PRIMS Full-text transcription (HTML)
Poetiſche Schriften
Fuͤnfter Band.
Mit allergnaͤdigſten Freyheiten.

Die vier Stufen des Weiblichen Alters. Ein Gedicht in vier Geſaͤngen.

A 2

Vorbericht zu den vier Stufen des weiblichen Alters.

Dieſes Gedicht entſtand auf einer Reiſe, wo ich von ohngefehr in einem kleinen Buchladen die vier Stu - fen des menſchlichen Alters unter dem Titel: Quatuor humanae vitae aetates,A 3Tu -Vorbericht.Turici MDCCLIIII. zu Geſichte bekam. Jch las die fließenden lateiniſchen Ver - ſe mit großer Begierde einigemal durch, und hielt ſie, da ich auf den kurzen Vorbericht nicht aufmerkſam geweſen, fuͤr das Original ſelbſt. Nachdem aber meine vier Stufen des weiblichen Al - ters im Druck erſchienen, wurde mir von dem wahren Erfinder mein Jr - thum benommen. Jch kan die Leſer nicht beſſer hievon unterrichten, alswennVorbericht.wenn ich Jhnen den Brief dieſes wuͤr - digen Mannes an mich abſchreibe, und auch das Lob nicht unterdruͤcke, ſo mir derſelbe darinn ertheilt; da Beyfall und Lob von edlen Gemuͤthern, und Ken - nern, unſtreitig die angenehmſte Beloh - nung iſt, die ein Dichter ſich wuͤnſcht. Er ſchrieb mir von Zuͤrich folgendes:

Mein Herr,

Jch habe mit entzuͤckenden Freuden die vier Stufen des weiblichen Alters geleſen, oͤftersA 4ge -Vorbericht.geleſen, und ſtets bewundert. Nicht ein ver - welklicher Lorbeer, ſondern die Krone von Germaniens wuͤrdigen Toͤchtern, eine Frau, Jhrem Gemaͤlde gleich, muͤſſe die Belohnung ſeyn fuͤr das edle Denkmal, welches ſie der ſchoͤnen Haͤlfte unſers Geſchlechts geſtiftet ha - ben! Sie verdienen es mit Recht, mein Herr. Aber was hat ein redlicher Schwei - tzer bey Jhnen verſchuldet, daß Sie ſeine Arbeit einem Jtaliaͤner beylegen, und der Welt wollen glauben machen, daß der Biblio - thekar der Ambroſianiſchen Bibliothek zu Mey -land,Vorbericht.land, ein Geiſtlicher, ſich bemuͤht habe, Cha - raktere fuͤr freye Schweitzer zu ſchreiben, ihre Knaben zur Tugend anzufeuern, und Jhren Juͤnglingen patriotiſche Geſinnungen beyzu - bringen? Denn das iſt und bleibt ausge - macht, daß die Bilder in den vier Stufen des menſchlichen Alters einzig und allein fuͤr freye Staaten paſſen, die ſo eingerichtet ſind, wie der unſrige; und daß die Moral, die dem Herzen eines Deutſchen, eines Franzo - ſen und Jtaliaͤners, eingepraͤgt werden ſoll, mit den Landesgeſetzen, und mit dem ClimatA 5uͤber -Vorbericht.uͤbereinſtimmen muͤſſe, wenn jeder ſeinem Va - terlande nuͤtzliche Dienſte leiſten ſoll. Und wo finden ſie ſonſt, mein Herr, als bey den Schweitzern, eine ſolche Staatsverfaſ - ſung, wo der Buͤrger zugleich Geſetzgeber, Soldat, Richter und Unterthan iſt? Allein ihre eigne Einſicht uͤberzeugt ſie hievon; ich muß Jhnen alſo, mein Herr, nur noch ſa - gen, wie ich auf den Einfall gerathen, die vier Stufen zu ſchreiben.

Vor einigen Jahren hat ein gewiſſer Zufall mich genoͤthigt, mein Zimmer zu huͤ -ten;Vorbericht.ten; und da die Morgenſtunden einſam vor - uͤber giengen, ſo habe ich, um meinem Sohn, einem Knaben damals von ſieben Jahren, ei - nen kleinen Begriff von einem rechtſchaffenen Republikaner zu geben, dieſe Charaktere zu Papier gebracht. Alle Nachmittag beſuchten mich meine Freunde. Herr Canonikus Breitinger kam eins - mal unvermuthet und ſehr fruͤh; er fand meine Ar - beit auf dem Tiſch, alle meine Vorſtellungen waren fruchtlos; ich lag im Bett, er nahm ſie weg, und ich ſahe ſie nicht wieder, bis ſie gedruckt, und ehe ich ſie verbeſſern konnte, gedrucktwa -Vorbericht.waren. Ein Jahr hernach uͤberſandte mir ein Meylaͤnder, der ſehr wohl deutſch redet, und mein Freund iſt, das Manuſcript von der zierlichen poetiſchen Ueberſetzung des Herrn Doktor Oltrotſchi, welche dann auch mit ei - ner Vorrede vom Herrn Canonikus Breitin - ger hier gedruckt wurde. Haͤtten Sie, mein Herr, die vier Stufen des menſchlichen Al - ters einem andern Schweitzer, aus welchem Canton es auch immer geweſen ſeyn wuͤrde, zugeſchrieben, mir waͤre es gleichguͤltig gewe - ſen; denn um die Autorſchaft bekuͤmmere ichmichVorbericht.mich nicht viel; mein Pult verſchließt, was ich zu meiner Beluſtigung ſchreibe. Aber ei - nem Jtaliaͤner, obgleich ſeine fließende roͤmi - ſche Poeſie, mein Werkgen ganz verſchoͤnert hat, habe ich die vier Stufen des menſchli - chen Alters nicht uͤberlaſſen wollen.

Verzeihen Sie mir alſo, mein Herr, daß ich Sie mit dieſem Bericht bemuͤht ha - be. Mein Dank, daß ſie auf meinen Ge - danken ein ſo vortrefliches Gedicht gebauet, iſt ſo groß, als meine Hochachtung. Koͤnnte ich es Jhnen, mein Herr, in der That be -wei -Vorbericht.weiſen, ſo waͤre mein Vergnuͤgen vollkom - men. Jſt unſer Land gleich felſicht und hart; ſo gießt doch der Himmel Freyheit, Ruhe und Frieden, auf uns herab. Fuͤrchtet ſich Jhre Muſe vor dem Schwarm der Franzo - ſen; hier iſt eine Zuflucht fuͤr ſie. Hier růhrt man die Trommel nur zur Freude, und die Ufer der See, die Huͤgel und Thaͤler wiederſchallen frohlockend dem Donner der Kanonen. Liebreich und zaͤrtlich wuͤrden Breitinger, und Bodmer, und Gesner, und andre wuͤrdigen Freunde ſie umfangen,undVorbericht.und ich wuͤrde einen der groͤßten meiner Wuͤn - ſche erfuͤllt ſehn ꝛc.

Johann Rodolf Wertmuͤller, des großen Raths der Republik Zuͤrich, und Stadtfendrich.

Jch habe in dieſer neuen Auflage mein Verſehen verbeſſert; und uͤberdieſes auch dieſem Gedichte, in Anſehung der Versart, ſo viel Wohlklang zu geben geſucht, als mir moͤglich geweſen, und dieſe Versart im Deutſchen erlaubt. Es iſt alſo ſowohl in dieſem Gedichte, als auch in der SchoͤpfungderVorbericht.der Hoͤlle, der Beſtimmung gefallner En - gel, und den Vergnuͤgungen der Melan - choley, faſt kein Vers unveraͤndert geblie - ben; welches das Publikum uͤberzeugen wird, wie ſorgfaͤltig der Dichter bemuͤht iſt, ſeinen bisher erhaltnen Beyfall immer noch mehr zu verdienen. Braunſchweig den 8ten Jan. 1764.

Das

Das Maͤdchen.

3
Das Maͤdchen. Erſter Geſang.
Muſe, begeiſtert durch dich, ſang von dem menſch - lichen Alter
Uns Wertmuͤllers gluͤckliche Leyer. Mit roͤmiſcher Anmuth
Wiederhohlte ſein Lied Oltrotſchi. Vergaſſen die Dichter
Ganz, die andre ſchoͤnere Haͤlfte des Menſchenge - ſchlechtes?
Singe du ſie Germaniens Toͤchtern! Sie lieben Geſange,
Welche mit lehrendem Reiz die einſamen Stunden verkuͤrzen;
Und das fuͤhlende Herz zur himmliſchen Tugend er - heben.
B 2Lieb -4Das Maͤdchen.
Liebliches Maͤdchen! nahe dich mir! Wie gleicht ſie der Mutter
Mit dem feinſten Geſicht! Jhr braunes offenes Auge
Laͤchelt ſchon Sieg. Schon gluͤhen die Lippen in hoͤherem Purpur,
Und zerſtreuete Roſen bedecken die zaͤrtlichen Wan - gen.
Aber noch warten des gelblichten Haars ſanftwallen - de Locken
Auf die ſiegende Farbe der Nacht, die kuͤnftig die Schoͤnheit
Jhres blendenden Halſes erhoͤht. Es flattert im Winde,
Wenn ſie mit kleinen gefluͤgelten Fuͤſſen die Mutter ereilet,
An das lange Gewand ſich haͤngt, und ſtammelt, und ſchmeichelt,
Bis ihr die Mutter zuruͤckegefolgt. Jetzt ſetzt ſie die Puppe
Vor den Theetiſch, und wartet ihr auf. Mit klei - nen Geſpraͤchen
Unterhaͤlt ſie ſie lange, die Antwort erwartend, und weinet
Ueber5Erſter Geſang.
Ueber ihr eigenſinniges Schweigen; ſie giebt ihr die Lehren,
Welche die Mutter ihr gab, zuruͤck. Der Vater bemerkt es,
Laͤchelt von ſeinen Buͤchern empor; erinnert ſie wieder,
Daß die Puppe nicht ſpricht, und troͤſtet die kleine Betruͤbte.
Dann koͤmmt auf dem muthigen Stecken, ihr juͤn - gerer Bruder,
Ueber den Saal her geritten. Sie ſieht mit furcht - ſamen Augen
Zaͤrtlich ihm nach, und warnt ihn; umſonſt! der voͤllige Knabe
Zeigt ſich bereits in jeglichem Schritt der kindiſchen Spiele.
Pferd und Wagen ergetzen ihn nur, und der blin - kende Degen,
Und der maͤnnliche Hut. Er kennet die Furcht nicht, und jauchzet,
Wenn die kriegriſche Trommel erſchallt. Doch weib - liche Sanftmuth
Herrſcht ganz in dem fuͤhlenden Maͤdchen. Jetzt nimmt ſie den Bruder
B 3Mit6Das Maͤdchen.
Mit ſich allein, und flehet ihn an, ſein Leben zu ſchonen,
Und nicht der wallenden Fahne zu folgen. Der mu - thige Knabe
Wird von den Thraͤnen erweicht, legt ſeine laͤrmen - de Trommel,
Und ſein blankes Huſarenſchwerdt ab, und ſpielt mit der Schweſter
Stillere Spiele; wird Kutſcher und Koch, und laͤßt ſich gefaͤllig
Zu des Maͤdchens Geſchmacke herab. Dann folgt ſie der Mutter
Haͤußlichem Schritt, und ahmet ihr nach in kindi - ſcher Wirthſchaft;
Oder ergreift mit zitternder Hand die Nadel der Mutter
Und glaubt Blumen und Laub in ihren Verſuchen zu ſehen.
Oftmals nimmt ſie der liebende Vater mit zartli - chen Freuden
Auf den ſchmeichelnden Schoos, und lehrt ſie zeitig Begriffe
Von dem guͤtigen Schoͤpfer der Welt. Steigt uͤber die Wellen
Jm7Erſter Geſang.
Jm Triumph die Sonne herauf; und haͤnget am Abend
Ueber dem Walde der ſilberne Mond: ſo breitet die Andacht
Schon den kindiſchen Arm voll Jnnbrunſt gegen die Himmel.
Huͤllt ſich der Tag in duͤſtere Nacht, und rollet der Donner
Ueber dem Haupt; ſo bewahrt er ihr Herz beym dunkeln Gewitter
Vor der ſklaviſchen Furcht; gewoͤhnt ſie, eben ſo zaͤrtlich
Jhren Schoͤpfer zu lieben, ihn eben ſo edel zu fuͤrchten,
Wenn er im Zephyr erfriſcht, als wenn er in Stuͤr - men einhergeht.
Jedes zarte Gefuͤhl, das in der empfindlichen Seele
Sich entwickelt, das bildet er ſanft, und edel und menſchlich.
So ſchlaͤgt ſanfter ihr Herz. Der Grauſamkeit kleineſte Spuren
Werden darinne vertilgt. Oft blinken ihr Thraͤnen im Auge,
B 4Wenn8Das Maͤdchen.
Wenn vor dem toͤdtenden Meſſer des Kochs die Taube dahin faͤllt,
Oder der Henne ſperbrichtes Kind. Sie lernet bey Zeiten
Andrer Elend zu fuͤhlen; ſie wird die chriſtlichſte Tugend
Zur Vollkommenheit bringen, und wenn ſie wider Verſchulden
Feinde haſſen, die Feinde ſogar als Menſchen noch lieben.
Wie erroͤthet ihr ofnes Geſicht, wofern ſie nur muthmaßt,
Jhren Vater beleidigt zu haben! Mit welchem Erſchrecken,
Und mit welcher befluͤgelten Angſt umfaßt ſie ihn kniend,
Wenn ſie wirklich gefehlt! Jhr rollen die brennen - den Thraͤnen
Lange vom Auge, ſie kan ſich nicht troͤſten ob ih - rem Vergehen.
Kan Verſuchung wohl je ſolch eine Seele verfuͤhren,
Welche, ſo fruͤh mit der Tugend bekannt, ihr immer getreu bleibt,
Und9Erſter Geſang.
Und den Namen ſogar des niedrigen Laſters verab - ſcheut?
Nein, ihr redender Blick, die laͤchelnden purpur - nen Lippen,
Sind nicht Betruͤger. Die innere Schoͤnheit der weiblichen Seele
Waͤchſt mit der Anmuth der Jugend zugleich. Jhr ſchuͤtzender Engel
Schwebet um ſie auf guͤldenen Fluͤgeln; er wacht fuͤr die Unſchuld
Jhres unſterblichen Geiſtes, und hilft die Roſen der Schoͤnheit
Auf den Wangen entfalten. Jhr leichter aͤtheriſcher Schlummer
Fliegt mit der Morgenroͤthe dahin. Liebkoſend er - weckt ſie
Jhren Vater, und faltet mit ihm die Haͤnde zum Himmel.
Jhre ſtammelnden Seufzer erſchallen umfonſt nicht; die Engel
Tragen ſie uͤber die Wolken. Dann lernt ſie in kleinen Geſchichten
Und anmuthigen Fabeln die Tugend. Mit ſeuriger Neugier
B 5Fragt10Das Maͤdchen.
Fragt ſie nach allem; verſchlingt die Worte des guͤtigen Lehrers,
Lernt der Chriſten wohlthaͤtig Geſetz; bewundert der Vorſicht
Maͤchtige Hand in frommen Geſchichten, und preißt mit Entzuͤckung
Jede vortrefliche That. Oft auch verſucht ſie im Tanze
Voller Anmuth zu ſchwimmen, und biegſame Glie - der zu uͤben.
An ihr haͤnget das Herz der Eltern. Der Vater vermiſſet
Jhrer Spiele Geraͤuſch, und wuͤnſchet ſie um ſich zu ſehen,
Ob er gleich in Arbeit verſenkt, in Buͤchern ver - tieft iſt.
Eingehohlt unter den zaͤrtlichen Kuͤſſen der lieben - den Mutter,
Koͤmmt ſie zum Vater zuruͤck; er kuͤßt ſie. Stil - les Entzuͤcken
Stroͤmt aus ſeinen Augen. Er ſieht die Reize der Mutter
Hier im Kleinen, prophetiſche Blicke durchdringen die Zukunft;
Und11Erſter Geſang.
Und von ſchmeichelnder Hofnung geſtaͤrkt, wahrſagt er ihr kuͤnftig
Jn der Liebe das Gluͤck, das ihn ietzt ſelber be - ſeeligt.
Sinkt mit dem Abendroth nun die erſte ruhi - ge Stille
Auf die thauigte Welt; ſo neiget ſie unter den Seufzern
Kindiſcher Andacht ihr Haupt zu ſanftem Schlum - mer. Geſpenſter,
Melancholiſche Schatten, und blaſſe ſchreckende Larven,
Flattern nicht um ihr heiteres Lager. Wohlthaͤtige Geiſter
Fuͤhren die guͤldnen Traͤume zu ihr. Sie laͤchelt voll Unſchuld
Auch im Schlaf, und traͤgt im Geſicht den offenen Himmel.
Alſo entſchlaͤft auf Roſengewoͤlk ein reiſender Engel,
Der auf des Ewgen Befehl die weite Schoͤpfung durchwandert.
Weicht nicht, ihr Beſchuͤtzer der Unſchuld, ihr treuen Gefaͤhrten,
Menſch -12Das Maͤdchen. Erſter Geſang.
Menſchlicher Tugenden; himmliſche Schaaren, o wei - chet nicht von ihr!
Tragt ſie auf euren olympiſchen Fluͤgeln, damit nicht ein Unfall
Jhre bluͤhenden Jahre verkuͤrze! Sie waͤchſet an Alter
Und an Schoͤnheit und Tugend empor. O gluͤckliche Mutter,
Die dich, holdſeeliges Maͤdchen, gebahr! O gluͤck - licher Vater,
Welcher dich einſt des edelſten Juͤnglings Umarmun - gen zufuͤhrt.
Und von dir ein zahlreich Volk von Enkeln ent - ſtehn ſieht!
Die[13]

Die Jungfrau.

