WJe angenehm und nuͤtzlich / ja beyman - cher Peꝛſon die Teut - ſche Poëſie hoͤchſt noͤthig ſey / iſt eine bekannte Sa - che. Was kan ſchoͤners gefunden werden, als wenn man ſeine Ge - dancken in ein ordentliches Maß und wohlklingende Reime brin - gen kan. Wie groß der Nutzen ſey / wenn man bey dem Vers - machen auf allerhand Inventio - nen ſinnen, und die artigſtenA 2Ex -[4]Vorrede. Expreſſionẽ hervor ſuchẽ muß, werden diejenigen am beſten ver - ſtehen, welche oͤffters Verſe ge - macht haben. Wer einen oͤffent - lichen Schulmann, oder Privat - Informatorem abgeben will / kan die Poëſie unmoͤglich ent - behren, weil er andere darinnen zu unterweiſen ſchuldig iſt. Und wie will ſich ein Client bey ſei - nen Patronen an Geburts - und Namens-Tagen / und bey vielen andern Gelegenheiten recom - mendiren / wenn er nicht einen zierlichen Vers zu machen weiß. Aus dieſen und vielen andern Urſachen bin ich bewogen wor - den / gegenwaͤrtiges Buch zuverfer -[5]Vorrede. verfertigen. Jch weiß zwar wohl / und wiſſen es auch andere / daß man unterſchiedene Buͤcher ha - be, welche Anweiſung geben / wie man einen Vers machen ſolle; ich laſſe auch alle ſolche Schriff - ten in ihrem Werthe: Gleich - wohl habe ich das Vertrauen / es werde auch gegenwaͤrtiger Tra - ctat einen guten Nutzen ſchaf - fen. Denn es iſt derſelbe weder zu lang / noch zu kurtz. Die gege - benen Regeln werden gewiß zu - langen / und von Exempeln wird man ſo viel finden / als zu Erklaͤ - rung der Regeln von noͤthen iſt. Haͤtte ich mehr Exempel ange - fuͤhret, ſo haͤtte ich zwar gewie -A 3ſen /[6]Vorrede. ſen, daß ich bey unterſchiedenen Gelegenheiten Verſe zu machen die Ehre gehabt / die Regeln aber wuͤrden dadurch nicht klaͤrer worden ſeyn / und gleichwohl wuͤrden die Kaͤuffer haben mehr Geld ausgeben muͤſſen. Ver - langet ja uͤber diß jemand viel - faͤltige und angenehme Exempel / ſo leſe er nur des Neu-eroͤffneten Muſen-Cabinets aufgedeckte Poëtiſche Wercke. Es ſind die - ſelben an eben dem Orte zu fin - den / wo dieſer Wohl-informirte Poët angetroffen wird. Adjeu!
DJe teutſche Poëſie iſt eine Geſchicklichkeit, ſeine Gedancken uͤber eine gewiſſe Sache zierlich, doch dabey klug und deutlich, in abgemeſſenen Worten und Reimen vorzubringen.
Mancher kan dieſe Kunſt ziemlich entbehren, der eben nicht groſſe Urſach hat, ſich durch ein Carmen bey andern beliebt zu machen, oder, ſo ihm ja eines ſol - te abgefordert werden, ſchon ſeinen Mann weiß, der an ſeiner ſtatt ſolche Poëtiſche Arbeit auf ſich nimmet: Wer aber ſeine Recommendation durch einen ge - ſchickten Vers erhalten ſoll, und keinen Subſtituten hat, der hierinnen ſeine Stelle vertraͤte, der wird der Poëſie gar ſchwerlich entbehren koͤnnen. Mancher muß andere in der Poëſie unterweiſen, und alſo noth - wendig dieſelbe wohl verſtehen.
