Bevor ich hier in meinem Lebensberichte weiter fortfahre und mich zu den kleinen Abentheuern hinwende, die mir an der afri - kaniſchen Kuͤſte begegnet ſind, wolle mir der geneigte Leſer uͤber die nunmehr ergriffene Lebensart einige Entſchuldigung zugute kom - men laſſen. „ Wie? ‟ wird er vielleicht bei ſich ſelbſt geſagt haben — „ Nettelbeck ein Sklavenhaͤndler? Wie koͤmmt ein ſo verrufenes Handwerk mit ſeinem ehrlichen pommerſchen Herzen zuſammen? ‟ — Al - lein das iſt es ja eben, daß dies Handwerk zu damaliger Zeit bei weitem nicht in ei - nem ſolchen Verrufe ſtand, als ſeitdem man, beſonders in England, wider den Sklaven - handel, (und auch wohl nicht mit Unrecht) als einen Schandfleck der Menſchheit, ge - ſchrieben und im Parlamente geſprochen hat; und wenn er durch dies nachdruͤckliche Geſchrei entweder ganz abgekommen iſt, oder doch mit heilſamer Einſchraͤnkung be - trieben wird: ſo iſt gewiß auch der alte Nettelbeck nicht der letzte, der ſeine herz -11. Bändchen. (1)2liche Freude daruͤber hat. Aber vor 50 Jahren war und galt dieſer boͤſe Menſchen - handel als ein Gewerbe, wie andre, ohne daß man viel uͤber ſeine Recht - oder Un - rechtmaͤßigkeit gruͤbelte. Wer ſich dazu brauchen ließ, hatte die Ausſicht auf einen harten und beſchwerlichen Dienſt, aber auch auf leidlichen Gewinn. Barbariſche Grau - ſamkeit gegen die eingekaufte Menſchen-La - dung war nicht nothwendiger Weiſe damit verbunden und fand auch wohl nur in ein - zelnen Faͤllen ſtatt; auch habe ich, meines Theils, nie dazu gerathen oder geholfen. Freilich ſtieß mein Auge oft genug auf Rohheit und Haͤrte; aber die waren mir, leider, uͤberall, wohin der Beruf des See - manns mich fuͤhrte, und nicht bloß auf der Sklaven-Kuͤſte, ein nur zu gewohnter An - blick und konnten mir alſo auch eine Lebens - weiſe nicht verleiden, mit der ich, ſchon als Kind und bei meinem erſten Ausfluge in die Welt, vertraut geworden war, und zu der ich alſo auch jetzt, als Mann, um ſo unbe - denklicher zuruͤckkehrte.
Zu beſſerem Verſtaͤndniſſe des Folgenden wird es jedoch erforderlich ſeyn, einige Worte uͤber die Art und Weiſe, wie die - ſer Negerhandel damals von den Hollaͤn - dern betrieben wurde, im Allgemeinen bei - zubringen.
3Da hier Menſchen nun einmal als Waare angeſehen wurden, um gegen die Erzeugniſſe des europaͤiſchen Kunſtfleißes ausgetauſcht zu werden, ſo kam es haupt - ſaͤchlich darauf an, ſolche Artikel zu waͤhlen, welche das Beduͤrfniß oder der Luxus den Schwarzen am unentbehrlichſten gemacht hatte. Schießgewehre aller Art, und Schieß - pulver in kleinen Faͤſſern von 32, 16 bis 8 Pfund, nahmen hierunter die erſte Stelle ein. Faſt eben ſo begehrt war Taback, ſo - wohl geſchnitten, als in Blaͤttern, ſammt irdenen Pfeifen, und Branntwein, entweder in halben Ankern, oder in Flaſchenkellern von 12, 8 bis 6 Gemaͤßen. Kattune von allen Sorten und Farben, lagen in Stuͤcken von 21 bis 24 Ellen; ſo wie auch der - gleichen, oder leinene und ſeidene Tuͤcher, deren 6 bis 12 zuſammengewirkt waren. Eben ſo wenig durfte ein guter Vorrath von linnenen Lappen, 3 Ellen lang und halb ſo breit, fehlen, die dort als Leibſchurz getragen werden. Den Reſt der Ladung fuͤllten allerlei kurze Waaren; als kleine Spiegel, Meſſer aller Art, bunte Korallen, Naͤhnadeln und Zwirn, Fayence, Feuerſteine, Fiſchangeln und dergl.
Einmal gewoͤhnt, dieſe verſchiedenen Artikel von den Europaͤern zu erhalten, koͤnnen und wollen die Afrikaner, ſowohl an4 der Kuͤſte, als tiefer im Lande, ſie nicht miſſen, und ſind darum unablaͤſſig darauf bedacht, ſich die Waare zu verſchaffen, wo - durch ſie ſich dieſelben eintauſchen koͤnnen. Alſo iſt auch das ganze Land immerfort in kleine Partheien getheilt, die ſich feindlich in den Haaren liegen und alle Gefangenen, welche ſie machen, entweder an die ſchwarzen Sklavenhaͤndler verkaufen, oder ſie unmit - telbar zu den europaͤiſchen Sklavenſchiffen abfuͤhren. Allein oft, wenn es ihnen an ſolcher Kriegsbeute fehlt und ſie neue Waa - ren-Vorraͤthe beduͤrfen, greifen ihre Haͤupt - linge, die eine deſpotiſche Gewalt uͤber ihre Unterthanen ausuͤben, diejenigen auf, welche ſie fuͤr die entbehrlichſten halten; oder es ge - ſchieht wohl auch, daß der Vater ſein Kind, der Mann das Weib und der Bruder den Bruder auf den Sklavenmarkt zum Verkaufe ſchleppt. Man begreift leicht, daß es bei ſolchen Raubzuͤgen an Grauſamkeiten jeder Art nicht fehlen kann, und daß ſich alle dieſe Laͤnder dabei in dem elendeſten Zu - ſtande befinden. Aber eben ſo wenig kann auch abgelaͤugnet werden, daß die erſte Ver - anlaſſung zu all dieſem Elende von den Eu - ropaͤern herruͤhrt, welche durch ihre eifrige Nachfrage den Menſchenraub bisher beguͤn - ſtigt und unterhalten haben.
5Jhre, zu dieſem Handel ausgeruͤſteten Schiffe pflegteu laͤngs der ganzen Kuͤſte von Guinea zu kreuzen, und hielten ſich, unter wenigen Segeln, ſtets etwa eine halbe Meile oder etwas mehr vom Ufer. Wur - den ſie dann am Lande von Negern er - blickt, welche Sklaven oder Elephanten-Zaͤhne zu verhandeln hatten, ſo machten dieſe am Lande ein Feuer an, um dem Schiffe durch den aufſteigenden Rauch ein Zeichen zu ge - ben, daß es vor Anker gienge; warfen ſich aber auch zu gleicher Zeit in ihre Kanots und kamen an Bord, um die zur Schau aus - gelegten Waaren-Artikel zu muſtern. Vor ihrer Entfernung verſprachen ſie dann, mit einem reichen Vorrath von Sklaven und Zaͤhnen ſich wieder einzufinden; oft jedoch ohne darinn Wort halten zu koͤnnen oder zu wollen.
Gewoͤhnlich aber erſchienen ſie, zu wirk - lichem Abſchluß des Handels, mit ihrer Waare am naͤchſten Morgen, als der be - quemſten Tagszeit fuͤr dies Verkehr. Denn da dort jede Nacht ein Landwind weht, ſo hat dies auch bis zum naͤchſten Mittag eine ruhige und ſtille See zur Folge. Dann ſteigt wieder ein Seewind auf; die Bran - dung waͤlzt ſich ungeſtuͤmer gegen den Strand, und die kleinen Kanots der Schwarzen koͤn - nen ſich nicht fuͤglich hin und zuruͤck wagen. 6Das Fahrzeug, welches die verkaͤuflichen Sklaven enthielt, war in der Regel noch von einem halben Dutzend Andrer, jedes mit mehreren Menſchen angefuͤllt, begleitet, welche Alle einen Antheil an der ungluͤck - lichen Waare hatten. Allein nur 8 oder hoͤchſtens 10 aus der Menge wurden mit derſelben an Bord gelaſſen; waͤhrend die Uebrigen in ihren Kanots das Schiff um - ſchwaͤrmten und ein tolles Geſchrei ver - fuͤhrten.
Nun wurden auch die Gefangenen an Bord emporgehoben, um in naͤhern Augen - ſchein genommen zu werden; die maͤnnlichen mit auf dem Ruͤcken dergeſtalt hart zuſam - mengeſchnuͤrten Ellenbogen, daß oft Blut und Eiter an den Armen und Lenden hinunter - lief. Erſt auf dem Schiffe wurden ſie los - gebunden, damit der Schiffsarzt ſie genau unterſuchen konnte, ob ſie unverkruͤppelt und uͤbrigens von feſter Conſtitution und bei vol - ler Geſundheit waͤren; und hierauf eroͤffnete ſich denn die eigentliche Unterhandlung; je - doch nicht, ohne zuvor ſowohl den Verkaͤu - fern, die ſich auf dem Verdeck befanden, als ihren Kameraden in den Kanots, Taback und Pfeifen vollauf gereicht zu haben, damit ſie luſtig und guter Dinge wuͤrden — freilich aber auch ſich um ſo leichter betruͤgen lieſſen.
7Die europaͤiſchen Tauſchwaaren wurden den Schwarzen ſtets nach dem hoͤchſten Ein - kaufspreiſe, mit einem Zuſatz von 25 Procent, angerechnet; und nach dieſem Tarif galt da - mals ein vollkommen tuͤchtiger maͤnnlicher Sklave etwa 100 Gulden Holl.; ein Burſche von 12 Jahren und druͤber ward mit 60 bis 70 Gulden, und ohngefaͤhr zu gleichem Preiſe auch eine weibliche Sklavinn bezahlt. War ſie jedoch noch nicht Mutter geweſen und ihr Buſen noch von jugendlicher Fuͤlle und Elaſticitaͤt, (und daran pflegt es die Natur bei den Negerinnen nicht fehlen zu laſſen) ſo ſtieg ſie auch verhaͤltnißmaͤßig im Werthe bis auf 120 oder 140 Gulden.
Die Verkaͤufer bezeichneten ſtuͤckweiſe die Artikel, welche ihnen unter den ausgelegten Waaren anſtanden; wogegen der hollaͤndiſche Einkaͤufer ſeinen Preis-Courant fleiſſig zu Rathe zog, um nach dem angenommenen Tarif nicht uͤber 90 Gulden hinauszugehen, und wobei auch der geſpendete Brantwein, ſammt Toback und Pfeifen, nicht unberuͤckſichtigt blieben. Fieng er dann an, ſich noch wei - tern Zulegens zu weigern, und ließ ſich hoͤch - ſtens noch ein Stuͤck Kattun abdringen, ſo ward der Ruͤckſtand im geforderten Men - ſchenpreiſe vollends mit geringeren Waaren und Kleinigkeiten, und zuletzt noch mit einem Geſchenk von Meſſern, kleinen Spiegeln und8 Korallen ausgeglichen. Wieviel es uͤbrigens, bis zum gewuͤnſchten Abſchluß, des Streitens, Fluchens und Laͤrmens bei dieſem Handel gegeben habe, bedarf kaum einer beſondern Erwaͤhnung: denn wenn der eigentlichen Wortfuͤhrer bei den Negern auch nur 2 oder 3 ſeyn mochten, ſo gab es doch immer un - aufhoͤrliche Ruͤckſprache und Verſtaͤndigung mit ihren Gefaͤhrten in den Kanots, die bei dem Erfolg der Unterhandlung Alle gleich ſehr intereſſirt waren. Hatten ſie dann end - lich die eingetauſchten Waaren in Empfang genommen, ſo packten ſie ſich wieder in ihre Fahrzeuge und eilten luſtig, wohlbenebelt und unter lautem Halloh wieder dem Strande zu.
Waͤhrend dieſer ganzen geraͤuſchvollen Scene ſaß nun der arme Sklave, um wel - chen es gegolten hatte, auf dem Verdeck und ſah ſich, mit ſteigender Angſt, in eine neue unbekannte Hand uͤbergehen, ohne zu wiſſen, welchem Schickſal er aufbehalten ſey. Man konnte den Ungluͤcklichen, ſo zu ſagen, das Herz in der Bruſt ſchlagen ſehen: denn eben ſo wenig, als die Meiſten von ihnen je zuvor das Weltmeer, auf dem ſie nun ſchwam - men, erblickt, hatten ſie auch fruͤherhin die weiſſen und baͤrtigen Menſchen geſehen, in deren Gewalt ſie gerathen waren. Nur zu gewiß waren ſie des Glaubens, wir haͤtten ſie nur gekauft, um uns an ihrem Fleiſche9 zu ſaͤttigen. Voll von dieſer Vorſtellung, ſah man es ihnen deutlich an, daß unſre weiße Hautfarbe ſie mit noch weit hoͤherem Ent - ſetzen erfuͤllte, als uns ihre ſchwarze erſchreckte.
Die Verkaͤufer waren nicht ſobald vom Schauplatz abgetreten, als der Schiffsarzt Sorge trug, den erhandelten Sklaven (war - lich zum ſchlechten Labſal!) ein Brechmittel einzugeben, damit die ſeither ausgeſtandene Angſt nicht nachtheilig auf ihre Geſundheit zuruͤckwirkte. Aber begreiflicher Weiſe konn - ten die gewaltſamen Wirkungen dieſer Pro - cedur jenen vorgefaßten ſchrecklichen Wahn ebenſowenig beſeitigen, als die Anlegung ei - ſerner Feſſeln an Hand und Fuß, wodurch man ſich beſonders der maͤnnlichen Sklaven noch enger zu verſichern ſuchte. Gewoͤhnlich kuppelte man ſie uͤberdem noch paarweiſe zu - ſammen, indem man durch einen, in der Mitte jeder Kette befindlichen Ring noch einen fußlan - gen eiſernen Bolzen ſteckte und feſt vernietete.
Verſchonte man auch die Weiber und Kinder mit aͤhnlichem Geſchmeide, ſo wurden ſie doch in ein feſtes Behaͤltniß vorne in der Schiffsback eingeſperrt; waͤhrend die er - wachſenen Maͤnner ihren Aufenthalt dicht daneben zwiſchen dem Fock - und großen Maſte fanden. Beide Behaͤlter waren durch ein zweizoͤlliges eichenes Plankwerk von einander geſondert, ſo daß ſie ſich nicht ſehen konnten. 10Doch brachten ſie in dieſem engeren Ver - wahrſam nur die Naͤchte zu; bei Tage hingegen war ihnen geſtattet, in freier Luft auf dem Verdecke zu verweilen. Auf ihre fernere Behandlung waͤhrend der Ueberfahrt nach Amerika werde ich in der Folge wieder zuruͤckkommen.
Der hiernaͤchſt bedeutendſte Gegenſtand des Handels an dieſer Kuͤſte ſind die Ele - phanten-Zaͤhne, von welchen auch der ganze Strich zwiſchen Cap Palmas und tres Pun - tas den Namen der „ Zahn-Kuͤſte ‟ fuͤhrt. Habe ich die Erzaͤhlungen der Eingebohrnen recht verſtanden, ſo bemaͤchtigen ſie ſich dieſer ſtark geſuchten Waare, indem ſie ſich, in Partheien von 30 und mehr Perſonen, in die landeinwaͤrts gelegenen Waͤlder auf die Elephanten-Jagd begeben. Jhre Waffen be - ſtehen hauptſaͤchlich in fußlangen zweiſchnei - digen Saͤbelklingen, die ſie von den Schiffen einhandeln und zu dieſen Jagden an langen Stangen befeſtigen. Haben ſie ein ſolches Thier aufgeſpuͤrt, ſo ſuchen ſie es entweder zu beſchleichen, oder treiben es mit offner Gewalt auf, und trachten einzig dahin, ihm den Ruͤſſel, der ſeine vorzuͤglichſte Schutzwehr ausmacht, an der Wurzel abzuhauen; oder ſie zerſchneiden ihm die Sehnen an den Fuͤßen, um es ſo zum Fallen zu bringen. Jſt der Feind ſolchergeſtalt uͤberwaͤltigt, ſo11 wird er vollends getoͤdtet; man haut ihm die Zaͤhne aus, und der Rumpf bleibt, als willkommne Beute fuͤr die Raubthiere und das Gevoͤgel, liegen.
