WJr Friederich der Dritte / von Got - tes Gnaden / Marg - graff zu Brandenburg / des Heil. Roͤmiſchen Reichs Ertz-Caͤmmerer und Chur-Fuͤrſt / in Preußen / zu Mag - deburg / Cleve / Juͤlich / Berge / Stettin / Pom - mern / der Caßuben und Wenden / auch in Schleſien zu Croſſen Hertzog / Burggraff zu Nuͤrnberg / Fuͤrſt zu Halberſtadt / Minden und Camin / Graff zu Ho - henzollern / der Marck und Ravensberg / Herr zu Ravenſtein / und der Lande Lauenburg und Buͤtow. ꝛc.
BEkennen hiermit fuͤr Uns / Unſere Erben und Nach - kommen / Margraffen und Chur-Fuͤrſten zu Bran - denburg / als Hertzogen zu Magdeburg / auch ſonſten gegen Jedermaͤnniglichen; Nachdem Uns der Ehrwuͤrdige und Hochgelahrte Unſer lieber Getreuer Ehr M. Auguſt Hermann Francke / Prof. Ordinar. Theol. & Philoſoph. bey Unſerer Friedrichs-Univerſitaͤt zu Halle / wie auch Director des Waͤyſen-Hauſes und Paſtor zu Glaucha / unterthaͤnigſt zuvernehmen gegeben / daß / ob Wir wohl dem Waͤyſen - Hauſe zu Glaucha an Halle eine abſonderliche Druckerey und Buch-Handlung zuhalten / unter andern Gnaͤdigſtcon -concediret / und verſtattet / dennoch einige Buchfuͤhrer ſo ſo wohl anderwerts / als abſonderlich in unſern Landen mit dem Nachdrucken derjenigen Buͤcher und Schrifften / die ſo wohl itzt als zukuͤnfftig von dem Waͤyſen-Hauſe moͤchten verleget werden / gar ſehr droheten; Mit gantz gehorſam - ſter Bitte / Wir wollten Gnaͤdigſt geruhen / das Waͤyſen - Hauß gegen ſolche Nachdrucker mit einem General-Privile - gio, welches bey jeder aufzulegenden Schrifft forne an zu drucken / dahin Gnaͤdigſt zuverſehen / daß diejenigen Schriff - ten / welche Er entweder ſelbſt zum Nutzen des Waͤyſen - Hauſes heraus geben / oder cum concesſione des Autoris drucken laßen moͤchte / oder auch ſonſten / da ein gewiſſes Buch (welches nicht mehr verhanden / auch von einem an - dern noch nicht unter die Preße genommen worden / und zu nuͤtzlicher Erbauung wieder auffzulegen noͤthig waͤre) durch Verlag des Waͤyſen-Hauſes gedruckt wuͤrde / in allen Unſern Landen weder heimlich noch oͤffentlich nachzudrucken veꝛbothen und verwehret werden moͤchte; Und Wir dann dieſes ſein unterthaͤnigſtes Bitten der Billigkeit gemaͤß und zum Auff - nehmen des Waͤyſen-Hauſes dienlich zu ſeyn befinden; Als haben Wir ſolchem an Uns gebrachten gehorſamſten Su - chen in Gnaden Raum und ſtatt gegeben. Thun demnach daſſelbe als der Chur-Fuͤrſt und Landes-Herr / privilegiren und begnadigen obgemeldetes Waͤyſen-Hauß zu Glaucha an Hall / dergeſtalt und alſo / daß / ſo wohl des gedachten Profeſſoris Ehrn M. Franckens heraus gegebene / und noch kuͤnfftig heraus kommende Buͤcher / Predigten und Schriff - ten / als auch alle andere Scripta und Buͤcher / die von desWaͤy -Waͤyſen-Hauſes Mitteln bereits verleget / oder demſel - ben noch ins kuͤnfftige zuverlegen gegeben werden moͤch - ten / alleine aus des Waͤyſen-Hauſes Buchladen / ſo wohl an Buchfuͤhrer / als andere zuverhandeln / zu diſtrahiren / oder gegen nuͤtzliche und zum beſten des Buchladens dien - liche Sortimenten zuverwechſeln / verſtattet und zuge - laßen / hingegen aber Maͤnniglichen nur erwehnte des Waͤyſen-Hauſes Verlags-Buͤcher und Schrifften in die - ſer Unſer Chur - und Marck Brandenburg / in Derſel - ben incorporirten / auch andern Unſern Landen und Pro - vincien weder nachzudrucken noch da ſolches von andern auſer Unſerm Gebiethe geſchehe / die gedruckte Exempla - ria in ſolche unſere Lande einzufuͤhren / daſelbſt zu diſtra - hiren / heimlich oder oͤffentlich zuverkauffen / und loß zu - ſchlagen / bey confiſcation der Exemplarien / und Ein tau - ſend Thlr. Geld Straffe / halb Unſerm Fiſco, und die andere Helffte dem Waͤyſen-Hauſe / nebſt denen Exem - plarien zuerlegen hiermit verbothen / und nicht zugelaſſen ſeyn ſolle; Aus habender Macht von Obrigkeit und Lan - des-Fuͤrſtl. Hoheit wegen / Krafft dieſes Unſers offenen Brieffs / allermaßen wie vorſtehet; Wir und Unſere Nachkommen / Marggraffen und Chur-Fuͤrſten zu Brandenburg / als Hertzogen zu Magdeburg ꝛc. wollen auch mehr erwehntes Waͤyſen-Hauß zu Glaucha an Halle / und deßen Directorem dabey jederzeit Gnaͤdiglich ſchuͤtzen / handhaben und erhalten / auch alle Buchfuͤh - rer und Buchdrucker ernſtlich gewarnet haben / ſich anſol -ſolchem Werck nicht zuverſuͤndigen / oder aus Neid und Mißgunſt mit uͤbelen Reden und unchriſtlichem bezeu - gen / bey Vermeidung hoher Straffe zuvergreiffen; Ge - ſtalt Wir dann allen Unſern Regierungen / und Gerichts - Obrigkeiten / in allen Unſern Chur-Fuͤrſten - und Hertzog - thuͤmern / Graff-Herrſchafften und Landen / uͤber dieſem Unſerm Privilegio generali gebuͤhrend zu halten / und die - jenige / ſo dawider handeln / mit vorerwehnter Straffe un - nachlaͤßig anzuſehen / hiemit Gnaͤdigſt anbefehlen; Getreu - lich ſonder Gefehrde; Jedoch Uns an Unſern / und ſonſt jedermaͤnniglichen an ſeinen Rechten ohne Schaden; Uhr - kundlich unter Unſer eigenhaͤndigen Unterſchrifft und an - hangendem Chur-Fuͤrſtlichem Lehen-Siegel / gegeben zu
Potſtam / den 23. Maji 1699. Friedrich. L. S. P. v. Fuchs.
JCh bin in der guten hoffnung geſtanden / als vorige meß den er - ſten theil der Theologiſchen beden - cken und briefflicher antworten her - ausgegeben / daß mit der huͤlffe Got - tes auff ietzige meß der reſt auch her - aus kom̃en koͤnte: Wann ich aber meinen ordenlichen beruffs-arbeiten etwas abzubrechen billich bedencken trage / die zunehmende jahr eine lang - ſamkeit in allem bey mir verurſachen / und hingegen die zuſammenſuchung der copien aus allerhand meinen papie - ren / auch durchſehung derſelben / um ſie von den fehlern der copiſten / da mir manchmal ſchwehr worden meinen eigenen von ihnen verkehrten ſinn wiederum zu errathen / mehrere zeit / als von anfang vermuthet hatte / erfordert haben / war mirs unmuͤglich damit fertig zuwerden: wes - wegen dieſesmahl nur 3 capitel / nemlich III. IV. und V. in GOttes nahmen heraus gebe. Jn dero erſtem die je - nige bedencken und antworten ſtehen / welche die Chri - ſtliche pflichten gegen GOtt / gegen die Ober und untere /gegengegen die nechſte insgemein / und endlich eines jeden gegen ſich ſelbs angehen; das andere (oder IV. ) faßet die eheſachen in ſich; endlich das dritre die parænetica und paracletica, das iſt vermahnung - oder auffmunterung - und troſt-ſchreiben. Alſo bleiben vor den dritten und letzten theil noch uͤbrig theils die jenige materien / welche den zu - ſtand unſrer zeiten und kirche betreffen / ſonderlich worin - nen ich etwas mit zuthun und zuleiden gehabt / theils welche in denen vorigen capiteln / weil ſie mir in dero ein - richtung noch nicht unter die haͤnde gekommen / ihren platz haben ſollen / und alſo als paralipomena angefuͤhret werden / oder auch von denen nicht wol ſagen konte / wo - hin ſie am formlichſten zuziehen waͤren. Zu welcher aus - fertigung die nechſte zeit nach GOttes fuͤgung anzuwen - den haben werde.
Was im uͤbrigen bey dem erſten theil wegen unter - ſchiedlicher dinge / die bey dem gebrauch dieſes wercks zu - bemercken noͤthig erinnert worden / ſoll hiermit ſo viel als auch hier wiederholet angeſehen werden / als welches al - les mit gleichem recht auch dieſen theil mit angehet / wie auch der dritte theil darnach zurichten iſt.
Der HErr HErr / als ein GOtt der wahrheit / in deßen nahmen auch dieſe arbeit heraus gehet / ſegne ſie mildig - lich bey denen / die ſie leſen / wo ich in ſo mancherley ſchwehren und verworrenen ſachen aus menſchlicher ſchwachheit etwa ange - ſtoßen und gefehlet haͤtte / ſehe er dieſe in gnaden an / laße aber auch keinen im vertrauen darauff etwas zu thun / was ihm nicht wahrhafftig gefaͤllet / verleitet werden / hingegen die von mir vor - getragene wahrheit kraͤfftig in die hertzen zur erkaͤntnuͤs / gehor - ſam / und vielen fruͤchten eintringen durch JEſum Chriſtum / das ewige liecht vom liecht. Amen. Berlin. den 4. Mart. 1701.
Philipp Jacob Spener / D.
DJe vorgelegte frage anlangend / faſſe meine mei - nung in etzliche ſaͤtze. 1. Es bleibet ausgemacht / nicht allein / daß GOtt ein Geiſt ſeye / und alſo keine geſtalt habe / ſondern daß auch der menſch / wo er ſich von GOtt in ſeiner ſchwachheit einen leiblichen concept machet / doch daran gedencken muß / daß GOtt ein geiſtliches weſen ſeye / von dem kein wahres bild gemachet werden koͤnte; hingegen wer ſich GOtt wahrhafftig ſo einbil - den wolte / als einen alten mann / daß er ſolche ge - ſtalt nicht ſo wol als eine repræſentation einer goͤttlichen offenbahrung / als ſeine eigene geſtalt / achtete / der wuͤrde anbeten / was nicht Gott iſt. 2. Dievoll -3ARTIC. I. SECTIO I. vollkommenſte art zu GOtt zu beten iſt diejenige / wo ſich die ſeele von Gott / den ſie anbetet / gantz keinen leiblichen concept machet / ſondern wie ſie weiß / daß er ein Geiſt iſt / daher kein bild haben kan / alſo auch gantz in ſich von allem bild abſtrahiret. Es wird dieſe art etwas ſchwehr / weil unſere ſeele ſich im - mer an bilder gewehnet / ſie iſt aber nicht unmuͤglich. 3. Nechſt dem / wo ei - ner ſein gemuͤth nicht ſo gantz abſtrahiren koͤnte / daß alle bilder wegblieben / weil gleichwol unter allen coͤrpern keiner iſt / der ſubtiler waͤre / und einem geiſtlichen weſen naͤheꝛ kaͤme / als das liecht / hingegen Gott ſich ſelbſt ein liecht nennen laͤſſet / 1. Joh. 1 / 5. und ſeine reinigkeit unter dem nahmen des uns bekandten liechtes uns vorſtellet / ſo hielte noch am beſten / wo man ſich GOtt vorſtellet unter der geſtalt eines unendlichen und an allen orten durchſtrah - lenden liechtes. 4. Was andere bilder anlanget / achte ich / daß auffs wenig - ſte mit groſſer behutſamkeit verfahren werden muͤſſe. Zwahr was CHRJ - STUM betrifft / weil derſelbe zugleich wahrhafftiger menſch iſt / ſo hat das bild / daß wir uns von ihm in der ſeele machen / da wir ihn uns vorſtellen als gecreutziget / oder in anderer menſchlicher figur / keine falſchheit in ſich / und iſt alſo ohne fehler; GOtt den Vater aber / oder den H. Geiſt / als einen alten mann und eine taube / wegen der in ſolchen geſtalten geſchehenen offenbah - rungen vorzubilden / moͤchte zwahr an gantz einfaͤltigen / jedoch / daß ſie[/]wuͤ - ſten / daß es dennoch keine eigentliche bilder waͤren / geduldet werden: an an - dern aber / die eine mehrere erkaͤntnuͤß haben / wolte ich ſolches nicht gerne ſe - hen / ſondern lieber wuͤnſchen / daß ſie davon gantz abſtrahirten. 5. Daher ich vor das bequemſte achte / wo man je eine eigentliche geſtalt haben will / man ſtelle ſich allezeit das bild Chriſti vor / nicht allein wo man ſeingebet zu ſolcher perſon beſonders richtet / ſondern auch wo man den Vater und den H. Geiſt anbeten will / denn der HErr ſagt ſelbſt Joh. 14 / 9. 10. Wer mich ſiehet / der ſiehet den Vater; und glaubeſtu nicht / daß ich im Vater / und der Vater in mir iſt? Alſo wiſſen wir / daß in der menſchlichen natur nicht allein die gantze fuͤlle der Gottheit leibhafftig und perſoͤnlich woh - net / Col. 2 / 9. ſondern / daß auch der Vater in ihm iſt / und auſſer ihm nicht geſucht werden kan. Nicht weniger iſt der Heil. Geiſt derjenige / mit dem der HErr ohne maaß geſalbet worden / und der ſein eigner Geiſt iſt; Alſo will ich am liebſten in allem gebet meinen Heyland mir vorſtellen / nicht allein als denjenigen / der mir das recht / und den zugang zu dem Vater zuwege ge - bracht / und ich deßwegen nie anders als durch ihn zu denſelben kommen darff: ſondern auch als denjenigen / indem ich den Vater und den Heil. Geiſt finde / die ſich alſo in gewiſſer maaß in Chriſto unſern augen ſichtbahr darſtel - len / wie die ſeele in ihrem leib / daher wo ichmir den menſchen einbilden will /A 2ich4Das dritte Capitel. ich mir nur die geſtalt des leibes bilde / und doch die ſeele mit begreiffe / die in ſolchem leibe wohnet / und unmittelbar nicht geſehen werden kan. Dieſe art der vorſtellung finde ich / daß ſie ohne ſcrupul gebraucht werden kan / ja in dem gebet / weil wir den Vater nie anders als in Chriſto uns vorſtellen / unſern glauben und vertrauen deſtomehr auffmuntern mag / daher ich ſie recom - mendire / ſelbs gebrauche / und weiß / daß ſie auch andern Chriſtlichen hertzen zu ihrer andacht dienlich befunden worden iſt. Der HErr aber gebe uns ſelbſt / ſo offt wir vor ſein angeſicht uns darſtellen / den Geiſt der gnaden und des gebets / ſo wird auch dieſer unſere phantaſie mehr und mehr von demjeni - gen reinigen / was der heiligkeit deſſen / zu dem wir beten / moͤchte entgegen ſeyn / auch wird der liebſte Vater diejenige / ſo ihn in ſeinem Sohn im Geiſt und in der wahrheit anruffen / ihm gefaͤllig ſeyn laſſen / und uns aller ſolcher unſerer bitte gewehren. 1693.
