JCh hab der trau - rigen Stunden mehr als zu viel ge - freſſen / deßwegen iſt es von noͤthen / daß ich meinem Gemuͤt den Traur - Mantel abnehme / und meine ver - druͤßliche Zeit mit einer kurzweiligen Stunde verwechsle; Jndem ich aber vormalen meine Zeit-Vertreibung in dem Buͤcher-ſchreiben geſuchet / will ich ſolches Mittel nicht aus der Hand laßen / zu einer ſolchen Zeit / da es mir hoͤchſt von noͤthen iſt. Jch bekenne meine Zuſtaͤnde! daß ich wenig oder gar keine Zierlichkeit in meiner Feder fuͤhre; Aber / wann ich im GegentheilA iijanſe -2Kurzweiligeranſehe meine große Vergnuͤgung in dem Schreiben / wird mir Niemand verargen / wann ich die Feder ſtatt einer Buͤchſe aus der Apotheke ergreiffe / mit welcher ich mein Gemuͤht viel mehr / als durch jene zu Frieden ſtellen kan.
Jch will mir derowegen ſelbſt zur Verkuͤrzung meiner Zeit eine Geſchicht ſchreiben / damit ich den verdruͤßlichen Grillen nicht zu ſehr nachhange / noch mich mit leeren Muhtmaßungen zu qvaͤlen Gelegenheit habe / dann durch dieſes Mittel werden meine Augen ge - zwungen auf das Papyr zu ſehen / wel - che ſonſten viel hundert Schloͤßer in der Luft erblicken / aufgebauet von der wunderlichen Werkmeiſterin der eit - len Phantaſie.
Jch werde auch in ſolcher angefan - genen Schrift nicht viel ſtill noch in - nen halten / ſondern meine Feder de - nen Gedanken ſchnell nachfolgen laſ - ſen / welche ſo ſie zu Weilen irꝛ gehen ſolte / ſo iſt noͤthig zu wißen / daß ein Betruͤbter ſeine Aſſecten nicht ſo ſehr zwingen / noch ſeine Kohlen dermaßen in die Aſche vergraben koͤnne / daßnicht3Hiſtorie I. Buch. nicht zu Weilen ein oder ander Fuͤnk - lein hervor leuchten / und ſich in die Luft ſchwingen ſolle.
So iſt demnach dieſes die Urſach zu ſchreiben ein ſolches Buch / welches keinen Menſchen aͤrgern / aber wol alle Leſende erqvicken ſoll / in denen Stunden / welche ohne dem der Eitel - keit aufgeopfert werden.
Was werd ich aber vor eine Ge - ſchicht ſchreiben / welche mein gefuͤhrtes Leben an der Luſtbarkeit uͤbertreffen maͤgte? Und weil mir auch ſolche un - ter allen andern zum bekanteſten iſt / werd ichs um ſo viel deſto leichter koͤn - nen zu Papyr bringen / ob ich gleich oftmals meine eigene Schand entdek - ken / und mich ſelbſten vor denjenigen anklagen werde / deßen Leben mit tau - ſend Schand-Flecken bemakelt ge - weſen.
Wer an dem Rhein-Strohm be - bekant iſt / wird um die herum ligen - de Berge gute Kundſchaft haben / zwi - ſchen welchen ich nicht allein geboren / ſondern auch eine ziehmliche Zeit und zwar biß in das achte Jahr meines Al -A jvters4Kurzweiligerters erzogen worden. Meine Heimath ligt in einem tieffen Thal / und iſt noch von wenigen Fremden geſehen worden / es ſey dann daß ſie verirret / und von der Land-Straß abgewichen / weil dahin nicht der geringſte Land-Weg / ſondern nur ein ſchlechter Fuß-Steig gehet / der das Bernauer Thal und den Stockinger Wald entſcheidet.
Von meiner Jugend weiß ich nichts abſonderliches zu berichten / dañ / gleichwie das Dorf / in welchem ich ge - boren / ganz im Dunkeln ſteckte / alſo teuge ſich mit den Jnwohnern deßelben gar wenig zu / welches wuͤrdig waͤre an das Liecht zu kommen / zumalen die ganze Dorfſchaft etwan in acht wohn - haften Haͤuſern ſamt denen darzugehoͤ - rigen Stroh-Staͤdeln beſtunde. Mein Vater war ein ſolcher Mann / welcher die Dach - und andere Ziegel zu bren - nen pflegen / dahero muſte ich zu Hauſe Laim tretten / und die groben Steine daraus klauben / und dieſes geſchahe faſt taͤglich / weil ein naͤchſt-anligender Edelmann mit ſolchen gebrannten Steinen nicht einen geringen Wuchertriebe5Hiſtorie I. Buch. triebe / und zu Ende deßen in unſerm Dorf ſeinen Ziegel-Stadel aufgerich - tet / aber ſeine Arbeiter bezahlete er wie Herodes den Johannem, denn er gabe ihnen nicht allein keinen Heller Geldes / ſondern wann ſie was forderten / pruͤ - gelte er ſie mit dem Spaniſchen Rohr uͤber den Buckel / und wann es ledige Purſch war / jagte er ſie wol gar davon / bis endlich das Dorf ganz aufſaͤtzig war / und ihm in einer Nacht der Sta - del bis auf den Grund abgebrañt wur - de. Dergeſtalten kame er zu einem Schaden von tauſend Thalern / wel - chen er doch mit zwanzig Guͤlden haͤtte verhuͤten koͤnnen.
Von der Zeit an wurde mein Va - ter gezwungen ſeine Nahrung anders zu ſuchen / und dahero gienge er ſtaͤtigs aufs Holz-ſchneiden in der Revier her - um / er kame gemeiniglich uͤber den Tag nach Haus / und weil ich wuſte / daß er ſelten ohne Sem̃el / Kuchen oder ſonſt mit einem Stuͤck Eſſen zu uns ge - langete / ſahe ich immer auf den Weg / da er herkommen muſte / weil wir au - ſer dieſem Proviant in unſerm HausA vſchlech6Kurweiligerſchlecht verſehen waren / und der Herꝛ Sparmunkaͤs Dach und Fach bezo - gen hatte.
Der Leſer kan gedenken / in welch einem elenden Zuſtand ich meine junge Zeit zugebracht / und war noch das ſchlim̃ſte / daß unſer ſechs Kinder im Hauſe waren / dahero iſt leichtlich zu ſchließen / wie ſtattliche Panqvet wir gehalten / doch iſt es zu verwundern / daß wir bey dem wenigen Brodt und hungerigen Magen baͤßer gedeyet / als manche Groß-Hanſen bey ihren von armen Leuten geſchundenen und herab - gezwackten Lecker-Bißlein.
Wir hatten zwey Gaͤnſe / und dieſe waren all unſer Reichthum; Ehedeßen hatten wir auch eine Kuhe / aber der Edelmann / welchem der Ziegel-Stadel abgebrannt worden / hatte uns ſolche durch uͤberhaͤuffte und beſchwerliche Steuren mit Haut und Haar darum gebracht / und ſo mein arme Mutter die Gaͤnſe nicht in das Stroh verſtek - ket haͤtte / waͤr ihr von denſelbigen gewiß keine Feder uͤbergeblieben. Und vielleicht ſind dieſe Gaͤnſe Urſach mei -nes7Hiſtorie I. Buch. nes Gluͤckes geweſen? Dann es iſt Niemand ſo unverſtaͤndig / welcher nicht weiß / daß auch die geringſte Sa - che muß oftermalen zum hoͤchſten Nuz - zen gereichen.
Eines Abends / als ich naͤchſt an der Muͤhle geſeſſen / und daſelbſten meiner Gaͤnſe gehuͤtet / damit ſie mir nicht in das Waſſer / und alſo unter die Raͤder geriethen / ritte eine Frau den hohen Berg herunter. Jch hab zuvor gemeldet / welcher Geſtalten zu dieſem Dorf ganz keine Land-Straß gienge / deowegen hatte dieſe Frau große Muͤ - he und Arbeit uͤber die ungebahnten Klippen abzuſteigen / und ſich durch die hoch-aufgeſchoßene Thannen-Zweige herunter zu machen. Sie ſtunde end - lich ab / ſahe hin und wider um ſich / und wie ich vermerkte / ſo ruffte ſie ins zweyte mal / konte es aber eines Theils wegen der Ferne / vors andere wegen der klapperenden Muͤhle nicht verſte - hen noch vernehmen / nach was ſie ge - ruffen. Es war ſo leutſelig in unſerm Dorfe / daß man des Tages kaum drey Menſchen hin und wider gehen ſehen /A vjdahe -8Kurzweiligerdahero muſte ſie mit ihrem Geſchrey eine geraume Zeit anhalten / und wur - de doch von Niemand gehoͤret noch ge - ſehen / denn allein von mir. Jch hat - te gleichwol das Herz nicht / von meinen Gaͤnſen hinweg zu lauffen / ſondern ruffte meiner Mutter / welche auf dem Gang ihre alte Lappen zuſammen geſu - chet / ſo ſie dieſe Woche gewaſchen hat - te / denn es war des folgenden Tages ein Feyertag / und weil zu ſolchen Zei - ten gemeiniglich eine Predigt in unſe - rer Dorf-Kirche pflegte gehalten zu werden / als wolte ſie uns morgen mit weißen Hemden anziehen / und mit ſich in die Kirch fuͤhren / ſo religios war meine Mutter.
Sie hatte gleich das letzte Paar Struͤmpf von der Stange genohm̃en / als ich das lezte mal geruffen / und ihr zu verſtehen geben / welcher Geſtalten eine Fꝛau mit einem Pfeꝛd auf dem Tſchauk - ker (alſo hieße der Berg) hielte / und ge - gen das Dorf herunter ruffte: damit gieng ſie die Treppe herab und halff der Frauen / ſo viel ihr muͤglich / von der Hoͤ - he / dann ſie hatte ſich mit dem Pferd einmerk -9Hiſtorie I. Buch. merkliches verſtiegen / alſo daß ihr eine große Gefahr wuͤrde bevorgeſtanden ſeyn / ſo ſie ſich weiter hernieder gelaßen. Meine Mutter ſtiege mit großer Muͤ - he hinauf / und nachdem ſie die Hoͤhe erreichet / wird das Pferd uͤber ihre An - kunft ſcheu / der Geſtalten / das es hind - und vornen von ſich ſchluge. Beyde Weiber hatten genug mit ſich ſelbſt zu thun / dann die Gelegenheit des Orts drohete ihnen alle Augenblick einen Bein-Bruch oder ander gefaͤhrlichen Schaden / flohen alſo / ſo viel muͤglich / den wuͤtenden Gaul / welcher ganz un - geſtuͤm den Berg herunter daumlete / alſo / daß er ehe todt war / ehe er die Tieffe erreichet. Das baͤſte war / daß er mit dem Sattel an einer Wa - cholder-Stauden hangen geblieben / ſonſt waͤr er entweder auf die Muͤhl - Raͤder / oder auf des Muͤhlers Haus - Dach gefallen / welches / ſeynd dem es das lezte mal gedecket / ſo alt war / daß es auch der aͤlteſte Baur im Dor - fe nicht errahten koͤnnen.
Jndeßen hatten ſich die zwey Weibs-Perſonen auf alle viere gele -A vijget /10Kurzweiligerget / bald fuhren ſie vor bald hinter ſich den Berg herunter / und maͤgten keines Wegs verhindern / daß ſie nicht voll Koht und Laimen wurden. Aber die Fremde achtete das Ungluͤck mit dem Pferd nicht gar hoch / weil ſie vorgab / daß ſie ihre eigene Geſundheit viel hoͤher als zwanzig Zuͤge derglei - chen Mehren ſchaͤtzete / dankte derowe - gen meiner Mutter zu tauſend malen / und als ſie in die Stube kamen / wurde ich geheißen / die Gaͤnſe heim zu trei - ben / und einen Krug Waſſer zu ho - len / weil die Fremde in dem erſten Antritt ins Haus zu trincken ver - langet.
Jch hatte eine ziehmliche Ecke zu gehen / dann der Brunn war von unſerm Hauſe weit abgelegen / aber die Begierde neue und fremde Leute zu ſehen triebe mich behende hin und wider / alſo daß ich gleich in die Stu - be kam / als ſich die Fremde bey dem Ofen niederließe. Sie zog eine Bal - ſam-Buͤchſe aus dem Rock / dann ſie gabe vor / das Zimmer waͤr ihr in etwas zu wider. Und meine Mut -ter11Hiſtorie I. Buch. ter zuͤndete eine Wacholder-Staude an / und weil nur ein einziges Fenſter in die Stube gieng / wurde es alſo - bald ſo dunkel und finſter / daß das eine das ander kaum mehr ſehen konte.
Hierauf faͤnget ſie an / ihre Haube abzulegen / und ihre perlene Schnuͤre von dem Hals zu thun / als mein Va - ter unverhofft von der Arbeit daher kame / und Sattel und Zeuch mit ſich getragen brachte. Das erſte Wort / ſo er zu der Mutter redete / war die - ſes: Jndem er vermeldet / welcher Maßen er auf der Hoͤhe noch ein halb - Pferd angetroffen / ſolchem auch das koſtbare Zeuch abgenohm̃en haͤtte / weil es ſonſten Zweifels ohne dem Puffer zu Theil waͤre worden. Aber die Fremde wurde der Abentheur gar bald innen / legt ihm hierauf den Traum aus / und er erſtaunete uͤber der artlichen Begebenheit. Sie hieß ihn demnach niederſitzen / und / ſagte ſie: Damit ihr wißet was mich hieher getrieben / ſo iſt es nicht ohne / daß ich euch mit meinem eigenen Ver - druß und großem Widerwillen beken -nen12Kurzweiligernen und geſtehen muß / daß ſich in meiner Jugend auf unſerm Schloß aufgehalten habe ein Cavalir von ſon - derlicher Tapferkeit / ſein Herꝛ Vater war auch ein wackerer Cavalir, und hat zu ſeinen Zeiten an der Redlich - keit wenig ſeines gleichen gebabt / ob ihn ſchon manche ſonſten vor einen Fuchsſchwaͤntzer und Maul-Chriſten gehalten. Und ob er zwar von Ge - burt arm und unvermaͤgend / brachte ers doch durch ſeine ſonderbare Eigen - ſchaften dahin / daß er meine Schwe - ſter / die ſich in die vier und vierzig - tauſend Ducaten reich ſchaͤtzte / zur Ehe bekam̃e. Dieſes Geld und ſtatt - liche Capital machte er ſich trefflich zu Nutzen / dann er konte leichtlich aus dem vorigen Zuſtand ermaͤßen / was vor ein Elend es ſey / ſich ſo ſehr in der Armuht / wie ein Wurm in dem Koht herum ſchleppen muͤßen / und dahero uͤberlegte er ſein Hausweſen ſehr wol / alſo / daß meine Schweſter uͤber einen unvorſichtigen Hauswirth im geringſten nicht klagen konte. A - ber dieſer Fleiß meines Schwagerswar13Hiſtorie I. Buch. war ein Urſach der Faulheit / welche meine Schweſterin allen Sachen mehr als zu viel vermerken und ſpuͤren ließe. Sie ſchleff taͤglich bis Glock zehn Uhr / und wann ihr das Freßen nicht vor das Bett getragen wurde / ſo pruͤgel - te ſie die Maͤgde in dem Schloß herum / daß es taugte. Gab man ihr nur ein eintziges Bißlein das ihr nicht ſchmaͤckte / oder das nicht recht geſotten oder gebraten ward / ſchmieß ſie es der Koͤchin ganz warm in den Kopf oder ins Genick / daß es zu ruͤck praͤllete / und mit einem Wort zu ſagen / ſie war ſo eckel / daß ſie weder aus erde - nen noch andern Geſchirr von Ertz oder Metall hat fraͤßen koͤnnen / ſon - dern ihr Herꝛ muſte ihr auf der Glas - Huͤtte abſonderliche Schuͤſſeln und Teller verfertigen laſſen / und weil des Jahrs viel zerbrochen worden / koͤn - net ihr gedaͤnken / welch unnoͤhtig Geld vor dergleichen Narren-Poßen ausgeben worden.