[14]15
Die Jungfrau. Zweyter Geſang.
So wie am Morgen die ſchoͤnſte der Roſen mit Perlen geſchmuͤcket,
Jhren verſchloßnen jungfraͤulichen Buſen am Strale der Sonne
Schamhaft eroͤfnet; ſie ſteht, die herrlichſte Zier - de des Gartens,
Unter ſchuͤtzenden Dornen; bey jedem Schmeicheln des Zephyrs
Schauert ſie in ſich zuruͤck, und erroͤthet mit hoͤhe - rem Feuer;
Sanfte Geruͤche duftet ſie aus; ſie iſt die Mon - archin
Aller Blumen, der Flora Geliebte, das Bildniß der Unſchuld:
So entfalten ſich auch die wachſenden Reize der Jungfrau,
Die16Die Jungfrau.
Die ietzt maͤchtger ſich fuͤhlt. Mit braunen ſchwim - menden Locken
Spielt der gauckelnde Weſt, und von dem zierli - chen Bogen,
Der mit der Farbe der Nacht ihr ſiegendes Auge bezirket,
Schauen die Liebesgoͤtter herab. Die ſtralenden Pfeile
Treffen die Herzen gewiß. Auf ihren reifenden Wangen
Laͤcheln die Gratien. Anmuth und Hoheit eroͤfnen die Lippen,
Jn den hoͤheſten Purpur getaucht; wie Perlen da - zwiſchen
Steht der Zaͤhne geordnete Reih. So rein, wie der Aether,
Jſt ihr lieblicher Hauch; und weißer, als Lilienbluͤthe,
Hebt ſich die blendende ſchwellende Bruſt. Die Schoͤne bemerkt es
Schamhaft; erroͤthet, und breitet die Blumen am Buſen noch mehr aus,
Jhre verraͤthriſchen Reize zu decken. Mit zierlichem Anſtand
Geht17Zweyter Geſang.
Geht ſie wie eine Goͤttin dahin. Des Juͤnglin - ges Augen
Schauen ihr nach, und kommen ſo frey nicht wie - der zuruͤcke.
Sie iſt ihrer Geſpielinnen Krone, die Schoͤnſte der Schweſtern,
Nicht ein einziger ſtolzer Gedanke, nicht Eine Begierde,
Niederer Wolluſt befleckt die immer heitere Seele.
Neben ihr geht, wie ein ſchuͤtzender Engel, in weiſ - ſem Gewande,
Sicher die Unſchuld einher; die unbeleidigte Keuſchheit
Kroͤnt ſie, mit einem bluͤhenden Kranz. Jhr Antlitz erheitert,
Wenn ſie laͤchelt, die Nacht, und wuͤrde Barbaren entwafnen.
Mit aufwallender Bruſt bemerken die gluͤcklichen Eltern
Jhren einſamen Wandel, den ſie mit Thaten der Tugend
Heimlich bekroͤnt, den Augen der Welt im Stillen verborgen,
V. Th. CDoch18Die Jungfrau.
Doch nicht dem Himmel, der Acht auf ſie giebt. Jhr frommes Gebet ſteigt,
Wie am Morgen ein Opfer ihm dampft, hoch uͤber die Wolken.
Bald ſchwingt ſich der Seraphim ſchoͤnſter, ihr lie - bender Schutzgeiſt
Von dem Olymp, und ſchwebet um ſie; ſein maͤchtiger Blick ſcheucht
Jede Verfuͤhrung von ihr, verſcheucht die eitle Begierde
Zu ausſchweifendem Putz, und Schmaͤhſucht, und alle die Laſter,
Die oft hinter dem Reiz der blendenden Schoͤnheit verſteckt ſind.
Niemals laͤßt ſie umſonſt die muͤßigen Stunden entfliehen,
Denn ſie beſchaͤftigt die Sorge der Wirthſchaft; ſie ſcheut nicht der Kuͤche,
Von den Schoͤnen gefuͤrchteten, Rauch. Bald eilt ſie zum Garten,
Und begießt mit dem ſilbernen Quell ihr Bildniß, die Roſe,
Oder die bunte Ranunkel, und nennet mit Namen die Nelken.
Oft19Zweyter Geſang.
Oft auch ſitzt ſie am Rahmen, und ſchaft auf dem Leeren der Leinwand
Helle Gefilde, den ſchattichten Wald, und farbichte Blumen;
Oder ſie windet die glaͤnzende Seide zum einfachen Hauptſchmuck
Jhres Kaſtanienhaars, und macht ſich allen den Putz ſelbſt,
Ungekuͤnſtelt, natuͤrlich und ſchoͤn, den ihre Geſpielen
Wundernd beneiden, gezwungen erheben, nie ſelber erfinden.
Sinkt nun vom Abend die Ruh und die Stille zum Erdkreis herunter,
Und der freundliche Mond haͤngt uͤber den einſamen Thaͤlern:
So toͤnt oft, am hohen Klavier, und zur ſilbernen Laute,
Jhr bezauberndes Lied. Dann horchen die ſchweigen - den Linden
Um ihr ſtilles Gemach; wetteifernd ſinget dazwiſchen
Philomele; der murmelnde Bach fließt ſanfter; der Weſtwind
C 2Lauſcht20Die Jungfrau.
Lauſcht auf Roſengewoͤlk; die angelockten Najaden
Recken ihr Haupt aus der Fluth, und tanzen in froͤhlichen Reigen
Nach dem harmoniſchen Schall, und heller und freund - licher blinket
An dem Himmel der Mond, der ihre Taͤnze beſchauet.
Oft ergreift ſie ein lehrendes Buch, und hoͤret die Lieder
Eines unſterblichen Dichters, die großen harmoniſchen Lieder
Tugendlehrender Barden. Jhr toͤnen nicht Lesbiſche Leyern,
Oder das Tejiſche Lied. Der Sionitiſchen Muſen
Goͤttlichen Harfenklang hoͤrt ſie entzuͤckt, und liebt die Geſaͤnge,
Dir, ehrwuͤrdige Tugend, zum Ruhm; nicht jene, voll Wolluſt,
Oder taumelnd von Wein, die den wilden entheiligten Saiten
Jn die bezauberten Herzen entſtroͤmen. Nicht ſchaale Romane
Stecken21Zweyter Geſang.
Stecken ſie an mit der Peſt der lachenden Wolluſt. Pamela,
Nur die heldenmuͤthge Clariſſa, die wuͤrdige Byron,
Werden zu ihrem Umgang gerufen. Zwar haben die Muſen
Mit dem kaſtaliſchen Quell ſie ſelber getraͤnket; ihr ſelbſt fließt
Oft ein gluͤckliches Lied aus ihrer ſchoͤpfriſchen Feder;
Aber ſie laͤßt ſich zu leicht nicht blinde Schmeichler verleiten,
Vor den Augen der Welt ſich auf dem Pindus zu zeigen,
Und den erzwungenen Kranz ſich um die Schlaͤfe zu winden.
So fließt ſanft ihr Leben dahin, an ſchuldloſen Freuden,
Und an ſtillen Ergetzungen reich. Die rauſchenden Feſte
Schwaͤrmender Thoren ſind nicht fuͤr ſie. Sie liebet den Tanz zwar,
Doch nicht die Mummereyen der Nacht, wo wilde Centauren,
Frech durch Bosheit, und Wolluſt, und Wein, die Unſchuld entfuͤhren.
C 3Auch22Die Jungfrau.
Auch laͤßt ſie, die blutige Jagd, dem haͤrtern Geſchlechte;
Stuͤrzt nicht mit wuͤthendem Bley die fliehende Hindin im Walde,
Und uͤberhohlt nicht mit Donner den Flug der ſteigenden Lerche.
Sie beſteigt nicht das muthige Roß; der drohende Mannshut
Deckt nicht die offene Stirn. Warum ſoll weibliche Sanſtmuth
Furchtbar den Augen erſcheinen, und glaͤnzend in Waf - fen daherziehn?
Jſt ihr Reiz nicht maͤchtig genug? Was ſollen ihr Waffen?
Jhr beſcheidnes Gewand erhebt die weibliche Schoͤnheit
Mehr, als der drohende Huth mit Straußengefieder bedecket.
So mit Tugend geſchmuͤckt, im ſtillen ſittſamen Anſtand
Sieht ſie ein edelmuͤthiger Juͤngling, die einzige Hofnung
Eines glaͤnzenden Hauſes. Er fuͤhlt die ſuͤſſe Bezaubrung
Jhres ſiegenden Augs. Jn ſeinen anbetenden Blicken
Redet23Zweyter Geſang.
Redet die treueſte Liebe fuͤr ihn. Die Schoͤne bemerket
Seine verborgenen Flammen; die junge gluͤhende Wange
Stralet mit hoͤherem Roth, und zaͤrtliche holde Ver - wirrung
Hebet jeglichen Reiz, indem er mit feurigen Lippen
Ganz in Entzuͤckung die Hand ihr kuͤßt. Sie wendet ihr Antlitz
Schamhaft zur Seite; dann bebt ihr Verehrer erſchro - cken zuruͤcke,
Glaubt ſie beleidigt zu haben, und kennt nicht ſeine Triumphe.
Aber ſein ſchmeichelndes Bild ſchwebt ſtets der Schoͤnen vor Augen.
Wenn am Abend zum oͤden Gemach die Schwermuth ſich nahet,
Die zu Liebenden gern ſich geſellt, und unter den Lauben
Sich ihr irrender Schritt voll fuͤſſer Gedanken verlieret,
Dann erblickt ſie, getaͤuſcht von wachenden Traͤumen, den Juͤngling
Vor ſich ſtehn, und hoͤrt noch entzuͤckt die ſchmeichelnden Reden
C 4Sei -24Die Jungfrau. Zweyter Geſang.
Seiner Bewundrung; dann ſteigt in der Bruſt der heimliche Wunſch auf,
Ganz die Seine zu werden. Der traurige Juͤngling indeſſen
Bleibt lang ungewiß uͤber ſein Gluͤck, und hoffet vergeblich
Lange dunkele Tage mit feſter Treue voruͤber.
Endlich erklaͤrt ſich die Lieb im Triumph. Der froͤhli - che Hymen
Schwinget die Fackel; in Thraͤnen der Freude zerflieſ - ſen die Eltern,
Und, in Entzuͤckung verſenkt, ſehn die Verliebten am Altar
Nun auf ewig ihr Buͤndniß verknuͤpft. Es treufeln die Himmel
Ueber ſie Seegen und Wonne. Die frohen jauchzen - den Reigen
Schallen umher, und ſagens der Stadt; bis endlich die Liebe
Von dem Abendſtern winkt, und von jungfraͤulichen Locken
Jhr, nicht ohne Thraͤnen und Weigern, der Brautkranz geraubt wird.
Die[25]

Die Frau.

[26]27
Die Frau. Dritter Geſang.
Wohl dem Manne, dem Gott zum Geſchenk ein tu - gendhaft Weib gab!
Freude beſeeligt ſein Herz; und Reichthum fuͤllet ſein Haus an.
Sieh! wie reizend tritt ſie einher in heiterer Anmuth,
Gleich der Unſterblichen einer. Vor ihrem zaubern - dem Blicke
Wei -28Die Frau.
Weichen die Sorgen, wie Nebel entfliehn vorm Stra - le der Sonne.
Um ſie haͤngen ſich liebliche Kinder, wie Liebesgoͤtter
An dem Guͤrtel Cytherens. Die ſuͤſſe harmoniſche Rede
Dringt mit Schmeicheln ins Herz des Mannes; er he - bet ſein Aug auf,
Preiſt ſich begluͤckt, und danket der Vorſicht ſein irdi - ſches Eden.
Schoͤn iſts, wer an maͤchtigen Fluͤſſen die eige - nen Segel
Ueber den Ocean ſendet, und an den fetten Geſtaden
Mengen von Heerden ernaͤhrt; ſchoͤn iſts, die Schaaren der Schnitter
Maͤhen zu ſehn, auf eigenem Land, von Seegen bedecket;
Oder die eignen ergiebigen Berge zu Schaͤtzen zu ſchmelzen.
Schoͤn29Dritter Geſang.
Schoͤn iſts, in dem Schooße des Ruhms, im Zirkel von Freunden,
Aus Kryſtallen zu trinken; befreyt von der Sorge des Koͤnigs,
Koͤnigsgnaden erzeigen zu koͤnnen, und doch iſt es ſchoͤner,
Jn den Armen der weiblichen Tugend dem Himmel zu danken.
So wie Aurora die Wellen verlaͤßt, verlaͤßt ſie das Lager
Jhres Gemahls, und geht, wie die Sonne, dem fro - hen Geſind auf.
Keine gekuͤnſtelten Waſſer benetzen die bluͤhenden Wangen,
Sondern ſie taucht ihr holdes Geſicht in den lauteren Quell ein,
Und ſie iſt ſchoͤn, wie Venus im Bade. Nicht Stun - den verflieſſen
Ueber dem Putze des fliegenden Haars. Sie ſtralet nicht praͤchtig
Jm30Die Frau.
Jm Japaniſchen Stoff; die reine weiſſeſte Leinwand
Fließt um die marmornen Glieder, und eine thauigte Blume,
Nur halbaufgebluͤht, ſchmuͤcket die Stirn. So weckt ſie den Gatten
Mit dem friſcheſten Morgenkuß auf. Am reinlichen Theetiſch
Sitzt ſie mit ihm, und verſammelt um ſich die liebli - chen Kinder.
Ruft die Sorge des Staats den Mann zu fruͤhen Ge - ſchaͤften,
So entweicht ſie unter die Schatten des laͤndlichen Gartens,
Naͤht in der ſchattichten Laube von Linden; indes daß der Knabe
Blumen ſammelt, die Schweſter zu kraͤnzen, im thauig - ten Graſe
Hinter dem Froſch her ſetzt, und nach dem Schmetter - ling haſchet.
Oder ſie wandelt auch uͤber den Hof; betrachtet die Schaaren
Jh -31Dritter Geſang.
Jhrer weiſſen gekroͤnten Huͤner; indes daß die Tauben
Rauſchend vom Dache ſich ſtuͤrzen, und ihre Gebiethrin umringen.
Dann ertheilt ſie der Kuͤche Befehl, und ſteigt auch wohl ſelber
Zu den Gewoͤlben des Weingotts hinab, und ſorgt fuͤr die Aufſicht
Jhrer Schaͤtze vom Rhein, und fuͤr die Tokayiſche Traube.
Sie lehrt ihre Knaben die Tugend; das zaͤrtliche Maͤdchen
Unſchuld und Sittſamkeit, ihres Geſchlechts erhaben - ſten Vorzug.
Nicht dem dienenden Poͤbel, und aberglaubiſchen Ammen,
Laͤßt ſie die Sorge, das fuͤhlende Herz der Jugend zu bilden;
Sondern ſie ſchildert ihnen beredt erhabene Thaten,
Groſſe Geſchichte, welche die Seelen zur Tugend begei - ſtern.
O wie32Die Frau.
O wie lebt ſie ihr Leben begluͤckt! wie liebt ſie den Mann nicht
Unausſprechlich! Jhm werden die Jahre zu fluͤchtigen Tagen,
Und die Stunden zu ſchnellen Minuten. Der Eifer - ſucht Fackel
Hat ſein Herz nie entflammt, nie hat ein quaͤlender Zweifel
Jhrer Keuſchheit und Treu ſein ſanftes Lager umflattert.
Goldbedeckte Verfuͤhrer der Unſchuld, und witzige Narren,
Plaudrer ohne Gehirn, umgeben nie ihren Caffeetiſch.
Sie auch blaͤht ſich im Canapee nicht bey heiligen Schweſtern,
Welche mit Beten den Vormittag ſchaͤnden, mit Laͤſtern den Abend.
Sie weint gern mitleidige Zaͤhren beym Schickſal Zayrens,
Oder ſie lacht des phlegmatiſchen Orgons. Auch ſpielt ſie am Fluͤgel
Jhrem33Dritter Geſang.
Jhrem Mann Entzuͤckung ins Herz. Mit kleinen Ge - ſchichten,
Die ſie mit Anmuth zu ſchmuͤcken, und mit Geſchmack zu erhoͤhn weiß,
Lockt ſie oft uͤber die Stirne des Mannes zufriedenes Laͤcheln.
Er verehrt ſie, er betet ſie an; mit jeglichem Tage
Scheinet ihr Aug ihm maͤchtger, und ihre Tugend ihm ſchoͤner.
Seine Liebe vergroͤßert ihr Gluͤck; ſie lebet in ihm nur,
Und kein Wunſch herrſcht ſtaͤrker in ihr, als ihm zu ge - fallen.
O welch eine Wolke von Thraͤnen bedecket ihr Antlitz,
Wenn ihr die Pflicht den werthen Gemahl aus den Au - gen entreißet!
Weinend ſieht ſie ihm nach, und haͤngt mit duͤſteren Blicken
Lang am rollenden Wagen, bis ein beneidetes Thal ihn
V. Th. DEin -34Die Frau.
Einſchlingt, oder ein waldichter Berg ſich hinter ihm aufthuͤrmt.
Traurig hofft ſie alsdann die langſamen Stunden voruͤber,
Und kaum kan ihr den Schmerz die Schaar der Kinder verſuͤſſen.
Aber endlich erſchallet das Horn, das Knallen der Peitſche;
Und das raſſelnde Rad ſteht ſtill. Sie fliegt ihm entgegen,
Druͤckt ihn feſt an ihr ſchlagendes Herz, und bringt im Triumphe
Jhn den verſammelten Kindern zuruͤck. Gleich froͤh - lichen Feſten
Gehn die Tage vorbey. Sie heftet die zaͤrtlichen Blicke
Feſt auf ihn, und kan ſich nicht ſaͤttgen am werthen Geſichte.
Lange genießt ſie des himmliſchen Gluͤcks der treue - ſten Liebe.
Friſche Geſundheit kraͤnzet ihr Leben; von guͤtigen Him - meln
Stroͤmt35Dritter Geſang.
Stroͤmt der reichſte Seegen auf ſie. Jhr Mann iſt die Stuͤtze
Von dem dankbaren Staat; die ihn umringenden Ehren
Stralen auf ſie auch zuruͤck. Gleich jungen Engeln, erwachſen
Schoͤne Kinder um ſie; gerechte Hofnungen fuͤllen
Jhre Seele, die oft mit Vergnuͤgen in ſchmeichelnder Ausſicht
Kuͤnftiger Zeiten ſich ſieht, und ihrer Familie Gluͤck denkt.
Auf ſie blickt der Seraphim Chor, denn ihre Gebete
Steigen oft uͤber die Wolken; ihr Herz ſchlaͤgt feurige Seufzer,
Hohe Gedanken, zu Gott empor; ſie erhoͤret die All - macht,
Und neigt ihren Seegen herab zu dem Flehen der Mutter.
Wie ehrwuͤrdig hebt ſie ſich auf vom geheimen Gebete,
D 2Und36Die Frau. Dritter Geſang.
Und wie heiter laͤchelt ihr Blick, durch Thraͤnen der Andacht
Aufgeklaͤrter! Wie zaͤrtlich umarmt ſie den theuren Geliebten,
Jetzt aufs neu von der Gottheit erfleht! So leben ſie lange,
Sind den verdorbenen Zeiten ein Beyſpiel von zaͤrtli - cher Eintracht,
Und beſtaͤndiger Treu. Sie iſt die Krone der Frauen,
Beyfall folget ihr nach. So koͤmmt ſie dem Abend des Lebens
Jmmer naͤher und naͤher; ſie wird in traurigen Stuͤr - men,
Welche ſich uͤber ſie ziehn, nicht Muth und Staͤrke ver - lieren.
Die[37]

Die Matrone.