Mehr, als vielleicht mancher dencken ſolte: DennA 4es8Das I. Capitules bringet uns dieſelbe auf allerhand artige Inventio - nen, manierliche Expreſſionen, verſchaffet uns eine gu - te Copiam Verborum, beluſtiget unſer Gemuͤthe, und machet uns bey andern Leuten offtmahls uͤberaus be - liebt.
Wir werden allhier dabey vornemlich auf acht Stuͤcke ſehen: Das erſte werden die Reime ſeyn, das andere die Conſtruction, das dritte die Scanſion, das vierdte die Genera, das fuͤnffte die Invention, das ſechſte die Diſpoſition, das ſiebende die Elocution, und das ach - te die Imitation. Und aus eben dieſen acht Capituln wird unſer gegenwaͤrtiges Buch beſtehen. Dem - nach handelt
Ein Reim iſt, wenn einige Sylben oder Buchſta - ben am Ende auf einerley Artlauten.
Ja es gehet ſolches bisweilen an: denn die Inſcri - ptiones, welche nicht nur zur Oratorie, ſondern auch zur Poëſie gehoͤren, pflegen keine Reime zu haben; Hernach kan man auch die Sylben richtig abzehlen, daß ſie andern Verſen gantz aͤhnlich ſeyn, und dennoch die Reime weglaſſen.
Es gehoͤren zwar die Inſcriptiones, wie allererſt ge - ſaget worden, auch zur Poëſie, gleichwohl wird davon in der Oratorie weitlaͤufftiger gehandelt. Kurtz zu ſa - gen, ſo muͤſſen in den Inſcriptionen lauter ſcharffſinni - ge Redens-Arten und die Zeilen von unterſchiedener Laͤnge ſeyn, damit ſie einige Figur machen. Die ſcharffſinnige Redens-Arten aber flieſſen aus vier Oer - tern her, welche ſind:
Dieſes iſt wie gedacht, bey den Inſcriptionen nochA 5zu10Das I. Capitulzu mercken, daß man im Schreiben bald lange, bald kurtze Zeilen machen muͤſſe, damit einige Figur heraus komme; Wir wollen ein einziges Exempel auf den zu Leipzig ſo beruffenen Polter-Hans verfertigen:
Wir wollen ſolches aus nachgeſetztem Exempel er - fahren. Es invitirte unlaͤngſt einer ſeinen guten Freund auf ſeine Stube, und der Eingeladene ſchrieb ihm dieſes zur Antwort:
Allein man mercket in ſolcher Gattung den Be - trug gar zu geſchwinde; Beſſer kan man ihn verber -gen,12Das I. Capitulgen, wenn man die langen und kurtzen Sylben mit einander abwechſeln laͤſſet. Als gedachtem guten Freunde nach dem Schmauſe der Kopff ziemlich we - he that, ſchrieb er an ſeinen geweſenen Wirth folgen - der Maſſen:
Bald Anfangs muß man bey den Reimen wiſſen, daß allemahl die gleichlautenden Sylben einen un - terſchiedenen Buchſtaben vorher haben ſollen.
Alſo waͤren dieſe Reime falſch:
Denn vor beyden Reimen gehet einerley Buchſta - be, nemlich das G. vorher. Hingegen ſind dieſe Reime richtig:
Denn da haben die Reime unterſchiedene Buch - ſtaben vor ſich hergehen, nemlich G. und L.
Keines weges: Denn nur zweyer Landſchafften zu gedencken, ſo ſprechen die Sachſen und Meißner viele Worte anders aus, als die Schleſier. Alſo reimet ſich bey den Schleſiern Was und Fraß, Koͤn - nen und Sinnen, Von und Lohn, Muß und Gruß: Bey den Meißnern und Sachſen hingegen reimen ſich ſolche Worte nicht. Wenn man auf den Grund ſiehet, ſo beruhet ſolcher Unterſcheid, zwiſchen genannten und andern Nationen auf der mancherley Ausſprache der Vocalium, Diphthongorum, einfacher und gedoppelter Conſonantium. Wir wollen um mehrer Klarheit willen einige Buchſtaben mit einan - der durchlauffen, und den unterſchiedenen Thon in et - lichen Exempeln anhoͤren.
