PRIMS Full-text transcription (HTML)
JUCUNDI JUCUNDISSIMI Wunderliche Lebens-Be - ſchreibung /
Das iſt: Eine kurzweilige Hiſtori Eines / von dem Gluͤck / wunderlich erhabenen Menſchens / welcher erzehlet / wie und auf was Weis er in der Welt / unter lauter abentheurlich - und ſeltſamen Begebenheiten herum gewallet / bis er endlich zur Ruhe gekommen / Jn welcher Unterſchidliche Begebenheiten durch die Hechel gezogen / und ſonſten aller - ley merk-wuͤrdige Zufaͤlle der vorwitzigen Welt[offenbaret] und entworfen werden. Jedermaͤnniglich / ohne Unterſcheid des Standes / erſprießlich und nuͤtzlich zu leſen.
Gedruckt in dieſem1680ſten Jahr.
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Kurtzweiliger Hiſtorie Erſtes Buch.

JCh hab der trau - rigen Stunden mehr als zu viel ge - freſſen / deßwegen iſt es von noͤthen / daß ich meinem Gemuͤt den Traur - Mantel abnehme / und meine ver - druͤßliche Zeit mit einer kurzweiligen Stunde verwechsle; Jndem ich aber vormalen meine Zeit-Vertreibung in dem Buͤcher-ſchreiben geſuchet / will ich ſolches Mittel nicht aus der Hand laßen / zu einer ſolchen Zeit / da es mir hoͤchſt von noͤthen iſt. Jch bekenne meine Zuſtaͤnde! daß ich wenig oder gar keine Zierlichkeit in meiner Feder fuͤhre; Aber / wann ich im GegentheilA iijanſe -2Kurzweiligeranſehe meine große Vergnuͤgung in dem Schreiben / wird mir Niemand verargen / wann ich die Feder ſtatt einer Buͤchſe aus der Apotheke ergreiffe / mit welcher ich mein Gemuͤht viel mehr / als durch jene zu Frieden ſtellen kan.

Jch will mir derowegen ſelbſt zur Verkuͤrzung meiner Zeit eine Geſchicht ſchreiben / damit ich den verdruͤßlichen Grillen nicht zu ſehr nachhange / noch mich mit leeren Muhtmaßungen zu qvaͤlen Gelegenheit habe / dann durch dieſes Mittel werden meine Augen ge - zwungen auf das Papyr zu ſehen / wel - che ſonſten viel hundert Schloͤßer in der Luft erblicken / aufgebauet von der wunderlichen Werkmeiſterin der eit - len Phantaſie.

Jch werde auch in ſolcher angefan - genen Schrift nicht viel ſtill noch in - nen halten / ſondern meine Feder de - nen Gedanken ſchnell nachfolgen laſ - ſen / welche ſo ſie zu Weilen irꝛ gehen ſolte / ſo iſt noͤthig zu wißen / daß ein Betruͤbter ſeine Aſſecten nicht ſo ſehr zwingen / noch ſeine Kohlen dermaßen in die Aſche vergraben koͤnne / daßnicht3Hiſtorie I. Buch. nicht zu Weilen ein oder ander Fuͤnk - lein hervor leuchten / und ſich in die Luft ſchwingen ſolle.

So iſt demnach dieſes die Urſach zu ſchreiben ein ſolches Buch / welches keinen Menſchen aͤrgern / aber wol alle Leſende erqvicken ſoll / in denen Stunden / welche ohne dem der Eitel - keit aufgeopfert werden.

Was werd ich aber vor eine Ge - ſchicht ſchreiben / welche mein gefuͤhrtes Leben an der Luſtbarkeit uͤbertreffen maͤgte? Und weil mir auch ſolche un - ter allen andern zum bekanteſten iſt / werd ichs um ſo viel deſto leichter koͤn - nen zu Papyr bringen / ob ich gleich oftmals meine eigene Schand entdek - ken / und mich ſelbſten vor denjenigen anklagen werde / deßen Leben mit tau - ſend Schand-Flecken bemakelt ge - weſen.

Wer an dem Rhein-Strohm be - bekant iſt / wird um die herum ligen - de Berge gute Kundſchaft haben / zwi - ſchen welchen ich nicht allein geboren / ſondern auch eine ziehmliche Zeit und zwar biß in das achte Jahr meines Al -A jvters4Kurzweiligerters erzogen worden. Meine Heimath ligt in einem tieffen Thal / und iſt noch von wenigen Fremden geſehen worden / es ſey dann daß ſie verirret / und von der Land-Straß abgewichen / weil dahin nicht der geringſte Land-Weg / ſondern nur ein ſchlechter Fuß-Steig gehet / der das Bernauer Thal und den Stockinger Wald entſcheidet.

Von meiner Jugend weiß ich nichts abſonderliches zu berichten / dañ / gleichwie das Dorf / in welchem ich ge - boren / ganz im Dunkeln ſteckte / alſo teuge ſich mit den Jnwohnern deßelben gar wenig zu / welches wuͤrdig waͤre an das Liecht zu kommen / zumalen die ganze Dorfſchaft etwan in acht wohn - haften Haͤuſern ſamt denen darzugehoͤ - rigen Stroh-Staͤdeln beſtunde. Mein Vater war ein ſolcher Mann / welcher die Dach - und andere Ziegel zu bren - nen pflegen / dahero muſte ich zu Hauſe Laim tretten / und die groben Steine daraus klauben / und dieſes geſchahe faſt taͤglich / weil ein naͤchſt-anligender Edelmann mit ſolchen gebrannten Steinen nicht einen geringen Wuchertriebe5Hiſtorie I. Buch. triebe / und zu Ende deßen in unſerm Dorf ſeinen Ziegel-Stadel aufgerich - tet / aber ſeine Arbeiter bezahlete er wie Herodes den Johannem, denn er gabe ihnen nicht allein keinen Heller Geldes / ſondern wann ſie was forderten / pruͤ - gelte er ſie mit dem Spaniſchen Rohr uͤber den Buckel / und wann es ledige Purſch war / jagte er ſie wol gar davon / bis endlich das Dorf ganz aufſaͤtzig war / und ihm in einer Nacht der Sta - del bis auf den Grund abgebrañt wur - de. Dergeſtalten kame er zu einem Schaden von tauſend Thalern / wel - chen er doch mit zwanzig Guͤlden haͤtte verhuͤten koͤnnen.

Von der Zeit an wurde mein Va - ter gezwungen ſeine Nahrung anders zu ſuchen / und dahero gienge er ſtaͤtigs aufs Holz-ſchneiden in der Revier her - um / er kame gemeiniglich uͤber den Tag nach Haus / und weil ich wuſte / daß er ſelten ohne Sem̃el / Kuchen oder ſonſt mit einem Stuͤck Eſſen zu uns ge - langete / ſahe ich immer auf den Weg / da er herkommen muſte / weil wir au - ſer dieſem Proviant in unſerm HausA vſchlech6Kurweiligerſchlecht verſehen waren / und der Herꝛ Sparmunkaͤs Dach und Fach bezo - gen hatte.

Der Leſer kan gedenken / in welch einem elenden Zuſtand ich meine junge Zeit zugebracht / und war noch das ſchlim̃ſte / daß unſer ſechs Kinder im Hauſe waren / dahero iſt leichtlich zu ſchließen / wie ſtattliche Panqvet wir gehalten / doch iſt es zu verwundern / daß wir bey dem wenigen Brodt und hungerigen Magen baͤßer gedeyet / als manche Groß-Hanſen bey ihren von armen Leuten geſchundenen und herab - gezwackten Lecker-Bißlein.

Wir hatten zwey Gaͤnſe / und dieſe waren all unſer Reichthum; Ehedeßen hatten wir auch eine Kuhe / aber der Edelmann / welchem der Ziegel-Stadel abgebrannt worden / hatte uns ſolche durch uͤberhaͤuffte und beſchwerliche Steuren mit Haut und Haar darum gebracht / und ſo mein arme Mutter die Gaͤnſe nicht in das Stroh verſtek - ket haͤtte / waͤr ihr von denſelbigen gewiß keine Feder uͤbergeblieben. Und vielleicht ſind dieſe Gaͤnſe Urſach mei -nes7Hiſtorie I. Buch. nes Gluͤckes geweſen? Dann es iſt Niemand ſo unverſtaͤndig / welcher nicht weiß / daß auch die geringſte Sa - che muß oftermalen zum hoͤchſten Nuz - zen gereichen.

Eines Abends / als ich naͤchſt an der Muͤhle geſeſſen / und daſelbſten meiner Gaͤnſe gehuͤtet / damit ſie mir nicht in das Waſſer / und alſo unter die Raͤder geriethen / ritte eine Frau den hohen Berg herunter. Jch hab zuvor gemeldet / welcher Geſtalten zu dieſem Dorf ganz keine Land-Straß gienge / deowegen hatte dieſe Frau große Muͤ - he und Arbeit uͤber die ungebahnten Klippen abzuſteigen / und ſich durch die hoch-aufgeſchoßene Thannen-Zweige herunter zu machen. Sie ſtunde end - lich ab / ſahe hin und wider um ſich / und wie ich vermerkte / ſo ruffte ſie ins zweyte mal / konte es aber eines Theils wegen der Ferne / vors andere wegen der klapperenden Muͤhle nicht verſte - hen noch vernehmen / nach was ſie ge - ruffen. Es war ſo leutſelig in unſerm Dorfe / daß man des Tages kaum drey Menſchen hin und wider gehen ſehen /A vjdahe -8Kurzweiligerdahero muſte ſie mit ihrem Geſchrey eine geraume Zeit anhalten / und wur - de doch von Niemand gehoͤret noch ge - ſehen / denn allein von mir. Jch hat - te gleichwol das Herz nicht / von meinen Gaͤnſen hinweg zu lauffen / ſondern ruffte meiner Mutter / welche auf dem Gang ihre alte Lappen zuſammen geſu - chet / ſo ſie dieſe Woche gewaſchen hat - te / denn es war des folgenden Tages ein Feyertag / und weil zu ſolchen Zei - ten gemeiniglich eine Predigt in unſe - rer Dorf-Kirche pflegte gehalten zu werden / als wolte ſie uns morgen mit weißen Hemden anziehen / und mit ſich in die Kirch fuͤhren / ſo religios war meine Mutter.

Sie hatte gleich das letzte Paar Struͤmpf von der Stange genohm̃en / als ich das lezte mal geruffen / und ihr zu verſtehen geben / welcher Geſtalten eine Fꝛau mit einem Pfeꝛd auf dem Tſchauk - ker (alſo hieße der Berg) hielte / und ge - gen das Dorf herunter ruffte: damit gieng ſie die Treppe herab und halff der Frauen / ſo viel ihr muͤglich / von der Hoͤ - he / dann ſie hatte ſich mit dem Pferd einmerk -9Hiſtorie I. Buch. merkliches verſtiegen / alſo daß ihr eine große Gefahr wuͤrde bevorgeſtanden ſeyn / ſo ſie ſich weiter hernieder gelaßen. Meine Mutter ſtiege mit großer Muͤ - he hinauf / und nachdem ſie die Hoͤhe erreichet / wird das Pferd uͤber ihre An - kunft ſcheu / der Geſtalten / das es hind - und vornen von ſich ſchluge. Beyde Weiber hatten genug mit ſich ſelbſt zu thun / dann die Gelegenheit des Orts drohete ihnen alle Augenblick einen Bein-Bruch oder ander gefaͤhrlichen Schaden / flohen alſo / ſo viel muͤglich / den wuͤtenden Gaul / welcher ganz un - geſtuͤm den Berg herunter daumlete / alſo / daß er ehe todt war / ehe er die Tieffe erreichet. Das baͤſte war / daß er mit dem Sattel an einer Wa - cholder-Stauden hangen geblieben / ſonſt waͤr er entweder auf die Muͤhl - Raͤder / oder auf des Muͤhlers Haus - Dach gefallen / welches / ſeynd dem es das lezte mal gedecket / ſo alt war / daß es auch der aͤlteſte Baur im Dor - fe nicht errahten koͤnnen.

Jndeßen hatten ſich die zwey Weibs-Perſonen auf alle viere gele -A vijget /10Kurzweiligerget / bald fuhren ſie vor bald hinter ſich den Berg herunter / und maͤgten keines Wegs verhindern / daß ſie nicht voll Koht und Laimen wurden. Aber die Fremde achtete das Ungluͤck mit dem Pferd nicht gar hoch / weil ſie vorgab / daß ſie ihre eigene Geſundheit viel hoͤher als zwanzig Zuͤge derglei - chen Mehren ſchaͤtzete / dankte derowe - gen meiner Mutter zu tauſend malen / und als ſie in die Stube kamen / wurde ich geheißen / die Gaͤnſe heim zu trei - ben / und einen Krug Waſſer zu ho - len / weil die Fremde in dem erſten Antritt ins Haus zu trincken ver - langet.

Jch hatte eine ziehmliche Ecke zu gehen / dann der Brunn war von unſerm Hauſe weit abgelegen / aber die Begierde neue und fremde Leute zu ſehen triebe mich behende hin und wider / alſo daß ich gleich in die Stu - be kam / als ſich die Fremde bey dem Ofen niederließe. Sie zog eine Bal - ſam-Buͤchſe aus dem Rock / dann ſie gabe vor / das Zimmer waͤr ihr in etwas zu wider. Und meine Mut -ter11Hiſtorie I. Buch. ter zuͤndete eine Wacholder-Staude an / und weil nur ein einziges Fenſter in die Stube gieng / wurde es alſo - bald ſo dunkel und finſter / daß das eine das ander kaum mehr ſehen konte.

Hierauf faͤnget ſie an / ihre Haube abzulegen / und ihre perlene Schnuͤre von dem Hals zu thun / als mein Va - ter unverhofft von der Arbeit daher kame / und Sattel und Zeuch mit ſich getragen brachte. Das erſte Wort / ſo er zu der Mutter redete / war die - ſes: Jndem er vermeldet / welcher Maßen er auf der Hoͤhe noch ein halb - Pferd angetroffen / ſolchem auch das koſtbare Zeuch abgenohm̃en haͤtte / weil es ſonſten Zweifels ohne dem Puffer zu Theil waͤre worden. Aber die Fremde wurde der Abentheur gar bald innen / legt ihm hierauf den Traum aus / und er erſtaunete uͤber der artlichen Begebenheit. Sie hieß ihn demnach niederſitzen / und / ſagte ſie: Damit ihr wißet was mich hieher getrieben / ſo iſt es nicht ohne / daß ich euch mit meinem eigenen Ver - druß und großem Widerwillen beken -nen12Kurzweiligernen und geſtehen muß / daß ſich in meiner Jugend auf unſerm Schloß aufgehalten habe ein Cavalir von ſon - derlicher Tapferkeit / ſein Herꝛ Vater war auch ein wackerer Cavalir, und hat zu ſeinen Zeiten an der Redlich - keit wenig ſeines gleichen gebabt / ob ihn ſchon manche ſonſten vor einen Fuchsſchwaͤntzer und Maul-Chriſten gehalten. Und ob er zwar von Ge - burt arm und unvermaͤgend / brachte ers doch durch ſeine ſonderbare Eigen - ſchaften dahin / daß er meine Schwe - ſter / die ſich in die vier und vierzig - tauſend Ducaten reich ſchaͤtzte / zur Ehe bekam̃e. Dieſes Geld und ſtatt - liche Capital machte er ſich trefflich zu Nutzen / dann er konte leichtlich aus dem vorigen Zuſtand ermaͤßen / was vor ein Elend es ſey / ſich ſo ſehr in der Armuht / wie ein Wurm in dem Koht herum ſchleppen muͤßen / und dahero uͤberlegte er ſein Hausweſen ſehr wol / alſo / daß meine Schweſter uͤber einen unvorſichtigen Hauswirth im geringſten nicht klagen konte. A - ber dieſer Fleiß meines Schwagerswar13Hiſtorie I. Buch. war ein Urſach der Faulheit / welche meine Schweſterin allen Sachen mehr als zu viel vermerken und ſpuͤren ließe. Sie ſchleff taͤglich bis Glock zehn Uhr / und wann ihr das Freßen nicht vor das Bett getragen wurde / ſo pruͤgel - te ſie die Maͤgde in dem Schloß herum / daß es taugte. Gab man ihr nur ein eintziges Bißlein das ihr nicht ſchmaͤckte / oder das nicht recht geſotten oder gebraten ward / ſchmieß ſie es der Koͤchin ganz warm in den Kopf oder ins Genick / daß es zu ruͤck praͤllete / und mit einem Wort zu ſagen / ſie war ſo eckel / daß ſie weder aus erde - nen noch andern Geſchirr von Ertz oder Metall hat fraͤßen koͤnnen / ſon - dern ihr Herꝛ muſte ihr auf der Glas - Huͤtte abſonderliche Schuͤſſeln und Teller verfertigen laſſen / und weil des Jahrs viel zerbrochen worden / koͤn - net ihr gedaͤnken / welch unnoͤhtig Geld vor dergleichen Narren-Poßen ausgeben worden.

Sie hat noch ſelten einen Tag vor - bey ſtreichen laſſen / daß ſie nicht ihre vier Maß Rhein-Wein ausgeſtochen /und14Kurzweiligerund ſolchen trunk ſie gemeiniglich aus ausgehoͤlerten Zucker-Huͤten. Kein Schneider / ſo viel auch derer bey ihr gedienet / hat einen Augenblick von ihr Ruhe oder Friede gehabt / dann ſie muſte faſt alle Tage ein neu Kleid an - ziehen / und weil es den Purſchen an der Arbeit zu viel wurde / jagte ſie faſt wochentlich ſechs bis acht hinweg. Kame ſie auf einen Jahr-Markt / ſo muſte trabs alles gekauffet werden / was ihr Herz verlangte / und mit Wenigen zu ſagen / ſie triebe ein Le - ben / das nicht hofaͤrtiger und ver - ſchwenderiſcher ſeyn koͤnnen / zu dieſem allen dorfte doch mein Schwager nicht ein Woͤrtlein ſagen / ſonſt wuͤrde ſie ihn warhaftig einen nackigten Hund uͤber den andern geheiſſen haben / dañ ſie hatte ein ſo leichtfertig Maul / als kein Weibs-Bild auf der Erden / und dahero ward ſie bey ihres gleichen von Adel ſo wohl als andern Leuten ſehr verhaßt und in dem ſchlim̃ſten Ruff / daß ich mich ſelbſten von Herzen ſchaͤ - men muͤſſen. Einsmals redete ich ihr etwas ſchaͤrfer zu / und ob ich gleichjuͤnger15Hiſtorie I. Buch. juͤnger als ſie war / hatte ich doch das Herz / ihr eine gute Vermahnung zu geben / in Meynung / ſie wuͤrde ſolches als eine Schweſter gut-willig aufneh - men; Aber / ſo wahr ich lebe / ſie ſpreitzte ſich gegen mich / wie eine Katze in dem Sack / bis endlich gar zum Rauffen - und Schlagen-Anfangen / weil ſolches auch in der Kuͤche geſchehen / ſchmieſ - ſen wir Schuͤſſel / Teller und Toͤpfe uͤber die Feuer-Staͤte herunter / und ſo unſer Bruder dazumal nicht in Zei - ten darzu kommen / ſo glaubte ich / wir hiengen noch in den Haaren / dañ ſie hatte ein ſo Gift - und Gall-ver - bittert Gemuͤht / daß es nicht zu ſagen iſt.

Dieſes Leben waͤhrete ſo lang / ſo lang die Mittel daurten / und te hoͤ - her die Hofart ſtiege / ie niedriger duckte ſich der Saͤckel. Endlich wur - de mein Schwager gezwungen Kriegs - Dienſte zu ſuchen / aber er wurde ins vierdte mal in allen Genaden abge - wieſen / das verdroße meine Schwe - ſter dermaßen / daß ſie ihn des Tages wol tauſend mal einen kein-nuͤtzen E -ſel /16Kurzweiligerſel / Baͤrnhaͤuter / Bacchanten / Stu - ben-Sitzer / Bett-Waͤrmer / Hoſen - Scheißer / Marodi-Bruder / einen Stigl-Fritzen / einen Schab-Halſer / einen lauſigen Edelmann und derglei - chen nennete / da gab es nun eine ziemlich ungleiche Ehe / und weil der Teufel bey ſolchen Faͤllen nicht ſchlaͤf - fet / brachte er bald andere Leute in das Spiel / die gaben der Schweſter recht Teufliſche Anſchlaͤge / ihren Herꝛn zu verlaßen / und ihr uͤbriges Geld anderwaͤrtig zu verzehren. Derge - ſtalten verließ ſie ihn heimlich in der Nacht / nachdem ſie ihre baͤſten Sa - chen in der Stille hinweg gepracticirt hatte.

Es waren etwan noch drey Pfer - de ſamt zwey Gutſchen zuruͤcke / das war der ganze Reichthum meines Schwagers / mit welchem er ſich hin - fuͤro ernaͤhren ſolte. Er durchſuchte alle Kiſten und Kaſten / aber da war kein Pfennig Geld mehr zu finden / derowegen faͤllet er in eine große Me - lancholie; welche mit Zorn und Hoff - nung vermiſchet war / und die Hoff -nung17Hiſtorie I. Buch. nung iſt noch das baͤſte geweſen / ſonſt haͤtte ſich der ungluͤckſelige Menſch oh - ne allen Zweifel mit einem Spieß er - ſtochen / wie man die Kuͤhe damit an - zubinden pfleget.

Mein ſeeliger Vater hatte genug an dem verlaßenen Menſchen zu troͤ - ſten / und triebe bey dem Conſiſtorio die Sache ſelbſt / damit er wider eine Vereinigung treffen koͤñte: aber ſie baueten beyde Schloͤßer in die Luft / dann meine Schweſter lachte ſie von Ferne nur aus / bis wir endlich nicht mehr gewuſt / wo ſie hinkommen.

Dieſe Schand-loſe Hexe / (ſagte die Edel-Frau weiter fort) lude dem ſeeligen Herꝛn Vater keinen geringen Stein auf ſein altes Herze / ſondern brachte ihn endlich mit vielen Threnen unter die Erde / dann er bekañte noch auf dem Tod-Bette / daß ſeine Ehr-ver - geßene und fluͤchtige Land-Streicherin der einzige Anfang ſeiner ſo ſchweren Krankheit waͤre / hiermit iſt er verſchie - den / und wir uͤbrigen drey Geſchwiſtrich theileten uns in die Guͤter / und ſchloſ - ſen bey ſolcher Theilung die herum -ſtuͤr -18Kurzweiligerſtuͤrzene Schweſter gaͤnzlich aus / ohne was wir unſerm Schwager in Anſe - hung ſeiner Ehr und Redlichkeit aus gutem Gemuͤhte zugeſtoßen. Er wurde ie laͤnger ie kleinmuͤhtiger / und zwar dergeſtalten / daß er ſich endlich reſolvirt aufs neue nach einer Kriegs - Charge zu ſtreben / und weil er ſich ehedeßen zu Felde gebrauchen laſſen / wie der Rittmeiſter / ob es ihm ſchon ſo viel an baarem Gelde gekoſtet / als ein Obriſt-Leutenants-Stelle. Jn einem ſolchen Stand zoge er von uns / und ließe uns zwey Toͤchter / welche er mit ſeiner Vagantin gezeuget / zu ruͤcke / die wir nach Muͤglichkeit auferziehen und warten ſolten.

Nicht gar ein Jahr darnach be - kamen wir Zeitung / daß er todt ge - ſchoßen woͤrden / und daher kleideten wir uns in die Traur / und ließen ihm ein Leich-Predigt halten ſamt der ge - woͤhnlichen Meſſe / und was ſonſt dar - bey gebraͤuchlich war. Aber als ich fuͤnf Jahr darauf mit meinem Manne Verloͤbnuͤß hatte / ritte ein ſtattlicher Cavalir in mein Schloß ein / ſein Gol -leth19Hiſtorie I. Buch. leth war mit Gold - und Silbernen Spitzen verbraͤmet / um ſeinen Hut truge er die ſchoͤnſten und rariſten Strauß-Federn / und nach ihm rit - ten ſechs Laqveyen und andere Officier. Wir hielten ihn erſtlich vor einen Prin - zen / aber ſein Angeſicht gabe uns bald zu verſtehen / daß es niemand anders ſey als gemeldter Schwager / wel - cher ſich in einem vorgangenem Tref - fen dermaßen wol und tapfer gehal - ten / daß er wuͤrcklicher Obriſt-Leute - nant geworden: Unſere angefangene Freude ward hierdurch nicht ein we - nig vergroͤßert / und weil wir noch ſchwarz giengen / fragte er um die Ur - ſach / als er ſolche mit Verwunde - rung vernohm̃en / gienge die ernſtli - Sache auf ein Gelaͤchter hinaus / und wurde der Prieſter / ſo die Meſſe ge - halten / uͤber das Land zu unſerer Luſt geruffen / weil ſein Pfarꝛ-Hof nicht viel uͤber achthundert Schritt hinweg war.

Dieſer Freude genoßen wir dieſel - be ganze Nacht / und ich wuſte kei - nen Tag durch mein ganzes Leben zunen -20Kurzweiligernennen / welcher mir ſo froͤlich und vergnuͤglich war / als eben derſelbe Tag meines Verloͤbnuͤßes. Mein Herꝛ Schwager berichtete uns aller - ley neue Zeitungen / und keiner war zu gegen / welcher ihm zu ſeinem in - ſtehenden Gluͤcke nicht unzaͤhlich mal gratulirt hatte. Jndem wir noch beyſammen ſaßen / und die Abend - Mahlzeit verzehrten / kam ein zerriße - ne und zerlumpte Bettlerin vor das Schloß-Thor / und bittet um ein Almoſen. Die Magd / welche mirs angedeutet / ſagte: Die Bettlerin haͤt - te ſchon eine gute Zeit vor dem Schloſ - ſe geſaͤßen und immer zu ſich ſelbſt ge - redet und geſprochen: Ach ich armes Menſch hatte vor dieſen auch ſo einen Hof / ja wol einen baͤßern als dieſen! ach ach ich armes Menſch! Dieſe Wort kamen mir ſehr verdaͤchtig vor / und weil ich (ohne Ruhm zu melden) mit armen Leuten gerne geredet / und mich ihrer Noht befraget / gienge ich hinunter und griffe um einen Groſchen / welchen ich ihr ſchencken wolte. Als ich vor das Thor gelanget / ſehe ichvor mir21Hiſtorie I. Buch. vor mir ſtehen meine leibliche Schwe - ſter / als die benannte Vagantin und liederliche Verlaͤßerin ihres Eheman - nes. Sie hatte einen Violet-brau - nen Rock an / welcher mit mehr denn funfzig Flecklein von allerhand Farben behangen war. Jhr Haupt hatte ſie mit einem ringen Schnupf-Salvet verbunden / unter welchem ihre Haar in ganzer Unordnung ſtunden. Unter dem Arm truge ſie zuſammen-gepackte Lumpen / in welchen ein Stuͤck Brodt eingewickelt war / ſie hatte einen Stock / nicht viel anders / als ihn die Bauern zu Markt tragen / und die Schuh hat ſie von einem Mannsbild geſchenkt bekommen / darinnen ſie mit bloßen Beinen gienge.

Jn einem ſo miſerablen Zuſtande kame mir die jenige vor Augen / wel - che doch zuvor ſo herꝛlich gelebet. Zu - vor war ſie mit den aller ſtattlichſten[L]ecker-Bißlein nicht zu ſaͤttigen / aniez -〈…〉〈…〉 o muß ſie mit germgen Haus-Brodt[v]or lieb nehmen. Zuvor konten ihr[d]ie ſilbernen Gallonen nimmer recht[a]ufgenaͤhet werden / anietzo muſte ſieBin ſchlech22Kurzweiligerin ſchlechten und armen Bettlers-Klei - dern herein gehen. Aber die Hofart iſt ein Feur / das auch die allerhoͤchſten Silber-Berge einaͤſchert / deßwegen iſt ſolches nicht Wunder zu nehmen / daß auch dieſe meine Ehr-vergeßene und liederliche Schweſter ſo ſehr ge - zuͤchtiget und geſtraffet worden.

Jch ſtunde demnach vor derſelben ſtille / und merckte gar bald / daß ſie mich kennete / dann ſie ſchluge das Geſicht immer auf die Erde / wie ein Dieb / der ſich nichts gutes bewuſt iſt. Jch bin gewiß irre gegangen / fienge ſie an zu reden / die Jungfer verzeihe mir / wohnet nicht hier ſonſt der von Willenhag? Jch gabe zur Antwort / Ja! der von Willenhag hat vor einem Jahr hier gewohnet / iſt aber von ſchlimmen Leuten naͤchtli - cher Weile ausgeraubet worden / und als er die Flucht zu einem Dach-Fen - ſter außnehmen wolte / hat er ſich auf die Erde geſtuͤrzet / und hat alſo un - verſchens den Hals gebrochen / von daran hat mein ſeeliger Vater das Gut gekauffet / und nun beſitze ichsvor23Hiſtorie I. Buch. vor mein Eigenthum. Seht doch / ſagte die Bettlerin / und iſt euer Herꝛ Vater ſchon geſtorben? Ja! ſagte ich. Sie fragte weiter: An was vor einer Krankheit? Jch gabe ihr wieder zur Antwort und ſagte: Mei - ne liebe Schweſter / wie in großem E - lend ſehe ich dich anietzo? ſchaͤmeſt du dich nicht das Land als eine Bettlerin durchzuſtuͤrzen / und zum Schimpf der ganzen Freundſchaft dich ſo erz-lieder - lich-bloß zu geben? leugne es nur nicht / und bekenne mir im Vertrauen / wie es dir gegangen / und auf was Weis du in einen ſo Erbarmungs - wuͤrdigen Stand gerahten ſeyeſt / als dann will ich ſehen wie ich dir helffe! Liebe Schweſter / ſagte ſie darauf ganz ſcham-roht unb zagig / ich haͤtte nicht gemeynet / daß du mich kennen ſolteſt / es gehet mir (hiermit lieffen ihr die Augen uͤber) leyder Gott! elend und uͤbel genug. Mancher Hund hat es baͤßer / als ich armes verlaßenes Menſch! Sobald ich meinen Mann verlaßen und mit meinem Geld durch den Wald gereiſet / wurde ich da -B ijſelbſten24Kurzweiligerſelbſten in der Finſter ausgeraubet / und bis aufs Hemde ausgezogen. Was ſolt ich thun / zuruͤck zu gehen ſchaͤmte ich mich / als es aber ein we - nig hell geworden / und mich die Straßen-Raͤuber recht unter dem Ge - ſicht ſahen / gaben ſie mir die Sa - chen wieder / doch mit dem Beding / daß ichs mit ihnen halten und ihre Hur ſeyn ſolte. Jch war noch voll Zorn und Widerwillen gegen meinem Manne als deinem Schwager / deß - wegen geſellte ich mich zu dem gottloſen Geſindlein / und trachteten Tag und Nacht nichts als wie wir denen Leu - ten Schaden zufuͤgen koͤnnten. Aber davor kan ich einen ſichern Eyd ſchwoͤ - ren / daß ich zu keinem Mord und Todſchlag Anlaß gegeben noch geholf - fen habe / ſo viel und mannnigfaltige Menſchen auch von unſern Leuten ſind erſchlagen und umgebracht wor - den / aber gehuret hab ich / daß es nicht auszuſprechen iſt. Dann ich er - zeugte in dieſen fuͤnf Jahren vier Kin - der / welche alle in dem Dorf betteln herum gehen / und jenes Maͤgdlein /welches25Hiſtorie I. Buch. welches du dort die Gaſſe herkom - men ſieheſt / (wieſe mir hierauf mit dem Finger ein Bettel-Kind von achtzehen Jahren /) die iſt meine Be - gleiterin / dann ſo jung es iſt / ſo weiß es doch an allen Orten Weg und Steg. Sie iſt das Land wol vier - zig mal auf und niedergefahren / ein - und ausgereiſet / hin und wieder ge - loffen / alſo daß ſie wol die aller per - fectiſte Land-Charte machen ſolle / ſofern ſie nur die Zirkul / und was dar - zu gehoͤret / verſtuͤnde.

Jn dieſem Geſpraͤche kommt das Maͤgdlein herzu / das hatte ein Kind auf dem Rucken und das andere auf den Armen / und das dritte lief bar - fuß hinten nach. Jch erſtaunte ganz ober den Anblick / und weil mir mein Liebſter zuruͤck rufft / hieße ich die Schweſter warten / und ſagte zu der Koͤchin / daß ſie der Bettlerin eine Schuͤſſel voll Supp und ein gutes Stuͤck Rind-Fleiſch vor das Thor gaͤ - be / und damit gienge ſie wieder in das Ober-Zimmer. Sie merkten mir gar bald an der Farbe an / daß ichB iijmich26Kurzweiligermich etwas entſetzet hatte / und als ſie die Urſach fragten / gabe ich zur Ant - wort / wie daß mir die Bettlerin erzehlet welcher Geſtalten ihr Mann ſo erbaͤrm - lich von den Raͤubern waͤre ums Leben gebracht worden; Aber die Geſellſchaft ſagte: Die Bettler waͤren oftermalen Erz-Luͤgner / und ſagten oft eine Ge - ſchicht daher / daß man ihnen nur de - ſto mehr geben ſolte. Hiermit ſetzte ich mich an den Tiſch / konte aber un - moͤglich eſſen noch trinken; dann ihr koͤnnet ſelbſt zur Genuͤge betrachten / daß ich / ſolches zu unterlaßen gnugſa - me Urſache gehabt.

Nach vollbrachtem Eſſen nahme ich meinen Schwager heimlich auf die Seite / und fragte ihn / wie es um ſeine Sachen ſtuͤnde? Er ſagte / gar wol / dann ich bin nicht allein geſund / ſondern babe auch eine gute Charge, uͤber dieſes ſo habe ich mich auch ver - ehlichet mit einer Wittbe von Adel. Jch erſchrack uͤber die Rede meines Schwagers / kont ihms doch nicht ver - argen / dann meine Schweſter hatte ihn meineyiger Weiſe verlaßen undnoch27Hiſtorie I. Buch. noch beſtohlen darzu / aber ich fragte ihn / ob er dañ ganz keine Lieb zu mei - ner Schweſter truͤge? Jungfer Schwaͤgerin / gabe er zur Antwort: Wuͤſte ich / wo ſie waͤre / mein De - gen ſolle mir nicht ſo feſt in der Schei - de ſtecken / ich wolte ſolchen durch ihr untreues und falſches Herz ſtoßen / ja / wann mein aͤrgſter Feind und die ſchandbare Hure zugleich vor mir ſtun - den /ſo wolte ich viel ehe beflißen ſeyn ihre geile Stirn als meinen abgeſag - teſten Feind anzulauffen. Er bate mich auch / ich ſolle von ihr nur ſtill - ſchweigen / dann ſie ſeye nicht wehrt / daß ein Menſch wegen ihrer den Mund aufthue.