Sie hat noch ſelten einen Tag vor - bey ſtreichen laſſen / daß ſie nicht ihre vier Maß Rhein-Wein ausgeſtochen /und14Kurzweiligerund ſolchen trunk ſie gemeiniglich aus ausgehoͤlerten Zucker-Huͤten. Kein Schneider / ſo viel auch derer bey ihr gedienet / hat einen Augenblick von ihr Ruhe oder Friede gehabt / dann ſie muſte faſt alle Tage ein neu Kleid an - ziehen / und weil es den Purſchen an der Arbeit zu viel wurde / jagte ſie faſt wochentlich ſechs bis acht hinweg. Kame ſie auf einen Jahr-Markt / ſo muſte trabs alles gekauffet werden / was ihr Herz verlangte / und mit Wenigen zu ſagen / ſie triebe ein Le - ben / das nicht hofaͤrtiger und ver - ſchwenderiſcher ſeyn koͤnnen / zu dieſem allen dorfte doch mein Schwager nicht ein Woͤrtlein ſagen / ſonſt wuͤrde ſie ihn warhaftig einen nackigten Hund uͤber den andern geheiſſen haben / dañ ſie hatte ein ſo leichtfertig Maul / als kein Weibs-Bild auf der Erden / und dahero ward ſie bey ihres gleichen von Adel ſo wohl als andern Leuten ſehr verhaßt und in dem ſchlim̃ſten Ruff / daß ich mich ſelbſten von Herzen ſchaͤ - men muͤſſen. Einsmals redete ich ihr etwas ſchaͤrfer zu / und ob ich gleichjuͤnger15Hiſtorie I. Buch. juͤnger als ſie war / hatte ich doch das Herz / ihr eine gute Vermahnung zu geben / in Meynung / ſie wuͤrde ſolches als eine Schweſter gut-willig aufneh - men; Aber / ſo wahr ich lebe / ſie ſpreitzte ſich gegen mich / wie eine Katze in dem Sack / bis endlich gar zum Rauffen - und Schlagen-Anfangen / weil ſolches auch in der Kuͤche geſchehen / ſchmieſ - ſen wir Schuͤſſel / Teller und Toͤpfe uͤber die Feuer-Staͤte herunter / und ſo unſer Bruder dazumal nicht in Zei - ten darzu kommen / ſo glaubte ich / wir hiengen noch in den Haaren / dañ ſie hatte ein ſo Gift - und Gall-ver - bittert Gemuͤht / daß es nicht zu ſagen iſt.
Dieſes Leben waͤhrete ſo lang / ſo lang die Mittel daurten / und te hoͤ - her die Hofart ſtiege / ie niedriger duckte ſich der Saͤckel. Endlich wur - de mein Schwager gezwungen Kriegs - Dienſte zu ſuchen / aber er wurde ins vierdte mal in allen Genaden abge - wieſen / das verdroße meine Schwe - ſter dermaßen / daß ſie ihn des Tages wol tauſend mal einen kein-nuͤtzen E -ſel /16Kurzweiligerſel / Baͤrnhaͤuter / Bacchanten / Stu - ben-Sitzer / Bett-Waͤrmer / Hoſen - Scheißer / Marodi-Bruder / einen Stigl-Fritzen / einen Schab-Halſer / einen lauſigen Edelmann und derglei - chen nennete / da gab es nun eine ziemlich ungleiche Ehe / und weil der Teufel bey ſolchen Faͤllen nicht ſchlaͤf - fet / brachte er bald andere Leute in das Spiel / die gaben der Schweſter recht Teufliſche Anſchlaͤge / ihren Herꝛn zu verlaßen / und ihr uͤbriges Geld anderwaͤrtig zu verzehren. Derge - ſtalten verließ ſie ihn heimlich in der Nacht / nachdem ſie ihre baͤſten Sa - chen in der Stille hinweg gepracticirt hatte.
Es waren etwan noch drey Pfer - de ſamt zwey Gutſchen zuruͤcke / das war der ganze Reichthum meines Schwagers / mit welchem er ſich hin - fuͤro ernaͤhren ſolte. Er durchſuchte alle Kiſten und Kaſten / aber da war kein Pfennig Geld mehr zu finden / derowegen faͤllet er in eine große Me - lancholie; welche mit Zorn und Hoff - nung vermiſchet war / und die Hoff -nung17Hiſtorie I. Buch. nung iſt noch das baͤſte geweſen / ſonſt haͤtte ſich der ungluͤckſelige Menſch oh - ne allen Zweifel mit einem Spieß er - ſtochen / wie man die Kuͤhe damit an - zubinden pfleget.
Mein ſeeliger Vater hatte genug an dem verlaßenen Menſchen zu troͤ - ſten / und triebe bey dem Conſiſtorio die Sache ſelbſt / damit er wider eine Vereinigung treffen koͤñte: aber ſie baueten beyde Schloͤßer in die Luft / dann meine Schweſter lachte ſie von Ferne nur aus / bis wir endlich nicht mehr gewuſt / wo ſie hinkommen.
Dieſe Schand-loſe Hexe / (ſagte die Edel-Frau weiter fort) lude dem ſeeligen Herꝛn Vater keinen geringen Stein auf ſein altes Herze / ſondern brachte ihn endlich mit vielen Threnen unter die Erde / dann er bekañte noch auf dem Tod-Bette / daß ſeine Ehr-ver - geßene und fluͤchtige Land-Streicherin der einzige Anfang ſeiner ſo ſchweren Krankheit waͤre / hiermit iſt er verſchie - den / und wir uͤbrigen drey Geſchwiſtrich theileten uns in die Guͤter / und ſchloſ - ſen bey ſolcher Theilung die herum -ſtuͤr -18Kurzweiligerſtuͤrzene Schweſter gaͤnzlich aus / ohne was wir unſerm Schwager in Anſe - hung ſeiner Ehr und Redlichkeit aus gutem Gemuͤhte zugeſtoßen. Er wurde ie laͤnger ie kleinmuͤhtiger / und zwar dergeſtalten / daß er ſich endlich reſolvirt aufs neue nach einer Kriegs - Charge zu ſtreben / und weil er ſich ehedeßen zu Felde gebrauchen laſſen / wie der Rittmeiſter / ob es ihm ſchon ſo viel an baarem Gelde gekoſtet / als ein Obriſt-Leutenants-Stelle. Jn einem ſolchen Stand zoge er von uns / und ließe uns zwey Toͤchter / welche er mit ſeiner Vagantin gezeuget / zu ruͤcke / die wir nach Muͤglichkeit auferziehen und warten ſolten.
Nicht gar ein Jahr darnach be - kamen wir Zeitung / daß er todt ge - ſchoßen woͤrden / und daher kleideten wir uns in die Traur / und ließen ihm ein Leich-Predigt halten ſamt der ge - woͤhnlichen Meſſe / und was ſonſt dar - bey gebraͤuchlich war. Aber als ich fuͤnf Jahr darauf mit meinem Manne Verloͤbnuͤß hatte / ritte ein ſtattlicher Cavalir in mein Schloß ein / ſein Gol -leth19Hiſtorie I. Buch. leth war mit Gold - und Silbernen Spitzen verbraͤmet / um ſeinen Hut truge er die ſchoͤnſten und rariſten Strauß-Federn / und nach ihm rit - ten ſechs Laqveyen und andere Officier. Wir hielten ihn erſtlich vor einen Prin - zen / aber ſein Angeſicht gabe uns bald zu verſtehen / daß es niemand anders ſey als gemeldter Schwager / wel - cher ſich in einem vorgangenem Tref - fen dermaßen wol und tapfer gehal - ten / daß er wuͤrcklicher Obriſt-Leute - nant geworden: Unſere angefangene Freude ward hierdurch nicht ein we - nig vergroͤßert / und weil wir noch ſchwarz giengen / fragte er um die Ur - ſach / als er ſolche mit Verwunde - rung vernohm̃en / gienge die ernſtli - Sache auf ein Gelaͤchter hinaus / und wurde der Prieſter / ſo die Meſſe ge - halten / uͤber das Land zu unſerer Luſt geruffen / weil ſein Pfarꝛ-Hof nicht viel uͤber achthundert Schritt hinweg war.
Dieſer Freude genoßen wir dieſel - be ganze Nacht / und ich wuſte kei - nen Tag durch mein ganzes Leben zunen -20Kurzweiligernennen / welcher mir ſo froͤlich und vergnuͤglich war / als eben derſelbe Tag meines Verloͤbnuͤßes. Mein Herꝛ Schwager berichtete uns aller - ley neue Zeitungen / und keiner war zu gegen / welcher ihm zu ſeinem in - ſtehenden Gluͤcke nicht unzaͤhlich mal gratulirt hatte. Jndem wir noch beyſammen ſaßen / und die Abend - Mahlzeit verzehrten / kam ein zerriße - ne und zerlumpte Bettlerin vor das Schloß-Thor / und bittet um ein Almoſen. Die Magd / welche mirs angedeutet / ſagte: Die Bettlerin haͤt - te ſchon eine gute Zeit vor dem Schloſ - ſe geſaͤßen und immer zu ſich ſelbſt ge - redet und geſprochen: Ach ich armes Menſch hatte vor dieſen auch ſo einen Hof / ja wol einen baͤßern als dieſen! ach ach ich armes Menſch! Dieſe Wort kamen mir ſehr verdaͤchtig vor / und weil ich (ohne Ruhm zu melden) mit armen Leuten gerne geredet / und mich ihrer Noht befraget / gienge ich hinunter und griffe um einen Groſchen / welchen ich ihr ſchencken wolte. Als ich vor das Thor gelanget / ſehe ichvor mir21Hiſtorie I. Buch. vor mir ſtehen meine leibliche Schwe - ſter / als die benannte Vagantin und liederliche Verlaͤßerin ihres Eheman - nes. Sie hatte einen Violet-brau - nen Rock an / welcher mit mehr denn funfzig Flecklein von allerhand Farben behangen war. Jhr Haupt hatte ſie mit einem ringen Schnupf-Salvet verbunden / unter welchem ihre Haar in ganzer Unordnung ſtunden. Unter dem Arm truge ſie zuſammen-gepackte Lumpen / in welchen ein Stuͤck Brodt eingewickelt war / ſie hatte einen Stock / nicht viel anders / als ihn die Bauern zu Markt tragen / und die Schuh hat ſie von einem Mannsbild geſchenkt bekommen / darinnen ſie mit bloßen Beinen gienge.
Jn einem ſo miſerablen Zuſtande kame mir die jenige vor Augen / wel - che doch zuvor ſo herꝛlich gelebet. Zu - vor war ſie mit den aller ſtattlichſten[L]ecker-Bißlein nicht zu ſaͤttigen / aniez -〈…〉〈…〉 o muß ſie mit germgen Haus-Brodt[v]or lieb nehmen. Zuvor konten ihr[d]ie ſilbernen Gallonen nimmer recht[a]ufgenaͤhet werden / anietzo muſte ſieBin ſchlech22Kurzweiligerin ſchlechten und armen Bettlers-Klei - dern herein gehen. Aber die Hofart iſt ein Feur / das auch die allerhoͤchſten Silber-Berge einaͤſchert / deßwegen iſt ſolches nicht Wunder zu nehmen / daß auch dieſe meine Ehr-vergeßene und liederliche Schweſter ſo ſehr ge - zuͤchtiget und geſtraffet worden.
Jch ſtunde demnach vor derſelben ſtille / und merckte gar bald / daß ſie mich kennete / dann ſie ſchluge das Geſicht immer auf die Erde / wie ein Dieb / der ſich nichts gutes bewuſt iſt. Jch bin gewiß irre gegangen / fienge ſie an zu reden / die Jungfer verzeihe mir / wohnet nicht hier ſonſt der von Willenhag? Jch gabe zur Antwort / Ja! der von Willenhag hat vor einem Jahr hier gewohnet / iſt aber von ſchlimmen Leuten naͤchtli - cher Weile ausgeraubet worden / und als er die Flucht zu einem Dach-Fen - ſter außnehmen wolte / hat er ſich auf die Erde geſtuͤrzet / und hat alſo un - verſchens den Hals gebrochen / von daran hat mein ſeeliger Vater das Gut gekauffet / und nun beſitze ichsvor23Hiſtorie I. Buch. vor mein Eigenthum. Seht doch / ſagte die Bettlerin / und iſt euer Herꝛ Vater ſchon geſtorben? Ja! ſagte ich. Sie fragte weiter: An was vor einer Krankheit? Jch gabe ihr wieder zur Antwort und ſagte: Mei - ne liebe Schweſter / wie in großem E - lend ſehe ich dich anietzo? ſchaͤmeſt du dich nicht das Land als eine Bettlerin durchzuſtuͤrzen / und zum Schimpf der ganzen Freundſchaft dich ſo erz-lieder - lich-bloß zu geben? leugne es nur nicht / und bekenne mir im Vertrauen / wie es dir gegangen / und auf was Weis du in einen ſo Erbarmungs - wuͤrdigen Stand gerahten ſeyeſt / als dann will ich ſehen wie ich dir helffe! Liebe Schweſter / ſagte ſie darauf ganz ſcham-roht unb zagig / ich haͤtte nicht gemeynet / daß du mich kennen ſolteſt / es gehet mir (hiermit lieffen ihr die Augen uͤber) leyder Gott! elend und uͤbel genug. Mancher Hund hat es baͤßer / als ich armes verlaßenes Menſch! Sobald ich meinen Mann verlaßen und mit meinem Geld durch den Wald gereiſet / wurde ich da -B ijſelbſten24Kurzweiligerſelbſten in der Finſter ausgeraubet / und bis aufs Hemde ausgezogen. Was ſolt ich thun / zuruͤck zu gehen ſchaͤmte ich mich / als es aber ein we - nig hell geworden / und mich die Straßen-Raͤuber recht unter dem Ge - ſicht ſahen / gaben ſie mir die Sa - chen wieder / doch mit dem Beding / daß ichs mit ihnen halten und ihre Hur ſeyn ſolte. Jch war noch voll Zorn und Widerwillen gegen meinem Manne als deinem Schwager / deß - wegen geſellte ich mich zu dem gottloſen Geſindlein / und trachteten Tag und Nacht nichts als wie wir denen Leu - ten Schaden zufuͤgen koͤnnten. Aber davor kan ich einen ſichern Eyd ſchwoͤ - ren / daß ich zu keinem Mord und Todſchlag Anlaß gegeben noch geholf - fen habe / ſo viel und mannnigfaltige Menſchen auch von unſern Leuten ſind erſchlagen und umgebracht wor - den / aber gehuret hab ich / daß es nicht auszuſprechen iſt. Dann ich er - zeugte in dieſen fuͤnf Jahren vier Kin - der / welche alle in dem Dorf betteln herum gehen / und jenes Maͤgdlein /welches25Hiſtorie I. Buch. welches du dort die Gaſſe herkom - men ſieheſt / (wieſe mir hierauf mit dem Finger ein Bettel-Kind von achtzehen Jahren /) die iſt meine Be - gleiterin / dann ſo jung es iſt / ſo weiß es doch an allen Orten Weg und Steg. Sie iſt das Land wol vier - zig mal auf und niedergefahren / ein - und ausgereiſet / hin und wieder ge - loffen / alſo daß ſie wol die aller per - fectiſte Land-Charte machen ſolle / ſofern ſie nur die Zirkul / und was dar - zu gehoͤret / verſtuͤnde.
