PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Della Ragione di Stato Das iſt Von der Geheimen und Ungemeinen Regirungs-Klugheit Jn X. Discurse verfaſte Ab - handlung /
Worinnen / Ob etwas / und was die ſo beruffene RATIO STATUS eigentlich ſey / Aus dero beruͤhmteſten Scribenten gruͤndlich unterſuchet / Und aus allerhand Begebenheiten nechſtverwichenen / wie auch ietzi - gen Europeiſchen Zuſtandes entworffen wird
Leipzig /Bey Eſaiæ Fellgibeln / Buchhaͤndler in Breßlau.Anno 1673.

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REgales poſitæ ſunt, ſicut in
Orbe, Coronæ
Inq́z ſinu quicquid gran -dius Orbis habet;
Sitlicet incert9 terreſtri motus in orbe,
Aſt terrenorum motio certa datur,
Nec dubium eſt volvi majori maximaniſu,
Regnaq́z continuâ mobilitate trahi,
Nec motu vicibusque vacant, ſi quan -do quſeicunt
In tropico, & remeant proſperitasiter,
Nec ſvetis vicibus ſaltim eſt ſubjecta,procellis
(tet
IllaGubernandi Sphæra ſubinde pa -
Quàm facile inverti Imperii pulcher -rimus ordo
(eſt!
Inſolito quodam turbine viq́z pot -
Non ſemper lux eſt, nec ubiq́z Serena
Serenis:
Atra ſolet nubes ſpargere ſæpe mi -nas.
): (3Tur -
Turbidus armatur tot tempeſtatibusæther,
Ut timeas molem de ſtatione rapi,
Hinc & adumbrata eſt in caſum ma -china præceps,
Momentoq́z ſuo diſſociata ruens.
Accurrit facie confuſâ Pallida Pallas
Incomtiſque comis, & trepidantemanu
Non galeæ clypeique tenax, oblitadecoris
Imo oblita ſui labile prenſat onus,
Magnanimis at certè animis, auſuqueſtupendo
Nititur. ut modo ſtet publica ſalvaSalus,
Ianc cordi ſinit eſſe ſibi fortaſſe pe -riclis
Expoſitam, & quovis eruit indemodo.
Hoc centro raptata ferox per ſaxa ve -presque
Utcunq́z enormis diſ-q́z-ſoluta ſalit,
Civilis præſcripta Scholæ tranſcendit,abhorret
(docet.
Id quod Ariſtoteles, ipſe Platoque
Non
Non curat Secreta Status, MyſteriaRegum
In varias formas ingenioſa vocat.
Negligit, abſtruſis Tacitus quæ con -didit urnis,
Et ſi quid Tuſcus calliditatis alit
Imo Statutorum tolerare capiſtra re -cuſat
Illa Statum apprendens Fata Sta -tusque Dea.
Quin adeo cunctis Rationibus im -
perat, ullâ
Nec Ratione ſapit quàm Ratione
Status;
Sic ſaltim paradoxa patrat, miracula
trudit,
Et ſuperhumani quid gerit in gre -mia,
Admiranda ſatis Regum Prudentia,quam non
Lex, Ordo, Ratio, Regula, Normacapit,
Si caſus inopinatos adverſaq́z ſpectes,
Deſuper â Cœlo, nõ aliunde fluunt;
Idcirco reſpicit Cœlum, ceu lapſaqueCœlo
): (4Huc,
Huc, utut in terris incola, ſponte re -dit,
Aut trahitur, nexus conſpirantesquecatenas
Suppeditat Divæ Relligionis amor,
Vincla miniſtranti Pietate graviſſima. quamvis
Ipſis ſideribus conſolidatur humus.
Mortalis combinatur cum Numine,Princeps
Cum Populo, obſequium hâc defi -ciente cadit,
Quomodocunq́z ſagax mundi ſapien -tia nunquam
Erigit adverſum Jura Suprema ca -put,
Non violat Divinarum penetralia Le -gum,
Limite Civili ſola retenta manet,
Cuncta Gubernandi Rutio, Vis, atquePoteſtas
Hiſce Ligaminibus ſubjicienda ve -nit,
Aut ſtupet, æternæ qui Majeſtatis adignem
Laſci -
Laſcivit, Cinis ah! fit, miſerumquenihil,
Illa Gigantæo molimine Cœpta fera -lem
Perniciem ſemper, quam meruere,luunt.
Felices, qui ſe manibus pedibusque li -gari
Adq́z Deum duci Relligione ſinunt!
O Felix Ratio, felix Prudentia, felix
Hoc nexu â Caſu ſic retrahente Sa -lus!
O Fortunatos Proceres, ſi quando ſo -luti
Arctius aſtrictos ſe tamen eſſe pu -tant!
Sic proſtrata ſolo ſcelerum portentajacebunt,
Sicq́z fugâ fraudes Sors pudibundaluet,
Sic erimus dabimusque ſacra pietateCalentes
In Tripode appoſitâ Candida Thu -ra Deo.
): (5Dem

Dem Durchlauchtigen Fuͤrſten und Herꝛen Herꝛen George Wilhelmen Hertzogen in Schleſien / zu Liegnitz / Brieg und Wohlaw Meinem Gnaͤdigſten Fuͤr - ſten und Herren /

Durch -
Durchlauchtiger Hertzog / Gnaͤdigſter Fuͤrſt und Herr /

JCh weis nicht / aus was vor Begier - de dieſe kleine Müh ſo unzurückhaltig in das offentliche Licht hinaus eilet / Sie entbricht Sich mit Macht aus den Finſternuͤſſen eines einſamen Ca - binets / ſie durchreiſſet die Schran - cken benoͤthigter Zeitigkeit / und un - terwindet ſich alſo fort Ew. Durch -): (6lauch -lauchtigkeit Gnaͤdigſter Obſicht zuunterwerffen; Villeicht bildet Jhr dieſe luͤſternde iedoch keuſche Welt Liebhaberinne ein ihre Voll - kommenheit von den Strahlen / Ewr. Durchl. zu erlangen / oder weil ſie doch furchtſam / bebende / und der Luft ungewohnet / getrau - et Sie deſto ſicherer ſich in die Welt hinaus zuwagen:

Und Jch zwar nach dem Jch dieſer muͤthigen / oder vielmehr Grosmuͤthigen Regirungs-Hel - dinne vollends den Zuͤgel / und ſel - bige aus meiner Macht entlaſſen / habe gar gerne den Anlauf an Ewr. Durchl. verwilliget / als der Jch billich / wo mir dieſes unver - muthete nicht unter die Hand ge - rathen waͤre / ein Zeichen meiner treugehorſamſten auf ſo viel Wei - ſe ſchuldigſten devotion von mir zuge -geben trachten / und in dieſer Sterbligkeit kein andere Zuflucht nehmen ſollen / als zu Ewr. Durch - lauchtigkeit welche die erſte Ge - burths-Stunde zu meiner Gnaͤ - digſten Herrſchafft / mich zu dero gehorſambſten Unterthanen ge - macht / wie dann / ſo oft ich an die Pflicht meiner Uuterthanigkeit / an die hohe Fürſtliche Gnaden / darmit Ewr. Durchl. Herr Vater Chriſtmildeſten Andenckens mei - nes ſeeligen Vatern treugeleiſtete Dienſte angeſehen / zuruck gedacht / Jch ſchamroth worden / daß alles dieſes ſtaͤts vor Augen-ſchweben - de an mir gleichſam erſterben / und Jch nicht Gelegenheit haben ſol - len / den geringſten Schatten eini - gen Erkentnuͤſſes oder Fähigkeit zu Ewr. Durchlaͤucht: Fuͤſſen zu legen; Dieſes waren bei mir Be -weg -wegnuͤſſen / daß ohne ferneres Be - dencken ich dieſe Erſtlinge nirgends hin als meinem Gnädigſten Her - tzoge gewiedmet haben wolte / und numehro auch meine kleine Bemuͤ - hung nicht ſo übel oder vergebens angeleget zu ſeyn / mir ahnen laſſe / in Betrachtung Jch auf eine ma - terie gefallen / welche Ewr. Durch - laucht. ſo anſtaͤndig / eigen / ange - bohren / mit einem Worte Fürſt - lich iſt. Wie unanſehlich / unbe - haͤglich und gebrechlich die Aus - arbeitung ſein moͤchte / ſo koſtbahr / vortrefflich und erlaucht iſt an ſich ſelbſt das Weſen / welches wo Jch auß den Bergwercken Politiſcher Geheimnuͤſſe etlicheꝛ maſſen aufge - ſucht / gefunden / geſondert / laſſe Jch mir Genuͤgen; Dieſes iſt eine Regirungs-Klugheit nicht die ge - meine / die ordentliche / täglich vor -kom -kommende / ſondern die jenige / die gantz ſonderlich / wunderſam / und Extraordinair iſt / die Ragione di Stato;

Jch wolte zwar wuͤntſchen / wann Ewr. Durchl. Regirung derogleichen ſeltzame irregulare Faͤlle nicht betreffen / Sie alſo auch einiger Ragione di Stato nicht be - noͤthigt ſein moͤchten / ſondern daß ſie die von dero Durchlauchten Frauen Mutter uͤbernommene / und zu einem herrlichen Beiſpiel loͤblichſt bißhero gehandhabete Regiments-Buͤrde in einem Gan - ge / einem Gewichte / bei einerlei Sonnenſchein immer fort tra - gen moͤchten; Weilen aber ſolches bei dem Wandel und Unvollkom - menheit aller irrdiſcher Dinge mehr zu wüntſchen als zu hoffen / ſo werden Ewr. Durchlaucht. beiJhrerJhrer bereits innſtehenden Re - girungs-Schiffarth nicht allein bei einer Stille fortzuſeegeln / ſon - dern auch bei allen Winden / Stür - men / und Ungewittern in alles Sich zu ſchicken Vorſchmack neh - men koͤnnen / darbei ſich nicht wun - dern / wann zuweilen die Sinnrei - cheſten Maßimen / die beſtgegruͤn - dete Regeln / die in Cabinettern wohluͤberlegteſten Anſchläge fehl - ſchlagen / wann diß / was ſonſten ungereimt gethan ſein würde / bei gewiſſen unumgaͤnglichen Ange - legenheiten weislich und heilſam begangen werden müſſe:

Unter allen Welt-Wiſſenſchaff - ten iſt keine Edlere als dieſe wohl zu regiren / maſſen Sie in nicht ei - nes ſondern vieler tauſend Men - ſchen / deren ieder eine kleine Welt abgiebet / klüglichen Beherrſchungbeſte -beſtehet; Jn dieſer Zucht iſt das weſentlichſte Stükke einen auf die Spitze der Gefahr geſetzten Staat zuerhalten / nicht allzumahl Ra - tione Politicâ, ſondern blos Sta - tûs: Solches Theil hab ich zube - ſchauen unterfangen / und durch allerhand Gruͤnde / durch ander - wertig hergehohlte Exempel be - ſcheinigen wollen; Wofern ich ein Muſter eines wohlgeſtalten und bei den ſeltzambſten Fällen Gott - ſeeligſt geführeten Regiments zu hauſe haͤtte ſuchen wollen / ſo wuͤrde Jch alles / was glorwuͤr - dig iſt / beiſammen gefunden haben inner den Stroͤmen des Koͤnigli - chen Piaſteiſchen Gebluͤthes / wel - ches gleichwie es Sich bei Ewr. Durchl. alleine in die Enge gezo - gen und gleichſam concentriret, alſo Seine rühmlichſte qualiteteninin einem Zuſammen Fluß in Ewr. Durchl. beizutragen ſcheinet; Nem - lich das jenige / was wir armen Privat-Perſonen mit groſſer Muͤh erlernen / haben Ewr. Durchl. angeſtammet / was wir bei den Todten erſcharren müſſen / haben Sie zugleich beſeehlt in Jhrem Tugendhaffteſten Hofe / was wir von weiten kaum durch ein Fern - glaß errathen / ſehen Sie gegen - wertig in der Nähe ohne Dun - kel:

Jedennoch aber wollen Ewr. Durchlaucht. wann ſie ohne diß inner den Circkeln der Gelährig - keit kein ander Centrum vermuth - lich mehr Sich ziehen laſſen / als dieſes der Politiq / mir erlauben / dieſen Politiſchen Punct / oder vielmehr Contrapunct bei neben - ſtündiger Muſſe dero GnaͤdigſtenAugenAugen zu unterlegen / darbei a - ber Sich nicht ärgern in was vor einer kleinen Bürgerhuͤtte dieſe Fuͤrſten-Amazone ihren Auf-und Unterhalt genommen. Fürſten ſind oder gleichen Sonnen / die Sonne wirft Jhre Blikke auch auff die niedrigſten Thaͤler und ie niedriger dieſe ſind / deſto empfind - licher wärmet Sie / Sie dringet in die einſamſten Einoͤden / in die verborgneſten Winckel der Er - den. Die allerkoͤſtlichſten Edel - geſteine werden in den unterſten Klüften / die ſauberſten Perlen in dem Abgrund der See / und der lieblichſt-riechende Weirauch in dem ſchattichten Libanon gezeu - get;

Sie verſchmähen nicht / Durch - lauchter Hertzog / in dieſe Grotte der Geheimnuͤſſe Sich niederzu -laſſen /laſſen / wo hierinnen nichts von mir herruͤhrendes taugliches an - zutreffen ſein wird / ſo koͤnnen den - noch allerhand anderwertig aus - gearbeitete Jubelen, der aus den Muſcheln ſchoͤner Gemüther er - leßne Perlen Schmuck / und / wel - ches zum wenigſten mein iſt / der Weirauch eines devoten Gemü - thes ſo gar verwerfflich nicht ſeyn; Die Orientaliſche Sonne giebet den Kleinodien ihren ſchätz - bahren Glantz / den Schnekkenge - waͤchſen Jhre zarte Weiſſe / dem Weirauch den Geruch; Gnaͤ - digſter Hertzog / Sie ſind die auf - gehende Sonne des gantzen Lan - des / ohne welche wir in nichts als lauter Finſternüſſen ſitzen wuͤr - den; Es iſt keiner unter ihren Un - terthanen / der nicht zu den hoͤch - ſten Gott vor ihr Lebens-Lichtſehn -ſehnlichſt und unabläßig flehe / daß ſie zu dem unwandelbahren Tro - pico eines grauen Alters immer - fort ſchreiten moͤge / daß Sie in dem AUGE aller erſinnlichen Gluͤckſeeligkeiten unſerm Horizont immer lange Tage mache / daß Sie niemaln / oder doch / wo dieſes ja nicht ſein koͤnte / nicht ohne wieder - aufgehende Sonne untergehe: Wann meine Gnaͤdigſte Landes - Sonne auch dieſes ſchlechte Pa - pier / dieſe in Deutſch aufgeſtellete Fremdinne / Mich ſelbſten mit den Strahlen dero Fürſtlichen Hulde beſcheinet / ſo wil Jch jenen Son - nen-Kindern Jhre Pracht / Ehre und Annehmligkeit gerne überlaſ - ſen; Es koͤnnen Ewr. Durchl. in mir würcken / wie und was Sie wollen / Sie koͤnnen mir nicht min - deꝛn ſplendeur, als die Sonne jenenleb -lebloſen Geſchoͤpffen geben / Sie koͤnnen gnaͤdigſt anſchaffen / wo und auf welchem Altar / welches Jch innbrünſtig ſeuftze / verrau - chen moͤge

Eurer Durchlauchtigkeit Gehorſamſt
Unterthanigſter Chriſtian Weirauch.
Mein

Mein wertheſter Leſer /

JCh habe mich unter - fangen von einer ſo hohen und wichtigen Materie zu ſchreiben / von welcher ich frey herauß bekennen muß / daß ſie ſtaͤr - ckere Schultern / als die meinigen ge - weſen / erforderet haͤtte; wann Jch aber darum zu Rede geſetzt wuͤrde / wie ich auff dieſe Gedancken gerathen / ſo koͤnte ich dieſes mein Beginnen nicht anders rechtfertigen / als daß ich nichts weniger Sinnes geweſen / etwas zuſchreiben / ge - ſchweige dann von einer Sachen / welche von den ſchoͤneſten Federn rege / nicht a - ber gehoͤriger maſſen außfuͤhrlich ge -Amachtmacht worden; die Rechte waren ei - gentlich der rechte Weg / darauff ich ge - hen / und die Geſetze das geſetzte Ziel / daꝛnach ich ringen ſolte / achtete auch kei - ner auff dieſer Bahn geſtreueten Dor - nen / welche ofters denen eyfrigſten Lieb - habern die bruͤnſtige Ergebenheit ver - wundet / ſondern verſuͤſſete alle Ver - druͤßligkeiten mit dem feineſten Con - fect holdſeeligſter Studien / und wiewol jene den Vorzug behielten / als welche mir dermaleins die beſten Lebens-Mit - tel eintragen ſolten / ſo wallete doch in meinem Gemuͤthe eine weiß nicht / was vor angebohrne Zuneigung / zu de - rer Unterhaltung nichts als die Sehn - adern alles Beginnens abgehen wolten / dieſe Flamme ware bey mir ſo maͤchtig / daß ſie inner den Schrancken Roͤmi - ſcher Geſetze weder eingeſperret ſeyn / noch veraltern wolte / ſondern ſo viel moͤglich Außgang ſuchende / ſich baldabkuͤh -abkuͤhlete in dem geraumen See der Natuͤrlichen Rechte / wohin aller ander Voͤlckeꝛ Sitten und Satzungen zu-und abflieſſen / bald ſich außlieſſe in die an - nehmlichſten Grotten der alten Zeiten / bald andere Felder der Gelehrigkeit zu bevorwitzeln getrieben wurde / biß mit - ten in der beſten Hitze / mitten in dem Lauff und herumſchweiffen mir die bit - ter eingehende Wiederkunfft ins Va - terland aufferleget wurde / dieſes fand ich bekuͤmmert / bedrangſaalet / und von Belohnungen tugendhaffter Seelen gantz eingeſpannet; Jch hoffte / war - tete / wurde aber in Warheit gewahr / was der vornehme Jtaliener beſaget / che il maggiore ſonnifero de gli humani ingegni è Speranza, daß die Hoffnung das allerſchlaffbringenſte Menſchlicher Gemuͤther ſey: Damit mich nun nicht eine vergebene Hoffnung einſchlaͤffete / hab ich zwar getrachtet /A ijauffauf waſſerley Weiſe mich in Geſchaͤff - te zuverſtrikken / muß aber hoͤchlich be - klagen / daß auch dißfalls durch die ſel - tzamen Uberwerffungen der Zeiten mir ſo gar Gelegenheit benommen geweſen / mich auß den Finſternuͤſſen einer unbe - kandten Lebensart zu winden; ſo ſehr weyland uͤber die Maͤnge der Rechts - ſtritte Klage gefuͤhret worden / ſo ſehr moͤchte man uͤber dereꝛ Maͤngel klagen / Jſt vorzeiten Maͤngel an Gelehꝛten ge - weſen / ſo iſt itzo die Maͤnge / ja der Uber - fluß deſto groͤſſer; Zu dem ſo ſchiene die Themis mit betruͤbtem Angeſicht / mit offenen Augen / leeren Haͤnden / ſich vor Gerichte darzuſtellen / ſie ſpeiſete nicht mehr mit Koͤrnern / ſondern Spreu; wie unertraͤglich mir ware die langwierige Einſamkeit / die Erduldung des mir nachgeſagten Muͤſſiggangs / das Fꝛucht und Hoffnungsloſe Buͤcher leſen / ſo un - gerne muſte ich auff einige Zeit Vertrei -bungbung bedacht ſeyn; der um Privat - Haͤndel geſchaͤfftigen Rechtslehre ſtaͤts obzuliegẽ / iſt nicht ohne Veꝛdruß / Sie iſt an ſich ſelbſt voller Stacheln / gleichwie Jch nun ſelbige durch einẽ nebenſtuͤndi - gen Abtritt in ein annehmlicher Revier abzuloͤſen pflegete / alſo deuchtete mich einem Rechtsgeflieſſenen nichts anſtaͤn - diger / meiner Zuneigung nichts einſtim - miger zu ſeyn / als der Wiſſenſchafft der Rechte die Politeſte Politig beyzufuͤgẽ / auß derer Schaͤlff ich offters den an - muthigſten Safft geſogen / dar zu ich deñ vornehmlich geleitet worden durch die Hand des vortrefflichen und Hochge - lehrten Herren Johann Andreas Boſens / vornehmen und Weltbe - ruͤhmten Profeſſoris in Jena / deſſen Le - ſen ich nicht all ein offentlich / und priva - tim begierig hoͤrete / ſondern auch die Ehre hatte / in ſeiner Tiſchgenoſſen - ſchafft deꝛ erleſenſten Diſcurſe theilhaff -A iijtigtig zu werden / auß welchen ich zu weilen mehr eine Stunde zugenommen / als wenn ich Tag und Nacht uͤber Buͤchern gelegen haͤtte; Zu der Zeit wurde eine Diſputation mit dem Titel / de Ratio - ne Status, Miniſtriſſimo, Nobilitate, gehalten / davon vielerley Urtheile fielẽ / mehrentheils aber auf einen Eyfer hin - auß lieffen / daß zwey der ruͤhmlichſten Materien ſo kaltſinnig / veraͤchtlich und liederlich gehandelt / auff der Catheder aber ſchimpfflicher vertheidiget wor - den / bey welcher Gelegenheit dann zu allerhand Gedancken uͤber der Sachen Bewandnuͤß Eroͤffnung gemacht wur - de / welches alles mir in meiner Muſſe zuweilen wiederum vorkam / alß Jch in - ſonderheit die neueſten mir unterhanden kommenden Scribenten auffzuſchlagen / und mit meinem eignen Alter mich zu letzen Zeit hatte / erkieſte auch / damit meine Bemuͤhung ein gewiſſes pu hat -te /te / ſich dahin zu ziehen / die Linien / ſo mir von wolermeldetem Herren Boſio in Leſung des Tacitus Agricola gewieſen / und durch deſſen an meine Wenigkeit gerichtete Zuſchrifft gleichſam gewied - met war; Allhiero zeigte ſich ein weites Feld auffzufuͤhren / was andere ſpar - ſam oder zerſtreuet / unordentlich oder gar nicht beruͤhret hatten / und als ich dahin gelangete / ob und was vor einer Ratio Status (weil ſo viel Weſens da - von gemacht wuͤrde) man ſich bedienen koͤnne / hab ich muͤſſen ſtehen bleiben; Mein Leſer / glaube / daß ich Anfangſ zuthun gnugſam gehabt / nachzuſetzen / ob Ratio Status etwas oder nichts / oder was es ſey / jemehr Klarheit ich ſuchte / deſto mehr Nacht fand ich / je naͤher ich treten wolte / deſto mehr zwinckerte die - ſes irrende Geſtirne vor den vor witzigen Augen; Jch weiß nicht / ob ein Wort die gelehrte Welt mehr verwirret / be -A iiijkuͤm -kuͤmmert / mehr Kief und Spaltungen veruꝛſachet / welches mich doch nicht ab - geſchrecket / ſondern mehr angefriſchet hat / auß der Uneinigkeit eines / auß der Ungewißheit etwas gewiſſes hervor zu bringen; Ob mir ſolche Bemuͤhung wol abgegangen ſey / wird eines jedwe - den eignen befinden uͤberlaſſen; Mich iſt verſichert dieſe kleine Arbeit nicht ſo ſchwer ankommen / als das Bedencken / ob ich ſelbige in dem Schatten der Ver - geſſenheit verdecket halten / oder meinen Nahmen deꝛ Kluͤgeley deꝛ gantzen Welt unterwerffen wolte; Mich hette koͤn - nen zuruͤkke halten der Buͤcher uͤber - haͤuffte Maͤnge / meine Niedrigkeit / die Wichtigkeit vorhabender Materie: Al - les dieſes waren mich zweiffelhafftig o - der furchtſam machende Urſachen / wur - den aber nach und nach gleich einem Ne - bel zertrieben / den Scrupel der Buͤcher Haͤuffigkeit benahme der Weltbe -ruͤhm -ruͤhmte Verulam, welcher ſich ſo treu - lich angelegen ſein laſſen / die Wiſſen - ſchafften in Auffnahme und Wachs - thum zubringen und verſichert / daß der jenige / welcheꝛ uͤber die unendliche Viel - heit der Buͤcher ſich verwunderte / und aber derſelbigen Jnhalt anſehen wuͤr - de / im Wiederſpiel erſtarren / und nach - dem er gewahr worden / daß kein Ende des Wiederholens ſey / die Menſchen einerley thaͤten und redeten / wuͤrde er von der Verwunderung der Vielheit zum Wunder des Mangels und der Wenigkeit der Dinge gerathen / welche annoch die Menſchlichen Gemuͤther in Ungewißheit hielten; Jn ſo erſchreck - licher Anzahl der Buͤcher was vor Ge - brechen und deſiderata hat gleichwol in den Wiſſenſchafften und freyen Kuͤn - ſten erwehnter Verulam außgeſtellet? Jn der buͤrgerlichen Weißheit / wenn ich faſt alle Politiquen anſehe / ſo will ichA vſelbi -ſelbige anitzo nicht gleichen dem Mahl jenes Chaleidenſiſchen Wirthes / welcher gefraget / woher er ſo viel Wildpret be - kommen / zur Antwort gegeben: Illa omnia condimentis ex manſuetâ ſue eſſe facta, ſie wehren alle von einer zahmen Sau mit Gewuͤrtzen zugerich - tet / alſo alle dieſe Maͤnge ſey nichts an - ders / als ein Stuͤcke der Grichiſchen Weißheit / ſo in den Schulen gleich ei - nem zahmen Thiere gemaͤſtet worden ſey / daß ſo man wenig Grichen abziehe / die Roͤmer oder Araber oder auch wir nichts haben wuͤrden / welches vom Ari - ſtotele und Platone her oder hinkaͤme / Jch wil dieſes Gleichnuͤß hieher nicht appliciret haben / ſondern nur erinnern / daß faſt alle Politiquen breßhafft / un - vollkommen / und inſonderheit dieſes durch das Wort Ratio Status nun - mehro bedeutete Theil entweder uͤber - gangen / oder nicht in acht genommen /oderoder doch nicht außgearbeitet worden / darinnen einem nach Tugendſtreben - dem Gemuͤthe vielleicht etwas zu un - terfangen uͤbrig geblieben; Mein Le - ſer laſſe ſich nicht aͤrgern / daß immer ei - ner geringen Huͤtten / immer den Wol - cken eines einſamen Cabinets ich der noch nicht in das Licht eines gemeinen Lebens ſich winden koͤnnen / von ſo ho - hen Staats-Dingen ſchreibe / und in die Heiligthuͤmer Erlauchter Pallaͤſte zu - ſchauen geluͤſte; Eben die Ruhe / welche mich nicht wolte ruhen laſſen / eben der Muͤſſiggang / deſſen ich faſt unleidlich war / ſind daran Urſache: Jch bin al - lemal fertig und bereit geweſen / wann mich mein Gott das jenige / was er mir nach ſeiner unermeßlichen Guͤte verlie - hen haͤtte / wolte anwehren laſſen; Es hat aber deꝛ Goͤttlichen Weißheit nicht annoch gefallen mich anzubringen / und vielleicht / wo alles nach meinẽ WuntſchA vjergan -ergangen / wuͤrde mir mancher Fleiß / und auch dieſe kleine Arbeit entfallen ſeyn: Jndeſſen folget nicht / daß ich von Staats-oder Regimentsſachen nichts beginnen koͤnne / ich wolte vielmehr be - haupten / daß die jenige / welche in der Stille ihren Gedancken ungeſtoͤret oh - ne Hindernuͤß nachhaͤngen / und dem je - nigen / was in der gantzen Welt paßi - ret / etwas genauer nachſinnen / das tauglichſte hervorbringen; So gar ſchreibet der beruͤhmte Majolino Bi - ſaccioni, daß die jenigen ſich weit betꝛuͤ - gen / welche ſich einbilden / che non ſi poſſa ben ſcrivere l hiſtorie, ſenza penetrar nelle Cancellarie e nello Cabinetto, perche li piu ingannati, li piu mal informati ne fatti pro - prii ſono li Prencipi, Jo mi ſono ritrovato preſente ad Una fattione &c. Daß die Geſchichte nicht ohne die Cancelleien oder Cabinetter koͤnten ge -ſchrie -ſchrieben werden / weil die Fuͤrſten am meiſten betrogen am uͤbelſten unterrich - tet ſind / ich bin darbey geweſen ꝛc. Wañ dieſem alſo wehre / ſo koͤnte man ja viel - mehr mit Behuff der Geſchichte ohne Beſchauung einigen Cabinets von Po - licei-Sachen etwas zu derer Cultur ge - langendes Unterfangen / die groſſen Gipffel der Welt laſſen ſich auch nicht zuwieder ſeyn / daß ihre Unterthanen gleich wie kleine Kinder an ihnen hinauf ſehen / und in der Regierungs Wiſſen - ſchafft etwas zubegreiffen begierig ſind. Eben von den Unterthanen erheben ſie die jenigen / die ihre Augen ſein ſollen / wehe aber dem Haupt und dem gantzen Coͤrper / wo die Augen nicht wol ſehen / oder auch zum ſehen ungeſchickt ſind. Sie haben ſich gluͤckſeelig geſchaͤtzet / wann ſie Gemuͤther geſpuͤhret / damit ſie ihr Regiment wol beſetzen / und bey ihnen ſich heilſamer Anſchlaͤge erholenA vijkoͤn -koͤnnen; Jch habe mich der Weltli - chen Weißheit / dadurch Fuͤrſten regi - ren / eines Theiles angenommen / und verſuchet / ob wo andere getappet / ich fuſſen moͤge / Eine Verwegenheit / die mich ſchamroth machen ſolte / in Erwe - gung des ſchweren Gewichtes des Vor - habens gegen dem leichten Gewichte meiner Kraͤffte / Diſcurſus de Statu ſind bey dem Anton Perez an ſich ſelbſt / Cibi magnorum ſtomachorum, Speiſen vor groſſe Magen / mir iſt nicht unbewuſt / daß ihrer viel ihren Wercken die gleiſſende Farbe der Ratio Stat9 an - geſtrichen / um dadurch ſich in mehrern Ruf zu bringen / da ſie doch nichts weniger unterſuchet / was ſie vorge - wendet haben; hingegen ich habe nicht wenig Bedencken gehabt / dieſes edelſte Stuͤcke der Regiments-Klugheit mit einem in ſo ſchaͤndliche Verachtung und Mißbrauch gefallenen Worte zuuͤber -ſchrei -ſchreiben / wolwiſſende / Libros ejus - modi, qui de Ratione Status tra - ctant, truncis aut ſtatuis eſſe ſimiles, quas in haſtiludiis omnes lanceis impetunt, omnes feriunt, oder daß die Buͤcher / ſo von der Ratio Status handeln / gleich ſind den Tuͤrcken Koͤpf - fen / auff welche alle Lancen zugehen / alle zu treffen; Jedoch hat mich wiederum auffgerichtet / daß derogleichen aus dem Mißbrauch entſtandene Schmaͤhun - gen die wakkerſten gelehrten Leute von dem gaͤntzlichen Gebrauch nicht abge - ſchrecket / und keine Urſache mir auch gnugſam ſein koͤnnen / dieſes gaͤntzlich zu uͤbergehen oder zuverwerffen / oder durch deſſen Verwerffung Verwir - rung einzufuͤhren: Ob Jch der Sachen an ſich ſelbſt baſtant ſein koͤnnen / wird mein Leſer am beſten befinden / ich habe es gewagt / in Meinung / daß weil ich in geringen Dingen ſo leichte verſtoſſenmoͤgen /moͤgen / als in hohen und wichtigen / der Willen an ſich ſelbſt loͤblich ſey / als wel - cher ſeine Menſchliche / jedoch unverſaͤtz - liche Jrrthuͤmer lieber in einem Er - lauchten Schauplatze außlaſſen wol - len / deſto mehrer Entſchuldigung ich verdienen wurde / wofern der Erfolg dem Abſehen nicht die Wage hielte; II deſiderio di Gloria è pazzia tra gli huomini piu ſavii, wie ein vornehmer Jtaliener redet / die nach Ehren ſtreben - de Begierde iſt eine unter den Kluͤgeſten gewoͤhnliche Thorheit / wo ich auch mich dieſe bethoͤren laſſen / ſo wuͤrde miꝛ mein Falls ſich ereignendes Unvermoͤ - gen nicht ſo uͤbel ausgeleget werdẽ / Sie iſt die extrema Tunica, der erſte und letzte Rock / den wir Menſchen zum er - ſten an-und zum letzten ablegen / wann mir auch dieſer anklebete / ſo wuͤrden vielleicht darmit alle Maͤngel und Ge - brechen bedecket werden koͤnnen. EineTu -Tugendergebene Seele ſteiget nach Eh - ren / wo ſie dahin gelanget / wird ſie gluͤckſeelig / wo nicht / ſo iſt die Bemuͤh - ung an ſich ſelbſt nicht ſo ſtraffwuͤr - dig; Mitten in dieſem Kampff entlicher Entſchluͤſſungen erinnerte ich mich ei - nes Brieffes / darinnen der beruͤhmte Janus Gruterus an den Jacob: Bon - gars: von ſeinen Diſcurſen uͤber den Tacitus ſchriebe / Ego jam totus ſum in proſtituendâ famâ meâ, concili - andâq́ue mihi inſigni infamiâ publi - cando Diſſertatiunculas in Taci - tum: Er wehre bemuͤhet uͤber ſeines Nahmens Proſtituirung und Verun - ehrung / in dem er dieſe Diſcurſe her - außgeben wolte / und dennoch weiß de - nenſelben Gabriel Naudeus nichts außzuſetzen / quàm quod plus Erudi - tionis ad hoc inſtitutum, quàm Poli - ticum deceat attulerit, als daß er mehr Gelehrigkeit beygetragen habe /danndann einem Politico zuſtehe; hat ein ſo groſſer Gelehrter / der ſich einbilden moͤ - gen / daß man alle kleine Brocken und Abgaͤnglinge in Ehren halten wuͤrde / wollen Beſchimpffung gewaͤrtig ſeyn / oder darnach nichts gefraget haben / was ſoll ich mich getroͤſten / der keinen Ruff habe / oder auch warum ſolt ich ei - ngi Bedencken tragen / meinen Nahmen in die Schanze zuſetzen / ſicher genung / dz mich dieſe des Naudei Cenſur nicht treffen werde / ob ich gleich nicht ſo wol mit denen ſo durchtriebenen Tiberiani - ſchen odeꝛ Roͤmiſchen / als mit den unſri - gen Zeiten es halten muͤſſe / ſo rede ich von allen Fuͤrſten und dero Staats - Sachen mit ſolchem Bedacht / daß ich von dem Meinen nichts nehme / welches nicht in ihren eigenen geflieſſenſten Scri - benten wolgegruͤndet / und weder ſchimpflich noch nachtheilig fallen koͤn - ne / mir iſt nicht unwiſſende / mit was voꝛBe -Beſcheidenheit von allen Fuͤrſten ſoll geredet werden; Die jenigen / welche dem Tartariſch-Chineſiſchem Kaͤyſeꝛ zu Tafel dienen / muͤſſen ihren Mund mit der zaͤrteſten Seiden bedecken / damit ihr Athem die Speiſe oder Getraͤncke des Kaͤyſers nicht anruͤhꝛe / Solte ich gleich in die Gewoͤlber groſſer Fuͤrſten / wel - ches doch ſelten oder gar nicht geſchie - het / Fuß ſetzen / ſo wuͤrd ich doch meinen Mund verbinden / daß auch ein unziem - liches Wort mir nicht entgehen ſolte; Jch ſchreibe von der Ratio Status und dero Weſenheit / wo ich aber ein Exem - pel oder Zeugnuͤß zu Erklaͤrung mei - nes Gemuͤthes anfuͤhre / oder auff einze - liche Begebnuͤſſe gerathe / ſo wiſſe mein Leſer / daß derogleichen Schreib-Art nicht anders gehandelt / und meine Un - erfahrenheit nicht loͤblicher / als durch der ſtattlichſten Staats-Leute Bewah - rung erſetzet werden koͤnne / Beato co -lui,lui, che ſaſa imparar la Prudenza ſuͤ libri de gli altri, Gluͤckſeelig iſt der / welcher aus anderer Buͤchern die Klug - heit zuerlernen weiß: Welches ſolcher Geſtalt geſchiehet / daß was von andern in den laͤngſtveralteten Schrifften auf - geſuchet worden / ich in unſerm itzigen Lebens-Alter auffgefriſchet / mit viel - leicht viel lebhaffter und durchdringen - der Krafft / als wann ich diß / was faſt taͤglich in allen Buͤchern vorkommet / auffgetragen / und den Leſer mit ſo viel - malen auffgewaͤrmeten Kohl einen E - ckel verurſachen wuͤrde; Die Ratio Status iſt dem Nahmen und Wartung nach etwas neues / ſie iſt zarter Jugend / (wofern ich nach der gemeinen Art rede) nun wuͤrde ich ſelbiger Gewalt und un - recht thun / wann ich ſie zu einem veral - teten und erkalteten Greiß geleget haͤt - te; Jch habe die jenige / welche von ei - nem ſo glatten Politen Alter gezeugetundund erzogen worden / denen runtzlichten Geſchichten der Grichen und Roͤmer - Zeiten nicht vermaͤhlen / oder liebeignen wollen; Gleich und gleich geſellet ſich am beſten: Und ich habe mir nicht ein - bilden koͤnnen / daß unſere Nimpfe auff den Bruͤchen einer Ariſtoteliſchen Phi - loſophie unter einem Hauffen Grichi - ſcher / oder daher entlehneter Redens - Arten / unter den Stacheln allerhand Worttheilungen / unter dem Grauſſe vermoderter Texte ſich wol finden laſſe; Jhre Ankunfft ruͤhret auß dem Wol - luͤſtigen Toſcana, worinnen / als allda gezeuget / erzogen und unterhalten / ſie Buͤrgerinne ſeyn / und hierauß ihre Pracht und Zierligkeit erholen will / ungereimt erachtende / wann ſie mit ei - nem altvaͤterſchen geflickten Kittel der politen Welt unter die Augen treten ſolte; Eben dieſes iſt die Urſache / war - um ich theils in Eroͤrterung der RatioSta -Status mehr der Unſrigen / als verjaͤhr - ten Zeiten / mit denen wir ohne diß zeitig gnug veralten / mich bedienen / theils mit mehrentheils Jtalieniſchen Geiſtern dieſe kleine Arbeit beſeelen wollen; Dan - nenhero dißfalls eine gar zu eitele Hoth - haltung des Außlaͤndiſchen nicht vor - gerucket werden ſolte / zu mahlen der Einheimiſchen Sachen ich mich aus ſtillſchweigendeꝛ Veꝛehrung gegen mein Vaterland enthalten / der Frembden ohne alle Zuneigungen mich gebrauchet; Keiner Landſchafft iſt die Ratio Status mehr verbunden als Jtalien / und wann ſie mit Jtalieniſchen Lippen zu reden gel ſtet / ſolte es ihr ſo uͤbel nicht gedeu - tet werden / die heutigen Jnwohner des Roͤmiſchen Gebietes weichen ihren Vorfahren an Witz / Verſtand / und Beredſamkeit im mindeſten nicht; Jn Regiments-Sachen haben ſie einen ſol - chen Preiß gewonnen / daß ihre Spitzenvollevolle reale Lehr-Art vor viel pene - tranter als der Grichen oder Roͤmer verdruͤßliche Schluß-Raͤtzel / welche offt mehr verwirren / als verrichten ge - halten worden / und zwar / weilen das gantze Vorhaben vornehmlich dahin gehet / keine Ratio Status auſſer der Gottſeeligkeit zuerkennen / die Ratio Status ſampt den Kindern dieſer Welt zur wahren Gottesfurcht zuleiten / und alſo auch dieſen Vorwand einer Befug - nuͤß zu einiger Ungerechtigkeit zubeneh - men / als hab ich ſolches durch deroglei - chen von den Politicis hochgeſchaͤtzte Scribenten / außzurichten uͤbernom - men / und alſo mich deſto oͤffter in Jta - lien den Sitz der Verſchlagenheit ver - fuͤhren laſſen / um hierauß die etwa ruchloſen Weltlinge ihrer Freyheit zu uͤberweiſen odeꝛ davon zuruͤck zuhalten / worbey ich mich verhoffentlich alſo werde verhalten haben / daß ich das Boͤ -ſe /ſe / ſo ſich mir gezeiget / verworffen / das Gute erkieſet / beydes iſt mit ſolcher Be - ſcheidenheit geſchehen / daß ich im Lob - ſprechen maͤſſig / im Schelten behut - ſam gehen / keinem zuviel oder zu wenig thun wollen / wo ich von einer Meinung weiche / habe ich mich einer Gelindig - keit beflieſſen / welche ich wuͤntſchte / daß ſie andre / denen eben ſo wol das Richt - Ampt uͤber mich zukommt / gegen mich gebrauchen moͤchten / es wehre deñ / daß ein Eyfer wieder die jenigen entfahren wehre / welche deſſen wuͤrdig; Jch ha - be keinẽ ſo geehret / daß ich ihre Menſch - ligkeit ſie nicht erinnert / und wiederum keinen ſo veraͤchtlich gehalten / daß ich nicht meiner ſelbſt indenck geweſen; Jch ſelbſt geb ein lebendes Zeugnuͤß ab / daß die Stunden nicht allemal gleiche ſeyn / daß ich mich einmal viel geſchickter be - funden / etwas nachzuſinnen / oder auch zueroͤffnen; Was in meinem Gemuͤthegewal -gewallet / hab ich nicht bißweilen ge - ſchwinde genung / oder auch mit gnung - ſam außdruͤcklichen Worten auff Pa - pier werffen koͤnnen; Eben zu dem En - de hab ich dieſe Gedancken in Diſcurſe eingetheilet / damit mir deſto freyer und ungebundener außzulauffen verſtattet ſein moͤchte / zumalen die Materie oder der Zeug / daruͤber ich webete / gantz ir - regular, wo ich nicht den Schul-Re - geln gehorſamen wollen / ſo entſchuldi - get mich die unordentliche irregulare Ratio Status als eine Veraͤchterin der Ordnung und aller Schul-ſubtilite - ten / jedennoch habe mich dahin beflieſ - ſen / alle Worte / und die Ratio Status ſo ungeſchnuͤret ſie ſein wollen / in Ketten und Banden zulegen / alles verſtaͤndlich zugeben / und nichts uͤberfluͤſſiges oder unurſaͤchliches einzubringen; Die Worte ſind Deutſch / und mein deut - ſches Gemuͤthe hat ſich nicht ſchoͤner hervorthun koͤnnen / wie ich dann mit -Btenten unter den außlaͤndiſchen Spitzen die recht alte deutſche Redligkeit wollen hervor bluͤhen laſſen / dieſe iſt mir alſo angebohren / daß ich nicht uͤbers Hertze bringen koͤnnen anders als Deutſch zu reden; Jch habe mich uͤberredet / daß ich hierzu gnungſame Urſache hatte / wenn ich nur daran gedaͤchte / das faſt alle Heydniſche Gelehrten / Socrates, Plato, Ariſtoteles und andere mehr / welche bey uns in den groͤſten Werth geſtiegen / in wichtigſten materien ihrer Mutter Sprachen ſich bedienet / die kluͤgeſten Roͤmer haben nichts als Roͤ - miſch / das iſt in ihrer Sprache / wie ſie damaln gaͤnge und gaͤbe war / ge - ſchrieben / Cicero ſchriebe mit eben de - rerley Feder Art die kluͤgeſten Sachen / damit er auch ſeine Gemahl und Kin - der beſuchte / Seneca philoſophirte Lateiniſch / wie er gebohren wahr / und taͤglich redete / Tacitus welcher in dem Roͤmiſchen Staat die tieffeſten unddemdem Poͤfel verborgneſten Geheimnuͤſſe eroͤffnet / ſchreibet in damahln gemeiner und uͤblichen Sprachen; Dieſes iſt ge - wiß / das lange Zeit hero / inſonderheit ſo lange Rom annoch Roͤmiſch oder La - teiniſch geblieben / und durch der Longo - barden und Gothen Einfaͤlle nicht an - ders verwandelt worden / die Lateini - ſche Sprache ſich ſo weit außgebreitet habe daß zu derogleichen Wachsthum keine andere gelanget; Sie iſt auß ei - nes Landes zu einer Voͤlcker-Sprache worden / man hat ſie uͤber die eigne an - gebohrne gewaltig herꝛſchen laſſen / Sie iſt zu einem Beweißthum der Vierdten der gemeinen Meinung nach annoch taurenden Monarchie gebrauchet wor - den / und auch ich wolte ſie geehret / viel - leicht auch zierlicher darmit geſchrieben haben / wenn ich nicht mehr Deutſch als zierlich ſchreiben wollen / und nicht ge - wahr worden wehre / daß nunmehro je - de Landſchafft ihre Zunge auffs hoͤchſteB ijzu -zubringen ſich bemuͤhte; Die ſtattlich - ſten Jtaliener wenn ſie die allerſinn - reichſten Schrifften außarbeiten / reden Jtalieniſch / ſie begnuͤgen ſich an ihrer Redart / ſo wol als die vorigen Jnwoh - ner / ungeachtet ſie uͤber ihrer alt Roͤ - miſchen zuhalten Urſach haͤtten / Man gehe in Franckreich / Engelland / und ſe - he / ob nicht ihre Gelehrten das meiſte / damit ſie die Natuͤrligkeit der Sachen deſto ungefaͤrbter und um Worte deſto unbeſorgter entwerffen koͤnnen / in ihrer Sprache ans Licht geben. Zwar in einem wolbeſtellten Regiment oder zu deſſen Bewirthung iſt die Kundſchafft andrer damaln florirender Sprachen eine Zierrath oder Zugehoͤr / und dienet zur Vollkommenheit dererſelben Per - ſonen / dadurch eine ſolche Regirung be - ſetzet wird / jedoch ſoll keines weges die mit der erſtern Muttermilch eingefloͤ - ſte einer außheimiſchen weichen / die Liebe des Vaterlandes gehet vom Her -tzentzen auch biß zum Munde; Das Lob deutſcher Sprachen haben andere aus - gebreitet / ſie iſt auf offentlichen Reichs - Taͤgen / in die Cancelleyen / Raths und Staats Stuben auff und angenom - men / denen Fuͤrſten Deutſcher Nation zu unablaͤſſigem Gebrauch recom - mendiret und anbefohlen worden / nunmehro aber in ihrer Pflege ſo weit kommen / daß ſie weder an Zierligkeit noch Zaͤrtligkeit noch Deutligkeit oder Nachdruck einiger andern nachgehen darff; Zwar in gegenwaͤrtigen Diſ - curſen hat man weder Zierligkeit noch Zaͤrtligkeit nachgehangen / die diß falls unachtſame Feder hat ſich nur bearbei - tet auffs deutlichſte abzudrucken / was deſſen anfuͤhrendes Gemuͤthe einge - floͤſſet hat / die Zierligkeit kommet ei - gentlich nur groſſen Rednern zu / nun aber beſtehet vorhabendes Wercklein nicht in hochtrabenden oder lieblich - flieſſenden Worten; Je weniger dieſeB iijToſca -Toſcanerinne geſchmuͤcket / je weniger ſie vermaſchquet iſt / deſto ſchoͤner duͤn - cket ſie ſich zu ſeyn: Derogleichen Schreib Art wuͤrde vielleicht unleid - lich ſeyn der vortrefflichſten Beredſam - keit; Wo die Warheit oder Weſen - heit ſchlechter Dinges ſoll angeſehen werden / ſo muß ſie nicht pralende / ſon - dern auffs einfaͤltigſte auffgeſtellet wer - den / wiedrigen Falls man ſich wuͤrde verdaͤchtig machen / daß man inner der Schalen Vergoldung dem Leſer den Kern aus den Haͤnden ſpielen / odeꝛ ſelb - ſten leer Stroh dreſchen wollen; Gleich wie die Ratio Status aus dem Brunnen der Geſchichte Waſſer ſchoͤpffet / und darinnen ſich am beſten beſehen kan / al - ſo laͤſſet ſie ſich nirgends lieber finden / als wo die Warheit am reineſten quil - let; Wann dieſer nachgegangen wor - den / ſo hat man beyſeit geſetzt aller Worte Pracht mit der Sachen We - ſenheit / ſolches auff was Weiſe zuerken -nen /nen / zuthun gnung gehabt / derowegen ich mir nur angelegen ſein laſſen / deut - lich und deutſch zu reden mich gar gern in die Enge meines Vaterlandes ein - ſpannende / welches ich mit mir be - gnuͤgt zuſein wuͤntſchen wolte / zumah - len wenn ich mich etwas ungehorſam der jenigen Reinligkeit erweiſe / welche entweder ſich alle Worte gewehlt ma - chen oder Eckel tragen vor allem deh - me / was nicht deutſchen Herkommens iſt / hingegen ich nicht lange gezweiffelt / wo mir nicht alsbald beygefallen / den Nachdruck anders zuerſchoͤpffen / die jenigen Woͤrter zubehalten / welche faſt in gemein von andern Nationen zum Buͤrgerrecht gelaſſen worden / und in Deutſchland bekandt gnungſam ſind / erachtende / daß wo ich gar zu eigen ſein wollen / den Verſtand in dicke Nebel verhuͤllet / und die Annehmligkeit dem Leſer entwenden haͤtte moͤgen; Zu wel - chem Ende auch ofte die Grund Spra -B iiijcheche der angezognen Scribenten beyge - fuͤget / beydes damit die ſelbſtaͤndigen Worte deꝛ Dolmetſchung Credit mit - theilten / und auch bey jener Zuſammen - haltung der Nachdruck deſto beſſer her - vor blicken moͤchte.

Jch habe meinen Leſeꝛ und mich nun - mehro nichts mehr zuerinnern / als daß gleich wie nichts unter der Sonnen / ja die Sonne ſelbſt nicht ohne Mackeln / oder gantz vollkommen / alſo auch dieſe kleine Abhandlung deſto unvollkomme - ner / je weniger ſie vollkommen / das iſt ein bloſſer Entwurff / Grundriß / Vor - ſchmack / oder bloß entfallene und in die Welt hinauß luͤſternde Gemuͤths Be - luſtigungen ſein ſollen; Wann ich al - len Menſchlichen Fleiß daran geleget hette / ſo wuͤrde alles dieſes dennoch ent - weder mangelhafft / oder doch nicht gleich gefaͤllig ſeyn; es iſt faſt unmoͤglich / neque in bonâ ſegete, non eſſe ali - quod ſpicum nequam, neq́; in malânonnon aliquod bonum, daß nicht in ei - ner guten Saat eine boͤſe Aehre / und auff einer ſchlechten Saat nicht eine gu - te Aehre ſein ſolle / es iſt jederzeit in acht genommen worden / Literarum Princi - pes inter tanta dulcia poma aliquan - do mora poſuiſſe daß die vornehmſten Gelehrten unter ſo viel ſuͤſſen wolge - ſchmackten Aepffeln Brombeeren mit untergemenget haben. Samuel Boc - cartus meldet / aus dem Agatharſide von Saba und Arabia Felice, daß in de - nen alldort gelegenen von dem beſten Weyrauch lieblichſt richenden Foͤrſten die allerſchaͤdlichſte Schlangen-Art niſte / quaſi fortuna invidens tàm lar - gis terræ commodis bono malum attexat; Eben ſo gehets denen aller - ſinnreichſten ſchoͤneſten Schrifften / wo - rinnen (wo nicht Jrrthuͤmer und Schwachheiten) Neid / Veracht Ver - laͤumbdung und allerhand Muthwil - len als das vergiffteſte Ungeziefer ſichB vzeu -zeugen; Des Homerus Buͤcher ſind jederzeit groß geachtet worden / dennoch ſoll Alexander Taſſonus 500. Spruͤ - che zuſammen geleſen haben / welche er / daß ſie gantz naͤrriſch und laͤcherlich / er - weiſen wollen. Er ſoll des Franciſc. Petrarcha Gedichte ſo durchgezogẽ ha - ben / daß er nichts vorbey gelaſſen / wel - ches er nicht getadelt / oder als unge - reimt veꝛlachet hat; Nicolaus Villanus wenn er des Joh. Battiſta Marini Ado - nis mit gar zu uͤbermaͤſſigem Lobe her - außſtreichet / und allen andern Gedich - ten vorziehet / laͤſtert ſeine beruͤhmteſte Landesleute den Dantes, Petrarcha, Aroiſtus, Taſſus, vor welchen der gan - tze Parnaß ſich neiget / und ſchilt ſie auß vor grob / ungeſchlieffen / langſam / Sum̃a mit den greulichſten Schmaͤh - Worten; Was den Scaligeris, Thua - nis und andern mehrern begegnet / wie auch vornehme Gelehrte ſich unterein - ander mit abſcheulichen und Ehrenruͤh -rigenrigen Schmaͤh-Schrifften angegrif - fen / iſt bekandt / ſo wahr iſt es / daß das ſchaͤdlichſte Nattergifft auch immer den revieren Menſchlicher Gelaͤhrigkeit / und Vollkommenheiten der Vernunfft gerne ſich zu hecken pflege; Du aber meine biß anhero zu Auslaſſung Tu - gendhaffter Brunſt beliebteſte Toſca - na, du meine zuweilen geweſene an - nehmlichſte Zeitvertreiberinne / wage es immer hin / laß alle Wetter uͤber dich gehen / achte nicht der loſen Veraͤchter / fuͤrchte dich nicht vor dem Ottergifft / das unter ihren Zungen ſitzet / wo dar - wieder dich nichts hilfft / ſo wird dich deine Unſchuld entſchuldigen / wo du das Laͤſtermaul nicht bezaubern kanſt / ſo fleuch / fleuch meine Freundin / du ge - jagteſte Hindin / wirſtu nicht uͤber den Neid ſeyn / welches du gewißlich nicht ſein wirſt / ſo ſey unter dem Neid / oder mitten in dem Neide Gluͤckſeelig / blei - beſtu unbekant / unwerth / verachtet / ſoB vjlaßlaß es dir eben ſo wol gefallen / als wenn du inner dem dunckeln Schatten eines einſamen Cabinets verblieben wehreſt / wirſtu bey einem oder andern Gnadt finden / ſo vertroͤſte / daß du noch rohe / zart / unausgemuſtert ſeyeſt / mit der Zeit aber behaͤglicher werden koͤnneſt; Wo du aber bey maͤnniglich und allenthal - ben verwerfflich wirſt / wo ich dieſe weni - ge uͤbeꝛ dir zugebrachte Stunden meiner Muſſe vergebens oder uͤbel angeleget / wo ich nichts gutes weder um dich / noch um die Welt verdienet habe / wo alle meine intention um oder fehl ſchlaͤget / ſo will ich Hand und Feder von dir ab - ziehen; Gute Nacht / gehabe dich wol / ich nehme von dir Abſchied auff die Art / wie Petrarcha von ſeineꝛ Laura, welcher du zwar der Ausarbeitung nach im ge - ringſten nicht zuvergleichen / jedoch der Selbſtaͤndigkeit deſto herrlicher / meine Flamme nicht ſo verdaͤchtig / ſondern keuſch / Jch auch kaum ſo viel Monat /alsals jener unvergleiche Poët Jahre / deh - rer er ein-und dreyſſig ſelbſt bekennet / daran gewendet habe; Gehabe dich wol.

HOmai ſon ſtanco e mia vita ri -
prendo
Di tanto error, che di Virtute il
ſeme
Ha quaſi ſpento e le mie parti
eſtreme
Alto Dio à te devotamente ren -
do,
Pentito e triſto de miei ſi ſpeſi anni,
Che ſpender ſi deveano in migli -
or uſo
In cercar pace, & in fuggir af -
fanni.
Signor, che n queſto carcer m hai
rinchiuſo
Tramene ſalvo da gli eterni dan -
ni
Ch i conoſco l mio fallo, e non
lo ſcuſo.
A 7I
I piangendo i miei paſſati tempi,
I quai poſi in amar coſa mortale
Senza revarmi a volo, havendo
io l ale
Per der forſe di me non baſſi eſ -
ſempi
Tu che vedi i miei mali indigni &
empi
del Cielo inviſibile immor -
tale
Soccorri a l alma deſviata efrale
E l ſuo diffetto di tua gratia a -
dempi.
Si che, ſ io visſi in gverra & in tem -
peſta
Mora in pace, & in porto, e ſe
la ſtanza
Fu vana, almen ſia la partita ho -
neſta;
A quel poco di viver, che m avanza
Et al morir degni eſſer tua man
preſta (ſperanza.
Tu ſai ben, che n altrui non ho
Nu
NUnmehro bin Jch laß / Jch ſchel -
te ſelbſt mein Leben /
Des Jrrthums halben / dehn der
Tugend-Saamen hat
Getrieben / nun wil Jch dir / Hoͤch -
ſter voͤllig geben
Jn tieffeſter Andacht den fernern Le -
bens-Pfad /
Voll Buß und Reu und leid / daß Jch
ſo hin verſchwendet
Die Jahre / die vielleicht Jch beſſer
angebracht /
Wenn Jch der Ruhe Mich mehr als
der Muͤh gepfaͤndet /
HErꝛ / der du mich noch laͤſt in dieſes
Kerckers Nacht /
Laß meine Sinnen ſeyn auffs ewige ge -
wendet /
Erkenn Jch doch den Fehl / der mich
zum Schuldner macht;
So komm und klag Jch dann die ab -
gewichne Zeiten /
Die ich auf Weltlich Ding / und deſ -
ſen Brunſt gelegt /
Ohn
Ohn daß Jch in die Hoͤh den
Schwung jemals geregt
Der Fittige gehabt / ſich anders außzu -
breiten /
Du der du ſihſt die Schmach und Un -
gemaͤchligkeiten /
O Koͤnig / deſſen Hand die Erd und
Himmel traͤgt /
Steh bey der Seelen / wo ſie von dir
abgewegt /
Erſetze den Jrrthum mit deinem Gna -
den-Leiten /
Daß wo ja meine Zeit unruhig weg -
gefloſſen /
Jm Fried Jch ſterb / und ſo die blei -
be nicht weit her /
Der Außgang loͤblich ſey / daß meine
Lebens Sproſſen /
Die Jch noch ſteigen ſol, recht wuͤr -
dig ſeyn / gewehr
Mir deine Hand / der Lauff ſey ſeelig
nur beſchloſſen /
Du weiſt / daß Jch ohn dich zuhoͤffen
nichts begehr.
Di -

DISCURS I.

UNter denen beruͤhmteſten Leh - rern der Buͤrgerlichen Weiß - heit iſt zu unſern Zeiten von kei - ner Materie mehr Geſchrey oder ſchrei - bens geweſen / als von dem Worte Ra - gione di Stato; Die ſubtileſten Federn haben ſich daruͤber ermuͤdet / die ſinnrei - cheſten Gemuͤtter haben Gelegenheit ge - ſucht / ihren Witz ſehen zulaſſen / in Auß - arbeitung eines Dinges / welches zwar jederzeit geuͤbet / aber nicht genennet / noch genungſam unterſuchet oder eroͤr - tert worden. Auſſer allen Zweiffel hat dieſes / warum die vorwitzige Welt ſich bekuͤmmert / von dem erſten Anfang der Regimenter ſeinen Urſprung genom - men / dieſe zwey Woͤrter ſind mit den La - teinern jung worden / und dennoch iſtdieſedieſe Ragione di Stato etwas neues / und ſo ungewiſſen Herkommens / daß man vergebens Sorge traͤget / wer der erſte Erfinder geweſen / auß deſſen Gehirne die in dieſem Nachdruck zuſammen ge - wachſenen Worte gezeuget worden.

Bey dem Roͤmiſchen Protonotario Bonifaccio Vannozzi wird der be - ſchryene Florentiniſche Secretar Nico - Machiavelli, welcher zugleich Peſti - lentz und Gifft um ſich ſpruͤende heiſſen muß / genennet Archimandrita della Ra - gione di Stato, der Abt oder Ertz-Bi - ſchoff der Ratio Status (da doch in ſeinen Schrifften dieſes Wortes in ſolchem Verſtande faſt niemahlen gedacht wird) vielleicht / weil es nicht koͤndte mehr ge - ſcholten / als wenn Machiavell zu deſſen Urheber gemacht werden koͤnte. Es ſcheinet der Warheit gemaͤſſer zuſeyn / daß um dieſelbe Zeit ſolcher Worte Jn - halt inner den Finſternuͤſſen der Unge - wißheit gelegen / ſo verſchmitzt als Ma - chiavell moͤchte geweſen ſeyn / ſahe nicht ſo weit in die Eingeweide der Politic, daß er etwas abſonderliches geſpuͤret / ge -ſchwei -ſchweige denn / ſelbigem einigen Nahmen zugeeignet haͤtte; Dteſes iſt gewiß / das Italien La pais des belles paroles, das Land ſchoͤner Worte / wie es Henri IV. Koͤnig in Franckreich titulirte / die Ratio Status ins Licht gebracht / und gegẽ Selb - te / als eine treue Saͤugamme / ſich jeder - zeit verhalten. Vielleicht ſolte nicht un - vermuthlich fallen / das Hetrurien die Staͤtte der Empfaͤngnuͤß / Rom La Pie - tra Paragone de glivaloroſi, der Pro - birſtein wackerer Hofeleute / der Geburt / dort erfunden / hier angenommen und bewehret worden: Es ſey / wie ihm wol - le / ſo haben ihren Findling / dieſelbige Landesleute / die klugen Kinder dieſer Welt / begierig auffgefangen / und biß in alle Himmel / weiß nicht aus was vor Freude und Ehr-Bezeugung / erhoben. Der gelehrte Federico Bonaventura, bricht in derer Lobſprechung heraus / che ne gli Scrittori Greci & Latini non troviamo voce, non ſolo, che ſi pro - priamente eſprima la ſua vera notio - ne, come queſta, ne meno, che l adombri pur da lontano, daß in denGrichi -Grichiſchen und Lateiniſchen Scriben - ten wir kein Wort findeten nicht allein / welches ſo eigentlich ſeine warhafftige Eigenſchafft ausdruͤckte wie dieſes / ſon - dern auch nicht von weitem entwuͤrffe / deſſentwegen die Grichiſche und Lateini - ſche Sprachen / die Jtalieniſche neiden koͤndten / weil jene dißfalls weit von dieſeꝛ uͤbertroffen wuͤrden. So bald diß wun - derbare Geheimnuͤß ſich etlicher maſſen hervorgethan / iſt deſſen Verehrung / je weiter es kund worden / zumahlen Auß - laͤndiſche und neue. Dinge an ſich ſelbſt eine Bezauberung mit ſich fuͤhren / ſo groß woꝛden / daß man nicht gewuſt / was man daraus machen ſollen: Vor dem Baal haben nicht ſo viel Knie gebeuget / dem Moloch iſt nicht ſo viel geopffert / die Iſis iſt bey den Egyptiern nicht ſo heilig gehalten / nicht ſo offters benahmet / nicht mit ſo ſeltzamen Figuren bezeichnet wor - den / als die Ratio Status in den geheim - neſten Fuͤrſten Cabinettern / es hat muͤſ - ſen alles Ratio Ratio Status ſeyn / man hat nicht gewuſt / ſie genungſam im Ge - muͤthe und Munde zu fuͤhren. Undgleich -gleichwie die Iſis mitten unter Meerka - tzen / Affen / Schlangen / Drachen / und andern erſchrecklichen ihr gewiedmeten Ungeheuren geſtellet zuſehen war / alſo die neue vergoͤtterte Ratio Status wo hat ſie ihren Auffenthalt mehr gehabt / als unter den abſcheulichſten Schand und Laſtern? Dieſe ſind ihre geheiligte und geopfferte Beſtien geweſen / mit de - nen eine zeitlang Abgoͤtterey getrieben worden; Hat ein Vorwand gemangelt / die unverantwortlichſte Thaͤtligkeit zu - beſchoͤnigen / ſo hat Ratio Status die Pa - tronin, die Schutz-Goͤttinne ſein muͤſ - ſen / nicht daß Ratio Status an ſich ſelbſt / weder das Wort / noch das jenige / wel - ches dadurch bedeutet wird / ſo boͤſe / ſon - dern durch den Mißbrauch boͤſe worden / oder welches meines erachtens eine nicht verwerffliche Mit-Urſache / das biß auff dieſe Stunde faſt wenig errathen koͤn - nen / was denn eigentlich dieſe beruͤhmte Ratio Status ſein ſolle / in was vor Graͤn - tzen dieſe ſo weit aus ſchweiffende ein - zuſchlieſſen. Jch weiß nicht / wie die er - ſte Geburths-Stunde dieſem Nahmenſoſo ungluͤckſeelig geweſen / daß / als er kaum jung / ſchon verfluchet / und / wel - ches noch mehr Wunder von ſeinen ei - genen Rabbinen / die deſſen Pfleger ab - geben ſollen / mehr verdunckelt / als er - klaͤret worden / es hat uͤber keiner Sa - che mehr Zwyſpalt gegeben / nichts die Welt in groͤſſere Verwirrung geſetzet / und in ſolcher Ungewißheit iſt daraus entweder ein Spiel leerer Worte / oder das jenige / was es nicht iſt / gemacht wor - den. Unſer vortrefflicher Bœcler nen - net die Ratio Status Ænigma Seculi, Materiam Subtilitatis, cum Proteo Thetin, cum Paride Helenam, cum Ulyſſe Penelopen. Ein unſerer Zei - ten unauffloͤslich Raͤtzel / eine uner - ſchoͤpffte Materie zu ſubtiliſiren / die Thetis, welche mit ihrem Proteus ſo offte und in ſo viel Formen veraͤnderlich iſt / die Helena, welche / in dem ſie ihre Schoͤnheit kaum einem oder dem andern Paris zu erkennen gegeben / indeſſen ſo viel Unheil angerichtet / die Penelope, welche mitten unter ſo vielen Buhlern nur einem Klugen / und in der Welt wol -geuͤb -geuͤbten Ulyſſes vermaͤhlet bleiben wol - len / das Troja, welches von den tapffer - ſten Gemuͤttern angegriffen / und bißhero nicht erobert oder erſtiegen worden / alſo daß es nicht Wunder / wenn ihrer viele daruͤber in Jrꝛthum oder Ungedult ge - rathen wehren: Die Schwerigkeit und dero nahe Bluts-Freundin die Unwiſ - ſenheit eines Dinges verurſachen einem Eckel / aus dieſer hecket ſich Verachtung; Alſo gehet es dem gantzen Umkreyß al - ler Wiſſenſchafftẽ / Was iſt loͤblicher als die Philoſophie, welcher ſich nicht Kaͤy - ſer und Koͤnige geſchaͤmet haben / ja auch des Nahmens nicht? Weil ſie aber meh - rentheils untaugliche Gemuͤtter ange - troffen / in was vor Verachtung iſt ſie nicht ſampt dem Worte gefallen? Wuͤr - de es einer heutiges Tages nicht vor ei - ne Beſchimpffung auffnehmen / wenn er genennet wuͤrde mit einem Nahmen / welcher ſo Glorwuͤrdig und von den groͤ - ſten Leuten in Ehren gehalten worden? Die Politic iſt ſo erlaucht / ohne welche kein Fuͤrſt wol regieren / kein Regiment beſtehen kan / wie iſt aber der Nahme ei -nesnes Politici in Abſchlag kommen? Man beſuche nur die heutigen Homines Poli - ticos, werden nicht die Gottloſen / lieder - lichſten Buben damit beſchrieben? Je - mehr einer von der Qualitaͤt eines recht - ſchaffenen Politici entfernet / deſto ein ſtattlicher Politicus iſt er / denen jenigen iſt das hochſchaͤtzbare Prædicat faſt ei - genthuͤmlich woꝛden / welche an ſich ſelbſt Agyrtæ und Carcinomata humani Ge - neris ſind ſo gar / daß einer und der an - der verfechten will / die heutigen Politici waͤren nicht unter die Zahl der Chriſten zurechnen. Was iſts Wunder / wann auch die Ratio Status derogleichen Un - gluͤcks-Stern angeblicket haͤtte? Die jenigen / welche ihr gantzes wiſſen der Zierligkeit Lateiniſcher Sprachen einge - ſchrencket / und wol aberglaͤubiſch vor eine Todtſuͤnde gehalten / wenn ſie ein ander Wort / als auß dem Cicero in Mund oder in die Feder nehmen ſollen / werden einen ſolchen Abſcheu darvor ge - tragen haben / daß ſie lieber einen Zug in der Folter außgeſtanden / als daß ſie ihm in ſeiner rechtmaͤſſigen Bedeutung einigBuͤr -Buͤrgerrecht verſtattet haͤtten. Die / welche dem Ariſtotel mit mehr als Scla - viſchem Gehorſam geleibeignet die aller - geringſte Brocken und Abgaͤnglinge / de - ren Verſtand doch zerbrochen / tunckel und unklar iſt / vor groſſe Heiligthuͤmer verehren / wuͤrden lieber in eine neue Welt peripatetiſiren / ehe ſie die Ratio Status erkenneten vor einen Terminum, welcher in den Ariſtoteliſchen Schriff - ten nicht beſſer entworffen wehre / da doch den Gelehrteſten bekandt / das deſ - ſen Politiſche Buͤcher ein unvollkomme - nes Werck ſey / darinnen nicht allein ſo viel Maͤngel uns des ſchoͤnſten Theils berauben / ſondern auch viel Stuͤcke nicht einmahl beruͤhret / geſchweige dann auß - gefuͤhret worden / wiewol ſonſten ich den Ariſtotel vor einen groſſen Lehrer / und deſſen Politic vor eine verwunderungs - wuͤrdige Arbeit ſchaͤtzen wolte / wenn ſie gantz oder unveꝛſehret geblieben wehre; wie wird nun dieſes neu-erdachte Wort der Ratio Status ſo ſchwartz ſein gemacht worden auff allen Cathedern / in allen Schrifften? Je weiter und maͤchtigerCermel -ermeldete zweyerley Secten regieret ha - ben / deſto mehr Beyfall ihnen nachgege - ben worden: Zu Hofe hat es nicht an - ders ergehen koͤnnen / was in den Schu - len geſaͤet worden / wird in dem gemeinen Weſen eingeerndtet / zwar La Corte non è una Scuola di Gramatica, non i primi alimenti e non inſegna i primi elementi, der Hof iſt nicht eine Schule / wo man die Grammatic lernet / ſie giebet nicht die erſte Nahrung / und lehret nicht die erſten Buchſtaben / Jnner den Erlauchteten Galerien eines Fuͤrſt - lichen Auffenthalts wird viel beſſer der groſſe Umfang der Politiſchen Weißheit uͤberſehen / als in den ſchattichten und traurigen Spatzirgaͤngen eines Ariſto - tels, più tra gli affari che tra le carte, damit wir des Matheo Peregrini, nella difeſa del Savio Worte gebrauchen / mehr unter den Geſchaͤfften / als Papir. Una grande occaſione di Occupatio - ni è migliore Scuola che non ſono quante Academie e Licei haveſſe mai l antica e ſi habbia la moderna Sa - pienza: Eine groſſe Gelegenheit der Ge -ſchaͤff -ſchaͤffte iſt eine beſſere Schule / als alle hohe Schulen / ſo jemahlen geweſen und noch ſind. Jedoch erfordert dieſe jene / gleichwie die Praxis die Theori, was die Schule lehret / uͤbet der Hoff / geſetzt es habe einer auff der Schulen behauptet / Ratio Status ſey die Utilitas Potentio - ris, ein ander habe ſelbte mit den aller - ſcheinbahriſten Farben heraußgeſtri - chen / ſolches iſt nach Hofe kommen / da man beydes ohn Unterſcheid ergrieffen haben mag: Geſetzt es ſey erlaubt wor - den einem Fuͤrſten durch Extraordinar - Mittel in hochwichtigen Angelegenhei - ten Rath zuſchaffen / ſo iſt man immer weiter gangen; Es iſt ein Sprichwort / daß / wenn man einem eines Fingers weit zugebe / ſo nehme er die gantze Hand / und hier werden nicht kleine Grieffe ſein ge - macht worden / zumahlen bey denen Zei - ten / welche der Conte Majolino Biſac - cioni nennet il Plenilunio delle Mo - narchie, den volle Monden der Monar - chien / darinnen die Fuͤrſtliche Gewalt lieber ungebunden und alles freyſtaͤn - dig / was beliebet / werden will / die armenC ijUnter -Unterthanen / ſo des Fuͤrſten liebe Kin - der / und welche / wie von ihrem Vater / ſolten durch Liebe regiret werden / vor mit Waffen bezwungene Voͤlcker und als leibeigene Knechte / die ſo theur er - worbene / und aus erheblichſten Urſachen ertheilete Begnadigungẽ vor Steine des Anſtoſſens und boͤſe Aecker / welche lau - ter in die Augen ſtechende Dornen und Diſteln / lauter Unkraut des Unwillens hervorbringen nach des Trajano Boc - calini Klagefuͤhrung / gehalten werden. Ludovicus XII. Koͤnig in Franckreich pflegte zu ſagen / che li Privilegii con - ceduti à Popoli di freſco acquiſtati ſono à gvisa de confetti che ſi danno à putti, ò vero fanciulli ammalati quando piangono, acciò il molto pi - anto non le accreſca il male, ſe creſciuti, e ſani ſeguono à piangere, non piu confetti ſ# adopera la fu - ſta; Die Privilegien waͤren nichts an - ders als Confect oder Zuckerwerck / da - mit die kleinen krancken Kinder geſtillet wuͤrden / wenn ſie weinen / damit das viele Weinen nicht ein groͤſſer Ubel ver -urſa -urſachet / ſo ſie aber groͤſſer wuͤrden / und geſund weinen wolten / ſo gebe man ih - nen nicht mehr ſuͤſſe Confecte, ſondern die Rutte. Henricus IV. Koͤnig in Franckreich / als er mit der Crone Spa - nien Friede zutreffen beſchloſſen / und von den Engellaͤndern ſeines Verſprechens erinnert worden / gab zur Antwort / Koͤ - nige verbindeten ſich niemahlen anders / auſſer mit dieſer ſtillſchweigend einge - ſchloſſenen Bedingung / daß ſie / was ih - nen nuͤtzlich / annehmen / was ſchaͤdlich / behutſam vermeideten.

Wo nun der Fuͤrſten Abſehen ſo ſchlechter dinges auff ihren Nutzen ge - richtet / auſſer einige Betrachtung / ob es recht gethan oder nicht / wo der eigen Nutz / der Wille gar zu maͤchtige Ober - hand nehmen wollen / ſo ſind die heiligſten Reguln / tugendhafft zu leben / und gluͤckſeelig zu regiren / gleich worden den alten Muͤntzen / welche ob ſie gleich hoch - gehalten werden / und als etwas ſeltza - mes dem Beſitzer einen Preiß gegeben / ſie doch nichts zu Befoͤrderung der Menſchlichen Geſchaͤffte dienen; UndC iijiſtiſt kein Zweiffel / daß hier entweder Salus Politica oder heutiges Tages Ratio Sta - tus offtermalen herhalten muͤſſen. Es hatte Cambyſes ſich in ſeine Schweſter verliebet / und fragte die Perſiſchen Rechts-Gelehrten / ob ihm einig Geſetz ein ſolch Beylager vergoͤnte / darauff ſie antworteten / Sie findeten zwar kein Geſetze / welches ein ſolch Beylager ver - ſtattete / Sie haͤtten aber ein ander Ge - ſetze funden / welches dem Perſiſchen Koͤ - nige zulieſſe / zuthun / was er wolle. Ra - tio Status hat heutiges Tages zu einem ſolchen Geſetze werden muͤſſen / wenn man etwas beſchmuͤcken wollen / welches alle Natuͤꝛliche und Voͤlcker-Geſetze ver - dammet / ſo hat man keinen beſſern Ti - tul der Entſchuldigung erſinnen koͤn - nen.

Die Erlauchten Fuͤrſten Seelen - bertreffen den gemeinen Zuſtand der Menſchen in ihrer Wuͤrde / aber auch unausgenommen von den Begierden / welche allen Gemuͤttern angebohren. L ombra inſeparabile della fragilita, der unzertrennliche Schatten der Gebrech -ligkeitligkeit folget ihnen eben ſo wol unaus - bleiblich nach / welche Worte der Herꝛ von Lionne dem Urbano VIII. R. B. in der Audientz einhielte. Es iſt kein Menſch / welcher ſich vergnuͤgete mit dem / was er beſitzet / Unſere Gluͤckſee - ligkeit / welche ſich nirgends befindet / in dieſem zeitlichen / beſtehet mehr im Er - werben / als Erworbenen / weil ſie in ei - nem Sich ſuchet / da im andern ſie Ver - druͤßligkeit empfindet; Jo mi perſvado, che ſe uno foſſe Signore dell Uni - verſo, & haveſſe quanto deſideraſſe, che nauſeato de Mondani diletti ſi diſperarebbe vedendo non havere ri - trovata la felicita, e non rimanergli altro luogo, dove Cercarla. Jch glau - be / alſo fuͤhret der Marggraff Virgilio Malvezzi, den redenden Turno ein in ſeinem Tarquinio Superbo, daß / ſo ei - ner Herꝛ der Welt waͤre / und haͤtte ſo viel / als er wolte / er vor Eckel der welt - lichen Luͤſte verzweiffeln wuͤrde / wenn er ſehe / daß er nicht habe die Gluͤckſee - ligkeit gefunden / und kein Ort mehr uͤbrig bleibe wo er ſie ſuchen ſolte. DieC iiijBegier -Begierde zu herꝛſchen iſt bey Fuͤrſten La prima coſa che concepiſcono, das er - ſte / welches ſie empfangen / il primoge - nito de i affecti, der Erſtgebohrne der Begierden. Was bey dem Menſchen ins gemein ſo maͤchtig eingewuꝛtzelt / bꝛei - tet ſich bey denen Fuͤrſten viel herꝛlicher auß / und ſcheinet einen Stral von dem Glantz Jhrer Hoheit zu entlehnen / ſo gar / daß / was bey gemeinen Leuten ver - werfflich an ſich ſelbſten iſt / der Maffeo Veniero Idalba bey den groſſen nach - dencklich heiſſet Peccato illuſtre: Der Regirungs-Kelch iſt ſo anmuttig / daß er niemahlen ſaͤttiget / je mehr darauß ge - truncken wird / deſto hefftiger wird der Durſt vermehret. Wann nun dazu kommen der Vorwand eines Rechtes / damit alle unmaͤßige und unrechtmaͤßi - ge Begierden bemaͤntelt worden / davor man Ratio Status angezogen / wie weit iſt Thor und Fenſter allen mehr als Heydniſchen Greueln aufgemacht wor - den? Die Gelehrten bezeugen mit be - weglichen Wehklagen / was vor Athei - ſterey und Gottloſigkeit unter der Frey -heitheit ſothaner Statiſterey hervorgekro - chen / und ſo offt deſſen Schuld der Ra - tio Status beygemeſſen werden wollen / haben viel Verſtaͤndige daruͤber geeyf - fert / und ſelbte gantz und gar ohn Unter - ſcheid verbannet und verdam̃et. Schon der Roͤmiſche Pabſt Pius V. nennte die Ragione di Stato Ragione del Diavolo oder wie es Franciſcus Baconus de Ve - rulamio giebet / eſſe mera malorum ho - minum commenta, quæ opponeren - tur Religioni & Virtutibus moralibus, Es waͤren lauter Ertichtungen boͤſer Menſchen / welche der Froͤmigkeit und guten Sitten zuwieder waͤren.