Alle dieſe Wort redete die fremde Frau / bey dem Ofen ſitzend / ſehr ernſt - lich / und als ſie biß daher gekommen / noͤhtigte ſie mein Vater ein wenig Brod und Kaͤſe zu eſſen / aber ſie bate ihn / den vom Pferd genommenen Mantel-Sack zu eroͤffnen / alwo er viel Victualien eigepacket gefunden / welches ſie vor dießmal preyß gege - ben / und uns Kinder recht ſatt ge -B jvmachet.28Kurweiligermachet. Sie aße ſelbſt mit / und legte uns allen vor / verſprache auch / nach vollendter Malzeit ihre Rede zu ſchließen / und als wir nach Tiſch ge - betet / ruffte ich etlichen alten Wei - bern / welche gemeiniglich Nacht-Zei - tens ihr Waͤrk in unſerer Stuben zu ſpinnen pflegten / als ſie ſich nun Reyhe - herum geſetzet / fuͤhret die fremde Frau / ihre Erzehlung fort und ſagte:

Zuvor bin ich gekommen bis auf das Geſpraͤch / ſo ich mit meinem Schwager dem Obriſt-Leutenant ge - gehabt / und als er ſich auf Weis noch Manier entſchließen wollen / meiner Schweſter mit fernerer Gunſt anzu - haͤngen / gienge ich wieder hinunter in den Schloß-Hof. Es war ſchon et - was dunkel / deßwegen hatte ich baͤßer Gelegenheit mit der Bettlerin zu re - den / welche allgemach mit ihren Kin - dern die Schuͤſſel ganz rein ausge - fraͤßen hatte / die kleinen leckten mit den Fingern den Boden ab / dann die Frau ſagte / daß ſie innerhalb vierze - hen Tagen nicht ſo gut geſpeiſet wor -den /29Hiſtorie I. Buch. den / als da ſie einsmals auf einem großen Beylager ein Stuͤck Gebra - tens davon getragen.

Jch wolte noch mehr mit ihr re - den / aber die Leute ſchickten eine Poſt nach der andern zu mir. Endlich ver - ließe ichs mit meiner Schweſter derge - ſtalten / daß ſie ſich nach Hinſcheidung meiner Gaͤſte wieder bey mir einfin - den ſolte / ſodann wolte ich ſie verbor - gen bey mir behalten / und ſehen / was etwan zum fuͤglichſten zu thun waͤre. Sie bedankte ſich mit weinenden Au - gen / und ich gab ihr einen Ducaten kleines Geld in die Hand / und ſagte / daß ſie ſich indeßen in dem Dorf auf - halten ſolte.

So bald ich hinauf gelanget / wur - den unterſchiedliche Geſundheiten ge - trunken / und weil derjenige / mit wel - chem ich mich verlobet / ein auslaͤndi - ſcher Edelmann war / tranke er ſeiner Nation guter Geſundheit etliche Roͤh - mer herum. Hierauf wurde ein lan - ges und breites getanzet / dann ſobald wir verſtanden / daß der Schwager nicht todt ſey / ließen wir die Spiel -B vleute30Kurzweiligerleute uͤber das Land herholen / die geigten eins nach dem andern auf / und ſtrichen luſtig zum Tanz. Mir aber war die Karte ganz verkehret / und mein Liebſter hatte mit großer Muͤhe zu thun / mich meiner Traur zu entheben / und ob er ſchon ohne Unterlaß um die Urſach fragte / gab ich ihm doch kein andere Antwort / als daß ich mich um die Bruſt nicht wol befuͤnde; dann ich ſchaͤmte mich / ihme dieſen Spott zu offenbaren / weil ich ihn noch nicht uͤber vier mal geſehen hatte / und alſo ſein Herz noch nicht recht kante.

Damit ihr aber wißet / wie ich mit ihm in dieſe unverhoffte Heyraht ge - rahten / ſo hoͤret / daß ich einen Vet - ter habe / welcher all ſein Leben-lang ſo wenig gut gethan / als die beſchrie - bene Schweſter / er ſahe auf nichts mehrers / als wie er ſeine Freund be - ruͤcken und betruͤgen maͤgte. Endlich jagte ihn ſein Vatter hinweg / iſt aber nach deßen Tod gleichwol wieder zu - ruͤck kommen / und hat das Gut Erb - ſaͤßig eingenohm̃en. Er panqvetirteder -31Hiſtorie I. Buch. dermaßen / daß er innerhalb einem Jahr vom Haus und Hof muſte / und ſeyd dieſer Zeit kuppelt er die Adeli - chen Perſonen an einander / brachte mir auch dieſen Herꝛn von weiten ber / und weil der Kerl trefflich complimen - tiren und ſeine Wort manierlich ſtel - len konte / verliebte ich mich alsbald in ihn; dann die Jugend ſieht nicht gar weit vor ſich / ſondern greifft oft einen Roß-Pfifferling vor einen Ap - fel an.

Jhr werdet euch hoͤchſt verwun - dern / wie es mir gegangen: Denn nach dem Verloͤbnuͤß zoge ieder ſeine Straße / und die Hochzeit verſchoben wir bis vier Wochen / zwiſchen wel - cher Zeit ich genugſame Zeit hatte / mich mit meiner Schweſter zu unterreden. Sie bedauerte den Abzug ihres gewe - ſenen Ehemannes mit hundert-tau - ſend Seufzern / und ſagte / daß ſie ſich von Herzen gern ſaͤngen und brennen wolte laßen / ſo er ſie nur zwey Jahr zu Genaden annehmen wolte / ſie wolte ſich in ſolcher Zeit ſo gehorſam und wol gegen ihn und maͤnniglich verhal -B vjten /32Kurzweiligerten / daß er keine fernere Urſach fin - den wuͤrde / ſie zu verſtoßen. Aber ich ſagte / daß die Pforte zu ihrer Ei - nigkeit nunmehro zugeſchloßen ſeye / weil er auch ſchon eine andere Frau am Halſe hatte / wuͤrde ſich die Gele - genheit ſchwehrlich mehr geben / ihre Scharte auszuwetzen / ſo ſehr ſie auch darnach ringen und ſtreiten wuͤrde.

Sie gabe ſich endlich zu frieden / und achtete nun nicht mehr ſo groß den Verluſt ihrer Forun, und damit ichs kurz mache: Sie konnten ihren Ubelſtand baͤßer ertragen / als jene Magd des Corporalen ſeinen Ranzen.

Als nun die Zeit meiner Hochzeit erſchienen / wurde trefflich darauf zu - bereitet / der obbenamte Kuppler ließ in keine Wege etwas ermangeln / ſon - dern ſetzte den Kuͤch - und Keller-Zed - dul mit eigner Hand zu Papyr / und lehrete mich recht tieff in den Saͤckel greiffen / welches ich ſonſt nicht zu thun gewohnet war / dann die War - heit zu geſtehen / ſo war ich allwegetwas33Hiſtorie I. Buch. etwas geitziger / als mein Geſchwi - ſtrigt / und gabe dahero auf meine Sachen ſehr fleißig acht / und ſo em - ſig ich auch das Meine angenohm̃en / wurde ich doch mehr / als iemalen ein Menſch / darum gebracht / und mit aller meiner Sorgfaͤltigkeit uͤber den Hauffen geworffen.

Die Hochzeit wurde eben auf dem Schloße / da ich meine Verloͤbnuͤß gehalten / und es gienge mir zwiſchen dieſer Zeit gleichſam in dem Traum vor / wie hernach mit mir geſpielet worden. Naͤmlich der neue Braͤuti - gam wohnete etwan ein halb Jahr bey mir / da er mich einsmals in der Nacht heimlich verließ / und mich meines Geldes und Gutes bis auf den Grund beraubete. Jch hat - te ihm meine Schweſter nicht zu er - kennen geben / ſondern ſie als eine kuͤnftige Amme zu mir aufgenommen / dahero muhtmaßete ich / er waͤre viel - leicht dahinter gelanget / und haͤtte aus dieſem Grund einzige Urſach ge - ſchoͤpfet / mich zu verlaßen. Als ich aber nach der Bettlerin fragen ließe /war34Kurzweiligerwar ſie mit meinem Liebſten auf und davon; dann ſolches bezeugten etliche Leute auf dem naͤchſt-ligenden Dorf / welche ſie in der Nacht auf zweyen Pferden mit Sack und Pack hatte hindurch ziehen ſehen / ſamt noch einem / der einen großen Licht - Schimmel ſolle geritten haben.

Dieſes war die ganze Urkund / ſo ich in meiner hoͤchſten Noht ein - holen koͤnnen; aber ich fande viel ein anders in meinem Geld-Schraͤnklem / alwo mir mein Liebſter an ſtatt der rohten Ducaten einen Pfifferling fol - gendes Jnhalts hinein gelegt. Lieb - ſter Schatz! Es iſt wahr / daß ich deine Lieb gegen mir iederzeit ohne Falſch gefunden / dahero bin ich aus Antrieb deiner Jugend getrieben wor - den / dich nicht laͤnger zu betriegen / bekenne demnach / daß ich eben aus der Geſellſchafft bin / worunter deine Schweſter die Bettlerin erſtes mal in dem Walde gefallen. Dieſer hab ich mich wegen Schoͤnheit ihres ver - ehlichet / wir hatten gar ein gutes Verſtaͤndnuͤß zuſammen / haͤtteſtuſie in35Hiſtorie I. Buch. ſie in ihrer Ankunft nicht ſo wol tractiret / ſo ſolle das Schloß noch ſelbigen Abend in dem Rauch auf - gegangen / und ihr alle jaͤmmerli - cher Weis erwuͤrget ſeyn. Lebe wol! Dieß laß ich dir zu Letze.

Jch glaub nicht / daß ich ſo viel Haar auf dem Kopf gehabt / als viel ich Creutz vor mich gemachet. Erſt wurde ich gewahr / was es vor eine Bewandtnuͤß hatte / dann mein ehrbarer Vetter / der Ehliche Kupp - ler / hatte mich durch dieſe Liſt um alle meine Sachen gebracht / weil er mich an einen Spitz-Buben zu verehlichen keinen Scheu getragen / die Schweſter ſtellete ſich nur aͤuſer - lich ſo an / und thate es nur dar - um / daß ſie mich deſto mehr auf ihre Seite bringen / und mich ſicher ma - chen maͤgte / dann die Warheit zu geſtehen / ſo ließ ich ihr im Schloße allen Gewalt / und merkte keines Weges / daß ſie mit faulen Fiſchen umbgienge / biß die Kuhe ſamt dem Kalbe aus dem Stall war / ſo hat - te auch der ehrbar Vetter die Fluchtgenom -36Kurzweiligergenommen / wuſte dahero nicht / an was ich mich halten und befriedigen ſolle / dann es iſt gewiß / daß ſie mir in die zwanzig-tauſend Ducaten werth ge - ſtohlen und abgenohm̃en haben. Hingegen ließe mir die Bettlerin oder vielmehr die verfluchte Spitzbuͤbin die vier unerzogene Kinder uͤber dem Hal - ſe ſitzen / und ich konte keinen Raht ſchaffen / dieſelben zu ernaͤhren / zu - malen ich ſelber ſchwanger gienge und voll Noht und Elend ſtackte.

Dazumal fienge ich erſt an zu be - trachten alle Wort und Reden / wel - che ſie gegen mir in waͤhrender Zeit ausgegoßen / und fande / daß gar viel Verblendungen in denſelben verbor - gen gelegen. Jch merkte auch ſchon lange / daß mein Liebſter allerley Ur - ſachen geſuchet / meine Lieb in einen Haß zu verwandeln aber meine Gut - willigkeit wuſte ſich aus allen Ein - wuͤrffen und vorfallenden Ungelegen - heiten mit aller Beſcheidenheit her - aus zu wickeln. Es giengen nicht drey Tage ins Land / als dieſe Ge - ſchicht die ganze Welt ausgeloffen /und37Hiſtorie I. Buch. und wer davon gehoͤret / wuſte nichts als von meinem großem Ungluͤcke zu reden / das machte mich endlich ſo be - ſtuͤrzt und verdrießlich / daß ich das Schloß verkaufft / und mich hier zu Land niederſaͤßig gemachet habe: dem Kauffer dingete ich mich mit ein / daß er die Bettel-Kinder bis zu ihren Jahren ernaͤhren ſolte / dahero wurde ich bezwungen / in dem Kauff ſechs - hundert Reichs-Thaler fallen zu laßen / aber wie ich hernach gehoͤret / ſo hat er ſie die dritte Woche auf und davon gejaget / iſt ihm alſo dieſer Streich um einen merklichen Brocken zu gut kommen; Gleichwie aber die Rache des Himmels kein Laſter mit zuge - ſchloßenen Augen anſiehet / alſo ent - ſtunde ohngefaͤhr ein Jahr darnach eine große und grauſame Waſſerfluht / welche ihm Haus und Hof uͤber den Hauffen gerißen / und alles auf dem Felde und in den Staͤllen er - traͤnket.

Jn hieſigen Landen befande ich mich gar wol / dann ich kauffte nicht allein wieder ein Adeliches Guth anmich38Kurzweiligermich / ſondern miethete noch darzu ei - ne Waſſer-Muͤhl / mit welcher ich etliche Wieſen und Aecker zu genießen hatte. Aber der Teufel triebe ſein Spiel auch hierinnen nicht ein gerin - ges / denn es wurde in ſolcher ein Muͤhl-Knecht erſchlagen / welcher nach dem Tod dermaßen umgienge / daß kein Menſch mehr darinnen ar - beiten wollen. Dieſes Geſpenſt ließe ſich ſehen / bald als ein Bock / bald als ein auffaͤtziger Mann / dahero wurde gemuhtmaßet / ſein Vatter ſeye entweder ein Schneider oder ein Weber geweſen. So kame mir auch gar viel Vieh um / welchen Schaden ich aber durch das Getrayd erſetzete. Endlich genaße ich auf dieſem Guth einer Tochter / welche mir der Spitz - bube zum Pfande hinterlaßen / und gleichwol erzoge ich dieſe ſehr aufſich - tig / und unterrichtete ſie in allen wol-anſtaͤndigen Tugenden / ſagte ihr auch nicht das geringſte / welch ein ehrbarer und ſauberer Mann ihr Vater geweſen / ſondern gabe vor / daß er als ein wackerer Soldat indem39Hiſtorie I. Buch. dem Felde geſtorben und vor dem Feind mit zweyen Draht-Kugel ſeye erſchoßen worden.

Aber ich maͤgte lehren und ſagen was ich wolte / ſo hatte doch der Vater eine Wurzel in dieſem Kinde gelaßen / welche faſt unmaͤglich auszu - rotten war. Sie neigte ſich gar fruͤh - zeitig zum Diebſtahl / und kunte man bald an ihren Klauen ſehen / welch ein artlich Thier ihr Vater geweſen. Sie kame in dieſer Kunſt ſo weit / daß ſie mir die ſilbern Geſperr von denen Gebet-Buͤchern mauſete / und ſolche Sachen verſchacherte ſie unter das Geſind um ein Lumpen-Geld / da - vor kauffte ſie ſich in der Stadt / oder ließ ſich durch andere kauffen / die leichtfertigſten Huren-Buͤcher / ſo zu bekommen waͤren.

Dieſen Fehler wurde ich bald in - nen / und ich vermahnete ſie mit guten und boͤſen / / aber es galt eins ſo viel als das ander / naͤmlich keines nichts. Wann man vor oder nach dem Eſſen betete / ſo putzte ſie ihren Kopf / oder machte das Geſind ſonſten lachend /und40Kurzweiligerund wer ſie ſolte liegen gehoͤret ha - ben / der haͤtte geſtehen muͤßen / daß ſie nicht ſo bald vor den Hintern ge - griffen / als ſie ſchon eine ganze Hand voll eingeſaltzener und recht gewuͤrzter auf die Bahn gebracht / welche ihr ſo gluͤcklich abgegangen / wie ein ge - ladener Wagen Berg-unter. Jch kan ſchwoͤren / daß ich ſie die Zeit meines Le - bens nicht den geringſten Threnen ver - gießen ſehen / ſo ſehr ich ſie auch aus - gefilzet und ausgehudelt habe; aber das Lachen war ihr ſo eigenthuͤmlich / wie dem Muͤhler das Stehlen. Jh - re Handlungen anbetreffend / hab ich all mein Tag kein unflaͤtigeres Thier geſehen / dann ſie ließe große Ruͤlps uͤber dem Eſſen / und ſonſten noch was / das ich nicht gern nennen mag / iedoch wann Jemand fremdes zuge - gen war / ſtellete ſie ſich ſo Engel-rein / wie ſie ihr Leben-lang nie kein Waſ - ſer betruͤbt haͤtte. Es hielt ſich ein Jaͤger bey mir auf / welcher ſeine meiſte Zeit mit Vogel-fangen zubrach - te / zu welchem Vogel-Fang er gar viel Leim-Ruten brauchte. Eins -mals41Hiſtorie I. Buch. mals kame meine Tochter in ſeiner Abweſenheit uͤber das Leim-Leder / und bekleckte mit ſolchem das ganze heimliche Gemach / wer ſich nun deſ - ſen gebrauchen wolte / und nicht gute Obſicht hatte / der bliebe eine gerau - me Zeit mit dem Hintern auf dem Bret kleben / und wann ich ſie darum ſtraffte / ſo zeigte ſie mir die Feigen / und drohete / ſo ich ihr nur mehr das geringſte thun wuͤrde / ſo wolle ſie in ein Waſſer ſpringen und ſich erſaͤuffen. Lezlich hielt ich ihr einen Præceptornaus der Stadt / aber es war ein junger Gelb-Schnabel / welcher auſer dem Vaterland nicht viel Pfennig-Sem - mel gegeßen hatte / mit demſelben triebe ſie ihren abſonderlichen Muht - willen / und naͤhete ihm oft in der Nacht Hoſen / Wammes / Struͤmpf und Schuhe zuſammen. Sie war ſo keck / daß ſie Nachts-Zeiten auf einen Bogen Papyr hofirte und es denen Maͤgden uͤber das Fenſter hin - unter auf die Koͤpfe wurffe / und wann ſie in die Kirche gehen ſolte / ſtellete ſie ſich trefflich krank / und gabe faſt alleTage42KurzweiligerTage eine neue Unbaͤßlichkeit vor. Wann ſie uͤber den Brandt-Wein kam / ſo konte ſie kein Menſch von dem Glas weg bringen / bis ihr die Flam̃ zum Hals ausſchluge / die muſten wir mit Milch oder Urin wider leſchen / und hat mich vielmal gereuet / daß ich das Raben-Aas nicht zu Staub und Aſche habe verbrennen laßen. Wañ ich ihr die Nadel in die Faͤuſte gege - ben / daß ſie damit naͤhen ſolte / er - ſtache ſie mit derſelben die Fliegen an der Wand / oder raͤumete die Zaͤhne darmit aus. Sie zog gar oftmals Manns-Kleider an / und gienge auf die Baurn-Taͤnze / endlich lernete ſie gar auf der Leyr ſpielen / und da ſie ſolt uͤber dem Wuͤrk-Kuͤſſen ſitzen / ſaß ſie uͤber der verfluchten Leyr / und machte einen Tanz nach dem andern auf. Kam ein Gaſt zu uns / ſo ſtel - lete ſie ſich ganz melancholiſch / wann ſie nun von demſelben gefraget wur - de / was ihr waͤre / gab ſie zur Ant - wort: Sie waͤre ſo ſehr zur Liebe ge - neigt / und ihre Frau Mutter wolte nicht haben / daß ſie iemand lieben ſol -te / daß43Hiſtorie I. Buch. te / daß thaͤte ihr ſo wehe und uͤbel / daß ſie ganz ſchwach und krank wuͤr - de / und dergeſtalten fuͤhrte ſie die naͤrriſchen Stuͤmpfer am Narren - Seil herum / dadurch ſie viel Geld practicirte.

Die poßierliche Handlungen aber alle auf die Seite geſetzet / verliebte ſich doch / bald da bald dort ein un - gehobeltes Buͤrſchgen in ſie. Einer ſchrieb ihr zu Ehren die allerſchoͤnſten und zierlichſten Lieder / dann der Schulmeiſter in unſerm Dorfe lobte ſolche mehr als zu viel. Der ander brachte in tieffer Nacht des beſagten Schulmeiſters ſeine Jungen / welche ihr eine Nacht-Arie herunter ſingen muſten. Der dritte ſchickte ihr uͤbers Land etliche Buhl-Brieflein / und wurde nur derjenige von ihr nicht be - trogen / welcher mit ihrer Liebe nichts zu thun begehrte / denen allen ſchorre ſie den Beutel tapfer ab / und lachte die Phantaſten aus darzu / hatte auch wol das Herz / ihnen in der Antwort zu vermelden / daß ſie ſich ſchaͤmen ſolten / ihre junge Tage ſo in Faulen -zen zu -44Kurzweiligerzen hin zu bringen / und ſich von der ſchaͤndlichen Liebe uͤberwinden zu laſ - ſen / ſie ſollten zuvor etwas wackers lernen / und dergleichen; durch wel - ches ſie endlich die große Lieb / in ei - nen Haß gegen ſich ſelbſten verwan - delte / dann es kamen zuweilen eine ganze Schaar dergleichen abgewieſe - nen Curtiſanen / und wurfen uns heimlich die Fenſter ein / mahleten allerley Schand-Poßen an die Schloß-Mauren / und ſtreueten zum Uberfluß allenthalben erz-liderliche Pasqvill aus / darinnen nicht allein meine Tochter wacker durchgezogen / ſondern ich auch hin und wider mit einem kraͤfftigen Stich angezapfet worden.

Nun muß ich geſtehen / daß ſie nicht unrecht gethan haͤtte / ſo ſie ſich abſonderlich zu einem wuͤrde verſtan - den haben / welcher ein geborner Heß war. Sein Geſchlecht war gar be - kant / und ſein ſtattlicher Stand zeugte genugſam an / daß ein Kerl von ſchlechten Mitteln in ſo abgelege - nen Orten nicht ſo herꝛlich leben koͤn -te / aber45Hiſtorie I. Buch. te / aber aber! mich dunket / das Un - gluͤck habe den Menſchen mit einer ſolchen Gelegenheit zu lieben dermalen verſchonen wollen / dann ſo ſehr ſich meine Tochter gegen der Liebe ſperrete verkuppelte ſie ſich doch ſelbſten / und zwar unerhoͤrender Weiſe / an einen Schind-Knecht / mit welchem ſie vor - geſtern Abends heimlich durchgangen und davon geloffen. Dahero iſt die - ſes die Urſach meiner alhieſigen Ge - genwart / weil ich ſie hin und wieder an dieſen umligenden Orten geſuchet ha - be. Es ſind auch auf vier Straßen reutende Bothen ausgeſchicket / aber der Schind-Knecht iſt wol ſchon uͤber ſie - ben Berge aus / weil er mir ſamt der Tochter ein Pferd aus dem Stall ge - ſtohlen / und ſich dahin gewendet hat / wo er vermeinet am ſicherſten zu ſeyn; hiermit fienge ſie an zu weinen / die große Untugend ihrer fluͤchtigen Tochter be - klagend / und fragte zugleich / ob ſie nichts von der Sache geſehen noch ge - hoͤret haͤtten? Aber meine Eltern konten ihr nicht die geringſte Nach - richt ertheilen / deßgleichen wuſten auchCdie46Kurzweiligerdie uͤbrigen alten Weiber nichts um die Liebs-Geſchicht / ſondern leckten das Maul / wie die Ziegen das Salz / und machten ſo verwunderliche Minen wie die fuͤnf thoͤrichten Jungfrauen im Dom zu Magdeburg.

Nach dieſer Erzehlung kamen ſie bald auf dieſen / bald auf jenen Discurs, wie es unter der - gleichen Leuten herzugehen pfleget. Eine frãgte ſie / wo ſie her waͤre; die andre / wie ſie hieße; die dritte / wo ſie ſich aufgehalten; die vierdte ſeufzete uͤber ihr großes und barmherziges Ungluͤck; die fuͤnfte weinete gar mit / zu welchen man ſie zwar alle nicht viel zwingen noch bereden doͤrfen / dann ſie hatten ohne dem ſehr rinnende und trieffende Augen / und weil eine iede die treu-herzigſte unter ihnen ſeyn wol - te / ſtellete ſich auch iede auf das treu - herzigſte an / uͤber welches ich heimlich unter dem Ofen gelacht / und der frem - den Frauen immer in das Geſicht ge - ſehen.

Sie war aber keines Weges aus - zulachen wuͤridg / dann die unghorſa -ſamen47Hiſtorie I. Buch. men Kinder ſchmieden durch ihre La - ſter gleichſam ein Schwerdt / mit denen ſie die Herzen ihrer Eltern durchſtoßen / und die Wunden / welche ſie machen / find nicht mit iedem Pflaſter zu heilen / darum iſt die kindliche Schuldigkeit / denen Eltern getreu und gehorſam zu ſeyn / dieſelben auch nicht allein herz - lich zu lieben / ſondern allezeit kindlich zu fuͤrchten; Dann die Threnen / welche um der Kinder Ungehorſam vergoßen werden / ſind eine Fluht / welche derglei - chen ungerathenen Fruͤchten alle ihre Gluͤckſeeligkeit und zeitlichen / auch oft ewigen Seegen erſauffet und ausloͤſchet.

Ende des Erſten Buchs.
C ijKurz48Kurzweiliger

Kurtzweiliger Hiſtorie Anderes Buch.

DEr Leſer wuͤrde meine Art zu ſchreiben auslachen / ſo ich mich mit vielen Umſtaͤnden aus dieſem Dorf herauswickeln wolte / dann es iſt zur Gnuͤge bekant / daß es an hieſigem Ort mit dieſer Edelfrauen nicht viel Complimenten und Ceremo - nien abgegeben / zumalen derer gemei - ne Leute entweder nicht gewohnet ſind / oder aber weniger als nichts darauf zu halten pflegen. Derowegen wurde ſie gewieſen auf der Bank zu ſchlaffen / und wir Kinder legten uns in unſere gewoͤhnliche Bette / welches die Pferde anfzufraͤßen pflegten / dann das Heu waren unſere beſte Federn / und wann wirs ziemlich nieder gelegen hatten / verkauffte es der Vater in der Stadt / und kauffte uns Brodt davor / zuweilenmach -49Hiſtorie II. Buch. machte die Mutter Ofen-Kehrer oder gar Arſch-Wiſch daraus / nachdem es die Gelegenheit und der Zuſtand des Heues hat erleiden koͤnnen.

Der Hirte hatte ſchon das ander mal gepfiffen / als wir des Mor - gens aufgeſtanden / und uns aus dem Neſt hervor gemachet. Meine Mutter ſtrigelte uns die Haar / und wiſchte uns mit einem naßen Lappen die Geſichter und Haͤnde ab / die Kleider hatten wir niemals ausge - zogen / und dahero erſparten wir die Muͤhe uns wieder anzukleiden / ob - ſchon der Habit auf das durch - leuchtigſte beſtellet war. Jn dem wird zur Kirchen gelaͤutet / und die Frau richtete ſich auf der Bank in die Hoͤhe / und betete ihren Morgen-Seegen aus einem ſchwarzen Buche. Nach dieſem bate ſie die Mutter / ſie in die Kirchen zu fuͤhren / dann mein Vater war ſchon voraus gegangen / und dergeſtal - ten kamen wir in die Kirchen / nach welcher ſie aber Willens war / wie -C iijder -50Kurzweiligerderum zuruͤck und nach Hauſe zu keh - ren. Meine Mutter haͤtte ſie gern auf ein Mittag-Mahl geladen / aber das pure Unvermaͤgen ließe ſie hierin - nen nicht hoͤflich ſeyn / ſolches vermerkte die Edelfrau baͤſter Maßens / und tru - ge mit unſerer Armuht nicht ein gerin - ges Mitleyden. Sie verzehrete ihre uͤbrige Brocken aus dem Mantel - Sack / und was nicht zureichte / das ließ ſie aus unſerer Dorf-Schenke bringen / und weil ich ihr aus der Maſ - ſen wolgefiel / bat ſie meine Mutter / ſie maͤgte mich mitlaßen / ſie wolle mich als ihr eigen Kind erziehen / und mei - ner mit guter Obſicht pflegen. Es iſt wahr / daß meine Eltern hieruͤber keine geringe Freude hatten / deßwegen ließen ſie es gar leichtlich geſchehen / und mein Vater gabe mir das Geleite zu dem Dorf hinaus. Nach fuͤnf Stunden beſtiegen wir einen bedingten Baur - Wagen. Mein Vater beurlaubte mich naͤchſt einer Creutz-Seule / bey welcher juͤngſter Tagen eine Mord - That voruͤbergangen. Er befahle mich der Edelfrauen wol tauſend ma -len / und51Hiſtorie II. Buch. len / und mir gelobte er / derſelben gleich wie meiner Mutter zu folgen. Der - geſtalten ſchiede er gegen das Dorf / und ich gegen das Caſtell / welches wir noch ſelbiger Nacht erreichet und in ziemlicher Dunkelheit vor dem Thor abgeſtanden.

Des andern Tages ſchickte mich die Edelfrau naͤchſt dem Schloß in ei - ne alte Schul / damit ich daſelbſten zum Leſen und Schreiben angehalten wuͤrde. Es waren der Kinder mehr / dann es lieffen gar viel Baur-Jun - gen und andere Knaben uͤber das Land her / welche ihre Lectionen ab - legten / und dannenhero hatte ich gar gute Gelegenheit mit ſie in Bekant - ſchaft zu gerathen. Wir hatten ei - nen Schulmeiſter / welcher zugleich mit Kuͤſterer war / und weil das Dorf etwas klein / verrichtete er auch das Amt des Schultens / war alſo unſer Schulmeiſter

Diſcipulus, famulus Præceptor, & omnia tresq́ue.

Er hatte in der Jugend im Krieg gedie - net / dahero ſind ihm in ſelbigem Leben die Augen durch das Pulver ziemlichC jvver -52Kurzweiligerverderbet worden / alſo / daß er faſt halb blind war / und wann ſich das Wetter ein klein wenig veraͤndern wolte / konte er gar nicht ſehen. Ob nun gleich dieſer jaͤmmerlicher Zu - ſtand ſehr zu bejammern ware / ſo wuſten wir doch dieſe Kranck - heit trefflich zu unſern ſchlim - men Stuͤcken zu gebrauchen / dann wann wir ihm eine Tatzen halten ſol - ten / ſchloffen wir mit dem Arm aus dem Wammes-Ermel / und hiel - ten ihm alſo den leeren Aufſchlag vor / auf welchen er denn mit ſeiner Ruhten geſchlagen / und wir / wie die Span-Saͤue dar - zu geſchryen. Zu dieſer Leicht - fertigkeit triebe uns ein alter Dorf-Jung an / welcher in die - ſer Schu! faſt ſieben Paar Hir - ſchene Hoſen zerrißen / und alſo mehr auf Schelmen-Stuͤcke / als auf die Buchſtaben ſtudi - ret hatte.

Ein ſchlimmer Schelm macht den andern / alſo hieße es auch unter uns Jungen / dann wir er -ſonnen53Hiſtorie II. Buch. ſonnen allerley Buben-Stuͤck / un - ſern Schulmeiſter zu ſchabernacken / dem wir doch billich vielmehr allerley Ehr-Bezeigungen ſolten erzeiget und bewieſen haben / und ſo ſehr mich auch hierzu die alte Edelfrau ange - mahnet / thate ich doch alle Zeit das Widerſpiel / und erdachte man - chen Fund / uͤber welchen ſich die andern Jungen verwundert haben / derowegen freuet es mich / ſo ich ihnen mit einer Invention konte be - vor kommen; Jch dachte noch gar fleißig an die Erzehlung / welche die Edelfrau in dem Dorf bey mei - ner Mutter abgeleget / abſonder - lich aber wie ſie erzehlet / welcher Geſtalten ihre Tochter dem Jaͤ - ger uͤber dem Vogel-Leim gekom - men / und ſolchen auf das Sekret (ſalva cum venia, & illæſo honore) geſchmieret hatte: Derowegen of - fenbarete ich ſolches meinen Mit - Conſorten / und es brauchte nicht viel Beſinnens / wie wirs anfan - gen wolten / als ſchon einer den Raht gegeben / ich ſolleC vmich54Kurzweiligermich heimlich in die Jaͤger-Stube machen / und daſelbſten ſtehlen / ſo viel ich tragen koͤnte. Aber hoͤrt nur wie mirs gienge: Der Schulmeiſter hat - te einen kleinen Hund / der hieß Zuckerl / dieſer Zuckerl lieffe immer mit mir in das Schloß / dann ich gab ihm da - ſelbſt das Fleiſch aus der armen Leu - ten ihrem deputirten Keſſel / und der - geſtalten gewoͤhnte ich den Hund ganz an mich / daß er endlich gar mit mir ſchlaffen gienge.

Dieſer oͤhrliche und ſtutz-ſchwaͤn - zeriſche Zuckerl begleitete mich auch da - zumal / als ich unter Eſſens-Zeit mich heimlich in die Jaͤgerey gemachet / in Willens den Vogel-Leim heimzuſu - chen / und denſelben ſo viel von noͤthen ſeyn wuͤrde / hinweg zu ſtehlen / ſo bald ich nun den Deckel von dem Faß hin - weg gethan / ſpringet der Zuckerl un - verſehens hinein / und bekleckete ſich al - ſo hinten und vorn / unten und oben / in Summa / mit Haut und Haar be - ſudelt er ſich dermaßen / daß es nicht zu beſchreiben. Er waͤre auch ohne allen Zweifel in dem Leim erſticket / ſoich ihr55Hiſtorie II. Buch. ich ihn nicht wieder bey einem Beine heraus gezogen und wider die Erde ge - ſchmiſſen haͤtte. Aber ich traf es aber einmal wie der Feldwaͤbel die Muſque - tirs / dann es lagen in der Ecke vier Saͤcke Gaͤns-Federn / in denſelben waͤlzte ſich der Zuckerl dergeſtalt hin und wider / ein langes und ein breites / und ie mehr er ſich waͤlzte / ie mehr klebte er ſich Federn an den Leib / alſo daß er endlich / wie ein candirter Zuk - ker / ganz uͤberzogen war / mirwar angſt und bang / dann ich hatte keine Zeit den Hund zu ſaͤubern / ſo wuſte ich mir auch in der Eil auf keine andere Wei - ſe zu helffen / als daß ich davon lieffe und mich verſteckte. Jch maͤgte aber hinlauffen wo ich wolte / ſo folgte mir doch der Zuckerl an alle Oerter / und ich glaube ich muſte mich halb ſchek - kicht lachen / dann als er in die Stu - be der Edelfrauen kame / erſchricket ſie vor ihm / wie vor einem Teufel / laͤſ - ſet den Loͤffel von dem Mund fallen / thut einen Schrey und lauffet in die Kammer. Das Maͤdchen ſo ihr auf - wartete faͤllet in dem HinweglauffenC vjgar56Kurzweiligergar uͤber und uͤber / daß ihr der Rock und das Hemde ober dem Kopf zuſammen ſchlugen / und wer den Hund nur anſichtig wurde / der flo - he vor ihme.

Endlich verſteckte ich mich in den Heu-Stadel / und wurffe mit Ziegel-Truͤmmern wider ihn / da - von er zu ruͤck und in die Schu - le geloffen. Da entſtunde erſt ein Geſchrey / das Lachens wuͤrdig war / dann der Schulmeiſter ſahe den Hund vor ein Hoͤlliſches Geſpenſt an: lieffe dannenhero ſamt ſeinem Sohne aus dem Hauſe / und weil er dazumal wegen großer Hitze / die Kappe und Ober-Hoſen ausgezo - gen / ſahe man ihn in dem bloßen Hemde herum lauffen / und um Huͤlffe ruffen. Der Zuckerl ſprunge aber / ſeinem Herrn ſo wohl als mir / auf dem Fuß nach / biß end - lich ein Gutſcher den Hund mit einer Heu-Gabel gefangen / und der Be - trug an den Tag kame.