EJne ledige weibs-perſon / ſo mit ſchwehren anfechtungen gepla - get / thut ein geluͤbde / ſo ihr GOtt helffen wuͤrde / zur danckbar - keit woͤchentlich 2. abendmahlzeiten zu faſten: Jhrer mutter ſchweſter erinnert ſie / und widerſpricht wegen bekandter bloͤdigkeit ih - res leibes. Gott erbarmt ſich ihꝛ / ſie faͤngt an das geluͤbde zu halten / fin - det aber davon ſonderlich / nachdem ſie geheyrathet / wo ſie ſchwanger iſt / groſſe beſchwehrde und nachtheil ihrer geſundheit. Jhr wird gera - then / das genus voti zu mutiren / da gibt ſie eine anſehnliche ſumme an die arme; aber das gewiſſen wird noch nicht ruhig / und ſtehet auff einer ſeiten die gefahr der geſundheit / auff der andern religio voti. Fragt ſich was ihr zu rathen?
JN vorgelegtem fall wegen des geluͤbdes / ſetze ich dieſes zum voraus / daß die gelobende perſon daſſelbe in einfalt ihres hertzens gethan / und damit ihre hertzliche danckbarkeit gegen GOtt / der ihr gebet erhoͤret / bezeu - gen wollen. Da iſt nun 1. die gute intention des hertzens an ihr zu loben / und ohne allen zweiffel GOtt gefaͤllig / weil es ein geluͤbd / ſo aus glaͤubiger ſeelen gekommen / gute urſach und zweck hat / uͤber eine ſache gehet / welche an ſich ſelbs nicht boͤſe / und daß ihr ſolches zu halten ſo beſchwerlich fallen wuͤr -de /5ARTIC. I. SECTIO III. de / nicht bekant war. 2. Die ſache die gelobet / nemlich wochentliche doppele enthaltung einer abendmahlzeit / iſt eine mittel-ſache / das iſt / an ſich ſelbſt we - der boͤß noch gut. 1. Cor. 8 / 8. Die ſpeiſe foͤrdert uns vor GOTT nicht. Eſſen wir / ſo werden wir darum nicht beſſer ſeyn / Eſſen wir nicht / ſo werden wir darum nicht weniger ſeyn. 3. Aber gleichwol ſind die urſachen / warum das faſten angeſtellt wird / als nemlich die zuͤchti - gung ſeines fleiſches / demuͤthige bezeugung ſeiner uͤber die ſuͤnde habende reue / und befoͤrderung hertzlicher andacht / an ſich ſelbſt gut / und um deſſelben wird die ſache ſelbs / nemlich das faſten / vor gut gehalten / und in der ſchrifft gelobet. 4. Gleichwol ſind die jetzo angefuͤhrte ſtuͤcke ſo bewandt / daß ſie nicht bloß an das faſten gebunden / ſondern durch taͤgliches ordinari faſten / das iſt / ſtaͤtiges maͤßiges halten / das fleiſch eben ſo wohl gezaͤhmet Rom. 13 / 14. auff andere weiſe die reue angezeiget / und die andacht befoͤrdert werden mag. 5. Jſt das faſten ein ſolches mittel / das an ſich ſelbſten nicht bey allen noch zu allen zeiten nuͤtzlich iſt / theils zwahr weil bey gewiſſen perſonen oder in gewiſſen zuſtaͤnden ſolches der leibes-geſundheit mag ſchaͤdlich ſeyn / die wir aber nach vermoͤgen nach goͤtlicher ordnung zu erhalten verbun - den ſind; theils aber / weil bey einigen / welche von bloͤder conſtitution und bey deren gantz laͤhrer magen allerhand duͤnſte / mehr als ſonſten / in den kopff auffſteigen macht / die andacht etwa mehr gehindert als gefoͤrdert wird / und ſolche leute / wo ſie etwas weniges zu ſich genommen / viel freyer in dem gemuͤth / und alſo tuͤchtiger zu betrachtungen / gebet und allerhand gott - ſeligen uͤbungen ſich befinden / als wo ſie gantz nuͤchtern bleiben / und die da - her entſtehende ungelegenheiten des leibes auch das gemuͤth und die gedan - cken mehr beunruhigen. 6. Wann wir insgemein lehren / daß die geluͤbde nicht guͤltig ſind / welche von unmuͤglichen dingen gethan werden / iſt die mei - nung nicht nur von bloß unmuͤglichen / ſondern auch den jenigen / welche ohne daraus flieſſende andere ſuͤnde nicht koͤnte gehalten werden. Solche ſachen ſind zwahr phyſice, nicht aber moraliter, muͤglich / und alſo die daruͤber thu - ende geluͤbde unbuͤndig: wie unſere allgemeine lehre uͤber den paͤbſtiſchen geboten ausweiſet.
Voraus geſetzt dieſer dinge / ſo waͤre meine einfaͤltige meinung dieſe. 1. Es hat dieſe weibs-perſon zum allerfoͤrdriſten zu erkennen / daß eine ſuͤnd - liche ſchwachheit mit untergelauffen / indem ſie dergleichen ſache GOtt gelo - bet / uͤber welches ſie ſich nicht genugſam gepruͤffet / obs ihr auch zu halten muͤglich ſeye / oder auch ſich nicht mit andern verſtaͤndigern davon beredet / und dero raths gepflogen / was ſie vor muͤglich halten. Jſt ein exempel ei - nes menſchlichen fehlers / welches ſich offt zutraͤget / daß da wirs am beſten im ſinne haben / wir etwa in einem umſtand anſtoſſen / und alſo das jenige /A 3was6Das dritte Capitel. was ſonſten an ſich ſelbſts gut geweſen / mit ſuͤnde beflecken. Wie nun in allen ſolchen dingen es geſchehen ſolle / alſo hat dieſe Perſon / (welches viel - leicht ſchon mag geſchehen ſeyn) ſolches ihr uͤberſehen / und durch unvorſich - tigkeit begangenen fehler / zu erkennen / und ſich vor ihrem GOtt deßwegen bußfertig zu demuͤthigen. Welches ihr nachmal eine ziemliche erleichte - rung ihres gewiſſens geben wird. 2. Der widerſpruch ihrer mutter ſchwe - ſter iſt auch nicht von geringer conſideration. Waͤre dieſelbige / (ſo ich nicht weiß / als dem die umſtaͤnde der perſon nicht bekandt ſind) allerdings als Mutter bey ihr geweſen / das iſt / ſie in ihrer ſorge damal geſtanden / ſo ge - hets ſo viel kraͤfftiger an / nach 4. Moſ. 30. 4. und folg. Waͤre aber ſolches nicht / ſo iſt gleichwol eine perſon / welche nicht nur an jahren aͤlter / ſondern dergleichen muͤtterlichen reſpect gegen der gelobenden hat / wohl befugt / aus beſſerer ihrer erkaͤntnuͤß das geluͤbde nicht ſo wol auffzuheben als zu corri - giren. Daher halte ich 3. die perſon an deſſen geluͤbdes art und weiſe / worin - nen ſie gefehlet / und warum ihre waſe widerſprochen / nicht mehr gebunden: wohl aber dazu gehalten / daß ſie das geluͤbde erfuͤlle / ſo fern ſie darinnen nicht gefehlet / und demſelben nicht hat widerſprochen werden ſollen. 4. Wol - te ich nicht gerne bloß bey den geſchehenen almoſen beruhen. Dann ob ſchon daſſelbige freylich auch ein Gottgefaͤlliges werck der danckbarkeit iſt / ſo iſt doch einstheils daſſelbe nicht ſo eigentlich dem zweck des geluͤbdes gemaͤß / welcher ohne zweiffel wird geweſen ſeyn / ſich allezeit bey ſolchem faſten der von GOTT erwieſenen gutthat danckbarlich zu erinnern / dazu das einma - lige almoſen geben nicht bequem; andern theils gehet es allerdings von der ſache ab / die gelobet worden / und kommt in ein gantz ander genus voti. Da auffs wenigſte ein zartes gewiſſen / wie aus allem erhellet / das bey dieſer perſon ſeye / ſonderlich das den anfechtungen leicht unterworffen / ſich nicht ſo wohl tranquilliren kan. 5. Hielte ich rathſam zu ſeyn / daß ſie ſo nahe bey dem gethanen geluͤbde bliebe / als geſchehen kan: und alſo daſſelbe zwahr nicht hielte in dem rigore der enthaltung aller ſpeiſen / weil ſolches ihrer leibs - conſtitution und etwa ſo offt ſie geſegnetes leibes / der frucht ſchaͤdlich moͤch - te ſeyn / und daher ohne ſuͤnde nicht gehalten werden koͤnte; auffs wenigſte bey einmal ſich auch aus andern urſachen ereignenden znfaͤllen das zarte gewiſſen ſich dadurch verletzet achten / und die ſchuld dem faſten zuſchreibeu moͤchte; Aber daß ſie es auff dieſe weiſe hielte: weil GOtt dem HErrn das faſten nicht um ſein ſelbs / ſondern um der ihm gefaͤlligen geiſtlichen uͤbun - gen willen / deren mittel es allein iſt / gefaͤllet / ſo mag ſie wochentlich zweymal des abends ſich des ordentlichen und zu voͤlliger ſaͤttigung oder auch luſt ge - ſchehenden nacht-eſſens enthalten / und hingegen allein mit weniger / und da - fern es eine Perſon iſt / die ſonſten ſich koͤſtlich zu halten pflegt / und die diemittel7ARTIC. I. SECTIO III. mittel dazu hat / geringerer ſpeiſe und tranck der noth der natur gnug thun / daß ſie oder ihre frucht deſſen kein ſchaden haben mag; ſo dann einige ſtun - den / ſo viel ſie es haben kan / ſich allein halten / in ſolcher abſonderung (die et - wa bequemer darzu / als die gegenwart anderer leute) oder auch bey andern ſo wol ſich allezeit ihres ausgeſtandenen elends als goͤttlicher ihr erwieſe - ner gnad danckbarlich erinnern / beten / leſen und mit andern bußfertigen uͤbungen / dazu wir taͤglich materi gnug haben / ſolchezeit zubringen. Dazu wird ſie auff ſolche weiſe viel geſchickter ſich befinden / als wo ſie entweder einerſeits ſich wie gewoͤhnlich / geſaͤttiget / oder ander ſeits von dem faſten in - commodiret / oder doch in forcht einiger gefahr beſorgte zu ſeyn. Und wie dieſe wercke eigentlich die jenige ſind / um derer willen unſerem GOtt das fa - ſten ohne daſſelb aber das bloſſe faſten gar nicht gefaͤllet / Eſa. 58. alſo wird auch ſolches vor GOtt bey der perſon / welche zu andern faſten nicht geſchickt / ein wahrhafftiges faſten ſeyn. Jhr gewiſſen wird ſich hierdurch am kraͤfftig - ſten ſtillen / und hingegen GOtt ihr durch die fruͤchten dieſes faſtens ſehen laſſen / daß ihm nicht nur ſolches gefalle / ſondern / daß er auch ſolche ihre hei - lige uͤbungen / dazu ſie durch das geloben ſich vor andern mehr verbunden / al - ſo ſegnen / daß ſie wie ſonſten in ihrem Chriſtenthum mehr zunehmen / alſo auch die krafft des geiſtes und ſeine wuͤrckungen ſo viel herrlicher bey ſich ſpuͤ - ren wird. Welches ich auch ſolcher ob wohl nach dem fleiſch unbekanter / aber in Chriſto geliebter mitſchweſter von unſerem treuen GOTT und heyland hertzlich wuͤnſche und bitte / Amen.