[38]39
Die Matrone. Vierter Geſang.
Schlage nun ſanfter die Leyer, o Muſe! Dein einſa - mes Lied auch
Athme ſtille Melancholey, und Ruhe der Seele,
Und Entfernung vom Wirbel der Welt. Wie Tage des Herbſtes,
Nicht mit dem Glanze des Sommers geſchmuͤckt, die Erde beſuchen,
D 4Doch40Die Matrone.
Doch fehlt Anmuth auch nicht dem grauen wolkigten Himmel,
Welcher das Antlitz der Sonne verdeckt; die ganze Natur ſcheint
Jn ſich gekehrt, und voll Ernſt, und majeſtaͤtiſchen Tieſſinns:
So verflieſſen die Tage der frommen Matrone. Die Thraͤnen
Friſcher Wehmuth ſtroͤmen nicht mehr um die Urne des Mannes,
Aber mit ſtillerer Schwermuth, und melancholiſchen Stunden
Woͤlkt ſich ihr Leben. Mit ſilbernen Locken bedecket das Alter
Jhr ehrwuͤrdiges Haupt. Die alles zerſtoͤrende Zeit hat
Jn dem Geſicht noch blendende Truͤmmer von Schoͤn - heit gelaſſen.
Ordnung und Reinlichkeit herrſchen um ſie, und der Anblick des Alters
Wird dadurch milder und ſanft. Jhr ſtiller beſcheidener Anzug
Trauert41Vierter Geſang.
Trauert noch immer geheim um den Mann. Entfernt vom Getuͤmmel,
Und dem wilden Geraͤuſche der Welt, verhuͤllt ſie ihr Leben
Vor dem Schwarme der thoͤrichten Freuden, vor leerer Geſellſchaft,
Und der Eitelkeit ſcheckigtem Zug. Nie hat ſie der Tadel
An dem Spieltiſch geſehn, und unter den naͤchtlichen Reigen,
Wo ſo viel verbluͤhte Geſichter ihr Alter entehren.
Still und einſam lebt ſie dahin. Die wuͤrdigen Toͤchter
Hat ſie ſchon lang an Maͤnner gegeben, und lange ſchon Enkel
Von den Soͤhnen geſehn. Jhr reiches geſegnetes Haus liegt
Tief in gluͤcklicher Ruhe vergraben. Die heilige Schmaͤhſucht
Betender Furien murmelt nie drinn; auch ſchallt nie die Stimme
D 5Pra -42Die Matrone.
Pralender Andacht in horchende Gaſſen, und froͤhnet dem Himmel.
Majeſtaͤtiſch und ernſtlich ſitzt ſie am ruhigen Abend
Mitten unter dem Kreis der horchenden Enkel, und lehret
Die noch ungebildeten Herzen mit Lehren der Tugend,
Die ihr eigenes Beyſpiel beſtaͤrkt. Sie weiß die Ge - ſchichte
Lange verfloſſener Zeit. Der Kreis umringet ſie naͤher,
Und haͤngt am erzehlenden Munde, bis uͤber die Erde
Tiefe Mitternacht faͤllt, und ſuͤſſer Schlummer herab - ſinkt.
Mit dem Tode bekannt, und mit der Zukunft beſchaͤf - tigt,
Betet ſie oft, und beſuchet voll Andacht die Tempel der Chriſten.
Ueber ihr graues Haupt ſind ihr in langer Erfahrung
Jahre,43Vierter Geſang.
Jahre, nicht immer mit Freuden bemerkt, voruͤber ge - floſſen.
Doch auch Ungluͤck machte ſie weiſer; ſie iſt das Orakel
Jhrer Gegenden. Bluͤhender ſtehn die Wieſen am Waſſer,
Und voll reicherer Aehren die Aecker. Am lachenden Huͤgel
Beugt ſich ihr Weinſtock mit voͤlleren Trauben; ſie fuͤrchtet den Hoͤchſten,
Und der Himmel erhoͤret ihr Flehn. Oft hat ſie dem Ehmann
Eine zaͤrtliche Gattin gerettet, in traurigen Naͤchten
Sie mit Troſt und Beyſtand geſtaͤrkt, wenn unter den Schmerzen
Ganz ſie erlag, und die Freude nicht fuͤhlte, nun Mut - ter zu heißen.
Kluͤglich weiß ſie zu rathen, wenn in den Sorgen der Wirthſchaft
Unerfahren, die juͤngere Frau in Fehlern verſtrickt iſt.
Bald44Die Matrone.
Bald gewinnt das verworrene Haus ein gluͤcklicher An ſehn,
Durch die Ordnung der klugen Matrone. Die muthi - gern Roſſe
Ziehn mit dem Tage zum Acker. Die Haͤnde der fleiſ - ſigern Maͤgde
Fuͤllen nun wieder die ſtaubichte Spindel, und machen die Anger
Ringsum mit blendender Leinwand bedeckt. Die fei - ſteren Heerden
Kommen mit vollen Eutern zuruͤck; und der treuere Schaͤfer
Laͤßt die Scheere mit Jauchzen erklingen, und fuͤllet die Boͤden
Mit der laͤngeren koͤſtlichen Wolle. Es ſeufzen die Speicher
Unter der Laſt des guͤldnen Getraides. So bringet ſie Arbeit
Jn des Muͤßiggangs Wohnung, und hilft durch Ord - nung dem Fleiß auf.
Jhre45Vierter Geſang.
Jhre Schaͤtze verroſten nicht unter dem Riegel, ſie braucht ſie,
Und ſie gehoͤren den Armen. Sie ſah ein beſcheidenes Maͤdchen
Jung und ſchoͤn. Es ſtand in Gefahr, in bitterer Armuth,
Einem Verfuͤhrer zur Beute zu werden, da nahm ſie es liebreich
Jn ihr Haus auf zur Tochter, und gab ſie mit reichen Geſchenken
Einem redlichen Mann, der ihr nun ewig ſein Gluͤck dankt.
Sie forſcht nach dem beſcheidneren Elend, das tiefer in Noͤthen
Unbekannt traurt, im Kummer verſchmachtet; ſie weiß es zu finden,
Und entreißt es der Schande des Bettelns. Der feu - rige Dank weiß
Seine Wohlthaͤterin nicht, ſie thats verborgen und edel.
Alſo kroͤnt ſie ihr Leben mit edelmuͤthigen Thaten.
Jn46Die Matrone.
Jn der einſamen Nacht, wenn ihre goͤttliche Seele
Ueber das Grab ſich ſchwingt, und nach der Ewigkeit aufſchaut,
Hoͤrt ſie oft in frommer Begeiſtrung ſeraphiſche Stimmen,
Die zum Himmel ſie fodern; auch duͤnkt ihr oͤfters, ſie ſaͤhe
Mit olympiſchem Schimmer geſchmuͤckt, den Schatten des Mannes,
Der vor ihr her in die Ewigkeit gieng, und ietzo die Gattin
Unter die himmliſchen Lauben beruft. Jhr wallet das Herz auf;
Und nicht lange, ſo ſinkt aufs letzte Lager ihr Haupt hin,
Und ſie beſtimmt ſich die Stunde des Todes prophetiſch. Die Toͤchter
Weinen um ſie; auch ſitzen am Fuß des traurigen Lagers
Jhre wuͤrdigen Soͤhne, die Zierden des Staats, und benetzen
Jhre47Vierter Geſang.
Jhre Haͤnde mit Thraͤnen. Sie ſieht die Schaaren der Enkel
Um ihr Bette verſammelt, und alte treue Bediente
Ganz in Wehmuth verſenkt. Dann ſtaͤrkt ſie noch ein - mal mit Muth ſich,
Hebt die Hand auf, und ſegnet ſie alle. Mit heiterm Geſichte
Sieht ſie den Todesengel ſich nahn. Er iſt ihr nicht ſchrecklich,
Sondern fordert ſie auf, und ihre willige Seele
Scheidet ſich ſanft vom Koͤrper, und folgt ihm uͤber die Sterne
Zu den Schaaren der jauchzenden Engel, die ietzt im Triumphe
Zu dem Throne der Allmacht ſie fuͤhren. Die glaͤnzen - de Krone
Wird ihr geſchenkt. Jndeſſen erhebt ſich die Stimme der Klage
Laut durch die Stadt. Die Thraͤnen der Armen, die Thraͤnen der Waiſen
Mi -48Die Matrone. Vierter Geſang.
Miſchen ſich zu den Thraͤnen der Kinder und Enkel. Die Glocke
Seufzt durch naͤchtliche Schatten. Der rollende Lei - chenwagen
Eilet langſam ans Grab; die langen verſchleyerten Reihen
Folgen ihm nach. Die kuͤhle Gruft empfaͤngt ietzt den Koͤrper;
Jhr Gedaͤchtniß aber bluͤht ewig. Der praͤchtige Marmor
Sagt nicht ihr Lob, dies ſagen die Herzen, in denen ſie lebet.
Die[49]

Die Schoͤpfung der Hoͤlle.

V. Th. E[50][51]

Schreiben an den Koͤniglich Preußiſchen Oberamtsrath Freyherrn von Zedlitz in Breslau.

E 2[52][53]
Mein theureſter Freyherr,

Kaum kan ich hoffen, daß Sie, mit - ten in den Unruhen der Waffen, und unter ſo vielerley Bekuͤmmerniſſen und Gefahren, noch Zeit oder Neigung haben ſollten, Gedichte zu leſen. JchE 3wage[54]wage es indeſſen, Jhnen ein Geſchenk, aber ein ſehr geringes Geſchenk, von einigen poetiſchen Verſuchen zu machen, die mich dazumal, als ich ſie ſchrieb, nicht ſo ſehr an das Ungluͤck des Krieges denken lieſſen, ob es mir gleich ſehr nahe war. Vielleicht vergeſſen Sie gleichfalls, bey Leſung dieſer Ge -dichte,[55]dichte, auf einige wenige Stunden die Sorgen, die Sie in dieſen unruhigen Zeiten beſtaͤndig umringen; und dies allein ſchon wuͤrde ich fuͤr eine angeneh - me Belohnung meiner Arbeit halten.

Die beyden erſten Stuͤcke dieſer kleinen Sammlung ſind Fragmente, die ich mit der Zeit in ein groͤſſeres Ge -E 4dicht[56]dicht einzuſchalten dachte. Als ich mich vor einigen Jahren mit der Ueber - ſetzung der erſten Geſaͤnge des verlohr - nen Paradieſes beſchaͤftigte, fuͤhlte ich meine Einbildungskraft von dem groſ - ſen Genie Miltons ſo erhitzt, und an - gefeuert, daß ich der Verſuchung nicht widerſtehen konnte, mich einmal in dasFeld[57]Feld der ernſthaften epiſchen Poeſie zu wagen, und beſonders eine Mate - rie auszuarbeiten, die bloß Erdichtung waͤre. Wie wenig ich mit mir ſelbſt zufrieden geweſen bin, werden Sie dar - aus urtheilen, daß ich nach dieſen Verſuchen ſogleich das Vorhaben, dieſes ernſthafte epiſche Gedicht zu ſchreiben,E 5aufgab,[58]aufgab, und Jhnen dieſe Fragmente nur darum zu leſen gebe, um Sie zu - gleich zu verſichern, daß Sie keine weitern Fortſetzungen zu fuͤrchten haben ſollen.

Die Vergnuͤgungen der Melan - choley ſind aus dem Engliſchen des Herrn Thomas Warton uͤberſetzt, und werden Sie das Original in der Col -lection[59]lection of Poems im IV. Tom. Seite 214. finden.

Die Unterhaltungen mit der See - le ſind gleichfals nur eine Probe von der Engliſchen Versart mit Reimen. Sie werden verſchiedne Stellen aus den Pleaſures of Imagination darin nachgeamt finden.

Bey[60]

Bey dem allgemeinen Gebet ha - be ich, Popens allgemeines Gebet, vor Augen gehabt.

Kaum darf ich mich alſo unter - ſtehn, theureſter Freyherr, Jhnen eine Sammlung von lauter Fragmenten und Verſuchen zuzueignen. Jch ſchmeich - le mir indeſſen doch, daß Sie nachder[61]der beſondern Gewogenheit und Freund - ſchaft, mit der Sie mich beehren, die - ſe kleine Sammlung von einem Dich - ter geneigt aufnehmen werden, der ſich die groͤßte Ehre daraus macht, daß er auf dem beruͤhmten Carolino zur Bil - dung Jhres ſo vortreflichen Herzens und richtigen Geſchmacks etwas bey -getragen[62]getragen hat; und der niemals die Stunden vergeſſen wird, die Sie in ſeiner Geſellſchaft zuzubringen wuͤrdigten.

Jch habe die Ehre mit der groͤßten Hochachtung zu ſeyn Ew. Hochwohlgebornen

unterthaͤniger Diener Friedrich Wilhelm Zachariaͤ.

[63]

Die Schoͤpfung der Hoͤlle.