Jn dieſem Geſpraͤche kommt das Maͤgdlein herzu / das hatte ein Kind auf dem Rucken und das andere auf den Armen / und das dritte lief bar - fuß hinten nach. Jch erſtaunte ganz ober den Anblick / und weil mir mein Liebſter zuruͤck rufft / hieße ich die Schweſter warten / und ſagte zu der Koͤchin / daß ſie der Bettlerin eine Schuͤſſel voll Supp und ein gutes Stuͤck Rind-Fleiſch vor das Thor gaͤ - be / und damit gienge ſie wieder in das Ober-Zimmer. Sie merkten mir gar bald an der Farbe an / daß ichB iijmich26Kurzweiligermich etwas entſetzet hatte / und als ſie die Urſach fragten / gabe ich zur Ant - wort / wie daß mir die Bettlerin erzehlet welcher Geſtalten ihr Mann ſo erbaͤrm - lich von den Raͤubern waͤre ums Leben gebracht worden; Aber die Geſellſchaft ſagte: Die Bettler waͤren oftermalen Erz-Luͤgner / und ſagten oft eine Ge - ſchicht daher / daß man ihnen nur de - ſto mehr geben ſolte. Hiermit ſetzte ich mich an den Tiſch / konte aber un - moͤglich eſſen noch trinken; dann ihr koͤnnet ſelbſt zur Genuͤge betrachten / daß ich / ſolches zu unterlaßen gnugſa - me Urſache gehabt.
Nach vollbrachtem Eſſen nahme ich meinen Schwager heimlich auf die Seite / und fragte ihn / wie es um ſeine Sachen ſtuͤnde? Er ſagte / gar wol / dann ich bin nicht allein geſund / ſondern babe auch eine gute Charge, uͤber dieſes ſo habe ich mich auch ver - ehlichet mit einer Wittbe von Adel. Jch erſchrack uͤber die Rede meines Schwagers / kont ihms doch nicht ver - argen / dann meine Schweſter hatte ihn meineyiger Weiſe verlaßen undnoch27Hiſtorie I. Buch. noch beſtohlen darzu / aber ich fragte ihn / ob er dañ ganz keine Lieb zu mei - ner Schweſter truͤge? Jungfer Schwaͤgerin / gabe er zur Antwort: Wuͤſte ich / wo ſie waͤre / mein De - gen ſolle mir nicht ſo feſt in der Schei - de ſtecken / ich wolte ſolchen durch ihr untreues und falſches Herz ſtoßen / ja / wann mein aͤrgſter Feind und die ſchandbare Hure zugleich vor mir ſtun - den /ſo wolte ich viel ehe beflißen ſeyn ihre geile Stirn als meinen abgeſag - teſten Feind anzulauffen. Er bate mich auch / ich ſolle von ihr nur ſtill - ſchweigen / dann ſie ſeye nicht wehrt / daß ein Menſch wegen ihrer den Mund aufthue.
Alle dieſe Wort redete die fremde Frau / bey dem Ofen ſitzend / ſehr ernſt - lich / und als ſie biß daher gekommen / noͤhtigte ſie mein Vater ein wenig Brod und Kaͤſe zu eſſen / aber ſie bate ihn / den vom Pferd genommenen Mantel-Sack zu eroͤffnen / alwo er viel Victualien eigepacket gefunden / welches ſie vor dießmal preyß gege - ben / und uns Kinder recht ſatt ge -B jvmachet.28Kurweiligermachet. Sie aße ſelbſt mit / und legte uns allen vor / verſprache auch / nach vollendter Malzeit ihre Rede zu ſchließen / und als wir nach Tiſch ge - betet / ruffte ich etlichen alten Wei - bern / welche gemeiniglich Nacht-Zei - tens ihr Waͤrk in unſerer Stuben zu ſpinnen pflegten / als ſie ſich nun Reyhe - herum geſetzet / fuͤhret die fremde Frau / ihre Erzehlung fort und ſagte:
Zuvor bin ich gekommen bis auf das Geſpraͤch / ſo ich mit meinem Schwager dem Obriſt-Leutenant ge - gehabt / und als er ſich auf Weis noch Manier entſchließen wollen / meiner Schweſter mit fernerer Gunſt anzu - haͤngen / gienge ich wieder hinunter in den Schloß-Hof. Es war ſchon et - was dunkel / deßwegen hatte ich baͤßer Gelegenheit mit der Bettlerin zu re - den / welche allgemach mit ihren Kin - dern die Schuͤſſel ganz rein ausge - fraͤßen hatte / die kleinen leckten mit den Fingern den Boden ab / dann die Frau ſagte / daß ſie innerhalb vierze - hen Tagen nicht ſo gut geſpeiſet wor -den /29Hiſtorie I. Buch. den / als da ſie einsmals auf einem großen Beylager ein Stuͤck Gebra - tens davon getragen.
Jch wolte noch mehr mit ihr re - den / aber die Leute ſchickten eine Poſt nach der andern zu mir. Endlich ver - ließe ichs mit meiner Schweſter derge - ſtalten / daß ſie ſich nach Hinſcheidung meiner Gaͤſte wieder bey mir einfin - den ſolte / ſodann wolte ich ſie verbor - gen bey mir behalten / und ſehen / was etwan zum fuͤglichſten zu thun waͤre. Sie bedankte ſich mit weinenden Au - gen / und ich gab ihr einen Ducaten kleines Geld in die Hand / und ſagte / daß ſie ſich indeßen in dem Dorf auf - halten ſolte.
So bald ich hinauf gelanget / wur - den unterſchiedliche Geſundheiten ge - trunken / und weil derjenige / mit wel - chem ich mich verlobet / ein auslaͤndi - ſcher Edelmann war / tranke er ſeiner Nation guter Geſundheit etliche Roͤh - mer herum. Hierauf wurde ein lan - ges und breites getanzet / dann ſobald wir verſtanden / daß der Schwager nicht todt ſey / ließen wir die Spiel -B vleute30Kurzweiligerleute uͤber das Land herholen / die geigten eins nach dem andern auf / und ſtrichen luſtig zum Tanz. Mir aber war die Karte ganz verkehret / und mein Liebſter hatte mit großer Muͤhe zu thun / mich meiner Traur zu entheben / und ob er ſchon ohne Unterlaß um die Urſach fragte / gab ich ihm doch kein andere Antwort / als daß ich mich um die Bruſt nicht wol befuͤnde; dann ich ſchaͤmte mich / ihme dieſen Spott zu offenbaren / weil ich ihn noch nicht uͤber vier mal geſehen hatte / und alſo ſein Herz noch nicht recht kante.
Damit ihr aber wißet / wie ich mit ihm in dieſe unverhoffte Heyraht ge - rahten / ſo hoͤret / daß ich einen Vet - ter habe / welcher all ſein Leben-lang ſo wenig gut gethan / als die beſchrie - bene Schweſter / er ſahe auf nichts mehrers / als wie er ſeine Freund be - ruͤcken und betruͤgen maͤgte. Endlich jagte ihn ſein Vatter hinweg / iſt aber nach deßen Tod gleichwol wieder zu - ruͤck kommen / und hat das Gut Erb - ſaͤßig eingenohm̃en. Er panqvetirteder -31Hiſtorie I. Buch. dermaßen / daß er innerhalb einem Jahr vom Haus und Hof muſte / und ſeyd dieſer Zeit kuppelt er die Adeli - chen Perſonen an einander / brachte mir auch dieſen Herꝛn von weiten ber / und weil der Kerl trefflich complimen - tiren und ſeine Wort manierlich ſtel - len konte / verliebte ich mich alsbald in ihn; dann die Jugend ſieht nicht gar weit vor ſich / ſondern greifft oft einen Roß-Pfifferling vor einen Ap - fel an.
Jhr werdet euch hoͤchſt verwun - dern / wie es mir gegangen: Denn nach dem Verloͤbnuͤß zoge ieder ſeine Straße / und die Hochzeit verſchoben wir bis vier Wochen / zwiſchen wel - cher Zeit ich genugſame Zeit hatte / mich mit meiner Schweſter zu unterreden. Sie bedauerte den Abzug ihres gewe - ſenen Ehemannes mit hundert-tau - ſend Seufzern / und ſagte / daß ſie ſich von Herzen gern ſaͤngen und brennen wolte laßen / ſo er ſie nur zwey Jahr zu Genaden annehmen wolte / ſie wolte ſich in ſolcher Zeit ſo gehorſam und wol gegen ihn und maͤnniglich verhal -B vjten /32Kurzweiligerten / daß er keine fernere Urſach fin - den wuͤrde / ſie zu verſtoßen. Aber ich ſagte / daß die Pforte zu ihrer Ei - nigkeit nunmehro zugeſchloßen ſeye / weil er auch ſchon eine andere Frau am Halſe hatte / wuͤrde ſich die Gele - genheit ſchwehrlich mehr geben / ihre Scharte auszuwetzen / ſo ſehr ſie auch darnach ringen und ſtreiten wuͤrde.
Sie gabe ſich endlich zu frieden / und achtete nun nicht mehr ſo groß den Verluſt ihrer Forun, und damit ichs kurz mache: Sie konnten ihren Ubelſtand baͤßer ertragen / als jene Magd des Corporalen ſeinen Ranzen.
Als nun die Zeit meiner Hochzeit erſchienen / wurde trefflich darauf zu - bereitet / der obbenamte Kuppler ließ in keine Wege etwas ermangeln / ſon - dern ſetzte den Kuͤch - und Keller-Zed - dul mit eigner Hand zu Papyr / und lehrete mich recht tieff in den Saͤckel greiffen / welches ich ſonſt nicht zu thun gewohnet war / dann die War - heit zu geſtehen / ſo war ich allwegetwas33Hiſtorie I. Buch. etwas geitziger / als mein Geſchwi - ſtrigt / und gabe dahero auf meine Sachen ſehr fleißig acht / und ſo em - ſig ich auch das Meine angenohm̃en / wurde ich doch mehr / als iemalen ein Menſch / darum gebracht / und mit aller meiner Sorgfaͤltigkeit uͤber den Hauffen geworffen.
Die Hochzeit wurde eben auf dem Schloße / da ich meine Verloͤbnuͤß gehalten / und es gienge mir zwiſchen dieſer Zeit gleichſam in dem Traum vor / wie hernach mit mir geſpielet worden. Naͤmlich der neue Braͤuti - gam wohnete etwan ein halb Jahr bey mir / da er mich einsmals in der Nacht heimlich verließ / und mich meines Geldes und Gutes bis auf den Grund beraubete. Jch hat - te ihm meine Schweſter nicht zu er - kennen geben / ſondern ſie als eine kuͤnftige Amme zu mir aufgenommen / dahero muhtmaßete ich / er waͤre viel - leicht dahinter gelanget / und haͤtte aus dieſem Grund einzige Urſach ge - ſchoͤpfet / mich zu verlaßen. Als ich aber nach der Bettlerin fragen ließe /war34Kurzweiligerwar ſie mit meinem Liebſten auf und davon; dann ſolches bezeugten etliche Leute auf dem naͤchſt-ligenden Dorf / welche ſie in der Nacht auf zweyen Pferden mit Sack und Pack hatte hindurch ziehen ſehen / ſamt noch einem / der einen großen Licht - Schimmel ſolle geritten haben.
Dieſes war die ganze Urkund / ſo ich in meiner hoͤchſten Noht ein - holen koͤnnen; aber ich fande viel ein anders in meinem Geld-Schraͤnklem / alwo mir mein Liebſter an ſtatt der rohten Ducaten einen Pfifferling fol - gendes Jnhalts hinein gelegt. Lieb - ſter Schatz! Es iſt wahr / daß ich deine Lieb gegen mir iederzeit ohne Falſch gefunden / dahero bin ich aus Antrieb deiner Jugend getrieben wor - den / dich nicht laͤnger zu betriegen / bekenne demnach / daß ich eben aus der Geſellſchafft bin / worunter deine Schweſter die Bettlerin erſtes mal in dem Walde gefallen. Dieſer hab ich mich wegen Schoͤnheit ihres ver - ehlichet / wir hatten gar ein gutes Verſtaͤndnuͤß zuſammen / haͤtteſtuſie in35Hiſtorie I. Buch. ſie in ihrer Ankunft nicht ſo wol tractiret / ſo ſolle das Schloß noch ſelbigen Abend in dem Rauch auf - gegangen / und ihr alle jaͤmmerli - cher Weis erwuͤrget ſeyn. Lebe wol! Dieß laß ich dir zu Letze.
