PRIMS Full-text transcription (HTML)
Clariſſa, Die Geſchichte eines vornehmen Frauenzimmers,
von demjenigen herausgegeben, welcher die Geſchichte der Pamela geliefert hat: und nunmehr aus dem Engliſchen in das Deutſche uͤberſetzt.
Vierter Theil.
[figure]
GOETTJNGEN, VerlegtsAbram Vandenhoeck, Univerſitaͤts-Buchh. 1749.
Mit Roͤm. Kayſerlichen, Koͤnigl. Großbrit. und Churf. Braunſchw. wie auch Koͤnigl. Pohln und Churf. Saͤchſ. allergnaͤdigſten Privilegiis.
[1]

Clariſſa der vierte Theil.

Der erſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.

Sie werden ſich nicht verwundern, daß der Unmuth, der mein Hertz erfuͤllet hat, auch meine Schreib-Art verſtellet; wenn ſie nur einen Gedancken auf meine ungluͤcklichen Um - ſtaͤnde richten, und uͤberlegen, wie vieles ich mir gefallen laſſen muß, das meinem Hochmuth uner - traͤglich iſt. Der bewegliche Brief meines Vetters macht mir alles dieſes noch empfindlicher. Jndeſ - ſen geſtehe ich, daß es von mir artiger gehandelt waͤ - re, wenn ich Jhnen das betruͤbteſte von meinen Umſtaͤnden zu verbergen ſuchte, weil Sie ein ſo zaͤrtliches und edles Mitleyden mit mir haben, und das Klagen mir doch die Laſt, die ich trage, nicht erleichtert.

Allein gegen wen kann ich mein Hertz ausſchuͤt - ten, als gegen Sie? Der Mann, der die Urſache alles meines Ungluͤcks iſt, vermehret meinen Kum - mer: ich habe keinen Bedienten, auf deſſen Treue ich mich verlaſſen kann, oder dem ich meine SorgeVierter Theil. Aem -2entdecken darf. Lovelace zieht jedermann durch ſeine Freygebigkeit und Munterkeit an ſich. Jch bin gleichſam nur eine Null, die ſeinen Werth erheben muß: mir ſelbſt gereiche ich blos zum Kum - mer. Jch mag mich zuruͤck halten ſo viel ich will, ſo kann ich doch nicht gantz verhindern, daß mir bis - weilen eine Thraͤne aus den Augen faͤllt, und das Papier befleckt. Jch bin verſichert, daß Sie mir dieſen kurtzen Troſt nicht verbieten werden.

Es ſcheint beynahe, daß der Anfang dieſes Briefes eine Fortſetzung des vorigen wird, in wel - chem ich meine Traurigkeit zu entſchuldigen ſuchte. Doch es ſey das genug, was ich davon geſchrieben habe. Mein Ungluͤck iſt ein Beruf fuͤr Sie, mir die alleredelſten Proben der Freundſchaft zu geben, die wir einander ſo heilig gelobet haben, nehmlich mir mit Troſt und Rath zu ſtatten zu kommen. Jch glaube ſo gar, ich wuͤrde ihnen Unrecht thun, wenn ich dieſen Ruf fuͤr noͤthig hielte.

  • Jn dem, was folget, meldet die Clariſſa, daß Herr Lovelace ſeit dem, daß ſie ihre Kleider bekommen hat, ſtets in ſie dringe, und ſie bitte, mit ihm in Geſellſchaft eines ihr ſelbſt beliebigen Frauenzimmers auszufahren, und ſich entweder durch eine Luſt Reiſe oder durch die gewoͤhnlichen Luſtbarkei - ten der Stadt London aufzumuntern.
  • Sie giebt eine umſtaͤndliche Nachricht von dem, was bey einer gewiſſen Unterredung deshalb vorgefallen war, und von einigen andern Vorſchlaͤgen des Lovelace: bemer - cket aber dabey, daß er mit keinem Wor -te3te der Trauung gedencke, davon er ſo viel geredet haͤtte, ehe ſie nach London gekom - men waͤren, und ohne welche jene Vor - ſchlaͤge gantz ungeſchicklich waͤren.

Mir iſt jetzt das Leben unertraͤglich. Wie froͤ - lich wollte ich ſeyn, wenn ich auſſer ſeiner Gewalt waͤre! Er ſollte alsdenn den Unterſcheid bald mer - cken. Muß ich ja gedemuͤthiget und gedruͤcket werden, ſo wuͤnſchte ich, daß es lieber von denen geſchehen moͤchte, gegen die ich eine natuͤrliche Ver - pflichtung habe. Meine Frau Baſe meldet mir in ihrem Briefe, daß ſie ſich nicht unterſtehet fuͤr mich zu reden. Aus Jhrem Briefe ſehe ich, daß man von der vorigen Haͤrte gegen mich abgelaſſen haben wuͤrde, wenn ich mich nicht zur Flucht haͤt - te verleiten laſſen: daß meine Mutter ſich hat be - muͤhen wollen, den Haus-Frieden wieder herzuſtel - len, und daß ſie meinen Onckle Harlowe zu Huͤlffe zu nehmen Vorhabens geweſen iſt.

Auf dieſen Grund will ich bauen. Jch kann es doch verſuchen, und es iſt meine Schuldigkeit alles moͤgliche zu verſuchen, dadurch ich die verſchertzte Gunſt meiner Eltern wieder erlangen kann. Viel - leicht laͤſſet ſich dieſer ehemahls ſo guͤtig geſinnete Onckle bewegen, ein Wort fuͤr mich zu ſprechen. Um den Antrag nach den Geſchmack meines Bru - ders einzurichten, will ich von Hertzen gern alles Recht an mein großvaͤterliches Gut aufgeben, und es dem uͤberlaſſen, dem es die Meinigen zudencken: und um dieſe Uebertragung deſto rechts-kraͤftiger zu machen, will ich zugleich verſprechen, mich nie zu verheyrathen.

A 2Was4

Was duͤnckt Jhnen hiezu? Die Meinigen wer - den ſich doch nicht gaͤntzlich und auf ewig von mir losſagen wollen! Wenn ſie das geſchehene mit un - partheyiſchen Augen anſehen, ſo werden ſie ſich doch einige Schuld beymeſſen, und nicht alles mir allein zur Laſt legen.

Jch glaube, daß Jhnen dieſes Mittel wuͤrdig ſcheinen wird, verſucht zu werden. Allein dieſes iſt die Schwierigkeit: wenn ich ſchreibe, ſo weiß ich, daß mein harter Bruter alle gegen mich ſo einge - nommen und verbunden hat, daß mein Brief aus einer Hand in die andere wird gehen muͤſſen, bis er Zeit gewinnet, alle zu bereden, daß ſie meine Bitte abſchlagen: koͤnnte aber mein Onckle bewo - gen werden meine Bitte als aus eigenem Triebe zu unterſtuͤtzen, ſo wuͤrde meine Mutter und ihre Schweſter ihm gewiß beytreten.

Jch komme daher auf folgenden Einfall. Herr Hickmann iſt bey jedermann wohl angeſchrieben: wie? wenn er eine Gelegenheit ſuchte, mit meinem Onckle Harlowe zu ſprechen, und ihm als eine Nachricht, die er von Jhnen erfahren haͤtte, verſi - cherte, in was vor Umſtaͤnden und Gemuͤthsfaſſung ich mich befinde, und daß ich Lovelacen auf keine Weiſe verbunden bin?

Jch uͤberlaſſe es voͤllig Jhrem Gutbefinden, ob? und in wie fern dieſer Einfall zu billigen ſey? Wenn Herr Hickmann in Jhrem Nahmen (denn in mei - nem Nahmen kann es nicht geſchehen, davon wer - den Sie die Urſachen, ohne daß ich ſie melde, mer - cken) dieſen Antrag thut, und mein Onckle ſchlaͤgtes5es ab, ſich mit mir ferner einzulaſſen: ſo habe ich keine Hoffnung, und muß mich in den Schutz der Baſen des Lovelaces begeben.

Es wuͤrde gottlos ſeyn, folgende Zeilen, die eine Anklage der hoͤchſten Vorſorge enthalten, und ihr unſere Suͤnden beymeſſen, in meinem Nahmen zu ſprechen; ſie fallen mir aber doch oft bey, weil ich mein ungluͤckliches und unvorſaͤtzliches Verſehen le - bendig geſchildert in ihnen antreffe.

Jhr Goͤtter, euch, euch red 'ich klagend an.

Entdeckt der Welt die Unſchuld und die Tugend.

Jſts moͤglich, daß man mich verdammen kann, So offenbart die Suͤnden meiner Jugend.

Setz ich den Fuß auf Wege die ich haſſe, So meßt die Schuld dem ewgen Schickſal bey: Mein Fuß iſt Suͤnder und mein Herz iſt frey.

Von einigen Briefen, welche hier der Zeit nach folgen, hat der engliſche Herausgeber nur einen Auszug geliefert.

Die Fraͤulein Harlowe berichtet am Montage, daß Herr Lovelace ihr Misvergnuͤgen bemerckt, und den Herrn Mennell, einen Verwandten der Frau Fretchville, und der ihre Sachen beſorge, zu ihr gebracht habe. Sie beſchreibt ihn als einen ver - ſtaͤndigen und artigen jungen Officier: der ihr glei - che Nachrichten von dem Hauſe und von den betruͤb - ten Gemuͤths-Umſtaͤnden der Frau Fretchville ge - geben habe, als vorhin Herr Lovelace.

Sie meldet der Fraͤulein Howe, wie ſehr Herr Lovelace dieſem fremden Herrn angelegen habe,A 3daß6daß er ſeiner Liebſten (wie er ſie jetzt in Geſellſchaft zu nennen pfleget) Gelegenheit verſchaffen moͤchte, das Haus zu beſehen. Herr Mennell habe auch verſprochen, ihr noch den Nachmittag alle Zimmer zu zeigen, dieſelbigen ausgenommen, in denen ſich die Frau Fretchville eben befinden wuͤrde. Allein ſie haͤtte ſich nicht unterſtehen wollen, noch einen Schritt zu wagen, bis ſie wuͤßte, wie der Fraͤulein Howe ihr Anſchlag gefiele, bey ihrem Onckle zuzu - hoͤren, ob er ſich ihrer wol annehmen wollte: und bis ſie ſaͤhe, was dieſer Verſuch fuͤr Folgen haͤtte.

Herr Lovelace berichtet ſeinem Freunde in ſei - ner gewoͤhnlichen lebhaften Schreib-Art, wie nie - dergeſchlagen die Fraͤulein bey Erhaltung ihrer Kleider und eines Briefes geweſen ſey. Er bedau - ret, daß er ihr Zutrauen gegen ſich verſchertzt habe; vermuthlich dadurch, daß ſie ſeine vier Freunde habe kennen lernen: wiewohl er nicht ſeine Freunde, ſondern die uͤbertriebene Tugend-Lehre ſeiner Schoͤ - nen tadeln muͤſſe. Denn niemahls haͤtten ſich junge Herren, (ſie, ſeine vier Freunde, zum allerwenigſten niemahls) beſſer aufgefuͤhrt, als denſelbigen Abend.

Da er erzaͤhlet, daß er den Mennell zu ihr ſelbſt gebracht habe, ſetzt er hinzu:

War das nicht recht artig von dem Herrn Mennell? (Jch nennete ihn gemeiniglich, Ca - pitain Mennell: denn du weiſt wol, daß nie - mand unter den Soldaten Lieutenant, oder Faͤhn - drich heiſſen will.) War es nicht recht artig, daß er ſo willig war mit mir zu gehen, und meiner Schoͤ -7 Schoͤnen von der Schwermuͤthigkeit der jungen Wittwe eine zuverlaͤßige Nachricht zu geben?

Mich duͤnckt, du willſt gern wiſſen: wer der Capitain Mennell iſt? Du haſt den Nahmen, Capitain Mennell, noch nie nennen hoͤren.

Das glaube ich wol. Kenneſt du den jungen Newcomb nicht? Des ehrlichen Dolemans ſeinen Vetter?

Hoho! iſt der es?

Ja! der iſt es! Jch habe aus eigener Voll - macht ſeinen Nahmen geaͤndert. Du weiſt, daß ich ein Vater vieler Nahmen bin: ich vergebe al - lerhand Bedienungen an Leute vom Degen und von der Feder. Jch verſchencke Guͤter, und nach meinem eigenen uneingeſchaͤnckten Willen nehme ich ſie wieder. Jch adele: und welches noch mehr iſt, ſo nehme ich meinen Vaſallen Wapen und Adel nach meinem eigenen Wohlgefallen, ohne vorhergegangene Felonie. Ein Monarch, ein eingeſchraͤnckter gebundener Monarch, iſt gegen meine Allmacht ein Bettler.

Allein das iſt der Teuffel! Nachdem Mennell meinen Engel geſehen hat, ſo hat er tauſend An - faͤlle von hypochondriſchen Grillen. Es wird mir viel koſten, ſeine Geſundheit zu erhalten. Doch ich darf mich hieruͤber nicht wundern, da vier ſolche Kerls, als ihr ſeyd, nach einem Umgange von wenigen Stunden fuͤhleten, daß ſie Hertzen haben. Das troͤſtet mich, daß ich den Vorſatz habe, mein Kind endlich zu belohnen, wenn es mich durch ſeine Tugend uͤberwindet; oder daßA 4 ich8 ich die Verſuchung nicht immer werde fortſetzen koͤnnen. Denn ich ſelbſt habe bisweilen hypo - chondriſche Anfaͤlle. Sage aber der Bruͤder - ſchaft nichts davon, und lache du mich auch ſelbſt nicht aus.

Jn einem andern Briefe, der des Montags Abends geſchrieben iſt, meldet er ſeinem Freunde: die Fraͤulein ſey ſo fremde gegen ihn, daß gantz gewiß noch ein Briefwechſel zwiſchen ihr und der Fraͤulein ſeyn muͤſſe, ohngeachtet ihn Frau Howe ihnen bey - den verboten habe. Er halte es fuͤr ein gutes Werk den Ungehorſam zu ſtraffen, und er glaube, daß dieſe Maͤdchens beyde eine Straffe verdienten, weil ſie ſich gegen ihre Eltern auflehnen. Er habe ſich naͤher nach ihrem Brieftraͤger erkundiget, und fin - de, daß es ein gemeiner Wild-Dieb ſey, der unter dem Vorwand Kleinigkeiten zu verkauffen, ſeine geſtohlene Eß-Waare anbringe. Weil er Wil - ſons Haus ſelbſt vorgeſchlagen habe, die Briefe dahin zu ſchicken, ſo unterſtehe er ſich nicht dort et - was zu verſuchen: allein er wolle den alten Kerl unterweges pluͤndern laſſen; es ſollten ihm nicht al - lein die Briefe, ſondern auch das Geld genommen werden, das er bey ſich haͤtte, denn ſonſt wuͤrde er deswegen in Verdacht kommen.

Wenn man ſeine eigene Abſichten erhaͤlt, und zugleich einen Spitzbuben ſtrafft, ſo dienet man der Welt und ſich ſelbſten. Die Geſetze ſind fuͤr einen ſolchen Mann als ich bin nicht gemacht. Jch muß hinter einen Briefwechſel kommen, der ohne Ungehorſam nicht gefuͤhret werden kann.

Jch9

Jch uͤberlege die Sachen von neuen. Wenn ich erfahren koͤnnte, daß mein liebes Kind einige Briefe in den Taſchen hat, ſo wollte ich ſuchen, es in die Comoͤdie zu bringen. Vielleicht waͤre meine Schoͤ - ne ſo ungluͤcklich ihre Taſchen zu verlieren. Allein wie ſoll ich das erfahren? Denn ihre Dorcas weiß von ihrem Aus - und Anziehen nicht mehr als ihr Lovelace. Ehe der Tag anbricht, ehe das Kammer-Maͤdchen ſie ſiehet, iſt ſie ſchon angeklei - det. Das iſt ein verfluchter Argwohn! warlich Bruder, wer argwoͤhniſch iſt, der verdient geſtraf - fet zu werden. Wenn ein Maͤdchen einen ehrli - chen Kerl fuͤr einen Schelm haͤlt, ſo giebt es ihm ein Recht ein Schelm zu werden.

Je mehr ich der Sache nachdencke, deſto mehr kriege ich Luſt etwas gegen ihre Taſchen zu wagen, weil dabey die wenigſte Gefahr iſt. Allein es koͤnnen ohnmoͤglich alle ihre Briefe in den Taſchen ſtecken, obgleich die Taſchen halb ſo groß ſind, als das Frauenzimmer ſelbſt. Jch glaube, ſie tragen ſie an ſtatt des Ballaſtes, damit der Wind nicht ihre Cannevaſſenen Segel ergreiffen, und ſie in die Luft fuͤhren moͤge.

Weil er befuͤrchtet, daß die beyden Fraͤuleins auf allerhand Anſchlaͤge dencken moͤgten, ihm die Fraͤulein Harlowe aus den Haͤnden zu bringen, ſo erzaͤhlt er, was er in ſolchem Falle zu thun geſinnet ſey, und ruͤhmet ſich, daß er der Dorcas und ſeinem Wilhelm Summers ſchon auf alle Faͤlle Ver - haltungs-Befehle gegeben habe. Er meint, er ha - be ſich gegen alle moͤgliche Ungluͤcks-Faͤlle vorgeſehen:A 5und10und wenn ſie auch aus dem Hauſe entkaͤme, ſo wolle er ſie dennoch wieder zuruͤck bringen; ja ſelbſt in dem Falle wuͤrde er ſie nicht verlieren, wenn ſie auſſer Lan - des ginge, und ſich weigerte wieder zu ihm zu kom - men. Er hoffet auch alles ſo einzurichten, daß es ihm niemahls an einem Vorwand fehlen ſoll, ſie bey ſich zu behalten, wenn gleich ſeine Auſchlaͤge entdecket. wuͤrden.

Er hat der Dorcas befohlen ſich auf alle moͤgli - che Weiſe bey ihrer Fraͤulein einzuſchmeicheln, und oͤfters daruͤber klaͤglich zu thun, daß ſie weder ſchrei - ben noch geſchriebenes leſen kann. Sie ſoll der Fraͤulein bisweilen einige Briefe von ihren angebli - chen Verwanten auf dem Lande zeigen, und ſie bit - ten, ihr zu rathen, was und wie ſie antworten laſſen ſolle. Sie ſoll viel mit der Feder ſpielen und ſchmie - ren, damit nicht die Dinte, die bisweilen an ihre Fin - ger koͤmmt, ſie verrathen moͤge, daß ſie ſchreiben koͤnne. Er habe ihr uͤber dieſes eine Schreib-Tafel und einen ſilbernen Stift gegeben, damit ſie ſich eini - ge merckwuͤrdige Umſtaͤnde aufzeichnen koͤnne.

Die Fraͤulein habe den Vorſchlag der Frau Sin - clair bewilliget, und ihre Kleider aus den Coffern in einen groſſen Schranck von Mahogany geleget, darin ſie voͤllig nach der Laͤnge liegen koͤnnten, und darin auch Schiebladen fuͤr die Waͤſche waͤren. Dieſer Schranck hat oft die ſchoͤnſten Kleider un - ſerer Nymphen verwahret, die ſie anzuziehen pfleg - ten, wenn ſie vornehmen Leuten aͤhnlich ſeyn, oder vornehme Herren fangen wollten. Manche dir be - kaunte Graͤfin hat unſere Mutter ausgeſtattet, jaſo11 ſo gar ein Paar Hertzoginnen, die jetzt nach der neuen vornehmen Mode eine vergnuͤgte Lebens-Art in dem Hauſe ihrer Ober-Herren fuͤhren. Allein dieſe gehoͤren auch nur vor Perſonen vom Stan - de, und die es bezahlen koͤnnen: denn nicht ein je - der gemeiner Suͤnder muß vornehme Kinder un - ehrlich machen.

Dorcas hat einen Haupt-Schluͤſſel, der alle Schieb-Laden oͤffnet. Es iſt ihr befohlen alles auf das genaueſte wieder zurecht zu legen, wenn ſie Briefſchaften in dem Schrancke ſuchet. Sara und Marichen ſollen mir im Abſchreiben behuͤlf - lich ſeyn, denn mit einem ſolchen Kinde muß man ſehr langſam und behutſam umgehen.

Es iſt ohnmoͤglich, daß ein ſo junges Frauen - zimmer bey ſo weniger Erfahrung ſo vorſichtig ſeyn ſollte, wenn es ſich ſelbſt gelaſſen waͤre; da ſich unſere Nymphen ſo ſittſahm auffuͤhren, und in dem Hinter-Hauſe nie etwas von dem Lerm gehoͤret wird. Alles iſt ganz artig und ſtille; unſere Jungfern ſind wohlgezogen und beleſen: der erſte Wi - derwille wider die alte Mutter iſt uͤberwunden. Es kann demnach keine andere ſeyn, die mir die Sache ſchwer macht, als die Fraͤulein Howe, die ſich ehemahls in einen unſeres gleichen, in den ehrlichen Georg Colmar verliebt hatte, wie du ohne Zweiffel wiſſen wirſt.

Aus den Mitteln, die ich mir ſchon auf alle Faͤlle ausgeſonnen habe, wirſt du ſehen, Bel - ford, daß ich nichts vergeſſe. Denn man glaubt kaum wie ſehr richtig der Ausdruck unſeres Liedes iſt.

Der12
Der Ruhm, der uns begluͤckt,
Der Sieg, der uns entzuͤckt,
Haͤngt nur am ſeidnen Faden.

Bis hieher bin ich fromm geweſen. Allein mei - ne Goͤttin ſoll ehe keine Ruhe haben, bis ich weiß, wo ſie ihre Briefe laͤßt. Hernach will ich ſie in die Comoͤdie bringen, oder mit ihr ausfahren, oder ſie an einen Ort bringen, da Muſick iſt.

Jch habe dir eben meine Anſchlaͤge gemeldet. Dorcas, die auf alles Achtung giebt, hat mir eine Probe von der argwoͤhniſchen Vorſichtig - keit ihrer Fraͤulein erzaͤhlet. Sie ſiegelt jeden Bief erſt mit zwey Oblaten zu, ſticht in die Oblaten, und druͤckt alsdenn das Siegel auf die Oblaten. Vermuthlich ſind die Briefe, die ſie empfaͤngt, eben ſo ſorgfaͤltig verſiegelt, und ſie eroͤffnet keinen, ehe ſie nicht das Siegel beſehen hat. Jch muß nothwendig hinter die Briefe kom - men: ſelbſt die Schwierigkeit macht mich neugie - riger. Jſt es nicht zu bewundern, da ſie ſo viel ſchreibet, daß nicht ein ſchlaͤfriger oder ſorgloſer Augenblick unſer Verlangen erfuͤllet.

Du ſieheſt, daß die Partheyen bey unſerem Streit nicht ungleich ſind. Wirf mir deswegen nicht vor, daß ich mir ihre Jugend zu Nutze mache. Sage nichts von Leichtglaͤubigkeit, denn die iſt gar nicht bey dieſem unglaͤubigen Wunder - Kinde anzutreffen. Bin ich nicht ſelbſt noch ein jun -13 junges Blut? An ihr Vermoͤgen und Stand mußt du gar nicht dencken: das reitzt mich nur zur Schelmerey an, und zwar deswegen, weil mein Hertz edel iſt. Jch habe dir ſonſten ſchon geſchrie - ben, wie ich hierin geſinnet bin. Was die Ge - ſtalt anlanget, ſo bitte ich dich Belford, zwinge mich nicht unverſchaͤmt zu ſeyn, und ſtelle ſelbſt zwi - ſchen mir und meiner Clariſſa eine Vergleichung an. Was ſie unter ihrem Geſchlechte iſt, das bin ich vielleicht unter meinem. Der eintzige Vorzug uͤber den wir noch ſtreiten koͤnnen, beſtehet in dem Verſtande und in der behutſamen Klugheit: daruͤber wollen wir auch ſtreiten, und es ausma - chen, wem der Preis gebuͤhret.

Es iſt dieſes fuͤr ſie und fuͤr mich ein betruͤbtes Leben, ſie muͤßte denn von Natur argwoͤhniſch ſeyn. Denn wo dieſes iſt, ſo liegt ihr Misver - gnuͤgen in ihrem Blute, und iſt unvermeidlich: es wird ihr aber auch in dem Falle nichts ſchaden. Denn wer von Natur argwoͤhniſch iſt, der wird die Urſachen zum Argwohn ſelbſt erfinden, wo keine ſind: ja meine Schoͤne wird mir dafuͤr ver - bunden ſeyn muͤſſen, daß ich ihr dieſe Muͤhe be - nehme, und ihr Gelegenheit zum Argwohn gebe.

Es iſt wahr, der ebene und gerade Weg iſt der beſte. Allein es iſt mir nicht gegeben, auf ebenen Wegen zu gehen. Jch bin nicht der ein - tzige in der Welt, der die Kruͤmme liebet: es giebt noch auſſer mir viele tauſende, die lieber in truͤ - ben als in ſtillen Waſſern fiſchen.

Der14

Der zweyte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.

Bin ich nicht ein ungluͤcklicher Kerl! man ruͤhmt dieſes Frauenzimmer, daß es das guͤtigſte Hertz von der Welt haben ſoll, und ich glaubte es ehemahls ſelbſt: allein gegen mich hat ſie das aller - haͤrteſte Hertz. Niemand hat mich fuͤr verdrießlich im Umgange ausgegeben. Wie iſt es moͤglich: ich glaubte wir waͤren dazu gebohren einander gluͤcklich zu machen, allein ich habe mich geirret: es ſcheint, daß wir einander nur plagen ſollen. Jch habe vor, eine Comoͤdie zu ſchreiben: der Titul iſt ſchon fer - tig, und der iſt wie du weißt das halbe Buch: die zanckenden Verliebten. Die Erfindung iſt gut; es iſt etwas neues und unerwartetes in dem Titul: indeſſen iſt es doch wahr, daß die Liebe gern zancket. Der alte Terentius hat das ſchon bemerckt, daß wenn Liebhaber ſich einmahl zancken, und ſich wie - der vertragen, die verſoͤhnte Liebe am hitzigſten iſt. Dieß iſt gantz natuͤrlich. Allein wir zerfallen ſo oft mit einander, ohne uns ein eintziges mahl zu ver - ſoͤhnen, und ehe der erſte Zanck geendiget iſt, gehet ſo oft der zweite ſchon wieder an, daß ich das En - de unſerer Liebe ohnmoͤglich abſehen kann. Allein Schakeſpeare ſagt:

Es komme, was da will, Geduld und Zeit kann ſich durch rauhe Tage ſchleichen.
Das15
Das ſoll mein Troſt ſeyn.

Kein Menſch auf Erden kann ſein Creutz beſſer tragen als ich; allein es muß ein Creutz ſeyn, das ich mir ſelbſt gemacht habe; und eben dieſes rechne ich unter meine Vorzuͤ - ge und Tugenden, du magſt davon dencken, was du willſt. Denn die meiſten ſind durch ihre uner - meßlichen Begierden, oder dadurch, daß ſie kein beſſeres Gluͤck verdienen, an ihrem Leyden ſchuld. Jch will nach und nach ein Menſch, wie andere Leute werden, dafuͤr mich noch niemand gehalten hat. Nun mercke auf die Geſchichte zu der ich dieſe Vorrede gemacht habe.

Jch war auſſer Hauſe geweſen, und traff bey mei - ner Zuruͤckkunft die Dorcas auf der Treppe an. Jſt eure Herrſchaft auf ihrer Stube? Nein! ſie iſt in dem Speiſe-Saal: und wenn ſie jemahls eine Gelegenheit haben ſollen einen Brief zu erhaſchen, ſo muͤſſen ſie ſie jetzt ergreiffen. Denn vor ihren Fuͤſſen ſahe ich einen Brief liegen, den ſie eben ge - leſen haben mußte, weil er er aus einander geſchlagen war, und ſie beſchaͤftiget ſich noch jetzt mit andern Briefen. Jch glaube ſie hat alles aus der Taſche gezogen; und alſo wiſſen ſie, wo ſie ſie kuͤnftig ſu - chen muͤſſen.

Jch wollte vor Freuden faſt in die Luft ſpringen, und entſchloß mich gleich, einen Einfall anzuwenden, den ich ſchonlaͤngſtens gehabt hatte. Jch ging mit einem ſehr froͤlichen Geſicht in das Speiſe-Zim - mer, und unterſtand mich, ſie, wie ſie ſaß, mit bey - den Armen zu umfaſſen, unterdeſſen, daß ſie ihre Briefe geſchwind in den Schnupftuch band ohneden16den Brief zu bemercken, der auf die Erde gefallen war. O meine allerliebſte Fraͤulein ſagte ich, eben iſt Herr Mennell und ich auf einen gluͤcklichen Ein - fall gerathen. Damit ich die Frau Fretchville bewegen moͤchte das Haus bald zu raͤumen, ſo habe ich verſprochen, wenn ſie es anders gut finden, den Koch, die Haus-Magd, und zwey Diener ihr ab - zunehmen und ſie ſelbſt zu miethen, bis ſie auf an - dere Weiſe verſorget ſind. Denn ſie war wegen dieſer Bedienten am meiſten beſorget. Damit kei - ne Bequemlichkeit fehlen moͤge, ſo will ich alles Lin - nen-Geraͤthe, das in die Haushaltung gehoͤrt, fuͤr einen billigen Preiß uͤbernehmen.

Jch ſoll ſo gleich fuͤnf hundert Pfund erlegen, und das uͤbrige bezahlen ſo bald die Rechnung gefertiget iſt. Sie bekommen auf die Weiſe ein ſchoͤnes Haus, darin ſie wohnen und meine Anverwandten empfan - gen koͤnnen. Dieſe werden bald bey ihnen ſeyn, und werden nicht zugeben, daß ſie meinen gluͤcklichen Tag allzu lange aufſchieben, und damit in keinem Stuͤcke gegen den Wohlſtand geſuͤndiget werde, ſo will ich nicht mit in das neue Haus ziehen, ſondern hier bey der Frau Sinclair bleiben und das uͤbrige alles ihrer Guͤtigkeit uͤberlaſſen. O mein liebſtes Kind, iſt ihnen dieſer Vorſchlag nicht gefaͤllig? Jch weiß gewiß, ſie nehmen den Vorſchlag an. Jch druͤck - te ſie hierauf naͤher an mich und gab ihr einen feuri - geren Kuß, als ich mich jemahls unterſtanden hatte: ich lies mich aber dennoch nicht durch die Hitze uͤber - nehmen, denn ich ſetzte den Fuß auf den Brief, und zog ihn vorwaͤrts, damit ich ihn beſſer erreichen koͤnnte.

Sie17

Sie ward uͤber die Freyheit unwillig, die ich mir nahm. Jch buͤckte mich deswegen und bat um Vergebung; unter dem Buͤcken aber nahm ich den Brief auf, und wollte ihn in den Buſen ſtecken.

Bin ich nicht ein Narre, ein Einfalts-Pinſel, ein ungeſchickter Kerl, kurtz ein lebendiger Belford! Jch hielt mich fuͤr kluͤger als ich bin. Warum befahl ich der Dorcas nicht, mir in die Stube nach - zufolgen, und den Brief unterdeſſen daß ich mich an die Fraͤulein machte, aufzuheben?

Weil der Brief nicht zuſammen geleget war, ſo konnte ich ihn nicht ohne Geraͤuſch beyſtecken, und meine ploͤtzliche Bewegung hatte ihre Augen ſchon mit Verdacht erfuͤllet. Sie flog den Augenblick in die Hoͤhe: verraͤtheriſcher Judas (ſagte ſie mit fun - ckelnden Augen und mit verworrenem Geſicht) was haben ſie von der Erde aufgehoben? Sie machte ſich kein Bedencken, den geſtohlenen Brief mir mit Gewalt abzunehmen, ob er gleich in meinem Buſen ſteckte: eine Gewaltthaͤtigkeit, die meine Hand in gleichem Falle nicht haͤtte wagen duͤrfen, wenn ich meine Ohren behalten wollte.

Was konnte ich weiter thun, als um Vergebung bitten, da ſie mich auf der That ertappet hatte? Jch umfaſſete mit beyden Haͤnden ihre loſe Hand, die den geraubten Brief ſchon wieder hatte: mein liebſtes Kind, koͤnnen ſie dencken, daß ich gar keine Neugier habe? Sie ſchreiben beſtaͤndig; mir iſt keine Schreib - Art angenehmer, als Erzaͤhlungen in Briefen, und in - ſonderheit bewundere ich dieſe Schreib-Art an ihnen: iſt es denn Wunder, daß ich vor Verlangen brenne,Vierter Theil. Betwas18etwas von einem ſo angenehmen Briefwechſel zu ſe - hen, da ich jetzund Erlaubniß zu einer ſo nahen Hoffnung von ihnen habe?

Laſſen ſie meine Hand los! (ſagte ſie, und ſtampfte mit ihren artigen Fuͤſſen auf die Erde.) Was un - terſtehen ſie ſich, mein Herr? Nun ſehe ich ich ſehe allzu klar Mehr konnte ſie nicht ſagen: ſie ſchnappte erſt nach der Luft, und ich dachte, ſie wuͤrde vor Schrecken und Eifer ſogleich eine Ohn - macht bekommen. Nichts von der angenehmen Freundlichkeit, die ihre recht eigene Schoͤnheit iſt, war in ihrem liebenswuͤrdigen Geſichte oder in ihrer klingenden Stimme wahrzunehmen.

Nachdem ich ſo weit gegangen war, ſo wollte ich ungern meine Beute wieder fahren laſſen; ich er - haſchte den zuſammen gedruͤckten Brief noch einmahl, Unverſchaͤmter Menſch! (ſagte ſie, und ſtampfte abermahls.) Um Gottes Willen! Jch lies mir gern meine Beute abnehmen, damit ich nicht an ei - ner Ohnmacht ſchuld ſeyn moͤchte. Jch hatte hie - bey das Vergnuͤgen, daß ſich meine Hand zwiſchen ihren beyden Haͤnden befand, die ſich bemuͤheten, meine Finger mit Gewalt zu oͤffnen. Wie nahe war damahls mein Hertz meinen Fingern! es ſchlug mir bis an die aͤuſſerſte Spitze jedes Fingers, weil mein allerliebſtes Kind (obgleich im Unwillen) ſo vertraut mit mir umging.

So bald ſie den Brief hatte, eilete ſie der Thuͤr zu. Jch ſtellete mich in den Weg, ſchloß die Thuͤr ab, und bat auf die demuͤthigſte Weiſe um Verge - bung. Kannſt du glauben, daß der HarlowiſcheKopf19Kopf meines ſchoͤnen Kindes unbeweglich war, ob ich gleich eine ſo angenehme Nachricht gebracht hat - te? Sie ſtieß mich mit Ungeſtuͤm von der Thuͤr weg, nicht anders als wenn ich eine Feder geweſen waͤre, (es iſt mir lieb, daß ich bey einer ſo unſchul - digen Gelegenheit ihre Staͤrcke kennen lerne. Dieſes - mahl machte ſie der Zorn ſo ſtarck, und mich machte die Furcht ſchwach. ) lief nach ihrer Wohnſtube, (Gott Lob, daß ſie nicht weiter fliehen konnte) und ſchloß und riegelte ſich ſogleich ein. Jch troͤſtete mich damit, daß ſie meine kuͤnftige Tod-Suͤnde nicht heftiger wuͤrde ahnden koͤnnen.

Jch ſchlich mit bekuͤmmerten Hertzen auf meine Stube, und weil mein Diener eben nicht bey der Hand war, ſchlug ich mich verflucht mit beyden Haͤnden vor den Kopf.

Mein Kind bleibt jetzt eingeſchloſſen: es will nichts von mir wiſſen: es will nicht eſſen, ja es faſſet den Entſchluß, mich nie wieder vor Augen zu ſehen; niemahls, niemahls wieder in ihrem Leben, will mich die Fraͤulein ſehen, wenn ſie es vermeiden kann.

Jch hoffe, ſie wird dazu geſetzet haben: in ihrer jetzigen Gemuͤths-Faſſung. Das ſollten die lie - ben Kinder immer dazu ſetzen, wenn ſie ſich mit ih - ren Dienern zancken, um ſich vor dem Meineyd zu bewahren.

Glaubſt du nunmehr nicht, daß meine naͤchſtbe - vorſtehende Schelmerey darauf gehen wird, zu ent - decken, warum mein Kind ſich uͤber eine ſo geringe Suͤnde ſo heftig entruͤſtet hat. Denn es wuͤrdeB 2eine20eine geringe Suͤnde ſeyn, wenn die Briefe der bey - den Maͤdchens nicht von Hochverrath gegen mich handeln.

Mittewochens fruͤh.

Jch habe ihr eben ſo wenig bey dem Fruͤh-Stuͤck als geſtern bey dem Abendeſſen meine Aufwartung machen duͤrfen. Wenn das Maͤdchen nur dennoch nicht am Ende ein einfaͤltiges Kind iſt. Jch habe in des Capitain Mennells Nahmen an ſie geſchickt: gnaͤdige Frau, der Capitain Mennell laͤßt ſei - ne gehorſamſte Empfehlung machen

Nichts will helfen. Sie iſt den Jahren nach noch ein Kind: man kann von ihr nicht erwarten, daß ſie in allen Stuͤcken ein bald haͤtte ich geſagt, ein Salomon ſeyn ſoll. Salomon, Bruder, war der weiſeſte Mann in der Welt: haſt du aber je gehoͤrt, welches das weiſeſte Frauenzimmer in der Welt geweſen iſt? Jch habe dieſe Nachricht noͤthig, damit ich eine Vergleichung mit meinem Kinde an - ſtellen koͤnne. Von argliſtigen Weibern und Hexen leſen wir genug; allein ich glaube Weisheit iſt nie eine Eigenſchaft dieſes Geſchlechts geweſen. Man fodert ſie gar nicht von ihnen. Es iſt wahr, gantze Laͤnder pflegen unter Koͤniginnen gluͤcklicher zu ſeyn, als unter Koͤnigen. Allein woher kommt das? Die Koͤnigin laͤßt ſich von Maͤnnern und der Koͤnig von Weibern regieren. Das iſt ein guter Einfall: ſo entdecken wir endlich, wer in jedem Reiche das Ruder fuͤhret. Und du elender Kerl willſt mich daruͤber auslachen, daß ich dieſem Geſchlecht ſo ergeben bin? und21und daß ich mich in das allervortreflichſte Frauen - zimmer ſterblich verliebt habe?

Doch wir wollen nicht von Weisheit, ſondern von Liſt und Klugheit reden; das iſt, wir wollen die Frauens-Leute als Frauens-Leute betrachten. Was iſt zu thun, wenn ſich in dem Gehirn meiner Schoͤnen etwas befindet, daß bey keiner andern Schoͤnen anzutreffen iſt? Sie hat einen eigenen Bo - ten nach Wilſons Hauſe geſchickt, und einmahl uͤber das andere befohlen, ihr die Briefe die einlauf - fen werden den Augenblick zuzuſchicken.

Jch muß nun auf etwas neues dencken. Sie fuͤrchtet ſich nicht mehr vor dem Anſchlage ihres Bruders. Jch werde mich gar nicht daruͤber wun - dern, wenn Singleton der Fraͤulein Howe, als der einzigen Perſon die weiß oder wiſſen kann, wo die Fraͤulein Harlowe ſich befindet, ſeine Aufwar - tung macht, und vorgiebt, daß er ihr groſſe und wich - tige Dienſte leiſten koͤnne, wenn er ſie nur ein eintzi - ges mahl ſprechen duͤrfte. Der Verdacht wird im - mer entſtehen, daß er es mit ihrem Bruder abgere - det habe.

Alsdenn wird die Fraͤulein Howe ſie warnen, ſich zu Hauſe zu halten, und mein Schutz wird wie - der noͤthig ſeyn. Jch hoffe, daß dieſes Mittel ſei - ne gute Wirckung haben wird. Alles was Fraͤu - lein Howe ſaget, das findet bey meiner Schoͤnen Eingang. Joſeph Lehman iſt in ihren Augen ein abſcheulicher Menſch, der alles thut und ſaget was ich ihm befehle. Joſeph, der ehrliche Jo - ſeph (wie ich ihn zu nennen pflege) mag ſich nun -B 3mehr22mehr aufhaͤngen, wenn er Luſt dazu hat. Jch ha - be ihn genug gebraucht, und habe ihn kuͤnftig faſt gar nicht mehr noͤthig. Was brauche ich immer bey einerley Art der Schelmerey zu bleiben, da mir mein Kopf alle Stunden eine neue eingiebt?

Schilt mich nicht daruͤber, daß ich mein Pfund auf eine ſolche Art anwende: wer ein ſolches Pfund hat, muß es nicht ohne Wucher liegen laſſen.

Auf! ich muß einen Singleton ausfinden, das iſt es alles!

Jch will gleich einen haben! Wilhelm!

Mein Herr!

Ruffe mir den Augenblick deinen Vetter, den Paul Wehatly, der eben von der See gekom - men iſt, den du mir einmahl vorſchlugeſt, wenn ich mich verheyrathete, und ein Luſt-Schiff halten wollte.

Gut! Wilhelm iſt ſchon hin. Paul wird bald hier ſeyn. Er ſoll gleich nach der Fraͤulein Howe gehen. Er dienet nunmehr auf Single - tons Schiff, (auch den Dienſt will ich vergeben) wenn er nun von ſeinem Capitain geſchickt wird, ſo iſt es eben ſo gut, als wenn Singleton ſelbſt kaͤme.

Der kleine Teuffel, die Sara, wirft mir oft vor, daß ich ſo langſahm zu Wercke gehe. Allein ſind nicht bey einer Comoͤdie die vier erſten Auftrit - te die luſtigſten? iſt nicht beynahe alles vorbey, wenn wir an den fuͤnften Auftritt kommen? Daß muͤßte ein Geier vom Kerl ſeyn, der noch um ſeine Beute herum flieget, und in demſelben Augenblick ſtieſſe und auffraͤſſe.

Doch23

Doch die Wahrheit zu geſtehen, ich bin zu liſtig fuͤr mich ſelbſt geweſen. Jch wollte mich in Sicher - heit ſetzen, allein das Mittel war ſchaͤdlich; denn ich habe das liebe Kind durch meine vier Hottentot - ten ſcheu gemacht, und es wird Zeit dazu gehoͤren, ehe ich das verlohrne wieder gewinne. Das ver - dammte Geſindel zu Harloweburg hat ſie gegen mich, gegen ſich, gegen die gantze Welt, muͤrriſch gemacht, die eintzige Fraͤulein Howe ausgenom - men: und dieſe vermehret ohne Zweifel meine Schwierigkeiten taͤglich. Jch kann mich auch nicht entſchlieſſen, mich zu den Mitteln zu erniedrigen, zu denen mich die Furien unſers Hauſes beſtaͤndig reitzen; ſonderlich da ich gewiß weiß, daß mein Kind doch endlich auf eine rechtmaͤßige Art die Mei - nige wird. Wenn es eine vollſtaͤndige Verſuchung uͤberſtanden hat, ſo will ich ihm auf eine rechte edle Art Gerechtigkeit widerfahren laſſen.

Paul Wheatly iſt ſchon weg! ſchon abgeſchickt! hat alle Verhaltungs-Befehle! Ein kluger Kopf! Er war dem Lord W. in den geheimſten Umſtaͤnden bedient, ehe er zur See gieng. Er iſt aufgeweckter als Lehman, und giebt nicht ſo viel von Schwer - merey und Gewiſſen vor als jener. Wie theuer mußte ich den Joſeph kauffen! ich mußte erſt ſein Gewiſſen und denn den Kerl ſelbſt bezahlen. Jch muß den Schelm zuletzt ſtrafen: allein vorher mag er heyrathen. Das iſt zwar ſchon Strafe genug, allein weil ich ihn fuͤr zwey gekauffet habe, ſo will ich auch in ihm zwey Leute abſtraffen, denB 4Kerl24Kerl und die Frau. Wie ſehr verdient Eliſabeth eine Zuͤchtigung fuͤr ihr Betragen gegen meine Goͤttin!

Jetzt eben gehet die Thuͤr meiner Geliebten auf, und die roſtrigen Thuͤr-Angel ruffen mich durch ihr Knarren. Mein Hertz antwortet ihnen, und knar - ret und ſchlaͤget ebenfalls. Ein alberner Einfall! Denn was fuͤr Gleichheit hat das Herz eines Ver - liebten mit ein Paar alten Thuͤr-Angeln, die knarren, weil ſie lange nicht geſchmiert ſind? Doch dieſe Thuͤr-Angeln eroͤffnen und ſchlieſſen das Schlaaf-Ge - mach meines Kindes: iſt das nicht genug?

Die Thuͤr geht wieder zu. Jch hoffe, daß ſie mich einiger Befehle wuͤrdigen wird. Warum ge - het ſie ſo fremde mit mir um? Sie muß doch die Meinige werden, wenn ich mich noch ſo ſchwer an ihr verſuͤndige. Wenn ich einmahl Hertz bekom - me, oder zeige, daß ich Hertz habe, ſo wird alles in einer Stunde voruͤber ſeyn. Denn wenn ſie auch meint, daß ſie aus dieſem Hauſe entkommen koͤnn - te, ſo weiß ſie doch keinen Ort, dahin ſie ihre Zuflucht nehmen darf. Jhre Eltern, ihre Onckels wollen ſie nicht aufnehmen: ihre liebe Frau Norton muß ſich nach jenen richten, und darf ihr keine Zuflucht in ihrem Hauſe verſtatten: die Fraͤulein Howe wird es ſich auch nicht unterſtehen: in London hat ſie keinen Freund auſſer mir, ja ſie iſt gantz unbe - kannt in London. Warum ſoll ſich denn das liebe Kind unterſtehen, ſo ſtrenge, ſo gebieteriſch mit mir umzugehen? Wenn es die Ohnmoͤglichkeit mir zu entkommen einſaͤhe, ſo wuͤrde es gegen micheben25eben ſo demuͤthig ſeyn, als gegen ſeine grauſamen Verwandten.

Wenn ich auch den letzten Sturm wagen und ab - geſchlagen werden ſollte, ſo kann doch ihr Haß, den ſie daruͤber gegen mich faſſet, nicht von langer Dauer ſeyn. Sie hat ſich ſchon in den Augen der Welt tadelhaft gemacht, und ſie muß die Meinige werden, wenn ſie den Laͤſterungen dieſer unverſchaͤmten Welt entgehen will. Denn wer kennet mich, und wird glauben, daß ſie noch eben ſo rein ſey als vorhin, wenn ich ſie nur vier und zwanzig Stunden in mei - ner Gewalt gehabt haͤtte? Man wird zum wenig - ſten ihren Leib vor befleckt halten, wenn ihr Gemuͤth gleich rein geblieben waͤre. Das menſchliche Hertz iſt uͤber dieſes ſo ſchelmiſch, daß beyde Geſchlechter andere nach ſich beurtheilen. Jedermann wird glau - ben, daß die Neigung eines Frauenzimmers eben eine ſo groſſe Verfuͤhrerin ſey, als ich ein Verfuͤh - rer bin, ſonderlich wenn ein junges Frauenzimmer in der beſten Bluͤte ſo viel Liebe fuͤr die Manns - Perſon hat, daß ſie mit ihr durchgehen kann: denn ſo muß ein jeder ihre Flucht erklaͤren.

Sie ruft die Dorcas. Jch ſoll vermuthlich ihre angenehme Stimme hoͤren, und Gelegenheit bekommen, mein Herz vor ihren Fuͤſſen auszuſchuͤt - ten, alle meine Geluͤbde und Eyd-Schwuͤre zu er - neuern, und von ihr die Vergebung meiner bisheri - gen Suͤnden zu empfangen. Mit wie vielem Ver - gnuͤgen will ich ein neues Kerb-Holtz anfangen, und mir von neuen meine Suͤnden vergeben laſſen. Die - ſes ſoll etliche mahl geſchehen, bis ich endlich dieB 5letzte26letzte Tod-Suͤnde begehe. Wenn ſie mir alsdenn noch einmahl vergiebet, ſo ſind zugleich alle kuͤnfti - gen und moͤglichen Suͤnden vergeben.

Die Thuͤr iſt ſchon wieder abgeſchloſſen. Jch hatte der Dorcas befohlen, ſie das naͤchſte mahl, da ſie ſie wieder ſaͤhe zu bitten, daß ſie mir erlauben moͤchte dieſen Mittag bey ihr zu ſpeiſen. Jn Gna - den abgeſchlagen! jedoch hat ſie es dieſes mahl hoͤflich abgeſchlagen. Es ſcheint, ſie will nach und nach wieder naͤher kommen. Das ehrliche Kammer-Maͤd - chen ſaget mir in der Sprache ihrer Haus-Mutter: ich wuͤrde nichts ausrichten, wenn ich nicht den Haupt - Sturm wagte. Jch ſinne ſchon auf den Haupt - Sturm, ich mache ſchon Anſtalten dazu. Allein mein verfluchtes Hertz widerſpricht mir und haͤlt mich fuͤr einen Narren. Jch ſchlieſſe meinen Brief, obgleich meine Felſen-harte Beherrſcherin mich wei - ter nichts thun laͤßt, als ſchreiben, leſen und mich aͤrgern.

Wir pflegen uns nicht nach der gewoͤhnlichen Art zu unterſchreiben. Wenn wir es aber auch thaͤten, ſo bin ich meinem Kinde ſo ergeben, daß ich dir und andern ohnmoͤglich melden kann, wie wenig ich bin Dein ergebener Diener.

Der dritte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.

Wenn27

Wenn Sie es billigen, daß ich mich an meinen Onckle, Anton Harlowe wende, ſo wuͤnſchte ich, daß es je eher je lieber geſchehen moͤch - te. Wir ſind von neuem auf das aͤuſſerſte zerfal - len, und ich habe mich eingeſchloſſen, daß er nicht zu mir kommen kann. Dieſe Beleidigung iſt nicht ſo auſſerordentlich groß: und dennoch iſt ſie in an - derer Abſicht ſehr groß. Er haͤtte beynahe einen von Jhren Briefen bekommen. Es ſoll mir dieſes zur Warnung dienen: ich will kuͤnftig in keinem Zimmer Briefe uͤberleſen oder ſchreiben, in welches er zu kommen berechtiget iſt. Jndeſſen hat er kei - ne Zeile, gewiß nicht eine einzige Zeile von Jhrem Briefe geleſen. Seyn ſie alſo nicht unruhig, und verlaſſen Sie ſich darauf, daß ich kuͤnftig vorſichti - ger ſeyn werde.

Die Sache verhielt ſich alſo. Die Sonne ſtand auf meinem Cloſet, und Herr Lovelace war aus - gegangen Hier folget eine ausfuͤhrlichere Nachricht davon, daß Herr Lovelace ſie unvermuthet uͤberfallen habe. Allein ihre Reden und ſein dreiſtes Betragen werden eben ſo erzaͤhlet, als er es ſelbſt erzaͤhlet hatte.

Jch werde hierdurch mehr und mehr uͤberzeuget, daß ich mehr in ſeiner Gewalt bin, als ich wuͤn - ſche, und daß es fuͤr mich nicht rathſam iſt, laͤn - ger bey ihm zu bleiben. Wenn mir meine Freun - de nur einige Hoffnung geben wollen Unterdeſſen aber muß ich mich bemuͤhen zu verhuͤten, daß un - ſer Streit nicht geſchlichtet werde: eine Bemuͤhung, die ich in meinem Leben noch nie uͤbernommen habe,und28und bey der ich mir ſelbſt veraͤchtlich bin, weil ich einen Endzweck dabey habe, den ich nicht geſtehen darf. Dieſes iſt eine von den Folgen, die ſich ſelbſt zugezogen hat, und die nunmehr zu ſpaͤte bereuet

Jhre Cl. Harlowe.

Der vierte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.

Jch billige Jhren Entſchluß ungemein. Sie ſollen den Menſchen verlaſſen, wenn ihr On - ckle Jhnen einige Hoffnung zur Ausſoͤhnung mit den Jhrigen macht. Seit zwey Stunden habe ich ſo viel glaubwuͤrdige Nachrichten von ſeiner Auffuͤh - rung gehoͤret, daß ich ihn fuͤr den abſcheulichſten und gefaͤhrlichſten Feind unſeres Geſchlechts halten muß. Jch verſichere Jhnen, wenn er ein zehnfaches Leben haͤtte, ſo koͤnnten noch wol zwantzig Uebelthaten un - begangen ſeyn, und er wuͤrde dennoch ſchon verdient haben, ſein zehnfaches Leben zu verlieren; wenn das anders wahr iſt, was ich gehoͤrt habe.

Wenn Sie ſich noch einmahl ſo weit erniedrigen, vertraut mit ihm zu reden, ſo fragen Sie ihn doch um die Jungfer Betterton, und was es mit der fuͤr ein Ende genommen hat. Und wenn er mit derSprache29Sprache nicht heraus will, ſo erkundigen Sie ſich nach der Jungfer Lockyer. Mein Schatz, der Menſch iſt ein Ertz-Boͤſewicht.

Jch will mich unter der Hand erkundigen laſſen, wie ihr Onckle geſinnet iſt, und zwar alſobald. Al - lein ich bin wegen eines gluͤcklichen Erfolgs in Sor - gen. Jch habe manche Gruͤnde hierzu. Man kann zwar zum voraus ſchwerlich ſagen, wie viel es bey einigen Leuten ausrichten wuͤrde, wenn Sie dem großvaͤterlichen Teſtament entſagten: allein ich kann ohnmoͤglich zugeben, daß Sie dieſes thun, wenn Ernſt aus der Sache wird.

Da Jhre Hannichen noch kranck iſt, ſo wuͤnſchte ich, daß Sie die Dorcas zu gewinnen ſuchten. Sind Sie etwan allzuſcheu und argwoͤniſch gegen ſie, und haben Sie ihr hievon, ohne es zu dencken, Zei - chen gegeben?

Jch wuͤnſchte, daß Sie einen von ſeinen Brie - fen in die Haͤnde bekommen koͤnnten. Ein ſo fluͤch - tiger Menſch kann nicht immer auf ſeiner Huth ſeyn. Jſt es aber ohnmoͤglich ihn zu uͤberfallen, und koͤn - ne Sie Jhr Maͤdchen nicht dazu gebrauchen, ſo ſind beyde mir ſchon verdaͤchtig. Laſſen Sie ihn ohnverſehens abruffen, wenn er eben im Schreiben begriffen iſt, oder wenn er Briefe um ſich liegen hat, und machen Sie ſich alsdenn ſeine Nachlaͤßigkeit zu Nutze.

Jch geſtehe gern, daß dieſes eben ſo gehandelt iſt, als wenn wir in einem Wirths-Hauſe alle Win - ckel durchſuchen, und nachſehen, ob ein Spitz-Bu - be verborgen ſtecke, da wir doch vor Furcht auſſeruns30uns kommen wuͤrden, wenn wir einen anſichtig wer - den ſollten. Jndeſſen iſt es doch beſſer den Spitz - Buben gewahr zu werden, da wir noch wachen, als daß er uns in den Schlaf uͤberfallen ſollte.

Jch freue mich daß Sie Jhre Kleider haben Allein kein Geld! Keine Buͤcher! als den Spira, den Drexelius und das thaͤtige Chriſten - thum! Die Leute, die dieſe Buͤcher ausſuchten, haͤtten wohl gethan, wenn ſie das letzte fuͤr ſich be - halten haͤtten. Allein ich muß hieran nicht viel gedencken.

Sie haben mich durch die Nachricht in groſſe Un - ruhe geſetzt, daß er ſich bemuͤhet hat, einen von mei - nen Briefen zu bekommen. Jch habe Nachricht, daß er der Anfuͤhrer von einer Bande abſcheulicher Boͤſewichter iſt, zu welcher Bande vermuthlich die vier Leute auch gehoͤrten, in deren Geſellſchaft er Sie brachte. Dieſe ſuchten unſchuldige Frauenzimmer zu verfuͤhren, und wenn dieſes geſchehen iſt, gebrau - chen ſie Gewalt, einander zu beſchuͤtzen und in Sicher - heit zu ſetzen. Wenn er wuͤßte, daß ich ſo frey von ihm ſchreibe, ſo wuͤrde ich mich nicht unterſtehen, allein einen Fuß uͤber die Schwelle zu ſetzen.

Es thut mir leyd, daß ich Jhnen die Nachricht geben muß, daß Jhr Bruder ſeine alberne Anſchlaͤ - ge vermuthlich noch nicht fahren laͤßt. Jetzt eben war ein Kerl bey mir, der wie ein Matroſe ausſahe, und gantz von der Sonne verbrannt war, der vorgab, daß der Capitain Singleton Jhnen groſſe Dien - ſte zu leiſten im Stande ſey, wenn er ſie nur ein ein - tziges mahl zu ſprechen bekommen koͤnnte. Jch ſtelletemich31mich als wuͤßte ich nicht, wo Sie waͤren. Der Kerl war mir zum Auslocken zu klug.

Jch habe mich zwey Stunden lang der Thraͤ - nen nicht enthalten koͤnnen, nachdem ich Jhren letz - ten Brief und die Beylage von dem Obriſten Mor - den geleſen hatte. Mein allerliebſter Schatz, ge - ben Sie ſich ſelbſt nicht verlohren, und erlauben ſie Jhrer Anna Howe, daß Sie dem Ruffe fol - gen darf, den ihr eine Freundſchaft giebt, Sie auf - zurichten, die unſerer beyder Hertzen ſo verbunden hat, als wenn wir nur Ein Hertz haͤtten.

Jch wundere mich nicht uͤber die niedergeſchla - genen und tiefſinnigen Gedancken, die Jhnen bis - weilen bey der Flucht zu der Sie gezwungen und verleitet ſind beyfallen, und die Sie mit in Jhre Briefe einflieſſen laſſen. Es iſt dieſes ein ſolches Schickſaal, daraus wir lernen muͤſſen, wie bloͤde alle Klugheit der Menſchen iſt. Jch wuͤnſche mit Jhnen, daß wir beyde uns auf unſere Vorzuͤge vor andern weniger eingebildet, und ſie an uns nicht er - kannt haben moͤchten. Doch ich will die Feder zu - ruͤck halten. Wie geneigt ſind wir, bey jedem auſ - ſerordentlichen Zufall ein goͤttliches Gericht zu ſu - chen? Jn ſo fern thun wir zwar recht daran, als es billiger iſt, uns und unſere beſten Freunde anzu - klagen als die goͤttliche Vorſicht, die gantz gewiß weiſe Endzwecke in allen ihren Schickungen haben muß.

Allein ſchreiben Sie nicht mehr, daß Sie andern Jhres Geſchlechts nur zur Warnung gereichen wuͤr - den. Sie werden ihnen nicht allein zur Warnung ſondern auch zum Vorbilde vorgeſtellet werden koͤn -nen;32nen; und eben deswegen wird ihre Geſchichte bey allen die ſie hoͤren einen deſto groͤſſern Eindruck ha - ben. Denn wenn ſo auſſerordentliche Vorzuͤge, als Sie beſitzen, eine verwilderte Manns-Perſon nicht bewegen koͤnnen, Jhnen aufrichtig und edel zu be - gegnen, ſo wird kein Frauenzimmer eine auch nur mittelmaͤßige Ehrlichkeit von Leuten dieſer Art er - warten koͤnnen.

Wenn Sie glauben, daß Sie ohne Entſchuldi - gung ſind, weil Sie einen Schritt gethan haben, der es moͤglich machte, daß Herr Lovelace Sie hintergehen konnte, ob Sie gleich nicht die Abſicht hatten mit ihm davon zu gehen: was werden denn ſolche liederliche Maͤdchens von ſich halten muͤſſen, die ohne gleiche dringende Urſachen, und ohne auf den Wohlſtand zu ſehen, uͤber die Mauren klettern, ſich aus den Fenſtern herunterlaſſen, oder ſich ſonſt aus ihrer Eltern Hauſe wegſtehlen, und den erſten Tag ihrer Flucht mit dem Verfuͤhrer zu Bette gehen?

Wenn Sie ſich deswegen anklagen, daß Sie dem Verbot der haͤrteſten Eltern ungehorſahm ge - weſen ſind, ob es gleich zu Anfang nur ein halbes Verbot war: was ſollen denn diejenigen ſagen, die ihre Ohren vor den vernuͤnftigſten Warnungen ih - rer Eltern verſtopfen, da ſie doch wahrſcheinlich oder mit Gewißheit zum voraus ſehen koͤnnen, daß ihre Uebereilung ungluͤckliche oder unanſtaͤndige Fol - gen haben werde?

Endlich werden ſie allen, die von Jhren Um - ſtaͤnden etwas erfahren, ein unvergleichliches Bey - ſpiel der Wachſamkeit und der Vorſichtigkeit ſeyn,dadurch33dadurch ein kluges Frauenzimmer, welches gefehlt zu haben glaubt, ſeinen Fehler wieder gut zu machen ſuchet, und ohne jemahls ſeine Pflicht aus den Augen zu ſetzen, ſich bemuͤhet, den richtigen Weg wieder zu finden, den es ohne ſein Wiſſen verlohren hat.

Ueberlegen Sie dieſes, meine allerliebſte Freun - din, und behalten Sie ohne zu verzagen den Vorſatz, daß Sie Jhre vermeinten Fehler wieder gut machen wollen. Vielleicht iſt es dennoch am Ende kein Ungluͤck, daß Sie gefehlet haben, nachdem Jhr Wille nicht den geringſten Antheil an dem Fehler genommen hat.

Jch brauche die Ausbruͤcke, verfuͤhren und fehlen, nicht als meine eigenen Ausdruͤcke, ſondern nur deswegen, weil Sie ſich ſelbſt anklagen, und weil ich mich ſonſt gern nach Jhren Meinungen und Einſichten richte. Denn in meinem Hertzen glaube ich, daß ihre gantze Auffuͤhrung ſich ent - ſchuldigen laͤßt, und daß blos die Leute anzuklagen ſind, die ſich dadurch zu entſchuldigen ſuchen, daß ſie Jhnen alle Schuld beymeſſen.

Jch glaube aber dem ohngeachtet, daß alles Jhr kuͤnftiges Vergnuͤgen durch dergleichen niedergeſchla - gene Gedancken allzuſehr gemaͤßiget werden wird, wenn Sie den Herrn Lovelacen nehmen, und an ihm dem beſten Mann haben ſollten. Ehe Sie ihn kannten, waren Sie ungemein gluͤcklich, und bey - nahe gluͤcklicher, als es Menſchen in dieſem Leben erwarten ſollen. Jedermann betete Sie an. Der Neid ſelbſt, der ſich jetzt unterſtehet, ſein giftiges Haupt zu erheben, ward durch Jhre allzu groſſenVierter Theil. Cund34und in die Augen fallenden Vorzuͤge zum Stillſchwei - gen und zur Bewunderung gezwungen. Sie waren gleichſam die Seele in allen Geſellſchaften. Wie oft habe ich geſehen, daß ſolche, die aͤlter waren als Sie, ihr Urtheil zuruͤck hielten, bis Sie geredet hatten, um nicht den Verdruß zu haben, daß ſie ſich ſelbſt Unrecht und Jhnen Recht geben muͤßten. Bey allem dieſem machte Jhr angenehmes Weſen, Jhre Freundlichkeit, und Jhre Demuth, daß Jhnen je - dermann willig und ungeheuchelt Recht gab, und Jhre unleugbaren Vorzuͤge ohne Verdruß erkannte. Denn andere ſahen, daß ſie ſelbſt ſich nicht dadurch herunter ſetzten, wenn ſie ſich Jhnen nachſetzten, und daß Sie nicht daruͤber ſtoltz wurden, noch ſich mer - cken lieſſen, daß Sie ſich kenneten. Denn jedes - mahl ſagten Sie etwas, das ſelbſt denen gefiel, die nachgeben mußten, und das jene nicht beſchaͤmete, ob ſie gleich den Preis nicht erhielten.

So oft von ſchoͤner Arbeit geredet ward, gedach - te man Jhrer, oder man zeigte Jhre Arbeit als ein Muſter. So oft ein anderes Frauenzimmer wegen ſeiner Arbeitſamkeit, Einſicht in Haushaltungs-Sa - chen, Beleſenheit, Schreib-Art, Gedaͤchtniſſes und Geſchicklichkeit alles zu lernen, gelobet ward, ſo ward es Jhnen doch nur nachgeſetzet, wenn man Sie kannte. Eben dieſes geſchahe auch, wenn von Ge - ſtalt und artiger Kleidung die Rede war, welches Lob ſonſten das Frauenzimmer einander am meiſten zu misgoͤnnen pflegt.

Alle Jhre Schritte wurden von den Armen mit Seegens-Wuͤnſchen begleitet: die Reichen machtenſich35ſich eine Ehre daraus, daß Sie reich waren, und waren hochmuͤthig daruͤber, daß ſie mit zu der Gat - tung von Leuten gehoͤren durften, deren Rang durch Sie geehret ward.

Obgleich jedermanns Wuͤnſche auf Sie in Jhrer fruͤheſten Jugend gerichtet waren, ſo wuͤrde ſich doch niemand unterſtanden haben auf Sie zu hoffen, oder Jhnen unter Augen zu kommen, wenn nicht die Jhrigen aus niedertraͤchtigen Abſichten Jhren Freyern Hoffnung gemacht haͤtten.

So gluͤcklich waren Sie, und ſo gluͤcklich mach - ten Sie alle, die um Sie waren. Konnten Sie hoffen, daß dieſes Gluͤck unverfinſtert bleiben wuͤrde, und daß Sie durch keinen unangenehnen Zufall uͤberzeuget werden wuͤrden, daß Sie noch in dieſer Welt ſind? Mußte nicht ein ſolcher Zufall kom - men, wenn Sie glauben ſollten, daß Sie noch nicht gaͤntzlich vollkommen waͤren, und nicht ohne Ver - ſuchung und Leyden, die Bahn dieſes Lebens zuruͤck legen koͤnnten?

Jch muß geſtehen, daß kein Leyden oder keine Verſuchung, die Jhres Widerſtandes wuͤrdig ge - weſen waͤre, Sie fruͤher oder nachdruͤcklicher haͤtte uͤberfallen koͤnnen, als dieſe. Allen gemeinen Zu - faͤllen waren Sie uͤberlegen. Es mußte ein blos zu dieſem Zweck geſchaffener Menſch, oder ein noch aͤrgerer Geiſt in menſchlicher Geſtalt zu Jhrer Ver - ſuchung in die Welt geſchicket werden. Unterdeſſen mußten eben ſo viel boͤſe Geiſter, als Koͤpfe in Jh - rer Familie ſind, Erlaubniß bekommen, von den Hertzen der Jhrigen Beſitz zu nehmen, und mit dem,C 2der36der Sie von auſſen verſuchte, ein Verſtaͤndniß zu machen, damit Sie durch dieſe Verſchwoͤrung end - lich moͤchten genoͤthiget werden, die gefaͤhrliche Un - terredung mit ihm anzuſtellen.

Es ſcheint daher, wie ich oft geſagt habe, Jhr Fehler (wenn ich es anders einen Fehler nennen ſoll) ein Schluß des Schickſahls zu ſeyn, welches Sie andern zum Vorbilde in Jhrem Leyden vorſtel - len wollte, und Sie nicht ſo geſchickt hiezu fand, wenn Sie niemahls gefehlet haͤtten. Denn, mein Schatz, im Ungluͤck ſind Sie am ſchoͤnſten und am groͤſſeſten. Alle Jhre widrigen Umſtaͤnde dienen zur Entdeckung ſolcher Schoͤnheiten, die verborgen geblieben ſeyn wuͤrden, wenn Sie das Gluͤck beſtaͤndig genoſſen haͤtten, das Sie von der Wiegen an begleitete; ob Sie gleich dieſes Gluͤck vollkommer verdieneten, und es ſo wohl zu tragen wußten, daß es Jhnen auch neue Schoͤnheiten mittheilen mußte.

Jch bedauere hiebey nichts, als daß die Verſu - chung Jhnen beſchwerlich iſt. Jch fuͤhle eben ſo viel davon als Sie; und alle diejenigen leyden da - bey, die Sie geliebet haben, und die glaubeten, daß Sie ihnen zum Vorbilde, welches ſie nachahmen und bewundern ſollten, vorgeſtellet waͤren, und nun ſehen muͤſſen, daß Sie das Ziel ſind, auf welches der Neid ſeine Pfeile verſchieſſet.

Schlagen Sie das nicht in den Wind, was ich Jhnen geſchrieben habe. Wenn die Einbildungs - Kraft aufgebracht wird, ſo fangen wir alle an be - geiſtert zu werden und Geſichter zu ſehen. Da nun Jhre Anna Howe bey Ueberleſung Jhres Briefesfindet,37findet, daß ſie eine hoͤhere und ungewoͤhnliche Schreib - Art angenommen hat, ſo glaubt ſie beynahe, daß dieſes goͤttliche Eingebungen ſind, dadurch ihre nie - dergeſchlagene Freundin getroͤſtet und aufgerichtet werden ſoll; die vielleicht durch die Verſuchungen, welche ſie ſo fruͤhzeitig uͤberfallen, allzuſehr gedemuͤ - thiget und muthlos gemacht wird, in der Daͤmme - rung fortzugehen, auf welche ein heiterer Tag folget: Jch will nichts weiter hinzu thun, als dieſes, daß ich bin

Jhre ewige ergebene und getreue Anna Howe.

Der fuͤnfte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.

Jch muß zu dem Lobe ſtille ſchweigen, dadurch ich nur gedemuͤthiget werde, weil ich es mir bewußt bin, daß ich es nicht verdiene, ob mich gleich Jhre guͤtige Abſicht, die Sie dabey haben, troͤſtet und muthig macht: denn es iſt ſehr angenehm, von denen, die wir lieben, hochgeſchaͤtzet zu werden, und zu er - fahren, daß einige Freundſchaften ſtaͤrcker ſind als alle Ungluͤcks-Faͤlle, und ſich nicht blos nach Leib, Blut, und Verwandſchaft richten. Mein Ungluͤck mag mich groͤſſer oder kleiner machen; ſo bin ich doch davon verſichert, daß Sie nie groͤſſer undC 3ſchoͤner38ſchoͤner ſind als bey dem Ungluͤck Jhrer Freundin. Jch wuͤrde beynahe unrecht thun, wenn ich mich - ber das Leyden beſchwerte, dadurch Sie Gelegenheit bekommen ſich zu zeigen, und nicht allein Jhrem Geſchlecht, ſondern ſo gar der menſchlichen Natur Ehre zu bringen.

Allein ich muß auf unangenehmere Dinge kom - men. Es thut mir leyd, daß Sie glauben, die Sache mit dem Singleton ſey noch nicht zu Ende. Wer weiß zwar, was der Schiffer zu ſagen hatte? Jedoch, wenn es etwas gutes geweſen waͤre, ſo wuͤrde man es anders angefangen haben.

Verlaſſen Sie ſich darauf, daß Jhre Briefe ſi - cher ſeyn ſollen.

Jch habe mir die neuliche Dreiſtigkeit des Herrn Lovelaces ſo zu Nutze gemacht, als ich Jhnen zum voraus meldete: nemlich dazu, daß ich ihn von mir entfernen moͤchte, damit ich die Wuͤrckung meiner Bitte bey meinem Onckle erwarten, und eine jede guͤnſtige Gelegenheit, die ſich zur Ausſoͤhnung zei - get, ergreiffen koͤnne. Er iſt ſehr ungeſtuͤm und unruhig geweſen, und hat zweymahl den Herrn Mennell mitgebracht, der im Nahmen der Frau Fretchville wegen des Hauſes reden wollte. Wenn ich mich noch einmahl mit ihm vertragen muß, ſo glaube ich, daß ich mich auf immer dadurch her - unter ſetzen werde.

Sie gedencken einiger Verbrechen, die auf das neue entdeckt ſeyn ſollen; Sie rathen mir, daß ich mir die Dorcas zur Freundin machen, und ſuchen ſoll hinter ſeine Briefe zu kommen. Auf dieſe Sa -chen39chen werde ich mehr oder weniger dencken muͤſſen, nachdem wie die Antwort von meinem Onckle aus - faͤllt.

Es thut mir leyd, daß ſich Hannichen noch uͤbel befindet. Jch bitte Sie, erkundigen Sie ſich an meiner ſtatt, ob ſie an etwas Mangel leydet.

Jch will dieſen Brief nicht ſchlieſſen, bis der morgende Tag vorbey iſt, denn ich bin entſchloſſen in die Kirche zu gehen, ſo wohl um meine Andacht zu haben, als zu ſehen, ob ich ausgehen darf ohne be - gleitet und bewachet zu werden.

Sonntogs den 14ten May.

Jch habe einen kurtzen Wortwechſel mit Herrn Lovelacen nicht vermeiden koͤnnen. Jch hatte eine Kutſche beſtellet, und ſo bald ich hoͤrete, daß ſie vor der Thuͤr waͤre, ging ich aus meiner Stube, um wegzufahren. Allein ich traf ihn ſchon gantz angezogen obgleich ohne Hut und Degen oben auf der Treppe an, da er ein Buch in der Hand hatte.

Er fragte mich ungemein ernſthaft und dennoch ehrerbietig ob ich ausfahren wollte. Als ich hiezu Ja ſagte, bat er ſich aus, daß er mich begleiten duͤrfte, wenn ich in die Kirche fuͤhre. Jch ſchlug ihm dieſes ab. Hierauf beſchwerte er ſich heftig uͤber meine Auffuͤhrung gegen ihn, und ſagte er moͤchte nicht noch eine ſolche Woche uͤberleben, als die vori - ge geweſen waͤre, wenn er auch die gantze Welt da - mit verdienen koͤnnte.

Jch geſtand ihm offenhertzig, daß ich mich an die Meinigen gewandt haͤtte, und ſo lange vor mich blei - ben wollte, bis ich den Erfolg meiner Bitte ſaͤhe.

C 4Er40

Er verwandelte ſich, und ſahe beſtuͤrtzt aus. Er wollte etwas ſagen, begrif ſich aber mitten in der Rede, und ſtellte mir hierauf die Gefahr wegen Singletons vor, und bat mich abermahls, daß ich ihm erlauben moͤchte, mit mir zu fahren.

Er ſagte hierauf: die Frau Fretchville wollte nun noch vierzehen Tage laͤnger in dem Hauſe bleiben, weil ſie gemerckt haͤtte, daß ich mich zu nichts gewiſſes entſchlieſſen wollte. Nun moͤchte GOtt wiſſen, wenn es die tiefſinnigen Einfaͤlle dieſer Frau zulieſſen, daß ſie ſich zu etwas entſchloͤſſe. Dieſes iſt eine ungluͤck - liche Woche fuͤr mich geweſen: wenn ich anders mit ihnen geſtanden haͤtte, ſo koͤnnten ſie ſchon von dem Hauſe Beſitz genommen haben, und die Fraͤu - lein Montague oder wol gar die Frau Lawrance wuͤrde bereits bey ihnen ſeyn, und ihnen Geſellſchaft leiſten.

Jch will das (antwortete ich) fuͤr lauter Wahr - heiten annehmen, was ſie ſie ſagen; und warum kann denn ihre Fraͤulein Baſe mir nicht in der Frau Sinclair Hauſe Geſellſchaft leiſten? Jſt dieſes Haus fuͤr mich gut genug, ein oder zwey Monathe darin zu bleiben, und ihre Anverwanden koͤnnen nicht einige Tage darin zubringen? Frau Fretchville verlangt nun noch laͤnger in dem Hauſe zu bleiben? Hierauf draͤngte ich mich vor ihm vorbey, und ging ſo geſchwinde ich konnte die Treppe hinunter.

Er rief Dorcas, daß ſie ihm Hut und Degen bringen ſollte, folgete mir unterdeſſen nach, ſtellte ſich mir in den Weg, und bat mich abermahls um Er - laubniß, mich zu begleiten. Frau Sinclairkam41kam denſelbigen Augenblick heraus, und fragte mich, ob ich nicht eine Taſſe Chocolate befoͤhle?

Jch ſagte: ich wollte wohl bitten, Frau Sin - clair, daß ſie den Herrn mit ſich in die Stube naͤh - men, und ihm Chocolate vorſetzten. Jch weiß nicht, ob ich Erlaubniß habe oder nicht ohne ihn aus dem Hauſe zu gehen. Jch fragte ihm hierauf: ob er mich fuͤr ſeine Gefangene hielte?

Dorcas brachte ihm unterdeſſen Hut und De - gen, und er eroͤffnete die Thuͤr nach der Straſſe, und fuͤhrete mich wider meinen Willen auf eine ſehr hoͤfliche und ergebene Art in den Wagen. Die Leute die vorbey giengen, ſahen ihn an, und redeten ſachte. Doch er hat ſo viel auſſerordentliches in der Geſtalt, und iſt ſo wohl gekleidet, daß er gemei - niglich aller Augen auf ſich ziehet. Mir war es ungelegen, daß ich mich von allen Vorbeygehenden beſehen laſſen mußte. Er ſetzte ſich nach mir in die Kutſche, und der Kutſcher fuhr nach S. Pauls - Kirche.

Er war unterweges ſehr beredt und geſchaͤftig: ich hingegen war ſo ſtille, als es mir moͤglich war, und ſpeiſete auch des Mittags allein, wie ich bey - nahe die gantze Woche hindurch gethan hatte.

Als ich ihm meldete, daß ich ohne ihn die Mit - tags-Mahlzeit halten wollte, ſo antwortete er: er muͤſ - ſe noch gehorſahm ſeyn, bis ich erfuͤhre, was ich bey den Meinigen ausrichten koͤnnte; allein nachher wollte er mir nicht verſprechen, mir einen Augen - blick Ruhe zu laſſen, bis ich ſeinen Freuden-Tag beſtimmet haben wuͤrde. Denn meine Verachtung,C 5mein42mein Zorn, mein Aufſchub verdroͤſſen ihn bis in die Seele.

Was fuͤr ein haͤßlicher Menſch! Zu meinem Kummer muß ich ſagen, daß er auf doppelte Wei - ſe an allen dem ſchuld iſt, was ihn verdrieſſet.

Wenn ich doch gute Nachricht von meinem On - ckle bekaͤme!

Leben Sie wohl, liebſte und beſte Freundin. Dieſer Brief lieget und wartet auf Jhren morgen - den Brief, gegen den er ausgewechſelt werden ſoll, und aus dem ihr Schickſahl ſehen wird

Jhre Clariſſa Harlowe.

Der ſechſte Brief von Fraͤulein Howe an Frau Judith Norton.

Koͤnnen Sie nicht, als aus eigenem Triebe, und ohne zu ſagen, daß ich es Jhnen ange - geben habe, weil ich dem Harlowiſchen Hauſe ver - haßt bin, der Frau Harlowe erzaͤhlen, Sie haͤtten von ohngefehr von mir zuverlaͤßige Nachricht be - kommen, daß die Fraͤulein Harlowe ſich nach ei - ner Ausſoͤhnung mit ihren Eltern ſehnet, und eben in dieſer Abſicht ſich bisher in keine Verbindungen hat einlaſſen wollen, die hieran hinderlich ſeyn koͤnn - ten: daß ſie inſonderheit dem Herrn Lovelace nicht gern ein Recht geben wollte, ihrer Familie wegenihres43ihres grosvaͤterlichen Gutes Ungelegenheit zu machen: daß ſie weiter nichts verlanget, als die Freyheit, un - verheyrathet zu bleiben, und daß ſie in dieſer Abſicht es blos dem Willen ihres Vaters uͤberlaſſen wolle, was fuͤr Verfuͤgungen wegen ihres Gutes getroffen werden ſollten; daß Herr Lovelace und die Seini - gen ihr beſtaͤndig anliegen, die Hochzeit zu beſchleu - nigen: daß ſie aber, (wie ich gewiß wuͤßte) zu den Menſchen wegen ſeiner Untugenden und wegen des Haſſes der Jhrigen gegen ihn ſo wenige Nei - gung haͤtte, daß ſie ihm gaͤntzlich entſagen, und ſich in ihres Vaters Schutz begeben wuͤrde wenn nur einige Hoffnung zur Verfoͤhnung vorhanden waͤre. Allein man muͤſſe ſich bald zu etwas entſchlieſſen, weil ſie ſich ſonſt gezwungen ſehen wuͤrde, ſeinen Bitten Gehoͤr zu geben, und es nachher nicht mehr in ihrer Gewalt haben wuͤrde, einen verdrießlichen Proceß zu hintertreiben.

Jch verſichere Jhnen heilig, daß die unvergleich - liche Fraͤulein nichts davon weiß, daß ich jetzt an Sie ſchreibe: deswegen muß ich Jhnen, allein im Vertrauen, die Urſachen melden, die mich bewegen, es zu thun. Es ſind folgende:

Sie hat gewuͤnſcht, daß Herr Hickman derglei - chen etwas gegen ihren Onckle Harlowe als von ohngefehr ſagen moͤchte, und zwar ſo, als wenn er es aus eigenem Triebe thaͤte. Denn ſie befuͤrchtet, daß Herr Lovelace etwas davon wieder erfahren koͤnnte, und, wenn ſie ihrer Bitte nicht gewaͤhret wuͤrde, ſie ſich endlich alles Schutzes beraubet ſehen, und noch mehr verdriesliches von ihm zu gewartenha -44haben moͤchte, da er ein hochmuͤthiges Hertz hat, und ſchon bisher ſehr ungehalten daruͤber geweſen iſt, daß er ſo wenige Gunſt von ihr erlangen kann.

Da ich ſo viel Erlaubniß von ihn habe, und ſehr in Sorgen bin, daß der Verſuch bey ihrem Onckle fruchtlos ſeyn moͤchte, ſo habe ich gedacht, daß an einem gluͤcklichen Ausgange beynahe nicht zu zwei - feln ſey, wenn eine ſo guͤtige und verſtaͤndige Mut - ter und Mutter-Schweſter mit ihrem Onckle (wo anders dieſer zu gewinnen waͤre) gemeinſchaftliche Sache machten.

Herr Hickman wird morgen dem Herrn Har - lowe zuſprechen, und um eben die Zeit koͤnnen Sie auch vielleicht die Frau Harlowe ſprechen. Wenn Herr Hickman findet, daß der alte Herr nicht abge - neigt iſt, ſo wird er ihm ſagen, daß Sie vermuthlich von eben der Sache mit der Frau Harlowe geredet haben wuͤrden, und wird ihn bitten ſich mit ihr daruͤ - ber zu berathſchlagen, durch was fuͤr Mittel die haͤrte - ſten Hertzen in der Welt erweichet werden ſollen.

So ſtehet es um die Sache, und ich habe Jhnen die Urſachen recht offenhertzig gemeldet, die mich be - wegen an Sie zu ſchreiben. Jch uͤberlaſſe das uͤbri - ge Jhrer Vorſichtigkeit und Klugheit, und wuͤnſche deſto hertzlicher einen gluͤcklichen Erfolg, weil ich glaube, daß Herr Lovelace unſerer unvergleichlichen Freundin ohnmoͤglich werth ſeyn koͤnne: wiewohl ich in der That gar keine Manns-Perſon kenne, die ihrer werth iſt.

Jch bitte Sie um ein Paar Zeilen Nachricht, wie Jhre Bitte aufgenommen werden wird. Wennſie45ſie nicht den Erfolg hat, den wir billig hoffen ſollten, ſo ſoll unſere allerliebſte Freundin von mir nicht erfahren, daß wir dieſen Schritt gewaget haben; und ich bitte Sie, melden Sie ihr auch nichts da - von, damit wir nicht ihr ſo bekuͤmmertes Hertz noch mehr betruͤben. Jch verbleibe

Jhre ergebenſte Freundin Anna Howe.

Der ſiebente Brief von Frau Norton an Fraͤulein Howe.

Gnaͤdige Fraͤulein,

Mein Hertz moͤchte mir bluten, da ich Jhnen melden muß, daß die jetzigen Umſtaͤnde in der Familie meiner ewig werthen Fraͤulein Harlo - we nicht erlauben einige gute Hofnung von der Wuͤr - ckung einer ſolchen Bitte zu ſchoͤpfen. Jhre arme Mutter iſt zu bedauren. Jch habe einen ſehr be - weglichen Brief von ihr bekommen; allein es iſt mir nicht erlaubt ihn zu uͤberſenden: ſie verbietet mir ſo gar, mich mercken zu laſſen, daß ſie von ihrer Tochter geſchrieben hat, ob ſie gleich nicht unterlaſſen kann ihren Kummer zur Beruhigung ihres eigenen Hertzens mit mir zu theilen. Jch melde alſo alles dieſes im groͤſſeſten Vertrauen.

Jch hoffe zu GOtt, daß die Ehre meiner lieben Fraͤulein noch unverletzt iſt. Jch hoffe, daß keinſolcher46ſolcher Boͤſewicht in der Welt iſt, der es wagen ſoll - te, ſie zu entweihen. Jhre Tugend und ihres Hertzens wegen bin ich auſſer Sorgen: wenn nur GOtt geben wollte, daß ſie auſſer Gefahr waͤre, durch Liſt oder durch Gewalt uͤberwunden zu werden! Jch bin allzu aͤngſtlich: machen Sie mir, gnaͤdige Fraͤulein, das Hertze durch eine Zeile (wenn es auch weiter nichts als eine eintzige Zeile ſeyn ſollte (leich - ter, und verſichern Sie mir, daß ihre Ehre noch unbefleckt iſt. Jch weiß gewiß, daß Sie dieſes thun koͤnnen: irre ich mich aber, ſo gebe ich allem Vergnuͤgen dieſes Lebens gute Nacht. Es wird alsdenn untroͤſtbar ſeyn

Jhre gehorſamſte Dienerin die ungluͤckliche Judith Norton.

Der achte Brief von Fraͤulein Howe an Frau Judith Norton.

Die Ehre Jhrer allerliebſten Fraͤulein iſt noch unverletzt: ſie ſoll und wird auch unverletzt bleiben, Menſchen und Teuffeln zum Trotz. Meine gantze Abſicht war, daß ſie den Lovelace nicht heyrathen ſollte, wenn einige Hoffnung zur Ver - ſohnung uͤbrig waͤre. Nun aber kann man weiter nichts ſagen, als dieſes: ſie muß es wagen eine un - gluͤckliche Ehe zu treffen, obgleich kein Menſch auf dem Erdboden ſie zu beſitzen wuͤrdig iſt.

Sie47

Sie bedauren ihre Mutter: das thue ich nicht! ich bedaure keine Perſon, die es ſich ſelbſt ohnmoͤg - lich macht ihre Tochter muͤtterl[i]cher Liebe oder Men - ſchen-Liebe zu erzeigen, um ſich in dem Beſitz einer ſo genannten Ruhe zu erhalten, die doch nicht lange waͤhren kann, ſondern durch jedes Luͤftgen geſtoͤret werden muß, ja die nicht einmahl den Nahmen der Ruhe verdienet.

Jch haſſe alle Tyrannen, von welcher Art ſie auch ſeyn moͤgen: allein gegen tyranniſche Eltern habe ich den allergroͤſſeſten Widerwillen, denn dieſe muͤſſen gar nicht wiſſen, was Mitleyden iſt.

Jch wiederhole es nochmahls, ich bedaure keinen in der gantzen Familie. Jhre und meine Fraͤulein verdienet allein Mitleiden. Sie wuͤrde ſich nicht in den Haͤnden dieſes Menſchen beſinden, wenn ſie nie in den Haͤnden der Jhrigen geweſen waͤre: ſie iſt gantz unſchuldig. Sie wiſſen noch nicht, wie die gantze Sache zuſammen haͤngt. Wie? wenn ich Jhnen ſagen koͤnnte, daß ſie gar nicht die Abſicht ge - habt hat mit dem Menſchen davon zu gehen. Doch dieſes wuͤrde der Fraͤulein nichts helfen; es wuͤrde blos eine Anklage gegen die ſeyn, die ſie ſo weit ge - trieben haben, und gegen den, der jetzt ihre eintzige Zuflucht iſt. Jch verbleibe

Jhre aufrichtige Freundin und Dienerin Anna Howe.

Der neunte Brief von Frau Harlowe an Frau Norton.

Die48

(Dieſer Brief iſt nicht eher bekannt 'gewor - den, als da die Briefe geſammlet wurden, die zu dieſer Geſchichte gehoͤren.)

Sonnabends den 13 May.

Jch will das ſchriftlich beantworten, was Sie an mich gebracht hat, wie ich es Jhr geſtern verſprochen habe. Allein laſſe Sie ſich gegen nie - mand mercken, daß ich geſchrieben habe, auch nicht gegen die Eliſabeth, die, wie ich hoͤre, bisweilen zu Jhr koͤmmt. Mein ungluͤckliches Maͤdchen muß auch nichts davon wiſſen: ich bedinge mir dieſes ſo gleich aus. Mein Hertz iſt voll von Kummer: vielleicht wird es durch das Schreiben leichter. Jch werde auch manches ſchreiben, das mir auf dem Hertzen liegt, wenn es gleich mit der Beantwortung Jhres Antrages nichts zu thun hat.

Sie weiß, wie lieb wir alle dieſes undanckbah - re Maͤdchen gehabt haben. Sie weiß, daß wir mit allen denen, die ſie geſehen hatten, oder mit ihr umgin - gen, ſie gemeinſchaftlich lobeten und bewunderten. Wir uͤberſchritten ſo gar in unſerm Lob die Grentzen, welche uns die Beſcheidenheit zu ſetzen ſchien, weil es unſer eigenes Kind war: denn wir glaubten, daß man uns fuͤr blinde Leute oder fuͤr Heuchler halten wuͤrde, wenn wir den Vorzuͤgen unſerer Tochter, die einem jeden in die Augen fielen, unſer Lob ver - ſaget haͤtten; wir glaubten zum wenigſten nicht, daß man uns des Hochmuths und der Partheylichkeit wuͤrde beſchuldigen koͤnnen, wenn wir das ſaͤhen, wovor wir die Augen nicht verbergen koͤnnten.