in drey erſchrecklichen Naͤchten Schuf er ſie, und verwandte von ihr ſein Antlitz auf ewig. Meßias Geſ. II. 260.
[64]65
Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Raphael ſchloß: Jch habe dir, Adam, nach deinem Verlangen,
Dinge, die ſonſt dem Menſchengeſchlecht verborgen ge - blieben,
Offenbart; den ſchrecklichen Zwiſt, die Schlachten im Himmel
Zwiſchen den engliſchen Maͤchten; den Fall der Rebel - len, die thoͤricht
Nach der Gottheit geſtrebt, und ſich mit Satan empoͤret,
Mit dem Verworfnen, der ietzt dein irdiſches Gluͤck dir beneidet,
Und drauf ſinnet, wie er auch dich vom Gehorſam verſuͤhre,
V. Th. FDaß66Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Daß du ſeine ſchreckliche Strafe, ſein ewiges Elend,
Theilen moͤchteſt mit ihm. Dies waͤr ihm die herr - lichſte Rache,
Dich zum Gefaͤhrten dereinſt in ſeiner Verdamniß zu haben,
Und dem Allmaͤchtgen ſo Hohn zu ſprechen; doch folge du niemals
Seiner Verſuchung! Bewahre dein Herz; du haſt es vernommen
Durch dies ſchreckende Beyſpiel, wie Ungehorſam be - lohnt wird.
Unuͤberwindlich konnten auch ſie im Guten verharren.
Aber ſie fielen! Denke daran, und fuͤrchte zu ſuͤndgen!
So der Geſandte von Gott! Er ließ in der ſtaunenden Seele
Des aufmerkſamen Adams Entſetzen, und tiefe Ver - wundrung
Ueber ſo fremde Geſchichte zuruͤck. Ein kuͤhner Gedanke
Flog67Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Flog ietzt voruͤber; er folgt ihm nach; drauf wagt er, voll Ehrfurcht
So zum Engel zu ſagen: Du haſt uns, himmliſcher Fremder,
Unbegreifliche Dinge vertraut; du haſt uns gewarnet
Vor den Strafen der Suͤnden, und vor dem Ort der Verdamniß,
Wo ietzt Satan, mit allen Rebellen hinuntergeſtuͤrzet,
Ewigkeiten in Quaalen vollbringt. Doch darf ich es wagen,
Dich der ſchrecklichen Scenen aufs neu zu erinnern; und darf ich
Auch die Schoͤpfung der Hoͤlle von deinen Lippen zu hoͤren,
Mich erkuͤhnen? Sie ſchuf der Zorn des Allmaͤcht - gen unfehlbar
Fuͤrchterlich praͤchtig, des Richters und der Gerichteten wuͤrdig.
Straͤfliche Neubegier nicht, vielmehr die reine Begierde,
F 2Auch68Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Auch in den dunkeln Wettern des Zorns dem Richter von ferne
Nachzuſchauen, erweckt den Gedanken, mit tiefer An - betung
Gottes Gerichte zu hoͤren. Erfuͤlle den lauteren Wunſch dann!
Noch hat die einſame Nacht, mit ihrem langſamen Wagen,
Nicht die Haͤlfte des Himmels erreicht; der ſilberne Mond haͤngt
Ueber Eden; die ganze Natur ſchweigt feyrend, und Stille,
Heilige Stille beherrſcht den um uns ſchlafenden Erdkreis.
Alſo erſuchte den himmliſchen Gaſt der Vater der Menſchen,
Und mit traurigem Ton gab ihm der Engel zur Antwort:
Adam, was legſt du mir auf? Und was verlangſt du zu hoͤren?
Du befiehlſt mir, den Schmerz zu erneuern, der, un - ausſprechlich,
Meine69Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Meine Seele zernagt, wenn ich ihn denke! Mit Abſcheu
Fahren die ſchwarzen Gedanken zuruͤck, ſo oft ſie von neuem
Jenen grimmigen Tagen der feurigen Rache ſich nahen,
Welche den flammenden Abgrund erſchuf; ihn erſchuf, Myriaden
Ungluͤckſeeliger Geiſter (ach! ehmals auch unſre Ge - faͤhrten!)
Jn ihn nieder zu donnern. Zwar bey der Schoͤpfung der Hoͤlle
War ich ſelbſt, mit dem goͤttlichen Heer im Felde des Krieges,
Wider Satan gelagert; doch, nach dem ſiegenden Einzug
Unſerer Schaaren im Himmel, hab ich vom Seraph Eloah
Jn vertraulichen Stunden die ſchaudervolle Geſchichte
Von dem ſchrecklichſten Werke gehoͤrt, das jemals die Allmacht
F 3Als70Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Als ein ewiges Denkmal des Zorns im Chaos gegruͤndet.
Seraph Eloah, er fuhr mit hinab, und ſah das Gefaͤngniß,
Fuͤr die rebelliſchen Engel erſchaffen; ein flammender Kerker,
Unermeßlich. Doch kaum weiß ich noch Bilder zu finden,
Fuͤrchterlich, ſchrecklich, ſcheußlich genug, dir Dinge zu zeichnen,
Nie von ſeeligen Geiſtern gedacht dir die Hoͤlle zu zeichnen.
Doch ich wag es; mit Grauſen, mit kaltem maͤchtigen Grauſen
Hoͤre die Rache des Herrn, und neige dein Antlitz zur Erde!
Satan, (du weißt es) er hatte die freche Stan - darte des Aufruhrs
Wider Gott, und wider den Sohn des Ewgen erhoben;
Und ſchon ſandte der Himmel ſein Heer unzehlicher Starken
Gegen71Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Gegen ihn aus. Jch ſelbſt in ſchimmernder kriegri - ſcher Ruͤſtung
Fuͤhrte die Myriade zum Streit dem Empoͤrer entgegen.
Himmliſche Thronen, und Fuͤrſten, und Maͤchte, ſo bald ſie den Kriegshall
Der Poſaunen vernahmen, verlieſſen die goldenen Stuͤhle,
Machten, wie ich, ſich auf, und folgten mit muthigem Herzen,
Jhres Sieges gewiß, den hierarchiſchen Fahnen,
Die hochwallend die Himmel durchſtroͤmten. Das Heiligthum Gottes
Blieb indeſſen nicht leer, von treuen engliſchen Schaaren
Unverfuͤhrter Geiſter. Bey tauſend, und tauſendmal tauſend,
Standen ſie um des Ewigen Thron; olympiſche Harfen
Sangen noch immer entzuͤckt, mit Hallelujageſaͤngen
F 4Gott72Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Gott und ſeinen Geſalbten; es dampfte heiliges Rauch - werk
Vor den Altaͤren, wie ſonſt, als noch der Name des Krieges
Nicht im Himmel erſcholl. Jndeſſen ſchaute der Ewge
Von dem Throne herab, und zehlte die zahlloſen Schaaren,
Welche Satan verfuͤhrt; er ſah die eiſernen Stirnen
Trotzig empor ſich heben, und ihre verruchten Gemuͤther
Aller Reue verſchloſſen, und aller Beßrung; und ewig
Ungluͤckſeelig. Da gab er ſie hin dem geſuchten Verderben,
Und verhuͤllte ſein gnaͤdiges Antlitz. Die goldenen Lam - pen,
Welche beſtaͤndig vor ihm in ſeinem Heiligthum brennen,
Wurden mit Wolken bedeckt, und Dunkel und ſchreck - liche Nacht hieng
Um73Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Um den erſchuͤtterten Thron. Da fielen die Heiligen nieder
Auf ihr Antlitz, und beteten an; die Cherubim deckten
Jhre Geſichter mit allen Fluͤgeln; die Harfen ver - ſtummten,
Und das Chor der Seraphim ſchwieg. Aus dampfen - den Wolken
Sprachen ietzt laute Donner und Stimmen, und leuchtende Blitze
Schoſſen umher. Jn bangen Erwartungen lagen die Engel
Bis das dicke Dunkel ſich trennte; die Wolken entwichen,
Und hoch ſtand in flammenden Wolken des Hoͤchſten Gerichtsſtuhl
Sichtbar dem ganzen verſammelten Himmel. Doch welches Erſtaunen
Faßte ſie, da ſie die Augen erhuben, und um den Ge - richtsſtuhl
Furchtbare Reihen von Geiſtern, zuvor nie geſehen, erblickten,
F 5Die74Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Die aus Wettern Jehovah geſchaffen, und welche den Wolken
Jetzt ſich erhuben, und dankbar ihr erſtes Daſeyn er - kannten.
Jhrer Fluͤgel Getoͤs war wie das Rauſchen von Waſ - ſern,
Und ſie waren von Gott mit allen Schrecken geruͤſtet,
Flammen waren die Augen, und ihre toͤnenden Stim - men
Laute Donner. So ſtanden ſie da, und umringten anbetend
Gottes Gerichtsſtuhl. Jndem die tiefe ſtarre Verwun - drung
Aller Augen emporhielt, durchſtralte die Herrlichkeit Gottes
Alle Himmel; der hohe Gerichtsſtuhl erzitterte dreymal,
Dreymal bebte der Grund des ſchuͤtternden Empyreum,
Und der Allmaͤchtige ſprach: Jhr Himmel, vernehmet die Worte
Eures75Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Eures Koͤnigs! Jch, Gott, der ich vom Anfang geweſen
Euer Schoͤpfer, und Vater, und Herr; ich, Richter, ich laſſe
Heute zu euch mich herab; und will vor meinen Geſchoͤpfen
Mich vertheidigen. Kommt, ihr Heere des Himmels, und zeuget
Zwiſchen dem frechen Empoͤrer, und mir! Jch hatt ihn an Anſehn,
Und an Hoheit und Macht, vor allen Geiſtern erhoben.
Uebertraf nicht ſein herrlicher Glanz die Morgenſterne,
Und fein Schimmer den himmliſchen Tag? Wie ſtolz und erhaben
Zog er nicht aus und ein zu den Thoren des Himmels; verehret
Von der Unſterblichen Schaar. Er ſaß am Throne der naͤchſte
Auf dem goldenen Stuhl, und ſeine Krone war herrlich;
Herrlich76Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Herrlich vor allen Kronen der Engel, mein goͤttliches Antlitz
Wandt ich vorzuͤglich auf ihn, und ruhte mit groͤſſeren Gnaden
Auf dem Erſchafnen; dies ſah das Chor der jauchzen - den Engel,
Und prieß ſeelig ſein Loos. Und dennoch hat er, der Verruchte,
Wider mich ſelbſt und meinen Geſalbten ſein Herz em - poͤret,
Es auf ewig empoͤrt, und mit dem grimmigſten Haſſe
Scheußlich entſtellt. Die frechen Gedanken ſind nicht mehr Gedanken
Eines Engels; er hebet voll Stolz die eiſerne Stirn auf,
Trotzt auf ſeine feurigen Wagen, auf Waffen und Schilde
Seiner Myriaden, und will ſelbſt Gott ſeyn. Ver - nehmt es,
O ihr Himmel, vernehmts! Er will ſelbſt Gott ſeyn! Er, den ich
Wie77Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Wie ſeit geſtern erſchaffen, und mit den maͤchtigen Armen
Aus den Wolken gehoben, der will ſelbſt Gott ſeyn! Die Rache
Folget ihm ſchon, ihr Auserwaͤhlten; ſein herrlicher Name
Werde nicht mehr im Himmel genannt! ſein Name ſey Satan!
Wider ihn hab ich mein Kriegsheer geſchickt; mit maͤchtigen Fluͤgeln
Schwebt vor ihnen der Sieg; doch meine Rache be - wahr ich
Dir, o mein Geſalbter, allein, du ſollſt ſie vollenden.
Sey der Herr von Leben und Tod! Gefuͤrchteter Name
Tod! Zuerſt ietzt im Himmel gehoͤrt, und du, Myriade,
Todesengel! Jhr Soͤhne der Rache, geſchaffen aus Wettern,
Euer flammendes Schwerdt ſoll kuͤnftig, getaucht ins Verderben,
Satan78Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Satan verfolgen, und unter Geſchoͤpfen, die ſtolz mich verkennen,
Toͤdten, vom Aufgang zum Niedergang toͤdten; und Jammern und Winſeln
Wird weit in die Himmel ertoͤnen. Jm hohen Triumphe
Wird es Satan vernehmen; doch endlich werden die Tage
Seines Maſſes vollendet! Dann ſoll mein Sohn, und Geſalbter
Jhn, und den Tod, in Ketten gefangen, zum Abgrun - de fuͤhren,
Und den Abgrund auf ewig verſiegeln. Beſteig dann, Geliebter,
Mein allmaͤchtiges Wort, beſteig den Wagen der All - macht
Unter der Cherubim Flug, der Todesengel Begleitung;
Eile hinab; erſchaffe die Hoͤlle nach meinen Entwuͤrfen,
Denn bald ſollſt du die ſtolzen Rebellen, ſo ſagt Jehova!
Nieder -79Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Niederdonnern in ewige Nacht, in den ewigen Abgrund.
Schauder faßte der himmliſchen Schaar, indem der Allmaͤchtge
Dieſes geredt. Jndes ſie noch alle tief ſtaunten, und ſchwiegen,
Waͤlzten ſich dichte goldne Gewoͤlke mit ſchimmernder Klarheit
Um den Gerichtsſtuhl. Es lagen darauf geſchloſſene Buͤcher
Voller unſterblichen Namen; von einem brauſenden Sturmwind
Thaten die flatternden Buͤcher ſich auf, und wallten wie Fahnen
Hoch in den Wolken. Der furchtbare Richter auf ſei - nem Gerichtsſtuhl
Winkte dem erſten der Todesengel; er machte ſich fey - rend
Zu dem Gerichtsſtuhl, von da an die Buͤcher des Le - bens. Der Ewge
Sprach: was ſiehſt du? Er ſprach: ich ſehe Buͤcher des Lebens,
Voller80Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Voller ſtralenden Namen. Da ſprachen ſchreckliche Donner:
Es ſind Namen verruchter Verbrecher, verworfene Namen,
Tilge ſie aus, ihr Gedaͤchtniß ſey im Himmel verfluchet!
Und der Engel des Todes trat zu, und ſtrich durch die Namen
Mit dem flammenden Schwerdt; die ſtralenden Lettern verloſchen,
Und die Wolken verfinſterten ſich; da ward das Entſetzen
Allgemeiner. Der Sohn des Allmaͤchtgen erhub ſich indeſſen
Von dem Thron; indem er herabſtieg, ſangen die Choͤre
So ihm nach: Wie furchtbar iſt deine ſchreckliche Rache,
O Jehovah! Richter der Geiſter! Wie toͤdtet dein Antlitz
Jn den Tagen des Zorns! Vergieb uns, Richter, und Raͤcher,
Dieſe71Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Dieſe wehmuͤthigen Klagen; ſie ſind gefallen, gefallen,
Die du geſchaffen mit uns, mit uns zum Leben ge - ſchaffen,
Und ſie ſind auf ewig gefallen! Dein goͤttlich’s Er - barmen
Jſt fern, fern von ihnen auf eilenden Fluͤgeln entflohen,
Und ſie ſtuͤrzen in ewige Pein. Jhr thoͤrichten Stolzen!
Wider wen lehnt ihr euch auf? Jhr ſeht nicht die feu - rigen Wetter,
Welche ſich uͤber euch thuͤrmen; ihr geht mit klingen - der Ruͤſtung
Trotzig im Panzer daher, und deckt euch mit himmli - ſchen Schilden.
Aber der Herr wird die Panzer zerſplittern, die Schil - de zerbrechen,
Und die Raͤder der Wagen zerſchmeiſſen. Mit tiefem Geheule
Wird das Reich der Nacht euch empfangen; die jauch - zenden Himmel
V. Th. GWer -72Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Werden ſagen: der Herr, der Herr iſt Gott! Halle - luja!
Alſo klagte das Chor den Fall verworfener Bruͤder.
Und des Allmaͤchtigen Sohn berief, der Cherubim Schaaren,
Und die Todesengel um ſich. Drauf ſtieg er, geruͤſtet
Mit der Allmacht des Vaters, auf ſeinen flammenden Wagen,
Und zog hin in die Tiefen des Chaos, die Hoͤlle zu ſchaffen.
Tauſend Cherubim flogen voraus, den Weg zu bereiten;
Tauſendmal tauſend umringten den Wagen; und zahl - loſe Heere
Floſſen hinter ihm her. Die furchtbaren Engel des Todes
Fuͤhrten auf ihren ſtuͤrmiſchen Fluͤgeln den ſchimmern - den Wagen,
Schneller als Blitze. Die Ebnen des Himmels ver - wandten ihr Antlitz
Vor73Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Vor dem ſchreckenden Zug, und wurden dunkel, und traurten.
Und nun empfieng ihn der Abgrund weit offen. Das ſtuͤrmiſche Chaos
Bruͤllte voll Wuth, es braußte die Tiefe mit heulenden Wogen,
Und ſie ſanken in ſchreckliche Nacht. Doch die Herr - lichkeit Gottes,
Und der aͤtheriſche Glanz ſo vieler himmliſchen Schaaren,
Drang durch die Nacht, und ließ weit hinter ſich leuch - tende Spuren
Jhres maͤchtigen Wegs durch alle heulenden Tiefen.
Als des Allmaͤchtigen Sohn den aͤußerſten Grenzen des Chaos
Jetzt ſich genaht, ſtand ploͤtzlich ſein Wagen. Die Che - rubim alle,
Dicht verſammelt um ihn, ergriffen die hellen Poſaunen,
Und verkuͤndigten rings um ihn her des furchtbaren Schoͤpfers
G 2Ge -74Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Gegenwart. Ploͤtzlich erſcholl ein tauſendſtimmiges Echo
Aus den hallenden Tiefen herauf; die ehernen Wellen
Dieſes ſtuͤrmiſchen Oceans wallten mit lautem Getoͤſe
Voͤllig in Aufruhr. Der Schoͤpfer gebot dem bruͤllen - den Sturmwind,
Ueber die Waſſer zu fahren; er fuhr mit duͤſteren Fluͤgeln
Ueber ſie hin, da braußten die Waſſer mit wilderen Wogen,
Unter einander. Da ſprach der Allmaͤchtge: das Chaos gebaͤhre
Welten voll Jammers und Nacht! Er ſprachs, das ſchwangere Chaos
Borſt mit ſchmetterndem Krachen. Zehntauſend fin - ſtere Kugeln
Giengen hervor aus dem Chaos; ſie waͤlzten ſich un - ter einander
Jn verſchiedenen harmoniſchen Sphaͤren; doch waren die Flaͤchen
Wuͤſt75Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Wuͤſt und leer. Auf einigen lagen wie hohe Gebirge
Naͤchtliche weinende Wolken, und dicke dampfende Nebel;
Andere waren umhuͤllt von dicken ſtuͤrmiſchen Seen,
Und noch andere lagen bedeckt mit drohenden Felſen,
Und weit uͤberhangenden Bergen. So eilten ſie, oͤde,
Finſter, und wild, die traurige Laufbahn. Die Choͤre des Himmels
Sangen den erſten Morgen. Gott hatte beſchloſſen, die Hoͤlle
Nur in Naͤchten zu ſchaffen; die erſte ſchreckliche Nacht war
Jetzo vergangen, obgleich im Abgrund der himmliſche Morgen
Schwach nur anbrach. Die Seraphim ſangen dem ſchaffenden Richter:
Furchtbarſtrafender Gott! Herr, der du gerecht und allmaͤchtig
G 3Dei -76Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Deine Feinde verfolgſt; der du im Schlund des Verderbens
Jhre Kerker bereiteſt, ſie dort mit ewigen Ketten
An die Felſen zu feſſeln, gerecht, Herr, ſind ſie die Wege
Deines Zorns; wer darf ſie tadeln, und fragen, was machſt du?
Vor dir ſchaudert die Tiefe zuruͤck; das brauſende Chaos
Stoͤßet Welten voll Elend hervor; nach deinen Befehlen
Drehn ſie ſich unter einander, und warten auf ihre Bewohner.
Ach! daß doch die ſtolzen Empoͤrer die trotzigen Waffen
Von ſich wuͤrfen! O beugt euch vor ihm, ihr ſtolzen Empoͤrer!
Aber du haſt ſie dahin gegeben, die Fluͤgel der Rache
Stuͤrmen ſchon hinter ihnen einher; und ewigs Ver - derben
Schlin -77Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Schlinget ſie ein. Erbarmen wird nicht, nicht Hofnung, den Abgrund
Jemals beſuchen, den ietzo fuͤr ſie die Rache bereitet!
So verfloſſen im Chaos tief unter dem ſeeligen Himmel
Jhre Stunden in klagenden Liedern, und heiligen Hymnen.
Und nun, da die zweyte der Naͤchte mit graͤßli - chen Schwingen
Bruͤtend uͤber dem Abgrund ſaß; ſtand unter den Welten,
Majeſtaͤtiſch und ernſt, der Sohn der Allmacht. Sein Antlitz
Schaute gefuͤrchtet umher. Jetzt faßte die ſchreckliche Rechte
Tauſend zuſammengekettete Donner; er warf ſie auf einmal
Jn die Welten hinab; die alles zerſchmetternde Blitze
Fuhren mit ſeelenbetaͤnbendem Knall in die zitternden Erden,