Solche Gauckel-Poßen trieben nicht allein wir fremde Jungen / ſon -dern57Hiſtorie II. Buch. dern ſo gar ſein eigner Sohn / von wel - chem die Edelfrau daroben erzehlet / daß er ein wenig habe ſingen koͤnnen / dieſer Galgen-Vogel hatte den Ge - brauch / wann ſein Vatter einem Di - ſcipul den Hintern auskehren wolte / und ihm befohle / daß er die Ruhte herlangen ſolte / gab er ihm an ſtatt derſelben einen großen Fleder-Wiſch in die Haͤnde / damit ſchluge der uͤberſcheinigte Schulmeiſter auf die Aerſche loß / daß die andern alle genug zu lachen hatten. An ſtatt der Streu / goße er ihm Waffer in die Buͤchſe / damit er viel Papyr beſudelte und verderbte. Wo er ſaße / ſtackten wir Steck-Na - deln in die Bank / alſo zerſtache er ſich hinten und vornen / und ruckte von einem Ort auf das ander. Eins - mals ſtopften wir einen gemachten Knaben mit Filz und Waͤrk aus / ſetzeten denſelben unter uns / und nach einer Vierthel-Stunde beklag - ten wir uns gegen den Schulmei - ſter / wie daß dieſer Jung ſo viel Schelmerey triebe / er ſolle ihn dochC vijwacker58Kurzweiligerwacker abbruͤgeln / da nahm er den Stecken und zerſchluge den ausgezopf - ten Teufel / daß das Waͤrk davon flo - ge. Endlich fiele die Figur gar von der Bank / und ich ſagte / der Jung waͤre in eine Ohnmacht gefallen / da erſchrack der Schulmeiſter aus dermaßen ſehr / und bate wir ſolten ihn wieder zu recht bringen / er wolle uns morgen den ganzen Tag die Schul ſchenken. Mit ſolchen Stuͤcklein vertrieben wir die edle Zeit / und ich wurde der Narren - Poßen ſo gewohnet / daß ich mich endlich in dem Schloß mit allerley dergleichen Hudlereyen hervor thate. Fruͤh Morgens beſtriche ich in der Schub-Lad alle hoͤlzerne Loͤffel mit friſcher Galle / wann dann das Ge - ſind Mittags damit die Suppen eſſen wolte / klagten iede und alle auf die verlumpte Koͤchin / da bekame das arme unſchuldige Menſch eine Hader - Predig nach der andern / und es gienge ſelten ein Tag voruͤber / da ich ihr nicht einen ſonderlichen Filtz zurichtete / und in einem ſolchen Zuſtand verbrachte ich das Leben / bis in das ſechzehendeJahr /59Hiſtorie II. Buch. Jahr / zwiſchen welcher Zeit ich tau - ſend Schelm-Stuͤcke begangen / wel - che allein ein großes Buch erfordern wuͤrden. Es iſt aber genug / wann ich ſolche mit Stillſchweigen uͤbergehe / dann ich fuͤrchte / daß gleichwie ich aus Anhoͤrung ſolcher Dinge bin zum Muhtwillen verleitet worden / alſo daͤrfte ich in Aufziehung meiner began - genen Schalkheiten auch andere dar - zu anreitzen. Bin dahero entſchloßen zu erzehlen ſolche Stuͤcke / welche nur ein wunderliches Geſchicke nachah - men kan.

Es gienge ſchon nach dem Herbſt / als die alte Edelfrau uͤber Land ver - reiſete / weil ſie dahin durch einen ab - ſonderlichen Brief war erſuchet wor - den. Nebenſt mir reiſete nur noch ein Gutſcher und Beylaͤuffer mit / ich aber hatte die Ehre / bey ihr in der Gutſche zu ſitzen / weil ſie mich allge - mach vor ihren Schreiber gebrauchet / und mir die Hoffnung gemachet / mich dermaleins zu ihrem Hofmeiſter zu machen. Nach ſechs Stunden traf - fen wir auf dem Schloße an / undwurden60Kurweiligerwurden von dem Jnwohner deſſel - ben gar hoͤſtich empfangen. Sie hatte mich ſchon / in der Gutſche / Haar-klein berichtet / wie ich mich verhalten / und anſtellen ſolte. / deßwegen nahme ich alles fleißig in acht / dann wir waren an einem Orth / da lauter Frey - Herꝛn wohneten / welche wegen ei - ner Erb-Theilung zuſammen gekom - men. Es gienge trefflich praͤchtig praͤchtig zu / und ob ſchon alles in Trauer war / ließen ſie ſich doch / in der Stille / eine kleine Muſic machen / und wurde / nach der Ta - fel / ein luſtig Ballet getanzet / dar - ob ich mich faſt zum Narren geſe - hen. Jch wurde mit an die Kam - merdiener-Tafel geſetzet / und weil ich trefflich curios war / bate ich einen von den Frey-Herrens Leu - ten / Sie moͤchten doch ſo gut ſeyn / und mich die Zimmer dieſes Schloßes und herrlichen Gebaͤudes weiſen; Das verſprache er mir Morgens fruͤh zu thun / dann er ſagte / wie daß zu ſolcher Zeitdie Herꝛ -61Hiſtorie II. Buch. die Herrſchafft in der Meſſe ſeyn wuͤrde / dahero ſolte ich mich bis da - hin gedulden. Hierauf gienge es an ein Sauffen / daß einem darvor grauen maͤgte / und wie die Her - ren vor-getanzet / alſo ſprungen die Diener hinnach / und hatte je - ne an der Luſt weit uͤbertroffen. Dieſes daurete mitten in die Nacht / und als man des folgenden Mor - gens in die Meſſe laͤutete / kleidete ich mich an / indem klopfete derje - nige / ſo mir verſprochen die Zim - mer ſehen zu laſſen / an die Kam - mer-Thuͤr / und machte mich mit ihm uͤber die Treppe hinauf.

Jn dem erſten Zimmer gab es nichts abſonderliches zu beſichtigen / aber das andere ſtunde voll von de - nen herrlichſten Bildnuͤßen und Con - trapheen, das dritte hienge ganz voll anderer Schildereyen / das vierdte war bezieret mit herꝛlichen Tuͤrkiſchen und wol-geſtickten Tapeten / das fuͤnfte prangete mit Tiſch-großenVe -62KurzweiligerVenetianiſchen Spiegeln. Jn dem ſechſten waren zwey große Pfaffen uͤberaus ſauber und kuͤnſtlich gemah - let / dann der Kammer-Diener konte den Fleiß des Malers nicht genugſam herausſtreichen. Jch fragte ihn dar - auf: Wer dann dieſe Leute waͤren / oder was ſie geweſen? Monſieur, gabe der Kammer-Diener zur Ant - wort / dieſes iſt das Bildnuͤß des ſehr gelehrten und geprieſenen Caramuels. Er iſt geweſen ein Moͤnch Ciſtercien - ſer Ordens / von Geburt ein Spanier / und ſo ein gelehrter Mann / als iemals einer auf Erden geweſen. Er gienge in ein Teutſches Kloſter / alwo er ſich durch ſeine Schriften der gelehrten Welt dermaßen bekant gemacht / daß ſich nicht wenig geforchten mit ihme aus der Philoſophic zu diſputiren. Und weil er etwas ſcharf ſchiene / iſt er niemaln zu einer hohen Charge pro - movirt worden / aus Forcht / er maͤg - te zu viel reformiren. Dieſes war das Haupt-Fundament, ſo ihn aus dem Kloſter gebracht / weil er geſu - chet eine Condition bey einem Biſtumzu er63Hiſtorie II. Buch. zu erhalten. Er reiſete in der Welt hin und wider / und kom̃t eines Mor - gens in eine Stadt / alwo der Biſchoff ſelbiges Orts eine oͤffentliche Diſputati - on faſt an alle Ecken der Stadt an - ſchlagen laßen. Caramuel ſahe ſol - ches mit ſonderlichem Belieben / ga - be einem Jungen auf der Gaſſen ein Trank-Geld / damit er ihn an den Ort fuͤhren ſolte / alwo man diſputi - ren wuͤrde. Er kom̃t hin / und der præſidirende Jeſuit war ſchon begrif - fen die vorgebrachten argumenta zu ſchlichten / als ſich Caramuel mit un - ter die opponenten ſatzte. Weil man ihn nicht kante / wurde er von allen ausgelachet / und als der Biſchoff fragte / wer gegenwaͤrtiger Pfaff ſey? gabe man ihm zur Antwort / es ſeye vielleicht ein Dorf-Pfaff welcher ſich vollgeſoffen / und ohngefaͤhr an den Ort gerahten waͤre. Seine Kleider waren wegen der langen Reiſe ſehr beſudelt / deßwegen glaubte der Bi - ſchoff ſelbſten / es muͤſte ein liederli - cher Teufel ſeyn. Caramuel bleibt a - ber ſo lang ſtillſchweigend ſitzen / bisdie Ord -64Kurzweiligerdie Ordnung an ihm kame. Der Jeſuit wolte denen Studenten einen Luſt machen / dann er hielte den Ca - ramuel ſelbſten vor einen lauſichten Dorf-Pfaffen; redete ihn derohal - ben mit folgenden Lateiniſchen Wor - ten an: Quid attuliſti novi ex tuo hoſpitio? Was habt ihr denn Guts - Neues mit aus eurem Dorf gebracht? Caramuel ſchuͤttelte den Kopf / und hieß ſich ihm die Theſes geben. Als er ſolche in die Haͤnde bekommen / fangen alle Anweſende an zu lachen / dann ſie ſpañ - ten ſchon auf die Fauten / die dieſer Pfaff begehen wuͤrde / weil eine ſolche Materia vor einen Dorf-Pfaffen zu diſputiren viel zu hoch war. Aber Ca - ramuel legte ihnen den Hochmuht bald darnieder / wann er anfienge und ſagte: Er begehrte drey Stuͤck von dem Præſide, alsdann wolte er diſ - putiren: Erſtlich / daß der Præſes al - lein antworten ſolte; Vors Andere / daß er alle Zeit formaliter antwor - ten ſolle; Und zum Dritten / daß er ſo lange mit ihm diſputiren ſolte / als es ihm / dem Caramuel, beliebte. Die -65Hiſtorie II. Buch. Dieſe drey Stuͤck verurſachten in dem Biſchoff und denen Studenten / wie auch in dem gegenwaͤrtigen Je - ſuiten bald andere Muhtmaſſungen. Aber der Biſchoff befahle dem Je - ſuiten zu diſputiren / ſo ſehr er ſich auch darwider geweiger. Hierauf ſuchet Caramuel eine hohe Subtili - taͤt / ſo der Jeſuit nicht verſtan - den. Er nahm̃ eine leichtere / und verfuͤhrete den Præſidem dergeſtal - ten / daß er dem Caramuel an - bote / die Catheder zu betretten. Da ſagte der Biſchoff / man ſolle forſchen / wer dieſer Moͤnch ſeye. Caramuel wolte es nicht ſagen / deß - wegen ſchickten ſie in die Stadt / aber vor dem Collegio ſtunde der Fuhr-Knecht / ſo ihn hieher ge - bracht / der fragte die voruͤber ge - hende Studenten / ob der Herr Krampel nicht bald heraus kommen wuͤrde? Aus dieſen Worten des Fuhr-Knechts verſtunden die Studen - ten / daß es der Moͤnch Caramuel ſeye / brachten die Poſt zuruͤcke / und der Bi -ſchoff66Kurzweiligerſchoff empfienge ihn ſelbſt / lude ihn zu ſich / und ſagte im Hinausgehen / nun glaub er feſtiglich / daß Ein ſtudirter Kloſter-Moͤnch gelehrter ſeye / als ze - hen ſtudirte Jeſuiten / ward auch da - ſelbſt promovirt und ſtiege zu hoher di - gnitaͤt.

Dieſer aber (ſagte der Kammer - Diener / auf das ander Bild weiſend) iſt die Contrafactur eines gleichfalls ge - lehrten Mannes / und zwar des Je - ſuiten Ariagæ. er iſt des Caramuelis Landsmann / und die Jeſuiten haben noch wenig ſeines gleichen gehabt. Dieſe beede lebten zu einer Zeit / und haben einsmals in Prag dermaßen mit einander geſtritten / daß Ariagæ aus dem Collegio geloffen / und den Caramuel auf dem Catheder ſtehen ge - laſſen / nachdem er zuvorn die Theſes in Stuͤcken zerriſſen. Dann es iſt gar gewiß / daß Caramuel ein weit baͤßerer Philoſophus als der Ariagæ geweſen / obſchon Ariaga in der Theo - logie unvergleichlich geprieſen iſt.

Jch hatte keine große Luſt ſeiner Erzehlung Gehoͤr zu geben / ſondernbate67Hiſtorie II. Buch. bate ihn / mich weiter zu fuͤhren / weil die Kirch bald ausſeyn wuͤrde dannen - hero eilete er mit mir fort in einen weiten Saal / darinnen an der Wand rings-herum lauter Epigrammata an - gemahlet ſtunden. Unter andern gefie - len mir zwey aus der Maßen wol; als naͤmlich das erſte war gericht auf ei - nen Rahts-Herꝛn / und hieße:

Wann andre ſagen Ja: ſo ſtim̃ -
ſtu mit Sie ein;
Du kanſt zwar wol ein Ja - doch
nicht ein Rahts-Herꝛ ſeyn.

Das andere war auf einen Edel - mann / welcher ſich durch ſeine ſtudirte Kunſt zu ſolchem Stand und Titul erhoben / darob er von andern gehoͤhnt wurde / und hieße wie folget:

Papyren heiſt man dich / dich edlen
durch die Feder;
Weis nur den Hintern her / was
gilts / du biſt von Leder?

Dieſe zwey ſchriebe ich geſchwind in mein ordinar-Schꝛeib-Tafel wie ſolchezu Leip -68Kurzweiligerzu Leipzig auf den drey Meßen ver - kauffet werden / wolte auch andere mehr darzu eintragen / aber der Kam - merdiener eilete mit mir dergeſtalten fort / daß er mir kaum Zeit gelaßen / die ordinari-Tafel / wie ſolche zu Leip - zig auf den drey Meßen verkauffet werden / in die Taſche zu ſtecken. Nachdem ich nun die ordinari - Schreib-Tafel / wie ſolche auf den drey Meßen zu Leipzig verkauffet wer - den eingeſtackt / eileten wir geſchwin - de in ein beyligendes Zimmer / da haͤtte ich in dem ſchnellen Gang bey einem Haar meine ordinari-Schreib - Tafel / wie ſolche auf den drey Meſ - ſen zu Leipzig verkauffet werden verloh - ren. Aber als ich hinein gelangte / wuſte ich ſamt dem Kammer-Diener nicht ſolten wir zuruͤck oder weiter ge - hen / dann es ſaße ein ganz nackicht ausgezogenes Fraͤulein etwan von achtzehen Jahren auf einem Bette / und wolte gleich das Hemde uͤber den Kopf werffen. So bald ſie uns ſo unverhofft erblicket / verſtecket ſie ſich mit einem Schrey unter die Decke /wir lief -69Hiſtorie I. Buch. Wir lieffen geſchwinde zu ruͤck; aber eine alte Frau / die etwan unter dem Vorhang geſeſſen / ruffte uns nach / als rechten Lumpen-Hunden. Wir blieben endlich bey einem Camin ſte - hen / da waren ihre Wort nichts an - ders / als: Baͤren-Haͤuter / Galgen - Voͤgel / Arſch-Gucker / Spitz-Bu - ben / und noch mehr dergleichen ehr - liche Schelmen-Titul. Endlich ſchlu - ge ſie die Thuͤr zu / und dem Kammer - Diener ware ſo angſt / daß er bald die Hoſen verguͤldet haͤtte / dann er forch - te ſich / wegen dieſer ſeiner unvorſichti - gen Aufſchließung mit einer guten Straffe beleget zu werden / wie man dann / den ganzen Tag / fleißige Nach - frage gehalten / wer diejenige gewe - ſen / ſo ſich geluͤſten laßen / ungemel - det das Zimmer auf-zu-ſperren. A - ber / der waͤre wohl ein Narr ge - weſen / der ſich ſelbſten angegeben haͤtte. Derowegen bliebe es vor dießmal ſo darbey / und der Kam - mer-Diener bate m̃ich / wohl tau - ſend mal / dieſe Geſchicht / bis zu ſeiner Zeit / verborgen zu halten /Ddann70Kurzweiligerdann das Fraͤulein ware die einzige Tochter des Beſitzers dieſes Schloßes / welche ſich verſchloffen und alſo vor diesmal die Kirche verſaͤumet hatte. Sie ſchaͤmete ſich auch uͤber der Ta - fel dermaßen / daß ſie bald das Herz nicht hatte / die Augen aufzuheben.

Drey Tag darnach zertheilete ſich die Geſellſchaft der Adelichen / und dahero fuhren wir wiederum nach Hauſe. So - bald wir aus der Gutſche geſtiegen / be - richte uns der Thor-Waͤchter eine recht Wunder-ſelzame Zeitung / dann er ſagte: Wie daß ungefaͤhr / nach un - ſerm Hinſcheiden / dieſelbe ganze Nacht in dem Schloße ein brennen - der Geiſt herum gegangen / welcher immerzu geruffen / Es waͤr ein Schatz in dem Keller verborgen / und wann man ſolchen nicht wuͤrde ſuchen laſſen / ſolle das Schloß / innerhalb acht Ta - gen / im Feuer aufgehen. Die Frau er - ſchrack nicht ein geringes / und weil das Weibliche Geſchlecht dergleichen Ein - bildungen ohne dem vor warhaffter / als des Aventini Hiſtorien halten / wird ihr uͤber der Rede des Thor -Waͤr -71Hiſtorie II. Buch. Waͤrters recht uͤbel. Sie beſtellete alſobald zwey Knechte / welche ſuchen und nachgraben ſolten / aber ſie wu - ſten alle nicht / an welchem Ort der Schatz etwan maͤgte vergraben ſeyn. Dieſe große Forcht wuchſe dermaßen in dem Schloß / daß ſich endlich gar niemand getrauete Schlaffen zu ge - hen / dann wir hoͤrten alle Nacht ein jaͤmmerliches Weh-Klagen etlicher Menſchen-Stimmen / daß nichts druͤber war / und weil das Schloß - Geſind dergleichen Geſpenſten ganz ungewohnet waren / getrauete ſich kein Menſch darnach zu ſehen. Der Jaͤger hatte zwar die baͤſte Courage, dem Geiſt nachzugehen / wann ſich nur iemand gefunden haͤtte / ſo ihm Geſellſchaft leiſten wollen / dann allein getrauete er ſich auch nicht einen Tritt darnach zu gehen / weil das Geheul von Tag zu Tag zunahm̃e / und der Geiſt die Maͤgde oftmahls aus der Speis-Kammer verjagte. Jch ſelbſten ſtunde in grauſamen Aeng - ſten / dann ich hatte vormahls viel von Geſpenſten / und dergleichenD ijEr -72KurzweiligerErſcheinungen ſagen hoͤren / darum ſtunden mir die Haar gen Berge / ſo ich dieß Geſchrey in dem Schloß-Hof vernohm̃en / denn daſelbſten hielte ſich es am meiſten auf / und ſchrye auch zu Weilen von denen Dach-Fenſtern herunter / alſo daß man alle Wort verſtehen koͤnnen. Wir ſagten es dem Caplan im Dorfe / aber er wuſte keinen Raht / auſer: Daß man den Geiſt fragen ſolte / wo dann der Schatz vergraben laͤge? Sein Raht war gut / aber niemand wolte ihn verrichten / bis der Jaͤger / einsmals ziemlich bezechet / den Geiſt durch ſein Kammer-Fenſter fragte: Wo dann der Schatz vergraben laͤge? Er wol - te ſelbſt ſuchen. Auf dieſes gab ei - ne kleine Stimme zur Antwort: Der Schatz laͤge in dem Keller zwiſchen den zweyen Pfeilern vergraben / und mor - gen wuͤrde eine Frau kommen / der ſolle man das Werk vertrauen / die - ſe wuͤrde den Schatz heben / und al - ſo das Schloß von dem Brandt erret - ten. Uber dieſe Antwort ware man ſo froh / gleich als waͤre der Schatzſchon73Hiſtorie II. Buch. ſchon gehoben / und die Edelfrau lieſ - ſe des folgenden Morgens bey Auf - gang der Sonnen / ſchon iemand an das Thor ſitzen / welcher aufſehen und die ankommende Frau zu ihr fuͤh - ren ſolte. Wie der Geiſt geredet hatte / ſo geſchahe es in der That. Dann es kame von Weiten her eine ziemlich betagte Frau / ſamt noch einem klei - nen Maͤgdchen / welches ſie vor ihre Tochter ausgabe / und als ſie vor das Thor gekommen / begehret ſie vor die Edelfrau. Sie wurde bald angemel - det und vorgelaßen. Da erzehlete ſie der Frauen ein langes und ein brei - tes / wie ſie es in der Natur haͤtte zu wißen / wo und an welchem Orte einzige Schaͤtze verborgen und ver - graben ligen. Dann / ſagte ſie: Edle Matron / Es ſteigt mir gleichſam das Herz uͤber ſich / ſo oft ich einen dergleichen Ort vorbey reiſe. Weil ich nun ins vierdte mal dieſes Schloß voruͤber gereiſet / kan ich nicht genug - ſam ſagen / noch mit Worten bedeu - ten / wie uͤbel mir iederzeit gewor - den / ja ich lage oftermahls vier TageD iijan ein -74Kurzweiligeran einander todt-krank / derohalben hab ich dieſes mal nicht vorbey wol - len / euch ſolches anzudeuten / und weil ich durch das Schatz-graben vermit - telſt dieſer Tugend von Kindes-Bei - nen an ernaͤhret / auch ſamt den Mei - nigen erhalten / bin ich erbiethig / euch zu dieſem ehrlichen Stuͤck Geld zu helffen / dann ie uͤbler mir wird / ie mehr ligt vergraben. Nun bekenne ich die klare Wahrheit / daß mir nie - malen / als eben vor dieſem Schloße / ſo uͤbel und widrig geweſen / dahero urtheile ich / daß auf das wenigſte ei - ne halbe Tonnen Goldes verborgen lige. Hierauf erzehlete ſie wol zwan - tig Oerter / da ſie dergleichen Schaͤ - tze aus der Erden / aus denen Mau - ren / und aus den Baͤumen hervor - gehoben / und alſo durch ihre Kunſt vielen Leuten zu ſtattlichem Reichthum geholffen haͤtte.

Auf ſolches hatten ſie eine Unterre - dung auf die andere / bis das Eſſen aufgeſetzet wurde / nach welchem ſie entſchloßen war / ihre Wuͤnſchel-Ru - the anzuſchlagen / und alsdann wolteſie noch75Hiſtorie II. Buch. ſie / noch ſelbigen Abends / mit ihrer Tochter nachgraben. Man war gar wol zu frieden / und die Schatz-Graͤ - berin bate ganz freundlich / die Edel - frau ſolle kein großes Geſchrey daraus machen / damit es deſto ſtiller und ſi - cherer zugienge. Hiermit forderte ſie zwey Schauffeln und eine ſtarke Hau - en / mit welchen ſie ſich ſamt ihrer Tochter und der Edelfrau in ein Ge - woͤlb verfuͤget / daſelbſt ſie die Ruthe angeſchlagen. Dieſelbe ſteckte ſie aber alſobald mit der Spitze an den Ort des Kellers / alwo der Geiſt geſaget hatte / daß der Schatz ſolte vergra - ben ſeyn.

Dieſes Zeichen war der Edelfrau - en gar genug / und ſie machte ſich ſchon eine heimliche Freude / entweder des Schatzes zu genießen / oder von dem greulich Geſpenſte loß zu werden. Auf ſolches verfuͤgten ſich Mutter und Tochter ganz allein in dem Keller / und nahm̃en nebenſt zwiſchen den be - ſagten Inſtrumenten nichts mit ſich als eine brennende Wachs-Fackel / welche ſie zum Vorraht mit ſich hieherD iiijge -76Kurzweiligergebracht. Hinter ihnen ſchloße die Edl - frau den Keller zu / und die Schatz-Graͤ - berin gebote ihr / ſo bald es ſieben Uhr / gegen die Nacht ſchlagen wuͤrde / ſolle ſie den Keller nach aufſchließen / ehe die Uhr ausgeſchlagen hat. Dieſes obſer - virt die Edlfrau ſehr fleißig / und ſo bald der Hammer an die Glocke geſchlagen / ſteckte ſie den Schluͤßel in das Vorhaͤn - ge-Schloß / und dergeſtalten ließ ſie ih - re Schatz-Graͤberin wieder aus dem Keller.

Man hatte in deßen in der Kuͤche nicht gefeyret / mit einem herꝛlichen Nacht-Mahl bey Tiſche zu erſcheinen / deßwegen heiſſet die Frau anrichten / und war zu verwundern / daß ſelbige Nacht das gewoͤhnliche Geſpenſt zu ruffen und weh-klagen aufgehoͤret hatte. Die Schatz-Graͤberin gabe guten Troſt / den ſie ſagte von etlichen ungewoͤhnlichen Zeichen / welche ihr eine reiche Erndte bedeuten ſolten. Dieſen Proceß triebe ſie taͤglich / bis ſie endlich etliche Muͤntz aus dem Kel - ler mit ſich brachte / die ſchon vor ſechs - hundert Jahren / gepraͤget war. DerEdl -77Hiſtorie II. Buch. Edlfrauen huͤpfet das Herz vor Freu - den / dann ob ſie zwar kein Geitz-Hal[s]war / brachte ihr doch der artliche An - blick eine ziemlich geitzige Alteration.

Die Schatz-Graͤberin nehm̃t ihr alle Affecten der Edelfrauen wohl zu Nutz / dann ie laͤnger ſie grube / ie mehr brachte ſie Geldes mit ſich aus dem Keller / bis ſie endlich eine Hand voll der ſchoͤnſten und edelſten Reichs - Thaler aufwieſe / und hiermit ſagte ſie zu der Edlfrauen / iſt nichts mehr uͤbrig / als daß ihr zuſammen ſamlet alle Kleynodien und Edl-Geſtein / auch Silber - und Gold-Stuͤcken / die in dem ganzen Schloße zu finden ſeyn / ſolchen Schmuck und ſolchen Schatz muß ich zuſammen thun in einem ſeide - nen Tuͤchlein / daſſelbe in ein Waſſer haͤngen / mit gewißen Kraͤuter-Saͤf - ten vermenget / und nach dieſem wird ſolches Geld drey Stunden auf die Schatz-Grube geleget / und dadurch wird das untere Geld zu dem obe - ren / durch gewiße / verborgene Ei - genſchaften / gezogen und gelen - ket. Verſpreche euch demnach / daßD vihr78Kurzweiligerihr morgen auf das laͤngſte um Mit - tag werdet eine Frau von viel tauſend Ducaten ſeyn. Die alte ließe ſich von dieſer uͤberreden / wie ſie nur ſelbſten wolte und verlangte. Eroͤffnet dahe - ro ihren Schatz-Kaſten / und uͤber - gabe der Graͤberin alle ihre Kleyno - dien / hohe und niedrige / ihre Gold - und ſilberne Ketten / ihr Schmelzwerk / Perlen und Steine / ihre ſtattliche und koſtbare Ringe / ja / alle ihre alte Ducaten und lang zuſammen geſam̃ - lete Reichs-Thaler / das bande die Schatz-Graͤberin alles in ihr Schurz - Tuch / und weil kein ſo großer ſeidener Fleck zugegen war / zerſchnitte ſie ei - nen ſeidenen Vorhang / ſagend; daß die Unkoſten tauſendfaͤltig ſollen er - ſtattet werden / und hiemit machte ſie ein Waſſer an / ſenkte das Gold in der Seiden eingewickelt hinein / und truge es in den Keller / ſie ließe auch die Edelfrau mit hinunter / denn ſie ga - be vor / ſobald dieſes zuſammen gebun - dene Gold - und Silberwerk in den Keller kaͤme / ſolle ſie alſobald ſehen / daß ſich ein ziemliches Stuͤck desSchaz -79Hiſtorie II. Buch. Schatzes hervor thun wird. Dergeſtalt tratten ſie ganz ſachte hinunter / und die Edelfrau zitterte faſt vor Forcht / weil ſie bey dergleichen Begebenheiten noch niemals geweſen war.

Hierauf ſetzte die Schatz-Graͤ - berin das Geld in dem Waſſer auf die Seite / und wieſe der Frauen die Gru - be / weil es aber dazumal in der Nacht war / hatte die Edelfrau den Jaͤger in der Stuben wachen heiſſen / damit er den gehobenen Schatz mit ihr zaͤh - len und alſo hierinnen ihr dienſtlich ſeyn maͤgte; ich wachte imgleichen / und da ſie in dem Keller waren / trau - mete dem Jaͤger ganz anders. Dañ er ſagte zu mir / daß er dergleichen Leute mehr geſehen haͤtte / die mit nichts als mit ſchaͤndlichem Betrug umgegangen / deßwegen wolte er fleißig acht haben / damit der Frauen in dieſem Stuͤck ein Poßen gewieſen wuͤrde.

Es war noch keine halbe Stunde voruͤber / da ſie alle drey wieder zu uns gekommen / und die Edelfrau ſagte heimlich zu uns / dieſe Schatz -D vjGraͤ -80KurzweiligerGraͤberin ſeye mit dem Rock uͤber die Grube / gleichwie eine Henne uͤber ihr Kuͤchlein / geſeßen / und haͤtte ihr als - dann einen ganzen Topf voll Edl-Ge - ſtein gewieſen / ſo aus der Schatz - Grube herauf gekommen / dahero er - zeigte ſie große Freude uͤber den Schatz / welcher heut Nacht ſolle gefunden wer - den / dann die Schatz-Graͤberin gabe gewißen Troſt / daß aufs laͤngſte um zwoͤlf Uhr das ganze Werk muͤße her - außen ſeyn / weil der Seiden-Sack ſchon ſeine Wuͤrkung gezeiget. Als es nun eilf Uhr auf der Schloß-Glok - ke geſchlagen / heiſſt uns die Schatz - Graͤberin ganz ſtille ſeyn: Erſtlich / ſollen wir ganz unbeweglich in dem Zimmer ſitzen; Vors Andere / kein Wort zuſammen reden; Drittens / ſollen wir auch / bis um Glock zwoͤlf Uhr / die Ohren und Augen zuhalten / oder / das Liecht ausloͤſchen. Sie ſetz - te uns hierauf in Poſitur / wie ſie es ſelbſten haben wolte / allein der Jaͤ - ger ſagte: Wir wollen lieber die Au - gen zuhalten / als das Liecht ausloͤ - ſchen laſſen / weil es ſonſt gar zu forcht -ſam waͤ -81Hiſtorie II. Buch. ſam waͤre / damit gienge die Schatz - Graͤberin / ſamt der Tochter / baar - fuß aus dem Zimmer / und verſpra - chen / nach zwoͤlf Uhren wieder bey uns zu ſeyn.

Sie waren kaum uͤber eine Trep - pen hinunter / als der Jaͤger anfien - ge / und ſagte: Strenge Frau! der Teufel / und kein guter Engel / hat dieſe Frau in Euer Schloß gefuͤhret! Jch will ein gehaͤnkter Dieb alle mein Leben-lang ſeyn / wann Euch dieſe Schatz-Graͤberin nicht um alle Eu - re Sachen bringet / gedaͤnket doch nur / was das vor Puncten ſeynd / die ſie uns vorgeſchrieben hat? Darum laſt mich die Gefahr auf mich nehmen / ich will auf ſie lauſchen! erwiſche ich ſie auf einem unrechten Wege / ſoll ſie den Hirſch-Faͤnger mehr zu koſten krie - gen als ſie verlanget.

Der Edelfrauen war uͤber dieſer Rede angſt und bange / ſie bate ihn wohl zu tauſend malen / ſtille zu ſchwei - gen / und nur dieſe Stunde auszuhal -ten /82Kurzweiligerten / aber er wolte durchaus nicht / und ſolte ſie ihn deßwegen Morgen aus dem Schloß jagen. Derohal - ben nahm̃e er mich mit ſich / und lieſ - ſe die Frau alleine in dem Zimmer ſiz - zen. An der Treppe zogen wir gleich - falls die Schue aus / und weil das Schloß nur einen Ausgang durch den Garten hatte / ſtellete er ſich daſelbſt unter eine Haſel-Nuß-Staude / und ich legte mich hart an ihn / dann es iſt nicht zu ſagen / wie ich mich ge - forchten.

Jch will ſagen ſagen / daß nicht eine halbe Vierthel-Stund ſeye vor - uͤber gegangen / als die Schatz-Graͤ - berin mit ihrer Tochter ganz ſachte daher marchiret kamen. Mutter / ſagte die Tochter / der Betrug iſt ſtatt - lich angegangen! Still! Still! ant - wortete die Mutter / ſo muß man die leicht-glaubige aufzaͤhmen! Giebe gute Achtung / daß du mir uͤber den Zaun hinuͤber hilffeſt / die Ketten ſind ziemlich ſchwehr.

Jndem ſie ſo mit einander redeten / richtete ſich der Jaͤger auf / und als ſieuͤber83Hiſtorie II. Buch. uͤber den Zaun ſteigen wolten / er - wiſchte er beyde bey dem Rock / und / du verfluchte Donner-Hexe / ſagt er zu der Alten / hab ich dich da erwi - ſchet? Die Frau loͤſete geſchwind den Rock vom Leib / und lieffe davon / aber der Jaͤger war fixer als ſie / gabe mir alſo das Maͤdchen zu halten / welche zitterte und beberte. Jch hab nichts Jch hab nichts / ſagte ſie immer zu / aber ich hielte wie ein Baͤr / und zoge ſie endlich gar auf die Erde / indeßen pruͤgelte der Jaͤger die Schatz-Graͤ - berin mit unzaͤhlichen Schlaͤgen / und ſie bate ihn immer Himmel-hoch / er ſolte ſie nur auslaßen / aber er wolt nicht / ſondern ſchluge ie laͤnger ie der - ber zu / und ich gabe dem Maͤgdchen auch eine Kopf-Nuͤße uͤber die an - dere / dergeſtalten klopften wir das ſaubere geſind / und der Jaͤger zoge endlich bey den Haaren in die Dorf - Bitteley / alwo er ſie einſperren und anſchließen laßen. Er hatte den Schatz / welchen die Edelfrau zuſam - men gebunden in den Hoſen ſtecken / welchen er auch mit ſich truge / und indas84Kurzweiligerdas Schloß zu ruͤck wolte. Aber wir ſahen an der Frauen Fenſter kein Liecht mehr / deßwegen nahm̃e er mich mit ſich in ſein Haus / und ſchuͤttet ſeinem Weibe das Geld und die andern Ge - ſchmeide auf das Deck-Bette. Sie erſchracke / wie nichts Gutes / aber der Jaͤger erzehlete ihr den ganzen Verlauff / und abſonderlich / wie er die Schatz-Graͤberin ſo wacker ab - gepruͤgelt haͤtte / daß nichts daruͤber / und alſo legten wir uns zur Ruhe / er zu ſeinem Weib / und ich mich auf die Bank.

Die Sonne hatte kaum des an - dern Morgens die Hoſen ihrer Klar - heit auf die Weis. Gaͤrber-Stange der vergangenen Finſternuͤß ausgehaͤn - get / als wir ſchon aufgeſtanden und un - ſern Weg gegen das Schloß genohm - men. Aber wir fanden / daß die Traurigkeit den Bier-Zeiger der Froͤ - lichkeit mit dem Schwerdt der Melan - choley ſchon abgehauen und vor dem Schloß-Thor niedergelegt hatte / dann die Frau jammerte uͤber ihren Wohn-Erker herunter / daß es nichtzu be -85Hiſtorie II. Buch. zu beſchreiben. Sie wiſchte mit ihrem Schnupf-Salvet ihre Augen / und kunte uns vor haͤuffigen Threnen kaum erſehen. Jn einem ſolchen Heraclyti - ſchen Zuſtande traffen wir ſie in dem Zimmer an / alwo ſie vor großem Unmuht Tiſch und Baͤnke uͤber den Hauffen geworffen / ihre Spiegel wa - ren zertretten / und die Schildereyen alle von denen Waͤnden geriſſen. Der Jaͤger redete ſie an / und fragte / aus was Urſachen ſie ſich ſo jaͤmmer - lich erwieſe / da ſie ſich doch keines Schadens zu verſehen haͤtte. Ach! ich ungluͤckſeelige / ſprach ſie / Ach! ich betrogene / elende Frau! Wie garſtig bin ich von der leicht-fertigen Huren hinter das Liecht gefuͤhret worden.