JCh komme auff das anliegen wegen eines gethanen geluͤbdes / und faſſe um ſo viel gruͤndlicher und deutlicher die ſache zu heben meine meinung in einige ſaͤtze. 1. Wir Chriſten haben ein einiges haupt-geluͤbde / ſo wir in unſrer tauff vor GOtt dem HErrn thun / und mehrmals in erneue - rung unſers bundes mit GOtt / ja billig in taͤglichem vorſatz wiederhohlen: dieſes geluͤbde verbindet uns zu lauter ſolchen dingen / dazu wir von GOtt ohne das verbunden ſind / und alſo iſt es nur eine bezeugung unſerer obligen - den pflicht / davon wir niemals befreyet werden koͤnnen / oder auch ſolches nur zu verlangen haben. 2. Was aber die abſonderlich alſo genannte geluͤbde uͤ - ber dinge / welche an ſich ſelbſten ſonſten frey ſind / und zu thun oder laſſen aus gewiſſen urſachen / ſonderlich auff lebens lang angenommen werden / bin ich nicht in abrede / daß ſie nicht leicht rathe / indem der nutze / welchen man davonhoffen8Das dritte Capitel. hoffen kan / gemeiniglich gering / oder doch auch ohne geluͤbde / durch einen nicht gleich verbindlichen vorſatz was er durch jenes ſuchet erhalten werden kan / die beſchwehrde aber und zuweilen hindernuͤß ſo daher entſtehet / mei - ſtentheils groͤſſer als jener iſt / daß ich ſorge / es ſollen wol / auch unter Chriſt - lichen perſonen / ſo etwas gelobet haben / mehr gefunden werden / welche zu ſeiner zeit wolten / das geluͤbde nicht gethan zu haben / als welche ohne einige reue immer einerley wohlgefallen an der gelobten ſache behalten / und wo ſie es nicht gethan haͤtten / ihr geluͤbde allezeit noch zu thun bereit waͤren. Wor - aus alſo nur allerley ſtricke des gewiſſens / zweiffel und beaͤngſtigung / dahero ordentlich mehr hindernuͤß des rechtſchaffenen Gottesdienſtes und Chriſten - thums (da man doch eine beforderung ſuchet) zu erfolgen pfleget / welches ich gleichwohl lieber vermieden / und damit verſchonet zu werden ſehen wolte. 3. Jndeſſen kan ich doch auch nicht ſagen / daß dergleichen freywillige geluͤbde an ſich ſelbs unrecht / oder ſuͤndlich waͤren: ſo wol weil GOtt in dem A. T. uͤber die geluͤbde einige verordnungen gemacht / und ihrer hin und wieder als einer ſache ſo ihm gefaͤllig / gedencket / als auch weil an ſich ſelbs in einer ſolchen freywilligen verbindung nichts ſtraͤffliches gezeiget werden kan / indem was ich dieſes mal zu thun oder zu laſſen macht habe / und weiß / daß ſolches GOtt nicht entgegen iſt / das darff ich (wo ſonſten keine urſach einen unter - ſcheid machet) auch zu andern malen thun oder unterlaſſen / und mich dazu verbinden. So iſt auch nicht ohn / daß zuweilen ſolche verbindung durch ein geluͤbd / daß man ſeinen etwa unbeſtaͤndigen ſinn dadurch befeſtiget / eini - gen nutzen bey etlichen leuten haben mag. Jch achtete aber die jenige alle - zeit die ſicherſte / welche etwa von etwas gewiſſes nur einmahl zu thun / oder doch nur auff eine gewiſſe zeit / nach dero uns aus dem / wie wir uns dabey be - funden / wiederum frey bleibet / ſolches auffs neue fort zu ſetzen / oder es damit zu ſchlieſſen / geleiſtet werden: indem bey denſelben das gewiſſen weniger an - ſtoß findet / als bey den jenigen / ſo auff das gantze leben uͤbernommen werden / welche / nachdem dem Menſchen ſo vielerley aͤnderungen auffſtoſſen / gar leicht ſcrupul und gefahr erwecken: So doͤrffte man auch in allen ſolchen geluͤbden niemal auff nichts anders ſehen (wie ohne das die einbildung eines verdien - ſtes oder insgeſamt in euſſerlichen dingen eine heiligkeit zu ſuchen / unrecht ſeyn / und gar alles verderben wuͤrde) als daß ſie ein huͤlffs-mittel des jeni - gen waͤren / worzu wir ohne das alle insgeſamt verbunden ſind. 4. Wo aber einmal ein formlich geluͤbd / und alſo mit anruffung goͤttlichen nahmens ge - ſchehen iſt / wird die ſache ziemlich ſchwer / und hat man wol acht zu geben / daß man ſich nicht verſuͤndige. Zwahr / wo etwas gelobet worden waͤre / ſo an ſich unrecht / oder nunmehr von dem menſchen ohne uͤbertretung goͤttlichen gebots nicht gehalten werden koͤnte / ſo faͤllet von ſelbſten alle verbindlichkeitdes9ARTIC. I. SECTIO III. des geluͤbdes dahin / weil ſich niemand aus freyem willen zu etwas verbin - den koͤnte / was goͤttlichem willen entgegen iſt: auff welchem grunde es zum theil beruhet / daß die jenige / ſo in dem Pabſtthum das geluͤbd der ledi - gen keuſchheit gethan / und ohne ſuͤnde ſolches nicht halten koͤnnen / mit gutem gewiſſen ſich davon loß machen moͤgen. Wiewol ſolches dabey erfordert wird / daß ſolche leute ihre unbedachtſamkeit vor GOTT etwas gelobt und ſich nicht zur gnuͤge gepruͤffet zu haben / billich mit buß und demuth erſtlich zu erkennen haben / ehe ſie ſich der befreyung davon getroͤſten moͤgen. 5. Wo ſich aber dergleichen nicht befindet / ſondern ein geluͤbd iſt zwahr dem men - ſchen beſchwehrlich / er kans aber ohne ſuͤnde gleichwol halten / ſo traute ich einen Chriſten davon nicht loß zu ſprechen / ſondern halte davor / die ehrerbie - tung gegen ſeinen GOtt erfordere dieſes / daß er / was er einmal demſelben zugeſaget / alſo lang zu halten willig ſeye / als ihm muͤglich iſt / und derſelbige ihn nicht ſelbs davon loß ſpricht. Wir haben Gottes austruͤcklichen be - fehl in dem A. T. 4. Moſ. 30 / 3. Wenn jemand dem HErrn ein ge - luͤbde thut / oder einen eyd ſchwehret / daß er ſeine ſeele verbindet / der ſoll ſein Wort nicht ſchwaͤchen / ſondern alles thun / wie es zu ſeinem munde iſt ausgegangen. Und 5. Moſ. 23 / 21. u. f. Wenn du dem HErrn deinem GOTT ein geluͤbde thuſt / ſo ſolt du es nicht verzie - hen zu halten. Denn der HErr dein GOtt wirds von dir fordern / und wird dir ſuͤnde ſeyn. Wann du das geloben unterwegen laͤſſeſt / ſo iſt dirs keine ſuͤnde. Aber was zu deinen lippen ausgegangen iſt / ſolt du halten / und darnach thun / wie du dem HErrn deinem GOtt freywillig gelobet haſt / das du mit deinem munde geredet haſt. Dieſe verordnungen aber haben wir nicht anzuſehen / als waͤren ſie allein ſtuͤcke des levitiſchen geſetzes / ſo uns Chriſten nicht verbuͤnden: indem ſie viel - mehr eine pflicht ſind der natuͤrlichen gerechtigkeit. Dann diejenige ge - rechtigkeit und wahrheit / welche von mir fordert / daß ich meinem nechſten / dem ich etwas zugeſagt habe / das verſprochene halte / erfordert nicht weniger von mir / daß ich GOtt das angelobte halte: und wie ſich mein nechſter daruͤ - ber beſchwehret / und es als einen mangel der wahrheit / der liebe und ſo er ſonderlich vornehmer iſt / des reſpects, annimmet / wo ich mit der leiſtung zu - ruͤck bleibe / ja ſo viel hoͤher er gegen mir iſt / ſolche unterlaſſung zu ſo viel meh - rerem ſchimpff ſich anziehet; eben alſo ſtreitets auch wider die ehrerbietung gegen GOTT ſo wol / als wider die wahrheit / wo ich mir die freyheit neh - men wolte / das jenige zu ſchwaͤchen / was ich meinem GOTT gelobet habe / gegen welchen ich gleichwol alles unterlaſſen ſolle / was nur den geringſten ſchein einer verachtung gewinnen moͤchte. Weßwegen ich auchBnicht10Das dritte Capitel. nicht ſehe / wie unſre chriſtliche freyheit uns dieſer verbindung loß mache: Denn es hat uns zwahr freylich unſer liebſte heyland / wie von dem moſai - ſchen knechtiſchen geſetz / alſo von aller dienſtbaren beobachtung euſſerlicher dinge frey gemacht / daher ſich ein Chriſt / ſo in dem glauben ſtehet / kein ge - wiſſen uͤber etwas deſſen / ſo zum munde eingehet / oder ſonſten den leib beruͤh - ret / machet / ſondern getroſt durch hin / nemlich durch alle menſchliche dem ge - wiſſen auffgelegte ordnungen / reiſſet: aber der HErr hat uns von der pflicht der wahrheit und der ehrerbietung gegen ſich nicht frey gemacht / ſondern dieſe iſt eher genauer als vorher. Ja wie niemand ſagen wird / daß ich aus der freyheit / die ich in Chriſto habe / frey ſeye von den jenigen zuſagen / welche ich meinem naͤchſten gethan habe / und er alſo ein recht gegen mich daraus erhal - ten hat / ſo ſehe ich nicht / wie die zuſagen gegen GOtt weniger verbindlich ſeyn / und um ſolcherbefreyung willen ohne ſuͤnde hindan geſetzt werden koͤn - ten: und hingegen / wie ich den nahmen nicht zu haben / daß ich meinen wor - ten gegen den nechſten keine krafft gegeben haͤtte / das euſſerſte / und meine groͤſte ungelegenheit thue / ſo muß mir auch die beſchwehrde / ſo ich von dem geluͤbde habe (immer zu reden von dem jenigen / in dero haltung keine ſuͤnde ſtecket) zu vermeiden nicht ſo lieb ſeyn / deßwegen mich von demſelben mit ver - letzung der wahrheit loß zu wuͤrcken. 6. Wo ich nun auff die hypotheſin gehe / ſo finde zwahr ſo bald einigen fehler bey dieſem geluͤbde / daß daſſelbe nicht mit gnugſamen bedacht und pruͤffung der kraͤfften geſchehen ſeye / wie wir gleichwol in allen dingen / was wir mit GOtt vorhaben / zuſehen ſollen bedaͤchtlich zu ſeyn / und an die worte Salomons zu gedencken Pred. 5 / 1. Sey nicht ſchnell mit deinem munde / und laß dein Hertz nicht eilen et - was zu reden vor GOTT. Deßwegen nachdem bisher durch die erfah - rung ſolcher fehler ſich gnugſam offenbahret hat / und alle bisherige ſcrupel durch ſolche uͤbereilung veranlaſſt worden ſind / billich ſeyn wird / ſich hertzlich vor GOtt zu demuͤthigen / und dieſen fehler / dadurch man ſich ſelbs in nicht wenige verunruhigung geſetzet habe / abzubitten. 7. Jndeſſen finde doch nicht / daß damit das band auffgeloͤſet ſeye / ſondern es bleibet aus obenange - fuͤhrten urſachen alſo lang noch feſt / als es ohne andere ſuͤnde gehalten wer - den kan: Daher ich auch die aͤnderung deſſelben in eine andere art auff mich zu nehmen nicht getraute / noch eine ruhe des hertzens dabey verſprechen koͤn - te. 8. Weil uns aber gleichwol von GOTT die erhaltung ſo unſerer ge - ſundheit / als auch bequemlichkeit zur andacht alſo anbefohlen iſt / daß wir wi - der ſolche nichts zu thun befugt ſind / ſondern uns alles zur ſuͤnde wird / wo wir ſelbs unſre geſundheit ſchwaͤchen / und uns zu geiſtlichen uͤbungen / oder auch andern von ihm uns befohlenen dingen / ungeſchickt machen / ſo waͤre dieſes wohl die einige urſach / ſo denſelben etlicher maſſen von dem geluͤbde be -freyen11ARTIC. I. SECTIO III. freyen moͤchte. 9. Wann dann befunden worden / daß durch das faſten ſonderlich des freytags / wegen der mehrern amts-verrichtungen / die natur nicht ohne dero wahrhafftigen nachtheil und ſchwaͤchung / abgemattet wer - de / ſo faͤllet das geluͤbde / was den umſtand des tages (darauff ohne das nicht hauptſaͤchlich wird geſehen ſeyn worden) anlangt / dahin / und kan damit nicht fortgefahren werden: indem GOtt nicht gefallen kan / womit wir an uns ſeine creatur verderbten / und uns zu anderem ſeinem dienſt untuͤchtig machten. 10. Wo aber befunden wird / daß an einigem andern wochentage / da die wenigſte ermuͤdende verrichtungen waͤren / das faſten ohne nachtheil der geſundheit und verſtoͤhrung der andacht angeſtellet werden koͤnte / ſo wuͤrde durch ſolche verlegung dem geluͤbde in der ſache ſelbs ein gnuͤge geſche - hen / und ſich das gewiſſen damit beruhigen. 11. Wo aber letzlich ſich erge - ben ſolte / daß alles ſolche faſten nicht ohne ſchaden der noͤthigen leibeskraͤff - ten und mit ſtaͤter hinderung der andern geiſtlichen uͤbungen zu werck gerich - tet werde / ſo waͤre mein rath / gleichwol bey dem erſten geluͤbde ſo nahe zu bleiben / als ohne andere verletzung des gewiſſens geſchehen koͤnte / und wolte ich vorſchlagen / an ſtatt des einen tages / ſich zwey tag zu wehlen / da ich die or - dinarie mahlzeit auſſetzte / oder nicht nach ſonſt gewoͤhnlicher nothdurfft aͤſſe / ſondern etwa allein auff meinem cabinet mir von ſpeiß und tranck nur ſo viel reichen lieſſe / was die euſſerſte nothdurfft der ſtaͤrckung der natur erforderte / und hingegen die gewoͤhnliche zeit des ſpeiſens uͤber / allein mit geiſtlichen uͤbungen und andacht zubraͤchte. Dieſes achtete ich vor das ſicherſte / und von dem man kuͤnfftig die wenigſte unruhe des gewiſſens zu ſorgen haͤtte: dann alſo bliebe man bey dem geluͤbde / deſſen rigor die ſchwachheit der natur nicht zu gibt / und uns alſo gewiſſer maſſen davon befreyet / annoch am nech - ſten / und moͤchte den durch die erſte entſchlieſſung dazu vorgehabten zweck am kraͤfftigſten dardurch erlangen. Wie dieſes nun meine in der forcht des HErrn gefaſte einfaͤltige gedancken ſind / die ich zur pruͤffung meines gelieb - ten bruders eigenem gewiſſen uͤberlaſſe / ob und wie fern er ſich uͤberzeuget fin - den moͤchte / alſo ruffe ich ſchließlich den himmliſchen Vater demuͤthigſt an / daß er nach ſeiner vaͤterlichen guͤte und treue gegen ſeine kinder / welche wider ſeinen willen nicht gern thun wolten / ihm denſelben zu voͤlliger beruhigung des gewiſſens zu erkennen geben / und uns ſelbs allezeit mit ſeinem geiſt fuͤh - ren / alſo auch ſonderlich in dieſer ſache das hertz durchſeinegnadeveſtmachen wolle.
WAs die uͤberſchickte frage von dem geluͤbde anlangt / ſo ſchicke erſtlich hierbey eine antwort / die ich von der materie vor dieſem an einen andern guten freund gethan / daraus meine meinung von dieſer ſa - che abzunehmen ſeyn wird. Auff den Special-Caſum aber zu kommen: 1. So halte dieſes votum quæſtionis, ſo viel ich noch ſehe oder begreiffen kan / nicht wohl und mit gebuͤhrender vorſichtigkeit gethan. Denn ich kaum verſtehe / wie ein menſch ohne verletzung ſeiner geſundheit des tages immerfort nur ein - mal ſpeiſen / in der woche aber zweymal gantz faſten koͤnte. Daher weiln wir nicht Herren unſers leibes ſind / ſondern derſelbe ſo wol als unſere ſeele Chriſti eigen iſt / deswegen von uns alſo muß gepfleget werden / daß er tuͤch - tig bleibe zu verrichtung desjenigen / worzu ihn GOtt verordnet hat / und die zu GOttes ehr begirige ſeele durch und in ihm wircken muß; ſo ſtehet uns nicht frey / aus einiger urſach / und alſo auch nicht per modum voti, demſel - ben alſo zuzuſetzen / daß er darnach zu ſeinen verrichtungen geſchwaͤchet / und alſo auch die fertigkeit der ſeele / die allezeit von der leibes beſchaffenheit et - was mit leidet / mehr gehindert als gefoͤrdert werde. Daher 2. wird noͤthig ſeyn / daß die perſon zum foͤrderſten einen verſtaͤndigen chriſtlichen Medicum conſulire / der ihrer conſtitution wohl wiſſend ſeye / oder ſie ihm ſolche nach aller nothdurfft deutlich vorſtelle / und alsdenn von demſelben vernehme / ob er ohne verletzung und ſchwaͤchung ſeiner geſundheit dieſe rationem victus gebrauche / ſonderlich aber / ob er nicht zu ſorgen haben moͤchte / daß auffs we - nigſte in das kuͤnfftige ſeiner geſundheit davon ſchade zu befahren waͤre. Wie ich mich entſinne / als ich in zeit meiner ſtudiorum einmal ein jahr absque voto continuiret / die woche alleine eine mahlzeit (den ſambſtag) gantz auszu - ſetzen / und alſo biß abends zu faſten / ein verſtaͤndiger und meiner conſtitution kuͤndiger Medicus darnach bezeuget / daß meiner geſundheit ſolchen ſchaden gethan haͤtte / welchen / wenn es moͤglich / lieber mit geld abkauffen ſolte. Da - her auch jetzt / da ich ex ratione valetudinis und einige zeit zur arbeit zu gewin - nen / woͤchentlich 2. abend ordinarie (wiewol ich mich auch nicht als an etwas noͤthiges daran binde) nicht zu tiſche gehe / mir gleichwol eine ſuppe / brodt und trunck auff mein loſament reichen laſſe / und nicht gantz faſte; alles aber ſine voto. 3. Wo nun der Medicus, welches ich ſchwehrlich gedencken kan / ausſprechen ſolte / daß damit der geſundheit nicht geſchadet wuͤrde / oder doch / daß noch biß auff eine gewiſſe zeit ohne ſorge kuͤnfftig davon fuͤhlenden unge - machs damit continuiret werden koͤnne / ſo bliebe das votum in ſeinem vigo - re, und wuͤrde eine muthwillige brechung deſſelbigen (ein anders iſt von un - bedachtſamer uͤberſchreitung) ſonderlich da ſie mehrmal wiederhohlet wuͤr - de / eine ſolche ſuͤnde ſeyn / die den menſchen in Gottes ungnade ſetzte / wie ande - re wiſſentliche ſonderlich beharrliche ſuͤnden. Jndem die geluͤbde wegen goͤtt -lichen13ARTIC. I. SECTIO IV. lichen befehls nicht ohne verletzung goͤttlicher ehre und entheiligung ſei - nes nahmens koͤnnen gebrochen werden. 4. Moſ. 30 / 3. 5. Moſ. 23 /. 21. 22. 23. Pred. 5 / 3. 4. Conf. Ap. Geſchicht 5 / 4. Wo dann auff dieſe weiſe dagegen gehandelt worden / iſt es mit demuͤthiger Buß zuerkennen.