Jch glaub nicht / daß ich ſo viel Haar auf dem Kopf gehabt / als viel ich Creutz vor mich gemachet. Erſt wurde ich gewahr / was es vor eine Bewandtnuͤß hatte / dann mein ehrbarer Vetter / der Ehliche Kupp - ler / hatte mich durch dieſe Liſt um alle meine Sachen gebracht / weil er mich an einen Spitz-Buben zu verehlichen keinen Scheu getragen / die Schweſter ſtellete ſich nur aͤuſer - lich ſo an / und thate es nur dar - um / daß ſie mich deſto mehr auf ihre Seite bringen / und mich ſicher ma - chen maͤgte / dann die Warheit zu geſtehen / ſo ließ ich ihr im Schloße allen Gewalt / und merkte keines Weges / daß ſie mit faulen Fiſchen umbgienge / biß die Kuhe ſamt dem Kalbe aus dem Stall war / ſo hat - te auch der ehrbar Vetter die Fluchtgenom -36Kurzweiligergenommen / wuſte dahero nicht / an was ich mich halten und befriedigen ſolle / dann es iſt gewiß / daß ſie mir in die zwanzig-tauſend Ducaten werth ge - ſtohlen und abgenohm̃en haben. Hingegen ließe mir die Bettlerin oder vielmehr die verfluchte Spitzbuͤbin die vier unerzogene Kinder uͤber dem Hal - ſe ſitzen / und ich konte keinen Raht ſchaffen / dieſelben zu ernaͤhren / zu - malen ich ſelber ſchwanger gienge und voll Noht und Elend ſtackte.
Dazumal fienge ich erſt an zu be - trachten alle Wort und Reden / wel - che ſie gegen mir in waͤhrender Zeit ausgegoßen / und fande / daß gar viel Verblendungen in denſelben verbor - gen gelegen. Jch merkte auch ſchon lange / daß mein Liebſter allerley Ur - ſachen geſuchet / meine Lieb in einen Haß zu verwandeln aber meine Gut - willigkeit wuſte ſich aus allen Ein - wuͤrffen und vorfallenden Ungelegen - heiten mit aller Beſcheidenheit her - aus zu wickeln. Es giengen nicht drey Tage ins Land / als dieſe Ge - ſchicht die ganze Welt ausgeloffen /und37Hiſtorie I. Buch. und wer davon gehoͤret / wuſte nichts als von meinem großem Ungluͤcke zu reden / das machte mich endlich ſo be - ſtuͤrzt und verdrießlich / daß ich das Schloß verkaufft / und mich hier zu Land niederſaͤßig gemachet habe: dem Kauffer dingete ich mich mit ein / daß er die Bettel-Kinder bis zu ihren Jahren ernaͤhren ſolte / dahero wurde ich bezwungen / in dem Kauff ſechs - hundert Reichs-Thaler fallen zu laßen / aber wie ich hernach gehoͤret / ſo hat er ſie die dritte Woche auf und davon gejaget / iſt ihm alſo dieſer Streich um einen merklichen Brocken zu gut kommen; Gleichwie aber die Rache des Himmels kein Laſter mit zuge - ſchloßenen Augen anſiehet / alſo ent - ſtunde ohngefaͤhr ein Jahr darnach eine große und grauſame Waſſerfluht / welche ihm Haus und Hof uͤber den Hauffen gerißen / und alles auf dem Felde und in den Staͤllen er - traͤnket.
Jn hieſigen Landen befande ich mich gar wol / dann ich kauffte nicht allein wieder ein Adeliches Guth anmich38Kurzweiligermich / ſondern miethete noch darzu ei - ne Waſſer-Muͤhl / mit welcher ich etliche Wieſen und Aecker zu genießen hatte. Aber der Teufel triebe ſein Spiel auch hierinnen nicht ein gerin - ges / denn es wurde in ſolcher ein Muͤhl-Knecht erſchlagen / welcher nach dem Tod dermaßen umgienge / daß kein Menſch mehr darinnen ar - beiten wollen. Dieſes Geſpenſt ließe ſich ſehen / bald als ein Bock / bald als ein auffaͤtziger Mann / dahero wurde gemuhtmaßet / ſein Vatter ſeye entweder ein Schneider oder ein Weber geweſen. So kame mir auch gar viel Vieh um / welchen Schaden ich aber durch das Getrayd erſetzete. Endlich genaße ich auf dieſem Guth einer Tochter / welche mir der Spitz - bube zum Pfande hinterlaßen / und gleichwol erzoge ich dieſe ſehr aufſich - tig / und unterrichtete ſie in allen wol-anſtaͤndigen Tugenden / ſagte ihr auch nicht das geringſte / welch ein ehrbarer und ſauberer Mann ihr Vater geweſen / ſondern gabe vor / daß er als ein wackerer Soldat indem39Hiſtorie I. Buch. dem Felde geſtorben und vor dem Feind mit zweyen Draht-Kugel ſeye erſchoßen worden.
Aber ich maͤgte lehren und ſagen was ich wolte / ſo hatte doch der Vater eine Wurzel in dieſem Kinde gelaßen / welche faſt unmaͤglich auszu - rotten war. Sie neigte ſich gar fruͤh - zeitig zum Diebſtahl / und kunte man bald an ihren Klauen ſehen / welch ein artlich Thier ihr Vater geweſen. Sie kame in dieſer Kunſt ſo weit / daß ſie mir die ſilbern Geſperr von denen Gebet-Buͤchern mauſete / und ſolche Sachen verſchacherte ſie unter das Geſind um ein Lumpen-Geld / da - vor kauffte ſie ſich in der Stadt / oder ließ ſich durch andere kauffen / die leichtfertigſten Huren-Buͤcher / ſo zu bekommen waͤren.
Dieſen Fehler wurde ich bald in - nen / und ich vermahnete ſie mit guten und boͤſen / / aber es galt eins ſo viel als das ander / naͤmlich keines nichts. Wann man vor oder nach dem Eſſen betete / ſo putzte ſie ihren Kopf / oder machte das Geſind ſonſten lachend /und40Kurzweiligerund wer ſie ſolte liegen gehoͤret ha - ben / der haͤtte geſtehen muͤßen / daß ſie nicht ſo bald vor den Hintern ge - griffen / als ſie ſchon eine ganze Hand voll eingeſaltzener und recht gewuͤrzter auf die Bahn gebracht / welche ihr ſo gluͤcklich abgegangen / wie ein ge - ladener Wagen Berg-unter. Jch kan ſchwoͤren / daß ich ſie die Zeit meines Le - bens nicht den geringſten Threnen ver - gießen ſehen / ſo ſehr ich ſie auch aus - gefilzet und ausgehudelt habe; aber das Lachen war ihr ſo eigenthuͤmlich / wie dem Muͤhler das Stehlen. Jh - re Handlungen anbetreffend / hab ich all mein Tag kein unflaͤtigeres Thier geſehen / dann ſie ließe große Ruͤlps uͤber dem Eſſen / und ſonſten noch was / das ich nicht gern nennen mag / iedoch wann Jemand fremdes zuge - gen war / ſtellete ſie ſich ſo Engel-rein / wie ſie ihr Leben-lang nie kein Waſ - ſer betruͤbt haͤtte. Es hielt ſich ein Jaͤger bey mir auf / welcher ſeine meiſte Zeit mit Vogel-fangen zubrach - te / zu welchem Vogel-Fang er gar viel Leim-Ruten brauchte. Eins -mals41Hiſtorie I. Buch. mals kame meine Tochter in ſeiner Abweſenheit uͤber das Leim-Leder / und bekleckte mit ſolchem das ganze heimliche Gemach / wer ſich nun deſ - ſen gebrauchen wolte / und nicht gute Obſicht hatte / der bliebe eine gerau - me Zeit mit dem Hintern auf dem Bret kleben / und wann ich ſie darum ſtraffte / ſo zeigte ſie mir die Feigen / und drohete / ſo ich ihr nur mehr das geringſte thun wuͤrde / ſo wolle ſie in ein Waſſer ſpringen und ſich erſaͤuffen. Lezlich hielt ich ihr einen Præceptornaus der Stadt / aber es war ein junger Gelb-Schnabel / welcher auſer dem Vaterland nicht viel Pfennig-Sem - mel gegeßen hatte / mit demſelben triebe ſie ihren abſonderlichen Muht - willen / und naͤhete ihm oft in der Nacht Hoſen / Wammes / Struͤmpf und Schuhe zuſammen. Sie war ſo keck / daß ſie Nachts-Zeiten auf einen Bogen Papyr hofirte und es denen Maͤgden uͤber das Fenſter hin - unter auf die Koͤpfe wurffe / und wann ſie in die Kirche gehen ſolte / ſtellete ſie ſich trefflich krank / und gabe faſt alleTage42KurzweiligerTage eine neue Unbaͤßlichkeit vor. Wann ſie uͤber den Brandt-Wein kam / ſo konte ſie kein Menſch von dem Glas weg bringen / bis ihr die Flam̃ zum Hals ausſchluge / die muſten wir mit Milch oder Urin wider leſchen / und hat mich vielmal gereuet / daß ich das Raben-Aas nicht zu Staub und Aſche habe verbrennen laßen. Wañ ich ihr die Nadel in die Faͤuſte gege - ben / daß ſie damit naͤhen ſolte / er - ſtache ſie mit derſelben die Fliegen an der Wand / oder raͤumete die Zaͤhne darmit aus. Sie zog gar oftmals Manns-Kleider an / und gienge auf die Baurn-Taͤnze / endlich lernete ſie gar auf der Leyr ſpielen / und da ſie ſolt uͤber dem Wuͤrk-Kuͤſſen ſitzen / ſaß ſie uͤber der verfluchten Leyr / und machte einen Tanz nach dem andern auf. Kam ein Gaſt zu uns / ſo ſtel - lete ſie ſich ganz melancholiſch / wann ſie nun von demſelben gefraget wur - de / was ihr waͤre / gab ſie zur Ant - wort: Sie waͤre ſo ſehr zur Liebe ge - neigt / und ihre Frau Mutter wolte nicht haben / daß ſie iemand lieben ſol -te / daß43Hiſtorie I. Buch. te / daß thaͤte ihr ſo wehe und uͤbel / daß ſie ganz ſchwach und krank wuͤr - de / und dergeſtalten fuͤhrte ſie die naͤrriſchen Stuͤmpfer am Narren - Seil herum / dadurch ſie viel Geld practicirte.
Die poßierliche Handlungen aber alle auf die Seite geſetzet / verliebte ſich doch / bald da bald dort ein un - gehobeltes Buͤrſchgen in ſie. Einer ſchrieb ihr zu Ehren die allerſchoͤnſten und zierlichſten Lieder / dann der Schulmeiſter in unſerm Dorfe lobte ſolche mehr als zu viel. Der ander brachte in tieffer Nacht des beſagten Schulmeiſters ſeine Jungen / welche ihr eine Nacht-Arie herunter ſingen muſten. Der dritte ſchickte ihr uͤbers Land etliche Buhl-Brieflein / und wurde nur derjenige von ihr nicht be - trogen / welcher mit ihrer Liebe nichts zu thun begehrte / denen allen ſchorre ſie den Beutel tapfer ab / und lachte die Phantaſten aus darzu / hatte auch wol das Herz / ihnen in der Antwort zu vermelden / daß ſie ſich ſchaͤmen ſolten / ihre junge Tage ſo in Faulen -zen zu -44Kurzweiligerzen hin zu bringen / und ſich von der ſchaͤndlichen Liebe uͤberwinden zu laſ - ſen / ſie ſollten zuvor etwas wackers lernen / und dergleichen; durch wel - ches ſie endlich die große Lieb / in ei - nen Haß gegen ſich ſelbſten verwan - delte / dann es kamen zuweilen eine ganze Schaar dergleichen abgewieſe - nen Curtiſanen / und wurfen uns heimlich die Fenſter ein / mahleten allerley Schand-Poßen an die Schloß-Mauren / und ſtreueten zum Uberfluß allenthalben erz-liderliche Pasqvill aus / darinnen nicht allein meine Tochter wacker durchgezogen / ſondern ich auch hin und wider mit einem kraͤfftigen Stich angezapfet worden.
Nun muß ich geſtehen / daß ſie nicht unrecht gethan haͤtte / ſo ſie ſich abſonderlich zu einem wuͤrde verſtan - den haben / welcher ein geborner Heß war. Sein Geſchlecht war gar be - kant / und ſein ſtattlicher Stand zeugte genugſam an / daß ein Kerl von ſchlechten Mitteln in ſo abgelege - nen Orten nicht ſo herꝛlich leben koͤn -te / aber45Hiſtorie I. Buch. te / aber aber! mich dunket / das Un - gluͤck habe den Menſchen mit einer ſolchen Gelegenheit zu lieben dermalen verſchonen wollen / dann ſo ſehr ſich meine Tochter gegen der Liebe ſperrete verkuppelte ſie ſich doch ſelbſten / und zwar unerhoͤrender Weiſe / an einen Schind-Knecht / mit welchem ſie vor - geſtern Abends heimlich durchgangen und davon geloffen. Dahero iſt die - ſes die Urſach meiner alhieſigen Ge - genwart / weil ich ſie hin und wieder an dieſen umligenden Orten geſuchet ha - be. Es ſind auch auf vier Straßen reutende Bothen ausgeſchicket / aber der Schind-Knecht iſt wol ſchon uͤber ſie - ben Berge aus / weil er mir ſamt der Tochter ein Pferd aus dem Stall ge - ſtohlen / und ſich dahin gewendet hat / wo er vermeinet am ſicherſten zu ſeyn; hiermit fienge ſie an zu weinen / die große Untugend ihrer fluͤchtigen Tochter be - klagend / und fragte zugleich / ob ſie nichts von der Sache geſehen noch ge - hoͤret haͤtten? Aber meine Eltern konten ihr nicht die geringſte Nach - richt ertheilen / deßgleichen wuſten auchCdie46Kurzweiligerdie uͤbrigen alten Weiber nichts um die Liebs-Geſchicht / ſondern leckten das Maul / wie die Ziegen das Salz / und machten ſo verwunderliche Minen wie die fuͤnf thoͤrichten Jungfrauen im Dom zu Magdeburg.
Nach dieſer Erzehlung kamen ſie bald auf dieſen / bald auf jenen Discurs, wie es unter der - gleichen Leuten herzugehen pfleget. Eine frãgte ſie / wo ſie her waͤre; die andre / wie ſie hieße; die dritte / wo ſie ſich aufgehalten; die vierdte ſeufzete uͤber ihr großes und barmherziges Ungluͤck; die fuͤnfte weinete gar mit / zu welchen man ſie zwar alle nicht viel zwingen noch bereden doͤrfen / dann ſie hatten ohne dem ſehr rinnende und trieffende Augen / und weil eine iede die treu-herzigſte unter ihnen ſeyn wol - te / ſtellete ſich auch iede auf das treu - herzigſte an / uͤber welches ich heimlich unter dem Ofen gelacht / und der frem - den Frauen immer in das Geſicht ge - ſehen.