G 4Daß78Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Daß die Engel, vom Krachen betaͤubt, mit wankenden Knieen
Kaum ſich hielten vor Schrecken und Furcht. Die be - benden Welten
Rauchten, von maͤchtigen Blitzen geſpalten, und wir - belten Flammen,
Dicke Saͤulen vom Dampf und ſchwarze Wolken vom Rauche,
Hinter ſich her. Sie hatten ſogleich die Laufbahn ver - aͤndert,
Und bewegten ſich nun in langen elliptiſchen Kreiſen
Unter einander. Die feurigen Schweife durchkreutzten ſich oͤfters,
Und es ſchien, als ob ſich die Laufbahn naͤher und naͤher
Gegen einander geneigt; und nun noch naͤher. So wallte
Ueber die flammenden Welten die Glut; ein furchtba - rer Himmel
Ganz mit brennenden Sternen bedeckt. Der andere Morgen
Brach79Die Schoͤpfuug der Hoͤlle.
Brach ietzt an; die Choͤre des Himmels beſangen ihn alſo:
Feuer gieng aus vom Throne des Herrn! der zornige Richter
Schoß die verzehrenden Flammen umher; die Lohe des Grimmes
Schmelzte die Himmel, ergriff die Sterne! Wer kan es ertragen,
Wenn Gott ſeiner Rache gebeut? Wer kan es ertragen,
Wenn er den Abgrund entzuͤndet? aus ihm die Strafe heraufruft?
Fuͤrchtet den Herrn ihr, ſeine Gerechten! Jhr Heili - gen, fallet
Jn den Staub hin, und betet ihn an, den Richter, Jehovah!
Und nun kam die dritte der Naͤchte. Viel ſchwaͤr - zer, und ſchwerer
Hieng ſie vom Himmel. Die wuͤtende Glut der ent - flammten Geſtirne
War vermindert. Der Sohn des Allmaͤchtgen berief ietzt die Engel
G 5Naͤ -80Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Naͤher herum um den leuchtenden Wagen. Mit blitzen - den Raͤdern
Fuhr er empor, und ließ tief unter ſich alle die Erden,
Nur noch hier und da in halb verloͤſchenden Flammen
Glimmend. Mit Schrecken geruͤſtet, und ernſter, furcht - barer, ſtand er
Auf dem Wagen, und ſchaute herab in die Tiefe. Dann ſprach er:
Welten der Nacht! Geſtirne des Zorns, zur Strafe geſchaffen,
Stuͤrzet zuſammen! Er ſprachs, und ploͤtzlich ſtuͤrzten ſie alle
Krachend unter einander aus ihren donnernden Angeln.
Und ietzt, glaub ich, waͤren die Engel vor Schauder und Schrecken,
Jhrer Schimmer beraubt, in ewge Vernichtung geſunken,
Haͤtte ſie nicht die Allmacht erhalten, und ihre Gemuͤther
Ueber81Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Ueber zuſammenſtuͤrzenden Himmeln und Welten ge - ſtaͤrket.
Schaudert nicht, Adam, dein ganzes Gefuͤhl erſchro - cken zuruͤcke!
Wer kan hoͤren die ſchmetternden Donner, das heulen - de Krachen,
Und des betaͤubenden Wiederhalls Seufzen, als tauſend Geſtirne,
Jhren Gleiſen entriſſen, ſich unter einander verſchlangen!
Ueber den niederrollenden Himmeln und fallenden Welten
Stand, mit Allmacht umringt, der große Schoͤpfer, al - lein nur
Unerſchrocken; und ſchaute herab auf die dampfenden Truͤmmer
Dieſer zuſammengeſunknen Planeten. Sein ſchaffendes Wort ſprach,
Und ein Weltball wurde ſogleich zehntauſendmal groͤßer,
Als die Erde, die ietzo mit uns im Dunkeln dahinſchwebt,
Aus82Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Aus den Truͤmmern. Mit lautem Getoͤs begab der Planet ſich
Jn die angewieſene Bahn, und drehte ſich furchtbar,
Ohne Geſetze der Ordnung mit ſchweren ſchwankenden Achſen
Unter dem Chaos herum. Jndem er den Schoͤpfer vor - beyflog,
Hieß er ihn ſtehn; und er ſtand. Vor der Engel er - ſchrockenen Augen
Lag die weit verbreitete Welt des ewigen Jammers
Jn entſetzlicher Ausſicht. O Adam, wo find ich die Farben,
Dinge zu zeichnen, von ſeeligen Geiſtern zu denken kaum moͤglich,
Wenn ſie die Welt des Jammers und Elends, und ſol - cher Verwuͤſtung,
Selbſt nicht geſchaut; und ſelb nicht gefuͤhlt die Schreck - niſſe Gottes,
Die auf ihr in Ewigkeit ruhn? Mit ſchaudernden Blicken
Sah83Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Sah man in rauchende Meere hinab von ſiedendem Feuer,
Voll lautbrauſender gluͤhender Wogen; die tobenden Wellen
Spruͤhten Funken gen Himmel, wofern der naͤchtliche Luftkreis
Himmel zu nennen, der voller Salpeter und ſchweflich - ten Duͤnſte
Um die Welt des Schreckens ſich waͤlzte. Mit ſchlaͤngeln - den Stroͤmen
Riß ſich der Blitz aus eiſernen Wolken, und ſchreckliche Donner
Donnerten hinter ihm nach. Jn andern Gegenden ſtuͤrmten
Von zertruͤmmerten Bergen Orkane mit heulendem Bruͤllen
Ueber die traurigen Haiden. Da lagen Thaͤler des Todes,
Scheußlich und oͤde; verdorrtes Gebuͤſch hieng wild und entwurzelt
Von den geſpaltnen Felſen herab, und ewige Nacht lag
Ueber84Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Ueber dem Thal; ein banges Klagen, und einſames Jammern
Heulte der Sturm aus den Hoͤlen, und lange winſeln - de Stimmen
Weinten aus Kluͤften herauf, und goſſen Schauder und Mitleid
Ueber die Engel. An ihnen grenzten unwirthbare Berge,
Ueber einandergeſtuͤrzte Ruinen zertruͤmmerter Welten,
Ohne Schmuck von lebendgem Geſtraͤuch und lieblichen Hainen;
Sondern verſengte verdorrte Waͤlder, halbumgeſtuͤrzt, lagen
Jhre verwuͤſteten Ruͤcken herunter. Entflammte Vulkane
Brannten viel Meilen lang fort, und waͤlzten aus ſchreck - lichen Schluͤnden
Wolken mit Feuer und Dampf und Felſen vermiſcht in die Luͤfte.
Unter der Erde vernahm man von fern ein praſſelnd Getoͤſe,
Wie85Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Wie das Getoͤs von eiſernen Wagen; es bebten Provinzen
Ueber den unterirdiſchen Wettern; die zagenden Meere
Stiegen empor, und weite Geſtade mit ganzen Gebirgen
Stuͤrzten hinunter in flammende Seen, und Laͤnder verſchwanden.
Anderswo rauſchten von Felſen hinab in traurige Laͤnder
Baͤche des Todes, und maͤchtige Fluͤſſe, die Reiche der Hoͤlle
Kuͤnftig zu zeichnen. Hier war kein ſanſtes gemildertes Clima,
Sondern die brennende Luft, und die Erde verſengten entweder,
Oder ſie ſtarrten in ewigem Eis; wohin ſich der Blick wandt,
Sah er Gefilde der Pein und Verzweiflung, erſtorbene Fluren,
Traurige Regionen des Kummers, des Jammers, des Elends,
Eine86Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Eine traurige Welt des Todes, in welcher das Leben
Stirbt, und der Tod nur lebt, von Ungeheuern bevoͤlkert,
Scheußlicher, ſchrecklicher, wuͤthender, wilder, als Loͤ - wen und Drachen,
Haͤtte Blutdurſt und Gift ſie zum Verderben entflammet.
Und Gott ſah ſie die Hoͤlle, mit allen ihren Be - zirken,
Seiner Abſicht gemaͤß, und zu dem ſtrafenden Endzweck
Groß und vollkommen. Es war bisher ein ſtralender Lichtweg
Von dem himmliſchen Tag durchs Chaos gedrungen; die Hoͤlle
Hatte bisher noch den Ausfluß des hellen Glanzes ge - noſſen,
Der ietzt zum drittenmal ſchien; indem er leuchtete, ſprach Gott:
Schei -97Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Scheine zum letztenmal, Licht! Es werde Nacht! und es ward Nacht.
Siebenfaͤltig ſenkte ſie ſich wie Laſten herunter,
Duͤſter und fuͤhlbar; der flammende Blitz zerriß ſie oft ſchrecklich!
Und ſein fluͤchtiger Stral, und blaſſe ſchweflichte Flam - men,
Machten ſie ſichtbarer noch. Der Sohn der All - macht berief nun
Zu ſich die Engel des Todes, und ſprach mit gebieten - dem Antlitz:
Seht! Dies iſt die traurige Welt des ewigen Todes,
Euer ſey ihre Bewachung! und uͤber ſie ſprechet den Fluch aus,
Denn, ich hab im Zorn ſie verflucht, ihr Name ſey Hoͤlle!
Alſo ſprach des Allmaͤchtigen Sohn. Die Engel des Todes
Lagern ſich, in maͤchtgen Geſchwadern, am Eingang der Hoͤlle
V. Th. HUm98Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Um die Pforten herum, die an dem aͤuſſerſten Pole
Jenſeits der fernſten Grenzen des Chaos die Allmacht befeſtigt.
Und Obaddon, der furchtbare Fuͤhrer der Engel des Todes,
Schwang ſich hoch auf rauſchenden Fluͤgeln uͤber die Hoͤlle;
Hielt in der Rechten das flammende Schwerdt, gleich einem Kometen,
Und rief laut: Bey dem, der gerecht iſt, und allen Empoͤrern
Wider ſeinen Geſalbten der Finſterniß Ketten bereitet,
Bey dem Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht ſey dein Himmel!
Jmmer muͤſſe der Sturm in heulenden Luͤften ſich waͤl - zen,
Und der lauteſte Schall der Donner die Wolken zerreiſſen!
Niemals ſtrale durch dein Gewoͤlbe der Schimmer des Tages,
Grauſen -99Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Grauſende, ſchreckliche, ewige Nacht verhuͤll es auf immer!
Beym Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht ſey dein Boden;
Jhn beſuche kein Lenz; und keine Schoͤnheit und An - muth
Schmuͤcke dein trauriges Land! Dein Meer ſey immer in Aufruhr,
Und dein Erdreich brenne beſtaͤndig von ſiedendem Schwefel;
Dein Gebirge rauche von Gluth; die Ebne zerſpalte
Von dem Feuer des Herrn; und Winſeln und Aechzen und Heulen
Schall in deinen Thaͤlern des Todes, und an den Ge - ſtaden
Deiner bellenden Seen, und deiner ſtuͤrmiſchen Fluͤſſe!
Beym Allmaͤchtgen fluch ich dir, Hoͤlle! Verflucht ſey die Wohnung
Alles deſſen, was in dir lebt! Verflucht ſey der Fußtritt
H 2Jedes100Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Jedes Geſchoͤpfs, das wandelt in dir, in Feuer und Aſche
Geh es einher! ſein Athem ſey Peſt. Weh! weh ihm! es ſtirbt hier,
Stirbt den ewigen Tod! Hier ſpreite die ſchwarze Verzweiflung,
Ueber den Suͤnder, die graͤßlichen Schwingen; und ſchreck ihn, und quaͤl ihn,
Und zerreiß ihn, doch ohn ihn zu toͤdten; nie komme die Hofnung,
Nicht die ſchwaͤcheſte komme, zu ihm, die wildeſte Quaal nur,
Stechende Pein nur, und durſtende Angſt nur, und knirſchende Rachſucht,
Peinige, foltre, ſchmettre den nieder, der, Gott, dich gelaͤſtert!
Feyerlich hatte den Fluch der Todesengel geſprochen,
Und ſo ward die Hoͤlle vollbracht. Gott hielt ſie nicht laͤnger,
Sondern ſtieß ſie hinab zur Finſterniß; krachend betrat ſie
Jhre101Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Jhre Laufbahn, ſchwankend und wild, und ohne Geſetze.
Von ihr wandte der Schoͤpfer ſich ab, und ſtieg auf den Wagen,
Und, nachdem er die Choͤre der Geiſter dicht um ſich verſammelt,
Sprach er: Jhr Soͤhne des Lichts! Jhr, die kein Stolz, kein Empoͤrer
Wider Gott zu empoͤren vermocht! ihr, welche mein Vater
So im Guten beſtaͤtigt, daß keine Macht, noch Ver - fuͤhrung,
Euch von Wege der Tugend wird leiten; ihr heiligen Schaaren,
Ehret die Rache des Herrn, und ſagt von Himmel zu Himmeln
Seiner Gerechtigkeit Lob, und ſeines Zornes Verwuͤ - ſtung.
Dieſes Gefaͤngniß ſtrecket bereits der Finſterniß Ketten
Jenen Verruchten entgegen, die in den Feldern des Himmels
H 3Wider102Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Wider eure Gefaͤhrten gelagert, mit hoͤlliſchen Waffen
Unſre Legionen geſchreckt. Doch lange ſoll nicht mehr
Krieg den Himmel entſtellen, ſo ſehr ſie zu ſiegen ſich ſchmeicheln.
Todesengel! wenn ietzo die Tiefe des unterſten Chaos
Von dem verfolgenden Donner erſchallt; wenn bald durch die Nacht hin,
Mit entſetzlichem Fall, Myriaden Geiſter ſich ſtuͤrzen;
Wenn ihr nunmehr den Kriegsklang vernehmt der ho - hen Poſaunen,
Und das Drommeten der Engel, das uͤber die Grenzen des Himmels
Siegreich ertoͤnt: dann ruͤckt herzu, in geſchloſſenen Schaaren,
Um die verriegelten Thore der Hoͤlle. So ſchrecklich der Fall auch
Dieſer Verworfnen geweſen, ſo wird die Zeit ſich doch nahen,
Daß103Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Daß ſie von ihrem Fall ſich erhohlen, noch groͤßre Ver - brechen
Ueber ſich haͤufen, noch groͤſſere Strafen dadurch ſich erringen.
Satan, ihr Fuͤhrer, wird liſtig ſich einſt der Staͤrke der Pforten
Sich entreiſſen, ja ſelbſt die offenſte Wachſamkeit taͤu - ſchen;
Alſo hat es mein Vater beſchloſſen, und fordert von euch nicht,
Was er zulaͤßt, den groſſen Betruͤger zu Schanden zu machen;
Aber ihr ſollt die Pforten allhier ſtets wachſam umrin - gen,
Daß die Hoͤlle nicht einſt von neuem zuſammen ſich rotte,
Mit verſammelter Macht die kuͤnftige Schoͤpfung zu ſtoͤren.
Zwar dem Empoͤrer gelingt es zu ſehr, Geſchoͤpfe von Staube
Wider Gott zu verfuͤhren; doch dieſe ſchwaͤrzeſte That bringt
H 4Auf104Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Auf ſein Haupt die ſchrecklichſte Strafe. Mit allen Verdammten dafuͤr
Will ich ihn einſt im Abgrund mit Ketten von Demant
Binden, daß Zeit und Gewalt nie wieder die Feſſeln ihm loͤſe.
Jetzo folget mir nach, ihr Helden und Krieger des Himmels,
Thronen, Fuͤrſten und Maͤchte! ſeyd Zeugen der groſ - ſen Vollendung
Gottes Gerichts uͤber Satan! So ſprach er. Jm Augenblick rollte
Sein kryſtallner Wagen zuruͤck durch das wallende Chaos,
Und im hohen Triumph betrat er die Felder des Himmels.
Hier, du weißt es, fand er ſein Heer im muthgen Gefechte
Wider Satan; wir jauchzten dem Wagen des kom - menden Siegers
Jubel entgegen, und ſtieſſen mit unſern geſchloſſenen Schaaren
Zu105Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Zu der Standarte des groſſen Meßias. Die Feinde des Ewgen
Trieb er bald, mit allmaͤchtigem Donner, zum Rande des Himmels,
Und von da zum Abgrund hinab; mit ſchrecklichem Falle
Stuͤrzten ſie nieder zur unterſten Hoͤlle; die Flamme des Zornes
Brannte fuͤrchterlich nach bis in den Pfuhl des Ver - derbens.
Alſo beſchloß, der Geſandte des Himmels, die dunk - le Geſchichte
Von der Erſchaffung der Hoͤlle. Jhn hatte der Erſte der Menſchen
Mit Entzuͤcken und Grauſen gehoͤrt, und groſſe Gedanken
Jn ſich verſammelt. Jetzt ſprach er zu ihm mit dankba - ren Worten:
Liebling des Himmels, wie hat dein Bericht die kuͤh - neſte Neugier
Uebertroffen! Mit kaltem Entſetzen erblick ich noch ietzo
H 5Vor106Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Vor mir den flammenden Schlund. Doch hab ich die traurige Nachricht
Recht vernommen; ſo iſt dies Gefaͤngniß fuͤr Engel al - lein nicht,
Sondern auch noch fuͤr andre Geſchoͤpfe von Staube beſtimmet.
O wie vergaͤllt dies die Freude, die meine Seele da - hinreißt,
Wenn ich ſo viel unzehlbare Sonnen, Planeten und Erden,
Alle vielleicht mit Bewohnern mir denke, die alle ſich dankbar
Vor dem Thron des Allmaͤchtigen beugen, und reine Gebete
Zu dem Himmel ihm ſenden; wie? ſollten dann ſei - ne Geſchoͤpfe,
Die er ſo guͤtig erſchuf, mit ſolcher Unſchuld gekleidet,
Jhren Schoͤpfer ſo ſehr, und ihre Pflichten verkennen,
Und zu ſolchen Strafen ihn reitzen? Der Engel verſetzte:
Des107Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Des Allmaͤchtigen Sohn hat zwar die verborgnen Orakel
Seines Vaters nicht ganz uns enthuͤllt: Doch wurde die Hoͤlle
Nicht umſonſt unermeßlich erſchaffen; die weiten Bezirke
Warten auf Myriaden verdammter Engel und Seelen.
Ach! und moͤchten doch nicht die kuͤnftgen Bewohner der Erde
Satans liſtgen Verfuͤhrungen folgen! Wie fuͤrcht ich zu ſehr nur,
Daß ſie es ſind, die Menſchen vom Staube, die ihre Verbrechen
Jns Verderben geſtuͤrzt! Die Welt des ewigen Todes,
Die ich vor deinen Augen enthuͤllt, hat deine Gedanken
Mit Entſetzen und Grauſen getroffen; doch ſchreckli - cher, ſchwaͤrzer,
Muß ſie ſich zeigen vor ihm, der mit dem kuͤhneren Geiſte
Jetzt108Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Jetzt in ihre Grenzen ſich ſchwingt, ietzt, da ſie bewohnt iſt
Von Verdammten, wo jeder in ſich die Hoͤlle verbirget.
Als das Sataniſche Heer herunter zum Abgrund ſich ſtuͤrzte,
Sah ich auf ihrer Flucht ſie verfolgt von der ſchwarzen Verzweiflung,
Und von jedem wilden Affekt, der nie ſonſt geherrſchet
Jn unſterblichen Geiſtern. Der Stolz, der Neid, und die Zwietracht
Mit dem Schlangenhaar, Rachſucht, und Wut, und der Haß, und die Falſchheit,
Stuͤrzten ſich hinter ihnen einher, und haben auf ewig
Jhre Wohnung bey ihnen genommen. Auch flog das Gewiſſen
Mit zur Hoͤlle hinab. Da hat es in donnernden Wolken
Seinen Thron ſich geſetzt; die laute maͤchtige Stimme
Toͤnt109Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Toͤnt durch den Abgrund; kein Muth kan ſich wafnen, kein Ohr ſich verſtopfen,
Wenn es ſpricht, denn es ſpricht allmaͤchtig; bald ſtark, wie Poſaunen,
Und bald lispelnd, wie heimliche Stimmen; kein ſchnel - ler Gedanke
Und kein Fluͤgel des Cherubs entflieht ihm; der ſchwar - ze Verdammte
Laͤſtert wider den Himmel, ſich ſelbſt, und ſeine Gefaͤhrten,
Leidet unendlich, verfluchet ſich ſelber, verdammet ſich ſelber.
Dieſes, o Adam, iſt Hoͤlle! Doch laß uns die ſchaudernden Blicke
Wieder entziehn von Scenen des ewigen Jammers! Bewahre
Deinen ietzigen Stand der Unſchuld! verharr im Ge - horſam,
Und laß keine Verſuchung, ſo ſtark ſie auch ſey, dich verfuͤhren,
Eine Nachwelt von dir in ewige Quaalen zu ſtuͤrzen.
Raphael110Die Schoͤpfung der Hoͤlle.
Raphael ſchwieg. Durch Adams Herz lief kal - tes Entſetzen;
Jhm, von ſchwarzer Ahndung bewegt, rann uͤber die Wange
Ploͤtzlich ein Strom von Thraͤnen herab: doch faßt er von neuem
Bey ſich den feſten Entſchluß, des Schoͤpfers Gebote zu halten.
Die[111]