Jhr daͤrft nicht glauben / ſag - te ſie zu uns / daß ich die Tiſch und Baͤnke der Geſtalten uͤber den Hauf - gekehret / ſondern die Gott-loſe Schatz - Graͤberin / die Henker-maͤßige Land - Betriegerin hat es gethan / dann als ihr kaum aus dem Zimmer waret / ka - me ſie / mit einem Leylach uͤberzogen / zu mir herein. Jch hielte es vor ein Ge -ſpenſt86Kurzweiligerſpenſt / deßwegen verſteckt ich mich in die Kammer hinein / aber ſie rumore - te hin und wider mit großem Gepolter und nahme mir das uͤbrige Silber-Ge - ſchmeid / ſo ich hier hangen hatte / al - les mit ſich. Jn dem ſchlaͤgt es zwoͤlf Uhr / da trauete ich erſt heraus / ob ſchon das ſchlimme Weib lang zuvor hinweg war / darauf nahme ich das Liecht / gienge in den Keller / aber ley - der / leyder! da fande ich nichts / als einen Topf voll glaͤſerner Kugeln von allerley Farben / welche ſie mir zuvor ge - wieſen und von Ferne vor Edelgeſtei - ne ausgegeben hatte. Alſo iſt ſie mir mit allen meinem Bißgen Geld und Gut davon gelauffen. Ach ich elende Frau! ich arme Frau! Der Jaͤger antwortete ihr gar vernuͤnftig / und ſagte: Geſtrenge Frau / es hat mir nicht umſonſt geſchwaant / daß ihr nicht mit einer ehrlichen / ſondern nur mit einer recht betrogenen und ſchalk - haftigen Frauen zu thun habet. Aber ich glaube ich habe ſie anders gezwie - felt / darum wiſſet / daß die Frau nicht hinweg / ſondern in dem Scher -gen -87Hiſtorie II. Buch. gen-Haus gefangen ſitzet. Euer Reichthum iſt in meinen Haͤnden / und ehe eine Stunde voruͤber gehet / will ich euch das Weib ſamt ihrer Tochter und dem geſtohlenen Gut / vor Augen ſtellen. Es iſt nicht zu ſagen / wie froh die Edelfrau uͤber die Rede des Jaͤgers war. Derohalben thaten ſie ge - ſchwinde zu der Sache / und der Dorf - Scherge brachte die Gefangenen in der Edelfrauen Zimmer / vor welchem etliche Baurn-Knechte Schild-Wa - che hielten. Die Schatz-Kraͤmerin war ganz erblaßet / und ihre Tochter weinete / daß es taugte. Der Jaͤger aber legte der Alten Daumen zwiſchen ſeinen Buͤchſen-Hahn / und wolte ſchon anfangen zuſchrauben / aber ſie be - kante ohne allen Zwang und Drang /

  • 1. Erſtlich / daß daß Geſpenſt Niemand anders ſey geweſen / als ſie und ihre Tochter / daß ſie aber in der Finſter brennend und voll Feuer geſchienen / ſeye geſchehen / weil ſie ſich mit dem ſpiritu ignis (iſt eine materia, ſo in Oſt-Jndien neulicher Zeit erſt er -fun -88Kurzweiligerfunden worden) beſtrichen hat - ten.
  • 2. Die Stimme ſo dem Jaͤger geant - wortet haͤtte / ſeye ihre gegenwaͤrti - ge Tochter geweſen / und ſo bald es waͤre Tag geworden / haͤtten ſie ſich auſer des Orts in naͤchſten Buſch be - geben / und waͤre dann bey anbren - nender Nacht wiederum in das Schloß.
  • 3. Den Topf / welchen ſie der Edel - frauen voll Stein gewieſen / haͤtte ſie an einem Haken zwiſchen den Beinen hangen gehabt / daſelbſt hin haͤtte ſie auch das geſtehlene Gut ge - hangen.
  • 4. Daß ſie aber gewuſt haͤtte wo der Keller ſtuͤnde / das haͤtte ihr einer geſagt / welcher das Bier daher ver - kauffte; dahero konte ſie leicht die Spitze der Ruthr dahin wenden / welche ſonſt nichts anders / als eine ſchlechte und gemeine Spiß-Gaͤrte ſeye.
  • 5. Daß ſie die Maͤgde zu Weilen aus der Speiſe gejaget / waͤre geſchehen / weil ſie dadurch ſo viel Eſſen haͤtte zuſteh -89Hiſtorie II. Buch. ſtehlen wißen / damit ſie die Zeit uͤber in dem Buſche auskom̃en koͤnnen.
  • Sie ſagt auch: Daß ſie aus keiner andern Urſach wiederum in die Stube zuruͤck gekommen / als aus dieſer / indem ſie naͤmlich drey Schlag - und Hals-Uhren in dem - ſelben noch uͤbrig geſehen / haͤtte ſich alſo vor einen Geiſt angekleidet / da - mit ſie ſolche deſto baͤßer bey dem Kopf kriegen konte. Es waͤre ihr auch mit dergleichen practiqu〈…〉〈…〉 der - maßen ſo ofte gelungen / daß ſie es ſelbſt nicht zu zaͤhlen wuſte.

Die Edelfrau / ſo Hand-greiflich ſie von dieſem Schelmen-Pack betro - gen worden / truge doch großes Erbar - men / dann ſie ſahe / wie grauſam ſie der Jaͤger unter dem Geſichte zuge - richtet hatte / und als man das Geld und die andern Sachen auf den Tiſch geſchuͤttet / gab ſie den Schergen Be - fehlch / die Frau durch das Dorf zu fuͤhren. Der Jaͤger war mit dem Ge - richt nicht zu frieden / ſondern nahme der Schatz-Kraͤmerin vor dem Schloſ - ſe all ihr Geld aus der Ficke / zoge ihrdie baͤ -90Kurzweiligerdie baͤſten Kleider aus / pruͤgelte ſie noch etliche mal uͤber den Rumpf. Sol - cher Geſtalten kame die Frau nicht al - lein um das Geſtohlene / ſondern auch um das Jhrige / und der Scherg fuͤh - rete ſie / mit großem Spott-Geſchrey der beylauffenden Jugend / ſamt ihrer Tochter zum Dorf hinaus. Eine ſol - che Ruthe hat ſich die Land-Betruͤge - rin mit ihrer Wuͤnſchel-Ruthe auf den Ruͤcken gebunden. Haͤtte ſie die - ſes Schelmen-Stuͤck an einem Oet von hoͤherer Jurisdiction begangen / daͤrfte ſie vor den Scheiter-Hauffen nicht geſorget haben. Weil ſie ſich aber beklagte / als thaͤte ihr das Herz ſo trefflich wehe / als hatte ſie hinfuͤro wenig Urſach / den Ort mehr zu beſu - chen / und alſo uͤber ihre verlogene Zuſtaͤnde zu klagen.

Nach dieſem Stuͤcklein entſchloße ſie / die Edelfrau / eine kleine Jurisdi - ction anzuſtellen / damit ſie auf das wenigſte in dergleichen Begebenheiten einen ſchaͤrfern Ernſt gebrauchen koͤnte / dahero machte ſie mich zum Hofmeiſter / als ich kaum das achtzehende Jahr er -errei -91Hiſtorie II. Buch. erreichet / und ſo wenig um die Caſus wuſte als ein Kalekutiſcher Hahn.

Es war aber in dem naͤchſten Dorf ein Schreiber / ſo ehedeßen in eine Jeſuiter-Schule gegangen / der muſte uͤber das Feld heruͤber alle Tage eine Stunde zu mir gehen / und mich ſo lang informiren / bis wir einen Studenten auß einer vornehmen Stadt bekaͤmen / denn aus einer ſchlechten wolten wir keinen verſchreiben. Und der Geſtalt fieng ich mit Gewalt an / ein Magiſter zu werden.

Der angekommene Præceptor hieß Chriſtian Purzl / ein recht einfaͤltiger Narr. Wir kontens ihm gar bald anmerken / daß er nicht viel vergeßen hatte / dann er hatte all ſein Leb-Tag nicht viel ſtudiret. Damit man aber wißen maͤgte / was an ihm waͤr / als muſte ihn der Schreiber examiniren, damit die Edelfrau das Lehr-Geld nicht gar umſonſt weggaͤbe / und her - nach den Namen haͤtte / ſie wolte Nar - ren auf dem Schloß hegen. Dero - halben nihm̃t ihn der Schreiber mit ſich in die Canzley-Stuben / und derScherg92KurzweiligerScherg ſtunde vor der Thuͤr / damit / wann etwan eine Philoſophiſche Sub - tilitaͤt ausfliegen wolte / er ſolche zu - ruͤck halten / und dem Studenten ho - noriflcè wieder zuſtellen koͤnte. Jch will aber das Examen ordine aufzeich - nen / damit es der Leſer deſto baͤßer faßen maͤge:

EXAMEN zwiſchen dem Schreiber / und dem Studenten.

A.

Seyd ihr ein Student?

P.

Es iſt eine Kunſt wol zu reden und zu ſchreiben.

A.

Wo habt ihr ſtudirt?

P.

Octo, als: Nomen, Prono - men, Verbum, Participium, Præpoſitio, Interjectio, Con - junctio und & cætera.

A.

Jch weiß nicht was ihr ſaget.

P.

Diphthongus longa eſt, tum in Græcis tum in Latinis dictio - nibus.

A. Was93Hiſtorie II. Buch.
A.

Was geht mich das an; Wie heiſt ihr?

P.

Nomina in R, Maſculina ſunt.

A.

Wie hat Poeta im Accuſativo?

P.

Quatuor, als: Europa, Aſia, Africa, und America.

Der Schreiber fienge an zu la - chen / und weil er ſahe / daß der Kerl ein Narr ware / redete er mit der E - delfrauen / daß ſie ihn wieder hinſchick - te / wo er hergekommen / dann er verſtuͤnde weniger als gar nichts / und ſeye ein lauterer Stock-Fiſch. Alſo bekam er acht Groſchen / und damit ſchickte ihn die Edelfrau wieder ſeine Weg. Es ſtunde kaum drey Tage darauf an / da kame ein anderer zu uns und redete die Edelfrau ſolcher Ge - ſtalt an:

Madam mon tres affectione & generoſitee di fortun contant und ſo fort! Derſelben zu verber - gen / was Geſtalten & quâ ratio - ne, modo & figura ich verſtan - den / vernohm̃en und zu Gehoͤr ge -Ebracht94Kurzweiligerbracht / daß ſie einen Hof-Meiſter von Noͤthen / welcher in omnibus linguis, profertim autem in La - tina verſiret ſey / waͤre wol incivi - litas grosſiſſima. Derowegen E - go ſum talis. Sapienti ſat.

Die Frau hielte den Kerl vor voll / gab ihm einen Groſchen / dann ſie ver - ſtunde nicht was er haben wolte. Der Kerl aber ſieht ſie ſcheel an / machet ſeine Complimenten, und ſagte: Sie dubitire nicht / daß ichs ad notam neh - men werde / daß ſie mich ſo inhoneſtiſſi - als einen medicum tractiren wol - len. Damit gieng er weg.

Zwey Tag / darnach kamen wir drey zugleich / da ſagte der Schreiber / er wolle alle Tage einen uͤber der Mahl - zeit vor ſich nehmen / wer den baͤſten diſcurs unter ihnen fuͤhren wuͤrde / der ſolle zum Præceptor angenohm̃en wer - den. Als nun das Eſſen aufgetragen wurde / ruffte man einen unter dieſen zu Tiſche / die andern zwey muſten al - lein ſpeiſen. Der Beruffene war von ziemlich langer Statur / und als mannieder -95Hiſtorie II. Buch. niedergeſeſſen / fragte ihn der Schrei - ber / wo er ſtudiret haͤtte? Monſieur, gabe dieſer / mit einem großen Reve - rentz / zur Antwort: Jch habe meine junge Tage / bis in dieſes zwey und dreyſigſte Jahr / mit großem Fleiß in den Schulen zugebracht. Jch hatte Luſt Jtalien zu ſehen / aber zu erſt kam ich in Tyrol / ja / dieſes habe ich erſt ſa - gen ſollen / daß ich drey Schulmeiſter uͤberlebet habe. Jn Schulen dispu - tirte ich fuͤnf mal de Objecto per quod. Die Zeitungen laſen wir auch taͤglich uͤber Tiſche / und mein Vater ver - kauffte ſelten eine Ele Taffet ohne Pro - fit / um Glock fuͤnf Uhr Morgens præ - cisè muſten mir die zwey Frey-Herrn aufſtehen. Ach Monſieur, die Ballet wurden dazumal in Paris / ſamt der großen herꝛlichen Comœdia, gehal - ten. Von Straßburg reiſeten wir nach Ulm / alwo wir konten nicht einen Au - gen-Blick ſeyn. All unſere Handlun - gen giengen uns zu Grunde. Wir fiſchten den ganzen Tag / da ertrank einer. Einer aus uns bekame eine Krankheit an den Hals / daß er ſter -E iiben96Kurzweiligerben muſte. Die Leich-Predigt mach - te ein Capuciner. Der Herr verzeih mir! Wer hat dieſes Schloß ge - bauet?

Die Edelfrau / ich / und der Schrei - ber ſahen und hoͤreten den Kerl mit of - fenem Maul / und konten uns des La - chens unmaͤglich enthalten / deßwe - gen aßen wir geſchwinde ab / und der Schreiber antwortete ihm ſo naͤr - riſch / als ihn der Student gefraget hatte / hiermit gabe man ihm ſeine Abfertigung mit einem Halben-Tha - ler / und ließe den Stuͤmper lauffen.

Abends muſte der ander zur Ta - fel / der war ein poßierlicher Kautz; Dann / als wir ihn erſuchten / er maͤgte doch einen Diſcurs formiren, der ihm ſelbſt beliebte: fienge er an / alle ſeine Lectiones, ſo wol Griechiſch als Lateiniſch daher zu recitiren / und dieſes waͤhrete ſo lange / bis eine Stunde vorbey war.

Jch gedachte / wann ich lauter ſolche Præceptores kriegen ſolte / ich daͤrfte endlich der naͤrriſchte Doctor auf der ganzen Welt werden. Derowe -gen fer -97Hiſtorie II. Buch. gen fertigte man dieſen auch ab; und des andern Morgens muſte der drit - te angeſtochen kommen.

Das war ein Geſell von allen Wunſch: Dann als man zu Tiſche geſaͤßen / und die Koͤchin die Suppe aufgetragen / ſagt er:

Die Supp traͤgt auf / die Koͤchin /
Sie hat ein große Laͤchin.

Die Edelfrau ſchauet mich / und ich den Schreiber an / aber der Student fuhre weiter fort / und fienge an zu ſingen das Lied: Gute Nacht! gute Nacht / mein Schaͤtzelein! u. ſ. f. Daruͤber wir alle zu lachen angefangen. Das Lachen / ſag - te der Student / iſt das Proprium in quarto Modo, dann Niemand / als der Menſch allein kan lachen; Nun argu - mentire ich: Ein Froſch iſt kein Menſch / ergo kan ein Froſch kein Spiel-Mann werden. Der Schreiber lachte / daß er den Loͤffel aus dem Maule fallen ließe. Da ſagte der Student: Multa cadunt inter labia. Da floge ihm eine Muͤk - ke die Naſe vorbey / daruͤber ſagte er: Transeant hæc cum cæteris errori - bus! Eine Muͤcke iſt keine Katz / ergoE iijnon eſt98Kurzweiligernon eſt animal. Geſtrenge Frau / ſagte er darauf: Dieſes Schloß will ich innerhalb vier Wochen ſo fortifici - ren / daß die Bauern / ſo ſolches an - ſehen / vor Schrecken ſterben ſolten. Nein / ſagte die Edelfrau / damit iſt mir wenig gedienet / dann wann die Bauern darvon ſterben ſolten / braͤch - te mir kein Menſch die Steuer. Die Philoſophie / ſagte er darauf / iſt ein Principium ultimum, dahero ſaget Ovidius: Vade liber, ſed incultus. Wann ich hier koͤnte Præceptor wer - den / wolte ich meine meiſte Zeit mit Vogel-fangen zubringen / dann ich glaube nicht / daß mirs einer in dem Spring-Haͤuſel-machen bevor thun ſolte. Mein Vater war Thor-Waͤr - ter zu Sanct Viſchbach im Nuͤrnber - ger Wald / dort hab ich den gan - zen Herbſt mit Meiſen-fangen zuge - bracht / darnach heyrathete meine Schweſter einen Stein-Metzen / a - ber ich hatte keine neue Schue / deß - wegen konte ich nicht zur Hochzeit ge - hen. Gleich einen Tag nach der Hoch - zeit fiſchte ich einen Bach / mit einemlangen99Hiſtorie II. Buch. langen-langen-langen Angel / da haͤn - kte ſich etwas dran / und wie ichs her - aus gezogen / wars eine Tobaks - Pfeiffe. Jch ſtudirte faſt zwey Jahr uͤber die Invention, wie doch die To - baks-Pfeiffe maͤge dahin in das Waſ - ſer gekommen ſeyn? Da kams mir ſehr artlich in den Kopf: Dann es iſt viel - leicht ein Baurn-Kerl von dem Tanz - Boden geloffen / und hat da am Ge - ſtad ſeine Nohtdurft verrichtee / da ihme die Pfeiffe unverſehens aus dem Schub-Sack ins Waſſer gefallen. Darnach reiſete ich uͤber Land / da trau - mete mir / wie ich den Juden geſehen / der bis an den Juͤngſten Tag herum gehen ſolle. Meine Mutter hat oft geſagt / daß kein Kind ſo oft als ich in die Wiege gehofiret / deßwegen hoffte ſie / ich wuͤrde endlich mit ein Gold - Macher werden / aber die Meynungen der Menſchen ſind caduc. Vier Gaͤn - ſe koſten bey mir einen halben Thaler. Die Viſir-Ruthen ſind ziemlich theu - er. Die Schweden haben im dreyſig - jaͤhrigen Krieg viel zu Schanden ge - macht. Unſer Schulmeiſter hat eineE jvrohte100Kurzweiligerrohte Kappe an. Gaͤnſe-Fliegel / und was ich habe ſagen wollen / der große Thurn Fliegen-Wedel durchs ganze Dorf. Jch wurfe die Paſteten nach ei - ner Bachſtelze / da war es Tag.

Gleich als er weiter fort-reden wolte / klopfte iemand an die Thuͤr / und als man ihn herein gehen hieße / ſprang dieſer geſchwind von dem Tiſche hinweg! Der Ankommende aber riße ihn bey einem Aermel hinter dem Tiſch hervor / und uͤbergabe ihn einem unter ſeinen Leuten die er mit ſich anher ge - bracht hatte. Hierauf fuͤhrten ſie die - ſen Menſchen mit ſich / und der Frem - de redete uns folgender Geſtalten an:

Hoch Adeliche Frau / und wer - the Herrn! Daß ich ſolche Unge - legenheit / und etwas vor ihren Au - gen verurſache / deſſen ſie ſich nicht ſo ploͤzlichen verſehen / iſt die Urſach: Weil es Erſtlich mein Amt / und vors Andere die hoͤchſte Noht dieſes Menſchen erfordert. Es iſt noch keine Woche verſtrichen / als mir et -liche101Hiſtorie II. Buch. liche Studenten aus der Gefaͤng - nuͤß ausgerißen / und heimlich durch - gegangen / habe ihnen aber ſo weit nachgeforſchet / bis ich vernohm̃en / daß ſie ihren Weg zugleich hieher genohm̃en / 4 habe ich auf dem Weg hin und wider angepackt / dieſen aber muſte ich hier antreffen. So wißet / daß ſie ſich alle fuͤnf naͤrriſch ſtudirt / und dahero in der Cuſtodia die mei - ſte Zeit angeſchloßen gelegen. Man laͤßt alle Fremde zu ſich / und ſchwaͤz - zet ihnen dieſe Condition in Vexie - rey vor / daß man auf dieſem Schloß einen Præceptor an zunehmen geſin - net ſey. Derohalben haben ſie ſich ohne allen Zweifel um dieſer Urſach willen hier eingefunden. Bitte al - ſo / meine Handlung mir nicht zu verargen; Die fuͤnf Narren ma - chen mir mehr Muͤhe / als zwoͤlf kluge Kerls.

ENDE des Andern Buchs.
E vKurz -102Kurzweiliger

Kurzweiliger Hiſtorie Drittes Buch.

WJr verſtunden aus der abge - legten Entſchuldigung nichts anders / als daß gegenwaͤrti - ger Mann der Gefangenen Meiſter ſeyn muſte / dahero ſagte ich zu ihm: Daß er keine Urſach haͤtte ſich zu ent - ſchuldigen; aber / wann er alle Nar - ren in der ganzen Welt zuſammen ſu - chen ſolte / haͤtte er wahrhaftig die al - ler-elendeſte Profeſſion. Hiermit trank ihm der Schreiber eins zu; Aber im Hofe hoͤrte man einen ſchroͤcklichen Tu - mult / weil ein Kerl zu dem Thor her - ein kam / ſo um und um mit lebendigen Katzen behaͤnget war. Wir lieffen an die Fenſter / aber ſo bald der Gefange - nen Meiſter dieſen erblicket / ſagte er: Sie laſſen ſich deßen nicht verwundern / dann eben dieſer iſt der fuͤnfte / welchenich ver -103Hiſtorie III. Buch. ich verlohren. Er iſt unter allen der artlichſte / dann die Lieb hat ihn der Ge - ſtalten perturbirt / und ihm das Gehirn verruͤcket / daß er alle Katzen vor Da - men und Jungfrauen haͤlt; Er iſt ſonſt ganz fromm / wie die Verliebten alle ſeyn / und ſeine Raſerey iſt viel - mehr eine luſtige Comœdia zu heiſſen. Hiermit ließen wir ihn vor / und der Gefangenen Meiſter verſtackte ſich in - deßen unter dem Ofen.

Wir hoͤrten ſchon vor der Thuͤr das Mautzen der angehaͤngten Katzen / und als er vor uns erſchiene / fienge er al - ſo an zu reden: Etiam, etiam, etiam, Groß-Guͤnſtig / Hoch-Preis-wuͤrdige / Erz-Sinn-reiche / Tag-leuchteriſche / Ratt-Pulveriſche / Jungfer-Zwinge - riſche / Sechs-Rheimlingiſche / & - tera, & cætera, & cætera, & cætera, & cætera, & cætera. (Hiermit pfiffe er mit dem̃ Maul dem Pergamaſco, und ſprange immer in die Hoͤhe / wie ein Ziegen-Bock) Nachdem / nachdem / nachdem / ich / ich / ich / mich entſchloßen / vos, Euch / viſitare, zu beſuchen / & interrogare, und zu befragen / quid,E vjwas /104Kurzweiligerwas / vos, ihr / faciatis, thut und ma - chet / & cætera, & cætera, & - tera, (ich kan nicht beſchreiben / wie unterdeßen die Katzen geſchryen!) Venit mihi in mentem, es kommt mir in die Zaͤhne / (hiermit riße er eine Kaz - ze vom Leibe / und wolte ſie kuͤßen / aber die Katze kratzte ihn mit eer Pfohte uͤber die Naſe / daß das Blut her - nach floße /) Ach! ungerechte Clau - dia! [ſagte der Narr darauf:] Wie lang wilt du mich noch ſo unbarm - herzig anfeinden? & cætera, & cæte - ra, & cætera, & cætera, Was iſt dann die Urſache deiner Grauſamkeit? & cætera, & cætera, & cætera, & cætera, Ach! laß dich nur dieß - mal & cætera, & cætera, & cætera, & cætera, Wie bin ich doch ein ſo ungluͤckſeeliger & cætera, & cætera, & cætera, & cætera, Jch habe zwar gehoffet / du ſeyeſt meine aller-getreu - eſte Claudia, aber nun ſehe ich / daß du biſt die aller-aͤrgſte & cætera, & cætera, & cætera, & cætera, Jch habe oft wollen & cætera, & cætera, & cætera, & cætera, aber du wieſeſtmir al -105Hiſtorie III. Buch. mir allezeit den & cætera, & cætera, & cætera, & cætera.

Als nun die Oration gegen der Katzen ziemlich lang Etcæteraſirt war / ſprange der Gefangenen Meiſter hin - ter dem Ofen hervor / machte ihm mit dem Strick ein Etcætera um den Leib / und der Geſtalt gienge er mit dem Etcætera fort / wo er hergekommen. Die Edelfrau ſagte / daß ſie innerhalb Jahr und Tag nicht ſo viel Narren auf ihrem Schloße / geſehen haͤtte / deßwegen entſchloßen wir uns / auf das ehiſte in die Stadt zu reiſen / und daſelbſten das Narren-Spital recht zu beſehen / weil wir ohne dem / auf dieſem einſamen Ort / wenig Ergoͤtz - lichkeit hatten.

Nach dem Eſſen ſatzte ich mich zu einem Hiſtorien-Buch vom Ritter von Spangen-Reder / wie derſelbe zu Donauſtauf einen Schatz / in dem Schloße gefunden / auch wie er eins - mals / bey großem Regen / durch ei - nen Wald geritten / und zwey AffenE vjzu todt106Kurzweiligerzu todt gehauen habe / und in dem ich ſo laſe / klopfte iemand an meinem Fen - ſter an. Es war wieder ein Student / deßwegen hielt ich ihn gleich den vori - gen vor einen Narren / aber er war kluͤger / als alle die fuͤnfe / ſo vor ihm auf dem Schloße geweſen. Er brach - te ſeine Sache gar hoͤflich vor / und weil es dazumal ziemlich kalt war / ließe ich ihn zu mir in die warme Stube / und vernahme gar bald von ihm / daß er einzige Gelegenheit / ſein Brodt zu ge - winnen ſuchte. Jch vermeldete ſein Vorhaben der Edelfrauen / und ſagte: Daß er gar ein feiner Kerl zu ſeyn ſchie - ne / derohalben ließen wir ihn ſo lange da bleiben / bis ihn der Schreiber wuͤr - de ausgenohm̃en und examiniret ha - ben. Nach der Abend-Mahlzeit ließe ihm die Edelfrau zu Eſſen geben / und vermelden / daß er ſich darnach in der Hof-Stub einſinden ſolle / dann da - ſelbſt wolte ſie mit ihm ein mehrers re - den. Dergeſtalten kamen wir an die - ſem Orth / nach einer halben Stunden / zuſammen / alwo das Geſind das Waͤrk abzuſpiñen pflegte. Weil es nunohne107Hiſtorie III. Buch. ohne dem der Gebrauch war /[d] einer nach dem andern ein Maͤhrlein oder andere Geſchicht erzehlen muſte / als wurde der Student gebeten / zu Ver - kuͤrzung der Zeit / ſeinen Lebens-Lauff zu entwerffen. Dann die Warheit zu geſtehen / ſo hatte an ſolchen Erzehlun - gen nicht allein die Edelfrau / ſondern auch ich und der Schreiber unſer gan - zes Vergnuͤgen / geſtaltſam wir dann oſtermalen die alten Bettler zu ſolchen Erzehlungen angehalten / und ihnen um einen Zweyer mehr ſpendirt.

Er fienge demnach an / und ſagte: Wol-Edle Frau / wann ich euch er - zehle / wie wunderlich es mir von Ju - gend auf ergangen / werdet ihr glau - ben / daß ich ein rechter Pall des Gluͤcks geweſen / mit welchem faſt alle Win - de geſpielet. Mein Vater war ein Soldat / und nahm̃ / unter dem Welt - bekanten Helden Koͤnigsmark / die klei - ne Seite zu Prag ein. Jn dieſer U - berrumpelung bereicherten ſich meine Eltern ein ziemliches / und weil meine Mutter dazumal mit mir hoch ſchwan - ger gienge / brachte ſie mich zu Pragauf die108Kurzweiligerauf die Welt / und muſte ſchon in der Jugend Pulver und Lunten riechen lernen. Nach bald darauf erfolgten Frieden kauffte ſich mein Vater ein Land-Gut in Heßen / alwo ich un - ter rechten Baurn-Flegeln auferzo - gen worden. Jch hatte noch eine Schweſter / die war etwas aͤlter als ich / dieſelbe ſtarbe zu unſerem großen Schaden / dann es hatte ſich ein E - delmann in ſie verliebt / welcher von großen Mitteln war / der hat uns faſt wochentlich in die funfzehen Reichs - Thaler Victualien ſpendirt. Neben uns zweyen Kindern hatte mein Va - ter noch ein Stieff-Sohn / welcher das Schneider-Handwerk gelernet / und in der Fꝛemde herum gezogen / weiß auch noch auf die Stund nicht / wo er anzu - treffen. Ungefaͤhr vor fuͤnf Jahren ſtarbe der Vater an der Waſſerſucht / und die Mutter fiele eine Stiegen ein. Dergeſtalten ward ich meinen Eltern beraubet / und ließen mich in einem rech - ten elend ſitzen / dann unerachtet ſie mir ſchon ein Baur-Gut zuruͤck gelaſ - ſen / kamen doch unterſchiedliche An -ſpꝛaͤche /109Hiſtorie III. Buch. ſpraͤche / einer da / der ander dort her / und / weil ich die Sache nicht verſtun - de / brachten ſie mich gar leichtlich um das Meinige. Ja was noch das uͤble - ſte war / meine eigene Bluts-Freun - de brachten mich um das meiſte / und ſchoben das Guͤtlein in ihren Sack. Das baͤſte war / daß mir der Vater einen Præceptoren auf dem Lande ge - halten / der informirte mich gar fleiſ - ſig im Latein / ob ſchon die Mutter lieber geſehen haͤtte / daß ich waͤr ein Schneider geworden / weil ihr Va - ter vier Jahr Koͤniglicher Leib-Schnei - der in Daͤnemark und Schweden ge - weſen. Mir haͤtte es zwar alles gleich gegolten / aber ich folgte doch endlich dem Vater / und griffe mich ziemlich an / brachte es auch durch ſechs Jahr dahin / daß ich nach dem Hinſcheiden der Eltern von meinen uͤbrigen Mit - teln auf ein Gymnaſium ziehen konte. Man thate mich zu einem Schul-Leh - rer in die Koſt / damit ich daſelbſt un - ter baͤßerer Obhut lebte; aber ich wur - de ſchlim̃er / als ob ich bey dem verhudel - ſten Stꝛumpf-Flicker waͤre im Quartirgewe -110Kurzweiligergeweſen. Jch muſte wochentlich zwey Guͤlden Koſt-Geld geben / und kan wol ſchweren / daß ich nit vor einen hal - ben Thaler / ganzer vierzehen Tage / zu Eſſen bekommen / dann der Koſt-Herꝛ ſagte / wann man maͤßig lebte / ſo koͤnte man baͤßer ſtudieren. Auf die Nacht gab er uns meiſtentheils Linſen / Nocken / Nudel und Ruͤben / zuwei - len war ein Stuͤcklein Fleiſch einer Fauſt groß darinnen / zuweilen auch eine Hand voll Speck-Haͤute / aber es waren unſerer gar zu viel darzu / alſo bekam ich oft das Gute nur zu verſu - chen. Nach dem Eſſen muſte ich ſtracks zo der Arbeit / und er ließe mir die Wo - che kaum drey Stunden ſpatzieren oder vor das Thor zu gehen. Er legte mich in ein Bett / darinnen mehr Stroh / als Federn waren / und im Winter muſte ich noch meine Kleider und Mantel darzu auf mich decken / wann ich an - ders vor dem Froſt habe wollen ſicher ſeyn.

Jch kan es hoch und theuer be - kraͤfftigen / daß mir die Magd inner - halb vier Wochen das Bette kaumdrey111Hiſtorie III. Buch. drey mal gemachet / und daß ich ihr auch die Stube und Kammer habe muͤßen ſcheuren und auskehren helffen. Es brauchte mich auch die Frau / den Braten umzuwenden / und wann ich ſolte in dem Syntax ſtudiret haben / mu - ſte ich unter dem Mantel Bier holen. Wegen der gedoͤrrten Hutzeln und Schlehen kan ich mich gar nicht bekla - gen / dann wir bekamen faſt taͤglich darvon zu eſſen / und wann wir dann noch ein wenig Saur-Kraut darzu hat - ten / ſo war das Mittags-Mal voll - endet.

Dieß Leben waͤhrete nicht gar lan - ge / als ich krank wurde / da legten ſie mich in einen Hauffen Lumpen / und kan wol ſchweren / daß oft in zwey Tagen kein Menſch zu mir gekommen / auſer meines Schul-Kammerrahtens / welcher eben ein Schuͤler war wie ich / und der auch um des Studirens willen bey dieſem Schulmeiſter verdingt war. Sein Vater war ein Zucker-Beck / dahero brachte er mir immerzu etwas von Confect mit ſich / und weil unſer Koſt-Herr ohne dem wenig Dienſt -Boten112KurzweiligerBohten hatte / beſtellete er dieſen / daß er mir aufwarten / und bey mir blei - ben ſolte. Was hat mir aber der ar - me Teufel groß nutzen koͤnnen? Er verſtunde die Krankheit ſo wenig / als ich / deßwegen war er bey mir nichts nutze / als daß wir einander angeſe - hen haben. Es wurde ie laͤnger ie ſchlimmer mit mir / und weiln mein Vormunder wegen meiner Krankheit auf dem Lande Bericht empfangen / ſchreibet er meinem Koſt-Herrn / daß er uͤber drey Tage bey ihm zuſprechen wolle. Als der Brief angekommen / legte man mich in ein uͤberaus-koͤſtli - ches Bette / und die Frau ſtellete Rings-herum die aller-koͤſtlichſten Waſſer aus ihrer Haus-Apotheke. Sie ſatzte ſich ſelbſt mit einem Fliegen - Wedel hinzu / und ſolcher Geſtalten kam der Vormunder in das Zimmer / und verwunderte ſich uͤber der großen Treu der Leute / ſo ſie an mir armen Schelmen bewieſen / verſprache ihnen auch / dieſe Dienſt-Leiſtung / nach aͤuſerſtem Vermaͤgen / gut zu machen / und darmit ſchiede er wieder davon. Sobald113Hiſtorie III. Buch. Sobald er aus der Stadt war / mu - ſte ich aus der warmen Stuben in mein altes Neſt / und wann mir von fremden Leuten aus der Stadt etwas zu Eſſen geſchicket ward / fraße mirs die Dienſt-Magd auf der Stiegen alle Zeit halb aus / und ſagte: Sie haͤtte es verſchuͤttet. Es war keine Betruͤgerey / welche ſie mit mir nicht vorgenohm̃en; Dann ſie verkauffete / Zeit meiner Krankheit / meine Ho - ſen und Wammes um ein Lumpen - Geld auf dem Troͤdel / und ſagte her - nach / es waͤre mir geſtohlen worden. Endlich wurde ich ſo krank / daß ich die ganze Nacht Ach! und Wehe! ſchrye. Die Koſt-Frau / welche gar ein ſubtiles Weiblein war / konte das Weh-Klagen nicht anhoͤren / deß - wegen muſte mir die Magd unter dem Dache droben ein Bette machen / welches ſie meiſten Theils mit Schin - del-Bretern zuſammen geklammert. Das baͤſte war noch / daß mir der Schuͤler die Zeit mit allerley Hiſto - rien-Buͤchern vertriebe / ſonſt wu -ſte ich114Kurzweiligerſte ich wahrlich nicht / wie ich mir ſol - che ſolle verkuͤrzt haben. Das Dach war allenthalben offen / deßwegen gien - ge der Wind Tag und Nacht auf mich / und wann es regnete / benaͤtzte es mich daß es taugte. Jch hatte einen klei - nen Puffer / den muſte mir der Schuͤ - ler verkauffen / und um daſſelbige Geld ließ ich mir einige Brat-Wuͤrſte bringen / die fraß ich in dem groͤſten Hunger in den Bauch hinein / und tranck Kovent darauf / das kneipte mich im Leibe / wie eine Feur-Zange. Wañ mein Herꝛ oder die Frau zu mir hinauf kamen / ſo fragten ſie mich / ob ich nicht bald wolte geſund werden / und dieſes war der ganze Troſt mit Wurzeln und Stengel. Zuweilen ſchickten ſie mir eine Bier-Suppe mit Kuͤmel gema - chet; das geſchahe die Wochen zwey - mal. Zuweilen kamen die rammlen - den Katzen / die trieben ihr Spiel hin - ter und vor mir / ſie ſprangen Creutz - Weiſe uͤber mein Bette / und weil ich mich vor großer Schwachheit kaum ruͤhren kunte: kratzten ſie mir Maul und Naſen wund. Wann ich meineNoht -115Hiſtorie III. Buch. Nohtdurf verrichten wolte / muſte ich auf einen Dach-Ziegel hofieren / und ſolchen hinunter auf die Gaße werffen. Jhr koͤnnet unmaͤglich glauben / wie langweilig mir die Zeit in dieſer Krank - heit geworden. Jnzwiſchen ſchickte der Vormunder zehen Thaler herein / da - vor ließ man mir Ader / und wurde in warmen Waſſer gebadet / auch muſte mir die Magd die Laͤuſe vom Kopf ab - kaͤmmen. Dieſes war der ganze Pro - ceſs. Jch wurde bald etwas baͤßer / und kam von mir ſelbſt / ohne medica - menten / zu rechte / aber von den zehen Thalern hatte ich keines Groſchens werth mehr zu genießen / auſer eines geflickten Paar Schuhes / welches ſie mir indeßen hatten doppeln laſſen. Die Frau hatte in deßen alle Bier - Suppen fleißig mit der Kreide ange - ſchrieben / und ſetzte ſolche alle in den Extra-Zeddul; da belieffen ſich die Un - koſten meiner Krankheit auf zwoͤlf Tha - ler / dahero muſte der Vormunder noch einen Ducaten herausgeben.