Wenn49

Wenn uns jemand wegen unſerer Tochter gluͤck - dich prieß, ſo nahmen wir es an, und geſtunden, laß keine Eltern durch ihre Kinder gluͤcklicher werden koͤnnten als wir. Wenn inſonderheit ihr Gehorſam geruͤhmet ward, ſo ſagten wir, ſie wuͤßte gar nicht, wie ſie uns beleydigen ſollte. Wenn andere ruͤhmten, die Fraͤulein Clariſſa Harlowe haͤtte mehr Witz und Scharfſinnigkeit, als man von ihren Jahren erwarten koͤnnte, ſo leugneten wir es nicht allein nicht, ſondern wir ſetzten noch wohl gar dazu: ih - re Beurtheilungs-Kraft ſey eben ſo groß als ihr Witz. Wenn ihre Klugheit und Vorſichtigkeit ge - ruͤhmet ward, dadurch ſie nach jedermanns Urtheil den Mangel der Erfahrung und der Jahre reichlich erſetzte, ſo waren wir wol ſo hochmuͤthig, daß wir antworteten: niemand duͤrfte ſich ſchaͤmen von un - ſerer Tochter zu lernen.

Vergebe Sie mir mein Geſchwaͤtz, meine liebe Frau Norton. Doch ich weiß, Sie wird es thun: denn ſo lange meine Clariſſa ein gutes Kind geweſen iſt, war ſie Jhr Kind, und ſie gereichte Jhr ſo wohl als mir zur Ehre.

Hat Sie nicht bisweilen gehoͤrt, daß Fremde ſtille ſtunden, und dieſen Engel (wie ſie meine Clariſſa nannten) bewunderten, wenn ſie nach der Kirche ging? und daß die, die ſie kannten, weiter nichts ſagten, als: es iſt ja die Fraͤulein Clariſſa Harlo - we! nicht anders, als wenn die Fraͤulein Clariſſa Harlowe einem jeden bekannt ſeyn muͤßte. Sie war des Lobes ſchon ſo gewohnt, und es war mit ihr ſo bekannt geworden, daß weder in ihrem GeſichtVierter Theil. Dnoch50noch Gange daruͤber eine Aenderung zu ſpuͤren war.

Jch vor mein Theil konnte mich eines Vergnuͤ - gens nicht enthalten, das vielleicht allzu nahe mit dem Hochmuth verwant war, ſo oft ich als Mutter eines ſo liebenswuͤrdigen Kindes angeredet ward. Mein Mann und ich bekamen einander deſto lieber, weil wir ein gemeinſchaftliches Antheil an dieſer Toch - ter hatten.

Sie muß dem Ueberfluß eines muͤtterlichen Her - zens noch mehr dergleichen Lobes-Erhebungen, die vielleicht Thorheiten ſind, zu gute halten. Jch woll - te gern beſtaͤndig daran gedencken, was ſie ehemahls war, wenn ich nur uͤber dieſer Erinnerung vergeſſen koͤnnte, was ſie jetzund iſt.

So jung als ſie war, ſo konnte ich ihr doch allen meinen Kummer anvertrauen. Jch war zum vor - aus verſichert, daß ich von ihrer Klugheit Rath und Troſt bekommen wuͤrde, und zwar dieſes auf eine ſo beſcheidene und demuͤthige Art, daß der Unter - ſcheid der Jahre, und das Verhaͤltniß, darinnen ei - ne Tochter gegen eine Mutter ſtehet, im geringſten nicht dadurch verletzet ward. Auſſer Hauſe gereichte ſie uns zur Ehre, und in dem Hauſe zum Vergnuͤ - gen. Jedermann war recht geitzig auf ihre Geſell - ſchaſt, und wir zanckten uns beynahe uͤber ſie mit mei - nes Mannes Bruͤdern, und mit meiner Schweſter. Wir hatten keinen andern Streit, als wer das naͤchſte mahl ihre Geſellſchaft genieſſen ſolte. Sie hat uns nie ſchelten hoͤren, als wenn wir auf eine verliebte Wei - ſe deswegen ſcholten, weil ſie ſich ſo lange von unsentfer -51entfernete, um ſich bey ihrem lobenswuͤrdigen Zeit - Vertreib zu beſchaͤftigen, oder in der Haushaltung allerhand nuͤtzliche Anſtalten zu machen.

Unſere uͤbrigen Kinder, die auch gute Kinder wa - ren, mußten nothwendig mercken, daß ſie ihr nach - geſetzt wuͤrden. Allein ſie waren ſo lebhaft davon uͤberzeuget, daß ihre Schweſter wahre Vorzuͤge vor ihnen beſaͤſſe, und ihrer Familie zur Ehre gereichte, daß ſie dieſes ohne Neid geſtanden. Es kam ihr in der That niemand ſo nahe, daß er ſich unterſtan - den haͤtte ſie zu beneiden: hoͤchſtens ſtellete man ſie ſich zur Nachahmung vor. Sie weiß, daß uns dieſes Kind einen Vorzug vor andern Familien zu - wege brachte: allein nachdem ſie uns verlaſſen, und ſo ſchimpflich verlaſſen hat, ſo ſind wir unſeres Schmu - ckes beraubet, und andern Familien gleich gewor - den.

Was fuͤr Geſchicklichkeit hatte ſie durch Fleiß erworben! wie geſchickt war ſie in der Muſick! was machte ſie fuͤr ſchoͤne Arbeit! wie unvergleichlich ver - ſtand ſie ſich auf die Kleidung! Ward ſie nicht hieruͤber ſo bewundert, daß das benachbarte Frau - enzimmer ſagte: man brauche ſich die Moden nicht von London zu verſchreiben, ſondern das ſey die beſte Mode, die die Fraͤulein Harlowe truͤge, weil ſie etwas natuͤrlich-ſchoͤnes an ſich haͤtte, das alle Kunſt uͤbertraͤfe. Jhr ungezwungenes freyes We - ſen! Jhre Geſtalt! Jhre Beleſenheit! Jhr offen - hertziges Weſen: Jhre Freundlichkeit und Beſchei - denheit! O meine liebe Frau Norton, was fuͤr ein Kind hatte ich ehemahls an meiner Claͤrchen!

D 2Sie52

Sie weiß, daß ich nicht mehr alſ die Wahrheit ſchreibe. Vieles gute hatte ſie Jhr allein zu dan - cken, und Sie floͤßte ihr das mit der Milch ein, was ihr keine andere haͤtte einfloͤſſen koͤnnen.

Kann Sie glauben, daß die muthwillige Ver - gehung eines ſolchen Kindes Vergebung verdienet? Kann Claͤrchen ſelbſt leugnen, daß ſie die haͤrteſte Strafe verdienet, nachdem ſie ſo auſſerordentliche Gaben ſo ſchlecht gebraucht hat?

Jhre Suͤnde iſt recht mit Vorbedacht und mit Liſt von ihr begangen worden. Sie hat jedermann in ſeiner Erwartung betrogen. Sie hat ihr gan - tzes Geſchlecht ſo wohl, als ihre Familie beſchim - pfet.

Wer haͤtte glauben ſollen, daß ein Kind, wel - ches durch ſeinen Rath eine allzu muntere Freundin abgehalten hatte einen naͤrriſchen und liederlichen Kerl zu heyrathen, daß, ſage ich, eben dieſes Kind mit dem allerliederlichſten Kerl und beruͤchtigſten Boͤſewicht davon gehen wuͤrde? mit einem Men - ſchen, den es kannte, und wußte daß er aͤrger war als jener, vor deſſen Laſtern es ſeine Freundin warne - te? mit einem Schlaͤger, der das Leben ſeines Bru - ders einmahl in ſeiner Gewalt gehabt hatte, und der unſerer gantzen Familie trotzete?

Setze Sie ſich an meine Stelle, und uͤberdencke Sie, wie groß mein Kummer ſeyn muß, den ich als Mutter empfinde, und wie vielen Verdruß ich von meinem Manne auszuſtehen habe. Stelle Sie ſich meine unruhigen Tage und ſchlafloſen Naͤchte vor; und dennoch muß ich oft meine quaͤlende Unruhever -53verbergen, um andere hitzigere Koͤpfe zu beruhigen und ferneres Ungluͤck zu verhuͤten. O das unarti - ge Maͤdchen! das nicht aus Unwiſſenheit ſuͤndigte, ſondern die Folgen ſeines Vergehens uͤberſahe. Wir dachten, unſere Tochter wuͤrde eher geſtorben ſeyn, als daß ſie ſich zu dergleichen Vergehungen entſchloſſen haͤtte.

Jhr Verſtand, den jedermann kennet, macht ſie ohne Entſchuldigung. Wie kann ich ihr denn bey andern das Wort reden, wenn ich gleich ſelbſt fuͤhle, daß ich ein Mutter-Hertz habe, und ihr vor mein Theil gern vergeben wollte? Sind nicht wir, iſt ſie ſelbſt nicht durch ihre Flucht ſchon ſo beſchimpft wor - den, als wir und ſie jemahls durch ſie beſchimpft wer - den koͤnnen?

Wenn ſie jetzt ſo ſchlecht mit ſeiner Auffuͤhrung zu - frieden iſt, ſo haͤtte ſie vorhin eben ſo ſchlecht damit zu - frieden ſeyn ſollen! Oder hat ſie etwan ſelbſt Proben von ſeinem laſterhaften Betragen an ſich erfahren? Jch fuͤrchte, ich fuͤrchte, meine liebe Frau Norton Wenn ſie auch ein Engel waͤre, ſo muͤßte man doch wegen des Menſchen in Sorgen ſtehen, in deſſen Klauen ſie ſich befindet. Die Welt wird das ſchlimmſte dencken, und ich hoͤre ſchon, daß die Leute ſehr uͤbel reden ſollen. Jhr Vater iſt gleichfalls be - ſorget: ihr Bruder hoͤrt nicht viel Gutes von ihr. Was kann ich bey ſolchen Umſtaͤnden ausrichten?

Sie wußte vorhin, wie wir gegen den Menſchen geſinnet waren, und wie laſterhaft er iſt: dieſes koͤn - nen alſo ihre Bewegungs-Gruͤnde nicht ſeyn. Es muͤſſen neue Urſachen vorhanden ſeyn. O meine liebeD 3Frau54Frau Norton, wie kann ich, wie kann Sie die Furcht ertragen, die dieſer Gedancke nothwendig er - wecket? Das iſt meine, das iſt Jhre Claͤrchen!

Sie ſchreibet: er und ſeine Freunde liegen ihr beſtaͤndig an, daß ſie ihn heyrathen moͤge. Sie muß gewiß Urſachen haben, daß ſie ſich an uns wendet. Ueber ihr Vergehen werden jetzt aller - hand Anmerckungen gemacht, um es in unſern Au - gen noch ſchwaͤrtzer vorzuſtellen. Wie weit verliert ſich endlich ein verfuͤhrtes Hertz von der rechten Bahn, wenn es einen ſuͤndlichen Schritt gewaget hat? Ueber dieſes alles wird jetzt nur durch Fremde bey uns angefraget, damit der Eigenſinn und Stoltz unſerer Tochter ja nicht gekraͤncket werden moͤge, und ſie immer ſagen koͤnne, ſie habe ſich nicht an uns gewandt!

Ein vor allemahl, ſo iſt jetzt gantz die unrechte Zeit, wenn ich auch geneigt waͤre, mich ihrer anzu - nehmen. Jetzt, ſage ich, nachdem mein Bruder Harlowe das Geſuch des Herrn Hickmans abge - wieſen hat, (wie er uns geſtern Abend erzaͤhlete) und dieſes von jedermann gebilliget iſt: jetzt, da mein Bruder Anton eben aus Verdruß uͤber ſie ſich ent - ſchloſſen hat, ſein groſſes Vermoͤgen an eine andere Familie zu bringen. Und bey dem allen wird ſie noch ohne Zweifel erwarten, in den Beſitz ihres Gu - tes geſetzt, und fuͤr ihre Suͤnde des Ungehorſams belohnt zu werden. Sie erbietet ſich noch immer zu Bedingungen, die ſchon ehemahls verworffen ſind: (nicht aus meiner Schuld! deſſen giebt mir mein Gewiſſen Zeugniß.)

Sie55

Sie mag ſelbſt aus allem was ich ſchreibe eine Antwort geben, wie ſie ſich zu den Umſtaͤnden am beſten ſchicket. Es ſtehet alle Ruhe und alle ver - gnuͤgte Stunden meines Lebens darauf, wenn ich es jetzt wage, ein Wort fuͤr ſie zu reden. GOtt ver - gebe ihr ihre Suͤnde. Wenn ich gleich fuͤr ſie ſpre - chen wollte, ſo werde ich niemand auf meiner Seite haben. Um mein ſelbſt und um Jhres eigenen Vortheils willen laſſe Sie ja niemand erfahren, daß wir von dieſer Sache geredet oder Briefe gewechſelt haben. Schreibe Sie auch kuͤnftig nichts mehr davon, als wenn ich es vorher erlaube: denn mein gantzes Hertz blutet mir, wenn ich ſolche Briefe leſen muß.

Glaube Sie indeſſen nicht, daß ich unerbittlich bin, wo ich wahre Reue ſehe. Allein wie betruͤbt iſt es, gern zu wollen und nicht zu koͤnnen.

GOtt gebe Jhr und mir Troſt und Beruhigung, und meiner ehmahls lieben, und ewig lieben (denn welche Mutter kann ihr Kind vergeſſen) meiner ewig lieben Claͤrchen gebe er Reue, recht hertzliche Reue! und ſo weniges Leyden, als nach ſeiner Weisheit moͤglich iſt. Dieſes wuͤnſcht

Jhre wahre Freundin Charlotte Harlowe.

Der zehnte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.

D 4Jch56

Jch weiß nicht, wie die Sachen jetzt zwiſchen Jh - nen und Herrn Lovelacen ſtehen: allein ſo gottlos der Menſch iſt, ſo iſt er dennoch beſtim - met, ihr Herr und Oberhaupt zu werden.

Jch habe in meinem vorigen Briefe manches an - zuͤgliche gegen ihn geſchrieben, weil ich eben von ſei - nen Bosheiten gehoͤrt hatte, und deswegen voller Unwillen auf ihn war. Allein nachdem ich mich be - dacht, und auch erkundiget habe, ſo finde ich, daß alle dieſe Streiche ſchon alt ſind, und er ſeit der Zeit, daß er eine ſtaͤrkere Hoffnung auf Jhre Guͤtigkeit hat ſetzen duͤrfen, nichts von ſolchen Bosheiten veruͤbet hat. Dieſes dient einigermaſſen zu ſeiner Entſchul - digung. Seine rechtſchaffene und artige Auffuͤh - rung gegen das Maͤdchen in dem Wirths-Hauſe iſt neuer, und bringt ihm Ehre: deſſen nicht zu geden - cken, daß er von allen Bedienten als freygebig und großmuͤthig geruͤhmt wird. Es gefaͤllt mir auch ungemein wohl, daß er Jhnen das Haus der Frau Fretchville zu verſchaffen ſuchet, und ſo lange ſelbſt in der bisherigen Miethe bleiben will, bis es Jhnen beliebig iſt, ein Haus mit ihm zu beziehen.

Wenn Sie einmahl ſeine Gemahlin geworden ſind, ſo glaube ich nicht, daß Sie bey ihm ſehr uͤble Zeit haben werden, ob ich gleich nicht glaube, daß Sie ſo gluͤcklich ſeyn werden, als Sie es verdienen. Die Guͤter, die er in ſeinem Vater-Lande hat; ſeine Anwartſchaften; die Sorgfalt die er anwendet, das Seinige beyſammen zu behalten; der Umſtand, daß er frey von Schulden iſt; ja ſein Hochmuth und Jhre auſſerordentlichen Vorzuͤge; ſcheinenJhnen57Jhnen zum voraus manches gute oder ertraͤgliche zu verſprechen. Jch werde zwar gegen ihn aufge - bracht, wenn ich einige beſondere Umſtaͤnde von ſeinen Gottloſigkeiten hoͤre. Allein wenn ich es recht uͤberlege, ſo finde ich keine neue Anklage gegen ihn, ſondern eben das, was der abgedanckte Verwalter und die Frau Greme ſchon laͤngſtens uͤberhaupt von ihm geſagt haben.

Jch glaube daher, daß Sie weiter keinen Kum - mer haben duͤrfen, als den Jhnen ſeine ewige Wohlfarth, und das boͤſe Exempel das er ſeiner Familie geben moͤchte, erwecken kann. Es ſind dieſes wichtige Urſachen zum Kummer: allein es wuͤrde in jedermanns Augen ein ſonderbares An - ſehen haben, wenn Sie ihn jetzt mit oder ohne ſei - ne Bewilligung verlieſſen, da ſeine Familie ſo vor - nehm iſt, und er ſelbſt ſo vieles angenehme an ſich hat, und jetzt jedermann Sie wegen dieſer Umſtaͤnde und wegen der wunderlichen Auffuͤhrung Jhrer An - verwanten fuͤr entſchuldiget haͤlt. Jch habe alles nach beſtem Vermoͤgen uͤberleget, und ich kann nicht anders, als Jhnen rathen, an eine naͤhere Verbin - dung mit ihm zu gedencken, wenn Sie anders kei - ne Urſache haben an ſeiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Die Rache muͤſſe den Boͤſewicht in Zeit und Ewig - keit verfolgen, wenn er Jhnen Anlaß zu einem ſol - chen Zweifel giebt.

Sein Zaudern und Taͤndeln iſt unertraͤglich. Jch kann mich auch gar nicht darein finden, daß er ſich mit Jhren kaltſinnigen Verzoͤgerungen abweiſen laͤßt, und ſich darein ſchicket, daß Sie um einer geringenD 5Suͤnde58Suͤnde willen ſo ſproͤde gegen ihn thun, die nach ſeiner Einſicht eine ſo harte Strafe nicht verdienen kann. Er ſcheint an Jhrer Liebe zu zweifeln; al - lein Sie haben eben ſo groſſe Urſache, es ſich be - fremden zu laſſen, daß er nicht hitziger lieber, da er einen ſo ungemeinen Schatz in einer ſolchen Naͤhe hat, daß er gleichſam nur zugreiffen duͤrfte.

Sie werden nun begierig ſeyn, den Ausgang der veranſtalteten Unterredung der beyden bewußten Herrn zu erfahren. Jch bin voll Unmuth und Betruͤbniß, aber auch voll Widerwillen gegen alle die Jhrigen: gegen alle, ſage ich; denn ich habe auch einen Verſuch gethan, was durch die Frau Nor - ton bey Jhrer Mutter auszurichten ſtuͤnde, und habe durch ſie Vorſchlaͤge von eben der Art thun laſſen, als der bewußte Herr Jhrem Onckle gethan hat. Unmenſchen, die eben ſo vorſatzlich Unmenſchen ſind, und ſich nicht erbitten laſſen, etwas von Menſch - lichkeit zu fuͤhlen, ſind in der Welt zu finden. Wa - rum ſoll ich das Unrecht bemaͤnteln? Jch haͤtte ſonſt groſſe Luſt, bey Jhrer Mutter eine Ausnahme zu machen.

Jhr Onckle behauptet: daß Sie jetzund nicht mehr waͤren, was Sie geweſen ſind. Er ſagt: er muͤſſe das aͤrgſte bey einem ſolchen Maͤdchen be - ſorgen, das ſich haͤtte entſchlieſſen koͤnnen, mit einer Manns-Perſon davon zu gehen, und zwar mit ei - ner ſolchen Manns-Perſon als Herr Lovelace iſt. Alle die Jhrigen haͤtten laͤngſtens erwartet, daß Sie ſich an Sie wenden wuͤrden, ſo bald Sie indem59dem Ungluͤck waͤren: allein der Entſchluß ſey ſchon zum voraus gefaſſet, nicht einen Schritt zu Jhrem Beſten zu thun, wenn man auch Jhr Leben dadurch retten koͤnnte.

Mein allerliebſter Schatz, entſchlieſſen Sie ſich, auf Jhr Recht zu dringen. Fodern Sie Jhr Gut wieder, und wohnen Sie darauf. Wenn Sie als - denn Lovelacen nicht heyrathen, ſo ſehe ich ſchon im Geiſte zum voraus, wie kriechend die Jhrigen werden werden, um die Bedingungen von Jhnen zu erbetteln, die Sie jetzt ſelbſt angetragen haben.

Jhr Onckle beſchuldigte Sie, eben ſo wie Jhre Baſe in ihrem Briefe gethan hat, daß Sie vorſaͤtz - lich davon gegangen waͤren, und allerhand liſtige Anſtalten zur Flucht gemacht haͤtten. Als die ver - mittelnde Perſon Sie bedauren wollte, ſo ward ihr geantwortet: die waͤren zu bedauren, die ehemahls ſo verliebt in Sie geweſen waͤren, die ſich uͤber nichts mehr als uͤber Jhre Gegenwart gefreuet haͤtten, die alle Jhre Worte gleichſam hintergeſchlucket haͤtten; die ſich gefreuet haͤtten, ihren Fuß auf die Stelle zu ſetzen, auf die Sie ihn geſetzt haͤtten: und was der - gleichen Ausdruͤcke noch mehr waren.

Jch ſehe nun unwiderſprechlich ein, und Sie ſelbſt werden es nicht leugnen koͤnnen, daß ſie wei - ter nichts als Eins waͤhlen koͤnnen. Je eher Sie dieſe Wahl treffen, deſto beſſer iſt es. Oder ſoll ich glauben, daß es nicht mehr in Jhrem Vermoͤ - gen ſtehe, ſie zu treffen? Der Gedancke iſt mir un - ertraͤglich.

Jch60

Jch bin begierig, und ich fuͤrchte mich zu erfahren, wie Sie es anfangen werden, weniger ſproͤde gegen ihn zu thun, nachdem Sie bisher ſo hart gegen ihn geweſen ſind, und wie ſich ſein Hochmuth bey dieſer Gelegenheit an Jhnen raͤchen wird. Allein das muß ich Jhnen ſagen: wenn ich durch eine Reiſe nach London Jhnen den Verdruß erſparen kann, ſich ſo tief her - unter zu laſſen, oder wenn ich gar dadurch groͤſſerem Ungluͤck vorbeugen kann, ſo wuͤrde ich mich nicht ei - nen Augenblick bedencken. Was frage ich nach der gantzen Welt, wenn ich ſie gegen unſere Freund - ſchaft auf die Wage-Schaale lege? Koͤnnen Sie glauben, daß mir einiges Vergnuͤgen dieſes Lebens angenehm ſeyn wuͤrde, wenn ich wuͤßte, daß ich durch deſſen Aufopferung das Ungluͤck einer ſolchen Freundinn, als Sie ſind, haͤtte abwenden oder erleich - tern koͤnnen? Jch biete Jhnen weiter nichts an, als die billigſten Fruͤchte der Freundſchaft, zu wel - cher ich durch Jhren Werth bewogen bin. Ent - ſchuldigen Sie dasjenige, was in meinen Ausdruͤcken alſo hitzig ſeyn koͤnnte: mein Hertz aber braucht kei - ner Entſchuldigung, wenn es in ſeiner Freundſchaft hitzig iſt. Jch moͤchte vor Verdruß uͤber Jhre An - verwanten von Sinnen kommen. So viel ſchlim - mes ich Jhnen ſchon gemeldet habe, ſo behalte ich doch das ſchlimmſte noch fuͤr mich, und werde es ver - muthlich ewig fuͤr mich behalten. Jch aͤrgere mich uͤber den kleinen Geiſt meiner Mutter, und daß ſie bey ihren alten Gedancken ohne weitere Ueberlegung immer bleibet. Gegen Jhren albernen und nieder -traͤch -61traͤchtig, hochmuͤthigen Lovelace bin ich recht erbit - tert. Allein wir muͤſſen uns doch herunter laſſen, und den Menſchen nehmen, ſo gut er iſt, weil es einmahl ihr Schickſahl iſt, ſich herunter zu laſſen, damit Sie unſere Erd-Buͤrger nicht gantz aus dem Geſichte verlieren. Er hat ſich gegen Sie noch nicht unanſtaͤndig aufgefuͤhret. Er darf ſich es auch nicht unterſtehen! ein ſolcher Teuffel iſt er noch nicht. Wenn er uͤble Abſichten gehabt haͤtte, ſo wuͤrde Jhr ſcharfes und wachſames Auge, und Jhr reines Hertz ſie laͤngſtens entdecket haben, da Sie ſo ſehr in ſei - ner Gewalt ſind. Wir wollen ſuchen den Menſchen zu retten, ob uns gleich die Finger ſchmutzig werden, wenn wir ihn aus dem Koth heben wollen.

Eine Perſon von Jhren Mitteln, und die ſo freye Haͤnde hat, kann noch manches thun, wenn ſie ſich auf die Bedingungen einlaſſen will, auf welche Sie ſich einlaſſen muͤſſen. Jch habe noch nicht gehoͤret, daß er von Eheſtiftung und Trauſchein geredet hat. Es iſt zwar etwas hartes: allein da ihr Ungluͤck ſie aller andern Vorſprache und Vormundſchaft beraubet hat, ſo muͤſſen Sie bey ſich ſelbſt Vater-Mutter - und Onckles-Stelle vertreten, und ſelbſt das noͤthi - ge beſorgen. Warlich Sie muͤſſen das thun! Jhre Umſtaͤnde erfodern es. Warum wollen Sie jetzt noch der Bloͤdigkeit Raum laſſen? Oder ſoll ich an Jhrer Stelle an ihn ſchreiben? allein das wuͤrde eben ſo viel ſeyn, als wenn Sie ſelbſt ſchrieben. Jch wollte Jhnen ſo gar rathen zu ſchreiben, wenn Sie Jhr Wort nicht uͤber die Zunge bringen koͤnnten. Am beſten iſt es, wenn Sie es muͤndlich ſagenkoͤn -62koͤnnen: denn Worte laſſen keine Zuͤge nach ſich, ſondern verfliegen in die Lufft, und man kann ih - nen nachher eine weitlaͤuftige Deutung geben. Was aber geſchrieben iſt, das bleibt geſchrieben.

Jch kenne Jhr ſittſames Hertz, Jhren liebens - wuͤrdigen Hochmuth, und Jhre Begriffe von der Wuͤrde unſers Geſchlechts. Allein dieſes alles kommt jetzt nicht in Betrachtung. Um Jhrer eigenen Ehre willen iſt es noͤthig, daß Sie jetzt weniger an die - ſe Wuͤrde und an das, was ſich fuͤr ein Frauenzim - mer ſchickt, gedencken.

Wenn ich an Jhrer Stelle waͤre, ſo wollte ich zwar den albernen Menſchen in meinem Hertzen haſ - ſen, weil er ſo niedertraͤchtig hochmuͤthig iſt, und ſei - ne kuͤnftige Frau zwingen will um ihn anzuhalten. Allein ich wollte ihn dennoch anreden, und ſagen: Herr Lovelace, ihnen habe ich es zu dancken, daß ich von allen Freunden in der Welt verlaſ - ſen bin. Wie ſoll ich ſie anſehen? Jch habe alles wohl uͤberleget: ſie haben mich gegen eini - ge Leute wider meinen Willen fuͤr verheyrathet ausgegeben: hingegen wiſſen andere, daß ich noch unverheyrathet bin, und ich verlange nicht, daß jemand anders von mir dencken ſolle. Koͤnnen ſie ſelbſt glauben, daß es mir zur Ehre gereichet, wenn wir in einem Hauſe beyſammen ſind? Sie haben mit mir von dem Hauſe der Frau Fretchvil - le geredet: (dieſes wird Gelegenheit geben, die vorigen Unterredungen hievon zu erneuren, wenn er nicht von freyen Stuͤcken davon anfaͤnget.) Al - lein was iſt mir mit dem Hauſe gedient, wenn Frau63 Frau Fretchville ſelbſt nicht weiß, was ſie thun oder laſſen will? Sie haben viel davon geredet, daß ſie mir die Geſellſchaft der Fraͤulein Mon - tague verſchaffen wollten: und ſie koͤnnen ja an dieſe Fraͤulein ſchreiben, wenn ſie um meines Bruders und um Singletons willen es nicht wagen wollen, ſelbſt zu ihr zu reiſen um ſie ab - zuholen. Jch verlange ein vor allemahl, daß ſie dieſe zwey Stuͤcke in das klare bringen, da - mit ich weiß, woran ich bin. Ja! oder Nein! ſoll mir beides lieber als die Ungewißheit, und eines ſo lieb als das andere ſeyn.

Eine ſolche Erklaͤrung wuͤrde Sie weiter bringen. Wenn Sie einem andern in gleichen Umſtaͤnden ei - nen Rath geben ſollten, ſo wuͤrden Jhnen Mittel und Wege genug beyfallen. Sein Hochmuth wird es nicht zulaſſen, daß er vorgebe, er muͤſſe jemanden zu Rathe ziehen. Er wird ſich alſo deutlicher erklaͤ - ren muͤſſen: und ſo bald er das thut, ſo ſeyn Sie an keinem Auffchub ſchuld. Setzen Sie ihm einen, und zwar einen nahe bevorſtehenden Tag. Es wuͤrde Jhren Vorzuͤgen und Jhrer Ehre nachthei - lig ſeyn, wenn Sie ſich auch nur ſtelleten, als ver - ſtuͤnden Sie ihn nicht, und zweifelten, was ſeine Mei - nung ſey, fals er ſich nicht deutlich genug erklaͤrete: es wuͤrde ſich alſo nicht ſchicken, daß Sie warteten, bis er eine deutlichere Erklaͤrung von ſich gaͤbe, dar - uͤber ich ihn mein Lebenlang haſſen und verachten wuͤrde, wenn ſie noͤthig waͤre, und er nicht in der erſten Bitte deutlich genug redete. Zweymahl haben Sie zum wenigſten aus Bloͤdigkeit eine ſolche Ge -legen.64legenheit fahren laſſen, die ſie billig haͤtten ergreiffen ſollen: vielleicht iſt es noch oͤfter geſchehen. Wenn ſich keine recht gute und ungeſuchte Gelegenheit fin - det, von der Eheſtiftung zu reden, ſo uͤberlaſſen Sie das ſeiner eigenen Großmuth und Billigkeit, und der Billigkeit der Seinigen.

Dieſes iſt mein Rath! Setzen Sie dazu oder thun Sie davon, wie es Jhnen am beſten duͤncket, und folgen Sie Jhren eigenen Einſichten. Jch vor mein Theil wuͤrde ſo oder auf eine aͤhnliche Art ver - fahren. Dieſes bezeuget

Jhre Anna Howe.

Folgender Zettel war in den vorigen Brief eingeſchloſſen.

Jch muß Jhnen damit beſchwerlich fallen, daß ich ihnen meinen Kummer entdecke, da Jhr eige - nes Ungluͤck Jhnen ſchon ſo viele Unluſt verurſachet. Jch muß Jhnen etwas neues melden. Jhr Onckle Anton iſt geſonnen, ſich zu verheyrathen. Und was meynen Sie, auf wen ſeine Abſichten gehen? Auf meyne Mutter! Es iſt gewiß! Die Jhrigen wiſſen es auch ſchon, und geben Jhnen alle Schuld: der alte Ehe-Kroͤppel ſagt auch, daß er den Ent - ſchluß aus Verdruß uͤber ſie gefaſſet habe.

Gedencken Sie dieſes Umſtandes gantz und gar nicht, auch nicht einmahl in Jhren Briefen an mich, weil man doch wegen allerhand Zufaͤllen in Sorgen ſtehen muß.

G〈…〉〈…〉 -65

Jch glaube nicht, daß es moͤglich iſt, das mei - ne Mutter ſich hierzu entſchlieſſet: allein wenn ich ſie beleydigte, ſo koͤnnte die Beleydigung zum Vor - wand dienen. Sonſt (glaube ich) waͤre ich ſchon laͤngſtens bey Jhnen in London.

So bald ich mercke, daß meine Mutter dem alten Blute die geringſte Hoffnung macht, ſo bald gebe ich Hickmannen ſeinen Abſchied. Wenn meine Mut - ter mir in einer ſo wichtigen Sache etwas zuwider thut, ſo werde ich mir nicht in den Sinn kommen laſſen, ihr in einer eben ſo wichtigen Sache eine Gefaͤlligkeit zu erzeigen. Es iſt doch nicht moͤglich, daß meine Mut - ter mich nicht deswegen an den guten Mann zu brin - gen ſucht, damit ſie ſelbſt thun koͤnne, was ſie will.

Es kann aus der gantzen Sache gewiß nichts werden. Allein die alten Witwen! Wie begie - rig ſind wir insgeſammt, junge und alte, uns ſchmei - cheln zu laſſen, und bewundert zu werden! Selbſt bey dem Alter hat die Schmeicheley noch ihren Ein - druck: und die ehrwuͤrdigen Haͤupter wollen es gern ihren Toͤchtern gleich thun, wenn ſie beynahe an - fangen grau zu werden. Es verdroß mich im Her - tzen, als ſie mir von dem Antrage Jhres Onckles mit einem ſolchen Schmuntzel-Laͤcheln Nachricht gab, welches ihre Eigenliebe und Einbildung ſo gleich ver - rieth; wiewohl ſie ſich Muͤhe gab, ſo davon zu reden, als wenn ich nichts zu beſorgen haͤtte.

Die alten Hageſtoltzen, die alt werden ehe ſie es glauben, bilden ſich veſtiglich ein, daß ſie nur ſich zu uͤberreden brauchen, und daß das Frauen - zimmer ſo gleich mit Freuden Ja ſagen werde, wennVierter Theil. Eſie66ſie ihr Gewerbe anbringen. Sein ungemein groſſes Vermoͤgen iſt zwar in der That eine Lock-Speiſe, dadurch manche alte Witwe gefangen werden kann. Es kommt noch dazu, daß meine Mutter gern ei - ner unartigen Tochter los werden moͤchte. Das Andencken meines Vaters iſt ihr ſo werth nicht, daß es einiges Gewicht haben koͤnnte. Allein er mag ei - nige gluͤckliche Schritte thun, wenn er es wagen will! und ſie mag anfangen, ihm etwas weiß zu machen! Doch ich hoffe, ſie wird ſich dafuͤr huͤten.

Entſchuldigen Sie meine Feder. Das Ding ver - drießt mich allzu ſehr: man kommt mir zu nahe. Sie werden glauben, daß ich mich verſuͤndige: darum will ich dieſes Blat nicht unterſchreiben. Dencken Sie nur, daß jemand meine Hand nachgeahmet hat: denn Sie haben es doch nicht geſehen, daß ich den Brief geſchrieben habe.

Der eilfte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.

Sie haben recht, meine liebſte Freundin, daß ich nicht mehr aus zweyen eins waͤhlen kann. Jch ſehe nun zu ſpaͤte ein, daß ich in meiner Empfindlich - keit gegen ihn zu weit gegangen bin, weil ich ihm nun fuͤr ſeine Geduld verpflichtet ſeyn muß. Denn wenn ihm meine Auffuͤhrung nicht kindiſch vorkommt, ſowird67wird er doch den gewiſſen Schluß aus derſelben ma - chen, daß ich keine Werthachtung gegen ihn habe: zum wenigſten wird er mercken, daß ich ihn andern Abſichten nachſetze, und ihn nicht uͤber alles werth achte, da ſein Hochmuth einen ſolchen Grad der Liebe von mir erwartet, den ſeine Eigenſchaften ge - wiß nicht verdienen. Was iſt es fuͤr ein Ungluͤck an einen ſolchen Mann zu gerathen, und ihm noch dazu verpflichtet zu ſeyn, der kein edles Hertz hat! ja der ſo gar ein grauſames Hertz hat! der ein un - gluͤckliches Kind durch allerley Betruͤgereyen faͤnget, es hernach beleydiget und betruͤbet, und ſich uͤber deſſen Noth gleichſam freuet! denn es kommt mir in der That ſo vor, als wenn der Unmenſch am mei - ner Noth ein Vergnuͤgen faͤnde. Was fuͤr Schick - ſahle muß ich erleben!

Sie rathen mir, der Sache ein kurtzes Ende zu machen, und ihn recht dreiſte anzureden. Allein haben Sie auch bedacht, wem Sie dieſen Rath geben?

Jch ſollte billig am wenigſten unter allen Frau - ens-Perſonen mich in die Umſtaͤnde geſtuͤrtzt haben, die einen ſolchen Rath noͤthig machen, weil ich gar nicht im Stande bin, ihm nachzukommen. Soll ich die Manns-Perſon um die Ehe anſprechen? Soll ich die verlohrne Gelegenheit gleichſam zu meinem Beſten wieder ſuchen? Soll ich ihn durch Drohun - gen zur Ehre zwingen? O mein Schatz, wenn es gleich recht waͤre, ſo iſt es doch allzu ſchwer, wenn unſere Beſcheidenheit dabey verletzt wird, und wenn die Sache uns ſelbſt, oder unſern Hochmuth ſo naheE 2betrift;68betrift; oder wenn man nach Jhrem Ausdruck, bey ſich ſelbſt Vater-Mutter - und Onckles-Stelle ver - treten muß. Dieſe Schwierigkeit vermehret ſich, wenn man glauben muß, daß andere uns gern de - muͤthigen wollten. Geben Sie mir lieber den Rath, dieſem Menſchen auf ewig zu entſagen; alsdenn, wenn Sie es wollen, ſo werde ich ihm gewiß gaͤntz - lich entſagen.

Sie melden, daß Sie verſucht haben, was durch die Frau Norton bey meiner Mutter auszurichten ſtehe. So ſchlecht die Antwort iſt, die Herr Hickman erhalten hat; ſo melden Sie mir den - noch nicht alles ſchlimme, und Sie wiſſen nicht, ob Sie dieſes Zeit Lebens thun werden. Allein was kann das ſchlimme ſeyn, das Sie mir nicht melden wollen? Kann noch etwas ſchlimmeres gedacht wer - den, als daß ſich die Meinigen von mir, und zwar auf ewig, losſagen? und daß mein Onckle glaubt, ich waͤre nicht mehr, was ich geweſen bin? daß er ſich berechtiget haͤlt, das aͤrgſte von mir zu befuͤrch - ten, nachdem ich mit einer Manns-Perſon davon gegangen ſey? daß die Meinigen entſchloſſen ſind, keinen Schritt zu meinem Beſten zu thun, wenn ſie auch mein Leben retten koͤnnten?

Wiſſen Sie noch etwas ſchlimmeres, das Sie vor mir geheim halten? Ach mein Vater wird etwan ſeinen Fluch erneuert haben! Meine Mutter wird doch wol nicht auch dieſen Fluch bekraͤftiget haben! Meine Onckles, meine gantze Familie wird doch nicht Theil daran genommen haben! Wasiſt69iſt dieſes ſchlimmſte, das mir ewig verborgen blei - ben ſoll?

O Lovelace, wenn du doch eben jetzt kaͤmeſt, da ich mit dieſen ſchwartzen Gedancken umgehe! Jetzt koͤnnteſt du in mein Hertz ſehen, und uͤber die Fol - gen deiner Grauſamkeit dein vergnuͤgtes Hohn-Ge - laͤchter anſtellen.

Jch mußte vorhin die Feder niederlegen.

Sie haben einen Verſuch gethan, was durch die Frau Norton bey meiner Mutter auszurichten ſtehe?

Was geſchehen iſt, kann nicht ungeſchehen wer - den: allein ich wuͤnſchte, daß Sie in einer Sache, die ſo wichtig iſt und mich betrift, nichts ohne mei - nen Rath gethan haben moͤchten. Vergeben Sie mir: ſo ſehr ich die erhabene und edle Freundſchaft bewundere, die Sie bey aller Gelegenheit auf eine ſo brennende Art gegen mich bezeigen; ſo ſetzt mich doch auch dieſe Freundſchaft bisweilen in Furcht.

Doch ich will auf das dencken, was mir noch be - vorſtehet. Sie glauben, daß ich die Seinige noth - wendig werden muß, und daß ich ihn ohne Verle - tzung meiner Ehre weder mit noch wider ſeinen Wil - len verlaſſen kann. Jch ſoll mich alſo in meine Um - ſtaͤnde ſchicken, ſo gut es moͤglich iſt.

Er ging dieſen Morgen aus, und wollte nicht in dem Hauſe ſpeiſen, es waͤre denn (wie er mir ſagen lies) daß ich ihm erlaubte, in meiner Geſellſchaft zu ſpeiſen.

E 3Jch70

Jch lies mich entſchuldigen. Herr Lovelace, an deſſen Zorn mir nun ſo viel gelegen iſt, ſchien un - gehalten zu werden.

Weil er ſo wohl, als ich, erwartete, daß ich heu - te ein Schreiben von Jhnen erhalten wuͤrde, ſo glau - be ich, daß er nicht lange ausbleiben wird. Viel - leicht iſt er bey ſeiner Zuruͤckkunft ſehr vornehm, ſehr maͤnnlich, ſehr ſproͤde: und ich werde eben ſo de - muͤthig und unterthaͤnig ſeyn und verſuchen muͤſſen, ob er ſich durch meine Seufzer erweichen laͤßt. Jch werde, wo nicht mit Worten doch mit niedergeſchla - genen Augen ihn um Vergebung wegen meiner bis - herigen Auffuͤhrung bitten muͤſſen. Gewiß, ſo weit wird es noch kommen. Jch will ſehen, wie mich dieſe Demuth kleidet. Sie haben mir immer mei - ne Sanftmuth vorgeworffen. Jch will ſehen, ob ich noch ſanftmuͤthiger werden kann. O mein Schatz

Jch will mich jetzt hinſetzen, die Haͤnde Creutz - weiſe vor mich legen, und mich bemuͤhen die Ver - leugnung ſelbſt zu ſeyn: denn mich duͤnckt, daß ich ihn kommen hoͤre. Oder ſoll ich ihn lieber gerade zu auf die Art anreden, die Sie mir vorgeſchrieben haben?

Er iſt nach Hauſe gekommen, und verlanget recht mit Ungeduld (wie Dorcas ſagt) mich zu ſprechen. Jch kann ihn jetzt ohnmoͤglich ſprechen.

Montags Abends.

Der Jnnhalt Jhres Briefes und meine eigenen ſchwermuͤthigen Gedancken, machten mir es ohn - moͤglich, den Lovelace zu ſprechen, ſo ſehr er auchdar -71darnach verlangete. Das erſte Wort, das er die Dorcas fragte, war, ob ich in ſeiner Abweſenheit einen Brief erhalten haͤtte. Sie antwortete ihm: Ja! und ich haͤtte ſeit der Zeit geweinet, und nichts eſſen wollen. Dorcas ſagte mir dieſes ſelbſt wieder.

Er lies mich bitten, daß ich ihn ſprechen moͤchte.

Jch lies antworten: es ſey mir nicht wohl. Wenn mir aber morgen beſſer waͤre, ſo wollte ich ihn ſpre - chen, ſo fruͤh als es ihm beliebte.

War das nicht demuͤthig genug? Allein er gieng ſchon ſo koͤniglich mit mir um, daß es ihm nicht de - muͤthig genug geantwortet ſchien: denn Dorcas ſagte, er habe ſich das Geſicht gerieben, ſey aus ei - ner Stube in die andere gegangen, und habe etwas geſagt, das ſie nicht gern wiederſagen moͤchte.

Nach einer halben Stunde ſchickte er noch ein - mahl, und verlangte, daß wir den Abend beyſam - men ſpeiſen moͤchten. Er wollte von nichts reden, als von ſolchen Materien, auf die ich ſelbſt die Re - de lenckete.

Das heißt: ich ſoll die Freyheit haben, ihm gu - te Worte zu geben.

Jch bat abermahls, mich entſchuldiget zu halten.

Meine Augen waren gantz dicke von Weinen. Jch war ſehr niedergeſchlagen, und konnte nicht auf einmahl nach ſo langer Entfernung anfangen ſo frey und vertraut mit ihm umzugehen, als es bey meinen jetzigen Umſtaͤnden und nach Jhrem Rath noͤthig iſt.

Er ſchickte nochmahls an mich, und lies mir ſa - gen: er hoͤrte, daß ich faſtete. Wenn ich nur ver -E 4ſprechen72ſprechen wollte, etwas von Huͤnern zu eſſen, die fuͤr mich zurecht gemacht wuͤrden, ſo wollte er ſich be - ruhigen. So guͤtig iſt er, wenn er zuͤrnet!

Jch verſprach es. Denn ich muß ſchon Vorbe - reitungen dazu machen, mich noch weiter herunter zu laſſen. Wie gluͤcklich werde ich mich ſchaͤtzen, wenn ich ihn eben ſo aufgeraͤumt finde, daß er ge - neigt iſt mir zu vergeben.

Jch bin mir zwar ſelbſt gram, allein ich will mich doch nicht hoͤhnen laſſen. Warlich nicht!

Der zwoͤlfte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe

Dieſesmahl ſcheint es, als ob wir einander wie - der naͤher kaͤmen, allein durch einen Sturm. Jch will Jhnen die genauern Umſtaͤnde melden.

Jch hoͤrte ihn ſchon heute fruͤh um fuͤnf Uhr in dem Speiſe-Zimmer. Jch hatte ſehr wenig geſchla - fen, und war auch ſchon aufgeſtanden: ich oͤffnete aber die Thuͤr nicht eher als bis um ſechs Uhr. Hier - auf brachte mir Dorcas eine Empfehlung von ihm, nebſt Bitte, ihm meine Geſellſchaft zu goͤnnen.

So bald ich in das Speiſe-Zimmer trat, kam er mir entgegen, ergriff meine Hand, und ſagte: Fraͤu - lein, ich bin vor zwey Uhr nicht zu Bette gegangen, und habe nicht einen Augenblick geſchlafen. UmGOt -73GOttes willen quaͤlen ſie mich nicht ſo, wie ſie die vergangene Woche gethan haben.

Er hielt ein: und ich ſchwieg auch ſtille.

Jch glaubte zu Anfang nicht, (fuhr er fort) daß ihr Unwille uͤber eine bloſſe Neugierde ſo groß und von ſolcher Dauer ſeyn wuͤrde: ich hoffte, er wuͤrde von ſelbſt wieder vergehen. Da ich aber erfahren muß, daß ſie ſo lange fortfahren zu zuͤrnen, bis ſie den Erfolg ihrer Unterhandlungen mit ihren An - verwanten ſehen, und zwar ſolcher Unterhandlun - gen, dadurch ich ſie auf ewig haͤtte verlieren koͤnnen: ſo weiß ich mich gar nicht darein zu finden, daß ich bey ihnen bisher ſo wenig Gunſt habe erlangen koͤn - nen, obgleich unſere Umſtaͤnde und unſere Feinde uns auf das genaueſte verbinden.

Er hielt noch einmahl ein. Als ich aber nicht redete, fuhr er fort:

Jch geſtehe es, daß ich ein hochmuͤthiges Hertz habe. Jch wuͤnſchte allerdings, daß ein Frauen - zimmer, welches ich die Meinige zu nennen hoͤchſt begierig bin, mir durch einige Zeichen zu verſtehen gaͤbe, daß es mich andern vorziehet. Zum we - nigſten wollte ich nicht gern, daß es jedermann in die Augen fiele, daß ich die Wahl, die ein ſolches Frauenzimmer trifft, blos der Haͤrte und wunderli - chen Auffuͤhrung der unerbittlichſten Verfolger zu - zuſchreiben ſey.

Er ſagte noch mehreres von eben der Art. Sie wiſſen, wie viele Gelegenheit er mir gegeben hat, ihm wieder Vorwuͤrffe zu machen. Jch that es, und ſchonte ſeiner nicht: allein es wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn,E 5wenn74wenn ich Jhnen alles dieſes ſchreiben wollte. Jch ſagte: ich wuͤrde durch ſein ganzes Betragen frey - lich allzu ſehr von ſeinem Hochmuth, nicht aber von ſeinen Vollkommenheiten uͤberzeuget. Jch leug - nete nicht, daß ich eben ſo hochmuͤthig ſey, als er: allein ich hoffete, daß mein Hochmuth von einer andern Art waͤre, als der Hochmuth, den er ſo willig geſtuͤnde. Wenn er nur etwas von dem er - habenen und großmuͤthigen Hochmuth haͤtte, der ſich vor ſein Herkommen und Umſtaͤnde ſchicke, ſo wuͤr - de er meinen Hochmuth nicht fuͤr etwas verdriesli - ches anſehen, noch ihn zu demuͤthigen ſuchen; ſon - dern er wuͤrde mich vielmehr noch hochmuͤthiger zu machen ſuchen. Eben dieſer lobenswuͤrdige Hoch - muth lieſſe mir nicht zu, daß ich die Urſachen leug - nen ſollte, um derentwillen ich ihn und den Herrn Mennell in einigen Tagen nicht haͤtte ſprechen wol - len. Jch haͤtte befuͤrchtet, daß ich auf gewiſſe Dinge nicht wuͤrde haben antworten koͤnnen, bis ich hoͤrte, was mein Onckle Harlowe ſagte. Denn ich haͤtte dieſem durch einen guten Freund den Puls fuͤhlen laſſen, ob ich auf ſein Vorwort hoffen duͤrf - te, wenn ich mich unter gewiſſen Bedingungen mit den Meinigen ausſoͤhnen wollte.

Er ſagte: er wuͤßte nicht, was das fuͤr Bedin - gungen waͤren, und duͤrfte ſich auch wol nicht unterſte - hen, darnach zu fragen. Allein er koͤnnte ſie leicht erra - then, und merckte allzu deutlich, daß er haͤtte ſollen das Opfer werden. Allein ſo ſehr er uͤberhaupt mein erhabenes Gemuͤth und inſonderheit meinen lobenswuͤrdigen Hochmuth bewunderte, ſo wuͤnſchteer75er dennoch, daß in allen meinen Handlungen eine Gleichheit waͤre. Wenn ich mir immer ſelbſt gleich waͤre, ſo wuͤrde ich mich gegen unverſoͤhnliche Leute nicht ſo ſehr herunter laſſen, (ich koͤnnte ihm doch ohnmoͤglich uͤbel nehmen, wenn er meinen Bruder und meine Schweſter mit dieſem Nahmen belegte) da ich zu hoch waͤre, ihm einige Guͤtigkeit zu erzei - gen, und gegen ihn gar keine Herablaſſung haͤtte.

Meine Pflicht und die Bluts-Freundſchaft befehlen mir jene Herablaſſungen: Vater, Mutter, und Onckles begehren und rechtfertigen ſie. Allein warum ſoll ich mich, wie ſie es nennen, gegen ſie herablaſſen? Verbinden mich etwa ihre Verdienſte um mich und um die Meinungen dazu?

Daß ſie dergleichen Reden noch fuͤhren koͤnnen? nachdem ſie von den Jhrigen ſo bitter verfolget ſind; nachdem ſie ſo viel gelitten haben; nachdem ſie mich haben hoffen laſſen! darf ich ſie fragen, (weil wir doch eben von Hochmuth redeten) was das fuͤr ein Hochmuth ſeyn muͤßte, dem es gleichguͤltig waͤre, ob ihn ſein Kind lieb haͤtte, und ihn andern vorzoͤ - ge? Was fuͤr eine Liebe muͤßte

Liebe? Herr Lovelace! Wer redet denn von Liebe? Habe ich ihnen jemahls Liebe verſpro - chen? Habe ich von ihnen jemahls dergleichen Ver - ſprechen verlanget? Doch unſer Streit kann nie zu Ende kommen, da wir beyde keine Fehler haben, und ſo ſehr von uns ſelbſt eingenommen ſind.

Jch ſpreche mich nicht von Fehlern frey, Fraͤu - lein: aber

Aber76

Aber was? Wollen ſie immer mit mir umge - hen, als wenn ich ein Kind waͤre? Wollen ſie ſich immer entſchuldigen? immer etwas verſprechen? und was denn? daß ſie einmal kuͤnftig der werden wollen, der ſie jetzt noch nicht ſind. Ein Verſpre - chen, deſſen ſich ein jeder artiger Cavallier ſchaͤmen ſollte! Der zu werden

O GOtt! (fiel er mir in die Rede: und hob die Angen gen Himmel) wenn du ſo ſtrenge waͤreſt

Gantz gut! Herr Lovelace! Machen ſie nur aus unſern ſo verſchiedenen Einſichten den Schluß, daß unſere Hertzen nicht fuͤr einander gemacht ſind. Laſſen ſie uns alſo

Laſſen ſie uns was? Fraͤulein! Es empoͤrt ſich alles in mir. Was! was iſt es das wir thun ſol - len? Er ſahe hiebey ſo wild aus, daß ich mich recht erſchrack.

Wie? Herr Lovelace! Laſſen ſie uns den Ent - ſchluß faſſen, daß wir ferner gar nicht an einan - der dencken wollen. (Fangen ſie doch nicht gleich an, Feuer und Flammen von ſich zu geben! Jch bin in einigen Stuͤcken furchtſam. Allein, wenn ich mir nicht ſelbſt ſchmeichele, ſo habe ich Muth, und unuͤberwindlichen Muth, ſo bald es auf das an - kommt, was ich billig ſeyn ſoll, wenn ich des lebens nicht unwerth ſeyn will.) Laſſen ſie uns weiter keine Achtung fuͤr einander haben, als die die Hoͤff - lichkeit und der Wohlſtand mit ſich bringet. Sie koͤnnen ſich indeſſen auf dieſe Zuſage verlaſſen, wenn ihr Hochmuth darin eine Nahrung findet: daß ich nie einen andern heyrathen werde. Jch habe nundie77die Manns-Perſonen, oder ſie zum wenigſten, genug kennen lernen. Jch verlange weiter nichts, als mein Leben fuͤr mich in der Stille zuzubringen: und laſſe ſie dabey in voͤlliger Freyheit, zu waͤhlen was ſie wollen.

Gleichguͤltig! mehr als gleichguͤltig! ſtieß er mit Unwillen heraus.

Jch fiel ihm in die Rede: halten ſie mich immer - hin fuͤr gleichguͤltig. Jch glaube zum wenigſten nicht, daß ſie etwas beſſeres um mich verdienet ha - ben. Wenn ſie hierin anderer Meynung ſind, ſo haben ſie, oder ſo hat ihr Hochmuth Urſache, mich wegen meines Jrrthums zu haſſen.

Liebſtes, liebſtes Kind! ſagte er, und ergriff meine Hand auf eine wilde Art) darf ich ſie nicht bitten, ſich ſelbſt immer gleich, und auch gegen mich edelmuͤthig zu ſeyn? Achtung die der Wohlſtand und die Hoͤflichkeit mit ſich bringet! Was ſa - gen ſie Fraͤulein? Hoͤflichkeit! Wohlſtand! koͤnnen ſie meiner Jnbrunſt ſolche Grentzen ſetzen?

Eine ſolche Jnbrunſt, wie die ihrige iſt, Herr Lovelace, muß eingeſchraͤnckt werden. Es iſt entweder die Eigenſchaft, dafuͤr ſie ſie nicht erken - nen, oder dafuͤr ich ſie nicht erkenne. Jch weiß nicht, ob ihr Gemuͤth der Einſchraͤnckungen ſo wohl als der Groͤſſe faͤhig iſt, die nach meinem Wunſche ſind. Heben ſie immer Haͤnde und Augen vor Ver - wunderung gen Himmel ſo viel ſie belieben: ich wer - de nur immer mehr davon uͤberzeuget, daß wir nicht fuͤr einander gebohren ſind.

Bey78

Bey ſeiner Seele ſchwor er, daß wir fuͤr ein - ander gebohren waͤren, und faſſete meine Hand mit einer ſolchen Hefftigkeit an, daß es mir wehe that. Jch muͤßte und ſollte die ſeinige werden, wenn er mich auch durch ſeine Verdamniß erkauffen ſollte.

Er ſchlug ſeinen andern Arm um mich. Jch erſchrack; und ſagte: laſſen ſie mich gehen, oder gehen ſie ſelbſt von mir. Wollen ſie die Leydenſchaft, die ſie ſelbſt zu haben vorgeben, auf eine ſo unertraͤg - liche Art beweiſen?

Sie ſollen nicht weggehen, Fraͤulein! Sie ſol - len mich nicht im Unwillen verlaſſen

Jch will wiederkommen. So bald ſie ihrer ſelbſt Meiſter ſind, will ich wiederkommen.

Er lies mich gehen.

Er hatte mich in ſolches Schrecken geſetzt, daß ich mich, ſo bald ich in meine Stube kam, durch Vergieſſung eines Stroms von Thraͤnen wieder er - holen mußte.

Nach einer halben Stunde ſchickte er mir ein Vriefchen, darin er bedaurete, daß er ſo heftig ge - weſen waͤre, und mich bat, daß ich ihn noch ein - mahl vor mich laſſen moͤchte.

Jch gieng in die Speiſe-Stube, weil ich es doch nicht aͤndern konnte.

Er war voller Entſchuldigungen. Was wuͤrden Sie, ſelbſt Sie, die Sie ſonſt ſo vielen Muth ha - ben, mit einem ſolchen Menſchen anfangen koͤnnen, wenn Sie an meiner Stelle waͤren?

Er ſagte: es waͤre ihm nun gantz begreiflich, wie einem zu Muthe ſeyn muͤße, der von Sinnengekom -79gekommen waͤre. Er wiſſe beynahe von ſeinen Sin - nen nicht. Die gantze vorige Woche ſey er ſo em - pfindlich gekraͤnckt worden; und nun wollte ich von Hoͤflichkeit und Wohlſtand reden, da er doch von meinem edlen Hertzen gehoffet haͤtte

Hoffen ſie was ſie wollen. Jch bleibe dabey, daß unſere Gemuͤther ſich nicht fuͤr einander ſchicken. Sie haben mich in dieſe Noth gebracht. Von allen Freunden bin ich verlaſſen, die einzige Fraͤulein Howe ausgenommen. Jch will ihnen meine wahre Geſinnung nicht verbergen. Es geſchiehet gantz wider meinen Willen, daß ich ihnen wegen des Schutzes verbunden ſeyn muß, den ich wegen der Anſchlaͤge meines Bruders noͤthig habe. Denn die Fraͤulein Howe glaubt, daß noch nicht alle Ge - fahr voruͤber ſey. Jhnen bin am ungernſten ſuͤr ihren Schutz verpflichtet, da eben ſie mich in dieſe Umſtaͤnde gebracht haben, und zwar gantz wider meinen Willen. Vergeſſen ſie das nicht

Jch vergeſſe es nicht, Fraͤulein. Sie erinnern mich ſo oft daran, daß ich es ohnmoͤglich vergeſſen kann.

Jch will dem ohngeachtet ihren Schutz anneh - men, ſo lange er noͤthig iſt, wenn ſie mir heilig verſprechen, daß ſie nicht Ungluͤck ſuchen, ſondern ihm vielmehr aus dem Wege gehen wollen. Al - lein was hindert ſie, mich allein zu laſſen? kann ich nicht an ſie ſchicken, wenn es noͤthig iſt? Es iſt of - fenbar, daß Frau Fretchville ſelbſt nicht wiſſe was ſie will. Die Leute in dieſem Hauſe werden[zw]ar von Tagen zu Tagen hoͤflicher, allein ich wuͤnſch -te80te mir doch eine Wohnung, die ſich beſſer zu mei - nen Umſtaͤnden ſchickte. Jch weiß am beſten, wie ich mich einrichten will: und ich wollte nicht gern jemanden verpflichtet ſeyn. Wenn ſie mich verlaſ - ſen, ſo will ich einen hoͤflichen Abſchied von den Leu - ten nehmen, und mich auf ein benachbartes Dorf begeben, da ich in der Stille die Ankunft des Obri - ſten Morden abwarten kann.

Er antwortete: aus dem, was ich ſagte, ſchloͤſ - ſe er faſt, daß mein Geſuch kein Gehoͤr gefunden haben muͤßte. Er hoffete demnach, daß ich ihm nunmehr erlauben wuͤrde, mit mir von den Be - dingungen zu reden, die in die Eheſtiftung kommen ſollten. Er haͤtte ſchon laͤngſtens mit mir hievon ſprechen wollen, allein es ſey immer durch Zufaͤlle, daran er nicht Schuld waͤre, verzoͤgert worden: da - her habe er ſich vorgenommen, es bis dahin aufzu - ſchieben, wenn ich in mein neues Haus eingezogen, und dem Anſchein nach eben ſo frey und ungebun - den ſeyn wuͤrde, als ich in der That waͤre. Erlau - ben ſie Fraͤulein, daß ich ihnen jetzt gleich die Bedin - gungen vortragen darf: ich erwarte nicht, daß ſie alſobald eine Antwort von ſich geben, ſondern daß ſie die Sache uͤberlegen ſollen.

Wenn ich bey einem ſolchen Antrage nicht zu ant - worten wußte, die Augen niederſchlug, und ſo roth ward, daß ich ſelbſt es fuͤhlete, ſo war ja dieſes Antwort genug. Jhr Rath kam mir nie aus den Gedancken. Jch antwortete alſo nicht.

Er redete fort, und drang in mich, weil ich ſtille ſchwieg. Er rief Gott zum Zeugen an, daß ſeineAb -81Abſichten gegen mich, nicht allein gerecht ſondern auch edel waͤren; und ich ſelbſt wuͤrde es ſehen, wenn ich das nur anhoͤren wollte, was er von der Eheſtiftung zu ſagen haͤtte.

Haͤtte er nicht ohne alle dieſes Gepraͤnge gleich anfangen koͤnnen von der Sache zu reden? Wie oft wird etwas abgeſchlagen, und muß abgeſchlagen werden, weil man erſt um Erlaubniß bittet, davon zu reden? Und wenn einmahl eine abſchlaͤgige Ant - wort gegeben iſt, ſo muß man Ehren-wegen da - bey bleiben: dahingegen wird manches in Ueberle - gung genommen und bewilliget, wenn man uns mit der Bitte gleichſam uͤberſchleichet. Wenn Er das nicht weiß, wer ſoll es denn wiſſen?

Ob ich gleich dieſe Rede nicht gantz abbrechen wollte, ſo fand ich mich doch genoͤthiget, ſie etwas in das weite zu dehnen: damit ich eines Theils nicht den Verdruß haben moͤchte, fuͤr allzu willig angeſehen zu werden; und andern Theils nicht noͤ - thig haͤtte, ihm etwas ſo deutlich abzuſchlagen, daß wir von neuen daruͤber zerfallen koͤnnten. Sie ſe - hen alſo, daß ich Jhren Rath beobachtet habe.

Eine grauſame und ſchwere Mittel-Straſſe zwiſchen zweyen Uebeln!

Jch ſagte: ſie reden jetzt von Edelmuͤthigkeit, von Gerechtigkeit, ohne vielleicht die wahre Be - deutung dieſer Worte zu kennen oder zu bedencken. Soll ich ihnen ſagen, was edel heißt? Ein wahr - haftig edles Hertz zeiget ſich nicht blos in Geld - Sachen; es iſt mehr als Hoͤflichkeit; mehr als Ehrlichkeit; mehr als Gerechtigkeit, dadurchVierter Theil. Feine82eine edle Seele ſich offenbahret. Denn alle dieſe Dinge ſind nichts mehr als die Pflicht und Schul - digkeit eines jedweden, deren Mangel kein rechtſchaffe - nes Gemuͤth uns vergeben oder an uns uͤberſehen kann. Wenn ich aber von edel rede, ſo verſte - he ich darunter eine gewiſſe Groͤſſe der Seele, die uns geneigt macht, unſerm Naͤchſten noch etwas uͤber unſere Pflicht zu erzeigen, und die uns dringet, wo Huͤlfe noͤthig iſt, die Huͤlfe bald zu erzeigen, und ſo gar der Hoffnung der Bedraͤngten zuvor zu kom - men. Einer wahrhaftig edlen Seelen wird es unertraͤglich ſeyn, wenn andere an der Aufrichtigkeit ihrer Geſinnungen zweifeln: noch viel weniger wird ſie andere, die dergleichen nicht verdient haben, be - leidigen und betruͤben, am allerwenigſten ſolche Per - ſonen, die durch Ungluͤck und allerhand Zufaͤlle ge - zwungen ſind, bey ihr Schutz zu ſuchen.

Was fuͤr eine erwuͤnſchte Gelegenheit gab ihm dieſes, ſich wegen deſſen zu entſchuldigen und zu recht - fertigen, was ihn am Ende meiner Beſchreibung eines edlen Hertzens am naͤchſten anging, wenn er anders Luſt gehabt haͤtte ſich zu entſchuldigen. Allein er antwortete blos auf den Anfang deſſen, was ich geſagt hatte.

Unvergleichlich beſchrieben! ſagte er. Allein wen werden ſie nach der Beſchreibung edel nennen koͤnnen? Jch wende mich mit meinen Bitten blos zu ihrem edlen Hertzen: und ich verlange nichts wei - ter, als das Zeugniß, daß ich gerecht handele. Wo ſoll man auſſer ihnen ein Frauenzimmer finden, das ſolche ſtrenge Begriffe von den Tugenden hat?

Sie83

Sie tadeln ſich ſelbſt und ihre Geſellſchaft, wenn ihnen dieſe Begriffe ſtrenge und uͤbertrieben zu ſeyn ſcheinen. Es giebt tauſend Frauenzimmer, die viel ſtrenger ſind als ich, und den Fehltritt nicht gethan haben wuͤrden, zu dem ich verleitet bin. Eben die - ſer ungluͤcklichen Verfuͤhrung habe ich es zuzuſchrei - ben, daß ich mich jetzt gezwungen ſehe, einer Manns - Perſon den Begriff von Edelmuͤthigkeit beyzu - bringen, die nicht ſo artig iſt, daß ſie ſich in das ſchicken koͤnnte, was eigentlich bey einem Frauenzim - mer artig und wohlanſtaͤndig iſt, und dem Frauen - zimmer zur wahren Ehre gereichet.

Er nennete mich, ſeine himmliſche Lehrmeiſterin. Er verſprach abermahls, daß er ſich nach meinem Exempel beſſern wollte. Allein er hoffte, daß ich ihm doch erlauben wuͤrde, mir zu ſagen, wie gerecht und billig er in Entwerfung einer Eheſtiftung ſeyn wollte: eine Sache, davon wir billig ſchon laͤngſtens geredet haben ſollten, und davon er auch gewiß ge - redet haben wuͤrde, wenn ich ihm nicht durch meinen Unwillen ſo oft der Gelegenheit dazu beraubet haͤtte. Allein da er einmahl dieſe Gelegenheit ergriffen hatte, ſo wollte er ſich durch nichts abhalten laſſen, ſie zu gebrauchen.

Jch bin jetzt nicht munter genug, Dinge von ſol - cher Wichtigkeit zu uͤberlegen. Schreiben ſie das, was Sie ſagen wollen, ſo werde ich uͤberlegen, was ich zu antworten habe. Eine eintzige Bedin - gung will ich zum voraus veſt ſetzen: wenn ſie et - was beruͤhren muͤſſen, das meinen Vater mit ange - het, ſo werde ich aus ihrem Betragen gegen denF 2Va -84Vater ihre Werthachtung fuͤr die Tochter abnehmen.

Er ſahe aus, als wenn er lieber haͤtte reden als ſchreiben wollen. Wenn er es aber herausgeſagt haͤtte, ſo hatte ich mich ſchon auf eine nachdruͤckliche Antwort gefaßt gemacht: und das konnte er mir an den Augen anſehen.

So ſtehen jetzt unſere Sachen. Auf den Sturm iſt gleichſam eine Stille gefolget: ob aber dieſe ſich wiederum in einen Sturm verwandeln wird, kann ich ohnmoͤglich zum voraus wiſſen, da ich mich mit einem ſolchen Kopfe eingelaſſen habe.

Doch es mag geſchehen was da will, ſo habe ich mich nicht gegen ihn erniedriget. Es iſt mir hier - an ſchon viel gelegen, und ich hoffe, daß es Jhnen ebenfalls lieb ſeyn wird. Denn nun kann ich doch dieſen Menſchen anſehen, ohne etwas von der Wuͤr - de zu verlieren, die mich muthig macht, ihm unter die Augen zu ſehen, oder vielmehr die mein Gemuͤth ſo erhaben macht, daß ich auf ihn und auf ſeines Glei - chen herabſehen kann.

Obgleich die Umſtaͤnde nicht zulieſſen, daß ich Jh - rem Rath voͤllig folgete, ſo haben Sie mir doch durch Jhren Brief und durch Jhren Rath den Muth eingeſprochen, der noͤthig war, die Sache ſo weit zu bringen: Sie haben auch gemacht, daß ich den Vorſatz geaͤndert habe, den ich ſchon gefaſſet hatte, etwas zu wagen, und ihm zu entfliehen. Jch weiß nicht gewiß, ob ich dieſen Vorſatz bewerckſtelliget haben wuͤrde, wenn es zum Treffen gekommen waͤ - re: vieles wuͤrde darauf angekommen ſeyn, wie er ſich eben um die Zeit gegen mich aufgefuͤhret haͤtte.

Er85

Er mag ſich zwar auffuhren wie er will, ſo fuͤrch - te ich mit Jhnen, daß ich in den Augen der Welt nicht unſchuldiger, ſondern tadelhafter werden wuͤrde, wenn ich mich endlich genoͤthiget faͤnde, ihn zu ver - laſſen. Allein ſo lange ich noch einiges Vermoͤgen habe, mia zu helfen, will ich mich von ihm nicht demuͤthigen, oder mir niedertraͤchtig begegnen laſſen.

Sie geben mir Schuld, daß ich einige mahl aus Bloͤdigkeit die Gelegenheit aus den Haͤnden gelaſſen habe Was fuͤr eine Gelegenheit? Die Gelegen - heit die Frau eines Boͤſewichts zu werden. Wie groß dieſes Gluͤck ſey, kann ich aus dem Briefe meines Vetters Mordens ſehen. Jch muß Jh - nen hier ein fuͤr allemahl melden, nach was fuͤr Grund-Saͤtzen ich mich gegen dieſen Menſchen be - trage, und was ich fuͤr Urſachen zu meinem Betra - gen habe. Jch will mich ſelbſt genau unterſuchen, und Jhnen die reine Wahrheit ſchreiben.

Jch glaube nicht, daß ich blos nach Art unſeres Geſchlechtes bloͤde gegen ihn bin: ich habe auch nicht blos meine Abſicht darauf gerichtet, was mein jetziges nothwendiges Uebel und mein kuͤnftiger Ge - mahl von mir denken moͤchte, wenn ich mich allzu wehlfeil verſchenckte, da er ſich ſo ſchlecht gegen mich aufgefuͤhret hat: ſondern ich folge hierinn meinen Einſichten, den geraden Trieben meines Her - tzens, und demjenigen, was dieſes fuͤr Recht oder Unrecht, fuͤr geziemend oder ungeziemend erkennet. Jch handele ſo, wie ich es zufoͤrderſt vor mir ſelbſt, und denn vor ihm und vor der Welt rechtfertigen kann. Es ſind dieſes Grund-Saͤtze, die tief in meinF 3Ge -86Gemuͤthe eingepflantzet ſind, die ich in meinem Herzen fand, ehe ich es hatte durch Schluͤſſe beleh - ren koͤnnen, und die ich deswegen von dem Vater aller Geiſter herleiten muß. Dieſe Grund-Saͤtze zwingen mich, ihnen gemaͤß zu handeln, und ich hoffe in und auſſer der Ehe bey ihnen nicht zu Schan - den zu werden, andere moͤgen mit mir umgehen, wie ſie wollen.

Jch hoffe nicht, daß ich mich ſelbſt betruͤge, und nur einen Eigenſinn entſchuldige, weil ich ihn nicht gern uͤberwinden will, anſtatt, daß ich ſuchen ſollte, meine vorigen Fehler zu verbeſſern. Unſer Hertz iſt betruͤglich: ich bitte Sie, ſuchen Sie mein Hertz zu entdecken, das ohnehin vor Jhnen offen und entdeckt iſt, und ſchonen Sie meiner nicht, wenn Sie Feh - ler bey mir finden.

Jch habe Jhnen indeſſen melden ſollen, wie ich mich bey genauer Pruͤfung gefunden habe, damit ich Sie uͤberzeugen moͤchte, daß, wenn ich in eini - gen Kleinigkeiten, oder auch in wichtigeren Dingen fehle, die Schuld meiner Suͤnden nicht in meinem Willen, ſondern in meinem Verſtande zu ſuchen iſt. Jch verbleibe

Dero ewig ergebene Cl. Harlowe.

Der dreizehnte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.

Herr87

Herr Lovelace hat mir eben durch Dorcas folgende Vorſchlaͤge uͤberſandt:

Um ihrer ungemeinen Zaͤrtlichkeit zu ſchonen, muß ich gehorſam ſeyn, und das ſchreiben, was ich vorhin ſagen wollte. Jch thue es zugleich in der Abſicht, daß Sie dieſes Blat der Fraͤulein Howe moͤgen zuſchicken koͤnnen, damit dieſe deſſen Jnhalt mit ſolchen Freunden uͤberlegen moͤge, de - nen Sie dieſes Geheimniß anvertrauen wollen. Jch ſage mit gutem Bedacht: denen Sie die - ſes Geheimniß anvertrauen wollen. Denn Sie wiſſen, daß wir uns gegen einige Leute fuͤr verheyrathet ausgegeben haben.

Zufoͤrderſt erklaͤre ich mich, die Eheſtiftung ſo einzurichten, daß Sie Jhr Gut nebſt deſſen Ein - kuͤnften als einen Witwen-Sitz behalten ſollen. Ueber dieſes ſollen Jhnen aus meinem Gute in der Grafſchaft Lancaſter vermittelſt geſtelleter Buͤrgſchaft alle Jahr 400 Pfund baar gezahlet werden: und es ſoll die Zahlung viertheils-jaͤhrig geſchehen. Mit dieſen 400 Pfunden ſollen Sie nach eigenem Belieben ſchalten und walten koͤnnen.

Meine eigene Guͤter geben des Jahrs 2000 Pfund Pacht. Der Lord M. iſt entſchloſſen, mir, ſo bald ich mit dem Frauenzimmer Hoch - zeit halte, welches er ſo ſehr bewundert, entweder ſein Gut in der Grafſchaft Lancaſter zu uͤber - geben, (an welches ich vielleicht ein beſſeres Recht haben moͤchte, als er ſelbſt) oder daſſelbige Gut, welches wir die Forſt nennen: und es ſo einzu -F 4 richten,88 richten, daß meine Einkuͤnfte um 1000 Pfund verbeſſert werden ſollen.

Weil ich vielleicht allzu wenig nach den Re - den der Leute gefragt habe, ſo iſt mir vieles un - richtige nachgeſaget worden. Es wird daher nicht undienlich ſeyn, Jhnen die Verſicherung zu ge - ben, und zwar auf Cavallier-Parole, daß nie - mahls etwas von meinen Guͤtern verpfaͤndet iſt, und daß ich auf Johannis von allen Schulden frey ſeyn werde, ob ich gleich viel Geld auf Rei - ſen verthan habe. Jch habe nicht in allen Stuͤ - cken die Jrrthuͤmer, die mich in andern Stuͤcken vielleicht verleiten moͤgen. Jedermann, der mit mir in Geld-Sachen zu thun gehabt hat, hat mir den Ruhm beygelegt, daß ich edel und freyge - big waͤre: wenn ich nicht gerecht dabey geweſen waͤre, ſo wuͤrde meine Freygebigkeit einen an - dern Nahmen verdienet haben.

Jhr Herr Vater hat jetzt Jhr Gut im Beſitz. Wenn Sie deshalb lieber wollen, daß ich Jhnen eins von meinen Guͤtern, das eben ſo viel betraͤ - get, dagegen zum Witwen-Gehalt verſchreiben ſoll; ſo ſoll es geſchehen. Jch will den Lord M. dahin zu bringen ſuchen, daß er Jhnen ſelbſt ſchreibet, was er bey meiner ſo gluͤcklichen Ver - aͤnderung zu thun geſonnen iſt. Es ſoll dieſes nicht auf Jhr Verlangen geſchehen, ſondern blos um Jhnen zu zeigen, daß ich und die Mei - nigen uns Jhre Zwiſtigkeiten mit den Jhrigen nicht (wie man es nennet) zu Nutze machen wollen.

Da -89

Damit eine ſo liebe Tochter ſehen moͤge, wie werth ich ſie ſchaͤtze, ſo ſollen ſie ſelbſt beſtimmen, wie ich mich mit Jhrem Vater wegen der anſehn - lichen Einkuͤnfte vergleichen ſoll, die er ſeit eini - gen Jahren von Jhrem Gut gehoben und noch in Haͤnden hat. Jch zweifele nicht, daß er ſich wird uͤberreden laſſen, Gegen-Rechnungen zu ma - chen. Es ſoll in ihrer Gewalt ſtehen, ihn we - gen derſelben zu befriedigen, damit Sie in Jhrem Gemuͤthe deſto ruhiger ſeyn koͤnnen. Das uͤbri - ge Geld ſoll Jhnen gezahlet werden, und ſoll von Jhnen nach eigenem Belieben angewandt wer - den; damit es Jhnen nicht an Mitteln fehlen moͤge, fernerhin andern die Wohlthaten zu erzei - gen, die Jhnen einen ſo ſeltenen Ruhm auſſer - halb Jhres Hauſes zu Wege gebracht haben, und daruͤber Sie von Jhrer eigenen Familie ſo ſehr getadelt ſind.

Was Kleidung, Juwelen und dergleichen an - langet, welche Sie noͤthig haben, wenn Sie oͤf - fentlich erſcheinen wollen, ſo werde ich mir eine Ehre daraus machen, wenn Sie nichts von derglei - chen Dingen denen Leuten zu danken haben, wel - che aus Unſinnigkeit ſich von einer Tochter losſa - gen, deren ſie nimmermehr werth ſind. Sie muͤſ - ſen mich dieſes mahl entſchuldiget halten Fraͤu - lein, ich wuͤrde Jhnen mit Recht in allen dem, was ich ſchreibe, verdaͤchtig vorkommen, wenn ich von dieſen Leuten mich gelinder ausdruͤckete, ob Sie gleich mit Jhnen ſo nahe verwant ſind.

F 5 Die -90

Dieſes ſind meine Vorſchlaͤge. Jch habe be - ſtaͤndig im Sinne gehabt, Jhnen dieſe Vorſchlaͤge zu eroͤffnen, ſo bald Sie mir erlauben wuͤrden, von einer ſo angenehmen Materie zu reden. Allein Sie ſind ſo veſt entſchloſſen geweſen, alles anzuwen - den, um ſich mit Jhren Anverwanten zu verſoͤh - nen, und ſo gar mir auf ewig zu entſagen, daß Sie ſich deswegen verbunden hielten, mit mir gantz fremde umzugehen, bis es ſich zeigete, ob Sie Jhre Hoffnung und Jhren herrſchenden Wunſch erreicheten. Sie ſehen nun den Erfolg! ob ich gleich bedauret habe, und noch bedaure, daß ich nicht die Zuneigung bey Jhnen finden kann, die ich mir von der Fraͤulein Clariſſa Harlowe gewuͤnſchet haͤtte: ſo bin ich doch verſichert, daß ich als der kuͤftige gluͤckliche Gemahl der Frau Lovelace Sie ſelbſt deswegen bewundern und anbeten werde, daß Sie ein Hertz ſo empfind - lich gekraͤncket haben, an deſſen edler Geſinnung, oder vielmehr an deſſen Gerechtigkeit Sie auf An - ſtiften meiner Feinde zweifelten. Jch werde de - ſto geneigter ſeyn, Sie ſelbſten wegen Jhrer Haͤr - te zu verehren, weil ich verſichert bin, daß Jhr edles Hertz mich nicht ſo haͤtte martern koͤnnen, wenn nicht alzu viele Schein-Gruͤnde zu dieſen Zwei - feln vorhanden geweſen waͤren: und weil ich hoffe, daß Sie aufhoͤren werden, kaltſinnig zu ſeyn, ſo bald Jhre Zweifel gehoben ſind.

Jch will weiter nichts hinzuthun, als dieſes: wenn ich etwas ausgelaſſen habe, das Jhnen an - genehm ſeyn koͤnnte; oder wenn ich mich zu we - niger91 niger erboten habe, als Sie gehoffet hatten: ſo haben Sie die Guͤtigkeit und ſetzen es hinzu. Jch will alsdenn ſogleich die Eheſtiftung aufſetzen laſ - ſen, und es ſoll an nichts, das in meinem Ver - moͤgen ſtehet, fehlen, ſondern ich will alles an - wenden Sie gluͤcklich zu machen.

Nun werden Sie, liebſte Fraͤulein, ſelbſt ur - theilen koͤnnen, in wiefern alles das Uebrige auf Sie ankommt.

Sie ſehen hieraus, was er verſpricht: und daß ich es mir allein zu dancken habe, daß er mir dieſen Antrag nicht fruͤher gethan hat. Bin ich nicht wunderlich und ungluͤcklich, daß ich uͤberall die Schuld tragen muß, ohngeachtet ich die beſten Ab - ſichten habe, und nur zu ſpaͤt oder beynahe zu ſpaͤ - te erkenne, was fuͤr Uebel aus meinen Handlungen entſtehet, ſo daß ich endlich alle Bloͤdigkeit ablegen muß, um nur meine vorigen Fehler wieder gut zu machen!

Jch ſoll nun ſelbſt urtheilen, in wie fern alles das Uebrige auf mich ankommt! So ein kalter Beſchluß folget auf ſo heiſſe Antraͤge, an denen in der Hauptſache nichts auszuſetzen iſt! Ha - ben Sie nicht bey dem durchleſen gedacht, daß der Brief ſich mit einer recht ernſtlichen Bitte endigen wuͤrde, den Tag unſerer Hochzeit zu beſtimmen? Jch ſelbſt erwartete dieſes ſo gewiß nach dem Jnhalt des vorhergehenden, daß, ſo gern ich auch vergnuͤgt gewe - ſen waͤre; ich doch nothwendig uͤber den Beſchluß misvergnuͤgt ſeyn mußte. Allein Jhrer Mei -nung92nung nach iſt doch keine Huͤlfe, und ich werde noch mehr aufopfern muͤſſen. Es ſcheint, daß nun alle Bloͤdigkeit am Ende ſeyn ſoll. Wenn dieſes iſt, ſo weiß der Menſch das gewiß noch nicht, was ein jeder verſtaͤndiger Mann weiß, nehmlich: daß eine tugendhafte und kluge Frau, die ſich nicht ſelbſt ausbietet, dem Manne mehr Ehre vor der Welt bringet, als ihm dieſe Eigenſch aften bringen, wenn er ſie ſelbſt beſitzet: und daß ihn der Mangel dieſer Eigenſchaften an ſeiner Frau am meiſten ent - ehret; weil doch die Welt (es mag nun recht oder unrecht ſeyn) dem Manne gemeiniglich die Fehler ſeiner Frau verdencket.

Jch will dieſes Blat in Erwaͤgung ziehen, und ſchriftlich darauf antworten, weil doch das Ue - brige alles auf mich allein ankommt.

Der vierzehnte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.

Herr Lovelace hatte geſtern Abend große Luſt mit mir zu ſprechen. Weil ich mich aber noch nicht geſchickt dazu befand, indem ich ſeine Vorſchlaͤge vorher reiflicher uͤberlegen wollte, und ich mich durch den Schluß ſeines Briefes nur ſchlecht erbauet fand; ſo bat ich, daß unſere Unterredung bis auf den Morgen ausgeſetzt bleiben moͤchte. Jchkann93kann ihn uͤber dieſes faſt gar nicht los werden, wenn er des Abends bey mir iſt, und wir nur mittelmaͤſ - ſig Freunde ſind.

Um ſieben Uhr kamen wir heute ſruͤh in dem Spei - ſe-Zimmer zuſammen. Er ſchien zu erwarten, daß ich ihn auf eine freundliche, oder wol gar auf eine danckbare Weiſe empfangen ſollte: und ich konnte bald in ſeinem verſtoͤrten Geſichte leſen, daß er ſich in einer Hoffnung betrogen haben mußte.

Mein liebſtes Kind, iſt ihnen nicht wohl? Warum ſehen ſie mich ſo uͤberaus ernſthaft an? Will ihre Kaltſinnigkeit ſich noch nicht uͤberwinden laſſen? Wenn ich irgend worin weniger verſprochen habe, als ſie hoffeten

Jch ſagte ihm: er habe mir wohlbedaͤchtlich er - laubet, daß ich der Fraͤulein Howe ſeinen Aufſatz zuſchicken duͤrfte, damit dieſe einige von ihren Freun - den daruͤber um Rath fragen koͤnnte. Jch wuͤrde naͤch - ſtens Gelegenheit haben, ihr den Aufſatz zu uͤber - ſenden. Jch baͤte demnach, daß wir nicht davon reden moͤchten, bis ich Antwort von der Fraͤulein Howe erhalten haͤtte.

Ach GOtt! (ſagte er) wenn nur die geringſte Ausflucht, nur ein Vorwand zum Aufſchub uͤbrig iſt! Jch ſchreibe jetzt eben an meinen Onckle, um ihm Nachricht zu geben, wie wir mit einander ſtehen, und ich kann den Brief nicht ſo einrichten, wie mein Onckle und ich es wuͤnſchen, wenn ich nicht weiß, ob ſie die zur Eheſtiftung vorgeſchlagene Be - dingungen billigen.

Jch94

Jch antwortete ihm: ſo viel koͤnnte ich zuverlaͤſ - ſig ſagen, daß ich nichts mehr wuͤnſchete, als Frie - den und Ausſoͤhnung mit den Meinigen. Was andere Dinge anbetraͤffe, ſo glaubte ich, daß er von ſelbſt mehr thun wuͤrde, als ich verlangete. Wenn er alſo nur deswegen an den Lord M. zu ſchreiben gedaͤchte, damit er erfuͤhre, was dieſer fuͤr mich zu thun gedaͤchte, ſo koͤnnte er ſich die Muͤhe erſparen. Denn meine Wuͤnſche die mich ſelbſt betraͤffen, waͤ - ren viel leichter erfuͤllet, als er es dencken moͤchte.

Er fragte mich: ob ihm es denn erlaubt waͤre, in ſo fern ſeines gluͤcklichen Tages zu gedencken, daß er ſeinen Onckle baͤte, gegenwaͤrtig zu ſeyn, und Vaters-Stelle zu vertreten?

Vater, antwortete ich, waͤre ein Schall, der immer bey mir Ehrfurcht erweckete. Jch wollte wuͤnſchen, daß ich einen Vater haͤtte, der mich Tochter nennen wollte.

War das nicht deutlich geredet? Jch habe aber nachher erſt bedacht, was ich geſagt habe, und hat - te damahls nicht im Sinne, ſo frey zu reden. Denn ich dachte eben mit einem tieffen Seufzer, der vom Hertzen ging, an meinen Vater, und bedaurte, daß ich von ihm und von meiner Mutter verſtoſſen bin.

Herr Lovelace ſchien uͤber meinen Ausdruck, und uͤber den bekuͤmmerten Gedancken, den ich verrieth, beweget zu werden.

Jch ſagte mit naſſen Augen: Jch bin noch ein ſehr junges Kind, Herr Lovelace, ob ſie gleich die Guͤtigkeit gehabt haben, aus Liebe zu mir michmit95mit Kummer und Sorgen ſehr fruͤhzeitig bekannt zu machen. Sie muͤſſen ſich nicht verwundern, wenn der Nahme eines Vaters einen tieffen Ein - druck bey einem Kinde macht, das wegen ſeiner jun - gen Jahre den Schutz der Eltern noch noͤthig hat, und nie ungehorſam geweſen iſt, ehe es ſie kennen lernte.

Er wandte ſich nach dem Fenſter zu. (Freuen Sie ſich mit mir, daß er nicht ein gantz fuͤhlloſes Hertz hat, da ich ihm beſtimmet zu ſeyn ſcheine.) Man konnte an ihm mercken, was in ſeinem Ge - muͤthe vorging, ob er ſich gleich bemuͤhete, es zu unterdruͤcken, und zu verbergen. Er wandte ſich wieder zu mir, allein er mußte das Geſicht von neu - en wegkehren, und ſagte etwas von Engeln und Engliſch. Endlich erhielt er ein Hertz, das ſei - nen Wuͤnſchen gemaͤß war, und nahete ſich mir von neuen. Er ſagte: weil der Lord M. das Podagra haͤtte, ſo fuͤrchtete er, daß die Einladung deſſelben zu unſerer Hochzeit einen laͤngeren Aufſchub verur - ſachen moͤchte, als ihm ertraͤglich ſey. Er wuͤnſchte, daß er nichts davon geſagt haͤtte.

Sie werden von ſelbſt glauben, daß ich nicht ein Wort antworten konnte. So viel zaͤrtliche Liebe auf den Lippen! Ein ſo gelaſſenes, ſo gehorſa - mes und vernuͤnftiges Hertz gegen einen Onckle, den er vorhin immer verachtet hatte! Warum hat mich mein Schickſal an einen ſolchen Menſchen ver - ſchleudert? dachte ich bey mir ſelbſt.

Er hielt innen, als wenn er mit ſich ſelbſt zu ſtrei - ten haͤtte. Nachdem er ein paar mahl in der Stu -be96be auf und nieder gegangen war, ſagte er: er wiſſe ſelbſt nicht was er thun ſollte, weil er gar nicht erra - then koͤnnte, welchen Tag ich beſtimmete, ihn gluͤcklich zu machen. Wenn ich mich doch den Augenblick da - zu moͤchte entſchlieſſen koͤnnen.

Er hielt abermahls ein paar Augenblicke innen, und ſahe mir ſtarre in mein zur Erde niedergeſchla - genes Geſichte. (War mir nicht eben hier ein Va - ter und eine Mutter am noͤthigſten?) wenn ich aber keinen ſo nahen Tag beſtimmen wollte, ſo glaubte er, er koͤnnte ſeinem Onckle ohne Schaden die Hoͤflichkeit erzeigen, ihn einzuladen, er koͤnnte es aber auch unterlaſſen. Es koͤnnte unterdeſſen die Eheſtiftung entworfen und in das reine geſchrie - ben werden, und dieſes wuͤrde ſeine Ungeduld beruhigen, weil doch keine Zeit daruͤber verlohren wuͤrde.

