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Einleitung zu der Hiſtorie der Vornehmſten Reiche und Staaten / ſo itziger Zeit in Europa ſich befinden.
Mit Chur-Fuͤrſtl. Saͤchſiſchen Gnaͤdigſten Privilegio.
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Franckfurt am Mayn /Jn VerlegungFriderich Knochens /DrucktsJohannes Haaß.Anno M. DC. LXXXII.

Dem Durchleuchtigſten Für - ſten und Herꝛn / Herꝛn Ernſt Ludwig / Erb-Printzen und Land-Grafen zu Heſſen / Fuͤr - ſten zu Herſchfeld / Grafen zu Catzen-Elnbogen / Dietz / Zie - genhayn / Nidda / Schauen - burg / Yßenburg / und Büdingen / ꝛc. Meinem Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herꝛn / ꝛc.

Durchleuchtigſter Erb-Printz / Gnaͤdigſter Herr / ꝛc.

WAnn ich mich unter - ſtehen ſolte Ew. Hochfuͤrſtl. Durchl. alle und jede Nutz - barkeiten vorzuſtellen / welcheausaus fleiſſiger Leſung der Hi - ſtorien tapfere Gemuͤther / und ſonderlich Hohe Fuͤrſtliche Perſonen zu Jhro Selbſtigen und Jhres von GOtt dem Allmaͤchtigen Jhnen anver - trauten Lands-Frommen und Beſten ſchoͤpffen koͤñen / ſo wuͤrde ich mich nicht nur allein ichtwas unterfangen / welches mir keines weges zukompt / ſondern ich wuͤrde auch das - jenige thun / was von Hoch - erleuchteten Sinnen zu mehr - mahlen ſchon geſchehen / und der gelehrten Welt zur al -) (iijler -lerhoͤchſten Vergnuͤglichkeit nicht ohne ewigen Ruhm mit ausbuͤndigen Worten und ſcharffſinnigen Redens - Arten zum oͤftern mitgetheilet worden / inſonderheit und vornehmlich aber koͤnte man mich mit hoͤchſtem Fug rech - tens einer nicht gemeinen / ſondern allzugroſſen Vermeſ - ſenheit beſchuldigen / wann ich ſo kuͤhn ſein / und Ew. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. diejeni - ge Dinge vortragen ſolte / welche Jhnen weit beſſer als mir / und manchem der ſichgroſſegroſſe Wiſſenſchafft hiervon einbildet / bekannt ſeynd; ge - ſtalten dann der gantzen Welt nicht verborgen / mit was fuͤr einem durchtringenden Hohen Fürſtlichen Verſtand / GOtt der Allmächtige Ew. Hoch-Fuͤrſtliche Durchleucht ausgeruͤſtet hat / und wie Sie Krafft deſſelben / auch ſchon in Dero zarteſten Jahren ei - ne Dero Durchleuchtigſten Hauß angebohrne ohnver - gleichliche Tapfferkeit / inſon - derheit aber zu nicht geringer Freude des Heiligen Roͤmi -) (iiijſchenſchen Reichs / wie auch zu ſon - derbahrem Troſt dero geſam - pten getreuen Unterthanen / alle diejenige Tugenden von ſich ſpuͤren laſſen / mit welchen billich ein ſolcher aus Hoch - Fuͤrſtl. Heſſiſchen Blut ent - ſproſſener Hoher Erb-Printz / da Er anderſt Land und Leut veꝛnuͤnfftig regieren will / und ſolle / außgezieret ſeyn muß / dahero dann Durch - leuchtigſter Erb-Printz / Hohe Perſonen wahrgenommen / daß gleich wie des Weltbe - ruͤhmten Perſiſchen Monar -chenchen Cyri groſſe Helden-Tha - ten den von dem Uberwunde - nen Africa alſo genannten Edlen Roͤmer / Scipionem Afri - canum, und des niemahlen genug geruͤhmten Helden Achillis Wunder-Geſchich - te / den Fuͤrſten aller Koͤ - nigen / Alexandrum den Groſ - ſen / und hinwiederumb die - ſes unſterbliche Tapfferkei - ten den Glorwuͤrdigen Iu - lium Cæſarem zu gleichmaͤſſi - gen Heroiſchen Tugenden angefriſchet / alſo auch Euer Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. durch) (vdiedie in dero Selbſtigen Durch - leuchtigſtem Hauſe gefun - dene ſo neu-als alte glor - wuͤrdigſte Exempla / und uͤber alles Lob weit hinauf geſtiegene Tugenden / dero in GOTT Hoͤchſtſeeligſt ruhenden Hoch-Fuͤrſtlichen Herren Vor-Eltern / zu der - jenigen Großmüthigkeit / welche dieſelbe anjetzo von ſich blicken laſſen / dermaſ - ſen angeflammet worden / daß Sie von nichts anders hoͤren / auch von nichts an - ders reden wollen / als nuralleinallein von hohen Fuͤrſtlichen zu der Ehre GOTTES / und dero Land und Leute groſſes Aufnehmen gerei - chenden Sachen. Wie nun Euer Hoch-Fuͤrſtliche Durchl. Dero hohen Fuͤrſtl. Verſtand nicht nur in Hiſtoria domeſtica, welche ob ſie gleich hierzu ſufficient genug iſt / ſon - dern auch in andern vorneh - mer Leute beſchriebenen Ge - ſchichten zum oͤftern zu beluſti - gen pflegen / und ich aber eben anjetzo das Gluͤck erlanget / gegenwärtige des Weltbe -ruͤhm -ruͤhmten Samuelis Pufen - dorffs Einleitung zu der Hi - ſtorie der vornehmſten Rei - chen und Staaten / ſo jetzi - ger Zeit ſich in Europa befin - den / zum oͤffentlichen Druck zu befoͤrdern / ſo habe ich mir die unterthänigſte zuverſich - tige Hoffnung gemacht / Ew. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. nicht unangenehm ſeyn werde / daß ich mich erkuͤhne Deroſelben / als Einem in denen ſo Geiſt - als Weltlichen Hiſtorien wohlgeuͤbten Fuͤrſten / und Hohen Erb-Printzen / dieſesHiſto -Hiſtoriſche Werck / welches ſich ſowohlen wegen des Ur - hebers / als auch ſeines vor - trefflichen Jnhalts von Selb - ſten rühmet / in gehorſambſter Unterthaͤnigkeit zu dedici ren und zu zueignen.

Ew. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. geruhen dann Gnaͤdigſt die - ſe zwar geringe in wenig Blaͤttern beſtehende / aber in Warheit viele merckwuͤrdige Geſchichte in ſich begreiffende Einleitung zu der Hiſtorie mit Dero Hohem Fuͤrſtlichen Ver - ſtand zu beleuchten / und DeroHoͤchſt -Hoͤchſtverſtaͤndiges Urtheil daruͤber zufaͤllen.

Der Allerhoͤchſte GOtt der da iſt ein Koͤnig aller Koͤ - nigen und ein HERR aller Herren / der ſey allezeit mit und bey Ew. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. der erhalte Jhr Fuͤrſtliches Hertz immerzu durch Seinen Heiligen Geiſt in Seiner Forcht / und im fe - ſten Glauben der Evangeli - ſchen Warheit / Er beſtaͤttige auch je mehr und mehr durch Seine Allmaͤchtige Krafft Dero Hohen FuͤrſtlichenStammStamm und Perſon / damit aus dem Uhralten Durch - leuchtigſten Hauß Heſſen immerzu wie bißhero die Stroͤme der Gerechtigkeit / Tapfferkeit / und aller Chriſtlichen Hoch-Fuͤrſtlichen Heroiſchen Tugenden ferner in das gantze Reich flieſſen / und Ew. Hoch-Fuͤrſtlichen Durchl. Hoher Nahme / nicht weniger als dero Glor - wuͤrdigſten Herren Vorfah - ren / dem Buch der Ewig - keit einverleibet werde. Ew. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. em - pfehle ich hiermit demSchutzSchutz GOTTES zu al - lem geſegneten Hoch-Fuͤrſtli - chen Wohlergehen / zu Dero Hohen Fuͤrſtlichen Huld und Genade aber mich unterthä - nigſt.

Ew. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl.

Unterthaͤnigſter Knecht / Friderich Knoch / Buch - haͤndler daſelbſten.

Vorrede / An den Guͤnſtigen Leſer.

D die Hiſtorie die anmu - thigſte und nuͤtzlichſte Wiſ - ſenſchaft ſeywelche ſonder - lich Leuten von Condi - tion, und ſo in Staats - Bedienungen gebrauchet werden / ſehr wohl anſtehet / iſt jeder - man bekannt / der etwas von den Studien verſtehet. Weswegen auch rathſam iſt / daß man die vornehme Ju - gend zu deroſelben bey Zeiten anfuͤh - re / nicht allein weil das Gedaͤchtnuͤß in den gruͤnenden Jahren friſch / und dieſe Sachen zubehalten bequem iſt; ſon - dern auch weil man ſicherlich glauben mag / daß wer an dieſer Wiſſenſchafft keinen Geſchmack findet / von dem hat man wenig oder keine Hoffnung zu ma -) () (chen /Vorrede. chen / daß dieſer bey den Buͤchern eini - gen Nutzen ſchaffen werde. Zwar pfle - get man ja endlich ſo wohl in oͤffentli - chen Schulen / als bey Privat-Informa - tion der Jugend einige von den alten Hiſtoricis vorzulegen. Man ſoll auch viele finden / ſo verſchiedene Jahr von den edleſten Alten mit Cornelio Nepote, Curtio, Juſtino, und Livio zubringen; die aber an die Hiſtorie der neulichen Zei - ten nicht einmahl gedacht haben. Nun geſtehe ich zwar gerne / daß man von der alten Hiſtorie den Anfang machen ſoll / auch daß ſelbige ihren guten Nutz und groſſe Anmuthigkeit habe. Allein daß man die neue Hiſtorie ſo gar hind - an ſetzet / iſt ein groß Verſehen und Un - verſtand bey denjenigen / die von Un - terweiſung der Jugend Profeſſion ma - chen.

Jch ſetze dieſes zum Fundament / daß man in den jungen Jahren dasje - nige zu lernen ſich befieiſſigen muͤſſe / was im reiffen Alter / und bey Verrich - tungen / darzu man mit der Zeit geden - cket gebraucht zu werden / einen Nutzen haben kan. Nun kan ich nicht abſe - hen / was Cornelius Nepos, Curtius, und die erſte decas Livii fuͤr ein ſo groß Liecht[g]eben koͤnnen in den Geſchaͤften / ſo in derheuti -Vorrede. heutigen Welt vorkommen / wenn man auch gleich ſolche auf einem Nagel wuͤſte herzuſagen / und noch darzu uͤber alle Phraſes und Sententias einen Indicem lo - cupletiſſimum gemacht haͤtte; oder wenn man gleich auf den Fingern her - rechnen koͤnte / wie viel Kuͤhe und Scha - fe die Roͤmer in den Triumphen de Æ - quis, Hernicis & Volſcis gefuͤhret haben. Hingegen was fuͤr einen Vorſchub es giebet / wenn man die neue Hiſtorie / ſowohl von ſeinem Vaterlande / als den benachbarten Staaten weis / iſt de - nen genugſam bekannt / die Staats-Sa - chen zu handthieren haben. Allein zu dieſer Wiſſenſchafft zugelangen iſt ſo leicht nicht / theils weil ſelbige Hiſtorie in vielfaͤltigen und weitlaͤufftigen Autori - bus begriffen / theils weil dero viele in ih - rer Mutter-Sprache geſchrieben haben / daß alſo wer auf dieſes Studium ſich le - gen will / mehr als einer frembden Spra - che kuͤndig ſeyn muß. Dieſe Schwerig - keiten nun etlicher maſſen außm Wege zu raͤumen / habe vor etlichen Jahren einigen jungen Leuten zugefallen ei - nen kurtzen Begriff ſothaner neuen Hiſtorie abgefaſſet / daß ſie nur einen Ge - ſchmack davon bekaͤhmen / und zwar daß ſie nur alleine ſich deſſen bedienen ſolten. ) () (ijNach -Vorrede. Nachdem aber ſolches Project in ein und anders Haͤnde gerathen / und ich befah - ren muͤſſen / es moͤchte einem Gewinſt - ſuͤchtigen Buchfuͤhrer in die Haͤnde fal - len / der es ſo unvollkommen und impolt mir zur Verkleinerung heraus gebe / wie wohl ehe andern guten Leuten widerfah - ren / dero Diſcurſus extemporaneos man wider ihren Willen ans Tage-Liecht ge - bracht: als bin genoͤthiget worden ſelbi - ge Scriptur, wie knap mir auch die Zeit gefallen / zu revidiren / und etwas mehr auszuarbeiten / und es lieber ſelbſt / ſo gut oder ſchlecht es iſt / zum Druck zu befoͤrdern / als mir meine Arbeit von ei - nem andern laſſen abſtehlen. Verhoffe demnach zufoͤrderſt võ dem diſcreten Le - ſer dieſe Guͤtigkeit / er werde dieſe Schrift anſehen nicht als ein Werck fuͤr vollſtaͤn - dige Leute geſchrieben / ſondern damit ich bloß der Jugend eine Anleitung und gleichſam einen Vorſchmack geben wol - len / damit ſie eine Luſt bekaͤhme ſich wei - ter darinne vollkommen zu machen. Soll auch dieſes erinnern / weil ich jeders Reichs Hiſtorie aus deſſen einheimiſchen Scribenten gezogen / daß bißweilen in Erzehlung zweyeꝛ feind ſeeligen Nationen Haͤndel einiger Unterſchied erſcheinet / weil meiſtentheils die Scribenten ihrerNa -Vorrede. Nation gluͤckliche Tha en groͤſſer / und die ungluͤckliche kleiner zu machen pfle - gen: welche diſcrepance zu entſcheiden / und gleichſam ein Urtheil darinn zu ſpre - chen meines Thuns nicht iſt. Zu meh - rer Erleuterung der Hiſtorie habe etwas beyfuͤgen wollen / was man insgemein meldet von jeder Nation guten und boͤſen Qualitaͤten ohne Intention jemand zu flat - tiren oder zuver kleinern: Jtem von Be - ſchaffenheit / Staͤrcke / und Schwaͤche der Laͤndeꝛ / und dero Regiments-Foꝛm. Da - mit junge Leute / weñ ſie in frembde Lande zu reyſen kommen / oder mit Welt-erfahr - nen Maͤnnern umbgehen / davon Anlaß nehmen ſich genaueꝛ von allem zu informi - ren. Welches ich auch abſonderlich von dem Intereſſe jedes Staats / ſo gleichfalls mit wenigem beruͤhret / will verſtanden haben / bey welchem ich meiſts auf den Zuſtand geſehen / als er war / wie ich die - ſes Scriptum zu erſt entwarff. Wiewohl dieſe Materie mehr fuͤr vollkommene Leute / als fuͤr die Jugend gehoͤret; wel - che aber doch nicht gar mit Still - ſchweigen uͤbergehen ſollen / weil dieſes das Fundament iſt / woraus man ur - theilen muß / ob etwas in Staats-Sa - chen wohl oder uͤbel gethan ſeye. Habe ſonſten von dieſer Materie ins gemein) () (iijnochVorrede. noch dieſes der Jugend zur Nachricht an - fuͤgen wollen / daß man ſothane Intereſſe fuͤglich kan abtheilen in imaginarium & ve - rum. Durch jenes veꝛſtehe ich / wann einer vermeinet / die Wohlfarth ſeines Staats beſtehe in ſolchen Dingen / die ſich ohne injurie und Verunruhigung vieler an - dern Staaten nicht laſſen ins Werck ſtel - len / und dargegen ſich andere nothwen - dig ſetzen muͤſſen. Worunter man rech - nen kan Monarchiam Europæ, univerſale monopolium, &c. welches der Zunder iſt / dardurch die Welte in combuſtion geſe - tzet wird. Num ſi vos omnibus imperare vultis, ſequitur ut omnes ſervitutem acci - piant? Das wahrhafftige Intereſſe aber kan man wieder umb abtheilen in perpe - tuum, & temporarium. Jenes flieſſet meiſts her aus Situation und Beſchaffen - heit des Landes / oder aus natuͤrlicher Zu - neigung des Volcks; dieſes aber aus Be - ſchaffenheit / Staͤrcke / und Schwaͤche der Nachbarn / mit dero Veraͤnderung auch das Intereſſe alteriret wird. Dannen - hero geſchicht es / daß da wir vorhin durch unſere eigene Wohlfarth ſind ver - bunden geweſen unſeꝛm ſchwachen Nach - barn unter die Arme zu greiffen / daß er von dem Maͤchtigern nicht unterdruckt wuͤrde; wir ein andermahl uns gegen ihnſetzenVorrede. ſetzen muͤſſen / wenn er ſich dermaſſen er - holet / daß er uns ſelbſt redoutabel oder verdrießlich wird. Weil aber dieſe In - tereſſen ſo handgreifliche Dinge ſind / die zum wenigſten denen / ſo in den Affairen gebrauchet werden / nicht unbekandt ſeyn koͤnnen; moͤchte einer wohl fragen / wo - her es doch kommen / daß bißweilen nicht geringe Fauten wider das Intereſſe eines Staats begangen werden. Darauf zu wiſſen dienet / daß bißweilen diejenigen / denen die hoͤchſte Regierung von Rechts - wegen zukommt / von ihres eignen Staats / oder der benachbarten Intereſſe nicht gruͤndlich informiret ſind / und den - noch nach ihrem Gutduͤncken regieren / und ſich von klugen und treuen Miniſtris nicht rathen laſſen wollen. Bißweilen werden ſie durch eigne Paſſiones oder durch intereſſirte Bedienten und Favori - ten verleitet. Wo aber die Regierung Hauptſaͤchlich auf die Miniſtros an - kommt / kan es geſchehen / daß dieſe ent - weder nicht capabel gnug ſind / oder ſich ein Privat-Intereſſe, das von dem gemei - nen Nutzen des Staats unterſchieden / vorſtellen / oder in Factiones verthei - let ſind / und mehr thun / was die Be - gierde ihre Æmulos zu drucken / als was die geſunde Vernunfft dictiret. Welches) () (iiijallesVorrede. alles denn zu dem netteſten Stuͤck der neuen Hiſtorie gehoͤret / welches darinn beſtehet / daß man die Perſonen kenne / die als ſouverain, oder Miniſtri den Staat regieren / oder dabey gebraucht werden / was ihre Capacitaͤt / Zuneigung / Caprice, Privat-Intereſſe, Manier zu agi - ren / und dergleichen ſey. Jnmaſſen auch hiervon ein groſſer Theil des wohl - und uͤbel ſeyn eines Staats herruͤhret. Denn oft kom̃t ein in ſich ſelbſt ſchwacheꝛ Staat Conſideration wegen Valeur und guter Conduite der Regenten: Offt muß we - gen Ungeſchicklichkeit der Regenten auch ein groſſer und ſtarcker Staat la beſte ſe - tzen. Aber dieſe Wiſſenſchafft / wie ſie de - nen / ſo mit auswaͤrtigen Staats-Sa - chen zu thun haben / am meiſten noͤthig; alſo iſt ſie gleichſam momentanea, und unbeſtaͤndig / nachdemmahl das Thea - trum bey den Hoͤfen ſo vielmahl veraͤn - dert zu werden pfleget. Und muß dan - nenhero ſelbige mehr aus eigner Praxi, oder Relation vernuͤnfftiger Bedienten / als aus den Buͤchern erlernet werden. Welches bey dieſer Vorrede / mit we - nigem habe beruͤhren ſol - len.