A. wird von etlichen alſo ausgeſprochen:
Jngleichen:
E. Klinget bey etlichen folgender maſſen:
J und JE. haben bey manchen einerley Thon: z. e.
O. ſprechen einige in folgenden Worten mit einem Thone aus: z. e.
U. klinget bey etlichen in nachgeſetzten Worten auf ei - nerley Art:
AU. und O. wird von einigen auf einerley Art ausge - ſprochen. z. e.
EJ. und OE. oder E. klingen in mancher Ohren einer - ley. z. e.
OE. und J. reimen ſich bey einigen ſehr wohl. z. e.
D. und T. giebt bey manchen einen guten Reim ab. z. e.
Es15von den Reimen.B. und P. klinget in mancher Ohren auf einerley Art. z. e.
G. und Ch. muß ſich bey etlichen wohl reimen. z. e.
S. und ß. hat bey einigen einerley Thon. z. e.
Wer nun in ſolchen unterſchiedenen Ausſprachen nicht verſtoſſen will, der muß ſehen, was er vor ein Landsmann ſey, und wie man in ſeinem Lande die Worte ausſpreche; ingleichen muß er bedencken, wel - cher Nation er mit ſeinen Verſen am meiſten gefallen wolle, denn nach derſelben Mund-Art muß er ſich richten. Abſonderlich aber muß einer darauf Achtung geben, was am reineſten klinget, und am gelehrteſten ausſiehet.
Dieſe Worte, als: Naͤher, Seher, lieben / uͤben, nennen, koͤnnen, reimen ſich gantz gut mit einander, ob ſchon in dem einen ein einfacher Vocalis, und in dem andern ein Diphthongus gefunden wird, denn wenn man ſolche pronunciren hoͤret, haben ſie einerley Thon. Dannenhero wird mir dieſen Reim niemand tadeln koͤnnen:
Allein das kan man nicht paſſiren laſſen, wenn einer mit den alten Meiſter-Saͤngern die Worte Sack, und Stab, fein, und heim, Greiß und Geiſt ꝛc. oder mit dem bekannten Poëten, Hans Sachſen, aus dem Liede: Warum betruͤbſtu dich mein Hertz, folgendes mit einander reimen wolte.
Denn obgleich ſolche Worte, wenn man ſie uͤberhin an - hoͤret, ſcheinen gleichlautend zu ſeyn, ſo geben ſie doch bey accuraten Ohren keine Reime ab. Gleicher geſtalt kan man auch dieſe Reime nicht gelten laſſen:
Jngleichen:
Item:
Denn dieſe Veraͤnderungen und Contractionen klingen gar zu harte, doch will ich hiermit die geiſtli - chen Lieder nicht verworffen haben, weil dieſelben auch ohne ſolche Kunſt ihre durchdringende Krafft mit ſich fuͤhren.
Man hat dreyerley Reime, als
Man kan zwar ſolches thun, allein es klinget nicht all - zu lieblich. Siehe das Muſen-Cabinet 1143. & 1287. Alſo machteich vor einiger Zeit auf das ſtetige Regen - wetter zur Erndte-Zeit folgende Zeilen:
Es ſchickt ſich dieſes allerdinges, und klingen ſolche Verſe weit lieblicher, als die, ſo aus lauter weiblichen Reimen beſtehen. Siehe im Muſen-Cabinet p. 24. 961. 1115. & 1267. Als vor wenig Jahren die Damen in Franckreich anfiengen auf Eſeln zu reiten, hatte ich dieſe Poêtiſche Gedancken daruͤber:
Es klinget ſolches freylich weit beſſer, und kan man dieſe Manier auf unterſchiedene Art vorneh - men.