Die Unterwerfung gefallner Engel und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern der Menſchen.

[112]113
Die Unterwerfung gefallner Engel und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern der Menſchen.
Fern von Satans rebelliſcher Schaar bezog ietzt Orions
Myriade, das einſame Lager. Er war der Standarte
Satans gefolgt; doch ſchoß in ihn ſchnell ein goͤttlicher Lichtſtral,
Daß er das ſchwarze Verbrechen erkannte. Er riß in der Nacht ſich
V. Th. JVom114Die Unterwerfung gefallner Engel
Vom ſataniſchen Heer, und fuͤhrte die kriegriſchen Haufen,
Unter ſeinem Befehl, fern von des Empoͤrers Gezelten.
Sicher kam er hier an. Es wurden Cherubiſche Feuer
Rund um das Lager geſtellt, auf Satans Bewegung zu wachen,
Sollt er ſie etwan verfolgen. Drauf rufte, mit feſtli - chem Klange,
Die Poſaune zur hohen Verſammlung. Die Fuͤrſten und Helden
Draͤngten ſich um Orions Gezelt; der maͤchtige Fuͤhrer
Trat ietzt unter ſie hin, und verſuchte zu reden; doch Thraͤnen
Rannen ihm uͤber die Wangen; die tiefſte Bekuͤmmer - niß herrſchte
Auf dem Antlitz aller umher; doch fanden zuletzt noch
Alſo die Worte, mit Seufzern vermiſcht, den trauri - gen Ausgang:
Fuͤr -115und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Fuͤrſten, und Helden, und Krieger! O daß wir den Namen des Krieges
Nimmer gehoͤrt! O daß wir doch nie die Schwerdter gezuͤcket!
Wir Betrognen! Wir Armen, in welche Tiefe von Elend
Haben wir ſelbſt uns hinuntergeſtuͤrzt, und haben den Liſten
Eines Verfuͤhrers gehorcht? Jſt’s moͤglich, ſind es nicht Traͤume
Unſers erſchrocknen Gemuͤths? Abtruͤnnige ſind wir? Gefallen?
Haben uns wider Jehovah, und ſeinen Geſalbten, em - poͤret;
Haben die Waffen ergriffen, und haben auf unſere Bruͤder,
Engel auf Engel, den Angriff gethan? Und warum? Was vermocht uns
Zu der ſchaͤndlichen That? O! laßt es beſchaͤmt uns bekennen;
Einem Rebellen zu folgen, und einem Stolzen zu dienen.
J 2Sa -116Die Unterwerfung gefallner Engel
Satan, (ſo nennet ihn ietzt, den frechen Empoͤrer) wie hat er
Uns mit dem Schall der Freyheit getaͤuſcht! Er, welcher von uns ſchon
Tiefern Gehorſam verlangt, als ſelbſt der Allmaͤchtge. Was iſt er,
Daß wir ſo ihn verehren ſollten? Und welche Verdienſte
Hat er, daß wir ihm ſelbſt vielleicht den Kniefall bezeiget,
Den wir dem großen Geſalbten verſagt! Voll Schaam und voll Reue
Muͤſſen wir unſer Antlitz bedecken! O daß wir geſuͤndigt,
So uns verſuͤndigt an Gott! und ſo vom Guten gefallen!
Traurig und einſam, verlaſſen von allem, verfolget uns raͤchend
Unſer Gewiſſen; es muß es geſtehn, wir haben geſuͤndigt,
Schwer geſuͤndigt! wird Gott uns vergeben? und kan er vergeben,
Kan117und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Kan er ſolchen Verbrechern vergeben, die von ihm ge - wichen?
Mit rebelliſchen Waffen um ſeine Heiligen ſtuͤrmten,
Und mit Krieg den Himmel entſtellt? Erbarmer, Jehovah!
Und du, den wir verſchmaͤht, du, ſein erhabner Geſalbter,
Jſt Erbarmung noch uͤbrig, fuͤr uns Gefallne noch uͤbrig:
O! ſo verſchmaͤh nicht die Thraͤne der Reu! Jhr Helden und Krieger,
Jeder ſey ſtill in ſeinem Gezelt die einſame Nacht durch;
Und ſo oft ihr den Schall der hohen Poſaune vernehmet,
So werft euch aufs Angeſicht hin; und ſuchet mit Thraͤnen,
Und Gebeten der Reu, den Zorn des Allmaͤchtgen zu lindern,
Ob er ſeiner gefallnen Knechte vielleicht ſich erbarme.
J 3Die -118Die Unterwerfung gefallner Engel
Dieſes Orion mit thraͤnendem Blick und blutendem Herzen
Machte ſich jeder nach ſeinem Gezelt; ſo oft die Poſaune
Bey den Stunden der Nachtwacht ertoͤnte, da fielen ſie alle
Jn den Staub hin vor Gott, und weinten um Gnad und Erbarmung.
Und der Allmaͤchtige ſah von ſeinem heiligen Huͤgel,
Auf ſie hernieder, und ſprach: Sollt ich vor meiner Geſchoͤpfe
Buͤſſenden Seufzern mein Ohr verſchlieſſen? und ſolte die Gnade,
Noch bey Zeiten geſucht, zerſchlagene Herzen nicht troͤſten?
Als er noch ſprach, erſchienen im Himmel die frommen Gebete,
Kinder der Demuth und Reu; ſie giengen, mit Staub auf den Haͤuptern
Zitternd einher, und huͤllten ſich tief ins weiſſe Ge - wand ein;
Blin -119und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Blinkende Perlen ſtanden im Aug, und Schaam und Verwirrung
Deckte die Stirn; fuͤr ſie iſt nie das Heiligthum Gottes
Unzunahlich. Sie traten herzu; die Choͤre der Engel
Theilten ſich, da ſie ſie ſahn, und lieſſen ſie ungeſtoͤrt wan - deln
Durch die langen anbetenden Reihn zum Throne der Allmacht.
Als ſie der Ewige ſah, befahl er dem erſten der Engel,
Gabriel, der naͤchſt unter ihm ſtand, ſie naͤher zu fuͤhren.
Und er fuͤhrte ſie naͤher; ſie fielen nieder, und weinten
Vor des Allmaͤchtigen Thron, und beteten an, und die Schaalen
Jhres Raͤuchwerks dampften vor Gott mit Wolken von Duft auf,
Jhm ein ſuͤſſer Geruch. Er neigte ſein guͤldenes Zepter
J 4Gegen120Die Unterwerfung gefallner Engel
Gegen ſie nieder, und gnaͤdig erklang des Ewigen Stimme:
Gabriel! eile hinab, zu dieſen Gefallnen; ver - kuͤndge
Jhnen Vergebung und Gnade von mir. Sie ſollen in Zukunft
Rein ſeyn; wem ich vergebe, dem hab ich vergeben. Doch ſoll noch,
Eh ſie meinem Throne ſich nahn, zu neuem Gehorſam
Einige Zeit der Pruͤfung ſie laͤutern. Noch ſteht in dem Chaos
Schaffend mein maͤchtiger Sohn; er hat der Erde gerufen,
Und ſie iſt da. Die Bewohner der Erd, er hat ſie beſtimmet,
Einſt nach ihren Tagen der Pruͤfung euch aͤhnlich zu werden.
Dieſem erwaͤhlten Geſchlecht beſtimmet, mein ewiger Rathſchluß,
Sie zu Fuͤhrern und Waͤchtern; ſie ſollen ſie vor der Verſuchung
Sa -121und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Satans bewahren, (denn Satan wird ſich, ſo hab ichs beſchloſſen,
Bald dem Abgrund entreiſſen; das Menſchengeſchlechte verfuͤhren,
Und noch groͤßre Verdammniß dadurch ſich erringen,) ſie ſollen
Jhre Herzen zur Tugend erhoͤhn, und große Gedanken
Jn den Seelen erſchaffen, wenn unter den Feſſeln des Koͤrpers
Unter der wilden Zerſtreuung und unter der Eitelkeit Taumel,
Jhr vom Himmel ſtammender Geiſt, zum Laſter ver - ſucht wird.
Wenn dann des Weltgerichts maͤchtge Poſaune die Him - mel durchſchallet,
Und der neuen unſterblichen Schaar ſich um mich ver - ſammelt,
Will ich ſie gleichfalls verſammeln, und ihnen die Treue belohnen,
Die ſie dem Menſchengeſchlecht erwieſen; dann ſollen ſie wieder,
J 5Thro -122Die Unterwerfung gefallner Engel
Thronen, und Fuͤrſten, und Kraͤfte, die alten Wuͤrden bekleiden,
Und in ewiger Wonne mit mir, und den Seligen leben.
Alſo der Ewige! Lautes Jauchzen durchſchallte die Himmel;
Und ſchnell machte ſich Gabriel auf, die hohen Befehle
Zu vollbringen, und flog mit ſonnenſtralenden Fluͤgeln
Durch die aͤtherſchen Gefilde; er ließ in daͤmmernden Schatten
Einen langen ſtralenden Weg, ſo wie er dahinflog.
Und ſo verfolgte der reiſende Seraph die einſame Nacht durch,
Jn den Feldern des Himmels, die Reiſe. Der lachen - de Morgen
Stieg auf den leuchtenden Wagen mit empyreiſchem Golde
Praͤchtig geſchmuͤckt, und erhellte die Flur mit Schim - mer und Freude.
Aber123und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Aber die Freude beſuchte nicht mehr das Lager der Engel,
Das ietzt der Seraph von fern her entdeckte. Mit ei - lenden Schritten
Naht er ſich ihren glaͤnzenden Zelten. Die aͤuſſerſten Schaaren,
Die allein geruͤſtet noch ſtanden, das Kriegesheer Satans,
So ſie verfolgen moͤchte, zu ſpaͤhn, erhuben die Blicke,
Sahn den hohen Geſandten von Gott, und neigten voll Ehrfurcht
Jhre ſchimmernden Waffen vor ihm. Jn allen Geſichtern
Fand er ſchwarze Melancholey, und tiefe Betruͤbniß.
Und wie konnten ſie anders, als ernſt, und niederge - ſchlagen,
An ihr Schickſal gedenken, das noch in drohenden Wolken
Dunkel verhuͤllt hieng uͤber dem Haupt? Wie konnten ſie anders
Als124Die Unterwerfung gefallner Engel
Als mit traurigen Herzen den Blick ins Vergangene wagen,
Oder in die noch ſchwaͤrzere Zukunft, von Strafen er - fuͤllet,
Die ſie zu ſehr nur verdient, und mit Verderben geruͤſtet?
Durch das heitre Geſicht des glaͤnzenden Seraphs er - muntert,
Nahte ſich einer der Engel zu ihm, und ſagte, ſich neigend:
Koͤmmſt du, großer Geſandter des Himmels, zu unſeren Huͤtten,
Uns Vergebung, oder vielleicht das Urtheil des Todes
Zu verkuͤndigen? Aber ſo ſanft und heiter vermoͤchte
Der auf uns nicht zu blicken, der unſre Verdammniß uns braͤchte.
Nein! du koͤmmſt, ein Bote der Gnade, das ſaget dein Auge,
Und in deinen Haͤnden der Oelzweig. Jch fuͤhr im Triumphe
Dich125und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Dich zu den unſrigen, truͤgt mich nicht anders der Hof - nungen ſchoͤnſte.
Gabriel gab ihm zur Antwort: Jch bin ein Bote der Gnade;
Bringet mich zu dem Gezelt Orions, des maͤchtigen Fuͤhrers
Eurer Schaaren, und hoͤret von mir die Befehle des Hoͤchſten.
Alſo ſprach er: Sie folgten ihm nach, und wand - ten die Schritte
Nach dem einſamen Lager. Jn melancholiſcher Stille
Lag es, und alles umher war ſtumm, und veroͤdet, und traurig,
Aufgethuͤrmt lagen im Feld die hellen ſchimmernden Waffen,
Oder hiengen zerſtreut an den Aeſten. Jn haͤufigen Schaaren
Jrrten die kriegriſchen Geiſter umher in Thaͤlern und Auen,
Ohne Waffen, und hiengen beſtuͤrzt, voll Kummer im Herzen,
Jn126Die Unterwerfung gefallner Engel
Jhren finſtern Gedanken nach, die helle Poſaune
Weckte zu Klagen allein; und von den ſchimmernden Staͤben
Wehten die hohen Paniere nicht mehr vom Winde durchflattert.
Einer der maͤchtigſten Thronen, Orion, der Fuͤhrer des Heeres,
Saß im ſtillen Gezelt. Jhn druͤckten Laſten von Qualen
Auf der Seele, mit Unruh und Reu, daß Satans Panieren
Er gefolgt; ihn verzehrte der Gram; die brennenden Thraͤnen
Rannen ihm uͤber die Wangen, ihm lag die Erwartung des Schickſals
Ueber ſeine Gefaͤhrten, und ſich, auf aͤngſtlichem Herzen,
Wie ein Gebuͤrge. Er hatte voll Schmerz die himm - liſche Leyer,
Sich zu betaͤuben, genommen. Die ſanften guͤldenen Saiten
Schall -127und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Schallten in melancholiſche Klagen, und floͤßten der Seele
Himmliſche Linderung ein; denn welches Gemuͤth wird nicht leichter,
Wenn es ſich in Geſaͤngen ergießt? Und welche Betruͤbniß
Hat nicht die Tonkunſt, die Tochter des Himmels, be - zaubernd gelindert,
Oder beſiegt? Die goͤttlichen Lieder erklangen von fern ſchon
Jn des entzuͤckten Gabriels Herz. Der ſtralende Teppich
Rauſcht vor dem Seraph ietzt auf. So bald ihn Orion erblickte,
Sank ihm die Leyer beſtuͤrzt aus der Hand, er erhub ſich; betroffen
Sprach er: Erhabner Seraph, Geſandter des Hoͤch - ſten! unfehlbar
Schickt der Allmaͤchtige dich zu ſeinen gefallenen Knechten.
O daß endlich die Bothſchaft des Himmels uns Arme beſuchte,
Die128Die Unterwerfung gefallner Engel
Die wir in Thraͤnen vergehn! Vielleicht daß unſere Thraͤnen
Seinen verderbenden Zorn entwafnet! vielleicht! doch, Geliebter,
Laß uns nicht laͤnger in ſchwerer Erwartung, und laß uns mit Demuth
Unſer Urtheil vernehmen! So ſprach er. Der Seraph verſetzte:
Laß die Poſaunen ertoͤnen, damit ſich alle verſammeln,
Welche zu deinem Panier gehoͤren. Des Hoͤchſten Befehle
Warten auf euren Gehorſam; er gab ſie mit tiefem Erbarmen.
Gluͤcklich bin ich, ſie euch zu verkuͤndgen; So ſag - te der Seraph.
Alsbald gab Orion Befehl, die Poſaune zu blaſen;
Und ein maͤchtiger Cherubim ſtieß mit harmoniſchen Lippen
Jn das aͤtherſche Metall, die ganze Gegend erſchallte
Von129und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Von dem Getoͤn. Mit fliegenden Schritten begaben ſich alle
Unter ihre Standarten und Fahnen. Die glaͤnzenden Schilde
Draͤngten ſich dicht an einander, und mit gehoͤrneten Spitzen
Schloß ſich das ſaͤmtliche Heer an ſeinen Fuͤhrer, Orion,
Neben welchem der hohe Geſandte zum Sprechen be - reit ſtand.
Ehrerbietige Stille beherrſchte die wartenden Schaaren,
Und mit auf ihn geheftetem Blick, und banger Erwar - tung,
Standen ſie, ſeine Worte zu hoͤren; voll Anſtand begann er:
Thronen, Fuͤrſten, und Maͤchte! der Reu und Be - kehrung Gebete,
Die zu Gott um Vergebung gefleht, ſind vor ihn ge - drungen,
Haben Vergebung erlangt, und den Zorn des Richters verſoͤhnet.
V. Th. KHeil130Die Unterwerfung gefallner Engel
Heil euch! daß ihr im Staube gekniet, und bittere Thraͤnen
Zu dem Hoͤchſten geweint, die euch Vergebung erlanget!
Heil euch! Begnadigte! daß fuͤr euch noch in Zeiten der Abzug
Vom Sataniſchen Heer am Throne des Richters gezeuget,
Daß ihr die Fahne des Aufruhrs verließt, und in Zeiten die Gnade
Bey dem Allmaͤchtgen geſucht, die jenen Rebellen ver - ſagt iſt.
Heitert euch auf, wie Begnadigten ziemt! Doch for - dert der Ewge
Euren Gehorſam nunmehr, nicht ohne Pruͤfung. Jhr wiſſet,
Daß ſchon lang ein prophetiſch Geruͤcht im Himmel ge - gangen
Von der Erſchaffung unzehliger Welten, mit herrlichen Geiſtern
Und unſterblichen Seelen erfuͤllt; die hohe Beſtimmung
Von131und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Von der geringern Erde, dem Schauplatz der goͤttlichen Gnade,
Und der Erbarmung des Sohns, iſt euch nicht gaͤnzlich verborgen,
Da wir ſo oft in heiligen Stunden, mit kuͤhnen Ver - muthen,
Uns von ihr unterredt. Jetzt ſind die Tage gekommen.
Gott ſteht noch in den Tiefen des Chaos, und winket den Welten
Aus dem Nichts und der Nacht; er hat auch der Erde gerufen,
Sie bey ihrem Namen genannt, und mit maͤchtiget Hand ſie
Um die ſtralende Sonne gefuͤhrt; er gab ihr den Mond dann
Zum getreuen Gefaͤhrten der Nacht; der folgt ihr auf - wartſam,
Und entzieht ihr ſein Angeſicht nie. Doch fehlt noch der Erde
Was ſie am herrlichſten macht, ein Geſchoͤpf mit dank - barer Seele
K 2Wuͤr132Die Unterwerfung gefallner Engel
Wuͤrdig den Schoͤpfer zu preiſen, und zu den jauchzen - den Hymnen
Von unzehligen Welten auch ſeine Geſaͤnge zu fuͤgen.
Doch Gott wird es erſchaffen, ſo ſprach er, er wird es erſchaffen
Herrlich, unſterblich, nach ſeinem Bilde. Der Menſch, (denn ſo nennet
Kuͤnftig ihn unſer frohlockendes Chor,) der Menſch wird der Gnade
Seines Schoͤpfers vorzuͤglich genießen, und ſeiner Er - barmung,
Unbegreiflich den Engeln und Himmeln, gewuͤrdiget werden.
Dieſem erwaͤhlten Geſchlecht beſtimmt des Ewigen Rathſchluß
Euch zu Fuͤhrern und Waͤchtern. Jhr ſollt auf verwor - renen Wegen
Dieſe neuen Unſterblichen leiten; ſollt ihre Gemuͤther
Vor dem verfuͤhrenden Laſter verwahren, und hohe Gedanken
Jn133und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Jn den Seelen erſchaffen, wenn unter den Feſſeln des Koͤrpers,
Unter der wilden Zerſtreuung und unter der Eitelkeit Taumel,
Jhr vom Himmel ſtammender Geiſt zum Laſter ver - ſucht wird.
Wenn dann des Weltgerichts letzte Poſaune die Him - mel durchſchallet,
Und der neuen Unſterblichen Schaar Gott um ſich ver - ſammelt,
Will er euch gleichfalls verſammeln, und euch die Treue belohnen,
Die ihr dem Menſchengeſchlecht erwieſen. Dann ſollet ihr wieder
Thronen, und Fuͤrſten, und Kraͤfte, die alten Wuͤr - den bekleiden
Und in ewiger Wonne mit ihm und den Seeligen leben!
So der erhabne Geſandte von Gott. Ein leiſes Gemurmel
Lief durch die ganze Verſammlung. Als wenn friſch - wehende Luͤfte
K 3Durch134Die Unterwerfung gefallner Engel
Durch ein Gehoͤlz von ſilbernen Eſchen ſich kraͤuſeln, und lispelnd
Um die Locken des Wanderers ſpielen, der, ganz ſchon ermattet
Von der flammenden Gluth, leichtathmender durch ſie hindurch geht.
Aber bald ſank das frohe Geraͤuſch in vorige Stille,
Da mit freudeglaͤnzen der Stirn Orion ſo anhub:
Preiß, und Ehre dem großen Allmaͤchtgen, er - habner Geſandter!
Preiß ihm, daß er ſich unſer erbarmt, und ſeinen gefallnen,
Seinen nunmehr begnadigten Knechten Verſoͤhnung ge - ſendet!
Heil uns! daß er uns wuͤrdig erkannt, ihm wieder zu dienen,
Und die Gebete der Reu, die wir in tiefer Betruͤbniß
Jhm geopfert, nicht ganz verſchmaͤht Gott, Rich - ter, Erbarmer,
Sey135und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Sey gelobt, von Gefallnen gelobt! ſie wollen nicht wieder
Fallen; nicht wieder von dir und von dem Wege des Guten
Weder zur Rechten, noch Linken entweichen! Mit wei - chem Entzuͤcken
Wollen wir kuͤnftig zur Tugend die neuen Unſterblichen leiten,
Fuͤhr uns, wir folgen dir nach, o großer Geſandter des Himmels,
Fuͤhr uns zu unſrer Beſtimmung; doch eh wir den Himmel verlaſſen,
Unſern Geburtsſitz, welchen wir einſt nach Jahren der Pruͤfung
Herrlicher wieder beſuchen mit unſerm Brudergeſchlechte,
Mit den Menſchen; ſo falle vorher anbetend, und dankend,
Jeder von uns in den Staub, und preiſe den Richter, Erbarmer!
Und ſchnell fielen ſie all aufs Antlitz, und netz - ten mit Thraͤnen,
K 4Jetzt136Die Unterwerfung gefallner Engel
Jetzt mit Thraͤnen der Freude, den Staub. Drauf ſchloß ſich der Heerszug
Hinter Orion, und Gabriel, an; ſie zogen von dannen
Nach der neuerſchaffenen Welt; viel weite Bezirke
Eilten ſie durch; viel weiter, als dieſer Erde Bezirke,
Wenn ſie ſich auch in die Laͤng erſtreckte; bis endlich des Himmels
Hohe kryſtallne Mauren erſchienen, mit Zinnen und Thuͤrmen
Von hellleuchtenden Saphir geſchmuͤckt. Die glaͤnzen - den Thore
Thaten von ſelber ſich auf, ſie ſahn erſtaunend hinunter
Jn die Reiche der Nacht und des Chaos. Ein ſtralen - der Weg gieng
Durch die Tiefen des Chaos zur neuen Schoͤpfung her - nieder,
Welcher von ſelbſt vor dem Schoͤpfer entſtand; ſo wie er dahin zog
Jn137und ihre Beſtimmung zu Schutzgeiſtern ꝛc.
Jn die Tiefen der Nacht, die Erd und den Himmel zu gruͤnden.
Da ſie ſich ietzo den Thoren genaht, da wandte noch einmal
Traurig Orion ſich um, und eine Zaͤhre der Wehmuth
Rann ihm vom Antlitz, indem er ſich nun vom Him - mel entfernte.
Und ſie zogen hinab. Mit welchem entzuͤckten Erſtaunen
Sah Orion der Schoͤpfung Geſicht, die ſtralenden Sonnen
Und die hellen Planeten! mit welcher Begeiſtrung ver - nahin er
Die Geſaͤnge der Sphaͤren! Sie flogen durch zahlloſe Welten
Bis zu unſerm Sonnenſyſtem. Der ſilberne Mond hieng
Leuchtend uͤber der Erde, Dies iſt ſie, die kuͤnftige Wohnung,
Euch vom Schoͤpfer beſtimmt, (ſprach Gabriel;) bald wird, Orion,
K 5Gott138Die Unterwerfung gefallner Engel ꝛc.
Gott dich zur Erde herunter berufen, dem Erſten der Menſchen
Dich zum Schutzgeiſt zu geben; ich eile hinab nach der Erde
Von des Allmaͤchtgen Sohn die fernern Befehle zu hoͤren.
Alſo ſprach er, und eilte ſogleich zur Erde Be - zirken.
Aber Orion, und ſeine Gefaͤhrten, voll tiefen Gehorſams,
Lieſſen ſich auf die hohen Gebuͤrge des Mondes hernieder.
Die[139]

Die Vergnuͤgungen der Melancholey.