4. Es wird auch in ſolchem fall dennoch das jenige ausgenommen / wo der menſch / ſo das votum gethan / und daſſelbe ſonſten zu andern zeiten hal - ten koͤnne und gehalten hat / entweder in eine ſchwachheit verfiele / oder in der - gleichen ſtand kaͤme / da er es nicht ohne ſchaden halten koͤnte / daß nemlich auch alsdenn das votum nicht guͤltig bliebe / ſondern was jetzo folget / auch darauff gezogen werde. Nemlich 5. wenn der Medicus ſolte gewiſſenhafft urtheilen / daß entweder bereits in dem gegenwaͤrtigen ohne ſchwaͤchung der geſundheit und bald daher entſtehenden ſchadens ſolches votum nicht gehalten werden koͤnte / oder doch von jetziger ſo vieler abſtinenz, auff das kuͤnfftige nachtheil zu ſorgen waͤre / ſo hat die perſon / ſo das geluͤbde gethan / zum allerfoͤrderſten ih - re unbedachtſamkeit hertzlich zu erkennen / daß ſie in einer ſolchen ſache / da mans mit GOtt ſelbſten zu thun hat / ohne vorhergehende reiffe deliberati - on, unterſuchung der muͤglichkeit / und etwa einziehung chriſtlichen raths / ein ſolches geſchloſſen / und ein geluͤbd gethan / ſo ihr nun zu halten unmuͤglich / daher durch ihre unachtſamkeit den nahmen des HErrn einiger maſſen ent - heiliget habe: da ſie wiſſen und bedencken ſollen / mit was ſonderbahrem vor - bedacht in dergleichen ſachen vor GOtt zu handeln waͤre. Sie hat ſich alſo deßwegen vor Gott zu demuͤthigen / ihn um gnaͤdige vergebung zu bitten / und wo das gewiſſen ſich je nicht ſo bald zu frieden geben will / ein gewiſſes denck - mal ſich zu machen / daß man ſich auch ſolcher ſuͤnde vor dem HErrn ſein le - betag erinnere / und ſtaͤts in wahrer buſſe derſelben bleibe. 6. Hingegen hat man alsdenn die haltung des voti von ſolcher zeit an auffzuheben / weil es nicht ohne ſuͤnde gehalten werden koͤnte / indem die wiſſentliche ſchwaͤchung der geſundheit in dieſem fall eine art des ſelbsmords waͤre / und wir alſo bey unſerm gewiſſen verbunden ſind / alles das jenige / was in unſerm willen ſte - het / zu vermeiden / wodurch das leben abgekuͤrtzet / die geſundheit geſchwaͤ - chet / und wir alſo GOtt und dem nechſten laͤnger oder ungehinderter zu die - nen gehindert wuͤrden. Alſo wuͤrde ſich der jenige / der dennoch wiſſentlich wider ſeine geſundheit darinnen handeln wolte / ſothaner ſchwehrer ſuͤnde ſchuldig machen / und die verantwortung alles deſſen auff ſich laden / was er ſonſten noch gutes ausrichten koͤnnen / und ſich darzu untuͤchtig gemacht hat. 7. Jedennoch iſt er damit noch nicht des gantzen voti frey / ſondern er hat von dem Medico (deſſen judicium hierinnen als in einer ſache / die ſeiner profeſſion iſt / dem gewiſſen ein gnuͤgen thun kan) zuerlernen / wie viel er ſeines voti ins -B 3kuͤnff -14Das dritte Capitel. kuͤnfftige ohne verletzung ſeiner geſundheit zu halten vermoͤge / und alsdenn daſſelbe ſich auffs neue entweder voto, oder welches ich allezeit præferire / und an ein eigenlich votum aus erkaͤntnuͤß unſerer ſchwachheit nicht gern komme / auffs wenigſte mit feſtem vorſatz vorzunehmen; jedoch mit dieſer austruͤckli - chen condition (damit allem neuen ſcrupel / der ſich erheben moͤchte / vorgebeu - get werde) ſo lange damit zu continuiren / als die geſundheit jedesmal nach eines verſtaͤndigen und gewiſſenhafften Medici erkaͤntnuͤß / ertragen wuͤrde koͤnnen; hingegen dero anfangende ſchwaͤchung vor ein zeichen / daß der HErr auch ſolches nicht weiter von ihm haben wolle / anzunehmen. 8. Wie ich nun dieſes nothwendig achte / indem des vorigen geluͤbdes guͤltigkeit nur wegen der gefahr der geſundheit dahin faͤllet / und alſo auch die freyheit davon nicht weiter zu ziehen iſt / alſo halte auch davor / daß dem gewiſſen am beſten gera - then werde / wo in allem auffs wenigſte am nechſten bey dem voto geblieben wuͤrde / und alſo die perſon die jenige mahlzeiten / die ihr von dem Medico fer - ner nothwendig geachtet wuͤrden / nicht nur deſto ſparſamer / und allein zu euſſerſter nothdurfft / ſondern gar abgeſondert von andern hielte: daß ſie alſo nicht zu der ordinari mahlzeit kaͤme / wo nicht nur leicht ein mehrer exceß vor - gehen mag / ſondern auffs wenigſte andere converſation und geſpraͤch das ge - muͤth diſtrahiret / vielmehr ſich ihre geringe portion allein geben lieſſe / die zeit ihres eſſens mit andaͤchtiger betrachtung / ſonderlich der urſachen / warum ſie das votum gethan / ſo dann ihrer ſchwachheit und anderer erbaulichen din - ge / zubraͤchte / und auch einige zeit ihrer uͤbrigen arbeit dadurch gewoͤnne. Wie nun dieſes dem vorigen voto am nechſten kommet / ja ſolche art etwa ver - muthlich ihrer ſeelen mehr erbauung geben kan / als die vorige haltung / wo die der mahlzeit uͤbergangene zeit an andere weniger erbauliche dinge gewen - det werden / alſo hoffe ich / werde ihr gewiſſen dadurch vor GOtt gnung tran - quilliret werden / daß nemlich derſelbe nicht in zorn zurechnen werde / was zwahr aus der intention ihm zu dienen / aber unbedachtſam / gelobet worden / und nun auch allein aus der intention wider den offenbahren ſeinen befehl / ſich ſelbs nicht ſchaden zu thun / nicht zu ſuͤndigen unterlaſſen / und doch ſeine gnaͤdige vergebung voriger leichtſinnigkeit demuͤthig gebeten werde. 9. Solte das gewiſſen (wie ich weiß / daß ſolches in dergleichen ma - terie ſich offte nicht leichte zur ruhe geben will / und daher / wie obgemeldt / nicht gern durch geluͤbde / da man noch frey iſt / demſelben einen ſtrick ange - worffen zu werden ſehe) ſich noch nicht gantz befriedigen / wolte ſchließlich ra - then / neben dem vorigen / was jetzt an hand gegeben / gleichſam zur erſetzung / was man nachlaſſen muͤſſen / etwas anders gutes ſich vorzunehmen / und ſich darzu auff thunliche art zu verbinden / davon unſre ſeele und der nechſte mehrer -15ARTIC. I. SECTIO IV. erbauung hat / etwa von gewiſſen uͤbungen der andacht oder gottſeligkeit / o - der was ſonſten dergleichen dienlich gefunden werden mag. Dieſes waͤre meine chriſtliche meinung / ſo ich den gruͤnden goͤttliches worts nicht un - gemaͤß zu ſeyn mich verſichert halte / dabey den guͤtigen himmliſchen Vater hertzlich anruffe / er wolle die perſon ſelbs durch dieſen unterricht / oder an - dern chriſtlichen rath / ſeines willens verſichern / und ihr zeigen / wie ſie ihm am beſten gefaͤllig ſeyn moͤge: auch alles ſolches durch ſeine gnade in ihr ſchaf - fen zu befoͤrderung ihrer ſeelen heil. Amen. 1686.
DAs hertzliche vertrauen eines recht Chriſtlichen gemuͤthes / ſo aus dem an mich gethanen klahr erhellet / machet mich ſo viel getroſter / denſel - ben ohne in der welt gebraͤuchlichen titul anzureden / ob wol nach dem mir deſſen perſon und weltliche condition nicht voͤllig bekant / ich auch darin - nen die ſonſt nach der welt lauff gewoͤhnliche gebuͤhr nicht gnug in acht neh - men koͤnnen. Jch bedancke und freue mich des gegen mich chriſtlichen be - zeugenden vertrauens / ſo vielmehr aus einer ſolchen ſtadt / da ſonſten mein armer nahme von vielen als eines boßhafftigen verworffen zu werden ver - lautet / und alſo nicht haͤtte gedencken ſollen / daß jemand nach meinem rath verlangen tragen wuͤrde. Aber gelobet ſeye der HErr / der gleich wie mich bißher gewuͤrdiget um der wahrheit ſeines Sohns willen einige ſchmach zu leiden / alſo derjenigen hertzen nichts deſto weniger mit rechtſchaffener liebe verbindet / die in einem geiſt / den ſie von ihme haben / ihren wandel fuͤhren. Er kennet die ſeinen / und gibt ſie auch ſich unter einander etwa zu erkennen. Die ſache ſelbs belangend / ſo will erſtlich meine einfaͤltige gedancken in theſi von dem Ort Matth. 5. zu ſeinem fernern nachſinnen und beurtheilung vor - legen / nachmal was mein wolmeinender rath in hypotheſi ſeyn wuͤrde / bey - fuͤgen. Das erſte belangend / bekenne gern / daß mir ſelbs ſolcher Ort nicht nur einmal viele gedancken gemacht / und ich ihn wol fuͤr den ſchwerſten in der gantzen ſonſten ſo einfaͤltigen berg-predigt unſers lieben heylandes halte: So erkenne auch / daß in dieſes und anderer befehl des HErrn erklaͤrung ſehr behutſam zu gehen ſeye / aus des HErrn eigener betrohung / wer eines ſei - ner geringſten gebote werde aufloͤſen und die leute alſo lehren / der werde der kleineſt ſeyn im himmelreich. Was unterſchiedlicher lehrer auslegungen ſeyen / iſt auch nicht der ort hie auszufuͤhren / noch dienet zur beruhigung des gewiſſens. Wo ich aber einfaͤltig bey dem text hleibe / moͤchteich16Das dritte Capitel. ich ſagen / es rede der HErr allein von den eidſchwuren / die geſchehen bey dem himmel / erde / Jeruſalem / eigenem haupt und dergleichen: Und alſo wo goͤtt - licher nahme nicht deutlich mit drinnen begriffen wird. Theils weil ſich nicht geziemen will / bey andern als bey GOtt ſelbs zu ſchwehren / theils weil eben dieſes die ſuͤnde der juͤden war / welche viele ſolcher ſchwuͤre / wie zu ſehen Matth. 23. nicht verbindlich hielten / und alſo damit andere betrogen / und weil der nahme des HErrn nicht deutlich ausgedrucket waͤre / gantz leichtſin - nig dieſelbe offters brauchten: Dargegen will Chriſtus auch dieſe eben ſo wol verboten haben; hingegen ſchreibet er vor mit ja und nein zu frieden zu ſeyn / und alſo den goͤttlichen nahmen nicht in dem gemeinen leben mit unnoͤthigem gebrauch zu entheiligen. Wo nun dieſe auslegung ſtehet / ſo moͤgen die wor - te den eidſchwuͤren bey GOtt ſelbs nicht entgegen geſetzet werden; ſolche auslegung aber ſcheinet in dem deutlichen buchſtaben gegruͤndet / und alſo das allerdings nicht bloß zu nehmen / ſondern mit den folgenden zuſammen zu ſetzen ſeyn. Jch ſage euch / daß ihr allerdings nicht ſchweren ſolt / we - der bey dem himmel noch erde u. ſ. f. Solte aber dieſe auslegung nicht wollen angenommen werden / ſondern wie Jacob. 5 / 12. dazu ſetzet / noch mit keinem andern eyd / ſolches auch dieſes orts mit gemeinet werden / ſo wer - wir doch nach reifflicher erwegung nimmer mehr ſagen koͤnnen / daß allerdings einiger eid nicht von Chriſten moͤchte gebraucht werden. 1. Weil Paulus offtmal ſich der eidlichen betheurung gebraucht / als Rom. 1 / 9. 2 Cor. 1 / 23. 11 / 31. Phil. 1. 8. 1. Theſſ. 2 / 5. 10. Wo er theils uͤber ſolche dinge ſchweret / die in ſeiner ſeele waren / und mit nichts anders erwieſen werden konten / theils die auch euſſerliche dinge betraffen; wo man ſagen moͤchte / daß nicht die allereuſſerſte noth des eids / nachdeme auch anderer erweiß ſtatt ge - habt / vorhanden geweſen ſeye: als was mit ihm zu Damaſco vorgegangen waͤre. 2. So hat ja Chriſtus ſelbs mit ſeinem Amen Amen / oder War - lich warlich / einen eid oder betheurung / die dem eid gleich guͤltig / auffs we - nigſte mehr als ja und nein waͤre / gebraucht. Nun wolte ich nicht zweiflen / daß alle auslegung der worte Chriſti dem gewiſſen ſicher genug ſeyen / die ſich auff das exempel Chriſti ſelbs / ſo dann ſeiner von dem H. Geiſt uͤber den ver - ſtand der wort ihres HErren erleuchteter Apoſtel begruͤnden. 3. Finden wir nicht nur die exempel der Heiligen / ſo in dem A. T. eide gethan / da einige excipiren moͤchten / es waͤre eben ſolches den alten erlaubt geweſenes hier von Chriſto auffgehoben: Sondern wir finden / daß von dem N.T. geweiſſa - get worden Eſ. 65 / 16. Jer. 12 / 16. daß GOtt auch alsdann mit ſchwehren werde gedienet werden. 