Mehr Exempel ſtehen im Muſen-Cabinet p. 184. 575. 589. 917. 931. 934. 947. & 1271.
Conf. Muſen-Cabinet p. 411.
Conf. Muſen-Cabinet p. 168. & 410.
Oder alſo:
Oder auch ſolcher geſtalt:
Man hat noch viel andere Verſetzungen der Reime, es iſt aber nicht noͤthig, alle Gattungen anzufuͤhren, denn wer nur ein wenig Nachſinnen hat, kan ſelbige ohne ſchwere Muͤhe ſelbſt erfinden. vid. Muſen-Cabi - net p. 1284.
Es iſt ſolches nicht hoͤchſt noͤthig: Denn es koͤnnen ſich auch mehr Zeilen, als zwey, mit einander reimen und manchmahl eine ungereimet bleiben. Wir wollen ſol - ches in einigen Abtheilungen betrachten.
Es klinget trefflich ſchoͤne, daß einer immer die Oh - ren davor zuſtopffen moͤchte: Allein es gehet bey die - ſer Manier nicht ohne Schwachheiten ab, dannen - hero iſt es am beſten, wenn man ſolche gar unterwegen laͤſſet.
Conf. Muſen-Cabinet p. 89. & 785.
Jnsgemein pfleget ſolches zu geſchehen: Jedoch kan man auch zuweilen in einer Linie etliche Worte mit ein - ander reimen. z. e.
Oder dreyfaͤltig:
Allein ich will einen verſichern, er ſoll von dieſer Gat - tung wenig Verſe zuſammen bringen, ſo ein Geſchicke haben. Sonſt kan man auch zuweilen den Anfang zweyer Zeilen mit einander reimen. z. e.
Man kan die Reime gar leicht zuſammen brin - gen, wenn man das Wort, worauf ſich ein ande - res reimen ſoll, in einem guten Reim-Regiſter auf - ſchlaͤget, oder auch nur das Alphabeth im Sinne durchlauffet. z. e. Habe ich das Wort: Leben, ſo reimet ſich darauf: Beben, eben, geben, heben,kleben,29Das II. Capitul von der Conſtruction. kleben, darneben, Reben, ſtreben, ſchweben, weben.
Dieſes einige, daß alle Worte in ihrer rechten Ordnung ſtehen ſollen, und dabey muß man dieſe Regul wohl mercken und practiciren: Man ſoll in Verſen die Worte in derjenigen Ordnung ſe - tzen, worinnen ſie auſſer den Verſen ſtehen: Will nun einer dieſe Regul in der Poëſie wohl an - wenden, ſo muß er ſich bemuͤhen, daß er auch in Proſa die Worte allemahl in richtiger Ordnung vor - bringe. Denn man ſpricht im Teutſchen: Jch weiß es wohl. Nicht nach dem Lateiniſchen: Hoc bene ſcio. Das wohl ich weiß. Auch nicht nach dem Frantzoͤſiſchen: Je le ſçai bien. Jch das weiß wohl.
Vornehmlich in drey Stuͤcken als:
Dieſes iſt recht:
Dieſes iſt falſch:
Dieſes iſt recht:
Dieſes iſt falſch:
Dieſes iſt recht:
Dieſes iſt falſch:
Mit einem Worte: Wer eine gute Conſtruction in ſeinen Verſen beobachten will, der muß wohl va - riiren koͤnnen, nach der Grammatic, Rhetoric und Lo - gic (wovon in der Oratorie gehandelt wird) vornehm - lich aber nach der Rhetoric, da er durch eine kleine Fi - gur alle unteutſche Conſtruction wird vermeiden koͤn - nen. z. e.