Jch darf Jhnen nur melden, was er hinzu - ſetzte, ſo werden Sie ſchon mercken, wie tief es mir zu Hertzen gegangen ſeyn muͤſſe:

Er wuͤßte, bey ſeiner Seele! nicht, ob er nicht alsdenn mir am meiſten misfaͤllig wuͤrde, wenn er mir gern gefaͤllig ſeyn wollte: weil ich ſo verſtockt ge - gen ihn waͤre, und er in meinen Augen auch ſo viel ſonderbares wahrnehme. Jch moͤchte doch die Guͤ - tigkeit haben, und ſagen, ob ich es billigte, daß er an dem Lord M. ſchreibe?

Jch dachte bey mir ſelbſt: die Fraͤulein Howe verbietet mir, den Mann zu verlaſſen.

Herr Lovelace, wenn aus der Sache jemahls etwas werden ſoll, ſo kann es mir nicht anders alshoͤchſt97hoͤchſt angenehm ſeyn, wenn es mit voͤlliger Be - willigung der einen Familie geſchiehet, da die an - dere Familie ſo ſehr dawider iſt.

Wenn aus der Sache jemahls etwas wer - den ſoll! Herr Gott! Was ſind mir das an die - ſem Morgen fuͤr Worte! Mit voͤlliger Bewil - ligung der einen Familie! Was Bewilligung? Meine gantze Familie wird es ſich fuͤr die groͤſſeſte Ehre ſchaͤtzen, und recht hochmuͤthig daruͤber ſeyn wenn ſie mit einem ſolchen Frauenzimmer verwant werden kann. Wenn doch der Himmel gaͤbe, daß morgen der angenehmſte Tag meines Lebens ſeyn moͤchte, ohne daß ich Zeit haͤtte jemand zur Hochzeit zu bitten. Was ſagen ſie mein Engel? (Er zit - terte hiebey vor Ungeduld; und dieſes mahl konnte es ſchwerlich Verſtellung ſeyn) Was ſagen ſie zu dem morgenden Tage?

Jch haͤtte vielleicht viel dazu ſagen, oder einen andern Tag beſtimmen koͤnnen, wenn ich Luſt ge - habt haͤtte. Allein er ſelbſt hatte mir ja zu verſte - hen gegeben, daß wir es noch aufſchieben koͤnnten.

Soll es denn uͤbermorgen ſeyn? oder den Tag nach uͤbermorgen? Hier ergriff er mir beyde Haͤn - de, und ſahe mir ſo in das Geſicht, daß ich gantz beſchaͤmt daruͤber ward.

Nein Herr Lovelace! nein! was iſt denn vor - gefallen, daß ſie auf einmahl ihre Gedancken aͤn - dern, und ſo ſehr eilen wollen? Es wird am aller - geſchicklichſten ſeyn, wenn ihr Onckle bey der Hoch - zeit gegenwaͤrtig iſt.

Vierter Theil. GJch98

Jch will der Gehorſam und die Verleugnung ſelbſt ſeyn. (ſagte der Menſch mit einer aufgeblaſe - nen Mine, nicht anders als wenn ich ihm einen An - trag gethan haͤtte, den er ſich gefallen lieſſe, und als wenn ich ihm wegen einer wichtigen Verleugnung Danck ſchuldig waͤre.) Um nicht unbeſcheiden zu ſcheinen, mußte ich mich ſehr vergnuͤgt ſtellen. War dieſes nicht noͤthig, mein Schatz? Wollte Gott Doch was hilft das Wuͤnſchen?

Als er ſich ſelbſt vor ſeine Verleugnung (nach ſeinen Ausdruck) eine Belohnung nehmen und mich kuͤſſen wollte, ſo ſtieß ich ihn mit hertzlicher Verach - tung von mir: es ſchien ihm dieſes zu verdrieſſen und zu wundern, weil er ſich ſeiner Meynung nach ſo gegen mich erklaͤret hatte, daß er eine beſſere Auf - fuͤhrung von mir verdienete. Er ſagte gantz deut - lich: wir ſtuͤnden in ſolchem Verhaͤltniß gegen ein - ander, daß er ſich zu dergleichen unſchuldigen Frey - heiten berechtiget hielte. Er erſtaune gantz dar - uͤber, und es ſey ihm ſehr empfindlich, daß ich ihn ſo hoͤniſch abwieſe.

Jch konnte nicht antworten, ſondern gieng ploͤtz - lich von ihm. Jch erinnere mich, daß ich im Vor - beygehen ihn im Spiegel ſahe, wie er ſich mit der vollen Fauſt vor die Stirne ſchlug. Jch hoͤrte auch die Worte: Kaltſinnigkeit! Haß! und daß er etwas von Eiß ſagete, das ich nicht recht verſtehen konnte.

Jch weiß nicht, ob er noch an ſeinem Onckle oder die Fraͤulein Montague zu ſchreiben gedenckt. Da ich jetzt aufhoͤren muß, bloͤde und ſchamhaft zu ſeyn, ſo iſt es mir vielleicht zu verdencken, daß icheine99eine Auffuͤhrung von ihm erwartet, von der er viel - leicht keinen Begriff hat. Wenn er gar glauben ſollte, daß er artig gegen mich iſt, und nie ſich an - ders aufzufuͤhren gedencket, ſo bin ich mehr zu be - dauren, als zu tadeln. Und endlich, wenn ich ihn nehmen muß, wie ich ihn finde, ſo muß ich: das iſt, ich muß einen Mann nehmen, der ſo hochmuͤ - thig, und ſo gewohnt iſt ſich bewundern zu laſſen, daß er ſich keiner innern Maͤngel bewuſt, und des - wegen blos daran gedencket, ſeine Perſon zu zieren, nicht aber ſein Hertz zu beſſern. Weil ſeine Erklaͤ - rungen in manchen Stuͤcken vortheilhafter vor mich ſind, als ich es gehoffet haͤtte, und er von mir ſeiner Meinung nach ſehr viel zu erdulden hat; ſo will ich mich hinſetzen, und ſie beantworten, falls mich nicht ein neuer Krieg daran hindert. Jch will die Ant - wort ſo einrichten, daß er gegen meine Vorſchlaͤge eben ſo wenig ſoll einzuwenden haben, als ich an den ſeinigen auszuſetzen habe.

Sehen Sie nicht mein Schatz, was fuͤr ein Ge - wirre ſich in unſern Gemuͤthern befindet?

Jch will gern fuͤr meine Suͤnde dadurch buͤſſen, daß ich alle Hoffnung in dieſem Leben gluͤcklich zu ſeyn aufgebe, denn ich fuͤrchte, daß ich mit ihm eine ſchlechte Ehre haben werde: wenn mir nur nicht noch mehr Strafe beſtimmet iſt. Jch will damit zufrieden ſeyn, daß ich bis an das Ende meines Lebens, welches doch nicht weit entfernt ſeyn kann, Leyden und Truͤbſaal zu gewarten haben. Vielleicht wird ihm ſein Gewiſſen nach meinem Tode ſagen, daß er der Moͤrder einer unſchuldigen Frau gewor -G 2den100den iſt, und dieſe Erinnerung wird machen, daß ſeine zweyte Gemahlin beſſere Zeit bey ihm hat, wenn ſie gleich keine beſſere Zeit verdienet. Meine Geſchichte wird allen, die ſie hoͤren, die Lehre ge - ben; daß das Auge ein Betruͤger iſt, und daß wir es billig verdaͤchtig halten muͤſſen: daß die Geſtalt betruͤglich iſt, und Schoͤnheit des Leibes und des Gemuͤths ſich ſelten beyſammen finden: endlich, daß wir allein auf geſunde Grund-Saͤtze der Tugend, und auf ein redliches Hertz unſere kuͤnftige Gluͤck - ſeligkeit in dieſer und jener Welt gruͤnden koͤnnen.

So viel von Herrn Lovelaces Vorſchlaͤgen, daruͤber ich mir Jhre Meinung ausbitte. Jch verbleibe

Wertheſte Freundin Jhre ewig ergebene Cl. Harlowe.

Herr Lovelace hat unter dieſer Zeit vier Briefe geſchrieben, die nur darin von den Nach - richten der Fraͤulein unterſchieden ſind, daß er ſeine gewoͤhnlichen luſtigen Anmerckungen macht, und bis veilen uͤber die Entſchlieſſungen der Fraͤulein ſehr ungehalten iſt. Wir wollen nichts als einige Aus - zuͤge daraus mittheilen.

Was wuͤrde aus mir und aus meinen Anſchlaͤ - gen geworden ſeyn, wenn ich nicht ihren Vater und ihre unverſoͤhnliche Familie zu Freunden ge - habt haͤtte? (Hier folgen Drohungen und Schwuͤre101 Schwuͤre ſich zu raͤchen) Jch ſehe klar, ſie hat ſich gantz von mir los ſagen wollen: und ich wuͤrde die - ſem Ungluͤck nicht haben vorbeugen koͤnnen, wenn ich nicht den Baum mit der Wurtzel ausgeriſſen haͤtte, um an die Fruͤchte zu kommen, die ich nun ſanfter abzuſchuͤtteln hoffe, wenn ich die Zeit erwarten kann, da ſie reif werden.

Er frohlocket uͤber ſeine unbelebte Grauſam - keit, in folgenden Worten: nachdem Sie mir ſo hochmuͤthig begegnet iſt, ſo will ich ſie zwingen, ſelbſt auszuſprechen, was ſie in ihrem Hertzen denckt. Jn dem Geſicht, in dem Ton, in dem liſtigen Zaudern eines Frauenzimmers, das etwas gerne ſagen will und nicht kann, ſind tau - ſend Schoͤnheiten anzutreffen. Einige unver - ſtaͤndige Leute, die ſich fuͤr artig und fuͤr grosmuͤ - thig halten, machen ſich eine Ehre daraus, daß ſie ein Frauenzimmer nicht in ſolche Noth ſetzen. Unverſtaͤndig genug ſind ſie: ſonſt wuͤrden ſie ſich nicht eines ſo groſſen Vergnuͤgens berauben, und zugleich dem Frauenzimmer die Gelegenheit ent - ziehen, ſich durch eine gantze Welt von neuen Schoͤnheiten zu ſchmuͤcken. Wer eine freye Le - bens-Art fuͤhren will, dem iſt ein hartes und fuͤhl - loſes Hertz unentbehrlich. Er iſt der Noth ſchon gantz gewohnt, die er verurſachet, und laͤßt ſich ſelten durch eine Schwaͤche hinreiſſen, die ſich fuͤr ihn nicht ſchicket. Wie oft habe ich einem lie - ben Kinde gegen uͤber geſeſſen, und mich uͤber ſeine Verwirrung gefreuet, wenn es nicht aufhoͤ - ren konnte, meine Schuh-Schnallen mit tiefer Ver -G 3 wun -102 wunderung zu beſehen, oder mit verworrenen Au - gen ſeine geiſtlichen Betrachtungen uͤber eine Jn - dianiſche Figur in der Tapete anzuſtellen.

Von der Eheſtiftung ſchreibt er alſo: es iſt mir mit den Bedingungen ein Ernſt. Wenn ich ſie heyrathe, (dazu ich groſſe Verſuchungen habe,) wenn mein Hochmuth und meine Rache befriediget iſt, ſo will ich ihr vollkommene und recht edle Gerechtigkeit widerfahren laſſen. Je mehr ich einer ſolchen klugen und vortreflichen Hauswirthin Geld in die Haͤnde gebe, deſto beſſer iſt es fuͤr mich. Aber bey meiner Seele! Bel - ford, ihr Hochmuth muß ſo weit gedemuͤthiget werden, daß ſie deutlich geſtehet: ſie liebe mich und ſey mir Danck ſchuldig. Was ich von der Eheſtiftung aufgeſetzet habe, das wird uns nicht viel weiter bringen. Die dem ſchoͤnen Geſchlecht eigene Bloͤdigkeit wird immer meine Freundin bleiben, und mir wieder los helfen. Jch wollte mich anheiſchig machen, es durch ein eintziges Wort dahin zu bringen, daß die ſo hochmuͤthige Schoͤne noch vor dem Altar den Prediger und mich ſtehen lieſſe. Wenn gleich zwantzig von meinen guten Freunden dabey waͤren, ſo wuͤrden die ſich einander als betrogene Narren anſehen muͤſſen: mein Kind wuͤrde indeſſen Fluͤgel bekom - men, und wenn die Kirch-Thuͤr nicht offen waͤre, zu den Fenſter hinaus fliegen.

Er meldet hierauf ſeinen harten Ausdruck, daß ſie die Seinige werden ſollte, wenn er ſie auch durch die ewige Verdammniß erkauffen muͤßte: er geſtehet,daß103daß er eben damahls habe Gewalt gebrauchen wol - len, allein er ſey noch zu rechter Zeit abgeſchrecket worden, da er ihr bekuͤmmertes und liebenswuͤrdi - ges Geſicht erblicket haͤtte, in welchem ein jeder Zug eine Abbildung ihres unſchuldigen und unbe - fleckten Hertzens geweſen waͤre.

O Tugend! Tugend! was haſt du, dadurch du das Hertz eines ſolchen Mannes als ich bin wider ſeinen Willen ruͤhren kannſt? Warum zittere ich, wenn ich behertzt ſeyn will? warum fuͤrchte ich mich ſo ſehr eine Tod-Suͤnde zu begehen? Was iſt das fuͤr ein Ding, das in der Bruſt eines ſchwa - chen Frauenzimmers lebet, und doch den dreiſte - ſten Mann zwingen kann, vor Ehrfurcht zu erbe - ben? Das Ding hat niemahls bey mir die Wuͤr - ckung gehabt, nicht einmahl in meinen erſten Krie - gen, da ich noch jung war, und mich uͤber meine eigene Verwegenheit entſetzte, bis ich merckte, daß ſie mir vergeben wuͤrde.

Er mahlet ſeine Gemuͤths-Bewegungen mit le - bendigen Farben, die er empfunden hat, als die Fraͤulein durch den Nahmen eines Vaters ſo ſehr geruͤhret ward:

Es ging mir dieſes ungemein zu Hertzen; allein ich ſchaͤmte mich, daß ich ſo wenig maͤnnliches bey mir fand. Jch ward ſo ſehr daruͤber beſchaͤmt, daß ich mich ſo gleich entſchloß meine Schwachheit zu beſiegen, und kuͤnftig beſſer auf meiner Huth zu ſeyn. Allein den Augenblick bedaurete ich faſt, daß ich ihr die Freude uͤber einen Sieg nicht goͤn - nen konnte, den ſie ſo ſehr verdienete: denn Ju -G 4 gend,104 gend, Schoͤnheit, ungekuͤnſtelte Unſchuld, und die Art ſich auszudruͤcken, gaben ihr ſolche Schoͤnhei - ten, die alle Vergleichungen und alle Beſchreibun - gen der Feder uͤbertreffen. Nur ihre Kaltſinnig - keit, Belford! ſie konnte ſich doch entſchlieſſen, mich der Bosheit meiner Feinde aufzuopfern, und zwar dieſes mit der groͤſſeſten Heimlichkeit: da ich doch bis zum Unſinn in ſie verliebt bin, und ſie wie eine Goͤttin anbete. Durch dieſe Betrachtungen ſtaͤrckte ich mein ſchwachglaͤubiges Hertz. Allein ich ſehe doch, daß ſie endlich ſiegen wird, wenn ſie ſich mir ferner widerſetzet. Sie hat mich ein - mahl furchtſahm gemacht, da ich vorhin von kei - ner Furcht wußte.

Bey dem Beſchluß ſeines vierten Briefes geraͤth er daruͤber in die aͤuſſerſte Wuth, daß ſie ſeinen Kuß verſchmaͤhet hat, da er hoffete, daß ſein grosmuͤthi - ger Aufſatz oder Entwurf einer Eheſtiftung ſie ihm gantz gefaͤllig machen wuͤrde.

Jch will ihr dieſes Zeit Lebens nicht vergeſſen. Jch will durch das Andencken dieſer Schmach mein Hertz zu Stahl machen, um das Eiß zu zerſpal - ten, damit ihr Hertz bedeckt iſt. Jch will ihr den Unwillen und die Verachtung vergelten, die ſie mir bey ihrem ploͤtzlichen Abſchied durch einen jeden Blick zu verſtehen gab, nachdem ich ihr ſo demuͤthig begegnet war, und ſie ſo ſehr um Be - ſchleunigung unſerer Hochzeit gebeten hatte. Die Maͤdchens in unſerm Hauſe ſagen: ſie verachte oder ſie haſſe mich. Es iſt wahr! Sie thutdieſes!105 dieſes! Sie muß mich haſſen oder verachten! Warum folge ich nicht dem Rath, der mir gegeben wird? Es wird nicht lange waͤhren, liebes Kind, daß du mich verachten und auslachen darfſt!

P. S. Die Muͤhe, die ſich mein Kind gegeben hat, meiner loos zu werden, wenn es bey den Seinigen eine Zuflucht zu gewarten haͤtte, und daß an dem Sonntage eine Kutſche beſtellet war, die meinen Schatz nicht wieder nach Hauſe gebracht haben wuͤrde, wenn ich ihn nicht begleitet und bewachet haͤtte, denn hat die Fraͤulein nicht ſelbſt geſagt, daß ſie ſich auf eins der benachbarten Doͤr - fer begeben wollte, um in der Stille zu ſeyn?) Hoͤre Bruder, alle dieſe Dinge machen mich unru - hig! Jch habe deswegen meinem Diener und den Waͤchterinnen dieſes Hauſes von neuen geſchrie - bene Befehle gegeben, wie ſie ſich verhalten ſollen, wenn mein Voͤgelchen in meiner Abweſenheit da - von fliegen ſollte; inſonderheit habe ich meinen Kerl unterrichtet, was er fuͤr eine Luͤge vorbrin - gen ſoll, wenn mein Kind bey gantz fremden Len - ten Schutz ſuchen ſollte, um meinem Schutze zu entgehen. Jch werde noch mehr zu dieſen Befeh - len hinzuthun, wenn es die Noth erfodert.

Der funfzehnte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.

G 5Jch106

Jch habe weder Zeit noch Geduld, den Haupt - Jnhalt Jhres Briefes, der mir eben zu Haͤn - den gekommen iſt, zu beantworten. Es iſt mir alles, was von Herrn Lovelacen darin enthalten iſt, misfaͤllig; den Entwurf der Eheſtiftung aus - genommen: und dennoch bin ich gleicher Meinung mit Jhnen, daß der Beſchluß dieſes Entwurfes ſo kalt iſt, daß man bey Durchleſung des Entwurfes ſelbſt gantz andere Ausdruͤcke und Bitten erwarten mußte. Jch habe Zeit Lebens von keinem Men - ſchen gehoͤret, der ein ſo nahes, ein ſo unvergleichli - ches Gut mit ſo vieler Gelaſſenheit begehret hat. Allein (zwiſchen uns geſagt) ich glaube, daß Leute von ſeiner Art nichts von den Flammen fuͤhlen, da - durch redliche und ehrliche Leute entzuͤndet werden. Vielleicht hat ihre Eliſabeth recht, daß er erſt ein halb Dutzend aufopfern muß, ehe er ſich auf Le - bens-lang einlaſſen will. Ehe er das groſſe Stuffen - Jahr uͤberſtanden hat, koͤnnen Sie ihn nicht fuͤr ehrlich und zuverlaͤßig halten.

Sollte der Menſch aus Hoͤflichkeit gegen den Lord M. einen Aufſchub machen, und ſo viel Zeit zu der Eheſtiftung gebrauchen? Man hat ihm noch nie nachgeſagt, daß er gegen ſeine Anverwanten hoͤflich waͤre. Jch verliere alle Geduld. Sie haͤtten in der That geſtern fruͤh einen Freund noͤthig gehabt, der fuͤr Sie geredet haͤtte. Wenn ich damahls an Jhrer Stelle geweſen waͤre, ſo wollte ich ihm die Augen ausgekratzt, und nachher Zeit gelaſſen ha - ben ſich zu beſinnen, warum es geſchehen waͤre.

Er107

Er wuͤnſcht, daß morgen ſein gluͤcklicher Tag ſeyn moͤchte, und daß er nicht Zeit haͤt - te, jemanden zur Hochzeit zu bitten! Der Schelm: Eben hatte er ſelbſt den Vorſchlag gethan, ſeinen Onckle zur Hochzeit zu bitten. Er ſcheint Jhnen den Verzug beyzumeſſen! Was fuͤr ein Menſch! Jch aͤrgere mich nur uͤber ihn!

Wiewohl, bey der Verhaͤltniß, in der Sie jetzt mit einander ſtehen, ſollte ich billig meinen Unwil - len verbergen: und dennoch weiß ich nicht, was ich thun ſoll. Denn ein Frauenzimmer kann nicht un - gluͤcklicher ſeyn, als wenn es einen Mann nehmen muß, den es verachtet. Sie koͤnnen nicht anders, als ihn bisweilen verachten. Jch wuͤnſchte uͤbrigens, daß die Fauſt, damit er ſich vor den Kopf ſchlug, ein Beil in der Hand ſeines aͤrgſten Feindes gewe - ſen ſeyn moͤchte.

Jch werde darauf dencken, wie ich Sie aus ſeinen Haͤnden befreyen, und Jhnen eine Zuflucht verſchaf - fen moͤge, in der Sie die Ankunft des Obriſten Morden ſicher erwarten koͤnnen. Sie moͤgen mei - nen Vorſchlag unter ihren Papieren behalten, bis er bey Gelegenheit ausgefuͤhrt werden kann. Sie wiſſen doch gewiß, daß Sie nach eigenem Be - lieben ausgehen koͤnnen, und daß unſer Brief - wechſel geheim iſt? Jndeſſen kann ich Jhnen um Jhrer eigenen Ehre willen nicht rathen, ihn zu ver - laſſen, ſo lange Sie keine Urſache haben, ein Mis - trauen in die Aufrichtigkeit ſeiner Abſichten zu ſetzen. Jch weiß aber, daß Jhr Hertz leichter ſeyn wird, wenn Sie auf alle Faͤlle eine ſichere Zuflucht wiſſen.

Jch108

Jch wiederhohle es nochmahls: er kann ohnmoͤg - lich uͤble Abſichten haben! Allein er iſt ein Narre! Das iſt das Ende vom Liede. Weil Sie aber ein - mahl durch das Schickſaal an einen Narren ver - ſchenckt ſind, ſo heyrathen Sie ihn bey der erſten, der beſten Gelegenheit. Jch glaube zwar, daß er von der Art der Narren iſt, die ſich am wenigſten lencken laſſen: allein nehmen ſie ihn als eine Strafe an, wenn Sie ihn nicht fuͤr ihr Gluͤck halten koͤn - nen; und lernen Sie von ihm die Wahrheit, daß in dieſem Leben lauter Unvollkommenheit herrſchet.

Jch erwarte Jhren naͤchſten Brief mit Ungeduld, und verbleibe indeſſen

Jhre ergebenſte und getreue Anna Howe.

Der ſechzehende Brief von Herrn Belford an Herrn Robert Lovelacen.

Jch kann Jhnen nichts vorenthalten, das Sie ſo nahe angehet, als der einliegende Brief. Sie werden aus demſelben erſehen, was ihr On - ckle in Abſicht auf die Fraͤulein Harlowe befuͤrch - tet und wuͤnſchet, und wie ſehr allen Jhren Anver - wanten daran gelegen iſt, daß Sie wohl mit der Fraͤulein umgehen ſollen. Sie ſchmeicheln mir da - mit, daß ich viel bey Jhnen vermoͤchte: und ichwollte109wollte wuͤnſchen, daß zum wenigſten dieſes mahl Jhre Schmeicheley wahr ſeyn moͤchte.

Jch bitte dich noch einmahl Lovelace, uͤberlege die ungemeinen Vorzuͤge der Fraͤulein, ehe es zu ſpaͤte, und ehe du die Tod-Suͤnde begangen haſt. Dein Gewiſſen mahnet dich ſo oft um deine Pflicht: laß es einmahl recht ausreden. Gieb nicht zu, daß dein Hochmuth und dein wildes Hertz alle deine kuͤnftige Hoffnung vereitele. Wahrhaftig, es iſt nichts als Eitelkeit, Einbildung und Thorheit mit allen unſern wilden Einfaͤllen. Mit dem Alter werden wir kluͤger werden: und wenn wir auf un - ſere Jugend zuruͤck dencken, nachdem die Hitze ver - flogen iſt, ſo werden wir uns ſelbſt unſerer Thorheit wegen verachten, ſo oft uns die Partheyen bey - fallen, von denen wir Ehre gehabt haͤtten, und die wir haͤtten waͤhlen koͤnnen. Deine Reue wird die empfindlichſte ſeyn, wenn du dir ein ſo unvergleich - liches Wunder aus der Hand gleiten laͤßt: ein ſol - ches Wunder, das von der Wiege an unbefleckt iſt, und das in allen ſeinen Handlungen und Neigungen ſich ſelbſten gleich und unveraͤnderlich edel iſt. Ein ſolches Kind, das gegen den unvernuͤnftigen Va - ter ſeine Pflichten ohne Belohnung auch ohnausge - ſetzt erfuͤllet, muß gewiß die allerbeſte Frau in der Welt ſeyn, und den Mann gluͤcklich machen, der die Ehre hat es die Seinige zu nennen.

Bedencke, wie viel die Fraͤulein um deinetwillen gelitten hat. Zu eben der Zeit, da du alle Kuͤnſte anwendeſt, ſie ungluͤcklich zu machen, (zum wenig - ſten ſo wie ſie und die Welt das Wort ungluͤcklichver -110verſtehet) lieget ſie unter dem Fluch ihres Vaters, den du ihr zugezogen haſt. Willſt du ihres Vaters Buͤttel ſeyn, der den Fluch erfuͤllet?

Sage mir nur Lovelace, worauf du hochmuͤthig biſt? Du bildeſt dir ein, daß die gantze Harlowi - ſche und Howiſche Familie wider ihren Willen deine Marionetten ſind, die du zu Ausuͤbung deiner Rache gebrauchen kannſt. Allein was biſt du an - ders, als die Marionetten ihres unverſoͤhnlichen Bru - ders und ihrer neidiſchen Schweſter? Biſt du nicht ihr Werckzeug, dadurch ſie ihre unvergleichliche Schweſter aus den allerniedertraͤchtigſten Abſichten ungluͤcklich zu machen ſuchen? Jſt es dir ertraͤglich, daß du das Werckzeug deines abgeſagten Feindes, des Jacob Harlowe biſt? Gebraucht dich nicht der noch veraͤchtlichere Joſeph Lehmann als ei - nen einfaͤltigen Tropf, deſſen Beutel er melcken darf, ſo oft er will? Dienet er ſich nicht ſelbſten durch ſeine zweyzuͤngige Betruͤgerey mehr als dir? Biſt du nicht ein treuer Diener des Teuffels, welcher al - lein dich belohnen kann und wird, wenn du in deinen Bosheiten fortfaͤhreſt?

Wuͤrde irgend ein Menſch in der Welt ohne et - was dabey zu fuͤhlen, die Fragen auſſchreiben koͤn - nen, die ich in deinem Briefe finde? Ueberlies ſie hier, und halte ſie deinem harten Hertzen vor: wo - hin ſoll ſie ihre Zuflucht nehmen? Jhre El - tern und ihre Onckles wollen ſie nicht aufneh - men: ihre liebe Frau Norton muß ſich nach jenen richten, und darf ihr keine Zuflucht in ihrem Hauſe verſtatten! die Fraͤulein Howewird111wird es ſich auch nicht unterſtehen: in Lon - don hat ſie keinen Freund auſſer mir, ja ſie iſt gantz unbekannt in London. Was muß der fuͤr ein Hertz haben, der ſich uͤber eine ſolche Noth freuen kann, in welche er ſeine allerliebſte Schoͤne durch ſo viel Kunſt-Stuͤcke geſtuͤrtzet hat? Was war das fuͤr ein ausgeſucht-artiger und dennoch fin - ſterer Gedancke, dadurch ſie dich ruͤhrete und bey - nahe dein Hertz erweichte, als du den Lord M. nann - teſt, daß er bey der Hochzeit Vater-Stelle vertre - ten ſollte! Jhre zarten Jahre machen, daß ſie ſich nach einem Vater ſehnet, und einen Freund anzutref - fen hoffet. Mein lieber Lovelace, kannſt du dich entſchlieſſen gegen ſie ein Teuffel zu ſeyn, nachdem du ſie ihres Vaters beraubet haſt?

Du weißt, daß ich keinen eigenen Vortheil dabey ſuchen kann, wenn ich wuͤnſche, daß du dieſem un - vergleichlichen Kinde wohl begegnen moͤgeſt. Jch beſchwoͤre dich um dein ſelbſt willen, ich bitte dich um deiner Familie und um der Menſchlichkeit willen: ſey gegen die Fraͤulein Clariſſa Harlowe ehrlich.

Es kommt nicht darauf an, ob ſich dieſe Ermah - nungen zu meiner Lebens-Art ſchicken oder nicht. Jch bin arg genug geweſen, und bin noch mehr als zu arg. Wenn du meinen Rath annimſt, (der zugleich der Rath deiner gantzen Familie iſt) wie du aus der Einlage ſehen wirſt: ſo wirſt du mir vielleicht vor - werffen koͤnnen, daß ich ſchlimmer ſey als du (und doch wird dieſer Vorwurf vielleicht ungegruͤndet ſeyn.) Wenn du aber meinen Rath in den Wind ſchlaͤgeſt, und eine ſo vollkommen tugendhafte Perſon verfuͤh -reſt:112reſt: ſo muß ich ſagen, daß die zuſammengeſetzte Bosheit von zehen Teuffeln, die eine vollkommene Gewalt uͤber unſchuldige Kinder bekommen, nicht ſo viel Ungluͤck anrichte, als du alleine.

Man ſaget ſonſten, daß kein Koͤnig auf ſeinem Thron ſicher ſey, ſo bald es ſo verruchte Gemuͤther giebt, die nichts nach ihrem Leben fragen. Allein mit eben dem Recht kann man behaupten, daß die allerreineſte Tugend nicht ſicher iſt, ſobald es Leute giebt, die nach ihrer Ehre nichts fragen, und mit ihren Eyd-Schwuͤren und Geluͤbden einen Schertz treiben.

Du biſt in der Liebe aͤrger als ein See-Raͤuber: es kann ſeyn, daß du durch Liſt und Betrug ein Frau - enzimmer uͤberwindeſt, das ſo ſehr verſtricket iſt, und das von andern nicht den geringſten Schutz hat. Allein bedencke, ob es nicht edler und gerechter ge - gen ſie gehandelt iſt, und dir mehr Ehre bringet, wenn du dich ſelbſt uͤberwindeſt.

Jch ſage es nochmahls, es kommt mir nicht dar - auf an, ob meine jetzigen oder kuͤnftigen Handlun - gen mit meiner Predigt (wie du vielleicht meinen Brief nennen wirſt) uͤbereinkommen: allein das verſpreche ich dir, daß ich meinem eigenen Rath fol - gen, und heyrathen will, ſo bald ich ein Frauenzim - mer finde, das nur halb ſo viel Vollkommenheiten beſitzt als die Fraͤulein Clariſſa Harlowe, und mich wuͤrdigen will, mir ihr Ja-Wort zu geben. Jch will noch weiter gehen: ich will mit Gefahr meiner eigenen Ehre ihre Ehre auf die Probe ſetzen: das iſt, ich will ſie nehmen, ohne ein ſo unvergleichlichesFrauen -113zimmer durch Verſuchungen in ſeinen eigenen Augen herunter zu ſetzen, wenn es mir nicht die geringſte Urſache zum Argwohn giebet. Du ruͤhmeſt dich dem Adler darin gleich zu ſeyn, daß du dich nur an unſchuldige Kinder macheſt, und nicht an ſolche, die du mit Zaunkoͤnigen und Miſtfincken vergleicheſt: ich muß dir hiebey ſagen, daß ich hoffe nicht ein ein - ziges Maͤdchen verfuͤhrt zu haben, das ſonſt unver - fuͤhret wuͤrde geblieben ſeyn. Es iſt Suͤnde genug, wenn ich etwas mit dazu beygetragen habe, daß andere ungluͤckliche Huren ihr ſuͤndliches Leben fort - ſetzen, und einer von denen bin, welche die Gefalle - nen hindern wieder aufzuſtehen.

Der Obermeiſter unter den Teuffeln, unter dem du ſteheſt, mag dich endlich antreiben wozu er will, und dir noch ſo viel Boͤſes wider dieſes unvergleich - liche Kind eingeben, ſo hoffe ich doch, daß du mit dem eingeſchloſſenen Briefe ehrlich umgehen, und ihn nicht misbrauchen wirſt, mir den Lord M. zum Feinde zu machen. Denn du wirſt ſehen, daß er mir verbietet, dir von ſeinem Briefe Nachricht zu geben, dazu er Urſachen haben mag, die dir wenig Ehre bringen. Nimm meinen Eifer dir zu dienen ſo wohl auf, als er aus dem aufrichtigſten Hertzen kommt, damit dir zugethan iſt

Dein wahrer Freund J. Belford.

Der ſiebenzehnte Brief von dem Lord M. an Herrn J. Belford.

Vierter Theil. H(War114

(War in dem vorigen Briefe eingeſchloſſen.)

Wenn jemand in der Welt etwas bey meinem Vetter ausrichten kann, ſo ſind Sie es: ich ſchreibe deswegen an Sie um Sie zu bitten, daß Sie in der Sache ein gutes Wort reden wollen, die zwiſchen ihn und derjenigen Fraͤulein obwaltet, von der jedermann ſaget, daß ſie ihres gleichen in der Welt nicht habe: und das Spruͤchwort bleibt doch wahr: alle Leute koͤnnen nicht zugleich luͤgen.

Jch weiß zwar nicht, daß er boͤſe Abſichten gegen ſie hat: allein ich kenne ihn allzu wohl, daß ich bey dem langen Aufſchub nicht ſollte beſorget ſeyn. Das Frauenzimmer in meiner Familie iſt auch voller Furcht: inſonderheit ſagt meine Schweſter, die La - dy Sadleir, welche wie Sie wiſſen eine ſehr kluge Frau iſt, daß der Aufſchub bey jetzigen Umſtaͤnden nicht von der Fraͤulein, ſondern von ihm herkom - men muͤßte. Er iſt immer ein Feind des Eheſtan - des geweſen: und es koͤnnte ihm in den Kopf kom - men, daß er ihr einen von ſeinen Hundes-Strei - chen ſpielen wollte, wie er ſchon ſo manchen gethan hat. Wenn dieſes zu beſorgen ſeyn ſollte, ſo muß man in Zeiten vorbeugen: denn guter Kath iſt zu ſpaͤte wenn die Sache geſchehen iſt.

Er iſt immer ſo unverſtaͤndig und grob geweſen, daß er aus meinen Spruͤchwoͤrtern einen Schertz ge - macht hat. Jch aber ſchaͤme mich nicht, und werde mich von ihm nie abhalten laſſen Spruͤchwoͤrter zugebrau -115gebrauchen, die ein Compendium der Weißheit gantzer Voͤlcker und Jahrhunderte ſind, und oft mehr kluges in ſich enthalten, als das eckelhafte Ge - ſchwaͤtz unſerer meiſten Prediger und Sitten-Lehrer. Er mag lachen, wenn er will: Sie und ich, wir wiſſen es beſſer, denn, ob Sie gleich unter den Woͤlfen geweſen ſind, ſo haben Sie doch nicht von den Woͤlfen heulen lernen.

Er muß ja nicht wiſſen, daß ich von dieſer Sa - che an Sie geſchrieben habe. Jch ſchaͤme mich faſt es zu ſagen: allein er iſt immer mit mir umgegan - gen, als wenn ich ein Mann von ſehr mittelmaͤßigem Verſtande waͤre, und er wird den beſten Rath ver - achten, wenn er weiß, daß er von mir kommt. Er hat gewiß keine Urſache mich ſo zu verachten. Er wird keinen Schaden von mir haben, wenn er mich uͤberlebet: ob er mir gleich einmahl in das Ge - ſicht geſagt hat, ich moͤchte mit meinem Gute an - fangen, was ich wollte, die Freyheit waͤre ihm lie - ber als das Geld. Jch glaube, er denckt: ich koͤnnte ihn nicht mit meinen Fluͤgeln waͤrmen ohne ihn mit meinem Schnabel zu hacken: und ich habe ihn doch niemals ohne Noth gehacket. GOtt weiß, er koͤnnte mein Hertz haben, wenn er nur darin gefaͤllig gegen mich waͤre, daß er auf ſein eigenes Beſtes daͤchte; denn weiter verlange ich nichts von ihm. Seine arme Mutter hat ihn zuerſt ver - dorben, und nachher bin ich ihm zu gelinde geweſen. Sie werden dencken: das muß ein artiges danckba - res Gemuͤthe ſeyn, das Boͤſes fuͤr Gutes vergilt! Allein ſo iſt er immer geweſen.

H 2Dieſe116

Dieſe Verbindung koͤnnte zu ſeiner Bekehrung etwas beytragen, weil die Fraͤulein ein ſo auſſeror - dentliches Lob der Weisheit und Froͤmmigkeit hat. Wenn Sie etwas dazu beytragen koͤnnen, daß die Hochzeit bald vor ſich gehet, ſo will ich ihn in den Stand ſetzen, die allervortheilhaſteſte Eheſtiftung fuͤr die Fraͤulein zu machen: ja ich bin ſo gar ge - neigt, ihm noch uͤber das ein feines Gut zu geben. Denn wozu lebe ich in der Welt (wie ich oft ge - ſagt habe) als daß ich ihn und meine beyden Schwe - ſter Toͤchter wohl verſorget und wohl verheyrathet ſehen moͤge? GOtt wolle ihn bekehren, und ihm ein beſſeres und weiſeres Hertz geben.

Wenn der Verzug von ihm herkommt, ſo zit - tere ich, wenn ich an die Fraͤulein gedencke: iſt aber die Fraͤulein ſelbſt Schuld daran, (wie er an Charlotten geſchrieben hat) ſo wuͤnſchte ich, daß jemand der Fraͤulein zu verſtehen gaͤbe, daß aller Verzug gefaͤhrlich ſey. So unvergleichlich ſie iſt, ſo darf ſie ſich doch bey einem ſo veraͤnderlichen Men - ſchen und abgeſagten Feind des Eheſtandes auf ihre vortrefflichen Eigenſchaften nicht verlaſſen. Sie ſind wol ſo guͤtig, und geben ihr einen Winck. Ein Wort fuͤr den Weiſen iſt genug.

Jch wuͤnſche, daß Sie verſuchen moͤgen, was Sie bey ihm ausrichten koͤnnen. Jch habe ihn ſo oft von ſeinen gottloſen Streichen abgemahnt, daß ich alle Hoffnung verliere etwas bey ihm auszurichten. Allein er mag bedencken, daß die Rache bleyerne Fuͤſſe und eiſerne Haͤnde hat. Wenn er ſich gegen die Fraͤulein uͤbel auffuͤhret, ſo wird er daserfahren.117erfahren. Was fuͤr ein Jammer, daß ein Mann von ſo gutem Verſtande und von ſo groſſer Gelehrſam - keit ein ſolcher Boͤſewicht iſt! Ach! ach! Vne poig - née de bonne vie vaut mieux que plein muy de clergé; eine Hand voll Redlichkeit iſt mehr werth als ein Scheffel Gelehrſamkeit.

Sie koͤnnen ihm auch wol als ein guter Freund zu verſtehen geben, daß ich das Heyrathen noch nicht abgelobet habe, wenn er es mir zu arg macht. Mein Freund Wycherley heyrathete noch in ei - nem hoͤheren Alter, um ſeinen Vetter Verdruß zu machen: und ohngeacht deſſen, daß ich mit dem Podagra behaftet bin, koͤnnte ich doch noch wol ein oder ein paar Kinder kriegen. Es ſind mir auch wol ſolche Gedancken eingefallen, wenn er mich gar zu ſehr geaͤrgert hat: ich habe ſie aber auch wieder fahren laſſen, weil mir das Spruͤchwort beyfiel, daß grauer Leute Kinder ſelten grau werden, (wie - wohl ich noch nicht ſehr alt bin) und daß alte Leute auf einer jungen Frau gemeiniglich nach den Himmel reiten. Und doch koͤnnte es vielleicht bey dem verdrieslichen Podagra mir zur Erleichte - rung dienen, wenn ich mich verheyrathete.

Die Spruͤchwoͤrter, die ich mit Willen in meinen Brief habe einflieſſen laſſen, koͤnnen Jhnen vielleicht nuͤtzliche Dinge leiſten, wenn Sie mit ihm reden: allein gebrauchen Sie ſie ſpahrſam, damit er nicht merckt, daß ſie Jhre Pfeile aus meinem Koͤcher entlehnen.

Wenn doch Jhr guter Rath, dazu ich Jhnen den Stoff gegeben habe, in ſein Hertz dringenH 3und118und ihn bewegen moͤchte, ſo zu handlen, wie es ſei - ne eigene Wohlfahrt und die Ehre des unvergleich - lichen Frauenzimmers erfodert, die ich ſo gern ſei - ne Gemahlin nennen moͤchte: wenn er Jhnen fol - get, ſo will ich niemahls in meinem Leben an eine Gemahlin dencken. Wenn er aber das Vertrau - en, das die Fraͤulein in ihn geſetzt hat, misbrau - chet, ſo will ich ſelbſt beten, daß die Rache auf ſei - nen Kopf kommen moͤge. Raro raro (ich vergeſſe faſt alles mein Latein! Allein mich duͤnckt, ſo heiſt es:) raro antecedentem ſceleſtum deſeruit pede poena claudo: Wo Bubenſtuͤck und Bosheit ſchleichen, Da wird die Straf ſie auch erreichen.

Jch will mich weiter nicht entſchuldigen, daß ich Jhnen dieſe Muͤhe mache. Jch weiß, daß Sie ihn und mich lieben: und Sie koͤnnen uns beyden keinen wichtigern Dienſt leiſten, als wenn Sie die - ſe Heyrath nach aͤuſerſtem Vermoͤgen befoͤrdern. Wie ſehr werde ich mich freuen, Sie alsdenn zu M Hall zu ſehen. Unter Anwuͤnſchung eines gluͤcklichen Ausgangs Jhrer Bemuͤhung verharre ich

Dero getreuer Freund und Diener M.

Weil Herr Lovelace nicht gleich auf Herrn Belfords Brief geantwortet hatte, ſo ſchreibt dieſer von neuen an ihn, und iſt beſorget, daß er ſeine Aufrichtigkeit moͤchte uͤbel genommen haben. Unter119Unter andern ſchreibt er: Jch bringe meine Zeit zu Watford bey meinem ſterbenden Onckle ſehr verdrieslich zu. Jch kann dich deswegen deiner Schuldigkeit an mich zu ſchreiben nicht entlaſſen. Willſt du mich dafuͤr ſtrafen, daß ich mehr Ge - wiſſen habe als du? Haſt du dir doch nie eine Ehre daraus gemacht gewiſſenhaft zu ſeyn! Jch muß dir auch noch die traurige Geſchichte von dem Belton und ſeiner Thomaſine erzaͤhlen, daraus ſich die eine Lehre nehmen koͤnnen, die ſich mit Maitreſſen behelfen. Jch habe Briefe von unſern drey Freunden erhalten. Sie ſind eben ſo gottlos als du, aber nicht ſo liſtig. Zwey unter ihnen ruͤhmen ſich einiger neuen Schelm-Stuͤcke, die der Galeeren werth ſind, wenn ſie zum Ausbruch kommen.

Jch bin ſonſt kein Feind der Schelmerey. Al - lein das ſind verdriesliche Briefe, wenn ungeſchickte Koͤpfe Schelme werden wollen, und ihre Schel - merey ohne den Witz, der deine Briefe wuͤrtzet, zu Papiere bringen. Allein du Lovelace wirſt von mir ſehr erſuchet, mich durch eine Beſchreibung wider dieſes Frauenzimmer aufzumuntern, du magſt ſie nun in das Werck richten oder nicht. Hierdurch wirſt du ſehr verbinden

deinen niedergeſchlagenen Freund J. Belford.

Der achtzehnte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

H 4Nach -120

Nachdem ich dir meine Abſichten ſo weitlaͤuftig entdecket habe; nachdem ich dir geſagt ha - be, daß ich die Tugend nur auf den Probier - Stein bringen will, vor dem ſie ſich nicht fuͤrchten darf, wenn ſie aͤcht iſt, und daß ich ſie durch die Ehe belohnen will: (das iſt, daß ich ſie heyrathen will, wenn ich ſie beſieget habe, und ſie nicht be - wegen kann, die neue Lebens-Art der vornehmen Leute mit mir zu erwaͤhlen, die ich ſonſt der Ehe ſehr vorziehen wuͤrde) ſo wundere ich mich, wie du deine alten Thorheiten, die ich vor laͤngſt ver - dauet hielt, dir immer wieder kannſt aufſtoſſen laſſen.

Jch bin einerley Meinung mit dir, daß ich mit den Jahren kluͤger werden, und meine jetzigen wil - den Einfaͤlle fuͤr nichts als Einbildung und Thor - heit halten werde. Allein die Zeit muß erſt da ſeyn, ehe ich kluͤger werde.

Jrre dich nicht, ich will mir dieſes unver - gleichliche Wunder nicht aus der Hand glei - ten laſſen.

Kannſt du halb ſo viel zu ihrem Lobe ſagen, als ich beſtaͤndig ſage und ſchreibe?

Der finſtere Vater verfluchte das liebe Kind, weil es ſeiner Gewalt entflohe, und er es nicht zwingen konnte, einen verhaßten Mann zu nehmen. Du weißt daß dieſes nach meinem Urtheil nicht ihr groͤſſeſter Verdienſt iſt. Soll ich nicht die Tugend erſt unterſuchen, die ich hernach zu belohnen geden - cke? Soll ich ſie ohne Unterſuchung fuͤr vollwichtig annehmen, weil der Vater ein Unmenſch iſt? Wielange121lange willſt du ein ſo unvergleichliches Frauenzim - mer ſchimpfen, als wenn es in der Verſuchung nicht beſtehen wuͤrde? So oft du einen Brief ſchreibeſt, ſo giebſt du vor, ſie wuͤrde und muͤßte uͤberwun - den werden, weil ſie ſo ſehr verſtricket ſey: und dennoch iſt es ihre Tugend, die dich zu ihrem Freun - de und Vertheidiger macht.

Nenneſt du mich ein Werckzeug des veraͤcht - lichen Jaͤckel Harlowes? Wie fluche ich auf dich! ein Werckzeug des Bruders! der Schweſter! allein gieb auf das Ende Achtung, ſo wirſt du ſehen, was aus dem Bruder und aus der Schweſter wer - den ſoll.

Gebrauche dich meiner ſinnlichen Schwachhei - ten nicht gegen mich, wenn ich ſie dir bekenne. Dieſe ſinnlichen Schwachheiten ſind eine Widerlegung deſſen, was du von meinem fuͤhlloſen Hertze ſchreibſt, und du wuͤßteſt nicht einmahl etwas davon, wenn ich es dir nicht gemeldet haͤtte.

Du bleibſt immer bey dem alten Liede: wenn ich eine ſo ungemein tugendhafte Perſon ver - fuͤhrte bald behaupteſt du, daß die allerreine - ſte Tugend nicht ſicher iſt, ſo bald es Leute giebt, die nach ihrer Ehre nichts fragen, und mit ihren Eydſchwuͤren und Geluͤbden einen Schertz treiben. Dencke nur, einfaͤltiger Kerl, was wuͤrde das fuͤr eine Tugend ſeyn, die ſich ohne Eydſchwuͤre uͤberwinden lieſſe? Jſt nicht die Welt gantz voll von dergleichen Betruͤgereyen? Sind nicht die Eydſchwuͤre der Verliebten gemeiniglich ein Ball, damit geſpielet wird? Beſtehet nicht einH 5noth -122nothwendiges Stuͤck der guten Erziehung eines Frauenzimmers darin, daß es vor der Untreue un - ſeres Geſchlechts gewarnet wird?

Jch will ſuchen, mich ſelbſt zu uͤberwinden; allein ich muß vorher dieſes Frauenzimmer uͤber - wunden haben. Habe ich dir nicht laͤngſtens geſaget, daß es zur Ehre des ſchoͤnen Geſchlechtes gereiche, wenn ich dieſen Verſuch anſtelle.

So bald du ein Frauenzimmer findeſt, das nur halb ſo viel Vollkommenheiten beſitzet als die Fraͤulein Clariſſa Harlowe, ſo willſt du heyrathen! Thue das: es ſtehet dir frey.

Jch freue mich, daß du dir ein Gewiſſen daruͤ - ber machſt, daß du kein Buß-Prediger bey den Huren biſt, die andere Leute verfuͤhret haben. Jch will nicht dein Anklaͤger werden; ſonſt koͤnnte ich dir leicht etwas zu verdauen geben, wenn du dich ruͤh - meſt, daß du nie ein Maͤdchen verfuͤhret haſt, das nicht ohne dich verfuͤhrt ſeyn wuͤrde. So troͤſtet ſich ein Hottentotten-Hertz: das lieber andern Raub-Voͤ - geln das Aas auffrißt, als ſich entſchließt ſich zu beſſern. Allein ſage mir, wuͤrdeſt du ein ſolches Maͤdchen, als mein Roſen-Knoͤſpgen war, geſcho - net haben, wenn ich dir nicht mit Grosmuth vorge - gangen waͤre? Mein Roſen-Knoͤſpgen iſt nicht das eintzige Maͤdchen, welches Proben von meiner Gros - muth hat. So bald man mein Vermoͤgen erkann - te, Schaden zu thun, ſo bald war niemand mitley - diger als dein Freund.

Der Widerſtand entflammt die Liebe,
Und wehet ihre Funcken an.
Die123
Die Ruhe ſchwaͤchet ihre Triebe,
Und macht den Bogen ſchlapp, daß er nicht
treffen kann.
Die Pfeile pflegen zu verwunden,
Die uns die ſchoͤne Feindin ſchickt.
Denn iſt die Wunde ſchon verbunden,
Wenn ein gewuͤnſchtes Ja den Wunſch zu fruͤh
begluͤckt.

Dieſes wiſſen die Frauens-Leute eben ſo gut als wir. Sie moͤgen ſich gern muthig angreiffen laſſen:

Durch Muͤh und Kampf muß man die guͤldne
Frucht erlangen,
Die blutend ſich ergiebt, damit ſie ſchaͤtzbar ſey.

Wie oft wird deswegen der hitzige Liebhaber dem kaltſinnigen Ehemanne vorgezogen. (Das war ein Neben-Einfall.) Und dennoch vergeſſen die Schoͤ - nen gemeiniglich, daß uns nie Veraͤnderung und die Neuigkeit hitziger und ergebener macht; und daß der allgemeinſte Anbeter aller ſchoͤnen Kinder und ihr allgemeiner Verfuͤhrer kaltſinnig gegen ſie ſeyn wuͤrde, wenn er ihre Liebe ſo oft genoͤſſe als ihr Ehe - mann: wie denn die liederlichſten Leute wenig Lie - be gegen ihre Weiber zu haben pflegen. Der Ehe - mann hingegen wird auf ein fremdes Frauenzim - mer hitzig ſeyn. Das gantze ſchoͤne Geſchlecht mag von Lovelacen dieſe Regeln ein vor allemahl ler - nen: daß es ſich dem Manne immer neu zu machen ſuche, und gegen ihn eben ſo hoͤflich und artig ſey, als gegen einen neuen Liebhaber: alsdenn wird der Liebhaber laͤnger in dem Manne bleiben, als es gemeiniglich zu geſchehen pfleget.

Doch124

Doch wieder auf das vorige zu kommen. Wenn ich jetzt meine Auffuͤhrung nicht genug gerechtfer - tiget habe, ſo beziehe ich mich auf meinen Brief von dem dreyzehnten des vorigen Monaths. Jch hoffe, daß du meine Briefe mehr als einmahl le - ſen wirſt.

Es iſt mir nicht zuwider, daß du dich ſo ſehr vor meinem Zorn fuͤrchteſt, und ſo gleich unruhig wirſt, wenn ich nur einen Tag nicht ſchreibe. Dein Gewiſſen muß dir doch ſagen, daß du meine Un - gnade verdienet haſt: und wenn es dich hievon uͤber - zeuget hat, ſo biſt du ſchon vor dem Ruͤckfall in eben dieſelbe Suͤnde verwahret. Laß dich warnen! Jch weiß nun, wie ich dich ſtrafen kann: und es koͤnnte mir leicht in den Sinn kommen, dich durch mein Stillſchweigen zu ſtrafen, ob ich gleich eben ſo gern von einer ſo angenehmen Materie ſchreibe, als du davon etwas lieſeſt.

Als ich noch ein kleiner Junge war, ſo ſahe ich mich gleich nach einem Stein oder Stock um, wenn ein Hund vor mir lief: und wenn ich keins von bey - den finden konnte, ſo warf ich meinen Hut hinter ihm her, damit er Urſache haben moͤchte, ſich zu fuͤrch - ten. Was nuͤtzt uns die Gewalt, wenn wir ſie nicht gebrauchen?

Berichte meinem Onckle, daß du ein Blat an mich voll geſchmiert haſt, ohne ihm den Jnhalt zu melden: denn ſo ſchlecht deine Gruͤnde ſind, ſo wuͤr - den ſie ihm doch wichtig vorkommen. Wenn man einmahl haben will, daß eine Sache wahr ſeyn ſoll, ſo laͤßt man ſich auch durch ſchlechte Beweiſe uͤber -zeugen.125zeugen. Der einfaͤltige gnaͤdige Herr bildet ſich nicht ein, daß ſich dieſes Kind wider das gantze Reich der Liebe gewaltſam empoͤret: er und die gantze Welt glaubet, daß es freywillig zu der Fahne der Liebe geſchworen hat. Jch werde getadelt und die Un - gehorſame bedauret werden, wenn es nicht nach Wunſche gehet.

Weil meinem Onckle ſo viel an dieſer Verbindung gelegen zu ſeyn ſcheinet, ſo habe ich an ihn geſchrie - ben: der uͤble Ruff, in dem ich ſtehe, habe meine Geliebte mit einem unbilligen Mißtrauen gegen mich erfuͤllet. Sie habe das Heimweh ſo ſtarck, und ſehne ſich ſo ſehr nach Vater und Mutter, daß ſie lieber nach Harloweburg zuruͤckkehren, als an Hochzeit gedencken wollte. Sie fuͤrchte ſo gar, daß ſie ſich durch ihre Flucht bey dem Frauenzim - mer einer ſo angeſehenen Familie herunter geſetzt und verdaͤchtig gemacht haben moͤchte. Jch erſuch - te meinen Onckle deswegen, einen Brief an mich zu ſchreiben, den ich ihr vorlegen koͤnnte: allein ihre Furcht muͤſſe auf eine gantz unvermerckte Art gehoben werden. Er moͤge gegen mich ſo frey ſeyn, als es ihm beliebte, ſo wollte ich es nicht uͤbel nehmen, weil ich wohl wuͤßte, daß er mir gern in ſeinen Briefen Ermahnungen zu geben pflegte. Er moͤge in dieſem Briefe mit erwehnen, was er bey meiner Veraͤnderung zu thun gedaͤchte. Jch baͤte ihn uͤbrigens, meine Hochzeit durch ſeine Ge - genwart zu ehren, damit ich den groͤſſeſten Seegen, den ich auf Erden erwarten kann, von ſeinen Haͤn - den empfangen moͤchte.

Jch126

Jch habe der Fraͤulein nicht mit Gewißheit ge - ſaget, daß ich dieſen Brief ſchreiben wollte; allein ſie kann es doch vermuthen. Jch werde ihr daher die Antwort nicht zeigen, wenn es nicht die aͤuſſer - ſte Noth erfordert: denn ich will nicht gern die Nah - men meiner Verwanten zu meinen Endzwecken gebrauchen. Und dennoch muß ich mich auf alle Faͤlle in Sicherheit ſetzen, ehe ich die Masque abneh - me. Darum habe ich ſie eben hieher gebracht.

Du ſieheſt hieraus, daß mir der Brief meines alten Onckles zu rechter Zeit zu Haͤnden kam. Jch dancke dir dafuͤr. Allein ſeine Spruͤchwoͤrter werden nicht viel bey mir ausrichten: er hat mich allzu fruͤh mit dieſer Weißheit gantzer Voͤlcker erſticket. So oft ich in meinen Kinder-Jahren um etwas bat, ſo oft antwortete er mit einem Spruͤchwort: und wenn dieſes eine abſchlaͤgige Antwort enthielt, ſo waren alle ferneren Bitten vergeblich. Jch ward daruͤber dem Worte ſo gram, daß ich mit dem ehrlichen Prediger, der mich unterrichten mußte, den Vertrag machte ich wollte zwar die Bibel leſen, allein er ſollte eins der weiſeſten Buͤcher darin uͤberſchlagen, das ich blos des - wegen nicht leſen wollte, weil es den Titel, Spruͤch - woͤrter, haͤtte. Dem Salomon war ich damahls von Hertzen feind, nicht um ſeiner Vielweiberey willen, ſondern weil ich dachte, er ſey auch ein ſolcher alter lehrreicher Knabe geweſen als mein Onckle.

Wir wollen die alten Geſchwaͤtze dieſen alten Leu - ten uͤberlaſſen! Warum thuſt du daruͤber ſo klaͤglich, daß dein Vetter ſterben will? Sagt nicht jedermann, daß er nicht wieder aufkommen kann? Jſt127Jſt es nicht eine wahre Barmhertzigkeit, wenn du ihm aus dem Elend hilfſt? Jch hoͤre, daß er noch vom Doctor, Apothecker, Feldſcher, und wie die leute alle heiſſen moͤgen, gequaͤlet wird, und daß doch der kalte Brand ſchon zu weit gekommen iſt, und bey jedem Beſuch das Urtheil des unvermeidlichen Todes von neuen uͤber ihn geſprochen wird. War - um verlaͤngern ſie ſeine Qual? Suchen ihm dieſe geſchaͤfftigen Peiniger nicht mehr Wolle als todtes Fleiſch abzuſchneiden? Wenn der Krancke einmahl aufgegeben iſt, ſo ſollten keine Gerichts-Gebuͤhren mehr fuͤr ihn an dieſem Schwarm bezahlt werden, der nur ſeine Erben beſtielet! Was haſt du zu thun, wenn das Teſtament ſo iſt, wie du es wuͤnſcheſt? Ließ er dich nicht holen, damit du deines Onckles Augen zudruͤcken moͤchteſt? Er iſt ja doch nur dein Onckle und nicht dein Vater.

Mich duͤnckt, es ſtehet in der Bibel, oder in einem andern guten Buche: ſollte es wol der Hero - dotus ſeyn? O nein! ich erinnere mich; es wird in dem Joſephus ſtehen, der ein halb geiſtlicher und halb weltlicher Geſchicht Schreiber war. Ein ge - wiſſer Koͤnig von Syrien ward von ſeinem vornehm - ſten Bedienten, oder von einem der zum wenigſten wegen ſeiner Klugheit der erſten Stelle unter ſeinen Bedienten wuͤrdig war, aus dem Wege geraͤumet. Wenn ich mich recht beſinne, ſo deckte er ihm das Geſicht mit einem naſſen Tuche zu: er ſtarb hie - von, und der kluge Moͤrder ward Koͤnig an ſeiner Statt. Vielleicht ſtehet in der Grundſprache ein Wort, das eben ſo viel bedeutet, als laudanum,welches128welches ein einſchlaͤffernder und betaͤubender Tranck iſt: vielleicht iſt das das naſſe Tuch, weil es die Sinne ſo bedeckt, als ein naſſes Tuch das Geſichte. Der Ueberſetzer hat vielleicht nicht gewußt, wie er es recht uͤberſetzen ſollte.

Unterſchreibſt du dich, als wenn du dich aufhaͤn - gen wollteſt, dein niedergeſchlagener Freund, J. Belford. Warum biſt du niedergeſchlagen? Darum, daß du den letzten Streit zwiſchen einem alten Manne und dem Tode ſehen ſollſt? Jch habe dich fuͤr maͤnnlicher gehalten. Du fuͤrchteſt dich nicht ſelbſt ei - nem ploͤtzlichen Tode, und dem Degen entgegen zu ge - hen: und du wirſt doch ſo tiefſinnig, wenn du einen ſo ſchleichenden Tod an andern ſieheſt. Was fragſt du nach dem taͤglichen Brennen und Schneiden? Das triſt doch nur das caput mortuum. Jch bitte dich, gehe doch zu den koͤniglichen Buͤtteln (ich will jetzt in dem Stilo veterum ſchreiben) und lerne von ihnen: die ſind aͤrger als dein Lovelace; an einem Tage machen ſie 10000 Witwen und 20000 Waͤyſen, und werden dafuͤr Magnus und le Grand genannt. Lerne von dieſen Veraͤchtern des Todes, wie du einen eintzigen Todes-Fall grosmuͤthig er - tragen ſollſt.

Jch wollte, daß mein Onckle mir ſchon Gelegen - heit gegeben haͤtte, dir ein Vorbild zu laſſen; ſo ſollteſt du ſehen, was fuͤr ein Held ich bin. Wenn ich haͤtte davon ſchreiben muͤſſen, ſo haͤtte es geheiſſen: der ſeelige todte Trojaner iſt gluͤcklicher, als wir le - bendige. Dieſe Hoffnung begluͤckt

deinen frohlockenden Freund R. Lovelace.

P.S. 129

P. S. Schreibe nicht immer einerley. Mel - de mir, wie es dem armen Belton gehet: und zwar dieſes je eher je lieber. Wenn ich ihm die - nen kann, es ſey in Perſon, oder mit Gelde, ſo darf er mir nur befehlen: Allein das letzte wird mir leichter ſeyn. Denn wie kann ich jetzt meine Goͤttin verlaſſen? Jch will aber ein Aufgebot an meine uͤbrigen Vaſallen ergehen laſſen. Wenn ihr einen Anfuͤhrer braucht, ſo laßt mich es wiſ - ſen: ſonſt will ich euch mein Antheil an Gelde uͤberſchicken.

Der neunzehnte Brief von Herrn Belford an Herrn Lovelacen.

Einen ſo verruchten Menſchen, als du dich in deinem Briefe von geſtern Abend bewieſen haſt, will ich nicht ein Wort weiter ſchreiben; ſon - dern die Fraͤulein dem Schutze derjenigen Gewalt, die allein Wunder thun kann, und ihrer eigenen Tugend uͤberlaſſen. Jch hoffe, daß ſie dennoch bewahret werden wird.

Jch will dir nur nach deinem Verlangen mel - den, wie es dem armen Belton gehet, ſonderlich da mir ſelbſt bey dieſer Geſchichte ſolche Gedan - cken uͤber unſere bisherige Lebensart und uͤber un - ſere boͤſen Vorſaͤtze auf das Kuͤnftige aufgeſtiegen ſind, die dir und mir nuͤtzlich ſeyn koͤnnen, wennVierter Theil. Jich130ich im Stande bin, ſie nachdruͤcklich genug zu entwerfen.

Der arme Mann beſuchte mich am Donner - ſtage, und ſtoͤrte meine traurige Beſchaͤfftigung bey dem Bette eines Sterbenden. Er machte den An - fang mit Klagen uͤber ſeinen ungeſunden Leib, krankes Gemuͤth, und ſchwindſuͤchtigen Huſten. Er ſagte, mit ſeinem Blutſpeyen wuͤrde es ſchlim - mer: und endlich kam er auf ſeine traurige Ge - ſchichte. Dieſe iſt voller Verwirrung, und traͤgt viel zu Vermehrung ſeiner Kranckheit bey. Es kommt endlich an den Tag, daß ſeine Thomaſine (die ihren Taufnahmen aͤnderte, damit ſie zum we - nigſten den Taufnahmen desjenigen tragen moͤch - te, in den ſie ſich, ihrem Vorgeben nach, verliebt hatte) mit einem Kerl zugehalten hat, welcher bey ihrem Vater Hausknecht geweſen iſt. (Jhr Va - ter hatte ein Wirthshaus zu Darking.) Der Beutel des armen Thomas hat dieſen eh - mahligen Hausknecht in einen vornehmen Herrn verwandelt. Sie iſt ſo klug geweſen, daß ſie die Fuͤhrung der Rechnungen uͤbernommen hat: und nun iſt ſie nicht im Stande zu ſagen, wo einige wichtige Poſten geblieben ſind, die ihr der arme Belton anvertrauet hat, und die er jetzt anwen - den wollte, die Schulden zu bezahlen, daſuͤr ſeln Erbgut in Kent verpfaͤndet war, welches er ihr ohne Schulden zu laſſen gedachte. Allein nun iſt dieſas unmoͤglich, denn die Zeit iſt nun, da die Schuld bezahlt werden ſoll. Sie iſt ſchon ſo lan - ge Zeit fuͤr ſeine Frau gehalten, daß er ſelbſt nichtweiß,131weiß, worzu er ſich in Abſicht auf ſie und ihre beyden Soͤhne entſchließen ſoll, in die er ſich ſo vergaffet hatte, und ſie fuͤr die Seinigen hielte, ob er gleich jetzt anfaͤngt daran zu zweifeln.

Du ſiehſt alſo, Lovelace, was es mit den Maitreſſen fuͤr ein Ende nimmt: Dieſe neue Lebensart iſt der uhralten nicht vorzuziehen. Der arme Schelm ſagte zu mir: Die Maitreſſe kann man wohl halten; aber die Guͤter dabey verlie - ren. Und ſiehe einmahl mein Todtengerip - pe an! Hierbey wieß er auf ſeinen ſchwind - ſuͤchtigen Leib.

Wie klug handeln wir, wenn wir uns auf un - ſere Freyheit, oder beſſer zu reden, auf die Frey - heiten, die wir uns ſelbſt nehmen, ſo vieles einbil - den! Wir haben gewiß nicht Urſache, den Ehe - ſtand ſo ſehr zu verachten, und unſere matten Schertze bey demſelben zu verſchwenden: wenn wir oft ſelbſt von unſern Maitreſſen durch Kuͤnſte, die wir ohngeachtet aller unſerer Klugheit nicht einſehen, betrogen werden, und mehr von ihnen am Stricke geſuͤhret werden, als es ſich irgend ei - ne Frau zu thun unterſtehet. Denn gewiß, Bel - ton iſt nicht der einzige in der Welt, dem es al - ſo gehet.

Laß uns dieſes reifer uͤberlegen, und zwar nach unſern freyen Grundſaͤtzen, und nicht nach den Ge - ſetzen oder Gebraͤuchen unſers Vaterlandes. Und dennoch koͤnnen wir dieſe Geſetze nicht uͤber den Haufen ſtoßen, wenn wir nicht zugleich alle die Pflichten unter die Fuͤße treten wollen, die unsJ 2als132als Gliedern der buͤrgerlichen Geſellſchaft ob - liegen.

Wir beſitzen unſere Guͤter als rechtmaͤßige Kinder unſerer Vorfahren. Wie wuͤrde es uns gefallen, wenn wir ſolche nackte Kerls waͤren, als wir nothwendig ſeyn muͤßtzten, wenn unſere Vaͤter eben ſo klug geweſen waͤren, als wir ſeyn wollen, und wenn ihnen der Eheſtand eben ſo veraͤchtlich geweſen waͤre? Sollen wir nicht eben ſo gut fuͤr unſere Nachkommen ſorgen, da wir die Vorſorge unſerer Vaͤter fuͤr uns mit Danck erkennen?

Dieſer Einfall ſchmeckt dir vielleicht allzuſehr nach der Sittenlehre. Jch will dir etwas vorle - gen, das uns mehr ruͤhret. Wie koͤnnen wir Sparſamkeit und gute Haushaltung von denen Frauensleuten erwarten, deren Nutzen mit dem unſrigen nicht verbunden iſt? Muͤſſen wir nicht zum voraus denken, daß ſie unſer Vermoͤgen ver - ſchwenden werden? Sie wiſſen, daß ihr An - theil an uns ſehr ungewiß iſt, weil wir veraͤnder - lich, und heute ſo, morgen anders ſind. Wenn nun dieſe Huren nicht in den Tag hinein leben, ſondern auf das Kuͤnftige dencken, ſo muͤſſen ſie nothwendig etwas auf den Winter zu ſammlen ſu - chen, wo es in ihrem Vermoͤgen ſtehet: iſt aber dieſes nicht, ſo werden ſie verſchwenden helfen, ſo viel ſie koͤnnen, weil nichts als die jetzige Stunde ihnen gehoͤret. Jhre Lebensart, und das, was ſie uns aufgeopfert haben, machen, daß ſie weder an Ehre noch Gewiſſen dencken koͤnnen.

Eine133

Eine Frau theilt mit ihrem Manne Vortheil und Schaden, und hat alle die Verfuͤhrungen nicht, ihn ungluͤcklich zu machen: ſie hat noch nicht den Eindruck aus ihrem Gemuͤthe ausgetilget, den eine gute Erziehung zuruͤcklaͤßt; und wenn ja einige Frauens aus der Art ſchlagen, ſo iſt es doch bey ihnen nicht etwas Nothwendiges, ſo wie bey den Maitreſſen, daß ſie dieſen Eindruck aus - loͤſchen. Die Feinde des Eheſtandes klagen zwar, daß die Frauens fuͤr ſich ſelbſt etwas ſammelten: wenn dieſes auch wahr iſt, und es erfolgen Kin - der, ſo kommt doch das Geſammelte unſern Nach - kommen zu gute.

Was die Treue anlanget, ſo frage ich, koͤnnen wir nicht mit mehrerm Recht hoffen, daß Frau - enzimmer von guter Familie und Erziehung uns allein lieben werden, als ſolche Maͤdchens, die den Augenblick, da ſie ſich uns ergaben, zugleich laſterhaft wurden, und ihre Ehre (wenn ſie an - ders jemals Ehre gehabt haben) aus Gewinnſucht oder aus einem noch liederlicherern Triebe ver - ſchertzeten? Macht nicht das andern Muth, ſich auch an ſie zu wagen, wenn man weiß, daß ſie von uns beſieget ſind? Welcher Mann wird ſo leicht - glaͤubig gegen ihre Schmeicheleyen ſeyn, und glau - ben, daß ſie von niemand, als von ihm allein, uͤberwunden werden koͤnnten?

Der Ehebruch iſt ein ſo abſcheuliches Verbre - chen, daß auch liederliche Mannsperſonen dennoch oft einen Abſcheu dafuͤr haben, wenn ſie nicht auf die niedertraͤchtigſte Art liederlich ſind, undJ 3durch134durch das Betragen der verheyratheten Frau gerei - tzet und gleichſam eingeladen werden, etwas zu wa - gen. Eine Maitreſſe hingegen macht ſich, zum wenigſten nach dem Ausſpruch der Geſetze, dieſes Verbrechens nicht ſchuldig: alle Außenwercke der Ehrbahrkeit, alle Schuͤchternheit, alle Ehrliebe, haben wir ſelbſt ſchon bey ihr zerſtoͤret. Was wird ſie demnach abhalten, ihren Begierden zu folgen, oder ihren Vortheil durch Untreue gegen uns zu beſoͤrdern? Und was wird den Verſucher abſchrecken, ſich an ſie zu wagen?

Ein Ehemann wird durch die Geſetze geſi - chert; wenn ſeine Frau uͤberzeuget wird, daß ſie mit einem beguͤterten Mann zu thun gehabt hat, (ein Armer wird ſich nicht leicht an ſie machen, denn es fehlet ihm an Mitteln, ſie zu beſtechen) ſo kann er ſich ſeines Schadens erhohlen, und ſich noch uͤber das von ihr ſcheiden laſſen. Wenn ich der Schande nicht gedenken will, ſo muß dieſe Be - trachtung beide Theile furchtſam machen. Die Frau muß gewiß ſehr laſterhaft ſeyn, und der Mann muß einfaͤltig ſeyn, der ſie gewaͤhlet hat, welche bloß aus Liebe zur Veraͤnderung, ihren Mann in der allerempfindlichſten Sache beleidi - get, wenn der Verfuͤhrer nicht ungemein viel Rei - tzendes hat, oder ſehr viel Vermoͤgen beſitzet, ſie zu beſtechen.

Allein die Eheſcheidungen halten ſchwer! (Das iſt auch billig!) Hingegen (ſagt ein Frey - Geiſt) hat es nicht die geringſte Schwierigkeit, wenn ich meine Maitreſſe laufen laſſe: ich kanndieſes135dieſes bey jedem Verdachte thun, oder wenn ich ihrer uͤberdruͤßig bin, und eine andere mir beſſer gefaͤllt.

Was muͤßte der aber fuͤr ein Unmenſch ſeyn, der ein Frauenzimmer, welches er verfuͤhret hat, (denn von Gaſſenhuren reden wir nicht) ohne wichtige Urſachen wegjagen kann? ohne eine Ur - ſache, die in ſeinen Augen, und in den Augen der Welt und des ungluͤcklichen Frauenzimmers ſelbſt guͤltiger iſt, als dieſe, daß ihn die Geſetze nicht ab - halten, und daß er Luſt hat, eine andere eben ſo ungluͤcklich zu machen?

Wenn ich nicht von dem rede, was in einer andern Welt geſchehen moͤchte, ſondern auf das ſehe: was wircklich geſchiehet, und wie ſich alle die auffuͤhren, die Maitreſſen halten, ſo duͤnckt mich nicht, daß man eine Maitreſſe ſo leichte loß wird.

Man kann weiter nichts ſagen, als: wir koͤnnen ſie wegjagen, wenn wir wollen. Und eben dieſe Gewalt macht, das wir manches von einer Maitreſſe leiden, daß wir einer Frau nicht zu gute halten wuͤrden. Wenn wir Menſchen ſind: wenn das Frauenzimmer liſtig iſt: (und welchem Frauenzimmer fehlet es an Liſt, wenn es durch Liſt uͤberwunden iſt, und ohne Liſt ſich nicht in ſeinen jetzigen Umſtaͤnden erhalten kann?) wenn wir unſere Maitreſſe nach uns haben nennen laſſen: wenn wir an einem gewiſſen Or - te wohnen, und in ihrer Geſellſchaft Beſuch an - genommen, und ſie fuͤr unſre Frau ausgegeben ha -J 4ben:136ben: Wenn wir Kinder von ihr haben: ſo ſind dieſes in den Augen der Welt und nach dem Aus - ſpruch unſers eigenen Hertzens, ſehr ſtarcke Ban - de, von denen wir uns nicht ſo leicht loßreiſſen koͤnnen. Eine ſolche Maitreſſe ſitzt ſo feſte an uns, als das Fell: und wir muͤßten uns beyna - he ſchinden, wenn wir uns von ihr loßreiſſen wollten.

Selbſt alsdenn, wenn wir ſie wegen ihrer Untreue verſtoßen, muͤßte ſie es dumm angefan - gen haben, wenn ſie keine Vertheidiger faͤnde. Jch habe es noch nie erlebt, daß eine Perſon ſo gottloß, oder eine Sache ſo ſchlimm geweſen waͤre, der niemand aus Haß gegen den Beleidigten, oder aus Mitleiden mit dem Beleidiger, das Wort geredet haͤtte. Man haͤlt zum wenigſten den Mann fuͤr einen Unmenſchen. Wenn die Maitreſſe auch nicht vor einen Pfennig Ehre aus unſerm Hauſe mit ſich nimmt, ſo laͤßt ſie uns doch eben ſo wenig Ehre darin: und am aller - wenigſten behalten wir Ehre bey dem ſchoͤnen Theile der Welt, auf deſſen Hochachtung wir am ehrgeitzigſten ſind.

Kann uns dieſer geringe Vortheil, daß wir eine Maitreſſe abſchaffen koͤnnen, ſo bald wir wollen, ſo wichtig ſcheinen, daß wir um deſſentwillen uns einer viel groͤßeren Gefahr ausſetzen? Wir ſind Leute von gutem Stande und von anſehnlichen Mitteln: ſollen wir um einer ſolchen Urſache wil - len uns mit Frauensleuten, die unter unſerm Stande ſind, behelfen? Sollen wir unſer Betteund137und unſer Vermoͤgen mit einer Perſon theilen, (unſer Vermoͤgen theilen wir nicht einmahl mit der Maitreſſe, ſondern ſie wird ſo klug ſeyn, und drey Vierthel fuͤr ſich nehmen) die von niedrigem Stande und Erziehung iſt, und uns nichs zuge - bracht hat? Mit einer Perſon, von der wir wei - ter nichts zu gewarten haben, als die liederlichen Vergnuͤgungen, deren man ſich nicht ohne Schan - de ruͤhmen kann, und an die man nie gedenken kann, ohne ſich und die veraͤchtliche Wohlthaͤterin zu beſchaͤmen?

Je aͤlter wir werden, je mehr verlieret ſich die Raſerey unſerer wilden Jahre. Wir bekommen andere Abſichten, die unſere Luſt zu dem herum - ſchwaͤrmenden Leben vermindern, und uns den Eheſtand von Tage zu Tage angenehmer machen.

Wenn wir Kinder haben, und glauben, daß es unſre eigenen Kinder ſind, und unſere Guͤter nicht fuͤr unſer liederliches Leben hingegeben ſind: ſo werden wir zu ſpaͤt bedauren, daß wir uns durch unſere ſo hoch geprieſene Freyheit die Haͤnde ſelbſt gebunden, und uns des angenehmen Rechts bege - ben haben, unſern Nachkommen das Unſrige zu hinterlaſſen. Denn unſere Guͤter fallen an unſere Anverwandten, nach denen wir nichts fragen, ſie moͤgen nahe oder weitlaͤuftige Anverwandten ſeyn, und die uns vielleicht wegen unſerer liederlichen Lebensart verachtet haben, wenn ſie ſelbſt tugend - haft ſind.

Wenn wir auch mit unſerer Verlaſſenſchaft nach eigenem Belieben ſchalten und walten koͤnnen,J 5ſo138ſo iſt es doch thoͤricht, bloß um eines gottloſen Ein - falls willen alle ſeine Nachkommen unehrlich und zu Hurkindern zu machen. Warum ſollen unſere Kinder der Welt veraͤchtlich ſeyn? Es moͤgen Jungens oder Maͤdchens werden, warum wollen wir ſie zwingen, eine ungleiche Heyrath zu treffen, es ſey in Abſicht auf das Vermoͤgen oder in Ab - ſicht auf die Jahre? Warum ſollen wir unſere un - ſchuldigen Kinder, die wir doch lieben werden, zum Voraus in die Umſtaͤnde ſetzen, daß man eine Geringſchaͤtzung gegen ſie hat, und ſie keine ihnen anſtaͤndige Geſellſchaft halten koͤnnen, ob ſie gleich beſſer ſind als wir, und die Pflichten der Sitten - lehre und des geſellſchaftlichen Lebens beobachten wollen? in ſolche Umſtaͤnde, daß ſie es fuͤr eine Wohlthat und Gnade achten muͤſſen, wenn jemand von gutem Stande mit ihnen umgeht? Wie muͤſ - ſen ſolche Kinder ihren Vater haſſen, weil er ſie durch ſeine Einfaͤlle und durch ſeine Feindſchaft wider die Geſetze ſeines Vaterlandes in ſolche Um - ſtaͤnde geſetzet hat, und ihnen eine Mutter gegeben hat, an die ſie nicht ohne Beſchaͤmung gedenken koͤnnen: eine Mutter, deren Laſter ſie ihr Da - ſeyn zu danken haben, und deren Vorbilde ſie nicht nachfolgen duͤrfen?

Es iſt das Ungluͤck noch groͤßer, wenn die Erziehung der Kinder verſaͤumet wird, und die - ſes pflegt doch gemeiniglich zu geſchehen. Denn wer kein fuͤhlloſes und unmenſchliches Herz hat und etwas von Liebe gegen ſeine Nachkommen empfin - det, wird heyrathen. Das Ungluͤck, ſage ich, iſtals -139alsdenn noch groͤßer; die Suͤnde wird durch die Kinder verewiget. Die Jungens muͤſſen ihr Brod auf der See, unter den Soldaten, oder gar auf der Landſtraße und in den Buͤſchen ſuchen; und die Maͤdchens ſind fuͤr die Hurenhaͤuſer ge - zeuget: bis endlich beyder Leben ſich noch betruͤb - ter endiget, als es gefuͤhret iſt.

Was gewinnen wir alſo dadurch, wenn wir dieſe ungebahnten und krummen Wege wandeln, als Gefahr, Schande und ſpaͤte Reue? Betrie - gen wir uns nicht ſelbſt am Ende durch unſere ungebundene Lebensart am meiſten? Treten wir nicht endlich mit unſern abgenutzten Huren gar in den Stand, durch welchen wir uns mit viel vorneh - men und bemitteltern Perſonen haͤtten verbinden koͤnnen, bey denen dieſe wohl haͤtten dienen koͤn - nen: ohne daß wir noͤthig gehabt haͤtten, unter unſerm Stande zu leben, und in Winkel und Loͤ - cher zu kriechen, oder ſo bald wir mit unſerm ge - meinen Schatz einen Schritt aus dem Hauſe ſetz - ten, uͤberall um uns zu ſehen, als wenn wir glaub - ten, daß uns ein jeder betrachten werde?

Du kenneſt meinen Vetter Anton Jenyns. Er hatte zwar kein ſo lebhaftes und auf alles Boͤ - ſe begieriges Herz, als du, Belton, Mowbray, Tourville und ich: allein er hatte doch eben die wil - den und laſterhaften Begriffe, die wir haben, und richtete ſein Leben nach ihnen ein.

Wie konnte er auf den Eheſtand laͤſtern! Wie bruͤſtete er ſich mit ſeinen vermeinten witzigen und ſpitzigen Einfaͤllen! Wir Jungens und Maͤd -chens140chens insgeſamt, und ich unter andern, der ich da - mals noch Batzebube war, glaubten auch feſti - glich, daß ſein Scherz ſehr empfindlich ſey! Heyrathen! O wer wollte das um der ganzen Welt willen thun? Welcher verſtaͤndige Mann koͤnnte ſich eine Frau nehmen, die ſo herrſchſuͤchtig und ſo koſtbar zu erhalten ſeyn wuͤrde? Er wuͤrde das nicht ertragen koͤnnen, daß ein Frauenzimmer von gleichem Stande, und vielleicht von groͤßern Vorzuͤgen und Verſtande, ſich berechtiget hielte, das Vermoͤgen, zu dem ſie ihre Mitgift gebracht haͤtte, als ein gemeinſchaftliches Vermoͤgen anzu - ſehen.

Nachdem er zwey bis drey Jahr mit dieſen Gedanken in London herumgeſchwaͤrmet hatte, (in welcher gantzen Zeit niemand eine ſo gute Mei - nung von ihm hegete, als er ſelbſt) vergaffte er ſich in eines Fechtmeiſters Tochter, und ward ſeiner Sache mit ihr eins. Er miethet fuͤr ſie ein paar Stuben in Hackney; beſucht ſie heimlich und wie ein Dieb der eben ſtehlen will: denn beyde waren noch ſehr beſorgt fuͤr ihre Ehre, die in der That ſehr geringe war, die ſie aber dennoch nicht ganz verlieren wollten: denn liederliche Leute von bey - den Geſchlechtern pflegen die letzten zu ſeyn, die das allgemeine Urtheil der Welt uͤber ſich billigen. Er bekam und gab keinen Beſuch. Er erfuhr alles Ungemach eines Diebes, oder eines der von ſeinen Schuldleuten geplaget wird, und ſich nicht unterſtehet, aus dem Hauſe zu gehen. Das Leben waͤhrete 12. Jahr. Ob er gleich ſchoͤne Guͤterhatte,141hatte, ſo kamen doch ſelten Einnahme und Ausga - be mit einander uͤberein; denn wenn gleich keine Verſchwendung in ſeinem Hauſe herrſchete, ſo war doch auch keine Haushaltung darin. Alle Jahr kam ein Kind: und er hatte ſehr viel Liebe fuͤr ſeine Kinder. Keins dieſer Kinder ward aͤl - ter als drey Jahre. Als das zwoͤlfte ſterben woll - te, und er ſo eingezogen worden war, als immer ein Ehemann ſeyn koͤnnte, ſo uͤberredete ihn ſeine Frau Thomas (denn nach ſeinem Namen hatte er ſie nicht nennen laſſen) daß dieſes ein goͤttliches Gericht uͤber ihre ſuͤndliche Lebensart ſey. (Das Ungluͤck macht uns doch endlich gewiſſenhaft; und du weißt, daß ſo gar ein Ludwig der vierzehnte ſich von der Maintenon aberglaͤubiſch machen ließ, als ſeine Feldzuͤge ungluͤcklich waren.) Als ſie beyde ſchon uͤber die Haͤlfte abgenutzt waren, ent - ſchloß ſich mein einfaͤltiger Vetter endlich ſie zu heyrathen. Und nun hatte er Zeit, zu uͤberdenken, was fuͤr anſtaͤndige Partheyen er haͤtte treffen koͤnnen, vor denen er in der Bluͤte ſeines Lebens geflohen war. Es hatte ihm indeſſen eben ſo viel gekoſtet, als wenn er wircklich verheyrathet gewe - ſen waͤre: ſeine Ehre hatte gelitten: alle ſeine Freude war nur verſtohlen geweſen: er hatte eine ungleiche Parthey getroffen, deren er ſich immer geſchaͤmet hatte. Jndeſſen ſagten doch die Frauensleute, Anton haͤtte ehrlich gehandelt, daß er ſie nach 12. Jahren wieder zu Ehren braͤchte. Das war alle Freude, die mein Vetter bey der Hochzeit mit ſeiner jungen Frau und alten Mai -treſſe142treſſe hatte: die er ohne Klang und Geſang in der Stille feyerte, und bey der ſonſt nichts erfreu - liches vorfiel, das ihn haͤtte aufmuntern koͤnnen.

Jch weiß nicht, was Belton mit ſeiner Thomaſine machen wird, und ich habe nicht Luſt, ihm etwas zu rathen; denn ich ſehe, daß der arme Schelm nicht leiden kann, daß ſie ein ande - rer ſchilt, als er ſelbſt. Er verflucht und ver - wuͤnſcht ſie von Hertzens-Grunde. Er iſt ſo tief er - niedriget, daß er ſelbſt davon redet, daß er die beyden Jungens ſo lieb gehabt hat, und doch zwei - feln muß, ob ſie von ihm ſind. Ein verflucht Ding! (ſagt er) wenn mir der Heundram Haus - knecht die beiden Hur-Baͤlger gemacht haben ſoll - te. Wahr genug! die Jungen verrathen ih - ren Vater durch ihre Geſundheit und dicken Ge - ſichter allzudeutlich. Jch mag ihn aber in dieſer Wahrheit nicht befeſtigen.

Von Jhnen glaubt er, daß Sie allzu lebhaft ſind, und daß eine Nachricht von ſeinen Umſtaͤn - den keinen Eindruck bey Jhnen machen werde, ſonderlich da ihr gantzes Hertz jetzt von neuen An - ſchlaͤgen eingenommen iſt. Den Mowbray haͤlt er fuͤr allzuhitzig, und ſagt der habe kein mit - leidiges Hertz. Tourville iſt ihm zu unbedacht - ſam, und (hier kam ein trockner Spaaß) ob er gleich mit ſeiner Thomaſine ohne Ehre in der Welt gelebet haͤtte, ſo wollte er doch die Ehre der undanckbaren Hure nicht gar zu ſehr kraͤncken. Die Leute haͤtten zwar wohl gemerckt, daß ſie ſeine Frau nicht ſey, ob er ſie gleich nach ſeinem Na -men143men habe nennen laſſen. Wuͤrde irgend ein Ehe - mann ſeine Hoͤrner geduldiger tragen, als Bel - ton?

Jch will dir dieſes zum Nachdencken uͤber - laſſen, ohne etwas mehreres dazu zu ſetzen, den ein - zigen Gedancken ausgenommen: wir freyen Leute ſind ſo hochmuͤthig, daß wir durch Worte und Handlungen unſere Vorfahren und die alten und guten Gewohnheiten unſeres Landes beſtaͤndig ta - deln: wenn wir aber unſern wilden Begierden ei - nige Jahre lang den Zuͤgel haben ſchießen laſſen, und endlich mit den Jahren Verſtand bekommen, ſo finden wir doch endlich, was alle vorher gefunden haben; nehmlich daß wir veraͤchtliche Thoren ſind; daß die gebahnten Wege fuͤr uns ſowohl als fuͤr die uͤbrige Welt die beſten geweſen waͤren; und daß ein jeder Schritt, mit dem wir von dieſem Wege ab - gewichen ſind, ein Merkmaal unſeres eitelen Hoch - muthes und Unverſtandes iſt.

J. Belford.

Der zwantzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Johann Belford.

Jch freue mich uͤber den vernuͤnftigen Be - ſchluß deines letzten Briefes, und ich dancke dir dafuͤr. Der arme Belton! Jch haͤtte nie gedacht, daß ſeine Thomaſine ein ſolcher Teufelhaͤtte144haͤtte ſeyn ſollen: allein in der Gefahr ſtehet ein jeder, der ſich mit einem gemeinen Maͤdchen einlaͤßt. Dieſes habe ich nie gethan und auch nicht noͤthig gehabt zu thun. Bisher habe ich nur die ſchoͤn - ſten Baͤume ſchuͤtteln duͤrfen, ſo iſt mir die beſte Frucht gleich in den Mund gefallen. Jch hatte den beſten und zaͤrteſten Geſchmack, und ſuchte meine Ehre darin, daß ich vornehme Kinder beſie - gete. Die Bemuͤhung ſie zu verfuͤhren iſt mir immer angenehmer geweſen, als die Belohnung ſelbſt: denn die beſtehet bloß in der Einbildung. Jch danke dir, daß du mir zu verſtehen giebſt, daß ich jetzt auf dem rechten Wege bin. Denn bey einer Clariſſa Harlowe iſt man vor allen den Folgen ſicher, mit denen du deinen Brief an - fuͤlleſt. Jch dancke dir alſo nochmals, daß du mei - ne Wege billigeſt. Mit einem ſolchen Frauenzim - mer darf man nicht in Loͤcher und Winckel krie - chen, noch das Licht ſcheuen. Du handelſt als ein zaͤrtlicher Freund, daß du mich zu dem anfriſcheſt, was ich ohnehin ſchon wuͤnſche. Es kann mir auch nie ein Schimpf ſeyn, wenn eine ſolche Per - ſon meinen Namen traͤget. Jch werde mich auch um das Urtheil der Welt nichts bekuͤmmern, wenn ich ſo lange lebe, bis ich verſtaͤndiger werde, und mich alsdenn uͤberreden laſſe, die gebahnten Wege unſerer Vorfahren zu betreten.