Nach dieſer Krankhelt durfte ich vierzehen Tage keine harte Arbeit mehrthun /116Kurzweiligerthun / und wurde mit Bier-holen / Holz-hauen / Auskehren und der - gleichen verſchonet / und weil ich wegen Schwachheit noch nicht zur Schulen gehen konte / muſte ich indeßen zu Hauſe ligen / und Gerſten klauben / Aepfel ſchaͤlen / Garn abhaſpeln / die Kinder wiegen / und dergleichen / da - vor gabe mir die Frau ein geſottenes Ey zum baͤſten / zuweilen auch einen Trunk braun Biers / und ein Stuͤcklein weiß Brodt oder Saͤmmel / aber kei - nen gebackenen Kuchen hat man ein ganzes Jahr lang geſehen / es ſey denn daß jhr einer / von einem Schuͤler / iſt verehret worden / da gab ſie iedem am Tiſch einen Brocken eines fuͤnf Centners groß davon / und dieſes war ihre hoͤchſte Freygebigkeit. Jch konte das harte lauſige Leben nicht laͤnger ertragen / zumalen ich in Sorgen ſtun - de / aufs Neue krank zu werden; dahe - ro ſchriebe ich meinen Zuſtand von Wort zu Wort auf / und ſchickte ſol - chen Brief dem Vormunder / bate auch benebens / daß er auf meiner Seite ſeyn / und mich von dem hartenLeben /117Hiſtorie III. Buch. Leben befreyen moͤchte / darauf brachte ers mit Manier dahin / daß ich nach ei - nem Vierthel-Jahr zu einem Edelmañ in der Stadt kame / daß ich daſelbſt ſei - nen kleinen Herꝛn im Leſen und Schrei - ben unterrichten ſolte.

Die Condition war an und vor ſich ſelbſt ſchon gut genug / aber es ſtri - chen keine fuͤnf Tag voruͤber / als ich ſchon ſpuͤrte / daß Monſieur Schmaal - Hañs bey dieſem Edelmann mit Haut und Haar ein-logirt war / denn er gabe ſo wenig / als der Schulmeiſter / zu fraͤſ - ſen / und was noch das ſchlimmſte war / ſo muſte ich allezeit dasjenige / was auf dem Tiſch uͤbergeblieben / auſ - fraͤßen / und darnach muſte ich mit den Kindern vier Stunden zubringen. Wann ich nur ein wenig krum̃ Maul auf ihn machte / ſo murrete die vom A - del / wie ein alter Gatter / hieße mich auch wol einen lauſichten Scher-Gei - ger und dergleichen / welches mir doch der Præcepror Claſilii noch nie gethan hatte. Mit ſolchem Titul beehrete ſie mich die erſten vier Wochen / aber darnach hieße ſie mich gar einenFBachan -118KurzweiligerBachanten / und wann ich etwan die Kinder mit der Ruthe ein wenig auf den Wam̃s-Aermel ſchluge / ſo kame ſie gar mit Flegeln und Baͤren-Haͤu - tern angeſtochen. Jhr Flegel! ſagte ſie / (mich meynend) laßet die armen Kinder ungeſchoren! Was iſt das ſtaͤ - te Kalmaͤuſern nutz? Man kan ihnen in Gutem mehr beybringen / als mit Carnuͤffeln und Schlagen! Hiermit riße ſie mir die Ruthe aus den Haͤnden / und wurffe ſie in den Ofen hinein. Jch ſaße da wie eine Lett-Feige / und muſte mich einen Tag nach dem andern ausfilzen laßen / daß ich mir endlich ſelbſt feind wurde / unterließ derowe - gen die Kinder zu ſtraffen / ſie maͤgten ſich anſtellen / wie ſie wolten; dann / ſagte die Frau: Laßet ihr mir die Kin - der ungeheyet / ſie ſind keine gemeine Bauern-Bengel / wie ihr und Eures gleichen / ſondern ſie haben zarte und adeliche Koͤpfe / ſie wollen hoͤflicher als mit Schlaͤgen tractirt ſeyn. Werdet ihr mir nur noch einmal eines mit dem Finger anruͤhren / ſo will ich euch das Loch weiſen / welches der Zimmermañim Hau -119Hiſtorie III. Buch. im Hauſe offen gelaßen hat. Jch merkte gar wol / was die Frau dar - durch zu verſtehen geben wollen / dero - wegen hielte ich mich ſehr vorſichtig / und die Kinder maͤgten lernen was ſie wolten / ſo fragte ich doch kein Haar darnach / bis ſie alles wieder vergeßen was ſie zuvor gelernet hatten. Der Herꝛ merkte den Fehler mehr als zu viel / aber er war ein rechter Weiber - Narꝛ / welcher ſeiner Frauen kein Wort vorſchreiben daͤrfte / wann er anders nicht gewollet / daß ſie ihm Schlaͤge gegeben. Dann ſie richtete ihn zuweilen aͤrger aus als mich / und weil ich mit den Kindern gleich an ih - rer Schlaff-Kammer anlage / hoͤrte ich ihme von der Frauen / faſt alle A - bend / in dem Bette / den Leviten leſen.

Du Lumpen-Hund / ſagte ſie / haſt m̃ich betrogen / wie ein Schelm! Erſt da du mich bewarbeſt / thateſtu ſchoͤne Kleider an / aber darnach muſt ich dir die Kraͤmer bezahlen; haſt mich alſo als ein Schelm hintergangen / und mich um das Meinige betrogen. DuF ijhatteſt120Kurzweiligerhatteſt vier Hemder / ſie waren alle nicht fuͤnf Groſchen werth / und koſte - ten mehr zu flicken / als du ſamt deinem Hab und Guth werth wareſt. Du biſt beynebens ein ſolcher Grobianus, daß ich mich deiner allenthalben unter den Leuten ſchaͤmen muͤßen / dann wann du ein wenig trinkeſt / ſo ſchmeißeſt du in die Hoſen / daß kein Menſch / vor Geſtank bey dir bleiben kan. Dein Vater hat fuͤnf Pirn-Baͤu - me / und daher muſte er ſich ſtracks zum Edelmann machen laſſen. Jch bilde - te mir ein Hauffen ein / was ich an dir vor einen wackeren Cavalir bekommen wuͤrde; Aber nun ſehe ichs / wie einen Schllngel ich bekommen / der nichts als fraͤßen und Sauffen / ſpielen und ſchlaf - fen kan. Die Fuͤße ſind dir voll Huͤ - ner-Augen / und farzeſt die ganze Nacht daß eins aus der Kammer weglauffen maͤgte. Ach! haͤtte ich doch den Peter Zimenius geheurathet! das iſt ein Ca - valir von Raiſon, der hat Qualitaͤten im Arſch / die du nicht im Kopf haſt! Ja! (ſagte der Edelmann darauf) ſo hab ich Qualitaͤten im Kopf / dieer nicht121Hiſtorie III. Buch. er nicht im Arſch hat? und fienge graͤulich daruͤber an zu lachen. Ach du Hunns-fut! (ſagte die Frau weiter) du meynſt / es ſey alles mit deinem Gelaͤchter ausgerichtet / aber / wie du neulich ins Scheiß-Haus gefallen / gelt! du konteſt das Lachen ver - beißen?

Der Edelmann wurde uͤber dieſen Vorwurf unwillig / und antwortete ihr mit gleichen Worten: Du Srahl - Hur / ſagte er / du haſt wol Urſach / dich ſo groß zu machen? Wie ich dich heyrathete / hatteſt du drey Kinder auf dem Halſe ſitzen / und nicht drey Gro - ſchen darzu; Wann dich deine ſeelig-verſtorbene Mutter nicht ernaͤh - ret haͤtte / du waͤreſt in deinem Wit - tib-Stande vor die Hunde gegangen / deinem vorigen Mann haſt du das Le - ben mit Zanken abgekuͤrzet / aber bilde dir nur nicht ein / daß du mirs auch thun werdeſt! Jch wolte dich erwuͤr - gen / und deinen Leib zu den Brat - Wuͤrſten in den Camin aufhaͤnken! Was liegt dir dran / daß ich farze? JſtF iijes nicht122Kurzweiligeres nicht baͤßer / ich entledige mich von denenſelben / als daß ich hernach drey - ſig Thaler in die Apotheke geben muß. Du Raben-Fell! wirffeſt mir meine Maͤngel vor / und biſt ſelbſt das ta - delhaftigſte Raben-Stuͤck in der gan - zen Welt! Du wareſt in deinem Wittib-Stande eine ſolche Erz-Hu - re / die faſt mit iedem Stall-Knechte zugehalten! Und du daͤnkeſt gewiß nicht daran / wie ich dich bey dem Mahler erwiſchet? Halt mirs Maul! oder der Teufrl wird lebendig werden! Jch ſage dirs zuvor!

Mit ſolchen und dergleichen Dis - curſen vertrieben meine Leute ihr mei - ſtes Leben / und zuweilen raufften ſie ſich gar mit einander / daß die Haare in der Stuben herum flogen; Dann die Frau war ſo giftig / daß ſie oft vor Zorn und Unwillen dem Herꝛn uͤber Tiſch das Fleiſch ins Geſicht hinein ſchmiße; Zu Weilen ſchluge ſie ihm auch eine Hand voll heißes Kraut in die Fraͤße / daß ihm daßelbe an der Naſe hangen blieben: Er hatte aber zu ſeiner Gegen-Wehr zwey hoͤlzerneTeller123Hiſtorie III. Buch. Teller an einem Strick gebunden / da - mit ſchluge er ſie im Haus herum / daß es knappte.

Je laͤnger ich nun bey dieſem Edel - mann bliebe / ie weniger lerneten die Kinder / ſondern fiengen an / allerley Schelmen-Stuͤcklein zu uͤben; Wañ ein Fremder ins Haus kame / der nach dem Herꝛn fragte / ſo hießen ſie ihn ei - nen Hunns-fut uͤber den andern / wur - den dann die Fremden unwillig / und ſchlugen den großen Sohn ein Bißchen auf den Kopf / da fienge der Galgen - Strick ein Geſchrey an / daß es taug - te; Wann ihn nun die Mutter der - geſtalten weinen und heulen hoͤrte / ſprange ſie in das Haus / und ſchaͤndir - te den Fremden aus / daß es nicht zu beſchreiben. Wann ſich dann derſel - bige entſchuldigen und ſagen wolte / daß ihm der Knabe darzu Urſache gege - ben / indem er ihn einen Hunns-fut ge - heiſſen / ſo ſagte ſie: Ey was? du biſt nichts baͤßers werth / du Schab-Hal - ſer / du Sperling-Fraͤßer / du Haͤ - rings-Naſe / du Brat-Wuͤrſt-Sche - rer / du lauſiger Tobaks-Bruder / wilſtF iiijdu Kin -124Kurzweiligerdu Kinder ſchlagen / ſo ſchlage deine Huren-Kinder / und laß mir meine jungen Herꝛn mit Frieden! du Pfeif - fen-Sack! Und in Summa / die Frau konte die fremden Leute anfahren / wie ein Baur-Hund die Land-Fahrer / da - her wurde mir gerathen / mich aus dem beſchreyten Neſt hinweg zu machen / und weil auf dem Land ein Prieſter zwey Kinder wolte informiren laſſen / wurde ich durch ſeinen Vettrr / welcher unſer Nachbar und ein Schuſter war / an ihn recommendirt / alſo begehrte ich von dem Edelmann meinen Ab - ſchied / aber er gabe mir keine andere Antwort / als daß ich mich noch ein halb Jahr bey ihm gedulden ſolle / dann wolte er mir einen halben Thaler ſchenken / und ſeine Frau ſolte mir ein Schnupſ-Salvet machen laſſen. Er wolte mir auch hinfuͤro alle ſeine alten Schue ſchenken / und mich mit ſich uͤber Tiſch ſpeiſen laſſen. Er hat - te mir ehedeßen eine ganz alte Peru - que gegeben / darinnen faſt die Maͤu - ſe geniſtet haben / dann wegen der Krankheit / ſo ich bey dem Schul -meiſter125Hiſtorie III. Buch. meiſter ausgeſtanden / giengen mir faſt alle Haar aus dem Kopf / deß - wegen wolt ich ſie auch aufgeſetzet ha - ben / ſo nur die Haar nicht ſehr von denen Maͤuſen und Ratzen zerfraͤßen geweſen / wie er aber geſehen / daß es mein gaͤnzlicher Ernſt ſeye hinweg zu ſcheiden / rechnete er mir Koſt / Bet - te / Waͤſche / Holz und Liecht / ſamt der gegebenen Peruque, auf funfzehen Thaler zuſammen / das ſolte ich ſchul - dig ſeyn / ihm wider des Teufels Dank zu bezahlen / als ich aber ſagte / die Rech - nung waͤre ganz ungereimt; und zum Theil aus dermaßen unbillich / ſchluge er mir den Buckel hinten und vornen ab / und jagte mich bey hellem Tage vor dem Hauſe in der Gaſſen herum / biß ich endlich zu des Pfarꝛ-Herꝛs Vet - ter / dem ehrlichen Meiſter Schuſter in den Laden entſprungen.

Vier Tage nach dieſem Scharmuͤz - zel gienge der Schuſter mit mir auf das Dorf zu ſeinem Herꝛn Vetter / den Prieſter / aber ich ſahe ſchon im Ein - gang des Pfarꝛ-Hofes / daß es lauſiger zugienge / als beym vorigen Herꝛn / dannF vder Pfarꝛ -126Kurzweiligerder Pfarr-Herꝛ ſtunde an meinem Fen - ſter gegen ſeinen Obſt-Garten uͤber / dort hatte der Wind eine faule Pirn von einem Baum auf die Straße her - aus geworfen / da ſchrye er immer wi - der einem Jungen / welcher die Pirn aufgehoben: Gieb mir die Pirn! Gieb mir die Pirn! Es gehoͤrt mir zu! Es gehoͤret mir zu! Sie iſt mein / du Gal - gen-Vogel! Laß mir die Pirn da! Alſo muſte der Junge die Pirn in den Pfarꝛ-Hof tragen / und der Prieſter ſtellete ſie ober der Thuͤr / als einen ſon - derlichen Zierrath.

Er hatte ein Haͤublein von abge - ſchabenem Leder auf dem Kopf / mit welchem er auch die Fliegen zu erſchla - gen pflegte / daraus konte ich ſpuͤren / an welchen Schuſter-haftigen Orth mich der Schuſter gefuͤhret haͤtte. Er hieße unß willkommen und niederſitzen / und als er mich wegen meines Stu - dierens examiniret / kame ein Weibs - Bild in die Stube / die hatte den Rock bis uͤber die Knye hinauf geſchuͤrzet; Sie gienge parfuß / und dahero ſahe man gar leichtlich / daß ſie muͤßte Miſtaufge -127Hiſtorie III. Buch. aufgeladen haben: Jhre Hemd-Aer - mel waren weit hienauf geſtollet / da - hero hielte ich ſie anfangs vor eine Dienſt - und Stall-Magd / aber nachdem ſie die Haͤnde gewaſchen / ge - het ſie herzu / und ſagte: Seyd mir willkommen / Herꝛ Vetter! Daraus verſtunde ich / daß ſie die Prieſterin war. Jch kan nicht ſagen / wie ſehr ſie vom Miſt ſtanke / und / deßen unge - achtet / ſatzte ſie ſich doch bey uns nie - der / und redete allerley Sachen mit ihrem Herꝛn Vetter / dem Schuſter. Es muſte entweder an dem Pfarꝛ-Herꝛ oder an dem Meiſter Fritzen viel gele - gen ſeyn / weil ſie immer von dem Koͤ - nig in Engeland redeten / und dieſes waͤhrete ſo lange / bis der Abend herbey kame. Jch hoffte immer / es wuͤrde die Magd kommen und aufdecken / aber ſo wenig ich eine zuvor geſehen hatte / ſo wenig ſahe ich eine darnach; Dann die Frau war Prieſterin / Kuͤchen - und Stall-Magd zugleich / und als ſie das Liecht angezuͤndet / fꝛagte uns der Pfarꝛ - Herꝛ / ob wir etwas zu Eſſen mit uns genommen haͤtten? Als ich aber ſol -F vjches128Kurzweiligerches verneinet / ſchnitte mir die Frau ein Stuͤck Brodt ab / und den zweyen Kindern gabe ſie 8 Zwetſchken-Pflau - men; dann es war dazumal im Herbſt - Monat / und der Pfarꝛ-Herr ernaͤhrete ſich mit Obſt / wie ein Bauer / weil er faſt in die vierzehen Gaͤrten hatte. Er ſelbſt zoge eine halbe Knack-Wurſt aus der Fick hervor / und theilete ſeinem Vetter mit / die Frau aber ſatzte ſich auf die Ofen-Bank / und wunde Garn ab. Solcher Geſtalten verrichteten wir die Abend-Malzeit / und ich glaubte / es muͤſte etwan in dem Dorf ein abſonder - licher Faſt-Tag ſeyn; aber hernachmals erfuhre ich / daß es taͤglich ſo zugangen / und deßwegen wolten weder Knecht noch Magd bey dieſem Pfarꝛ-Herꝛn dienen.

Jch war nicht gar drey Tage bey ihm / als ich wieder gern davon waͤre / ie - dennoch brachte mich meine curioſitaͤt weiter / als es ſonſten mein Willen geweſen / weil ich all mein Leb-Tage gern um ſolche Erz-Schab-Haͤlſer ge - weſen / damit ich mich uͤber ihre Thor - heiten ergoͤtzen / und ein Exempel neh -men129Hiſtorie III. Buch. men koͤñen / aller derjenigen Sachen / die den Menſchen wol und uͤbel anzuſtehen pflegen. Dergeſtalt uñ aus dieſen Urſa - chen reſolviꝛte ich mich / bey ihm ſo lange zu bleibẽ / bis ich ihm nichts mehr wuͤrde zu obſerviren haben Aber in der erſten Woche wurde ich ſchon gewahr / daß ich ſo viel nicht merken konte / als er bege - hen wuͤrde / dann es war ein uͤberaus artlicher Mann / als ich noch einen auf Erden geſehen.

Wann ihm ein Bauer beichtete / und der Pfarꝛ-Herꝛ wuſte ein loſes Stuͤck / daß er zuvor begangen / als mit Rauffen / Schlagen / Zanken und Voll - ſauffen / ſo ſtraffte er ihn um eine Gans; war aber das Verbrechen groͤßer / ſo muſte er ihm 2 bis 3 Huͤner geben. An ſtatt des Beicht-Pfeñigs muſten ſie ihn ſamt der Frauen / Kinder und mich tra - ctiren / und auf eine ſolche Weis bekam ich noch zu eſſen genug / denn das Dorf war groß / und es beichteten faſt monat - lich ihrer 10 Baurn / dahero gab es noch zimliche Schnap-Bißlein; ich hab mich oft verwundert / warum ſeine Schue nicht zerrißen / aber hernach hoͤrte ichvon dem130Kurzweiligervon dem Dorf-Schmied / daß er ihm ſolche geſchmiedet haͤtte / und weil es der Pfarꝛ-Herꝛ mit ſchwarzem Filtz ver - leiſtert / konte man das Eiſen weder ſehen noch hoͤren. Er verkauffte ſei - nen Miſt Schauffel-Weis / und wer ihm ein Fuder abkauffte / dem ſchankte er vor zwey Pfennige Brandt-Wein / und wann Bettler vor den Pfarꝛ-Hof kommen / ſo wartete er ſo lange / bis ihrer ſechs oder acht waren / als dann fuͤhrete er ſie in den Garten / da muſten ſie ihm Aepfel / Pirn / Nuͤße / Zwetſch - ken / Pflaumen / und dergleichen ablan - gen / darnach ſchenkte er ihnen ein Stuͤck Brodt / und machte dardurch die Bettler ſo ſcheu / daß ſich gar ſel - ten einer im Dorfe antreffen ließe.

Es daͤrfte kein Spiel-Mann / ohne ſein Erlaubnuͤß / in dem Dorf einen Tanz aufgeigen / und wann er die Frey - heit erhielte aufzufideln / ſo hatte er ge - wieß ein Paar Groſchen daran ſpendi - ren muͤßen / ſonſt h[]tte er das Privile - gium ſchwerlich erhalten.

Er ſchickte in dem Dorf gewiße Leute aus / die muſten allenthalben aus -ſpren -131Hiſtorie III. Buch. ſprengen / als hielte ſich in dem Pfarꝛ - Hof ein ſchroͤckliches Geſpenſt auf / und dergeſtalten wurden gar viel erſchroͤk - ket / daß ſie bey ihme nicht einkehreten. Wann ein fremder Student vor die Thuͤr kam / und ein Almoſen forderte / muſte er ihm allezeit zwey bis drey Bo - gen abſchreiben / alsdann gab er ihm einen Dreyer / und ließ ihn wieder lauf - fen. Wann es regnete / und der Pfarꝛ - Herꝛ ſolte uͤber Feld gehen / ſo muſte ihme der Kuͤſter ſeinen Rock leihen. Einsmals hatte ich keine Schreib-Fe - der / da riße ich einer Gans eine Kiehl aus / als er ſolches gewahr wurde / muſte ich ihm / widers Teufels Dank / eine andre Gans verſchaffen / ich maͤgte ſie auch nehmen wo ich wolte. Vor die - ſem dienete ihm ein Knecht / dem gab er vor ſeine getreue Dienſte ein Paar alte Pantoffel. Kein Menſch wird mit Grund der Warheit ſagen koͤnnen / daß er ihm nur einen Pfennig geſchenket. Als er noch auf der Univerſitaͤt ſtudir - te / wolte er nicht gerne Geld ausge - ben / die Collegia privata zu hoͤren / dingete ſich derohalben in eines Profes -ſoris132Kurzweiligerſoris Haus / und bohrte ein Loch durch die Wand / dadurch er die Lection hoͤ - ren und umſonſt obſerviren koͤnnen. Er iſt ſo geitzig / daß er den Camin ſelbſt keh - ret / und ich hab ihn oft aus - und angezo - gen / auch zu weilen die Leiter gehalten. An ſtatt der Leuchter laͤßet er große Ru - ben auf den Tiſch ſtellen / in welche man die Kerzen ſtecket / aber ſonſt brennt er das ganze Jahr nur Spreitzen-Liechter. Er hat gar viel Reguln geſchrieben / welche ich den zwey Kindern von Ju - gend auf beybringen muͤßen / unter andern waren die meiſten von der Sparſamkeit / daß naͤmlich der Menſch das ganze Jahr nicht mehr als zwey Braten eſſen ſolte / und was dergleichen Poßen gar viel waren.

Er hat mir oft geſagt / daß er durch die Zeit ſeines Lebens nicht mehr / als drey Kleyder getragen. So geitzig er aber war / ſo war doch ſeine Frau noch geitziger / dann wann ſie auf eine Hoch - zeit gienge / ſchobe ſie allezeit ſo viel ein / davon ſie vierzehen Tage zu eſſen hat - te. Sie that alle Haus-Arbeit ſelb - ſten / und der Pfarꝛ-Herꝛ ſchnitt Stroh vor die Kuͤhe.

Es133Hiſtorie III. Buch.

Es wohnte in dem Dorf ein Wirth / der war um kein Haar baͤßer / und ſie wetteten einsmals um einen Thaler mit einander / welcher geſparſamer ſeyn koͤnte / da fiengen beyde Partheyen an ſo lange zu faſten / bis ſie ausgeſehen / wie die Zaunſtecken / und endlich zu eſ - ſen genoͤthigt wurden.

Uber ſolch ſchaͤndlich Leben hatte ich billich Abſcheu / derowegen forderte ich meinen Abſchied / und weil ich ſeine Kargheit zuvor ſatſam erfahren / ge - trauete ich mir nit um einen recompens oder viaticum anzuhalten. Jedennoch gab er mir / wider mein Verhoffen / eine halbe Knack-Wurſt mit auf den Weg / nebenſt einer recommendation an alle umligende Dorfſchafte / die ich aber au - ſer den Dorf zerrißen / dañ ich wuſte wol daß man mir ſeinet wegen wenig ſchen - ken wuͤꝛde / wo ich aber hingekom̃en, mu - ſte ich von ſeinem Wandel etlich Stuͤck - lein erzehlen / da ſpendirten ſie mir / als einem Hiſtoriſchen Betler voll-auf / und von dar kom̃ ich nun hieher ins Schloß / weil ich vergangen weitlaͤuftig verſtan - den / welcher Geſtalt meine Wol Edle Fꝛ. geſon -134Kurzweiligergeſonen ſeye / einen Præceptor aufzu - nehmen. Stehet ihr nun meine we - nige Perſon an / ſo verſpreche ich allen Fleiß anzuwenden / damit ſie von mei - nem Thun ſatſames Vergnuͤgen haben maͤge.

Dieſe artliche Erzehlung des Stu - dentens hat uns ziemlich ergetzet / und der Schreiber fande ihn in dem Latein nicht ſeucht-gegruͤndet / ſondern viel ge - lehrter als er ſelbſten war / deßwegen riehte er der Frauen / ſolchen anzunehm - men / und mich ſeiner Information zu unterwerfen. Auf eine ſolche Manier tractirte der Studioſus allerley Lectio - nen mit mir / und brachte mir das La - tein / mit ſonderlichem Vortheil / bey. Dieſes mein Studieren waͤhrete vier ganzer Jahr / als ich ſchon anfienge ei - ne Oration zu ſchreiben und aus der Philoſophie zu disputiren. Zwiſchen der Zeit kam ein recht ſchoͤnes Puͤrſch - lein vor das Schloß / und weil es der Edelfrauen an einem Kammer-Diener manglete / welcher neulich geſtorben war / nahm ſie dieſen auf / und alſo pflogen wir ſehr gute Vertraͤulichkeitzuſam -135Hiſtorie III. Buch. zuſammen / weil unſer humör nicht uͤber drey Schweitzer-Meilen von ein - ander waren.

Einsmals bekam ich Luſt meine El - tern zu beſuchen / und dahero offenba - rete ich mein Verlangen der Edlfrauen / damit ſie mir zu ſolchem Vorhaben be - huͤlfliche Hand leiſten maͤgte. Wir hatten ein alt Paar Schind-Mehren in dem Stalle ſtehen / ſo ohne dem das Futter vor die lange Weil hinweg ge - fraͤßen / dieſelben ſtellete ſie mir frey zu gebrauchen: Weil ich aber nicht fah - ren wolte / nahm ich den Studenten mit mir / und alſo ritten wir die Straße elend genug / weil wir an denen Pfer - den immer zu ſchmeißen und zu ſchlagen hatten. Dieſe elende Reuterey waͤh - rete nicht gar neun Stunden / als wir in eine Stadt angelanget / alwo man uns berichtet / daß morgen einer wuͤrde geradebrecht werden / weil er ſchon vor etlichen Jahren einen auf oͤfentlicher Straßen erſchlagen haͤtte; und als ich etwas genauer nachforſchete / ſo war eben dieſes der Todt-Schlag / von wel - chem ich zuvor gemeldet / daß er beyeiner136Kurzweiligereiner Creutz-Seule ſolle voruͤber ge - gangen ſeyn / derowegen entſchloß ich mich / den armen Suͤnder im Gefaͤng - nuͤß zu beſuchen / und zu ſehen / wie er ſich zum End-Urtheil anſtelle. Der Stu - dent war ein halber Stern - und Hand - Gucker / deßwegen hatte er ſonderliches Verlangen die Phiſiognomie des male - ficanten zu betrachten / leiſtete mir alſo Geſellſchaft / und es ſchlugen ſich noch zwey andere zu uns / von welchen man geſaget / daß ſie ſchon ins dritte mal ſollen den Staup-Beſen bekomen haben. Wir ließen es immer gut ſeyn / und giengen alſo vergeſellſchaftet in die Cuſtodie / muſten aber gleichwol dem Schergen ein Trink-Geld geben / daß er uns zu dem armen Suͤnder gefuͤh - ret. Der elende und zu einem ſo ſchmerz - lichen Tod verdam̃te Menſch ſaße in einer finſtern Ecke auf Stroh an Haͤn - den und Fuͤßen mit ſehr ſtarken Ketten geſchloßen / er hatte vor ſich ein Gebet - Buch ligen / dahero hatte ich ſehr gutes Vertrauen zu ſeiner Bekehrung / und fragte ihn: Woher er waͤre / und wie er in dieſes große Ungluͤck gerathen? Lieber137Hiſtorie III. Buch. Lieber Herꝛ! (gabe er zur Antwort) fragt nicht / wie ich in ſolchen Labyrinth gerathen ſeye; Die Urſach iſt meine ver - derbte Natur / der hab ich allzu freyen Paß gelaßen. Jch bin ſonſt ein gebor - ner Schwed / und habe mich meiſten - theils im Krieg aufgehalten. Leztens fuͤhrte ich eine Kraͤmers-Tochter mit / und nachdem ich ziemlich mit ihr gehu - ret / ehelichte ich ſie in hieſigen Landen / wurde ihrer aber gar bald ſat / und da - hero lieff ich von ihꝛ hinweg / und geſellte mich zu dem leichtfertigſten Beutel - Schneidern / die in der ganzen Welt wol die allerſchlim̃ſten waren. Jch lebet etwan 8 Wochen unter ihrer Rott / und ſie hießen mich den Ober-Pamphilius, weil unſer eine ganze Karte war. Nach ſolchen 8 Wochen wurden unſer 9 zu - gleich gefangen / weil wir uns in einem Kirchn-Raub gar zu bloß gegeben hat - ten: 5 wurden davon gerichtet / aber un - ſer 4 brachen aus / und lieffen im̃er zum Land aus was giebſtu was haſtu. Aber die 3ie Woche darnach traff ich un-ver ſehens mein Weib wieder an / und weil ſie mich ſtracks kañte / verklagte ſie michbey des138Kurzweiligerbey des Orts Obrigkeit / muſte ſie al - ſo aufs neue zu mir nehmen / und als ich mit ihr in einen Buſch kame / trieb ich mit ihr voriges Handwerk / und erwuͤr - gete ſie mit einem Schnupf-Salvet. Nach dieſer That kehrete ich wieder zu ruͤck / und ſuchte Weg und Steg mich aus dem Staub zu machen. Nicht lange darnach kame ich zu einem Edel - mann auf ein Schloß / und machte mich zu ſeinen Kammer-Diener / weil ich die Franzoͤſiſche Sprache ziemlich parliren konte / ich gienge aber ein wenig zu na - he an ſeine Frau / deßwegen muſte ich mich davon machen / ſonſt haͤtte er mir mit einem Piſtol den Reſt gegeben. Er ſchriebe mir als einem Schelm nach / und als ichs innen worden / begab ich mich zuruͤck an das Schloß / verkleidete mich in Bettlers-Habit / und zuͤndete ihm Abends den Edel-Sitz an / aber der Wind ware meinem Vorhaben ganz contrar, ſonſt haͤtte ich ihn bis auf das Hemde abbrennen wollen. Man kriegte mich gefangen / aber ich erſchluge einer Nacht den Bittel / und ſeinem Weib ſchnitte ich die Kehle ab /damit139Hiſtorie III. Buch. damit macht ich Staub-aus / und be - ſtahle noch ſelbigen Abend einen Korn - Haͤndler / von demſelbigen Geld ließe ich mich wacker kleiden / und machte in einer Stadt drey Frauen Perſonen zu - gleich ſchwanger: Die Erſte war ſehr reich; Die Andere ſehr ſchoͤn; Und die Dritte verſtaͤndig / aber arm; Als ich aber von der reichen die baͤſten Sachen geſtohlen / lieffe ich abends davon / und kame noch auf ein Dorf / darinnen ich mich mit einem Metzger gerauffet / und ihn mit dem Brodt-Meſſer in die Sei - te geſtoßen / daß er uͤber die Bank hin - unter fiele. Jch wurde an dem Ort angehalten und gefangen geſetzet / aber in der Nacht brache ich zu einer Kuͤchen durch den Camin aus / und ließe mich an einem Strick uͤber das Dach ab.

Vor Tages bekame mir ein Prie - ſter / welcher uͤber das Feld gienge / auf einem andern Dorf zu predigen / den raubte ich aus / fande aber nichts bey ihm / als ein Paar Sechzehen-Gro - ſchen-Stuͤcke / ſamt einem ſilbernen Loͤf - fel. Jch nahm ihm ſeine Kleider / und legte ſolche uͤber meinen Leib / gabe michauch140Kurzweiligerauch allenthalben vor einen Magiſter aus / bis ich an einen Ort kame / alwo der Wiꝛth / ſo mich beherberget / ein Keꝛn von einem Dieb war / er merkte flugs / von was von einem Schroht und Korn ich war / deßwegen machten wir Kam - merrahtſchaft zuſammen / und er gabe mir gute Anleitung / zu einer Diebs - Geſellſchaft zu kommen / welche ſich im naͤchſten Wald / in der Affen-Grube genant / aufzuhalten pflegten. Er kante ſie alle / wuſte auch ihre Namen / und zeigte mir ſie zum Theil abgemahlt / auf daß ich ſie deſto baͤßer kennen ler - nete. Hiermit gab er mir einen Brief an die loͤbliche Compagnie / und bate mich / hiervon reinen Mund zu halten / er wolte in ſeinem Hauſe ſchon Gelegen - hei machen / damit wir gute Particul hinweg partiren koͤnten. Jch hielte dieſen Vorſchlag vor ein abſonderliches Gluͤck / nahme derowegen den Brief mit großem Vergnuͤgen / und gienge damit in die Affen-Gruben.