Sa -
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Samuelis Pufendorff Einleitung zu der Hiſtorie der voꝛnehm - ſten Reiche und Staaten / ſo jetziger Zeit in Europa ſich befinden.

Das Erſte Capitel. Von einigen alten Reichen / und ſondeꝛlich von dem Roͤmiſchen / als auß deſſen Stuͤcken verſchiede - ne von den neuen Staaten er - wachſen.

§. 1.

ES kan ein jeder ſich dieſesAeltiſter Zuſtand deß menſch lichen Ge - ſchlechts nach dem Fall. leichtlich einbilden / daß nicht alſobald bey Anfang deß menſchlichen Ge - ſchlechts ſothane Staaten / als itzo ſind / geweſen; ſon - dern es hat in erſten Zeiten der Welt ein jeder Haußvater frey fuͤr ſich ſelbſt / undAauſſer2Das I. Capitelauſſer Gewalt eines hoͤhern gelebet / und ſein Weib / Kinder und Geſinde gleichſam als ſouverain regieret. Ja es kom̃t mir ſehr glaublich vor / daß es die gantze Zeit uͤber biß an die Suͤndfluth keinen Staat / ſo mit hoher buͤrgerlicher Herrſchafft und Ordnung verfaſſet / gegeben; ſon - dern daß keine andere Regierung als der Haußvaͤter geweſen. Angeſehen nicht glaublich ſcheinet / daß eine ſothane ab - ſcheuliche Unordnung haͤtte koͤnnen ein - reiſſen / wenn die Menſchen der buͤrgerli - chen Herrſchafft und Geſetzen waͤren un - terworffen geweſen. Wie denn nach ein - gerichteten Republicquen die Menſchen niemahls wiederumb durchgehends in ein ſolches wuͤſtes Weſen verfallen / daß Gott demſelben nicht anders als mit ei - ner allgemeinen aͤuſſerſten Straffe ſteu - ren koͤnnen / ungeachtet die innerliche Wurtzel deß boͤſen ſo wohl nach / als vor der Suͤndfluth ſich kraͤfftig befunden. Es ſcheinet auch / daß geraume Zeit nach der Suͤndfluth dieſer Stand der abge - ſonderten und einzelen Haußvaͤter ge - dauret habe.

Anlaß Republic - quen zumachen.

§. 2.

Daß aber die Haußvaͤter dieſen Stand verlaſſen / und ſich in groſſe Ge - ſellſchafften zuſammen gefuͤget / ſcheinet Anlaß gegeben zu haben / weil unter de -nen3von Aſſyrien. nen nahe wohnenden allerhand Jrrun - gen entſtunden / welche nach dem ſie durch das Fauſtrecht außgefuͤhret wurden / groſſe Ungelegenheiten verurſachten. Und demnach hielte man Ruhe und Frie - de zu erhalten dienlich / die Entſcheidung ſothaner Jrrungen dem Kluͤgſten und Anſehnlichſten auß der Nachbarſchafft auffzutragen. Man verſpuͤrete auch bey Vermehrung der Menſchen etzlicher boͤ - ſen Buben / Muthwillen und Eintrang / und ſahe darbey / wie leicht es waͤre / ei - nen einzelen Mann mit ſeinem Weib und Kindern zu unterdruͤcken / wenn nur eini - ge wenige Boͤſewichter ſich zuſammen rotteten. Wider dieſe nun Sicherheit zu haben / vereinigten ſich die Nachbarn / und ſo leichtlich einander zu huͤlffe kom - men kunten / umb einander beyzuſtehen. Und ſolches deſto beſſer ins Werck zu ſtellen / trug man die Regierung der Ge - ſellſchafft demjenigen auff / ſo an Ver - ſtand und Tapfferkeit die andern zu - bertreffen ſchiene. Es iſt auch ſehr glaub - lich / daß wenn eine Parthey Leute ſich vereiniget neue Wohnſtaͤdte zu ſuchen / ſie einen Anfuͤhrer erwehlet / der bey ih - rer Reyſe / und Einrichtung der neuen Landſchafft die direction fuͤhrete. Und dieſer Richter / Obriſten und AnfuͤhrerA ijAmt4Das I. CapitelAmt iſt allgemach in eine ſolche Art der Regierung erwachſen / die Ariſtoteles ein Heroiſch Reich nennet / ſo nichts an - ders iſt / als eine democratie mit einem ſo - thanen vornehmen Buͤrger / der mehr Anſehen etwas zu rathen / als Macht nach ſeinem Belieben zu befehlen hatte. Und ſcheinet dieſes die aͤltiſte Art von Re - publicquen zu ſeyn; angeſehen die Hauß - vaͤter nicht ſo ſtracks ihre natuͤrliche Freyheit vergeſſen koͤnnen / daß ſie ja zum wenigſten nicht wolten ihre Meynung und Beyfall geben zu den Schluͤſſen / ſo im Nahmen der gantzen Geſellſchafft ſol - ten gefaſſet werden.

Wenn die erſten Re - bobli - quen ent-ſtanden.

§. 3.

Jn welchem Jahr aber derglei - chen Geſellſchaften zu erſt entſtanden / und welche fuͤr die aͤlteſte zurechnen / kan man ſo eigentlich nicht ſagen. Denn ob ſchon ins gemein das Aſſyriſche Reich fuͤr die erſte Monarchie gerechnet wird / ſo folget doch darauß nicht / daß ſelbiges auch eben die erſte buͤrgerliche Geſell - ſchafft unter den Menſchen geweſen. Jn - maſſen klar iſt / daß ſelbiges Reich durch Verſchlingung anderer kleinen Staa - ten in eine anſehnliche Groͤße erwachſen. Und gaben die Kriege / ſo die erſten Aſſy - riſchen Koͤnige gefuͤhret / gnugſam zuver - ſtehen / daß nebenſt dieſen auch bereits an -dere5Von Aſſyrien. dere Staaten auf der Welt geweſen. Worbey zu beobachten / daß wie alleErſte Staaten waren un - volkom - men und kleine. menſchliche Dinge bey ihren Anfang nicht alſobald volkommen ſind / alſo wa - ren auch die erſten Staaten gemeiniglich gar ſchlecht und einfaͤltig eingerichtet / biß ſich nach der Hand die Stuͤcken der hoͤch - ſten Buͤrgerlichen Gewalt in ihrer Vol - kommenheit hervor gewieſen / auch die zu Erhaltung eines Staats dienliche Mit - tel / Ordnungen und Geſetze ausgefun - den worden. So waren auch die erſten Staaten gar klein / und erſtreckten ſich nicht weiter / als uͤber eine meßige Gegend und Nachbarſchafft / ſo weit nehmlich die Leute in kurtzer Zeit ſich fuͤglich verſam - len kunten umb von ihren Angelegenhei - ten Rath zuſchlagen / oder einander wi - der auswertige Gewalt bey zuſtehen. Jn - maßen aus den Hiſtorien gnugſam erhel - let / daß je hoͤher man in die alte Zeiten kommet / je mehr abſonderliche Staaten man findet / aus dero Zuſammenfuͤgung mit der Zeit große Muͤhe entſtanden / nach dem etzliche freywillig mit andern ſich vereiniget / etzliche aber von den Staͤr - ckern mit Gewalt an ſich gezogen wor - den.

§. 4.

Unter dieſen großen ReichenDas Aſ - ſpriſche Reich. wird ins gemein das Aſſyriſche fuͤr dasA iijaͤlti -6Das I. Capitelaͤltiſte gehalten; Deßen Urſache mir dieſe zu ſeyn am glaublichſten vorkommet / weil die Menſchen zu erſt in ſelbiger Ge - gend gewohnet / und ſie angefuͤllet. Da hingegen an andern Orten / ſo unlaͤngſt mit Einwohnern beſetzet / die Leute etwas duͤnner wohneten. Darnebenſt auch jene beſſere cultur und Vermoͤgen gehabt / als dieſe / welche mit Erbauung des wuͤ - ſten Landes beſchaͤftig waren. Jſt alſo jenem leicht geweſen einen Schwachen nach dem andern uͤbern Hauffen zu werf - fen / als die noch nicht viel von Buͤndnuͤſ - ſen und zuſammengeſetzter Macht wu - ſten / und den erſten Sieg zum Behuf ei - nes folgenden zugebrauchen. Die groſ - ſen Kriegsheere / damit Ninus und Semi - ramis, die Uhrhebere ſelbiger Monarchie mit ſo weit abgelegenen Voͤlckern Kriege gefuͤhret / koͤnnen in der gemeinen Chro - nologie einen großen Zweifel geben / da - mit wir uns den Kopff nicht wollen zer -Mittel ſolches zu - erhalten. brechen. Es werden ſonderlich zwey Mittel angemercket / deren ſelbige Koͤnige ſolch groß Reich in Zaum zuhalten / ſich bedienet. Erſtlich / daß ſie ihre Perſon gar anſehnlich gemachet / in dem ſie ſich in ihren Palaͤſten eingeſchloßen gehalten / und von niemand als ihren nechſten Die - nern ſehen laßen / auch denen Untertha -nen7Von Aſſyrien. nen keinen Beſcheid ohne durch ſelbige Diener gegeben. Wordurch man dem gemeinen Mann einbildẽ wollen / es waͤ - ren ſelbige Koͤnige etwas mehr als ande - re Menſchen. Zum andern / daß ſie alle Jahr eine gewiſſe Anzahl Soldaten aus allen Provintzien in ihre Reſidentz kom - men laßen / uͤber die ſie einen Obriſten / den ſie am treueſten zu ſeyn vermeineten / ſetzten. Welches Heer ſo wohl gehorſam bey den Unterthanen / als Furcht bey den Auswertigen verurſachete. Dieſe Voͤlcker aber wurden jedes Jahr abge - dancket / und an dero Stelle andere aus - geſchrieben / damit der Obriſte nicht Zeit hatte ſie all zuſehr an ſich zu hencken / und durch dero Beyſtand das Reich an ſich zureißen. Daß dieſes Reich unter dem Sardanapalo zu Grunde gangen / ſcheinetDeſſen Unter - gang. nicht ſo wohl Urſache geweſen zu ſeyn deſſen uͤbelbeſchriehene Weichligkeit; als daß in ſothanen weiten Reiche die Koͤni - ge den Stadthaltern uͤber groſſe Pro - vintzien zu viel Macht gelaßen; Welche deſto leichter denen Koͤnigen endlich zum Haupten gewachſen / weil dieſe durch die Suͤßigkeit der Ruhe und des Friedens in die Wolluͤſte und Faulheit ſich laßen einſchlaͤffen / und nicht zuweilen durch Kriege / und andere beruͤhmte Wercke ihrA jvAn -8Das I. CapitelAnſehen erneuert. Es ſcheinen aber aus Untergang des Aſſyriſchen Reiches zwey neue Koͤnigreiche erwachſen zu ſeyn / in dem Arbactes Medien / deſſen Stadthal - ter er vorhin war / und der von Babylo - nien gleichfals ſeiner Provintz als eigen ſich angemaßet / welche nachmahls in dem Perſiſchen Reiche wiederumb ver - einiget worden.

Das Per-ſiſche Reich

§. 5.