Die -31Das III. Capitul von der Scanſion.Dieſes iſt falſch:
Dieſes iſt recht:
Wenn ein jedes Wort ſeinen rechten Thon und Abſchnitt hat. Alſo hat folgender Vers keinen rech - ten Thon:
Dieſe Zeilen hingegen haben keinen rechten Ab - ſchnitt:
Man muß wiſſen, welche Sylben fallend oder ſteigend, lang oder kurtz ſeyn, und ob man wohl einige Reguln hiervon geben kan, ſo brauchet man doch die - ſer Weitlaͤufftigkeit nicht, ſondern man darff nur ſei - ne Verſe entweder ſelbſt genau leſen, oder andere le - ſen laſſen, ſo wird einem ſchon das Gehoͤre ſagen, obCalle32Das III. Capitulalle Sylben ihren rechten Accent bekommen haben. Wir wollen die Sache in Gegenhaltung falſcher und rechter Verſe anſehen. z. e.
Dieſes iſt falſch:
Dieſes aber iſt recht:
Dieſes iſt falſch:
Dieſes iſt recht:
Ja ’es iſt noch ein Stuͤcke ſehr wohl zu mercken, daß man nemlich ſehen muß, in welchem Worte der Nach - druck eines Dinges lieget, denn auf daſſelbe muß ſon - derlich der Thon geleget werden, weil man ſonſt nicht den rechten Verſtand heraus bringen wuͤrde. z. e. Wenn ich dieſe drey Worte haͤtte: Jch liebe dich. Und wolte ſagen, es ſey keine andere Perſon, die den andern ſo ſehr liebete, als ich, ſo muß der Thon auf eben dieſem Worte Jch liegen. z. e. Jch liebe dich. Wolte ich aber meinen Affect gegen den andern ge -nau33von der Scanſion. genau zu erkennen geben, ſo gehoͤret der Thon auf das Wort Lieben, und muͤſte alſo klingen: Jch liebe dich. Wolte ich endlich zeigen, daß ich niemand anders, als ihn liebete, den ich mit ſolchen Worten anredete, ſo faͤllt der Thon auf das Wort Dich, und lautet es alsdenn alſo: Jch liebe dich. Wenn nun die Verſe in Schauſpielen, oder bey an - dern Vorſtellungen muͤndlich ſollen vorgebracht wer - den, ſo muß der Accent allemal auf das rechte Wort geſetzet werden, wofern man glauben ſoll, daß der jeni - ge, ſo da redet, auch wiſſe, was er redet.
Der Abſchnitt iſt, da man die langen Zeilen gleich - ſam in der Mitten zertheilet, und ein wenig mit der Zun - ge inne haͤlt. z. e.
Bisweilen hat man in einer Zeile eine gantze Sentenz, und alsdenn wird der Abſchnitt im reden nicht ſo deut - lich ausgedruͤcket. z. e.
Wer nun bey dem Abſchnitte nicht fehlen will, der muß folgende Reguln beobachten:
Dieſes iſt falſch:
Dieſes iſt recht:
Dieſes iſt falſch:
Dieſes iſt recht:
Sondern es muß alſo heiſſen:
Dieſes iſt falſch:
Jngleichen:
Dieſes aber iſt recht:
Jngleichen:
Noch ein einiges Ding iſt bey derſelben zu beobach - ten, nemlich die Eliſion, da man gewiſſe Buchſtaben und Sylben verſchlucket.
Alle diejenigen, welche man in Proſa verſchweiget, nemlich A. E. J. Das A. wird verſchlungen in den Worten: Daran, darauf, darauſſen, darů - ber, daroben, darum; denn man kan ſprechen: Dran / drauf, drauſſen druͤber, droben, drum ꝛc. Das E. wird verſchwiegen im Anfange, als: Gna - de, gnau, grade, Gluͤck vor Genade, genau, gera - de, Geluͤck; Jn der Mitten / alſo ſagt man: Eh - mann, Liebſter, Schoͤnſter ꝛc. vor Ehemann, Liebeſter, Schoͤneſter; Am Ende, als: Lebt / gebt, labt, habt liebt, giebt, lobt, laß, thu ꝛc. vor lebet, gebet, labet, habet liebet, giebet, lobet, laſ - ſe, thue. Das J. wird verbiſſen in den Woͤr - tern: Heilger, Selger, ꝛc. vor: Heiliger, Seli - ger.