Dieſer Ort lage etwan eine halbe Stund auſer der Straßen-Herberge / und ich verwundeꝛte mich / daß ſie in die -ſem grau -141Hiſtorie III. Buch. ſem grauſamen finſtern Wald ſo viel Leute aufhalten ſolten. Sie hatten in ihren Loͤchern / gewiße Spiegel / vermittelſt welchen Sie die Leute auf der Straßen erſehen koͤnnen; Dero - wegen wurde ich bald von ihnen ange - packet / und / zum Schein ihrer Schalk - heit / forderen Sie erſtlich nur eine Reuter-Zehrung von mir; Dann Sie gaben ſich vor abgedankte Sol - daten aus / und zogen ſehr zerlumpet daher. Es waren ihrer fuͤnfe / und / allem Anſehen nach / ſtark genug / ei - ne gute Anzahl Menſchen aufzureiben. Als ich aber ſagte: Jch waͤre ſelbſten des Almoſens baͤßer / dann Sie / von noͤthen / zoge der Erſte ſeinen Dolch hinter dem Rock hervor / und wolte mir mit demſelben in Leib. Jch aber zoge den Brief heraus / und verrich - tete ihnen / von dem Wirthe / den befohlenen Gruß.

Sie ſtutzeten alle uͤber dieſer mei - ner Poſt; Aber als Sie den Brief durchgeleſen / fuͤhreten ſie mich mit ſich in die Affen-Gruben / alwo ich de - nen andern einen Eyd ſchwoͤren muͤſ -Gſen /142Kurzweiligerſen / ihnen getreu und redlich zu ſeyn. Die Gelegenheit diſer Wohnung war ſowol von Menſchen als wilden Vieh ſehr ſicher / dann es beſtunde in einem finſtern / felſigten Graben / alwo wir durch gewiße Loͤcher aus - und einſteigen koͤnnen. Wir hatten gewiße Regeln / nach welchen wir unſer Leben anſtellen muſten / und ſolche uͤberlaſen wir faſt alle Morgen an ſtatt des Morgen-Se - gens. Jch kan ſchwoͤren / daß keiner dazumal an das Vater-Unſer gedacht / geſchweige dann daßelbige gebetet ha - be / aber von Blut-Gierigkeit ſteckte unſer Herz ohne Unterlaß voll / mit Kur - zem zu ſagen: Unſer Leben war recht Teufliſch; denn wir erſchlugen oft in einer Woche zwanzig Perſonen / ſie moͤchten gleich etwas bey ſich haben oder nicht: und wann wir ſpieleten / ſo war es um nichts / als um eine Men - ſchen-Haut zu thun / wer nun verſpie - let / muſte auf der Straße ſo lang lau - ren / bis er einen erwiſchen / und mit ſich anhero bringen maͤgte. Nach dieſem kam einer von Adel zu uns / ſo nicht baͤßtr als wir war / derſelbe gabe uns ei -ne Hey -143Hiſtorie III. Buch. ne Heyraht mit einer Edelfrauen an / und weil wir der Edelfrauen Schweſter bey uns hatten / und ſie vor eine Hur gebrauchten / kleideten wir ſie aus als eine Bettlerin / und ich ſtellete mich an als ein reicher Braͤutigam vom Adel / verehlichte mich auch mit der Frauen auf einem Schloße / aber nach einem halben Jahr verließe ich ſie in der Nacht / uud ſtahle ihr alle ihre Sach. Dieſes trieben mir nicht in der Affen - Gruben allein / ſondern auch in der vor - beſchriebenen Straßen-Herberge / dañ wann in ſolche / fremde Leute[ankamen] / die was im Vermaͤgen hatten / berichte - te uns ſolches der Wirth durch ſeinen Hauß-Knecht / der eben ein ſo gottloſer Geſell / als wir alle waren; alsdann kleideten ſich unſer ſechſe wie die Cava - lir an / ließen uns in dem Gaſt-Hof als reiſige Graven anmelden / unſere Die - ner trugen die ſchoͤnſte Liberey / und an Geld mangelte es uns keines Weges / unſerm Vorgeben ein Anſehen zu ma - chen. Der Wirth ſtellete ſich auch ganz fremd an / und was er nur verrich - ten konte / das unterließ er keines WegsG ijuns144Kurzweiligeruns verborgen zu halten. Jn der Nacht ließen wir dann zwey bis drey Pferde in dem Hofe ledig lauffen und baten die Fremden / uns behuͤlfliche Hand zu leiſten / daß wir ſie wieder fangen moͤchten. Jndem fie nun mit ſolchen in dem Hofe herumb lieffen / nahmen unſere Leute die Kuffer und Felleiſen weg / und der Geſtalten wolte niemand um das Entwendete wißen / wolten ſie mit dem Wirthe noch viel expoſtuliren / ſo wieſen wir ihnen bald die Thuͤr. Und der Geſtalten kame mancher ehrlicher Kaͤrl durch uns um das Seine. Zuweilen kleideten wir uns auch an / als die Pfaffen / und in - deme ſichs die Gaͤſte am wenigſten ver - ſahen / banden wir ihnen Haͤnde und Fuͤße / und ſolcher Geſtalten wiſchten wir mit ihrem Gut davon. Jch haͤtte auch wol ein ganzes Jahr lang genug zu erzehlen / ſo ich alles vornehmen wolte / was Abentheuer wir mit de - nen Leuten getrieben.

Aber auch dieſes Leben hatte keinen Beſtand / dann der Wirth wurde einsmals unverſehens uͤberrumpelt /und vor145Hiſtorie III. Buch. und vor Gericht gebracht / alwo er nicht nur allein ſein heimliches Ver - ſtaͤndnuͤß mit uns gerne bekant / ſon - dern uns noch darzu alle mit Namen aufgezeichnet / auch den Ort genennet / wo und in welcher Gegend wir uns auf - gehalten. Er wurde hierauf mit gluͤen - den Zangen gerißen / und aufs Rad ge - leget / und es waren unſer wol zwey Duzent bey ſeiner Hinrichtung / in al - lerley Habit verkleidet / hatten auch un - ſere Hoͤlen ſchon verlaſſen / weil wir wol merken konten / daß die Obrigkeit keines Weges feyren wuͤrde / unſer Reich zu verſtoͤren / und uns mit graͤu - licher Straffe zu belegen.

Nach dieſer Juſtitz begabe ſich einer da - der ander dorthin / dann wir hatten keinen Platz mehr / uns ſicher beyſam̃en aufzuhalten / deßwegen begab ſich einer in eine Stadt / der ander in ein Dorf / uñ der dritte gienge ſonſt ſeiner Handthie - rung nach. Jch hatte es in der Affen - Gruben ſchon gewohnet / mein Hand - werk mit Auspluͤnderung und Todt - ſchlagung der Leute zu treiben. De - rohalben nahme ich einen meinigerG iijKam -146KurzweiligerKammerrahten / ſo ehedeßen in unſe - rer Geſellſchaft der Hering-Haͤnſel iſt genennet worden / zu mir und aufs neue den alten Ort in der Affen-Gru - ben zu bewohnen. Wir waren ganz alleine / aber wegen des uͤblen Ruffes getraueten wir faſt die dritte Woche keinen Angriff zu thun. Endlich wag - ten wirs bey der Nacht / und brachten gar bald in die ſiebenzig Reichs-Thaler zuſammen / ſamt koͤſtlichen Kleidern und andern reiſtgen Gewehren. Wir waren Stahl-Eiſen-feſt / deßwegen waren wir vor Schuß und Hiebe ſicher / und man maͤgte eine Kunſt haben auf - zuloͤſen / wie man wolte / ſo war doch unſer Feſtigkeit viel vortrefflicher. Die Sicherheit dieſer Sache machte uns trefflich keck / alſo / daß wir endlich auch bey Tage ausgiengen. Jn der fuͤnften Woche kame / tief in der Nacht / etwas in unſere Hoͤle / wir hoͤreten gar bald / daß man ein Liecht aufſchluge; ich und der Hering-Haͤnſel verſtecketen uns in dem Dunkeln / ſo gut wir konten / und als das Liecht angebrennet war / ſahen wir einen aus unſeren Kammerrathen /welchen147Hiſtorie III. Buch. welchem wir den Namen Piſtol-Hulf - ter gegeben / darum / weil er mit einer Piſtol-Hulfter einer Zeit zwey Fr[a]u - ens-Perſonen todt geſchlagen / und als wir ihn von Ferne angeredet / ſahe er ſich ganz ſchrockenhaftig um / aber wir lachten ſeine Sorge aus / und verbur - den uns aufs neue zuſammen / allerley Schelmen-Stuͤck auszuuͤben / und un - ſer Leben der ganzen Welt durch grau - ſam̃e Handlungen bekant zu machen.

Jch wolte wuͤnſchen / daß iemand meinen Lebens-Lauf in den Druck brin - gen wolte / damit doch die Nach-Welt von meinen ſo moͤrderiſchen Thaten ei - nen Abſchaͤu haben maͤgte / und ſehen koͤnten / daß alle Sachen nur eine Zeit lang waͤhren. Dieſes Spruͤch - Wort wurde auch an mir armen Schelmen wahr; dann wir kamen al - le drey unverſehens in Verhaft / weil wir in heimlich gelegten Schlingen ge - fangen / und in einen tieffen Thurn ge - worffen wurden. Dazumal bekam ei - ne junge Fuͤrſtin ihren erſten Prinzen / und aus dieſer Urſach wurden alle Ge - fangene los gelaſſen / in Anſehung aberG jvunſe -148Kurzweiligerunſerer großen Laſter gabe man uns den Staup-Beſen / und ließe uns da - mit lauffen.

Dieſe Straffe dienete uns nicht zur Baͤßerung / ſondern war vielmehr eine Urſache die wir uns ſelbſten zum Mißbrauch wiedmeten / indeme faſt kein Tag voruͤber geſtrichen / da wir nicht oͤffentliche Straßen-Raube be - gangen. Der Piſtol-Hulfter wurde in einem Korn-Felde erwiſchet / als er eine Magd noht-zwingen wolte / und deßwegen hiebe man ihm nur eine Hand ab / und brante ihm ein großes Mal an die Stirn. Dieſes Zeichen machte uns eine Vorbedeutung unſers zukuͤnftigen Ubels. Man forſchte uns allenthalben nach / aber ich entlieff von beyden / gar einen weiten Weg / bis ich mich in einer Stadt vor einen Sprach-Meiſter gebrauchen lieſſe. Daſelbſten nun ſchlieffe ich bey einer Schneiders-Tochter / und muſte ſie wider meinen Willen zum Weibe ha - ben / aber ich vergabe ihr gar bald mit Gift / und lieffe wider meinen Weg / daß es taugte / bis ich endlich in einCloſter149Hiſtorie III. Buch. Cloſter gienge / unter dem Schein Buſ - ſe zu thun. Jch beſtahl aber daſelbſt die Prælatur ſamt der Kirche / und ſchwamme in der Nacht uͤber ein tieffes Waſſer / zoge auch das geſtohlene Zeug alles an einer Schnure nach mir / und verpartierte da ein Stuͤck / und dort wieder ein Stuͤck. Es war faſt keine Provinz in ganz Teutſchland und Frankreich uͤbrig / die ich nicht durch - loffen hatte / derowegen durfte ich mich an vielen Orten nicht mehr ſehen laſ - ſen / weil ich allenthalben gar zu bekant war. Jch kame endlich zu zweyen Frey-Herꝛn auf ein vortreffliches Schloß / mit dieſem reiſete ich / als ein Hof-Meiſter in die Laͤnder / und verleitete ſie zu allen Mißhandlungen und Untugenden. Sie brachten nichts mit ſich zuruͤck / als die Kunſt zu fraͤßen / ſauffen / huren und ſpielen / und dannoch glaubten ihre Eltern / ich haͤt - te meine Sache gar ſtattlich ausgerich - tet / und recommendirten mich dañen - hero auf ein ander Schloß / zu einem wackern vom Adel / der hatte eine aus der Maßen qualificirte uñ ſchoͤne Frau. G vJch150KurzweiligerJch hatte wenig Mittel mehr uͤbrig / dahero beſtahl ich einen beyligenden Ritter-Sitz / und raubete daſelbſt der Wittibe alle ihre Kleynodien / Ketten / und Silber-Geſchmeide bey Wuꝛzel uñ Staͤngel hinweg / dann ich hatte mich gleich einem Berg-Mann verkappet / und war reſolvirt / demjenigen / ſo mir entgegen kommen wuͤrde / mit einem Terzerol in die rampanie zu brennen. Mit dieſem Geld konte ich meinen neu - en Hofmeiſter-Stand trefflich praͤchtig halten; machte mir alſo durch dieſes Mittel gute Gelegenheit / an die junge Edelfrau zu kommen / aber ich getraute mir ihr keines Weges meine Meynung zu verſtehen zu geben / weil ich niemaln hoͤflicher umgangen / als wann ich mit Frauenzimmer zu thun hatte. Aber nach lang gehabter Muͤhe und Herum - ſchweiſſung machte ich mir die Einbil - dung / daß ich ihr wenig genießen wuͤr - de / entſchloße mich derowegen / den Herꝛn ums Leben zubringen / paßete dahero auf der Straße unter dem Buſch auf / weil er daſelbſt ſeine Ge - ſchaͤfte zu perrichten / voruͤber reiſenmuſte.151Hiſtorie III. Buch. muſte. Er hatte Niemand dann ſei - nen Knecht bey ſich / und ich ſchoße ihn hinterruͤcks mit einer Muſqueten / daß er uͤber das Pferd abſtuͤrzte. Der Knecht entkam mir / weil ich nicht mehr zu ſchießen hatte / aber mit meinem De - gen hab ich ihn ziemlich zerfetzet und zer - hauen. Jch gabe die Flucht / aber die Liebe / ſo ich zu ſeiner Frauen truge / lieſ - ſe mich nicht gar weit aus dem Lande ziehen / deßwegen hatte die Obrigkeit keine ſonderliche Muͤhe / mich zu erha - ſchen / weil ich / als ein Pfaff verkleidet / mich unterſtanden in ihr Haus zu ge - hen. Daſelbſten machte ich mich ihr offenbar / und ſie ließe mich auf freyem Fuße haſchen / und von der Zeit an bin ich hieher in das Ober-Gericht gelie - fert / und an dieſe Faͤßel geſchloßen worden / und morgen wird man mit mir verfahren / wie ichs ſchon lang ver - dienet.

Wir verwunderten uns uͤber die wunderliche Geſchicht ſeines ſo boͤſen und Laſterhaften Lebens / und verſtun - den gar ausfuͤhrlich / daß dieſer gottlo - ſe und liederliche Menſch eben derjeni -G vjge ſeye /152Kurzweiligerge ſeye / welcher unſere Edelfrau ſo be - trogener Weiſe geehlichet hatte. Da. hero ſchwiegen wir ſtill / und verſpra - chen zuſammen / der alten Frauen nicht ein Wort zu melden; ſeufzeten hierauf / und merkten: Daß alle Laſter zu ſeiner Zeit muͤßen geſtraffet werden / es ſey gleich fruͤh / oder ſpat. Alſo ver - ließen wir ihn und wuͤnſchten ihm einen gelinden Tod / und die ewige fol - gende Ruhe.

Ende des dritten Buchs.
Kur -153

Kurzweiliger Hiſtorie Vierdtes Buch.

ANndern Tages machten wir uns fruͤh aus der Herberg / a - ber die Pferde giengen noch ſchlimmer / als zuvor / waͤre alſo von noͤthen geweſen / daß wir ſie getragen haͤtten / weil eines ſo wenig / als das andere / ein Bein aufheben koͤnnen. Endlich ſtiegen wir ab / und fuͤhrten es eine gute Ecke an der Hand / und als wir ſo vorhergiengen / und die Raben - Aeſer hinter uns drein fuͤhreten / wol - ten ſie gar nicht mehr fort / ich zoge hin - terrucks nach mir / wie ein Karn-Gaul / aber es wolte nicht gehen / endlich ſahe ich mich um / da wuſte ich nicht / wo aus; dann an ſtatt des Pferdes hatte ich eine große Feuer-Leiter an der Halfter; der Student ſperrte Naſen und Maul auf /dann154Kurzweiligerdann ſein Pferd hatte ein rechtes Pik - kelherings-Kleid an. Wir lieffen in den Stieffeln was wir nun lauffen kon - ten / und ließen den Pickelhering ſamt der Feuer-Leiter ligen und ſtehen. Jn dieſem Zuſtand bekam uns ein Jaͤger / der truge mit ſich eine Queer-Stange / weil er Dachſe zu ſuchen ausgegangen. Wir erzehlten ihme die Abentheur / aber er ſagte: Wir ſolten uns deßen nicht Wunder nehmen / weil es an dieſem Ort die Gewohnheit haͤtte / denen Reiſenden allerley Schabernack anzu - thun. Dann / es waͤre ehedeßen ein Brunn in dem Wald geſtanden / wer daraus getrunken / der haͤtte in zwoͤlf Tagen nicht koͤnnen traurig werden; Von demſelbigen Brunn haͤtten die Bauern im naͤchſten Dorf ihr Waſſer geholet / waren dahero natuͤrlicher Weiſe ſtets luſtig und froͤlich geweſen / dergeſtalten / daß man das Dorf Luſt - Waſſer genennet / welchen Namen es auch heut zu Tage noch haͤtte. Wir ſolten derowegen flugs vor uns gehen / eine halbe Stunde von dar haͤtte es ei - ne Eiche / dabey wuͤrden wir die ver -wan -155Hiſtorie IV. Buch. wandelten Pferde wieder antreffen / wann ſolche nicht waͤren von den Bau - ern weggeſtohlen worden / welche ſon - ſten trefflich im Gebrauch haben / bey der Eiche aufzupaßen / und dann alle Sachen / die das Abentheur dahin zauberte / hinweg zu ſtehlen. Die Re - de des Jaͤgers machte uns ganz verzagt und klein-muͤhtig / eileten demnach ge - ſchwinde von ihm / und als wir zu der vorbeſchriebenen Eiche kamen / war we - der Feuer-Leiter noch Pickelhering noch was anders zu ſehen / dahero konten wir gar leicht urtheilen / daß die dibiſche Bauern unſere Pferde vors ander mal wuͤrden in ihre Staͤlle verwandelt ha - ben / weil wir uns unter der Erzehlung des Jaͤgers ziemlich lange aufgehalten hatten. Der Verluſt war uns ſo un - traͤglich nicht / geſtaltſam wir ohne dem die Schind-Gurren an der Half - ter muͤſten gefuͤhret haben; Giengen alſo die Straße fort / bis wir Abends in einen kleinen Flecken kamen.

Wir kunten in keinem Hauſe be - queme Gelegenheit bekommen / zuma - len der Ort mit Webern und andernHand -156KurzweiligerHandwerks-Leuten angefuͤllet war / und alſo wenig Wirthſchafft trieben / derowegen wieſe man uns zu dem E - delmann in das Schloß / weil er ein abſonderlicher Liebhaber der Land-Rei - ſenden ſeyn ſolte. Er hatte das Po - dagra algemach ins vierzehende Jahr und ſo ſtark / daß er zwiſchen dieſer Zeit nirgends wohin / als in ſeinen Garten kommen koͤnnen / derowegen hatte er ſeine Ergoͤtzung an denen vor - uͤber Reiſenden geſuchet / weil ſie ihm durch allerley Erzehlungen ſeine Schmerzen lindern muſten. Er em - pfienge uns gar freundlich / und dem - jenigen / ſo uns an ihn gewieſen / ſchenke er einen Groſchen Trank-Geld / weil ihme hierinnen ein ſonderlicher Dienſt / ſeinem Vorgeben nach / ſol - le ſeyn erwieſen worden. Man ſatzte uns alſobalden auf zwey Seſſel / und weil wir des Tages mit denen Stief - feln ziemlich in dem Koht herum ge - tretten / hieße er einem Laqueyen ſol - che alſobald von uns nehmen und ſaͤu - bern. Er fragte hierauf / wo wir un - ſere Pferde gelaſſen / aber als wir ihmdie Ge -157Hiſtorie IV. Buch. die Geſchicht vom Verluſt derſelben eroͤffneten / fienge er wol eine halbe Stunde ein ſolches Gelaͤchter an / daß es uns uͤber einen Podagriſchen Mann Wunder genommen / dann ich kunte wol einen hohen Schwur thun / daß ich durch die Zeit meines ganzen Lebens niemalen einen Menſchen ſo ſchroͤcklich lachen ſehen. Er wiſchte immer die Threnen von denen Augen / und wieſe uns ein Buch / darinnen alle Geſchich - ten gezeichnet / welches dieſes Aben - theuer an denen Reiſigen / ſo wohl Geiſtlich-als Weltliches Standes be - wieſen. Ja / er ſagte / daß er uns um dieſer Erzehlung willen mit ewigen Dienſten verbunden und ver-obligirt ſeye Wir muſten in Wahrheit uͤber den artlichen von Adel mehr lachen / als uͤber die Art der Abentheur / dann er verſprache uns uͤber dieſes noch dar - zu / einen Reut-Knecht auszuſchicken / und unſere verlohrne Pferde allenthal - ben ſuchen zu laſſen / oder uns zwey an - dere Klaͤpper zu ſchenken / und zu ver - ehren.

Wir bedankten uns wegen ſeinerguten158Kurzweiligerguten inclination, die Frau aber rich - tete ein koͤſtlich Abendmal zu / und der Edelmann lachte immer / daß es taug - te / ja! es ſienge auch der Knecht / ſo uns die Stieffel ausgezogen / an zu lachen / und die Magd / welche zwey - mal Gewuͤrze in dem Zimmer gelangt / die ſprange hinein und heraus / weñ ſie toll waͤre. Die Stall-Knechte pfiffen und ſangen in dem Hof; Jn Summa: Es war alles luſtig.

Dem Studenten wurde bey dem Lachen dieſes Schloß-Geſindes recht uͤbel / ich aber ſprach ihm heimlich Troſt zu / er ſolle ſich nichts befremden laſſen / wir wuͤrden hier wol aufgehaben ſeyn. Jndem deckte ein Page auf / der zoge unter waͤhrender Arbeit ein Droͤgl - Geiglein hervor aus der Ficke / und nachdem er zwey Melodeyen um den Tiſch herum ſpringend aufgeſtrichen / ſteckte ers wieder ein / und deckte gar auf. Auf dieſes kame die Frau aus der Kirchen / und empfienge uns imglei - chen mit großem Gelaͤchter. Aber die Warheit zu bekennen / ſo wurde mir / gleich dem Studenten / uͤber das Ge -laͤchter159Hiſtorie IV. Buch. laͤchter der Leute, recht naͤrriſch / und dahero aße weder ich noch der Stu - dent einen Bißen / und der Edelmann lachet uͤber unſere Furcht noch aͤrger / denn vorhin. Dieſes Gelaͤchter waͤh - rete ſo lange / bis der Jaͤger ins Schloß kam / der uns mit der langen Queer - Stange im Wald begegnet hatte. So bald er angekommen / ſchluge er den E - delmann / und alle / die da lachten / mit der Stange auf den Kopf / und den er traff / der hoͤrete von Stund an auf / und erzeigte ſich ganz hoͤflich und ernſt - lich. Geltebte Freund / ſagte hierauf der Edelmann zu uns / verwundert euch nicht / daß ich und meine Leute dergeſtalt gelachet und gefrolocket / dañ die Quell / ſo ehedeßen in dem Wald geweſen / die hat ſich bis in hieſiges Schloß zuruͤcke gezogen / und ſpringet dermalen in ei - nem Roß-Stall ſehr hell und vollkom - men. Die Schmerzen / welche ich ſonſt am Podagra fuͤhle / werden mir durch den Trank dieſes Luſt-Waſſers ſo ver - ringert / daß ich ihrer wenig oder gar nichts gewaͤhr werde / ob ich mich ſchon dermaßen dadurch bewege / daß es mirim Lei -160Kurzweiligerim Leibe wehe thut. Jch habe die Art des Waſſers durch dieſen gegen - waͤrtigen Jaͤger erfahren / und vielleicht iſt es eben dieſer / von welchem ihr mir vorhin erzehlet / daß er euch in dem Walde begegnet. Wir ſagten / daß er eben derſelbe ſey / und hießen ihn will - kommen. Der Jaͤger bedankte ſich und fragte: Ob wir die Pferde wieder ge - funden haͤtten? aber wir wuſten nichts davon / deßwegen muthmaßete er / die abgerichte Bauern wuͤrden ſie wol ac - commodirt haben / ſatzte ſich demnach zu uns / und fienge an zu erzehlen / wie und welcher Geſtalten er hinter die Art des Waſſers gekommen.

Von den eꝛſten Jahren meiner Kind - heit / ſagte der Jaͤger / hatte ich ſchon eine große Luſt zur Muſic / unter andern In - ſtrumenten aber beliebte mir die Laute der Geſtalten / daß ich all meinen Fleiß anwendete / zu ſolcher Wiſſenſchafft und Fertigkeit des Spiels zu gelangen. Jch lieff dahero meinem Vater darvon / und weil er der Kinder mehr hatte / achtete er mein Hinweg-ſeyn nicht gar groß / da - hero ſuchte ich moͤgliche Gelegenheiteinem161Hiſtorie IV. Buch. [e]inem Lauten-Schlaͤger zu dienen / kon -[t]e aber nichts antreffen. Jch kam[z]war zu etlichen Kuͤnſtlern / aber ſie〈…〉〈…〉 ießen mich / als einen verlaßenen Jun -〈…〉〈…〉 en von ſich / weil ſie keinen lernen wol -[t]en / der nicht ein Paar hundert Tha -[l]er auf die Kunſt ſpendiren wolte. End -[l]ich kame ich gar unter die Zigeuner /[u]nd fuhre mit ihnen ein Land hinaus〈…〉〈…〉 as andere wieder hinein / gleich wie ſich〈…〉〈…〉 ber bey ihnen allerley Geſindlein ein -〈…〉〈…〉 ndet / alſo fande ſich auch unter dem[H]auffen ein Kaͤrl / der faſt auf allẽ Sei -〈…〉〈…〉 en-Spielen Erfahrung hatte. Er hat -[t]e ſein Weib aufgehangen / deßwegen[g]ieng er unter den Zigeunern verkleidet[h]erum / und ſpielete denen Obriſten um〈…〉〈…〉 as Brod / dañ er konte nicht wahr ſa -[g]en / noch andere dergleichen Narren -[P]oßen / mit welchem er ſich haͤtte ein[S]tuͤck Geld von denen leicht-glaubigen[zu]ſammen ſam̃len koͤnnen. Von die -[ſ]em Kaͤrl lernte ich ein Bißchen auf der[H]arfen / uñ hernach gar auf der Laute /〈…〉〈…〉 as machte mich ſo begierig / dz ich noch〈…〉〈…〉 ne lange Zeit mit der Suite herum[zo]g / bis endlich etliche von unſern Leutenwegen162Kurzweiligerwegen veruͤbten Diebſtals aufgehaͤn - get und der uͤbrige Hauffen zerſtreuet war.

Jch hatte mich ſehr in meinen Lehr - meiſter verliebet / daß ich nicht von ihm kommen konte / deßwegen reiſete ich mit ihm in Frankreich / und dort erwar - be er ſein Brodt mit Tanz-aufſchlagen bis er endlich ſo ſehr verdarbe und her - unter kam / daß ich laͤnger nicht bey ihm ausdauren konte. Jch lieffe ihm alſo in einer Nacht ſamt ſeiner Lauten hinweg / und des dritten Tages kame ich auf ein Schloß / alwo ich in dem Hof eines aufſpielete / und ein Fran - zoͤſiſch Lied darein ſunge / es wohnete eine Adeliche Wittib an dieſem Ort / welcher juͤngſt ihr Herꝛ auf einem Duell erſchoßen worden / die ſahe uͤber ein Fenſter herunter / und ich hatte das Lied noch nicht zu Ende gebracht / als ſie mich durch einen kleinen Jungen zu ſich hinauf ruffen ließe. Jch hatte dazu - mal etwan achtzehn Jahr auf mir / aber die Warheit zu bekennen / ſo war ich doch keck genug / mich vor der ſchoͤnen Damen zu ſtellen / ſo ſchlecht und elen -dig ich163Hiſtorie VI. Buch. dig ich auch bekleidet war. Sie frag - te mich um meinen Namen und Condi - tion, und als ich erzehlet / wie miſerabl ich mein Leben durch ſieben Jahr unter den Zigeunern zugebracht / verwunder - te ſie ſich ausdermaßen / gabe mir die Hand / und hieße ihre Kammer-Magd daß ſie mich mit ſich nehmen und ſauber baden ſolte.

Jch wurde von dieſer Magd bis aufs Hemde ausgezogen / und weil ſol - ches ſehr viel Loͤcher hatte / ſprange ich hinter eine Bett-Statt. Die Magd aber riße mich mit beyden Haͤnden her - vor / und wir ſprangen ſo lange mit ein - ander in der Stuben herum / bis ſie mir das Hemd vom Leibe gerißen / und alſo Mutter-nackigt vor ſich ſtehen ſa - he. Jch hab mich all mein Lebtag nicht ſo ſehr geſchaͤmet / daher koͤnt ihr leicht -[l]ich gedaͤnken / wie fix ich in die Bad - Wanne geſprungen. Aber die Magd[l]achte mich noch aus darzu / und triebe[i]hr Geſpoͤtte der Geſtalten / daß ich mich[t]auſendmal auſer des Schloßes ge - wuͤnſchet. Sie gienge darauf aus dem Zimmer / und ſchloße ſolches ſehr[f]eſte zu.

Jch wu -164Kurzweiliger

Jch wuſche mich ingeßen hinteñ uñ vorn / und dieſes waͤhrete ſo lange / bis es endlich ganz finſter war. Jch wolte gern heraus / aber ich wuſte nicht wo die Magd mir meine Kleider hinge - leget hatte / ſo war auch das Hemde in kleine Stuͤcklein zerrißen. Muſte alſo wider meinen Willen in dem Ba - de ſitzen bleiben / welches endlich ganz kalt wurde. Jndem eroͤffnet ſich das Zimmer / und ich ſahe eine uͤberaus ſchoͤne Manns-Perſon mit einer Peru - que herein tretten. Er ſahe einem E - delmann nicht garungleich / als er aber anfienge zu reden / verſtunde ich / daß es der Hof-Jaͤger auf dem Schloß ſeye / der hatte mir / ſeinem Vorgeben nach / von der Edelfrau ein Hemde und Kleid gebracht / ſol - ches an den Leib zu werfen / weil ſie entſchloßen war / mich bey ihr auf dem Schloße zu behalten.

Er legte demnach das Kleid nie - der / weil ich mich aber geſcheuet / vor ihm heraus zu ſteigen / bat ich ihn / er moͤchte ein wenig auf die Seite tret - ten. Er aber ſagte / es wuͤrde wenig odergar165Hiſtorie III. Buch. gar nichts zu bedeuten haben / weil er gleichwie ich ein Manns-Bild waͤ - re; dergeſtalten brachte er mich aus der Bad-Wanne / und fuͤhrte m̃ich mit ſich zu Tiſche / wir aßen ganz alleine / und mich verwunderte / daß die Frau den Hof-Jaͤger ſo uͤberaus gut tractiren ließe / weil ich auch ziemlich vom Hun - ger eingenommen ward / griffe ich wacker zu / und wann wir tranken / ge - ſchahe es allezeit auf Geſundheit der Edelfrauen. Nach dem Eſſen ſagte er mir / wie ihm ſeine Edelfrau befohlen / mich hinfuͤhro bey ſich ſchlaffen zu laſ - ſen / und mir das Weid-Weſen zu ler - nen / dieſes nahm ich vor ein ſonderli - ches Geſchicke an / dann die Warheit zu[b]ekennen / habe ich all mein Leb-Tag zu keiner Sache ein groͤßeres Verlangen getꝛagen / derohalben ſagte ich ihme wol[t]auſendfaͤltigen Dank / und hiemit gien - gen wir zu Bette.

Er hatte ein uͤber die Maßen ſchoͤne Schlaff-Kam̃er / und ich dachte / wo ich auch einmal ein ſo gluͤklicheꝛ Jaͤgeꝛ wuͤr - de / meine Arbeit daͤrfte nꝛcht vergebens angewendet ſeyn. Solcher geſtalt zogenHwir166Kurzweiligerwir uns aus / und er hieße mjch ge - ſchwind nachfolgen. Aber / Bots tau - ſend! wie erſchrack ich / als ich den Jaͤ - ger ins Bette ſteigen ſahe / dann da erblickte ich / daß er große Weiber - Bruͤſte hatte / und dahero ſtund ich im Zweifel / ob es nicht vielmehr die Edelfrau ſelbſt ſeye? Jch fande mich in der Warheit gantz nicht betrogen / dann / ſobald ich das Liecht geloͤſchet / und mich ins Bett geleget / fragte mich dieſer vermeinte Jaͤger / wie mir die E - delfrau gefiele? Jch ſagte / daß ſie eine Frau waͤre / nicht allein von holdſeligen ſondern recht ungemeinen / anſehlichen / vortefflichen und majeſtaͤtiſchen quali - taͤten. Guter Freund / ſagte der Jaͤger darauf / mit einem kleinen Gelaͤchter / es ſcheinet / als ob ihr in ſie verliebt waͤret. Hieran erkeñte ich die Edelfrau aus - ſuͤhrlich / ob ſie ſchon ihre gewoͤhnliche Sprache ziemlich verſtellet / doch gabe ich zur Antwort: Jch bekenne es / daß ich ihr mit meiner Liebe und Zuneigung ziemlich nahe komme / aber ſie doͤrffte mich deßwegen wol pruͤgeln laßen; was meynt der Herꝛ? Jch weiß es nichtſagte167Hiſtorie IV. Buch. ſagte der Jaͤger / darnach mans an ſie ſuchte; Alle Sachen wollen mit Ma - nier angefangen ſeyn: darum / wann ſie euch morgen die Hand giebt / ſo kuͤßet ihrs / von dar komt man ſchon wei - ter / dann mit den kleinen faͤngt man an / und mit den Großen hoͤrt man auf. Ja / ſagte ich / dieſes Spruͤch-Wort ge - hoͤret eigentlich die Diebe an / ich traue mir die Sach nicht zu unterfangen / weit davon iſt gut vor den Schuß / ich doͤrfte mich brennen! es iſt baͤßer / man laͤßet ſolche Poßen unterwegen. Was Poßen? (ſagte der Jaͤger) ſie ſagte mir ſelbſt / daß ſie euch liebte. Warum wolt ihrs dann nicht erkennen? Heunte hab ich nicht laͤnger Zeit mit euch zu reden / dann ich muß Morgen fruͤh auf die Jagd / beſinnet euch im Traum und reſolvirt euch zur affection, ein Zigeu - ner und armer Menſch / wie ihr ſeyd / muß ſeine Fortun ſuchen wie er kan / nicht wie er will.