4. Wird der ort Hebr. 6. nicht gantz aus der acht zu laſſen ſeyn. Daß aber unſer liebe Lutherus ſolche epiſtel nicht vor Pau -liniſch17ARTIC. I. SECTIO VI. liniſch erkennen wollen / præjudiciret dero wuͤrde und guͤltigkeit nichts; von dero auch jetzo unſere kirche einmuͤthig ſich verſichert haͤlt / und wahrhafftig die hoheit der goͤttlichen darinnen enthaltenen geheimnuͤſſen und uͤbrige kennzeichen der goͤttlichen buͤcher / wo wohl acht gegeben / darinnen gnugſam erkant werden wird. 5. Jſt wohl zu mercken / daß der eyd an und vor ſich ſelbs / und ohne die mißbraͤuch genommen / der liebe weder Gottes / noch des nechſten entgegen ſtehe: Nun aber hat der HErr alle gebotte in die liebe ver - faſſet. Vielmehr ſind die rechte eidſchwuͤhre eine herrliche uͤbung / bruͤder - licher gebotener liebe: wie dann es gleichwie eine ehre goͤttlichen nahmens iſt / wo wir einen rechtmaͤſſigen eid thuende / GOtt zu zeugen der wahrheit an - ruffen / und alſo ſeine gerechtigkeit und wahrheit preiſen; alſo mag auch damit offters dem nechſten eine ſehr nuͤtzliche liebe erwieſen werden. Daher aber - mal / welche erklaͤrung mit dem allgemeinen zweck aller gebote Chriſti uͤber - ein kommt / von deroſelben meinung nicht frembd zu achten iſt. 6. Mag auch einem chriſtlichen gemuͤthe zu ſeiner verſicherung in dergleichen ſonſten zweiffelhafftig ſcheinenden orten dienlich ſeyn / wo es weiß / wie die liebe erſte Chriſten / ſo dem alter der heil. Apoſtel am nechſten geweſen / des HErrn wort verſtanden und insgemein belebet haben. Nun finden wir / daß die liebe leute gleichwol in gantz wichtigen ſachen eyd abgeleget / obwol ſich der jeni - gen entſchlagen haben / welche einiges abgoͤttiſches oder leichtfertiges in ſich haͤtten. Gleichwol werden auch einige vaͤter auff die art reden / wie die wor - te Chriſti und Jacobi bloß dahin lauten: ſo uns aber dieſes zeigen moͤchte / daß ſo wol eine als andere nicht ſchlechterdings von jeglichen eydſchwuͤh - ren / wie dieſelbe auch ſeyn moͤchten / zu verſtehen ſeyen. Wann alſo ver - hoffentlich erwieſen / daß dieſe worte unſeres theuren heylandes nicht ohne einige reſtriction verſtanden werden moͤchten / weil ja derſelbe ſelbs / und Pau - lus ſein treuer nachfolger nicht allezeit ſchlecht dahin bey Ja und Nein geblie - ben ſind. So iſt ferner in der Furcht des HErren zu unterſuchen / wo wir die rechte limitation / und alſo meinung des HErren finden moͤgen. Meine ein - faͤltige gedancken hievon / die ich ſeiner und anderer gottſeeliger hertzen erwe - gung und beurtheilung willig uͤberlaſſe / gehen dahin; Es ſeyen die eyde nicht bloß dahin verboten / ſondern allein die jenige / ſo man eigenen willens thut: wie es ſich auch mit andern dingen / davon der HErr Matth. 5. handelt / ver - haͤlt. Maſſen wir auch nicht macht haben zu zoͤrnen / den nechſten einen nar - ren zu heiſſen und dergleichen / fuͤr uns ſelbs und aus eigenem trieb unſers verderbten rachgierigen hertzens / als welches allezeit boͤſe iſt / und doch nicht gewehret wird / daß GOtt in uns zoͤrne / und ein heiliger eiffer fuͤr Gottes ehre unſer gemuͤth gegen unſern nechſten / nicht denſelben zu haſſen / ſondern dem uͤbel in ihm zu widerſtehen / bewege; Auch harte empfindliche wort zurCſtraffe18Das dritte Capitel. ſtraffe und beſſerung gegen die hartnaͤckige gebraucht werden / nicht aus fleiſchlicher bitterkeit / ſondern goͤttlichem reinen eiffer / der / wie er in den exempeln etwas rar iſt / alſo an ſich ſelbs gleichwol ſo gar nicht zu verwerffen / daß er vielmehr lob verdienet / welches wir leicht erweiſen. Dann unſer theure erloͤſer / ſo ſeine lehre ſelbs allen belebet / erzuͤrnet ſich Marc. 3 / 5. er ergrimmet in dem geiſt / Joh. 11 / 33. 38. Seine worte waren offt ſo hart / als immermehr andere ſcheltwort ſeyn moͤchten / gegen die jenige / die er doch aus liebe beſſern wolte. Ferner: Paulus ergrimmet zu Athen in dem geiſt. Act. 17 / 16. Strafft ſeine Galater mit empfindlichen worten: er laͤſt ſeine Epheſer zoͤrnen / aber mit groſſer behutſamkeit / daß ſie nicht ſuͤndigten; Eph. 4 / 26. Ob er wol v. 31. ſolte ſcheinen allen zorn zu verbieten. Jaco - bus will haben der menſch ſolle zu dem zorn langſam ſeyn c. 1 / 19. nicht daß er niemal zu zuͤrnen haͤtte / aber daß er mit groſſem bedacht zuͤrne / und es nicht ein bloß menſchlicher zorn werde / welcher nicht thut / was vor GOtt recht iſt. Wie dann alſo / ob es ſchon ſcheinen moͤchte / daß von Chriſto und den Apo - ſteln etliche mal aller zorn verboten wuͤrde / gleichwol derſelbe nicht anders unrecht iſt / als wo der menſch aus ſich ſelbs / um ſein ſelbs willen / und wider die liebe zoͤrnet / nicht aber wo der zorn eine wahrhafftige frucht einer hertz - lichen liebe Gottes und des nechſten iſt. Jtem / wie in der erklaͤrung des ſech - ſten gebots unſer liebe heyland verbeut die geluͤſt eines weibes / nemlich auſ - ſer goͤttlicher ordnung / und gegen diejenige / die mir GOtt nicht gegeben hat / nicht aber gegen diejenige / welche Gottes ordnung mir auch zu leiblicher liebe (obwol dieſe weder das einige / noch vornehmſte in dem eheſtand iſt / und ſelbs in ihren ſchrancken gehalten werden ſolle / daß ſie nicht in eine unkeuſche viehiſche brunſt ausbreche /) gegeben: alſo halte ich das ſicherſte / daß wir ſagen / die eyde oder das ſchwehren ſeye verboten / wo es aus eigner wahl und bewegung / aus abſicht auff ſich / daß wir eben haben wollen / daß uns geglaubet werde / oder damit einiges zeitliches erhalten wollen / geſchie - het. Daher wolte ich wegen geld-ſachen nicht ſchwehren / ſondern lieber das meinige verliehren / als welcherley dinge ich nicht ſo viel werth achte / daß der heil. nahme Gottes daruͤber gefuͤhret werde. Hingegen achte die jenige eyde fuͤr erlaubt und recht / wo wir zu goͤttlicher ehre und liebe des nechſten ſchweh - ren / daſie nicht unſere / ſondern der liebe werck ſind / und mir alſo von GOtt in der liebe befohlen. Was alſo die eydſchwuͤhre anlangt / welche zu thun mir nicht frey ſtehet / ſondern mir autoritate der obrigkeit / als dienerin Gottes / zu dem zweck der verwaltung ihres goͤttlichen Amts der gerechtigkeit gehoͤ - rig / aufferleget werden / zum exempel in ſachen / wo der curſus juſtitiæ mein zeugnuͤß / und zwar daſſelbe beeydigt / erfordert / da mirs nicht frey ſtehet / ob ich der obrigkeit dasjenige / worinnen ſie meines zeugnuͤſſes zu verrichtungihres19ARTIC. I. SECTIO V. ihres Ampts noͤthig hat / abſtatten wolle; alſo auch wo ein homagium erfor - dert wird / ſo eines von den banden iſt / damit die policey aneinander hafftet / und die liebe auch deſſen erhaltung uns anbefihlet / und was dergleichen faͤlle mehr ſind / die achte ich mit freudigem gewiſſen geſchehen zu koͤnnen; als wel - che weder wider die heiligkeit goͤttlichen nahmens / noch wider die liebe des nechſten ſtreiten; in dem / was dieſe anlangt / dieſelbe ſo viel klaͤhrer vor augen liget / ſo vielmehreren offters dadurch liebe erzeiget / hingegen die menſchliche geſellſchafft ſehr zerruͤttet / und alſo wider die liebe geſuͤndiget werden wuͤrde / wo wir alle eyde auffheben: was aber jene betrifft / ſo iſts goͤttlicher heiligkeit nicht entgegen / dazu gebraucht zu werden / was dero ordnung in der obrig - keit iſt / und wobey goͤttlicher nahme nicht ohne innerliche und euſſerliche ve - neration gefuͤhret wird. Wie nun dergleichen eyde von der obrigkeit auffer - legt / in goͤttlicher ordnung geſchehen / und alſo wo ſie ſonſten keinen fehler ha - ben / daß man mit boͤſem gemuͤth / oder uͤber ungewiſſen ſachen dieſelbe ablegen wolte / recht und chriſtlich ſind / alſo achte nicht weniger / daß es faͤlle gebe / wo auch ohne erfordern der obrigkeit / die augenſcheinliche ehre Gottes und liebe des nechſten zuweilen dieſelbe erlaubt und noͤthig mache. Nachdem dieſe theſis nach der gnade ſo mir gegeben / mag expediret ſeyn / ſo wirds jetzo 2. noͤthig ſeyn / in hypotheſi, ob er wider die vorgeſchriebene ordnung nicht ge - ſuͤndigt zu haben / mit einem eyd behaupten doͤrffe / zu erwegen / was in dieſem fall zu thun. Da ſetze ich nun dieſe alternativam: Daß mein vielgeliebter Herr entweder durch obige remonſtration in ſeinem gewiſſen verſichert / daß er ohne uͤberſchreitung der gebote Chriſti ſolchen eyd thun koͤnne oder nicht. Jſt jenes / wie ich etwa hoffen will / ſo bedarffs nichts weiteres / ſondern ſo ſte - hen der gehorſam Gottes und der obrigkeit in ihrer ſubordination / und hin - dert keine den andern. Solte aber das hertz noch nicht beruhiget ſeyn / ſo koͤn - nen wir auch dubia conſcientia nichts thun / ſondern muͤſte das jenige unter - laſſen werden / was uns das gewiſſen nicht zugibet: Waͤre aber auff mittel zu gedencken / wie et wa die ſache declinirt werden moͤchte / wo fern die gedach - te ordnung viele und ſolche articul haben ſolte / die leicht und unvermerckt uͤberſchritten werden moͤchten / bey der vorforderung zu bekennen / ob man ſich wohl nichts bewuſt ſeye / daß man gegen die ordnungen geſuͤndigt / weil ſolches doch auch unwiſſend geſchehen ſeyn moͤchte / wolte man in cauſa dubia lieber eine dictirende ſtraff bezahlen / als das jenige mit einem eyd behaup - ten / was man zwahr gewiß bey ſich halte / aber doch eine formido oppoſiti da ſeye; oder wo etwa ein ander weg gefunden werden moͤchte / wie die neceſſi - tas jurandi, aber ohne andern ſchwuhr gebendes aͤrgernuͤß / gleich ob wuͤrden die eyde allerdings verworffen / decliniret werden moͤchte. Bey allem iſt auch GOtt hertzlich anzuruffen um ſeinen heil. geiſt / der unſere hertzen ſeinesC 2willens20Das dritte Capitel. willens verſichern wolle; wobey Paulus Rom. 12. ein ander herrliches mittel vorſchlaͤgt / nemlich ſich ſelbs GOtt zum opffer dar zu geben / ſich der welt nicht gleich zu ſtellen / ſondern durch verneuerung unſers ſinnes veraͤn - dern / ſo werden wir je mehr und mehr pruͤffen / und mit gewißheit erkennen / welches da ſeye der gute / der wolgefaͤllige und der vollkommene Gottes wil - le. Laſſet uns alſo unſerm heyland treu werden in den jenigen ſtuͤcken erſtlich / die ohne einige ungewißheit und zweiffel ſind / ſo wird er unſere hertzen auch mehr und mehr befeſtigen in dem uͤbrigen / ſo erſtlich uns noch nicht ſo gewiß vorgekommen. Wer da hat / und ſolches ſeinem HErren zu ehren braucht / dem wird gegeben. Er der HErr verleihe uns allen ſolche gnade / ſtaͤrcke und bekraͤfftige in uns das angefangene gute / und heilige uns in ſeiner wahrheit / ſein wort iſt die warheit.
AUs der communicirten ſpecie facti, ſo ich in der furcht des HERRN durchleſen / ziehe ich folgende ſaͤtze:
1. Die genandte Lucilia, welche in einer ſache zwiſchen Cajo und Sem - pronia, die zu einer fiſcaliſchen inquiſition gediehen / zum eyd angeſtrenget worden / alles zu entdecken / was ihr davon bewuſt waͤre / oder ſie noch hin - fuͤhro davon erfahren wuͤrde; nachdem aber nach der zeit etwas unter Caji ſachen gefunden / ſo ſie rechtswegen nach entdecken ſollen / auch ſolches dem judici hinterbringen wollen / aber immer durch Caji, dem es ſonſten haͤtte ſcha - den werden / gute worte davon abgehalten worden / bis er geſtorben / und nun res nicht mehr integra, noch ſie die ſache im geringſten mehr beweiſen kan / kan von der ſuͤnde des meineydes vor GOtt nicht loß geſprochen werden. Jndem nicht allein 1. die heiligkeit goͤttlichen nahmens / der in dem eyd ange - ruffen wird / allerdings erfordert / daß dieſer unverbruͤchlich gehalten werde: da hingegen jede deſſen brechung denſelben ſchaͤndlich entheiliget / und daher GOttnicht vergebens denjenigen drohet / die ſich auff ſolche weiſe an ihm vergreiffen: ſondern 2. der bruch des eydes iſt ſo viel ſchwehrer / weil er in ei - ner gerichtlichen ſachen geſchehen / und aber nach 2. Chron. 19 / 6. das ge - richt GOTT gehalten wird / der allezeit dabey iſt; daher alle ſuͤnden in dem gericht begangen / ſonderlich welche den lauff der gerechtigkeit hem - men / und verurſachen koͤnnen / daß aus mangel gnugſamen berichts / der rich - ter ein unrechtes urtheil ſprechen mag / deſto ſchwehrer find: darzu kommt 3. daß21ARTIC. I. SECTIO VI. daß Caji gegenpart / zu deſſen vortheil der Petronellæ auſſage hat dienen ſol - len / dardurch kan um etwas / was derſelben rechts wegen gebuͤhret / gebracht worden ſeyn: da ſie alſo vor GOTT angeſehen wird / als eine perſon / die an - dere um das ihrige gebracht / und deſſen ſchuldig iſt.