Des Perſiſchen Reichs Uhr - heber Cyrus hat zu dem jenigen / was vorhin zum Mediſchen und Babyloni - ſchen Reich gehoͤret / auch viel von klein Aſien hinzugefuͤget. Dieſer hat unter viel loͤblichen Ordnungen auch dieſes weislich eingefuͤhret / als eine zu innerli -Mittel ſolches zu - erhalten. cher Ruhe ſehr dienliche Sache / daß er in allen Provintzien / darinnen er Stadt - halter ſetzte / die Feſtungen ſich vorbehal - ten / und ſelbige Hauptleuten von mit - telmaͤßigem Stande anvertrauet / die nicht unter dem Stadthalter / ſondern unmittelbar unter dem Koͤnig ſtunden. Welche weil ſie ſtets in Eyferſucht gegen einander lebeten / hielte einer den andern im Zaum; Und kunte der Stadthalter wegen der Hauptleute in den Feſtungen ſich wieder den Koͤnig nicht regen; welche auch auf jenes Thun genau Achtung ga - ben / und dem Koͤnige davon Bericht tha -ten.9Von Perſien. ten. Von den Hauptleuten aber hatte man ſich auch nichts zubefahren / weil ſie wegen ihres mittelmaͤßigen Standes und Vermoͤgen keinen großen Anhang be - kommen konten. Cambyſes hat Ae -Ungereim - te con - queſten der Perſi - ſchen Koͤ - nige. gypten an das Perſiſche Reich verknuͤp - fet. Weitere conqueſten zumachen / hat den Perſiſchen Koͤnigen nicht gelingen wollen: angeſehen Cambyſes einen ver - geblichen Zug wider die Moren / und Darius Hyſtaſpis wider die Schyten gethan; welcher Letztere auch / aber noch vielmehr Xerxes, große Schande wider die Griechen eingeleget. Aber die fol - gende Koͤnige Artaxerxes Longimanus, Darius Nothus und Artaxerxes Mne - mon, haben viel kluͤglicher gethan / in dem ſie die Griechen nicht angegriffen / ſon - dern ihnen ſo lange Ruhe gegeben / biß ſie in einheimiſche Kriege mit einander ver - fallen; alwo ſie ihre Partey liſtig ſpieleten / in dem ſie eine Stadt an die andere hetz - ten / der ſchwaͤchern allzeit Huͤlffe thaͤten / doch ſo / daß der Krieg nur in die Laͤnge verzoͤgert wuͤrde; und endlich als ſie alle ausgemattet und krafftloß waren / einen Frieden ihnen vorgeſchrieben / der von außen gar billig ſchien / aber in der That Griechenland etwas großes zu unter - nehmen unbequem machte / in dem eine je -A vde10Das I. Capitelde Stadt fuͤr ſich ſelbſt frey / und nie - mand als ihren eignen Geſetzen Unter -Deſſen Unter - gang. than erklaͤret ward. Jedoch iſt endlich den Perſiſchen Reiche aus einem kleinen Anhang von Griechenland / nehmlich Macedonien / ſein Untergang entſtan - den. Worbey es die Perſiſche Koͤnige anfangs darin verſehen / daß ſie nicht bey Zeiten der anwachſenden Gewalt Phi - lippi geſteuret / und ihme / ſo auch Alexan - dro / in Griechenland ſtarcke Feinde er - wecket / und dieſen durch große Geld - ſummen kraͤftig unter die Arme gegrif - fen / damit dieſe muntere Koͤnige zu Hau - ſe ſo viel zu thun bekahmen / daß ſie des Zugs nach Perſien vergeßen / gleicher weiſe / wie ſie vorhin Ageſilaum bald nach Hauſe umbkehren machten. Allein die große Sicherheit und Verachtung ande - rer zog ihnen das Verderben aufn Halß worzu die Unerfahrenheit Krieg zufuͤh - ren kahm / davon in folgenden beruͤhret wird.

Griechen-land.

§. 6.

Griechenland war vor alten Zei - ten in viel kleine Staaten vertheilet / deren jeder nach ſeinen eigenen Geſetzen lebete. Unter denen hat nach der Hand ſich ziem - lich hervorgethan Athen / deren Einwoh - ner an Verſtand / Beredſamkeit / Ge - ſchickligkeit in allen Kuͤnſten / auch Artig -keit11von Griechenland. keit der Sitten allen andern vorgiengen; deren Ruhm ſehr zunahm / nachdem ſie im Kriege wider die Perſer ſich ſo tapfer gehalten. Worauff ſie ihre Stadt durch Beyfuͤgung deß Hafens Pyræei zur Handlung und Schifffarth ſehr bequem gemacht / dardurch ſie groß Reichthum und Macht zur See bekommen. Jnmaſ - ſen ſie vermittelſt ihrer Kriegs-Flotten die Jnſuln deß Aegæiſchen Meers / und die Kuͤſte von klein Aſien unter ihren Ge - horſam brachte. Nachdem ſie aber an - hub ihres Gluͤcks ſich zu uͤberheben / und ihre Unterthanen und Bundsgenoſſen gar ſtrenge zu halten / iſt ſie in groſſen Haß bey maͤnniglich verfallen. Und weil ſie ſich mercken ließ / daß ſie nach der Herrſchafft uͤber gantz Griechenland ſtrebete / thaten ſich die Peloponeſier und andere unter Anfuͤhrung der Sparta - ner / als die ſonderlich Athen beneydeten / zuſammen / umb ihren Ubermuth zu daͤmpfen. Doch wehreten ſich die Athe - nienſer tapfer / und ward der Krieg lan - ge mit faſt gleichem Gluͤck gefuͤhret / biß ſie endlich durch eine groſſe Niederlage in Sicilien geſchwaͤchet / nachgehends ihre gantze Flotte in Thracien verlohren. Darauff die Spartaner Athen einnah - men / und darinnen dreiſſig Maͤnner zu Regenten ſetzten / ſo den Reſt der Buͤr -ger /12Das I. Capitelger / derer das Schwerdt geſchonet / ſehr grauſam handirten / welche aber Thraſi - bulus durch Huͤlffe der vertriebenen Buͤr - ger verjagete / und die Stadt in die vorige Freyheit ſetzte. Nach der Zeit hat Athen ſich zwar wieder erholet / doch daß es nie - mahls wieder zu der vorigen Hoͤhe gelan - get; ward auch hernach / als es ſich wider Philippum aufflehnen wolte / von dieſem hart gezuͤchtiget. Hat alſo Athen durch ungereimte Regierſucht ihr Ungluͤck - ber ſich gezogen / und daß es mehr Laͤnder mit ſeiner Herrſchafft begreiffen wolte / als es zu behaupten vermochte: Zumahl ſich dero Buͤrgerſchafft nicht viel uͤber ze - hen tauſend Mann erſtreckte / und es dar - zu das Buͤrgerrecht an andere gar ſpar - ſam verlehnete. Denn durch ſo wenige Mannſchafft laſſen ſich groſſe Laͤnder und Staͤdte nicht im Zaum halten: und da ſie ein und andermahl einen Haupt - ſtreich bekamen / lag ihre gantze Macht - bern Hauffen. Angeſehen ſothane Staͤd - te ins gemein mehr bequem ſind ſich zu beſchuͤtzen / als groſſe conqueſten zu ma - chen: und demnach am beſten thun / wenn ſie umb ihre Hanthierung ſich bekuͤm - mern / in frembde Haͤndel ſich nicht men - gen / noch andern das ihrige zu nehmen ſuchen / und im uͤbrigen ihre Mauren undWaͤlle13von Griechenland. Waͤlle wohl verwahren. Naͤchſt Athen war in Griechenland Lacedæmon oder Sparta beruͤhmt wegen der von Lycur - go eingefuͤhrter ſtrenger diſciplin, dar -Sparta. durch die Buͤrger ſonderlich zum Kriege bequem gemacht wurden. Dieſe Stadt / ſo lange in der Naͤhe kein groß Reich ent - ſtund / war ſtarck gnug ihre Freyheit ge - gen die angraͤntzenden kleinen Staaten zu behaupten. Wie die Spartaner hin - gegen auch keine Urſach hatten andere Leute anzugreiffen / ſo lange ſie vermoͤge ihrer Geſetze Geld und Gut verachteten. Aber da ſie hoͤher fliegen wolten / als ih - nen die Federn gewachſen / erfuhren ſie / daß viel andere Sachen erfordert wer - den ein groß Reich anzurichten / als eine maͤſſige Stadt zu erhalten. Dann als ihnen im Krieg wider Athen das Gluͤck zuletzt dergeſtalt gefuͤget / daß ſie ſelbige Stadt uͤbern hauffen geworffen / ſind ſie eben in die Thorheit gerathen / welche der Athenienſer Fall verurſachet hatte / in dem ſie nicht allein gantz Griechenland und die Kuͤſte von Aſien unter ihrer Herrſchafft begreiffen wolten / ſondern auch den Koͤnig in Perſien unter Ageſi - lao feindlich angriffen. Der aber einen leichten Weg fand dieſe Vermeſſenheit zu zuͤchtigen / in dem er durch die andernGrie -14Das I. CapitelGriechen / ſo auff der Spartaner Gluͤck neidiſch waren / ihnen zu Hauſe eine diver - ſion machte / dz ſie ihren Ageſilaum zuruͤck entbieten muſten / ſeinem Vaterland zu huͤlff zu kom̃en. Bald darauff ward ihre Flotte von Conone geſchlagen; zu Lan - de aber gab Epaminondas ihnen bey Leuctra ſtoͤſſe. Damit lagen ihre Kraͤff - te auff einmahl zu Boden / und hatten gnug zu thun ihre Stadt zu verthaͤdi - gen. Naͤchſt dieſen zwey Staͤdten kant auch Thebæ eine Weile in Anſehen am meiſten durch Tapfferkeit und Weißheit Epaminondæ; welcher die ſo genandte Boeotiſche Saͤue dermaſſen auffge - muntert / und ſo wohl angefuͤhret / daß ſie den Hochmuth der Spartaner gedaͤm - pfet / und bey ſeinen Lebzeiten in Grie - chenland oben geſchwebet. Nach deſſen Todt aber verfiel ſelbige Stadt wieder in ihren alten Stand / und als ſie ſich ge - gen die Macedonier auff lehnete / ward ſie erſt von Philippo hart gezuͤchtiget / von Alexandro aber gaͤntzlich zerſtoͤret.

Macedo-nien.

§. 7.

Macedonien war vor Philippi Zeiten ein gar ſchlecht Reich / ſo von den Nachbarn hier und dar gezwacket ward / daß es kaum ſeine Freyheit erhalten kon - te. Wie auch die nation unter andern Griechen gar gering gehalten ward. A -ber15von Macedonien. ber zweyer Koͤnige Tapfferkeit hat dieſes Volck aus der Verachtung hervorgezo - gen / und zur Herrſchaft uͤber ein groß Theil der Welt erhoben. Und zwar daß Philippus hierzu den Grund koͤn -Philippi Thaten / und Kuͤn - ſte. nen legen / in dem er das vorhin ſo geringe Macedonien innerlich wohl eingerichtet / und es zum Haupt uͤber Griechenland ge - macht / gab Gelegenheit ſo wohl der Zu - ſtand ſeiner Nachbarn / als auch ſeine ei - gene Perſon / und Geſchickligkeit / denn auf der einen Seite hatte Macedonien zu Nachbarn die Thracier / Triballer / und Jllyrier / wilde und raͤuberiſche Voͤlcker / denen aber ein kluger und tapferer Koͤnig leichtlich kunte Geſetze vorſchreiben. Auf der andern Seite waren die Staͤdte in Griechenland / welche ob ſie wohl von ih - rer alten Staͤrcke viel abgenom̃en / wa - ren ſie dennoch Macedonien im Anfang noch weit uͤberlegen. Gegen welche Philippus dieſe Kunſt brauchte / daß er ſie unter ſich zuſammen hetzte / damit ſie einander ſelbſt aufrieben / und der geſtalt ausmatteten / daß ſie der auswertigen Dienſtbarkeit ſich nicht mehr entſchuͤt - ten konten. Und weil Philippus nur einen nach dem andern angriff / die an - dern aber nicht beyzeiten mit geſamter Hand ſein Wachsthum verhinderten /war16Das I. Capitelwar er ihnen / ehe ſie ſichs recht verſahen / zum Haupten gewachſen. Es hatte auch Philippus große Geſchickligkeit ein ſolch Werck auszufuͤhren. Seinen leb - haften Geiſt trieb eine unerſaͤttliche Be - gierde durch große Thaten ſich beruͤhmt zu machen. Was ihme an feſter Tu - gend fehlete / kunte er mit angenomme - nen Schein auffuͤllen. Er ſahe gerne / wenn er ſein Vorhaben mit einem ſchein - baren Vorwand beſchoͤnen kunte; wol - te es nicht ſeyn / ſo war es ihm gnug ſeinen Zweck zuerlangen / und machte ſich eben nicht ein ſo groß Gewißen / ſeine Verheiſ - ſungen und Fluͤche als ein Werckzeug an - dere zubetriegen / zugebrauchen. Wu - ſte darneben ſeine Gemuͤthsneigungen und Anſchlaͤge meiſterlich zu bergen / an - dere zuſammen zu hetzen / gegen beyde Parteyen ſich Freund ſtellen / und ihnen mit vergeblicher Hofnung das Maul aufzuſperren. Konte ſich bey maͤnniglich wohl einſtellen / hatte gut Leder zum Maule. Das Geld brauchte er zu nichts anders / als ſein Vorhaben weiter fort - zuſetzen. Verſtund auch den Krieg ſehr wohl / und hatte auß ſeinen Macedoniern ein außer leſen Heer auffgerichtet / und ward die von ihm erfundene phalanx auch von den Roͤmern fuͤr ein erſchreck -lich17von Macedonien. lich Werck geachtet. Und weil er ſeine Soldaten uͤberall ſelbſt anfuͤhrete / ſie in ſteter Ubung erhielte / und ihnen den Sold wohl reichete / brachte er ſie da - hin / daß keine beſſere Kriegsleute als die Macedonier damahls gefunden wurden. Aber nachdem er es dahin gebracht / daß er von geſamptem Griechenland zum Feld-Obriſten wider die Perſer außge - ruffen worden / und er nun geſchaͤfftig war / den Zug wider dieſe ins Werck zu richten / ward er liederlicher weiſe ermor - det / und uͤberließ Alexandro ſein Vor - haben außzufuͤhren.

§. 8.

Man ſoll nicht leichtlich in denAlexander der Groſſe Hiſtorien einen beruͤhmtern Feldzug fin - den / als den Alexander vorgenommen / darinnen er mit etlich und dreyſſig tau - ſend Mann ein ſo maͤchtig Reich be - zwungen / und ſeine ſiegreiche Waffen von Helleſpont biß nacher Jndien ge - tragen. Wenn man die Urſachen ſo un - gemeines Fortgangs unterſuchen ſoll / ſo iſt wohl / nebenſt der Goͤttlichen Ver - ſehung / die jedem Reich ſein Ziel und Maaß geſetzet / auff einer Seite ein groß Stuͤck beſtanden in der unvergleichli - chen Hertzhafftigkeit deß Alexandri ſelb - ſten; der einen kern - außerleſen geuͤbet Kriegsvolck bey ſich hatte / und mit un -Bglaub -18Das I. Capitelglaublicher Geſchwindigkeit dem Feind auff den Halß drung / deme keine neu zu - ſammen geraffelte Voͤlcker / wie viel derer auch waͤren / Widerſtand thun kunten. Auff der andern Seite verſahe es auch Darius ſehr / daß er es auff oͤffentliche Feldſchlachten ankommen ließ / dariñ die Perſer denen Griechen niemals gleich ge - weſen. Und hatte das Perſiſche Reich lange Zeit keinen ſonderlichen Krieg ge - habt / ſo daß es wenig geuͤbt Kriegsvolck daſelbſt gab. Dannenhero denn je groͤſſer der Hauffe war des unerfahꝛnen Volcks je groͤſſere Unordnung gab es / wenn es ans treffen gieng. Und hatte Darius die Kunſt den Krieg zu verzoͤgern / und einen muntern Feind abzumatten / und auffzu - reiben / durch vortheilhafftig ſtill ſitzen / Abſchneidung des Proviants / und der - gleichen nicht gelernet. Und weil er ver - ſaͤumet durch Auffwickelung der dem A - lexandro abguͤnſtigen Griechen ihme eine diverſion zu Hauſe zu machen / war kein ander Außgang / als der erfolgete / zu ge - warten.

