PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Die Judenſchule, oder gruͤndliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener ſchwarzer oder weißer Jude zu werden;
Zweites Buch.
Jeruſalem,in der neuen Buchhandlung. 5582.
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Die Judenſchule. Zweites Baͤndchen.

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Von der Sittenlehre, den Geboten und dem ſittlichen Zuſtande der Juden im Allgemeinen.

Die Sittenlehre eines Volks iſt in der Regel das Erzeugniß ſeiner Glaubenslehre. Wir wiſſen bereits, daß die Jſraeliten das auserwaͤhlte Volk Gottes und ſeine einzigen Kinder und Erben, alle uͤbrigen Menſchen aber Kinder des Sammaels oder Satans ſind. Der Gott der Juden iſt der eigentliche legi - time Herr der Welt; folglich haben nur ſeine Kinder, die Jſraeliten, rechtmaͤßige Anſpruͤche auf die Guͤter und Schaͤtze derſelben. Was die Kinder des Sataus oder Sammaels, (die Nichtjuden) beſiz - zen, iſt unrecht erworbenes, den Kindern Gottes entwandtes Gut, und jeder fromme Jude iſt befugt, dies ihm und den Seinigen entriſſene Eigenthum, wo er es findet, zu ſich zu nehmen, ſey es durch welche Mittel es wolle. Darum, Jhr Chriſten, wundert Euch nicht, wenn Abrahams glorreicher Saame Eure Taſchen, Eure Kaſten und Kiſten6 fuͤr die ſeinigen anſieht; wenn er nicht blos ſeine Kinder, ſondern auch Eure Dukaten und Thaler beſchneidet, und ohne Muͤnzrecht ſelbſt welche macht; wenn er Einen oder den Andern von Euch, die Jhr ja keine Menſchen, ſondern Kinder des Teufels und nicht beſſer, als Schweine ſeyd*)M. ſ. den großen Jalkut Rubeni, Paraſcha Bere - ſchith; Sepher Emek Hammelech, Tit. Schaar olam hattohu, Tit. Schaar Kirjath Arba 151 und endlich Tit. Schaar Schiaſchue Hammelech; ferner Rabbi Menachem von Rekanat Auslegung der 5 Buͤcher Moſis Paraſcha Schemini., ſchaͤchtet und todt ſchlaͤgt. Wundert Euch nicht, wenn die frommen Soͤhne des Judengottes durch truͤgeriſche Bankerotte, durch falſche Wechſel, ja durch falſche Eide ſogar Euch und die Eurigen an den Bettelſtab bringen. Denket vielmehr, liebe Chriſten, der Herr, der den Juden in Aegypten gebot, die goldenen und ſilbernen Geraͤthe und die koſtbaren Kleider der Aegypter zu ſtehlen; der Herr, der dem Joſua be - fahl, den feierlich beſchworenen Friedensvertrag mit den Gibeoniten zu brechen, und dies ungluͤckliche Volk zur ſchwerſten Sklavenarbeit zu verurtheilen**)Joſ. 9. V. 16.; der hat den Juden auch dieſes geheißen.