Sie war aber keines Weges aus - zulachen wuͤridg / dann die unghorſa -ſamen47Hiſtorie I. Buch. men Kinder ſchmieden durch ihre La - ſter gleichſam ein Schwerdt / mit denen ſie die Herzen ihrer Eltern durchſtoßen / und die Wunden / welche ſie machen / find nicht mit iedem Pflaſter zu heilen / darum iſt die kindliche Schuldigkeit / denen Eltern getreu und gehorſam zu ſeyn / dieſelben auch nicht allein herz - lich zu lieben / ſondern allezeit kindlich zu fuͤrchten; Dann die Threnen / welche um der Kinder Ungehorſam vergoßen werden / ſind eine Fluht / welche derglei - chen ungerathenen Fruͤchten alle ihre Gluͤckſeeligkeit und zeitlichen / auch oft ewigen Seegen erſauffet und ausloͤſchet.
DEr Leſer wuͤrde meine Art zu ſchreiben auslachen / ſo ich mich mit vielen Umſtaͤnden aus dieſem Dorf herauswickeln wolte / dann es iſt zur Gnuͤge bekant / daß es an hieſigem Ort mit dieſer Edelfrauen nicht viel Complimenten und Ceremo - nien abgegeben / zumalen derer gemei - ne Leute entweder nicht gewohnet ſind / oder aber weniger als nichts darauf zu halten pflegen. Derowegen wurde ſie gewieſen auf der Bank zu ſchlaffen / und wir Kinder legten uns in unſere gewoͤhnliche Bette / welches die Pferde anfzufraͤßen pflegten / dann das Heu waren unſere beſte Federn / und wann wirs ziemlich nieder gelegen hatten / verkauffte es der Vater in der Stadt / und kauffte uns Brodt davor / zuweilenmach -49Hiſtorie II. Buch. machte die Mutter Ofen-Kehrer oder gar Arſch-Wiſch daraus / nachdem es die Gelegenheit und der Zuſtand des Heues hat erleiden koͤnnen.
Der Hirte hatte ſchon das ander mal gepfiffen / als wir des Mor - gens aufgeſtanden / und uns aus dem Neſt hervor gemachet. Meine Mutter ſtrigelte uns die Haar / und wiſchte uns mit einem naßen Lappen die Geſichter und Haͤnde ab / die Kleider hatten wir niemals ausge - zogen / und dahero erſparten wir die Muͤhe uns wieder anzukleiden / ob - ſchon der Habit auf das durch - leuchtigſte beſtellet war. Jn dem wird zur Kirchen gelaͤutet / und die Frau richtete ſich auf der Bank in die Hoͤhe / und betete ihren Morgen-Seegen aus einem ſchwarzen Buche. Nach dieſem bate ſie die Mutter / ſie in die Kirchen zu fuͤhren / dann mein Vater war ſchon voraus gegangen / und dergeſtal - ten kamen wir in die Kirchen / nach welcher ſie aber Willens war / wie -C iijder -50Kurzweiligerderum zuruͤck und nach Hauſe zu keh - ren. Meine Mutter haͤtte ſie gern auf ein Mittag-Mahl geladen / aber das pure Unvermaͤgen ließe ſie hierin - nen nicht hoͤflich ſeyn / ſolches vermerkte die Edelfrau baͤſter Maßens / und tru - ge mit unſerer Armuht nicht ein gerin - ges Mitleyden. Sie verzehrete ihre uͤbrige Brocken aus dem Mantel - Sack / und was nicht zureichte / das ließ ſie aus unſerer Dorf-Schenke bringen / und weil ich ihr aus der Maſ - ſen wolgefiel / bat ſie meine Mutter / ſie maͤgte mich mitlaßen / ſie wolle mich als ihr eigen Kind erziehen / und mei - ner mit guter Obſicht pflegen. Es iſt wahr / daß meine Eltern hieruͤber keine geringe Freude hatten / deßwegen ließen ſie es gar leichtlich geſchehen / und mein Vater gabe mir das Geleite zu dem Dorf hinaus. Nach fuͤnf Stunden beſtiegen wir einen bedingten Baur - Wagen. Mein Vater beurlaubte mich naͤchſt einer Creutz-Seule / bey welcher juͤngſter Tagen eine Mord - That voruͤbergangen. Er befahle mich der Edelfrauen wol tauſend ma -len / und51Hiſtorie II. Buch. len / und mir gelobte er / derſelben gleich wie meiner Mutter zu folgen. Der - geſtalten ſchiede er gegen das Dorf / und ich gegen das Caſtell / welches wir noch ſelbiger Nacht erreichet und in ziemlicher Dunkelheit vor dem Thor abgeſtanden.
Des andern Tages ſchickte mich die Edelfrau naͤchſt dem Schloß in ei - ne alte Schul / damit ich daſelbſten zum Leſen und Schreiben angehalten wuͤrde. Es waren der Kinder mehr / dann es lieffen gar viel Baur-Jun - gen und andere Knaben uͤber das Land her / welche ihre Lectionen ab - legten / und dannenhero hatte ich gar gute Gelegenheit mit ſie in Bekant - ſchaft zu gerathen. Wir hatten ei - nen Schulmeiſter / welcher zugleich mit Kuͤſterer war / und weil das Dorf etwas klein / verrichtete er auch das Amt des Schultens / war alſo unſer Schulmeiſter
Diſcipulus, famulus Præceptor, & omnia tresq́ue.
Er hatte in der Jugend im Krieg gedie - net / dahero ſind ihm in ſelbigem Leben die Augen durch das Pulver ziemlichC jvver -52Kurzweiligerverderbet worden / alſo / daß er faſt halb blind war / und wann ſich das Wetter ein klein wenig veraͤndern wolte / konte er gar nicht ſehen. Ob nun gleich dieſer jaͤmmerlicher Zu - ſtand ſehr zu bejammern ware / ſo wuſten wir doch dieſe Kranck - heit trefflich zu unſern ſchlim - men Stuͤcken zu gebrauchen / dann wann wir ihm eine Tatzen halten ſol - ten / ſchloffen wir mit dem Arm aus dem Wammes-Ermel / und hiel - ten ihm alſo den leeren Aufſchlag vor / auf welchen er denn mit ſeiner Ruhten geſchlagen / und wir / wie die Span-Saͤue dar - zu geſchryen. Zu dieſer Leicht - fertigkeit triebe uns ein alter Dorf-Jung an / welcher in die - ſer Schu! faſt ſieben Paar Hir - ſchene Hoſen zerrißen / und alſo mehr auf Schelmen-Stuͤcke / als auf die Buchſtaben ſtudi - ret hatte.
Ein ſchlimmer Schelm macht den andern / alſo hieße es auch unter uns Jungen / dann wir er -ſonnen53Hiſtorie II. Buch. ſonnen allerley Buben-Stuͤck / un - ſern Schulmeiſter zu ſchabernacken / dem wir doch billich vielmehr allerley Ehr-Bezeigungen ſolten erzeiget und bewieſen haben / und ſo ſehr mich auch hierzu die alte Edelfrau ange - mahnet / thate ich doch alle Zeit das Widerſpiel / und erdachte man - chen Fund / uͤber welchen ſich die andern Jungen verwundert haben / derowegen freuet es mich / ſo ich ihnen mit einer Invention konte be - vor kommen; Jch dachte noch gar fleißig an die Erzehlung / welche die Edelfrau in dem Dorf bey mei - ner Mutter abgeleget / abſonder - lich aber wie ſie erzehlet / welcher Geſtalten ihre Tochter dem Jaͤ - ger uͤber dem Vogel-Leim gekom - men / und ſolchen auf das Sekret (ſalva cum venia, & illæſo honore) geſchmieret hatte: Derowegen of - fenbarete ich ſolches meinen Mit - Conſorten / und es brauchte nicht viel Beſinnens / wie wirs anfan - gen wolten / als ſchon einer den Raht gegeben / ich ſolleC vmich54Kurzweiligermich heimlich in die Jaͤger-Stube machen / und daſelbſten ſtehlen / ſo viel ich tragen koͤnte. Aber hoͤrt nur wie mirs gienge: Der Schulmeiſter hat - te einen kleinen Hund / der hieß Zuckerl / dieſer Zuckerl lieffe immer mit mir in das Schloß / dann ich gab ihm da - ſelbſt das Fleiſch aus der armen Leu - ten ihrem deputirten Keſſel / und der - geſtalten gewoͤhnte ich den Hund ganz an mich / daß er endlich gar mit mir ſchlaffen gienge.
Dieſer oͤhrliche und ſtutz-ſchwaͤn - zeriſche Zuckerl begleitete mich auch da - zumal / als ich unter Eſſens-Zeit mich heimlich in die Jaͤgerey gemachet / in Willens den Vogel-Leim heimzuſu - chen / und denſelben ſo viel von noͤthen ſeyn wuͤrde / hinweg zu ſtehlen / ſo bald ich nun den Deckel von dem Faß hin - weg gethan / ſpringet der Zuckerl un - verſehens hinein / und bekleckete ſich al - ſo hinten und vorn / unten und oben / in Summa / mit Haut und Haar be - ſudelt er ſich dermaßen / daß es nicht zu beſchreiben. Er waͤre auch ohne allen Zweifel in dem Leim erſticket / ſoich ihr55Hiſtorie II. Buch. ich ihn nicht wieder bey einem Beine heraus gezogen und wider die Erde ge - ſchmiſſen haͤtte. Aber ich traf es aber einmal wie der Feldwaͤbel die Muſque - tirs / dann es lagen in der Ecke vier Saͤcke Gaͤns-Federn / in denſelben waͤlzte ſich der Zuckerl dergeſtalt hin und wider / ein langes und ein breites / und ie mehr er ſich waͤlzte / ie mehr klebte er ſich Federn an den Leib / alſo daß er endlich / wie ein candirter Zuk - ker / ganz uͤberzogen war / mirwar angſt und bang / dann ich hatte keine Zeit den Hund zu ſaͤubern / ſo wuſte ich mir auch in der Eil auf keine andere Wei - ſe zu helffen / als daß ich davon lieffe und mich verſteckte. Jch maͤgte aber hinlauffen wo ich wolte / ſo folgte mir doch der Zuckerl an alle Oerter / und ich glaube ich muſte mich halb ſchek - kicht lachen / dann als er in die Stu - be der Edelfrauen kame / erſchricket ſie vor ihm / wie vor einem Teufel / laͤſ - ſet den Loͤffel von dem Mund fallen / thut einen Schrey und lauffet in die Kammer. Das Maͤdchen ſo ihr auf - wartete faͤllet in dem HinweglauffenC vjgar56Kurzweiligergar uͤber und uͤber / daß ihr der Rock und das Hemde ober dem Kopf zuſammen ſchlugen / und wer den Hund nur anſichtig wurde / der flo - he vor ihme.
Endlich verſteckte ich mich in den Heu-Stadel / und wurffe mit Ziegel-Truͤmmern wider ihn / da - von er zu ruͤck und in die Schu - le geloffen. Da entſtunde erſt ein Geſchrey / das Lachens wuͤrdig war / dann der Schulmeiſter ſahe den Hund vor ein Hoͤlliſches Geſpenſt an: lieffe dannenhero ſamt ſeinem Sohne aus dem Hauſe / und weil er dazumal wegen großer Hitze / die Kappe und Ober-Hoſen ausgezo - gen / ſahe man ihn in dem bloßen Hemde herum lauffen / und um Huͤlffe ruffen. Der Zuckerl ſprunge aber / ſeinem Herrn ſo wohl als mir / auf dem Fuß nach / biß end - lich ein Gutſcher den Hund mit einer Heu-Gabel gefangen / und der Be - trug an den Tag kame.
Solche Gauckel-Poßen trieben nicht allein wir fremde Jungen / ſon -dern57Hiſtorie II. Buch. dern ſo gar ſein eigner Sohn / von wel - chem die Edelfrau daroben erzehlet / daß er ein wenig habe ſingen koͤnnen / dieſer Galgen-Vogel hatte den Ge - brauch / wann ſein Vatter einem Di - ſcipul den Hintern auskehren wolte / und ihm befohle / daß er die Ruhte herlangen ſolte / gab er ihm an ſtatt derſelben einen großen Fleder-Wiſch in die Haͤnde / damit ſchluge der uͤberſcheinigte Schulmeiſter auf die Aerſche loß / daß die andern alle genug zu lachen hatten. An ſtatt der Streu / goße er ihm Waffer in die Buͤchſe / damit er viel Papyr beſudelte und verderbte. Wo er ſaße / ſtackten wir Steck-Na - deln in die Bank / alſo zerſtache er ſich hinten und vornen / und ruckte von einem Ort auf das ander. Eins - mals ſtopften wir einen gemachten Knaben mit Filz und Waͤrk aus / ſetzeten denſelben unter uns / und nach einer Vierthel-Stunde beklag - ten wir uns gegen den Schulmei - ſter / wie daß dieſer Jung ſo viel Schelmerey triebe / er ſolle ihn dochC vijwacker58Kurzweiligerwacker abbruͤgeln / da nahm er den Stecken und zerſchluge den ausgezopf - ten Teufel / daß das Waͤrk davon flo - ge. Endlich fiele die Figur gar von der Bank / und ich ſagte / der Jung waͤre in eine Ohnmacht gefallen / da erſchrack der Schulmeiſter aus dermaßen ſehr / und bate wir ſolten ihn wieder zu recht bringen / er wolle uns morgen den ganzen Tag die Schul ſchenken. Mit ſolchen Stuͤcklein vertrieben wir die edle Zeit / und ich wurde der Narren - Poßen ſo gewohnet / daß ich mich endlich in dem Schloß mit allerley dergleichen Hudlereyen hervor thate. Fruͤh Morgens beſtriche ich in der Schub-Lad alle hoͤlzerne Loͤffel mit friſcher Galle / wann dann das Ge - ſind Mittags damit die Suppen eſſen wolte / klagten iede und alle auf die verlumpte Koͤchin / da bekame das arme unſchuldige Menſch eine Hader - Predig nach der andern / und es gienge ſelten ein Tag voruͤber / da ich ihr nicht einen ſonderlichen Filtz zurichtete / und in einem ſolchen Zuſtand verbrachte ich das Leben / bis in das ſechzehendeJahr /59Hiſtorie II. Buch. Jahr / zwiſchen welcher Zeit ich tau - ſend Schelm-Stuͤcke begangen / wel - che allein ein großes Buch erfordern wuͤrden. Es iſt aber genug / wann ich ſolche mit Stillſchweigen uͤbergehe / dann ich fuͤrchte / daß gleichwie ich aus Anhoͤrung ſolcher Dinge bin zum Muhtwillen verleitet worden / alſo daͤrfte ich in Aufziehung meiner began - genen Schalkheiten auch andere dar - zu anreitzen. Bin dahero entſchloßen zu erzehlen ſolche Stuͤcke / welche nur ein wunderliches Geſchicke nachah - men kan.