Stirbtfruͤhzeitig.

§. 9.

Es hat aber der fruͤhzeitige Todt Alexandri die Frucht dieſes ruͤhmlichen Feldzuges zu nichte gemacht / indem nicht allein ſeine noch unerzogene Kinder des vaͤterlichen Reichs haben entbehren muͤſ -ſen19von Macedonien. ſen〈…〉〈…〉 ſondern es hat der innerliche Krieg ſeiner Obriſten die neu uͤberwundenen Voͤlcker in groß Elend geſetzet / welchen ſonſten leicht waͤre geweſen ihren vorigen Koͤnig mit einem viel beſſern vertauſchet zu haben. Allein es kunten die in der Eyl bezwungene Laͤnder in kein beſtaͤndig Reich gedeyen; nachdemmahl daß unter - ſchiedliche Nationen vereiniget werden / geraume Zeit und ſonderbare Kunſt der Regenten erfordert. Auch ins gemein allzugroß Wachsthum nicht beſtaͤndig iſt / und nicht geringere Geſchickligkeit er - fordert wird etwas zu erhalten / als zu er - werben. Weil demnach Alexandri Con - queſten ſo groß waren / daß er ſie mit der geringern Anzahl ſeiner Macedonier durch Gewalt nicht konte im Zaum hal - ten / und ſie zum Anhang oder Provintz ſeines vaͤterlichen Reiches machen; war kein ander Mittel ſolch groß Werck zu behaupten / als daß er die Uberwundene mit eben ſolcher Freundligkeit / als ſei - ne gebohrne Buͤrger hanthierete / und von ihren alten Geſetzen / Gewohn - heiten / und Rechten nichts veraͤnderte / auch ſie nicht zwunge Macedonier zu werden / ſondern daß er vielmehr zum Perſer wuͤrde / und alſo die Uber - wundenen keine andere Veraͤnderung /B ijals20Das I. Capitelals in der Perſon des Koͤnigs empfun - den. Jnmaſſen auch Alexander ſolches wohl verſtund / und deßwegen allgemach die Perſtſche Sitten ſich angewehnet / de - ro Kleidung angenommen / des verſtor - benen Koͤnigs Tochter geheyrathet / und eine Leibguardie auß Perſianer ange - richtet. So daß die Scribenten / die ſolches an Alexandro tadeln / nichts an - ders als ihren Unverſtand damit an Tag geben. Aber ein ſothan Werck er - fordert geraume Zeit / biß die Gemuͤther des Uberwinders und der Uberwunde - nen einander recht gewohnet werden. Worzu Alexandri Perſon wegen ſeiner Tapferkeit / Großmuͤthigkeit / Freyge - bigkeit / und Anſehen trefflich bequem war. Und haͤtte er einen Sohn gehabt / der eines ſolchen Vaters nicht unwuͤr - dig geweſen / haͤtte ſein Hauß der beſtaͤn - digen Beſitzung des Perſiſchen Throns ſich erfreuen koͤnnen.

Verwir - rung nach AlexandriTodt.

§. 10.

Es hat auch Alexandri Todt gleichſam ein Gewebe blutiger Kriege angezettelt / weil damahls ein ſtarckes Kriegsheer auff den Beinen ſtund / wel - ches wegen Ruhm ſeiner Thaten gantz unbendig war / und keinen mehr zu gehoꝛ - ſamen wuͤrdig achtete: auch unter den O - briſten keiner ſo hoch war / daß die andernihme21von Macedonien. ihme gutwillig weichen wolten / und den - noch ihnen allen das Hertz dergeſtalt ge - wachſen / daß ſie den Privatſtand fuͤr ſich zugering hielten. Zwar gab man Aridæo den Nahmen eines Koͤnigs; aber es hatte dieſer einfaͤltige weder Anſehen noch Macht ſo viel maͤchtige und hoffaͤrtige Leute im Zaum zu halten. Und demnach reitzte der Ehrgeitz ſie an / daß einige ſich Herren von dem gantzen Reich zu machen trachteten / die andern ein gut Theil davõ zu erſchnappen hoffeten. Worauß bluti - ge und langwierige Kriege entſtanden / dariñen je einer den andern auffgerieben / biß endlich ihrer wenig uͤbrig blieben. Fuͤnffe darvon maſſeten ſich den Koͤnigli - chen Nahmen / und hoͤchſte Gewalt uͤber ihre Provintzien an / Caſſander, Lyſima - chus, Antigonus, Seleucus, und Ptolo - mæus. Worvon nur die drey letzten ihre Reiche auff ihre Nachkommen bringen kunten. So daß in der That nur drey be - ſtaͤndige Reiche in der Macedonier Haͤn - de geblieben / Syrien / Egypten und Ma - cedonien. Diejenigen Theile aber des Perſiſchen Reiches / ſo jenſeit dẽ Euphrat nach Oſten gelegen / ſind unter dem Nah - men der Parther wieder umb in ein großUnter - gang der Macedo - niſchen Reiche. Reich erwachſen. Vorerwehnte 3. Reiche ſind von den Roͤmern nachgehends ver -B iijſchlun -22Das I. Capitelſchlungen worden. Und muſte Macedo - nien am erſten herhalten / als welches J - talien am naͤchſten gelegen. Denn als die Roͤmer / nachdem ſie Jtalien bezwungen / ihre Regier ſucht beguntẽ uͤber das Meer außzubreiten / und vermerckten / daß ſich Philippus ziemlich begunte hervor zu thun / und Griechenland unter ſich zu bringen ſuchte; wolten ſie nicht laſſen ei - ne ſo groſſe Macht in der Nachbarſchafft auffwachſen / die ſo leicht ſich in Jtalien koͤnte ergieſſen. Und lieſſen demnach ſich in Bund ein mit den Griechiſchen Staͤd - ten / ſo von Philippo angefochten wur - den; und unter dieſem Vorwand griffen ſie Philippum an / trieben ihn zuruͤck in ſein Macedonien / aber gantz Griechen - land erklaͤreten ſie frey. Wordurch die Kraͤffte ſelbiger Nation getheilet / dero Gemuͤther abeꝛ den Roͤmern ſehr geneigt wurden / die endlich Perſen gantz uͤbern Hauffen wurffen / und Macedonien ſich gaͤntzlich unterwuͤrffig machten. Nach dem traff die Reyhe das Koͤnigreich Sy - rien / deſſen Koͤnig Antiocho dem Groſſen die Roͤmer Aſien biß an den Berg Tau - rum abnahmen. Wiewohl aber ſelbiges Reich noch eine Weile ſtund / ward es doch durch innerliche Unruhe elendiglich zerruͤttet / biß endlich die Unterthanenvon23von Macedonien. von ſolchem Ubel uñ Raſerey der Koͤnigl. Familie ermuͤdet ſich an Koͤnig von Ar - menien Tigranem ergeben; Deme noch - mals Pompejus ſelbiges Reich abgezwun - gen / uñ es dem Roͤm. Reiche einverleibet. Am letzten muſte auch Egypten in der Roͤ - mer Haͤnde verfallen / nachdẽ Keyſer Au - guſtus die Koͤnigin Cleopatram mit ihꝛem galanten Antonio uͤberwunden.

§. 11.

Bevor wir auff Rom kommen /Carthage wollen wir etwas beruͤhren von Cartha - go / als welche jener den Vorzug lange Zeit diſputiret / ſo daß Rom nicht veꝛmey - nete in Sicherheit zu ſeyn / ſo lange dieſe noch ſtuͤnde. Dieſe Stadt nur war mehr zur Kauffmañſchafft geſchickt / als durch Krieg viel Laͤnder zu gewinnen. Deſſen ungeachtet / nach dem ſie duꝛch ihren Han - del und Schiffart an Menge deꝛ Einwoh - ner und Reichthum ſehr zugenom̃en / fing ſie an weit umb ſich zu greiffen / uñ mach - te ſich nicht allein ein gut Stuͤck von dem naͤchſt gelegenen Africa zinsbar / ſondern ſchickte auch groſſe Kriegsheer in Sici - lien / Sardinien und Spanien. Woruͤber ſie mit den Roͤmern in die Haare gerieth / mit welchen ſie in zweyen Kriegen hefftig und lang gefochten / im dritten aber gaͤntzlich verſtoͤret ward. Da ſonſten / wenn ſie von Anfang ſich an jene zuB iiijreiben24Das I. Capitelreiben veꝛmeidet / ſie dem Anſehen nach ih - re Freyheit noch lange Zeit haͤtte behau - pten koͤnnen. Kam alſo die voꝛnemſte Ur - ſache ihres Verdeꝛbens her von der unzei - tigen Begierde andere Laͤnder zu gewin - nen / d doch die eigentliche Beſchaffenheit ihres Staats erforderte / dz ſie ſich haupt - ſaͤchlich an ihre Commeꝛcien halten ſolte / und es laſſen gnug ſeyn / einige nahe gele - gene Laͤndereyen zur Bequemligkeit der Buͤrger / und einige Seeplaͤtze in Spaniẽ und Sicilien zu Befoderung des Kauff - handels zu beſitzen. Aber groſſe Laͤnder zu gewinnen bracht ihr mehr Schaden als Vortheil. Denn es wurden die Feldobri - ſten uͤber die außgeſchickten Heere ihrer Freyheit gar gefaͤhrlich / als die nach er - langter groſſer Ehre uñ Beute nicht gern mit den andern Buͤrgeꝛn in gleichẽ Rang gehen wolten. So waren auch ihre Ein - wohner zum Landkriegẽ wenig geſchickt / und muſtẽ dannenhero ihre Armeen mei - ſtens auß geworbenen Voͤlckern aus ver - ſchiedenen Nationen geſamlet werdẽ: auf welche ſie groß Geldmit ungewiſſeꝛ Hoff - nung des Gewinns wendeten. Und den - noch kunte man ſich ihrer niemahls recht verſichern / oder die Verwahrung der er - oberten Plaͤtze ihnen anveꝛtrauen / als de - rer Treue mit Geld leichtlich umzukauffẽwar.25von Carthago. war. Und haͤtte Carthago bald mit ih - ren Untergang nach dem eꝛſten Krieg mit den Roͤmern erfahren / was es zubedeu - ten habe / mit lauter frembden geworbe - nen Soldaten Krieg zufuͤhren. Wes - wegen ſie auch den Roͤmern nicht kunte gewachſen ſeyn / dero Buͤrger mit viel groͤßern Eifer fuͤr ihr Vaterland / als frembde fuͤr einen ſchlechten Sold ſtrit - ten. Das war auch ein allzugroß ver - ſehen / daß ſie ihre Seemacht nicht der - maßen ſtaͤrckten / daß ſie Meiſter zur See bleiben kunten / welches Vortheil nach dem ſie es ſich durch die Roͤmer nehmen ließ / hatte ſie nichts anders als den Feind fuͤr ihren Pforten zugewarten. Nicht weniger verſahen ſie es damit / daß ſie den Hannibal / der anfangs ſo groß Vor - theil wider die Roͤmer hatte / nicht mit allen Kraͤften entſetzten / daß er ihnen den gar aus machen kunte. Denn als die Roͤmer Zeit bekahmen ſich wieder zuer - hohlen / und nachmahls an ihre Gefahr gedachten / ruheten ſie nicht eher / biß ſie Carthago der Erden gleich gemachet.

§. 12.

Es lohnet wohl fuͤr die Muͤhe /Rom war eine Krie - geriſche Stadt. daß man den Staat von Rom aus dem Grunde unterſuche / als derer keine Stadt jemahls an Gewalt vorgegan - gen / der Studierenden Jugend auch dieB vRoͤ -26Das I. CapitelRoͤmiſchen Hiſtorien am bekanteſten zu ſeyn pflegen. Dieſe Stadt nun war ei - gendlich zum Kriegsweſen eingerichtet / darauß ſie auch ihren Wachsthum / und nachgehends / auch ihren Untergang ge - nommen. Das neue Volck / ſo meiſts aus dem liederlichſten Poͤbel zuſammen gelauffen / beſtund aus lauter armen Leu - ten / die weder von der Kaufmanſchafft / worzu Rom nicht wohl gelegẽ / noch von Handwercken / die damahls in Jtalien wenig bekandt waren / ſich ernehren kun - ten. Das wenige Feld / ſo ſie anfangs ein - genommen / kunte eine groſſe Menge Volcks nicht ernehren; War auch in der Naͤhe kein leeres Land / daß ſie haͤtten ein - nehmen und bebauen koͤnnen. Alſo war nichts mehr uͤbrig / im Fall ſie ſich aus ih - rer Betteley wolten herauß reiſſen / und ſich gegen die Nachbarn erhalten / als daß ſie ihr Gluͤck durch den Degen ſuchen mu - ſten. Und war in der That Rom ein rech - tes Wolfsneſt / derer Einwohner rechte Wolfsart an ſich hatten / die ſtets nach anderer Leute Guth und Blut geduͤrſtet /Mittel wordurch Rom groſ ſe Mann - ſchaft be - kommen. und die ſich vom Raube ernehret. Einer Stadt nun von dieſer Natur war von - noͤthen / daß ſie mit vielen und ſtreitbaren Buͤrgern erfuͤllet waͤre. Zu welchẽ Zweck dienete / daß Romulus verbot kein Kindumb -27von Rom. umbzubringen / ſo nicht gar gebrechlich u. ungeſtalt geweſen / welcher unmenſch - liche Gebrauch die Kinder weg zuwerffen ſonſten bey den Griechẽ ſehr gemein war. Jtem / daß man zu Rom den Knechten mit der Freyheit auch das Buͤrgerrecht gab / aus welchen mit der Zeit viel vorneh - me Familien entſtanden / nach dem die Nachkommenden durch Wohlverhalten den Unflath ihres Herkommens abge - wiſchet. Abſonderlich aber hat dieſes die Anzahl des Volcks ſehr gemehret / daß Romulus in den eroͤberten Plaͤtzen die Maͤnner nicht ließ nieder hauen / oder zu Knechten verkauffen / ſondern ſie in Rom nahm / und denẽ alten Buͤrgern an Recht u. Freyheit gleich machte. Und dieſe Ur - ſach fuͤhren ſonderlich die Roͤmiſche Scꝛi - benten an / warumb Athen u. Sparta ih - re conqueſten nicht ſo lange / als Rom be - haupten koͤñen. Weil jene das Buͤrger - recht nicht leicht einẽ Fꝛembden goͤñeten; Romulus aber oft die jenigen / mit denen eꝛ des Morgens in der Schlacht gefochten / aufm Abend zu Buͤrgern hatte. Deñ der Krieg erfordert viel Leute / und kan man neu gewonnene Oerter nicht erhalten / ohne einer Menge tapfferer Leute / de - rer Treue man verſichert iſt. Da - mit aber die eingenommene Oerter nicht von Einwohnern entbloͤſſet ver -wil -28Das I. Capitelwildern moͤchten / auch Rom nicht mit allzugroßer canaille uͤberhaͤuffet wuͤꝛde / nahm man an vielen Ortẽ nur die Wohl - habenden und Tapffern Buͤrger nach Rom / und ſetzte an der weggefuͤhrten Stelle arme Buͤrger aus Rom / die ſelbi - gen Ort mit Wohlgewogenheit gegen Rom anfuͤlleten / und zugleich an ſtadt einer Beſatzung waren. Auf ſolche Wei - ſe kahm alles / was in der Nachbarſchafft tapffer war / nach Rom / die armen Buͤr - ger aber / ſo zu Rom am Hungertuche nagen muͤßen / wurden in gute Mittel ge - ſetzet. Daß aber die Buͤrgerſchafft zu Rom ſtreitbar ward / verurſachte nicht allein ihre Duͤrftigkeit / ſondern auch weil ſie von tapffern Koͤnigen zum Kriegswe - ſen wohl abgerichtet / und in vielerley Ge - legenheiten geuͤbet ward. Allein an ſich ſelbſt iſt es nicht gut / den gantzen Staat einer Republic auf den Krieg alleine zu ſe - tzen / denn man kan im Kꝛiege nicht allzeit des gewinnens ſich verſichern / dienet auch nicht zu dem Wohlſtand des Buͤr - gerlichen Lebens / daß man durchge - hends mit Soldatiſchen Sitten einge - nommen ſey. Jmmaßen auch Rom den Frieden nicht vertragen kunte / und als keine auswertige Feinde mehr zu fuͤrchten waren / fuhren die Buͤrger ein - ander ſelbſt in die Haare.