Bey dem Bonifaccio Vannozzi iſt Ratio Stat. Voce non ſolo poco Chri - ſtiana, ella é ancora poco humana, e chiunque ſe ne prevale, niun altra coſa , che opporſi alla natura, & prender guerra con Dio: Nicht alleine ein unchriſtlich Wort / ſondern auch we - nig Menſchlich / und wer ſich deſſelbten bedienet / thut nichts anders / als daß er ſich der Natur wiederſetzet / und Krieg mit Gott anfange: Er ſaget weiter / JoC vſoglioſoglio dire morbo, peſte, & Veleno di tutte le Corti, & indegna, pur eſſer nominata. Jch pflege ſie zu nennen Kranckheit / Peſt / Gifft aller Hoͤfe / und unwuͤrdig / daß ſie nur ſolte gennet wer - den: Jn einem andern Orte / che la peſ - ſima Ragione diStato non ceda punto alla malitia Maometana; Anderswo Febre quotidiana, das taͤglichte Fieber / welches einen unaußleſchlichen Durſt verurſachet / Barbara maniera di Go - verno, und male-detta Ragione di Sta - to, ſind ihme zwey zuſammen gehoͤrende Subſtantivum und Adjectivum. Boc - caliniheiſſet ſie ein Geſetze / denen Herꝛ - ſchafften ſehr nuͤtzlich / aber Gottes und aller Menſchen Ordnung gantz zu wie - der. Ein vornehmer Gelehrter ſchilt ſie auß vor ein ſolch Geſetze / deſſen erſtes Geboth ſey jener Spruch bey dem Euri - pides, Jus Regnandi causâ violandum eſt, das andeꝛ jenes Barbariſche bey dem Tacitus, id in ſummâ fortunâ æquius, quod validius. Der vortreffliche Po - liticus Chriſtoph Forſtner nennet ſie mit dem Heinſio, Cupiditatis noſtræPatro -Patrocinium, und in einem andern Or - te haͤlt er ſie vor die jenige / quâ pleraque Crudelitatis atque injuſtitiæ famam incurrentia aut commendant, aut ex - cuſant noſtri Principes. *Theodor. Reinking, in der Bibliſchen Policey. Laurent. Bulifer. de Jur. Domin. Bey den Hn. Reincking heiſt die Ratio Status der lie - ben Juſtiz unartige / ungerathene Stiff - Schweſter / oder die Begierde ſein Reich oder Staat per fas vel nefas zu vermeh - ren und groͤſſer zu machen; Er nennet ſie Mare Calamitatum, Monſtrum & portentum Humani Generis, Diaboli Decalogum, Er gehet durch alle Geboth und erweiſet / das dieſelbe diametraliter wieder Gott uñ ſein heiliges Geſetze ſtrei - te / darneben den Seeligmachenden Chriſtlichen Glauben die Chriſtliche Lie - be / und das Chriſtenthum gantz aufhebe. Andern iſt Ratio Status das goͤldene Kalb / ein Cloac aller Ungerechtigkeit / eine Buͤchſe / daraus ſo viel Unheil ge - ſchuͤttet worden / eine Meiſterin des Be - truges / eine Werckſtatt aller Boßheit / ein Mantel / darmit die Gottloſigkeit be -C vjdecketdecket wird / ein ſuͤſſes Gifft / dadurch die Fuͤrſten ihre Unterthanen hintergehen / und ihren Stat erhalten / ein Ungeheuer der Vernunfft / welches weder Verſtand noch Vernunfft / doch beyder Geſtalt habe / dahero geſaget werde / tùm de - mùm Rationem Status habere locum, quando Ratio, Jus, Conſilium defici - unt, andern eine Mißgeburt der Ver - nunfft / denen Menſchen zur Straffe ge - geben / daß / wo Ehrbaren Geſetzen ſolte ſtatt gegeben werden / ſie verkehrteꝛ Ver - nunfft / zu Erhaltung des Stats ge - brauchten / andere klagen ſie an / daß ſie ſey vom Teuffel gezeuget / von der fal - ſchen und verterbten Vernunfft geboh - ren / jenen haͤtte ſie zum Vater / dieſe zur Mutter / ins gemein hat ſie muͤſſen ſein ei - ne verkehrte verterbte Art zu regiren / es iſt kein Laſter / kein Bubenſtuͤck / welches nicht Ratio Status ſein ſollen / man hat Poſſenſpiele daraus gemacht / und die Ratio Status als einen alamodiſirenden Stats-Teuffel aufgefuͤhret / ſie hat muͤſ - ſen eine Uberſchrifft der greulichſten Schmaͤh-Schrifften abgeben. Einer /wel -welcher ſich nennet Fatidicum ad Do - lobellum, bemahlet die Ratio Status mit den heßlichſten Farben / und weiß nicht / was vor Unglimpff genung er gegen ſelbte ſoll außguͤſſen / er beſchreibet derer Geburths-ſtaͤdte / als eine finſtere von Kroͤten / Nachteulen und traurigen Ge - waͤchſen bekleidete Grufft / darinnen auf einem Altar Menſchliche Opffer darge - bracht wuͤrden / die Geburth ſelbſten als ein ſchreckliches Ungeheuer / welches von hinten zu wie ein Loͤwe / forne wie ein Fuchs außgeſehen / die andern Glied - maſſen Gorgoniſcher Schlangen und Klauen Art / und als ein ſo ungeſtalt / und von wiedrigen Lebens-Handlungen zuſammen gepacktes Unthier / daß es we - der des Argus unzehliche Augen / noch des Paridis Urtheil errathen koͤnnen / ob es zu den Menſchen oder Teuffeln gehoͤ - re; Was es vor Geſchlechts ſein ſollen / waͤre Anfangs ungewiß geweſẽ / die Kluͤ - geſten haͤtten es vor Weibliches Ge - ſchlechts gehalten / doch waͤre man um den Nahmen ſorgfaͤltiger geweſen / biß endlich nach langem Bedacht und ein -C vijmuͤt -muͤttiger Bewilligung Ratio Status waͤ - re erkieſet worden / bald darauff haͤtte man / weilen weder die Geſtalt noch die Natur ſchoͤne genungſam / die Loͤwen Grauſamkeit mit der ſchonſten Larven uͤberzogen / den Kopff und Ohren mit ei - ner herabhangenden Paruck / die Armen mit koͤſtlichen Baͤndern / damit die Fuͤr - ſten ihre Unterthanen bindeten / gezieret / die Gorgoniſchen Schlangen-Klauen haͤtten wolrichende Handſchuch und den Leib ein langer Talar verhuͤllet / das ober - ſte Theil des Leibes ein ſonderbares Kunſtſtuͤck / welches das Anſchauen der von Milch oder mehr Gifft aufgeprau - ſten Bruͤſten die Augen zu ihrer Liebe einladete / es waͤre Nacht geweſen / als dieſes Geſpenſte außgeputzt worden / weilen es im Truͤben am meiſten ihr We - ſen haͤtte / damit es aber nicht gar ohne Licht / waͤre ihme ſtatt deſſen einiger Pracht zugeordnet worden / niemahlen haͤtte der Auffgang ſo viel Edelgeſteine geſehen / niemahlen die Muſcheln ſo viel Perlen hervorgebracht / welche zur Naͤchtlichen Zierꝛath genungſam / dieunterunter irꝛdiſchen Steine / die Schnecken - Gewaͤchſe waͤren allzuwenig geweſen / die aus den Augen der Unterthanen mit Schaͤrffe der Herꝛſchafften außgepreſte Thraͤnen haͤtten einen Schmuck muͤſſen abgeben / an den Ohren haͤtten gantze Landſchafften / Jnſulen und Vorwerge gehangen / daß es geſchienen / ſolche Laſt koͤnne von einem ſo ſchwachen Gliede nicht ertragen werden / die Wangen / da - mit ſie deſto weiſſer leuchteten / waͤren mit ſchwartzen Gewiſſens-Flecken pun - ctiret / ihr wird in angezognen Orten ein Schwamm zugeleget / welcher der Un - terthanen Vermoͤgen an ſich ziehet / ihr Thron iſt erbauet auß anderer Reiche Unteꝛgang und Menſchen-Gebeinen / die Dienerin ſind Zorn / Grim̃ / Schmertz / Verꝛaͤtherey / Furcht / Stellung und Verſtellung / Summa, dieſer gar zu harte Straffprediger vermeinet / daß Ratio Status nicht beſſer oder warhafftiger be - ſchrieben werden koͤnne / als daß ſie ſey Furia infernalis, cujus Pater Diabolus, & Statiſtæ omnes Angeli ejus, qui quæ - runt, quæ ſua ſunt, non quæ Jeſu Chri -ſti. ſti. Derogleichen Laͤſterungen zwar de - ſto geringſchaͤtziger ſeyn ſollen / weilen ſie eine ſo unbedachtſame und unverſchaͤm - te Straff-ſchrifft ausſpeyet / daß ſie ſich auch nicht ſcheuet / die Chriſten ſchlechter Dinges vor Peſſimos mortalium auß - zuſchelten. Sonſten halt ich ſelbſt da - vor / daß wo Ratio Status entweder in einer ſchnoͤden Begierde zu herꝛſchen / oder in dem Nutzen des jenigen / welcher der Maͤchtigſte iſt / beſtehen ſolle / davor ſie von etlichen Gelehrten will zur Unge - buͤhr an-und außgegeben werden / daß nemlich je maͤchtigeꝛ eineꝛ ſeydẽ / Schwaͤ - cheren moͤge bevortheilen / unterdrucken / vertilgen zu ſeinem Auffnehmen und Wachsthum / ſo ſey ſie unvernuͤnfftig / viehiſch / und muͤſſe nicht mehr Ratio die Vernunfft heiſſen / ſondern eine wilde Begierde zuergreiffen diß / welches nuͤtz - lich ſcheinet / und an ſich ſelbſt verterblich iſt / ja eine Beſtie ergreiffet nicht einmal / was ſie ihr ſchaͤdlich befindet / und alſo waͤre ein ſolch Ratio Status welche bloß das Abſehen auf einen ſchnoͤden Gewiñ gerichtet / es geſchehe auf was Weiſe eswolle /wolle / in die allerunterſte Staffel der Un - vernunfft zuſetzen. Allein wenn ich alle Masquen abziehe und in dem Politiſchen Umkreiſſe mich etwas gnauer umſehe / ob irgend in den Beſchluß der Politiq et - was verhandẽ / welches durch das Wort Ratio Stat. habe koͤnnen bezeichnet wer - den / was dadurch ſey zu verſtehen gege - ben worden / und wo ſie etwas ſey / was ſie auſſer allen Zuſatz ſein muͤſſe / doͤrffte ſich gar ein ander Gebirge / darunter er - wehnte Ratio Status verborgen gelegen / und woraus ſie gezogen werden ſolle / hervorthun. Es iſt wahr / was der Don Balthaſare di Zuniga ein anſehlicher Stats-Rath in Spanien unter denen dem Conte-Duca d Olivarez nachge - laſſenen Erinnerungen vornemlich re - commendiret / che in tutte le delibera - tioni de Principi ſolo l intereſse pre - vale, e non havere per loro natura ne amico ne nimico, miſurar le ami - cizie & le inimicizie co‘l compasſo dell intereſſe; Servirſi i Prencipi de nomi di pace, edi guerra, come delle monete, ſecondo che loro torna me -glio;glio; Con queſto Vento, quando non ci Concorra l offeſa della Conſcien - za, & non con altro dovere il Miniſtro prendere la diritta di tutte le delibera - tioni, per che altrimenti il legno del - la Privanza andera à traverſo; Daß in allen Berathſchlagungen der Fuͤrſten Nutzbaꝛkeit allein voꝛgehe / und habe we - gen ihrer Natur weder Freund noch Feind / ſondern meſſe die Freund-oder Feindſchafft ab mit dem Compas des in - tereſſe, die Fuͤrſten bedientẽ ſich der Frie - den - und Krieges-Nahmen / wie der Muͤntzen / nachdem ſie koͤnten damit Nu - tzen ſchaffen; Mit dieſem Winde / wenn nicht die Beleidigung des Gewiſſens dar - zwiſchen trete / und mit keinem andern / ſolle ein Diener den ſchnur-graden Weg aller Handlungen vor ſich nehmen / wei - len anders / das Schiff ſeiner Ehrenſtell wuͤrde zu Grunde gehen. II Prencipe & il ben Publico formano tra di loro una identità, bey dem Valeriano Caſti - glione, der Fuͤrſt und das gemeine Be - ſte ſind untereinander eines. L interes - ſe publico è l iſteſſo con quello d Id -dio,dio, del quale debbono eſſer le prime Vittime, nach dem Tomaſo Roccabel - la, das gemeine Beſte iſt eineꝛley mit Got - tes / deme die erſten Opffer gebuͤhren / Ri - cetto ò Vehicolo, ò Trono di quella Divinità perla quale gl Imperi & ogni mortale Vivono, der Auffenthalt oder der Wagen / oder der Thron derer Gottheit / dadurch die Reiche und alle Menſchen leben. Jſt das gemeine We - ſen und deſſen Aufnehmen mit des Fuͤr - ſten / und dieſes mit Gottes ſo genau ver - knuͤpffet / ſo wuͤrde der jenige / welcher 2. unzertrennliche trennete / ja alles in Un - ordnung verſetzen / und ſich ſelbſt deſſen berauben / was ſein einiger Zweck ohne welchen er nicht beſtehen kan / ſeyn ſoll; Die gantze Politic zielet mit unverwand - ten Augen auf das gemeine Wolerge - hen / um dieſen Mittel Punct iſt ſie emſig bemuͤhet / ſie zeiget loͤbliche Mittel / giebet gruͤndliche Regeln / den vorgeſetzten Zweck zuerlangen / ſie naͤhret den Buͤr - gerlichen Coͤrper mit denen zutraͤglich - ſten und zu Befoͤrderung gemeinen We - ſens dienſtlichſten Speiſen / Gleichwie a -berber die geſundeſten Speiſen bißweilen einen Eckel oder Kranckheit erwecken koͤnnen / uͤber dieſes der Menſchliche Leib mancherley Zufaͤllen unterworffen iſt / und nicht immer in guter Geſundheit zu - nehmen / ſondeꝛn in alleꝛhand Unordnun - gen / welche durch heylſame Artzneyen wiederum zu rechte gebracht werdẽ muͤſ - ſen / gerathen kan / alſo haben die Ver - ſtaͤndigen in der Buͤrgerlichen Wiſſen - ſchafft ein edeles Theil geſpuͤret / welches ſie durch und durch mit der Medicin ver - glichen / jedoch unteꝛ keinem andeꝛn Nah - men / als der Politic, da man doch offters gewahr worden / das eben dieſe ihre an ſich ſelbſt gute Maſſimen zu Erhaltung ihrer Leiber umgeſtoſſen werden muͤſſen / und wenn denen ſelben haͤtte nachgegan - gen werden ſollen / die Regimenter in Ge - fahr geſetzt / oder unverwindliche Jrꝛthuͤ - mer wehren begangen worden / um dieſer Urſachen halben der gantzen Politiſchen Weißheit einige Verkleinerung zuge - wachſen; Es iſt kein Zweiffel / daß nicht die Politic mit der Medicin Gemein - ſchafft oder Aehnligkeit habe; Ein Artztgie -giebet zu Erhaltung der Geſundheit / zu Vorbeugung einer Kranckheit zwar Artzneyen / damit es aber in gefaͤhrlichen unverhofften euſerſten Nothfaͤllen / all - wo ein Artzt am meiſten von noͤthen / nicht außgerichtet iſt / er muß anders auſ - ſer / anders in Gefahr / anders im An - fange / ands bey zunehmender Schwach - heit curiren / auch das jenige / was man ſonſten unterlaſſen wuͤrde / vor rathſam / in extremis, extrema remedia vor die Beſten befinden; Die Artzney-Erfahr - nen wiſſen / was vor unzehliche Zufaͤlle ihnen unter die Hand kommen / welche bald auff dieſe / bald auf andere Weiſe geheilet / in Buͤchern nicht genungſam koͤnnen verzeichnet werden / und die Staats-Gelehrten haben offters em - pfunden / was vor unvermuttete Begeb - nuͤſſe eine wolabgefaſte Regierung ver - ruͤcken koͤnnen / wie offters die gemeine Wolfart / welche ins gemein der Politic Zweck iſt / ſich entgegen zufoͤrderſt an die Spitze ſetzet / und zum jenigen machet / was ſonſten die Politic uͤber ſie ſein ſoll / wie vielmahlen die heilſamſten Mittelundund Anſchlaͤge wol zu regieren nicht an - ſchlagen / und was ſonſten una ingju - ſtitia Politica oder auſſer dieſer indivi - dual Zutragenheit eine Politiſche Unge - rechtigkeit / in die auſſeꝛleſtenſte Klugheit / in den gluͤckſeeligſten Außgang gediegen; Es iſt kein Buͤrgerlich Geſetz / keine Po - litiſche Maſſim, ſie ſey ſo witzig und be - wehrt / als ſie wolle / welche nicht bald da / bald dort / ſeine Abſetze erlidten; Fran - ciſcus Gvicciardinus geſtehet und erin - nert frey / bey ſeinem Hypomneſibus Politicis, daß ſie gantz General und in gewiſſen Faͤllen verkehret werden / dero - gleichen Zufaͤlle unbeſchreiblich / und aus dem Licht der Natur und behuͤlff der Er - fahrung zuerlernen / Quel medeſimo documento, ſagt der Feliciano Silve - ſtri nella Salvezza de Prencipi, che in alcune Circonſtanze può acquiſtar gloria e ſalvar la Vita, può in altre eſ - ſer cagione dell altrui eſterminio, e - ben diejenige Lehre / welche in etlichen Begebnuͤſſen Ehre gewinnen / und das Leben retten kan / kan in andern Urſache ſeyn / beyoer Verluſt; Dannenhero diejeni -jenigen / welche bey denen Vorgeſchrie - benen / in gemein vor bewehrt befundenen Regeln gar zuſtanohafft allzeit verhar - ꝛen wollen / ſich ſelbſt und dero Regimen - ter in unverwindlichen Schaden ſincken laſſen / hingegen dieſe auch der Sachen allzuviel gethan / welche das jenige / was aus dringender unvermeidlicher Reichs - Nothdurfft bißweilen wol und weißlich gethan und hingegangen / in eine Ordi - naire Regirungs-Forme gieſſen / und weil es einmal gluͤcklich abgelauffen / ſich derogleichen Extremitaͤten außer Noth bedienen wollen / unter welchem der Ra - tio Stat. dazu gebrauchten Nahmen viel Gewaltſamkeiten geuͤbet / viel ſchaͤdliche Jrꝛthuͤmer begangen worden. Der Menſchen Gemuͤtteꝛ ſind an ſich ſelbſt u - na maſſa di terra poroſa, ein Schwam - micht Erden-Kloß / welches mit geitzigem Munde / was ihm vorkommt / an ſich zie - het / ſie ſind allzuſehr angefeuchtet von den niedrigen Suͤmpffen des annoch in ſeiner Urſprungs-Staͤtte klebendẽ Coͤr - pers / daß ſie wenig uͤber ſich ſteigen koͤn - nen; Eben der Zunder verderbter Na -tur /tur / welcher in Geſtalt einer Schlangen ſich in dem Schoß ſterblicher Seelen herum ſchlinget / machet / daß ſie gleich der Schlangen auf der Erden einherkrichet / und ſich von irꝛdiſchen Fruͤchten ſaͤttiget; Eine ſo dem zeitlichen ergebene Seele kan ſeine Vernunfft nicht anwenden / wie ſie ſolte / ſie vertieffet ſich gar zu ſehr in Fleiſchlichen Dingen / derer Klugheit ſcheinbaꝛ / abeꝛ falſch iſt / ſie ergoͤtzet nicht / wo ſie nicht betruͤget / und jemehr ſie be - truͤget / deſto mehr ergoͤtzet ſie / und wenn ſie auffhoͤret zutruͤgen / hoͤret ſie auf zu ſeyn / ſie ſtehet auf der Spitzen des Ab - grundes / und weil ihr nicht allezeit der Betrug angehet / ſo ſtuͤrtzet ſie einmal. Jn alſo bewandten und nach der ſchoͤ - den Eitelkeit ſchmeckenden Gefaͤſſen ſchlagen die Tugendhaffteſten Ermah - nungen und die beſten Lehren um / in ei - nem verſtrauchten Boden muß der E - delſte Saamen erſticken / und zu Un - kraut werden: Die Biene und Spinne pflegen einerley Safft von einer Blume zu ſaugen / und dieſer Safft wird bey je - ner zum ſuͤſſeſten Honig / bey dieſer zumſchaͤd -ſchaͤdlichſten Gifft / bey den boͤſen iſt al - les boͤſe / die gantze Erudition iſt das koͤſtlichſte Kleinod in dieſer Sterbligkeit / ſie kroͤnet die Seele in dieſem Leben mit den Strahlen einer Vollkommenheit / ſie iſt das in der Vernunfft / was die Ver - nunfft bey einem Menſchen / ſie bringet die Vernunfft ſo weit / daß gleichwie die - ſe den Menſchen unterſcheidet von den unvernuͤnfftigen Thieren / alſo jene die Gelehrten von dem Poͤfel / wo ſie aber auff ein liederliches ruchloſes Hertze auf - faͤllet / was iſt ſie anders / als / wie der Florentiniſche Groß-Hertzog Coſmus Medices von derogleichen Leuten pflegte zuſagen / tropo buon Vino à ſi cattiva botte, ein gar zu guter Wein in einem ſo boͤſen Faſſe / una gemma in piombo, ein Edelgeſtein in Bley eingefaſt? Scri - bo audacter, ſchreibet der Ludovicos d Orleans, homine docto & iniquo ni - hil in terris eſſe nequius, nec injuſti - us. Die beſten und Lehrreichſten Schriff - ten haben die hitzigen Geiſter auffge - friſcht / und an ſtatt / daß ſie fromme Fuͤr - ſten aufferziehen ſollen / Centauren auß -Dgebruͤ -gebruͤttet. *Gaſpard de Saulx es memoires. Der Gaſpard deSaulx Ma - reſchal de Tavanes, deſſen Worte die vorhergehenden allbereit geweſen / gehet ſo weit / daß er beglaubet / die Uberſetzun - gen in die Muͤtterlichen Sprachen des Herodotus, Plutarchus, Appian nnd Livius haͤtten die innerlichen Kriege in Europa helffen aufblaſen / einer haͤtte wollen ſein ein Cæſar, oder Lycurgus, das Regiments-Weſen umzukehꝛen / ein ander Brutus, Timoleon, die Tyrannen auß dem Wege zu raͤumen / andere haͤt - ten wollen kuͤhner ſeyn / als Spartacus, Sertorius, und nicht dran gedacht / was das Chriſtenthum verbothen / die recht - maͤßige Regierung verhindert und ihre Unvermoͤgenheit nicht zugelaſſen hat.

Wann nun das angebohrne Erb - Ubel bey dem Menſchen ſich ſo maͤchtig außbreitet / daß es alles das jenige / was zu Wolfarth des Menſchlichen Ge - ſchlechtes erbaulich / anſtecket / was ſol - ten wir bey Unſerer Ratio Status gewar - ten / welche an ſich ſelbſt ſo zaͤrtlich / daß ſie mit behutſamen Haͤnden will gehan -deltdelt werden; Sie iſt eine Wolle / welche alle Faꝛben anziehet / Hat ein Gemuͤte ſich bereits denen herꝛſchenden Begierden eingeraͤumet / und ſeine Vernunfft ſelbi - ger Tyranney unterworffen / ſo iſt es kein Wunder / daß Ratio Status durch dero Ungeſtuͤm̃igkeit nicht ſolte in einen Zuſammenfluß aller Laſter abgeriſſen werden; Es ſey aber auch Ratio Status das allerfeinſte Gold / es falle auf eine von reinen Flammen angefeurte Seele / ſo loͤſen die Boßheit ſo viel auffſteigende Daͤmpffe der Einbildungen ab / welche von keiner Wiſſenſchafft auſſenbleiben / und nicht zulaſſen / die Weſenheit einer Sachen mit gleich klaren Augen zube - ſchauen. Das von dem irꝛdiſchen Leibe eingeſpannete Gemuͤtte iſt nicht wie ein heller / klarer / gleicher Spiegel / welcher die Strahlen der entgegen geſtelleten Dinge / wie ſie an ſich ſelbſt ſeyn / an - nimmt / ſondn zauberiſch / voller Geſpen - ſte / und betruͤglicher Geſichter / vor dero - gleichen d unvergleichliche Baconus de Verulamio bey dem Umkreiß aller Wiſ - ſenſchafften warnet: So einer / ſagt er /D ijinin einer finſtern unterirꝛdiſchen Hoͤlen von ſeiner Kindheit an biß an das Alter geſtecket / gehling hervorkaͤme / und dieſen Vorꝛath des Himmels und aller Dinge anſehen ſolte / ſo iſt kein Zweiffel / daß ih - me nicht viel ſeltzame und wunderliche Fantaſeyen vorkommen wuͤrden / wir le - ben zwar unter dem freyen Himmel / in - deſſen ſo werden doch die Gemuͤtter in - ner denen Gefaͤngnuͤſſen unſerer Leiber behalten / daß ſie unzehliche Bilder der Jrꝛthuͤmer und Falſchheiten an ſich neh - men muͤſſen / zumahlen ſie nur ſelten und auf kurtze Zeit außer ihrer Grufft gehen / und nicht in ſtaͤtswehrender Betrach - tung verbleiben / ſondeꝛn gleichſam uͤber - nachten. Wir wollen nach Hinlegung aller Miß-Verſtaͤndnuͤſſe Mißbraͤuche / und darauß entſtandener ungleicher Re - den / die ſo vielerley Geſichter der Ge - lehrten / welche ſie uͤber der Ratio Status, gehabt / vor Uns nehmen / und verſuchen / ob nach dero Zuſammenhaltung wir ei - nen Grund darinnen zu anckern finden koͤnnen / allwo dann nicht ohne Verwun - derung ſich wird zur Gnuͤge erlaͤutern /mitmit was vor unterſchiedenen Augen ſie von einem ſo / von einem anders wird an - geſehen worden ſeyn; Die Schwachheit des Geſichtes und Gemuͤttes laͤſſet nicht zu mit einerley Wuͤrckung in die ab - oder uͤber uns gelegene Dinge vorwitzig zu ſeyn / auch die nechſten Entgegenwuͤrffe kommen einem anders vor / als dem an - dern / Ulyſſes ſahe die Penelope viel an - ders an / als Eurymachus, Pythagoras ſahe die Sonne anders an / als Anaxa - goras, jener als einen Gott / dieſer als einen Stein / die Tugend ſelbſt hat nicht eben auf dieſe Weiſe Socrates, wie Epi - curus betrachtet / Socrates zwar als ein Liebhaber der Gluͤckſeeligkeit / Epicurus als ein Liebhaber der Wolluſt. Jedoch kan die Warheit eines Dinges nicht beſ - ſer hervorbracht werden / als durch Be - trachtung vielerley Meinungen: Der Glantz des Schaꝛlaches leuchtet niemah - len heller hervor / als wenn er neben viel Farben geleget / und von vielen Augen geurtheilet wird. Wann wiederwertige Dinge gegen einander geſtellet werden / kan man ſie deſto klaͤrer ſehen / die FedernD iijderder Schwanen ſind nicht weniger weiß um ihrer ſchwartzen Fuͤſſe willen / und die Venus weniger ſchoͤne um ihres ſchwar - tzen Fleckes halben. Edelgeſteine wer - den klaͤrer entdecket durch ihre Fehler / und die Gemaͤlder durch ihre Schatten; Die Warheit / wiewol ſie an ſich ſelbſt ſchoͤn / dennoch iſt ſie viel ſchoͤner / wenn ſie mit Jrꝛthuͤmern verglichen wird. Die unterhanden ſeyende Ratio Status ſoll bemuͤht ſeyn auß den finſtern Wolcken der Ungewißheit / mitten unter den unge - ſtuͤmen Wellen wiedriger Urtheile / als eine hell-leuchtende Venus hervorzubre - chen / inner der gelehrten Trennungẽ / wie eine anmuttige Irene einzutreten / ſie ſoll / wo ſie auch die Vorgebuͤrge guter Hoff - nung / daran ſo viele Schiffbruch erlit - ten / uͤberſtehen moͤchte / in den Hafen an - laͤnden / und das Land kuͤſſen / wo ſie ihre Laſt zu ferner Unterſuchung der gelehr - ten Welt niederlegen wird / im Fall ſie keine Vergnuͤgung geben wird / ſo wird ſie mit ſich ſelbſt und an ihrem auß den Canarien ſchoͤneſter Gemuͤtter gekoch - tem Zucker / welchen ſie zum wenigſten mit ſich fuͤhꝛet / vergnuͤget ſeyn.

DIS -

DISCURS II.

WAnn wir der jenigen / welche der Ratio Status nachſinnen / und davon etwas aufs Tapet legen wollẽ / Verſamlung eroͤffnen / laͤſ - ſet ſich unter denen erſten oder zum we - nigſten Bekandteſten antreffen der Gio: Antonio Palazzo, welcher zu Anfang dieſes Seculi einen Diſcorſo del Gover - no & della vera Ragion di Stato, von der Regirung und denen wahꝛen Stats - Rath / ins Licht gegeben / darinnen er a - ber bald Cap. 3. außdruͤcklich ſich erklaͤ - ret / che Governo e Ragion di Stato, & arte di Governare non differiſco - no eccetto in nome, das iſt / die Regi - rung / Ratio Status und die Regirungs - Kunſt waͤren von einander gantz nicht ohne bloß dem Nahmen nach unterſchie - den / und giebet zweyerley Beſchreibung auß zweyerley Bedeutung des WortsD iiijRa -Ratio, nach welcher erſteren Ragion di Stato è l intiera eſſenza delle coſe e i requiſiti di tutte l arti e de gli officii, che ſono nella Republica, Ratio Status iſt die gantze Weſenheit der Sachen / und Nothdurfft aller Kuͤnſte und Geſchaͤff - te / welche in dem gemeinen Weſen ſich befinden; Hier giebet er ein Exempel / es werde eine Stadt eingenommen / Vie - ne à ceſſare l integrita della ſua Eſſen - za, percio ſi deono e poſſono Uſare í debiti mezi per reintegrarli, e queſto uſo di mezi ſi eſſercita per Ragion di Stato. Nach dem andern Verſtande des Worts Ratio iſt Ragione di Stato una regola & arte, che inſegna & oſ - ſerva i debiti mezi per conſegvire la tranquillità e lo bene della Rep. fine principaliſſimo de prencipi e de i mi - niſtri, eine Regel und Kunſt / welche die gehoͤrige Mittel zu Erlangung des ge - meinen Beſtens / als welches der vor - nehmſte Zweck deꝛ Fuͤrſten und ihreꝛ Be - dienten iſt / lehret und beobachtet. Dieſes haͤlt der Palazzo vor die warhafftige Be - ſchreibung ſeineꝛ Rat. Stat. derer MaeſtroGottGott und die Natur der Regier-Kunſt erſte Gebtterin ſein ſoll / im uͤbrigen wird in allen 4. Theilen der Ratio Status kaum gedacht / ſondern nur Politiſcher und Moraliſcher materien / ſo nuꝛ auf ge - meine Art und Weiſe vorgebracht wer - den / biß zum 17. Cap. part. 4. Darinnen viererley Bedeutungen des Wortes Sta - to Meldung geſchiehet / als erſtlich be - deute es un Luogo limitato. 2. Domi - nio. 3. Una perpetua elettione di Vita, ò ſia celibe, ò ammogliata. 4. Pace ſeu quiete di Stato. Darauß werden vier - erley Beſchreibungen der Ratio Status geſtellet / wieder den Verſtand des Wor - tes und des Weſens; Welcher Lehr - Art / ungeachtet ſie keinen Beyfall ver - dienet / ſondern vielmehr von denen Ge - lehrteſten wiederſprochen worden / ſich dennoch nicht wenig vielleicht auch un - voꝛſetzlich theilhafftig gemacht / und aller - hand verwirrungen ein Anſehen beyge - fuͤget.

Der Gabriele Zinano Signor di Bellai hat della Ragione de gli Stati ein in 12. Buͤcher abgetheiltes Werck ver -D vferti -fertiget / und beſchreibet ſie alſo / Volen - do io affermare la Ragione, onde ſi go - vernano tutti gli Stati, dico, che ne - ceſſaria mente ſi dee affermare ch ella ſia Arte di Signoreggiare gli Stati à fine di conſervargli perloro commu - ne felicità. Wenn ich wil etwas ge - wiſſes von der Art / dadurch alle Reiche regiret werden / vorbringen / ſo muß ich nothwendig verſichern / daß ſie eine Kunſt ſey / die Unterthanen zu regiren und zu erhalten zu ihrer allgemeinen Gluͤckſeeli - keit / Er gehet weiter / und wil / daß Ratio Status ſchlechter Dinges eine Regi - rungs-Kunſt ſey / welche ſich an gewiſſe Regeln binden laſſe; Von dannen kom̃t er auff die Artificii, da Condurſi dello Stato alle grandezze, oder allerhand Meiſter - oder Kunſtſtuͤcke die Regimen - ter hoch zu bringen / als des Lyſanders, Capitolini, Perdiccæ, Cains, Nimrods, Romuli, Joſua Alexãders, Cæſars, Au - guſti, Antonii, der von Medices; Die - ſes iſt das erſte Buch / in dem andern werden die Fintioni, als Specie de gli artificii abgehandelt / welche Tugend -oderoder Laſterhafftig / darunter aber mehr liſtige / als zu der Ratio Status eigentlich gehoͤrige Thaͤtligkeiten erzehlet werden / wiewol nicht uͤmſtanden werden kan / daß gleichwie Ratio Status um alle Poli - tiſche Materien geſchaͤfftig / alſo auch hier eines und das andere unter geſtreu - et werde / welches in die Bottmaͤßigkeit der Ratio Status ſolle gezogen werden / derogleichen bey den Scribenten hin und wieder jedoch ohne Ordnung und Ge - wahrwerdung mit unterlauffen: Die - ſes iſt gewiß / das Zinano in ſeinen 12. Buͤchern unter dieſem Nahmen viel Zeuges zuſammen getragen / aber nicht den rechten Punct getroffen / dann we - der Ratio Status mit der Politic einer - ley noch jene in die erzehlten Artificii o - der Stats-Grieffe einzuſchrencken ſind / und das uͤbrige was nach Gelegenheit des Wortes Signo reggiare de gli ac - quiſti, de gli Stati, delle mutationi, della corruttione, conſervatione, eſta - bilimento, nichts anders verfuͤhret wird / als in der Politic ſich ziemet / zuge - ſchweigen / daß er nicht ein Wort mel -D vjdet /det / ob Ratio Status von der Politic un - terſchieden oder nicht / ſondern gar deut - lich beyde vor einerley außgiebet: Jndeſ - ſen ruͤhmet er ſelbſt / daß keiner weder Bodin, noch Lipſius von Stifftungen oder Erlangungen der Regimenter auß - fuͤhrlicher geſchrieben / als er / in welcher Bemuͤhung das groͤſte Theil zugebracht / Ratio Stat. hingegen bey derer Unterſu - chung meiſtens auſſer acht gelaſſen / und uͤberſehen wird.

Der Giovanni Botero faͤnget ſeyn in zehen Buͤchern beſtehendes Werck / della Ragion die Stato an / Stato è un dominio fermo ſopra popoli, e Ragio - ne di Stato è Notitia di mezi atti à fondare, conſervare & ampliare un dominio coſi fatto, der Staat iſt eine beſtaͤndige Herꝛſchafft uͤber Voͤlcker / und Ratio Status iſt eine Kundſchafft der Mittel / die geſchickt ſeyn / eine ſo ge - ſtalte Herrſchafft zu gruͤnden / zuerhal - ten und zu vermehren; Wie nun No - titia, wenn gruͤndlich von der Sache ſol - te geredet werden / gar anderer Beſchaf - fenheit iſt / und weder der Ratio Statusnochnoch Politic zukommen koͤndte / alſo iſt in dem gantzen Wercke nicht das geringſte Kennzeichen / dadurch Ratio Status von der Politic abgeſondert wuͤrde / zu ſpuͤ - ren / ſondern in allen zehen Buͤcheꝛn wer - den Regirungs-Lehren gegeben / eben wie in der Politic von Unterthanen / Ge - rechtigkeit / Freygebigkeit und andern Fuͤrſtlichen Tugenden / von Krieges - Sachen / wie ſich ein Fuͤrſt gegen ſeine Unterthanen / gegen Freund und Feind verhalten ſolle / ohne daß der Ratio Sta - tus faſt nicht einmal gedacht werde / und wollen viel beglauben / dieſes ſolle eben das jenige Buch ſeyn / darvon der Scharffſichtige Trajano Boccalini ſchreibet / daß es mit groͤſtem Frolocken von den vornehmſten Potentaten im Parnaſſo dem Apollini uͤberreichet / und darbey gebeten worden / ſelbiges als ein vortreffliches Werck in Jhrer Majeſtaͤt Bibliothecken zuſtellen. Apollo habe ſich verwundert / daß ſie ſelbſten anhielten / dieſes Buch zu publiciren / weilen ihme ſonſten wol bewuſt / wie denen Fuͤrſten die jenigen Buͤcher / ſo von Staats-Sa -D vijchenchen handelten / gewaltig zu wieder waͤ - ren / habe es aber denen Schatzmeiſtern uͤbergeben / welche nach fleißiger Durch - ſehung gewahr worden / das diß Buch an ſich ſelbſt nichts anders / als Politiſche Sachen ins gemein enthielte / und von der Ratio Status davon der Titul lau - tete / kein Wort gedacht werde / dieweil aber Ratio Status ein Stuͤck deꝛ Politic ſey / als habe ſie der Verfaſſer argliſti - ger Weiſe in die allgemeine Beſchrei - bung der Politic eingeſchoben / mit wel - cher vergoldeten und verfaͤlſchten Be - ſchreibung er andere Leute uͤberreden wollen / es ſey die Ratio Status etwas beſonders von der Politic, und den - noch in Warheit nichts anders / als die Politic, darauff Apollo befohlen / den Titul dieſes Buches wegzukratzen / und vor Ratio Status Politic hinzuſetzen.

Wilhelm Ferdinand ab Efferen in Manuali Politico de Ratione Status ſeu Idolo Principum bildet Rationem Sta - tus als eine Prudentiam gubernandi, & conſervandi Remp. eine Klugheit zu regiren / alſo daß bey ihm Politic und Ra -tiotio Status gantz einerley ſind / bald ma - chet er eine andere Ratio Status der Po - liticorum, welche ſein ſol ein geheimer Rath / allein den Koͤnigen und Staats - Leuten vorbehalten / damit ſie auff allen Fall alles ihr Thun vertheydigen und entſchuldigen koͤnnen / dieſe waͤre den Po - liticis, welche er vor Atheiſten verur - theilet / plus quam Deus, Regibus Ido - lum, Stultis Prudentia, Sapienti Vani - tates, horror omnibus: Er aber theilet ſeine Ratio Status in Veram & falſam, Vera Ratio Status quæ ſecundum De - um per honeſta licitaque media & ve - ras Virtutes Principem, ſubditos ad ultimum finem, ſalutem æternam, & temporalem proſperitatem prudenter dirigit: Falſa Ratio Status quæ negle - cto Deo fortunam adorat, conſerva - tionem Reip. ſupremam Legem con - ſtituit, & pro illâ omnia media juſta vel honeſta ex utilitate metitur. Von Anfang der Welt nach dem Suͤnden - Fall unſerer erſten Eltern habe Ratio Status bald ſeinen Urſprung / jene in A - bels Froͤmmigkeit / dieſe in Cains Boß -heitheit gehabt / und in dem gantzen Bucht handelt er von der Religion / Fuͤrſtliche Tugenden / Kirchen / Frieden und Krie - geszeiten; Bald wird ſie geſchnitten in Secularem & Eccleſiaſticam, bald in Apparentem & Latentem, und durch und duꝛch weiſet ſich auß / wie mißbꝛaͤuch - lich mit dem Nahmen umgegangen / und in was vor einen Jrꝛſal Ratio Status durch ſo vielfache Beſchreibungen und Eintheilungen geleitet worden / da doch die Falſche an ſich ſelbſt verdam̃lich / die wahre mit der Politic eines / und alſo beyde Ratio Status nicht ſein wuͤr - den.

Der Hollſteiniſche Cantzler Ditt - rich Reincking / ungeachtet er die Ratio Status entweder vor ein non Ens, oder ja vor nicht viel ſonderliches haͤlt / weilen / wie er ſaget / das Boͤſe und die Laſter nicht beſſer imprimiret werden koͤnnen / als wenn ſie mit herꝛlichen ſchoͤnen tugend - hafften Nahmen getaufft / beleget und bekleidet wuͤrden / und kein Ding ſo boͤß iſt / das auch nicht in guͤten Verſtande etwas darbey ſein koͤnne / machet einenUnter -Unteꝛſchied unteꝛ Recht uñ Unꝛecht / wer - de die Ratio Status begleitet durch Recht / Warheit und Gerechtigkeit / ſo ſey ſie nichts anders als eine vorſichtige / kluge und vernuͤnfftige Erweg - und Beobach - tung eines jeden Regenten Staats oder gemeinen Weſens / und wie daſſelbe durch Goͤttliche Huͤlffe / rechtmaͤßige bil - liche Mittel und Wege zu conſerviren und zu befoͤdern / auff beſſern ſicherern Fuͤß zuſtellẽ / und bey ſeiner Conſiſtentz / auffnehmen und Flor zu erhalten / dar - neben allen ſorglichen gefaͤhrlichen Zu - ſtaͤnden mit zeitigen vernuͤnfftigen Rath vorzubauen / und kuͤnfftige Gefahr zu avertiren und abzuwenden; Dieſe weh - re die recht untadelhaffte / ja ruͤhmens - wuͤrdige Ratio Stat. Die vermeinte und euſſerlich zwar fein apparirende / aber in ſich falſa & injuſta Ratio Status beſtehe in einer Begierde wie frembder Herr - ſchafft Land und Leute durch Betrug / Liſt / und Geſchwindigkeit auch unter vermeinten Schein / und Vorwand des boni publici oder gemeinen Beſtens auch wol gar der Religion, item ſimu -lirtenlirten Rechtens mit Gewalt und Tyran - ney occupiret und an ſich geriſſen wer - den moͤgen / ſetze Gott und ſeine Gebote / Treu und Glauben / Auffrichtigkeit und Redligkeit auff die Seite / und ſehe bloß auff das Gluͤcke und eigen Nutz; Dieſe wehre die Teuffliſche Ratio Status und fuͤhret auch ſolche ferner auß auff den Schlag und nach Anleitung des ab Ef - feren. Allein dieſe iſt eigentlich eine teuff - liſche Boßheit / und des Nahmens Ratio Status nicht wuͤrdig / oder wo ſie dieſes wehre / ſo wehre es billich / das ein Chriſt - liches Hertze darvor Abſcheu truͤge / und ihr wie dem Teufel abſagte; Jene aber ſo lange die differentz zwiſchen der Poli - tic und Ratio Status nicht klaͤrer entde - cket wird / wuͤrde mit der Politic eines ſeyn / da hingegen man ſo viel gewahr wird / das inner deꝛ Politic etwas befind - lich / welches etwas von der Politic be - ſonders unterſchiedens und dennoch Chriſtloͤblich gleich der Politic ſey.

Wilhelm Ignatius Schutz wil / daß Ratio Status nichts anders ſey / als Spe - cialis & Pacis & Belli tempore res ibicon -concreditas gubernandi, augendi conſervandique Prudentia: Allein Ra - tio Status iſt auch vor keine Special Po - litic zuerkennen: Ea enim Politica Spe - cialis dicenda eſt, nach der accurateſten Entſcheidung des Hochgelahrten Her - ren Boſens (in Introductione genera - li ad Notitiam Orbis) quæ generalia præcepta conſtituendæ gerendæque Reip. & ſingulas ſpecies Rerump. ex - plicat, & naturam earum atque arcana ſpecialia mutuaque diſcrimina per - tractat, ſicut dicimus Metaphyſieam Specialem, Phyſicam Specialem, Geo - graphiam Specialem, &c. Daß aber Ratio Status gantz anderer Natur ſey / wird ſich an ſich ſelbſten außweiſen.

Viel haben ihre Politiſche Lehren / Diſcurſe, Maſſimen mit dem Worte Ratio Status bekleidet: Des Valeriano Caſtiglione Statiſta Regnante (von welchem ſein Scribent vor eine ſonder - bare Ehre ruͤhmet / daß ernach ertheiltem Bericht des Marc-Antonio Moroſini, dem Bail zu Conſtantinopel dem Tuͤr - ckiſchen Kayſer zugeſchickt worden ſey /) beſte -beſtehet in lauter Ratio Status ſo doch nichts anders ſind / als allgemeine Poli - tiſche und Moraliſche Fuͤrſten-Unter - weiſungen / und ſich endigen in Panegy - riſchen Erhebungen Caroli Hertzogs von Savoyen / welchem er alle Qualit - ten eines loͤblichen Regenten zueignet / auf welche Art faſt*In Axiomatibus Status. Theodorus Spren - ger Rationes Status zuſammen getra - gen / welcher durch weniger und fleißiger Schreiben vielen ungleichen Urtheilen entgehen / und groͤſſere Ehre erlangen koͤnnen. Der Nuͤrnbergiſche Patricius Johannes Hieronymus im Hoff betit - telt ſeine Singularia, welche an ſich ſelbſt vor gelehrte und neuen Exempeln auß - gezierte Diſcurſe zu halten / mit der Ra - tio ſtatus. Es iſt auch kein Zweiffel / daß der Ratio ſtatus Wuͤrckungen nicht ſingular, maſſen ſie wieder oder auſſer die gemeine Politic ſein ſolten / quid? quod Ratio ſtatus ſingularem de ſe reddat Rationem; Damit ich eben des Herren Profeſſor Arnolds Worte dar - uͤber gebrauche; Allein in ſolchem Ver -ſtandeſtande ſind darinnen weder Singularia, noch Rationes Status, ſondern bloſſe Po - litiſche Erinnerungen / (wie daꝛauß ſelb - ſten zuerſehen) wo wir aber diß Wort brauchen wollen / als einen Nutzen / Richtſchnur unſerer Anſchlaͤge / den ge - genwaͤrtigen Zuſtand deſto beſſer zu be - obachten / damit die Wolfarth der Unter - thanen gluͤckſeelig befoͤdert werde / (wel - che Bedeutung Er unter vier angezoge - nen erwehlet) warum nennen wir die - ſes Ratio Status welches ein bloſſer rei - ner Politiſcher Lehrſatz iſt? Hingegen Ratio Status als etwas mehrers und ir - regulares in ſich haͤlt / wie dann eben ſo mißbraͤuchlich die Krieges-Betrachtun - gen Ratio Status geheiſſen werden / weiß nicht / wie gruͤndlich ſich hoͤren laͤſt Ratio Status Bellici, da doch Ratio Belli, und Ratio Status beyde gar anders genatu - ret ſind.

Des Glorwuͤrdigſten Hertzogen von Rohan Diſcurs de Ratione Status Principum & Statuum Orbis Chriſtia - ni, darinnen er die Zuneigungen / wie ein Reich gegen dem andern geſinnet / wasvorvor Reguln eines vor dem andern ſoll in acht nehmen / gehoͤret meiſtens zu der Special Politic, ungeachtet das Wort darinnen ſtaͤts und bißweilen recht ge - brauchet wird / ſo offte die Noth einen je - den zu ſeiner eigenen Ratio ſtatus getrie - ben / wie er ſelbſt redet / wann ſonſten die Bewandnuͤſſe und Grund-Reguln eines jeden Reiches / welches der Lucas de Lin - da auch pfleget / Ratio ſtatus genennet werden / ſo geſchiehet es nach Gewonheit der Frantzoſen / welchen mehrentheils Ratio ſtatus und Politic eines.

Der beruͤhmte Artzt zu Meyland Ludovicus Septalius behauptet zwar / daß Ratio ſtatus mit der Politic, ob ſie gleich ein Theil derſelbten abgebe / nicht einerley / ſondern unterſchieden ſey / wie er dann des Palazzo und deſſen Nach - folger Meinungen außdruͤcklichen ver - wirfft / bedeutet dennoch die Ratio Status alſo: Ratio Status eſt Habitus intel - lectus Practici, qui dicitur Prudentia vel Sagacitas, per quem homines poſt conſultationem deliberant de mediis modisq́ue, quibus introducere velcon -conſervare poſſint illam formam Do - minii, in quâ ſunt conſtituti, Eine Klugheit / dadurch auff Mittel gedacht wird / einzufuͤhren oder zuerhalten die Regiments-Geſtalt / derer man vorge - ſetzet iſt / Dieſe Beſchreibũg iſt der Politic ſo eigenthuͤmlich / als der Ratio Status, daß ich nicht weiß / ob er wieder Willen in ſolchen Jrꝛthum gefallen / oder auß Vorſatz die Welt bezaubern wollen / wenn er unter dieſem Nahmen nicht viel mehrers / als eine ſchlechte Politic abhan - delt; Es iſt gar gewiß / daß erwehnte Beſchreibung in der gelehrten Welt gar wenigen Beyfall verdienet / ſondern hin und wieder genungſam wiederleget wor - den.

Johann Wolffgang Textor ein Profeſſor zu Altdorff in einer Schrifft de verâ & genuinâ Ratione Stat. Ger - manici, nachdem er des Septalij Be - ſchreibung allerhand Maͤngel außgeſe - tzet / wil die Ratio ſtatus beſſer treffen / wenn er ſie bildet / daß ſie ſey / Sagacitas in intellectu Practico dirigendi media ad Salutem Reip. Das Objectum im -media -mediatum ſind varia Stratagemata, & maximæ pro re natâ ex arcanis Reip. emergentes, Dahero er gewiſſe Erinne - rungen giebet / welche das Reich ſolte be - obachten / ſich bey gewuͤnſchtem Wol - ſtandt zuerhalten / welches lauter Ratio Status ſeyn / indeſſen wird das rechte Kennzeichen der Ratio ſtatus wenig wahr genommen / die Ratio ſtatus mit der Politica ſpeciali, Jure Publico ver - menget / deren jede doch in gewiſſe Reine abgeſtekket werden ſolten / und die Be - ſchreibung an ſich ſelbſten nicht viel beſſeꝛ als des Septalij.

Ludovicus Zuccoli in einem kur - tzen / jedoch wolaußgearbeiteten Diſcurs della Ragione di ſtato, beſchreibet die Ratio ſtatus daß ſie ſey Prudentia, Ars, Facultas, welches er freyſtellet / circa media modosq́ue habiles ad introdu - cendam & augendam formam occu - pata. Eine Klugheit / ſo geſchaͤfftig iſt um Mittel und Wege ein Regiment ein - zufuͤhren oder zuerhalten. Darinnen ebenfalls kein Merckmal zufinden / wel - ches die politic und Ratio ſtatus abſon -dert /dert / dadoch Zuccoli ſelbſten weitlaͤuff - tig zuerweiſen bemuͤhet iſt / daß die Poli - tic und Ratio ſtatus nicht eines / ſondern von einander unterſchieden / ober gleich zuſtehet / daß Ratio ſtatus ein beſonders Theil der Politic ſey / ſo kan dennoch nicht eigentlich erkennet werden / worin - nen die erhebliche Ungleichheit beſtehen ſolle: Die Gelehrten haben ſonſten ge - ſpuͤret / das Septal mit des Zuccoli Kalbe gepfluͤget / und was Zuccoli in die Enge gezogen / Septal außgedehnet.

Johann Tobias Geisler in Mele - temate de Statu Politico ſecundum Præcepta Taciti formato, nachdem er des Wortes Status herkommen auß der Grichiſchen Sprache hervorgezogen / mancherley Bedeutungen auffgeſuchet / die jenigen / welche durch Statum, Domi - nium, Imperium, Remp. darunter die Jtaliener ſind: Jtem die jenigen / ſo for - mam oder auch adminiſtrationem Rei - publicæ verſtehen / abgewieſen hat / ſtel - let ſeinen Statum alſo auff / Status eſt qualitas perſonarum & rerum Civili - um, urgentibus cauſis Reip. â Magi -Eſtra -ſtratu certâ ratione ob ſalutem publi - cam accommodata. Dieſe Beſchrei - bung zerleget er in alle cauſas, von dan - nen er endlich kommt auf formam, und diß iſt Ratio Status welche ſchon dem A - riſtotel ſol bekant geweſen / die Lateini - ſchen Worte im Tacito gegruͤndet / und auß dieſen Ratio Status zuſammen ge - ſetzt worden ſeyn / beſchreibet demnach die Ratio Status daß ſie ſey Prudentia Remp. civiliter temperandi, und ma - chet die gantze Ratio Status zu einem Temperamento Reipublicæ, welches er aus dem Cicero und Tacitus erklaͤ - ret / inſonderheit anfuͤhrende Orat. pro Planc. non in pertinaciâ, ſed in quâ - dam moderatione poſita eſt Ratio Sta - tus, allein ob bey den alten Roͤmern die Ratio Status in eben dieſem Verſtande / wie heutiges Tages genommen worden / uͤberlaſſen wir denen jenigen / welche in dem Alter der Worte veralten wollen / vor eine vergebene Sorgfalt dißſeits er - achtende / der Ratio Status Jugend von des Evandri Mutter herzuholen; Son - ſten laͤſſet ſich anſehen / als wenn die Be -ſchrei -ſchreibung des Staats beſſer den Zweck treffen moͤge / als der Ratio Status wel - che zu enge / unklar / und durch das Tem - perament nicht gaͤntzlich erſchoͤpfft / viel - leicht wenn er in dieſer / wie in jener an die dringenden Urſachen gedacht / wuͤrde er ſich eher außgeholffen / und denen jeni - gen nicht ſo ſehr verwieſen haben / welche die Ratio Status vor ein Extraordina - rium Remedium gehalten / illi, ſagt er omnem Rempubl. extraordinario mo - do regendam ſtatuunt, abſurdum! Sie wollen alles auff eine ungemeine extra - ordinaire Weiſe regiret haben / dieſes iſt ungereimbt / allein die Erfahrenſten wiſ - ſen / und wird ferner eroͤrtert werden / wie offt die gemeine Landſtraſſe verlaſ - ſen / und gantz ungewoͤhnliche ungebaͤhn - te Unwege geſuchet werden muͤſſen / wie es unterweilen unmoͤglich oder hoͤchſtge - faͤhrlich / ordentlicher Weiſe eine Regie - rung fortzuſtellen / es folget aber nicht / wenn dieſes geſchiehet / das allenthalben allezeit auſſer ordentlicheꝛ Art und Wei - ſe muͤſſe regiret werden: Soll aber Ra - tio Status eben ſo ordinario modo, undE ijebeneben auff die Weiſe wie die Politic, Re - gierungs-Lehren vorſchreiben / ſo wer - den ſie beyde einerley / werden ſie einer - ley / als denn waͤre es unnoͤthig / daß man zweyerley Nahmen erfunden / auffge - nommen und behalten habe; Doch iſt nicht vorbey zugehen / daß die zwey noth - wendige Verurſacherinnen der Ratio Status ſehr wol in acht genommen wer - den / der Ort / Locum Rationem Status facere, neque Locorum omnium ean - dem eſſe rationem,) die Zeit / habeatur Temporis Ratio, auß dem Seneca, und was irgends auß dem Heydniſchen Al - ter koͤndte angezogen werden.

Der beruͤhmte Scipio Amiratus hat ſeinen Diſcorſi uͤber den Tacitus ei - nen einverleibet / welcher vor ein Buch geehret zu werden verdienet / nachdem er vorhero erklaͤret / was Ragion di Natu - ra, Ragion Civile, Ragion di gverra, e Ragion delle genti ſeyn / kom̃et er auff Ragion di Stato, welche ihme ſo viel als ein Staats-Recht heiſſen wuͤrde / jedoch ob er gleich mit ſtattlichen Exempeln ſei - ne Gedancken entdecket / und der RatioSta -Status unter die Augen gehet / als worin - nen er etwas Contraventio ſes / wieder - ſetziges / irregulares, oder Regelloſes ſpuͤ - ren laſſet / und zu verſtehen giebet / ſchei - net er in der Beſchreibung unbeſtaͤndig oder furchtſam zu ſeyn / wenn er bald auf dieſe / bald auff eine andere Weiſe ſelbte zu entwerffen bemuͤhet iſt / einmal iſt ſie nicht anders / che contraventione di Ragione ordinaria per riſpetto di pu - blico beneficio, overò per riſpetto di maggiore piu univerſal Ragione, Ein Gegenſatz des ordentlichen Rechts / in Anſehung des gemeinen beſtens / bald iſt ſie una coſa oppoſta al Privilegio che ſi come il Privilegio corregge la legge ordinaria in beneficio d alcuno, on - de ſi può dire il Privilegio eſſer trapaſ - ſamento di Ragion Civile in benefi - cio di particolari, coſi la Ragion di Stato corregge la Legge ordinaria in beneficio di molti, talche ſi potrebbe propriamente chiamare trapaſſamen - to di Legge ordinaria in Beneficio di molti; Ein Gegenſatz der Privilegien, bald auch eben dieſes / was ein Privilegi -E iijumum in Anſehung eines / ſey Ratio Status in Betrachtung der Gemeine / dahero gleich wie ein Privilegium einem zum be - ſten gegeben / und eine Ubertretung ge - meinen Rechtens genennet werde / alſo Ratio Status vielen zum beſten aͤndere das Recht / ſo daß man ſie nennen moͤge eine Ubertretung der Ordinar-Geſetze / wiederum iſt ſie un Privilegio del Prin - cipe cioè che posſa derogare alla Ra - gion Commune per riſpetto della di - feſa della ſua perſona, ein Fuͤrſten Pri - vilegium, vermoͤge deſſen er den gemei - nen Geſetzen zu Beſchuͤtzung ſeiner Per - ſon Abbꝛuch thun koͤnne / wiederum iſt ſie Cura rigvardante, en publico; Alle dieſe Beſchreibungen werden angefoch - ten von dem Bonaventura, Septalio und Scipione Claræmontio; Des Septalii iſt allbereit / des Bonaventura wird fer - ner Meldung geſchehen / und weiß nicht / ob des letzteren Scipionis, deſſen Ruff hoher Wiſſenſchafften weit gnung auß - gebreitet iſt / Philoſophiſche Spitzen des erſteren Scipionis auß Tacitus hohen Schule ausgeſchehlten erleſenem Kernevor -vorzuziehen ſey. Dieſer Claræmontius ſoll ein groß Werck von der Ratio Sta - tus geſchrieben haben / welches mir zwar nicht in die Haͤnde kommen / ſo viel ich a - ber auß ſeinem eigenem Tractat de con - jectandis cujusq́; moribus & latitan - tibus animi affectibus, und auß des Garmers Anmerckungen uͤber des zu - vorerwehnten Zuccoli Diſcurs abneh - men kan / ſo ſtehet er in den Gedancken / es koͤnne das jenige / was duꝛch diß Wort bezeichnet wird / nicht beſſer gegeben wer - den / als durch die Platoniſche Utilitatem Potentioris, welche er nennet Corru - ptam Regulam dominandi, quam nunc nedum Principes & Civiles ho - mines, ſed ſtratores usque tractant. Welcherley Meinung unſer Herꝛ Con - ring ergrieffen / wenn er durch Ratio Status nichts anders verſtehen wil / als Utilitatem Reipubl. in Lib. de Civil. Prudent. item Diſſertat. de Ratione Status. Welchem auch beygepflichtet Daniel Claſen de Relig. Politica Cap. X. Und neulichſt in Compend. Politic. peculiari Capit. Und viel andere / de -E iiijnennen Ratio Status nichts anders iſt als ein Intereſt, oder in Erweiterung eines Staats beſtehendes Auffnehmen / da man hingegen die Ratio Status lieber wolte außgerottet / als dadurch ſchlechter Dinges einen Nutzen oder Gewin ver - ſtanden haben / wiewol dißſeits die Wol - farth eines Staats niemaln der Ratio Status geraubet werden ſoll / ſondern ſelbte / als welche der Politic End-Urſa - che vor eine maͤchtige Bewegerin der Ra - tio Status gehalten wird / jedoch nicht daß ſie auff einen bloſſen Nutzen / ſon - dern Noth gegruͤndet ſey.

Gleich als ich uͤber der letzten Uber - ſehung der bereits zum Druck abgefer - tigten Abſchrifft begrieffen bin / kommet mir zuhanden des Herrn Jacobi Tho - maſij eines vornehmen Profeſſoris zu Leipzig / und beruͤhmten Gelehrten Exer - citat. Politica de Ratione Status ejus definitionem âScipione Amirato pro - poſitam expendens, worinnen er vor - nehmlich des Scipio Amiratus Beſchrei - bungen genauſt erweget / und die wieder ſelbte von dem Bonaventura, Zuccoliundund Septal angebrachte Argumente in Ordnung bringet / nach fleißiger Unter - ſuchung aber dahinauß gehet / daß bey dem Amiratus die Ratio Status nichts anders ſey / als Jus regnandi, Jus do - minandi, Jus imperandi, Jus imperati - vum, Lex regnativa, nachmaln weil das Wort Jus dunckel / und dadurch die Macht und das Geſetze bedeutet wuͤrde / ſchluͤſſet er endlichen / Amiratus habe in ſeinen Beſchreibungen nichts anders be - ſchrieben oder beſchreiben wollen / als die Macht der Regirenden / welche Ariſto - teles Majeſtatem, Grotius Facultatem Eminentem, andere Dominium Emi - nens nenneten: Man hat aber dißſeits bey des Amiratus Beſchreibungen et - was gar anders / daß er nehmlich inner der Ratio Status etwas irregulares ex - traordinaires und Gegneriſches wahr - zunehmen geſchienen / anmercken wol - len / im uͤbrigen iſt ſo wol ſeine / als ande - rer / ſo ſie vor ein Recht gehalten / Mei - nung nicht gebilliget / auch was den Ami - ratus ſolche vor ein Recht oder Gegen - recht zuhalten / veranlaſſet / erinnert wor -E vden;den; Koͤnnen aber nicht vorbey / um in vorſtehender Abhandlung einiger Ver - wirrung zubegegnẽ / bey eꝛwehnteꝛ Exer - citation anzumercken / daß 1. Die vor des Friderici Bonaventura Theſ. 7. an - gefuͤhrte Meinung wol ſchwerlich des Bonaventura ſey / deſſen Gedancken in dieſem meinem 2. Diſcurs entdecket und zuſammen gefaſſet worden / wie denn der Scipio Amiratus nicht Libr. 3. wie aus des Herrn Garmers angezogenen Orte erhellet / ſondern Libr. 1. von dem Bo - naventura wiederleget / in dem andern / dritten Buche aber von der Prudenz und dererſelben Eintheilung meines be - haltes bloß gehandelt wird / daß alſo was vielleicht dem Scipio Claremontius zu - ſtehen mag / dem Bonaventura beyge - meſſen / folgends dieſes Nahmen offters mag mißbrauchet oder verſetzet worden ſeyn / wiewol der Herꝛ Thomaſius dar - an nicht Urſache / ſondern des Herꝛn Garmers dunckele Worte / auß welchen ich ſelbſt nicht anders abnehmen kondte / als daß der in Latein verdolmetſchte Text des Bonaventura ſeyn muͤſſe. 2. Daß /geſetztgeſetzt Amiratus habe nichts anders als Majeſtatem beſchrieben / dennoch Ratio Status eigentlich mit der Majeſtaͤt nicht gantz eines / ſondern daß die Majeſtaͤt zum Subjecto gehoͤrig ſey / welches ſind Impe - rantes, penes quos eſt ſumma Poteſtas ſ. Majeſtas oder auch zum Objecto, welches iſt Resp. oder Imperium koͤnne gezogen wer - den / welches dißfals gleiche gilt. 3. Daß weder Majeſtas cum Facultate ſ. Domi - nio Eminenti eines / ſondern dieſes ein Jus Majeſtatis, weder die Ratio Status eines ſey cum Dominio Eminenti, dieſes iſt eine Gewalt uͤber die Unterthanen und dehro Guͤter / wenn es die gemeine Wolfart er - fordert / jene iſt eine Prudenz zu regiren / und haͤlt diß Dominium Eminens, als ein Jus Majeſtatis vor zu ihrem Subjecto gehoͤ - rig. 4. Meiner Meinung zn wider lauffe der Theſ. 25. auffgeworffene Unterſchied Rationis Status in ordinariam & ex - traordinariam, dann wir darvor gehal - ten / die Ratio Status ſey bloß Extraor - dinari, der buͤrgerlichen Geſetz und Regel los / deſſentwegen auch Amiratus, daß er ſie ungebunden gemacht / gelobet /E vjwie -wiederumb von Jhm abgeſetzet worden / daß Er die Ratio Status bloß an die buͤr - gerliche Geſetze binden wollen / wiewohl der Herr Thomaſius nicht zu verden - cken / ſo lange Er dem Amiratus impu - tiret / Er habe nur Majeſtatem oder Po - teſtatem Imperantium durch Ratio - nem Status zuverſtehen gegeben / und ſolchen Vorſaͤtzen nachhaͤnget / daß Er Rationem Status, hoc eſt, Poteſtatem theilet in Ordinariam & Extraordina - riam; diſſeits aber iſt man derer unvor - greifflichen Gedancken / daß præſuppo - ſito, und geſetzt / poteſtatem eſſe Ordi - nariam vel Extraordinariam, jener gleichſam als eines Subjecti, oder Sub - jecti oſſibus inhærentis qualitatis ſich bediene die Politic, dieſer die Ratio Sta - tus, beyde als eine Regirungs-Klugheit / und dahero hat Amiratus intention ſeyn moͤgen / nicht daß er die Ratio Sta - tus vor eine bloſſe Majeſtaͤt / ſondern vor etwas in der Regier-Klugheit ſich ereig - nendes Extraordinaires oder irregula - res außgeben wollen / ſich aber nicht gnugſam erklaͤren koͤnnen.

Ein

Ein bekandter Frantzoſe Laurenz Melliet, nachdem er den ſiebenden Dis - cors uͤber das ſechſte Buch des Tacitus aus des Ammiratus erſten Diſcurs des zwoͤlfſten Buches faſt von Wort zu Wort in Frantzoͤſiſche Sprache uͤberſe - tzet / und dennoch des Erfinders mit kei - nem Worte gedencket / / hat zu Ende ei - nen Diſcurs angehaͤnget / welchen er nen - net Curieux Examen des Raiſon d Eſtat de Guerre: Worinnen er verſte - het durch Ratio Status bald Prudentiam Civilem veram aut apparentem, bald beſchreibet er Raiſon d Eſtat en la fa - çon qu elle ſe prend communement. wie ſie ins gemein genommen werde / daß ſie ſey Une droite Regle, avec la - quelle toutes ſortes d affaires ſont gouvernees, ſelon que l utilite de ce - lui qui en le Maiſtre requiert, eine gra - de Richtſchnur / darnach man alles thun / wie es des Herren Nutzen erfordert richten ſolle: Endlich erwehlet er vor ſeine Ratio Status daß Sie ſey Une Pe - die ou doctrine, ou diſcipline prece - dante & naiſante partie des enſeigne -E 7mentsments d autruy, partie de la letture des Hiſtoires & Eſcrits Politiques, par - tie des Relationes, partie des ſens, ex - perience, des choſes del monde, par laquelle raiſon quelqun governe ſes affaires, ou de quique ce ſoit, ſelon que requiert l Utilite de celuy a qui elles competent & appartient, das iſt kuͤrtzltch / eine Lehre / wie und auff was Weiſe ein Fuͤrſt oder ein ander auch ſeinen eigenen Nutzenſuchen ſoll / darun - ter nicht Honig ſondern Galle und toͤdt - licher Molch verborgen lieget.

Arnoldus Clapmar giebet in dem IV. Buche de Arcan. Rerumpubl. das Am - miratus Dolmetſcher und Außleger ab / wenn er die Ratio Status auffuͤhret / daß ſie ſey Supremum Jus ſeu Privilegium bono publico introductum contra Jus commune ſeu ordinarium, ſed ta - men à Lege Divinâ non alienum: Er nennetſie Jus Dominationis, atque Jus veluti legitimæ Tyrannidis, Ein Recht befugter Tyranney / er will / daß ſie eben dieſes ſey / was bey Cicero iſt vis, Pote - ſtas, bey Curtio Jus Regni, bey den Ju -riſtenriſten Exceptiones Regiæ, bald Reſtri - ctiones, bald Jura exorbitantia, bald Diſpenſationes, Limitationes, Corre - ctiones. Dahero er ihre Gezelt von lauter denen Rechten zuwiderlauffenden Faͤllen erbauet.

Martinus Bœckel de Jure protect. Clientel. Part. 3. c. 7. wil die Ratio Sta - tus außdrucken per legitimam ac ju - ſtam Exceptationem à Regulâ, imò ſæpè ne Exceptionem quidem, ſed rationem, quæ ineſt regulæ, non ſecus atque ampliationes aliæque conclu - ſiones themati ſuo inſunt, cui ſubor - dinantur atq; deducuntur, oder durch rechtmaͤßige Abſaͤtze der Regul / welche die Regul ſelbſten in ſich begreiffen ſol - len.

Johann Jacob Speidel gehet noch weiter / ja gar zu weit / wenn er darvor haͤlt / daß Ratio Status in ſeinem rechten Verſtande ſey / Ratio ſ. medium con - ſervandi eam Reipubl. formam, quæ eſt in uſu, vel quam Princeps intendit, plerumque non reſpectum habens ad æquitatem, aut ad Civium particula -riumrium ſalutem, imò quandoque Reli - gionem ipſam negligens.

Und nicht weit von den jenigẽ / welche der Ratio Status eine Rechts-angreif - fende Schaͤrffe zueignen / ſcheinet der Herr von Felden zu ſeyn / wenn er die Ratio Status giebet durch Hypotheſin in formâ aliquâ Reipubl. vel introdu - cendæ, vel conſequendæ fundatam, reddentem licitum, quod fortaſſe aliàs & ſimpliciter loquendo tale non eſt. Allein wofern Ratio Status entweder ein Staats-Recht / oder Gegen - oder auch Nachſatz ſeyn ſolte / welcher in Be - trachtung der Erhaltung einer Regi - ments-Forme erlaubet machete welches an ſich ſelbſt und ſonſten nicht alſo waͤ - re / ſo wuͤrde ſelbige entweder denen na - tuͤrlichen Rechten gar zu ſicher entgegen geſetzt / oder denen buͤrgerlichen Rechten gar zu genau angebunden / folgends ſel - biger Gewichte nicht erhoben werden.

Ein Jtaliaͤniſcher Gelehrter Caſparo Bragaccia nel Ambaſciadore gedencket der Ratio Status mit nachfolgenden Worten; La vera Ragione di Stato èunauna facolta, la quale ſenza offendere Dio è lo ſua Santa Religione conſulta è determina il ben Commune della Rep. con derogatione etian dio della ragione privata, quando il bene Com - mune lo ricerca, imperoche quando, concorron inſieme l utile publico & privato ſi preferiſce ſempre per Ragi - on Civile e Canonico, oder eine Kraft / welche ohne Beleidigung Gottes und ſei - ner Lehre das gemeine beſte berathſchla - get und beſchlieſſet / auch mit Hintanſe - tzung der Privat-Nothdurfft / wenn die gemeine Wolfart ſolches erfordert / wei - len nach Welt - und Geiſtlichen Rechten in Zuſammentretung gemeinen und ei - genen Nutzens jene vorgezogen wird. all. L. 65. act. D. pro Socio. §. 5. L. Lu - cius II. D. de Eviction. L. 3. C. Primip. Canon. Scias. Cauſ. 7. quæſt. 1. Er ma - chet zu dem Unterliegenden eine Gemei - ne / zum Zweck das gemeine beſte / zu Handlangerinn alle gute Kuͤnſte / zu dem Ampte berathſchlagen und neue Geſetze machen / oder die alten verneuren / wenn es die gemeine Wolfart erfordert / er ſa -getget nachdencklich / daß es ſchwer ſey / der Ratio Status Reguln und Geſetze vorzu - ſchreiben / weilen nach dem Plato queſta è una facolta, la quale non ſi da à gli huomini politici, ſalvo che per Divi - no favore.

Bey dem Bonifaccio Vannozzi Ra - gion di Stato è Un certo Privilegio che lo Scettro concede à Principi, de - rogando alcuna fiata & per neceſſita à qualche Legge Civile per uſcir dall ordinario con alcuna attione al pri - vato ancorche non molto utile, uti - liſſima pero al publico bene, il quale tutto nel petto di eſſo Principe ſi re - ſtringe, non luogo ove per lei ne rimange offeſa la Ragion Naturale & Divina: Oder eine gewiſſe Freyheit / welche der Scepter dem Fuͤrſten erthei - let / bißweilen und aus Noth von eini - gen Buͤrgerlichen Geſetzen / und ordi - nairen oder gewoͤhnlichen wegen in ei - ne und andere Vorfallenheit abzuſchrei - ten. Ob zwar nicht dem Privato, ſon - dern gemeinem Weſen ſehr nuͤtzlich / welche ſich gantz in des Fuͤrſten Hertzeein -einzwengt / aber nicht ſtatt findet / ſo bald die Natuͤrliche und Goͤttliche Rechte be - leydiget werden. Ein ander haͤlt davor / ch ella ſi veſte di certi riſpetti, co qua - li i Principi tenuto conto ti cio che lo - ro torna più utile non chiamano ne ſuoi Conſigli la giuſtitia ò l Equita ò non le attribuiſcono quelle parte, che ſe le deve, daß ſie ſich bekleide / mit ge - wiſſen Anſehen / vermoͤge derer Fuͤrſten / bey Betrachtung deſſen / was zu ihrem Beſten dienet / in ihren Rathſchlaͤgen nicht nach Gerechtigkeit oder Billigkeit fragen / oder geben ihnen nicht den Platz / ſo ihnen gebuͤhret / dieſes waͤre zu weit gegangen: Der jenige / welcher gemel - dete Außlegung erzehlet / bricht vor Un - gedult herauß / Jo Raccolgo quante Diffinitioni e deſcrittioni trovo fatte di queſta benedetta Ragion di Stato accio ſi veggia in qual conſideratione ella ſia appreſſo de gl intendenti, e di coloro, che ſono Politici Chriſtiana - mente / oder ich leſe ſo viel Beſchreibun - gen / als ich immer finden kan / zuſam - men von dieſer geſegneten Ratio Statusda -damit man doch ſehe / in was vor Wuͤr - de ſie bey verſtaͤndigen Chriſtlichen Poli - ticis ſey.

Federico Bonaventura, des Fran - ciſci Mariæ Hertzoges von Urbin vor - nehmſter Rath / in den Buͤchern della Ragione di Stato & della Prudenza Po - litica, haͤtte vor allen den Vorzug gar wol verdinet / wenn man einiger Ord - nung haͤtte nach gehen wollen; Septa - lius hat ihme nicht genuͤge gethan / und an deſſen ſtatt / was er verworffen / Spreu hingeleget. Bonaventura ſchwinget ſich in die Staats-Heimligkei - ten mit ſo lebhaffter Krafft / daß / wenn er das Gewichte der Ariſtoteliſchen Philoſophie ſich nicht haͤtte zuruͤck hal - ten laſſen / er gluͤckſeliger / als der jeni - ge / welcher ihn hierinne vor ungluͤckſe - lich geſcholten / durch alle Hoͤhen zu der Weſenheit der Ratio Status durchge - drungen waͤre. Jn dem erſten Buche machet er ſich uͤber unterſchiedene Be - ſchreibungen / als des Boteri, welcher wir ſchon gedacht / derer jenigen / welche die Ratio Status in vera & apparenteabthei -abtheilen / ſo er wol widerleget / und da - bey erinnert / daß Ratio Status nicht auf privat-Perſonen auszuſpannen / ſon - dern der Fuͤrſten Eigenthum ſey: Letz - lich derer jenigen / welchen er doch Zeug - nuͤß giebet / daß er mit beſſerem Grunde von der Ratio Status geſchrieben / wenn ſie ſelbe abgebildet / per contraventio - ne di Ragion ordinaria per riſpetto maggiore & piu univerſal Ragion, dieſe iſt des Scipio Amiratus, welcher an ſeinem Orte geruͤhmet wird / daß er zu erſte das weiſſe der Ratio Status etlicher maſſen erblicket: Es kommet dem Bo - naventura etwas zu herbe vor / daß Ra - tio Status ſolle wider die Geſetze ſeyn / ſie waͤre nicht zu wider denen Geſetzen / ſon - dern legte ſie aus / ſo offte es von noͤten waͤre / uud erweitert ſie. Onde, ſagt er / non ſi pùo dire che ſia contraria alla legge & Ragion ordinaria ſo - pra di eſſa, da doch an ſich ſelbſten unge - wiß / welches haͤrter / Ratio Status ſey wider oder uͤber die Geſetze des Bona - ventura ſopra, oder des Amirato Tra - paſſamento. Jm 2. Buche Cap. 2. ſindinſon -inſonderheit denckwuͤrdig die ſechs Lehr - Saͤtze / welche von ihm aufgemeꝛcket werden / daß ſie ins gemein der Ratio Status beſtaͤn - dig / als wahre Kennzeichen / zugeeignet wuͤr - den.

  • 1. Wuͤrde dadurch verſtanden un mo - do & arte di governare i popoli naſco - ſta, non ordinaria, eine Art und Weiſe zu regiren ſo unbekant / ungemein / unordentlich / allein groſſen Leuten von lebhafftem Geiſt / vieler Klugheit und Erfahrung zukommen - de / Auß dieſem als einem Vorſatze were ent - ſproſſen
  • 2. Daß Ratio Status nicht ſchlechter Dinges eine Politic bedeute / beyde nicht ei - nes / ſondern von einander gantz unterſchie - den ſey;
  • 3. Daß Ratio Status umgehe mit lau - ter particular Begebnuͤſſen / welche unzeh - lich und taͤglich einem Fuͤrſten zuſtoſſen koͤn - nen.
  • 4. Daß Ratio Status nicht beſtehe in jeder particular Action oder Application einer Politiſchen Regul / denn alſo wuͤrden beyde von einander nichts unterſchieden ſeyn.
5. Daß
  • 5. Daß Ratio Status in wichtigſten Regirungs-Angelegenheiten / darinnen die Hoheit eines Fuͤrſten und Erhaltung ſeines Staats beruhet / ſich bemuͤht erzeige / als wel - che geringe / gemeine und niedrige Dinge verſchmaͤhet: Auß allen dieſen wehre
  • 6. Dieſer Schluß hervorkommen / daß weilen Ratio Stat. in wichtigſten zu Hand - habung Fuͤrſtlicher Wuͤrde und gemeinen Beſtens nothwendigen faſt unvermeidli - chen Entſchliſſungen geſchaͤfftig / darzu aber nicht durch ordentliche Wege gelangen koͤn - ne / Sie in caſi tanto importanti als Ge - ſetzloß uͤber den gemeinen gewoͤhnlichen Re - girungs-Lauff dem Fuͤrſten eine beſondere Macht mittheile / Krafft derer ihme ſo gar zugelaſſen / non ſtare alle obligationi & promeſſe fatte con gli altri Principi, da - hero viele ſie biß in die Sterne erhoben und genennet Una Virtu eccellentiſſima & ſo - pra humana, eine uͤbermenſchliche Tugend / Jhrer viel geſchmaͤhet / daß weil dadurch der Fuͤrſten Nutz mit Zunahtretung aller Ehr und Redligkeit zuweit um ſich gefreſſen / ſie genennet / Diſtruggitrice dell honeſta, die Verterberin aller Erbarkeit / uͤbrigens wirdvielviel Muͤhe an die Prudenz und dero Ein - theilungen gewendet / daß der Ratio Sta - tus wenig gedacht wird biß ins 4. Buch / darinnen er Cap. XI. dieſe Beſchreibung zuſammenfaſſet / che la Ragion di Stato è Buona Conſultatione intorno à maggiori beni del governo Politico non obligata ad altra ragione, und Cap. 29. kommet er dahin / La Legge di natura altero non eſſere che Ragion di ſtato e quella in queſta transfor - marſi, das natuͤrliche Geſetze ſey nichts anders / als eine Ratio Status, und jenes wuͤrde in dieſes verwandelt / vielleicht dem Ariſtotel zu gefallen / als welchem er in dieſer Arbeit ſich gar zu ſehr erge - ben / er machet damit die Ratio Status ſo ſouverain, daß ich nicht weiß / ob es nicht eben ſo unverantwortlich ſey / ſelb - te uͤber oder wider die Geſetze zu ſetzen / er ſchreibet ihr zu / als wenn ſie nichts boͤſes werden koͤnne: Ein Depoſitum wieder zugeben / ſagt er cap. 94. iſt der natuͤrli - chen Schuldigkeit / nichts minder ſo der jenige / welcher es wieder begehret / wil gebrauchen / zu Schaden des gemeinenWeſens /Weſens / thut man nicht allein kein Un - recht / ſo man es nicht wiedergiebt / ſon - dern es iſt hoͤchſt unrecht / ſolches wieder - geben; Und auß dieſem Grunde koͤnne man ſagen / daß viel Fuͤrſten moſſi da vera Ragion di Stato habbino manca - to delle promeſſe & alle conventioni fatte concioſiache elle ritornavano oſſervate in ruina della Republ. &c. Und in einem andern Orte / non le - cite le coſe che non ſono lecite per lor natura come ſi crede da molti, quelle che non ſono lecite dimoſtra & inſegna da più alti principii eſſere veramente lecite per più alta e vera Ragione: Das iſt / Ratio Status ma - chet nicht erlaubet das jenige / was an ſich ſelbſt nicht erlaubet iſt / wie viel dar - vor halten / ſondern weiſet / daß das je - nige / welches nicht erlaubet / auß hoͤ - herm Urſprunge warhafftig erlaubet ſey / wegen einer viel hoͤhern Urſache. Allein wir laſſen die Ratio Status ſeyn / Natu - ra & anima univerſale del mondo Po - litico, die durchgehende Seele der Po - litiſchen Welt / die Regola Lesbia, Te -Fſauroſauro de Prencipi, wie ſelbte Bonaven - tura benahmet / ſo bleibet dennoch ge - faͤhrlich entweder aus dem natuͤrlichen Geſetze eine Ratio Status zu machen / o - der die Goͤttliche Geſetze einem irrdiſchen Staat und deſſen Regirungs-weiſe zu unterwerffen / oder etwas daruͤber zuer - heben / zumahlen unnoͤthig / die Ratio Status alſo auffzufuͤhren / als wenn ſie blos denen Goͤttlichen und natuͤrlichen Geſetzen eingreiffen ſolte / indeſſen ſind obig angefuͤhrte 6. Lehr-Saͤtze unver - werfflich und wol zu mercken / daß Ra - tio Status allein die Erhaltung des ge - meinen Ruhſtandes und loͤblicher Har - moni eines Reiches ſich laſſe angelegen feyn / hingegen nicht allein eingekerkert werde / daß ſie von allen buͤrgerlichen Satzungen und Politiſchen Regeln nicht einen Abſprung thun ſolle / non obliga - ta ad altera Ragione, an keine auch die bewerteſten Raiſon oder Vernunffts - Grund gebunden / ſie ſey ſo wercklich / ſeltzam / und Extraordinair als ſie wol - le / che di Stato, als daß es der Zuſtand des Reiches alſo erheiſche / dieſes iſt kuͤrtz -lichſtlichſt der Auszug und Jnhalt gerichten Werckes und Gemuͤthes des Bonaven - tura, (anreichende die Ratio Status) von welchem der beruͤhmte Buͤcher Richter Gabriel Naudæus urtheilet / daß ſo we - nig ihrer waͤren / quibus robur & æs triplex circa pectus eſſet, daß ſie etwas taugliches de Reip. adminiſtratione Extraordinaria in den Tag gegeben / ungeachtet ihrer Unterſchiedne verſu - chet / er keinen loben koͤnne als den Bo - naventura. Neminem profecto lau - dare poſſum, ſind des Naudæi eigene merckwuͤrdige Worte / qui de hac ad - miniſtratione quicquam rationibus Philoſophicis innixum Politicisque Regnorum ac Principum exemplis il - luſtratum ſcriptis conſignarit præter Bonaventuram qui nusquam exhau - ſtus tot ingentium voluminum de O - ctimeſtri partu, de Ventis Compoſi - tione Politicam etiam aut verius pu - blicæ Adminiſtrationis Rationem ty - pis edendam curavit, in qua ut nihil dicam de maximo ejus acumine & ſin - gulari rerum Cognitione, quibus in -F ijchoa -choatæ Scriptionis dignitatem mirifi - ſuſtinuit, certè validiſſimis rationi - bus oſtendere conatus eſt, Rationem illam Extraordinariam publicæ admi - niſtrationis (alſo nennet Naudæus die Ratio Status) non aliter definiri poſſe ac debere, quàm Conſilium Optimum de rebus ad majorem Reip. utilitatem ſpectantibus absque alterius Rationis conſideratione, welche definitam auch hernacher des Bonaventura Enkel Ju - lius Veterenus wider den Septalium und Titus Cornæus, geſchuͤtzet und be - hauptet haben ſollen; Der ſchoͤne Fels / woraus die anmuthigſten Stroͤme der Fuͤrſten-Lehren hervorgefloſſen / Toma - ſo Roccabella vergiſſet in ſeinem Pren - cipe Prattico der Ratio Status nicht / ſondern bemuͤhet ſich auff allerhand Art ſelbte zu entdecken / ſie iſt ihm una mas - ſa di coſe che concorrono à conſerva - re & aggrandir l imperio, ein Klum - pen der Dinge / welche zu Erhaltung und Vergroͤſſerung eines Reiches zu - ſammen treffen / Quello Spirito di Ri - putatione e di commodo per cui vi -vamen -vamente lo Stato à Grandezze mag - giori & i Popoli alla felicità Civile ſi conducono: Der Geiſt der Reputa - tion und des Nutzens / dadurch der Staat zu groͤſſerer Hoheit / das Volck zu beſſer Gluͤckſeligkeit gebracht wird / Quel Punto indiviſibile nel quale è ri - poſta la vita, la ſalute ele fortune del imperio, der untheilhafftige Punct / dar - innen das Leben / Heil und Gluͤcke eines Regiments beſtehet / una Regola di Go - verno conforme alla rettitudine, alle leggi à Dio, non calpeſtando i precet - ti della Natura il Jus delle Genti i Pri - vileggi de popoli, l utile delte ſteſſi, eine Regiments-Regul / gleichfoͤrmig der Richtigkeit / den Geſetzen / Gott / nicht zu Boden tretende die Geboth der Na - tur / das Voͤlcker-Recht / eines Landes Freyheiten und derer Auffnehmen.

Unter allen derogleichen Redner - Blumen ſcheinet keine die ratio ſtatus anzugehen / als wenn ſie der untheilhaff - tige Punct / darinnen das Leben / die Wolfart eines Regiments bewendet / ge - nennet wird / warhafftig ſie iſt ein Punct /F iijwelcherwelcher nicht in auswertige Theile zer - ſchnitten werden kan / der Punct / nach welchem der gantze Circul der Politic muß gezogen werden.

