dieſe Pilgramin / wo Milch und Honig fleuſt /
Sie ſieht Jeruſalem und deſſen Friedens-Haͤuſer
Wird mit deß Himmels-Brod / und Lebens-Brunn geſpeiſt.
Jetzt weiß ſie daß die Welt ein ungeheure Wuͤſte /
Worinn gleich einem Schaf der Menſch ſich oft verirrt.
Daß ihre gantze Pracht / ihr Anſehn / Ehr und Luͤſte
Der armen Pilgramin der Seelen Laſt und Buͤrd:
Und daß ſie allzu lang in Meſech hat geſeſſen /
Wie koͤſtlich auch der Menſch ein hohes Alter ſchaͤtzt.
Ja was vor Freuden uns ſonſt Gluͤck und Zeit zumeſſen
Daß es mit nichten gleicht dem / was ſie jetzt ergetzt.
Darumb ſo glauben ſie / Betrübteſte / der Frauen /
Das beſte Vaterland holt die Frau Mutter ein:
Deun wenn wir umb und an des Lebens Ziel beſchauen
So wird der Anfang Noth / das Ende Sterben ſeyn.
Trauer-Ode / Uber dem fruͤhen Abſterben Jungf. A. D. B. den 6. April 1678.
1.
DEin Freund iſt wie ein Puͤſchel Myrrhen
Das zwiſchen deinen Bruͤſten liegt.
Du haſt ſatt auß den Angſt-Geſchirren
Verblichnes Jungfer-Bild gekriegt;
Die Aloe war nur zu bitter
Die dir dein Leben abgezehrt /
Und durch der Kranckheit Ungewitter
Jn eine Leiche dich verkehrt.
2.
Allein da alle dich verlaſſen /
Und niemand mehr mit Huͤlff erſcheint /
So332Leichen-Gedichte.
So will dein JEſus dich umbfaſſen
Der allerbeſt und treuſte Freund.
Der will dich in den Roſen weiden /
Biß daß deß Todes Schatten koͤmmt /
Und er durch ſeinen Tod und Leiden
Die Nacht der Suͤnden von dir nimmt.
3.
Kan eine Liebe dieſer gleichen
Die uͤber Erd und Himmel geht?
Ach Liebe du thuſt Wunder-Zeichen!
Du biſt der ſeeligſte Magnet!
Der unſern Staub mit GOtt vermaͤhlet
Und uns durch deſſeu Wunden fuͤhrt.
Ja daß uns ewig nichts mehr fehlet /
Gut machet / was wir ſelbſt verbuͤhrt.
4.
Du wilſt mit deinem Heyland ſterben
Und Seel und Hertz zerſchmeltzt in ihm.
Der Tod mag Lipp und Wang entferben
Du weiſt daß dieſes ein Gebluͤhm
An dem dein JEſus ſich ergetzet /
Daß man aus Dornen Kronen flicht /
Wie ſehr die Faͤulnuͤß dich verletzet /
Je ſchoͤner biſt du zugericht.
5.
Er will gekeltert dir gefallen /
Du kennſt es daß ſein Kleid blut-roth.
Er iſt der Schoͤnſte unter allen
Dein Retter in der letzten Noth.
Ach geh ach geh / mit ihm zu grabe
Wie praͤchtig wirſtu aufferſtehn!
Wenn diß / was itzt friſt Wurm und Schabe /
Wird uͤber Stern und Sonn gehn.
6.
Braut eile / laß die Myrrhen-Huͤgel
Der Seelen Troſt und Labſal ſeyn.
Die Myrrhen bleibt deß Bundes Siegel
Den er mit dir gegangen ein.
Die ihn am Creutze hat getraͤncket /
Vertreibt der Suͤnden Bitterkeit /
Und333Leichen-Gedichte.
Und die man ſeinem Grab geſchencket
Giebt dir die Unverweſenheit.
7.
Dein Freund iſt reiner als die Lilgen
Als Hyacinth und Tauſendſchoͤn.
Er will die Flecken dir vertilgen
Du ſolſt ihm Lilgen-gleiche gehn.
An Reinigkeit in deinem Glauben
Der Sitten unbeflecktem Schnee;
Du biſt ein Safft auß ſeinen Trauben
Und Blume von der Sarons Hoͤh.
8.
Erwege was er hat gelitten /
Er leidet Schmach und laͤſt dir Ruhm.
Du ſiegeſt und er hat geſtritten /
Dein Herr raͤumt dir ſein Eigenthum.
Er wird zerriſſen / du vereinet /
Er wird ein Schatten / du das Licht.
Er iſt der duͤrfftig hier erſcheinet /
Auf daß dir dorte nichts gebricht.
9.
Er traͤgt die Schmach / du prangſt in Cronen /
Er ſchlingt Verachtungs-Speichel ein /
Daß Ruhm und Ehren umb dich wohnen
Wird Knecht / auf daß du frey kanſt ſeyn
Er neigt das Haupt / das du erhoͤhet
Als Fuͤrſtin gehſt ins Himmel-Schloß.
Unſeelig wer itzt nicht verſtehet /
Wie ſeine Liebe wunder-groß!
10.
Die Myrrhen haſtu nun geleſen
Wie biſtu doch ſo ſchon und reich /
Geſetzt auch / daß itzt dein Verweſen
Die treuſte Mutter machet bleich.
So iſt doch dein Geruch der Tugend
Ein Myrrhen der GOtt wolgefaͤllt.
Drumb hat er deiner zarten Jugend
So einen fruͤhen Tod beſtellt.
11. Be -334Leichen-Gedichte.
11.
Betruͤbtſte Freundin / daß ihr Klagen
Ans recht verwundtem Hertzen geht /
Nun ihre Tochter fortzutragen
Hier auf bedeckter Bahre ſteht /
Bezeugt ihr thraͤnendes Geſichte;
Und der waͤr haͤrter als ein Stein
Der bey dergleichen Traur-Geſchichte
Gantz ohne Beyleid wolte ſeyn.
12.
Doch dencke ſie / daß die itzt ſtirbet
Und feſt ihr Puͤſchel Myrrhen traͤgt /
Durch den des Lebens Heil erwirbet|
Mit dem ſie ſich ins Grab hier legt.
Sie eilt den Herrn zu balſamiren
Wie Magdalen und Salome:
Solt es der Heyland nicht verſpuͤhren
Es ſey ihr Anna Dorothe?
Bey Beerdigung Hn. C. G. den 3. Junii 1678.
1.
WAs iſt das / das wir leben heiſſen?
Ein Circkel voll gedrungner Noth.
Ein Traum und ein betruͤglich gleiſſen /
Ein ungewiſſes Morgenroth.
Ein Rauch / der wenn er koͤmmt / verſchwindet /
Ein Meer das ſtets von Jammer pranſt /
Ein Fallſtrick / der die Seele bindet /
Ein Wind / der uns zu ſtuͤrtzen ſauſt.
2.
Jſt noch was fluͤchtiger als Schatten?
Ach ja der kurtzen Tage Flucht.
Der Thau den man auf gruͤnen Matten
Bey aufgewachter Sonne ſucht /
Wird vielmals nicht ſo ſchnell vergehen /
Als die elende Sterbligkeit:
Da / eh wir lernen / reden / gehen
Man ſchon uns macht das Todten-Kleid.
3. Der335Leichen-Gedichte.
3.
Der Fortgang mit erwachſnen Jahren /
Jſt nur ein Weg zu groͤßrer Pein /
Diß was wir leſen und erfahren
Wird oft ein faul Geſchwaͤtze ſeyn.
Weil unſer Wiſſen unvollkommen /
Und der Verſtand voll Unverſtand;
So iſt / was wir je fuͤr genommen
Auf nichts gebaut als Truͤbe-Sand.
4.
Wir moͤgen in die Frembde reiſen /
Der Kummer zieht uns immer nach.
Bey Freuden / Wolluſt / Schertz und Speiſen
Druͤckt uns manch heimlich Ungemach.
Der Welt verdammte Heucheleyen /
Die nehmen Tugend-Larven an.
Wie kan ein redlich Hertz ſich freuen
Das unter ein ſolch Joch gethan?
5.
Und wenn wir nun viel zubeſitzen /
Das Leben in Gefahr gewagt.
Was kan es bey dem Hintritt nuͤtzen /
Wenn uns die letzte Noth betagt?
Da ſehen wir daß alles fluͤchtig /
So weit das Rad der Sonnen geht.
Daß unſer Haͤnde Wercke nichtig
Und bloß der Unbeſtand beſteht.
6.
Und wuͤnſchen wir die grauen Haare?
Das Alter iſt ein ſchwerer Gaſt.
Es prediget nur von der Bahre
Und nennt das Leben eine Laſt.
Das eben fuͤhrt die jenen Tage /
So keinem nicht gefaͤllig ſeyn.
Da man nur Jammer / Angſt und Plage
Vor Freuden-Fruͤchte ſammlet ein.
7.
Und ob es koͤſtlich auch geweſen /
So hat es Muͤh und Noth verzehrt.
Wer wolt ihm nicht diß auserleſen
Was uns die wahre Ruh beſchert?
Wer336Leichen-Gedicht
Wer wolte nicht die Augen ſchlieſſen /
Umb dort den Himmel anzuſchaun?
Deß Leibes Kercker ſeyn entriſſen
Und jene Friedens-Staͤdte baun?
8.
Das End-Ziel aller Angſt und Schmertzen
Bleibt doch ein ſanfft und ſeelig Tod.
Der Hingang zu dem Vater-Hertzen
Die Reiſe zu dem wahren GOtt.
Das Freuden-Thor zu jenem Leben /
Und der Geburts-Tag wahrer Luſt.
Die Sammlung wo die Heilgen ſchweben
Ein Labſal auf die Myrrhen-Koſt.
9.
Nun dieſen Zweck hat auch ergriffen
Herr Greif / als auf ſein Lebens-Ziel
Der Tod das Wuͤrge-Beil geſchliffen /
Und ihn die Mattigkeit befiel;
Daß er den Pfingſt-Tag dort zu feyren
Den heilgen Abend hier beſchloß /
Und ſeine Seele wolte ſteuren
Jn deß Erloͤſers Gnaden-Schoß.
10.
Sein Ruhm und ehrliches Verhalten /
Wird noch in vieler Hertzen bluͤhn.
Muß ſchon hier Fleiſch und Blut erkalten
Und Wuſt und Schimmel es beziehn /
So bleibt ſein Name doch im Segen.
Der Fromme kan nicht untergehn /
Es will auff allen Weg und Stegen
GOtt ſeinen Saamen noch erhoͤhn.
11.
Betruͤbtſte Frau / wie herb und bitter /
Der Name Wittib bey ihr klingt;
Da jetzt deß Todes Ungewitter
So wol ihr Haus als Hertz umbringt.
So glaube ſie daß nach dem Weinen
Und außgeſtandnem Seelen-Weh /
Jhr wlrd die Sonne wieder ſcheinen /
Und daß ihr neuer Troſt aufgeh.
12. Jhr337Leichen-Gedichte.
12.
Jhr Eh-Herr zeucht mit Ruhm von hinnen /
Die Gottesfurcht und Redligkeit
Jn ſeinem Wandel und Beginnen
Sind auch im Tode ſein Geleit.
Er iſt ja gar zu wol geſchieden /
Und ausgegangen wie ein Licht /
Zu der Zeit da ihm ſeinen Frieden
Und Beyſtand GOttes Mund verſpricht.
Die Mumia Bey Beedigung Hn. J. S. den 13. Julii 1678.
HErr Schoͤps / dem offt der Tod das Feld hat raͤumen muͤſ - ſen /
Nun raͤum er wiederumb ihm Leib und Glieder ein.
Der Uberwinder herrſchſt / er liegt zu ſeinen Fuͤſſen
Und was verweſen kan beſchleuſt der ſchwartze Schrein.
Wie hoch er die Natur durch Kunſt ihm ſonſt verbunden /
Wie fleiſſig er ihr Gut und Schaͤtze hat geſucht /
So wird hinfortkein Rath noch Huͤlffe mehr gefunden
Tinctur / Eſſentz und Oel iſt ohne Geiſt und Frucht.
Alkermes kan nicht mehr noch Rob noch Lohoch ſtaͤrcken /
Die Seele von dem Gold beſeelt den Coͤrper nicht.
Machaon geht leer ab mit ſeinen beſten Wercken
Nun eine groͤßre Hand das Stunden-Glaß zerbricht.
Alleine / werther Freund / wir wolten ihn gern halten /
Diß gibt der Tochter Hertz / des Eydams Mund an Tag.
Wie ſalben wir ihn ein? Sind Gummen und Aſphalten
Genung / daß man vor Faͤul und Wurm ihn ſchuͤtzen mag.
Kan Socrotiner Safft die Glieder friſch bewahren?
Haͤlt auch die Macis noch was die Verweſung anff?
Wir wollen keinen Geiſt von Elementen ſparen /
Wo ſich verlaͤngern kan Herr Schoͤpſens Lebens-Lauff.
Umbſonſt / und ſchickt uns gleich Canopus ſeine Mittel
Was Memphis heilig haͤlt und was der Nil hoch ſchaͤtzt.
Herr Schoͤps der lieget ſchon in ſeinem Sterbe-Kittel /
Und wird ſelbſt eine Leich jetzt Leichen beygeſetzt.
Y y yDoch338Leichen-Gedichte.
Doch ſol er uns auch tod zu unſerm Nutzen dienen /
Und eine Mumia der beſten Artzney ſeyn.
Das Wort bleibt ewig wahr: Der Todten Beine gruͤnen
Dieweil des HErren Geiſt und Odem blaͤſt darein.
Es mag Egyptenland mit ſeinen Coͤrpern prangen /
Durch Kunſt und Specerey die Faͤulnuͤß hinterziehn.
Es hat das blinde Volck ſich nur zu weit vergangen
Und muͤhte ſich umbſonſt dem Tode zu entfliehn.
Wie fleiſſig es auch wuſch das innerſt Eingeweide
Und drein der Cedern Safft / Nard und Amomen goß /
Ja gantzer dreiſſig Tag in gleicher Klag und Leide
Dein Leib zu balſamirn aus Andacht ſich entſchloß;
So war es weiter nichts als nur ein Dienſt der Goͤtzen.
Wie die geheime Schrifft noch giebet zuverſtehn.
Wenn auff der Leiche Bruſt ſie Fiſch und Vogel ſetzen /
Und ihrer Deutung nach die Jſis vor muß gehn.
Sie meinten / wenn ſie nun den Todten ſo beſchicket
Und mehr als zwantzig mahl in Leinwand eingehuͤllt /
Figuren angemahlt / und Bilder drauff gedruͤcket /
Daß es zur Wiederkunfft der Seelen etwas gilt.
Denn legten ſie den Leib in tieff-gewoͤlbte Gaͤnge /
Wo die Pyramiden die Vorwelt auffgefuͤhrt.
Wo ſolche Mumien in groſſer Zahl und Menge
Ein kluger Pilgersmann noch dieſe Stunde ſpuͤrt.
Wie hat uns nicht der Geitz und Vorwitz drauff gehetzet?
Was ſchrieb ihr nicht der Artztfuͤr eine Wuͤrckung zu?
Ward ſie der Panace nicht eben gleich geſchaͤtzet?
Daß bey Gebrechen ſie offt groſſe Wunder thu.
Es ſey nun daß die Krafft in Safft und Balſam ſtecke /
Womit dem muͤrben Fleiſch ſich weſentlich vereint:
Es ſey auch daß die Gluth der Sonne was erwecke /
Wodurch man der Natur zu Huͤlff zu kommen meynt:
So iſts ein Schattenwerck fuͤr jenen Ewigkeiten
Jn welchen unſer Leib dereinſten leuchten ſol.
Hier muß ihn Tod und Wurm filtriren und bereiten /
Damit er balſamirt auch reucht fuͤr GOtte wol.
Ein andre Mumien kan uns Herr Schoͤps jetzt zeigen /
Der manche Mumien mit ſeiner Hand zerſtuͤckt.
Dein Leichnam lehret uns / wird gleich die Lippe ſchweigen
Daß all ohn Unterſcheid der Tod ins Netze ruͤckt.
Er339Leichen-Gedichte.
Er war nicht unbekandt in dem gevierdten Reicht /
Worinnen die Natur ſich Majeſtaͤtiſch weiſt.
Jetzt ſehen wir nicht mehr als dieſe kalte Leiche;
Die Erde hat den Leib / der Himmel ſeinen Geiſt.
Wiewol er Lebens Zeit gleich Mumien genuͤtzet /
Sein ehrliches Geruͤcht iſt noch ein gut Geruch.
Ein Balſam der fuͤr Gifft und Faͤulnuͤß ihn beſchuͤtzet /
Und ſeinen Namen nicht leſcht aus des Lebens Buch.
Er ließ den ſchwartzen Mohr der Jſis Bildnuͤß tragen /
Jhm war auff ſeiner Bruſt ſein JEſus eingepraͤgt.
Es mag der Copter nach Oſiris Zeichen fragen /
Er hat in ſeine Seit und Wunden ſich gelegt /
Mit bittrem Thraͤnen-Saltz offt ſeine Schuld gewaſchen;
Dieweil ihm wol bewuſt / daß Thraͤnen Engel-Wein /
Daß wir ein ſchwach Gefaͤß voll Erde / Staub und Aſchen
Mit unſern Wercken nichts fuͤr GOttes Antlitz ſeyn.
So eine Mumia hieß des Herr Schoͤpſens Leben /
Das Tugend durch und durch auffs beſte balſamirt.
Diß Ehren-Zeugnuͤß wird der Neid ihm ſelber gebene
Daß er hat ſeinen Lauff mit hoͤchſtem Ruhm vollfuͤhrt.
Sie pflegten Mumien in Leinwand einzuhuͤllen /
Herr Schoͤps der huͤllte ſich in reine Tugend ein.
War ſeinem GOtte treu / dem Nechſten gern zu Willen /
Erſchien mit Rath und That und haßte Schmuck Schein.
So viel Gebrechen kan die Mumie nicht heilen
Als er Artzneyen hat fuͤr Sterbende bereit;
So lieblichen Geruch auch nimmermehr ertheilen /
Als ſeines Namens Ruhm jetzt nach dem Tod ausſtreut.
Und ziert die Mumie der Apothecker Schrancken /
So ſol Herr Schoͤps gewiß vor eine Zierath ſtehn.
Es wird noch lange Zeit ſein Hauß ihm ewig dancken
Und ſeiner Tugend Lob biß an die Stern erhoͤhn.
Auch dieſes Fleiſch und Blut das jetzt der Tod durchbeitzet /
Und gleich wie Pech und Hartz durch Marck Beine zeucht /
Wird zur Verneuerung und auffzuſtehn gereitzet /
Damit es mit der Zeit als wie die Sonne leucht.
Man laß Egypten nun die Mumien erheben /
Daß ſie viel hundert Jahr fuͤr Faͤul und Wurm befreyt.
Es kan die kurtze Schrifft uns mehr Vergnuͤgung geben:
Herr Schoͤpſens Mumie fuͤhrt Geiſt und Ewigkeit.
Y y y 2Pin -340Leichen-Gedichte.
Pindariſche Ode Bey Beerdigung Fr. A. M. S. g. v. V. den 20. Auguſti 1678.
Satz.
WEnn itzt das Jahr betagt erſcheint /
Die Lufft wird friſch / der Himmel weint /
Und uns die langen Naͤchte decken /
So falbt der Baͤume gruͤnes Haar;
Wo vor das ſchoͤnſte Blumwerck war
Da ſiht man nichts als wuͤſte Hecken.
Der Apffel ſo den Baum geziert
Und ſeinen Purpur hochgefuͤhrt
Faͤllt ab / das Graß verwelckt / und die ſo volle Traube
Harrt auff des Wintzers Hand / die ſie vom Stocke raube:
Denn iſt die Luſt und alle Liebligkeit
Von uns hinweg und nur betruͤbte Zeit.
Gegen-Satz.
So gehts mit unſrer Lebens-Friſt
Die einem Herbſt gantz aͤhnlich iſt
Wenn unſre reiffe Jahre kommen /
So mercket man wie allgemach
Das traurig Alter ſchleichet nach /
Und hat uns Safft und Krafft genommen.
Der Jugend Schoͤnheit iſt dahin
Der friſche Muth / der gruͤne Sinn
Die bluͤhende Geſtalt / des edlen Geiſtes Funcken
Der Gaben Treffligkeit ſind allbereit entſuncken.
Und die wir vor ſo jung / ſo ſchoͤn und roth /
Erwarten nun nichts anders als den Tod.
Nach Geſang.
Von Baͤumen gibt der Herbſt / wir vom Gemuͤthe Fruͤchte /
Er kan ſo traͤchtig nimmer ſtehn /
Als wir geziert mit Tugend gehn /
Und ſuchen in der Welt ein ewiges Geruͤchte.
Ob Schoͤnheit ſchon vergeht trit Klugheit an die ſtatt.
Ein hoch und edles Blut das ſeineu Urſprung hat
Von der geſtirnten Hoͤh
Reiſ’t wieder zu den Sternen /
Und341Leichen-Gedichte.
Und ob der Leib vergeh /
Heiſt es die Welt doch lernen /
Daß ihm ihr Jnnbegrieff zu klein fuͤr ſeine Thaten.
Ja daß ein himmliſch Geiſt
Mehr Schaͤtze fuͤhrt und weiſt /
Als Trauben in dem Stock und Koͤrner in Granaten.
Satz.
Sind Menſchen nun ein Bild der Zeit /
Voll Unbeſtand und Fluͤchtigkeit /
Gebaut aus ſchlechtem Leim und Erden?
War diß ein Thon und rother Kloß
Drein GOtt den erſten Athem goß /
Und hieß ihn einen Menſchen werden?
Verkehrt uns denn des Todes Raub
Auch wieder nur in Aſch und Staub?
Hilfft nichts der Jahre May / des Alters Witz und Gaben?
Wird bald ein kleines Kind und bald ein Greiß begraben?
Schallt ſtets die Stimm ſo uns ins Ohre ſchreyt:
Der Menſch iſt nur ein Bild und Spiel der Zeit?
Gegen-Satz.
So muß er auff was beſſers ſchaun /
Und ihm ein Angedencken baun /
Das nicht der Zeiten Zahn verletzet;
Ein Leben daß die Tugend ziert /
Das unter Ehr und Ruhm gefuͤhrt /
Wird von der Nach-Welt hochgeſchaͤtzet:
Denn Tugend / Weißheit und Verſtand
Sind unſrer Sinnen ſchoͤnes Pfand /
Und wer hier wohl gelebt / der kan auch froͤlich ſterben.
Die Handvoll Fleiſch und Blut mag wie ſie wil verderben /
Ob dieſes alte Kleid bricht und zerſchleuſt
So zieret dort der Himmel unſren Geiſt.
Nach-Geſang.
Der Tugend Goͤttligkeit iſt nicht allein zuſchauen /
Bey Maͤnnern denen ſie vermaͤhlt.
Es ſind den Sternen zugezehlt /
Heldinnen jener Zeit und Kronen von den Frauen.
Man preiſt Aſpaſien von Demuth / Scham und Zucht /
Hat nicht Hipparchia die Weißheit ausgeſucht?
Es bleibt Penelope
Der Keuſchheit Schloß und Riegel /
Y y y 3Und342Leichen-Gedichte.
Und einer ſuͤſſen Eh
Die Livia ein Spiegel;
Wird auch die juͤngre Welt ein groͤſſer Wunder leſen /
Als wie auff ihrem Thron
Bey Scepter und bey Kron /
Begluͤckt Eliſabeth die Koͤnigin geweſen?
Satz.
So iſts die Tugend bleibt das Licht /
So durch des Grabes Schwaͤrtze bricht /
Und neuen Schein der Grufft gewehret.
Obſchon die Frau von Schmidefeld
Jtzt nichts als Racht umſchloſſen haͤlt /
Und Faͤulnuͤß ihren Leib verzehret /
So wird doch nicht der Tugend Glantz
Der Ahnen Ruhm und Sieges-Krantz /
Und andre Gaben mehr aus dem Gedaͤchtnuͤß kommen.
Es hat den ſchlechten Theil der Tod nur weggenommen /
Die Seele weiß von der Verweſung nicht /
Und ſchwebet nun in jenem groſſen Licht.
Gegen-Satz.
Hoch-Edler Herr es eilt zur Ruh
Die wertheſte Frau Mutter zu /
Und faͤllt wie itzt das Laub von Baͤumen.
Gleich wie ein Laͤuffer auff der Flucht
Der ſeiner Reiſen Endziel ſucht /
Sich nicht wird bey dem Wirth verſaͤumen:
So eilt ſie aus dem Thraͤnen-Thal /
Zu dem erlauchten Freuden-Saal /
GOtt da von Angeſicht zu Angeſicht zu ſchauen.
Es wird der Menſch wie Graß und Blumen abgehauen.
Doch wie es drauff der Fruͤhling neu gewehrt
So ſol auch einſt ſeyn unſer Leib verklaͤrt.
Abgeſang.
Verbleiben unbewegt bey ſeiner Mutter Leichen
Stuͤnd einem harten Felſen an /
Doch hat er was er ſol gethan /
Wenn er ihr Thraͤnen wird zum letzten Opffer reichen.
Diß heiſchet die Natur / diß fodert Schuld und Pflicht
Und dieſe rinnen ſchon aus ſeiner Augen-Licht.
Hinge -343Leichen-Gedichte.
Hingegen wenn das Leid
Sich etwas hat geleget /
Und er die Sterbligkeit
Jn ſeinem Sinn erweget
Wie Auff - und Unter-Gang einander ſtets umbfangen;
So wird er frey geſtehn
& q; Daß die von hinnen gehn
& q; Den Anfang wahrer Luſt / der Schmertzen End erlangen.
Mitleidige Zeilen Bey Beerdigung F. E. B. den 20. Auguſti 1678.
DEin Brehmer wo du hier nicht ſchoͤne Blumen findeſt /
Wo Tuberoſen nicht in meinen Zeilen ſtehn /
Noch du Granaten-Bluͤth und die Jeſminen bindeſt /
So dencke daß mein Fuß nicht kan auff Roſen gehn.
Jch liege ſelbſten kranck / und ſol dir Troſt zuſchicken:
Wenn hat ein ſiecher Artzt dem Schmertzen obgeſiegt?
Mag eine ſolche Hand die Wunden wol zudruͤcken /
Die von der Gicht gequaͤlt gantz unbeweglich liegt?
Wiewol ich bin kein Stein / ich bin nicht ohn Erbarmen /
Nun deines Hertzens Hertz und Augen-Troſt verfaͤllt /
Nun ſtatt der ſuͤſſen Luſt dich Angſt und Noth umbarmen
Und bleiche Kuͤmmernuͤß in ihren Banden haͤlt.
Allein verzeihe mir / du Mann von deutſchen Sitten /
Du Bild der Redligkeit und Abrieß alter Treu /
Wo nicht mein Pegaſis die hohe Bahn beſchritten /
Und mir der Muſen Gunſt legt keine Lorbern bey.
Ein Leid / das hefftig iſt / fragt nicht nach Wort-Gepraͤnge /
Und Kunſt und Zierligkeit findt nicht bey Thraͤnen ſtatt:
Zu dem iſt mir bekand / daß von dergleichen Maͤnge
Dein reicher Buͤcher Schatz ſchon einen Vorrath hat.
Offt kan ein ſchlechtes Wort tieff ins Gemuͤthe dringen /
Wenn es den Uhrſprung nur aus treuem Hertzen nimmt.
Mein Satz der iſt ſehr kurtz / den ich zum Troſt wil bringen:
GOtt hat / Betruͤbtſter Freund / diß uͤberdich beſtimmt.
Warumb es ſey geſchehn / das iſt nicht auszufragen /
Jn dieſes Rathhaus guckt kein ſterblich Auge nicht.
Du muſt nur mit Gedult den bittern Fall ertragen /
Diß heiſcht dein Chriſtenthum / diß fordert deine Pflicht.
Y y y 4Jch344Leichen-Gedichte.
Jch raͤum es willig ein / daß du itzt Myrrhen ſchmeckeſt /
Und daß mit Aloe dein Trincken ſey vermiſcht.
Jch glaub es / daß du dich mit Kummer-Neſſeln deckeſt /
Und haͤuffig Seelen-weh die Wunden dir erfriſcht.
Warumb? dein Schatz iſt hin / ein Weib von ſeltner Tugend /
Der Haͤußligkeit Smaragd / der Froͤmmigkeit Saphier.
Die mit dir hat getheilt Hertz / Leben / Leib und Jugend
Und die ohn unterlaß koͤmmt deinen Augen fuͤr.
Sie hat dich mehr geliebt als wohl ihr eigne Seele /
Zu deinem Wohlfahrts-Stand den beſten Grund gelegt:
Sie blieb den Schnecken gleich in ihres Hauſes Hoͤle /
Und hat des Rockens mehr als andrer Luſt gepflegt:
Sie war Abigail die weißlich konte rathen /
Und die Cornelia bey ihrer Kinder-Zucht.
Wie einen edlen Stamm entdecken ſeine Schnaten /
So wieß ſie ihre Guͤtt / und ihres Ehſtands Frucht:
Sie thaͤt ihr ſelbſten Weh dein Wohlſein zubeſtaͤrcken /
Was nur erſinnlich war das ſchantzte ſie dir zu:
Ja ihre Froͤmmigkeit / entbrandt von Liebes-Wercken /
Verſchaffte dir bey Tag und Nacht nur Troſt und Ruh.
Befahl dir offentlich dein treues Ampt zu lehren
So lehrte ſie zu Haus mit nicht geringerm Rath.
Sie wolte Meiſterin / als wie du Meiſter / hoͤren /
Auff daß ein gleich Beruff auch gleiche Wuͤrckung hat.
Du kontſt in ihrem Schoß die ſchweren Sorgen toͤdten /
Und ihre Freundligkeit nam deinen Schul-Staub weg /
Jhr Antlitz war ein May / du wuſteſt nichts von Noͤthen /
So bald du nur auff ſie gelenckt der Sinnen Zweck.
Ach aber tauſend Ach! So ungemeine Schaͤtze /
So viel Kleinodien raubt dir des Todes Hand!
Ach unſrer Sterbligkeit gantz eiſerne Geſetze!
Das Auf - und Niedergang ſo nahe doch verwand!
Doch wenn du die Vernunfft dich nicht laͤſt laͤnger blenden /
Der Schulen Haupt und Licht und mein vertrauter Freund /
So weiſt du / daß ſie der holt heim zu ſeinen Haͤnden /
Der erſtlich Leib und Seel zuſammen hat vereint.
Er nimmt ſein Pfand hinweg / es war dir nur geliehen /
Ach liefre mit Gedult / was dir vertrauet / ein!
Wenn Seelen aus der Welt zu ihrem Urſprung ziehen /
Verſichert / daß ſie mehr als hier verſorget ſeyn.
Dir345Leichen-Gedichte.
Dir iſt ja wol bewuſt / daß ſie hat ſterben muͤſſen /
Und dieſer letzte Weg erwartet dich und mich.
Wohl dem / der zeitlich kan die muͤden Augen ſchluͤſſen /
Er legt viel Ungemach und Leiden hinter ſich.
Und ſtreu’ſtu wieder ein: Mir iſt es allzubitter /
Das Ungluͤck iſt zu groß / das mich darnieder beugt /
Der Sturm der iſt zu hart / zuſchwer das Ungewitter /
So uͤber meinen Kopff mit blitzen ſich erzeigt /
Wohlan / erkennſtu nicht des Hoͤchſten Liebes-Schlaͤge?
Jſt ſeine Zuͤchtigung dir denn ſo unbekand?
Du haſt wohl eh gepreißt ſein unerforſchte Wege /
Wenn er dich hat gefuͤhrt durch manchen frembden Sand.
Und mehr / ein Beyſpiel wird dein eigen Ambt dir geben:
Ein Lehrer muß zwar fromm / zugleich auch ſtraͤflich ſeyn /
Wenn ſich der Jugend Tuͤck und Boßheit will erheben /
So hauet er mit Recht auf ihren Ruͤcken drein.
GOtt auch / damit wir uns in Suͤnden nicht vergraben /
Und mit der tollen Welt zu grund und ſcheitern gehn /
So geiſſelt er uns offt als wie muthwillge Knaben /
Damit wir ſeine Recht und Satzungen verſtehn.
Jndeſſen bleibt bey ihm doch ſtets ein Vater-Hertze:
Als wie ein Schulen-Mann ſtets ſeine Jugend liebt.
Mein Brehmer glaube mir / daß bey dem groͤſten Schmertze
Ein Chriſt als wie das Gold im Glauben wird geuͤbt.
Du muſt durch keinen Fall den Muth dir laſſen binden /
Steh hohen Felſen gleich in deinem Thraͤnen Meer;
Ein lang und groſſer Baum verlacht den Sturm von Winden /
Hingegen reicht das Rohr bald ſeine Kolben her.
Du haſt die Welt durchguckt / du weiſt was wir genieſſen /
Jſt Eckel und Verdruß nicht unſer beſte Koſt?
Der Menſch ſo lang er lebt wird peinlich leiden muͤſſeu /
Er lauff aus Sud in Nord / aus Weſten in den Oſt.
Diß ſey dein groͤſter Troſt / ſie iſt dir nicht entnommen /
Als Leit-Stern zeigt ſie dir zu jenem Licht die Bahn.
Sie wird nicht mehr hieher / du aber zu ihr kommen /
Wem iſt nun unter euch weh - oder wohlgethan?
Vergnuͤge dich daß du ſo einen Schatz beſeſſen /
Daß ſo ein Tugend-Weid dir Hertz und Seel erfreut.
& q; Es bleibt ihr Ehren-Ruhm bey allen unvergeſſen /
& q; Und deine Wunden heilt GOtt und die lange Zeit.
Y y y 5Ehren -346Leichen-Gedichte.
Ehren-Ruhm / Hn. M. C. O. D. E. den 21. Auguſt. 1678.
ACh theurer Seelen Artzt! Ach ſchallende Poſaune!
Ach mehr als goͤldner Mund! ſo iſts mit dir geſchehn?
Jch weiß nicht was ich ſchreib / ich zittre und erſtaune
Nun ich dich Sions Ruhm ſol auf der Bahre ſehn /
Unſchaͤtzbarer Verluſt! Wenn ſolche Lichter ſincken /
So glaubt / daß eine Nacht voll Nebel uns erſchreckt.
Wenn dieſe Ampeln nicht mehr in der Kirchen blincken /
So denckt daß Finſternuͤß uns aus Egypten deckt.
Wenn jetzt die Morgenroͤth im erſten Purpur kommen /
Und ſagt den goͤldnen Tag mit friſchen Roſen an;
Und drauf der Sonnen-Licht im Augenblick verglommen
Und ſchwartzer Wolcken-Dampfbezeucht der Erden Plan;
So ſteht die Welt beſtuͤrtzt. Die leichten Vogel ſchweigen /
Das ſtumme Wollen-Vieh vergieſt ſein Laub und Graß /
Ein banges Zittern rauſcht in den begruͤnten Zweigen
Und Flora macht vor Lěid die bunten Augen naß.
Nicht anders gehts mit dir / du Stern gelehrter Geiſter /
Du Fackel / die bißher zu aller Nutz gebrennt /
Du Kern der Wiſſenſchafft / und hoher Kuͤnſte Meiſter
Nach dem du dich ſo fruͤh / ſo fruͤh! von uns getrennt.
Wie girrt nnd ſeufftzet nicht jetzt deine Kirchen-Heerde!
Wie ſehnet ſie ſich nicht nach deinem Himmel-Brod!
Wie ſchreckt ſie nicht die Poſt? Jhr Hirt iſt Aſch und Erde /
Der zu dem Leben wieß iſt ſelbſten kalt und tod.
So ſchallt gemeines Leid. Was aber thun die jenen
Die deiner Tugend Ru m und Treffligkeit verſtehn?
Verlaͤſt du nicht nach dir ein u ablaͤſſig Sehnen?
Und wuͤnſchen ſie mit dir nicht in das Grab zu gehn?
Ach ja! die Tugend ſelbſt betrauret deine Leiche /
Hier ſteht die Gottesfurcht / dort Weisheit und Verſtand:
Unb Demuth und Gedult die winden Lorber-Straͤuche /
Worzu Beſtaͤndigkeit ſchenckt ihren Diamant.
Jch ſeh umb deinen Sarg die Muſen alle ſchweben
Weil du mit hoͤchſtem Ruhm ihr Fuͤhrer konteſt ſeyn.
Jch hoͤre dieſes Lob die gantze Stadt dir geben:
Der Kirche Troſt und Zier deckt nun ein Leichen Stein.
Es347Leichen-Gedichte.
Es wird manch feurig Geiſt der ſpaͤten Nachwelt ſagen
Mit was fuͤr Eyfer du des Hoͤchſten Wort gelehrt:
Der Nachruhm auch dein Lob auf goͤldnen Schwingen tragen
Und Saͤulen graben ein die keine Zeit zerſtoͤrt.
Nunmehr / erlauchte Seel / entriſſen von den Banden /
Wormit die Eitelkeit uns taͤglich noch beſtrickt /
Gekroͤnte Siegerin in den gelobten Landen /
Wo GOttes Majeſtaͤt dich weſentlich erquickt /
Jetzt meißt du voͤllig aus den Kreiß der Ewigkeiten
Worzu du noch allhier die Linien gefuͤhrt.
Jetzt ſieheſt du erfreut geſtellet zu der Seiten
Die deine Donner-Stimm und Lehre hat geruͤhrt.
Wie aber ehren wir den letzten Reſt der Aſchen?
Sol Ortlobs Name nicht bey uns im Segen ſeyn?
Ein Heyde mag den Leib mit frembdem Balſam waſchen /
Wir pregen Ortlobs Ruhm Hertz und Gemuͤthern ein.
Ach andrer Auguſtin im lehren / ſtraffen / lieben!
Ach Jrenaͤus Geiſt wenn es zum Friede kam!
Ach Polycarpens Glimpff in der Gedult zu uͤben!
Baſil in deſſen Hertz des Nechſten Liebe glam!
Hat dem Ambroſius auf ſeine zarte Zungen
Ein gantzes Bienen-Heer den Honig-Thau gelegt:
So haſt du gleiches falls / O Seelger / durchgedrungen
Wenn dein beredter Mund getroͤſt / erſchreckt / bewegt.
Und wieß Jgnatius im Mittel ſeines Hertzen
Wie JEſus-Name da mit goͤldnen Zeilen ſtand /
Gewiß / daß man bey dir im Leiden / Creutz / und Schmertzen
Jn deinem Hertzen auch dergleichen Denckſchrifft fand.
Du wareſt ein Juſtin wenn grimme Wetter krachten
Und lieſt den harten Sturm auf deiner Scheitel ſtehn /
Wenn Teuffel / Welt und Hoͤll ein feſtes Buͤndnuͤß machten
Und wolten mit Gewalt dir an die Seele gehn.
Du haſt wie Athanas doch alle die beſieget
Und deine Glaubens-Prob in Angſt und Noth bewehrt.
So einem Helden-Geiſt der niemals unten lieget /
Wird von dem Himmel ſelbſt dergleichen Muth beſchert.
Und heiſt Chryſoſtomus der Gottesfurcht ihr Tempel /
Der Tugend Jnbegrieff / der Andacht Sacriſtey /
So ſag ich mit Beſtand daß Ortlob ein Exempel
Und wahres Ebenbild dergleichen Lehrer ſey.
Was348Leichen-Gedichte.
Was andre du gelehrt / das haſt du ſelbſt vollzogen /
Den jenen Spiegeln gleich / die rein und unbefleckt /
Durch deren Anblick nie kein Auge wird betrogen /
Und unter deren Glantz nicht falſche Farbe ſteckt.
Du ſtandſt in GOttes Haus als eine goͤldne Saͤule /
Ein Brunnen Jſraels / der reiche Quellen goß:
Die Zunge war ein Blitz / ſo die beflammten Pfeile
Jn der Zuhoͤrer Ohr / Hertz und Gewiſſen ſchoß:
Die groſſe Wiſſenſchafft bekroͤnten holde Sitten;
Wenn Sanfftmuth und Gedult Geferten muſten ſeyn /
Und wo du als ein Artzt gebrennet und geſchnitten /
Da floͤſt du wieder Oel den rauhen Wunden ein.
O hoͤchſtes Meiſterſtuͤck bey zaͤrtlichen Gewiſſen!
Wie haſt du ferner nicht die letzte Noth erklaͤrt /
Und unſre Sterbligkeit vollkommen abgeriſſen /
Wie die ermuͤdte Seel aus ihrem Kercker faͤhrt.
Biſt ſelbſt dir ein Prophet durch dieſe Schrifft geweſen /
Nur daß uͤns allzu ſehr der ſchnelle Hinzug druͤckt.
Wir wuͤnſchen ferner noch dein Reden / Schreiben / Leſen
Das die gelehrte Welt ſo vielmal hat erquickt.
Und wer verlangt dich mehr? wer wird dich erſt vermiſſen?
Dein Eh-Schatz derer Leid noch Ziel noch Graͤntzen hat /
Die faſt mit dir ins Grab wird lebendig geriſſen /
Und wuͤnſcht an deiner Seit auch ihre Ruheſtatt.
Der Vater-loſen Schaar ihr Seufftzen und ihr Wimmern
Steigt es nicht Wolcken an biß an des Himmels Schloß?
Doch glaubt / Betruͤbteſte / das klagen und bekuͤmmern
Erhoͤrt der Herren HErr / und haͤlt es werth und groß.
Der GOttes Wunder hat zu vieler Troſt geprieſen /
Bey deſſen ſeinem Haus wird Gott noch Wunder thun:
Er hat als Vater ſich von Ewigkeit erwieſen /
Wie ſolte denn auf euch nicht auch ſein Seegen ruhn:
Troſt-Zeilen / Bey Beerdigung Fr. A. v. F. g. K. den 25. Aug. 1678.
WEn red ich erſtlich an? die Mutter ſchwim̃t in Thraͤnen /
Und klagt / wie Hecuba / der liebſten Tochter Tod:
Du aber / werther Freund / ſtoͤſt Seufftzer aus und Sehnen
Und gleiches Seelen-Weh’macht dir die Augen roth.
Hier349Leichen-Gedichte.
Hier theilt das Trauren ſich in unterſchiedne Flutten /
Weib / Tochter / Schweſter / Muhm und Mutter wird ver -
Ach Fall! der vieler Hertz auff einmal heiſſet bluten /
(mißt.
Leid! deſſen Bitterkeit nicht leicht ein Troſt verſuͤßt.
Diß iſt der letzte Stoß / Geehrte Frau / deß Hertzen /
Der Hintrit rafft zugleich die Lebens-Geiſter hin /
Diß iſt der Kern der Noth / der Auszug von den Schmertzen /
Der biß ins ſchwartze Grab beugt den gekraͤnckten Sinn.
Bey ihres Alters Schnee / bey den verlebten Tagen
War ja die Seelige ihr Augen-Troſt und Licht /
Bey ſteter Einſamkeit / bey vieler Kranctheit Plagen /
Hat ihre Pfleg und Treu ſie viemals auffgericht.
Jhr Alles das hieß ſie / ihr dencken / und ihr hoffen
War bloß der Toͤchter Gluͤck und Wolfarth anzuſchaun:
Der treue Hertzens-Wunſch hat auch den Zweck getroffen /
Wenn ſie den Bienen gleich ſie ſah die Nahrung baun.
Zerſchmoltze nicht ihr Hertz in unermeßnen Freuden.
Als ſie zum erſten mal ein Enckelein erblickt /
Und konte ſie wol ſatt ihr Aug und Seele weiden
Als GOttes Seegen mehr der Enckel hat geſchickt.
Sie ſah nun ihr Geſchlecht in Leibes-Erben leben /
Und wie der Tochter Haus ein fruchtbar Weinſtock war /
Sie ſahe Gluͤck und Heil ob ihren Kindern ſchweben /
Und baute Gottes Guͤt ein Lob und Danck-Altar.
Denckt ſie an jene Luſt / wenn gleich des Oelbaums Zweigen
Die Blumen aus der Eh ſo Bett als Tiſch bekroͤnt /
Und konten hocherfreut die groſſe Mutter zeigen /
Wenn ihr noch lallend Mund diß ſuͤſſe Wort erthoͤnt.
Wer hat ſie werthſte Frau / geſegnet nicht geprieſen?
Schien nit des Himmels-Gunſt verſchwendriſch ihr geneigt?
Der Tochter Ehſtand war gleich einer vollen Wieſen
Wo Florens milde Hand die ſchoͤnſten Blumen zeigt.
Ja diß war auch ihr Wunſch / wenn ſie nun ſatt am Leben
Nach Gottes hohen Rath verlieſſe dieſes Rund /
Die liebſte Tochter ſolt ihr das Geleite geben /
Und mit getreuer Hand zudruͤcken Aug und Mund.
Wie ſtrauchelt doch der Menſch mit Sinnen und Gedencken?
Des Hoͤchſten Finger ſtreicht bald unſern Vorſatz weg.
Sie muß itzt wieder Wunſch ins Grab die Tochter ſencken
Und ein unendlich Leid iſt ihrer Hoffnung Zweck.
Wie350Leichen-Gedichte.
Wie rufft ſie / wolte GOtt ich koͤnte vor dich ſterben /
Weil mich deß Alters Laſt auch Krafft und lebloß macht!
Ach daß dir ſol der Tod der Jugend Bluͤthe faͤrben /
Und mich ſtat deiner nicht bedeckt mit ſeiner Nacht!
Dein Sterbe-Kittel wird mein letztes Kleid auch heiſſen /
Man ſcharrt mit deinem Leib zugleich mein Hertz mit ein.
Ach daß mein Lebens-Garn und Faden nicht will reiſſen /
Auf daß ich moͤchte bald bey meiner Tochter ſeyn!
So ſeufftzt ſie / werthſte Frau: doch wo ſie noch zurucke
Aus tieffer Traurigkeit auf ihren Eydam ſieht /
So findet ſie alldar die groͤſten Jammer-Blicke /
Und wie in heiſſer Angſt itzt ſeine Seele gluͤht.
Sie klagt der Tochter Leich er aber klagt ſein Hertze /
Das itzt der Todes-Pfeil gleich in zwey Stucke bricht.
Sein gantz verlaßnes Haus beraubt der Sonnen Kertze
Sitzt itzt in Finſternuͤß ohn allen Schein und Licht.
Wo ſoll er erſtlich hin die naſſen Augen wenden?
Wohin er ſich nur kehrt ſtehn Zeugen ſeiner Noth:
Es klingt der Trauer-Schall an allen Ort und Enden /
Mein Eh-Schatz iſt dahin / und unſer Mutter Tod.
Und ſolte nicht ſein Leid biß aufs Gebeine freſſen /
Wenn er reif uͤberlegt was er verlohren hat?
Solt er der Wunder-Lieb und ſeltnen Treu vergeſſen
Der Tugend Treffligkeit / den Witz / den klugen Rath?
Es konte ja ſein Hertz ſich gantz auf ſie verlaſſen /
Von allen Guͤtern war ſie doch ſein beſtes Gut.
Er konte bey ihr Troſt / Freud und Vergnuͤgung faſſen /
Und ihre Freundligkeit erquickt ihm Geiſt und Muth.
Daß ſeiner Handlung Lauff im beſten Flor gebluͤhet /
Daß Wohlfarth / Gluͤck und Heil bey ihm iſt eingekehrt /
Hat als Gehuͤlffin ſie ſich Tag und Nacht bemuͤhet
Friſch / wachſam / weiß und klug / zur Arbeit unbeſchwert.
Und war ihr Ehſtand nicht ein Garten voller Fruͤchte?
Hat ſie nicht das Geſchlecht mit Erben auffgebaut?
Und kehrt er auf die Schaar der Waiſen ſein Geſichte /
Verſichert / daß er da der Mutter Bildnuͤß ſchaut.
Und ihre Froͤm̃igkeit leucht als der Toͤchter Minen /
Und ihrer Tugend Art ſcheint auch in ſie gepraͤgt:
Die Sorge vor das Haus / die Embſigkeit der Bienen
Jſt von der Mutter Blut auch ihnen eingelegt.
Diß351Leichen-Gedichte.
Diß ſol hochwerthſte Frau / und Freund verſenckt in Schmer -
Bey eurem grimmen Leid ein heilſam Pflaſter ſeyn: tzen /
Daß ob die Seelige ſchon von der Welt muß ſtertzen /
Euch zur Verwahrung legt dergleichen Pfaͤnder ein.
Und denn / ſo iſt ihr Tod ein Hingang bloß zu nennen /
Auß dieſem Hecken-Land in jenes Roſen-Reich.
Uns werden noch auhier ſtets Dorn und Diſteln brennen /
Da ſie in Wonne lebt von keiner Qual mehr bleich.
Medea mag im Krieg als eine Heldin ſterben /
Eh als ſie der Geburt Weh / Angſt / und Schmertzen traͤgt:
Der ſeelige Beruſſ der heiſt den Himmel erben /
Und Weibern auch darzu die Stuffen hat gelegt /
Hieß unſre Seelige in keiner Angſt verſchmachten /
Ob ſchon der ſieche Leid von Kranckheit angefuͤllt /
Und Schmertzen ohne Zahl ihr dieſe Poſten brachten /
Sie wuͤrde zeitlich ſein ins Leichtuch eingehuͤllt.
Gleich wie ein Pelican gibts Leben fuͤr die Jungen /
So ließ ſie auch den Geiſt vor ihren lieben Sohn /
Jſt nun durch alle Noth großmuͤthig durchgedrungen
Und traͤgt als Siegerin die ſchoͤnſte Lorber-Kron.
Betruͤbtſte Frau und Freund in Witber-Stand verſetzet
Ach denckt in eurem Sinn dem edlen Wechſel nach!
GOtt holt ſie darumb heim weil er ſie wehrt geſchaͤtzet:
Diß mindre Leid und Schmertz und eure Thraͤnen-Bach!
Die Triumphirende Gedult / Bey Beerdigung Fr. A. E. K. g. G. den 1. Sept. 1678.
ZOg das ſo ſtoltze Rom / die Herꝛſcherin der Erden /
Wenn ſie den Feind erlegt und ſeine Macht zerſtreut /
Jns goͤldne Capitol mit weiſſen Sieges-Pferden /
Und hat den Lorber-Krantz deß Jovis Schoß geweyht:
So ſag ich mit mehr Ruhm und beſſerem Gepraͤnge
Zeucht die Frau Knorrin jetzt ins Schloß der Ewigkeit.
Jhr iſt das groſſe Rund der weiten Welt zu enge /
Und ihr behertzter Fuß zertritt das Rad der Zeit.
Zu dem ſo traͤgt ihr Haupt was mehr als Lorber-Kronen /
Jhr Krantz iſt ſchoͤner noch als Gold und Edelſtein /
Jhr Sieg vollkommener / denn derer die hie wohnen /
Weil Glauben und Gedult ihr Schatz und Beute ſeyn.
Was352Leichen-Gedichte.
Was hat in kurtzer Zeit fuͤr Gut ſie nicht erſtritten?
Nun ſie den Uberfluß der Himmels-Fuͤll erlangt.
Es ſcheint ein Augenblick darinnen ſie gelitten /
Da ſie auf ewig jetzt fuͤr Gottes Throne prangt.
Und diß macht die Gedult / daß ſie ſo herꝛlich ſieget /
Die Tugend ſo gewiß der andern Koͤnigin.
Die ſtaͤrckt den ſchwachen Geiſt / daß er nicht unten lieget /
Fuͤhrt von der Erden ab zum Himmel unſern Sinn.
Ruhmſeeligſte Gedult / wer preiſt nicht deine Wercke?
Und wem iſt unbekand die Groͤſſe deiner Macht?
Du giebſt dem Hertzen Troſt / dem Glauben Licht und Staͤrcke
Und ſteheſt unbewegt wenn Erd uud Welt erkracht.
Regiert nicht deine Hand die Ketten von dem Frieden?
Bauſt du die Liebe nicht ſambt der Beſcheidenheit?
Wenn du die Buß erwegſt; wird Suͤnde nicht vermieden?
Des Fleiſches Luſt gedaͤmpfft / der Geiſt davon befreyt?
Und hemmſt du nicht die Zung und bindeſt unſre Haͤnde?
Heiſt du uns nicht getroſt auch bey Verſuchung ſeyn?
Und machſt dem Aergernuͤß und was uns kraͤnckt ein Ende /
Daß wir gleich Maͤrtyrern den Himmel gehen ein?
Du biſt der Armen Troſt / ein Ziel und Maß des Reichen /
Dem Schwachen hilffſt du auf / dem Starcken daß er bleibt
Du biſt deß Glaͤubigen erwuͤnſchtes Freuden-Zeichen /
Des Heyden Angetrieb / daß er ſich dir verſchreibt.
Du ziehrſt das Frauen-Volck und wirſt am Mann geprieſen /
An Juͤnglingen gelobt / an Knaben hoch geliebt.
Es iſt kein Alter nicht / daß dir nicht Ehr erwieſen
Und das dir willig Raum und Wohnſtaͤtt bey ſich gibt.
Vornemlich hat ihr Hertz Frau Knorrin dir ergeben /
Du muſteſt Tag und Nacht bey ihr Gefertin ſeyn.
Und wie du Fuͤhrerin begleitet ſie im Leben /
So ſeh ich dich annoch bemuͤht umb ihren Schrein.
Wir ſinnen nur umbſonſt ein Denckmal ihr zu ſetzen
Weil ſelbſt den Leichenſtein du / O Gedult / gelegt.
Es wuͤrde ſonder Ruhm der Kuͤnſtler Schrifften aͤtzen
Weil dein warhafftig Mund ihr Zeugnuͤß bey ſich traͤgt.
Wie ſie von Jugend auff ſo eifrig GOtt geliebet /
Wie ſie nach ſeinem Wort ihr Leben eingericht /
Jhr Chriſtenthum durch dich vollkommen ausgeuͤbet /
Ja dich in Creutz und Angſt gebraucht als Troſt und Licht.
Das353Leichen-Gedichte.
Das auffgelegte Joch war ihr nicht ſchwer zu tragen /
Sie wuſte was fuͤr Heil und Nutz darunter lag.
Sie kante zwar die Hand / die zuͤchtigen und ſchlagen
Allein auch wiederumb die Wunden heilen mag.
Jhr Hoffen ward dadurch nur weiter angereitzet;
Gleich wie der Ackers-Mann bey duͤrrer Sommers Zeit
Den Himmel eiſern ſiht / und ſtets nach Regen geitzet /
Biß die erfeufftzte Fluth ſo Feld als Wald erfreut.
So wartete ſie auch der Huͤlff und Troſt des HErren /
Und hieß ein koͤſtlich Ding gedultig koͤnnen ſeyn.
Es mochte Hoͤll und Tod den Rachen auff ſie ſperren
Sie ſchloß ſich wolgemuth des Heilands Wunden ein /
Und ſah wie Stephanus ſchon da den Himmel offen /
Als ihr verweßlich Fleiſch und Huͤtte brach entzwey /
Rieff / daß mein glaͤubig Hertz und mein gedultig Hoffen
Zu jenem Ehren-Schloß mir Weg und Pforte ſey.
Allein was muͤh ich mich die Tugend abzumahlen
So ich ſeh weſentlich hier bey der Leiche ſtehn.
Es iſt ja die Gedult in ihren reinen Stralen /
So ſelbſt der Todten Lob und Nach-Ruhm wil erhoͤhn.
Jhr ſittſames Geſicht und Heiterkeit der Stirne /
Weiſt daß ſie weder Zorn noch arger Neid verſtellt /
Der Augen Scham und Zucht / die Demuth im Gehirne /
Und daß Verſchwiegenheit den Mund verſiegelt haͤlt.
Die Farbe iſt anders nicht als bloß der Unſchuld Zeichen /
Es lehrt ihr weiß Gewand des Hertzens Reinigkeit /
Jhr Arm der gerne dient und allen Troſt wil reichen /
Winckt den Betruͤbtſten zu in ihrem Schmertz und Leid.
Sie oͤffnet noch den Mund / wie feſt er ſonſt geſchloſſen /
Und ſagt: der Todesfall / Herr Knorr / kraͤnckt ſeine Bruſt
Er klagt jetzt ſeinen Schatz und treuen Ehgenoſſen /
Und zwar er klagt mit Recht den ſchaͤtzbaren Verluſt.
Wiewol er muß auch hier mein Wort was laſſen gelten
Den Kindern muß mein Spruch tieff in das Hertze gehn.
Jſt denn des Hoͤchſten Schluß zu muſtern und zu ſchelten?
Der Menſchen ſterben heiſt / und wieder aufferſtehn.
Warumb betraurt man ſie? ſie iſt ja nicht verlohren:
Sie iſt voran geſchickt / wir folgen endlich nach.
Sie war mit dem Geſetz ſchon auff die Welt gebohren /
Daß ſie als Pilgramin verließ ihr irrdiſch Dach.
Z z zMan354Leichen-Gedichte.
Man muß nur mit Gedult vermiſchen Leid und Sehnen
Wer wil / wenn GOtt uns rufft denn widerſpenſtig ſeyn?
Und was zum Troſte dient / die hier geſaͤt mit Thraͤnen /
Die erndtet dort vergnuͤgt die Freuden-Garben ein.
Ja ſeufftzet mehr / Herr Knorr / daß ihm ſo viel entgangen /
Und daß ſie allzu fruͤh geſegnet dieſe Welt?
So denck er / daß es GOtt ſo uͤber ihn verhangen /
Daß ohne ihn kein Haar von unſer Scheitel faͤllt.
Vermißt der Kinder-Schaar das treue Mutter-Hertze?
Scheint ihre Pflege noch beynoͤthig ſtets zu ſeyn?
Getroſt / bey dieſer Noth und heiß entbrantem Schmertze
Streut auch die lange Zeit von Linderung was ein.
Laſt euch / Betruͤbteſte / das Leid nicht uͤberwiegen /
Es ſchwebt der Seel’gen Geiſt in GOttes Gnad und Huld:
Jhr werdet uͤber euch und uͤber andre ſiegen
Wenn ihr zur Richtſchnur braucht mich Chriſtliche Gedult.
Troſt-Zeilen Bey Beerdigung Hn. G. A. den 7. Sept. 1678.
BEh / alter Vater / zu der Ruh /
Und ſchleuß die muͤden Augen zu /
Der Menſchen letzte Pflicht heiſt ſterben;
Wol dem der ſo von hinnen zeucht!
Du haſt den ſichern Port erreicht /
Und kanſt getroſt den Himmel erben.
Es konte dir das Rund der Welt /
So nichts als Jammer in ſich haͤlt /
Nur Eckel und Verdruß mehr geben.
Dir war ja ſatt und wol bekand /
Daß bey dergleichen Jahre Stand
Sey lange Qual ein langes Leben.
Drumb wuͤnſcht die Seele frey zu ſeyn /
Legt ab die Adern und Gebein
Als Kleider ſeiner irrd’ſchen Huͤtten.
Was Staub iſt und verweſen kan /
Das wird ins ſchwartze Grab gethan /
Da mag es Faͤul und Wurm zerruͤtten.
Allein dein guter Leumund nicht /
Der brennt in ſeinem Ehren-Licht /
Und355Leichen-Gedichte.
Und ſtralet / wie bey Nacht die Sternen.
Es ſieht / wie in dem Spiegel / klar
Der hinterlaßnen Enckel Schaar /
Was ſie von dir noch hat zu lernen.
Dein feurig Geiſt / dein hurtig Muth /
Der dir das Zunder-reiche Blut
Von Jugend auff hat angefeuret /
Daß du den Ehren nachgeſtrebt /
Und wie ein Biedermann gelebt /
Der ſeine Zeit der Tugend ſteuret.
Die Reiſen in ſo manches Land /
Die Sprachen ſo dir wol bekand /
Die Kuͤnſte / ſo bey Krieg und Frieden
Gemeinem Weſen noͤthig ſeyn /
Die ſcharrt man / wie den Leib / nicht ein /
Sie ſeyn von uns unabgeſchieden.
Der Weißheit Marck und Sitz Athen
War muͤhſam dieſe zu erhoͤhn /
So ſich umbs Vaterland verdienet.
Es ſtund der beſte Redner auff /
Die gantze Stadt die lieff zu Hauff /
Und hoͤrte wie ſein Ruhm gegruͤnet.
Gewiß o Seel ger / das nicht ſchweigt
Die Mutter ſo dich hat gezeugt /
Budorgis / ſie wird frey bekennen:
Daß du als ein gehorſam Sohn
Pflagſt nach der Buͤrger Ehren Kron
Als wie ein muthig Pferd zu rennen.
Man darff die alten Roͤmer nicht /
Und was ſonſt melden die Geſchicht /
Als Wunder der Exempel preiſen.
Die unverruͤckte Pflicht und Treu
Legt dir dergleichen Zeugnuͤß bey /
Das du trotz jenen auff kanſt weiſen.
Mit Ruhm ein treuer Buͤrger ſeyn
Das iſt ein Lob / ſo nicht gemein /
Und hoch erhaben von den Alten:
Sie ſchaͤtzten es ſo groß und werth /
Als wenn man ſonſt durch Spieß und Schwerdt
Von Feinden einen Sieg erhalten.
Z z z 2Nun356Leichen-Gedichte.
Nun dieſer unverfaͤlſchte Ruhm
Wird auch dein wahres Eigenthum
O Seeliger / im Tode bleiben:
Der Buͤrgerliche Sieges-Krantz /
Umbgiebt dein Grab mit neuem Glantz /
Und wird den Cedern gleich bekleiben.
Was meld ich von der Redligkeit?
Dem ſeltnen Wildpret dieſer Zeit /
Die dir in Stirn und Hertz geſchrieben.
Mit dem du Freundſchafft haſt gepflegt /
Der ward Krafft derer angeregt /
Daß er dich immer muſte lieben.
Man hoͤre nur zum Zeugen an
Wie jetzt dein untergebnes Fahn
Dich Eltſten Capitain beklaget /
Und was mit gutem Fug und Grund
Der Buͤrger allgemeiner Mund /
Von deiner Treu und Tugend ſaget.
Gluͤckſelig / wer diß Lob erwirbt /
Der iſt verſichert wenn er ſtirbt /
Daß noch ſein Angedencken bluͤhet.
Noch Stahl / noch Ertz / noch Marmelſtein
Kan ſo ein ſchoͤnes Denckmahl ſeyn /
Wie herrlich es von auſſen ſiehet.
Und heiſt es auch ein Freuden-Blick /
Wenn man erlebt der Kinder Gluͤck /
Und kan ihr Wolergehen ſchanen.
So hat des Hoͤchſten Seegen-Hand
Dir Seeliger viel zugewand /
Und dich durch ſie mehr wollen bauen.
Drumb kroͤnet nun auch deine Baar
Der Kinder und der Enckel Schaar /
Und ehrt dich noch zuletzt mit Zaͤhren /
Sie wuͤnſcht / daß Coͤrper und Gebein /
Jn Ruh und Frieden moͤgenſeyn /
Biß es der Hoͤchſte wird verklaͤren.
Betruͤbteſte wer wil das Leid /
So lang es nur Beſcheidenheit
Und die Gedult behaͤlt in Schrancken /
Verwerffen? weil wol nimmer nicht
Ein357Leichen-Gedichte.
Ein Kind erfuͤllen wird die Pflicht /
Womit es ſol dem Vater dancken.
Wer kan in ſolchem Ehren-Schnee /
Diß Kummer-Thal / die Thraͤnen-See
Auswechſeln mit den Friedens-Haͤuſern /
Der darff ſich ja der ſchwartzen Grufft /
Wenn ſie ihn auszuſchlaffen rufft /
Und der Verweſung nicht entaͤuſern.
Bey Beerdigung Hn. A. O. den 3. Octobr. 1678.
HErr Oehm wird auff die Meſſ / ihr Leipziger / nicht kom - men /
Umbſonſt erwartet ihn Gewoͤlbe / Tiſch und Haus.
Und habt ihr noch zur Zeit die Urſach nicht vernommen?
Er zahlt itzt der Natur den letzten Wechſel aus.
Er macht itzt einen Schluß auff mehr als Millionen /
Verkehrt ſein fahrend Haab in ein beſtaͤndig Gut.
Gewinnt / o Wunderwerck! an Pfennigen Duplonen:
Jſts moͤglich daß ein Mann ſo groſſe Dinge thut?
Und wohl dem der alſo die Conte hat geſtellet /
Wie richtig wird er nicht die letzte Stunde ſtehn!
Jch weiß / ihr Leipziger / daß ihr das Urtheil faͤllet:
Herr Oehm hat ausgezahlt / er mag nun weiter gehn.
Und freylich geht er weg vom Jahrmarckt aller Suͤnden /
Von der grundboͤſen Welt / der Meſſe voller Trug /
Wo ein neu Ungeheur von Laſtern ſtets zufinden /
Wo Weißheit naͤrriſch iſt / und Narrheit weiß und klug:
Wo wir den Kindern gleich mit Tocken-Spiele handeln /
Wo wir bey Mangel reich / und arm bey Reichthum ſeyn.
Gleich Fechtern / die geblendt nur in dem finſtern wandeln /
Und wechſeln Kieß und Glaß vor Perl und Demant ein.
Wo keine Flacke nicht ſteckt unſerm Geld-Durſt Graͤntzen /
Wo uns die Element nicht ſattſam geben Zoll;
Wo unſre Duͤrfftigkeit kein Zufluß kan ergaͤntzen
Und jeder Platz und Raum iſt von Banditen voll.
Wo Worte ſonder Werck / und Wercke ſonder Liebe /
Wo ein verſtelltes Hertz das Muſter dieſer Zeit.
Wo Blicke Stricke ſind / und Minen ſolche Diebe /
Die heimlich brechen ein durch Schertz und Freundligkeit.
Z z z 3Wo358Leichen-Gedichte.
Wo in dem Eigen-Nutz das Hertze wird entbrennen /
Und wenns am Nechſten koͤmmt / iſt Lieb und Wohlthat kalt.
Wo wir die Balcken leicht bey uns / nicht Splitter kennen /
Und aͤndern nach dem Gluͤck auch Sinnen und Geſtalt;
Wo wir an eignen Ruhm / an GOtt ſehr wenig dencken
Und deſſen Ehr und Furcht nur loͤblicher Gebrauch.
Wo wir dem Teuffel Gold und fetten Storax ſchencken /
Hingegen unſerm GOtt der Suͤnden Dampff und Rauch;
Wo jeder fehlen wil nur andern zugefallen /
Wo Treu und Eydſchwur nur ein Mantel nach der Welt;
Wo Honig in dem Mund und in dem Hertzen Gallen /
Wo man ſich zu dem Theil / das obgeſieget / haͤlt.
Wo Deutſche Redligkeit ein Povel von den Wahren /
Die ein verſchmitzter Mann zu ſehen nicht begehrt;
Wo Argliſt und Finantz bedaͤchtiges verfahren /
Und wers am beſten kan / der erſten Stelle werth:
Wo aller Uppigkeit befreyte Niederlage /
Wo man die Tugend aus / die Laſter fuͤhret ein.
Wo der Gerechtigkeit gantz umbgekehrte Wage /
Und / was gleich vormals recht / kan dennoch recht nicht ſeyn:
Wo man nichts anders packt als ſchlimm und falſche Ballen /
Und mit der Ladung noch die Graͤntzen uͤberſtreicht:
Wo Suͤnden insgemein / die ſchwerer als Metallen /
Der Menſchen leichter Sinn nicht einem Quintlein gleicht.
Wo kein beſtaͤndig Gut Beſtaͤter koͤnnen dingen /
Was unverweßliches ein Fuhrmann laden kan;
Wo kein Vermoͤgen nicht uns je Gewinn wird bringen /
Und wo das Capital man nur legt uͤbel an.
Von dieſem Marckt der Welt / von ſolcher Greuel-Meſſe
Entzeucht der Seelige / wie allzeit / ſeinen Fuß.
Verkehrt den Freuden-Baum in eine Traur-Cypreſſe
Und gibt den Seinigen den letzten Abſchieds-Kuß.
Nicht daß er ferner wil zu ihnen wiederkommen /
Der Wechſel iſt zu groß und der Gewin zu hoch.
Nein / wer des Himmels Sitz und Erbtheil eingenommen
Denckt nicht mehr an die Welt und an ihr irdiſch Joch.
Begluͤckter Handels-Mann / der ſo die Guͤtter fuͤhret
Daß er das hoͤchſte Gut darbey erlangen kan:
Der ſeine gantze Zeit den Glauben nie verliehret
Und ſtellt gerecht und ſchlecht den Hand - und Wandel an.
Er359Leichen-Gedichte.
Er findt ins Lebens-Buch ſich uͤberall geſchrieben /
Es raubt noch Hoͤll - und Feind das ihm verſprochne Gut.
Und iſt von Schwachheit je und Suͤnden noch was blieben /
So hat dafuͤr genung gethan des Heilands Blut.