§. 13.29von Rom.

§. 13.

Nebenſt dem ſind auch nochAndere Ordnun - gen dem Krieg zum beſten einige andere Dinge zubeobachten / die zu Rom das Kriegsweſen ſehr befoͤrdert haben. Worzu ſonderlich gehoͤret / der von Koͤnig Servio Tullio eingefuͤhrte cenſus, durch welchen unter andern ver - ordnet war / daß da ſonſten Reich und Arm ohne Unterſchied auf ihre eigene Koſten ohne Sold Kriegsdienſte thun muſten / nachgehends nur die beguͤterten Buͤrger zu Soldaten geſchrieben wur - den / und zwar mit ſchwerer oder leichter Ruͤſtung / nach dem ſie viel oder wenig vermochten; Das arme Geſindel aber / außer der aͤußerſten Noth mit dem Krie - ge verſchonet ward. Deßen Urſache / wiewohl das Reichthum an ſich ſelbſt zur Tapfferkeit nichts thut / nicht allein dieſe geweſen / weil damahls die Buͤrger ohne Sold dienen muſten / und alſo die - jenigen billig verſchonet wurden / die ſich mit genauer Noth ernehrẽ kunten: Son - dern auch weil man auf dieſe Weiſe ſich ihres Wohlverhaltens und Treue zuver - ſichern gemeinet. Denn einer / der nichts hat als ſeyn Leben / kan ſein Vermoͤgen uͤberall mit ſich hintragen / und treibet ihn ſo große Noth nicht darzu / daß er ſich fuͤr die lange weile laße todtſchlagẽ. Kan auch leichtlich zum Uberlauffen bewogẽwerden /30Das I. Capitelwerden / wenn er auf der andern Seite beſſeres Gluͤck hoffet. Hingegen wer gut Vermoͤgen hat / ſtreitet mit groſſem Eifer fuͤr das gemeine Weſen / weil ſein privat Guth darein geflochten iſt; ſoll auch nicht leichtlich zum Verraͤther wer - den / weil er in ſeinem Uberlauffen ſein ge - wiſſes Guth verbahret / aber nicht weis / wz er bey der andern Partey zu Beloh - nung ſeines Bubẽſtuͤcks bekom̃en werde. Uñ wiewohl nach der Zeit unteꝛ den Kaͤy - ſern der Gebrauch die Soldatẽ nach dem Vermoͤgẽ zuſchꝛeiben abkahm / ſo pflegtẽ ſie doch gemeiniglich an deſſen Stadt einẽ Theil von ihrem Sold inne zu halten / als ein Pfand ihrer Treue / u. nicht ehe aus - zuzahlen / als biß ſie abgedancket wurden: welches Geld im Lager bey den Fahnen verwahret ward. Es iſt auch dieſes meꝛck - wuͤrdig / daß ob wohl die Roͤmer oft auch ziemlich eingebuͤſſet / ſie deñoch niemahls durch Ungluͤck erſchrecket den Muth ſin - cken laſſen / und mit ſchaͤndlichen Conditi - onen Friede gemacht / ohne was mit dem Porſenna, und Gallis Senoribus vorgangẽ. Denn jenem muſten ſie Geyſel geben / der ihnen auch fuͤr geſchꝛieben / daß ſie kein Ey - ſen als in Ackerbau gebrauchen ſolten: Welche Schande des Roͤmiſchen Volcksihre31von Rom. ihre Hiſtorici gar mit Fleiß vorbey gehen. Die Galli aber haͤtten auf ein Haar Rom den garauß gemachet / wenn ſie nicht mit Gold waͤren abgekauft worden / das faſt ausgehungerte Schloß zuver laſſen. Deñ daß Camillus ſoll in Darwiegung des Goldes daꝛzu kommen ſeyn / und die Gal - lier mit Gewalt wieder aus Rom getrie - ben / wollen einige fuͤr eine Fabel halten. Jm uͤbrigen ſind ſie allezeit dem wieder - waͤrtigen Gluͤck mit groſſer Standhaf - tigkeit entgegen gangen; und ungeachtet Hannibal im zweiten Pumiſchen Kriege ihnen das Meſſer an die Kehle ſetzte / hat man ſie doch kein Wort hoͤren vom Frie - den ſprechen. Als auch ihre Genera - len bey Caudio und Numantia ſchimpf - lichen Accord gemachet / haben ſie doch ſolchen nicht gehalten / und viel lieber die Generalen in der Feinde Haͤn - de liefern wollen. Auch ins gemein / damit ihre Soldaten ſich allein auf ih - re Faͤuſt / und nicht auf des Feindes Barmhertzigkeit verlieſſen / haben ſie diejenige / ſo Quartire begehret / und ſich gefangen laſſen nehmen / gar wenig geachtet: ſind auch nicht ſorg - faͤltig geweſen ſie zu loͤſen. Wie nun dieſes die Soldaten genoͤthiget aufs aͤuſſerſtezu32Das I. Capitelzu fechten: alſo hat die Beſtaͤndigkeit ih - nen groß Anſehen gemacht. Denn wer einmahl gegen ſeinen Feind ſich feigt erweiſet / der muß allzeit herhalten / ſo oft jenem die Luſt ankommt ſich an ihn zu rei - ben.

Art der RoͤmiſchẽReligion.

§. 14.

Es lohnet auch fuͤr die Muͤhe etwas von der Roͤmiſchen Religion zu - beruͤhꝛen / welche ob ſie wohl von deꝛ Grie - chẽ ihrẽ Aber glauben entſproßen / war ſie doch von den Roͤmern zu Behuf des Staats viel liſtiger gebrauchet. War demnach von Anbegin ein beſtaͤndiger Gebrauch zu Rom / daß man alle Staatsgeſchaͤffte mit guten Zeichen an - gefangen; Weil man von dem Ausgang eines Dinges ſo viel Hofnung ſchoͤpfet / als es mit Gottes Willen oder Mißha - gen vorgenommen wird: und deswegen die jenigen / ſo in einem Beginnen von Gottes Wohlgewogenheit ſich verſichert halten / mit hertzhaftem Muth ſolches an - greiffen und ausfuͤhren. Solche Zei - chen aber nahmen ſie ins gemein von den Voͤgeln; Welches gar eine alte Art von Aber glauben iſt / und hatte davon ihren Urſprung / weil die Heyden vermeineten / die Goͤtter haͤtten ihren Sitz uͤber der Luft / und brauchten zu Auslegern ihres Willens die Creaturen / ſo in dem nechſt -gele -33von Rom. genen Element ſich aufhielten. Es wur - de auch der Gebrauch dieſer Zeichen fuͤr bequem gehalten / weil nicht allein ſelbige jeder zeit bey der Hand ſind; ſondern auch weil man dero Bewegung und Stim̃en auf mancherley Art ausdeuten kan / wie es die gegenwaͤrtige Zeit und Geſchaͤffte erfordern. Und brauchten alſo dieſes Propheceyen aus dem Vogelflug die li - ſtigen Prieſter nur zu dem Ende / damit ſie den unverſtaͤndigen Poͤbel froͤlich / hertzhaft / traurig / verzagt / voll - oder oh - ne Hofnung machten / nach dem es dem gegenwaͤrtigen Zuſtand dienlich ſchiene. Jnmaßen auch der alte Cato / der ſelbſt ein Augur war / ſich nicht ſcheuete zu ſa - gen: es nehme ihn wunder / daß ein Aru - ſpex, wenn er einen andern Aruſpicem ſehe / ſich des Lachens enthalten koͤnte / weil ihre vermeinte Diſciplin ſo gar aufſchlechten Grund gebauet war. So war auch was bey den Roͤmern Religi - on hieß / hauptſaͤchlich auf den Nutz des Staats gerichtet / umb die Gemuͤther des gemeinen Volcks zu lencken / wie es fuͤr je - ne zutraͤglich ſchien; anders als unſere Chriſtliche Religion, welche auf die See - ligkeit der Seelen / und kuͤnftigen Zuſtand der Menſchẽ fuͤr nehmlich ſiehet. Dañen - hero die Religion bey den Roͤmern in keineCgewiſ -34Das I. Capitelgewiſſe Glaubens-Puncten abgefaſſet war / dardurch die Leute von Gottes We - ſen und Willen unterrichtet wurden / und wie ſie ihre Gemuͤthsbewegungen und Thun muͤſten anſchicken / daß ſie Gott ge - faͤllig waͤren: ſondern es lieffe meiſtens nur auf aͤuſſerliche Ceꝛemonien aus / was fuͤr Opfer man ſchlachten / welche Feyer - taͤge u. Spiele man den Goͤttern halten muͤſte. Jm uͤbrigen bekuͤmmerten ſich die Prieſter nicht / was das Volck von Goͤtt - lichen Dingen glaubete oder nicht glau - bete; Item ob nach dieſem Leben die From - men Gutes / und die Boͤſen Ubels zuer - warten haͤtten / oder ob die Seelẽ zugleich mit den Leibern ausgeloͤſchet wuͤrdẽ. Jn - maſſen wir denn ſehen / daß die Heyden von dieſen Dingen gar zweifelhaftig ge - redet / und die am kluͤgſten ſeyn wolten / ſolches alles nur fuͤr Fabeln den Poͤbel etwas weiſe zumachen gehalten haben. Sonſten aber waren ſie in ihren Ceremo - nien ſehr accurat, aͤnderten nicht leichtlich etwas darinn / und veruͤbten ſie mit groſ - ſem Pracht und Anſehen. Welches alles nach des gemeinen Mannes Phantaſey gerichtet war / denn dasjenige am meiſten beweget / was mit groſſem Schein in die Augen faͤllt. Dañenheꝛo auch nicht allein ihre Tempel praͤchtig / die Opfer u. uͤbrigeAn -35von Rom. Anſtalt des Gottesdienſts herrlich wa - ren: ſondern man erwehlete auch die Prieſter aus den vornehmſten und edel - ſten Buͤrgern; welches ſich auch wohl mit der Einbildung des Poͤbels reimet / weil man alſo von der Vortrefligkeit eines Geſchaͤfftes zu urtheilen pfleget / nach dem die Perſonen ſind / die darzu gebrau - chet werden. Wiewohl noch eine ande - re Urſach darunter verborgen war. Deñ weil ſie ihre Religion nur brauchten als ein Inſtrumentum ſtatus umb das Volck nach der Regenten Willen zu ſtimmen / ſo war es aller dings noͤthig / das ſie zu Prieſtern gebrauchten ſolche Leute / ſo dz intereſſe vom Staat verſtunden / u. ſelbſt am Rudeꝛ mit ſaſſen. Da hingegen / wenn geringe Leute aus dem gemeinen Volck waͤren Prieſter geweſen / haͤtten ſie leicht entweder durch ihren Ehrgeitz eine Facti - on wider die Regenten machen koͤnnen vermittelſt des Poͤbels Beyſtand / wel - cher ſelbigen Leuten allzeit wegen der Ein - bildung ihrer Heiligkeit anhaͤnget; oder aus Unwiſſenheit des gemeinen Anlie - gens / und obhabender Anſchlaͤge dem Volck andere Einbildungen machen / als die Zeiten erforderten. Wormit ſie zu - gleich verwehreten / daß die Prieſter nicht kunten einen beſondern StandC ijin36Das I. Capitelin der Republicq machen / und damit eine ſchaͤdliche Theilung des Regiments verurſachen / oder gar die hoͤchſte Gewalt an ſich zu reiſſen Luſt oder An - laß bekommen.

Abſchaf - fung derKoͤnige.

§. 15.

Nach dem Rom 242. Jahr von Koͤnigen beherſchet worden / ward eine andere Regierung eingefuͤhret / weil des Koͤnigs Sohn Sextus Tarquinius die Lucretiam geſchaͤndet hatte. Ob Junius Brutus gnugſame Urſache gehabt umb dieſer That willen den Koͤnig zuvertꝛeibẽ / laͤſſet ſich auf beyden Seiten diſputiren. Einerſeits befindet ſich eine ſchaͤndliche That / ſo von der Natur iſt / daß tapfere Maͤñer lieber alles wagen wollẽ / als einẽ ſothanen Schimpf einfreſſen. Angeſehen man viel andere Exempel hat / daß Prin - tzen ihrẽ Staat und Leben gemiſſet / nach dem ſie ihre Viehiſche Geilheit an ihrer Unterthanen Weiber u. Toͤchter ange - reitzet. Auf der andeꝛn Seite iſt zubetrach - ten / daß eine Frevelthat / von dem Sohne ohne ſeines Vaters Wiſſen und Bewilli - gung begangen / dem Vater und der gan - tzen Familie nicht kan nachtheilig ſeyn / noch gnugſame Urſach gebẽ / ſie ihres mit recht beſeſſenen Reichs zuentſetzen: Zu - mahl die Rache ſolcher Thaten allein dem Koͤnige / und keinẽ Buͤrger zukom̃t. Undhaͤtte37von Rom. haͤtte als denn Brutus und Collatinus Ur - ſache gehabt zu klagen / wenn ihme der Koͤnig dieſer That halber juſtice verſa - get / u. ſeines Sohns Geilheit gut geheiſſẽ haͤtte. Aber es findet ſich ins gemein / daß man bey Veraͤnderung der Regierungẽ nicht alles ſo genau nach den Regeln der Gerechtigkeit abmeſſen kan. Und wie ins gemein bey Erlangung neuer Herrſchaf - ten etwas unrecht pfleget mit unter zu - lauffen: alſo auch in dem man einen von Regiment herunter wirft / iſt oft Ehꝛgeitz u. Mißgunſt die voꝛnehmſte Urſach / wel - che mit einigẽ verſehen des vorigen Regẽ - ten bemaͤntelt wird. Wie dem allem / ſo iſt gewiß / dz die Koͤnigl. Regierung zu Rom nicht lange hat Beſtand haben koͤñen: an - geſehen durchgehends die Republiquen / wo die Buͤrger in einer einzigen Stadt be - griffen ſind / zur ariſtocratiſchen u. demo - cratiſchen Regierung bequem ſind; aber Koͤnigreiche ſchicken ſich am beſten / wo das Volck in weite Laͤndereyen zerſtreuet wohnet. Die gruͤndliche Urſach deſſen iſt / weil man in der Politic den meiſten Theil der Menſchen betrachten muß als wilde ungezaͤhmte Creaturen / welche den auf - gelegten Zaum des buͤrgerlichen Gehor - ſams auf alle maſſe abzuſchuͤtteln ſuchen / weñ er ihnen nicht recht anſtehen will. Und nebenſt dem / weil man die MenſchẽC iijnicht38Das I. Capitelnicht anders baͤndigen und im Gehorſam halten kan / als durch Zuthun anderer Menſchen. Worauß ein Vernuͤnfftiger leichtlich ſchlieſſen kan / warumb ein Koͤ - nig / der nur uͤber eine einzige volckreiche Stadt herrſchet / alſo bald in Gefahr ſte - het ſeinen Staat zu verlieren / wenn ſeine Regierung den Buͤrgern mißfaͤllt / oder andere ſich bey ſelbigen inſinuiren; es ſey denn / dz er eine ſtarcke garde von Außlaͤn - dern / oder ein feſt Schloß habe. Welches doch ſehr verhaßte / und zum Theil unſi - chere Mittel ſind. Denn wenn in einem ſolchen Staat der Regent verhaßt wird / ſo ergeuſt ſich der Haß ſtracks durch alle Buͤrger / weil ſie beyſam̃en wohnen / und leichtlich wideꝛ ihn ſich veꝛeinigen koͤnnen. Aber wo das Volck zerſtreuet wohnet / iſt es dem Regenten leicht ſo viele auff ſeiner Seite zu haben / damit er die malconten - ten unterdruckẽ kan. Welche auch derent - wegen mehr zu befahren ſind / weil ſie ſo bald nicht zuſam̃en kom̃en / und ſich verei - nigen koͤnnen. Abſonderlich aber iſt es ge - faͤhrlich ſeine Unterthanen alle an einem Ort zu haben / wenn dieſelbe von wildem Geiſt / und in Waffen geuͤbet ſind. Denn das giebet die gemeine Vernunfft / dz wer einen andern zwingen will / mehr Kraͤffte als dieſer haben muͤſſe. Doch iſt gewiß / dzdieſe39von Rom. dieſe Veraͤnderung zu Roms Wachs - thum gedienet / weil es gaꝛ nicht glaublich ſcheinet / daß es bey der Monarchiſchen Regierung der geſtalt wuͤrde gewachſen haben; theils weil die Koͤnige umb ihrer innerlichen Sicherheit willen ihrer Buͤr - ger Tapferkeit einiger maſſen haͤtten daͤmpfen muͤſſen; theils weil etlicher Koͤ - nige Faulheit und Unverſtand die Stadt ſehr wuͤrde geſchwaͤchet haben.