Noch wird an einem anderm Striche dieſer Negerlaͤnder, die „ Goldkuͤſte ‟ genannt, einiger Verkehr mit Goldſtaub, oder vielmehr kleinen Koͤrnern dieſes Metalls, das entweder aus dem Flußſande gewaſchen oder von der reichen Natur dieſes heiſſen Bodens oft dicht unter dem Raſen dargeboten wird, getrieben. Doch war dies Geſchaͤft weder betraͤchtlich, noch ſonderlich gewinnreich; und pflegte des - halb dem Oberſteuermann, bei ſeinen kleinen Nebenfahrten, fuͤr eigne Rechnung anheim - geſtellt zu werden; ſo wie ihm zu dem Ende auch vergoͤnnt war, den Betrag von 600 holl. Gulden in Waaren mit an Bord zu nehmen. Jch ſelbſt hatte mich zu dieſem Privat-Handel mit allerlei Quincaillerieen, etwa 500 Gulden an Werth, verſehen.
Denn auſſer dem Verkehr, der am Bord des Schiffes ſelbſt ſtatt fand, wurden von demſelben, in gleicher Abſicht, zugleich auch noch mehrere Boͤoͤte ausgeruͤſtet und abge - ſchickt, welche ſich oft auf mehrere Wochen lang entfernten und bis auf 50 und mehr Meilen an der Kuͤſte umherkreuzten. Dieſer Bootsfahrten habe ich zwar bereits oben, bei Gelegenheit meines fruͤheren Ausflugs12 in dieſe Weltgegend, erwaͤhnt: doch ſey es mir erlaubt, hier noch etwas ausfuͤhrlicher auf dieſen Gegenſtand zuruͤckzukommen.
Sobald die Guineafahrer ſich dem waͤr - meren Himmelsſtrich naͤherten, begannen auch die Schiffszimmerleute, die Schaluppen und Schiffsboote zu ihrer kuͤnftigen neuen Be - ſtimmung in Stand zu ſetzen, indem ſie ein Verdeck darauf anbrachten und Alles ſo ein - richteten, daß ſie See zu halten vermochten. Holz und Planken hiezu ward ſchon von Holland aus mitgenommen und zwiſchendecks bereit gehalten. Die Beſatzung eines ſolchen Fahrzeugs beſtand aus 10 bis 12 Mann, unter Anfuͤhrung des Oberſteuermanns oder eines andern Schiffs-Officiers. Auch war es mit einigen Drehbaſſen und kleinerm Hand - gewehr wohl verſehen.
Die Beſtimmung dieſer Boote erforderte, ſtets in einiger Entfernuug vor ihrem Schiffe vorauszugehen und die Punkte, wo ein vor - theilhafter Handel zu treiben war, zu ver - vielfaͤltigen, damit die gewuͤnſchte volle La - dung deſto ſchneller zuſammengebracht und der Aufenthalt an dieſen ungeſunden Kuͤſten um ſo mehr abgekuͤrzt wuͤrde. So oft nun ein ſolches Fahrzeug ſeine mitgenommenen Waaren-Artikel oder ſeine Lebensvorraͤthe erſchoͤpft, oder einen genuͤgenden Eintauſch gemacht hatte, kehrte es an Bord ſeines13 Schiffes zuruͤck, um ſofort fuͤr eine neue Reiſe ausgeruͤſtet zu werden. Es ergiebt ſich dar - aus, wie anſtrengend und beſchwerlich dieſer Dienſt ſeyn mußte.
Allein auch auſſerdem war derſelbe mit gar mancher Faͤhrlichkeit verbundeu: denn nicht ſelten gieng bereits ein ſolches Boot durch Ueberrumpelung der Neger, ſammt dem Leben der ganzen Beſatzung, verloren; und ſo ward hier die hoͤchſte Vorſicht erforderlich. Nie wurden mehr, als 4 Verkaͤufer, zugleich auf dem Boote zugelaſſen; und auch die Uebri - gen in den Kanots durfte man nicht zunahe herankommen laſſen. Waͤhrend alſo der Steuermann, nebſt einem Gehuͤlfen, hinten im Fahrzeuge den Handel betrieb, ſtand der Reſt der Mannſchaft vorne auf demſelben mit dem geladenen Gewehre in der Hand zu ſeinem Schutze bereit, und wehrte zugleich den umkreiſenden Kanots, ſich nicht ungebuͤhr - lich zu naͤhern.
Noch gefaͤhrlicher waͤre es geweſen, die Nacht uͤber an dem nemlichen Orte liegen zu bleiben, wo man ſich am Abend befunden hatte. Vielmehr mußte man die Ankerſtelle ſorgfaͤltig veraͤndern, um jede Vermuthung der verraͤtheriſchen Schwarzen, die unauf - hoͤrlich auf Ueberfall ſannen, zu taͤuſchen. Eben ſo ſehr gebot es die Klugheit, keiner ihrer noch ſo freundlichen Einladungen zu14 trauen, und am wenigſten, ſich in die Muͤn - dung ihrer Fluͤſſe zu wagen.
Die maͤnnlichen Sklaven, die man auf dieſen Fahrten erhandelte, wurden ſofort un - ter das Verdeck gebracht, weil ſie ſonſt nur zuleicht Gelegenheit gefunden haben wuͤrden, uͤber Bord zu ſpringen. Jm Raume aber legte man ihnen eiſerne Buͤgel um die Fuͤße, die mit Ringen verſehen waren; und dieſe ſtreifte man hinwiederum uͤber eine lange, mit beiden Enden unten im Vorder - und Hintertheile des Bootes befeſtigte Kette, ſo daß ſie wenigſtens einige Schritte hin und wieder gehen konnten. Glimpflicher verfuhr man mit den Weibern, deren Zutrauen man ſich auf eine leichtere Weiſe verſicherte.
Noch hatte wenigſtens Eines dieſer Fahr - zeuge die Nebenbeſtimmung, den aus Europa mitgebrachten Briefſack ſchneller, als ſonſt haͤtte geſchehen koͤnnen, nach dem hollaͤndi - ſchen Haupt-Fort St. George de la Mina zu foͤrdern. Denn da die ankommende Schiffe ihr Handelsgeſchaͤft gewoͤhnlich bei Sierra Leona anfingen, welches gegen 200 Meilen weſtlicher liegt, und laͤngs der Kuͤſte nur ge - machſam fortkreuzten, ſo wuͤrde es oft 6 bis 8 Monate gewaͤhrt haben, bevor ſie ſelbſt jenen Platz erreichten. Dieſer Unbequemlich - keit zu begegnen, waren demnach die Schiffer angewieſen, mit den Regierungs-Depeſchen15 auch die anderweitige Correſpondenz ohne Aufhalt nach der gedachten Niederlaſſung ab - zuliefern.
Dieſen Auftrag erhielt auch ich, ſobald wir in den erſten Tagen des Jahrs 1772 auf der Kuͤſte von Guinea angelangt waren. Zu dem Ende ward die Barkaſſe mit 10 Mann unter meinen Befehlen ausgeruͤſtet und mit Proviſionen aller Art, beſonders aber ſolchen, beladen, welche in dieſem heiſſen Klima einem ſchnellen Verderb ausgeſetzt ſeyn konnten. Das Brieffelleiſen ward nicht ver - geſſen; und ſo ſteuerte ich, nachdem ich auch die Vorraͤthe fuͤr meinen eigenen kleinen Handel eingenommen hatte, bereits am vier - ten Tage nach unſrer Ankunft, dem Schiffe vorangehend, gegen Oſten.
Bei dieſer Kuͤſtenfahrt fuͤhrte mich mein Weg zunaͤchſt nach dem hollaͤndiſchen Fort Axim, wo ich ein Pack Briefe, europaͤiſche Zeitun - gen und andre Kleinigkeiten abzugeben hatte. Jch fand den dortigen Befehlshaber, einen gebohrnen Hanoveraner, Namens Feneckol, ſehr begierig nach Neuigkeiten aus dem ge - meinſchaftlichen Vaterlande, ſo wie ihm hin - wiederum die Nachricht, daß ich ein Preuſſe ſey, Gelegenheit gab, mich aufmerkſam dar - auf zu machen, daß Fort Axim fruͤherhin eine Beſitzung unſers großen Churfuͤrſten geweſen, die erſt im Jahre 1718 durch16 Kauf an Holland uͤbergegangen. Er zeigte mir auch die daruͤber verhandelten Acten, ſo wie ſechs alte brandenburgiſche Kanonen, die noch auf einer Batterie aufgepflanzt ſtanden. — Hab’ ich anders ſeine Erzaͤhlung recht behalten, ſo hatt’ es hiemit folgende Be - wandtniß.
Urſpruͤnglich gehoͤrte Axim den Spaniern zu. Als aber der Churfuͤrſt Friedrich Wil - helm, welcher dieſer Macht in ihren Kriegen gegen Frankreich Huͤlfstruppen in den Nie - derlanden geſtellt, die bedungenen Subſidien, trotz aller guͤtlichen Unterhandlung, nicht er - halten koͤnnen, habe er in Hamburg eine kleine Flotte ausruͤſten laſſen, 500 Mann darauf eingeſchifft, auſſer andern genommenen Repreſſalien, auch Axim angreifen und in Beſitz nehmen laſſen und ſich dort neun Jahre lang behauptet. Waͤhrend dieſer Zeit, wo der brandenburgiſche Gouverneur auch noch das 2½ Meile oͤſtlicher gelegene Fort Frie - drichsburg gegruͤndet, ſey von Hamburg und Emden aus ein lebhafter Handel dorthin ge - trieben worden, bis dieſe Befeſtigungen die Unzufriedenheit der benachbarten Negerſtaͤmme aufgeregt und dieſe die Beſatzungen beider Plaͤtze, welche nicht genugſam auf ihrer Hut geweſen, uͤberrumpelt und niedergemacht haͤtten.
Jn dieſem ungluͤcklichen Ereigniß lautete die fernere Erzaͤhlung — ſey es dem dama -ligen17ligen Gouverneur zwar gegluͤckt, ſich mit ei - nigen wenigen Gefaͤhrten in das Pulver-Ma - gazin zu fluͤchten: doch habe er’s vorgezogen, ſich mit demſelben freiwillig in die Luft zu ſprengen, als unter den Haͤnden der Neger einen martervollen Tod zu dulden. Dieſe haͤtten darauf beide Forts ſpoliirt und dem Erdboden gleich gemacht. Solchergeſtalt haͤt - ten nun dieſe Plaͤtze gegen 30 Jahre lang in Schutt und Verwuͤſtung gelegen, bis Koͤnig Friedrich Wilhelm I. ſeine Anſpruͤche auf dieſe Beſitzungen an Holland gegen eine Summe von 200,000 Gulden uͤberlaſſen habe.
Zwei Tage nach meinem Abgange von Axim ſtieß ein Kanot mit vier Negern vom Lande ab und knuͤpfte einen kleinen Handel in Goldſtaub mit mir an. Von ihnen erfuhr ich, daß an dieſem nemlichen Morgen ein portugieſiſches Schiff an dieſer Kuͤſte gekreuzt und eine Rolle gepreßten braſilianiſchen Ta - back gegen zwei Unzen Gold an ſie vertauſcht habe. Dieſe Art Tabacks iſt in Rindsleder genaͤht, enthaͤlt einige und ſiebenzig Pfund und iſt eine, von den Schwarzen ſehr begie - rig geſuchte Waare. Das Preisverhaͤltniß aber wird ſich ergeben, wenn ich bemerke, daß die Unze Goldſtaub dort zu 42 holl. Gul - den berechnet zu werden pflegte.
Nichts haͤtte mir erwuͤnſchter ſeyn koͤn - nen, als von dieſem Schiffe fuͤr meinen eig -11. Bändchen. (2)18nen kleinen Verkehr einige Rollen dieſes Ta - backs gegen die bei mir habenden Kaufwaa - ren umzuſetzen. Jch erblickte auch ſeine Se - gel in einer Entfernung von etwa anderthalb Meilen vor mir und ſaͤumte alſo nicht, unter Aufziehung der hollaͤndiſchen Flagge, auf daſ - ſelbe zuzuſteuern. Je eifriger ich mich aber muͤhte, es zu erreichen, deſto mehr Segel ſetzte es auch Seinerſeits auf, um ſich von mir zu entfernen. Jch ſchoß zu mehreren Malen Einen von meinen Poͤllern unter dem Winde ab, um ihm mein Verlangen nach einer naͤhe - ren Gemeinſchaft zu erkennen zu geben: der Portugieſe hingegen manoevrirte unaufhoͤrlich, mir durch veraͤnderten Kurs aus dem Geſichte zu kommen. Es ſchien nicht anders, als ob er ſich vor mir fuͤrchtete, ohne daß ich gleichwohl begriff, was ein Schiff von dieſer Groͤße wohl von einem Fahrzeuge Meines - gleichen zu beſorgen haben koͤnne?
Jch ließ indeß nicht ab, Jagd auf daſſelbe zu machen, bis die Nacht einbrach und die Dunkelheit mir Einhalt gebot. Jndem ich aber meinen Weg laͤngs der Kuͤſte fortſetzte, hielt ich mich doch mehr ſeewaͤrts und unter vollen Segeln; und meine Hoffnung, dieſem verwunderlichen Gaſte dicht auf der Ferſe zu bleiben, trog mich auch ſowenig, daß gleich der erſte Morgenſtrahl mir ihn, kaum drei - viertel Meilen von mir, naͤher dem Lande zu19 und uͤber dem Winde, wieder zu Geſicht fuͤhrte. Zugleich erblickte ich, eine Meile von mir entfernt, das engliſche Fort Deſcowy, wo auch zwei engliſche Schiffe auf der Rheede vor Anker lagen.
Erpicht auf mein Vorhaben, mit dem Portugieſen zur Sprache zu kommen, ſteuerte ich von neuem auf ihn zu. Allein bevor ich ihn einholen konnte, war er ſchon in den Be - reich der Englaͤnder gekommen. Einer von ihnen that einen Schuß auf den Fluͤchtling, der nun zwar ſeine Flagge aufzog, aber zu - gleich auch bei ſeinem vorigen Kurs beharrte. Zwei darauf folgende Schuͤſſe blieben gleich - maͤßig ohne Wirkung. Nun aber lieſſen beide Englaͤnder ihre Ankertaue fahren, ver - legten dem Portugieſen den Weg und nahmen ihn hart zwiſchen ſich in die Mitte; worauf ſie von neuem vor Anker giengen.
Von dieſem ganzen Vorgange war ich in faſt unmittelbarer Naͤhe Zeuge geweſen, und begriff je laͤnger je weniger, wie ich mir den - ſelben erklaͤren ſollte. Da ich indeß wußte, daß England und Holland in vollkommen fried - lichem Vernehmen ſtanden, ſo uͤberwog bei mir die Neugier jede anderweitige Ruͤckſicht. Jch legte mich zuverſichtlich neben das eine engliſche Schiff und ſtieg ſogar an Bord des Portugieſen hinuͤber, wo mir ſofort eine Scene des hoͤchſten Wirrwarrs in die Augen20 fiel. Die Englaͤnder hatten das Verdeck des angehaltenen Schiffes erfuͤllt, die Lucken deſ - ſelben geoͤffnet, und waren im Begriff, eine bedeutende Parthie Tabacks-Rollen auf das Verdeck empor zu werfen. Der portugieſi - ſche Kapitain knirſchte mit den Zaͤhnen und ſchoß wuͤthende Blicke auf mich; ſeine engli - ſchen Herren Collegen aber, obwohl ſie mir etwas glimpflicher begegneten, waren doch mit dem guten Rathe fertig, mich augen - blicklich davonzupacken.
Je mehr ich ſah und hoͤrte, je wunderſa - mer und verdaͤchtiger erſchien mir der ganze Handel. Jch hatte nur die Wahl, entweder zu glauben, daß es zwiſchen der engliſchen und portugieſiſchen Regierung zu einem ploͤtz - lichen Bruche gekommen, oder daß es die Abſicht der Englaͤnder ſey, ihre Uebermacht hier zu einer gewaltſamen Beraubung zu mißbrauchen. Beides aber ließ es noch im - mer unerklaͤrt, warum der Portugieſe auch mir Ohnmaͤchtigen ſo geflieſſentlich ausge - wichen ſey. Erſt ſpaͤterhin, als ich zu St. George de la Mina angelangt war, ſollte ich den eigentlichen Zuſammenhang dieſes Raͤth - ſels erfahren.
Dieſe Ankunft erfolgte zwei Tage ſpaͤter, nach jenem Vorfall; wo ich denn ſofort mei - nem Auftrage durch Ueberlieferung des Brief - Felleiſens und der dazu gehoͤrigen Schluͤſſel21 an den Gouverneur genuͤgte. Es ward von dieſem in meiner Gegenwart geoͤffnet, und zugleich entſpann ſich zwiſchen uns eine ver - trauliche Unterhaltung, worinn ich mit dem Ehrenmanne um ſo weniger ſonderliche Um - ſtaͤnde machte, als ſein Aufzug in einem lin - nenen Schlafrock und einer ſchmierigen Schlaf - muͤtze eben nicht geeignet war, einen großen Reſpect einzufloͤßen; ſo wie er mir denn uͤberhaupt als eine gute grundehrliche Haut, und was man einen alten deutſchen Degen. knopf nennt, erſchien. Auch er ſelbſt ſchien das Cerimoniell wenig zu lieben, und lud mich gutmuͤthig ein, ihm die Briefe ſortiren zu helfen, da deren verſchiedene nach den an - dern hollaͤndiſchen Forts auf der Kuͤſte abzu - ſchicken waren.