Gott ſegne dich, du ehrlicher Kerl. Zu An - fang mercke ich, du wollteſt nur ſpaßen, oder du ſchriebeſt nur meinem Onckle zu gefallen, als du mich zu uͤberreden ſuchteſt, daß ich dieſes Frauen -zim -145zimmer heyrathen moͤchte. Jch wußte, daß ſich deine Ermahnung zu deinen Grundſaͤtzen nicht ſchickte: und daß du nicht aus Mitleiden gegen die Fraͤulein ſchreiben konnteſt. Jch dachte An - fangs, du waͤreſt gar auf mich neidiſch. Allein nun ſehe ich, daß du mein alter ungeaͤnderter Freund biſt. Jch wuͤnſche dir nochmahls fuͤr deine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit einen Seegen.

Jch will nun meine Anſchlaͤge deſto muthiger ausfuͤhren, und dir zu Gefallen dir eine genaue Nachricht von allem geben, was ich vornehme. Jch konnte mich aber nicht enthalten, meine Ge - ſchichte zu unterbrechen, um dich von meiner Danckbarkeit zu verſichern.

Der ein und zwantzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Johann Belford.

  • Vernimm denn, wie ich mit meiner Geliebten ſtehe.

Wir ſind alle, von dem Hoͤchſten bis zum Ge - ringſten, ungemein vergnuͤgt. Dorcas iſt bey ihrer Fraͤulein ſehr wohl angeſchrieben. Marichen hat ſie in einer Heyrathsſache um Rath gefraget. Die Antwort war, daß kein Orackel ſie je beſſer gegeben hat. Sarah hat mit ihrem Braͤutigam, der mit Tuͤchern handelt, ei -Vierter Theil. Knen146nen Streit gehabt, und meiner Geliebten das Amt einer Groß-Cantzlerin dabey aufgetragen. Sie gab der Sarah darin Unrecht, daß ſie gegen ei - nen, der ſie liebet, grauſam iſt. Das gute Kind ſtehet vor dem Spiegel, und thut doch die Augen zu, damit es ſich nicht kennen moͤge. Frau Sin - clair hat ſich auch ihren unfehlbaren und untruͤg - lichen Ausſpruch in Abſicht auf ihre beyden Ba - ſen ausgebeten.

So gut haben wir ſeit einigen Tagen mit den Leuten in dem Hauſe geſtanden. Allein meine Ge - liebde will doch nicht mit ihnen ſpeiſen, und pflegt auch ſonſt ſelten in ihre Geſellſchaft zu kommen. Sie werden ihrer Art nun gewohnt, und belaͤſti - gen ſie nicht durch Bitten, weil wir doch endlich durch Geduld uͤberwinden muͤſſen. Wenn ſie zu - ſammen kommen, ſo begegnen beide Theile einan - der ſehr hoͤflich. Jch glaube, daß ſelbſt Eheleu - te manchen Streit vermeiden koͤnnen, wenn ſie ſich ſelten zu ſehen bekommen.

Mich duͤnckt, du frageſt mich, wie ich ſelbſt mit der Fraͤulein ſtehe, ſeitdem ſie an Mittewo - chen fruͤh mich ſo geſchwind verlaſſen, und meinen Kuß ſo ungehorſam abgewieſen hat? Es ſteht gut genug! Recht ſehr gut! Das liebe eigenſin - nige Kind kann ſich ſelbſt nicht helfen: es hat keinen andern Schutz. Es hat auch uͤber dieſes mich behorchet, als ich eben denſelben Mittewo - chen Nachmittags mit der Frau Sinclair und Jungfer Martin redete. Wer haͤtte damahls dencken ſollen, daß das liebe Kind uns ſo nahewaͤre?147waͤre? Durch dieſe Unterredung ſind ihr manche Zweifel benommen worden, die ſie vorhin quaͤ - leten.

Es ward inſonderheit viel von der Tiefſin - nigkeit der Frau Fretchville geredet. Die Jung - fer Martin, die ſie ſehr wohl kennet, bedaurete die arme Frau ungemein: ſie und ihr ſeeliger Mann haben ſich faſt von der Wiege an lieb ge - habt. Das Mitleiden iſt anſteckend und von dem Ungluͤcke der guten Frau Fretchville wurden ſo viel Umſtaͤnde erzaͤhlet, daß meine Geliebte auf das aͤußerſte geruͤhret werden mußte, da die Jung - fer Martin ſo ſehr geruͤhret ward, ob ſie gleich ein viel haͤrteres Hertz hat.

Den Lord M. hindert nichts als das Podra - gra, daß er meine Liebſte noch nicht beſucht hat.

Die Lady Eliſabeth und die Fraͤulein Mon - tague werden naͤchſtens in London erwartet.

Jch redete davon, wie ſehr ich wuͤnſchte, daß meine Liebſte dieſen Beſuch in ihrem eigenen Hau - ſe annehmen koͤnnte, wenn nur Frau Fretchville ſelbſt recht wuͤßte, was ſie thun wollte. Jch wollte dem ungeachtet bey der Frau Sinclair im Hauſe bleiben, wie ich ſchon vorhin verſprochen haͤtte, um in keinem Stuͤcke gegen den Wohlſtand zu ſuͤndigen.

Mit einer recht erhabenen Stimme redete ich mit ihnen von meiner Liebe zu meinem Kinde, die ſo aufrichtig ſey, als ſie je ein Liebhaber haͤtte em - pfinden koͤnnen. Kurtz es waͤre eine rechte Plato -K 2niſche148niſche Liebe, oder ich muͤßte nicht wiſſen, was Pla - toniſche Liebe ſey.

(Das iſt wahr, Bruder: unſere Liebe ſoll ſich auch ſo endigen, als wie die Platoniſche Liebe ſich gemeiniglich zu endigen pflegt.)

Sarah und Frau Sinclair ruͤhmeten beyde meine Liebſte, ohne einen Ruhm zu weit zu trei - ben. Sarah bewunderte inſonderheit ihre Tu - gend, ſie ſetzte aber hinzu, ſie ſchiene ihr beynahe uͤbertrieben zu ſeyn, und zu weit zu gehen, wenn ſie ſich unterſtehen duͤrſte, von meiner Gemahlin ſo frey zu reden. Dieſes geſchahe, damit mein Voͤ - gelchen nicht mercken moͤchte, daß ich es fangen wollte.) Jndeſſen lobete ſie mich, daß ich mei - nem Verſprechen ſo genau nachkaͤme.

Jch war in meinen Reden freyer, und tadelte ſie wegen ihrer Sproͤdigkeit gegen mich: ich nann - te ſie grauſam: ich ſcholt auf ihre Anverwandten: ich zweifelte an ihrer Liebe. Mir wuͤrden alle Bitten abgeſchlagen. Und dennoch ſey mein Um - gang mit ihr eben ſo ſcheu, eben ſo gehorſam, wenn ich allein bey ihr waͤre, als in Geſellſchaft. Jch gab dabey zu verſtehen, daß noch an eben dem Tage etwas vorgefallen ſey, das ihre Kaltſinnig - keit allzudeutlich zeigete, als daß ich es ertragen koͤnnte. Jch wollte ſie bitten, daß ſie mit mir in das Trauer-Spiel, das gerettete Vene - dig, fuͤhre, welches auf den Sonnabend aufge - fuͤhrt wuͤrde, und eines der beſten Spiele waͤre,in149in dem ſich die beſten Spieler zeigen wollten. Denn ich wollte doch ſehen, ob ſie mir alle Ge - faͤlligkeiten abſchlagen wuͤrde. Jch haͤtte ſonſt nicht Luſt zu Trauer-Spielen: allein meine Liebſte zoͤge ſie den Luſt-Spielern vor, weil ſie gemeiniglich lehrreicher waͤren, und Warnungen enthielten.

Jch haͤtte zu viel Empfindung: ſagte ich. Es ſey ohnehin genug Elend in der Welt, ohne daß wir noͤthig haͤtten, das Traurige mit in unſere Vergnuͤgungen zu mengen, und fremdes Elend zu dem unſrigen zu machen.

Das iſt wahr, Belford: und ich glaube, daß beynahe alle Leute von unſerer Lebens-Art kein Vergnuͤgen an Trauer-Spielen haben, die ausge - nommen, die ſie ſelbſt ſpielen, und andere ungluͤck - lich machen. Sie trauen ſich ſelbſt nicht, mit ernſthafteren Gedancken umzugehen, und laufen deswegen bloß zu den Luſt-Spielen, um die traurige Erinnerung des Ungluͤcks, daran ſie Schuld ſind, ſich aus dem Gemuͤthe zu ſchlagen, und Perſonen anzutreffen, die ihnen an Laſtern gleich ſind. Denn du weißſt, daß in der Comoͤdie wenig tu - gendhafte Perſonen aufgefuͤhret werden. Doch ich ſchreibe jetzt nur, wie ich geſinnet bin: du wirſt tiefſinnig, und faͤngſt an eine Neigung zu dem Traurigen zu haben.

Sarah antwortete in dem Nahmen der Frau Sinclair, der Marichen (die eben nicht zuge - gen war) der Jungfer Partington, und aller ihrer Bekannten: ſie alle zoͤgen die Comoͤdien vor. K 3Sie150Sie haben Recht: denn wenn ſich ein Maͤdchen auf uns verlaͤßt, ſo hat es bey unſerem Luſt-Spiele fuͤr ſich ſelbſt ſo viel Trauer-Spiele, als es verlan - gen kann.

Jch bat die Sarah, ſie moͤchte meiner Lieb - ſten Geſellſchaft leiſten.

Sie hatte zu thun. (Du wirſt dencken: das war gantz recht.) Jch bat die Frau Sinclair, ſie moͤchte ihr doch erlauben, mit zu gehen. Sie antwortete: Sarah wuͤrde es ſich vor eine Ehre ſchaͤtzen, wenn ſie der Frau Lovelace auſwarten duͤrſte. Allein das arme Ding ſey ſo weichher - tzig, und wuͤrde ſich bey einem ſo ruͤhrenden Trauerſpiele die Augen aus dem Kopfe weinen.

Sarah machte einen neuen Einwurf, wegen der Gefahr von Singleton, damit ich Gelegen - heit haͤtte, dieſen Einwurf zu beantworten, und ich nicht mit meinem Kinde erſt einen Streit daruͤber haben duͤrfte.

Jch zog hierauf einen Brief aus der Taſche, den ich vorgab, eben aus ihres Vaters Hauſe be - kommen zu haben, und warnete ſie vor einen Kerl, der uns aufſpuͤren wollte. Jch foderte Feder und Dinte, und machte folgende Beſchreibung von ihm, mit Bitte, das gantze Haus aufzubieten: Ein Schiffer, der im Geſichte von der Sonne verbrannt, und ſehr voll Pocken-Flecke iſt, uͤbel ausſiehet, dicke Beine hat, und ohngefaͤhr ſechs Fuß lang iſt: mit ſchweren Augen, uͤberhaͤngen - den Augenliedern: der ſehr große Schritte thut; gemeiniglich ein Meſſer an der Seiten hat: der ſo151 ſo duͤrre Lippen hat, daß ſie das Zahnfleiſch kaum bedecken, nicht anders, als wenn ſie ihm die Sonne in den heißen Laͤndern ausgedoͤrret haͤtte: einen braunen Rock anhabend, und einen bunten Halstuch; und an ſtatt des Stockes einen groſ - ſen eichenen Knuͤppel tragend, der beynahe ſo lang iſt, als er ſelbſt.

Wenn dieſer Kerl kaͤme, ſo muͤßte ihm auf kei - ne Frage geantwortet werden. Man ſollte mich zu ihm ruffen. Allein meiner Liebſten ſollte man es ſo lang verborgen halten, als es moͤglich waͤ - re. Wenn ihr Bruder oder Singleton ſelbſt kaͤmen, und hoͤflich waͤren, ſo wollte ich um mei - ner Liebſten willen auch hoͤflich ſeyn. Meine Liebſte duͤrfte alsdenn nur geſtehen, daß ſie verhey - rathet ſey, ſo wuͤrde von keiner Seiten Anlaß zu Gewaltthaͤtigkeiten gegeben werden. Allein ich ſchwur dabey, ſo hoch ich konnte: wenn ſie mir mit Gewalt geraubet wuͤrde, oder ſich uͤberreden lieſſe, mit zu gehen, ſo wollte ich den erſten Tag, an dem ich ſie vermiſſete, nach ihres Vaters Hau - ſe gehen, und ſie wieder fordern; und wenn ich die Schweſter nicht wieder bekommen koͤnnte, ſo wollte ich den Bruder haben. Jch wuͤrde eben ſo gut ein Schiff und einen Schiffs-Capitain din - gen koͤnnen, als er. Glaubſt du, Bruder, daß ſie ſich nun unterſtehen wird, von mir zu fliehen?

Frau Sinclair fing an, beſorgt zu werden, daß Ungluͤck in ihrem Hauſe vorgehen koͤnnte: und ich war beſorgt, daß ſie der Sache zu viel thun und ſich dabey verrathen moͤchte. JchK 4winckte152winckte ihr: ſie huſtete, und machte ihre Gebaͤr - den, damit ich mercken ſollte, ſie verſtuͤnde mich; zwang ein Paar Rettungs-Sylben zum Munde heraus; und nachdem ſie gluͤcklich von der angefan - genen Rede abgekommen war, legte ſie ihre bey - den Pferde-Lippen uͤber einander, um ſtille zu ſchweigen.

Hier iſt der Stoff zu meiner kuͤnftigen Arbeit, Belford. Kannſt du dencken, daß ich alle die Muͤhe umſonſt gehabt haben will, wenn du, oder der Lord M. ſchreiben und predigen? Nein ge - wiß nicht! wie mein Kind zu ſagen pflegt, wenn es vornehm thut.

Was muß die Folge von dieſer Unterredung ſeyn? Wird nicht mein Kind die Gefaͤlligkeit ſelbſt gegen mich ſeyn, wenn ich das naͤchſtemahl vor deſſen Angeſicht gelaſſen werde?

Den Donnerſtag waren wir ſehr vergnuͤgt. Der gantze Vormittag verſtrich uns außerordent - lich froͤlich. Jch durfte ihre liebe Hand kuͤſſen. Jch darf dir dieſe Hand nicht beſchreiben. Denn ich erinnere mich, daß deine Augen bey deinem Beſuche beſtaͤndig auf ihre Hand und Arm ge - richtet waren, wenn du einige Augenblicke von Bewunderung des Wunders der Schoͤnheit, nehmlich ihres Geſichtes, ſtehlen konnteſt. Jch glaube, daß ich ihre Hand funfzigmahl gekuͤſſet habe. Einmahl traf mein Kuß ihre Wangen, ob ich ihn gleich den Lippen geweyhet hatte: alleindieſer153dieſer Kuß war ſo feurig, daß ſie nothwendig ſich boͤſe ſtellen mußte.

Wenn ſie mich nicht immer einen Schritt vom Leibe gehalten, und mir die unſchuldigen Freyhei - ten verſaget haͤtte, die ſich unſer Geſchlecht eine nach der andern zu nehmen pfleget: ja wenn ich nur einen Zutritt zu ihr haͤtte bekommen koͤnnen, ehe ſie voͤllig angekleidet iſt, (denn die voͤllige Kleidung gebietet allzuviele Ehrfurcht) ſo wuͤrden wir ſchon laͤngſtens naͤher mit einander bekannt geworden ſeyn. Allein ich mag ſie des Abends ſo lange aufhalten, und des Morgens ſo fruͤh ſpre - chen als ich will, ſo iſt ſie doch immer gekleidet. Bey dem Fruͤhſtuͤck, an den fruͤheſten Stunden des Tages iſt ſie ſchon ſo ſauber bekleidet, als ſie am Mittage zu erſcheinen gedencket, und als ſich andere irgends bey Tage kleiden koͤnnen. Da ſie von dieſen Stuͤcken des Wohlſtandes unter Frem - den nichts verlieret, ſo wundere dich nicht, daß ich ſo wenig bey ihr ausrichten kann. Bedencke aber wie mich alle dieſe Schwierigkeiten reitzen muͤſſen!

Den Donnerstag fruͤh, wie ich dir ſchon geſagt habe, waren wir ſehr vergnuͤgt. Gegen Mittag zaͤhlte ſie mir die Stunden vor, die ſie bey mir geweſen waͤre, die mir nur ein Augenblick zu ſeyn ſchienen, und verlangte, daß ich ſie allein laſſen ſollte. Jch hatte wenig Luſt, zu gehorchen: weil aber die Sonne ſchon in das Zimmer kam, ſo unterwarf ich mich dem harten Befehl.

Jch ſpeiſete außer Hauſe: kam wieder; re - dete von unſerm neuen Hauſe und von der FrauK 5Fret -154Fretchville. Jch hatte mit dem Capitain Men - nell geredet, und ihn gebeten, mehr in die Witwe zu dringen. (Sie hatte Mitleiden mit Frau Fretchville. Eine abermahlige gluͤckliche Folge des Horchens!) Jch hatte an meinen Onckle ge - ſchrieben, und wartete auf Antwort. Jch erhielt Erlaubniß, den Abend bey ihr zu ſpeiſen, und bat ſie, meinen Brief durchzuſehen, und mir zu ſagen, wo ich etwas verbeſſern ſollte. Sie verſprach, mir eine vollſtaͤndigere Antwort zu geben, ſo bald ſie von Fraͤulein Howe Briefe erhalten haͤtte.

Jch bat ſie, mit mir auf den Sonnabend nach dem Schau-Spiel zu fahren. Sie machte mir ei - nige Einwendungen, wie ich zum Voraus gedacht hatte, die von ihres Bruders Anſchlaͤgen und von der Hitze hergenommen waren. Allein ſie that dieſes auf eine ſolche Art, als wenn ſie ſich fuͤrch - tete, mich zu beleidigen. (Abermahls eine Wir - ckung von dem Horchen.) Sie uͤberwand aber doch dieſe Schwierigkeiten, und entſchloß ſich, mit mir zu fahren.

Der Freytag vergieng eben ſo gluͤcklich.

Das ſind einmahl zwey gluͤckliche Tage fuͤr uns beide! Warum kann ich nicht alle Tage ſo ver - gnuͤgt und gluͤcklich machen. Es hat faſt das Anſehen, als wenn dieſes bey mir ſtuͤnde. Jſt es nicht wunderlich, daß ich ein Vergnuͤgen daran finde, ein Frauenzimmer zu plagen, das ich doch ſo zaͤrtlich liebe. Jch muß in meinem Gemuͤthe etwas gleiches mit der Fraͤulein Howe haben, die auch ihre Freude daran hat, wenn ſie einen Mannplagen155plagen kann, der ſich willig von ihr plagen laͤßt. Jch koͤnnte aber gewiß mit dieſem Engel nicht ſo umgehen, wenn ich nicht glaubte, daß ich ſie doch noch endlich nach uͤberſtandener Pruͤfung ſo beloh - nen werde, wie ſie es wuͤnſchet, wenn ich ſie nicht zu der Lebensart uͤberreden kann, die mir ſo ange - nehm iſt.

Der Sonnabend iſt ſchon halb verſtrichen, und fuͤr uns eben ſo heiter geweſen als die vorigen Tage. Wir ſind in dem Begriff, wegzufahren, Marichen hat ſich Erlaubniß ausgebeten, mitzu - fahren, und ſie von meiner Geliebten bekommen. Jch habe ſie unterrichtet, bey welcher Gelegenheit ſie weinen ſoll, ſowohl damit ſie durch ihre Thraͤ - nen ein mitleidiges Hertz verrathen moͤge, als auch damit es ihr nicht an Vorwand fehlen moͤge, ihr Geſichte etwas zu verbergen, um nicht erkannt zu werden. Wiewohl Marichen kein Maͤdchen fuͤr alle und jede iſt. Wir werden in dem gruͤnen Stuͤbchen ſitzen.

Das Hertz meines Kindes muß nothwendig weicher werden, wenn es eine ſo lebhafte Vorſtel - lung des Ungluͤcks anſiehet, als in dieſem Trauer - Spiel inſonderheit bey der Belviedra vorkommt. Wenn ich ein Maͤdchen habe koͤnnen in die Co - moͤdie bringen, ſo habe ich meine Beute ſchon fuͤr gewiß gehalten. Wenn das Hertz der Schoͤnen erſt durch etwas Ruͤhrendes und Angenehmes auſ - ſer ſich gebracht iſt, ſo vergißt es alles Geraͤuſch der Sitten und Gewohnheiten, und wird gantz liebreich und guͤtig: ſonderlich wenn die Muſicnicht156nicht vergeſſen wird, und ein Schmauß darauf folget. Zwar hoffe ich nicht dieſes bey meinem Kinde zu erhalten, allein ich habe mehr als einen Endzweck, deswegen ich es in die Comoͤdie brin - gen will. Du weißſt, daß Dorcas einen Haupt - Schluͤſſel hat. Es waͤre ſchon Vortheil genug fuͤr mich, wenn die Fraͤulein nur aus dem Trauer - Spiele dieſes lernete, daß es noch viel betruͤbtere Zufaͤlle giebt, als ſie erlebet hat oder erleben wird.

So vergnuͤgt ſind wir jetzt. Jch will nicht hoffen, daß eine von den ſchadenfrohen Gotthei - ten des Nat. Lee unſere Freude mit Wermuth vermiſchen wird.

Der naͤchſte Brief nach dieſem iſt von dem 19ten, und von der Fraͤulein geſchrieben. Sie berichtet ihrer Freundin, daß ſich ihre Um - ſtaͤnde ſehr gebeſſert haͤtten, und daß ſie ſeit ihrem letzten Briefe vier und zwantzig Stunden ſo ver - gnuͤgt zugebracht habe, als ſie es in ihrem jetzigen Ungluͤck hoffen oder wuͤnſchen koͤnnte. Wie gern will ich (ſchreibt ſie) zufrieden ſeyn, wenn es mir nur mittelmaͤßig gehet! Jch will gern meine Umſtaͤnde von der beſten Seite anſehen, und hoffen, wo ich hoffen kann; und zwar die - ſes nicht allein um meinet ſondern auch um ihrent - willen, da ich ſehe, daß ſie ſo vielen Antheil an allem nehmen, was mir widerfaͤhret.

Sie157

Sie erzaͤhlt darauf, was vor Reden zwiſchen Herrn Lovelacen, Frau Sinclair und Jungfer Martin vorgefallen waren: und giebt eine etwas umſtaͤndlichere Nachricht von der Gelegenheit, die ſie gehabt habe, ihn zu behorchen, ohne daß er es mercken konnte.

Sie meldet es, wenn ſie Urſache zu haben glaubt, mit den gefuͤhrten Reden vergnuͤgt zu ſeyn: allein ſie iſt voller Sorgen uͤber den Anſchlag den er ausfuͤhren will, wenn er ſie vermiſſete. Jedoch gefaͤllt es ihr, daß er nicht der angreiffende Theil ſeyn will, wenn er ihren Bruder in London an - treffen ſollte.

Das was an der Mittewoche vorgefallen iſt, und was ſie nachher heimlich gehoͤrt hat, noͤthiget ſie ihrer Meynung nach, mit ihm in die Comoͤdie zu gehen; ſonderlich da er ſo verſtaͤndig iſt, eines von den Frauenzimmern des Hauſes mitzuneh - men.

Sie iſt vergnuͤgt daruͤber, daß er wirklich an den Lord M. geſchrieben hat: und berichtet, daß ſie ihm eine naͤhere Antwort verſprochen habe, ſo bald ſie hoͤrete, was ſie, die Fraͤulein Howe, dazu ſage. Sie macht ſich die Hoffnung, daß ſie in dem naͤchſten Briefe noch mehr angenehmes werde be - richten koͤnnen. Angenehme (ſchreibt ſie) muß ich das jetzt nennen, was mir vor meinem Un - gluͤck nicht angenehm geweſen ſeyn wuͤrde.

Sie glaubt indeſſen, daß es gut ſeyn werde, den Anſchlag mit der Frau Townsend ſo fern zur Richtigkeit zu bringen, daß er ſogleich ausgefuͤhretwer -158werden koͤnne, wenn es die Noth erfordern ſollte. Er ſey in der That ein unergruͤndlicher und ge - faͤhrlicher Menſch, und die Klugheit erfodere, daß man wachſam ſey, und auch auf die ſchlimmſten Zufaͤlle Rath wiſſe.

Sie meint gewiß zu ſeyn, daß die Briefe ſicher ſind.

Herr Lovelace wolle ſich nie von freyen Stuͤcken ihrer Geſellſchaft entſchlagen: ſonſt meint ſie verſichert zu ſeyn, daß ſie nach eigenem Willen aus dem Hauſe gehen koͤnne. Sie wuͤrde oͤfters einen Verſuch hievon anſtellen, wenn ſie es fuͤr noͤthig hielte, und ſich nicht vor dem Capitain Singleton fuͤrchtete.

Der zwey und zwantzigſte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.

Jch habe nicht vermuthet, daß ſie die Antwort auf Herrn Lovelaces Aufſatz ſo lange auf - ſchieben wuͤrden, bis ſie von mir Nachricht haͤtten. Damit ich nicht Urſache an einiger Hinderung oder Aufſchub ſeyn moͤge, ſo will ich dieſen Brief je - manden mitgeben, der eben nach London gehet, und ihn in Wilſons Hauſe abgeben kann.

Jch159

Jch habe nie daran gezweifelt, daß Herr Lovelace in Sachen von dieſer Art nicht ſollte billig und edel ſeyn. Alle ſeine Verwandten ſind am Gemuͤthe eben ſo edel, als ſie durch ihre Ge - burt ſind. Allein nun moͤchte wohl zu rathen ſeyn, daß ſie erwarteten, was ſein Ouckle auf ſeine Einladung antwortet.

Mein Vorſchlag, ſie im Fall der Noth zu retten, iſt folgender.

Jch glaube, ſie werden die Frau Townsend einmal bey mir geſehen haben. Dieſe hat einen ſtarcken Handel mit Jndianiſcher Seite, Bruͤſſeli - ſchen und Franzoͤſiſchen Spitzen, Cammer-Tuch, Leinewand und andern Waaren, die ſie ohne Zoll zu entrichten bekommen kann. Sie hat einen ſtarcken Abgang, und verkauſt ſonſt allerhand Spielwerck in den benachbarten adlichen Familien.

Sie hat ihre geſetzten Tage, an denen ſie ſich zu London aufhaͤlt. Alsdenn iſt ſie in einer ge - mietheten Stube eines Wirthshauſes in South - wark, wo ſie Proben von ſeidenen Waaren und andern Guͤtern hat, und ihren Kunden in London dienet. Jhre uͤbrige Waare hat ſie zu Deptfort, und daſelbſt wohnt ſie auch, weil ſie die beſte Ge - legenheit hat, ihre Waaren in dortiger Gegend an das Land zu bringen.

Jch bin zuerſt durch meine Mutter mit ihr bekannt worden, der ſie zugewieſen ward, daß ſie von ihr zu meiner Hochzeit das noͤthige einkauffen, und mich, wie meine Mutter ſich ausdruckte, vor wenig Geld fuͤrſtlich kleiden moͤchte. Denn da -mals160mals meinete noch jedermann, daß ich in kurtzer Zeit Hochzeit halten wuͤrde.

Jch muß zwar geſtehen, daß ich nicht gern mit dergleichen Leuten zu thun habe, die den Zoll betriegen. Was thut man dadurch anders, als daß man die Geſetze ſeines Landes uͤbertrit, ehrli - chen Kaufleuten ihre Nahrung nimmt, und die Einkuͤnfte des Koͤnigs ſchmaͤlert, deren Abgang vermuthlich durch neue Auflagen erſetzt werden muß? Jndeſſen bin ich doch mit Frau Townsend gut Freund, ob ich gleich noch nicht mit ihr gehan - delt habe. Sie iſt eine verſtaͤndige Frau, und bey Gelegenheit ihres Handels oͤſters auſſer Landes ge - weſen: ſie weiß von allen, was ſie geſehen hat, ſehr gute Nachricht zu geben. Sie hat mich ge - beten, daß ich ſie mit Jhnen bekannt machen moͤch - te; denn ſie ſucht inſonderheit mit dergleichen Frauenzimmer Bekanntſchaft, von denen man glaubt, daß ſie ſich bald veraͤndern moͤchten. Jch hoffe, daß ich dieſe Frau dahin bringen woll - te, Jhnen eine Zuflucht in ihrem Hauſe zu geſtatten: Deptfort ſoll ein anſehnliches und volckreiches Dorf ſeyn, und ich glaube, man wuͤrde Sie daſelbſt am wenigſten ſuchen. Die Frau Downsend kann ſich zwar wegen ihrer Handlung nicht viel zu Deptfort aufhalten: allein ſie muß doch eine zu - verlaͤßige Perſon in ihrem Hauſe haben: und Sie koͤnnten vielleicht bey ihr ſicher ſeyn, bis daß ihr Vetter Morden ankommt. Jch glaube, Sie thaͤten wohl, wenn Sie ſogleich an dieſen ſchrieben, ob ich gleich nicht weiß, was Sie ſchreiben ſollen,ſon -161ſondern dieſes bloß ihrer eigenen Ueberlegung uͤber - laſſen muß. Denn ich glaube, daß Sie befuͤrchten werden, daß die beyden Herren an einander gera - then moͤchten.

Jch will noch weiter auf dieſen Vorſchlag den - cken, wenn Sie es vor noͤthig halten. Jch hoffe aber daß es nun nicht noͤthig ſeyn wird, nachdem ſich Jhre Umſtaͤnde geaͤndert haben, und Sie vier und zwantzig Stunden nach einander vergnuͤgt geweſen ſind. Wie aͤrgere ich mich uͤber den armſeligen Troſt, damit ſich ein ſelches Frauenzimmer um die Zeit behelfen muß, in der es ſein Hertz verſchen - cken ſoll!

Frau Dowenſen hat, wie ich mich erinnere, zwey Bruͤder, deren jeder ein Schiff haͤlt. Da ſie viel mit dieſen zu thun hat, ſo koͤnnten Sie viel - leicht durch ihr Schiff-Volck vertheidiget werden. Wenn er Jhnen Urſache giebt von ihm zu fliehen, ſo ſeyn Sie wegen Jhrer Leute zu Harloweburg auſſer Sorgen. Laſſen Sie einen vor den andern ſorgen, ſie ſind deſſen doch ſchon gewohnt. Die Geſetze des Landes werden ihnen Sicherheit ver - ſchaffen: Lovelace iſt kein Bandite, kein heim - licher Moͤrder: weil er Hertz hat, ſo iſt er ein of - fenbarer Feind. Wenn er etwas unternimmt, das ihn den Geſetzen nach ſtrafbar macht, ſo ha - ben Sie eine gute Gelegenheit, ſeiner durch die Flucht oder durch den Galgen loß zu werden. Was lieget Jhnen daran, welchem von beyden Sie ihre Freyheit zu dancken haben?

Vierter Theil. LWenn162

Wenn Sie mir nicht ſo umſtaͤndlich berichtet haͤtten, bey welcher Gelegenheit Sie ihn behorchet haben, ſo wuͤrde ich ſeine gantze Unterredung mit den beyden Frauens-Leuten fuͤr ein angeſtelltes Werck halten.

Jch habe den Entwurf Jhrer Eheſtiftung dem Herrn Hickman gezeiget. Er hat ſich ehemahls in Lincolns-Jnn(*)Ein von Advocaten bewohntes Gebaͤude zu London, in welchem junge Advotaten zum Beſten der Buͤrger zugezogen werden, und aus der Uebung das Recht lernen. aufgehalten; denn ehe ſein aͤlterer Bruder ſtarb, ſollte er ſich auf das Recht legen. Er bekam bey dieſer Gelegenheit ein ſo merckwuͤrdiges, weiſes und altkluges Advocaten - Geſichte: wollte es in mehrere Ueberlegung ziehen; bat ſich den Aufſatz mit nach Hauſe aus, wollte ihn genau anſehen, und ſo ferner, und was dergleichen mehr war, und alles was man bey ſolchen Um - ſtaͤnden thun kann: daß ich ohnmoͤglich Geduld behalten konnte, ſondern ihm den Aufſatz wieder aus den Haͤnden riß.

O meine liebe Fraͤulein! ſo ungehalten! und zwar (wenn ich es ſagen darf) bloß uͤber meinen Eifer und Dienſt-Begierde.

Eifer ohne Erkaͤnntniß! (antwortete ich,) wie der Eifer gemeiniglich zu ſeyn pfleget. Wenn nichts gegen den Aufſatz einzuwenden iſt, das ſo gleich in die Augen faͤllt, ſo iſt nichts dagegen ein - zuwenden.

So hitzig! wertheſte Fraͤulein!

So163

So ſchlaͤfrig, unwertheſter Herr! haͤtte ich bald geſagt. Jch ſagte aber weiter nichts als: allerdings! mit einem ſolchen Geſichte, als woll - te ich ſagen: wollen ſie ungehorſam ſeyn?

Er bat um Verzeihung! Er ſaͤhe nichts, was dagegen einzuwenden waͤre. Allein ob er den Aufſatz nicht noch einmahl ſehen duͤrfte?

Es iſt nicht noͤthig! Gar nicht noͤthig! ich wollte den Aufſatz nur meiner Mutter zeigen. Die iſt bey keinem Advocaten geweſen, und verſte - het doch auf einen Blick von allen den Rechts - Drehereyen mehr, als die Haͤlfte der geſchwaͤtzigen Tage-Diebe. Allein ich darf es nicht thun, weil ſie nicht wiſſen ſoll, daß ich noch Briefe mit der Fraͤulein Harlowe wechſele.

Jch rathe alſo, laſſen Sie die Eheſtiftung in das reine ſchreiben, und ſie auf eine rechtskraͤftige Weiſe ausfertigen. Weiter iſt nichts dabey zu ſagen.

Der Schiffer hat mit Kitty geplaudert, und Geld geboten, wenn er Jhren Aufenthalt er - fahren koͤnnte. Wenn er wieder kommt, und ich nicht mehr von ihm heraus bekomme, ſo will ich ihn durch den tiefſten Fiſch-Teich ziehen laſſen. Es iſt genug, daß er mein Cammermaͤdchen hat beſtechen wollen.

Jch ſchicke dieſen Brief ſo gleich ab: ich geden - cke aber bald wieder zu ſchreiben, und Jhnen einige Nachrichten zu geben, die mich ſelbſt, meine Mut - ter und Jhren Onckle Anton betreffen. Weil ſich Jhre Umſtaͤnde zu beſſern ſcheinen, ſo werde ichL 2ſuchen164ſuchen Sie bey dieſer Gelegenheit zum Lachen zu bewegen. Denn Sie muͤſſen wiſſen, daß der alte Knabe ſich ordentlich bey meiner Mutter gemeldet hat, die nun ihre Geſchicklichkeit in Liebes Sachen ſelbſt brauchen wird, wenn ſie Luſt hat, ſeinem Ge - ſuch Gehoͤr zu geben.

Daß Jhre Umſtaͤnde von Tage zu Tage er - freulicher werden moͤgen, ſolches wuͤnſchet

Jhre ergebenſte Anna Howe.

Der drey und zwantzigſte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.

Jch komme zu der verſprochenen Erzaͤhlung: Dabey aber muͤſſen Sie mich nicht fragen, wie mir die eigenhaͤndigen Briefe meiner Mutter und Jhres Onckels in die Haͤnde gefallen ſind. Meine Mutter wollte mir die Stellen des Briefes nicht vorleſen, die meiner nicht zum Beſten geden - cken, und Jhren Onckle alles Mitleidens von mir unwuͤrdig machen. Sie wollte mich auch nichts als einige Stuͤcke von ihrer Antwort ſehen laſſen: denn ſie hat ſich ſo weit herab gelaſſen, ihm zu ant - worten, und ihm ihr ſchrifftliches Nein zu geben: ein ſolches Nein, welches niemand anders als einabge -165abgenutzter Junggeſelle von einer Witwe anneh - men muß.

Es wuͤrde jederman, mich ausgenommen, eine Luſt geweſen ſeyn, wenn dieſe veralterte Liebe ein gluͤckliches Ende erreichet haͤtte: und gewiß, er waͤre zu ſeinem Zweck gekommen, wenn die un - artige Tocher es nicht gehindert haͤtte. Meine Mutter wuͤrde zehn Jahr juͤnger geworden ſeyn: und mir wuͤrden an Alter und Weisheit zehn Jahre zugewachſen ſeyn, wenn ich den Antrag gebilliget haͤtte. Es wuͤrde geheiſſen haben: Mein Kind, wir Witwen wiſſen nicht mehr, wie wir gegen einen Freyer fremde thun ſollen, und wie wir die Manns-Leute quaͤlen und martern muͤſſen, um zu ſehen ob ihre Liebe aufrichtig iſt. Du mußt mir jetzt rathen, wie ich grauſam ſeyn, und ihn Felſen anruffen laſſen ſoll: und doch auch nicht allzugrauſam, damit der alte Liebſte nicht die we - nige Zeit verliere, die er noch uͤbrig hat. Denn wuͤrde mein Betragen gegen Herrn Hickman ar - tig geweſen ſeyn, und die Mutter wuͤrde ſproͤde und ſtoltz geweſen ſeyn, wie die Tochter.

Was fuͤr Luſt wollten wir uns gemacht haben, wenn dieſe Leute mit vieler Muͤhe wieder gelernt haͤtten, was ſie laͤngſtens vergeſſen hatten? Jch wuͤrde mich dieſes Vergnuͤgens nicht begeben ha - ben, wenn ich nur gewiß gewußt haͤtte, daß ich ſie zu rechter Zeit (wie die Jrrlaͤnder den Ausdruck nehmen) wuͤrde aus einander bringen koͤnnen, ehe ſie zuſammen gekommen waͤren. Allein wer kann einer alten Witwe und einen alten JunggeſellenL 3trauen,166trauen, wenn die Witwe das Jhrige in ihren Haͤn - den hat, und der ausgeraͤucherte Liebhaber artige Saͤchelchens hat, und ihr 10000 Pfund verma - chen will, und noch uͤber dieſes ihr die gantze Haushaltung zu uͤberlaſſen verſpricht. Denn das iſt der Jnhalt ſeines Antrages.

Der alte Triton hat ſelbſt die Auſſchriſt nach ſeiner eigenen Art eingerichtet: An die eben ſo liebenswuͤrdige als bewundernswuͤrdige Frau Annabella Howe Witwe. Jch glaube, er habe das letzte Wort deßwegen dazu ge - ſetzt, weil man bey Manns-Perſohnen auf den Brief Esquire hinter den Nahmen zu ſetzen pflegt, und aus Furcht, daß die beyden Sylben bella im Leſen moͤchten uͤberſehen werden, und der Brief an die Fraͤulein Anna Howe kommen moͤchte. (Sie werden mich hochmuͤthig nennen.) Hierauf folget: dieſen Brief demuͤthig zu uͤberreichen. Jch glaube, daß er dieſes zur Er - innerung fuͤr ſich aufgeſchrieben hat, damit er nicht vergeſſen moͤchte, ſich bey Uebergebung des Briefes artig zu buͤcken: denn ich glaube, daß er ſelbſt den Brief hat uͤbergeben wollen.

Nun ſehen ſie ihn hereinkommen. Herein Alter Neptunus!

Der Kopf mit See-Gewaͤchſen und mit einer Krone von Muſcheln gezieret, ſo wie er in der laͤcherlichen Grotte der Frau Robinſon abgebil - det iſt.

Madame,167
Madame,

Jch habe mich ſchon vor zehen Jahren einiger - maßen entſchloſſen, nicht zu heyrathen. Denn ich bemerckte in denen Familien, in denen es am beſten zuging, (dieſen Umſtand nicht zu vergeſ - ſen) allerhand Verdrießlichkeiten, die ich nicht uͤberkriegen kann. Es gefiel mir auch das ein - tzelne Leben wegen der Familie meines Bruders, und wegen eines Kindes darinnen gut genug. Allein das Maͤdchen hat uns insgeſamt verdrieß - lich gemacht: und ich ſehe nicht, warum ich mich alles Vergnuͤgens denen zu Liebe entſchlagen ſoll - te, die mir es nicht einmal Danck wiſſen.

So viel von den Bewegungs-Gruͤnden, die von mir ſelbſt und von meiner Familie hergenom - men ſind. Jch habe ein groſſes Vermoͤgen, da - fuͤr ich Gott dancke. Alles, oder das meiſte da - von habe ich ſelbſt erworben. Bemercken Sie die - ſen Umſtand: denn ich war der juͤngſte Bruder. Sie haben auch, Gott ſey es gedancket, ſchoͤne Guͤter, die ſie durch ihre Sparſamkeit und weiſe Haushaltung ſehr verbeſſert haben. Ehe ich wei - ter gehe, muß ich noch das ſagen: Sparſamkeit iſt eine der groͤßeſten Tugenden in dieſem Jam - mer-vollen Leben, denn ſie ſetzt uns in den Stand, gegen jederman gerecht zu ſeyn, und einige, die es verdienen, zu belohnen.

Sie haben nicht mehr als ein Kind: und ich bin noch ein Junggeſelle, und habe nie ein Kind gehabt. Nicht alle Junggeſellen koͤnnen das ſagen. L 4Jhre168Jhre Tochter kann daher Vortheil von mir ha - ben, wenn ſie ſich in meine Weiſe ſchicken kann. Niemand ſagt mir nach, daß ich wunderlich ſey, inſonderheit gegen meines gleichen. Mit den Bedienten keiffe ich wohl, wenn ich Luſt zu keiffen habe: allein ſie kriegen ihr Geld davor, und ver - dienen ihre Keiffe nur leider allzu ofte, wie wir uns bisweilen einander erzaͤhlet haben. Aber da - vor duͤrfen weder Sie noch die Fraͤulein ſich fuͤrchten.

Jch will eine recht vortheilhafte Eheſtiſtung fuͤr Sie machen, die Jhre und meine Freunde fuͤr billig erkennen werden. Allein, ſo lange ich lebe, will ich mich nicht ausziehen, ſondern das Meinige behalten, als welches dem Manne und der Frauen zur Ehre gereicht.

Jch ſuche nicht ſchoͤne und glatte Worte zu finden. Wir ſind keine Kinder mehr, ob wir gleich noch hoffen koͤnnen, Kinder zu kriegen: denn, Gott ſey Lob und Danck dafuͤr, ich bin noch bey allen meinen Kraͤften, und ein friſcher und ge - ſunder Mann. Jch bin nie ſchwaͤcher von Reiſen zuruͤck gekommen, als ich ausgereiſet bin. Jch bin nicht von der Art Leute, das verſichere ich Jh - nen. Allein das will ich Jhnen verſprechen, wenn Sie mich uͤberleben, ſo will ich Sie zum we - nigſten 10000 Pfund reicher laſſen, als ich Sie gefunden habe: was ich aber von Jhnen zu ge - warten haben ſoll, das uͤberlaſſe ich Jhnen, wie Sie glauben, daß es meine Liebe gegen Sie ver - dienen wird.

Eins169

Eins ſollte mir lieb ſeyn, nemlich, wenn die Fraͤulein Howe nicht bey uns bliebe. (Sie braucht nicht zu wiſſen, daß ich dieſes ſchreibe.) Sie kann nach Hauſe zu Herr Hickman ziehen, mit dem ſie, wie ich hoͤre, ſich naͤchſtens verhey - rathen wird. Wenn ſie uns beyden gehorſam iſt, wie es ihre Schuldigkeit erfordert, ſo ſoll es ihr Schade nicht ſeyn, wie ich ſchon vorhin geſagt habe.

Sie ſollen ihre und meine Haushaltung gantz fuͤhren, weil ich mich auf die Land-Wirthſchaft nicht ſonderlich verſtehe. Jch werde mich Jhnen nie in etwas widerſetzen, es muͤßte denn aus Liebe geſchehen, wenn ich ſehe, daß Sie ſich mehr an - greifen, als es Jhrer Geſundheit erſprießlich iſt.

Jch glaube, daß fuͤr Sie nichts beſſer ſeyn kann, als ein Mann, der viel Erfahrung hat, und bey den langen Abenden im Winter ſich zu Jhnen ſetzen und Jhnen viel von andern Laͤndern, und von den Sitten der Voͤlcker, unter denen er geweſen iſt, erzaͤhlen kann. Jch habe allerhand artige Jndianiſche Raritaͤten, die dem Frauen - zimmer angenehm zu ſeyn pflegen, und die mei - nes Bruders Tochter Claͤrchen nicht einmahl alle geſehen hat, als ſie noch ein gutes Kind war. Wenn Sie mir wohl begegnen, daran ich gar nicht zweifele, ſo will ich Jhnen dieſe eine nach der andern ſchencken. Das wird ein angenehme - rer Zeitvertreib ſeyn, als wenn Sie bey einer na - ſeweiſen Tochter ſitzen, die bisweilen eigenſinnig und verdrießlich iſt, und Jhnen allerhand empfind -L 5liche170liche Reden giebt, wie die erwachſenen Toͤchter gemeiniglich zu thun pflegen, (ach! ich habe das oft von Jhnen gehoͤrt!) wenn ſie die Eltern fuͤr alt halten, und dennoch das Alter nicht ehren wollen. Jch meines Theils glaube, daß Muͤt - ter, wie Sie, noch jung genug ſind, den Toͤchtern die Naſe abzuwiſchen. Sie verſtehen mich ſchon.

Fuͤr mich wird es ein großes Gluͤck ſeyn, und ich dencke ſchon zum voraus mit Vergnuͤgen dar - an, wenn ich einmahl zur Luſt ausreiſe, und bey der Zuruͤckkunft in mein Haus eine Frau von glei - cher Erfahrung finde, die mit mir Vortheil und Schaden gemeinſchaftlich hat: wenn wir unſere Einnahmen zuſam̃en rechnen koͤnnen, und was uns dieſer Tag oder dieſe Woche eingebracht hat. Wie wird unſere Liebe hiedurch wachſen! Ungemein! Jch glaube, ich werde Sie nie genug lieben koͤn - nen, oder nie genug im Stande ſeyn, Jhnen meine Liebe voͤllig zu erkennen zu geben.

Jch dencke nicht, daß wir noͤthig haben, ſo bloͤde und ſproͤde gegen einander zu thun, wie es die Jungfern zu thun pflegen, bis endlich die Sache ſelbſt daruͤber in das Haͤngen kommt: und ich hoffe, Sie werden ſich keine Schwierigkeit machen, mir in ein paar Zeilen zu antworten, ob Sie gleich muͤndlich zu antworten Bedencken trugen. Jch glaube, Jhre Fraͤulein Tochter war eben damahls in der Naͤhe, als ich mit Jh - nen redete; denn Sie ſahen ſich immer um, als wenn Sie beſorgeten, daß Sie behorchet werdenmoͤch -171moͤchten. Darum entſchloß ich mich, zu ſchrei - ben, damit mein Brief ein Zeichen meiner Auf - richtigkeit ſeyn moͤchte. Denn ich bin kein Lo - velace, ſondern ein ehrlicher guter Englaͤnder. Jch hoffe alſo, Sie werden ſich nicht weigern, die - ſen Antrag mit ein Paar Zeilen zu beantworten: und ſeyn Sie verſichert, daß ich dieſes fuͤr eine große Ehre anſehen, und ſtoltz daruͤber ſeyn werde. Was kann ich mehr ſagen? Sie ſind Jhr eigener Herr, ſo wie ich: und Sie ſollten auch immer Jhr eigener Herr oder Frau im Hauſe bleiben. Mercken ſie das. Denn eine ſo kluge Frau muß etwas in dem Hauſe zu ſagen haben.

Mein Brief iſt zwar lang gerathen, allein die Sache erforderte es ſo, denn ich wollte nicht gern 2 Briefe ſchreiben, wenn einer die Sache verrichten kann. Darum wollte ich Jhnen auf einmahl mein gantzes Hertz ſchreiben.

Jch habe ſchon 2 Monath im Sinne gehabt, an ſie zu ſchreiben: ich wußte aber nicht, wie ich den Brief anfangen ſollte, weil ich in dergleichen Dingen keine Erfahrung habe. Und nun ſeyn Sie guͤtig gegen

Jhren gehorſamſten Liebhaber und ergebenſten Diener Ant. Harlowe.

Das iſt ein Liebes-Brief! Wenn ich kuͤnftig dieſem haͤßlichen Liebhaber meiner Mutter, der meiner ſo anzuͤglich in ſeinem Briefe gedencket,nicht172nicht haͤflich begegne, und Sie wollen deswegen mit mir zuͤrnen: ſo kann ich nicht glauben, daß Sie mich eben ſo vorzuͤglich lieben, als ich Sie liebe.

Was ſoll ich nun voran ſetzen? die Antwort meiner Mutter? oder meine Unterredung mit ihr, als ſie mir Nachricht von dem Liebes-Briefe gab, den ſie erhalten hatte?

Unſere Unterredung ſollen Sie zuerſt leſen. Wenn Sie glauben, daß ich ſehr frey von dem Hertzen weg geredet habe, ſo dencken ſie nicht dar - an, daß ich vom Jhrem Onckle und von meiner Mutter ſchreibe, ſondern ſtellen Sie ſich bloß zwey alte Verliebte vor, die uns nichts angehen. Die juͤngeren Leute vergeſſen leicht die Ehrerbietung, wenn die, welche ein Recht haben, Ehrerbietung zu ſodern, es vergeſſen, daß ſie ſich durch ihr Be - tragen Ehrerbietung erwerben muͤſſen.

Stellen Sie ſich meine Mutter vor, wie ſie zweymahl in mein Cloſet kam, und wieder weg - gieng, ohne etwas weiter zu thun, als zu huſten, ohne daß die Lungen huſten wollten, obgleich ihr Geſicht ſo ſchwanger von etwas zu ſeyn ſchien, das ihr auf dem Hertzen lag, und ihre Lippen immer anfangen wollten zu reden. Das dritte mahl bekam ſie mehr Muth: pflantzte ſich neben meinen Stuhl, und fing alſo an zu reden:

Mutter. Jch habe von einer wichtigen Sache mit dir zu reden, Aennichen, wenn du jetzt auf etwas Achtung geben kannſt, das uns ſelbſt angehet: und nicht die Vorſorge fuͤr andere dich untuͤchtig macht, an das noͤthigere zu gedencken.

(Eine173

(Eine Anrede, voll gewinnſuͤchtiger Eigen - liebe! Jch glaube, daß Freundſchaft, Danckbar - keit, und Menſchenliebe uns nahe genug angehen. Doch ich will nicht Worte auffangen.)

Tochter. Jch kann jetzt auf alles Achtung geben, was meine Mutter mir zu ſagen, die Guͤ - tigkeit hat.

M. Was willſt du Kind? Was weinſt du, meine liebe Tochter! (Hiebey ſahe ſie ſo ſonderbar, ſo guͤtig, ſo vergnuͤgt aus, daß ich es Jhnen nicht beſchreiben kann.) Jch ſehe, daß du ſehr auf - merckſam biſt. Erſchrick dich nicht. Sey nicht unruhig. Jch habe ich habe Wo iſt er doch? (Der Brief lag ihr zwar auf dem Hertzen, ſo nahe als ihr noch nie einer auf dem Hertzen ge - legen hat. Sie haͤtte alſo nicht noͤthig gehabt, ihn zu ſuchen.) Jch habe einen Brief, mein Kind. (Hier zog ſie den Brief aus dem Buſen; allein ſie behielt ihn in der Hand.) Jch habe ei - nen Brief, Kind! Er iſt, er iſt von einem Cavallier! bey meiner Treue! (Hier hub ſie die Hand auf, und ſahe recht freundlich aus.)

Jch dachte bey mir ſelbſt: eine Tochter kann an dem Wunderbaren, das mir meine Mutter erzaͤhlen will, wenig Vergnuͤgen finden. Jch will ihr dieſesmahl die Freude nicht goͤnnen, daß ſie mir ein vergnuͤgtes Wunder nach dem andern entdecket.

T. Vermuthlich von Herrn Anton Har - lowe!

M. 174

M. (Mit einem kleinen Munde, und in die Hoͤhe gehobenen Augen.) Ja mein Kind! Al - lein wie kommſt du ſogleich auf den Herrn?

T. Wie konnte ich auf einen andern dencken?

M. Wie an einen andern dencken? was ſoll das ſeyn? (mit Unwillen) Aber weißt du auch, Aennichen, was in dem Briefe ſtehet?

T. Das haben ſie mir ſchon durch die Art geſagt, mit welcher ſie von dieſem Briefe reden. Jch habe nie daran gezweifelt, daß er nicht bey ſeinem Beſuche einen doppelten Endzweck haben ſollte, deren einer mir ſo angenehm iſt als der an - dere. Denn ich weiß wol, daß mich die gantze Harlowiſche Familie zaͤrtlich liebet.

M. So liebt keiner von beyden ohne Ge - genliebe! Allein das iſt der Lohn dafuͤr, wenn ich dir etwas anvertrauen will. (Hier ſtand ſie auf!) Du biſt eben ſo, wie dein Vater. Jch konnte nie ein Hertz zu ihm haben.

T. Nehmen ſie es mir nicht uͤbel. Faſſen ſie zu mir ein Hertz. Aber das muͤſſen ſie mir vergeben, daß ich denen Harlowes nicht gut bin.

M. Du haſt mich gantz aus meiner Faſſung gebracht. (Sie ſetzte ſich wieder unwillig nieder.)

T. Jch will gantz geduldig und andaͤchtig zuhoͤren. Jſt es mir nicht erlaubt, den Brief zu leſen?

M. Jch wollte den Jnhalt davon eben mit dir uͤberlegen. Aber du biſt ſo wunderlich: du antworteſt immer, ehe man noch reden kann.

T. 175

T. Vergeben ſie mir meine Voreiligkeit. Jch glaubte aber, er wuͤßte, was jedermann weiß, und was ſie ſo oft geſagt haben, daß ſie nicht zum zweytenmahl heyrathen wollten.

M. Das habe ich geſagt; und das war auch wahr, ſo lange ich bey dem Sinne blieb. Allein die Umſtaͤnde koͤnnen

Jch ſahe ſie gantz erſtarret an.

M. Ja! wundere dich nicht! ich will zwar auch jetzt nicht! ich will nicht.

T. Vielleicht ſo lange ſie bey dem Sinne bleiben!

M. Naſeweiſes Kind! (Sie ſtand auf.) Jch ſehe, wir ſollen uns zancken. Man kann mit dir nichts

T. Jch bitte nochmahls um Vergebung. Jch will ja zuhoͤren. Setzen ſie ſich doch nieder! ich bitte ſie darum! (Sie ſetzte ſich.) Darf ich den Brief nicht leſen?

M. Nein! es ſtehet etwas darin, das dich verdrieſſen wird. Jedermann kennet deinen Kopf. Jndeſſen iſt nichts Boͤſes von dir in dem Briefe enthalten. Er giebt vielmehr zu verſtehen, daß es dein Schade nicht ſeyn ſoll, wenn du ihm wohl begegneſt.

Jch antwortete: kein Menſch auf Erden glaub - te, daß ich ein ſchlimmes Gemuͤth haͤtte, als die Harlowes allein. Von dieſen Leuten wollte ich es gern leiden, daß ſie mit mir nicht zufrieden waͤ - ren, da ſie mit einem Kinde, das nach aller Ur - theil das beſte Gemuͤth von der Welt haͤtte, ſo uͤbelumge -176umgegangen waͤren. Hier kamen wir von der Hauptſache ab. Endlich las ſie mir einige Stel - len vor, ließ aber die aus, die am meiſten laͤcher - lich waren. Dem ohngeachtet brauchte ich viel Ueberwindung dazu, daß ich nicht lachte.

M. Sage mir doch nun, Aennichen, was denckſt du dazu?

T. Darf ich ſie fragen, was ſie dazu dencken?

M. Jch will mir nicht durch Fragen, ſondern durch Antworten, antworten laſſen. Du kannſt ja ſonſt wohl ſagen, was du denckeſt.

T. Wenn meine Mutter mir befiehlt, es zu ſagen!

M. Sage es.

T. Ohne den gantzen Brief geleſen zu haben?

M. Antworte auf das, was ich dir vorgele - ſen habe.

T. Was ſoll ich ſagen? Wenn ſie Ja ſagen, ſo hoͤren ſie auf meine Mutter, Howe, zu ſeyn.

M. Jch wundere mich uͤber deine Dreiſtig - keit, Aennichen!

T. Jch will ſo viel ſagen: ſie werden alsdenn meine Mutter Harlowe.

M. Liebes Kind! Mache mich nicht blind.

Sie verfaͤrbete ſich etliche mahl.

T. Liebſte Mutter, (das bleibt wahr, daß ich den Harlowes nicht gut bin, und das wollte ich ſagen. ) ich bin ihr Kind, und muß ihr Kind bleiben, ſie moͤgen thun was ſie wollen.

M. 177

M. So ein naſeweiſes Kind, als je eine Mutter gehabt hat. Du mußt mein Kind blei - ben, ich mag thun, was ich will; das iſt ſo viel, als: du wollteſt nicht mein Kind ſeyn, wenn es zu aͤndern ſtuͤnde, ſo bald ich

T. Was iſt das fuͤr eine Erklaͤrung! das waͤre uͤbereilt, wenn ich dergleichen ſagte, ehe ich noch weiß, was ihre Meinung iſt. Da die Vor - ſchlaͤge ſo vortheilhaft ſind

M. (Etwas ruhiger) 10000 Pfund

T. Und ſie wiſſen doch, daß ſie ihn uͤberleben? Dieß fiel ihr auf das Hertz.

M. Wiſſen? das kann kein Menſch wiſſen. Aber es iſt doch ſehr wahrſcheinlich.

T. So ſehr wahrſcheinlich iſt es nicht. Sie wollten eben etwas vorleſen, und brachen mitten in dem Worte ab, da er ſeine Geſundheit ruͤhmet. Seine Maͤßigkeit iſt jedermann bekannt. Die Leute, die auf der See geweſen ſind, und alle Luſt und Gegenden des Himmels haben vertragen ler - nen, pflegen am aͤlteſten zu werden, wenn ſie nach Hauſe kommen, und der Ruhe in ihrem Vater - lande genießen, falls ſie nur nicht unmaͤßig ſind. Sehen ſie nicht, was er fuͤr ein ſtarckes und geſun - des Fell zur Vormauer hat.

M. Albernes Maͤdchen!

T. Gott behuͤte! ich wollte nicht wuͤnſchen, daß eine Perſon, die ich liebe und ehre, einen Mann in der Hoffnung nehmen ſollte, daß ſie ihm bald zum Grabe folgen koͤnnte. Allein bedencken ſie, wenn ſie noch bey ihren Jahren

Vierter Theil. MM. 178

M. Bey meinen Jahren, Kind? Was habe ich denn fuͤr Jahre.

T. Sie ſind noch nicht alt, das iſt eben ihre Gefahr.

(So wahr ich lebe, meine Mutter laͤchelte, und war nicht boͤſe, daß ich das ſagte.)

M. Ja, mein Kind, ja ich muß es war - lich ſagen So wunderlich du auch manchmahl biſt, ſo wollte ich doch nicht gerne etwas wider dei - nen Vortheil thun.

T. Jch verlange gar nicht, daß ſie ſich um meinetwillen eines Vergnuͤgens berauben ſollen.

M. Eines Vergnuͤgens? Habe ich denn ge - ſagt, daß es mir ein Vergnuͤgen waͤre? Wenn ich dir etwas zum Vortheil thun koͤnnte, ſo ließ ich mich noch wohl bewegen, mit ihm von der Sache zu reden.

T. Wenn ich den Herrn Hickman kriege, ſo bin ich ohnedem fuͤr meinen Freyer zu reich.

M. Wie ſo? Herr Hickman hat ſo viel Mit - tel, daß er deiner wol werth iſt.

T. Wenn ſie das glauben, ſo iſt es gewiß.

M. Es waͤre freilich nicht recht, wenn ich auf jemandes Tod warten wollte. Allein du haſt recht. Herr Anton Harlowe iſt ein geſunder Mann und kann noch lange leben.

Jch wußte nicht, ob ſie dieſes vorbrachte um einen Einwurf gegen ſeinen Antrag zu machen, oder ihn zu unterſtuͤtzen.

T. Wollen ſie mir etwas vergeben?

M. Was will das Maͤdchen ſagen? (Sie ſa -he179he aus, als wenn ſie bey nahe fuͤrchtete, daß ich et - was ſchlimmes zu ſagen haben moͤchte.

T. Wenn ſie in dieſen Jahren einen Mann von ſeinen Jahren heyrathen, ſo ſtehen ſie in dop - pelter Gefahr eine Waͤrterin zu werden(*)Es iſt in dem Engliſchen ein Spaß, der ſich im Deutſchen nicht wohl ausdrucken laͤßt, denn das Engliſche Wort bedeutet ſo wohl eine Amme als eine Krancken-Waͤrterin..

M. Geel-Schnabel!

T. Jch will weiter nichts ſagen, als daß die alten Leute bisweilen unvermuthet mit ſchleichen, den Kranckheiten befallen werden. Und ich fuͤrch - te, daß einen die Schwachheiten eines alten Ehe - gatten, den man nie in der Jugend geliebet hat - ſchwerer zu ertragen werden.

M. Ein wunderliches Maͤdchen! habe ich dir nicht immer geſagt, du waͤreſt bald kluͤger, als daß man mit dir auskommen koͤnnte, und bald zu dumm, mit dir Geduld zu haben.

T. Jch kann weiter nichts ſagen, als daß ich ſie bitte, mir zu befehlen, wie ich mich das naͤchſte mahl gegen den Herrn Anton Harlowe auffuͤh - ren ſoll.

M. Wie du dich auffuͤhren ſollſt? wenn du mit einer veraͤchtlichen Gebaͤrde weggeheſt, ſo bald er in die Stube trit, ſo fuͤhreſt du dich eben ſo auf, wie du bisher immer gethan haſt.

T. Alſo wird er doch wieder kommen?

M. Was waͤre es denn, wenn er wieder kaͤme?

M 2T. 180

T. Jch kann es ihm nicht wehren, wenn es ihr Wille iſt. Er hat in ſeinem artigen Briefe um ein Paar Zeilen Antwort gebeten: wenn er nun wieder kommt, ſo werden ihn vermuthlich dieſe Zeilen dazu veranlaſſen.

M. Mache keine Geſichter, Maͤdchen! du weißt, daß ich es nicht leiden kann. Jch wollte deine Meinung vernehmen, denn ich habe noch nicht geſchrieben, ich will aber jetzund gleich ſchrei - ben.

T. Sie ſind ungemein guͤtig, und er thaͤte ihnen gewiß unrecht, wenn er ihre Guͤtigkeit nicht erkennete, daß ſie ſeinen erſten Brief ſogleich be - antworen. Es waͤre Schade, wenn er zwey - mahl ſchreiben ſollte, da Ein Brief es aus - richten kann.

M. Durch die Liſt erfaͤhreſt du nicht, was ich ſchreiben will: es iſt zu grob angefangen.

T. Vielleicht koͤnnte ich rathen, was ſie thun wollten, wenn es mir erlaubt waͤre zu rathen.

M. Und ich moͤchte ſchwerlich mit einem Herrn, der mich liebet und ehret, ſo umgehen, als du mit Herrn Hickman.

T. Jch wuͤrde auch ſchwerlich ſo mit ihm umgehen, wenn mir ſeine Liebe zum Vergnuͤgen gereichte.

M. Jch verſtehe dich wohl. Allein vielleicht ſtehet es jetzt bey dir, was ich dem Herrn Anton Harlowe an tworte.

T. Junge Herren, die die Zeit zum Heyra - then noch nicht verſaͤumet haben, koͤnnen wohl ei -nige181nige Zeit Geduld haben. Der arme Herr Hick - man muß entweder ſeine Zeit abwarten, oder ſich nach einer andern umſehen.

M. Er haͤlt dir mehr zu gute, als eine Manns-Perſon einem Maͤdchen zu gute halten ſollte.

T. Jch fuͤrchte aber, daß er ſelbſt an allen dem Schuld iſt, was er mir zu gute halten muß. Das geſtehet er hiedurch ſelbſt.

M. Ein naſeweiſes empfindliches Maͤd - chen!

T. Jch habe nur eine Bitte noch an ſie.

M. Jch hoffe, daß es eine kindliche Bitte ſeyn wird.

T. Wenn ſie wieder heyrathen, ſo erlauben ſie mir, unverheyrathet zu bleiben.

M. Wie verkehrt! immer wider den Strom.

T. Wie kann ich erwarten, daß ſie einen ſo vortheilhaften Antrag ausſchlagen werden. Zehn tanſend Pfund! und zwar zum wenigſten 10000 Pfund! das iſt ein feiner Vorſchlag. So viele artige Raritaͤten, die er ihnen eine nach der andern ſchencken, und eintzeln zufallen laſſen will! Jch hoffe nicht, daß es ſchon ſo weit gekommen iſt, daß ich nicht ohne Verletzung meiner Pflicht gegen ſie, uͤber den Mann lachen duͤrfte.

M. Dein Spott uͤber ihn, und deine Ehrer - bietung gegen mich kommen aus Einer Qvelle.

T. Das will ich nicht hoffen. Aber zehn - tauſend Pfund!

M 3M. 182

M. Jſt kein buͤndiſcher Antrag.

T. Nein gewiß nicht! ich hoffe, ſie werden ſich auch nicht lumpen laſſen.

M. Von mir ſoll er keine zehntauſend Pfund aufzuweiſen haben, wenn er mich uͤberlebet.

T. Nein! ſo viel kann er nicht erwarten, da ſie eine Tochter haben, und er noch Junggeſelle iſt, und kein Kind hat. Der alte Kruͤppel!

M. Der alte Kruͤppel! Aennichen! ſo nennſt du ihn, weil er noch ein Junggeſelle iſt, und kein Kind hat. Schickt ſich das fuͤr dich?

T. Um der Urſache willen nenne ich ihn nicht einen alten Kruͤppel. Jch dencke aber, von ihrer Seite wuͤrde die Haͤlfte genug ſeyn. Fuͤnf tau - ſend Pfund, weniger koͤnnen ſie ihm nicht bieten.

M. Damit biſt du alſo zufrieden? (Sie ſa - he aus, als wenn ich es getroffen haͤtte.)

T. Da er es ihnen uͤberlaͤßt, und da es eine Belohnung ſeiner Liebe gegen ſie ſeyn ſoll, ſo duͤr - fen ſie ihm nicht weniger bieten. Erlauben ſie mir noch einmahl, daß ich ihn, ohne ſie zu beleidi - gen, einen alten Kruͤppel nenne.

M. So ein Maͤdchen habe ich noch nicht ge - ſehen. (Sie wandte das Geſichte weg, damit ich nicht ſehen moͤchte, daß ſie ſie ſich des Lachens nicht enthalten konnte. Jch glaube, daß ich eben ſehr ſpitzfuͤndig ausſahe: ich bemuͤhete mich wenigſtens eine ſolche Gebaͤrde anzunehmen.) Jch kann die Mine nicht leiden. Du nimmſt dir ſehr viel her - aus. Nicht wahr, meine Tochter?

T. 183

T. (Jch erhaſchete ihre Hand und kuͤſſete ſie.) Seyn ſie nicht ungehalten auf ihr Maͤdchen. Sie haben mir ſelbſt geſagt, daß ſie vor Zeiten auch ſehr lebhaft geweſen ſind.

M. Vor Zeiten! Gott behuͤte! Du kannſt indeſſen glauben, daß ich um deinet und um Herrn Hickmans willen eine weiſe Einrichtung machen werde, wenn ich auch das Geſuch des Herrn Har - lowe Platz finden laſſe.

T. Sie ſind beyderſeits zu ihren verſtaͤndigen Jahren gekommen.

M. Ja! ich dencke ich werde auch bald alt und ein Kruͤppel heiſſen.

T. Er denckt auch darauf, daß er eine weiſe Einrichtung machen will. Er laͤßt ſich zum we - nigſten ſchon etwas davon mercken.

M. Kurtz von der Sache zu kommen, du giebſt deine Einwilligung nicht dazu, daß ich hey - rathe.

T. Jch wuͤnſche es freylich nicht.

M. Wenn die Weisheit darin beſtehet, daß man das wuͤnſchet, was einem ſelbſt nuͤtzlich iſt, ſo ſehe ich, daß die jungen Maͤdchens eben ſo klug ſind, als die alten Kruͤppel.

T. Wie koͤnnen ſie mir meinen Wunſch un - guͤtig deuten, wenn es einerley iſt, ob ich wuͤnſche, daß ſie den alten Anton nicht heyrathen, oder ob ich mein Beſtes wuͤnſche.

M. Du biſt ſehr klug. Wenn du doch eben ſo gehorſam waͤreſt?

T. Jch hoffe, daß ich noch gehorſamer bin:M 4ſonſt184ſonſt wuͤrde ich mit Recht eine Thoͤrin und ein Geelſchnabel heißen.

M. Laß mich davon urtheilen. Die Kin - der wollen gemeiniglich, daß ihre Eltern bloß fuͤr ſie leben ſollen, und bemuͤhen ſich doch nicht, die - ſes um ihre Eltern zu verdienen. Das iſt ihr ge - horſamer Einfall.

T. Gott behuͤte mich, daß ich nie wuͤnſchen moͤge, daß meine Mutter mein Beſtes ihrem Be - ſten vorziehen moͤge, wenn eines mit dem andern nicht beſtehen kann: oder daß ſie ſich eines wah - ren Vergnuͤgens aus Liebe zu mir begeben ſollte. Glauben ſie, daß dieſer Antrag zu ihrem wahren Vergnuͤgen gereichen werde?

M. Jch ſage nur: zehntauſend Pfund iſt ſo viel Geld, daß man einen ſolchen Antrag hoͤflich beantworten muß, der unſerer Familie einen ſo großen Vortheil verſchaffet.

T. Verſchaffet? Nein! nur zeiget. Es iſt ja noch ungewiß, an wen die 10000 Pfund fallen. Wenn ihnen das Aufnehmen der Familie an dem Hertzen lieget, ſo

M. Du kannſt doch niemahls die Mittel - Straſſe halten. Die eigenſinnige hoͤhniſche Mine kann ich nicht leiden.

T. O vergeben ſie es mir. Der alte Kruͤp - pel war mir wieder in dem Kopfe. Jch kann mich des Vergnuͤgens ohnmoͤglich berauben, ſie ſo freundlich laͤcheln zu ſehen. (Jch kuͤſſete ihr aber - mahls die Hand.)

M. Weg du verwegenes Kind! Nichts iſtaͤrger -185aͤrgerlicher, als wenn man lachen muß, und doch boͤſe ſeyn ſoll und will.

T. Wenn aber etwas aus der Sache werden ſoll, ſo wird es doch noch bis auf den Winter An - ſtand haben?

M. Was will das naſeweiſe Kind nun?

T. Er will ihnen ja die langen Winter - Abende durch die ſchoͤnen Erzaͤhlungen von frem - den Laͤndern und durch ſeinen Raritaͤten - Kaſten verkuͤrtzen. O laſſen ſie mich doch den gantzen Brief leſen; ich will ihm alles vergeben, was er von mir ſchreibt.

M. Der kluͤgſte Mann wird keinen Liebes - Brief ſchreiben koͤnnen, in dem nichts Laͤcherli - ches ſey.

T. Das kommt daher, weil die Liebhaber ſel - ten auf der Mittelſtraße bleiben. Sie ſchreiben entweder zu viel oder zu wenig Thorheiten. Al - lein halten ſie den Brief des alten Kruͤppels (ich kann ihn nicht anders nennen) fuͤr einen Liebes - Brief?

M. Gut! ich ſehe du haſt nicht Luſt dazu. Jch ſoll deine Mutter nicht mehr ſeyn, und du willſt nicht heyrathen, wenn ich heyrathe. Jch wollte nur ſehen, ob dein Hertz edel oder eigennuͤ - tzig waͤre. Jch will meinen eigenen Gedancken folgen: und wenn dir die angenehm ſind, ſo be - lohne mich fuͤr meine Gefaͤlligkeit kuͤnftig beſſer, als du bisher gethan haſt.

Hiermit flog ſie zur Stube hinaus, ohne ei - ne Antwort zu erwarten. Sie ſchien verdrießlichM 5zu186zu ſeyn, daß der Heyraths-Vorſchlag mir nicht beſſer gefiel. Vielleicht ſollte es eine groͤßere Wohlthat fuͤr mich ſeyn, wenn ſie gantz von freyen Stuͤcken, und wider meinen Rath, das Geſuch des alten Mannes mit Nein beantwortet haͤtte: und ihre unartige Tochter ſollte ihr deſto mehr Danck ſchuldig werden.

Sie ſchrieb hierauf eine verneinende Antwort, wie man ſie von einer Witwe, die ſich uͤber ihren Liebhaber freuet, erwarten kann, und damit ſich kein anderer Freyer, als blos Toͤnges Harlowe wuͤrde abweiſen laſſen.

Jch werde alle Muͤhe anwenden, den Be - ſuch zu hindern, den ſie ihm in ihrem Antworts - Schreiben unter der Bedingung verſprochen hat, daß er von ſeiner Bitte abſtehen ſollte. Denn ich fuͤrchte, daß der Raritaͤten-Kaſten des grauen Junggeſellen bey einer Witwe allzuviel Eindruck machen moͤchte, der nichts als unnoͤthiges Spiel - werck und ſolche Waare fehlet, die nicht leicht fuͤr Geld zu bekommen iſt.

Nunmehr leſen Sie den beygelegten Brief, der eine Abſchrift der Antwort meiner Mutter iſt. Jch will keine Anmerckungen daruͤber ma - chen, und zwar dieſes aus kindlichem Gehorſam. Jch hoffe, daß ich Sie durch die gegebenen Nach - richten zum Lachen werde bewegen koͤnnen, nach dem Jhre Umſtaͤnde ſich aufzuklaͤren anfangen, und in dieſer Hoffnung unterſchreibe ich mich,

Jhre ewig treue und ergebene Anna Howe.

Mein187
Mein Herr,

Jch glaube zwar, daß es ſonſt bey unſerm Ge - ſchlecht ungewoͤhnlich iſt, den erſten Brief von der bewußten Art mit Dinte und Feder zu beantworten. Den erſten Brief, ſage ich? Wie wunderlich iſt das! Gerade als wenn ich ei - nen zweiten Brief erwartete: davon ich doch weit entfernet bin. Allein da ich auf Jhren Brief nicht ſo antworten kann, wie Sie es wuͤnſchen, ſo halte ich mich dennoch verpflichtet, Jhre Hoͤf - lichkeit mit Gegenhoͤflichkeit zu erwiedern. Jch bin immer der Meinung geweſen, daß wir einer Perſon deswegen nicht uͤbel begegnen muͤſſen, weil ſie uns hochſchaͤtzet, und das iſt es, was ich mei - ner Tochter ſo oft geſaget habe.

Die Frau, die als Braut tyranniſch mit ih - rem Freyer umgegangen iſt, wird doch hernach in ihres Mannes Augen wenig geachtet ſeyn, und ihrem Geſchlecht zu geringer Ehre gereichen.

Wenn ich gewillet waͤre, mich zu veraͤndern, ſo wuͤrde mir keine Parthey angenehmer ſeyn, als Sie. Jhres Bruders Kinder haben ohnehin genug, wenn Sie ihnen auch nichts vermachten: und meine Tochter hat ſchon ohne mich ſchoͤne Mittel, und ich wuͤrde ſie dennoch bey leben oder ſterben reichlich bedencken, wenn ich wich wieder verheyrathete. Es wuͤrde alſo niemand hievon Schaden haben, ob gleich Aennichen es nicht glaubet.

Aller188

Aller Vortheil, den wir von Kindern haben, beſtehet darinn. Wann ſie klein ſind, ſo halten wir ihnen alles zu gute, und ſind ſelbſt in ihre Unarten verliebt: wenn ſie aber erwachſen ſind, ſo meinen ſie, ihre Eltern waͤren nur um ihrent - willen in der Welt, und muͤßten um ihrentwillen alles verlaͤugnen, was ihnen ſonſt angenehm ſeyn koͤnnte. Jch weiß, daß ein Stiefvater meinem Aennichen gantz unertraͤglich ſeyn wuͤrde: ſie wuͤrde ſich nicht halten oder maͤßigen koͤnnen, ſo bald ſie nur glaubte, daß Ernſt aus der Sache wuͤrde. Jch fuͤrchte mich zwar nicht vor meiner Tochter, und es wuͤrde ſich auch nicht ſchicken, daß ich mich vor ihr fuͤrchten ſollte. Allein ſie hat recht den Kopf ihres armen ſeeligen Vaters: der war ſehr heftig. Sie koͤnnen leicht dencken, daß ich mich ſcheuen muß, mich in eine Sache einzulaſſen, dabey ich zum voraus ſehe, daß ich mich entweder von meiner Tochter losſagen muß, oder daß ſie ſich von mir losſagen wuͤrde. Das thut man nicht, wenn es einem nicht ſehr um das Heyrathen zu thun iſt: und ſo bin ich, Gott Lob! nicht geſinnet.

Jch bin nun zehn Jahr eine Witwe, und habe niemanden, der mir befehlen kann; man ſagt auch, daß ich nicht wohl jemanden uͤber mir lei - den koͤnne. Jch glaube alſo, oder ich weiß viel - mehr gewiß, daß wir ſo, wie wir jetzt ſind, am beſten ſind. Wir brauchen einander nicht um des Geldes willen zu heyrathen, denn wir haben ſchon ſo mehr, als wir verzehren koͤnnen. Jchkenne189kenne mich auch ſo viel, daß es mir nicht ertraͤg - lich ſeyn wuͤrde, wenn ich jemanden wegen mei - nes Thuns und Laſſens Rede und Antwort geben ſollte.

Meine Tochter iſt zwar ein artiges Maͤdchen, nur daß ſie mehr Verſtand hat, als einem Frau - enzimmer nuͤtzlich iſt, und es gar zu ſehr weiß, daß ſie Verſtand hat. Aber ich werde doch mehr durch ſie eingeſchraͤnckt, als es ſich fuͤr eine Mut - ter ſchicket. Denn man will doch nicht gern im - mer mit einander in Streit leben. Sie wird aber bald aus meinem Hauſe wegheyrathen, und alsdenn werden wir nur zuſammen kommen, wenn wir Luſt dazu haben, und wenn wir nicht Luſt ha - ben, von einander bleiben: ſo gehet es uns wie den Verliebten, die ſich einander nur von der gu - ten Seite kennen.

Jch muß dem ohngeachtet geſtehen, daß ich meine Tochter hertzlich lieb habe; und ich weiß auch gewiß, daß ſie mich lieb hat. Jch wollte ihr daher nicht gern Gelegenheit geben, anders gegen mich geſinnet zu ſeyn. Das Maͤdchen iſt auch bey allen Bekannten ſo wohl gelitten, und ſo hoch angeſehen, daß ich ihr nicht gern Anlaß geben moͤchte, ſich uͤber mich aufzuhalten, oder nur kaltſinnig gegen mich zu werden, nachdem ich in meinen beſten Jahren Witwe geblieben bin.

Jhr recht edeler Antrag verdienet, daß ich mich deutlich erklaͤre. Jch dancke Jhnen fuͤr die gute Meinung, die Sie von mir haben. Wennich190ich weiß, daß Sie ſich dieſe Antwort gefallen laſ - ſen, die eben ſo ernſtlich von mir gemeinet iſt, als wenn ich ſie unhoͤflicher abgefaſſet haͤtte, ſo moͤch - te ich und Aennichen vielleicht Jhnen zuſprechen, (wo Sie es erlauben) und Jhre artigen Sachen beſehen. Denn ich mag ſehr gern auslaͤndiſche Raritaͤten ſehen.

Laſſen Sie uns alſo kuͤnftig mit einander un - ſern Umgang und Freundſchaft fortſetzen, ohne weitere Abſichten dabey zu haben, als daß wir einander wohl wollen. Jch hoffe nicht, daß un - ſere Freundſchaft durch dieſen Brief einen Stoß bekommen werde: und ich werde unausgeſetzt ſeyn

ihre ergebenſte Dienerin Annabella Howe.

P. S. Jch habe Jhnen durch die Frau Lori - mer ſagen laſſen, daß ich ſchriftlich antworten wollte: daß ich mir aber vorher Bedenckzeit aus - baͤte. Sie werden es alſo fuͤr keine Verachtung halten, daß ich nicht fruͤher geſchrieben habe.

Der vier und zwantzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Johann Belford.

Jch bin ſo unruhig, daß ich auf nichts anders als auf Rache dencken kann: ſonſt wollte ich dir die artigen Anmerckungen uͤberſchreiben,welche191welche die Fraͤulein Harlowe uͤber das Trauer - Spiel machte. Jch nenne ſie jetzt, die Fraͤu - lein Harlowe. Du weißt, daß ich alle Har - lowes haſſe; und ich bin jetzt auf ſie und auf ih - re muͤrriſche Freundin ſehr ungehalten.

Was nun wieder? wirſt du fragen. Jch habe Urſache genug. Unterdeſſen, daß wir außer Hauſe waren, hat Dorcas (welcher ſie ihren Stuben-Schluͤſſel bey dem Weggehen ließ, und die einen Haupt-Schluͤſſel zu allen Schraͤncken und Kiſten, und einen Schluͤſſel zu dem Cloſet hat) einige von den letzten Briefen der Fraͤulein Howe gefunden. Sie hatte geſehen, daß die Fraͤulein einen Brief aus einem Schnuͤrleibe in das andere geſtecket hatte, ehe ſie ausfuhr. Die Leute im Hauſe werfen mir noch darzu vor; ſie haͤtte ſich gefuͤrchtet, daß ich ihn in dem Schnuͤr - leibe ſuchen moͤchte.

Kaum hatte Dorcas dieſe Briefe gefunden, ſo rief ſie drey von den unſichtbaren Nymphen unſeres Hauſes, welche ihr, nebſt der Sarah hel - fen mußten, meinem Befehl gemaͤß einige Aus - zuͤge aus den verfluchten Briefen zu machen. Verflucht kann ich ſie mit Recht nennen. So ſchimpflich! ſo giftig! O die kleine Furie, die Howe! Jhre eigenſinnige Freundin, die eben ſo frey von mir geſchrieben haben muß, (ſonſt haͤt - ten keine ſolche Antworten folgen koͤnnen) hatte Urſache genug uͤber meinen Brief-Raub ſo unge - halten zu werden.

Jch192

Jch war zum voraus verſichert, daß dieſe Schoͤne bey ſo jungen Jahren, und ſo munterer und bluͤhender Geſundheit, und ſo feurigen Au - gen, nicht aus eigenem Triebe ſo vorſichtig und ſo wachſam ſeyn koͤnnte. Feurige Augen ſind (ſo ſehr die Poeten ſie erheben) ein untruͤgliches Zei - chen eines loſen Hertzens, oder zum wenigſten davon, daß ein ſolches Hertz einen loſen Anbeter nicht verſchmaͤhen werde.

Du magſt deine Predigten fortſetzen, und der Lord M. mag ſich bemuͤhen, mich mit ſeinem Compendio der Weisheit unſeres Volckes zu toͤd - ten: ich bin meiner Beute nunmehr gewiß verſi - chert. Jch bin nun rachgierig: meine Rache und Liebe machen einen Bund, vor dem ſich alle ihre Außenwercke werden ergeben muͤſſen. Jch ſchwoͤ - re einen theuren Eyd, daß die Fraͤulein Howe fuͤr ihre Suͤnden buͤßen ſoll.

Jch bekomme jetzt eben noch einen Brief von dem kleinen giftigen Teufel in die Haͤnde. Wenn die Fraͤulein dieſen Brief nach deſſen Erbrechung eben ſo gut verwahret, als die uͤbrigen, ſo hoffe ich bald eine Abſchrift davon zu haben: denn ſie will vor Eifer dieſen Morgen einen Kirchgang halten. Jch glaube, daß die Andacht weniger Theil an dieſer gottſeeligen Spatzier-Fahrt hat, als die Begierde zu wiſſen, ob ſie Freyheit hat, aus dem Hauſe zu gehen, wenn ſie will, ohne daß ich ſie hindere und begleite.

Sie193

Sie hat mir nicht vergoͤnnen wollen, den Thee mir ihr zu trincken. Sie war geſtern Abend etwas boͤſe auf mich, weil ich ſie noͤthigte, bis in die ſpaͤte Nacht bey mir und dem Frauenzimmer zu bleiben, und ſie nicht eher wegließ, als da es Eins ſchlagen wollte.

Sie ſagte bey dem Weggehen: ſie erwartete, daß ſie den folgenden Tag gantz vor ſich alleine haben wollte. Jch hatte die Auszuͤge aus den Briefen noch nicht geleſen; ich war deswegen ſehr ehrerbietig und gehorſam; denn ich hatte mir vor - genommen eine gantz neue Lebens-Art anzufangen, um, wo moͤglich, allen Verdacht aus ihrem Hertzen zu verbannen. Jch habe zwar keine Urſache mich daruͤber zu graͤmen, daß ich bisher in uͤblen Ver - dacht bey ihr geſtanden habe: denn wenn ein Frauenzimmer bey einer Manns Perſon bleibet, auf die es einen Verdacht hat, ob es gleich Gele - genheit hat, oder zu haben glaubet, zu entfliehen, ſo iſt es kein ſchlimmes Zeichen.

Sie iſt weg. Ehe ich es gewahr ward, war ſie die Treppe hinunter geſchlichen, und damit ich ihr nicht Geſellſchaft leiſten koͤnnte, hatte ſie eine Saͤnfte beſtellen laſſen. Jch habe alle moͤgliche Vorſichtigkeit gebraucht: ſie hat Wilhelmen er - laubet, daß er vor der Saͤnfte hergehen darf: und Peter der Hausknecht muß in einer maͤßigen Ent - fernung nachfolgen, daß ihn Wilhelm immer ab - rufen kann.

Vierter Theil. NJch194

Jch hatte ihr durchdie Dorcas vorſtellen laſ - ſen, in was fuͤr Gefahr ſie wegen Singletons ſtuͤnde, und ich bat ſie, nicht auszugehen, wenn ſie mich nicht mitnehmen wollte. Jhre Antwort war: es waͤren nur zwey Spielhaͤuſer in der Stadt und dennoch waͤre geſtern keine Gefahr geweſen; da nun mehr als hundert Kirchen in London waͤren, ſo ſey noch viel weniger Gefahr zu beſorgen. Sie ließ ſich nach St. James Kirche tragen.

Das Kind wuͤrde ſich mehr bemuͤhen, mir gefaͤllig zu ſeyn, wenn es wuͤßte, was ich weiß, und wie mir die Frauens-Leute unten in dem Hauſe in den Ohren liegen. Denn dieſe beſchweren ſich be - ſtaͤndig, daß ſie ſich um meinetwillen ſo viel zuruͤck halten und immer gegenwaͤrtig ſeyn muͤßten: ſie duͤrften ſich beynahe gar nicht mehr um das Vor - der-Haus bekuͤmmern: und in ihr artiges Hinter - Gebaͤude duͤrſten ſie keine Geſellſchaft bringen um nicht Argwohn zu erregen. Sie zweifelten zwar nicht daran, daß ich es ihnen vergelten wuͤrde: allein ſie fragen mich (nicht anders als wenn ſie ihre Pfeile aus des Lords M. ſeinen Koͤcher gebor - get haͤtten) warum ich eine ſo langſame Erndte bey ſo wenigem Korn haben wollte? Jhr habt recht, Maͤdchens! ſo bald ſie nach Hauſe kommt, will ich den Anfang machen.

Jch habe den Brief geleſen, der heute von der Fraͤulein Howe eingelaufen iſt. Meuderey, Hochverrath, Hexerey, alles mit einander! ich wer -de195de die Fraͤulein Harlowe ohnmoͤglich mit Geduld ſehen koͤnnen. Unſere Nymphen haben recht: was iſt es noͤthig die Nacht zu erwarten? Sarah und Marichen erinnern mich beyde an meinen Haupt - Sturm, den ich auf ſie gewagt habe. Allein durch Gewalt erhalte ich meinen Endzweck nicht! Doch wer weiß, ob ich ihn nicht erhalte? wenn es an - ders wahr iſt, was wir ſagen: einmahl beſieget, immer beſieget. Welches Frauenzimmer wird zu unſern Wuͤnſchen ein deutliches Ja ſagen?

Sie iſt nach Hauſe gekommen: ſie will mich aber nicht ſprechen, ſondern den gantzen Tag allein bleiben. Dorcas ſagt: ſie glaube, daß es aus Heiligkeit geſchaͤhe. Der Teufel hohle! iſt es et - was unheiliges, was ſie mit mir ſpricht? Was fuͤr ein heiligeres Werck koͤnnte ſie thun, als wenn ſie mich bekehrte? Wird ſie mich aber bekehren koͤn - nen, wenn ſie mich nicht ſprechen will, ſo bald ſie außerordentlich andaͤchtig iſt. Jch haſſe ſie, von Hertzen haſſe ich ſie! Sie iſt garſtig, alt, unge - ſtalt! Was fuͤr Laͤſterungen! allein ſie bleibt doch eine Harlowe, und darum haſſe ich ſie.

Weil ich ſie nicht ſprechen kann, und ſie uͤber ihren Willen und uͤber ihre Zeit alleine Herr ſeyn will, ſo will ich meine Zeit anwenden, und dir den Jnhalt der Briefe melden.