§. 16.

Am meiſten aber lohnet fuͤr dieUrſachen des Unter - gangs vom Roͤ - miſchen Reiche. Muͤhe etwas genauer zu unterſuchen / woher es doch kommen / daß das Roͤmi - ſche Reich / welches ſo einen ſchoͤnen Theil der Welt begriffen / zu Grund gangen / u. den Nordiſchen Nationen zum Raube worden / nach dem es vorhin durch inner - liche Kꝛanckheitẽ gantz ausgemattet war. Deſſen Urſachen wir von dem erſten Ur - ſprung her hohlen wollen. Weil demnach das Roͤmiſche Volck / ſo von Natur wild und kriegeꝛiſch / u. von keinem Caſtell ge - zaͤhmet / in einer Ringmauer begriffen war; als fand ſich kein ander Mittel fuͤr die Koͤnige zu Rom / weil ſie kei - ne andere Macht hatten / die Kraͤff - te dieſer groſſen Stadt zuuͤberwegen / als mit ſanftem und gelindem Regi - mente ſothane Menge an Hand zu halten. Jnmaſſen denn auch dieC jverſten40Das I. Capitelerſten ſechs Koͤnige das Volck mehr duꝛch Gewogenheit als Furcht in Gehorſam hielten. So bald aber als Tarquinius Su - perbus das Volck mit ungewohnter Laſt begunte zu druckẽ / u. ihre Gemuͤther von von ſich abwendete / war es Bruto leicht unter dem Vorwand der an Lucretia veꝛ - uͤbten Schande / das bereit uͤbel gewogene Volck aufzuwickeln / u. dem Konige dasMaͤngel der Roͤmi - ſchen Re - publicq. Thor fuͤr der Naſen zuzuſchlieſſẽ. Gleich wie es aber bey allen Veraͤnderungen zu - geſchehen pfleget / die man in der Eil oder aus Noth fuͤrnim̃t / ehe man die Sache weißlich uͤberwegen / und den kuͤnftigen Staat voꝛauß abfaſſen koͤñen / daß ſich ei - nige Unvollkom̃en heiten einſchleichẽ: al - ſo iſt es auch bey Veraͤnderung in der Re - publicq zu Rom hergangẽ / deñ man mu - ſte etliche Dinge geſchehen oder ungeruͤh - ret ſtehen laſſen / mehr weil es die gegen - waͤrtige Zeit nicht anders leyden wolte / als daß ſie zum Wohlſtand und Feſtigkeit des Staats gedienet haͤtten. Einige Din - ge wurden auch anfangs aus Fahrlaͤſſig - keit verſehen / welche nachgehends groſſen Anlaß zur Unruhe gaben. Zwar ſchei - net dieſes gewiß zuſeyn / daß Brutus und Conſorten nach Auswerffung Tarqui - nii eine Ariſtocratiſche Regierung wollen einfuͤhren; weil es nicht glaublich iſt /daß41von Rom. daß ſie als Edele mit Gefahr ihres Le - bens den Koͤnig wollen wegjagen / damit ſie hernach dem Poͤbel unterthan waͤ - ren. Weil aber kein kluger ſeinen gegen - waͤrtigen Stand ohne Hoffnung eines beſſern gutwillig vertauſchet: als muſten die Urheber ſolcher Veraͤnderung nicht allein die Koͤnigl. Regierung beym Volck verhaſſet / ſondern auch den neuen Staat mit Lindigkeit und Nachgeben beliebt machen. Denn weñ der Poͤbel kein Vor - theil bey dem Regiment deꝛ Edelen gefun - den / ſo waͤre es ihm leicht geweſen Tar - quinio die Pforte wiederumb auff zuma - chen. Dannenheꝛo auch Valerius Poplico - la dem Volck in vielen Stuͤcken ſchmeichel - te / und ſonderlich indem er die faſces vor ihme nieder gelaſſen / und die letzte appel - lation an das Volck verſtattet / gleichſam als wenn er bekennete / daß in Rom das Volck die hoͤchſte Gewalt haͤtte. Und war allerdings noͤthig / im Fall der Adel ſeine angemaſte Herrſchafft lang behau - pten wolte / daß er ſonderlich dieſe zwey Stuͤck beobachtete. Erſtlich daß er mit Ubermuth und Hoffart das Volck nicht reitzete: und zweytens / daß er ihm Mit - tel / worvon es ſich ernehren koͤnte / an Hand ſchaffte / damit es nicht wider die Armuth und Schulden Mittel aus Un -ruhe42Das I. Capitelruhe der Republic zu ſuchen genoͤthiget wuͤrde. Aber beydes ward von Roͤmi - ſchem Adel nicht gebuͤrend in acht genom - men. Denn weil damahls keine geſchrie - bene Geſetze zu Rom vorhanden / und deꝛ Adel allein die offentlichen Aemter bedie - nete / ſo ward offt das Recht nach Gunſt geſprochen / und muſten die Armen auch in ihrer gerechten Sache gegen die Vor - nehmen unterliegen. Weil auch die Buͤr - ger auff ihre eigene Koſten muſten im Kriege dienen / worinnen damahls nicht viel zu gewinnẽ war; als wurden ſie dar - durch an ihrem Vermoͤgen ſehr erſchoͤpf - fet / und hatten kein ander Mittel ſich auß gegenwaͤrtiger Duͤrfftigkeit zu er retten / als daß ſie von den Reichen Geld entleh - neten. Welche denn ſo ſtrenge mit denen / ſo nicht zu bezahlen hatten / verfuhren / daß ſie ſolche in Ketten uñ Banden wurf - fen / und mit Schlaͤgen und allerhand Grauſamkeit uͤbel tractirten. Wordurch endlich das Volck in Verzweiffelung ge - trieben / mit hellem Hauffen auß der Stadt wiche / und nicht ehe wiederumb hinein wolte / biß ihnen der Rath / im Fall der Feind nicht ſolte die leere Stadt an - fallen / bewilligen muſte / daß das Volck ſeine eigene hochheilige Obrigkeiten be - kaͤme / ſo Tribuni plebis genennet wur -den /43von Rom. den / die das Volck wider alle Unterdruͤ - ckung des Adels beſchuͤtzen ſolten.

§. 17.

Dieſes war nun der Anfang /Jn Rom entſtehen zwey cor - pora. daß das Roͤmiſche Volck in zwey Leiber getheilet worden / der Vornehmſten oder des Adels / und des gemeinen Volcks / de - ren jalouſie gegen einander ſtetigen Zun - der zu innerlicher Unruhe gegeben. Zwar ſcheinete es Anfangs eine ſchlech - te und billiche Sache zu ſeyn / daß die Ar - men einen gewiſſen Schutz wider des Adels Unterdruckung haͤtten. Aber das war auf Seite des Adels ein Haupt - verſehen / daß er dem gemeinen Volck / welches den groͤſten Theil der Stadt machte / ſothanen Schutz auſſer ſei - nem corpore verſtattete / und alſo die Stadt gleichſam zweyhaͤuptig machte. Denn es trieb nachgehends die gemeineUnruhige Tribuni plebis. Ehrſucht der Menſchen / und der Haß des Poͤbels gegen den Adel dieſe Zunfft - meiſter an / daß ſie nicht gnug hatten die Uberlaſt des Adels von ſich abzutrei - ben; ſondern ſie ſuchten auch allgemach dem Rath an Gewalt gleich zu gehen / ja ihnen endlich gar uͤber den Kopff zu wachſen. Denn erſtlich erhielten ſie nach vielem Gezaͤncke / dz die von Adel und das gemeine Volck ohne Unterſcheid unter - einander moͤchten heyrathẽ. Nebenſt dempreſſe -44Das I. Capitelpreſſeten ſie auch dem Adel ab / daß allezeit einer von den Buͤrgemeiſtern muſte auß dem gemeinen Volck ſeyn. Sie maſſeten ſich auch an durch ihr Gegenſprechen des Rathsſchluͤſſe unguͤltig zu machen. Ja ſie unterſtunden ſich ohne des Raths Danck Geſetze zu geben / und andere Stuͤ - cke der Hoͤchſten Gewalt zu uͤben. Nun brauchte zwar der Rath / umb dem Vol - cke den Daumen ſtets aufm Auge zu ha - ben / dieſes Mittel / daß er einen Krieg nach dem andern anſponne / damit es zu Hauſe Haͤndel anzufangen vergeſſen moͤchte. Wiewohl nun dieſes Mittel eine Weile gut thaͤt / auch dardurch die Graͤn - tzen und Macht von Rom ſehr ergroͤſſert wurden: erwuchſen doch hier auß einige andere Ungelegenheiten / ſo die innerliche Kranckheit des Staats ſehr haͤuffeten: Denn da man haͤtte die eroberten Laͤnder darzu brauchen ſollen / umb Rom von dem armen Poͤbel zu erſchoͤpffen und zu erleichteꝛn / indem man ihme die dem Fein - de abgenommene Aecker eingeraͤumet; ſo riſſen die von Adel unterm Schein eines Pachts ſolche Guͤter an ſich alleine / und vermehreten ſo wohl durch dieſes Mittel als durch die Beute im Kriege / ſo ihnen als Befehlshaber guten Theils in die Haͤnde fiel / ihr Reichthum uͤberauß ſehr:da45von Rom. da hingegen eine groſſe Menge Buͤrger kaum ſo viel hatten / daß ſie ſich kuͤmmer - lich ernehren kunten. Als nun deßwegen die gemeine Buͤrgerſchafft gegen den Rath uͤbel affectioniret war / hengten ſich verſchiedene von Adel und hohem Geiſte / die ihr conto beym Rath nicht finden kunten / oder ſonſt mit ihm nicht zu frie - den waren / an das gemeine Volck unteꝛm Vorwand deſſelben Nutzen zu befoͤrdeꝛn; in der That aber durch fugenden Wind deſſen Gunſt den Zweck ihres Ehrgeitzes zu beſeglen. Welchen indem der Rath mit Gewalt ſich widerſetzet / hub man endlich an in der Stadt hand-gemein zu werden / und ein Buͤrger dem andern den Halß zu brechen.

§. 18.

Mittlerweil war theils durch allzuAllzu - groſſe Buͤrger. groß Wachsthum des Roͤmiſchẽ Reichs / theils auß Fahrlaͤſſigkeit des Raths ein ander uͤbel eingeriſſen / indem einigen Buͤrgern groſſe und reiche Provintzien und ſtarcke Kriegsheer auff viel Jahr zu guberniren uͤberlaſſen worden; Worauß ihnen nicht allein ein groſſeꝛ Eckel erwach - ſen mehr im Privatſtand zu leben; ſond’n ſie auch Macht und Gelegenheit bekamẽ / gantze Armeen zu ihrem Dienſt zu habẽ. Zu welcher Staffel des Veꝛmoͤgens man keinen Buͤrger in einigem Staat kom̃enſoll46Das I. Capitelſoll laſſen; angeſehen einem / der eine maͤch - tige Armee an Hand haben kan / ſehr ſchwer iſt der Anfechtung zu widerſte - hen / daß er nicht einen Verſuch auff die Souverainitaͤt zu thun wagen ſolte. Und iſt klar / daß der Ehrgeitz und die groſſe Gewalt Marium, Sullam, Pompeium, - ſarem angereitzet durch innerliche Kriege die Freyheit des Vaterlandes zu unter - drucken / und den Staat zu veraͤndern / nachdem Rom ſich gleichſam verblutet hatte. Es war auch kein Mittel dieſes Ubel abzuwenden / nach dem die Buͤrger einmahl den reſpect gegen den Rath und die Geſetze auff die Seite geſtellet / auch die Soldaten ihre raͤuberiſche Haͤnde an die buͤrgerliche Beute gewehnet. Und muſte alſo dieſe Republic / da ſie auff die hoͤchſte Spitze ihrer Groͤſſe geſtiegen / in die ſchlimſte Art der Monarchie verfal - len / eine ſolche nemlich / wo eine beſtaͤndi - ge Armee ſich der hoͤchſten Gewalt an -Natur der Roͤmiſchen Monar - chie. maſſet. Dieſe Monarchie hatte zuerſt Auguſtus eingerichtet / und durch ſeine Klugheit bey ſeiner langen Regierung ziemlich feſt geſetzet. Und that ſich ſelbi - ge neue Regierung Anfangs auff eine gar beſcheidene Manier hervor / indem ſich Auguſtus nur ließ einen Principem nennen / den Rath und die gewoͤhnlicheAem -47von Rom. Aemter erhielt / und ſich nur eigentlich die Sorge fuͤr das Kriegsweſen angelegen ſeyn ließ. Jn der That aber gruͤndete ſich dieſe neue Regierung nicht ſo wol auf die gutwillige Unterwerffung des Raths und Volcks / als auff die Soldatẽ / durch dero Huͤlffe dieſelbe zuwegen gebꝛacht / uñ erhalten ward. Weil es aber den alten A - del im Hertzen verdroß / dz ſie einem einzi - gen ſolte zu Gebotte ſtehen / und im̃eꝛ nach der vorigen Freyheit ſchnappeten: ſo wa - ren hergegen die Keyſer bedacht auf alleꝛ - ley Wege ſelbigen alten Adel außzutilgen oder zu ſchwaͤchen. Wie denn auch binnen zweyhundert Jahren nicht vielmehr von ſelbigen uͤbrig geweſen; an dero Stelle die Keyſer neue Leute her fuͤr zogen / welcheRoͤmiſche Monar - chie iſt nicht be - ſtaͤndig. ſich gerne unter das Joch bequemten.