Wenn auf einen Vocalem ein anderer Vocalis oder Diphthongus folget: Doch muß man allemahl die Ohren zu Rathe ziehen, was in Proſa gebraͤuchlich iſt. Alſo ſage ich gar recht:
Das hingegen wuͤrde nicht recht klingen:
Jngleichen klinget dieſes gar wohl:
Da hingegen dieſes ſchon etwas gezwungener klin - get:
Einige thun es: wiewohl es ſcheinet nicht noͤthig, ſolches zu thun, weil man auch in Proſa den Vocalem vor dem H. ausſpricht. Denn dieſer Vers klinget gantz rein:
Dieſer hingegen klinget etwas hart:
Es pflegen ſolches etliche zu thun, und ſetzen immer einen Apoſtrophum dabey: Allein ſie thun ſolches mit Unverſtand, weil ſie gar kein Fundament von ſolcher Eliſion anfuͤhren koͤnnen. Denn wie ſchoͤne klingt doch dieſes:
Ach ja! Es iſt daran kein Mangel, und waͤre zu wuͤnſchen, daß deren nicht ſo viel waͤren. Denn es finden ſich noch heute zu Tage Leute, welche han, lan, ſtahn, vor haben, laſſen, ſtehen, ſetzen. Al - lein man muß mit ihrer Ignoranz Commiſeration haben.
Es geſchiehet ſolches:
Ja es gehet an, denn man ſaget ja brauchen vor gebrauchen. z. e.
Das Genus der Verſe iſt nichts anders, als eine gewiſſe Abtheilung der Sylben, und unterſchiedene Abwechſelung der Reime und Scanſion. Habe ich nun gewiſſe Worte vor mir, worinnen meine gantze Invention beruhet, und welche unveraͤndert bleiben muͤſſen, ſo muß das Genus nach derſelben Beſchaffen - heit erwehlet werden. z. e. Haͤtte ich die Worte: So gehets in der Welt: zu meiner Invention beliebet, ſo wuͤrde ich das Genus Alexandrinum erwehlen. Wolte ich dieſe Worte: Meinen JEſum laß ich nicht: in einer Arie durchfuͤhren, ſo wuͤrde ich das Genus Trochaicum nehmen. Haͤtten mir dieſe Wor - te zu meinem Grunde gefallen; Lieben hat allen der Himmel beſohlen: So wuͤrde ich das Genus Dactylicum darzu anwenden, weil ſolche Genera ge - dachte Worte in ihrer Freyheit unveraͤndert laſſen, welches bey denen andern nicht ſo wohl angehen wuͤrde.
Wenn man dieſes wiſſen will, ſo muß man die Beſchaffenheit der Pedum, oder des Thons in denenWor -39von den Generibus der Verſe. Worten zum Grunde ſetzen. Nun ſind die vornehm - ſten Pedes dreyerley, als da iſt:
Dieſes Genus ſchicket ſich am beſten zu ernſthaff - ten Sachen, und beſtehet darinn, wenn ſich die Verſe mit einem Jambo anfangen, und auſſer den Abſchnitten lauter Jambos in ſich halten. z. e. Uber das: Ex libro doctus ruſticus eſſe poteſt.
Und dergleichen Jambiſche Verſe ſteigen von zweyC 5Sylben40Das IV. CapitulSylben bis auf dreyzehen und bisweilen druͤber, nach dieſer Figur:
z. e.