Der erſte Brief, deſſen ſie habhafft werden konnte, iſt von dem 27ſten April. Wo mag ſie die vorigen Briefe gelaſſen haben? Hickmans wird darin als einer ſehr geſchaͤfftigten Perſon ge -N 2dacht,196dacht, die ſich viel uͤberfluͤßige Muͤhe giebt. Hickman mag auf ſeiner Huth ſeyn! Sie ſchreibt; ich will nicht hoffen, daß ſie Urſache haben werden, es ſich gereuen zu laſſen, daß ſie mir den Norris wieder zugeſchickt haben. Was kann das um des Teufels willen bedeuten? Jhr Norris ſoll auf den erſten Befehl wieder aufwarten! Durch den Norris werde ich noch betrogen werden! Wenn ſo unſchuldige Kinder Streiche ſpielen duͤrfen, warum ſoll es mir denn nicht erlaubt ſeyn?

Es thut ihr leid, daß ſie ihr Hannichen nicht um ſich haben kann! Wenn ſie ſie nun haͤtte? was wuͤrde ihr Hannichen in einem ſol - chen Hauſe, als dieſes iſt, helfen koͤnnen?

Die Leute in dem Hauſe ſollen bey dem Fruͤh - ſtuͤck ausgemerckt werden. Dieſe ſind des - wegen voller Rachbegierde gegen die beyden Fraͤu - leins, und werden allen Fleiß anwenden, ſie beſie - get zu ſehen. Jch haͤtte große Luſt, ihnen die Fraͤulein Howe auf ewig zu uͤbergeben. Sprich nur ein Wort, ſo ſoll es geſchehen.

Sie freuet ſich, daß die Fraͤulein mich durch meine Bitte hat feſſeln wollen, wenn ich ſie wiederhohlt haͤtte. Sie wundert ſich, daß ich dieſes nicht gethan habe. Sie raͤth ihr, nicht bey mir zu bleiben, wenn ich ſie nicht bald wieder hohle. Sie ſoll mir nicht erlauben, dreiſte zu werden. Siehſt du? ſiehſt du, Belford? Recht wie ich es vorher gedacht hatte. Eine muͤßige und ruhige Freundin macht ſie ſobehut -197behutſam, die eine Zuſchauerin abgeben und mit kaltem Blute einen Rath ertheilen kann, den ſie ſelbſt nicht beobachten wuͤrde, wenn ſie in gleichen Umſtaͤnden waͤre. Sie meint, es ſey mein eige - ner Vortheil, daß ich ihr ehrlich begegnete. Vortheil! Einfaͤltige Kinder! ich dachte, dieſe Maͤdchens wuͤßten, daß ich meinen Vortheil dem Vergnuͤgen beſtaͤndig nachſetze.

Was wollte ich darum geben, wenn ich die Briefe ſelbſt haͤtte, welche die Fraͤulein Howe beantwortet!

Der folgende Brief iſt von dem dritten May. Die naſeweiſe Tochter wundert ſich in dieſem Briefe ungemein, daß ihre Mutter an die Fraͤulein Harlowe geſchrieben, und ſich unterſtanden hat, ihr den Brief-Wechſel mit ihrer Tochter zu ver - bieten. Sie beruft ſich auf den Herrn Hickman, welcher der Meinung ſey, daß ſie den Brief - wechſel nicht aufgeben ſolle. Wie der krie - gende Schmeichler um die Maͤdchens herum - ſchleicht! Jch fuͤrchte, ich werde ihn und ſeine Ama - zonin ſtrafen muͤſſen. Jch habe ſchon einen Ein - fall, auf den ich nur eine halbe Stunde nachden - cken und ihn in Ordnung bringen muß, um mich an beiden zugleich zu raͤchen. Jch kann nicht lei - den, daß die Vorrechte der Eltern ſo mit Fuͤſſen getreten werden. Aber nun ſtelle dir das boͤſe Maͤdchen vor! Es iſt, ſchreibt ſie, fuͤr ihn ein Gluͤck, daß er gleiche Einſichten mit mir hat: denn weil mich meine Mutter unwil - lig gemacht hat, ſo ſuche ich jetzt einen, mitN 3dem198dem ich mich zancken koͤnne. Koͤnnte ſich ein Lovelace mehr unerlaubte Freyheit zu gute hal - ten? Das Maͤdchen hat den Teufel im Hertzen. Wenn es ein Junge geworden und unter unſere Geſellſchaft gerathen waͤre, ſo wuͤrde es der brave - ſte Kerl geworden ſeyn: ein aͤrgerer Wagehals, als wir alle.

Jhre Mutter darf nur noch einen Schritt wagen, ſo will ſie in der Stille nach London fluͤchten, und die Fraͤulein Harlowe nicht verlaſſen, bis ſie entweder getrauet oder ganz frey von mir iſt. Sarah, die dieſen Brief abſchrieb, hat den Stoß-Seufzer dazu geſetzt: um Gottes willen, Herr Lovelace, ſuchen ſie die Furie nach London zu bekommen. Wenn wir ſie hier haͤtten, ſo ſollte ihr Schickſal nicht ſo lange unentſchieden bleiben, als das Schickſal ihrer Freundin. Wie wuͤrde ſie durch ein Dutzend ih - rer unbarmhertzigen Schweſtern (die mein Kind nie ſehen ſoll) durch ihre Spitzruthen laufen muͤſ - ſen, wenn ſie einmahl vor mir gefallen waͤre. Hernach davon.

Jch ſehe aus dieſem Briefe, daß meine eigen - ſinnige Gefangene euch alle vier abgemahlet hat. Meiner wird auch nicht geſchont. Jch habe keinen Verſtand! Jch will des Todes ſeyn, wenn ſie das am Ende finden. Jch habe zum we - nigſten einen Sparren zu viel. Verflucht ver - aͤchtlich. Sie ſiehet, daß ihr lauter hoͤlliſche Geiſter ſeyd, und ich der Beelzebub. Das iſt fuͤr dich, Belford, und fuͤr deinen Lovelacen. Und199Und dennoch will ſie, daß ihre Freundin den Beel - zebub heyrathen ſoll. Was weiß aber die Fraͤu - lein Harlowe von uns, das ſie berechtiget eine ſol - che Nachricht von uns zu geben, daruͤber die Fraͤulein Howe ein ſolches Urtheil faͤllen kann? Doch das folget.

Sie tadelt ſie daruͤber, daß ſie der Jungfer Partington nicht erlaubt habe, bey ſich zu ſchlafen: denn bey ihrer Wachſamkeit haͤt - te kein Ungluͤck daraus entſtehen koͤnnen. Wenn ich Gewalt gebrauchen wollte, ſo wuͤrde ich die Nacht nicht erwarten. Sarah ſchreibt hiebey: ſehen ſie, Herr Lovelace, was man von ihnen erwartet? Das haben wir ihnen ſchon mehr als hundertmahl geſagt. Das iſt wahr! allein ihr Rath galt nicht halb ſo viel bey mir, als der Rath der Fraͤulein Howe gelten wird. Es heißt weiter: ſie haͤtten koͤn - nen laͤnger aufbleiben, als die Jungfer Par - tington, oder gar nicht zu Bette gehen. Jſt es moͤglich, daß ich in ſolchem Verdachte bey den zwey Maͤdchens ſtehe, und das eine dennoch dem andern anraͤth zu bleiben, jenes aber ſich entſchlieſ - ſet, auf mein koͤnigliches Wort zu warten, dadurch ich es zu meiner Gemahlin erklaͤre? Es iſt mir lieb, daß ich das weiß.

Sie billiget meinen Vorſchlag von dem Hauſe der Frau Fretchville. Sie raͤth ihr an, von Ehe-Stiftungen zu reden, und einen Tag zur Hochzeit feſt zu ſetzen; und dringet endlich ſehr darauf, daß ſie ungeachtet des Verbotes ihrerN 4Mutter200Mutter fortfahren ſoll zu ſchreiben: oder ſie ſoll die Folgen erwarten. Ungehorſame Maͤd - chens!

Wirſt du nicht hiebey ſagen: iſt dieſes ſproͤde und hochmuͤthige Maͤdchen eben die Fraͤulein Ho - we, die nach dem ehrlichen Georg Colmar ſeuf - zete, und die ihm nachfolgen wollte, als ihn ſeine Schulden aus dem Koͤnigreiche trieben, wenn nicht dieſe Freundin es gehindert haͤtte?

Ja, es iſt eben die Fraͤulein Howe! Jch ha - be das bey andern und bey mir gefunden; wenn die erſte Liebe voͤllig beſieget wird, ſo wird der Sieger ein See Raͤuber in der Liebe, und die Sie - gerin eine Grauſame.

Nun kommt noch ein gezwungener artiger Brief, von einer Perſon, der Fraͤulein Howe die Ehre gethan hat, zu befehlen u. ſ. w. Er ſoll der Fraͤulein Harlowe berichten, daß die Fraͤulein Howe ſehr bekuͤmmert ſey, daß ſie ſich durch ihren letzten Brief in ſolche Un - ruhe geſetzt habe.

Jch empfinde hiebey (ſchreibt der artige Einfalts Pinſel) einen großen Trieb, meinen Kummer oder Unwillen uͤber ihre verdrieß - lichen Umſtaͤnde zu bezeugen.

Meinen Unwillen bezeugen! Warum fiel er nicht tiefer in dieſe Verſuchung? Darum, weil er nicht wußte, was das fuͤr Umſtaͤnde waren, die bey ihm einen ſolchen Trieb erwarteten. Er ſchließet nur, u. ſ. w.

Hierauf tantzt er in der Schreib-Art eben ſoals201als im Gange. Warlich, er muß die große Rei - ſe gethan haben und uͤber Typperary zuruͤck ge - kommen ſeyn.

Da mir die Fraͤulein verbietet, (ſchreibt der Haſe) mich genauer zu erkundigen. Freund Hickman, das Verbot iſt eine große Wohlthat fuͤr dich. Allein woher weißt du denn, daß die Umſtaͤnde ſo verdrießlich ſind? Du ſchlieſ - ſeſt es blos daraus, weil ein Maͤdchen daruͤber un - ruhig wird, das ſeiner Mutter Unruhe macht, und dir und allen Freunden Unruhe machen wird, wenn ich es nicht demuͤthige.

Jn einem andern Briefe billiget ſie den Entſchluß der Fraͤulein Harlowe ungemein, mich zu verlaſſen, wenn ſie einige Hoffnung zur Verſoͤhnung mit ihren Freunden uͤbrig hat. Sie hat ſo viel Zeug von mir gehoͤrt, daß ſie mich fuͤr den abſcheulichſten und gefaͤhrlichſten Menſchen haͤlt. Wenn ich ein zehnfaches Leben haͤtte, ſo koͤnnten noch wohl zwantzig Uebelthaten unbegangen ſeyn, und ich wuͤrde doch ſchon mein zehn - faches Leben verwircket haben. Eine alber - ne Rechnung!

Die Jungfer Betterton, die Jungfer Lo - ckyer kommen auch in dieſen Briefen vor. Der Menſch (ſo veraͤchtlich ſchreibt ſie von mir) iſt ein Ertz-Boͤſewicht. Soll ich mir ſolche Nahmen ohne Urſache geben laſſen? Sie will ſich (auf Bitte der Fraͤulein Harlowe) unter der Hand erkundigen laſſen, wie ihr OnckleN 5geſin -202geſinnet iſt. Dorcas ſoll gewonnen werden. Es ſoll einer von meinen Briefen geſtohlen werden. Siehſt du, Bruder?

Sie iſt ſehr unruhig daruͤber, daß ich geſucht habe, einen von ihren Briefen zu bekommen. Sie glaubt, wenn ich wuͤßte, daß ſie ſo frey von mir ſchriebe, ſo duͤrfte ſie keinen Fuß allein uͤber die Schwelle ſetzen. Sie mag ihre Leib-Wache in Bereit - ſchaft halten!

Jch bin der Anfuͤhrer von einer Bande abſcheulicher Boͤſewichter, (ſie laͤugnet nicht, daß ſie dich und deine Freunde meinet) die un - ſchuldige Frauenzimmer zu verfuͤhren ſu - chen, und Gewalt gebrauchen, einander in Sicherheit zu ſetzen. Was ſagſt du dazu?

Sie wundert ſich nicht uͤber ihre nieder - geſchlagenen und tiefſinnigen Gedancken, die ihr bey der Flucht, zu der ſie gezwungen und verleitet iſt, beyfallen. Du wirſt doch nun aufhoͤren zu predigen.

Sie troͤſtet ſie damit, daß ſie eine War - nung und ein Vorbild fuͤr ihr gantzes Ge - ſchlecht ſeyn werde. Jch erwarte hiefuͤr ein Danckſagungs-Schreiben von dem gantzen ſchoͤnen Geſchlecht.

Unſere Nymphen ſagen, es haͤtte ihnen bloß an der Zeit gefehlt, alles abzuſchreiben, was meiner Rache werth geweſen waͤre. Jch muß mich be - muͤhen, den Brief ſelbſt in die Haͤnde zu bekommen. Jch kriege den Nahmen eines Verfuͤhrers undſonſt203ſonſt noch hundert garſtige Nahmen darin. Der Teufel beſaß (wie ſie glaubt) mich und alle ihre Anverwandten, um ſie zu der ge - fahrlichen Unterredung zu noͤthigen. Jhr Fehler iſt ein Schluß des Schickſals. Warum bekuͤmmert ſie ſich denn daruͤber? Jm Ungluͤck iſt ſie am ſchoͤnſten und am groͤſ - ſeſten! und dennoch danckte ſie es dem ſo ſchlecht, der ſie ſchoͤn und groß gemacht hat.

Jn einem andern Briefe bin ich beſtimmt, (ſo gottlos ich auch bin) ihr Herr und Ober-Haupt zu ſeyn. Das hoffe ich.

Sie nimmt das zuruͤck, was ſie in ihrem vori - gen Briefe wider mich geſchrieben hatte. Mein Betragen gegen mein Roſen-Knoͤſpgen; der Vor - ſchlag von dem Hauſe der Frau Fretchville, mein Verſprechen, in Sinclairs Hauſe zu bleiben; meine gute Haushaltung; meine Geſtalt; meine gantze Art; ſind lauter Gruͤnde mich zu waͤhlen, und keinesweges von mir zu fluͤchten. Wie freue ich mich, wenn ſich ſolche Maͤdchens nicht in mich finden koͤnnen, die Graß wachſen hoͤren.

Allein mein Zaudern und Taͤndeln iſt unertraͤglich. Sollen die Maͤdchens allein zau - dern und taͤndeln? Den Maͤdchens habe ich es zu dancken, daß ich dieſe Kunſt auch verſtehe. So lehrte der Eiſen-Kopf, Carl der Zwoͤlfte, den Moſcowitiſchen Czar, wie er ihn uͤberwinden ſollte, da er wider die Grund-Saͤtze ſeiner Vor - fahren einen langen Krieg mit den Moſcowitern fuͤhrete.

Die204

Die Rache ſoll mich Boͤſewicht in Zeit und Ewigkeit verfolgen, (Gottlob! daß ſie nichts von erreichen ſchreibet) wenn ich ihr Anlaß zum Zweifel gebe. Die Frauenzim - mer ſind ſo artig, daß ſie nicht ſchwoͤren koͤnnen: allein du ſieheſt doch, daß ſie fluchen koͤnnen.

Jch zweifele an ihrer Liebe. (Mit Recht thue ich das) Sie hat Urſache an mei - ner Jnbrunſt zu zweifeln, oder wie es hier heißt, ſich das befremden zu laſſen, daß ich nicht hitziger liebe. Das iſt das rechte Wort. Jſt es nicht unſer erſter Glaubens-Artickel, daß das Frauenzimmer uns hitzig machen will?

Sie berichtet ihr, von wie weniger Wirckung die Bitte geweſen iſt, die ſie an ihrem Onckle ge - bracht hat. Vermuthlich iſt das durch Hickman geſchehen. Jch muß des Kerls ſeine Ohren in den Schubſack kriegen, und das bald.

Sie iſt voller Widerwillen gegen die gantze Harlowiſche Familie. Sie hat einen Verſuch gethan, was durch die Frau Nor - ton bey ihrer Mutter auszurichten ſtuͤnde, und hatte durch ſie Vorſchlaͤge von eben der Art thun laſſen, als der bewußte Herr ihrem Onckle gethan hat. Allein (ſaget die Straf - Predigerin) es waͤren keine Unmenſchen in der Welt zu finden, die eben ſo vorſetzlich Unmenſchen ſind, und ſich nicht erbitten laſſen etwas von Menſchlichkeit zu fuͤhlen. Jhr Onckle behauptet, daß ſie nicht mehr iſt, was ſie geweſen iſt. Ein Beruf und eineSchan -205Schande fuͤr mich! Es haben alle die Jhrigen laͤngſt erwartet, daß ſie ſich an ſie wenden wuͤrde, ſo bald ſie in dem Ungluͤck waͤre: allein der Entſchluß iſt ſchon zum voraus gefaſſet, nicht einen Schritt zu ihrem Beſten zu thun, wenn man auch ihr Leben dadurch retten koͤnnte. Sie wird beſchuldiget, daß ſie vorſetzlich davon gegangen iſt und aller - hand liſtige Anſtalten zur Flucht gemacht hat. Die Fraͤulein Howe iſt beſorget, daß ſich mein Hochmuth an der Fraͤulein Har - lowe raͤchen werde, nachdem ſie bisher ſo hart gegen mich geweſen iſt. Sie hat Recht. Sie kann weiter nichts als Eins waͤhlen, nehmlich die Meinige zu werden. Denn es ſcheint, daß ihr Vetter Morden auch gegen ſie eingenommen iſt. Aus Zwang und als einen Nothhelfer ſoll ſie mich nehmen. Alſo dein Lo - velace ſoll ein Nothhelfer eines Frauenzimmers werden! iſt das moͤglich zu ertragen?

Jch will mir den Brief zu Nutze machen. Aus dem, was nach dem Briefe der Fraͤulein Howe zwiſchen den Herrn Harlowe, und Hick - man (denn ein anderer als Hickman kann es nicht ſeyn) vorgefallen iſt, muß ich etwas drech - ſeln: denn die Fraͤulein Howe ſchreibt, ſie wollte nicht alles offenbaren. Jch muß den Brief ſelbſt ſehen. Ein bloßer Auszug iſt nicht genug, es kommt auf jedes Wort an. Dieſer Brief muß mein Polar-Stern ſeyn.

Jn206

Jn dem folgenden Theil des Briefes ſchlaͤgt die Flamme der Freundſchaft lichterloh und mit großen Lermen in die Hoͤhe. Jch habe mir nie vorhin eingebildet, daß eine ſo heiſſe Freundſchaft zwiſchen zwey ſchoͤnen Kindern ſeyn koͤnnte. Allein viel - leicht wird die Freundſchaft ſelbſt durch den Wi - derſprechungs-Geiſt hitziger, der dem weiblichen Geſchlechte das Leben giebt und es nach der Ro - maine bildet.

Sie plaudert viel davon, daß ſie nach London kommen will, wenn ſie der Fraͤulein Harlowe den Verdruß erſparen kann, ſich ſo tief herunter zu laſſen, oder wenn ſie gar noch groͤßerm Ungluͤck vorbeugen kann. Ein Rohr-Stab lehnt ſich auf den andern. Dieſe Maͤdchens haben keinen Verſtand bey ihrer Freundſchaft: ſie wiſſen nicht, was ein geſetztes und beſtaͤndiges Feuer iſt.

Wie geht es aber zu, daß mir der Muth dieſer Amazonin ſo wohl gefaͤllt, ob er mir gleich ſo viel Schaden thut? Wenn ich ſie nur hier haͤtte, ſo ſollte ſie in acht Tagen einen Gehorſam ohne Bedin - gungen lernen. Wie wuͤrde es mich vergnuͤgen, wenn ich einen ſolchen Kopf brechen koͤnnte! Einen Monath wollte ich ſie denn noch bey mir haben, laͤnger nicht: ſie wuͤrde nachher gar zu niederge - ſchlagen und gar zu zahm ſeyn. Wie ſollte mich das erquicken, wenn ich die beyden liebenswuͤrdi - gen Freundinnen gedemuͤthiget und gezaͤhmet haͤt - te, und ſie in dem finſterſten Winckel der Stube ſich einander mit Seufzen in den Armen hielten,und207und eine uͤber die andere weinete! Jch wollte als - denn als ein rechtmaͤßiger Ober-Herr mich auf meinen Sopha ſetzen, und wie ein Tuͤrckiſcher Groß Sultan thun, der ſich beſinnet, welcher Schoͤnen er zuerſt ſein Tuch zuwerfen ſoll.

Stelle dir das Maͤdchen vor. Es will vor Verdruß uͤber die Harlowes von Sinnen kommen. Es aͤrgert ſich uͤber den kleinen Geiſt ſeiner Mutter. Gegen den albernen und niedertraͤchtig-hochmuͤthigen Lovelace iſt es erbittert. (Albern? die kleine Kroͤte! Gott vergebe es mir, daß ich ein tugendhaftes Maͤdchen ſo nenne.) Sie wollen ſich aber doch beyde herunter laſſen und mich neh - men, ſo gut ich bin, wenn ſie ſich gleich die Finger dabey ſchmutzig machen. Jch ha - be mich gegen die Fraͤulein zum wenigſten nicht unanſtaͤndig aufgefuͤhret. Hieruͤber ſcheint ſich die Fraͤulein Howe zu verwundern. Jch darf mich es auch nicht unterſtehen. Das mag ſie glauben! Wenn dem Frauenzimmer ſolche Dinge in dem Kopfe herumſchwaͤrmen, warum ſoll ich ſie denn nicht in meinem Hertzen haben? Ein ſolcher Teufel bin ich noch nicht. Wenn ich uͤble Abſichten haͤtte, ſo wuͤrde es ſich ſchon laͤngſtens gezeiget haben. Gott helfe!

Sie ſetzt hierauf ihrer Freundin in den Kopf, daß ſie auf Ehe-Stiſtung, Trauſchein u. ſ. w. dringen ſolle. Alle Bloͤdigkeit ſoll nun am Ende ſeyn. Sie ſagt ihr alles, wie ſie es anfangen ſoll,um208um weiter zu kommen. Glaubſt du nicht, daß ich laͤngſtens geſieget haͤtte, wenn die Xantippe nicht geweſen waͤre? Sie giebt ihr Schuld: daß ſie zum wenigſten zweymahl aus Bloͤdig - keit eine Gelegenheit habe fahren laſſen, die ſie billig haͤtte ergreifen ſollen. Du ſiehſt al - ſo, daß die großmuͤthigſten unter dem Frauenzim - mer durch alle ihre Sproͤdigkeit nichts ſuchen, als einen armen Schelm, der ihnen in das Gehaͤ - ge kommt, und ihnen anſtaͤndig iſt, zu pfaͤnden.

Bey dieſem Briefe lieget die allerunartigſte Beylage, dadurch eine Tochter ſich je an ihrer Mutter hat verſuͤndigen koͤnnen. Es iſt ſolch Zeug von Witwen und alten Junggeſellen darin enthalten, daß ich mich wundere, wie die Fraͤulein Howe zu ſolcher Erkaͤnntniß gekommen iſt. Georg Colmar war gewiß noch einfaͤltiger als dein Lovelace, wenn er ſie das alles umſonſt geleh - ret hat.

Jn dieſem Anhange berichtet die Howe der Fraͤulein Harlowe, daß der alte Anton um ihre Mutter angehalten hat. Der alte Kerl muß ein zaͤhes Leben haben, wenn er ſie bekommt: ſonſt wird er es nicht lange bey einer Frau aushalten, die den ſeeligen Howe zu Tode gequaͤlt hat. Doch dem mag ſeyn wie ihm wolle, die dumme Familie iſt wegen dieſes Einfalls des alten Antons ſo un - verſoͤhnlich gegen ihre Fraͤulein Tochter, als ſie je - mahls geweſen ſeyn mag. Jch bin alſo deſto ſiche - rer, weil ſie (wie die Fraͤulein Howe ſagt) nur Eins waͤhlen kann. So ſehr dieſes meinem Hoch -muth209muth anſtoͤßig iſt, ſo glaube ich doch, daß meine Zaͤrtlichkeit mich endlich uͤberwinden wird. Denn ich habe nie gewuͤnſchet, daß ſie lauter Truͤbſal haben ſollte. Allein warum liebet ſie dieſe Un - menſchen (wie die Howe ſie nennet) ſo ſehr? und mich ſo wenig? Jch habe noch eine Abſchrift eines Briefes, deſſen Laͤſterungen den Fraͤuleins nicht koͤnnen vergeben werden.

Der fuͤnf und zwantzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.

Der folgende Brief iſt ſo beſchaffen, daß dieſe ſtoltzen Toͤchter ihn fuͤr vieles nicht in mei - nen Haͤnden wuͤnſchen wuͤrden.

Jch ſehe was ihr an meinem Antrage misfal - len hat. Er geſchahe nicht mit der Hitze als ſie es erwartete. Dieſen gantzen Brief hat Dor - cas abgeſchrieben, als welcher er zufiel. Du ſollſt einige Auszuͤge daraus von Wort zu Wort leſen. Jch glaube (ſchreibt der kleine Teufel) daß Leute von ſeiner Art nichts von den Flam - men fuͤhlen, dadurch redliche und ehrliche Leute entzuͤndet werden. Die Fraͤulein Howe hat doch artige Einfaͤlle! Ein allerliebſtes Maͤdchen! Es muͤßte einen ehrlichen Kerl verdrieſ - ſen, wenn ein Maͤdchen umſonſt zu ſolcher Weis - heit gelanget waͤre.

Vierter Theil. OViel -210

Vielleicht muß ich erſt ein halb Dutzend aufopfern, ehe ich mich auf Lebenslang einlaſſe. Und damit dieſes nicht laſſen moͤchte, als haͤtte ſie Hoffnung zu meiner Beſſerung, ſo ſetzt ſie hinzu: ehe er das große Stufen - Jahr uͤberſtanden hat, koͤnnen ſie ihn nicht fuͤr ehrlich und zuverlaͤßig anſehen. Sie nuß von ihrem Geſchlechte hohe Gedancken ha - ben, wenn ſie glaubt, daß wir bis an das große Stuffen-Jahr noch immer verliebt ſeyn koͤnnen, da wir an ihnen immer einerley finden.

Sollte der Menſch aus Hoͤflichkeit ge - gen den Lord M. einen Aufſchub machen? Ja, das thue ich. Wenn man bisher denen un - gehorſam geweſen iſt, die man an Eltern Stelle zu ehren hat, ſo folget nicht, daß man nie anfangen ſoll, gehorſam zu werden. Dieſes iſt eine wichtige Sache, welche der gantzen Familie an dem Hertzen lieget. Sie haͤtten, heißt es weiter, in der That geſtern fruͤh einen Freund noͤthig gehabt, der fuͤr ſie geredet haͤtte. Wenn ich damahls an ihrer Stelle geweſen waͤre, ſo wollte ich ihm die Augen ausgekratzt, und nachher Zeit gelaſſen haben, ſich zu beſinnen, warum es geſchehen waͤre. Sie - he! ſiehe! was ſageſt du dazu?

Der Schelm! nennet ſie mich. Und warum das? Weil ich gewuͤnſcht hatte, daß mor - gen mein gluͤcklicher Tag ſeyn moͤchte, und weil ich meine Pflicht gegen meine naͤchſten Verwand - ten nicht vergeſſe.

Ein211

Ein Frauenzimmer kann nicht ungluͤck - licher ſeyn, als wenn es den Mann nehmen muß, den es verachtet. Das war es eben, was ich wiſſen wollte. Jch fuͤrchte mich immer, daß mein Kind ſeine Vorzuͤge allzugut wußte, und mich in der That verachtete. Es iſt mir dieſes unertraͤglich. Jch will das arme Kind nicht ſo ungluͤcklich machen. Der Teufel hohle mich, wenn ich eine Gemahlin nehme, die ſich gegen ihre beſie Freundin ſo erklaͤret hat, daß jene daraus ſchließen muß, ſie verachte mich. Soll Lovela - ce ſich verachten laſſen?

Jch wuͤnſchte, daß die Fauſt damit er ſich vor den Kopf ſchlug, (ich erinnere mich der Sache noch wohl. Allein ſie hatte eben den Ruͤcken zu mir gekehret. Koͤnnen die wachſamen, die liſtigen Maͤdchens auch hinten ſehen?) ein Beil in der Hand ſeines aͤrgſten Feindes ge - weſen ſeyn moͤchte. Jch will Geduld haben! ja das will ich thun. Meine Zeit iſt nahe: alsdenn will ich mein Hertz durch Erinnerung des vorigen in Stahl und Eiſen verwandeln.

Es geſchiehet eines Vorſchlages Meldung, meine rechtmaͤßige Beute aus meinen Haͤnden zu befreyen.

Das macht mich unruhig. Nun wird der Streit heftiger. Du wirſt dich nun nicht wun - dern, wenn ich Schelmerey gebraucht. Jch will mich nicht durch das Zauber-Wort, Norris, verblenden laſſen.

O 2Sie212

Sie wiederholt es nochmahls: ich kann keine uͤbele Abſichten haben. Allein ich bin ein Narr! das iſt das Ende vom Liede. Jch muͤßte freilich ein Narr ſeyn, wenn ich ſo zu Wercke gienge, und die Abſicht haͤtte, ſie zu heyrathen. Weil ſie aber einmahl durch das Schickſal an einen Narren verſchenckt ſind, ſo heyrathen ſie ihn bey der erſten und beſten Gelegenheit. Jch glaube zwar, daß er von der Art Narren iſt, die ſich am we - nigſten lencken laͤßt; allein nehmen ſie ihn als eine Straſe an, wenn ſie ihn nicht fuͤr ihr Gluͤck halten koͤnnen. Jſt das zu ge - nießen?

Heute erhielte ſie wieder einen Brief, als ſie in der Kirche war. Der Anſchlag iſt voͤllig gemacht: es iſt eine verfluchte Meuterey.

Herr Lovelace ſchreibt hier den Theil des zwey und zwantzigſten Briefes ab, der von der Frau Townsend handelt. Nichts verdrießt ihn mehr, als daß die Fraͤulein Howe ſich dar - uͤber freuet, daß die Fraͤulein Harlowe ſeiner durch die Flucht oder den Galgen los wuͤrde, wenn er ſich unterſtuͤnde durch Gewaltthaͤtig - keiten die Geſetze zu uͤbertreten.

Er ſetzt hinzu:

Jch mache mir eine Ehre daraus, ſolche Maͤd - chens zu beſiegen, die ſo viel Verſtand haben, daß ſie ſich fuͤr unbetruͤglich halten muͤſſen; und ſie zu uͤberzeugen, daß ſie doch noch nicht genug wiſſen,ſich213ſich vor den ſchaͤdlichen Folgen ihrer allzugroßen Wiſſenſchaft in Sicherheit zu ſetzen.

Wie munter macht uns doch die Leidenſchaft! Jn wenigen Stunden habe ich ein gantzes Buch an dich geſchrieben. Jetzt bin ich rachgierig: jetzt will ich dieſe zwiefach bewaffnete Schoͤne ſprechen, und ſie vielleicht beſtrafen. Jch habe ihr ſagen laſſen, ich muͤßte nothwendig Erlaubniß haben, dieſen Abend bey ihr zu ſpeiſen. Dieſen Mittag hat weder ſie noch ich gegeſſen: ſie wollte nicht einmahl den Nachmittag warm Waſſer trincken. Wir werden auch dieſen Abend ſchlechte Luſt zum Eſſen haben.

Der ſechs und zwantzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.

Jch bin geſtern Abend mit Herrn Lovelace und mit der Jungfer Horton in dem Co - moͤdien-Hauſe geweſen. Das Trauer-Spiel, welches aufgefuͤhret ward, iſt ſchon ſehr betruͤbt, und ruͤhrend, wenn man es nur lieſet. Sie ha - ben meine Anmerckungen daruͤber in dem kleinen Buche, das ich auf Jhren Befehl entworfen, und mein Urtheil uͤber die bekannteſten Luſt - und Trauer-Spiele faͤllen mußte. Sie werden ſich nicht wundern, wenn ſo wohl die Jungfer Hor -O 3ton214ton als ich ſehr geruͤhret ward, da ich Jhnen zu meinem Vergnuͤgen melden kann, daß ſo gar Herr Lovelace bey denen beweglichſten Stellen nicht unbeweget blieb. Jch fuͤhre dieſes als einen Be - weis an, daß das Trauer-Spiel ſehr wohl vorge - ſtellet ward: denn ich halte den Herrn Lovelacen fuͤr einen von den haͤrtſten Leuten in der Welt. Das iſt meine aufrichtige Meinung von ihm.

Seine Auffuͤhrung in der Comoͤdie und bey der Zuruͤckkunſt war untadelhaft; das eintzige ausge - nommen, daß er mich zwang, unten bey den Frauens-Leuten zu ſpeiſen, und bey nahe bis des Nachts um ein Uhr aufzubleiben. Jch entſchloß mich, ihm dieſes wieder einzutraͤncken; und in der That war es mir lieb, daß ich einen ſo guten Vor - wand hatte, denn ich bin des Sonntags fruͤh gern allein.

Um eine noch beſſere Entſchuldigung zu ha - ben, und mich ſeines Bettelns leichter entſchlagen zu koͤnnen, habe ich mich voͤllig angekleidet, und will mich nach S. James-Kirche tragen laſſen. Jch werde hiebey ſehen, ob ich Freyheit habe aus dem Hauſe zu gehen, wenn ich will, ohne daß er mir ſeine Geſellſchaft aufdringet, wie er ſchon zwey - mahl gethan hat.

Kurtz vor 9. Uhr.

Jch habe Jhren guͤtigen Brief von geſtern erhalten: und er weiß es, daß ich ihn erhalten habe. So bald ich ihn ſpreche, bin ich mir ſchon vermu - then, daß er begierig ſeyn wird, zu wiſſen, was Sie zu ſeinen Vorſchlaͤgen ſagen. Jch zweifeltenicht215nicht daran, daß Sie dieſe Vorſchlaͤge billigen wuͤrden, und in dieſer Hoffnung habe ich ſchon eine Antwort geſchrieben, die fuͤr ihn fertig lieget. Wenn wir nun wieder zerfallen, ſo muß er ſich gewiß recht bemuͤhen, die Sache aufzuſchieben, und mich in ſolcher Abſicht zu beleidigen.

Er verlanget mit großem Ungeſtuͤm, mich zu ſprechen. Er hat ſich Erlaubniß ausgebeten, mich in die Kirche zu begleiten. Er iſt ungehal - ten, daß ich ihm abgeſchlagen habe, den Thee bey ihm zu trincken: allein wenn ich ihm das geſtattet haͤtte, ſo haͤtte ich zum Voraus gewußt, daß er mich nicht allein wuͤrde ausgehen laſſen. Jch ließ ihm durch Dorcas ſagen: ich wollte dieſen gan - tzen Tag fuͤr mich allein haben; allein morgen wollte ich ihn ſo fruͤh als ihn ſelbſt beliebete, ſpre - chen. Sie ſagte: ſie wuͤßte nicht, was ihm fehlte; er ſey mit jedermann boͤſe.

Er hat noch einmahl zu guter letzt an mich ge - ſchickt. Er laͤßt mich vor Singleton warnen. Jch ließ ihm aber antworten: da es geſtern Abend nicht gefaͤhrlich geweſen ſey, in die Comoͤdie zu ge - hen, ſo wuͤrde es auch heute nicht gefaͤhrlich ſeyn, die Kirche zu beſuchen; da wohl funfzig mahl ſo viel Kirchen als Comoͤdien-Haͤuſer in London waͤ - ren. Jch habe indeſſen zugegeben, daß mir ſein Diener nachfolget. Er iſt aber gantz verdrießlich und misvergnuͤgt. Jch frage aber nicht darnach: ich will mich nicht immer nach dem unhoͤflichen Menſchen richten. Jch breche jetzt den Brief ab. Die Saͤnſte iſt da. Jch hoffe nicht, daß er mirO 4in216in den Weg kommen und mich zuruͤck halten wird.

Jch habe ihn bey dem Hinuntergehen nicht angetroffen. Er iſt uͤberaus ungnaͤdig; doch ſagt Dorcas, daß ſeine Ungnade nicht eigentlich auf mich falle, ſondern daß ihn ſonſt etwas verdrießen muͤſſe. Vielleicht iſt dieſes nur darum angeſtel - let, damit ich ihm nicht abſchlagen foll, mit ihm zu ſpeiſen. Allein ich werde mich doch nicht daran kehren, wenn ich es aͤndern kann: ſonſt wuͤrde ich ſeiner den gantzen Tag nicht los werden.

Er hat ſehr darauf gedrungen, mit mir zu ſpeiſen. Weil ich es aber einmahl darauf geſetzt hatte, in dieſer Kleinigkeit meinen Willen zu haben, ſo ſagte ich, ich wollte gar nicht eſſen. Jch be - ſchaͤfftigte mich auch in der That mit einem Briefe an meinen Vetter, Morden. Jch hatte drey Brie - fe angefangen, ohne daß mir einer davon gefiel, und ſich meiner Meinung nach recht zu meinen Um - ſtaͤnden ſchickte.

Dorcas ſagt, er ſchriebe ſehr eifrig, und aͤße auch dieſen Mittag nichts, weil ich nicht mit ihm eſſen wollte.

Er foderte ſo zu reden den Nachmittag, daß wir mit einander den Thee trincken moͤchten, und berief ſich in dem, was er mir durch Dorcas ſagen ließ, auf ſeine geſtrige Auffuͤhrung. Jch ließ ihm antworten: er ſchiene einen großen Danck dafuͤr zu fodern, wenn er ſich nicht ungebuͤhrlich auffuͤhrete. Jn -217Jndeſſen wiederhohlte ich mein Verſprechen, mich morgen, ſo fruͤh als er es ſelbſt befoͤhle, mit ihm zu unterreden, und das Fruͤhſtuͤck mit ihm zu neh - men.

Dorcas ſagte, er ſey gantz unleidlich. Mich duͤnckt auch, ich hoͤrte, wie die Dieners von ihm flogen, wenn er redete. Sie ſchreiben in einem Jhrer vorigen Briefe, daß Sie jemand haben muͤß - ten, mit dem Sie ſich zanckten, wenn Jhre Mut - ter Sie verdrießlich macht. Jch wollte nicht gern eine Vergleichung anſtellen. Allein die Leiden - ſchaften ſind einerley, ſie moͤgen Manns-Leute oder Frauenzimmer beherrſchen.

Er hat noch einmahl gefchickt, und dringet darauf, daß wir dieſen Abend beyſammen eſſen ſollen. Weil ich bisher ziemlich wohl mit ihm ge - ſtanden habe, ſo hielte ich es fuͤr unvorſichtig, we - gen einer ſolchen Kleinigkeit zu brechen. Jndeſ - ſen iſt es mir ſehr ungelegen, daß ich mich durch Drohungen zwingen laſſen ſoll, zu thun was er ha - ben will.

Unterdeſſen, daß ich noch in Gedancken war, klopfte Herr Lovelace an meine Stube, und ſag - te mir mit einer unfreundlichen Stimme: er muͤß - te mich ſprechen. Er koͤnnte keine Ruhe haben, bis er wuͤßte, wodurch er ſich eine ſolche Auffuͤh - rung zugezogen haͤtte. Jch muß wohl hingegen, ob ich gleich weiß, daß er nichts neues zu ſagen hat, und ſehr verdrießlich gegen ihn ſeyn werde.

O 5Weil218

Weil die Fraͤulein nicht wuſte, was fuͤr Abſichten Herr Lovelace hatte, und wor - uͤber er ſo verdrießlich waͤre; ſo wollen wir das folgende nach ſeiner eigenen Er - zaͤhlung, die aus ſeinen Briefen genom - men iſt, einruͤcken. Er erzaͤhlt, daß er ſich auf eine zornige Art ihre Geſellſchaft bey dem Abend-Eſſen ausgebeten habe, und fahrt darauf alſo fort.

Mein eigenſinniges Kind antwortete: es iſt et - was hartes, daß ich uͤber meine Zeit nicht zu be - fehlen haben ſoll. Ueber eine halbe Stunde will ich zu ihnen in den Speiſe-Saal kommen.

Jch gieng in der halben Stunde zu den Frauens-Leuten hinunter, die ſehr an mir heraus waren, daß ich ihr Urſache geben moͤchte grauſam zu ſeyn, weil ſie doch grauſam ſeyn wollte. Sie fuͤhreten ihre Beweiſe aus der Natur des ſchoͤnen Geſchlechtes und aus den Umſtaͤnden, daß ich nichts zu hoffen haͤtte, wenn ich bloͤde bliebe, und daß ich mir durch die letzte Tod-Suͤnde keinen heftigern Zorn zuziehen koͤnnte. Jch ſollte zum wenigſten verſuchen, was er fuͤr Wirckungen haben wuͤrde, wenn ich mir mehr Freyheiten gegen ſie heraus - naͤhme. Jhre Gruͤnde wurden durch meine Lei - denſchaft ſtaͤrcker, und ich entſchloß mich, mir einige Freyheiten zu nehmen, und wenn ſie mir dieſes nicht uͤbel naͤhme, zu noch groͤßeren Freyheiten zu ſchreiten, und alles ihrer harten Auffuͤhrung gegen mich Schuld zu geben. Jn dieſem Sinne gieng ich hinauf, und ſpatzierte wie einer der die Gichthat,219hat, in dem Speiſe-Saal auf und nieder; denn meine Erwartung machte, daß ich uͤber meine Knochen und Gelencke nicht mehr zu befehlen hatte.

Sie trat mit einer erhabenen Mine herein, ihr Geſichte war abgekehrt, ihre geſchwollnen Bruͤ - ſte traten deſto mehr hervor, weil ſie ſich ſo erha - ben trug. Jſt es nicht unrecht, Bruder, daß ſelbſt der Eigenſinn dieſe ſtoltze Schoͤne noch ſchoͤner macht? Allein die wahre Schoͤnheit bleibt in allen Stellungen und bey allen Gemuͤths-Beſchaffen - heiten ſchoͤn. Aus dem abgekehrten Geſichte und der veraͤchtlichen Geberde merckte ich, daß das liebe unartige Kind Luſt hatte zu zuͤrnen: deswegen nahm ich auch eine ſolche Mine an, da ich ihre Hand mit Zittern ergriff, daß die Furcht bald in ihrem Gemuͤthe ſiegete. Jndeſſen ward auch mein Hertz ſogleich entwaffnet, und mit Ehrfurcht nie - dergeſchlagen, als ich ſie ſahe. Sie iſt gewiß ein Engel. Und dennoch glaube ich, daß die Jhrigen ſie fuͤr ein Maͤdchen angeſehen haben muͤſſen, ſonſt wuͤrden ſie ſie nicht von Kindheit an ſo gekleidet haben, und ſie wuͤrde auch die weibliche Kleidung aus Triebe des Gewiſſens abgeleget haben, wenn ſie uͤberzeuget waͤre, daß ſie ihr nicht gebuͤhrete.

Darf ich ſie bitten, Fraͤulein, (fing ich an) mir zu ſagen, wodurch ich eine ſolche Auffuͤhrung von ihrer Seite verdienet habe?

Und darf ich ſie bitten, Herr Lovelace, mir zu ſagen, wodurch ich verdient habe, daß ſie mich ſtoͤren, wenn ich allein ſeyn will? Was kann ſeitgeſtern220geſtern Abends neues vorgefallen ſeyn, das ſie 'mir nothwendig ſagen muͤſſen? Seit dem Abend, da ich ihnen zu Gefallen wider meinen Willen die Comoͤdie beſuchte? und da ich auch wider meinen Willen mit ihnen ſo ſpaͤte habe aufbleiben muͤſ - ſen?

Jch muß ihnen ſagen, Fraͤulein, daß es mir unertraͤglich iſt, mit ihnen unter einem Dache zu ſeyn, und dennoch ſo fremde zu bleiben. Jch ha - be tauſenderley mit ihnen zu reden, das unſere je - tzigen Umſtaͤnde und unſere kuͤnftige Hoffnung be - trifft. Wenn ich ihnen aber mein gantzes Hertz eroͤffnen will, ſo zwingen ſie mich, gantz fremde zu thun. Sie machen, daß zwiſchen meinen eigenen Handlungen keine Gleichheit ſeyn kann: ſie ſuchen nur Zeit zu gewinnen. Sie muͤſſen gewiß ande - re Abſichten haben. Sagen ſie mir, Fraͤulein, um Gottes willen ſagen ſie mir ſogleich ohne Zwey - deutigkeit und ohne Ausfluͤchte, von welcher Seite ſie mich kuͤnftig anſehen und kennen lernen wollen. Die Entſernung iſt mir unertraͤglich: die Qual, zwiſchen Furcht und Hoffnung zu ſeyn, iſt mir unertraͤglich.

Von welcher Seite, Herr Lovelace? nicht von der ſchlimmen Seite. (Faſſen ſie mich doch nicht ſo fort an: (ſie wollte die Hand loß ma - chen) laſſen ſie mich gehen.

Sie haſſen mich, Fraͤulein.

Jch haſſe niemanden.

Sie haſſen mich, Fraͤulein: ſagte ich noch einmahl.

Weil221

Weil ich ſchon ſo ſehr angehetzt, und mit ei - ner boͤſen Entſchließung hinauf gegangen war, ſo brauchte es weiter nichts, als ein Wort, mich noch boͤſer zu machen. Es iſt wahr, der Teufel ſchlich ſich aus meinem Hertzen heraus, ſo bald ich mei - nen Engel ſahe: allein er hatte die Thuͤr offen gelaſſen, um wieder hinein zu kommen, und war kaum einen Schritt von mir gegangen.

Jch ſehe, Herr Lovelace, ſie ſind in keinem guten Sinne zu mir gekommen. Allein ich bitte ſie, ſeyn ſie nicht ſo heftig. Jch habe ihnen nichts zu Leide gethan. Seyn ſie nicht heftig.

Das liebe Kind! Jch faſſete es zwiſchen bey - de Arme, und ſchlug meine Haͤnde in einander. Sie haben mir nichts zu Leide gethan? Sehr viel haben ſie mir zu Leide gethan. Wo - durch habe ich es verdient, daß ſie ſo fremde ge - gen mich thun? Jch wußte ſelbſt nicht, was ich ſagen ſollte.

Sie ſuchte ſich loszureiſſen. Jch bitte ſie, Herr Lovelace, laſſen ſie mich weggehen. Jch weiß nicht, warum das alles geſchiehet. Jch bin mir gar nichts bewußt, dadurch ich ſie beleidiget haͤt - te. Jch ſehe, ſie ſind blos deswegen gekommen, daß ſie ſich mit mir zancken wollen. Wenn ſie mir nicht durch ihren Unwillen eine Furcht einjagen wollen, ſo vergoͤnnen ſie mir wegzugehen. Jch will auf ein anderes mahl alles anhoͤren, was ſie zu ſagen haben. Es ſoll morgen fruͤh geſchehen, wie ich ihnen ſchon verſprochen habe. Allein ich fuͤrchte mich in der That vor ihnen. Wenn ſienoch222noch einige Werthachtung fuͤr mich haben, ſo laſ - ſen ſie mich weggehen.

Die Nacht, die Mitternacht iſt die eintzige Zeit, in der ich ſiegen kann. Ueberfall, Schre - cken, alles muß angewandt werden, wenn mein Sturm nicht abgeſchlagen werden ſoll: Die Frauensleute hier in dem Hauſe moͤgen ſagen, was ſie wollen. Jch muͤßte meinen Vorſatz fahren laſſen. Dieſes war nicht das erſtemahl, da ich vorhatte, ſie auf die Probe zu ſetzen, ob ſie ver - geben koͤnnte.

Jch kuͤſſete ihre Hand ſo, als wenn meine Lip - pen daran kleben bleiben ſollten. So gehen ſie denn weg, allerliebſtes Kind, und ewig liebes Kind. Jch war zwar ſehr verdrießlich, als ich zu ihnen kam: denn es iſt mir unertraͤglich, daß ſie ſo fremde gegen mich thun. Allein, weil es einmahl ihr Wille iſt, ſo gehen ſie hinauf. Faͤllen ſie ein ſolches Urtheil uͤber mich, wie es ſich fuͤr ihr edles Hertz ſchicket, und wie ich es verdiene. Darf ich nicht hoffen, ſie morgen in einer ſolchen Faſſung zu ſehen, die ſich zu unſern jetzigen Umſtaͤnden und zu dem, was wir hoffen, beſſer ſchicket? Jch fuͤhrte ſie mit dieſen Worten an die Thuͤr, und verließ ſie. Jch gieng aber nicht zu den Frauensleuten hinun - ter, ſondern verſchloß mich in meine Stube, weil ich mich ſchaͤmete, daß ihr vornehmes und liebens - wuͤrdiges Geſicht, und ihre wachſame Tugend, ei - nen ſolchen Sieg uͤber mich erhalten hatte, nach - dem ich durch die Briefe ihrer unartigen Freun - din, die ſie ſelbſt durch ihre Nachrichten veranlaſ -ſet223ſet hatte, ſo rechtmaͤßig erbittert und ſo ſehr zur Rache gereitzet war.

Die Fraͤulein beſchreibet ihre Furcht und Herrn Lovelaces Auffuͤhrung alſo:

Als ich in das Zimmer trat, ergriff er meine Hand auf eine ſolche Art, und ſahe ſo aus, als wenn er durchaus zancken wollte. Und warum das? Jch habe in meinem Leben kein ſo wildes, zorniges und ungeduldiges Geſicht geſehen. Jch erſchrack mich; und ob ich mir gleich vorgenom - men hatte, zornig zu ſeyn, ſo war ich doch gezwun - gen, mich gantz gelaſſen zu bezeigen. Jch kann mich vor Schrecken kaum erinnern, was er zuerſt ſagte; allein das erinnere ich mich wohl, daß er ſagte: ſie haſſen mich, Fraͤulein! ſie haſſen mich. Er ſprach dieſes auf eine ſo unbaͤndige Weiſe, daß ich wuͤnſchte, hundert Meilen von ihm zu ſeyn. Jch ſagte: ich haſſe niemand. Gott - lob, es iſt kein Menſch auf der Welt, den ich haſ - ſen ſollte. Sie jagen mir Furcht ein. Laſſen ſie mich gehen. Der Menſch ſahe recht wun - derlich aus. Jch habe noch nie ein Geſichte ge - ſehen, das durch den Zorn ſo verſtellet ward, als das ſeinige. Und woruͤber war er ſo boͤſe? Er faſſete meine Hand, der wilde Menſch faſſete meine Hand ſo an, daß es mir recht wehe that. Einmahl umfaſſete er mich, und er ſchien es recht darauf anzufangen, daß ich ihn beleidigen ſollte. Jch konnte daher nichts thun, als ihn einmahl uͤber das andere mahl bitten, daß er mich moͤchte gehenlaſſen.224laſſen. Jch verſprach ihm deßwegen, ihn den an - dern Morgen zu ſprechen, ſo bald er es beliebte.

Er ließ ſich dieſes endlich gefallen, aber ſo, daß ich nichts von gutem Anſtande bey ihm ver - nahm, und kuͤſſete mir die Hand ſo, daß ich noch einen rothen Fleck darauf habe.

Bringen Sie doch, allerliebſte Fraͤulein Ho - we, den Vorſchlag mit der Frau Townsend zu Stande. Jch will den Menſchen verlaſſen. Sehen Sie nicht, daß er ſich von Tage zu Tage mehr heraus nimmt? Jch zittere, wenn ich zu - ruͤck dencke, wie viel er ſchon gewonnen hat. Und nun giebt er mir ſogar Urſache, noch mehr Boͤſes zu befuͤrchten, als meine Feder vor Verdruß ſchrei - ben kann. Bringen Sie ja alles in Richtigkeit, ſo will ich von dem wunderlichen Kerl fliehen. Er mußte gewiß einen Endzweck haben, den er nicht geſtehen wird, da er ſich recht darzu draͤngete, mit mir zu zancken. Was kann das fuͤr ein End - zweck ſeyn.

Es verdroß mich ſo ſehr auf ihn, und er hatte mich in ſolche Furcht geſetzt, daß ich halb außer mir und voll Verzweifelung die Antwort auf ſei - nen Antrag faſt gantz zerriß.

Morgen fruͤh will ich ihn ſprechen, weil ich es ihm zugeſagt habe: Jch will aber bald ausgehen, ohne ihn mitzunehmen. Wenn er mir nicht Re - de und Antwort giebt, woher dieſe ploͤtzliche Ver - aͤnderung entſtehet, und ich in einem Hauſe, das in gutem Ruff iſt, eine Miethe finden kann, ſowill225will ich nicht in dieſes Haus zuruͤck kommen. Dieſes iſt zum wenigſtens jetzt mein Vorſatz. Jch will alsdenn entweder die Ausfuͤhrung Jhres Vor - ſatzes abwarten: oder ich will mich ſchriftlich mit ihm unterreden, und alles durch Briefe ausma - chen, weil Sie doch glauben, daß ich die Seinige werden muͤſſe. Vielleicht entſchließe ich mich gar, mich in den Schutz der Lady Eliſabeth zu be - geben. Hierdurch wuͤrde ich ihn auch abhalten, ſeine Drohungen gegen die Meinigen nicht zu er - fuͤllen.

An dem Montage Abends ſchreibt die Fraͤu - lein abermahls, und giebt von dem gantzen Tage eine genaue Nachricht: inſonderheit davon, daß ſie vor Furcht nicht ausgegangen ſey. Allein wir laſſen dieſes aus, weil Herr Lovelace es noch umſtaͤndlicher berichtet.

Jndeſſen muͤſſen wir melden, daß ſie aber - mahls ſo uͤbel mit Herrn Lovelacen zufrieden iſt, daß ſie die Fraͤulein Howe ſehr bittet, alles mit Frau Townsend zur Richtigkeit zu bringen.

Sie beſchließt den Brief mit dieſen Worten:

Nun ſollte ich billig etwas zur Antwort auf Jhren letzten Brief, den ich vor wenigen Stun - den erhalten habe, und auf die Unterredung mit Jhrer Mutter ſchreiben. Koͤnnen Sie eine Sa - che nicht recht laͤcherlich vorſtellen! Jch wuͤnſche nur zweyerley hierbey: einmahl, daß ſie eine an - genehmere Materie zum Schertzen haben moͤch - ten; zum andern, daß ich jetzt nicht in ſolchenVierter Theil. P Umſtaͤn -226 Umſtaͤnden waͤre, die allen Schertz erſticken, und mir nicht erlauben, ſo daruͤber zu lachen, als ich ſonſt zu thun pflege. Seyn Sie indeſſen ver - gnuͤgt, ob Sie ſich gleich nicht freuen koͤnnen uͤber die Umſtaͤnde

Jhrer Clariſſa Harlowe.

Der ſieben und zwanzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Johann Belford.

Bey der Fraͤulein iſt nicht die geringſte Danck - barkeit. Wuͤrdeſt du nicht geglaubt haben, nachdem ich ſie hatte gehen laſſen, als ich recht reif zur Suͤnde war, daß ſie des Morgens recht fruͤh zu mir kommen, mir ein freundlich Geſicht ge - ben und noch dazu den beſten Knicks machen wuͤrde?

Jch war ſchon vor ſechs Uhr in dem Speiſe - Zimmer und wartete auf ſie. Allein ſie eroͤffnete die Thuͤr nicht. Jch gieng die Treppe auf und nieder; ich huſtete, ich rief Wilhelm, ich rief Dorcas; ich ſchmieß die Thuͤren zu, und dennoch gieng ihre Thuͤr nicht auf. So laurete ich wie ein Narr bis um halb acht Uhr: als aber das Fruͤhſtuͤck fertig war, ſo ſchickte ich endlich die Dorcas zu ihr, und bat mir ihre Geſellſchaft aus.

Jch wußte nicht, was ich zu ſehen bekam, als ſie gleich hinter der Dorcas hergieng; gantz an -gekleidet!227gekleidet! mit Handſchuhen, mit Fechtel und al - lem Teufel! Sogleich befohl ſie der Dorcas, Wilhelm auszuſchicken, und eine Saͤnfte beſtellen zu laſſen.

Grauſames Kind! dachte ich: mußt du mich ſo den Leuten in dem Hauſe zum Geſpoͤtte ma - chen!

Sie wollen ausgehen, Fraͤulein?

Ja, mein Herr.

Jch glaube, ich ſahe verflucht dumm aus. Ob ich gleich hundert Widerhacken in meinem Her - tzen fuͤhlte, ſo ſagte ich doch ſehr demuͤthig: ich hoffe, ſie werden vorher etwas zu ſich nehmen.

Wenn ſie mir ihre Abſichten deutlicher zu er - kennen gegeben haͤtte, ſo waͤre ich vielleicht wieder ſo boͤſe geworden, als ich geſtern war, und haͤtte den Anfang zur Rache gemacht. Alles Giftige, was in den Briefen der Fraͤulein Howe geſtan - den hatte, kam mir auf einmal in das Gedaͤcht - niß.

Ja! ſagte ſie: ſie wollte eine Taſſe Thee trin - cken. Hiemit legte ſie Fechtel und Handſchuhe in das Fenſter.

Jch war voller Verwirrung. Jch huſtete, ich kratzte mich, wo mirs nicht juckete, ich wollte reden, und wußte doch nicht, was ich ſagen ſollte. Wer iſt nun bloͤde? dachte ich: wer iſt nun ſtoltz? Wie kann ein gebieteriſches Frauenzimmer eine bloͤ - de und beſcheidende Manns-Perſon in Furcht ſetzen! Sie ſchien mir die Fraͤulein Howe zu ſeyn, und ich war der kleinmuͤthige Hickman.

P 2End -228

Endlich dachte ich, ich will den Anfang ma - chen.

Sie eine Taſſe: ich eine Taſſe.

Sie ſchlurfte den Thee mit freyen Augen. Sie ſahe als eine hochmuͤthige und herrſchſuͤchtige Koͤnigin um ſich, die ſich ihrer Vorzuͤge bewußt iſt, und von der man einen jeden Blick fuͤr eine Gnade annimmt.

Jch ſchlurfte wie ein Unterthan. Lippen und Haͤnde zitterten mir: ich ſchmeckte das nicht, was ich in der Angſt hinunter ſchluckte.

Jch ich denn ſchlurfte ich noch ein - mahl zu, und zog Athem und Thee zugleich hin - ter, ob ich mir gleich den Mund verbrannte. Jch hoffete, Fraͤulein

Dorcas trat eben herein. Jſt die Saͤnfte gehohlet, Dorcas? ſagte ſie.

Was fuͤr eine verfluchte Grobheit, mir ſo in die Rede zu fallen. Jch mußte warten bis die Magd ihrer ſtoltzen Fraͤulein geantwortet hatte.

Wilhelm hohlt eine, gnaͤdige Frau.

Es koſtete mir eine gantze Minute, ehe ich wieder anfangen konnte. Und doch konnte ich nichts vorbringen, als daß ich gehoffet haͤtte, ge - hoffet haͤtte, gehoffet haͤtte, ſie fruͤher zu ſprechen.

Was fuͤr Wetter iſt es, Dorcas? ſagte ſie, und bekuͤmmerte ſich ſo wenig um mich, als wenn ich gar nicht zugegen geweſen waͤre.

Etwas truͤbe. Die Sonne hat ſich verkro - chen. Vor einer halben Stunde war es beſſer.

Mir229

Mir verging die Geduld. Auf ſtand ich: Thee-Topf, Milch, alles ſtieß ich um. Der Teufel hohle Wetter, Sonnenſchein und die Hure auf Ei - ner Poſt. Scheert euch fort, ins Teufels Nah - men, wenn ich mit eurer Herrſchaft ſprechen will, und ſo wenig Gelegenheit habe, ſie zu ſprechen.

Die Fraͤulein ſtand halb in Schrecken auf, und nahm Handſchuhe und Fechtel aus dem Fen - ſter.

Sie muͤſſen nicht weggehen, Fraͤulein. Bey meiner Seele, ſie muͤſſen nicht weggehen! Jch ergriff ſie bey der Hand.

Jch muß nicht? Herr Lovelace. Ja! ich muß! Sie koͤnnen auf die Magd eben ſo gut fluchen, wenn ich nicht zugegen bin, als wenn ich dabey bin: es waͤre denn, daß ſie mich meynen, und die Magd nennen.

Allerliebſtes Kind, ſie muͤſſen nicht weggehen. Sie muͤſſen mich nicht verlaſſen. Solche recht vorſetzliche Verachtung! Sie thun gantz unnoͤthige Fragen an das Maͤdchen, bloß um mir den Mund zu ſtopfen. Wer kann das ertragen?

Halten ſie mich nicht auf: ſagte ſie, und ſuchte ſich loßzureißen. Jch will mich nicht halten laſ - ſen. Weder ſie, noch ihre Weiſe gefallen mir. Sie ſuchten geſtern Gelegenheit, ſich mit mir zu zancken: und ich kann noch keine andere Urſache errathen, als dieſe, daß ich zu gefaͤllig gegen ſie geweſen bin. Sie ſind ein undanckbarer Menſch, und ich haſſe ſie von gantzem Hertzen, Herr Lovelace.

P 3Trei -230

Treiben ſie mich nicht auf das aͤußerſte, Fraͤu - lein. Erlauben ſie mir, daß ich ſie in einer ſol - chen Gemuͤths-Unruhe nicht gehen laſſe. Jch werde ſie begleiten, wo ſie hingehen. Wenn die Fraͤulein Howe meine Freundin geweſen waͤre, ſo wuͤrden ſie mir nicht ſo begegnen. Jch mercke wol, wem ich allen Verdruß zu dancken habe. Jch habe ſchon ſeit einiger Zeit bemerckt, daß ein jeder Brief den ſie von ihr empfangen, ihr Betragen gegen mich zu meinem Nachtheil aͤndert. Sie will, daß ſie mir eben ſo begegnen ſollen, als ſie ihrem Hickman: allein fuͤr ihr Gemuͤth wuͤrde es ſich eben ſo wenig ſchicken, das zu thun, als fuͤr mich es zu leiden.

Dieſes machte ſie unruhig. Sie verlangte nicht, daß ich von der Fraͤulein Howe ſolche Gedancken haͤtte.

Doch ſie beſann ſich. Die Fraͤulein Howe (ſagte ſie) iſt eine Fraͤulein der Froͤmmigkeit und aller frommen Leute. Wenn ſie ihr nicht anſtehen, ſo koͤnnen ſie die Urſache nun wol errathen.

Ja, Fraͤulein, das glaube ich. Um von Hick - man und mir ſo zu reden, wie ſie beide vermuthlich uns anſehen, gehet ſie mit Hickman ſo um, als ſie gewiß mit Lovelacen nicht umgehen wuͤrde. Jch frage ſie, ob ſie mir einen von ihren Briefen zeigen koͤnnen, darinn ſie meiner nicht gedencket.

Wie weit kommen wir von unſerer Haupt - Sache ab! Die Fraͤulein Howe iſt gerecht: ſie iſt auch guͤtig und billig. Sie redet und ſchreibet von jedermann ſo, wie er es verdienet. Nennenſie231ſie mir etwas Loͤbliches, das ich ihr von ihnen haͤtte berichten koͤnnen, darin ſie ſich gerecht, oder billig aufgefuͤhrt haben, ſo will ich ihre Antwort aufſu - chen, und ich will darauf wetten, daß ſie ihnen guͤn - ſtig ſeyn wird.

Verflucht ungnaͤdig! Und wie unhoͤflich, daß ſie einen beſcheidenen Mann zwinget, ſeinen eigenen Tugenden nachzuſpuͤren.

Sie wollte zur Stube hinaus: ich will ausge - hen, Herr Lovelace. Jch will mich nicht halten laſſen.

Jn der Unruhe muͤſſen ſie nicht ausgehen: ich laſſe ſie nicht weggehen.

Jch ſtellete mich zwiſchen ſie und die Thuͤr. Sie warf ſich auf einen Stuhl hin, und wehete ihr Ge - ſichte, das von artiger Bosheit mit Zinnober ge - faͤrbet ward.

Jch warf mich ihr zu Fuͤßen. Weg Lovela - ce! ſagte ſie, mit dem Fechtel in der Hand, und mit einer verſchmaͤhenden Bewegung. Um ihrer ſelbſt willen laſſen ſie mich allein. Meine Seele iſt uͤber deine, Kerl! (Sie ſtieß mich mit beyden Haͤnden weg.) Zwinge mich nicht, dir zu ſagen, wie ſehr ich glaube, daß du keine ſolche Seele haſt, als ich: dein Hertz iſt allzu hochmuͤthig, als daß man ſich einlaſſen koͤnnte, etwas mit dir auszu - fechten. Laß mich, verlaß mich auf ewig. Dein Hertz iſt zu ſtoltz; ich kann mit dir nicht auskommen.

Stimme, Gebaͤrde, und Art, damit ſie dieſe un - ertraͤglichen Worte vorbrachte, hatten etwas bezau - bernd Edles an ſich.

P 4Jch232

Jch ſagte: Erlauben ſie mir einen Engel, und nicht ein Frauenzimmer anzubeten! Vergeben ſie mir, liebſtes Kind. Wenn ſie ein Kind und nicht eine Gottheit ſind, ſo vergeben ſie mir. Vergeben ſie meiner Unbedachtſamkeit, und daß ich mir ſelbſt ſo ungleich bin. Haben ſie Mitleiden mit meiner Schwachheit. Wer kann meiner Clariſſa gleich ſeyn?

Jch zitterte vor Liebe und vor Verwunderung, und umſpannete ihre Knie mit meinen Armen, ſo wie ſie ſaß. Sie bemuͤhete ſich den Augenblick aufzu - ſtehen, allein ſie konnte nicht, ſondern fiel wieder nieder. Kein Frauenzimmer kann in groͤßeres Schrecken gerathen, als ſie bey dieſer Gelegenheit. So frey aber meine Handlung ihrem argwoͤhni - ſchen Hertzen ſcheinen konnte, ſo hatte ich doch kei - nen Gedancken dabey, der nicht aus Ehrfurcht ent - ſtand. Mein Hertz blieb ſo rein als das ihrige, ſo lange ſie bey mir war: denn ich bewilligte, daß ſie von mir und auf ihre Stube ginge, unter der Bedingung, daß ſie die Saͤnfte wegſchicken, und bald zu mir kommen wollte.

Sie hielt ihr Wort nicht. Jch wartete eine halbe Stunde, ehe ich ſie erinnern ließ. Die Ant - wort war: es ſey ihr noch nicht moͤglich mich zu ſprechen. Sie wollte aber kommen, ſo bald ſie koͤnnte. Dorcas ſagte, ſie zittere noch, und haͤtte kaltes Waſſer und Hirſchhorn gefodert.

Ein wunderbares und argwoͤhniſches Kind! Jhr Schrecken iſt groͤßer, als es dieſesmal nothig iſt. Ein gefuͤrchtetes Uebel iſt oft groͤßer, als einwirck -233wirckliches Uebel. Haſt du nicht bemercket, daß die Angſt eines gefangenen Voͤgelchens, das wir in der Hand halten, viel geringer iſt, als man haͤt - te vermuthen ſollen, wenn man das kleine ſcheue Ding geſehen haͤtte, da es gefangen werden ſollte?

Das gute Kind. Hat es noch nie von ſeiner erſten Kindheit an gelaͤrmet? Hat es nie blinde Kuh ge - ſpielet? Weiß es nichts von Pfaͤndern? Die un - ſchuldigen Freyheiten wuͤrden ſie zu groͤßeren Frey - heiten gewoͤhnet haben. Es iſt ſchon eine Ent - heiligung, den Saum ihres Kleides zu beruͤhren. Uebermaͤßig zuͤchtig! Wie kann die heilige Schoͤne daran dencken, eine Frau zu werden?

Allein was kann ich hiervon ſagen, ehe ich noch nicht alles verſucht habe? Jch muß es auf eine ſanftere Weiſe anfangen: ich muß verſuchen, ob mir ein naͤchtlicher Ueberfall nicht gluͤcklicher gelin - get. Denn mit dem Tage habe ich nichts mehr zu thun. Und endlich iſt das Ende meines Liedes: ich kann ſie heyrathen, wenn ich will. Und wenn ich das nach erhaltenem Siege thue, (ich mag nun dieſen einem Ueberfall oder einem verſtellten Wi - derſtande zu dancken haben) ſo habe ich niemand beleidiget, als mich ſelbſt.

Es iſt jetzt eilf Uhr. Die Marichen Horton hat ſie aus zaͤrtlicher Freundſchaft beſucht, weil ſie zu ihr das meiſte Vertrauen hat. Zu dieſer hat ſie geſagt: ſie wollte mich ſprechen, ſo bald es ihr moͤglich waͤre. Sie hat verſichert, ihre hef - tige Gemuͤths-Bewegung ſey nicht aus Eigenſinn,P 5nicht234nicht aus Sproͤdigkeit, nicht aus Verdrießlichkeit, ſondern aus einer Schwaͤche des Gemuͤthes und aus allllzugroßem Kummer entſtanden. Sie hat nicht genug Staͤrcke des Gemuͤthes, ihr Ungluͤck zu ertragen, und die Furcht auszuſtehen, die ſie uͤberfaͤllt, wenn ſie an den Fluch ihres Va - ters gedencket, der ſchon allzuſehr in ſeine Erfuͤl - lung gehet.

Was fuͤr ein Widerſpruch! Sie klagt uͤber Schwaͤche des Gemuͤthes, und ihr Wille iſt doch ſo ſtarck. O Belford, in dieſem Frauen - zimmer ſchlaͤgt ein Loͤwen-Hertz, ſo bald es ihre Eh - re, oder eingebildete Zuͤchtigkeit erfodert, daß ſie ein Hertz faſſet. Jch habe aber mehr als einmal bemercket, daß ein gutes Gemuͤth zwar nicht ſo leicht Feuer faͤnget, daß aber die Flamme am wenigſten zu loͤſchen und am heftigſten ſey, wenn es einmahl entzuͤndet iſt. Allein ihr allerliebſter Leib iſt gantz anders gebauet. Dieſe beiden Freunde wollen ei - nen gantz verſchiedenen Weg gehen. Die Gott - heit, die in ihr wohnet, zerreißet das ſeidene Ge - webe, in welches ſie eingehuͤllet iſt. Wenn aber die - ſer Geiſt in einen Jungen gefahren waͤre, ſo wuͤrde er der braveſte Held geworden ſeyn.

Montags um 2 Uhr.

Noch iſt meine Schoͤne unſichtbar. Sie be - findet ſich nicht wohl. Wie uͤble Auslegungen hat ſie uͤber meine demuͤthige Bewunderung ge - macht! Sie furchte ſich mehr vor meiner Grobheit als vor meiner Rache. Wie durſte ich nach Ra - che gegen die beyden Fraͤuleins! Jch muß einsvon235von meinen Meiſterſtuͤcken anbringen. Wenn nur der verdammte Anſchlag mit der Townsend nicht waͤre! Kann ich dieſen Anſchlag nicht zu Waſſer machen, ſo haͤnget beſtaͤndig ein Schwerdt uͤber meinem Haupte. So bald ich meine Geliebte be - leidige, ſo bald wird ſie Fluͤgel bekommen: und alle Muͤhe wird vergeblich ſeyn, die ich mir gege - ben habe, ſie von allem andern Schutz zu entbloͤßen, und ihr alle Zuflucht zu vermauren. Vielleicht finde ich auch einen Zoll-Betrieger, den ich der Fraͤulein Howe entgegen ſetzen kann.

Du erinnerſt dich des Streites zwiſchen der Sonne und dem Nordwinde, wer von beyden ſeinen Wanders-Mann zuerſt ſeinen Mantel rau - ben wuͤrde. Boreas machte den Anfang. Er bließ mit dem groͤßten Ungeſtuͤm, daß der arme Wandersmann taumeln mußte: allein er richtete weiter nichts aus, als daß er ſich dichter in ſeinen Mantel huͤllete. Als aber Phoͤbus kam, ſo ließ er ſo viel Strahlen auf den Wandersmann fallen, daß dieſer erſt den Mantel oͤffnete, und ihn her - nach abnahm. Er ließ nicht eher ab, bis er den Wanderer gezwungen hatte, den angenehmen Schatten eines großen Baumes zu ſuchen, und ſich unter deſſen Zweigen durch einen angenehmen Schlummer zu erquicken. Der ſiegreiche Gott lachte Boreas und den Wanderer aus, und ſetzte ſeinen erwaͤrmenden Lauf fort, durch welchen er tau - ſendmahl tauſend Geſchoͤpfe erquickete und belebete. Als er des Abends ſeinen feurigen Lauf geendiget hatte, machte er die Thetis durch Erzaͤhlung dieſer Geſchichte zu lachen.

So236

So will ich es auch machen. Alles, was ſtuͤrmiſch iſt, will ich ablegen, und wenn ich meine liebe Reiſende zwingen kann, nur auf einen Au - genblick ihre uͤbertriebene Tugend von ſich zu le - gen, ſo werde ich, eben ſo, wie die Sonne, weiter nichts zu thun haben, als daß ich meine erquicken - de Strahlen auf mehrere fallen laſſe. Allein mei - ne angenehmſten Ruhe-Stunden ſollen nach voll - brachter Pilgrimſchaft meiner Goͤttin geweihet bleiben.

Bey meinem neuen Vorſatz wird mir dieſes Haus und das erdichtete Haus der Frau Fret - chville zur Laſt. Jch muß mich davon loß ma - chen: zum wenigſten ſoll es auf einige Zeit ſtille davon werden. Wenn ich ausgegangen bin, ſo ſoll der Capitain Mennell kommen, und ſich nach mir erkundigen. Du fragſt, was er bey mir will? Was wird er wollen? Haſt du nicht gehoͤrt, was der armen Frau Fretchville vor ein Ungluͤck be - gegnet iſt? Jch will dirs erzaͤhlen.

Eine von ihren Maͤdchen hat in voriger Wo - che die Pocken bekommen, das uͤbrige Geſinde hat dieſes vor ihrer Herrſchaft bis auf den Freytag verborgen gehalten; und ſie erfuhr es nur von un - gefaͤhr. Der meiſte Theil der menſchlichen Pla - gen ruͤhret von den Bedienten her, die ſie theils zum Staat, theils zum Gebrauch miethen, um wenigere Sorgen zu haben. Die Witwe gerieth hieruͤber in ſolches Schrecken, daß ſie alle Zufaͤlle bekam, welche dieſen Feind bey den ſchoͤnen Kin -dern237dern anzumelden pflegen. Sie kann deswegen an kein Ausziehen gedencken, und eben ſo wenig kann ſie verlangen, daß wir laͤnger auf ſie warten ſol - len. Sie wuͤnſcht nunmehr, daß ſie vorhin ſelbſt gewußt haͤtte, was ſie wollte, und auf das Land gezogen waͤre, als wir das Haus miethen wollten: ſo wuͤrde dieſer Zufall ſie nicht geſtoͤret haben. Fuͤr uns iſt das ein verdrießliches Ungluͤck. Man kann doch nichts als unangenehme Zufaͤlle in die - ſem Leben erwarten. Gewiß, die Leute haben nicht noͤthig, ſich muthwillig ein neues Kreutz zu machen. Mit dem Hauſe iſt es alſo zum wenig - ſten eine Zeitlang vorbey. Jch will kuͤnftig ſchon wieder zuruͤck luͤgen. Weil ich langſam und ſicher gehen muß, ſo habe ich jetzt ein paar Schelmereyen im Kopfe, ſie wieder zu bekommen, wenn ſie mir auch entwiſchen ſollte.

Allein was wird aus dem Lord M.? Warum kriege ich keine Antwort auf meinen Einlatungs - Brief? Wenn er mir einen ſolchen Brief ſchriebe, den ich zeigen koͤnnte, ſo wuͤrde dieſes zu meiner Verſoͤhnung ſehr viel beytragen. Jch habe der Sache in dem Briefe an die Fraͤulein Charlotte gedacht. Wenn er nicht bald antwortet, ſo ſoll er bald etwas von mir hoͤren, das ihm nicht ange - nehm ſeyn wird. Er hat bisweilen gedrohet mich zu enterben: wenn ich aber mit ihm breche, ſo thue ich recht, und kraͤncke ihn zehnmahl mehr, als er mich kraͤncken kann. Durch ſeine Nachlaͤßigkeit geraͤth die Ehe-Stiftung auch in das Stecken. Wie iſt mir das ertraͤglich? Jch bin ſo eigenſinnigund238und ſo ungeduldig, als irgend ein Frauenzimmer ſeyn kann, und ich werde ſo unruhig daruͤber, wenn ich mich in meiner Hoffnung betrogen ſehe, als das beſte Maͤdchen.

Abermahls ein Brief von der Fraͤulein Ho - we! Es wird vermuthlich der ſeyn, den ſie neulich verſprochen hat, darin ſie die Liebes-Geſchichte des alten Antons und ihrer Mutter erzaͤhlet. Jch wollte mich recht freuen, wenn ich den Brief koͤnnte zu ſehen bekommen. Hoffentlich wird nichts mehr von der Zoll-Betriegerin darin ſtehen. Sie ſcheint den Brief in ihre Taſche geſteckt zu haben, allein ſie wird ihn bald zu den uͤbrigen Briefen legen.

Montags Abends.

Auf meine Bitte hat ſie ſich endlich entſchloſſen, mich des Nachmittages (nicht fruͤher) bey dem Thee in der Speiſe-Stube zu ſprechen. Sie trat bloͤde und beſchaͤmt herein, und es ſchien, daß ſie ſelbſt daruͤber betreten war, daß ſie die Sache ſo weit getrieben hatte, und ohne Noth furchtſam ge - weſen war. Sie gieng verdrieslich und langſam nach dem Thee-Tiſche zu. Dorcas war dabey, hatte aber mit dem Thee zu thun. Jch nahm un - terdeſſen ihre widerſpaͤnſtige Hand, und druckte ſie an meine Lippen. Liebes, liebenswuͤrdiges Kind, warum ſo fremde? Warum ſo grauſam? Wie koͤnnen ſie das allertreueſte Hertz in der Welt ſo quaͤlen? Sie machte ihre Hand los: und als ich ſie wieder ergreiffen wollte, ſo zog ſie ſie auf eineun -239unfreundliche Art zuruͤck, ſagte weiter nichts als: ſeyn ſie ruhig: und ſetzte ſich nieder. Eine ſanfte Bewegung deſſen, was das allerſchoͤnſte iſt, kuͤndigte Eigenſinn und Empfindlichkeit an. Jhr weißes Schnupftuch gieng auf und nieder, und eine ſchoͤne Fluth brach uͤber ihre allerliebſten Wangen aus.

Um Gottes willen, Fraͤulein! Jch griff zum drittenmahl nach ihrer Hand, die mich immer von ſich ſtieß.

Um Gottes willen, Herr Lovelace, quaͤlen ſie mich nicht mehr.

Dorcas ging weg. Jch zog meinen Stuhl naͤher an ihren, und nahm ihre Hand mit der groͤßeſten Ehrfurcht. Jch ſagte ihr: ich koͤnnte ohne meine Marter zu vergroͤßern nicht unterlaſ - ſen, ihr die Furcht zu geſtehen, in welche mich ihre fremde Auffuͤhrung ſetzte. Wenn ſie gegen eine Perſon in der Welt kaltſinniger waͤre, als gegen die andere (ein haͤrteres Wort mochte ich nicht gern gebrauchen) ſo fuͤrchtete ich, daß dieſes Un - gluͤck den betraͤfe, der jetzt vor ihr ſitze.

Sie ſahe mir ſteif in das Geſichte, ließ mir ihre eine Hand, und zog mit der andern das Schnupftuch aus der Taſche. Sie ſuchte ein paar Thraͤnen zu verbergen, die ſchon in den Au - gen ſtunden, und an ihren gluͤenden Wangen nie - derlaufen wollten. Sie antwortete mir nur durch einen Seufzer und durch ein abgekehrtes Ge - ſichte.

Jch240

Jch bat ſie, daß ſie reden, daß ſie mich anſehen, daß ſie mich nur durch Einen guͤnſtigen Blick er - freuen moͤchte.

Sie ſagte mir: meine Klage uͤber ihre Kalt - ſinnigkeit ſey nicht ungegruͤndet. Sie koͤnnte nichts edles in meinem Gemuͤthe wahrnehmen. Alle Gefaͤlligkeiten und Wohlthaten waͤren an mir verlohren. Meine wunderliche Auffuͤhrung ſeit Sonnabend Abends uͤberzeugete ſie hievon: und ſie koͤnnte bis jetzund die Urſache noch nicht erra - then, die mich bewogen haͤtte, ſo wunderlich zu ſeyn. Alle gute Hoffnung, die ſie von mir gefaſſet haͤtte, ſey nun zu Waſſer geworden, und meine gantze Weiſe gefiel ihr nicht.

Dieſes war ein Stich in mein Hertz. Jch glaube, daß die Wahrheit einem Schuldigen im - mer empfindlicher iſt, als eine falſche Anklage ei - nem Unſchuldigen.

Jch bath ſie nur um Geduld, meine Verant - wortung anzuhoͤren, und zu vernehmen, was die Urſache dieſer Veraͤnderung geweſen ſey. Jch geſtand von neuen, daß ich ein hochmuͤthiges Hertz habe, dem es unertraͤglich ſey, von einem ſolchen Frauenzimmer, das ich gern die Meinige nennen wollte, nicht allen Menſchen in der Welt vorgezo - gen zu werden. Der Eheſtand muͤſſe von kei - ner Seiten kaltſinnig oder gleichguͤltig angetreten werden.

Sie fiel mir in die Rede: es iſt eine Unver - ſchaͤmtheit, es iſt ein Hochmuth, daß ſie Zeichen der Werthachtung erwarten, und ſich doch nicht be -muͤhen241muͤhen wollen ſie zu verdienen. Sie duͤrfen nicht dencken, Herr Lovelace, daß ſie ein Maͤdchen vor ſich haben, das nach ihnen ſeufzet, und das aus Schwachheit liebet, wo es keinen Grund zur Liebe hat. Die Fraͤulein Howe wird ihnen ſagen koͤn - nen, daß ich die Fehler meiner Freunde nicht lie - be, und nie gewuͤnſchet habe, daß meine Freunde meine Fehler lieben moͤchten. Es iſt ein Geſetz unter uns geweſen, daß wir einander nicht ſchonen wollten. Wie darf denn ein Mann, der aus lau - ter Fehlern zuſammen geſetzt iſt, (denn nennen ſie mir einmahl ihre Tugenden) wie darf der hoffen, daß ich einige Werthachtung fuͤr ihn haben werde? Wenn ich einen ſolchen werth achten koͤnnte, ſo verdiente ich von ihm ſelbſt verachtet zu werden.

Sie haben ſich in der That nach dieſen groß - muͤthigen Gedancken gerichtet, meine liebe Fraͤu - lein. Sie koͤnnen auſſer Sorgen ſeyn, daß der Diener, den ſie vor ſich haben, ſie wegen einiger Zeichen der Zaͤrtlichkeit oder der Guͤtigkeit verach - ten werde. Sie haben ſich, wie ſie vielleicht dencken werden, auf eine lobenswuͤrdige Weiſe bemuͤhet, mir bey aller gegebenen und genomme - nen Gelegenheit zu ſagen, daß ihnen aus eigener Wahl nie der Gedancke in den Sinn gekommen iſt, die Meinige zu werden. Jch wuͤrde mein gantzes Hertz mit allen Fehlern, mit allen Wuͤn - ſchen, mit allen Abſichten ihnen endeckt haben, wenn ich nur ſo viel Vertrauen und Werthachtung bey ihnen gefunden haͤtte, daß ſie nicht alles, was ich ihnen offenbahrte, oder woruͤber ich ſie umVierter Theil. QRath242Rath fragte, zum ſchlimmſten auslegen wuͤrden. Denn niemahls iſt ein offenhertzigerer Menſch auf der Welt geweſen als ich: wer kann ſich ſelbſten ſo viel anklagen, als ich thue? (das iſt wahr Bel - ford) Allein ſie wiſſen, Fraͤulein, daß es ehemahls anders zwiſchen uns geſtanden hat. Zweifel, Ent - fernung und Sproͤdigkeit auf ihrer Seiten, hat bey mir Zweifel, Furcht und Bloͤdigkeit hervorge - bracht. Wie wenig Zutrauen haben ſie zu mir? Wir gehen mit einander um, als wenn wir uns fuͤr Spitzbuben und nicht fuͤr Liebhaber hielten. Wie habe ich mich fuͤr jeden Brief gefuͤrchtet, der aus Wilſons Hauſe gebracht iſt! Mit Recht habe ich mich gefuͤrchtet! Denn ſo große Hoffnung ich auf den Brief geſetzt hatte, den ſie geſtern empfingen, und der eine Antwort auf meine Vorſchlaͤge zur Eheſtiftung enthalten ſollte, ſo hat doch dieſer Brief ſie ſehr gegen mich eingenommen, wenn ich aus dem Erfolg einen Schluß machen ſoll: indem ſie gaͤntzlich abſchlugen mich geſtern zu ſprechen, ob ich es gleich zuließ, daß ſie ſich ohne meine Begleitung aus dem Hauſe tragen lieſſen.

Meine ungnaͤdige Schoͤne antwortete: Das war meine gantze Suͤnde, daß ich in die Kirche ging, ohne einen mitzunehmen, der von freyen Stuͤcken nie wuͤrde in die Kirche gegangen ſeyn. Das war auch eine Suͤnde, daß ich den gantzen Sonntag vor mich haben wollte, nachdem ich wi - der meinem Willen ihnen zu gefallen in die Comoͤdie gegangen war, und ſie mich ebenfalls wi - der meinem Willen bis in die ſpaͤtſte Nacht aufge -halten243halten haben. Das waren meine Verbrechen: Dafuͤr ſollte ich geſtrafet werden! Meine Strafe ſollte darin beſtehen, daß ſie mir die allerverdrieß - lichſte Aufwartung machten, und mich durch eine ſolche Auffuͤhrung zu erſchrecken ſuchten, als ein Frauenzimmer in meinen Umſtaͤnden, das nicht ſchuldig iſt ſolche Brocken zu verdauen, vielleicht niemahls erfahren hat. Sie haben bisweilen an meines Vaters Auffuhrung etwas auszuſetzen ge - funden: allein das allerſchlimmſte, das meine Mut - ter von ihm hat erdulden muͤſſen, ſeit dem ich da bin, gehoͤrt in die Flitter-Woche, wenn ich es mit dem vergleiche, was ich von ihnen erdulden ſoll, da ſie um mich anhalten. Was kann ich bey ihnen fuͤr Hoffnung haben, wenn ich mir auch das Beſte vor - ſtellen wollte? Jch kann mein Hertz nicht beſaͤnf - tigen, wenn ich mit ihnen reden ſoll, und daran ge - dencke, wie unhoͤflich und niedertraͤchtig ſie einer Perſon begegnen, die bloß durch ſie ungluͤcklich ge - worden iſt. Jch kann ſie kaum fuͤr Augen ſehen.

Sie wandte ſich von mir, ſtand auf, und hielt Haͤnde und Augen (ihre unvergleichlichen Augen!) die ihr voll Waſſer ſtunden, gen Himmel. O mein lieber Vater (ſagte das liebe Kind, auf eine ſolche Art, die ich nie nachahmen und die du dir nie vorſtellen kannſt) du haͤtteſt deinen Fluch ſparen koͤnnen, wenn du gewuſt haͤtteſt, wie ich geſtraffet bin, ſeit dem ich meinen Fuß aus deiner Garten - Thuͤr auf Jrrwege geſetzt habe, um mich mit die - ſem Menſchen zu unterreden. Sie ſanck von neuen auf den Stuhl hin, und ihre feurigen Wan -Q 2gen244gen wurden mit einer Fluth von heißen Thraͤnen uͤberſchwemmet.

Jch nahm ihre Haͤnde, die noch gefalten wa - ren, und ſagte: mein allerliebſtes Leben, wer kann ſolche Worte anhoͤren, die ſo beweglich und doch ſo heftig ſind! (So wahr ich lebe, ich empfand ſo etwas in meiner Naſe, als ich zu empfinden pfleg - te, wenn mir in meinen Jungens-Jahren das Wei - nen ankam. Noch vor kurtzer Zeit habe ich dieſe Empfindung ſchon einmahl gehabt. Jch durfte es kaum wagen, ihr in das Geſichte zu ſehen.) Wo - durch habe ich es verdienet, daß ſie ſo wehklagen? Habe ich jemahls durch Worte, durch Thaten, durch Blicke ihnen Urſache gegeben, meine Ehr - erbietung gegen ſie in Zweifel zu ziehen? Verehre ich nicht ihre Tugenden beynahe goͤttlich? Es iſt blos ein Misverſtaͤndniß auf beyden Seiten: ich will zum wenigſten hoffen, daß aller Streit ein En - de haben wuͤrde, wenn wir uns recht verſtuͤnden. Haben ſie die Guͤtigkeit, ſich von ihrer Seite deut - lich zu erklaͤren; und ich will von meiner Seite ein gleiches thun; ſo werden wir bald vergnuͤgter ſeyn koͤnnen. Wie fromm waͤre ich, wenn ich Gott ſo liebete, als ich ſie liebe! Allein ich will des Todes ſeyn, wenn ich einen eintzigen Wunſch auf ſie richten koͤnnte, ſo bald ich wuͤßte, daß mei - ne Liebe bey ihnen keine Gegenliebe faͤnde. Ge - ben ſie mir Hoffnung, weiter nichts als Hoffnung, daß ſie mich andern vorziehen werden, und mich freywillig waͤhlen koͤnnen! nur Hoffnung, daß ſie mich nicht haſſen, daß ſie mich nicht verachten!

O Herr245

O Herr Lovelace, wir ſind nun lange genug beyſammen, daß wir einer des andern haben uͤber - druͤßig werden koͤnnen. Unſer Gemuͤth und un - ſere Weiſe ſind ſo verſchieden, daß ſie Urſache ha - ben, mir eben ſo abgeneigt zu ſeyn, als ich ihnen bin. Jch glaube ſicherlich, daß ich die Zuneigung zu mir, die ſie vorgeben, mit keiner Gegenliebe be - lohnen kann. Mein Hertz, das vorhin munter und aufgeraͤumt war, iſt gantz verſtellet und ver - drießlich. Durch den Umgang mit ihnen, habe ich einen ſehr ſchlechten Begriff von allen Men - ſchen, und inſonderheit von ihnen bekommen: und von mir ſelbſt habe ich ſeit der Zeit ſo ſchlechte Ge - dancken, daß ich nie die Augen wieder werde auf - heben koͤnnen. Alle die Eigenliebe und der Hoch - muth, der aus einem guten Gewiſſen entſtehet, iſt ver - lohren: der Hochmuth, der einem Frauenzimmer unentbehrlich iſt, wenn es mit einigem Vergnuͤgen dieſes Leben zuruͤcklegen ſoll.