Bei dieſem Geſchaͤft geriethen wir noch tiefer in’s Plaudern, und ich erzaͤhlte ihm, was ſich mit dem portugieſiſchen Schiffe be - geben und wovon ich an deſſen Borde Au - genzeuge geweſen. Ploͤtzlich gerieth mein Mann in Feuer und ward ganz ein Andrer, als er kaum ein paar Minuten zuvor gewe - ſen. „ Das iſt ein ernſthafter Caſus ‟; ſagte er mit Gravitaͤt — „ und dem muͤſſen wir auf den Grund kommen! ‟ — Zugleich noͤthigte er mich, in ein anſtoßendes Zimmer zu treten und dort den ganzen Vorfall, mit all ſeinen beſondern Umſtaͤnden, zu Papier22 zu bringen. Nachdem dies geſchehen war, eroͤffnete er mir ſeinen Entſchluß, gleich des naͤchſten Morgens den hohen Rath zu ver - ſammeln, und gab mir auf, zuſammt meinem Schiffsvolk vor demſelben zu erſcheinen, damit wir unſre Ausſage eidlich bekraͤftigten, er aber ſeine ferneren Maaßregeln darnach naͤhme.
Dieſer Vorladung gemaͤß erſchien ich am andern Tage mit den Meinigen, und ward ſofort auch in den Rathsſaal eingefuͤhrt, uͤber deſſen hier kaum erwartete Pracht ich nicht wenig erſtaunte. Alles glaͤnzte von Gold, und Tiſch und Stuͤhle waren mit violettem Sammet uͤberzogen, mit goldenen Treſſen beſetzt und mit dergleichen Franzen reich umhangen. Mein guter Freund von geſtern, der Gouverneur Peter Wortmann, ſtrahlte mir vor allen Andern in ſeiner Herr - lichkeit entgegen. Er ſaß, als Praͤſident der Verſammlung, an dem Seſſions-Tiſche in ei - ner gewaltigen hollaͤndiſchen Rathsherrn-Pe - ruͤcke, (Ein wunderlicher Staat in dieſem Klima!) und ſteckte uͤberdem in einer hollaͤn - diſchen goldgeſtickten Garde-Uniform, die uͤber - dem noch von Treſſen ſtarrte. Auf eine aͤhn - liche Weiſe, nur etwas minder herausgeputzt, ſaßen der Fiskal, die Rathsherrn und die Aſſiſtenten um ihn her, und machten die Feierlichkeit vollkommen.
Dennoch war der, mir und meinen Leu -23 ten hier abgenommene Eid und die wieder - holte Ausſage uͤber den Vorgang mit dem portugieſiſchen Schiffe nur eine Cerimonie, und das, was geſchehen ſollte, ſchon waͤhrend der Nacht voͤllig vorbereitet. Es ſtanden nemlich bereits zwei Kanots fertig, in deren Jedes 25 Soldaten und 20 Ruderer einge - ſchifft wurden, und die unmittelbar darauf, hinten und vorn mit der hollaͤndiſchen Flagge geſchmuͤckt, unter Trommel - und Trompeten - Klang in See ſtachen, um das angefochtene portugieſiſche Schiff aufzuſuchen und nach St. George de la Mina zu bringen. Nichts ſetzte mich hierbei mehr in Erſtaunen, als dieſe Kanots, welche bei einer Laͤnge, die uͤber 50 Fuß hinausreichte, und bei einer Breite von 6 bis 6½ Fuß, aus einem einzigen Bau - me, wiewohl von weichem und leichtem Holze, gehauen waren. Man ſagte mir, daß dieſe Rieſenbaͤume mehrere Meilen landeinwaͤrts angetroffen wuͤrden, wohin Unſer Einer frei - lich nicht zu kommen pflegt.
Mit dem ausgezogenen Staatsrocke war der Gouverneur auch wieder, wie zuvor, mein Freund und Goͤnner geworden und be - hielt mich unausgeſetzt in ſeiner Naͤhe. Von ihm erhielt ich nun aber auch naͤhern Auf - ſchluß uͤber alle jene Dinge, die mir bisher ſo wunderſeltſam vorgekommen waren. Er erzaͤhlte mir, daß das Fort St. Georg und24 die andern davon abhaͤngigen Beſitzungen ur - ſpruͤnglich unter portugieſiſcher Hoheit geſtan - den, von den Hollaͤndern aber, in ihrem er - ſten großen Freiheitskriege, den Spaniern, welche damals auch Portugal ſich einverleibt hatten, abgewonnen worden. Jm endlich er - folgten Frieden waͤren ſie auch in den Haͤn - den der jungen Republik verblieben, und zwar noch mit der demuͤthigenden Einſchraͤn - kung, daß forthin kein ſpaniſches oder por - tugieſiſches Schiff an der Kuͤſte von Guinea Handel treiben ſolle, bevor es nicht vor St. George angelegt und zehn Procent von ſeiner geſammten Ladung fuͤr die Erlaubniß eines freien Verkehrs entrichtet haͤtte. Bei der ge - ringſten Hintanſetzung dieſer Verpflichtung ſollte jedesmal Schiff und Ladung verfallen ſeyn; und auf dieſen Vertrag wuͤrde auch immerfort noch um ſo ſtrenger gehalten, da England und Frankreich ihn ſpaͤterhin be - ſtaͤtigt haͤtten.
So begriff ich den̄ nun, worinn der por - tugieſiſche Kapitain, dem ich begegnet war, ſich ſtrafbar gemacht, und warum er gegen mich ein ſo boͤſes Gewiſſen verrathen hatte; wie aber auch jene beiden Englaͤnder garſtig anlaufen duͤrften, falls er ihnen erweiſen koͤnnte, daß ſie auf eine raͤuberiſche Weiſe zu ihm an Bord gekommen und ihn zum Handel gezwungen haͤtten. „ Und dieſe Ausflucht zu25 benutzen, ‟ ſetzte der Gouverneur hinzu — „ wird er auch ſicherlich nicht unterlaſſen; wie vollkommen ich auch uͤberzeugt bin, daß er von Herzen gerne mit den beiden engliſchen Schiffen ein Geſchaͤft gemacht haben wuͤrde, wenn es unter der Hand haͤtte geſchehen koͤn - nen und Jhr nicht, als ein ungelegener Dritter, daruͤber zugekommen waͤret. ‟
Weiter belehrte er mich, was mir eigent - lich bei dieſer Gelegenheit zu thun obgelegen haͤtte, wenn ich mit den Geſetzen und Rech - ten meiner Nation in dieſer Weltgegend be - kannter geweſen waͤre. Jch mußte nemlich meine hollaͤndiſche Flagge an dem Schiffe des Portugieſen befeſtigen, oder auch nur ſie uͤber die geoͤffnete Schiffslucke decken, um da - durch Schiff und Ladung unter ihren Schutz zu ſetzen. Haͤtten dann die Englaͤnder es gewagt, auch nur irgend etwas mit der Spitze ihres Fingers anzuruͤhren, ſo waͤren ſie, als offenbare Seeraͤuber, in die ſchwerſte Verantwortung gerathen; mir aber haͤtte dann, nach unſern Geſetzen, eine Belohnung von hundert Dukaten gebuͤhrt. Von alle Dieſem aber war mir, wie ich’s nun zu ſpaͤt bedauerte, kein Jota bewußt geweſen.
Zwei Tage nachher kam die ausgeſchickte Expedition mit dem ertappten Portugieſen gluͤcklich auf der Rheede an. Zufall oder Neugierde fuͤhrten mich dem Kapitain bei26 ſeiner Landung in den Weg; und die grim - migen Blicke, die er auf mich ſchoß, lieſſen mich nicht zweifelhaft, daß er mich fuͤr ſei - nen Angeber erkannte, deſſen Ausſagen ihn ohne Zweifel in’s Verderben ſtuͤrzen wuͤrden. Jndeſſen mußte ihn doch gleich ſein erſtes Verhoͤr eines Beſſern belehrt und er gefun - den haben, daß im Gegentheil meine abgege - bene Erklaͤrung zu ſeinem Vortheil lautete: denn er ließ mich am andern Tage zu ſich bitten, fiel mir dankbar um den Hals, wußte nicht, was er mir zu Liebe thun ſollte, und noͤthigte mich, eine Rolle Taback, ſammt 20 Pfund Zucker, zum Geſchenk von ihm an - zunehmen.
Obwohl nun mein Geſchaͤft an dieſem Platze beendigt war, ſo hielt mich doch Herr Peter Wortmann von Einem Tage zum An - dern bei ſich auf; ſey es, daß er irgend ein abſonderliches Wohlgefallen an mir gefunden, oder daß ſonſt Neugier und Langeweile ihn plagten: denn des Fragens, ſowohl nach meinen perſoͤnlichen Umſtaͤnden, als uͤberhaupt nach Neuigkeiten aus Europa, wollte kein Ende werden. Das war freilich auch eben ſo erklaͤrbar, als verzeihlich. Die Anſiedler in dieſen afrikaniſchen Niederlaſſungen leben ſo abgeſchieden von der ganzen uͤbrigen Welt, daß ſie nur in langen Zwiſchenraͤumen er - fahren, was ſich daheim und andrer Orten27 begeben hat. Oft bringt ihnen ein Schiff einen ganzen Jahrgang alter Zeitungen auf einmal, die zwar den vollen Reiz der Neu - heit fuͤr ſie haben, aber ihrer Wißbegier den - noch nicht in dem Maaße genuͤgen, daß ihnen nicht auch noch manche muͤndliche Erlaͤute - rung zu wuͤnſchen uͤbrig bliebe. Hiezu koͤmmt, daß ein großer Theil der hier Angeſtellten aus deutſchen Landsleuten beſteht, die inſon - derheit auch von ihrem lieben Vaterlande hoͤren wollen und darinn kaum zu erſaͤttigen ſind.
Jn dieſem Falle war nun auch der Gou - verneur, der ſich auf’s Ausfragen verſtand, wie irgend Einer; dagegen aber auch ebenſo - wenig mit Mittheilungen aus ſeiner eigenen Lebensgeſchichte gegen mich zuruͤckhielt. Er war aus Gruͤningen gebuͤrtig, hatte daſelbſt das Metzger-Handwerk erlernt und ein Weib genommen, deſſen Untreue aber ihn endlich zu dem raſchen Entſchluſſe gebracht, ſie zu verlaſſen und in alle Welt zu gehen. So war er nach Holland gerathen, als gemeiner Soldat nach der Kuͤſte von Guinea gegangen, hier allmaͤhlig zu hoͤhern Militair-Graden emporgeſtiegen und endlich nicht nur Befehls - haber im Fort St. George de la Mina, ſon - dern auch uͤber alle hollaͤndiſche Beſitzungen in dieſer Weltgegend geworden. Sein Titel28 lautete nemlich als General-Gouverneur uͤber die Weſtkuͤſte von Afrika.
Endlich mußt’ ich mich doch von dieſem wackern Manne trennen, der noch einen be - deutenden Einfluß auf meine Lebenslage ge - winnen ſollte. Er gab mir ein beſonderes Belobungsſchreiben an meinen Kapitain mit, worinn der Wunſch ausgedruͤckt war, daß derſelbe fuͤr den Fall, daß neue Communica - tionen mit dem Haupt-Forte und der Regie - rung nothwendig wuͤrden, keinem Andern, als mir, den Auftrag dazu geben moͤchte. Jch hatte indeß den noͤthigen Ballaſt eingenom - men, und machte mich auf den Ruͤckweg nach Weſten, um mein Schiff wieder aufzuſuchen. Die Reiſe war ohne beſondern Zufall: doch kann ich nicht umhin, hierbei ein es ſeltſamen Fundes zu erwaͤhnen, der vielleicht auch die Aufmerkſamkeit der Leſer verdient.
Wir befanden uns in See, etwa vier Meilen vom Lande; und nicht nur war der Wind, wie ausgeſtorben, ſondern auch das Meer (wie es hier nichts Seltenes iſt) bot rings umher eine glatte Flaͤche dar, in welcher ſich die Sonne ſpiegelte. Zugleich ſahen wir, in weiter Ferne ſeewaͤrts, von Zeit zu Zeit etwas aus dem Waſſer glaͤnzend auftauchen, was mir Anfangs etwa ein todter Fiſch daͤuchtete, deſſen ſilberweiſſen Bauch die Sonne beſchiene. Endlich ließ ich, von Reugier ge -29 trieben, darauf zurudern; und da fand ſich’s denn, daß eine viereckige Bouteille aus einem Flaſchenfutter, den Hals nach oben gekehrt und mit einem Korkſtoͤpſel verſehen, im Meere ſchwamm. Rings um hatte ſich ein runder Haufen Seegras um dieſelbe, in einem Durch - ſchnitte von 10 bis 12 Fuß, angeſetzt. Jch ergriff die Flaſche, mich weit uͤber Bord leh - nend, an der Muͤndung, war aber nicht im Stande, ſie von dem Kraͤutergeflechte zu trennen, welches an dieſelbe feſt angewachſen war. Es bedurfte daher meines Meſſers, womit ich all dieſe fremdartigen Anhaͤngſel kappte und ſolchergeſtalt, wiewohl nicht ohne Anſtrengung und Beſchwerde, mich meiner Beute bemaͤchtigte.
Bei genauerer Beſichtigung befand ſich nun, daß dieſe Flaſche etwa zu einem Drit - tel (und daher ihre aufrechte Stellung) mit in Brandtwein eingemachten, aber freilich ſchon verdorbenen Kirſchen angefuͤllt und ver - muthlich auch, als unbrauchbar, uͤber Bord geworfen war. Allein was ſie eigentlich in meinen Augen merkwuͤrdig machte, war die Entdeckung, daß ſich auſſen umher uͤberall Schulpen und andre Muſcheln feſt angeſetzt hatten, die hinwiederum den Seegewaͤchſen zu einem Befeſtigungs-Punkte gedient, um Wurzeln darinn zu ſchlagen und allmaͤhlig zu einem dichten Klumpen von ſo anſehnlichem30 Umfange heran zu wachſen. Wie lange mußte indeß dies Glas nicht bereits in den Wogen umhergetrieben ſeyn, bevor die Natur nach und nach alle dieſe Erſcheinungen an demſel - ben hervorbringen konnte! Es haͤtte verdient, mit all dieſen Anhaͤngſeln von Muſcheln und Tang in einem Naturalien-Kabinette aufbe - wahrt zu werden; und darum reut mich jetzt um ſo mehr meine Unachtſamkeit, die dieſe Seltenheit, nachdem ich ſie noch einige Zeit aufgehoben, endlich doch dem zufaͤlligen Schick - ſal des Zerbrechens preißgab.
Meinen Kapitain mit dem Schiffe fand ich noch bei Cap Meſurado, nachdem ich laͤnger, als vier Wochen, abweſend ge - weſen. Bevor ich jedoch zu einer neuen Handelsfahrt abgehen konnte, ward es fuͤr noͤthig befunden, neue Vorraͤthe von Waſſer einzunehmen, und dieſes Geſchaͤft mir zur Ausrichtung uͤbertragen. Bei dem gegenſei - tigen Mißtrauen aber, welches zwiſchen den europaͤiſchen Schiffen und den Eingebohrnen herrſcht und tief in der Natur des hier be - triebenen Handels liegt, iſt ein ſolcher Auf - trag ebenſowohl mit Beſchwerde, als mit Gefahr verknuͤpft, und erfordert die genaueſte Vorſicht, um nicht von den treuloſen Afri - kanern uͤberwaͤltigt, ausgepluͤndert und er - mordet zu werden.
31Das Waſſer, deſſen man bedarf, muß jedesmal von ihnen am Lande erhandelt wer - den. Man verſieht ſich hiezu an Bord mit allerlei kleinem Kram, an Spiegeln, Korallen, Meſſern, Fiſchangeln, Naͤhnadeln, Zwirn und dergl., und erwartet, dicht am Seeſtrande, wohlbewaffnet, daß zufaͤllige Zuſammentreffen mit den Eingebohrnen, um mit ihnen den Preis fuͤr jedes Faß Waſſer, welches man eben holt, oder auch kuͤnftig zu holen gedenkt, zu verabreden. Das hiezu beſtimmte Boot bleibt jedesmal bis 120 Klaſter weit vom Lande vor Anker liegen. Die ledigen Waſ - ſertonnen werden uͤber Bord geworfen, und die Neger ſtuͤrzen ſich in die Brandung, um ſie ſchwimmend an Land zu bringen, und nach ihren Brunnen und Waſſerſtellen hin - aufzurollen. Sind ſie hier angefuͤllt und verſtopft, ſo werden ſie wieder an den Strand zuruͤckgewaͤlzt, von zwei ſchwimmenden Negern in die Mitte genommen und an das Boot gebracht, wo ihnen dann die dafuͤr bedun - genen Waaren aus geliefert werden.