Zweyſylbige:
Dreyſylbige:
Vierſylbige:
Fuͤnffſylbige:
Sechsſylbige:
Siebenſylbige:
Achtſylbige:
Neunſylbige:
Zehnſylbige:
Eilffſylbige:
Zwoͤlffſylbige:
Dreyzehnſylbige:
Die zweyſylbigen Verſe ſcheinen zwar mehr nur ei - nen Pedem, als einen Vers abzugeben: Allein wenn man betrachtet, daß in den Arien auch ſo kleine Zeilen nur von zwey Sylben mit unterzulauffen pflegen, wel - che gleichwohl rechte Verſe machen, ſo wird man ſol - che zweyſylbige Verſe auch gar gerne vor Verſe paſſi - ren laſſen. Die ſechsſylbigen werden Euripidiſche, die ſiebenſylbigen Anacreontiſche / die zehn - und eylffſylbige von den Frantzoſen Vers Communs, gemeine, und von den Jtaliaͤnern Verſi Intieri oder Perfetti, das iſt voll - kommene, und die zwoͤlff - und dreyzehnſylbige Alexan - driniſche Verſe genennet. Bey den zehn - und eilffſylbi - gen iſt der Abſchnitt manchmahl in der vierdten Syl - be. z. e.
Manchmahl in der ſechſten Sylbe. z. e.
Jn den zwoͤlff - und dreyzehnſylbigen Verſen faͤllt der Abſchnitt auf die ſechſte Sylbe. z. e.
Mein42Das IV. CapitulKeines weges: Denn da kan man auf unterſchiede - ne Art variiren, als:
Conf. Muſen Cabinet p. 96. 153. 174. 184. 399. 407. 414. 415. 529. 811. 862. 899. 917. 947. 1271. 1285.
Dieſes Genus ſchicket ſich ſehr gut zu Liedern und Trauer-Spielen, und beſtehet darinn, wenn ſich die Verſe mit einem Trochæo anfangen, und auſſer den Abſchnitten lauter Trochæos in ſich halten. z. e.
Conf. Muſen-Cabinet p. 84. 469. 830. 848. 894. 1265. Die Trochaiſchen Verſe ſteigen von 2. bis auf 15. Syl - ben, man findet zwar zuweilen auch etliche von 16. Syl - ben, ſie klingen aber gar unangenehm, als:
Diejenigen, ſo aus 8. Sylben beſtehen, haben keinen Abſchnitt. z. e.
Die eilffſylbigen haben den Abſchnitt entweder in der ſechſten Sylbe. z. e.
Oder in der fuͤnfften. z. e.
Die dreyzehnſylbigen haben den Abſchnitt gleichfalls auf der ſechſten Sylbe. z. e.
Die funffzehnſylbigen ſind zweyerley, die eine Gattung hat den Abſchnitt nach der ſiebenden Sylbe und zwar auf maͤñliche Weiſe uñ gehet am Ende weiblich aus. z. e.
Die andere Art hat den Abſchnitt nach der achten Sylbe und zwar auf weibliche Art, und gehet am Ende maͤnnlich aus. z. e.
Es gehet ſolches zwar an, doch klinget es in den lan - gen Zeilen nicht allzulieblich. z. e.
Dieſes Genus ſchicket ſich am beſten zu ſpielenden und luſtigen Sachen, weil darinnen alles wie zu Sprunge gehet, und beſtehet ſolches Genus darinnen, wenn ſich die Verſe mit einem Dactylo anfangen, und auſſer dem letzten Pede lauter Dactylos in ſich hal - ten. z. e.
Conf. Muſen-Cabinet p. 784. 1161.
Die Dactyliſchen Verſe ſteigen von 3. bis 11. ja bey et - lichen bis 14. Sylben hinauf, welche letztere aber gar ſelten vorkommen und gar uͤbel klingen. z. e.
Die gebraͤuchlichſten unter den Dactyliſchen Verſen ſind folgende, als:
Jngleichen:
Sonſten laͤſſet man nicht gerne gleich-lautende Worte im Anfange oder in der Mitten zuſammen kommen, in den Dactyliſchen Verſen aber haͤlt man ſolches vor eine Zierath. z. e.