Sie hielt innen: ich ſchwieg ſtille, und dachte: bey meiner Seele, das angenehme Kind wird mich doch noch ſtuͤrtzen.

Sie fuhr fort: was iſt uͤbrig, als daß ſie mich gaͤntzlich frey ſprechen, und mir zuſagen, daß ſie mich auf keine Weiſe hindern wollen, den Schluß meines Schickſaals zu erfuͤllen?

Sie hielt abermahls inne, und ich ſchwieg auch ſtille. Jch uͤberlegte bey mir ſelbſt, ob ich alle mei - ne Anſchlaͤge, die ich gegen ſie gefaſſet hatte, fah - ren laſſen ſollte, und ob ich nicht ſo viel Zeichen vonQ 3ihrer246ihrer Tugend und Großmuth erhalten haͤtte, daß mir kein Zweifel mehr uͤbrig bliebe?

Sie fuhr fort: ich nehme ihr Stilleſchweigen fuͤr ein gluͤckliches Zeichen an, Herr Lovelace. Sagen ſie mir, ob ich gantz frey ſeyn ſoll? Sie wiſſen, daß ich ihnen nichts verſprochen habe: und daß ſie mir auch nichts ſchuldig ſind. Jch will mich darum nicht graͤmen, daß ich durch ſie un - gluͤcklich geworden bin.

Sie wollte noch fortreden. Jch unterbrach ſie aber: mein liebſtes Leben, ich habe alle Anſchickun - gen zur Hochzeit gemacht, und ſie zwingen mich an ihrer Liebe zu zweifeln. Jch ſtehe eben wegen Kutſche und Pferde im Handel.

Kutſche und Pferde! Eitelkeit, Thorhei - ten! Was frag ich nach Kutſche und Pferden? was nach meinem Leben? was nach der gantzen Welt? nachdem ich mir ſelbſt ſo veraͤchtlich ge - worden bin. Mein Vater hat mich verflucht! Wenn ich zuruͤck dencke, ſo muß ich mich ſchaͤmen: und wenn ich auf das Kuͤnftige dencke, ſo grauet mir! So oft mir etwas Widriges begegnet, ſo oft ſteigen mir dieſe betruͤbten Gedancken ſtaͤrcker auf. Sagen ſie mir ſelbſt: wie viel Widriges begegnet mir? Alle ſuͤſſe Einbildungen, die ich mir gemacht hatte, ſind vernichtet: alle meine Hoffnung iſt am Ende. Verbieten ſie mir nicht, mich in einen dunckeln Winckel zu verſtecken, in welchem mich weder die Feinde, die ſie mir gemacht haben, noch die wenigen Freunde, die ich uͤbrig habe, ſuchen werden. O wenn beyde von ihrer unbedaͤchtigenCla -247Clariſſa nichts hoͤren moͤchten, bis der gluͤckliche Augenblick anbricht, der alle meine Suͤnden buͤßen wird!

Jch konnte nichts antworten. Jch habe noch nie einen ſolchen Streit in mir verſpuͤret. Danck - barkeit und Bewunderung beſtritten meine Ge - wohnheits-Suͤnden, und meine Vorſaͤtze, die ich mit ſo vieler Ueberlegung gemacht, und deren ich mich ſo oft geruͤhmet hatte. Wenn ich nach der Sprache des Poͤbels ehrlich ſeyn ſoll, ſo muß ich hundert neue Schelmereyen, die ich in dem Kopfe und in dem Hertzen habe, fahren laſſen: und doch habe ich an lauter Schelmerey und Schwuͤrigkeiten Vergnuͤgen. Jch bemuͤhe mich immer, mir das in friſches Andencken zu bringen, was die Fraͤulein Howe gegen mich geſchrieben hat: allein es will ſeine Wirckung nicht mehr bey mir haben. Jch waͤre verlohren geweſen, wenn nicht Dorcas mir eben zu rechter Zeit einen Brief gebracht haͤtte, deſſen Aufſchrift war: ſo gleich zu erbrechen.

Jch ging an das Fenſter und erbrach den Brief Er war von der Dorcas ſelbſt geſchrieben, und dieſes war der Jnhalt: ſuchen ſie die Fraͤulein zu amuſiren. Jch habe ein importantes Blat abzuſchreiben. So bald ich fertig bin, will ich huſten.

Jch ſteckte das Papier ein, und wandte mich wie - der mit einem freyeren Geſichte zu meinem Kinde, welches ſich auch einigermaßen wieder erhohlet hatte. Jch habe nur eine Bitte an ſie: ſagteQ 4ich.248ich. Darf ich nicht wiſſen, ob die Fraͤulein Ho - we meinen Aufſatz gebilliget hat? Jch weiß, daß ſie meine Feindin iſt. Jch war eben im Begriff, ihnen zu ſagen, woher die Veraͤnderung in meiner Auffuͤhrung ruͤhret, deren ſie mich beſchuldigen: al - lein ſie waren ſo heftig, daß ich es nicht wagen durf - te. Sie waren gewiß ſehr heftig, liebſtes Kind. Glau - ben ſie nicht, daß es mir nahe gehen muß, wenn mein Wunſch immer von einer Zeit zur andern aufgeſchoben wird, weil ihr uͤberwiegendes Verlan - gen iſt, daß ſie ſich mit Leuten ausſoͤhnen wol - len, die ſelbſt zu keiner Verſoͤhnung Luſt haben? Dieſes war die Urſache, daß ſie ſich nicht wollten trauen laſſen, ehe wir nach London kamen, ob - gleich ihre Schweſter und ihre gantze Familie ih - nen ſo rau und unertraͤglich begegnet, und ich ſie ſo flehentlich bat. Dieſes war die Urſache, daß ih - nen meine vier Freunde ſo misfaͤllig und aͤrgerlich waren; und daß ſie ſich ſo ſehr entruͤſteten, als ich einen vergeblichen Verſuch that, einen Brief der Fraͤulein Howe zu ſehen, da ich ohnmoͤglich dencken konnte, daß es eine Tod-Suͤnde ſey, Brie - fe zu leſen, die ein Frauenzimmer an das andere ſchriebe. Dieſes war die Urſache, daß ſie mich eine Woche lang nicht ſprechen wollten, bis ſie wußten, was ſie bey ihrem Onckel ausrichten wuͤr - den. Nachdem aber dieſer Verſuch fruchtlos war; nachdem ſie meinen Aufſatz kaltſinnig angenommen, und ihn nach meinem Rathe an die Fraͤulein Ho - we geſandt hatten, um ihn mit ihr zu uͤberlegen; nachdem ſie mir die Ehre erzeiget hatten, an demSonn -249Sonnabend mit mir in die Comoͤdie zu gehen, und ich gewiß wußte, daß ich bis auf den letzten Augen - blick nichts verſehen haͤtte: ſo konnte ich nicht an - ders als ſehr beſtuͤrtzt daruͤber werden, wenn ich ſahe, daß ſie ſich den naͤchſten morgen ſo ſehr geaͤn - dert hatten. Da ſie bey dieſer neuen Auffuͤhrung blieben, und ſich theils ſo nachdruͤcklich gegen mich erklaͤrten, nachdem ſie den Brief von der Fraͤu - lein Howe erhalten hatten, den ſie mit ſo groſſer Ungeduld erwarteten: ſo mußte ich nothwendig glau - ben, daß ich alles lediglich der Fraͤulein Howe zu dancken haͤtte. Mußte ich nicht nothwendig glau - ben, daß etwas neues in dem Wercke ſey, dazu es erfodert wuͤrde, ſo fremde gegen mich zu thun? und daß ich von neuen in Gefahr ſtuͤnde, ſie auf ewig zu verlieren? Denn iſt dieſes nicht ſtets die erſte Bedingung geweſen, welche einzugehen ſie ſich wil - lig erklaͤrten? Bey den Umſtaͤnden war es kein Wunder, wenn ich halb von Sinnen kam, u. ich hatte Recht, ſie zu beſchuldigen, daß ſie mich haſſeten. Und nun bitte ich ſie nochmahls, liebſtes Kind, ſagen ſie mir, wie gefaͤllt mein Aufſatz der Fraͤulein Howe?

Wenn ich mit ihnen ſtreiten wollte, Herr Lo - velace, ſo wuͤrde es mir leicht ſeyn, ihre ſchoͤne Re - de zu beantworten. Jch will aber weiter nichts ſagen, als dieſes, daß ſich ihre bisherige Auffuͤh - rung gegen mich gar nicht entſchuldigen laͤßt. Wenn ihre Abſicht redlich geweſen iſt, ſo ſind ſie zum wenigſten ſehr geſchaͤfftig geweſen, ihre Gaͤn - ge zu verwirren, und ſich krumme Wege aufzuſu - chen. Jch weiß nicht, ob es ihnen an einem aufgeklaͤr -Q 5ten250ten Kopfe oder an einem rechtſchaffenen Hertzen ge - fehlet hat: allein einem von beyden Maͤngeln muß ich ihr bisheriges ſeltſames Betragen zuſchreiben.

Verflucht ſey der kleine Teufel, der ihnen ſolchen Argwohn gegen das redliche Hertz das ſeyn kann, beybringet.

Wie? unterſtehen ſie ſich Hier hielt ſie ein, weil ſie merckte, daß ſie ſich beynahe verrathen haͤt - te; welches eben meine Abſicht war.

Was unterſtehe ich mich, Fraͤulein? Was meynen ſie mit dem unterſtehen? Jch ſahe hie - bey nachdencklich aus.

Garſtiger Menſch! Wollen ſie Abermahls hielt ſie ein.

Was denn wollen? Und warum bin ich ein gerſtiger Menſch?

Unterſtehen ſie ſich, jemanden vor meinen Ohren zu verfluchen?

Wie artig ſich das liebe Kind zuruͤckziehen konn - te! Allein ſo laͤßt Lovelace eine nicht entwiſchen, die zu viel geredet hat.

Wie ſo? liebſtes Kind. Jſt denn jemand, der ihnen Argwohn gegen mich beybringet? Wenn es ſolche Leute giebt, ſo verfluche ich ſie nochmahls, ſie moͤgen auch ſeyn wer ſie wollen.

Hier ward ſie allerliebſt - boͤſe. Dieſes war das erſte mahl, daß mir unſer Zanck zum Vortheil gereichte.

Gut! Es iſt ſo, wie ich vermuthete. Und nun habe ich die Erklaͤrung uͤber ihre bisherige Auf - fuͤhrung, die ihnen hoffentlich nicht natuͤrlich iſt.

Hinter -251

Hinterliſtiger Menſch! So wollen ſie mich fan - gen! Jch geſtehe ihnen, daß ich von niemanden Briefe bekomme, als von der Fraͤulein Howe. Jn einigen Stuͤcken gefallen ſie der Fraͤulein Howe eben ſo wenig, als mir: denn ich habe ihr nichts verſchwiegen. Sie iſt aber ihre Feindin nicht mehr, als meine Feindin. Sie glaubt, ich muͤßte ihren Antrag nicht ausſchlagen, ſondern mich in meine Umſtaͤnde ſchicken, ſo gut ich koͤnnte. Nun wiſſen ſie die gantze Wahrheit. Wie wollte ich mich freu - en, wenn es ihnen ihr Hertz zuließe, eben ſo ehr - lich zu ſeyn!

Das befiehlt mir mein Hertz, hier auf meinen Knieen erneure ich meine Bitte, daß ſie mich zu dem ihrigen, auf ewig zu dem ihrigen machen wol - len. Geben ſie mir nur Urſache, ihnen und der Fraͤulein Howe in einem Athem allen moͤglichen Seegen anzuwuͤnſchen.

Die Wahrheit zu ſagen, Belford, ich bin faſt auf die Gedancken gekommen, daß die Heldin, die ihren Hickman gewiß nicht recht leiden kann, in mich verliebt waͤre.

Stehen ſie auf, Herr Lovelace! Jhre Kniee ſind allzu beugſam. Spotten ſie meiner nicht.

Allzu beugſame Kniee dachte ich! Obgleich bey dieſer ſtoltzen Schoͤnen das Knieen ſo wenig ausrichtet, ſo weiß ich doch, was ich bey andern ihres Geſchlechts dadurch gewonnen habe, und wie oft ſie mir die letzte Tod-Suͤnde vergeben ha - ben, wenn ich auf meinen Knieen um Vergebung bat.

Jh -252

Jhrer ſpotten? Fraͤulein! Jch ſtand auf, und bat ſie von neuen einen Tag zur Trauung zu beſtimmen. Jch bedaurete, daß ich den Lord M. zur Hochzeit gebeten haͤtte, weil dieſes einen Aufſchub verurſachen koͤnnte. Allein ich ſagte, ich wollte die Einladung wieder abſchreiben, wenn ſie nichts dagegen einzuwenden haͤtte: oder ich wollte ihm den Tag beſtimmen, den ſie mir be - ſtimmen wuͤrde, ohne auf ihn zu warten, wenn ihn ſeine Unpaͤßlichkeit hinderte, zur rechten Zeit da zu ſeyn.

Der Tag, den ich beſtimme, wird nie anbre - chen: ſagte ſie. Wundern ſie ſich nicht. Wenn irgend eine wohlgezogene Perſon Richter zwiſchen uns ſeyn ſollte, ſo wuͤrde ſie ſich dieſes nicht befrem - den laſſen. Aber wahrhaftig, Herr Lovelace, (ſie weinte fuͤr Ungeduld) ſie muͤſſen entweder nicht wiſſen, wie man mit einem wohlgezogenen Ge - muͤth umgehen muß, ob man gleich wegen ihrer Geburt und Erziehung etwas beſſeres hoffen ſoll - te; oder ſie ſind undanckbar, (und nach einigem Verzuge) noch aͤrger als undanckbar. Allein ich will weggehen. Morgen will ich ſie wieder ſprechen. Es iſt mir ohnmoͤglich dieſes fruͤher zu thun. Jch glaube, daß ich ſie haſſe. Sie moͤgen mich anſehen! Jch glaube gewiß, daß ich ſie haſſe: und wenn ich das bey einer genauen Pruͤfung finde, ſo muß es zwiſchen uns nicht wei - ter kommen.

Jch war allzu verdrießlich und unruhig, als daß ich ſie an dem Weggehen haͤtte hindern ſollen. Sie253Sie wuͤrde aber dennoch noch nicht von mir gegan - gen ſeyn, wenn Dorcas nicht gehuſtet haͤtte.

So bald die Fraͤulein weg war, kam das Maͤdchen und gab mir die Abſchrift des Briefes. Es war die Antwort, welche mir das bewunderns - wuͤrdige Kind auf meine Vorſchlaͤge zur Eheſtif - tung hatte geben wollen. Jch hatte nur einen Blick auf dieſes ruͤhrende und bewegliche Blatt gethan. Wenn ich es mit Nachdencken geleſen haͤtte, ſo wuͤrde ich die gantze Nacht nicht ſchlafen koͤnnen. Morgen will ich es deſto reiflicher uͤber - legen.

Der acht und zwanzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn J. Belford.

Dieſes liebe Kind will mich vor Abends nicht ſprechen: es befindet ſich nicht wohl, wie Dorcas erzaͤhlet.

Lies hier die Abſchrift ihres Briefes an mich. Jch koͤnnte ohnmoͤglich fortfahren, dieſe unver - gleichliche Frauenzimmer ſo zu betruͤben, wenn ich nicht den Vorſatz haͤtte, ſie (falls ſie mich nicht wircklich haſſet) auf eine rechtmaͤßige Art zu der Meinigen zu machen, wenn ſie noch einige wenige Verſuchungen auf eine eben ſo ruhmwuͤrdige Weiſe uͤberſtehet.

An254
An Herrn Lovelace.

So bald ein Frauenzimmer verheyrathet iſt, ſo erfodert dieſe allerſtaͤrckſte Verpflichtung un - ter Menſchen, daß ihr Wille in allen Stuͤcken den Willen ihres Gemahls unterworfen ſeyn muß, die nicht ungerecht ſind, und die die Ehre ih - res Gemahls betreffen koͤnnen. Allein ehe ich mich dieſer Verpflichtung unterwerfe, wuͤnſch - te ich die allerdeutlichſte und buͤndigſte Ver - ſicherung zu haben, daß Sie alle moͤgliche Mittel anwenden werden einen Rechts-Streit mit meinem Vater zu vermeiden. Geduld und Zeit werden alles uͤberwinden. Meine Hoff - nung einer zeitlichen Gluͤckſeeligkeit iſt jetzo ſehr enge eingeſchraͤncket. Die Rechte eines Ge - mahls werden immer einerley bleiben. Jch wuͤnſchte zum wenigſten, daß nichts dergleichen bey meinem Lebzeiten geſchehe. Jhre Umſtaͤn - de noͤthigen Sie nicht, meinem Vater das mit Gewalt abzuzwingen, was er von dem Meini - gen in Haͤnden hat: und ich will auf meiner Seite alles moͤgliche anwenden, ich will mich in Abſicht auf die Kleidung und Vergnuͤgung ſo einſchraͤncken, und mit ſo vieler Sorgfalt die Haushaltung fuͤhren (denn ich glaube, daß auch das vornehmſte Frauenzimmer ſich der Haushal - tung nicht ſchaͤmen darf,) daß es nicht noͤthig ſeyn moͤge zu dergleichen Mitteln zu greiffen. Sollte es aber die Noth erfordern, ſo will ich doch hof - fen, daß es eine wahre Noth ſeyn werde, und nicht ein bloßer Vorwand, und daß Sie ſich nicht durch255 durch Bewegungs-Gruͤnde werden antreiben laſſen, die eine kleine Seele anzeigen, und uͤber die ein Frauenzimmer, das nicht eben eine ſo klei - ne Seele hat, nicht wohl unterlaſſen kann, aller - hand Betrachtungen anzuſtellen, und den Ge - mahl geringe zu ſchaͤtzen: ſonderlich, wenn es die eigene Familie der Frauens-Perſon betrifft, der ſie niemahls aufhoͤren kann verpflichtet zu ſeyn, obgleich alsdenn dieſe Pflichten nachgeſetzt wer - den muͤſſen.

Jch bitte inſtaͤndig, daß Sie dieſes, welches mir ſo nahe an dem Hertzen lieget, recht reiflich uͤberlegen wollen. Jch will jetzt nicht die betruͤb - te Feindſchaft zwiſchen Jhnen und den Meinigen genau unterſuchen. Jch glaube, daß beyde Thei - le Schuld haben: allein Sie haben doch die er - ſte Schuld, und Sie gaben zum wenigſten der Feindſchaft meines Bruders einen allzu ſchein - baren Vorwand. Sie bemuͤheten ſich im ge - ringſten nicht, gefaͤllig zu ſeyn, und nachzugeben. Sie ließen die Beſchuldigungen, die man gegen Sie vorbrachte, lieber auf ſich ſitzen, als daß Sie ſich haͤtten bemuͤhen ſollen, ſolche Anklagen ohn - moͤglich zu machen.

Doch, dieſes giebt nur Gelegenheit zu ver - drießlichen Gegenklagen. Jch bitte alſo weiter nichts als dieſes zu bedencken, daß die Meini - gen Sie nothwendig als einen anſehen muͤſſen, der ihnen eine geliebte Tochter geraubet hat; und daß ihr Haß gegen Sie deſto groͤßer ſeyn muß, je mehr ſie mich vorhin geliebet haben, und ſich jetzt256 jetzt in ihrer Hoffnung betrogen ſehen. Wenn ſie gleich gefehlet haben, allein ſelbſt ihren Fehler nicht erkennen, ſo kann ein anderer nicht Richter ſeyn, und ihnen vorſchreiben was ſie fuͤr einen Fehler anzuſehen haben oder nicht. Sie koͤn - nen dieſes am wenigſten thun: da Sie ſich ge - meiniglich uͤber jedermann zum Richter auf - werfen, und ſelbſt keinen Richter uͤber Jhre Handlungen erkennen wollen. Es iſt dem - nach zum voraus zu beſorgen, daß die Meinigen auf ihrem Kopfe beſtehen und Jhnen Trotz bie - ten werden.

Was mich anlangt, ſo muß ich es auf Sie ankommen laſſen, wie Sie mir kuͤnſtig begegnen wollen. So ſcheint es mein Verhaͤngniß ver - ordnet zu haben. Wenn Sie aber kuͤnftig gegen die Meinigen nicht eben diejenige Unverſoͤhnlich - keit beweiſen, welche Sie jetzt den Meinigen Schuld geben, ſo wird das Anſehen Jhrer Fa - milie und das unvergleichliche Gemuͤth einiger unter ihren Anverwanten alles wieder gut ma - chen, ſobald die erſte Hitze ſich geleget haben wird. (Jch wuͤrde hier kein Bedencken tragen, alle zu nennen, welche zu Jhrer Familie gehoͤ - ren; es waͤre denn, daß Jhr eigenes Gewiſſen Jhnen ſagte, daß eine eintzige Ausnahme noͤthig ſey.) Es iſt nicht ohnmoͤglich, die Meinigen zu gewinnen, ob ich gleich glaube, daß es ſehr ſchwer halten wird; weil diejenigen, die am meiſten mit Gluͤcks - Guͤtern geſegnet ſind, ihren Sinn am wenigſten brechen koͤnnen. Denn257 Denn das geſtehe ich Jhnen, es hat mich oft in meinem Hertzen gekraͤncket, daß ſich die Mei - nigen durch ihr allzugroßes Vermoͤgen haben be - ſtricken laſſen, ſo wie Jhnen einige andere Vor - zuͤge zum Fallſtrick geworden ſind, die Sie nicht einmahl Jhrem Fleiß zu dancken haben, und de - ſto weniger daruͤber hochmuͤthig werden ſoll - ten.

Erlauben Sie mir noch bey dieſer Gelegen - heit, Jhnen zu ſagen, daß Herablaſſung zu ande - rer Schwachheit keine Niedertraͤchtigkeit iſt. Es iſt mit dem Nachgeben eine Ehre verbunden, von der ein hitziger Kopf ſich keine Vorſtellung zu machen weiß: mein Bruder eben ſo wenig, als Sie. Da Sie aber mehr Verſtand haben, als er, (deswegen aber ſetze ich meinen Bruder nicht herunter. Jch glaube, daß wider ſein Leben und Wandel nicht eben das koͤnne einge - wandt werden, was man Jhnen nachſaget) ſo wuͤnſche ich, daß Sie an Fortſetzung der Feind - ſchaft unſchuldig ſeyn moͤchten. Denn ich lebe der gewiſſen Hoffnung, daß noch eine Zeit kom - men werde, in der Sie ſich einander ſprechen koͤn - nen, ohne daß ich als Frau und Schweſter Ur - ſache habe, wegen der Folgen Jhrer Zuſammen - kunft in Sorgen zu ſeyn. Jndeſſen wuͤnſche ich gar nicht, daß Sie in etwas nachgeben ſollten, das Jhre Ehre wahrhaftig betrifft. Jn derglei - chen Dingen wuͤrde ich eben ſo eigenſinnig ja noch eigenſinniger ſeyn; denn ich wuͤrde ſuchen mir im - mer ſelbſt gleich zu ſeyn, und nicht das eine mahlVierter Theil. Rdie258 die Ehre zu verſchertzen, die ich ein anderes mahl vertheidiget haͤtte. Wie eitel und veraͤchtlich iſt der Hochmuth, der es mit lauter Kleinigkeiten zu thun hat, und darin nichts nachgeben will, mit der wahren Ehre hingegen ein Geſpoͤtte treibet!

Wenn dieſer eintzige Punct recht uͤberleget wird, ſo wird das uͤbrige insgeſammt leichte ſeyn. Wenn ich die beſondern Einkuͤnfte anneh - me, die Sie mir zugedacht haben, nebſt dem was von den Einkuͤnften meines Gutes ſeit dem To - de meines Großvaters geſparet iſt, (welches mehr betraͤgt, als Sie vielleicht glauben moͤgen, da Sie es mir von freyen Stuͤcken anbieten) ſo wuͤr - de ich es fuͤr meine Pflicht halten, einen Noth - pfennig fuͤr die Familie beyzulegen. Denn ich werde mich ſo einſchraͤncken, daß ich nie mehr als den zehenden Theil meiner jaͤhrlichen Einkuͤnf - te verſchencke, ſie moͤgen ſo geringe oder ſo betraͤcht - lich ſeyn, als ſie wollen. Jch ſuche mir nicht durch Freygebigkeit einen Ruhm zu erwerben. Jch wuͤnſche weiter nichts, als gebrechlichen Leuten zu Huͤlfe zu kommen, und fleißigen Haus-Armen die ohne ihr Verſchulden arm geworden ſind, das Leben zu erleichtern. Die gemeinen Straßen - Bettler uͤberlaſſe ich andern mitleidigen Leuten oder dem Almoſen-Amte. Sie koͤnnen nicht ungluͤckli - cher werden, als ſie ſind; und vielleicht wuͤnſchen ſie nicht gluͤcklicher zu ſeyn. Jch bin nicht im Stande, jedermann zu helfen, und ich verlange keine uͤberfluͤßige guten Wercke zu thun. Zwey - hundert Pfund des Jahrs werden zu meinen be - ſon -259 ſondern Ausgaben vollkommen hinlaͤnglich ſeyn. Wegen des uͤbrigen werde ich Sie um Rath fra - gen, und mich nach Jhrem Befehl richten: es waͤ - re denn, daß Sie ſich ſelbſt nicht trauten, und mir deswegen die Verwaltung dieſes Geldes ſelbſt uͤberlaſſen wollten, damit ich ſo viel als moͤglich ſeyn wird, zum kuͤnftigen Gebrauch davon beyle - gen koͤnne. Jch werde Jhnen uͤber alle die uͤbri - gen Ausgaben und uͤber das beygelegte eine ſolche Rechnung halten, als ſie von einem Haushalter erwarten koͤnnen.

Was die Kleidung anlanget, ſo habe ich noch zwey gantz neue Anzuͤge, die ich nur einmahl zur Probe angezogen habe: und deren ich mich auch bey einer ſolchen Gelegenheit nicht ſchaͤmen darf. Jch habe auch Juwelen von meiner Großmutter, die nur von neuen umgefaſſet werden muͤſſen: und noch andere Juwelen die ich bey außerordentlichen Gelegenheiten zu tragen pflegte. Ob mir gleich dieſe Juwelen bisher noch nicht zugeſandt ſind, ſo trage ich doch keinen Zweifel, daß ſie mir zu - geſandt werden, wenn ich ſie unter einem andern Nahmen fordern laſſe. Und vorher gedencke ich gar keine Juwelen zu tragen.

Sie beklagen ſich uͤber das Mistrauen, das ich gegen Sie blicken laſſe. Allein Jhr eigenes ſoll Richter ſeyn. Setzen Sie ſich einen Augen - blick an meine Stelle, und erinnern Sie ſich Jh - res bisherigen Betragens gegen mich in Worten und Wercken: und alsdenn urtheilen Sie, ob ich verdiene gelobet oder getadelt zu werden; und obR 2 Sie260 Sie nicht ſelbſt mich bey den Erklaͤrungen, die Sie gegen mich gethan haben, mein Betragen billigen muͤſſen? Wenn Sie es nicht billigen, ſo muͤſſen unſere Gemuͤther ſo ſonderbahr verſchie - den ſeyn, daß keine naͤhere Vereinigung zu wuͤn - ſchen iſt zwiſchen Jhnen und

Clariſſa Harlowe.

den 20ſten May.

Dieſes liebe Blat fand Dorcas bey nahe gantz entzwey geriſſen. Vermuthlich iſt das geſchehen, als ſie einmahl auf mich boͤſe war. Der groͤſ - ſeſte Ruhm des ſchoͤnen Geſchlechts beſtehet in Sanftmuth und Verleugnung: warum werden denn die lieben Kinder bisweilen ſo boͤſe? Da ſie ſich vor der Hochzeit ſolche Freyheiten heraus nimmt, was werde ich kuͤnftig zu erwarten haben?

Was fuͤr ein Ding; eine boͤſe Frau! Es iſt (mit Erlaubniß der Schoͤnen) verflucht unver - ſchaͤmt, und eben ſo dumm als unverſchaͤmt, wenn eine Frau boͤſe wird, und doch nicht den Vorſatz hat, ſich auf ewig von ihrem Manne abzuſondern, oder ihm auf eine gottloſe Art Trotz zu bieten. Sie verlieren dadurch auf einmahl ihre bewegli - che und ſanftmuͤthige Kunſt anzuklagen, und uns die Sache recht vernuͤnftig und muͤtterlich vorzu - ſtellen, die durch Seufzer, durch gebogene Kniee, durch gerungene Haͤnde und durch Blicke nach dem Geſichte ihres Gebieters unſere Augen zu Thraͤnen zwinget, und eine baldige und dauerhafte Verſoͤh - nung zuwege bringet. Selbſt alsdenn, wennder261der Mann unrecht hat, ſo wird dieſes den Ankla - gen der Frauen nur ein mehreres Gewichte geben.

Jetzt eben faͤllt es mir ein: ein Mann muß billig ſeiner Frauen zuweilen unrecht thun, um ſie groß zu machen. Die Fraͤulein Howe troͤſtet meine Clariſſa damit, daß ſie im Ungluͤck groͤßer ſey. Es iſt edel, wenn ein Mann ſich erniedri - get, damit ſeine Frau groß werde; wenn er ihr Gelegenheit goͤnnet, ihn durch Vernunft und Ge - duld zu beſiegen: denn wenn er gleich zu gebiete - riſch dazu iſt, ſeinen Fehler ſo gleich zu erkennen, ſo wird ſie doch die Fruͤchte ihres unterthaͤnigen Gehorſams in der kuͤnftigen Zeit finden, und die Hochachtung, die er fuͤr ihre Klugheit und Hoͤf - lichkeit faſſen wird, wird ihrem Hochmuth eine angenehme Nahrung ſeyn. Sie wird doch zu - letzt die Beherrſcherin ihres Beherrſchers wer - den.

Und nun ſtelle dir eine Frau vor, die den ei - nen Arm in die Seite ſetzt, und mit der andern Hand fechtet, und mit den Finger drohet: wenn du wunderlich biſt, Mann, ſo will ich auch wunderlich ſeyn! Biſt du boͤſe: ich auch! Wie du in Wald rufeſt, ſo ſchallt es wieder! Wenn du ſchwoͤreſt, ſo kann ich fluchen! Jch will nicht in eben der Stube, und in eben dem Bette mit dir bleiben! Denn du weißt, wir ſind getrauet: ich bin deine Frau: du kannſt dir nicht anders helfen! Deine Ehre und deine Ruhe ſtehet bey mir! und wenn dir die Auffuͤhrung nicht gefaͤllt, ſo kann ich es ſchlimmer machen!

R 3Ach262

Ach Bruder, wer die Auffuͤhrung in andern Familien geſehen hat, der kann ohnmoͤglich wuͤn - ſchen zu heyrathen.

Dorcas fand dieſes Blat in einer von denen Schiebladen. Sie glaubt, daß ſie es eben von neuen uͤberleſen habe, als ſie ſie zum Thee bat: denn ſie ſahe, daß ſie ein Papier in die Schiebla - de ſteckte, ſo bald ſie in die Stube trat: und als die Fraͤulein bey mir in dem Speiſe-Saal war, ſo fand ſie dieſes Blat in eben der Schieblade.

Es waͤre beſſer fuͤr mich geweſen, wenn ich kei - ne Abſchrift davon bekommen haͤtte. Vorhin war mein Entſchluß feſte, allein im Augenblick fieng ich an zu wancken und weich gegen ſie zu werden. Jch wollte viel darum geben, wenn ich gewiß wuͤß - te, ob ſie dieſes. Blat mit Willen in die unver - ſchloſſene Schieblade geleget hat, damit ich es moͤchte zu ſehen bekommen? und ob ſie vielleicht nach dem Rath der Fraͤulein Howe, die Dorcas bey dieſer Gelegenheit hat ausforſchen wollen, ob ſie es mit ihr oder mit mir hielte. Dieſer Arg - wohn iſt ihr ſchon ſchaͤdlich: denn ich kann es nicht leiden, wenn man liſtig mit mir umgehet. Ein jeder will ſeine beſondere Gabe gern allein beſitzen: es gehet uns darin, wie den Kaufleuten die einen gantzen Handel gepachtet haben. Jch weiß, daß du daher einen neuen Bewegungs-Grund wider mich nehmen wirſt. Jch weiß aber auch ſchon jeden Titel von dem was du ſagen kannſt: ſpare demnach deinen matten Unverſtand auf andere Ge - legenheit, und uͤberlaß mein liebes Kind und michun -263unſerem Schickſal. Der Wille der ewigen Vorſicht geſchehe! Denn Cowley ſagt:

Die unſichtbare Hand macht, daß wir uns bewe -
gen.
Den macht ſie groß und jenen klein:
Dich uͤberſchittet ſie mit Seegen;
Du mußt des Ungluͤcks Beyſpiel ſeyn.
Der Tugendhafte wird durch ſie allein getrieben
Der Tugend ſchwere Bahn zu gehn;
Und der, den ebnen Weg zu lieben
Wo wir das Laſter jauchzen ſehn.
Du heißeſt klug, und den geſellt man zu den Tho -
ren.
Nur Nahmen ſinds. Die Vorſicht ſpielt
mit allen.

Am Ende aber bin ich doch beynahe betruͤbt, (denn voͤllig betruͤbt zu ſeyn iſt mir nicht gegeben) daß ich mich nicht ohne neue Proben zu dem Hey - rathen entſchließen kann. Jch habe eben dieſen Aufſatz einer Antwort von neuen uͤberleſen. Wie verehre ich mein Kind wegen der Antwort, die es mir geben wollte!

Aber! (noch ein aber) Die Fraͤulein hat mir dieſe Antwort weder gegeben noch zugeſandt; und ſo iſt es keine Antwort von ihr. Sie iſt nicht fuͤr mich geſchrieben, ob ſie gleich an mich gerich - tet iſt. Sie hat nicht einmahl den Vorſatz gehabt, dieſe Antwort an mich zu ſchicken. Sie hat ſie im Unwillen zerriſſen, weil ſie ihr viel -R 4leicht264leicht allzuguͤtig vorkam. Durch dieſe Handlung nimmt ſie alles zuruͤck, was ſie geſchrieben hatte. Warum bin ich denn ſo thoͤricht in ſie verliebt, daß ich ihr dieſe Antwort in Rechnung bringen will, alls wenn ſie ſie nicht zerriſſen haͤtte? Jch bitte dich nochmahls, mein lieber Belford, uͤber - laß uns unſerm Schickſal, und bemuͤhe dich nicht, durch deinen Unverſtand mich noch weibiſcher zu machen, da mir ohnehin genug Grillen einfallen, und ſchmiede keine Verraͤtherey wider mich mit meinem Gewiſſen, welches ſchon auf ihre Seite getreten iſt.

Erinnere dich, Lovelace, was du neulich ent - decket haſt! und wie kaltſinnig ſie gegen dich ge - weſen iſt! was ſie dir fuͤr Zeichen des Haſſes und der Verachtung gegeben hat. Stelle dir vor, daß ſie noch jetzt fremde gegen dich thut, und voller Mistrauen iſt: und daß ſie mit Meuterey und heimlichen Empoͤrungen gegen deine rechtmaͤßige Oberherrſchaft umgehet, die du als Sieger erlan - get haſt. Erinnere dich aller deiner Drohungen gegen dieſe ſtoltze Schoͤne, die zu der Fahne der Liebe geſchworen hat, und ſich doch den Geſetzen der Liebe nicht unterwerfen will.

Allein wie willſt du deine liebe Feindin beſie - gen? Gewalt ſey verflucht; und alles was es noͤ - thig machen kann, Gewalt zu gebrauchen. Durch Gewalt erhaͤlt man keinen wahren Sieg. Man beſieget den Willen nicht: man bemeiſtert ſich nicht auf eine ſanfte Weiſe der ſanften Leidenſchaften. Gewalt iſt des Teufels!

Die265

Die verfluchte Nachrede der Leute iſt mir gleich zu Anfange ſchaͤdlich geweſen, als ich mich an die - ſes Maͤdchen machte. Allein es iſt und bleibt doch ein Maͤdchen. Wenn es mich auf das aͤuſſerſte haſſet, ſo werde ich doch einen guͤnſtigen Augen - blick finden!

Wodurch ſoll ich ſie aber verſuchen? durch Reichthum? Sie iſt mitten in dem Reichthum gebohren: ſie kennet und verachtet den Reichthum. Durch Juwelen und Spielwerck? Was fragt eine Seele darnach, die ſelbſt eine Juwele iſt, und ſo unvergleichlich eingefaßt iſt? Durch Lie - be? Wenn ſie ja weiß, was Liebe iſt, ſo iſt doch die Liebe bey ihr ſo ſehr unter der Herrſchaft der Vernunft, daß ich daran verzweifele, ſie jemahls anders als auf ihrer Huth zu finden. Sie be - ſitzt ſo viele Wachſamkeit, daß ihre Furcht der wircklichen Gefahr immer zuvor zu kommen ſchei - net. Die Liebe zur Tugend iſt ihr entweder angebohren, oder ſie iſt doch zum wenigſten ſo tief bey ihr gewurtzelt, daß gleichſam ihr gantzes Hertz mit ihren Wurtzeln und Faͤſerchen durch - wachſen iſt, und ich ohnmoͤglich dieſes Geaͤder werde ausgaͤten koͤnnen, ohne zugleich ihr Leben zu verletzen.

Wie ſoll ich es anfangen, ein ſo auſſerordent - liches Kind ſo zahm zu machen, daß es nicht gleich vor den erſten Proben fliehet, welche die Zuberei - tung zu der großen Probe ſind, ob ſie ſich nicht oͤfters werde uͤberwinden laſſen, wenn ſie einmahl uͤberwunden iſt.

R 5War -266

Wahrhaftig Bruder, wenn ich bisweilen gegen ihr uͤber ſitze, und ſie angaffe, und mir die gantze Seele in die Augen faͤhrt; wenn ich ſie heiter und vergnuͤgt ſehe, und dabey gedencke, wie verſtoͤret ſie ausſehen wuͤrde, wenn ſie mein Hertz ſo gut ken - nete als ich; wenn mir bey ihren aͤngſtlichen und unruhigen Blicken beyfaͤllt, wie gegruͤndet ihre Furcht iſt, und daß ſie ſich gewiß nicht ſo ſehr fuͤrch - ten kann, als ſie Urſache hat ſich zu fuͤrchten: ſo wird meinem eigenen Hertzen nicht wohl bey der Sache zu Muthe. Jch dencke oft: ſoll ein ſo goͤttlich-ſchoͤnes Kind dieſe Arme, die einen Koͤnig gluͤcklich machen koͤnnten, gebrauchen, ſich einer viehiſchen Gewaltthaͤtigkeit zu erwehren? ſoll viel - leicht alle ihre Staͤrcke vergeblich angewandt wer - den, den Leib zu vertheidigen, der ſo zaͤrtlich gebildet iſt? kann es dem aͤrgſten Boͤſewicht in den Sinn kommen, Gewalt zu gebrauchen, da er ohne Gewalt ihre freywillige und tugendhafte Liebe erhalten, und das Vergnuͤgen, das er jetzt rauben will, in ihre Pflicht und Schuldigkeit verwandeln koͤnnte? Weg! ihr abſcheulichen Gedancken! fahrt alle zu der Hoͤlle, aus der ihr gekommen ſeyd! Jch will mich ihr zu Fuͤßen werfen, meine boshaften Anſchlaͤge be - kennen, ihr Beſſerung zuſagen, und es mir un - moͤglich machen, ein ſo unvergleichliches Heilig - thum zu entweyhen.

Allein wie gehet es zu, deß alle dieſe mitlei - digen oder (wie ſie andere nennen werden) tugend - haften Triebe wieder verſchwinden? Wie gehet das zu? Die Fraͤulein Howe wird es dir ſagen. Sie267Sie ſagt, ich ſey ein Teufel! und ſo viel ich mich ſelbſt kenne, ſo hat jetzt der Teufel ſehr viel bey mir, das er das Seinige nennen kann.

Das iſt ein offenhertziges Bekenntniß! So frey gehe ich gegen dich heraus. Je mehr ich aber ſelbſt gegen mich ſage, deſto weniger kannſt du mir vorwerfen. O Belford, Belford, ich kann ohn - moͤglich, ich kann zum wenigſten jetzt ohnmoͤglich heyrathen.

Bedencke, daß ihre Anverwandten meine bit - terſten Feinde ſind. Denen wuͤrde ich zu Fuͤßen fallen muͤſſen, oder ſie wuͤrde eben ſo misvergnuͤgt ſeyn, als ich ſie durch meine letzte Tod-Suͤnde ma - chen kann.

Sie wuͤrde dieſe Leute immer zu viel, und mich zu wenig lieben.

Sie ſcheinet mich jetzt in der That zu verach - ten. Die Fraͤulein Howe ſagt es deutlich, daß ſie mich verachtet. Wie jaͤmmerlich, wie armſee - lig iſt es aber, wenn man von der Frau ver - achtet wird? Was iſt das fuͤr eine Vorſtellung! An Verſtande und Einſichten von der Frau uͤbertroffen zu werden! Sich von der Frau Erinnerungen und Geſetze geben zu laſſen! Sie thut noch mehr, als mich verachten: ſie hat ſich ſo gar Bedenckzeit genommen, zu uͤber - legen, ob ſie mich nicht haſſet. Jch haſſe ſie von gantzem Hertzen! ſagte ſie noch geſtern zu mir. Meine Seele iſt uͤber dich, Kerl! zwinge mich nicht, dir zu ſagen, wie weitmeine268meine Seele uͤber dich iſt. Wie armſeelig kam ich mir ſelbſt vor, als ſie dieſes ſagte? Mir fiel ihr Vorzug vor mir in die Augen, ſo hochmuͤ - thig ich auch bin! Wie werde ich unten, (bey meiner Seele, unten) gegen ſie getrieben!

Es iſt auch armſeelig, wenn ich mich fuͤr eine bloße Maſchine halte. Jck bin keine Maſchine! du thuſt dir Unrecht, Lovelace, wenn dir der Ge - dancke nur einfaͤllet, daß du eine Maſchine ſeyſt!

Da ich einmahl ſo weit gegangen bin, ſo wuͤr - de es mein Ungluͤck ſeyn, wenn ich mir kuͤnftig in meinem verheyratheten Stande, ſo oft ich gegen mich leichtfertig waͤre, den Vorwurf machen koͤnn - te, daß ich ſie nicht auf alle moͤgliche Proben ge - ſtellet haͤtte. Jch weiß nicht wie es zugehet, ſo bald ich dieſer Schoͤnen nahe komme, ſo werde ich auch halb tugendhaft. Jch will jetzt an den Sieg nicht gedencken, den ſie an dem verwichenen Sonn - tags-Abend uͤber mich erhalten hat. Jch habe mir noch außer dem ein Paar mahl vorgenom - men, einige Freyheit zu verſuchen, die ich nachher dem Verdruſſe Schuld geben koͤnnte, dazu ſie mich gereitzet hat. Allein ich empfand Schau - der und Ehrfurcht, ſo bald ich ſie ſahe, und ihre in die Augen fallende Reinigkeit daͤmpfte zuerſt meine doppelte Flamme, und loͤſchte ſie zuletzt voͤl - lig aus.

Was fuͤr eine auſſerordentliche Gewalt iſt das! Sie befindet ſich nun ſo lange in meiner Macht: und ich werde von meiner Liebe und von denFrauens -269Frauensleuten in dem Hauſe ſo ſehr gereitzet et - was zu wagen! Doch wage ich nichts! Stelle dir Lovelacen vor: wie wirſt du dieſes erklaͤren koͤnnen?

Wie viel unvernuͤnftiges Zeug habe ich zuſam - men geſchmieret! Wie habe ich mich bethoͤren laſ - ſen! von wem? Weißt du es, wer mich ſo verlei - tet hat? Das iſt das verdammte Gewiſſen. Das hat ſich gegen mich verſchworen! Freund, wie biſt du hereingekommen! Jn welcher Maske haſt du dich herein geſchlichen, du Raͤuber meiner vergnuͤgten Stunden? Erwaͤhle du und das Schickſal in unſerm Kriege eine genaue Neutralitaͤt: und wenn ich dem menſchlichen Geſchlechte und dem Frauenzimmer zu Ehren es nicht dahin brin - gen kann, daß ein ſolcher Engel unter die Frauens - leute gerechnet werde, und ihnen (ſollte es auch durch ſeine Fehltritte geſchehen) Ehre bringe: ſo will ich dem Schickſal und dem Gewiſſen nicht laͤnger widerſtehen.

Hier ſtand ich auf. Jch oͤffnete das Fenſter, und ſchuͤttelte mich! Der ungebetene Gaſt meiner Bruſt flog davon. Jch kann ihn noch fliegen ſe - hen. Jch ſehe ihm genau nach, und er wird im - mer kleiner. Jetzt ſchließet ſich Luft und Him - mel hinter ihm zu: Jch kann ihn nicht mehr ſehen. Jch bin von neuen

Robert Lovelace.

Der270

Der neun und zwantzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.

Jch habe wohl daran gethan, daß ich mich ent - ſchloß, mit der Frau Fretchville und ih - rem Hauſe nichts weiter zu thun zu haben. Es war hohe Zeit: denn eben thut mir Mennell die Erklaͤrung, daß ihm Gewiſſen und Ehre nicht er - lauben, noch einen eintzigen Schritt zu thun. Er will nicht die gantze Welt dafuͤr nehmen, daß ein ſolches Frauenzimmer durch ſeine Huͤlfe betrogen werden ſollte. Jch war ein Narre, daß ich dir und ihm erlaubte, die Fraͤulein zu ſehen: denn ſeit der Zeit habt ihr eine Kranckheit gehabt, die ihr Gewiſſen nennet, von der ihr nie wuͤrdet an - gefochten ſeyn, wenn ihr weiter nichts gewuſt haͤt - tet, als daß ſie ein Frauenzimmer ſey.

Jch muß mich in mein Ungluͤck ſchicken.

Mennell hat ſich endlich, obgleich wider ſei - nen Willen, erklaͤret, daß er einen Brief an mich ſchreiben will: allein dieſes ſoll der letzte Schritt ſeyn, welchen er in der Sache thut.

Jch ſagte ihm: ich hoffete, er wuͤrde nichts dawider einzuwenden haben, wenn das Cammer - Maͤdchen der Frau Fretchville kuͤnftig ſeine Stelle vertraͤte?

Jm271

Jm 'geringſten nichts! (ſagte er) aber es iſt Jammer-Schade

Ein jaͤmmerlicher Kerl! Was iſt das fuͤr ein naͤrriſches Mittleiden eingeſchraͤnckter Geiſter, die kein Huhn abſchlachten koͤnnen, und doch hundert abgeſchlachtete Huͤner gierig freſſen!

Der Brief erzaͤhlet, daß eine Magd der Frau Fretchville die Pocken bekommen habe. Sie hat ihre Herrſchaft angeſteckt. Leute, bey denen die Einbildung ſtarck iſt, werden auch leicht kranck: man darf die Kranckheit nur nennen, ſo haben ſie ſie ſchon an dem Halſe. Bey ihnen ſchlaͤgt das Jnoculiren gewiß an. Sie ſind die melcken - den Kuͤhe der geſundmachenden Zunft. Ein hy - pokondriſcher Krancker, voller Grillen und Ein - bildung, iſt die Fiddel auf der der Doctor unauf - hoͤrlich ſpielen kann; und er ſpielt gewiß gern. Wenn kein auſſerordentliches Ungluͤck dazwiſchen kommt, und die Furcht nicht zur wircklichen Kranckheit wird, (wie es der armen Frau Fretch - ville gegangen iſt) ſo haben ſie weiter keine Noth, als daß ſie ſich Muͤhe geben das Lachen zu laſſen, wenn der Krancke ſein eigener Anklaͤger wird. So bald ſie ſeine Klage gehoͤret haben, koͤnnen ſie zur Strafe ſchreiten: denn Strafe iſt der rechte Nahme, damit man das fremdlautende Wort, Recept, verdeutſchen kann. Was haͤlt die Strafe auf! Der Schuldige hat ja bekannt! Jhre Stra - fe iſt gemeiniglich rachgierig.

Es faͤllt mir aber eben bey: die Kerls ſind dumm! Da ihre Quackſalberey nicht nutzen ſoll,ſo272ſo koͤnnte ſie doch vergnuͤgen, anſtatt daß jetzund der gemarterte Krancke ihr eckelhaftes Zeug uͤber - ſchlucken muß.

Wenn ich die Cliſtir-Spruͤtze an der Seiten hencken haͤtte, ſo wollte ich bald alle Nahrung an mich ziehen: Jch wollte nichts vorſchreiben, als Malvaſir, und Sect, und Capo-Wein, die ich nur ein wenig unkenntlich machen muͤſte. Dadurch kaͤmen noch Geiſter in den Kopf: wie wuͤrde der erquickte Krancke ſich wuͤnſchen, noch einmahl kranck zu ſeyn! und wie hoch wuͤrde der Herr Doctor bey ihm angeſchrieben ſeyn!

Gib allen Marcktſchreyern, die du kenneſt, dieſen Winck. Es koͤnnte nur Ein Scha - de daraus entſtehen: nehmlich daß der Apothecker zu viel Geld an die Artzeney wenden muͤßte. Al - lein der ſtarcke Abgang wuͤrde den Schaden wi - der gut machen. Denn die gute Waͤrterin wuͤr - de immer koſten, ob ſie auch uͤber das rechte Glas kaͤme, und wuͤrde die vorige Hertz-Staͤrckung noch einmahl zu verſchreiben bitten.

Poſſen! du willſt wiſſen, was in dem Brie - fe ſtehen ſoll? Was brauche ich dir das weiter zu ſagen, nachdem ich dir ſchon vorhin etwas davon gemeldet habe? Frau Fretchville kann nicht aus - ziehen: und das iſt genug. Mennell trit ab. Sein Gewiſſen mag ihn nun fuͤr ſeine und nicht fuͤr anderer Suͤnden plagen, ſo iſt er geplagt genug.

Der Brief hat die Auſſchrifft: an Herrn Robert Lovelacen. Jn deſſen Abweſenheitvon273von ſeiner Gemahlin zu erbrechen. Als ich nach Hauſe kam, wollte ſie weder mit mir ſpeiſen, noch mich ſonſt ſprechen. Sie hat den Brief er - oͤffnet: ſie erkennet ſich alſo ſelbſt, ſo hochmuͤthig und muͤrriſch ſie auch iſt, fuͤr meine Gemahlin.

Jch freue mich, daß der Brief eingelaufen iſt, ehe wir uns voͤllig vertragen haben: ſonſt koͤnn - te ſie es fuͤr eine Liſt halten, dadurch ich die Sa - che von neuen zu verzoͤgern ſuchte. Nun koͤnnen wir den alten und neuen Streit auf einmahl ab - thun: und das iſt vortheilhaft fuͤr mich. Wie ſehr iſt ihr liebes hochmuͤthiges Hertz gedemuͤthi - get, wenn ich daran zuruͤck gedencke, wie ich ſie zuerſt kennen lernete! Jetzt iſt ſie ſo demuͤthig, daß ſie einen Verzug von mir befuͤrchten kann, und ſich daruͤber graͤmet.

Jch kam zu dem Mittags-Eſſen nach Hauſe. Sie ſchickte mir den Brief zu, und bat um Ver - gebung, daß ſie ihn erbrochen haͤtte. Sie haͤtte es gethan, ehe ſie die Aufſchrift geleſen haͤtte. Maͤdchens-Stoltz! Belford. Erſt beſinnet ſie ſich: hernach gehet ſie einen Schritt zuruͤck.

Jch bat mir Erlaubniß aus, ſogleich wegen des Briefes mit ihr zu reden: allein ſie will es mir nicht eher erlauben, als morgen fruͤh. Jch muß ſie noch ſo weit bringen, ehe unſere Comoͤ - die zum Ende gehet, daß ſie mir bekennet, ſie koͤn - ne mich nicht zu oft ſprechen.

Meine Ungeduld war bey einer ſo unerwar - teten Gelegenheit allzu groß. Jch ſchrieb an ſie: ich waͤre wegen des Zufalles auf das aͤußerſteVierter Theil. S be -274 bekuͤmmert. Jndeſſen brauchte deswegen mein gewuͤnſchter Tag nicht aufgeſchoben zu werden, als welcher mit dem Hauſe der Frau Fretch - ville nichts zu thun haͤtte. (Sie wird den - cken, daß ſie das ſchon lange gewußt hat. Jch auch!) Da die Frau Fretchville ſo hoͤflich haͤt - te bitten laſſen, daß wir dieſen Zufall ihr nicht uͤbel nehmen, und wo moͤglich uns noch kuͤnftig ihres Hauſes bedienen moͤchten: ſo daͤchte ich, daß es fuͤr ſie und uns am beſten waͤre, wenn wir auf zwey oder drey Monathe in dem Som - mer gleich nach der Trauung auf die Forſt reiſeten.

Es kommt mir ſo vor, als wenn dem lieben Kinde dieſer Zufall ſehr zu Hertzen gehet. Ob ich gleich abermahls um Erlaubniß gebeten habe, ſie zu ſprechen, ſo bekomme ich doch die Antwort: ſie koͤnnte es eher nicht thun, als morgen fruͤh. Es ſoll um ſechs Uhr geſchehen, wenn es mir ge - legen iſt.

Sehr gelegen!

Jch kann ſie jetzt des Tages nur Einmahl zu ſprechen bekommen.

Weißt du ſchon, daß ich an die Fraͤulein Montague geſchrieben habe? Jch wundere mich in dem Briefe ſehr, daß der Lord M. die Ant - wort in einer ſo dringenden Sache ſo lange auf - ſchiebet. Jch gebe ihr Nachricht von meinem Vorſchlage, ein anderes Haus zu miethen, und von den wunderbahren Einfaͤllen, dadurch die Frau Fretchville uns aufhaͤlt.

Jch275

Jch gehe ungern daran, jemand von meinen Anverwandten mit in dieſe verworrene Sache ein - zuflechten; allein ich muß ſicher gehen. Sie ha - ben alle ſchon eine ſo ſchlechte Meynung von mir, daß ſie nie ſchlimmer werden kann. Du ſieheſt ja ſelbſt aus dem Briefe des Lord M. daß ſeine wohlgezogene Gnaden den hochadelichen Gedan - cken von mir haben, daß ich dieſem unvergleichli - chen Kinde einen von meinen Hundes-Strei - chen ſpielen moͤchte.

Jch habe eben eine Antwort von der Char - lotte bekommen.

Charlotte iſt unpaß. Es kommt aus dem Magen.

Es iſt kein Wunder, wenn einem Maͤdchen der Magen nicht recht ſtehet. Sie iſt unverhey - rathet: das iſt die gantze Kranckheit! So bald ſie einen Mann hat, der ſie plaget; ſo hat der Ma - gen etwas zu verdauen. Weißt du nicht, daß der Mann die Sonne der lieben Kinder iſt; und ſie ſind die Erde? Wie wuͤſte und unfruchtbar iſt die Erde, wenn ihr der erwaͤrmende Schein der Sonne entzogen wird!

Die arme Lottchen! Jch wußte es vorher, daß ſie nicht wohl waͤre. Eben deswegen ſchrieb ich an ſie, und wunderte mich ein wenig, daß ſie nicht von ſelbſt daran gedacht haͤtte, meine Braut in London zu beſuchen.

Hier folget eine Abſchrift ihres Briefes. Du wirſt ſehen, daß mich ein jedes kleines Aeffch en inS 2die276die Catechismus-Lehre nimmt. Alle verlaſſen ſich darauf, daß ich viel vertragen kann.

Mein lieber Vetter,

Wir haben mit Schmertzen auf die Nachricht gehoffet, daß das erwuͤnſchte Band geknuͤ - pfet waͤre. Unſer Onckel iſt ſehr unpaß geweſen: er wuͤßte ſich aber doch nicht zu beruhigen, wenn er nicht ſelbſt an Sie ſchreiben koͤnnte. Er meinte, dieſes waͤre die eintzige Gelegenheit die er vielleicht in ſeinem Leben haben moͤchte, Jhnen eine gute Ermahnung zu geben, die etwas fruchten wuͤrde. Er hat ſich alle Tage etliche Stunden hingeſetzt, zu ſchreiben, wenn das Podagra es ihm zuließ: und er uͤberlieſet jetzt ſein geſchriebenes. Er meint, es wuͤrde mehr bey Jhnen ausrichten, wenn Sie ſaͤhen, daß alles mit ſeiner eigenen Hand ge - ſchrieben waͤre.

Gewiß, mein lieber Herr Vetter, das gantze Hertz haͤngt ihm an Jhnen. Jch wollte, daß Sie ſich nur halb ſo lieb haͤtten, als er Sie hat. Jch glaube aber, Sie wuͤrden ſich ſelbſt mehr lieben, wenn Sie von Jhrer gantzen Familie etwas we - niger geliebet wuͤrden.

Wenn unſer Onckel nicht ſchreiben konnte, ſo hat er den Pritchard zu ſich kommen laſſen, und mit ihm von der Eintraͤglichkeit der Guͤter gere - det, die er Jhnen an dem erwuͤnſchten Tage zu uͤberlaſſen gedencket, damit er Jhren Brief deſtoange -277angenehmer beantworten, und Jhnen in der That zeigen koͤnnte, wie wohl er Jhre Einladung ge - nommen hat. Jch kann Jhnen ſagen, daß er ſich recht viel darauf einbildet.

Was mich anlanget, ſo bin ich gar nicht wohl geweſen. Jch habe ſeit einigen Wochen meine alte Plage mit dem Magen. Wenn mich das nicht abgehalten haͤtte, ſo wuͤrde ich mir ſchon ſeit einigen Wochen die Ehre genommen haben, den Beſuch abzuſtatten, uͤber deſſen Verſaͤumung Sie ſich wundern. Meine Baſe Lawrance, die mit mir reiſen wollte, (denn wir hatten uns ſchon gantz zur Reiſe entſchloſſen) hat mit ihren Proceß ſehr viel zu thun gehabt; denn ihre Ge - gen-Part hat Vorſchlaͤge zum Vergleich gethan, als es eben an dem war, daß er den Proceß verlieren ſollte. Seyn Sie indeſſen verſichert, daß ſo bald unſere neue Baſe das Haus bezogen haben wird, davon Sie ſchreiben, wir uns zuſammen die Frey - heit nehmen werden, ſie zu uͤberfallen. Wenn ihre Furchtſamkeit an dem Aufſchube Schuld iſt, (welches wohl ſeyn kann, wenn ſie den recht ken - net, mit dem ſie zu thun hat) ſo wollen wir uns bemuͤhen, ihr ein Hertz einzuſprechen, und wir wollen alle ihre neuen Taufzeugen werden, und in Jhrem Nahmen alles Gute zuſagen. Denn mich duͤnckt, mein lieber Herr Vetter, Sie haben noͤthig noch einmahl getauft zu werden, ehe Sie an ein ſolches Gluͤck Anſpruch machen duͤrfen. Was meinen Sie dazu?

S 3Jetzt278

Jetzt eben ſagen mir ihre Gnaden, daß ſie morgen einen Boten mit dem Briefe fortſchicken wollen. Es waͤre alſo nicht einmahl noͤthig, daß ich geſchrieben habe. Jch will aber doch den Brief wegſchicken: Empſon nimt ihn mit, wel - cher gleich wieder zuruͤcke kehret.

Richten Sie von meiner Schweſter und mir die allerverbindlichſte Empfehlung an das Frauen - zimmer aus, welches unſere Hochachtung mit dem groͤßeſten Recht verdienet. Jch brauche es nicht zu nenne. Jch verbleibe

Jhre ergebenſte Baſe und Dienerinn Charlotte Montague.

Du wirſt mercken, daß mir der Brief zu rech - ter Zeit gekommen iſt. Jch hoffe, daß mein On - ckle mir nichts ſchreiben wird, als was ich meiner Geliebten zeigen kann. Jch habe ihr eben die - ſen Brief zugeſandt, und ich hoffe, daß er gute Wirckung haben wird.

Hier folget ein neuer Brief von der Clariſſa, darin ſie der Fraͤulein Howe von dem Nachricht giebt, was zwiſchen ihr und Herrn Lovelacen vorgegangen war. Sie iſt auf eine edle Art uͤber ſein Betragen misvergnuͤgt: und da ſie von Men - nells Briefe ſchreibet, ſo bittet ſie die Fraͤulein Howe abermahls, ihren Anſchlag zur Reife zu bringen, und eine Zuflucht fuͤr ſie zu beſorgen, weil ſie entſchloſſen ſey, ihn zu verlaſſen. Alleinin279in einem andern Briefe, vom Montage, iſt ſie an - derer Me inung, nachdem ſie das Schreiben der Fraͤulein Montague geleſen hat, und verlanget, die Unterhandlung mit der Townſend noch auf - zuſchieben.

Mir war bey nah alles verdaͤchtig (ſchreibt ſie) was er von der Frau Fretchville und von ihrem Hauſe geſaget hatte. Selbſt Herr Men - nell kam mir verdaͤchtig vor, ob gleich ſein An - ſehen ſehr gut iſt. Nun ich aber ſehe, daß Herr Lovelace ſeinen Anverwandten davon Nachricht gegeben hat, daß er dieſes Haus mie - then will, und daß die Fraͤuleins mich daſelbſt beſuchen wollen: ſo ſtrafe ich mich ſelbſt in mei - nem Gemuͤthe, daß ich ſo argwoͤhniſch geweſen bin, und ihn einer ſo niedertraͤchtigen Betruͤge - rey beſchuldiget habe. Er hat ſich aber dieſes ſelbſt zu dancken. Warum handelt er zu ande - rer Zeit ſo wunderlich? und warum macht er ohne Noth krumme Wege, und verwirret und verſtellet ſelbſt ſeine Abſichten, falls ſie aufrich - tig ſind?

Der dreißigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Johann Belford.

Er giebt ſeinem Freunde Nachricht, was bey der Unterredung des MorgensS 4vor -280vorgefallen ſey, und daß der Brief der Fraͤulein Montague ſeine erwuͤnſchte Wirckung gethan habe: ſie hoͤre dennoch aber noch nicht gantz auf, fremde gegen ihn zu thun. Er meint aber, das thue ſie nur zum Schein. Er faͤhret fort:

Es iſt einem Frauenzimmer nicht moͤglich, bey einer ſolchen Angelegenheit gantz ehrlich zu ſeyn. Und warum muͤſſen ſie ſich verſtellen? Sie ſehen es fuͤr eine allzugroße Schande an, das zu ſcheinen, was ſie in der That ſind.

Jch beklagte die Unpaͤßlichkeit der Frau Fret - chville, weil ich dadurch gehindert wuͤrde.

Jch bedaurete ſehr, daß Frau Fretchville kranck geworden waͤre, und ich ſie nunmehr nicht vor unſerer gluͤcklichen Verbindung in dieſes Haus bringen koͤnnte; in welchem ſie jeder fuͤr eben ſo frey gehalten haben wuͤrde, als ſie wuͤrcklich ſey, und als noͤthig ſey, wenn ihr Ja-Wort nach dem Urtheil der Welt ein recht freywilliges Ja-Wort heiſſen ſollte. Es ginge mir der verdriesliche Umſtand deſto mehr zu Gemuͤthe, weil ich ſaͤhe, daß alle meine Baſen ihr haͤtten die Aufwartung machen wollen, unterdeſſen daß Eheſtiftung und alle uͤbrige Vorbereitungen zur Hochzeit und Haus - haltung zu Stande gebracht waͤren. Sonſt um anderer Urſachen willen ſey nicht viel daran gele - gen: denn ſo bald mein erwuͤnſchteſter Tag zuruͤck - geleget ſey, koͤnnten wir nach der Forſt, odernach281nach M. Hall, oder zu einer von meinen Baſen reiſen, und dadurch Zeit gewinnen, uns mit Be - dienten und allem was uns noͤthig waͤre zu ver - ſorgen.

Wie artig konnte mein Kind horchen!

Jch fragte: ob ſie die Pocken gehabt haͤtte?

Jhre Mutter und Frau Rovton haͤtten im - mer daran gezweifelt. Ob ſie ſich gleich nicht fuͤrchtete, ſo wollte ſie ſich doch nicht ohne Noth in Gefahr begeben.

(Recht ſo! dachte ich, und antwortete) ſonſt haͤtte ſie das Haus beſehen koͤnnen, ehe wir auf das Land gereiſet waͤren. Denn wenn es ihr nicht gefiele, ſo waͤre ich nicht ſchuldig es zu behal - ten: ich haͤtte mich zu nichts verbindlich ge - macht.

Sie fragte, ob ſie ſich eine Abſchrift von dem Briefe der Fraͤulein Montague ausbitten duͤrfte?

Jch ſagte: ſie moͤchte den Brief ſelbſt behalten, und ihn der Fraͤulein Howe ſchicken: denn ich glaubte doch, daß dieſes ihre Abſicht ſey.

Sie neigete ſich ſehr freundlich. Siehſt du Bru - der! Sie wird bald ehrerbietig gegen mich werden. Was in des Teufels Nahmen! habe ich mein Kind durch meine ausſchweifende Auffuͤhrung geſchre - cket! Und doch iſt es vielleicht gut geweſen, daß ich ihr eine Furcht vor mir beygebracht habe. Sie ſagt, ich bin unhoͤflich: davon habe ich den Vor - theil, daß mir nun eine jede Hoͤflichkeit als etwas großes angerechnet wird.

S 5Als282

Als wir auf die Eheſtiftung zu ſprechen ka - men, ſo ſagte ich: es ſollte mir lieber ſeyn, wenn Pritchard, deſſen meine Baſe in ihrem Briefe erwaͤhnete, nicht dabey zu Rathe gezogen waͤre. Pritchard waͤre zwar ein ehrlicher Mann, der unſerer Familie ſchon von Vater und Großvater her gedienet haͤtte, und die Guͤter beſſer kennete, als ich oder mein Onckle: allein es ginge dem Pritchard, wie den meiſten alten Leuten. Er ſey langſam und voller Schwierigkeiten. Er bil - dete ſich ſehr viel auf ſein Ein mahl Eins ein; und um nicht in den Verdacht zu kommen, als wenn er unrecht gerechnet haͤtte, ginge alles bey ihm langſam, wenn auch durch das Eilen eine kayſer - liche Crone zu erhalten ſtuͤnde.

Jch kuͤſſete ihre Hand unterdeſſen fuͤnf mahl, ohne abgewieſen zu werden. Jeſus! wie gnaͤdig war ſie. Sie bat noch beynahe um Erlaubniß, als ſie weggehen wollte, um das Schreiben der Charlotte noch einmahl zu leſen: ich glaube faſt, ſie beugete gar die Kniee vor mir; ich will es aber doch nicht fuͤr gewiß ſagen. Wie gluͤcklich haͤt - ten wir ſchon laͤngſtens ſeyn koͤnnen, wenn ſie im - mer ſo gefaͤllig gegen mich geweſen waͤre. Denn ich mag gern geehret ſeyn, und ich habe dieſes Gluͤck beſtaͤndig genoſſen, ehe ich mit der ſtoltzen Schoͤnen bekannt ward.

Nun ſind wir auf dem rechten Wege, oder der lebendige Teufel muͤßte dahinter ſtecken. Eine jede Veſtung hat ihre ſtarcke und ſchwache Seite. Jch habe bisher die ſtaͤrkſte Seite angegriffen. Jch283Jch hoffe, daß mein Sonnenſchein ſie endlich ſo betriegen ſoll, daß ſie den Mantel ableget. Jch thue recht: denn die Fraͤulein Howe gebraucht eine Zollbetriegerin gegen mich. Wir warten nun mit Schmertzen auf meines Onckels Brief.

Faſt haͤtte ich vergeſſen, dir zu melden, daß ich durch einen beſondern Umſtand in große Un - ruhe geſetzet bin. Ein wohlgekleideter Mann hat ſich geſtern nach mir und meiner Liebſten er - kundiget. Er hat die Dorcas nach eines Kauf - manns Hauſe hohlen laſſen, und ihr allerhand Fragen vorgeleget, inſonderheit dieſe: ob wir getrauet waͤren, da wir doch beyde in einem Hau - ſe wohneten?

Mein Kind iſt hieruͤber voller Sorgen. Jch konnte mich nicht enthalten, ihr hiebey zu Ge - muͤthe zu fuͤhren, wie nuͤtzlich es uns jetzt ſey, daß wir uns fuͤr verheyrathet ausgegeben haͤtten. Es ſey vermuthlich, daß ihr Bruder dieſen Mann abgeſchicket habe: vielleicht wuͤrden wir weiter nichts von ſeinen Anſchlaͤgen hoͤren, wenn er erſt glaubte, daß wir verheyrathet waͤren. Es hatte das Anſehen, als wenn der Mann gern den Tag wiſſen wollte, an dem wir getrauet waͤren: al - lein Dorcas wollte weiter nichts ſagen, als, daß wir wirklich getrauet waͤren, und ſie war deſto mehr geheim, weil er ihr nicht ſagen wollte, in welcher Abſicht er ſich ſo genau erkundigte.

Der284

Der ein und dreißigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Johann Belford.

Der Teufel ſoll meinen Onckel hohlen. Da hat er mir endlich einen Brief geſchrieben, den ich nicht vorzeigen kann, wenn ich nicht den Vornehmſten in unſerer Familie zum Narren ma - chen will. Er faͤllt mich mit einer Menge abge - ſchmackter Ermahnungen und Beſtrafungen an. Jch dachte, er haͤtte ſeinen ganzen Vorrath ſchon in dem an dich geſchriebenen Briefe erſchoͤpfet. So lange mußte er den Brief zuruͤck halten, bis er den gantzen Schatz von Thorheiten geſammlet hatte. Der Hencker hohle ſeine Weisheit der Voͤlcker, wenn er ſich ſolche Muͤhe geben muß, aus hundert Sententzen-Buͤchern einen dummen Brief zu machen, durch den er ſelbſt laͤcherlich wird. Jndeſſen finde ich mich doch durch ſeine Narrheit aller Narrheiten ſehr geſtaͤrcket und er - quicket: denn Klugheit und Thorheit, Gutes und Boͤſes ſind doch einmahl in dem menſchlichen Le - ben ſo gemiſchet, daß man eines ohne das andere nicht haben kann.

Den eingeſchloſſenen Banck-Zettel habe ich der Fraͤulein ſchon uͤberreichet, und ihr einen Theil des Briefes vorgeleſen. Allein ſie will den Banck-Zettel nicht annehmen: und weil ich auchbey285bey Geld bin, ſo werde ich ihn zuruͤck ſchicken. Es ſchien, als wenn ſie gern den gantzen Brief leſen moͤchte. Jch ſagte: ich wollte ihr gern den gantzen Brief uͤberreichen, wenn ich nicht dadurch die Perſon beſchimpfete, die ihn geſchrieben haͤtte. Sie antwortete: ich wuͤrde meinen Onckle nicht bey ihr dadurch herunter ſetzen: denn ſie ſchaͤtzte das Hertz hoͤher, als den Kopf. Jch verſtund ſie wohl: allein ich bin ihr ſehr wenigen Danck fuͤr dieſen Grundſatz ſchuldig.

Jch will ihr alles abſchreiben, was in dem Briefe enthalten iſt, das zu meiner Sache die - net. Doch, ich will haͤngen, wenn ſie nicht fuͤr einen freywilligen Kuß den gantzen Brief haben ſoll.

Sie hat den Brief weg, ohne ihn bezahlt zu haben. Der Teufel hohle mich, wenn ich Muth genug hatte, die Bedingung nur zu nen - nen, unter welcher ich ihn ihr zu geben gedachte. Du ſieheſt abermahls, wie bloͤde dein Freund iſt. Ein wahrhaftig tugendhaftes Frauenzim - mer kann die dreiſteſte Manns-Perſon drey Schritt vom Leibe halten. Jch glaube nun, ſo wahr ich lebe, daß unter zehn Frauensleuten die verfuͤhret werden, neune durch Leichtſinnigkeit oder durch Eitelkeit Anlaß dazu geben, oder daß ſie es dem Mangel der Vorſichtigkeit zu dancken haben.

Jch286

Jch wollte mir die Belohnung ſelbſt nehmen, wenn ſie mir den Brief wieder geben wuͤrde, der uns beyden ſo erwuͤnſcht war. Sie ſchickte ihn mir aber verſiegelt durch die Dorcas wieder zu. Jch weis nicht, ob etwa ein Paar Ausdruͤcke von der Art ſind, daß ſie ſich ſcheuet, mich gleich nach Le - ſung des Briefes zu ſprechen. Jch lege den Brief bey; und ſchließe den meinigen, damit du ihn deſto bequemer durchleſen koͤnneſt. So bald die - ſes geſchehen iſt, ſchicke ihn mir wieder zu.

Der zwey und dreißigſte Brief von dem Lord M. an Herrn Robert Lovelace.

Wenn man lange genug gelaufen hat, ſo muß man doch endlich umkehren. Berachten Sie meine Sprichwoͤrter nicht. Sie wiſ - ſen, daß ich immer viel auf Sprichwoͤrter gehal - ten habe, und es wuͤrde beſſer fuͤr Sie ſeyn, wenn Sie eben ſo geſinnet geweſen waͤren. Jch wollte darauf ſchwoͤren, daß die artige Fraͤulein, durch die Sie bald gluͤcklich werden ſollen, die Sprich - woͤrter in Ehren haͤlt: denn ich hoͤre, daß ſie ei - nen guten Brief ſchreibet, und daß jede Zeile ei - ne Sententz enthaͤlt. Gott beſſere Sie: daskann287kann ſonſt niemand thun, als Gott und die Fraͤulein.

Jch zweifele nun nicht mehr daran, daß Sie heyrathen werden, wie Jhr Vater und alle ihre Vorfahren gethan haben. Haͤtten die nicht ge - heyrathet, ſo koͤnnten Sie mein Erbe nicht wer - den: und Jhre Nachkommen koͤnnen Jhre Er - ben nicht ſeyn, wenn ſie nicht aus rechtmaͤßigem Ehebette gezeuget ſind. Es iſt werth, daß Sie dieſes wohl bedencken. Ein jeder raſet ein - mahl: man laͤuft aber endlich die Hoͤrner ab. Jch hoffe, daß Sie auch endlich klug wer - den ſollen.

Jch weiß, daß Sie geſchworen haben, ſich an der Familie der artigen Fraͤulein zu raͤchen. Vergeſſen ſie das jetzt! Sie muͤſſen ſie jetzt ſchon als Jhre Verwandten anſehen, und vergeben und vergeſſen. Wenn ſie erſt ſehen, daß Sie ein liebreicher Mann und ein rechtſchaffener Vater werden, (welches Gott um unſer aller willen ge - ben wolle!) ſo werden ſie ſich daruͤber wundern, daß ſie haben koͤnnen auf eine ſo thoͤrichte Weiſe. Jh - re Feinde ſeyn, und werden bey Jhnen um Ver - gebung bitten. So lange ſie aber noch glauben, daß ſie ein liederlicher Menſch ſind, ſo koͤnnen ſie ohnmoͤglich Liebe fuͤr Sie haben, oder ihre Toch - ter entſchuldigen.

Jch moͤchte gern der Fraͤulein ein Troſt-Wort zuſprechen, die ohne Zweifel voller Furcht iſt, wenn ſie daran gedencket, wie ſchwer es halten wird, einen ſo wilden Menſchen in Zaum zu hal -ten.288ten. Jch wollte ihr wohl ſagen, daß ſie durch ſtarcke Gruͤnde und glimpfliche Worte alles wird ausrichten koͤnnen: denn ob Sie gleich ſehr hitzig ſind, ſo werden Sie doch durch gute Worte wie - der kuͤhl werden, und die Gemuͤths-Faſſung erlan - gen, die zu ihrer Beſſerung noͤthig iſt.

Wollte Gott, daß meine arme ſelige Gemah - lin, ihre Baſe, die jetzund todt und bey Gott iſt, durch dieſe Artzney zu beſſern geweſen waͤre! Gott habe ſie ſeelig! Jch will der Todten im be - ſten gedencken. Denn erkennt man erſt, was man verlohren hat, wenn man das Gute nicht mehr hat. Nun weiß ich, was ich an ihr gehabt habe: und wenn ich zuerſt aus der Welt gegangen waͤre, ſo wuͤrde ſie erfahren haben, was ſie an mir verlohren haͤtte.

Es iſt ein ſehr weiſer Spruch: Gott ſchicke mir einen Freund, der mich beſtraft! und wenn ich keinen Freund habe, ſo ſchicke er mir einen Feind, der mir meine Fehler vor - haͤlt. Nicht als wenn ich ihr Feind waͤre, das wiſſen Sie beſſer. Je hoͤher je demuͤthiger. Wenn Sie auch hoch ſind, ſo nehmen Sie meine Ermahnung an. Bin ich nicht Jhr Onckle? Will ich nicht mehr an Jhnen thun, als Jhr Va - ter hat thun koͤnnen? Jch will ſo gar an ihrem Ehren-Tage Vaters-Stelle vertreten, weil Sie es verlangen. Machen Sie meine Empfehlung an meine liebe kuͤnftige Baſe, und ſagen Sie ihr, ich wunderte mich, daß ſie Jhr Gluͤck ſo lange ver - zoͤgerte.

Geben289

Geben Sie ihr Nachricht, daß ich ihr (nicht Jhnen) mein Gut in Lancashire, oder die Forſt ſchencken will. Sie ſoll jaͤhrlich von mir tauſend Pfund Spiel-Gelder haben, damit Sie ſehe, daß wir keine ſolche Familie ſind, die ſich auf eine nie - dertraͤchtige Weiſe ihres Ungluͤcks bedienen will. Sie koͤnnen alles dieſes ſchriftlich haben, und nach Jhrem Belieben eine Eheſtiftung machen. Der ehrliche Pritchard kann die Einkuͤnfte der Guͤter an den Fingern herzaͤhlen, und iſt ein alter und treuer Bedienter. Jch empfehle ihn Jhrer Liebſten auf das beſte. Jch habe ihn zu Rathe gezogen, und er wird Jhnen ſagen koͤnnen, was Jhnen am vortheilhafteſten und mir am ange - nehmſten iſt.

Mein Podagra quaͤlet mich noch ſehr; ich will aber doch mich in einer Saͤnfte hintragen laſſen, ſo bald der Tag beſtimmet iſt. Es ſollte mir eine hertzliche Freude ſeyn, Jhnen die Hand der Fraͤulein zu geben. Wenn Sie nicht der be - ſte Mann werden, da Sie eine ſo gute Frau be - kommen, die ſo vieles fuͤr Sie gewaget hat, ſo will ich Jhnen gantz entſagen, und alles was ich habe der Fraͤulein und ihren Kindern vermachen, ohne, daß der Vater das geringſte davon bekom - men ſoll.

Wenn Sie noch eine weitere Verſicherung brauchen, ſo will ich ſie Jhnen geben, ob Sie gleich wiſſen, daß ich mein Wort beſtaͤndig fuͤr mein Geſetz geachtet habe. Wenn die HarlowesVierter Theil. Tdieſes290dieſes erfahren, ſo wollen wir ſehen, ob ſie ſich ſchaͤmen koͤnnen.

Jhre beyden Baſen wuͤnſchen den Tag zu wiſſen, der Sie zu einen andern Menſchen ma - chen wird, um an denſelben in der gantzen Gegend Lerm zu machen, und alle ihre Paͤchter unſinnig zu machen. Wenn einer von meinen Leuten bey der Gelegenheit nuͤchtern bleibt, ſo ſoll ihn Prit - chard wegjagen. Bey der Geburt des erſten Kindes will ich noch mehr fuͤr Sie thun, wenn es ein Junge wird, und alle Freuden-Bezeugun - gen ſollen alsdenn wiederhohlet werden.

Jch ſollte billig fruͤher geſchrieben haben: al - lein ich dachte, Sie wuͤrden von neuen an mich ſchreiben, und mir Nachricht geben, wenn Jhnen die Zeit zu lange waͤhrt, und Sie gern bald Hoch - zeit machen wollten. Mein Podagra war mir ſehr beſchwerlich, und Sie wiſſen, daß ich ohne - dem nur langſam ſchreibe, wenn ich auch wohl auf bin: denn ob ich gleich ſonſt ſehr fertig war einen Aufſatz zu machen, wie der Lord Lexington zu ſagen pflegte, ſo bin ich doch jetzt nicht mehr ſo fertig, nachdem ich mich lange Zeit nicht mehr geuͤbet habe. Jch will dieſesmahl alles aus mei - nem Kopf und Gedaͤchtniß ſchreiben, und Jhnen meinen beſten Rath mittheilen, weil ich nicht weiß, ob ich eine ſo gute Gelegenheit wieder bekomme. Sie haben immer (ach Gott gebe Jhnen ein an - deres Hertz) die boͤſe Gewohnheit gehabt, allen meinen guten Rathſchlaͤgen den Ruͤcken zuzukeh - ren: allein ich hoffe, daß Sie zum wenigſten die -ſes291ſes mahl auf das mercken werden, was ich zu Jh - ren eigenen Beſten ſage.

Jch habe noch einen Endzweck, ja noch zwey Endzwecke.

Mein einer Endzweck iſt dieſer: Sie wollen ſich jetzt eben verheyrathen, und ſo zu ſagen die Hoͤr - ner ablegen: bey dieſer Gelegenheit wollte ich Jhnen gerne einige gute Lehren geben, denen Sie im gemeinen Leben und in oͤffentlichen Geſchaͤften folgen ſollen, und die Sie billig zu Hertzen neh - men muͤſſen, da ich es ſo gut meine. Sie wuͤr - den aber ſchwerlich meinem Rath der gebuͤhrenden Aufmerckſamkeit gewuͤrdiget haben, wenn er Jh - nen nicht bey einer ſo auſſerordentlichen Gelegen - heit gegeben wuͤrde.

Die zweyte Abſicht iſt, daß Jhre liebe Fraͤu - lein, die wie es ſcheint, ſelbſt ſo artige und weiſe Briefe ſchreiben kann, ſehen moͤge, daß Sie nicht aus unſerer Schuld, oder aus Mangel des guten Raths, bisher ſo verdorben ſind.

Nun will ich in wenigen Worten Jhnen ſa - gen, wie Sie ſich im Hauſe und in der Welt auf - zufuͤhren haben, wenn Sie mich anders wuͤrdigen meinen Rath anzunehmen. Jch will mich kurtz faſſen, und deſto weniger werde ich Jhnen ver - drießlich ſeyn.

Was Jhre Auffuͤhrung im Hauſe anbelanget, ſo lieben Sie ihre Gemahlin, wie ſie es verdie - net. Machen Sie, daß Jhre Wercke Sie preiſen. Seyn Sie ein zaͤrtlicher Gemahl; machen Sie alle Jhre Feinde zu Luͤgnern, undT 2zwingen292zwingen Sie ſie, daß ſie ſich ſchaͤmen muͤſſen. Wir wollen uns eine Ehre daraus machen, wenn wir mit Wahrheit ſagen koͤnnen: die Fraͤulein Harlowe hat weder ſich ſelbſt, noch ihre Fami - lie dadurch beſchimpft, daß Sie zu unſerer Fami - lie uͤbergegangen iſt. Thun Sie das: ſo koͤnnen Sie meiner und Jhrer beyden Baſen Liebe Zeit - Lebens verſichert ſeyn.

Jhre Auffuͤhrung in der Welt betreffend, ſind dieſes meine Wuͤnſche: wiewohl ich glaube, daß die Weisheit Jhrer Gemahlin ohnedem Jhr Leit-Stern ſeyn wird. Halten Sie das nicht fuͤr eine Schande: Verſtand genug, allein wenig Weisheit haben Sie bisher gezeiget.

Suchen Sie in das Parlament zu kommen, ſo bald als es moͤglich iſt: denn Sie haben ſolche Gaben, daß Sie etwas rechtes darinne vorſtellen koͤnnen. Wer iſt geſchickter dazu, ſeinen Rath zu geben, wenn neue Geſetze gemacht werden ſoll - ten, als derjenige, den alle alte Geſetze nicht im Zaum halten konnten?

So lange Sie in S. Stephans Capelle*Das Parlament kommt in S. Stephans Capelle zuſammen. ſind, (ich hoffe, Sie werden ſich das nicht abſchre - cken laſſen, daß es eine Capelle heißt. Jch habe manchen wilden Lerm darin gehoͤrt. Der Spre - cher hat ſchlimme Zeit dabey. Allein wir Lords ſehen mehr auf das Decorum. Aber was wollte ich doch ſagen? Jch muß in das vorige zuruͤck ſe - hen). Jch ſage, ſo lange Sie im Parlament -Hauſe293Hauſe ſind, ſo lange werden Sie nichts boͤſes thun, zum wenigſten nichts boͤſes im gemeinen Le - ben. Wenn Sie aber an deſſen Stelle oͤffentli - che Suͤnden thun, die die gantze Republic beun - ruhigen, ſo wuͤnſche ich, daß es Jhnen eben ſo ge - hen moͤge, als dem heil. Stephanus.

Wenn eine neue Parlaments-Wahl iſt, ſo wiſſen Sie, daß Sie in zwey oder drey Staͤdten gewiß werden gewaͤhlet werden, wenn Sie wollen, und daß Sie ſelbſt das Ausleſen haben. Allein ich wollte lieber, daß Sie unſere Grafſchaft vor - ſtelleten, wenn Sie bis auf eine neue Parlaments - Wahl warteten. Jch bin gewiß, daß Sie Freun - de genug haben, die Jhnen die Stimme geben: und weil Sie ſo wohl ausſehen, ſo werden alle Weiber ihre Maͤnner zwingen Sie zu waͤhlen.

Jch bin begierig Jhre Reden zu leſen, die Sie halten werden: denn ich glaube, daß Sie den allererſten Tag auſtreten werden, wenn ſich eine Gelegenheit zeiget. Es fehlt Jhnen nicht an Dreiſtigkeit, und Sie haben ſo hohe Gedan - cken von ſich und ſo niedrige von andern Leuten, daß Sie bey aller Gelegenheit reden werden.

Was die Gewohnheiten und das Herkom - men des Parlaments anbetrift, ſo fuͤrchte ich, daß Sie ſich allzu klug duͤncken ſich darnach zu richten. Nehmen Sie ſich in Acht. Jch befuͤrchte nicht, daß Sie unhoͤflich ſeyn werden. Sie verletzen nie den Wohlſtand gegen Manns-Leute, wenn ſie Jhnen nichts zuwider thun. Jch wuͤnſchte nur, daß Jhnen der Widerſpruch nicht unertraͤg -T 3lich294lich waͤre, da Sie ſich ſo gern die Freyheit neh - men, andern zu widerſprechen.

Ob ich gleich nicht wollte, daß Sie ein Hoff - Schmeichler wuͤrden, ſo wuͤnſche ich doch auch nicht, daß Sie ſich zu der Parthey der Misver - gnuͤgten ſchlagen ſollen. Jch erinnere mich noch immer deſſen, was mein alter Freund Archibald Hutcheſon ſagte; denn ich habe mir es gleich aufgeſchrieben und es iſt ein ſehr weiſer Gedan - cke: (mich duͤnckt, es war der Secretair Craggs, zu dem er es ſagte) ich glaube von der Regie - rung, daß ſie jedes mahl ein Recht an mein Ja hat, wenn ich ihr meine Stimme mit gutem Ge - wiſſen geben kann. Denn das Unterhaus ſoll es der Regierung nie ohne Noth ſchwer machen. Es iſt mir jedesmahl leid geweſen, wenn ich ihr meine Stimme nicht habe geben konnen; und ich haͤtte aus Liebe zu meinem Vater-Lande im - mer gewuͤnſchet, daß die Abſicht der Regierung von der Art geweſen waͤre, daß ich ſie mit gutem Gewiſſen haͤtte befoͤrdern helfen koͤnnen.

Er hat noch einen andern merckwuͤrdigen Spruch gehabt. Er lautete alſo: es iſt eben ſo wenig glaublich, daß die beſtaͤndig Unrecht ha - ben, die ſich der Regierung widerſetzen, als daß die Regierung immer Unrecht haben ſollte. Wer deswegen der einen Parthey beſtaͤndig zuwider iſt, der verraͤth eine geheime und boͤſe Abſicht, die er ſich ſcheuet zu offenbahren.

Sind dieſe Gedancken nicht gut? Sind ſie werth verachtet zu werden? Und warum verach -ten295ten Sie mich denn, daß ich ſolche Spruͤche in Eh - ren halte? Jch kann Jhnen ſagen, daß es gewiß Jhr Schade nicht geweſen ſeyn wuͤrde, wenn Sie den Umgang mit mir fleißiger geſucht haͤtten. Jch kann das ohne Hochmuth ſagen: denn es iſt anderer Leute Weisheit, und nicht meine eige - ne, die ich ſo hoch ſchaͤtze. Jch muß noch ein Paar Worte bey dieſer Gelegenheit hinzu thun, die ich vielleicht nie ſo gut wieder bekomme: denn Sie ſind gezwungen, dieſen Brief gantz durch zu leſen. Lieben Sie tugendhafte und redliche Leute, und geſellen Sie ſich zu ihnen, es mag in〈…〉〈…〉 oder außer dem Parlament ſeyn, und ſie moͤgen fuͤr Titel haben, was fuͤr welche ſie wollen. Durch gute Geſellſchaft wird man fromm. Habe ich Jhnen aber nicht eben dieſes ſchon ſonſt ge - ſchrieben? Wenn man ſo oft und ſo viel geſchrie - ben hat, ſo vergißt man es endlich ſelbſt.