Als ich in ſolcher Expedition zum Erſten - male das Ufer betrat, ſtanden bereits 12 oder 14 Schwarze unſers Empfangs gewaͤrtig; und waͤhrend ich, mit etwa 10 meiner Be - gleiter vollend’s in’s Trockne watete, kam uns auch ihr Anfuͤhrer entgegen, bot mir32 die Hand, ſchnitt eine Menge wunderlicher Capriolen, und gab ſich mir endlich mit den Worten „ Amo King Sorgo ‟ (Jch bin der Koͤnig George) zu erkennen. Daß er aber auch fuͤr irgend etwas Beſonderes angeſehen ſeyn wollte, gab ſchon ſein ganzer Aufzug zu erkennen. Er war nemlich mit einer alten zerriſſenen linnenen Pumphoſe und einer weiſſen Kattun-Weſte ohne Ermel bekleidet; ſein noch groͤßerer Schmuck aber beſtand in einer rothen und weiſſen Schminke, womit er ſich Geſicht und Haͤnde, vorzugsweiſe vor all ſeinen Gefaͤhrten, ſcheußlich bemahlt hatte. Mit dieſem Narren nun und ſeinen Unter - thanen wurden wir des Preiſes fuͤr das Waſſerfuͤllen einig und hielten uns auch des naͤchſten Tages wacker zu unſrer Arbeit.
Bei dieſer Gelegenheit nahm ich am Strande eine Menge von Feldſteinen wahr, deren wir, als Ballaſt, fuͤr Boot und Scha - luppe vielfach benoͤthigt waren. Jch ſchloß demnach mit den Negern einen neuen Handel uͤber eine Bootsladung ſolcher Steine ab, worinn zugleich die Groͤße derſelben dahin beſtimmt wurde, daß ein Menſch ſie allenfalls tragen und damit handthieren koͤnnte. Sie ſuchten Jhrerſeits ſich den Tranſport zu er - leichtern, indem ſie ein Kanot dicht auf den Strand zogen und es fuͤllten, ſoviel es bequemtragen33tragen konnte. Dann traten je vier von ihnen an jede Seite des Fahrzeugs, warte - ten eine niedrigere Welle ab, und ſchoben es dann ſchnell in die See, waͤhrend Einer be - hende hinein huͤpfte, um es vollends an unſer Boot zu geleiten und in daſſelbe auszuladen.
So geſchah es indeß, daß einſt auf dieſer Ueberfahrt eine Woge, ſtuͤrmiſcher, als die uͤbrigen, uͤber das Kanot herſtuͤrzte und es augenblicklich verſenkte. Sofort ſprangen die am Ufer zuruͤckgebliebenen hinzu, ſchwam - men nach der Stelle, wo ſich der Unfall er - eignet hatte, blaͤueten den ungeſchickten Faͤhr - mann, zu unſrer großen Beluſtigung, wacker durch, aber erregten auch ebenſoſehr unſer Erſtaunen, als ſie hierauf, Einer nach dem Andern, in eine Tiefe von wenigſtens 12 bis 14 Fuß untertauchten und, nach kurzem Ver - zuge, Jeder mit einem verſunkenen Steine, von beinahe Centners-Schwere, auf die Schul - ter geladen und mit der Hand im Gleichge - wicht gehalten, wieder emporkamen. Noch mehr! Mit dieſer nemlichen Laſt ſchwammen ſie, wenn gleich mit ſichtbarer Anſtrengung und blaſendem Athem, noch 40 bis 50 Klaf - ter weiter an unſer Boot, um ihren ſauer gewordenen Fund an uns abzuliefern.
Noch oft und viel bin ich Zeuge von der ungeheuren Koͤrperkraft der Neger, ſo wie von ihrer ausgezeichneten Behendigkeit und11. Bändchen. (3)34Ausdauer im Schwimmen geweſen. Wenn ſie mit ihren Kanots dicht an der Einen Seite des Schiffes lagen, und Jemand ſich eine Luſt mit ihnen machen wollte, ſo durft’ er ihnen nur eine thoͤnerne Tabackspfeife zei - gen und ſie uͤber den entgegengeſetzten Bord in’s Meer werfen. Alſogleich auch ſtuͤrzte ſich dann eine Anzahl aus dem Kanot nach in die Fluth; tauchte, unter dem Schiffe weg, in den Grund, und ſicherlich kam irgend Einer, mit der unbeſchaͤdigten Pfeife in der Hand, wieder zum Vorſchein, wenn gleich das Meer auf einer ſolchen Stelle eine Tiefe von 25 bis 35 Klaftern hatte.
Nicht minder habe ich geſehen, wie Kinder von etwa fuͤnf Jahren keck und wohl - gemuth ſich im Waſſer tummelten und durch - einander ſchwammen; ja ſogar wie einſt ein Neger (wahrſcheinlich war es der Vater des Kindes) einen ſolchen vier - oder fuͤnfjaͤhrigen Burſchen bei beiden Beinen ergriff und ihn, ſoweit er mit aller Kraft vermochte, in die See ſchleuderte. Das Kind kam nach wenig Augenblicken wieder an Land geſchwommen; und ſeine frohe Miene bewies, wie geringe der Eindruck geweſen, den dieſe rohe Be - handlung auf daſſelbe gemacht hatte.
Noch waren wir mit unſern Stein - und Waſſer-Tranſporten beſchaͤftigt, als ich eines Morgens bei guter Zeit mit dem Boote,35 ohnweit des Strandes, zu Anker kam. Hier war indeß noch kein Neger ſichtbar, um uns bei unſern Faͤſſern Handreichung zu thun. Denn da in dieſer Weltgegend die Naͤchte ſtets zwoͤlf Stunden waͤhren, ſo kuͤhlt ſich binnen dieſer Zeit die Temperatur ſehr merk - lich ab und es weht bis 8 oder 9 Uhr Morgens eine ziemlich friſche Luft, die den voͤllig nacket einhergehenden Negern ſo em - pfindlich faͤllt, daß ſie ſich nicht gerne fruͤ - her aus ihren Huͤtten hervormachen. Jhre Erſcheinung mußte alſo mit Geduld erwar - tet werden.
Gerade dies Warten aber gab uns in unſerm Boote eine Langeweile, die je laͤnger, je druͤckender fuͤr uns wurde. Unter meinen Gefaͤhrten befand ſich ein engliſcher Matroſe, der ſich bereit erklaͤrte, an Land zu ſchwim - men und die ſaͤumigen Neger herbeizuholen. Haͤtte ich auch nicht andre Gruͤnde gehabt, ihm meine Zuſtimmung zu verſagen, ſo wuͤrde mich doch ſchon die Furcht, daß ein Hayfiſch ihn packen koͤnnte, dazu bewogen haben. Jn - zwiſchen gab es vergeblichen Harrens immer mehr; unſer Mißmuth ſtieg, und der Eng - laͤnder erbot ſich zu wiederholten Malen, das, wie er vermeynte, ganz unbedenkliche Aben - theuer zu beſtehen. Mein Kopfſchuͤtteln daͤmpfte indeß ſeine Begierde nicht, bis ich endlich, mehr ermuͤdet von ſeinem ſtetem Andringen,36 als es billigend, und zugleich hoffend, daß ja nicht augenblicklich ein ſolches Unge - thuͤm in der Naͤhe lauern werde, ihm nach - ließ, zu thun, was er nicht laſſen koͤnnte.
Alſobald warf der Menſch, frohen Mu - thes, ſeine Hemde von ſich, ſprang uͤber Bord und ſteuerte ſchwimmend dem Lande zu. Allein kaum hatt’ er ſich zwei Klafter weit vom Boot entfernt, ſo ſahen wir ihn auch bereits von einem ſolchen gefuͤrchteten Thiere umkreiſet, bis es ſich endlich, nach ſeiner Gewohnheit, auf den Ruͤcken warf, ſeine ungluͤckliche Beute ergriff und mit der - ſelben davonzog. Bald ragte der Kopf, bald Hand oder Fuß des armen Schwimmers uͤber die Wellen empor; endlich aber verſchwand er ganz aus unſerm Geſichte, die wir Zeugen dieſes graͤßlichen Schauſpiels hatten ſeyn muͤſſen, ohne helfen und retten zu koͤnnen. Daß es, als ich wieder an Bord kam, an einem tuͤchtigen, aber auch verdienten Ver - weiſe von meinem Kapitain nicht fehlte, kann man ſich wohl vorſtellen. Gott wird mir jedoch meine Suͤnde vergeben, da er am beſten weiß, daß ich dies Ungluͤck nicht aus Muthwillen, ſondern gaͤnzlich wider meinen Wunſch und Willen verſchuldet!
Merkwuͤrdig iſt gleichwohl die Verſiche - rung der Neger, die auch durch den Augen - ſchein beſtaͤtigt wird, daß Keiner Jhresglei -37 chen von der Gefraͤßigkeit dieſer Haye etwas zu fuͤrchten habe; ſo daß man wohl ſchlieſſen muß, die ſchwarze Farbe derſelben habe etwas, wodurch ſie abgehalten werden, jene anzufallen. Eine ſolche Gefahr wuͤrden dieſe Afrikaner inſonderheit in der Naͤhe der Schiffe laufen, welche — zumahl wenn ihr Bord unter Waſſer allmaͤhlig mit Muſcheln uͤber - zogen und mit allerlei Seegras bewachſen iſt — von jenen Fiſchen vorzuͤglich gerne auf - geſucht werden. Hier ſieht man ſie, wenn manchmal das Wetter ſtill und die See ruhig geworden, in ganzen dichten Heerden, wor - unter es Beſtien von 12 Fuß lang und dar - uͤber giebt, dieſe Fahrzeuge umſchwaͤrmen und das Geringſte, was oßbar ſcheint und zufaͤllig uͤber Bord geworfen wird, begierig und heißhungrig erſchnappen.
Wird ihr hartes und unſchmackhaftes Fleiſch gleich nicht gegeſſen, ſo macht man doch zu Zeiten zum Vergnuͤgen Jagd auf ſie; und dazu bedarf es kaum etwas mehr, als eines tuͤchtigen Hakens von irgend einem Kiſtengehaͤnge, den man an eine ſtarke Leine befeſtigt, an der Spitze aber mit einem Stuͤcke Speck oder dergl. koͤdert. Kaum hat er das Waſſer erreicht, ſo hat auch bereits ein Hay - fiſch wuͤthend angebiſſen, der dann emporge - zogen und auf dem Verdecke vollends getoͤd - tet wird. Grauſamer aber iſt der, gar nicht38 ſeltene Gebrauch, wo ihnen auf dem Ruͤcken ein Loch queer durch die ſtarke Haut geſtochen und dann ein Tau von drei oder vier Klaf - tern Laͤnge hindurch gezogen wird, an deſſen entgegengeſetztes Ende man ein Stuͤck Holz oder auch ein verſpuͤndetes ganzes oder hal - bes Ankerfaß befeſtigt, um ſie ſodann wieder lebendig in die See zu werfen. So ſieht man ſie dann wohl zwei, drei und mehr Ta - ge ſich unaufhoͤrlich auf den Wogen umher - waͤlzen, weil jenes leichte Anhaͤngſel ſie am Untertauchen hindert.
Noch lagen wir in dieſer Kuͤſtengegend vor Anker, als ſich auch ein hollaͤndiſches Skla - venſchiff bei uns einfand und gleichfalls dicht neben uns ankerte. Der Kapitain deſſelben rief uns zu, daß wir ihn doch mit unſrer Schaluppe zu uns heruͤber holen moͤchten. Kaum war dies geſchehen und er zu uns an Bord gekommen, als er uns die druͤckende Roth klagte, in welcher er ſich augenblicklich befaͤnde. Eilf Mann von ſeiner Beſatzung waͤ - ren ihm unterweges geſtorben; und noch ha - be er 14 Kranke liegen, ſo daß er kaum noch 5 geſunde Leute an die Arbeit ſtellen koͤnne. Auch habe er ſeither nicht mehr, als 18 Skla - ven eingehandelt, und wiſſe vor Sorge und Verlegenheit nicht, was er beginnen ſolle. Sein eigentlicher Wunſch aber war, daß wir ihm einige Koͤpfe von unſrer Mannſchaft39 uͤberlaſſen moͤchten. Hieran war jedoch von unſrer Seite ſo weniger zu denken, als ſelbſt kaum irgend Jemand von den Unſrigen ſich zu einem ſolchen Tauſche freiwillig verſtan - den haben wuͤrde. Der einzige Rath, den wir ihm geben konnten, war, daß er ſuchen moͤchte, St George de la Mina je eher je lieber zu erreichen, wo das Gouvernement verpflichtet ſeyn wuͤrde, ſich Seiner anzu - nehmen.
Waͤhrend ich ihn wieder nach ſeinem Schiffe zuruͤckbrachte, erzaͤhlte er mir noch umſtaͤndlicher, daß daſſelbe zu Middelburg in Seeland ausgeruͤſtet worden; er ſelbſt aber heiſſe Harder; ſey, gleich mir, ein Pommer und von Ruͤgenwalde gebuͤrtig. Nun that es mir doppelt leid um den armen Lands - mann, als ich an ſeinen Bord kam und uͤberall ein Elend und eine Unbereitſchaft wahrnahm, wie ſie mir noch niemals vorge - kommen war. Faſt mit Thraͤnen in den Augen trennten wir uns; und ſo wie ich mich von dem Schiffe entfernte, nahm ich auch wahr, daß es die Anker lichtete und unter Segel gieng. Doch mocht’ es kaum eine Viertelmeile Weges gemacht haben, ſo legte es ſich abermals, uns im Geſichte, vor Anker.
Mitten in der Nacht aber ſahen wir von dorther Gewehrfeuer aufblitzen und hoͤrten40 neben dem Schieſſen auch allerlei Laͤrm und Geraͤuſch, ohne zu wiſſen, was wir daraus machen ſollten. Endlich ward Alles wieder ſtill und ruhig: doch als der Tag anbrach, erblickten wir jenes Schiff auf den Strand geſetzt und von unzaͤhligen Negern um - ſchwaͤrmt; deren gleichwohl Keiner waͤhrend der zwei Tage, die wir hier noch liegen blie - ben, ſich vom Lande zu uns an Bord ge - traute; — zur hinreichenden Beſtaͤtigung unſers Argwohns, daß ſie den wehrloſen Middelburger uͤberrumpelt, die Beſatzung nie - dergehauen und das Schiff hatten ſtranden laſſen, um ſeine Ladung deſto bequemer zu pluͤndern.
Wenn eine ſolche blutige Gewaltthat den Leſer mit Recht empoͤrt, ſo muß dagegen nothwendig in Anrechnung gebracht werden, daß dergleichen eigentlich doch nur als Noth - wehr oder Wiedervergeltung gegen nicht minder abſcheuliche Ueberfaͤlle angeſehen wer - den muͤſſen, welche ſich auch die Europaͤer gegen dieſe Schwarzen geſtatten. Beſonders ſind die Englaͤnder dafuͤr bekannt, daß ſich von Zeit zu Zeit in ihren Haͤfen einige Rot - ten von Boͤſewichtern, 15 bis 20 Mann ſtark, und aus verlaufenen Steuerleuten und Matroſen beſtehend, die bereits mit dem Gange des Sklavenhandels bekannt ſind, ver - einigen, die ein kleines Fahrzeug ausruͤſten,41 ſich mit Schießbedarf und Proviant, ſo wie mit einigen Waaren-Artikeln, wie ſie zu dieſem Handel gebraͤuchlich ſind, zum Scheine ver - ſehen, und ſo nach der Kuͤſte von Guinea ſteuern. Kommen hier nun die Neger an Bord eines ſolchen Korſaren, um ein fried - liches Verkehr anzuknuͤpfen: ſo fallen dieſe Raͤuber uͤber ſie her, legen ſie ſammt und ſonders in Ketten und Banden; und haben ſie der Ungluͤcklichen ſolchergeſtalt 30 bis 40 oder wie viele ſie bewachen koͤnnen, zuſam - mengerafft, ſo ſtechen ſie damit nach Suͤd - Amerika hinuͤber, um ſie an die Spanier oder Portugieſen loszuſchlagen. Dort ver - kaufen ſie auch ihr Fahrzeug und gehen nun einzeln, als Reiſende mit ihrem ungerechten Gewinn nach England zuruͤck, um vielleicht unmittelbar darauf ein neues Unternehmen dieſer Art zu wagen.