Was huͤlffes ſonſt den Menſch viel Schaͤtze zugewinnen /
Wenn er dabey Verluſt an ſeiner Seelen fuͤhlt?
Muß nicht das Gut der Welt wie eine Fluth zerrinnen?
Wohl dem / der hier den Zweck der Ewigkeit er zielt.
Begluͤckter Handels-Mann / der erſt was oben ſuchet /
Der ein warhafftig Lob laͤſt bey gemeiner Stadt /
Daß niemand ſeinem Grab / und ſeiner Aſche fluchet
Noch etwas wiedriges darauff zu ſprechen hat!
Herr Oehmens Redligkeit war ohne Schuld und Flecken /
Jndem kein falſches Wort von ſeinen Lippen ging /
Er pflegte ſein Gemuͤth und Hertz nicht zuverſtecken /
Treu war ſein Wapen-Schild / Beſtaͤndigkeit ſein Ring.
Die Moden von der Zeit / die Maſquen von Gebehrden
Das ſchien ein Gauckel-Spiel in ſeinem Deutſchen Blut.
Und obſchon Laſter itzt zu Sitten wollen werden /
So war der Phantaſey ſein redlich Hertz nicht gut.
Es wird manch werther Freund noch dieſen Freund vermiſſen:
Klagt itzt das Armuth nicht / ſein Vater ſey dahin.
Der leicht nicht was verſagt / iſt allzu fruͤh entriſſen.
Wo iſt die freye Hand / wo ſein mitleidig Sinn?
Wie aber ſol ich itzt des Hauſes Leid entdecken?
Wem ſchick ich erſtlich Troſt bey dieſen Wunden zu?
Die Liebſte ſeufftzt und girrt / wie eine Taub in Hecken /
Die ihren Gatten ſucht / und findet nirgend Ruh.
Die Kinder ſchlieſſen gleich bethraͤnt des Vatern Augen /
Und thun die letzte Pflicht nach der Natur Geheiß.
So geuſt auch Kindes-Kind was von der Zaͤhren-Laugen;
Und haͤngt der Regung nach / die ſie kaum kennt und weiß.
Gar keinen mangelt Zeug von ſeiner Noth zuklagen /
Allein mein Troſt iſt kurtz in dieſen Reim gefaſt:
Was GOtt hat aufferlegt / das lerne man doch tragen /
Je mehr man es empfind’t je ſchwerer iſt die Laſt.
Herr Oehm geht Ehrenvoll bey den begrauten Haaren
Jns Grab / ſein Schlaffgemach / und Haus der Sicherheit /
Laͤſt Erbenhinter ſich / die ſeinen Ruhm bewahren /
Den Sohn dem Phoͤbus hat den Lorber-Krantz geweyht.
Z z z 4Sein360Leichen-Gedichte.
Sein Wandel der verdients daß man ihn nicht vergeſſe /
Sein Angedencken ſol bey uns geheiligt ſeyn:
Herr Oehm / ihr Leipziger / kommt nicht mehr auff die Meſſe /
Raͤumt einem andern nur Gewoͤlb und Kammer ein.
Troſt an die Fr. Wittib Hn. J. V. den 10. Octobr. 1678.
WEr kan den Wunder-Schluß des Hoͤchſten ſatt er - gruͤnden?
Sein Allmacht legt ſich ſelber aus
So bald ſie ſpricht: Beſtell dein Hauß
O Menſch man wird dich todt im Sarche morgen finden.
Da iſt das Ziel verkehrt / der Vorſatz gantz verruͤckt
Und alles bieibet nach worzu wir uns geſchickt.
Herr Vogel / der bey ſich hatt allbereit entſchloſſen /
Wie vormals auff den Marckt zu ziehn /
Daß ſeine Handlung mochte bluͤhn
Und ihm kaͤm aus der Hoͤh der Seegen zugefloſſen /
Der Leipzig wolte ſehn und wie die Meſſe lauff
Gibt eben dieſen Tag des Lebens Geiſter auff.
Nun wirſt du / Seeliger / an dieſen Ort nicht reiſen /
Du legſt noch Zoll noch das Geleit /
Die Fracht geht in die Ewigkeit /
Da wird ans hoͤchſte Gut dein Heiland dich anweiſen.
Denn iſt es wol gethan / wenn er mit dir ſcondrirt /
Und deiner Suͤnden Reſt mit ſeinem Blut abfuͤhrt.
Denn dieſes haſt du auch bey dir genau ermeſſen.
Wenn jetzt ein Kauffmann reiſen muß /
Eh er noch fortſetzt ſeinen Fuß /
So wird er / wie der Weg / zu forſchen nicht vergeſſen.
Ob ihn Gefahr bedreut und Krieges-Volck erſchreckt?
Ob wo ein heimlich Feind in dem Verborgnen ſteckt?
Diß konte dir zur Zeit noch keinen Kummer machen /
Die Straſſen waren dir bekand /
So wohnte Sicherheit im Land.
Und jeder zog frey aus mit ſeinem Gut und Sachen.
Daß wenn nach Menſchen Art man ſeine Rechnung ſtellt
Dich jetzt abreiſenden nichts mehr zuruͤcke haͤlt.
Allein361Leichen-Gedichte.
Allein du wuſteſt nicht / wie Gottes Wege gehen /
Der uͤber uns ſo bald gebeuth /
Der abgemeſſen unſre Zeit
Und ſchon das Ziel geſetzt in den geſtirnten Hoͤhen.
Dein Name konte dir diß deutlich bilden ein /
Daß Menſchen auff der Welt als wie die Vogel ſeyn.
Menn jetzt der Steller ihm hat ſeinen Herd gebauet
Mit gruͤnen Raſen rings umbſteckt /
Und ſich mit breiten Zweigen deckt
Und liſtig durch die Nacht deß friſchen Laubes ſchauet /
So lockt er durch die Pfeiff und durch den Schreyer an /
Ob er das albre Volck ins Netze bringen kan.
Wird nun der Vogel ſich friſch in die Luͤffte ſchwingen /
So iſt ſein Berg-Flug gantz begluͤckt /
Und er dem Netz und Garn entruͤckt:
Hoͤrt aber er bethoͤrt die in dem Kefich ſingen /
Und nahet ſich herzu / ſo faͤnget ihn der Strick
Denn wuͤrgt der Vogler ihn in einem Augenblick.
Nicht anders gehts mit uns / der Tod legt ſeine Garne /
Zeigt uns der Wolluſt Honigſeim /
Den Reichthum / unſrer Seelen Leim
Und daß der arme Menſch viel Geld und Gut erarne /
So braucht er Schleiff und Strick / Schlag-Kaſten / Korb und Ruth
Biß daß er hat umbzirckt das ſichre Fleiſch und Blnt.
Klebt nun den Voͤgeln gleich der Menſch an Suͤnden-Beeren /
Wenn die Begierden Koͤrn er ſtreun /
Und Luͤſte ſeine Seel erfreun /
So wird er ſich gewiß deß Fanges nicht entwehren;
Verſuchung bindet ihn daß er geknuͤpffet haͤngt
Und denn nur gar zu ſpaͤt an Buß und Reu gedenckt.
Hingegen wie ſich kan ein Vogel auch entreiſſen?
Wenn er die freyen Lüffte ſucht
Durch ſeiner Fluͤgel ſchnelle Flucht /
Und ihm entnimmt Gefahr ſein embſiges befleiſſen.
Weil die Erfahrung lehrt daß an die blaue Hoͤh.
Mit ſeinem Garn und Netz kein Vogelſteller geh.
So wenn der innre Menſch ſich durch deß Geiſtes Schwingen
Hebt von der Erden Dampff und Plan /
Schaut alles diß veraͤchtlich an.
Z z z 5Was362Leichen-Gedichte.
Was nur von auſſen ſcheint Gewinn und Nutz zu bringen /
Hoͤrt nicht wenn ihm die Welt Sirenen gleiche ſingt
Noch ob die Muͤntze hell in ſeinen Ohren klingt.
Der gehet froͤlich durch / wie durch ein Spinn-Gewebe /
Ob es Arachne ſelbſt gemacht /
Und Pallas Kunſt-Hand ſchon erdacht /
Ob ihm die Circe gar den Wolluſt-Becher gebe
Schenckt ihm die Lotos Frucht zu laſſen was bekand /
Vergiſt er doch niemals ſein wahres Vaterland.
Je ferner er der Welt / je mehr iſt er entgangen
Des Teuffels Liſt und Truͤgerey /
Da ihn kein Fallſtrick wie er ſey
So kuͤnſtlich auch gelegt / verwicklen kan noch fangen.
Der Sinnen himmliſch Flug ſucht ſeine Sicherheit
Jm Graͤntz-Haus wahrer Luſt der grauen Ewigkeit.
So that Herr Vogel auch / er ließ ſich nicht beruͤcken /
Wie liſtig ihm der Tod geſtellt /
Er kante ſchon die falſche Welt
Und wie ſein Schlag behend uns pflegt ins Garn zu druͤcken /
Wie wir den Voͤgeln gleich von hinnen muͤſſen ziehn
Wenn ſie das tieffe Jahr durch ſeinen Froſt heiſt fliehn.
Alleine ſeine Seel iſt Adler-hoch geſtiegen.
Sein Wunſch der war ja jederzeit
Der Sonnen der Gerechtigkeit /
Als wie die Adler thun / noch naͤher zuzufliegen.
Er wuſte daß ihr Stral und unvergleichlich Schein
Wurd in des Todes-Nacht ſein eintzig Leit-Stern ſeyn.
Wolt in dem Leben ihn viel Ungemach antaſten /
Gleich wie ſchon zweymal Brand und Glut
Verzehrt ſein meiſtes Haab und Gut /
So zog er wie die Taub entfloh in Noha kaſten
Zu ſeinem Heyland hin / der ſchafft ihm Rath und Ruh /
Und deckt ihn wiederumb mit Seegens Zweigen zu.
Der Oelbaum ſeiner Eh den er zu Breßlau funden /
Der gab ihm Schatten / Raſt und Nutz
Er ſpuͤrte GOttes huͤlff und Schutz
Und preiſte ſeine Hand / die ſchlaͤgt und heilet Wunden.
Nur daß die kurtze Zeit den Schmertzen mehr ergrimmt
Weil er von ſeinem Schatz zu zeitlich Abſchied nimmt.
Wiewol / Betruͤbtſte Frau / ſie wird ſich ſo erweiſen
Damit363Leichen-Gedichte.
Damit nicht ihrem Chriſtenthum
Was mangle von dem wahren Ruhm.
Goͤnnt man den jenigen / ſo boͤſe Wege reiſen /
Wenn grauſam Wetter iſt / wenn es gefreurt und ſchneyt /
Daß ſie bey ſpaͤter Nacht ein ſuͤſſer Schlaff erfreut.
So wird ſie noch vielmehr die Ruh dem Liebſten goͤnnen
Als der nach ſechs und zwantzig Jahr
Erlittnen Reiſen und Gefahr
Sein letztes Schlaffgemach im Grabe finden koͤnnen.
Nun ſieht er keine Meß und andre Jahrmarckt Zeit
Denn Gott iſt ſein Gewinn / ſein Wucher Ewigkeit.
Herr Vogel der ſich jetzt ins Paradiß geſchwungen
Und wie die Manucodiat
Nur aus dem Himmel Nahrung hat
Dem iſt ſein gantzer Zug und Reiſe-Flug gelungen.
O ſeelig wer ſo klug dem Tode kan entfliehn!
Den wird ſein liſtig Garn und Netze nicht beziehn!
Trauer-Ode / An Hn. D. F. O. M. P. V. bey Beerdigung ſeiner Eheliebſten / Fr. A. O. g. K. den 16. Octobr. 1678.
HOchwerther Freund / der Muſen Zier /
Beruͤhmter Artzt und Podalier
Muß itzt ſein Lorber-Baum erblaſſen?
Der Baum der ſonſt den Blitz verlacht /
Den / wenn der Donner gleich erkracht /
Doch nicht mit ſeinem Keil kan faſſen.
Verwelckt ſein immer-gruͤnes Haar
Das ſeine ſchoͤnſte Zierath war /
Und ihm viel Kronen hat gewunden?
Stehn ſeine Zweige ſonder Frucht /
Und hat der Nymfen zarte Zucht /
Sich nicht bey ihm mehr eingefunden?
Ach ja ſelbſt Phoͤbus iſt betruͤbt /
Beklagt den Baum den er geliebt /
Weil er verwandelt in Cypreſſen /
Es iſt jetzt Wermuth hingepflantzt /
Wo vor die Gratien getantzt /
Und wo der Muſen Volck geſeſſen.
Hygea364Leichen-Gedichte.
Hygea ſeufftzet in dem Haus /
Ziehrt nicht den Rock mit Blumen aus /
Fuͤllt den Geſundheits-Kelch mit Thraͤnen;
Und Flora die von jedem Kraut /
Jhm Geiſt und Seele hat vertraut /
Entdeckt zugleich ihr bittres Sehnen.
Zudem / Erhalter der Natur /
Wil ſeine ſonſt bewehrte Cur
Beſtuͤrtzt den Fuß zuruͤcke ziehen;
Dem Tode / den er offt bekaͤmpfft /
Und durch Verſtand und Kunſt gedaͤmpfft /
Kan nun die Liebſte nicht entfliehen.
Sein Schmertzen iſt nur allzugroß /
Und koͤnt auch wol ein haͤrter Stoß
Jhm durch Gebein und Adern dringen?
Ja ſolt auch wol ein ſchwerer Leid
Jhm machen mehr Empfindligkeit /
Als dieſer Trauer-Fall kan bringen?
Es hat der Monden kaum zweymal
Veraͤndert ſeine Farb und Stral /
Daß er den Bruder hat begraben;
Den Bruder / Sions Ruhm und Zier /
Der wenig ſeines gleichen hier
Auch lange Zeit darnach wird haben.
Der noch bey der Gelehrten Welt
Diß unverfaͤlſchte Lob behaͤlt /
Daß er ein Kirchen-Stern geweſen /
Der ſeiner Sinnen edles Pfand
Durch Schrifften hat gemacht bekand /
Die wuͤrdig von der Welt zuleſen.
Wie war ihm / Werthſter / da zu muth?
Schwamm nicht ſein gantzes Hertz im Blut?
Schwand nicht ſein Troſt in dieſem Leben?
Es preßte Frembden Thraͤnen aus
Wie ſie die Bruͤder in dem Haus
Einander ſahen Abſchied geben.
Die Wunden ſind noch nicht geheilt /
Als ſchon ein neuer Jammer eilt
Den Wellen gleich auff ihn zuſchlagen /
Als ſchon ein ander Hertzens-Stoß
Jhn365Leichen-Gedichte.
Jhn machet Geiſt und Sinnen loß
Daß er die Laſt kaum kan ertragen.
Er muß / Ach Myrrhen-bittre Pflicht!
Der treuſten Liebſten Augen-Licht
Mit Zittern und mit Thraͤnen ſchlieſſen.
Er ſiebt die Jene von ſich ziehn /
Durch die ſein Wohlſtand konte bluͤhn /
Und er den beſten Troſt genieſſen.
Die / wie er bey der Krancken-Schaar /
Hinwieder Rath und Artztin war /
Sorgfaͤltig ſeiner hat gepfleget /
Durch Witz und durch Beſcheidenheit
Offt ſeiner Schmertzen Bitterkeit
Und andre Sorgen hingeleget.
Die auff dem Schau-Platz dieſer Welt
Der Welt ſich nie mals gleich geſtellt /
Und Froͤmmigkeit ihr Kleinod nannte.
Es war ihr ſchon gepflantzt ins Blut
Daß ihrer Sinnen heilge Glut
Nur in der Himmels-Liebe brandte.
Sie macht ihr auch den Tod bekand
Eh ſich derſelbe zu ihr fand /
Und harrte ſeiner ſonder Schrecken;
Sie nam der Kranckheit Boten an /
Und wuſte daß zur letzten Bahn
Sie als Gefehrten ſolten wecken.
Und darumb war ſie jederzeit
Jm Geiſt geruͤſtet und bereit /
Sah in Gedult dieſelben kommen /
GOtt kuͤrtzte ihres Leidens-Qual
Und hat ſie auß dem Thraͤnen-Thal /
Durch ſeine Hand hinweg genommen.
Jhm faͤllt es peinlich / und nicht ihr /
Betruͤbtſter Freund / der Pallas Zier /
Daß nun in langen Einſamkeiten
Er ſeine Zeit beſchlieſſen muß.
Wer aber will des Himmels-Schluß /
Und ſeiner Satzung wieder ſtreiten?
Er weiß durch ſeine Kunſt genau /
Daß unſers ſiechen Leibes Bau
Geht366Leichen-Gedichte.
Geht taͤglich ein und faͤllt darnieder /
Daß weil wir noch auff Erden gehn
Mit einem Fuß im Grabe ſtehn /
Und ſchon der Tod durchkreucht die Glieder.
Man gebe was man geben ſoll /
Der Sterbligkeit den letzten Zoll /
Den itzt ſein Schatz hat abgeleget.
Die nach dem Truͤbſal dieſer Zeit
Vor GOttes Antlitz wird erfreut /
Und Lorber-Kraͤntz und Palmen traͤget.
Das Leid / Machaon unſrer Stadt /
So itzt ſehr tieff geriſſen hat /
Kan doch Gedult und Zeit verbinden
Und wenn ſein Himmels-gleicher Geiſt
Des Lebens ſatt von hinnen reiſt /
So wird er ſie dort wieder finden.
Der vollkommenſte Prediger der Tod / Bey Beerdigung Hn. C. A. D. zu St. M. M. den 21. Octobr. 1678. vorgeſtellet.
E Ntweich / Ehrwuͤrdiger / der Tod will itzt auftreten
Und allen Sterblichen die letzte Predigt thun.
Du haſt dein Ambt erfuͤllt mit Lehren / Singen / Beten;
Man laſſe doch den Leib / die muͤden Knochen / ruhn.
Arbeiter in dem Wort / Haußhalter derer Guͤter /
So uns in Ewigkeit aus ihren Schaͤtzen weiſt /
Du haſt genug verſorgt den Hunger der Gemuͤther /
Und mit dem Lebens-Brod die Duͤrfftigen geſpeiſt.
Du Brunnen Jſraels / der quell-reich iſt gefloſſen /
Und in viel Baͤche ſich durch Lehren hat zertheilt:
Du Regen / der mit Troſt ein mattes Hertz begoſſen /
Und offt verfaultes Fleiſch vom Suͤnden-Brand geheilt:
Die Kirche wird nicht mehr von deiner Stimm erſchallen /
Dein Donner ſchlaͤget nicht in Fels der Hertzen ein.
Es wird kein Feur hinfort von deiner Zunge fallen /
Die Worte werden nicht mit Blitz gefiedert ſeyn.
Du biſt / als wie die Sonn / in deinem Kreiß gelauffen.
Wie ihrer Fackel Licht beſtrahlt die gantze Welt:
So367Leichen-Gedichte
So ſcheineſtu ein Stern in der Zuhoͤrer Hauffen /
Der Licht und Finſternuͤß hat deutlich vorgeſtellt.
Der Sonne Glut erhitzt die kalte Bruſt der Erden:
Wie hat dein Glaubens-Stral nicht manchen angebrant?
Denn Prieſter muͤſſen vor vom Himmel feurig werden /
Eh die zertheilte Zung entdeckt / wer ſie geſand /
Sah Jacob in dem Traum die Boten Gottes ſteigen /
Und auff der Leiter ab zu ihm hernieder gehn /
So hat ihm diß Geſicht ja ſatſam wollen zeigen!
Daß Engel / eh ſie ſich zu lehren unterſtehn /
Den Nachdruck und Befehl vom Himmel holen muͤſſen /
Und vor das groſſe Reich der Herꝛligkeit beſchaun:
Denn koͤnnen ſie bey uns ſich Wolcken-gleich ergieſſen /
Und mit dem Perlen-Safft die Unter-Welt bethaun.
Biſt du nicht einem Berg / O Seelger / gleich geweſen?
Der ſtets von oben ab befeuchtet Grund und Thal?
Es kan die Biene nicht ſo ihren Honig leſen /
Als du den Kern der Schrifft durchſucht durch kluge Wahl.
Und kam es wiederumb / die Laſter zuerſchrecken /
Erſchienſtu deinem Volck nicht als ein feurig Loͤw?
Du ließt kein raͤudig Schaf in deiner Heerde ſtecken /
Weil die Erfahrung lehrt / daß eines ſchaͤdlich ſey.
Ach Laute / die ſo wohl von Gottes Hand geſtimmet /
Mehr als des Orpheus Klang die Menſchen zu ſich rieff!
Poſaune / wenn der Zorn des Hoͤchſten war ergrimmet /
Die offt das Volck erweckt / wenn es in Suͤnden ſchlieff!
Begabter Prediger / laͤſt du dich nicht mehr hoͤren?
Ach nein / der blaſſe Tod hat dich ſchon abgefuͤhrt.
Der tritt die Cantzel an / und wird erſchrecklich lehren /
So / daß uns Marck und Blut jedwede Sylbe ruͤhrt.
Er wird uns Sterbliche ſich gar nicht laſſen meiſtern /
Wie er ſein Predig-Ambt bey uns verwalten muß.
Die Einfalt gilt ſo viel / als Witz bey hohen Geiſtern /
Es geht in jeder Haus ſein ausgeſtreckter Fuß.
Er wird auch nicht darnach / ihr ſichre Menſchen / fragen /
Ob euch das Ohre juͤckt / und ob es euch ergetzt.
Er wird euch ins Geſicht die duͤrre Warheit ſagen /
Wie ihr der Sinnen-Bau auf Eitelkeiten ſetzt.
Jhr moͤgt den Eingang lang / kurtz / und verworren nennen /
Suͤß oder ſauer ſehn / diß gilt ihm alles gleich.
Er368Leichen-Gedichte.
Er wird den Croͤſus eh / als cinen Jrus / kennen.
Da hilfft der Tittel nicht / er ſey arm oder reich.
Was wird der Prediger zu einem Text erwehlen?
Jn wieviel Stuͤcke theilt er die Erklaͤrung ein?
Jhr moget unterdeß die Viertel-Stunden zehlen /
Ob / wenn die gantze ſchlaͤgt / er auch wird fertig ſeyn.
Er ſagt ein eintzig Wort / und wiederholt es: Sterben /
Diß ſchreyt er Stund auf Stund euch Menſchen in das Ohr.
Umbfaͤngt euch bleiche Noth / was wolt ihr euch entfaͤrben?
Schließt doch die Hertzen auf und oͤffnet Thuͤr und Thor!
Und dieſes wird er euch mit Worten nicht auslegen /
Diß hat zum Uberfluß der Prieſter ſchon gethan.
Nun muß er mit Gewalt / mit Streichen / Staͤupen / Schlaͤgen /
Mit Kaͤlte / Fluth und Glut den Text euch weiſen an.
Er will durchaus bey euch kein Polſter-Lehrer heiſſen /
Er achtet eure Gunſt und Wolthat nicht ein Haar.
Kein Schluß / wie groß er ſey / wird ihn ins Elend reiſſen /
Er lebt bey Draͤuungen gantz auſſer der Gefahr.
Er gibt auch keinen Platz den ſtreitenden Begierden /
Er nennt die Regungen nur Nebel / Rauch und Dunſt.
Bald ſucht er Larven auß / bald hoͤchſter Schoͤnheit Zierden /
Es fault ein Narren-Kopff bey Schaͤdeln voller Kunſt.
Diß Wunder-groſſe Wort / das wir ſo ſcheuen / Sterben /
Das theilt er in drey Stuͤck recht durch zugehen ein.
Jm erſten ſagt er uns / wie wir von anfangs erben
Das Grab / zu welchem wir durch Erb-Schuld kommen ſeyn.
Jm andern fuͤhrt er aus / wie in dem gantzen Leben
Er unſer Fleiſch und Blut zu ſeinen Dienſten hat:
Jm dritten / daß wir ſchnell der Er den Abſchied geben /
Und unſer Maden-Sack die Wuͤrme machet ſatt.
Der Jnhalt dieſer Lehr iſt: Menſchen / lernet ſterben /
Soll euch mein duͤrrer Arm nicht in die Hoͤlle ziehn.
Wo anders ihr geſinnt den Himmel zuererben /
Wo ihr den letzten Tod der Seelen wolt entfliehn.
Vollkommner Prediger! Wer will ſich wiederſetzen?
Da ſteht das Stunden-Glaß / die Predig iſt ſchon auß.
Es mag der Endſchluß uns betruͤben und ergetzen /
Die Vorbitt iſt darbey: Geh und beſtell dein Haus.
Da iſt kein Punct der Zeit denn weiter zuverlieren /
Da drehet ſich ſchon umb das Rad der Ewigkeit.
Gluͤck -369Leichen-Gedichte.
Gluͤckſeelig / wer ſich laͤſt des Todes Predigt ruͤhren /
Der wird in GOttes Hand getroͤſtet und erfreut
Es prangt nun Herr Albin in gruͤnen Sieges-Kronen /
Da noch als Prediger der Tod ſein Ampt beſtellt.
Was aber / Werthſte Frau / ſoll ihr fuͤr Troſt beywohnen
Nun ihres Hauſes Licht und Sonne ſo verfaͤllt?
Jch kan ſie ſonſt zu nichts / als ihrem Schoͤpffer / weiſen /
Wer ſihet bey der Zeit der Prieſter Wittwen an?
Doch der / ſo alles ſchuͤtzt / und Raben pflegt zu ſpeiſen /
Wird als ein Vater ſeyn ihr allzeit zugethan.
Bey Beerdigung Fr. M. v. R. g. V. den 24. Octobr. 1678.
HOch-Adeliches Hauß / wie? ſollen Wermuts-Straͤuche
Und blaſſes Eppich-Kraut bekleiden Schwell und
Thuͤr?
Vergnuͤget ſich der Tod nicht mit des Vatern Leiche /
Der unſer Neſtor war des gantzen Landes Zier?
Ach nein! eh als das Jahr hat ſeinen Lauff vollzogen
Der Sonnen guͤldnes Rad den Thier-Kreißdurchgerannt /
So ſpannt der grim’ge Tod ſchon abermal den Bogen
Und legt ach herber Schmertz! die Mutter in den Sand.
Wird euer Roſenfeld zu Bergen voller Myrrhen?
Und deckt Aegypten euch mit einer langen Nacht?
Und trinckt ihr Thraͤnen Saltz aus vollen Angſt-Geſchirren?
Jſt bey ſo vielem Leyd das Hertze nicht verſchmacht?
Steht doch die Welt betruͤbt / wenn itzt bey kurtzen Tagen
Aurora nicht ſo fruͤh den blauen Himmel mahlt.
Wenn Baͤume / Wald und Feld ihr Sommer-Kleid beklagen /
Und keine Roſe mehr in Luſt-Gefildern ſtrahlt.
Wenn Wild und Vogel fleucht / der ſchwartze Himmel weinet /
Und ſich der kalte Nord mit holem Pfeiffen zeigt.
Wenn die verdeckte Sonn kaum aus der Wolck erſcheinet /
Und das verlebte Jahr ſich zu der Bahre neigt.
Wie ſolten Kinder nicht bey ihrer Eltern Leichen /
Bejammern den Verluſt / der ihre Seele kraͤnckt.
Denn / wenn die Seulen ſchon vom Bau der Wolfahrt weichen /
Wer glaubt nicht / daß hernach das gantze Hauß ſich ſenckt.
Und ſolt es moͤglich ſeyn die jenen zu vergeſſen /
Die unſers Lebens Quell und erſter Urſprung ſeyn?
AaaaJſt370Leichen-Gedichte.
Jſt gleich die Tullia ſo gottloß und vermeſſen /
Daß ſie durch Vater-Mord als im Triumph zieht ein.
Und hat der Heyden Volck diß Straffloß angehoͤret /
So ſchillt die Nachwelt doch dergleichen Raſerey.
Ein Kind das Eltern nicht auch in der Aſchen ehret /
Jſt wuͤrdig daß es ſelbſt niemals gebohren ſey.
Jch weiß betruͤbtes Haus mit was vor treuen Thraͤnen /
Man itzt der Mutter Grab die letzte Pflicht erweiſt.
Jn welch ein klaͤglich Ach und ein unendlich ſehnen /
Geſchwellten Stroͤhmen gleich dein Hertze ſich ergeuſt.
Der Dienſt iſt lobens werth. Die ſchoͤnſten Ehren-Bogen /
Coloſſen und Mauſol erreichen nicht den Ruhm;
Als wenn den jenigen ſo nun der Welt entzogen /
Das Hertze bleibt geweyht zu einem Eigenthum.
Allein / wenn man das Rund der groſſen Welt beſchauet;
Und Schmertzen und Vernunfft ein wenig ruhen laͤſt.
Wer iſt wol / dem nicht mehr hinfort zu leben grauet /
Der einen ſanfften Tod nicht nennt das allerbeſt.
Es ſey daß Fleiſch und Blut was ſchmertzliches empfindet /
Wenn es die Seinigen zu Grabe tragen muß.
Hingegen iſt der Tag gluͤckſeelig / der entbindet
Den abgematten Geiſt / von Eckel und Verdruß.
Es wil uns die Natur diß in den Fruͤchten zeigen /
Ein Apffel / der nicht reiff / den bricht man mit Gewalt.
Die andern fallen ſelbſt freywillig von den Zweigen /
Wenn ſie nun ſatt geziert / Zeit / Wachsthum und Geſtalt.
So iſt das Alter auch es eilet zu dem Grabe /
Wie langſam es den Fuß mit ſeinen Schritten ſetzt.
Weiß daß es wenig Zeit zu bleiben uͤbrig habe /
Daß allbereit der Tod diekrumme Senſe wetzt.
Es wuͤnſcht auch aus dem Streit zu treten in den Frieden /
Aus Unruh in die Ruh / aus Angſt iu Sicherheit.
Gleich denen / die Gefahr auff wuͤſter See vermieden /
Wenn ſie ein ſtiller Port nach hartem Sturm erfreut.
Und ſchenckt auch was die Welt von ihren guten Tagen /
Darinnen nicht der Kern von bittern Sorgen ſteckt;
Das Gluͤcke wird uns nie ſo auff den Armen tragen /
Daß Scorpionen gleich zuletzt es nicht erſchreckt.
Und friſt der Abgrund nicht der unermeßnen Zeiten /
Der beſten Kuͤnſtler Werck und kluger Haͤnde Fleiß?
Wo371Leichen-Gedichte.
Wo itzt die Sterblichen Auffbauen / Siegen / Streiten /
Kan folgen daß man nicht einſt ihre Graͤntzen weiß.
So darff auch nicht der Menſch umb langes Leben bitten /
Es geht ihm Kraͤh und Hirſch an vielen Jahren fuͤr.
Kein Faden iſt ſo bald als unſer abgeſchnitten /
Das Alter iſt und bleibt des Grabes offne Thuͤr.
Wer von dem Schauplatz geht der iſt daran begnuͤget /
Daß Aug und Ohren ihm durch Wechſel ſind erquickt.
Der Menſch wenn ſich der Tod an ſeine Seite fuͤget /
Und ihn der Jahre Rey zur Erden nieder druͤckt;
Siht daß er nur allhier ein Schauſpiel helffen zieren;
Gluͤckſeelig wer mit Ruhm hat die Perſon verricht;
Der laͤſt ſich denn den Tod davon mit Freuden fuͤhren /
Verſichert daß er ihm den Sieges-Krantz verſpricht.
Hoch-Adeliches Haus / mit gleichem Ruhm und Ehren
Verlaͤſt die Mutter itzt den Schauplatz dieſer Welt.
Es mag den muͤrben Leib Grab / Wurm und Faͤul zerſtoͤren /
Nun ihre Seele nur die Burg des Himmels haͤlt.
Der Tugend Treffligkeit wird nicht die Grufft verzehren /
Und die Verweſung reiſt nicht ihr Gedaͤchtnuͤß ein.
Nach ihres Liebſten Tod war ja ihr bloß Begehren
Nicht laͤnger in der Welt / dem Suͤnden-Neſt / zu ſeyn.
Laodamia ſucht nicht ſo des Mannes Schatten /
Als ſie dem Liebſten nach zu ſeiner Ruh geeilt.
Des Himmels milde Gunſt wil dieſes auch verſtatten /
Daß wie ſie ihr Seel und Hertz zuvor getheilt;
Sie auch im Tode ſey theilhafftig ſeiner Liebe /
Und beyder Aſche noch einander faßt und kuͤſt.
Daß der Gemuͤther Treu ſtets unzertrennet bliebe /
Ob ſchon der Seelen Kleid / den Leib / die Faͤulnuͤß friſt.
So kont Alcyone den Ceyx nicht umbfangen /
Da doch ein bloſſer Traum nur ſein Geſichte wieß.
Als Frau von Roſenberg wird ihren Schatz erlangen /
Jn jenem Freuden-Reich in volligem Genieß.
Da ihre Krone hin / ihr Scepter war gefallen /
So fing ſie allbereit mit ihm zu ſterben an.
Sie wolte laͤnger nicht in dieſer Wuͤſten wallen /
Da wol der froͤm̃ſte Menſch ſich leicht verirren kan.
Hoch-Adeliches Haus / was Eltern wuͤnſchen koͤnnen /
Das hat des Hoͤchſten Hand zu jeder Zeit gewehrt.
Aaaa 2Nun372Leichen-Gedichte.
Nun muß man auch die Ruh der liebſten Mutter goͤnnen /
Vergebens daß man ſie mit Thraͤnen noch beſchwert.
Sie wird im Paradiß gar andre Roſen ſchauen /
Als dieſe ſo bißher geadelt ihren Stand.
Sie kan mit hoͤchſter Luſt des Edens Garten bauen /
Und ihre Seele wohnt in dem gelobten Land.
Ehren-Gedaͤchtnuͤß Fr. S. P. g. M. den 15. Jenner 1679.
DU Tugend-volles Ehren-Weib /
So giebſt du endlich deinen Leib /
Der allgemeinen Mutter wieder /
So fuͤhret dich ein ſanffter Tod
Aus dieſem Kercker voller Noth /
Und legt zur Ruh die muͤden Glieder?
Du fuͤhlſt nicht mehr des Alters Schnee /
Der Sorgen Pein / der Kranckheit Weh /
Und biſt vollkommen jetzt geneſen.
Die Seel eilt ihrem Urſprung nach
Und zwingt ſich zu dem Sternen Dach /
Ob Haut und Bein ſchon hier verweſen.
Ein Heyde ſcheut und fuͤrcht den Tod /
Den Weiſer der uns fuͤhrt zu GOtt
Den beſten Freund und Reiß-Geſellen.
Wenn all im ſterben von uns fliehn
Und ihren Fuß zuruͤcke ziehn
So wird er uns die Fahrt beſtellen.
Ein Chriſt der nimmt den Fuͤhrer an
Und iſt gewiß daß er die Bahn
Zu jenen Ewigkeiten zeiget.
Er kan ihm nicht beſchwerlich ſeyn
Wenn er als Gaſt ſich ſtellet ein
Und zu ihm durch das Fenſter ſteiget.
Zu dem O ſeelige Matron
Wer ſo in Frieden zieht davon
Empfindt nicht ſeine Bitterkeiten.
Du haͤtteſt laͤngſt daran gedacht
Wie du zu deiner letzten Nacht
Jn Andacht moͤchteſt dich bereiten.
Es373Leichen-Gedichte.
Es ſchien da keine Sterbens-Qual.
Gleichwie ein Licht das ſeinen Strahl
Nach vielem Brennen muß verlieren:
So zog auch aus des Coͤrpers Hauß /
Die Seel als wie im Schlaf herauß| /
Und fieng die Freyheit an zu ſpuͤhren.
Dein Beyſpiel gab uns zu verſtehn.
Daß wenn wir gar die Welt durchgehn /
Kein groͤſſer Gut ſey zu erlangen.
Als wenn wir in der letzten Noth
Durch einen ſanfft und ſtillen Tod
Den Lohn der Gottesfurcht empfangen.
Die war dir auch von Kindes Bein
Jn Seel und Hertz gepflantzet ein.
Es ruͤhmt noch Leipzig unvergeſſen
Den Vater der zu GOttes Ehr /
Hat ausgebreitet ſeine Lehr /
Und in dem Kirchen-Ampt geſeſſen.
GOtt fuͤhrt dich aus dem Vaterland
Und giebet eines Prieſters Hand
Dich Prieſter-Kind in reichem Seegen.
So bluͤhteſt du in vollem Gluͤck.
Ach aber grimmiges Geſchick!
Herr Pollio muß fruͤh ſich legen.
Es trennt des Todes herbes Weh
Das heil’ge Land der keuſchen Eh
Und ſetzt dich in den Wittwen-Orden.
Da du mit Andacht und Gebet
Stets haſt zu deinem GOtt gefleht
Und biſt ein ander Hanna worden.
Es war dein gantzer Wittwen-Stand
Dem Himmel eintzig zugewandt
Du Monica in dieſem Leben.
Die angebohrne Froͤmmigkeit
Die Demuth und Beſcheidenheit
Die koͤnnen ſattſam Zeugnuͤß geben.
Der Jnhalt deiner Zuverſicht
War bloß allein auff den gericht
Der Prieſter-Wittwen kan verſorgen.
Befiel dich manche ſchwartze Nacht
Aaaa 3So374Leichen-Gedichte.
So hat doch ſeine Hand gemacht
Daß drauff erfolgt ein lichter Morgen /
Je mehr das Alter dich beſchwert /
Und gantz von Kraͤfften abgezehrt /
Je mehr vermehrte ſich dein Glauben /
Du hatteſt JEſum feſt gefaſt
Daß auch bey aller Kranckheit Laſt /
Den Troſt kein Schmertz dir konte rauben.
Viel die als Freundin dich erkennt /
Viel die dich Mutter ſtets genennt /
Die werden deine Treu beklagen /
Vermiſſen deine Redligkeit
Die ſie in Noͤthen hat erfreut
Und dir ein herrlich Lob nachſagen.
Denn Tugend die vermodert nicht /
Sie iſt ihr Lohn ihr eignes Licht /
Und bey dem Grab ein Ehren Kertze:
Sie ſtrahlt durch alle Tunckelheit
Als wie die Sonn uns fruͤh erfreut
Des groſſen Himmels Aug und Hertze.
Nun haſt du Seelige geſiegt /
Nun unter deinen Fuͤſſen liegt /
Die Angſt und Noth ſo dich beſtritten;
Du haſt die drey und zwantzig Jahr
Verwittibt / einſam / in Gefahr /
Mit einem Helden Muth gelitten.
Jetzt ſiehſtu jene Friedens Stadt /
Die nichts als Luſt und Wonne hat /
Dein Heiland trocknet deine Zaͤhren /
Du weiſt von keiner Einſamkeit
Weil dir unendlich ſteht zur Seit
Die gantze Schaar von Engels-Heeren.
Ruh wol / wir graben deinem Stein
Noch dieſe kurtze Grabſchrifft ein:
Hier ſchlaͤfft ein Ehren-Weib in Frieden /
Die ihre gantze Lebens-Zeit
GOtt und der Tugend hat geweyht /
Und ſanfft und ſeelig iſt verſchieden.
Bey375Leichen-Gedichte.
Bey Beerdigung Hn. F. F. den 16. Jenner. 1679.
WIrd deine Boͤrſe denn nun eine Todten-Bahre?
Und ſchleuſt / du Seeliger / jetzt gaͤntzlich das Con - tor?
Faͤngſt kein Journal mehr an in dieſem Neuen Jahre?
Stoͤſt eine groͤßre Reis und Wechſel dir bevor:
Ach ja / du eilſt hinweg Herr Oehmen zu empfangen /
Der jene Meſſe ſchon des Lebens-Marckt beſchloß /
Und in die Ewigkeit dir iſt vorangegangen /
Wo er ſein Capital macht unbeſchreiblich groß.
Da ſol dein Hauptſtam̃ ſtehn: Du magſt der Welt nicht trauen /
Die nur Betruͤgerey an ſtatt der Zinſen gibt.
Du wilſt im Himmel dort den Scontre-Platz dir bauen /
Wo Treu und Glauben man fuͤr Tonnen Goldes liebt.
Der Tod iſt dein Senzal / und bringt dir diß zu wege /
Was keine Factorey der Menſchen je verkehrt.
Du weiſt wie ſo genau er alles uͤberlege /
Und daß er nach dem Schluß die Ewigkeit gewehrt.
Jſts moͤglich / daß zwey Freund einander ſchleunig miſſen /
Und in vier Monat-Friſt einander wieder ſehn:
Da ihr Verbuͤndnuͤß wird auff nimmermehr zerriſſen
Und ihre Handelſchafft kein Zufall kan verdrehn.
Jhr habt ja beyde nun das hoͤchſte Gut erhandelt /
Erlangt den Seelen-Schatz / dem kein Gewin ſich gleicht /
Und vor der gantzen Welt ſchlecht und gerecht gewandelt /
Daß auch der wahre Ruhm nicht von dem Grabe weicht.
Laſſt was Veſputz durchkreutzt und Magellan entdecket /
Und wo Columbus erſt mit ſeinen Segeln lieff /
Der Gold-erſoffnen Welt zum End-Ziel ſeyn geſtecket /
An einem ſichrern Port laͤndt euer Glaubens-Schiff.
Es mag das Alterthum von ſeinem Argo ſagen /
Wie es das goͤldne Fließ von Colchos hergebracht:
Das Lamm / das alle Schuld der Sterblichen getragen /
Hat an Vermoͤgen euch mehr reich und groß gemacht.
Was ſind die Guͤter doch / die wir hier Reichthum nennen:
Ein Leim / an dem gar offt der Seelen Fluͤgel klebt.
Ein Feur / das waͤrmen kan / doch aber auch verbrennen /
Ein Garn / das meiſtentheils den Untergang uns webt.
Aaaa 4Was376Leichen-Gedichte.
Was kan uns Jndien an Schaͤtzen doch gewehren?
Nicht Silber / Geld und Gold macht uns vom Tode frey.
Was Unfall / Gluͤck und Zeit mit ihrem Zahn verzehren /
Bejahet wol kein Menſch / daß es beſtaͤndig ſey.
Die Tugend iſts allein / die keinen Wechſel kennet /
Die euch Verblichene zuſammen hat gepaart /
Und die auch nicht der Tod / der alles loͤſet / trennet /
Und beyde holet heim durch eine Wunder-Fahrt.
So hat nicht Pythias dem Damon ſich verpfaͤndet /
Noch des Oreſtes Treu den Pylades geehrt /
Als ihr Hertz / Seel und Geiſt zuſammen ſtets gewendet /
Und eurer Liebe-Brand in gleicher Gluth vermehrt.
Bleibt dieſer Haupt-Satz wahr: Daß mehr als unſre Ohren /
Mehr als die Augen ſind ein Hertz-vertrauter Freund:
So ſchien’t vom Himmel ihr nur bloß dar zu erkohren /
Daß beyder Neigungen und Hertzen ſtets vereint.
Und wie Antigonus dort in den Sand einſchriebe:
Fleuch / Mithridates / fleuch / entweiche der Gefahr:
So ruͤff Herr Oehm zu letzt aus ungefaͤrbter Liebe:
Kom̃ doch / mein Flaſchner / kom̃ zu jener Seel gen Schaar.
Wie fertig folgſt du nun / Erblaſter / ſeiner Leiche /
Wie freudig werdet ihr einander wieder ſchaun.
Umbzirckt mit neuem Glantz in dem beſternten Reiche /
Wo nichts als Wonne wird auff eure Scheitel thaun!
Und was geneuſt du wol / entſchlaffner Freund / vor Freuden /
Die keine Meſſe dir auf Erden geben kan.
Kein Reichthum / noch Gewalt / noch Hoͤlle mag dich ſcheiden
Von dieſem Gnaden-Blick / indem du GOtt ſihſt an.
Du wohnſt in einer Stadt von Jaſpis und Saphiren /
Und ſieheſt Sonn und Mond zu deinen Fuͤſſen gehn /
Wo Gaſſen voller Gold / die Thor von Perlen-Schnuͤren
Und wo des Lebens-Holtz voll Fruͤchte pflegt zu ſtehn.
Wo klar wie ein Cryſtall der Strom des Heils entſpringet /
Und wo die Herrligkeit des Hoͤchſten ewig leucht /
Wo nie der Tag die Nacht / die Nacht den Tag verdringet /
Und keine Wechſelung die Graͤntzen je beſtreicht.
Da ſtehſt du als ein Knecht / der GOtt iſt treu geweſen /
Da hat der andre Tod an dir gar keine Macht /
Da hoͤrſt du aus dem Buch des Lebens dich verleſen /
Und wie dein Buͤrger-Recht im Himmel hoch geacht.
Alleine377Leichen-Gedichte
Alleine ſollen wir denn deiner Treu vergeſſen /
Der Teutſchen Redligkeit / die ohne Falſch und Schein?
Man laſſe Faul und Wuͤrm den Reſt der Glieder freſſen /
Die Tugend / Seeliger / ziert deinen Leichen-Stein.
Wie vielen haſt du nicht von Hertzen gern gedienet?
Wie vielen ſtirbſt du nicht / ach leyder / allzu fruͤh?
Es hat dein Wolfarths-Baum den Freunden ſtets gegruͤnet /
Und ſie genoſſen mit von deinem Schweiß und Muͤh.
Dein Mund war nicht gewohnt die Reden zu ambriren /
Die Laſter muſten nur bey dir ſtets Laſter ſeyn /
Und Tugend bliebſt du hold; du lieſt dich nicht verfuͤhren /
Kein Heuchler wiegte dich durch ſeine Boßheit ein.
Wie ſchmertzlich wird dich nicht die Compagnie betrauren?
Wie ſeufftzt das Armuth nicht nach deiner milden Hand?
Wie ruffen Freunde nicht? Soll der nicht laͤnger tauren /
Der uns ſein gantzes Hertz und Seele zugewandt?
Wird das beſtuͤrtzte Hauß ſich auch zu friede geben?
Wie Manches Foͤrderung und Wolfarth faͤllt dahin!
Ach daß Herr Flaſchner ſoll nicht immer bey uns leben!
Ach daß er muß ſo bald zu den Verbliechnen ziehn!
Wiewol / O Seeliger / du laͤſt dich nicht mehr halten
Dein eintziges Gewerb iſt jetzt die Ewigkeit.
So ſchleuſt du den Bilanc. Es mag nun ſchallt - und walten
Wen noch mit ihrem Gut die ſchone Welt erfreut.
Wo aber bleibt dein Schatz? wird eines auffgenommen /
Und muß das andere noch allhier verlaſſen ſtehn?
Heiſt denn die Thraͤnen-See / in der ihr Hertz geſchwommen /
Und auch des Schwaͤhers Wunſch dich nicht zuruͤcke gehn?
Nein / hochbetruͤbtſte Frau / der Schluß iſt nicht zu hemmen /
Vergebens macht ſie ſich durch Harm und Kummer bleich;
Sie muß den Thraͤnen-Strom nur durch Gedult zutaͤmmen /
Jhr Friedrich lebet nun in jenem Frieden-Reich.
Bey Beerdigung Fr. M. V. g. W. den 27. Jenner 1679.
WAs ſoll / Ehrwuͤrdiger, die Poeſi hier nuͤtzen /
So ein ergrim̃ter Schmertz ſchlaͤgt Kunſt und Weiß - heit aus;
Wenn dieſe Wetter draͤun und die Cometen blitzen /
So iſt von Angſt und Noth erfuͤllt das gantze Hauß.
Aaaa 5Und378Leichen-Gedichte.
Und ſind die Thraͤnen Blut der tieff-verwundten Seelen;
So weiß ich daß ſein Hertz in nichts als Blute ſchwimmt.
Es kan der Augen-Brunn die Quellen nicht verhoͤlen /
Die Fluth vertrocknet nicht / ſo da den Urſprung nimmt.
Wie viel er ſonſt geheilt / wie viel er aufgerichtet /
Wann ſie dergleichen Rieß zur Erden hat gebeugt /
So wird doch durch den Schmertz itzt aller Troſt zernichtet
Sein Hertz iſt Traurens voll und ſeine Lippe ſchweigt.
Hat alles ſeine Zeit / ſo iſt itzt Zeit zu weinen.
Wie man ſich in dem Gluͤck mit Freunden ſonſt ergetzt /
So ſollen wir im Fall mitleidig auch erſcheinen /
Wenn ſie des Hoͤchſten Hand in Staub und Aſche ſetzt.
Er muß / Wohlwuͤrdiger / nur allzuviel vermiſſen
Sein Leit-Stern der verſinckt itzt in des Grabes Nacht:
Des Hauſes Sonn iſt hin / er ſitzt in Finſternuͤſſen /
Die Leuchte ſcheint nicht mehr / ſo alles hell gemacht.
Die treue Pflegerin wird ihm zu fruͤh entzogen /
Die beſte Freundin geht zu fluͤchtig aus der Welt:
Die Taube ſeiner Eh iſt gar zu bald entflogen /
Der Oelbaum ſeiner Ruh iſt durch den Tod zerſchellt.
Der Ertz-Schrein iſt entzwey / darein ſein Hertz verſchloſſen:
Das Schlaff-Gemach zerſtoͤrt / wo ſeine Seele ſchlieff:
Sein Lebens-Balſam iſt nur / leider / gantz vergoſſen!
Er ſieht im Todten-Meer vergehn ſein Wohlfarts-Schiff.
Die Traube die ihn hat mit Nectar ſtets getraͤncket /
Gewehret nunmehr nichts als einen Myrrhen-Safft.
Das Kleinod / das er hat ſtets an die Bruſt gehencket /
Wird durch die Grauſamkeit deß Todes hingerafft.
Hochwichtig iſt ſein Leid. So einen Schatz verliehren
Kan ohne Seelen-Weh ja nimmermehr geſchehn /
Es muß das innerſte in Marck und Adern ruͤhren /
Wenn ſo ein Tugend-Bild man ſoll erblaſſen ſehn.
Und wenn der Phoͤbus mir die Wort in Perlen kehrte /
Und ſeine goͤldne Harff und Laute reichte dar /
Wenn mich der Bienen-Volck mit ihrem Honig naͤhrte
Und mir den Lorber-Baum Thalia flicht ins Haar /
So wuͤrd ich doch nicht recht die Einigkeit erheben /
Jn welcher beyder Hertz und Seelen ſich vermaͤhlt.
Es ſchien ein Paradieß ihr Treu-verbundnes Leben /
Da man nichts anders thut / als gute Stunden zehlt.
Er -379Leichen-Gedichte.
Erleichterte ſie nicht des Ambtes ſchwere Buͤrde /
Und trocknete den Schweiß von ſeinen Wangen ab?
War nicht ihr eintzig Schmuck und Krone ſeine Wuͤrde?
Und ſie hinwiederumb der muͤden Jahre Stab?
Diß war ihr groͤſter Kampff im Lieben obzuſiegen /
Und in den Tugenden auf gleichem Pfad zugehn.
Wenn man die Gottes-Furcht und Demuth ſolte wiegen
Das doch auff ihrem Theil der Auß-Schlag moͤchte ſtehn;
Und kurtz: Sie war ein Weib nach ihres Mannes Hertzen
Kam mit Beſcheidenheit oft ſeinem Wunſch zuvor:
Vertrieb durch Freundligkeit deß Lebens Sorg und Schmertzen
Macht auß dem Wermuth-Strauch ein ſuͤſſes Zucker-Rohr.
Nenn ich die Haͤußligkeit / ſie Martha mit dem Namen
Und Martha mit der That / wer gleicht ihr da an Ruhm?
Es waͤchſt ein edle Frucht auß einem Edlen Saamen /
So blieb nur Tugend auch ihr eintzig Eigenthum.
Doch Martha nicht allein in dieſem Sorgen-Leben
Wenn es dem Duͤrfftigen die Hand zu bieten kam;
Wenn es die Zeit erhieſch Betruͤbten Rath zu geben /
Wenn man des Nechſten Laſt auff ſeine Schultern nahm.
Wenn man den Seinigen das Mutter-Hertze theilte /
Deß Liebſten Heil ſich ließ hoͤchſt angelegen ſeyn.
Wenn man ins Herren-Hauß ihn anzuflehen eilte /
Und preißte ſeinen Rnhm in Sammlung der Gemein.
Ach mehr! und was noch mehr / wie Martha hier im wallen
So lange ſie den Bau der Sterbligkeit beſchloß /
So wolte ſie auch GOtt Maria gleich gefallen
Jhr Glauben war bewaͤhrt / und ihre Hoffnung groß.
Sie wuſte daß der Tod ein End-Ziel aller Sachen /
Daß jede Stunde zu der letzteu Hinfahrt ſchlaͤgt /
Und kont ihr Andachts voll gar leicht die Rechnung machen /
Wer weiß / wie bald man dich zu deiner Ruh-Staͤdt traͤgt:
Drumb hat ſie dieſen noch im Leben ihr erwehlet /
Der in der letzten Noth der beſte Beyſtand heiſt.
Der unſre Tage weiß / und unſre Haare zehlet /
Und deſſen maͤchtig Arm uns auß der Hoͤllen reiſt.
Sie rief als nun der Pfeil deß Todes auf ſie drunge /
Gleich wie Macrina that voll Eyfer / voll Gebeth /
Ob ſchon mit ſchwachem Mund und halb erſtarrter Zunge /
Erloͤſer hoͤre doch / was deine Magd jetzt fleht!
Du380Leichen-Gedichte.
Du haſt deß Todes-Angſt von mir gantz weggetrieben /
Deß Lebens End iſt ja ein Aufgang jener Freud
Und ob der Leib allhier als wie im Schlafe blieben
So weckt ihn dermaleins der Schall der Ewigkeit.
Was du aus Erden haſt gebaut / ach nimm es wieder /
Und ſcharr es in die Erd als ſein Behaͤltnis ein!
Jch weiß doch daß der Leib und die verwelckten Glieder
Von dir mit neuem Glantz verklaͤret werden ſeyn.
Gedencke meiner doch / O HErr! in deinem Reiche /
Jch kreutzige mein Fleiſch / und fuͤrchte dein Gericht:
Gib daß nach dieſem Tod und daß nach dieſer Leiche
Jch moͤg unendlich ſehn dein herrlich Angeſicht;
Ach Martha voller Witz / Maria voller Glauben!
Jm Leben Martha hier / Maria in dem Tod.
O ſeelig / wer ſo wol den Troſt ihm ein kan ſchrauben
Und wer ſo feſt / als du / ſein Hoffen ſetzt auf GOtt.
Unmoͤglich iſts daß hier nicht Thraͤnen ſolten rinnen /
Und daß der Kinder Hertz ſey ohn Empfindlichkeit.
So eine Tugend-Frau von dem Verſtand und Sinnen /
Von Witz und von Vernunfft beſchert nicht jede Zeit.
Jedoch / Wohlwuͤrdiger / er kennt des Himmels Willen /
Und ſein erlaͤuchter Geiſt weiß wie zu ſprechen ſey.
Was GOtt ſchafft und befiehlt das muß man nur erfuͤllen
Es bleibt doch Noth und Tod der Chriſten Lieberey.
Erblaſte Corallen / Jungf. E. R. von B. den 19. Febr. 1679.
ACh hoͤchſtbetruͤbtſte Frau wer kan ihr Leyd ermeſſen?
Und die Empſindlichkeit der Schmertzen ſtellen fuͤr?
Es ſey / daß Niobe als wie ein Fels geſeſſen /
Wie ſie beraubet war der Soͤhn und Toͤchter Zier.
So glaub ich daß ihr Hertz hat beſſern Fug zu klagen /
Je weit gerechter noch der Thraͤnen Urſprung iſt.
Jch ſeh ein gantzes Meer des Jammers auf ſie ſchlagen
Und Freund und Zuſprach giebt hier nicht den Seufftzern Friſt.
Nach zweyer Kinder Tod / der unaufhoͤrlich kraͤncket
Und Wunden hat gemacht / die nicht die Zeit geheilt /
Sieht ſie zum letzten noch die Tochter eingeſencket /
Mit welcher ſie ihr Hertz und Seele hat getheilt.
Kein381Leichen-Gedichte.
Kein ſchmertzlicher Verluſt iſt auf der Welt zu finden /
Kein groͤſſer Seelen Rieß kan Sterblichen geſchehn!
Pflegt ſonſten umb das Hauß / wenn eines will verſchwinden /
Der Nord der Traurigkeit der Seufftzer Wind zu wehn /
Wie ſoll denn alles Leyd hier nicht zuſammen rauſchen?
Nun ſie den Angel-Stern der Hoffnung ſieht vergehn.
Nun ſie den hellen Tag muß mit der Nacht vertauſchen /
Und ſchaut ihr liebſtes Kind itzt auf der Bahre ſtehn?
Die Tochter ſo mit Recht die Krone der Jungfrauen /
Die Perle keuſcher Zucht / das Bild der Froͤmmigkeit /
Wo Tugend und Verſtand ſich weſendlich ließ ſchauen /
Bey der die Gratien ihn’n einen Sitz bereit.
Nun ſie den letzten Schatz des Lebens muß vermiſſen /
Den Troſt der Einſamkeit ſehn von der Seite fliehn:
So glaub ich / daß ihr Hertz in Stuͤcke wird zerriſſen /
Daß ſie das Sterbe-Kleid muß wie ihr Kind anziehn.
Allein Woledle Frau bey ihren Thraͤnen-Fluten /
Bey ihrem Angſt-Geſchrey / was braucht man da vor Rath?
Wer weiß nicht / wenn ſo tieff verwundte Hertzen bluten /
Daß Redner und Poet da kein Gehoͤre hat?
Doch kan noch eintzig Troſt in ihre Seele fallen /
Und ihr bethraͤnt Geſicht erblicken dieſe Schrifft:
So hab ich unterm Bild Erblaſſender Corallen
Der liebſten Tochter Ruhm ein Denckmal hier geſtifft.
Jch will das Alterthum der Fabeln nicht beruͤhren /
Wie der Meduſen Haupt das voller Schlangen hieng /
Das Perfeus abgehaun und mit ſich pflag zu fuͤhren /
Eh er Andromeden zu einer Braut empfieng /
Hat an des Meeres Strand auf weiches Graß geleget /
Durch ſeiner Tropffen Blut gezeuget den Corall;
Daß in Neptunus Schos er weiche Zincken traͤget /
Und aus der See geruͤckt / iſt hart wie ein Metall.
Jch will auch nicht die Aertzt umb deſſen Zeugung fragen /
Ob fettes Hartz / ob Saltz / ob Schwefel ihn gewehrt.
Es ſey daß Jndien und Perſien ihn tragen /
Daß ihn Sardinien und Franckreich auch ernaͤhrt.
So waͤchſt er in dem Meer / der Schoß geſaltzner Thraͤnen.
Ach fangen wir nicht auch ſo unſer Leben an!
Muß nicht den erſten Weg der Zaͤhren Saltz uns baͤhnen?
Die liefert ja der Menſch eh er noch reden kan,
Und382Leichen-Gedichte.
Und wie ein weich Corall ſind unſre weiche Glieder /
Beſtuͤrmt von ſo viel Noth / als der Corall von Fluth.
Wie den der Winde Grimm im Meer treibt hin und wieder /
So werden wir geſchippt von eignem Fleiſch und Blut.
Jſt endlich der Corall aus Thetis Schoß gezogen /
So legt ihm die Natur erſt ihren Purpur an.
Wenn er die Haͤrtigkeit hat von der Lufft geſogen
Und ſein beaſtet Roth’den Augen zeigen kan:
Denn iſt ſein edler Stein der Menſchen Wolgefallen /
Der mit viel Wuͤrckungen vor andern iſt begabt.
Ach gliech / betruͤbtſte Frau / die Tochter nicht Corallen /
So erſt aus ihrer Schoß des Lebens Licht gehabt?
Die durch des Heilands Blut dem Suͤnden-Meer entnommen
Jn wahrer GOttes-Furcht und Tugend ausgeuͤbt?
So einen edlen Glantz und Schoͤnheit hat bekommen /
Die nicht dem Purpur nach noch den Corallen giebt.
Sie hat mehr als Corall der Mutter Hertz geſtaͤrcket
Mit ihrer Liebligkeit der Menſchen Aug erfreut.
Zum erſten GOttes Wort andaͤchtig auffgemercket /
Und ihren Schmuck geſchaͤtzt Zucht und Beſcheidenheit.
Es zieh’der Kuͤnſtler Feur Saltz / Oele / von Corallen /
Und loͤſe derer Geiſt durch viel Veraͤndrung auff /
Es bring uns ihre Blum / Schmaltz / Syrup und Cryſtallen
Zu hemmen durch die Krafft deß grimmen Todes Lauff.
Ach die Erblaſte hat was herrlichers erfunden
Sie wuſte daß der Glantz der Jugend fluͤchtig ſey:
Daß wenn die Schoͤnheit gleich mit Tugend ſich verbunden /
Und aus den Gliedern lacht ein Blumenreicher May /
Daß auch die Liebligkeit / die Sitten und Geberden /
So Jungfern aufder Welt zu holden Engeln macht /
Wie der geprießne Leib in Staub verkehret werden /
Und all Ergetzligkeit ſinckt in deß Grabes Nacht.
Es mag ſonſt der Corall Traum und Geſpenſt verjagen /
Sie jagte von ſich weg der ſchnoͤden Suͤnden Schwarm!
Und wie man vor den Fall Corallen pflegt zu tragen /
So trug ſie vor den Tod den Heiland aufdem Arm.
Jſt die Corall-Eſſentz ein Artzney aller Schmertzen /
So war auch dieſer nur ihr eintzig Heil und Ruh /
Den fuͤhrte ſie im Mund / den ehrte ſie im Hertzen /
Biß daß ein ſanffter Tod ihr ſchloß die Augen zu.
Jſt383Leichen-Gedichte.
Jſt nun Woledle Frau die Tochter gleich verbliechen /
Erblaſt doch der Corall offt an deß Halſes Schnee:
Jſt ihre Augen-Luſt und Troſt von ihr gewichen /
Sie dencke wem ſie doch als Braut zur Seiten ſteh.
Es mag das Jungfern-Volck ſich ſchmuͤcken mit Corallen /
Und an der rothen Zier und Kugeln tragen Luſt;
Jn einem groͤſſern Schmuck und beſſerm Wolgefallen
Ruht unſre Brußkyn itzt an ihres Heylands Bruſt.
Ehren-Gedaͤchtnuͤs / Hn. J. J. M. JC. den 19. Febr. 1679.
DEr Tod / ſo alles zwingt / zwingt nicht gelehrte Leute /
Es friſt das ſchwartze Grab nit ihren lichten Ruhm /
Und nim̃t er gleich den Leib / die Hand voll Staub zur Beuthe /
Ein ewiges Geruͤcht bleibt doch ihr Eigenthum.
Sie fallen wie die Sonn / eh die noch gar verſincket /
Und in der blauen See die muͤden Pferde waͤſcht /
So ſieht man wie ihr Glantz im hoͤchſten Golde blincket /
Und wie ſie Purpur-roth / wenn ſie nunmehr verleſcht;
So auch der Sinnen Feu’r / die Fackel deß Verſtandes
Das Licht ſo vielen oft zu Dienſt und Nutzenſchien /
Verdruͤcket nicht die Laſt deß duͤrren Leichen Sandes /
Man ſiehet ſeine Flamm auch bey der Nachwelt gluͤhn.
Da weiſen kluge Koͤpff erſt ihrer Weißheit Strahlen /
Wenn ſie die Demmerung des Neides nicht mehr ſticht.
Wenn ſie die letzte Schuld zwar der Natur bezahlen /
Hingegen Ehr und Ruhm den Lorber-Krantz drauf flicht.
Ein ſolcher Unterſcheid iſt zwiſchen einem Grabe /
Das einen klugen Kopff und albern Tropffen deckt.
Den tilgt mit ſeinem Thun Verweſung / Wurm und Schabe /
Wenn jenem wird ein Licht der Ehren auffgeſteckt.
Es mag das ſtoltze Rom ein ewig Feuer hegen /
Und mehr als hundert Jahr in Graͤbern Ampeln ſchaun:
Hier will die Ewigkeit den Zunder ſelbſten legen /
Die den Gelehrten pflegt ein Denckmahl auffzubaun.
Und billich iſt es auch. Vor ſo viel Muͤh und Wachen /
Vor ſo viel ſchwere Sorg und unverdroßnen Fleiß /
Dadurch wir lebendig uns todten aͤhnlich machen /
Ertheilt der Tugend Hand zu letzt den Ehren-Preiß.
Der -384Leichen-Gedichte.
Dergleichen ſchoͤnen Lohn und praͤchtiges Geſchencke /
Mein Moeſchel hat dir auch die Nachwelt bey gelegt /
Du haſt mit Recht verdient / daß man dein offt gedencke /
Und daß man Lorbeer-Zweig itzt auf dein Grabmal traͤgt.
Du Sohn der Gratien / du Hertz der Caſtalinnen /
Es ſah von Jugend auf / dich Phoͤbus guͤnſtig an /
Minerva ſchaͤrffte dir die auffgeweckten Sinnen /
Und hat das feinſte Gold in dein Gehirn gethan.
Ein Buch war deine Luſt / ein Buch hieß deine Freude /
Die Lehrer wunderten den ungemeinen Fleiß /
Und / was ihr Mund vorlaß / blieb deiner Seelen Weyde /
Es ruͤhmt noch Onoltzbach der gruͤnen Jahre Schweiß.
Und als du hoͤher nun in freyen Kuͤnſten kommen /
Und Griechiſch und Latein von deinen Lippen floß /
Hat dich der Groſſen Gunſt in Obacht bald genommen /
Und Baſel / als ein Sitz der Weisheit / in die Schos.
Es wieß dir Altdorff auch der Themis heilge Rechte /
Und was Juſtinian uns von Geſetzen ſagt.
Es hat zu Muͤmpelgart manch adliches Geſchlechte
Dich offt umb Unterricht und treuen Rath gefragt.
Und diß war nicht genug; dein Sinn der voller Flammen /
Wolt auch vie gantze Welt das groſſe Buch durchſehn.
Und was Rom und Paris von Wundern bringt zuſammen /
Das war dein feurig Geiſt bemuͤhet außzuſpaͤhn.
Wie vielmals haſtu nicht die Laͤnder durchgegangen?
Und wie die Adler thun / die Jugend angefuͤhrt?
Wie ſo manch groſſer Mann hat dich erfreut umbfangen?
Und deine Redligkeit und reine Treu geſpuͤrt?
Was wuͤrdig hier und da vom Alterthum zu ſchauen /
Und was der graue Mund von den Geſchichten ſagt /
Was von Gedaͤchtnuͤſſen den Felſen eingehauen /
Und was von Maur und Stein aus tieffen Kluͤfften ragt /
Das war dir gantz bekandt ſamt dem Vorlauff der Zeiten.
Es war dein kluger Kopff die Mappe dieſer Welt.
Und wer dir anvertraut / den wuſteſt du zu leiten
Daß zu der Hurtigkeit ſtets ernſter Witz geſellt;
Manch hohes Stamm-Haus hat ſein Wuͤnſchen und ſein Hoffen /
Die Pfeiler deß Geſchlechts geliefert deiner Hand /
So hat der Seegen auch deß Himmels eingetroffen /
Daß du ſie wiederbracht / Gott und dem Vaterland.
Bevor385Leichen-Gedichte.
Bevor wil Schleſien dir unvergeſſen dancken /
Es ruͤhmt noch deine Treu und reiche Wiſſenſchafft.
Verſichert daß bey uns / du Ruhm der tapffern Francken /
Dein treuer Name reucht als wie ein Narden-Safft.
Ein jeder liebte dich / die Anſtalt der Geberden /
Mit Sanfftmuth uͤberbluͤhmt / mit Demuth untermiſcht /
Hat Frembden zum Magnet der Liebe muͤſſen werden /
Der ſie zu gleicher Tren und Freundſchafft angefriſcht.
Der Hoͤfe Hoͤflichkeit war dir nicht unverborgen /
Der Sachen Heimlichkeit blieb dir nicht unbekandt.