II. Jndeſſen finden ſich auch einige urſachen / die ob wol Luciliam ihrer ſchuld nicht befreyen / gleichwol dieſelbige etwa geringer / als ſonſten freveler meineyd ſeyn wuͤrde / machen: indem nicht abzuſehen / wie ſie einer vorſetzli - chen boßheit / durch ihren meineyd das gericht und Caji gegentheil zu gefaͤh - ren / uͤberzeuget werden koͤnne / wie es ſeyn wuͤrde / wenn ſie damal / als ſie be - eydiget worden / etwas wiſſentlich falſches ausgeſagt / oder wiſſentlich die wahrheit verſchwiegen haͤtte; ſondern es wird præſupponiret / daß ſie zeit abgelegten zeugnuͤſſes nach ihrem gewiſſen geredet: als ſie auch nach der zeit etwas erfahren / da ihr gewiſſen ſie erinnert / daß ſie ſolches zu entdecken ſchul - dig ſeye / erhellet / daß ſie auch damal den entſchluß nicht gemacht / es gar zu verſchweigen / vielmehr meldet facti ſpecies, daß ſie es dem richter oder doch ihrem beicht-vater eroͤffnen wollen / daran ſie aber von Cajo (die art wie es ge - ſchehen / wird nicht ausfuͤhrlich ausgetruckt /) gehindert worden: daher nicht allein die meiſte ſchuld auff Cajum, der wiſſentlich ſeine ungerechte ſache muß durchgetrieben / und auch dieſe wahrheit zu unterdrucken geſucht haben / faͤl - let / ſondern bey Lucilia ſcheinet meiſtens die ſchuld nicht ſo wol darauff zu kommen / daß ſie ihrem eyd niemal ein gnuͤgen zu thun feſt beſchloſſen / als daß ſie aus urſachen / die ſie beſſer wiſſen muß / wie fern dieſelbe ihre ſchuld mehr beſchwehren oder erleichtern / ſolche allzulang verſchoben / biß ihr durch Caji todt es nunmehro zuthun / unmuͤglich wird worden ſeyn.
III. Was nun anlangt / wie der perſon gewiſſen am beſten zu rathen ſeye / faſſe ich meine gedancken alſo. 1. Es iſt derſelben ihre ſuͤnde nicht gering zu machen oder nur auszureden / ſondern da ſie GOtt in ihrer ſeele ſelbs gleich - ſam lebendig gemacht / deſſen fuͤhrung nachzugehen / und ihr zu zeigen / wie ſie allerdings goͤttliche heiligkeit groͤblich angetaſtet / und den zorn deſſen / deſſen nahmen ſie mißgebrauchet / auff ſich geladen habe / daher ſie weder die ſuͤnde entſchuldigen / noch ſich uͤber das leiden / das ſie deswegen ausſtehet / be - ſchwehren / ſondern ſich mit aller gedult unter die ſchwehre hand GOttes / die ſie ewiglich zu trucken wohl verſchuldet haͤtte / demuͤthigen / und allein die barmhertzigkeit / die auch dem groͤſſeſten ſuͤnder wiederfahren ſeye / anflehen ſolle. 2. Sie iſt auch ferner auff ihr voriges leben zu fuͤhren / wie daſſelbe vor GOtt gefuͤhret worden. Jndem dieſes unter die heilige wege der weiß - heit GOttes gehoͤret / daß derſelbe zuweilen einige / deren hertz nicht recht - ſchaffen / ſondern heuchleriſch vor ihm geweſen / und ohne daß ſie jemal wahr - hafftig zu ihm bekehꝛet / in einem rechtſchaffenen weſen / das in Chriſto Jeſu iſt /C 3ge -22Das dritte Capitel. geſtanden waͤren / ſich dannoch wegen ihres ehrbaren leben und fleiſſes in dem euſſerlichen gottesdienſt fuͤr gute Chriſten gehalten haͤtten / und alſo immer ſicher dahin gegangen waͤren / in grobe und greifliche ſuͤnde hat fallen laſſen / daß ſie dadurch der tuͤcke ihres hertzens gewahr wuͤrden / und zu wahrer buß kaͤmen. Wie mir vor mehrern jahren das exempel eines mannes bekant wor - den / der / da er vorhin ein leben zu anderer gutem exempel gefuͤhret / und ſich ſelbs fuͤr fromm geachtet / nachmal aber in einen oͤffentlichen ehebruch gera - then / hingegen ſelbs darnach bekennet / weil ihm ſein in heucheley betrieg - liches hertz durch ſolchen groben ausbruch erſt recht bekant worden / daß ſolche goͤttliche verhaͤngnuͤß uͤber ihn / ihm zur wolthat worden / und er ſonſten in ſei - ner ſicherheit ewig wuͤrde verlohren gegangen ſeyn; da hingegen nachmal ſei - ne buß und dero fruͤchten in dem gantzen leben ernſtlich und auffrichtig gewe - ſen ſind. Alſo wird der beicht-vater wohl thun / die perſon treulich auff ihren vorigen zuſtand zu fuͤhren / ob ſie nicht finden werde / daß ſie auch vor began - genem dieſem fall niemal rechtſchaffen vor GOTT geſtanden / noch jemal den hertzlichen vorſatz gefaßt / und in demſelben das leben gefuͤhret habe / daß ihrs in allem allein um GOtt und ſeinen willen / nicht aber um ſich und um die welt zu thun geweſen waͤre / dabey ſie aber wegen der euſſerlichen ehrbarkeit / ſich doch GOttes kind geglaubet zu ſeyn. Jch halte mich verſichert / weil dieſes der zuſtand der allermeiſten menſchen / nur daß ſie es nicht glauben / es werde mit ſolcher perſon nicht wol anders geſtanden ſeyn. Wann nun / wie ich hoffe / ihr gewiſſen ſie deſſen uͤberzeugen wird / ſo wird nicht allein ihre reue / die nun uͤber das gantze leben gehet / deſto gruͤndlicher und heilſamer werden / ſondern wenn ſie auch dieſe wolthat GOttes erkennet / daß dieſer der in ihr vorhin geſteckten eben ſo gefaͤhrlichẽ / aber ihr verborgen gebliebenen boßheit dieſen ausbruch gelaſſen / damit ſie zu bußfertiger erkaͤntnuͤß ihrer ſelbs kaͤ - me / und erſt auff den rechten weg der ſeligkeit / auff dem zu ſeyn ſie ſich vorhin faͤlſchlich eingebildet / eintraͤte / ihre geſamte ſuͤnde ihr nicht mehr allein leid werden wegen der verdienten ſtraff / ſondern daß ſie einen ſo guͤtigen Vater / der auch in ihrer ſuͤnde guͤtig gegen ſie geweſen / beleidiget habe. 3. Jn ſol - chem ſtand wird der troſt des Evangelii ſo viel eher an ihr hertz / wo es nun - mehr des gantzen lebens wegen zerknirſchet worden / anſchlagen / weil ſie nicht allein durch das goͤttliche wort / und die ſo viele exempel / die auch von den ſchwehreſten ſuͤndern darinnen angefuͤhret werden / verſichert werden kan / daß goͤttliche barmhertzigkeit unendlich groͤſſer als alle unſre ſuͤnden ſeyn / ſon - dern an ſich bereits das exempel erfaͤhret / wie dieſelbe ſie nicht in voriger ſi - cherheit habe hingeriſſen / wo ſie verlohren gegangen ſeyn moͤchte / ſondern das gifft ihres ſchwehren falles zu einer artzeney einer heilſamen buß mache. Von dem troſt / der in dieſem der ſeelen ſtand gefaſſet wird / halte mich gewiß /daß23ARTIC. I. SECTIO VI. daß er nachmal beſtaͤndig bleiben werde. 4. Weil aber zu wahrer buß auch gehoͤret / daß man ſeinen fehler beſſere / ſo hat ſie / wofern damit der gerechtig - keit und denjenigen / die ihres ſtillſchweigens halber haben ſchaden leiden muͤſſen / noch wieder geholffen werden koͤnte / ſolches gern zu thun. Ob aber ſolches muͤglich / oder nicht / weiß ich nicht / auch kans keiner urtheilen / der nicht ſo wol die jura verſtehet / als auch die gantze bewandnuͤß des proceſſes, auch deſſen ausſchlag / ſo dann was Lucilia noch anzeigen koͤnte / weißt / um daraus zu ſchlieſſen / 1. Ob dasjenige / was Lucilia angibet / alſo bewandt / daß es ohne fernern beweiß / von dem judice angenommen werden koͤnte. 2. So dann / ob es von ſolcher wichtigkeit / daß dadurch der gegen Cajum unter - gelegene theil koͤnte wieder zu ſeinem recht gelangen. Daher achte ich noͤ - thig / daß an einen chriſtlichen und verſtaͤndigen Juriſten alles / was zur eroͤr - terung dieſer frage erfordert wird / unter verborgenem nahmen / und durch die dritte / vierdte hand / geſandt / und deſſen meinung erfordert werde. Fin - det nun der mann / daß damit die verletzte gerechtigkeit wiederum zurechte ge - ſetzt / und denen / die ſchaden leiden haben muͤſſen / dadurch geholffen werden koͤnte / ſo iſt Lucilia annoch ſchuldig / und erfordert es die wahre buß von ihr / daß ſie die anzeige noch thue / ob ſie wol vor ihre perſon ſchaden und einigen ſchimpff daruͤber leiden muͤßte. Erkennet aber ein der materie verſtaͤndiger / daß zu der zurechtbringung der gantzen ſache ſolches angeben nicht gnugſam / entweder weil mehr erweiß noͤthig / als ſie auffbringen kan / oder res judicata dannoch durch ſolches angeben nicht auffgehoben werden darff / ſo iſt ſie nicht ſchuldig / ohne daß jemand davon mercklichen nutzen haͤtte / ſich ihres verbre - chens wegen zu melden / und damit in gefahr und ſchimpff zu ſetzen / ſondern hat ſich allein vor GOtt ſo vielmehr zu demuͤthigen / und fuͤr diejenige / die ih - renwegen nachtheil gelidten / deſto hertzlicher zu beten / daß GOtt ihnen den - ſelben / weil es in ihrem vermoͤgen nicht ſtehet / erſetzen wolte / hingegen von deſſen guͤte ſich auch in ſolcher ihrer buß der gewiſſen vergebung zu getroͤſten. 5. Wie nun in ſolcher bewandnuͤß ein chriſtlicher prediger ſie der goͤttlichen gnade getroſt verſichern / und darauff abſolviren kan / alſo hat ſie auch mit glauben ſolches anzunehmen / GOtt aber inbruͤnſtig anzuruffen / daß er dieſen troſt lebendig in ihrer ſeele verſiegeln wolle. Solte es aber geſchehen / daß die empfindlichkeit ſolches troſtes lange ausbliebe / hingegen die anfech - tung fortwaͤhrete / darzu vieles thun kan / daß die eine weil angehaltene ge - wiſſens-angſt auch die natur angegriffen / und einen morbum hypochondria - cum erreget haben mag / bey welchem eine froͤliche fuͤhlung ſehr ſch wehr wird: ſo kan man ſie doch mit wahrheit verſichern / daß ſie auch ſolchen zuſtand nicht fuͤr ein zeugnuͤß einer goͤttlichen ungnade zu halten / ſondern zu glauben habe / der himmliſche Vater finde ihr ſolchen zuſtand ſo viel ſeeliger / dadurch wegenih -24Das dritte Capitel. ihrer begangenen / obwol nun vergebenen ſuͤnden in ſo vielmehr demuth und niedrigkeit ſtets gehalten / auch fuͤr andern ſuͤnden und welt-luͤſten deſto kraͤfftiger verwahret zu werden: damit ſie auch zu frieden ſeyn / und ſolches leiden als ein huͤlffs-mittel ihrer fernerer heiligung mit kindlichem gehorſam auffnehmen ſolle. Jnsgeſamt aber iſt ſie zu vermahnen / daß ſie dieſer ſuͤnde wegen / die ihr der Vater um Chriſti willen vergeben / ſchuldig ſeye / ihr gan - tzes leben / noch vor andern / in deſto mehr ſorgfalt und behutſamkeit zuzu - bringen / ſich vor allen ſuͤnden zu huͤten / und den nahmen GOttes / den ſie mit gewiſſer art eines meineyds entheiliget / hingegen ſo vielmehr auff allerley art zu heiligen: worzu ihr die noͤthige goͤttliche gnade / denjenigen aber / die mit ihr umzugehen haben werden / die erforderte chriſtliche weißheit mit ihr recht zu verfahren / von grund der ſeelen anwuͤnſche um Chriſti willen. A - men.