Es kann nicht fehlen, daß ſolche Raub - zuͤge dem regelmaͤßigen Handel an der afri - kaniſchen Kuͤſte, ſo wie dem gegenſeitigen Vertrauen, den empfindlichſten Nachtheil brin - gen. Beſonders verderblich aber waren ſie zu jener Zeit fuͤr das Verkehr, welches die Hollaͤnder vermittelſt ihrer Boͤoͤte betrieben, da die Neger dieſe von jenen engliſchen Raub - fahrzeugen nicht hinreichend zu unterſcheiden vermochten. Dieſe Erfahrung machte auch ich an meinem Theile, als ich, in der Mitte42 Februars, mit der Schaluppe unſers Schiffs, und begleitet von 13 Mann und mit 6 klei - nen Poͤllern wohlausgeruͤſtet, eine neue Kuͤſten - fahrt antrat. Kurz zuvor nemlich hatte ein ſolcher engliſcher Korſar in dieſer Gegend herumgekreuzt und mancherlei Unfug veruͤbt. Wo ich mich alſo irgend blicken ließ, ward ich von den Schwarzen mit Jenem verwech - ſelt; nirgend wollte ſich ein Einziger von ihnen zu mir an Bord getrauen. Kam ja hie und da ein Kanot zum Vorſchein, ſo hielt es ſich, voll Argwohns, in einer Ent - fernung von hundert und mehr Klaftern; die armen furchtſamen Schlucker glotzten mich an; fragten, ob ich ein Englaͤnder oder Hollaͤnder ſey, und verlangten, zum Wahr - zeichen des letztern, eine hollaͤndiſche Pfeife zu ſehen, als ob dieſe aus einem andern Thone gebacken waͤre. Oft auch ſollte ich ihnen eine Flaſche aus meinem Flaſchenfutter zeigen, weil ſie wußten, daß die engliſchen Handelsleuten dergleichen nicht zu fuͤhren pflegten.
Mit ſolcherlei kleinen Kuͤnſten und guten Worten gelang es mir endlich doch, drei Ne - ger, die in einem Kanot gekommen waren, zu bewegen, zu mir an Bord zu ſteigen. Sie hatten einen Elephanten-Zahn zu ver - handeln: aber in ihren ſcheuen Blicken ver - rieth ſich die Angſt und der Zweifel, ob ſie43 bei mir auch ſicher ſeyn wuͤrden. Nun wollte es der Zufall, daß ich einen etwas naͤrriſchen Matroſen im Boote hatte, der ſich den Spaß machte, Einen von unſern Gaͤſten um den Leib zu faſſen und ihn auf die ſchwarzen Lenden zu klatſchen. Allein dies Uebermaaß von guter Laune brachte einen ſo ploͤtzlichen und heftigen Schreck uͤber ſie Alle, daß ſie ſich kopfuͤber in ihr Kanot ſtuͤrzten und ei - ligſt davon machten, ohne ihres Elephanten - Zahns zu gedenken, den ſie in unſern Haͤn - den zuruͤcklieſſen. Jn einiger Entfernung hielten ſie indeß an, huben die Haͤnde in die Hoͤhe und baten um Auslieferung ihres Ei - genthums.
All mein Winken und guͤtliches Zureden zur Umkehr war vergeblich. Je ernſtlicher mein Unwille uͤber das ſo muthwillig geſtoͤrte gute Vernehmen war, deſto weniger bedachte ich mich, nach einem tuͤchtigen Endchen Tau zu greifen und den Friedensſtoͤrer im Ange - ſichte Jener nachdruͤcklich abzuſtrafen. Dieſe Gerechtigkeitspflege gab ihnen wenigſtens den Muth, ſich, obwohl mit Zittern und Zagen, ſoweit zu naͤhern, daß wir ihnen ihren Zahn in’s Kanot werfen konnten. Da ſie es aber immer noch weigerten, ſich uns naͤher anzu - vertrauen, ſo lieſſen wir ſie endlich in Frie - den ihres Weges nach dem Lande ziehen.
44Wenige Tage ſpaͤter befand ich mich vor der Muͤndung eines kleinen Fluſſes, genannt Rio de St. Paul, aus welchem zwei Neger in einem Kanot zu mir herankamen, um mir den Kauf von zwei Sklaven und einer Kackebobe*)Der dort uͤbliche Name einer jungen Sklavinn, die noch nicht Mutter geworden. anzubieten, die ſie daheim be - wahrten und wohlfeilen Preiſes loszuſchlagen gedaͤchten. Doch war die Bedingung, daß ich mit dem Boote zu ihnen in den Strom kommen muͤßte, weil ſie mit ihren Nachbarn am andern Ufer in offner Fehde begriffen waͤren, die ſie ſonſt mit ihrer Waare nicht ungehindert paſſiren laſſen moͤchten. Wie mißlich mir auch dieſer Antrag daͤuchte, ſo uͤberwog doch endlich die Betrachtung, daß ich bereits ſeit mehreren Tagen zu gar keinem Handel hatte kommen koͤnnen und daß hier ſchon einmal etwas gewagt ſeyn wolle. Nachdem ich alſo meine kleinen Poͤller geladen, die Gewehre zur Hand genommen und mich in gehoͤrige Verfaſſung geſetzt hatte, ruderte ich getroſt auf den Ausfluß zu, waͤh - rend die beiden Schwarzen bei mir im Fahr - zeuge verblieben.
Ein paar hundert Klafter mocht’ ich ſtrom - aufwaͤrts gekommen ſeyn, wo ich beide Ufer dicht mit Gebuͤſch verwachſen fand und der45 Fluß ſelbſt eine Kruͤmmung machte, als ich es, unter ſolchen Umſtaͤnden, doch fuͤr rathſam hielt, hier vor Anker zu gehen, wie ſehr meine neuen Begleiter auch in mich drangen, noch weiter hinauf bis an ihre Heimath zu fahren. Da ich dies aber beharrlich wei - gerte, giengen ſie in ihrem Kanot ab und kamen mir aus dem Geſichte. Jnzwiſchen vergieng wohl noch eine Stunde, die ich in immer geſpannterer Erwartung zubrachte, als ploͤtzlich ein Schuß fiel und gleich darauf ein gewaltiger Laͤrm ſich erhob. Hiedurch mit Recht beunruhigt, ließ ich augenblicklich das Bootsanker aus dem Grunde reiſſen, das Fahrzeug ſeewaͤrts umwenden, und begann das Weite zu ſuchen. Gleichzeitig ſtuͤrzte ſich auch Einer von jenen beiden Negern vom Ufer herwaͤrts in den Strom, ſchwamm zu uns an’s Boot und verlangte, aufgenommen zu werden, indem er immerfort ſchrie: „ Sie ſind da! Sie ſind da! und meinen Bruder haben ſie ſchon in ihrer Gewalt! ‟
Kaum hatt’ ich indeß die Strommuͤndung erreicht und die Brandung hinter mir, ſo fuͤllte ſich auch das Seeufer mit einer großen Anzahl von ſchwarzen Verfolgern, die mir eine Menge von Kugeln und Pfeilen nach - ſchickten; jedoch ohne Jemand von uns zu treffen, wogegen aber unſre Segel verſchie - dene Schuͤſſe empfiengen. So kam ich alſo46 noch leidlich gut aus einem Abentheuer davon, das mir und Allen im Boote den elendeſten Tod haͤtte bringen koͤnnen, wenn ich nur noch eine einzige Minute gezoͤgert haͤtte, auf meinen Ruͤckweg zu denken. Was aber nun mit unſerm neuen Boots-Kameraden begin - nen? — Waͤr’ es auch nach den hollaͤndi - ſchen Geſetzen nicht bei Lebensſtrafe verboten, oͤffentlichen oder heimlichen Menſchenraub zu begehen, ſo haͤtt’ ich mich doch nimmermehr entſchlieſſen koͤnnen, ſein Zutrauen ſo ſchaͤnd - lich zu mißbrauchen und mich fuͤr den ver - fehlten Handel an ſeine ſchwarze Haut zu hal - ten. Nachdem ich alſo noch etwa eine halbe Meile laͤngs dem Strande geſegelt war, gab ich ihm ſeinen Freipaß und ließ ihn wieder nach dem Lande ſchwimmen, wo der arme Teufel hoffentlich in Sicherheit gelangte.
Doch ehe ich ſelbſt noch ganz auſſerhalb des Bereichs unſrer Widerſacher kam, be - merkte ich mit Verwunderung, daß das Boot weder gehoͤrig ſteuern, noch ſo raſch von der Stelle wollte, als es nach Maaßgabe ſeiner Beſeglung geſollt haͤtte. Jn der Meinung, daß ſich irgend einiges Kraut oder Strauch - werk am Kiel verfangen und das Steuerru - der behindert habe, lehnte ich mich, ſoweit moͤglich, uͤber Bord, um die Seiten und den Boden des Fahrzeugs unterhalb Waſſers zu unterſuchen. Da fand ich denn, daß ſich47 Tauſende von Neunaugen an daſſelbe uͤberall feſtgeſogen hatten, die ſich ohne Zweifel in dem ſuͤßen Stromwaſſer befanden und mit unſern Feinden gemeinſchaftliche Sache ge - macht zu haben ſchienen, um uns dort zu - ruͤckzuhalten. Da indeß alles Losreiſſen mit den Haͤnden nicht genuͤgte, uns von dieſem Ungeziefer zu befreien, ſo zogen wir endlich einige Taue unter dem Boote durch, womit wir daſſelbe durch Hin - und Herziehen all - maͤhlig abſtreiften.
Waͤhrend ich nun mein Verkehr, bald mit mehr, bald mit weniger Gluͤck, an der Kuͤſte fortſetzte und mich dabei immer weiter vom Schiffe entfernte, begann mir allmaͤhlig das friſche Waſſer zu mangeln, ohne daß ich deſ - ſen am Lande wieder haͤtte habhaft werden koͤnnen. Es ſchien mir demnach Zeit, mich wieder nach dem Schiffe hinzuwenden; gleich - wohl aber fand ich, in der Zwiſchenzeit von 13 Tagen, ſammt meinen Gefaͤhrten und den paar erhandelten Negern, uͤberfluͤſſige Zeit, die ſteigenden Schreckniſſe eines unausloͤſch - lichen Durſtes unter dieſem gluͤhenden Himmel zu erproben. Wer es nicht ſelbſt erfahren hat, iſt durchaus unfaͤhig, ſich dies Elend in ſeiner ganzen Groͤße vorzuſtellen. Mit dem Mangel an friſchem Waſſer wurden uns auch unſre trock - nen Lebensvorraͤthe an Erbſen, Graupen u. ſ. w unbrauchbar: denn mit Seewaſſer48 gekocht, (wie wir es verſuchten) blieben ſie ſo hart und waren zugleich von ſo bitterm Ge - ſchmack, daß ſie ſtets wie das heftigſte Brech - mittel wirkten. Ebenſowenig konnten wir unſer Poͤkelfleiſch ungewaͤſſert kochen und verzehren, ohne unſern grauſamen Durſt noch zu ſteigern; und ſelbſt unſern trocknen Zwieback vermochten wir unaufgeweicht nicht durch den ausgedoͤrrten Hals zu wuͤrgen.
Jn dieſem Drangſal erinnerte ich mich, gehoͤrt zu haben, daß der ſparſame Genuß des Branntweins in ſolchen Faͤllen ein er - probtes Mittel zur Linderung des Durſtes darbiete. Allein die kleine Probe, die wir damit anſtellten, bekam uns gar uͤbel: denn die Hitze dieſes Getraͤnks trieb uns ſoviel Galle in den Magen, daß wir ſelbſt den Mund beſtaͤndig voll davon hatten und dar - uͤber zum Sterben erkrankten. Trotz meiner von jeher gleichſam eiſernen Natur, befand ich mich am elendeſten unter Allen, und lag bereits faſt regungslos auf dem Verdeck dar - nieder. Nur unſre Sklaven ſchienen im Gan - zen von dieſer Noth am wenigſten angefoch - ten zu werden.
Jn der That aber war es mit derſelben bei uns ſchier auf das Hoͤchſte geſtiegen, als wir in der Ferne ein Segel anſichtig wurden und um ſo freudiger darauf losſteuerten, da wir es bald fuͤr ein hollaͤndiſches erkannten. Wir49Wir klagten dem Kapitain unſer Elend und baten um Abhuͤlfe; erhielten aber den ſchlechten Troſt, daß es ihm ſelbſt an friſchem Waſſer fehle: doch wolle er unſerm drin - gendſten Beduͤrfniß abhelfen; und ſo ſchickte er uns wirklich ein Faͤßchen, das vielleicht ein halb Anker halten mochte, heruͤber.
Mit einer Begierde, die keine Beſchrei - bung zulaͤßt, ſetzte ich ſofort das Gefaͤß an den Mund; und ſowohl ward mir dabei, daß ich fortgetrunken haben wuͤrde, bis ich auf der Stelle den Tod davon gehabt, wenn meine Leute, eben ſo ungeduldig nach dem Genuß dieſes Labſals, es mir nicht von den durſtigen Lippen weggeriſſen haͤtten. Als nun aber auch Einer nach dem Andern ſich guͤtlich gethan, war das Waſſer ſchier alle geworden. Die Leute, welche es uns in ihrer Schaluppe gebracht hatten und Zeugen von dieſem Auftritte waren, konnten des Erſtaunens uͤber unſre ausgedoͤrrten Kehlen und unſer Elend kein Ende finden Um ſo williger erfuͤllten ſie meine Bitte, ihren Ka - pitain in meinem Namen um noch einigen Vorrath anzugehen. Jhre Verwendung war auch nicht ohne Erfolg; und es ward uns ein aͤhnliches halbes Ankerfaͤßchen zugeſtanden.
Solchergeſtalt verſehen, goͤnnten wir uns eine neue Erquickung, indem wir uns alſo -11. Bändchen. (4)50fort nicht nur einen Kaffee bereiteten, ſon - dern auch einen Keſſel mit Graupengruͤtze zum Feuer brachten, um endlich wieder ein - mal eine ordentliche warme Speiſe zu ge - nieſſen. Das Gleiche wiederholten wir am naͤchſtfolgenden Tage: aber mit dem dritten war nun auch wieder unſre Labequelle ver - ſiegt, und das vorige Faſten waͤre wieder an die Tagesordnung getreten, wenn wir nicht noch des nemlichen Tages ein Kanot mit zwei Negern angetroffen haͤtten, mit denen ich mich uͤber einen kleinen Waſſer - Tranſport vom Lande verſtaͤndigte. Allein die Burſche merkten, daß wir uns darum in Verlegenheit befanden, und forderten fuͤr die Lieferung von zwei Faͤßchen, die ich ihnen zeigte, und deren jedes etwa 30 Quart ent - halten mochte, einen ſo ungeheuern Preis an Waaren, daß wir dafuͤr in Europa den koͤſtlich - ſten Wein haͤtten kaufen koͤnnen. Jndeß galt hier kein Weigern, und die Gefaͤße wurden ihnen zum Fuͤllen hingegeben.
Erſt in der Nacht kehrten ſie damit zu - ruͤck, und empfiengen den bedungenen Lohn. Als wir aber den Jnhalt naͤher unterſuchten, ergab ſich, daß derſelbe merklich nach See - waſſer ſchmeckte; ſey es, daß hier ein ab - ſichtlicher Betrug vorgegangen, oder daß ſie, aus Bequemlichkeit, aus dem erſten dem naͤch -51 ſten Brunnen mit Brackwaſſer geſchoͤpft, oder daß uͤber das Kanot in der Brandung eine Welle hergeſtuͤrzt, die Faͤſſer umgerollt, den Stoͤpſel ausgeworfen und ſie zum Theil wieder mit Seewaſſer angefuͤllt hatte. Da jedoch die Beimiſchung noch ertraͤglich fiel, ſo nahmen wir auch weiter keinen Anſtand, in unſerm dringenden Beduͤrfniß davon Ge - brauch zu machen. Auch erreichten wir drei Tage ſpaͤter unſer laͤngſt erſehntes Schiff, das bei Cap la How kreuzte: aber unſre dies - malige Fahrt, die gleichwohl bis in die fuͤnfte Woche gewaͤhrt hatte, war in jedem Betracht unguͤnſtig ausgefallen: denn wir brachten nur 3 Sklaven und 5 Elephanten-Zaͤhne mit uns. Gluͤcklicher war unter der Zeit das Schiff ſelbſt in ſeinem Handel geweſen.
Waͤhrend der acht Tage, die ich am Borde verweilte, um mich, mit Hoffnung beſſern Erfolgs, auf eine neue Bootsreiſe anzu - ſchicken, kam ein Schiff unter franzoͤſiſcher Flagge, und als Fregatte gebaut, in unſern Geſichtskreis, welches von Norden nach Suͤ - den laͤngs der Kuͤſte ſteuerte. Sogleich auch gab mir mein Kapitain den Auftrag, mit der Schaluppe hinuͤber zu ſegeln und nach neuen Zeitungen uͤber Krieg und Frieden in Europa nachzufragen, damit wir, falls unſre Nation ſeit unſrer Abfahrt irgend in Krieg verwickelt worden waͤre, unſre Maaßregeln52 deſto ſicherer darnach nehmen koͤnnten. Den ſchon genannten franzoͤſiſchen Matroſen Jo - ſeph nahm ich mit, um mir als Dolmet - ſcher zu dienen.