Ach aber daß dein Fleiß / diß Wachen / dieſes Sorgen /
Der ungeſtuͤme Tod ſcharrt in den leichten Sand.
Aſtraͤa hatte dich zu hohen Ehren-Stuffen
Durch ihren Schluß erwehlt / dein Ruhm flog uͤberweit:
Die Parcen aber ſtehn gantz ſteinern auff das Ruffen /
Jhr Meſſer iſt geſchickt daß es den Faden ſchneidt.
Es muß dir Schleſien nur noch die Bahre machen /
Ein duͤrres Fieber raubt dir Leben / Geiſt und Sinn.
Auff was fuͤr ſchlechtem Grund beſtehn der Menſchen Sachen?
Jſt nichts als Noth und Tod ihr endlicher Gewinn?
Doch wer wie du entſchlaͤfft / du Stern der edlen Francken /
Dem zieht der Lethe Nacht nicht ihre Schatten fuͤr.
Es wird der Helicon noch deiner Vorſicht dancken /
Der Aoninnen Schaar nennt dich noch Troſt und Zier.
Dein gut Geruͤchte wird / wie vormahls / mit dir reiſen /
Da wo die Sonn auffſteht und wieder ſchlaͤffet ein.
Dich wil Mnemoſyne von ihrer Taffel ſpeiſen /
Daß nichts vergeßliches an Moͤſcheln mehr kan ſeyn.
So lang in Schleſien noch Lorbeern werden bluͤhen /
Sie ſollen umb dein Grab als keuſche Jungfern ſtehn.
So lang als noch ein Feur die Dichter wird angluͤhen /
So ſtreiten ſie dein Lob gebuͤhrend zu erhoͤhn.
Mißgoͤnne Groſſen nicht die theuren Marmelſteine /
Da offt des Kuͤnſtlers Hand den meiſten Ruhm erhaͤlt.
Es ruhen uͤberall die abgelebten Beine /
Und dein Gedaͤchtnuͤß faͤhrt durch die gelehrte Welt.
Es bleibt die Feder doch des Adlers rechter Fluͤgel /
Der unſern Namen ſchreibt biß an der Sonnen Kreiß.
So iſt ein gut Geruͤcht auch ein hochguͤltig Sigel /
& q; Daß von dem Untergang uns zu befreyen weiß.
BbbbDie386Leichen-Gedichte.
Die vollkommenſte Gnade / Bey Beerdigung Hn. E. V. den 20. Febr. 1679. vorgeſtellet.
ES iſt ein praͤchtig Wort: Er ſteht in hohen Gnaden /
Es iſt ein herrlich Ding bey Fuͤrſten ſeyn geſehn.
Es kan derjenige in nichts als Wolluſt baden /
Auf den die Weſten Wind erlauchter Hulden wehn.
Bekroͤnter Haͤupter Gunſt iſt wie der Thau auf Kraͤutern /
Der Blumen Laub und Graß floͤſt neue Kraͤfften ein.
Es wird ſich deſſen Ruhm und Ehre mehr erweitern /
Der darff unangeſagt ſtets bey den Hohen ſeyn.
Er ſchoͤpffet Pracht und Glantz von ſeines Fuͤrſten Sonne /
Den Purpur den er ehrt / wirckt auch ſein Ehren-Kleid.
Er heiſt des Landes Heil / der Unterthanen Wonne /
Es giebt durch ſeinen Mund des Fuͤrſten Hertz Beſcheid.
Der Thron / vor dem er ſteht / kroͤnt ihn mit Lorbeer-Zweigen /
Wohin ſein Fuß nur tritt folgt ihm Gehorſam nach.
Sein Wincken giebt an Tag wer reden ſoll und ſchweigen /
Und Ehrerbietigkeit bewachet ſein Gemach.
Es muͤſſen Laͤnder ſich nach ſeinem Namen nennen /
Man graͤbt ſein hohes Lob den Marmel Seulen ein.
Es muß der gantze Hoff ihn vor das Haupt erkennen /
Und was er angeſchafft / zu thun bereitet ſeyn.
So hat Tiberius durch den Sejan regiret /
Den er den beſten Freund und Mitgehuͤlffen hieß.
So hat den Scepter auch des Nero Hand gefuͤhret /
Wenn ihm der Seneca die Kunſt zu herꝛſchen wieß.
Ach aber Eitelkeit! Wer glaubet daß bey Cronen /
Die edeln Steine nichts als ſchwerer Steine Laſt.
Daß in dem Purpur nur des Neides Motten wohnen /
Und daß wer eifrig liebt / viel eifriger noch haßt.
Ach wanckelbahre Gnad! Ach Gnade von Cryſtallen /
Die nur ein einzig Stoß in tauſend Stuͤcke bricht.
Ach Glaͤtt-Eiß da man ſteht und augenblicks muß fallen!
Ach in dem Finſternuͤß ein recht verfuͤhriſch Licht!
Vertumnus kan ſich nicht ſo wunderlich verſtellen /
Es nimmt Chamaͤleon nicht ſo viel Farben an.
Als387Leichen-Gedichte.
Als viel Veraͤnderung und grimmen Ungluͤcks-Faͤllen /
Ein ſolcher Gnaden-Freund muß leben unterthan.
Bald ſtellt ihm der Neid mehr als verborgne Schlingen /
Bald hat Verleumbdung ihm das Fallbret zugericht /
Und wenn am lieblichſten des Lobes-Glocken klingen /
So hat ein falſcher Freund Aufflagen ausgedicht.
Dann brennt das Gnaden-Feur / bey dem er ſich gewaͤrmet
Sein Ehre / Gut und Blut in einen Aſchen-Hauff.
Und iſt den Muͤcken gleich die umb das Licht geſchwaͤrmet /
Und endlich in dem Licht das Leben geben auff.
So vieler Jahre Schweiß / das unermuͤdte Wachen /
Der ſchweren Dienſte Treu / erlittene Gefahr /
Und was ihn angenehm und ſchaͤtzbar konte machen /
Verſchwindet wie ein Rauch und gilt nicht mehr ein Haar.
Ach Huld voll Suͤnd und Schuld! betruͤgliche Genade!
Die mancher mit Verluſt der Seelen hat geſucht /
Und nichts davon gebracht als des Gewiſſens Made /
Angſt und Verzweiffelung der Ehrgier wahre Frucht.
Wie leicht verkehrt ſich nicht die Huld der Potentaten?
Des Hofes Eigenſchafft ſtoͤrt ſelbſten ihre Ruh.
Dem iſt in Ewigkeit geholffen und gerathen /
Den GOttes Gnade deckt mit ſeinen Fluͤgeln zu.
Des HErren Gnad iſt groß / voll Wunder / unermeſſen /
Jſt wie der Himmel breit und wie das Meer ſo tieff.
Wem GOtt genaͤdig iſt des wil er nicht vergeſſen /
Er fuͤhrt durch Sturm und Wind an Port ſein Lebens-Schiff.
Die Gnad iſt uns ein Licht auch in des Todes Schatten /
Jm Leben ein ſolch Thau der Seel und Leib erquickt.
Herr Vollgnad / dem wir itzt den letzten Dienſt abſtatten
Und der in GOttes Huld und Gnaden hingeruͤckt /
Geneuſt nun GOttes Gab und Gnade gantz vollkommen /
Durch die und nicht durch ſich hat er die Seeligkeit.
Wird als ein Himmel-Erb und Buͤrger angenommen /
Holt fuͤr dem Gnaden-Stuhl den Lohn ſo ihm bereit.
Weg Gnade dieſer Welt / hochſteigende Rackqueten /
Die ſpringen und vergehn in ihrem beſten Glantz!
Roch Koͤnig noch Gewalt hilfft in den Sterbens Noͤthen /
Auch die Geſalbten fuͤhrt der Tod in ſeinen Tantz.
Verkehrte Sterblichen ſucht doch des HErren Gnade /
Die bey euch ſo viel Guts und Wunder hat gethan!
Bbbb 2Legt388Leichen-Gedichte.
Legt dieſes Sigel doch in eures Hertzens Lade /
Daß euch vor Noth und Tod großmaͤchtig ſchuͤtzen kan.
Es prangt Herr Vollgenad allein mit dieſen Schaͤtzen /
Dem GOtt von Jugend auff viel Gnade hat erzeigt.
Denn dieſen ſo auff ihn ihr gantz Vertrauen ſetzen /
Jſt ſtets der groſſe GOtt mit Vater-Hold geneigt.
Daß ſeine Handelſchafft im Seegen hat gebluͤhet /
Daß er ſo vielmal iſt entkommen der Gefahr /
War / daß er ſich zu erſt umb GOttes Ehr bemuͤhet /
Und ſein Hertz dargeſtellt zu einem Danck-Altar.
Denn fand er wiederum vor ſeinen Augen Gnade /
Die ihn geſaͤttiget mit Leben / Gluͤck und Heil /
Daß ihn und ſein gantz Hauß befallen hat kein Schade /
Und ſeinen Wolfahrts Baum zerſchellt kein Donner-Keul.
Und ſind die Leibes-Fruͤcht auch eine Gnaden-Gabe /
Erhaͤlt der Kinder Blut des Namens Ewigkeit;
So war er hochbegluͤckt und fuͤhlet noch im Grabe /
Wie ihre Wehmuth itzt der Thraͤnen-Opffer ſtreut.
Er hat ſein Vater-Hertz vor ihnen nicht verſchloſſen /
Und als ihn GOttes Gnad mit Uberfluß erfuͤllt /
So hat er wider die in Stroͤhmen ausgegoſſen /
Und war dem Duͤrfftigen zu dienen ſtets gewillt.
Blieb in ſich ſelbſt vergnuͤgt / gerecht in ſeinen Sachen /
Hieß bey der Mode-Welt die Einfalt nur ſein Kleid.
Ließ die Hochtrabenden viel groſſe Spruͤnge machen /
Sein beſtes Kleinod blieb die alte Redlichkeit.
So gnaͤdig hat ſich GOtt im Leben ihm erwieſen /
Und noch genaͤdiger als es zum ſcheiden kam /
Den er mit Mund und Hertz hat jederzeit geprieſen /
Erſchien mit reichem Troſt biß daß ſein Licht verglam.
Drumb traurt Betruͤbtſte nicht daß er iſt aufgenommen /
Daß ihr dem Vater jetzt gedruͤckt die Augen zu.
Nun iſt Herr Vollgenad an Gnaden gantz vollkommen
& q; Er wohnt in Sicherheit und ſchlaͤfft in Fried und Ruh.
Das Land des Friedens / Bey Beerdigung Jfr. A. M. F. den 26. Febr. 1679. entworffen.
JN deiner Todes-Noth / in deiner letzten Stunde /
Da Leib und Seele ringt und ſcheiden ſoll von hier /
Rufft389Leichen-Gedichte.
Rufft dir dein Heyland zu aus ſeinem wahren Munde:
Geh / Freundin / geh zur Ruh / mein Friede ſey mit dir!
Du Friedens-Tochter du / was kanſtu ſchoͤners hoͤren?
Kein Harff - und Lauten-Klang klingt ſo in deinem Ohr.
Du Himmels-werthe Braut / was gleicht ſich deinen Ehren /
Nun dir Jeruſalem ſchleuſt auff ſein Frieden-Thor?
Geh ein / als Siegerin / in keuſchen Lorbeer-Kronen /
Tritt unter deinen Fuß die Hecken dieſer Welt.
Wir muͤſſen noch allhier in Dorn und Diſteln wohnen /
Da du als Schweſter biſt den Engeln zugeſellt.
Man ſage was man wil / es iſt doch hier kein Friede /
Nun ſich der Erden-Kreiß in nichts als Blute waͤſcht /
Nun auch die Sonne mehr ihr Licht zu leihen muͤde /
Und nicht die weite See des Krieges Flammen leſcht.
Wo nur von Schwerdtern klingt Sud / Weſten / Oſt und Norden
Und Eyd und Buͤndnis nicht die grimmen Waffen haͤlt.
Wo nur ein Zeit-Vertreib Verwuͤſten / Brennen / Morden /
Und Kron und Scepter feil umb das verdammte Geld.
Wo / ſag ich / nicht genung / daß gantze Laͤnder Leichen /
Daß wie ein todtes Aaß die Staͤdte ſind verheert /
Und daß kein Platz mehr leer von ſolchen Jammer-Zeichen /
Wo nicht Bellonens Spieß und Blut-Fahn eingekehrt.
Nein / was noch aͤrger iſt das innre Seelen-Streiten /
Die Unzufriedeuheit / die uns zu Boden ſchlaͤgt /
Jſt noch viel hefftiger / als die bedraͤngten Zeiten /
Mit wie viel Martern ſie auch immermehr belegt.
Der Menſch iſt ſtets im Streit / muß mit Begierden kaͤmpffen /
Umbſchantzt mit Hoffnungen / geſchreckt von Furcht Qual /
Und eh er einen Feind der Reitzungen wird daͤmpffen /
So fuͤhrt der ander ihn ſchon in ein Trauer-Thal.
Auch unſer Fleiſch und Blut wird nicht getreu verbleiben /
Wie vielmal lockt es uns bloß zum Verderben an.
Wie wird uns Schmeicheley nicht auff die Hoͤhen treiben
Wo man vor Sturtz und Fall ſich ſchwerlich huͤten kan.
Und was hegt doch die Welt / die ſchnoͤde Welt / vor Frieden?
Den bloß der Eigen-Nutz zuſammen hat geleimt.
Hat Bunds-Genoſſen nicht verborgner Haß geſchieden /
Wenn offt nur einem Theil was uͤber Nacht getraͤumt.
Drumb wohl dem! wer da kan aus dieſen Landen eilen /
Die wie Toſcanien voll Schirlings-Blumen ſtehn.
Bbbb 3Wer390Leichen-Gedichte.
Wer ſich bey dem Napell der Welt nicht darff verweilen /
Und dem ihr toͤdlich Gifft nicht darff zum Hertzen gehn.
Verblaſte Friedlandin / in andre Friedens-Auen
Hat deinem Wunſche nach dich GOttes Hand gefuͤhrt.
Da du den Frieden-Fuͤrſt auff ſeinem Thron kanſt ſchauen /
Der dich als Braͤutigam mit ſeinen Palmen ziert.
Da ſteheſt du vor ihm / ſein außerwehlte Taube /
Kein Flecken iſt mehr da / du biſt vollkommen rein /
Und durch ſein Blut gefaͤrbt ein edle Purpur-Traube /
Ja Schweſter / liebe Braut / und ſo was mehr kan ſeyn.
Du keuſche Lilie / itzt bluͤhſtu ſonder Hecken /
Jtzt bauſtu ein ſolch Land / da Milch und Honig fleuſt /
Er wil dich vor Gefahr mit ſeinen Roſen decken /
Daß keiner Schmertzen Dorn dich weiter nicht zerreiſt /
Der Winter iſt vorbey / die kalte Todes-Schatten /
Der Kranckheit bleicher Froſt / der Thraͤnen Schnee zergehn.
Schau doch in dieſem Land die Blumen auff den Matten /
Wie Wein und Feigen-Baͤum in voller Bluͤthe ſtehn.
Du Friedens-Tochter du in jenem groſſen Reiche!
Du Sarons-Blume du in GOttes Paradeiß /
Gib doch den muͤrben Leib / die abgezehrte Leiche /
Daß ſie der Tod verzehrt durch ſeinen letzten Schweiß.
Dein unbefleckter Geiſt ſchwebt itzt in ſolchen Freuden /
Die nie kein menſchlich Ohr und Auge hat geſehn.
Es wil dein JEſus dich in nichts als Roſen weiden /
Und ſeiner Gnaden-Weſt auff deine Scheitel wehn.
Sein Friede macht dich groß / Heil / Wonne / Luſt und Seegen
Bewaͤſſert wie ein Strom dein Frieden-reiches Land.
Geneuß den hohen Lohn / weil du auff rechten Wegen
Jn wahrer Gottesfurcht den Schoͤpffer ſtets erkannt /
Der wandelt auch anitzt in Perlen deine Zaͤhren /
Und ſchenckt dir einen Schmuck / dem nichts auf Erden gleich.
Es iſt nunmehr erhoͤrt dein Hoffen und Begehren /
Verklaͤrte Siegerin / in dem beſternten Reich.
Du muſteſt deinem GOtt ein Frieden-Kind gefallen /
Weil du von Jugend auff gehalten ſein Gebot.
Dein eintzig Eyfer war in Tugenden zu wallen /
Witz / Demuth und Verſtand dein erſtes Morgen-Roth.
Du haſt nur GOtt geweyht die Blumen deiner Jugend /
Jn Zucht und Froͤmmigkeit des Lebens-Lauff vollfuͤhrt.
Man391Leichen-Gedichte.
Man hat der Eltern Guͤtt und angeſtammte Tugend
Jn jedem Tritt und Schritt gantz ſichtbarlich geſpuͤrt.
Es gab dein kluger Witz den lockenden Sirenen
Der Falſchheit-vollen Welt im Hertzen keinen Platz.
Die Unſchuld muſte dich mit ihren Lilgen kroͤnen /
Und uͤber alles war dein Heyland nur dein Schatz.
Wie freudig haſtu den umbhalſet und umbfangen!
Wie ſehnlich haſtu nicht gewartet auff ſein Heil!
Und biſt mit Glaubens-Oel entgegen ihm gegangen /
Auff daß du haſt erlangt das auserwaͤhlte Theil.
Ach kluges Jungfern-Bild! jetzt ruhſtu gantz in Frieden /
Da Auff - und Untergang gemeinen Nutz zerſtoͤrt.
Du laͤſt die Sterblichen in Angſt und Thraͤnen ſieden /
Und biſt als wahre Braut vor GOttes Stul geehrt.
Was nur von Blum-Werck kan zu deinem Grabe dienen /
Soll dir zur letzten Ehr aus Pflicht geheil get ſeyn /
Und dein Gedaͤchtnuͤß wird in unſren Seelen gruͤnen /
Bis daß uns auch bedeckt ein kalter Leichen-Stein.
Sie aber / werthſte Frau / die jetzt der Schweſter Grabe
Mit naſſen Augen folgt / bekaͤmpffe Schmertz und Leyd /
Und dencke / daß ſie nun das Land des Friedens habe /
Da uns noch auff der Welt beaͤngſtet Krieg und Streit.
Trauer-Ode an die Fr. Wittib / Bey Beerdigung Hn. G. P. den 7. May 1679.
JEtzt gehſt du aus des Kerckers Nacht
Und biſt gantz frey / die Feſſel ſpringen /
Von Band und Ketten loß gemacht /
Und kanſt nun ein Triumf-Lied ſingen.
Du ſchickſt ja nur den Leib zu Grabe
Den Leib / der faulen muß ein Raub der Mott und Schabe.
Dein Wohnhauß / das ſo manche Noth
Und heiß entbranter Schmertz beſtritten /
Darinnen du nicht einen Tod
Ja wol viel tauſend haſt erlitten /
Den Nothſtall laͤſſeſt du jetzt ſtehen
Und wilſt in ein Gemach wol aus zuruhen gehen.
Bbbb 4Ach392Leichen-Gedichte.
Ach freylich ſuchſt du nichts als Ruh /
O Seeliger / die dir gefehlet /
Wenn dir nicht einen Schlaff ließ zu
Die Gicht / ſo peinlich dich gequaͤlet /
Und bey Verlauff ſo vieler Jahre
Dein Bette dir verkehrt in eine Todten-Baare.
Der Japoneſer Folter-Banck /
Und was von Martern nur zu finden /
Jhr Singkod oder Hoͤllen-Tranck
Der durch ſein Brennen pflag zu ſchinden /
Sind Julep fuͤr den Angſt-Geſchirren
Die taͤglich dich getraͤnckt mit mehꝛ als Gall und Myrchẽ.
Wie nenn ich deine Lagerſtadt
Die zugericht von Dorn und Hecken?
War es Jxions Marter-Rad?
Der Felß wo Titius ſich ſtrecken
Den Geyern muß zu neuen Plagen /
Der taͤglich wird verzehrt und doch nicht weggetragen.
Was Nero hat an Grauſamkeit /
Und Menſchen Pein zu Rom begangen /
Caligula nur zubereit
Dem langſam Toͤdten ein Verlangen /
Und Hertzens-Luſt ſehn in dem Sterben
Wie ſich der arme Menſch in letzter Angſt muß faͤrben.
Das gliech doch deinen Schmertzen nicht
Die ſchnelle Zeit macht offt ein Ende.
Hier aber ſchnuͤrte dir die Gicht
So unauffhoͤrlich Fuͤß und Haͤnde /
Daß auch den unbelebten Steinen
Dein Leiden ausgepreſt Erbarmen / wo nicht weinen.
Was haſt du anders angeſchaut
Als truͤbe Tag elende Naͤchte?
So daß dir fuͤr dir ſelbſt gegraut /
Daß du geſeuffzt: Ach wenn doch braͤchte
Ein Bote mir die Poſt zu ſcheiden /
Eh daß ich Gliedweiß muß ſo gar empfindlich leiden.
Da war / als wie der Plato lehrt /
Dein Leib ein rechtes Grab zu heiſſen /
Doch ob er taͤglich ſchon zerſtoͤrt
Durch foltern / brennen / ſtechen / reiſſen;
So393Leichen-Gedichte.
So wiech doch nie des Geiſtes Staͤrcke /
Daß nicht Gedult veruͤbt die groͤſten Wunder-Wercke.
Dein Bette war dein Kaͤmpffer-Platz
Nicht umb vergaͤnglich Gut und Gaben /
Du wuſteſt daß der Seelen-Schatz
Durch hartes Streiten nur zu haben
Und daß der Feind braucht alle Rencke /
Daß er durch Tuͤck und Liſt uns zuberuͤcken dencke.
Daß des Aleidens Helden-Hand
Erleget die zwoͤlff Ungeheuer /
Und ſo den Weg zum Himmel fand /
Zuvor verzehrt von Glut und Feuer /
Diß iſt wie Fabeln aus zulachen:
Du haſt mit mehr gekaͤmpft als Loͤwen / Tygern / Drachẽ.
Ja wie ein hurtig Ritters-Mann
Gelaͤutert durch deß Crentzes Hitze
Mit Tapfferkeit gewapffnet an /
Verlacht des Feindes Hoͤllen Blitze /
Weil in des Heylands Purpur-Wunden
Du da dein Sieges-Fahn und Feld-Panier gefunden;
Jetzt fuͤhrſt du im Triumph den Tod
Und haſt den Schmertzen obgeſieget /
Du ſiehſt wie aller Kranckheit Noth
Nunmehr zu deinen Fuͤſſen liget.
Wie nach dem ausgeſtandnem Wachen
Dem Winſeln und Geſchrey / Frolocken folgt und Lachen.
Laß doch nur in der Erden Schos
Den Leib verzehren Faͤul und Schimmel;
Die Seele ſteiget Kercker-loß
Weit uͤber die geſtirnten Himmel /
Jn jenem groſſen Licht zu wohnen /
Und der du Ketten trugſt prangſt itzt in Sieges-Kronen.
Betruͤbtſte Frau / des Hoͤchſten Schluß
Der uͤber uns pflegt zu gebieten
Heiſt ſie zwar einen Thraͤnen-Guß
Bey ihres Eh-Herrn Grab ausſchuͤtten /
Doch wird er auch dabey diß ſagen /
Daß man nur mit Gedult ſoll ſeine Satzung tragen.
Wiewol diß Kleinod ihr bekandt
Und es ihr Liebſter muſte preiſen /
Bbbb 5Wenn394Leichen-Gedichte.
Wenn ſie bey ſeinem ſchweren Stand
Jhm alle Treu pflag zu erweiſen /
Und durch viel Wartung und viel Muͤhen /
Sein Heil wolt ihrem Heil und Leben gar vorziehen.
Es ſey daß Artemiſia
Deß Ehmanns Aſche hat getruncken;
Ach ſein Gedaͤchtnuͤß ſtehet da
Jn ihrer Seelen unentſuncken /
Herr Polens Leib iſt nur begraben
Er wird in ihrem Hertz ſtets einen Tempel haben.
Sein Name bluͤht bey vielen noch
Die ihm durch Freundſchafft ſind verbunden /
Betruͤbtſte Frau / ſie goͤnn ihm doch
Daß er ſo ſeelig uͤberwunden.
Er kan in reiner Freyheit ſchweben
Da wir im Fleiſch und Blut hier als Gefangne leben.
Der angraͤntzende Tod / Bey Beerdigung Fr. D. K. g. M. den 9. Junii 1679. entworffen.
DU letzte Nachbarin von dieſen Tugend-Frauen /
So meine Kindheit noch als Mutter hat gekennt /
Soll dieſe ſchwache Hand dir auch ein Denckmal bauen
Das nicht der Neid verhoͤnt / und keine Zeit zertrennt?
Ach ja! indem die Welt umb ihre Graͤntzen ſtreitet /
Und durch der Waffen Recht ſie zu erweitern denckt /
Hat dich der blaſſe Tod ſo in ein Haus geleitet /
Das Raum die Fuͤlle hat und keine Graͤntz umbſchrenckt.
Du tauſcht dein gruͤnes Hauß mit einer ſchwartzen Kammer /
Das kommt zwar der Vernunfft arg und erſchrecklich fuͤr:
Alleine / wer erwaͤgt / wie aller Schmertz und Jammer
Durch dieſes Wechſels Schluß entſchlaͤfft zugleich mit dir /
Der heiſt es wolgethan / und wird die Welt beklagen /
Daß ſie / die Thoͤrichte / von keinen Graͤntzen weiß /
Und laͤſt ſich bald den Geitz durch wilde Wellen jagen /
Bald Hochmuth fuͤhren an auff ein gefaͤhrlich Eiß;
Daß ſie mehr haben will / als ſie vor kan beſitzen /
Daß den Begierden auch die Erde viel zu klein.
Daß ſie nur Schaͤtze ſucht / die nicht der Seele nuͤtzen /
Und bey der letzten Farth elende Troͤſter ſeyn.
Daß395Leichen-Gedichte.
Daß ſie wie Tantalus nach falſchen Aepffeln ſchnappet /
Daß ſie mit einem Sieb ausſchoͤpffen will die Fluth /
Gleich Fechtern / die geblendt / nur in den finſtern tappet /
Und bey dem hoͤchſten Witz recht toll und alber thut.
Da doch der groſſe Goͤtt hat allen Dingen Graͤntzen
So wol dem weiten Meer / als auch der Erd er dacht /
Und uns / die wir vielmehr nach ſeinem Bilde glaͤntzen /
Schon ein vollkommen Maß und richtig Ziel gemacht.
Diß kan der arme Menſch nicht haarbreit uͤberſchreiten /
Und wenn der blaſſe Tod ſchon ſeine Richtſch nur zeucht /
So zwingt er den zu gehn / der kuͤhn wil wieder ſtreiten /
Und der muß erſtlich dran / der furchtſam iſt und fleucht.
Hingegen wenn der Tod beſuchet unſre Graͤntzen /
Und man als einen Gaſt ihn heiſt willkommen ſeyn /
Als Abgeſandten ehrt / der / unter Sieges-Kraͤntzen /
Uns in die lichte Burg des Himmels fuͤhret ein /
So ſind wir ja gewiß / daß wir auß frembder Erden /
Auß ſtrenger Dienſtbarkeit in guͤldne Freyheit ziehn:
Daß uns fuͤr Babylon Jeruſalem muß werden /
Und / die wir hier verwelckt / dort wieder ſollen bluͤhn.
Die Hoffnung ſtaͤrckte dich / O ſeelige Matrone /
Als der verlangte Tod in deine Graͤntzen trat:
Da als dein Eh-Herr ſtarb des Hauptes Schmuck und Krone /
Da hemmte ſich bereit das muͤde Lebens-Rad.
Und wie oft biſt du nicht in Enckeln ſchon geſtorben /
Wenn ſie den Blumen gleich verbluͤth in erſter Pracht?
Wenn dieſe Lilien ein kalter Nord verdorben /
Die Roſen vom Geſchlecht die Hitze welck gemacht.
Es hat auch nicht ein Jahr den Cirkel gantz vollzogen /
Da faſt in nichts als Blut dein mattes Hertze ſchwam /
Als der ergrimmte Tod mit ſeinem Pfeil und Bogen
Die liebſte Tochter dir auch aus den Augen nahm.
Da hat ihr Sterbe-Kleid zugleich dich eingehuͤllet
Und ferner alle Luſt zu leben dir verkuͤrtzt.
Ja deine Thraͤnen hat die Zeit nicht mehr geſtillet /
Des Lebens uͤbrig Reſt war nur mit Weh durchwuͤrtzt.
Nenn ich des Alters Laſt / die haͤuffigen Beſchwerden /
Und was fuͤr Kummer mehr dein Hertze dir genagt;
So hat dein Tod dir bloß zum Engel muͤſſen werden /
Der nach getragner Laſt von der Erloͤſung ſagt.
Erbla -396Leichen-Gedichte.
Erblaſte Nachbarin / ach daß aus deinen Graͤntzen
Du dieſen Bothen nicht auch haſt zu mir geweiſt!
Jch wer aus meiner Graͤntz als wie in Freuden-Taͤntzen
Ein williger Geferth und Nachbar nachgereiſt.
Denn iſt es ſonſt bekandt / daß man mit Nachbarn bauet /
Daß aus den Fenſtern man einander vielmals rufft:
So glaube / daß mir nicht vor dieſer Poſt gegrauet /
Und daß ich laͤngſt geſchickt zu fahren in die Grufft.
Es ſey / daß in dem Grab die Wuͤrme Nachbarn werden /
Daß die Verweſung muß an ſtatt der Schweſter ſeyn;
Manch grober Nachbar iſt ein Wurm und Schlang auff Erden /
Der den Verleumbdungs-Zahn ſetzt gleich der Natter ein.
Friedfert ge Nachbarin / du lebſt nunmehr in Frieden /
Laͤſt die erboſte Welt ſich zancken wie ſie will.
Biſt gleich den Schlaffenden in ſtiller Ruh verſchieden
Und haſt nach Kampff und Streit erlangt das rechte Ziel.
Dein Angedencken bluͤht noch in der Kinder Seelen /
Die Tugend legt dir ſelbſt das wahre Zeugnuͤß bey /
Daß man nicht erſt auff Stein und Marmel darff aushoͤlen /
Wie ſittſam ſtill und fromm dein Lauff geweſen ſey.
Du achteſt nicht die Welt / hieltſt dich in deinen Graͤntzen /
Und ſtille Froͤmmigkeit war uͤber dir dein Schild /
Dein ſorgen / wie ſich mehr die Nahrung moͤcht ergaͤntzen
Die Gottes Seegen auch ſehr reichlich angefuͤllt.
Sonſt hat des Nechſten Thun dir Kummer nicht erwecket /
Dein Fenſter durffte nicht des Nachbarn Richt-Stul ſeyn.
Du haſt in deinem Hauß den Schnecken gleich geſtecket
Und mehr als Gifft gehaſt den Heuch - und Schmeichelſchein.
Die Enckel blieben nur die Cirkul deiner Freuden /
Jhr angenehmer Schertz der beſte Zeitvertreib /
Jhr Zuſpruch minderte das uͤberhaͤuffte Leiden /
Wenn neuer Kranckheit Weh befiel den muͤrben Leib.
Begluͤckte Nachbarin! die in der Kinder Haͤnden
Jn ihrer Liebes-Pflicht ſo ſanfft von hinnen faͤhrt:
Die nach ſo vielem Sturm kan an den Port anlaͤnden
Und die kein zeitlich Creutz und Trangſal mehr beſchwert.
Schlaf / werthe Nachbarin / in deines Grabes Graͤntzen!
Dich haͤlt gar wol verwahrt dein Graͤntz - und Leichenſtein /
Dein Lebens-Winter ſieht jetzt einen ſolchen Lentzen
Dem keine Blumen hier auff Erden aͤhnlich ſeyn.
Du397Leichen-Gedichte.
Du geheſt aus der Nacht zu jenem groſſen Lichte /
Aus deinem Elends-Bau ins Hauß der Herꝛlichkeit.
Jetzt erndteſt du vergnuͤgt die Fried - und Freuden-Fruͤchte
Entnommen aller Angſt / entfernet allem Streit.
So ſeelig graͤntzt der Tod an unſern irꝛd ſchen Haͤuſern /
So friedlich kehret er zu unſern Huͤtten ein:
Wer ſeiner Nachbarſchafft ſich trotzig will entaͤuſern
& q; Dem legt er heute noch vielleicht den Graͤntzen-Stein.
Ehren-Lohn der treuen Diener GOttes / Bey Beerdigung Hn. D. T. P. zu W. den 25. Junii 1679. entworffen.
GEh ein / du treuer Knecht / zu deines HErren Freude:
Dein Lohn iſt reich und ſchoͤn und uͤberſchwenglich groß.
Geh ein / und zwar begabt mit einem weiſſen Kleide /
Der Hoheprieſter nimmt dich / Prieſter / in die Schos.
Du muſt aus Sarg und Grab dich in die Hoͤhe ſchwingen /
Gleichwie der Aaron that / als er ſein Ampt vergnuͤgt /
Und auff dem Berge Hor / was GOtt ſchafft zu vollbringen /
Durch einen ſanfften Tod ward gleichſam eingewigt.
Du haſt genug gekaͤmpfft / und deinen Lauff vollendet;
Nach uͤberſtand nem Streit theilt man ja Cronen aus.
So haſt du auch dein Pfund mit Wucher angewendet /
Und wachſam jederzeit bewahrt des HErren Hauß.
Auff Schweiß erfolgt der Preiß. Denn der dich hat beſtellet /
Lohnt / wie die ſchnoͤde Welt / mit keinem Undanck nicht.
Wo er iſt / ſoll ſein Knecht ihm auch ſeyn zugeſellet /
Nichts kan ſo ſeelig ſeyn / als die Verbuͤndnuͤß-Pflicht.
Wer aber iſt der HErr? Ein GOtt dem niemand gleichet;
Ein Koͤnig / deſſen Macht kein Ober-Macht erkennt.
Vor dem die Sonne ſteht / des Monden Licht erbleichet / (nennt.
Der Scepter / Kron und Thron / Glaß / Staub und Scherben
Was ſoll der Kuecht denn thun? Er ſoll ſein Joch auffnehmen /
Das er zum Heil der Welt laͤngſt uͤbertragen hat;
Er ſoll in keinem Creutz ſich des Erloͤſers ſchaͤmen /
Und glauben / daß bey ihm Troſt / Rettung / Huͤlff und Rath.
Bey Fuͤrſten faͤllt ein Knecht gar leicht in Ungenaden:
Offt wird der treuſte Dienſt am wenigſten evkant.
Nein / Gott wil ſeine Knecht als Gaͤſte zu ſich laden
Und nennt ſie Botſchafften zu predigen geſandt.
Jſt398Leichen-Gedichte.
Jſt denn der Lohn ſo groß? Ach freylich Keine Schaͤtze
Kein Reichthum noch Gewalt koͤmmt der Belohnung bey.
Denn / der gehalten hat ſein Wort und ſein Geſetze
Den macht er von dem Tod und deſſen Banden frey /
Und theilt mit ihm ſein Reich unausgegruͤndter Freuden:
Setzt ihn mit vollem Recht zum Himmels-Fuͤrſten ein.
Es muͤh ſich Hoͤll und Welt das Buͤndnuͤß zu zerſchneiden /
Wo dieſer HErr regiert / da muß der Diener ſeyn.
Sehr ſchoͤn iſt auch der Lohn: War es ein Gnaden-Zeichen /
Wenn Fuͤrſten dienenden Pracht-Kleider ausgetheilt?
So muß wol Seid und Sammt deß Heylands Purpur weichen
Als der mit ſeinem Blut uns Suͤnder hat geheilt.
Soll der Gerecht nicht als wie die Sternen glaͤntzen?
Soll / wer Gerechtigkeit beſtaͤndig hat gelehrt /
Nicht ſo beſtralet ſeyn / als wie die Sonn im Lentzen
Und in der Engel-Chor ſein Name ſeyn geehrt?
Die ihre Stimme hier erhoben als Poſaunen /
Die des Geſetzes Schwerdt mit Helden-Muth gefuͤhrt /
Daß ein verſtocktes Hertz daruͤber muſt erſtaunen /
Wenn ihr gerechter Grimm die Miſſethat beruͤhrt:
Die / meld ich / ſtehn nun da gekraͤntzt mit Sieges-Zweigen /
Und ihre Arbeit iſt vergeblich nicht gethan.
Jhr Glantz der Herꝛlichkeit wird alles uͤberſteigen /
Was die gevierdte Welt an Schoͤnheit zeugen kan.
Unuͤberſchwenglich groß iſt auch der Lohn zu heiſſen /
Denn die Verheiſſung thut der groͤſte Potentat;
Er ſpricht: Jch bin bey dir / ich will aus Noth dich reiſſen /
An Leben / Ehr und Ruhm vollkommen machen ſatt.
Es ſoll dein Kindes-Kind von nichts als Wundern ſagen /
Und meine Hand bey dir ſtets unverkuͤrtzet ſeyn.
Jch will im Alter dich auff Adlers-Fluͤgeln tragen /
Dein GOtt von Jugend auf / biß in den ſchwartzen Schrein.
Weg mit Belohnungen / die wir allhier genieſſen /
Es gleicht diß Schatten-Werck deß Himmels-Guͤtern nicht!
Wenn ſich manch frommer Knecht hat treu zu ſeyn befliſſen /
Gibt ein undanckbar Herꝛ ihm wol ein ſau’r Geſicht.
Und wer jetzt redlich dient / der wird zum Lohn gehaſſet;
Da offt ein Schmeichel-Maul hoch an dem Brete ſitzt.
Wer Ohren melcken kan / und Zeitungen aufffaſſet /
Dem hat es gar viel mehr als Tugenden genuͤtzt.
Weg /399Leichen-Gedichte.
Weg / Dienſte dieſer Welt! Wo die Belohnung bitter /
Schlecht / ſoͤrglich / ungewiß / ja mit Gefahr verhuͤllt.
Wer treulich GOtt gedient / den ſchreckt kein Ungewitter /
Er weiß / daß er gar viel bey ſeinem HErren gilt.
Entſchlaffner Senior / und Diener ſeines Willen /
Der fuͤr deß HErren Hauß und das Altar gewacht /
Jm Reden ein Lactantz / im Lehren gleich Cyrillen /
Ambroſius an Witz / Nyſſenus an Bedacht /
Du haſt in deinem Dienſt mit Ruhm dich ſo erwieſen /
Daß dir auffs lieblichſte das Loß gefallen iſt.
Die Demuth / die Gedult wird noch bey uns geprieſen /
Du Lehrer unſrer Zeit und Creutz-bewehrter Chriſt.
Nun iſt deß Joches Laſt von dir gantz weggenommen /
Aus Hecken ſchreiteſt du auff eine Roſen-Bahn.
Es iſt dein Lebens-Schiff jetzt an den Hafen kommen /
Du laͤndeſt bey dem Haupt der guten Hoffnung an /
Und wirffeſt Ancker ein bey dem gelobten Lande /
Worzu das heilige Creutz dir hat den Weg gezeigt /
Und lebſt gantz Kummer-loß in einem ſolchen Stande /
Der alle Pracht der Welt und Hoheit uͤberſteigt.
Dein Lohn iſt gar zu reich: Du haſt des Reichthums Fuͤlle /
Da Menſchen-Schaͤtze nur ſeyn ein verdammter Koth.
Dein Lohn iſt gar zu ſchoͤn: An ſtatt der leinen Huͤlle
Ziehrt dich ein ſolch Gewand / das mehr als Purpur roth.
Dein Lohn iſt gar zu groß: unendlich / unermeſſen.
Ach unſre Sterblichkeit begreifft die Wuͤrden nicht!
Nimm hin / Wolwuͤrdiger / nur dieſe Trauer-Cypreſſen /
Die ein getreuer Freund noch umb dein Grabmal flicht.
Geh ein / O frommer Knecht / zu deines HErren Freude /
Er will nicht ohne dich / und du ohn ihn nicht ſeyn.
Jhr aber / die ihr ſeyd verſenckt in tieffſtem Leyde /
Aus Eh und Kindes-Pflicht bentzt den Leichen-Stein:
Denckt / daß wer wolgedient / der wird auch wol belohnet /
Daß treue Lehrer ſind in GOttes Augen groß.
Und daß er in dem Saal der hoͤchſten Wonne wohnet /
Da Elend und Gefahr uns draͤuen manchen Stoß.
Es wird ſein Seegen auch auff eure Scheitel tauen:
Wer GOtt zum Freunde hat / kan nicht verlaſſen ſeyn.
Die nur auff dieſen Fels ſich gruͤnden und vertrauen /
Die rafft kein Sturmwind nicht / und ſchlaͤgt kein Wetter ein.
Der400Leichen-Gedichte.
Der liebſte Vater ruht und haͤngt ſein Angedencken
Als ein Gedaͤchtnuͤß-Bild in euren Seelen auff.
Vor muſten Creutz und Noth ſein Leben nur umbſchraͤncken
Jetzt ziehret Lohn und Cron den wolbeſchloßnen Lauff.
Der lebendige Brunn Jſraels / Bey Beerdigung Hn. M. C. N. D. zu St. M. M. den 24. Junii 1679. entworffen.
BRunn / der aus Jſraels Heil-Quellen iſt entſproſſen /
Der offt den Matten Durſt der Sterblichkeit geleſcht /
Der von dem Lebens-Felß Cryſtallen-klar gefloſſen /
Und deſſen Ufer nie bekleidet Schilf und Jaͤſcht /
So ſolſtu wie der Krith in Augenblick verſiegen?
Schluckt denn der Erden-Schlund jetzt deine Quellen ein?
Soll kein bedraͤngtes Hertz ſich mehr zu dir verfuͤgen /
Das Labſal bey dir ſucht / und Lindrung ſeiner Pein?
Was iſt doch lieblichers auff aller Welt zu finden /
Wenn jetzt der Sonnen-Glut der Erden Bruſt verbrennt /
Und alle Kraͤfften uns / ja Geiſt und Leben ſchwinden /
Daß man fuͤr Mattigkeit einander kaum faſt kennt /
Als wenn ein tunckler Wald und eine gruͤne Hoͤle
Uns einen Brunn gewaͤhrt / der aus den Adern quillt /
Mit lieblichem Geraͤuſch ergetzt die krancke Seele /
Und durch ſein kuͤhles Naß des Durſtes Flammen ſtillt?
Hier ſucht der Wanders-Mann / der Kraft-loß / ſein Vergnuͤgen /
Der Schnitter eilet hier halb-ſchmachtende zur Ruh:
Der Bothe wuͤnſcht ihm da auf kurtze Zeit zu ligen /
Und wer fuͤruͤber geht / geſellet ſich darzu.
So viel Ergetzligkeit kan friſches Waſſer geben!
Ach wie weit herrlicher muß dieſer Brunn-Quell ſeyn?
Der durch ſein Waſſer uns gibt Seele Geiſt und leben /
Daß uns auf Ewigkeit kein Durſt nicht nimmet ein!
Zu dieſem Lebens-Brunn haſtu durch deine Lehren
Bißher / Ehrwuͤrdiger / uns heilſam angeweiſt /
Dein Reden war ein Strom / der ſtets mit vollen Roͤhren
Auff der Zuhoͤrer Hertz lebendig Waſſer geuſt.
Und wie hat nicht dein Mund von GOttes Lob gequollen /
Wenn ſeine Satzungen und Guͤte du gelehrt?
Uns trifft nur der Verluſt / daß wir dich miſſen ſollen /
Daß man dich weiter nicht / dich Kirchen-Engel / hoͤrt.
Es401Leichen-Gedichte.
Es iſt das Heidenthum mit Eifer zu verlachen /
Das ſeine Brunnen hat den Najaden geweyht /
Und aus den Quellen ſelbſt offt Goͤtter wollen machen
Mit Opffern ſie verehrt / mit Blumen auch beſtreut.
Nein / du biſt deinem GOtt ein heilig Quell geweſen /
Und ein verſigelt Brunn durch ſeiner Allmacht Hand.
Er ließ von erſter Schuld dich durch ſein Bad geneſen /
Und hat den Himmel dir zum Erbrecht zugewandt.
Denn hat er ſeinen Geiſt ſehr reich auff dich gegoſſen /
Daß du gleich einem Brunn in Thaͤlern ſolteſt ſeyn /
Der fuͤr der Sonnen Hitz und Stralen iſt verſchloſſen /
Und dem erdurſten Feld floͤſt neues Wachsthum ein.
Rom war ſo raſend toll und kroͤnte gar die Brunnen /
Weil ihre Nutzbarkeit dergleichen Schmuck verdient:
Mehr Kronen hat dein Fleiß durch Wiſſenſchafft gewonnen /
Daß deines Namens Ruhm bey uns unſterblich gruͤnt.
Du / ſelbſt ein reiner Quell / haſt aus den erſten Quellen
Des HErrn ſein Gebot in unſer Hertz gefuͤhrt.
Dein Maſoretiſch Werck wird uns fuͤr Augen ſtellen /
Wie der Hebraͤer Sprach und Mund-Art dich geziert.
Du legſt den Syrer aus / was der Chaldeer ſchreibet /
Der Griech und Araber in ſeinen Schrifften deckt /
Und was der rauhe Scyth im kalten Norden glaͤubet /
War deinem Meiſter-Fleiß und Forſchung nicht verſteckt.
Ein Brunn / der fruchtbar iſt / wird ihm nicht ſelber rinnen /
Er ſchenckt den Silber-Thau der Wieſen bundten Klee /
Traͤnckt bald die Lilien / der Blumen Koͤniginnen /
Bald ſteigt er mit mehr Fluth vergroͤſſet in die Hoͤh.
Du auch / O Seeliger / haſt deiner Weißheit Guͤter
Bey anvertrauter Kirch in Stroͤme ausgetheilt /
Dein ruͤhmlich Ampts Fleiß war zu ſpeiſen die Gemuͤther /
Zu ſorgen / daß ja ſey der Suͤnden Mahl geheilt.
Du biſt kein leerer Brunn ohn Waſſer je geweſen /
Wie ſolche Lehrer ſind / die ohne Troſt und Rath.
Wer dir als Artzt den Schmertz entdeckt / der iſt geneſen /
Der Nachdruck deiner Wort eroͤffnete die That.
Ach du Anruffers-Brunn / wenn du das Volck verſoͤhnet /
Eliſa / der ſein Saltz in Waſſer-Quellen warf /
Wenn offt ein Jericho mit Suͤnden GOtt verſoͤhnet /
Daß nicht die bittre Fluth der Seelen ſchaden darf.
CcccDu402Leichen-Gedichte.
Du rechter Jacobs-Brunn / wo muͤde Ruh gefunden /
Und wo ihr JEſus ſelbſt erkieſet ſeine Raſt;
Du ausgeklaͤrter Brunn / den Bintzen nicht umbwunden
Und den noch Schlam / noch Mos / noch Dorn und Strauch
Du Quelle / die uns hat in Canaan geleitet /
(umbfaſt!
Wie lechzt dein Eymer jetzt? zerbricht numehr das Rad?
Ach ja! je mehr der Menſch zu ſeinem Wachsthum ſchreitet /
Je naͤher er den Fuß auch zu dem Grabe hat.
Wie aber / der ſo offt an unſer Hertz geklopffet /
Und der aus Redlichkeit ſein Hertze nicht verſchloß /
Wird dem der Lebens-Quell ſo zeitlich zugeſtopffet?
Es ſcheint ja / der Verluſt ſey nur zu fruͤh zu groß.
Nein / der Verweſungs-Brunn friſt auch der Prieſter Glieder /
Wie Waſſer ſich verſchleuſt / und laͤnger nicht haͤlt auf /
So faͤhrt gleich einem Strom von uns das Leben wieder /
Noch Kunſt / noch Weißheit hemmt den allgemeinen Lauff.
Wiewol das Brunnen-Loch das kan ſie nicht beſchlieſſen /
Weil gar ein ander Brunn zu ihrem Leben quillt.
Denn wenn der Bau der Welt wird ſchmeltzen und zerflieſſen /
So hat der Brunn des Heils mit Wonne ſie erfuͤllt.
Es ſey / der Tyger-Strom verberge ſeine Wellen /
Daß aus der Erden er aufs neue dringt hervor;
Es mag in Spanien ſich der Anas auch ſo ſtellen /
Der etwas ſich verkreucht / bald wieder kommt empor.
Ach in weit andrer Pracht / in groͤßrem Glantz und Scheine /
Wird was jetzt Aſch und Staub / zur Herrlichkeit auſſtehn!
Wir liefern nur dem Grab auf kurtze Friſt die Beine /
Biß der verklaͤrte Leib wird Sternen gleiche gehn.
Betruͤbtſte / die numehr in Thraͤnen-Quellen ſchwimmen /
Und theils des Eh-Herrn Pflicht / des Vatern Treu beraubt /
Wer laͤugnet / daß ſich nicht muß ihre Seele kruͤmmen /
Und wer iſt ſo ein Stein / der dieſen Schmertz nicht glaubt?
Jhr Ehr - und Freuden / Brunn / der ſie ſo offt erquicket /
Der ſo viel Seegens-Stroͤm in ihre Graͤntzen goß /
Der ſie mit Wonn und Ruhm und Kronen hat geſchmuͤcket /
Vertrocknet und verſigt / iſt Geiſt - und Lebens-loß.
Doch der aus Felſen kan lebendig Waſſer zwingen /
Der Brunn-Quell Jſraels / der ſtets von Seegen quillt /
Der woll auch ihrem Schmertz ein ſolches Pflaſter bringen /
Daß / was ſein Mund verheißt / bey ihnen ſey erfuͤllt!
Der403Leichen-Gedichte.
Der geneſene Eneas / Bey Beerdigung Hn. H. H. den 31. Julii 1679.
1.
JCh wil hier nicht der Helden Kern
Den muthigen Eneas weiſen /
Den als des Vaterlandes Stern
Und Beyſpiel die Geſchichte preiſen /
Wenn er den abgelebten Alten
Den Vater auff die Schultern legt
Und mitten durch die Flammen traͤgt /
Umb ſo ſein Leben zu erhalten.
2.
Betruͤbtſte / dieſe Kindes-Pflicht
Und Treu waͤr auch an euch erſchienen /
Wenn damit etwas ausgericht /
Und es dem Vater moͤgen dienen.
Jhr haͤttet ihn von ſeinen Ketten
Und Banden gerne frey gemacht /
Ja alle Mittel ausgedacht /
Ob Menſchen Huͤlffe koͤnte retten.
3.
Allein hier galt noch Kunſt noch Cur /
Noch des Eneas Witz und Staͤrcke /
Es leitet uns des Glaubens Spur
Auff des Eneas Wunderwercke /
Der acht Jahr unbeweglich ligen
Jn ſeinen hoͤchſten Schmertzen muß /
Zu dem aus Eckel und Verdruß
Sich ferner wil kein Artzt verfuͤgen.
4.
Ein Wort das des Apoſtels Mund
Vom Himmel abgeſchickt geſprochen:
Dein JEſus mache dich geſund /
Das hat der Kranckheit Weh gebrochen.
Cccc 2Steh404Leichen-Gedichte.
Steh auff und geh aus deinem Bette /
Dein Heiland gibt dir neue Krafft /
Das Ubel iſt gantz weggeſchafft /
Eneas mercke wer dich rette!
5.
Muß nicht Machaon und Galen
Und Theophraſt hier ſchamroth werden /
Ein Wort heiſt den Eneas gehn /
Ein Wort benimmt ihn der Beſchwerden.
Wie freudig ſieht er ſeinen Glauben
Durch Hoffen und Gedult bewaͤhrt
Daß ihm nun Huͤlffe wiederfaͤhrt /
Und niemand dieſen Troſt kan rauben.
6.
Betruͤbtſte / ſolt euch dieſes nicht
Ein kraͤfftig Lehr-Exempel geben:
Wie war der Vater zugericht?
Wie abgemergelt ſchien ſein Leben?
Wie haͤuffte ſich die Qual der Schmertzen?
War er ohn Thraͤnen anzuſchau’n?
Muſt ihm nicht fuͤr ſich ſelbſten grau’n?
Und bluteten nicht eure Hertzen?
7.
Jch glaube wer im Kercker ſitzt /
Und ſtuͤndlich ſoll ſein Urtheil hoͤren /
Daß der in ſolcher Angſt nicht ſchwitzt /
Als durch Gebeine / Marck und Roͤhren
Dem liebſten Vater es gedrungen /
Daß er den letzten Zuſpruch nicht /
Durch Worte mehr an euch verricht
Weil ihm gehemmt das Band der Zungen.
8.
Doch druckt er tauſend Seuffzer loß /
Und hat in Himmel ſich geſchwungen /
Sein Glaube wuchs und wurde groß /
Je mehr die Schmertzen ihn beſprungen /
Wie peinlich auch die Niederlage /
So hofft er auff des H Erren Mund
Der ſprechen wuͤrde: Bis geſund /
Und Franck und frey von aller Plage.
9. Sein405Leichen-Gedichte.
9.
Sein Glaube hat auch nicht gefehlt
Er iſt geheilt in deſſen Namen /
Der unſre Jahre ſchon gezehlt /
Eh als wir auff den Welt-Kreiß kamen.
Jetzt geht er nun in ſeine Kammer /
Und ſchleuſt die Thuͤre nach ſich zu /
Geneuſt der ungeſtoͤrten Ruh
Und weiß nicht mehr von Noth und Jammer.
10.
Eneas mag aus Kindes-Pflicht
Den alt und ſchwachen Vater tragen:
Wir wollen von dem Glaubens-Licht
Und des Eneas Hoffen ſagen:
Wer ſich auff JEſum hat gegruͤndet
Der wird an Leib und Seele heil:
Gewiß daß auch dergleichen Theil
Herr Heniſch in dem Grabe findet.
11.
Er hat ſo lang es GOtt verliehn
Fuͤr eure Wolfahrt ſtets gewachet /
Viel rauhe Wege muͤſſen ziehn /
Wenn Krieg und Raub ihm Furcht gemachet.
Nun aber ruhet er in Frieden /
Diß was verweſen ſoll und kan /
Jſt nur von ihm hinweg gethan /
Sonſt iſt er von euch ungeſchieden.
12.
Je mehr ihr ſeine Vater-Treu
Und ſein Gedaͤchtnuͤß werdet ehren /
Je mehr legt ihr euch Seegen bey /
Und koͤnnt Eneas Lobſpruch hoͤren.
Eneas aber Heilung fuͤhlet
Der Vater / der numehr geſund /
Der / ob zwar mit verſchloßnem Mund
Jhm doch das beſte Theil erzielet.
Cccc 3Die406Leichen-Gedichte.
Die vergruͤnten Linden / Bey Abſterben Hn. P. von der L. den 14. Septembr. 1679.
1.
DEr Waͤlder Zier die hohen Linden /
Der Nymfen Luſt - und Sommer-Hauß /
Die ſich ſo herrlich breiten aus
Daß man kan kuͤhlen Schatten finden /
Wenn alles faſt fuͤr Hitze ſchmacht /
So webt der Blaͤtter gruͤne Nacht
Den Fuͤrhang / drein die Weſten ſpielen /
Daß man wirdſuͤſſ Erfriſchung fuͤhlen.
2.
Die ſind den Goͤttern laͤngſt geweyhet
Und wurden Tempeln beygeſetzt /
Das Opffer-Vieh da abgemetzt /
Der Seher hat da propheceyet /
Kurtz: man ließ gar des Weyrauchs-Flamm
An dem bejahrtem Linden-Stamm /
Biß an die blauen Wolcken ſteigen /
Damit die Andacht zu bezeugen.
3.
Die Tichter wiſſen mehr zu ſagen /
Sie melden wie das ſchoͤne Weib
Die Philyra / nachdem ihr Leib
Den Pferd-Menſch Chiron hat getragen /
Verwandelt ſey in dieſen Baum /
Weil ihrem Bitten ſtatt und Raum
Der groſſe Jupiter gegeben /
Sie ſolt in Zweigen kuͤnfftig leben.
4.
Als nun der Goͤtzen-Dienſt verſchwunden /
Hat doch der Linde Schaͤtzbarkeit /
Weil ſie der Menſchen Hertz erfreut /
Noch immer hohes Lob gefunden:
Sie407Leichen-Gedichte.
Sie iſt der Fuͤrſten Taffel-Hauß;
Das Dorff legt ſein Gericht da aus:
Die Nymfen haͤgen umb ſie Taͤntze
Und flechten aus den Blaͤttern Kraͤntze.
5.
Und wird ihr laubicht Gipfelbluͤhen
So ſteht ſie gleichſam wie beſchneyt;
Es prangt ihr weiß und gruͤnes Kleid /
Und kan die Augen nach ſich ziehen.
Der Pomerantzen theures Oel /
Und der Jeſminen Geiſt und Seel /
Mag uns nicht ſo viel Lieblich keiten
Als dieſe Bluͤthe zubereiten.
6.
Ach aber / wer ſieht ſonder Grauen /
Wenn offt in unvermerckter Eil /
Ein unverſchaͤmt und kuͤhnes Beil
Den Linden-Stamm hat umgehauen!
Es fuͤhrt der Voͤgel Melodey /
Nichts als ein klaͤglich Angſt-Geſchrey /
Die Fichte ſchwanckt / die Eichen knallen
Weil ihre Nachbarin gefallen.
7.
Gewiß vom bangen Jammer-Klagen /
Erſchallt Herrn Burckarts gantzes Haus
Nun Hertz-Betruͤbtſte von euch aus /
Wird Schatz und Eydam ausgetragen.
Der gleich den Linden hat gegruͤnt /
Wie Bluͤthe nutzbarlich gedient /
Muß auch wie die erblaſten Linden
Sein Grab ſo fruͤh in Breßlau finden.
8.
Sein Lebens-Baum ſtund voller Fruͤchte /
Sein Wachsthum war nur GOtt geweyht /
Witz / Tugend / Treu und Redlichkeit /
Ein gleiches Hertz und gleich Geſichte;
Ach ſeltnes Kleinod dieſer Welt!
Behielten ſtets bey ihm das Feld /
So daß an Peter von der Linden
Nichts als Auffrichtigkeit zufinden.
Cccc 49. Erwehn408Leichen-Gedichte.
9.
Erwehn ich denn die reine Liebe
Den Opffer-Tiſch / Vermaͤhlter Treu;
So fuͤrcht ich / daß es dienlich ſey /
Zu ritzen auff die Seelen-Hiebe.
Gekraͤnckte Frau von Angſt und Weh /
Sie klagt nur daß das Band der Eh /
So ewig ſchien / ſo bald zerriſſen
Und ſie den beſten Troſt muß miſſen.
10.
Der Baum / der Schatten ihr gegeben /
Der ſie als wie ein Schirm bedeckt /
Der nichts als Anmuth ihr erweckt /
Bey dem ſie wuͤnſchte ſtets zu leben /
Jhr Auffenthalt und Seelen-Ruh
Schleuſt itzt die muͤden Augen zu /
Verdorrt wie Zweige von den Linden /
Faͤllt ab wie Blaͤtter von den Winden.
11.
Auff unerforſchte Weg und Weiſe /
Geht uͤber uns des Hoͤchſten Schluß /
Nechſt hieß ihn vieler Freunde Gruß
Willkommen von der fernen Reiſe;
Jtzt wird er in den Ort begleit’t /
Von dannen in die Zeitlichkeit
Er kehret nimmermehr zuruͤcke.
O herber Fall! O Trauer-Blicke!
12.
Jedoch Herr Peter von der Linden /
Wenn es des Schoͤpffers Stimme ſchafft /
Soll wieder neuen Safft und Krafft
Jn ſeines Baumes Wurtzel finden;
Sein Ehren-Lob und Name gruͤnt /
Das uns zum Troſt und Beyſpiel dient /
Ja auch der Nach-Welt gibt zu leſen:
Wer Tugend liebt / kan nicht verweſen.
Die409Leichen-Gedichte.
Die fluͤchtige Zeit / Betrachtet bey Beerdigung Hn. G. G. den 17. Septembr. 1679.
1.
DJe Zeit will durch Minuten ſterben /
Sie fleucht und folgt ihr ſelber nach.
Wie eine Fackel zu verderben
Muß durch ihr Scheinen allgemach:
So laufft der Zirkel aller Zeiten /
Der gar nicht zu veraͤndern iſt.
Die Alten wolten diß ausdeuten /
Wenn der Saturn die Kinder friſſt.
2.
Jhr Schlund verzehret Tag und Stunden /
Sie waͤchſt und ſtirbet in der Flucht.
Der Tag hat kaum den Monat funden /
Der Monat ein Jahr aufgeſucht /
Es ſchleuſt ſich kaum der Ring vom Jahre /
So faͤngt ſich ſchon ein neues an /
Diß ſtuͤrtzt ein anders auff die Bahre /
Und wird auch wieder abgethan.
3.
Jahr / Monat / Tag und Stunden fliehen /
Was weg / bleibt ewig weggeſchwemmt.
Kein Rad kan was zuruͤcke ziehen /
Mit Ketten wird hier nichts gehemmt /
Der Adler mag ſich nicht ſo ſchwingen
Mit Pfeil-geſchwinder Hurtigkeit /
Als unſre Tage ſich verdringen /
Und ſich verlaufft der Kreiß der Zeit.
4.
Egypten indenck es zu machen /
Mahlt einen tieff - und finſtren Grund /
Der ſtets bewahrt von einem Drachen /
Und der mit aufgeſperrtem Schlund /
Den eignen Schwantz ihm abgefreſſen /
Und unerſaͤttlich dran genagt.
Wer wolte nicht hieraus ermeſſen /
Es ſey uns von der Zeit geſagt?
C c c c 55. So410Leichen-Gedichte.
5.
So iſts demnach ſo hoch zu ſchaͤtzen?
Wenn ſich die Lebens-Friſt verlaͤngt /
Wer was den Jahren bey kan ſetzen /
Daß der ſo groſſes Gut empfaͤngt?
Was hilfft’s mit fluͤchtigem Gewebe
Das kurtze Garn zu unterziehn?
Und daß man wol beſchneyet lebe /
Sich mit viel Seuffzern zu bemuͤhn?
6.
Ein Kind das in der Wieg erbleichet /
Und der gebuͤckt von hinnen faͤhrt /
Die haben gleiches Ziel erreichet /
Und eine Zeit hat ſie verzehrt.
Die Wenigkeit der kurtzen Tage /
Die hohen Staffeln vieler Jahr
Erwogen auff gerechter Wage /
Sind unterſchieden nicht ein Haar.
7.
Der Menſch bleibt nur der Zeiten Beuthe /
Auch Elemente tauren nicht.
Wer wolte nun nicht lieber heute /
Geſegnen dieſer Sonnen Licht /
Als daß bey Martern und bey Quaͤlen /
Und aller Schmertzen Uberfluß /
Er moͤg ein tieffes Alter zehlen /
Beſaamt mit Ekel und Verdruß.
8.
Flieht nun die Zeit / verſchwind’t die Stunde /
Raubt alles die Vergeſſenheit /
Gehn Erd und Himmel ſelbſt zu Grunde /
Was ſoll der Menſch / ein Spiel der Zeit
Sich in der Welt ſo ſehr vergaffen /
Und dieſer Meynung fallen bey /
Wie daß er bloß allein erſchaffen
Umb hier nur wol zu leben ſey.
9.
Nein / aus des Monden Vorbild lernet
Jhr Sterblichen den wahren Zweck.
Je411Leichen-Gedichte
Je mehr der Sonnen er entfernet /
Und von den Strahlen kommet weg /
So wird er zwar dem Kreiß der Erden /
Gewaͤhren ſeinen hellen Schein /
Doch Himmel-werts mehr dunckel werden /
Weil er muß ohne Sonne ſeyn.
10.
So gehts / je mehr wir uns entziehen /
Der Sonne der Gerechtigkeit
Und dencken vor der Welt zu bluͤhen /
Daß unſer Ruhm ſich weit und breit /
Vergroͤſſern mag mit neuen Strahlen /
So ſcheint es praͤchtig ſchoͤn und groß;
Koͤmmt’s die Schuld der Natur zu zahlen /
So ſtehn wir nackend / arm und bloß.
11.
Wir ſind verfinſtert am Verſtande /
Und kennen nicht das hoͤchſte Licht.
Wir irren weit vom Vaterlande.
Geſetzt / der aͤuſre Menſch zerbricht /
So wird er innerlich verneuret /
Zu unermeßner Herꝛlichkeit.
Wol dem der GOtt die Seele ſteuret /
Durch ſeine gantze Lebens-Zeit!
12.
Herr Goͤbel der zwar nicht die Stuffen
Begrauter Jahre hat beruͤhrt /
Doch nach des Hoͤchſten Wort und Ruffen /
Stets ſeinen Wandel ſo gefuͤhrt /
Daß er dem Himmel gantz ergeben /
Verlacht der Erden Eitelkeit /
Schloß / daß ein recht gottſeelig Leben
Auch nach dem Tod erfuͤllt mit Freud.
13.
Er ruht nun frey von allen Schmertzen /
Es ficht ihn mehr kein Truͤbſal an.
Der GOtt gedient mit treuem Hertzen /
Der ſeinem Willen zugethan.
Dem412Leichen-Gedichte.
Dem bleibt die Flucht der ſchnellen Zeiten
Ein ſtet und ewiger Gewinn /
Weil in die Schos der Ewigkeiten /
Er als ein Erbe faͤhrt dahin.
Das ruhmwuͤrdige Grab / Hn. C. Z. v. A. K. den 18. Sept. 1679.
ES ſey ein praͤchtig Grab fuͤr eitlen Augen ſchoͤn /
Mit Pfeilern hoch erhoͤht / mit Bogen rings umbſchloſſen /
Bey dem Pyramiden und ſteinerne Coloſſen
Biß an die blaue Burg der goͤldnen Sterne gehn /
Der Jaſpis muͤſſe ſich mehr als bundfaͤrbig weiſen /
Der Marmor laſſe ſich in reinſten Adern preiſen.
Ja Hochmuth zuͤnde da noch viel mehr Ampeln an /
Als Perlen in der See und Blumen auff der Erden /
Man ſchau Arabien entbloͤſt des Weyrauchs werden /
Damit man nur der Glut genugſam liefern kan.
Es ſey der Kuͤnſtler Fleiß bemuͤht der kalten Leichen
Geſtalt und Aehnlichkeit durch Bildung zu erreichen.
Wo die Verweſung auch durch was zu hinter ziehn /
Man gieß Hartz und Aſphalt / und was man allenthalben
Durchs gantze Morgenland auffbringen kan von Salben /
Jn den entſeelten Leib / umb daß die Faͤulnuͤß fliehn /
Und Wurm und Eyter nicht die Glieder kan verzehren /
Den Todten balſamirt der Welt noch zu gewaͤhren.
Und wo auch Stein und Ertzt nicht ſattſam Redner ſeyn /
Und wo der Firnuͤß nicht und Anſtrich iſt gelungen /
So dinge man ein Volck das mit erkauffter Zungen
Weiß des Verſtorbnen Lob und Thaten auszuſchreyn /
Und allen Ubermuth bey Graͤbern zu bezeigen /
So laſſe man auch nicht die ſtummen Seiten ſchweigen.
So pflegt die Eitelkeit ihr Ehren-Mahl zu baun /
Diß ſoll der Nachwelt auch Hertz und Geſichte blenden;
Ach frecher Aberwitz! Ach Tand von Menſchen-Haͤnden!
Laͤſt ſich umb unſer Grab nicht wahre Tugend ſchaun /
So mag die Aſch und Staub ein kurtzes Denckmal haben /
Weil auch das ſchoͤnſte Grab wird von der Zeit begraben.
Offt ſchlaͤfft der Enckel nicht in ſeiner Vaͤter Grufft /
Rom nannte ſie umbſonſt der Ewigkeiten Haͤuſer;
Wo413Leichen-Gedichte.
Wo ſind die theuren Saͤrch und Mumien der Kaͤyſer?
Ein wenig Stein und Grauß / aus denen Echo rufft /
Sind von der Herꝛlichkeit und Sieges-Pracht geblieben /
Sonſt hat Gebaͤu und Kunſt der Zeiten Zahn zerrieben.
Vergebens ſuchen wir allhier ein ewig Haus /
Und wer von Laſtern ſtinckt / was nutzt ihm balſamiren?
Wie hoch wir auch die Thuͤrm und Marmor-Seulen fuͤhren /
So lachet Neid und Zeit die Uberſchrifften aus.
Wol dem! auff deſſen Grab ein ſolcher Satz zu leſen /
Der Mann iſt Land und Stadt nuͤtz und getreu geweſen.
Mit dieſem prangt dein Grab und nicht mit Eitelkeit /
Du wolverdienter Mann / der du der Welt entzogen /