Es gienge ſchon nach dem Herbſt / als die alte Edelfrau uͤber Land ver - reiſete / weil ſie dahin durch einen ab - ſonderlichen Brief war erſuchet wor - den. Nebenſt mir reiſete nur noch ein Gutſcher und Beylaͤuffer mit / ich aber hatte die Ehre / bey ihr in der Gutſche zu ſitzen / weil ſie mich allge - mach vor ihren Schreiber gebrauchet / und mir die Hoffnung gemachet / mich dermaleins zu ihrem Hofmeiſter zu machen. Nach ſechs Stunden traf - fen wir auf dem Schloße an / undwurden60Kurweiligerwurden von dem Jnwohner deſſel - ben gar hoͤſtich empfangen. Sie hatte mich ſchon / in der Gutſche / Haar-klein berichtet / wie ich mich verhalten / und anſtellen ſolte. / deßwegen nahme ich alles fleißig in acht / dann wir waren an einem Orth / da lauter Frey - Herꝛn wohneten / welche wegen ei - ner Erb-Theilung zuſammen gekom - men. Es gienge trefflich praͤchtig praͤchtig zu / und ob ſchon alles in Trauer war / ließen ſie ſich doch / in der Stille / eine kleine Muſic machen / und wurde / nach der Ta - fel / ein luſtig Ballet getanzet / dar - ob ich mich faſt zum Narren geſe - hen. Jch wurde mit an die Kam - merdiener-Tafel geſetzet / und weil ich trefflich curios war / bate ich einen von den Frey-Herrens Leu - ten / Sie moͤchten doch ſo gut ſeyn / und mich die Zimmer dieſes Schloßes und herrlichen Gebaͤudes weiſen; Das verſprache er mir Morgens fruͤh zu thun / dann er ſagte / wie daß zu ſolcher Zeitdie Herꝛ -61Hiſtorie II. Buch. die Herrſchafft in der Meſſe ſeyn wuͤrde / dahero ſolte ich mich bis da - hin gedulden. Hierauf gienge es an ein Sauffen / daß einem darvor grauen maͤgte / und wie die Her - ren vor-getanzet / alſo ſprungen die Diener hinnach / und hatte je - ne an der Luſt weit uͤbertroffen. Dieſes daurete mitten in die Nacht / und als man des folgenden Mor - gens in die Meſſe laͤutete / kleidete ich mich an / indem klopfete derje - nige / ſo mir verſprochen die Zim - mer ſehen zu laſſen / an die Kam - mer-Thuͤr / und machte mich mit ihm uͤber die Treppe hinauf.
Jn dem erſten Zimmer gab es nichts abſonderliches zu beſichtigen / aber das andere ſtunde voll von de - nen herrlichſten Bildnuͤßen und Con - trapheen, das dritte hienge ganz voll anderer Schildereyen / das vierdte war bezieret mit herꝛlichen Tuͤrkiſchen und wol-geſtickten Tapeten / das fuͤnfte prangete mit Tiſch-großenVe -62KurzweiligerVenetianiſchen Spiegeln. Jn dem ſechſten waren zwey große Pfaffen uͤberaus ſauber und kuͤnſtlich gemah - let / dann der Kammer-Diener konte den Fleiß des Malers nicht genugſam herausſtreichen. Jch fragte ihn dar - auf: Wer dann dieſe Leute waͤren / oder was ſie geweſen? Monſieur, gabe der Kammer-Diener zur Ant - wort / dieſes iſt das Bildnuͤß des ſehr gelehrten und geprieſenen Caramuels. Er iſt geweſen ein Moͤnch Ciſtercien - ſer Ordens / von Geburt ein Spanier / und ſo ein gelehrter Mann / als iemals einer auf Erden geweſen. Er gienge in ein Teutſches Kloſter / alwo er ſich durch ſeine Schriften der gelehrten Welt dermaßen bekant gemacht / daß ſich nicht wenig geforchten mit ihme aus der Philoſophic zu diſputiren. Und weil er etwas ſcharf ſchiene / iſt er niemaln zu einer hohen Charge pro - movirt worden / aus Forcht / er maͤg - te zu viel reformiren. Dieſes war das Haupt-Fundament, ſo ihn aus dem Kloſter gebracht / weil er geſu - chet eine Condition bey einem Biſtumzu er63Hiſtorie II. Buch. zu erhalten. Er reiſete in der Welt hin und wider / und kom̃t eines Mor - gens in eine Stadt / alwo der Biſchoff ſelbiges Orts eine oͤffentliche Diſputati - on faſt an alle Ecken der Stadt an - ſchlagen laßen. Caramuel ſahe ſol - ches mit ſonderlichem Belieben / ga - be einem Jungen auf der Gaſſen ein Trank-Geld / damit er ihn an den Ort fuͤhren ſolte / alwo man diſputi - ren wuͤrde. Er kom̃t hin / und der præſidirende Jeſuit war ſchon begrif - fen die vorgebrachten argumenta zu ſchlichten / als ſich Caramuel mit un - ter die opponenten ſatzte. Weil man ihn nicht kante / wurde er von allen ausgelachet / und als der Biſchoff fragte / wer gegenwaͤrtiger Pfaff ſey? gabe man ihm zur Antwort / es ſeye vielleicht ein Dorf-Pfaff welcher ſich vollgeſoffen / und ohngefaͤhr an den Ort gerahten waͤre. Seine Kleider waren wegen der langen Reiſe ſehr beſudelt / deßwegen glaubte der Bi - ſchoff ſelbſten / es muͤſte ein liederli - cher Teufel ſeyn. Caramuel bleibt a - ber ſo lang ſtillſchweigend ſitzen / bisdie Ord -64Kurzweiligerdie Ordnung an ihm kame. Der Jeſuit wolte denen Studenten einen Luſt machen / dann er hielte den Ca - ramuel ſelbſten vor einen lauſichten Dorf-Pfaffen; redete ihn derohal - ben mit folgenden Lateiniſchen Wor - ten an: Quid attuliſti novi ex tuo hoſpitio? Was habt ihr denn Guts - Neues mit aus eurem Dorf gebracht? Caramuel ſchuͤttelte den Kopf / und hieß ſich ihm die Theſes geben. Als er ſolche in die Haͤnde bekommen / fangen alle Anweſende an zu lachen / dann ſie ſpañ - ten ſchon auf die Fauten / die dieſer Pfaff begehen wuͤrde / weil eine ſolche Materia vor einen Dorf-Pfaffen zu diſputiren viel zu hoch war. Aber Ca - ramuel legte ihnen den Hochmuht bald darnieder / wann er anfienge und ſagte: Er begehrte drey Stuͤck von dem Præſide, alsdann wolte er diſ - putiren: Erſtlich / daß der Præſes al - lein antworten ſolte; Vors Andere / daß er alle Zeit formaliter antwor - ten ſolle; Und zum Dritten / daß er ſo lange mit ihm diſputiren ſolte / als es ihm / dem Caramuel, beliebte. Die -65Hiſtorie II. Buch. Dieſe drey Stuͤck verurſachten in dem Biſchoff und denen Studenten / wie auch in dem gegenwaͤrtigen Je - ſuiten bald andere Muhtmaſſungen. Aber der Biſchoff befahle dem Je - ſuiten zu diſputiren / ſo ſehr er ſich auch darwider geweiger. Hierauf ſuchet Caramuel eine hohe Subtili - taͤt / ſo der Jeſuit nicht verſtan - den. Er nahm̃ eine leichtere / und verfuͤhrete den Præſidem dergeſtal - ten / daß er dem Caramuel an - bote / die Catheder zu betretten. Da ſagte der Biſchoff / man ſolle forſchen / wer dieſer Moͤnch ſeye. Caramuel wolte es nicht ſagen / deß - wegen ſchickten ſie in die Stadt / aber vor dem Collegio ſtunde der Fuhr-Knecht / ſo ihn hieher ge - bracht / der fragte die voruͤber ge - hende Studenten / ob der Herr Krampel nicht bald heraus kommen wuͤrde? Aus dieſen Worten des Fuhr-Knechts verſtunden die Studen - ten / daß es der Moͤnch Caramuel ſeye / brachten die Poſt zuruͤcke / und der Bi -ſchoff66Kurzweiligerſchoff empfienge ihn ſelbſt / lude ihn zu ſich / und ſagte im Hinausgehen / nun glaub er feſtiglich / daß Ein ſtudirter Kloſter-Moͤnch gelehrter ſeye / als ze - hen ſtudirte Jeſuiten / ward auch da - ſelbſt promovirt und ſtiege zu hoher di - gnitaͤt.
Dieſer aber (ſagte der Kammer - Diener / auf das ander Bild weiſend) iſt die Contrafactur eines gleichfalls ge - lehrten Mannes / und zwar des Je - ſuiten Ariagæ. er iſt des Caramuelis Landsmann / und die Jeſuiten haben noch wenig ſeines gleichen gehabt. Dieſe beede lebten zu einer Zeit / und haben einsmals in Prag dermaßen mit einander geſtritten / daß Ariagæ aus dem Collegio geloffen / und den Caramuel auf dem Catheder ſtehen ge - laſſen / nachdem er zuvorn die Theſes in Stuͤcken zerriſſen. Dann es iſt gar gewiß / daß Caramuel ein weit baͤßerer Philoſophus als der Ariagæ geweſen / obſchon Ariaga in der Theo - logie unvergleichlich geprieſen iſt.
Jch hatte keine große Luſt ſeiner Erzehlung Gehoͤr zu geben / ſondernbate67Hiſtorie II. Buch. bate ihn / mich weiter zu fuͤhren / weil die Kirch bald ausſeyn wuͤrde dannen - hero eilete er mit mir fort in einen weiten Saal / darinnen an der Wand rings-herum lauter Epigrammata an - gemahlet ſtunden. Unter andern gefie - len mir zwey aus der Maßen wol; als naͤmlich das erſte war gericht auf ei - nen Rahts-Herꝛn / und hieße:
Das andere war auf einen Edel - mann / welcher ſich durch ſeine ſtudirte Kunſt zu ſolchem Stand und Titul erhoben / darob er von andern gehoͤhnt wurde / und hieße wie folget:
Dieſe zwey ſchriebe ich geſchwind in mein ordinar-Schꝛeib-Tafel wie ſolchezu Leip -68Kurzweiligerzu Leipzig auf den drey Meßen ver - kauffet werden / wolte auch andere mehr darzu eintragen / aber der Kam - merdiener eilete mit mir dergeſtalten fort / daß er mir kaum Zeit gelaßen / die ordinari-Tafel / wie ſolche zu Leip - zig auf den drey Meßen verkauffet werden / in die Taſche zu ſtecken. Nachdem ich nun die ordinari - Schreib-Tafel / wie ſolche auf den drey Meßen zu Leipzig verkauffet wer - den eingeſtackt / eileten wir geſchwin - de in ein beyligendes Zimmer / da haͤtte ich in dem ſchnellen Gang bey einem Haar meine ordinari-Schreib - Tafel / wie ſolche auf den drey Meſ - ſen zu Leipzig verkauffet werden verloh - ren. Aber als ich hinein gelangte / wuſte ich ſamt dem Kammer-Diener nicht ſolten wir zuruͤck oder weiter ge - hen / dann es ſaße ein ganz nackicht ausgezogenes Fraͤulein etwan von achtzehen Jahren auf einem Bette / und wolte gleich das Hemde uͤber den Kopf werffen. So bald ſie uns ſo unverhofft erblicket / verſtecket ſie ſich mit einem Schrey unter die Decke /wir lief -69Hiſtorie I. Buch. Wir lieffen geſchwinde zu ruͤck; aber eine alte Frau / die etwan unter dem Vorhang geſeſſen / ruffte uns nach / als rechten Lumpen-Hunden. Wir blieben endlich bey einem Camin ſte - hen / da waren ihre Wort nichts an - ders / als: Baͤren-Haͤuter / Galgen - Voͤgel / Arſch-Gucker / Spitz-Bu - ben / und noch mehr dergleichen ehr - liche Schelmen-Titul. Endlich ſchlu - ge ſie die Thuͤr zu / und dem Kammer - Diener ware ſo angſt / daß er bald die Hoſen verguͤldet haͤtte / dann er forch - te ſich / wegen dieſer ſeiner unvorſichti - gen Aufſchließung mit einer guten Straffe beleget zu werden / wie man dann / den ganzen Tag / fleißige Nach - frage gehalten / wer diejenige gewe - ſen / ſo ſich geluͤſten laßen / ungemel - det das Zimmer auf-zu-ſperren. A - ber / der waͤre wohl ein Narr ge - weſen / der ſich ſelbſten angegeben haͤtte. Derowegen bliebe es vor dießmal ſo darbey / und der Kam - mer-Diener bate m̃ich / wohl tau - ſend mal / dieſe Geſchicht / bis zu ſeiner Zeit / verborgen zu halten /Ddann70Kurzweiligerdann das Fraͤulein ware die einzige Tochter des Beſitzers dieſes Schloßes / welche ſich verſchloffen und alſo vor diesmal die Kirche verſaͤumet hatte. Sie ſchaͤmete ſich auch uͤber der Ta - fel dermaßen / daß ſie bald das Herz nicht hatte / die Augen aufzuheben.