Dort angelangt, fand ich eine Menge von Schiffs-Officieren (oder mochten es Paſſa - giere in Uniform ſeyn) vor, die meine Be - gruͤßung mit Hoͤflichkeit erwiederten, und eben ſo auch meine Fragen uͤber ihren Kurs, und wie lange ſie bereits in See geweſen, beantworteten. Jndem ich auf dieſe Weiſe vernahm, daß ſie vor etwa vier Wochen von Havre de Grace in See gegangen, fiel mir augenblicklich jenes, von ſeiner Mann - ſchaft verlaſſene Schiff ein, welches wir im vorigen October-Monat in der ſpaniſchen See angetroffen und beſetzt hatten, und wel - ches gleichfalls von jenem Hafen nach den Antillen beſtimmt geweſen. Jch trug dem - nach meinem Dollmetſcher auf, die Herren zu fragen, ob und was ihnen von dieſem Schiffe bewußt ſeyn moͤchte?
Schon an ihren verwunderten Geſichtern konnt’ ich es ſpuͤren, daß ſie mit dieſem Er - eigniſſe bereits bekannt ſeyn muͤßten; und nun erfuhr ich von ihnen folgende Umſtaͤnde, die mich dem voͤlligen Aufſchluſſe jener raͤth - ſelhaften Begebenheit um Manches naͤher fuͤhrten. Das Schiff war, nachdem es uns ſo ploͤtzlich von der Seite verſchwunden, wi -53 der all unſer Hoffen, gluͤcklich in Rotterdam angekommen, wo man aus den vorgefunde - nen Papieren ſofort erſehen hatte, daß es von Havre de Grace ausgefahren geweſen. Dieſem zufolge hatten die hollaͤndiſchen Be - hoͤrden ſowohl an den Handelsſtand in je - nem franzoͤſiſchen Hafen ein Circulare erlaſ - ſen, als durch die Zeitungen oͤffentlich be - kannt gemacht: Kapitain Johann Harmel, mit dem Schiffe Chriſtina von Rotterdam, habe in den ſpaniſchen Gewaͤſſern ein fran - zoͤſiſches Schiff menſchenleer umhertreibend angetroffen, mit Mannſchaft beſetzt und nach Holland fuͤhren laſſen. Bei naͤherer Unter - ſuchung ſey befunden worden, daß hinten un - terhalb Waſſers zwei Loͤcher durch das Schiff gebohrt geweſen, indem der dazu gebrauchte Bohrer noch daneben gelegen. Die ſtumpfe Schneide deſſelben habe jedoch verurſacht, daß die Spaͤhne von der aͤuſſern Planken - haut nicht ſcharf abgeſchnitten worden, ſich in die Oeffnung zuruͤckgelegt, voll Waſſer ge - ſogen und dadurch verhindert haͤtten, daß daſſelbe nicht voͤllig habe eindringen und das Schiff, der gehabten Abſicht nach, zum Sin - ken bringen koͤnnen. Nicht minder wunder - bar habe eingedrungene Naͤſſe das Fort - glimmen einer wirklich ſchon brennenden, zehn Fuß langen Lunte gewehrt, deren entge - gengeſetztes Ende zu einem Pulverfaſſe ge -54 leitet worden. Aus beiden frevelhaften Ver - ſuchen aber gehe deutlich hervor, daß das Schiff muthwillig und ohne Noth verlaſſen worden und entweder habe ſinken oder in die Luft fliegen ſollen.
Waͤhrend nun durch dieſe Kundmachungen die Rheeder des Schiffes aufgefordert wor - den, ſich zu ihrem Eigenthume zu melden, hatte auch der franzoͤſiſche Kapitain deſſel - ben, von Liſſabon aus, an ſie nach Havre de Grace geſchrieben: Sein Schiff ſey im Meerbuſen von Biskaja ſo leck geworden, daß er befuͤrchtet, jeden Augenblick ſinken zu muͤſſen, als zum Gluͤck ein Schwediſcher Oſtindien-Fahrer in ſeine Naͤhe gekommen, der ſich auf ſein dringendes Bitten habe bewegen laſſen, ihn und die uͤbrige Mann - ſchaft, zu ihrer Aller Lebensrettung, an ſei - nen Bord abzuholen. Dieſer ſey darauf zu Liſſabon angekehrt und habe ſie ſaͤmmtlich dort an’s Land geſetzt. Er habe nicht un - terlaſſen, hier mit ſeinen Leuten alſo gleich eine gerichtliche eidliche Erklaͤrung abzulegen, die er zugleich mit einſende.
Beide Nachrichten, welche zu der nemli - chen Zeit in Umlauf kamen, lieſſen es, in ihrer Zuſammenſtellung, keinen Augenblick zweifelhaft, daß der franzoͤſiſche Kapitain ein abgefeimter Betruͤger geweſen; und auch die darauf angeſtellte gerichtliche Unterſu -55 ſuchung ergab, daß er mit zwei Mit-Rhee - dern des Schiffs unter einer Decke geſteckt, indem ſie daſſelbe zu gleicher Zeit in Lon - don, Amſterdam und Hamburg fuͤr große Summen verſichern laſſen. Dieſe ſahen nun ihrer gerechten Strafe entgegen; ihr Mit - ſchuldiger aber (wahrſcheinlich unter der Hand von ihnen ſelbſt gewarnt) hatte es fuͤr’s kluͤgſte gefunden, ſich in Liſſabon un - ſichtbar zu machen, ohne wieder nach ſeiner Heimath zu verlangen.
Fuͤr unſer Schiffsvolk ward ich, als ich mit dieſen eingeſammleten Nachrichten von der gluͤcklichen Bergung unſrer, ſchon fuͤr verloren geachteten Priſe wieder an Bord kehrte, ein wahrer Freudenbote: denn nun durfte Jeder auch auf ſeinen angemeſſenen Antheil an der, fuͤr die Rettung derſelben zu beſtimmenden Praͤmie hoffen. Es begann ſofort Ein Handel uͤber den Andern wegen dieſer zu erwartenden Priſen-Gelder. Ei - nige verkauften ihr Anrecht fuͤr wenige Flaſchen Branntwein; Andre fuͤr etliche Pfunde Taback, ohne ſich um die nur zu muthmaaßliche Uebervortheilung zu kuͤmmern.
Nach Verlauf einiger Tage ruͤſtete ich mein Boot zu einer neuen dritten Handels - fahrt zu; und diesmal durft’ ich auch fuͤr mein Privat-Verkehr, im Einkauf von Staubgold, gewiſſern Vortheil hoffen, da56 wir uns nunmehr im Angeſichte der ſoge - nannten „ Goldkuͤſte ‟ befanden. Hier wird es daher auch an der rechten Stelle ſeyn, mich uͤber die Art, wie dies Geſchaͤft be - trieben zu werden pflegt, etwas ausfuͤhrli - cher auszubreiten.
So verſchwenderiſch hat die Natur hier ihr edelſtes Metall verbreitet, daß ſelbſt der Seeſand deſſen in hinreichender Menge mit ſich fuͤhrt, um die Muͤhe des Einſam - melns zu verguͤten. Wenn daher Vormit - tags die Sonne hoch genug geſtiegen iſt, um den nackten Negern die Luft-Tempera - tur behaͤglich zu machen, finden ſie ſich zu Hunderten am Strande ein; ſo daß der - ſelbe oft ganz ſchwarz von ihnen wimmelt. Dann ſetzen ſie ſich, dicht neben dem Ab - lauf der Wellen in’s Waſſer, und jeder haͤlt eine tiefe hoͤlzerne Schuͤſſel (deren die Schiffe ihnen als Handelswaare zufuͤhren) vor ſich zwiſchen den Knieen, nachdem er ſie zuvor voll goldhaltigen Sandes geſchoͤpft. Sie wiſſen dieſe Gefaͤße ſo geſchickt zu dre - hen, daß jede anlaufende Welle daruͤber hin - ſpuͤlt und etwas von dem leichteren Sande uͤber den Rand mit ſich fortſchwemmt; waͤhrend das Metall ſich, vermoͤge ſeiner natuͤrlichen Schwere, tiefer zu Boden ſenkt. Dies wird ſo lange wiederholt, bis der Sand beinahe gaͤnzlich verſchwunden iſt und57 das reine Staubgold, kaum noch mit eini - gen fremden Koͤrnern untermiſcht, ſichtbar geworden. Die Neger wiſſen es ſodann gar geſchickt und behende in ihre kleine Do - ſen aufzufaſſen, die wir ihnen gleichfalls zum Verkaufe bringen. Auf dieſe Weiſe habe ich wohl ſelbſt zum oͤftern geſehen, daß Manche binnen 8 bis 10 Stunden den Werth von 6 bis 12 und mehr hollaͤndiſchen Stuͤ - bern zu Wege brachten.
Noch weiß ich aus den, deshalb ange - ſtellten Erkundigungen, daß ſie auch weiter landeinwaͤrts mit dem dort befindlichen gold - haltigen Kiesſande auf eine aͤhnliche Art verfahren, indem ſie dieſe Erdklumpen in die Naͤhe eines Gewaͤſſers tragen und Erde, Sand und Kies ſo lange durcheinan - der ruͤhren und ausſpuͤlen, bis ſie zu dem nemlichen Erfolg gelangen. Hier aber fin - den ſich auch nicht ſelten bedeutendere Stuͤck - chen Goldes, ſelbſt von der Groͤße, wie un - ſer grober Seegries. Die Neger nennen es „ heiliges Gold; ‟ durchbohren es, reihen es auf Faͤden und ſchmuͤcken mit dieſen koſt - baren Schnuͤren Hals, Arme und Beine. Jn ſolchem ſtattlichen Putze zeigen ſie ſich gerne auf den Schiffen; und ſo traͤgt oft ein Einziger einen Werth von mehr als tau - ſend Thalern am Leibe.
58Stellen ſie ihr gewonnenes Gold auf den europaͤiſchen Fahrzeugen zu Kaufe, ſo werden ihnen zuvor die ihnen anſtaͤndigen Waaren vorgelegt und uͤber den anzuneh - menden Werth derſelben eine Uebereinkunft getroffen. Dieſer Werth wird in „ Bont - jes ‟ beſtimmt, oder Stuͤckchen Goldes, et - wan einer Erbſe ſchwer und zu 6 Stuͤber Geldwerth zu berechnen. Acht Bontjes be - tragen ein Entis oder einen Thaler hollaͤn - diſch; und 10 Entis ein Loth, deſſen Werth zu 24 hollaͤndiſche Gulden, oder nach Un - zen zu 42 Gulden angeſchlagen wird. Die Neger Jhrerſeits bedienen ſich aͤhnlicher Ge - wichte, welche aber gegen die hollaͤndiſchen jedesmal zu kurz kommen.
Hier geht nun das Streiten und Zan - ken an. Jmmer noch fehlt etwas — noch etwas, und ſo weiter; bis man denn zu - letzt unter Zanken und Streiten doch einig wird. Betrogen aber werden die Neger endlich doch immer, wie ſchlau ſie es auch anfangen moͤgen! Mancher Weiſſe laͤßt ſich ſogar abſichtlich die Naͤgel an den Fingern lang wachſen; ruͤhrt damit in dem Staub - golde, unter dem Vorwande, als werde er noch gelben Sand unter den Metallkoͤrn - chen gewahr, umher, und kraut ſich dann, unmittelbar darauf, mit den Naͤgeln in den Haaren, um die aufgefiſchte Beute dort ab -59 zuſetzen. Haben ſich endlich die Verkaͤufer entfernt, ſo kaͤmmt er ſein ſtruppiges Haar mit einem engen Kamme wohl durch, und bringt dadurch zuweilen zwei und noch mehr Bontjes Goldſtaub vom Kopfe. Niemand rechnet ſich dieſe Hinterliſt zum Vorwurf. Es heißt dann immer: „ Nun, was iſt’s mehr? Jſt’s doch nur ein Neger, der an - gefuͤhrt wird! ‟
Nachdem ich endlich eines Morgens meine Fahrt wirklich angetreten hatte und ich etwa drei Meilen vom Schiffe entfernt war, kam mir noch an dem nemlichen Nach - mittage ein kleines engliſches Schiff zu Ge - ſichte, das ungewoͤhnlich nahe am Strande vor Anker lag, waͤhrend ein Theil der Se - gel und des Takelwerks ſich in groͤßter Un - ordnung befand und wild um die Maſten peitſchte. Jndem ich meine Begleiter auf dieſe in ſolcher Lage unbegreifliche Nachlaͤſ - ſigkeit aufmerkſam machte, beſchloß ich, mich dieſem Fahrzeuge zu naͤhern, ob ihm viel - leicht Huͤlfe vonnoͤthen ſeyn moͤchte, die wir ihm leiſten koͤnnten. Bald kam ich im Heranſegeln ſo dicht an ſeine Seite, daß ich ihm die Frage zurufen konnte: „ Warum er ſich in dieſe gefaͤhrliche Naͤhe an einem un - ſichern Strande gelegt habe? ‟
War ich bereits verwundert, ſo ward ich es noch vielmehr, als ſich kein einziger60 Weiſſer am Borde blicken ließ, dagegen aber wohl 20 bis 30 Neger auf dem Verdeck herum ſtanden und giengen. Vor Allem zeichnete ſich ein Kerl auf dem Hintertheil, mit einem blauen Ueberrock bekleidet, durch ſeine Keckheit aus, indem er ein kurzes weitmuͤndiges Schießgewehr (Wir nennen es eine Donnerbuͤchſe) in der Hand fuͤhrte und auf uns anlegte. Ein Andrer ſtand vorne, mit einer weiſſen Weſte ohne Ermel, und lag mit ſeinem Gewehr ebenfalls im Anſchlage auf uns. Auch die Uebrigen Alle, laͤngs dem Borde, winkten mit den Haͤnden abwaͤrts und ſchrieen aus vollem Halſe: Go way! Go way! (Packt euch!)
Was war natuͤrlicher zu glauben, als daß dies Schiff ſo eben in die Gewalt der Schwarzen gerathen, welche die engliſche Mannſchaft ermordet haͤtten und im Be - griffe ſtaͤnden, ihre Beute auszupluͤndern. Hier war es alſo nicht allerdings rathſam, lange zu verweilen. Jch ſteuerte demnach ab, gegen den Wind: doch indem ich mich außer der Schußweite ſah, fieng ich an zu uͤberlegen, daß es nicht gar ehrenvoll fuͤr uns ausſehen wuͤrde, die ſchwarzen Raͤuber ihr Weſen ſo ganz ungeſtoͤrt treiben zu laſſen. Jch berieth mich mit meinen Leu - ten, ob nicht ein entſchloßner Angriff auf die Brut zu wagen ſeyn moͤchte? Denn61 wenn wir gleich mit einem tuͤchtigen Feuer auf ſie anruͤckten, ſo war ich der Mey - nung, daß die Kerle, da ſie ſo dicht am Lande lagen, bald uͤber Bord ſpringen und uns das Schiff als gute Priſe uͤberlaſſen wuͤrden.
Dieſer Vorſchlag, mit ſo glaͤnzender Ausſicht auf Gewinn verbunden, gewann ſich alſobald ihren ungetheilten Beifall. Um mir aber jede kuͤnftige Verantwortung und uͤble Nachrede zu erſparen, fuhr ich fort: „ Jhr habt aber auch geſehen, daß wenig - ſtens Zwei von ihnen Schießgewehr fuͤhren und es ſicherlich auch gebrauchen werden, bevor ſie uns das Feld raͤumen. Sollte nun Einer oder der Andre von uns dabei zu Schaden kommen, ſo ſage Niemand: Jch haͤtte ihn zu dem Unternehmen gezwungen. Hier bedarf es durchaus eines freiwilligen Entſchluſſes. Alſo: Ja oder Nein? ‟ — Jhr kaltbluͤtiges „ Ja ‟ weckte das glim - mende Feuer in mir zur vollen lichten Flamme. — „ Wir gehen drauf los, und jagen die ſchwarzen Beſtien durch ein Knopf - loch? ‟ fragte ich noch lauter und heftiger. — „ Ja! Das wollen wir! ‟ ſcholl mir zur Antwort entgegen. — „ Nun denn! Jmmer drauf, in Gottes Namen! ‟
Sofort ſprang ich nun, zu Vollfuͤhrung meines Vorſatzes, hinten in die Luke her -62 nieder; ergriff ein kleines Pulverfaß, das 16 Pfund enthielt; trat ihm haſtig mit ei - nem Fußſtoße den Boden ein; fuͤllte mei - nen Hut mit Pulver; eilte damit auf’s Deck; lud meine ſechs Poͤller allein; ſetzte auf jede Ladung zwei Kugeln, und ließ ein paar angezuͤndete Lunten in Bereitſchaft hal - ten. Den beſten und zuverlaͤſſigſten Mann ſetzte ich an’s Ruder, mit dem Gebot, daß er von vorne auf das Schiff zuſteuern und ſo laͤngs dem Borde deſſelben hinweg ſtrei - fen ſollte, wie ich ihn an Ort und Stelle noch genauer anweiſen wuͤrde. Das Ab - feuern meines Geſchuͤtzes behielt ich mir ausſchließlich ſelbſt vor, um meines Ziels deſto ſicherer nicht zu verfehlen; wogegen meine uͤbrigen Leute im rechten Augenblick mit dem Handgewehre ihr Beſtes thun ſollten.