Das Geſetz Moſis war das urſpruͤngliche Sit - tengeſetz der Juden. Durch ſeine Kuͤrze und Ein - fachheit und durch den ſtreng befehlenden Ton, in7 dem es gegeben war, eignete es ſich ganz fuͤr ein rohes Volk, dem Vernunft und hoͤhere ſittliche Ge - fuͤhle fehlten. Du ſollſt, ſprach der Geſetzgeber, ohne auf ein Warum ſich einzulaſſen, oder gar ein Moralprinzip aufzuſtellen, welches ſeinen Un - tergeordneten als allgemeine Vorſchrift fuͤr ihre Handlungen haͤtte dienen koͤnnen. Gebote, wie ſie unſer goͤttlicher Erloͤſer uns gab, waͤren den bar - bariſchen, tiefgeſunkenen Juden ganz unverſtaͤndlich geweſen, ja ſie haͤtten ſogar den Abſichten ihres Geſetzgebers Moſes widerſprochen, denn haͤtte die - ſer ihnen heute geſagt: Liebet eure Feinde, ſegnet die euch fluchen, oder: was ihr nicht wollt, daß euch die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen auch nicht; wie haͤtte er dann, ohne folgewidrig zu han - deln, ihnen am andern Tage befehlen koͤnnen: » uͤberfallt, beraubt und ermordet die ruhigen Ein - wohner jenſeits des Jordans; vertilgt Alles, was an die Wand p kelt; nur die ſchoͤnen Jungfrauen laßt leben, damit ihr Weiber und Kebsweiber be - kommt; aber was maͤnnlich iſt, muͤſſe vertilgt wer - den? « Moſes mußte alſo, ſeinem Plan gemaͤß, bei ſolchen Vorſchriften ſtehen bleiben, ohne deren Beobachtung die Juden durchaus keine dauernde Staatsgeſellſchaft bilden konnten. Er verbot Mord, Diebſtahl, Ehebruch, falſche Zeugniſſe gegen ihre Naͤchſten oder Mitjuden und alle die viehiſchen La - ſter, denen ſie ergeben waren. Außerdem gab er8 ihnen religioͤſe und kirchliche Geſetze, und befahl ihnen Haß und ewigen Krieg gegen die heidniſchen Voͤlker, die Gott ausgerottet wiſſen wollte. Letz - teres geſchah in der doppelten Abſicht, daß die Jſraeliten ſich nicht der Abgoͤtterei ergeben und auch ihr Land im Laufe der Zeit vergroͤßern moͤchten.

Die eigentlichen Sittengeſetze, welche Moſes den Juden gab, waren, mit Ausſchluß des Gebots der kindlichen Ehrfurcht und Liebe gegen die Eltern, blos Verbote ſolcher Verbrechen und Laſter, die keine Staatsgeſellſchaft unter ihren Mitgliedern dul - den kann. Die Beobachtung dieſer Verbote gegen Andere war nach den Anſichten der Juden einzig und allein auf ihre Naͤchſten oder Mitjuden und auf die Fremdlinge beſchraͤnkt, welche die Er - laubniß hatten, unter ihnen zu wohnen. Jn Ruͤck - ſicht Anderer hatten dieſe Verbote keine Verbindlich - keit fuͤr ſie. Mochte dies nun in dem Sinn des Geſetzgebers liegen oder nicht, ſo war es doch die Meinung der Jſraeliten von jeher und iſt ſie auch noch. Der Talmud lehrt z. B. daß die Chriſten und nichtjuͤdiſchen Voͤlker keine Ehe haben. Es heißt: » wer die Ehe bricht mit Jemandes Weibe, der ſoll des Todes ſterben, beide, der Ehebrecher und die Ehebrecherin, weil er mit ſeines Naͤchſten Weibe die Ehe gebrochen hat. Die Weiber der Gojim (Nichtjuden) ſind hievon aber ausgenommen, denn die Gojim ſind nicht unſere Naͤchſten, und haben9 auch keine Ehe*)3 B. Moſ. 20. V. 10.. « Rabbi Salomon Jarchi ſagt uͤber jene Stelle gleichfalls: » Da hier nur von des Naͤchſten Weibe die Rede iſt, ſo ſind die Weiber der Fremdlinge ausgenommen, denn dieſe ſind nicht unſere Naͤchſten**)M. ſ. R. Salomon Jarchi’s Auslegung der fuͤnf B. Moſ. Mit ihm ſtimmen R. Bechai und R. Levi Ben Gerſon in ihren Auslegungen uͤberein.. «

Nicht bloß in Hinſicht der Nichtjuden, ſondern auch ihrer eigenen Glaubensgenoſſen beſchraͤnken die Jſraeliten die Verbindlichkeit zur Befolgung des moſaiſchen Sittengeſetzes. Moſes verbietet zwar allen Wucher; » aber den Weiſen iſt es erlaubt, einander gegen Wucher Geld zu leihen. Sie wiſſen gar wohl, daß es verboten iſt, es iſt daher nur ein Geſchenk, was ſie einander machen***)M. ſ. den talmud. Traktat Bava Mezia.. « Wir wiſſen indeſſen, daß Jſraels Soͤhne beſonders an ſolche Geld gegen Wucher verleihen, die nichts we - niger als Weiſe ſind. » Auch ſeinen Hausgenoſſen und Kindern darf man Geld gegen wucheriſche Zin - ſen leihen, damit ſie Geſchmack am Wucher bekom - men†)Ebendaſelbſt.; « ſagt Rabbi Jehuda der Heilige. » Der Raf Acha, des Rabba Sohn, hat geſagt: Wer alle ſeine Kinder, allen ſeinen Saamen, dem Mo - loch zu Ehren durchs Feuer gehen laͤßt, ſuͤndiget10 nicht. Laͤßt Jemand hingegen nur Ein Kind durchs Feuer gehen, ſo iſt er ſtrafbar; denn es ſtehet ge - ſchrieben: du ſollſt nicht von deinem Saamen (alſo kein einzelnes Kind) dem Moloch opfern; es heißt aber keineswegs: du ſollſt nicht deine Saamen, nemlich alle deine Kinder, dem Moloch opfern*)M. ſ. den Traktat Sanhedrin.. «