[140]141
Die Vergnuͤgungen der Melancholey.
Mutter der weiſen Betrachtung, du Schoͤpferin ern - ſter Gedanken,
Deren Grotte ſich hoch auf Teneriffs Gipfel gewoͤlbet,
Wo oft mitten in ſchrecklicher Nacht der heulende Sturm - wind,
Vom wildſtroͤmenden Regen und praſſelnden Hagel be - gleitet,
Dein hinhorchendes Ohr ergetzt; indem du, erheitert,
Mitten im Aufruhr, verſenkt in tiefe Gedanken dich einhuͤllſt:
Oder indem in der Nacht ein Schleyer trauriger Wolken
Alle Geſtirne verbirgt, bis bald vom ruhigen Himmel
Cyn -142Die Vergnuͤgungen
Cynthia traurig und blaß von ihrem ſilbernen Wagen
Nieder zum Ocean ſchaut, da du voll Tiefſinn indeſſen
Unverwandt mit dem ſtarrenden Blick auf das Sternen - gewoͤlbe
Angeheftet, dich ganz in frommer Entzuͤckung verliereſt;
Obgleich, mit verwirrtem Geraͤuſch, die brauſenden Wogen
Unter dir wallen, und heiſres Gemurmel die Felſen hinaufſchlaͤgt,
Wo du, begluͤckt, und in dich gekehrt, den tobenden Auſruhr
Des empoͤrten Oceans hoͤrſt; fern von dem Getuͤmmel,
Fern von den Freuden der Menſchen, und mit den himm - liſchen Sphaͤren
Unterhaltungen pflegſt: O! leite mich, maͤchtige Goͤttin,
Zu dem heiligen Dunkel, mit meiner Seele, harmo - niſch,
Un -143der Melancholey.
Unter den einſamen Gang von alten verfallnen Ge - maͤuern
Zu den daͤmmernden Zellen und Lauben, und traurigen Schatten,
Wo die Melancholey ihr werthe Gedanken hinausdenkt,
Und am liebſten verweilt. Die lachenden Scenen des Fruͤhlings,
Wenn um ihn her die Gratien ſcherzen, und Liebesgoͤtter
Jhn umtanzen, und Blumen und Bluͤthen, Ambroſia duftend,
Unter ihm mit verſchwendriſcher Hand auf Fluren herabſtreun,
Ruͤhren laͤnger mich nicht; ich wuͤnſche mir nicht mehr, o Tempe,
Deine balſamiſchen Luͤfte zu athmen. Jhr gruͤnenden Thaͤler,
Und ihr Wieſen, du bluͤhender Hain, um welchen der Feldbach,
Murmelnd ſich ſchließt, gehabt euch wohl! Jch folge dir, Schwermuth.
Un -144Die Vergnuͤgungen
Unter jener verfallnen Abtey bemooßten Gewoͤlben,
Will ich oft ſitzen, allein, in jenen daͤmmernden Stunden,
Wenn der traurige Mond in den ſuͤrchterlicheinſamen Kreuzgang
Einen flimmernden Stral von ſtroͤmenden Lichte hinein - wirft,
Und ein tiefes heiliges Schweigen auf allem umher herrſcht,
Außer der Eule klagendem Lied, die, unter dem Schutte
Dumpfigter Hoͤlen verſcheucht, ihr oͤdes Wohnhaus er - bauet;
Oder der ruhig ſaͤuſelnden Luft, die zwiſchen dem Laube
Des breitblaͤttrichten Epheu rauſcht, der an den Ge - maͤuern
Eines hangenden Thurms ſich an den Waͤnden hinauf - ſchlingt.
Oder laß mich auch oft den nahen Tannengang irren,
Wo145der Melancholey.
Wo die Moͤnche vordem in frommen Tiefſinn gewandelt.
Wie ich, im unabſehlichen Leeren der hohen Gewoͤlbe,
Kuͤhn einhergeh; faſſet mich ſchnell im innerſten Dunkel
Heiliger Schauder, und huͤllet mein Herz in traurige Ruhe.
Aber wenn ietzo die Welt in der Mitternacht Ra - bengewand ſich
Eingekleidet, dann laß mich auch oft im hallenden Beinhaus
Jene zitternden Flammen erblicken, die uͤber die Haufen
Duͤrrer Knochen und Schaͤdel mit blaſſem Schimmer ſich breiten;
Da indes die Mauer hinab aͤtheriſche Stimmen
Jn den Kirchhof ertoͤnen, und Geiſtergeſtalten von ferne,
Durch die langen gekruͤmmten Gewoͤlbe, die einſamen Schritte
V. Th. LZu146Die Vergnuͤgungen
Zu ſich winken. Voll Anmuth iſt auch der Mitter - nacht Stille,
Wenn ich ploͤtzlich erwacht mich von dem Lager erhebe.
Siehe! wie todt iſt alles um mich! Die ruhigen Winde
Brauſen ietzt nicht; die Soͤhne der Menſchen, und alle Geſchoͤpfe,
Liegen in tiefer Vergeſſenheit da; die ganze Natur iſt
Jn den tiefeſten Schlaf, in die tiefeſte Stille, gewickelt.
O wie grauſend iſt dann der Gedanke, daß außer mir, nichts ſonſt
Auf der veroͤdeten Erde noch wacht! Bis mit dem Ge - danken
Mein hinſinkendes Haupt der ſchleichende Schlummer beſuchet.
Dann auch muͤſſe kein Traum, von froͤhlicher Thorheit erzeuget,
Mich zur blumichten Au der gauckelnden Freude ver - fuͤhren;
Son -147der Melancholey.
Sondern mir ſende der Schutzgeiſt der Nacht ſo my - ſtiſche Traͤume,
So erhabne Geſichter, wie ehmals Spenſer geſehen,
Wenn er voͤllig vertieft in Phantaſeyen der Dichtkunſt,
Zu des Buſirans ſchwarzen Palaſt den Britomart fuͤhrte:
Oder als Milton geſehn, wenn er in hoher Begeiſtrung,
Jm Tumulte des Kriegs, den ganzen Himmel ſich dachte,
Und in ſeinen entzuͤckten Gedanken der Seraphim Schaaren
Vor ihm ſich thuͤrmten, mit Waffen bedeckt von De - mant und Golde.
Andre moͤgen am laͤchelnden Abend des Sommers ſich weiden,
Wenn ſie am dumpfen Geraͤuſch des murmelnden Ba - ches ſich letzen,
Oder das ſanftere Roth des ſtreifichten Weſtens be - trachten;
L 2Mich148Die Vergnuͤgungen
Mich ergetzt nur Nebel und Dunkel des blaſſen De - cembers.
Wenn die Schatten ſich dann des langen Abends ge - ſchloſſen,
Und ein ſchimmernder Stral der matten ſterbenden Aſche,
Durch den daͤmmernden Raum, ſich bricht: dann laß mich, entfernet
Von dem Jauchzen des Unſinns, das ietzo mit feſtlichem Echo
Durch die erleuchteten Zimmer ertoͤnt, dann laß mich im Winkel
Sitzen, allein nur vergnuͤgt an der niedern klagenden Grille
Schlummer erweckendem Lied; und laß mich mit mei - nen Gedanken
Jn mich gekehrt, den Wechſel der Dinge, die leeren Vergnuͤgen,
Und die vergebliche Muͤhe betrachten, die unſrer Er - kenntniß
Forſchen vereitelt, ſo wie wir die Wuͤſte des Lebens durchirren.
Dieſe149der Melancholey.
Dieſe geſegnete Stunde der Stille wird alles das Laͤ - cheln
Schimmernder Thorheit entdecken, das, gleich des li - ſtigen Comus
Falſcher zaubriſcher Kunſt, die allzuſicheren Augen
Mit der verborgnen Verblendung getaͤuſcht; den bezau - berten Becher
Uns zu trinken verfuͤhrt, wodurch die Seele berauſchet,
Ganz ſich vergißt, und der Menſch zum Ungeheuer herabſinkt.
Gierig koſten wir ihn, doch in dem frohen Genuße
Merken wir nicht die giftigen Hefen, die mit ihm ge - miſcht ſind.
O wie wenige kennen den Werth der feineren Seele,
Deren erhoͤhtes Gefuͤhl, in Scenen finſterer Schwer - muth,
Schnellere Freuden genießt, als die der Schimmer des Hofes,
L 3Und150Die Vergnuͤgungen
Und die blendende Pracht des eitlen Stolzes ertheilet.
Eloiſe, die lang in Schmerzen der Liebe geſchmachtet,
Fuͤhlte gewiß mehr hoͤhere Freuden, mehr wahres Ent - zuͤcken,
Wenn, im flimmernden Kreis der Todtenkerzen, ſie traurig
An ein Grab ſich gelehnt, vielleicht auch unter den Pfei - lern
Gothiſcher Tempel und unter Altaͤren der heiligen Bilder
Sie, als eine verſchleyerte Nonne, voll Schwermuth herumgieng;
Als im goldnen Palaſt, ſtolz auf die Reitze der Jugend,
Flavia fuͤhlt, wenn unter den Soͤhnen des weichlichen Putzes
Sie im Zirkel des feſtlichen Balles bezaubernd einher - ſchwimmt,
Und vor allen verſammelten Schoͤnen, die Schoͤnſte, hervorſtralt.
Wenn151der Melancholey.
Wenn die Erde der blendende Stral des Mittags erheitert,
Und in der hellen ſuͤdlichen Laube des goldenen Tages
Guͤtger Regent ſich freut, und alles unter ihm lachet:
Wie hat dann mein Wunſch nicht der Nacht Zuruͤck - kunft gefordert,
Die zum melancholiſchen Gemuͤth viel gleicher ge - ſtimmt iſt.
Sey mir willkommen, o heilige Nacht! mein einſa - mes Lied ſey
Dir auch geweyht! o Schweſter der herrſchenden He - kate, Heil dir!
Heil dir! wenn du entweder, im dicken Dunkel ver - borgen,
Deinen Wagen, verhuͤllt in ſchwangeren Wolken, da - hinrollſt,
Oder dein leuchtendes Haupt mit der ſilbernen Krone geſchmuͤckt haſt.
Obgleich in der Finſterniß Schutz der Zauberer Schaaren
L 4Oft152Die Vergnuͤgungen
Oft in ſchrecklichen Hoͤlen von Lapplands beſchneyten Gefilden
Mit verworrenen Reimen den blutigen Keſſel beſprechen;
Ob die Mordſucht gleich oft in deinen beſchirmenden Schatten
Jhre Verehrer zuſammenberuft, ein heimliches Blutbad
Auszudenken, indem bey blauer ſterbender Lampe
Jn dem ſcheußlichen Rathe vereint, die horchende Bande
Sitzt; bey jedem ſaͤuſelnden Wind, bey jedem Geraͤuſche
Auffaͤhrt, und mit wilden und ſtarrenden Augen um - herſieht;
Obgleich deinen entſetzlichen Pfad der Wandrer ver - fluchet,
Wenn er, voͤllig verirrt in weiten Arabiſchen Wuͤſten,
Rings um ſich her das wilde Geheul blutduͤrſtiger Thiere
Durch153der Melancholey.
Durch die Wildniß vernimmt, indem der ſchwaͤrzeſte Sturm ihn
Unaufhoͤrlich verfolgt: ſo iſt doch deine Zuruͤckkunft
Angenehmer dem ſtillen Gemuͤth, als die Ankunft des Morgens,
Wenn er auch jugendlich ſtolz im May friſchbluͤhende Roſen,
Und ambroſiſchen Thau, von den Pforten des purpur - nen Aufgangs
Auf die Gefilde verſtreut. Doch iſt die Ankunft des Morgens
Angenehm, wenn er, verhuͤllt in troͤpfelnde Wolken, er - ſcheinet.
Wenn in finſterer Luft der truͤbe Suͤdwind einherbrauſt,
Und die traurige Landfchaft ſchwaͤrzt, daß Waͤlder und Huͤgel
Sich, in einander vermengt, in dicken Nebeln verlieren.
Kuͤmmerlich ſitzen alsdann die Saͤnger des traurenden Waldes,
L 5Und154Die Vergnuͤgungen
Und begruͤſſen die Dunkelheit nicht; die rauſchenden Ulmen,
Die mit majeſtaͤtiſchem Haupt in waldichten Reihen
Etwan ein Landhaus umringen, ſind ſtumm; und ſchal - len nicht wieder
Von der Dohlen verwirrten Geſchrey, da, triefend, zum Obdach
Sich das Federvieh macht; in Sicherheit haͤnget der Landmann
Ueber dem praſſelnden Feuer, und wagt aus der ruhi - gen Huͤtte
Nicht ſich hinaus in den Sturm. Jn unvollendeter Furcht
Feyert der Pflug; vom Getoͤne des Horns, und dem Rufe des Jaͤgers,
Schallet der Forſt nicht; in trauriger Stille liegt alles vergraben,
Und die tiefſte Betruͤbniß umhuͤllt die Flaͤche der Dinge.
Obgleich Popens Geſang die ſanfteſten Gratien athmet,
Und155der Melancholey.
Und die gluͤcklichſte Kunſt die attiſchen Blaͤtter geſchmuͤcker:
Dennoch gluͤht mein ernſtes Gemuͤth in ſuͤßerm Ent - zuͤcken,
Wenn ich manchmal, gelehnt an einen mooſigten Eich - ſtamm,
Jn dem wildanmuthgen Geſang des zaubriſchen Spen - ſers,
Zitternd der Una irrenden Fuß in ſchrecklichen Wuͤſten
Durch die Einſamkeit wandern geſehn; ganz matt und verlohren,
Mehr, als wenn auf ſchimmerndem Buſen der ſilber - nen Themſe
Die in ihr Ungluͤck eilende Schoͤne
*)Die durch Popens Haarlockenraub beruͤhmte Belinde.
*) im Glanz des Brokades
Jn dem blendenden Stral der lachenden Sonne daher - ſchwimmt.
Zarter Empfindung wird bald das muntre Gemaͤlde zum Eckel,
Und156Die Vergnuͤgungen
Und trift nur das kalte Gemuͤth mit ſchwachem Ver - gnuͤgen.
Juͤnglinge! die ihr den Kranz ungluͤcklicher Lie - be getragen,
Welch Vergnuͤgen kan man der ſuͤſſen Schwermuth vergleichen,
Deren zaubriſche Macht den ſanfteren Seelen geſchmei - chelt?
Mahlt uns die ſtille bezaubernde Luſt, bey der redenden Stimme
Suͤſſem Geſange zu ſchmelzen; in ſanften thauigten Wieſen,
Durch die Mitternacht hin, mit irrenden Schritten zu wandeln;
Und dem vertraulichen Mond die Schmerzen der Liebe zu klagen,
Oft vom Vogel der Nacht mit aͤhnlichen Seufzern be - gleitet,
Oder im ſchattichten Wald am dunkeln Bache zu irren,
Und allda die nichtigen Freuden der Welt zu vergeſſen.
Da157der Melancholey.
Da indes ein gluͤcklicher Traum die erſcheinende Schoͤne
Vor euch mahlt, nun hoͤrt ihr nicht mehr das Ge - murmel des Baches,
Und das Auge dringet nicht mehr durch ſchauernde Gaͤnge
Waldichter Linden, bis etwan im Forſt vom faͤllendem Beile,
Oder vom fernen Geklingel der Heerden, und von dem Geraͤuſche
Eines die Straͤuche durcheilenden Stiers, die betroge - nen Sinnen
Sich ermuntern, und ploͤtzlich der Traum in die Luͤfte verflieget.
Dieß ſind Vergnuͤgen, zu denen mein Herz ſich eh - mals gewoͤhnet,
Als den verblendeten Blick die junge Saphira bezaubert,
Und in ſchwarzer Entfernung von ihr, mein Leben mir hinfloß,
Schoͤner als Flora lachte ſie mir, wenn Zephyr ſie auf - weckt,
Und158Die Vergnuͤgungen
Und ſie ſchamhaft erroͤthend aus duftenden Lauben heraus - geht,
Mit den Kraͤnzen von Veilchen und Roſen die Felder zu ſchmuͤcken.
Vor unheiligen Seelen ſind dieſe Vergnuͤgen verborgen,
Und ſie kan nur ein Herz, gewoͤhnt zur Schwermuth, em - pfinden.
Laß mich auch oft das erleuchtete Chor in der hei - ligen Stunde
Des Gebets beſuchen, wenn majeſtaͤtiſch die Orgel
Jn der Andacht Geſang von der Hoͤh vielſtimmig erſchallet,
Bis die Seele ſich auſſer ſich reißt, und zum Himmel hinauffliegt.
Laß mich auch oft im inneren Dom, im einſamen Stuhle,
Heilige Toͤne vernehmen, die feyerlichlangſam und prachtig
Durch die gothſchen Gewoͤlbe ſich winden, und in der Entfernung
Mein159der Melancholey.
Mein hinhorchendes Ohr mit hohem Gemurmel erreichen.
Laß mich auch dann nicht zu bleiben vergeſſen, wenn ietzo die Lampe
Unter den Schatten verloͤſcht, und einſame Stille zu - ruͤckkehrt;
Laß mich alsdann die ſchreckenden Schlaͤge der Glocke bemerken,
Welche mit zitternder Zunge die fliehenden Stunden verkuͤndigt.
Nie auch wolle die Seele ſich ſchoͤner zu bilden verſaͤumen
Durch den ſanften und ruͤhrenden Schmerz der tragi - ſchen Muſe;
Sie, Melpomene, die im Cothurn erhaben einhertritt,
Jn dem Leichengewand; ſie iſt des hoͤheren Mitleids
Pflegemutter, Jetzt mag mit thraͤnenſtroͤmenden Augen
Ueber160Die Vergnuͤgungen
Ueber befleckte verwundete Liebe Monimia
*)Jn einem Trauerſpiel des Otway.
*) klagen;
Oder laß Juliet
**)Romeo und Juliet, ein Trauerſpiel von Schakeſpear.
**) ietzt im ſchwarzen Todtengewoͤlbe
Jhres getreuen Romeo Lippen zum letztenmal kuͤſſen,
Seine Lippen, noch rauchend vom Brand des toͤdtli - chen Giftes.
Laß um einen vergeblichen Blick den Jaffeir
***)Jn einem Trauerſpiel von Otway.
***) im Staube
Hinknien; oder laß auch auf Desdemonen
****)Jm Othello von Schakeſpear.
****) den Mohren,
Seiner Eiferſucht Wuth die haͤrteſten Drohungen ſchuͤt - ten.
Ploͤtzlich rieſelt der maͤnnliche Strom von ſchwellenden Augen,
Auf161der Melancholey.
Auf die Wange herab, und bey dem Ungluͤck des Bruders
Schmilzt mein zaͤrtliches Herz in ſympathetiſchen Thraͤnen.
O was iſt der nichtige Pomp, der Hoͤfe Gepraͤnge?
Gluͤcklicher ſcheint mir ſogar der hohe Verbannte, der einſam
Jn Siberiens Wuͤſten, in alten verfallnen Gemaͤchern
Eines hohen Kaſtells, die langſamen Stunden zuruͤcklegt.
Nichts entdecket ſein Blick, als unabſehliche Haiden,
Wo ein ewiger Winter den Wagen von Eiſe dahinrollt.
Jn der Naͤh auch zeiget ſich ihm ſtets einerley Ausſicht,
Feſte ſchreckliche Mauern, die dicken dunkeln Baſteyen,
Und die hohen Spitzen des Dachs; indeſſen die Glocke
V. Th. MFern162Die Vergnuͤgungen
Fern vom hoͤheſten Thurm unwirthbare Wuͤſten durch - ſchallet;
Und mit dem traurigen Schall auch neuen Kummer er - wecket.
Und doch iſt er begluͤckter, als jener verwoͤhnte Satrape,
Den er hinter ſich ließ in Moskaus goldnen Pallaͤſten,
Da in ſchwelgriſcher Ruh und lachenden Freuden zu leben.
Herrliche Scenen treffen nur bloß mit ſchwachem Vergnuͤgen
Das Gemuͤthe des Schauers; ſie locken allein das Ge - ſicht nur,
Und erheben mit maͤchtigem Trieb das fuͤhlloſe Herz nicht.
Alſo reizt die daͤdaliſche Landſchaft das Auge des Schaͤfers,
Der von der heiteren Stirn des hohen Hymettus herab - ſieht.
Hier ſtehn Waͤlder von Palmen, wo ſonſt die Stimme des Plato
Lehr -163der Melancholey.
Lehrreich erſchallt; dort hebt aus dunkeln geheiligten Gruͤnem
Sich der Oelbaum, der nimmer hier welkt, mit ſilber - nem Haupt auf.
Dort verbreiten Huͤgel voll Reben die purpurnen Schaͤtze,
Und manch ſonnichtes Thal erſtreckt in langen Proſpekten
Fruchtbar ſich weit in das Land; dort thuͤrmt, in Fluren voll Aumuth
Schimmernd, Athen ſich auf; allein obgleich durch die Gegend
Seine zur Weisheit begeiſternde Fluth Jliſſus dahin rollt,
Deſſen krummes Geſtade dickwallender Lorbeer be - ſchattet;
Obgleich ſeinen herrlichſten Glanz der roſichte Morgen
Ueber die heitre Scene verſtreut: ſo fuͤhlet der Moͤnch doch
Jn der ruhigen Bruſt mehr, und wahrhaftere Freuden,
M 2Wenn164Die Vergnuͤgungen
Wenn er vom hangenden Fels, der ſeine Hoͤhle bedecket,
Das verfallne Perſepolis ſieht. Die ſinkenden Pfeiler
Sind auf die Ebnen umher in wilder Ordnung zer - ſtreuet,
Eine weite Verwuͤſtung! Gleich einem verdorreten Eichbaum,
Welchen der Donner zerſchellt, ſteigt hier die modern - de Saͤule
Gegen die Wolken empor; hier zeigen pariſche Schloͤſſer
Halb ſich woͤlbende Hallen, mit dicken Dornen bewachſen,
Wo der Raͤuber ietzt laurt; der Fledermaus oͤde Be - hauſung,
Welche des Abends von da in daͤmmernde Schatten hin - abfliegt,
Und wo ihren fleckigten Schweif die Otter ſich nachſchleppt,
Ehmals die Wohnung des feinſten Geſchmacks, und der bluͤhenden Kuͤnſte.
Tem -165der Melancholey.
Tempel erheben ſich dort; in ihren geheiligten Grenzen
Waͤchſt der Fichtenbaum auf, da die nun nackenden Straßen,
Sonſt vom fleißigen Kaufmann beſucht, mit Graſe be - deckt ſind;
Saͤulen liegen auf Saͤulen geſtuͤrzt, heruntergeriſſen
Von dem feſten Geſtell, und vermehren die modernde Maſſe.
Weit umher erſcheinen dem Blick die hangenden Truͤmmer,
Von der verwuͤſteten Pracht, in einer verworrenen Scene
Von Pallaͤſten, und Haͤuſern, und Boͤgen, und Daͤm - men, und Tempeln,
Wo der Ruin, und Schrecken, und Graus, im ſchwarzen Gezelt thront.
Komm denn, du Koͤnigin ernſter Gedanken, Me - lancholey, komm,
Komm mit heiligem Blick, und feſtem beſtaͤndigen Schritte
M 3Aus166Die Vergnuͤgungen
Aus der Hoͤle hervor, vom traurigen Epheu umſchatter,
Wo du dich bis zum Schall der Abendglocke verweileſt,
Komm, und bekraͤnze das Haar von deinem geweihten Verehrer
Mit Cypreſſen; es muͤſſe mir nie die lachende Freude
Mein ſtandhaftes Gemuͤth mit gauckelndem Scherzen verfuͤhren,
Noch mit Kraͤnzen von Blumen von deinem Wege mich locken.
Denn obgleich in ihrem Gefolge die laͤchelnde Hebe
Jhre blendende Bruſt den liebenden Augen enthuͤllet,
Obgleich Venus, die Mutter der Liebe, der Freuden, und Scherze,
Mit ihr Bacchus, mit Weinlaub gekraͤnzt, am ſtroͤmen - den Nektar
Sich in duftenden Lauben ergetzen, und ſelber der Himmel,
Wenn167der Melancholey.
Wenn ſie ſich nahn, ſich erheitert, indem durch blaue Gefilde
Sich ein ſchoͤnerer Tag verbreitet: ſo ſind doch die Freuden,
Die du, Melancholey, mir ertheilſt, viel reiner, viel wahrer,
Als ihr fluͤchtiger Tand; die Freuden, tiefer gefuͤhlet,
Die in einſamen Stunden die hohe Betrachtung uns einfloͤßt.
Heil dir, alſo, geweyhte Betrachtung! o Goͤttin, mit dir hub
Dieſer Geſang ſich an, mit dir auch ſoll er ſich enden.
Du biſt ſchoͤner, als alle die Nymphen der Grotte von Cirrha,
Und du kanſt den Gedanken zu hoͤhern Entzuͤckungen wecken,
Als die geprieſene Schaar von allen Goͤttern der Fabel.
Heil dir, o Goͤttin! dich fand, ſo wie die Sage berichtet,
M 4Einſt168Die Vergnuͤgungen der Melancholey.
Einſt ein Druide, ſo wie er am Abend die Waͤlder von Mona
Einſam durchirrt; er trug dich ſogleich mit guͤtigen Haͤnden
Zum beſchirmenden Dach von ſeiner Laube von Eichen.
Hier bemerkte gar bald der bewundernde Weiſe den An - bruch
Deiner Schwermuth, den maͤchtigen Hang zu ernſten Gedanken.
Noch als ein laͤchelndes Kind haſt du am Ufer des Meinai,
Dieſem verewigten Strom der alten Druiden, gelegen,
Und dich am wilden Geraͤuſch von ſeinen Fluthen er - getzet.
Un -[169]

Unterhaltungen mit ſeiner Seele. Unterhaltungen mit ſeiner Seele.