Und deſſen edler Geiſt den Sternen zugeflogen /
Von der bedraͤngten Laſt deß Coͤrpers iſt befreyt /
Dein gut Geruͤchte wird dir beſſern Schmuck aufſtecken /
Als dieſen / der ſonſt pflegt die Graͤber zu bedecken.
Du edler Schweitzer du / was faulen ſoll und muß /
Das legſt du willig ab; doch nicht dein Angedencken
Geht mit dir in die Grufft / weil ihm der Nachruhm ſchencken
Ein ewig Denckmal will / du biſt der Lethe Fluß /
Des Charons ſchwartzem Kahn durch Tugend laͤngſt entſchwom̃en /
Und ans gelobte Land in ſichern Hafen kommen.
So iſts; wo umb das Grab die Tugend wachen ſoll /
So muß ſie ſich zu erſt umb unſre Wiege finden.
Ein ungemeiner Trieb fing dich bald zu entzuͤnden
Jm zarten Fruͤhling an; du wuſteſt mehr als wol /
Daß da die kleine Welt / der Menſch / ſich zu erbauen
Muß auch die groſſe Welt nichtuͤberhin anſchauen.
Das kluge Franckreich hat bebluͤmet deinen May /
Der Sitten Hurtigkeit / die hoͤfflichen Geberden /
Die muſten deiner Glut ein neuer Zunder werden.
Du legteſt am Verſtand dir ſo viel Schaͤtze bey /
Daß Sprach und Eigenſchafft vom Caſimir in Polen
Dir ein geneigtes Ohr und Urtheil konten holen.
Wie aber! fuͤhrt uns nicht des ſtarcken Himmels Hand?
Offt der aus Weſten kam / der bleibt in Oſten ſitzen /
Den Mitternacht erzeugt / den will der Mittag ſchuͤtzen.
Mit kurtzem: Jeder Ort iſt unſer Vaterland.
Auch du / O Seeliger / nach vielen Zuͤg und Reiſen
Muſt endlich Schleſien den Sitz der Wolfarth preiſen.
Dein414Leichen-Gedichte.
Dein adliches Geſchlecht / das in vierhundert Jahr
Hat in der Schweitz gebluͤht / ſich in der Welt gebreitet /
Das ſeinen erſten Quell von Alten-Klingen leitet /
Und ſich beruͤhmt gemacht durch Tugend und Gefahr /
Soll auch in Schleſien mit ſeinen edlen Zweigen /
Der Nachwelt ſuͤſſe Fruͤcht / und kuͤhlen Schatten zeigen.
Erſt nahm dich Breßlau an / biß dein Witz und Verſtand
Auch den Surchleuchten Fuͤrſt Georgen ſo bewogen /
Daß dich hat ſein Beruff zum Cammer-Ampt gezogen /
Von dar an blieb dir ſtets mit Gnaden zugewandt
Piaſtens hohes Hauß / das Goͤtter hat geboren /
Und zu den Sternen nun die Goͤtter auserkoren.
Der Groſſe Leopold / dem Auf - und Niedergang
Zu ſeinen Fuͤſſen ligt / hieß dich ſolch Ampt verwalten /
Hat uͤber deinem Witz und Redlichkeit gehalten;
GOtt und dem Kaͤyſer treu war nur der ſchoͤnſte Klang /
So in dein Hertz geetzt / wird es der Neid verſchweigen /
So ſoll es doch der Mund der Fuͤrſtenthuͤmer zeugen.
Betraurens werther Mann / es klagt dich Stadt und
Die kluge Wachſamkeit beſeuffzet noch die Cammer;
(Land /
Welch Redner aber meldt der Liebſten Schmertz und Jammer?
Faͤllt nicht mit deinem Hertz ihr Hertz auch in den Sand?
Timanthes muß allhier mir ſeinen Pinſel leihen /
Man darff ein ſolches Leyd durch Reime nicht entweyhen.
Es ſey / Cleopatra bejammre den Anton!
Es geh der Livia Auguſtens Tod zu Hertzen!
Es mag Cornelia tieff den Pompej beſchmertzen!
Auch nicht die Portia verdienet ſolchen Lohn /
Wenn Brutus ſtirbt in ihr / als von betruͤbtſten Frauen
Sie hier ein Beyſpiel iſt getreuer Brunſt zu ſchauen.
Zweyfach-begluͤcktes Grab / hochedler Cammer-Rath /
Es ruhet Ruhm und Ehr fuͤr deiner Schlafſtaͤtt Schwelle /
Dem paaret ſich die Lieb ein unzertrennt Geſelle /
Und was erſinnlich iſt / und was ſie uͤbrig hat /
Das opffert ſie dir noch / Geiſt / Leben / Hertz und Seele /
Bewachen Wechſel-weiß jetzt deine Grabes-Hoͤle.
Du ſchlaͤffſt im Seegen ein / es druͤckt der Kinder Hand
Die matten Augen zu / du ruhſt in ihren Hertzen /
Die Seelen brennen dir an ſtatt der Liebes-Kertzen /
Und Thraͤnen bleiben nur ihr allerbeſtes Pfand /
Das415Leichen-Gedichte.
Das ſie zu letzt dir in tieffſter Wehmuth geben /
Wiewol du ewig ſollſt bey ihnen ſeyn und leben.
Grab / das die Tugend ſelbſt mit ihren Lorbeern deckt!
Grab / wo Aufrichtigkeit iſt weſendlich begraben!
Grab / das gar ſelten wird ſo treue Diener haben!
Grab / das der Liebſten Leyd unendlich noch erweckt!
Grab / das verlachen kan Schmaragden und Rubinen /
Weil hier die Todten-Bein auch wieder ſollen gruͤnen!
Die unausbleibende Huͤlffe GOttes / Bey Beerdigung Fr. D. L. g. H. den 15. Octobr. 1679.
WAs iſt des Menſchen Hertz? ein Meer voll von Gedanckē /
Wie jenes von dem Schaum eꝛzuͤrnter Wellen brauſt /
So muͤſſen ſich allhier ſtets die Begierden zancken /
Wenn ſchon der Regungen erboſter Nordwind ſauſt.
Die See und auch das Hertz wird wol niemand ergruͤnden /
Sie blehen ſich zugleich vom ſtoltzen Hochmuth auff:
So iſt bey Beyden nicht Beſtaͤndigkeit zu finden /
Es aͤndert Well und Hertz im Augenblick den Lauff.
Bald ſcheinen ſie ſo klar als ein polirter Spiegel /
Und kurtz verſtellet ſie ein ungeheure Nacht /
Bald halten ſie das Ziel / und lieben Schloß und Riegel /
Biß ſie ein neuer Sturm eydbruͤchig wieder macht.
So viel haͤgt nicht das Meer liebkoſende Sirenen /
Als mit viel Luͤſten iſt verzaubert unſer Hertz;
So kan ſich Triton nicht mit Perl und Muſcheln kroͤnen /
Als dieſes ſich bekraͤntzt mit Wolluſt / Spiel und Schertz.
Hingegen ſchlaͤgt auch nicht mit ſo viel Donner-Keulen
Des Himmels ſtarcker Arm in Amphitritens Schaum;
Als unſer Hertze wird durchbohrt von Kummer-Pfeilen /
So daß es brechen muß und reget ſich noch kaum.
Die See iſt niemals treu: das Hertze / weil wir leben /
Bleibt immer tuͤckiſch arg mit Tollheit angefuͤllt /
Und wenn es trotzig ſich wird an die Sterne heben /
So hat Kleinmuͤthigkeit bald die Geſchwulſt geſtillt.
Drumb iſt von Anbegin all unſer Thun und Tichten
Verkehrt / und irriger als wol ein Labyrinth.
Wie klug wir auff der Welt auch unſre Wege richten /
So glaubt doch / daß es nicht des HErren Wege ſind.
Wir416Leichen-Gedichte.
Wir lachen zwar den Wahn der unbeſonn nen Heyden /
Daß ſie aus Holtz und Stein viel Goͤtter ausgedacht /
Zu ihnen ſich genaht in Kummer / Angſt und Leiden /
Rauchkertzen angeſteckt / und Opffer abgeſchlacht;
Alleine ſind uns nicht wol die Begierden Goͤtter?
Verlaͤſt ſich unſer Hertz nicht auch auf Stock und Stein?
Und ſoll das Reichthum nicht aus aller Noth Erretter /
Der Groſſen hohe Macht die beſte Huͤlffe ſeyn?
Man wird den Purpur eh als Gottes Thron anbeten /
Und den Gewaltigen noch mehr zu Dienſte ſtehn:
Ja wer unangeſagt darff zu den Fuͤrſten treten /
Scheint unter Sternenſchon noch auf der Welt zu gehn.
Wer trotzt nicht zu der Zeit mit guͤltigen Patronen?
Jſt nicht ein Quintlein Gunſt viel Centner Dienſte werth?
Gott der entfernt / und in dem Himmel pflegt zu wohnen /
Muß ſehn wie vielmals ihm der Ruͤcken wird gekehrt.
Nechſt dieſem ſchauen wir dem Reichthum Tempel bauen /
Da wo des Menſchen Schatz / da iſt des Menſchen Gott /
Dem wird anheim geſtellt Anligen und Vertrauen /
Bey dem iſt Huͤlff und Schutz / Erloͤſung aus der Noth.
Gold iſt das Element / ſo ſelbſt die Elementen
Wenn es nur moͤglich waͤr / zerſchmeltzt in ander Art.
Was Wunder / daß nach Gold des Jaſons Segel rennten /
Da jetzt die Welt darumb eilt zu der Hoͤllen Farth?
So wird die Andacht nie im Gottes-Hauſe knyen /
Als unſer Madenſack ſich fuͤr dem Klumpen beugt.
Denn wo Vermoͤgen iſt / muß alle Wolfarth bluͤhen /
Da ſtehet auch der Stul / auff den die Ehre ſteigt.
Jch will der Wolluſt nicht verzuckert Gifft beruͤhren /
Zu welcher unſer Hertz zum oͤfftern Zuflucht nimmt.
So ſoll die Thorheit nicht der Weiſen mich verfuͤhren /
Daß von der Wiſſenſchafft die beſte Huͤlffe koͤmmt /
Noch daß ein blutig Krieg das Vaterland beſchuͤtzet /
Siegreiche Waffen uns ertheilen Sicherheit:
Auch ferner / daß gar hoch ein kluger Rathſchlag nuͤtzet /
Daß ein erfahrner Kopff von mancher Liſt befreyt.
Geſetzt / es huͤlffe diß in dem elenden Leben /
Es ſey / daß Rath und Troſt / was zeitlich iſt / gewinnt /
Wenn aber nun der Geiſt dem Leib ſoll Abſchied geben /
Wenn unſer Hertz wie Wax in Todes Angſt zerrinnt /
Wenn417Leichen-Gedichte.
Wenn Freunde nicht mehr treu und uns die Weltanſtincket /
Wo ſucht die Seele denn fuͤr ihre Rettung Rath?
Wo iſt der jenige / der ihr zu helffen wincket?
Nicht Wolluſt / Ehre / Gold noch Fuͤrſt und Potentat.
Wo ſind die Wege denn darinn das Hertz gewallet?
Ach Jammer! Ach hier ſteht die arme Seele bloß!
Kommt / die ihr eintzig denckt wie Menſchen ihr gefallet /
Helfft / rettet / macht ſie doch vom Strick und Banden loß.
Gar weit in anderm weg / in anderm Anvertrauen /
Hat der Erblaſten Hertz ſich nur zu GOtt geſellt.
Und wie ſie war allhier ein Bild der Tugend-Frauen
So ſey ihr wuͤrdig Ruhm zum Spiegel fuͤrgeſtellt.
Sie ſuchte keine Huͤlff in eitler Menſchen Haͤnden.
Und Ach! wer nimmt ſich doch jetzt Wittb - und Waiſen an!
Sie pflag ihr Hertz allein zu ihrem GOtt zu wenden /
Der Stein in Brod / und Fluth aus Felſen zwingen kan.
Ach / ruͤff ſie / meine Huͤlff iſt eintzig bey dem HErren /
Der Erd und Himmel haͤlt / ſoll der nicht Retter ſeyn?
Es mag ſich gegen mir der Hoͤllen Schlund auffſperren /
So kan Verzagung nicht mein Hertze nehmen ein.
GOtt / der du mich gepruͤfft von meinen Kindes Beinen /
Steh auch in letzter Noth mir jetzt barmhertzig bey /
Wie froͤlich wil ich nicht fuͤr deinem Thron erſcheinen /
Lobſingen daß mein GOtt mein Schutz und Huͤlffe ſey.
Wolſeelige Matron! es iſt dein Wunſch gelungen /
Ein tugendhaffter Lauff hat ein gekroͤntes End
Und Zucht und Gottesfurcht verleyhen ihre Zungen /
Zu melden / daß dein Lob die ſpaͤte Nachwelt kennt.
Das Hertze das ſich gantz dem Hoͤchſten hingelaſſen /
Das viel Bekuͤmmernuͤß und Truͤbſal hat geſchmeckt /
Das wird nunmehr von GOtt getroͤſtet ohne Maſſen /
Mit Himmel-Brod geſpeiſt / erquicket mit Confect.
Diß klag ich / daß dein Sohn ein Theil von deinem Hertzen /
Nachdem du ſo verlangt / nicht ſoll zugegen ſeyn /
Daß zweyer Bruͤder Treu mit gleich-vereinten Schmertzen /
Nicht beyde koͤnnen hier die Mutter ſalben ein.
Wiewol auch dieſe Huͤlff iſt bey den Todten nichtig.
Wer in dem HErren ruht / der iſt gar wol verwahrt;
Ach aber dieſer klug / wer dencket wie ſo fluͤchtig
Der Menſchen Leben ſey / und ſchickt ſich zu der Farth.
D d d dBey418Leichen-Gedichte.
Bey Beerdigung Fr. A. R. v. K. g. S. den 6. Novembr. 1679.
1.
ES ſey nunmehr daß uns des Winters Zahn
Der Waͤlder Zier / der Felder Purpur raubet;
Es ſteh verwuͤſt der Flore Garten Plan
Der Baum gantz nackt / entgipffelt / unbelaubet /
Die Lufft ſey Schnee / der Himmel kalt /
Die Bruſt der Erden ungeſtalt
Und waß vor lieblich hieß / erſterb itzt auff der Bahre /
Hiemit den Untergang zu zeigen von dem Jahre.
2.
Es hemmet ſich der Sonnen guͤldnes Rad /
Und diß was bleibt / ſind nichts als lange Naͤchte;
Ach daß doch nicht von unſrem Lebens-Pfad /
Der bleiche Tod ein gleiches Beyſpiel braͤchte!
Hoch-Edler Herr / des Hauſes Sonn
Und ſeiner Seelen Luſt und Wonn /
Sinck’t bey gekuͤrtztem Tag jetzt in des Todes Schatten /
Und Thraͤnen bleiben nur dem Grabmahl abzuſtatten.
3.
Ach ſchwartzer Tag! Ach aus der Tage Zahl
Verworffner Tag auff ewig auszuſtreichen!
Ach Licht voll Angſt! Ach Anblick voller Quahl!
Sein ander Hertz und Leben wird zur Leichen.
Der Redner Kunſt / der Woͤrter Pracht
Und was ſonſt Schmertzen linder macht
Verſchwindet hier / da iſt kein Pflaſter mehr zu finden /
Daß dieſe Wunde kan durch kluge Cur verbinden.
4.
Jch ſeh umb ihn ſo eine ſchwartze Nacht /
Als einsmahls nicht Egypten uͤberfallen /
Wie jeder Stern ſich zum Cometen macht
Wie Ach und Weh ohn Unterlaß erſchallen!
Denn der Verluſt iſt allzugroß /
Es iſt zu ſchwer der Seelen Stoß!
Es klage wer da wil bey heiß entbrandten Schmertzen /
Jch weiß die Schmertzen gehn ihm peinlicher zum Hertzen.
5. Stand419Leichen-Gedichte.
5.
Stand / Gluͤck und Gut erſetzet noch die Zeit.
Ein ſolch Gemahl vom Himmel auserkohren /
Die fromm und klug zu wandeln nur gebohren /
Und die verkehrt in Zucker Weh und Leyd /
Der Sorgen Laſt auff ſich gelegt /
Und nichts als ihrem Mann gepflegt /
Wird wol Alceſtens Treu und Porciens beſchaͤmen /
Es koͤnte noch die Welt hier ein Exempel nehmen.
6.
Es zeigt uns auch der Zeiten grauer Mund /
Ein Wunderſpiel von ungemeiner Liebe:
Daß einer war biß auf den Tod verwundt /
Wenn ſein Gemahl nicht immer bey ihm bliebe.
Jhr Fuß betrate nie die Schwell /
Er kuͤſte ſtets dieſelbe Stell /
Und auch ihr Schleyer muſt ihm ſeine Bruſt verhuͤllen /
Wenn ſein Verlangen ja ſonſt anders nicht zu ſtillen.
7.
Hoch-Edler Herr / jedwede Stund und Ort
Unlaͤugbahr iſt / zeigt nichts als Jammer-Blicke.
Was Pfeilen gleich ſein Hertze gantz durchbohrt /
Macht / wenn er denckt an ſeinen Schatz zuruͤcke.
Der Witz / der trefliche Verſtand /
Das Garn was ſeine Seele band /
Die ſeltne Froͤmmigkeit und tauſend andre Gaben /
Die muß er noch vor ſich in einem Spiegel haben.
8.
Wie ſteht ſein Land das ſie ſo wohl gebaut?
Sein Paradieß iſt eine duͤrre Wuͤſte;
Und wo nur hin ſein naſſes Auge ſchaut /
Da weiſet ſich ein ſchwartzes Traur-Geruͤſte.
Jhr Blick der alles hat erfreut /
Auch bey betruͤbter Jahres-Zeit /
Hat ſich in Demmerung der Todes Nacht verzogen /
Man ſiht nun weiter nicht den Reg und Segens Bogen.
9.
Es bleibt dabey / ein Weib das ehrlich liebt
Das ſo viel Treu erweiſt durch ſolche Proben /
Das vor den Mann Gut / Blut und Leben gibt /
Muß auch der Neid / ſo alles tadelt / loben /
D d d d 2Es420Leichen-Gedichte.
Es ſtirbt mit Luſt der Plautius
Eh er ſein Weib entbehren muß.
Und Grachus wird mit Fleiß zu Haus die Schlang erdruͤcken /
Umb nur das Lebens-Ziel der Frau nicht zu verruͤcken.
10.
Hat Aberglaub hier all zu viel gethan /
So laͤſt man auch den Wahn der Zeiten fahren /
Hoch-Edler Herr / er nehm ein groͤſſers an /
Und wuͤrde ſich nicht auffzuopffern ſpahren.
Wenn GOtt und Brauch diß Thun erlaubt /
Wanns noch kein Chriſten-Menſch geglaubt /
Daß man fuͤr Todte ſoll ſich lebendig begraben /
Und daß ſie durch die Art ein ſchoͤner Denckmahl haben.
11.
Kein Marmel nicht und Alabaſter Zier /
Ja aller Schmuck / den Pracht den Graͤbern ſchencket /
Stellt uns das Bild der Abgelebten fuͤr.
Der Tempel wo ihr recht Gedaͤchtnuͤß hencket /
Jſt kein Gepraͤng und auſſen-Schein:
Sie ruht in ſeines Hertzens Schrein /
Denn wo ſie Anfangs hat die Regung uͤberkommen /
Da hat ſie auch zu letzt die Ruheſtatt genommen.
12.
Es ſtirbt auch nicht der Tugend Trefflichkeit /
Sie macht ſich ſelbſt unſterblich in Gemuͤthern.
Wenn was die Welt hochſchaͤtzet / tilgt die Zeit /
So bleibt ſie doch der Schatz von allen Guͤtern.
Der Liebſten herrlich Ehren-Ruhm /
Jhr Kleinod / Schmuck und Eigenthum /
Wird deſto ſichtbahrer in ſeinen Augen ſchimmern /
Wenn ſchon der Leib verweſt in den gewoͤlbten Zimmern.
13.
So denck / er auch / war vormahls eine Luſt /
Und Seelen Ruh der Liebſten ſorgſam wachen?
Hat er ſein Hauß mit Heil bethaut gewuſt /
Fing / wo ſie ging / faſt alles auch zu lachen?
Das alles hier wie ſchoͤn es ſey /
Nicht von des Todes Anfall frey /
Und daß woran wir offt die meiſt Ergetzung finden /
Wird untern Haͤnden uns im Augenblick verſchwinden.
14. Jch421Leichen-Gedichte.
14.
Jch leugne nicht / der beſte Lebens-Troſt
Und auch zugleich der Faden iſt zerſchnidten.
Wenn aber iſt der Himmel ſo erboſt?
Wer hat jemahls ſo harten Sturm erlidten /
Daß er nicht an den Hafen ſchwimmt /
Und Huͤlff ihm noch zur Rettung koͤmmt?
Wenn Blitz und Untergang auff unſre Scheitel krachen /
So werden ſie den Tag / der folget / lichter machen.
15.
Hoch-Edler Herr / wie jetzt des Winters-Zeit
Mit Eyß und Schnee der Felder Arbeit decket.
Nicht anders iſt auch dieſe Sterblichkeit /
Wenn uns der Froſt des kalten Todes ſtrecket.
Diß iſt des Jahres letzter Schluß /
Den jeder Menſch erwarten muß.
Am beſten wenn wir diß gehorſam nur belieben /
& q; Was GOttes Allmacht ſchon von Anfang vorgeſchrieben.
Auf das Abſterben eines zarten Soͤhnleins C. A. den 16. Novembr. 1679.
1.
DU zartes Kind / du Anmuths-voller Knabe /
Der Eltern Troſt und Hoffnung ihrer Zeit /
Wie eilſt du doch ſo bald zu deinem Grabe:
Zerſchleuſt ſo fruͤh der Leib / der Seele Kleid?
Wer treibt dich an? den du bißher getragen
Jm Hertzen haſt / der Welt und Himmel traͤgt /
Dein C Hriſtus wil dir Chriſtoph dieſes ſagen:
Fleuch / fleuch / mein Freund wie ein Rehboͤcklein pflegt.
2.
Reiß als ein Hirſch durch auffgeſtellte Netze /
Eh Satan dich der Jaͤger noch beharrt.
Eh dich die Welt mit ihren Winden hetze /
Und ſich dein Aug an Eitelkeit vernarrt.
Verſchleuß dein Ohr ſo bald die Hifft geblaſen /
Sie ſetzt dir fuͤr zu hindern Spur und Gang.
Nicht trau zu viel dem ſchoͤn und gruͤnen Raſen /
Eh du es meynſt / ſo haſt dn einen Fang.
D d d d 33. Du422Leichen-Gedichte.
3.
Du folgſt der Stimm und haſt den Fuß entzogen
Dem Suͤnden Garn / die Stricke ſind entzwey.
Dich hat die Welt / die Circe nie betrogen /
Noch eingeſchlaͤfft durch ihre Zauberey.
Du als ein Kind biſt klugfuͤr uns zu nennen /
Das zeitlich hat erkant des Lebens Traum:
Jndem wir uns bemuͤhen / lauffen / rennen
Umb lauter Nichts und umb drey Ellen Raum.
4.
Wir kriechen ſtets wie Kinder auff der Erden /
Wenn ſchwingt ſich wol die Seele Himmel an?
Wie ein Kind zuͤrnt / wenn es beraubt muß werden
Vom Puppen-Werck / und weinet was es kan.
So auch wenn uns entnommen was ergetzet /
Und zeitlich Gut / der Ameiß Hauff entgeht.
Da fuͤhlen wir ſo toͤdtlich uns verletzet /
Daß Blut umb Hertz / im Auge Waſſer ſteht.
5.
Wo aber hin heiſt dich dein Heyland fliehen /
Du kleiner Chriſt doch groſſer Glaubens-Held?
Sollſtu gleich weg / ſo nah Weynachten / ziehen /
Da er ſich ſonſt ein zu beſcheren ſtellt.
So kriegſtu hier kein herrlich Chriſt-Geſchencke /
Man traͤgt dir nicht die Gab in Buͤrden zu?
Ach nein! man ſetzt dir itzt die Leichen-Baͤncke
Und legt den Reſt der Glieder zu der Ruh.
6.
So gehet nun dein ſehnliches Verlangen /
Nach den Gewuͤrtz - und Freuden-Bergen hin.
Es mag dein Mund kein Artzney mehr empfangen /
Du nennſt die Flucht den ſchaͤtzbarſten Gewinn.
Gleichwie ein Hirſch / der ſicher auff den Hoͤhen
Zuruͤcke ſiht / wie man ihm nachgeſtellt.
So ſchau doch auch zuruͤcke wie wir ſtehen
Wie Suͤnd und Tod uns noch gefangen haͤlt.
7.
Du weideſt nun in unverwelckten Roſen /
Dein Freund iſt dein und du biſt ewig ſein.
Dein Angeſicht iſt ſchoͤner als Zeitloſen /
Als der Narciſſ und Kaͤiſer-Kronen Schein.
Wie423Leichen-Gedichte.
Wie ſtaͤrckt dich nicht der Thau der Weyrauch-Huͤgel?
Trotz dieſem der dich von der Ruh erweckt.
Denn auff ſein Hertz hat als ein theures Sigel
Aus Lieb und Huld dein JEſus dich geſteckt.
8.
Wie rufft jemand? kehr umb als wie ein Rehe /
Als wie ein Hirſch von Scheide-Bergen koͤmmt.
Diß ruffen faͤllt nicht von der lichten Hoͤhe /
Die Stimm iſt gantz mit Ach und Weh verſtimmt.
Des Vatern Schmertz / der Mutter Seelen Wunden /
Die Thraͤnen-Fluth / ſo das Geſchwiſter geuſt /
Vergroͤſſern ſich / ſie ſeuffzen alle Stunden
Zu fruͤh / ach Sohn! ach Bruder! weggereiſt.
9.
Als wie ein Reh im guͤldnen Lentzen ſpringet /
So warſt du auch voll Leben / Geiſt und Muth.
Und wie ein Lamm dem Hirten Freude bringet /
So warſt du auch der Eltern Schatz und Gut.
An Reinigkeit wie eine Turtel-Taube /
Die Einfalt nur mit ihrer Unſchuld ziert /
Von ſolchem Stamm ein angenehme Traube
Der bloſen Schmack der Tugend in ſich fuͤhrt.
10.
So muß die Bluhm offt in der Knoſpe ſterben /
Eh ſie noch gantz den Purpur ausgebreit.
Es faͤngt ſich kaum die Nelck an recht zu faͤrben /
So faltet ſich und bricht ihr Atlas-Kleid.
Euch iſt die Flucht / O Eltern / all zu bitter /
Die ſchlechter Troſt nicht uͤberzuckern mag.
Der Kinder Tod bleibt nur ein Ungewitter /
Das nach ſich zeucht den ſchwerſten Donnerſchlag.
11.
Doch ſoll der Schmertz den Sieg nicht gar behalten /
Der Sohn iſt ja bey ſeinem beſten Freund.
Die Gunſt der Welt muß kalten und veralten /
Der iſt getreu / der ihn mit ſich vereint.
Er iſt nicht todt / wie ihr wol meynt und dencket /
Er ſchlaͤffet nur / umb froͤlich auffzuſtehn.
Da wird er euch / in Thraͤnen itzt verſencket /
Von Huͤgeln dort mit Luſt entgegen gehn.
D d d d 412. Drumb424Leichen-Gedichte.
12.
Drumb laſt ihn fliehn / und rufft ihm nicht zuruͤcke /
Er zieht euch nach / ihr kommet noch zu ihm /
Schenckt ſeinem Sarg die letzten Liebes-Blicke /
Bekroͤnt das Grab mit Kraͤutern und Gebluͤhm.
Der liebe Sohn iſt fruͤh der Welt entgangen /
Und ſchmecket nicht des Lebens Bitterkeit /
Da uns noch hier / bey Hoffen und Verlangen /
Manch Winter-Tag mit Froſt und Flocken draͤut.
Die Leyd-tragenden Cypreſſen / Bey Beerdigung Hn. C. S. LL. S. den 5. Decembr. 1679.
1.
JHr Leichen-Schmuͤck / ihr dunckelen Cypreſſen /
Jhr Kronen ihr / die naſſe Wehmuth flicht /
Jhr Zeugen ihr / daß nicht das Leyd vergeſſen /
Anwalde / wenn der Tod ſein Urtheil ſpricht;
Euch forder ich diß Grab noch zu begleiten /
Und wie ihr ſelbſt von Trauren ſeyd erblaſt /
So ſchont auch nicht die Zweig jetzt auszubreiten
Und pflantzt hieher den ausgedorrten Aſt.
2.
Wie taumelt ihr / ihr ſchwancken Cypariſſen?
Gedenckt ihr noch wer ihr geweſen ſeyd?
Eh als euch pflag die Rinde zu beſchlieſſen /
Hieß Phoͤbus euch nicht ſeine Luſt und Freud?
Der Hirſch den du O Cypariß geliebet /
Und auch zugleich durch deinen Pfeil verwundt /
Der hat dich ſo biß auff den Tod betruͤbet /
Daß drauff dein Leib in Baum verkehret ſtund.
3.
Diß Sinnen-Bild Leyd-tragende Cypreſſen /
Entwirfft uns auch des Lebens Eitelkeit.
Was uns ergetzt / wobey wir offt geſeſſen /
Was uns gebracht die angenehmſte Freud /
Das wird hernach viel hefftiger verletzen.
Die groͤſte Luſt beſchleuſt ein herbes Weh;
Und was die Welt nur zeigt von ihren Schaͤtzen
Das iſt nichts mehr als ein vergaͤnglich Schnee.
4. Wie425Leichen-Gedichte.
4.
Wie / oder ſeyd ihr Gratien geweſen /
Voll Lieblichkeit / voll Anmuth / voller Wonn /
Und wie das Buch der Zeiten gibt zu leſen /
Jn einem Tantz verfallen in den Bronn
Und den verſetzt in blaſſe Straͤucher worden?
So ſtellt ihr doch des Todes Raſen fuͤr.
Sein Grimm der faͤhrt durch aller Menſchen Orden
Und raubt zu erſt der Jugend beſte Zier.
5.
Herr Seelmann den wir mit Cypreſſen decken /
Muß meiner Wort ein klaͤglich Beyſpiel ſeyn.
Wir ſehen ihn die Hand des Todes ſtrecken /
Sein letztes Hauß iſt dieſer ſchwartze Schrein.
Der Jugend Lentz / die Geiſter-reichen Jahre /
Sind vor dem Stoß der Parten nicht befreyt.
Man legt ſo bald die Jungen auff die Baare /
Als die gar tieff im Leben gehn beſchneyt.
6.
Cypreſſen ſeyd ihr nichts als Todes Zeichen /
Die Heyden auch dem Pluto nur geweyht /
So muß ich bald aus Abſcheu von euch weichen /
Wie / oder lehrt ihr auch die Ewigkeit?
Ach freylich! ja den Stab den Goͤtter tragen /
Der war zu erſt von eurem Holtz gemacht /
Und weil ihr koͤnt die Schlangen gantz verjagen /
So hat euch hoch das Alterthum geacht.
7.
So ſeyd ihr nicht der Libitinen Beute /
Die ins gemein das Poͤbel-Volck verſcharrt?
Jhr ſeyd ein Schmuck nur der beruͤhmten Leute
Die biß ans End im Glauben feſt verharrt;
Und ſolten nicht jetzt eure Sieges-Binden
Mit letzter Pracht beziehren deſſen Grab /
Der froͤlich kont im Glauben uͤberwinden /
Und GOtt die Seel / den Leib der Erden gab.
8.
Jhr ſchuͤtzt ja auch / Cypreſſen / vor dem Schimmel
Denn euer Safft ſtreicht die Verweſung weg.
Vor Faͤul und Tod bewahret uns der Himmel /
Das Sterben iſt der Aufferſtehung Zweck.
D d d d 5Und426Leichen-Gedichte.
Und kan der Wurm die Blaͤtter nicht verzehren
So eure Krafft und Tugend balſamirt /
Wie ſolte denn das Grab uns gantz verheeren
Das nur zur Ruh / nicht zum Verderben fuͤhrt?
9.
Und windet ihr / Cypreſſen / Zweig in Zweige?
Vielmehr flicht ſich ein Chriſt in Gottes Huld /
Und wenn nunmehr das Leben auff der Neige
Und Reu und Leyd beklagt die alte Schuld /
So ſucht er nur beym Baum des Lebens Schatten.
Wie feurig auch des Todes Hitze brennt /
So kan ſie nicht die Geiſter ſo abmatten
Daß ſie den Brunn deß Heiles nicht erkennt.
10.
Cypreſſen bleibt ihr ſtets in einem Kleide
Das weder Froſt noch Nordwind je verletzt?
Und ſeht ihr ſtets ſo blaß als eine Kreide
Von Tropffen wie mit Zaͤhren gantz benetzt?
So lehrt ihr auch / daß wir nur unter Thraͤnen /
Und mit Gedult als einem Kleid geziert /
Und nach dem Schloßdes Himmels ſollen ſehnen /
Das nicht der Bau der Menſchen aufgefuͤhrt.
11.
Bleibt immer / bleibt Cypreſſen / Trauer-Zeichen /
Ein klares Bild gemeiner Sterblichkeit /
Jhr werdet uns auch eure Zweige reichen.
Herr Seelmann hat vollendet Kampff und Streit
Er ruhet nun / die Myrrhen alles Leiden
Der Schmertzen Weh ſind mit ins Grab gelegt /
Wol dem der fruͤh von dieſer Welt kan ſcheiden /
Und laͤnger nicht des Leibes Bande traͤgt.
12.
Betruͤbte Frau / daß ſie jetzt Leyd-Cypreſſen
Aus Schweſter Lieb auff ihren Bruder deckt
Und weiſet / wie bey ihr noch unvergeſſen
Gewogenheit und treue Liebe ſteckt /
Jſt Ruͤhmens werth: Der Menſch iſt nicht von Steinen /
Die Regung macht nur das Gebluͤte heiß.
Doch der thut wol / der zwar beklagt die Seinen
Und doch dabey auch Maß zu halten weiß.
Das427Leichen-Gedichte.
Das getreue Mutter-Hertz / Bey Beerdigung Fr. M. M. S. g. v. S. den 10. Decembr. 1679. vorgeſtellet.
HOchedle / jener wuͤnſcht ihm Fenſter in die Hertzen /
Dadurch die Regungen der Geiſter anzuſchau’n:
Hier zengt eu’r Angeſicht die innre Seelen-Schmertzen /
Und ſelbſt der Augen-Brunn muß nichts als Thraͤnen
Warum? ihr ſolt und muſt itzt euer Hertz begraben:
(thau’n.
Jſts moͤglich / daß ein Menſch mehr ohne Hertze lebt?
Und ſoll ein Hertz den Sarg in ſeinem Hertzen haben?
Gleichwie ein Seiden-Wurm ſein Grab ihm ſelber webt?
Man ſchloß vor dieſem ja gekroͤnter Haͤupter Hertzen /
Wenn ſie der letzte Stoß des Todes kalt gemacht /
Jn Gold und Edelſtein / und hat viel tauſend Kertzen
Zu zieren das Mauſol verſchwend’riſch ausgedacht.
Viel haben balſamirt die Hertzen wollen halten /
Umb ſo den Liebes-Dienſt unendlich zu verneurn.
Viel / wenn ſie ſchon geſehn der Adern Quell erkalten /
Die wolten doch noch ſo dem Tod und Faͤulnuͤß ſteur n.
Nein / euer Grabmal trotzt die praͤchtigen Coloſſen /
Cairens Seulen-Werck und Memphis Marmelſtein /
Und was von Bildern mehr Corinthus hat gegoſſen /
Und das noch alte Rom gehauen Felſen ein.
Doch trieb der Ehrgeitz an: Hier ein gehorſam Wille /
Der Kindes-Lieb und Pflicht zu einem Nachbar hat.
Sie ſtreiten / wer zu erſt die Schuldigkeit erfuͤlle /
Und wer am nechſten ruh bey dieſer Grabe-Statt.
Was ſcharrt ihr endlich ein? ein Hertz / von dem das Hertze /
So ſtuͤndlich in euch klopfft / den erſten Urſprung fuͤhrt /
Die Sonne / ſo bißher durch ihrer Stralen Kertze
Euch alle hat gewaͤrmt / beſeelet und geziert.
Jſt ſonſt der Menſchen Hertz das Wohnhaus ihrer Seele /
So war der Mutter Hertz auch eures Lebens-Sitz.
Regt und bewegt es ſich erſt in des Coͤrpers Hoͤle /
Und weckt die Geiſter auf / und theilt aus Blut und Hitz.
So hat der Mutter Hertz / worunter ihr gelegen /
Noch vor dem Tage-Licht wohlthaͤtig ſich erzeigt /
Und denn ohn Unterlaß Heil / Wonne / Leben / Seegen /
Und was man wuͤnſchen mag / euch mildreich zugeneigt.
Wohnt428Leichen-Gedichte.
Wohnt in dem Hertz ein Feur / das von des Himmels-Hoͤhen
Prometheus Kunſt-Diebſtal uns heimlich zu gewandt;
So war der Mutter Hertz / ſolt es zum HErren gehen /
Jn gar weit heil ger Glut des Glaubens angebrant.
Jſt ſonſt des Menſchen Hertz die Renn-Bahn der Begierden /
So war der Mutter Hertz der Tugend Sammel-Platz.
Es blieb von allem Glantz und angebornen Zierden
Beſtaͤndigkeit ihr Ruhm und Gottesfurcht ihr Schatz.
Jſt ferner auch das Hertz ein Brunnquell treuer Liebe /
Wie hertzlich hat ſie nicht als Kinder euch geliebt /
Und wenn man ihre Treu ins Zeit-Regiſter ſchriebe /
So kaͤm es dem nicht bey / was ihre Huld veruͤbt.
Sie war Cornelia / die ihre Soͤhne Cronen
Und nicht der Perlen Reyh und Diamante hieß /
Des Frauen-Zimmers Schmuck hielt ſie fuͤr ſchlechte Bohnen /
Wenn ſie des Blutes Schmuck / des Stammes Erben / wieß.
Was hat ſie nicht gethan? Jhr Reden / Dencken / Sinnen
War auf der Kinder Heil und Wolergehn gericht /
Und ſolten nicht anjetzt die Thraͤnen haͤuffig rinnen /
Nun der ergrimmte Trd das Mutter-Hertze bricht?
Mit was vor Helden-Muth es alles uͤberſtanden /
Bey vieler Kranckheit-Laſt doch mit Gedult geſiegt /
Die Freyheit ſtets gezeigt auch in den Leibes Banden /
Und ſich an Gottes-Guͤt erfreuet und vergnuͤgt /
Faſt nicht mein enges Blat; und meine Trauer-Zeilen
Verſchwemmt / Betruͤbteſte / der milden Zaͤhren Bach.
Wenn ſchon das Hertz verwundt / welch Podalier kan heilen?
Es giebet Eſculap in ſolchem Zufall nach.
Und niemand auffder Welt kan dieſe Thraͤnen ſchelten
So umb das Mutter-Hertz der Kinder Pflicht vergauſt /
Die Lieb iſt ungemein / und dieſe Treu iſt ſelten /
So euer Mutter Hertz hat jeder zeit beweiſt.
Schenckt wieder ihr das Hertz zu einem Ehren-Grabe /
Sie koͤnte ſchoͤner nicht in Alabaſter ruhn.
Diß Mutter-Hertz iſt werth / daß es viel Tempel habe
Jn Hertzen / die ihm noch die letzten Dienſte thun.
Es will der Julian aus Hertzen propheceyen /
Und drauß erkuͤndigen / was kuͤnfftig kommen mag:
Jhr koͤnt der danckbar’n Welt in Ohr und Hertzen ſchreyen /
Daß euer Mutter-Hertz bey eurem Hertzen lag.
Der429Leichen-Gedichte.
Der Lilgen Zwiebel iſt am aͤhnlichſten dem Hertzen /
Die Lilgen eures Ruhms der / die ſie erſt gebracht.
Verbrennt Germanicus ſein Hertz durch keine Kertzen;
Der Mutter Hertze wird zur Aſch auch nicht gemacht.
Der Tugend Aloe beſchuͤtzt es fuͤr dem Schimmel /
Und eure Wehmuth muß der beſte Balſam ſeyn.
Der Geiſt ſucht Kercker-loß ſein Vaterland / den Himmel /
Nichts als der Glieder Reſt bedeckt der Leichen-Stein.
Man laß Egyptens Wahn von unſern Hertzen lehren /
Daß es biß funffzig Jahr ein halbes Loth nimmt zu /
Denn faͤngt es an die Zeit auch wieder zu zerſtoͤren /
Biß daß es endlich gar koͤmmt zu der langen Ruh.
Ein groͤſſer Wachsthum wird der Mutter Hertze haben /
Als das mit eurem iſt zuſammen eingepraͤgt /
Das immer lebend bleibt / und eh nicht wird begraben /
Als biß ihr Lebens-ſatt euch auch ins Grab gelegt.
Hochedle / da ſich ſchon der Mutter Augen ſchloſſen /
Und ſich die Seel als Gaſt zum Abzug fertig fand /
Hat ſie nach ihrem Wunſch die Freude noch genoſſen /
Daß eure treue Pflicht ihr ſtets zu Dienſte ſtand.
Jhr habt den letzten Kuß von ihrem Mund empfangen /
Die Augen zugedruͤckt / ſo euch ſo offt erfreut.
Und unter vielem Weh / Begierden und Verlangen
Sie nur voran geſchickt ins Land der Ewigkeit.
Mauſolens Ehgemahl trinck ihres Herren Aſche:
Aus eurer Seele kommt der Mutter Name nicht.
Umbſonſt / daß Todte man mit theurem Balſam waſche /
Der beſte Narden iſt ein unbefleckt Geruͤcht.
Und wenn auf Graͤbern viel die Nachwelt gibt zu leſen;
So ſey die kurtze Schrifft zu dieſem Grab gelegt:
Hie ruht ein Mutter-Hertz / das nimmer kan verweſen /
Weil es der Kinder Hertz lebendig in ſich traͤgt.
Die beſtaͤndige Creutz-Traͤgerin / Bey Abſterben Fr. R. C. K. g. R. den 3. Mertz 1680. aufgefuͤhret.
GEh aus des Creutzes Laſt und aus der Truͤbſal Hitze /
Nunmehr O Seelige in Edens Garten ein /
Kein Wetter ſchreckt dich jetzt / es draͤuen keine Blitze /
Und nach des Grabes Nacht folgt heller Sonnen - Schein.
Du430Leichen-Gedichte.
Du haſt mit Ruhm gekaͤmpfft und mit Gedult getragen
Das Creutz-Fahn / welches dir dein Heyland uͤberreicht.
Die Welt iſt triumphirt / der Satan ligt geſchlagen /
Verſichert daß kein Sieg der Helden deinem gleicht.
Es ruͤhme Scythien die Mann-behertzten Frauen /
So an die rechte Bruſt der Lantze Staal geſetzt /
Du warſt in groͤßrem Muth und Loͤwen-Hertz zu ſchauen /
Weñ du dein Glaubens Schwerd haſt auf den Feind gewetzt.
So iſt dein Kampff mehr ſchwer als einer je geweſen /
Den uns das ſtoltze Rom in ſeinen Fechtern wieß /
Es hat zwar Crocodil und Tiegerthier erleſen /
Die es / O Grauſamkeit! auff nackte Menſchen ließ!
Du aber haſt gekaͤmpfft gar mit der alten Schlangen /
Die nach der Seelen ſtets mit offnem Rachen ſchnappt.
So hat den Python nicht Apollens Arm gefangen /
Als du den ſchnoͤden Fuͤrſt der Finſternuͤß ertappt.
Erblaſte Koͤppelin wie haſt du denn vollendet
Den hochberuͤhmten Kampf / trugſt du dein Creutz nur vor?
Haſt du zu dieſem dich im Creutz allein gewendet /
Der an deſſelben Holtz ſein Leben auch verlohr.
Jn ſolchem Zeichen haſt du Ritterin geſieget.
Es ſchweige doch die Welt von ihrem Kaͤmpffen ſtill.
Dein gut Gewiſſen iſts / das dich allein vergnuͤget /
Dein wahres Chriſtenthum das kraͤfftigſte Sigill.
Und wie ein Fechter ſonſt / nicht wie die Andabaten /
Vergeb’ne Streiche thut und mit den Luͤfften ſpielt;
So lieſt du dir auch hier nicht andre Huͤlffe rathen /
Du haſt durch GOttes Geiſt geleitet ſcharff gezielt.
Lieffſt mit genauem Fleiß in des Beruffes Schrancken /
Und wolteſt Tag und Nacht in der Bereitſchafft ſtehn.
Es mag ſich noch Athen umb ſeine Laͤuffer zancken /
Und wer am erſten ſoll gekroͤnt als Sieger gehn.
Dort ward ein ſchlechter Platz in kurtzer Zeit durchrennet
Und bloß ein Krantz ertheilt von Eich und Myhrrten Laub.
Wer deinen Siegs-Krantz ſieht und deine Krone kennet /
Der ſagt / das Perlen Glaß und Diamanten Staub.
Wie eyffrig haſt du nicht bey deinem Fahn gehalten?
Es war ja Chriſti Creutz der Schwachheit Troſt und Stab.
Der Ertz-Schrein / der den Schatz des Himmels pflegt zu halten /
Der Nachlaß aller Schuld / der Gottsfurcht Opffer Gab.
Das431Leichen-Gedichte.
Das haſt du Seelige mit ſolchem Muth getragen /
Daß ſeine Laſt dir leicht und ſein Joch ſanffte ſchien.
Dein Arbeit hat gewehrt biß zu den letzten Tagen /
Da nun des Lebens Geiſt wolt aus dem Coͤrper ziehn.
Du haſt zwar offt geſeuffzt / geaͤchtzet und geruffen:
Jſts moͤglich / nimm die Laſt doch mein Erloͤſer weg!
Doch weil des Himmels Bahn gebaut von Creutzes Stuffen /
So blieb Anfechtung nur ein Probſtein zu dem Zweck.
Und wer mit murren traͤgt / den wird die Buͤrde druͤcken.
Diß iſt die groͤſte Kunſt ſo bloß ein Chriſt beliebt /
Daß er bey Leidens-Zeit ſich nur in allen Stuͤcken
Nach GOttes Willen haͤlt und dieſem ſich ergiebt.
Die Hitze brennt nicht ſtets / es muß der Abend kommen /
Und unſer Gnaden-Lohn iſt uͤberſchwenglich groß!
So bald das kurtze Licht des Lebens iſt verglommen /
So bald macht uns der Tod von Sorg und Kummer loß.
Der hier mit Thraͤnen ſaͤet der erndtet Freuden-Garben.
GOtt holt uns aus der Tieff und mitten aus der Fluth;
Er laͤſt uns offt in Noth verzappeln und offt darben /
Damit er wieder wol uns tauſendfaͤltig thut.
Und dieſer trocknet nun / Verblichne / deine Zaͤhren /
Der legt dich als ein Lamm in ſeine Gnaden-Schos.
Was koͤnnen Sterbliche mehr wuͤnſchen und begehren /
Als daß ſich GOtt vermaͤhlt mit einem Erdenklos.
Triumph Creutz-Traͤgerin! Triumph die Sieges-Kronen /
Sind unvergleichlich ſchoͤn und auch unſchaͤtzbar werth!
Mit dem kan nicht die Gunſt gekroͤnter Haͤupter lohnen /
Was dir der groſſe GOtt aus Gnaden jetzt beſchehrt.
Du kommſt auch fruͤh zum Ziel im Fruͤhling deiner Jahre /
Und ſolt uns hier zum Ruhm die Sonnenwende ſeyn.
Die Blume ſey geſchenckt zu letzt noch deiner Bahre /
Es trifft Geſtalt und Art und die Auslegung ein.
Es mag die Sonne kaum ihr guͤldnes Rad uns zeigen /
Wenn fruͤh die Morgenroͤth ihr Purpur-Zelt auffdeckt;
So wird aus Liebe ſie ſich zu der Sonnen neigen /
Und traͤgt die Blaͤtter ſtets nach ihrem Strahl geſtreckt.
Sie lebet mit der Sonn und ſtirbt faſt mit der Sonnen /
Jndem ſie welckende die Krone ziehet ein;
Jngleichem Glaubens-Oel iſt auch dein Hertz zerronnen
So offt es angeblickt des Heylands Liebes-Schein.
Wenn432Leichen-Gedichte.
Wenn ſein beflammter Strahl dich hat erwaͤrmt von oben /
Jn was vor Anmuth ſtand nicht deiner Bluͤthe Pracht.
Es wird der Freunde Mund dich unauffhoͤrlich loben /
Daß deine Froͤmmigkeit unſterblich dich gemacht.
Du kehrteſt wie ein Blat nach GOtt nur deinen Willen /
Jn dieſem wachſt du auff / in dieſem ſchlieffſt du ein.
Und wie ſein wahrer Mund pflegt alles zu erfuͤllen
So muſteſt du fuͤr ihm ein gut Geruch auch ſeyn.
Die Sonnenwende taurt bey Regen und bey Winden /
Und hebt nach kurtzer Friſt ihr praͤchtig Haupt empor /
Bey dir war auch Gedult im Creutz und Leyd zu finden /
Die Liebe gegen GOtt gieng allen Sorgen vor.
Du warſt in deinem Hauß auch eine Sonnenwende /
So ihren Ehſchatz hat als ihre Sonn geehrt.
Bemuͤhſam / daß du ſtets durch deine treue Haͤnde
Und kluge Haͤußlichkeit die Nahrung haſt vermehrt.
Dem haſt du Sonnenwend auch dein Gemuͤth und Hertze /
Auff deiner Kinder Drey aus Mutter Pflicht geneigt.
Es labt der Blumen Schaar nicht ſo der Sonne Kertze
Als deinen Blumen du gutthaͤtig dich erzeigt.
Es ſinckt der Sonnenwend im Herbſt bey vielem Regen.
Du auch O Sonnenwend in vielen Thraͤnen hin.
Wer kan der deinen Weh und Jammer recht erwaͤgen /
Dein Blut iſt Mutter-loß / dein Herr ohn Hertz und Sinn.
Doch wie du durch dein Creutz im Glauben haſt geſieget /
So ſoll auch diß der Troſt der Hochbetruͤbten ſeyn.
Daß der ſo alle Welt fuͤr unſer Heil vergnuͤget /
Uns taͤglich zu dem Creutz als Traͤger ladet ein.
Letzter Zuruff / An Hn. P. F. den 7. April 1680.
MEin Freund / ſo haut der Tod dein Fleiſch in tauſend Stuͤcke /
Und uͤberliefert es den Wuͤrmen zu der Koſt /
Du biſt nunmehr befreyt / ich ſteh noch auf der Bruͤcke /
Und hoffe weiter nichts als Schimmel / Faͤul und Roſt.
Muß uns die Fruͤhlings Luſt zu einem Kirchhof werden /
Jſt denn dein Sommer-Hauß ein ſchwartzes Leichen-Bret?
Die Sonn erfreu’t die Welt mit ihren guͤldnen Pferden /
Da ein breit Eiſen dir macht auff die Grabe Staͤtt.
Wo433Leichen-Gedichte.
Wo bleibt nun unſer Wunſch / wo bleibet das Verſprechen:
Ach der ergrimmte Tod reiſt allen Vorſatz ein!
Und wird uns unverhofft die muͤden Augen brechen
Daß auch der Sternen Licht muß Aſch und Schatten ſeyn.
Wie aber gehſtu hin? Ein Held faͤllt unter Wunden
Sein Purpur faͤrbet offt des Feindes Angeſicht.
Der Schiffer hat den Tod in wuͤſter See gefunden /
Ein Bergmann der verfaͤllt wenn Fahrt und Gang einbricht.
Du als ein Handels Mann geuͤbet durch viel Reiſen
Und der viel Wechſel ſchoß / verſchleuſt dich in den Sarck /
Willſt unſrer lieben Stadt und Leipzig noch erweiſen /
Wie ruͤhmlich du vollfuͤhrt haſt deines Lebens-Marck.
Jtzt da der Jahrmarckt kommt / bald in den erſten Tagen
Haſtu dein Gut verkehrt. Was? nichts als Staub und Koth.
Wird eine kunde wonach Herr Fleiſchhauern fragen
So ſpricht der Diener Mund er iſt ſchon kalt und todt.
Ach Wechſel voller Gluͤck? ach Handlung voller Seegen!
Der ewige Gewinn hat dir bißher gefehlt /
Daß man dich Lebens ſatt moͤcht in die Erde legen
Ermuͤdet von viel Angſt und ſtrenger Noth gequaͤlt.
Der in Siberien auff ewig iſt verbannet /
Und den der Mittag kocht auff einer Ruder Banck /
Der an den Hacken ligt / an Foltern iſt geſpannet
Der Gifft zur Speiſe hat und Schirling zu dem Tranck /
Empfindt nicht ſolche Pein als wie du haſt erlitten;
Des Nero Tyranney iſt noch Barmhertzigkeit:
So hat kein Hencker je gebrennet und geſchnidten
Als dich die grauſe Gicht gekruͤmmet wie ein Scheit.
Doch ſey mir noch vergunt / O Seeliger zu fragen?
Hat dein Gewoͤlbe nicht den kuͤhnen Tod verblendt?
Und unterſtand er ſich in Marck dich zu betagen
Da ſonſt ein jederman der Maͤrckte Freyheit kennt?
War denn kein Zeug nicht da / daß man die duͤrren Beine
So viel nur moͤglich ſchien aufs zierlichſte bedeckt?
Hatt er nicht ſeine Luſt an Sammt und Atlas Scheine
Daß ihm der Kuͤnſtler Stich Mitleiden haͤtt erweckt?
Hieß Stuͤckwerck und Geſpienſt ihm eine Spinne-Webe?
Wie kleidet ſich der Tod in keine Moden nicht?
Und bleibt er immer ſo wie eine ſchwancke Rebe?
Ergetzet kein Damaſt ſein holes Angeſicht?
E e e eSo434Leichen-Gedichte.
So forſch ich weiter nach: Was haſt du denn verhandelt?
Dein zugeſchloſſner Mund ſpricht! Ach mein Fleiſch / das
Weil der / der endlich auch die Himmel ſelbſt verwandelt
(Heu /
Mir laͤngſt ins Ohr gerufft / daß ich vergaͤnglich ſey.
Nun wunder ich mich mehr: welch Weltling kan es leiden
Wenn uͤber die Gebuͤhr ſich einer kleiden laͤſt?
Und du / dem nichts gebrach an feinſten Sammt und Seiden
Erfaͤhreſt daß der Tod auch dieſes ſtehen laͤſt /
Und kleidet ſich in Fleiſch. Er hat es zwar vonnoͤthen
Daß er die leere Schos und magern Huͤfften ziert.
Hingegen ſolte nicht der freche Menſch erroͤthen
Daß offt ein gantzer Krahm fuͤr ihn nicht Zeuge fuͤhrt?
So gibſt du nun dein Fleiſch das ſchlechſte von den Waaren
O kluger Handels-Mann fuͤr jenen Himmels-Schatz.
Laß Scharrer unſrer Zeit in alle Winckel fahren /
Dein Hauptgut das behaͤlt fuͤr allen Guͤtern Platz.
Und ſinn ich endlich aus die Gleichheit in den Dingen
Gewichte / Maß und Zahl iſt auff den Punct erfuͤllt.
Als in dem Paradieß wir unbekleidet giengen
Hat Evens Vorwitz ſich zum erſten eingehuͤllt.
Und dieſes Suͤnden-Kleid das iſt uns erblich blieben.
Ob unſre Leiber ſonſt auch alle Schoͤnheit mahlt;
So ſind doch ſie dem Tod zum Eigenthum verſchrieben
Erfordert es mit Recht daß man durch Sterben zahlt.
Und was iſt aͤhnlicher den allerbeſten Zeugen
Als unſer Haut und Fleiſch? ſie ſind aus nichts gemacht.
GOtt hieß aus einem Kloß den erſten Menſchen ſteigen /
Hier hat ein Wurm und Kunſt die Formen aus gedacht.
Was iſt verweßlicher als ſchoͤne Selden Waaren
Und eine ſchoͤne Haut die Perlen oft beſchaͤmt?
Denn jene darf Gebrauch und Zeit nur uͤberfahren /
Und den geraden Leib hat Kranckheit offt gelaͤhmt.
Wie bruͤſtet ſich der Menſch wenn er ſo herrlich glaͤntzet?
Und denckt nicht daß ein Koth den andern uͤberdeckt.
Wird nicht mit Perl und Gold ein ſtoltzes Haupt bekraͤntzet?
Darunter weiter nichts als Wuſt und Eyter ſteckt.
Jſt unſer Fleiſch nun Heu / gewidmet zum Verderben
Reitzt es und wird gereitzt / fuͤhrt es und wird verfuͤhrt /
So glaubt ein rechter Chriſt / daß wenn auch in dem Sterben
Der Tod ſein Recht vollzieht er dennoch nichts verliehrt.
Drumb435Leichen-Gedichte.
Drumb werther Seeliger haſtu ſehr wol geſchloſſen.
Wie aber ſtell ich recht den groſſen Nutzen fuͤr?
Bilantz und Raͤitung ſind nur lauter Kinder-Poſſen /
Was Welt und zeiclich iſt hat kein Gehore hier.
Da unſer Heyland ſich in unſer Fleiſch verkleidet /
Da wuchs das Capital der Ewigkeit uns zu;
Und als er an dem Creutz vor unſre Sunden leidet
Da ſetzt er aus Gefahr uns in die ſichre Ruh.
Es ſey das Fleiſch nun Heu: was iſt daran gelegen?
Ob uns der Wuͤrge-Mann die Knochen gleich zerhaut /
Und wird uns durch das Grab wie durch ein Sieb ausfegen.
Verſichert daß ſie ſind zu groͤſſerm Glantz vertraut.
Ach laß erblaſter Freund das Heu / dein Fleiſch / verwelcken /
Du haſt hier wol gelebt und ſchlaͤfft mit Ehren ein /
So prangt dein Garten nicht mit Wunder bunten Nelcken /
Als dermahleinſt dein Fleiſch wird auffgeklaͤret ſeyn.
& q; Des HErren Athem wird in dein Gebeine blaſen
& q; Du wirſt voll Safft und Krafft und Geiſtes aufferſtehn.
& q; Es mag die tolle Welt in ihren Suͤnden raſen
& q; Sie muß wie Fleiſch und Heu doch endlich untergehn.
Als Fr. D. A. g. L. den 16. Junii 1680. in Lie - gnitz beerdiget wurde.
AEgypten mahlt uns fuͤr durch einen groſſen Drachen /
Der in die tieffe Klufft ſich einer Hoͤle dringt /
Und den geſchuppten Leib in gruͤne Zirkel ſchlingt /
Biß er ſich ſelbſt verzehrt durch ſeinen eignen Rachen /
Daß eben ſo die Zeit in ihrem Abgrund ſey /
Und was ſie heute baut offt morgen bricht entzwey.
Es mahlt der Dichter Witz ihr Blitz-geſchwinde Fluͤgel /
Und waffnet ihre Hand mit einem leichten Pfeil.
Der Adler ſchwingt ſich nicht in ſo geſchwinder Eil
(Der doch der Luͤffte Printz) hoch uͤber Berg und Huͤgel.
Kein Schiff das guter Wind mit vollen Segeln fuͤhrt /
Hat bey dem Zwey-Geſtirn ſo ſchnell den Port beruͤhrt.
Was mehr / ſo hat die Zeit geſchwinde Tiger Fuͤſſe
Jhr Sprung ereilet auch die maͤchtigſte Gewalt;
So aͤndert ſie noch mehr als Proteus die Geſtalt /
Und gegen ihrer Flucht ſind langſam Strohm und Fluͤſſe.
E e e e 2Ein436Leichen-Gedichte.
Ein Rad ſcheint traͤg und faul das doch unendlich geht /
Fuͤr ihrer Fertigkeit entſchlaͤffet der Magnet.
Jſt nun die Zeit ſo ſchnell und ſo ein freſſend Feuer /
Greifft ihre Grauſamkeit auch Ertz und Marmel an?
Zermalmt manch Koͤnigreich ihr unerſaͤttlich Zahn?
Und ſind durch ſie geſtuͤrtzt die ſchoͤnſten Ungeheuer?
Jſt das Mauſol nur Aſch und der Coloſſus Staub
Dianens Tempel ſelbſt der Eitelkeiten Raub.
Wie kan der arme Menſch erbaut aus ſchlechter Erden /
Ein Tohn den jeder Stoß in tauſend Stuͤcke bricht /
Ein Leim aus einem Kloß von Anfang zugericht /
Von der Bewaͤltigung der Zeit befreyet werden?
Er iſt ja weiter nichts als nur ein Spiel der Zeit /
Und Grab und Wiege ſind von ſchlechtem Unterſcheid.
Doch weil der hoͤchſte GOtt den Scepter ihm gegeben /
Und die gevierdte Welt ihm unterthan gemacht /
So iſt er billich auch auf Schuldigkeit bedacht
Wie er moͤg in der Zeit wohl und vernuͤnfftig leben.
Viel brauchen ſie zur Luſt / viel brauchen ſie zur Quaal.
Den meiſten die nichts thun entſchlippt ſie wie ein Aal.
Noch mehr verirren ſich in gantz verkehrten Wegen /
Und kreutzen wie ein Schiff auf der Gedancken Meer /
Von der Begierden Sturm getrieben hin und her /
Und wollen Ancker an bey Scyll und Syrten legen.
Erkieſen vor das Haupt der Hoffnung / die Malee /
Sind Frembdling in ſich ſelbſt und Buͤrger auf der See.
Wie wenig wiſſen doch die kurtze Zeit zu brauchen?
Die doch zu Tugenden ein ausgebreites Feld /
Und wenn ihr Stunden-Glaß nun keinen Sand mehr haͤlt /
So klagen ſie zu ſpaͤt daß Jahr und Tag verrauchen.
Wer hente nicht wohl lebt faͤngt ſelten morgen an /
Der Laſter Weg iſt weich und rauh der Tugend Bahn.
Jn ein weit ander Ziel / in gar weit andre Schrancken
Schloß die Vergaͤnglichkeit des kurtzen Lebens ein
Die ſeelig-edle Frau / die Zeit war ihr allein
Die treuſte Weckerin zu himmliſchen Gedancken.
Sie kunt ihr niemals nicht ſo ſchnell und bald entfliehn /
Daß ſie nicht ihr Gemuͤth pflag Sternen-werts zu ziehn.
Sie theilte ſtets mit GOtt Minuten / Tag und Stunden /
Ein andre Monica / wenn es zum Beten kam /
Und437Leichen-Gedichte.
Und ihr entbrandter Geiſt in voller Andacht glam /
Und in des HErren Hauß der Seelen Ruh gefunden.
Was uͤbrig von dem Tag / blieb Tugenden geweyht /
Und ſo genoß ſie recht der Fluͤgel-ſchnellen Zeit.
Und wo es auch ein Ruhm begraute Zeiten nennen /
So hat ihr Cedern-Stamm unſterblich ſie gemacht /
Der Ahnen ewig Ruhm ſo in den Buͤchern wacht /
Und gleich dem Pharus wird auch bey der Nachwelt brennen /
Stellt uns die Lauterbach in hoͤchſten Wuͤrden fur /
Und der Verdienſte Preiß vergroͤſſert ihre Zier.
Aus dieſen Quellen war ihr edles Blut entſprungen /
Jhr Stamm-Baum zeiget uns ſo manchen Neſtor an /
Der vor das Vaterland hat ſeine Pflicht gethan /
Der mit Verſtand und Witz wie Cato durchgedrungen.
Und ſolt aus ſolcher Art ein ander Zweig entſtehn?
Gold-Adern laſſen nie die erſte Wurtzel gehn.
Wiewol ſie ihren Stand hielt bloß fuͤr Tand der Zeiten /
Und fuͤr ein Schatten-Werck / das nicht beſtaͤndig bleibt /
Wo nicht ein hoͤher Zug die Krafft der Seele treibt /
Daß ihre Fluͤgel ſie kan Adlern gleich ausbreiten.
Wo nicht Verſtand und Witz die Sinnen außgeruͤſt /
Und ein ermuntert Geiſt der beſte Fuͤhrer iſt.
Die Schaar der Tugenden / die Menge ſeltner Gaben
Und Witz der nicht gemein / und Klugheit ſonder Liſt /
Und Liebe die niemals des Nechſten je vergißt /
Und Treu die mehr ins Hertz / als in den Mund gegraben /
So oſt ſie in der Welt noch wolten kehren ein /
So muſt das Haupt-Quartir bey unſer Seel gen ſeyn.
Und dieſe Trefflichkeit bewog auch ſein Gemuͤthe /
Hoch Edler / daß er ſich umb ihre Gunſt bemuͤht /
Daß ſein getreues Hertz in Liebes-Flammen gluͤth /
Und ſie vereiniget des Hoͤchſten Wunder-Guͤte.
Wie ſeelig war ihr Stand / ein ander Paradieß /
Darinn die Einigkeit die Freuden-Weſten blies /
Ach aber / daß doch nichts beſtaͤndig auf der Erden /
Daß eine Livia ſo zeitlich muß vergehn;
Daß Witz / und Tugend nicht kan fuͤr dem Tode ſtehn /
Und ein Aspaſia ſo bald muß Aſche werden!
Daß nichts nicht hemmen kan das ſchnelle Rad der Zeit /
Und Libitinens Stahl die ſchoͤnſten Blumen maͤyt.
E e e e 3Zwar438Leichen-Gedichte.
Zwar die Wohl-Edle Frau / hat Tempel in den Seelen
Der Menſchen ihr erbaut / durch Wohlthat / Lieb und Gunſt.
Nicht was der Myron ſchnitzt / und des Apelles Kunſt /
Und was der Mentor kan in Ertz und Marmel hoͤlen /
Verewigt ſo den Ruhm / als was man Guts gethan /
Das ſchreibt man nicht der Wand / man ſchreibt es Hertzen an.
Hoch Edler / ihm allein faͤllt dieſer Fall zu bitter /
Der allertreuſte Freund und Lebens-Troſt iſt hin.
Wie wol ſein edler Muth und unerſchrockner Sinn
Der ſchon gehaͤrtet iſt durch ſo manch Ungewitter /
Wird dieſen Hertzens-Stoß vertragen mit Gedult.
& q; Wer willig ſich ergiebt / dem iſt der Himmel hold.
Die feſtgegruͤndete Hoffnung / Fr. M. v. G. g. G. betrachtet den 20. Junii 1680.
DEn Wohlſtand beſter Ruh / das Heil erwuͤnſchter Zei - ten /
Stellt uns das kluge Rom bloß durch die Hoffnung fuͤr;
Es ließ auff ſeine Muͤntz ein folches Bild bereiten
Wie einer Jungfer Hand prangt in der Lilgen Zier.
So war die Lilie ein Abriß guter Gaben /
So trug die keuſche Blum ein keuſches Jungfern Bild /
Und muſte bey ſich ſelbſt die groſſe Deutung haben /
Daß ihre Blume ſey gemeiner Wohlfahrt Schild.
Denn wo uns die Natur Ergruͤnder nicht betriegen /
So waͤchſt die Lilie in ihren Thraͤnen auff;
Sie wird damit geſaͤet / muß ſich darmit vergnuͤgen /
Biß ihren weiſſen Kelch beſtrahlt der Sonnen Lauff.
Nicht anders geht es zu auch mit der Hoffnungs-Blume
Die in dem matten Hertz der Seuffzer-Thau ernaͤhrt /
Eh als ſie wurtzeln kan und kommt zu vollem Ruhme /
Hat ſie manch heiſſer Tag und kalte Nacht beſchwehrt.
Doch Rom mag Lilien in ſeiner Hoffnung fuͤhren /
Sein Hoffen das beſtand in Pracht und Eitelkeit /
Und muſte nach und nach ſich Blumen gleich verliehren /
Die in der Sonnen-Gluth des Maͤders Fauſt abmeyt.
Nein /439Leichen-Gedichte.