Drey Tag darnach zertheilete ſich die Geſellſchaft der Adelichen / und dahero fuhren wir wiederum nach Hauſe. So - bald wir aus der Gutſche geſtiegen / be - richte uns der Thor-Waͤchter eine recht Wunder-ſelzame Zeitung / dann er ſagte: Wie daß ungefaͤhr / nach un - ſerm Hinſcheiden / dieſelbe ganze Nacht in dem Schloße ein brennen - der Geiſt herum gegangen / welcher immerzu geruffen / Es waͤr ein Schatz in dem Keller verborgen / und wann man ſolchen nicht wuͤrde ſuchen laſſen / ſolle das Schloß / innerhalb acht Ta - gen / im Feuer aufgehen. Die Frau er - ſchrack nicht ein geringes / und weil das Weibliche Geſchlecht dergleichen Ein - bildungen ohne dem vor warhaffter / als des Aventini Hiſtorien halten / wird ihr uͤber der Rede des Thor -Waͤr -71Hiſtorie II. Buch. Waͤrters recht uͤbel. Sie beſtellete alſobald zwey Knechte / welche ſuchen und nachgraben ſolten / aber ſie wu - ſten alle nicht / an welchem Ort der Schatz etwan maͤgte vergraben ſeyn. Dieſe große Forcht wuchſe dermaßen in dem Schloß / daß ſich endlich gar niemand getrauete Schlaffen zu ge - hen / dann wir hoͤrten alle Nacht ein jaͤmmerliches Weh-Klagen etlicher Menſchen-Stimmen / daß nichts druͤber war / und weil das Schloß - Geſind dergleichen Geſpenſten ganz ungewohnet waren / getrauete ſich kein Menſch darnach zu ſehen. Der Jaͤger hatte zwar die baͤſte Courage, dem Geiſt nachzugehen / wann ſich nur iemand gefunden haͤtte / ſo ihm Geſellſchaft leiſten wollen / dann allein getrauete er ſich auch nicht einen Tritt darnach zu gehen / weil das Geheul von Tag zu Tag zunahm̃e / und der Geiſt die Maͤgde oftmahls aus der Speis-Kammer verjagte. Jch ſelbſten ſtunde in grauſamen Aeng - ſten / dann ich hatte vormahls viel von Geſpenſten / und dergleichenD ijEr -72KurzweiligerErſcheinungen ſagen hoͤren / darum ſtunden mir die Haar gen Berge / ſo ich dieß Geſchrey in dem Schloß-Hof vernohm̃en / denn daſelbſten hielte ſich es am meiſten auf / und ſchrye auch zu Weilen von denen Dach-Fenſtern herunter / alſo daß man alle Wort verſtehen koͤnnen. Wir ſagten es dem Caplan im Dorfe / aber er wuſte keinen Raht / auſer: Daß man den Geiſt fragen ſolte / wo dann der Schatz vergraben laͤge? Sein Raht war gut / aber niemand wolte ihn verrichten / bis der Jaͤger / einsmals ziemlich bezechet / den Geiſt durch ſein Kammer-Fenſter fragte: Wo dann der Schatz vergraben laͤge? Er wol - te ſelbſt ſuchen. Auf dieſes gab ei - ne kleine Stimme zur Antwort: Der Schatz laͤge in dem Keller zwiſchen den zweyen Pfeilern vergraben / und mor - gen wuͤrde eine Frau kommen / der ſolle man das Werk vertrauen / die - ſe wuͤrde den Schatz heben / und al - ſo das Schloß von dem Brandt erret - ten. Uber dieſe Antwort ware man ſo froh / gleich als waͤre der Schatzſchon73Hiſtorie II. Buch. ſchon gehoben / und die Edelfrau lieſ - ſe des folgenden Morgens bey Auf - gang der Sonnen / ſchon iemand an das Thor ſitzen / welcher aufſehen und die ankommende Frau zu ihr fuͤh - ren ſolte. Wie der Geiſt geredet hatte / ſo geſchahe es in der That. Dann es kame von Weiten her eine ziemlich betagte Frau / ſamt noch einem klei - nen Maͤgdchen / welches ſie vor ihre Tochter ausgabe / und als ſie vor das Thor gekommen / begehret ſie vor die Edelfrau. Sie wurde bald angemel - det und vorgelaßen. Da erzehlete ſie der Frauen ein langes und ein brei - tes / wie ſie es in der Natur haͤtte zu wißen / wo und an welchem Orte einzige Schaͤtze verborgen und ver - graben ligen. Dann / ſagte ſie: Edle Matron / Es ſteigt mir gleichſam das Herz uͤber ſich / ſo oft ich einen dergleichen Ort vorbey reiſe. Weil ich nun ins vierdte mal dieſes Schloß voruͤber gereiſet / kan ich nicht genug - ſam ſagen / noch mit Worten bedeu - ten / wie uͤbel mir iederzeit gewor - den / ja ich lage oftermahls vier TageD iijan ein -74Kurzweiligeran einander todt-krank / derohalben hab ich dieſes mal nicht vorbey wol - len / euch ſolches anzudeuten / und weil ich durch das Schatz-graben vermit - telſt dieſer Tugend von Kindes-Bei - nen an ernaͤhret / auch ſamt den Mei - nigen erhalten / bin ich erbiethig / euch zu dieſem ehrlichen Stuͤck Geld zu helffen / dann ie uͤbler mir wird / ie mehr ligt vergraben. Nun bekenne ich die klare Wahrheit / daß mir nie - malen / als eben vor dieſem Schloße / ſo uͤbel und widrig geweſen / dahero urtheile ich / daß auf das wenigſte ei - ne halbe Tonnen Goldes verborgen lige. Hierauf erzehlete ſie wol zwan - tig Oerter / da ſie dergleichen Schaͤ - tze aus der Erden / aus denen Mau - ren / und aus den Baͤumen hervor - gehoben / und alſo durch ihre Kunſt vielen Leuten zu ſtattlichem Reichthum geholffen haͤtte.
Auf ſolches hatten ſie eine Unterre - dung auf die andere / bis das Eſſen aufgeſetzet wurde / nach welchem ſie entſchloßen war / ihre Wuͤnſchel-Ru - the anzuſchlagen / und alsdann wolteſie noch75Hiſtorie II. Buch. ſie / noch ſelbigen Abends / mit ihrer Tochter nachgraben. Man war gar wol zu frieden / und die Schatz-Graͤ - berin bate ganz freundlich / die Edel - frau ſolle kein großes Geſchrey daraus machen / damit es deſto ſtiller und ſi - cherer zugienge. Hiermit forderte ſie zwey Schauffeln und eine ſtarke Hau - en / mit welchen ſie ſich ſamt ihrer Tochter und der Edelfrau in ein Ge - woͤlb verfuͤget / daſelbſt ſie die Ruthe angeſchlagen. Dieſelbe ſteckte ſie aber alſobald mit der Spitze an den Ort des Kellers / alwo der Geiſt geſaget hatte / daß der Schatz ſolte vergra - ben ſeyn.
Dieſes Zeichen war der Edelfrau - en gar genug / und ſie machte ſich ſchon eine heimliche Freude / entweder des Schatzes zu genießen / oder von dem greulich Geſpenſte loß zu werden. Auf ſolches verfuͤgten ſich Mutter und Tochter ganz allein in dem Keller / und nahm̃en nebenſt zwiſchen den be - ſagten Inſtrumenten nichts mit ſich als eine brennende Wachs-Fackel / welche ſie zum Vorraht mit ſich hieherD iiijge -76Kurzweiligergebracht. Hinter ihnen ſchloße die Edl - frau den Keller zu / und die Schatz-Graͤ - berin gebote ihr / ſo bald es ſieben Uhr / gegen die Nacht ſchlagen wuͤrde / ſolle ſie den Keller nach aufſchließen / ehe die Uhr ausgeſchlagen hat. Dieſes obſer - virt die Edlfrau ſehr fleißig / und ſo bald der Hammer an die Glocke geſchlagen / ſteckte ſie den Schluͤßel in das Vorhaͤn - ge-Schloß / und dergeſtalten ließ ſie ih - re Schatz-Graͤberin wieder aus dem Keller.
Man hatte in deßen in der Kuͤche nicht gefeyret / mit einem herꝛlichen Nacht-Mahl bey Tiſche zu erſcheinen / deßwegen heiſſet die Frau anrichten / und war zu verwundern / daß ſelbige Nacht das gewoͤhnliche Geſpenſt zu ruffen und weh-klagen aufgehoͤret hatte. Die Schatz-Graͤberin gabe guten Troſt / den ſie ſagte von etlichen ungewoͤhnlichen Zeichen / welche ihr eine reiche Erndte bedeuten ſolten. Dieſen Proceß triebe ſie taͤglich / bis ſie endlich etliche Muͤntz aus dem Kel - ler mit ſich brachte / die ſchon vor ſechs - hundert Jahren / gepraͤget war. DerEdl -77Hiſtorie II. Buch. Edlfrauen huͤpfet das Herz vor Freu - den / dann ob ſie zwar kein Geitz-Hal[s]war / brachte ihr doch der artliche An - blick eine ziemlich geitzige Alteration.
Die Schatz-Graͤberin nehm̃t ihr alle Affecten der Edelfrauen wohl zu Nutz / dann ie laͤnger ſie grube / ie mehr brachte ſie Geldes mit ſich aus dem Keller / bis ſie endlich eine Hand voll der ſchoͤnſten und edelſten Reichs - Thaler aufwieſe / und hiermit ſagte ſie zu der Edlfrauen / iſt nichts mehr uͤbrig / als daß ihr zuſammen ſamlet alle Kleynodien und Edl-Geſtein / auch Silber - und Gold-Stuͤcken / die in dem ganzen Schloße zu finden ſeyn / ſolchen Schmuck und ſolchen Schatz muß ich zuſammen thun in einem ſeide - nen Tuͤchlein / daſſelbe in ein Waſſer haͤngen / mit gewißen Kraͤuter-Saͤf - ten vermenget / und nach dieſem wird ſolches Geld drey Stunden auf die Schatz-Grube geleget / und dadurch wird das untere Geld zu dem obe - ren / durch gewiße / verborgene Ei - genſchaften / gezogen und gelen - ket. Verſpreche euch demnach / daßD vihr78Kurzweiligerihr morgen auf das laͤngſte um Mit - tag werdet eine Frau von viel tauſend Ducaten ſeyn. Die alte ließe ſich von dieſer uͤberreden / wie ſie nur ſelbſten wolte und verlangte. Eroͤffnet dahe - ro ihren Schatz-Kaſten / und uͤber - gabe der Graͤberin alle ihre Kleyno - dien / hohe und niedrige / ihre Gold - und ſilberne Ketten / ihr Schmelzwerk / Perlen und Steine / ihre ſtattliche und koſtbare Ringe / ja / alle ihre alte Ducaten und lang zuſammen geſam̃ - lete Reichs-Thaler / das bande die Schatz-Graͤberin alles in ihr Schurz - Tuch / und weil kein ſo großer ſeidener Fleck zugegen war / zerſchnitte ſie ei - nen ſeidenen Vorhang / ſagend; daß die Unkoſten tauſendfaͤltig ſollen er - ſtattet werden / und hiemit machte ſie ein Waſſer an / ſenkte das Gold in der Seiden eingewickelt hinein / und truge es in den Keller / ſie ließe auch die Edelfrau mit hinunter / denn ſie ga - be vor / ſobald dieſes zuſammen gebun - dene Gold - und Silberwerk in den Keller kaͤme / ſolle ſie alſobald ſehen / daß ſich ein ziemliches Stuͤck desSchaz -79Hiſtorie II. Buch. Schatzes hervor thun wird. Dergeſtalt tratten ſie ganz ſachte hinunter / und die Edelfrau zitterte faſt vor Forcht / weil ſie bey dergleichen Begebenheiten noch niemals geweſen war.
Hierauf ſetzte die Schatz-Graͤ - berin das Geld in dem Waſſer auf die Seite / und wieſe der Frauen die Gru - be / weil es aber dazumal in der Nacht war / hatte die Edelfrau den Jaͤger in der Stuben wachen heiſſen / damit er den gehobenen Schatz mit ihr zaͤh - len und alſo hierinnen ihr dienſtlich ſeyn maͤgte; ich wachte imgleichen / und da ſie in dem Keller waren / trau - mete dem Jaͤger ganz anders. Dañ er ſagte zu mir / daß er dergleichen Leute mehr geſehen haͤtte / die mit nichts als mit ſchaͤndlichem Betrug umgegangen / deßwegen wolte er fleißig acht haben / damit der Frauen in dieſem Stuͤck ein Poßen gewieſen wuͤrde.
Es war noch keine halbe Stunde voruͤber / da ſie alle drey wieder zu uns gekommen / und die Edelfrau ſagte heimlich zu uns / dieſe Schatz -D vjGraͤ -80KurzweiligerGraͤberin ſeye mit dem Rock uͤber die Grube / gleichwie eine Henne uͤber ihr Kuͤchlein / geſeßen / und haͤtte ihr als - dann einen ganzen Topf voll Edl-Ge - ſtein gewieſen / ſo aus der Schatz - Grube herauf gekommen / dahero er - zeigte ſie große Freude uͤber den Schatz / welcher heut Nacht ſolle gefunden wer - den / dann die Schatz-Graͤberin gabe gewißen Troſt / daß aufs laͤngſte um zwoͤlf Uhr das ganze Werk muͤße her - außen ſeyn / weil der Seiden-Sack ſchon ſeine Wuͤrkung gezeiget. Als es nun eilf Uhr auf der Schloß-Glok - ke geſchlagen / heiſſt uns die Schatz - Graͤberin ganz ſtille ſeyn: Erſtlich / ſollen wir ganz unbeweglich in dem Zimmer ſitzen; Vors Andere / kein Wort zuſammen reden; Drittens / ſollen wir auch / bis um Glock zwoͤlf Uhr / die Ohren und Augen zuhalten / oder / das Liecht ausloͤſchen. Sie ſetz - te uns hierauf in Poſitur / wie ſie es ſelbſten haben wolte / allein der Jaͤ - ger ſagte: Wir wollen lieber die Au - gen zuhalten / als das Liecht ausloͤ - ſchen laſſen / weil es ſonſt gar zu forcht -ſam waͤ -81Hiſtorie II. Buch. ſam waͤre / damit gienge die Schatz - Graͤberin / ſamt der Tochter / baar - fuß aus dem Zimmer / und verſpra - chen / nach zwoͤlf Uhren wieder bey uns zu ſeyn.
Sie waren kaum uͤber eine Trep - pen hinunter / als der Jaͤger anfien - ge / und ſagte: Strenge Frau! der Teufel / und kein guter Engel / hat dieſe Frau in Euer Schloß gefuͤhret! Jch will ein gehaͤnkter Dieb alle mein Leben-lang ſeyn / wann Euch dieſe Schatz-Graͤberin nicht um alle Eu - re Sachen bringet / gedaͤnket doch nur / was das vor Puncten ſeynd / die ſie uns vorgeſchrieben hat? Darum laſt mich die Gefahr auf mich nehmen / ich will auf ſie lauſchen! erwiſche ich ſie auf einem unrechten Wege / ſoll ſie den Hirſch-Faͤnger mehr zu koſten krie - gen als ſie verlanget.
Der Edelfrauen war uͤber dieſer Rede angſt und bange / ſie bate ihn wohl zu tauſend malen / ſtille zu ſchwei - gen / und nur dieſe Stunde auszuhal -ten /82Kurzweiligerten / aber er wolte durchaus nicht / und ſolte ſie ihn deßwegen Morgen aus dem Schloß jagen. Derohal - ben nahm̃e er mich mit ſich / und lieſ - ſe die Frau alleine in dem Zimmer ſiz - zen. An der Treppe zogen wir gleich - falls die Schue aus / und weil das Schloß nur einen Ausgang durch den Garten hatte / ſtellete er ſich daſelbſt unter eine Haſel-Nuß-Staude / und ich legte mich hart an ihn / dann es iſt nicht zu ſagen / wie ich mich ge - forchten.
Jch will ſagen ſagen / daß nicht eine halbe Vierthel-Stund ſeye vor - uͤber gegangen / als die Schatz-Graͤ - berin mit ihrer Tochter ganz ſachte daher marchiret kamen. Mutter / ſagte die Tochter / der Betrug iſt ſtatt - lich angegangen! Still! Still! ant - wortete die Mutter / ſo muß man die leicht-glaubige aufzaͤhmen! Giebe gute Achtung / daß du mir uͤber den Zaun hinuͤber hilffeſt / die Ketten ſind ziemlich ſchwehr.