[170]171
Du Hauch von Gott, du wundervolles Weſen,
Das in mir denkt, vom Nichts zu Seyn erleſen;
Unſterbliche, durch die mein Auge wacht,
Komm, nahe dich bey ſtiller Mitternacht!
Dir172Unterhaltungen
Dir toͤnt mein Lied, o Seele! Losgewunden
Vom Koͤrper, weih ich dir erhabne Stunden.
Vielleicht zieht mein Geſang dich von der Welt,
Die nur zu lang in ihrem Arm dich haͤlt.
Wir ſind allein, o Seele! Wirf die Huͤlle
Der Nacht um dich, und laß die heilge Stille
Dir theuer ſeyn, die mit Gedanken koͤmmt,
Gedanken, die kein Lerm, kein Unſinn hemmt.
Wir ſind allein? Wie falſch ſprach ich! Wir waren
Nie weniger allein. Des Himmels Schaaren
Umgeben dich, ſind Zeugen uͤber dir,
Und,173mit ſeiner Seele.
Und, (o fall in den Staub!) Gott ſelbſt iſt hier.
Du bebſt zuruͤck? Wie? wollteſt du verzagen?
Nein, ietzt ſey muthig! Du auch darfſt es wagen,
Mit Geiſtern und mit Gott vertraut zu ſeyn;
Doch ſey, wie Engel, wie dein Schoͤpfer, rein!
O Einſamkeit! Wie kan der Menſch dich flie - hen?
Wie kan er ſich um Zeitverderb bemuͤhen!
Er iſt betruͤbt, daß nicht Tumult und Tand
Jhm ungenuͤtzt auch dieſen Tag entwandt.
Er fuͤrchtet ſich, mit ſich allein zu bleiben;
Treibt mit dem Strom von nichtgen Zeitvertreiben
Be -174Unterhaltungen
Beſtaͤndig fort; und jede Kleinigkeit
Und jedes Kinderſpiel, das ihn zerſtreut,
Ruft er herzu, dem Ungluͤck zu entgehen,
Das er ſo aͤngſtlich ſcheut, ſich ſelbſt zu ſehen.
Sey weiſe, du, mein Geiſt; ſey ietzo dein!
Mit ſich vertraut, heißt in Geſellſchaft ſeyn.
Wenn zuͤgellos die Freuden um uns ſchwaͤrmen.
Wenn Unſinn raßt, und wilde Saiten laͤrmen,
Wenn, fortgeſchwemmt von des Tumultes Fluth,
Allein beherrſcht von aufgebrachtem Blut,
Der Menſch ſich ſelbſt betaͤubt; zum Kreis ſich dringet,
Wo175mit ſeiner Seele.
Wo Laͤſterſucht die ſcharfen Dolche ſchwinget,
Und wo geſalbt betrunkne Weiſe ſchreyn;
Dann iſt der Menſch, dann iſt der Geiſt allein.
Jm vollen Saal geht einſam dann die Seele,
Und melancholiſcher, als in der Hoͤle
Des Einſiedlers, irrt ſie auf leerer Bahn,
Und findet nichts, was ihr genugthun kan.
Wie ſelig iſt nicht der, der oft entfernet
Vom Laͤrm der Welt, ſich ſelber dulden lernet!
Erkenne dann, o Seele, deine Kraft!
Verſchmaͤh den Tand von leerer Wiſſenſchaft,
Laß176Unterhaltungen
Laß nicht bloß Schall von Weisheit dich verfuͤhren,
Sey weiſer, wags, dich ſelber zu ſtudiren!
Du ſiehſt erſtaunt der Erde Wundern zu?
Rund um dich her iſt groͤſſer nichts, als du.
Wie ruͤhmlich iſts, das Buch der Welt zu leſen,
Geh weiter noch; ſchan tiefer in dein Weſen.
Du ſtolzer Geiſt, der Ewigkeiten mißt,
Du Wurm, der lebt, und morgen nicht mehr iſt;
Geſchoͤpf, das bald aͤtherſche Freuden trinket,
Und bald, zu ſchwer, zum Thier herunter ſinket;
Das ietzt die Wahrheit ſucht, ietzt von ſich ſtoͤßt;
Du177Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Du Raͤthſel fuͤr dich ſelbſt, nie aufgeloͤſt;
Verſuch es, wirf die aufgeklaͤrtern Blicke
Von allen um dich her, in dich zuruͤcke!
Du Weiſer, biſt du ſelbſt dir unbekannt;
So iſt Witz Unſinn; alle Weisheit Tand.
Und wie, mein Geiſt? Jn Einſamkeit verſunken,
Vom ſuͤſſen Traum gehoften Nachruhms trunken,
Fliehſt du den Schlaf, und ſinneſt auf ein Lied,
Das nach der Muͤh dem Tadel nicht entflieht;
Mit nichts dich lohnt, als nach mislungnem Wachen
Auf lange Zeit die Muſe ſcheu zu machen;
Du folgſt erhitzt der Weisheit heller Spur
V. Th. NJm178Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Jm weiten Reich der herrlichen Natur;
Der Freude hold, und freundſchaftlichem Schmerze,
Vergraͤbſt du dich; horchſt bey einſamer Kerze,
Den Barden zu aus grauem Alterthum,
Und ſchmuͤckeſt dich mit einer Vorwelt Ruhm;
Du eilſt, vom Spiel und Wein dich zu entfernen,
Von Albion, von Gallien zu lernen;
Bewirbſt noch ſpaͤt, mit Fleiß und mit Geduld,
Am Saitenſpiel dich um der Tonkunſt Huld;
Und du, mein Geiſt, haſt unter allen Stunden
Die Stunde nicht, den Augenblick gefunden,
Wo du wahrhaftig weiſ, in dich gekehrt,
Ganz179Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Ganz dein, ganz Geiſt, einmal dich ſelbſt gelehrt?
Du weißt nicht, welche Gluth in dir verglimmet,
Zu welchem Zweck die Gottheit dich beſtimmet?
Und glaubſt, daß du des Geiſtes Rang erwirbſt,
Wenn du gebohren wirſt, und lebſt, und ſtirbſt?
Befreye dich von dieſen Vorurtheilen!
Du biſt zu groß, im Staube zu verweilen;
Zu goͤttlich groß, als daß nur eine Welt
Jm engen Raum dich eingeſchraͤnket haͤlt.
Erkenne von dir ſelbſt mit welchen Gaben
Des Schoͤpfers Huld dich vor dem Thier erhaben.
N 2Der180Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Der hohe Geiſt, von ſeinem Werth entflammt,
Fuͤhlt es zu ſehr, daß er vom Himmel ſtammt.
Verwandt mit Staub, weiß er ihn zu verachten,
Da auf zu Gott die ſtarken Fluͤgel trachten.
Er ſteigt empor, ſein Weſen heiſchet dies;
Unwiſſenheit, der Seele Finſterniß,
Haßt er, und ſucht das Licht; der Weisheit Lehren,
Der Tugend Ruf, wird er nie ſatt zu hoͤren.
Selbſt die Natur in aller Abwechslung
Hat doch fuͤr ihn nicht Reitz, nicht Schoͤnheit gnung
Er wagts, ins weite Reich der Luft zu dringen,
Verfolgt181Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Verfolgt den wilden Sturm; ſchwebt auf den Schwin - gen
Des Blitzes fort; ſteigt zu der Pole Hoͤh
Jns Vorrathshaus von ewgem Eis und Schnee;
Dann ſtuͤrzt er ſich in hellgeſtirnte Kreiſe;
Schwankt mit dem Mond durch ſeine ſchnellen Gleiſe;
Sieht, wie die Sonn im Feuer uͤberfließt,
Wie maͤchtig ſie den Strom des Lichts ergießt,
Mit eigner Kraft den Schwung um ſich vollbringet,
Und um ſich her die Wandelſterne zwinget.
Dann ſchießt er fort, ſpaͤht des Kometen Lauf,
Wie ſchnell er laͤuft, durch alle Himmel auf:
N 3Sieht182Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Sieht ſchauervoll der Schoͤpfung Rad ſich drehen;
Und ſchaut zuruͤck auf alle Sternen Hoͤhen,
Bis er erſtaunt, weit dieſer Welt entflieht,
Jns weite Reich des Empyreum ſieht,
Wo ewges Licht und ewge Freude wohnen,
Und ungeſtoͤrt begluͤckte Geiſter thronen.
Auch hier nicht iſt ſein heiſſer Trieb geſtillt,
Da unter ihm die ewge Tiefe bruͤllt;
Er ſtuͤrzt hinab, wo Dunkel ihn umringet,
Und Unermeßlichkeit ihn ganz verſchlinget.
Hier ruhet erſt ſein Flug. So wollt es Der,
Der,183Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Der, Seele, dich erſchuf. Nicht irdiſch, leer,
Beſtimmt er deine Luſt. Jm Purpurkleide
Der eitlen Macht nicht; noch der thierſchen Freude
Der Wolluſt, ſollteſt du dich gluͤcklich ſehn;
Nur durch Unſterblichkeit, durch Weisheit ſchoͤn,
Befahl er dir, von allen irdſchen Dingen
Zum hoͤchſten Gute dich empor zu ſchwingen,
Daß du zuletzt, von Schranken ganz befreyt,
Gluͤckſeelig ſeyſt in der Vollkommenheit.
So ſchuf dich Gott, o du, die in mir denket,
Unſterbliche, ſo frey, ſo unumſchraͤnket,
N 4Erſchuf184Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Erſchuf er dich; ſo herrlich ausgeziert,
Wardſt du von ihm auf dieſe Welt gefuͤhrt;
Ein Schauplatz, groß, beſtimmt zu groſſen Thaten;
Jm Angeſicht der Thronen, Potentaten,
Und Tugenden des Himmels, handelſt du;
O handle recht, Gott ſelber ſchauet zu.
Entweichet dann, ihr nichtgen Kleinigkeiten,
Um die ſich Koͤnige und Thoren ſtreiten!
Wie ſollt ich mich bey todten Schaͤtzen freun,
Und ſtolz auf leeren Schall, auf Nachruhm, ſeyn?
Wie? ſollt ich mir mit ſklaviſchen Paͤanen,
Durch185Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Durch feiles Lob den Weg zum Gluͤcke bahnen?
Wie? ſollt ich mich durch Spiel und Scherz zerſtreun?
Jm weichen Schooß der Wolluſt mich entweihn?
Bloß Koͤrper ſeyn, den hoͤhern Geiſt verhuͤllen,
Und meines Daſeyns Zweck nicht ganz erfuͤllen?
Nein, ſchwinge dich von allem Jrdſchen los;
Sey, was du biſt, ſey deiner werth, ſey groß.
Soll denn der Menſch die himmliſchen Gedanken
Nur ſtets verſchlieſſen in der Erde Schranken,
Und folgt er immer nur des Thiers Beruf,
Da ihn ſein Gott zum Sohn des Aethers ſchuf?
N 5Send186Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Send aus den Geiſt, der unterm Staube leidet,
Nicht, wie der Koͤrper, ſich durch Sinnen weidet,
Auf! ſend ihn aus von Kleinigkeit und Tand
Zur Welt der Geiſter, ſeinem Vaterland!
Er ſieht umſonſt nicht hoͤhre Sphaͤren blitzen
Und Sonnen gluͤhn; er ſoll ſie einſt beſitzen;
Soll einſt verneut, verklaͤrt, den Engeln gleich,
Nicht Staub mehr ſeyn in ſeines Schoͤpfers Reich;
Soll einſt, wie ſie, zu ſeines Thrones Fuͤſſen
Unſterblich ſeyn, und ewges Gluͤck genieſſen.
Das biſt du, Seele! dein Geſchick iſt dein,
Du187Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Du kanſt hoͤchſt elend, und hoͤchſt ſeelig, ſeyn.
Sey nicht umſonſt begabt mit Engels Kraͤften,
Dich ſchuf dein Gott zu himmliſchen Geſchaͤften.
Das herrlichſte Geſchaͤft iſt Gottes Lob.
Wenn er den Seraph aus den Wolken hob,
Und er noch kaum ſein ganzes Daſeyn kannte,
Fiel er ſchon hin vor ſeinen Gott, und brannte.
Und du waͤrſt ſtumm, indem der Seraph gluͤht,
Und Welt an Welt vor ihrem Schoͤpfer kniet?
Welch ein Geſicht! Jch ſehe Millionen
Aetherſcher Kraͤfte, Tugenden und Thronen,
Der188Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Der Geiſterwelt unendlich lange Reihn,
O Herr, von dir erfuͤllt, ſie alle dein.
Wie ſchimmern ſie in deiner Allmacht Stralen!
Wie wallt der Weyhrauchs Dampf aus goldnen Scha - len,
Vor deinem Stuhl! die Himmel ſtehn erfreut,
Und Lobgeſang ſchallt durch die Ewigkeit.
Der Menſch ſiehts, und erſtaunt? O Sohn der Erde,
Erſtaune nicht, was du nicht biſt, das werde!
Zwar Engel nicht, doch auch ein Geiſt, wie ſie,
Schließ dich an ihre Reih, und beug deine Knie,
Und bet ihn an; auch dir iſt es gegeben,
Zum189Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Zum Himmel auf den Seufzer zu erheben.
Du ſtehſt vor Gott mit in der Geiſter Reihn,
Nimm deinen Platz in ſeiner Schoͤpfung ein;
Dein Platz iſt nicht gering; er iſt voll Maͤngel,
Und graͤnzt ans Thier, doch grenzt er auch an Engel.
Jhm misfaͤllt hier des Staubes Stammeln nicht,
Wenn dort entzuͤckt der Cherub vor ihm ſpricht.
Wie ſeelig, (rufſt du), ſind der Engel Schaaren,
Sie ſehn Gott, wie er iſt. Wir Menſchen waren
Zu arm, zu klein, fuͤr den, der ewig iſt,
Der uns geſchaffen hat, und uns vergißt.
Nein,190Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Nein, Menſch, auch du biſt nicht von Gott verlaſſen,
Kein Cherub kan den Unerſchafnen faſſen,
Erzengel ſehn ihn zwar in hellerm Glanz,
Allein nur Gott, nur Gott ſelbſt, ſieht ſich ganz.
Und koͤnnſt du naͤher ſeinen Blick ertragen?
Der Erdkreis bebt, und ſeine Starken zagen,
Wenn er im Donner ſpricht, auf Stuͤrmen geht,
Und aus der Nacht des Blitzes Flamme weht.
Und klageſt du, er ſey zu weit entfernet?
O klage, daß der Menſch nicht ſehen lernet!
Jſt er nicht jedem Theil der Schoͤpfung nah,
Jſt191Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Jſt er nicht hier, iſt er nicht dort, und da?
Sehn wir ihn nicht, wenn Berge vor ihm ſchmelzen;
Wenn Meere ſich hoch uͤber Laͤnder welzen?
Sehn wir ihn nicht, wenn nach der truͤben Nacht
Das Morgenroth am heitern Himmel lacht?
Jhm iſt nichts klein, noch groß. Mit gleichen Gnaden
Sieht er auf uns und auf die Myriaden
Um ſeinen Thron; er fordert, ohne Zwang
Von allen Geiſtern gleichen Lobgeſang.
Durch Demuth ſteigt der Menſch, der Cherub ſinket!
Dem Satan gleich, wenn er ein Gott ſich duͤnket.
Mit192Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Mit welcher Wuͤrdigkeit und Majeſtaͤt,
Hat, Seele, dich, dein Gott zum Seyn erhoͤht!
Jndem vor ihm des Himmels Choͤre ſingen,
Jn hoher Harmonie die Sphaͤren klingen,
Da ihn der niedrigſte, der hoͤchſte Geiſt
Von allen Erden, allen Sonnen preiſt;
Da iſts auch dir erlaubt, fromm zu entbrennen,
Nach ihm zu ſchaun, und Vater ihn zu nennen.
Und, Seele, ſprich, iſt denn ein groͤßres Gluͤck,
Als frey von Schuld, mit aufgeklaͤrtem Blick,
Von dieſer Unterwelt Wuth und Getuͤmmel,
Hinauf193Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Hinauf zu ſchaun, zu einem gnaͤdgen Himmel?
Liegt ſtaͤrkrer Troſt den Menſchen noch bereit,
Als im Gebet, in ſtiller Einſamkeit,
Menn er die Hand nach ſeinem Schoͤpfer ſtrecket,
Und dem, der helfen kan, ſein Herz entdecket?
So ſollſt du dich zu deinem Dienſte weihn,
Sein Lob iſt deine Pflicht, doch nicht allein
Gott ſetzte dich auch in die Welt zu lernen,
Um einſt geſchickt zu ſeyn fuͤr hoͤhre Sternen.
Fuͤr die wardſt du beſtimmt. Die kurze Zeit
Jſt nur der Eingang zu der Ewigkeit.
Vter Theil. OGebet194Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Gebet und Andacht muß die Seel entflammen,
Doch nichts, als Beten, wuͤrde ſie verdammen.
Und glaubeſt du, daß um der Allmacht Thron
Mit immergleichem Hallelujahton
Der hohe Seraph ſeine Pflicht vollbringet,
Bleibt, wie er iſt, die Ewigkeit verſinget;
Unthaͤtig ruht in einer Seeligkeit,
Und nicht, vom Trieb nach der Vollkommenheit
Bewegt, beſeelt, getrieben, hingeriſſen,
Mit jedem Augenblick ſtrebt mehr zu wiſſen?
Nein, jeder Geiſt, vom Cherub bis zu dir,
Verfolgt195Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Verfolgt die Weisheit, und lernt dort, wie hier,
So laß dich doch die wahre Weisheit leiten,
Und waͤhle, wenn du waͤhlſt, fuͤr Ewigkeiten,
Doch ſey voll Demuth; vieler Naͤchte Fleiß
Lehrt erſt den Weiſen, daß er wenig weiß,
Laß keinen Stolz auf Klugheit dich verwirren,
Vom wahren Pfad zum Himmel abzuirren.
O Menſch, du Widerſpruch, der Thorheit Raub,
Jetzt Geiſt, und groß, und jetzt ein Wurm im Staub,
Wie lange wird dein Stand der Blindheit waͤhren,
Und welche Weisheit kan dich uns erklaͤren?
O 2Du196Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Du zoͤgerſt noch, bey ſeiner Gnade Ruf;
Dem Gott zu huldigen, der dich erſchuf?
Du biſt zu ſtolz, den Ewgen zu erkennen,
Den Einzigen, der’s werth iſt, Herr zu nennen?
Da du indes dich vor Tyrannen buͤckſt,
Des maͤchtgen Lieblings Bild mit Kraͤnzen ſchmuͤckſt;
Jm Staube kriechſt, die Ehre zu erlangen,
Als Sklav am Thron des Koͤniges zu prangen,
Der, ſo wie du, um Ruhm und Beyfall wirbt,
Der Menſch iſt, ſo wie du, und morgen ſtirbt.
Du Niedrer! ſteig empor! Den Durſt nach Ruhme
Still197Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Still im aͤtherſchen Quell. Zum Eigenthume
Gieb dich dem Herrn der Welt! Wer Sklav will ſeyn,
Sey es vom Groͤſſeſten; die Ehr iſt dein
Wenn du voll Stolz dich, groß zu ſeyn, erkuͤhneſt,
Und wenn du dienſt, nur dem Allmaͤchtgen dieneſt.
Du herrliches Geſchoͤpf, miskenne nicht
Den himmliſchen Beruf, des Geiſtes Pflicht.
Frey, ohne Zwang der Tugend nachzuwandeln
Nie anders, als Unſterbliche, zu handeln,
Jn allem zu des Schoͤpfers Lob bereit,
Macht Engel groß, und heiſſet Seeligkeit.
O 3Die198Unterhaltungen mit ſeiner Seele.
Die laß dir nichts, o meine Seele, rauben!
Dein groͤßter Schmuck, ſey dein Gebet, dein Glau - ben.
Wenn aus dem Meer der guͤldne Morgen ſteigt,
Wenn ſich der Tag im kuͤhlen Weſten neigt,
Bey heilger Nacht, ſey ſtolz vor Gott zu treten,
Dem Seraph gleich zu ſeyn, und anzubeten.

Ende des fuͤnften Bandes.

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About this transcription

TextPoetische Schriften
Author Justus Friedrich Wilhelm Zachariae
Extent226 images; 17153 tokens; 5059 types; 118328 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationPoetische Schriften Fünfter Band Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. . [8] Bl., 198 S. SchröderBraunschweig1764.

Identification

HAB Wolfenbüttel HAB Wolfenbüttel, M: Lo 8234:5Dig: http://diglib.hab.de/drucke/lo-8234-5b/start.htm

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Lyrik; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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ImprintBerlin 2019-12-09T17:35:56Z
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ShelfmarkHAB Wolfenbüttel, M: Lo 8234:5
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