DEn vorgelegten ſchwaͤngerungs-caſum anlangend / ſo ſind auff vorge - legte fragen meine gedancken folgende: 1. daß freylich dahin zu trach - ten / und darauff zu tringen / daß der ſtreitigen ſache ein ende gemacht werde. Wie aber ſolches geſchehen muͤſſe / kan ich nicht gewiß definiren / ſon - dern gehoͤret vor die rechts-gelehrte / ſo die perſonen abgehoͤret / oder dero voͤl - lige bekantnuͤß umſtaͤndlich vor ſich haben. Die ſache aber wird dahinaus - kommen / nachdem die ſtuprata Sempronium der ſchwaͤngerung beſchuldiget / ob ſie einige zimliche indicia vorbringen koͤnne / oder ſich dergleichen aus ſei - nem eignen bekaͤntnuͤß hervor thun / daß er damit ſtarck graviret wuͤrde. Ge - ſchehe dergleichen nichts / ſo moͤchte Sempronio kein eyd aufferleget werden / als wozu in den rechten zimliche indicia erfordert werden / damit nicht ein ehr - licher mann um jeder bloſſen anſchuldigung willen zu einem eyd genoͤthiget werden doͤrffe: ſondern in ſolchen fall muͤſſe er bloß dahin von der klage ab - ſolviret werden / weil gegentheil gantz nichts zu erweiſen / oder ihn nur mit ſtarcken indiciis zu graviren vermoͤchte. Jſts aber / daß einige gnugſame in - dicia vorhanden / welche der ſtupratæ vorgeben beſtaͤrcken / ſo kan die ſache nicht alſo gelaſſen / ſonder n muß beklagten der reinigungs-eyd aufferleget werden / und gegentheil ſich damit vergnuͤgen. Was 2. die andre frage be - trifft / ob wol ſtuprata ſtets einwirfft / der beſchuldigte werde falſch ſchweh - ren / hindert doch ſolches nicht / daß die obrigkeit ihm / dafern er mit gnugſa -men25ARTIC. I. SECTIO VII. men indiciis graviret iſt / und alſo die aufftragung des eydes ſtatt hat / den eyd nicht ſolte aufflegen koͤnnen / ſie haͤtte dann ſelbs wichtige anzeigungen / daß er falſch ſchwehren wuͤrde / wider ihn; oder es wolte jene (actrix) ſelbs gar de - ſiſtiren / und ihn alſo gantz loßlaſſen. Denn was ihr vorgeben betrifft / mag ſolches / wenn keine andere indicia und ſorgen des meineydes vorhanden ſind / welche ihn nicht zulieſſen zueinem eyd zu kommen / den Richter davon nicht ab - halten / daß er nicht / was das recht erfodert / ihm zuerkenne: indem ſonſten allezeit jede parthey / gegen welcher der gegentheil zum Juramento verſtattet werden ſolle / denſelben mit ihrem beharrlichen vorgeben / er werde falſch ſchwehren / abhalten / und alſo den lauff des rechten eludiren koͤnte. Daher in ermangelung andrer und kraͤfftiger gruͤnde wider den beſchuldigten / der klaͤgerinn proteſtation gegen ihn / gar nicht geachtet wird. Ob dann ſchon freylich muͤglich / daß ein meineyd begangen werden koͤnte / wuͤrde doch als - denn deſſen ſchuld nicht den Richter / welcheꝛ / als der in die hertzẽ zu ſehen nicht vermag / an die regeln des rechten verbunden iſt / ſondern den meineydigen al - lein / der zwahr vorhin vor dem meineyd deſto ernſtlicher zu warnen / treffen. So iſts mit unſern menſchlichen leben ſo bewandt / daß unmoͤglich den boͤſen alle rencke ihrer boßheit außzuuͤben / koͤnne vorgebeuget werden / ſondern uns gnug ſeyn muß / auch vor GOtt ſolches gnug gehalten wird / da wir an demje - nigen / wenn einige ihre ſeelen muthwillig dahin geben wollen / nicht ſchuld ſind / ſondern alle uns muͤgliche mittel verſucht haben / dadurch wir nach be - ſtem unſern wiſſen eine ſuͤnde zu verhuͤten gehofft. 3. Wenn Sempronius ent - weder ſich loßgeſchworen haͤtte / oder in ermangelung der gegen ihn noͤthi - gen indiciorum ungeſchworen loßgeſprochen werden muͤſte / ſo koͤnte deſſen beicht-vater nichts weiter mit ihm anfangen / ob er wol zimlichen verdacht auff ihn zu haben meinte / als daß er ihn / ehe er ihn admittirte / nochmal ernſt - lich erinnerte / und ihm ſonderlich zeigte / daß ihm die ſuͤnde ſeines meineyds / oder vor GOtt in der obrigkeit zu præjudiz der geſchwaͤchten perſon / faͤlſchlich gelaͤugnete mißhandlung / nicht vergeben werden koͤnte / wo er nicht mit auff - richtiger bekaͤntnuͤß ſolcher ſeiner uͤbertretung / welche er GOtt in der ord - nung / worinnen er ihn gelaͤugnet / zu rettung deſſen ehr / und zur gnugthuung fuͤr die beleidigte / wiedrum ablegen muͤſte / die ſuͤnde gleichſam retractirte / ſondern weil er vorſetzlich in einer ſuͤnde gegen GOtt / die obrigkeit und die geſch waͤchte immer ſtehen blieben / und alſo in der that unbußfertig ſeye / ſeye alle abſolution an ihm vergebens / und binde ihn in gewiſſer maaß nur deſto mehr / weil er dasjenige fordre und annehme / was ihm ſein hertz ſagen ſolte / das ihm nicht zuſtehe. Wenn er denn nichts deſtoweniger auff ſeiner un - ſchuld beharret / ſo mag der Prediger ohne ferner bedencken ihn zulaſſen. Dann wo er dannoch ſchuldig waͤre / und alſo das wort der verſoͤhnung und die ana -Dden -26Das dritte Capitel. den-mittel nur zu ſeinem gericht nehme / ſo wuͤrde doch der Prediger / welcher als ein menſch die hertzen nicht unmittelbar pruͤfete / vor GOtt ohne ſchuld ſeyn; dieſer aber / der leichtfertige menſch allein tragen / und gewiß / wie der - gleichen exempel zu finden / daſſelbe zu ſeiner zeit ſchwehrer als er geſorgt / er - fahren. Jedoch / ſo viel mehr als der Prediger noch zimliche urſach an dem menſchen zu haben meinet / ſo viel mehr mag er auch ſeine abſolution (die oh - ne das alle / ſo fern ſie von menſchen kommet / dem verſtand nach conditionata iſt / wo nemlich der beichtende auch in dem hertzen ſo ſeye / wie er ſich mit dem munde als bußfertig darſtellet) dermaſſen clauſuliren / daß dem menſchen / da er redlich iſt / an ſeinem troſt nichts abgehe / aber auch / wo er GOtt und den Prediger zubetriegen geſucht / ſein hertz und gewiſſen aus derſelben wenig tro - ſtes zu ſtaͤrckung ſeiner ſicherheit laſſe. Womit der Prediger ſein gewiſſen al - lerdings retten kan. Der HErr gebe auch hierinn / und in allem die noͤ - thige klugheit der gerechten / und wende alles kuͤnfftige aͤrgernuͤß kraͤfftig ab. 1688.
JCh finde die geſchickte emblemata alle ingeniös und ſinnreich / jedoch hat mich das erſte / deß durch die lantze von oben her regierten loͤwen / am meiſten contentiret. Was die uͤbrige anlanget / laͤugne ich nicht / daß ich bedencken habe uͤber den poetiſchen gedichten / dafern ſie zu goͤttlichen din - gen angewendet werden / wann etwas die heidniſche goͤtter / in denen der teuf - fel geehrt worden / betreffend / eingefuͤhret wird; und trauete ich ſie in nichts anzufuͤhren / das einigerley maſſen zu ihrer ehre dienen moͤchte. Wie ich vor dem in meiner jugend von einem frommen anweiſer (Herr Georg Sigismund Vorbergern / nachmal Caͤmmerern zu Budißin /) in poeticis gewehnt worden bin / nimmeꝛmehr in einigem carmine ſolcheꝛ goͤtter nahmen / es waͤꝛe dann / daß es zu dero ſchande gereichete / zu gedencken. Weil wir den nahmen der Baa - lim aus unſerm munde thun ſollen. Hoſe 2 / 17. Man achtet zwahr insge - mein / es koͤnte kein Carmen eine rechte poetiſche zierde ohne ſolche dinge ha - ben / aber gedachter Herr Vorberger zeigte mit ſeinem exempel / daß die aller ſchoͤnſte und eben ſo wol ſinnreichſte Carmina moͤchten gemacht werden / ohne einige vermiſchung dieſer aus der GOtt widrigen abgoͤtterey hergenomme - nen gedichten. Daher getraute ich mich nimmer der Minervæ oder einiger der genannten goͤtter gabe mich zu bezeichnung der goͤttlichen weißheit oder leitung zu bedienen / ſorgende ich moͤchte dieſelbe verunehren / da ich ſie demjeni -27ARTIC. I. SECTIO VIII. jenigen vergliche / was aus des ſatans (der die abgoͤtterey der Heyden ein - gegeben hat) eingebung ſeinen urſprung her genommen hat. Ein anders iſts mit den poetiſchen dingen / die entweder wahrhaffte / oder doch vermuthliche hiſtorien zum grunde haben / oder phyſica ænigmata ſind / und aus der natur und dero verborgenheiten hergenommen werden. Wie ich mich ſeither erin - nert / welches in dem Herm. Hugone geſehen haben werde / und ſich etwa auff dieſes DEO Duce reimte / das bild des Labyrinthi, darinnen einer gehet / der durch einen faden oder ſeyl von oben her geleitet wird / da andere vor ihm und nach ihm in die graͤben fallen. Welches einigerley maſſen auch aus der hi - ſtorie des Theſei und Ariadner herkommet. 1681.
ES hanget dieſe frage an einer andern vorhergehenden / nemlich ob 1. Moſ. 2. ſo bald nach der ſchoͤpffung GOtt den ſiebenden tag zum ruhe - tag verordnet / oder denſelben erſt in der wuͤſten 2. Moſ. 16 / 23. einge - ſetzt / und darauff 2. Moſ. 20 / 8. ſolche einſetzung auch den zehen geboten ein - verleibet habe? dann waͤre dieſes letztere / ſo wuͤrde von voriger zeit vergeb - lich gefragt / und koͤnte niemand eine noch nicht geſchehene einſetzung obſervi - ret haben: iſt aber das erſte / ſo iſt auch kein zweiffel / ob wol der wenigſte theil der menſchen auch ſolchem gebot moͤchte nachgekommen ſeyn / daß doch / was die gottsfuͤrchtige anlanget / dieſelbe zu keiner zeit ſolche goͤttliche ſatzung werden gar hindan geſetzet haben. Alſo kommts alles auff die frage an / wann der ſabbath erſtmal von GOtt eingeſetzet worden.
Es iſt aber dieſe frage ſo bewandt / daß die lehrer ſich nicht wohl druͤber vergleichen koͤnnen / und iſt ſonderlich in Niederland in der erſten helffte die - ſes jahrhunderts mit zimlicher hefftigkeit daruͤber geſtritten worden / da ei - ner ſeits Franc. Gomarus die meinung behauptete / daß der ſabbath erſt in der wuͤſten eingeſetzet worden / anderſeits Anton. Walæus und der beruͤhmte An -D 2dr. 28Das dritte Capitel. dr. Rivetus die einſetzung in das paradieß verwieſen / welche denn in unter - ſchiedlichen ſchrifften untereinander die ſache diſputiret haben.
Unter ſolchen beyden meinungen aber achte ich diejenige / welche gedach - ter maſſen von Riveto auch vertheidiget worden / fuͤr die wahrhafftigſte / der ſchrifft gemaͤſſeſte und ſicherſte; wie ſie auch von den meiſten beliebet wor - den. Wie dann unter den alten derſelben beygepflichtet Philo, Chryſoſto - mus, Theodoretus, Auguſtinus, auch wo er recht verſtanden wird (da man ſonſten ihn auff die gegenſeit ziehen will /) Tertullianus. Unter den Refor - mirten halten es damit ohne die angefuͤhrte Walæum und Rivetum mehrere von denſelben ſelbs benannte / als Ulr. Zwinglius, Joh. Calvinus, Theodo - rus Beza, Petrus Martyr, Henr. Bullingerus, Hieron. Zanchius, Zach. Urſinus, Rud. Gvalterus, Bened. Aretius, Bonav. Bertramus, Ant. Faius, Franc. Junius, Dav. Paræus, Wilh. Zepperus, Joh. Henr. Alſtedius, Martinius, Lamb. Danæ - us, Rud. Hoſpinianus, Joh. Simlerus, Aug. Marloratus, Fequernequinus, und andere: aus der Roͤmiſchen kirchen ſtehen davor Auguſt. Sterutius Eugu - binus, Gilb. Genebrardus, Jac. Salianus, Corn. a Lapide, Catharinus, Emanuel Sà, Fr. Ribera. Was unſere kirche anlanget / ſtehet zum foͤrderſten unſer D. Lutherus ſelbs / der alſo hiervon ſchreibet T. 9. Alt. f. 38. a. Moſes ſagt / daß GOtt den ſabbath geſegnet / und ihn geheiliget habe. Solches hat er an keiner andern creatur gethan / den himmel und erden oder einige andere creatur hat er ihm nicht geheiliget / ohn allein den ſieben - den tag hat er ihm geheiliget. Dieſes gehoͤret ſonderlich dahin / daß wir daraus verſtehen lernen / daß der ſiebende tag fuͤrnemlich dem gottes - dienſt gebuͤhret und zugeeignet werden ſolle. Dañ heilig heißt / das von allen andern creaturen abgeſondert und Gott zugeeignet iſt; und heili - gen heiſt zum heil gebrauch odeꝛ gottesdienſt eꝛwehlen und abſondern / wiedieſe art zu reden Moſes offt brauchet / als wenn er von heiligen ge - faͤſſen redet. Folget derohalben aus dieſem text / daß wenn Adam gleich in ſeiner unſchuld geſtanden und blieben waͤre / ſo haͤtte er doch den ſie - benden tag heilig gehabt / das iſt / haͤtte darinnen ſeine nachkommen gelehret von GOttes willen und gottesdienſt / haͤtte GOtt gelobet / gedancket / geopffert etc. Die andern tage haͤtte er das land gebauet / des viehes gewartet etc. Ja er hat auch nach dem fall dieſen ſiebenden tag heilig gehalten / das iſt / hat an ſelben tage ſeine kinder gelehret / wie da zeiget das opffer ſeiner ſoͤhne Cain und Abel. Derhalben iſt der ſabbath vom anfang der welt zum gottesdienſt verordnet. Und alſo haͤtte menſchliche natur / wo ſie in ihrer unſchuld und erbgerechtigkeitge -29ARTIC. I. SECTIO IX. geblieben waͤre / Gottes ehre und wolthat geruͤhmet / und haͤtten die menſchen am ſabbath mit einander geredet von der unausſprechlichen guͤtigkeit Gottes ihres ſchoͤpffers / haͤtten geopffert / gebetet / ꝛc. dann diß alles bedeut und ſchleuſt in ſich das wort heiligen. Nach dieſem unſerm vornehmſten lehrer haben gleiches mit ihm gehalten / als viel mir wiſſend iſt / die beruͤhmteſte und meiſte unſrer Theologorum, aus denen al - lein anfuͤhre D. Martin. Chemnitium, D. Joh. Gerhardum, D. Wolfg. Franzi - um, D. Luc. Oſiandrum, die Weimariſche Bibel / Henr. Buntingium, D. Joh Conr. Dannhauerum, D. Joh. Ad. Oſiandrum, &c. Weil es aber in einer theologiſchen frage mit der autoritaͤt andrer lehrer nicht gnug iſt / haben wir auch die gruͤnde unſrer meynung aus der ſchrifft dar zu thun.