§. 19.

Daß aber dieſe Monarchie nicht lange beſtehen kunte / deſſen Urſach kam von den Soldaten her. Denn als ſelbige einmahl dieſes arcanum merckten / dz auff ihnen das Reich beruhete / und ſie es geben koͤnten wem ſie wolten / der Rath aber uñ das Volck nur ſchwache Nahmen waͤren: wurden nicht allein die Keyſer genoͤthiget dero Gunſt mit Vermehrung des Sol - des / und groſſen Geſchencken zu kauffen / ſondern es huben noch ſelbige an die Key - ſer / ſo ihnen mißfielen / umzubringen /und48Das I. Capitelund andere / die ihre Gunſt bekommen / zu ſetzen. Weil auch eine Armee nicht ge - ringer wolte ſeyn als die andere; unter - nahm ſich ſolchen Muthwillen nicht al - lein die Leibguardie / ſondeꝛn auch jede Ar - mee / derẽ verſchiedene in den Graͤntzpro - vintzien auff den Beinen ſtunden. Dan - nenhero denn ein elender Zuſtand und Verwirrung im Roͤmiſchen Reich er - wuchs / indem der Keyſer Leben allzeit an dem Willen des geitzigen und unbeſtaͤndi - gen Kriegspoͤbels hieng / und keiner verſi - chert war das Reich auff ſeine Nachkom - men zu bringen. Offt wuꝛden die tapferſtẽ Fuͤrſtẽ jaͤm̃erlich erwuͤrget; offt waꝛd ein nichts wuͤrdiger Menſch aufn Thron er - hobẽ: offt wurden zwey uñ mehr zugleich fuͤr Keyſer aufgeworffen / die ſich hernach mit greulichen Blutvergieſſen umb das Reich herum zancktẽ. Und daher kam es / daß nicht allein die wenigſten von den altẽ Keyſern eines natuͤrlichen Todes geſtor - ben; ſondern es wurden auch die Kraͤffte dieſes groſſen Reiches durch ſo viel inner - liche Kriege dermaſſen geſchwaͤchet / daß es endlich nicht anders war / als ein Leib ohne Nerven. Deſſen Untergang nicht wenig Conſtantinus Magnus beſchleuni - get / indem er die Reſidentz von Rom na - cher Conſtantinopel verleget / und die al -ten49von Rom. ten Regimenter / ſo am Rhein - und Do - nauſtrom ſtunden um des Reichs Graͤn - tzen alldar zu verwahren / gegen Orient verſetzte. Wordurch die Weſtlichen Pro - vintzien ihres Schutzes entbloͤſſet / denen ſtreitbaren und auff Raub begierigen Voͤlckern offen ſtunden. Darzu kam auch / daß Theodoſius das Reich unter ſeine zwey Soͤhne theilete / und Arcadio die Oeſtlichen / Honorio die Weſtlichen Laͤnder zueignete; welche Theilung die noch uͤbrigen Kraͤffte des Reichs nicht wenig geſchwaͤchet. Und zwar ſo ward der Occident denen Teutſchen und Gothi - ſchen Nationen zur Brute / welche umb dieſe Zeit haͤuffig herzu lieffen / ihr armes Vaterland mit den reichen und luſtigen Roͤmiſchen Provintzien zu vertauſchen. Engeland verlieſſen die Roͤmer gutwil - lig / weil ſie keine Kraͤffte hattẽ es wideꝛ die Schotten zu beſchuͤtzen / und die allda ſte - hende Trouppen in Gallien zogen. Spa - nien ward den Weſt gothen / und andern zu theil. Die Wandali lieſſen ſich in Africa nieder. Gallien theileten unter ſich ein theil Gothen / die Burgundier / uñ Fran - tzen. Rhætiam und Noricum nahmen die Schwaben und Beyern ein. Ein groß Stuͤck von Pannonien und Illyrico waꝛd von den Hunnen beſeſſen. Die GothenDrichte -50Das I. Capitelrichteten in Jtalien ein eigen Koͤnigreich auff / und hatte Rom nicht einmahl die Ehre / daß es des Gothiſchen Reichs Re - ſidentz waͤre.

Das Key - ſerthum zu Con - ſtanti-nopel.

§. 20.

Wiewol aber ſolcher Geſtalt die Weſtlichen Stuͤcken des Roͤm. Reichs in anderer Voͤlcker Haͤnde geraten; ſo ſtun - den doch die Oeſtlichen Provintzien / deren Hauptſtadt Conſtantinopel war / noch viele hundeꝛt Jahr. Wiewol dieſes Orien - taliſche Reich bey weitem nicht an Macht und Anſehen dem alten Rom gleich gan - gen. Und ſaget Agathias I. V. daß da ſon - ſtẽ die Roͤmiſche milice von 645000. Mañ beſtanden / zu Juſtiniani Zeit ſelbige ſich kaum auf 150000. belauffen habe. Zwar hub es an unter beſagtem Juſtiniano ſich etwas zu regen / indem Beliſarius das Reich der Wandalen in Africa / und Nae - ſer der Gothen in Jtalien (welche durch die delicateſſen der warmen Laͤnder wa - ren gar weibiſch worden) zerſtoͤret. Aber es ward mit der Zeit immer ſchwaͤcher / und zwackte einer hier / der ander dort ein Stuͤck davon. Es hulffen auch die Keyſer ſelbſt nit wenig zu deſſen Untergang / wel - che theils in Wolluͤſten erſoffen gantz wei - biſch waren / theils einer den andern uͤbeꝛn hauffen warf. Und zwar ſo riſſẽ ein Theil davon die Bulgari an ſich. Die Saracenen nahmen Syrien / Palæſtinam, Egypten /Cili -51von Rom. Cilicien / und die benachbarte Landſchaff - ten weg / durch ſtreiften auch den Reſt veꝛ - ſchiedene mahl / und legten ſich gar fuͤr Conſtantinopel / welche Stadt auch ein - mahl von Graf Balduin auß Flandern eingenommen ward / deſſen Leute es doch bald wiederum quittirẽ muſten. Es warf ſich auch ein abſondeꝛlicher Keyſer zu Tre - biſonda auf / uñ riß ſelbige Stadt nebenſt den benachbarten Landſchafften von dem uͤbrigen Reich ab. Endlich haben mit dieſẽ Reiche die Tuͤꝛcken den Garauß geſpielet / ſo nicht allein den meiſten Theil der Sa - raceniſchen Conqueſten an ſich gezogen / ſondern auch nach der Hand den Reſtvõ Orientaliſchen Keyſeꝛthum verſchlungen; da zuvorher in Griechenland verſchiede - ne kleine Fuͤrſten ſich aufgeworffen / die des Keyſers zu Conſtantinopel Hochheit nicht erkennẽ wolten; damit ja der Tuͤrcke mit ihnen deſto leichter koͤnte feꝛtig werdẽ. Biß endlich Conſtantinopel An. 1453. von Tuͤrckẽ mit ſtuͤrmender Hand eingenom - men / nach der Zeit dem Ottomanniſchen Reiche zur Reſidentz gedienet hat.

Das Zweyte Capitel. Vom Koͤnigreich Spanien.

Zuſtand vom alten Spanien.

§. 1.

Spanien war in alten Zeitẽ in ver - ſchiedene mittelmaͤſſige Staten / dero keiner von dem andern dependiret / getheilet / der gleichen Zuſtand ſich auchD ijin den52Das II. Capitelin den meiſten andern Laͤndern befand. Durch welche Vertheilung aber dieſe ſonſt ſtreitbare Nation bequem ward von außwertigen Nationen bezwungen zu werden. Und kam bey Spanien noch dieſes darzu / daß in ſelbiger Nation gar wenig gute Kriegs-Obriſten gefunden worden / ſo ihre Landsleute wider die einbrechende Frembden haͤtten anfuͤhren koͤnnen. Denn daß wir vorbey gehen / wie die Celten auß Gallien in die naͤchſte Theile von Spanien eingeruͤcket / welche nachdem ſie ſich mit denen Iberis vermi - ſchet / zuſammen Celtiberi genennet wor - den: auch wie die Rhodiſer Roſes, die von Zante Saguntum, die Phœnicier Ga - des, Malaga und andere Staͤdte gebauet; ſo haben ſonderlich die Carthaginenſer nach ihrem erſten Krieg mit den Roͤmern ein groß Theil von Spanien ſich zu un - terwerffen angefangen. Worauff die Roͤmer bey Zeiten des zweyten Puniſchẽ Krieges auch ihre Kriegsheer dahin ge - ſchickt / und mit den Carthaginenſern ſich alldar herum geſchlagen / biß endlich Sci - pio, nachmals Africanus zugenahmt / ein groß Stuͤck davon zur Roͤmiſchen Pro - vintz gemachet / worzu nach der Hand die uͤbrigen Theile auch eingenommen wor - den / biß endlich Auguſtus die Cantabros,ſo53von Spanien. ſo dem Pyreneiſchen Gebirge am naͤch - ſten gewohnet / auch vollend bezwungen / und alſo gantz Spanien dem Roͤmiſchen Reiche einverleibet; darunter es lange Zeit geruhig verblieben / ohne daß es zu - weilen der Roͤmer innerliche Unruhe mit entgelten muͤſſen.

§. 2.

Als aber das Roͤmiſche Reich inWeſtgo - then neh - men Spa - nien ein. Weſten ſich zum Untergang neigete / fie - len umb das Jahr Chriſti 410. die Vanda - li, Silingi, Suevi, und Alani in Spanien ein / und theileten nach vielem Gefechte das meiſte davon unter ſich. Welche doch ihre conqueſten nicht lange in Ruhe be - ſaſſen / angeſehen die Vandali bald darauf in Africam zogen. Die Alani aber wur - den von den Suevis vertilget / welche auch die Silingos bezwungen / ſo daß ein groß Theil von Spanien unteꝛ den Suevis war: die ſich auch vielleicht Meiſter vom gan - tzen Lande gemacht haͤtten / wo die Weſt - gothen nicht waͤren ins Mittel kommen. Denn dieſe nachdem ſie Jtalien und Rom unter dem Koͤnig Alarich gepluͤndert / lieſſen ſich unter Koͤnig Ataulff an den Graͤntzen von Franckreich und Spanien nieder / und machten zu Narbonne den Sitz ihres Reichs / ſo Anfangs Langue - doc und Catalonien begriff / nach der Hand aber ſich in Spanien weiter auß -D iijbreitete.54Das II. Capitelbreitete. Abſonderlich that ſich herfuͤꝛ Koͤ - nig Euricus, der in Spaniẽ einnahm / was die Roͤmer noch hatten behalten / biß auff Gallicien / ſo die Suevi beſaſſen: auch in Gallien ſich verſchiedener Provintzien be - maͤchtigte. Aber deſſen Sohn Alarich er - ſchlug der Frantzen Koͤnig Chlodovæus, und nahm das meiſte weg / was die Go - then in Gallien erworben hatten. Unter Agila und Athanagildo ward von den Roͤmern / die vorher Africam den Van - dalis wiederumb abgetrungen / ein groß Stuͤck von Spanien umb das Jahr 554. eingenom̃en; darauß ſie abeꝛ meiſtens Le - vvigildis wieder vertrieben An. 572. der auch der Suever Reich in Gallicien gaͤntz - lich außtilgete / A. 586. Unter deſſen Sohn Recaredo ſtund das Gothiſche Reich im groͤſten Flor / als welches nebenſt den naͤchſtgele genen Provintzien von Franck - reich / und einen Part von Mauritania Tingitana, gantz Spanien begriff ohne ein klein Stuͤck / ſo die Roͤmer noch inne hatten: worauß ſie Koͤnig Suinthila vol - lend veꝛtꝛieb A. 626. Koͤnig Wamba bꝛach - tedie Rebellen in dem Gothiſchẽ Franck -Unteꝛgang des Gothi - ſchẽ Reichs in Spa - nien. reich gluͤcklich zu Gehorſam / und ſchlug die Saraceniſche Flotte / ſo auf der See groſſen Schaden that / A. 677. Unter Wi - tiza aber neigete ſich der Gothen Reich zum Untergang wegẽ eingeriſſener Laſteꝛund55von Spanien. und Unordnung / wordurch ihre alte Tapferkeit verdorben war. Biß endlich ſelbiges unter Koͤnig Roderico gantz zu grunde ging; daꝛzu dieſeꝛ durch ſeine Geil - heit Anlaß gab / indẽ er mit Gewalt ſchaͤn - dete eine ſeiner Hofdamen / Cava genañt / eine Tochter Juliani / Grafens oder Gouverneurs uͤbeꝛ das Stuͤck von Mau - ritanien / ſo den Gothen gehoͤrete / und - ber das Theil von Spanien / ſo naͤchſt der Straß gelegen / welcher dieſen Schimpff zu raͤchen anfangs viel Unterthanen wid den Koͤnig aufwickelte / hernach die Sara - cenen in Africa beredete in Spanien einzu - fallen. Die eꝛſtlich gleichſam zum Veꝛſuch mit einem kleinen / folgends mit einẽ groſ - ſen hauffen ankamen / und ſchlugen das in der Eil zuſam̃en geraffelte Volck / ſo Ro - dericus ihnen entgegen geſchickt / An. 713. darnach holete der Verraͤther Julianus noch einen groͤſſern Hauffen auß Africa / weil Julianus die gantze Macht ſeines Reichs / ſo ſich auff 100000. Mañ belieff / zuſam̃en gebracht hatte. Aber dieſe unge - uͤbte und uͤbel bewehrte Menge ward in einer hefftigen Schlacht erleget / nachdem mitten im Gefechte ein malcontenter Go - the / Oppas genandt / mit ſeinen Troup - pen genommener Abrede nach zum Feind uͤbergehet / und nebenſt Juliano den Gothen in die Seite einfaͤllt. DarmitD jvgieng56Das II. Capitelgieng alles verlohren / und fiel mit dieſer Niederlage die Macht / Anſehen / und Herrſchafft der Gothen / ſo bey dreyhun - dert Jahr in Spanien geſtanden: Rode - ricus ſelbſt kam in der Flucht umb / A. 714. und weil kein Haupt war / ſo dieSarace - nen ero - bern Spa - nien. Fluͤchtigen haͤtte koͤnnen wieder ſamlen / gieng alles uͤbern hauffen: Die groſſe Staͤdte kamen theils durch Accoꝛd / theils durch gewaltſame Eroberung dem Feind in die Haͤnde: und dieſes alles war binnen drey Jahren beſtellt. Nur Aſturien / Bi - ſcayen / ein Theil von Gallien / und was naͤchſt den Pyreneiſchen Gebuͤrgen liegt / behielten die Gothẽ / mehr weil der Feind ſelbige meiſtens rauhe Oerter anzugreif - fen nicht die Muͤhe nahm / als dz ſie Hertz oder Macht gehabt haͤtten ſich zu wehrẽ. wohin ſich auch die Chriſten auß den an - dern Orten / ſo dem Schwerdt und Ty - ranney des Feindes entflohen waren / re - tirirten. Das eroberte Spanien aber ward von Mauris und Juden gleichſam uͤberſchwemmet und bewohnet.

Koͤnige zuOviedo.

§. 3.