Nein / unſre Seelige trug auch zwar Hoffnungs-Lilgen /
Da jeder Garten itzt mit ſolchen Kindern prangt:
Hingegen kunte ſie noch Froſt noch Gluth vertilgen /
Biß ſie den hoͤchſten Grad der Fruchtbarkeit erlangt.
Denn ihre Lilie war CHriſtus in dem Hertzen /
Als ſie die Bangigkeit des Todes uͤberfiel.
Sein angenehm Geruch vertrieb ihr Angſt und Schmertzen /
Der Glaube war die Frucht / Beſtaͤndigkeit ihr Stiel.
Jn dieſen Lilien da wolte ſie ſich weiden /
Obgleich des Lebens Krafft ihr allgemach entgieng /
Obſchon der Abend kam / der Tag ſich wolte ſcheiden
Und Leib und Seele bloß an einem Faden hing.
Sie hoffte doch auff GOtt und ruͤff: HErr willſtu toͤdten?
So weich ich dennoch nicht und harre doch auff dich.
Mein Beyſtand in der Angſt: Mein Helffer aus den Noͤthen
Der mich von Anbegin geliebt / dem laß ich mich.
So ſteht ein harter Felß in ungeheuren Wellen /
Wenn ihn ein ſchwartzer Sturm von oben ab verhuͤllt /
Von unten auff ihn zu die tollen Fluthen bellen /
Und umb ihn Aeolus mit ſeinen Winden bruͤllt.
Er ſtehet unbewegt und haͤlt die Donnerſchlaͤge /
Und den dreyfachen Blitz gantz unerſchrocken aus;
Durch gleiche Glaubens-Bahn / durch gleiche Hoffnungs-Wege
Beſtand die Seelige den letzten Todes-Strauß.
Sie war ein ſolches Schiff / das nicht der Suͤnden Raſen
Der Welt ihr Ungeſtuͤm / des Flerſches Brut und Wut /
Des Teufels Raͤuberey und ſchrecklich Lermen-blaſen /
Hat Segel loßgemacht / verſehrt an Haab und Gut.
Der Hoffnungs Ancker war zu tieff auff GOtt gegruͤndet /
Die Nadel ſtand gericht ſtets nach der Sternen Hoͤh /
Verſichert daß der eh den rechten Hafen findet /
Als wer zum Fuͤhrer hat das Zweygeſtirn der See.
Ein Fiſch / den Anthias ſonſt die Gelehrten nennen /
Zeigt uns die Guͤtigkeit von dem verſoͤhnten Meer /
Es wird kein Ungeheur ſein Wohnhaus uͤberrennen /
Es ſchwimmen / wo er ſitzt / Delphinen umb ihn her:
So wolt Aegypten-Land die Hoffnung ſich vorſtellen.
Wie tieff gegruͤndeter mahlt ſie ein Chriſt ihm fuͤr?
Der hier noch auff der Welt und in des Creutzes Wellen
Bey GOtt ſucht ſeine Ruh und ſicheres Quartier.
E e e e 4Wer440Leichen-Gedichte.
Wer auf den Felfen baut kan jedem Feind beſtehen /
Wer zu dem hohen Schloß nur ſeine Zuflucht nimmt /
Der kan mit ſtoltzem Fuß auf Loͤw und Drachen gehen /
Und weiß daß auch der Tod kein eintzig Haar ihm kruͤmmt.
Auf dieſen Grund hat nun von Jugend auf gebauet
Die Freundin die wir itzt in kuͤhlen Sand verſcharrt /
Die in der Einſamkeit auff GOtt allein getrauet /
Und in demſelben hat des Jammers End erharrt /
Wie rechte Wittwen thun. Bey ihm war bloß ihr Hoffen /
Sie ſchuͤttete ihr Hertz vor ſeinem Antlitz aus /
Und wuſte Glaubens-voll / daß ihr inbruͤnſtig Ruffen
Gleich einem ſchnellen Feur dringt in des HErren Haus.
Es war ihr eintzig Wunſch / dem Hoͤchſten zu gefallen /
Die Hoffnungs-Lilie hat bey ihr ſtets gebluͤht /
Und ob ihr Wittwen-Stand gleich Aeſten von Corallen
Die man nur in der See der Thraͤnen Leben ſieht /
So blieb ſie dem getreu / der von der Mutter-Bruͤſten
Biß an den letzten Hauch ihr Fuͤhrer wuͤrde ſeyn /
Der ſie im Todes-Kampff mit Glauben wuͤrd’|ausruͤſten /
Und nach vollbrachtem Streit ſie prangend holen ein.
Erblaſte Seelige / wie ſeelig iſt dein Hoffen
Daß auch der grimme Tod zu ſchanden nicht gemacht.
Dein Auge / das er ſchleuſt / ſieht itzt den Himmel offen /
Kommt in ein klares Licht aus einer langen Nacht.
Dir iſt ſehr wohlgeſchehn / wer ſechzig uͤberſchritten /
Sieht ja an jedem Glied faſt taͤglich ſeine Bahr /
Und wer betracht / was du vor Kranckheit hier erlitten /
Spricht / daß der Sterbe-Tag ein Tag der Freyheit war.
Doch aber allzufruͤh entfaͤllſt du deinen Kindern!
Und auch der Enckel Mund erſchallt ein truͤbes Ach!
Es weiß des Brudern Hertz ſein Trauren nicht zu mindern /
Dieweil er folgen muß die ihm ſonſt folgte nach.
Und mehr beklagen dich die hinterlaßnen Armen!
Die Freunde ruͤhmen noch die Treu und Redlichkeit /
Und ſeuffzen daß der Tod Mitleiden und Erbarmen
Wenn er ſein Recht vollzieht / deckt mit dem Grabeſcheit.
Ruh wol / dein Hoffnungs-Bild die Lilie wird bluͤhen /
Wenn unſre Lilien verwelcken in dem Sand /
Dein Grabmahl ein Saphir der Hoffnung uͤberziehen /
Den Moſes allbereit in ſeinen Taffeln fand.
Es441Leichen-Gedichte.
Es mag der Heyden Wahn ihr Gluͤck auf Muͤntzen praͤgen /
Die Hoffnung ſchreibet dich ins Buch des Lebens ein.
Der Zuſtand guter Zeit / das Bild von Gottes Seegen /
Wird kuͤnfftig noch zu ſehn in deinen Kindern ſeyn.
Die keuſche Lorbeern / dem Grabe J. S. g. S. gewidmet / den 18. Auguſt. 1680.
JIhr keuſche Lorbeern ihr / die ihr noch nie vermaͤhlet /
Und immer Jungfern bleibt von unermeßner Zeit /
Die ſeinem Heiligthum Apollo zugezehlet /
Mit welchen noch ſein Haar und Scheitel wird erfreut;
Umbgebet dieſes Grab / beſchattet itzt die Bahre /
Schenckt derer Einſamkeit noch eure gruͤne Nacht.
Vor ſtundet ihr ein Schmuck nur in der Goͤtter Haare /
Jetzt hat der blaſſe Tod euch Wermuth gleich gemacht.
Flecht Aeſt in Aeſte / flecht ihr unverlobten Zweige /
Jhr baut ein Schlaffgemach voll Friede / voller Ruh /
Und daß kein ſcharffer Nord in eure Blaͤtter ſteige /
So deckt euch Zephyr ſelbſt mit ſeinen Fluͤgeln zu.
Hier iſt nicht Daphne Flucht und Phoͤbus heiſſe Flammen /
Mit ſolchen Fabeln iſt mein Reimſchluß nicht erfuͤllt /
Die / ſo die Eitelkeit der Welt pflag zu verdammen /
Ligt in dem Leichen-Tuch gleich vielen eingehuͤllt.
Hier wuͤnſch ich euren Wald und eure ſtille Schatten /
Und diß verdient die Hand die euch ſo ſehr gehegt.
Kommt derer Einſamkeit auch in der Grufft zu ſtatten /
Die nichts im Leben mehr als Einſamkeit gepflegt.
Die Ruh ihr hoͤchſtes Gut / GOtt ihren Schatz geheiſſen /
Nicht in der Eitelkeit verwickelt ihren Fuß.
Veraͤchtlich angeſchaut der Welt ihr falſches Gleiſſen /
So einem Nebel gleich im Anfang ſchwinden muß.
Die edle Schnabelin verlangt nur eure Kronen /
Sie meynt daß ſie kein Lentz gleich eurem Zierath ſchmuͤckt.
Sie will auch nur bey euch ihr Sieges-Baͤume / wohnen
Weil ihr bey Lebens-Zeit vielfaͤltig ſie erquickt.
Jtzt findet ſie die Ruh / hier war ſie nicht zu finden /
Wie eingezogen auch ihr gantzes Leben hieß!
Sie wird kein Sorgen-Netz und Kummer-Garn mehr binden
Noch Kranckheit / die ihr offt von Kraͤfften wenig ließ.
E e e e 5Und442Leichen-Gedichte.
Und weil ihr ja der Welt vermummte Heucheleyen /
Mehr als zu wol bekandt / ſo ſtieß ihr himmliſch Sinn
Großmuͤthig von ſich aus / was Menſchen kan erfreuen /
Worumb der meiſte Theil offt gibt den Himmel hin.
Und wie ihr Lorbeern wachſt auch bey der groͤſten Hitze /
Und mitten in dem Froſt in voller Bluͤthe ſteht /
Wie die Beſtaͤndigkeit verlacht des Donners Blitze /
Wie ſcharff auf ſie der Sturm von allen Wettern geht:
So trug ſie auch ihr Creutz / was andern eine Buͤrde /
Erleichterte Gedult / die Laſt hieß ihr nur Luſt /
Weil zu weit hoͤherm Ruhm und unumbſchriebner Wuͤrde /
Ein Chriſt die Aloe des Leidens nur hier koſt.
Jhr Engel-reiner Sinn blieb Engeln zugeſellet /
Das Lazaret der Welt hat ſie nicht angeſteckt /
Wo auch ein Salomo bey hoͤchſter Klugheit faͤllet /
Wo taͤglich neue Luſt auch neue Suͤnden heckt.
Und welch Stand auf der Welt iſt dieſem zu vergleichen /
Der eintzig und allein mit ſeinem GOtt getraut?
Jhr andern Nymfen muͤſt mit eurer Pracht erbleichen /
Nichts iſt wol praͤchtigers als eine Himmels-Braut.
Der Menſch ſucht hier nur Luſt bey Schalen / nicht bey Kernen /
Kieſt offt Sardoiſch Graß fuͤr den geſunden Klee /
Ein Gott-verpflichter Sinn buhlt eintzig mit den Sternen /
Und was ihn angeflammt ruͤhrt von der lichten Hoͤh.
Die edle Schnabelin haͤlt Ariadnens Krone /
Und Berenicens Krantz fuͤr ſchlechtes Kinder-Spiel.
Jhr reiner Glaubens-Grund traͤgt nunmehr das zu Lohne /
Dem ſich das guͤldne Heer der Nacht nicht gleichen will.
Und triumphiret doch ihr Lorbeern in den Graͤntzen /
Rom hielt vor dieſem ja in Freuden euch ſehr groß!
Hier dieſe Freude weiß von keinern Ziel noch Graͤntzen /
Sie legt euch Lorbeern itzt in ihres Heylands Schos.
Das Mahlwerck der Natur / womit die Blumen prangen /
Die Flora ſtelle ſich in tauſend Farben fuͤr;
Sie werden nimmermehr die Hoheit doch erlangen /
Und keine Schoͤnheit kan ſich gleichen eurer Zier.
Das gantze Morgenland mit ſeinen edlen Steinen /
Und was der Perſer uns aus ſeinen Schaͤtzen ſchickt /
Erreichen nicht den Glantz / der aus den duͤrren Beinen
Wenn ſie des HErren Geiſt beſeelet / wieder blickt.
Jhr443Leichen-Gedichte.
Jhr heilgen Lorbeern ihr / laſt nur die Heyden kroͤnen
Jhr thummes Opffer-Vieh / hier kroͤnt ihr eine Braut /
Die auch ein Opffer-Lamm auff ewig will verſoͤhnen /
Mit der in einem Ring ſich GOtt hat anvertraut.
Es trug der Kaͤyſer Haupt nur Strahlen-reiche Kronen
Jn die ein Lorbeerzweig ſich offt geflochten hat /
Und wolte man den Dienſt der Oberſten belohnen /
So zierte man den Brieff mit einem Lorbeer-Blat /
Und diß blieb ihrer Treu und Tapfferkeit ein Zeichen.
Nicht minder werdet ihr / ihr keuſchen Lorbeern ſeyn
Ein ewig Sieges-Schmuck der abgelebten Leichen /
Ein Strahlen-reicher Krantz umb ihren Grabe-Stein.
Wie aber daß ihr ſo die gruͤnen Blaͤtter ſpitzet?
Stellt ihr auch noch dadurch der Seelgen Sinnbild fuͤr?
Ach ja! die Schmertz und Creutz ſehr ſcharff und offt gereitzet /
Sucht eintzig nur das Grab / der Freyheit wahre Thuͤr.
Jhr Kampff iſt nun vollbracht / ſie tritt mehr zu den Fuͤſſen
Als offt ein gantzes Heer der Roͤmer hat gethan.
Jhr Lorbeer / Zweige ſolt der Welt dolmetſchen muͤſſen /
Daß man von Fleiſch und Blut erlangt die ſchoͤnſte Fahn.
Wie aber daß ihr ſo ſtoltzieret / edlen Aeſte /
Gleicht euch kein ander Baum mit ſeiner Trefflichkeit?
Nein / Kaͤyſer ſetzlen euch vordieſem in Palaͤſte /
Das guͤldne Capitol hat eine Pracht geweyht.
Hier aber gruͤnet ihr gar in des Himmels Zimmern /
Jn Gottes Vorhof ſteht itzt euer Lebens-Baum:
Wie ſolt ihr Lorbeern nicht in einem Glantze ſchimmern /
Fuͤr dem der Menſchen Schatz nur ein geringer Schaum?
Smaragdne Lorbeern ſtrahlt in ewig gruͤnen Blitzen;
Gekroͤnte Lorbeern ſiegt mit eurer Schnabelin.
Sie kan nun ihrem GOtt zu ſeiner Seite ſitzen /
Und Froͤmmigkeit bleibt doch der herrlichſte Gewinn.
Ja wie ihr Lorbeern mehr von der Verweſaug ſicher /
So wird ihr edles Lob bey uns auch nicht vergehn.
Werfft euch Sieg-prangende nur auff die Leichen-Tuͤcher.
Laſt euren gruͤnen Wald umb dieſes Grabmahl ſtehn.
Citro -444Leichen-Gedichte.
Citronen / Bey Beerdigung Hn. S. S. M. D. ausge - ſtreuet / den 14. Octobr. 1680.
JCh liefre deinem Grab / mein Freund / zu letzt Citronen /
Wer ſucht bey tieffem Herbſt der Tulipanen Zier?
Du Gart - und Blumen Herr / biſt wuͤrdig da zu wohnen
Wo aus den Graͤbern auch ein Fruͤhling ſproſt herfuͤr.
Selbſt Flora geht beſtuͤrtzt in einem Trauer-Kleide
Sie weiß noch was du haſt fuͤr Nutzen ihr geſchafft.
Die Luſt-Gefilde ſtehn als wie bereifft im Leyde
Daß ihr Erhalter iſt ſo zeitlich weggerafft.
Was aber klaget doch das heil ge Volck der Muſen?
Merckt Phoͤbus ſein Altar von alten Prieſtern bloß?
Wie / oder ſeh ich ſchon mit Fruͤchten Heſperthuſen
Der drey gedritten Schaar anbiethen Kampff und Loß?
Ach ja / was ſollen ſie doch Sterbe-Lieder ſingen?
Und Hippocrene ſich mit Thraͤnen ſchwellen an?
Sie wollen dir vielmehr Triumph-Geſaͤnge bringen /
Daß unter deinen Fuß iſt Noth und Tod gethan.
Nur / weil du ſie geehrt und mit erhitzten Sinnen
Den Kuͤnſten zugethan / die Geiſter ausgeuͤbt /
So dencken gleichfals auch die keuſchen Caſtalinnen
Wie ihre Schuldigkeit ein wuͤrcklich Zeugnuͤß gibt.
Denn daß du viel geſehn / geleſen und erſahren /
Viel hohe Schulen haſt mit groſſem Ruhm beſucht /
Die Bluͤthen angelegt von den begruͤnten Jahren
Genoß gemeine Stadt nicht ſonder Nutz und Frucht.
Allein jetzt ſinnen ſie dein Grabmal aus zuziehren /
Da drey Heſperides entgegen ihnen ſtehn;
Und melden daß die Pflicht fuͤr ſie nur will gebuͤhren
Daß Blumen vom Parnaß dein Lob doch nicht erhoͤhn.
Ja dieſe ſchencken dir ſo ſchoͤn als guͤldne Fruͤchte /
Wo ſind die Nymfen her? wo iſt ihr Vaterland?
Goͤttinnen die ihr nie beſuchet mein Gedichte
Gebt zu / daß euch mein Reim macht etwas mehr bekandt.
Prangt Heſperthuſa nicht mit Schalen von Pomrantzen?
Jſt mit Limonien nicht Arethuſa reich?
Die Aegle will hier bloß Citronen Baͤume pflantzen /
Du werther Podalir zu ſchmuͤcken deine Leich.
Es445Leichen-Gedichte.
Es ſey Heſperien der Garten nun geprieſen /
Da wo ſich Lybien in ſo viel Kruͤmmen ſenckt:
Es ſey das Mohrenland / der Tingitaner Wieſen /
Des Gartens Koſtbarkeit zum Eigenthum geſchenckt;
Und Atlas mag allda den Himmel unterſtuͤtzen /
Damit dem Fabelwerck die Schmincke gar nicht fehlt:
Ein ungeheurer Drach ob dieſen Aepffeln ſitzen /
Der bey den Baͤumen ligt und alle Fruͤchte zehlt.
Jedweder Zweigſey Gold / der Stamm aus Gold entſproſſen /
Damit kein Hercules was von den Schaͤtzen raubt.
So ſinds dem Heydenthum nur angenehme Poͤſſen /
Die unſer kluge Welt verlachet und nicht glaubt.
Denn was am Cedern-Holtz und an Citronen-Aeſten
Von Arten und Geſtalt iſt bißhieher nicht klar;
Rathgeber der Natur / du wuſteſt diß am beſten
Dem ihrer Heimlichkeit Schatzkammer offenbar.
Was hat nicht deine Hand gepflantzet und beſchnitten?
Welch Saamen und Gewaͤchs iſt nicht durch dich erbaut?
Wie weit die Neuen von den Alten abgeſchritten /
Gab uns dein Garten offt zu ſehn an jedem Kraut.
Was will denn Aegle nun vorſtellen an Citronen?
Dich ſelbſt Machaons Sohn / der weiſen Aertzte Zier.
Nichts iſt veraͤchtlicher als die gemahlten Bohnen /
Hier zieht der Werth der Frucht ſie guͤldnen Aepffeln fuͤr.
Wie ſchoͤn iſt die Geſtalt? ſo ein gelehrt Gemuͤthe?
Der Apffel laͤnglicht rund? So ein erfahrner Mann?
Er nutzet uͤber all durch ſeiner Gaben Guͤte
Und Kunſt und Wiſſenſchafft zeugt auch die Rundung an.
Was wird das Auge mehr ergetzen als Citronen?
Gekroͤnter Haͤupter Mahl ſucht ihre Zier und Glantz.
Wo Weisheit und Verſtand in einer Seele wohnen /
Da windet auch der Ruhm den ſchoͤnſten Ehren-Krantz.
Nun / unterſuchen wir / den Urſprung wie ſie heiſſen
Der Artzney Apffel mag ein Lebens-Apffel ſeyn.
Als Evens Vorwitz pflag den Apffel anzubeiſſen /
So buͤſte ſie darob den Baum des Lebens ein.
Biß daß ein ander Holtz das wieder uns geſchencket.
Ach ſeelig wer allhier ermuntert ſeinen Geiſt /
Und fuͤr den Juden an die Lauberhuͤtten dencket /
So mit Citronen ſonſt ihr Wahn noch feyren heiſt.
Was446Leichen-Gedichte.
Was iſt die Nutzbarkeit denn endlich von Citronen /
Die uns Heſperien in klarem Golde zeigt?
Umb dieſe ſoll ein Drach und die drey Schweſtern wohnen;
Wie ſolches der Chymi Geheimnuͤß nicht verſchweigt.
Der Apffel iſt das Gold / der Drach ein Bild der Sonnen
Daß auch kein Argus nicht ſo ſcharff den Schatz bewacht /
Es hab ein Roſen-Krantz die Deuteley entſponnen;
Nein unſer Heyland hat den Drachen tod gemacht.
Es wuͤnſchte Choſroes entſetzter aus Genaden /
Daß in dem Kercker ihm Citronen nur vergunt:
Auch in der letzten Nacht wenn Tod und Teuffel ſchaden /
Heilt dich / O Seeliger / dein Heyland jetzt geſund.
Citronen dienen uns zu mehr als tauſend Mitteln
Safft / Schalen / Kern und Fleiſch ſind Artzney der nichts
Viellaͤgen laͤngſt verſcharrt in ihren Sterbekitteln /
(gleich.
Durch die Citronen ſehn ſie wieder Titans Reich.
Die Schale gibt Confect / der Safft heilt Bruſt und Lunge /
Wo laß ich den Geruch dem nichts zu ſetzen an?
Geiſt / Balſam / Oel und Krafft und was nicht meine Zunge
So leicht in einen Reim nach Wuͤrden binden kan?
Dein Balſam / liebſter Freund den du von dir geblaſen
Jſt dein erworbner Ruhm und reine Redlichkeit.
Kan aber auch die Zeit nicht in Citronen rafen?
Jſt ihre Trefflichkeit vor Faͤul und Wurmbefreyt?
Nein / ſie verfaulen ſo wie unſre muͤrbe Glieder /
Drumb ſind Citronen auch noch Leichen zugedacht /
Damit ſie Gifft und Peſt und Seuchen ſeyn zuwider /
Und daß kein boͤſer Dampff an unſern Hals ſich macht.
Was iſt denn uͤbrig nun? dein Ruhm riecht wie Citronen
Biß du den Lebens-Baum / verblaſter Freund / wirſt ſchau’n /
Die Flora will indeß dein Grabmahl ſtets bewohnen /
Und die Heſperides Citronen darauff bau’n
Wechſel-Rede des Adels und der Nachwelt / Bey Beerdigung Hn. H. v. P. den 30. Octobr. 1680.
Der Adel.
ACh Goͤttin die du ſiehſt in Abgrund aller Zeiten /
Die kein Lebendiger in ſeinen Arm gefaßt /
Die zwar kein Menſch geſehn / da du doch Augen haſt /
Und muſt der Menſchen Thun mit deinem Mund ausbꝛeitē!
Die447Leichen-Gedichte.
Die du den Urtheil-Spruch von unſern Thaten ſag’ſt /
Und frey die Tugend lobſt und an die Laſter klag’ſt.
Die man ſucht uͤberall und nirgend doch kan finden /
Dem der dir nachgeſetzt / pflegſtu nur zu entfliehn /
Du wirſt bey Hochmuth nicht und Eitelkeit einziehn
Den Sitz mehr auff ein Grab als Thron und Cronen gruͤnden /
Wo dir mein Aug als Blut / mein Mund erſcheint als Bley /
So dencke daß mein Schmertz gewiß hoͤchſtklagbar ſey.
Die Nachwelt.
Betruͤbtſte / was iſt das? welch grauſam Ungewitter
Blitzt uͤber deinem Kopff / zerbricht dir Helm und Schild /
Zerreiſt die Sieges-Fahn / und hat ſchon eingehuͤllt
Ach Schmertz! ins Leichen-Tuch den hochgebornen Ritter?
Der einem Atlas gleich das Land hat unterſtuͤtzt.
Gemeines Heil geliebt und deinen Ruhm beſchuͤtzt.
Nein Schweſter dencke nicht das Poſer gantz kan ſterben.
Als aus dem Coͤrper nur entwich der edle Geiſt /
Und ſeinem Urſprung nach den Sternen zugereiſt /
Hieß die Unſterblichkeit ein ewig Lob ihn erben.
Ertheilte mir Befehl / daß ich durch meinen Klang
Verkuͤndigte dein Ruhm bey Auf - und Untergang.
Der Adel.
Mein ſchoͤnſtes Kleinod iſt aus meinem Ring gefallen /
Er war in meiner Cron ein mehr als edler Stein /
Wie offt hat mich erquickt der Tugend Sonnen-Schein /
Ach daß doch Cedern auch gleich andern Baͤumen fallen!
So gibt der werthe Mund mir ferner keinen Rath
Der Perlen ausgeſchuͤtt’t und Gold geregnet hat.
Sein Stam̃baum der geprangt mit Ruhm und Sieges-Kraͤntze /
Schenckt keinen Phoͤnix mehr zu Nutz und Troſt der Welt.
Die Wurtzel iſt verletzt / die Aeſte ſind gefaͤllt /
Was einmal ſchon entzwey kan Chiron nicht ergaͤntzen.
Diß iſt der Uberreſt was ich zu Grabe fuͤhr
Und noch zuletzt die Aſch aus Treu und Pflicht beruͤhr.
Die Nachwelt.
Es ſey / du lieferſt ja nur bloß des Leibes Schalen /
Der Seelen himmliſch Fener blitzt unter Sternen ſchon.
Jetzt geb ich billich ihm den laͤngſt erworb’nen Lohn
Und will den Ritters-Mann der wolgepruͤft abmahlen /
Reiß meinen Vorſatz nicht durch deine Thraͤnen ein /
Diß Opffer fuͤhlt er nicht / nur bloß der Leichenſtein.
Rom448Leichen-Gedichte.
Rom hat mit im Triumph der Ahnen Rey getragen /
Wenn das begraute Wax die erſten Vaͤter wieß;
Sie auf das Rahthauß hieng / an Seulen ſehen ließ /
Den Kindern gleichen Trieb der Tugend einzujagen.
Weil doch der Adelſtand durch Waffen und durch Kunſt /
Erſteigt der Ehre Schloß / erlangt der Fuͤrſten Gunſt.
Der Adel.
Ein ſolcher Ritter war mein Poſer auserkohren /
Sein Stamm-Regiſter ligt mir immer im Geſicht;
Den Neſtor unſer Zeit / wer kennt den Vater nicht?
Der ſeinem Vaterland zu groſſem Ruhm geboren /
Viel treue Dienſte hat biß in ſein Grab gethan /
Den mit Verwundern ſah der Perß und Jndian.
Dergleichen Helden Muth und Eyfer zu der Tugend
Wuchs in des Sohnes Bruſt; wie aus Aurorens Schein
Man ſicher ſchlieſſen kan was fuͤr ein Tag wird ſeyn /
So ließ er auch bald ſehn den Morgen ſeiner Jugend.
Sein ausgeklaͤrter Sinn ſtieg auf Parnaſſus Hoͤh /
Und ſaugte Bienen gleich der Muſen ſuͤſſen Klee.
Die Nachwelt.
Es pruͤffte ſeinen Fleiß der treuen Lehrer Stimme;
Gleich wie ein hurtig Pferd ſo bald man es ſticht an /
Laufft ſchnell als Pfeil und Wind auf ſeiner Rennebahn.
Sie ſahen was in ihm fuͤr edler Zunder glimme.
Und weil die Pallas wird geharniſcht fuͤrgeſtellt
Hat er der Ritter-Schweiß dem Buͤcher-Fleiß geſellt.
Denn gieng er in die Welt wie Adler in die Sonne /
Es ſchien ihm dieſes Rund wie Alexandern klein.
Er wolte bald bey Oſt und bald bey Norden ſeyn /
Denn ſchwam er auf der Maaß / beſchiffte die Garonne
Jhm war ſo wol der Po als auch der Belth bekandt /
Nannt jeden frembden Ort ſein ander Vaterland.
Der Adel.
Er hat den ſchwartzen Mohr / den weiſen Scyth geſehen /
Der Koͤnige Palaͤſt und Hoͤfe wol betracht:
Zu Gnad und Hulden ſich bey Fuͤrſten angebracht:
Und wolte gleich das Gluͤck den Vorſatz offt verdraͤhen /
So pruͤfft er in Gedult den Wechſelgang der Zeit
Der heute Wermuth reicht und morgen Zucker ſtreut.
Ulyſſes gab ihm Witz / und Caͤſar zeigt ihm Thaten /
Camillus ſeine Treu und Scipio den Muth:
Der449Leichen-Gedichte.
Der Cato den Beſtand beſigelt durch ſein Blut /
Ein friedlicher Auguſt wie glimpflich ſey zu rathen.
Er kam wie Jaſon heim / der Tugend guͤldnes Fließ
War Wiſſenſchafft und Witz ſo haͤuffig ſich erwieß.
Die Nachwelt.
Das Mannrecht ruͤff / erfreut / Recht-Helffer biß willkommẽ /
Mein rothes Sigel krigt nun wieder neuen Glantz.
Das angeſippte Blut erſchien mit Kron und Krantz
Und ihre Hertzen ſind im Freuden-Meer geſchwommen /
Das gantze Fuͤrſtenthum ſah dieſen Ritters-Mann
Der ſich durch Buch und Schwerdt unſterblich machen kan.
Und als er ferner ihm ſo Hertz als Schatz vertrauet /
Und wol gepruͤfet fand / wie feines Gold in Gluth /
Blieb er nicht weniger den freyen Kuͤnſten gut /
Durch die manch Ehren-Mahl er ſelber ihm gebauet.
Der Palmen-Orden ruͤhmt noch ſeiner Sinnen Frucht
Und hat zum Mitglied ihn nicht ohe Nutz erſucht.
Der Adel.
Nun / Schweſter / hab ich Troſt / die du auff guͤldnen Schwin -
Hebſt ſeinen Ehren-Ruhm biß an der Sternen-Chor.
(gen
Ach der Gemahlin nur / die ſich verhuͤllt in Flor
Muß ich den Preiß und Danck zu einer Troͤſtung bringen.
Er iſt ein Ritters-Mann in jener heil gen Stadt
Die nach des Ordens Brauch die Bruſt beſternet hat.
Hier iſt er / weil er Menſch / Creutz-Ritter nur geweſen.
Kein guͤldnes Hoſenband / noch Koͤnigliche Kron
Gibt ihm den Zier-Danck itzt; viel hoͤher iſt ſein Lohn
Weil ihn die Seraphim in ihren Orden leſen.
Auff / Nachwelt / fuͤge noch zum Ruhm dem Grabe bey:
Daß hier des Adels Stern und Kern verſencket ſey.
Verehrte Todten-Beine / Fr. R. K. g. S. den 3. Novembr. 1680.
BEtruͤbtſter Freund / der Schnee / ſo ihn ſchon laͤngſt befal - len /
Zerſchmeltzt von heiſſem Leyd in eine groͤßre Fluth.
Jch ſeh im Thraͤnen-Meer / die Augen wie Corallen /
Und wie den Wellen gleich ſchlaͤgt das beſtuͤrmte Blut.
Diß iſt der letzte Stoß ſo durch die Seele dringet /
Diß ſcheiden greiſſt ins Hertz und kreiſchet die Gebein;
F f f fWo450Leichen-Gedichte.
Wo meine Feder nun nicht ſattſam Troſt beybringet /
So raͤum ich ſeinem Schmertz das Vor-Recht billich ein.
Jch weiß wol was er klagt: Bey ſo verlebten Tagen /
Da jeder Tritt und Schritt ſich zu dem Grabe naht /
Die liebſte Pflegerin ſehn auff der Baare tragen /
Was erndtet man da ein / als eine Thraͤnen-Saat?
Traurt doch der Erden-Kreiß wenn ihm die Sonn entſincket /
Die Nacht ſo ohne Stern und Flammen iſt betruͤbt;
Man ſchau Auroren an die Thau als Thraͤnen trincket /
Biß Phoͤbus guͤldner Mund den erſten Kuß ihr gibt;
Und ſolte nicht ein Mann / die Sonne ſeines Hertzen
Den Leit-Stern ſeiner Ruh betruͤbt ſehn unter gehn?
Muß er nicht einſam da in Myrrhen-bittern Schmertzen
Und tieffer Finſternuͤß verſchrenckt elende ſtehn?
Wie ſeufftzt ein Krancker nicht / wenn er den Artzt muß miſſen;
Ach mehr als Artzt und Cur faͤllt jetzt / mein Freund / dahin.
Der Grund in ſeinem Hauß iſt gaͤntzlich eingeriſſen /
Mein Ehren-voller Greiß / wo ſoll er jetzt hinfliehn?
Viel die durch Krieg und Brand das Ungluͤck weggejaget /
Nahm offt ein frembder Ort in ſichre Wohnung ein:
Er hoͤre mit Gedult was jetzt mein Mund fuͤrſaget /
& q; Die beſte Wohnung iſt der Liebſten Leichen-Stein.
Es ſcheint zwar ungereimt lebendig wollen ſterben /
Und daß / wer troͤſten ſoll / nur bloß zum Grabe fuͤhrt;
Allein ein Todten-Kopff kan Chriſten nicht entfaͤrben /
Diß iſt der letzte Schmuck der alle Coͤrper ziert.
Die Jugend / weil ſie bluͤht / ſucht ihre Zier im Spiegel /
Die Knochen geben uns das Sicht-Glaß jener Luſt /
Und ſind der Ewigkeit unwiederrufflich Sigel /
Solt einem Alten nicht diß Kleinod ſeyn bewuſt?
Und ob manch frecher Menſch die Todten-Kiſten haſſet /
Und Leichen noch vielmehr als die Geſpenſter ſcheut,
So hat wol unverhofft der Tod ihn ſchon umbfaſſet /
Und in dem erſten Trotz des Lebens abgemeyht.
Nein / werth-geſchaͤtzter Freund / bey Graͤbern iſt gut wohnen /
Was ſind ſie? eine Burg des Friedens und der Ruh;
Schatzkammern / wo verwahrt der Hirten-Stab und Kronen /
Schlaff-Bette / die gantz gleich die Menſchen decken zu.
Und weil wir taͤglich ſehn zerfallen unſre Huͤtten /
Wie dieſer ſproͤde Thon in ſo viel Scherben bricht /
Wie451Leichen-Gedichte.
Wie unſern Faden Zeit und Kranckheit abgeſchnitten /
Wie jeder Wind verleſcht des Lebens tunckles Licht.
Wie wir nichts ewiges in dieſer Welt zu hoffen /
Und unſre Pilgramſchafft hat ein weit hoͤher Ziel;
So waͤr ein ſolches Hertz in Suͤnden gantz erſoffen /
Daß da es eilen ſoll / ſich noch verſaͤumen will.
Er trete / werther Greiß / zu ſeiner Liebſten Beinen /
Jch Schatten leite hier den andern zu der Nacht;
Da ſteckt was herrlichers als in den Marmel-Steinen /
Dieweil ſie GOttes Geiſt lebendig wieder macht /
Es muß auch dieſes Grab mehr als ein Graben heiſſen /
Es wird mit Erde nicht wie jenes nur gefuͤllt;
Die Haut / ſo jetzt verſchrumpfft / ſoll ausgeklaͤret gleiſſen /
Die duͤrren Rippen hat denn neues Fleiſch umbhuͤllt.
Der auffgeworffne Kloß der Erden ſtellt die Huͤgel /
Die Freuden-Huͤgel vor / in Salems ſchoͤner Stadt.
Jch meyne daß ein Menſch mit freygelaßnem Zuͤgel
Zu rennen nach dem Ziel genugſam Urſach hat.
Zu dem / die erſte Kirch erkieſt in holen Gruͤfften /
Jn alten Graͤbern offt der Andacht Sicherheit.
Ja Heyden / wolten ſie ein Mahl des Todes ſtifften /
So ward die Hirnſchal ein zum Trinck-Geſchirr geweyht.
Das erſte ruͤhm ich noch / Gewiſſens-Zwang zu meiden
Hat manche fromme Seel in Graͤbern Ruh geſucht.
Das letzt an Todten noch die Augen wollen weiden /
Jſt wider die Geſetz und von Natur verflucht.
Alleine ſoll es bloß ein Angedencken heiſſen /
Daß auch die Weiſen meiſt in ihrem Sinn bethoͤrt;
So gilt bey Chriſten nicht ſo ein ſchein-heilig Gleiſſen /
Jndem uns GOttes Wort gar ein weit beſſers lehrt.
Ein ander Odem wird in unſer Beine dringen /
Der uns aus Milch und Blut zuſammen hat gefuͤgt.
Kan der nicht neue Krafft in duͤrre Beine bringen /
Der Teuffel / Hoͤll und Welt hat im Triumph beſiegt!
So iſt die Liebſte nicht / hochwerther Freund / verlohrem
Sie tritt als Heroldin zum erſten auff den Platz:
Sie hat vor Welt und Tand den Himmel auserkohren /
Mißgoͤnnt er ſeiner Frau / ſo außerwehlten Schatz?
Ach nein! ſie iſt und bleibt in ſeiner Seel begraben /
Jhr wuͤrdig Ehren-Lob friſt Roſt und Schimmel nicht;
F f f f 2Jhr452Leichen-Gedichte.
Jhr Namen theilt ihr mit des Hoͤchſten gute Gaben /
Jhr Lebens-Wandel war ein helles Tugend-Licht.
Es muſte fort fuͤr fort ihr Andachts-Ampel glimmen /
Die feuriges Gebet unendlich angeflammt.
Jhr Hertz in Reu und Leyd gleich Perlen-Muſcheln ſchwimmen /
Wenn ſie die Eitelkeit der ſchnoͤden Welt verdammt.
Gedenck ich denn der Lieb? ich ritze neue Wunden!
Es klagt ſein greiſes Haupt den ewigen Verluſt;
Die Wartung / Treu und Cur / ſo er von ihr empfunden
Jſt zwar gemeiner Stadt / Hertz-innig ihm bewuſt.
Jch weiſ ihn wie zuvor nur zu des Grabes-Hoͤle
Dem letzten Schlaf-Gemach / das unſre Sorgen deckt /
Dem hat er anvertraut die treu-geliebte Seele /
Biß ſie des Hoͤchſten Stimm und juͤngſter Tag auffweckt.
Sie ruht in GOttes Hand. Uns / die wir hier noch ſchleichen /
Gleich einem Winter-Tag und Schatten aͤhnlich ſeyn /
Wird / eh man es vermeynt / des Todes Arm erreichen /
Und wie die Seelige der Erden ſcharren ein.
Jedoch iſt unſer Grab die Thuͤre zu dem Leben /
Was fuͤrchten wir uns denn darunter einzugehn?
Er wird / betruͤbtſter Freund / dem Endſchluß beyfall geben /
Daß / wer hier ſeelig ſtirbt / kan froͤlich aufferſteh’n.
Bey Beerdigung eines jungen Soͤhnleins E. E. v. G. den 28. Novembr. 1680.
1.
A / werthſter Freund / ſein Paradieß der Erden?
So unverhofft ein Kirchhof ſeyn?
Jſt denn die Wieg ein Leichenſtein?
Und ſeh ich jetzt die Augen Muſcheln werden /
Wo die Natur die Perlen nicht gebiehrt /
Jndem ſie nichts als runde Thraͤnen fuͤhrt?
2.
Ja freylich Ach! ein Gaͤrtner ſteht beſtuͤrtzet /
Wenn er die Hoffnung ſeiner Zeit /
Der Blumen Schmuck und Lieblichkeit
Siht durch den Sturm des Nordens abgekuͤrtzet;
Wenn er die Muͤh und ſeiner Arbeit Fleiß
Schaut ausgetilgt durch Regen / Schnee und Eiß.
3. Und453Leichen-Gedichte.
3.
Und wird uns nicht der herbe Blick betruͤben /
Wenn vor des Lentzens guͤldne Zier /
Da Hyacinthen ſproſſen fuͤr /
Nichts weiter ſind als blaſſe Rauten blieben?
Der Lilgen Haupt / der Roſen Scharlach bricht
Die Nelcke ſtirbt / wenn Wermuth ſie umflicht.
4.
Nicht anders iſts / hochwerther Freund beſtellet /
Sein Weinſtock / da er zinßbahr bluͤht /
Von dem er eine Traube ſieht /
Die ſeinem Aug und Hertzen wolgefaͤllet /
Nun er die Blum erfreut in Armen traͤgt /
Jn die ſein Bild und Aehnlichkeit gepraͤgt;
5.
So koͤmmt der Tod / O grimmiges Geſchicke!
Und reiſſt des Hauſes Pfeiler ein /
Des wahren Adels edlen Stein /
Der Ahnen Bild / der Tugend Meiſter-Stuͤcke /
Der Cedern Baum wird ihm zur Aloe
Die erſte Bluͤth verwandelt ſich in Schnee.
6.
Allein ich weiß: die Schmertzen koͤnnen zwingen /
Zeigt einen rechten Helden-Muth;
So ſteht ein unerſchrocknes Blut
Getroſt im Sturm / laͤſt Pfeil auf Pfeile dringen.
Und weiß gewiß / daß nach dem Donnerſchlag
Der Sonnen Licht gewaͤhrt den ſchoͤnſten Tag.
7.
Der liebſte Sohn iſt zu dem Urſprung kommen /
Sein Stamm-Hauß iſt die Ewigkeit.
Nur bloß der Seelen irdiſch Kleid
Hat in Beſchluß der Erden Schos genommen.
Ein Erdmann wird nicht eh ein Himmels-Mann
Biß er die Laſt des Leibes weggethan.
8.
Denn kan der Tohn mit ſeinem Toͤpffer zancken?
Die Hand / ſo ihn zu erſt gemacht
Und ihm die Formen zugedacht /
Weicht nicht von Recht und ihren Meiſter-Schrancken.
F f f f 3Jtzt454Leichen-Gedichte.
Jtzt bildet ſie / bald ſchlaͤgt ſie wieder ein /
Und weiſt uns klar / daß wir nun Scherben ſeyn.
9.
Doch tragen wir in irdenen Gefaͤſſen
Den Schatz der groſſen Herrlichkeit;
Das Kleinod der Vollkommenheit:
Daß / ob wir ſchon bey Mogols Renten ſaͤſſen /
Und Jndien ſein Gold uns liefert ein /
Der Seelen nach gar weit Stein-reicher ſeyn.
10.
Ein rother Kloß von ſchlechtem Sand und Staube
Stellt uns den erſten Erdmann fuͤr /
Der Welt-Geſchoͤpffe hoͤchſte Zier /
Jndem noch iſt verſigelt unſer Glaube;
Doch hat der Tod / den An-Herrn dieſer Welt
So / als wie uns / gebrechliche gefaͤllt.
11.
Wiewol ich weiß ſein treffliches Gemuͤthe /
Und kluger Geiſt faͤllt mir zwar bey
Mein Freund / er weiß daß ewig ſey
Des groſſen GOttes Wunder-reiche Guͤte.
Was aber heilt der Frau Groß-Mutter Leyd?
Was ſtillet der Frau Mutter Traurigkeit?
12.
Das zarte Kind ſo ſie offt angelachet /
Der Mund ſo halbe Wort ausſtieß /
Mit Fingern nach den Eltern wieß /
Und tauſend Luſt behaͤglich hat gemachet /
Die Anmuth ſelbſt / das War der zarten Jahr /
Zerſchmeltzet nur auff einer Todten-Bahr.
13.
Hilff GOtt! was gab der Knabe nicht vor Minen?
Der Ahnen Helm / Spieß / Schild und Schwerdt /
Und was ſonſt ihren Ruhm bewehrt /
Sah man in ihm als wie von neuem gruͤnen.
Ein Adler weiſt bald ſeines gleichen Art
Ein junger Loͤw hat nie die Klau geſpart.
14.
Diß / klagt mein Freund ſamt hohen Anverwandten /
Sey alles in den Sarg gethan.
Nein /455Leichen-Gedichte.
Nein / Erdmann iſt ein Rittersmann /
Die Diener ſind die himmliſchen Trabanten.
Der Ewigkeit Schnee-weiſſes Feld-Panier
Jſt jetzt ſein Schmuck und auserleßne Zier.
15.
Sein Erdmann ſteht im hoͤchſten Ritter-Orden /
Er iſt es bey dem heil’gen Grab /
Er bricht der Tauben Oel-Zweig ab /
Sein Band iſt roth von JEſus Blute worden!
Hochwerther Freund / das ſtille ſeine Pein /
Daß Chriſten ſchon als Kinder Ritter ſeyn.
Der ſanffte Tod / Fr. S. H. g. K. den 1. Decembr. 1680.
AUch Freundin / du gehſt hin in den betruͤbten Zeiten /
Da uͤber unſerm Kopf nichts als Cometen ſtehn /
Da uns die Peſt-Gefahr tritt naͤher an der Seiten /
Und niemand von uns weiß / wie es wird kuͤnftig gehn?
Da ſag ich gehſt du hin. Wohin? Jn deine Kammer.
Daß dich nichts irren kan / ſchleuſt du die Thuͤre zu.
Ach wie viel Hertzeleyd / ach wie viel Noth und Jammer!
Wirſtu hinfort nicht ſehn in deiner ſichren Ruh.
Wie nenn ich deinen Tod? Jſt es ein ſuͤſſes Schlaffen?
Ja / weil dich gar gewiß der Friede GOttes deckt.
Es iſt ein Hingang nur aus Marter und aus Straffen /
Womit des HErren Zorn die rohe Welt erſchreckt.
Du biſt nun auff dem Paß der wahren Ewigkeiten /
Koͤmmſt von der Pilgramſchafft ins rechte Vaterland.
Du traͤgſt die Krone weg von deinem Kampff und Streiten /
Und was du hier geglaubt / haſtu nun recht erkant.
Jtzt biſtu auffgeloͤſt / da du vor angebunden /
Wie ſchwere Ketten ſind doch unſer Fleiſch und Blut!
Nach Salſen dieſer Welt haſtu das Manna funden /
Ein reiches Freuden-Meer faſt deine Thraͤnen Fluth.
Du ſchwebſt in Glantz und Licht / wir aber nur im Schatten;
Biſt frey / da wir noch hier gleich Sclaven eingeſpannt.
Jtzt kan dich ferner nicht der Kranckheit Weh abmatten /
Nun auch der letzte Feind / der Tod / iſt uͤbermannt.
Dein Sieg iſt ſchoͤn und groß. Hier hieß; noch Angſt noch Leiden
Noch Truͤbſal noch Gewalt / noch Leben oder Tod /
F f f f 4Soll456Leichen-Gedichte.
Soll mich von GOttes Lieb und meinem Heiland ſcheiden /
Es geh auch wie es will in meiner letzten Noth.
Dein Ruffen ward erhoͤrt / verblichene Matrone /
Der HErr verbarg darauff nicht laͤnger ſein Geſicht.
Nahm dich als wie im Schlaf zu ſeinem Gnaden-Throne /
So daß man kaum geſehn vergehn dein Lebens-Licht.
Du ſanckſt / als wie die Sonn in ihren Abend-Strahlen /
Den hoͤchſten Purpur weiſt und ſegnet ſo die Welt:
So muſte dich zu letzt das Gold des Glaubens mahlen /
Und deine Hoffnung hat mehr die Gedult erhaͤlt.
Lobt man denjenigen der auff dem Schauplatz ſtehet /
Und mit Vergnuͤgen hat der Menſchen Aug ergetzt /
Wie vielmehr hat der Ruhm / der ſo von hinnen gehet /
Und aus der Eitelkeit den Fuß großmuͤthig ſetzt?
Es wuͤnſcht ein Julius zwar ein geſchwindes Sterben /
Moͤcenas aber will geraͤdert lebend ſeyn;
Was iſt hier der Endſcheld? Sind Chriſten Himmel-Erben /
So geht jedweden Tod ein Chriſt auch willig ein.
Bevor wenn die Natur hat ihren Lauff vollendet /
Das Alter an ſich ſelbſt des Sterbens Vorboth iſt /
Die Kraͤfften ſind erſchoͤpfft / das Stunden-Glaß gewendet /
Und man fuͤr Schwachheit kaum den eignen Schatten mißt.
Denn iſt der Tod nicht mehr das Schreckliche von allen /
Wie ihn der Heyden Wahn und Aberwitz genannt;
Er iſt ein lieber Gaſt / der muß dem Wirth gefallen /
Ein Herold / der zu uns von hoher Macht geſandt.
So heiſt Eulalia ihn tauſendmahl willkommen /
Und Agnes nennet ihn in hoͤchſten Martern Freund;
So hat die erſte Kirch ihn ſreudig angenommen /
Je ſchaͤrffer der Tyrann und Hencker es gemeynt.
Verfluchten ſey er greß und heßlich anzuſchauen /
Den Frommen bleibet er der herrlichſte Gewinn.
Der Hafen ſichrer Ruh / dem ſie ſich anvertrauen /
So bald ſie aus der Welt nach GOttes Willen ziehn.
Diß war dein einzig Wunſch / ach Freundin / ſeelig ſterben /
Und aus dem Draͤnger-Stall der boͤſen Welt zu gehn;
Da alle Krafft entwich / da die Gebeine Scherben /
Sah man dein Glaubens-Licht doch unverloſchen ſtehn.
Da kan alsdenn der Tod nicht ſchwer und bitter heiſſen /
Ein frommes Leben kroͤnt auch ein gewuͤnſchtes End.
Und457Leichen-Gedichte.
Und ein Triumpff-Lied folgt auff Heulen und auff Kreiſſen /
Der traͤgt den Preiß darvon der friſch zum Ziele rennt.
Rom wuͤnſchte noch zu letzt den abgelebten Leichen /
Daß nur die Erde ſanfft / der Sand geruhig ſey;
Was aber ſollen dir die Deinigen doch reichen /
Was fuͤgt die Schuldigkeit / Erblaſte noch dabey?
Wie du im Leben GOtt andaͤchtig haſt gehoͤret /
Und an des HErren Wort ſtets deine Luſt gehabt /
Wie du mit Tugenden dein Chriſtenthum vermehret /
Mit ſeltner Froͤmmigkeit und Redlichkeit begabt;
So hat hinwider GOtt mit Segen aus der Hoͤhe /
Dich gleich dem fruchtbar’n Thau an Seel und Leib erquickt.
Ein irdiſch Paradieß hieß deine Ruh der Ehe /
Biß das getreue Band des Todes Grimm zerſtuͤckt.
Wie haſtu dich erfreut an deines Blutes Schaͤtzen /
Der Soͤhne Witz und Muth / der Toͤchter keuſcher Zucht?
Jhr Wohl ſeyn und ihr Gluͤck war eintzig dein Ergetzen /
Nichts haſtu auff der Welt ſo wie ihr Heil geſucht.
Was hat der Enckel Schaar fuͤr Troſt dir nicht erwecket?
Jhr Anblick ſtillte mehr als Pflaſter Schmertz und Pein /
Und kan ihr Antlitz nun / da dich die Erde decket /
Ohn bleiche Kuͤmmernuͤß / das Aug ohn Thraͤnen ſeyn?
Ach nein! ſie ehren noch die Handvoll Staub und Erden /
Und ſchuͤtten umb dein Grab die naſſe Wehmuth aus /
Sie klagen daß nichts mehr dem Schmertz zu theile werde
Als daß die Leiche ſie beſtreu’n mit Aſch und Graus.
Es ſtirbt die Mutter-Treu doch nicht in ihrer Seele /
Es bluͤht dein Tugend-Ruhm in unentſuncknem Glantz /
Du ruhſt in ihrem Hertz / nicht in des Grabes Hoͤle /
Und traͤgſt von deinem Kampff der Ewigkeiten Krantz.
Zeit / Alter / Noth und Tod trittſtu nunmehr mit Fuͤſſen /
Und ſtellſt der Sterblichkeit ein ſchoͤn Exempel dar;
Wie recht zu leben ſey / wie ſeelig ſey zu ſchlieſſen /
Wie die gewiſſ’ſte Ruh auf einer ſchwartzen Bahr.
Ach Freundin gute Nacht! Wie ſicher wirſtu ſchlaffen /
Wie froͤlich wirſtu dort im HErren auferſtehn.
Da wir bey tauſend Angſt / bey Peſtgefahr und Waffen /
Faſt jeden Schritt und Tritt zu unſrem Grabe gehn
F f f f 5Letzter458Leichen-Gedichte.
Letzter Liebes-Dienſt / Hn. W. Z. den 2. Febr. 1681. er wieſen.
BEtruͤbtſte / dieſer Dienſt iſt wider Wunſch und Willen /
Die Feder wird wie Bley in meinen Haͤnden ſchwer /
Und Thraͤnen muͤſſen ſie an ſtatt der Dint anfuͤllen /
Ach! daß ich troͤſten ſoll von Troſt gantz bloß und leer!
Der Liebſten blutig Hertz / der Toͤchter heiſſe Zehren /
Der Anverwandten Weh verwirrt mir Sinn und Geiſt;
So will mich eigner Schmertz empfindlicher verzehren
Der meines Freundes Grab mich itzt bejammern heiſt.
Allein / diß klag ich nicht daß Menſchen muͤſſen ſterben /
Es iſt der Urtheilſpruch deß Hoͤchſten laͤngſt bekandt;
Was auferſtehen ſoll das muß zuvor verderben /
Wir gehn durch Heck und Dorn in jenes Roſen-Land
Nur wenn ein nuͤtzlich Mann im Wachsthum beſter Jahre /
Und ruͤhmlichen Beruff entfaͤllt gemeinem Heil /
Wenn ein Gewiſſenhafft Juriſt ligt auf der Bahre /
Dem Themis anvertraut die Schalen und ihr Beil /
So iſt nur der Verluſt unendlich zu beklagen.
So laͤſt man ja mit Recht dem Schmertz die Zuͤgel loß;
Und wenn ein wahrer Freund uns wird hinweg getragen /
Jſt dieſer Hintritt nicht ein rechter Hertzens-Stoß?
Herr Zimmerling iſt hin! Weint / keuſche Muſen / weinet /
Flecht fuͤr die Lorbeer euch Cypreſſen in das Haar /
Seyd muͤhſam daß ihr noch bey ſeinem Grab erſcheinet /
Dieweil er euer Ruhm und Troſt und Zierath war!
Es will Aſtraͤa ihn als einen Prieſter ehren /
Und ſein Gedaͤchtnuͤß ſoll in ihrem Tempel ſtehn /
Der viel den rechten Weg pflag in dem Recht zu lehren /
Soll in der Nachwelt Mund ein ewig Lob erhoͤhn.
Was aber liefer ich des Freundes leichten Schatten /
Dem mich von Jugend auf Minerva zugepaart?
Koͤmmt ſeiner Aſche noch mein Liebes-Dienſt zu ſtatten /
Trotzt unſer Buͤndnuͤß auch des bleichen Charons-Farth?
So ſchreib ich diß zum Ruhm; ein unbefleckt Gewiſſen /
Ein redlich Hertz und Sinn und unverſtellter Mund /
Ein Chriſt und fromm Jur iſt iſt mit ihm hingeriſſen /
Der nicht als wie ein Rohr leicht zu bewegen ſtund.
Er459Leichen-Gedichte.
Er wuſte daß diß Ampt hochheilig / voller Wuͤrde /
Daß die Gerechtigkeit der Erden Bau erhaͤlt /
Daß es hingegen auch als eine ſchwere Buͤrde /
Vertheidigern des Rechts auff ihre Schultern faͤllt;
Was ein Soldat im Krieg das Vaterland zu ſchuͤtzen /
Was Hagel und Geſchoß / was Helm und Schwerdt erlangt /
Das und ein mehrers wird ein Rechts-Gelehrter nuͤtzen /
Der mit Beredſamkeit und reiner Warheit prangt /
Der dem Bedraͤngten nie ſein Ohre hat verſchloſſen /
Und ſiehet Arm und Reich mit gleichen Augen an.
Dem nie ein guͤldner Fluß iſt in den Hals gefloſſen /
Daß ſeine Zunge nicht die Nothdurfft melden kan.
Was machet Rom beruͤhmt? Daß ſie den Kreiß der Erden /
Von Auff - und Niedergang hat unter ſich gebracht?
Es ſey: Daß Voͤlcker ihr verbunden muͤſſen werden /
Hat der Geſetze-Krafft durch Policey gemacht.
Offt ſchafft ein Neſtor mehr als Ajax bloſſer Degen /
Zieht Pyrrhus dem Triumpff den Cineas nicht fuͤr.
Jſt nicht den Fuͤrſten mehr an klugem Rath gelegen?
Sind weiſe Maͤnner nicht des Landes Troſt und Zier?
Hat ſie der Kaͤyſer Huld als Vaͤter nicht erhoben?
Und als geheime Freund und Helffer wehrt geſchaͤtzt?
Wer wird die Roͤmer nicht als Staats-Erfahrne loben /
Die in den Grafen-Stand Verdienſt / und Treu geſetzt?
Erklaͤrt ſie nicht das Reich der edlen Rechte Ritter?
Wie viel Kleinodien der Freyheit tragen ſie?
Vertheidigen ſie nicht offt unſer Blut und Guͤter?
Bluͤth unſre Wolfarth nicht durch ihren Fleiß und Muͤh?
Es hat Herr Zimmerling durch unverdroßnes Wachen
Dergleichen Ehren-Ampt biß in den Tod geziert /
Sein fertiger Verſtand entwickelte viel Sachen /
Und hat der Rechte Grund verſtaͤndig ausgefuͤhrt /
Jch weiß noch / Zeugen ſeyd ihr Welt-beruͤhmten Linden /
Mit was vor Eyfer er ob den Geſetzen lag.
Wie ſein Juſtinian ſtets auff dem Tiſch zu finden /
Was fuͤr Beſprachung er mit treuen Lehrern pflag:
Und Zeugen ruff ich an noch vieler naſſe Wangen /
Die ſeinen Beyſtand itzt entbehren all zu fruͤh;
Er iſt friſch / unverzagt den Rechten nachgegangen /
Trotz daß ihn Haß und Gunſt und Macht geblendet je.
Er460Leichen-Gedichte.
Er hielt gleich Spiegeln rein / ſein redliches Gewiſſen /
(Denn Flecken kommen nur den Worten-Haͤndlern zu.)
Sein Witz hat manches Garn der Strittigkeit zerriſſen /
Und in der Einigkeit geſucht die ſchoͤnſte Ruh.
Wer ſeinen Rath verlangt / wer ſeine Huͤlff erbeten /
Der hoͤrt aus Hertz und Mund gleichſtimmigen Bericht.
Und ſah ihn drauff behertzt fuͤr Recht und Ritter treten /
Verſtand und Warheit gab den Ausſchlag im Gewicht.
Nun dieſes und noch mehr hat uns der Tod entzogen /
Laß ich die Redlichkeit in ſeinem Wandel aus?
So haͤtt ich Tyger-Milch und Drachen-Blut geſogen /
Eh wird ein Wolff ein Schaf / ein Pelican ein Strauß.
Nein; mir verſchwinden nicht die angenehme Stunden /
Die inn - und auſſer Land zuſammen uns geſellt /
GOtt / Tugend / und die Zeit hat mich ihm ſo verbunden /
Daß noch ſein Bildnuͤß ſtets in ſich mein Hertze haͤlt.
Die ungefaͤrbte Treu war reiner als Cryſtallen /
Jn die kein falſcher Strahl verlarvter Freundſchafft dringt.
Ach! daß Herr Zimmerling uns ſoll ſo fruͤh entfallen /
Daß ihn deß Todes Arm in beſter Zeit bezwingt!
Betruͤbtſte / ſoll ich nun die innern Seelen-Wunden /
Auffreiſſen durch mein Leyd als Zeugen gleicher Noth?
Gar ſelten hat man hier ein kraͤfftig Pflaſter funden;
Denn treue Liebe herꝛſcht auch uͤber Zeit und Tod.
Nicht Marmel und Porphyr wird eure Lieb abbilden /
Sie iſt der Seele mehr als Steinen eingepraͤgt.
Rom prange wie ſie will mit ihren Seuln und Schilden /
Nein unſerm Seeligen iſt mehr Schmuck beygelegt.
Wie ſchoͤn der Rock geglaͤntzt / den ſie im Rathe brauchten /
So iſt ſein Unſchulds-Kleid von gar weit groͤßrer Zier.
Und wenn gleich alle Staͤnd und Wuͤrden ſchon verrauchten /
So tritt Herr Zimmerling ins Himmels-Zimmer fuͤr.
Betruͤbtſte mit Gedult ſein Hertze koͤnnen faſſen /
Bleibt doch die beſte Prob in unſrem Chriſtenthum.
GOtt der ſtets Vater iſt / wird Waͤiſen nie verlaſſen /
Und unſer Seeliger ſchlaͤfft unter Ehr und Ruhm.
Ehren -461Leichen-Gedichte.
Letztes Ehren-Gedaͤchtnuͤß / Hn. C. C. geweſenen R. den 13. Mertz. 1681.
ERblaſter / den ſein Muth und Degen hat geadelt /
Der Pulver riechen kont und keinen Feind geſcheut /
Ja deſſen Tapfferkeit der ſchele Neid nicht tadelt /
So ſonſt die Tugend doch mit ſeinem Gifft beſpeyt.
Jſt ein Gewaltiger denn uͤber dich jetzt kommen /
Der dir den Harniſch nimmt und gibt dir kein Quartier?
Den vormals nie erſchreckt hat der Carthaunen Brommen /
Kreuchſt du nunmehr zu Loch und geheſt nicht herfuͤr?
Der du zuvor zu Feld als wie in Tantz gegangen;
Dem blitzendes Geſchoß ein ſchoͤnes Saͤiten-Spiel
Und viel ſieghaffte Streich haſt Feinden angehangen
Wirſt doch zu aller Letzt deß Todes Raub und Ziel?
Er ſcheut ſich nicht fuͤr dir noch deinen grauen Haaren;
Wie du die tapffre Fauſt offt nach dem Schwerdt geſtreckt /
So will er jetzt nach dir und deinen Knochen fahren /
Damit er ſeinen Sieg mit kuͤhlem Sande deckt.
Was aber deckt er zu? die welcke Haut und Glieder /
Der muͤden Jahre Schnee / die ausgekreiſchten Bein
Und Adern ohne Safft und finſtern Augen-Lieder /
Und was Verweßliches ſonſt kan an Menſchen ſeyn.
So viel zwar friſſt das Grab. Allein das Licht der Ehren
Fuͤhrt ſeine Flamme noch in unbeflecktem Glantz.
Die kluge Nachwelt wird von deinem Lob noch hoͤren /
Und flicht zu Danck und Ruhm dir einen Sieges-Krantz.
Du haſt mit Muth und Blut den hohen Preiß erhalten /
Als unſer Vaterland in Krieges-Flammen glam /
Da Degen und Piſtol mehr als Geſetze galten /
Und das bedraͤngte Land in eignem Blute ſchwam /
Beſchloß dein munter Geiſt dem rauhen Sturm der Zeiten /
Der offenen Gefahr entgegen frey zu gehn;
Daß ein unſterblich Lob durch kaͤmpffen und durch ſtreiten
Dich hieſſe dermaleins bey tapffern Leuten ſtehn.
Der Eltern Helm und Schild war gar nicht deine Zierde /
Dein Leib hieß dein Palaſt / dein Sinn dein Koͤnigreich,
Dein eintzig Adel-Stand die brennende Begierde /
Durch wackre Thaten ſich zu machen andern gleich.
Du462Leichen-Gedichte.
Du haſt vom Niedrigſten zu ſteigen angehoben /
Durch Hitze Froſt und Schnee den kuͤhnen Fuß geſetzt.
Jn vielen Faͤllen auch erwieſen ſolche Proben /
Daß das Geluͤcke ſich faſt an dir matt gewetzt.
Offt hat es dich gebraucht nicht anders wie Ballonen /
So die geuͤbte Fauſt bald hoch bald niedrig ſchlaͤgt;
Bald wolt es deine Treu und Redlichkeit belohnen /
Bald hat es wieder dir die Schrauben angelegt;
Du aber brachſt hindurch / Gefahr war dir ein Schertzen /
Bemuͤhung eine Luſt und Arbeit eine Ruh.
Es leſchte niemals aus die Flamm in deinem Hertzen
Es ſagte dir Beſtand und Sieges-Palmen zu.
Nicht Teutſchland nur allein / das nachbarliche Pohlen /
War dir ein weites Feld zu jagen nach dem Ruhm /
Und ritterlich den Sieg von Feinden abzuholen
So der Soldaten doch ihr ſchoͤnſtes Eigenthum.
Es mocht ein Euclio bey ſeinen Schaͤtzen ſitzen /
Und auff der Mutter Schos ein zarter Weichling ruh’n;
Da wo der Donner knallt und wo die Stuͤcke blitzen
Da wareſt du bereit was Maͤnnliches zu thun.
Von keinen Noͤthen bleich / von keiner Schlacht erſchrecket;
Wie fertig haſt du nicht die Troppen umbgewandt?
Wie zeitlich ausgeſpuͤrt / wo Hinderliſt verſtecket?
Und / eh er es vermeynt / den klugen Feind berannt?
Bey Treffen wuchs dein Muth / das Feld dein Ehren Bette
Hieß dich zum Streit behertzt / zum Angriff munter ſeyn /
Und Tod und Leben ſtand da offtmals in der Wette /
Biß der Blut rothe Sieg ſich ſtellte mitten ein.
Bewerther Krieges Mann / der Gott und ſeinem Kaͤyſer
Biß auffden letzten Hauch ſein Leben hat geweyht.
Mars und Bellona ſehn wie jetzt die Lorbeer-Reiſer
Des Ruhmes milde Hand auff deine Ruhſtatt ſtreut.
Doch wunder ich mich noch / ob dich der Tod beſieget?
Und ob du ihn vielmehr nicht uͤberwunden haſt?
Ob deine Ritterſchafft ſein Recht nicht uͤberwieget?
Und du nun weggelegt des Fleiſchesſchwere Laſt?
Zwar wenn ich dencke nach / daß auch die Himmel alten /
Die Elementen Staub / die Sternen Aſche ſeyn;
Daß aller Kuͤnſtler Witz und Bauwerck nicht mag halten /
Und die Vergaͤnglichkeit reiſt Thuͤrm und Mauren ein;
So463Leichen-Gedichte.
So ſind ich leicht den Schluß / daß Menſchen muͤſſen ſterben /
Und daß ihr Leben ſey ein Nebel / Rauch und Wind.
Daß Waſſer-Blaſen gleich ſich praͤchtig pflegt zu faͤrben /
Und in der hoͤchſten Zier am fluͤchtigſten zerrinnt.
Allein mit dieſem Tod in einen Kampff zu treten /
Erfordert einen Held der ſtets geguͤrtet ſteht /
Und deſſen Glaubens-Schild iſt wachen / hoffen / beten /
Wenn nun der Fuͤrſt der Welt mit Pfeilen auff ihn geht.
Jhn deckt der Helm des Heils / ſein Schwerdt iſt Gottes Lehre /
Damit er Widerſtand des Teuffels Anlauff thut.
Dann bleibet ihm das Feld / denn kroͤnt ihn Wonn und Ehre
Wie unſern Seeligen / der in dem HErren ruht.
Dergleichen Ritter kan der Tod nicht uͤbermeiſtern.
Ach nein / erblaſter Freund / dein Sieg iſt ſchoͤn und groß /
Du triumphireſt nun bey tauſend reinen Geiſtern
Dein uͤbrig Nachruhm iſt auch nicht von Ehren bloß.
Du alte Teutſche Haut / fromm / ſchlecht und recht im Wandel /
Als dich die guͤldne Ruh nach ſo viel Schweiß erquickt;
Hat Welt-Betruͤgerey und ihrer Falſchheit Handel
Nie dein begrautes Haar und Redlichkeit beſtrickt.
Mit was vor Vater-Treu umbfiengſt du nicht die Deinen?
Wie hertzlich haſt du nicht dein Ehgemahl geliebt?
Und hoͤrſt du noch im Grab das Aechzen und das Weinen
Das ihre Wehmuth dir zum letzten Opffer gibt.
Wiewol / Betruͤbſte / hemmt die abgeſtuͤrtzten Zaͤhren /
Der hier ein Krieger war iſt dort ein Sieges-Held.
Es wird ſein weiſer Schnee in Lilgen ſich verkehren /
Und unter ſeinem Fuß ligt Suͤnde / Tod und Welt.
& q; Gluͤckſeelig wer ſo kaͤmpfft / und wer ſo durchgedrungen /
& q; Daß ſein Soldaten Lohn der Krantz der Ewigkeit!
& q; Du haſt / Erblaſter Freund / vor offt den Feind bezwungen /
& q; Nun holſt du dir auch gar den Himmel zu der Beuth.