So iſt nun 1. der erſte grund in dem text 1. Moſ. 2 / 2. 3. der alſo lautet: Und alſo vollendete GOTT am ſiebenden tage ſeine wercke / die er machte / und ruhete am ſiebenden tag / und heiliget ihn / darum / daß er an demſelben geruhet hatte von allen ſeinen wercken / die er machte. damit zu vergleichen iſt / was im 2. Moſ. 20 / 11. als die urſach der ſabbaths - feyer angefuͤhret wird: Dann in ſechs tagen hat der HERR himmel und erden gemacht / und das meer / und alles / was darinnen iſt / und ruhete am ſiebenden tag. Darum ſegnet der HErr den Sabbath / und heiliget ihn. Und nochmal 2. Moſ. 31 / 17. Dann in ſechs tagen machte der HERR himmel und erden / aber am ſiebenden tage ruhete er / und erquickte ſich. Aus dieſen ſpruͤchen iſt zu mercken 1. daß ohne wi - derſpruch in denſelben gehandelt werde von dem ſiebenden tag der welt und dero ſchoͤpffung / als welcher den ſechs ſchoͤpffungs-tagen entgegen und nach ihnen geſetzet wird. 2. Wird darvon geſagt / der HERR habe geruhet / das iſt / auffgehoͤret zu thun / was er die vorige tage gethan / nemlich jeden tag etwas neues erſchaffen hatte: indem von der ſteten erhaltung aller creatu - ren / er auch damal nicht kan abgelaſſen und geruhet haben. 3. Es heiſſet aber auch / er habe ſolchen tag geſegnet und geheiliget. Das ſegnen kan nicht anders verſtanden werden / als daß GOTT der HERR ſolchem tag eine ſonderbahre wuͤꝛde beygeleget habe / welches in nichts anders wohl beſte - hen kan / als in deſſen abſonderung von den uͤbrigen tagen / von denen er einen unterſcheid und vorzug haben ſolte; welches durch das heiligen ſonderlich verſtanden wird; in dem heiligen eigenlich heiſſet / etwas abſondern / ſonder - lich aber von dem gemeinen und weltlichen gebrauch abziehen / und zu einem goͤttlichen widmen. Welches / daß es die meinung ſeye dieſer heiligung / auch daraus erhellet / weil in dem dritten gebot austruͤcklich die ſechs tageD 3von30Das dritte Capitel. von dem ſiebenden unterſchieden werden / mit dieſem unterſcheid / daß jene zu des menſchen eignen wercken / darinnen ers mit dieſem irrdiſchen und zeitli - chen leben zu thun hat / uͤberlaſſen werden; der ſiebende aber von denſelben frey bleiben ſolle. Welches recht die bedeutung des Worts heiligen aus - drucket. Daher 4. kan es nicht ein heiligen und ſegnen ſeyn / das gleichſam bey GOTT bleibe / und auff ihn terminirte: wie dann kein tuͤchtiger ver - ſtand moͤchte gezeiget werden / wie GOTT dem HERRN ſelbs ein tag heiliger oder geſegneter werde / ſondern es muß die abſicht ſeyn auff die men - ſchen / daß der tag ihnen heiliger und geſegneter ſeyn / das iſt / ſie denſelben von dem gemeinen gebrauch abſondern / und daran eines kraͤfftigen ſegens in dem geiſtlichen von GOTT genieſſen ſolten. 5. Dieſes heiligen und ſegnen iſt geſchehen an dem tag / da der HERR geruhet hat / daher auch der effect da - von billich ſo bald hat folgen ſollen / nemlich daß gleich damal Adam und Eva darzu verbunden wuͤrden / ſo bald den anfang zu machen / und ſamt ihren nachkommen ſolchen tag GOTT dem HERRN zu heiligen: daher folget / daß dann damal die einſetzung ſolcher feyer geſchehen ſeye.
Welche nun dieſer meynung widerſprechen / und vorgeben / daß allererſt 2. Moſ. 16. die einſetzung in der wuͤſten geſchehen ſeye / haben gegen dieſe ſtel - le nichts einzuwenden / als daß was hie ſtehet / per πρόληψιν hieher geſetzt ſeye / und daß Moſes bey der hiſtoria von der ruhe nach der ſchoͤpffung / nur die gelegenheit her genommen habe / des jenigen zugleich meldung zu thun / was GOTT ſo lang darnach zu deſſen gedaͤchtnuͤß verordnet habe. Aber 1. ob wol nicht zu leugnen ſtehet / daß hin und wieder in der ſchrifft ſich exempel finden / wo etwas nicht eben in der ordnung erzehlet wird / als es geſchehen iſt / ſo wuͤrde es doch allzuhart ſeyn / von dieſer ſtelle ohne die nachtruͤcklichſte urſach / welche doch hie nicht gezeiget werden kan / es vorzugeben: indem der heilige Geiſt dieſe dinge nacheinander erzehlet / Gott vollendete und ruhete / und ſegnete / und heiligte; welche folge dieſer goͤttlichen handlungen / ohne dem text gewalt zu thun / niemand wol anders anſehen kan / als daß ſie zu ei - ner zeit nacheinander geſchehen / nicht aber die 2 letzte mehr als 2000 jahr nach den erſten erfolget ſeyen / welches nach der andern meynung ſeyn muͤſte / aber keine gnugſame urſach angezeiget werden kan / von der einfalt der wort der - maſſen abzugehen. Denn 2. was anlangt / daß man ſagen will / es koͤnne das ſegnen und heiligen nicht von dem ſiebenden tage geſprochen werden / ſondern es ſeye allein wahr von dem ſiebenden tag / da das manna nicht gefallen / und alſo auch nicht geſammlet werden ſollen / worinnen deſſen tages heiligen und ſegnen beſtehe / iſt es ein vergebenes einwenden / dann jenem erſten tag iſts ja ſegens und heiligens gnug / daß GOTT denſelben zum ruhe-tag verord - net habe: hingegen kan der ſegen des ſiebenden tages / da das manna nichtfiel /31ARTIC. I. SECTIO IX. fiel / ſo groß nicht gehalten / ſondern der ſegen des ſechſten tages muͤſte ihm vielmehr vorgezogen werden / da das manna in doppelter maaß gefallen. 3. Wann es aber heiſt / daß der ſabbath nicht koͤnne vorhin geweſen ſeyn / weil ihn GOTT 2. Moſ. 31 / 13. u. f. zum zeichen ſeines bundes mit den Jſraeliten gemacht / und alſo dem geſetz denſelbigen gegeben / einverleibet hat; iſt es eine unguͤltige folge / indem etwas / das bereits vorhin geweſen / zu ei - nem neuen gebrauch kan angewendet werden: von dem regenbogen iſt kaum zu zweiffeln / wo man deſſen natuͤrliche urſachen anſiehet / daß er vor der ſuͤnd - fluth bereits geweſen / jedoch bekam er nach derſelben ein ſonderbahres amt zum zeichen zu dienen 1. Moſ. 9. die beſchneidung war dem Abraham ver - ordnet 1. Moſ. 17. jedoch wurde auch dieſelbe in das levitiſche geſetz mit ein - verleibet 3. Moſ. 12 / 3. Alſo waren die opffer bald von anfang der welt im gebrauch / und machten doch nachmal ein wichtiges ſtuͤck des moſai - ſchen gottesdienſtes. Alſo kans wohl ſeyn / ob GOTT ſchon denſabbath zu erſt allen menſchen eingeſetzt und befohlen hat / daß er doch nachmal / als unter allen voͤlckern deſſen wahrer gebrauch in abgang kommen / denſelben abſonderlich den Jſraeliten wieder anbefohlen / und ihn zum abſonderlichen zeugnuͤß ſeines bundes mit dein volck / machen wollen. 4. Einen mehrern ſchein moͤchte es haben / wo man ſagt / daß die erſten eltern / denen vor dem fall keine muͤhſame arbeit auffgelegt geweſen / keines ruhe-tags beduͤrfft haͤtten: dann es haͤtten gleichwol die menſchen vor dem fall / ob ſie wol mit GOTT immerfort viel genauer / als jetzo von uns geſchehen kan / umgegangen waͤ - ren / darneben ihre zu dieſem leben abziehlende verrichtungen gehabt / wie ihnen denn der garten Eden / ob wol ohne beſchwehrliche muͤhe / zu bauen an - vertrauet geweſen / da iſt dann der goͤttlichen weißheit allerdings gemaͤß / daß er ihnen einen tag verordnet / da ſie auch von ſolchen wercken abgewandt / es mit keinen irrdiſchen / ſondern nur mit ihrem GOTT und himmliſchen dingen lauterlich zu thun gehabt haͤtten / ſonderlich / daß wo das menſchliche geſchlecht vermehret worden / die allgemeine verſammlungen zu Gottes lob an demſelben angeſtellet haͤtten werden ſollen.
2. Jch achte / es koͤnne auch mit gutem fug angefuͤhret werden / daß nicht allein vor dem geſetz 2. Moſ. 20. bereits c. 16. des ſabbaths meldung v. 23. u. f. geſchihet / und er alſo auffs wenigſte nicht erſt auff dem berg Sinai eingefuͤhret worden / ſondern Moſes auch alſo dardon redet / als von einer be - kandten ſache: das iſts / das der HERR geſagt hat / morgen iſt der ſab - bath / der heilige ruhe-tag des HERRN; welche worte der mann Got - tes nicht wohl haͤtte gebrauchen koͤnnen / wo niemand unter dem volck vorhin etwas darvon gewuſt haͤtte. So viel mag zwahr wohl zugegeben werden /daß32Das dritte Capitel. daß ſonderlich aus der tyranniſchen dienſtbarkeit der Egyptier ſolche feyer bey den juͤden aus noth unterlaſſen werden muͤſſen / und alſo bey vielen / und den meiſten eine lange zeit moͤchte in vergeß gekommen ſeyn / daß es GOtt fuͤr dienſam gefunden / durch dieſes wunderwerck bey dem manna / die gedaͤchtnuͤß deſſelben / auch vor gebung des geſetzes / zu erneuern / indem das volck / da es ſeiner meinung nach am ſechſten tag nicht mehr geſamlet hatte als die andre tage / gleichwol jeglicher zwey Gomor in dem maaß fand. Daher auch unſer Lutherus T. 3. Alt. f. 635. a. uͤber dieſe ſtelle alſo ſchreibet: Aus dieſem ſi - heſt du / daß der ſabbath geweſen ſeye / ehe denn das geſetz Moſtis kom - men iſt / und iſt auch wohl von der welt anfang geweſen / ſonderlich / daß die frommen / die den wahrhafftigen gottesdienſt gehabt / an die - ſem tag zuſammen kommen ſind / und GOTT angeruffen haben. Und obwol die meiſte der juͤden die einſetzung des ſabbaths erſt in die wuͤſte ſetzen / behauptet doch der gelehrteſte unter ihnen / Menaſſe Ben Iſrael probl. 8. de creat. daß bereits Abraham und andre Patriarchen denſelben ge - feyret haͤtten / mit anfuͤhrung aus Schemoth Rabba, daß Moſe den Jſraeli - ten in ihrer ſchwehren dienſtbarkeit einen tag der wochen zur ruhe ausgebe - ten / und darauff den ſiebenden tag darzu genommen habe.
3. Hierzu kommt die ſtelle Hebr. 4 / 3. u. f. da zwahr nicht ohne iſt / daß mehrere aus derſelben etwas zu erweiſen / ſich nicht getrauen; aber Rivetus behauptet auch dieſes ſein argument gegen Gomarum, und D. Dannhauer meinet darinnen eine krafft zu ſeyn / wie es auch D. Calovius nicht verwirfft. Es beſtehet aber die macht des ſchluſſes darinnnen / weil der Apoſtel einer dreyfachen ruhe Gottes gedencke / nemlich der erſten / da er geruhet habe nach der ſchoͤpffung; der andern / da er das volck durch den Joſuam in Chanaan eingefuͤhret; ſo dann der dritten / die dem volck Gottes noch bevorſtehe: hin - gegen GOTT trohe / daß die unglaͤubige nicht wuͤrden in ſeine ruhe einge - hen. Dieſes koͤnne nun nicht verſtanden werden von der erſten und andern art der ruhe / ſo muͤſte es verſtanden werden von der dritten. Daß es von der erſten nicht verſtanden werden koͤnte / erhelle daher / weil dieſelbe ſchon vorher geweſen / und zwahr / da die werck von anbegin der welt waren gemacht. Wie auch die ruhe Gottes heiſſet in den andern beyden arten / worinnen GOTT nicht ſo wol fuͤr ſich ſelbs ruhet / als der der ruhe nicht bedarff / und in ihm ſelbs keine aͤnderung ſtatt findet; als in dem verſtand / daß er die menſchen in die ruhe ſetzet / nemlich durch Joſuam das volck in die ruhige beſitzung von Chanaan eingefuͤhret hat / und durch JEſum ſeine glaͤubige in die ewige ru - he einfuͤhren werde / ſo muͤſte auch die erſte ruhe Gottes nicht denſelben ſo wol / als die menſchen angehen.
4. Es33ARTIC. I. SECTIO IX.4. Es bemercken auch einige dieſes / (wie dann D. Dannhauer es auch anfuͤhret) daß Noah 1. Moſ. 8 / 10. 11. 12. von ſieben tagen zu ſieben tagen die tauben aus dem kaſten / um zu forſchen / ob das gewaͤſſer auffgehoͤret haͤt - te / ausfliegen laſſen. Da gedachter Lehrer alſo ſchreibet: Cur ſeptimo die emiſſa columba? niſi quia is dies, quo cultui divino intra arcam vacabant, videbatur magis ominoſus. Auffs wenigſte laͤſſet ſich daraus abnehmen / daß bereits damal die theilung der zeit in wochen oder ſieben tage habe zuge - ſchehen gepflegt; wo anders her / als aus dem unter ſcheid des einen von den andern ſechs tagen?
5. Wie auch in andern ſtuͤcken die wahrheit heiliger ſchrifft und vieler darinn erzaͤhlter geſchichten aus demjenigen / was man bey den heiden findet / bekraͤfftiget werden kan / ja auch in dieſer fabeln vieles ſtecket / ſo aus der goͤtt - lichen wahrheit entſprungen / und nachmal nur in mißbrauch und mißdeu - tung gezogen worden / aber jener fußſtapffen eben darinnen gezeigt werden koͤnnen: alſo mag auch dieſes / daß bey ſehr vielen heidniſchen voͤlckern ein ſie - bender tag gefeyret / ſo dann meiſtens ohne jahr und monat die zeit auch in ſieben tag oder wochen abgetheilet zu werden gepfleget hat / (welche ge - wohnheit Salmaſius aus Georg. Syncelli Chronolog. erweiſet noch vor der abtheilung in jahr und monat geweſen zu ſeyn) ein zeugnuͤß der aͤlte des ſab - baths ſeyn. Alſo gedencket Clem. Alex. L. 5. Stromat. daß auch die Grie - chen den ſiebenden tag heilig gehalten. Euſeb. L. 13. Evang. præparat. erwei - ſet aus Platone, Homero, Callimacho und Solone die heiligkeit des ſiebenden tages. Sonderlich Philo L. 2. de vita Moſis ſchreibet: Noſtrum jus omnes admonet offcii: Barbaros, Græcos, continentis æque ac inſularum incolas. Occidentales & Orientales, Europæos atque Aſiaticos, totum orbem habita - bilem usque ad extremos terminos. Quis enim ſacrum illum diem per ſin - gulas ſeptimanas recurrentem, non honorat? Dergleichen bezeuget auch Joſe - phus L. 2. contra Apion. Alſo weiſet Tertull. Apol. c. 16. und L. 1. ad gentes c. 13. die heiden auff ihre gewohnheit / da ſie auff den ſonnabend / als den tag Saturni ſich gute tag zu machen /