Auß dieſer Unterdruckung Spa - nien zu befreyen hat den Anfang gemachtPelagius. Pelagius, der auß dem Stamm der alten Gothiſchen Koͤnige ſoll entſproſſen ſeyn. Dieſer hat den Reſt deꝛ ungluͤcklichẽ Na - tion auffgemuntert / und eine Armee ein - gerichtet / nachdem er von ihnen A. 726. zum57von Spanien. zum Haupt und Koͤnig erwehlet worden. Erhielt auch wieder die Mauros einen groſſen Sieg / und eroberte die Stadt Le - on nebenſt verſchiedenen andern; da mit - lerweile die Saracenen ihre Kräfte in Franckreich ſehr ſchwaͤchtẽ. Dem folgete ſein Sohn Favila, Anno 737. von dem manFavila. Alfonſus I. nichts denckwuͤrdiges lieſet. Alfonſus Ca - tholicus nahm den Mauris viel Plaͤtze ab / und regierte biß A. 757. deſſen Sohn Froi -Froila. la gleichfals das Reich wohl geſchuͤtzet / auch gegen die Mauros in einer groſſen Schlacht obgeſieget. Kahm umb A. 768. Hingegen machte ſein Nachfolger Aure -Aurelius. lius einen ſchaͤndlichen Vertrag mit den Mauris, kraft deſſen er gehalten war ihnen jaͤhrlich eine gewiſſe Anzahl Jungfrauen als eine Schatzung zuliefern. Starb Ao. 774. Sein Nachfolger Silo hat ſich auchSilo. mit nichts beſonders beruͤhmt gemachet. Starb Ao. 783 Nach dieſem bekahm das Reich Alfonſus Froilæ Sohn / wider denAlfonſus II. ſich aber Mauregatus aufwarf / und ihn vertrieb: und damit er ſich befeſtigen moͤchte / ſuchte er bey den Mauris Huͤlffe / ihnen zum jaͤhrlichen Tribut fuͤnftzig ede - le Jungfrauen / u. ſo viel gemeines Stan - des verſprechende. Starb Ao. 788. Deſſen Nachfolger Veremundus hat gleichfalsVeremun dus. nichts loͤbliches gethan / ohne daß er den vertriebenẽ Alfonſum, mit dem ZunahmẽD vCaſtum,58Das II. CapitelCaſtum wiederumb ins Reich geruffen / An. 791. welcher das ſchaͤndliche Tribut der Jungfrauen abſchaffete / u. die Mau - rer tapfer ſchlug. Weil er aber keine Kin - der hatte / machte er einen Vertrag mit Carolo Magno, daß dieſer ihm ſolte die Mauros helffen aus Span. vertreiben / dafuͤr ſolte er das Reich nach ſeinem Tod - te erbẽ. Zu dem Ende auch Carolus ſeinen Sohns-Sohn Bernhard mit einẽ ſtarckẽ Heer gegen Span. ſchickte. Da aber die Span. von dieſen Vertrag Nachricht be - kahmẽ / rottirten ſie ſich zuſam̃en / als die der Frantzoſen Unterthanẽ nicht werden wolten / u. ſchlugen dieſe / da ſie in Spaniẽ eingiengen / bey Roncevali, in welcher Schlacht der beruͤhmte Roland gebliebẽ. Und ſo erzehlen es die Spaniſchen Ge - ſchichtſchreiber / mit denen aber die Fran - tziſchen nicht allerdings uͤberein ſtim̃en. Alfonſus ſtarb An. 844. deſſen NachfolgeꝛRamirus. Ramirus mit gꝛoſſem Ruhm der Spanier Freyheit vertheidiget. Deñ als die Mauri vermoͤge des Vertrags mit Mauregato den alten Tribut der Jungfrauẽ wieder - umb forderten / fiel er ihnẽ an deſſen ſtatt ein / u. gewañ eine groſſe Schlacht. Kunte aber ihnen nur wenige Staͤdte abnehmẽ / weil ihn theils der Normaͤnner Einfall / theils die innerliche Unruhe verhinderte / daß er den Sieg nicht weiter verfolgenkunte.59von Spanien. kunte. Er ſtarb An. 851. Jhm folgete ſein Sohn Ordonius, ein guter loͤblicher Re -Ordonius I. gent / der die Maurer auch einmahl ge - ſchlagen / u. ihnen einige Plaͤtze abgenom - men. Starb An. 862. Deſſen Sohn und Nachfolger Alfonſus, mit dem ZunahmẽAlfonſus III. Magnus, war ſo wohl in Stillung innerli - cher Unruhe / als gegen die Mauꝛer gluͤck - lich. Da er aber durch allzugroſſe Aufla - gen des Volcks Haß gegen ſich erregete / ward ihm das Reich von ſeinem Sohn Garſia abgetrungen. A. 910. der den Mau -Garſias. Koͤnige zu Leon. Ordoni - us II. ris gluͤcklich einfiel / doch bald mit Todte abgieng A. 913. Deſſen Bruder Ordonius war auch gegen die Mauros ſieghaft; verlegte den Sitz des Reichs von Oviedo nach Leon oder Legion / und ſtarb A. 923. Es ſind aber nebenſt dieſem Koͤnigreich zu Oviedo auch verſchiedene andere Herr - ſchafften in Spanien entſtandẽ. Jnmaſ - ſen Garſias Semenus in Navarra ein neuUrſprung des Koͤ - nigreichs Navarra und Ara - gonien. Koͤnigreich angerichtet. Bey deſſen Zeit Aznar Eudonis Hertzogs von Aquitaniẽ Sohn auf Zulaſſung dieſes Garſiæ ſich Grafen von Aragonien genennet / nach dem er zuvor den Mauris in ſelbiger Ge - gend verſchiedene Plaͤtze weggenom̃en. So hat Ludovicus Caroli Magni Sohn Barcellona erobert / u. alldar einẽ Fran - tzoſen Beꝛnhard mit Nahmẽ / zum Stadt - halter beſtellet / davon die Grafen von Catalonien ihren Urſprung haben. 60Das II. CapitelEs waren auch in obgemeldter Koͤnige Zelter verſchiedene Grafen oder Gouver - neurs von Alt-Caſtilien / ſo ſelbige Koͤnige fuͤr ihre Obere erkenneten. Dieſe Grafen hat einmahl Koͤnig Ordonius aus Ver - dacht zu ſich geruffen / u. da ſie ohne ſich etwas boͤſes zuverſehen erſchienen / beym Kopf genom̃en / und umbgebracht. Wor - auf die Alt-Caſtilianer unter deſſenFroila II. Sohn Froila, einen grauſamen und boͤſen Menſchẽ / ſich von jenem Reich abgethan / und zwey Regenten untern Nahmen der Richter erwaͤhlet / die Kriegs - und Frie - dens-Geſchaͤftẽ vorgeſtanden. Wiewohl dieſe Regieꝛung nicht lang beſtãd gehabt.

AlfonſusIV.

§. 4.

Nach Froila ward zu Leon Koͤnig Alfonſus IV. zu deſſen Zeiten Ferdinandus Gonſalvus Graf von Caſtilien ruͤhmliche Thatẽ verrichtet / ſo wohl gegen die Mau - ros, als auch gegen Sanctium Abarcam, u. deſſen Sohn Garſiam, Koͤnige von Navar - ra, die er uͤberwunden. Alfonſus aber war ein unnuͤtzer Menſch / u. uͤber gab dz ReichRamirus II. ſeinem Bruder Ramiro Ao. 931. welcher in Geſellſchaft gemeldten Ferdinandi die Mauros an verſchiedenen Orten ſchlug. Starb Ao. 950. Jhm folgete ſein SohnOrdoni - us III. Ordonius, ein tapfferer Printz / ſo aber nicht lang regieret / und ließ das Reich ſei -Sanctius. nem Bruder Sanctio Craſſo, Ao. 955. Die - ſen vertrieb Ordonius mit dem Zunahmẽder61von Spanien. der Boͤſe / der aber bald wiederumb mit Huͤlf der Maurer verjaget ward. Sancti - us ſoll mit Graf Ferdinand von Caſtilien einen Vertrag gemacht haben / daß Caſti - lien hinfuͤhro die Koͤnige von Leon nicht mehr fuͤr ihre Obere erkennen ſolte / Ao. 965. Jhm folgete Ao. 967. Ramirus, wel -Ramirus III. cher Weiber zu Vormundern hatte / auch fuͤr ſich ſelbſt / da er erwuchs / nichts tau - gete. Dannenhero das Reich durch iñer - liche Unruhe und Einfall der Maurer ſehr geſchwaͤchet / und in groſſe Gefahr geſetzet / auch viel Oerter den Chriſten wie - der abgenom̃en worden. Jnmaſſen auchVeremun dus II. unter Veremundo II. der Ao. 982. zum Reich kam / die Maurer groſſen Schaden thaten / u. nebenſt vielen andern die Stadt Leon einnahmen und verwuͤſteten / dar - an die innerliche Unruh viel Schuld war / doch machte Veremundus endlich Buͤnd - nuͤs mit dem Koͤnig von Navarra, u. Graf Garſia von Caſtilien / und trieb die Mau - tos wiederumb zuruͤck. Dieſen folgete Ao. 999. ſein Sohn Alfonſus V. zu deſſen Zei -Alfonſus v. ten in Caſtilien groſſe Unruhe entſtund / dadurch die Maurer anlaß nahmen es anzugreiffen; ſchlugen auch Graf Garſi - am, und nahmen ihn gefangen. Deſſen Sohn Sanctius aber ſolche Niederlage re - chete. Nach der Zeit aber entſtund unterden62Das II. Capitelden Mauris groſſe Uneinigkeit / u. ward ihr Reich in viel kleine Stuͤcken verthei - let / in dem ein jeder Gouverneur ſeine Landſchafft ſich als eigen anmaſſete / und den Koͤniglichen Titel annahm. AlfonſoVeremun dus III. folgete ſein Sohn Veremundus III. Anno 1025. unter dem eine groſſe Veraͤnderung in Spanien vorgefallen. Denn als Graf Garſias von Caſtilien zu Leon mit des Koͤ - nigs Schweſter Hochzeit halten wolte / ward er alda von einigen ſeiner Vaſallen verraͤtheriſcher Weiſe ermordet / woꝛaufCaſtilien wird ein Koͤnig - reich. Caſtilien an des ermordeten Schweſter - mann Sanctium Koͤnig von Navarra fiel; welcher Caſtilien ins kuͤnftige ein Koͤnig - ꝛeich neñen ließ. Dieſeꝛ Sãctius zugenahmt Major, griff auch Veremundum, der keine Leibes Erben hatte / mit Krieg an / und nahm ein groß Stuͤck ſeines Reichs ein. Darauff ſie mit einander einẽ ſolchẽ Veꝛ - gleich traffen / daß Sanctius, was er einge - nom̃en behalten / ſein Sohn Ferdinand a - ber Veremundi Schweſter Sanctiam hey - rathen / die ohne dem nach ihrem Bruder Erbin zum Reich war / u. nach Veremun - do im Reich Leon ſuccediren ſolte. Und auf ſolche maſſe iſt Leon / Navarra und Ca -Sanctius II. Major. ſtilien an ein Hauß gefallen. Da aber San - ctius Major wider die Maurer zu Felde lag / entſtund ihm zu Hauſe ein groß Un - gluͤck. Er hatte ſeiner Gemahlin ein ſchoͤnPferd63von Spanien. Pferd wohl zuverwahren anbefohlen / welches Garſias ihr aͤltiſter Sohn zu habẽ begehrte / ſo ihm auch die Mutter gerne gelaſſen haͤtte / wo nicht der Stallmeiſter geſaget / es wuͤrde der Vater ſolches uͤbel nehmen. Dieſe abſchlaͤgige Antwort veꝛ - droß den Sohn / u. aus Boßheit verklag - te er die Mutter beym Vater / ob hielte ſie mit dem Stallmeiſter zu / als die Sache fuͤr Gerichte kahm / erbot ſich des Koͤnigs unechter Sohn Ramirus, der Koͤnigin Un - ſchuld durch ein Duell gegen Garſiam zu - behaupten. Da nun der Koͤnig in Angſt ſtund / redete ein Geiſtlicher den Soͤhnen der geſtallt zu / dz Garſias ſeine Verleumb - dung bekeñete. Worauf Garſias unfaͤhig erkandt ward zur Succeſſion auf Caſtili - en / das ihm ſonſt der Mutter wegen zu - kahm. Ramiro aber ward das Reich Ara - goniẽ zu Belohnung ſeiner Tꝛeu gegeben. Dieſer Sanctius Major ſtarb An. 1035.

§. 5.

Nach dem nun ſolcher GeſtaltSchaͤdli - che Thei - lung von Spanien. faſt alles / wz die Chriſten in Span. beſaſ - ſen / an ein Hauß gefallen / ſchiene es leicht die vertheileten Maurer uͤbern Hauffen zuwerffen / u. Span. in einen gluͤcklichen Zuſtand zuſetzen / im fall nur ein Koͤ - nig alles zuſammen behalten haͤtte. A - ber es gab die Theilung / ſo Sanctius Major vornahm / zu ſchaͤdlichen Krie - gen Anlaß. Gemeldter Sanctius hatte vierSoͤh -64Das II. CapitelSoͤhne: dem aͤltiſten Garſiæ ließ er Na - varra und Biſcaja, Ferdinando Caſtilien / Gonſalvo Suprarbe und Ripagorſa, Rami - ro dem unechten Aragonien, alle mit Titel von Koͤnigen / welche aber / weil jeder dem Vater an Gewalt gleich ſeyn wolte / und in enge Grentzen eingeſchloſſen zu ſeyn vermeinete / bald einander in die Haare geriethen. Denn als Garſias eine Wallfart nach Rom that / trachtete Ramirus ſich unterdeſſen Meiſter von Navarra zu ma - chen. Aber da jener wiederkahm / jagte er dieſen aus Aragonien. Es entſtund auch ein Streit zwiſchen Ferdinand von Caſti - lien / und ſeinem Schwager Veremundo von Leon / da dieſer in der Schlacht blieb / und Ferdinand ſich Meiſter von Leon machte / dazu er ohne dem ein Recht hat - te / Ao. 1038. Dieſer nahm auch den Mau - rern ein groß Stuͤck von Portugal ab. Nach dem aber der dritte Bruder Gon - ſalvus geſtorben war / bemaͤchtigte ſich ſei - nes Parts Ramirus, und ſchlug ſich umb das verlohrne Aragonien mit dem von Navarra herumb / Ao. 1045. Nachgehends entſtund zwiſchen Ferdinand von Caſtili - en / und Garſia von Navarra ein Krieg we - gen eines Stuͤck Landes; darin Garſias in der Schlacht blieb / Ao. 1053. Deſſen Todt Ramiro Gelegenheit gab Aragonien wie -der65von Spanien. der einzunehmen. Ferdinandus mit demKoͤnige von Caſti - lien. Ferdi - nandus Magnus: Zunahmen Magnus ſtarb Ao. 1065. und theilete mit groſſem Schaden von Spani - en das Reich unter ſeine drey Soͤhne. Der aͤltiſte Sanctius bekahm Caſtilien / Al - fonſus Leon / Garſias Gallicien / und ein Theil von Portugal / alle den Koͤniglichẽ Nahmen fuͤhrende. Sanctius hatte erſtlichSanctius III. Haͤndel mit Ramiro von Aragonien / den er auch in der Schlacht umbbrach - te / Ao. 1067. ward aber von des entleibetẽ Sohn Sanctio, und dem von Navarra wie - der zuruͤck geſchlagen. Darauf ſuchte er ſeinen Bruͤdern ihre Theile abzudringen / verjagte Alfonſum, Garſiam aber nahm er gefangen. Nach dem er aber auch ſeineꝛ Schweſter die Stadt Camora nehmen wolte / ward er in der Belaͤgerung er - ſchlagen.