ENDE.

[1]

H. M. Vermiſchte Ge - dichte.

[2]3
Paſtorelle.
ALs fruͤh das Morgen-Licht den Him̃el uns entdeckte /
Und ſein blau Angeſicht mit Roſen uͤberſteckte /
Ging Charimildens Fuß des Wetters zu genieſſen /
An einem hellen Fluß den Blumen rings umbſchlieſ - ſen /
Sie trieb die liebe Schaar der Wollen-reichen Laͤmmer;
So ſchon gefuͤttert war / an jene Seit der Taͤmmer.
Und daß nicht ihre Luſt ein Coridon betruͤbte /
Hat ſie den Ort gewuſt / den Einſamkeit beliebte.
Es ſtund ein dicker Wald mit friſch belaubten Myrten /
Der Rymffen Auffenhalt / die Hoͤle muͤder Hirten;
An deſſen Schatten-Nacht ſie ihr Gemuͤth ergetzte /
Daß ſie ſich bey der Pracht der Baͤume niederſetzte.
Sie zog den ſchwartzen Flor von ihren Roſen-Wangen.
So kommt die Sonn hervor im Purpur-Glantz gegangen.
Das Haar flog Kercker[-]loß / und flochte gleichſam Ringe /
An denen ein Tuͤrkoß / Rubin und Demant hinge.
Sie ſaß voll Lieblichkeit bey ihren fetten Heerden.
Es wuchs ein Anmuth-Streit in zierlichſten Geberden;
Biß daß der Finger Schnee ſich noch beliebter machte /
Und von der Sinnen Hoͤh ein fertig Luſt-Lied brachte.
Die Alabaſter Hand lieff hin auff die Claviren /
Und war ſehr wohl gewandt den reinſten Thon zu fuͤhren.
Der Wald ſtund gantz entzuckt / die Voͤgel gantz bethoͤret /
Und ſchaͤtzten ſich begluͤckt / daß ſie den Klang gehoͤret.
Geht / ſang ſie / meine Schaf; und brauchet eure Weide:
Es macht mir nicht der Schlaf / ſo angenehme Freude /
Alß wenn ihr munter ſpringt / und euch bey meinem Stande /
Den mir die Freyheit bringt / nehrt in dem guten Lande.
A a a a a 2Hier4Vermiſchte Gedichte.
Hier iſt ein freyes Feld / ein Schauplatz meiner Sinnen /
Da ich nicht wie die Welt darff Liebes-Gifft gewinnen.
Die Seele bleibet rein als wie ihr reines Weſen /
Und wird bgierig ſeyn nur Tugend auffzuleſen.
Wenn die in Flammen kocht / und weiß ſich nicht zu halten;
Jen auff den Liebſten pocht / und ſeine Luſt-Geſtalten.
Die uͤber Meineyd klagt / und des Cupido Pfeile /
So ſitz ich ungeplagt in guter Ruh und Weile.
Ein Puſch / ein friſcher Brunn / ein bluͤhendes Geſtraͤuche /
Schafft mir mehr Freud und Wonn / als wenn in Venus Reiche
Der Liebe Natur quillt / dieweil ſein ſchoͤnes blincken
Vor Leib und Leben gilt / bey denen die ihn trincken.
Weg Wolluſt! meinen Geiſt den kanſt du nicht bezwingen.
Er iſt / der dir zerreiſt das Netze ſamt den Schlingen.
Und Amor deine Gluth zerſtaͤubt bey mir in Aſchen /
Weil offt die Thraͤnen Fluth ſie wieder weg muß waſchen.
Jndeſſen hatte ſchon weil ſich die Charimilde
Ergetzt durch Klang und Thon in luſtigem Gefilde
Der Sonnen Feuer-Rad das Mittel uͤberſchritten /
Und auff der Weide Pfad ihr Vieh die Hitz erlitten.
Drum trieb ſie ſchleunig ein dem Mittag zu entweichen /
Biß ſein beſchwerlich ſeyn beginnet zu verſchleichen.
Denn gehet Charimild und ihre Schafe wieder /
Wo ſie die Luſt geſtillt / durch Zucker-ſuͤſſe Lieder.
Ecloga.
ALs nechſt ein ſchoͤner Tag den Himmel aus geklaͤret /
Und neuen Sonnenſchein dem Feld und Wald beſcheeret /
Jſt / wo der Guttalus ſein gelbes Ufer traͤnckt /
Und umb das Roſenthal die breiten Armen ſchrenckt /
Der Schaͤffer Tityrus zu ſeinem Damon kommen /
Und haben Raum und Ruh bey einem Baum genommen /
Die Guͤrtel aufgeloͤſt / die Taſchen abgelegt /
Sich in das Graß geſtreckt wie ſonſt ein Hirte pflegt.
Drauff ihre Noth geklagt / wie ſie die Liebe fraͤſſe /
Und als ein nagend Wurm in ihrem Hertzen ſaͤſſe /
Daß weder Noth noch Zeit veraͤnderte die Pein /
Und daß die Liebe muͤſt ein brennend Feuer ſeyn.
Biß endlich Tityrus der Liebſten Schoͤnheit preißte /
Wie ſeine Galathee ſich ſo holdſeelig weißte /
Als5Vermiſchte Gedichte.
Als irgend eine mag. Der Damon ſprach gar wohl /
Wir ſtreiten durch ein Lied / wer Seine loben ſoll.
Und drauff ſang Tityrus: Des Fruͤhlings Roſen bleichen;
Der Sommer muß dem Herbſt / der Herbſt dem Winter weicher.
Die Nacht verhuͤllt den Mond; nur deiner Augen Licht /
O ſchoͤne Galathee ſchwaͤrtzt keine Wolcke nicht.
Kein Apffel faͤrbt ſich ſo / als Lippen / Mund und Wangen /
Der Schnee hat ſich zugleich umb Bruſt und Halß gehangen.
Und ob des Winters Froſt dem Baum die Blaͤtter raubt /
So iſt der Glieder May mit Kraͤntzen doch belaubt.
Damon.
Die ſchoͤne Chloris iſt mein andre Morgenroͤthe;
Seht / ob ihr Angeſicht nicht alle Blumen toͤdte?
Sie iſt mein Weſten Wind der mich beleben kan.
Sie eine Koͤnigin / und ich ihr Unterthan.
Das ſchwartz-geflochtne Haar gleißt ſchoͤner als die Raben;
Und Luſt und Liebe wil bey ihr die Wohnung haben
Die Erdbeer iſt nicht roth fuͤr ihrer Lippen Schein
Die Bruͤſte reiffen ſo wie Trauben voller Wein.
Tityrus.
Wie junge Pirſchbaͤum bluͤhn / ſo lacht der Galatheen
Liebreiches Angeſicht: und wo ſie kommt zu gehen /
Da ſprieſſen Roſen auf. Die Milch iſt nicht ſo rein /
Als ihre klare Zaͤhn und weiſſe Haͤnde ſeyn.
Wie offt zwo Kirſchen ſich an einen Stengel haͤngen /
So ſieht man auch die Bruͤſt ergetzlich ſich vermengen
Und ſind zwey Rehen gleich die in den Lilgen gehn /
Zwey Bergen die bedeckt mit Schwanen-Federn ſiehn.
Damon.
Ein Blumen-reicher Lentz waͤchſt auf der Chloris Bruͤſten /
Man ſieht in ihrem Schos der Liebe Tauben niſten.
So ſuͤß als Honig ſchmeckt / und ſuͤſſer iſt ihr Mund.
Was mehr. Mein Lieben iſt den Sternen ſelbſten kund.
Wenn bey verſchwiegner Nacht der Monden uns geſchienen /
Und ich mein Lieb gefuͤhrt in dem betaͤunten Gruͤnen /
Wie mancher Kuß hat mich zu einem Gott gemacht /
Jch habe nicht ans Hauß noch an mein Vich gedacht.
Tityrus.
Die Muſkateller Birnſchmeckt nimmermehr ſo ſuͤſſe /
Als meiner Galathee frey ausgelaßne Kuͤſſe
A a a a a 3Jch6Vermiſchte Gedichte.
Jch mag nicht Honigſeim / nicht fetten Ram und Sonn /
Jhr milder Lippen Moſtvergnuͤgt mein Lieben ſchon.
Jch habe nechſt im Wald ein Haſelhun gefangen /
Das bring ich zum Geſchenck, und wenn der Herbſt vergangen /
So leß ich von der Heerd das beſte Schaf ihr aus /
Und kroͤne ſie und mich mit einem Blumen Strauß.
Damon.
Ein ander mag auf Schaf und fette Heerden pochen.
Zwey Turtel-Taͤubelein ſo neulich ausgekrochen;
Sind mein Geſchenck und Gab; mehr Reichthum mangelt mir.
Doch Chloris iſt vergnuͤgt; mein Schatz iſt ihre Zier.
Jch bin ihr hoͤchſtes Gut / der aͤrmſte von den Hirten /
Der reichſt an Lieb und Gunſt. Die aufgewachßnen Myrten
So nechſt am Hofe ſtehn / ſind Chloris auch geweyht /
Biß ihre zarte Hand den Braut-Krantz zubereit’t.
Tityrus.
Mein Himmel Galathee / ihr Augen meine Sonne /
Jhr Haar ein golden Netz das Venus hat geſponnen.
Die Lippen von Corall / der Halß von Helffenbein /
Die Bruͤſt von Flam̃ und Schnee / der Bauch von Marmelſtein /
Sticht allen Zierath hin. Noch keine Schaͤfferinnen
Hat reiche Galathee dir jemals gleichen koͤnnen.
Zu dem damit du ſiehſt / daß ich kein Bettler bin /
So nimm zum Braut-Geſchenck den guͤldnen Guͤrtel hin.
Damon.
Mein Kleinod das ich geb / iſt Chloris / nur mein Hertze /
Und eine treue Seel des Liebes-Opffers Kertze.
An Reichthum bin ich arm / an Armuth bin ich reich.
Obſchon dein Angeſicht nicht Sonn und Himmel gleich /
So hab ich doch bey dir / was ich geliebt / gefunden.
Die treue Redlichkeit hat mich vielmehr verbunden /
Als theure Pracht von Gold. Und reiner Liebe Sinn
Jſt uͤber Geld und Welt ein praͤchtiger Gewinn.
So waren ſie entbrant faſt gar aufs ſchaͤrffſte kommen /
Biß unterdeß die Sonn am Himmel abgenommen /
Und dicker Rauch und Dampff aus ihren Hoͤfen gieng /
Daß endlich Titytus ſo anzureden fing:
Mein Damon gute Nacht ein jeder lobt die Seine /
Und wer in Liebe brennt / der liebt offt Stock und Steine.
Doch trennt die Liebe nicht der Freundſchafft altes Band.
Jch bleibe Galatheen / du Chloris zugewandt.
Hochzeit -7Vermiſchte Gedichte.
Hochzeit-Lieder.
1.
HJer muͤſſen friſche Myrten ſtehn /
Mein Fuß ſoll itzt auf Roſen gehn;
Das Gluͤcke will mir ſelber betten /
Denn die / ſo meine Seele liebt /
Und der mein Hertze ſich ergiebt /
Bind mich mit allzuſchoͤnen Ketten.
2.
Sie zeigt die Schaͤtze ihrer Gunſt
Jn gleicher Gluth in gleicher Brunſt:
Jhr Blick entdecket die Gedancken.
Hierleg ich meine Freyheit hin /
Weil ich ihr Liebs-Gefangner bin.
Jhr Wille ſetzt mir Ziel und Schrancken.
3.
Der Fruͤhling ihrer beſten Zeit
Voll Anmuth voller Lieblichkeit.
Gibt meinen Geiſtern neues Leben.
Jch ſeh auf ihrer Wangen Rund
Jn dem ſo ſchoͤnen Zucker-Mund
Der Gratien leibhafftig ſchweben.
4.
Komm Schoͤnſte meiner Seelen Licht
Laß mich aus meinem Angeſicht
Des Hertzens wahre Meynung leſen.
Jch weiß von deiner edlen Treu /
Daß ihr nichts vorzuziehen ſey.
Noch jemals etwas gleich geweſen.
5.
Du biſt mein Stern mein Paradeiß /
Und was ich nicht zu nennen weiß /
Der Kern und Außzug meiner Seele /
Es ſoll in dieſem Leib und Blut
Stets brennen meine Liebes-Gluth
Biß zu der ſchwartzen Grabes Hoͤle.
6.
Laß uns / weil es der Himmel ſchafft /
Der Jugend voller Bluͤth und Safft /
A a a a a 4Der8Vermiſchte Gedichte.
Der Liebe Nectar-Strohm genieſſen
Den Bund / der uns zuſammenfuͤgt
Und beyder Hertz und Sinn vergnuͤgt /
Beſigelt ein empfindlich Kuͤſſen.
Ein anders.
1.
ZEugt Sternen / zeugt von meinen lichten Flammen /
Jch pflag zuvor die Liebe zu verdammen /
Das Wort / dazu mein Mund ſchien ungeuͤbt /
Bricht itzt heraus: Jch bin / ich bin verliebt.
2.
Die hohe Macht / ſo uͤber mich geſchloſſen /
Und meinem Blut die Regung eingegoſſen /
Kan / wie ein Feur nicht laͤnger heimlich ſeyn /
Sie weiſt der Welt den reinen Glantz und Schein.
3.
Zwar was ich mir zum Grundſtein auserwehlet /
Soll Tugend ſeyn / mit der ich mich vermaͤhlet:
Ein edler Geiſt / ein Treu-verbundner Muth /
Beſtaͤndigkeit mein Schmuck und hoͤchſtes Gut.
4.
Jn dieſem Brand wil ich unendlich leuchten /
Aurora mag das friſche Graß befeuchten /
Die braune Nacht das matte Feld bethaun /
Man ſoll mich doch ſtets unveraͤndert ſchaun.
5.
Und fuͤhl ich gleich Cupido deine Stricke /
Mein Fuß und Hertz weicht nimmermehr zuruͤcke.
Jch weiß ja wol / was GOtt und Gluͤck verbindt /
Daß da der Menſch Luſt und Vergnuͤgung findt.
6.
Komm / Liebſter / komm; Mein Hertze ſteht dir offen /
Was kan ich mehr auf dieſer Erden hoffen /
Als wenn dem Schluß der Himmel unterſchreibt /
Daß mir dein Hertz zum Unterpfande bleibt.
7.
Und ſolt ich nicht dir meine Gluth bekennen?
Du weiſt das Feur / in dem wir muͤſſen brennen /
Kein irdiſch Dampff / kein Nebel haͤlt es ein /
Es ſucht die Hoͤh den Sternen gleich zu ſeyn.
8. Mehr:9Vermiſchte Gedichte.
8.
Mehr: will uns doch die Ariadne weichen /
Der meine Treu in allem ſich ſoll gleichen:
Und legt uns doch der Fuͤrſt der guͤldnen Rey /
Die Strahlen-Kron der Berenice bey.
9.
Brennt Sterne / brennt / Dolmetſcher unſer Sinnen /
Laſt eure Glut nicht dieſe Nacht zerrinnen /
Das ſtete Licht / der unentſunckne Schein /
Muß itzt ein Bild von unſrer Liebe ſeyn.
Ein anders.
1.
JCh bin vergnuͤgt / dein ſchoͤner Roſen-Mund
Hat meinen Geiſt und Seele recht erquicket;
Dein Kuß macht mir des Hertzens Meynung kund /
Und gleicher Trieb hat meine Seel entzuͤcket.
Jch ſage diß / du haſt nun obgeſiegt;
Jch bin vergnuͤgt.
2.
Jch bin vergnuͤgt / dein Hertze erquickend Kuß
Begegnet ſtets der Gegenwart der Seele /
Eh dieſe noch zuruͤcke lauffen muß
Wart meiner ſchon in der Corallen-Hoͤle.
Jch fuͤhle wol / woran mir alles ligt /
Jch bin vergnuͤgt.
3.
Jch bin vergnuͤgt / dein heiſſer Kuß entdecket /
Wie treu du liebſt! wie redlich deine Flammen!
Es brennt ein Feur / das im Verborgnen ſteckt /
Biß endlich ſchlaͤgt die lichte Loh zuſammen:
So auch ein Hertz / das alles uͤberwiegt /
Jch bin vergnuͤgt.
4.
Jch bin vergnuͤgt / in deinem ſuͤſſen Kuß
Hab ich noch mehr als Ambroſin geſchmecket /
Es iſt fuͤrwahr der Anmuth Uberfluß.
Ein Aufboth / der ſtets neue Luſt erwecket.
Ein ander denck / ob er dergleichen kriegt /
Jch bin vergnuͤgt.
A a a a a 55. Jch10Vermiſchte Gedichte.
5.
Jch bin vergnuͤgt / und ruh in deiner Schoß /
Hyelle Schatz und Sammelplatz der Freuden /
Die Liebe macht mich aller Sorgen loß.
Jch will bey dir in nichts als Roſen weiden /
Und ſage ſtets / weil es der Himmel fuͤgt /
Jch bin vergnuͤgt.
Ein anders.
1.
BEſtaͤndigkeit / wenn alles bricht /
Hemmt doch getreue Liebe nicht /
Sie ſchenckt zu letzte Kronen.
Wer Tugend zu dem Grundſtein legt /
Den will ſie auch belohnen /
Die bleibt mir in das Hertz gepraͤgt.
Die iſts / die eintzig mich erfreut /
Beſtaͤndigkeit.
2.
Beſtaͤndigkeit / ach ſchoͤner Sieg!
Wann der Begierden Kampff und Krieg
Muß gaͤntzlich ſich ergeben!
Du Herꝛſcherin bezwingſt den Tod /
Und wenn ſchon unſer Leben
Geraͤth in Kummer / Angſt und Noth /
Stellſt du doch uns zu der Seit /
Beſtaͤndigkeit.
3.
Beſtaͤndigkeit / vertrauter Schatz /
Soll ſtets in meiner Seele Platz /
Und Oberhand behalten.
Den Himmel / der ſonſt alles fuͤgt /
Den laß ich druͤber walten.
Nichts hat mich auf der Welt vergnuͤgt /
Als du / du Hoffnung meiner Zeit /
Beſtaͤndigkeit /
4.
Beſtaͤndigkeit / die macht mich fro /
Nun ich dich / werthſte / ſehe ſo
Der -11Vermiſchte Gedichte.
Dergleichen Kleinod tragen.
Was eintzig unſre Liebe ziert /
Davon der Neid muß ſagen /
Jſt daß ſie Sieges-Palmen fuͤhrt /
Die durch viel Proben eingeweyht /
Beſtaͤndigkeit.
5.
Beſtaͤndigkeit / mein hoͤchſtes Gut
Ein treues Hertz ein gleicher Muth
Soll ewig dir verbleiben.
Hyelle Perle keuſcher Zucht
Die Sternen unterſchreiben
Den Schluß bewaͤrthe Liebe Frucht.
Es ſiegt nunmehr / trotz allem Neid
Beſtaͤndigkeit.
Ein anders.
1.
WIllkommen Schoͤneſte / die meinen Geiſt erquickt /
Die meine Seele durch ihren Glantz entzuͤckt /
Willkommen Schatz / mein ander Leben /
Der ich mich gantz und gar ergeben.
2.
Stern aller Freuden / ſchoͤneſte Perlemuth /
Wenn deiner Augen blitzende Liebes Glut
Beſtrahlet mein entbrandtes Hertze
So acht ich nicht der Sonnen Kertze.
3.
Denn dein Geſicht weiſet den Himmel mir /
Wie der bebluͤmet wird von der Sternen Zier;
So ſtreu’a auch deine Fackeln funcken /
Die in die Seele mir geſuncken.
4.
Was ich nur dencke / was ich nur red und thu /
Das auserwaͤhlte Perlemuth das biſt du /
Jch geh / ich ſteh / ich ſchlaf / ich wache /
So bleibſt du doch der Zweck der Sache.
5.
Holdreiche Goͤttin / die meinen Geiſt bezwingt /
Und die das Siegsfahn uͤber mein Leben ſchwingt /
Mich12Vermiſchte Gedichte.
Mich duͤnckt daß alle Seeligkeiten /
Mit deinem Eintritt dich begleiten.
6.
Gaſt deſſen gleichen mir nicht der Erden Kreiß
Jn allen Enden einſt zu gewaͤhren weiß /
Was nicht die gantze Welt kan ſchicken /
Mit dem kan Oelße mich begluͤcken.
7.
Wie aus des Himmels Zimmern die Morgenroͤth
Jm hoͤchſten Purpur gleich eine Fuͤrſtin geht /
So iſt mit nicht geringerm Lichte
Umbgeben / Schatz / dein Angeſichte.
8.
Du traͤgeſt8 Roſen / gleichwie dein Name heiſt
Und theuren Perlen gleichet dein edler Geiſt /
Jch laſſe Geld und Guͤter fahren /
Du bleibſt die beſte von den Waaren.
9.
Daß mir dein Anblick ſchencket die hoͤchſte Luſt /
Daß deine Worte gleichfals der Liebekoſt /
Daß dein Kuß kan die Seele weiden /
Sind nur ein Vorbild groͤſſrer Freuden.
10.
Ach Sonne renne / kuͤrtze der Tage Reſt /
Biß daß erſcheinet unſer Vermaͤhlungs-Feſt /
Daß wir den beſten Zweck erzielen /
Und unſre Glut zuſammen ſpielen /
11.
Der Augen Sterne / der Wangen Roſen-Glut /
Der Schnee des Halſes / der Lippen Purpur-Blut /
Der Bruͤſte rund-geſchwollne Huͤgel
Verbleiben unſrer Liebe Sigel.
12.
So hat die Venus nicht den Adonerfriſcht /
Wenn ſie vergnuͤget haben im Wald getiſcht /
Als deine Gegenwart mich troͤſtet.
Und mir das Liebes-Manna roͤſtet.
13.
Komm ſchoͤnſte Nimfe / Sonne der Unterwelt
Durch derer Blicke ſich noch mein Geiſt erhellt:
Laß13Vermiſchte Gedichte.
Laß ferne deine Strahlen glaͤntzen /
Jn meinem Hauß und Hertzens-Graͤntzen.
Ein anders.
1.
DEin auserwaͤhlter Schatz / vertrauter Perlemuth /
Die mir der Himmel itzt ſchenckt zu dem hoͤchſten Gut /
Und unſern Liebes-Bund geneiget unterſchreibt /
Der auch trotz Noth und Tod beſtaͤndig iſt und bleibt.
2.
Mein Hertze hat ja laͤngſt zum Opffer dir gebrennt /
So hat dein ſchoͤnes Aug auch meine Brunſt gekennt /
Nun hat den Opffer-Tiſch die Venus ſelbſt bereit /
Umb den der Hymen auch die Liebes-Roſen ſtreut.
3.
Die Sternen ſehn erfreut der Seelen Buͤndnuͤß an /
Und werffen groͤſſer Licht von dem Saphirnen Plan /
Die angenehme Nacht ſagt neue Freuden zu /
Und ruffet dir und mir / Hertzliebſte / zu der Ruh.
4.
Dein holdes Angeſicht gewaͤhrt der Himmel mir /
Jch achte nicht die Sonn und aller Sternen Zier /
Ein recht-verliebter Blick / den mir dein Hertz entdeckt /
Hat mehr Empfindlichkeit und Luſt bey mir erweckt.
5.
Jhr Buhler / jener Zeit / ſeyd nichtig hier geſchaͤtzt /
Die offt ein leer er Traum und Sinnen-Bild ergetzt:
Mir legt der Himmel ſelbſt die Perlemuth itzt bey /
Und flecht umb unſer Haupt den Krantz von Lieb und Treu.
6.
Wie ſeelig acht ich mich / mein Kind / bey dir zu ſeyn /
Ein Kuß von deinem Mund iſt ja mein Nectar-Wein!
Der zarten Armen Band / ſo dich und mich verſtrickt /
Hat Zunder heiſſer Luſt dem Hertzen eingedruͤckt.
7.
Die Worte fehlen mir / mein Engel und mein Licht /
Du weiſt daß Liebenden Beredſamkeit gebricht /
Zu melden dieſe Glut / ſo mir das Blut erhitzt /
Zu nennen dieſen Brand / in dem die Seele ſchwitzt.
8. Mein14Vermiſchte-Gedichte.
8.
Mein Troſt auf dieſer Welt und Freundin der nichts gleich /
Die Venus ladet mich heut in ihr Wolluſt-Reich /
Sie wird bey ſolchem Mahl die beſte Wirthin ſeyn /
Und mit liebreicher Koſt Hertz und Gemuͤth erfreun.
9.
Komm ſchoͤnſte Perlemuth / mein Hertze klopfft nach dir /
Wie eine Uhr ſonſt ſchlaͤgt / voll Hoffen / voll Begier.
Es hat Leander nicht die Hero ſo umbfaſt /
Als ich dich kuͤſſen will du hoͤchſt-verlangter Gaſt.
Braut-Lied.
1.
MEin auserwaͤhlter Schatz / der du mich haſt entzuͤndet
Durch deiner Augen Pracht /
Nun kommt die ſuͤſſe Nacht /
So beyder Hertz und Seel in reiner Treu verbindet /
Und unſrer Liebe Licht und Schein
Heiſt nunmehr unausloͤſchlich ſeyn.
2.
Der Fruͤhling ruͤhme ſich mit ſeiner Blumen-Prangen /
Und Venus ziehe fuͤr /
Der Roſen Purpur-Zier /
Mir bluͤht der Anmuth-May|auf deinen holden Wangen /
Und was behaͤglich iſt und heiſt /
Gewaͤhret mir dein edler Geiſt.
3.
Die Sternen ſpruͤhen ſelbſt mit ihren goldnen Flammen /
Glut unſern Funcken zu /
Biß daß die ſuͤſſe Ruh
Jn wahrer Seelen-Luſt / uns fuͤgen wird zuſammen /
Und ein verbuͤndlich Liebes-Kuß
Beſigelt unſern Heyrath-Schluß.
4.
Mein Engel gibſtu doch mit Wincken zu verſtehen /
Daß in nicht mindrer Glut /
Entbrannt dein treues Blut /
Und eilſt mit gleichem Sinn das Buͤndnuͤs einzugehen /
O komm / O komm / verzeuch doch nicht /
Mein Augen-Troſt / mein Seelen-Licht!
5. Es15Vermiſchte-Gedichte.
5.
Es ſind die Regungen in unſer Blut geſchrieben /
Der muß ein Marmelſtein
Und kalter Felſen ſeyn /
Der was ſonſt Liebens werth / nicht faͤhig iſt zu lieben.
Und ſeine gantze Lebens-Zeit
Verkehrt in bittrer Einſamkeit.
6.
Nein / deine Freundlichkeit / die Demuth / dieſe Sitten /
Die theure Scham und Zucht /
Der wahren Tugend Frucht /
Die haben / liebſtes Kind / mein Hertze ſo beſtritten /
Daß du fuͤr allem Gut und Geld /
Mein eintzig Schatz biſt auf der Welt.
7.
Was aber ſaͤum ich / dich in meinen Arm zu ſchlieſſen /
Dictynna ſieht und wacht
Zu unſrer Hochzeit / Nacht /
Wuͤnſcht durch den Silberblick uns ein vergnuͤgt Genieſſen /
Der Sternen Fackeln ruffen zu /
Diß Paar das leb in Luſt und Ruh.
Bey Ubergebung ſeines Hertzens.
NImm Clytie zu dem Geſchencke
Mein Hertze / weil mir Geld gebricht /
Du ſiehſt / daß ich auff Liebe dencke /
Die aller Schaͤtze Schatz und Licht;
Und weil ich leben
Muß unter dir /
So will ich geben
Zur Pflicht-Gebuͤhr
Mein Hertze hier.
Erſchrick nicht / daß es ſo erzittert /
Und ſich in deinen Haͤnden ruͤhrt /
Die Brunſt / von der ein Hertze wuͤtert
Das Liebesflammen in ſich fuͤhrt /
Wird heller brennen /
Bey dir mein Kind /
Daß man kan kennen /
Wie wir entzuͤndt
Jn Liebe ſind.
Ver -16Vermiſchte Gedichte.
Verwundre nicht die groſſe Hitze
Die ſich in meinem Hertzen regt.
Empfind ich doch der Schoͤnheit Blitze
Wormit mich ſtets dein Auge ſchlaͤgt
Wilſt du verdammen /
Die linde Glut /
Da ich doch Flammen
Nehr in dem Blut
Gantz wohlgemuth.
Du ſprichſt / der Schnee an meinen Haͤnden
Zerſchmeltzt von dieſem Hertzens-Brand.
Er hat mir Adern / Marck und Lenden /
Ja ſelbſt das Leben umbgewandt.
Wie eine Kertze
Sich ſelbſt verzehrt /
So iſt mein Hertze
Jn Staub und Erd
Durch diß gekehrt.
Nur Clytie du muſt nicht meynen /
Daß du ſolſt jedem zeigen an /
Wie ich mein Hertze zu dem deinen
Hab aus verliebtem Sinn gethan.
Daß diß Geſchencke
Man an das Ohr
Gleich Perlen hencke /
Kommt / wie ein Mor
Mir ſeltzam vor.
Laß andre Diamanten haben /
Du traͤgſt ein Kleinod das mehr wehrt.
Gold / Silber ſind des Gluͤckes Gaben.
Die Liebe wird nur mit beſchwehrt.
Die Zeit zerreibet
Der Perlen Zier /
Mein Hertze bleibet
Jn Liebs-Begier
Verpflichtet dir.
Gilt doch dein Mund mehr als Corallen /
Die Lippen mehr als ein Nubin.
Kein Demant kan mir ſo gefallen /
Als deine Augen wenn ſie bluͤhn.
Du17Vermiſchte Gedichte.
Du biſt mein Leben /
Mein hoͤchſtes Gut;
Der ich gegeben
Jn treuer Hut /
Geiſt / Hertz und Blut.
Uber die verſchertzte Freyheit.
ACh unertraͤglich Joch /
An dem ich Armer noch
Mein Leben muß verſchlieſſen!
Wenn werd ich doch entriſſen
Der ſtrengen Dieuſtbarkeit /
Die mir kuͤrtzt meine Zeit!
Jſt denn ein freyer Muth
Dienſtſchuldig was er thut?
Muß denn mein Willen eben
Nach eurem Wollen leben?
Bald ſagen Ja / bald Nein /
Das geht mir bitter ein.
Was thut nicht das Geluͤck
Und ſeine boͤſe Tuͤck?
Da ich jetzt ſolte ſiegen /
Muß ich zu Hofe ligen /
Und was mich mehr geht an.
Selbſt ſeyn ein Unterthan.
Hilff Himmel! Jſt es recht?
Dein Sohn wird jetzt ein Knecht /
Laͤſt ſich in Schrancken treiben /
Und ihm Befehl fuͤrſchreiben /
Thut was ein feyger Muth
Sonſt aus Verzweifflung thut.
Erzoͤrnte Himmels-Rach /
Laß doch nur einmahl nach
Auff meinen Kopff zu blitzen.
Wo du mich nicht willſt ſchuͤtzen /
So kan ich nicht beſtehn /
Und muß zu Grunde gehn.
Dem vor die Welt zu klein /
Geht jetzt Gehorſam ein /
B b b b bDer18Vermiſchte Gedichte.
Der auff die Freyheit trutzte /
Jn ihrem Purpur ſtutzte /
Traͤgt nun O Jammer-Stand /
Der Feſſel ſchweres Band.
Gefangen bin ich nicht /
Und gleichwohl doch verpflicht /
So bald der Tag erſchienen /
Muß ich zu Gnaden dienen /
Und tret auf ſchluͤpffrig Eiß /
Das ich gebrechlich weiß.
Was ich zuvor lacht aus /
Das kommt mir jetzt zu Hauß.
Vor kont ich Herrſchafft uͤben /
Nun muß ich mich betruͤben /
Daß ich nach frembdem Sinn
Faſt ein Leibeigner bin.
Welt / Ehre / Ruhm und Pracht /
Euch ſag ich gute Nacht.
Dich / Dich / ſuch ich durch Lieder /
Komm meine Freyheit wieder /
Und mach mich doch nur frey
Von dieſer Sclaverey.
Wie freudig wil ichs ſehn /
Wenn dieſes wird geſchehn /
Daß mein verſoͤhnt Geluͤcke
Mir abnimmt ſeine Stricke /
Und laͤſſ’t mich in der Ruh
Mein Leben bringen zu.
An die Augen der Liebſten. Aria.
JHr ſchoͤnen Augen ihr /
Jch fuͤhle Gluth /
Und eure Wunder Zier
Erhitzt mein Blut.
Die angenehme Freundlichkeit /
So ſuͤſſe Blicke ſtrect /
Macht mich erfreut.
Jhr Fackeln meiner Seel
Jch bin entbrant /
Aus eurer ſchwartzen Hoͤhl
Und Diamant /
Komt mir der ſuͤſſe Gegenſchein
Daß ich verliebt muß ſeyn /
Jn meiner Pein.
Jhr Flammen meiner Luſt /
Wie brennt ihr ſo?
Wie macht ihr meine Bruſt
So hertzlich froh!
Leitſter -19Vermiſchte Gedichte.
Leitſterne in das Paradeiß /
Eur ſo geliebtes Weiß /
Das macht mir heiß.
Strahlt Kertzen in deꝛ Nacht /
Weißt mir die Bahn.
Jch bin ja eurer Pracht
Gantz unterthan.
Die Sonne muß ſich nicht ent - ziehn /
Sonſt wird mein Leben fliehn /
Und gantz verbluͤhn.
Ach kuͤßt ich dieſen Strahl
Jn heiſſer Brunſt /
Der mir theils ſchencket Quahl
Theils ſuͤſſe Gunſt;
Jch ſchwoͤre daß ich ſterbe ſo /
Und bin in eurer Loh /
Von Hertzen froh.
Uber die Kaltſinnigkeit der Liebſten.
DUnckle Hoͤlen / finſtre Schatten /
Meines Lebens Auffenthalt /
Wuͤſte Felder / ſtille Matten /
Einſam und verſchwiegner Wald /
Koͤnnt ihr auch die Seuffzer zehlen /
Die ich taͤglich abgeſchickt /
Wenn mein Hertz mit neuem Quaͤhlen
Ein beſch werlich Leyd gedruckt.
Ach ihr Zeugen meiner Schmertzen /
Sagt doch kuͤhnlich was ihr wißt;
Und ihr hellen Sternen-Kertzen /
Suchet wo der Urſprung iſt.
Anemonens edle Tugend
Die mein Abgott iſt und heiſt /
Macht / daß Liebe meine Jugend
An die ſtaͤrckſten Ketten ſchleuſt.
Keine hat mich koͤnnen binden /
Aber dieſer Nymfen Zier
Wuſte mich bald zu entzuͤnden /
Da ſie doch nicht guͤnſtig mir.
Jhr ſittſamen Geberden
Haben nicht genommen ein /
Daß ich ihr verpflicht muſt werden /
Weil die Geiſter in mir ſeyn.
Noch verlacht die Anemone
Mich / daß ich verliebet bin /
Da ſie doch die Lebens-Krone
Tag und Nacht mir ligt im Sinn.
Was ich in Gedancken fuͤhre
Jſt von ihrer Schoͤnheit Pracht.
B b b b b 2Wenn20Vermiſchte Gedichte.
Wenn ich fruͤh vom Schlaf mich ruͤhre /
Hab ich ſchon an ſie gedacht.
Soll ich denn nun Flammen leiden
Da ſie nichts als kaltes Eiß.
Blut das kan den Demant ſcheiden;
Aber wenn mein Todes-Schweis /
Gleich auff allen Gliedern ſaͤſſe /
Glaub ich doch nicht / daß ihr Sinn
Lieb und Hulden mir zumaͤſſe /
Sondern lieſſe mich dahin.
Anemone Zeit bricht Eiſen
Und zermalmt den Marmelſtein.
Willſt du dich ſtets ſo erweiſen
Und wie Stahl und Felſen ſeyn?
Kan dich nicht mein Flehn erweichen
Das unendlich zu dir ſchreyt /
Ey ſo muß ich nur verbleichen
Jn der beſten Bluͤthe-Zeit.
Doch betrachte daß auf Erden /
So wie ich dich treu geliebt /
Du nicht kanſt geliebet werden:
Und ob mich das Gluͤck betruͤbt /
Ey ſo ſoll beſtaͤndig lieben
Mit mir noch zu Grabe gehn /
Und daß ich umb dich geblieben /
Soll in allen Buͤchern ſtehn.
Auf die Abweſenheit der Liebſten.
JCh kan nicht deine Augen kuͤſſen /
Und dir iſt jetzt mein Mund verſagt.
Ach Schatz / daß wir ſo lieben muͤſſen /
Hab ich dem Himmel offt geklagt.
Umbſonſt / er zeigt nur Donnerblicke /
Und ſtoͤßt den heiſſen Wunſch zuruͤcke.
Jch will dich zwar im Hertzen tragen /
So lange mich die Erde traͤgt.
Mein Geiſt ſoll deine Seele fragen /
Ob ſie noch gleichen Zunder haͤgt.
Du lebſt und ſchwebſt mir in Gedancken /
Doch nicht in eines Landes Schrancken.
Ge -21Vermiſchte Gedichte.
Gefangne hoffen frey zu werden /
Jch hoffe dich nicht mehr zu ſehn.
Der Wind kan jetzt in frembder Erden
Mir deine Seuffzer nicht zuwehn;
Und dennoch baut der Liebe Staͤrcke
Jm Hertzen groſſe Wunderwercke.
Wenn mich der Schlaf nur eingewieget;
(Wo auch die Liebe ſchlaffen laͤſt.)
Hat ſich ein Both im Traum verfuͤget /
Der ſpricht / die Perlemutt ſteht feſt.
Sie liebt / und ſchickt dir dieſes Schreiben /
Und will auf ewig deine bleiben.
Bald ſeh ich ſie vorm Spiegel ſtehen /
Wie ſie das Haar zu Felde ſchlaͤgt;
Bald mit beliebten Tritten gehen;
Bald wie ſie ſich zu Bette legt /
Und meine treue Lieder ſinget /
Biß ſie der muͤde Schlaf bezwinget.
Ach / denck ich / ſolt ich bey dir ligen /
Sollt ich den ſuͤß-bethauten Mund
Mit einem ſolchen Kuß vergnuͤgen /
Der nur den Treu-verliebten kund /
So wuͤrd ich mich vergoͤttert nennen /
Und keine Sterblichkeit mehr kennen.
Jch wiederhole jene Zeiten /
Da ich umb deinen Halß geſchraͤnckt /
Und mehr als tauſend Lieblichkeiten /
Mich mit dem Nectar-Safft getraͤnckt /
Der Lipp’und Bruͤſte holde Gaben /
Vermoͤgen noch mein Hertz zu laben.
So offt der Weſt den Flor erhebet /
Der deine Lilgen Bruͤſte deckt /
So dencke / daß mein Geiſt da ſchwebet /
Daß mein Hertz unter deinem ſteckt.
Wie dieſer zarte Schneevoll Flammen /
Wie Gluth und Blut ſich fuͤgt zuſammen.
Kommt wo ein Jungfern-Bild gegangen
Das Wunder-holde Schoͤnheit ziert.
Erkenn ich daß der Liebſten Wangen
Allein der Lorbeer-Krantz gebuͤhrt.
B b b b b 3Mein22Vermiſchte Gedichte.
Mein Spiegel-Glaß ſind ſchoͤne Frauen /
Worinn ich Perlemutt kan ſchauen.
Jch ſchmecke noch die Zucker Kuͤſſe
Die mir dein Mund hat eingefloͤſt.
Jch fuͤhle noch die linden Biſſe;
Wenn Seel und Seel ſich hat getroͤſt.
Jch greiffe noch die weichen Haͤnde /
Und bin empfindlich biß ans Ende.
Ja Perlemutt / wenn gleich die Beine
Die Faulnuͤß und der Schimmel friſt /
Wenn auff dem kalten Grabe-Steine /
Ein Wandrer meinen Hintritt lieſt /
So wird man Perlemutt auch hoͤren /
Und dein Gedaͤchtnuͤß heilig ehren.
Jch kuͤß jetzt zwar nicht Aug und Wangen /
Jch ſchlaffe nicht auf deiner Bruſt.
Doch du biſt einzig mein Verlangen /
Und hoͤchſterwuͤnſchte Seelen-Luſt.
Noch Zeit / noch Ort / bricht meine Liebe /
Die ich an Perlemutt ausuͤbe.
Nimm dieſes Lied zum klaren Zeichen /
Das gantz von Liebes-Flammen brennt.
Das nich von deiner Hold kan weichen /
Obſchon der Tod die Geiſter trennt;
So wird doch in Elyſer Wieſen
Die Perlemutt verliebt geprieſen.
An die verſagte Liebſte.
DArff ich nicht meine Freyheit haben
Jn der zuvor mein Geiſt geprangt?
Jſt denn der freye Muth begraben?
Hat meine Lieb ihr End erlangt;
Daß ſie muß in des Kerckers Nacht
Verlieren Zierde / Glantz und Pracht.
Gefangne hoffen frey zu werden;
Jch weiß von keiner Rettung nicht.
Es lebt kein Menſch auf dieſer Erden /
Dem es ſo ſehr an Troſt gebricht.
Die Liebe die mich erſt ergetzt /
Hat nun ihr Schwerdt auf mich gewetzt.
Jetzt23Vermiſchte Gedichte.
Jetz muß ich ſchwere Kettentragen /
Da ich zuvor in Kronen gieng.
Was iſt noch uͤbrig als verzagen;
Das Leben ſchaͤtz ich ſelbſt gering /
Und wuͤnſche noch viel Noth und Pein
Des Grabes lieber Gaſt zu ſeyn.
Jſt mir verſagt in deinen Armen /
Mein allerſchoͤnſtes Kind zu ruhn?
So wirſt du dich doch noch erbarmen
Mir dieſen letzten Dienſt zu thun /
Daß du nimmſt meinen Schatten an /
Der ſonſten nirgends ruhen kan.
Gedencke / was ich ſchon erlitten /
Weil Himmel / Gluͤck und Zeit mein Feind:
Wie ich umb deine Gunſt geſtritten /
Die mir nunmehr nicht hold erſcheint.
Du kanſt und ſollſt nicht meine ſeyn /
Wie bitter geht mir dieſes ein.
Und weil ich dich nicht ſoll beſitzen /
So ſuch ich meinen eignen Tod /
Der wird mein gutes Recht beſchuͤtzen /
Wie du mich haſt gebracht in Noth.
Jch haſſe nun das Tage-Licht /
Dieweil ich dich darff ſehen nicht.
Aus dem Scaliger.
JHr Honig-Macherinnen /
Und Blumen Samlerinnen /
Und Thau Einleſerinnen /
Die ihr euch laſt geluͤſten /
Von Hyblens ſuͤſſen Bruͤſten /
Das Balſam-Kraut zu rauben /
Die ihr Hymattus Trauben /
Und gelbe Saffran Gaben /
Jm Fruͤhling denckt zu haben /
Sucht ihr denn bunte Roſen /
Violen und Zeitloſen?
Es lachet euch zum Ruhme /
Die Lilg und Ringelblume /
Und andre Lentzen Bilder /
Die Venus im Gefilder /
Jn einem Kreiß geſchloſſen /
Und fruchtbar hat begoſſen /
Was wolt ihr lange ſummen /
Und in Einoͤden brummen?
Es moͤcht euch zarte Kleinen /
Ein rauher Blick beſcheinen /
Und Caurus durch ſein Raſen
Jn Wuͤſteneyen blaſen.
Seht ihr das weiſſe Pflaſter /
Des Halſes Alabaſter /
Die Glaͤſer-reine Huͤgel;
Hier ſtellet eur Gefluͤgel.
Schaut an der Roſe Schimmer /
Wie ſie beſafftet immer /
Jn hellen Flammen glaͤntzet /
B b b b b 4Und24Vermiſchte Gedichte.
Und doppelt ſchoͤn bekraͤntzet.
Die funckelnden Corallen /
Der ſchweſterlichen Ballen
Und Purpur-rothen Klippen /
Der ſuͤß-geſchwollnen Lippen.
Hier ſauget / raubt und klaubet.
Sonſt wer den Honig raubet /
Und dieſen Fluß will lecken /
Den wird ein Gifft anſtecken.
Ein Gifft das mich verfuͤhret /
Das mir den Tod gebieret /
Da ich noch nichts geſpuͤret /
Und auch noch nichts beruͤhret.
Wie wird es dem ergehen /
Der ſich will unterſtehen
Zu kuͤſſen ihre Hoͤhen?
Liebes-Wurm.
NUn friſche Myrten ſich umb ſeine Scheitel winden /
Nun ihm die Juno hat das Braut-Bett aufgeſetzt /
So ſoll ſich / werther Freund / auch unſre Pflicht hier findē /
Und bringen ein ſolch Lied das Hertz und Seel ergetzt.
Zwar wenn Cupido nur die Feder wolte fuͤhren /
Und jede Gratie in jeder Zeile ſtehn /
Es ſollt ein ſolcher Klang ihm das Gebluͤte ruͤhren /
Das aller Adern Puls weit ſtaͤrcker wuͤrde gehn.
Alleine Venus iſt ſehr karg mit ihren Gaben /
Sie floͤſt uns nicht den Thau verliebter Reden ein;
Die Anmuths-volle Schaar der nackten Fluͤgel-Knaben
Will uns in dieſem Werck gar nicht behuͤlflich ſeyn.
Wir dencken hin und her die Schuldigkeit zu leiſten /
Und ſolches Sinnen macht in dem Gehirne Sturm;
Doch endlich ſchlieſſen ſo einhellig faſt die meiſten /
Es ſey dem Braͤutigam geſchenckt ein 1. Liebes-Wurm.
Der 2. heiſt die Liebe kalt / ein ander nennt ſie Feuer /
Dem iſt ſie ein Magnet / und jenem Gall und Gifft:
Wir ſagen daß die Lieb ein ſchoͤnes Ungeheuer /
Ein angenehmer Wurm / der nichts als Freude ſtift.
Der Menſch iſt ſelbſt ein Wurm / und ſoll nicht 3. Wuͤrmer hecken?
Jedwedes Glied das iſt mit Wuͤrmen angefuͤllt /
Und in dem 4. Hertzen ſelbſt da werden Wuͤrme ſtecken;
Welch Momus iſt nu da / der unſern Leh[r][ſ]atz ſchilt?
Die Sappho waͤre wol von Felſen nicht geſprungen /
Leander durch die Fluth geſchwummen bey der Nacht /
Es haͤtte nicht ein Schwerdt der Dido Bruſt durchdrungen /
Und Venus den Adon zu einem Gott gemacht /
Wenn nicht ein Liebes-Wurm ihr Hertze ſo durchwuͤhlet /
Welch Menſch lebt auf der Welt von dieſen Zuͤgen frey?
Man25Vermiſchte Gedichte.
Man ſieht wie die Natur ſchon in den Kindern ſpielet /
Und wie der Jugend Lentz voll ſolcher Gauckeley.
Der Wurm 5. waͤchſt mit der Zeit / wie Blumen mit den Tagen /
Die erſte Witterung entſpringt in dem 6. Gehirn.
Man mag die Aertzte nur umb klares Zeugnuͤß fragen /
Er ſitzt im Vordertheil und meiſtens an der Stirn.
Denn wird der Menſch verwirrt / denn ſtraucheln die Gedancken;
So oft ein ſchoͤnes Bild ſich nur den Augen weiſt /
So laufft Witz und Vernunfft aus den geſetzten Schrancken /
Denn foltert erſt der Wurm den Liebs-gefangnen Geiſt.
Das Frauenzimmer kan hieruͤber witzig ſprechen /
Es kennt den ſtarcken Trieb / ders Gegentheil entruͤckt /
Wenn ſo viel Seuffzer aus den matten Hertzen brechen /
Und man nach einem Kuß viel tauſend Wuͤnſche ſchickt.
Die Pein die wird geklagt den Monden und den Sternen /
Daß derer Einfluß doch der Goͤttin Hertz erweich /
Und daß ihr hold Geſicht ſich wolle nicht entfernen /
Sonſt fuͤhre man verblaſt hin in der Parcen Reich.
So tummelt ſich der Wurm / denn ſinckt er in die 7. Augen /
Da laufft man in der Stadt die Gaſſen auf und ab /
Sucht Pſyllen / die das Gift ſind maͤchtig auszuſaugen /
Setzt / kriegt man nicht Gehoͤr / oft weiter ſeinen Stab.
Und weil die Augen ſonſt die Fuͤhrer in dem Lieben /
So iſts nit Wunderns werth / daß ſich der Wurm hier zeigt.
Er kan der Buhler Hertz erfreuen und betruͤben /
Nachdem er ſich gekruͤmmt auf Schlangen-Weiſe neigt.
Er ſitzt auch im 8. Gehoͤr; denn wenn die Chloris ſinget /
Und ihr Sirenen-Klang bezaubert Hertz und Ohr /
Wer mercket nicht alsbald / daß hier der Wurm erſt ſpringet /
Und Salamandern gleich mit Flammen bricht hervor /
Wenn er das hohe Schloß des Hauptes ſo durchkrochen /
Und allen Uberfluß der Anmuth hat erregt /
So faͤllt er auf die 9. Zung und haͤlt da gute Wochen /
Weil Venus ihm Confect und Marcipan auftraͤgt.
Die Schalen ſind Rubin / ſo von der Liebſten Munde /
Holdſeeligſt ausgehoͤlt in ſchoͤner Ordnung ſtehn.
So bald der Seiger nur ſchlaͤgt die beſtimmte Stunde /
So wird der Wurm entzuͤckt aufs Spiel der Freuden gehn.
Der Liebe Schwefel-Holtz / 10. den Kuß / hat erſt entdecket
Ein Wurm / wie uns der Mund der grauen Zeiten ſagt.
B b b b b 5Denn26Vermiſchte Gedichte.
Denn als ein Bienenſtich die Leßbia beflecket /
Und ſie umb Huͤlf und Rath die Weiſen ausgefragt /
Ward ihr der Maͤnner Mund zur Artzney vorgeſchrieben.
Dann wann der Zungen Wurm im kuͤſſen ſo vermiſcht /
Hat er die Seelen ſelbſt auf dieſen Platz getrieben /
Wo auf dem Luſt-Corall der Liebe Nectar jiſcht.
Hier machet offt der Wurm ein Wetter der Begierden /
Wenn er von Lieb entbrant die Zucker-Roſen bricht.
Nachdem er ſich ergetzt in des Geſichtes Zierden /
So uͤbt er ſeine Macht / haucht / zuͤngelt / beiſt und ſticht /
Daß die Empfindlichkeit durchdringend muß empfinden /
Wie aller Regungen Urheber iſt ein Wurm;
Wie er den erſten Grund der Adern kan ergruͤnden /
Faͤhrt tieffer als ein Thal und hoͤher als ein Thurm.
Deß Lebens in Begrif / das Hertze bleibt nicht ſicher /
Da haͤlt der Liebes-Wurm die ſchoͤnſte Rennebahn;
Wenn er da einquatirt / durchfriſt er keine Buͤcher /
Denckt wie er weiter nur ſich immer wuͤhlen kan.
Die 11. Lunge hebt er auf / daß nicht die Krafft gebreche /
Wenn er die 12. Leber ſchon hat in den Brand geſteckt /
Daß ſeinen Vorſatz nicht des Miltzes Unruh ſchwaͤche /
Hat in die 13. Nieren ſich er ausgedoͤhnt geſtreckt.
Wenn dann die Glieder in dem Leibe ſo zerrittet
Das Eingeweide von dem Wuͤhlen wird durchbohrt.
Wird bey des 14. Nabels Schluß der Wurm erſt ausgeſchuͤttet /
Da er ſich weſendlich weiſt am benimmten Ort.
Herr[Braͤutigam] / ihn muß diß Weſen nicht erſchrecken /
Daß man den Liebes-Wurm ſo ſtarck bey Menſchen ſpuͤrt;
Wir wollen ihm dabey die Heimlichkeit entdecken /
Daß auch der Liebes-Wurm das Frauenzimmer ſchuͤrt.
Mund / Auge / Naß und Ohr ſind eben mit beſaͤmet;
Doch wohnt er ſonderlich auf ihrer Lilgen-Bruſt /
Wenn offt das Maͤdgen ſich zum aller hoͤchſten ſchaͤmet /
So denckt es / Wurm / ach Wurm! mein ſchaffe mir doch Luſt.
Noch mehr; der 15. Bauch-Wurm iſt bey ihnen gantz gemeine /
Sein Kuͤtzeln achten ſie oft fuͤr ihr hoͤchſtes Gut.
Richt Schaͤtze / Perl und Geld / des Morgenlandes Steine
Ergetzen / wie der Wurm / das Zunder-reiche Blut.
Sein Weſen wiſſen ſie nach Kunſt gar hoch zu heben;
Ja daß kein Wetter nicht von auſſen ihn beſtreicht /
So27Vermiſchte Gedichte.
So werden ſie ihm Platz tieff in der Mitten geben /
Und tragen ihn gar gern mehr ſchwer als gar zu leicht /
Es iſt ihm nun entdeckt / Herr Braͤutigam / die Sache
Und beyder Hertzen ſind im lieben angeflammt;
Jtzt fragt ſichs / wie er ſich recht angenehme mache /
Wie er mit einem Wurm erfuͤll ſein liebes-Ampt.
Es giebet 16. rauche Wuͤrm; und will er einen ſchencken?
Es wachſen lange 17. Wuͤrm und ungeheuer groß.
An 18. tauſend-fuͤſſige will man itzt nicht gedencken.
Er geb ihr einen Wurm den 19. Wunder-Wurm in Schos.
Die Jungfern werden wol ob dieſem Wort erſtarren /
Erwaͤgen daß ein Wurm ſey ein abſcheulich Thier /
Und ſchlieſſen: Halten uns die Maͤnner denn vor Narren /
Daß ſie ein Abentheur deß Wurms uns tragen fuͤr.
Alleine nur Gedult / Herr Braͤutigam / unverzaget /
So bald er ſeiner Braut eroͤffnet den Verſtand /
Gewiß; daß ihr der Wurm / der Wunder-Wurm behaget /
Ob ſie zu erſten gleich ſich von ihm weggewandt.
Sie wird begieriger darnach ihn in ſich ſchlieſſen;
Denn was dem Jungfern-Volck beliebt / das hebt es auf.
Sie wird die Lebens-Zeit ihr ſo damit verſuͤſſen /
Gedencken / daß ein Jahr ſey einer Stunde Lauf:
Bevor / wenn ſie vermerckt / daß nicht wie Scorpionen /
Nicht wie Tarantula / nicht wie ein Crocodil /
Wie Schlangen / die gehoͤrnt / in dieſen Waͤldern wohnen /
Jhr Liebes-Wurm ſich weiſt / dem ſie ſo trefflich will.
Diß Ungeziefer hat Gifft / Stachel zu verletzen /
Jſt wild und auch von Art dem Menſchen hefftig feind /
Hergegen dieſer Wurm kan nichts als nur ergetzen /
Jſt ſonder Gall und Gift ein auserwaͤhlter Freund.
Jch weiß / die Liebſte wird ihn 20. Seiden-Wurm nur nennen /
Wenn er mit Wolluſt ſie zum oͤfftern uͤberſpinnt /
Bedencken was es ſey / wenn in dem hoͤchſten Brennen /
Von ihrem lieben Wurm die Milch der Anmuth rinnt.
Man ſaget ins gemein 21. Johannes-Wuͤrmlein ſchimmern;
Ach der October-Wurm plitzt in das Hertz hinein!
Sie ſchleuſt ihm auf / er iſt willkommen in den Zimmern /
Und ſoll auff ewig nun ihr liebſter Gold-Wurm ſeyn.
Wen ſo die Liebe fuͤhrt / daß ſie von dem Gehirne
Biß auf den 22. Mittel-Punct gluͤckſeelig zeigt die Bahn /
Der -28Vermiſchte-Gedichte.
Derſelbe traͤgt mit Recht den Krantz umb ſeine Stirne /
Und Hymen zuͤndet ihm die Hochzeit-Fackeln an.
Wir haben hier geſchertzt / er mag noch beſſer ſchertzen /
Hochwehrter Braͤutigam / mit ſeiner liebſten Braut:
Ein Schertzen das da fleuſt aus treu-verbundnen Hertzen /
Wird mit geneigtem Aug und Urtheil angeſchaut.
Er kruͤmle ſo verliebt / daß kuͤnfftig Wuͤrmle kommen /
Daß auch die Nachwelt ſpricht / ſie ſeyn viel Goldes wehrt /
So werden Weſpen nicht umb ſeine Roſen ſummen /
Und ſein Geluͤcke wird von keinem Neid beſchwehrt.
Anmerckungen.