Nach ſolchen Worten ſchlieff ſie ein / und ich ward froh / daß ſie nicht mehr mit mir geredt hatte. Des andern Mor - gens als ich erwachte / war der vermein -H ijJaͤger168KurzweiligerJaͤger ſchon fort / deßwegen wariete ich bis es folgend Tag wurde / alsdann ſtunde ich auf / kleidete mich an / und gienge in das Zim̃er / darinnen wir den vorigen Abend geſpeiſet hatten. Es wartete ſchon ein Maͤgdlein in demſel - ben / welches mich zu ihrer Edelfrauen gehen hieß. Als ich dort erſchienen / wuͤnſchte ſie mir einen guten Morgen / und fragte / wie ich bey dem Jaͤger ge - ſchlaffen / und was mir getraͤumet haͤt - te. Geſtrenge Frau / ſagte ich / es trau - mete mir nichts ſonderliches / auſer dem daß mich gedunkte / ich waͤre in einem ganz unbekantem Wald in einen Bruñ gefallen / aus welchem mich ein Weibs - Bild / ſo ein Jaͤger-Horn angehaͤnget hatte / heraus zoge / mit dieſer legte ich mich in einen naͤchſt-gelegenen Stꝛaus / und dort wolte ſie mich mit Gewalt uͤberreden / die Minerva waͤre Actæon, in dieſem diſputat erwachte ich / dañ ich habe gar geringen Schlaff / und werde faſt von einer ieden lauffenden Mauß erwecket. Die Edelfrau lachte / hieße mich meine laute nehmen und ein Lied ſchlagen / aber ich ſagte / daß ich vomSchlaff169Hiſtorie IV. Buch. Schlaff noch ganz heiſer waͤre / wolte aber ihr Begehren auf folgenden A - bend erfuͤllen / bedankte mich auch bey - nebenſt fuͤr die große benevolentz / in - deme ſie mir nicht allein durch den Jaͤ - ger ein Kleid geſchicket / ſondern auch darzu mir verſprechen laſſen / mich bey ihr zu behalten / und mich in der Jaͤ - ger-Kunſt abrichten zu laſſen / zu wel - cher ich von Jugend auf große Luſt ge - tragen. Hierauf forſchete ſie aus mir / was der Jaͤger Gutes mit mir diſputiret haͤtte? Da ſagte ich: Wis er mit mir von einem Einzug geredet / welchen der Tuͤrk zu Con - ſtantinopel ſolle gethan haben / uͤber welches ſie von Herzen zu lachen an - gefangen. Dann / allem Anſehen nach / hielte Sie feſtiglich davor / daß ich um ihre angeſtellete Mummerey kein Woͤrtlein wuͤſte / da ich doch / als ein arger Fuchs / ſchon wuſte / wo Sie hinaus wolte. Dahero ſag - te Sie zu mir. Gehet anietzo in ein Zimmmer / dahin ich euch will weiſen laſſen / daſelbſten ſtimmet eure Laute / und machet euch auf das Lied bereit /H iijdaß ihr170Kurzweiligerdas ihr mir zu ſingen verſprochen / der Jaͤger wird vor Abend ſchwerlich heim kommen / ſonſt wolt ich ihn fragen / was ihr miteinander geſtern Abend geredet? von dem Tuͤrkiſchen Einzug weiß der Jaͤger gantz nichts / deßwegen habt ihr was anders geredet. Gewiß / Eur Ge - ſtreng / ſagte ich / es iſt vom Tuͤrkiſchen Eizug geweſen. Gehet fort! (ſagte ſie) ihr lieget. Und damit gieng ich mit dem kleinen Maͤgdchen zu dem Zimmer hinaus / und lachte heimlich in die Fauſt.

Das Maͤdchen fuͤhrte mich uͤber ei - nen kleinen Saal und hoͤlzernen Gang in ein klein Gemach / alwo ich Feder / Diente und Papyr verlangte / darauf nahme ich meine Laute zur Hand / und componirte folgende Zeilen:

1.
WAs iſt das Lieben dieſer Zeit?
nichts als ein bloßer Schatten;
ein ſchnoͤder Tand voll Eitelkeit /
ein ringer Staub der Matten:
Jch ſage / daß es nichs nicht ſey /
als eine falſche Jaͤgerey.
2. Sie171Hiſtorie IV. Buch.
2.
Sie ſpielet ja zu ieder Stund
auf hohen Waſſer-Wogen /
und da wir hoffen ſichern Grund /
ſo hat ſie uns betrogen:
Drum ſag ich / daß die Liebe ſey /
nichts als ein falſche Jaͤgerey,
3.
Sie iſt ein großes Narren-Haus
voll Wuht und voll Verlangen;
ſie putzt ſich als ein Jaͤger aus
wann ſie uns pflegt zu fangen:
Drum ſag ich / daß es nichts nicht
ſey /
als eine falſche Jaͤgerey.

Dieſes waren die drey kurze Stro - phen / welche ich in aller Eil aufſetzte / dann die Begierde / meine Invention an den Tag zu bringen / ließe mir nicht viel Zeit / noch laͤnger auf baͤßere oder fuͤglichere Reimen zu ſtudiren / und bleibet dahero gewiß und wahr / ie ſchoͤ - ner und zierlicher die verliebten Lieder gemachet ſind / ie weniger weiß dasH jvHertz172KurzweiligerHerz davon / weil die ſubtile Phan - taſie von denen brennenden affecten allezeit verjaget wird / dahero hat man im Gegentheil viel eine groͤßere Gewohnheit aus unfugſamen Ver - ſchen zu ſehen / weil ſie aus einem Ge - muͤht entſpringen / da die Kunſt und Geſchicklichkeit auf eine Zeit ausge - trieben iſt / und dahero keine ſonderba - re invention ſtatt haben kan.

Auf ſolches nahm ich meine Laute zur Hand / und ſatzte geſchwind eine Melodey darzu / und ich war noch nicht gar zu dem Haupt. Zweck gekommen / als ich ſchon zum Eſſen geruffen wor - den / nach welchem ich in der Frauen Zimmer kommen / und mein verſpro - chenes Lied abſingen ſolte. Jch gien - ge zu Tiſche / und nach der Malzeit ſetzte ich das uͤbrige flugs zu Papier / und kame damit in der Edelfrauen Gemach. Sie hieße mich an den Ofen ſitzen / weil es daſelbſt gute Gelegenheit hatte / ſich mit der Laute zu bequemen / und als ſie ſich gegen mir in einem ſammeten Nacht-Seßel geſetzet / fienge ich an / ein Præambulum nach ZigeuneriſcherArt auf -173Hiſtorie IV. Buch. Art aufzukratzen / und hernach ſange ich die drey obgeſetzte Strophen / ſo gut ich nur konte und vermochte.

Jch kan nicht ſagen / wie trefflich ſich die Edelfrau uͤber meine invention ergoͤtzet / ſie ſagte / daß ſie dergleichen Lied / die Zeit ihres ganzen Lebens nicht gehoͤret haͤtte / derohalben vereh - rete Sie mir zum recompens einen aus der Maßen ſaubern und feinen ſilber - nen Becher / den ſolt ich in Geſund - heit ihrer austrinken. Hiermit hielte Sie noch allerley Unterredungen mit mir / und wolte mit Gewalt wißen / was der Jaͤger in der Kammer vor einen discurs mit mir gehabt haͤtte / aber ich bliebe iederzeit bey der vorigèn Einwendung / bis endlich der Abend herankame / da Sie mich wieder in mein Zimmer zuruͤck gehen hieße.

Nach ungefehr anderthalb Stun - den klopfte iemand an meine Thuͤr / und als ich ſolche eroͤffnet / ſtunde der geſtrige Jaͤger mit einem Liecht in der Hand vor derſelben / und ſagte / daß er erſt vor einer guten Vierthel - Stunde / ſeye aus dem ForſtH vge -174Kurzweiligergekommen / deßwegen weil es nun Zeit ſey zu Tiſch zu gehen / ſolle ich wieder mit ihm kommen / es waͤre ihm hoͤchſt leyd / daß er heut zu Mittage nicht bey mir ſeyn koͤnnen / weil ihme in dem Walde ein großes Ungluͤck mit ſeinem Birſt-Rohr zugeſtoßen / in dem er ſich bey einem Haar bald ſelbſt er - ſchoßen haͤtte; Und was dergleichen verlogene Relationen ein ganzer Sack voll waren. Jch ſtellete mich an / als ob ich / wegen ſeiner Ankunft / hoͤchſt erfreuet ſeye / und darauf beſchmerz - te ich das große / doch vor dießmal ausgebliebene Ungluͤck wegen ſeines Birſt-Rohrs / und in ſolchem Ge - ſpraͤche kamen wir in das geſtriche Zimmer / alwo das Eſſen ſchon auf dem Tiſch ſtunde. Wir aßen wie vorhin / aber unter dem Eſſen meldet ſich vor dem Schloß-Thor temand an / der ſange ein Lied vom Ungluͤck des Menſchens / welchem er ohne End in dieſer ſchnoͤden Welt muͤ - ſte unterworffen und ergeben ſeyn. Dem Jaͤger gefiel das Lied uͤberaus wol / aber ich merkte ſtracks / daß es eineZigeu -175Hiſtorie IV. Buch. Zigeuner-Magd war / welche wol fuͤnf Jahr mit unſerer Compagnie das Land auf und abgefahren / deßwegen that ich als ob ich wegen elner andern Urſach hinaus gienge / aber ich partirte die Magd / daß es kein Menſch gewahr wurde / uͤber die Treppe in mein Zim̃er / und hieße ſie daſelbſt ſo lange warten / biß ich wuͤrde vom Tiſch gekom̃en ſeyn. der Jaͤger fragte / wo ich ſo lang gewe - ſen? da gab ich ihm zur Antwort / daß ich dieſem / ſo vor dem Thor geſungen / einen Groſchen ſpendirt / und darnach meine Nohtdurft verrichtet haͤtte / dann ich haͤtte heute uͤber ein Lied / das ich der Edelfrauen componiren muͤßen / ei - nen Durchfall bekommen / der plagte mich dergeſtalten / daß es mich zu ſa - gen ſchaͤmte / der Jaͤger ſagte / er wol - te mir darnach Arzeney geben / und nach dem Eſſen brachte er ein Glaͤs - lein rohtes Waſſer / das muſte ich in einem Loͤffel voll warmen Wein in den Magen ſchlucken. Hiermit gien - gen wir wieder in die vorige Kam - mer / und zogen uns aus. Er ſtiege wieder vor mir ins Bette / und ich merk -H vjte nun176Kurzweiligerte nun vors andere mal / daß es die Edelfrau war / derohalben loͤſchte ich das Liecht / und kaum hatte ich mich zu ihr geleget / ſtellete ich mich an / als obs mir noch ſo waͤre / lieffe alſo in der Finſtern aus der Kammer / auf das heimliche Gemach / wel - ches nicht weit von meinem Zimmer ſtunde.

Die Zigeuner-Magd hatte unter - deſſen mit verlangen auf mich gewar - tet / und als ich in mein Zimmer ka - me / eroͤffnete ich ihr ohne Verzug meine ſpeculation. Wir waren vor dieſem ſo bekant / daß ich um ihre Treu ſo wenig als vor ihre Schalkheit ſorgen doꝛfte / dann es iſt gewiß / daß kei - ne Leute unter der ganzen Zigeuner - Compagnie ſolche Schwaͤnke aufge - trieben und zu veruͤben gewuſt / als eben ich und dieſe Magd / derohalben erzehl - te ich ihr erſtlich / was bis daher vorge - gangen / und weil die Edelfrau mich ge - denket zu betriegen / wolte ich ſie betrie - gen / dahero muſte die Magd meine Klei - der anziehen / und ſich ſtellen / als ob ichs waͤre. Sie war ein Ausbundaller177Hiſtorie IV. Buch. aller leicht-fertigen Huren und Poſ - ſen-Reißeriñen / deßwegen legte ſie mei - ne Schlaff-Hoſen an / und ihre Haar ſtackte ſie unter die Schlaff-Muͤtze / und faͤngt vor mir ſo klaͤglich an zu thun / als waͤre ſie ſchon eilf Jahr lang mit dem Durchfall behaftet geweſen.

Nach aller dieſer meiner vorher - gegangenen Unterrichtung ſchleichet die Zigeunerin in der Edelfrauen / als des verſtellten Jaͤgers Gemach / und ich gedachte indeßen wol tauſendmal an den artlichen Betrug / welchen wir mit dieſem naͤrriſchen Jaͤger vorge - nommen hatten / indem erhoͤrete ich eine Haus-Glocke / auf welchen Schall das vorige Maͤgdlein den Ca - plan holen muſte. Es ware ſchon ziemlich in der Nacht / und dahero kon - te ich nicht wißen / was es bedeutete / ich wurde es aber nach einer halben Stund gar bald innen / dann der Jaͤger ließe fich mit der Zigeunerin in dem Bett vermaͤhlen / und als der Caplan wieder heraus gienge / dachte ich / ich muͤſte vor Gelaͤchter zerſpringen. Aber weit ge - fehlet! Dann ich hatte mich mit der Zi -geune -178Kurzweiligergeunerin ſelbſt betrogen befundeu / weil ſie eine verſtellete Manns-Perſon ge - weſen / welches ich doch die Zeit unſe - rer Herumwandlungen nicht erfah - ren noch gewuſt hatte. Alſo verloh - re ich den Braten / und war in tau - ſend heimlichen Aengſten / weil ich forchte / die Edelfrau doͤrfte mich in Eroͤffnung des Betrugs zum Schloß auspeitſchen laſſen. Jch lage die Nacht in meinem Zimmer / und des folgenden Morgens erſchrack die Edelfrau mehr als zu ſehr uͤber der abentheuerlichen Geſtalt ihres Ehemannes / weil er weit anders und viel garſtiger als ich geſe - hen. Sie wuſte nicht, was ihr bege - gnet / aber er halffe ihr bald aus dem Traum. So ſehr ſie ſich nun von uns betrogen wuſte / ſo gut ſtellete ſie ſich an / weil ſie ſahe / daß die Sach un - moͤglich zu aͤndern war. Dergeſtalten betroge eins das andere / aber ich fiel in eine große Melancholey / weil ich im Ausgang der Sache mich recht in ſie verliebt befande.

Es halffe aber keines Nagels breit / ſo ſehr es mich auch verdroße / ſie ſchenk -te mir179Hiſtorie IV. Buch. te mir auch wegen der Auswuͤrkung dieſer invention ihr Jaͤger-Kleid / und mit ſolchem gienge ich faſt taͤglich ange - kleidet in die umligende Waͤlder / nahm meine Laute unter die Arm / und ſange zuweilen bey den hohen Thannen eine Traur-Ode nach der andern / un - terweilen auch ein verliebtes Lied / und mit ſolcher Muſic vertriebe ich die ein - gebildete Traurigkeit / ſamt denen langweiligen Stunden nicht ein geringes.

Einsmals / als ich wegen der hiz - zigen Sonnen-Strahlen etwas tief - fer in den Wald gienge / kam ich zu ei - nem hohen Felſen. Er war ſo artig von Natur formirt / daß er mich nicht un - gleich dem abgemahlten Berg Parnaß mahnete / und weil wegen dieſer ſeiner Form noch darzn ein luſtiger Quell ſich von der Hoͤhe herabweltzete / ſatzte ich mich naͤchſt denſelben nieder / Willens / unter den angenehmen Murmeln des Baͤchleins meine Laute unterzumen - gen / uñ ein Schaͤffer-Lied darein zu ſin - gen. Jch machte es ſo lange / bis ich end - lich Luſt bekame / von den Chriſtallen -Waſſer180KurzweiligerWaſſer einen Verſuch zu thun / welches als es geſchehen / kan ich nicht ſagen / wie froͤlich mein gemuͤth wurde. Jch hupfte und tanzte immer um den Felſen herum / und uneracht ich in ſelbem Her - umtanzen meine koſtbare Laute zertret - ten / wurde ich doch immer froͤlicher / bis ich endlich noch einmal getrunken / da kame mir vor Luſtbarkeit faſt eine halbe Raſerey an / es ware bald Abend / und dahero eilete ich immer mit Singen und Pfeiſſen nach Hauſe / und wer mir auf der Straße begegnete / mit dem fieng ich an zu tanzen / bis ich endlich ins Schloß kame / alwo ſie ſich uͤber meine unge - woͤhnliche Froͤlichkeit verwunderten. Dieſe Verſtellung waͤhrete drey Tage nach einander / und ich wurde auf ſolche wieder ſo traurig und Melancholiſch / als nimals zuvor. Erſtlich hatte ich al - lerley Muhtmaßungẽ melner gehabten Froͤlichkeit / aber nach allen fande ich die einzige Urſach in dem getrunkenen Quell eilete dahero baͤſten Fleißes wieder an den Felſen / uñ als ich wieder getrunken / gienge es mir wie var / da kan ich ſchwoͤ - ren / daß die aller vollkom̃eſten und ver -gnuͤgſten181Hiſtorie IV. Buch. [v]ergnuͤgſten Menſchen all ihr Leb-Tag keme ſolche Freude / als ich in meinem Herzen genoßen. Endlich trug ich gan - ze Kruͤge voll mit mir weg / und fande / daß das Waſſer ſo wol weit davon als an dem Felſen ſelbſt gleichen effect that. Jch wolte das arcanum lange nicht[o]ffenbaren / aber endlich kame mir eine Magd uͤber den Krug / und als ſie getrunken / fienge ſie die aller-laͤcher - lichſten Gauckel-Poßen von der Welt an / und dergeſtalten muſt ichs endlich ausſagen / ſo gern ichs ſonſtenverſchwie - gen hatte. Von der Zeit an beſuchten die umligenden Bauern den Ort / und ſoffen ſich bey dem Bruñen faſt zu Nar - ren. Nach zwey Jahren thate ſich ein Geſpenſt hervor / welches ihn alle Abend verwachete / alſo daß kein Menſch darzu kommen konte / au - ſer zwiſchen 2 und 3 Uhr gegen Tag / in welcher Zeit die Leute ganze Faͤßer voll hinweggetragen. Dieſes Geſpenſt iſt nun die Urſach der Verwandlungen im Wald / und vor einem haiben Jahr iſt die Quell in hieſiges Schloß gefloßen / alwo es unter einer Pferd-Krippenentſprin -182Kurzweiligerentſpringet / aber es weiß es noch der tauſende nicht / und ſo es euch beliebet / wollen wir ein Glaß voll herbringen laſſen / aber das ſag ich zuvor / wer - det ihr davon trinken / ſo koͤnnet ihr in - nerhalb vier und zwanzig Stunden zu ſpringen und lachen nicht aufhoͤren.

Die Erzehlung des Jaͤgers machte uns ziemlich beſtuͤrzt / eines Theils we - gen der Zigeuneriſchen Geſchicht / an - dern Theils wegen des Luſt-Brunnens in dem Wald / alwo uns das Abentheur die Pferde verwandelt hat. Weil wir aber gerne auf den Grund ſelbſt kommen wolten / baten wir vor das offerrirte Glaß Luſt-Waſſer / damit wir erfahren moͤchten / was e[s]vor einen effect haͤtte. Der Edelmann erwieſe ſich hierzu gar beflißen / und damit es deſto geheimer zugehen moͤchte / holete es der Jaͤger ſelbſt / und wir beyde tranken einen ziemlichen Theil dar - von / ſo widerig es auch ſchmack - te. Jndem wuſte ich nicht wie mir wurde / deßgleichen ſtellete ſich der Student ganz ſchlaͤfferig an / bis wir alle beyde uͤber die Seßel fielen / undauf183Hiſtorie IV. Buch. auf den Boden ſchlaffend ligen geblie - ben. Nun kan ich nicht mehr ſagen / wie ſie mit uns beyden umgegangen / bis ich erwachet / und mich ſamt mei - nen Kammerraten dem Studenten unter einem großen Eichbaum auf offe - nem Felde ganz ausgezogen befunden. Er wurde gleich mit mir munter / aber keiner unter beyden wuſte / wie ihm ge - weſen war. Hole der Teufel das Luſt-Waſſer / (ſaget der Student) ſamt denen betrogenen Schelmen in der Lufft weg! Siehe Bruder / ſagte er zu mir / wie ein luſtiges Waſſer uns die Hunns-füter zu ſauffen gegeben / ich glaub / wir habens bezahlen muͤſſen / bis wir nichts / als daß Hemde uͤbrig behalten. So ſehr mich nun unſer eigener Zuſtand dauerte / muſte ich doch uͤber den Studenten von Her - zen lachen / und es ſchiene / als ob das Luſt-Waſſer in mir zu operiren an - fangen wolte / aber der Student kratzte ſich in dem Kopf / und ſahe ſich al - lenthalben um / wo wir doch ſeyn möchten / dann die Straße war uns ganz unbekant / ſo wuſten wir auch nichtwie das184Kurzweiligerwie das Schloß geheißen hatte / al - wo uns die Galgen-Voͤgel das Luſt - Waſſer zu ſauffen gegeben / daher ſtunden wir allenthalben an / und kei - ner konte ſich entſchließen / was wir dieſen Tag anfangen ſolten.

Jndem kom̃t ein Baur daher ge - fahren / der hatte einen Hirſch auf dem Wagen / welchen er einem Dechant von einem andern Geiſtlichen uͤberbringen ſolte. Er ließ uns die Obſchrifft des Briefes leſen / und der Student ken - nete den Titul gar bald / daß der Dechant vor dieſen in ſeiner Heymat waͤre Pfarꝛ-Herꝛ geweſen / deßwe - gen bate er den Bauern / uns auf dem Wagen mitzunehmen / weil er vorgabe / daß der Dechant / welchem er dieſen Hirſchen brachte / ſeiner Mut - ter leiblicher Bruder ſeye / welches zwar erſtunken und erlogen war / aber eine Noht-Luͤgen kan / bey einem ſo elenden Zuſtande noch wol ſtatt finden / und dieſes gabe auch dem Bauern eine deſto groͤßer Urſach uns zu uͤberbꝛingen / nachdem wir ihm erzehlet / wie wunder - lich uns die Stiglfritziſchen Spitzbubenmit dem185Hiſtorie IV. Buch. mit dẽ Luſt-Waſſer ausgezahlet hatten. Der Baur wuſte vom Weiten her auch etliche Stuͤcklein zu erzehlen / aber ſie waren weit nicht ſo luſtig / als unſer Be - gebenheit / uñ ſolcher Geſtalt fuhren wir in großem Regen mit demſelben uͤber das Land / uñ bedeckten uns mit ſchlech - ten Kotzen die der Baur mit ſich genom - men hatte / bis wir an des Dechants ſei - nẽ Hof abgeſtanden. Er hielt uns voꝛar - me und mit einer Seuch beladene Leute weil uns der Regen ſamt dem Koht nit viel anders / als Auſſaͤtzige zugerichtet / dahero hieße er den Thor-Waͤrter / uns zum Hof hinaus zujagen / aber der Stu - dent fieng an mit dẽ Dechant zum Fen - ſter hinauf Lateiniſch zu reden und unſer artige Abentheur zu entwerfen / er ſagte auch / daß ich ein Hofmeiſter auf einem voꝛnehmen Adel-Sitz ſey / und ſtellte die Sach ſo klar vor / daß uns der Dechant endlich in Perſon bewillkom̃te / und mit ſich uͤber die Treppe hinauf fuͤhrte. Er ließ uns eiñ ſauber Paar Kleider langen u. ſtꝛekte uns 50 Thl. vor / damit wir un - ſere vorgenom̃ene Reiſe deſto baͤßer be - ſchleunigẽ moͤchten. Bey diſem Dechantverblie -186Kurzweiligerverblieben wir den vierdten Tag / und weil der Student ein opticus war / un - terrichtete er denſelben gar in vielen Stuͤcklein / einen großen Tubum zu machen / und auf ſolche Weiſe giengen wir aus dem Hof / weil der Dechant ſeine Pferd alle zu Feld hatte / derowe - gen konte er uns in dieſem Fall nicht beyſtehen. Er hatte uns auch wegen des Luſt-Waſſers ein langes und Brei - tes erzehlet / daß naͤmlich durch dieſe in - vention gar viel Leute waͤren betrogen worden. Man haͤtte auch ſchon den - ſelben Edelman ins ander mal gefan - gen geſetzet / und ſoll derohalben ein merklicher Anſchlag auf ihn gerichtet ſeyn / damit man den Jaͤger ſo wol als den Edelmann ſelbſt greiffen und ſtraffen koͤnte / weil ſie allgemach ſolche inſolentien begangen / davon ſich Land und Leute ſchaͤmen muͤſten. Die Verwandelung im Wald betreffend / waͤre ſolches eine gewiſſe Wahrheit nach Natur des Orts / aber was bey der Linden hinweg kaͤme / das ließe der Edel - mann ſelbſten ins Schloß hinein par - tiren / und verkauffte es hernachmalsum ein187Hiſtorie IV. Buch. um ein Spott-Geld. Wir bedankten uns ſeiner notification, und verſchwo - ren uus hoch und theur / uns bey dem Fuͤrſten des Landes zu beklagen / aber der Edelmann hatte bey Hofe ſo viel Goͤnner und Fautores, daß ſie uns bald eher als ihn ergriffen und wegen der Klage abgeſtraffet haͤtten / dann ſie ſagten / daß kein andaͤchtiger Menſch unter der Sonnen / alß eben dieſer von Adel lebte; Ja ſie wuſten dem Fuͤrſten die Sache mit einem ſolchen angeneh - men Faͤrblein vorzutragen / daß wir Zeit hatten / heimlich durchzugehen / ſonſten haͤtten wir die Suppe ausfraͤſ - ſen muͤßen / die wir doch nicht geko - chet hatten.

Drey Meyl Wegs auſer dieſem Schloße bekame uns ein alter Bett - ler / welchen ich kennen ſolte. Jch entſinnte mich gar bald / daß es derje - nige ſeye / welcher ehedeßen in unſerm Dorfe um das Tag-Lohn Stroh ge - ſchnitten / hernach von denen Soldaten dermaßen waͤre beſchaͤdiget worden / daß er gezwungen das Brodt vom Hauſe zu Hauſe ſuchen muſte. Aberdennoch188Kurzweiligerdennoch muſte ich mich verwundern / daß er ſo lang im Leben war / da er doch ſchon zu meiner Zeit an dem Stock gegangen / und eine Poſitur ge - machet wie der aller-aͤltiſte Botanicus im ganzen Lande / der da Kraͤuter und Wurzeln zu ſuchen pfleget. Alter Vatter / ſagte ich zu ihm / wo komt ihr her? Ach liebe Herꝛn / gabe er zur Ant - wort / ich kom̃ aus dem Gebuͤrge her - aus / und gebe das Land auf und ab betteln. Er nennete auch das Dorf / welches meine Heymat war / und da - durch fande ich gute Gelegenheit / mit ihm wegen meiner Eltern zu reden / weil ich entſchloßen / war ſolche zu be - ſuchen; Aber er ſagte mir / daß mein Vater ſchon vor vier Jahren geſtorben waͤre / und die Mutter haͤtte man erſt vor vierzehen Tagen begraben. Die Kinder waͤren alle verſteckt worden / alſo / daß eins auf dieſem Schlaß das andere auf dem andern ſich aufh[ie]lte. Jch gab ihm einen Reichs-Thaler vor ſeine Botſchafft / und weil ich ſonſten nichts zu ſuchen hatte / kehreten w[i]r anf einen andern Weg / wieder zuruͤckzu un -189Hiſtorie IV. Buch. [z]u unſerer alten Mutter / auf das[S]chloß / alwo ich entſchloſſen war /〈…〉〈…〉 einer Hofmeiſterey abzuwarten / und[zu]ſehen / wie ich endlich das Schloß〈…〉〈…〉 ar an mich partieren moͤchte / weil〈…〉〈…〉 ein Kind von der Frauen mehr uͤbrig /〈…〉〈…〉 hn der Tochter / welche nunmehr ſchon[l]ange von den Laͤuſen wuͤrde gefraͤßen[ſe]yn / weil ſie ſich liederlicher Weiſe[v]on dem Schmied-Knecht verfuͤhren[l]aßen / der ihr Zweifels ohne ſchon[laͤ]ngſt den Proceß hinter einer Hecken[w]uͤrde gemachet haben: Dann dieſes[iſ]t der Entfuͤhrer gemeinſte Gebrauch /〈…〉〈…〉 dem ſie die Huren ſo lange lieben als[e]s ihnen behaget / hernach laſſen ſie die Beſtien ſitzen / und ſehen / wo das Land am weite - ſten iſt.

Ende des vierdten Buchs.
JKurz -190

Kurzweiliger Hiſtorie fuͤnf - tes und leztes Buch.

UNſere Reis gienge wohl von Statten / und wir kamen gleich dazu - mal nach Haus / als es ſchon anfienge / Winter zu werden / deßwegen heiſſet die alte E - delfrau uns zu ſich hinauf kommen / alwo wir ei - ne warme Stube angetroffen / und ſie mit tau - ſend Freuden empfangen haben. Sie verwun - derte ſich uͤber nichts mehr / als daß wir zu Fuße giengen / fragte dahero / wo wir dann ihre Pfer - de gelaſſen? Aber als ſie die vollkom̃ene Hiſtorie unſerer Reiſe angehoͤret / machte ſie das Creutz wol zwanzig mal uͤbers Geſichte / und war froh / daß uns die Teufliſchen Leute nicht gar mit Haut und Haar aufgerieben hatten. Der Stu - dent mag ehedeßen wol ſtudiret haben / daß die alten Weiber alle Maͤhrlein vor gewiße Bege - benheiten halten / deßwegen loge er einen Hauffen darzu / daß ich das Lachen kaum verbeißen konte / ja er machte es lezlich ſo elend und miſerabel, daß die Alte daruͤber zu wei - nen a[n]fienge. Hiermit brachte die Koͤchin das Eſſen / und nach Mittage ſchoße die Edelfrau die 50 Thaler / welche uns der Dechant gelie - hen / auf den Tiſch / damit ſolche bey ehiſter Ge - legenheit uͤberbracht wuͤrden. Sie ſchwatzte uns uͤber Tiſch alle Geſchichten / ſo ſich indeßen auf dem Schloße zugetragen / weil es aber mei -ſtentheis191Hlſtorie V. Buch. ſtentheils liederliche Baurn-Hiſtorien waren / iſt es unvonnoͤthen / den Leſer damit zu beſchwe - ren / ob wir ſchon an dergleichen Erzehlung alle Vergnuͤgung hatten. Dann / die Warheit zu geſtehen / ſo finde ich vor meine Perſon in denen Handlungen der gemeinen Leute und niedrigen Stands-Perſonen oftmals eine mehrere Luſt / als in denen Thaten der großen und Welt. be - ſchryenen Helden-Geſchichten / welche oftmals nit allein recht laͤcherlich fingirt / ſondern noch darzu mit ſolchen Schwachheiten angefuͤllet ſeyn / daß man die Erz-Luͤgen mit allen fuͤnf Fingern greiffen kan.

Der Student muſte den Winter noch bey uns bleiben / dañ er thate ſich dermaßen bey der Edelfrau zu / daß ſie ihm zu einem guten Dienſt allerehiſtens zu helffen verſprache / es moͤchte gleich bey einem andern vom Adel geſchehen. Aber wie eine große Langweil hatten wir doch unter einander? Auſer des Karten-Spiels hat - ten wir wenig Ergoͤtzlichkeit / und die Alte lage ſtets uͤber ihrem Gebet - und Predig-Buͤchern / dahero hatten wir ſehr ſchlechte Luſt. Wir fuh - ren zu weilen im Schlitten 2. bis 3. Meil Wegs uͤber Feld / aber wir hatten nichts davon / als ein vom ſcharfen Wind zerſchnittenes Geſicht / und eine erfrorne Haut / und weil der Student ohne dem ziemlich kalter Natur war / ſaß er den ganzen Tag uͤber ſeinen Buͤchern / und war mit 4. Pferden nit vom warmen Ofen zu bringen.

Wie wir nun gar nicht wuſten / wie die Zeit luſtig zu paßiren waͤre / ſatzte ſich der Student uͤber eine Comoͤdie / die ſolten uns die Baurn imJ ijDorfe192KurzweiligerDorfe agiren / ſo ſehr ſie ſich auch dawider ſper - ren wuͤrden. Die Edelfrau lachte uͤber unſerm Beginnen / daß man ihr alle Zaͤhne ſehen konte / ließ auch duꝛch den Dorf-Schergen alle Baurn / die leſen konten / ſamt den Knechten und Jungen auf das Schloß beruffen / darunter ſuchten wir die baͤſten und tauglichſten heraus / und gaben iedem ſeine Perſon / daß ſie aufs wẽnigſte inner - halb 14. Tagen gewiß und perfect auswendig lernten. Die Baurn ſchmutzten darzu wie uͤber einen Kaͤſe-Kuchen / und der Student verſprach ihnen im Namen der Edelfꝛau 8 Batzen von der Winkel-Steur zu ſchenken und nachzulaſſen / ſo ſie fleißig lernen wuͤrden. Dermaßen gienge ie - der mit ſeinem Parte heim / uñ wir ließen einen Mahler holen / der muſte uns das Theatrum aufrichten und mahlen helffen / ſo gut es in der Eil ſeyn konte.

Die Perſonen des Spiels belieffen ſich etwan an der Zahl auf 20 / und der Student hatte ſich die alle[r]ungeſchickſten ausgeſucht / damit wir eine groͤßere Luſt davon genießen moͤchten. Die Edelfrau verſchriebe zu dieſer Action gar viel Edelleute vom Land her / und weil es ohne dem Faßnacht war / bekamen wir ziemlich viel Spe - ctatores ſo wol von der Naͤhe als von der Fer - ne. Der Student hatte die Comoͤdie gar artig eingerichtet / dann er verhoͤrte und exercirte alle Stund einen Bauern auf dem Theatro alſo / daß einer mit dem andeꝛn nicht gepꝛobirt ward ſondern ſeine Sach allein hermachen muſte.

Hoͤrſtu Baur / ſagte der Student zu demjeni -gen /193Hiſtorie V. Buch. gen / welchen er exercirte / dort in jener Seen ſte - het einer mit einem Stroh-Wiſch / und hier auf dieſer Seite einer mit einer Ofen-Gabel / nun komt noch ein Baur zu dir heraus. Wañ nun in der Scen der mit dẽ Stꝛoh-Wiſch niederſchlaͤgt ſo hebſtu an zu reden / und redeſt ſo lange bis die Red aus iſt / warteſt auch ſo lang und laͤſſeſt den andern reden bis der mit dẽ Stroh-Wiſch wie - der nieder ſchlaͤgt. Und auf eine ſolche Art rich - tete der luſtige Student alle Bauern ab / welchs der Leſer vielmehr bey ſich ſelbſt bedenken / als mans beſchreiben kan.

Das Schloß war auf den beſtim̃ten Actions - Tag ziemlich voll; es funden ſich aber abſonder - lich viel Adliche Jungfern ein / weil ſie ohne dem vom Vorwitz geſtochen / die Baurn-opera gern geſehen haͤtten.

Es war faſt ſchon Glock 12 Uhr / als ein ſtolzer Kaͤrl vor das Schloß-Thor kam und herein he - gehꝛte / dañ die Edelfrau hatte zuſperren laſſen / weil ſonſten das Gedraͤng gar zu groß gewor - den / deß wegen laͤſt ſich dieſer Fremde anmelden und gabe ſich vor einen reiſenden Prinzen aus. Er hatte keinen Diener noch Laqueyen bey ſich / deßwegen glaubten wir gar bald / daß es bloße Aufſchneidereyen waren / ließen ihn doch berein / da ſahen wir ſtracks an ſeinem Gang / daß der Kerl ein geborner und ein - gebildter Narr ware / dann er ſienge an / wie er gehoͤret haͤtte / daß eine ſtattliche opera hier auf dem Schloße ſolle aufgefuͤhret werden / dar - zu er einen Zuſchauer abgeben wolte / weil er ehedeßen in Venedig wol tauſend dergleichenJ iijherꝛ -194Kurzweiligerherꝛliche und ſtatliche Stuͤck geſehen haͤtte / und ſo fort. Der Student merkte bald / woran es dem auten Kaͤrl fehlete / dahero ſagte er zu ihm: Monſieur / unſere Action uͤberſteiget alle Herꝛ - lichkeit der Venetianer ein merkliches / dañ un - ſere Actores ſind nur geſchnitzte Bilder / und wir haben durch ein inſtumentum mecha - nicum die Rede in die Blider per Magiam naturalem gebracht / das eine ſolche Raritaͤt iſt / dergleichen in Orient und Occident nichts zu finden noch zu hoͤren iſt.