Girolamo Fracchetta nel Semina - rio del Governo, in welches lauter zu der ratio ſtatus gehoͤrige Axiomata ge - ſaͤet werden / ſo doch nur Politiſch auff - gehen / nicht anders / als etwann des Gvicciardini, Sanſovini ſeyn / ma - chet aus der Ratio Status eine boßhaffte falſche / ſcheinbare Klugheit in folgendem Schluſſe: Ein Fuͤrſt ſiehet entweder auffden Nutzen allen / oder verknuͤpffet mit der Tugend / wo er den Nutzen al - lein ſuchet mit Vernunfft / gutem Ra - the / durch darzu dienliche Mittel / wird die Kunſt ratio status genennet / è ſi po - trà dir falſa Prudenza ò ombra ò ima - gine di Prudenza, eine falſche oder Schatten oder Scheinbare Klugheit / wo das Gewiſſen darbey waͤre / waͤre es die rechte Staats-Klugheit / jene waͤ - re nicht mit der Tugend vereiniget / dieſe aber wol. Ein Jtaliaͤniſcher Juriſt Marius Giurba, welcher / wie er ſelb -ſtenſten von ſich zeuget / von einem vorneh - men Fuͤrſten umb die Ratio Status was ſie ſey Raths befraget worden / nachdem er das Staats-Recht entweder von der Gerechtigkeit entfernet / dadurch ein Reich mit Liſt vermehret werde / oder auf den Wurtzeln der Gerechtigkeit auffge - lehnet vorgeſetzt / eben gleichwie die Fuͤl - le der Macht zweyerley / eine in bloſſer Thaͤttligkeit beſtehende / und dieſe von der Gerechtigkeit entfrembdet / die an - der / welche auff der Vernunfft gegruͤn - det iſt / faͤllet dem Fracchetta gantz bey / welcher / wie gemeldet / die Staats - Weißheit von der Ratio Status bloß in deme unterſcheidet / als ob jene zum Zwe - cke die Tugend / dieſe ſchlechter Dinges den Nutzen vorgeſetzet habe / jene waͤre die weſentliche buͤrgerliche Klugheit / die - ſe / nehmlich Ratio Status ſcheinbar / ſehe weder auff Gott noch auff Recht / ſon - dern allein auff den Nutzen des jenigen / welcher ſich ſelbter bedienet / hindange - ſetzt aller anderer Geſetze / wie die Fuͤr - ſten und ihre Raͤthe ihr Vortheil am be - ſten zubefoͤrdern gedaͤchten / ſie ſey widerF ivallesalles Recht / weil ſie keinem Rechte nach - gehe / ſondern allein nach dem beſten / oder dem Zweck der Erhaltung eines Staats trachtete / der Poͤfel nenne ſie Ratio Status, nicht daß ſie recht oder ver - nuͤnfftig ſey / ſondern weil es offt geſchie - het / daß die Laſteꝛ mit den Tugenden an - geſtrichen wuͤrden / ſie waͤre eine Unge - rechtigkeit / Tyranney / ꝛc. Allein gleich wie leichte zu geſtanden wird / daß / wie hernach der Giurba weitlaͤufftig verfuͤh - ret / aus dem Ribadeneira Libr. 1. del Princ. Chriſt. adverſ. Machiav. Ra - mirez de Leg. Reg. §. 10. die Ratio Status keines weges von den Goͤttlichen Geſetze abweichen ſolle / derogleichen Ratio Sta - tus widerſtrebe dem Ende / zu welchem Koͤnige und Koͤnigreiche eingeſetzet ſeyn / daß ſie in Friede regieren / und die Rei - che in Gerechtigkeit erhalten / ſo groß un - recht wird der ratio ſtatus angethan / wenn ſie beruͤchtiget werden will / daß ſie wider Gott ihr Haupt empor hebe / daß ſie wider die Goͤttlichen Geſetze / die Ver - nunfft / nnd beſtialiſcher Weiſe / nach ihrem ſuͤndlichen Antrieb ergreiffen ſolle /waswas ihr ſchlechter dinges nuͤtzlich vor - kommet / eine ſolche Ratio Status wuͤr - de freylich ſchuldig ſeyn aller Laͤſterun - gen / welche auff ſelbte jemahlen aus - geſchuͤttet werden. Johann Fridrich Lange in einem neulichſt herausgegebe - nen Buche de Statu Principis, nach - dem er das vierdte Caput angefangen / nomen vel mirabile vel horrendum ratio ſtatus, mirabile, quod ardua & difficilia Principum negotia dirigat, horrendum, quod Simulacrum Prin - cipum omnibus ſubditis inviſum au - diat, machet die ratio ſtatus zweyerley / und betrachtet ſie entweder / wie ſie von den Fuͤrſten practiciret werde / quâ ma - lis artibus munitâ ac ſtabilitâ tan - quam infallibili ductrice omne illici - tum pro licito, omne inhoneſtum pro honeſto effectum eunt Principes; dieſe ſey caput & cauda totius Scenæ Aulicæ; die aus dem Tacitus gezogne A - xiomata waͤren pro veris Rationis Sta - tus regulis zu halten / oder er betrachtet ſie / was ſie warhafftig ſey / und dieſe be - ſchreibet er aus des Septalii Wercke del -F vlala Ragione di Stato; Allein zu geſchwei - gen / daß man allen heutigen Fuͤrſten - Hoͤfen unrecht thue / wenn man ſie alle durch und durch vor Werckſtaͤtte / dar - innen nichts als lauter boͤß - und laſter - haffte Rationes ſtatus ausgeuͤbt wuͤr - den / anſehen wolte / ſo kan ja der Miß - brauch dem warhafften Weſen eines Dinges nicht ſchaden / oder im gering - ſten ſelbiges afficiren; die warhaffte a - ber aus dem Septalio angefuͤhrte Ratio Status wuͤrde / wie hin und wider gnug - ſam erinnert wird / nicht anders ſeyn als eine gemeine Politic.

*nel polit, Chriſt. Virgilio Malvezzi machet zweyer - ley Ratio Status und nachdem er zwey - erley Circumferenzen eine Gotte / die ander dem Lucifer geſtellet / einen ſolchen Beſchluß / Come ſi damno due circon - ferenze coſi ſi danno due Raggioni di Stato una di Dio & una del Diavolo, quella di Dio è accoſtarſi di lui per eſ - ſer grande, quella del Diavolo è d al - lontanarſi de Dio, per farſi grande. Gleich wie es zweyerley Circumferen -zenzen giebet / alſo zweyerley Ratio Status eine Gottes / die ander des Teuffels / jene Gottes beſtehet in ſich ihme zu naͤhren und groß zu ſeyn / dieſe des Teuffels / in von Gott abwendig zu ſeyn / und ſich gꝛoß zu machen.

Eine ſo zwey ſpaltige Eintheilung / ſie ſey ſo tieff und auß der innerſten Cabala hervorgeſucht / wie ſie wolle / erkennet unſere Ratio Stat. durch auß nicht / ſie iſt einig / die jenige / welche Gott ergeben / welche Tugendhafft / welche Chriſtlich iſt / wiedrigen Falls iſt ſie nicht / was ſie ſein ſoll / ſie leitet nicht dahin durch krum - me Linien / wo ein ſchrecklicher Gewiſ - ſens-Hund bellet / ſie ſchmecket niemalen von den truͤben Hoͤllen-Waſſern / ſon - dern ſchoͤpffet auß den klaren Bruͤnnlin Jſraelis.

Jene ſchoͤne Jndianerin hatte ſich mit lauter Gifft genaͤhret / dadurch ſie die jenigen / welche ihr geniſſen wolten / mit - ten in der Brunſt ermordete / die recht - ſchaffene Ratio Status iſt nicht mit ſo toͤdtlicher Boßheit ſo betruͤglich angeſte - cket / ſie locket nicht der groſſen Unter -F viganggang zu ihrer Vermaͤhlung / ſondern verwahret ſelbige mit einem kraͤfftigen Wiedergifft / ſie fliehet die Einoͤden / wo Drachen und Baſiliſchken wohnen / und ſchlaͤget ihr Gezelt auf in denen Erlauch - teſten Fuͤrſten-Buͤhnen / ſie erfordert zu ihrer Bleibe ein reines Candia, welches auch kein gifftig Ungeziefer vertragen kan. Oder weil ſie ja etwas Weltliches iſt / und auſſer der Welt nicht ſein kan / ſo muß ſie es machen / wie jene Lanuvini - ſche Jungfer / welche einen Drachen ge - ſpeiſet / und ſo lange ſie keuſch / ſo lange unverſehret geblieben / wiedrigen Falles ſie des Todes geweſen / alſo muß die rechtſchaffene Ratio Status, wenn ſie mit der im argen liegenden Welt / dem viel - koͤpffichten Thiere / umgehen / wenn ſie zu derer beſten dienen ſol / eine von allen Miſſethaten unbefleckte reine Jungfer verbleiben / anders ſie / wo ſie nach den Luͤſten eines Fleiſchlich geſinneten Her - tzens in Unrecht / Suͤnd und Laſtern Hu - rerey treiben wil / ein unfehlbarer Biſſen des rothen Drachen werden muß / und hoͤret auf zuſeyn / was ſie iſt / wie ſie dannalſo -alſobald mit ihrer Keuſchheit ihre Seele auffgiebet / hingegen ſchaͤtzet ſie ſich gluͤck - ſelig und vor ihre groͤſte Freude / wenn ſie mit der Lavinia Roverea eineꝛ Princeſſe von Urbin, welche vielleicht eben dahin zielende einen Drachen zum Sinnen - Bilde gefuͤhret mit der Uberſchrifft / Ad Lacrymas, es dahin bringen kan / daß die durch den Drachen abgebildete Teuffel / Welt und dero Kinder zum Verdruß / Betruͤbnuͤßund Thraͤnen bewogen wer - den moͤchten / welches alsdenn geſchiehet / wann der wahren Gottesfurcht in unab - laͤſſigem Eyffer nachgeſetzet / ein reines Gewiſſen behalten / und ein Chriſtloͤbli - ches Leben vollfuͤhret wird.

DISCURS III.

JN dem vorhergehenden Diſcurs haͤtte noch etlicher anderer ſollen gedacht werden / welche ſo wol beyfaͤllig / als beſonders an dieſe Materie Hand geleget / weilen man aber derenF vijzumzum theil nicht habhafft werden koͤn - nen / und auch die Maſſe unſers Vorſa - tzes uͤberſchritten wuͤrde / als wollen wir vor dieſes mal um deſto fuͤglicher aller - hand hierzu dienliche Dinge aneinander zureigen / vergnuͤget ſeyn / mit des Jtalie - niſchen Abtes des Antonio Mirandola beruͤhmtem Wercke della Ragione di Stato del Preſidente della Giudea, da - rinnen / nachdem er die Ratio Status in buona & cattiva parte, che ſe il Prencipe adoprera la Vera Prudenza e l giuſto artificio in procurar il publico e privato bene de ſudditi acquiſtando e conſer - vando Stato, ella ſacrà buona, e ſe vor - raffervirſi de arte ſcaltra e malitioſa per intereſſe ſuo, overo del publico, ſarà cat - tiva, Jn gut und boͤſe getheilet hat / daß nemlich ſo ein Fuͤrſt zu Befoͤderung des gemeinen und jeglichen beſtens der Un - terthanen ſich der wahren Klugheit und rechten Anſtalt befleißiget / erwerbende und erhaltende einen Staat / were ſie gut / und ſo er ſich boßhaffter und liſtiger Rancke Seines oder des gemeinen We - ſen beſten wegen bediente / wuͤrde ſie boͤſeſeynſeyn / er hernach durch und durch auß - wuͤrcken wil / che la cattiva uſaia da Pila - to e da gli Hebrei, e la buona e ſapien - tiſſima da Chriſto e da Dio quanto regno Spirituale, das nehmlichen in dem aller - heiligſten Leiden und Sterben JESU CHRJSTJ die boͤſe Ratio Status von Pilato und den Juden / die gute von Chri - ſto und Gott wehre practiciret worden / welcherley Gedancken mit ſo groſſem Ruhm empfangen worden / daß dieſes Buches Cenſores nicht gewuſt ſolches gnungſam herauß zuſtreichen / und wir unrecht thaͤten / weilen es mit unſerm Vorhaben dem Nahmen nach genau - bereintrifft / ſolches zuuͤbergehen; Eineꝛ welcher es cenſiren ſollen / bricht in dieſe Worte herauß / hujus Abbatis ſapienti - am & eloquentiam ſibi ſemper viſam eſſe admiratione dignam, in hoc tamen Eru - ditiſſimo Libro ſeipſum excedere ſibi vi - deri, plusquam enim humanam Sapien - tiam ex fontibus Salvatoris hauſiſſe con - ſpici und weiter darunter / Doctrinam hujus libri non in terris didiciſſe ſed penè è Cælo delapſam percepiſſe vide -ri. ri. Ein Jeſuit Marius Bettinus ge - braucht ſich einer uͤbermaͤßigen Lobſpre - chung / quis neget diſertiſſimum Eru - ditiſſimi hujusce Scriptoris calamum tàm copioſè Politicas fraudes in Chri - ſti nece vulgantem ac damnantem, particulam eſſe Calami olim in Chriſti patientis manu arundinei? Quis ne - get, admirandum hujusce Mirandulæ calamum pro atramento Chriſti cruo - re imbutum? Verè de hoc vere doctis - ſi mo pronunciares, ô Pilate, Ecce Ho - mo, qui ſcilicet divina de Deo-Homi - ne, pro hominibus patiente ac mori - ente perſcripſit! Ecce Homo, &c. Dieſem beruͤhmten Prælaten ſol der Faͤ - higkeit ſeines groſſen Gemuͤttes / dem Ruhm hoher Gelehrigkeit / und dem bey ſeinem Vorhaben angewendetem Fleiſſe nichts außgeſetzet oder benommen wer - den / weiß aber nicht / wie ein ſo herꝛlich und Goͤttliches Geheimnuͤß / welches mit demuͤttigen Glaubens - und Verwunde - rungs-Augen nur angeſehen werden muß / mit einem ſo irꝛdiſchen / neulich er - fundenen / Politiſchen / und ſchon in Miß -brauchbrauch geꝛathenem Woꝛte bekleidet wer - den moͤge / wie ich dann ſehe / daß auch an - dere unter denen Sinnreichſten in dem Geiſtlichen Reiche des HErꝛen Chriſti gar zu weit gehen / Selbiges allzuſicher dem Jrꝛdiſchen nach dem Eigenduͤnckel ihrer Vernunfft anbinden und einflech - ten wollen / werden gleich Ratio Status und Politic offtermals als einerley ver - menget / ſo ſcheinet dennoch auch nicht thulich genugſam auß dem allerheiligſten Erloͤſungs-Wercke eine Politic zuer - zwingen / an welche Unſer Hochverdien - ter Heyland niemalen gedacht / und daß ſein Reich nicht von dieſer Welt waͤre / außdruͤcklich ſich erklaͤret / wo nicht eben dieſe Verantwortung allhiero ſtatt fin - den moͤchte / ſo ein gelehrter und frommer Spaniſcher Lehrer ſol von ſich gegeben haben / als er zu Rede geſetzt worden / per che haveva fatto Diſcorſi in Romanza ſotto i ſette Salmi di Davide, warum er auß den 7. Buß-Pſalmen Davids ei - ne Romande oder Liebes-Getichte ge - macht? und darauf geantwortet / haver - lo fatte à fine d ajutar anch eſſo à le -varvar di mano alle Donzelle, vedove, & Monache, le Diane, e gli Amadigi, Er haͤtte es zu dem ende gethan / damit er auch behuͤlfflich were / die Jungfern / Wittiben und Nonnen von den Dianen und Amadis abzuhalten / vielleicht koͤnte Mirandola gute Gedancken gehabt ha - ben von Machiavelliſchen Schrifſten in die Paſſion, und darinnen eine Chriſtliche Politic zuweiſen; Laſſe auch an ſeinem Orte / daß Pilatus allerhand Stuͤcklein della cattiva Ragion di Stato moͤge außgeuͤbet haben / und den HErꝛen Chri - ſtum bloß zu ſeiner Erhaltung und Be - ruhigung des Auffruͤhriſchen Volckes creutzigen laſſen muͤſſen. Dieſes ſolte frommen Andaͤchtigen Seelen ſeltzam vorkommen / wenn vom 30. gſten Cap. an wil verfuͤhret werden / das Unſers Hey - landes Todes Wuͤrck - und End-Ur - ſache eine Ratio Status geweſen ſeyn ſol - le; Gott habe ſeinen einigen Sohn auß einer Ratio Status den Tod des Creutzes leyden laſſen / und ſich folgender maſſen unter andern verlauten laͤſt / Gleich wie ein Fuͤrſt nicht allein vor den einigenZweckZweck haben ſol der Unterthanen Wol - farth und Gluͤckſeligkeit / wie Ferdinand Koͤnig zu Neapel redete / ſondern auch verbunden iſt zu ihrer Beſchuͤtzung ſeyn und ſeiner Kinder Leben hinzugeben / Co - me fece Mario, che per giovare il po - polo Romano ſacrificò la figlia à i De - monii volendo acquiſtare Vittoria contra Cimbri; Coſi Iddio per mo - ſtrarſi generoſo, mandò il giuſto Fi - glio à ſoſtenere la morte della. Croce per la ſalute del popolo ſuo; Das iſt / wie es Marius gemacht / welcher dem Roͤmiſchen Volck zu heiſſen / damit er wieder die Cimber ſiegen moͤchte / ſeine Tochter den Teuffeln aufgeopffert: Al - ſo Gott ſich großmuͤttig zu erweiſen / ſen - dete ſeinen Sohn in den Tod des Creu - tzes vor ſeines Volckes Heil / und eben deſſentwegen habe Er ſeinem lieben Soh - ne ein bruͤnſtiges Verlangen eingefloͤſſet / ſolche Helden-That vor das Menſchli - che Geſchlechte zubegehen / dannenher Er geſaget / Pſal. 39. Sihe ich komme / im Bu - che iſt von Mir geſchrieben / deinen Wil - len mein Gott thu ich gerne / ꝛc. SolcheRa -Ratio Status habe Paulus beruͤhret / weñ er geſprochen / welcher ſeines einigen Sohnes nicht verſchonet / ſondern fuͤr Uns alle dahin gegeben / welchem falls Er alle die jenigen uͤbertroffen / welche ihre Kinder in den Tod gegeben. Und Chri - ſtus ſelbſt waͤre Urſache ſeines Todes geweſen / wegen der groſſen Liebe gegen Uns / weilen Er ſolches verhindern koͤn - nen / und doch nicht gethan / ꝛc. A Ra - gione di Stato hat Chriſtus den Teuffel uͤberwunden / die Altvaͤter auß dem Lim - bo erloͤſet / per Ragion di Stato ihm ei - ne Kirche geſtifftet / als eine unuͤberwind - liche Feſtung / welche ein Fuͤrſt in erober - ten Lande der Feinde ſich pfleget auffzu - richten: Unſer liebſter Heyland hat per Ratio Status gecreutziget ſein wollen / ei - nem tapfferem Helden waͤre ruͤhmlich / wenn er den Feind mit ſeinen eigenen Waffen erlegte / alſo uͤberwinde er den auff dem Holtz / welcher auff dem Holtze uͤberwunden haͤtte / Er ſtirbet am Creu - tze / damit der Er die vier Theil der Welt zu ſich ziehe / dannenhero Er ſelbſt geſa - get / und ich / wenn ich erhoͤhet werde / wilichich alles zu Mir ziehen / Parole di Ragio - ne di Stato, dann weñ der Satan durch den Tod erleget worden / wuͤrde er ver - bleiben Prencipe del mondo. Er mei - net / wenn Chriſtus auff der Erden waͤ - re an das Creutze gehefftet / koͤndte es ge - ſchehen ſeyn per Ragion di Stato, weil er den Beſitz der Erden / darunter die Vaͤter ſeine alte Freunde gefangen la - gen / und darauff ſeine aͤrgſte Feinde leb - ten / eingenommen habe / ſo er in der Lufft waͤre angehefftet worden / koͤndte es gleichfalls Ratio Status ſeyn / weil der Teuffel / den er uͤberwinden ſollen / in der Lufft herꝛſchet / So Er mit 4. Naͤgeln waͤre angeſchlagen worden / koͤnne man es zu der Ratio Status bringen / weilen Er 4. Feinde gehabt / das Fleiſch / die Welt / den Teuffel / die Juden / welche Er mit 4. Naͤgeln ſo feſte verſchlagen wollen laſſen / daß ſie nicht koͤndten wie - derſtreben / ſo mit 3. Naͤgeln muß es Ra - tio Status ſeyn / weil die dritte Zahl die vollkommenſte / und die 3. Naͤgel bedeute - ten die Feſte der ewigen Seeligkeit / wel - che beſtehe in dem Anſchauen des Goͤtt -lichenlichen Weſens aller dreyer Perſonen / Vater / Sohn und Heiligen Geiſt ge - mein / daß Er unter 2. Schaͤchern gecreu - tziget geweſen / ſollen Ratio Status gewe - ſen ſeyn / darbey anfuͤhꝛende den Marino, welcheꝛ das Creutz einem Triumph-Wa - gen vergleichet in dieſen Worten;

Su queſto Carro e non con altra
Corte
che di due Ladri il noſtro Re tra -
fitto
trionfò dell abisſo e della morte.
Auff dieſem Wagen / mit nicht anderm
Hofgeleite /
Als zweyen Moͤrdern / ſiegt der durch -
gebohrte Fuͤrſt
Ob Hoͤll und Tod / fuͤhrt ſie zum Tri -
umpf und Beute.

Wer ſiehet nicht / daß der Ratio Status gar zu ſicher gemißbrauchet / und gar zu weit außgebreitet werde? Geſetzt / Ratio Status ſey die Edelſte Qualitaͤt eines Fuͤrſten / alle tugendhaffte Lehren einer loͤblichen Regirung ſeyn Ratio Status wie laͤſſet ſich aber unſer holdſeeligſterJeſusJeſus in dem Stande ſeiner tieffſten Er - niedrigung ſo genau in allem Thun durch und durch einem weltlichen Fuͤrſten verglei - chen / wenn Er ſelbſt von ſich zeuget / daß ſein Reich nicht von dieſer Welt ſey? wie koͤnnen ſo Politiſche Gedancken in einem ſo hohen Wercke / welches ein gantz anders Abſehen hat / gefaſſet / oder kan auch ein Wort / ſo blos weltlich iſt / Geheimnuͤſſen davor die Engel ſich entſetzen / zugeeignet / o - der ſo wichtige Dinge auff die Spitze einer gebrechlichen Vernunfft geſetzet werden? Man ſehe nur / wie aus dem ſieben im Stam̃ des Creutzes geſprochenen Worten ſo muͤh - ſam lauter Ratio Status auffgeſuchet wer - den. Wenn Chriſtus vor ſeine Feinde bit - tet / leget ſolches Mirandola vor eine Ra - tio Status auß / im 38. Cap. ſagende: Gleich - wie Pilatus und die Juden zu ihrem beſten auff die Ratio Status bedacht ſeyn / alſo iſts nicht unbillich / daß Chriſtus auff eine hoͤ - here Art und Weiſe ſich deſſen bediene / ſei - nen Staat zu vergroͤſſern: Wenn ein Fuͤrſt einen loͤblichen Nachklang erhalten wolle / ſo macht er bey den Unterthanen als ſeinen Kindern ſich beliebet / wie in des Germa -nicinici Soͤhnen zu ſehen / alſo laſſe Chri - ſtus den Nahmen eines guͤtigen friedlie - benden ſo bey den Juden als Jüngern / wenn Er auch vor ſeine Feinde bittet. Jn dem 39. Cap. verheiſſet und giebet Chri - ſtus dem Schaͤcher das Paradiß per ve - ra e buona Ragione di Stato, gleich wie / ſagt Mirandola, Chriſtus dem Sa - tan zu trotze wolte unter zweyen Moͤr - dern ſterben / coſi anco per la medeſi - ma Ragione venne à togliere il ladro dalle mani del Diavolo e lo poſe nel numero de beati, eben alſo wolte Er den Moͤrder auß des Teuffels Haͤnden reiſſen / und in die Zahl der Außerwehlten verſetzen. Es iſt mit Verwunderung zu vernehmen / (damit wir nur das merck - wuͤrdigſte heraußziehen) daß ein boͤſer Menſch auff einer ſchmaͤligen Stiegen zum Galgen / ſo Jhm zu einer Jacobs - Leiter worden / zu der ewigen Seeligkeit hinauff ſpringet / daß / welcher die gantze Zeit ſeines Lebens ein Ubelthaͤter und ſchrecklicher Gotteslaͤſterer geweſen / itzo zu einem Saͤnger Goͤttlichen Lobes in der him̃liſchen Hoffſtadt erkohren wor -den.den. Quanto è differente la Ragion di Stato del mondo da quella di Dio nel accreſcere di gente del imperio; Imperoche Romolo per aggrandire il Dominio di Roma, fece la ſua città a - ſilo di huomini malvagi à quali erà permeſſo vivere vita licenzioſa e ſiſa il tratto di cinque-cento vinti ſette donne Sabine, Chriſto per ampli - are il regno ſuo, per moltiplicare cit - tadini del paradiſo, pigliava publica - ni, meretrici, Ladri, e ſimili e d in - giuſti li faceva giuſti, cui poſcia dava la cittadinanza del paradiſo. Welch ein Unterſcheid iſt unter der Ratio Status der Welt und Gottes. Jn Bevoͤlcke - rung der Reiche? damit Romulus der Stadt Rom Gebitte vergroͤſſerte / mach - te er ſie zu einer Freyſtaͤtte alles loſen lie - derlichen Geſindes / welches ein uͤppiges eigenluͤſtiges Leben treiben moͤchte / und der Raub der fuͤnffhundert ſiebenzwan - tzig Sabiniſchen Jungfern iſt bekand / Chriſtus aber umb ſein Reich zuerwei - tern / die Himmels-Buͤrger zu vermeh - ren / nahm Zoͤllner / Huren / Straſſen -Graͤu -raͤuber und dergleichen an / und machte ſie auß ungerecht / recht / denen Er her - nach die Buͤrgerſchafft des himmliſchen Paradieſes ertheilete. Jm 40. Cap. Wenn unſer liebreichſter Heyland ſeine Mutter dem Johanni beſiehlet / ſoll er es per Ragion di ſtato gethan haben. Gleich wie / ſagt Mirandola, nachdem Er ſich umb deſſen Urſache bekuͤmmert / bey der Hochzeit zu Cana in Galilea / als Er wolte ein Goͤttlich Wunderwerck verrichten / und ſich als wahren Gott er - weiſen / Seine Mutter nicht Mutter / ſondern Weib nennete / alſo da Er als ein Koͤnig ſterben ſolte / redete Er zum Schaͤcher / als Koͤnig / und gab ihm ſein Geiſtlich Koͤnigreich / die Mutter nenne - te Er Weib / als von welcher Er nicht das Reich hatte / und alſo à Ragione di Stato per monſtrare che non moriva il huomo vile, ma Prencipe e queſto à fine d acquiſtare i ſudditi fedeli, che lo vedevano morire con decoro e ma eſtà, zu erweiſen / daß Er nicht ſtuͤrbe / wie ein geringer Menſch / ſondern ein Fuͤrſt / und dieſes zu dem Ende / damitErer getreue Unterthanẽ an ſich bringen moͤch - te / wenn ſie Jhn mit Ehr und Maj eſtaͤt ſterben ſehen. Jm 41. Cap. ruffet drr lieb - ſte Heyland per vera e buona Ragione di Stato, daß Jhn Gott verlaſſen / woruͤ - ber nachdem vielerley Außlegungen der Al - ten Kirchenlehrer eingebꝛacht worden / war - umb Chriſtus die Worte geſprochen / auß deren jeden eine Ratio Status gebildet wird / nach des Bernhardi Meinung / daß Chri - ſtus klagte / Er waͤre von Gott verlaſſen / weil Er Jhn nicht wolte von Tode erretten / oder einig Wunder thun / ſol ſolches aus einer Ratio Status geſchehen ſeyn / die bruͤnſtige Liebe zu erweiſen / welche Gott gegen die Menſchen getragen / vor die Er ſeinen eini - gen Sohn gegeben in den Tod des Creutzes; Wenn des Theophylacti Gedancken / als ob unſer Heyland durch ſich habe das Juͤ - diſche Volck præſentiren wollen / gleichſam ſagende / ô Vater / warumb haſtu diß Juͤ - diſche Volck verlaſſen wollen / daß ſie eine ſolche Miſſethat zu ihren Verderben bege - hen / angefuͤhret werden / ſo ſpricht Miran - dola, wenn dieſes wahr / fuͤhreten die Worte Chriſti eine Ratio Status nach ſich / wei -G ijlenlein ein Fuͤrſt umb Gewogenheit zuer - langen / ſich bißweilen als einer von dem Poͤfel ſtellet: Alexander Magnus haͤt - te ſich deßwegen alla Perſiana auff gut Perſiſch gekleidet / und als zu Felde ihm in Durſt-Zeit ein wenig Waſſers ge - langet worden / habe er es nicht haben wollen / anzuzeigen / daß er von den an - dern gemeinern Krieges-Leuten nichts beſonders ſeyn wolte / alſo haͤtte Chriſtus unter der Perſon des Juͤdiſchen Vol - ckes zu ſeinem Vater diß erbaͤrmliche Wehklagen ergehen laſſen / daß GOtt ſich ihrer erbarmen / und ſeine Peiniger ſeines Verdienſtes theilhafftig machen wolte. Jn dem 42. Cap. ſoll des HEr - ren Chriſti Sitio eine Ratio Status ab - geben / Chriſtus / ſagt Mirandola, war in dem Reiche dieſer Welt / welches doch Seine war / ſo uͤbel gehalten / dieſes al - les aber habe Er gethan à Ragione di Stato, damit wenn der Menſch die Truͤb - ſeeligkeiten / welche allen ohn Unterſcheid wiederfahren / ſehe / Er nach dem ewi - gen Reiche deſto begieriger waͤre / in die - ſer Welt wuͤrde uns gereichet ein mitGallenGallen vermiſcht betruͤglicher Kelch / und wo er auch an ſuͤſſeſten / ſo waͤre der Geſchmack vergaͤnglich / dorte wuͤrden wir mit Freuden / als mit einem Strom getraͤncket / der Durſt waͤre eine von den groͤſten Martern / ſo der HErr Chriſtus gelitten haͤtte / geweſen / weil Er ſich al - lein uͤber dieſe beklaget / alſo der Durſt / welchen Er haͤtte gehabt / unſerer See - len einen Durſt nach der Seeligkeit zu erwecken / quaͤle Jhn / und machte Jhn begierig uns zum Trincken einzuladen / e coſi habbiamo la Ragione di Stato.

Die Worte / es iſt vollbracht / ſollen geſprochen ſeyn per Ragion di Stato, umb daß ſich Chriſtus einen warhaffti - gen Fuͤrſten / welchem der Menſch die - nen ſolte / erweiſe / der Macedoniſche ſche Koͤnig Philippus waͤre von Demo - ſthene geſcholten worden / daß er nicht hielte / was er zugeſaget / und ein ſocher Fuͤrſt wuͤrde deſſentwegen unausblei - blichen geſtrafft / daß ſeine Macht nicht beſtehen koͤnte / Nun Chriſtus per farſi conoſcere Re Giuridico, damit Er ſich zu erkennen gebe als einen rechten Ge -G iijrechtenrechten Koͤnig / welcher was Er bey ei - nem Eydſchwur / daß Er nemlichen das Juͤdiſche Volck erloͤſen wolte / verſpro - chen hatte / hielte / wiederholete anitzo / daß Er ſeine Zuſage erfuͤllet habe / indem Er geſprochen / es iſt vollbracht.

Wann der wehrteſte Heyland im Stamm des Creutzes ruffet / ſo iſt auch il grido à Ragione di Stato, weil ein Fuͤrſt denen Unteꝛthanen Liebes-Zeichen erweiſen ſol / welches er nicht thun wuͤr - de / wenn er ſie nicht liebte / und wuͤrde ſie nicht lieben / ſo er ſie nicht wol regierte / wuͤrde ſie auch nicht wol regiren / wenn er nicht ſein Wolgefallen daran haͤtte. Jm uͤbrigen ſo viel Geiſtreiche Gedan - cken der alten Kirchen-Lehrer angezogen werden / ſo viel Ratio Status werden ge - zeiget / welche anzufuͤhren verdruͤßlich fallen moͤchte / uͤber die Worte / Vater in deine Haͤnde befehl ich meinen Geiſt / ſa - get Mirandola furono queſte parole dette perſapientiſſima Ragione di Sta - to, denn weilen die Juden Chriſtum / da - mit ſie ihn moͤchten bey dem Volcke auff das alleraͤrgſte vergaͤllen und verhaſtmachen /machen / als einen Gotteslaͤſterer ange - klaget hatten / ſo wendet ſich Chriſtus ihre Boßheit zubeſchaͤmen / und ſeine Glaͤubigen im Glauben zu ſtaͤrcken / zum Vater / und befiehlet ihme ſeinen Geiſt / dadurch Er ſeine mit dem Vater haben - de Vertraͤuligkeit kund und offenbar machte. Letzlich muͤſſen die bey des HEr - ꝛen Chriſti Verſcheidung vorgegangene Wunderzeichen per Ragion di Stato geſchehen ſeyn / Gleichwie einem Fuͤrſten jederzeit ſoll angelegen ſeyn / ſeine Repu - tation in acht zunehmen / alſo waͤre nicht Wunder / ſe Chriſto nella gran bata - glia della ſua Paſſione mantiene ſem - pre la Riputatione ne geſti nelle pa - role & ultimamente con prodigi ter - ribili, wann Chriſtus in der groſſen Schlacht ſeines Leidens allezeit die Re - putation in Geberden / Worten und endlich mit ſchrecklichen Wundern er - hielte. Daß der Vorhang im Tempel zerriſſen / es ſey der außwendige oder in - wendige / oder beyde geweſen / daß die Er - de erbebet / daß ſich Graͤber eroͤffnet / und Todten herfuͤrgegangen / hat alles eineG jvRatioRatio Status in ſich; perloche evvi la Ragione di Stato, che eſſendo Chriſto morto quel Re, che haveva Regno Spirituale, biſogna che vi entraſſe con la ſua corte, & i cortigiani foſſero veduti per grandezza del Prencipe, Siehe dahero die Ratio Status daß nach - dem Chriſtus als ein Koͤnig geſtorben / Er auch eingehen muͤſſen mit ſeinem Hoffe / und ſeinen Hoffeleuten / auch ſelb - te zu mehrer Fuͤrſten-Pracht und Herꝛ - ligkeit offentlich geſehen werden muſten: Die Sonne iſt verfinſtert worden / auß einer Ratio Status, der Hauptmann hat ſich verwundert / und an ſeine Bruſt ge - ſchlagen auß einer Ratio Status, daß der Leichnam von Joſeph zum Begraͤbnuͤß erbeten / daß das Begraͤbnuͤß bewachet worden auff Anſuchen der Juden / hat aus einer Ratio Status geſchehen ſollen / damit die Juden mit ihrer boͤſen Ratio Status zuſchanden gemacht wuͤrden: Von welcher boͤſen in Pilatus und den Juden / der guten aber in Gott und Chri - ſto vorgeſtelten Ratio Status ich nun ab - reiſſe / nachdem / wo ich villeicht zu weitauß -außgegangen / der Ruhm dieſes Præla - ten, die Seltzamkeit der Schreib-Art / und die Verwandſchafft mit meinem Vorhaben / welches iſt von der Ratio Status etwas anzumercken / mich ver - leitet / daß ich in gemeineꝛ Spꝛacheſum - miret / was meines wiſſens nur in Jtalie - niſcher verwahret wird / das mit dem Worte Ratio Status allzu frey umbe - gangen / daß Ratio Status hier faſt nichts anders bedeute / als eine einfache purlau - tere Politiſche Urſache / warum dieſes o - der jenes geſchehe / iſt mehr als Sonnen - klar / was ſonſten von deꝛogleichen Geiſt - lichen aus Glaubens-Sachen hervor ge - brachten und erpreßeten Politicen zu - halten / uͤberlaſſen wir billich eines jedwe - dem eigonem Urtheil; Die Begierde et - was neues und rares zuerfinden / hat off - ters unerhoͤrte Vorwitzligkeiten außhe - cken wollen / wo ſteigen die Flammen ei - nes hochgeſinneten Gemuͤttes nicht hin? Die von gemeiner Art abgeſonderte Seelen wollen inner ihren Sferen ſich niemalen begnuͤgen laſſen / ſie tragen im - mer Eckel vor gemeinen / und erluſtigenG vſichſich an neuen ſeltzamen Dingen / wel - cherley Wolluſt nicht koͤndte mißgoͤnnet / oder uͤbel außgeleget werden / wenn ſie nur an dieſer irꝛdiſchen Unterwelt kleben bliebe; Es mag der ſcharffſinnige Graf Majolino Biſaccioni eine vollkomme - ne warhafftige Politic auß den Naͤgeln herfuͤr gruͤbeln / wie er ſich denn deſſen mit dieſen außdruͤcklichen Worten ver - miſſet / tutta la Vera Politica cioe go - verno Publico contenerſi nella noti - tia de Medicamenti e de mali dell unghie, die warhafftige Politic werde enthalten in der Wiſſenſchafft der Artz - neyen und Zufaͤllen der Naͤgel (man wuͤrde / wo nicht eher / nach ſeinem Tode unter ſeinen Schrifften derogleichen Ar - beit finden) nur Goͤttliche / uͤber die Ver - nunfft eꝛhabene Glaubens-Geheimnuͤſſe wolle man nicht mit gar zu Fleiſchlichen Augen begaffen / wo die Geiſtliche Son - ne des Glaubens auffgehet / wird der bloͤde Monden der Vernunfft gantz ver - finſtert; Auſſer dieſen iſt kein Zweiffel / daß in Heiliger Schrifft nicht die war - hafftige Regirungs-Weißheit vor einenWelt -Weltlichen Fuͤrſten / und die rechte U - bung einer loͤblichen Ratio Status ein - verleibet ſey / wiewol auch hier nicht Poli - ticen zu machen / wo keine iſt. Es iſt un - noͤthig auß dem Heiligen Vater Unſer Fuͤrſten zur Regirung anzuweiſen / und eine Politic zuerzwingen / welches Mar - cus Antonius Pittſillius thun ſollen / oder aus denen Heiligen Zehen Gebo - ten / darvon der Marggraff Virgilio Malvezzi redet / wer die beſte Kunſt einen Staat zuerhalten ergreiffen wil / leſe die Zehen Gebot / er wird inner den Zehen vom Heiligen Geiſt dictirten Reichen finden die Lehren / ſo am ſicherſten zum Himmel / und unbetruͤglichſten zur Herꝛ - ſchafft ſind. Es iſt wahr / ein Chriſtli - cher Fuͤrſt muß beten / die zehen Geboth ſind eine kurtze Panſophie, das gantze Geſetze / die Lehre von Sitten / die Richt - ſchnur der Politic, allein warum wollen wir Uns in eine unnoͤthige Enge ziehen / da doch der H. Geiſt ſelbſten viel reichere Stroͤme flieſſen laſſen / das Wort Got - tes iſt ein unerſchoͤpfflicher Brunn der Weißheit und ihre Quelle. Alle Wiſ -G vjſen -ſenſchafften / alle Weißheit ſind in der Schatz-Kammer der Heiligen Schrifft verborgen. In eſſa è cibo per ogni guſto, alſo bricht der Roͤmiſche Proto - notarius Vannozzi herauß / per li con - templativi, per gli attivi, per gli ſolda - ti per i Politici, per i Morali, per i Filo - ſofi, per i Teologi, per i Giovanni, per i Vecchi, per Donne, per Ignoranti, e per tutti. Hierinnen iſt Speiſe vor jeden Geſchmack / vor Schul - und Hof - feleute / vor Soldaten / vor Staats - Leute / vor Sitten-Lehrer / vor Welt - weiſe / vor Gotts-Gelehrte / vor Jun - ge und Alte / vor Frauen / Unwiſſende / und vor alle. Eiu gelaͤhrter Jeſuit Jacob Tirinus recommendiret die nothwen - dig - und Nutzbarkeit der Heil. Schrifft ſo hoͤchlich / daß er ſich verlauten laͤſſet / ſi - ne Scripturæ adminiculo nec tuto quenquam inſtruere proximum, nec ſine periculo concurrere cum Hære - ticis, cum Politicis, cum Judæis, cum Mahomedanis, cum Atheis. Ohne Behuf der Heil. Schrifft / koͤnne einer weder den Nechſten ſicher unterꝛichten /nochnoch ohne Gefahr ſich mit Ketzern / Politi - cis, Juden / Tuͤrcken / und Atheiſten ein - laſſen / oder mit ihnen umgehen; Und Mendoza ſpricht ausdruͤcklich / qui â Scripturæ Lectione alienus eſt, in inſi - pientiam faceſſit belluinam. Wann dieſe der in den Schulen vergoͤtterte Ci - cero gehabt haͤtte / ſo wuͤrde er nicht ge - klagt haben / omnibus tentatis necdum invenio in quo acquieſcam, nachdem ich alles verſucht / finde ich dennoch nicht / wo ich beruhen ſol / der auß einem Hey - den bekehrte Juſtinus muß bekennen / daß / nachdem er alle Arten der Wiſſen - ſchafften zu lernen bemuͤhet geweſen / alle Gelehrigkeit erfahren / hier ſein Genuͤ - gen erlanget / Die helleuchtenden Lichter der gelehrten Welt Marſilius Ficinus. und Johannes Picus Mirandulanus, nachdem ſie alle Bibliothecken durchkro - chen / alle außerleſende Buͤcher auffge - ſchlagen / beruhen auff dieſen Heiligen Schrifften / nachdem ſie aller anderer - berdruͤßig worden / werden ſie hier er - goͤtzt / an dieſen koͤnnen ſie nimmermehr geſaͤttiget werden / ſelbſt Ptolomeus einG vijHeid -Heidniſcher Koͤnig in Egypten / erachte - te ſeine Biblioteck ohne ſelbige gantz mangelhafft. Er muſte ihrer habhafft werden / ſolte es ihn gleich mehr als 330000. Ducaten koſten; Als ihme ſol - chen (ſo viel ihrer damahls verhanden / biß auff das Neue Teſtament /) zu Folge des inſtaͤndigen anhaltens von dem Ele - aſar als Hohenprieſtern durch etliche El - teſten uͤberreichet worden / und er ſie auf - geſchlagen / ſol er ſie ſiebenmal angebe - tet / und zu den Aelteſten geſaget haben; Gratias ago Vobis Viri, ſed majores ei, qui vos miſit, maximas vero Deo illi cujus hæc ſunt Oracula. Jch ſage euch danck / Jhr Maͤnner / groͤſſern Danck ſag ich deme / der euch abgeſen - det hat / den groͤſten Danck ſag ich aber Gott / deſſen Worte dieſes ſind: Er ſoll vor Freuden geweinet / und ſich heraus - gelaſſen haben: Hæc mihi deinceps di - es quotannis, dum vixero, feſta & ſo - lennis erit. Dieſer Tag ſol mir / ſo lang ich leben werde / jaͤhrlich feſt - und feierlich gehalten ſeyn. Was dieſer Heyde ſon - ſten vor Muͤh und Unkoſten auf die be -ruͤhm -ruͤhmie Verdolmetſchung gewendet / iſt be - kand; Ein vornehmer Gelehrter ſchreibet von den Heil. Schrifften in ſeinem Glau - bens-Bekaͤntnuͤß / daß / wenn ſie gleich von Menſchen herruͤhreten / ſo druͤnge ihn den - noch die Warheit zu bekennen / das nichts vollkommeners oder beſſers jemahlen ins Licht kommen / welcher Leſung er / wenn er auch ein Heyde waͤre / nicht unterlaſſen wuͤr - de / die Ariſtoteliſche Philoſophi, damit ſich die Schulen abmergeln / tappet darge - gen im finſtern / ſie giebet nur einen leeren Schall unverſtaͤndlicher Worte gegen der in Heiliger Schrifft enthaltenen Weißheit. Wen vergnuͤget nicht des Valeſii Sacra Philoſophia, welche bloß auß Heiliger Schrifft herauß gezogen / zum wenigſten be - zeuget / daß die rechte Philoſophie darinnen enthalten ſey? Wiltu Tugendhafft und Gluͤckſeelig leben? Kein Seneca, kein Epi - curus, hat eine ſo unverwerffliche Sitten - Lehre erſonnen / ihre Schrifften ſind darge - gen dicke Wolcken / dar auß bißweilen ein Strahl hervorblicket / wiltu in Kriegs-Sa - chen Kundſchafft erlangen? Die Heilige Schrifft eroͤffnet die rechte Ruͤſt - und Zeug -Cam -Cammer / daß die Kriegs-Zucht und An - ſtalt darinnen verborgen ſey / erweiſet des Aſtenſiſchen Biſchoffs Franciſci Panigarola, Specchio di guerra cava - to tutto dalla S. Scriptura, ſo nit gnung - ſam kan geruͤhmet werden / wo ſind die Rechte / die Geſetze / die Wege des HEr - ren beſſer verfaſſet / als in Heil. Schrifft? Alle andere Satzungen / wo ſie nicht hier die Probe halten / ſind verwerfflich / der Roͤmer Rechte ſind bey uns aus keiner andern Urſache in ſo groſſen Preiß geſtie - gen / als daß ſie von der Goͤttlichen in Heiliger Schrifft enthaltener Geſetzge - bung Urſprung haben / die Roͤmer von den Grichen / die Grichen von den Egyp - tiern / die Egyptier von den Hebreern / was auch irgend loͤblich / tauglich und bil - lich entlehnet. Wie ſolte nun in Heiliger Schrifft nicht eben ſo wol eine rechte vollkommene Politic eingebunden ſeyn? Die Weißheit ſelbſt ruffet / und die Klugheit laͤſt ſich hoͤren / mercket / hoͤret / denn ich will reden / was Fuͤrſtlich iſt / Es iſt hier una tal Politica che chi ſapra intenderla e Valerſene, profitterà d altraaltra maniera, cheleggendo quanti Taciti quanti Machiavelli e Politici hanno ſcritto fin hoggi di queſta be - nedetta meglio era dir maledetta Ra - gion di Stato, alſo redet ein Feind / der ratio ſtatus eine ſolche Politic, daß / wer ſie verſtehet und ſich ſelbter bedienet / beſ - ſern Nutzen empfinden wird / als wenn er leſe ſo viel Taciti, Machiavelli und Politici von dieſen geſegneten oder viel - mehr verfluchten ratio ſtatus geſchrie - ben / vornemlich iſt die rechte Politica Regia in den Buͤchern der Koͤnige ver - ſaͤmlet. Wann der hochgelehrte Koͤ - nig in Engelland Jacobus in den an ſei - nen Sohn abgelaſſenen Koͤniglichen Ga - ben (welche der Frantzoͤſiſche Scribent Pierre Matthieu einen Treſor oder Schatzkammer Fuͤrſtlicher Jugend nen - net / und wuͤrdig preiſet / daß ſie in ihren Zimmern geleſen wuͤrde / nicht jaͤhrlich / wie des Dicæarchus Schrifften bey den Lacedemoniern abgeleſẽ wordẽ / ſondern taͤglich / alle Stunden) ſeinem Sohne die Heilige Bibel recommendiret / als einen Fluß von ſo vielen goͤldenen undzumzum gemeinen Leben nothwendigen Un - terricht oder Spruͤchen / derogleichen unter allen Weltweiſen und Poeten nicht zu finden / ſo befiehlet er ihm vor allen andern die Buͤcher der Koͤnige mit folgenden Worten: præ aliis vero il - los Regum & Chronicorum Libros fa - miliares tibi volo, in quibus tanquam in Speculo teipſum in numerum pro - borum vel improborum Regum rela - tum videris, vor allen andern will ich / ſagt er / daß du dir die Buͤcher der Koͤ - nige bekand macheſt / darinnen als in ei - nem Spiegel du dich ſelbſt in der Zahl der frommen oder boͤſen Koͤnige gerech - net ſehen kanſt / und gewißlich die ſtatt - lichſten Hoffeleute / die kluͤgſten Welt - weiſen haben darinnen gefunden / was ſie anderswerts vergebens geſuchet. Der beruͤhmte Malvezzi, nachdem er ſeine Arbeit an die Roͤmiſchen Koͤnige angelanget / uͤber den Tacitus geſchrie - ben / kan ſein Vornehmen nicht zu der Helffte bringen / er gehet in die Heiligen Buͤcher der Koͤnige / und wendet ſeinen hohen Sinn an den Davide perſequita -to,to, umb den rechten Kern darauß zu ſchaͤlen. I Libri Politici de gentili che ſono libri terreni ritornano in terra, mentre che portano cagioni terrene, le Sacre Carte, che dal ſommo Cie - loſi diſpacciano nel portare Ragioni celeſti ritornano nel Cielo, die Poli - tiſchen Buͤcher / ſagt er / ſo irrdiſch ſind / werden wieder zur Erden / weil ſie irr - diſche Urſachen mit ſich fuͤhren / aber die Heiligen Blaͤtter / welche vom Himmel kommen ſind / weil ſie himmliſche Ur - ſachen in ſich haben / kehren wieder da - hin: Er ſeuffzet mit beweglichen Wor - ten / O du Allguͤtiger Gott / laß dir ge - fallen dieſen Durſtigen mit deinem kla - ren lebendigen Waſſer zu traͤncken / welcher ſich von dem Schlam und ko - thichten Suͤmpffen der Heyden mehr e - ckelnde als geſaͤttiget entreiſſet / wo ich mich nicht vor unwuͤrdig erkeñte / daß ich herauß gezogen wuͤrde von den Finſter - nuͤſſen einer groben Unwiſſenheit / wolte ich dich demuͤtigſt und mit gebogenen Knien umb einen Strahl anflehen / wel - cher anſtat der Morgenrothe mich zu demhelle -helleſten Lichte des Mittages fuͤhrete / und dieſer duͤſtern Nacht entzoͤge / damit ich verſtehen koͤnte die hoͤchſten und tieffſten Geheimnuͤſſe / welche unſerer Schwach - heit verborgen ſind: Siehe die Heydni - ſchen Schrifften werden gegen den Hei - ligen vor Koth und Finſternuͤß gehalten / wie werden denn die jenigen Chriſten be - ſtehen / in derer Mund und Hertzen mehr des Jovis, Herculis, Socratis und Ari - ſtotelis, als des wahren Gottes gedacht / derer Lebens-Zeit mehr bey Heydniſchen Hoͤhen als Heiliger Schrifft auffgeoof - fert wird? Sie ergoͤtzen ſich an der Poe - ten Fabul-Werck / und verachten die warhafftige Warheit / oder welches noch aͤrger / ſie verlachen ſie / ich / alſo ſaget ein groſſer Lehrer / ſpreche ihnen dieſes Ur - theil / daß ſie zu ihnen kommen werden / zu welchen ſie ſich in ihren Gedancken durch bruͤnſtige Liebe geſellet haben / mit welchen Sie Gemeinſchafft haben wol - len. Der dißfals uͤbel polirte Politian vermeinte / er haͤtte keine Zeit uͤbler an - gewendet / als durch Leſung Heiliger Schrifft / indeſſen brachte er ſeine Zeitzuzu mit unnuͤtzen Wort-gezaͤncke / oder Beehrung des ſchaͤndlichen Cupido und zoge den Davidiſchen Pſalmen vor die Pindariſchen Oden. Es wird unter andern von dem Clau - dio Belurgerio, einem Frantzoͤſiſchen Gelehrten / erzehlet / daß er uͤber die maſ - ſen der Grichiſchen Sprachen und dem Homerus ergeben geweſen / er habe die - ſen allezeit in Haͤnden gehabt / gantz auß - wendig gelernet / mit ſich in die Kirche ge - nommen / und darinnnen an ſtatt eines Gebet-Buches hergeleſen / aus unge - woͤhnlicher Liebe gegen dem Homerus ſich bemuͤhet / wie deſſen Anmercker ſchreibet / daß er des Therſiten Bildnuͤß nach des Homeri Beſchreibung / durch eines beruͤhmten Mahlers Hand abge - mahlet / und alle deſſen Heßligkeit eigent - lich getroffen haben moͤchte / welches ihm auch ſo wol angegangen / das nichts wuͤr - diger zuſehen geweſen / als dieſes Gemaͤl - de / er war ſo entbrand gegen dem Ho - merus, daß er die Staͤtte zuſehen / wo Troja geſtanden / und alle Oerter / derer Homerus gedencket / unablaͤßig ent -ſchloſ -ſchloſſe / deſſentwegen er den Cartheuſer Moͤnchen eine gewiſſe Summa Geldes auff den Todesfall mit dem Bedinge - bergeben / daß / ſo lange er lebte / ihm jaͤhr - lich 150. Ducaten / wohin er wolte / ſolten uͤbermachet werden / reiſete alſo im 50. g - ſten Jahre ſeines Alters von Pariß mit dem Vorhaben nicht mehr dahin zukom - men / er habe denn zuvor gantz Grichen - Land / und alle vom Homerus gemeldete Oerter durchſehen / und deſſen eigentliche Beſchreibung mit ſich gebracht / dieſe Reiſe trat er an mit groͤſſerm Eyfer / als wenn er in die Heiligen Laͤnder / die Ge - burths - und Creutz-Staͤdte unſers Hey - landes zubetrachten eilete / wie er denn bereits Alexandrien erreichet; Allein welcher in die Tieffe des Meeres verſin - cken ſollen / damit ich mit meinen Wor - ten eyfere / ehe er der jenigen Stadt / welche aus gerechtem Willen Gottes un - tergehen ſollen / uͤbrig bleiben / anbeten wollen / findet allda ſein Grab / und ge - langet vor Erfuͤllung ſeiner Begierde dahin / wo er des Homeri, welchen er mit ſo groſſer Andacht verehret / verdam̃ -tete Seele um deſſen Geburths-Staͤtte / und die eigentliche Bewandnuͤß alles des jeni - gen / davon er geſchrieben / beſprechen koͤnnen. Ach was iſt alle Wiſſenſchafft ohne die Himmliſche / und alle Heydniſche Weißheit gegen der Goͤttlichen / welche in der Heiligen Schrifft allein verwahret wird? Eine ſo blinde Abgoͤtterey / und Vergoͤtterung eines gebrechlichen elenden Menſchen kan eine vernuͤnfftige und erleuchtete Seele in euſer - ſte Gefahr ſtuͤrtzen / wiewol es Wunder / daß ſo kluge Leute hierinnen ſich gar zu ſehr und allzu ſicher vergangen; Der beruͤhmteſte unter den Gelehrten Juſtus Lipſius hatte ſich in den Tacitus ſo ſehr verliebet / daß er ſelbten von Wort zu Wort außwendig ge - lernet; Als bey einem vornehmen Manne des Tacitus gedacht worden / ſoll er ſich ge - ruͤhmet haben / er haͤtte das goldene Buch ſo gar im Gedaͤchtnuͤß / daß ihm nichts entfal - len ſolte / und darbey ſich vermeſſen / wenn es nicht ſo waͤre / ſo ſolte einer mit dem Dolche zu ihm treten / und wo er ein Wort wehrender Herſagung des gantzen Tacit. fehlen wuͤrde / ihn darnieder ſtoſſen / darzu eꝛ ihm dẽ Hals o - der Bruſt ſelbſt eroͤffnẽ wolte: Dieſes iſt eineſtraff -ſtraffwuͤrdige Vermeſſenheit / und ein gar zu ſehr bruͤnſtige Gewogenheit gegen einem Heydniſchen Scribenten dadurch Lipſius verleitet / offte von ſeinem Chri - ſtenthum abgefuͤhret / zuweilen in der Stoiſchen Secte mehꝛ / als in dem Wor - te Gottes bewandert ſich erzeiget: Sind gleich die Heydniſchen Buͤcher von denen zierlichſten und annehmlichſten Redens - Arten angefuͤllet / von den ſchoͤnſten Veꝛ - nunffts-Flammen beſeelet / ſo ſind ſie irꝛ - lichter / welche auß den fetteſten Duͤnſten der Erden auffgeſtiegen und angezuͤn - det / den Folger in die Schweffelichten Suͤmpffe zu ſich ziehen / quackende Froͤ - ſche wie ein groſſer Potentat ſelbe zu nennen pflegte: Eine Chriſt-glaͤubige Seele koͤnte ihr nicht unbillich zu einem Exempel die Andacht vorſtellen / welche geruͤhmet wiꝛd von einer voꝛnehmen Ve - netianerinne / daß ſie von Thraͤnen gantz fliſſende zu Jhren Heylande nicht einmal geſeufftzet haben ſolle; In Lumine Tuo vidilumen Dilectimi, unde mihiidio - mata, quibus Providentiæ Tuæ Hi - ſpanorum, Gallorum, Græcorum, Ita -lorum -lorumq́z nationibus arcana commu - nicata dignoſcerem? ex cruento, ſed perenni ſacro tui pectoris fonte ma - narunt; Tu mihi Divinus Plato, unde Græcorum verſutiæ innoteſcerent, Tu mihi Veritatis annales, ut Gallo - rum irriderem triumphos, & Latii ſper - nerem inanias; Philoſophorum, & Poëtarum Magorumque inter Cathe - dras Tibi nupta Soli purpuras, Scien - tias dicerem Vanitatem, & omnia Va - nitas: Jn deinem Lichte hab ich mein Liebſter das Licht geſehen / woher koͤnnen mir die Eigenſchafften / dadurch ich die den Spaniern / Frantzoſen / Grichen / und Jtalienern mit getheilte Geheimnuͤſſe dei - ner Vorſorge erkennete? Sie ſind aus den blutigen / jedoch alleꝛheiligſten Brun - nen deiner eroͤffneten Bruſt gefloſſen / du biſt mir die recht Goͤttliche Mannheit / da - her mir der Grichen Verſchlagenheiten kund wuͤrden / du biſt mir die Jahr-Buͤ - cher der Warheit / dargegen ſich der Frantzoſen Triumpffe / und denn Latini - ſchen Lumpereien verachten wolte / unter den Catedern aller Weltweiſen / PoctenHundund Kuͤnſtler wolte ich dir alleine ver - mahlet / die Purpur / die Wiſſenſchafften heiſſen Eitelkeit / und alles eitel. Es mag der offt nicht gar zu bedachtſame Ludo - vicus d Orleans in ſeinen neuen Ge - dancken uͤber den Tacitus den Seneca als einen Gotterheben / wenn er ſich die - ſer außdruͤcklichen Worte laͤſſet verlau - ten / Ille mihi ſemper Deus, und den Ta - citus ſo hoch anziehen / ſo nuͤtzlich pꝛeiſen / als die Sonne / wenn er ſaget / Unum Solem in Cœlis, unum Tacitum in ter - ris Natura dedit, nunquam Tacitos datura, nunquam paritura, Eine Son - ne im Himmel / einen Tacitus auff Er - den hat die Natur gegeben / Sie wird niemahlen mehr Tacitos herfuͤr bringen. Gewiß Seneca hoͤret auff bey Chriſten Gott zu ſeyn / und die Politiſche Sonne verblaſſet gegen denen Empireiſchen Himmel-Strahlen / welche in den Heil. Buͤchern der Koͤnige hervor blitzen. Ta - citus und alle die nach dem Tacitus re - giren wollen / haben ungluͤckſelig regiret / hingegen welcher nach dem Muſter der in Heil. Schrifft vorgebildeten Regentenſeinſein Leben angeſtellet / der hat den Ruhm eines gluͤckſeligſten Fuͤrſten verdienet; Nirgends werden die verborgenſten Ur - ſachen / warum einer wol oder uͤbel regi - ret / beſſer dargethan / nirgends wird ein feſter Schluß gemacht / als daß der jeni - ge / welcher gethan / was dem HErren Wolgefallen / wol regiret / derogleichen ſich kein einiger unter allen Heydniſchen Großen ſich anzumaſſen hat / Von allen Heydniſchen Lehrern brauchen wir bil - lich des Franciſci Petarrcha Verach - tungs-Worte / nel Trionfo della Divi - nita:

Miſera la Volgare e Cieca gente
Che pon qui ſue ſperanze in coſe
tali
Che l tempo le ne porta ſi repente.
O veramente ſordi ignudi e frali
Poveri d argomenta e di Conſiglio
Egri del tutto e miſeri mortali.
Elendes Volck / daß ſich ſo blind ver -
gafft /
Jn dieſes / was von gar zu ſchnellen
Zeiten
H ijWird
Wird kaum gebracht / und wieder weg -
gerafft /
O taub / und nackt und voll Gebrech -
ligkeiten /
Jhr Armen von Verſtand und Rathes -
Krafft /
O ſterbliche gantz kranck von allen
Seiten.

Von Ratio Status aber ſchluͤſſen wir mit eines Jtalieners Worten / La Vera la buona, La ſicura Ratio di Status piu che d ogni altro Libro ſi può Cavar da quelli della S. Scrittura, die wahre / gute und ſichere Ratio Status kan mehr auß der H. Schrifft / als auß allen an - deꝛn Buͤchern gezogen werden / der iſt ſi - cher / welcher das thut / was der Heilige Geiſt lehret / daß er nicht fehlen kan / Gott kan nicht irren / truͤgen / und auch nicht betrogen werden. Chi Dio ingannare vuole inganna ſe ſteſſo. Wer Gott betriegen wil / betrieget ſich ſelbſt am mei - ſten.

Discurs

DISCURS IV.

WAs in Grichenland bey den Eleuſiniſchen Feyer-Begaͤng - nuͤſſen durch einen Herold auß - geruffen ward ἑκὰς, ἑκὰς ὅςις ἀλιϑρὸς, procul, procul, quicunque impius, o - der wie es Lampridius giebet / Nemo in - grediatur, niſi qui innocentem ſe no - vit, oder Virgilius. Procul, ô procul ite profani. Eben dieſes muͤſſen wir zur Vorbereitung unſerer ratio Status auß - kuͤndigen / weg alle Boßheit weg / es laſſe ſich niemand / als nur reine / unſchuldige und unbefleckte Seelen in dero Heimlig - keiten befinden / ach kein Nero, die Eleſi - niſchen Heiligthuͤmer ſind nicht ſo ver - borgen / ſo heilig und ſo aͤrgerlich / als die - ſe Staats-Geheimnuͤſſe / dadurch*Alex. ab Alexandro Genial. Dier. Lib. 16. c. 19. ſich ein nicht wol verwahrtes Gemuͤtte leicht kan verleiten laſſen / wo nicht die war - hafftige Gottesfurcht der Anfang allerH iijWeiß -Weißheit / den Anfang machet / uñ die jenige / welche die rechte Weißheit iſt / zu der Welt Weißheit den Gꝛund leget / ohne dieſe iſt R.S. una Furca infernale, che principal - mente i grandi infeſta, e conſequen - temente i minori dipoi commove. Eine Hoͤlliſche Unholde / welche die Groſſen aͤngſtet und quaͤlet / die Kleinern folgends auch antaſtet / du magſt deine Sachen ſo ſchlau / ſo verdeckt anſtellen / wie du wilt / ohne Gott ſchwinden die ſcheinbareſten Anſchlaͤ - ge / in die Lufft / daruͤber der boͤſe Geiſt herr - ſchet / und woher ſie ihren Einfluß haben. E la Ragione di Stato nel Prencipe co - me il Zero nel abaco à cui ſe non ſi aggiunge qualche numero, nutta ſi ſomma, imperoche ſe alla Ragione di Stato il Prencipe non accompagna il ſanto Timore di Dio, che gli Stati ret - tamente governa, vana riuſcirá l arte aſtuta impiegata à difeſa dello Stato proprio ò ad offeſa de gli altrui. Die Ratio Status alſo redet der vormahls er - wehnte Mirandola, iſt bey einem Fuͤrſten / als wie auff einem Rechen-Tiſche viel Nul - len / wo nicht eine Zahl darzu geſetzet wird / iſt alles nichts / gleicher Geſtalt wo ein Fuͤrſtderder Ratio Status die Heilige Gottesfurcht nicht bey oder voranſetzet / wodurch die Rei - che loͤblich regiret werden / ſo zergehen alle ſubtileſie Erfindungen / welche einem Staat zum beſten angewendet werden wollen / in lautere Nullen und nichts. Die Gottes - furcht iſt eine Kette / welche den Menſchen mit Gott / die zeitliche Gluͤckſeeligkeit mit der Ewigen verknuͤpffet / wo wollen dann / inſon - derheit Fuͤrſten ihre Gluͤckſeeligkeit mehr ſu - chen / als in dem Schoß / darauß ihre Wuͤr - de entſproſſen / welches ſie durch kein ander Mittel erlangen / als durch Eꝛkaͤntnuͤß und Nachkommung Goͤttlichen Willeus / wel - cher uns in ſeinem Worte geoffenbaret iſt. Wenn bey denen um der Dinge Urſprung beſorgeten Gelehrten nachgeforſchet wird / wie es doch komme / das unter allen Voͤlckern keines ohne Regirung eines oder etlicher be - ſtehe / und einem oder etlichen eine andere unzehliche Maͤnge auch wilder unbaͤndiger Menſchen ſich willigſt unterwerffen / da doch einer von Natur dem andern gleiche / fliehen ſie zur Furchte Gottes / welche einem jeden Fuͤrſten eingezeichnet iſt / als ein Character, quo ſignatus evectusq́; cæteros timo -H iiijrere quodam reverentiali & occultâ quâdam vi ſubeſſe compellit; So bald ein Fuͤrſt durch Gottloſes und mit allen Laſtern beflecktes Leben dieſes einge - druckte Mahl-Zeichen außleſchte / ſehe man allerhand Verwirrungen und Em - poͤrungen aus keiner andern Urſache als weil die Gottesfurcht von dem Fuͤrſten aus den Augen geſetzt werde / wie ſolches der Hochberuͤhmte Athanaſius Kirche - rus ferner außfuͤhret / beſtehet nun die Weſenheit eines Fuͤrſten / die Beſtaͤndig - keit eines Regiments in der Gottesfurcht / wie ſolten dann Fuͤrſten auf die Gedan - cken gerathen / daß ſie wieder ſelbte / das iſt / wieder ſich ſelbſten mißhandelten / ſie ſind ja von Gott / von Gottes Gnaden / der Goͤttliche Mund nennet ſie Goͤtter / in ihnen leuchten hervor raggi della Di - vinità con manierè ammirande incar - nate, die auff eine wunderbahre Weiſe wo es erlaubet iſt mit dem Roccabella alſo zu reden / Fleiſch-wordenen odeꝛ ein - gefleiſchten Strahlen der Gottheit / ſo koͤnnen ſie ſich ja von Gott / von dem ſie ſind / was ſie ſind / nicht abſondern / ſieſon -ſondern ſich aber von Gott durch Hin - danſetzung der Pietet, und machen ſich verluſtig des hoͤchſten Gutes / welches ei - nig von dem guten Gott herruͤhret: Die Gottſeligkeit iſt die rechte Manir / da - durch der Menſch ſein Hertz in die Haͤn - de Gottes liefert / und ſich von der irrdi - ſchen Tieffe in das Himmliſche Revir ſchwinget / wie viel mehr ſol ein Fuͤrſt / welcher ſein Weſen noch auff andere Weiſe von Gott empfangen / ſich dero - gleichen Art befleißigen / ſeinem Schoͤpf - fer deſto naͤher zukommen / und alles ſein Thun und Leben in den Punct Goͤttli - chen Wohlgefallens concentriret ſein laſſen. Der ſonſt laͤſterliche Kayſer Domitian, ſo bald er das Reich ange - treten / hat dem Jovi einen groſſen Tem - pel gewidmet. Seq; in ſinu Deiſacravit. Ein Fuͤrſt ſitzet warhafftig in der Schoß Gottes / ſo lange er ſeine Seele laͤſt die Schoß ſeyn / darinnen die Gottes Gelaſ - ſenheit wohnet / zu dieſer Fuͤſſen die Weltliche Hoheit mit gebogenen Knien ſamlen muß die Kleynodien / welche die erhabenen Fuͤrſten-Stirnen kroͤnet / außH vderodero Bergwercken / das feineſte Gold / das iſt / die Herrligkeit der Regimenter gezogen wird. Es iſt heutiges Tages groſſer Kummer umb Geld / das Geld iſt die Sehn - oder aller Welt-Haͤndel; es iſt l Omnipotenza de Stati (wie ein Jtaliaͤner redet) deſſen Fuͤrſten am we - nigſten entrathen konnen / viel haben auf Erfindung des Philoſophiſchen Stei - nes / damit ſich etliche Verwegene ver - meſſen / Wunder-Dinge außzurichten / vornehmlich aber Gold zu machen / viel gewaget / in Warheit aber ſind ſie ſtatt - lich betrogen worden / alſo daß anſtat ſie Gold gewonnen / ſelbiges verlohren / itzo ſol dieſes ſo ſchmertzlich ergruͤbelte Ge - heimnuͤß in der Pietet verborgen liegen / die auß einem Gottſeeligen / und in der Liebe gegen Gott brennenden Hertzen außgeſchmeltzte Thraͤnen ſollen das edel - ſte Kleinod abgeben / welche den Men - ſchen ſo viel Nutzen bringe / wann nehm - lich diß auß einer Gottliebend - und furch - tenden Seelen gepreſte uͤber ſich ſteigen - de Waſſer zu Pulver gemacht werde / alsdann werde diß Pulver zu Golde /deſſendeſſen jedes Staͤublein dieſes Philoſo - phiſchen Goldes nicht einen geringen Klumpen Bley oder geringern Metalles in Gold verwandele / uñ was noch mehr / ſo ein weniges davon einen Krancken eingegeben werde / ſolte derſelbe inner 24. Stunden nach tieffen Schlaffe zu guter Geſundheit gelangen / welches al - ler koſtbareſte Geheimnuͤß die Goͤttliche Weißheit den Menſchen anvertrauet / damit ſie zu deſto bruͤnſtiger Liebe ihres Schoͤpffers angetrieben wuͤrden. Laſ - ſen wir den Alchimiſten ihre vergebene Einfaͤlle / Jhr groſſen Gipffel der Welt / wollet ihr den rechten Lapis Philoſophi - cus gefunden haben / ſo ſuchet ihn in der wahren Pietet, ſie iſt die gluͤckſelige Gold - macherin / ſie iſt zu allen Dingen nuͤtze / ſelbſt die Alchimiſten weiſen in diß Ge - heimnuͤß / oder wo ſie in ein anders wei - ſen / ſo betruͤgen ſie; Es iſt keiner Thraͤ - nen-ſamlung / keiner Feuers-Glut / kei - ner Chimie vonnoͤthen / die Weißheit Salomonis / welche ſo lange beſtund / ſo lange er Gott treu verbliebe / machet al - le Steine zu Silber: Der ſchon ſter -H vjbendebende Hißkias ſo bald er ſich zu GOtt wendet / wird geſund: Wollen Fuͤrſten loͤblich regiren ſo muͤſſen ſie nicht armer Unterthanen Schweiß und Thraͤnen außpreſſen / atrum ſordidumque puta - tur aurum quod ex Lacrimis oritur, ſagte der Apollonius Thyaneus beym Philoſtratus, ſie muͤſſen fromme Unter - thanen mit ihren Regirungs-Fluͤgeln al - ſo beſchatten / damit ſie Urſache haben / vor ihr Wolſein und langwieriges Re - gieren bruͤnſtige Freuden-Thraͤnen zu - vergiſſen / dieſes ſind piæ Lacrimæ, wel - che durch die Wolcken dringen / und bey Gott zu dem Golde des reichen Segens und heilſamſter Artzney diſtilliret wer - den / die piæ Lacrimæ, welche ihre Kam - mern kraͤfftiger bereichern / als viel Stuͤ - cke Goldes und Silbers / deren kein Tropffen auff die Erde fallen wird ohne vielfache Wuͤrckungen in allen ruͤhm - lichen Staats-Verrichtungen. Es ſcheinet faſt kein gewiſſer Merckmahl abzugeben / als das / wenn ein Fuͤrſt nicht gluͤckſelig regieret / er nicht muͤſſe Gott mit gantzem Hertzen geehret odernichtnicht gethan haben / was dem HErren wohlgefallen / ſo offt wir die Buͤcher der Koͤnige Juda und Jſrael auffſchlagen: Tiberio Gambaruti machet gar wohl darauß einen feſten Schluß / daß die Pie - tet unter allen Dingen das noͤthigſte ſey / daß ſie die wahre Grundveſte eines Staats uud anderer Verſamlungen abgebe. Es iſt zu verwundern / daß auch die Heydniſchen Roͤmiſchen Kaͤy - ſer unter denen Glorwuͤrdigſten Tri - umph - und Ehren-Tituln ſich nennen laſſen Pios, Felices, als wenn ihnen die - ſe zwey Prædicata eigenthuͤmlich / unzer - trennlich / und daß eines dem andern folgte / wo ein Fuͤrſt wolle gluͤckſelig / ſo muͤſſe er Gottſelig ſeyn / was wil denn ein Fuͤrſt mehr als gluͤckſelig ſeyn? und was iſt Ratio Status anders / als eine Art ein Reich bey erſpruͤßlichem Wol - ſtande gluͤckſelig zu erhalten? Wie ſolte nun ratio ſtatus von der Gottſeligkeit abgeſchieden werden koͤnnen? weil bey - der ein Abſehen und die wahre beſtaͤndi - ge Gluͤckſeligkeit eines Staats / viel we - niger ohne die Pietet, als ohn ratio ſta -H vijtustus zu erlangen. Der verſchmitzte Trajano Boccalini ſelbſt erkennet in ſei - nen ſinnreichen Zeitungen aus dem Par - naſſo vor die beſte und vollkommenſte Ratio Status ſo ein Fuͤrſt ſtudiren koͤn - ne / daß er Gott von gantzen Hertzen - ber alle Dinge fuͤrchte und liebe / ſich ſei - nes Heiligen Nahmens nicht zu einem Werckzeuge und Deckmantel gebrau - che / damit Geld von den Unterthanen zu preſſen: denn der Seegen des HEr - ren mache die Fuͤrſten / ſo Gott fuͤrchten / und die Unterthanen / ſo nach ſeinem hei - ligen Geſetze wandeln / reich ohne Muͤh. Die thoͤrichten rohen und ruchloſen Weltlinge laſſen ſich nichts minder gantz nichts angehen / was auch von From - und Redligkeit iemahlen eingehaltẽ wer - den will / die Regiments - und Seelen - Beobachtungen ſind bey ihnen zwey un - vertragliche Dinge / und duͤrffen wohl bey Einrathung gefaͤhrlicher Thaͤtligkei - ten Fuͤrſten in die Augen ſagen / Voſtra Maeſta tienne anima? rinontii adon - que l Imperio, daß wo ſie eine Seele haben oder gewiſſenhafft ſeyn wollen / ſieſichſich des Reiches begeben muͤſſen; der Eigen-Nutz / das Auffnehmen / die Groß - werdung ſind ins gemein ſo Centner - ſchwere Gewichte / daß / wo ſie ſchon ge - gen der Gottſeligkeit auff die Waag - ſchaale geleget werden / das Hertze von dem Himmel zur Erden / von der Hohe in den Abgrund reiſſen / die Pietet wird bloß gehalten vor eine Semplicita in - gannata oder betrogene Einfalt / Le malheur de noſtre Siede aujourdhuy eſt telque pour acquerir reputation d habile homme il faut Machiavelli - ſer, ſo ungluͤckſelig ſind unſere Zeiten / wie der Pariſiſche Rechts-Gelehrte E - ſtienne Paſquier klagte / daß / wenn ei - ner den Nahmen eines wackern Man - nes erlangen will / er muß / Machiavel - liſiren; und in des vornehmen Jtalianers Tarquinio Superbo wird der umb die gedruckte Freyheit eyfernde Brutus alſo redende eingefuͤhret; Sono cangiatii vocaboli delle coſe, la bonta ſi chiama maleſagine, la Tirannide Politica, e tanto è creduto maggiore un Prenci - pe, quanto che fatto maggiore l impe -imperio òl autorita, ne ſi eſaminano i modi del creſcere, ſolamente ſi loda, perche è creſciuto: Die Nahmen der Dinge ſind verwechſelt / die From - und Redligkeit heiſſet Ungeſchickligkeit / die Tyranney Politic, und ein Fuͤrſt wird deſto groͤſſer geachtet / ie mehr er ſein Reich oder Anſehen vergroͤſſert / auch wird nicht nach der Art und Weiſe des Wachßthums gefraget / er wird nur ge - lobet / weil er gewachſen. Jenes ruch - loſe Weltkind bey dem Lælio Victorello wil den Großhertzog von Florentz uͤber - reden / wie ſchaͤdlich die Religion und die Gefliſſenheit der Gottſeligkeit ſey: An - dern iſt es eine Unmoͤgligkeit / daß in Re - girungsſachen nicht ſolte zuweilen uͤber die Schnur gehauen werden / ſi in cæte - ris rebus ſervanda eſt Pietas, certè re - gnandi cauſâ eſt violanda, Ob man gleich in allen Dingen der Frommigkeit obliegen ſoll / ſo muͤſſe man ſelbter in Re - girung eines Staats gute Nacht geben. Der Frantzoͤſiſche Herr von Charron wil / daß die Tugend / die Gerechtigkeit / die Froͤmmigkeit der Ober-Haͤupter inetwasetwas einen andern Gang hielte / als bey gemeinen Leuten / ſie haͤtten einen etwas freyern und weitern Schrit wegen des groſſen wichtigen und gefaͤhrlichen Am - ptes / das ein Fuͤrſt auff ſeinen Schul - tern traͤget / dahero ihnẽ auch ein Schrit oder Tritt zukomme / der andern zwar etwas lahm und unordentlich zu ſeyn ſcheinet / ihnen aber hoͤchſt noͤthig / recht und anſtaͤndig iſt / ein Fuͤrſt muß / ſpricht er / bißweilen lincks umbkehren / Klug - heit mit Froͤmmigkeit vermiſchen / und cum vulpe vulpinarier. Ach! Fuͤrſten laſſen ſich ja nicht zu einem veraͤchtlichen Fuchs-balge machen! Wie auff lahmen Fuͤſſen ſtehen Regimenter / derer Obere einer hinckenden Froͤmmigkeit ergeben ſind! Wie bald iſts geſchehen / daß der jenige welcher allzu weite Schritte ma - chet / oder boͤſe Tritt / zu Boden faͤllet! Mit eben derogleichen Behuff wolte ſchon der gelehrte Heyde Plutarchus den groſſen Liebkoſen / wenn er die Laſter / quæ ex aliquo animi motu, aut ex temporibus Reipubl. actionibusque intercurrunt, pro claudicationibuspoti -potiùs alicujus virtutis quàm pro im - probitate wolte anſehen: Und der Ba - con de Verulamio haͤlt den Groſſen nicht vor uͤbel / ſi nonnulla abſurda a - ctionibus ſuis immiſcerent, ubi Liber - tatem quandam ſibi retineant, & par - vorum defectuum notas confundant, quod citra vitium fieri poſſit, allein auch von ſolcher ſchlauen Maͤngerey / von den hinckenden Gaͤngen weiß die die Sittenlehre nichts / die einigs grade Linie der Tugend laͤſt keine Kruͤmme zu / ſie macht kein Anſehen der Perſon / ſie er - kennet keinen Unterſcheid / und giebet den Potentaten dißfalls keinen Vorzug / anlangend die Guͤte oder Boßheit / auſſer das ſelbte von niedrigen Augen nicht er - blicket / und von unterthaͤnigen Gemuͤ - tern geurtheilet werden koͤnnen / zumaln nicht umbſtanden werden kan / daß der Fuͤrſten Thun ſich nicht von auſſen ge - meiniglich etwas ſonderlich und in einer gantz andern ungemeinen Geſtalt ſehen laſſe. Es wird bey dem Vittorio Siri gemeldet / daß der weiſeſte Koͤnig in Spa - men Philippus II. habe zu ſeinen Secre -tariotario dem Antonio Perez pflegen zu ſa - gen / Vedi, Antonio, ti troverai ſem - pre molto ingannato, ſe tu conſideri li fatti de Prencipi con ſtima e miſura privata, poiche li effetti noſtri ſono totalmente differenti: Siehe / mein Antonio, wie du dich allezeit ſehr betro - gen befindeſt / ſo du der Fuͤrſten Thaͤt - ligkeiten mit dem gemeinen Stab und Maas abmeſſen wolleſt / weil unſere Wirckungen davon gantz unterſchie - den / zugeſchweigen / daß die Fuͤrſten gantz anderer Minerirung ſeyn als der Poͤfel / und was Fuͤrſten / nicht bald Untertha - nen anſtaͤndig / ſo ſind ſie uͤber alle ſicht - bare Scheren ſo hoch erhaben / daß ob gleich das unterliegende die Kraͤfften em - pfindet / dennoch die Urſachen oder Be - ſchaffenheit mit klaren Augen nicht er - ſchoͤpffen kan. Domenico Zametor - nato ein vornehmer Venetianer ſchrei - bet chi fini e gl oggetti de Prencipi ſono Come le profetie, che non ſi pos - ſino intendere dall huomini, ſe non doppo il ſucceſſo. Daß das Abſehen / und das Beginnen der Fuͤrſten ſeyn wiediedie Profeceiungen / welche von den Menſchen nicht verſtanden worden / als nachdem erfolg. Bey dem Herren von Silhon, ſind les actiones des Princes, come les grandels rivieres, dont peu de perſonnes ont veu la ſourca el O - rigine, bien qu une infinitè en vor - rent le cours e le progres, der Fuͤrſten Handlungen / die groſſe Fluͤſſe / derer Ur - ſprung und Herkommen von wenigen geſchauet wird / ob gleich eine unzehliche Maͤnge den Lauff und Gang ſiehet / ich wolte ſagen wie der Nilus, deſſen Ge - burths-Staͤtte nur kan gemuthmaſſet / nicht ergruͤndet oder geſehen werden / ih - re Stroͤhme fallen von den Gebuͤrgen ihrer Hoheit / welche mit den blauen Wolcken uͤberſchattet / ihren Gipffel vor der Sterblichen Vorwitz verdecken / die Hoheit iſt den Fuͤrſten ſo eigenthuͤm - lich / daß ſie immer hoͤher oder verwun - derlicher wird / ie weniger ſie ſich dem ge - meinen Volck entbloͤſſet / Fuͤrſten haben in dieſer Welt nichts erleuchters / damit ſie verglichen werden / als die Sonne / ſo gar / daß ſie auch ihren Nahmen in demSireSire hergeben muͤſſen / dieſe wird von al - len Menſchen angeſchauet / man wil auch ihre Groͤſſe abgemeſſen haben / wir koͤnnen aber doch nicht in ihren Coͤrper ſehen / was ſie ſey / wenn ſie am hoͤchſten geſtiegen / und in ihren Ma - jeſtaͤtiſchen Stllſtande denklaͤreſtẽ Mit - tag dem Erdboden mittheilet / ſo muͤſſen wir unſere Augen niederſchlagen / oder dẽ Vorwitz mit uͤbergehendẽ Waſſer bezah - len laſſen / die erlaͤuchten Fuͤrſten-Soñen ſollen ihren Lauff und Wandel von der gantzen Welt ſehen laſſen / ſie erwaͤrmen jede Unterthanen mit erfreulichen Gna - denblicken / Sie machen Sie frucht - bar mit allen Gluͤckſeeligkeiten / allein in ihren geheimeſten Cabinettern / in dem Sitz ihrer Hoheit / worinnen alle Wir - ckungen gezeuget / in das Unterliegende geworffen werden / ſollen ſie eine ſolche Klarheit von ſich geben / daß keiner von allen Unterthanen ihre Gedancken oder Abſehen errathen moͤge: Sie verhuͤllen ſich gleich der Sonnen bald in Wolcken / bald werffen ſie mit Stral und Blitz um ſich / es treiben ſie zu ſolcher Geheimhal -tungtung hoch dringende Urſachen; Der vor - treffliche Fuͤrſten-Lehrer weiſet ſeinen Fuͤrſtẽ offt / wenn nur nicht offters auch / gar zu frey an Gott / nach welchem er al - les Thun und Regiren ſolle anſtellen / und wil beſtaͤndig haben / das alle Regen - ten ſein ſollen Emuli d Iddio in ope - rando, oder daß ſie in allem ihren Han - del und Wandel Gott gleichformig oder aͤhnlich zu werden ſich bemuhen; Wie nun Gott / ſaget er / allezeit unter den Menſchen in ander Geſtalt oder Velato erſchiene / alſo ſolten ſie ſich ſo viel moͤg - lich / verbergen / die Hochſten und Gott nechſten Dinge kaͤmen den irꝛdiſchen Sinnen ſeltzam vor / wenn nun dieſe mit einer Decke verhuͤllet wuͤrden / ſo braͤch - ten ſie in gluͤcklichem Außgange Ver - wunderung / und im Jrꝛthum / deme alle Menſchen unterworffen / außfluͤchte ſich zu entſchuldigen. Il Cielo per buona Ragione di Stato che vuole & deve eſ - ſer riverito per non haver ribelli gli humani ingegni conviene offuſcarli, & à loro celarſi, der Himmel welcher wil und ſol verehret werden / um dieMen -Menſchen Gemuͤther nicht wiederſpen - ſtig zuhaben / muß ſie verfinſtern / und ſich ihnen verhoͤlen / von dem irꝛdiſchen Staats-Himmel kan dieſes warhafftig beſtaͤttiget werden / daß er ſeine Geheim - nuͤſſe mit den dickeſten Tuͤchern uͤberzie - hen / und nichts / als euſſerliche Nebel der Unerforſchligkeit zu uͤberlaſſen pflege / in welchem Punct ſich Fuͤrſten ſehr behut - ſam erzeigen ſollen / nicht allein weil es ein weſentlich Stuͤcke Fuͤrſtlicher Obligen - heit und hoͤchſt noͤthig / ſondern auch wol anſtaͤndig iſt / Der offters geruͤhmte Vir - gilio Malvezzi, welcher in den Diſcur - ſen uͤber den Tacitus allerhand Politi - ſche Erfindungen auß der Heil. Schrifft zu extrahiren Belieben traͤget / meinet man koͤnne von Fuͤrſten gar wol ſagen / was das Hohelied Salomonis von der Sulamitin ruͤhmet / Oculi tui Oculi Co - lumbarum extra quod intrinſecus la - tet, deine Augen ſind wie Tauben Augen zwiſchen den Zoͤpffen / cioe eſſendo gli occhi per ſe ſteſſi belli, appajono piu belli, quando ſono in parte coperti, & adombrati dalle piume, coſi i ragio -namen -namenti de Prencipitanto più ſaran - no belli, quanto in qualche parte ver - ranno da un poco d oſcurità coper - ti, die Tauben-Augen / wenn ſie gleich vor ſich ſelbſt ſchoͤne waͤren / ſchienen viel ſchoͤner / wenn ſie in etwas verdeckt / und von den Federn beſchattet wuͤrden / alſo der Fuͤrſten Beginnen waͤren deſto ſchoͤner und anmuttiger / wenn ſie von ein wenig Tunckelheit ſchattiret wuͤrden / wenn nun Fuͤrſten mit fleiß ſo wenig in ihrem Thun ſich zuerkennen geben / ſo koͤnnen Unterthanen vielweniger davon urtheilen / ſie ſitzen im Finſternuͤß / und ſe - hen nur bißweilen die Sonnen ſeitwerts mit halben Augen an / im finſtern kom - men uns viel Larven vor / welche wegen Unvollkommenheit des Auges / nicht der Coͤrper Beſchaffenheit / anders ſcheinen / als ſie ſind / alſo gehets in Staats-Be - ſchaffenheiten / den jenigen / welche in der Demmerung eines privat-Lebens von Hoffe entfernet ſind / gleich den jenigen / welche / wenn ſie auß einem finſtern Orte ins Licht kommen / ohne zublintzen des Lichtes Glantz nicht vertragen / ſie unter -ſchei -ſcheiden nicht das Gute vom Boͤſen / weil ſie es nicht unvermaſcht anſehen / dahero ruͤhret die Schwerigkeit arcana Princi - pum ſcrutandi, & ſi quid occultius pa - rant; Der Fuͤrſten Heimligkeiten zu er - forſchen / und was ſie verholenes vorha - ben. Regium Cubiculum Labyrinthus eſt, ingreſſus non paucos, ferè omnes egreſſus latet; Ariadnæ filo opus eſt, ut introeas, vel aurea pluvia, quæ de - ſuper cadens irriget valvas, vel argen - teo pane, quo Cerberos ſatures, ut in abyſſum deſcendas, quo libentior rue - rem, quàm Dominationis in antra pe - netrarem, ubi nonniſi clauſis januis li - cet intereſſe, in welche faſt herbe Wor - te ein neuer Scribent auß bricht / und jede mit gemaͤlden vorſtellen laͤſſet. Geſetzt aber / das Unteꝛthanen ſolten ihꝛem Vor - witz den Zuͤgel laſſen / daß ſie gleich durch ein Fern-Glaß ſcharffſichtiger Nachſin - nung den Hoͤhen naͤher kommen / daß ſie das Entlegene ſichtbar / das den Augen zuruͤck-gehaltene erkentlich machen / ſo gehoͤret ihnen uͤber das wiſſen deſſen was in einem Cabinet geſchiehet / weiter nichtJzuge -zugehen / ſie laſſen ſich vergnuͤget an der Ehre des Gehorſams / mehr zu wiſſen iſt mehr ſchaͤdlich / als nuͤtze / La Materia di Stato ſind die Worte des Grafen Biſac - cioni, nello Stomaco debole della Ple - be cauſa alteratione e manda vapori d Ubbriachezza al Cervello, vaneg - giare come ne febbricitanti il calore inſolito. Die Staats-Sachen verur - ſachen in des Poͤfels ſchwachen Magen alteration, und ſchicken die Duͤnſte der Trunckenheit uͤber ſich dem Gehirne zu / ſie macht Fantaſyen / wie bey den Feber - behafften die ungewoͤhnliche Hitze; Es entſtehet mercklich Unheil und der Unter - thanen Verterb / wenn die Vorhaͤngen des Majeſtaͤtiſchen Thrones auffgeriſ - ſen / und eingeſchauet werden wil / was darinnen gemacht wird / ceſte parole que fait le Roy? ne vient jamais bien en la bouche d un Sujet, & Roy ne doit point donner Occaſion qu elle y naſſe, diß Wort / was macht der Koͤ - nig / kommet niemals wol in des Unter - thanen Mund / und der Koͤnig ſol nicht Gelegenheit darzu geben / daß darnachNach -Nachfrage gehalten werde / derogleichen Vorwitz bringet mit ſich Frevel / darauß Verachtung / und auß dieſer alles Ungluͤcke. Wir trauen Chriſtlichen Regenten zu / daß ſie aus Vorſatz nichts unverantwortliches Beginnen / und die Fuͤlle ihrer Macht nicht zu allen Thaͤtligkeiten / darvor ſich auch ver - nuͤnfftige Heyden entſetzet haͤtten / mißbrau - chen werden / denn ſie ſind verſichert / daß ſie vor dem Goͤttlichen Richterſtul von jedem Thun und Leben muͤſſen Rechenſchafft ge - ben / es ſey gut oder boͤſe / Sey unbekuͤmmert / auch was kein Menſchen Auge ſehen kan / kein Witz ergruͤbeln darff / wird die Goͤttliche Gerechtigkeit ſchon zu ſeiner Zeit ins Licht bringen / werden gleich Unterthanen Duͤnſte vor die Augen gemacht / daß ſie nicht unter - ſcheiden / was weiß oder ſchwartz ſey / werden die ſuͤndlichſten Anſchlaͤge ſpecie Pietatis vermummet / und mit ſo ſchoͤnen Farben des gemeinen Beſtens angeſtꝛichen / daß ſie gleich einer Natter zwar einen vielfaͤrbichten Glantz von ſich geben / aber das ſchaͤdlichſte Gifft mit ſich ſchleppen / ſo gehen dieſe Eige - nuͤſſe vor Gott nicht an / welcher auff keine Weiſe kan hintergangen werden / hier wer -J ijdenden die praͤchtigſten Uberzuͤge der Boß - heit zu einer gebrechlichen Spinnenwe - be / die dickeſten Nebel zertrieben / und al - les Verborgene hoͤret auff verborgen zu ſeyn / alle Finſternuͤß werden lichte / und das gefaͤlſchte zur Warheit. Der un - gluͤckſelige Fuͤrſten-Anweiſer Nicolo Machiavelli, wo er nicht den Gottloſen durch Heraußſtreichung der Scheinhei - ligkeit der Pietet Nothwendigkeit ein - halten wollen / ſondern den Schein der Gottſeligkeit ſelbſten vorziehet / in Be - trachtung der Poͤfel mehr durch die euſ - ſerliche Geſtalt / als die Sache ſelbſt affi - ciret werde / verdienet keine Entſchuldi - gung / dieſer ungerechte Staatiſt machet bloß einen Fuͤrſten zum Schein / und be - trachtet deſſen Großwerdung mit gar zu niedergeſchlagenen Augen / ein Fuͤrſt ſol nicht allein unter ſich / ſondern auch uͤber ſich / nicht nuꝛ auff die Unterthanen / ſon - dern auch auff Gott ſehen / ohne Gott iſt die Machiavelliſche Gluͤckſeligkeit nich - tig / erbaͤrmlich / und gleich einem Tꝛaum / daruͤber man ſich ergoͤtzet / aber in War - heit das Wiederſpiel empfindet: Jſt dennderder Poͤfel mehr als Gott / welcher nicht euſſerlich / ſondern von gantzem Hertzen wil geehret ſeyn? Jſt die ſcheinbare Got - tesfurcht nothwendig / warum nicht viel - mehr die warhafftige? Solte die Scha - le den Kern / die Schmincke der ſelbſt - ſtaͤndigen Schoͤnheit / die Rinde dem fruchtbringenden Baume vorzuziehen ſeyn / und wie iſts moͤglich / daß die Aller - heiligſte Chriſtliche Gottes-Gelaſſenheit ſolte eine Maſche der Laſter / Politiſch / und was ſol ich ſagen / ein hoͤlliſch Geſpen - ſte werden / welches viel gemeiner als das jenige / was dadurch præſentiret wird. Jener ſcharffſichtige Gyges erzehlet / er habe in einer Kirchen unter andern eine Matrone geſehen / welche uͤberauß ehr - bar angekleidet geweſen / und einen Rock angehabt / darauff nach damaliger aus Aſien gekommenen Mode mit vielen Far - ben die ſiegreiche Aufferſtehung des Hey - landes / und die durch Himmliſche Krafft niedergeſchlagen / erblaſte Heiligen Gra - bes bewahrer mit ſo lebhaffter Abbil - dung gewircket geweſen / daß auch die Kleider Pracht eine Andacht von ſich zu -J iijwerf -weꝛffen geſchienen / allein dieſe Falſch-Heili - ge hatte zu Hauſe gantz einen andern Got - tesdienſt gepfleget / ſie hatte in einer Schach - tel ein klein Cupidchen verwahret gehabt / von welcher heimlichen Veꝛehrung niemand als die Magd gewuͤſt / vielweniger der Mañ / welcher vermeinet / darinnen waͤre deꝛ Weib - liche Schmuck / ſo er ihr zur Heyrath gege - ben / enthalten / dieſer Goͤtze waͤre mit beſon - derm Fleiß unter vertrauteſten Brieffen / unter etlichen Mannesbildern / und auff al - lerhand Weiſe geknuͤpfften / und inner Pur - pur und Gold eingeflochtenen Haarlocken ſorgfaͤltig eingeleget geweſen / ſie haͤtte ihm gewiſſe Tage geopffert / und als ob ſie etwas ſonderliches vorhaͤtte / gebeten / daß nicht ir - gend der liebenden Geluͤbde gehindert / oder[v]erkundſchaffet wuͤrde / Gyges habe daruͤ - ber gelaͤchelt / daß / weil ſie ſich allein zuſein einbildete / ihre ſuͤndliche Wolluſt ſo frey er - kaͤndte / welche ſie offentlich gelaͤugnet / ſin - temal die jenigen / welche zu damaliger Zeit mit dem Cupido Abgoͤtterey getrie - ben / nicht nur ſolches offentlich gelaͤugnet / ſondern auch zu ihrer Rechtfertigung diene mit hefftigen Schmaͤh-Worten um ſich ge -worf -woꝛffen / Es iſt kein Zweiffel / daß añoch dieſe viel Glaubens-Genoſſen an ſich habe / wel - che in der Cammer-Schwellen mit ihrem Gewand das Chꝛiſtenthum an - und ablegen; Wie mancher traͤget nicht bald dieſen / bald einen andern Cupido, reich oder groß zu werden in ſeinem Hertzen? Wie viel ver - abgoͤttern einen Adonis zeitlicher Ehrſucht / in deſſen Auffopfferung ſie ſich von Gottes Auffſicht entreiſſen? Da doch Gottergebene Seelen ſich nicht ſchnoͤden Wolluͤſten leib - eignen / viel weniger auff die Pflicht / welche ſie Gott ſchuldig ſind / den ſuͤndlichen Be - gierden hoͤhen aufrichten Sie gleichen nicht den falſchen Piſtolen / auff welche der Fuͤr - ſten Titul gepreget ſtehet / nicht den Uber - ſchrifften der Theriacks-Buͤchſen / ſo doch mit Gifft angefuͤllet ſind. Wir vermutten nicht / daß ein Chriſtlicher Fuͤrſt vorſaͤtzlich Boͤſes thun koͤnne / und alſo hat er keiner Verdruck - oder Vertuſchung oder Mahle - rey von noͤthen; Er wird ſich ja nicht denen Suͤnden unterwerffen / welche er ſelbſt eyf - fern ſol / dann wie er ſolche an Unterthanen ſtraffet / alſo wird ſie Gott an ihm heimſu - chen / wie wuͤrde ihm gefallen / wenn von ihmJ iiijalsals dem rechtmaͤßigen Herꝛen ein Va - ſall abfiele / der Abfall è un ulcere, che non fana mai, ein Geſchwuͤr / welches memalen heilet / oder eine Suͤnde ſo nicht vergeben wird / ein Fuͤrſt iſt Feudatario d Iddio, welcher das Reich als ein Lehn vom Gott empfangen hat / nun trennet er ſich / (welches durch Suͤnden geſchie - het) von Gott und beleidiget deſſen Ma - jeſtaͤt / ſo macht er ſich ſchuldig der Ma - jeſtaͤt / ohne welche die Seinige tod iſt / er bilde ſich nicht ein / daß er das verdamm - liche wolle mit einer gleiſſenden Haut uͤberziehen / er macht uͤbel arger / und in dem er Gott betruͤgen wil / betruͤget er ſich am meiſten / ſuͤndigen iſt ſchrecklich / aber viel ſchrecklicher / das Boͤſe gut wol - len machen / und Gott ſeiner Eigenſchaff - ten berauben / als wenn er nicht alles ſe - he / und allgegenwertig waͤre / Fia gli er - rori piu deteſtabili è la ſimolata pieta, und eine groſſe Suͤnden-Kette / wo eine an der andern gegliedert iſt / eine geheu - chelte Boßheit iſt eine doppelte Boßheit / dann es iſt eine Boßheit und eine Heu - cheley. Wenn Ahab dem Nabot ſei -nennen Weinberg mit Macht genommen / und einẽ andern gleichen werths darvor gegeben haͤtte / deſſen er ſich Anfangs er - boten / waͤre zwar gleichwol nicht recht geweſen / jedoch nicht ſo abſcheulich un - recht / als wenn Jſabel einen leichtferti - gen Streich erdencket / den unſchuldigen Nabot einer Majeſtaͤt-Vergreiffung zu beſchuldigen / dadurch ihn um den Wein - berg und Hals zubringen / ſiehe / weil A - hab ohne offentliche Gewalt-Anlegung den Weinberg nicht erlangen kundte / und ſich nicht einer Ungerechtigkeit ruch - bar machen wolte / erſinnet Jſabel einen Schein des Rechtens / dadurch ſie von einer Miſſethat in die andere fellt / und Gott zu einer ſo ſchrecklichen Beſtraf - fung der unter dem Deckel gehegter Ju - ſtitz geuͤbten Grauſamkeit reitzet. Die Boßheit iſt gleich einer Schlangen / wie viel Gifft ſie hat / wie begierig ſie iſt zu Schaden / ſo verkriechet ſie ſich gar gerne unter die Geſtraͤuche der Gerechtigkeit / und verſuchet entweder ungeſehen / vder zum wenigſten ſicher unter dieſem Schirm zu toͤdten / darwieder aber keinJ vbeſ -beſſer wiedergifft erfunden werden kan / als vor aller Welt redlich und auffrich - tig zuhandeln; Die Unſchuld iſt ein Stein / darwieder alle raſende Hunde beiſſen moͤgen / ſie iſt das beſte Mittel der Boßheit allen Gifft aus den Zaͤhnen zu - reiſſen / und ſie offentlich Schau zutra - gen; Was iſt hingegẽ ſpoͤttlicher und ver - aͤchtlicher / als falſch oder nicht gleiche zu - gehende befunden werden? Ein ſolcher machet ſich unwuͤrdig aller Gemein - ſchafft / er ſetzet ſich unter die Zahl der je - nigen / che, wie in der Furba des Gio Battiſta Marzi geredet wird / godono uno belliſſimo privilegio, che niuno ſi fida di eſſi, e ſono in peſſimo con - cetto appreſſo ogni qualita di perſo - ne, welche eines ſchoͤnen Privilegii ge - nieſſen / daß ihnen keiner trauet / und ſie bey allen Standes-Perſonen in ſchlech - tem Werthe ſeyn. Der jenige / welcher etwas Boͤſes beginnen wolte / ſolte ſich / wo nicht vor Gott / jedoch vor den Men - ſchen ſcheuen / welche Bewegungs-Rede der beruͤhmte Perez an Fuͤrſten ergehen laͤſſet / ſino de miedo dell Cielo a lo me -nosnos por la Verguenza de la tierra que es move diza y ſe deſcubre facillmente lo que maſſe encubre, er ſolte nichts boͤ - ſes vornehmen / wo nicht aus Furcht des Him̃els / jedoch zum wenigſtẽ aus Scham der Erden / welche alles leichte entdecket / was verdecket wird / und dieſen Schluß fuͤhret der Graff Majolino Biſaccioni ferner auß / tramandano, ſagt er / le hi - ſtorie à i poſteri e regiſtrano le penne ne gli archivii della Eternità le attioni humane (parlò di memorabli e gran - di) ò buone, ò ree, che ſiano, & io non ſò, come dal uno de i Prencipi ardiſſe - ro mai (come i Neroni e gli Elioga - bali) di commettere atti indegni de i gradi loro, ſapendo, che dovevano es - ſere ſcritti e publicati per tutti i ſecoli, che tutte le attioni anche le piu remo - te, e ben naſcoſte ſi fanno note da i Scrittori, die Hiſtorien uͤbermachen den Nachkommen / und die Federn verzeich - nen die Buͤcher der Ewigkeit der Men - ſchen Thaten (ich rede von merckwuͤr - digen und groſſen) ſie ſeyn gut oder boͤ - ſe / und ich weiß nicht / wie ein Fuͤrſt ſichJ vjunter -unterſtehen ſolte / ſeinem Stande etwas unanſtaͤndiges zu begehen / wenn er wiſ - ſe daß es ſoll geſchrieben / und durch alle Zeiten in die Welt außgebreitet werden / daß alles Thun auch das entlegenſte und verborgenſte den Scribenten nicht un - bekand bleibe. Fuͤrchtet er aber Gott / ſo iſt er ja verſichert / daß das gerechte Gottes Auge alles ſiehet / verkriche dich unter die ſchattichten Baͤume / bedecke dich mit den dickeſten Feigenblaͤttern / Er ſtehet dennoch bey dir / und ruffet alſo - bald / wo biſtu? Alle Vorhaͤnge ſind dem unſichtbaren durchſichtig / alle verſchloſ - ſene Winckel ſtehen ihm offen / denn auch Finſternuͤß nicht finſter iſt bey ihm / und die Nacht leuchtet wie der Tag / Finſter - nuͤß iſt wie das Licht. Uber dem Tuͤr - ckiſchen Divan oder geheimen Rathſtu - ben ſoll eine glaͤſerne Decke gemacht ſeyn / damit der Tuͤrckiſche Kaͤyſer als wenn er allzeit gengenwaͤrtig ſtets da - durch ſehe / ſeine vertrauteſte Raͤthe in unablaͤßiger Pflicht und Ergebenheit er - hielte / wie wohl nun dieſe Einbildung offte hintergangen worden / dennoch iſtnichtnicht gnungſam zu verwundern die Frucht / welche er auch abweſende hat / Groſſe Fuͤrſten thun nicht uͤbel / wenn ſie durch eine vermeinete Gegenwart auch abweſende bey ihren Rathsverſamlun - gen eine Scheu erlangen; Gott aber ſie - het und iſt in allen geheimeſten Gemaͤ - chern anweſend / er ſtehet hinter der Wand und ſiehet durchs Fenſter / und gucket durchs Gitter / er miſſet alle ihre Gaͤnge / er verſtehet alle Gedancken von ferne / er pruͤfet Hertzen und Nieren / des Koͤniges Hertz iſt in der Hand Got - tes; Jn ein ſo GOtt uͤbergebenes und treu verharrendes Fuͤrſten Hertze ver - leiben wir in reiner Unſchuld unſern Staats-Rath / nachdem wir vorherſe - tzen wollen / daß ein Fuͤrſt ohne Gott nicht gluͤckſeelig regiren koͤnne / die Furcht GOttes die rechte Weißheit und all menſchlicher Witz ohne die warhaff - tige Pietet eine thoͤrichte Einbildung ſey / worauß dann unwiedertreiblichen fliſſet / daß weilen Ratio Status eine gewiſſe Re - girungs-Art abgebe / dieſe beyde in einer feſten Verwandſchafft beyſammen ſte -J vijhenhen muͤſſen / und keine Ratio Status oh - ne die Froͤmmigkeit gluͤcklich practiciret werden koͤnne / daß zumahlen Ratio Sta - tus in lauter extraordinari Vorfallen - heiten geſchaͤfftig / deſto nothwendiger ſey / den Compaß nach dieſen Pol-Stern behutſam einzurichten. Unſere Ratio Sta - tus ſol bey den ſchwereſten Drangſalen / bey den bekuͤmmerteſten Zeiten und dero durch einander gehenden Abwechſelun - gen mit großmuͤtigen Adlers Fluͤgeln ſich allzeit von der Erden in die Hoͤhe ſchwingen / ſie ſol mit unverwandten Au - gen die Sonne der Gerechtigkeit anzu - ſchauen ſich bearbeiten / und von dero helleuchtenden Strahlen ihre Lebhafftig - keit beſeelen. Ein vornehmer Fuͤrſt in Jtalien hat einen gegen der helleſcheinen - den Sonnen mit verſengten Federn im - merfort ſteigenden Adler zum Sinnen - bilde gefuͤhret / mit der Uberſchrifft:

Pur che ne godan gli occhi, arden le Piume: Wenn das Auge ſich nur letzt / Seind die Federn nichts geſchaͤtzt.
Es

Es mag deſſen erlaͤuchter Erfinder dar - mit gemeinet haben / was er gewolt / ſo hat alle der Fuͤrſten Handel und Wan - del rechte Adlersart / ſie verſchmaͤhen die - ſes nidrige / wo nichts als blaue Duͤnſte / gefaͤhrliche Suͤmpffe / und wo ja etwas erhabnes / abſchießige Jaͤhen ſind / ihr Leben iſt ein Flug / dadurch ſie von die - ſem in ein viel herrlichers ſich ſchwingen / ſie erheben ſich von dieſem Jrrdiſchen / und laſſen ihre groͤſte Luſt und Bemuͤ - hung dahin gerichtet ſeyn / wie ſie der - mahleins zu dem hellglaͤntzenden Lichte des Empyreiſchen Himmels / vor dem nichts ſuͤndhafftes oder unbußfertiges beſtehet / gelangen koͤnnen / ſie laſſen die ſchoͤneſten Federn immerhin lodern / und alle Wolluͤſte / Pracht und Herrligkeit drauffgehen / ſie fragen nicht nach Him - mel und Erden / wenn ſie nur dahin kommen / wo ſie Gottes Angeſicht von Angeſicht zu Angeſicht ſchauen werden.

DIS -

DISCURS V.

EHe wir unſer Vorhaben etwas genauer zerlegen / wollen wir zu der Wiegen unſerer Ratio Sta - tus ein wenig naͤher treten / und von ſel - bter Ankunfft / von dem warhafftigen Weſen / ſo viel beyfallen und noͤthig ſeyn wird / zu fernerm Nachdencken auffwerf - fen. Vor das einige Behaͤltnuͤß der Ratio Status halten wir / den gantzen Leib der Politiſchen Weißheit / ich wol - te ſagen Ratio Status ſey inner der Muſchel der Politic durch Einfluß uͤber - irrdiſcher Schickungen empfangen / ſie habe unter dieſer Hertzen gelegen / und nach langwieriger Gefaͤngnuß ſich zwar durchgearbeitet / abeꝛ alſobald mit ſolcher Sorgfalt eingewindelt / daß deſſen ei - gentliche Erkaͤntnuͤß nicht wenig zu ſchaffen gemacht: Es hat geſchienen / die eigene Mutter ſey nicht allein dieſe Geburth ſehr ſchwer ankommen / ſon -derndern auch / als ob ſie ihres eignen Thei - les nicht achtete / ſich gleichſam befuͤrch - tende deſſen / was der Venus von ihrem blinden Sohne wiederfahren / daß er ihr ſelbſten nicht ſchonete / und mit dem ſchaͤrffſten Pfeilen das Hertze / woraus er gezeuget / verwundete / die vornehm - ſten Lehrer als Pfleger ſelbſten ſind in der Erziehung ſo nachlaͤßig geweſen / daß wenn dieſes Hellen-Kind nicht zu Hoffe haͤtte Lufft geſchoͤpffet / und an dieſer Am - men Bruͤſten Nahrung geſuchet / an - noch in den dickeſten Tuͤchern der Ver - geſſenheit haͤtte muͤſſen ſtecken bleiben / und die Welt in einer ſchaͤdlichen Ver - wirrung laſſen. Daruͤber ſich die jeni - nigen nicht verwundern / welche wol wiſ - ſen / in was vor Unordnung und Unvoll - kommenheit die gantze Staats-Lehre ſich durch und durch befunden / wie ſie von ihren eignen Meiſtern mehr verdunckelt / als erklaͤret / und in unverdiente Enge gezogen / wie man ſich etlichen Heydni - ſchen Rotten ſclaviret / und darnach den gantzen Becirck des menſchlichen Ver - ſtandes / nicht allein das jenige / waszuzu Policey-Weſen gehoͤrig / ſondern al - les Wiſſen / und welches faſt erſchreck - lich / den Chriſtlichen Glaͤuben einge - zwenget / damit wir inner den Sferen verbleiben / ſo ſind die beruͤhmteſten / welche von dem gemeinen weſen und deſ - ſen Ordnung geſchrieben / geweſen Pla - to und Ariſtoteles, von dieſem hat ſich die gelehrte Welt bethoͤren laſſen / daß ſie ihre Schrifften vor himmliſch / heimlig und Goͤttlich außgeruffen / bloß / weil ſelbte Cieero und andere kluge Heyden / welchen das Licht der Warheit ander - werts nicht geſchienen / in Ehren gehal - ten; von dem Plato ruͤhmet ſein gelehr - ter Dolmetſcher Marſilius Ficinus, daß der Florentiniſche Großhertzog Lau - rentius Medices ſolle geſagt haben / que ſaus ſa drottine on ne douvoit eſtre ben Politiq;, daß ohn ſeine in dẽ Buͤchern von der Republ. und Geſetzen verfaſte Lehre man nicht koͤnne einen guten Hoff - mann abgeben / wir laſſen dem Plato gar gerne die Ehre eines gelehrten Heyden / allein zu geſchweigen der in ſeinen Schrifften befindlichen Tunckelheit / daßauchauch die jenigen / welche ſelbte zu erklaͤ - ren ſich unterfangen / nicht Licht / ſondern Finſternuͤß beygetragen / und man von derogleichen Außlegern wol ſagen koͤnte / was von Pompejo Garigliano dem Platoniſchen Außleger der Cardinal Bellarminus, ſe quidem Platonis ſi mi - nus omnia, aliquid ſaltem intelligen - tiâ arripere, cum verò ad ſua Com - mentaria ſe conferret, verbum pror - ſùs nullum intelligere. Er koͤnne ja von des Plato Sachen wo nicht alles / etwas begreiffen / wenn er aber zu dieſen Erklaͤrungen kaͤme / ſo koͤnte er gantz kein Wort verſtehen / ſo iſt ja das uͤbrig gebliebene durch und durch mit einem aͤr - gerlichen Sauerteig vermiſchet / und dem gemeinen Leben mehr ſchaͤdlich / als nuͤtzlich / ſind gleich manche gute Ge - dancken ihme entfallen / ſelbte aber zu - ſammen zu ſuchen / iſt ja nichts anders / als in einem groſſen ſaltzigten See nach friſchen Waſſern ſegeln: Sind die Pla - toniſchen Ideen nicht zu einem Spruch - wort worden: Was vor ſchaͤndliche Folgereyen wuͤrde die Platoniſche Ge -mein -meinſchafft verurſachen / zugeſchweigen anderer Anweiſungen / darnach ein boͤ - ſes Regiment gefuͤhret werden ſolte / welchem auch Ariſtotel ſelbſten wieder - ſprochen / der Juͤnger dem Meiſter / al - ſo / daß dieſer jenem den Beyfall bey weitem weggenommen / und mit ſeinen Vernunffts Saͤtzen faſt die gantze Welt auff ſeine Seite geriſſen / ungeachtet die Gelehrten wahrgenommen / daß er des Plato Meinungen faͤlſchlich gleich wie Plato des Socratis, angefuͤhret / aus Begierde durch Wiederlegungen ſich ei - nen deſto groͤſſern Nahmen zu machen / welchen er auch vor allen Heydniſchen Gelehrten warhafftig verdinet / und bil - lich Philippus ſich gluͤckſeelig geſchaͤtzet / einen Sohn unter ihm zu haben / den er deſſen Unterweiſung vertrauen moͤchte / gewiß / ſo groß Alexander an Macht / ſo groß iſt Ariſtotel an Gelehrigkeit gewe - ſen / beyde ruhmwuͤrdig / Ariſtotel, daß er einen ſo gluͤckſeeligen Schuͤler an A - lexandro, Alexander, daß er einen ſo gelehrten Lehrer / an dem Ariſtotel ge - habt / den auch Alexander ſelbſt ſo großgeachtetgeachtet / daß er uͤbel zu frieden geweſen / wenn Ariſtotel das jenige / was er ihn gelehret / andern mitgetheilet / als wenn er ſolches zu gemein machte / und die wuͤrde freyer Kuͤnſte entheiligte / welchem Ariſtotel ſol zur Antwort gegeben ha - ben / die herauß gegebene Buͤcher / deſ - ſentwegen er Sorge truͤge / daß ſie nicht verborgen geblieben / waͤren im Licht und Nicht / ſie wuͤrden nicht koͤnnen verſtan - den werden / auſſer von dem / welcher den Ariſtotel zum Lehrmeiſter gehabt / oder das darinn enthaltene zuvor nicht erler - net haͤtte; ob die Buͤcher der Politic o - der vom Regiments-Weſen darunter zurechnen / laſſen wir dahin geſtelt ſeyn / wo durch die Acroamatiſche Alexander die Diſputir-Rede-Kuͤnſt ꝛc. nicht die Politic gemeinet / haͤtte er nicht ſo groſſe Urſache gehabt uͤber Außbreitung einer mehr der Lauben / als dem Hoffe / mehr einem Buͤrger / als Fuͤrſten anſtaͤndiger Profeſſion zu klagen. Die Regier-Kunſt iſt die einige Facultaͤt / welche einem ſo groſſen Alexander eigenthuͤmlich ſeyn ſollen / von keinem andern Centro haͤtteerer ſich ſollen ziehen laſſen / und in Warheit unter denen Ariſtoteliſchen Schrifften iſt faſt keine unvollkommener / zerbrocheneꝛ und ſchadhaffter zu uns kommen / als dieſe von dem Policey Weſen / welche alle Lob-Spruͤ - che ſonder Zweiffel verdienet haͤtte / da ferne ſo viel Maͤngel das beſte Theil nicht bench - men / und dieſe ſchoͤne Arbeit nicht zu einem Stuͤckwerck machte / uͤber dieſes noch zu be - ſorgen / daß der Verfaſſer mit Fleiß eben die Buͤrgerliche Lehre mit lauterm Nebel und Wolcken uͤberzogen / als welcher Eroͤffnuͤß der Erfinder ſelbſten alleine ſich vorbehal - ten / indeſſen hat ſolche Schrifft nicht weni - ger Anſehen erlanget / als die andern Ari - ſtoteliſchen / welche vor vollkommene Be - haͤltnuͤße der Menſchlichen Gelehrigkeit ins gemein ſind gehalten worden; Jn wie vie - ler Mund und Hertzen ſind dem Ariſtotel Altar gebauet / in wie viel Schulen iſt ihm gehuldiget worden / und wie mancher hat die beſte Zeit ſeines Lebens / die Bluͤtte ſeiner Vernunfft ſolchen Heydniſchen Blendnuͤſ - ſen gewiedmet? Daniel Barbarus ein Pa - triarch zu Aquileja eines andern Barbari zu geſchweigen / welcher um eines Ariſtote -liſchenliſchen Woͤrtleins wegen den Teufel zu Ra - the gezogen / brach frey herauß / wenn er nicht ein Chriſt waͤre / ſo wolte er des Ariſtotels Lehre in allem durch und durch annehmen / als wenn die Sonne der Vernunfft nicht durch entzwiſchen-tretung der angebohrnen Schwachheit gar leicht ecliptiſiret wer - den koͤndte: Wolte auch jemand zweiffeln / daß in den Schrifften des Ariſtotels nicht die Mackeln der Menſchligkeit herfuͤr blicken koͤnnen? Wer wolte dann mit mehr blindem Gehorſam / als vorſichtiger Unterſcheidung allem dem / was Ariſtotel vor gut befunden / beypflichten? Die jenige Weißheit / welche wir meiſtentheils von den Grichen geſchoͤpf - fet haben / haͤlt der vortreffliche Baconus vor eine Kindheit deꝛ Wiſſenſchafften / ſie ha - be was Kindern eigentlich zuſtehet / daß ſie geſchickt zu ſchwatzen / zu zeugen unver - moͤgen und unzeitig ſey; Sie waͤre frucht - bar Kieff - und Streitigkeiten hervorzubrin - gen / in der That und Wercken ohnmaͤch - tig / alſo das jene fabelhaffte Geſtalt den Zuſtand der Gelehrigkeit wol abbildete / wel - che das Geſichte einer Jungfrauen / den Unterleib aber mit bellenden Ungeheuernange -angeguͤrtet vorſtellete / alſo haͤtten die Wiſſenſchafften / derer wir gewohnet / etwas liebkoſendes und ſcheinbares for - nen an ſich / wenn man aber zu den an - dern Theilen / daß ſie Fruͤchte und Wer - cke tragen ſolten / gelangete / wuͤrden Zwieſpalt anſtat der Geburth ausge - hecket / deſſen ungeachtet hat ſich nie - mand in Politiſchen Sachen erkuͤnet / von dem gemeinen Wahn abwendig zu werden / biß der verwegene Lehrer von Anjou unter andern Feder angeſetzet / und des Ariſtotels Widerſacher ſich bald heimlich / bald oͤffentlich erwieſen / auch in ſolchen Vorhaben gluͤckſeeliger geweſen / als wenn er ſeinen Vorwitz in außlaͤndiſche Haͤndel maͤngen / und dar - uͤber urtheilen wollen / die Gelehrten wiſſen / daß ſo offt Fabio Albergati den Ariſtotel wider den Bodin ſchuͤtzen / und den Bodin erlegen will / er nur ſeine Ohnmacht an Tag giebet / und ob gleich er den Bodin vor einen Ignoranten ge - gen ſich verachtet / dennoch offtermalen den Begierden mehr / als der Warheit einraͤumet / dieſes iſt gewiß / daß Bodineini -einigen Anhang an ſich gebracht / und vielen Anlaß gegeben zu einer Gemuͤths - Freyheit und Erloͤſung auß einem Ge - faͤngnuͤß / darinnen die ſchoͤnſten Gaben verſchloſſen geweſen / und die Gelehrte - ſte als Malefitz-Perſon gefeſſelt herumb gefuͤhret worden / wiewol viel auß eiteler Eigenſinnigkeit oder Begierde etwas neues zu erdencken / gar zu ſicher von den gemeinen Lehr Saͤtzen abgewichen / bloß weil ſelbige Ariſtotel verfuͤhret / Jhre Ergoͤtzung aber in den ſubtileſten Erfin - dungen geſuchet / damit doch dem gemei - nen Weſen nichts gedienet / was iſts nuͤtze / daß wenn der beruͤhmte Engellaͤn - der Thomas Hobbes, einen Buͤrgeꝛ ma - chen will / er den allgemeinen in der menſchlichen Geſellſchaffts Zuneigung beſtehenden unwiderſprechlichen Grund zu Trotze dem Ariſtotel umbſtoſſen ſich erweget / und zu wider der Chriſtlichen Warheit / der geſunden Vernunfft / de - nen Menſchen einen natuͤrlichen Zuſtand anertichtet / darinnen ſie wie Puͤltze auff - gewachſen / ſich einander anfeinden / ver - folgen / und auß Furcht wie ein Vieh zu -Kſammenſammen treiben / darauß die Geſetze der Verſammlungen geſogen werden mit ſo ſeltzamer Verwirrung / daß er ſelbſt nicht weiß / was er auß ſich machen ſoll; Dieſes ſind Fruͤchte eines muͤßigen und ehrſuͤchtigen Kopffes / welchem alles zu veraͤchtlich / was gemein iſt. Es iſt bey - des denen Heydniſchen Schrifften allzu ſehr ergeben ſeyn / und ohne Urſache neue Wege ſuchen / gefaͤhrlich / wir koͤnnen uns leichte bey unerſetzlicher Verſchmaͤhung des allbereit gebahnten Pfades in irrſame Holtzwege verfuͤhren laſſen / das Herkommen der Regimenter iſt ſo klar / das jenige was ins gemein zu deroſelben Beſtellung nothwendig / ſo außfuͤrlich gemacht / daß alle Neurun - gen gleich einem Nacht-Geſtirn bey hel - lem Tage verſchwinden muͤſſen; Jch ſage mehr / es iſt kein Theil / welches et - licher maſſen beobachtet worden ſey / ie - doch aber auch zertheilet / gemengt / und ſo mangelhafft / daß ich nicht weiß / ob ie - mand die Glieder dieſes Politiſchen Coͤr - pers recht zuſammen gefuͤget / oder von einander erkeñet. Von der Ratio Statuswirdwird unter den heutigen Staats-Gelehr - ten auffgeworffen / ob dem Alter die Ratio Status bekand geweſen ſey / weil der Nahmen neu: Ludovic Zuccoli haͤlt ſolches vor einen kindiſchen Zweifel / wenn man das 5. Buch des Ariſtotels leſe / der Macedoniſchen Koͤnige Philip - pi und Alexandri, Octavii, Tiberii Ge - ſchichte auffſchlage / allein wie ſonder Zweiffel Ratio Status ein Theil der Po - litic, und ſo lange regieret / auch practi - ciret worden / alſo halten wir darvor / daß Ratio Status vorzeiten nicht als ein abgeſondertes Theil der Politic, wie heutiges Tages ſey in acht genommen / gepfleget / geſchweige denn in eine ſolche Vollkommenheit nebſt andern in Auff - nehmen und gediegenen Wiſſen ſchafften erhoben worden. Gewiß / die im Tage liegenden Politicen ſind nicht ungleich einem Bergwercke / darinnen das Me - tall noch roh / nicht lauter gegrabẽ wird / ſie begnuͤgen ſich theils den Grund-Riß zu legen / oder die oberſten Linien zu zie - hen / uñ handeln mehrentheils von nichts / als von den Gliedern / darauß ein Regi -K ijmentment zuſammen geſetzet werde: Wie a - ber ein / auß ſeinen weſentlichen Stuͤcken zuſammengefuͤgtes Gantze ſolle gehand - habet / unterhalten und erhalten werden / wie einer in Verwaltung eines Staats ſich verhalten ſolle / welches die Seele und das allernoͤthigſte iſt uͤbergangen wor - den / wenn man außnimmt / was von den ſtattlichſten Lehrern / theils unter dem Titul der Principum und Senatorum gebracht / theils dem Tacitus unterwuͤrf - fig gemacht worden. Die einige Poli - tic des Lipſius reichet ein gereinigtes Gold zu Bekroͤnung erlaͤuchter Haͤu - pter / und eroͤffnet einem Fuͤrſten die Sa - criſtie zu der rechten thaͤtlichen Regi - rungs-Klugheit; ungeachtet der Jtalie - ner Gabriele Zinano villeicht auß einem dieſer Landſchafft angebohrnen Eyfer gegen die Teutſche Tugendhaffte nichts anders darinnen ſehen will / che gonfi - ezza de titoli e che coſi radunate quelle ſentenze per inſegnare i fanci - ulli, als auffgeblaſene Titul und an ein - ander gereigte Spruͤche vor Kinder zu lernen / ſo wird ſie dennoch von unpar -they -theyiſchen Gelehrten als ein Behaͤltnuͤß der weiſeſten zur Regirung dienlichſten Unterweiſungen billich verehret / wenn nur nicht das ungluͤckſeelige Cap. 13. L. 4. als ein voller Schlangen-ſtarrendes Ca - put Meduſæ eingeſchlichen und Aerger - nuͤß geben wolte / auſſer dieſem iſt viel - leicht die Lipſianiſche Art Fuͤrſten zu leh - ren die kraͤfftigſte / welche von dem Kern ſchoͤner Spruͤche und Beſtaͤtigung der vortrefflichſten Weltweiſen Glauben erlanget / hier werden die Taffeln gezei - get / die Gefaͤſſe eroͤffnet / dahin alle Po - litiſche auß den Staats-Haͤndeln gezo - gene Anmerckungen / axiomata, apho - riſmi, ricordi, maſſimen und wie ſie Nahmen haben / verſetzet werden koͤn - nen. Allein man iſt gleichwohl in der That gewahr worden / daß faſt keine Politiſche Regul darwider nicht offt heil - ſamlich geſundiget / oder wenn man ſich bißweilen daran gebunden / die gefaͤhr - lichſten Jrrthuͤmer begangen worden / ſelbſt die jenigen / welche nach aller Strenge der Theorie nach gehẽ wollen / haben offt zu Hoffe muͤſſen thun / was ſieK iijzuvorzuvor verdammet und verworffen / woruͤber ſie ſtandhafftig gehalten / ſie haben nur muͤſ - ſen bedacht ſeyn auff das gegenwaͤrtige / was ihnen vorgeſtoſſen / weiter nicht denckẽ duͤrf - fen / ſie ſind in ſolche Zeiten gerathen / daß wo ſie ſonſten ihr Heil geſuchet / Gefahr gefun - den / und was ſie anderwerts vor Gefahr gehalten / vor erſpruͤßlich erfunden / Es iſt wahr / daß die Reden und Au - toritaͤt der jenigen / die uns ihre Er - fahrung mittheilen / treffliche Dinge ſind die Klugheit zu bilden / und einen Ver - ſtand zu wege zu bringen / ſie koͤnnen uns aber Fehl ſchlagen oder mißlingen / wir muͤſ - ſen unterweilen von uns ſelbſt an das jenige dencken / was uns zutraͤglich iſt / die Worte und Anſehen bey Seite ſetzen / nur auff die Sache oder uns zuſtoſſende accident ſelbſt gnauſte Achtung geben / und dieſelbe ſich ſelbſt unmittelbarer Weiſe voꝛſtellen; Es iſt kein Zweiffel / daß nicht in dem ordentli - chen Regirungs-Lauff gewiſſe und durch ſo viele Beyſpiele beſtaͤrckte Lehr-Saͤtze ſich er - eignen / welche hindangeſetzt / ſchaͤdliche En - derungen und wohl gar eine Auffloͤſung ei -nesnes Regiments nach ſich ziehen; Weilen aber kein Reich zu finden / welches nicht ver - moͤge der Unvollkommenheit aller irrdiſchen Dinge eine Kruͤmme in ſich habe / uber die - ſes ſo unzehlich viel irregular ſeltzame Be - gebnuͤſſe / und unvermutete Zufaͤlle den or - dentlichen Gang leichte verruͤcken koͤnnen / ſo bleibe unfehlbar etwas uͤbrig / welches in kei - ne Schrancken geſchloſſen / oder in Reguln eingeklemmet werden kan / ſondern wo eine ungemeine Zeit-gemaͤſſe Vernunffts-Wuͤr - ckung bloß auff Erhaltungs-Mittel ſinnen / und bey einbrechenden Stuͤrmen folgen muß / wohin ſie von einer behenden Gewalt - ſamkeit getrieben wird / inmaſſen i Prenci - pi talvolta ſi vedono tali tempeſte ſca - ricar ſopra i proprii Stati, che ſe voles - ſero batter le vie ordinarie, ſarebbero ſorpreſi dall eccidio: Fuͤrſten ſehen offte auff ihren eigenen Staat ſolche Ungewitter loß gehen / daß ſo ſie wolten die ordentliche Straſſe fortfahren / ſie wuͤrden von dem Un - tergange uͤbereilet werden. Sie haben es machen muͤſſen / wie jener beym Diogenes verlachte Schuͤtze / welcher wenn er gegen Auffgang gezielet / den Untergang getroffen. K jvSoSo offte ſich dann nun außgewieſen / daß die jenigen / welche am meiſten der Politic ergeben / und an ſelbte ſich feſteſt binden wollen / am uͤbelſten regieret / daß die beſten Staats-Reguln vielmahlen umb geſchlagen / und die darauff beſt - gegruͤndeten actiones uͤbel abgelauffen / ſo haben viel Gelehrte deſſen keine ande - re Urſache geben wollen / als den Unter - ſchied unter der Therorie und Praxi, welche von einander ſo weit vonſammen ſeyn ſollen / als der Himmel von der Er - den / ſo ungleich als die Kohlen dem Schnee an der Farben; Allein eigent - lich von der Sache zu reden / ſo iſt die Politic Practiſcher Natur / und der Regier-Klugheit Weſen beſtehet in lau - ter Wuͤrckligkeiten / ſie iſt nicht recht ei - ne Politic, wenn ſie nicht thaͤtlich regie - ret / indeſſen wenn ihr eine Theoric bey - geleget wird / wird dadurch nichts an - ders verſtanden / als eine Erlernung / o - der Lehre der buͤrgerlichen Reguln / die Praxis verhaͤlt ſich als eine Ubung oder Anwehrung derſelbtẽ / jene iſt eine Vor - bereitung / ein Schatten dieſer / ſie iſt nureineeine Bildung des Gemuͤths / welche in Fantaſien verſchwindet / wenn ſie nicht ins Werck gerichtet wird / ein Anfang etwas unvollkommenes / und ohne die Praxis ein Coͤrper ohne Seele / die Praxis hingegen wuͤrcket das jenige / was die Theorie unterꝛichtet / ſie bringt ins Licht / was die Theorie bezeuget hat / ſie ver - wandelt in ihr Blut / was die Theorie geſpeiſet / ſie iſt eine Vollzieherin deſſen / was durch ſo viel Schrifften be - kraͤfftiget worden / Summa / die Theorie iſt eine Lehrmeiſterin deſ - ſen die Praxis Thaͤterin iſt / iſt ſie die - ſes / was ſie warhafftig iſt / wie ſolte es moͤglich ſeyn / daß die Praxis denen Poli - tiſchen Vorſchrifften / darinnen die Theorie beſtehet / Wiederſacherin ſein ſolte / welche ſie doch umbarmet / und auf ihren Schultern nach Hofe traͤgt; Ge - ſetzt es ſey ein groſſer Unterſcheid in der Politic zwiſchen der Theorie und Praxi, So ſind ſie deſſentwegen nicht zwey wie - deremander ſeiende / wiederſpenſtige oder von einander abgeſonderte Dinge / ſon - dern ſo genau verwandt und vereinba -K vret /ret / daß beyde eine ohne die ander nicht wol beſtehen kan / deſſen wo es noͤthig / an - dreꝛ unzehlichen Exempel zugeſchweigen / erlauchtes Exempel der vortreffliche Graff Galeazzo Gualdi, in dem be - ruͤhmten Spaniſchen Miniſter dem Don Lovis d Haro neulichſt an die Hand giebet / non obſtante, ſind die eig - ne Worte / ch egli non fuſſe uſcito mai di Spagna ne haveſſe altra eſperienza de gli affari, che per teorica nondi - meno con lo ſtudio imparando in po - co tempo cio, che non fattica di mot - ti anni inſegna l Eſperienza, direſſe ſemper con tanta prudenza e ſi matu - ro conſiglio, che, ſe bene qualche de - liberatione non ſorti il deſiderato in - tento, n hebbe piu colpa la fortuna giornaliera & inconſtante, che la ſua Condotta qui data ſempre d un au - uertenza molto peſata. Ungeachtet er niemals auß Spanien kommen / noch andre Erfahrung der Welt-Haͤndel ge - habt / als durch Theorie, nichts deſto minder in dem er durch Studiren in we - niger Zeit begrieffen / was die Experienzmitmit vieler Jahre Verlauff und Muͤhe lehret / habe er mit ſolchem Verſtand und reiffem Rath das Regiment gehandha - bet / daß ob gleich ein und andeꝛ Anſchlag den abgefaſten Zweck nicht erreichet / mehr das unbeſtaͤndige und wanckel - muͤttige Gluͤcke daran Schuld geweſen / als ſeine mit woluͤberlegter Auffachtſam - keit begleitete Regiments-Fuͤhrung / da dann nur auß dieſem leichtlich erhellet / wie gar wol beyde die Theorie und Pra - xis, ja wo es gluͤcklich ergehen / und die Prudenz ihre Vollkommenheit erlan - gen ſol / beyſammen ſtehen oder zuſam - men ſtimmen muͤſſen. Wann aber in - ner der Politic etwas von deꝛ Politiq ab - weichendes / beſonders / Wiederſtaͤndi - ges oder auffſaͤtziges ſich ereignet / ſo kan derogleichen Zweyigkeit oder Feindſe - ligkeit der Praxis mit der Theorie nicht zukommen / maſſen die Praxis nichts an - ders wuͤrcket / als was ſie unterꝛichtet iſt / nichts endert / was die Theorie eingege - ben / und gleichwie ein Cryſtall nichts mehr præſentiret / als das jenige / was vorgehalten wird / in ſich hat / alſo kom -K vjmetmet nichts in die Praxis, cujus non ſit e - tiam Doctrina atque Theoria, auf wel - che Art wir auch bey der Ratio Status wiewol ſie gantz Practiſch / nicht umſte - hen / daß ihr nicht einige Theorie zukom - me / nicht aber zugeben / daß ihre Praxis gantz anders als ihre Theoria ſey / Ande - re wenn ſie ſehen oder empfinden muͤſſen / daß ihr Verlangen nicht nach Wuntſch abgelauffen / oder das nach dem Abrieß Politiſcher Zucht beſter maſſen abgefa - ſtes Vorhaben Anſtoß erliedten / haben dem Geluͤcke alle Schuld zugemeſſen / illa ſola in totâ ratione mortalium u - tramque paginam fecit, welcher aber in Warheit nichts / es waͤre dann / daß wir dadurch die Goͤttliche Allmacht und Allwiſſenheit / welche alles kuͤnfftige und was uns verborgen iſt / klar vor Augen hat / das jenige / was unſer Blindheit ohn gefaͤhrlich vorkommt / zuvor geſehen und erkundet hat / verſtehen wollen / da ich dann nicht weiß / wie uns Chriſten gezie - men ſolte mit einem ſo ſchnoͤden und ver - aͤchtlichen Namen einer Heydniſchen Goͤttin / die Goͤttliche Majeſtaͤt zu beeh -ren /ren / ſelbte vor blind zu ſchelten und der Goͤttlichen Vorſorge die Augen zuver - binden / zugeſchweigen daß nach des Ni - colo Vito di Gozzi eines vornehmen Edelmannes zu Raguſa Erinnerung in Staats-Sachen man nichts ohngefaͤhr - liches ſolle zulaſſen / eben ſo wenig als die Heydniſchen Geiſtlichen in den Goͤtter - Rath das Gluͤcke niemahlen beruffen wollen / oder wo erwehntes Gluͤcke dem Poͤfel-Gebrauche nach behalten werden ſolte / ſo iſt das gute Gluͤcke nach dem lobwuͤrdigſten Franc. Bacon gleich der Milchſtraſſen im Himmel / welche nichts anders iſt als ein von vielen unzehlichen kleinen Sternen beſtehender Hauffe / de - rer man jegliche nicht beſonders ſehen kan / nichts minder zuſammen einige Klarheit von ſich geben / eben alſo viel Tugenden oder Qualitäten / wenn ſie ſich in einem Menſchen beyſammen findeten / machten ſie ihm das Gluͤcke / oder verſetz - ten ihn / in Gluͤckſeeligkeit / das boͤſe Gluͤ - cke hingegen iſt nach dem Jtaliener come una pianta, che alle volte non frutto per defetto ſuo proprio, alleK vijvoltevolte per defetto del terreno, altra volta per colpa del Ortolano ò del a - ria, ein Gewaͤchſe / welches nicht Frucht bringet bißweilen aus eigener Schuld / zuweilen aus Urſache des Bodens / zu - weilen aus Schuld des Gaͤrtners oder der Lufft. Die Heyden / damit ſie weder Gott noch ſich ſelbſt beſchuldigten / mach - ten ein Wort zu einer Goͤttin und zwar Weibiſchen Geſchlechts / darwieder ſie ihren Unwillen herauß laſſen / und ihre Schuld der Unwiſſenheit beſchoͤnigen koͤndten / der Menſch hat kein gewiſſer Gluͤcke als ſich ſelbſt / chi è ſi rozzo, che l ignori? chi è ſi empio che lo nieghi? Saget der Gio Battiſta Mancini, wer iſt ſo Baͤuriſch / der es nicht wiſſe / ſo Gott - loſe / der es laͤugne? Jn denen uns be - treffendẽ Zufaͤllen iſt eine gewiſſe Krafft / damit wir des Didaco Savedra Worte gebrauchen / und wir halten ſie bald vor groͤſſer / bald kleiner / nachdem ſie uns vorkommen / unſeꝛ Unwiſſenheit ſchreibet dem Gluͤcke alles zu / da doch wir uns leicht laſſen viel Verenderungen abreiſ - ſen / wenn ſo offte der Zeiten Wechſel ſichwan -wandeln / wir unſer Gemuͤtte aͤnderten und die Mittel / wuͤrde es keines weges ſo maͤchtig uͤber uns / noch wir deſſen Bott - maͤßigkeit ſo ſehr unterworffen ſeyn / wir endern die Kleider-Moden mtt der Zeit / das Gemuͤtte aber und Vorſatz wollen wir nicht endern / wie vielerley Wind brauchet nicht ein Schiffmann zu ſeiner Schiffarth? Wie jener ſich wendet / al - ſo auch dieſer die Seegel und alles muß ihm zu ſeinem Vorhaben dinſtlich ſeyn / unſerer Natur boͤſe Beſchaffenheit wol - len wir nicht ablegen / weil es die Liebe unſer ſelbſt verwehret / oder die Unbe - dachtſamkeit nicht zulaͤſt / und hernach klagen wir die Gluͤcksfaͤlle an / wir laſſen kleinmuͤttig den Muth ſincken / ehe wir den einbrechenden Ubel ſteuren wollen / und laſſen uns verſtarret oder unbe - dachtſam von der Verzweiffelung un - terdrucken / im Creutz wiſſen wir nicht die Hoffart / Zorn / vergebene Ehrſucht und allerhand Laſter abzulegen / welche das Wolergehen in uns gezeuget hat / erken - nen auch nicht das jenige / was uns in den Ungluͤcks-Stand abgeworffen; Al -lenlen Augenblick in allen Geſchaͤfften ſol ein Fuͤrſt / mit was vor Unterthanen er auch zuthun habe / von ihm ſelbſt unter - ſchieden ſeyn / und die Natur endern / dar - zu denn keiner ſo groſſen Wiſſenſchafft / ſondern nur einer Geſchickligkeit / daß er in alle Faͤlle ſich ſchicke / und einer gelen - cken Klugheit / welche ſie zuvor erblicken koͤnne / vonnoͤthen. Solches nun ver - hindert gemeiniglich unſer eigen Fleiſch und Blut unſer Unvorſichtigkeit / wel - ches die natuͤrlichſten Urſachen deſſen / was uns ungluͤckſelig abgehet / ſind / wir ſehen offters etwas vor kluͤglich gethan an / und halten gar zu beſtaͤndig daruͤber / welches nach dem Duͤnckel einer von Begierden eingedruckten Eigenſinnig - keit mehr alſo ſcheinet / als warhafftig iſt / wenn es uns am beſten ergehet / ſo rennen wir am ſicherſten zu unſerem ei - genen Ungedeyen / welches die Spanier durch ein nachdencklich Spꝛichwoꝛt auß - drucken / wenn ſie zu ſagen pflegen / No ay hombre cuerdo à cavallo, es ſey keiner klug zu Pferde / andeutende / wie ſchwerlich der jenige / welchem es wolge -hethet / ſich regiren und kluͤglich verhalten konne / ſich auff ſein gut Gluͤcke verlaſ - ſende / gleich a un homme, wie ein Fran - tzoſe darbey anmercket qui ſe voyant ſur un bon cheval le pouſſe indiſcre - tement, croyant qv il le portera per tout, einem / der merckende / daß er ein gut Pferd unter ſich hat / es ohn Unter - ſcheid ſchlaͤget / ſtoͤſſet und anſpornet in Meinung / daß es ihn uͤber Stock / uͤber Stein fortbringen werde / wie ſolten ſag ich die Gluͤckſeeligkeit und Vorſichtigkeit mit einander Camradſchafft machen / wie mitten in dem Trab unſer ſchoͤnſten Gluͤckſeligkeit / unſere Sicherheit / und in dieſer der Fall eingewickelt werde; Die Begierden ſind gleich den muthwilligen tummen Kindern / welche was ihnen am ſchaͤdlichſten iſt / am begierigſten ergreif - fen / die Vernunfft muß es mit ſelbten machen / wie einer der einen Sclaven verwahret / um ihn zu fuͤhren / wohin ihm beliebet / ſie ſelbſt muß manche Gewalt uͤber ſich ergehen und geſchehen laſſen / was ihr ungereimbt vorkommt / ſie laͤſſet manche duͤſtere Wolcken uͤber ſich zie -hin /hen / damit ſie deſto helleuchtender her - vor breche / ihre Wuͤrckungen ſind gantz ungebunden und ungemein / ſie iſt bey den unordentlichſten Begebenheiten irregu - lar, und regulirt ſie auf die irregulareſte Weiſe / doch alſo daß ihre Linien nach dem Moraliſchen Mittel-Punct allezeit gezogen werde / dahero wiederum dieſe / welchen nicht alles nach ihrem Geſchmak ergangen / oder ein und ander Schick - nuͤß der Ordnung vorgeſchriebener Lehr - Setze wiederſtrebet / dem Menſchlichen Gemuͤtte und der darinnen reſidiren - den Prudenz unrecht gethan / wenn ſie ſelbiger Unvermoͤgenheit alles das jeni - ge / was ihnen unverhofft begegnet / zuge - meſſen / oder auch wegen der Maͤnge ſo vieler Zufaͤlle gaͤntzlich vernichtet. Mi - chel de Montaigne haͤlt die Menſchli - che Klugheit vor ein eitel Ding / weil die Zufaͤlle unſern Anſchlaͤgen und Behut - ſamkeit ſo offt und maͤchtig wiedeꝛſtehen / indeſſen aber ſchreibet er dem leerẽ Thon des Gluͤckes alles zu / und der Jtalieni - ſche Beſchreiber Frantzoͤſiſcher Ge - ſchichte Benjamin Prioli, indem er dieMaza -Mazariniſchen Staas-Faͤlle / und dero Gluͤckſelige Abwendung erzehlet / bricht in dieſe ſeltzame Worte heraus / Revera inſtabile & fluctuans eſt, quicquid vocamus Prudentiam in Electione poſitam rerum, quæ aliter atque ali - ter ſe habent, ſi illæ incertæ, etiam i - pſa, quia non ſolù devincta rebus, ſed magis iis, quæ adſtant temporibus, locis & hominibus, ideo obſcuræ il - lius Virtutis nullus certus limes, Man ſehe doch die liederlichen Beweißthuͤmer einer vernuͤnfftigen Seelen die Prudenz abzuſprechen oder zweiffelhafftig zu ma - chen / eine arme Bauerhuͤtte / ein ſchlech - tes Buͤrgerhauß uͤberzeiget / was eine kluͤgliche Haußhaltung außrichten koͤn - ne / ob es nicht ergehet / wie mans anſtel - let / die Prudenz beſtehet in der Wahl - oder Außleſung der Dinge / ja ſie erkie - ſet das beſte / irret aber ein Menſch dar - innen / wer wolte es ſie entgelten laſſen / es iſt wahr / die Vorfallenheiten ſind un - zehlich / ungewiß / unvermuttet / wer wol - te aber deſſentwegen die gantze Rechts - und Artzney-Wiſſenſchafften außrot -ren?ren? Die Zeit / der Ort / die Menſchen ſind zubeobachten / dahero iſt dieſe Tu - gend finſter ohne Schrancken / und in e - ben dieſer behutſamen inachtnehmung beſtehet der Klugheit edelſtes Theil / der gute Außgang / welchen Prioli ſo vereh - ret / und dem Cardinal Mazarini zuer - kennet / daß er ſelbten Hoͤhen und Altare auffzurichten ſchuldig worden / iſt ohne Zuruͤckſehung auff deſſen Urſache der unverſtaͤndigen Urtheil / il Maeſtro de Pazzi, il Pedante de gli ignoranti, ein Meiſter der Narꝛen und Pedant der Un - wiſſenden. Wir ſchluͤſſen niemahlen auß die Auffſicht des groſſen Gottes / welcher uns offters durch Verhinderun - gen eines guten Fortganges unſers Vor - habẽs / durch Zuſchickung vieler Drang - ſeeligkeiten uns zum beſten ſeinen Wil - len zuerkennen giebet / und dieſem ſich zu unterwerffen gehoͤret nicht minder unter die Zucht Chriſtlicher Klugheit: Der Spaniſche Feldherr Marcheſe di Lega - nes eꝛoͤffnet dißfalls eine in allen groſſen Verrichtungen verborgen liegende / neue und biß anhero unvermerckte Fuͤrſten -Logi -Logica, darinnen eines die Præmiſſen vorherſetzet / das andere die Conſequen - tien darauß ziehet / die Præmiſſen mache - ten die Menſchen / wenn ſie mit reiffem Bedacht / Gerechtigkeit der Sachen / und untadelhafften Abſehen die Mittel zu ei - nem guten Außgang einrichten: den Schluß herauß zu bringen / gehoͤre der Obmaͤßigkeit Goͤttlicher Verſehung zu / welche die gemeine Logica in Praxi, zu - weilen verkehret / weñ ſie die natuͤrlichen Einfluͤſſe der Præmiſſen und der erweh - leten Mittel aͤndert / daß in der Conſe - quenz oder Folge des letzteren Fortgan - ges und im Außſchlag das Widerſpiel des jenigen / auff welches das Abſehen gerichtet iſt / ſich ereignet / alsdenn muͤſ - ſen die cauſæ ſecundæ bleiben / das letzte Glied der natuͤrlichen Ketten wuͤrde da in den Heidenthum bey den Fuͤſſen Jovis an den Thron geſchloſſen / der Vernunft wird offters ihr Schlagbaum vorgezo - gen / die menſchlichen Sinnen ſind gleich der Sonnen / welche zwar die Erdkugel erleuchtet / aber den Himmel verdecket / und das Geſtirne verſiegelt / alſo wirdunsuns der majeſtaͤtiſche Himmel Goͤttlicher Geheimnuͤſſe alsdann entzogen / wenn unſe - re Vernunfft am helleſten ſcheinen will / un - ſere Augen werden ſtumpff und tunckel / wo ſie am ſchaͤrffſten ſehen wollen / gleich wie wir in irrdiſchen Dingen nicht ſo vor uns weg wandeln muͤſſen / daß wir nicht in die Hoͤhe / woher alles Gluͤck und Ungluͤck ein - flieſſet / einen Blick thun ſollen / umb uns umbzuſehen / wie es allda wittern moͤchte / al - ſo muͤſſen wir es bey dem bloſſen Anſchauen bewenden laſſen / und nicht allzu vorwitzig in die Urſachen nachforſchen / damit wir nicht auff der Erden ſtraucheln oder fallen / daran gedenckende / che gli ſtrani acci - denti, le Coſe incerte & ineſpectate che nel mondo ſuccedono ſtando rin - chiuſe ne gli arcani Celeſti non poſſo - no eſſer perſcrutate dall humano in - telletto, welches ſind Worte eines vorneh - men Scribenten heutiges Tages / daß nem - lich die ſeltzamſten Faͤlle / die ungewiſſen und unverhofften in der Welt ſich begebende Dinge immer den himmliſchen Geheimnuͤſ - ſen verſchloſſen von dem menſchlichen Ver - ſtande nicht erforſchet werden koͤnne; DieGoͤtt -Goͤttliche Verſorge ſollen wir billich uͤber alle unſer Beginnen / es mag ſo weißlich an - geſtellet ſeyn / als es wolle ſchalten und wal - ten laſſen / Gott ſiehet in die geheimeſten Rathſtuben / er pruͤfet die innerſten Nieren / und kan alle Anſchlaͤge befoͤrdern oder zu nichts machen ſind aber die Præmiſſen richtig / das iſt / gehet man in der Furcht des HErren einher / iſt eine gerechte Sache un - ter der Hand / und ein Gott wolgefaͤlliges Abſehen / ſo iſt kein Zweiffel / daß nicht ein gluͤckſeeliger Schluß erfolgen koͤnne. Und brechen gleich auch ein die widrigſten truͤb - ſeeligſten Zeiten / ſo ſind li tribolationi, (uͤber diß daß ſie der Chriſten rechte Hofe - farbe ſind) an ſich ſelbſt / wie der Majoli - no Biſaccioni redet / memoriali di Dio e per coſe dirle tirate d Orecchio, Denckzettel Gottes und ſo zu ſagen / Ohr - loͤpplin-Ziehungen magnete / die unſern Willen dem Goͤttlichen auffwerts zu ziehen: Anton Perez, welcher ſich wegen ſo vieler außgeſtandenen Ungluͤcks-Spiele Fortu - Monſtrum genennet / ruͤhmet das Creutz und Widerwaͤrtigkeit vor die beſte Schule / darinnen einer lernen koͤnte / vor denOfen /Ofen / darinnen das feineſte Gold der Weißheit außgebrennet wird / die kalten Winde machen / daß wir uns in die Maͤntel beſſer einwickeln / die wir in der Hitze von uns zu werffen pflegen: Nun werden die hoͤchſten Cedern von den hefftigſten Winden geruͤttelt / damit ſie deſto feſter und ſtandhaffter Wurtzel faſ - ſen / die bittern Myrrhen werden nir - gends mehr als in den Libanon der Gluͤck - ſeeligkeit gezeuget / die groſſen in der Welt gehen nicht immer auff wolluͤſtigen Roſen / dero erlaͤuchten Haͤupter liegen nicht allezeit auff ſanfften Polſtern / ihre Schwanfedern werden offters zu ſtach - lichten Diſteln / die Regiments-Buͤrde / welche ſich als mit lauter lieblichen Ro - ſen angefuͤllet laͤſt anſchauen / hat die ſub - tileſten und ſcharffeſten Stacheln in ſich verberget / der / welcher von auſſen be - trachtet und uͤberhin anſiehet die anmu - tige Regirungs-Roſe / hat freylich wol - gefallen an der lebhafften Farben / o co - me è vagha, come diletta, come ralle - gra la viſta? Wie iſt ſie ſo behaͤglich / wie ergoͤtzet ſie / wie liebkoſet ſie die Au -gengen (damit ich mich des Pio Mutio Be - trachtungs-Worte Tiberianiſcher Kla - ge uͤber die ſchwere Regiments-Laſt be - diene) werffe er aber die Augen des Ver - ſtandes / der Vernunfft / der Erfahren - heit inſtaͤndiger auff die unzehliche Be - gebnuͤſſe / welche allenthalben herdraͤu - ten / was Beſchwer - und Gefaͤhrligkeiten ein Fuͤrſt muͤſſe außſtehen / mit was vor Furcht / Hoffnung / Sorgen er beſtrickt wuͤrde / ſo wuͤrde man gewahr werden / che ſiano le ſpine di queſta Roſa mol - to pungenti, daß die Spitzen dieſer Ro - ſen ſehr ſtechende ſeyn; Der Roͤmiſche Pabſt / alſo ſchreibet Valeriano Caſti - glione in Statiſta Regnante, weyhet jaͤhrlich in der Faſten eine Roſe / und ſchickt ſie einem groſſen Potentaten / an - zuzeigen / daß gleichwie die Roſe un fio - re efimero eine hinfaͤllige Blume / alſo eines Fuͤrſtens Statt eitel und vergaͤng - lich / und eben wie die Roſe nicht ohne Dornen / alſo eines Fuͤrſten Regirung mit ſpitzigen Stacheln ſtaͤtswaͤhrender Verdruͤßligkeiten Furcht / Argwohn / Muͤhe und allerhand Ungluͤcks-FaͤllenLverge -vergeſellet ſey / da muß das Mißtrauen ſein attributo proprio del Principato, e la madre della ſicurezza, die Eigenſchafft eines Regiments und die Mutter der Si - cherheit / damit ſich Fuͤrſten abmergeln / ihre Liebe vor die Sicherheit und Wolfarth des Landes iſt gleich der Liebe der Liebenden / de - nen die nichtigen Schatten vorkommen wie Coͤrper von ungeheurer Rieſen-Groͤſſe: Es iſt auff einer Cronen wie ein vornehmer Fuͤrſten-Lehrer ſchreibet nicht eine Perle / die nicht Schweiß ſey / nicht ein Rubin / ſo nicht Bluth / nicht ein Demant / welcher nicht etlicher maſſen ein ſcharffer ſpitziger Bohrer ſey / eine Crone endlich iſt nichts an - ders als eine Circumferenz absque quie - tis Centro, oder Umfang ohne den Punct der Ruhe / ein Sinnenbild ſtetter Reg - und Bewegungen / und diſes iſt die Urſache ge - weſen / warum etliche von den alten Koͤnigen ſich Cronen in Geſtalt eines Schiffes be - dienet / darmit anzudeuten / die Unbeſtaͤndig - keit / Unruh und Gefahr / darinnen ſie ſchwe - beten und lebeten. Jn dieſer Regirungs - Schiffarth wird zu taͤglicher Speiſe das haͤrteſte Zweyback des Wiederwillens undzumzum Trancke der bitter eingehende ſaure Wein / di Disguſti des Unmuths vorge - ſetzt / wie manchen harten Biſſen ſie unter ih - rem Fuͤrſten-Brod verdauen / wie manchen bittern Gallen-Tranck vertragen? Das Schiff des gemeinen Wolweſens / darinnen niemand mehr zu verlieren hat / und groͤſſere Sorgfalt als deſſen Patron tragen muß / lei - det ja von unzehlichen Wellen einen Stoß uͤber den andern / die wilde Welt-See an ſich ſelbſt iſt unruhig / ſie ſtehet in der ſchoͤn - ſten Stille nicht ſtille / ſie wird durch einen heimlichen Ablauff hin und her getrieben / blaſen dann die banden-loſen Unholden mit vollem Rachen unverſehens Unheil an - noch hinzu / ſtuͤrmen die ſchrecklichſten Un - gewitter auff das ſchwache Behaltnuͤß ſo vieler Seelen / und ſchmeiſſen es bald in die Hoͤhe / bald in die Tieffe / wer wolte zweiffeln / daß hier eine vorſichtige Sorgfalt der Au - genſcheinlichen Gefahr nicht etlicher maſſen Rath ſchaffen koͤnne? Ein erfahrener Schiffmann kan von einer kleinen Wolcken offt einen groſſen Sturm zuvor ſehen / und ſich entweder in Hafen zuruͤck begeben / oder bey Uberfallung eines Ungewitters in einemL ijſtillenſtillen Orte verziehen / er leget in Gefahr die Seekarten auff die Seite / laͤſt die Segel ſtreichen / Ancker ſencken / ein Theil der Laſt außwerffen / er achtet nicht einen kleinen Verluſt zu Erhaltung des gantzen / ubi naufragium timet, jacturâ, quicquid ſervari poteſt, redimit, er thut alle das jenige / welches bey gutem Winde thoͤricht wuͤrde gethan heiſſen. Eben ſo machts ein kluger Regent / er kan in eine ſolche Enge gerathen / da er nur muß auff Rettungs-Mittel und ſa - lubri ratione ſich zuerhalten bedacht ſeyn / die Gewaltſamkeit der entgegenſte - henden Wiederwertigkeiten dringet zu - ergreiffen / welches auſſer dieſem unweiß - lich und unverantwortlich gethan ſein wuͤrde / La Prudenza medeſima ſoc - combe allo ſpeſſo all impeto de gli accidenti, die Prudenz muß offt der Un - geſtuͤmigkeit der Zufaͤlle ſelbſt unterlie - gen / ſie wird mit dem Wirbel der Be - gebnuͤſſe herum geſchmiſſen / und alsdañ / wann ſie am niedrigſten / erhoͤhet / wenn ſie am meiſten gedrucket wird / werden ihr deſto mehr Kraͤfften außgepreſſet /hier -hierinnen beſtehet das weſentliche Theil der Klugheit / fuoco, che converte tutti gli antimonii in medicamenti, das Feuer / welches alle Antimonien in Artz - neye verwandelt / un Bezoaro, che cor - regge anco il veleno, bey Roccabella, ein Bezoar, welcher auch das Gifft cor - rigiret oder beſſert / der Ancker / welcher in der euſerſten Noth einzuwerffen / die Ungvento ad ogni piaga, die Salbe zu allen Wunden / die uͤber den Neptun triumfirende Pallas, die jenige / welche Falten und Ecken hat / die gantz ſonder - lich ſind / was bald einem Fuͤrſten bitter eingehen wollen / bald dem gemeinen Weſen herbe vorkommen / bald der Richtſchnur Politiſcher Zucht krum und ungleiche geſchienen / hat in dieſer Vor - fallenheit ſich nicht anders wollen thun laſſen / und in Anſehung des gegenwaͤr - tigen Zuſtandes einen gluͤcklichen Auß - gang nach ſich gezogen / von dem jenigen / was ſonſten in Recht und Politic am be - ſten gegruͤndet iſt / hat es offters geheiſſen nach des Spaniſchen Hofes Sprich - wort / Non ha lugar por via de Govi -L iijerno,erno, ober wie es der Frantzoͤſiſche Außle - ger giebet / Il n y a pas lieu à l affaire par la Raiſon d Eſtat, es hat nicht ſtatt wegen des Lauffes der Regirung / alsdann man weder Exempel noch Autoritaͤt anziehen doͤrffen / weilen deſſen Urſache allezeit geheim / nach den Umſtaͤnden veraͤnderlich / es ſind ſo irregulare Zeiten eingebrochen / welche nicht lange beſchauens / mit was vor Grund diß oder jenes geſchehen / zugelaſſen / ſondern unbedingten Gehorſam erfodert / der Zuſtand eines Reiches hat ſo viel Geſichter gewon - nen / daß es unmoͤglich geweſen / ſelbigen mit beſtaͤndigen Augen anzuſehen; Alles dieſes / was auſſer dem / wie es ſonſt geordnet iſt / was weder in General, noch Special Politic gebracht werden koͤnnen / was ſich in keine Graͤutze ſchlüſſen laſſen / was der Politic, der Vernunfft ſelbſt Meiſter werden wollen / hat die Polite Welt mit dem Nahmen Ratio Status bezeichnet / wann nehmlich derglei - chen vorgegangen / cujus non alia potuit dari Ratio, quàm Statûs deſſen man kei - ne Rechenſchafft oder Urſachen geben koͤn - ne / als Ratio Status, darunter dann mit beſonderm Nachdruck ein zweyfacher Ver -ſtandſtand eingewickelt gelegen / und ſo wol durch den Staat der Zuſtand eines Reiches / als das Reich ſelbſt bezielet worden / daß ſo offt man um die Urſache dieſer oder jener Thaͤt - ligkeit Sorge getragen / ſo iſt es Ratio Sta - tus geweſen / der damahlige Zuſtand habe es nicht anders erfodert / oder man auch die Regiments Herꝛligkeit in Betrachtung ge - togen / fuͤglich gebraucht worden Ratio Sta - tus als ein Staats - und Fuͤrſten-Recht / ver - moͤge deſſen Fuͤrſten oder Obrigkeiten er - laubet / was Unterthanen keines weges ge - ſtattet werden koͤnne / welche beyderley Be - deutungen / mit einander ſo verknuͤpffet / daß wenn einer eines von dem andern trennete / dem Weſen das Leben raubete / dannenhero die jenigen / welche durch das Wort Stato ſchlechter Dinges ein Regiment oder Herr - ſchafft in unſerer Ratio Status verſtehen wollen / deſſen Krafft nicht gnungſam er - ſchoͤpffet (wiewol nicht ungereimt / daß gleichwie bello & paci ſua Jura, ita & Statui) gleich denen jenigen / welche durch das Wort Stato bloß einen Zuſtand oder Beſchaffenheit bedeuten wollen / und jeder Privat-Perſon die Ratio Status deſſent -L iiijwegenwegen zugeeignet / welchen Trennungen zu entgehen / wir beyderley Verſtand vereinigen / und etwas mehrers als ein Regiments-Recht / auch etwas mehrers als einen ſchlechten Zuſtand außdrucken wollen / dieſes wird alſo fortgeſetzt / daß / nachdem wir die Ratio Status in dem Stande ſeiner Verachtung geſehen / der Gelehꝛten daruͤbeꝛ gehabte Meinung zer - leget / die wahre Gottesfurcht als aller Weißheit Anfang vorangeſetzet / und was irgend zur Sachen gehoͤrig / einge - ſtreuet / wir unſerer Ratio Stat. ſelbſtaͤn - digen Weſen drey nothwendige Ingre - dientien wiedmen / und ſelbige auß dem Element der Noth / Orth / und Zeit her - vorbringen / dabey das Abſehen vornem - lich dahin richten und erweiſen woüen / daß etwas inner der Politic ſey / welches wegen der Maͤnge vieler Extraordinair Begebnuͤſſe / ſo den Menſchen offters beſ - ſern Rath geben / als die Menſchen ſelbſt / und einer eigenen abſonderlichen Be - trachtung benoͤtigt / denen Politiſchen Reguln unangebunden / eine gluͤckſelige Wiederſacherin abgebe.

Die -

Dieſe Feder / welche von der Ra - tio Status etwas außzuſchuͤtten ſich er - weget / iſt memahlen ſo eigenſinnig / daß ſie bey einem Worte erſtarret / auch nicht ſo aberglaͤubiſch / daß ſie ihr Gewiſſen nehme / darbey zuverbleiben / die jenigen welche ſich in der Woͤrter Wiegen letzen / moͤgen darauß machen / was ſie wollen / der gaͤntzlichen Verwerffung ſetzet ſich entgegen / ſo vieler Voͤlcker ſchier ein - muͤttige Annehmung. Diß wuͤrdige Re - giments-Kind iſt nicht in Schulen / ſon - dern zu Hofe / vornehmlich in dem geilen Toſcana gebohren worden / dahero ſie billich von dem Alt-Roͤmiſchen Richter - ſtul ſolte befreyet ſeyn / unſer Fuß watet wedeꝛ in dem Sande duͤrꝛer Worte noch irret auff den ſpitzigen Steinen der Sub - tilitaͤten / wir wandeln auff dergleichen ebenen Augenſcheinlicher Erweiſung / und nehmen bißweilen unſern Abtritt in die bunten Thaͤler / darauß wir die auß - erleſenſten Blumen meyen / doch alſo / daß wir auſſer der Straſſen einer unge - meinen Regier-Art nicht weichen wer - den / Jrrẽ / verſtoſſen wir / ſo wiſſe / daß ichL vderder dieſes ſchreibet / und der es lieſet beyde Menſchen / unſer Leben eine Walfarth / dar - innen / ſo offt wir Pilgramme / die erhaben - ſten Klippen der Wiſſenſchafften mit unſer Veꝛnunfft erſteigen wollen / wir leicht ent - weder irre gehen / oder Fehl treten / oder an - ſtoſſen koͤnnen.

DISCURS VI.

NAchdem wir vorhergeſetzt / daß wegen der Macht und Maͤnge der Zufaͤlle inner den Umkreiß eines Regiments nicht allezeit nach den Reguln koͤnneregiret werden / daß ſo offte man das jenige / welches ſonſten ins gemein vor Feh - ler gehalten worden / heilſam befunden / und derogleichen Irregularitaͤten nicht anders geſchuͤtzet worden / als daß es Ratio Status erfordere; Als wird vor allen Dingen noͤ - thig ſeyn von der vornehmſten Urſacherin ſothaner Irregularen Regier-Klugheit et - was zu melden / welche nicht ſein ſol ein ſchlechter Nutzen oder Vortheil / ſondern eineerheb -erhebliche unumgaͤngliche / auch nicht ei - ne Stoiſche Gott ſelbſt feſſelnde Ver - haͤngnuͤß-Nothwendigkeit / ſondern Vis quæpiam premens & cogens ingru - entium Calamitatum,*A. Gell. Noct. Attic. das iſt / eine dringende Gewalt einbrechender Un - gluͤcks-Faͤlle. Dieſe iſt die greuliche Noth / derer grauſame Hand nicht ſcho - net / derer Geſetze die bitterſte / derer Herꝛſchafft die grauſamſte / die Eiſen - brecherin / magna Dea, magna Domina, magna Tyrannis, wie ſelbte Ludovi - cus d Orleans in den neuen Gedancken uͤber den Tacitus tituliret / die groſſe Goͤttin / welche moͤglich machet / was ſonſten unmoͤglich iſt / die groſſe Her - rin / die groſſe Tyrannin / una fiera Domatrice e Dominatrice d ogniu - no ſiaſi quanto ſi vuole d animo e di Stato grande, bey dem Majoli - no Biſaccioni eine wilde Zaͤhmerin und Herrſcherin eines jedweden / er mag ſo groß von Gemuͤth und Stand ſeyn / als er wil / Sola Tiranna de Prencipi, wie ſie Biſaccioni nennet / von welcher Roc -L vjcabel -cabella ſchreibet / come ha ſoprà le for - ze, coſi ſopra la Ragione Dominio, daß wie ſie uͤber den Willen / uͤber die Vernunfft den Scepter fuͤhre / und Pi - erre Matthieu, daß ſie ſey une violente & rude Conſeillere aux affaires, eine gewaltſame und grobe Rathgeberinne: Von dem Juͤngern Plinius wird ſie mit einem beſondern Nachdruck geheiſ - ſen Suprema Ratio, und von dem aͤltern Seneca, magnum humanæ imbecilli - tatis Patrocinium, der groſſe Schutz menſchlicher Schwachheit braͤche alle Geſetze / darunter gleichwol der groſſe Grotius gar recht nur die menſchlichen / und die jenigen / ſo auff menſchliche Art und Weiſe gemacht ſind / wil verſtan - den haben / die Noth ſey ſo maͤchtig / ih - rer Regierung ſo unbeſchrenckt / als ſie wolle / jedennoch ſollen die Goͤttlichen Geſetze nicht unter ihre Bothmaͤßigkeit gezwungen werden / eben weil ſie von Gott gegeben worden / dieſe ſind nicht allein vernuͤnfftigen Seelen eingezeich - net / ſondern auch mit dem Gottlichen Finger auff zwey ſteinerne Taffeln ge -ſchrie -ſchrieben widerholet worden / damit ſie deſto heiliger und unverbrechlicher ge - halten wuͤrden. Jn der erſten Taffel ſtehet die Liebe Gottes / in der andern die Liebe des Nechſten / die Liebe Gottes gie - bet uns zuerkennen die heilige Schrifft / nach welcher Richtſchnur wir dem drey - einigen Gott lieben und ehren / unſern Glauben gruͤnden und davon nicht wei - chen ſollen / wenn auch alle Ungluͤcks - ſtuͤrme uͤber uns zuſammen ſchlagẽ / wer wil uns ſcheiden von der Liebe Gottes / Truͤbſal oder Angſt / oder Verfolgung / oder Faͤhrligkeit / oder Schwerd? Jch bin gewiß / daß uns nichts ſcheidẽ kan we - der Tod noch Leben / noch einige Crea - tur / Betrifft uns umb der Ehre Gottes die groͤſte Noth / was iſt dieſe zu rechnen? ſie beſtehet / wenn es auff das haͤrteſte kommt / in einem Verluſt des zeitlichen Lebens / in einem Wechſel eines Augen - blickes mit der Ewigkeit / einer elenden Gluͤckſeeligkeit uͤber alle maſſen wichti - gen Herrligkeit. Jn den andern die Liebe des Nechſten inhaltenden Taffel / wollen viel Rechts - und Sitten-LehrerL vijderder Noth etwas mehrers einraͤumen / da doch unſer wertheſter Heyland die ande - dere der erſteren gleiche geprieſen / Sie fragen /*Pufendorf. in Elem. Juriſpr. an Neceſſitas alicui det licen - tiam in vitam alterius, ob die Roth ei - nem zu laſſe / den andern zu toͤdten / wel - ches ſie mit allerhand Gewiſſens-Faͤl - len bejahens weiſe erklaͤren: Jn einem Schiffbruch / ſagen ſie / wenn ich ein Brett ergreiffe / darauff ich mich ſalviret / und ein ander darzu ſchwimmender dar - auff wil mit augenſcheinlicher Gefahr beyder Untergang / mag ich ihn / ſo gut als ich kan / abſtoſſen / oder es retten / ſich mehr auff ein Bott als ihrer Raum ha - ben oder ertraͤglich ſind / alſo daß wo al - le wolten erhalten werden / nothwendig einer oder etliche muͤſſen ausgeworffen werden / geſetzt / alle haͤtten gleiches Recht / es muͤſſe geloſet werden / ſo ſich einer wiedert / mag er als welcher ver - hinderlich an aller Rettung / oder an al - ler Verterben Urſache / abgeſtuͤrtzet werden; Alſo einer wuͤrde verfolget / ie - mand anders ſtuͤnde im Wege uud wol -tete nicht weichen / dieſen mag der Ver - folgte ſich zu retten / auß dem Wege raͤu - men / welcherley Faͤlle zwar meiſtens zu der Noth woher gehoͤrig ſeyn moͤchten; Ob der Noth aber was Macht uͤber ei - nes andern vermoͤgen zuverſtatten / oder ob in der hoͤchſten Noth zu ſtehlen erlau - bet ſey / zu wider den natuͤrlichen Geſe - tzen / bejahen die meiſten: Leonardus Leſſius gehet ſo weit / daß ob er zwar erſt - lich wil / der Duͤrfftige ſolle vor darumb bitten / er dennoch darfuͤr haͤlt / es waͤre keine Todſuͤnde / wenn dieſe Ordnung auch nicht gehalten wuͤrde / er gebraucht ſich ſeines Rechts / dieſes iſt eine gefaͤhr - liche Gewiſſens-Lehre / und iſt Wunder / daß der groſſe Grote faſt auff eben dieſe Gedancken gerathen / reviviſcere Jus iſtud priſtinum reb9 utendi, tanquam ſi communes fuiſſent, welcher Vorſatz der Gemeinſchafft falſch ertichtet / und gnugſam von ſeinen Außlegern widerle - get worden / die Herrſchafften ſind nicht Menſchlichen / ſondern Goͤttlichen Her - kommens / der / welcher geſprochen / du ſolt nicht ſtehlen / hat die Eigenthuͤmlig -keitkeit zugleich verordnet. Uber dieſes iſt nicht tiar / wie groß die Noth ſeyn ſolle oder außgemacht / daß ſich ein ſolcher Fall begeben koͤnne;*Caſpar. Ziegler. in Not. ad Grot. l. 2. c. 2. §. 6. So behau - pten wider den Grotium viel Rechtsge - lehrte / daß ein ſolcher Noth-Diebſtahl dennoch ein Diebſtahl verbleibe / und wenn gleich die euſerſte Noth des Hun - gers oder Bloͤſſe einer Billigkeit oder Mitleiden in ſich zu haben ſchiene / ſo waͤ - re es doch nicht ſicher / derogleichen Leh - re außzubreiten / als durch welchen Vor - wand viel Verbrechungen wuͤrden Schutz und Behuff ſuchen wollen: Von derogleichen hefftigen Nothfaͤllen behal - ten wir die Worte / welche der heilige Auguſtinus von den Noth-Luͤgen ge - brauchet / weil wir einem damit nutzen koͤnnen / ſo folget nicht bald / daß eine Luͤgen nicht eine Suͤnde ſey; Wir koͤn - nen auch mit Stehlen nutzen / ſo der ar - me / dem offentlich gegeben wird / froh - men / und der Reiche / deme es genom - men wird / nicht ſchaden empfindet / deſ - ſentwegen wuͤrde keiner ſagen / daß einſol -ſolcher Diebſtahl nicht eine Suͤnde ſey / wir koͤnnen auch mit einem Ehebruche helffen / ſo eine / wo ihr nicht gewillfahret werde / ſchiene vor dieſer unziemlichen Liebe zu ſterben / und ſo ſie lebte / Buſſe thun koͤnte / deſſentwegen kan nicht ge - leugnet werden / daß ein ſolcher Ehebruch nicht Suͤnde ſey.

So bleibet es dennoch darbey / daß die Noth / ſo groß ſie / ſo eine maͤchtige Ge - bitterin ſie ſey / ſo hefftig ſie der menſchli - chen Schwachheit zuſetze / dennoch der Majeſtaͤt natuͤrlicher Geſetze nicht ein - greiffen koͤnne / oder ſo offt ſolches ge - ſchiehet / gleichwohl nicht recht gethan heiſſe: Was ſollen wir aber ſagen von der Noth / welche die Wolfarth ſo vieler Seelen in euſerſte Gefahr ſetzet? die all - gemeine Nothdurfft iſt ja viel wichtiger als die einzeliche / magna Ratio eſt Rei - publ. des Volckes Wolfarth iſt das hoͤchſte Geſetze / in deſſen Betrachtung erlaubet iſt / was privat-Leuten ſonſten gantz unzulaͤßlich. L amore dell inter - eſſe di Stato è ſi gran Gigante, wie ein vornehmer Jtaliener redet / che facil -mentemente abbatte tutti gli altri amori, che ſono pigmei, die Liebe des Staats inter - eſſe iſt ein ſo groſſer Rieſe / welcher leicht alle andere Lieben / ſo nur dagegen Zwer - ge ſind / darnieder ſchmeiſſet. Der gar zu irrdiſch geſinnete Nicolo Machiavel - li iſt bald fertig mit ſeinem Außſpruch / wenn er leget vor il piu radicale funda - mento delle ſue Politiche accommo - dare la Religione al Principato e che queſto ſia avanti d ogni altra coſa, wie er bey dem Siri beſchuldiget wird / vor den beſtaͤndigſten Grund ſeiner Poli - tic, die Religion nach dem Staat einzu - richten / und daß dieſer allem andern vor - gehe / Diß iſt ſchrecklich / einen irrdiſchen zeitlichen und vergaͤnglichen Staat dem ewigen unendlichen vorzuziehen / die Er - de dem Himmel / eine kurtze ſcheinbare der warhafftigen Gluͤckſeligkeit / es ſol kein Staat / kein Ratio Status der Chriſt - lichen Religion zu wider ſeyn / treffen ſie aber zuſammen in tal caſo biſogna, da - mit ich des Amiratus Worte dem Ma - chiavelli ſchen Wahn entgegen ſtelle / ac - commodar la Ragione di Stato allaReli -Religione, & non la Religione alla Ra - gion di Stato, in ſolchem Fall muß die Ratio Status der Religion, nicht die Re - ligion, der Ratio Status unterwuͤrffig werden. Mir iſt wohl bewuſt / daß in vielen Hofe-Hertzen das Satans-Ge - ſetze das aller vornehmſte / und uͤber die Goͤttlichen Geſetze ſelbſten wil Meiſter ſpielen. Ein groſſer Spaniſcher Mini - ſter ſchreibet an einen Vice in Cata - lonien cierto, que no ſolo no ay ley, pero que ni la puede haver, ni Dios nueſtro Señor la hizo, ni naturalmẽte ſin milagro la podia haver. Que ſe ha de mirar ſi la conſtitucion dixo eſto, o aquello, y el uſa je quando ſe trata de la ſuprema ley que es la propria con - ſervaçion de la Provinçia, defenſa, y eſtado, en effecto de primero a ulti - mo. Nueſtro Sennor dize que no ma - temos, y es ley ſuya, y que ſi nos vie - nen a matar no ay quien dude que le podemos matar. Nueſtro Sennor dize, que no hurtemos, y ſino tene - mos como ſuſtentarnos, no ay quien dude en que lo podemos hazer, Es iſtge -gewiß / daß nicht allein uͤber dieſes kein Geſetze gefunden werde / ſondern auch nicht koͤnne gefunden werden / Gott un - ſer HErr haͤtte es nicht gemacht / noch natuͤrlicher Weiſe ohne Wunder ma - chen koͤnnen / welches anzuſehen / die Sa - tzung ſage dieſes oder ein anders / und die Gewonheit ſey alſo / wenn von dem hoͤch - ſten Geſetze / welches iſt die Erhaltung / die Beſchuͤtzung und Staat eines Lan - des gehandelt werde / und in Warheit al - les vom erſten zum letzten / unſer HErr ſaget / du ſolt nicht toͤdten / und diß iſt ſein Geſetze / wenn aber einer kommet uns zu toͤdten / iſt kein Zweiffel / daß wir ihn nicht toͤdten koͤnnen / unſer HErr ſaget; wir ſollen nicht ſtehlen / wenn wir aber nicht haben uns zu unterhalten / ſo iſt kein Zweiffel / daß wir es nicht thun koͤnnen / mit ſeiner eigenen Hand ſchrieb er / no ay razon ni inconveniente, que no ſe a de vencer por ſalv ar el todo, es iſt kein Geſetze / noch etwas ſo ungereimtes / wel - ches nicht zu uͤbergehen oder zu begehen / umb Errettung des gantzen: Dieſes heiſt zu weit gegangen / Fuͤrſten ſind javonvon Gott und unter Gott / alſo auch ſei - nen unwandelbaren Geſetzen unterge - ben / woꝛauff die Staats-Geſetze muͤſſen geſtuͤtzet ſeyn / untergeben / jene ſind die Baͤnder der menſchlichen Geſellſchafft / wollen dieſe zerriſſen werden / oder ſind ſie uͤberhin zu ſehen oder nachzuſetzen / wie koͤnnen die Geſellſchafften / die Regi - menter oder derer Ordnungen beſtehen? Sie ſind ja die Grundfeſte / daruͤber der Obrigkeiten Macht und derer Untertha - nen Gehorſam gebauet iſt / wie ſolte dañ die Erhaltung eines Staats in derer Un - terbrechung geſuchet werden / von dem du / darmit das menſchliche Geſchlecht angeredet wird / iſt kein Fuͤrſt oder deſſen Staat außgenommen / die Einwuͤrffe von den Nothfaͤllen ſind nicht / wie ge - meldet / ſo lauter / gut geſprochen / machẽ auch keinen Schluß zu einem groͤſſern Geſetze; Wenn man hier ſtille ſtehen wolte und anmercken / was vor ein Ge - ſetze dieſer Staats-Regente ihme vorge - ſetzet / dadurch ſeinen vertrauten Unter - liegenden vorzuſtehen / ſo wuͤrde man ſich nicht verwundern duͤrffen uͤber den un -gluͤck -gluͤckſeeligen Ablauff alles Beginnens / welches er doch zu Vergroͤſſerung ſeines Koͤniges gerichtet hatte / ſchmierete er gleich ſeine Erfindungen mit dem beſten Oel ſeiner Wachſamkeit / ſo wolte doch nichts gluͤcklichen ergehen / auß keiner andern Miturſache / als weil er ſein un - gebunden Staats-Geſetze gar zu ſicher uͤber ſich herrſchẽ lieſſe / woraus der Mo - narchie ſo viel Ungemachs zugewachſen / daß er auch / wie einer ſchreibet / nit eine / ſondern tauſend Welten / wann ſie nur verhanden und unter ſeiner Bothmaͤßig - keit geweſen waͤren / durch ſeine Hand - habung verlohren haͤtte. Laſſet euch die - ſes / ihr groſſen Haͤupter / ein gewiſſes Beyſpiel ſeyn / wer Gott und ſein Ge - both wil auß den Augen ſetzen / und zieht ein anders vor / der muß zu Grunde ge - hen; So gewiß aber die Fuͤrſten an die Goͤttlichen Geſetze gebunden / ſo gewiß iſt Ratio Status nicht das jenige / welches einige Freyheit ertheilet / darwider zu ſuͤndigen / oder Recht ſpreche / was an ſich ſelbſt verdammlich iſt / maſſen das an ſich ſelbſt boͤſe / auch bey den Regentenboͤſeboͤſe verbleibet: Zwar die nothleidende Wolfarth einer Gemeine / worinn Ratio Status reſidiret / hat einen beſondern Vor - zug / ſie ſchwinget ſich uͤber der jenigen Sa - tzungen / dadurch privat-Perſonen genau gehalten ſind / ſie erlaubet bißweilen / was einzelen nicht geſtanden wuͤrde / ſie macht nuͤtzlich / was ſonſten ſchaͤdlich iſt / nur daß ſie Gott und ſeiner Gerechtigkeit nicht entge - gen trete; Als Moſes Ecſtaſi quâdam charitatis vel impotenti deſiderio bo - ni communis, wie ein vornehmer Gelehr - ter redet / vor das ſuͤndige Volck gar zu heff - tig bath / und vielleicht auff ein Geheimnuͤß zuruͤckſehende / vor daſſelbte ſich anerbothe aus dem Buche des Lebens getilget zu wer - den / brache die Gerechtigkeit Gottes in die antwort auß / was? Jch wil den aus meinem Buche tilgen / der an Mir geſuͤndiget hat: Woraus denn leichte zuermeſſen / wie wenig die aus gar zu bruͤnſtiger Liebe ausgeſchuͤt - tete Vorbitte / ungeachtet ſie Erhaltung ei - nes gantzen Volckes betroffen / verfangen wollen / wie in ſchlechter Betrachtung eine Gemeine ſey gegen der Goͤttlichen Gerech - tigkeit / wenn ſich Gott heraus laͤſt / Er wer -de ih -de ihre Suͤnden wol heimſuchen / wenn ſeine Zeit kommen werde heimzuſuchen / und wer wolte ergruͤnden / ob nicht an - noch heutiges Tages dieſe Heimſuchung wuͤrcken koͤnne / geſtalten die vornehm - ſten Juden ſelbſt darvor gehalten /*R. Iſaac in Sanhedrin. non eſſe pœnam, in qua non ſit Uncia Vi - tuli: Es ergienge keine Straffe uͤber ſie / darinnen nicht eine enthalten ſey / des ge - goſſenen Kalbes / und andere Geheim - nuͤſſe / daß alſo darinnen kein Vorwand oder Folge zuergruͤbeln. Gewiß die je - nigen / welche mit derogleichen angenom - menen Fluͤgeln gegen die Sonne der Goͤttlichen Gerechtigkeit gar zu hoch den Schwung fuͤhren wollen / denen ſchmel - tzen die ſchonſten Federn der Gluͤckſelig - keit / und fallen in die euſerſte Tieffe des Verderbens / wenn ſie den Eyfer vor das gemeine Beſte mißbrauchen / ſo gleichen ſie den Centauren / und fuͤgen an den Leib viehiſcher Begierden das liebliche Geſichte der Liebe; ſie ſind gleich den thoͤ - richten Muͤcken / welche um das von ih - nen ſo hoͤchlich behagte Licht ſo lange um -her -her ſpielen / und ſich mit deſſen Strahlen erluſtigen / biß ſie je mehr und mehr ſich naͤhernde immer ihrer Brunſt verbren - nen / alſo die vorwitzigen Gemuͤtteꝛ / wenn ſie naͤher als ihnen zuſtehet / zu dem un - vertraͤglichen Lichte der Goͤttlichen Ma - jeſtaͤt ſich machen / und allzu hohe Dinge mit ihrer Vernunfft bezeigen wollen / flattern ſo lange um die geheimen Rath - ſchluͤſſe Goͤttlicher Allmacht / biß ihre ver - wegene Gemuͤths-Fluͤgel ſich verſengen / ſie aber ihre unbeſonnene Kuͤnheit mit ewigem Verterben bezahlen muͤſſen. Die Ungebundenheit / die Noth haben ihre Staffeln / je hoͤher eine Ratio Status darauff klettern wil / deſto gaͤher und geh - linger iſt der Sturtz / ihr eigenthuͤmlicher Sitz wird gegeben in ſo felſichten Hoͤhen / wo ſich einer nicht gnungſam vorſehen kan / daß er nicht anſtoſſe / oder einen ſchmertzlichen Tritt empfinde / ſie wil ins gemein gebunden werden / wo ſie unge - bunden ſein ſol / wiederum ungebunden / wo ſie gebunden werden ſoll. Der be - ruͤhmte Staats-Rath bey dem Tacitus, dahin von vielen Gelehrten die MaterieMderder Ratio Status gezogen worden / hat Anlaß gegeben / ſelbte nur in lauter har - te Thaͤtligkeiten anzuſtrengen / denn als des Claudii Gemahlin die Meſſalina Todes verblichen / wurde berathſchla - get / was vor eine der Kaͤyſer heyrathen ſolte / Narciſſus ſchluge vor Æliam - tinam, Calliſtus Lolliam Paulinam, Pallas die Agrippin des Brudern Toch - ter / damit nicht eine Frau beruͤhmter Fruchtbarkeit die unverſehrte Kayſerli - che Klarheit in ein ander Hauß entwen - dete. Dieſer letzte Rath war der haͤrte - ſte / und den Rechten am meiſten zuwie - der / zu deſſen Abdruck aber eine unver - meidliche Noth antriebe / welche uͤber alle Staats-und Vernunffts-Gruͤnde zu - herrſchen ſchiene / ſolte die Agrippin ſich anderwerts vermaͤhlen an ein reiches maͤchtiges Hauß / welcheſie mit ihrem ho - hen Gebluͤtte anfriſchte / wuͤrde ſich Clau - dius in Leib und Lebens-Gefahr / das Reich in Unruh / das Kaͤyſerliche Hauß zum wenigſten in Schimpff gebracht ha - ben / wann eine Kayſerliche Anverwand - te mit dem Buͤrgerlichen Stande ſichver -vermiſchen / und dadurch eine der da - mahligẽ Regier-Art nachtheilige Gleich - heit einfuͤhren ſolte / alſo haͤtte Rom ſich gewundert / daß des Druſi Tochter Ne - ronis Gemahl in des Rubelli Blandi Hauß geheyrathet / deſſen Groß-Vater ein Roͤmiſcher Ritter geweſen / und Ti - berius hatte ſeinem liebſten Sejano die begehrte Vermaͤhlung mit deꝛ Livie nicht gut geſprochen mit dieſen ausdruͤcklichen Worten: Falleris Sejane, ſi te man - ſurum in eodem ordine putas, & Livi - am, quæ C. Cæſari, mox Druſo nupta fuerat, mente acturam, ut cum E - quite Romano ſeneſcat. Du irreſt Sejane, ſo du in eben dem Stande (nem - lich eines Unterthanen / und Dieners) zu verbleiben gedenckeſt / und das die C. - ſari hernach dem Druſo verheirathete Livie werde dieſes thun / daß ſie mit ei - nem Roͤmiſchen Ritter veraltern; Alle dieſe und vielleicht dem damahligen Zu - ſtande beſſer bekandte Umſtaͤnde erzwun - gen die Wahl der Agrippin. Es iſt kein Zweiffel / daß denen jenigen / welche an - dere Vorſchlaͤge gethan / die Blutsver -M ijwandt -wandtſchafft werde maͤchtig im Wege geſtanden ſeyn / allein dieſes mal den dꝛin - genden Staats-Urſachen weichen muͤſ - ſen / welches auch die in dieſer Schreib - Art beruͤhmteſte zu jener Zeit vor kluͤg - lich und wolgethan geſprochen. Ein Chriſtlicher Regente ſol in derogleichen herben Entſchluͤſſungen ſehr behutſam gehen / gleichwie der Ratio Status thun gantz ſonderlich / untheilhafftig / faſt ini - mitabel, alſo ſol inſonderheit von dem jenigen / was gleich da oder dorte zu je - nen Zeiten hingehen koͤnnen / keine Fol - ge gemacht werden / Es iſt Weltkuͤndig / wie unlaͤngſt der Cardinal von Savoyen Mauritio Beylageꝛ mit ſeines Brudern Tochteꝛ Ludovica Maria gehalten / e per la paſſione amoroſa dentro le cui fiam - me ſtillava ſil ſuo cuore, e per Ragio - ne di Stato, wie des Vittorio Siri auß - druͤckliche Worte lauten / theils auß ver - liebter Regung / immer derer Flammen ſein Hertz ſchmeltzte / theils auß einer Ra - tio Status, in dem er befuͤrchten muſte / daß in Abgehung des jungen Herren Carl Emanuel Franckreich ſich wuͤrde Anlaß nehmen / der Verwittibten Her -tzogin /tzogin / ſo des Koͤniges in Franckreich Schweſter war / nebſt der Princeſſe wie - der ſeine und des Brudern Franciſco Tomaſo als anwartender Erben For - derung beyzuſtehen / oder dafern die Princeſſe einen frembden heyrathen moͤchte / Savoien in ſchaͤdliche Zerruͤt - tungen geſencket werden moͤchte / dahero aller Unruh / darinnen ſie aller ſeits lan - ge genung gewieget waren / vorzukom - men / ſehnt er ſich nach einer Beſtillung / welche er anders / als durch ſolche Ver - knuͤpffung nicht zuerlangen vermeinte / Franciſco Tomaſo war dem Beylager nicht zuwieder / in Hoffnung daß die Un - gleichheit des Alters und Vermengung ſo nahen Gebluͤttes ſie koͤndte unfrucht - bar machen / Franckreich erwieſe ſich un - partheyiſch / wiewol der Hoff darvor Ab - ſcheu ſol getragen haben / indeſſen wurde das vorhabende Werck mit aller Sorg - falt und ſelbſt von der Wittib als Mut - ter befoͤrdert / darmit in entſtehender Er - mangelung des jungen Hertzogen ſie dennoch als Mutter der neuen Hertzogin in Piemont ihren Auffenthalt mit Zier -M iijlig -ligkeit behalten moͤchte / die ſie hingegen oh - ne dieſe Verbuͤndnuß wuͤrde muͤſſen nach Franckreich einſam ohne Herrſchafft um - kehren / die arme Princeſſe wolte ſich am - belſten darein ſchicken / wenn ſie die Bluͤthe ihrer fruͤhen Jugend einem grauen / und dem Grabe mehr als einem Ehebette anſtaͤndi - gen Alter ſolte beylegen laſſen / ſie beklagte ſich deßwegen uͤber ihre Ungluͤckſeeligkeit / und als ſie einer troͤſten wolte / gab ſie ihm mit angebohrner Lebhafftigkeit des Gemuͤt - tes zur Antwort / que voulez vous faire? pour accommoder l affaire, il faut eſ - pouſer mon Pere, was wolt ihr machen? Um die Sache zuſchlichten / muß ich meinen Vater heyrathen. Es ſtund aber nicht bey ihr ſich zu wegern / als welche verbunden waꝛ / der Mutter Willen und den Staats - Angelegenheiten zu gehorſamen / eſſendo la Vittima ſacrificata alla Pace de Pren - cipi con Madama, in dem ſie ein Suͤhn - opffer der Fuͤrſten Verſoͤhnung mit ihrer Mutter abgeben muͤſſen / dahin ſie eben ihren daruͤber gefaſten Unmuth zubezeugen zielete / wann ſie zu der Madama Palunghera ſagete / als ſie ſolte zu dieſem HochzeitlichenBegaͤng -Begaͤngnuͤß zubereiteten Ort gefuͤhret wer - den / che ſi vegga ſe il ſacriſicio è in or - dine che la vittima è pronta: Zuge - ſchweigen daß hier der Cardinal Hutt / die Blutsverwandſchafft auff die Seite geſetzt wird / damit deme in Krieges-Flammen brennenden Lande moͤchte gerathen / und ein inſtehendes Ungewitter abgelehnet werden: ſo ſiehe die ungluͤckſeelige Bewandniß Fuͤrſtlicher Perſonen niemahlen ſol der Wille freyer ſeyn / als im Freyen / und den - noch muß er dem Zwange der gemeinen Nothwendigkeit dinſtbar werden. Gemei - ne Leute moͤgen heyrathen erkieſen entweder auß Liebe oder Uber einſtimmung der Zunei - gungen / in dem Gipffel der Wuͤrde wird dieſe Liebligkeit abgeleget / der Koͤnige Zu - ſtand iſt alſo beſchaffen / daß ſie bald die Un - wuͤrdigen und Verhaſten mit den heiligſten Buͤndnuͤſſen verknuͤpffen / bald alle Freund - ſchaffts-Rechte und Gebluͤts-Naͤhe die Un - barmhertzige Noth uͤbergehen laſſen. Unter andern ſeltzamen Begebnuͤſſen hat eine in der Barbarey ein vorwitziges Auge an dem Taffilett auffgemercket: Dieſer war im Anzuge wieder den Fuͤrſten Bouzeme, undM iiijhattehatte allbereit deſſen Sohn / ſo ihm nebſt einem Kriegesheer entgegen geſchicket worden / gefangen bekommen / nun hatte der Taffilett gehoͤret von des Bouzeme Tochter / daß ſie des Landes vor uͤberauß ſchoͤne gehalten wurde / begehrte ſie dem - nach durch einen Geſandten / mit Vor - ſchlag / daß er den Printzen in Freyheit ſe - tzen / und die Waffen niederlegen wolte / ſo bald deſſen Schweſter ihme verlobet / ſelbſt in Perſon kommen / und die Be - freyung ihres Brudern von ihm erbitten wuͤrde / alsdann wolte er umkehren / und den Bouzeme in ruhigem Beſitz Land und Leute laſſen / beyfuͤgende / dafern er ſothanes Anerbitten verwerffe / daß ers an dem jungen Printzen raͤchen / und den Sieg mit aller Grauſamkeit verfolgen wolte. Bouzeme erſchrack / wiſſende des Taffiletta wilde Lebens-Art / die gegen ſeine beſte Wolthaͤter veruͤbte Tyran - ney / wie bey ihm kein Gewiſſen / Treu und Glauben / wie er ſo wol mit der Tochter als Sohne grauſam hauſen kondte / hingegen ſahe er den augen - ſcheinlichen Untergang des Landes / ſei -nerner ſelbſt und des gantzen Hauſes / wo er außſchlagen wolte des Taffiletta Wil - len zuerfuͤllen / Bouzeme muſte nur mit von auſſen erfreueten Geberden dieſe Erklaͤrung zuruͤcke geben / daß er das Anerbitten des Printzen Taffiletta vor eine beſondere Ehre annehme / er wolte ſeine Tochter bewegen / ihren Bruder zuerloͤſen / und den Platz zugeben der Lie - be / welche der Printz ſo großmuͤttig an - bringen laſſen. Wie muß dieſer Prin - ceſſe zu muthe geweſen ſeyn / uͤber einer ſo geſchwinden Verenderung? Wann ſie ſich ergeben ſollen einem Manne / der ein Schrecken des Landes / Feind / Ty - rann war / weil ſie aber uͤberzeiget wuͤr - de / daß kein ander Mittel verhanden ih - ren Bruder loß zumachen / ihren Vater ſampt den gantzen Lande von einer un - fehlbaren Unterdruckung / darunter ſie alleſampt haͤtten ſchmachten muͤſſen / zu - erꝛetten / entſchloß ſie alſo ſelbſt dem Wil - len des Vaters zugehorſamẽ und zuvoll - ziehen dieſes / welches ſie ohne diß zu Er - rettung des Landes thun muͤſſen / des Taffiletta Begehren war nicht unziem -M vlich /lich / was ſolte aber der Troſt zu ſchoͤpf - fen ſein von deme / welcher auß Begierde zu herrſchen ſich als den grauſamſten Wuͤttrich verhalten / lauter Krieges - Draͤuungen um ſich ſpruͤete / und im An - zuge war / nicht eine Braut abzuholen / ſondern des Bouzeme Land an ſich zu bringen / dieſes war vermuthlich die Braut / darnach ihm das Hertz brennete / jedoch thaͤte Bouzeme, was ihm bey Groͤſſe der Gefahr und Ohnmacht wie - derzuſtehen / wol zukommen / alſo daß er unweißlich gehandelt haͤtte / wenn er durch Verwerffung eines ehlichen Ban - des Land und Leute in die Schantze ſe - tzen / oder zu druͤmmern gehen laſſen wollen / wiewol auß allen Umbſtaͤn - den der Erzehlung abzunehmen / daß daß dieſe Vermaͤhlung dem Vater bit - ter genug eingegangen; Solte ein Bar - barer ſo behutſam mit ſeines Kindes U - bergabe / an welcher doch an ſich ſelbſt auſſer der Furcht nichts unziemliches o - der unverantwortliches war in Erhal - tung ſeines Landes / umbgegangen ſeyn / wer wolte dann unter uns ſo ſicher ei -nennen Schluß nach dem andern herfuͤr bringen / non eſſe parcendum uxori, nec liberis, nec cuiquam ob Reipubl. utilitatem, welches von etlichen Ver - wegenen unter die Axiomata Ratio Sta - tus feyerlichſt einverleibet / und denen Goͤttlichen und natuͤrlichen Geſetzen ent - gegen geſetzet worden / gleichſam waͤre Ratio Status ein ſo abſcheulich Unge - heuer / welches ſich in den verfluchteſten Mord-und Schand-Thaten erzogen er - goͤtzte / und ein Zuſammenfluß derer Maſſimen d Eſtat oder Coups d Eſtat, dadurch von etlichen die ſchreck - lichſten Miſſethaten / anch das Pariſi - ſiſche Blut-Bad gerechfertiget / ja von der Frantzoſen Ruhm und Triumph ge - prieſen worden: Allein ſo irregular als Ratio Status ſeyn moͤge / ſo warhafftig bleibet es / daß ſelbiger irregularitaͤten durchaus nicht ſo weit ausgedehnet wer - den ſollen / als ob ſie entweder in gewiſſe beſtaͤndige Reguln abzufaſſen waͤre / oder wol gar Geſetz-loß das jenige / was das natuͤrliche unwandelbare Geſetze und geſunde Vernunfft gebittet / zu BodenM vjwerf -werffen ſolle / ungeachtet von etlichen vornehmen Gelehrten dem Staatsrecht mehr als zu viel eingeraͤumet werden wollen / und Clapmar hoc Jure Domi - nationis (denn alſo nennet er Ratio Sta - tus) des Timoleon Bruder-Mord ent - ſchuldiget / als wenn der Timophanes allein zu regiren begierig vielen Groſſen gedraͤuet und das Vaterland an ſich bringen wollen / da doch ſolches nicht ſat - ſame Urſache einen Bruder-Mord zu beſchoͤnigen / hat der Bruder geſuͤndiget / warumb hat der Senat nicht geſtraffet / und er eben umb die gemeine Freyheit ge - gen einen Bruder eyfern muͤſſen / zu de - me / wenn er gleich die euſerliche Regier - Geſtalt geendert mit der Buͤrgerſchafft zu Friedenheit / ſo were der Timoleon ſich deſſen anzunehmen nicht befuget ge - weſen / Nepos heiſſet die That Scelus, und die Mutter hat den Thaͤter nicht vor ihren Augen ſehen wollen / ſie hat ihn ge - ſcholten Fratricidam impiumque. Er - wehnter Clapmar gehet ſo weit / daß er ſaget: ac neſcio, annon aliquo pacto excuſari poſſit Nero de cæde Matris. AlleinAllein ich weiß nicht / ob ein gerechter Pa - pinian erkennen koͤnne / daß einige Staats-Urſache oder Nothwendigkeit baſtant ſey / einen Mutter-Mord zuver - theidigen. Haͤtte Nero mit dem weiſen Seneca und großmuͤtigen Burrhus nicht andere Mittel erfinden koͤnnen / der Mutter unerſaͤtliche Herrſchens-Be - gierde zudaͤmpffen? Hat ſie aber geſuͤn - diget / ſieiſt Mutter: Tacitus verfluchet die That in dem Worte / Scelus, es ſcheinet der groſſe Sitten-Lehrer habe ſich einer ſo ſchrecklichen Entſchlieſſung nicht wenig theilhafftig gemacht / und ſey darbey geweſen / als man gerathſchlaget ſie zu ermorden / nachdem die Liſt mit dem Schiffbruch / dadurch ſie erſauffen ſollen / nicht angegangen / laͤſt Nero den Seneca und Burrhus erfordern / incer - tum an & ante ignaros; beyde leichtlich vermuttend / daß ein ſolch Rachgierig Weib ihm dieſen Frevel niemaln verzei - hen wuͤrde / ſchwiegen lange ſtille / damit ſie nicht vergebens wiederriethen / oder den Fuͤrſten dadurch verbitterten / end - lich eo deſcenſum credebant, ut niſipræ -præveniretur Agrippina, pereundum Neroni eſſet, ſie hielten darfuͤr es waͤre ſo weit kommen / daß wo der Agrippine nicht vorkommen wuͤrde / Nero verder - ben muͤſte. Und waͤre wohl kein Zweif - fel geweſen / wenn Agrippin erfahren haͤtte / daß der Sohn ihr nach dem Leben geſtanden / wuͤrde ſie gegen ihn als einen Mutter-Moͤrder erſt auff die eyfrigſte Rache bedacht geweſen ſeyn / dann ſie dem Nero nichts derogleichen zugetrauet ſo gar / daß als ſie ſchon den Anicet und den Tod ſiehet / ſie dennoch nicht geglau - bet / daß der Sohn den Mord befohlen / nihil ſe de filio credere, non impera - tum parricidium, die Kaͤyſerliche Brief - fe an den Rath wenden vor publicâ For - tunâ extinctam, in ihrer Austilgung haͤtte die gemeine Gluͤckſeeligkeit beru - het: Lipſius ſchilt ſie auff dem Rande falſas & impudentes, und weil Seneca ſelbe auffgeſetzet / hat er ſich dadurch ein boͤſes Geruͤchte auff den Hals gezogen / ergò non jam Nero, ſed adverſo ru - more Seneca erat, uñ nicht wenig ſchuld daran gehabt; Dahero er auch weilderder Lehrmeiſter dem Untergebenen ſo viel nachgeſehen / nicht beſſer eingeredet / und der verdamlichen That noch dazu eine Schutz-Rede geſchrieben / mit Vergieſ - ſung ſeines Brutes bezahlet worden; Das boͤſe laͤſſet ſich durch keine Bered - ſamkeit befaͤrben / und die groͤſte Klug - heit wird daruͤber ſtraffwuͤrdig / Fuͤrſten ſollen ſich fuͤr die tieffſinnigſte Anmer - ckung ihr eigen Gebluͤt laſſen befohlen ſeyn / wider welches wo die Gewalt - ſamkeit einmahl den Anfang machet / nicht ſo bald auffhoͤret / ſondern mit dem traurigſten Ausgange an ihnen ſich endi - get / ſie ſollen nicht ſelbſt ihre Hoheit ent - bloͤſſen / und weiſen / was an ihnen ſelbſt moͤge vollzogen werden / es ſolte kein Ra - tio Status genugſam ſeyn / vor deſſen Richterſtul das koſtbare Fuͤrſten-Blut erſcheinen / oder auch geurtheilet weꝛden ſol / oder keine Staats-Noth / welcher man dißfals entweder nicht widerſtehen oder entgehen koͤnne. Der Spaniſche Grandis Petrus Toletanus, als ihn die Koͤnigin in Franckreich bewilkommen / und mit dem Nahmen ihres Vettern be -gruͤſſengruͤſſen lieffe / verſetzte aus Hoͤffligkeit / Regibus & Reginis nullos eſſe cogna - tos, ſed ſubjectos tantùm & Clientes, Koͤnige und Koͤniginnen haͤtten nicht Freunde und Verwandten / ſondern nur Unterthanen und Diener; Dieſes war eine Hoͤffligkeit / welche einem ſtatlichen Hoffmann gegen einer Koͤnigin / ſo ihn ehrete / eine Demuth / welche einer aus der Crone Spanien entſproſſenen Koͤ - nigin wohl zukommen; Allein in War - heit hebet der Fuͤrſten Stand nicht auff ihre Geburth / dadurch ſie eben wie an - dere Menſchen gebohren / die Pflicht in das Licht bringen / welche ſie mit genaue - ſter Identitaͤt verbindet / und zugleich ei - nen Unterſchied machet / dadurch ſie von den jenigen / ſo mit ihnen ungleichen Her - kommens / abgeſondert / oder nicht / wie gemeine Unterthanen koͤnnen verhalten werden / dahero der beruͤhmte Frantzoſi - ſche Staats-Rath / der Villeroy, als er wegen eines Gebluͤts-Printzen ſein Gut - achten beytragen ſolte / zur Antwort ga - be / quand les Roys deliberent ſur ce que touche leurs proches, ils ne doi -ventvent conſulter que la Nature, wenn Koͤnige deliberir en uͤber das jenige / was ihre nechſte Freunde betrifft / ſollen Sie niemanden als die Natur zu Rathe zie - hen. Die unvergleichliche Koͤnigin in Engelland wuͤrde bey aller Nachwelt einen gantz unſtraͤfflichen Ruhm erwor - ben haben / wenn ſie ſich nur der Schaͤrf - fe wider die Maria Koͤnigin in Schot - land enthalten / nachdem die Eliſabeth Selbige in Hafft hielte / ſchiene ſie ihren Staat / welcher von ſo vielen Minen untergraben worden / nicht beſſer in Si - cherheit zu bringen / als durch gaͤntzliche Abthuung der Maria ihrer Freundin / welche vor ihre Zuflucht ein Gefaͤngnuͤß gefunden / der Freundin / welche gar zu emſig nach dEliſabeth Cꝛone geſtꝛebet / ſie hatte geſuͤndiget / aber eine Koͤnigin / wel - che niemand als GOtt wolte Rechen - ſchafft geben / eine Verwandte / welche Sie von der Poͤfel-Sorte unterſchiede / mit was vor Gewiſſen und ſchaͤdlicher Folge ſolte nu ein ſo ſchreckliches Blut - gerichte geheget vollentzogen / und wie ſolte dem in ſo viel heimlichen Verſtaͤnd -nuͤſſennuͤſſen geſunckenen Staat geholffen / und den annoch taͤglich wachſenden Verraͤthereyen abgeholffen werden / es mag die Eliſabeth zu einem peinlichen Proceſſ gedrungen ha - ben / die groͤſte Staats-Nothwendigkeit die Gefahr einer Unruh / die Sorgfalt ihres Le - bens / dennoch iſt der Eliſabeth ſelbſt die That ſo grauſam / daß ſie nicht allein an dem Be - fehl des Blut-Urtheils kein Theil haben wil / ſondern auch den jenigẽ / welcher ſelbes aus - gefertiget / gefaͤnglich eingezogen. Son - ſten ſchreibet von dahmaligen Zeitẽ*Camdenus. Cam - denus nachdruͤcklich / ſie weren ſo beſchaffen geweſen / daß ſie ſelbſten daruͤber geklaget / ſe ad hæc atrociora neceſſariò adactam fuiſſe, wo Sie nicht lieber ihr und ihrer Un - terthanen / Untergang ſehen wollen: und der Geſchichtſchreiber nennet die Strenge / dadurch ſie der Geſetze Ubertretung abſtraf - te / Severitatem Tempore neceſſariam; mit welcher rauhen Anſpannung der Ge - ſetze / hingegen Auguſtus zu ſeiner Zeit bey dem Roͤmiſchen Volcke nichts ausrichtete / denn ungeachtet er die Auffruͤhrer auffs haͤr - teſte und gerechteſte abſtraffte / entſponne ſichden -dennoch eine Empoͤrung uͤber die andere / und jemehr er der jenigen / ſo nach ſeinem Le - ben geſtanden / ausrottete / deſto mehr man Unheil daraus hervorquellen ſahe: Woruͤ - ber er ſehr bekuͤmmert / eines Tages eine an - dere offenbahrte toͤdliche Conſpiration ab - zuthun gedachte / ſchlug ihm die Livia ſeine Gemahlin vor / er ſolte es auf andere glimpf - lichere Art verſuchen / und die Auffwiegler mit Wolthaten verbinden / welchem Augu - ſtus folgte / und eine Meuterey Raͤdelfuͤhrer / anſtat daß er ihnen ihr Recht widerfahren laſſen / einen zum Buͤrgermeiſter Amte erho - be / den andern anderwerts befoͤrdert / oder mit Belohnung beſaͤnfftiget / damit allen Verraͤthereyen ein Ende gemacht; Wie - wohl auch hier behutſam gegangen werden muß / und faſt der gantze Marck der Ratio Status in vorſichtiger Unterſcheidung deſ - ſen / was die Zeit und die Beſchaffenheit der Landſchafft aufferleget / enthalten iſt: Jn der Gelindigkeit / ſo dem Auguſto erſpruͤß - lich war / fande Henricus III. in Franck - reich den Ruin, bey dem Barclai ipsâ ſibi crudelis, die Schaͤrffe brauchte die Eliſabeth in Engelland ſo gluͤckſeelig / daßSie /Sie nicht allein / nach dem Lobſpruch der ihr ſonſten nicht wolgewogenen Hertzogiñe von Lothringen der Anna Ateſtina unter dem Frauenzimmer / ſo iemahls regiret / die glor - wuͤrdigſte und gluͤckſeeligſte geweſen / ſondern auch / wie Jhr Nachfolger ſelbſt Jacobus Sie ruͤhmet / alle Regenten vom Auguſto her an Verſtand und Gluͤckſeeligkeit uͤber - troffen. Auguſtus thaͤte den Geſetzen zu wenig / Eliſabeth gar zu volle Genuͤge / weil beydes ihre Erhaltung erfoderte / jener min - derte / Sie ſchaͤrffte ſie / beyde wuͤrden ihres Verhaltens keine andere Urſache geben koͤn - nen / als daß der damahlige Zuſtand ihrer Reiche unvermeidlich erheiſchet / daß Au - guſtus die Geſetze auff die Seite ſetzen / und die Eliſabeth derer ſtrengen Order nachge - hen muͤſſen / worinnen Sie zu entſchuldigen were / ſo Sie nur nicht an koͤniglichen Blu - te Sich vergriffen / und in deſſen Hinrich - tung gleichſam einen Selbſt-Mord veruͤben laſſen / dazu ohne diß Engelland geneigt / wel - ches auch unter den loͤblichſten Regenten de - nen greuͤlichſten Fuͤgungen unterworffen. Henr. VII. welchen ſeine Landes-Leute ihꝛen Salomo heiſſen / ſchickte ſeine Schwieger -Mut -Mutter ohne einigen Proceſſ in ein Klo - ſter / unter dem Vorwand / daß Sie ih - re Tochter dem Richardo uͤbergeben / welches dem Volcke wunderlich vorkom - men / ſagt Franciſc. Bacon de Verula - mio, daß ein armes ſchwaches Weib / weil Sie eines Tyrannen Draͤuun - gen und Verſprechen ſich untergeben muͤſſen / und zwar nach ſo lang ver - floſſener Zeit / da der Koͤnig nicht den geringſten Verdruß oder Unwillen ſpuͤren laſſen / vielmehr aber nach ſo gluͤckſeeliger Vermaͤhlung Jhrer Tochter mit dem Koͤnige und dar - aus bereits erzeugten Sohne / von dem Koͤnige / ſo unverſehens und unver - merckt mit ſolcher Haͤrte tractiret wuͤr - de / die eigentliche Urſache aber war / daß ſie dem Eboracenſiſchen Hauſe gar zu ſehr geneigt in einer wieder den Koͤnig gekarteten Verraͤtherey ſich ertappen laſſen / alſo daß der Koͤnig / wolte er ruhig regiren / ſie bey Seiten ſchaffen muſte / zu - mahlen ſie gewohnet war in Regirungs - Sachen ſich einzumiſchen. Diß ver - fahren wurde alſobald pro nimis ſeve -ro &ro & planè irregulari genere proce - dendi gehalten / hoc rigore, ſpricht Ba - con, Rex magna apud Populum ſuum incurrit obloquia, quæ tamen tàm ob Rationes Status, quàm ob confiſca - tionem tâm amplam ei reddita ſunt dulciora, Es habe deſſentwegen der Koͤ - nig groſſe Wieder-und uͤbele Nachrede außſtehen muͤſſen / wenn er aber bedacht / was vor unvermeidliche Staats-Urſa - chen ihn darzu bewogẽ und angeſtrengt / daß er anders nicht das Reich in Si - cherheit behalten koͤnnen / wo ſie nicht weggeſchafft wuͤrde / geſtalten ihr gantzer Sinn auff ſein und des Lancaſtriſchen Hauſes / als welchem ſie gram ware / Un - tergang gezielet / und dann / wie durch die - ſe Gelegenheit der Eboracenſiſchen Fa - ction die ſchoͤnſten Guͤtter entzogen / als womit ſeine Cammer bereichert worden / ſo waͤren ihm alle hierauß entſtandene ungleiche Reden und Wiederwertigkei - ten verſuͤſſet worden / in welcher Action dieſem klugen Koͤnige ruͤhmlich faͤllt / daß ob es ſchon offenbar / wie ihm ſeine Schwiegermutter nach Cron und Lebengeſtan -geſtanden / er dennoch Koͤniglichen und anverwandten Bluttes nicht allein ge - ſchonet / ſondern auch ob Rationes Sta - tus, wie der Hiſtoricus redet / ihr Ver - brechen nicht kundbar machen wollen / ja in einem ehrlichen Gefaͤngnuͤß ſelbte verwahret gehalten. Es eroͤffnete ſich allhier ein geraumes Feld / dahin unſere Ratio Status außſchweiffen koͤndte / und alle iemahlen pasſirte Irregular-Thaͤt - ligkeiten / darunter die unverhoͤrter Sa - chen vorgenommene Executiones, oder ab Executione angefangene Proceſſus, deren merckwuͤrdiges an dem d Ancre vorgegangnes Exempel / und allerhand daruͤber gefallene Urtheile der Tholoſani - ſche Parlaments Præſident Grammont dargiebet / wie auch der bekandte Oſtra - ciſmus zurechnẽ erwegẽ / wie weit ſie oh - ne Gewiſſens Veꝛlezũg uͤbeꝛ die Schnuꝛ hauen koͤnten / und fals ſie verantwort - lich / dennoch in ihren Gewiſſen-Reinen und Graͤntzen verbleiben muͤſten / wenn wir vor dißmal nicht abreiſſen / und bloß mit dem Finger drauf weiſende / uns be - gnuͤgen laſſen wolten zuerinnern / daßohnohn die euſerſte Noth ſo wol der Oſtra - ciſmus als andere Politiſche Ungerech - tigkeiten nicht mehr vor Politiſche / ſon - dern moraliſche zuhalten / und in eine Tyranniſche Gꝛauſamkeit außſchlagen / daß die Noth / ſie ſey ſo groß / als ſie wol - le / kein Staats-Geſetze uͤber die Natuͤr - liche erheben koͤnne / als worinnen nicht allein den Menſchen Schutz gehalten / ſondern auch vor dero Guͤtter geſorget wird / daruͤber keinem Staats-Geſetze etwas wiedriges zu begehen / zugelaſſen iſt / wiewol hinwiederum nicht umzuſte - hen / das Fuͤrſten freyer Macht uͤben koͤn - nen / wo ſie dero Gebaͤhrerin die billiche Vergeltung entgegen ſetzen / die Ratio Status iſt und wuͤrcket gantz Irregular, ſo bald derer Urſache die Noth auffhoͤ - ret und alles in den ordentlichen Gang gebracht wird / ſo verlanget ſie ihr Grab in aller Vergnuͤgung zuhaben / welches geſchiehet / wenn dem beleydigten Theile das zugebuͤſte erſtattet wird / auſſer der Noth und darauff erfolgenden Entgelt iſt die Ratio Status nicht mehr / was ſie iſt / zumahlen der Obrigkeiten Macht -berber der Unterthanen Vermoͤgen nicht ſo gar ungeſchrenckt ſein muß: Des Na - bots mit Macht geraubter Weinberg wurde ſchrecklich geeyfert / da hingegen Ahab den Weinberg / wenn dringende Urſachen verhanden geweſen / gegen Er - ſetzung eines andern einnehmen koͤnnen / geſetzt eine Stadt ſolle befeſtiget werden / und zwar in kurtzer Zeit / es mangeln Steine / Erden / Holtz / dieſes kan auß Privat-Leute Gaͤrten / Forwergen wie - der ihren Willen genommen werden / je - doch gegen gnungſamer Erſtattung / es falle Theurung vor / iedes Getreyde und Vorrath wird auffgezeichnet / wieder Willen derer / denen es zuſtehet / und bey wachſender Noth gegen Erlegung eines gewiſſen Werths und Uberlaſſung eines auskomlichen Vorrathes außgetheilet: Eine beruͤhmte Koͤnigin hat außlaͤndi - ſcher Kauffleute wahren in ihren Ha - ſen eingezogen / ſub obligatione mutui, welches ſo lange Recht bleibet / als ſie es benoͤtiget / eine darauß entſtehende Ge - fahr befuͤrchtet / und ihrem Verſprechen nach wieder gegeben; Als in JrrlandNeinein Auffſtand nach dem andern ſich er - hube / wurde man damals in Engelland Raths / die Muͤntze auff eine Zeit abzuſe - tzen / damit denen Auffruͤhriſchen Gele - genheit benommen wuͤrde / mit Außlaͤn - dern Verſtaͤndnuͤß zu pflegen / ungeach - tet viel darwieder / und die Koͤnigin ſelbſt / quæ hoc grave ſuæ famæ, grave Exer - citui fore dixit, ungern darein willigte / uͤberwandte ſie dennoch der Burkhurſt Jhr Schatzmeiſter mit der Noth: Ea enim temporis Lex eſt, ſaget der Hi - ſtoricus, quam urgebat, und alles die - ſes koͤndte nicht geſcholten werden / mo - pecunia, welches er verſprach / ad tempus mutaretur, poſteà ad ſum - mum valorem revocanda, Es were zu wuͤntſchen / das alle Chriſtliche Regen - ten nicht biß in Gewiſſens und moral - Graͤntzen außſtrecken / was ihnen bloß zu Erhaltung ihres Staats erlaubt / da - mit ſie nicht allzu fruͤhzeitig nicht zu be - gierig ſich erzeigen / und wo ſie ja die hoͤch - ſte Noth etwas hartes zubegehen treibet / durch eine genungſame Zufriedenheit die Rauhigkeit lindern / oder auß dem jeni -gen /gen / was in Extraordinar-Faͤllen hinge - hen moͤchte / nicht ein immerwaͤrendes oder ein Handwerck machen: Die jeni - gen / welche die Ratio Status vor ein Ge - genſatz oder Ubertretung der Geſetze außgegeben / haben der Sachen zuviel gethan / wenn ſie ihr eine Schaͤrffe zuge - leget / als wenn ſie bloß eine abgeſagte Feindin der Rechte were / zu wenig / weñ ſie die Ratio Status an die Geſetze bin - den wollen / und einen bloſſen Abſprung derer ſelbten darauß gemacht / da ſie doch ein viel weiter und viel anmuttiger Ge - filde / ihre Irregularitaͤten außzuuͤben be - haget / dieſe Politiſche Gegnerin bleibet in ihrem Centro, ſie uͤberſteiget nicht die uͤberirrdiſchen Sferen der Moralitaͤt / ſie klebet auch nicht nur an den Buͤrgerli - chen Geſetzen / ſondern ſie gehet in alle Politiſche Gegenden / allwo ſie mit deſto außgelaſſener Freyheit ihre Wuͤrckun - gen außſtreuet / wohin wir uns auch mit deſto feſtern Fuſſe allda zuverharren begeben wollen.

N ijDIS -

DISCURS VII.

SO wird dann nun die unter dem Nahmen Ragione di Sta - to verborgen-liegende Regier - Weißheit in ihrem Politiſchen Umkreiß gantz frey ungebunden außgelaſſen / ſie uͤberſprenget alles Ziel / welches die Menſchliche Vernunfft zuſtecken pfle - get / ihre Herrſchafft iſt ſo Souverain al - ler Zuͤgel loß / und ſo weit außgebreitet / das kein Buͤrgerlich Geſetze / keine Poli - tiſche Regul oder Grundfeſte eines Rei - ches gegen ihr unverruckt beſtehet / kein Reich ſo wol beſtelt inner deſſen Hori - zont ſie mit den Strahlen ihrer Irregu - laritaͤten nicht durchblitzet / Sie iſt in al - len Regimenten zu Hauſe / allenthalben gegenwaͤrtig / allen alles / ſonderlich und untheilhafftig / ſie fraget ſo ſehr nicht dar - nach / von was ſie vor Formen / ob ſie Monarchiſch / Ariſtocratiſch oder De -mocra -mocratiſch ſeyn / ſondern iſt am meiſten geſchaͤfftig in ultimis iſtis differentiis, dadurch ein Geſchlecht des Reiches von dem andern abweichet / wie Spanien / Franckreich / Schweden / ꝛc. als Mo - narchien von einander unterſchieden / welches der Ludov. Zuccoli bereits gar wol anmercket.

Zwar in der gemeinen Politic ſind die Regimenter in 3. Formen abgethei - let / das ſelbte entweder von einem / oder mehrern / oder allen / das iſt / dem Poͤfel regiret werde / nach dieſen dreyen For - men hat die ſo genandte Ratio Status eingeſchrencket / und in dem man ſich hieruͤber gar zu lang auffgehalten / lieber ein Special Politic darauß gemacht / oder damit zum wenigſten vermenget werden wollen / allein wie unſere Vorhabende / als eine Veraͤchterin aller Schul-Sub - tilitaͤten / ſich an derogleichen Abtheilun - gen wenig bindet / ſo wiſſen die Gelehrten / was vor Verwirrung und Zwieſpalt ſich ereignet / ſo offt man denen Majeſtaͤ - tiſchen Verſamlungen ermeldete Regi - ments-Arten appliciren ſollen / daß ebenN iijdißdiß in der Buͤrgerlichen Lehre zum Lapis Philofophicus, oder zu einem Dinge / wel - ches zuergruͤnden faſt nicht moͤglich werden wollen / zu deſſen Erweiß wir nur duͤrfften zu Hauſe bleiben / und ſehen / wie ſo vielfaͤlti - ge wiederſinnige Meinungen bey unſern Roͤmiſch-Deutſchen Reiche / von was es vor Gattung ſey / außgeſtreuet worden / wel - che offentlich außgewieſen / was eine odeꝛ an - dere Zuneigung in die Feder gefloͤſſet / und wann ſie nach der Schaͤrffe ihrer privat - ſpeculirung alle innerliche Eigenthuͤmli - che / und anderer untheilhaffte Eigenſchaff - ten zur Ungebuͤhr durchgezogen / ſich nicht geſcheuet / allerhand verkleinerliche und Pri - vat-Perſonen unanſtaͤndige Urtheile auß - zuſchuͤtten; Dero ſtrengen Richterſtul zu - entgehen / oder auch um ſich deſto leichter außzuhelffen / haben etliche in dem Vorwand vermiſchter Regimenter Zuflucht genom - men / und ihren Herrſchafften wol alle drey Formen auff einmal zuerkennet / da - durch beydes alle Arten / Geſtaltnuͤſſe und Vnterſchied gantz auffgehoben / beydes der jenigen / welche alle Regiments-Ordnun - gen nach ihrer Eigenſinnigkrit und der E -lenlen ihreꝛ Beſchauung abmeſſen wollen / Vor - witz hintergangen worden. Schon Poly - bius ruͤhmete die Roͤmiſche Republic vor die herrlichſte / welcher alle Formen in ver - miſchter Krafft beywohneten / in den Buͤr - germeiſtern lieſſe ſich ſehen die Koͤnigliche Pracht / in dem Rathe der Vornehmſten An - ſehen / und im Volcke aller Macht. Wel - che Erfindung / als dadurch man ſich ge - trauet am beſten fortzukommen / nicht ohne Nachfolger geblieben / und ich weiß nicht / ob tinige Regirung / wenn es zu dero Ruhm ge - langte / ſich deſſen nicht wuͤrde anmaſſen koͤnnen.

Der treffliche Contarenus hat von ſeiner Signoria eben dieſes gepriefen / ande - re haben die meiſten Reiche in der Chriſten - heit zu lauter aus Monarchien / Ariſto - cratien / und Democratien vermiſchten Regimentern machen wollen. Und ſchrei - bet neulich ein Frantzoſe von der Frautzoͤſi - ſchen Monarchie / quæ eſt accompagnee de tout le meslange, que l on peut ſouhaiter pour un Gouvernement parfait, & accomply: Daß ſie von al - ler Vermiſchung / ſo man zu einem vollkom -N iiijmenenmenen Regiment wuͤnſchen koͤnne / be - gleitet werde / die Staats-Raͤthe mach - ten eine herrliche Oligarchie, die Parla - menter und andere Gerichts-Beam - pteten gebẽ eine Ariſtocratie ab / die Pre - voſts des Marchands, Buͤrgermeiſter und Staͤnde præſentirten eine wolge - maͤßigte Democratie, alſo daß dieſe Un - terſchiedene mit der Monarchie ſich ver - einigenden Regier-Arten / Franckreich zur vortrefflichſten und vollkomneſten / als es moͤglich / machten. Solcherley Mengereyen / wie ſehr ſie den Oberen liebkoſen ſollen / koͤnnen weder einem Staat anſtaͤndig / noch dem Regiment erbaulich / noch der Warheit aͤhnlich ſeyn. Man wolle uns vor dißmal aus Ungewißheit und Schwerigkeit denen Reichen ihre Formen / als welche an ſich ſelbſt nicht verwerfflich ſind / zuzueignen / ſo viel zu dem Vorhaben dienlich / an - mercken / wie ieder Staat von dem an - dern gantz unterſchieden / niemaln einer - ley Gattung ſey / ieder ſeine eigene Ge - ſtalt / Anſtalt / Verfaſſung / Zuneigungen und Character habe / welches alles nachdemdem Muſter unſer Beſchauung keines weges ſich laͤſſet einzwingen / und ob gleich hier oder da verſichert ein Status Monarchicus, dennoch etwas beſon - ders verhanden bleibet / welches mit den Monarchiſchen Erforderungen ſo ge - nau nicht uͤbereintreffen koͤnne / ſondern iedwedem etwas unzertheiltes leibeige - nes anliege / das kein Regiment-Weſen gefunden werde / ſo nicht nur ſeine beſon - dere Geheimnuͤſſe habe / ſondern auch ſeine Heiligthuͤmer mit allerhand Decken behuttſam umhuͤllete: Dahero die jeni - gen ihre Arbeit / wo nicht ſchaͤdlich / ge - wiß vergebens angeleget / welche entwe - der eines Menſchen Satzungen gar zu hefftig anhangende / oder einen Staat dem andern gleiche machende / offters auß einem euſerlichen Schatten die Li - neamenten eines ſelbſtaͤndigen Coͤrpers erkennen / ja wol gar prognoſticiren wollen / wie dort / alſo werde und muͤſſe es hier ergehen / welches entweder aus Liebe des Alters / darinnen die Erfinder vergrauet / oder aus luͤſternder Neuig - keit / oder andern affecten mag geſche -N vhenhen ſeyn / indeſſen aber hieraus unzehliche Jrrungen außgebruͤttet worden. Unlaͤngſt haben etliche / damit wir nicht in die ferne gehen / ihre Feder wieder den Glantz des Heil. Roͤmiſchen Reiches gleiten laſſende / anſtat derer / welche vormahln auß dem Roͤ - miſchen Aſcherhauffen ihren Zuſtand er - gruͤbeln wollen / Teutſchland auffgeſuchet / und ein Achaiſch Republiquen Buͤnd - nuͤß anertichtet / darunter ſich vor allen ruch - bar gemacht der verkleidete Severin Mon - zambano, und in einer neulich ausgegan - genen Diſſertation de Rep: Irregulari. Deſſen Schutzhalter Herr Samuel Pufen - dorf, welcher ſich dadurch bey vielen in Verdacht gebracht / daß er eben der jenige ſein moͤge / was er Anfangs nicht ſein wol - len / wenn er das jenige / was andere Gelehr - te offentlich in Tag zubringen geſcheuet / be - hauptet / und nicht allein das Heil. Roͤmi - ſche Reich vor ein Republicen Buͤndnuͤß außſprenget / ſondern auch deſſentwegen vor ein Corpus Monſtro ſimile erachtet / weil es Irregular, und ad regulam Civilis Scientiæ nicht exigiret werden koͤnne / wel - chem gleichwie wir vor itzo ſo viel dem Vor -habenhaben dienlich ſtandhafft entgegen halten / daß kein einig Regiment nach Unvollkom - menheit aller irrdiſchen Dinge in der Welt ſey / deme nicht etwas Irregulares beywoh - ne / daß man allen Reichen unrecht thun wuͤrde / wofern man ſie ſo ſcharff und Seve - riniſch nach denen in Schulen erſonnenen und neu auffgewaͤrmeten Jdeen bezircken wolle / alſo koͤnnen wir gruͤndlich genung - ſam erhaͤrten / daß ob gleich die euſerliche Geſtalt klar genungſam und gewiß waͤre / dieſes oder jenes ſey eine Monarchie, Ari - ſtocratie, jedes Reich dennoch ſeine beſon - dere Beſchaffeuheit habe / und kein einiges auff der Welt iemaln dem andern gleiche / ſo wenig als ein Menſch dem andern in al - lem durch und durch gantz aͤhnlich ſey / deſſen heulleuchtende Zeugnuͤſſe anderer zu ge - ſchweigen Spanien und Franckreich able - gen koͤndten / beyde werden von einem regi - ret / und ſind unfehlbaꝛ von den reineſten Mo - narchien / halten wir aber beyde Regirun - gen gegen einander / ſo iſt eine der andern gantz ungleich / zu wieder / jede hat ihre beſon - dere / abgeſonderte gantz ſtrittige Eigenſchaff - ten / Zuneigungen / Verfaſſungen / ihre einge -N vjdruck -druckte Siegel ſich gluͤckſelig zu erhaltẽ. Es ſtellet einer die Spaniſche Monarch. vor ſitzende / auff einem von Schnecken - haͤuslein erbauetem Throne und mit Re - morẽ gezogenẽ Wagen / als welche durch lange Zeit / ſo ſie mit Nachdencken zu - bringet / manche gute Gelegenheit ver - lieret / deſto ſicherer aber fortſchleichet / Jhr wird eine groſſe Auffmerckung in dem Spiel / wo Sie die Karten wohl zu maͤngen weiß / zugeeignet / Sie gehet nimmer ſo geſchwinde / daß Sie falle / Sie erwartet des Balles bey dem Sprunge / gehet er falſch / ſo troͤſtet Sie ſich / daß Sie nicht uͤbel auff ihn gewar - tet / und daß Sie ihres Streiches nicht durch eine Ubereylung verfehlet; Sie - he aber in Franckreich ein gantz verkehr - tes Spanien / wird Spanien wegen ei - ner ſo langſamen Vorſichtigkeit gleich - ſam von Schnecken gezogen abgebildet / ſo koͤnte man Franckreich wegen ſeiner Fluͤchtigkeit in einem von behenden mu - tigen und immerfort trabenden Sonnen Roſſen beſpannten Wagen aufffuͤhren / als welche ſo geſchwinde fortrollen / daßdiedie Augenblicke und Stunden nicht in einem ſtaͤrckern Lauffe begriffen ſind / verlieret jene durch ihre Saͤumnuͤß manche Gelegenheit / deſſen Sie beſchul - diget wird / ſo ſtreichet dieſe durch Jhre Behaͤndigkeit vorbey / gehet jene nimmer ſo geſchwinde / daß ſie falle / ſo wird dieſe durch gaͤhe Ubereilung dem Sturtze eben ſo bald als jene etwas verſiehet / unter - wuͤrffig / erwartet jene den Ball / lauffet dieſe hurtig darnach / faͤngt ſie ihn nicht / da jene ſich troͤſtet und mit einer ſtand - hafften Großmuͤtigkeit uͤberwindet / laͤſ - ſet dieſe den Muth ſincken / und die heff - tige Bruuſt auff einmahl erkalten / was Sie in einem Sprunge nicht faͤnget / haͤlt Sie kleinmuͤtig vor verlohren / wenn Spanien mit ihren tieffen Gedancken den gantzen Jnnhalt eines Dinges / ſo Sie ihr vorleget / umbfaſſet / alle Theile deſſelben / alle Nerven / und alle Fuͤgun - gen wohl betrachtet / ſiehet Franckreich uͤberhin / und erlanget mehr den Zweck aus einer Hitze oder Eyfer / als reiffer Uberlegung: Spanien verrichtet ſo viel in einem Eſcurial, als das beweglicheFranck -Franckreich zu Felde / beyden iſt ihr Be - ginnen nach ihrer natuͤrlichen Bewand - nuͤß vortraglich / Spanien als einem groſſen fetten Coͤrper / darinnen ſich das Gebluͤthe zertheilet / die Ruhe / hingegen Franckreich als einem hagern / worinnen das Gebluͤte viel enger zuſammen gezo - gen erhitzet / umbher wallet / und Aus - gang ſuchet / eine ſtaͤte Bewegung / da - durch es ſich immer zuthun machet: die - ſes Feuer / ſagt ein vornehmer Hoffe - mann / ſucht immer Nahrung / ſo es nicht anderwerts materie findet / machet es ſich ſelbſt dazu; Les Politiques de France ont cru qu il falloit de neces - ſite cuorir un autre chemin pour eva - porer cette flâme, qui rongeroit leurs propres entrailles, ſi elle ne trouvoit d autre iſſue, die Politici in Franckreich haben darvorgehalten / daß man noth - wendig einen andern Weg eroͤffnen muͤſſe / umb dieſer Flammen Lufft zu ma - chen / welche ihre eigene Eingeweide na - hen duͤrffen / wo Sie nicht einen andern Außgang findete.

Es iſt wohl gar gewiß / daß beydeeineEine auff der andern Bruͤchen wandeln / und einander auff ihr Vorhaben genau - eſte Achtung geben; Noch gewiſſer aber / daß / welchen Weg ſie auch gehen / ſie nimmermehr gleiche Schritte machen / ſondern durch gantz ungebaͤhnte ſtrittige Straſſen den Zweck ihres Abſehens er - langen / und genugſam verſichern / wie ofters die beſchriene Antipathie von den Gemuͤtern biß in die Regiments-Beſtel - lungen kraͤfftigſter maſſen wuͤrcke / daß ein Reich weder nach der Vorſchrifft der gemeinen Politic, noch nach eines andern Zuſtand oder Manier regieret werde / ſondern was einem ſehr nuͤtzlich / offters dem andern nachtheilig falle / und was die beruͤhmte Eliſabeth / als ſie an die damahlen in Franckreich regirende koͤnigliche Mutter die Catharine abſon - derlich ſchreiben laſſen / und der Conci - piſt dieſe Worte eingeruͤcket / eſſe nimi - rùm ipſas duas Fœminas Principes, à quibus in uſu rerum & imperandi virtute & artibus non minora quàm à ſummis Viris expectarentur, nach - dem Sie angezogene Worte außzule -ſchenſchen befohlen / von ſich und der Koͤnigin in Franckreicht erinnert / artes ſe longè diſſimiles & inſtituta diverſa ad impe - randum afferre; Was von Rom der Cardinal Proſper Sanctacrucius zu ſagen pflegen / Adeò iis rebus, quæ aliis imperiis ſunt exitio, Romam conſer - vari, wir in gutem Verſtande von allen Reichen / ſie ſeyn Monarchien oder Re - publicen / warhafftig prædiciren koͤn - nen. Wann der verſtaͤndige Geſchicht - ſchreiber Jtalieniſcher Haͤndel Petro Giovanni Capriata auff die Beſchrei - bung des Genuenſiſchen Staats kom - met / bleibet er gar ſonderlich bey dem groſſen Reichthum und Anſehen ihrer Buͤrger ſtille ſtehen / und kan ſich nicht gnungſam verwundern / daß eben das jenige was anderer Republicen Verterb und Untergang geweſen / dieſer Erhal - tung ſey: Die Geſetzgeber der alten Zei - ten / ſind des obiggedachten Capriata verdolmetſchte Worte / die jenigen / wel - che die beſte Regirungs-Geſetze verlaſ - ſen / haben allezeit die Privat-Reichthuͤ - mer / und den uͤbermaͤßigen Gewalt derBuͤrgerBuͤrger vor ſchaͤndlich befunden / dahe - ro ſie davor als einer Peſt und toͤdlichen Gifft einer wolbeſtalten Republic Ab - ſcheu getragen / ſo gar daß Lycurgus der weiſeſte Stiffter Spartaniſcher Repu - blic nicht nur mit der Gleichheit der Buͤrger nicht zu frieden geweſen / ſon - dern auch den Gebrauch Gold und Sil - bers gantz und gar auffgehoben / nach - gehends haben die Spartaner ſelbſt gut - willig den Athenienſern die See-Herr - ſchafft / welche die Bundes-Staͤdte in Griechenland zugleiche hielten / abgetre - ten / aus Furcht / daß ihre Buͤrger bey ei - nem ſo groſſen Regiment verwehnet / den Befehlen des Vaterlandes ungehorſam werden / und folgends der gemeinẽ Frey - heit nachſtellen moͤchten. Die Athe - nienſer ſetzten ſich mit dem Oſtraciſmus der uͤberſteigenden Macht und Anſehen ihrer Buͤrger entgegen / und wie die Roͤ - miſche Republic die Agrariſchen Geſetze geaͤngſtet / wie derſelben Freyheit von der gar zu hohen Gewalt des Marius, Sylla, Pompej und Cæſars uͤbermaͤnniget / iſt gar zu klar und offenbahr. Eine vondenden heutigen Republicen (Venedig) ver - trauet aus eben derogleichen Bedencken die Waſſen zu Lande nur Frembden / und das Commando zur See / welches Sie ihren Buͤrgern nicht entziehen kan / uͤber - laͤſſet ſie den Einheimiſchen / ſolcher Ge - ſtalt / daß inner hundeꝛt Meil Weges von der Stadt Er habende Macht nicht uͤben duͤrffen / ſie verſtattet ihren Buͤrgern nicht Einkunfften oder Beſtallungen / o - der Aempter / oder Ehrenſtellen bey an - dern Potentaten anzunehmen / viel weni - ger in eines andern Gebitte ſein Gluͤcke zu ſuchen / aus Furcht / daß ſie ſelbigem Fuͤrſten zum Nachtheil der Republic zu gethan oder ergeben ſeyn moͤchten: die Genueſiſche Republic giebet ein ſeltzam und gluͤckſeeliges Beyſpiel ab / welches beydes der alten Lehren und der heutigen Republicen Ordnungen verwirret / ſie ſtuͤtzet ſich nicht allein auff der Hoheit der Privat-Reichthuͤme ihrer Buͤrger / ſon - dern empfaͤnget auch davon ſelbſten Krafft / Geiſt und Pracht / vermittels der groſſen Macht ihrer Buͤrger bleibet ſie in beſtaͤndigem Flor / wenn ſie da -durchdurch die verlohrne Freyheit wieder brin - get / wann ſie ſelbe erhaͤlt / ſchuͤtzet / wenn ſie ſich bey frembden und benachbarten Potentaten anſehlich machet / dieſer Re - public Buͤrger haben Gemeinſchafft mlt den groͤſten Monarchen der Welt / ſie er - werben in frembden Reichen Einkunff - te / beſitzen allda Guͤter / werden zu Ver - waltung koͤniglicher Schaͤtze gelaſſen / ſie nehmen von der Cron Spanien an Be - ſtallungen / Titul und Wuͤrden / ſie un - terziehen ſich den hoͤchſten Verwaltun - gen uͤber Koͤnigreiche / ihnen werden - bergeben die hoͤchſtẽ Generalat zur See / ungebundene Gewalt zu Lande / ſie wer - den erwehlet zu den geheimeſten Staats - Raͤthen / und nichts minder ſind ſolche und ſo hohe Wuͤrden / Aempter / Ehren - ſtellen und Erhabenheiten nicht ſchaͤd - lich / noch ſchwaͤchen / ſondern befeſtigen den Wohlſtand ihres Vaterlandes. Bißheꝛo redet Capriata, welcheꝛ zwaꝛ al - lerhand Urſachen ſo wunderſamer Be - wandnuͤſſe geben wil / als die Einigkeit und gute Regier-Art / die Begierde der Freyheit / weilen aber ſolche Urſachen al -lenlen Republicen gemein / als laſſen wir es diſſeits bewenden / bey der inner den Li - nien aller Regimenter angeheffeten Un - aͤhnligkeit / daß iedes Regiment einige Irregularitaͤt begleite / derer man nicht gnugſame auſſer deſſelben Staats ſotha - ne Beſchaffenheits Urſache geben koͤnne / daß die ſubtileſten und bewehrteſten Leh - ren bald da / bald dorte Anſtoß oder Ab - bruch leiden muͤſſen. Als Tacitus in der Jnſul Leſbus nach ſeinen Tyberia - niſchen Maſſimen / dadurch er der gan - tzen Welt Auffſicht an ſich gezogen / regi - ren wolte / muß er landfluͤchtig werden / und mit dem Trajan Boccalini, welcher alle andere in Regirungs-Sachen ge - meiſtert / ſind die ihm untergebene Staͤd - te ſo uͤbel zu frieden / daß deſſentwegen nach Rom eine Klage uͤber die ander an - gelanget / der darumb beſprochene Taci - tus wil alle Schuld auff den Unterſcheid zwiſchen der Theorie und Praxi werf - fen / Janus Nicius breitet auff den Boc - calini aus das Sprichwort / es waͤren dreyerley Leute / welche andern Geſetze vorſchrieben und am wenigſten hielten /JuriſtenJuriſten / Aertzte und Geiſtliche / keine wichen mehr von den Rechten ab / als de - ro befliſſene / niemand nehme die Geſund - heit weniger in acht als die Aertzte / nie - mand achtete der Gewiſſens-Stacheln weniger / als die Geiſtlichen / allein was von dieſen in den Mißbrauch und Unter - ſcheid zwiſchen der Theorie und Praxi geſuchten Verwand / unſere Jrrthuͤmer zu beſchoͤnigen / zu halten ſey / iſt ander - werts bemercket worden / wir finden viel - mehr bey denen in der Praxi geuͤbteſten / daß ſie alsdann am meiſten geirret / in - dem ſie am genaueſten nach der Politic leben / einen Staat entweder nach dem andern oder nach dem gemeinen Ent - wurff / oder nach der Richtſchnur / der Monarchiſchen Rogeln einzwengen wollen / daß derogleichen ſtandhaffte Verbleibungen bey einerley Weiſe / ſie ſey ſo wohl gegruͤndet / als ſie wolle / viel Ungemachs nach ſich gezogen / wie man denn erwehnter zweyer ungluͤckſeeliger Regenten des Tacitus ertichteter und Boccalini warhaffter keine beſſere Ur - ſache geben koͤnnen / als daß ſie nicht denPoli -Politiſchen Regeln nachgelebet / ſondern daß ſie ſich gar zu feſte an gewiſſe Regeln oder anderer Exempel binden wollen. Dem groſſen Pompejus wird vor einen groſſen Fehler außgeſetzt / daß er ſich ein - gebildet / was den Sylla angegangen / muſte auch ihm gluͤcklich ergehen / und ſich verlauten laſſen / Sylla potuit, ego non potero? da doch der Zuſtand zu des Sylla Zeiten von dem jenigen / darinnen Pompejus lebte / gantz unterfchieden / und es kein Wunder / daß alle die gluͤcklichſt verfuͤhrte Maſſimen des Sylla bey ihme umbgeſchlagen. Obig ermeldter Ca - priata ſchreibet / daß als der Marcheſe di Santa croce, Meylaͤndiſcher Stadt - halter aus Furcht den Meylaͤndiſchen Staat auff die Spitze zu ſetzen / unter Caſal lieber einen Stillſtand mit denen zu Huͤlffe kommenden Frantzoſen ein - gehen / als eine Schlacht liefern wollen / Er an den Koͤnig deſſentwegen geſchrie - ben / und ſich verantwortende / mit des Hertzogen von Alba Stathaltern / des Koͤnigreichs Neapel Spruch geſchloſ -ſen /ſen / non havere eletto di avventurare lo Stato di Milano contro una ſopra - veſte di broccatto, Er habe nicht den Meylaͤndiſchen Staat gegen einen Kaſten voll Beute wagen wollen / welches dem von Alba wol außgeſchlagen / dieſem als deſſen Folger uͤbel auß geleget worden / maſſen die - ſer letztere nicht betrachtet den groſſen Un - terſchied zwiſchen dem Zuſtande / darinnen ſich der von Alba zu ſeiner Zeit und Santa - croce ſich damahlen befunden / jener im Reich Neapel / als welcher bloß dahin ſehen durffte / wie er von den von dem Duc de Guiſe gefuͤhrten Frantzoſen ſich ſchuͤtzen moͤchte / und wenn er gleich uͤberwunden / haͤtte er nichts gewonnen / als eine Beute von einem Feinde / ſo ſich ohne diß verlauf - fen wuͤrde / dieſer Santacroce unter Caſal kriegte in des Feindes Lande mit einer von Kayſerlichẽ darzu geſtoſſenen Voͤlckern ver - ſtaͤrckten maͤchtigen Armee / haͤtte vermuth - lich ſiegende alles gewonnen / was er begeh - ret / nicht ſtreitende / alles verlohren / ſo gar daß ihn alſobald deſſen gereuet / und alſo / ſag[e]ferner Capriata, iſt kein Zweiffel / daß wenn Spinola ſein Vorfahr annoch haͤtte bey Le -benben ſein ſollen / er ſich einer ſo ſchoͤnen Ge - legenheit ſein Alter mit einem ſo ruͤhmli - chen Siege zubeſchlieſſen / wuͤrde bedie - net und beyſeit geſetzt des Duc d Alba Exempel es mit dem groſſen Conſalvo gehalten haben / di havere in quel Ci - mento la Sepoltora un palmo di ter - reno piu inanti, che ritirandoſi alcu - ne poche braccia prolongar la Vita di cent anni, in dieſem Verſuch ſein Be - graͤbnuͤß lieber eine Hand breit vor ſich zuhaben / als etliche wenige Ellen zuruͤck - weichende das Leben auff hundert Jahr verlaͤngern / worauß leicht abzunehmen / wie man uͤberhinſehende aller der kluͤge - ſten Staats-Leute Spruͤche / Exempel / oder Verhaltungen bloß auff die Fuͤ - gungen / ſo in dieſem пȣ und Augenblick zuſammen treffen / das Vernunffts-Au - ge werffen muͤſſe. Henricus III. der letzte aus dem Valeſiſchen Hauſe Koͤnig in Franckreich vermeinte ſeine zu Wie - der auff bringung des in langwiriger in - nerlichen Unruhe zerruͤtteten Reiches gerichtete Anſchlaͤge auff den allerbeſten Weg gebracht zu haben / und getrauetedar -darmit gar leichte ohn allen Wieder - ſtand fortzukommen / wenn er ſelbige nur wohlgegruͤndet / und denen Politiſchen Lehren nach wohl abgeſchnuͤret haͤtte / dañenhero per indirizzare piu regola - tamente, wie der Henrico Caterino Davila ſchreibet / il filo del ſuo diſegno ſi riduceva ogni giorno dopo pranſo con Bauio del Bene, e con Giocopo Corbinelli Fiorentini huomini di molte lettere Greche eLatine da quali ſi faceva leggere Polibio, Corn. Ta - cito e molto piû ſpeſſo i Diſcorſi & il Prencipe del Machiavelli, delle quali lettúre eccitato ſ’era anco maggior - mente invaghito del ſuo ſegreto; Um deſto graͤder oder ordentlicher den Faden ſeines Vorhabens auff die Werffte zu bringen / begab er ſich taͤglich nach der Mahlzeit mit dem Bauio del Bene, und Jacob Corbinelli in Grichi - ſchen und Lateiniſchen Sprachen ge - laͤhrten Florentinern von welchen er ihme den Polybius, Tacitus, und offters die Diſcurſe und den Fuͤrſt des Machia - velli leſen laſſen / in welcher Heimligkei -Otenten ie mehr er unterrichtet wurde / ſich deſto mehr verliebete; Wie ſehr er ſich aber an den Polybius, Tacitus, Machiavelli ge - halten / wie gnau er deroſelben maſſimen an - gehangen haben mag / ſo ungluͤckſeelig iſt er geweſen bey dahmalig verwirreten Zuſtan - de / welchen er auf alle Weiſe auch mit Nach - ſetzung aller andrer Politiſcher Regeln aller ſubtileſten Vernunffts-Gruͤndezu rechte helffen ſollen / Einer gantz ſonderlichen An - merckung verdienet dieſes / was der Conte Majolino Biſaccioni unter andern vor ei - ne Urſache des klaͤglichen Unterganges dem ungluͤckſeeligſten Koͤnige in Engelland Carl Stuart angeſetzet / daß er nemlich ſich allzu - ſehr an die von dem Tacitus verzeichnete Staats-Lehren binden / und Engelland dar - nach regiren wollen / Studiava egli, ſagt er fin da ſuoi primi anni C. Tacito e n havea ſempre le Sentenze in bocca e fra l altre profeſſava, che immitare doveſſe ogni Principe gli artificii di Tiberio, e quel ch era peggio, ſi glo - riava qual hora qualche bel colpo glie ne riuſciva, onde creſciuto all E - e giunto al Dominio tutti li ſudditiſtima -ſtimarono, che anche il Re conſervaſ - ſe le medeſime maſſime, onde ogni ſua actione era ſoſpetta, Er ſtudirte von Kind an den Tacitus, fuͤhrte allzeit deſſen Spruͤche im Munde / und lieſſe ſich unter andern verlauten / daß jeder Fuͤrſt ſolle des Tiberii Statts-Griffe nachfolgen / und welches noch aͤrger / ruͤhmt er ſich / daß ihm bißweilen ein-und ander Streich angegan - gen / dahero als er zu Jahren und zur Regi - rung kommen / hielten alle Unterthanen dar - vor / daß der Koͤnig eben dieſe Maſſimen be - halten wuͤrde / daß alſo folgends alles ſein Thun und Vornehmen in Argwohn gera - then; Man ſehe hierauß / was auch Unter - thanen vor einen Eckel und Abſcheu tragen / auff frembde und gebundene Weiſe beherr - ſchet zu werden / wie ſich ein Fuͤrſt durch An - wehrung der ſchlaueſten Staats-Erfindun - gen oder auch dero Verdacht ſich in Haß bringen koͤnne / und wie offt er den Scepter ſelbſt beugen muͤſſe / nachdem es die Noth / die Zeit und der Zuſtand eines Landes erfodert / Eben dieſer gute Koͤnig konte ſich uͤbel drein ſchicken / daß die Koͤnigliche Gewalt bey der autoritaͤt der Parlamenter ſtehen ſolte / undO ijver -vermeinte / wann er nicht frey ohne dero Beſpruch zuthun und zulaſſen haͤtte / was er wolte / wann ihm nicht wie an - dern Koͤnigen die voͤllige Herrſchafft - bergeben ſey / daß man ihme eine neue Regirungs-Form erdacht / und daß der Koͤnige in Engelland Majeſtaͤt gleich je - nem Mahometiſchen von zweyen Mag - neten angezogenen Sarge durch eine Fantaſtiſche Lufft-Regalitaͤt zwiſchen dem Recht und Privilegien der Ober - und Unterhaͤuſer ſchwebende gehalten wuͤrde / daruͤber er ſo eyferte / daß er ſich verlauten lieſſe / er wolte lieber mit ſeinen Heylande die Dornerne Crone tragen / als die ihm zuſtehende Goldene in eine bleyerne verwandeln / deren Gezuͤge und geringe materie in alle Figuren leicht ge - beuget werden koͤndte / und der unterein - ander ſelbſt wiederſinniſchen Gefallen folgen muͤſſe / er brach herauß / malle ſe omnes vitæ ærumnas & multas mor - tes obire, quàm juſta Jura Dominii vel unquam cum rubore deſerere, vel cu infamiâ prodere, eine gar zu ſteiffe un - ablaͤßige Nacheyferung KoͤniglicherWuͤr -Wuͤrde / welche zwar nicht ſol beleidiget / wo es aber geſchehe / unterweilens nicht beſſer als durch kluͤgliche Verſchmer - tzung kan erſetzet werden / Die loͤblichſten Regenten haben nicht allemahl in einer Ordnung / auff einerley Art und Weiſe regiren koͤnnen / ihre Klugheit iſt niemah - len erlauchter worden / als wenn ſie von ihren Staats-und Majeſtaͤt-Rechten bey erheiſchender Noth abgewichen / und der Fuͤlle der Macht zuweilen etwas ab - gehen laſſen; Wenn die Majeſtaͤtiſchen Sonnen ſich unter die ſchwartzen Wol - cken eines auffziehenden Ungewitters verborgen / ſind ihre Strahlen deſſent - wegen nicht geſchwaͤchet / ſondern ver - klaͤreter worden / die Behaͤltnuͤſſe aller Macht haben muͤſſen / welches ſo unge - reimt bißweilen nachſehen / nachgeben / ihr koͤnnen ihren Willen hemmen / alle Lehren beyſeite ſetzen / ſie haben in dem gewaltſambſten Wiederſtande ihre Schwachheit oder Ungluͤck empfunden und bewehrt gemacht / was an ſich ſelb - ſten wahr / che il voler governare, wie der gelehrte Jtaliener redet / con Rego -O iijlele contrarie alla natura e diſpoſitione de i ſudditi è un polire il vetro con lo Smerillo, che lo rompe, un tirar l acqua à i monti, che ſe ne ſcaricano & un far render frutto alla terra con amaſſerla e batterla, daß mit der Unter - thanen Natur ſtreitenden Regeln regieren / nichts anders ſey als ein Glaß mit Schmir - gel poliren / der es zerritzt / ein Waſſer berg - auf fuͤhrẽ / woher es kom̃t / die Erde mit blaͤu - en und ſchlagen fruchtbar machen. Tibe - rius ſelbſt das in gemein vorgelegte Muſter der abſoluteſten Regenten / mochte viel zu der Vollkommenheit ſeiner Monarchie verlanget haben / ſed non audebat; Bey den Politicis wird als eine beſtaͤndige Re - gel verwahret / einer neu angehenden Mo - narchie ſey nicht gut / daß die von einer Re - public uͤbrigbliebenen hoͤchſten Ehren - Aempter / einem lange Zeit ſolten uͤberlaſſen werden / Tiberius (diß Exempel giebet auch Herr Textor,)*Tract. de Rat. Sta〈…〉〈…〉. qui non audebat ad duriora vertere, hanc Rationem Sta - tus Monarchici non attendit, ſed ever - tit prudentisſimè ex genio loci, tem -porisporis adeò, ut ſi aliter feciſſet, pericu - lum ſubiiſſet, welches dieſes gruͤndlicher als vorſtehender Meinung / und deꝛ Warheit gemaͤſſer alſo gegeben wird / Tiberius hat dieſe nicht Ratio Status ſondern Politiſche Regel aus einer beſondern Ratio Status verkehret nach Erheiſchung der Zeit / der Landes Angelegenheit ſo weißlich / daß / wo er ſolches nicht gethan / er ſich in Gefahr bege - ben haͤtte / Tiberius wuſte wol / daß er mit dem Roͤmiſchen Volcke / welches die ſuͤſſe Milch der Freyheit geſogen hatte / umgehen muſte / wie mit einem zarten kleinen Kinde / welchem man bey ſo gchliger Entwehnung nicht bald harte Speiſen vorſetzet / ſondern das Unvergnuͤgen mit Zucker und Tocken - werck beſaͤnfftiget / dannenhero wie begierig er war / dem Volcke das voͤllige Joch anzu - legen / ſo muſte er dennoch vielmal die Saͤi - ten ſchlaffen laſſen / und den Eyfer der Be - herrſchung in der Lufft des gemeinen Vol - ckes abkuͤhlen / wie er denn niemalen kluͤgli - cher gethan / und gluͤckſeeliger geweſen / als wenn er auff das unterliegende hinabſehen - de denen Erforderungen einer ungebunde - nen Bothmaͤßigkeit nicht ſo gnau angehan -O iiijgen /gen / und daran ſich am wenigſten gebun - den / in alleiniger reiffeſter Zugemuͤtte - fuͤhrung / daß er mit keinem andern als mit dem Roͤmiſchen Volcke zuſchaffen habe / welches er am fuͤglichſten zurechte bringen koͤnnen / wenn er ihme die Fuß - ſtapffen / oder Nebel / oder lebloſen Bil - der einer angewehnten Freyheit uͤbrig gelaſſen. Hierinne wolte der Conte Du - ca d Olivarez mit Macht durchbrechen / er fragte nichts nach dem Zuſtande der Laͤnder / ſie moͤchten befreyet / geneigt / be - ſchaffen ſeyn / wie ſie wolten / es mochte ſich thun laſſen oder nicht / alle / derer ſein groſſer Herꝛ ſo viel beyſammen hatte / ſol - ten uͤber einen Leiſten geſchlagen wer - den / Multa Regna, ſed una Lex, war ſein Sprichwort / welches er mit ſo feſtem unbeweglichem Vorſatz verfolgte / daß ob er gleich ſahe Himmel und Erden ihm entgegen ſtehen / er dennoch darwieder range / biß er ſeine ungluͤckſeelige Ehren - ſtelle quittiren muſte / Illa animi, ſind ei - nes groſſen Cantzlers Worte / viſcoſi - tas & retinentia, â quacunq́z tandem radice pullularit, rebus gerendis &for -fortunæ Hominum eſt damnoſisſi - ma, nihilq́z magis Politicum, quàm animi rotas cum rotis fortunæ red - dere concentrices & ſimul volubiles, das Staats-Weſen wird gleich einem Rade von den hefftigſten Bewegungen umgetrieben / welchem die Vernunfft ſelbſt folgen / und ihr Rad nach dem Gluͤcks-Rade einſtimmig machen muß / die wahre Klugheit erſtarret niemals auf einer Meinung / ſo bald die Wolfarth ei - nes Landes das Wiederſpiel gebittet / ſie iſt nicht zaͤhe oder eigenſinnig in dem / was nicht anders ſein kan / es ſey nun ſo irregular und ungereimt / als es wolle. Deme ſonſt weiſen Cato wird nicht un - billich verwieſen / daß als das Vaterland in einen gantz andern Zuſtand gefallen / er dennech bey der alten Weiſe bleiben und leben wollen / als in einer Platoni - ſchen Republic, und nicht in der letzten Hefen des Romuls, hingegen von Cato - ne Majore geruͤhmet / daß er gehabt habe Ingenium verſatile, und darum ſein Geluͤcke erbauet / die wackerſten Staats - Leute ſchicken ſich lieber in das jene / mitO vdeſ -deſſen Wiederſtand ſie entweder nichts auß - richten / oder alles Ungluͤck auff den Hals giehen / ſie wiſſen / daß es in Weltſachen zuge - he / wie in dem Wuͤrffelſpiel / wie der Wuͤrf - fel faͤlt / ſo lieget er / ſie ſind nicht wie die Bau - ren / nach des Demoſthenis Redart / wel - che in dem Kampffplatze / nachdem ſie einen Schlag empfangen / alsdann erſt den Schild vorhalten / oder wie die Kinder / wel - che / ſo ſie fallen / ſich an das jenige halten / daran ſie geſtoſſen / und mit Wehklagen die Zeit zubringen / ſie erſetzen den Jrrthum oder Ruͤckgaͤngigkeit ihres Beginnens durch deſ - ſen Verenderligkeit / und hangen ihrem Gut - duͤncken nicht allzu hartnaͤckig nach / ſie ſtuͤ - tzen ſich auff ihren Staats-Gruͤnden nur ſo lange / biß derer Urſache eine groͤſſere und mehr dringende abloͤſet / unbeſorget um alle Grund-und Politiſche Geſetze / Solâ Ratio - ne Status begnuͤget / wolwiſſende /*Malvezzi nel Romulo. che i piu delli Stati ſono pericolati, per non poter ſofferire le antiche ordinationi, & per non ſaper le mutare, daß die mei - ſten Regimenter in Gefahr kommen / wenn ſie nicht koͤnnen die alten Ordnungen ver -tragen /tragen / und wenn ſie ſelbte nicht gewuſt zuen - dern; Die Spartaner ſchaͤtzten ihre Rhetern ſo heilig / daß ſie keine materie faͤhiger und wuͤrdiger / darein ſothane Satzungen einver - leibet wuͤrdẽ / als ihre Gemuͤther erachteten / Als aber krafft derſelben nicht zugelaſſen / daß einer zweymal nacheinander Obriſter zur See bliebe / und das gemeine Beſte er - forderte / das Lyſander dieſe Stelle behal - ten ſolle / gaben ſie dem Araco den Titul / dem Lyſander unter einem andern Nah - men die Gewalt / dieſe Ubertretung geſchahe wegen eines Nutzens / wie vielmehr / wenn eine unvermeidliche Nothdurfft darauff ge - drungen haͤtte. Als einmal ſolche Zeiten einfielen / die mehr der Noth als der Ge - wonheit zugehorſamen aufferlegten / ſollen ſie geſagt haben / Dormiant hodiè Leges; Und ihr Abgeſandter Poliarces ſol den Pe - ricles, welcher Bedencken truge / die einmal angeſchlagenen Taffeln / darauff die Athe - nienſiſchen Regiments - Geſetze geſchrie - ben geweſen / von der Stelle zurucken / ge - ſpottet haben / Tu verò eas inverte, quod nullâ ſanctione prohibetur, ebenO vjdeſ -deſſentwegẽ ruͤhmet Plutarch. den Philo - pœmõ, daß gleichſam waͤre er zum regi - ren gebohren / er nicht nur nach deꝛ Vor - ſchrifft der Geſetze ſein Thun anzuſtel - len / ſondern ſo offt eine dringende Noth ſolches erheiſchet / den Geſetzen ſelbſt mit Geſchickligkeit ohne Unrechtthuung / ei - nes andern zu gebieten gewuſt / welche / weil ſie nicht koͤnnen / was ſie wollen / ſollen ſie wollen / was ſie koͤnnen. Selbſt der Roͤmiſche Buͤrger-Meiſter Cicero uͤberredet uns deſſen / mit den beweglich - ſten Redens-Arten / wenn er auff vor - habende Materie einen Blick thut / ich halte / ſagt er / darvor / daß es nicht eines unbeſtaͤndigen ſey / ſein Gemuͤthe wie ein Schiff den Lauff nach dem Wetter des gemeinen Weſens zu wenden / ich habe dieſes gelernet / dieſes geſehen / dieſes ge - leſen / dieſes haben die Schrifften aller Zeiten von den weiſeſten und ſtattlich - ſten Leuten bezeuget / daß man nicht al - lezeit einerley Sinn behalten koͤnne / ſon - dern waſſerley auch der Zuſtand gemei - nen Weſens / der Zeiten Zuneigung und Eintraͤchtigkeit erfordert / Und gewiß imRegi -Regiments-Weſen eine Beſtaͤndigkeit ſich einbilden / lauffet zu wider der na - tuͤrlichen Eigenſchafft aller irrdiſchen Dinge / die Regimenter ſind an ſich ſelbſt unvollkommen / wie ſolten ſie denn nach den vollkommenſten Regeln regiret wer - den? Sie ſind unbeſtaͤndig / wie ſolten dero Grundfeſt / Zuneigung und Abſe - hen alle Zeit beſtaͤndig bleiben? Jhre groͤſte Beſtaͤndigkeit beſtehet in einer kluͤglichen Unbeſtaͤndigkeit / ſie werden gleich einer Scheiben umbgedrehet / das unterſte zu oberſte gekehret / das jenige / was dieſem zum Gipffel befoͤderlich / iſt andern zum Untergange behuͤlfflich ge - weſen / was hier ſchaͤdlich / iſt dort erbau - lich worden / es hat nicht allemahl bey uns geſtanden / daß wir in dem ordent - lichen Gange immer fortgeſchritten / man hat auff auswertige Zufaͤlle werffen muͤſſen tot vigiles oculos, ſo viel Argus Augen / die ſeltzamſten Fuͤgungen haben die Vernunfft ſelbſt zu ſich geriſſen; Sie haben uͤber der Landes-Sitt / uͤber der Gemuͤther Inclination, uͤber das jenige / wodurch die gemeine Wolfarth gebluͤ -het /het / maͤchtig trimnphiret / als worauff man alles Sinnen und Trachten rich - ten muͤſſen. Alles deſſen was bißhero verfuͤhret worden / koͤnte der anitzt in Europa lauffende Zuſtand erlauchte Beyſpiele abgeben / dafern auff deſſen weit außſehendes Geruͤſte einem niedri - gen Auge einen Blick oben hin zuthun zugelaſſen waͤre; Jedoch konte man ja nicht (zumahlen in quel beatiſſimo Se - colo, che Tacito arrogò àſuoi tempi, nel quale ſenza timore ò pericolo pos - ſono le virtu ei vitii chiamarſi col ſuo proprio nome, e reſtino in pieno pos - ſeſſo della veracità i vocaboli ſoliti u - ſurparſi dalla luſinga; in dieſen / nach Bezeugnuͤß des ruhmwuͤrdigſten Graf - fen Galeazzo Gvaldi, gluͤckſeligſten Zeiten / davor Tacitus die Seinigen an - ziehet / da ohne Furcht oder Gefahr die Tugend und Laſter mit ihren eignen Nahmen genennet werden koͤnnen / und die von der Heucheley mißbrauchte Woͤrter in dem volligen Beſitz der War - heit verbleiben) eines ſo groſſen Vor - witzes ſich ſchuldig machen; Wann oh -nene einigen Theiles Zunahekommung / zu deſto durchdringender Außdruckung vorhabender Gedancken diß was ohne diß weltkuͤndig / angefuͤhret / und mit dem Finger der Brunn gezeiget wird / darauß nicht die Ratio Status wie ſie practiciret werden ſol / maſſen ſie ohne Exempel / ſondern nur dero Weſen entworffen werde. Unſerm Alter kan unentſun - cken ſeyn / was es vor unverwindliche Bitterkeit mit Spanien und dem anitzt vereinigten Niederlanden abgegeben / wie dieſes aus dem Hertzen Spanien mit ſo empfindlichem Schmertz - und Blutvergiſſen ſich geſpalten / daß man nimmermehr geglaubet / beyde konten den Riß iemahlen vergeſſen / und einige Hoffnung zu einem auffrichtigen Ver - trauen faſſen / die Zeit-Regiſter erwei - ſen / wie viel es gekoſtet / wie ſchwer es zu gegangen / daß Spanien als Herrſchaft ſeine Unterthanen freyſprechen / und die Hollaͤndiſche Bundgenoſſen ſicher drauf trauen ſollen / itzo haben dieſe zwey feind - lichſten Elemente / ſo iemahlen die Poli - tiſche Welt getragen / in genaueſteBuͤnd -Buͤndnuͤß zuſammen tretẽ muͤſſen / was wuͤrde ein Alba und ein Moritz itzo ſpre - chen / wann ſie aus ihrer Verweſenheit reden ſolten / daß Spanien / welches alle Kraͤffte / ja ſich ſelbſt an ein klein ver - aͤchtlich handvoll Land / ſo nur gleich - ſam ein Splitter zu rechnen gegen der maͤchtigſten von Auffgang biß zum Nie - dergang herrſchenden Monarchie / ge - waget / ſeiner ſelbſt vergeſſen / und an - ſtat daß zu vor Sie ſo ſchwer einen Ver - trag zu machen ankommen / ſich nun zu einer ieder Zeit mit ſcheelen Augen ange - ſehenen Republic alliiren muͤſſen / daß die vereinigten Provincien / welche lieber in den blutigſten Flotten ſchwimmen / in hefftigen Krieges-Flammen lodern / und alles euſerſte ausſtehen wollen / als von einer Suͤhne hoͤren / itzo in einem Punct ihrer Erhaltung geklemmet / eben da ih - re Zuflucht nehmen ſollen / nicht blos / welches der Herr von Lionne ſelbſt an - fuͤhrte / La legge dominante de Pren - cipi che gli obliga l impedire à pre - potenti il devorare i deboli par l ap - prenſione dell accreſcimento dellaloroloro potenza, das herrſchende Geſetze der Fuͤrſten / welches ſie verbindet zu ver - hindern / daß die maͤchtigern die ſchwaͤ - chern nicht verſchlingen / aus Furcht der gar zu ſehr wachſenden Gewalt / nicht blos daß Geſetze Krafft deſſen ein Fuͤrſt den andern nicht ſol laſſen zunehmen / ultra commenſurationem, wie der Ju - riſt redet / dann auch dieſes ſo offt auff die Seite geſetzet worden / und beyde ſo treuhertzig vielleicht nicht ſeyn wuͤrden / wenn nicht eine viel wichtigere und erheb - lichere als eine Furcht der Groͤſſe oder in anderer Erniedrigung geſuchte Ho - heit / ſondern ſchlechter Dinges auff ih - rer eignen Erhaltung gezweckete Urſa - che eintrete / daß ob gleich alle Grund - Regeln darwider ſeyn wolten / dennoch ohne derer Beobachtung ſolche Ent - ſchluͤſſung / im Fall ſie zur verhoffter Wuͤrckligkeit gediegen were / vor die weißlichſte geprieſen werden koͤnne / in dieſer einigen Betrachtung / daß Spa - nien nach eroberten Hollanden wegen Abgelegenheit ihrer Laͤnder ihre ſchon angeſprochene Niederlande wider eineſoſo uͤbermaͤßige und immer groͤſſer wer - dende Macht uͤbel ſchuͤtzen / Holland da - fern Franckreich der Spaniſchen Nie - derlande Meiſter werden ſolte / ein un - gezweiffelter Biſſen einer ie mehr und mehr ſich außbreitenden Regirungs - Flammen abgeben wuͤrde / und iſt kein Zweiffel / daß bey gluͤcklicher Abgehung Frantzoͤſiſchen Beginnens vieler bißhe - ro gefuͤhrte Regier-Ordnungen wuͤrden verwuͤrret und zerruͤttet werden / geſtal - ten Franckreich nicht bergen kan / (wo - fern denen in offentliches Licht hervor - gegangen Berichten des Lionne Glau - ben beyzumeſſen ſeyn moͤchte) was vor kurtzer Zeit von einen Schwediſchen Reſidenten dem Herren*Memoir. de Lionne. Pufendorf bereits vor Diſcurſe gefallen / qu il n y a Eſtat qui ne doive ſ oppoſer al accroiſſement de la puiſſance de cette couronne, e la Suede plusque tous tes autres, puis que ſi le Roy avoit pris les Paisbas, il ne la conſideroit plus, ne croyant plus en avoir aucun beſoin, es waͤre kein Staat / ſo ſich nicht dieſer Cro -nene wider ſetzen ſolle / und Schweden mehr als alle andere / denn wenn der Koͤnig die Niederlande wuͤrde erobert haben / wuͤr - de er Schweden nicht mehr achten / da - vor haltende / er habe ihrer nicht mehr vonnoͤthen / ein ieder weiß ſeine Angele - genheiten am beſten / was vor eine Mo - tive dringe den Brunn zu verwechſeln / worauß er bißher ſeine Wohlfarth ge - ſchoͤpffet habe / welches wo nicht eine er - hebliche Urſache darzu treibet / nicht leicht geſchehen ſoll. Die Niederlande betref - fende / ſo iſt ja anitzo das jenige / was vor dieſem der Barnevelt nebſt den vereinig - ten Staden ſich offentlich heraus lieſſen / daß wo Franckretch und Engelland ſich nicht ihrer annehmen wuͤrden / ſie unfehl - bar in kurtzer Zeit zu Grunde gehen oder das Land raͤumen muͤſten / gantz umb - gedrehet / und wuͤrde in eigenſinniger Verharrung bey denen damahls gegen Spanien gehabten Verſaſſungen / ihr Untergang itzo ſo wohl / als damaln die Erhaltung verhanden ſeyn / Zu der Zeit hielte die unvergleichliche Koͤnigin in En - gelland Eliſabetha ſo vertraͤulicheFreund -Freundſchafft mit Franckreich / ſie ſetzte ein ſolch Moment drauff / daß ſie zu ſa - gen pflegte /*Camden. quandocunq́z ſupremus Regno Galliæ dies illuxerit, procul dubio in Angliæ exitium adveſpera - ſcet, ſo bald Franckreich der letzte Tag ſcheinen wuͤrde / wuͤrde es ohne Zweiffel in den Untergang Engelland Abend wer - den: Und heutiges Tages wil lieber e - ben diß / was damahlen von Franckreich / von Spanien heiſſen / ſa conſervation ou ſa chute faiſant la conſervation ou la chute de toute l Europe, wie ein vornehmer Hoffmann itziger Zeit redet / in deſſen Erhaltung oder Fall die Erhal - tung oder der Fall des gantzen Europa bewendet. Eben dieſe mit ihrem Witz - ber ihr Geſchlecht geſtiegene Eliſabeth / als ihr kurtz vor ihrem Tode der Duc de Sullii des Henrici IV. Koͤniges in Franckreich vertrauteſter Rath eine zu des hochloͤblichẽ Hauſes von Oeſterreich / welches der hoͤchſte Gott wider alle feind - liche Anlaͤuffte und Bemuͤhungen in dem Gipffel ſeiner Hoheit biß ans Ende derWeltWelt ſchuͤtzen und erhalten wolle / Aus - tilgung gereichende Vereinigung / darun - ter ſchon die Anſchlaͤge von Auffrichtung einer Univerſal Monarchie uͤber die Chriſtenheit / und inſonderheit die an ſich bringung der Niederlande verborgen lagen / vortruge / erklaͤrte ſie ſich mit Verwunderungs-wuͤrdiger-Freyheit / daß wo Franckreich unter ſolchem Vor - wand zu weit umb ſich greiffen und einig Theil an den 17. Provincen haben wol - le / ſich das Blat leichte wenden / und ih - re gepflogene Vertraͤuligkeit umbſchla - gen koͤnte / mit unter andern außdruͤck - lichen Worten /*Memoires de Duc de Sully. Car pour ne vous en rien celer, dit elle, ſi le Roy mon frere ſ en vouloit rendre proprietaire, ou meſme Seigneur Feodal, ce ſervit choſe, qui me pourroit incommoder & apporter jalouſie, comme de ma part ne trouveroiſſe point eſtrange, qu il eut cette meſme penſe pour mon regard, &c. Dann umb euch nichts zu verbergen / ſo der Koͤnig mein Bruder (alſo nennte ſie den Koͤnig in Franck -Reich)reich) Sich wolte zum Eigenthums oder Lehnherren uͤber die Niederlande ma - chen / diß waͤre eine Sache / welche mich verdruͤſſen oder zum Eyfer reitzen koͤnte / wie mir meines theils nicht wuͤrde fremb - de vorkommen / ſo der Koͤnig gegen mich eben ſo geſinnet ſeyn moͤchte. Und nach - dem ſie auffgehoͤret zu reden / und geſpuͤ - ret / daß Monſ de Roſny Sie mit unver - wanten Augen angeſehen / faͤngt ſie wie - derumb an und ſpricht / He quoy Mon - ſieur de Roſny n avez vous pas bien compris mes opinions, ou ſi vous ne les approuvez pas, comme voſtre ſi - lence me donne ſujet d en croire quelque choſe? He wie! Mein Herr von Rony, habt ihr meine Meinung nicht recht verſtanden / oder ſo ihr ſie nicht bil - liget / wie giebt mir euer Sillſchweigen Urſache etwas zu glauben? Wann die - ſe kluge und großmuͤtige Koͤnigin itzo le - ben ſolte / wuͤrde ſich ausgewieſen haben / ob und wie weit ſie Semper Eadem all - zeit Eins / welches ſie zu ihrem Denck - worte brauchte / und zwar ohne diß nicht Politiſch zu verſtehen / wuͤrde geweſenſeyn.ſeyn. Warumb aber oder wie wohl En - gelland deſſen allen ungeachtet / annoch zu dato die mit Franckreich geraume Zeit ge - pflogene Einigkeit fortſetze / und deſſelben Vorhaben noch darzu ſecundire / gehoͤret unter die Heimligkeiten / welche / wo nie - mand / der Tag eroͤffnen wird.

Jn deſſen lauffen uͤber den heutigen Zu - ſtand Politiſcher Welt die erleſenſten Be - trachtungen / welche nicht ſo wohl aus einem Theoretiſchen mit weit hergeſuchten Ver - nunffts-gruͤnden ſpielenden Schatten / ſon - dern ſchlechter Dinge aus Uberlegung der Begaͤbnuͤſſe und der Umbſtaͤnde Beſchaf - fenheit ohne ferner Ausſehen entſproſſen / und bewehren / daß in der vornehmſten Staats - maſſimen Wandel und in dero vorſichti - ger Verenderung offte das Heil eines Staats erhalten werde / deren eine und an - dere bey handen ſeyende zu Erklaͤrung des Vorhabens koͤnte eingeimpffet werden / weñ man nicht aus gewiſſen Urſachen ſolches verſparen / und ſich begnuͤgen wolte zuerin - nern / daß ob zwar unſere ſo genannte Ratio Status in Verruͤckung und Hindanſetzung aller Reichs-Geſetze und Politiſcher Regelnbeſte -beſtehe / dennoch alle ihre Kraͤffte dran - ſtrecke / ein in Unordnung gerathenes Regiment in eine wohlbeſtalte harmonie wieder zu bringen / ſie iſt etwas Un-oder auſſer ordentliches / und dennoch arbei - tet ſie alles in richtige Ordnung zu ſetzen: Es iſt wahr / daß ſie in ihren widrigſten Zeichen zuſammentretende mit der Po - litic ſich letzlich vereinige / nicht aber daß ſie eines ſeye / ſie iſt gleich einem gewalti - gen Strom / welcher in dem beſten Lauf / in dem reichſten Uberfluß von der uner - meßlichen See der buͤrgerlichen Weiß - heit verſchlucket wird / ſie gehet dahin / woher ſie kommen iſt / ihre Linien ſind mancherley krum gebogen / doch alſo / daß ſie in einem Winckel ſich enden / ſie hoͤret auff / wo die Politic anfaͤnget / und faͤnget an / wo die Politic auffhoͤret / eben der Anfang wird zum Ende / eben die Wiegen zur Bahr / wir goͤnnen der Po - litic die Ehre der Sonnen / derer auffge - hende Strahlen den Monden vertun - ckeln / der Monden hat alles Licht von des Sonnen / und dennoch iſt ihr der Son - nen-Licht unertraͤglich / alſo unſere Po -litiſchelitiſche Diane hat ihr Licht vou der Poli - tic, ſie iſt deren Liebestheil / und dennoch verſchwindet ſie augenblicklich nach ihrer natuͤrlichen Fluͤchtigkeit / bey nachtre - tung der Politic, und leuchtet nur als - dann / wann die Sonne des immer fort - gehenden Wolergehens abtreten / und die Nacht vieler unordentlicher Ver - wirrungen / die Nacht / wo keine Ord - nung iſt / anbrechen wil.

DISCURS VIII.

WAnn bey Forſchung in der biß anhero vorgehabten Ra - gione di Stato Weſenheit auß - fuͤndig gemacht worden / daß wo ſie etwas ſey / ſie etwas ungebunde - nes / irregulares, uͤber die Schnur hauendes / (geſtalten inner dem Politi - ſchen Creyß derogleichen etwas verhan - den /) daß ſie eben die jenige Art der Re - gier-Klugheit ſey / welche bey den unor - dentlichſten und am meiſten durch einan - der gehenden Zeiten alle Ordnungen -Pber -berhin ſehe / alle buͤrgerliche Satzungen uͤberhuͤpffe / die beſten Regeln der Poli - tic uͤbertrete / bloß allein auff die Erhal - tung des in Gefahr ſtehenden Regimen - tes bedacht / und aber vorgeſtelt worden der weltlichẽ Reiche Beſchaffenheit / wie ſie ſo unvollkom̃en / mancherley und ein - ander unaͤhnlich ſeyn / daß ſie an ſich ſelbſt auff einerley Weiſe nicht regiret werden koͤnnen / als iſt annoch uͤbrig ver - blieben der Zeiten Veraͤnderligkeit / da wir dann vor dem jenigen / da nichts un - ter der Sonnen unbeſtaͤndigers iſt / ſtille ſtehen ſollen / und wie wir die Ungebun - denheit des Ortes vor eine Eigenſchafft der Ratio Status, alſo dieſe Ungebunden - heit auff die Zeiten außbreiten / dahinge - hende / daß Ratio Status an keine Zeit ge - bunden / wenn wir uns zu Gemuͤthe fuͤh - ren dererſelbten fluͤchtig-ungewiß - und Unbeſtaͤndigkeit / die darauß entſtehen - de irregular Begegnuͤſſe / darein ſich ein kluger Staats-Rath nicht allezeit nach der Vorſchrifft Politiſcher Gruͤnde / ſon - dern augenblicklicher Bewandnuͤß der Dinge ſchicken muͤſſe / und dennoch et -licherlicher maſſen eingeſchrenckt ſey / inmaſſen Ratio Status weder vor ſich / noch zuruͤ - cke ſiehet / ſondern diß / was gegenwaͤr - tig iſt / ergreiffet / unbeſorget / ob es in der Politic gegruͤndet ſey oder nicht / ſich ver - gnuͤgende / daß die Zeit als eine Mutter mit derogleichen unordentlichen Zufaͤl - len zugleich Mittel herbeybringe ſelbigen abzuhelffen / ſo ungereimt / ſo ſchwer ſie uns offters vorkommen / die Zeit iſt bey dem Savedra Optimus Principum Ma - giſter, der Fuͤrſten beſte Lehrmeiſte - rinnen. Il tempo, nach dem Oracul des Giovan. Maria Poletti bey Eugenio Raimondi, nel dottiſſimo Paſſatempo, è Padre d ogni coſa, e ſavio ſopra ogni coſa, che trovar ſi poſſa, die Zeit iſt ein Vater aller Dinge / und weiſe uͤber alle Dinge / welche gefunden werden koͤnnen / il tempo tela uſcita dal ſeno del eternita gran parte nelle deli - berationi prudenti, die Zeit / das auß dem Schoß der Ewigkeit geſponnene Gewebe / hat groß Theil an klugen Be - rathſchlagungen / ſie iſt die maͤchtige Zau - berinne / welche faſt unempfindlicherP ijWei -Weiſe die Regimenter in ſo viel Figuren verwandelt ja ſich ſelbſten / alſo / daß ſie niemaln einerley / und wegen ihrer ſchnel - len Abwechſelungen den Menſchlichen Augen geſchwinder entfliehet / als ſie kan gefaſſet oder wahrgenommen werden / ſie iſt kaum gegenwaͤrtig / ſo wird ſie ver - gangen / und die zukuͤnfftige wird nicht ſo bald erblicket / ſo iſt ſie ſchon verhanden /-- piu veloce aſſai che falcon d alto à ſua preda vo - lando piu dico ne penſier poria giamai Segvir ſuo volo, non che lingua o Stile. *Pctrarcha nel Trionfo del Tempe.

Sie pflegt / (wie des Petrarcha Jtalieni -
ſche Worte verdeutſcht lauten koͤndten)
= = viel ſchneller wegzuflieſſen /
Als wenn man auff den Raub den Fal -
cken ſiehet ſchieſſen /
Viel ſchneller / ſag ich / es kan dere
ſchnellen Flug
Nicht folgen Sinn / noch Mund / noch
einer Feder zug.

Zwar die Menſchliche Vernunfft hat ſichunter -unterfangen / der Zeiten Vergaͤngligkeit zu ihrem Vortheil anzuwehren / und de - ro Flucht mit fleißiger Anmerckung zuer - ſetzen / wann ſie das vergangene in ge - wiſſen Becirck eingeſchloſſen / in ſtaͤtem Gedaͤchtnuͤß erhalten / ihrem Vorhaben zueignen / und darnach das gegenwaͤrti - ge reguliren wollen / das vergangene ge - ruͤhmet vor eine Richtſchnure des kuͤnff - tigen / einen Spiegel des gegenwärtigen / und daß es durch ſeine Verweſung die bewehrteſten Rathgebungen auff das Tapet lege / damit es ſich ſelbſt in gluͤck - ſeliger Anbringung wieder lebendig ma - che. Der Vorwitz hat es dabey nicht be - wenden laſſen / man hat das zukuͤnfftige zum Gegenwaͤrtigen zumachen ſich ge - trauet / und offters ſo weit ſehen wollen / daß man das nechſt inſtehende auſſeꝛ acht gelaſſen.

Allein das kuͤnfftige / wo es nicht mit dem Gegenwaͤrtigen genaueſt verknuͤpf - fet / und nicht ein nothwendig Conſe - quens vorhergehender Præmiſſen abgie - bet / ſondern anff den Fluͤgeln ungewiſ - ſer Begebnuͤſſe getragen wird / iſt derP iijSchaͤrf -Schaͤrffe unſers Verſtandes allzuweit abge - legen /*Bacon. in Henr. VII. die Gemuͤthsaugen ſind nit ungleich etlicher leiblicher Augen / ſo ob ſie gleich in die Naͤhe gut ſehen / in die ferne doch nichts er - kennen koͤnnen: Die Fernglaͤſer der Pru - denz vergroͤſſern weiter nicht / als inner dem Horizont des Gegenwaͤrtigen / die Wiſſen - ſchafft / die Ordnung des kuͤnfftigen hat ſich der Allwiſſende Schoͤpffer allein vorbehal - ten / in deſſen Majeſtaͤtiſche Reſervata Ein - grieff zuthun / arme ſterbliche ſich nicht geluͤ - ſten laſſen. Was iſts ſo weit ſehen / daß man auch diß / was vor unſern Fuͤſſen lieget / uͤber - ſiehet / und daran verſtoͤſſet? Was iſts / dem Kuͤnfftigen / welches ſo vielen Gluͤcks-Faͤllen unterworffen / vorbeugen / da man genung - ſam mit dem uns unter Haͤnde kommenden zuthun hat / und ſo ungewiß / was der ſpaͤte Abend heran bringen kan?

Das vergangene hat vor dem kuͤnffti - gen den Vorzug der Gewißheit / was nur ein - mal verdienet in die Jahr-Buͤcher eingetra - gen zuwerden / bleibet unverwelcklich und unbeweglich: Hoc eſt, in quod Fortuna Jus perdidit, quod in nullius arbitri -umum reduci poteſt. Wir koͤnnen es mit beſtaͤndigen Augen anſehen / mit den ſcharff - ſinnigſten Betrachtungen uns darbey ver - weilen / unſere Gemuͤther zu Ubernehmung vorſtoßender Geſchaͤffte erbauen / hingegen hat in der Ubung ſich offters außgewieſen / daß / ſo offt man das Vergangene an das Gegenwertige binden / und die vorfallenden Begebnuͤße / nach anderer Muſter abfaſſen wollen / niemahlen mehr ſchaͤdlicher Fehler begangen worden. La gloria de paſſati à gviſa del Re dell Api Maeſta, grandezza non aguleo, non feriſce, non inanima, diſanima ſe ſi eſamina, perche è ſenza anima, die Herrligkeit des vergangenen hat gleich einem Bienenweiß - ler Majeſtaͤt / Anſehen / nicht einen Stachel / es dringet nicht durch / es beſeelet nicht / es entſeelet / ſo man es um und um beſiehet / weil es ohne Seele iſt. Es iſt gewiß / daß die Anmerckungen des geſchehenen die eigent - liche Wohnung der buͤrgerlichen Weißheit / den Wetzſtein tuͤchtiger Geiſter / und das Behaltnuͤß der Wiſſenſchafften abgeben / noch gewiſſer aber / daß der Vorfallenheiten ſo viel / daß wo wir eine gegen die andere hal -P iiijten /ten / eine mit der andern durch und durch ſelten uͤbeꝛeintrifft / daß wie die ganze Na - tur / alſo auch der Politiſche Umkreiß zu Neuigkeiten geneigt ſey / che le genera - lita confondono i negotii, und der klei - neſte Umſtand den gantzen Satz verkeh - ret: Zwar / wenn man die Flaͤche der lauffenden Dinge obenhin anſchauet / ſo iſt es wohl nicht unmoͤglich / das dieſes / was vor langer Zeit ſich zugetragen hat / immer hinwiederum heꝛvortreten koͤnne / alſo daß es ſcheinet / die nach einander entſtehende Begebnuͤſſe wehren gleich - ſam einandeꝛ parallel, und als wenn mu - tatis ſaltim perſonis nur mit veraͤnder - ten Perſonen / oder auch wohl durch und durch einerley Spiel getrieben werde: Der gelaͤhrte Abt Trithemius hat bey ſolcher Betrachtung in einen Buche de Septem Secundeis auff dieſe Gedancken gerathen wollen / das dieſe Weltlaſt von ſieben Engeln regiret werde / derer einer nach dem andern in deꝛ Ordnung den ſie - ben Planeten vorſtuͤnde / und jeder eine gewiſſe Zeit herrſchete / gehet endlich da - hin und wil erweiſen / das eben dieſes /waswas unter dem einen regirenden Engel einmal geſchehen ſey / auch alsdann ge - ſchehe / wann nemlich der Engel wieder - um zu ſeiner Regirung kaͤhme; Dieſes iſt eine eitele Sorgfalt / und vergebene Forſchung in die Urſache deſſen / was ſich doch ſo gar gleich eintreffende nicht be - finden laͤſſet / wenn man die Laͤuffte der Begebnuͤſſe nicht nach dem euſſerlichen Anſehen / ſondern das inwendige der Be - wandnuͤſſe und beyfaͤllige particularit - ten uͤberleget / dann gleichwie ſonder al - len Zweiffel geſetzt wird / daß die Goͤttli - che Gerechtigkeit / welche in den Wal - tzungen Weltlicher Geſchaͤffte auch offt unvermerckter Weiſe auffs maͤchtigſte wuͤrcket immer einerley und unverender - lich ſey / folgends auch der Ausgang mit unſerm Verhalten gemeiniglich uͤber - eintreffe / ſo gewiß iſt es / daß der Men - ſchen Sinnen / die Umſtaͤnde und Fuͤ - gungen alle einander nicht gleichen / uͤber dieſes uns unveꝛſehens ſolche Zeiten ſtaͤts uͤberfallen / derer eine der andern unaͤhn - lich / wo das Gegenwertige allein ohn an - deres zuruͤck oder vor ſich ſehen / ohneP vVer -Verzug ergrieffen werden muß / wo einer in - ſtaͤndigen abſonderlichen Auffachtſamkeit vonnoͤthen. Solum igitur ad occupa - tos præſens pertinet tempus, quod tàm breve, ut arripi non poſſit, ſaget der Weiſe Seneca, die gegenwaͤrtige Zeit gehoͤ - ret nur vor die Beſchaͤfftigten / ſo in Ge - ſchaͤfften oder Verrichtungen beſtricket ſind / dieſe machet ihnen genungſam zuthun / ſie iſt ſo kurtz / daß ſie etlicher maſſen nicht zuſein ſcheinet / ſie lauffet / ſlieſſet / ſtuͤrtzet / ſie hoͤret e - her auff als ſie iſt / ſie ſtehet weniger ſtille / als die Erde und Sternen / ſo ſich immer regen. Il preſente è ripoſto in un puncto, wie der Jtalieniſche Politicus Roccabel - la redet / oder nach dem Balſac, un point presque imperceptible oppoſè â cette vaſte eſtendue de l avenir, das Gegen - weꝛtige iſt in einem Punct gelegen / wenn die - ſen einer nicht trifft / oder wol einzuſchlieſſen weiß / entfliehet mit der Zeit der Nutzen / oder eilet hinzu der Schaden / deren jenen es guͤt - tig dargereichet / dieſen grauſam gedraͤuet / es ſtehet in der mitten des verwichenen und kuͤnfftigen / wenn das vergangene Tod / das kuͤnfftige in utero ungewiſſer Hoffnung / ſolebetlebet das gegenwaͤrtige / damit ſich auch unſere Ratio Status beſeelet. Wo es wahr iſt / daß die Prudenz auff die drey - erley Zeiten ſehe / und darauff ihr Abſe - hen richtet / ſo iſt Ratio Status das jenige Theil / welches ſich einig gruͤndet / ſurla neceſſitè du preſent, und wo die Zeit iſt nach jenem Frantzoſen / le Labirint des Sages, ſo wird die Ratio Status zum Ariadnes Faden. Wenn die ge - meine ordentliche Politic geſchaͤfftig iſt / Jhre in dem vergangenen bewehrte Proben dem anweſenden anzubringen / ſo dringet Ratio Status mit inſtaͤndigen Vernunffts-Augen vorbeyſehende / alle durch ſo viel Erfahrnuͤſſe bekraͤfftigte Maſſimen an das gegenwaͤrtige / und wie wohl Ratio Status aus dem geſchehe - nen was ſie ſey / erſchoͤpffen muß / ſo nimmet ſie nichts daraus zu ihrer An - wehrung / keine Wuͤrckung / wo nicht beylaufftig oder zufaͤllig; Wann jene gleichſam auff einem hohen Thurme herabſiehet / oder blos obenhin von wei - tem eine gemeine ſich laͤſt angelegen ſeyn / ſo tritt dieſe naͤher hinzu / und ſtellet ihrP vjauffsauffs genaueſte vor die vorſtehende Be - wandnuͤſſe der Dinge / wenn jene die Leichname der weyland im Flor ge - ſtandenen / nunmehro abgeſtandenen Regirung zerleget / deroſelben Glieder / Nerven / Gebrechen unterſuchet / ſo iſt Ratio Status darum ſo ſehr nicht beſor - get / ſondern gehet blos dahin / wie gegen - waͤrtigen annoch lebenden / iedoch aller - hand Symptomaten unterworffenem Regimente beygeſprungen und geholffen werden moͤge; Jene bedienet ſich heil - ſamlich einer See-Karte / worinnen durch anderwertige Schiffarten die Waſſer erforſchet / die Sandbaͤncke / ſeichten Oerter in acht genommen / die Klippen geſpuͤret / daran andere Schiffbruch erlitten / und die rechten graden Linien gezeiget werden; Dieſe ſetzet bey ſich erhebendem Sturme alles auff die Seite / Sie giebet nur Achtung auff dem Wind / und trachtet quovis modo die Gefahr zu uͤberſtehen; Jhre (riſſoluzioni) Entſchluͤſſungen fuſſen ſich weder auff Pappir noch Hoffnung / perche queſte miſurate, damit durcheineseines vornehmen Hoffemannes Worte die Meinigen autoriſiret werden / piu co’l deſiderio, che colla Ragione ſi ri - ſolvono per ordinario in quella vani - ta, della quale ſono impaſtate; Weil dieſe mehr von Verlangen / als Ver - nunfft abgemeſſen / gemeiniglich in die Eitelkeit / davon Sie zuſammen geklei - ſtert ſeyn / verſchwinden. Machet die Politic aus dem vergangenen ins gegen - waͤrtige / oder aus dem gegenwaͤrtigen ins kuͤnfftige einen Schluß / und verzoͤ - gert ſich mit allerhand Muthmaſſungen / wie es dort / alſo werde es hier ergehen / ſo rollet Ratio Status mit der Zeit im - merfort / Sie iſt immer mit dem gegen - waͤrtigen gegenwaͤrtig / und entſchluͤſſet augenblicklich / was die Zeit dictiret / ſo gar / daß Sie eben das jenige / was weyland ſchaͤdlich geweſen / bald nuͤtz - lich / und was nuͤtzlich geweſen / bald ſchaͤdlich machet / welchen falls der Ca - priata den Carl Emanuel / Hertzog von Savoien ruͤhmet / daß er meiſterlich ge - wuſt / trar frutto dalle conditioni del tempo preſente parendogli che altre -P vijtantotanto doveſſero eſſergli favorevoli, quanto gia erano ſtate (ſecondo che ſoleva dire) all auuolo ſuo contrarie, Aus der Beſchaffenheit gegenwaͤrtiger Zeit Fruͤchte zu brechen / in Meinung / daß ihm ſelbte deſto favorabler ſeyn ſol - ten / weil ſie (wie er zuſagen pflegte) ſei - nem Großvater widrig geweſen. Fuͤr - ſten muͤſſen nicht allzuweit zuruͤcke ſehen / damit Sie / wie die Koͤnigin Eliſabetha von ſich redet / nicht mit des Lothes Wei - be zur Saltzſaͤule werden / Sed à tergo non reſpiciam, ne cum Lothi uxore in Salis ſtatuam convertar. Der beruͤhm - te Majolino Biſaccioni wil / che li Pren - cipi nella Grammatica civile ſono di Tempo preſente come quelli, che non conſiderano ſe non quello, c hanno ſotto gli occhi, daß die Fuͤrſten in der Politiſchen Grammatic Temporis Præſentis weren / als die jenigen / ſo blos auff das jenige bedacht ſeyn / was ſie vor Augen haben. Als jener Hertzog von Ferrar ilReno im Po vor Geld verkauft / und ihm vorgehalten wurde / was vor Nachtheil Ferrar daraus mit der Zeiter -erwachſen konte / habe er gefraget / in was vor Zeit? da ihme geantwortet wor - den / in vielen langen Jahren; habe er darauff geſagt / davor moͤchten die dieſe Zeit lebende Sorge tragen. Auff ſolche Art unb Weiſe ſollen Fuͤrſten zwar als ob Sie blos auff ſich und ihre Zeit be - dacht / mit ihrem Anvertrauten gebahren moͤchten / wie ſie wollen / in Tempo Pre - ſente nicht ſeyn / ſondern geben ihnen à latere die Ratio Status derogeſtalt / daß Sie dahin trachtet / wie Sie die gegen - waͤrtige Zeit bey den extraordinair Zu - faͤllen gebrauchet / den Staat zu erhal - ten / und ſelben von der Unbeſtaͤndigkeit weltlicher Dinge / ſo viel moͤglich / auff - zuhalten: Sie verſchmaͤhet alle in or - dentlichem Gange practicirliche / von Alters her zuſammen gehaͤuffte Lehren / alle Exempel / und ſtellet ihr vor den Staat nicht in ſeinem beſtaͤndigẽ Stan - de / ſondern in der Mannigfaͤltig-und Veraͤnderligkeit / davon kein einiger ausgeſchloſſen iſt. Wir ſehen ja taͤg - lich vor unſern Augen / in was vor einen gehligen Wirbel dieſes gantze Weltwe -ſenſen herumbgeworffen werde. Die heu - tigen Erforſcher natuͤrlicher Dinge ha - ben den Erdkreiß einer ſchnellen und ſtaͤ - ten Bewegung beſchuldigen wollen / daß den Lauff / welcher dem euſerlichen An - ſehen vorkomme / als der Sonnen zu - gehoͤrig / nicht warhafftig die Soñe / ſon - dern die Erde verrichtete: Sie haben die Verenderungen / die wir im Monden ſe - hen / in dem Erdboden außkundſchafften wollen / wie er bald ab-und zunehme / und gleich wie in den Monden Pleni-und No - vilunia, alſo in der Erden Pleni - und Noviterria ſich ereigneten. Wir uͤber - laſſen zwar dieſe vorwitzige Beluſti - gung ihren Liebhabern: Wie ungewiß die taͤgliche Erdbewegung und Veren - derligkeit ſeyn mag / ſo gewiß iſt / daß al - les daran klebende in unablaͤßigen zu - und ablauffen / in unauffhoͤrlichen Ab - wechſelungen / von einem Tropico zu dem andern eilende / umb und umb ge - trieben werden. Quella Stella, che nel mattino è alzata al zenit del noſtro capo, la ſera ſi ritrova al nadir de no - ſtri piedi; Der Stern / welcher desMor -Morgens in dem Zenit oder grade uͤber dem Puncte unſers Hauptes ſtehet / be - findet ſich des Abends zu dem Nadir oder unter dem Puncte unſerer Fuͤſſe. Was wir von allen Herrligkeiten dieſer Welt ſagen / welche von ihrem ſtoltzen augè, von dem helleſten Mittage / darein Sie erhaben geweſen / in einem Nun in die Mitternacht der Veraͤchtligkeit abge - riſſen / und in ſtaͤter Unruhe / bald auff / bald abſteigen? Wo ſehen wir groͤſſere und hefftigere Wuͤrckungen der Unbe - ſtaͤndigkeit / als in den groͤſten Regimen - tern? Wenn ſie am ſchoͤnſten gebluͤhet / und ihre Pracht weit und breit umb ſich geworffen / haben ſich ihre Blaͤtter mit der Verwechſelung gefaͤrbet / und durch ihren Abfall dem Begriff aller Eitelkeit zugeeilet. Jch weiß nicht / ob wieder den Satz des Bodins, daß nemlich die maͤch - tigſten Reiche der Gefahr am naͤchſten / daß wenn ſie am hoͤchſten kommen / ſich neigen oder fallen / der auff ihn gar zu ſehr verbitterte Fabio Albergati etwas einzuwenden gehabt? Wie ſolte es dar - mit andere Beſchaffenheit haben / als mitallenallen irrdiſchen Dingen / oder mit denen Sterblichen / in derer Verſammlung und Regirung die Regimenter beſtehen: Sie haben ihr Alter / ihre Staffeln zum Alter; Sie laſſen ſich ſehen in ihrer Kindheit / in ihrer Jugend / ſie ringen zu ihrer ſtarcken Mannheit / und wo ihnen die Guͤtte Gottes viel Jahre zuzehlen verſtattet / ſo wird ihr graues Haupt von ſo vielen Schwachheiten und Zufaͤllen uͤberſchuͤttet / biß ſie zu ihrem Anfang wieder umkehren / dahin ſie ſtuͤnd - lich vergehen: Was von dem Menſchlichen Leben Seneca ſaget / non repente nos in mortem incidere, ſed minutatim pro - cedere, daß wir nicht ploͤtzlich in den Tod ſtuͤrtzen / ſondern maͤhlichen nach und nach darzu ſchreiten / daß wir taͤglich ſterben / das taͤglich unſerm Leben ein Theil abgehe / daß auch dann / wann wir zunehmen / unſer Leben abnehme / den Tag / welchen wir zubringen / mit dem Tode theilen; Eben dieſes ſpuͤren wir in dem Policey-Weſen / in dem Umfang ſo vieler Menſchen Leben: Die Reiche / wel - che in der praͤchtigſten Bluͤthe / in vollem Wachsthum ihrer Macht ſtehen / ſind nicht verſichert / daß ſie mitten in ihrem zunehmennichtnicht abnehmen / daß ſie den Tag ihrer Ho - heit nicht mit dem Untergange theilen muͤſ - ſen: Wenn ſie am ſicherſten ſich duͤncken / den Tropicum ihrer Gluͤckſeeligkeit zuer - ſteigen / ſo wiſſen ſie nicht / ob ſie ein ruͤckgaͤng - iges Krebs-Zeichen antreten / zum wenig - ſten / des allgemeinen Haſſes / welches ſie in - ner ihrer Vergroͤſſerung als den erſten Grad ihrer Hinfaͤlligkeit uͤber ſich ziehen / und wenn ſie die Spitze ihrer Hoheit erlanget / koͤnnen ſie am eheſten dem Schwindel unteꝛworffen ſeyn; Jn der kleinen Welt des Menſchlichen Coͤrpers hat man heutiges Tages eine vor - hin faſt unbekandte Circulation des Ge - bluͤttes in acht genommen / als welches in gewiſſer Zeit ſeinen Lauff durch alle Glied - maſſe ungehemt und richtig vollziehen ſolle / alſo daß es alle Gliedmaſſen durchſtreiche / und in dem es ſelbige benetzet / erquicket / und von ſeiner Lebhafftigkeit betheilhafftige / nie - mahlen einerley verbleibe / ſondern entweder von denen Nahrungen / oder theilen des Lei - bes / dadurch es wallet / afficiret / immer an - ders gleichſam mineriret werde. Man hat eben dieſe Bewegung / ſo man in dem groſſen Welt-See befunden / in dem MenſchlichenCoͤr -Coͤrper außgekundſchaffet / daß gleich wie wenn das Meer von unſaͤglicher Maͤnge Waſſers angefuͤllet / nicht eben ſo viel / als es annimmt / durch unterirr - diſche Gaͤnge abfuͤhrete / die Erde uͤber - ſchwemmen / alſo das Hertze / ſo es nicht jeden Pulß-Schlag ſo viel Blut in die arterien triebe / als es von den Adern auffnimmt / und nicht immer anderwerts hinverwendete / erſticken wuͤrde; Man hat eben ſo vielerley Bewegungen / als in dem unruhigen See wahrgenommen / was ſolte es dann Wunder ſeyn / wenn man von der Politiſchen Welt / von dem Behaͤltnuͤß ſo vieler Menſchlicher Leiber / eben ſolche Gedancken faſſen / und ver - ſichern wolten / daß der Buͤrgerliche Leib von ſtaͤten / und dieſen nicht ungleichen Bewegungen / ab und zufluͤſſen gleich - ſam unterhalten und auffgefriſchet wer - de. Jn den verborgenen Regiments - Gaͤngen wallen ſo viel unſichtbare kleine Volatiliſche Begebnuͤſſe / welche durch die Regier-Ordnung und derer Heꝛtze / allwo die Seele der gemeinen Wohlfarth ihre Wohnung auffgeſchla -gen /gen / durchrennende / und mit ſeiner ſol - chen Behendigkeit den Staat in einen Stand verſetzen koͤnnen / daß / wenn wir faſt nicht empfinden / er ſey anders / er dennoch verendert ſey: Es ſcheinet / daß ie groͤſſer der Politiſche Coͤrper iſt / als eines Menſchen / er deſto mehrern und hefftigern Zufaͤllen / Bewegungen und Verenderungen unterworffen ſey: Jn der Beſtaͤndigkeit ſelbſt iſt er unbeſtaͤn - dig / er wird genaͤhret / ernaͤhret mit lau - ter Abwechſelungen / und ruhet niemaln / biß er nicht mehr iſt. Tacitus, als wel - cher den Grund legte zu der gantzen Re - gierungs-Weißheit / welche er in die Tuͤ - cher der Roͤmiſchen Geſchichte ſo kuͤnſt - lich eingewuͤrcket / daß die ſcharffſichtig - ſten Augen ermuͤdet ſind / zu erkennen / was hier verſtecket worden / machet den Anfang ſeinẽ von lauter Staats-Heim - ligkeiten angefuͤlleten Jahrbuͤchern von einer ſo Circul-rundten-Zeit-Wechſe - lung / Urbem Romam à principio, faͤn - get der redende Tacitus an / Reges ha - buére, Libertatem & Conſulatum Bru - tus inſtituit, Dictaturæ ad tempus ſu -meban -mebantur, neque Decemviralis pote - ſtas ultra biennium, neque Tribuno - rum militum jus diu valuit, non Cin - , non Sullæ longa dominatio, & Pompeji Craſſique potentia in Cæſa - rem, Lepidi atq; Antonii arma in Au - guſtum ceſſére, qui cuncta diſcordiis civilibus feſſa, nomine Principis ſub imperium accepit. Man ſehe / wie wunderſchoͤne der Circul zuſammen ge - ſchloſſen wird in Worten / welche wuͤr - dig ſind / daß iede in ihrem eigenen Nach - druck unzertrennet wiederholet / und in beſonderen Nachſinnen gezogen werden. Die Stadt Rom haben Anfangs Koͤni - nige gehabt / Koͤnige / wehrender Zeit / wie wird es nicht durch einander gegan - gen ſeyn? Die Freyheit und Buͤrger - meiſterey hat L. Brutus eingeſetzt / wie lange? Es wurden die obriſten Dictatu - ren auff eine Zeit eingefuͤhret / ad tem - pus, auff eine Zeit / weder der Zehner Gewalt hat uͤber zwey Jahre / noch der Feldherren Buͤrgermeiſterliches Recht hat lange getauret: Nicht des Cinna, nicht des Sulla (ſo viel Perſonen / ſo vielVer -Verenderungen / quot periodi, tot pe - riodi unius Reip. (faſt wie viel Woͤrter; ſo viel abwechslungen) Beherrſchung hat beſtanden / des Pompeji, Craſſi Macht iſt geſchwinde dem Cæſar, des Lepidi, und Antonii dem Auguſto zu - gefallen / welcher alles von innerlichen Zwiſtigkeiten ermuͤdete in ſeine Both - maͤßigkeit unter dem Fuͤrſten Nahmen gebracht. Man ſehe die Umgaͤnge / den Circul von einer Monarchie zu der an - dern / derer eine der andern doch nicht aͤhnlich ware / die ſeltzamſten Poſituren / darinnen ein einiger Staat verſetzet / die ungeſtuͤmſten Flotten / darinnen Rom in kurtzer Zeit gewiget worden. Virgilio Malvezzi fuͤhret in Betrachtung dieſer Worte das erſte Geſichte des Propheten Ezechielis an /*Ezech. c. 4 und derer jenigen Mei - nung / welche durch die gefluͤgelten Thie - re / bey deren jeden ein Rad geſtanden / darinnen ein lebendiger Athem gewe - ſen / welcher ſie empor gehoben / und fort - getrieben / die vier Reiche der Welt be - deutet haben wollen: Solte dieſes dierech -rechte Auslegung ſeyn / warumb wol - ten wir nicht das jenige / was von den vieren Reichen prædiciret wird / al - len zueignen / nebenſt jedwedes ein Rad ſetzen / darnach alle Regimenter herumbgedrehet werden / und hin und her lauffen wie ein Blitz? Cronen ſind Cir - cul-runder Figur / anzuzeigen / daß Sie gleich dem Gluͤcks-Rade ſo ſchnell und unbeſtaͤndig. Die erlauchte Signoria von Venedig / hat durch kluͤgliche Ord - nungen der Zeiten-Wechſel / welchem ſonſt in gemein Republiquen am meiſten unterworffen / zu entziehen ſich bemuͤhet / wann Sie ohne einigen Haupt-Anſtoß uͤber 1000. Jahr in unvergleichlicher Gleiche gebluͤhet / und annoch vor andern Jhr graues Haupt unter den ſchrecklich - ſten Stuͤrmen aller Anfeindungen uͤber die Wolcken der Vergaͤngligkeit empor haͤlt: Ella ſola à ſcorno di tante poten - ze libere coſi Greche come Latine dopſo mille e ducento anni di vita ſe - ne ſta impiedi ancor ſalva evigoroſa giovane nella vecchiaja e vecchia nel - la maturita de conſigli e delle Spedi -zio -zioni, Sie allein ſtehet zu Schmach und Beſchaͤmung ſo vieler / ſo wohl Grichi - ſchen als Lateiniſchen freyen Herrſchaff - ten nach 1200. Jahren auff feſtem Fuſſe / friſch / jung in dem Alter / und alt in reif - fen Nathſchlaͤgen und Verrichtungen. Sie wird deſſentwegen gerechnet unter die Wunderwercke mehr als die Egyp - tiſche Piramiden / ſie hat auch warhaff - tig ihres gleichen nicht: Allein zuge - ſchweigen / daß dieſem loͤblichem Staat gleichwol unterſchiedene groſſe Veraͤn - derungen angemercket / und von etlichen gewiſſe Fehler als Vorbothen inſtehen - der Uberwerffung angeſetzet werden / ſo wuͤrde unſchweꝛ ſein zuerweiſen / wie off - ters ihre ſchoͤnſte Ordnungen uͤberſehen / die Grundfeſte ſelbſten verrucket werden muͤſſen / wie dann unſer Vorhaben nicht allein angehet die offentlichen merckli - chen Haupt-Verkehrungen / dadurch ei - ne Geſtalt in die andere verwandelt / ein Reich auffgehoben / und ein anders in die Stelle eingeſchoben wird / ſondern vor - nehmlich die geſchwinden / verborgenen / und unvermerckten / wenn ein RegimentQinin ſtaͤten drehen und Wirbeln herumge - trieben wird / darinnen man ſich nicht an Ge - ſetze / Ordnung oder Zierligkeit binden kan / ſondern das jenige ergreiffen muß / was uns deſſelbten Wolfarth darreichet / wann viel unzehliche Schicknuͤſſe die Beſchaffenheit der Dinge in einen unverhofften Zuſtand verſetzen / alſo daß wenn auch dieſeꝛ ſich kaum erblicken laſſen / ſchon wiederum verſchwin - det. Dieſes iſt die Urſache / warum die wa - ckerſten Leute die Beſchreibungen der Rei - che / als etwas unmoͤgliches / vor wenig rath - ſam gehalten / damit die jenigen / welche der Dinge Wechſel / der Zeiten Verordnung kluͤglich zu unterſcheiden nicht faͤhig / in dem ſie alles nach einer Zeit exigiren wollen / in die dem gemeinen Weſen und ihnen ſelbſt verterblichſte Jrrthuͤmer nicht verwickelt wuͤrden / dieſe betruͤgen ſich gewiß euſerſt / welche der Regimenter Bewandnuͤſſe auß einer einmal auffgeſetzten Verzeichnuͤß ab - meſſen / und auß denen daruͤber hervorgege - benen Buͤchern berichten und memoiren / ein beſtaͤndiges Modell vorſchreiben. Wie hoͤchlich des Boteri Werck von dem Zu - ſtande der Regimenter / die gantze Welt ver -gnuͤgetgnuͤget / ſo wenig iſt ihme von ſeiner Weſen - heit uͤbrig geblieben / daß endlich es zu nichts anders worden / als zu einem entſeelten Aaß / zu einer bloßen Erzehlung und Geſchichte des Zuſtandes / worinnen die Politiſche Welt damahlen ſich befunden / die Staats - Verfaſſungen / Geheimnuͤſſe / die Zuneigun - gen / die Vorhaben / Anſchlaͤge ſind alles an - ders / die Grund-Geſetze / Maſſimen / ſo am beſtaͤndigſten / und als wenn ſie angeſchꝛaubt / geſchienen / ſind von ſich abgewichen / und itzo noch eilen ſie von einem Wechſel zu dem an - dern: Die neueſten / vorwitzigſten und auß der aufrichtigſtẽ Feder herruͤhrende Schriff - ten koͤnnen uns nicht verſichern / daß wann gleich der Zuſtand einer Regierung damah - len warhafftig ſo geweſen / ſelbter / den Au - genblick / nachdem wir deſſen Kundſchafft erlangen / nicht gantz anders ſich gehabe / die - ſe Erlernung erfodert eine viel zugegenwaͤr - tige Aufachtſamkeit / welche Tag und Stun - den mit augenblicklichen intervallen unter - ſchieden / und neue Zufaͤlle zuſammen fuͤgen / in dem wir reden / in dem wir ſchreiben / koͤn - nen neue Vorfallenheiten alles unſer Thun uͤber einen Hauffen werffen / deſſen ſichtbarerQ ijBeweiß -Beweißthuͤmer nirgends eher als zu Ho - fe hervorleuchten / wo wir nur von wei - tem und uͤberhin einen Blick dahin wol - ten gleiten laſſen. Der Hoff il ſito del Principato & nella Vita Humana il piu ſublime de tutti, der Sitz der Majeſtaͤt und das Allerhoͤchſte in dem Menſchli - chen Leben / iſt das Primum Mobile, die erſte Bewegligkeit / davon das gemeine Weſen gereget und beſeelet wird / der Himmel / dahero dem Unterligenden al - le Wuͤrckungen eingefloͤſſet werden / das groſſe Uhrwerck / nach deſſen Zeiger und Glockenſchlag ſich das gantze Land re - guliren muß / wie nun die Handlungen bey Hoffe eingerichtet werden / alſo er - ſtrecken dieſe ſich in die adminiſtration des gantzen Landes / und deſſen wolge - deyliche Regirung. Allda gehe ein Fuͤrſt mit Tode ab / eben dieſen Todes Wechſel empfindet das gantze Regiment ſo heff - tig / als der Hoff / alſo das wie viel Per - ſonen / ſo viel Gemuͤther / und gemeini - glich eben ſo viel denen vorhergehenden gantz zuwider lauffende Regierungs-Ar - ten ſich ereignen. Numa Pompilius iſtgantzgantz anders geſinnet / als Romulus, Auguſtus und Tiberius, jeder hat ſeine beſondere von einander gantz abſchrei - tende Regirungs-Weiſe: Der fried - fertige Salomo regiret anders / als der ſtreitbare David / deſſen Urſache nicht allein die jenige iſt / welche etliche Politici geben / daß jedwedem eine gewiſſe Be - gierde angebohren ſey / ſeinen Vor - gaͤnger zu uͤbertreffen / welches weil er es zuerlangen nicht getraute / er durch einen andern Weg ſuchte / zu dem einen Uber - druß gegen das vergangene truͤge / zu - mahlen er mehr geliebet / oder verwun - dert werden wolte / als ſeine Vorfahren / alſo ſehen wiederum die vorhergehenden Regenten nicht gerne / daß ihre Nach - kommen groͤſſere Ehre verdienen ſolten / als ſie ſelbſt / dahero Auguſtus in Erkie - ſung des Tiberii, comparatione deter - rimâ ſibi gloriam acquiſiviſſe, beſchul - diget werde / nicht allein aus angezogener Urſache ſage ich / ſondern auch / daß was an ſich ſelbſt von einer Perſon / nicht al - ſobald von der andern gluͤckſeelig ver - fuͤhret werden / und die Zeiten inner ebenQ iijeinemeinem Umkreiß alle wolergangene Maſſimen ploͤtzlich verwandeln koͤnnen: Die Frantzo - ſen erheben ihren Henry le Grand wegen loͤblicher Regiments - Fuͤhrung / und in Wiederauffbringung der von ſo vielen Kriegs-Flammen faſt verwelckten Lilten / biß in Himmel / und dennoch ſchreibet der in Kriegs-und Policey-Sachen wolerfahrne Gaſpard des Saulx Mareſchal de Ta - vanes, in ſeinen Memoiren / daß die jeni - gen / qui voudront ſuiure les preceptes d Eſtat du Roy Henry IV. n ayants ſon heur, ny ſa reputation periront, welche die Staats-Regeln des Henry IV. folgen wolten / und weder ſein Gluͤck noch Anſehen haͤtten / verderben wuͤrden. Jhm hatte geholffen / daß die wackeꝛſten des Reichs unter der Erden / das Volck lieber den Tod als Krieg gewuͤnſchet / die Officirer und Soldaten geſtorben / oder der Unruhe uͤber - druͤßig / in ihrem Hauß und Hoff zur Ruhe ſich begeben. Eben ſo gehets bey Abloͤſung eines und andern hohen Staats-Bedienten / als welchem vor allen andern Raͤthen ein Fuͤrſt ſich vertrauet: Dann gleichwie weiland ein Haußvater in einer groſſenHauß -Haußhaltung einen aus ſeinen Knechten / welchen er am tuͤchtigſten befand / pflegte dem Haußweſen vorzuſetzen; Alſo tragen Regenten offters Belieben das vor eine Perſon faſt zu ſchwere Regiments-Gewich - te auff einen ſeiner Diener niederzuſencken / und zwar dem jenigen zuvertrauen / welchem ſie / weil ſie ohne affecten nicht ſind / am mei - ſten geneigt ſeyn / daß e gleichſam / nach dem Matteo Peregrini, una ſpecie poſta in mezzo fra la Servitu e la perfetta ami - cizia, eine Mittel-Art unter der Dinſtbar - keit und vollkommenen Freundſchafft ma - chen. Weilen dann eine derogeſtalt uͤber - laſſene oder mitgetheilte Regier-Macht und Wuͤrde mehrentheils herruͤhret von einer Flamme / welche der Standes Ungleichheit vergeſſende beyde Hertzen vereiniget / und in einen Willen zuſammenſchmeltzet / als iſt hierauß leichte zuermeſſen / daß / deſſen Ge - muͤths-Regungen mercklicher / als des Fuͤr - ſten ſelbſt / welcher ſich der Regiments-Sor - gen begeben / in das Unterliegende wuͤrcken / dann auch / weilen der Fuͤrſten Gemuͤther nach natuͤrlicher Unbeſtaͤndigkeit eines ge - ſchwinde ſatt bekommen / oder auch die inQ iiijſoſo erlauchte Staffel erhabenen leichte ihrer mißbrauchen koͤnnen / bey deroglei - chen Faͤllen die abentheurlichſten Her - umweltzungen ſich ereignen. Kurtz vor unſern Zeiten ſind unter ſolchen Mini - ſtren beruͤhmt geweſen in Spanien der Duc de Lerma und Conte Duca d Oli - varez, jener ware in des Philippi III. Gnade ſo hoch geſtiegen / che iſuoi Con - ſigli erano ſtimati la felicità dello Sta - to, le ſue parole Oracoli, & le ſue gran - dezze atte à rapire in ammirazione tutti gli occhi della Spagna: Das deſſen Rath vor die Gluͤckſeeligkeit des Staats / ſeine Worte vor Goͤtter-Spruͤ - che gehalten worden / und ſein hohes An - ſehen die Augen gantz Spaniens an ſich reiſſen kondte: So bald aber dieſer be - urlaubet wuͤrde / und nach begebendem Todesfall Philippi III. Philippus IV. die von dem nunmehro Cardinal Du - ca di Lerma verledigte Stelle mit des Conte Duca d Olivarez privanza er - ſetzete / zugeſchweigen / das Olivarez gantz anders genaturet / anders geberdet / und begierdet / ſo gieng ſein einiger Sinn da -hin /hin / daß er ſeines Vorfahren Regi - rungs-Weiſe vernichtete / und entweder durch dero Verſchmaͤhung ihm anſehen / oder bey dem neubegierigen Volcke affe - ction, zu erlangen trachtete vorgebende / daß er das nechſte Regiment verbeſſern / und mit neuen Unterfangungen ſeinen Herren groß machen wolte; Anſtat daß jener zum Frieden geneigt / den Stillſtand mit Holland getroffen / dachte dieſer mit Waffen ſich hochzubringen / ſeines Her - ren Auffnehmen aber dadurch zubefoͤr - dern / und ob er gleich ſahe / daß ſeine Rathgebungen nicht wol anſchlugen / ſo bildete er ſeinem Koͤnige und ihm ſelbſt ein einen Gewinn inner dem Verluſt / in - ner dem Ungluͤck eine Gluͤckſeligkeit / in - ner der Niederlagen Triumphe / daß er auch die groͤſte Vergnuͤgung von ſich habe ſollen ſpuͤren laſſen. So bald der Koͤnig ſeinen Olivarez, Fonte da cui ſcaturicavano & ſi trasmettevano tutte le deliberationi & riſolutioni della Corona, delle qualiſera riconoſ - ciuto per arbitro aſſoluto, von ſich ge - laſſen / verſtelte ſich das Hoffgeſichte / dieQ vRe -Regirung / der Zuſtand des Reiches wurde in andere Formen gegoſſen bey der Nachfol - ge und kluͤglicher Handhabung des D. Lou - is d Haro, daß alſo unter einem Koͤnige zwey unterſchiedene wiedrige Anſtellungen nnd Regiments-Verfaſſungen / derer zwar eine beſſer als die andere hinaußgegangen / ſich hervorgethan. Und ſchreibet der Do - menico Zametornato ein vornehmer Venetianiſcher Geſandter / mit was vor Fleiß der Don Luigi d Haro ſeines Vor - fahren Fußſtapffen gemeidet / wie eben der Fall des Conte Duca und des Falles Ur - ſachen ihme gedienet haben / per regola ba - ſtante per la propria direttione, vor ei - ne ſattſame Richtſchnur ſeines eignen Ver - haltens / wie er ſich in allen Sachen auf das Wiederſpiel jenes befliſſen / da jener der Oli - varez, in ſeinem Vornehmen unbeweglich / durchdringend und gewaltſam geweſen / were d Haro gelinde / vorſichtig und behut - ſam gegangen / haͤtte auch nicht anders mit ſich umgehen laſſen / nicht forciren / auch ſich nicht forciren laſſen wollen / dahero auch der Conte della Rocca geſagt haben ſolle / che il negotiare cõ Don Luigi eragioc -gioccare per l appunto con una pal - la di vetro, in cui vi voleva deſtrezza piutoſto che forza, ſenza laſciar pero di ſbalzarla à ſuo tempo che il gioco ricerca: daß mit dem Don Luis d Ha - ro zuthun zuhaben nichts anders ſey / als mit einem glaͤſernen Balle ſpielen / darzu mehr Geſchickligkeit als Staͤrcke gehoͤre / ſonder / daß er ſich zu ſeiner Zeit / wenn es auch das Spiel erfordert / ſchla - gen oder treiben laſſe. Dafern wir aber diſſeits des Pireneiſchẽ Gebuͤrges ein we - nig verziehen wollen / ſo koͤnnen wir unſer Vorhaben / welches vornemlichen dahin gehet / daß bey gewiſſen Vorfallenheiten auff einerley oder auch die gemeine Wei - ſe zu regiren unmoͤglich / daß man durch gantz widrige ungemeine Straſſen ſeinen Zweck gluͤckſeelig erhalten muͤſſe / nicht beſſer entwerffẽ / als in dem weltberuͤhm - ten Paar der Groͤſten nach einander fol - genden Staats-Gehuͤlffen der zweyen Cardinaͤle des Richelieu und Mazarini, beyde hatten alle das jenige / was zu ei - ner irrdiſchen Hoheit erwuͤnſchet werden kan / zuſammengebracht / und nicht ausQ vjbloſ -bloſſem Gluͤcke / ſondern vermittelſt ih - rer Gemuͤths-Gaben den hoͤchſten Eh - ren-Gipffel beſeſſen / und dennoch iſt es gleich einem Wunder / daß wenn man uͤberleget / wie Mazarin, des Richelieu Geſchoͤpffe welches er gebildet / die Hand / dadurch er die wichtigſten Staats-ange - legenheiten fortgetriebẽ / derjenige / den er am faͤhigſten erklaͤret / ſeine Stelle zuver - treten / dennoch des Richelieu, auff das koͤnigliche Auffnehmen gerichtete Inten - tion, auff eine beſondere / und des Ri - chelieu entgegẽ ſeyende Manier außge - fuͤhret / nicht daß Mazarin des Richelieu Regierũg veraͤchtlich oder verſchmaͤhlich gehalten / welches der Biſchoff von Beau - vais unvernuͤnfftig gethan / und offent - lich herausgefahren / che ſi doveſſe di - ſtruggere tutto quello, che ſi era fat - to nella pendenza dell altro miniſte - rio, das alles / was wehrender Ver - waltung des Cardinals geſtifftet waͤre / ſolte umbgekehret / außgerottet und ver - tilget werden / ſondern weil es beyde Ri - chelieu und Mazarin anders nicht ma - chen koͤnnen / ieder zu ſeiner Zeit undderder damahligen Reichs-Beſchaffenheit nach / ſo kluͤglich und gluͤckſelig / daß weñ Richelieu, wie Mazarin regiret / und Mazarin an des Richelieu Regier-Mas - ſimen ſich gar zu feſte binden wollen / beyde ſich und ihr anvertrautes in ſchaͤd - liches Verderben haͤtten verſtricken koͤn - nen. Die Schaͤrffe / die dem Riche - lieu als einem Einheimiſchen zu ſelbiger Zeit wohl ausgeſchlagen / muſte Maza - rin ein Frembder in eine ſchlauhe Ge - lindigkeit verwandeln / jener gienge der ſtrengen Gerechtigkeit nach / er ſchonte keines Gebluͤtes / und drange durch deſ - ſen rothe Flutten in den ſtillen Hafen ſei - nes Abſehens: Dieſer muſte nicht ſo wohl der blinden Gerechtigkeit / als viel - aͤugichten Behutſamkeit anhangende of - ters nachſehen / wenn andere mit Unge - ſtuͤmigkeit nnd Grimm durchbrechen wolten / ſo ſchwange er ſich durch die weiſſe Milchſtraſſen der gelindeſten Ent - ſchluͤſſe uͤber alles Gewoͤlcke des wieder Jhn gefaſten Unwillens in das Zenit der Verwunderung / wohin iemahln eine irrdiſche Vollkommenheit ſich erwindenkan /kan /*Prioli Libr. XI. eo laudis excesſit lenitate, que plerique per violenta & abrupta incla - ruerunt ſaget der Hiſtoricus: So gar wahr iſt / was bey Barclajo Poliarchus ſaget:*Argen. 194. Multas virtutes in vitia de - generare, & quod magis eſt, eosdem affectus ſæpè pro temporum ſorte nunc virtutes eſſe, nunc vitia. Bey - de hatten einen Zweck / die ungebundene koͤnigliche Gewalt / worauff Sie ihren Ehren-Gipffel befeſtigten / uñ zwar bey - de auff himmelweit von einander ſeyen - den Wegen / was Richelieu durch rau - he und gewaltſame Furchts-Mittel gleichſam erzwunge / erreichte Mazarini durch zeit-gemaͤſſe Geſchickligkeit / Ge - dult und Vermeidung alles Eyfers / al - ſo daß beyde in Betrachtung der damah - ligen Zeiten / und Beſchaffenheit ſelbten Reiches es nicht anders machen koͤnnen; alles was ſich des Richelieu Wincken nicht unterwerffen wolte / warff er mit Donner und Plitz zu boden; Die vor - nehmſten Fuͤrſten verjagte er oder ſper - rete Sie in die Baſtille, oder ließ einemnachnach dem andern die Koͤpffe abmeyen; Des Koͤniges Mutter / ſeine Wolthaͤte - rin / welcher Er ſeine Befoͤderung / und alles / was Er war / zu dancken hatte / weil Sie als deſſen gewohnt / die Hand in Regiments-Haͤndeln haben wolte / nachdem Er dem Koͤnige vorblatten laſ - ſen / ch egli in conſcienza foſſe piu obligato al Stato ch alla Madre, daß er im Gewiſſen mehr dem Staat / als der Mutter verbunden / ſchaffte Er aus dem Lande; Selbſten dem Koͤnige machte er durch gar zu eyfrige Rachgierigkeit und ſtrenge Rechts-Verfuͤhrung Sich ver - druͤßlich / daß er zu letzte lieber ſeiner we - re loß geweſen / wenn Er ſeine Begier - den des Staats beſtem nicht opffern muſſen: Mazarini hingegen haͤtte ſich deſſen nimmermehr unterſtehen duͤrffen / Er hielte es mit den Groͤſten / machte ſich allenthalben beliebt / und dennoch richte - te Er damit ſo viel aus / als Richelieu, An ſtat daß Richelieu des Koͤniges Mut - ter verfolgte / legte auff dero tieffeſter Verehrung Mazarin den Grundſtein zu ſeiner Wuͤrde / welche einmuͤthigeZuſam -Zuſammenſtimmung ſo nothwendig und unauffloͤßlich zu ſeyn geſchienen / daß weder Mazarin ohne der Koͤnigin Gunſt / noch die Koͤnigin ohne des Mazarin Witz die Regiments-Herrligkeit bey de - nen damahligen Verwirrungen in ſo er - lauchtem Thron erhalten koͤnnen: Die Gebluͤths-Princen zoch er mit erſinlich - ſten Careſſen an Sich / und dennoch be - diente Er Sich Jhrer zu ſeiner Erhoͤ - hung / und ihrer eigenen Verkleinerung / Er ſahe ihnen zu / wie Sie Sich ſeiner ſo hefftig annahmen / erwartete der Zeit / und lieſſe Sie ſich ſelbſt zu Grunde rich - ten / wie anderwerts gemeldet wird. Wo er allemahl uͤber zu Nahetretung Koͤnigl. Majeſtaͤt / oder ſeiner eigenen Beleidi - gung haͤtte eyfern wollen / wuͤrde er uͤbel zu rechte kommen ſeyn / ob er gleich bey dieſer Unempfindligkeit und Verſchmer - tzung einen harten Kampff ausſtehen muſte / ſo muſte er doch warhafftig per Raiſon d Eſtat Sich einen Streich ver - ſetzen laſſen / umb daß Er deſto klaͤrer die Strahlen ſeines verſchmitzten Gei - ſtes nach zertriebenen Wolcken hervor -bli -blitzen laſſen koͤnne: So bald er ein Ex - empel ſtatuiren und unter das wider - ſpenſtige Poͤfel-Volck ein Schrecken werffen wolte / auff gut befinden des in Richelieu Schule erzogenen Chavigni, ging es ihme ſo ungluͤck ſelig ab / daß Er mit Beſchimpffung Koͤnigl. Majeſtaͤt ſo bald davon ablaſſen / den Koͤnig / die Koͤ - nigl. Mutter / die vornehmſten Gebluͤts - Princen aus dem wilden Sturme ent - reiſſen muſſen; Mazarin ſelbſt / als uͤber welchen alle Wetter giengen / und auff deſſen Abſchaffung Sich gantz Franck - reich verſchworen / muß der Raſerey ent - weichen / alle das Seinige verlaſſen / und ſo ſchmaͤhliger Weiſe geſchehen laſſen / daß auff ſeinen Kopff als des aͤrgſtẽ Ma - leficanten Geld geſetzet werde; Allein durch ſolche Entweichung konte Mazarin gegen ſein feindſeliges Land Sich nicht beſſer erweiſen / als daß Er ſie empfinden lieſſe / was Sie an Jhm verlohren / und daß Franckreich nicht anders koͤnne be - ruhiger werden / als durch ſeine Wie - derkunfft / welche mit ſo allgemeinem Frolocken erfolget / daß anſtatt daß Ri -che -chelieu inner Gefaͤngnuͤſſen Fortuna - tiſſimus Mortalium geprieſen worden / dem Mazarin in offentlichem Triumf unter freudigem Vivat eben dieſes entge - gen geruffen wurde / und annoch itzo die - ſem Staats-Helden vor die groͤſte Klug - heit nachgeruͤhmet wird / daß Er in allen ihn betroffenen Gluͤcks-Schickungen Sich ſo weißlich in die abentheurlichſten Zeiten ſchicken koͤnnen / und niemahln dem jenigen aus Eigenſinnigkeit wider - ſetzet / was nicht anders ſeyn koͤnnen.

Wir duͤrffen nicht bey unterſchie - denen Perſonen die Ungleichheit der Zei - ten blos ſuchen / und darinnen der Regir - Arten Mannigfaltigkeit / ſondern nur auff die Zeiten / welche ſich bey einem Ei - nigen ſo bund und untereinander lauf - fende hervorthun / auffacht geben. Die gluͤckſeeligſte Regenten ſind niemahln verſichert / daß ihr Wandel in gleichem Gewichte fort gegangen / daß nicht etwas darinnen verruͤcket / oder verwahrloſet werden koͤnnen / daß wenn ſie am gra - deſten geziehlet / am wenigſten getroffen / daß Sie nicht die unbewegliche Ledern -ArtArt außziehen / und bey entſtehenden Sturmen gleich einer geſchlancken Wei - den ſich beugen muͤſſen / wo Sie nicht ha - ben wollen außgehoben werden: Jhre hoͤchſte Spitze iſt ein weites Feld / wor - auff die Maͤnge der Zufaͤlle ungehindert außgelaſſen iſt / ein Gebuͤrge / wo die ſchrecklichſten Ungewitter / bey der Hitze ihres Wohlergehens gezeuget / und von den grauſeſten Donnerkeilen entbuͤrdet werden: Jhre Regirung iſt ein Kampf - Platz / worauff das Gluͤcke oder das je - nige / was unverhofft von der Zeit ge - bracht wird / mit der menſchlichen Ver - nunfft ringet / ihr gantzes Leben iſt ein von vielen ungleichen Farben zuſam - men gemiſchtes annehmliches Gemaͤlde / ein von vielen Figuren geſtuͤcktes Gewe - be / eine Leinweberey / nach des Philippi II. Außſpruch / wo man Hand und Fuͤſſe und den gantzen Leib ſtets bewegen / und allenthalben achtung geben muß / damit nicht der Kammwandel / oder die Ge - webe verwirret werden: Jhr Weber - Schifflein gehet hin und wieder / und die Faden werden wunderlich durch einan -derder geworffen: Sie leben gleichſam auf einem ungeſtuͤmen See / wo eine Fluth wider die andere ſtoͤſſet: Es iſt oben ge - meldet worden / daß das Policey Weſen natuͤrlicher Weiſe von ſtaͤten Bewe - gungen gleich dem Ocean getrieben wer - de: uͤber dieſe ſind noch andere unver - muthete / durch Sturm und Ungewit - ter erregte: Itemporali, à un batter d occhio ſi levano, l acque per natura mobili con un ſoffio anco leggiere ſi turbano; Chi crede la bonaccia e - terna, è ſempre ſproviſto, ſempre in bocca al pericolo, egli à ſe ſteſſo è ſe - polcroe cadavero, die Weltſachen er - heben ſich in einem Augenblick / die von Natur beweglichen Waſſer werdẽ auch von einem kleinen Winde / auff und durch einander getrieben / wer ſich eine ſtaͤte Stille einbildet / iſt allzeit unvor - ſichtig / allzeit in dem Schlunde der Ge - fahr / er iſt ihm ſelbſt Grab und Leiche. So nothwendig einem Schiffmann die Erkaͤntnuͤß der Winde / und nach derer Wehung die Segelwendung / ſo noͤthig iſt einem Regenten die vorſichtige Un -ter -terſcheidung der Zeiten / und der daraus entſtandenen Zufaͤlle Zuſammenfuͤgung. In eo tota ferè ſagt Saavedra, conſiſtit Scientia Politica, ut rectè diſcernere quis norit tempora, & iis uti, hierinne beſtehet faſt die gantze Politic, daß einer die Zeiten wohl wiſſe zu unterſcheiden: Il vento eſtingve il fuoco delle cande - leben acceſe, nach des Gio: Battiſta Marzi Redens-Art / & il medeſimo vento forza vigore augumento, e maggiormente infoca li carboni quaſi eſtinti, der Wind leſchet die brennen - den Fackeln aus / und eben der Wind blaͤſet die faſt erleſchten Kohlen auff; Dieſes iſt von der Zeit geredet / welche nicht bey allen Faͤllen eben ſo dienlich / o - der einerley Wuͤrckung hat; alles thun der Menſchen hat ſeine eigne Zeit / auch das allerbeſte kan durch ungelegne Zeit leicht verderben / d autant que ce qui n eſt qu accident aux choſes natu - relles, eſt eſſence aux choſes morales. ſo gar / daß was in natuͤrlichen Sachen zufaͤllig / in moraliſchen weſentlich ſey; So viel iſt an der Zeit gelegen / daß Sievonvon dem wachſamſten Augen erblicket / und von den fertigſten Haͤnden wil er - griffen werden / wo nicht mit der Zeit die Gelegenheit entwiſchen ſol / ſo fluͤchtig / ſo veraͤnderlich die Zeiten ſind / ſo geſchwin - de muͤſſen Regenten Rath ſchaffen. Von dem Hertzog in Savoyen Carl E - manuel erzehlet Capriata, daß als er nicht gewuſt / zu welchem Theil Er ſich ſchlagen / ob er Spaniſche oder Fran - tzoiſche Seite erwehlen ſolte / damit er beyde in Waffen hielte / von beyden ge - ehret wuͤrde / were er in einer mit dem Meylaͤndiſchen Stadthalter D. Gon - zallo di Cordova gehaltenen Unterre - dung auffgezogen / con una caſaccha in foggia tale compoſta, che girata per tutti i lati ſ affaceva alla perſona, mit einem Reit-Rock / welcher auff ſol - che Art zu gerichtet / daß wohin man ihn gedrehet / auff allen Seiten gerecht ge - weſen; Emblema ſagt der Geſchicht - ſchreiber / il quale tacitamente minac - ciando di mutatione alludeva alle conditioni delle proprie coſe, le quali per tutti i verſi, per tutti i lati rivolta -te,te, à tutti gli ſtati naturalmente ſ ad - dattavano, ein Sinnen-Bild / welches ſtillſchweigende ſeine Veraͤnderligkeit draͤuende auf die Beſchaffenheit ſeiner Sachen alludirte / welche auf alle Seiten gekehret / Sich naturel allenthalben hin - ſchickte. Anders iſt der activeſten Regen - ten Thun und Leben nicht geartet / Sie ſind auff alle Faͤlle fertig / geſchickt / und ergreiffen aus dem Stegreiff / was zur Zeit der Noth unumgaͤnglichẽ die Wol - farth eines Landes erheiſchet und nicht anders haben will.

Auß welcher biß anheriger Uberle - gung unſere Ratio Status alſo ihr We - ſen genom̃en / daß ſie vor nichts anders / als vor eine ungebundene irregulare Re - gier-Klugheit gehalten werden koͤnnen / daß / wenn bey dem gewaltſamſten Um - lauffe der Politiſchen Sferen / die Weiß - heit ſelbſt von ihrem Thron gehoben / er - zittert und erbebet alsdann dieſelbte an die Stelle trete / und bey Einbrechung unordentlichſter Begegnuͤſſe vor den Riß ſtehe. Wir koͤndten alles dieſes / was aus einer fluͤchtigen Feder gefloſſen / miter -erleßneſten Exempeln unſers Alters il - luminiren / darvor uns dienen koͤndte be - reits geruͤgter Hertzog von Savoien / von welchen ſein Scribent meldet / il te - uore della ſtella ſollevarlo, quando è piu oppreſſo, & opprimerlo, quando è piu inalzato, accio che non forman - doſi mai nella Stato medeſimo dia al mondo nell una e l altra fortuna e - ſempio ſingolare, die Krafft eines Ster - nes / ihn zuerheben / wenn er am meiſten untergedruckt geweſen / und ihn unter - zudruͤcken / wenn er am meiſten erhoben geweſen / daß er alſo der Welt ein ſon - derbahres Gluͤcks - Beyſpiel abgebe. Deſſen Hertz minera fecondiſſima & ineſauſta d inventioni, e di partiti e à tracciare nuovi Conſigli, e ordir nuove macchine, ein fruchtbar Berg - werck allerhand neuer Anſchlaͤge / wenn wir nicht zugeſchweigen / daß weiln der Brunnennicht allzu rein / alle ſubtileſte Erfindungen und Anſtalt nicht gar zu klar-fliſſende ſeyn koͤnnen / mit dem eini - gen Mazarin uns begnuͤgen wolten / in - ner deſſen beruͤhmter Regiments-Fuͤh -rungrung alles das / was zu einer vollſtaͤndi - gen Ratio Status erfordert werden kan / lebhafft vorgeſtellet werden ſol / welches geſchiehet / nicht aus einer eitelen Vereh - rung alles deſſen / was Frantzoͤiſch oder Außlaͤndiſch / oder neu iſt / ſondern aus bloſſer Begierde / unſere Gedancken aufs klaͤreſte außzudrucken / und ein Muſter ei - ner practicirten Rat. Stat. durch Zerle - gung der kleineſten Umſtaͤnde / zuent - werffen. Wo an ſich ſelbſt keine beſ - ſere nachdruͤckliche Lehr-Art als durch Exempel / ſo ſind die Exempel niemahln kraͤfftiger / als in Politiſchen / vornehm - lich in der Ratio Status Graͤntzen; El Exemplo, la Experiencia ſon los mae - ſtros verdaderos de lo que es Eſtado, ſind Worte des Anton. Pierez, das Ex - empel / die Erfahrung ſind die beſten Leh - ren der Staats-Sachen: Nun iſt ja unter die groͤſten Exempel Mazarini ge - rechnet worden / und ich weiß nicht / ob Jhm einiger in dieſer Regirungs-Art vorgezogen werden koͤnne. Was von ſeinen Zeiten Tacitus, koͤnnen wir von den unſern ruͤhmen / non omnia apudRprio -priores meliora, ſed noſtra quoque æ - tas multa laudis & artium imitanda poſteris tulit, es iſt nicht alles bey den erſteren beſſer / ſondern auch unſer Alter hat viel loͤbliches hervorgebracht; Wir muͤſſen nicht unſere eigene Veraͤchter ſeyn: vielmehr ie aͤlter die Welt wird / ie laͤnger ſie ſtehet / vor deſto aͤlter und durchtriebener iſt ſie zuhalten. Die laͤngſtvergangene Zeit iſt in Anfehen un - ſers Alters / in Anſehung der Welt in Warheit juͤnger / gleich wie nun von ei - nem verlebten Greiß eine beſſere Kund - ſchafft menſchlicher Sachen / und reiffer Urtheile wegen Erfahrung deſſen / was er geſehen / gehoͤret und erdacht / bekom - men / als von einem Juͤnglinge / alſo iſt es gar billich / daß eben dieſes von unſe - rer Zeit als von einem Alten erwartet werde / geſtalten das Alter der Welt taͤglich zunimmet / und mit unzehlichen Erfahrnuͤſſen vermehret wird. Uber dieſes ſcheinet / als wenn Franckreich wegen ſeiner Unbeſtaͤndigkeit vor andern zu Irregularitaͤten geneigt ſey / daß auch ein Frantzoſe ſelbſt ſchreibet / inner 10. Jah -Jahren waͤren mehr Auffſtaͤnde in Franckreich / als von der Suͤndfluth her in der gantzen Welt geweſen / und der von Balzac in dem Prinz / wo Er ſein Franckreich nicht gnugſam herausſtrei - chen kan / daß daſelbſt außgenommen zwey Koͤnige dz Gluͤcke ſouverainement geherrſchet / und in der Regiments-fuͤh - rung der Vernunfft wenig uͤberlaſſen / daß alle Maſſimen / ſo ſonſt ins gemein vor warhafftig auffgenommen geweſen / bey Jhnen falſch befunden worden / daß alle Zeichen eines gewiſſen Todes / wenn Sie bey Jhnen erſchienen / fehl geſchla - lalle frembde Weißheit waͤre betrogen geweſen / in Anſehung ihre Monar - chi gleichwohl auſſer ſelbte getauret haͤtte. Er machet zwar des Ludovi - ci XIII. Zeiten gantz engelrein / als wenn ſie in lauter ordentlichem Lauff fortgegangen / und der Politiſchen Ordnung durch und durch einſtimmig geweſen / welches wir vor itzo mit Wie - derſpielen nicht widerlegen / ſondern bey erwehntem Mazarin verbleiben / von welchem der Hiſtoricus ſchreibet / Tem -R ijporisporis opportunitate nullum morta - lium ſapientius uſum.

DISCURS IX.

DEr weltberuͤhmte Cardinal Richelieu hatte nach ſeinem toͤd - lichen Hintrit Jhrer drey verlaſ - ſen / damit ſein Koͤnig Ludovicus XIII. die von Jhm verleedigte Ehrenſtelle er - ſetzen ſolte / den Noyers, Chavigni und den Mazarin, umb welche als in Staats - ſachen durchtriebene / und der Cronen nuͤtzlichſte Dinſte zu leiſten faͤhige Er auff dem Todbette gebeten / der Koͤnig wolte Sie nicht verſtoſſen: Und unter dieſen hatte Richelieu keinen lieber / im Brete gehabt / keinem hatte Er Sich mehr vertrauet als dem Noyers, daß Er Jhn auch zu Bewerckſtelligung und Außlegung ſeines letzten Willens erkie - ſet / und keiner hatte vielleicht in des Ri - chelieu Regirungs-Schule mehr zuge - nommen / keiner ware in Ubereinſtim -mungmung der Zuneigungen / der Gemuͤts - Triebe dem Richelieu aͤhnlicher / wann die Waltzung der Zeiten / das veraͤnder - liche Antlitz eines Reiches / und die Heff - tigkeit allerhand Zufaͤlle / das jenige / was einmahl oder einer Perſon wohl abge - het / auch der andern alſobald thulich bleiben lieſſe; Eben die Gleichheit / da - durch Er ſeinem Meiſter nach / den Flug fuͤhren wolte / machte Jhn zu einem un - gluͤck ſeligen Folger / eben darumb / weil Er es machen wolte / wie Richelieu, weil Er gar zu embſig trachtete dieſes Exem - pel Sich vorzuſtellen / machte Er Sich verdruͤßlich / und beſchleunigte Jhm den Fall / welchen Er durch ſeines Richelieu Staffen-Trettung zu verhuͤtẽ vermein - te / wie dann der Koͤnig aus darob ge - faſter Ungedult in dieſe Worte herauß - brechen ſollen / cheſe il Cardinale ſi foſ - ſe fatto Turco, Noyers haverebbe alza - to ſubito ſopra la propria teſta il tur - bante, daß ſo der Cardinal ein Tuͤrcke worden waͤre / wuͤrde Noyers alſobald ſelbſt den Bund auffgeſetzt haben / und als uͤber deſſen Rauhigkeit / ſo er von demR iijRi -Richelieu erlernet nachahmen wollen / ge - klaget wurde / ſol der Koͤnig geſagt haben / che Noyers voleva fare il picciolo Car - dinale, non riconoſcendo per auuen - tura la differenza ben grande, che vi ſi trovava, mentre in Francia ſi ſareh - bono contati cento huomini piu ha - bili di lui per reggere la ſua Carica, la dove non ſi ſaprebbé rinvenire un ſo - lo, che foſſe ſtato capace per ben ſer - vir lo come il gia Cardinale, la cui conſideratione l haveſſe obligato à ſoffrire i ſuoi rigori: Noyers wolte ei - nen kleinen Cardinal abgeben / wiſſe aber nicht / was vor ein groſſer Unterſchied ſich dißfalls befindete / dann in Franckreich wol hundert viel faͤhiger ſeine Stelle zuvertreten ſein moͤchte / da man hingegen nicht einen wiſſe / welcher wie der Cardinal wol zu die - nen faͤhig / deſſen Anſehen / ihn / den Koͤnig / verbunden / ſeine Schaͤrffe zuvertragen. Und gewiß des Noyers bald nach des Richeli - eu Tode erfolgte Koͤnigliche Ungnade wur - de nicht anders verurſachet / als daß eꝛ zu Eh - ren ſeines Richelieu keine aͤnderung / wel - che doch von damahligem Hofe mit hoͤch -ſtemſtem Verlangen erwartet wurde / bewilligen walte / durch dero Bedienung ſich Mazarin und Chavign[i]allenthalben beliebt mach - ten / wenn Noyers dem Koͤnige ſtaͤts lauter Staats-und Kriegs-Sachen vorblattete / und niemahln aus ſeinem Cabinet ſich be - wegte / hielten ſich Chavigni und Mazarin ſtattlich / lebten frey / und bemuͤheten ſich bey jederman Gewogenheit zuerwerben / war - teten vornehmen Geſellſchafften ab / und er - luſtigten ſich in allen Ergoͤtzligkeiten; Wenn Noyers vor eine Todſuͤnde gehalten das je - nige / was ſein Cardinal gethan / zu uͤberge - hen / die von dem Cardinal in hafft genom - menen / oder verjagte zu Gnaden anzuneh - men uñ darzu befoͤrderlich zu ſein / bemuͤhten ſich Mazarin und Chavigni durch Erloͤ - ſung der Gefangnen / und Wiederruffung der banniſirten / ja aus des Richelieu Feinden Freunde zumachen / und anſtat daß Noyers in behaltung voriger Regirungs - Art und Handhabung des Cardinals her - ber Entſchluͤſſungen den gemeinen Haß auff ſich zoge / bemaͤchtigten ſich Maza - rin und Chavigni durch dererſelbten Hintanſetzung des Standes / welchen No - yers vor der Zeit aus Ungedult / weil erR iiijſol -ſolchen nicht erhalten kondte / in ein ein - ſam Leben verwechſeln muſte; Chavigni und Mazarin blieben añoch bey ſammen / und ſchienen biß nach des Koͤniges Tode das ſonſt untheilhafftige Kleinod in einẽ Splendeur zubeſitzen / doch alſo daß des Mazarins Hoheit taͤglich zunahme / zu mahlen nachdem er zu dem Haupt der von dem Koͤnige verordneten Vormund - ſchafft Raͤthe nebenſt dem Duc d Orle - ans und Princ de Conde erkohren wor - den / hingegen Chavigni ſehende / den - bermaͤßigen Vorzug ſeines gleichen / und eigene Verdunckelung / weil er zugleich von der Koͤnigin nicht wol angeſehen / und nicht anders / als ein gemeiner Staats - Nath tractiret wurde / da er noch ein Miniſter d Eſtat, Urlaub begehrte / wel - chen die Koͤnigin alſobald gewehrte / Ma - zarin aber die gaͤntzliche Entfernung wiederriethe / alſo daß er nach Erlaſſung des Staats-Secretariats, davon die Koͤnigin nicht weichen wolte / ihme den Sitz im Koͤnigl. Rathe zubehalten ein - noͤthigte; Der kluge Mazarin achtete in Betrachtung des damahligen Zuſtan -desdes nicht vor rathſam einen / ſo anſehnli - chen Reichs-Bedienten gaͤntzlichen ab - zuthun / entweder weil er aller Staats - Sachen kundig / oder weil ihn der Car - dinal Richelieu und der Koͤnig ſelbſt in ihren letzten Willen darzu gewidmet hat - te / hingegẽ Er Mazarin als ein Frembd - ling / nachdem ohne diß Noyers verſtoſ - ſen / den allgemeinen Haß gegen ſich vergroͤſſern wuͤrde; Jndeſſen ver - ſchmertzte Chavigni, was er kondte / und troſtete ſich / daß gantz Franckreich mit der uͤberſteigenden Hoheit des Mazarins uͤbel zu frieden / als welche vielen Groß - muͤttigen einige Ungedult / und darob zu - eyfern anlaß geben wuͤrde: Wie dann darzu den Anfang gemacht der Hertzog von Beaufort, ſo ſich groſſe Hoffnung gemacht / und ſich nach dem Jhm die Koͤ - nigin den jungen Konig als einem Hoffe - meiſter vertrauet / Meiſter zu ſpielen ein - gebildet / wenn nur der Mazarin, come principale oſtacolo all eſaltazione della ſua caſa, als die vornehmſte Ver - hinderung ſeines Hauſes Erhoͤhung / un -R vter -terdrucket / oder aus dem Wege geraͤumet wuͤrde / in welchen letzteren Gedancken / weil ſie ihm zu bewerckſtelligen leichter vorkamen / uͤberfiel er Bois de Vincennes, allwo der Chavigni damaln als Vollmaͤchtiger Frie - dens-Unterhaͤndler nach Deutſchland ſich reiſefertig machende / die Koͤnigin / welche begierig war deſſelbten ſchoͤne Credentz-tiſche zubeſehen / herrlich gaſtirte / und als er uͤber verhoffen den Mazarin nicht angetroffen / eilet er beſtuͤrtzt nach Pariß / um allda ſeinen Feind in ſeinem eigenen Hauſe zuſuchen / welches aber Mazarin außgeſpaͤhet / und ſich nach dem Louvre gerettet / allwo ihm wegen entgangener Gefahr haͤuffig Gluͤck wuͤnſchet / der allda ſich zugleich einfindende Duc de Beaufort, aber nach Bois de Vin - cennes, wo er einem andern in die Grube helffen wollen / gefaͤnglich gefuͤhret worden. Dieſes waren die erſteren Wolcken / ſo uͤber den Horizont der damahligen Regirung auffgezogen / und Vorbothen waren eines Ungewitters / damit die Minderjaͤhrigkeit des jungen Koͤniges uͤberfallen / und von den niedrigen Duͤnſten alleꝛhand Begebnuͤſ - ſe bey der fuͤnffjaͤhrigen Stille nach undnachnach geſamlet worden. Die Groſſen des Reiches waren uͤber des Mazarin als eines Auslaͤnders auffnehmen verbittert / das ge - meine Volck klagte einmal uͤber das ander uͤber die unertraͤgliche Maͤnge der von dem Emeri auß geſchriebenen Aufflagen bey dem Parlament, welches ſich ihrer annimt / auch es ſo weit bringet / daß Emeri abgeſchaffet / und dadurch der erſte Grad zu mehrer Up - pigkeit gemachet wird / das Parlament zwar war anfangs nicht einig / ſondern in 3. Par - theyen abgetheilet / die erſte war dem Hofe und deſſelbten vornehmſten Miniſter dem Mazarin zu wieder / dieſe benahmte ſich die Fronde oder eine Schleuder / darmit ſie die Rieſen-Groͤße des Mazarins zu Boden werffen wolte / die andere war Mazariniſch / und ſinnes / man ſolte dem Hoffe gehorſa - men / die dritte war neutral, verwarff der erſten Eyffer / und billigten auch nicht der andern Zuruͤckhaltung; Jedoch breitete ſich die Fronde am maͤchtigſten auß / und nahme das gantze Parlament ein / welches ſich taͤglich verſamlet / und Arreſte publici - ret / dadurch des Cardinal Mazarin Ver - ordnungen angegriffen / hintertrieben / des inR vjMaͤn -Maͤnge beyſammen ſeyenden Volckes Hoffnung vermehret worden. Der Hof ſahe / was aus derogleichen ſchaͤdlichen Zuſammenkuͤnfften vor Unheil erfolgen / und wie die allbereit kundſeyende Ver - bitterung wieder den Cardinal weiter einreiſſen kondte wurde Raths den Wiederſinniſchen das Haupt zubeneh - men / welches der Brouſſel war / und auff Anreitzung und eingeben des Longveil die haͤrteſten Stimmen wieder den Hoff eroͤffnet / wodurch er bey dem Volcke / ſo niemaln aus dem Palais gewichen / ſich ſo beliebet gemacht / daß er mit dem ſchoͤnen Vater Titulbeehret wurde / und Maza - rin ſelbſt deſſen in Rath gebrachte ge - faͤngliche Einziehung wiederrathen / pa - rendogli, che poteſſe naſcerne ſcon - certo maggiore, enon eſſer tempi da incontrare nello ſcoglio de tumulti, ma piu toſto conle piacevolezze di quietar coſtui, da rvorhaltende / daß groͤſſer Unheil darauß entſtehen koͤnne / es were nicht Zeit in den Klippen eines Auffruhres anzuſtoſſen / ſondern verſu - chen mit Gelindigkeit zu ſtillen / oder wieeses Prioli giebet / man ſolle die Segel nie - derlaſſen / ineſſe Tempori Medicinam rerum, parvas moras magna habere commoda, Societates ſic initas inter - vallo debilitari, non obnitendum ex - undationi, ſed in rivulos minuendam domitu ſic facilem. Allein die Koͤnigin / (auf Einſchlag des Chavigni, wie etliche wollen / den Cardinal Mazarin deſto eher zu ruiniren /) ſol beſtaͤndig blieben ſeyn / damit vielleicht unter die Aufſruͤhriſchen ein Schrecken geworffen / und wenn der Hirte weg / die Heerde zerſtreuet wuͤrde / deme zu folge auch eben den Tag / da man das Te Deum laudamus wegen erhaltenen Sieges bey Lens geſungen / Brousſel und Blamnenil in Sicherheit gebracht werden; Zwey Stunden her - nach / als das Geruͤchte von Abfuͤhrung des Brouſſel erſchollen / begeben ſich die vornehmſten Buͤrger nach dem Koͤnigl. Pallaſt / allwo der Koͤnigin vorgebracht wird / es waren nur Lumrengeſindlein / ſo man bald wuͤrde zu rechte bringen. Gondi der Ertzbiſchoff zu Pariß / geneñt Coadjuteur, welcher biß dato Sich nie -mahlnmahln auff dieſem Schauplatze ſehen laſ - ſen / bittet der Koͤnigin ſeine Dinſte an / wird aber als nicht geachtet / uͤberhin an - genommen / unterlaͤſt dennoch keine Muͤ - he / dieſe ſtuͤrmende Floth zu beſaͤnfftigen / und weil Er nichts ausrichten kan / be - richtet Er die Koͤnigin den Auffruhr / all - wo Er keine Vergnuͤgung / ſondern Un - willen wider den Mazarin empfaͤnget / nachgehender Zeit auch dem Mazarin viel zu ſchaffen gemacht hat; Die Koͤ - nigin befiehlet inzwiſchen von Natur un - erſchrocken denen Marſchallen Melle - raye und Hoſpital mit den Jhrigen durch die Straſſen zureuten / und das Volck auff alle moͤglichſte Weiſe und Exempel Statuirung zubandigen / finden aber das uͤbel ſo beſchaffen / daß Sie dem Befehl nicht gnuͤge leiſten koͤnnen / iedoch hoffte man der Auffſtand wuͤrde ſich die Nacht uͤber legen / wenn nicht eine unverhofte Zufallenheit das glimmende Feur aufge - friſchet haͤtte. Der Cantzler fuhr ins Parlament / bringende eine Verord - nung des Koͤniges / kraft welcher die Verſammlungen der Cammern verbo -tenten worden / dieſer wurde von etlichen uͤbel zufriedenen wahrgenommen / und weil ſeine Perſon verhaſt / der Caroſſe nachgelauffen / und von dem zunehmen - den Poͤfel verfolget / biß zu dem Hauſe Luines, dahin er ſich ſalyiren muß / all - wo Sie ſuchen / pour immoler, ſagten Sie / cette ame venale le Protecteur des maltotes à tant de peuples ruinez par les edicts, qu il ayoit ſeellez, auff - zuopffern dieſe feile Seele / ſo vielen durch von Jhm beſiegelte Edicte verderbte Leuten; So bald der Bericht nach Hofe kommt / wird von dar der Mareſchall la Melleraye mit etlichen Compagnien dahin beordret / welcher auff die Ver - folger laͤſt Feur gebẽ / dadurch der Cantz - ler zwar errettet / aber ein Zeichen gege - ben wird durch die gantze Stadt / die Waffen zuergreiffen / alſobald werden die Buden geſchloſſen / die Ketten vor die Gaſſen gezogẽ / biß ans Louvre Schran - cken gemacht; Waͤhrenden Aufflauffes waͤchſet dem Parlament der Muth / daß das Volck Jhrer Mitbruͤder ſich ſo heff - tig annimt und beſchlieſſen einhellig / daßSieSie allzuſammen das gantze Parlament ſich auffmachen / und ihre Majeſt. umb Befreyung ihrer Mitbruͤder anflehen wolten / ſie funden das Volck durch alle Gaſſen in Waffen / theils draͤuende / daß / wo ſie nicht den Brouſſel wiederbraͤchten / theils ſchwerende / ſie wolten ihr Leib und Leben vor ihre Erhaltung auffſetzen / ſie wolten nichts fuͤrchten / alle erklaͤrten ſich die Waffen nicht eher nieder zulegen / biß Sie den Vater des Vaterlandes (alſo nennten Sie den Brouſſel) geſehen. Nachdem das Parlament in das groſſe Cabinet des Koͤnigl. Palais eingelaſſen worden / wo ſich Jhre Majeſtaͤten nebſt Mr. le Duc d Orleans, Prince de Con - ti, Mazarin, Groſſen des Reiches und vornehmſten Staats-Bedienten befan - den / traͤget der Preſident vor den Schmertzen Jhrer Geſellſchafft / ſo Sie uͤber die gefaͤngliche Haͤfft Jhrer Mit - bruͤder empfangen / und leget ihre unter - thaͤnigſte Vorbitte ab vor Jhre Erlaſ - ſung / welche ſo ſehnlich von mehr als 100000. gewaffneter Mannſchafft be - gehret wuͤrde. Die Koͤnigin antwor -tete /tete / qu elle ſ eſtonnoit que l on fit tant de bruit pour un ſimple Conſeil - leur & que le Parlament à la detention de feu Monſieur le Prince n avoit rien dit, Sie wunderte ſich / daß man ſo viel Weſens machte wegen eines ſchlechten Rathmannes / da doch das Parlament zu der Hafft des Mr. le Prince nicht ge - mucket. Der erſtere Preſident und der Preſident de Meſmes repliciren, que dans le point ou les choſes eſtoient venues, il n y plus lieu de deliberer, & que c eſtoit une neceſſitè abſolue de fleſchir ſous la volonte des Peuples, qui n eſcoutoient plus la voix du Ma - giſtrat & qui avoient perdu le reſpect & l obeiſſance, enfin qui eſtoient des Maiſtres, daß in dem Punct / dahin es kommen / nicht mehr zeit zu deliberi - ren / und daß eine unvermeidliche Noth Sie unter dem Willen des Volckes beu - ge / welches nicht mehr das Einreden der Obrigkeit hoͤrete / allen Gehorſam bey ſeite ſetzte / und Meiſter ſpielte; Oder wie es Prioli giebet / welcher zwar in den an - dern Umbſtaͤnden etwas varirt, Hicnonnon opus longâ deliberatione, ſed captos liberandos, neque dignitatem aut autoritatem Regiam prætexendã, Salutem Regni ſupremamlegem eſſe; die Koͤnigin ſagte drauff / Sie gebe durch aus nicht nach / und ſo lange ſie das Hei - ligthum Koͤnigl. Wuͤrde in ihren Haͤnden verwahret hielte / bewilligte ſie niemaln dieſes zuentheiligen und hinzugeben de - nen rohen Begierden einer unbeſonne - nen Maͤnge / das Parlament ſolte den Auffſetzigen ihre Pflicht einhalten / die / welche den Auffruhr auffgeblaſen / ſol - ten Jhn leſchen / der Koͤnig wuͤrde ſchon einmahl wiſſen den Unterſcheid zwiſchen der Crone Treuen und Untreuen zuma - chen; dieſe gute Herren hielten weiter an / aber vergebens / Jhr Maj. bliebe auf einem unbeweglichen Nein / alſo daß ſie unverrichteter Sachen zuruͤck kehren muͤſſen. Als ſie an den erſten Schran - cken kommen / fraget das Volck / ob ſie des Brouſſels Befreyung erlanget / und weil es alsdann aus den Geberden ſpuͤ - ret / daß ſie nichts erhalten / ſchicket es ſie mit ſoichem Grimm zuruͤcke / und lieſſendraͤu -draͤuen / daß wo in 2. Stunden man Jhr Verlangen nicht erfuͤllete / 200000. gewaff - nete Mann J. M. darum erſuchen wuͤrden / und daß ſie die Rathgeber als Urſaͤcher allen Unheils auß dem Wege raͤumen wolten: Die Parlaments Herren kommen wieder / tragen vor / was Sie gehoͤret und geſehen hatten / beyfuͤgende / que puis qu on ne peut vaincre leur des obeiſſance ny par la raiſon ni par la force, qu il faut recevoir la Loy ſi onne veut mettre la couronne en peril, daß weiln man ihren Ungehorſam weder durch Vernunfft noch Gewalt uͤberwinden koͤnne / ſo muſſe man Geſetze laſſen vorſchreiben / wo man nicht die Crone in Gefahr ſetzen wolle; Man haͤlt daruͤber Rath / allwo von dem Hertzog von Orleans und dem Cardinal wieder willen der Koͤnigin / denen Gefangenen Frey - heit zuverwilligen / gut befunden / ſolches al - ſobald dem Parlament angedeutet / und alſo fort dem Volcke zuwiſſen gemacht wird / wel - ches deſſen ungeachtet aller Verſicherungen des Brouſſels in Waffen erwartet. Die - ſer wurde kaum erblicket / ſo wurde er aus al - len Muſqueten begruͤſſet / und mit allgemei -nerner Zuruffung biß ins Parlaments - Haus begleitet / allwo Er nebſt Blamne - nil von dem gantzen Collegio bewill - kommet / und von dar mit ſo groſſen Freudens-Bezeugungen nach Hauſe gefuͤhret wird / als wenn in der Losge - bung des Brouſſels ein iedweder dieſen Tag einen herrlichen Sieg erhalten; Siehe / es ſtimmen alle Politiſche Leh - ren einhellig zuſammen / daß die Autori - taͤt ſey die Seele einer Monarchie / daß Sie einem Monarchen eben dieſes ſey / was der Sonnen das Licht / und wie dieſes ſchoͤne Geſtirne nichts wuͤrde ge - achtet werden / wenn nicht deſſen Strah - len unſere Augen erleuchteten / eben ſo wenig wird auff einen Fuͤrſten / wann er dieſen Glantz verlohren / gegeben wer - den / Er wuͤrde ſeyn / wie ein Schiffmañ / der ſeinẽ Steur / wie einer der das Joch / dadurch die Unterthanen in Gehorſam gehalten werden / eingebuͤſſet: wie ein Artzt vor allen Dingen ſeines Krancken Hertze zuſtaͤrcken ſich bemuͤhet / alſo ein Miniſter ſeines Herren autoritaͤt; Nun war dieſe erzwungene Loßgebungderder Gefangenen une playe, wie der Frantzoſe ſelbſt redet / mortelle à l au - toritè du Prince, & un triomphe que l on preparoit aux peuples ſur la di - gnitè ſouveraine, ein toͤdlicher Streich Fuͤrſtl. autoritaͤt / ein Triumf / welcher dadurch allen Voͤlckern uͤber die hoͤch - ſten Wuͤrden / zubereitet wurde; Fu poſto il Reo in liberta, Reo, ſagt der verſtaͤndige Biſaccioni, che tanto piu meritava il gaſtigo, e la morte ſecon - de le regole di Stato, quanto che non era contrada, che non haveſſe uno e piu ritratti di coſtui eſpoſti in publi - co, non deve il Monarca tollerar che viva, chitanta aura di adoratione ha nel popolo, perche ſi argomenta ſul limitare di occupar la tirannide, ein Verbrecher wird in Freyheit geſetzet / ein Verbrecher ſo nach den Staats-Regeln deſto mehr die Straffe und den Tod ver - diente / ie mehr daß keine Straſſe war / wo nicht deſſen ein und mehr Bildnuͤſſe herausgegangen waren / kein Monarch aber den ſol leben laſſen / welcher ſolche Verehrung bey dem Volcke hat / dar -ausaus man ſchluͤſſen koͤnne / daß wohl gar eine Regiments-Raubung erfolgen koͤnne; Und iſt kein Zweiffel / daß dieſe von Unter - thanen erpreſte Freylaſſung der Politic zu - wider / der Ruhe des Reiches ſchaͤdlich / und der Koͤnigl. Majeſtaͤt ſchimpfflich geweſen / wann man aber mit unverwanten Augen die damahlige Reichs-Bewandnuͤſſe / die Mi - nute / da man ſich reſolviren muͤſſen / das inſtehende Ubel / das entſtehende Unheil / wo man dem ungeſtuͤmen / ja raſendem Poͤfel nicht willfahren wollen / anblicket / ſo ſiehet man nicht / was vor eine beſſere Partie die Prudenz ergreiffen / wie ſie ſich ſelbſt hint - anſetzende / nichts heilſamers an die Hand geben koͤnnen / das Volck zubeguͤtigen / und das Reich / ſo viel moͤglich / in Ruhe zubrin - gen und zuerhalten / als was / es ſey ſonſten gantz ungegruͤndet und ſo ungereimt / als es wolle / (mit einem Worte) Ratio Status aufferleget / worinnen / wo man eigenſinnig geweſen / und dererjenigen / welche ſchnur - ſtracks in Beobachtung der autoritaͤt ver - harten wollen / ſich verlauten laſſende / qu il auroit mieux valu mener le Roy à S. Germain, y attendre toute ſorte d eve -evenemens que de proſtituer la dig - nitè Royalle aux caprices d une mul - titude, daß es beſſer geweſen den Koͤnig nach S. Germain zu ſalviren / und allda alles euſerſte zu erwarten / als die Koͤnigl. Wuͤrde einer unbeſonnenen auffſetzigen Maͤnge hinzugeben / Urtheilen nachgehen wollen / duͤrffte vielleicht Pariß ein Trau - ergeruͤſte der groͤſten Jrrthuͤmer und ſchrecklichſten Poͤfel-Furie abgegeben haben: Scilicet timeri poterant gra - viora, ſi decipi abnuiſſet.

Es kan dißfalls die Gelindigkeit der Koͤnigin oder des Mazarins nicht mit Biſaccioni und Siri angeklaget werden / dann gewiß / wo Mazarin ſich einer Strenge gebrauchet / wuͤr - de er in die Donnerſchlaͤge / denen er all - zeit gluͤcklich entgangen / gerennet / nnd wo der Koͤnig ſich ſeiner gar zu hefftig angenommen / das Reich in die ſeltzam - ſten Zerruttungen zu der Zeit / da Engel - land ohne diß boͤſe Exempel gabe / verſe - tzet haben / zumahlen Mazarini wie ſanfft er mit Franckreich umgegangen / gnung - ſamen Verfolgungen / bloß weil er einAuß -Außlaͤndiſcher / unterworffen geweſen; Man kan leicht erachten / wie der Muth dem Parlament / dem Volcke gewach - ſen / von dem Tage an / als ſie den Hoff uͤbermeiſtert / und ihre Vielguͤltigkeit auß deſſen Ohnmacht unwiedertreiblich ar - gumentiret / alſo daß ſie nunmehro ein - muͤthig auff des Mazarins Untergang ihr Thun und trachten richteten / darzu dann allerhand Begebnuͤſſe geholffen / inſonderheit / daß der Duc de Beaufort auß dem Gefaͤngnuͤß entronnen / hinge - gen Chavigni, weil er ſich zu dem Prin - tzen von Conde wieder den Mazarin ſchlagen wollen / anſtat deſſen eingezo - gen / und nach Chaſteau de Vincennes, deſſen Gouverneur er war / ſelbſt gefuͤh - ret wurde / wordurch die Gemeine gele - genheit bekommen / auff des Cardinals Undanckbarkeit zuſchmaͤhen / und das Parlament dieſes verfahren mit den heß - lichſten Farben abzumahlen / der Coad - juteur ſchlug ſich zu des Parlaments Seite / welches ſich offentlich wieder den Cardinal erklaͤret / und zu ihren Bey - ſtaͤnden den Duc d Orleans, Princenvonvon Conde, ſo nicht langes erſt aus Niederland kommen / und Conty or - dentlicher Weiſe erſuchen laͤſſet. Der Hoff hatte ſich bey derogleichen auffzie - henden Wolcken nach Ruel gemacht / allwo der Cardinal nach empfangenem Bericht in tauſenderley Sorgen verthei - let wird / in dem er ſiehet / daß er ſich in die Haͤnde des Mr. le Prince werffen muß / und ſein uͤbermaͤßiges Gluͤcke zu ſeiner Stuͤtze gebrauchen ſol. Um dieſelbe Zeit war der Printz von Conde von allem Volcke mit Ver - wunderungs-Augen angeſehen / weil er nicht allein von dem durch ſeine Tapfferkeit erhaltenen Siege einen herrlichen Strahl der Glorie empfan - gen / ſondern auch kein Theil an inſtehen - den troublen hatte / und von beyden Theilen als Veſchuͤtzer oder zum wenig - ſten als Schiedsmann gehoffet wurde. Es ſchiene / als wenn das Gluͤcke ihn ein - geladen / die aller Ehrſuͤchtigſten Gedan - cken zu faſſen / weil des Hofes Niedrig - keit und die gemeine Verwunderung zu ſeiner Erhoͤhung zuſammen traten / ſo erSderder Gelegenheit ſich wol bedienet haͤtte. Der Hoff ſahe / daß bey ihrer Abweſenheit die Fronde in dem Punct des Cardinals Ver - terbens immermehr zunahme / und weil das Volck uͤber des Koͤnigs Entfernung immer verbitterter wurde / machte er ſich wiederum nach Pariß / Mazarin aber / nachdem faſt alle Gebluͤths-Printzen / von ihm abgeſetzet / und bey nahe der Duc d Orleans, bemuͤhet ſich dieſen und den Princ von Conde, de - rer Einigkeit am kraͤfftigſten allen Feinden entgegen geſetzt werden kondte / auf alle Wei - ſe verbunden zuhalten / erachtet inſonderheit des Princen Kriegriſche und bey damahli - ger Jugend aller an ſich haltung unfaͤhige Natur darzu dienlich / zumahlen der Ruhm ſeiner Tapfferkeit / der Glantz ſeines Sieges / und der Armee Succurs ein Schrecken ein - jagen konte; Die Koͤnigin brauchte die al - lerbeweglichſten Beredungen / Thraͤnen / die zaͤrtlichſten Redens-Arten / ſie nente ihn ih - ren dritten Sohn / der Cardinal verſpricht die Zeit ſeines Lebens ihm ergeben zuſeyn / der Koͤnig ſelbſt umarmet ihn / und befiehlet ihm die Wolfarth des Reichs und ſeiner Perſon; Der Mareſchall Grammont undTel -Tellier ſetzen dieſen zweyen Printzen auffs hefftigſte zu / vornehmlich dem Princen von Condè, welcher von Natur volleꝛ Flammen war nebſt dem Duc d Orleans ins Parla - ment gehet / und ſo bald der Viole den Hei - ligen Geiſt anruffet / die Princen uͤber des Cardinals verhalten zuerleuchten / ſtehet Mr. le Prince auff / heiſt ihn ſtilleſchweigen / dar - uͤber die juͤngern Rathsmanne murmeln / er aber immer erhitzter ſchreyet / draͤuet mit Hand und Worten; Von nun an verlieret der Princ die durch ſo viel erhaltene Siege und der Cronen geleiſte Dienſte erworbene Gewogenheit / das Anſehen wird zur Furcht / die Liebe zum Haß / wil nicht ſagen / Verflu - chungen wieder ſeine Perſon / er traͤget Be - lieben zu den gewaltſamſten Entſchluͤſſun - gen / und macht ſich zum Stiffter und Werck - zeug allen Ubels / daß der Hoff entweicht / das Parlament auff ihn verbittert / und der Car - dinal zum Feinde erklaͤret wird. So wahr iſt es / daß die groſſen Gemuͤther groſſe Tu - genden hervor brmgen / aber auch groſſe Feh - ler / ihr Feuer iſt nicht ohne Rauch / die Ga - ben / ſo das Gluͤcke in des Mr. le Prince Ge - muͤthe zuſammen getragen / hatten der je -S ijmalnmaln vortrefflichſten Leute Ruhm uͤber - troffen / ſo die Froͤmmigkeit / Gerechtig - keit und Klugheit gegleichet der hoͤchſten Tapfferkeit dieſer unglaublichen Be - ſtaͤndigkeit im Ungluͤck / und den ſchoͤnen Flammen / ſo in ihm hervorbrachen: Er wuͤrde angebetet worden ſeyn / wenn er mit einiger Selbſtregirung oder Zuruͤck - haltung gar zu muthiger Begierden vor - genommen / was er mit wilder Ungeſtuͤ - migkeit erzwingen wollen: Mazarin hingegen verbergte / buͤgte und ſchmiegte ſich vor denen bloß auff ihn loßgehenden Ungewitter / er durffte nicht dran den - cken / was anſtaͤndig oder thulich ſein moͤchte / er befande daß bey ſolcher deſpe - raten Beſchaffenheit durch waſerley Rath / Huͤlffe und Mitteler nichts ſchaf - fen kondte / ſondern muſte nur bedacht ſeyn / wie der Koͤnig / das Reich / Er ſelbſt nicht in groͤſſere Gefahr ſincken moͤchte / indeſſen zoge er aus dieſen Ungluͤcks-Fuͤ - gungen dieſen Nutzen / daß er den jenigen bey dem Volcke unverſoͤhnlich verhaſt machte / und endlich ſtuͤrtzte / vor dem er ſich am meiſten furchte. Der tapffere a -berber unbedachtſame Prinz greiffet Paris mit ſtuͤrmender Hand auff allen Seiten an / ſo gluͤcklich / daß ungeachtet die mei - ſten Fuͤrſten in Franckreich ſich ihrer an - genommen / und Mazarin faſt auff die Gedancken geraͤth / Franckreich zuver - laſſen / wenn der Prinz von Condè da - maln bey fluchen nicht verſichert / er wol - te nicht leben / er wolte ihn denn uͤber ſei - ne Feinde triumfirende nach Paris wie - derbringen: Bringet es auch in War - heit ſo weit / daß die bedraͤngte Stadt mit dem Hoffe außgeſoͤhnet zu werden inni - ges Verlangen traͤget / welches anders nicht geſchiehet / als daß der Cardinal Mazarin bleiben / und der wieder ihn / und außlaͤndiſche Miniſtres ertheilte Ar - reſt wiederruffen werden ſolte. Mazarin traute dem Landfrieden nicht / und wolte nicht ſo bald die Koͤnigl. Majeſtaͤt in die freveln Haͤnde eines leichtſinnigen Voͤl - ckels / deſſen Brunſt noch nicht gaͤntzlich außgebrodmet ſein moͤchte / uͤberliefern / ſondern erhube ſich nach Compiegne unter dem Vorwand zukuͤnfftigem Feld - zug / auff den Graͤntzen noͤthige AnſtaltS iijzuma -zumachen: Jndeſſen gehet Mr. le Prince nacher Paris, und weiſet ſich allein auff der Caroſſe durch die Gaſſen / allwo er mehr Furcht als Freude erwecket / die meiſten vom Parlament und die vornehmſten von der Fronde beſuchen ihn wehrenden 6. Tagen / darnach er zu Hoffe wiederkommt / und des Cardinals Vergnuͤgung / daß er ihm den Weg bereitet / aus Verargwohnung ſeines geringſten Thuns maͤßig findet. Der Printz vermeinte gegen den Mazarin ſich ſo wol verdient zuhaben / daß weder Mazarin, noch die Koͤnigin die Verdinſte belohnen / oder gnungſam davor danckbar ſein kondten / deſ - ſentwegen er ſich durch ungeheure Einbil - dungen unertraͤglich machte / ſo gar daß Ma - zarin eines ſo hochgeſinnetẽ und ſeiner ſelbſt nicht maͤchtigen Mitbuhlers gerne loß wor - den / zu dem Ende er ihm das Commando in Flandern angetragen / welches aber der Prinz nachdem er ſchon einmahl die Cabi - nets-Suͤßigkeit geſchmecket / abgeſchlagen / zn Compiegne kondte er ſich nicht halten / mit dem Prinzen von Conti, Duc de Ne - mours, Candale und Mareſchal de Tu - renne ſtaͤts zuſammen zukommen / und inderobero Geſellſchafft des Cardinals veraͤchtlich und ſpoͤttlich zugedencken / wegen des bereits von den trublen unterbauten Anſchlages / ſeine Baſe mit dem Duc de Mercur zuver - maͤhlen / ſo er nimmermehr zugeben wuͤrde / wie er dann dem Mazarin mit duͤrren Wor - ten ſagen laſſen / qu il ne pouvoit eſtre de ſes amis, ſ il penſoit à ce mariage, Er kondte nicht ſein Freund ſeyn / wo er auff dieſe Heyrath Gedancken haͤtte. Den Car - dinal ſchmertzte in der Seelen / daß der Welt eine ſo Sclaviſche Ergebenheitſolte kundbar werden / daß des Prinzen Wille ſolte die Richtſchnur ſeyn / darnach ſein Auffnehmen ſolte gerichtet werden / nach dem zumahlen dieſe Vermaͤhlung die Koͤnigin / ja der Duc d Orleans bewilliget / nach Rom und an alle Fuͤrſten in Jtalien davon Bericht gege - ben worden: Jedoch kondte er ohne ſchreck - liche Verwirrung nichts vollziehen / noch wie er im Sinne hatte / gegen den Prinz eyfern / ſondern ſuivant le genie de la nation qui domine beaucoup en luy, wie der Frantzoſe redet / il attendoit le benefice du temps, erwartete der Zeit. Wie aber die Verbitterung gegen den Mazarin zu Pa -S iiijrisris nicht auß dem Grunde gehoben / alſo finge ſie an von neuen auffzuglimmen / daß der Cardinal die Wiederkunfft des Koͤniges nach Pariß verzoͤgerte / alſo daß er ſelbte / wie groſſe Abſcheu er davor getragen / nicht ferner auffziehen kondte / darzu er uͤber diß von den Princen und andern hochwichtigen Urſachen gedrun - gen wurde. Wie ſolte aber Mazarin nach Paris kommen / durch die Fronde, welche einen Wurff nach dem andern auff ihn zugethan / und nicht von einem kleinen David / ſondern den Groͤſten des Reiches gehandelt wurde? Wie er denn darinnen Meiſter war / che l interno non ſi poteſſe argomentare d interno non ſi poteſſe argomentare d alcuna linea, o colore nella faccia dimo - ſtrandoſi eſteriormente aliena da quello, che ſi deſiderava, daß das in - wendige man nicht aus einiger Linie oder Farbe des Geſichtes ſpuͤren koͤnnen / wel - che ſich von außen gantz anders ſtellete / als das Verlangẽ war. Tourna toutes ſes penſees, er drehet alle Gedancken / alle biß anhero von dem Printzen Condegegengegen die Fronde außgeuͤbte Gewalt - ſamkeiten um / und verſuchte dero Hau - pter mit Belohnungen auff die Seite zu - bringen; Des Printzen de Condy, und Duc de Longueville ſich zuverſichern / verband er den Printz Marcillac durch Verſprechen ſolcher Ehren-Stellen / de - ren die vornehmſten Haͤuſer des Reiches genoſſen / die Hertzogin von Montbaſon, ſo uͤber den Duc de Beaufort alles ver - mochte / thaͤt er groſſe Zuſagen / dem Pre - ſident de Maiſons des Longveil Bru - der verſpricht er die Surintendance, und dem Coadjuteur laͤſt er Hoffnung ma - chen zu einiger Vertraͤgligkeit.

Siehe alle Politici wollen / ein Fuͤrſt ſolle die wiederſpenſtigen Unterthanen / inſonderheit derer Auffwiegler auffs haͤrteſte ſtraffen / nicht in ihrer Boßheit ſteiffen oder ſtaͤrcken Mazarini muß das Wiederſpiel practiciren / und ſeine aͤrg - ſte Feinde mit den glatteſten Worten be - ſaͤnfftigen / mit den herrlichſten Ehren be - friedigen; Es trieb ihn darzu eine un - vermeidliche Noth / daß wo er weißlich handeln wollen / er es anders nicht ma -S vchenchen koͤnnen. Der Koͤnig muſte nach Pa - riß / welches ſchon eyferte uͤber des Koͤniges Abweſenheit / und deſſen Schuld auff den Mazarin worffe / und die Fronde neue Kraͤffte wiederum faſte / Mazarin durffte ſich auff niemand verlaſſen / als auff den Koͤ - nig / ſo ein Kind / und die Koͤnigin / ſo ein Weib ware / der Duc d Orleans truge ge - gen ihm einen verborgenen Groll / der zu ſei - ner Zeit in lichte Loh außgebrochen / der Printz von Conde war in der Schutzhal - tung des Mazarins ſo hochmuͤthig / daß er ſich einbildete / in ſeinen Haͤnden waͤre die Wolfarth des Reiches gelegen / die Koͤnigl. Hoheit beruhte auf ihme / ſo frech / daß er den Mazarin gegen ſich veraͤchtlich hielte / ſo wol offentlich / um ſich bey der Gemeine / de - rer er ſich verhaſt gemacht hatte / wieder ein - zulieben / als bey der Koͤnigin / in ihrem Ge - muͤthe einen Eckel zuerregen / und ſelbigen Platz einzunehmen / den Mazarin mit allge - meiner Beneidigung beſaſſe / bey dem Ein - zuge ruͤhmete der Printz / daß er den Maza - rin wiederum nach Pariß gebracht / und ſag - te zur Koͤnigin / qu il ſ eſtimoit tres heu - reuxid accomplir la parole, qu il luyavoitavoit donneé de ramener Monſieur le Cardinal à Paris, Er ſchaͤtzte ſich ſehr Gluͤckſeelig / das Wort zuerfuͤllen / welches er gegeben / den Cardinal wiederum nach Pa - riß einzufuͤhren / darauff Jhr Majeſt. geant - wortet: Monſieur, ce ſervice que vous avez rendu à l Eſtat eſt ſi grand, que le Roy & moi ſérions des ingrats, ſ il nous arrivoit de l oublier jamais, Mein Herr / der dinſt / welchen ihr dem Sta - at geleiſtet / iſt ſo groß / daß der Koͤnig und ich undanckbar ſein wuͤrden / ſo wir ſolches jemaln vergeſſen. Ein bedienter des Prin - tzen / ſo dieſe Worte gehoͤret / ſol bald darauff zum Printzen geſagt haben / qu il trem - bloit pour luy de la Grandeur de ce ſeryice & qu il craignoit que ce com - pliment ne paſſaſt un jour pour un reproche, daß er zitterte vor der Groͤſſe die - ſer Verdienſte / und fuͤrchtete diß Compli - ment werde einmals ſich verkehren. Mr. le Prince ſol geantwortet haben / Je n en doute point, mais j ay fait ce, que j a - vois promis, ich zweiffele nicht / allein ich habe gethan / was ich verſprochen; Mazarin ſchaͤmte ſich / daß eꝛ nicht ſo wol dem PrincenS vjſoſo gnau verbunden / ſondern offters mit harten Geberden und Worten angefah - ren / und unterworffen ſein ſolte deme / deꝛ ſich ſelbſt nicht maͤßigen konte / der Krieg - riſchen Lebens-Art / quâ primum Mini - ſtrum ſub Legibus ſuis tanquam non ſervum, ſed compede vinctum erga - ſtularium ſibi obnoxium, & ad omnia devinctum haberet, dadurch eꝛ den vor - nehmſten Miniſter unter ſeiner Both - maͤßigkeit nicht als einen Knecht / ſon - dern einen gefeſſelten Sclaven tractirte, furchte ſich zugleich / der Printz ſelbſt moͤchte (maſſen ihme die Vertrauligkeit mit der Fronde verdaͤchtig genungſam wahre /) ſeinen Untergang befoͤrdern helffen: Der Argwohn iſt an ſich ſelbſt ein Unkraut / welches wo es einmal ſich zeuget / nicht bald kan außgerottet wer - den. Dieſes iſt gewiß / daß Mazarin auf alles Reden und Thun des Printzen ge - naueſte Acht gegeben / und dahero ver - urſacht worden / die vornehmſten Ge - bluͤths-Printzen Conde, Conti und Longveville gefaͤnglich anzuhalten. EinEin vornehmer Frantzoſe ſchreibet da - von / que toutes les regles de la Politi - que oſtoient contre ce deſſein , daß alle Politiſche Regeln wider diß Vorha - ben geweſen / und Prioli, quaſi fabulo - ſum viſum iri, tantum animi in Ma - zarino fuiſſe, ut in civitate diſcordia - rum avidâ, amicis Principum præpo - tentibus facinus auſus ſit tàm perieu - loſæ plenum aleæ, non animo decer - nere, ſed exequi, & quod omnibus tàm cautis tàmque acribus conſiliis proſpexerit, ut nihil inde turbatum; Es ſey wie Jhm wolle / wenn wir alle Umbſtaͤnde / ſo wir zu Vermeidung Weitlaͤufftigkeit nicht beruͤhren / den wachſenden Muth und Unwillen des Condè, welcher auff dem Sprunge ſtan - de der Fronde beyzufallen / und deßjeni - gen Fall / deſſen Stuͤrtzung er bißhero ſo hitzig gehemmet / itzo eben ſo eyfrig zube - foͤrdern / daß einer dem andern vorkom - men muͤſſen / und Mazarin es nicht an - ders machen koͤnnen / ſo wird auch dieſes von auſſen ungereimt ſeyendes in dem Punct bey dem Mazarin kluͤglich gethan /S vijErEr machet darzu eine ſo wunderſchlauhe Anſtalt / daß der Printz von Condè nicht allein geglaubet die Vorbereitung / die man machte / ihn ſelbſt in Hafft zuneh - men / ſey auff die Fronders angeſehen / er Printz von Condè ſelbſt giebet in dem Augenblick Ordre umb ſich ſelbſt deſto ſi - cherer in Gefaͤngnuͤß zubringẽ / und auch dieſe wuꝛde mit eineꝛ ſo allgemeinẽ Veꝛ - gnuͤgung des Volckes vollentzogen / daß die Hertzogin von Longveville, als ſich ſie heimlich in ein ſchlechtes Haus geret - tet / umb ſich mit aller Nothwendigkeit auff die Flucht zuſchicken / Freuden - Feuer brennen ſiehet / und andere Zei - chen gemeinen Frolockens uͤber die Hafft ihrer Bruͤder und Gemahles der Hoff ſchiene durch Verſohnung der Fron - deurs der Fuͤrſtẽ gefaͤngliche Einziehung in ſtoltzer Ruhe ohne Widerſacher / ohne Zerruͤttung / ohne Gefahr / aber in einem Augenblick wendet ſich das Blat / nach kurtzem Sonnenſchein ziehen von Hagel und Donner ſchwangere truͤbe Wolckẽ auff / wie geſchwinde endert ſich die Ho - fe-Lufft? Der Fuͤrſten Gemahliñe greif -fenfen zu Waffen / werden aber bald von Mazarin erleget / begegnen dem Melle - ray, welcher ſie durch Beredung oder Gewalt nach Hofe fuͤhret: Sie kommen nach Hofe / bitten den Mazarin beweg - lich umb die Freyheit ihrer Printzen / wie hochlich ſie ihm verbunden ſeyn wuͤrden / weiln ſie wuͤſten / daß er nicht mit Macht gezwungen / ſie erlieſſe / daß es ihm ruͤhm - lich genung / wenn gantz Europa ſehe / daß er die Printzen nach ſeinem belieben erheben und erniedrigen koͤnte / und fals er nicht wuͤrde darein willigen / wuͤrden andere ſich bedient zumachen Gelegen - heit ergreiffen; Mazarin kan die Frey - laſſung der Printzen nicht ſo bald ent - ſchluͤſſen / wohl wiſſende / daß ſo empfind - lich beleidigte Gemuͤther den Schmertzen nicht ſo bald verwinden / ſondern laͤſſet ſie umb mehrer Sicherheit halben nach Havre de Grace abfuͤhren / darauff des Printzen zugethane mit der Fronde ver - nehmen treffen / den Coadjuteur an ſich ziehen / welcher den Duc d Orleans wie - der den Cardinal auffhetzet / als wenn er ſolte geſagt haben / daß er an PrintzenGefaͤng -Gefaͤngnuͤß gantz unſchuldig / ſondern der Duc d Orleans dazu geholffen haͤt - te / weſſentwegen der Duc d Orleans mit dem Cardinal die geringſte Gelegen - heit nimt / ſich zuzweyen / da ſie heftig mit einander ſtrauſſen / und der Duc d Orleans nach hartem Wort-Wechſel gegen die Koͤnigin heraußfaͤhret: Mada - ma io piu non tornaro à Palazzo in ſino a tanto, che vi ſervirete del Car - dinale, meine Frau / ich komme nicht mehr zu Hofe / ſo lange ihr euch des Car - dinals bedienet: mit dieſen Worten ge - het er fort / befiehlet alſobald den Mare - ſchallen Villeroy und Pleſſi, weil er be - forchte / Mazarin moͤchte / wie vormahls den Koͤnig mitfuͤhren / den Koͤnig nicht aus Paris zu laſſen. Der Duc d Orle - ans verbindet Sich mit dem Parlament und der Fronde wider den Mazarin, und numehro wolte es nicht an der Printzen Loßgebung genung ſeyn / man wolte den Mazarin aus dem wege geraͤumt haben. Der Chaſteauneu Siegel-Verwah - rer / der Marſchall Villeroy, faſt das gantze Koͤnigliche Haus / ein theil der be -ſtenſten vertrauteſten Freunde ſetzen von Mazarini ab / die Buͤrger ergreiffen die Waffen / die Koͤnigin / che ben vedeva la neceſſità di reſtare priva di coſi buon miniſtro, e confidente Atlante dell autorita del figlio, welche wohl ſa - he / daß ſie eines ſo guten Rathgebers und vertrauten Ruͤckenhalters Koͤnigl. autoritaͤt beraubt ſeyn muſte / muß von Jhrem Mazarin nicht mehr wohl re - den / und die vormahln unablaͤßige Ge - wogenheit erkalten laſſen / il voler ſoſte - nere un muro cadente non è altro, che un certo romperſi le braccia, on - de in certi caſi non dico il correre con gli altri, il ſottrarſie laſſciar corre - re è da Savio, eine fallende Wand wie - derhalten wollen / iſt nichts anders als die Armen brechen / dahero in gewiſſen Faͤllen weißlich gethan iſt / nicht lauffen mit andern / ſondern ſich entziehen und lauffen laſſen. Der allenthalben ver - laſſene Mazarini muſte nur fort / gehet aber nach Havre de Grace, umb ſelbſt die Ehre der Printzen Befreyung auff allen fall wegzunehmen: Jndeſſen wur -dede der Auffſtand zu Pariß immer groͤſ - ſer / das Parlament hielt hefftig an / das Volck bewachte den Koͤnig / und als die Koͤnigin ſahe / daß das uͤbel immer aͤrger werden wolte / zumaln ſie nicht wuſte / ob Mazarin die Printzen loß laſſen oder mit ſich nehmen wuͤrde / verſpricht Sie dem Parlament die ungeſaͤumte Erlaſſung / ſchicket auch den Duc de la Rochefau - cault, Urilliere, und Cominges mit aus - druͤcklichen Vefehl / die Printzen auf frey - en Fuß zuſtellen. Hievon bekam Maza - rin zeitige Nachricht / eilet zu den Prin - tzen / entſchuldiget ſich / und erzehlet die Urſachen / warumb er Sie einziehen laſ - ſen / begehret ihre Freundſchafft / nicht minder ſagt er ihnen frey unter die Au - gen / Sie moͤchten thun / was ſie wolten / und gehen / wohin ſie wolten / ſie ſpeiſen mit einander / trincken untereinander ih - re Geſundheit / und die Printzen machen ſich fort / ehe die abgeordneten vom Par - lament ankommen koͤnnen. Wir mer - cken nur aufs kurtzeſte / was unſerm Zwecke vortraͤglich; Es ſey eine Poli - tiſche Regel / die Groſſen eines Reichesſollenſollen entweder nicht gefangē / oder nicht loßgelaſſen werden / ſollang einige Unge - legenheit von ihnen beſorget wird. Hier werden diejenigen loß / ſo unfehlbar ver - mittelſt des ſchwuͤrigen und ihrentwe - gen in Waffen begriffenen Volckes den Staat verwirren wuͤrden; Ein Fuͤrſt ſol ſeine autoritaͤt ſich hoͤchſt angelegen ſeyn laſſen; Nun ware dasjenige / wel - ches Unterthanen mit Ungeſtuͤm / gewaf - neter Hand forderten / einzugehen / ſchnurſtracks der Koͤnigl. Majeſtaͤt zu - wider / zumahlen die von Rachgier bren - nenden Printzen / wenn ſie ſehen wuͤrden / daß ſich das Volck ihrer angenommen / ſich deſto mehr erheben / und die Koͤnigl. Gewalt unterdruͤcken wuͤrden. Mazarin wehrte ſich ſo lange er konte / dennoch muſte er ſuͤndigen wider den Staat / wi - der die Koͤnigl. Hoheit und ſeine eigene Erhaltung / Er weichet der Noth / der Zeit / und dem leichtſinnigen Poͤfel / und indem Er dieſes thut / erhaͤlt er ſich / er - muͤdet das Volck / und verklaͤret den Glantz / welcher einige Verdunckelung erlitten / er giebet ſich nicht in die Flucht /ſon -ſondern nach dem Behaͤltnuͤß ſeiner Fein - de / Er weiſet / verweiſet ihre Fehler; wer ſiehet nicht die Großmuͤtigkeit in der Ge - fahr? Er machet aus dem Zwange eine Freywilligkeit / er ſelbſt erzeiget ihnen die Wolthat / umb welche ſich der Hoff / das Parlament, die Fronde euſerſt bemuͤhet; Er aͤffet die Fronde, und ihre abgeord - neten / wenn er ſelbſt verrichtet / deſſen Ehre ſie ihnen in die Wette und biß zum Kampff zueignen wollen / und allbereit die herrlichften Belohnungen erwarte - ten / dannenhero auch Mazarin ſolle ge - ſagt haben / daß auch Midas, welchem al - les zu Golde worden / was er angeruͤh - ret / daruͤber verarmen / oder wenn Con - de Gold regnen konte / ſo wuͤrde er die gehoffte Vergeltung zu leiſten nicht gnugſam ſeyn; alle dieſe Hoffnungen werden vernichtet / es iſt geſchehen was noch geſchehen ſoll / Mazarini thue die - ſes / nicht der Koͤnig / deſſen ausgepre - ſtem Befehl er zuvor kommen / und Ge - legenheit benommen / daß er nicht Wuͤr - ckung hat / er befreyet nicht allein die Printzen / ſondern quittiret das Koͤnig -reich /reich / und alſo vergnuͤget er Franck - reich / welches doch ohn ihn vergnuͤgt nicht ruhen konte / wiewohl leichte zuer - meſſen / wie bitter dem Mazarin deroglei - chen Entſchluͤſſung eingegangen: Es ſchreibet der vornehme Jtaliener / daß als er ſich ein wenig zu Perona wollen auffhalten / und darumb anhielte / ihm die Regirung anbefehlen laſſen / er ſolte ſich aus dem Koͤnigreich machen / derjeni - ge / welcher wenig Augenblicke zuvor ein gantzes Reich commandirte / findet itzo nicht einen Winckel / dahin er ſein Haupt hinlege / welcher kurtz zuvor alles hatte / alles in allem war / wurde / als er von Sedan reiſete / von den Bauren beraubet / daß er den Bolegnan umb ein Pferd anſprechen muͤſſen / biß er ſeinen Auffenthalt nach Coͤln genommen. Jn - deſſen wird zu Pariß dem Mazarin der Proceß gemacht / die Printzen werden mit hoͤchſtem Frolocken empfangen / ſo bald dieſe ankommen / ſpruͤet der erzuͤr - nete Printz de Conde lauter Rache von ſich / wider den Mazarin, verbindet ſich auff eine Zeit mit dem Duc d Orleansundund Parlament dahin / daß Servien, Tel - lier und Lionne fortmuͤſſen / vorgeben - de / che ſe bene il Cardinale era lonta - no del fianco del ad ogni modo ha - veva laíciato nel conſiglio come He - lia nell andare ſul carro di fuoco, il ſuo Spirito doppio anzi triplicato, ch era in Servien, Tellier e Lionne cia ſche duno de quali haveva, il mantello, e ſi poteva dire l Eliſeo del portito Car - dinale, Ob gleich der Cardinal von des Koniges ſeiten weg / ſo habe er in dem Rath / wie Elias auff dem feurigen Wa - gen ſitzende ſeinen Geiſt doppelt / wo nicht dreyfach hinterlaſſen / in dem Servien, Tellier und Lionne, derer jeder den Mantel habe / und genennet werden koͤn - ne der Eliſeus des von hinnen genom - menen Cardinals / oder wie es Prioli giebet / relinquere ſe Spiritus nequio - res. Jn dieſer ſtatt wurde Chavigni auß unablaͤßigem Antrib des Printzen / welcher damaln erhielte / was er begehr - te / und aus Ubermuth nicht wuſte / was er beginnen ſolte / zum Premier Miniſtre angenommen / die Koͤnigin nicht minderbemuͤh -bemuͤhte ſich auff alle weiſe den Printzen mit dem Mazarin zuverſohnen / aber al - les verlohren / der Printz erzeiget ſich - berall widerwertig / ſpaltet ſich bald mit dieſem / bald mit jenem / und kommet mit der Koͤnigin ſo harte zuſammen / daß er aus Spur oder Furcht / er moͤchte wie - derumb in Gefaͤngnuͤß geleget werden / ſich von Hofe wegmacht / und wider den Koͤnig die verderblichſten Anſchlaͤge in Kopff laͤſſet kommen / welche nachdem der Koͤnig muͤndiſch erklaͤret worden / herausbrechen / und den Printz verlei - ten / daß er endlich vor ein Friede-bre - cher und Majeſtaͤt-ſchuldiger offentlich erklaͤret wird. Der numehro muͤndi - ſche Koͤnig vermeinete / daß il commit - tere una ingiuſtitia Politica non era ſtato il piu ſano rimedio per il male, daß eine Politiſche Ungerechtigkeit bege - hen nicht mehr rathſam / ſondern das U - bel anders anzugreiffen / daß die wahre Urſache der Unruh nicht mehr der Ma - zarin, nach deſſen Fortſchaffung die Schwuͤrigkeit ſich nicht mindern / ſon - dern vermehren wolte / daß keine auchunge -ungerechte Gnugthuung dem Printzen genungſam / und es zu Waffen gegriffen ſeyn muſte. Wann nun der Conde nicht mehr den Mazarin, ſondern den Koͤnig ſelbſt von dem rechten Brauche der Cronen herunter bringen wolte / un - ter dem Vorwand des Mazarini Ver - folgung / ſo beſchloß er bey ſich den Ma - zarin wieder zuruffen. So bald des Koͤniges Schluß und des Mazarin Auf - bruch kund worden / erhub ſich gantz Franckreich / ja die beſten vertrauteſten Freunde des Mazarin ſahen ſeine An - kunfft ungerne / weiln ſie wehrender Ab - weſenheit der Koͤnigin Geheimnuͤſſe theil - hafftig gemacht / derer ſie durch ſeine Ge - genwart beraubet wuͤrden: das Parla - ment ſetzte ſich mit aller Macht darwi - der / verboth allen Staͤdten den Mazarin durchzulaſſen / welches ihme zu deſto groͤſſerer Ehre dienen muſte / nicht allein / weiln ihm der Koͤnig den Mareſchal Hocquincourt nebſt dem Kern ſeiner Armee entgegen ſchickte / ſondern auch allenthalben ohn Anſtoß eingelaſſen / gluͤck lich anlanget. Woruͤber das Par -lamentlament erſt recht ergrimmet / Arreſte er - gehen ließ / vermoͤge deſſen 500000. Scu - di auff des Cardinals Kopff geſetzet / und dem jenigen / ſo ihn tod oder lebendig lie - fern wuͤrde / noch einmal ſo viel verſpro - chen wurde / welches Geld auß des Ma - zarins Vermoͤgen / oder falls es nicht zu - reichen moͤchte / auß ſeines Anhanges Guͤttern auffgebracht werden ſolte; Die Bibliothec, welche mehr als 500000. Pfund gekoſtet haben ſol / wurde / damit auch ſein Gedaͤchtnuͤß auffgehoben wer - den moͤchte / ungeachtet er ſie dem gemei - nen Beſten bereits gewidmet / und dem Parlament die Verwahrung auffgetra - gen / Stuͤck weiſe vor 36000. Pfund ver - kaufft / davon Unkoſten auffgegangen 10000. und dem Parlament nicht mehr als 26000. Pfund in die Haͤnde kommen ſein ſollen. Mazarin kam zu Hofe an mit 2000. Pferden / allwo er ſehr wohl empfangen wird / und der Koͤnig ſelbſt aus Verlangen ihn zuſehen / zwey Feld - weges entgegen kom̃et / alſobald wur - den alle wieder den Cardinal ergangene Arreſte vor nichtig erklaͤret / und der je -Tnige /nige / welcher nicht den Koͤnigl. Befehlen gehorſamen wolte vor einen Feind der Cro - nen; Das Parlament hingegen erneuert / und beſtaͤttiget ihre Arreſte wieder den Ma - zarin, der Duc d Orleans nebſt den vor - nehmſten Fuͤrſten lehnen ſich mit gewaffne - ter Hand wieder des Koͤnigs Vorhaben auff / und als ſie mehrentheils den kuͤrtzern ziehen / gehen ſie nach Paris, der Printz von Conde ſelbſt / welcher zuvor Pariß belagert hatte vor den Mazarin, ſchuͤtzet itzo Pariß wieder den Mazarin, das Volck / welches vorhero geruffen / Vive le Roy, & le Maza - rin, ſchreyet ihme zu / Vive les Princes & point di Mazarin, das Volck / welches den Printz als einen Rebellen erkennet hatte; Hier verſchwure man ſich wieder den Ma - zarin eher nicht die Waffen niederzulegen / biß er das Land geraͤumet / mit dem erboth / ſo bald Mazarin weg ſein wuͤrde / ruhig zu ſeyn; Parlament / Fuͤrſten / Poͤfel waren hierinnen eines. Dem Mazarin gienge tief zu Hertzen / daß er als Urſache allen ſolchen Unheils beſchuldiget / oder dem Muthwillen ungehorſamer Unterthanen zum Vorwand werden ſolle / zumahlen er ſelbſt des Lebensnichtnicht ſicher / dannenhero er den Koͤnig und Koͤniginne nochmahlen um Urlaub mit ge - bogenen Knien und folgender Weiſe gebe - ten haben ſol: Sire und Madame, eure Ma - jeſteten haben gnung Ungewitter vor dieſen Jonas außgeſtanden / ſie ſtoſſen mich nun in das Meer / ſie werffen mich von dem Schiffe / welches Sie an den Hafen der Gluͤckſeelig - keit fuͤhren ſol; Der groſſe Wallfiſch Goͤtt - licher Vorſorge wird mich dahin liefern / wohin mich die Allmaͤchtige Hand verord - net hat: Es gebe ſich nicht in Gefahr vor ei - nen Giulio Mazarino der groͤſte Koͤnig und die glorwuͤrdigſte Koͤnigin in der Welt; Jch habe geirret / ich bekenne es / wenn ich gemeinet / daß dieſe Fuͤrſten / welche Sie be - draͤngen / durch Wolthaten wuͤrden erwei - chet werden; Jch hab offters geirret / wenn ich mir eingebildet / daß eine zuverlaͤßige Un - ſchuld eine Stiege ſein wuͤrde / die deman - tene Felſen der verleumbderiſchen Hertzen zuuͤberſteigen; Jch habe noch weit mehr ge - irret / wenn ich geglaubet / daß Eure Maje - ſtaͤten / welche inner dem Horizont des Rei - ches mit Gerechtigkeit und Truppen gewaff - net iſt / dieſe Unheure der WiederſinnigkeitT ijnichtnicht ſo viel wuͤrden zuſchaffen machen / dieſes ſind keiner Verzeihung wuͤrdige Jrrthuͤmer; Eure Majeſtaͤten laſſen zu / daß ich die verdiente Straffe meiner ei - teln Gedancken gelte / welche meinen Fehlern gleichmaͤßige Straffe die Ent - fernung von meinen irrdiſchen Goͤttern ſein wird. Es geniſſen Eure Majeſtaͤten der Stille / welche ich geſtoͤret habe / es ſein 1000. Mazarini nicht werth ihres und ih - res Reiches Friedens; Ew. Majeſt. ô Sire, werden nicht Oerter ermangeln / entweder auſſer Franckreich mich ſicher zuerhalten / oder zu ihren Dinſten mich anzuwenden / ich ſchreibe ihr keinen vor / weiln mein iſt der Gehorſam / ihre die Wahl / und wenn auch aller Bedienung unfaͤhig wehre / ſo ſind die Angelegenhei - ten Franckreichs mir nicht ſo angewach - ſen / daß ich nicht ohne wehthun ſelbter mich gar gerne entreiſſen koͤnne / um mich Ew. Majeſt. vor den allergehorſamſten zuerweiſen. Der Koͤnig ſol ihm einge - brochen ſein mit dieſen Worten: Gehet nicht weiter / ſo ihr nicht wollet meine Ge - rechtigkeit und gegen euch tragende Liebebelei -beleidigen: Wenn ich euch in der Ferne von noͤhten haͤtte / ſo weiß ich / daß ihr euch dahin begeben wuͤrdet / Nun habe ich euch gerne bey mir zum wenigſten / ſo lange biß ich auff dem Arm eurer Klugheit ge - ſtuͤtzet / mich auff dem Stul meiner Vor - fahren befeſtige: Es muͤſſen eure Feinde und mir nicht wolwollende entweder meinem Willen / oder Schwerdte wei - chen / man muß nicht allezeit Finſternuͤß fuͤrchten / wo ſonſt die Sonne ſcheinet / die - ſer Tag wage es vor euch und Mich / wo wir nicht abfallen wollen von dem Ver - trauen / ſo wir zu Gott haben ſollen; Da - maln wolte der Koͤnig den Mazarin nicht von ſich laſſen / ungeachtet er offters dar - um angehalten haben ſolle / biß die unver - meidlichſte Noth ſolches erzwange / und der Haß gegen den Mazarin ſo groß wurde / daß anders die Ruhe in Franck - reich nicht zu hoffen / es muſte Mazarin um denen Wiederſpenſtigen den Vor - wand zu entnehmen / oder der unbaͤndi - gen Fronde die Schleuder außzuwin - den / wiederum fortgeſchafft werden / die Pariſer erbothen ſich / ſie wolten den Koͤ -T iijnignig mit allen Freuden annehmen / aber wo Mazarin mitte kaͤme / wolten ſie ihm thun / wie er verdienet habe. Sie ſteckten ihnen Strohhaͤlme auff den Hut / welches das Zei - chen ihrer Verſchwerung wieder den Ma - zarin war / damit der Duc d Orleans und Princ de Conde ſelbſt vor dem Par - lament auffzogen / deme der Hoſpitales großmuͤthig ſolches verwieſen / Quid ſedi - tionis inſtrumento accinctus venis in ædes Regias? Und als erwehnter Hoſpi - tal einen von einem leichtfertigen Vogel præſentirten Halm mit ſcharffen Worten abſchlaͤget / muß er bey daraus entſtehenden Tumult verkleidet ſich ſalviren; Eine Wit - tib des S. Magrin, welcher Mazarin vor ein Ampt ihres Mannes / darvor ſie 100000. Scudi begehret / nur 50000. geben laſſen / war ſo auff ihn verbittert / daß ſie ſich offent - lich erklaͤrete / ſie wolte den jenigen gern hey - rathen / welcher den Mazarin ermordet hat - te / wenn es nur ein armer ſchlechter Caval - lier waͤre; Mazarin ſahe / daß / er mochte mit Franckreich machen / was er wolte / ihm al - les fehl geſchlagen / daß ihm die kluͤgeſten Anſchlaͤge / er mochte ſie drehen wie oderwohinwohin er wolte / nichts verfangen / er hatte Schaͤrffe verſucht / mit Gewalt die Auffruͤh - riſchen zu daͤmpffen / wiederum con l ac - que delle grazie ſmorzar queſto fuo - co naſcente, diß angehende Feuer mit dem Gnaden-Waſſer außzuleſchen / aber alles vergebens. Allem deme / was der Koͤnig be - gehrte / wiederſtunde das Parlament / bloß weil Mazarin da war / der Koͤnig berieff das Parlament nach Pontoiſe, das Par - lament zu Pariß erklaͤrete ſolches vor un - tuͤchtig und nichtig / und wo der Koͤnig fteif - fer uͤber dem Mazar. gehalten / und Mazar. ſelbſt mit Macht durchdringen wollen / ſo haͤtte gar leichte das Reich in ſeltzame Zer - ruͤttungen / und das ſchwuͤrige Volck in die euſerſte Verzweiffelung gebracht werden duͤrffen. Bey ſolchen Bewandnuͤſſen kond - te kein ander Schluß gemacht / kein ander Mittel gefunden werden / Mazarin muſte fort / wolte man Franckreich in dem Stande erhalten / er muſte als Urſache des Unheils ſelbſt Ende machen / er muſte / welches ihm zu ſelbter Zeit / ſo weh gethan haben wird / von dem Ehrengipffel / dahin er in der ſchoͤnſten Pracht mit liebreichſter BewillkommungT iiijſei -ſeines Schutzhalters neulichſt auffge - ſchwungen / ſich herunter laſſen und ver - bergen / biß das Wetter voruͤber. So un - gereimt es iſt / das Fuͤrſten ſich ſollen Un - terthanen laſſen vorſchreiben / daß ſie das jenige eingehen / was abgetrotzet und er - zwungen wird / ſo weißlich war es da - maln gethan / daß der Koͤnig von dem / woruͤber er ſo lange gehalten / abgelaſſen / welches auch das gantze zu Pontoiſe ver - ſammlete Parlament rathſam befunden / che ſarebbe ſtato la Salute del ſuo Go - verno il colpo ſicuro di troncar tutti li preteſti delli Prencipi & alli Steſſi del Parlamento di Parigi, daß dero Re - girung heilſam ſein wuͤrde ein ſicherer Streich / allen Vorwand den Fuͤrſten und denen vom Pariſiſchen Parlament ſelbſt abzuſchneiden / wenn man thaͤte / was ſie wolten / alsdann wuͤrden ſie die Waffen niederlegen muͤſſen / wo dieſes nicht geſchehe / ſo wuͤrde niemand in Franckreich ſeyn / welcher ſie nicht ver - laſſen / verfluchen und verdammen wuͤr - de: Alſo muſte ſich nur Mazarin aber - mals ſcheiden laſſen von dem Antlitz / in -nerner deſſen Anſchauen er mit lauter Mil - de und Gnade uͤberſchuͤttet worden / er muſte ſeinen Verfolgern das Feldraͤu - men / den ſchoͤnſten Platz / welcher zuer - werben ſo ſchwer / ſelten lange ohne Be - wirthung ſtehet / und auch die aller getreu - eſten hauffenweiſe zu ſeinem Geniß / o - der Beneidung einladet / der Koͤnig war jung / aber muͤndiſch / und in dieſes zar - te Gemuͤtte haͤtte in ſeiner Abweſenheit leichte eines and’n Gemaͤlde abgedruͤcket / des Mazar. außgeleſchet werden koͤnnen. Aber Mazarin muſte ohne zuruͤck - oder vor ſich ſehen fort. Ungeachtet es ihn ſo ſchwer ankommen / ſo ungereimbt ab - ſurde es geweſen / daß ein Souverainer Koͤnig thun ſolte / was Unterthanen mit Macht haben wolten / und darauß ſo viel inconvenientien zubefuͤrchten waren / er muſte aber fort / Franckreich / ſein po - ſto abandonniren, per non altra Ra - gione, che di Stato, non alia ratione, quàm Status, in alleiniger Betrachtung deſſelbten duꝛch einandeꝛ gehenden Eſtats oder Reichs Zuſtandes / der es nicht an - ders dictirte und haben wollen / bloß zuT vBeſtill -Beſtill-und beſaͤnfftigung des ſich wieder ihn verſchwerenden gantzen Koͤnigreiches / mit einem Worte / zu Erhaltung des dama - ligen Koͤniglichen Staats / ja des Koͤnig - reiches / welches ſich einbildete / daß auff des Mazarini ruinirung ſein Wolſtand nnd Beruhigung beruhete / und auſſer des Maza - rins Entweichung aus deſperation in noch ſeltzamere Zerruͤttungen fallen koͤnnen; So bald dieſe Abreiſe lautbar wird / ſchicket das Parlament an den Koͤnig / laͤſt davor danckſagen / und erbitten / der Koͤnig wolle / wie er wolte / zu Beruhigung des Reiches dienende Verordnung machen: Die gantze Stadt / ungeachtet die Princen ſie aufreden die Waffen nicht zu legen / ergiebet ſich / ver - langet / flehet um die Wiederkunfft des Koͤ - niges / und traͤget das Elend des durch in - nerliche Empoͤrungen zerruͤtteten Volckes ſo beweglich vor / daß der Koͤnig ſeinen Ein - zug ſo viel moͤglich beſchleuniget / und mit dem freudigſten Jubel-Geſchrey in den un - certhaͤnigſten Beehrungen empfangen / nicht langes hernach Mazarin mit hoͤchſtem Verlangen erwaꝛtet / und mit den erſinnlich - ſten Freudens-Zeichen angenommen wird.

Die -

Dieſes war nun Mazarin, um deſſen Willen das Volck alles euſerſte außſtehen / Leib und Leben in die Schantze ſetzen / zu deſ - ſen Verſchwerung ſich mit Strohkraͤntzen bezeichnen wollen / welchen das Parlament veꝛuꝛtheilet / banniſiret / Vogelfꝛey gemacht / wieder welchen ſich gantz Franckreich auff - gelehnet / empoͤret / gewaffnet / welcher allent - halben als ein Urſacher alles Unweſens / ein Friedſtoͤrer / und der alleraͤrgſte Ubelthaͤter geſchmaͤhet / verfluchet / vermaledeiet war; Eben dieſer Mazarin wird von dem vorhin feindſeeligſten Volcke / der Fronde, welcher unmoͤglich geweſen / dieſen Coloß niederzu - ſchleudern / mit Verwunderungs-Augen an - geſehen / geehret / und vor den jenigen erken - net / ohn den Franckreich / ſo lang es wieder ihn geſtanden / nicht zur Ruhe kom̃en / ſeiner gleichſam nicht entrathen koͤnnen / indeſſen Wiederkunfft auch die Wolfarth des Rei - ches auffs neue zubluͤhen angefangen / die Jnn-und Außlaͤndiſche Kriege beygeleget / und die in hoͤchſte Armuth geſetzte Leute mit allem Uberfluß beſeeliget worden / er aber / nachdem / je ſeltzamern Zufaͤllen er unter - worffen / je mit ſchwaͤrtzern Wolcken er uͤber -T vjzogenzogen geweſen / deſto herrlicher worden / und eben in quelle emergenze tanto tempeſtoſe, in den ungeſtuͤmeſten Be - gegnuͤſſen gnungſam zuerkennen gege - ben / eſſer ſtato, wie der Graff Galeaz - zo Gvaldi ſchreibet / piu che humano il ſuo ingegno, piu che mirabile la ſua induſtria, e piu che isquiſito il ſuo conſiglio, mentre ridotto il regno ſu l orlo delle proprie ruine in momenti lo ripoſe in poſto piu rigvardevole e piu vantaggioſo facendolo risſorge - re à godere le palmi e gli allori de maggiori triomfi; daß ſein Verſtand geweſen uͤbermenſchlich / der Fleiß mehr als verwunderlich / und der Rathſchluß gar zu ausbundig außerleſen / geſtalten er das auff dem Bort oder Rande des eignen Unterganges gebrachte Reich au - genblicklich in den anſehnlichſten und vortheilhafftigſten Stand wiederum ge - ſetzet und auffgerichtet / daß es aus ſeinem ruin die Palmen und Lorberzweige deſto groͤſſerer Triumfe genoſſen; Nachdem er aus allen uͤber ihn ergangenen Gluͤcks - fuͤgungen und gleichſam Verſchwerun -gengen gewuͤrcket maraviglie & effettiſo - pra l ordine della Natura, Wunder und uͤber den Lauff der Natur ſeiende Thaten / wurde nun mit den ſchoͤneſten aus einer kluͤglichen Verhaltung erfol - genden Fruͤchten geſaͤttiget / und um und um in dieſer zeitlichen (wo ſie alſo genen - net zuwerden verdienet) Gluͤckſeeligkeit gluͤckſeelig; Eben die allenthalben abge - legten Proben einer durchtriebenen und bey allen extraordinair Faͤllen geuͤbten Geſchickligkeit machten es / daß in der be - ruͤhmten Zuſammenkunfft des Koͤniges in Spanien Philippi IV. und itzo regi - renden Koͤniges in Franckreich Ludovi - ci XIV. unweit von Fonterabien hoͤchſt - gedachter Philippus IV. den Mazarin als Stifſtern des ſo ſehnlich verlangten Friedens / und der ehlichen Verbaͤnde - rung mit beyden Cronen in der ſich her - vorthuenden Zwiſtigkeit wegen der Graͤntzen Cerdagna, zum Schiedsmañ und Richter / bey deſſen Außſpruch es beruhen ſolte / erkieſete / daß hoͤchſtgedach - ter Koͤnig Philippus ſolle zu dem Koͤnige in Franckreich geſaget haben / che ſe do -T vijvevaveva in alcuna coſa invidiarlo era un tanto qualificato Miniſtro, daß / ſo er ihn um einigen Dinges wegen beneiden ſolte / wehre es ein qualificirter Diener; Daß der Spaniſche Miniſter Don Lovis d Haro ſich offentlich herauß gelaſſen / che ſe haveſſe conoſciuto Mazarino dieci anni prima, dieci anni prima ſarebbeſi concluſa la pace, havendolo ſperi - mentato tutto il contrario di quello, che li di lui emoli gli lo havevano rappreſcentato, daß ſo er 10. Jahre eher den Mazarin gekennet / 10. Jahre eher Friede haͤtte ſollen gemacht ſeyn / maſſen er alles deſſen / was ſeine Neider ſeinetwegen von ihn gebracht / Wiederſpiel erfahren ha - be / So hoch wurde nunmehro Mazarin von ſeinen Feinden gehalten; Als er wiederum nach Pariß kam / ſchickten alle Parlamenter in gantz Franckreich an ihn / und lieſſen ihme und ſich darob Gluͤck wuͤntſchen / das Pari - ſiſche Parlament verſamlete ſich / und weil derogleichen Complimente ungewoͤhnlich und noch keinem Miniſter wiederfahren / zogen ſie in bedencken / ob man / was andere gethan / auch thun ſolle / beſchloſſen hierauff /daß /daß / weil der Cardinal der Krone Franck - reich eine ſonderbare ungemeine Wolthat erwieſen / alſo koͤnne auch das Parlament dem Cardinal eine ungemeine Ehre bezei - gen / gingen alſo alle die jenigen / nemlich die / ſo ihn kurtz zuvoꝛ als einen Feind / Verꝛaͤther / Urſaͤcher alles Unheils verurtheilet hatten / und ſagem ihm in einer praͤchtigen Pane - gyri hertzinnigſten Danck; Daß alſo die darob empfundene Freude bey dem Maza - rin deſto vollkommener geweſen ſein wird / ie mehrere und grauſamere Veꝛfolgungen und Raſereien annoch in ſeinem Gemuͤthe ge - wallet / nunmero hingelegt / geſtillet / und in lauter tieffeſte devotion verwandelt wor - den; Der Triumf deſto herrlicher / weil er nicht durch Blut / Waffen und Gewaltſam - keit / ſondern durch eine Extraordinaire damaln nicht anders als eine Ergiebigkeit dictirende Prudenz alle Feinde uͤberwun - den / beſchaͤmet / und die Sieges-Zeichen auß lauter ſanfften Oelzweigen geflochten; Der Ehrengrad deſto erlauchter / als dahin er nicht durch Zwang oder Furcht / ſondern Gelindigkeits-Mittel gediegen / deſto ver - wunderlicher außgeſchlagen / daß / je weni -gerger er uͤber autoritaͤt halten muͤſſen / er dennoch deſto mehr geehret / gefuͤrchtet / idolatriret worden / biß erwehnter Ma - zarin, als er zuvor bey ſich regender Sterbligkeit / und uͤberhand nehmenden Leibes Schwachheiten dem Koͤnige / wel - cher aus bruͤnſtiger Liebe mehrerntheils bey des erkranckenden Bette geſeſſen / viel / wie der Prioli ſchreibet / de multi - plici Arte regnandi, dereꝛ Meiſter ſtuͤcke er gnungſam abgeleget / und vielleicht e - ben dieſes geweſen / zu deſſen Exempel er angefuͤhret worden / beygebracht / und ihn darinnen wol unterrichtet haben ſol / ſei - nen mitten in allem Ungluͤck unvergleich - lich gluͤckſeligen Regiments-Lauff ruͤhm - lichen beſchloſſen.

DISCURS X.

ALles dieſes / was von der ſo be - ſchrienen Ratio Status Weſen / Eigenſchafften und Erforde - rungen / biß anhero unterſuchet worden /ſolte /ſolte / wo es moͤglich / etwas an ſich ſelbſt von Natur unordentliches in Ordnung / etwas aller Zucht unfaͤhiges in Diſciplin zubringen / oder in formliche Schran - cken einzuſpannen / in die Enge einer Be - ſchreibung eingezogen werden / wann nicht zumahlen die uͤber ſich geſtiegene Flammen einer Tugend-beflieſſenen Ju - gend ſich ſatſam in Erforſchung eines Dinges / welches vor unaufloͤßlich / ja vor ein Raͤtzel gehalten / vielē zu einem Stei - ne des Anſtoſſes worden / abgeleſchet / man fernere Sorgfalt / wo ſie nicht un - noͤthig / andern uͤberlaſſen / und in Wie - derholung oder ſummirung aller hand hier zu dienlichen Anmerckungen beru - hen wolte / woraus die angefuͤhrte Ratio Status, von was vor Beſchaffenheit ſie ſeyn ſolle / erkennet werden moͤge; da ich denn offters gewuͤnſchet / wenn der in al - len Wiſſenſchafften hochverdiente Baco - nus de Verulamio nicht die Stillſchwei - ge-Kunſt da practiciren wollen / wo er am meiſten reden ſollen und koͤnnen / ge - halten / falls er dieſes / was er in dem Umfang aller Wiſſenſchafften vorge -nom -nommen / auch in der buͤrgerlichen Lehre vollzogen haͤtte / ſonder Zweiffel er nicht weniger mangelhafftes in dem Policey / als in dem Reiche der Natur wuͤrde aus - geſtellet haben; Er befindet ſich ſelbſten darzu faͤhig / daß er davon nicht unerfah - ren oder ohne Frucht reden koͤnne / maſ - ſen er durch langwierige Erfahrenheit durch ſo viel Ehrē-Aempter zu der hoͤch - ſten Cantzler-Wuͤrde ſich geſchwungen / und uͤber dieſes / daß er 18. Jahr ihrer Majeſtaͤt taͤglich beygewohnet / (welches auch ein Klotz zu einem Politico machen koͤnne) lange Zeit auff die Geſchichte ge - wendet / weiln aber er ſelbſten bekennet / daß ihn die Zuneigung mehr zu naturli - chen Dingen geleitet / und die Politiq einen gantzen eigenen Mann erfordere / mag er vielleicht ſelbige lieber uͤbergehen / als etwas unvollkommenes davon mel - den wollen / jedoch damit ein ſo erhabener Stul / nachdem alle Wiſſenſchafften gleichſam in ihre Stellen geſetzet wor - den / nicht ſo gar leer bleiben moͤchte / be - ruͤhret er etliche añoch ungepflegte Thei - le der buͤrgerlichen Lehre / welche nicht zudenden Geheimnuͤſſen eines Reiches gehoͤ - ren / wie er ſelbſt erinnert / ſondern mehr gemeiner Natur ſeyn / woraus leichtlich abzunehmen / daß die Politic in ſich war - hafftig etwas ungemeines auſſerordent - liches verſchloſſen habe / welches auch der abgezweckte Punct geweſen / unſers biß - hero entworffenen / zugleich aber dahin gehenden Vorhabens / daß diß eben das jenige ſey / welches die Jtaliaͤner durch ihre Ragione di Stato bedeuten wollen / nicht gnugſam aber die Tieffe deſſen Weſens erſchoͤpffen / oder in Tag brin - gen koͤnnen; dieſes nun haben wir behal - ten / nicht aus einer laͤcherlichen Woͤr - ter-Verehrung / welche von jenem groſ - ſen Gelehrten der Thorheit jenes Zwer - ges / ſo ſich in eine Marmor-Saͤule ver - liebet / verglichen wird / noch einer ju - ckenden Neuigkeits Gefliſſenheit / ſond’n weil man befunden / daß gleich wie Jta - lien an ſich felbſt eine Gebaͤhrerin der ſinnreichſten Erfindungen / alſo auch dieſe Ragione di Stato die Majeſtaͤt der gantzen Materie gnungſam umbarmet / keine Urſache verhanden / warumb mandurchdurch Abthuung bereits angenommener / und Einſchiebung frembder Worte al - lerhand Verwirrungen einfuͤhren wol - te; Wir reden billich mit dem lauffen - den Alter / und halten es mitder gang - baren Muͤntze / bemuͤhen uns aber der Woͤrter in ſich habenden Verſtandes Dunckelheit / ſo viel moͤglich zuentziefern.

Unter denen ſcharffſinnigſten iſt ge - wiß Ratio Status eines / darinnen eine ſo geheime Cabala verborgen gelegen / daß nebſt andern obig angezogenen Urſachen dahero die Meinungen in ſo viel Theile ſich geſpaltet / worunter dann vornehm - lich zwey dem Nachdrucke der Worte anhangendte ausgebreitet / deren eine ein Staats-Recht / die andere eine Klugheit daraus gemacht / welche beyde wir aber nach genaueſter Uberlegung / weiln in dieſem Geheimnuͤß-vollen Nahmen bey - des eingewickelt / alſo vereiniget / daß in dem ſie einige Gewaltſamkeit mit ſich fuͤhret / und die buͤrgerlichen Geſetze off - ters uͤberſiehet / zwar von der Natur ei - nes Rechtes etwas entlehnet / iedoch am gruͤndlichſten vor eine Klugheit / undAuß -Außgeberin kluger Rathſchlaͤge gleich deꝛ Politiq zu halten ſey: wie dann Ragio - ne in Jtalieniſcher Sprache zwar ein Recht heiſſet / aber auch die Vernunfft / die erleuchte Behaltnuͤß alles menſchlichē Verſtandes / die Schos / die Mutter der Weißheit / die Herrſcherin der Begier - den / die jenige / welche uns zu Menſchen machet / und gleich wie Ratio Status aus dero innerſten Hertzen herſtammet / ja mehr als die gemeine ordentliche Prudenz von der Vernunfft beſeelet zuwerden ſcheinet / alſo hat ſie den Nahmen ſo gar ſelbſt angezogen / da ſie doch nichts min - der / derogleichen Verbaͤnderung unge - achtet / an ſich ſelbſt eine Prudenz unſtrit - tig verbleibet / geſtalt dann der jenigen / welche ſie davorgehalten / Meinung diß - fals allerdings beygepflichtet / und als ein unwidertreiblicher Satz vorangeleget wird / daß Ratio Status ſey eine Klugheit: und zwar zuregiren / welches das letztere Beywort Stato gnungſam an die Hand giebet; Stato heiſſet in ſeiner Sprache ein Reich / Regirung oder Regiment / und hat ſein Herkommen von dem Latei -niſchenniſchen Worte Status, welches den Stand oder Zuſtand bedeutet / und off - ters dem gemeinen Weſen zugeſellet worden / ſo offt deſſen Zuſtand / Be - wandnuͤß und Beſchaffenheit Meldung geſchehen / maſſen dann nicht unbekant ſeyn kan / daß auch in heutiger Jtalieni - ſcher Sprach-Art das Wort Stato in beyderley Verſtand genommen werde / wañ nun Stato in Ragione di Stato zu - ſammen geſetzet oder der Ragione di Stato gewiedmet wird / ſo heiſt es nicht ſchlechter Dinges allein ein Reich oder Regiment / ſondern deſſen gegenwaͤrtigen Zuſtand / Qualitaͤt / Beſchaffenheit / der Punct / dahin ohne ferners Nachden - cken oder Zuruͤckſchauung anderer Po - litiſchen Urſachen das Auge der Ver - nunfft muß gerichtet werden / es ſey nun ſo unordentlich / wie es wolle / zumahln die Ratio Status Krafft und Leben dann erſt empfaͤnget / ie ſeltzamer und irregu - larer der Zuſtand / iemehr ſie auſſer der Verfaſſung / auſſer den geleiſſen der ordentlichen Regirung ſchreitet und alle menſchliche Vernunfft allein bloß zu ſichreiſſet /reiſſet / nulla aliâ Ratione fundata, quàm Status, begeiſtert von der Macht vieler unverhoffter Zufaͤlle / welche uns nicht immer in ſeiner Ordnung laſſen / der Zeiten Behaͤndigkeit / ſo uns nicht einerley ſtaͤts bleiben laͤſſet / und in der Laͤnder ſelbſt eignen von einander unter - ſchiedenen Angelegenheit / welche zuſam - mentretende die Klugheit ſelbſt / oder das jenige / was ſonſten von langer Erfah - rung hero kluͤglich gethan geſprochen / in dieſer Begebenheit entweder auff die ſei - te ſetzet / oder verkehret / oder vertritt.

Jhr Um - oder unterliegendes / oder das πȣ̃ / worum ſie ſchwebet und webet / iſt eine von hoher Gewalt beſeelte Re - gierung oder Gemeine / welche ſie in ei - nem Gange oder geruhigen Stande zu - erhalten embſig bemuͤhet iſt / dannenhero ſie nicht biß unter die Werckſtaͤtte der Handwercker / Cramerbuden und wohl gar ſchimpflichen Gelaͤcher ſol verſtoſſen werden / weil ſie unlaugbar eine Regi - rungs-Klugheit / ein Theil der Politiq, und blos in erlauchten Gemaͤchern geſu - chet werden muß. Wann ſie mitten inihrerihrer Ungebundenheit an die Zeit der Noth gebunden worden / ſo iſt zugleich eingebunden / daß aus dem un - oder aus - ſerordentlichen nicht eine Ordnung aus der Irregularitaͤt nicht etwas regulares gemacht werden ſolle / ſie trit auff und ab / ſie gehet auff und unter / wann die truͤbe Wolckē vorbey / die duͤſtere Nacht abgewichen / ſo verſchwindet ſie in dem Auffgang gemeiner Wolfarth / dero wie - derbrachter Flor zu ihrem Untergange gedeiet / ſie iſt fluͤchtig / unbeſtaͤndig / ſie macht aber beſtaͤndig: Wann ſie alle Kraͤfften anwendet zu waſſerley Erhal - tung eines Staats / ſo wird ſie nicht / ob ſie gleich herrlichen Nutzen nach ſich zie - het / eine intereſſe, eine Bevortheilung oder Eigennutz / umb eine Verbeſſerung / Erweiterung / oder Vergroͤſſerung ſetzet ſie den Staat nicht aus ſeinen Fugen / ſie hauet deſſentwegē nicht uͤber die Schnur / dieſe die Erweiterung anlangende Sorg - falt uͤberlaͤſſet ſie der Politiq, welcher Ampt iſt durch Chriſtloͤbliche und recht - maͤßige Mittel ein Reich in Auffnehmen zubringen. Warumb bey den Athenien -ſernſern die Nacht Eule ein Sinnenbild der Klugheit abgeben muͤſſen / und der Pal - las auff die Sturmhaube geſetzet wor - den / verurſachet nicht wenig Nachden - cken / geſtalten von dieſem abſcheulichen Vogel man nichts ſonderliches finden kan / als daß er des Tages blintzend des Nachts ſich hervor mache / und wenn es am meiſten finſter am ſchaͤrffſten ſehe / wo nicht dadurch ein Theil der Prudenz bedeutet werde / welche zu den unordent - lichſten Zeiten bey anbrechender Mit - ternacht / wo das Vernunffts-Auge ſelbſt blintzen wil / ſich alsdann ereigne / und wann ſie nach der Menſchen Ur - theil die abgeſchmackeſte / die ungereim - teſte / verkehrteſte / dennoch die ſcharff - ſichtigſte Klugheit ſey / weil ſie ohne zu - ruͤck - oder vor ſich ſehen einig und allein auff die verduͤſterte Zufallenheiten / die genaueſte Achtung gebe. Gleicherge - ſtalt iſt unter andern ſeltzamen Gemaͤl - den / dadurch vorzeiten der Prudenz Ei - genſchafften vorgeſtellet worden / auch der Jgel geweſen / davon die Grichen ein nachdencklich Sprichwort gehabt / desUJn -Jnhalts / der Fuchs wiſſe wohl viel / der Jgel eines / aber was groſſes / unum quiddam, ſed magnum, welches die Gelehrten auslegen / daß es nichts an - ders ſey / als die ſchlaueſte ſeiner in acht nehmung und Erhaltung: dann er nicht allein in ſeiner Grube ſich ſo artig zuver - wahren / und nachdem ihm zuwiderſey - enden Winde ſich zuwenden wiſſe / daß ihm keine boͤſe Lufft ſchaden koͤnne / ſon - dern auch ſo bald er herauskommt / und einen Feind merckt / ſich in einen Kleul zuſammen balle / und von ſo viel Sta - cheln ſtarrende da lege / daß der Verfol - ger anſtat eines Raubes nichts als eine dornichte Kugel finde / und wo er ihn an - greifft / nicht ohn Geſchrey zuruͤck wei - chen muͤſſe. Ob aus keiner andern als beſagter Urſache / dieſe unfreundliche Gemachte unter die Schildereyen der Prudenz geſetzet / ſey dahin geſtellet / die - ſes iſt gewiß / daß in der Prudenz ein Stuͤcke verborgen liege / welches blos auff alle Mittel ſinnen muͤſſe / ein Reich / einen Beſchluß ſo vieler unzehlicher Menſchen; einen von ſo vielen Corpernbeſte -beſtehenden Coͤrper zufriſten und auff alle Weiſe zuerhalten / doch alſo / daß auch dieſe Erhaltungs-Begierde nicht wider Gott / ſein Wort / und unſrer Seelen Seligkeit laufſen moͤge. Die Seele iſt ja koſtbarer als der Leib / das himmliſche unvergleichlich herrlicher als die Erde / und alles dieſer Zeit Leiden iſt ja nicht werth der Herrligkeit / die an uns ſol offenbaret werden. Was hilfft alles dieſes zeitliche Wohlergehen ſich in deſſen Genies friſten / das allerbeſte Theil aber in ewige Gefahr oder Ver - terben ſetzen? Alles dieſes / was vor der Welt gluͤckſelig und großgeachtet iſt / lauffet ja endlich hinaus / daß ein Jnn - haber alles deſſen nur bekennen muß / Jo ſon il piu infelice del Mondo, ich bin der ungluͤckſeligſte von der Welt; Eben deſſentwegen / weil unſerer unter han - den ſeyenden Ratio Status ſolche unver - muttete Zufaͤlle faſt eigenthuͤmlich und gewiedmet / welche der menſchlichen Ver - nunfft Gebitten und Graͤntzen ſtecken / iſt umb mehrer Behutſamkeit von der gemißbrauchten Ratio Status gewarnet /U ijundund die warhaffte Gottes-Gelaſſenheit zum Grunde vorangeleget worden; Schicket uns Gott zu die truͤbſeligſte Zei - ten / die unordentlichſtē Begebnuͤſſe / wird all unſer Thun und Trachten krebsgaͤn - gig / werden wir geſetzt in Angſt / da wir weder aus noch ein wiſſen / da unſer Verſtand verfinſtert wird / ſo heben wir unſere Augen auff zu den Bergen / wo uns Huͤlffe herkommt. Tùm nos & no - ſtra, wie der Frantzoͤiſche Abgeſandte Pomponius Bellivreus in ſchwebenden und wider die Mariam Stuardam erge - henden Proceſſe der Eliſabeth vorbits - weiſe einredete / æternæ Dei providen - tiæ permittamus, qui non paſſurus eſt, ut vel minimus pilus de capite no - ſtro pereat, plerumque dum pericu - lum vitatũ volumus, in majores cala - mitates nos induimus: Alsdann / ſag ich / uͤberlaſſen wir uns und das unſrige der ewigen Vorſorge Gottes / ohne deſ - ſen zulaſſen nicht das geringſte Haar von unſerm Haupte fallen kan / gemeiniglich / indem wir eine Gefahr zuvermeiden ge - dencken / ziehen wir uns groͤſſer Ungluͤckauffauff dem Hals. Eben zu dieſer Gottes - Gelaſſenheit iſt die warhaffte Chriſtliche Ratio Status geleitet worden / wenn man von ihr durch und durch prædiciret / daß ſie auff eine gleichſam der Vernunfft o - der Klugheit ſelbſt zuwider ſeyende Ma - nier ſich in alles zugeſchickte ſchicke / daß ſie es muͤſſe gehen laſſen / wie es geht / und mehr in einer Nachgebligkeit / als Wie - derſtande ihr Gewerbe treibet; die Be - gebnuͤſſe ſind verba viſibilia, oder die characteres reales, dadurch uns Gott ſeinen Willen zuerkennen giebet; je hef - tiger / unordentlicher nun dieſe ſind / de - ſto mehr werden wir zu einer conformi - rung unſers mit dem Goͤttlichen Willen gezogen und angehalten; Eben umb die - ſe Extraordinair accidenti iſt Ratio Status alſo geſchaͤfftig / daß ſie ja durch - aus nicht wider Gott und ſein Wort et - was vornehme / ſondern vielmehr den menſchlichen Willen / ſo viel moͤglich / mit dem Goͤttlichen unterwuͤrffig oder gleichſtimmig mache.

Jch wolte numehro wuͤnſchen / der Sachen Kern moͤchte aus den SchalenU iijderder Worte auffgebrochē ſeyn / damit es nicht noͤthig waͤre / eine Beſchreibung von meh - rern Worten / deren jedes eine vielkoͤpffigte Hidra werden koͤnne / auffzuſtellen / dann ungeachtet wir unſern Worten durch aller - hand Auslegungen und Ablehnungen boͤß - licher Deutung wohl gebitten koͤnnen / ſo hilft doch alles nichts / daß / wie das groſſe Licht der Gelehrigkeit redet / die Zauberungen der Worte auff allerhand weiſe nicht verablei - ten / daß ſie nicht dem Verſtande Gewalt thun / und ihren Ungeſtuͤm dahin / woher ſie kommen / wie die Tartarn ihre Pfeile ruͤck - werts ſchieſſen. Die Beſchreibungen ſind offters gefaͤhrlich / die Meiſter in ihrer Kunſt haben nicht damit fortkommen koͤnnen; Un - ter denen von uns angefuͤhrten Lehrern vor - handen ſeyender Materie iſt vielleicht keiner / welcher mit gluͤckſeligern Abgange der Rat. Status unter die Augen gegangen / als der Federico Bonaventura, er trifft faſt al - le ihre Stuͤcke / alle Eigenſchafften / Linea - menten / denen obig ermeldeten maſſen nichts auszuſetzē / ſo bald er aber auff eine Beſchrei - bung faͤllet / dadurch er eines unbeſchreibli - chen Dinges Jnhalt in die Enge ziehen wil /ver -vergehet er ſich in ſo viel zur Sachen un - dienliche Ausſchweiffe / daß er alles deſſen vergiſſet / was er zuvor dem Vorhaben ge - maͤß erinnert hatte. Scipio Amiratus ziehet aus dem Alter Exempel an / welche daß ſie nicht theils zum Zweck gehoͤrig / nicht zu - zweiffeln / allein er kan dennoch nicht Wor - te finden / das ungeregelte gnugſam einzu - zaͤunē / keiner iſt vielleicht / ſo wohl in der Be - ſchreibung als Abhandlung vorgenommener materie ungluͤckſeliger geweſen als Septa - lius, aus deſſen Beſchreibung man nichts mehrers abnehmen kan / ohne daß ſie ſey ei - ne Regierklugheit / in dem gantzen Wercke aber wenig zur Sachen dienliches einge - bracht wird.

Aus bißhero auffgeworffenen und zu an - derwertigen Nachfinnen ausgeſtellten Be - trachtungen koͤnte unſchwer / wo man nach der Schulweiſe reden wolte / eine Beſchrei - bung zuſammen gefaſſet werden / das Ge - nus waͤre die Regirungs Prudenz oder buͤrgerliche Klugheit / Differentia Specifi - ca, welche ſie von der buͤrgerlichen / gemei - nen / ordinairen Regirungs-weiſe ſcheidet / waͤre die Irregularitaͤt / dero Urſachen dieU iiijNoth /Noth / dahero ſie nicht einmahl Neceſſi - toſa benahmet gefunden wird / der Zei - ten Wandel / der Reiche Angelegenheit: das Objectum ſolten ſeyn alle und iede Reiche / Regirungen / Regimenter in in - dividuo; das Subjectum allein Fuͤr - ſten / Regenten / und auffs mildeſte we - gen genaueſter connexitaͤt oder identi - taͤt / die jenigen / welche einer Regirung vor oder an der Hand ſtehen / welches a - ber uͤber die vornehmſten Staats-Mini - ſtros auch auff andre bedienten nicht zu extendiren. Der Zweck waͤre die Er - haltung eines Staats dahin ſie wiede - rum auffhoͤret / wo ſie angefangen ꝛc. Allein ich wolte lieber ſehen / wenn mein Leſer den Jnhalt deſſen / was hin und wie - der ausgeſtreuet worden / ohn einige Be - ſchreibung oder dergleichen wirſamen Wort-ſcrupuloſitaͤten ſamlen wolte / damit nicht einem und dem andern Kuͤ - michſchneider Anlas gegeben werde / die - ſe hochwichtige materie vor dem Ariſto - teliſchen Richterſtul zufordern; die Bemuͤhung iſt ohne diß dahin gerichtet geweſen mit den lebhaffteſten Farben dieinner -innerſten Lineamenten / ſo viel moͤglich / zutreffen / und auff allerhand Weiſe de - rer Beſchaffenheit vorzuſtellen / wo nicht in der Naͤhe / doch perſpectiviſch oder von weitem / alſo das ob ſie gleich auff et - was ungemeinern methode geleitet wuͤrde / ſie dennoch klar genung erblicket werden koͤnte. Wo es aber iſt / daß al - le Kuͤnſte nnd Wiſſenſchafften aus ei - nem Gebluͤte hervorſpruͤſſen / daß ſie ſich gleichſam ſchweſtern / wo ſie alle in einer - ley Fusſtapffen treten / wo unterſchiede - ne Dinge mit einerley ihrer Natur ge - meinen Siegeln bezeichnet werden koͤn - nen (welches die Gelehrten von der Per - ſer Magie gehalten) ſo koͤnte man einen Verſuch thun / ob villeicht in andern Vernunffts-Ubungen etwas deroglei - chen vorgebildetes anzutreffē ſeyn wuͤr - de. Jch weiß nicht ob die Einfluͤſſe der Ratio Status nicht eben dieſes waͤren / was in der Phyſic oder Naturkuͤndigung die Occulta Naturæ Miracula, welche bey dem Dioſcorides heiſſen ἀναιηολό - γητα, h. e. ratione deſtituta, & cauſa - rum cognitione vidua, oder wo wir ei -U vnennen Nahmen aus der Metaphyſic erbor - gen duͤrfften / ſo wolten wir dero Wuͤrckun - gen beneñen Ultimitates Politicas, zuma - len ſie in dem Ende der Politiq anfaͤnget / und gleichſam an der groſſen ausgeſpannten und ſo genanten Rundung des Politiſchen Himmels uͤbernatuͤrlicher Weiſe webet und ſchwebet / ihre bandenloſe Einrathungen moͤchten vielleicht das jenige ſeyn / was in der Logica Paradoxa, oder was in der Grammatic die Anomala, quæ à com - muni Ratione recedunt, oder in der Rhetoric der Tropus, qui vocē à pro - priâ ſignificatione in aliam invertit; Ratio Status gehet uͤber aller Menſchen Gedancken / ſie weichet ab von der gemeinern Politiq, ſie verkehret ſelbe aus der natuͤrli - chen in eine andere figurliche Bedeutung. Jn der Singekunſt haben vornehmlich die Gelehrten iederzeit eine ſonderbare Ver - wandnuͤß in acht genommen. Plato iſt ſo weit gegangen / daß er in den Thonen die Veraͤnderungen der Regimenter ausrechnē wollen / und dieſes zwar ſo unklar / daß alle Erklaͤrungen daruͤber zu Finſternuͤß worden / indeſſen bleibet unlaugbar / das die Politiqundund Regiments-Beſtellung viel Stuͤcke mit einer Muſicaliſchen Harmonie gemein habe. Lo Stato d un Precipe ſaget der Valeriano Caſtiglione, è un canto Muſicale, ſono i grandi le note mag - giori, gl inferiori Magiſtratile mino - ri, i Mercatanti le minime, i plebeji le ſemiminime, Le chiavi, che governa - no il tenore dell Armonia ſono le leg - gi, il Maeſtro che compone il motet - to, è chi governa, è parte del Principe il correggere, chi altera il tuono della civile Armonia; A luiſolo s appartie - ne con regole di Stato mutar il canto e renderlo con arte utilmente diſcor - de e diſſonante; Eines Fuͤrſten Staat iſt ein Muſicaliſcher Geſang / die Groſſen des Landes ſind die gantzen Noten / die unteren Obrigkeiten ſind die halben / die Kauffleute die ſchwartzen / und der Poͤfel die geſchwaͤntz - ten / die Claves, welche die Zuſammenſtim - mung regiren / ſind die Geſetze / der Meiſter / ſo die Motete componiret / iſt der Regent / es kommet den Fuͤrſten zu allda einzuhelffen / wenn der Thon buͤrgerlicher Armonie wil alteriret werden / Jhm allein gehoͤret nachU vjdenden Staats-Regeln den Geſang zuen - dern / und ſelben mit einer ſonderlichen Art heilſamlich diſſonant zumachen. Jſt deme alſo / daß die Politiq von der Mu - ſic ſo gleichfoͤrmige Mahlzeichen in ihrem Coͤrper trage / daß beyde in ihren diſſo - nantien eine lieblich / die ander nuͤtzlich ſey / ſo wuͤrde vielleicht nicht ungereimt fallen / wenn eben dergleichen in der Po - litiſchen Zucht befunden werde / was in der Muſic der contrapunct als der rech - te Zuſammenfluß der widrigſten durch einander lauffenden diſſonantien ſeyn ſol / es ſey nun Simplex, Floridus, Co - loratus; in dem einfachen / wie die Mu - ſic-erfahrne wiſſen / wird blos eine No - te gegen die andere / ein Punct gegen dem andern geſetzt / des Floridi oder bunten Contrapuncts Art iſt / daß er in vier Theile ſich ſchneidet / bald auff / bald nie - derſteiget / doch ſeinen Grund niemahln verlaͤſt / ſondern nach ſelbem ſich aller - dings richtet / daraus eine ſchoͤne Lieblig - keit des Geſanges entſpringet; der colo - rirte oder mannigfalte Contrapunct be - ſtehet aus Entgegenſetzung unterſchie -denerdener Zeichen und Noten / dergeſtalt daß durch unterſchiedne Concordantien / nachdem die Zeichen und Proportiones abgewechſelt werden aus mannigfalti - gen Figuren oder Noten / gleich wie aus unter ſchiedlichen Farben ein kuͤnſtlich Gemaͤlde / alſo hier eine wohlklingende Harmonie gemacht werden. Jn un - ſerm Politiſchen Contrapunct ſtehet ei - ne Begebnuͤß / ein Beginnen / ein Exem - pel / eine Regel / ein Punct dem andern entgegen: Wir finden hier eben ſo wol div erſas concordantias, diſcretas, und diverſorum Signorum Contrapoſitio - nes, welche dennoch / wann ſie nehmlich zu gelegener Zeit in gehoͤrigem Ort an - gewehret werden / in die loͤblichſte Gleich - ſtimmung hinaus lauffen. Die bißhero von unſer Hand geleitete Ratio Status ſteiget bald auff / bald nieder / ſie ſpannet die Seiten bald hoch / bald laͤſſet ſie ſie ſchlaffen gantz ungebunden / durch ein - ander gehende / hart / iedoch auch wohl klingende / indem ſie auff die Harmonie gemeiner Wolfarth bedacht / und den rechten Grund der wahren Gottes furchtU vijnie -niemahlen verlaͤſſet / worauff aller Menſchē Witz und auch eine vernuͤnfftige Rat. Stat. wo wir nicht auff Sand und Wellen bauen wollen / gegruͤndet ſeyn muß / deſſentwegen auch ſelbige / ſie ſey ſo ausgelaſſen / als ſie wolle / zu den Fuͤſſen der Gottſeligkeit in Ket - ten und Banden geleget woꝛden / und annoch unauffhoͤrlich erinnert wird / wie behutſam ein Fuͤrſt und deſſen Raͤthe in den wichtigſtē Vorfallenheiten gehen / wie ſie in Gewiſ - ſens und Seelen-Sachen / ehe es zu dero Beſchmitzung kommen moͤchte / ehe ſie ſich entreiſſen von dem Goͤttlichen Gnaden-ant - litz / lieber alles irrdiſche von ſich ſtoſſen ſollen / wie ſie kein einig Recht oder Spitzfindigkeit zu Begehung einiger Ungerechtigkeit befugt mache / wie ſie bey den widrigſten Conjun - cturen bey den ſchwereſten Laͤufften in ei - nen Orcan aller einherſtuͤrmenden Unge - witter / ehe ſie durch unverantwortliche Mit - tel ſich ſalviren wolten / ihr anliegen auff den HErren werffen / und an ihrem Gotte dem Helffer in dem groͤſten Noͤthen / deſſen Allmacht nirgends helleuchtender als in ſterblicher Ohnmacht / im Gebruch aller menſchlicher Huͤlffe hervorbricht / in unab -laͤßi -laͤßiger Zuverſicht feſte halten / Qui ſe fie autrement, que par la Divine Eſperan - ce, marche ſur la glace d une nuictée, & ſ appuye au baſton de rouzeau: dieſes ſind die ſchoͤnen Worte des Maiſtre Alain Chartre, Caroli VII. Koͤnigs in Franckreich Staats-Secretarii, deſſen wiewohl heßlichen Mund / weil aus ſelbigem (wie der vornehme Frantzoͤiſche Advocat Eſtienne Paſquier hierbey anmercket) ſo viel goldene Spruͤche gefloſſen / die Mar - gherita des damahligen Dauphins / her - nach Koͤniges Ludovici XI. Gemahlin im Vorbeygehen / als er in dem Saal ohnge - fehr entſchlaffen / in Gegenwart vielen Frau - enzimmers mit einem Kuſſe geehret: Wer ſich / ſagt er / anders als durch Goͤttliche Zu - verſicht vertrauet / wandelt auff einem Eyß einer Nacht / und lehnet ſich auff ein Rohr / ach auff ein ſchwaches offt durch die Hand gehendes Rohr.

Mit was vor Gewiſſen koͤnnen aber Chriſtliche Fuͤrſten etwas ungleiches vor - nehmen / wann ſie in ſich gehen / daß GOtt allenthalben gegenwertig / daß er alles ſehe / daß er auch uͤber der Oberen Beginnen hef -tigtig eyfere / daß er Rechenſchafft fordern werde von deme / daruͤber ſie zu Stadt - haltern geſetzet worden / hier wird nichts helffen / kein Titul / kein Unterſcheid der Perſonen / keine Staats-Urſache / man ſchmiede in den geheimeſten Gewoͤlbern die gefaͤhrlichſten Anſchlaͤge / man be - kleide die rauheſten Thaͤtligkeiten mit dem Purpur Fuͤrſtlicher Hoheit / vor dem Majeſtaͤtiſchen Gottes Auge iſt das ver - borgene unverborgen / und gar zu gewiß / daß die Gerechtigkeit alles entdecket / es ſey gut oder boͤſe / darum auch mit lang - ſamen Fuſſe zu deſto haͤrterer unnach - bleibender Heimſuchung fortſchreite.

Der Schluß iſt ja gar zu gewiß und gar zu bewehrt / welchen der Henrico Caterino Davila / wenn er die gantz ſon - derlichen vortrefflichen von ihm unge - mein geruͤhmten qualitaͤten des Henrici III. Koͤniges in Franckreich / deſſen kluͤ - lichſt / untadelhafft und ohne ſeine ſchuld fort geſetzte Regiments-Fuͤhrung / hin - gegen aber den harten und herben Aus - ſchlag uͤberleget / und gegen einander haͤlt aus ſeltzamer Betrachtung heraus ziehetcheche poco giova la peritia del Navi - gante, ſe l aura della Gratia Divina, la quale con Eterna Providenza regge le coſe mortale, non ajuta a condurre nel porto le noſtre operazioni: Daß die Wiſſenſchafft eines Schiffers wenig nutzet / wo die Lufſt der Goͤttlichen Gna - den / welche mit ewiger Vorſorge die ſterbliche Dinge regiret / unſern Handel und Wandel in den Hafen nicht einbrin - gen helfft;

Was iſts / wenn einer die gantze Welt gewinne / und ſchaden liede an ſeiner Seelen? wehre es gleich moͤglich / daß alle Winckel der Erden koͤnten un - ter eines Botmaͤßigkeit gebracht werdē / wo du darzu / wie es faſt nicht anders ge - ſchehen kan / durch verbotene Wege / durch Liſt / Verraͤtherey / Meutereien uñ erſchreckliches Blutvergieſſen dringeſt / was wuͤrde vor eine Gleichheit ſeyn un - ter dem jenigen / was erworben und in die Schantze geſetzt / oder verlohren wer - den duͤrffte. Dieſer groſſe Umbfang Land und Waſſers / darumb wir ſo ſel - tzame Regungen ſehen / iſt ja gegen demſicht -ſichtbaren Himmel nur nicht anders zu - rechnen / als ein Staͤublein Erde gegen der gantzen Erde / und wenn gleich dieſes geraume Revier alle Olimpiſche / Piti - ſche und Jtalteniſche Meilen / welche ihr die Erdbeſchreiber zumeſſen / umbfangen haͤtte / ſo waͤre ſie doch nichts anders / als ein Sonnenſtaͤublein oder Splitter zu - rechnen gegen dem / will nicht ſagen / Em - pireiſchen / deſſen Groͤſſe unbegreifflich / ſondern nur gegen dem achten Himmel / deſſen Sfere 22600. mal groͤſſer als die Erdkugel ſeyn ſoll. Welch eine klaͤg - liche Blindheit waͤre es nun / umb Genies eines bißlein Staub und Erden / wel - ches doch ſo ungewiß / ſo wenig unſer Ei - genthuͤmliches zunennen / auſſer daß ein Theil unſer ſelbſt muß darein verkehret werden / das alleredelſte Theil / deſſen Urſprung him̃liſch / deſſen trachten nicht ſo auffs irrdiſche verpicht ſeyn ſoll / mit Regierſuͤchtigem Vornehmen alſo zube - ſchmitzen / daß eine nach Chriſti Nahmen ſich nennende Seele vor Gott ein Greu - el werde / und vorſetzlichen eine Crone in den Wind ſchlage / dargegen alle dieſeirrdi -irrdiſche auch die praͤchtigſten vor mit Doͤr - nern geflochten zuſchaͤtzen / eine Seeligkeit verſchertzen ſolle / dargegen auch die vollkom - neſten Gluͤckſeeligkeiten vor nichts anders als bittere Gall und Mirrhen zurechnen ſind.

Geſetzt / du herrſcheſt von einem Ende biß zum andern / du ſtreckteſt einen Fuß ge - gen Auffgang / den andern gegen Untergang / du reicheſt mit deinen Armen von Mittag biß Mitternacht / du ſeieſt ein Herr der Welt: Ach wie lange / wenn es auch am laͤngſten wehrete / und du nur gedenckeſt / daß ein Ende ſey daß du davon muſſeſt / wuͤrde auch dieſe Langwierigkeit ein Augenblick zu - rechnen ſeyn gegen jener unendlichen Ewig - keit / die durch die denen ſuͤndlichen Willen gar zu wohl ſchmeckende Regier-Suͤßigkeit koͤndte auſſer Augen geſetzet werden? Und in dieſem Augenblick / wo du deiner Ungebun - denheit am meiſten gebrauchteſt / duͤrffte dein Gewiſſen ungekraͤncket nicht bleiben / die bey - wohnenden Menſchlichen Schwachheiten koͤnten der kleinen Herrligkeit genungſam Wermuth zuſchuͤtten. Die immer mehr und mehr wachſenden Begierden wuͤrdendirdir keine Ruhe laſſen; Der Macedoni - ſche Alexander herrſchete weit und breit / er hatte Laͤnder genung erobert / und dennoch wolte ihm die Welt zu enge wer - den / uͤber ſich ſelbſt ließ er ſeine einige Luͤſte ſo grauſam tyranniſiren / daß er in der Bluͤthe ſeiner Jugend mitten unter den Sieges-Palmen lauter Gefahr muthwillig uͤber ſich zohe / und in das Verterben rennete. Dieſes groſſe Hertz / welches das Verlangen nach mehr / als nach einer Welt / beherbergen konte / wuſte ſich nicht ſo einzuſpannen / daß es bey ſich nicht die Behutſamkeit verliehre: Dieſe Geiſter / welche ſich immer mehr und mehr uͤber die Graͤntzen der Son - nen zu herrſchen außſtreckten / konten ſich nicht erwehren / daß ſie nicht der Furcht huldigen muſten: Dieſe Flam - men / welche die Begierden entzuͤndeten / ſchwaͤchten die Vernunfft um ſie anzu - halten: Diß Gluͤcke / welches ihn lange Zeit beſeliget / machte ihn ſicher: Diß Ge - muͤtte / welches offters jenes gnaͤdig er - funden / bildete ſich ein / es wuͤrde ihm al - lezeit unterworffen und getreu verblei -ben /ben / und wie vielmahlen muſte dieſe an lau - ter Triumfe gewohnte Seele den Kelch der Gefaͤhrligkeiten koſten? Wie bald ihren Durſt von den helliſchen Pech und Schwe - fel Waſſern leſchen? Und in die Oerter ge - langen / von welchen der Jtalieniſche Poet Dantes ſingrt:

Quivi ſi piangono gli ſpietati dan - ni, Quiviè Aleſſandro.

Da werden die grauſamſten Schmertzen und Straffen gewehklaget / da iſt Alexan - der: Selbſt der vornehme Perſianiſche Poet Schich Saadi preiſet ihn in dieſen verdolmetſchten Worten ungluͤckſeelig / An ignoras Alexandrum Magnum magno cum labore tenebras perme - aſſe, nec tamen è fonte vitæ hauſiſſe? Weiſſeſtu nicht / daß der Groſſe Alexander mit groſſer Muͤhe die Finſternuͤſſe durch - wandelt / und dennoch nicht auß dem Brun - nen des Lebens geſchoͤpffet?

Tiberius, welchen die heutigen Welt - linge offt unbedachtſamer Weiſe vor ein Exemplar eines Fuͤrſten anziehen / und in den Tiberianiſchen Kuͤnſten etne Wun -der -der-Politic erforſchen wollen / trachtete Tag und Nacht / wie er die annoch uͤber - bliebene / wenige Autoritet des Roͤ - miſchen Rathes vollends zu nichte / ſich aber zu einem freyen und abſoluten Monarchen machen machen konte / er hatte alle hierinn ihm entgegenſtehende Hindernuͤſſe aus dem Wege geraͤumet / damit er aus dem Graus Roͤmiſcher Freyheit die ungebundneſte Herſcherey auff was weiſe auffuͤhren / er ohne Ein - reden nach gefallen auffs ſicherſte regie - ren moͤchte / indeſſen ſperrte er ſich zuletzt noch bey ſeinem Leben vor Angſt und Furcht und Schrecknuͤß in die Capreen / wo er ſchon in dieſem Leben buͤſſen und genieſſen muſte die Ungebundenheits - Fruͤchte / dadurch und welche zuerlan - gen / er die grauſamſten Mord - und Schandthaten veruͤbet hatte: Er wuſte numehro nicht / was er thun ſolte / die Gewiſſens-Angſt trieb ihn zu deſſen offentlichem Erkaͤntnuͤß / weñ er an dem Rath ſchriebe: was ich euch ſchreiben / oder wie ich ſchreiben / oder was ich gar nicht ſchreiben ſoll / ſo ſtraffen mich dieGotterGoͤtter aͤrger / als ich taͤglich in mir befin - de / wo ich es weiß: Adeò facinora atq́z flagitia ſua ipſi quoq́z in ſupplicium verterant, ſagt Tacitus, ſo gar wurden ihm auch ſeine Thaͤtligkeiten zur Straf - fe: So war iſt es / was Tacitus aus dem Socrate verſichert / ut corpora ver - beribus, ita ſævitia, libidine, malis con - ſultis animos dilacerari, daß wie die Leiber durch Schlaͤge / alſo die Gemuͤ - ter durch Grauſamkeit / Regierſucht / boͤſe Rathſchlaͤge zerfleiſchet wuͤrden: Quippe Tiberium non fortuna, non ſolitudines protegebant, quin tor - menta pectoris, ſuasque ipſe pœnas fateretur, geſtalten den Tiberium nicht die Gluͤckſeligkeit / daß er gefuͤrchtet wur - de / von einem groſſen Theil der Welt / nicht die Einſamkeit / dadurch er ſich in Sicherheit bringen wollen / ſchuͤtzen koͤn - ten / daß er nicht die Hertzens-Fol - tern / und die verdiente Straffen beken - nen muſte. Nicht viel beſſer ergieng es dem Frantzoͤiſchen Monarchen Ludovi - co XI. weil er es auch nicht viel anders gemacht / als Tiberius, es hatte keinervorvor ihm / wie ſein eigner Geſchichtſchrei - ber meldet / die Unterthanen ſo harte ge - druͤcket / in Meinung / che per la baſſez - za de potenti la ſicurta e grandezza ſua lo confermaſſino, damit ich des Franceſco Gvicciardini Worte brau - che / daß einer der Sclaverey der noch etwas vermoͤgenden ſeine Sicherheit und Hoheit beſtetiget wuͤrde / er gedachte die Koͤnigliche Gewalt von den Banden der Parlamenter los / und welche biß da - hero unmuͤndiſch geſchienen / muͤndiſch oder ſeiner ſelbſt maͤchtig zumachen / er hielte / wie er ſol geſagt haben / das Koͤ - nigreich vor eine Wieſen / die er hauen moͤchte / wenn und wie er wolte / indem er aber vermeinte am ſouveraineſten zu - herſchen / und es am hoͤchſten gebracht zu haben / finge ſich die allererbaͤrmlichſte Knechtſchafft bey ihm an / welcher durch gar zu ſtrenges Verfahren gegen ſeine Unterthanen alle furchtſam gemacht / wurde ſelbſt / (man mercke doch die an - noch in dieſem Leben wuͤrckende Goͤttli - chen Gerichte) ſo furchtſam / daß er ſich vor allen Menſchen / vor ſeinem Eydam /Toch -Tochter und Sohne furchte / niemand trau - te / von niemand wolte mehr geſehen werden / welchem ſeine Macht nicht groß genung / kerkerte / ſich zuletzt in ein kleines vermaur - tes wolverwahrtes Loch / Nahmens Pleſſi, und quaͤlete ſich Tag und Nacht mit den Sorgen / daß ihm ſein Reich wuͤrde genom - men werden / welcher mit den greulichſten Gefaͤngnuͤſſen gewuͤttet / und die in Ungna - den gefallene in Gebaure gezwaͤnget / wurde ſelbſt zu einem Gefaͤngnuͤß / worinnen er auffs ſchmaͤlichſte ſich ſelbſt mit Kummer und Sorgen peinigte; Welcher zu Stabili - rung ſeiner Autoritet vielen das Leben ab - gekuͤrtzet / entſetzte ſich davor ſelbſten ſo heff - tig / daß dieſe ſeine Angſt nicht anders als ein langwieriger Todesrang ſein koͤnnen: Er wolte nichts wiſſen / von einem Tage / wo er alles Zeitliche wuͤrde quittiren / uud von dem anvertrauten Rechenſchafft geben ſollen / ſo gar daß er ſeinen um ſich ſeienden Leuten und dem Cominæo ſelbſt befohlen / ſie ſolten / wenn ſie ihn gleich in der letzten Todes-Noth ſehen / des Todes nur nicht gedencken / ungeachtet er ſich von Tag zu Tag abzehrete / ſo kleidete er ſich koͤſtlich an /Xundund machte ſich uͤber Vermoͤgen auff / er ließ einen alten Einſiedler zu ſich kommen / den er fußfaͤllig gebeten / er wolle ihm das Leben verlaͤngern / einem Medico gab er Monat - lich 10000. Ducaten: Als / des Verboths ungeachtet die Geiſtlichen Rathes worden / ihme anzukuͤndigen / daß keine Hoffnung mehr verhanden / und daß er auff einen ſee - ligen Abſchied ſich geſchickt machen ſolle / es wuͤrde nichts anders drauß / ſoll er ſich noch getroͤſtet haben / ich hoffe GOtt wird helffen / und vielleicht bin ich nicht ſo ſchwach / als ihr meinet. Ungluͤckſeelige Fuͤrſten / welche nicht ſein wollen / was ſie ſind / die es ſo ge - macht / daß ſie vor ihrer Auffloͤſung zittern / und beben muͤſſen / fromme Regenten ſind vergnuͤgt / mit dem / was und wie es ihnen ihr Oberherr anvertrauet / ſie wiſſen zwar / daß ſie in ihrer von Gott herſtammenden Wuͤrde Goͤtter heiſſen / wie ſie denn ſich an - gelegen ſein laſſen / dieſen uͤbermenſchlichen Character zuerhalten / ſie gedencken aber auch hierbey an das unzertrenliche Epi - phonema, daß ſie ſterblich ſeyn / ja daß die Nichtigkeit des irrdiſchen Lebens nirgends maͤchtiger als in erlauchten Pallaͤſten wuͤr -cke:cke: Jch will nicht ſagen / wie viel mehrern Gefaͤhrligkeiten als der geringſten Unter - thanen einer Fuͤrſten bey ihrer Hoͤhe bloß ſtehen muͤſſen / wie bald iſts geſchehen / daß alle ihre Herrligkeit / ihre Souverainitet darnieder geleget werden? Daß ein kleines uͤbel befinden ſie ihrer Ohnmacht uͤberzeu - gen kan? Wo ſind wir alsdann / wie ein vornehmer Koͤnig in Dennemarck ſich her - auß lieſſe / die wir Großmaͤchtigſte / Unuͤber - windlichſte genennet werden? Wo iſt nun unſer Macht und Gewalt / da uns ein klein Fieber ſo zerreiſſen und martern kan? Zu derogleichen Erkaͤntnuͤß kame noch auff ſei - nem Siechbette der unlaͤngſt verblichene Lu - dovicus XIII. Koͤnig in Franckreich / weñ er dem Duc d Angouleſme ſeinen von langwieriger Kranckheit abgezehrten Leib gewieſen / beyfuͤgende / che la qualita di non eſſentava alcuno dalle paſſio - ni & accidenti inſeparabili della Con - ditione umana, Daß die qualitet eines Koͤniges einen von den Beſchwerligkeiten und von der Menſchlichen Beſchaffenheit unzertrenlichen Zufaͤllen nicht befreyte / und dem Herren von Liancour ſeine magereX ijab -abgefleiſchte Armen mit den Worten / Memento homo, quia cinis es & in cinerem reverteris; Nicht in der letztern Hinfarth / ſondern in dem hoͤchſten Zei - chen der Gluͤckſeeligkeit / inner den ſprin - genden Brunnen aller Wolluͤſte / unter den Balſaminen der Ergoͤtzligkeiten / ſol das Gedaͤchtnuͤß der Sterbligkeit nicht auſſer Acht gelaſſen werden / inſonderheit bey den wichtigſten Regiments-Angelegenheiten und Rathhaltungen ſol die Menſchliche Schwachheit vor Augen ſtehen / damit das allergelindeſte / das verantwortlichſte er - grieffen / allezeit der Seelen Seeligkeit war - genommen werde / wie wir dann billich mit dem vornehmen alten Juͤdiſchen Lehrer Ben Syra die Seelen Berathung allen an - dern ſchlaueſten und nuͤtzlichſten Raͤthen vorziehen / Sexaginta ſi Conſiliarii tibi fuerint, tamen Conſilium animæ tuæ ne deſeras, welches vielleicht deſto eher ge - ſchehen moͤchte / wenn man der weiſen Rab - binen auch Fuͤrſten angehenden Denck - Spruch in ſeinen Ohren ſtaͤts erſchallen laſſen wolte / welche zuſagen pflegtē / Beden - cke dreyerley / ſo wirſtu nicht in die Haͤndederder Ubertretungen fallen / bedencke / woher du kommen biſt / wohin du kommen wer - deſt / und vor was vor einem Richter du dei - nes Lebens halber werdeſt Rechenſchafft ge - ben muͤſſen: Woher biſtu kommen? Auß einem ſchlammichten tropfflen: Wo faͤh - reſtu hin? Zu einem Orte der Aſchen und der Wuͤrme: Vor wem wirſtu muͤſſen Re - chenſchafft geben? Vor dem Koͤnige aller Koͤnige / welches iſt der Heilige GOtt der Hochgelobte / und zwar die maͤchtigſten Fuͤr - ſten Rei tantæ Felicitatis.

Ach aber was mach ich / ich erinnere deſſen Fuͤrſten / welche wo ſie zuruͤck ſehen / erlauchten Gebluͤttes / wil ſagen / Goͤttlichen Herkommens ſind / maſſen ſie der Goͤttliche Mund ſelbſt Goͤtter heiſſet / wo ſie vor ſich ſehen / auch in dieſer Sterbligkeit den Glo - rioſen Fuͤrſten Nahmen der Nachwelt uͤber - laſſen / ich fuͤhre ihnen zu Gemuͤtte ihre Menſchligkeit / und ſehe nicht vor Augen / daß die jenigen / welche wohl wiſſen / daß ſie auß dem Staube erhoben / und noch bey ih - rem kurtzen Leben in ihrē Anfang kehren koͤn - nen / ihrer ſelbſten vergeſſen / daß ſie vor U - bermuth ſich nicht mehr ſelbſt kennen wol -X iijlen;len; Das Gedaͤchtnuͤß wil ja denen am ehe - ſten entfallen / welche auß dem Stande ihrer Niedrigkeit in einen Ehrenſtaffel kaum Fuß geſetzet: Es iſt Fabelwerck / was die Heyden von dem Fluß Lethe und deſſen Wuͤrckung der Vergeßligkeit getichtet / diß iſt die Son - nenklare Warheit / daß der / welcher auß dem Privat-Leben zu einer Ehren-Bedie - nung gelanget / das Waſſer der Vergeſſen - heit ſeines vorigen Standes trincke / welches einen unaußleſchlichen Durſt immer weiter zu gehen erwecket. Ein gebohrner Fuͤrſt / (ſind des Majolino Biſaccioni Worte) laͤſt ſich an deme Vergnuͤgen / was er beſi - tzet / und waget nichts / wo ihn ein ander nicht darzu reitzet / der aber welcher auß ei - nem eintzlichen Leben zur Herrſchaffts-Eh - re gediegen / laͤſſet ſeinen Chimeren oder Einfaͤllen nicht Welten gnungſam ſeyn / die Urſache iſt klar / weil er mit Arithmetiſcher Regel alſo calculiret: So der Verſtãd oder das Gluͤcke aus einer Privat-Perſon / wel - ches bey nahe eine nulle iſt / mich hat zur Regiments-Herꝛligkeit erhoben / ſo werde ich von dem erſteren / wenn ich dem Gluͤcke die Macht addire, die ich zuvor nicht hatte /immerimmer hoͤher und hoͤher ſteigen / mehr und mehr ſummiren. Falſche Regel / weil ſie auf der Zahl des Gluͤckes gegruͤndet iſt / wel - ches keine Zahl hat in der Beſtaͤndigkeit. Jch weiß nicht / ob unter allen Jrrdiſchen etwas gebrechlichers uñ unbeſtaͤndigers ſey / als die Fuͤrſten-Gnade: C eſt par tout que les faveurs des Princes ſont pe - rilleuſes & touſſours inconſtantes car ſoit qu elles montent ou qu elles de - ſcendent on ne les void jamais en meſme point. Es iſt gar zu gewiß / daß die Fuͤrſten-Gunſt gefaͤhrlich und allzeit un - beſtaͤndig / Sie ſteiget auff oder nieder / ſo ſie - het man ſie nimmer in einem Grad.

Il Principato è uno ſpecchio, wie der Feliciano Silveſtri redet / la luci - dezza della cui maeſta viene offeſa grandemente anche dall alito, di chi troppo da vicino vi rimira ſe ſteſſo; Egli ha proportione col fonte diNar - cisſo poiche chi col penſiere vi ſi mira dentro una ſola volta, ò vuol perirui, ò fare acquiſto della bellezza, che non vede altrove: Die Fuͤrſtliche Hoheit iſt ein Spiegel / deſſen Klarheit auch von demX iiijAthemAthem des jenigen / welcher ſich gar zu nahe darinnen beſehen will / kan verletzet werden / ſie hat Verwandnuͤß mit dem Brunnen des Narciſſus, weil der jenige / welcher ſich dar - innen einmal beſiehet / entweder verterben / oder die Schoͤnheit erlangen wil / welche er anderwerts nicht zu Geſichte bekommet. Die Bedienten ſein ins gemein in des Fuͤr - ſten Hand / wie die Rechenpfennige zwi - ſchen den Fingern des Rechenmeiſters / wel - cher mit eben derſelben Hand / damit er ſie kurtz vorhero hatte zu der hoͤchſten Zahl ge - macht / bald biß auff die allergeringſte und niedrigſte abgeſetzet / Sie ſind wie die Po - merantzen / die man in der Hand und off - ters zum Munde haͤlt / ſo lang ſie ſafftig ſeyn / wenn aber der Safft ausgetrocknet / man ſelb[t]e von ſich wirfft. Die am meiſten be - gnadigten vergleichet der beruͤhmte Cardi - nal Richelieu einem handvoll Staub / welche der Fuͤrſtum das Haupt ſchwinget / darum eine unzehliche Maͤnge Muͤcken fliegen / ſo bald aber die Hand auffgemacht wuͤrde / daß dieſer Staub zerfielle / und ſich zerſtreute / ſo machten ſich die Muͤcken / das iſt das Hofe-Geſindel / davon: Was erhebeſtudichdich denn nun du elende Staub und Aſchen? Der Glantz / damit du prangeſt / iſt entleh - net / die Gewalt / derer du dich biß zum Miß - brauche gebraucheſt / iſt nicht dein / und muſt gewarten / welchen Augenblick auch der irrdiſche Eigenthums-Herr deiner ſattha - bende / diß alles von dir abfordert / biß auff ein unbefleckt gebliebenes gutes Gewiſſen. Deſ - ſentwegen die jenigen Lehren / welche der alte Staats-Rath in Spanien der Baltaſare di Zuniga ſeinem Enckel dem Conte Du - ca d Olivarez hinterlaſſen / ſich ein jeder ſolte laſſen befohlen ſeyn / und ſich feſtiglich einbilden / eines Fuͤrſten-Dieners Ehren - ſtand ſey die Scheibe / darauff der Neid mit angeſpannten Bogen der æmulation, die in dem toͤdtlichen Gifft der Verlaͤumbdun - gen eingetunckte Pfeile der Verfolgungen richtet; das Anſehen ſey ihm nicht angeboh - ren / ſondern aus Gnaden zugeworffen / deſ - ſen er ſich ſo behutſam bedienen ſolle / daß er ſolches nicht eigenthuͤmlich zumachen / oder dem rechtmaͤßigen Patrone zuentzie - hen gedencke; Dieſes als gewaltſam taure nicht / jenes als gar zu zaͤrtlich zerſpringe: Bey dem Unheil koͤnne nicht beſſer / als mitX vUn -Unſchuld und Beſcheidenheit abgeholffen werden / in einem Diener blicke die Un - ſchuld hervor / wenn er ſeines Herren Ge - ſchaͤffte mit ſolcher Treu handelte / das hint - angeſetzet ſeines Eigennutzes er ihm allein das gemeine Beſte laſſe angelegen ſeyn / die Beſcheidenheit waͤre der rechte Bezoar o - der Wiedergifft wieder den Neid / deſſen Feuer gleichwie es von keinem andern Hol - tze als der Hoffart und Hochmuth / alſo koͤn - ne es nicht anders geleſchet werden / als mit dem Waſſer der Demuth und Gelindigkeit. Die Feinde des Cardinals Spinoſa, wel - cher bey dem Philippo II. ſo beliebt und werth gehalten war / daß er ſchertzweiſe auff ſeinen Nahmen zielende ſich verlauten lieſſe / che dalle ſpine del rigore d un Car - dinale carpiva le roſe delle ſue delirie, Er breche von den Dornen eines rauhen Cardinals die Roſen ſeiner Luſt / wuſten ihn mit keinem gewiſſern Streiche zu faͤllen / als durch gar zu uͤbermaͤßige Verehrung / ſo der Cardinal annahme / und von den Feinden bezeuget wurde / daß ſie dem Koͤnige zuver - ſtehen gaben / nicht mehr zu gehorſamen / wo es dem Cardinal nicht gefiehle / daheroderder Koͤnig genoͤthiget wurde / ihn abzuſchaf - fen / und zuerweiſen / daß der Schmeltz hoͤch - ſter Ehren ſich uͤbel zu dem Bley eines Un - terthanen ſchicke / er ſtehe nur wol auff dem Golde Koͤniglicher Cronen. Es wehren mehr Exempel verhanden der jenigen / durch derer gar zu bruͤnſtige Gewogenheit und Zulaſſung ſich Fuͤrſten den groͤſten Kum - mer verurſacht / und nicht gewuͤſt / wie ſie de - rer ſollen loß werden / welche ſie wegen ge - nommener Freyheit und exceſſe nicht laͤn - ger vertragen koͤnnen / wie ſie ihrer Zunei - gung Gewalt thun / und eine Enderung zu ihrer Erhaltung entſchluͤſſen muͤſſen / fol - gends eben die / welche entweder gerathen / oder nicht wiederrathen / von den Luͤſten / Geitz oder rauhem Vornehmen / die Fuͤrſten nicht zuruͤck gehaltē / ſelbſt davor buͤſſen muͤſ - ſen / und als Werckzeuge oder Handlanger der Boßheit ihren verdienten Lohn bekom - men; Wann nicht dieſe Erinnerungen bloß zu dem Ende angefuͤget worden / damit weiln die eroͤrterte Ratio Status um ſolche Faͤlle / welche der Menſchlichen Schwach - heit am hefftigſten zuſetzen / Fuͤrſten und de - ro anſehlichſte Raͤthe am meiſten in ſich zu -X vjgehengehen verurſachet wuͤrden / damit ſie bey de - nen ſeltzamſten zweiffelhafftigſten Vorfal - lenheiten deſto behutſamer und gewiſſen - haffter verfahren / allzeit mehr zur Gelindig - keit als Schaͤrffe geneigt ſein moͤchten / ge - ſtalten dann in das Cabinet der Ragione di Stato nicht ſo wol die hitzigen / gewaltſa - men Penetranten / ſondern die moderate - ſten Ergebigen / und in alle Begegnuͤſſe ſich ſchickende Subjecta eingelaſſen werden ſol - ten / deꝛogleichen in dem Maz. gezeiget wordē. Ein vertrauter Rath kan vor ſich nicht ſiche - rer gehen / gegen die Unterthanen als ſeine Mitgenoſſen ſich nicht beſſer verdienen / dem Fuͤrſten keine loͤblichere Regirungs-Wege weiſen / ale wenn er trachtet / den Fuͤrſten zu einem Vater / die Unterthanen zu Kindern zu machen / Er aber nicht anders gedencket als dero Mitbruder zuſeyn / nach dem Exem - pel des Apocalyptiſchen Engels / welcher ob er gleich ein herrlicher Engel / ein Goͤttlicher Bothe / ein Verkuͤndiger Himmliſcher Ge - heimnuͤſſe / und zumahln Er Goͤttlichen An - ſchauens theilhafftig / von hoͤher Conditi - on als ein ſterblicher Menſch zuſeyn ſchiene / deñoch die ihm angemuthete ſeinem HErrenalleinallein zukom̄ende Anbetungs-Ehre abſchlu - ge mit den demuͤthigſten Worten / Jch bin dein Mitknecht und deiner Bruͤder einer. Was iſt glorieuſer als der Vater Nahmen / damit auch Gott von allen ſterblichen will geehret ſeyn? Nun liebet ja ein Vater ſeine Kinder / und weil Er ſie liebet / wird Er wie - der geliebet / Er greifft nicht bald zur Ruthe / auſſer / wenn Er ſiehet den Muthwillen wach - ſen / und daß es die umgaͤngliche Noth erfor - dert / wie wohl wenn er nicht ein Wuͤttrich ſeyn will / er den Muth nicht gar benimmt / und ſie feige oder gantz Zuverſicht-los / ma - chet: Alſo ein Fuͤrſt / wo Er von Untertha - nen vor einen Landes-Vater wil gehalten werden / ſo muß er mehr Liebes-als Zwangs - Mittel gebrauchen / er behaͤlt Vaters Art in - ner den Zuͤchtigungen / mitten in den widrig - ſten ungluͤckſeligſten Fuͤgungen / er muß herr - ſchen nicht wie ein Herr uͤber Knechte ſie in knechtiſcher Furcht halten / aus einer unbe - ſchrenckten abſolutezza ſouverainitaͤt o - der Ungebundenheit durch allerhand Fuͤnde die Freyheiten kraͤncken / die darauff gegruͤn - dete Nahrungen ſchwaͤchen / Neuigkeiten unnoͤthiger Weiſe einfuͤhren / und uͤber die -ſesſes das arme Volck mit unauffhoͤrlichen Aufflagen abmergeln / Gewiß / (alſo betheu - ret es der wolerfahrne und verſtaͤndige Hoff - mann der Comineus / als er die Frage / wer denn die groſſen und maͤchtigen zu Ge - richte fordern / anklagen / richten werde / be - antwortet) der Schweiß / die Seuffzer / die Thraͤnen / durch derer Auspreſſung den Fuͤr - ſten Schaͤtze geſamlet / ihr Auffnehmen be - foͤrdert werden ſoll / die ſollē der Verurſaͤcher ſcharffe Anklaͤger ſeyn vor dem Goͤttlichen Richterſtul. Hier ſol ein klugeꝛ Hofemañ wol zuſehen / daß er Unterthanen nicht laſſe zu - viel geſchehen / daß / ſo viel moͤglich / eꝛ die haͤr - teſten Entſchluͤſſungen abwende und lindere. Dem Ammirante di Caſtiglia wird ſon - derlichen nachgeruͤhmet / daß als er in das Koͤnigreich Neapel in qualitet eines Vice verſchicket / und einmahl uͤber das ander umb Geld auffzubringen angehalten wor - den / er frey heraus zur Antwort gegeben / es waͤre unmoͤglich das geringſte aus dem Koͤ - nigreich zuerſchoͤpffen / es wuͤrde vielmehr ein groß Werck der Barmhertzigkeit ſeyn / unter dieſen aꝛmen / nackten und ſchmachten - den Leuten eine gute Summe Geldes aus -zuthei -zutheilen / wie er dann ſelbſt geſehen / daß als Er einmahls auff der Senffte einen Granat - Apffel geſcheelet / und die Schalen heraus - geworffen / das arme Volck haͤuffig herzuge - lauffen / ſelbe begierig auffgeleſen und einge - ſchlucket / dahero Er durchaus neue Auffla - gen oder die geringſte Beſchwerung nicht verſtatten wollen / wie wohl der Duca di Caivano und andere Raͤthe Jhm ſtaͤts in Ohren gelegen / alſo daß / als er ihrem gutbe - finden nicht beypflichten wollen / ſie bey Hofe angegeben / che d Almirante faceva troppo de pietoſo in tempo ditanti bi - ſogni della corona, der Ammirante waͤ - re gar zu barmhertzig in ſolcher Zeit der Not. Worauff dem Ammirante ein Reſcript zukommen / welches hernach von dem An - fangs Worte Miramur genennet / und ein Verweiß geweſen / ch egli non trovaſſe danaro in quello fonte, dove n have - vano trovata copia li ſuoi predeceſſo - ri: daß er nicht koͤnne einen Heller finden in dem Brunn / wo ſeine Vorfahren uͤberfluß gefunden haͤtten: worauff der ViceRe mit ſonderbarer Großmuͤtigkeit ſich der Carica begeben / ſagende / ch egli voleva ben ſer -virevire non tradire il ſuo con de - ſolargli affato un Regno, ch era coſta - to tanto ſangue e tant oro al ſuo Pre - deceſſore Carolo V. voler vivere ca - valliere ingenuo al mondo, e ſe non haveva mai defraudato per proprio intereſſe qual ſi ſia huomo, ne meno voleva per un aura falſa ingannare un Regno e ſuo : Er wolle ſeinem Koͤni - ge treu dienen / nicht verraͤtheriſch mit zu grunde richtung eines Koͤnigreiches / wel - ches Carolum V. ſo viel Blut und Geld gekoſtet / er wolle vor der Welt leben / wie ein auffrichtiger redlicher Cavallier / und ſo er keinen Menſchen umb ſein Eigennutz betro - gen / viel weniger wolle er wegen einer fal - ſchen Hofelufft ein Koͤnigreich und ſeinen Koͤnig hintergehen. Als dieſe gnungſam freye Antwort zu Hofe kommen / hat man geſagt / che l Almirante era migliore per governare un Monaſtero di Reli - gioſi, che un Regno, non ſapendo le Regole de tempi ne del Dominio: der Ammirant tauge beſſer ein Moͤnch-Cloſter / als ein Reich zu regieren / nicht wiſſende die Zeiten und Herrſchaffts Regeln.

Allein

Allein wie weltkuͤndig es iſt / was die Cro - ne aus dero gleichen Anſpannungen der an - gezogenen Staats-Regeln vor Nutzen / was der nachfolgende Duca di Arcos mit derer Ubung ausgerichtet / ſo klaͤglich iſt es / daß man ſich dennoch ein ſcheinbares Vortheil bethoͤren laſſe / allerhand Neuerungen einzu - ſchieben gemeiniglich Belieben trage / und der / welcher auff der armen Unterthanen Ungedeien am meiſten hinausgehet / deſto ein nuͤtzlicher Diener geachtet werde / die Barmhertzigkeit / Redligkeit und Gewiſſen - hafftigkeit / muͤſſen zu Hofe Laſter werden. Wenn doch alle die jenigen / welche ſich Welthaͤndeln unterziehen muͤſſen / und von Gott darzu geordnet werden / ſich nicht gantz dem zeitlichen leibeignen wolten / wenn ſie doch dieſen irrdiſchen Klumpen ihre Schul - tern nicht ſo niederwerts drucken lieſſen / da - mit ſie auch einen Blick in die Hoͤhe thun / und an Gott / vor dem ſie erſcheinen werden muͤſſen / an ſich / daß ſie Menſchen / an ihr unbeſtaͤndig / ungewiſſes / augenblicklich / ver - aͤnderliches πȣ̃ gedencken koͤnten. Von dem beruͤhmten Spaniſchen Miniſtro dem Conto Duca d Olivarez wird gemeldet /daßdaß er ſeinem Koͤnige dem Philippo IV. ſich mit lauter Papiren beſtecket und bedecket ſolle præſentiret haben / der Hut waͤre mit lauter Memorialien umbgeben geweſen / von der Bruſt und dem Gurte an haͤtten ſo viel Briefe gehangen / daß / weiln er ſchreck - lich anzuſehen geweſen / er gleich den Popeln / damit die Vogel geſcheuhet werden / geſchie - nen / und von dem Hofe genennet worden El Eſpantazo dellos Reyes, ein Scheu - ſel des Koͤniges / und dieſes ſoll er zu dem En - de gethan haben / damit er den damahls noch jungen Koͤnig durch vorgeſtellte Rauhigkeit der Arbeit von ſelbſt eigner Ubernehmung der Reichs-geſchaͤffte abſchreckte: Er aber allein die freye Schaltung und Waltung an ſich ziehen und behalten moͤchte. Es iſt wahr / die jenigen welche einen Fuͤrſten in Regi - rungs-Sachen uͤberheben ſollen / ie mehr ſie von den Strahlen Fuͤrſtlichen Anſehens an ſich ziehen / laden deſto ſchwerere Arbeit / und mehr Verantwortung auff ſich / die Regi - ments-Laſt an ſich ſelbſt iſt von ſolcher Wich - tigkeit / daß ſie weder einer kaum ertragen / noch ihrer etliche recht faſſen koͤnnen / daruͤ - ber mancher Ruͤcken gebogen / oder zu bo -denden geſuncken mancher / cum ad Principa - lis apicis abruptum venit, quandam poteſtatis immenſæ vertiginem ſub coronis paſſus eſt, wenn er auff das hoͤch - ſte Fuͤrſtlichen Gipffels kommen / einen Schwindel gar zu groſſer Macht unter den Cronen erlitten / ſie iſt ſo rauch / daß ſie nicht rauhe gnungſam kan vorgebildet werden: Jn deſſen Erwegung beſcheiden ſie ſich / wie gefaͤhrlich es ſey / alles allein zu umbarmen / wie auch der kluͤgeſte ſich nicht zu viel zu - trauen ſolle / wie das Kleinod einem zuſtaͤn - dig / von einem allein nicht wohl gehandha - bet werden wolle. Vor allen Dingen laſ - ſen großmuͤtige Seelen ihre Gefliſſenheit auff das zeitliche himmelan gegruͤndet ſeyn / ſie behaͤngen ſich nicht mit dieſen irrdiſchen Papiren / daß ſie nicht mit ihren Gedancken einen Schwung auffwerts thun koͤnnen / ſie raͤumen ſich nicht den welthaͤndeln ſo gaͤntz - lich ein / daß ſie nicht ein ergebigern Platz vor die Goͤttliche Providenz, ohne welche alle ſchlaueſte Anſchlaͤge einen ſchlechten Ausgang gewinnen / uͤberlaſſen / ſind ſie gleich in einen Babel / ſo behalten ſie doch gegen Jeruſalem ein Fenſter offen / ſie ſinddiedie hohen Atlas Berge / die ob ſie ſchon in der Erden wurtzeln / ihren Kopff uͤber die Wolcken erheben / ſie ſind die Spitzen / auff welchen der Himmel ruhet / die Archime - den / welche wo ſie die Welt oder dieſes welt - liche Recht bewegen ſollen / nirgends fuſſen koͤnnen / als in den empireiſchen Gegenden / dahin man anders nicht / als durch Gottge - faͤlligen Wandel gelanget / ihr Cabinet em - pfindet keine andere Bewegungen oder Ein - fluͤſſe / als von den Oberen Sferen / ſie wiſ - ſen / daß ſie alles diß ablegen muͤſſen / wo - durch lauter Anſehen / Pracht und Herrlig - keit geſuchet wird / und auch dieſes ſelbſt hin - faͤllig / eitel und gebrechlich. Der wertheſte Heiland / wenn Er von der Sorge der Nah - rung redet / von dero allzubruͤnſtigen Erge - benheit die Welt und dero Liebhaber abmah - net / weiſet er ſie zu den Ltlien / und ſaget dar - von / daß auch Salomon in aller ſeiner Pracht nicht ſo herrlich waͤre geweſen / wie deren eine / alle dieſe koͤnigliche Herrligkeit / welche anzuſchauen die entferneteſten geluͤ - ſtet / und Koͤnigin aus Reich Arabien zu de - ro Erſtaunung geriſſen / wird gegen einer Lilie geringe geſchaͤtzet. Dieſe Blumen a -berber wie geſchwinde werdē ſie welck? Keiner unter uns iſt ſo ſchoͤne / und dennoch nicht minder vergaͤnglich; Wann du hier mit den ſtoltzen Herodes ein Sternen weiß gewuͤrck - tes Kleid anhaͤtteſt / ſo kan dieſes glaͤntzende Wamſt dich nicht von den Wuͤrmen befrey - en / du ſitzeſt gleich auff einen goldnen Thro - ne / du wohneſt in einem Helffenbeinern Hau - ſe / ſo wuͤrdeſt du doch mit einer Lilgen uicht zuvergleichen ſeyn / du koͤnteſt ſo hinfaͤllig / nicht aber ſo herrlich ſeyn. Ach was iſts / daß wir hier vor Blumen oder gemeines Gras gehalten werden / wir ſeyn wie und was wir wollen / wir weꝛden gewaͤrmet / geheget und gepfleget in den weicheſten und liebreicheſten Adonis Gaͤrten / ſo muͤſſen wir verdorren / wenn uns nur der / welcher groͤſſer iſt / als Salomo / bey Ablegung unſerer Sterbligkeit anziehet mit den Kleidern des Heils und mit dem Rocke der Gerechtigkeit / ſo koͤnnen wir in den Vorhoͤfen Gottes ſchoͤner und laͤnger als alle Lilgen bluͤhen / laſſet uns un - anſehnlich / gedruͤckt und unterirrdiſch ſeyn / nur daß wir vor unſers Gottes Augen Gna - de finden / gehen gleich unſere Tage dahin wie ein Rauch / wenn dieſer nur durch Gott -ſeligenſeligen Wandel zu einem lieblichen Geruch vor dem HErren wird: Jn dem herrlich - ſten Gluͤcksſtande vergeſſen wir niemahls / daß wir Pilgrame und keine bleibende ſtaͤtte haben / daß wir unſere Wallfart auff die zu - kuͤnfftige Wohnungen laſſen gerichtet ſeyn / wo wir nicht mehr mit dem harten Biß - cott allerhand Mißfallens / nicht mit Thraͤnen-Brod geſpeiſet / nicht mit groſſem Maß voll Thraͤnen / mit dem Wermuth vieler Widerwertigkeiten getraͤncket / ſon - dern von dem Brodt des Lebens geſaͤtti - get / und mit Freuden als mit einem Strom getraͤncket werden / wo alle Un - ordnung wird auffhoͤren / wo kein Zwang / keine Noth / nichts irregulares mehr ſeyn wird / wo wir auff die allervollkom - menſte Art und Weiſe werden regiret werden / wo wir in einem Goͤttlichen We - ſen die reineſte Monarchie / in der Heiligen Dreyfaltigkeit die herrlichſte Ariſtocratie ehren und preiſen werden / wo wir mit ſo viel Millionen der Außerwehlten / mit Cronen der Gerechtigkeit mit unverwelcklichē Ama - ranten-Cronen gekroͤnet / Sieges-Zweige in der Hand habende / vor Goͤttlichem An -geſichtgeſicht unauffhoͤrlich triumphirende / mit dem heiligen Volck / deme Reich / Macht und Gewalt unter dem gantzen Himmel ge - geben werden ſoll / in der glorioſeſten pa - negyri die ſchoͤneſte Politie abgeben wer - den / wo wir alles in allem ſein ſollen bey dem / welcher alles in allem iſt / das A und das O / der An - fang und das ENDE.

Omiſſum:

R. 1. fac. 2. lin. 5. poſt ſemico - lon adde: Neque enim ſic laſſa & effœta natura eſt, wie Plinius*6. Epiſt. 21. redet / ut ni - hil jam laudabile pariat, und die Natur iſt nicht ſo traͤge und unfruchtbar / daß ſie ietzo nichts loͤbliches gebaͤhre.

About this transcription

TextDella Ragione di Stato Das ist Von der Geheimen und Ungemeinen Regirungs-Klugheit
Author Christian Weirauch
Extent533 images; 74254 tokens; 16734 types; 545411 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationDella Ragione di Stato Das ist Von der Geheimen und Ungemeinen Regirungs-Klugheit Jn X. Discurse verfaste Abhandlung/ Worinnen/ Ob etwas/ und was die so beruffene RATIO STATUS eigentlich sey/ Aus dero berühmtesten Scribenten gründlich untersuchet/ Und aus allerhand Begebenheiten nechstverwichenen/ wie auch ietzigen Europeischen Zustandes entworffen wird Christian Weirauch. . [263] Bl : Kupfertitel FellgiebelLeipzigBreslau1673.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Berlin SBB-PK, Fb 538<a>

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Gesellschaft; Wissenschaft; Gesellschaft; core; ready; china

Editorial statement

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:35:43Z
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Holding LibraryStaatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
ShelfmarkBerlin SBB-PK, Fb 538<a>
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