Sie koͤnnen ſich wegen des hoͤhern Adels bey dem Koͤnige melden, wenn ich toͤdt und abgeſchie - den bin. Gott habe mich ſeelig! Jch wollte gern, daß Sie den Ausſchlag geben koͤnnten. Wenn Sie einmahl den Ruhm erlangen, daß Sie ein Redner ſind, ſo werden Sie alles erhalten koͤn - nen: und Sie ſind in der That ſchon von Natur beredt, und haben eine Zunge, die einen Engel verfuͤhren koͤnnte, wie die Frauensleute ſagen, und zwar einige zu ihrem Kummer: die armen Dinger! Ein angeſehener Redner in dem Unter - Hauſe iſt wahrhaftig etwas großes, weil das Un - ter Haus das Geld giebt, und das Geld dieT 4Maͤre296Maͤre gehend macht, und auch wohl Koͤni - ginnen und Koͤnige zwinget, einen andern Weg zu gehen, als ſie ſonſt wuͤrden gegangen ſeyn.

Jch dencke aber faſt, daß es am beſten waͤre, wenn Sie nie eine Bedienung von dem Koͤnige annehmen. Sie werden noch einmahl ſo viel Lie - be und Hochachtung haben, wenn man glaubt, daß Sie dieſes nie thun werden. Denn weil Sie niemanden in dem Wege ſtehen, ſo wird nie - mand Sie beneiden, Sie werden bey jedermann ein aͤchte Hochachtung haben, und beyde Theile werden ſich um Jhre Freundſchaft bewerben.

Sie brauchen nicht, wie andere, eine Bedie - nung, damit Sie ſich aus den Schulden helfen und etwas verdienen. Wenn Sie jetzt mit 2000 Pfund ſo auskommen koͤnnen, daß Sie Ehre da - von haben; ſo wird es Jhnen nicht ſchwer ſeyn, kuͤnftig mit 7 bis 8000 Pfund Haus zu halten. Denn weniger ſollen Sie gewiß nicht haben, wenn Sie mir Freude machen; und Sie koͤnnen mir keine groͤßere Freude machen, als wenn Sie dieſe artige Fraͤulein heyrathen. Und darunter iſt das noch nicht begriffen, was Sie von der Lady Eli - ſabeth, und von der Lady Sara zu erwarten ha - ben. Was fuͤr ein Teufel iſt in die ſtoltzen Har - lowes geſahren! ſonderlich in den Sohn, in den wunderlichen Sohn! Allein um ſeiner unver - gleichlichen Schweſter willen enthalte ich mich, mehreres zu ſagen.

Mir iſt niemahls eine Bedienung angetragen worden, und die eintzige, die ich angenommenhaͤtte,297haͤtte, waͤre die Stelle eines Ober-Jaͤgermei - ſters geweſen. Denn in meiner Jugend war ich ein Liebhaber von der Jagd: und ein ſolcher Nah - me klinget bey uns, die wir auf dem Lande woh - nen, vornehm. Jch habe oft an das alte vor - treffliche Sprichwort gedacht: wer des Koͤniges Gaͤnſe iſſet, der erſticket an den Federn. Jch wuͤnſchte zu Gott, daß dieſes die Leute wiſſen moͤch - ten, die nach den Bedienungen laufen: es wuͤrde fuͤr ſie und fuͤr ihre arme Familien beſſer ſeyn. Jch koͤnnte noch viel nuͤtzliches ſchreiben: ich bin aber muͤde zu ſchreiben, und ich glaube, daß Sie eben ſo muͤde ſind, zu leſen. Und uͤber dieſes will ich auch etwas auf die Zeit verſparen, wenn ich Sie zuſprechen bekomme.

Die beyden Fraͤuleins Montague und mei - ne beyden Schweſtern beſtellen nebſt mir ihre Em - pfehlung an unſre neue Baſe. Wenn Sie Luſt hat, bey uns die gluͤckliche Verbindung zu ſchlieſ - ſen, ſo melden Sie ihr: wir wuͤrden darauf ſehen, daß ſie ſicher ginge. Die gantze Gegend ſoll eine gantze Woche lang laͤuten und ſchmauſen. Jch glaube, ich habe das ſchon oben geſchrieben.

Wenn noch etwas zu Beſchleunigung Jhres beyderſeitigen Gluͤcks erfodert wird; ſo geben Sie mir Nachricht davon: wie auch, was fuͤr einen Tag Sie beſtimmet haben, und von allen derglei - chen Dingen. Der eingelegte Banck-Zettel ſte - het Jhnen zu Dienſten.

Gott ſegne Sie beyderſeits, und mache mein Padagra ſo ertraͤglich, als es ſeyn kann. Es ſeyT 5wenn298wenn es wolle, ſo will ich zu Jhnen hin hincken: denn ich ſehne mich recht darnach, Sie zu ſehen; und eben ſo ſehr ſehne ich mich nach meiner neuen Baſe. Jch verharre unter Erwartung dieſer gluͤcklichen Zeit

Jhr verbundenſter Onckel M.

Der drey und dreyßigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Johann Belford.

Du ſieheſt, Belford, was fuͤr guten Wind wir jetzt haben. Jch darf nur ein Wort ſagen, wenn ich das liebe Kind ſprechen will, ſo kommt es. Jch ſagte geſtern Abend zu der Fraͤu - lein: ich fuͤrchtete, daß Pritchard all zu lange zaudern moͤchte; deswegen wollte ich meinem Onckle es uͤberlaſſen, ſeine Freude uͤber unſere Verbindung zu bezeigen, wenn und wie er ſelbſt wollte. Jch hatte indeſſen dieſen Nachmittag meinen Aufſatz einem beruͤhmten Rechtsgelehrten, Nahmens Williams, uͤbergeben, und ihn er - ſucht, eine Eheſtiftung zu machen, dabey er mei - ner Mutter Eheſtiftung zum Grunde legen koͤnn - te, die ich ihm zugleich uͤbergeben haͤtte. Es habe mir bisher zum groͤßeſten Kummer gereichet, daß ihr oͤfteres Misvergnuͤgen gegen mich und unſerbey -299beyder Misverſtaͤndniß mich gehindert haͤtten, vorher mit ihr davon zu reden. Gewiß, gewiß, mein liebſtes Kind, ich habe bisher die Roſen ſehr unter den Dornen ſuchen muͤſſen.

Sie ſchwieg ſtille, und zwar auf eine freund - liche Art. Denn ich wußte wohl, daß ſie mich durch ihre Verantwortung haͤtte in die En - ge treiben koͤnnen. Jch that es aber eben deswe - gen, damit ich ſehen moͤchte, ob ſie ſcheu wuͤrde, etwas mir misfaͤlliges zu ſagen. Jch ſetzte hinzu: ich troͤſtete mich damit, daß nunmehr meine Schwie - rigkeiten zu Ende giengen, und daß alles bisherige unangenehme vergeſſen werden wuͤrde.

Es iſt wahr, Belford, ich habe meine Auf - ſaͤtze dem Herrn Williams uͤbergeben; und ich erwarte ſeinen Entwurf auf das laͤngſte in acht Tagen. Alsdenn bin ich doppelt gewaffnet. Denn wenn ich ſtuͤrme und abgeſchlagen werde, ſo kann ich ſie durch die Eheſtiftung ſo lange beſaͤnf - tigen, daß ſie den zweyten Sturm abwartet.

Jch habe noch mehr Vorſchlaͤge, die noch nicht voͤllig reif ſind. Jch koͤnnte dir 100 davon ſagen; und noch hundert (mit dem untruͤglichen Vater) in petto behalten, und mich ihrer bey Gelegenheit bedienen, um dich durch das Unerwartete auf - merckſamer zu machen. Sey nicht boͤſe daruͤber. Wenn du mein Freund biſt, ſo erinnere dich, was die Howe geſchrieben hat, und was ſie fuͤr ſchel - miſche Anſchlaͤge machet. An allen dem ſind die Nachrichten Urſache, die meine Gefangene ihr er - theilet. Ein Boͤſewicht, ein Narre, ein Beel -zebub300zebub heiße ich doch ſchon: ob ich mich gleich nicht das geringſte Boͤſe unterſtanden habe.

Das liebe Kind antwortete mit niedergeſchla - genen Augen und einem ſchamrothen Geſichte; es uͤberlieſſe alle Dinge von dieſer Art lediglich mir.

Jch ſchlug vor, ob wir uns in meines Onckels Capelle wollten trauen laſſen, da die Lady Eliſa - beth, die Lady Sara, und die Fraͤuleins Mon - tague zugegen ſeyn koͤnnten.

Sie ſchien nicht Luſt dazu zu haben, daß die Trau - ung oͤffentlich ſeyn ſollte, und ſetzte die Ueberlegung dieſer Sache bis auf eine andere Zeit aus. Jch glaubte, daß ihr mit einer oͤffentlichen Trauung eben ſo wenig gedienet ſeyn wuͤrde, als mir; und drang nicht weiter in ſie.

Jch zeigte ihr Proben von Stoffen, und ein Kaufmann ſollte noch dieſen Tag Juwelen brin - gen, darunter ſie das beſte ausleſen moͤchte. Sie wollte aber die Proben nicht anſehen, ſondern ſag - te ſeufzend, es waͤren die zweyten Proben die ihr vorgelegt wuͤrden. Sie verbot dabey ſchlech - terdings, den Juwelen Haͤndler nicht kommen zu laſſen; und wollte auch nicht zugeben, daß ich (zum wenigſten vor jetzund) meiner Mutter Ju - welen von neuen einfaſſen laſſen ſollte.

Glaube, Belford, alles dieſes war mein Ernſt. Alle meine Guͤter ſehe ich fuͤr Nichts an, wenn ich die gewuͤnſchte Gefaͤlligkeit von ihr er - halten kann.

Sie ſagte hierauf: ſie haͤtte ihre Antwort auf meine Vorſchlaͤge ſchriftlich aufgeſetzet, und ſichauch301auch wegen der Kleidung und Juwelen erklaͤret. Sie haͤtte aber das Papier zerriſſen, da ich ihr am Sonntage ſo uͤbel begegnet waͤre, ohne daß ſie es im geringſten verſchuldet haͤtte. Jch bat ſie in - ſtaͤndig, mich die Antwort, ſo zerriſſen wie ſie waͤ - re, leſen zu laſſen. Sie bedachte ſich: endlich gieng ſie weg, und ſchickte ſie mir durch Dorcas zu. Jch las ſie von neuen: und ob ich ſie gleich vor ſo kurtzer Zeit ſchon geleſen hatte, ſo ſchien ſie mir doch faſt neu. Bey meiner Seelen, ich konnte mich kaum halten. Jch rief hundertmahl in mei - nem Hertzen aus: unvergleichliches Kind! Jch befehle dir aber, kein Wort zu ſchreiben, das eine Vorſprache fuͤr ſie heiſſen kann, wenn du ihr an - ders wohl willſt. Wenn ich ihrer ſchone, ſo muß es blos aus eigener Bewegung geſchehen.

Du kannſt leicht dencken, daß ich von Lobes - Erhebungen, von Danckbarkeit, und von unauf - hoͤrlicher Liebe uͤberfloß, als ich abermahls vor ſie gelaſſen ward. Aber da ſteckt der Teufel hinter: alles, was ich ſage, hoͤrt ſie an und bleibt dennoch fremde: oder, wenn ich nicht glauben ſoll, daß ſie ſich zwinget fremde zu ſeyn, ſo hoͤrt ſie es an, und haͤlt es fuͤr meine Schuldigkeit es zu ſagen; denn ſie wird gar nicht dadurch geruͤhret. Einige Frau - ensleute kann man durch Lob und Schmeicheley betriegen. Jch ſelbſt mag mich gern loben hoͤren. Vielleicht wirſt du ſagen, daß ſich diejenigen am meiſten auf das Lob einbilden, die es am wenig - ſten verdienen; ſo wie die am begierigſten nach Reichthum und Ehre ſind, die zu Armuth und Nie -drig -302drigkeit gebohren ſind. Jch geſtehe es, man muß einen Geiſt haben, wenn man uͤber dieſe Schwach - heiten hinweg ſehen will. Allein habe ich denn keinen Geiſt? Den wirſt du mir nicht abſprechen. Siehe mich demnach als eine Ausnahme von der Regel an.

Nun habe ich einen Grund, deswegen ich ſo und nicht anders handeln muß. Mein Onckle hat eben bey den fieberhaften Anfaͤllen ſeiner Frey - gebigkeit beſchloſſen, der Fraͤulein tauſend Pfund Spiel. Gelder auszuſetzen. Wenn ich die Fraͤulein heyrathe, ſo wird er ihr, und nicht mir, alles ver - machen, was er mir zu vermachen gedachte. Er hat ſo gar gedrohet, mir alles zu entziehen, was ich von ihm zu hoffen habe, wenn ich nicht der be - quemſte Mann fuͤr ſie bin. Er bedenckt nicht, daß ein ſo unvergleichliches Frauenzimmer nie mit ſeinem Manne uͤbel zufrieden ſeyn kann, ohne ihn zu beſchimpfen: denn wer wird ihr Unrecht ge - ben? Eine neue Urſache, die Lovelacen abhaͤlt, die Clariſſa zu heyrathen!

Mein Onckle hat gewiß viel Verſtand, daß er die Frau in ſolche Umſtaͤnde ſetzen will, darin ſie frey und ungebunden iſt, und zuletzt ihrem Gebie - ter den Gehorſam aufkuͤndigen wird. Er ſelbſt hat erfahren, was fuͤr Folgen daraus entſtehen, wenn die Frau des Mannes nicht noͤthig hat. Meine Geliebte verlanget in ihrem zerriſſenen Auf - ſatz nicht mehr als 200 Pfund des Jahres zu ih - ren beſondern Ausgaben. Jch drang darauf, daß ſie eine anſehnlichere Summe beſtimmen ſollte. Sie303Sie ſagte, ſo moͤchten es denn 300 ſeyn. Damit ſie ſich auf noch mehreres Rechnung machen moͤch - te, ſo erboth ich mich gleich zu 500, und verſprach es ihr voͤllig zu uͤberlaſſen, was ſie mit dem Gelde machen wollte, das ihr Vater von ihr in Haͤnden haͤtte, ob ſie wollte die Frau Norton davon ver - ſorgen, oder andern Wohlthaten zufließen laſſen.

Sie ſagte, die gute Frau wuͤrde nur un - ruhig werden, wenn ſie mehr fuͤr ſie thaͤte, als etwas mittelmaͤßiges. Sie machte gern die Einrichtung in allen, was ſie ſchenckte, nach der bisherigen Lebens - Art der Leute. Wenn man weiter ginge, ſo verurſachte man nur dadurch, daß ſich der, dem man wohl wollte, durch weit ausſe - hende Anſchlaͤge in Unruhe ſetzte, oder man mach - te, daß ſie ſich in ihre neue Umſtaͤnde nicht ſchicken koͤnnten, da ſie doch in ihren bisherigen Umſtaͤn - den durch ihre Auffuͤhrung beſtaͤndig Ruhm er - halten haͤtten. Eine ſo guͤtige und kluge Mutter wuͤrde weiter nichts verlangen, als ſo viel, daß ſie ihren Sohn zur rechten Zeit zu der Lebens. Art, die er erwaͤhlet haͤtte, ausſteuren koͤnnte, und da - bey ſelbſt noch ſo viel uͤbrig behielte, daß ſie weder Mangel litte, noch noͤthig haͤtte, kuͤnftig von ih - rem Kinde das wieder anzunehmen, was ſie ihm gegeben haͤtte.

Das iſt Klugheit, das iſt ein rechtes Urtheil bey ſo jungen Jahren! Wie boͤſe bin ich auf die Harlowes, daß ſie einen ſolchen Engel hervorge - bracht haben! Warum hat das Kind nicht mei - ne aufrichtige Bitte ſtatt finden und ſich mir an -trauen304trauen laſſen, ehe wir in das verfluchte Haus ge - kommen ſind? Und wie kraͤnckt es demnach mei - nen Hochmuth, daß dieſe erhabene Schoͤne nicht durch Liebe wuͤrde koͤnnen regieret werden, wenn ich heyrathete, ſondern entweder blos durch Edel - muͤthigkeit oder durch blinden Gehorſam gegen ih - re Pflichten, und daß ſie das einzelne Leben einer Verbindung mit mir vorziehet!

Das iſt mir unertraͤglich. Wenn ich jemahls in meinem Leben ein Frauenzimmer durch Mit - theilung meines Nahmens ehre, ſo verlange ich, daß es ſo gar ſeine Pflichten gegen Gott um mei - netwillen aus den Augen ſetzen ſoll. Wenn ich ausgehe, ſo ſoll es mir nachſehen, ſo lange es mich ſehen kann, wie mein Roſenknoͤspchen dem Haͤns - chen: und es ſoll mich mit Entzuͤckung empfan - gen, wenn ich nach Hauſe komme. Es ſoll von mir traͤumen und den gantzen Tag an mich geden - cken. Es ſoll alle Augenblicke vor verlohren hal - ten, die es ohne mich zubringet: es ſoll mir vor - ſingen, vorleſen, vorſpielen wenn ich Luſt dazu ha - be: und ſeine groͤßte Freude ſoll in Gehorſam ge - gen mich beſtehen. Wenn ich Luſt habe zu lieben, ſo ſoll es mich in der Liebe uͤbertreffen: wenn ich die Einſamkeit ſuche, und es will ſich zu mir draͤn - gen, ſo muß es mit Ehrfurcht geſchehen; mache ich eine krauſe Stirne, ſo muß es weggehen, und ſich mir naͤhern, wenn ich laͤchele. Es muß ſich ſtillſchweigend zu mir ſtehlen, und leiſe weggehen, wenn ich ihm den Scepter nicht reiche. Es muß mit allen meinen Vergnuͤgungen zufrieden ſeyn,und305und die am hoͤchſten ſchaͤtzen, die mich am meiſten vergnuͤgen. Heimlich darf es ſeufzen, daß es nicht ſelbſt mein groͤßtes Vergnuͤgen iſt. So machten es ehemahls die eiferſuͤchtigen Weiber der ehrli - chen Altvaͤter. Eine jede both ihrem Ober - herrn ihr Cammer Maͤdchen an, wenn ſie glaubte, daß er Luſt dazu haͤtte, und ließ ſich mit Freuden Kinder auf den Schos hecken, die ſie fuͤr die ihri - gen hielt.

So gefaͤllig Waller iſt, ſo ſagt er doch: das Frauenzimmer iſt dazu gebohren, daß es gehorchen ſoll. Das wußte er, ob er gleich noch ſo gefaͤllig war. Ein harter Mann macht eine gute und ge - horſame Frau. Warum lieben die Frauenzim - mer liederliche Leute, als weil ſie wiſſen, daß dieſe die geſchickteſten ſind, ſie zu beherrſchen, und ihren veraͤnderlichen Willen beſtaͤndiger zu machen?

Abermahls eine vergnuͤgte Unterredung, die von dem Tage aller unſerer Tage handelte. Ein gewiſſer Tag braucht nicht beſtimmt zu werden, bis die Eheſtiftung richtig iſt. Wenn ich mich in meines Onckels Capelle trauen lieſſe, und meine Verwandtinnen gegenwaͤrtig waͤren: ſo wuͤrde es gar zu oͤffentlich werden. Und mein Kind bemerck, te nicht ohne Misvergnuͤgen, daß mein Onckle ei - ne oͤffentliche Luſtbarkeit daraus zu machen ſuchte.

Jch ſagte: Wenn ſich mein Onckle hieher tragen lieſſe, ſo koͤnnte ich mir nicht anders vor -Vierter Theil. Uſtellen,306ſtellen, als wenn ſie auf ſeinen Guͤtern und in Bey - ſeyn aller meiner Verwandtinnen gefeyret wuͤrde, ſonderlich da er an der Pracht ſo vieles Vergnuͤ - gen faͤnde.

Sie antwortete: eine oͤffentliche Hochzeit ſey ihr unertraͤglich. Es wuͤrde das Anſehen haben, als wenn ſie den Jhrigen trotzen wollte. Wenn mein Onckle es nicht ungnaͤdig naͤhme, (wie ſie denn hoffete, daß er ſich dieſe Aenderung gefallen laſſen wuͤrde, da ſie an der erſten Einladung keinen An - theil gehabt haͤtte) ſo wollte ſie ſich des Vergnuͤ - gens und der Ehre begeben, dazu ihr ſeine Gegen - wart in andern Umſtaͤnden gereichen wuͤrde; inſon - derheit weil ſie alsdenn nicht genoͤthiget waͤre, ei - nen Staat in Kleidern zu machen. Denn es waͤ - re ihr ohnmoͤglich, ſich herauszuputzen, da ihre El - tern noch in Thraͤnen ſchwaͤmmen.

Wie ſchoͤn iſt das, wenn ihre Eltern nicht ver - dieneten, in Thraͤnen zu ſchwimmen!

Siehe Belford, mit einem ſolchen Frauen - zimmer koͤnnte ich meiner Meinung nach ſchon al - les ausgemacht haben, und doch kaum auf der er - ſten Stuffe ſtehen.

Jch war der Gehorſam und die Verleugnung ſelbſt. Jch hatte keinen andern Willen, als den ihrigen. Jch ſtand auf, und ſchrieb ſo gleich an meinen Onckle, und als ſie den Brief nicht misbil - ligte, ſchickte ich ihn weg. Jch habe keine Ab - ſchrift behalten, der Haupt-Jnhalt aber war: ich ſey ſeiner Gnaden ſehr fuͤr die mir zugedachte Guͤtigkeit verbunden, daß ſie mich bey der wich - tigſten307 tigſten Veraͤnderung in meinem Leben mit ihrer Gegenwart haͤtten beehren wollen: das unver - gleichliche Frauenzimmer, welches er mit ſo vie - lem Recht lobete, glaubte, daß ſeine Gnade et - was zu weit ginge. Sie wuͤnſchte in der Stille zu bleiben, bis eine Ausſoͤhnung mit ihrer Fami - lie bewuͤrcket waͤre, wenn ſie nur wuͤßte, daß mei - ne Anverwandten ihr dieſes nicht veruͤbeln wuͤr - den. Sie erkennete zwar mit Danck, daß er die Gnade haben wollte, bey unſerer Verbindung ge - genwaͤrtig zu ſeyn: weil ſie aber glaubte, daß er dieſen guͤtlichen Entſchluß blos in der Abſicht ge - faſſet haͤtte, ihr eine Ehre zu erzeigen, und ſich ſonſt nicht zu einer ſo beſchwerlichen Reiſe ent - ſchloſſen haben wuͤrde: ſo unterſtuͤnde ſie ſich nicht ſeine Gnaden hierin zu bemuͤhen, und verhoffete, es wuͤrde dieſes von ihm ſo guͤtig aufgenommen werden, als wohl es von ihm gemeint ſey. Die Forſt wuͤrde der beſte Ort ſeyn, da wir uns auf - halten koͤnnten, und dieſer Aufenthalt gefiele uns deſto beſſer, weil ihre Gnaden ihn ſelbſt fuͤr uns zu waͤhlen ſchienen, wenn er es indeſſen fuͤr gut faͤnde, ſo wollte ich lieber der Fraͤulein eins von meinen Guͤtern verſchreiben: ich lies hiebey al - les auf ſeine Guͤtigkeit ankommen. Den uͤber - ſandten Banck-Zettul haͤtte ich der Fraͤulein uͤber - reichet; allein da dieſe ihn anzunehmen verbeten haͤtte, und ich jetzund kein Geld brauchte, ſo ſchickte ich ihn mit gehorſamſten Danck zuruͤcke.

Jſt das nicht ein verflucht langwieriger Um - weg? Wie klein wuͤrde ich in den Jahr-BuͤchernU 2der308der Verfuͤhrer des Frauenzimmers angeſchrieben ſtehen, wenn ich mich doch endlich in meiner eige - nen Schlinge fangen ließe?

Die Frauensleute moͤgen ſagen, was ſie wol - len. Ein armer unſchuldiger Tropf hat Urſache ſich in Acht zu nehmen, wenn er an dem Rande des Ehebettes taumelt. Mancher weichherziger Kerl hat im Spaaß angefangen, weil er Luſt hat - te, auch einmahl verliebt zu thun: und iſt gezwun - gen worden, ſeinen Spaaß in Ernſt zu verwan - deln, weil er bey ſeinem Worte gehalten iſt, und nicht Muth genug hatte zu geſtehen, daß das nie ſeine Abſicht geweſen ſey, die das Frauenzimmer fuͤr ſeine Abſicht hielt. Jch kann mir es deſto leichter vorſtellen, wie es manchem Schleicher ge - gangen iſt: da ich alter Practikus, der ich das an - dere Geſchlecht ſo gut kenne als ein Menſch auf der Welt, bisweilen ſelbſt nicht weiß, was ich aus der Sache machen ſoll.

Die loſen Schaͤlcke liegen und lauren wie die Wachtel-Hunde, und ſo bald wir unſchuldigen Kin - der ihnen zu nahe kommen, ſo ſpringen ſie auf uns los. Wenn erſt das Eis gebrochen iſt, ſo ei - len ſie gleich nach dem Hafen. Wovon ſie am wenigſten reden duͤrfen, daran dencken ſie am meiſten. Wir koͤnnen nicht ſo fruͤh von der Trauung reden, daß nicht ſchon alle kleinſten Um - ſtaͤnde in dem Rath der Goͤttinnen beſchloſſen ſeyn ſollten. Die kleinen ſchelmiſchen Kinder. Erſt fangen ſie ſich, und nachher uns.

Dem309

Dem allen ſey wie ihm wolle. Der Lord M. hat nie einen ſo hoͤflichen Brief erhalten, von ſei - nem VetterLovelace.

Nachdem die Fraͤulein in ihrem Schreiben eben dieſe Umſtaͤnde gemeldet hat, druͤcket ſie ſich alſo aus:

Es iſt ein großer Troſt fuͤr mich, daß ich, die ich alle meine Freunde, (eine eintzige Freundin ausgenommen) verlohren habe, ſo viel neue Freun - de bekommen, als Herr Lovelace Anverwandten hat, wenn ich ihre Freundſchaft nur nicht ſelbſt verſchertze: und zwar dieſes ſowohl wenn Herr Lovelace mir gut, als wenn er mir uͤbel be - gegnet. Vielleicht wird der Nahme und der Rang dieſer neuen Freunde mir die verſchertzte Liebe meiner Anverwandten wieder zuwege brin - gen. Ehe dieſes nicht geſchiehet, werde ich nie - mahls auch nur mittelmaͤßig ruhig ſeyn: ver - gnuͤgt aber kann ich in meinem Leben nicht wie - der werden. Herr Lovelaces Gemuͤth iſt von dem meinigen gar zu ſehr und in gar zu wichti - gen Stuͤcken verſchieden. Bey denen Umſtaͤn - den, in denen wir uns jetzt befinden, muß ich ſie bitten alles bey ſich zu behalten, was ich Jhnen Nachtheiliges von ihm entdecke. Nichts iſt we - niger zu vergeben, als wenn eine Frau ihren Mann beſchimpfet: und es wird doch mein Schick - ſal vermuthlich ſeyn, daß ich die Seinige werde. Wenn ſie etwas zu ſeinem Nachtheil ſaget, ſo wird es eben ſo angeſehen, als ſagte ſie es ſelbſt.

U 3Es310

Es ſoll dieſes mein beſtaͤndiges Gebet ſeyn, daß ſie alles moͤgliche Gluͤck dieſes Lebens ſchme - cken moͤgen, und daß es weder Jhnen noch Jh - ren ſpaͤten Nachkommen jemahls an einem ſo aufrichtigen Freunde mangeln moͤge, als Anna Howe geweſen iſt gegen

Jhre Clariſſa Harlowe.

Herr Lovelace ſucht in dem naͤchſten Briefe ſeinem Freunde ein Beyſpiel von der Fruchtbarkeit ſeines Gehirns zu geben: deswegen meldet er ihm, wie er ſich an der Fraͤulein Howe raͤchen koͤnnte, wenn ſie nach der Jnſul Wight reiſete. Denn er hat vernommen, daß ſie in Begleitung ihrer Mutter und des Herrn Hick - manns eine reiche Baſe auf dieſer Jnſul beſu - chen will, welche ſie und ihrem Braͤutigam zu ſe - hen verlanget, ehe ſie einander heyrathen. Weil er aber dieſen Vorſchlag nicht in das Werck zu richten gedenket, ſo laſſen wir den Brief aus.

Der vier und dreyßigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.

Wenn dir mein Anſchlag wider die Fraͤulein Howe nicht gefaͤllt, ſo habe ich ſchon drey bis vier andere im Kopf, welche mir eben ſo gut und dir vielleicht beſſer gefallen. Du brauchſtdich311dich nur von deiner jetzigen Verbindung los zu machen, alsdenn ſollſt du waͤhlen, was ich zu thun habe. Deine drey Bruͤder muͤſſen thun, was ich befehle, und du mußt es ebenfalls thun: warum waͤre ich ſonſt euer General? Doch ich verſpare dieſes bis auf die rechte Zeit. Du weißt, daß ich mich nie zu etwas voͤllig entſchließe, bis der Augenblick da iſt, da es ausgefuͤhret werden ſoll: alsdenn aber iſt der Blitz nicht geſchwinder als ich bin.

Jch komme wieder auf das, was mir am Her - tzen liegt.

Kannſt du es glauben, daß mir ſo viele An - ſchlaͤge gegen meine Gloriana hauffenweiſe in den Kopf kommen, daß ich beynahe nicht weiß, welchen ich waͤhlen ſoll. Sechs fuͤrſtliche Einfaͤlle kann ich dir nennen, unter denen keiner mislin - gen kann. Da aber das liebe Kind kein Beden - ken getragen hat mir Muͤhe zu machen, ſo erfo - dert die Danckbarkeit, daß ich mein Pulver auch nicht ſpare, ſondern naͤchſtens ein Paar Minen ſpringen laſſe, durch deren Schrecken es betaͤu - bet wird.

Du erinnerſt dich, was Hector, der ſonſt gewiß kein Prahler iſt, in dem Troilus des Sha - kespeare zu dem Achilles ſagt. Jch kann dieſes mit einiger Veraͤnderung auf dieſes allzu wachſame Frauenzimmer deuten, nachdem es mich ſo lange geplaget hat, und ich nunmehr mei - nes Sieges voͤllig verſichert bin. Stelle dir vor, daß ich mein Kind vor mir habe, und es von HauptU 4bis312bis auf die Fußſohlen betrachte, ſo werden die Worte alſo lauten:

Von nun an huͤte dich, mein allzu wach -
ſam Kind,
Jch will nicht da, nicht da, nicht da, nicht
dort dich toͤdten.
(*)Hier ſtehen zwey Verſe, welche der Ueberſetzer nicht gern in dem Deutſchen mittheilen wollte.
(*)
So ſtirbt dir jedes Glied. Verzeihe mir
mein Prahlen,
O Belford, Weiſeſter, den je ein Weib
gebahr,
Jch muß die Wachſamkeit mit Schelmerey
bezahlen,
Und was du Prahlen nennſt, das macht
der Ausgang wahr:
Sonſt will ich nimmermehr
Jch ſtelle mir vor, du ſeyeſt Ajax, und ſu -
cheſt meine Hitze mit den Worten zu maͤßigen:
Sey nicht zu heiß und drohe nicht zu
viel,
Bis dir das Gluͤck erlaubt dein Drohen wahr
zu machen.
Was meinſt du Bruder? Daß ich ein ver -
fluchter Kerl bin? Wenn
Wenn! kein Wenn. Morgen werde ich
ſehr kranck ſeyn. Jch weiß es gewiß.
Kranck? Der Teufel, warum ſollſt du
kranck ſeyn?
Um313

Um mehr als einer Urſache willen, Belford.

Jch moͤchte gern eine einzige hoͤren. Kranck! Unter allen Schelmereyen haͤtte ich auf dieſe am wenigſten gedacht.

Vielleicht meinſt du, ich ſuchte die Fraͤulein an mein Bette zu bringen, die Schelmerey iſt ſchon grau und alt! vor 3000 Jahren hat ſie ſchon ein Bruder gebrauchet. Mir wuͤrde es lieber ſeyn, wenn ich ihrem Bette koͤnnte nahe kommen. Doch ich will mich herablaſſen und dich eben ſo weiſe machen als ich bin.

Jch bin voller Unruhe uͤber den Anſchlag der Fraͤulein Howe. Jch zweifele nicht daran, daß ſie von mir fliehet, wenn ich einen vergeblichen Verſuch thue, und ſie fliehen kann. Jch glaubte ehemahls ſie haͤtte mich lieb: allein nun zweifele ich daran; zum wenigſten glaube ich nicht, daß ſie mich mit ſolcher Jnbrunſt liebet, mir eine vor - ſetzliche und vorher uͤberlegte Suͤnde zu vergeben.

Was wird es dir aber helſen, wenn du kranck biſt?

Geduld! Jch gedencke ſo kranck nicht zu ſeyn als Dorcas mich machen ſoll. Aber ich werde greulich Athem holen, und etwas geronnenes Ge - bluͤte ausſpeien. Es wird gewiß eine Ader in der Lunge geſprungen ſeyn. Jch werde eine Bou - teille von Fatons Blut ſtillender Medicin holen laſſen, allein keinen Doctor, Wenn ſie noch et - was menſchliches hat, ſo wird es ihr nahe gehen. Hat ſie aber Liebe, ſo wird gewiß die Liebe wiederU 5zum314zum Vorſchein kommen, und ſich in ihren Augen, ja in jedem Zuge ihres Geſichtes zeigen.

Jch will gantz getroſt bey der Sache ſeyn, und mich weder fuͤr Tod noch fuͤr Kranckheit fuͤrchten. Jch will mich ſtellen, als wuͤßte ich gewiß, daß alles in ein paar Stunden voruͤber ſeyn werde: weil ich ſonſt von dieſer Artzeney eine ſehr geſchwinde Wuͤr - kung verſpuͤret habe, als ich auf der Jagd vom Pferde gefallen war, und eine inwendige Verletzung bekommen hatte. Jch werde glauben, daß dieſe Kranckheit ein Ueberbleibſel von jenem Fall ſey. Wenn ſie ſiehet, daß ich weniger aus der Unpaͤßlich - keit mache, als die, welche um mich ſind, ſo wird ſie glauben, daß ich keine Abſicht dabey habe.

Mich duͤnckt, du faͤngſt nunmehr an eine beſſere Meynung von meinem Anſchlage zu be - kommen. Jch wußte das ſchon zum voraus. Ein anderes mahl erwarte gleich etwas wunder - bares und verbanne alle Zweifel.

Und nun, Belford, wenn es ihr nicht nahe gehet, daß ich mir eine Ader geſprenget habe, welches doch bey einem ſo hitzigen Gebluͤte, als man bey mir ver - muthet, ſehr gefaͤhrlich ſeyn kann; ſonderlich wenn ich auf eine gelaſſene Weiſe meine bisherige Unruhe fuͤr die Urſache dieſer Unpaͤßlichkeit ausgebe, und dadurch ein deutliches Zeichen meiner Liebe, die Ge - genliebe verdienet, gebe

Und was willſt du denn thun, Schelm?

Jch will wenigere Gewiſſens Biſſe empfinden, wenn ich Gewalt gebrauchen muß, denn die kann kein Mitleiden verdienen, die ſelbſt kein Mit - leiden empfindet.

Wie315

Wie aber, wenn ſie Mitleiden mit dir hat?

Denn habe ich einen Grund auf dem ich bauen kann. Die Liebe bedecket der Suͤnden Menge, und macht die Suͤnden klein, die ſie nicht bedecken kann. Wenn man die Liebe einmahl zu erkennen gegeben oder zugeſtanden hat, ſo berech - tiget man den andern ſich mehr Freyheiten heraus zu nehmen. Eine Freyheit gebiert die andere, und ich will ſehen, wie weit ich endlich komme.

Aber, Lovelace, wie willſt du in des Teu - fels Nahmen es anfangen, dich bey ſo guter Ge - ſundheit und Farbe kranck zu ſtellen?

Wie? Jch darf nur einige wenige Koͤrner von Ipecacuanha hinter ſchlucken.

Gut, aber wie willſt du es machen, daß du Blut ſpeieſt, ohne dir Schaden zu thun?

Narre, kann man keine Huͤner oder Tauben zu kauffen kriegen?

Jch bitte um Gnade.

Frau Sinclair ſoll mir alsdenn ſagen, daß ich bisher zu viel zu Hauſe geſeſſen habe. Jch will mich in der Saͤnfte nach dem Parck tragen laſſen, und verſuchen, ob ich die Helfte der Maille gehen kann. Hernach will ich mich in Whites Chocoladen-Hauſe oder in dem Cocoa Coffée-Hauſe auszuruhen ſuchen.

Was ſoll das aber helfen?

Du fragſt ſchon wieder! Du biſt wahrhaftig ein Unglaͤubiger. Jch werde ja erfahren, ob mein Kind in meiner Abweſenheit ausgehen will! Und316Und wenn ich wieder komme, ſo werde ich darauf acht geben, ob ſie mich zaͤrtlich empfaͤnget. Doch das iſt nur das wenigſte: ich habe eine Ahndung, daß in meiner Abweſenheit etwas vorgehen wird, daruͤber mein Kind in eine große Gemuͤths-Bewegung geſetzt werden koͤnnte. Doch hievon mehr zu ſeiner Zeit.

Leugneſt du, Belford, oder geſteheſt du mir ein, daß es recht ſey mich kranck zu machen? Jch finde ſo viel Vergnuͤgen an meinen Erfindungen, daß ich faſt betruͤbt daruͤber bin, wenn ich beden - cke, daß die Veranlaſſung dazu aufhoͤren wird. Denn in meinem Leben werde ich keine ſo gute Gelegenheit wieder haben meinen Kopf zu uͤben.

Die verfluchten Maͤdchens in unſerem Hauſe ſind ſo unverſchaͤmt, und ruͤcken mir ſo viel vor, daß ich nichts thun kann, als auf ſie fluchen. Bald wollen ſie mir mit einem veralteten Haus - Mittel aushelfen. Jnſonderheit hat mir die Sara, die ſich ungemein klug duͤncket, jetzt eben auf eine recht dreiſte Weiſe geſagt, da ich ihre Mittel nicht billigte: ich haͤtte keine Luſt zu uͤber - winden, und ich waͤre ſo falſch, daß ich heimlich den Vorſatz haͤtte die Fraͤulein zu heyrathen, und es nur nicht geſtehen wollte.

Weil die kleine Furie ihr erſtes Opfer auf meinem Altar gebracht hat, ſo haͤlt ſie ſich berech - tiget, ſich allerley Freyheiten gegen mich heraus zu nehmen. Sie iſt deſto unbaͤndiger, weil ich (wie ſie ſagt) recht mit Fleiß ihre Liebe bisher verſchmaͤhet habe. Jſt es nicht unver - ſchaͤmt, daß das Maͤdchen denkt, ich wollte ei -nem317nem andern nachſteigen? So weit iſt es noch nicht gekommen. Du weißt, daß es immer mein Grund-Satz geweſen iſt: was ein ande - rer einmahl gebraucht hat, das brauch ich nie wider. Fuͤr dich und deine Bruͤder iſt es eine Sache, daß ihr euch mit Huren behelſt. Jch habe mich immer bemuͤhet den Ruhm der erſten Erfindung zu erlangen. Vielleicht haͤltſt du mich deswegen fuͤr einen aͤrgern Teufel, weil ich unſchuldige Kinder zu verfuͤhren ſuche. Jch bin nicht einerley Meinung mit dir. Jch werde mich zum wenigſten nicht leicht eines Ehebruchs ſchul - dig machen.

Ein Umgang, den ich zu Paris mit einer verehlichten Frau gehabt habe, und davon du noch nichts weißt, hat mein Gewiſſen verwundet. Allein es geſchahe nicht ſo wohl aus Bosheit, als weil ich Gelegenheit hatte meinen Verſtand zu zeigen.

Ein franzoͤſiſcher Marquis, der etwas bey Jahren war und ſich in Geſchaͤften ſeines Hofes zu Madrit aufhielt, hatte vor kurtzen eine al - lerliebſte junge Frau geheyrathet, uͤber welche ſeine Schweſter die Vormundſchaft fuͤhren mußte, die ihr nicht allzu wohl begegnete. Jch ſahe die - ſes Frauenzimmer in der Opera. Sie gefiel mir gleich das erſte mahl und noch beſſer das zweyte mahl, da ich wußte, in was fuͤr Umſtaͤnden ſie ſich befand. Jch ſtellete mich, als ſuchte ich Um - gang mit ihres Mannes Schweſter, und bekam hiedurch einen Zutritt zu beyden. Jch klagte ſoviel318viel uͤber die Sproͤdigkeit der alten Schweſter, daß ſie hiedurch ſproͤde ward. Hierauf ſuchte ich mir die Eiferſucht des Mannes und den Hoch - muth der Schweſter zu Nutze zu machen, um bey der Frau eine Empfindlichkeit zu erwecken. Jch hoffete dabey, daß auf mich einige Liebe fallen wuͤrde. Das franzoͤſiſche Frauenzimmer hat Luſt zur Schelmerey.

Die Schweſter fing an einen Verdacht auf mich zu werfen. Jhre Schwiegerin hatte nicht Luſt, die eintzige Geſellſchaft zu verlieren, die ihr erlaubet war, und gab mir deswegen von ihrem Verdacht Nachricht. Jch that ihr den Vorſchlag: ſie ſollte die alte Schoͤne ohne mein Wiſſen in einem Neben Gemach verſchließen, und den Schluͤſſel in die Taſche ſtecken; und mich in einem benachbarten Zimmer befragen, ob ich es aufrich - tig meinte; und zwar ſo, daß ihre Schwiegerin es hoͤren koͤnnte.

Sie ließ ſich den Vorſchlag gefallen. Mei - ne Goͤttin ward eingeſchloſſen. Jch ſetzte mich; die Marquiſe ſetzte ſich auch. Jch war vor Liebe außer mir: ich betheurete, ich ſchwor: denn die Marquiſe fragte mich auf mein Gewiſſen. Die Schoͤne war in ihrem Gefaͤngniß ſehr vergnuͤgt. Und wie endigte ſich das Spiel? Jch nahm mei - ner Gelegenheit wahr, und zog die Frau (die ſich nicht unterſtehen durfte zu ſchreyen) mit mir in das naͤchſte Zimmer, unter dem Vorwand, daß ich ihre Schwiegerin ſuchen wollte, die unterdeſ - ſen eingeſchloſſen blieb.

Du319

Du weißt, daß ich kein Frauenzimmer um - ſonſt allein geſprochen habe, die Fraͤulein Harlo - we ausgenommen.

Meine Offenhertzigkeit fand Vergebung. Die Marquiſe konnte ſich die gantze Zeit uͤber des La - chens nicht enthalten, daß ich beyde betrogen hat - te, und ihre Hofmeiſterin ihre Gefangene gewor - den war, die unter Schloß und Riegel nicht we - niger vergnuͤget war als wir beyde. Es geſchieht ſehr ſelten, daß ſich die Franzoſen von den Engel - laͤndern fangen laſſen.

Wir haben nachher eben ſo liſtige Streiche geſpielt, zu denen ſie das ihrige auch mit beytrug: denn einmahl uͤberwunden iſt immer uͤberwun - den. Allein endlich ward unſer Geheimniß ent - decket, ehe der Marquis wieder kommen und die Entdeckung ungewiß machen konnte. Die Schwe - ſter war voller Groll, der Gemahl war unver - ſoͤhnlich. Er war gar nicht geſchickt ein Gemahl zu ſeyn, zum wenigſten ſo, wie ein Gemahl in Franckreich beſchaffen ſeyn muß. Er ſchien die Sitten und die Eiferſucht des Volckes, bey den er Abgeſandter war, angenommen zu haben, die den Sitten ſeines Landes ſo ſehr zuwider ſind. Sie fand ſich genoͤthiget, ſich in meinem Schutz zu be - geben. Sie war gantz vergnuͤgt bey mir bis ſie die Geburts. Schmertzen fuͤhlete. Reue und Todt uͤberfielen ſie in Einer Stunde.

Verzeihe mir hier eine Thraͤne. Sie ver - dienete ein beſſeres Schickſal. Wie viel hat ein ſolcher unverſoͤhnlicher Gemahl zu verantworten! Die320Die Schweſter iſt dafuͤr geſtraft, das freuet mich noch. Sie iſt nachdruͤcklich geſtraft. Doch viel - leicht habe ich dir dieſes ſchon ehemahls erzaͤhlet.

Der fuͤnf und dreyßigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn J. Belford.

Jch bin eben von einer Spazierfahrt mit mei - nem Kinde zuruͤck gekommen, dazu ſie ſich nach einem langen Wort - Wechſel bequemet hat. Die beyden Nymphen leiſteten ihr Geſellſchaft. Sie haben ihre Perſon wohl geſpielet, die Augen nicht herum flattern laſſen, und bisweilen einige Tugend-Regeln mitgetheilet. O Bruder, was vor Teufels ſind die Frauensleute, wenn wir ſie erſt voͤllig verfuͤhret haben!

Wir fuhren nach Hamſtead, nach Highga - te, nach Muzzle-Hill, und zuruͤck nach Ham - ſtead und nach Upper-Flask. Meine Schoͤne war hier gegen die beyden Nymphen ſo gefaͤllig, daß ſie etwas ausſtieg, und einige Erfriſchungen zu ſich nahm. Wir kamen noch bey vollem Ta - ge uͤber Kentiſch-Town nach Hauſe.

Sie war recht vergnuͤgt, ſo daß ich mich dar - uͤber freuete, und ich war ſo hoͤflich und ſo voller Ehrerbietung, als wir auf die Hoͤhe ſpatzieren gin -gen,321gen, um die verſchiedenen angenehmen Ausſich - ten in Augenſchein zu nehmen, daß ſie mir ver - ſprach, oͤfters mit mir auszufahren. Jch dencke, ich dencke, Fraͤulein Howe, deine gefaͤhrlichen Anſchlaͤge gerathen bey ihr in Vergeſſenheit.

Jn der gantzen Zeit, da wir wieder zu Hauſe ſind, haben wir nichts gethan, als ſchreiben: ich ſoll aber ihre Geſellſchaft noch eine Stunde lang genieſſen, ehe ſie ſich zur Ruhe begiebt. Jch will ſuchen alle Zeichen einer recht ergebenen und folg - ſamen Liebe anzunehmen, damit ſie morgen bey meiner bevorſtehenden Kranckheit deſto zaͤrtlicher ſeyn moͤge. Bey dem Weggehen will ich klagen, daß mir der Magen nicht recht ſey.

Wir haben uns einander geſprochen. Jch habe nichts als Liebe und untadelhafte Ehrerbie - tung blicken laſſen: und ſie war aufgeraͤumt und gefaͤllig. Meine Unpaͤßlichkeit ging ihr nahe. Sie uͤberfiel mich ploͤtzlich: eben bey dem Weg - gehen. Es hatte aber nicht viel zu ſagen: und ich hoffete morgen fruͤh gantz wohl zu ſeyn.

Mich duͤnckt, ich bin ſchon kranck. Jſt es moͤglich, daß ein ſo aufgeraͤumter Kopf, als ich bin, ſich eine Kranckheit einbildet? Jch ſollte mich beſſer zum Comoͤdianten ſchicken, als ich es wuͤn - ſche. Eine jede Nerve und Ader iſt immer be - reit, das ihrige zu einer jeden beſchloſſenen Schel - merey beyzutragen, es ſey durch Kranckheit oder Geſundheit.

Vierter Theil. XDor -322

Dorcas hat nun den gantzen Brief der Fraͤu - lein Howe von dem 14ten May abgeſchrieben, davon ich vorhin nur Auszuͤge hatte. Sie hat aber keinen neuen Brief finden koͤnnen. Allein dieſer Brief, und der, den ich am Sonntage un - ter der Kirche ſelbſt abgeſchrieben habe, in dem der Anſchlag mit der Zoll-Betriegerin ſtehet, iſt mir ſchon genug.

Dorcas ſagt mir, die Fraͤulein haͤtte die Briefe aus dem Schrancke von Mahogany weggenommen, und in einen Kaſten gelegt, der in dem finſtern Cloſet ſtehet. Wir haben noch kei - nen Schluͤſſel dazu: und vermuthlich iſt dieſes ihr Archiv, in dem alle vorigen Briefe liegen. Dorcas iſt ſehr unruhig daruͤber: ſie hofft aber doch, daß ſie bey ihrer Fraͤulein außer Verdacht ſey, denn ſie habe alles ſo wieder hingeleget, wie ſie es gefunden habe.

Der ſechs und dreyßigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.

Das Jpecacuanha ſchmeckt verflucht. War - um kann die Zunft der Aertzte nichts ver -ſchrei -323ſchreiben, als ſolch Zeug, damit man den Teufel vergeben koͤnnte? Wenn man in der andern Welt auch Quackſalberey einnehmen ſollte, ſo waͤre es fuͤr die Suͤnden dieſes Lebens Strafe genug - Wenn der Doctor auf der einen und der Apo - thecker auf der andern Seite ſitzt, und die arme Seele von beyden geſtraft wird, ſo braucht es we - der Furien noch Folter-Knechte.

Jch mußte es nehmen, um elend auszuſehen. Es hat ſeine Wirckung gehabt. Jch ſchluckte ſo viel hinter, daß ich kranck ward, und nahm ſo wenig Waſſer dazu, daß es nicht ſo gleich wieder fortgehen konnte. Jch ſahe aus, als wenn ich ſchon 14 Tage lang zu Bette gelegen haͤtte. Mit - ten unter dem Brechen dachte ich daran, daß es ſich mit einem ſpitzigen Meſſer nicht gut ſpielen laͤßt, und noch ſchlimmer mit Artzeneyen.

Meine Unpaͤßlichkeit hielt zwey Stunden an - Es ward der Dorcas ſcharf verboten, meiner Geliebten nichts davon zu ſagen, um ſie nicht zu betruͤben. Jch wollte meiner Fraͤulein durch die - ſes Verbot (welches ſie wieder erfuhr) zu verſte - hen geben, daß ich von ihr erwartete, daß ſie uͤber meine Kranckheit bekuͤmmert ſeyn wuͤrde. Was fuͤr ein veraͤchtlicher Kloß muͤßte der ſeyn, dem ſein eigenes Hertz ſaget, daß ſich niemand uͤber ihn betruͤben kann?

Dorcas iſt ein Maͤdchen. Sie wird ja ein Geheimniß ausplaudern koͤnnen, das ihr anver - trauet iſt.

X 2Komm324

Komm Kroͤte, (ich war kranck wie der Teufel) ich will ſehen, ob du betruͤbt und beſtuͤrtzt ausſe - hen kannſt.

Noch nicht recht! Du laͤßt die Kinnbacken zu wunderlich haͤngen, und verzieheſt den Mund ſo, daß du mehr fuͤrchterlich als betruͤbt ausſieheſt.

Dein Plintzen und Wincken mit den garſti - gen Augen (wie ſie mein Kind einmahl nennete) hilft auch zu nichts.

Jetzt war es ein wenig beſſer: aber doch noch nicht, wie es ſeyn ſoll. Den Mund dichter zu! Jch weiß nicht, du kannſt zwey Muskeln zwi - ſchen den Kinnbacken und Lippen gar nicht ruͤh - ren, wie du ſollſt.

So recht! Packe dich fort! Renne die Trep - pen auf und nieder; mache ein graͤuliches Lerm: ſtelle dich als wenn du etwas aus dem Speiſe - Saal holeteſt, bis du dich endlich aus dem Athem gelaufen haſt, und dir das ſchluchſen natuͤrlich iſt.

Was iſt, Dorcas?

Ach nichts, ihre Gnaden.

Mein Kind wundert ſich ohne Zweifel, daß es mich heute noch nicht geſehen hat; allein es iſt zu ſcheu, ſeine Verwunderung zu erkennen zu geben. Sie fragt aber nochmahls, was unten zu thun ſey, als Dorcas beſtaͤndig ab und zu laͤufft.

O gnaͤdige Frau, mein Herr! mein Herr!

Was? wie? wem? Alle verwun - dernden einſylbigen Woͤrter brachen aus.

(Jch muß dir hiebey den weiſen Gedancken mittheilen, den ich ſehr oft gehabt habe. Diekleinen325kleinen Worte ſind in dem Reiche der Worte von der groͤßeſten Wichtigkeit; ſo wie die kleinen Fa - milien in einem Koͤnigreiche. Die drey-und viel - ſylbigten Woͤrter ſind zu nichts gut, als einfaͤlti - ge Magnaten vorzuſtellen.)

Jch darf es nicht ſagen, gnaͤdige Frau. Mein Herr hat es mir verboten. Aber er iſt kraͤncker, als er denckt. Er wollte ihnen kein Schrecken machen.

Jn allen Zuͤgen ihres lieben Geſichtes war die Bekuͤmmerniß ſo gleich zu leſen. Sie hatte Mitleiden mit mir. Bey meiner Seele, ſie hat - te Mitleiden.

Wo iſt er denn?

Dorcas war ſo in der Eile, daß ſie alle Hoͤf - lichkeit vergaß. (Denn, noch ein weiſer Gedan - cke: was wir Hoͤflichkeit und Sitten nennen, iſt uns ſo gar nicht natuͤrlich, daß wir uns erſt dazu anſchicken muͤſſen. Jn einem Sturm hoͤrt alle Hoͤflichkeit auf.) Jch habe nicht Zeit zu antwor - ten! ſchrie die Hure, weil ſie gern antworten woll - te. (Der dritte kluge Einfall: ſie machte es wie die Leute, die es zum Verkauf ausrufen, und von den Kaͤufern weglaufen.) Weil ſie ſo hitzig ward, ſo ward die Fraͤulein im Fragen auch hitziger, ſo wie die Kaͤufer durch das Weglaufen hitziger werden. Jch ſehe jetzt im Geiſte eine gantze Straße voll Leute, die dem Ausruͤfer ſo eifrig nach - laufen, als wenn der erſte unter ihnen ein Dieb waͤre, dem die andern einzuholen gedaͤchten.

X 3End -326

Endlich fliſterte eine Nymphe der andern zu: um Gottes Willen ſagen ſie es der Frau Love - lace! Es iſt gewiß Gefahr. Es geſchahe dieſes nahe bey der Thuͤr, ſo daß mein loſes horchendes Kind es hoͤren konnte.

Sie ſprang heraus: wie iſt es? wie iſt es? Dorcas.

O gnaͤdige Frau, er ſpeit Blut. Es iſt ihm eine Ader in der Lunge geſprungen.

Sie kam gleich herunter, und fand, daß ſich alle mit meinem Blute ſo viel beſchaͤftigten, als wenn es das geſegnete Blut des Neapolitaniſchen Heiligen waͤre.

Mein Kind trat herein, und ſahe gantz betruͤbt aus.

Wie befinden ſie ſich, Herr Lovelace?

O mein liebes Kind, gantz wohl! Recht ſehr wohl! Es hat gar nichts zu bedeuten. Jch wer - de bald wieder beſſer ſeyn. Jch kraͤchzete von neuen, denn ich war wahrhaftig ſehr kranck, ob gleich kein Blut weiter kommen wollte.

Mit einem Wort, Belford, ich habe meinen Endzweck erreichet. Das Maͤdchen hat mich lieb: es hat mir alle meine Suͤnden vergeben. Jch darf es wohl wagen auf ein neues Kerbholtz los zu ſuͤndigen.

Der gnaͤdigen Fraͤulein Howe biete ich jetzund Trotz. Frau Townſend! Was der Teufel iſt daraus geworden! Weg mit eurer Contraband - Waare. Keine Zoll-Betriegerey. Niemand darf betriegen als ich! Das allerauserleſenſte an mei -ner327ner Schoͤnen ſoll mir nicht lange mehr eine ver - bothene Waare bleiben.

Nunmehr glaubt ein jeder im Hauſe, daß ſie mich lieb hat. Die Thraͤnen haben ihr mehr als einmahl in den Augen geſtanden. Sie litte es, daß ich ihre Hand nahm, und ſie kuͤſſete, ſo oft ich ſelbſt wollte. Als Frau Sinclair ſagte, ich haͤt - te mich bisher ſo viel zu Hauſe gehalten, ſo wuͤnſch - te ſie, daß ich mir eine Veraͤnderung machen moͤchte, und bat mich dabey, mich in Acht zu neh - men. Sie wollte, ich ſollte einen Doctor hohlen laſſen: denn Gott haͤtte den Artzt geſchaffen.

Das dachte ich nicht, Bruder. Gott hat uns zwar alle geſchaffen. Jch glaube aber, ſie ver - ſtand die Artzney und nennte die Aertzte. Denn koͤnnte man ſagen: alle Speiſe iſt Gottes Ge - ſchoͤpf; aber der Teufel hat die Koͤche gemacht.

Jch war ſchon wieder etwas beſſer, als ich die blutſtillenden Tropfen aus ihren lieben Haͤnden annahm.

Als ſie verlangte, daß ich mir eine Veraͤnde - rung machen moͤchte, bat ich ſie mit mir auszu - fahren. Jch wollte hiebey ſehen, ob ſie Luſt haͤtte in meiner Abweſenheit aus dem Hauſe zu gehen.

Sie antwortete: Sie wollte es gern thun, al - lein ſie glaubte, es wuͤrde fuͤr mich beſſer ſeyn, wenn ich mich in einer Saͤnfte austragen ließe.

X 4Das328

Das iſt artig! Jch kuͤßte von neuen ihre Hand, und ſie war die Guͤtigkeit ſelbſt. Jch ſagte: ich wuͤnſchte nur, daß ich ihre Guͤtigkeit beſſer verdie - nete. Wir haͤtten jetzt unſere guͤldene Zeit vor uns. Jhre Gegenwart und ihr edles Mitleiden haͤtte mich gantz geheilet. Es fehlete mir nichts mehr. Weil aber mein Kind es haben will, ſo will ich mich austragen laſſen. Rufet mir eine Saͤnf - te. O mein allerliebſtes Kind! Wenn auch die - ſe Unpaͤßlichkeit von meiner bisherigen Unruhe herruͤhren ſollte, ſo iſt doch alles reichlich dadurch belohnet, daß ſie jetzt ſo guͤtig gegen mich ſind. Jhre Blicke ſind meine beſte Artzeney, und ihr bis - heriger Unwille iſt eintzig und allein meine Kranck - heit geweſen.

Frau Sinclair, Dorcas, Marichen und ſelbſt Mabell (denn Sarah gieng hinaus, als mein Engel hinein kam,) danckten dem Himmel mit aufgehobenen Haͤnden und Augen fuͤr meine Geneſung: und redeten ſachte mit einander, ſo daß man es hoͤren konnte.

Die Liebe iſt dennoch ein loſes Ding, ſagte die eine. Die andere: ein allerliebſter Gemahl. Alle nenneten uns ein gluͤckliches Paar.

Wie roth wurde das liebe Kind! wie hell wur - den ihm die Augen! Denn iſt das Lob angenehm, wenn man es verdient, ſonſt ſetzt es einen nur herun - ter, und macht ſtumm und bloͤde. Ein verdientes Lob gibt einen Zaghaften und Kleinglaͤubigen ein neues Leben, und nimmt gleichſam eine neue Schoͤ - pfung mit ihm vor.

Ver -329

Verlohnt es ſich nun nicht der Muͤhe kranck geweſen zu ſeyn, Belford? Und dennoch muß ich dir ſagen, daß ich hundert angenehmere Schel - mereyen weiß, und mich nie wieder uͤberwinden werde, das verfluchte Ipecacuanha zu koſten.

Der ſieben und dreyßigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.

Herr Lovelace iſt ſehr unpaß geweſen. Es uͤberfiel ihn gantz unvermuthet. Er hat Blut geſpieen und zwar in großer Menge. Es war ihm eine Ader geſprungen. Er beklagte ſich ſchon geſtern Abend, daß er Magen-Druͤcken haͤtte. Jch bin deſto mehr daruͤber bekuͤmmert, weil ich glau - be, daß unſer letzter Zanck die Schuld daran iſt. Allein wer veranlaſſete den?

Es iſt nicht lange, daß ich glaubte, ich haſſe - te ihn, Allein ich ſehe, daß Haß und Zorn bey mir von kurtzer Dauer ſind. Wer dem Tode nahe, oder in Ungluͤck iſt, den kann man nicht haſ - ſen. Jch ſehe, daß ich mein Hertz nicht ſo hart machen kann, daß es der Menſchen-Liebe und der Erinnerung begangener Fehler widerſtehen kann.

Er war ſehr ſorgfaͤltig, mir ſeine Unpaͤßlich - keit ſo lange als es moͤglich zu verheelen. So zaͤrt -X 5lich330lich war er mitten in der groͤßeſten Unruhe. Er ſuchte ſeine Unpaͤßlichkeit kleiner zu machen. Jch wuͤnſchte, daß ich ihn nicht kranck geſehen haͤtte. Es gieng mir allzu ſehr zu Hertzen. Je - dermann redete von Gefahr. Der arme Mann war vorhin ſo geſund, und bekam auf einmahl ei - nen ſo heftigen Anfall, zu einer Zeit, da er gewiß nicht an den Tod gedacht hatte.

Er hat ſich austragen laſſen. Jch rieth es ihm: ich fuͤrchte aber jetzt beynahe, daß mein Rath nicht gut geweſen ſey; denn bey ſolchen Zu - faͤllen iſt nichts beſſeres als die Ruhe. Wie geneigt ſind wir, wenn Noth vorhanden iſt, einen unuͤberlegten Rath zu geben. Jch ſag - te zwar; er moͤchte einen Doctor hohlen laſſen: er wollte aber nichts davon hoͤren. Jch halte die Aertzte in Ehren, und bin noch mehr hierin be - ſtaͤrcket worden, ſeit dem ich bemerckt habe, daß die, welche die Artzeney-Wiſſenſchaft verſpot - ten, gemeiniglich wenig Ehrerbietung gegen noch heiligere Wiſſenſchaften haben.

Jch bin in der That ſehr unruhig, weil ich mich gegen ihn und gegen die Leute in dem Hauſe allzu ſehr verrathen habe. Dieſe letztern werden mich zwar oͤffentlich entſchuldigen, weil ſie uns fuͤr Eheleute halten. Wenn er aber niedertraͤchtig handeln will, ſo thut es mir leid, daß ich mich habe uͤbereilen laſſen. Jch weiß jetzt mehr, als ich vor - hin wußte, da ich glaubte, er ſey unverantwortlich mit mir umgegangen.

Jch kann Jhnen indeſſen mit Recht und mitWahr -331Wahrheit dieſes verſichern: wenn er mich noch einmahl zwinget, fremde gegen ihn zu ſeyn, ſo wird meine Vernunft durch Erinnerung ſeiner großen Maͤngel (denn Herr Lovelace iſt gewiß kein recht verſtaͤndiger Mann) ſo viel Herrſchaft uͤber die Sinnlichkeit erlangen, daß ich meine Nei - gungen werde unterdruͤcken koͤnnen. Was koͤn - nen wir mehr thun, als daß wir jedes mahl nach un - ſerer beſten Einſicht handeln?

Wundern Sie ſich nicht, wenn ich mir dieſe Entdeckung zu Gemuͤthe ziehe. Eine Entde - ckung iſt es: wie ſoll ich es anders nennen? Jch habe nicht ſo viel Ruhe gehabt, daß ich mein ei - genes Hertz haͤtte unterſuchen koͤnnen.

Jch bin ſo misvergnuͤgt uͤber mich, daß ich das geſchriebene nicht einmahl wieder uͤberleſen mag. Und ich weiß doch nicht, was ich geſchrieben habe. Jch bin noch nie in einer ſolchen Verwirrung ge - weſen: Jch kann ſie Jhnen zwar nicht beſchreiben. Jſt Jhnen jemahls ſo zu Muthe geweſen? Jch fuͤrchte mich, daß die mich tadeln wird, die ich am allermeiſten liebe: und ich weiß doch, daß ich ih - ren Tadel verdiene.

Doch alsdenn wuͤrde ich die haͤrteſte Beſtra - fung verdienen, wenn Ein Geheimniß meines Her - tzens Jhnen ein Geheimniß bleiben ſollte. Jch will nichts hinzu thun, als dieſes, daß ich mich ge - nau pruͤfen werde, und daß ich verharre

Jhre aufrichtigſte und ergebenſte Cl. Harlowe.

Der332

Der acht und dreyßigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn J. Belford.

Mein Spaziergang iſt ſehr vergnuͤgt geweſen. Die Kranckheit hat gaͤntzlich nachgelaſ - ſen. Mein Hertz iſt ruhig; und wie kann ich anders als guten Appetit haben?

Als ich nach Hauſe kam, fand ich mein Kind in einer neuen Unruhe. Es hatte ein Diener, in blauer Liverey mit gelben Aufſchlaͤgen, ſich nach uns auf eine verdaͤchtige Art erkundiget. Ohne unſe - re Nahmen zu nennen, hatte er bloß unſere Per - ſon beſchrieben. Dorcas ward gerufen, weil ſie unter den Bedienten die vornehmſte iſt. Sie wollte aber auf ſeine Fragen nicht antworten, wenn er ihr nicht ſagte, von wem er geſchickt waͤre, und weswegen er ſich um uns bekuͤmmerte. Er antwor - tete hierauf eben ſo kurtz, als ſie: wenn ſie ihm nicht antworten wollte, ſo wuͤrde ſie vielleicht einem an - dern antworten: und ging misvergnuͤgt von ihr.

Dorcas lief geſchwind zu ihrer Fraͤulein hin - auf, und beunruhigte ſie nicht allein durch Erzaͤh - lung der Sache, ſondern auch durch die Mitthei - lung ihrer Erklaͤrungen und Vermuthungen. Sie ſagte: der Kerl haͤtte gar nicht gut ausgeſehen, und er koͤnnte ohnmoͤglich eine gute Abſicht haben.

Sie erkundigte ſich genauer nach Liverey und Geſichte; und erhielt eine umſtaͤndliche Antwort. Ach333Ach GOtt! Noch kein Ende fuͤr ihre Truͤb - ſal! Sie ſahe nun ſchon alles moͤgliche Ungluͤck als gegenwaͤrtig.

Sie wuͤnſchte, daß Herr Lovelace bald nach Hauſe kommen moͤchte.

Herr Lovelace kam bald darauf. Er ward gantz geſund, voll Danckbarkeit und guter Hoff - nung: und wollte ſeinem Kinde den verpflichte - ſten Danck abſtatten, daß es ihn geſund gemacht hatte. Sie erzaͤhlte ihm aber den betruͤbten Zu - fall umſtaͤndlich: und Dorcas ſetzte hinzu, der Kerl haͤtte ſehr gelb ausgeſehen, und ſchien auf der See geweſen zu ſeyn. Nun gerieth mein Kind erſt voͤllig in Furcht.

Es war ohne Zweifel ein Bedienter des Ca - pitain Singletons. Unſer Haus wuͤrde bald von dem Schiff-Volck umringet werden. Denn das Schiff ſollte zu Rotherhith liegen.

Jch ſagte: das waͤre nicht moͤglich. Wer dergleichen im Sinne haͤtte, der wuͤrde ſich nicht vorher erkundigen, und uns eben dadurch warnen. Es koͤnnte ja eben ſo wohl ein Bedienter des Obri - ſten Morden ſeyn, der vielleicht ſeine Ankunft wiſſen ließe, und ſie zu ſprechen verlangte.

Ueber dieſe Vermuthung freuete ſie ſich. Jhre Furcht verlohr ſich; und ſie ward ſo aufgeraͤumt, daß ſie mir zu meiner geſchwinden Geneſung Gluͤck wuͤnſchen konnte. Sie that dieſes auf die allerverbindlichſte Art.

Wir waren nicht lange beyſammen geweſen, als Dorcas mit großer Beſtuͤrtzung kam, undſagte:334ſagte: eben derſelbe Bediente ſey wieder vor der Thuͤr, und erkundigte ſich nahmentlich nach Herrn Lovelace und ſeiner Gemahlin. Er hatte der Dorcas geſagt, ſeine Nachfrage haͤtte keinen uͤbeln Endzweck. Allein eben hieraus bekam meine ſchuͤchterne Schoͤne einen neuen Argwohn, daß etwas gefaͤhrliches dahinter ſtecken koͤnnte. Weil Dorcas ihm keine Antwort gegeben hatte, ſo woll - te ich in den Saal nach der Straße zu gehen, und hoͤren, was er anzubringen haͤtte.

Jch ſagte: ich ſehe, daß ſie ohne Urſache be - ſorgt ſind, mein liebſtes Kind. Kommen ſie mit hinunter. Er ſoll vor der Stuben-Thuͤr ſtehen bleiben, damit ſie alles hoͤren koͤnnen, ohne von ihm geſehen zu werden. Sie war damit zufrie - den, und wir gingen hinunter. Dorcas hieß ihn naͤher kommen.

Mein Freund, was habt ihr bey Herr Love - lacen zu thun?

Er machte Buͤcklinge: er kratzete: ich glaube, ſie ſind der Herr ſelbſt. Jch will weiter nichts, als mich erkundigen, ob ſie hier ſind, und ſie ſich ſprechen laſſen: und ob ſie noch einige Zeit hier bleiben werden?

Von wem kommt ihr?

Es hat mich ein Herr geſchickt, der mir be - fohlen hat nichts von ihm zu melden, als nur (wenn ich befragt wuͤrde) dieſes, daß er ein guter Freund von dem Herrn Johann Harlowe, als dem aͤlteſten Onckle der Frau Lovelace, ſey.

Hier wollte mein liebes Kind beynahe inOhn -335Ohnmacht ſincken. Sie hatte erſt kurtzens En - gliſches Saltz bey ſich geſtecket: jetzt brauchte ſie es.

Wiſſet ihr irgend etwas von dem Obriſten Morden, mein Freund?

Nein! ich habe den Nahmen mein Lebetage nicht gehoͤrt.

Von dem Capitain Singleton?

Nein. Aber mein Herr iſt auch ein Capi - tain.

Wie heißt er denn?

Jch weiß nicht, ob ich ſeinen Nahmen ſagen darf.

Wenn ihr keine boͤſe Abſicht habt, ſo koͤnnt ihr eures Herrn Nahmen wohl ſagen.

Jch frage gewiß in einer guten Abſicht. Mein Herr hat mir das geſagt; und es iſt kein aufrichtigerer Herr auf Gottes Erdboden, als er. Er heißt Capitain Tomlinſon.

So einen kenne ich nicht.

Das glaube ich wohl. Er ſagte mir, daß er ihre Gnaden auch nicht kennete: ich hoͤrte aber, als wenn er ihnen willkommen ſeyn wuͤrde.

Jch ging auf die Seite, und ſagte zu meiner Geliebten: iſt ihnen ein Freund ihres Onckels be - kannt, der Capitain Tomlinſon heißt?

Nein! Allein mein Onckel kann viele gute Freunde haben, die ich nicht kenne. Jch will aber nicht hoffen, (ſagte ſie zitternd) daß ein Be - trug dahinter ſteckt.

Gut, mein Freund: wenn euer Herr etwas mit Lovelacen zu ſprechen hat, ſo koͤnnt ihr ihmſagen,336ſagen, daß Herr Lovelace hier wohnet, und ihm in dieſem Hauſe aufwarten wird, wenn er es be - liebet.

Mein liebes Kind ſahe etwas beſtuͤrtzt aus, als wenn es glaubte, daß ich mich uͤbereilt und in Gefahr geſetzt haͤtte. Der Kerl gieng weg. Jch wunderte mich (damit ſie ſich nicht zuerſt daruͤber verwundern moͤchte) daß der Capitain Tomlinſon, wer er auch waͤre, nicht ſelbſt kaͤme, oder zum we - nigſten das zweyte mahl ein paar Zeilen geſchrie - ben haͤtte, da er doch glauben koͤnnte, daß ich hier anzutreffen waͤre. Weil man aber dennoch be - fuͤrchten mußte, daß es eine Schelmerey von dem Jacob Harlowe ſeyn koͤnnte, der, wie ich ſagte, ein Hertz aber nicht einen Kopf zum Schelm haͤtte; ſo gab ich den Bedienten und den Frauensleuten in dem Hauſe ihre Verhaltungs-Befehle, und ließ ſie alle zuſammen kommen, um der Sache deſto mehr Anſehen zu geben. Meine Geliebte ent - ſchloß ſich, keinen Fuß aus dem Hauſe zu ſetzen, bis ſie den Ausgang dieſes wunderlichen Spiels ſaͤhe.

Hier muß ich ſchließen. Jch bin ſehr un - ruhig.

Das eintzige muß ich noch hinzu thun: der arme Belton braucht deiner. Jch darf bey den Umſtaͤnden keinen Fuß aus dem Hauſe ſetzen.

Mowbray und Tourville ſchweifen jetzt ohne Haupt, ohne Haͤnde, ohne Seele herum; weil ſie keinen von beyden zum Anfuͤhrer haben. Sie werden (wie ſie ſagen) ſo roſtrig, daß wederUebung337Uebung noch Oel ſie wieder wird blanck machen koͤnnen.

Wie gehet es deinem Onckel?

Der neun und dreyßigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.

Der Tomlinſon hat uns nicht allein geſtern den gantzen Abend, ſondern auch heute fruͤh bey dem Thee Materie zur Unterredung gegeben. Sie behauptete noch, er waͤre der Vorbote des Un - gluͤcks-Vogels, des Singletons. Jch aber glaubte, daß ihr Vetter Morden angekommen waͤre, und ſie vorher etwas unruhig machen wollte, ehe er ihr ſelbſt zuſpraͤche. Leute, die viel auf Reiſen gewe - ſen waͤren, faͤnden daran ein Vergnuͤgen. Und warum (ſagte ich) machen wir uͤber alles, was wir nicht gleich voͤllig begreiffen koͤnnen, die allergefaͤhr - lichſten Auslegungen?

Sie antwortete: es ſey ihr bisher ſo viel wi - driges begegnet, daß ihre Furcht viel ſtaͤrcker ge - worden ſey, als ihre Hoffnung.

Das macht mich ihrentwegen beſorget, Fraͤulein, daß ſie gar zu niedergeſchlagen wer - den, und kuͤnftig des Vergnuͤgens, das auf uns wartet, nicht mehr faͤhig ſeyn moͤchten.

Vierter Theil. YSie338

Sie antwortete ſehr ernſthaft: ſie hoffete, daß die Betrachtung ihrer Pflicht, und die Erkenntniß der vielen unverdienten goͤttlichen Wohlthaten ſie nicht wuͤrde undanckbar gegen den Geber aller gu - ten Gaben werden laſſen! und wo ein danckbares Gemuͤthe waͤre, da waͤre auch ein froͤliches Hertz.

Sie erwartet demnach alles zukuͤnftige Ver - gnuͤgen und Ruhe ihres Lebens blos von dem un - ſichtbaren Gott. Sie hat Recht: denn diejeni - gen werden ſich am wenigſten in ihrer Hoffnung betrogen ſehen, die das Gute von den Mittel-Ur - ſachen nicht erwarten. Bin ich nicht eben ſo fromm und ernſthaft, als ſie?

Sie hatte kaum ausgeredet, ſo kam Dorcas wieder laͤrmend herauf gelaufen. Mir ſelbſt fing das Hertz an zu ſchlagen, wie die Unruhe in der Uhr. Meines Kindes Hertz pochete, wie ich an den Bruͤſten ſehen konnte, die bis an den Kinn ſchwollen.

Meine Geliebte machte die richtige Anmer - ckung: gemeine Leute haͤtten immer auf eine dum - me Art mit dem Wunderbaren zu thun: und ſie koͤnnten die gemeineſten Zufaͤlle des Lebens ſo vor - ſtellen, daß man ſich daruͤber erſchrecken muͤßte.

Was der Teufel (ſagte ich zu der Hexe) ſoll das Laͤrmen? Was ſperret ihr die Finger von ein - ander? O gnaͤdiger Herr! O gnaͤdige Frau! Was fuͤr ein albernes Schreien. Verfluchtes Maͤdchen! Wuͤrdet ihr eine halbe Minute ſpaͤter gekommen ſeyn, wenn ihr ordentlich gegangen waͤret?

Ja,339

Ja, Capitain Tomlinſon: gnaͤdiger Herr

Capitain Teufelſon! Was frage ich d〈…〉〈…〉 nach? Seht ihr nicht, in was fuͤr Unruhe ihr meine Lieb - ſte ſetzet?

Mein lieber Herr Lovelace, (ſagte die Fraͤu - lein mit Zittern. Wenn ſie Abſichten hat, denn bin ich der liebe Herr Lovelace) wenn mein Bru - der, oder wenn Singleton unten ſeyn ſollte; ſo bitte ich ſie, ſie werden es mir nicht abſchlagen, ich bitte ſie recht ſehr, halten ſie ſich in Schrancken. Mein Bruder bleibt doch mein Bruder. Sin - gleton iſt blos von ihm abgeſchickt.

Jch ſchlug meine beyden Arme um meinen Schatz, (denn ich dachte, der Teufel muͤßte gar dahinter ſtecken, wenn ſie dergleichen unſchuldige Freyheiten von ihrem lieben Lovelace nicht dul - den wollte, da ſie eben etwas zu bitten hat) und ſagte: ſie ſollen alles ſelbſt mit anhoͤren, was wir mit einander reden werden. Dorcas, laßt den Herrn berauf kommen.

Laſſen ſie mich erſt in meine Stube gehen. Laſſen ſie ihn nicht erfahren, daß ich in dem Hau - ſe bin.

Das liebe Kind! Du ſieheſt, Belford, daß es mich nicht gern verlaſſen will. Die kleinen Hexen! Wenn man ſie nicht bisweilen uͤbereilen koͤnnte, ſo wuͤrde ein ehrlicher Mann gar nicht wiſſen, wie er mit ihnen daran iſt.

Sie ging weg, um uns zu behorchen. Ob - gleich mein Anſchlag nicht alle die Folgen gehabt hat, die ich hoffete und wuͤnſchete, ſo muß ich dirY 2doch340doch eine ſehr umſtaͤndliche Nachricht von allem geben, was zwiſchen Tomlinſon und mir vorge - fallen iſt, damit du alle meine Abſichten uͤberſehen koͤnneſt.

Tomlinſon trit herein, in einem Reit - Kleide, und die Gaͤrte in der Hand.

Jhr gehorſamer Diener, mein Herr. Jch ver - muthe, ſie ſind Herr Lovelace.

Jch heiße Lovelace.

Nehmen ſie nicht unguͤtig, daß ich an dieſem Tage komme, und die Gaͤrte in der Hand habe. Jch muß gleich aus der Stadt gehen, damit ich dieſen Abend noch zu Hauſe ſeyn koͤnne.

Der Tag iſt ein guter Tag. Jhre Gaͤrte braucht keine Entſchuldigung.

Als ich meinen Diener ſchickte, dachte ich nicht, daß ich Zeit haben wuͤrde, mir ſelbſt dieſe Ehre zu geben. Jch wollte alſo meinem Freunde zum wenigſten dieſe Gefaͤlligkeit erzeigen, daß ich mich nach ihrer Wohnung erkundigte, und mit ei - niger Gewißheit erfuͤhre, ob ſie ſich ſprechen ließen, oder ob man ihre Gemahlin ſprechen koͤnnte.

Sie muͤſſen am beſten wiſſen, weswegen ſie gekommen ſind, und wie viele Zeit ſie haben. Jch erwarte alſo, was ſie zu befehlen haben.

Hier ward mein Kind unruhig daruͤber, daß ich ſo kurtz antwortete. Was ich von ihren Gemuͤths-Bewegungen ſchrei - ben werde, habe ich erſt nachher erfah - ren: wie du von ſelbſt abnehmen wirſt.

Jch341

Jch hoffe, mein Herr, daß ich ſie durch nichts beleidiget habe. Es iſt zum wenigſten von mei - ner Abſicht weit entfernet.

Nein! im geringſten nicht.

Jch habe keinen Vortheil oder Schaden bey der gantzen Sache. Jch moͤchte vielleicht allzu dienſtfertig zu ſeyn ſcheinen! und wenn ſie mich ſo anſehen, ſo will ich mich weiter in die Sache nicht mengen, wenn ich ihnen nur einen Winck von dem gegeben habe, was mir aufgetragen iſt.

Was iſt ihnen denn aufgetragen?

Sie werden mir hoffentlich eine eintzige Fra - ge nicht fuͤr uͤbel nehmen. Wuͤnſchen ſie mit ei - nem, Nahmens Johann Harlowe ausgeſoͤhnet zu werden, und wollen ſie von ihrer Seiten alles mit dazu beytragen, was ſie ohne Verletzung ihrer Ehre beytragen koͤnnen? Wollen ſie ſich mit ihm ausſoͤhnen, um kuͤnftig mit der gantzen Fami - lie ausgeſoͤhnet zu werden?

(Wie ſchlug mir hiebey das Hertz! ſagte mein Kind.)

Jch kann darauf nicht antworten. (Hier ſchlug der Fraͤulein das Hertz ohne Zweifel heftiger) Die gantze Familie iſt mir ſehr uͤbel be - gegnet. Sie haben ſich gegen mich, und ſo gar gegen meine Anverwandten groͤßerer Freyheiten heraus genommen, als ich verſchmertzen kann.

Mein Herr, ich habe weiter nichts zu ſagen. Jch bitte um Vergebung, daß ich mich in fremde Sachen gemiſchet habe.

Hier waͤre mein Kind beynahe umgefal -Y 3len:342len: und hatte ſehr uͤble Gedancken von mir.

Mit Erlaubniß, laſſen ſie uns gleich verneh - men, worin ihre Commißion beſtehet? denn es ſcheinet eine Commißion zu ſeyn.

Es iſt eine Commißion: und ich glaubte, ſie wuͤrde allen mit einander angenehm ſeyn, ſonſt haͤt - te ich mich nicht damit bemenget.

Vielleicht haben ſie recht, wenn ich nur wuͤßte, was ihnen aufgetragen iſt. Darf ich aber vorher eine Frage thun? Kennen ſie den Obriſten Mor - den?

Nein! ich kenne ihn nicht von Anſehen. Jch habe zwar meinen Freund, den Herrn Johann Harlowe, oͤfters ſehr vortheilhaft von ihm reden hoͤren, und ich weiß, daß ihnen beyden die Ausrich - tung eines gewiſſen Teſtaments aufgetragen iſt.

Jch dachte Anfangs, der Obriſte waͤre hier an - gelanget, und ſie moͤchten vielleicht ein Freund von ihm ſeyn, durch deſſen Huͤlfe er uns auf eine an - genehme Weiſe uͤberfallen wollte.

Wenn der Obriſte Morden in England waͤ - re, ſo muͤßte Herr Harlowe es wiſſen, und als - denn wuͤrde ich es gewiß auch wiſſen.

Gut! Allein haben ſie etwas von dem Herrn Harlowe an mich auszurichten?

Jch will ihnen alles in der groͤßeſten Kuͤrtze ſagen. Jch muß aber vorher eine Frage thun, die gewiß nicht aus Neugier geſchiehet, darauf ich aber eine Antwort haben muß, ehe ich mehr ſagenkann.343kann. Sie werden das ſelbſt aus der Frage ab - nehmen.

Was iſt das fuͤr eine Frage?

Ob ſie wircklich und bona fide mit der Fraͤu - lein Clariſſa Harlowe getrauet ſind?

(Jch ſtutzte, und antwortete mit erhabener Stimme:) iſt das eine Frage, darauf ſie eine Ant - wort haben muͤſſen, ehe ſie das ausrichten koͤnnen, was ihnen aufgetragen iſt?

Jch habe die beſte Abſicht, Herr Lovelace. Herr Harlowe hat mich erſuchet, ihm dieſen Lie - bes Dienſt zu erzeigen. Jch habe ſelbſt Toͤchter und Bruders-Toͤchter. Wenn ich es nicht fuͤr einen unſchaͤdlichen Liebes-Dienſt gehalten haͤtte, ſo wuͤrde ich mich nie damit verworren haben, da ich mit meinen eigenen Geſchaͤften gnug zu thun ha - be. Jch kenne die Welt, und ich nehme mir die Freyheit zu ſagen, wenn die Fraͤulein

Sie heißen, Capitain Tomlinſon?

Ja! ich heiße Tomlinſon.

Herr Capitain Tomlinſon, ich muß alle Frey - heit verbitten, die nicht ſehr eingeſchraͤnckt und be - hutſam iſt, wenn ſie von dieſem Frauenzimmer reden.

Sie haͤtten Recht mir dieſe Erinnerung zu geben, wenn ſie gehoͤret haͤtten, was ich ſagen will, und ich durch ein eintziges Wort zu dieſer Erinne - rung Anlaß gegeben haͤtte. Jch weiß ſo gut, als es einer auf der Welt wiſſen kann, was ich einem tugendhaften Frauenzimmer ſchuldig bin.

Y 4Es344

Es ſcheint, ſie werden hitzig, Herr Capitain. Wenn ſie etwas an mich ſuchen, (o wie zitterte ich! ſagte die Fraͤulein zu mir, als ſie auf dieſe Stelle unſerer Unterredung zu ſprechen kam,) ſo muͤſſen ſie wiſſen, daß dieſes ein privilegirter Ort iſt. Es iſt jetzund mein Haus, darinn ein jeder Herr ſicher ſeyn kann, der ſich die Muͤhe nimmt, mir zuzuſprechen: er mag es thun, mit welchem Endzweck er will.

Jch erinnere mich nicht, daß ich ihnen Gele - genheit gegeben habe, mir ſo zu antworten. Jch habe kein Bedencken, ihnen aufzuwarten, an wel - chem Orte ſie es befehlen, wenn ich ihnen hier beſchwerlich bin. Jch habe ſchon zum voraus ge - hoͤret, daß ich mit einem hitzigen jungen Herrn zu thun haͤtte: weil ich aber wußte, daß ich eine gute Abſicht hatte, und daß mir nichts als Freundſchaft gegen Freundſchaft anzubieten aufgetragen war; ſo war ich einigermaßen außer Sorgen. Jch glau - be, daß ich beynahe noch einmahl ſo alt bin, als ſie, Herr Lovelace. Jch verſichere ihnen, wenn ihnen das unangenehm iſt, was ich zu ſagen habe, oder wenn ihnen die Art misfaͤllig iſt, mit der ich es anbringe: ſo kann ich es auf eine andere Zeit aufſchieben, oder gantz fallen laſſen: ſo wie es ih - nen beliebig iſt. Jch bitte mir alſo ihre weiteren Befehle vor morgen fruͤh um acht Uhr aus. (Er wollte mir hierauf ſagen, wo er anzutreffen waͤre.)

Mein Herr Capitain, ihre Antwort gefaͤllt mir wohl. Jch mag Leute leiden, die Hertz ha - ben. Haben ſie im Kriege gedienet?

Ja,345

Ja, das habe ich gethan: ich habe aber mein Schwerdt in eine Pflug Schare verwandelt, wie die Schrift ſaget. (Das war ein frommer Mann. An dem Ausdruck wird ſich mei - ne Horcherin erbauet haben.) Mein groͤßtes Vergnuͤgen iſt ſeit einigen Jahren gewefen, ein Erb-Gut in guten Stand zu ſetzen. Jch liebe brave Leute noch jetzt eben ſo ſehr, als ich ſie jemahls in meinem Leben geliebet habe. Allein vergoͤnnen ſie mir zu ſagen: wenn ſie ſo alt werden, als ich bin, ſo werden ſie die Hertzhaftigkeit nicht ſo ſehr in der Jugend-Hitze ſetzen, als ſie jetzt zu thun ſcheinen.

(Das war ein guter Mann. Der nahm auf einmahl Ohren und Hertz meiner Schoͤnen ein. Sie ſagte: es waͤre gut, daß einige ihren Zorn durch Weisheit maͤßigen koͤnnten.)

Gut, mein Herr Capitain. Sie geben Erin - nerungen fuͤr Erinnerungen: wir haben nunmehr einander nichts vorzuwerfen. Darf ich aber nun fragen, was ſie auszurichten haben?

Erlauben ſie mir vorher, meine Frage noch einmahl zu wiederhohlen. Sind ſie gewiß und bona fide mit der Fraͤulein Clariſſa Harlowe getrauet?

Die Frage iſt ſehr offenhertzig! Wie? wenn ich ihnen nun antwortete, daß ich mit ihr getrauet bin?

Denn halte ich ſie fuͤr einen rechtſchaffenen Herrn!

Y 5Das346

Das hoffe ich zu ſeyn; ſie moͤgen mich dafuͤr halten oder nicht.

Herr Lovelace, ich will offenhertzig mit allem dem herausgehen, was ich zu ſagen habe. Herr Johann Harlowe hat kurtzens erfahren, daß ſie mit ſeiner Fraͤulein Baſe in einem Hauſe wohnen, und ſchon einige Zeit ſo gewohnet haben: wie auch, daß die Fraͤulein geſtern vor acht Tagen mit ihnen in der Comoͤdie geweſen iſt. Er hoffet, daß ſie wircklich Eheleute ſind: weil er aber ihren Kopf zu kennen glaubet, und weiß, daß ſie eine Verach - tung gegen ſeine gantze Familie bezeuget haben, und ſich eine Verbindung mit derſelben fuͤr ſchimpf - lich halten: ſo wuͤnſchte er, daß ich aus ihrem ei - genen Munde wegen ihrer Trauung eine Verſiche - rung haben moͤchte, ehe er einen weitern Schritt thut. Sie muͤſſen mir nicht uͤbel nehmen: er wird mit einer Antwort, die noch dem geringſten Zweifel unterworfen iſt, nicht zufrieden ſeyn.

Und nehmen ſie mir nicht uͤbel: es iſt eine verdammte und niedertraͤchtige Verwegenheit, nur zu gedencken

Mein Herr, Herr Lovelace, werden ſie nicht boͤſe, die Anverwandten der Fraͤulein ſind fuͤr die Ehre ihrer Familie beſorgt. Sie muͤſſen, eben ſo wohl als ſie, erſt einige Vorurtheile uͤberwinden. Man kann mannigmahl eine Gelegenheit erſehen und das Frauenzimmer kann doch außer Schuld ſeyn.