Es iſt nur noch dieſes einzige dabey zu behalten, daß zu den Dactyliſchen Verſen die Anapæſtiſchen gerech - net werden, und ſind ſie einander in allen Stuͤcken gantz gleich, auſſer daß bey den Anapæſtiſchen im An - fange eine Sylbe mehr iſt. z. e.
Dieſer iſt Dactyliſch:
Dieſer Anapæſtiſch:
Gemeiniglich geſchiehet ſolches; nichts deſto weni - ger pflegen die Genera in einer Strophe, auch wohl in einer Zeile, bisweilen vermiſchet zu werden.
Es ſind der uͤbrigen Generum mehr, als man wuͤn - ſchet. Jch will nicht von dem Genere Sapphico ſagen, welches gar ſchwer iſt, auch nicht wohl klinget, und deß - wegen gar ſelten gebraucht wird. Es klinget daſſelbe folgender maſſen:
Auſſer dieſen hat es viel andere Genera, welche wir nach einander durchgehen wollen.
Die Oden, bey welchen ſich der Verſtand in einer jeden Strophe endigen ſoll. Bey den Oden aber ſind vornehmlich zwey Stuͤcke zu mercken:
D 31. Die52Das IV. CapitulMan iſt hiebey an keine Zahl gebunden, Denn man machet viel und wenig Zeilen, als:
Alſo gratulirte Anno 1703. ein vornehmer Leipziger dem nachmahls mit Ruhm regierenden Herrn Bur - germeiſter, Herrn D. Johann Alexander Chriſten in Leipzig, zu der nach Wurden erlangten Burgermeiſter - lichen Ehre folgender maſſen:
Alſo ward auf Churfuͤrſtl. Durchl. zu Brandenburg Friderici III. Geburts-Tag A. 1694. bey der Inaugura - tion der Haͤlliſchen Univerſitaͤt folgendes gemacht. vid. Neu-eroͤffnetes Muſen-Cabinet p. 604. und 789.
Man kan alle gewoͤhnliche Genera der Verſe in den Oden anbringen, und zwar ſolches auf zweyerley Art, entweder ſo, daß nur ein Genus in einer Strophe iſt, oder ſo, daß mehr, als eines, darinnen iſt. Jene koͤnte man die ungemiſchten, dieſe aber die gemiſchten Oden nennen.
Wir wollen dabey die vornehmſten Genera durch - lauffen: Denn da haben wir
Es werden bey denſelben in einer Strophe zwey, auch wohl drey Genera mit einander vermiſchet. Dannen - hero findet man Oden.
Siehe das Muſen-Cabinet p. 789. 1259.
Siehe das Muſen-Cabinet p. 1259.
Es ſind derer noch etliche, als:
Wenn man dieſes recht verſtehen will, ſo muß man dieſe zwey Stuͤcke beſonders anſehen:
Ein Madrigal iſt ein kurtzes, dabey aber ſcharffſin - niges Gedichte, da man die vorhabende Materie ent - weder mit einer nachdencklichen Sentenz anfaͤnget, oder - beſchlieſſet. Es iſt aber noͤthig, daß man bey den Ma - drigalen betrachtet
Man findet hievon vielerley Arten, die vornehmſten davon ſind folgende zwey, als:
Siehe das Muſen-Cabinet p. 1233. 1246. 1333.
Wenn wir hiebey deutlich wollen unterrichtet ſeyn, ſo muͤſſen wir folgende vier Stuͤcke wohl mercken, als:
Mehr Weitlaͤufftigkeit iſt hier nicht von noͤthen, deß - halben wollen wir nur eine eintzige Pindariſche Ode zur Probe mit nehmen. Es beklaget nemlich ein Bruder das Abſterben ſeiner geliebteſten Schwe - ſter.
Man muß dabey dieſe 3. Stuͤcke wohl behalten, als: