Die Schoͤpfung der Hoͤlle. Raphael ſchloß: Jch habe dir, Adam, nach deinem Verlangen,
Dinge, die ſonſt dem Menſchengeſchlecht verborgen ge - blieben,
Offenbart; den ſchrecklichen Zwiſt, die Schlachten im Himmel
Zwiſchen den engliſchen Maͤchten; den Fall der Rebel - len, die thoͤricht
Nach der Gottheit geſtrebt, und ſich mit Satan empoͤret,
Mit dem Verworfnen, der ietzt dein irdiſches Gluͤck dir beneidet,
Und drauf ſinnet, wie er auch dich vom Gehorſam verſuͤhre,
V. Th. FDaß66Daß du ſeine ſchreckliche Strafe, ſein ewiges Elend,
Theilen moͤchteſt mit ihm. Dies waͤr’ ihm die herr - lichſte Rache,
Dich zum Gefaͤhrten dereinſt in ſeiner Verdamniß zu haben,
Und dem Allmaͤchtgen ſo Hohn zu ſprechen; doch folge du niemals
Seiner Verſuchung! Bewahre dein Herz; du haſt es vernommen
Durch dies ſchreckende Beyſpiel, wie Ungehorſam be - lohnt wird.
Unuͤberwindlich konnten auch ſie im Guten verharren.
Aber ſie fielen! Denke daran, und fuͤrchte zu ſuͤndgen!
So der Geſandte von Gott! Er ließ in der ſtaunenden Seele
Des aufmerkſamen Adams Entſetzen, und tiefe Ver - wundrung
Ueber ſo fremde Geſchichte zuruͤck. Ein kuͤhner Gedanke
Flog67Flog ietzt voruͤber; er folgt ihm nach; drauf wagt’ er, voll Ehrfurcht
So zum Engel zu ſagen: Du haſt uns, himmliſcher Fremder,
Unbegreifliche Dinge vertraut; du haſt uns gewarnet
Vor den Strafen der Suͤnden, und vor dem Ort der Verdamniß,
Wo ietzt Satan, mit allen Rebellen hinuntergeſtuͤrzet,
Ewigkeiten in Quaalen vollbringt. Doch darf ich es wagen,
Dich der ſchrecklichen Scenen aufs neu zu erinnern; und darf ich
Auch die Schoͤpfung der Hoͤlle von deinen Lippen zu hoͤren,
Mich erkuͤhnen? — Sie ſchuf der Zorn des Allmaͤcht - gen unfehlbar
Fuͤrchterlich praͤchtig, des Richters und der Gerichteten wuͤrdig.
Straͤfliche Neubegier nicht, vielmehr die reine Begierde,
F 2Auch68Auch in den dunkeln Wettern des Zorns dem Richter von ferne
Nachzuſchauen, erweckt den Gedanken, mit tiefer An - betung
Gottes Gerichte zu hoͤren. Erfuͤlle den lauteren Wunſch dann!
Noch hat die einſame Nacht, mit ihrem langſamen Wagen,
Nicht die Haͤlfte des Himmels erreicht; der ſilberne Mond haͤngt
Ueber Eden; die ganze Natur ſchweigt feyrend, und Stille,
Heilige Stille beherrſcht den um uns ſchlafenden Erdkreis.
Alſo erſuchte den himmliſchen Gaſt der Vater der Menſchen,
Und mit traurigem Ton gab ihm der Engel zur Antwort:
Adam, was legſt du mir auf? Und was verlangſt du zu hoͤren?
Du befiehlſt mir, den Schmerz zu erneuern, der, un - ausſprechlich,
Meine69Meine Seele zernagt, wenn ich ihn denke! Mit Abſcheu
Fahren die ſchwarzen Gedanken zuruͤck, ſo oft ſie von neuem
Jenen grimmigen Tagen der feurigen Rache ſich nahen,
Welche den flammenden Abgrund erſchuf; ihn erſchuf, Myriaden
Ungluͤckſeeliger Geiſter (ach! ehmals auch unſre Ge - faͤhrten!)
Jn ihn nieder zu donnern. Zwar bey der Schoͤpfung der Hoͤlle
War ich ſelbſt, mit dem goͤttlichen Heer im Felde des Krieges,
Wider Satan gelagert; doch, nach dem ſiegenden Einzug
Unſerer Schaaren im Himmel, hab ich vom Seraph Eloah
Jn vertraulichen Stunden die ſchaudervolle Geſchichte
Von dem ſchrecklichſten Werke gehoͤrt, das jemals die Allmacht
F 3Als70Als ein ewiges Denkmal des Zorns im Chaos gegruͤndet.
Seraph Eloah, er fuhr mit hinab, und ſah das Gefaͤngniß,
Fuͤr die rebelliſchen Engel erſchaffen; ein flammender Kerker,
Unermeßlich. Doch kaum weiß ich noch Bilder zu finden,
Fuͤrchterlich, ſchrecklich, ſcheußlich genug, dir Dinge zu zeichnen,
Nie von ſeeligen Geiſtern gedacht — dir die Hoͤlle zu zeichnen.
Doch ich wag’ es; mit Grauſen, mit kaltem maͤchtigen Grauſen
Hoͤre die Rache des Herrn, und neige dein Antlitz zur Erde!
Satan, (du weißt es) er hatte die freche Stan - darte des Aufruhrs
Wider Gott, und wider den Sohn des Ewgen erhoben;
Und ſchon ſandte der Himmel ſein Heer unzehlicher Starken
Gegen71Gegen ihn aus. Jch ſelbſt in ſchimmernder kriegri - ſcher Ruͤſtung
Fuͤhrte die Myriade zum Streit dem Empoͤrer entgegen.
Himmliſche Thronen, und Fuͤrſten, und Maͤchte, ſo bald ſie den Kriegshall
Der Poſaunen vernahmen, verlieſſen die goldenen Stuͤhle,
Machten, wie ich, ſich auf, und folgten mit muthigem Herzen,
Jhres Sieges gewiß, den hierarchiſchen Fahnen,
Die hochwallend die Himmel durchſtroͤmten. Das Heiligthum Gottes
Blieb indeſſen nicht leer, von treuen engliſchen Schaaren
Unverfuͤhrter Geiſter. Bey tauſend, und tauſendmal tauſend,
Standen ſie um des Ewigen Thron; olympiſche Harfen
Sangen noch immer entzuͤckt, mit Hallelujageſaͤngen
F 4Gott72Gott und ſeinen Geſalbten; es dampfte heiliges Rauch - werk
Vor den Altaͤren, wie ſonſt, als noch der Name des Krieges
Nicht im Himmel erſcholl. Jndeſſen ſchaute der Ewge
Von dem Throne herab, und zehlte die zahlloſen Schaaren,
Welche Satan verfuͤhrt; er ſah die eiſernen Stirnen
Trotzig empor ſich heben, und ihre verruchten Gemuͤther
Aller Reue verſchloſſen, und aller Beßrung; und ewig
Ungluͤckſeelig. Da gab er ſie hin dem geſuchten Verderben,
Und verhuͤllte ſein gnaͤdiges Antlitz. Die goldenen Lam - pen,
Welche beſtaͤndig vor ihm in ſeinem Heiligthum brennen,
Wurden mit Wolken bedeckt, und Dunkel und ſchreck - liche Nacht hieng
Um73Um den erſchuͤtterten Thron. Da fielen die Heiligen nieder
Auf ihr Antlitz, und beteten an; die Cherubim deckten
Jhre Geſichter mit allen Fluͤgeln; die Harfen ver - ſtummten,
Und das Chor der Seraphim ſchwieg. Aus dampfen - den Wolken
Sprachen ietzt laute Donner und Stimmen, und leuchtende Blitze
Schoſſen umher. Jn bangen Erwartungen lagen die Engel
Bis das dicke Dunkel ſich trennte; die Wolken entwichen,
Und hoch ſtand in flammenden Wolken des Hoͤchſten Gerichtsſtuhl
Sichtbar dem ganzen verſammelten Himmel. Doch welches Erſtaunen
Faßte ſie, da ſie die Augen erhuben, und um den Ge - richtsſtuhl
Furchtbare Reihen von Geiſtern, zuvor nie geſehen, erblickten,
F 5Die74Die aus Wettern Jehovah geſchaffen, und welche den Wolken
Jetzt ſich erhuben, und dankbar ihr erſtes Daſeyn er - kannten.
Jhrer Fluͤgel Getoͤs war wie das Rauſchen von Waſ - ſern,
Und ſie waren von Gott mit allen Schrecken geruͤſtet,
Flammen waren die Augen, und ihre toͤnenden Stim - men
Laute Donner. So ſtanden ſie da, und umringten anbetend
Gottes Gerichtsſtuhl. Jndem die tiefe ſtarre Verwun - drung
Aller Augen emporhielt, durchſtralte die Herrlichkeit Gottes
Alle Himmel; der hohe Gerichtsſtuhl erzitterte dreymal,
Dreymal bebte der Grund des ſchuͤtternden Empyreum,
Und der Allmaͤchtige ſprach: Jhr Himmel, vernehmet die Worte
Eures75Eures Koͤnigs! Jch, Gott, der ich vom Anfang geweſen
Euer Schoͤpfer, und Vater, und Herr; ich, Richter, ich laſſe
Heute zu euch mich herab; und will vor meinen Geſchoͤpfen
Mich vertheidigen. Kommt, ihr Heere des Himmels, und zeuget
Zwiſchen dem frechen Empoͤrer, und mir! — Jch hatt’ ihn an Anſehn,
Und an Hoheit und Macht, vor allen Geiſtern erhoben.
Uebertraf nicht ſein herrlicher Glanz die Morgenſterne,
Und fein Schimmer den himmliſchen Tag? Wie ſtolz und erhaben
Zog er nicht aus und ein zu den Thoren des Himmels; verehret
Von der Unſterblichen Schaar. Er ſaß am Throne der naͤchſte
Auf dem goldenen Stuhl, und ſeine Krone war herrlich;
Herrlich76Herrlich vor allen Kronen der Engel, mein goͤttliches Antlitz
Wandt’ ich vorzuͤglich auf ihn, und ruhte mit groͤſſeren Gnaden
Auf dem Erſchafnen; dies ſah das Chor der jauchzen - den Engel,
Und prieß ſeelig ſein Loos. — Und dennoch hat er, der Verruchte,
Wider mich ſelbſt und meinen Geſalbten ſein Herz em - poͤret,
Es auf ewig empoͤrt, und mit dem grimmigſten Haſſe
Scheußlich entſtellt. Die frechen Gedanken ſind nicht mehr Gedanken
Eines Engels; er hebet voll Stolz die eiſerne Stirn auf,
Trotzt auf ſeine feurigen Wagen, auf Waffen und Schilde
Seiner Myriaden, und will ſelbſt Gott ſeyn. Ver - nehmt es,
O ihr Himmel, vernehmts! Er will ſelbſt Gott ſeyn! Er, den ich
Wie77Wie ſeit geſtern erſchaffen, und mit den maͤchtigen Armen
Aus den Wolken gehoben, der will ſelbſt Gott ſeyn! — Die Rache
Folget ihm ſchon, ihr Auserwaͤhlten; ſein herrlicher Name
Werde nicht mehr im Himmel genannt! ſein Name ſey Satan!
Wider ihn hab’ ich mein Kriegsheer geſchickt; mit maͤchtigen Fluͤgeln
Schwebt vor ihnen der Sieg; doch meine Rache be - wahr ich
Dir, o mein Geſalbter, allein, du ſollſt ſie vollenden.
Sey der Herr von Leben und Tod! — Gefuͤrchteter Name
Tod! — Zuerſt ietzt im Himmel gehoͤrt, und du, Myriade,
Todesengel! Jhr Soͤhne der Rache, geſchaffen aus Wettern,
Euer flammendes Schwerdt ſoll kuͤnftig, getaucht ins Verderben,
Satan78Satan verfolgen, und unter Geſchoͤpfen, die ſtolz mich verkennen,
Toͤdten, vom Aufgang zum Niedergang toͤdten; und Jammern und Winſeln
Wird weit in die Himmel ertoͤnen. Jm hohen Triumphe
Wird es Satan vernehmen; doch endlich werden die Tage
Seines Maſſes vollendet! Dann ſoll mein Sohn, und Geſalbter
Jhn, und den Tod, in Ketten gefangen, zum Abgrun - de fuͤhren,
Und den Abgrund auf ewig verſiegeln. — Beſteig dann, Geliebter,
Mein allmaͤchtiges Wort, beſteig den Wagen der All - macht
Unter der Cherubim Flug, der Todesengel Begleitung;
Eile hinab; erſchaffe die Hoͤlle nach meinen Entwuͤrfen,
Denn bald ſollſt du die ſtolzen Rebellen, ſo ſagt Jehova!
Nieder -79Niederdonnern in ewige Nacht, in den ewigen Abgrund.
Schauder faßte der himmliſchen Schaar, indem der Allmaͤchtge
Dieſes geredt. Jndes ſie noch alle tief ſtaunten, und ſchwiegen,
Waͤlzten ſich dichte goldne Gewoͤlke mit ſchimmernder Klarheit
Um den Gerichtsſtuhl. Es lagen darauf geſchloſſene Buͤcher
Voller unſterblichen Namen; von einem brauſenden Sturmwind
Thaten die flatternden Buͤcher ſich auf, und wallten wie Fahnen
Hoch in den Wolken. Der furchtbare Richter auf ſei - nem Gerichtsſtuhl
Winkte dem erſten der Todesengel; er machte ſich fey - rend
Zu dem Gerichtsſtuhl, von da an die Buͤcher des Le - bens. Der Ewge
Sprach: was ſiehſt du? Er ſprach: ich ſehe Buͤcher des Lebens,
Voller80Voller ſtralenden Namen. Da ſprachen ſchreckliche Donner:
Es ſind Namen verruchter Verbrecher, verworfene Namen,
Tilge ſie aus, ihr Gedaͤchtniß ſey im Himmel verfluchet!
Und der Engel des Todes trat zu, und ſtrich durch die Namen
Mit dem flammenden Schwerdt; die ſtralenden Lettern verloſchen,
Und die Wolken verfinſterten ſich; da ward das Entſetzen
Allgemeiner. — Der Sohn des Allmaͤchtgen erhub ſich indeſſen
Von dem Thron; indem er herabſtieg, ſangen die Choͤre
So ihm nach: Wie furchtbar iſt deine ſchreckliche Rache,
O Jehovah! Richter der Geiſter! Wie toͤdtet dein Antlitz
Jn den Tagen des Zorns! Vergieb uns, Richter, und Raͤcher,
Dieſe71Dieſe wehmuͤthigen Klagen; ſie ſind gefallen, gefallen,
Die du geſchaffen mit uns, mit uns zum Leben ge - ſchaffen,
Und ſie ſind auf ewig gefallen! Dein goͤttlich’s Er - barmen
Jſt fern, fern von ihnen auf eilenden Fluͤgeln entflohen,
Und ſie ſtuͤrzen in ewige Pein. Jhr thoͤrichten Stolzen!
Wider wen lehnt ihr euch auf? Jhr ſeht nicht die feu - rigen Wetter,
Welche ſich uͤber euch thuͤrmen; ihr geht mit klingen - der Ruͤſtung
Trotzig im Panzer daher, und deckt euch mit himmli - ſchen Schilden.
Aber der Herr wird die Panzer zerſplittern, die Schil - de zerbrechen,
Und die Raͤder der Wagen zerſchmeiſſen. Mit tiefem Geheule
Wird das Reich der Nacht euch empfangen; die jauch - zenden Himmel
V. Th. GWer -72Werden ſagen: der Herr, der Herr iſt Gott! Halle - luja!
Alſo klagte das Chor den Fall verworfener Bruͤder.
Und des Allmaͤchtigen Sohn berief, der Cherubim Schaaren,
Und die Todesengel um ſich. Drauf ſtieg er, geruͤſtet
Mit der Allmacht des Vaters, auf ſeinen flammenden Wagen,
Und zog hin in die Tiefen des Chaos, die Hoͤlle zu ſchaffen.
Tauſend Cherubim flogen voraus, den Weg zu bereiten;
Tauſendmal tauſend umringten den Wagen; und zahl - loſe Heere
Floſſen hinter ihm her. Die furchtbaren Engel des Todes
Fuͤhrten auf ihren ſtuͤrmiſchen Fluͤgeln den ſchimmern - den Wagen,
Schneller als Blitze. Die Ebnen des Himmels ver - wandten ihr Antlitz
Vor73Vor dem ſchreckenden Zug, und wurden dunkel, und traurten.
Und nun empfieng ihn der Abgrund weit offen. Das ſtuͤrmiſche Chaos
Bruͤllte voll Wuth, es braußte die Tiefe mit heulenden Wogen,
Und ſie ſanken in ſchreckliche Nacht. Doch die Herr - lichkeit Gottes,
Und der aͤtheriſche Glanz ſo vieler himmliſchen Schaaren,
Drang durch die Nacht, und ließ weit hinter ſich leuch - tende Spuren
Jhres maͤchtigen Wegs durch alle heulenden Tiefen.
Als des Allmaͤchtigen Sohn den aͤußerſten Grenzen des Chaos
Jetzt ſich genaht, ſtand ploͤtzlich ſein Wagen. Die Che - rubim alle,
Dicht verſammelt um ihn, ergriffen die hellen Poſaunen,
Und verkuͤndigten rings um ihn her des furchtbaren Schoͤpfers
G 2Ge -74Gegenwart. Ploͤtzlich erſcholl ein tauſendſtimmiges Echo
Aus den hallenden Tiefen herauf; die ehernen Wellen
Dieſes ſtuͤrmiſchen Oceans wallten mit lautem Getoͤſe
Voͤllig in Aufruhr. Der Schoͤpfer gebot dem bruͤllen - den Sturmwind,
Ueber die Waſſer zu fahren; er fuhr mit duͤſteren Fluͤgeln
Ueber ſie hin, da braußten die Waſſer mit wilderen Wogen,
Unter einander. Da ſprach der Allmaͤchtge: das Chaos gebaͤhre
Welten voll Jammers und Nacht! Er ſprachs, das ſchwangere Chaos
Borſt mit ſchmetterndem Krachen. Zehntauſend fin - ſtere Kugeln
Giengen hervor aus dem Chaos; ſie waͤlzten ſich un - ter einander
Jn verſchiedenen harmoniſchen Sphaͤren; doch waren die Flaͤchen
Wuͤſt75Wuͤſt und leer. Auf einigen lagen wie hohe Gebirge
Naͤchtliche weinende Wolken, und dicke dampfende Nebel;
Andere waren umhuͤllt von dicken ſtuͤrmiſchen Seen,
Und noch andere lagen bedeckt mit drohenden Felſen,
Und weit uͤberhangenden Bergen. So eilten ſie, oͤde,
Finſter, und wild, die traurige Laufbahn. Die Choͤre des Himmels
Sangen den erſten Morgen. Gott hatte beſchloſſen, die Hoͤlle
Nur in Naͤchten zu ſchaffen; die erſte ſchreckliche Nacht war
Jetzo vergangen, obgleich im Abgrund der himmliſche Morgen
Schwach nur anbrach. Die Seraphim ſangen dem ſchaffenden Richter:
Furchtbarſtrafender Gott! Herr, der du gerecht und allmaͤchtig
G 3Dei -76Deine Feinde verfolgſt; der du im Schlund des Verderbens
Jhre Kerker bereiteſt, ſie dort mit ewigen Ketten
An die Felſen zu feſſeln, gerecht, Herr, ſind ſie die Wege
Deines Zorns; wer darf ſie tadeln, und fragen, was machſt du?
Vor dir ſchaudert die Tiefe zuruͤck; das brauſende Chaos
Stoͤßet Welten voll Elend hervor; nach deinen Befehlen
Drehn ſie ſich unter einander, und warten auf ihre Bewohner.
Ach! daß doch die ſtolzen Empoͤrer die trotzigen Waffen
Von ſich wuͤrfen! O beugt euch vor ihm, ihr ſtolzen Empoͤrer!
Aber du haſt ſie dahin gegeben, die Fluͤgel der Rache
Stuͤrmen ſchon hinter ihnen einher; und ewigs Ver - derben
Schlin -77Schlinget ſie ein. Erbarmen wird nicht, nicht Hofnung, den Abgrund
Jemals beſuchen, den ietzo fuͤr ſie die Rache bereitet!
So verfloſſen im Chaos tief unter dem ſeeligen Himmel
Jhre Stunden in klagenden Liedern, und heiligen Hymnen.
Und nun, da die zweyte der Naͤchte mit graͤßli - chen Schwingen
Bruͤtend uͤber dem Abgrund ſaß; ſtand unter den Welten,
Majeſtaͤtiſch und ernſt, der Sohn der Allmacht. Sein Antlitz
Schaute gefuͤrchtet umher. Jetzt faßte die ſchreckliche Rechte
Tauſend zuſammengekettete Donner; er warf ſie auf einmal
Jn die Welten hinab; die alles zerſchmetternde Blitze
Fuhren mit ſeelenbetaͤnbendem Knall in die zitternden Erden,
G 4Daß78Daß die Engel, vom Krachen betaͤubt, mit wankenden Knieen
Kaum ſich hielten vor Schrecken und Furcht. Die be - benden Welten
Rauchten, von maͤchtigen Blitzen geſpalten, und wir - belten Flammen,
Dicke Saͤulen vom Dampf und ſchwarze Wolken vom Rauche,
Hinter ſich her. Sie hatten ſogleich die Laufbahn ver - aͤndert,
Und bewegten ſich nun in langen elliptiſchen Kreiſen
Unter einander. Die feurigen Schweife durchkreutzten ſich oͤfters,
Und es ſchien, als ob ſich die Laufbahn naͤher und naͤher
Gegen einander geneigt; und nun noch naͤher. So wallte
Ueber die flammenden Welten die Glut; ein furchtba - rer Himmel
Ganz mit brennenden Sternen bedeckt. Der andere Morgen
Brach79Brach ietzt an; die Choͤre des Himmels beſangen ihn alſo:
Feuer gieng aus vom Throne des Herrn! der zornige Richter
Schoß die verzehrenden Flammen umher; die Lohe des Grimmes
Schmelzte die Himmel, ergriff die Sterne! Wer kan es ertragen,
Wenn Gott ſeiner Rache gebeut? Wer kan es ertragen,
Wenn er den Abgrund entzuͤndet? aus ihm die Strafe heraufruft?
Fuͤrchtet den Herrn ihr, ſeine Gerechten! Jhr Heili - gen, fallet
Jn den Staub hin, und betet ihn an, den Richter, Jehovah!
Und nun kam die dritte der Naͤchte. Viel ſchwaͤr - zer, und ſchwerer
Hieng ſie vom Himmel. Die wuͤtende Glut der ent - flammten Geſtirne
War vermindert. Der Sohn des Allmaͤchtgen berief ietzt die Engel
G 5Naͤ -80Naͤher herum um den leuchtenden Wagen. Mit blitzen - den Raͤdern
Fuhr er empor, und ließ tief unter ſich alle die Erden,
Nur noch hier und da in halb verloͤſchenden Flammen
Glimmend. Mit Schrecken geruͤſtet, und ernſter, furcht - barer, ſtand er
Auf dem Wagen, und ſchaute herab in die Tiefe. Dann ſprach er:
Welten der Nacht! Geſtirne des Zorns, zur Strafe geſchaffen,
Stuͤrzet zuſammen! Er ſprachs, und ploͤtzlich ſtuͤrzten ſie alle
Krachend unter einander aus ihren donnernden Angeln.
Und ietzt, glaub’ ich, waͤren die Engel vor Schauder und Schrecken,
Jhrer Schimmer beraubt, in ewge Vernichtung geſunken,
Haͤtte ſie nicht die Allmacht erhalten, und ihre Gemuͤther
Ueber81Ueber zuſammenſtuͤrzenden Himmeln und Welten ge - ſtaͤrket.
Schaudert nicht, Adam, dein ganzes Gefuͤhl erſchro - cken zuruͤcke!
Wer kan hoͤren die ſchmetternden Donner, das heulen - de Krachen,
Und des betaͤubenden Wiederhalls Seufzen, als tauſend Geſtirne,
Jhren Gleiſen entriſſen, ſich unter einander verſchlangen!
Ueber den niederrollenden Himmeln und fallenden Welten
Stand, mit Allmacht umringt, der große Schoͤpfer, al - lein nur
Unerſchrocken; und ſchaute herab auf die dampfenden Truͤmmer
Dieſer zuſammengeſunknen Planeten. Sein ſchaffendes Wort ſprach,
Und ein Weltball wurde ſogleich zehntauſendmal groͤßer,
Als die Erde, die ietzo mit uns im Dunkeln dahinſchwebt,
Aus82Aus den Truͤmmern. Mit lautem Getoͤs begab der Planet ſich
Jn die angewieſene Bahn, und drehte ſich furchtbar,
Ohne Geſetze der Ordnung mit ſchweren ſchwankenden Achſen
Unter dem Chaos herum. Jndem er den Schoͤpfer vor - beyflog,
Hieß er ihn ſtehn; und er ſtand. Vor der Engel er - ſchrockenen Augen
Lag die weit verbreitete Welt des ewigen Jammers
Jn entſetzlicher Ausſicht. O Adam, wo find ich die Farben,
Dinge zu zeichnen, von ſeeligen Geiſtern zu denken kaum moͤglich,
Wenn ſie die Welt des Jammers und Elends, und ſol - cher Verwuͤſtung,
Selbſt nicht geſchaut; und ſelb nicht gefuͤhlt die Schreck - niſſe Gottes,
Die auf ihr in Ewigkeit ruhn? Mit ſchaudernden Blicken
Sah83Sah man in rauchende Meere hinab von ſiedendem Feuer,
Voll lautbrauſender gluͤhender Wogen; die tobenden Wellen
Spruͤhten Funken gen Himmel, wofern der naͤchtliche Luftkreis
Himmel zu nennen, der voller Salpeter und ſchweflich - ten Duͤnſte
Um die Welt des Schreckens ſich waͤlzte. Mit ſchlaͤngeln - den Stroͤmen
Riß ſich der Blitz aus eiſernen Wolken, und ſchreckliche Donner
Donnerten hinter ihm nach. Jn andern Gegenden ſtuͤrmten
Von zertruͤmmerten Bergen Orkane mit heulendem Bruͤllen
Ueber die traurigen Haiden. Da lagen Thaͤler des Todes,
Scheußlich und oͤde; verdorrtes Gebuͤſch hieng wild und entwurzelt
Von den geſpaltnen Felſen herab, und ewige Nacht lag
Ueber84Ueber dem Thal; ein banges Klagen, und einſames Jammern
Heulte der Sturm aus den Hoͤlen, und lange winſeln - de Stimmen
Weinten aus Kluͤften herauf, und goſſen Schauder und Mitleid
Ueber die Engel. An ihnen grenzten unwirthbare Berge,
Ueber einandergeſtuͤrzte Ruinen zertruͤmmerter Welten,
Ohne Schmuck von lebendgem Geſtraͤuch und lieblichen Hainen;
Sondern verſengte verdorrte Waͤlder, halbumgeſtuͤrzt, lagen
Jhre verwuͤſteten Ruͤcken herunter. Entflammte Vulkane
Brannten viel Meilen lang fort, und waͤlzten aus ſchreck - lichen Schluͤnden
Wolken mit Feuer und Dampf und Felſen vermiſcht in die Luͤfte.
Unter der Erde vernahm man von fern ein praſſelnd Getoͤſe,
Wie85Wie das Getoͤs von eiſernen Wagen; es bebten Provinzen
Ueber den unterirdiſchen Wettern; die zagenden Meere
Stiegen empor, und weite Geſtade mit ganzen Gebirgen
Stuͤrzten hinunter in flammende Seen, und Laͤnder verſchwanden.
Anderswo rauſchten von Felſen hinab in traurige Laͤnder
Baͤche des Todes, und maͤchtige Fluͤſſe, die Reiche der Hoͤlle
Kuͤnftig zu zeichnen. Hier war kein ſanſtes gemildertes Clima,
Sondern die brennende Luft, und die Erde verſengten entweder,
Oder ſie ſtarrten in ewigem Eis; wohin ſich der Blick wandt,
Sah er Gefilde der Pein und Verzweiflung, erſtorbene Fluren,
Traurige Regionen des Kummers, des Jammers, des Elends,
Eine86Eine traurige Welt des Todes, in welcher das Leben
Stirbt, und der Tod nur lebt, von Ungeheuern bevoͤlkert,
Scheußlicher, ſchrecklicher, wuͤthender, wilder, als Loͤ - wen und Drachen,
Haͤtte Blutdurſt und Gift ſie zum Verderben entflammet.
Und Gott ſah ſie die Hoͤlle, mit allen ihren Be - zirken,
Seiner Abſicht gemaͤß, und zu dem ſtrafenden Endzweck
Groß und vollkommen. Es war bisher ein ſtralender Lichtweg
Von dem himmliſchen Tag durchs Chaos gedrungen; die Hoͤlle
Hatte bisher noch den Ausfluß des hellen Glanzes ge - noſſen,
Der ietzt zum drittenmal ſchien; indem er leuchtete, ſprach Gott:
Schei -97Scheine zum letztenmal, Licht! Es werde Nacht! und es ward Nacht.
Siebenfaͤltig ſenkte ſie ſich wie Laſten herunter,
Duͤſter und fuͤhlbar; der flammende Blitz zerriß ſie oft ſchrecklich!
Und ſein fluͤchtiger Stral, und blaſſe ſchweflichte Flam - men,
Machten ſie ſichtbarer noch. — Der Sohn der All - macht berief nun
Zu ſich die Engel des Todes, und ſprach mit gebieten - dem Antlitz:
Seht! Dies iſt die traurige Welt des ewigen Todes,
Euer ſey ihre Bewachung! und uͤber ſie ſprechet den Fluch aus,
Denn, ich hab’ im Zorn ſie verflucht, ihr Name ſey Hoͤlle!
Alſo ſprach des Allmaͤchtigen Sohn. Die Engel des Todes
Lagern ſich, in maͤchtgen Geſchwadern, am Eingang der Hoͤlle
V. Th. HUm98Um die Pforten herum, die an dem aͤuſſerſten Pole
Jenſeits der fernſten Grenzen des Chaos die Allmacht befeſtigt.
Und Obaddon, der furchtbare Fuͤhrer der Engel des Todes,
Schwang ſich hoch auf rauſchenden Fluͤgeln uͤber die Hoͤlle;
Hielt in der Rechten das flammende Schwerdt, gleich einem Kometen,
Und rief laut: Bey dem, der gerecht iſt, und allen Empoͤrern
Wider ſeinen Geſalbten der Finſterniß Ketten bereitet,
Bey dem Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht ſey dein Himmel!
Jmmer muͤſſe der Sturm in heulenden Luͤften ſich waͤl - zen,
Und der lauteſte Schall der Donner die Wolken zerreiſſen!
Niemals ſtrale durch dein Gewoͤlbe der Schimmer des Tages,
Grauſen -99Grauſende, ſchreckliche, ewige Nacht verhuͤll es auf immer!
Beym Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht ſey dein Boden;
Jhn beſuche kein Lenz; und keine Schoͤnheit und An - muth
Schmuͤcke dein trauriges Land! Dein Meer ſey immer in Aufruhr,
Und dein Erdreich brenne beſtaͤndig von ſiedendem Schwefel;
Dein Gebirge rauche von Gluth; die Ebne zerſpalte
Von dem Feuer des Herrn; und Winſeln und Aechzen und Heulen
Schall’ in deinen Thaͤlern des Todes, und an den Ge - ſtaden
Deiner bellenden Seen, und deiner ſtuͤrmiſchen Fluͤſſe!
Beym Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht ſey die Wohnung
Alles deſſen, was in dir lebt! Verflucht ſey der Fußtritt
H 2Jedes100Jedes Geſchoͤpfs, das wandelt in dir, in Feuer und Aſche
Geh es einher! ſein Athem ſey Peſt. Weh! weh ihm! es ſtirbt hier,
Stirbt den ewigen Tod! Hier ſpreite die ſchwarze Verzweiflung,
Ueber den Suͤnder, die graͤßlichen Schwingen; und ſchreck’ ihn, und quaͤl’ ihn,
Und zerreiß’ ihn, doch ohn’ ihn zu toͤdten; nie komme die Hofnung,
Nicht die ſchwaͤcheſte komme, zu ihm, die wildeſte Quaal nur,
Stechende Pein nur, und durſtende Angſt nur, und knirſchende Rachſucht,
Peinige, foltre, ſchmettre den nieder, der, Gott, dich gelaͤſtert!
Feyerlich hatte den Fluch der Todesengel geſprochen,
Und ſo ward die Hoͤlle vollbracht. Gott hielt ſie nicht laͤnger,
Sondern ſtieß ſie hinab zur Finſterniß; krachend betrat ſie
Jhre101Jhre Laufbahn, ſchwankend und wild, und ohne Geſetze.
Von ihr wandte der Schoͤpfer ſich ab, und ſtieg auf den Wagen,
Und, nachdem er die Choͤre der Geiſter dicht um ſich verſammelt,
Sprach er: Jhr Soͤhne des Lichts! Jhr, die kein Stolz, kein Empoͤrer
Wider Gott zu empoͤren vermocht! ihr, welche mein Vater
So im Guten beſtaͤtigt, daß keine Macht, noch Ver - fuͤhrung,
Euch von Wege der Tugend wird leiten; ihr heiligen Schaaren,
Ehret die Rache des Herrn, und ſagt von Himmel zu Himmeln
Seiner Gerechtigkeit Lob, und ſeines Zornes Verwuͤ - ſtung.
Dieſes Gefaͤngniß ſtrecket bereits der Finſterniß Ketten
Jenen Verruchten entgegen, die in den Feldern des Himmels
H 3Wider102Wider eure Gefaͤhrten gelagert, mit hoͤlliſchen Waffen
Unſre Legionen geſchreckt. Doch lange ſoll nicht mehr
Krieg den Himmel entſtellen, ſo ſehr ſie zu ſiegen ſich ſchmeicheln.
Todesengel! wenn ietzo die Tiefe des unterſten Chaos
Von dem verfolgenden Donner erſchallt; wenn bald durch die Nacht hin,
Mit entſetzlichem Fall, Myriaden Geiſter ſich ſtuͤrzen;
Wenn ihr nunmehr den Kriegsklang vernehmt der ho - hen Poſaunen,
Und das Drommeten der Engel, das uͤber die Grenzen des Himmels
Siegreich ertoͤnt: dann ruͤckt herzu, in geſchloſſenen Schaaren,
Um die verriegelten Thore der Hoͤlle. So ſchrecklich der Fall auch
Dieſer Verworfnen geweſen, ſo wird die Zeit ſich doch nahen,
Daß103Daß ſie von ihrem Fall ſich erhohlen, noch groͤßre Ver - brechen
Ueber ſich haͤufen, noch groͤſſere Strafen dadurch ſich erringen.
Satan, ihr Fuͤhrer, wird liſtig ſich einſt der Staͤrke der Pforten
Sich entreiſſen, ja ſelbſt die offenſte Wachſamkeit taͤu - ſchen;
Alſo hat es mein Vater beſchloſſen, und fordert von euch nicht,
Was er zulaͤßt, den groſſen Betruͤger zu Schanden zu machen;
Aber ihr ſollt die Pforten allhier ſtets wachſam umrin - gen,
Daß die Hoͤlle nicht einſt von neuem zuſammen ſich rotte,
Mit verſammelter Macht die kuͤnftige Schoͤpfung zu ſtoͤren.
Zwar dem Empoͤrer gelingt es zu ſehr, Geſchoͤpfe von Staube
Wider Gott zu verfuͤhren; doch dieſe ſchwaͤrzeſte That bringt
H 4Auf104Auf ſein Haupt die ſchrecklichſte Strafe. Mit allen Verdammten dafuͤr
Will ich ihn einſt im Abgrund mit Ketten von Demant
Binden, daß Zeit und Gewalt nie wieder die Feſſeln ihm loͤſe.
Jetzo folget mir nach, ihr Helden und Krieger des Himmels,
Thronen, Fuͤrſten und Maͤchte! ſeyd Zeugen der groſ - ſen Vollendung
Gottes Gerichts uͤber Satan! So ſprach er. Jm Augenblick rollte
Sein kryſtallner Wagen zuruͤck durch das wallende Chaos,
Und im hohen Triumph betrat er die Felder des Himmels.
Hier, du weißt es, fand er ſein Heer im muthgen Gefechte
Wider Satan; wir jauchzten dem Wagen des kom - menden Siegers
Jubel entgegen, und ſtieſſen mit unſern geſchloſſenen Schaaren
Zu105Zu der Standarte des groſſen Meßias. Die Feinde des Ewgen
Trieb er bald, mit allmaͤchtigem Donner, zum Rande des Himmels,
Und von da zum Abgrund hinab; mit ſchrecklichem Falle
Stuͤrzten ſie nieder zur unterſten Hoͤlle; die Flamme des Zornes
Brannte fuͤrchterlich nach bis in den Pfuhl des Ver - derbens.
Alſo beſchloß, der Geſandte des Himmels, die dunk - le Geſchichte
Von der Erſchaffung der Hoͤlle. Jhn hatte der Erſte der Menſchen
Mit Entzuͤcken und Grauſen gehoͤrt, und groſſe Gedanken
Jn ſich verſammelt. Jetzt ſprach er zu ihm mit dankba - ren Worten:
Liebling des Himmels, wie hat dein Bericht die kuͤh - neſte Neugier
Uebertroffen! Mit kaltem Entſetzen erblick ich noch ietzo
H 5Vor106Vor mir den flammenden Schlund. Doch hab ich die traurige Nachricht
Recht vernommen; ſo iſt dies Gefaͤngniß fuͤr Engel al - lein nicht,
Sondern auch noch fuͤr andre Geſchoͤpfe von Staube beſtimmet.
O wie vergaͤllt dies die Freude, die meine Seele da - hinreißt,
Wenn ich ſo viel unzehlbare Sonnen, Planeten und Erden,
Alle vielleicht mit Bewohnern mir denke, die alle ſich dankbar
Vor dem Thron des Allmaͤchtigen beugen, und reine Gebete
Zu dem Himmel ihm ſenden; wie? ſollten dann ſei - ne Geſchoͤpfe,
Die er ſo guͤtig erſchuf, mit ſolcher Unſchuld gekleidet,
Jhren Schoͤpfer ſo ſehr, und ihre Pflichten verkennen,
Und zu ſolchen Strafen ihn reitzen? — Der Engel verſetzte:
Des107Des Allmaͤchtigen Sohn hat zwar die verborgnen Orakel
Seines Vaters nicht ganz uns enthuͤllt: Doch wurde die Hoͤlle
Nicht umſonſt unermeßlich erſchaffen; die weiten Bezirke
Warten auf Myriaden verdammter Engel und Seelen.
Ach! und moͤchten doch nicht die kuͤnftgen Bewohner der Erde
Satans liſtgen Verfuͤhrungen folgen! Wie fuͤrcht ich zu ſehr nur,
Daß ſie es ſind, die Menſchen vom Staube, die ihre Verbrechen
Jns Verderben geſtuͤrzt! — Die Welt des ewigen Todes,
Die ich vor deinen Augen enthuͤllt, hat deine Gedanken
Mit Entſetzen und Grauſen getroffen; doch ſchreckli - cher, ſchwaͤrzer,
Muß ſie ſich zeigen vor ihm, der mit dem kuͤhneren Geiſte
Jetzt108Jetzt in ihre Grenzen ſich ſchwingt, ietzt, da ſie bewohnt iſt
Von Verdammten, wo jeder in ſich die Hoͤlle verbirget.
Als das Sataniſche Heer herunter zum Abgrund ſich ſtuͤrzte,
Sah ich auf ihrer Flucht ſie verfolgt von der ſchwarzen Verzweiflung,
Und von jedem wilden Affekt, der nie ſonſt geherrſchet
Jn unſterblichen Geiſtern. Der Stolz, der Neid, und die Zwietracht
Mit dem Schlangenhaar, Rachſucht, und Wut, und der Haß, und die Falſchheit,
Stuͤrzten ſich hinter ihnen einher, und haben auf ewig
Jhre Wohnung bey ihnen genommen. Auch flog das Gewiſſen
Mit zur Hoͤlle hinab. Da hat es in donnernden Wolken
Seinen Thron ſich geſetzt; die laute maͤchtige Stimme
Toͤnt109Toͤnt durch den Abgrund; kein Muth kan ſich wafnen, kein Ohr ſich verſtopfen,
Wenn es ſpricht, denn es ſpricht allmaͤchtig; bald ſtark, wie Poſaunen,
Und bald lispelnd, wie heimliche Stimmen; kein ſchnel - ler Gedanke
Und kein Fluͤgel des Cherubs entflieht ihm; der ſchwar - ze Verdammte
Laͤſtert wider den Himmel, ſich ſelbſt, und ſeine Gefaͤhrten,
Leidet unendlich, verfluchet ſich ſelber, verdammet ſich ſelber.
Dieſes, o Adam, iſt Hoͤlle! — Doch laß uns die ſchaudernden Blicke
Wieder entziehn von Scenen des ewigen Jammers! Bewahre
Deinen ietzigen Stand der Unſchuld! verharr’ im Ge - horſam,
Und laß keine Verſuchung, ſo ſtark ſie auch ſey, dich verfuͤhren,
Eine Nachwelt von dir in ewige Quaalen zu ſtuͤrzen.
Raphael110Raphael ſchwieg. Durch Adams Herz lief kal - tes Entſetzen;
Jhm, von ſchwarzer Ahndung bewegt, rann uͤber die Wange
Ploͤtzlich ein Strom von Thraͤnen herab: doch faßt er von neuem
Bey ſich den feſten Entſchluß, des Schoͤpfers Gebote zu halten.