    WEil auf allen Hochzeiten die Venus und Cupido herhalten muͤſſen / ſo iſt auf etwas neues geſonnen worden. Und obwol die Verſe nichts verſtecktes haben / ſo ſind doch zu Beſtaͤrckung angezogener Meynungen folgende Anmerckungen noͤthig.

  • 1. Daß ſowol die Griechiſchen und Lateiniſchẽ / als auch andere aus - laͤndiſche Poeten die Liebe mit einem Wurm in ihren Schrifften verglichen / iſt am Tage / bedarf keiner ferneꝛn Weitlaͤuftigkeit.
  • 2. Hier ſind gleichsfalls die Poeten zu leſen / ſo ihre Liebes-Neigun - gen anmuhtig verglichen und beſchrieben.
  • 3. Daß in allen Gliedern des menſchlichen Leibes Wuͤrmer gefun - den werden / haben nunmehr Welt-beruͤhmte Medici ſattſam er - wieſen / unter denen Schenckius, Bartholinus, Rhodius, Jonſto - nus, Mozonius und andere.
  • 4. Daß in dem Hertzen Wuͤrme gefunden werden / bezeuget Schenck. und fuͤhret[Exempel] in ſeinẽ Obſerv. an F. 296. Jngleichẽ Zvving. in Theat. Vitæ humanæ p. 352. Gabelech Cent. 3. Fol. 3. Sowol in Pericardio als ſiniſtro cordis ventriculo. Paulus à Caſtro in M. S.
  • 5. Von der Generation der Wuͤrmer diſputiret uͤberaus ſchoͤn Hie - ronymus Capivaccius in Pract. Med. L. 3. C. 14.
  • 6. Wuͤrmer im Gehirn hat Barth olinus ſelbſt vermercket Hiſt. Ana - tom. Cent. 1.
  • 7. Jn den Augen beſiehe Amatum Luſitanum Cent. 7.
  • 8. Von den Ohrenwuͤrmern ſchlage auf Avicen. und den Orivaſium.
  • 9. Daß unter der Zunge Wuͤrmer gefunden ſind worden / erzehlet Schenck. in Obſervat. Ja es hat Auguſtus Hauptmann Dresden - ſis, und des beruͤhmten D. Chriſtiani Langii Prof. Lipſ. familiaris ein Sendſchreiben an den Athanaſium Kircherum de Viva mortis imagine geſchrieben / und ſtatuiret, der Tod ſey ein Wurm / und habe ihn bey einem Sterbenden unter der Zunge ſitzen geſehen.
  • 29
  • 10. Beſtehe hiervon den beruͤhmten Griechen Achillem Tatium hin und wieder: Longum Sophiſtam in ſeinen Liebes-Geſpraͤchen / Ariſtænetum in ſeinen Liebes-Schreiben.
  • 11. 12. Von der Lunge ſagt Alcarab. Von der Leber Schenck. L. 3 f 452.
  • 13. Von den Nieren-Wuͤrmern Hippocrates, und aus den Neuen Schenkius L. 3. f. 509. Daß lange Wuͤrmer aus den Nieren ge - krochen / bejahet Hollerius de Morb. Inteſt.
  • 14. De verme Umbilicali V. Camerar. Sylloge Memorab. Cent. 12. Borell. Cent. 1. Obſ. 40. Salmuth. Cent. 2 Obſ. 61.
  • 15. Von Bauch-Wuͤrmern V. Zvving. Theat. vitæ hum. p. 353. in - gleichem von Ruͤcken-Wuͤrmern Borell Cent. 1. Obſ. 80.
  • 16. Von rauhen Wuͤrmern hat jetzt gedachter Borellius ein Exem - pel Cent. 2. Obſervat. 70.
  • 17. Von Wuͤrmern ungeheurer Laͤnge und Brelte find aufzuſchla - gen Amatus Cent. 6. C. 74. Foreſt L. 21. Obſ. 36. Schenckius L. 3. F. 410. Tulpius Obſervat. L. 2. C. 42.
  • 18. Vom tauſendfuͤſſigen Ohren-Wurm ließ Ruland. Cent. 10. c. 82.
  • 19. Von Wunderwuͤrmern ſchlage auf des Matthiæ Moronii Dire - ctorium Medico-Practicum.
  • 20. Deß Seiden-Wurms Ruhm hat mit unvergleichlich ſchoͤnen Verſen Hieronymus Vida beſchrieben.
  • 21. Von dieſen beſiehe Michaëlis Gehleri abſonderliches Lob.
  • 22. De Lumbrico ex inguine prodeunte Tulpius L. 3. Obſ. C. 12.
  • Es koͤnten viel ſchoͤne und merckwuͤrdige Hiſtorien nachgeſetzt wer - den / wenn es die Zeit leiden wolte. Die wenige Autoritates ſind nur zu Behauptung des Thematis angezogen.
An Hanß Laͤcheln.
ALs Caͤſar in ſein Rom ſiegprangend eingezogen /
Ruͤff das erfreute Volck mit voller Stimm / Gluͤck zu!
Der Kaͤyſer leb in Fried / der Roͤmſche Staat in Ruh /
Es ſtreute Blumen aus / und baut ihm Ehrenbogen.
So oft nun dieſer Tag im Jahrbuch wieder kam /
So ſahe man wie Rom in neuen Freuden glam.
Wir / obzwar Laͤchel nicht / der Weiſe / der Verſchmitzte /
Den hohen Koͤnigs-Stab in ſeiner Hand gefuͤhrt /
Bekennen / daß viel mehr ſein Leben ward geziert /
Wenn er ſich in dem Feld auf den Schwein-Zepter ſtuͤtzte /
Und weil der Thaten Ruhm ſich nicht verſchweigen laͤſt /
So bricht er jetzt heraus bey ſeinem Namens-Feſt.
Wir thun was Rom gethan / in gleichen Andachts-Flammen /
Und30Vermiſchte Gedichte.
Und wuͤnſchen nur im Geiſt die Grittle noch zu ſehn /
Wie er als ſeiner Braut muſt hertzbeweglich flehn /
Daß ſie die gantze Heerd der Schweine ruͤff zuſammen.
Was kan nicht kluger Witz? Wenn andern was gefehlt /
So hat doch herr Johanns ſein Vieh ſtets voll gezehlt.
Die Jugend ließ ſich ſo in ſolchen Raͤncken ſpuͤren /
Und wieſe daß diß Holtz ein Goͤtze wuͤrde ſeyn.
Die Thaten traffen auch noch uͤber Hoffen ein.
Er wuſt als Commiffar die Voͤlcker wohl zu fuͤhren.
Ja durch den Zippel-Peltz guckt ſchon ein Amptmann rauß /
Und Baͤrndorff ward vergnuͤgt da Laͤchel hielte Hauß.
Sein ehrbegierig Geiſt blieb nicht beym Ofen ſitzen.
Er wuſte daß der Weg der Tugend rauh und hart /
Daß ſo ein feiges Blut und weiche Zaͤrtlings-Art /
Mit groſſen Dienſten nicht den Menſchen koͤnte nuͤtzen.
Er gieng den Adlern gleich in freye Lufft und Land /
Und macht in dem Gebuͤrg als Ritter ſich bekandt.
Das Gluͤck erſtarrte ſelbſt ob ſolchen Helden Proben /
Und dachte Laͤchel muß noch mehr geuͤbet ſeyn.
Es gab ihm Donnerblick / und aͤnderte den Schein.
Kurtz / Laͤchel konte nicht die rauhen Stoͤſſe loben /
Als Hunger ihn geplagt / und heiſſer Durſt gequaͤlt /
Ja da ihm auch Taback ſein Himmelbrod gefehlt;
Biß endlich Gluͤck und Zeit ihn wiederumb begnadet.
Er ſtieg wie eine Flamm vom Abgrund in die Hoͤh;
Hat jemand ſich verknuͤpfft / durchs Band der keuſchen Eh /
So ſpricht man Laͤcheln an / daß er die Gaͤſte ladet /
Und ſeinem Marſchalcks-Ampt ein voll Genuͤgen thut /
Der Stab prangt in der Hand / die Baͤnder auf dem Hut.
Als Ferdinand der Viert ins Kaͤyſerthum getretten /
Und mit Panqueten ſich auch Schleſien erfreut /
Wieß Laͤchel ſeinen Mann / ſo daß nach dieſer Zeit /
Er umb die Marſchalcks-Wuͤrd hoch eifrig ward gebeten.
Nur daß wie ins gemein die Ehr ihn nicht verrenckt /
Sein Sinn wird feuriger / daß er auf Kunſt noch denckt.
Er hoͤrt die Bergleut an / von vielen Wiſſenſchafften /
Wie daß ſeit Noens Zeit das Einhorn nicht mehr ſey.
Die Erde pflichte ſelbſt der duͤrren Warheit bey /
Weil noch das groͤſte Stuͤck ſoll in den Bergen hafften /
Viel laͤnger als der Thurn den Babel je gebaut /
Und den man irgends ſonſt verwundernde beſchaut.
Er31Vermiſchte Gedichte.
Er konte nun mit Recht der Kuͤnſte Meiſter heiſſen;
Nur weil das Rechen fehlt / ſo ſetzt er weiter an /
Denckt wie man die Gefaͤll im Bier beſchneiden kan /
Laͤßt ihm nicht aus dem Maul den guten Biſſen reiſſen.
Er zieht den Haußtrunck ab / zwoͤlff Achtel mit darbey /
Wer ſagt / daß Laͤchel nicht ein Fintenmacher ſey?
Sein Sinn kan niemals ruhn / wie nie die Sonne ſtehet /
Er geht in Helicon und lernt der Redner macht /
Der Kopff der iſt geſchickt / und eh man es gedacht /
Triffts / daß er bey der Leich als Trauer-Redner gehet /
Klagt des Trompeters Tod / erklaͤrt die Sterblichkeit /
Und daß die Menſchen ſind ein Gauckelſpiel der Zeit.
So hat Demofthenes nicht zu Athen geblitzet /
Der Cicero brach nie in ſolchen Donner loß.
Hierdurch wuchs Laͤchels Muth und wurde doppelt groß /
Daß ietzt der Pindus ſich auff ſeine Schultern ſtuͤtzet /
Und dieſen goͤldnen Mund ein jeder gerne hoͤrt /
Bevor wenn er ſo klug vom Frauenzimmer lehrt.
Es ſchweige Seneca / und Plato muͤſſe weichen /
Des Brandteweins Natur hat keiner ſo gewuſt /
Er weiß was eigendlich dient der Betraͤngten Bruſt /
Und kan den Aquavit aufs koͤſtlichſte raus ſtreichen /
So daß man ihn mit Recht der Weisheit Schirm doch
Und vor den Socrates in unſerm Land erkennt. (nennt /
Kan auch ein Federkiel jetzt ſeinen Stand beſchreiben /
Wenn Ungarn ihm den Wein aus vollem Kruge ſchenckt;
Wenn er ſein Helden-Schwerdt dort an den Nagel henckt /
Und kan mit Rauch und Schmauch die lange Zeit vertreiben?
Wenn jetzt das Kartenſpiel ihm viel Ducaten bringt /
Wenn Laͤchel halb berauſcht ſchmertzhaffte Lieder ſingt.
Mag auch wol ſein Geluͤck noch einen Zuſatz leiden:
Nein / die Vollkommenheit die ſtellt ſich ſelbſten dar /
Wir wuͤnſchen weiter nichts / als daß er lange Jahr.
Entnommen aller Angſt leb in verlangten Freuden /
Und offt wie nechſt geſchehn ſo edle Reden haͤlt /
Daß den Patricibus ſein gantzen Thun gefaͤllt.
Er muͤſſe dieſen Tag den Niel der Glaͤſer trincken /
Weil der Verdienſte Preiß ihn laͤngſt unſterblich macht.
Er finde Luſt am Tag und Liebe bey der Nacht /
Biß daß in tieffen Schlaff die muͤden Augen ſincken.
Mehr Worte ſind zu viel / deñ Laͤchel denckt an Wein /
Und wil bey Speiſen mehr als Reimen luſtig ſeyn.
An32Vermiſchte Gedichte.
An den kleinen Sporer.
DEr Sporer Stern und Licht / Herr Oßwald ſeyd gegruͤßt /
Weil heut euer Namens-Tag / das Leben euch verſuͤßt /
Und ihr ſechs Schillge Jahr ſamt zweyen habt erlebet /
Auch ſtets nach Wiſſenſchafft der alten Welt geſtrebet /
Viel Dinge ſelbſt erfahren / ob ſich die Schwachheit gleich /
Auch haͤuffig an euch weiſt / ſo iſt euer Brunn doch reich
An friſchem Waſſerquell / und kan es ſchon erſetzen /
Was euch ja ſonſten fehlt / der Bauren ihr Ergetzen /
Beruht auf dieſem Trunck / wenn ihr den Stengel mahlt /
Daß hernach ein Geſicht gleich ſchwartzen Mohren ſtrahlt
Es wuͤnſchet Stadt und Dorff euch noch ein laͤnger Leben /
Daß Waſſer ihr der Welt zum beſten koͤnnet geben.
Heut aber dieſen Tag da uͤberſend ich Wein /
Den ſchluͤrffet durch den Zahn fein ſacht in Hals hinein.
Laßt eure Weisheit hoͤren / und lehret das die Schwachen /
Am allerkuͤnſtlichſten nachdencken ihren Sachen.
Wenn eures Hauptes Schnee zergeht / wirds kotig ſeyn /
Der Brunn vertrocknet gar. Und weil ihr Heuchelſchein
Und falſche Reden haßt / mein Teutſch-geſinnter Alter /
Der Meiſter Kron allhier / und wuͤrdig Brunn / Verwalter /
So thut auff Redlichkeit und Teutſch fein einen Trunck;
Denn dieſen heut’gen Tag ſeht ihr nicht mehr ſo jung.
Sonnet.
SEht mich Melandern an / wie ich ſo mager worden /
Wie kaum die welcke Haut die duͤrren Knochen deckt.
Seht / die ihr mich geliebt / nur daß ihr nicht erſchreckt
Denn als ich fluͤchtig ward / verließ der Menſchen Orden /
Hat ſich ein rauher Sturm von dem beeiſten Norden /
Auf meinen Kopff gemacht / weil mich kein Dach bedeckt.
Selbſt die Verfolgung hat bey mir die Reu erweckt /
So daß ich bitten muß / man woll mich nicht ermorden.
Jch will nach Jauchendorff / umb dort zu buͤſſen / ziehn.
Beym Gerber mag ich nicht des Lebens Reſt beſchlieſſen.
Seht meine Augen an / wie ſie mit Thraͤnen flieſſen!
Jch will im neuen Jahr all Ubelthaten fliehn.
Nun Breßlau gute Nacht / ich komme ſchwerlich wieder /
Such einſt zu Jauchendorff die hinterbliebnen Glieder.

ENDE.

[1]