Dieſe Fraͤulein giebt keine Gelegenheit: und wenn eine Gelegenheit moͤglich waͤre, ſo frage ichſie,347ſie, mein Herr Capitain, was muͤßte das fuͤr ein Menſch ſeyn, der eine ſolche Gelegenheit mis - brauchte? Kennen ſie die Fraͤulein?

Jch habe nur einmahl die Ehre gehabt, ſie in der Kirche zu ſehen; und ich wuͤrde ſie ſchwerlich wieder kennen.

Sie nicht wieder kennen? Jch daͤchte, daß kein Menſch auf der Welt ſie geſehen haͤtte, der ſie nicht unter tauſenden wieder kennen ſollte.

Jch erinnere mich, daß ich glaubte, nie ein ſchoͤneres Frauenzimmer in meinem Leben geſehen zu haben. Jch glaube indeſſen, ſie werden darin mit mir einig ſeyn, Herr Lovelace, daß es beſſer iſt, wenn ihre Anverwandten ihnen durch einen unbilligen Verdacht Unrecht thun, als wenn ſie der Fraͤulein Unrecht gethan haͤtten. Jch hoffe, ſie werden mir erlauben, meine Frage zu wieder - hohlen.

Dorcas kam eilig herein.

Ein fremder Herr verlangt ſie den Augen - blick zu ſprechen. Die Fraͤulein! (in das Ohr.)

Konnte meine ſchoͤne Heilige durch Dorcas eine ſolche Unwahrheit ſagen laſſen, um mich ab - zuhalten, daß ich keine Unwahrheit ſagen moͤch - te?

Bittet den Herrn, daß er unten in einen Saal gehet. Jch werde ihm augenblicklich auf - warten.

Dorcas gehet hinaus.

Jch wußte wohl, daß mich das liebe Kind un - terrichten wollte, wie ich die Gewiſſens-Frage desCapi -348Capitains zu beantworten haͤtte. Jch wußte, was ich antworten wollte; das kannſt du glau - ben: allein die Abſendung der Dorcas machte mich furchtſam. Jch war eben mit einem Mei - ſterſtuͤcke in Arbeit. Jch wollte mir die genaue Erkundigung des Capitains zu Nutze machen, und ſie dadurch zwingen, ſich vor ihm fuͤr verehe - licht auszugeben, wie ſie unten im Hauſe gethan hatte. Haͤtte ſie dieſes gethan, ſo ſollte ſie an ih - ren Onckle ein Danckſagungs-Schreiben ergehen laſſen, welches ſie haͤtte unterzeichnen muͤſſen, Clariſſa Lovelace. Daher hatte ich nicht Luſt, ihr auf den erſten Wink zu kommen. Weil ich aber doch die Sachen nicht zu weit treiben wollte, ſo ſuchte ich ihn von ſeiner Frage abzubringen, und die Unterredung ſo zu lencken, daß er eine naͤhere Nachricht von ſeinen Umſtaͤnden geben mußte; wie auch, woher Herr Harlowe das Haus erfahren haͤtte, in dem wir wohneten; und von andern Dingen mehr, die ſie aufmerckſam machen, und zugleich uͤberzeugen konnte, daß es noͤthig waͤre, die bejahende Antwort zu ertheilen, die ſchon in meiner Bruſt beſchloſſen war. Alles dieſes geſchahe um ihrentwillen. Jch fragte ſie ſelbſt nachher: was mir daran gelegen waͤre, ob wir mit einer Famile ausgeſoͤhnet wuͤrden, die ich Zeit Lebens verachten muͤßte?

Sie glauben, Herr Capitain, daß ich ihre Fra - ge zweydeutig beantwortet habe. Sie moͤgen das glauben. Jch habe eine feine Gabe von Hoch - muth: und wenn ſie nicht ein Cavallier waͤren,der349der ſich in der beſten Abſicht unſerer Sache an - nimmt, ſo wuͤrde ich eine Frage ſehr uͤbel nehmen, bey der meine Ehre und die Ehre eines mir ſo wer - then Frauenzimmers in Zweifel gezogen wird. Ehe ich aber ihre Frage gerade zu beantworte, ſo erlauben ſie mir, daß ich auch ein paar Fragen thun darf.

Von Hertzen gern. Fragen ſie, was ſie be - lieben: ich will aufrichtig und offenhertzig ant - worten.

Sie ſagen, Herr Harlowe habe erfahren, daß wir mit einander in der Comoͤdie geweſen ſind: und daß wir uns beyde in einem Hauſe aufhal - ten. Allein, ich bitte ſie, wie hat er das erfahren koͤnnen? Denn aus gewiſſen Urſachen, die mich nicht eigentlich angehen, habe ich es mir gefallen laſſen, daß niemand etwas von unſerm Aufent - halt wiſſen ſollte. Dieſes gehet ſo weit, daß nicht einmahl die Fraͤulein Howe, mit der meine Lieb - ſte Briefe wechſelt, weiß, in welchem Hauſe wir wohnen, und ihre Briefe in ein drittes Haus ſchi - cken muß.

Ein Pachter des Herrn Harlowe hat ſie ge - ſehen. Er hat auf alle ihre Schritte und Tritte Achtung gegeben. Als die Comoͤdie zu Ende war, folgete er ihrer Kutſche bis an das Haus nach. Den andern Tag, der ein Sonntag war, ſetzte er ſich fruͤh Morgens zu Pferde, und brachte ſeinem Herrn Nachricht von dem, was er geſehen hatte.

Wie350

Wie wunderlich doch die Dinge kommen koͤn - nen, Herr Tomlinſon! Weiß aber ſonſt einer von den Harlowes, wo wir uns aufhalten?

Nein! das iſt ein Geheimniß vor der gantzen Familie: und ſoll es auch bleiben. Auch dieſes iſt ein Geheimniß, daß Herr Hans Harlowe durch mich einen Antrag zur Ausſoͤhnung thun laͤßt, im Fall ſeine Fraͤulein Baſe wircklich ge - trauet iſt. Vielleicht weiß er, daß er mit einigen Leuten viel zu thun haben wird, ehe er ſie herum lencken kann, wenn er ihnen gleich wegen dieſes Puncts alle noͤthige Verſicherungen geben koͤnnte.

Jch glaube ihnen das gern, Herr Capitain. Die Thorheit der gantzen Familie ſchreibt ſich von dem eintzigen Jacob Harlowe her. Kluge Narren! (Hier fing ich an großmuͤthig auf und ab zu gehen). Die ſich von einem aus ih - rer Bande anfuͤhren laſſen, weil ihn Bosheit oh - ne Verſtand etwas lebhafter macht, als die uͤbri - gen ſind. Allein wie lange iſt es, daß Herr Hans Harlowe dieſe friedfertigen Gedancken ge - habt hat?

Jch will ihnen hievon, und von der erſten Veranlaſſung dazu, eine umſtaͤndliche Antwort ge - ben: und mich uͤber alles das, was ſie betreffen kann, ſehr deutlich erklaͤren. Jch thue dieſes de - ſto lieber, weil ſie, wenn ſie alles gehoͤrt haben, ſehen werden, daß ich mich nicht unnoͤthiger Wei - ſe in fremde Haͤndel miſche.

Jch351

Jch bin begierig auf das, was ſie ſagen wer - den, mein Herr Capitain.

(Jch glaube, meine Geliebte war begie - riger als ich).

Sie muͤſſen wiſſen, daß ich nur wenige Mo - nathe in der Nachbarſchaft des Herrn Harlo - we gewohnet habe. Jch habe mich aus der Grafſchaft Northampton dahin begeben, theils um eine der beyden Vormundſchaften, die ich nothwendig habe uͤbernehmen muͤſſen, beſſer be - ſtreiten zu koͤnnen, (denn dieſe erfodert, daß ich oͤfters nach London reiſe, und hat auch meinen heutigen Weg in die Stadt veranlaſſet) theils ei - nem in Unordnung gerathenen Gute wieder auf - zuhelfen, welches mir kurtzens zugefallen iſt. Ob nun gleich unſere Freundſchaft noch nicht alt iſt, und ſich zuerſt auf der großen Kegel-Bahn an - gefangen hat, (denn du mußt wiſſen, Bel - ford, daß der alte Onckle Hans ein großer Lieb - haber von dem Kegel-Spiel iſt) da ich zu jeder - manns Vergnuͤgen einen Streit ſchlichtete, wel - cher ſchlimme Folgen haͤtte haben koͤnnen: ſo koͤnnen doch Bruͤder nicht mehr aufrichtige Lie - be und Werthachtung fuͤr einander haben, als wir haben. Sie wiſſen, daß zwiſchen einigen Gemuͤthern eine beſondere Uebereinſtimmung iſt, dadurch man in wenigen Stunden genauer mit einander bekannt wird, als andere, die ſich doch auch nicht feind ſind, in vielen Jahren.

Das iſt wahr, Herr Capitain.

Als352

Als einen ſo beſondern vertrauten Freund bat mich Herr Harlowe am Monntage, als den 15ten dieſes, wie ich mich noch genau erinnere, daß ich mit nach ſeinem Hauſe kommen moͤchte. Er gab mir zu Hauſe von der gantzen ungluͤck - lichen Zwiſtigkeit eine ausfuͤhrliche Nachricht. Vorhin hatte ich von der gantzen Sache nichts gewußt, als nur durch die allgemeine Sage der Leute. Denn ſo vertraut wir waren, ſo vermied ich doch alle Gelegenheit, von einer Sache zu reden, die ihm ſo empfindlich war; bis er von freyen Stuͤcken davon zu reden anfing. Er ſagte mir, daß ein gewiſſer Herr, den er auch nennete, vor wenigen Tagen mit ihm geredet und ihn erſucht haͤtte, nicht allein ſelbſt ſich mit ſei - ner Fraͤulein Baſe auszuſoͤhnen, ſondern auch an einer allgemeinen Verſoͤhnung zu arbeiten. Ein gleicher Antrag, ſagte er, waͤre auch ſeiner Schweſter der Frau Harlowe durch eine gute ehrliche Frau geſchehen, die bey der gantzen Fa - milie in großem Auſehen waͤre. Dieſe haͤtte ſich mercken laſſen, daß die Fraͤulein Harlowe geneigt waͤre, ſie zu verlaſſen, und ſich zu ihren Freunden zu begeben, wenn ſie die geringſte Hoff - nung haͤtte, daß ſie angenommen werden wuͤrde: wo nicht, ſo muͤßte ſie nothwendig die ihrige werden.

Jch hoffe nicht, Herr Lovelace, daß ich zu viel rede, und zu einem Misverſtaͤndniß Anlaß gebe. Jch ſehe, daß ſie ſeufzen.

Fahren353

Fahren ſie fort, Herr Capitain: fahren ſie fort. (Jch ſeufzete noch tiefer.)

Es kam allen ſehr ſonderbar vor, daß eine Fraͤulein die Manns-Perſon jetzt nicht nehmen wollte, mit der ſie vor wenigen Wochen davon gegangen waͤre.

Hievon nicht mehr, Herr Capitain: das eine bitte ich mir aus, Herr Capitain Tomlinſon. Meine Geliebte iſt ein Engel, und hat in keinem Stuͤcke gefehlet. Jſt etwas verſehen, ſo haben wir beyde es verſehen. Sie wollen erzaͤhlen, daß ihre unverſoͤhnlichen Anverwandten den Antrag zur Verſoͤhnung abgewieſen haben. Das weiß ich. Es war einiges Misverſtaͤndniß unter uns. Sie wiſſen, daß das unter Verliebten nicht viel zu bedeuten hat. Wir ſind ſeitdem deſto vergnuͤg - ter geweſen.

Herr Harlowe dachte nachher der Sache weiter nach, und verlangete meinen Rath. Er ſagte mir, ein Vater koͤnnte ſeine Tochter nicht zaͤrtlicher lieben, als er die Fraͤulein geliebet haͤt - te: die er gemeiniglich ſeine Tochter und Baſe zu nennen pflegte. Er geſtand, ihr Bruder und ihre Schweſter waͤren ihr in der That unfreund - lich begegnet: und weil eine Verbindung mit ihnen der Familie zur Ehre gereichte, ſo wollte er ſein moͤglichſtes thun, alles in das feine zu bringen, wenn er nur gewiß wuͤßte, daß ſie bey - de wircklich Eheleute waͤren.

Und was gaben ſie ihm fuͤr einen Rath, Herr Capitain?

Vierter Theil. Z Jch354

Jch ſagte: wenn ſie ſeiner Fraͤulein Baſe wircklich uͤbel begegneten, und ſie ſich in ungluͤck - lichen Umſtaͤnden befaͤnde, ſo wuͤrde ſie bald noch einmahl ſchreiben: jetzt aber waͤre mir es wahr - ſcheinlich, daß ſie den Antrag ohne Hoffnung ei - nes gluͤcklichen Erfolgs haͤtte thun laſſen, um nur einen guten Vorwand zu haben, daß ſie ſich trauen ließe. Dieſes wuͤrde mir noch wahr - ſcheinlicher, da ich von ihm vernaͤhme, daß die Fraͤulein nicht ſelbſt geſchrieben haͤtte, ſondern daß alles durch die Hand eines andern Frauen - zimmers gegangen waͤre, welches mit der Fami - lie nicht am beſten ſtuͤnde. Dieſe Perſon wuͤr - de nicht gebraucht ſeyn, wenn ſeine Fraͤulein Baſe wircklich etwas bey den ihrigen ſuchte.

Das war gut gedacht, Herr Capitain. Er - zaͤhlen ſie weiter.

So blieb es, bis auf vorigen Sonntag A - bend, an welchem Herr Harlowe mit dem Pach - ter zu mir kam, der ſie und ihre Gemahlin (wie ich hoffe) in der Comoͤdie geſehen haͤtte. Weil nun jener Antrag, der ſie als unverheyrathet vorſtellete, noch gantz neu war, ſo war er fuͤr die Ehre ſeiner Baſe auf eine ſo unruhige Art beſorgt, daß ich ihm anrieth, einen Menſchen, auf den er ſich verlaſſen koͤnnte, nach London zu ſchicken, und ſich genauer zu erkundigen.

Das war alles ſehr gut. Folgete denn Herr Harlowe ihrem Rath?

Er ſchickte einen verſtaͤndigen Mann nach London, auf den er ſich verlaſſen konnte. Mich duͤnckt355 duͤnckt es war am Dienſtage, als er ſich nach ih - nen erkundigte, denn am Mittewochen kam er wieder zu uns hinaus. (Das iſt derſelbige Menſch, Belford, uͤber den wir ſo unruhig geweſen ſind.) Da aber niemand eine hin - laͤngliche Nachricht zu geben im Stande war, ſo ſuchte er eine Gelegenheit, das Cammer. Maͤd - chen zu ſprechen, welches ſagte, daß ſie wircklich getrauet waͤren. Weil er aber nicht ſagen woll - te, von wem er geſchickt waͤre, ſo weigerte ſich das Cammer-Maͤdchen ihn von dem Tage der Trauung und von andern Umſtaͤnden eine ge - naue Nachricht zu geben.

Sie geben eine ſehr vollſtaͤndige Nachricht, daraus mir alles begreiflich wird. Fahren ſie fort.

Der Freund kam zuruͤck. Weil aber noch nicht alle Zweifel des Herrn Harlowes gehoben waren, und er gern etwas gewiſſes haben woll - te, darauf er fußen koͤnnte; ſo bat er mich, daß ich die Muͤhe uͤber mich nehmen moͤchte, da ich doch oͤfters nach London reiſete. Er ſagte zu mir: Herr Tomlinſon, ſie haben ſelbſt Kin - der: ſie kennen die Welt: ſie wiſſen was mein Endzweck iſt. Jch habe das Vertrauen zu ih - nen, daß ſie klug und hertzhaſt zu Werke gehen werden: und was ihnen eine hinlaͤngliche Ver - ſicherung zu ſeyn ſcheinet, das will ich auch fuͤr eine hinlaͤngliche Verſicherung halten.

Dorcas kam mit Ungeſtuͤm in die
Stube.
Der fremde Herr wird ungeduldig.
Z 2Jch356

Jch will ihm den Augenblick aufwarten.

Der Capitain fuhr indeſſen fort, ſich zu ent - ſchuldigen, daß er nicht ſelbſt zu uns gekommen waͤre, da er doch vermuthete, daß wir hier in dem Hauſe waͤren. Er ſagte: er haͤtte wichtige Geſchaͤfte ohngefaͤhr eine Meile jenſeits London auszurichten, und er haͤtte geſtern dahin reiten wollen. Da er aber ſeine kleine Reiſe haͤtte auf - ſchieben muͤſſen, und erfahren haͤtte, daß wir zu Hauſe waͤren, ohne zu wiſſen, ob er eine ſo gute Gelegenheit wieder haben wuͤrde, ſo haͤtte er ver - ſuchen wollen, was er ausrichten koͤnnte, und haͤtte ſich die Freyheit genommen, geſtiefelt und geſpornet hieher zu kommen.

Er ließ auch ein Paar Worte zum Lobe der Leute, bey denen wir wohneten, fallen: allein auf ſolche Art, daß kein Argwohn daraus entſte - hen konnte, als haͤtte er fuͤr noͤthig erachtet, ſich nach Leuten, die ſich ſo wohl auffuͤhreten, erſt genauer zu erkundigen.

Bemercke hiebey, Belford, daß mein Kind durch noch einen Umſtand einen vortheilhaften Begriff von dieſen Leuten bekommen muß, wenn ſie ihm jemahls verdaͤchtig geweſen ſind: weil nehmlich die Perſon, die ihr Onckle am Dien - ſtage hereingeſchickt hat, nichts widriges von den Nachbaren gehoͤret hat.

Er ſagte endlich: ich habe ihnen nun von allen eine hinlaͤngliche Antwort gegeben. Sie werden mir erlauben, meine Frage nochmahls zu wiederhohlen, nehmlich

Dorcas357

Dorcas kam gantz außer Athem herein.

Der Herr will zu ihnen herauf kommen. (Auf der Seite in das Ohr:) meine Herr - ſchaft iſt ſehr ungeduldig. Sie wundert ſich, daß ihre Gnaden ſie ſo lange warten laſſen.

Erlauben ſie mir, Herr Capitain, daß ich auf einen Augenblick weggehen darf.

Jch kann ohnehin nicht laͤnger bleiben, Herr Lovelace. Wenn ſie meine Frage beantworten, ſo werden wir noch mehreres zu reden haben, da - zu Zeit gehoͤret. Wollen ſie mir erlauben, ihnen morgen fruͤh vor meiner Abreiſe aufzuwarten?

Seyn ſie ſo guͤtig und kommen zum Thee zu mir.

Es wuͤrde aber ſehr fruͤh ſeyn muͤſſen. Jch muß morgen Abend zu Hauſe ſeyn, oder meine Frau macht ſich allerhand Gedancken, und iſt meinetwegen in Sorgen. Jch muß auch noch an einigen Orten morgen einſprechen.

Wollen ſie denn morgen fruͤh um ſieben Uhr kommen? Wir ſtehen ſehr fruͤh auf. Das kann ich ihnen zum voraus ſagen: wenn ich jemahls mit der Harlowiſchen Familie ausgeſoͤhnet wer - den ſoll, ſo muß es durch die Vermittelung eines Herrn geſchehen, der ſich ſo maͤßigen und ein kaltes Blut behalten kann, als ſie.

Hierauf ſchieden wir auf die hoͤflichſte Weiſe von einander. Um dem ehrlichen und guten Mann keine unruhige Nacht zu machen, benahm ich ihm allen Zweifel, als wenn wir noch nicht ge -Z 3trauet358trauet waͤren, ohne dennoch etwas geradezu zu bejahen.

Der viertzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Johann Bel - ford.

Dieſer Capitain Tomlinſon iſt einer der gluͤcklichſten Leute in der Welt. Was wollte ich daſuͤr geben, wenn ich ſo gut als er bey meiner Geliebten angeſchrieben waͤre! Und den - noch bin ich eben ſo fromm, als er. Man darf mich nur ſelbſt meine Geſchichte erzehlen laſſen, und alles glauben, was ich ſage. Der Teufel haͤtte ihn aber hohlen ſollen, ehe er hier waͤre in das Haus kommen, wenn ich zum voraus gewußt haͤtte, daß ich meinen Haupt. Endzweck nicht durch ihn erreichen wuͤrde. Du weißt meine Abſicht ſchon aus meinem vorigen Briefe.

Jch komme nun, obgleich mit einigem Un - willen, auf die Unterredung, die ich mit meinem Kinde gehabt habe: mit Unwillen ſage ich, denn ſie hat bey nahe einen Sieg uͤber mich erhalten.

Nachdem ich den Capitain hinunter bis auf die Straße begleitet hatte, ſo ging ich wieder zu - ruͤck in den Speiſe Saal, und ſahe ſehr vergnuͤgt aus, als die Fraͤulein herein trat. O mein lie -bes359bes Kind, nun darf ich ihnen doch Gluͤck dazu wuͤnſchen, daß ſich alles ſo gut und ſo erwuͤnſcht anlaͤßt! Jch ergriff ihre Hand, und liebkoſete und kuͤſſete ſie.

Als ich aber weiter reden wollte, ſo ſagte ſie: nun ſehen ſie, Herr Lovelace, in was fuͤr Ver - wirrung ſie ſich ſelbſt dadurch geſetzet haben, daß ſie nicht bey der Wahrheit geblieben ſind. Sie haben auf eine erlaubte und gut-gemeynte Frage keine rechte Antwort geben koͤnnen, obgleich alles er - wuͤnſchte, dazu ſie mir Gluͤck wuͤnſchen, von der Beantwortung dieſer Frage abhaͤngt.

Sie wiſſen, (ſagte ich) was fuͤr ge gruͤndete, was fuͤr recht zaͤrtliche Urſachen ich hatte, vorzu - geben, daß wir Eheleute waͤren. Sie ſehen, daß ich mir dieſen Vorwand nicht zu Nutze gemacht habe; und daß auch keine andere uͤble Folgen daraus entſtanden ſind. Jhr Ouckle ſelbſt ver - langet weiter nichts, als eine hinlaͤngliche Ver - ſicherung hievon

Kein Wort mehr hievon, Herr Lovelace. Jch will mich nicht allein in die Gefahr ſetzen, mit meinen Anverwandten nicht verſoͤhnet zu wer - den, ob mir gleich an dieſer Ausſoͤhnung ſehr vieles gelegen iſt, ſondern ich will auch dieſe Ausſoͤhnung ſchlechterdings verſchertzen, ehe ich eine ſolche Un - wahrheit noch ferner bekraͤftigen helfen ſollte.

Mein liebſtes Kind! Soll man mich da - fuͤr anſehen

Man ſoll ſie fuͤr das anſehen, was ſie ſind: und ich will von meines Onckels Freunden fuͤr kei -Z 4ne360ne andere angeſehen werden, als die ich in der That bin.

Eine Woche! Koͤnnen ſie denn nicht eine Woche lang, bis die Eheſtiſtung aufgeſetzt iſt

Nicht eine Stunde mit meinem guten Wil - len. Sie wiſſen nicht, mein guter Herr, wie nahe mir es gehet, daß ich bey den Leuten unten im Hauſe eine andere Perſon vorſtellen muß, als ich in der That bin Allein mein Onckle ſoll es mir niemahls vorwerfen koͤnnen, und mein Ge - wiſſen ſoll es mir auch nicht vorzuwerfen haben, daß ich ihm etwas weiß gemacht habe.

Was ſoll ich aber morgen den Capitain ſa - gen? Aus meinen Reden muß er glauben

So berichten ſie ihn beſſer, Herr Lovelace. Sagen ſie ihn die Wahrheit. Sagen ſie ihm ſo viel ſie wollen, daß ihre vornehmen Verwandten Gnade fuͤr mich haben: oder reden ſie mit ihm von der Eheſtiftung? Wenn ſie den Auffatz der Eheſtiftung ihm zeigen, und ſich ſeine Erinnerun - gen daruͤber ausbitten, ſo wird er deſtomehr ſe - hen, daß es ihnen ein Ernſt ſey.

Aber mein liebſtes Leben, koͤnnen ſie glauben, daß er gegen die Eheſtiftung das geringſte einzu - wenden haben wird? Gewiß nicht. Verflucht will ich ſeyn, wenn ich mich mit kaltem Blut von meinen Feinden unter die Fuͤße treten laſſe.

Und ich will in dieſem Leben keine vergnuͤgte Stunde haben, Herr Lovelace, wenn ich mei -nem361nem Onckle eine wiſſentliche Unwahrheit aufbin - de. Jch habe den Unwillen aller der Meinigen ſo lange erdulden muͤſſen, und ich bin nicht geſin - net, ihn ſo theuer abzukaufen, daß ich daruͤber zur Luͤgnerin werde.

Aber bedencken ſie, die Leute in dem Hau - ſe

Was frage ich nach denen? Jch verlange ihre Hochachtung und Freundſchaft nicht. Brauchen ſie alles zu wiſſen, was zwiſchen meinen Anver - wandten und mir vorgehet?

Jch frage auch nach den Leuten nichts. Aber nachdem ich uns gegen ſie fuͤr Eheleute ausgege - ben habe, um Ungluͤck zu vermeiden, ſo wollte ich nicht gern in ihren Augen ſo ſchwartz werden, als ein Luͤgner nach dem Urtheil meines lieben Kindes iſt. Jch will lieber ſterben, als mich ſo in das Angeſicht Luͤgen ftrafen, nachdem ich von unſerer Verehlichung alles ſo umſtaͤndlich erzaͤh - let habe.

Die Leute im Hauſe moͤgen denn glauben, was ſie wollen. Es iſt ein Verſehen von mir, daß ich ſie in ihrem Jrrthum beſtaͤrcket habe. Sie ha - ben ſelbſt ſo viele Umſtaͤnde erdichten muͤſſen, ei - ne eintzige Unwahrheit zu verkleiſtern; und das macht mich furchtſam, mich mit einer aberma - ligen Unwahrheit zu verwirren.

Sie ſehen aber doch, daß ihr Onckle wuͤn - ſchet, daß wir verheyrathet ſeyn moͤchten. Koͤn - nen wir uns nicht nachher in der Stille trauen laſ -Z 5ſen,362ſen, ehe er noch unſere Ausſoͤhnung mit der uͤbri - gen Familie zu vermitteln anfaͤngt?

Kein Wort weiter, Herr Lovelace. Wenn ſie die Wahrheit nicht ſagen wollen, ſo will ich ſie morgen fruͤh ſagen, wenn ich nur den Herrn Capitain ſpreche. Gewiß, das will ich thun.

Wollen ſie aber damit zufrieden ſeyn, daß hier im Hauſe alles in dem vorigen Stande bleibt? Es kann aus Tomlinſons gantzer Be - muͤhung nichts werden. Vielleicht ſucht ihr Bruder ſeine Anſchlaͤge auszufuͤhren, ſonderlich wenn er gar von ihrem Onckle erfaͤhrt, daß ſie keinen ſolchen Beſchuͤtzer haben, den die Geſetze beſtaͤtigen. Sie werden ſich doch das zum we - nigſten gefallen laſſen, daß alles ſo bleibt, wie es geweſen iſt.

Wenn ich das zugebe, ſo ſetze ich meine vo - rige Suͤnde fort. Jedoch, da die Urſache, die uns dazu zwinget, bald voruͤber ſeyn wird, (wenn es anders moͤglich iſt, daß man durch irgend ei - ne Urſache zum Luͤgen gezwungen werden kann) ſo will ich mich daruͤber nicht ſo ſehr zanken. Al - lein von neuen will ich mich nicht verſuͤndigen, wenn ich es vermeiden kann.

Koͤnnen ſie aber glauben, Fraͤulein, daß ich verbotene Abſichten hierbey habe? Jch dachte, ſie wuͤrden kein Bedencken bey dieſem Mittel finden, dadurch ich die Ausſoͤhnung mit den Jhrigen zu erleichtern ſuche: und zwar gewiß nicht um mei - net willen. Denn was iſt mir daran gelegen, ob ich mit ihren Anverwandten ausgeſoͤhnet werdeoder363oder nicht? Jch verlange von den Jhrigen keine Gefaͤlligkeiten.

Jch hoffe, Herr Lovelace, wir ſtehen jetzt ſo mit einander, daß die Beantwortung dieſer Fra - ge unnoͤthig iſt: und wir werden noch beſſer mit einander ſtehen, wenn ſie Morgen fruͤh die Wahr - heit ſagen, und zugleich von dem, was ſie vorge - nommen haben, die Urſachen ſo vollſtaͤndig an - zeigen, daß mein Onckle nicht alle gute Meinung von mir fahren laͤßt. Sie koͤnnen dabey ihn ſo ernſtlich bitten, als ſie wollen, das geheim zu hal - ten, was ſie ihm offenbaren Sie ſehen, daß der Herr Capitain ein vernuͤnftiger Mann iſt, und den Frieden in den Familien zu beſoͤrdern ſu - chet: und ich glaube, daß wir ihn zu unſerm wah - ren Freunde machen koͤnnen.

Jch ſahe, daß alle Einrede vergeblich ſeyn wuͤrde. Sie hatte den Harlowiſchen Kopf ein - mahl aufgeſetzt. Eine kleine Here! Eine kleine vergieb es mir, o Liebe, wenn ich ſie ſchimpfe. Jch ſagte mit einer ernſthaften Geberde: wir ſind ſo oft zerfallen, Fraͤulein, daß ich nicht Luſt habe, noch einmahl mit ihnen zu zerfallen. Jch will alſo ſchlechterdings gehorchen. Jch wuͤrde jenen Vorſchlag gar nicht gethan haben, wenn ich nicht geglaubt haͤtte, daß er ihnen angenehm ſeyn wuͤr - de, ſonderlich da wir uns in der That haͤtten koͤnnen trauen laſſen, ehe ihr Onckle einen neuen Schritt gethan haͤtte. Es waͤre alſo nicht einmahl eine Unwahrheit geweſen, was wir geſagt haͤtten. Allein glauben ſie nicht, daß ich mein Urtheil ih -rem364rem kleinen Eigenſinn ohne Belohnung unter - werfen will. (Jch ſchlug beyde Arme um ſie, und gab ihren widerſpenſtigen Wangen einen feu - rigen Kuß, der ihren Lippen zugedacht war. ) und das ſoll die Belohnung ſeyn, daß ſie mir dieſe ſuͤſſe Freyheit gern vergeben.

Sie war nicht zornig bis zum Tode. Jch muß es nun im uͤbrigen ſo gut machen als ich kann. Jhr Sieg uͤber mich hat zwar meine Liebe nicht vermindert: allein ich duͤrſte jetzt mehr als jemahls nach Rache, wie du es nennen wirſt. Sieg iſt ſonſt der eigentliche Nahme.

Es iſt eine Freude, wenn man eine ſo wach - ſame Schoͤne beſiegen kann. Aber bey meiner Seele, Belford, es koſtet uns zwantzig mahl mehr Muͤhe, Schelmen zu ſeyn, als es uns koſten wuͤr - de, tugendhaft zu werden. Jm Schweiß unſeres Angeſichts, und mit vielem Kopfbrechen muͤſſen wir unſer Vergnuͤgen erndten; der Gefahr nicht zu gedencken, die wir dabey zu uͤbernehmen haben. Und doch koͤnnen uns neidiſche Sitten-Lehrer noch ſchelten, wenn wir unſern Zweck erreichen! Wie unbillig iſt das? ſonderlich da auf die Stillung unſeres Hungers ein ſo fruͤhzeitiger Eckel folget, daß wir beynahe nichts fuͤr unſere Arbeit genieſ - ſen. Jedoch das kann man von allen irrdiſchen Ver - gnuͤgungen ſagen. Jſt das nicht ein ſehr ernſthafter Gedancke, der deinem Lovelace auſſteiget?

Jch habe dir alles auf einmahl ſchreiben wol - len, was bis auf dieſen Augenblick vorgegangen iſt. Jch habe zwar meinen vornehmſten Endzwecknicht365nicht erreichet, ich will aber dennoch den Capitain Tomlinſon gebrauchen. Jch warne dich nur: urtheile nie von meinen Anſchlaͤgen, wenn du nur die halbe Arbeit geſehen haſt, ſondern habe Geduld. Jch ſchwoͤre dir nochmahls, ich will mich von den unerfahrnen Maͤdchens nicht betruͤgen laſſen. Und dennoch bin ich bisweilen in Sorgen: der Howe ihre Zollbetruͤgerin ſpuͤcket oft in meinem Kopfe.

Es iſt ſchon ſehr ſpaͤte, oder fruͤh: denn der Tag bricht ſchon an. Jch bin verflucht muͤde. Das brauche ich dir zwar nicht zu ſchreiben. Jch will mich nur in den großen Stuhl ſetzen, und ſchlummern. Ueber eine Stunde ſchuͤttele ich mich aus; ich waſche mich, und lebe wieder auf. Jn meinen Jahren und bey meiner Geſundheit brauche ich nicht mehr.

Gute Nacht, Herr Jch! ich werde aufwachen ehe mir die Sonne auf den Stuhl ſcheinet. A A A A Ha Ja. Der Teufel! wie hochjaͤhne ich.

Jſt dein Onckle noch nicht todt?

Was fehlt meinem Onckle, daß er mir noch nicht antwortet. Sucht er mehr Weisheit der Nationen auf? Das wird es ſeyn. A A Ja. Jch hochjaͤhne noch einmahl. Weg, Feder!

Der366

Der ein und viertzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.

Nun bin ich von dem Hertzen meines Kindes auf ewig verſichert. Der Capitain kam verſprochener Maßen um ſieben Uhr, und war gantz reiſefertig. Meine Geliebte wollte nicht bey uns ſeyn, bis die erſte Unterredung voruͤber waͤ - re. Jch glaube, ſie ſchaͤmte ſich mir zur Schan - de, ſich bey dem Theil unſerer Unterredung ſehen zu laſſen, der ihre Jungferſchaft wiederherſtellen ſollte, nachdem ihrem Onckle berichtet war, daß ſie meine Frau waͤre. Sie behorchte uns aber, und hoͤrte alles, was wir ſagten. Das allerſitſamſte Frauenzimmer dencket zum wenigſten, und hat bisweilen ſehr tiefe Gedancken. Jch moͤchte wiſ - ſen, ob die Maͤdchens auch roth werden, wenn ſie das in der Stille behorchen, wobey ſie ſich in Ge - ſellſchaften ſo ſchoͤn verfaͤrben? Wenn das nicht geſchiehet, und die Schamroͤthe dennoch ein Zei - chen der Ehrbarkeit iſt, ſo glaube ich, daß die Frauensleute das Blut in ihren Wangen eben ſo ſehr in ihrer Gewalt haben, als die Thraͤnen. Dieſe Betrachtung wuͤrde mich ſehr weit leiten, wenn ich jetzt Luſt haͤtte, dich mit einem gelehrten Buch von der Natur des ſchoͤnen Geſchlechts zu er - freuen.

Jch367

Jch[ſagte] dem Capitain: Jch wollte ihm nicht vergeblich[fragen] laſſen, ſondern ihm alles ſagen, wenn ich gewiß wuͤßte, daß er geheim damit ſeyn wollte, und daß inſonderheit Jacob Harlowe nichts davon erfuͤhre. Nachdem er mir dieſes in ſeinem und in des alten Onckels Nahmen verſpro - chen hatte, ſo ſagte ich ihm die reine Wahrheit: daß wir nehmlich noch nicht getrauet waͤren. Jch gab ihm die Urſachen zu verſtehen, dadurch mein Wunſch ſo weit hinaus geſetzet iſt: nehmlich theils waͤre ein ungluͤckliches Misverſtaͤndniß zwi - ſchen uns an dem Auſſchube ſchuld geweſen; hauptſaͤchlich aber das allzu große Verlangen der Fraͤulein, mit den Jhrigen vorher ausgefoͤhnet zu werden, und eine gewiſſe Zaͤrtlichkeit fuͤr alles, das man Wohlſtand nennen kann, die ihres gleichen nicht haͤtte.

Andere Frauenzimmer ſehen es gerne, wenn man ihnen Grauſamkeit und Verzoͤgerungen, die ſie ſelbſt mit Willen verurſachet hatten, ſchuld giebt. Sie ſorgen dabey wenig vor ihre Ehre: denn ſie geben ſtillſchweigend zu verſtehen, daß ſie am mei - ſten bey der Verbindung gewinnen, weil ſie den Aufſchub derſelben fuͤr eine ſo große Selbſt Ver - leugnung halten.

Jch erzaͤhlte ihm, aus was fuͤr Urſachen wir uns bey den Leuten im Hauſe fuͤr verheyrathet ausgegeben haͤtten, wir ſich aber verſprochen haͤtten einander noch nicht zu beruͤhren. Wir waͤren des - wegen von beyden Seyten uͤbermaͤßig ſittſam ge - weſen: nehmlich, ich haͤtte mich ſehr ſurchtſam, unddie368die Fraͤulein ſehr wachſam und argwoͤhniſch auf - geſuͤhret. Wir haͤtten uns nicht einmahl die er - laubten Freyheiten vergoͤnnet, die unter Verlobten gewoͤhnlich ſind.

Jch zeigete ihm hierauf eine Abſchrift mei - nes Entwurß der Eheſtiftung; den Haupt - Jnhalt ihrer ſchriftlichen Antworten; mein Ein - ladungs. Schreiben an meinen Onckle, und deſ - ſen großmuͤthige Antwort. Jch ſagte aber dabey: weil ich befuͤrchtet haͤtte, daß ſeine Unpaͤßlichkeit ei - nen neuen Auſſchub verurſachen koͤnnte, und weil meine Geliebte blos aus Gehorſam und Liebe ge - gen die Jhrigen verlangte, daß die Hochzeit in der groͤßeſten Stille vor ſich gehen ſollte: ſo haͤtte ich nochmahls an meinen Onckle geſchrieben und ihm ſeines Verſprechens zu unſerer Hochzeit zu kom - men erlaſſen. Jch erwartete alle Stunden eine Antwort auf dieſes Schreiben.

Jch ſagte ihm: die Eheſtiftung wuͤrde jetzt eben von dem Advocaten Williams, von deſſen Geſchicklichkeit er ohne Zweifel gehoͤret haben wuͤr - de, in beſter Form Rechtens aufgeſetzet. Da er jetzt in Londen waͤre, ſo koͤnnte er ſich ſelbſt nach dieſem Umſtande erkundigen. (Herr Williams war ihm bekannt.)

Jch ſagte: wenn die Eheſtiftung im Vollen aufgeſetzt und in das reine geſchrieben waͤre, ſo fehlte weiter nichts als die Unterſchrift, und die Beſtimmung des erwuͤnſchten Tages. Jch ſuch - te meine Ehre darin, daß ich mit einer Perſon, die ich ſo ſehr liebte, auf das billigſte verfuͤhre, undſelbſt369ſelbſt von freyen Stuͤcken auch ohne die Vorſorge der Jhrigen fuͤr ſie ſorgte, daß ihren Rechten kein Eintraͤg geſchaͤhe, nachdem ich von ihren Anver - wandten auf das allergroͤbſte beleidiget waͤre. Da wir uns nun jetzt in dieſen Umſtaͤnden befaͤnden, ſo wuͤrde mir es nicht zuwider ſeyn, wenn Herr Hans Harlowe an unſere Ausſoͤhnung mit der uͤbrigen Familie nicht eher arbeitete, als bis wir wircklich getrauet waͤren.

Dem Capitain gefiel alles was ich ſagte un - gemein wohl. Nur ließ er ſich mercken, daß er gewuͤnſcht haͤtte uns wircklich als Eheleute anzu - treffen, weil dem Herrn Hans Harlowe die Nach - richt von unſerer Vermaͤhlung ſo angenehm gewe - ſen waͤre. Er zweifelte indeſſen nicht daran, daß alles gut gehen wuͤrde.

Er ſaͤhe die triſtigen Urſachen ein die wir gehabt haͤtten, uns bey den Leuten in dem Hauſe (von de - nen er alles Gute hoͤrete) fuͤr verehelicht auszuge - ben. Er koͤnnte nun begreiffen, warum das Cam - mermaͤdchen dem andern Fxeunde des Herrn Hans Harlowe ſo, und nicht anders, haͤtte antworten koͤn - nen. Herr Jacob Harlowe haͤtte gewißlich ſeine Abſichten dabey, daß er die Trennung der Fa - milie zu erweitern ſuchte: und er haͤtte auch einen Anſchlag, ſeine Schweſter mit Gewalt zu entſuͤh - ren. Es ſey daher ſeinem Freunde eben ſo viel cls mir ſelbſt daran gelegen, das Geheimniß zu verſchweigen, bis er andere Anverwandten auf ſeine Seite gebracht und alle Einrichtungen gemacht habe. Der Haß und die Leidenſchaften ſtelletenVierter Theil. A aalles370alles auf der ſchlimmeſten Seite vor. Es waͤre ihm unbegreiflich, wie die Feindſchaft gegen einen Herrn haͤtte ſo weit gehen koͤnnen, der ſo friedfer - tig und erhaben daͤchte, und ſo viel Herrſchaft uͤber ſich ſelbſt gezeiget haͤtte. Er ſaͤhe, daß ich in allen Stuͤcken großmuͤthig handelte, damit die Liebe zur Intrigue nichts zu thun haͤtte.

Er wollte weiter reden. Allein das Fruͤh - ſtuͤck war eben fertig. Die Beherrſcherin meines Hertzens trat herein, und erleuchtete alles durch ihre Strahlen. Die Guͤtigkeit und Freundlichkeit zei - gete ſich von neuem in ihrem Geſichte, die ihr zwar natuͤrlich iſt, allein die ſo lange von ihr verbannet geweſen iſt.

Der Capitain buͤckte ſich, als wenn er vor ihr niederfallen wollte. Wie zeigte das liebe Kind durch ſein Laͤcheln an, daß es ihm gewogen war. Eine Ehrfurcht erweckt die andere. Wir Manns-Leute ſind aͤrgere Affen, als wir es dencken. Jch beugte beynahe ohne mein Wiſſen die Kniee, und ſtellete ihr den Capitain mit ſehr verbindlichen Worten vor. Jch unterſtand mich ſelbſt nichts gegen ihre Lippen oder Wangen, und es war gut, daß er es auch nicht that. Er war in der That bereit ſie anzubeten; und wagete es kaum, ihre Hand zu beruͤhren.

Jch habe dem Herrn Capitain erzaͤhlt Hier wiederholte ich alles, was ich mit ihm gere - det hatte, als wenn ſie noch nichts davon wuͤßte.

Er wunderte ſich, daß jemand gegen einen ſol - chen Engel uͤbel geſinnet ſeyn koͤnnte: und ermach -371machte ſich ein Gluͤck und Ehre daraus, wenn er ihre Sache befoͤrdern koͤnnte.

Jch muß es geſtehen: mein Engel hat nie ſo engliſch ausgeſehen, als damahls. Sie war lauter Gelaſſenheit, Heiterkeit, Laͤcheln, Zuverſicht: ihre natuͤrliche Schoͤnheit ward noch erhoͤhet, und ihr ſo ſchoͤn gefaͤrbtes Geſicht ſchien beynahe Strahlen zu ſchießen.

Nachdem wir uns geſetzt hatten, redeten wir bey einer Taſſe Chocolade von der angenehmen Materie. Owie gluͤcklich prieß ſie ſich, wenn ſie das Hertz ihres Onckels wieder erlangen koͤnnte!

Der Capitain ſagte: dafuͤr wollte er Buͤrge ſeyn. Er hoffete, ſie wuͤrde an ihrem Theil fer - ner keinen Aufſchub machen. Wenn der Hochzeit - Tag nur erſt vorbey waͤre, ſo wuͤrde alles gut wer - den. Ob er aber wohl um eine Abſchrift meines Entwurfes und ihrer Antwort bitten duͤrfte, da - mit er ſie ſeinem aufrichtigen Freunde, ihrem On - ckle, zeigen koͤnnte?

Wie es Herr Lovelace fuͤr gut findet, ſagte ſie. O wenn doch das liebe Kind immer ſo ſagte.

Jch ſagte: ſo muß es denn in dem groͤßeſten Vertrauen geſchehen. Waͤre es aber nicht beſ - ſer, ihrem Onckle den Entwurf, wie ihn Herr Wil - liams abfaſſen wird, vorzulegen?

Ja! wenn ſie das guͤtigſt erlauben wollen, Herr Lovelace!

Siehe Belford. Ehemahls waren wir dieA a 2zaͤncki -372zaͤnckiſchen, und jetzt ſind wir die hoͤflichen und ge - faͤlligen Liebhaber.

Jn Wahrheit mein liebſtes Hertze, ich will ſo ſeyn, wenn ſie es verlangen: und wenn Capitain Tomlinſon verſprechen will, daß es Herr Har - lowe voͤllig geheim haͤlt, damit ich von nieman - den mehr aus der Familie, die mir ſo uͤbel begegnet hat, Schmaͤhungen und Vorwuͤrfe anhoͤren muß.

Nun ſind ſie in der That ſehr hoͤflich, mein Herr.

Denckſt du Hanns, daß ſich mein Geſichte nicht auch alsdenn erheiterte?

Jch bot ihr meine Hand, nachdem ich ſolche erſt mit einem Kuſſe geweihet hatte: Sie ließ ſich bewegen mir die ihrige zu geben: Jch druͤckte ſol - che an meine Lippen. Jhr wißt nicht Cap. Tom - linſon, (ſagte ich freudig) nun alle Stuͤrme vor - bey ſind, was fuͤr ein gluͤcklicher Mann Ent - zuͤckendes Paar! Er hob ſeine Haͤnde auf Wie wird ſich mein Freund erfreuen! O daß er ge - genwaͤrtig waͤre! Sie wiſſen nicht Madem. wie lieb ſie ihrem Vetter Harlowe ſind.

Jch ſchaͤtze mich fuͤr ungluͤcklich, ihm jemahls misfallen zu haben!

Nicht allzuſehr deswegen, mein Liebſtes, dachte ich!

Er wiederholte die Verſicherung ſeiner Dienſt - fertigkeit, und dieſes ſo annehmlich, daß mein lieb - ſtes Hertz wuͤnſchte, weder ihm noch einem der Seinigen moͤchte jemahls ein Freund von gleicher Gutwilligkeit fehlen. Keiner von den Seinigen, ſagte ſie: Denn der Capitain meldete, er habe 5. Kin -373Kinder, von der beſten Frau und Mutter, am Leben: Dieſe ihre vortreffliche Wirthſchaft mach - te ihn ſo gluͤcklich, als ob ſeine 800. Pfund jaͤhr - lich (welches alles war, was er ſich ruͤhmen konn - te) zweytauſend waͤren.

Ohne Wirthſchaft, ſagte mein weiſes Frauen - zimmer, iſt kein Vermoͤgen groß genug; mit Wirthſchaft iſt keines zu klein.

Ruhe doch, qvaͤlender Boͤſewicht! ruhe doch! - ich redete nur zu meinem Gewiſſen, mein Freund.

Jch muß fragen, Herr Lovelace, ſagte der Capitain, doch nicht ſo ſehr aus Zweifel, als um ſicher zu gehn, Sind ſie willens mit meinem werthen Freunde eine allgemeine Verſoͤhnung zu ſchließen?

Jch verſichere ſie, Herr Tomlinſon, kann es in die Augen fallen, daß meine Bereitwilligkeit, mich mit einer Familie zu verſoͤhnen, die mir eben nicht Urſache gegeben hat, von ihrer Großmuth aufs beſte zu dencken, voͤllig dem Werthe zuzu - ſchreiben iſt, in dem ich dieſes engliſche Frauen - zimmer halte, ſo will ich nicht nur ihrem Verlan - gen gemaͤß, mich mit dem Herrn Hans Har - lowe vereinigen, ſondern ſelbſt zum Herrn Ja - cob Harlowe, und deſſen Gemahlin gehen; noch mehr, den Sohn Jacob, und Arabellen voͤllig zu beruhigen, will ich mich auf alle Anſpruͤche, fuͤr mich und meine Erben, auf jedes von den drey Bruͤdern ſein Vermoͤgen losſagen, und mich mit dem begnuͤgen, was meiner Liebſten Großvater ihr ausgeſetzt hat. Denn ich habe Urſache, mitA a 3mei -374meinen jetzigen Umſtaͤnden, und dem was ich zu hoffen habe, voͤllig zufrieden zu ſeyn. Mit ei - nem Frauenzimmer, deren Verdienſte alle Guͤter des Gluͤcks uͤbertreffen, waͤre ich genug belohnt, wenn ſie auch nicht das Geringſte zu mir braͤchte. So wahr als das Evangelium! Belford; war - um hatte dieſe Scene nicht die Wahrheit zum Grunde?

Meine Liebſte druͤckte durch ihre Augen ihre Danckbarkeit aus, ehe die Lippen ſolche hervorbrin - gen konnten. O Herr Lovelace ſagte ſie Sie ha - ben unendlich Und da hielt ſie inne

Der Capitain fing an eine Lobrede auf mich zu halten. Er war wircklich geruͤhrt.

O daß doch bey meiner Liebe nicht ſo eine Ver - miſchung von Rache und Stoltz waͤre! dachte ich. Aber (meine alte Entſchuldigung) kann ich ihr nicht allemahl alles vergelten? Jſt nicht ihre Tugend nun auf der hoͤchſten Staffel ihrer Pruͤfung? Wollte ſie, wie die Freunde meiner niemahls zanckenden Roſebud, alles Mistrauen bey Seite ſetzen Wollte ſie ſich voͤllig auf mich verlaſſen, und mich nur vierzehn Tage lang im Leben der Eh - re pruͤfen Was denn? Jch kann nicht ſa - gen was.

Verachte mich nicht, mein Freund, wegen mei - nes Wanckelmuths Nun ſtimm ich wohl in zweyen Briefen mit mir ſelbſt uͤberein Wer erwartet ein geſetztes Weſen von Mannsbildern von unſerer Gemuͤthsart? Aber ich bin vor Lie - be thoͤricht von Rachgier entflammt Mitmei -375meinen eignen Anſchlaͤgen verwirrt gemacht Meine Erfindungen gereichen mir zum Schaden Mein Stoltz iſt meine Straſe Auf einmahl nach fuͤnf oder ſechs Saiten gezogen Kann Sie wohl ſo ungluͤcklich ſeyn als ich? Ach warum, warum war dieß Frauenzimmer ſo himmliſch voll - kommen! Gleichwohl weiß ich denn ſicher, daß ſie es wircklich iſt? Was hat ſie fuͤr Proben ausgeſtanden? Habe ich das Hertze gehabt, nur eine an ihrer Perſon zu machen, ob ich wohl funf - zig an ihrer Gemuͤths-Beſchaffenheit angeſtellt habe? Genug, ich hoffe es dahin zu bringen, daß ſie fuͤrchten ſoll mir ferner je zu misfallen.

Jch muß alle Ueberlegung von mir verban - nen, oder ich bin ein verlohrner Menſch. Zwo Stunden her habe ich mich ſelbſt wegen meiner eignen Unternehmung gehaßt. Und daß nicht nur deswegen, was ich dir ſchon erzaͤhlet habe, ſondern auch, was ich noch erzaͤhlen will. Aber nun ha - be ich mein Hertz noch einmahl geſtaͤhlt. Meine Rachgier hat die Oberhand, denn ich habe eines und das andere von Fraͤulein Howes Gift wieder ge - leſen. Die Verachtung in der ich bey beyden ge - ſtanden habe, iſt mir unertraͤglich.

Meine Liebſte geſtand, das ſey das gluͤcklich - ſte Fruͤhſtuͤcke, das ſie genoſſen, ſeit dem ſie ihres Vaters Haus verlaſſen. Das haͤtte ſie koͤnnen bleiben laſſen. Der Capitain erneuerte alle ſei - ne Dienſt-Erbietungen. Er wollte mir ſchreiben,A a 4wie376wie ſein werther Freund die Nachricht von dem gluͤcklichen Zuſtande unſerer Sachen aufnehme, und was er von den Vergleichen urtheilen wuͤrde, ſo bald ich ihm die Einwuͤrfe ſendete, die ich ſehr freundſchaftlich verſprach. Wir gingen mit großen Verſicherungen beyderſeitiger Hochachtung aus einander, und meine Liebſte that die eifrigſten Wuͤn - ſche fuͤr den gluͤcklichen Ausgang dieſer großmuͤ - thigen Vermittelung.

Jch begleitete den Capitain die Treppe hinun - ter, bis an die aͤußere Thuͤre; wie ich zuruͤck kam, ging mir meine Liebſte entgegen, indem ich in das Speiſezimmer trat: Gefaͤlligkeit zeigte ſich in je - dem ihrer liebenswuͤrdigen Geſichtszuͤge.

Sie ſehn mich ſchon gantz veraͤndert, ſagte ſie. Sie wiſſen nicht, wie nahe mir dieſe gehoffte Ver - ſoͤhnung am Hertzen liegt. Nun will ich alles un - angenehme Andencken verbannen. Sie wiſſen nicht, mein Herr, wie ſehr ſie mich ihnen verbun - den haben. Und ach Herr Lovelace! wie gluͤck - lich werde ich ſeyn, wenn mein Hertz von der nie - derdruͤckenden Laſt des vaͤterlichen Fluches befreyet iſt! Wenn meine liebſte Mamma (ſie kennen, mein Herr, noch nicht halb alle Vorzuͤge meiner liebſten Mamma! und was fuͤr ein zaͤrtliches Hertze ſie hat, wenn ſolches ſeinem eigenen Triebe zu folgen uͤberlaſſen wird.) Wenn dieſe verehrungswuͤrdi - ge Mamma noch einmahl mich an ihre guͤtige Bruſt druͤcken wird! Wenn ich wieder Vettern und Ba - ſe, einen Bruder und eine Schweſter haben wer - de, die ſich alle um die Wette beſtreben werden,wer377wer der armen Verbannten, nun nicht mehr Ver - bannten! die meiſte Zaͤrtlichkeit erweiſen kann. Und ſie, mein Lovelace, wenn ſie alles das anſehen, und in einer ſo werthen Familie willkommen geheiſ - ſen werden. Was ſchadet es, wenn auch der erſte Empfang etwas kaltſinnig iſt. Lernt man ſie beſſer kennen, und ſieht man ſie oͤfterer, fallen keine neue Urſachen zum Misvergnuͤgen vor, und fangen ſie, wie ich hoffe, eine neue Lebensart an, ſo wird die Liebe von beyden Seiten immer ſtaͤrcker und ſtaͤrcker werden, bis ſich vielleicht ein jeder wundert, wie es gekommen iſt, daß ſie ihnen je - mahls zuwider geweſen ſind.

Sie trocknete darauf ihre Augen mit einem Schnupftuche, hielt ein wenig inne, und entfernte ſich ploͤtzlich in ihr Schlaf-Zimmer, als beſoͤnne ſie ſich, daß ſie ihre Freude durch eine Aus - druͤckung derſelben mir entdeckt hatte, die ich nicht hatte ſehen ſollen. Mich aber ließ ſie ſo unvermoͤgend ſolches auszuhalten, als ſie ſelbſt war.

Kurtz ich war was ich war, auszudrucken fehlet es mir an Worten. So ſehr hatte mich die - ſe ſchoͤne Seelen-Beherrſcherin noch nicht geruͤhrt. Jch ſuchte meine Empfindlichkeit zu unterdruͤcken, und ſie war zu ſtarck darzu. Jch ſeufzete ſo gar Ja bey meiner Seele, ich ſeufzete, daß man es hoͤrte und mußte mich von ihr wenden, ehe ſie ihre ruͤh - rende Rede recht geendet hatte.

Mich deucht, nachdem ich dir die ſeltſame Em - pfindung geſtanden habe, ſo verlangt mich, ſie dir zuA a 5beſchrei -378beſchreiben Die Sache war mir ſo fremde als wenn mir etwas die Luft verſetzte. Jch weiß nicht wie doch muß ich es geſtehn, ob ich mich es wohl nicht vollkommen mehr erinnern kann, es war was ſehr artiges dabey. Jch wuͤnſchte es wie - der zu empfinden, damit ich einen vollkommenen Begriff davon haͤtte und es dir beſſer beſchreiben koͤnnte.

Aber dieſe Wirckung der Freude bey einer ſolchen Gelegenheit in ihr, giebt mir einen hohen Begrif, was dieſe Tugend ſeyn muß, (denn mit was fuͤr einen Nahmen ſoll ich ſie ſonſt belegen) die in einem Gemuͤthe, das zaͤrtlicher Entzuͤckun - gen ſo faͤhig iſt, in ihrer ſchoͤnſten Bluͤthe, gegen alle Liebes-Bezeigungen eines Mannsbildes, den ſie nicht feind iſt, zu Schnee und Eis macht. Das muß alles auch von der Auferziehung herruͤhren Nicht wahr, Belford? Kann die Auferziehung in eines Frauenzimmers Hertze mehr Gewalt ha - ben als die Natur? Gewiß nicht. Kann ſie es aber, wie recht haben nicht die Eltern, daß ſie ihrer Toͤchter Gemuͤther bilden, und ihnen Vor - ſichtigkeit und Behutſamkeit gegen unſer Geſchlecht einpraͤgen; und in der That, daß ſie ihnen hohe Begriffe von dem Jhrigen beybringen? Denn wo die Tugend ſich nicht wie die Sonne in ihrem ungeborgten Glantze zeigt, iſt der Stoltz, ich ver - ſichere dich, vortrefflich ihre Stelle zu vertreten.

Der379

Der zwey und vierzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.

Nun iſt es Zeit zu geſtehen, (und doch weiß ich, daß deine Muthmaßungen meinem Berichte zuvor gekommen ſind) daß dieſer Capi - tain Tomlinſon, der ein ſolcher Guͤnſtling meiner Liebſten, und ſo eifrig iſt Verſoͤhnungen zu ſtif - ten, weder groͤßer noch kleiner iſt, als der ehrliche Patrik Mac Donald, den ein Lackey den er ſelbſt ausfuͤndig gemacht hat, begleitet.

Du weiſt was fuͤr Abwechslungen das Leben dieſes Schelmen gehabt hat, der zu einer beſſern Hoffnung gebohren und auferzogen war. Aber die ſinnreiche Spitzbuͤberey, derentwegen man ihn von der Dubliniſchen Univerſitaͤt gejaget, und was man nachgehends uͤberzeugend entdeckt hat, ſind ſein Verderben geweſen. Dieſes hat ihn aus ei - nem Lande ins andere gejagt, und ihn endlich zu einer Lebensart gebracht, vermoͤge der er zu einem Manne fuͤr Fraͤulein Howes Townſend, mit ihren Contrabanden geſchickt iſt. Er iſt, wie du weiſt, zu allen Unternehmungen die Liſt und ein beſonderes Anſehen erfordern, ſehr faͤhig. Und kann man endlich mehr Gerechtigkeit verlangen,als380als daß ein Betruͤger wider den andern zu ſpielen in Bereitſchaft gehalten wird?

Gut, aber Lovelace (fragſt du mich viel - leicht) wie konnteſt du dich ſo verfuͤhren laſſen, da dein Frauenzimmer einen Monath bey dieſen ihren Vetter geweſen war, und alſo vermuthlich wußte, daß es keinen Capitain Tomlinſon in der gantzen Nachbarſchaft gab, wenigſtens keinen, der ſo vertraut mit mir geweſen waͤre?

Dieſer Einwurf iſt natuͤrlich, mein Freund, daß ich nicht unterlaſſen konnte, meine Liebſte zu erinnern, ſie muͤſſe ja wohl ihren Vetter haben von dieſem Herren reden hoͤren? Sie ſagte, nie - mahls. Ueberdieß (wie ich ſie zuvor hatte ſa - gen hoͤren,) war ſie faſt zehn Monathe nicht bey ihrem Vetter Harlowe geweſen, und es kamen viele Herren dahin, die ſie ihrem Vermelden nach nicht kannte.

Du weißt, man iſt allezeit fertig zu glauben was man wuͤnſcht.

Und warum war ſie ſo lange nicht bey ihrem Vetter geweſen, wirſt du fragen? Je, dieſer alte Suͤnder, der ſich berechtigt haͤlt, mich wegen meiner Freyheiten gegen das ſchoͤne Geſchlecht zur Rechenſchaft zu fodern, hat ſich letzthin, wie man vermuthet, mit ſeiner Haushaͤlterin in allzu große Vertraulichkeit eingelaſſen, und dieſe maßt ſich ei - ner Gewalt uͤber ihn an. Das verwuͤnſchtever -381verfuͤhreriſche Geſchlechte! Jn der Jugend, im mitlern und im hohen Alter fangen ſie uns doch noch allemahl.

Siehſt du gleichwohl nicht, daß dieſe Haus - haͤlterin von unſerm vorhabenden Vergleiche nichts weiß, noch wiſſen ſoll. Deswegen koͤmmt der Vetter allemahl zum Capitain, und dieſer nie zu jenen: Dieſen Einfall ſagte ich meiner Liebſten. Alsdenn war es natuͤrlich, darauf zu gerathen, daß man ſich deſto eher an den Capitain wenden muͤſſe, weil er mit der uͤbrigen Familie in keiner Verbindung ſteht. Jſt es noͤthig dir zu erklaͤren wohin alles dieß abzielt?

Aber dieſe Jntrigue des Alten iſt ein Stuͤcke einer geheimen Geſchichte, deren Wahrheit meine Geliebte nicht geſtehen will, und ſich gar ſtellt, als glaube ſie ſolche nicht. Eben ſo verhaͤlt ſie ſich in Abſicht auf einige unehrbare Galanterie ihres naͤrriſchen Bruders, die ich ihr, als einen Gegen-Vorwurf erwaͤhnt habe, ohne den aus der Familie zu nennen, der es mir geſagt hat.

Gut, aber mich deucht du fragſt mich wieder, iſt es nicht wahrſcheinlich, daß Fraͤulein Howe, nach einem ſolchen Manne wie Capitain Tomlin - ſon, forſchen wird? und wenn ſie nicht kann

Jch weiß was du ſagen willſt aber ich zweifle nicht, Wilſon wird ſo gut ſeyn, wenn ich es verlange, alle Briefe die von Collins die naͤch -ſte382ſte Woche in mein Haus gebracht werden, in mei - ne eigenen Haͤnde zu geben. Und nun hoffe ich, biſt du zufrieden geſtellt.

Jch will mit einer kurtzen Geſchichte ſchließen.

Zweene benachbarte Fuͤrſten kriegten mit ein - ander uͤber, ich weiß nicht was fuͤr eine nichts - wuͤrdige Sache; es iſt der Muͤhe nicht werth, zu fragen woruͤber, denn Fuͤrſten und Kinder ge - rathen uͤber jede Kleinigkeit an einander. Jhre Armee war einige Tage in Schlacht Ordnung ge - gen einander geſtanden, und man erwartete taͤg - lich an jedem Hofe die Nachricht von einer ent - ſcheideten Schlacht. Endlich gerieth man zu - ſammen, es ward eine blutige Schlacht geliefert, und ein Kerl der zugeſehen hatte, langte mit der Nachricht davon, in eines von beyden Fuͤrſten Hauptſtadt an, ehe noch die Courier ankamen. Man laͤutete die Glocken, man ſteckte Freuden - feuer und Jlluminationen an, und das Volck ging aus patriotiſcher Freude beſoffen zu Bette. Aber den folgenden Tag war alles umgekehrt. Man erwartete den ſiegenden Feind mit Furcht an den Thoren der faſt unbefeſtigten Reſidentz. Man ſuchte den erſten Bothſchafter und fand ihn: Auf Befragen, meldete er, es ſey ja ein großer Verdienſt von ihm, daß er bey ſo betruͤbten Um - ſtaͤnden dem Schmertze ſeiner Mitbuͤrger ſo viel Zeit geraubt, und ſie ſolche ſo großer Freude an - zuwenden veranlaßt haͤtte, als diejenige war,mit383 mit der die Stunde zwiſchen der guten Luͤgen und uͤbeln Wahrheit verſtriche.

Mache du ſelbſt die Anwendung, Belford. Das weiß ich, ich habe meiner Liebſten mehr Freu - de gemacht, als ſie je ſo bald gehofft hatte: und wie im menſchlichen Leben ohnedem gutes und boͤſes ſtets untermengt iſt; ſo wird ſo ein kluges Frauen - zimmer als ſie, ohnſtreitig alles zum beſten anzu - wenden, und das Uebel mit dem Guten im gehoͤ - rigen Gleichgewichte zu halten wiſſen.

Das Frauenzimmer meldet ihrem Freunde in drey Briefen die wichtigſten Vorfaͤlle und Unter - redungen, die in Herr Lovelaces vorhergehen - den Schreiben enthalten ſind, folgends ſind ihre Worte, wie ſie des angeblichen Herrn Tomlin - ſon Anbringen erzaͤhlet, nach der Furcht die ihn ſeine weitlaͤuftigen Unterſuchungen verurſacht hatten.

Endlich, mein Werther, wurden alle dieſe Zweifel und furchtſame Vorſtellungen aufge - klaͤrt, und ſtatt derſelben oͤfnete ſich mir die an - genehmſte Ausſicht. Dem zum Gluͤcke entdeckt ſich, (aber jetzo muß es noch das groͤßte Geheim - niß ſeyn,) daß mein Vetter Harlowe dieſen Herrn geſandt hat, (ich dachte wohl, daß er nicht immer gegen mich Zorn halten koͤnnte) und daß alles dieß eine Wirckung von des guten Herr Hickmanns Unterredung mit ihm war. Denn ob wohl Herr Hickmanns Antrag einmahl zuhitzig384 hitzig verworfen ward, ſo urtheilte doch mein Vet - ter nachgehends beſſer von ihm und von den Gruͤnden die dieſer werthe Herr zu meinem Vor - theil vorbrachte.

Wer ſollte wegen einer hitzigen abſchlaͤgli - chen Antwort ſogleich daran verzweifeln, daß ihm eine billige Bitte nicht gewaͤhrt wuͤrde? Wer ſollte ſich nicht beſtreben, in ein zorniges Gemuͤthe durch Nachgeben und Gelindigkeit eini - gen vortheilhaften Eindruck zu machen? der, wenn ſein Zorn etwas verkuͤhlt iſt, und es das Vergangene bedencket, behuͤlflich iſt, es zu einer Verſoͤhnung zu bewegen? Es iſt ein Unter - ſchied, wie ich oft ſage, um eine Gefaͤlligkeit zu bitten, und ſie als eine Pflicht zu fordern. Mit was fuͤr Rechte iſt der Bittende bey einer ab - ſchlaͤglichen Antwort zornig, wenn er das, war - um er anſucht, nicht als eine Schuldigkeit ein - fodern darf.

Sie beſchreibt Cap. Tomlinſon nach ſeiner Auffuͤhrung bey dem Fruͤhſtuͤcke, als einen guten ernſthaften Mann. Und anderswo: es iſt ein artiger Mann, der ſehr ernſthaft iſt und gut aus - ſieht. Sie ſchaͤtzt ihn auf 50 Jahr alt. Er gefiel mir, ſagte ſie, ſo bald ich ihn ſahe.

Wie ſie nun beſſere Hoffnung hat als zuvor, ſo wuͤnſcht ſie, daß ſie ſich auch Herrn Lovelaces ſo oft zugeſagte Beſſerung ſicherer verſprechen duͤrfte, als ſie befuͤrchtet daß ſie berechtigt iſt.

Wir385

Wir haben es beyde ſehr ſehwer gefunden, mein Werther, ſagte ſie, einige Theile von Herrn Lovelaces Chararter mit andern zu vereinigen: ſein gutes Gemuͤthe mit ſeinen ſchlimmen Nei - gungen zu vergleichen, beſonders gewiſſe Umſtaͤn - de von dem erſtern, als: ſein edles Bezeigen ge - gen ſeine Pachter; ſeine Guͤte gegen ſeines Gaſt - wirths Tochter; ſeine Fertigkeit mich darauf zu bringen, daß ich durch meine gute Norton und an - dere Wohlthaten ausuͤben ſollte.

Es iſt eine ſeltſame Vermiſchung in ſeinem Gemuͤthe, wie ich ihm oft geſagt habe. Denn er iſt ſicherlich (wenn man auf ſein Bezeigen ge - gen mich in 20 Vorfaͤllen zuruͤcke denckt) als ein partheyiſcher Menſch anzuſehen. Jn der That, mein Wertheſter, ich habe mehr als ein - mahl daran gedacht, daß er es lieber haͤtte, mich weinen zu ſehen, als mir Urſache zu geben, mit ihm vergnuͤgt zu ſeyn.

Meine Muhme Morden ſagt, Leute die frey lebten, fuͤhlten keine Gewiſſens-Biſſe(*)III. B. 361. S. Siehe auch Herrn Lovelaces eignes Geſtaͤndniß von dem Vergnuͤgen, das es ihm bringt, ein Frauenzimmer weinen zu ſehen, in verſchiedenen Stellen ſeiner Briefe, beſonders 66. S. dieſes Bandes.. Sie muͤſſen der Natur der Sache gemaͤß ſo unem - pfindlich ſeyn.

HerrVierter Theil. B b386

Herr Lovelace iſt ſtoltz. Wir haben ſol - ches lange bemerckt. Und ich fuͤrchte in Wahr - heit, ſein edles Bezeigen ruͤhrt mehr von ſeinem Stoltze und ſeiner Eitelkeit, als von der Men - ſchen-Liebe, die ein gutthaͤtiges Gemuͤthe unter - ſcheidet, her.

Geld achtet er nicht weiter, als in ſo fern es ein Mittel ſeine Eitelkeit zu unterſtuͤtzen, und ihn von der Unterwuͤrfigkeit fuͤr andere zu be - freyen. Es iſt leicht, wie ich oft bemerckt habe, daß ein Menſch ſich von ſeinen Neben-Trieben losmacht, wenn er dadurch die Haupt-Reitzun - gen ſtillen kann.

Jch fuͤrchte, mein Werther, daß bey ſeiner Auferziehung ein Fehler vorgegangen iſt. Ver - muthlich hat man auf ſeine natuͤrliche Neigung nicht genug acht gehabt, da man voraus ſahe daß er viel Gewalt bekommen wuͤrde, ſo unterrich - tete man ihn vielleicht gute und wohlthaͤtige Handlungen auszuuͤben, aber man brachte ihm nicht die gehoͤrigen Bewegungs-Gruͤnde, war - um er ſolche ausuͤben ſollte, bey.

Sonſt waͤre ſein Edelmuth nicht beym Stol - ze ſtehen geblieben, ſondern er haͤtte ſich bis zur Menſchlichkeit erhoben: alsdenn wuͤrde er ſich nicht befriedigt haben, manchmahl, nachdem er bey guter Laune iſt, lobenswuͤrdige Thaten zu ver - richten, oder als ſollte eine gute Handlung bey ihm fuͤr eine boͤſe, nach der Lehre von den verdienſt -lichen387lichen Wercken genug thun(*)Dieſes Urtheil rechtfertigt des I. B. 233. S. wo er, den Bewegungs-Grund ſeiner Großmuth gegen ſeine Roſebud anzugeben, ſagt: Wie ich es mir zur Regel vorgeſchrieben habe; nach Begehung eines Haupt-Verbrechens etwas Gutes, als zur Vergel - tung zu thun, und wie ich glaube, ich bin dieſerwe - gen ziemlich in Schuld gerathen, ſo will ich zu Johannes Baſe ihren 100 Pfunden noch 100 Pf. thun, ein unſchuldiges Paar gluͤcklich zu machen. Außer dieſen hatte er noch einen andern Grund ſei - ner damaligen Großmuth. S. II. B. 23. 24. 25. 26. Brief. Den Zuſammenhang ſeiner Handlungen, wie ſie ſich jetzo zeigen, mit ſeinen Grundſaͤtzen und Ab - ſichten, wie er ſolche in ſeinen erſten Briefen er - klaͤrt, zu zeigen, verweiſen wir den Leſer auf ſein Schreiben I. B. 34. Num. 232. S. und 35. N. von der 233. zur 236. S. Man ſehe auch I. B. 190. 191. 192. und 270. 271. 272. S. wegen Clariſſens fruͤhzeitiger Mey - nung von Hrn. Lovelace. Jhre Kaltſinnigkeit und Gleichguͤltigkeit, derentwegen er ſich ſo oft uͤber ſie beklagt, wird ſich hieraus begreifen laſſen, und mehr ihr zum Ruhm als zu ſeiner Ehre ge - reichen., ſondern er wuͤrde ſich beſtaͤndig aͤhnlich, immer edel geweſen ſeyn, und das Gute um ſein ſelbſt willen gethan haben.

Ach mein Wertheſter, was fuͤr ein Loos habe ich gezogen! Stoltz iſt ſeine Tugend, und Rach - gier iſt ſeine andere herrſchende Neigung. Noch bleibt mir der einige Troſt, er iſt kein UnglaͤubigerB b 2und388und Freygeiſt; waͤre er ein Unglaͤubiger, ſo haͤtte man keine Hoffnung mehr fuͤr ihn, ſondern (wie er auf ſeine Erfindung ſtoltz ſeyn wuͤrde) er waͤre ganz und gar verfallen, nicht zu bekehren und verwildert.

Von den Gelegenheiten, da Hr. Lovelace in ſeinen Briefen geſteht: daß ſie ihn ſo geruͤhrt ha - ben, druͤckt ſie ſich dergeſtalt aus:

Er beſtrebte ſich, wie ſchon zuvor, ſeine Bewegung zu verbergen, aber mein Werther, warum ſchaͤtzen ſich die Mannsbilder (denn Hr. Lovelace hat hierin nichts beſonders) fuͤr zu ſchlecht, Proben eines empfindlichen Her - zens zu geben? Waͤre es noch in meiner Ge - walt, zu waͤhlen oder auszuſchlagen, ſo wuͤrde ich den Mann mit Verachtung fortſchicken, der das Vermoͤgen bey gehoͤrigen Gelegenheiten geruͤhrt zu werden, zu unterdruͤcken ſtrebte, oder zu verleugnen ſuchte, als wenn er ein wildes Hertz haͤtte, oder die groͤßte Ehre der menſchli - chen Natur ſo wenig kennte, daß er ſeinen Stoltz auf eine barbariſche Unempfindlichkeit gruͤn - dete.

Juvenals Gedancken daruͤber haben mich oft ergoͤtzt: Das Mitleiden iſt den Men - ſchen eigenthuͤmlich; Die Natur bezeugt ſolches, da ſie uns Thraͤnen gibt. Wir al - lein entdecken durch ſolche Proben unſere zartliche Empfindungen. Weinen iſt un -ſer389ſer Vorzug. Durch mitleidige Blicke und ſchmachtende Augen zu zeigen, wie wir an den Empfindungen eines gekraͤnckten Freun - des Theil nehmen, heißt aufs heſte ein wil - des Thier in menſchlicher Geſtalt ſeyn. Dieſe natuͤrliche Huld, machte zuerſt unſern Witz feiner, und erhob unſere Gedancken zu goͤtt - lichen Dingen: ſie beweiſt daß unſer Geiſt vom Himmel ſtammt, wie der Thiere ihrer niederwaͤrts geſenckt iſt. Dieſen gab ſie nur ein irrdiſches Leben, uns, himmliſche Empfindungen, einander wechſelsweiſe zu helfen.

Sie bemerckt zum Ruhme der Leute im Hauſe, daß ein ſolcher guter Mann, wie Cap. Tomlinſon, auf geſchehene Unterſuchung, gut von ihm geredet haͤtte.

Der drey und vierzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.

Jch erhalte einen Brief von Lord M. Er iſt ſo beſchaffen, wie ich wuͤnſchen koͤnnte, wenn ich die Ehe zur Abſicht haͤtte: aber nach den jetzigen Umſtaͤnden, kann ich ihn meiner Ge - liebten nicht zeigen.

B b 3Der390

Der Lord bedauert, daß er bey der Hochzeit nicht des Braut-Vaters Stelle vertreten ſoll. Er ſcheint zu fuͤrchten, ſo gut ich es auch vorgaͤbe, moͤchte ich doch wohl was ſchlimmes im Kopfe haben.

Er willigt guͤtig ein, daß ich heyrathen mag wenn ich will, und bietet mir eine oder zwo von meinen Muhmen an, meiner Braut beyzuſte - hen, und ſie bey Gelegenheit aufzurichten, weil ſie, wie er gehoͤrt hat, ſo furchtſam iſt, ſich mit mir zu wagen.

Pritchard hat, ſeinem Vermelden nach, endli - chen Befehl, die Uhrkunden aufzuſetzen, vermoͤ - ge deren er mir 1000 Pf. jaͤhrlich, auf immer zueignet, und er will ſolchen in der Stunde unterſchreiben, da meine Geliebte in Perſon ihre Verheyrathung geſteht.

Er willigt ein, das Leibgedinge von mei - nem eigenen Vermoͤgen auszumachen.

Er wuͤnſchte, Clariſſa moͤchte ſein Geſchencke angenommen haben, und traͤgt mir auf, es ihr anzubieten, er legt es mir aber als einen Stolz aus, daß ich es nicht ſelbſt behalten habe. Was die rechte Seite weggiebt, ſagt er, kann der linken dienen.

Er meynt die Maͤgdchen.

Von gantzem Herzen. Kann ich Fraͤul. Cla - riſſa Harlowe haben, ſo hole der Henker alles andere.

Der391

Der tummkoͤpfige Paͤr ſchreibt noch ein Hauffen ſeltſam Zeug, und ſchmattert an verſchiedene Orte ein halbes Dutzend Zeilen hin, aus keiner andern Urſache, als etwa ſo viel elende Einfaͤlle in einem alten Sprichworte anzubringen.

Fragſt du wie ich es machen kann, da ſich meine Liebſte wundern wird, warum ich auf ſo einen Brief, wie ich an einen Lord geſchrieben ha - be, keine Antwort erhalten, oder da ſie auf mein Geſtaͤndniß, daß ich eine Antwort habe, erwarten wird, daß ich ihr ſolche zeigen ſoll, wie meine Briefe? Darauf antworte ich, Jch kann durch Pritchard benachrichtigt ſeyn, daß der Lord das Chiragra in der rechten Hand hat, und daß er ihn befohlen hat zu mir zu kommen und meine beſondern Befehle wegen der Uebergabe zu erwar - ten. Jch aber kann Pritcharden, wie du weißt, zum Koͤnigl. Wagen, oder wo ich ſonſt in der Stadt will, ſprechen, und er kann nur alles muͤnd - lich geſagt haben, was ihr aus des Lords Briefe zu wiſſen noͤthig iſt.

Wenn es mir gelegen iſt, verſtatte ich den al - ten Paͤr den Gebrauch ſeiner rechten Hand wieder, und laſſe ihn einen zaͤrtlichern Brief ſchreiben als der jetzige iſt.

Du weißt, daß eine von meinen fruͤhzeitigſten Bemuͤhungen das geſchickte Nachmahlen der Haͤnde iſt. Man hat dabey geſagt: wenn ich in Sachen die das mein und dein betreffen, ſchlimm geweſen waͤre, ſo haͤtte ich nicht zu leben getaugt. B b 4Die392Die Maͤdchen zu betruͤgen halten wir fuͤr keine Suͤnde. Und ſagt man uns nicht, die ganze menſch - liche Gluͤckſeligkeit beſtehe darin, ſich wohl betruͤgen zu laſſen?

Mittwochs den 31ſten May.

Alles laͤuft immer gluͤcklicher. Es wieder - faͤhrt mir eine rechte große Ehre. Man verſtat - tet mir einen Wagen ſtatt einer Kutſche, in der Abſicht, nur in dem Hauptwercke nachzugeben.

Da wir die angenehme friſche Luft ſchoͤpften, kam unſer Geſpraͤche auf unſere zukuͤnftige Lebens - art. Der Tag iſt mir voll Schaam verſprochen worden. Bald, war die Antwort auf mein wie - derholtes Anhalten. Unſere Equipage, unſere Be - dienten, unſere Liebereyen machten einen Theil von dem angenehmen Hauptwercke unſerer Unterre - dung aus. Sie entdeckt mir ihr Verlangen, daß der Boͤſewicht, der nur Familien-Nachrichten mit - getheilt hatte (der ehrliche Joſeph Liman) nicht un - ter unſere Bedienten kaͤme, und daß ſie ihre treue Hanne zu haben wuͤnſchte, ſie moͤchte nun wieder geſund ſeyn oder nicht: beydes ward ihr willigſt zugeſtanden.

Sie machte ſich noch eine groͤßere Vorſtellung von den Folgen der Verſoͤhnung. Wenn ihr Vetter Harlowe nur den Weg dazu bahnen kann, und wenn ſie zur Wirklichkeit zu bringen iſt, ſo wird ſie gluͤcklich ſeyn Gluͤcklich, mit einemSeuf -393Seufzer, ſo ſehr als ſie nur jetzo ſeyn kan. Sie wird es nicht ausſtehen, mein Freund!

Jch entdeckte ihr, gleich ehe wir abgegangen waren, haͤtte ich von Pritchard gehoͤrt, und erwar - tete, daß ihn der Lord M. morgen in die Stadt ſchicken wuͤrde, meine Verordnungen anzunehmen. Jch redete mit Danckbezeigung von des Lords Guͤ - te gegen mich, und mit Vergnuͤgen, von meiner Baſe und Muhmen Hochachtung fuͤr ſie, auch von des Lords Misvergnuͤgen, daß ihm ſein Chiragra hinderte, meinen letzten Brief eigenhaͤndig zu be - antworten.

Sie bedauerte den Lord. Sie bedauerte das arme Fraͤulein Fretchville gleichfalls, denn ſie hatte die Guthertzigkeit ſich nach ihr zu erkundi - gen. Jhr gutes Gemuͤthe bedauerte jedermann, der Mitleiden zu brauchen ſchiene. Da ſie fuͤr ſich ſelbſt gluͤcklich iſt, ſo hat ſie Zeit ſich nach an - dern umzuſehen, und wuͤnſcht, daß alle gluͤcklich ſeyn moͤchten.

Dem Anſehen nach duͤrfte es mit Fraͤulein Fretchville uͤbel gehen. Jhr Geſichte, deſſent - wegen ſie ſich ſo viel einbildete, wird voͤllig ver - derbt werden. Von einem ſo großen Ungluͤcke kann ſie doch noch dieſen Vortheil ziehen Wie die groͤßere Kranckheit ordentlich die kleinere ver - ſchlingt, ſo kann ſie bey dieſer Gelegenheit einen Schmertz empfinden, der ihr den andern Schmertz vermindert und ertraͤglich macht.

B b 5Jch394

Jch bekam einen gelinden Verweis, daß ich von einem ſo großen Uebel ſo leichtſinnig redete Denn was iſt der Verluſt der Schoͤnheit, gegen den Verluſt eines guten Ehegatten? Vor - treffliches Gemuͤthe!

Jhre Hoffnung, und ihr Vergnuͤgen uͤber die - ſe Hoffnung, daß Fraͤulein Howes Mutter mit ihr wuͤrde verſoͤhnt werden, kam auch vor das gute Fraͤulein Howes; ſo druͤckte ſie ſich von ei - nem Frauenzimmer aus, die ſo geitzig und bey ih - rem Geitze ſo ohne Gewiſſensbiſſe iſt, daß ſie ſonſt niemand gut nennen wird. Aber meine vortreff - liche Geliebte erſtreckt ihre Huld ſo weit, daß ſie von dem veraͤchtlichſten Thiere, wenn es denjeni - gen die ſie hoch haͤlt angehoͤrt, mit einer Art von Werthe redet. Liebt mich, und liebet meinen Hanns, habe ich den Lord M. ſagen hoͤren. Wer weiß ob ich ſie nicht einmahl da - hin bringe, daß ſie aus Gefaͤlligkeit fuͤr mich gut von dir urtheilt, Hanns?

Doch was habe ich vor? Suche ich nicht dieſe gantze Zeit uͤber mein Hertze zu baͤndi - gen? Jch weiß es, daß ich dieſes ſuche, ver - moͤge der Biſſe die es empfindet, da meine Feder das Zeugniß ihrer Vortrefflichkeit hinſchreibt. Noch muß ich aber hinzuſetzen, (denn keine Eigen - liebe ſoll mich hindern, dieſem wundernswuͤrdigen Frauenzimmer Gerechtigkeit wiederfahren zu laſ - ſen,) daß ſie bey dieſer Unterredung in allen Thei - len der Haus-Wirthſchaft, die unter die Sorgfaltder395der Hauswirthin ſelbſt fallen koͤnne, ſo viel kluge Kaͤnntniß zeigte, daß ich glaube, ſie hat in der Welt niemand ihres gleichen in ihren Jahren.

Jch breche ab, einiges von Fraͤul. Ho - wes Gifte wieder durchzuleſen.

Das ſind verwuͤnſchte Briefe, Fraͤulein Howes ihre, Hanns! ſchicke mir mein Schreiben, indem ich welche von ihr er - waͤhne, zuruͤck. Jch gehe weiter.

Ueberhaupt war meine Geliebte bey dieſem angenehmen Spatzier-Gange vollkommen ver - gnuͤgt und aufgeraͤumt. Sie hatte es auch nicht anders Urſache. Denn da es das erſtemahl war, daß ich die Ehre ihrer Geſellſchaft allein hatte, ſo war ich geſonnen, ſie durch mein ehrerbietiges Bezeigen zu Wiederhohlung dieſer Gewogenheit zu bewegen.

Bey unſerer Ruͤckkehr fand ich, daß des Sach - walters Schreiber mich mit dem Entwurf der Ehe - ſtiftungen erwartete.

Sie ſind nur mit den noͤthigen Veraͤnderun - gen, nach denen eingerichtet, die fuͤr meine Mutter abgefaßt worden. Das Original davon (das ich nun von dem Sachwalter wieder erhalten habe) ſowohl als die neuen Entwuͤrfe, habe ich meiner Gelieb - ten uͤbergeben. Dieß machte den Sachwalter ſei - ne Verrichtung leichte: und ſie kann kein beſſerVor -396Vorrecht haben; der große Lord S. hatte jene Einrichtungen auf Anſuchen der Verwandten von meiner Mutter gemacht. Der gantze Unterſchied iſt, daß meine Liebſte noch 100 Pf. jaͤhrlich mehr bekoͤmmt als meine Mutter.

Jch erbot mich ihr die alte Eheſtiftung vor - zuleſen, da ſie den Entwurf der neuen las. Denn bey der Unterſuchung derſelben mit dem Schreiber hatte ſie nicht wollen gegenwaͤrtig ſeyn. Aber ſie lehnte auch dieſes ab. Jch vermuthe ſie wollte nicht von ſo viel Kindern, den erſten, zweyten, dritten, vierdten, fuͤnften, ſechſten und ſiebenden Sohne, und eben ſo viel Toͤchtern, die mit beſag - ter Clariſſa Harlowe gezeugt wuͤrden, hoͤren.

Angenehme Vorerinnerungen bey der Ehe, wenn auch gleich dabey ſteht, aus rechtmaͤßi - gem Ehebette gezeugt. Als wenn ein Mann mit ſeiner Frau unrechtmaͤßige Kinder zeugen koͤnnte. Denckſt du aber nicht, daß die ſpitz - findigen Schelme, die Advocaten, dadurch zu ver - ſtehen geben, daß ein Mann von ſeiner Frau Kin - der vor ſeiner Ehe haben kann. Das muͤſſen ſie meynen. Warum bringen denn die Voͤgel einen ehrlichen Menſchen ſolche Schelmereyen ein. A - ber hier und in unzaͤhlich andern Beyſpielen ſehen wir, daß Geſetze und Evangelium zwey gantz ver - ſchiedene Dinge ſind.

Dor -397

Dorcas verſuchte in unſerer Abweſenheit, an den hoͤltzernen Schranck in dem finſtern Cabinet zu kommen. Aber es geht ohne Gewalt nicht an. Und ſich blos aus Nutzen in wichtige Gefahr zu ſetzen, war nicht zu entſchuldigen.

Frl. Sinclair, und die Nymphen alle ſind der Meynung, daß ich nun in ſo viel Gewogenheit bey ihr ſtehe, und einen ſo mercklichen Antheil an ih - rem Vertrauen, und ſelbſt an ihrer Gewogenheit ha - be, daß ich thun darf was ich will, und die Ge - walt meiner Leidenſchaft vorwenden kann, wel - ches ihren Gedancken nach die Gewalt die man gegen ihr Geſchlechte ausuͤbt, verzeihungs-werth macht, ſo gut als eine vergoͤnnte Entſchuldigung mit den Perſonen beyden Geſchlechts die dabey nicht betroffen ſind; und alle bieten ihre huͤlfrei - chen Haͤnde an. Warum nicht? ſagen ſie; iſt ſie nicht von allen als meine Frau angeſehen wor - den? Und iſt ſie nicht auf gutem Wege mit ihren Freunden ausgeſoͤhnt zu werden; welches ſonſt ihr Vorwand war die Vollziehung auf - zuſchieben?

Sie treiben mich weiter an: weil es ſo ſchwer iſt, die Nacht zur Freundin zu haben, ſollte ich es am Tage verſuchen. Sie erinnern mich, die La - ge ihres Hauſes ſey ſo beſchaffen, daß man von außen keinen Laͤrmen darinnen hoͤren koͤnne, und lachen mich aus, daß ich es fuͤr noͤthig anſehe,daß398daß ein Frauenzimmer ausgekleidet ſeyn muͤſſe. Es war mit mir nicht allemahl ſo, armer alter Mann, ſagte Sarah zu mir, und warf mir ihr Schnupftuch unverſchaͤmt ins Geſichte.

Ende des vierdten Theils.

About this transcription

TextClarissa
Author Samuel Richardson
Extent409 images; 86346 tokens; 9314 types; 574251 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationClarissa Die Geschichte eines vornehmen Frauenzimmers von demjenigen herausgegeben, welcher die Geschichte der Pamela geliefert hat: und nunmehr aus dem Englischen in das Deutsche übersetzt Vierter Theil Samuel Richardson. Johann David Michaelis (ed.) . [1] Bl., 398 S. VandenhoeckGöttingen1749.

Identification

SUB Göttingen SUB Göttingen, 8 FAB IX, 1185:4 RARA

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:34:07Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibrarySUB Göttingen
ShelfmarkSUB Göttingen, 8 FAB IX, 1185:4 RARA
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.