Wie geſagt, ſo geſchehen! Wir ſteu - erten ſo dicht auf unſre gehoffte Priſe los, daß wir ihren Bord im Voruͤberfahren mit einem Bootshaken haͤtten entern koͤnnen. Waͤhrend dem gab ich zugleich aus all mei - nen vier Poͤllern Feuer; hatte aber den Schreck, zu ſehen, wie ſie ſammt und ſon - ders zerſprangen und uͤberm Haufen lagen, weil ich ſie in meinem unbedachten Eifer zu ſtark uͤberladen hatte. Was mich jedoch auf der Stelle troͤſtete, indem wir nun hin -63 ter das Schiff kamen, war die gelungene Frucht meines Knallens — der Anblick einer guten Anzahl ſchwarzer Koͤpfe im Waſſer, die bereits eifrig dem Lande zu - ſchwammen.
Jetzt rief ich meinen Leuten zu: „ Das Boot umgelegt! Nun dran! Nun geen - tert! Handgewehr auf’s Deck! ‟ — Jch ſelbſt ſprang wiederum hinten in die Lucke hinab, um die Gewehre, die uns fruͤher hinderlich geweſen waͤren, ſchnell hervorzu - langen: aber da ſprudelte mir von unten ein maͤchtiger Waſſerſtrahl aus dem Boden des Fahrzeugs entgegen. Es war nicht an - ders zu glauben, als daß, waͤhrend der Pulverdampf Alles erfuͤllte, im Voruͤberfah - ren am Schiffe, jener Kerl mit der Don - nerbuͤchſe vom hoͤheren Hintertheile herab gerade in die offne Lucke gehalten und den Boden ſo ungluͤcklich durchſchoſſen haben mußte. Konnt’ es wohl einen wunderliche - ren, aber zugleich auch widerwaͤrtigeren Zu - fall geben?
Jch trat augenblicklich mit dem Fuße auf das Loch und ſchrie nach irgend einem Kleidungsſtuͤck, um davon einen Pfropfen zu drehen und dieſen in oder auf die Oeffnung zu ſtopfen. Meine Leute aber ſtanden Alle wie angewurzelt und bedonnert, ohne meine Meynung zu faſſen. Endlich riß ich mir64 ſelbſt das Hemde vom Leibe; wickelte es ſo feſt zuſammen, als mir moͤglich war, und ſuchte dem Unheil vorlaͤufig damit abzuhel - fen. Doch wie ich nun auf das Deck kam nahm ich wahr, daß das Boot faſt bis zum Sinken tief lag und das eingedrungene Waſ - ſer es binnen der kurzen Zeit ſchier bis oben erfuͤllt hatte. Noch empfindlicher aber ward mir dies Ungluͤck in der Betrachtung, daß ich ſo eben erſt mein Schiff verlaſſen hatte und nun mein noch vollſtaͤndiger Vor - rath von Handelswaaren durchnaͤßt und nur zu gewiß verdorben worden. An die Fort - ſetzung des Gefechts war unter dieſen Um - ſtaͤnden nicht mehr zu denken; und alle unſre ſchon erlangten Vortheile mußten aufgegeben werden.
Jch entfernte mich alſo mit großem Schaden von dem Kampfplatze. Dreiviertel Meilen weiter von hier, unter dem Winde, nahm ich ein Schiff vor Anker wahr, auf welches ich zuſegelte, bis ich neben demſel - ben gleichfalls den Anker fallen ließ, um mein eingedrungenes Waſſer auszupumpen. Der Kapitain jenes Schiffes kam in ſeiner Schaluppe zu mir an Bord, weil er wahr - genommen, daß ich bei jenem ober Windes liegenden Fahrzeuge geſchoſſen, und er zu wiſſen wuͤnſchte, was dies zu bedeuten ge - habt? — Mein Bericht ſetzte ihn eben ſoſehr65ſehr in Erſtaunen, als er mir ſein Beileid uͤber meinen erlittenen Unfall und das Ver - derbniß meiner Ladung bezeugte: denn ich hatte ſo eben die unerfreuliche Entdeckung gemacht, daß meine Waaren nicht nur ſaͤmmt - lich unter Waſſer gelegen, ſondern daß auch die Pulverfaͤſſer, woraus ein Theil derſelben beſtand, durch das Schlingern des Bootes ihren Jnhalt dem Waſſer mitgetheilt und all meine Zeugwaaren voͤllig ſchwarz gefaͤrbt hatten.
Der Kapitain bemerkte, daß er das eng - liſche Fahrzeug bereits ſeit drei Tagen dort habe liegen ſehen. Gegen den Wind habe er zu demſelben nicht heranſteuern koͤnnen; und da auch ſein Boot gerade auf einer Handelsreiſe abweſend ſey, ſo habe er bisher einen unthaͤtigen Zuſchauer abgeben muͤſſen. Er wolle mir aber mein Boot in moͤglichſt kurzer Zeit wieder dicht machen helfen, ſich perſoͤnlich mit mir vereinigen, noch etwa ein 10 oder 20 Koͤpfe von ſeinen Leuten mit zu Huͤlfe nehmen, und das engliſche Schiff mit mir gemeinſchaftlich angreifen und neh - men. Allein ich hatte in dem Augenblick den Kopf zuvoll von meinen Ungluͤck, das mir auf dem Halſe lag. Jch ſchlug ihm daher meine Theilnahme an der Fortſetzung dieſes Abentheuers ab; und wahrſcheinlich waͤre es auch eben ſo fruchtlos abgelaufen: denn ſchon11. Bändchen. (5)66am naͤchſtfolgenden Morgen ſahen wir das engliſche Schiff voͤllig am Strande liegen, wohin es die Schwarzen hatten treiben laſ - ſen. Was ferner damit geworden ſeyn mag, iſt mir nicht wiſſend geworden.
Fuͤr mich blieb nun kein andrer Rath, als mich wieder nach unſrer Chriſtina zu wenden und eine ganz neue Ausruͤſtung zu verlangen. Jndeß mag ſich der Leſer ſelbſt, wenn er kann, eine Vorſtellung davon machen, mit welch einem garſtigen Willkommen ich dort, nach Abſtattung meines Berichts, von meinem Kapitain empfangen wurde, der das Ungluͤck hatte, faſt beſtaͤndig betrunken zu ſeyn. Er wollte mich todtſtechen, todtſchieſ - ſen, oder mir ſonſt auf eine neue, noch un - erhoͤrte Manier das Garaus machen. Da ich nun Meinerſeits des Glaubens war, daß ich, nach Maaßgabe der Umſtaͤnde, vollkom - men recht und pflichtmaͤßig gehandelt, und ich den ungluͤcklichen Zufall, der hier den Ausſchlag gegeben, nicht verantworten koͤnnte: ſo mocht’ ich mich auch nicht entſchlieſſen, demuͤthig zu Kreuze zu kriechen; und ſo gab es nun noch drei Wochen lang zwiſchen uns nichts, als boͤſes Blut und taͤglichen Ver - druß, (denn in dem Aerger ſprach mein Geg - ner nur um ſo fleiſſiger der Flaſche zu, und ward dann wie ein tolles raſendes Thier) bis wir endlich vor St. George de la Mina67 anlangten, um dort unſern letzten Handel abzuſchlieſſen.
Hier fand ich den Gouverneur Peter Wortmann noch von den nemlichen wohl - wollenden Geſinnungen gegen mich erfuͤllt, wie ich ihn vormals verlaſſen hatte. Jch klagte ihm bei Gelegenheit mein ganzes Un - gluͤck und meine obſchwebende Mißhelligkeit mit dem Kapitain, die mir alle Ruhe des Lebens verbitterte. Er dagegen hieß mich guten Muthes ſeyn; indem er eheſtens den hohen Rath verſammlen wolle, wo ich volle Freiheit finden wuͤrde, mein beobachtetes Verfahren zu vertheidigen. Dies geſchah auch wirklich bald nachher in einer Sitzung, wozu auſſer den ordentlichen Raͤthen noch fuͤnf hollaͤndiſche Schiffs-Kapitaine, die dort eben mit ihren Schiffen auf der Rheede lagen, mit hinzugezogen wurden. Jch er - klaͤrte vor dieſer Verſammlung, unter dem Vorſitz des Gouverneurs und im Beiſeyn Kapitain Harmels, den ganzen Verlauf der Sache mit dem Angriff auf das engliſche Fahrzeug; daß ich, was ich gethan, zu Gunſten unſers Schiffs und unſrer Leute unternommen, welche, wenn die Beſitznahme gegluͤckt waͤre, nach den See - rechten Zweidrittel der Ladung als Berge - lohn zu fordern berechtigt geweſen ſeyn wuͤrden. Ob mein Angriff ungeſchickt ge -68 leitet worden und ob ich, ohne den empfan - genen Schuß mein Vorhaben nicht unfehl - bar erreicht haben wuͤrde, uͤberließ ich, dem Gericht zur einſichtsvollen Beurtheilung. — Die Folge dieſer Verantwortung war, daß ich einſtimmig und mit Ehren freigeſprochen wurde.
Waͤhrend unſers ferneren Verweilens vor dieſem Platze kam eines Tages ein hol - laͤndiſches Schiff auf der Rheede vor Anker, welches ſofort auch die Nothflagge wehen ließ und mehrere Nothſchuͤſſe abfeuerte. Von allen anweſenden Schiffen konnte indeß nichts zu deſſen etwannigen Beiſtande geſchehen, da unſre ſaͤmmtlichen Kapitaine eben mit den Schaluppen an Land gegangen waren, und wir Steuerleute kein anderes Boot zu unſrer Verfuͤgung hatten. Doch ſahen wir bald, daß vom Forte aus ein Kanot mit vier Negern abſtieß, eiligſt nach dem nothleiden - den Schiffe hinruderte und auch, nach Ver - lauf einer Stunde, von dort wieder zuruͤck - kehrte.
Zwei Stunden ſpaͤter kam dies nemliche Kanot, vom Lande aus, wieder zum Vorſchein und geradesweges zu mir an Bord. Es brachte mir den ſchriftlichen Befehl des Gou - verneurs, mit dieſen Negern zu ihm an Land zu fahren. Jch befolgte dieſe Weiſung ohne mir’s einfallen zu laſſen, daß meinem69 Kapitain hievon nichts geſagt worden. Jn - dem ich aber in den großen Saal trat, fand ich die nemliche Verſammlung, vor welcher ich ohnlaͤngſt zu Gerichte geſtanden, und auch den Kapitain Harmel, an der Tafel bei einem froͤhlichen Mittagsmahl ſitzen. Kaum aber faßte mich der Letztere in’s Auge, ſo ſprang er auf, und fragte mich in rauhem Tone: Was ich am Lande zu ſchaffen haͤtte? — Statt der Antwort uͤberreichte ich ihm das, von Seiner Edelheiten, dem Gouverneur erhaltene Billet, und trat, waͤhrend deſſen, hinter den Stuhl des Letztern, um zu fragen, was zu ſeinen Befehlen ſtaͤnde?
„ Da iſt ‟ — hub Dieſer an, indem er aufſtand und ſich zu mir wandte — „ ſo eben der Kapitain Santleven von Vlieſſingen auf der Rheede angelangt und befindet ſich im aͤuſſerſten Drangſal. Er ſelbſt liegt krank im Bette; ſeine Steuerleute ſind todt; er hat daneben beinahe hundert Sklaven an Bord, und ſeine Noth und Verlegenheit iſt dermaaſſen groß, daß er hat eilen muͤſſen, dieſe Station zu erreichen, um von den hier liegenden Schiffen einen Steuermann zu er - langen, der die Fuͤhrung des Schiffes uͤber - nehmen moͤchte. Jch und die uͤbrigen Herren Kapitaine hier wuͤnſchen ihm darinn, wie billig, zu willfahren und haben Euch, mein lieber Nettelbeck, zu dieſem Poſten erſehen. ‟
70Bevor noch der Gouverneur ſeinen An - trag geendigt hatte, begann ſchon mein Ka - pitain, ihn unterbrechend, dagegen aus allen Kraͤften zu proteſtiren; wie ſehr auch die uͤbrigen Anweſenden bemuͤht waren, ihn da - von zuruͤckzuhalten. Zuletzt wandte er ſich ganz wuͤthend gegen mich und gebot mir: „ Nettelbeck, Jhr verfuͤgt Euch ſtehendes Fußes auf mein Schiff zuruͤck, und verſeht den Dienſt am Bord. Jch will und befehl es! ‟ — Dem mußte allerdings gehorcht werden! Jch wandte mich ruhig um und gieng zum Saale hinaus.
Kaum war ich aus der Thuͤre, ſo hoͤrte ich etwas hinter mir drein ſchreiten. Es war Einer von den tafelnden Kapitainen, der aufgeſprungen war, mich haſtig an der Hand ergriff, und mich fragte: „ Jch bitte Euch um Alles — Jhr heißt Nettelbeck? ‟ — Jch bejahete; und nun fuhr Jener noch an - gelegentlicher fort: „ Und ſeyd Jhr ein Col - berger? Wohnt nicht Euer Vater dort am Markte? und habt Jhr nicht eine Schweſter, die an Einem Fuße hinkt? ‟ — Jch bejahete wiederum, aber mit zunehmender Verwun - derung, theils uͤber dieſe genaue Kenntniß meiner Familie, theils uͤber die Abſicht all dieſer Fragen. — „ Nun denn; ‟ ſetzte er, mit gleichem Feuer, hinzu — „ So muͤßt Jhr ja auch einen Bruder in Koͤnigsberg71 haben, der ein Schiff fuͤr eigne Rechnung faͤhrt? ‟ — „ Der werde ich wohl ſelbſt ge - weſen ſeyn; ‟ war meine Antwort. — „ Wie? Nicht moͤglich! Jhr ſelbſt? Nun denn, um ſo weniger ‟ … unterbrach er ſich ſelbſt, hielt mich noch feſter und zog mich ſtuͤrmiſch wieder in das eben verlaſſene Zimmer zu - ruͤck. Jch wußte am allerwenigſten, was dies alles zu bedeuten haben koͤnnte.
Sein Naͤchſtes war nun, daß er ſich an den Kapitain Harmel wandte, ihn freund - lich umfieng, und ihm ſchmeichelnd zuredete: „ Nicht wahr, lieber alter Freund, — Jhr gebt meinem und unſer Aller Dringen eine gute Statt, und uͤberlaßt dieſen wackern Mann an Santleven? Denn ich will’s Euch nur ſagen: Fuͤr Alles, was Nettelbeck heißt, laß ich Leib und Leben; und ich will Euch fuͤr ihn einen meiner eignen Steuerleute, und einen befahrnen Matroſen oben ein, der es auch alle Tage werden koͤnnte, an Bord ſchicken. Topp? ‟ — Auch die Andern ins - geſammt umringten den zornigen Menſchen und redeten ſo lange und eifrig auf ihn ein, bis er ſich jede Ausflucht abgeſchnitten ſah, und endlich, mir halb uͤber die Achſel zuge - wandt, entgegenbrummte: „ So geht denn Meinetwegen zum Teufel! ‟ — Das war und blieb mein Abſchied!
72Dagegen drang nun der Mann, der mir ſo gefliſſen das Wort geredet hatte, in mich, nun auch ſofort mit ihm zu Kapitain Sant - leven an Bord zu gehen, wohin er mich in ſeiner Schaluppe bringen wolle. Dies geſchah auch, und indem wir nun vom Strande abſtieſſen und in der See waren, konnt’ ich mich denn laͤnger nicht entbrechen, an meinen freundlichen Begleiter die Bitte zu richten, daß er mir doch erklaͤren wolle, woher er eine ſo genaue Kenntniß meiner Familie habe, und wie er uͤberhaupt dazu komme, einen ſo warmen und freundſchaft - lichen Antheil an mir zu nehmen.