H. M. Geiſtliche Ge - dichte und Lieder.

[2]3
Triumphus Temporis, Oder Siegs-Gepraͤnge der Zeit / aus Frantz Petrarchen.
DJe guͤldne Roͤthin ſchloß des Himmels-Thuͤren auff /
Und ließ den Morgen-Glantz zur Seiten ſeinen Lauff;
Bald brach die Sonn berfuͤr / und ruͤff die Feuer Pferde /
Nach der gewohnten Pflicht zu fahren umb die Erde!
Als ſie ſich nun erhoͤht auf ihrem Wagen ſah /
Und der beflammte Blitz offt hier und wieder da
Aus beyden Augen brach / an jeden Ort gerichtet /
Gleichwie ein alter Mann bey vollem Schauplatz dichtet /
Und ſtille Reden fuͤhrt: ſo ſprach ſie auch bey ſich /
Was fang ich weiter an / itzt iſt es Zeit fuͤr mich /
Daß mein bemuͤhter Fleiß aus allen Kraͤfften gehe /
Und dieſem was mich kraͤnckt behutſam widerſtehe;
Wird einer / den die Ehr im Leben groß gemacht /
Und der durch klugen Witz den Menſchen Heil gebracht /
Wenn er die Welt verlaͤſt / und ſeine Stunde ſchlaͤget /
Zugleich mit Lob und Ruhm ins finſtre Grab geleget?
Nein / diß was irdiſch war / der Leib wird hingeſetzt /
Der Nachklang ſo ihn ruͤhmt und ſeine Thaten ſchaͤtzt /
Lebt laͤnger als wir ſelbſt / und bluͤht in tauſend Zungen;
Wo bleibt nun das Geſetz? das allen auffgedrungen /
Und das die Sterblichen mit leiſem Munde lehrt /
Wie Auff - und Untergang der Menſchen Hoffnung ſtoͤrt.
Bricht ihres Namens Schall durch Kercker / Grufft und Bahre /
So wird es noch geſchehen / daß ich zu ſpaͤt erfahre /
Wie unſer Licht verleſcht / und wie mein edler Schein /
Der dieſer gantzen Welt und allen in gemein
A a a a a a 2Zu4Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Zu Nutze hat gebrannt / mit Schatten ſey umbſchloſſen /
Drumb hab ich meinen Zorn und Eyfer ausgegoſſen /
Was ſaͤum ich laͤnger noch / was fuͤrcht ich weiter mehr
Mir / die ich himmliſch bin / verſaget man die Ehr
Jn der ein ſterblich Menſch / den Aſch und Koth gezeuget /
Mich groſſes Goͤtter-Kind hochmuͤthig uͤberſteiget /
Jch mag nicht hoͤher ſeyn / nur dieſes iſt mein Ziel /
Daß ich mit ſeiner Ehr auch meine gleichen will.
Vier Pferde rennen fort auf mein Gebot und Wincken /
Die taͤglich aus dem Meer mit vollen Baͤuchen trincken /
Die reitz ich allezeit mit Sporenſtreichen an /
Noch dennoch komm ich nicht / ſo weit der Ehrgeitz kan.
Soll ich denn dieſen Schimpff und Eckel ſo vertragen /
Verachtung / Hohn und Spott aus meinem Hertzen ſchlagen /
Jch / die die Goͤtter ſelbſt zur Herrrſcherin der Welt /
Und Koͤnigin des Lichts fuͤr allen fuͤrgeſtellt.
Diß waͤr ein ſchlechter Schluß / ja wenn ich gar zu letzte
(Das Mittel ſteht mir zu) mich an den Himmel ſetzte /
Und holte meinen Glantz von frembden Lichtern ein /
So ſollte mir doch diß gantz unertraͤglich ſeyn.
Nun laß ich meinem Zorn den auffgeloͤſten Zuͤgel /
Den Wagen den erhebt der Neid auf ſeine Fluͤgel /
Jch bin der Menſchen Feind / ſie ſind mir hoͤchſt verhaſt /
Es ſteht auf meiner Stirn die Rachgier abgefaſt.
Sie / wenn ſie ſo viel Jahr und vieler Jahre Zeiten
An keinem Mangel arm / in Wolluſt uͤberſchreiten /
Erlangen nach dem Tod ein ewiges Geruͤcht /
Und fuͤllen dieſe Welt durch ihres Namens Licht.
Welch Leben hoͤher noch als jenes iſt zu achten /
Das aus dem duͤnnen Garn die ſtrengen Parcen machten /
Jch bleibe fort fuͤr fort / wie ich geweſen bin /
Der Arbeit ſchwere Laſt reiſt mich unendlich hin.
Wer ehret meinen Glantz / wer ruͤhmet meine Wercke /
Man ſchlaͤgt mich aus der Acht / und wie ich weiter mercke /
So bin ich als ich noch zum allererſten war /
Eh als des Meer es Gott der tollen Wellen Schaar
Jn Band und Feſſel ſchloß / wenn Tag und Nacht entſtehen /
So muß ich fuͤr und fuͤr in einem Lauffe gehen /
Durch das gewoͤlbte Hauß / der Goͤtter guͤldner Thron
Die ſtete Wiederkehr bleibt meiner Arbeit Lohn.
Drauff5Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Drauff als ſie diß geſagt / und voller Rache brannte /
Ja mit dem Viergeſpann ſo ſchnell und eyfrig rannte /
Daß ſie den Wind verließ / und daß auch mein Verſtand /
Noch dieſer Feder Krafft / wie bald ſie ſich gewandt /
Und auf die Flucht gemacht / ihr nimmermehr wird gleichen /
Mich / der ich alles ſeh / erſchreckt ein blaß Erbleichen /
Daß wie ein kaltes Eys in alle Glieder dringt /
Und mit verzagter Angſt das Hertze ſelbſt beſpringt.
Da ward ich aller Luſt bey dem geſchwinden Gleiten /
Und bey dem Jrregang der abgelauff nen Zeiten /
Des Lebens recht gewahr / das mich bißher ergetzt /
Und deſſen falſche Luſt ich Wunder-hoch geſchaͤtzt.
Jetzt aber Neid und Haß / fuͤr die Begierde haͤge /
Und aller Ehren Pracht von meiner Seiten lege /
Die Liebe derer Gluth ohn Ende bey mir ſchien /
Jſt mit dem alten Thun und Weſen gaͤntzlich hin.
Denn dis iſt ja gewiß / daß bloß und leere Sachen
Die Hoffnung unterbaun / wer kan das Ewig machen /
Was grimmer Zeiten Wuth / und deſſen Rache friſt /
Daß das Gedaͤchtnuͤß ſelbſt auch endlich ſelbſt vergiſt.
Und ob du dich bemuͤht dis alles zu genieſſen /
Es wird in einem Blick aus deinen Haͤnden ſchieſſen /
Gleichwie ein ſchluͤpffrig Aal / je mehr er wird gedruͤckt /
Je ſchneller er dem Zwang des Fiſchers iſt entruͤckt.
Drumb wo dich noch dein Heil und deine Wolfahrt ruͤhret /
Und weil noch der Verſtand dir deine Sinne zieret /
Weil dein Vernunfft-Schluß recht / und die Genadenthuͤr
Noch immer offen ſteht / ſo ſiehe dich ja fuͤr /
Daß auf gewiſſen Grund dein Hoffen ſey geſetzet /
Damit kein jaͤher Fall es unvermerckt verletzet /
Betrachte Tritt und Schritt / und folge Fuß fuͤr Fuß /
Gleichwie ein Wandersmann Wegweiſer hoͤren muß.
Mein Phœbus ſchweiget ſtill und zweifelt was zu ſagen /
Dieweil er diß nicht kan durchaus beweglich klagen /
Die Dorne ſah man vor Froſt / Reiff und Schnee umbziehn /
Und drauff in einem Blick voll ſuͤſſer Roſen bluͤhn.
So ward des Winters Froſt / und auch des Sommers Hitze /
Durch eine kleine Zeit der Menſchen Wolluſt nuͤtze /
Wer hoͤret dieſes nicht mit groſſem Schrecken an /
Da doch die Warheit ſelbſt den Glauben mehren kan.
A a a a a a 3Menſch6Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Menſch ſchleuß die Augen auf und nicht der Augen Lichter /
Hier ſey Gemuͤth und Sinn / Verſtand und Klugheit Richter /
Die / die der Jugend Schwarm und Raſen ſo verblendt /
Daß keiner noch zur Zeit / was recht iſt / hat erkennt.
Mich klag ich mich nur an / und muß mich ſelbſt verdammen /
Jch zwinge dieſes Fleiſch mit meines Zornes Flammen /
Weg eitle Hoffnung weg / laß mir mein Hertze rein /
Es wird hinfuͤro nicht die deine Hoſſtatt ſeyn.
Mir wird ein Glas gezeigt / in dem ich mich kan ſchauen /
Jch will nicht / wie vorhin / den leichten Augen trauen /
Hier ſeh ich mich recht an / und diß mein Bild bezeugt /
Daß ich der Laſter Schaar an meiner Bruſt geſaͤugt.
Nun mach ich meinen Schluß / komm Tod mit deinen Kertzen /
Das Leben iſt zu fern / du nah und alle Schmertzen
Sind unauffhoͤrlich lang / je kuͤrtzer meine Zeit /
Je eher wird ſie noch in Bluͤhen abgemeyht.
Denn / die erwachte Sonn in Roſen-rothen Wangen /
Und Hyacinthen gleich mit Farben ſehen prangen /
Wird / wenn ſie in das Meer den muͤden Wagen taucht /
Von alter Ungeſtalt und ſeine Zier verraucht.
Des Lebens Raum und Schaum gleicht einer Tages Laͤnge /
Und wird von ſchwartzer Nacht beſtuͤrtzter Sorgen enge /
Und bricht bißweilen ſchon ein lieblich Strahl herein /
So muß die Finſternuͤß deſſelben Decke ſeyn.
Auff dieſen Seulen ruht der Menſchen gantzes Sinnen /
Und hierdurch wollen ſie den Himmel ſelbſt gewinnen /
Das Leben ſchwindt und fleucht / der Tod tritt heimlich an /
Jndem der freche Menſch ſich ſelbſt nicht kennen kan.
Jch weiß daß meine Zeit ſehr kurtz und wol verſchloſſen /
Denn keinem koͤmmt das Gluͤck ſo unverfaͤlſcht gefloſſen /
Der Sonnen leichte Flucht / bezeuget daß die Welt
Zu ihrem Untergang von Anfang iſt beſtellt.
So geht nun / die ihr noch auf eure Jugend pochet /
Und durch Geſchwatz und Spiel der Zeiten Ablauff ſuchet /
Zaͤhlt eurer Jahre Reyh in ungezaͤhlter Zahl /
Denn Pfeile die man ſieht / verlieren ihren Stahl.
Vielleicht ſind meine Wort ein Raub der tollen Winde /
Von keinem Nachdruck ſchwer / von keiner Anmuth linde /
Jhr aber lebt in Tag und blaſt aus ſichrer Bruſt
Den rechten Todten Schlaf / verdammter Seelen Koſt.
Seht7Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Seht Stunden / Sonn und Mond gebrauchen ſchnelle Fluͤgel /
Und rennen wie ein Pferd mit abgeſchoſſenem Zuͤgel /
Wir ſelbſt / wir muͤſſen fort / und in ein ander Land /
Das weder dir / noch mir / noch einem iſt bekandt.
Seyd nur nicht ſo verſtockt in eurer Thorheit Banden /
Dieweil noch Huͤlff und Rath / euch Armen iſt verhanden /
Weil die Gelegenheit noch ihre Stirne beut /
So leſcht den Jrrthumb weg von eurer Seelen Kleid.
Trett auf die rechte Bahn / und in der Tugend Schrancken /
Es iſt der Narren Thun bey allen Sachen wancken /
Verzieht nicht eure Buß / biß daß der ſchwartze Tod
An Thuͤr und Fenſter klopfft / und in der letzten Noth
Den ſcharff-gewetzten Pfeil durch Bruſt und Adern treibet /
Der / ſo Bekehrung ſucht / und dem Gewiſſen glaͤubet /
Thut niemals nichts zu viel / wenn er die Schuld erkennt /
Und heilges Eyfers voll in wahrer Andacht brennt.
So weit hab ich geſehn der Sonnen Zorn und Eilen /
Als drauff ein ſeelges Volck aus jenen Gegentheilen /
Jn ſtiller Stille koͤmmt / und gleich dem Himmel zu
Jn vollem Siegs-Gepraͤng erlangte ſeine Ruh.
Es war ein ſolches Volck das keine Macht der Zeiten /
Noch Ungluͤck / Furcht und Angſt vermochte zu beſtreiten /
Wit Waffen wohl verwahrt / die Feder und Papier
Und die der Dichter Schaar dem Eiſen zoge fuͤr.
Den ſah die Koͤnigin der Sternen ungewillet /
Als die / durch eignen Ruhm den Himmel angefuͤllet /
Und uͤber diß was hier die Sterblichkeit beſchleuſt /
Mit Fluͤgeln der Vernunfft nach Wuͤnſchen weggereiſt.
Die Seelen voller Gluth / und ihrer Tugend Meiſter /
Die / von des Poͤfels Schaar die hocherleuchten Geiſter
Den Sternen einverleibt / und mit Triumpf beſiegt /
Was in der weiten Welt und ihren Winckeln ligt.
Die fiel ſie hefftig an / und muntert ihre Gaͤule /
Durch fette Speiſen auf / daß ſie in jaͤher Eile
Beſchritten Weg und Steg / ſie gab den Fluͤgeln Wind
Und neue Federn zu / der Nachruhm der verſchwindt /
Und will vor Furcht und Angſt der grimmen Draͤuungs-Zeichen /
Von meiſten ihrer Schaar erſchreckt zuruͤcke weichen /
Drauff kam ein aͤchtzend Hall / der durch die Luͤffte lieff /
Und wie ich es gemerckt / mit ſolchen Worten ruͤff:
A a a a a a 4Diß8Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Diß ſey der feſte Schluß / ich ſchwoͤre bey den Sachen
Und Wercken die der Menſch / wie klug er iſt / kan machen /
Die / wie ein Laub und Gras / abfallen und vergehn /
Die / in Vergeſſenheit und Finſternuͤſſen ſtehn.
Jch wil ein jedes Ding / ein jedes Thun und Weſen /
Die Stunden / Jahr und Tag / und was man drinn geleſen /
Abſtuͤrtzen in die Grufft der unermeßnen Zeit /
Diß gantze muß in Rauch mit ſeiner Eitelkeit.
So viel des Pernus Fluß / und Hebrus ſtoltze Wellen
Der Daphnis ingedenck / und jener dieſe ſtellen /
Da Orpheus unter gieng / die Xanthus und der Strohm /
Der ſeine ſieben Berg und das geprießne Rom
Noch weit beruͤhmter macht / ſo viel als dieſe Helden
Und ihre Tapfferkeit der Nachwelt koͤnnen melden /
Den hat der Geitz der Zeit den Ruhm ſchon abgekuͤrtzt /
Jhr Lob wird heute noch von ſeiner Hand geſtuͤrtzt.
Drumb euer Ehr und Glantz gleicht ſich des Winters Lichte /
Das eine duͤnne Wolck und Schatten macht zu nichte /
So aͤndert dieſen auch die Neigung ſo ihn trifft /
Den groſſen Namen iſt die Zeit das groͤſte Gifft.
Was ſeyd ihr Sterblichen mit euern Sieges-Zeichen /
Und Guͤtern / denen nichts auf dieſer Welt zu gleichen /
Sie alten und vergehn / und Kron und Thron zerbricht /
Diß was der Sonnen Rath umbfaͤhret / tauret nicht.
Ja was der Zeiten Raub Unwuͤrdigen benimmet /
Gedenckt nicht daß zum Nutz der Frommen wieder kommet /
Es iſt ein gleiches Loß / des Gluͤckes Gut verdirbt /
Und der Gelehrten Witz und kluges Schreiben ſtirbt.
So treibt die Zeit die Welt in einem ſteten Lauffen /
Sie kan nicht ſtille ſtehn / noch odmem noch verſchnauffen /
Die Wiederkunfft bleibt aus / ob man ſie taͤglich rufft /
Sie friſt uns grimmig auf / und legt uns in die Grufft.
Daß aber ihren Sitz ſo feſt vermeynt zu ſetzen
Der Menſchen Herrlichkeit / und wil ſich gleiche ſchaͤtzen
Der Goͤtter Majeſtaͤt / was Wunder? ſo die Zeit
Nicht gar zu hitzig eilt / und maͤhlich allbereit
Den ſchlauen Fortgang nimmt / biß daß ſie alles breche /
Und den vermeynten Wahn mit Spott und Hohn beſpreche /
Es ſey auch was es will / das uns der Poͤfel ſagt /
Waͤr unſer Alter nicht in engen Raum gejagt /
So9Geiſtliche Gedichte und Lieder.
So wird in Aſch und Koth was menſchlich iſt / vergehen /
Weil nun das Leben fleucht / ſo ſcheint der Ruhm zu ſtehen.
Jch hoͤrte dieſes an und ſah aus meiner Nacht
(Gleichwie der Sonnen Glut den Schnee zu Waſſer macht)
Auch unſer Gut und Geld zu ſeinem Urſprung kommen /
So hat die Zeit zum Raub den Nachruhm weggenommen /
Daß ich auch weiter nicht ein eintzig Hoffen ſetzt
Auf diß was Menſchen vor den Goͤttern gleich geſchaͤtzt.
Die Menſchen ſo ſie nicht / noch ihr Geluͤcke wiſſen /
Und ein geneigtes Ohr dem Aberwitz aufſchlieſſen /
An beyden Augen blind / und an Vernunfft verſehrt /
Jndem die leichte Lufft der Ehrgier ſie bethoͤrt
Durch klugen Unverſtand / daß ſie der alten Leichen
Mit doppelt groͤßrem Lob als junger Leut ausſtreichen
Gluͤckſeelig / die der Tod noch von der Mutter reiſt /
Und Elend / die er alt in gleiche Grufft einſchleuſt.
Jſt nicht der Meiſten Wunſch? ach waͤr ich nicht geboren /
Es ſey der lange lebt / der hab ihm Ruhm erkohren /
Was iſt es daß man ſo mit ſolchen Ehren ehrt?
Wenn es der Zeiten Sturm und Tyranney verſtoͤrt.
Es ſoll der Nachruhm ſeyn / der nach dem Leben lebet /
Und unſers Namens Laut biß an die Stern erhebet /
Doch wo die Warheit hier das Urtheil ſprechen will /
So iſt’s ein ander Tod / denn wie des Todes Ziel
Von vieler Kraͤuter Safft wird endlich hintertrieben /
So wird auch von der Zeit diß alles aufgerieben.
Aus des Hugonis gottſeeligen Begierden / Deſiderium V.
Memento quæſo quod ſicut lutum feceris me, Et in pulverem reduces me. Job. 10. 19. ()
SO iſt Vergeſſenheit im Himmel auch zu finden /
Welch Ganymedes hat den Schlaf-Trunck einge - ſchenckt.
Wie daß die Goͤtter nicht mehr unſre Werck ergruͤnden /
Hat denn die Himmliſchen der Lethe-Fluß getraͤnckt.
Vergiſt es / oder ſcheints / mein Licht / nur zu vergeſſen /
Wenn es in Zweiffel zeucht das Werck ſo es gemacht.
Jſts! ſo entdeck ichs bald! wo nicht / wie zu ermeſſen /
Aus einem Erdenkloß bin ich von dir erdacht.
A a a a a a 5Und10Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Und fragſtu wo? der Ort iſt kundbar aller Enden /
Stund nicht ein Garten da / wo unſer Anherr ſchlief /
Pflag nicht ein klarer Bronn ſein Silber auszuſenden /
Das von vier Roͤhren ſtarck durch Blum und Kraͤuterlief.
Begehrſtu auch die Zeit? es war nach wenig Tagen /
Als mit des Meeres Tamm die Erde ſich geſchuͤtzt.
Was mehr / du magſt darumb nur die Geſchichte fragen /
Es war der Wunder Kloß roth als mit Blut beſpritzt.
Du haſt drey Finger Sand darzu noch untermenget /
Diß war der erſte Zeugk aus dem mein Coͤrper ſtieg /
So daß an der Geburt mein Ausgang gleichfals hanget.
Der ich aus Staube kam / im Staube wieder lig.
Ein Toͤpffer wenn er Tohn auf Samos Ackern ſiehet /
So fuͤhrt er ein Gefaͤß aus leichter Erden auf /
Und ob er Anfangs zwar mit Graben ſich bemuͤhet /
Biß daß die Erde reich wird durch des Waſſers Lauf /
So drehet er hernach die niemals ſtille Scheibe /
Biß daß ein groſſer Krug waͤchſt unter ſeiner Hand /
Er waͤchſt / doch daß er kaum dieſelbe Stunde bleibe /
Dann brichts und wird wie vor ein wenig Koth und Sand.
Auf wenig beſſerm Grund ſteht mein gebrechlich Leben /
Ein leichter Schatten wird die letzten Tag umbziehn /
Warumb da vor ſich ſelbſt die Jahre bald erheben /
Will denn die Zeit ſo ſchnell mit ihren Pferden fliehn.
Mein Staub iſt all zu ſehr geneiget zum Verderben /
Mein Leben waͤr es gleich / nicht druͤcket da verſchwindt /
Daß von Cryſtallen nicht die dort den Himmel faͤrben /
Die Glieder mir gemacht und angeſetzet ſind.
Ach daß ich doch nicht bin als wie die lichten Sterne
Die Gott geſchaffen hat aus Spiegel-heller Fluth /
Mein Leben engliſch iſt und von dem Coͤrper ferne
Wie in Elyſien der heilgen Seelen Glut /
Jch hoff ein engliſch Ziel von gar viel hundert Jahren /
Und lauter Himmels-Jahre und Sternen-gleiche Tag /
Ach daß das Schuppenvolck der ſtummen Waſſer-Schaaren /
Von einem laͤngerm Raum und Leben ſagen mag.
Die Voͤgel kommen auch aus angenehmern Wiegen /
Vom Waſſer haben ſie ihr weiches Feder-Kleid /
Ach koͤnte Demant ſich in meine Glieder fuͤgen /
Die Nerven ſtrotzten mir als wie die aͤhrne Zeit.
Jhr11Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Jhr Schweſtern Seythinen ſeyd ſeeliger zu preiſen /
Weil euch die Poeſie von Ertze macht die Hand /
Und euren gantzen Leib von hartem Stahl und Eiſen /
Der nicht verwundſam iſt als an des Knoͤchels Rand.
Zwar aber nehm ich fuͤr? verdamm ich meine Huͤtten?
Und den elenden Leib / von ſchlechtem Leim gebaut.
Den Meiſter kans Gefaͤß mit Schimpfe nie beſchuͤtten /
Jch weiß auch daß ihm nicht vor ſeinem Wercke graut.
Ejusdem. Deſiderium VI.
Peccavi! quid faciam Tibi ô cuſtos hominum,
Quare poſuiſti me contrarium Tibi. Job. 7. 19.
ACh ja ich bin es werth / ich hab es auch verdienet /
Jch muß mein Laſter nur mit vollem Halß ausſchreyn /
Kein Fuͤrſpruch hilft mich hier / denn was ich mich erkuͤhnet
Jſt eine ſolche Schuld die leicht nicht zu ver zeihn.
Jch habe mich an dir / O hoͤchſter GOtt vergriffen /
Und dieſes Schandmal kan vermaͤnteln keine Kunſt /
Jch weiß daß uͤber mich dein Rach-Schwerdt ſchon geſchliffen /
Drumb iſt die Furcht der That wie auch die Scham umſonſt.
Jch falle dir zu Fuß mit aufgehobnen Haͤnden /
Benenne nur die Straf in der ich buͤſſen muß /
Soll ich in meiner Bruſt den bloſſen Dolch umbwenden /
Ein Denckmal aufzubau’n vor dieſes Urtheils Schluß.
Jtztleg auf dein Altar viel hundert Opffer-Kuchen /
Der fette Weyrauch ſoll biß an die Sterne gehn /
Ja wilſtu gar mein Blut zu dem Beſprengen ſuchen /
Fur meine Laſter will ich dir ein Opffer ſtehn.
Ach koͤnt ich Opffer ſeyn fuͤr ſo ein groß Verbrechen /
Denn alle Straffe iſt fuͤr meine Schuld zu klein /
Doch wirſtu ſo ergrimmt diß Thun nicht wollen raͤchen /
Daß Blut und ein Altar hier werden noͤthig ſeyn.
Wie oft hat nicht dein Stuhl den ſchwaͤchern Theil verziehen /
Und von dem Feinde Ruhm / den du verſchont gehabt.
Dein ſanft Gemuͤthe kan von ſolchem Zorn nicht gluͤhen /
Daß es ſich nach Verdienſt zu ſtraffen je gelabt /
Ach Schutz der Sterblichen und Heil der weiten Erden /
Zu dem die gantze Welt viel tauſend Wuͤnſche ſchickt.
Zeig12Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Zeig auch in deinem Zorn ſanfftmuͤthige Geberden /
Die Hand die Schwerdte traͤgt von der werd Huͤlf erblickt /
Erlaubſtu mir ſo viel (obſchon die kluͤgſten Worte /
Und der beredſte Mund nichts meiner Sache nuͤtzt)
Daß ich was weniges fuͤrbring an deinen Ort /
(So wuͤnſch ich) daß zugleich dein Recht auch ſey beſchuͤtzt.
Ach ſo vernein ichs nicht / ich bin befleckt mit Suͤnden /
Denn der gemeine Wahn der hat mich ſo verfuͤhrt.
Jtzt will man alle Schuld mir auf den Ruͤcken binden /
Da jeder doch das Feur in Kohlen aufgeruͤhrt.
Wenn der gantze Raſende in Weine ſich beſoffen /
Ein ander tolle Glut der Geilheit bey ſich trug /
So haͤtten ſie fuͤrs Schwerdt den Oele-Zweig zu hoffen /
Und daß die Donner-Hand nicht drauf mit Keulen ſchlug.
Soll ich denn ewiglich im Zwiekampf mit dir leben /
Wilſtu ein Fechter ſtets mich zu ermorden ſeyn /
Jſts nicht genug daß ich dir will[die] Haͤnde geben /
Und ſagen meine Schuld verdienet Zorn und Pein.
Werd ich dir nicht zu gleich den ſchoͤnſten Anlaß machen /
Daß meine Miſſethat dir noch zum Ruhm gedeyt /
Haͤtt ich mich nicht befleckt / vergaͤbſtu nicht die Sachen /
Und niemand prieſe dich ob deiner Guͤtigkeit.
Ejusdem. Deſiderium VII.
Anima mea deſideravit Te in nocte. Eſa. 26. ()
SO kommt Egyptens Nacht jetzt uͤber mich gezogen?
Denn meine Finſternuͤß iſt ihren Nebeln gleich.
Ach Schrecken / Furcht und Qual iſt in die Nacht ge - flogen /
So daß man ſie verbannt aus andrer Naͤchte Reich.
So traurig kan der Mond in Seythien nicht ſcheinen /
Obgleich der kalte Baͤr ſich niemals da entzeucht.
Die wohl leben / werden ſich ſo dichte nichtwereinen /
Wenn gleich das Phoͤbus Licht vom kalten Zembla weicht.
Der ſchwartzen Hoͤllen Burg hat nicht ſo ſchwartze Zimmer /
Obſchon die tieffſte Nacht da ihre Wohnſtatt haͤlt /
Denn ob die Augen da nicht ſehn des Lichtes Schimmer /
So iſt doch das Gemuͤth dem Tage zugeſellt.
Es ſehen ihre Nacht die ſtillen Nachtverwandten /
Cimmerien erkennts / daß ihm der Tag gebricht /
Doch13Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Doch nach ſechs Monat Zeit laͤſt Luna die Bekandten /
Und gibt den ſiebenden Raum ihres Brudern Licht.
Jch aber bin verdammt zu ſteten Finſternuͤſſen /
Mir geht kein eintzig Stern in meinem Elend auf /
Diß auch / was Blinden pflegt die Marter zu verſuͤſſen /
Entfaͤllt mir / mein Gemuͤth ſieht nicht der Naͤchte Lauff /
Und will ſie auch nicht ſehn / es liebt nur ſeine Schatten /
Vermeidet alles Licht / verkehrt den Tag in Nacht /
Denn nun der Hoffarts-Flamm mit ihm ſich will begatten /
So hat ſie ſein Geſicht in eine Kappe bracht.
Der Ehrgeitz laͤſt es nicht der Sonnen Fackel kennen /
Wenn ſchon der Venus Glut mit ihren Kertzen koͤmmt /
So oft ich dieſe Nacht will in den Sinnen nennen /
So fuͤhl ich / welche Nacht mir den Verſtand benimmt.
Ach unſern Augen iſt viel beſſer ja gerathen /
Wenn ihnen Sonn und Mond des Lichtes Wechſel bringt /
Was ſind doch der Vernunfft / was ſind des Willens Thaten /
Von dieſer Fuͤhrern nun wird das Gemuͤth umbringt.
Es iſt ein groͤſſer Schmertz zwey Augen zu beſitzen /
Wenn ſchon der wahre Brauch derſelben mangeln will /
Als wer nicht Augen hat / dieſelben nicht kan nuͤtzen /
Den zehlt die Urſach loß und jenem fehlt ſein Ziel /
Ein Wandersmann den ſpaͤt die Finſternuͤß beſchleichet /
Zieht deſto muthiger bey fruͤhem Morgen weg /
Die Nacht iſt all zu lang / ach Nacht die keiner gleichet /
Die auch der Sonne ſelbſt will nehmen ihren Zwegk.
Wenn ſonſt der Sonnen-Rad nach Mitternacht ſich wendet /
Erfreut ſich jeder Menſch von neuem ſie zu ſehn /
Und wenn die Morgenroͤth am Himmel angelaͤndet.
Rufft / wer es recht bemerckt / der Anbruch iſt geſchehn.
So hab ich mein Geſicht dem Himmel zugekehret /
Und beyden Angel-Stern wehklagend angeblickt.
Ach Sonne / iſt mir nicht dein hellrr Glantz beſchehret /
Jſt deiner Klarheit Pracht im Finſtern noch erſtickt?
Brich an gewuͤnſchtes Licht / und zeige dein Geſichte /
Ein eintzig Funcken iſt der mich vergnuͤgen kan;
Und darff ich dich nicht ſehn im allerhoͤchſten Lichte /
Genug wenn ich nur darff die Strahlen ſchauen an.
Ejus. 14Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Ejusdem. Deſiderium VIII.
Quis dabit capitimeo aquam & oculis meis fontem
Lacrymarum & plorabo die ac nocte. Jerem. 9. 1.
ACh koͤnte ſich mein Haupt in eine Fluth verkehren /
Es muͤſten Tropffen da wo jetzund Haare ſtehn /
Die Stirne waͤr ein Feld durchſchwemmt mit heiſſen Zaͤh - ren /
Sie moͤchten ungehemmt auf ihren Ufern gehn.
Daß die zwey Augen nicht zerrinnen in zwo Quellen /
Es wird ein eintzig Strom aus beyden Fluͤſſen ſeyn /
Und braͤchte Heraclit ſein Weinen auch zur Stelle /
So nehme meine Fluth den groͤſten Raum doch ein.
Ob dort Andromache ſchon an dem Felſen thraͤnet /
So gleicht ihr gantzes Naß doch meinen Zaͤhren nicht /
Ob David ſchwemmt ſein Bett und ſich unendlich ſehnet /
So haͤlt der Thraͤnen Macht den meinen kaums Gewicht.
Es mag die Magdalen des HErren Fuͤſſe baden /
Jn wahrer Hertzens-Reu und ungefaͤrbter Buß /
Und Petrus welcher ſich mit Meineyd hat beladen /
Gekraͤnckt von Furcht und Angſt zerſchmeltzt in einen Fluß.
So iſt mirs nicht genug Jch will des Nilus Guſſe /
Wenn Siebenſtroͤhung er der Jſis Aecker netzt /
Und dann / den Waſſermann wann er die naſſen Fuͤſſe /
Jns triebe Winter-Jahr mit vollen Kruͤgen ſetzt.
Wie wenn ein Wolckenbruch vom blauen Himmels-Bogen /
Mit ſchwartzem Ungeſtuͤmm erſchrecklich ſich ergeuſt /
Stadt / Doͤrffer / Feld und Wald die ſtehn in Waſſerwogen /
Und alles uͤberdeckt wohin die Fluth ſich reißt.
So wuͤnſch ich daß ſich auch der Augen Brunn erhebe /
Und daß mein kranckes Haupt ſey ein weite See /
Daß ſtat der Augen ich zwey Baͤche von mir gebe /
Daß von den Wangen mir das Waſſer niemals geh
Damit ich nimmermehr dieſelben trucknen moͤchte /
Daß auch das Auge ſelbſt in eigner Fluth erſtickt /
Und daß die Thraͤne mir den letzten Tropffen braͤchte /
Der mit dem Weinen auch zugleich mein Leyd ausdruͤckt.
Jhr blaues Waſſer-Volck ihr Meer-Einwohnerinnen /
Seyd tauſendmal begluͤckt die ihr verwandelt ſeyd /
Jhr15Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Jhr Glieder die ihr muͤſt nunmehr als Brunnen rinnen /
Und vormals Jungfern war’t voll holder Lieblichkeit.
Daß meine Armen nicht verwandeln ſich in Baͤche /
Und graue Wellen gehn auff dem bemooſten Haar /
Jch wuͤnſch ein Brunn zu ſeyn / je mehr ich dieſes ſpreche /
Je mehr wird mirs verſagt und bin verlaſſen gar.
Ach koͤnt ich Acis ſeyn der ſich in ſchnelle Wellen /
Umb ſeine Galate aus Liebes; Pein verſteckt /
Und muͤſte meine Fluth wie Biblis ewig quellen /
Die ſelbſt der Goͤtter Zorn zu einem Brunn erweckt.
Ach waͤre mir vergunt in ſolcher Form zu ſpielen /
Wie Achelous that mit ſeiner leichten Fluth /
Als Hercules an ihm die Flammen wolte kuͤhlen /
So von der Lieb entſprang und herꝛſcht in mancher Glut.
Den Wechſel der Geſtalt begehrt ich nicht zu haben /
Noch den geborgten Leib ſo wie ein Ochſe ſchien /
Ein ſchlechter Brunn zu ſeyn / ſchaͤtzt ich fuͤr Gut und Gaben /
Und flieſſen fort fuͤr fort den herrlichſten Gewinn.
Mehr Ehre wuͤnſch ich nicht / als nur ein reiches Rinnen /
Und meiner Augenbraun den unerſchoͤpfften Fluß /
Der wie als wenn der Schnee ſchmeltzt von des Pindus Zinnen /
Stuͤrtzt ſeine Wellen ab in ſtarcken Waſſer-Guß.
Die Thraͤnen ſollen mir durch das Geſichte ſchieſſen /
Und Stroͤmen gleiche gehn bey Tag und auch bey Nacht /
Jch will von keiner Luſt als nur von Thraͤnen wiſſen /
Biß meine Laſter ich mit Thraͤnen rein gemacht.
Ejusdem. Deſiderium IX.
Dolores inferni circundederunt me, præoccupaverunt
me laquei mortis. Pſ. 17. 6.
SOll als Actæon ich itzt eine Fabel heiſſen
Und der erzuͤrnten Hund elende Beuthe ſeyn /
Jch der ich vormals pflag der Jagt mich zu befleiſſen /
Bin nunmehr ſelbſt behetzt und lauf ins Netz hinein.
Mein Schluß war durch die Jagt die Sorgen zu beſtreiten /
Diana deinen Wald den hab ich nie beſucht /
Noch in den tieffen Froſt die Hunde wollen leiten /
Daß ſie das Wild beharrt und vorgebeugt der Flucht.
Jch16Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Jch habe nie die Hift auf Mænals Berg geblaſen /
Noch einem Backer je gegeben einen Fang /
Noch Wildſeil aufgericht auf der Parthener Raſen /
Und Lappen fuͤrgeſetzt zu hindern Spur und Gang.
Jch habe niemals Garn / Schwerdt / Spieſe / Pfeil und Bogen /
Als wie die Jaͤgerin Diana traͤgt / gefuͤhrt /
Ach wolte GOtt! ich waͤr der Luſt nur nachgezogen /
So waͤr ich itzt kein Raub von eigner Kunſt beruͤhrt.
Jch Unvernuͤnfftiger / wo ſind nun meine Jahre?
Ach haͤtt ich meine Bein an einem Dorn verletzt?
Warumb hab ich geſucht des Bacchus ſuͤſſe Waare.
Daß drauf Cupido mich hat in ſein Garn geſetzt.
Er braucht nicht nur allein den Koͤcher und die Pfeile /
Er hat auch Netz und Strick mit welchen er beruͤckt.
Und Bacchus leget auch den truncknen Fuͤſſen Seile /
Wie ſchoͤn er ſonſten ſich mit ſeinen Reben ſchmuͤckt.
Wie hat die Delila den Samſon nicht gebunden /
Und ihn ſamt ſeinem Haar beraubet ſeine Kraft /
Ja ward der Noe nicht bey ſeinen Toͤchtern funden /
Als ihm den Witz benahm des Weines ſuͤſſer Saft.
Mich hat die Venus auch gejaget in ihr Netze /
Wie vielmals hat ſie nicht zur Beuthe mich gemacht /
Weh mir! wohin ich nur die bloͤden Augen ſetze /
So bin ich wie ein Wild das ſchon ins Garn gebracht.
Und diß iſt das Geſicht das den Anton erſchrecket /
Und das er abgemerckt auf einem Felſen hat /
Er ſah ſo weit ſich nur der Erden Ziel erſtrecket /
Die gantze Welt gemahlt als wie auf einem Blat.
Und tauſend Coͤrper auch von Menſchen abgeriſſen /
Die waren ingeſamt mit Netzen uͤberſpannt /
Jedweder fuͤhlte Qual an Haͤnden / Kopf und Fuͤſſen /
Die Wolluſt haͤtte ſie argliſtig abgemannt.
Sie blieben wie am Leim die albreu Voͤgel kleben /
Un wiſſend daß ſie ſo Begierden rings umbſtellt /
Ach freylich wird uns ſtets des Todes Netz umbgeben /
Das noch viel ſchaͤrfer war als eine Spinne haͤlt.
Der lauſcht ohn Unterlaß und hoft in tiefen Ritzen
Biß eine Fliege ſummt die ſie zur Speiß erdruͤckt /
Der Vogel-Steller wird nechſt einem Baume ſitzen /
Biß er mit einem Jug den Raub ins Netzeruͤckt /
Jtzt17Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Jtzt ſtrent er Koͤrner aus / itzt laͤſt er Voͤgel ſingen /
Die laden ihn noch auf zu ihrem Keffich ein.
Jtzt baut er eine Huͤtt itzt leget er die Schlingen
Und pfeifft ſo lang ein Lied / biß ſie bethoͤret ſeyn.
Nicht anders hat uns auch der Laſter Schaar umbgeben /
Jedwedem ſtellt der Tod mit ſeinen Netzen nach /
Und wer ſich durch den Sprung will uͤbern Strick erheben /
Derſelbe ſtuͤrtzet ſich gar in der Hoͤllen-Bach.
Das Siebende Capitel Hiobs.
HAt nicht der arme Menſch mit Feinden ſtets zu thun!
Wie muß er doch im Zanck und argem Streite leben.
Hier hat ihn Fleiſch und Blut verraͤtheriſch umbgeben /
Dort kan er vor dem Feind der Finſternuͤß nicht ruhn.
Die Welt tritt auch mit an und ſeine gantze Tage
Sind Tageloͤhnern gleich / nie ohne Muͤh und Plage.
Wie ſehnlich wuͤnſcht ein Knecht des Abends-Schatten Streiff /
Ein Tageloͤhner hofft der ſchweren Arbeit Ende.
Wie hab ich doch umbſonſt die Wercke meiner Haͤnde /
Nach Monaten erfuͤllt; elender Naͤchte Reiff
Und rauhe Witterung vergebens ausgeſtanden /
Weil keine Linderung der Trangſal war vorhanden.
Wenn ich mich erſt gelegt / ſo ſprach ich ſchon bey mir:
Wenn wach ich wieder auff / und geh aus meinem Bette?
Dann rechnet ich genau / wie viel ich Stunden haͤtte /
Eh als die Nacht einfiel; denn ich zum Scheuſel ſchier
Bey lichtem Tage war / biß Finſternuͤß entſtunde /
Und mich der bloͤden Angſt die Dunckelheit entbunde.
Mein Fleiſch iſt umb und umb durchfreſſen durch den Wurm /
Und kothicher Geſtanck klebt auf den duͤrren Knochen.
Die Haut iſt Eiter voll und ſchrumpffich eingekrochen;
Ja ich bin gantz zernicht. O grauſer Ungluͤcks-Sturm!
Und meine Tage ſind ſo ſchnell dahin geflogen /
Als wie ein Weberſpul wird ploͤtzlich durchgezogen.
Weil da kein Halten war / ſo giengen ſie darvon.
Gedencke / daß mein Reſt des Lebens Wind iſt worden /
Und meine Augen nicht mehr kommen zu dem Orden
Der diß was gut / beſchaut. Es ſieht mich ohne Hohn
Kein lebend Auge mehr / und kan mich auch nicht ſehen:
Du aber ſieheſt mich. Was wird mir noch geſchehen.
B b b b b bDie18Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Die Wolcke die vergeht und faͤhret fluͤchtig hin;
So wer in ſchwartzen Pful der tieffen Hoͤllen ſtuͤrtzet /
Demſelben wird der Weg zu uns herauff verkuͤrtzet;
Er kommt nicht wiederumb in Stell und Ort / darinn
Er vor geweſen iſt. Sein Hauß wird ihn nicht kennen /
Sein Eigenthum nicht mehr wie vor / Beſitzer nennen.
Drumb wil ich meinem Mund nicht wehren / weil er kan /
Die heiſſe Hertzens-Angſt beweglich auszuſagen /
Der Seelen Jammer-Leyd dem HErren fuͤrzutragen.
Ach! bin ich denn ein Meer? Trag ich denn Schuppen an
Daß du mich ſo verwahrſt? Wenn ich bey mir gedachte
Jm Bette Troſt zu hol’n; Wenn ich mein Lager machte
Zur Schmertz / Erleichterung / wenn ich mich ſelbſt beſprach /
So ſchreckſt du mich die Nacht mit ungeheuren Traͤumen /
Daß meine Seele wuͤnſcht erhenckt zu ſeyn an Baͤumen /
Und mein Gebein der Tod truͤg an der Ketten nach.
Jch wil und kan nicht mehr / erzoͤrnter Schoͤpffer leben /
Hoͤr auff von mir / hoͤr auff! wer kan dir widerſtreben?
Denn meine Tage ſind vergebens hingewiſcht.
Was iſt ein Menſch / O HErr / daß du ihn ſo groß achteſt /
Und mit Bekuͤmmerung nach ſeinen Thaten trachteſt /
Du ſuchſt ihn taͤglich heim / ſein Leyd wird ſtets erfriſcht.
Ach warumb thuſt du dich doch nicht von meiner Seiten!
Laͤßt du denn gantz nicht ab / und hoͤrſt nicht auff zu ſtreiten /
Biß ich den Speichel ſchling? Hab ich geſuͤndigt je /
Was ſoll ich dir denn mehr / du Menſchen-Huͤter leiſten?
Warumb verurſachſt du / daß ich auf dich am meiſten
Stoß / und mir ſelbſten bin die Laſtung meiner Muͤh?
Warumb vergibſt du mir nicht meine Miſſethaten /
Und nimmſt die Suͤnde weg in die ich bin gerathen?
Denn nunmehr ſcharr ich mich tieff in die Erd hinein /
Da wil ich meine Ruh nach ſo viel Ungluͤck hoffen /
Diß iſt der beſte Tauſch ſo ich jemals getroffen /
Und wenn man mich denn ſucht bey fruͤhem Morgenſchein /
So wird noch Stumpff noch Stiel auf dieſer weiten Erden /
Von mir bedraͤngtem Mann gefunden koͤnnen werden.
Das19Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Das zehende Capitel Hiobs.
JCh habe nun Verdruß auf dieſer Welt zu leben /
Und meine Seele aͤchz’t / daß ich ſo leben muß.
Es rinnt aus meinem Aug ein ſteter Thraͤnen-Fluß.
Jch muß in Angſt-Geſchrey jetzt meine Klag erheben /
Die Noth iſt gar zu groß die meine Seele plagt /
Wohlan / es ſey doch GOtt mein Hertzenleyd geklagt.
Verdamme mich nicht bald und geh nicht ins Gerichte
Mit mir Unwiſſenden. Erzehle was es ſey?
Eh ich erſcheinen ſoll / und mach mich Zweiffels frey /
Warumb du mit mir zanckſt / daß ich mich unterrichte.
Gefaͤllts dir denn O GOtt! an mir Gewalt zu thun;
Und kanſt du keine Zeit und Viertelſtunde ruhn?
Verwirffſt du dieſen auch den deine Hand erbauet /
Und ſtoͤſt der Meiſter ſelbſt ſein Meiſterſtuͤck jetzt ein?
Muß der Gottloſen Rath durch dich geehret ſeyn;
Da man mich ausgethan von deinem Antlitz ſchauet?
Biſt du denn fleiſchlich auch / wie Menſchen ſind / geſinnet?
Und ſiehſt du ſo wie ſie / das an / was man beginnet?
Vergleicht denn deine Zeit ſich mit der Menſchen Zeiten?
Jſt deiner Jahre Raum als Manns-Zeit eingefaſt /
Daß du nach Miſſethat ſo eine Frage haſt /
Und ruͤgeſt meine Suͤnd und Schuld und Eitelkeiten?
Es iſt dir zwar bewuſt daß ich nicht gottloß bin.
Doch kan ſich deiner Hand durchaus niemand entziehn.
Du haſt mich ſelbſt zu erſt gemacht mit deinen Fingern;
Und was ſich umb und umb an dieſem Leibe regt /
Das hat mir deine Hand / mein Schoͤpffer / angelegt;
Und nun verſenckſt du mich / und willſt mich gar vorringern.
Gedencke / daß ich nur aus Laͤimen bin gemacht /
Und daß ich wieder werd in Laͤim und Erde bracht.
Haſt du mich nicht wie Milch und fetten Rahm gemolcken?
Gerann ich nicht darnach den weichen Kaͤſen gleich?
Und eh ich Armer noch kam auf der Erden Reich /
So gabſt du mir ein Kleid das ſchoͤner als die Wolcken.
Von friſch geſundem Fleiſch und einer zarten Haut
Hat meine Mutter mich nach ihrer Angſt geſchaut.
Du fuͤgteſt Bein an Bein mit Adern wohl zuſammen /
Das Leben gabſt du mir und Wohlthat auch darzu.
B b b b b b 2Von20Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Von deinem Auffſehn hat mein Athem ſeine Ruh.
Wie ſtellſt denn du dich jetzt als wollſtu mich verdammen?
Und obſchon alles diß dein Vater-Hertz verdeckt /
Doch weiß ich / daß es dich / mein zu gedencken / weckt.
Denn wenn ich ſuͤndige / ſo kanſt du es bald mercken /
Und meine Miſſethat bleibt niemahls ohne Pein.
Es muß mir Angſt und Weh bey meinen Laſtern ſeyn.
Und bin ich gleich gerecht in Worten und in Wercken /
So darff ich doch mein Haupt nicht richten auff empor /
Weil ich voll Elend bin / und mein Schmertz gehet vor.
Du aber richt’ſt dich auff / wie auffgeweckte Loͤwen /
Der ein ohnmaͤchtig Lamm in ſeinen Rachen ſchlingt.
Wie grauſam handelſt du? Wie haſt du mich umbringt;
Und hoͤreſt noch nicht auff mich ernſtlich zu bedraͤuen!
Du ſtelleſt Zeugen vor / die wiſſen gar zu viel;
Dein Zorn der haͤuffet ſich. Jch bin der Menſchen Spiel.
Es plaget eines nach dem andern mich mit Hauffen.
Ach warumb muſt ich doch aus Mutterleibe gehn!
Ach warumb blieb ich nicht in der Geburts-Statt ſtehn;
Ob ich im Schlamme gleich und Unflat muͤſt erſauffen?
O daß kein Auge mich auf dieſer Welt geſehn!
So waͤre mir ja wohl und mehr als wohl geſchehn.
Jch waͤr alßdenn geweſt als die ſo nie geweſen;
Von Mutterleibe bald zur Grabes Staͤtt gebracht /
Wird denn kein Ende nicht der ſchweren Zeit gemacht?
Muß ich noch vor dem Tod in Traurigkeit verweſen?
Laͤſt denn der grimme Schmertz ein wenig nicht von mir?
Daß ich ein wenig nur erquicket wuͤrde hier;
Eh denn ich gar vergeh und komme nicht mehr wieder.
Aus Barthii Soliloquiis.
WAs ich nur hoffen kan / was ich nur kan begehren /
Mein JEſu / Sieges-Fuͤrſt / das uͤberbring ich dir.
Jch wil die Seele ſelbſt zum Unterpfand gewaͤhren /
Mein Leben das iſt dein / und ich bin auſſer mir.
Ach der du dieſen Tag von Todten aufferſtanden /
Zeuch mich mit deinem Arm aus meiner Suͤnden Nacht.
Ach wuͤrcke doch in mir / ich bin / mein GOtt / vorhanden;
Und bitt / es werd aus mir ein ander Menſch gemacht.
Der21Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Der ich mir vor gefiel in nichts / als boͤſen Wercken /
Gib daß ich dir allein nur wohlgefallen mag!
Dein Aufferſtehungs-Feſt / das wolle mich ſo ſtaͤrcken /
Daß ich zu keinem Ding mehr ein Verlangen trag.
Und daß mir alles ſtinckt / und daß ich alles haſſe /
Was dir zuwider iſt / und wider dein Gebot:
Hergegen dich / O HErr / in ſolchem Glauben faſſe /
Daß ich ſtets ſagen kan / mein hoͤchſter Schatz iſt GOtt.
Ach koͤnt ich mein Gemuͤth und Regungen der Sinnen
Verlaſſen! weil ſie nur ſind Stoͤrer meiner Ruh!
Ja dieſen Augenblick wuͤnſch ich zu ziehn von hinnen /
So bald mein Heyland nur dein Wille kaͤm darzu /
Damit ich mich aufs neu mit Suͤnden nicht befleckte /
Vergeſſe den Beruff da ich dir dienen muß;
Und wieder in die Welt mein eitles Auge ſteckte /
Wo Laſter / Suͤnd und Schand im groͤſtem Uberfluß.
Mein Heyland halte mich! Ach mein Erretter rette!
Schlag die Begierden todt; Gib daß von dieſer Zeit
Jch nimmermehr gedenck an mein als Suͤnden-Bette /
Nur einzig aber dir zu dienen bin bereit.
Daß ich auf ewig nicht mit jemand moͤge zancken /
Und daß ich nichts begehr was irdiſch iſt / und heiſt.
Daß mein Verbrechen ich ſtets fuͤhr in den Gedancken
Und daß mein reuig Hertz die Thraͤnen druͤber geuſt.
Jch thu dem Nechſten Guts / und wil nun niemand ſchaden.
Jch goͤnn auch jederman / was ich mir ſelbſt erwehlt.
Nachdem ich theilhafft bin der Aufferſtehungs-Gnaden /
So bin ich aufferweckt / und dir auch zugezehlt.
Diß Wollen kanſt du doch / mein GOtt / in mir vollbringen:
Jch weiß / ich fuͤhl es auch; denn auſſer deiner Gnad
Kan ſolche Lebens-Art unmoͤglich mir gelingen.
Und weil dein Wort ins Hertz mir diß geleget hat;
Ja dieſe Zeilen auch / ſo ich jetzunder ſchreibe /
Dein Geiſt in mir erweckt / ſo wuͤrcke doch in mir /
Daß ich ein brennend Tacht in meinem Leben bleibe /
Und diß ins kuͤnfftige mir kraͤfftig ſetze fuͤr /
Daß nicht ein ander Schall aus meinen Lippen gehe;
Daß ich nichts reden mag / als was dein Lob betrifft;
Daß ich / Erſtandener / mit dir ſo aufferſtehe /
Und in dem ſtarcken Troſt / trotz auch der Hoͤllen Gifft.
B b b b b b 3Mein22Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Mein Name der iſt ja in deine Hand geſchrieben /
Jch bin ins Lebens-Buch von dir getragen ein.
Du Sieger / der du haſt all Ubelthat vertrieben /
Jch hoff / ich werde noch von denen Suͤndern ſeyn /
Fuͤr welche du dein Blut ſo milde haſt vergoſſen;
Das Waſſer und das Blut ſo aus der Seiten rann /
Dient auch zu meinem Heyl / macht mich zum Mitgenoſſen
Des Himmels / daß ich nun verſichert leben kan.
So nun der Thau darvon macht ſeelig meine Seele /
So nun ein einzig Hauch / wie auf die Juͤnger fiel.
Auch meinen Geiſt erleucht in dieſes Leibes Hoͤle /
So gib doch / welches ich gehorſam bitten wil.
Gib / ſag ich / mir die Krafft / die Suͤnd hinfort zu meiden /
Der ich ſo hertzlich gram in meinem Hertzen bin.
Du wirſt mich / als mein Haupt / dein Glied nicht von dir ſcheiden /
Weil du erſtanden biſt / du nimmſt mich mit dir hin.
Und wie du nicht mehr ſtirbſt / und lebeſt gantz verklaͤret /
So hilff / daß mich die Zeit / ſo ich noch leben muß
Jn meines Kerckers Hauß / mit Ach und Noth beſchweret /
Dein guter Geiſt regir in meiner Wercke Schluß.
Und endlich wenn ich nun aus dieſem Leben ſcheide /
So nimm mich in dein Reich / daß ich dich preiſen kan.
Und deine Majeſtaͤt in auserleſner Freude
Und hoͤchſter Herrlichkeit unendlich beten an.
Evolemus!
Es kan das Marter-Hauß die Welt uns nicht vergnuͤgen.
Auff Seele! laß uns bald aus dieſem Kercker fliegen.
Sonnet.
ACh ewig Vaterland! Ach Wohnhauß voller Freude!
Wie ſehn ich mich nach dir / wie hoff ich Tag und Nacht /
Daß mich ein ſeelig Tod frey von den Feſſeln macht /
Darinn der ſieche Leib muß unauffhoͤrlich leiden.
Jch brenne vor Begier aus dieſer Welt zu ſcheiden /
Dem Nothſtall aller Angſt / wo bleicher Kummer wacht /
Und neue Truͤbſal bluͤht / und Laſter-reiche Pracht
Offt das Gewiſſen lockt / des Hoͤchſten Wort zu meiden.
Auff Seele! Schwinge dich zu der geſtirnten Hoͤh!
Du23Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Du biſt als Pilgerinn in Thraͤnen hier gegangen /
Nun aber wirſt du dort den Gnaden-Lohn empfangen /
Und wahre Himmels-Luſt folgt auf der Erden Weh.
Laß / was verweſen kan / im Schos der Erden ligen /
Du muſt nach Adlers Art zur Lebens-Sonne fliegen.
Liebe zu GOTT. Sechſtinne.
WAs lieb ich? lieb ich denn das Hauß der groſſen Welt?
Ergetze mich an Ehr / und hoher Wuͤrden-Macht?
Verſchlieſſe meine Zeit in Lieblichkeit und Luſt?
Erſaͤttige mein Aug an Schoͤnheit der Geſtalt?
Thu meinem Leibe wohl bey guter Speiß und Tranck?
Kauff Aecker / Wieſen / Feld / und bau auf meinen Schatz?
Nein; meine Seele ſcheut die wandelbare Macht /
Und haßt was ſie befleckt / die aufgeputzte Luſt.
Sie kennt den Fallſtrick wohl der reitzriſchen Geſtalt /
Und weiß / daß ſie erſtickt in Schwelgerey und Tranck /
Wie ſehr ihr hinderlich ein Kummer-reicher Schatz /
Und daß nur Eitelkeit wohnt in dem Hauß der Welt.
Jch liebe meinen GOtt / den Brunnquell aller Luſt /
Und ſehe ſchon im Geiſt die himmliſche Geſtalt.
Mein Schoͤpffer reichet mir den wahren Himmels-Tranck /
Schenckt mir die Seeligkeit / ach unvergleichlich Schatz.
Die Erde ſtinckt mich an / ich haſſe Geld und Welt /
Weil uͤber alles diß noch eine hoͤh’re Macht.
O Glantz der Herrlichkeit! O lieblichſte Geſtalt!
Wie ſehn ich mich nach dir! Geuß doch den Lebens-Tranck
Den duͤrren Lippen ein / mein Heyland und mein Schatz!
Befreye mich doch bald und nimm mich von der Welt /
Jn der ich ſchmachten muß! Dein unumbſchriebne Macht /
Vermag ja zu ertheiln die hoͤchſtgewuͤnſchte Luſt.
Jch habe nie geliebt der Wolluſt Zauber-Tranck
Und geitzig nachgeſtrebt zu haben einen Schatz.
Jch wuſte daß verging die Eitelkeit der Welt /
Drumb war ich nicht ihr Freund. Jch lacht offt ihrer Macht /
Und ſeuffz’te nur zu dir / mein GOtt / weil keine Luſt
Ohn Angſt. Und Jahr und Zeit verderben die Geſtalt.
Nun HErr / weil ich dich lieb / entſchlag ich mich der Welt /
Weil ich dein Allmacht ehr / verſpott ich ird’ſche Macht /
B b b b b b 4Und24Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Und habe nur an dir und deinem Worte Luſt.
Mein geiſtlich Auge ſieht dein Anmuth der Geſtalt.
Weg / weil mein Braͤutigam mich traͤnckt mit ſeinem Tranck /
Welt / Macht / Luſt und Geſtalt / Tranck / Aecker / Wieſen / Schatz.
Um Gottesfurcht.
1.
OVater aller Guͤt / ich klage dir mit Schmertzen
Die Bosheit meiner Seel und Gift in meinem Hertzen
Die mich ſo gar beſeſſen
Daß ich O hoͤchſter GOtt!
Hab uͤberall vergeſſen
Dein Heiſſen und Gebot.
2.
Ach keine Gottesfurcht iſt mehr vor meinen Augen
Die leyder gaͤntzlich dich recht zu erkennen taugen.
Dich kan ich ja nicht lieben
Noch alß ich Armer ſoll
Jn deiner Furcht mich uͤben /
Das fuͤhl ich gar zu wohl.
3.
Es iſt ja meine Suͤnd und Boßheit nicht zu meſſen
Offt hab ich dein Geſetz / O groſſer GOtt vergeſſen /
Offt laß ich mir gefallen
Die Wolluſt dieſer Welt
Der leyder ich fuͤr allen
Mich taͤglich dargeſtellt.
4.
Jch ſeufz: O frommer GOtt! du wolleſt mir vergeben /
Daß ich in Sicherheit verbracht mein junges Leben
Jndem ich nicht geſcheuet
Die Straffe die mir dort
Von dir iſt angedraͤuet
Mir laͤngſt in deinem Wort.
5.
Es iſt dich fuͤrchten ja die wunderſchoͤne Tugend
Der Weisheit hoͤchſter Schatz die Meiſterin der Jugend /
Wohl dem der dieſe kennet
Und klebet feſt ihr an
Der wird ein Chriſt genennet
Der GOtt gefallen kan.
6. Noch25Geiſtliche Gedichte und Lieder.
6.
Noch ferner bitt ich HErr du wolleſt von mir nehmen /
Mein angeborne Suͤnd und kraͤfftig in mir zaͤhmen /
Das Boͤß in meinem Willen /
Samt der Vermeſſenheit /
Benebenſt dem auch ſtillen
Den Spott der Ewigkeit.
7.
Gib deinen guten Geiſt / den Geiſt der Furcht des HErren /
Und laß mich nur in ihr mein gantzes Hertz verſperren /
Daß ich an allen Orten /
Wo ich auch immer ſey /
Mit Wercken und mit Worten /
Fuͤr deinem Zorn mich ſcheu.
8.
Erwecke wahre Reu und Leyd in meinem Hertzen /
Daß ich mein eitles Thun beweinen moͤg mit Schmertzen.
Und daß ich ja beklage /
Mehr meine Miſſethat /
Als deinen Zorn und Plage /
Die mich ergriffen hat.
9.
O ſeelig werd ich ſeyn / im Fall ich kan erkennen /
Daß du mein GOtt gerecht / ich aber boͤß zu nennen /
Ja daß ich billich leide
Die wolverdiente Pein /
Und weil ich ſelbſt mich ſcheide
Von dir / muß ſtraffbar ſeyn.
10.
Verleyh mir hoͤchſter GOtt / weil ich noch leb auf Erden /
Daß ich der Suͤnden gram und hertzlich feind mag werden.
Als welch ohn allen Zweiffel /
Fuͤrlaͤngſt entſproſſen iſt /
Von dem verfluchten Teufel /
Durch Luͤgen / Trug und Liſt.
11.
Wenn auch des Creutzes Laſt mich grauſamlich wird druͤcken /
So wolle deine Gnad / O GOtt nicht von mir ruͤcken.
B b b b b b 5Du26Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Du kanſt mein Elend ſtillen /
Und ſchnell erretten mich /
Umb deiner Guͤte willen /
Das glaub ich feſtiglich.
12.
Bewahre meine Seel und innerſte Gedancken /
Daß ſie von deiner Furcht in Ewigkeit nicht wancken.
Beſondern nach dir ſehen
HErr GOtt zu jeder Friſt /
So wird nicht leicht geſchehen /
Was dir zuwider iſt.
13.
Mein innerliches Aug HErr bleibe ſtets gerichtet
Auf dich / daß alles was mein Hertz und Sinn ertichtet /
Nach dir allein ſich lencke /
Sowol in Luſt als Leyd /
Huͤlf daß ich ſtets bedencke
Die Pein der Ewigkeit.
14.
Gib Gnade / daß ich moͤg in allen meinen Sachen /
Den Anfang und das End in deiner Liebe machen /
Darzu fuͤr allen Dingen /
Einſt hertzlich zu dir ſchrey /
Dann wird mein Thun gelingen /
Es ſey auch was es ſey.
15.
Ach laß mich HErr ja nicht von deiner Furcht abwenden /
Luſt / Reichthum / Ehr und was die Seele ſonſt kan ſchaͤnden /
Wenn mich gleich alles plaget /
Dennoch ſo troͤſtet mich
Dein Wort / was dieſes ſaget /
Dem glaub ich feſtiglich.
16.
Erbarmen / Seegen / Gnad / Errettung / Huͤlf und Leben /
Erhaltung / Weißheit / Troſt und Heyl wirſt du mir geben /
O treuer GOtt regire /
Mir kraͤfftig Hertz und Sinn /
Daß deine Furcht mich fuͤhre /
Biß ich vergraben bin.
Umb27Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Umb Vergnuͤglichkeit.
ZWey Dinge bitte ich / O groſſer GOtt / von Dir /
Laß mich Genade / HErr / fuͤr deinen Augen finden!
Kein Reichthum ſchencke mir /
Und laß hingegen mich nicht Armuths-Ketten binden!
Wie leichte koͤnt ich nicht mich gar zu weit vergehn;
So / daß mein Hertze moͤcht an ird’ſchen Dingen kleben /
Weil kaum beyſammen ſtehn /
Ein Geld ergebner Sinn / und ein gottſeelig Leben.
Jch baute meinem Gold eh Tempel und Altar /
Eh ich dich wahren GOtt mit reiner Andacht ſuchte /
Jhr ſchaͤtzt es ohn Gefahr /
Wenn meinen ſchnoͤden Geitz gleich alle Welt verfluchte.
Wie viel hat nicht ihr Geld umb Seel und Leib gebracht /
Sie von dem Himmel-Weg / der Hoͤllen zu gezogen?
Zu Knechten ſie gemacht /
Des Vaters alles Trugs der ſie hernach betrogen.
Und was iſt Geld und Gold / als ein vergaͤnglich Koth?
Was ſind die Schaͤtze mehr als Schluͤſſel zu den Suͤnden?
Kommts an die letzte Noth /
Wo wirſt du Rath und Troſt bey deinem Klumpen finden?
Und wird beſtaͤndig auch hier dein Vermoͤgen ſeyn?
Welch Zufall kan es nicht im Augenblick entwenden?
Und wer viel ſammlet ein /
Der ſchaut es noch zu letzt in frembder Leute Haͤnden.
Der Muͤntze Korn und Schrott / wie ſehr es uns gefaͤllt /
Jſt zwar ein herꝛlich Ding im Leben / nicht im Sterben:
Denn es bleibt auf der Welt /
Und trifft zum oͤfftern an nicht einen danckbarn Erben.
Viel / die ſo ſehr geſcharrt nach einem groſſen Gut /
Die haben es hernach den Kindern nicht gelaſſen:
Wenn Krieg / wenn Glut und Flut /
Und ungetreue Freund es nach dem Tode faſſen.
Ach wende doch / mein GOtt / mein Hertze gantz hinweg!
Jch darff ein Weniges zum Unterhalt im Leben /
Und meiner Hoffnung Zweck
Jſt / daß dein Vater-Hertz es mir wird gnaͤdig geben.
Nimm /28Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Nimm / bitt ich / auch von mir des Armuths ſchwere Laſt!
Was kan elenders ſeyn als ſteten Mangel leiden;
Wo weder Ruh noch Raſt /
Die Sorgen laſſen zu / die durch das Hertze ſchneiden!
Laß meinen Saamen nicht allhier nach Brodte gehn /
Noch in der Duͤrfftigkeit des Geiſtes Krafft erſticken.
Der ſteigt nicht an die Hoͤhe
Den Kummer und Gebruch zur Erden nieder druͤcken.
Jch bin mit wenigem von deiner Hand vergnuͤgt.
Es ſoll mein Biſſen Brod fuͤr dem mir beſſer ſchmecken /
Der ſtets zu Hofe ligt /
Und ſieht halb hungrig an der Fuͤrſten Tafel decken.
Zu dem darff die Natur ſo groſſen Vorrath nicht:
Das beſte Gaſtmahl iſt ein froͤliches Gewiſſen.
Wem dieſes ſchon gebricht /
Der wird bey beſter Koſt / nur Gall und Gift genieſen.
Wenn die Vergnuͤgung nur mit mir zu Tiſche ſitzt /
Vertrauen auf dich HErr / mit mir zu Bette gehet;
Mich deine Macht beſchuͤtzt;
So frag ich weiter nicht / wie der und jener ſtehet.
Er halte dieſen Muth / befeſte dieſen Sinn /
Biß endlich ich den Lauff des muͤden Lebens ſchlieſſe:
Denn nimm mich zu dir hin /
Wo ich des Lebens-Brod / den Kelch des Heyls genieſſe!
Paſſion-Lied.
1.
O HErr der hohen Himmels-Kertzen /
Du Licht der ewig lichten Macht /
Mich martern deine truͤbe Schmertzen
Und gehn mir aͤngſtiglich zu Hertzen /
Mich plagt des Todes duͤſtre Nacht /
Wor zu dich mein Verbrechen bracht.
2.
Das Schuld-befreyte Licht der Sonnen
Hat / als es war umb dich geſchehn
Zu dem dein Lebens-Oel verronnen /
Mit Nacht ſein Antlitz uͤberſponnen.
Es konte nicht das Unrecht ſehn /
Daß Selaven ihren Kaͤyſer ſchmaͤhn.
3. Wie29Geiſtliche Gedichte und Lieder.
3.
Wie ſoll denn ich (da meine Suͤnden
Dich ſtuͤrtzen in den Suͤnden-Koth /
Du dich Unſterblicher laͤſt binden
Hiermit ich Sterblicher kan finden
Was mir die Freyheit ſchenckt bey GOtt:)
Nicht ſeuffzen uͤber deine Noth?
4.
Jch habe mich im Schlam gewuͤhlet
Der Seelen reines Kleid befleckt /
Jch bins der ſein Gewiſſen fuͤhlet /
Auf den der Hoͤllen Rabe zielet /
Den ſeine ſchwartze Schuld erſchreckt /
Weil mich der Unflats Mantel deckt.
5.
Jch bin ein Koch der Suͤnden-Speiſen /
Jch richte nichts denn Laſter an /
Mein Meſſer iſt von Wolluſt Eiſen /
Mein Eiſen kan kein Engel preiſen /
Es ruͤhrt noch her vom erſten Mann /
Daß ich nichts Gutes kochen kan.
6.
Wie ſoll ſich meine Schwachheit wagen /
Dir aufzuopffern ihren Gruß?
Der du im Jammer-vollen Zagen /
Haſt meine Laſt mir helffen tragen.
Und durch den falſchen Judas Kuß
Machſt in den Himmel einen Fuß.
7.
Wie ſoll mit Dancken ich erreichen /
Womit du Heyland mich verehrt?
Sind das nicht werthe Liebes-Zeichen?
Du laͤſt den Moͤrdern dich vergleichen /
Der du den Frieden ſtets gelehrt
Und Aufruhr jederzeit verſtoͤhrt.
8.
Du nimmſt das Rohr des Scepters Zeichen /
Und faͤrbſt die Dornen mit dem Blut /
Auf daß mir halb-geſtorbnen Leichen
Durch dieſen Spott und ſchimpfflich ſtreichen /
Und30Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Und durch die Purpur-rothe Fluth /
Mein Spruch zum Lebeu falle gut.
9.
Du haſt vor mich die Schmach erkohren /
Und ins Gefaͤngnuͤß dich geſtellt /
Ach! den der ſelbſt das Recht geboren /
Spricht ungerechtes Recht verlohren /
Und der den Tod in Banden haͤlt /
Wird ſeiner Richter Loͤſegeld.
10.
So ſtirbſt du HErr vor das Geſchlechte /
So ſelbſt an deinem Leiden ſchuld!
Der Koͤnig leidet vor die Knechte /
Die Boßheit buͤſſet der Gerechte /
Und machet uns durch die Gedult /
Den groſſen Vater wieder hold!
11.
HErr / der du dieſes wollen leiden /
Ertheile mir dein Angeſicht /
Und dencke / wenn nach dieſem Scheiden
Du mich mit Fleich wirſt wieder kleiden /
Und wenn dein Mund das Urtheil ſpricht /
Daß du vor mich ſchon ſeyſt gericht.
12.
Jch ſeh des Todes Macht zerſplittern /
Und er verliert ſein ſcharffes Recht /
Der Gruͤfte feſte Mauren zittern /
Der Frommen Leib und Graͤber ſchuͤttern /
Und gehn hervor: Weil GOtt geſchwaͤcht /
Den jeder hielt als ſeinen Knecht!
13.
So werd ich frey von allen Stricken:
Jndem das Hoͤllen-Netze bricht /
Sich darff kein Garn mehr auf mich ruͤcken /
Noch mich mit ihren Ketten druͤcken /
Weil ſelbſt das ewig helle Licht /
Bey GOtt vor meine Schuld einſpricht.
Paſſions -31Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Paſſions-Andacht.
ACh JEſu! ſoll mein Hertz nicht brennen /
Und voll erhitzter Andacht gluhn?
Der Geiſt zu deinem Leiden rennen /
Und ſein verweßlich Kleid ausziehn /
Dein unausſprechlich Angſt und Marter zu erwaͤgen?
Ach ja ich bin bereit /
Jn tieffer Traurigkeit /
Mich fuͤr dein heilig Creutz / mein Heyland / hinzulegen.
Den alle Himmel nicht umbfaſſen /
Schließ ich in Glaubens-Armen ein /
Wie koͤnt ich dieſen Schatz verlaſſen /
Der mich befreyt der Hoͤllen-Pein.
Jch flieh in meiner Angſt gedruckt von ſchweren Suͤnden /
Jn deine Seiten Hoͤl /
Laß / JEſu / meine Seel
Errettung von dem Tod und ſuͤſſe Labſal finden.
Jch zittre zwar / wenn ich bedencke
Der bittren Marter Grimmigkeit.
Du ſtirbſt / und gibſt mir zum Geſchencke
Das Heyl der wahren Ewigkeit.
Man kroͤnt mit Dornen dich / daß ich kan Blumen tragen.
Du faͤllſt / ich ward erhoͤht.
Auf daß der Menſch beſteht /
So laͤſt du Dich fuͤr ihn mit Ruth und Geiſſeln ſchlagen.
Wie milde floß die Purpur-Quelle /
Zu tilgen meiner Flecken Mahl.
Nun fuͤrcht ich weder Tod noch Hoͤlle /
Noch aller Marter Angſt und Quaal.
Die Liebe zwiſchen mir und dir iſt nicht zu trennen.
Du biſt mein hoͤchſtes Gut /
Und deine Liebes-Glut
Soll ſtets in meiner Seel als eine Kertze brennen.
Wenn meine Augen einſt verfallen /
Ach JEſu / ſo erſcheine mir!
So lang ich auf der Welt muß wallen /
So leb ich gleichfals eintzig dir.
Jch32Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Jch uͤberliefer auch den Geiſt in deine Haͤnde.
Den Leib bedeckt ein Kloß.
Jch ſitz in deiner Schos /
Und preiſe Gottes Treu und Guͤte ſonder Ende.
Auf das heilige Pfingſt-Feſt.
WEſendliche Flamme /
Heiſſe Liebes-Amme /
O GOtt heil’ger Geiſt /
Brenne mit der Kertze /
Doch mein traͤges Hertze /
Das mit Froſt beeiſt.
Weil auf allen Seiten /
Stuͤndlich ich muß ſtreiten /
Ach / ſo ſteh mir bey!
Hilff mir hurtig kaͤmpffen /
Daß ich moͤge daͤmpffen /
Der Welt Gauckeley.
Finſternuͤß und Schrecken
Wollen mich bedecken /
Fleiſch und Blut iſt ſchlimm /
Hilfft die Waffen ſchaͤrffen /
Dem / der mich verwerffen
Will in ſeinem Grimm.
Wenn es blitzt und ſchneiet /
Wenn es Donner ſpeyet /
So bewahre mich /
Wenn die Welt erhitzet /
Jhre Pfeile ſpitzet /
Lehn ich mich auf dich.
Du kanſt mir im Leben
Kraft und Troͤſtung geben;
Unn wenn ich nun ſoll
Von dem Jrrweg ſcheiden /
Fuͤhr mich ein zur Freuden /
Da mir ewig wohl.
Staͤrcke mich im Glauben /
Daß mir nicht kan rauben
Satan33Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Satan meine Seel!
Muß ich auch gleich fliehen /
So wil ich beziehen
JEſu Seiten Hoͤl.
Heilger Geiſt erquicke
Mich / wenn ich zudruͤcke
Meiner Augen paar!
Auf Elias Wagen
Laß die Seele tragen
Zu der Seelgen Schaar!
Erinnerung der Sterblichkeit.
JCh weiß daß Erd und Staub in meinem Leib verhuͤllt /
Jch weiß auch daß mein Leib die Erde wiederfuͤllt /
Denn was gebrechlich iſt muß mit der Zeit zerfallen.
Ein Hauß kan nicht beſtehn / wenn Grund und Pfeiler knallen;
Wie ſoll der Glieder-Bau denn ewig koͤnnen ſeyn /
Da jeden Augenblick der Tod was reiſſet ein.
Wir werden nicht gewahr daß unſre Tage ſchwinden /
Biß daß wir Schnee und Eiß auf Haar und Scheitel finden.
Die freche Jugend denckt der letzten Stunde nicht /
Biß daß ihr ſcheinbar Glaß ein einzig Stoß zerbricht.
Nein / jeder Tritt und Schritt der fuͤhrt mich zu dem Grabe /
An dem ich meine Luſt und hoͤchſt Ergetzung habe.
Jch ſehe da den Port nach ſo viel Sturm und Wind /
Und weiß daß ſich kein Blitz mehr uͤber mich entzuͤndt.
O Grab / gewuͤnſchtes Hauß und ſuͤſſe Ruhe-Kammer /
Ach nimm mich nur zu dir / verſchleuß doch meinen Jammer
Jn deiner Hoͤle Nacht / O lieblichſtes Gemach /
O ſchoͤnſter Auffenthalt / und Frieden-reiches Dach /
Wie hertzlich ſehn ich mich die abgematten Knochen /
Den ausgezehrten Leib / des bangen Hertzens Pochen
Und endlich Fleiſch und Blut / der Seelen altes Kleid /
Dir liefern zum Geſchenck und Pfand der Sterblichkeit.
Ein ander wird gantz blaß wenn er dich hoͤret nennen /
Jch aber muß fuͤrwahr in heilger Andacht brennen /
Wenn ich mein Wohnhauß ſeh in dem werde ruhn /
Da mir die arge Welt vermag kein Leyd zu thun.
Gottloſe Hertzen ſehn nur deine Finſternuͤſſe /
Da ich des Lebens-Sonn in dieſen Schatten gruͤſſe /
C c c c c cDie34Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Die finſter-ſchwartze Grufft weiſt mir der Klarheit Schein /
Jndem ich meinem GOtt recht aͤhnlich werde ſeyn.
Die duͤrren Todten-Bein und Schaalen von dem Hirne /
Sind mir in meinem Aug ein funcklendes Geſtirne.
Den tieffen Gruben die mit Schimmel ſind behaͤngt /
Wird doch der Engel-Glantz fuͤr ſolchen Wuſt geſchenckt.
Der morſche Ruͤcken-Grad / der ſproͤden Rippen Praſſeln /
Der ungeheure Stanck / zerbrochner Saͤrcke Raſſeln /
Und was ein feiger Menſch fuͤr haͤßlich haͤlt und ſchaͤtzt /
Hat mich ſo offt ich dran gedencke ſehr ergetz’t.
Zumahl wenn ſich die Seel ermuntert / hochgeſtiegen /
Und alles was die Welt groß achtet / laſſen ligen /
Sich ihrem Himmel zu / von dem ſie kommt / gelenckt /
Verwundernd ausgelacht / was ſie zuvor gekraͤnckt.
Die unablaͤſſig Angſt in der ein Menſch muß ſchmachten /
Die Feinde ſo uns ſtets zu Fall zu bringen / trachten
Das Siechhauß vor den Leib an dem kein Glied ſich regt /
Das nicht zugleich den Tod in ſeinen Adern traͤgt.
Diß hat des Himmels Braut / die Seele / uͤberſchritten /
Geneuſt ſo viel der Luſt als viel ſie Qual gelitten /
Wird mit der Gnaden-Quell der Ewigkeit getraͤnckt /
Da ihr zuvor die Welt nur Myrrhen eingeſchenckt.
Wie ein Gefangner zehlt die Tage die er ſitzet /
Den Kercker-Meiſter haßt der ihn mit Stahl umbſchuͤtzet /
Hergegen Stund auf Stund nach ſeiner Freyheit tracht;
So glaubet / daß es auch die Seel nicht anders macht.
Sie moͤcht im Eiter-Wuſt des Leibes ſchier erſauffen /
Jn dieſem Marter-Hauß kommt alle Noth zu hauffen.
Die Bande ſind zu ſchwehr mit denen ſie beſtrickt /
Die Laſt iſt uͤbergroß die ſie Verſchloßne druͤckt.
Und ſoll ſie drunter nicht in Wuſt und Koth verderben /
So wuͤnſcht ſie auffgeloͤßt zu ſeyn durch zeitlich Sterben.
Verlangen nach dem Tode.
JCh freue mich der letzten Stunde /
Die ſonſt dem Menſchen Schmertzen macht.
Geht Erd und Himmel ſelbſt zu Grunde /
Was bin denn ich / ein Wurm / bedacht /
Mein laͤimen Hauß / die irdnen Waͤnde
Zu ſchaͤtzen ewig und ohn Ende.
Die35Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Die Hand ſo mich zu erſt erbauet /
Die reißt mich / ihr Geſchoͤpff auch ein.
Wem vor des Todes Pfeilen grauet /
Der kan kein Uberwinder ſeyn.
Laß Fleiſch und Blut das Leben lieben /
Die Seele muß ſich anders uͤben.
Jch ſeh / daß jeden Tag was ſtirbet;
Ja / daß der Leib ein Siechhauß heiſt;
Wenn da bald Hand bald Fuß verdirbet /
Und das veralte Kleid zerſchleißt:
So ſucht der Geiſt ſich frey zu machen /
Und wird der muͤrben Feſſel lachen.
Das Eiſen roſt’t / die Steine brechen /
Porphyr und Marmor ſind nicht veſt.
Wie kan der ſchnoͤde Menſch doch ſprechen /
Daß ſich was Ewigs ſpuͤren laͤſt /
Jn des verdorrten Leibes Beinen /
Den noch belebten Leichen-Steinen?
Drumb komm / O Tod / denn meine Seele
Er ſchrickt ob deiner Ankunfft nicht.
Zeuch ſie aus dieſes Coͤrpers Hoͤle
Zu jenem unumbſchriebnen Licht.
Komm ſuͤſſer Gaſt / mein heiß Verlangen
Jſt ſchon beſtellt dich zu empfangen.
Jch bilde mir nicht duͤrre Knochen /
Und wie man dich ſonſt mahlet ein.
Wenn meine Augen ſind gebrochen /
So wirds ein ſanffter Schlaf nur ſeyn.
Ein Thor der mag dich heßlich nennen /
Jch aber muß dich ſchoͤn bekennen.
Das Grab das auch die Alten fliehen /
Nenn ich des Himmels Vorgemach.
Der Kittel den man an-muß ziehen /
Scheint heller als der Sternen Dach.
Der Schlaf iſt kurtz / die Nacht iſt enge /
Zu jenes groſſen Tages Laͤnge.
C c c c c c 2Unum36Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Unum diſcamus mori.
WEnn wir die gantze Welt in unſern Kopff gefaſt /
Des Himmels Lauff geſeh’n / der Erden Ziel gemeſſẽ /
Bey fruͤhem Morgen-Licht und auch bey Nacht ge - ſeſſen /
Und alles durchgeſucht; ſo kommt ein fremder Gaſt /
Weiſt uns das Stunden-Glaß und ſpricht: Menſch lerne ſterbē
Wo du nicht ewig wilſt an Leib und Seel verderben.
Ach Wunder-volle Kunſt und unergruͤndtes Werck!
Die Weißheit ſo zuvor ein gantzes Land geehret /
Wird da zum Kinderſpiel. Was Plato hat gelehret /
Was Socrates geſagt / und was der Kuͤnſte Berg
Von Klugheit bey ſich hat / das wird allhier zum Thoren /
Wer nicht recht ſterben lernt / iſt ewiglich verlohren.
Und weil ich denn gewiß / daß jede Stunde mich
Aus dieſem Leben rufft / das Tag und Nacht bezeuget /
Wie nah der arme Menſch zu ſeinem Grabe ſteiget /
So mach ich mich bereit / und trachte bruͤnſtiglich /
Jn dieſer hoͤchſten Kunſt nur dieſes zu begreiffen /
Wie meine Seele mag in Tods-Gedancken reiffen.
Buß-Lied.
WJe kan ich / HErr / die Miſſethat verhoͤlen /
Und meine Suͤnde decken zu?
Sie laͤſt nicht dem Gewiſſen Ruh /
Und iſt ein ſchneidend Schwerdt in meiner Seelen.
Drumb fallen alle Kraͤfften hin /
Jch bin nicht mehr / der ich geweſen bin.
Gleichwie ein Brunn / ſo trocknet mein Gebeine /
Jch ſehe ſchon den Todten gleich /
Mein faulend Fleiſch iſt eine Leich.
Die Schuld druckt mich wie groſſe Felſen-Steine.
Es ſeufzt mein Hertz bey Tag und Nacht /
Und der zerknirſchte Geiſt iſt faſt verſchmacht.
Drumb will ich frey die Ubertrettung ſagen.
Jch habe dein Gebot veracht /
Nicht deinen Worten nachgedacht
Den Eyffer dich zu ehren ausgeſchlagen.
Nun fuͤhl ich meiner Buͤrden Laſt /
Wormit du mich / mein GOtt / beleget haſt.
Wer37Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Wer wird mich nun von deinem Fluch befreyen?
Mein eitel Opffer ſtinckt mich an.
Und weil ich niemals Guts gethan /
So muß ich uͤber mich erbaͤrmlich ſchreyen /
Daß ich der Welt ein Schand-Altar
Gebaut / und dir zu opffern ſaͤumig war.
Jch rauche noch vom Brand der tollen Luͤſte /
Man ſpuͤrt noch der Begierden Feur /
Der ſchnoͤden Suͤnden Ungeheur /
Ach / daß mich doch die Erde decken muͤſte.
Wie aber will ich dir entfliehn /
Und der verdienten Strafe mich entziehn?
Du wollſt doch nicht das Hals-Gerichte haͤgen /
Das ich hoch-peinlich leiden muß /
Mich treten unter deinen Fuß.
Dein Sohn erwarb vor Strafe mir den Seegen.
Ach laß Genade gehn fuͤr Recht /
Und ſieh doch an barmhertzig deinen Knecht.
Wie ſoll ich armer Menſch ſeyn unbeflecket /
Die Himmel ſelbſten ſind nicht rein?
Der Schluß iſt wahr und allgemein /
Daß in des Menſchen Hertz nur Thorheit ſtecket.
Und ſo du uns zeuchſt fuͤr Gericht /
HErr / ſo beſteht kein Menſch der lebet / nicht.
Ach ſprich mich loß / erlaß mich meiner Schulden /
Weil du genaͤdig biſt und heiſt!
Nimm von mir den zerknirſchten Geiſt /
Und troͤſte mich durch deines Sohnes Hulden!
So ſoll dein Lob geprieſen ſeyn /
Bey ſpaͤter Nacht / bey fruͤhem Morgenſchein.
Demuͤthiges Buß-Lied.
1.
FLieſt Thraͤnen / flieſt /
Jhr Augen gieſt
Erpreſte Jammer-Fluthen /
Schmeltzt in ein Quell
Und rinnet hell
Zu daͤmpffen GOttes Gluthen.
C c c c c c 32. Der38Geiſtliche Gedichte und Lieder.
2.
Der Suͤnden Brand
Hat uͤberhand
Jn unſerm Fleiſch genommen /
Er wuͤhlt mit Schmertz
Durch Seel und Hertz
Und wird noch weiter kommen.
3.
Veruͤbte Schuld
Macht Ungedult
Und wecket das Gewiſſen.
Der Laſter Schmach
Zeigt nach und nach
Auf was es iſt gefliſſen.
4.
Wie unſre Zeit
Jn Uppigkeit
So luͤderlich verſchwendet /
Wie unſer Sinn
Sich niemals hin
Zum Gottesdienſt gewendet.
5.
Da ſind unrein
Marck / Blut und Bein
Samt ihrer faulen Huͤtte.
Kein Ader ſchlaͤgt /
Kein Glied ſich regt /
Daß Frevel nicht zerruͤtte.
6.
Der Augen Glantz
Hat Wolluſt gantz
Mit Hoffart uͤberzogen /
Das Angeſicht
jſt ohne Licht
Dem Dunckeln nachgeflogen.
7.
Was nur zu Spott
Dem hoͤchſten GOtt
Der Mund hat treiben moͤgen /
Das iſt geſchehn
Suͤnd39Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Suͤnd ſchaͤndlich Schmaͤhn
Steht uͤberall zugegen.
8.
Was vor Verdruß
Von Haͤnd und Fuß
Dem Schoͤpffer wiederfahren /
Bringt der ans Licht /
Wenn fuͤr Gericht
Geh’n alle Menſchen-Schaaren.
9.
Wo bleibt das Hertz
Das Spiel und Schertz
Mit GOttes-Wort getrieben?
Das feiſt erſtarrt
Und veſt verharrt /
Auf ſchnoͤdem Jrrthumb blieben.
10.
Und ſchlaͤfft du noch
An deinem Joch
Der ungeheuren Suͤnden?
Wach auf! die Zeit
Jſt allbereit
Da GOtt dich heim wird finden.
11.
Ach Huͤgel deckt
Mich! der erſchreckt
Fuͤr GOttes Zorn will weichen /
Jhr Berge kracht!
Komm finſtre Nacht /
Auf Abgrund! thu dergleichen.
12.
Wie aber kan
Jch Unterthan
Dem HErren fluͤchtig werden?
Ach eitler Traum
Da iſt kein Raum
Auf dieſer weiten Erden.
13.
Sein Zorn wird mich
Behendiglich
C c c c c c 4Auf40Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Auf meine Flucht ergreiffen.
Sein Donnerſtral
Mit tauſend Qual
Zerruͤtten und zerſchleiffen.
14.
Jch weiß noch Rath
Bey ſeiner Gnad
Verhoff ich Troſt zu ſpuͤren.
Und meine Schuld
Soll ſeiner Huld
Barmhertzigkeit beruͤhren.
15.
Jch trage dir
Mein GOtt itzt fuͤr
Ein recht zerſchlagen Hertze /
Und allermeiſt
Mein traurig Geiſt
Brennt dir zur Opffer-Kertze!
16.
Es iſt mir leyd
Was ich die Zeit
Des Lebens je begangen /
Daß ich der Welt
Mich zugeſellt
Und Laſtern nachgehangen.
17.
Verwirff mich nicht
O hoͤchſtes Licht
Von deiner Gnaden Augen /
Die Buſſe quillt
Mit Reu erfuͤllt /
Und kocht gleich ſcharffer Laugen.
18.
Ach waſche mich
Gantz ſaͤuberlich
So trotz ich Schnee und Lilgen.
So kan der Feind
Wie boͤſ ers meynt /
Mich nimmermehr vertilgen.
19. Hier41Geiſtliche Gedichte und Lieder.
19.
Hier ligt dein Knecht /
GOtt laß dein Recht /
Jn Liebe ſich verwandeln.
Du wirſt mit mir
Nicht nach Gebuͤhr
Und den Verdienſten handeln.
20.
Zwar Straf und Pein
Die geh ich ein /
Nur daß ich dort nicht buͤſſe.
Das Gottes-Lamm
Ans Creutzes Stamm
Macht mir die Schmertzen ſuͤſſe.
21.
Mein Mund ſoll fort
An jedem Ort
Des Hoͤchſten Guͤte preiſen.
Und ſpaͤt und fruͤh
Auf tieffem Knie
Dem HErren Danck erweiſen.
Marien Magdalenen Bußlied.
REineſtes Weſen / heiligſte Liebes-Glut /
Weil mir von Suͤnden brennet Seel / Hertz und Blut /
Und nichts entſchuldigt mein Verbrechen /
So laß mich noch die Seuffzer ſprechen.
Fließt bittre Thraͤnen / flieſſet in wahrer Buß /
Mein Geiſt / O Schoͤpffer / faͤllt dir zerknirſcht zu Fuß.
Die Luſt / die mich ſo oft erquicket /
Die iſts / die mich wie Felſen druͤcket.
Nimm mich verirrtes Schaf zu Genaden an!
Der Wolluſt Weide hat mir die Lebens-Bahn /
Die zu dem Himmel fuͤhrt / verſchraͤncket /
Daruͤber ſich mein Hertze kraͤncket.
Ach ſchnoͤde Sinnen / thoͤrichter Eitelkeit;
Ach kurtze Freuden und ein unendlich Leyd /
Verkaufft die Welt: und unſer Weſen
Verdient des Hoͤchſten Straffungs Beſem.
C c c c c c 5Nein42Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Nein. Magdalena ſoll ſich der Welt entziehn /
Und allen Zucker ſuͤſſeſter Wolluſt fliehn.
Die Brunſt von der ihr Blut gerauchet /
Wird gar zu andern Feur gebrauchet /
Weg ſuͤſſe Kuͤſſe / Reitzer der ſchnoͤden Luſt /
Weg geile Griffe auf der Schwan-weiſſen Bruſt.
Jch haſſe nun des Leibes Bloͤſſe /
Scharre mich in Erden-Kloͤſe.
Jn meinen Armen ſoll fort kein Menſch mehr ruhn.
Jch Magdalena will heute Buſe thun;
Und ſtat der Buhler Engel kuͤſſen /
Die mir das Paradeiß auffſchlieſſen.
So muß man ſtreiten wider Welt / Fleiſch und Blut /
Umb zu erhalten jenes verſprochne Gut.
Wer dieſes will im Himmel erben /
Der muß zuvor der Welt abſterben.
Nun ſchlieſt ihr Augen eure Cryſtallen ein /
Auf meinen Wangen ſoll keine Roſe ſeyn.
Der Mund wird dem nach Wermuth ſchmecken /
Der ihn aus geiler Luſt wird lecken.
Schrumpfft volle Bruͤſte / welckt / und fallet hin /
Die ihr entzuͤndet manchen verliebten Sinn.
Vertrockne Schos mit deiner Quelle:
Wachſt Neſſelin / wachſt auff dieſer Stelle.
Des Leibes Kuͤtzel muß ich vor reiſſen ein /
Eh er ein Tempel ſoll des Erloͤſers ſeyn.
Mein Fleiſch muß ſich in Aſche kehren /
Wo es die Bluͤthen ſoll gewaͤhren.
Jch lig und buͤſſe. Ach GOtt mein hoͤchſtes Licht!
Die Magdalena iſt mehr kein Welt-Kind nicht.
Sie iſt die Braut des Lammes worden /
Und laͤſt den alten Liebes-Orden.
Abend-Lied.
GOtt / ich will dir itzt lobſingen /
Und mein Opffer tragen fuͤr /
HErr / O huͤlff / und laß gelingen /
Daß ich dancke nach Gebuͤhr /
Deiner treuen Vater-Hand /
Die Du ſtets auf mich gewandt /
Daß43Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Daß mich heut und alle Tage
Nicht gequaͤlet Angſt und Plage.
Licht und Sonn iſt itzt vergangen /
Aber deine Wolthat nicht /
Die von ewig angefangen /
Und ohn Endſchafft aufgericht /
Uber deine Chriſtenheit /
Daß ſie ſich zu jederzeit
Jn der Noth hab zu erfreuen /
Weil du Gnad und Huͤlff wilſt leyhen.
Ach verzeyhe meinen Suͤnden /
Die ich gar nicht zehlen kan /
Laß mich bey dir Zuflucht finden /
Nimm dich mein / O Helffer / an.
Auſſer dir iſt ja kein Schutz /
Der uns Armen koͤmmt zu Nutz /
Und uns maͤchtig kan behuͤten /
Fuͤr des boͤſen Feindes Wuͤten.
Jch kan mich nichts Gutes ruͤhmen /
Und kein Glied iſt ohne Schuld /
Meine Laſter muß verbluͤmen /
Deines Sohnes Lieb und Huld /
Der fuͤr mich am Creutzes-Stamm /
Als wie ein unſchuldig Lamm /
Alle Miſſethat gebuͤſſet /
Und der Strafe Pein verſuͤſſet.
HErr / ich beichte mein Verbrechen /
Das ich nicht zu nennen weiß /
Muß mit tieffen Seuffzen ſprechen /
Die erpreſt der Buſſe Schweiß /
Geh mit mir nicht ins Gericht /
Denn ich weiß / daß ich ſonſt nicht /
Kan fuͤr deinem Thron beſtehen /
Sondern muß zu Grunde gehen.
Sende deiner Engel Schaaren /
Wenn ich ſchlaf / und ſicher ruh /
Laß mich ihre Hut bewahren /
Daß mir kein Feind Schaden thu.
Von dem Bette zu dem Grab /
Trett ich nun im Wechſel ab /
Und44Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Und diß Vorbild lehrt mich eben
Munter meinen Geiſt aufgeben.
Jch befehl in deine Haͤnde /
Dieſe Handvoll meiner Jahr.
Gieb mir ein vernuͤnfftig Ende /
Und daß ich von hinnen fahr /
Jn die Freude die kein Ohr
Nie gehoͤret / und zum Chor
Das kein einzig Menſch vernommen /
Biß er ſelber drein iſt kommen.
Segne GOtt des Geiſtes Gaben /
Schencke mir der Weißheit Schatz /
Jch mag nicht groß Reichthum haben /
Denn das macht den Laſtern Platz.
Gieb mir mein beſcheiden Theil /
Und von oben Gluͤck und Heil.
So wird nie mein Mund ſich ſperren /
Dich zu preiſen / ſeinen HErren.
Abend-Wunſch.
DEr Sonnen-Licht iſt nun in ſeine See geſenckt /
Der Himmel hat den Schmuck der Sternen aus ge - henckt /
Und laͤſt ſie uns zu Troſt in groſſer Anzahl brennen /
Wer wolte GOttes Macht und Weißheit nicht erkennen?
Die unerforſchlich iſt / und die kein Menſch nicht kan /
Wie klug er immer iſt / begreiffen inn und an.
Dir ſag ich groſſer GOtt / von gantzem Hertzen Danck
Und ruͤhme deine Guͤt ohn End und Lebens-lang.
Dir ſinget itzt mein Mund / und opffert meine Seele
Den Weyhrauch wahrer Reu. Verſchmaͤhe nicht die Hoͤle /
Aus der es zu dir ſteigt. Jch weiß ja mehr als wohl /
Daß man ein reines Hertz dem HErren bringen ſoll.
Hier lig ich ſeufzende und beichte meine Schuld /
O HErr der Ewigkeit / ach habe doch Geduld /
Und geh nicht ins Gericht mit deinem armen Knechte.
Wer wolte doch beſtehn fuͤr deinem ſtrengen Rechte?
Kein Menſch iſt ohne Fleck und niemand ohne Suͤnd /
So viel man auf der Welt der groſſ - und weiten findt.
Wie45Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Wie oft ich dich zur Ruh und Zorn mein GOtt gebracht /
Das iſt mir wol bewuſt: Kein Tag und Nacht
Geht ohne Frevel weg. Jch habe dich verlaſſen!
Nun muß ich ſelber mich und meine Thorheit haſſen.
Wer hilfft mir auf der Welt? die vor die beſte war /
Nu meine Seele ſchmacht in Zittern und Gefahr.
Mir hat vor Gottesfurcht der Jugend Luſt beliebt:
Nu aber ſeh ich auch / was es vor Nutzen giebt.
Mich hat der Boͤſen Schaar mehr als dein Volck erquicket /
Mein eigen Fleiſch und Blut das hat mich ſo beſtricket /
Daß ich die Uppigkeit und boͤſe Luͤſte mehr
Geſchaͤtzet als dein Wort und deines Ruhmes Ehr.
Jch war in Eitelkeit erſoffen gantz und gar /
Mich konte weiter nichts als Jrdiſches ergetzen /
Jch ſpottete dein Wort / und half die jenen hetzen /
So deiner Herrlichkeit erban’ten ein Altar.
Ja ich blieb ſo vertieſt in meiner Eitelkeit
Und trotzte keck und kuͤhn durch meine Lebens-Zeit.
Nu klagt mich eigne Schuld und mein Gewiſſen an /
Wie ich verderbter Menſch nichts Gutes je gethan.
Jch ſcheu und ſchaͤme mich fuͤr dich O GOtt zu treten /
Erhoͤre nur mein Flehn und mein inbruͤnſtig Beten.
Ach waſch! ach waſche mich von meinen Suͤnden rein
Und laß mich endlich noch zur Gnaden-Thuͤren ein.
Vergib abſonderlich / was ich auch dieſen Tag
Vor Laſter / die ich ja kaum nennen kan und mag /
Mein HErr und GOtt / veruͤbt. Bewahre meine Glieder
Und gib mir Schlaf und Ruh / daß ich dich morgen wieder
Von neuem preiſen kan. Verbeut dem boͤſen Geiſt
Daß er mich nicht verfuͤhrt / und in ſein Netze reiſt.
Bewahre mich und die / ſo du mir zugeſellt /
Ach ſegne doch mein HErr uns Armen auf der Welt.
Befoͤrdre meine Muͤh / laß ſie ihr Ziel erlangen /
Und daͤmpffe deſſen Liſt / der maͤchtig uns zu fangen /
So ſollt du fort fuͤr fort / O groſſer GOtt allein
Mein erſt und letztes Lied / Anfang und Ende ſeyn.

ENDE.

[46]
[47][48]

About this transcription

TextTeutsche Gedichte
Author Heinrich Mühlpfort
Extent776 images; 223339 tokens; 23366 types; 1438157 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationTeutsche Gedichte Heinrich Mühlpfort. . [8] Bl., 55 S., 158 S., 463 S., 32 S., 45 S. : Frontisp. (Portr.), Kupfert. SteckhAndreaeBreslauFrankfurt (Main)1686.

Identification

HAB Wolfenbüttel HAB Wolfenbüttel, Xb 1896:1

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:33:26Z
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Holding LibraryHAB Wolfenbüttel
ShelfmarkHAB Wolfenbüttel, Xb 1896:1
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