Jndem ſie ſo mit einander redeten / richtete ſich der Jaͤger auf / und als ſieuͤber83Hiſtorie II. Buch. uͤber den Zaun ſteigen wolten / er - wiſchte er beyde bey dem Rock / und / du verfluchte Donner-Hexe / ſagt er zu der Alten / hab ich dich da erwi - ſchet? Die Frau loͤſete geſchwind den Rock vom Leib / und lieffe davon / aber der Jaͤger war fixer als ſie / gabe mir alſo das Maͤdchen zu halten / welche zitterte und beberte. Jch hab nichts Jch hab nichts / ſagte ſie immer zu / aber ich hielte wie ein Baͤr / und zoge ſie endlich gar auf die Erde / indeßen pruͤgelte der Jaͤger die Schatz-Graͤ - berin mit unzaͤhlichen Schlaͤgen / und ſie bate ihn immer Himmel-hoch / er ſolte ſie nur auslaßen / aber er wolt nicht / ſondern ſchluge ie laͤnger ie der - ber zu / und ich gabe dem Maͤgdchen auch eine Kopf-Nuͤße uͤber die an - dere / dergeſtalten klopften wir das ſaubere geſind / und der Jaͤger zoge endlich bey den Haaren in die Dorf - Bitteley / alwo er ſie einſperren und anſchließen laßen. Er hatte den Schatz / welchen die Edelfrau zuſam - men gebunden in den Hoſen ſtecken / welchen er auch mit ſich truge / und indas84Kurzweiligerdas Schloß zu ruͤck wolte. Aber wir ſahen an der Frauen Fenſter kein Liecht mehr / deßwegen nahm̃e er mich mit ſich in ſein Haus / und ſchuͤttet ſeinem Weibe das Geld und die andern Ge - ſchmeide auf das Deck-Bette. Sie erſchracke / wie nichts Gutes / aber der Jaͤger erzehlete ihr den ganzen Verlauff / und abſonderlich / wie er die Schatz-Graͤberin ſo wacker ab - gepruͤgelt haͤtte / daß nichts daruͤber / und alſo legten wir uns zur Ruhe / er zu ſeinem Weib / und ich mich auf die Bank.
Die Sonne hatte kaum des an - dern Morgens die Hoſen ihrer Klar - heit auf die Weis. Gaͤrber-Stange der vergangenen Finſternuͤß ausgehaͤn - get / als wir ſchon aufgeſtanden und un - ſern Weg gegen das Schloß genohm - men. Aber wir fanden / daß die Traurigkeit den Bier-Zeiger der Froͤ - lichkeit mit dem Schwerdt der Melan - choley ſchon abgehauen und vor dem Schloß-Thor niedergelegt hatte / dann die Frau jammerte uͤber ihren Wohn-Erker herunter / daß es nichtzu be -85Hiſtorie II. Buch. zu beſchreiben. Sie wiſchte mit ihrem Schnupf-Salvet ihre Augen / und kunte uns vor haͤuffigen Threnen kaum erſehen. Jn einem ſolchen Heraclyti - ſchen Zuſtande traffen wir ſie in dem Zimmer an / alwo ſie vor großem Unmuht Tiſch und Baͤnke uͤber den Hauffen geworffen / ihre Spiegel wa - ren zertretten / und die Schildereyen alle von denen Waͤnden geriſſen. Der Jaͤger redete ſie an / und fragte / aus was Urſachen ſie ſich ſo jaͤmmer - lich erwieſe / da ſie ſich doch keines Schadens zu verſehen haͤtte. Ach! ich ungluͤckſeelige / ſprach ſie / Ach! ich betrogene / elende Frau! Wie garſtig bin ich von der leicht-fertigen Huren hinter das Liecht gefuͤhret worden.
Jhr daͤrft nicht glauben / ſag - te ſie zu uns / daß ich die Tiſch und Baͤnke der Geſtalten uͤber den Hauf - gekehret / ſondern die Gott-loſe Schatz - Graͤberin / die Henker-maͤßige Land - Betriegerin hat es gethan / dann als ihr kaum aus dem Zimmer waret / ka - me ſie / mit einem Leylach uͤberzogen / zu mir herein. Jch hielte es vor ein Ge -ſpenſt86Kurzweiligerſpenſt / deßwegen verſteckt ich mich in die Kammer hinein / aber ſie rumore - te hin und wider mit großem Gepolter und nahme mir das uͤbrige Silber-Ge - ſchmeid / ſo ich hier hangen hatte / al - les mit ſich. Jn dem ſchlaͤgt es zwoͤlf Uhr / da trauete ich erſt heraus / ob ſchon das ſchlimme Weib lang zuvor hinweg war / darauf nahme ich das Liecht / gienge in den Keller / aber ley - der / leyder! da fande ich nichts / als einen Topf voll glaͤſerner Kugeln von allerley Farben / welche ſie mir zuvor ge - wieſen und von Ferne vor Edelgeſtei - ne ausgegeben hatte. Alſo iſt ſie mir mit allen meinem Bißgen Geld und Gut davon gelauffen. Ach ich elende Frau! ich arme Frau! Der Jaͤger antwortete ihr gar vernuͤnftig / und ſagte: Geſtrenge Frau / es hat mir nicht umſonſt geſchwaant / daß ihr nicht mit einer ehrlichen / ſondern nur mit einer recht betrogenen und ſchalk - haftigen Frauen zu thun habet. Aber ich glaube ich habe ſie anders gezwie - felt / darum wiſſet / daß die Frau nicht hinweg / ſondern in dem Scher -gen -87Hiſtorie II. Buch. gen-Haus gefangen ſitzet. Euer Reichthum iſt in meinen Haͤnden / und ehe eine Stunde voruͤber gehet / will ich euch das Weib ſamt ihrer Tochter und dem geſtohlenen Gut / vor Augen ſtellen. Es iſt nicht zu ſagen / wie froh die Edelfrau uͤber die Rede des Jaͤgers war. Derohalben thaten ſie ge - ſchwinde zu der Sache / und der Dorf - Scherge brachte die Gefangenen in der Edelfrauen Zimmer / vor welchem etliche Baurn-Knechte Schild-Wa - che hielten. Die Schatz-Kraͤmerin war ganz erblaßet / und ihre Tochter weinete / daß es taugte. Der Jaͤger aber legte der Alten Daumen zwiſchen ſeinen Buͤchſen-Hahn / und wolte ſchon anfangen zuſchrauben / aber ſie be - kante ohne allen Zwang und Drang /
Die Edelfrau / ſo Hand-greiflich ſie von dieſem Schelmen-Pack betro - gen worden / truge doch großes Erbar - men / dann ſie ſahe / wie grauſam ſie der Jaͤger unter dem Geſichte zuge - richtet hatte / und als man das Geld und die andern Sachen auf den Tiſch geſchuͤttet / gab ſie den Schergen Be - fehlch / die Frau durch das Dorf zu fuͤhren. Der Jaͤger war mit dem Ge - richt nicht zu frieden / ſondern nahme der Schatz-Kraͤmerin vor dem Schloſ - ſe all ihr Geld aus der Ficke / zoge ihrdie baͤ -90Kurzweiligerdie baͤſten Kleider aus / pruͤgelte ſie noch etliche mal uͤber den Rumpf. Sol - cher Geſtalten kame die Frau nicht al - lein um das Geſtohlene / ſondern auch um das Jhrige / und der Scherg fuͤh - rete ſie / mit großem Spott-Geſchrey der beylauffenden Jugend / ſamt ihrer Tochter zum Dorf hinaus. Eine ſol - che Ruthe hat ſich die Land-Betruͤge - rin mit ihrer Wuͤnſchel-Ruthe auf den Ruͤcken gebunden. Haͤtte ſie die - ſes Schelmen-Stuͤck an einem Oet von hoͤherer Jurisdiction begangen / daͤrfte ſie vor den Scheiter-Hauffen nicht geſorget haben. Weil ſie ſich aber beklagte / als thaͤte ihr das Herz ſo trefflich wehe / als hatte ſie hinfuͤro wenig Urſach / den Ort mehr zu beſu - chen / und alſo uͤber ihre verlogene Zuſtaͤnde zu klagen.
Nach dieſem Stuͤcklein entſchloße ſie / die Edelfrau / eine kleine Jurisdi - ction anzuſtellen / damit ſie auf das wenigſte in dergleichen Begebenheiten einen ſchaͤrfern Ernſt gebrauchen koͤnte / dahero machte ſie mich zum Hofmeiſter / als ich kaum das achtzehende Jahr er -errei -91Hiſtorie II. Buch. erreichet / und ſo wenig um die Caſus wuſte als ein Kalekutiſcher Hahn.
Es war aber in dem naͤchſten Dorf ein Schreiber / ſo ehedeßen in eine Jeſuiter-Schule gegangen / der muſte uͤber das Feld heruͤber alle Tage eine Stunde zu mir gehen / und mich ſo lang informiren / bis wir einen Studenten auß einer vornehmen Stadt bekaͤmen / denn aus einer ſchlechten wolten wir keinen verſchreiben. Und der Geſtalt fieng ich mit Gewalt an / ein Magiſter zu werden.
Der angekommene Præceptor hieß Chriſtian Purzl / ein recht einfaͤltiger Narr. Wir kontens ihm gar bald anmerken / daß er nicht viel vergeßen hatte / dann er hatte all ſein Leb-Tag nicht viel ſtudiret. Damit man aber wißen maͤgte / was an ihm waͤr / als muſte ihn der Schreiber examiniren, damit die Edelfrau das Lehr-Geld nicht gar umſonſt weggaͤbe / und her - nach den Namen haͤtte / ſie wolte Nar - ren auf dem Schloß hegen. Dero - halben nihm̃t ihn der Schreiber mit ſich in die Canzley-Stuben / und derScherg92KurzweiligerScherg ſtunde vor der Thuͤr / damit / wann etwan eine Philoſophiſche Sub - tilitaͤt ausfliegen wolte / er ſolche zu - ruͤck halten / und dem Studenten ho - noriflcè wieder zuſtellen koͤnte. Jch will aber das Examen ordine aufzeich - nen / damit es der Leſer deſto baͤßer faßen maͤge:
Seyd ihr ein Student?
Es iſt eine Kunſt wol zu reden und zu ſchreiben.
Wo habt ihr ſtudirt?
Octo, als: Nomen, Prono - men, Verbum, Participium, Præpoſitio, Interjectio, Con - junctio und & cætera.
Jch weiß nicht was ihr ſaget.
Diphthongus longa eſt, tum in Græcis tum in Latinis dictio - nibus.
Was geht mich das an; Wie heiſt ihr?
Nomina in R, Maſculina ſunt.
Wie hat Poeta im Accuſativo?
Quatuor, als: Europa, Aſia, Africa, und America.
Der Schreiber fienge an zu la - chen / und weil er ſahe / daß der Kerl ein Narr ware / redete er mit der E - delfrauen / daß ſie ihn wieder hinſchick - te / wo er hergekommen / dann er verſtuͤnde weniger als gar nichts / und ſeye ein lauterer Stock-Fiſch. Alſo bekam er acht Groſchen / und damit ſchickte ihn die Edelfrau wieder ſeine Weg. Es ſtunde kaum drey Tage darauf an / da kame ein anderer zu uns und redete die Edelfrau ſolcher Ge - ſtalt an:
Madam mon tres affectione & generoſitee di fortun contant und ſo fort! Derſelben zu verber - gen / was Geſtalten & quâ ratio - ne, modo & figura ich verſtan - den / vernohm̃en und zu Gehoͤr ge -Ebracht94Kurzweiligerbracht / daß ſie einen Hof-Meiſter von Noͤthen / welcher in omnibus linguis, profertim autem in La - tina verſiret ſey / waͤre wol incivi - litas grosſiſſima. Derowegen E - go ſum talis. Sapienti ſat.
Die Frau hielte den Kerl vor voll / gab ihm einen Groſchen / dann ſie ver - ſtunde nicht was er haben wolte. Der Kerl aber ſieht ſie ſcheel an / machet ſeine Complimenten, und ſagte: Sie dubitire nicht / daß ichs ad notam neh - men werde / daß ſie mich ſo inhoneſtiſſi - mè als einen medicum tractiren wol - len. Damit gieng er weg.
Zwey Tag / darnach kamen wir drey zugleich / da ſagte der Schreiber / er wolle alle Tage einen uͤber der Mahl - zeit vor ſich nehmen / wer den baͤſten diſcurs unter ihnen fuͤhren wuͤrde / der ſolle zum Præceptor angenohm̃en wer - den. Als nun das Eſſen aufgetragen wurde / ruffte man einen unter dieſen zu Tiſche / die andern zwey muſten al - lein ſpeiſen. Der Beruffene war von ziemlich langer Statur / und als mannieder -95Hiſtorie II. Buch. niedergeſeſſen / fragte ihn der Schrei - ber / wo er ſtudiret haͤtte? Monſieur, gabe dieſer / mit einem großen Reve - rentz / zur Antwort: Jch habe meine junge Tage / bis in dieſes zwey und dreyſigſte Jahr / mit großem Fleiß in den Schulen zugebracht. Jch hatte Luſt Jtalien zu ſehen / aber zu erſt kam ich in Tyrol / ja / dieſes habe ich erſt ſa - gen ſollen / daß ich drey Schulmeiſter uͤberlebet habe. Jn Schulen dispu - tirte ich fuͤnf mal de Objecto per quod. Die Zeitungen laſen wir auch taͤglich uͤber Tiſche / und mein Vater ver - kauffte ſelten eine Ele Taffet ohne Pro - fit / um Glock fuͤnf Uhr Morgens præ - cisè muſten mir die zwey Frey-Herrn aufſtehen. Ach Monſieur, die Ballet wurden dazumal in Paris / ſamt der großen herꝛlichen Comœdia, gehal - ten. Von Straßburg reiſeten wir nach Ulm / alwo wir konten nicht einen Au - gen-Blick ſeyn. All unſere Handlun - gen giengen uns zu Grunde. Wir fiſchten den ganzen Tag / da ertrank einer. Einer aus uns bekame eine Krankheit an den Hals / daß er ſter -E iiben96Kurzweiligerben muſte. Die Leich-Predigt mach - te ein Capuciner. Der Herr verzeih mir! Wer hat dieſes Schloß ge - bauet?
Die Edelfrau / ich / und der Schrei - ber ſahen und hoͤreten den Kerl mit of - fenem Maul / und konten uns des La - chens unmaͤglich enthalten / deßwe - gen aßen wir geſchwinde ab / und der Schreiber antwortete ihm ſo naͤr - riſch / als ihn der Student gefraget hatte / hiermit gabe man ihm ſeine Abfertigung mit einem Halben-Tha - ler / und ließe den Stuͤmper lauffen.
Abends muſte der ander zur Ta - fel / der war ein poßierlicher Kautz; Dann / als wir ihn erſuchten / er maͤgte doch einen Diſcurs formiren, der ihm ſelbſt beliebte: fienge