„ Nun, ‟ erwiederte er laͤchelnd — „ das wird Euch weiter nicht Wunder nehmen, wenn Jhr hoͤren werdet, was ich Euch zu erzaͤhlen habe. Jm Jahr 1764 fuhr ich, als Steuermann, auf einem hollaͤndiſchen Schiffe und hatte, in der herbeſten Jahres - zeit zwiſchen Weihnachten und Neujahr, das Mißgeſchick, eine Meile von Colberg zu ſtranden und kaum das nackte Leben zu ber - gen. Des naͤchſten Tages fuͤhrte Euern Vater der Zufall in das Dorf und die arm - ſelige Bauerhuͤtte, wohin ich und meine uͤbri - gen Ungluͤcksgefaͤhrten uns kuͤmmerlich ge - fluͤchtet hatten. Die hellen Thraͤnen traten ihm bei unſerm Anblick in’s Auge. Jnſon - derheit richtete er ſeine Aufmerkſamkeit auf73 mich, fragte mich uͤber meine Umſtaͤnde aus und erbot ſich auf der Stelle edelmuͤthig, mich, wenn ich wolle, mit nach Colberg zu nehmen und fuͤr mein weiteres Unterkommen zu ſorgen. Er habe auch zwei Soͤhne in der See; und Gott wiſſe, wo und wie auch ſie die Huͤlfe mitleidiger Seelen beduͤrfen koͤnnten. Vor der Hand koͤnne er zwar nur mich allein mitnehmen: allein auch fuͤr die Ruͤck - bleibenden ſolle baldigſt Rath geſchafft werden.
„ So kam ich ‟ fuhr er fort — „ nach Colberg in Euer vaͤterliches Haus, wo ich an Eures Vaters, Mutter und Schweſter Seite ge - geſſen und getrunken, all meine Nothdurft empfangen und tauſendfache Liebe und Guͤte genoſſen habe. Eure Schweſter verſorgte mich mit Waͤſche; meine kleinſten Wuͤnſche wurden erfuͤllt; und ſo erhielt ich von ſo liebreichen Haͤnden meine volle Verpflegung bis uͤber Oſtern hinaus, wo ſich endlich eine Schiffsgelegenheit fand, wieder nach der Heimath zuruͤckzukehren. Aber auch da noch ſteckte mir Euer Vater einen hollaͤndiſchen Dukaten zum Reiſegelde in die Hand, und hinter ſeinem Ruͤcken that Eure Mutter mit zwei preuſſiſchen harten Thalern das nemliche. Oft genug erzaͤhlten mir Beide von ihrem wackern Sohne in Koͤnigsberg; und ich hin - wiederum vertraute ihnen, wie ich, obwohl ich es vorgegeben, doch kein Hollaͤnder, ſon -74 dern ein preuſſiſches Landeskind und aus Neuwarp in Vorpommern gebuͤrtig ſey, Carl Friedrich Mick heiſſe und mich aus Furcht vor dem Soldaten-Stande auſſer Landes ge - wandt habe. Seit jenen Zeiten habe ich nun allſtets darauf geſonnen, wie ich es moͤglich machen wollte, ſoviel Liebe und Guͤte nach Wuͤrden zu vergelten, und haͤtte wohl nicht gedacht, daß ſich mir dazu hier an der Kuͤſte von Afrika eine ſo erwuͤnſchte Gelegenheit auf - thun ſollte. Wiewohl ich noch immer nicht begreife, was fuͤr ein widriges Schickſal Euch hieher fuͤhrt und Eure bluͤhenden Umſtaͤnde ſo ganz veraͤndert hat? ‟
Die Antwort auf dieſe theilnehmende Frage mußte ich dem guten Manne fuͤr diesmal noch ſchuldig bleiben, da wir ſo eben am Bord des Kapitains Sandleven anlangten. Dieſen fanden wir, beim Ein - tritt in die Kajuͤte, bettlaͤgrig und in elen - der Verfaſſung. Mein Begleiter ſtellte mich ihm, mit einer nachdruͤcklichen Empfehlung und Verbuͤrgung, als Denjenigen vor, der ihm in Fuͤhrung ſeines Schiffs und ſeiner Geſchaͤfte beiraͤthig ſeyn ſolle, und auf den er ſich in allen Faͤllen verlaſſen koͤnne. Der gute Mann ſtreckte ſeine Arme nach mir aus, umfieng mich inbruͤnſtig und hieß mich von ganzem Herzen willkommen. Dem - naͤchſt uͤbergab er mir das voͤllige Kom -75 mando am Borde, ließ mich durch den Ka - pitain Mick dem Schiffsvolke vorſtellen, gab mir die noͤthige Einſicht in ſeine Pa - piere und Geſchaͤfte und war ſolchergeſtalt nach Moͤglichkeit behuͤlflich, daß hier Alles wieder mit einem neuen Geiſt und Leben beſeelt wurde. Mir ſelbſt war nicht minder zu Muthe, als ſey ich aus der Hoͤlle in den Himmel uͤbergegangen.
Bevor nun mein neuer thaͤtiger Freund und Goͤnner mich verließ, bemerkte ich ihm, daß ich auf der Chriſtina noch eine ſechs - monatliche Gage zu fordern haͤtte; und er verſprach mir, daß ſie mir unverkuͤrzt aus, gezahlt werden ſollte. Wirklich geſchah dies auch gleich am naͤchſten Tage mittelſt einer Anweiſung des Kapitains Harmel auf 216 Gulden hollaͤndiſch. an ſeine Schiffs-Rhee - der, die Herren Rochus und Kopſtaͤdt in Rotterdam, die auch zu ihrer Zeit gebuͤh - rend honorirt wurde. Eben ſo holte ich meine Habſeligkeiten aus dem alten in das neue Schiff ab, und war von dieſem Augen - blick an in dem Letztern vollkommen ein - heimiſch.
Nach gepflogener Berathſchlagung mit meinem Kapitain wandten wir das Schiff wiederum gegen die weſtlicher gelegenen Punkte, um unſre Ladung durch fortgeſetz - ſetzten Handel zu vervollſtaͤndigen. Das76 beſchaͤftigte uns bis in den September hin - ein; waͤhrend welcher Zeit der gute Mann, zu meiner nicht geringen Freude, ſich merk - lich erholte, und endlich auch wieder auf dem Verdeck erſcheinen konnte. Um ſo leichter ließ ſich nun auch der Beſchluß ausfuͤhren, daß ich mit dem Boote nach dem, 6 Meilen von uns entfernten hollaͤndiſchen Forte Boutrou abgehen ſollte, wohin wir mit dem Schiffe zu kommen durch Wind und Stroͤmung verhindert wurden und wo ſich gleichwohl vielleicht einiger Vortheil fuͤr unſer Verkehr beſchaffen ließ.
Auf dem Wege dahin erblickte ich ein Boot, das uns entgegenſteuerte; und aus dieſer Richtung ſowohl, als aus andern Um - ſtaͤnden erkannte ich leicht, daß es mit ſei - nem Briefſack nach St. George de la Mina gedenke und zu einem, kuͤrzlich erſt auf der Kuͤſte angelangten Schiffe gehoͤren muͤſſe. Dies machte mir Luſt, mich ihm zu naͤhern und ihm ſeine mitgebrachten Neuigkeiten abzufragen. Kaum aber war das Geſpraͤch angeknuͤpft, ſo erkannte ich in dem jenſeiti - gen Fuͤhrer, mit abſonderlicher Verwunde - rung, den nemlichen Steuermann Peters, der uns in vorigem Herbſte mit der beſetz - ten franzoͤſiſchen Priſe ſo unerwartet und bei Nacht und Nebel davon gegangen. Auch mein Geſicht ward ihm ſofort kenntlich; er77 rief meinen Namen, und wir verloren kei - nen Augenblick, unſre Fahrzeuge an einan - der zu befeſtigen, damit wir die tauſend Fragen und Antworten, die uns beiderſeits auf der Zunge ſchwebten, gegen einander austauſchen koͤnnten, indem er zu mir uͤber - ſprang und mir vollkommne Befriedigung meiner Neugier gelobte.
Daß er ſich mit dem Schiffe gluͤcklich nach Rotterdam hingefunden hatte, war mir, wie der geneigte Leſer weiß, bereits im Merz durch die franzoͤſiſche Fregatte zu Oh - ren gekommen. Allein wie er dies bei ſei - nen eingeſchraͤnkten Kenntniſſen vom See - weſen, und ohne einen feſten Punkt von Laͤnge und Breite mit ſich zu nehmen, habe moͤglich machen koͤnnen, wollte mir eben ſo wenig, als daß ſein Verſchwinden ein blo - ßes Werk des Zufalls geweſen ſeyn ſollte, einleuchten. Jndeß behauptete er doch, er habe, als es Tag geworden, uns in der Chriſtina weder geſehen, noch wieder auf - finden koͤnnen, und ſey alſo genoͤthigt gewe - ſen, ſeinen Kurs nach Gutduͤnken, gegen den engliſchen Kanal zu, einzurichten. Jn dieſer beibehaltenen Richtung ſey er einige Tage ſpaͤter auf ein engliſches Schiff geſtoßen, bei welchem er ſich wegen der Lage von Oueſſant und der Entfernung dieſes Punk - tes befragt, aber von der Antwort wenig78 verſtanden habe, da ihm, wer weiß wie - viel hundert Meilen (wahrſcheinlich wohl en - gliſche Seemeilen, 60 auf einen Grad) vor - gerechnet worden. Demnach ſey er getroſt bei ſeinem anfaͤnglichen Kurs geblieben, bis ihm des naͤchſtfolgenden Tages ein ſchwedi - ſches Schiff die Auskunft ertheilt, daß er Kap Landsend in Oſtnordoſt 65 Meilen vor ſich liegen habe; und dieſer willkommenen Weiſung nachſteuernd, habe er denn auch, bei guͤnſtigem Winde, dieſe Landſpitze des dritten Tages zu Geſichte bekommen, von dort den Kanal hinaufgeleiert, ferner die flaͤmiſchen Kuͤſten moͤglichſt in der Naͤhe behalten, und ſo des fuͤnften Tages auch gluͤcklich Goree und die Muͤndung der Maas erreicht.
Weiter ſetzte er hinzu: Der Hafenmei - ſter von Goree, als er zu ihm an Bord gekommen, ihn alſobald wieder erkannt, daß er erſt vor wenigen Wochen von hier in See gegangen und ſich die uͤbrigen ſeltſa - men, dies Schiff betreffenden Umſtaͤnde be - richten laſſen, habe ſich vor Verwunderung gekreuzigt und geſegnet, aber auch um ſo weniger zulaſſen wollen, daß es ſeinen Weg ſtromaufwaͤrts nach Rotterdam fortſetze, be - vor nicht davon Bericht erſtattet und eine naͤhere Unterſuchung verfuͤgt worden. Bei - des ſey demnaͤchſt auf Veranſtaltung des79 Handelshauſes Rochus und Kopſtaͤdt durch eigne Commiſſarien geſchehen, der Befund nach dem Haag an die Staaten von Hol - land abgegangen und von dorther die An - weiſung zu dem gerichtlichen Verfahren ge - kommen, wovon bereits oben ausfuͤhrliche Meldung geſchehen. Eben ſo uͤbereinſtim - mend war des Steuermanns Erzaͤhlung von dem Befund der verſuchten Anbohrung des Schiffes, welcher ſich beim Ausraͤumen deſſelben ergeben. Schiff und Ladung wa - ren in der Folge gerichtlich zu Verkauf ge - ſtellt und aus beiden ein Werth von 99,000 Gulden holl. geloͤſt worden.
Von dieſer bedeutenden Summe kamen nun, nach den hollaͤndiſchen Seerechten, Zweidrittel den franzoͤſiſchen Eigenthuͤmern, Eindrittel aber dem Schiffsvolke der Chri - ſtina zu. Umgekehrt waͤre das Verhaͤltniß geweſen, wenn ſich jener Hund nicht mehr, als Waͤchter, auf dem Schiffe befunden haͤtte, um dieſes als voͤllig herrenlos anzu - nehmen; woraus denn zu erſehen, was fuͤr eine ſonderbare Gerechtigkeit die Seegeſetze auf einem Schiffe ſelbſt einem Hunde ein - raͤumen. Denn Dieſer hier verdiente ſeinem Herrn durch ſein Bellen, womit er uns em - pfieng, reine 32,000 Gulden!
Das Drittel, welches unſerm Schiffe zufiel, kam zur Haͤlfte wiederum den Rhee -80 dern zu gute; die Andre hingegen dem Schiffsvolke, nach Maaßgabe der Monats - Gage, die Jeder zu empfangen hatte. Ob jedoch hierbei ganz nach den richtigſten Grundſaͤtzen verfahren wurde, mag man dar - aus entnehmen, daß, als ich in der Folge, als geweſener Ober-Steuermann der Chri - ſtina, meine Forderung an dieſe Priſen - gelder in Holland geltend machte, mir 42 Gulden ausgezahlt wurden. — Von Pe - ters aber habe ich nur noch zu erzaͤhlen, daß er demnaͤchſt auf einem Schiffe des nemlichen Handelshauſes Rochus und Kop - ſtaͤdt, als Ober-Steuermann, unter Kapitain Schleuß, angeſtellt worden, das jetzt bei Kap Monte lag und mit deſſen Briefſack er eben auf dem Wege nach St. George de la Mina begriffen war.
Einige Tage nachher traf ich zu Bou - trou ein, ohne dort fuͤr unſer Negoz et - was Tuͤchtiges ſchaffen zu koͤnnen. Ueberall war fuͤr dieſen Augenblick im Handel be - reits aufgeraͤumt und die groͤßere Anzahl der Schiffe, als ich nach unſerm Hauptfort zu - ruͤck kehrte, von dort nach Amerika in See gegangen. Es blieb uns daher nur uͤbrig, dieſem Beiſpiel ungeſaͤumt zu fol - gen und zu dem Ende uns fuͤr dieſe Reiſe mit Trinkwaſſer und Brennholz zu verſehen.
Als81Als ich bei dieſer Gelegenheit mit mei - nen Leuten mich am Lande befand, trat ich bei einem Kompagnie-Neger, Namens Franz, ein, deſſen Bekanntſchaft ich ge - macht hatte. Hinter ſeiner Huͤtte hatte dieſer Menſch eine Art von Gaͤrtchen ein - gehegt; und ich bemerkte, daß er ſich zum oͤftern dorthin begab, um mit ſichtbarer Sorgfalt an einem Schirm von Baſtmatten zu drehen und zu ſtellen. Meine Neugier erwachte; ich gieng ihm nach und fragte, was fuͤr einen ſeltenen Schatz er hinter dem Schirme huͤtete? — „ Ja wohl, ei - nen Schatz! ‟ war ſeine Antwort — „ Ein rares vaterlaͤndiſches (d. i. hollaͤndiſches) Gewaͤchs! ‟ — Nun erwartete ich wenig - ſten ein Beet mit den theuerſten harlemer Blumen-Zwiebeln vorzufinden. — „ Ei, Franz! Das ſind ja aber ganz gewoͤhnliche Gruͤnkohl-Pflanzen! und aus den 5 oder 6 Pflanzen wirſt du ſchwerlich auch einmal ein Gericht zuſammen bringen! ‟ — „ Nun, wer ſagt denn auch, daß ich ſie eſſen will? Es iſt ja nur der Raritaͤt wegen! ‟ — Und dicht neben dieſer vaterlaͤndiſchen Ra - ritaͤt lagen Citronen und Limonien zu Dutzenden im Graſe, und verfaulten, ohne daß Jemand es der Muͤhe werth gehalten haͤtte, ſie aufzuleſen! So verſchieden ſind die Begriffe von Werth oder Unwerth, den11. Bändchen. (6)82wir auf dergleichen Sachen zu legen geneigt ſind!
Zu Anfang Octobers endlich verlieſſen wir die afrikaniſche Kuͤſte, um, unſrer Beſtimmung zufolge, zufoͤrderſt den Markt von Suriname zu beſuchen. Zu Beſchleu - nigung der Fahrt wandten wir uns erſt ſuͤdlich und giengen unter der Linie durch, um 3 oder 4 Grad jenſeits derſelben die gewoͤhnlichen ſuͤdoͤſtlichen Paſſat-Winde zu gewinnen, vor welchen man dann weſtlich und nordweſtlich hinlaͤuft, bis man von neuem die Linie paſſirt, um die nordoͤſtlichen Paſſat-Winde zu benutzen und mit ihnen die Reiſe zu beendigen. Die Krankheiten und die Sterblichkeit, welche unter den Sklaven bei jeder verlaͤngerten Dauer der Ueberfahrt nur zu gewoͤhnlich einzureiſſen pflegen, machen es wuͤnſchenswerth, dieſelbe auf jede Weiſe abzukuͤrzen. Unſre Ladung beſtand aus 425 Koͤpfen, worunter ſich 236 Maͤnner und 189 Frauen, Maͤdchen und Jungen befanden. Es