Dieſer Kaͤrl / ob er zwar kein Narꝛ nicht war / glaubte ers doch / uñ war dannenhero um ſo viel begieriger dem We[r]ke beyzuwohnen Wir fuͤh - reten ihn derohalben hinauf auf dem Saal / und ließen ihn unter die andern Edlen ſtehen / nach - dem wir ihnen heimlich zu verſtehen gegeben / daß Gegenwaͤrtiger ejn eingebildeter Haͤrings - Kopf ſey / welcher ſich vor einen Prinzen ausge - geben / derohalden erwieſen ſie ihm alle eine ſchein-heilige Ehre / boten ihm die Oberſtelle / uñ der Narr war ſo einfaͤltig / daß er nicht merkte ob ſie ihn ſchraubten oder ehrten / nahme dero - wegen den Ober-Platz / und machte ſo wundeꝛli - che Minen / daran man ſatſam abnehmen koͤn - nen / dz ihn die eingebildte Hofart zu keinẽ kleinẽ ſondern einen rechten manifeſten und extra - ordinar-reputirlichen Narrn gemacht / weil ihm ſo viel an ſeiner reputation gelegen war.

Jndem nun die Adelichen und anders Geſind auf dem Sahl ſich auf die Stuͤle ſatzten / mach - ten wir das Theatrum zu recht / uñ kleideten dieBaurn195Hiſtorie V. Buch. Baurn an. Meiſter Fritz der Schuſter war an - angekleidet als der Cupido, und ſein Weib muſte den Jupiter machen / ſo naͤrriſch und widerſiñig hatte der Student die Perſonen aus - getheilet. Damit auch die Actores eine baͤßere Courage kriegten / gaben wir drey Maß Bier - Brand-Wein zu vertrinken. Jch aber und der Student hatten auch 2 Part / er den Prologũ, und ich den Epilogum. Die Ordnung aber der Comoͤdie war / wie folget:

Erſtlich hatten wir zwey Jungen auf beiden Seiten der erſten Scen / der eine hatte einen Stroh-Wiſch / der ander auf der andeꝛn Seiten eine Ofen-Gabel / ieder hatte das Comoͤdien-E - xemplar vor ſich / und daher waren ſie ſchon ab - gerichtet / denen Bauern das Zeichen zu geben / und damit gieng es an. Man zuͤndete die Liech - ter an / und nachdem der Sahl ganz finſter ge - machet worden / tritt der Student / als der Mercurius verkleidet hinaus / und fieng an:

Prologus. (der Student.)
JCh ſag euch allen ohne Spieß /
ein gluͤckſeligen Bonus dies!
Sagt ihr zu mir auch wiedeꝛ was /
ſo ſag ich: DEO gratias!
Darauf ich nun anfangen will
gar bald mein Comoͤdien-Spiel /
es wird erſcheinen / glaubt mir nur /
gar mauch - und luſtige Figur.
Den Phœbus agirt hin und her
Meiſter Gregor / der Dorf-Schneider.
J jvDen196Kurzweiliger
Den Ganymedes machet mit
Meiſter Philipp der Grobe-Schmitt.
Nachbar Hanns machet ohn Verdruß
die allerlieblichſte Venus.
Den Bacchus macht / wie eine Sau /
des Meiſter Barthels Ehe-Frau.
Nachbar Joſt mit dem großen Arſch /
der præſentirt den Kriegs-Gott Mars.
Der Meiſter Fritz macht ziemlich frob
den Gott der Liebe Cupido.
Und deßen Weib ganz ohn Beſchwehr
agiret den Gott Jupiter.
So hab ich ſie huͤbſch ausgetheilt /
und mit dem Spiel nicht lang verweilt /
habs g ſprochen ſchon vor langen Jahrn /
d Welt ſey voll Stultus oder Narrn /
das ſolt ihr auch anheut verſpuͤrn /
wann ſich die Baurn werdn præſentirn.

Nachdem der Student ſeinen Prologum recitiret / ließ man den Vorhang niederfallen / und die Bauern hatten wir indeßen ſchon ange - ſtellet / damit ieder den Ort wuͤſte / da er hinaus gehen ſolte. Unter andern aber war Meiſter Fritz der Lein-Weber ſertig gemachet / weil er ganz alleine hinausgehen und der Action einen Anfang machen ſolte. Er war ganz nackicht wie der Cupido ausgezogen / uñ hatte um den Bauch nicht mehr als eine Hand-Quele gebunden; an ſtatt des Koͤchers haͤngten wir ihm einen Ran - zen an / und weil wir keine Pfeile zur Hand hat - ten / ſteckten wir ihme vor dieſelbe große Koch - Loͤffel hinein: weil auch Cupido gemeiniglichmit ver -197Hiſtorie V. Buch. mit verſchloßenen Augen abgemahlet iſt / als verbanden wir Meiſtr Fritzens Lebens Liechter mit einem alten Maͤgde-Strumpf / welcher zu Plutarchi des beruͤhmten hiſtorici Zeiten geſtricket worden. So war auch noch das art - lichſte / daß dieſer Fritz einen ziemlich langen Barth hatte / welchem eine Filz Laͤuſe wol 40 Meil Weges zu Ehren reiſen moͤgen. Derge - ſtalten muſte er aufs Theatrum / und nachdeine der Vorhang aufgezogen worden / fienge er an den

ACTUS primus, Scena prima. Cupido. (Meiſter Fritz der Lein-Weber).
JCh armer Blinder bin nicht froh /
ob ich gleich bin der Gott der Liebe /
denn ich ja ſiets aufwarten muß
meiner Mutter der Sirbin.
Jch ſchleß mit meinem Pfeil ſehr wol /
ſo gut / als mit meinem Reit-Puffer.
Jch bin viel arger als Geſpenſter /
ſteig Tag und Nacht durch die Tag-Leuchter.

Jndem fangen die Spectatores ſchroͤcklich an zu lachen / dañ der Mr Fritz hatte die Scher - pe um den Leib fallen laſſen / da riße er den Strumpf vom Kopf hinweg / und ſprange wie - der binter die Scenen / ſo gut er nur konte / kon - ten ihn auch / ſo ſehr wir ihn antrieben / nicht mehr hinaus bringen / bis Meiſter Gregor / als Phoͤbus / mit Meiſter Barthels ſeinem Weib (welche den Bacchus machte) hinaus kame / und

J vDie198Kurzweiliger

Die ander Scen des erſten Acts folgender Maßen anfienge:

Phœb.

Ach liebſter Bacchus ich bin fuͤr wahr.

Bacch.

Ein garſtigr Flegel und ein Narꝛ.

Was? ſagte der Meiſter Gregor / du Schand - Hure / daß dich der Teufel vom Platz hinweg ho - le! bin ich ein Narr? und hiermit gabe er dem Bacchus eine Ohr-Feige. Die Frau ſchlug ihn wieder ins Geſicht / uñ fiengen beyde an zu rauf - fen. Sie warffen ſich wol 10 mal hin und wie - der / bis Melſter Barthel den Handel innen wur - de / da k[a]m er ſeinem Weibe zu Huͤlff / uñ ſchluge den Phoͤdus fo trucken ab / daß nichts druͤber. Die andern Bauern konten ſich wegen des ge - trunkenen Brandt-Weins vom Schlagen auch nicht enthalten / uñ weil dieſer dem Barthel der andere dem Meiſter Gregor zulegte / kamen ſie auch in die Haare / und zerzauſten einander die Koͤpfe / daß eine Scena auf dem Theatro da - hin / die andere dorthin fiele. Eine ſolche Co - moͤdie hatte der Student mit gꝛoßem Gelaͤchter der Zuſeher angerichtet / nur der einzige Praler / ſo ſich hatte vor einen Prinzen ausgegeben / der glaubte noch unſern Worten / daß alle dieſe Per - ſonen nur bloße ausgeſchnizte Figuren waͤren / welche ſich durch ein Magiſches Werk ſo herum treiben und regiren ließen / ſagte derohalben zu dem / ſo ihme am naͤchſten ſaß / daß er die Zeit ſei - nes Lebens niemalen etwas ſo kuͤnſtliches geſe - hen hatte.

h Wir hatten zu unſerm abſonderlichen Vor - teil und baͤßern Luſt der Zuſeher in einer Stu -be bis199Hiſtorie V. Buch. be biß dahero verſchloßen behalten Meiſter Fri - zens des Schuſters ſeine Ehliche Haus Frau / welche den Jupiter præſentiren ſolte / Jtem Nachbar Joſt als Mars / und den Ehrlichen Nachbar Hannſen / welcher vorſtellen muſte die Edle und aus den Jdumeiſchen See entſprun - gene Venus. Dieſe 3 Perſonen waren bis da - hero ganz verſchloßen geſaͤßen / und hatten deß - wegen von dem voruͤber gegangnem Scharmuͤ - zel nichts gehoͤret noch gewuſt. Als nun der Scharmuͤzel unter dem Gelaͤchter der Zuſeher in etwas geſtillet / uñ die Baurn von dem Thea - tro wieder hinter die Scenen und die Machinen ſind gebracht worden / holete der Student die 3 verſchloßene herauf / und zeigte jedem / wo er hiuausgehen ſolte. Nachbar Hanns war der erſte / als er aber hinausgekommen / laͤufft er ſchnell wieder zuruͤck / dann er erſchrack vor dem Volk / ſo vor dem Theatro ſaße / und wo wir ihn nicht mit Gewalt hinaus geſtoßen und ihm hin - ter der Scen mit der Ofen-Gabel gedrohet haͤt - ten / wuͤrde er ohn allen Zweifel kein Wort gere - det haben Jndem er aber unſern Zorn ver - merkte / fienge er an die

Scena tertia der 1 Handlung.

JCh ſchoͤne Venus aus Aegyten-Land bin allen Voͤlkern auf Erd wißend / aus einer See bin ich entſprungen / alwo ſo manche Syren geruͤlpſet / Jch hab euch mit meiner Lieb bezwungen / all Große / Klein / Junge und Alten. Hier kom̃t in mich[g]anz hoch-verliebt Jupiter welcher iſt ſehr melancholiſch /J vjſobald200Kurzweiligerſobald ich ihn aber werd umfangen / iſt all ſein Leyd wie Thau verſchwunden. Willkom̃n / wo kom̃ſt du nun daher / Du allerliebſter Goͤtter-Prinz?

Scena IV. der erſten Handlung.

Jupiter und Venus.
Jup.
Großn Dank / großn Dauk ich ſagen muß
dir O du ſchoͤnſte Goͤttin der Lieb /
es hat mich lange hart gedurſt /
nach deiner ſuͤßen Liebs-Plunzen.
Mein Herz das wird vor Lieb geplagt /
als wie ein Mañ der ſein Weib pruͤgelt.
Jch hab auf dieſer eitlen Erd /
nichts / als nur noch zwey ſchoͤne Eſel /
dieſelben ſchenk ich dir O Kind / (Staar.
eins ſieht nicht recht / das ander hat den
Ven.
O Jupiter du biſt ein Dieb /
ich hab dich ganz und gar nicht gern.
Hier komt daher der Kriegs-Gott mars,
Jup.
Jch wolt du fraͤßt ihm aus dem Aermel.

Scena V. der erſten Handlung.

Jupiter. Venus. Mars.
Mars
Gluͤckzu / Gluͤck zu! Jch kom̃ daher /
die Venus zu ſehen iſt mein Verlangen /
doch aber hier ſteht ſie vor mir /
Gluͤck zu / Gluͤck zu! du ſchoͤnſte Klarheit!
Ven.
Jch ſage dir ganz großen Dank.
mars.
Frau Venus / ihr ſeyd gewiß uͤbel auf?
Ven.
So / etwas / dann der Jupiter
der trlbulirt mich hin und wider.
mars.
Der Kaͤrl hat ganz kein Verſtand /
er iſt ein grober Erz-Hunns-fut.
Du201Hiſtorie V. Buch.

Du Flegel / ſagte des Schuſters ſeine Haus - Frau / heiſt du mich vor den Leuten einen Huñs - fut? Watſch gab ſie dem Mars eine Ohrfeige / da gienge der Duell aufs neu: an / bis die vori - gen Actores auch wieder darein geriethen / und das Theatrum vollends uͤber den Hauffen wurffen.

Die Spectatores lachten noch abſcheuli - cher den vorhin / weil eins das andere uͤber das Theatrum abgeſchmißen / und ſie genoͤthiget worden / aus dem Saal zu weichen / wo ſie nicht auch etliche Schlaͤge davon tragen wollen / der - geſtalten haben ſie ſich verloffen / daß wir ge - zwungen wurden / der Action ein Ende zu ma - chen. Dieß einzige iſt nicht zu vergeßen / daß der eingebildete Prinz / nicht anders meynend / als waͤren die Schlagende und uͤber das Thea - trum ausgeworffene Perſonen geſchnitzte Bil - der / dieſelbe von der Erden aufzuheben und auf das Theatum ſchwingen wollen / aber dardurch kame er denen Bauern unter die Haͤnde / die karnuͤffelten ihn dergeſtalten / daß er Ach und Wehe ſchrye. Sie rißen ihm faſt alle Haar aus dem Kopf und ſchlugen ihm ſeinen eigenen Stock uͤber dem Buckel ab. Jch aber und der Student verſtackten uns indeßen auf den Heu - Stadel / und warteten ſo lange / bis die Fremde alle aus dem Schloße waren / dann ſtiegen wir wieder herunter und fanden die volle Bauern einen hier den andern dort hinter und vor dem Theatro ſchlaffen / welche ſich mit Blut der - maßen beſudelt hatten / daß man ſie faſt nicht mehr kennen konte. Hierauf brachten wir dieFlegel202KurzweiligerFlegel nach Haus / und die Edelfrau ſchenckte iedem die halbe Winkel-Steur / weil ſie die Zeit ihres Lebens nicht ſo vieln / als uͤber dieſe Comoͤ - die gelachet. Jch aber und der Student beka - men ſechzig Thaler vor unſere Muͤhe; und der - geſtalten verbrochten wir den kalten Winter / ſo gut wir konten.

Jch habe zuvor gemeldet / welcher Maßen die Edelfrau einen Kammerdiener aufgenom - men / ſo ein uͤberaus-ſchoͤner Menſch ware / die - ſer hatte bey der vergangenen Action keine ge - ringe Luſt / und konte des Lachens langer Zeit nicht ſatt werden / ſo gar / daß er den Studenten etlich mal erſuchet / noch ein dergleichen Faß - nacht-Spiel zu inventiren / weil aber die Zeit zu heilig ware / lagen wir andern Sachen ob / ſo getrauten ſich auch die Bauern nicht mehr aufs Theatrum / und waren froh / daß ſie noch mit ganzer Haut davon gekommen. Jndem begiebt ſichs / daß die Edelfrau zu Bezeugung ihrer Lieb gegen mich / mir das ganze Guth teſtatoriè zum Erb vermachet / und zu Ende deßen / heißet ſie mich aufs neue ausreiſen / und eine Liebſte ſu - chen / die mir am baͤſten anſtehen wuͤrde. Jch kan nicht glauben / daß ein Menſch auf Erden iemaln eine groͤßere Vergnuͤgung als ich dazu - mal empfunden / da ich zu einem ſolch ſchaͤtzba - ren Reichthum / und zwar ganz unverdient ge - langet / begabe mich dahero mit dem Studen - ten aufs Neue auf die Reiſe / und nahmen baͤßre Pferde zu uns denn vorhin.

Den dritten Tag nach unſerer Abreiſe traf - fen wir nach Obern Berg / einen grosen Mark -Fleck /203Hiſtorie V. Buch. Fleck / naͤchſt welchem ein hauptſaͤchlich altes Schloß gebauet war / es ſchiene faſt wuͤſt und einſam zu ſeyn / weil wir nicht allein keinen Menſchen bey demſelben geſehen / ſondern auch das Thor zu geſchloßen war. Aber unſer Wirth berichtete uns / welcher ehedeßen dem Herzog von Lothringen vor einen Obriſt-Leutenant ge - dienet / und aus ſolchem Krieg eine ſtattliche Tochter mit ſich gebracht / die nunmehr ſchon das zwey und zwanzigſte Jahr ihres Alters er - reichet / ſie ſolle eine Jungſer von abſonderli - chen Eigenſchaften ſeyn / und ihre Mutter wuͤ - ſte ſich ſo viel mit ihr / daß man ihr faſt zwey Groſchen geben muͤſte / welcher die Tochter zu ſehen verlangte. Jch lachte uͤber des Wirhts ſeiner Erzehlung / und der Student hatte Luſt ſo wol mit dem Edelmann als der artlichen von Adel wegen ihrer ſo Rhuͤmens-wuͤrdigen Toch - ter zu ſprechen. Das Schloß lage nicht gar welt von dem Gaſt-Hof / derowegen machte der Wirth gar bald Gelegenheit zu dem Vater zu gelangen / weil er ehedeßen in dem Schloße ge - dienet und die Charge eines Schreibers in der Canzelley betretten hatte. Er bekam gar bald Antwort / und wurde uns von dem Alten vom Adel freygeſtellet ihn zu beſuchen / wann es uns wuͤrde gelegen ſeyn. Wir hatten uns beyde vor Adeliche ausgegeben / und weil ich als ein Freyers-Mann ausgeritten / hatte ich Kleyno - dien genug bey mir / mich bey dem Frauenzim - mer in Anſehung und reputation zu bringen / derohalben ſpeiſeten wir bald ab / und nahmen unſern March nach dem Eſſen / in das Schloß. uns204KurzweiligerUns folgten zwey Diener mit rohter〈…〉〈…〉 berey / welche uns die Alte vom Adel zu einem baßern Ausputz auf den Weg gegeben hatte / und da - mit ich meine Sache deſto baͤßer beſcheinigen moͤchte / hatte ich auch mit mir die ganze Ge - gend meiner zukuͤnftigen Guͤter auf dem Papier entworffen und gleich einer Land Charte abge - bildet. Der Werk-Meiſter dieſes Gemaͤhl - des war der Student / und war in allem aus der Maßen wol getroffen / auſer daß er mir zu Gefallen und die Einfaͤltigen zu betriegen / noch einmal ſo viel Doͤrfer hinein geflicket / als in dem Werke ſelbſten anzutreffen waren.

Sobald wir au das Thor gelangeten / er - griffe mich ein widerwaͤrtiger Schaur / derglei - chen ich noch niemalen empfunden hatte / weil er aber bald wieder vergangen / hielte ich deßen Urſach vielmehr meiner verwechſelten Luft / als einer andern Bedeutung aͤhnlich. Hierauf wurden wir durch einen Knecht bis an eine Treppe gefuͤhret / uͤber welcher der alte Schloß - Herr ſein Gemach ſtehen hatte. Er hieß uns uͤbers Fenſter willkommen / als ſchon ein Laquey mit einem Spitz-Krug geloffen kam / welcher nebenſt zwey Schaalen Confect einen trefflichen Oeſterreicher daher brachte. Es war ein al - ter Cloſter-Neuburger / uñ dahero tranken wir ſehr luſtig herum / weil der alte Edelmann ein abſonderlicher Spiritus ware / der ſich gerne mit allerley Leuten bekant machte. Nach Aus - leerung etlicher Glaͤſer faͤngt der Stndent / als mein Hofmeiſter / ſeine Oration an / in welcher er vorſtellete / was Maßen dem Menſchen nichtgut ſey /205Hiſtorie V. Buch. gut ſeye / allein zu ſeyn; dieſes probirte er mit vielen herꝛlichen Exempeln ſo wol aus Geiſt-als Weltlichen Geſchichten / auf welches er weiter vorſtellete / welcher Maßen ich dieſes ſehr reif - lich und wol bedacht und mir zug eich auch vor - geſetzet haͤtte / nicht mehr alleine zu bleiben / ſondern mir um einen Gemahl umzuſehen / wel - che meines gleichens waͤre / doch alſo beſchaffen damit dem elbigen nichts an irgend einer Tu - gend abgienge. Wann dann in dem ganzen Lande ein abſonderliches Geruͤchte von ſeiner Tugendſamſten Jungfer Tochter erſchollen / ſo haͤtte mich dieſer rhuͤmliche Ruff angefriſchet / zu Pferde zu ſitzen und derſelben im groͤſten Ge - horſam aufzuwarten / wann ich zuvor von ihm / als ihrem Herꝛn Vater / welcher ſie durch ſeine fleißige und vaͤterliche Zucht zu einem ſo hohen und vortrefflichen Ruhm erhoben / wuͤrde Er - laubnuͤß eingeholet haben / bate ihn auch zu - gleich / er moͤchte geruhen hiervon ſeine Mei - nung zu ſagen / und zu melden / ob er entſchloßen waͤre / ſeine Tochter au einen vom Adel / und zwar einen Meuſchen von einer Tonnen Geldes zu verheyrathen oder nicht?

Liebe Herꝛn und Freunde / waren des Schloß Herꝛn ſeine Wort: Es iſt wahr / daß allein zu ſeyn nicht gar zu gut iſt / und verehlicht zu ſeyn iſt eben auch nicht gar zu gut. Hier von koͤmt mir zu Sinn / was einer Zeit ein weiſer Mann zu einem jungen Menſchen ſagt / welcher ihn gefraget: Obs baͤßer ſey allein / oder ver - ehligt zu ſeyn? Dem antwortete der Weiſe: Utrumque dolebis: Du wirſt uͤber bey -dem206Kurzweiligerdem nit gar zu froh ſeyn. Doch iſt es nit ohne / daß die Jugend immer nach neuen Biß - lein ſchnappet und ein junges Maͤgdlein gern ei - nen Mann haͤttte. Das iſt eins.

Vors andere / daß ſich der Herꝛ (wieſe auf mich) dannenhero auch entſchloßen habe nicht allein zu ſeyn / ſondern ein Stuͤck Fleiſch an den Hals zu haͤngen / iſt gar billich und zulaͤßig / und erfreuet mich von Herzen / daß er dahero das Vertrauen zu meiner Tochter geſetzet / welche / ob ſie ſchon nicht ſo ſehr Tugendſam iſt / als es der Herꝛ (wieſe hierauf auf den Studenten) durch ſeine Wolredenheit herausgeſtrichen / (hierauf buͤcketen wir[uns] alle beyde zugleich) ſo iſt ſie doch ein ehrlich frommes Kind / fleißjg / baͤuslich / andaͤchtig und gutwillig / ja ja / ſo ein Maͤdchen iſts / ſtehet es ihm an / warum ſolt ich mich beſinnen / ſie an einen ſo wackern Cavalier zu verſorgen? Hiermit pfiffe er / und hieße die Tochter kommen

Potz hundert gute Jahr / wie erſchracken wir / als dieſelbige ſamt der Mutter zu dem Zimmer herein kame! Dann da wurden wir erſt gewahr / daß uns der Wirth einen grau - ſamen Baͤren angebunden hatte / dann ich kan nicht genugſam beſchreiben / wie ein ungeſtaltes langſeitiges Menſch die Jungfer ware; Sie ſchielte mit den Augen / und die Naſe war ihr um zwey gute Finger zu kurz / und was noch das aͤrgſte war / ſo gieng ſie auf der Steltzen. Jch ſahe es dem Studenten an der Naſe an / daß er ſchlechte Luſt hatte ſich weiter mit einem Wort zu verbrennen / machten uns alſo mit Manierauf207Hiſtorie V. Bnch. und davon / verſprechend / daß wir innerhalb drey Wochen gewiß wieder da ſeyn wuͤrden.

Der Wirth ſtunde in ſeiner Haus Thuͤr / und lachte immer uͤber unſere ſo ſchnelle Zuruͤck - kunft / daß er die Daumen in die Seiten halten muſte / und ſo arg der Poß ware / muſten wir doch mit ihme lachen / ſatzten uns alſo zu Pferd und ritten wieder davon.

Abends kamen wir in eine Stadt / darin - nen es manch wackeres Maͤgdchen gab. Etli - che waren ſchoͤn / aber hingegen zu keiner Haus - haltung abgerichtet / ob ihnen ſchon am com - plimentiren / courtiſiren / ſcoptiſiren / und gallaniſiren nichts gemangelt noch gefeh - let. Sie konten nirgends wo gebraucht wer - den / als bey Tiſch und im Bette / und wann ih - nen die Koͤchin nicht alle Morgen ein Suͤpplein vors Bette gebracht / ſo waren ſie ſtracks krank / und verfraßen ſo viel aus der Apotheke in ei - nem Tag / was ſie hernach innerhalb dreyſig Wochen nicht wieder erwerben koͤnnen. Jhre Arbeit beſtunde meiſtens in Ausmundirung der Hoffart / oder Zucker zu backen / dahero wider - riethe mir der Student als ein Bruder / ich ſolte mich ja hierinnen wol vorſehen / weil mein groͤſtes Heyl jn dieſem Schluß gelegen ware. Er ſagte mir auch / daß die meiſte unter ihnen ſchon abgekuͤßte / abgeloͤffelte / uñ ausdermaßen abgezwackte Katzen waͤren / welche ſich faſt an ieden Pflaſter-Tretter anhiengen / und Tag und Nacht nichts gedaͤchten / als wie ſie doch nur moͤchten einen Mann kriegen / ehe ſie ins alte Geſchirr ſchluͤgen. So waͤren auch dieſe Rum -pel -208Kurzweiligerpel-Scheiter auch darzu uͤberaus ſtolz uñ hoch - muͤhtig / und glaubten / ſie truͤgen den Arſch um eine gute Spann hoͤher / als andere Leute / er haͤtte ehedeßen auch eine ſolche heurathen wol - len / aber ſeine Freunde haͤtten mit Haͤnden und Fuͤßen davon abgewehret / weil ſie geſagt / daß Gluͤck und Seegen bey dergleichen hoffaͤrtigen Loch-Steltzen verlohren waͤre. Dann ſagte der Student weiter / wie kan ein Gedeyen bey dergleichen Leuten ſeyn / die kaum das 20ſte mal mit rechter Andacht beten / da ſie nicht ſtets auf die verdamte und vermaledeyte Welt Lieb gedenken / die in der Kirch viel mehr auf die Manns Perſonen / als auf den Altar ſehen / ja welches erſchroͤcklich zu ſagen iſt / die manches mal mit Ehe-Maͤnnern in ſo guter und zuver - ſichtiger Kundſchft ſtehen / gleich als wuͤrden ſie gewiß diejenigen ſeyn / die nach dero Weiber Tod ihnen ſolten an die Seite gelegt werden. Solche Ehrvergeßene und luͤſterne Weibs Bil - der werden alsdann billich geſtraffet / und muͤſ - ſen fꝛeylich lange warten / ehe ſich das Gluͤck mit ſie veraͤñdert / und geſchicht es daß ſie ſich ver - ehelichen / ſo gehet es ihnen darnach / wie dem Pumper Nickel / da er die Metten geſungen hat. Es wird ein weltlich Lied kaum ſo bald geſungen / als ſie ſchon daruͤber ſtudiren / und ſolches auswend a zu lernen begehren / welches ein Zeichen iſt / daß ihr Gemuͤht viel fertiger zur Leichtfertigkeit / als zur Andacht. Aus dieſen Worten des Studenten entſchloße ich mich / mir eine fcom̃e und Gotts-Fuͤrchtige zu ſuchen / und weil doch ein Frauen-Bild wie das andere ge -ſchaffen109[209]Hiſtorie V. Buch. [w]aͤre / nach Art der Leibs-Glieder / achte ichs[ſ]ehr wenig / ob ich muͤchte eine von Adel oder ei -[n]es Buͤrgers Tochter heyrahten / ja ich ent -[ſc]hloße mich / auch vor einer Baͤuriſchen nicht[zu]fliehen / ſo ich nur verſichert waͤr / daß ſie fleiſ -〈…〉〈…〉[i]g betete / dañ an dieſem iſt das meiſte gelegen /[ſi]e mag darnach koͤnnen / verſtehen oder Guͤter[h]aben was ſie wollen. Auf dieſen Eutſchluß ſahe[i]ch mich in der ganzen Stadt um / ich machte[m]ich in Compagnien / aber ich fande / daß dieſe ſo[ſ]ich oftmals vor die aller-froͤm̃ſten angeſtellet /[d]ie alleraͤrgſten in der Haut waren / da konten[ſi]e in ihren Zuſammenkuͤnften uͤber andere[ſ]chaͤndiren / da ſie doch ſelbſten in die Kutte hin -〈…〉〈…〉 in nichts nutze waren / als daß ſie das Bett voll〈…〉〈…〉 arzten. Ha / gedachte ich bey mir ſelbſten / wer[a]ndere verachtet / der iſt gemeiniglich ſelbſt[n]ichts nutz / und die Hunde / die am meiſtẽ bellen greiffen am wenigſten zu / alſo lage mir wenig[o]der gar nichts an ihrem leeren Complimen -[t]iren / welches ſie meiſtens aus Buͤchern / oder[v]on andern entlehnet und ahgeſtohlen / und[ſ]cheerete mich nicht eines Nagels groß um ihren[ſ]tolzen Aufbutz / ſondern gabe ihnen hinter der Thuͤr eine gute Nacht / und gienge hin wo ich[h]er gekommen.

So ſchnell die Pfeꝛde lauffen konten / ſo ſchnell[r]itten wir wieder heim / und als wir in dem Schloße abgeſtiegen / kam uns die alte Edelfran weinend entgegen gegangen. Wir glaubten / es geſchaͤhe ſolches aus Freude / welche ſie wegen unſerer Ruͤckkunft geſchoͤpfet / aber ſie berichte - te uns gar bald einer andern Urſach / indeme ſieSie210KurzweiligerSie ſagte / welcher Geſtalten der Kammer - Dieners keine Manns Perſon / ſondern ihre vor dieſen mit dem Schmied-Knecht davon ge - loffene Tochter ſeye. Jch machte das Creutz hinter und vor mich / und dem Studenten ſtun - den die Augen offen / wie einer Eule. Jndem ſehen wir ſie am Fenſter ſtehen und lachen. Was konte man bey ſo geſtalten Sachen anders thun / als ſich von Herzen freuen? Hier auf richtete die Mutter ein koͤſtliches Mal zu / uͤber welchem uns die Jungfer folgends erzehlet:

Geliebte Frau Mutter / ſagte ſie / ich beken - ne / daß die Bluͤhte meiner Jugend viel eine an - dere Frucht angezeiget / alß in dem Werk ſelb - ſten gekommen iſt / dann unerachtet ich ſchon mit ziemlicher Frechheit umgegangen / hab ich doch mejnen Ubermuht in der Fremde merk ich abgeleget / alſo / daß es mich ausdermaßen ver - drießet / ſo ich noch an meine vorige Tage ge - daͤnke. Als ich mit dem Schmied-Knecht aus dem Schloße gelauffen / kamen wir an eine groſ - ſe See / dar uͤber wir uns machen wolten / ſtiegen alſo geſchwind zu Schiffe / und ließen uns gegen das Obergebuͤrge uͤberfuͤhren. Es ſchiene / als ob der Himmel uͤber unſerm Vorhaben nicht gering erzuͤrnet waͤre / indem unverhofft ein grauſames Wetter entſtanden / und weil wir ſchon mitten auf dem Waſſer / hebte ich an zu ſeufſzen und heulen. Aber auch dieſes halffe nichts / und ſo angſt dem Schmied. Knecht war / koute er doch nicht verwehren / daß die ſtarken Winde den Kahn umgeſchmißen / und uns ins - geſamt ins Waſſer geſtuͤrzet. Jch ve’rzweifel -te ſchon211Hiſtorie V. Buch. ſchon an meinem Leben / und forchte alle Au -〈…〉〈…〉 blick / die Seele wuͤrde mir ausfahren / als〈…〉〈…〉 noch zu meinem Behuͤlff in großem Schroͤk -〈…〉〈…〉 das Schifflein ergriffe / vermittelſt welchem〈…〉〈…〉 bis an das Ufer der andern Seiten getrie -〈…〉〈…〉 worden. O wie beſchmerzte ich dazumal /〈…〉〈…〉 ß ich euch ſo liederlich verlaſſen / und mich ſo〈…〉〈…〉 lliglich dem Teufel ergeben habe! da bejam -[m]erte ich an dem Ufer mein großes Ungluͤck viel[ta]uſend mal / dann der Schmied-Knecht war〈…〉〈…〉 mt dem Schiffer und denen andern Leuten / ſo〈…〉〈…〉 t uns uͤberfahren wollen / in der See elendig -[li]ch erſoffen und unter gangen. Jch war ganz〈…〉〈…〉 ß / und hatte noch znm baͤſten / daß mich eine[B]aurs Frau ins Haus anfgenom̃en / und mich〈…〉〈…〉 r dem Ofen von der Naͤße befreyet. Jn die -[ſe]m Haus arbeitete ich gleich einer Dienſt -[M]agd ein ganzes Jahr / dann ich getrauete[m]ich vor keinem Menſchen mehꝛ ſehen zu laſſen /〈…〉〈…〉 s ſich einer vom Adel / welcher unſer Dorf vor -[be]y reiſete / in mich verliebte. Jch beſcheidig -〈…〉〈…〉 ihn unter dem Schein einr Gegen-affection〈…〉〈…〉 mir / und zwar in tieffer Nacht; alwo ich un -〈…〉〈…〉 re Knechte beſtellet / die ihn bis aufs Hemde[au]sgezogen und jaͤm̃merlich zerblauet haben. 〈…〉〈…〉die Kleider legte ich an / und machte mich in[de]r Nacht ganz heimlich davon / ließe mich auch〈…〉〈…〉 nterhalten / und habe von ſelbiger Zeit an bis[ge]genwaͤrtige Stund in Kriegs Dienſten ge -〈…〉〈…〉 bet / bis ich endlich abgedanket worden / und〈…〉〈…〉 nhero kommen in der Geſtalt / als ihr mich〈…〉〈…〉 eſehen. Hieruͤber weinte die Alte / und wir[v]erwunderten uns uͤber die Geſchicht / weil ſieauch212Kurzweiliger. auch ein trefflich ſchoͤnes / kluges nnd holdſeliges Maͤdchen war / auch ihre Widerſinnigkeit gaͤnz - lich abgeleget hatte / verliebte ich mich nicht ein keines in ihre abſonderliche Eigenſchaften / ich offenbaret ſolches der Mutter / und dieſer war es ein gefundenes Fraͤßen / daß ſie mich ſehen ſolte ihrer Tochter vermaͤhlen. Der Hochzeit-Tag ward nicht lange verſchoben / und der Student machte ſich ſchon geruͤſt / eine luſtige Baurn Comoͤdie auf ſolche auszuferti - gen. Der Geſtalten wurde mir dieſes ſchoͤn - ſte Kind im Beyſeyn vieler Edlen Perſonen / getrauet / mit welcher ich bis dato auf dem Schloße haushalte. Der Student aber nahm nach vollendter Comoͤdie / ſamt den andern Gaͤ - ſten Urlaub / weil er Vocation hatte / auf eine naͤchſt gelegen Pfarꝛ zu kommen.

Des fuͤnften und lezten Buchs

ENDE.
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About this transcription

TextJucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung
Author Johann Beer
Extent228 images; 33627 tokens; 6640 types; 222475 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationJucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung Das ist: Eine kurzweilige Histori Eines/ von dem Glück/ wunderlich erhabenen Menschens/ welcher erzehlet/ wie und auf was Weis er in der Welt [...] herum gewallet/ bis er endlich zur Ruhe gekommen [...] Jedermänniglich/ ohne Unterscheid des Standes/ ersprießlich und nützlich zu lesen Johann Beer. . [2] Bl., 212 S., [5] Bl. : Frontisp., 5 Ill. (Kupferst.) s. e.s. l.1680.

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HAB Wolfenbüttel HAB Wolfenbüttel, M: Lo 4332

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Satire; Belletristik; Satire; Roman; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:28:56Z
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ShelfmarkHAB Wolfenbüttel, M: Lo 4332
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