Um ihr Moͤglichſtes zu thun, theilten die juͤ - diſchen Prieſter das moſaiſche Geſetz in ſechshundert und dreizehn Mitzvos oder Gebote ein, und unter - ſchieden dieſe wieder in Gebote im engern Sinn, welche eine Art von Handlungen, und in Ver - bote, die eine Unterlaſſung befehlen. Der Gebote giebt es nach dieſer letztern Eintheilung zweihundert acht und vierzig, weil der menſchliche Koͤrper, nach talmudiſcher Anatomie, hundert acht und vierzig Glieder hat, und fuͤr jedes derſelben ein Gebot ſeyn muß. Die Zahl der Verbote betraͤgt dreihundert fuͤnf und ſechzig; denn ſo viel Tage enthaͤlt das Jahr, und folglich gerade ſo viel als Tage im Jahr. Um indeſſen lieber etwas zu viel, als zu wenig zu leiſten, hat man noch ſieben Gebote dazu gemacht, daß alſo jetzt ſich die Geſammtzahl aller juͤdiſchen Gebote und Verbote auf ſechshundert und zwanzig belaͤuft. Nun iſt ein frommer Jſraelit ver - pflichtet, alle Tage Ein Gebot zu erfuͤllen, und Ein Verbot nicht zu uͤbertreten; genuͤgt er dieſer11 Verbindlichkeit, dann iſt er ein vollkommen Gerech - ter (Tzaddick). Blos die Maͤnner ſind ſchuldig, die Gebote, welche ein Thun auflegen, zu halten; die Weiber ſind nur zur Beobachtung eines gerin - gen Theils derſelben und der Verbote verbunden. Dieſe Nachſicht gegen das weibliche Geſchlecht iſt keineswegs Folge juͤdiſcher Galanterie, ſondern der Verhaͤltniſſe ſelbſt. Zur Erfuͤllung mancher Gebote ſind die Weiber entweder natuͤrlich oder geſetzlich unfaͤhig, z. B. zur Beſchneidung, zu prieſterlichen und kirchlichen Aemtern u. ſ. w. Die Erfuͤllung vieler andern Gebote erfodert beſtimmte Zeiten, wel - che die Frauen wegen ihrer haͤuslichen und ehe - lichen Geſchaͤfte nicht abwarten koͤnnen. Nach ge - nauer Berechnung ſollen ſie uͤberhaupt nur zur Hal - tung von vier und ſechzig Verboten und ſechs und dreißig Geboten verpflichtet ſeyn. Jmmer noch zu viel werden meine ſchoͤnen Leſerinnen ſagen. Sie muͤſſen aber bedenken, daß man auf jeden Tag zu nicht mehr, als zur Beobachtung eines einzigen Gebots und eines einzigen Verbots verpflichtet iſt; daß man alſo Alles, was in den uͤbrigen Geboten befohlen iſt, unterlaſſen, und ſo auch Alles, was in den andern Verboten unterſagt iſt, thun darf, und doch eine fromme Juͤdin bleiben kann; z. B. an dem Tage, wo ich kein Schweinefleiſch eſſe; darf ich ehebrechen, after - reden, falſch ſchwoͤren, ſtehlen, betruͤgen ꝛc. ; und am Sabbath, wo ich den Feiertag heilige, brauche ich12 meinen Eltern weder Gehorſam, noch Ehrfurcht zu beweiſen, keinen Armen Almoſen zu geben u. dgl. Man ſieht, daß die juͤdiſche Sittenlehre, ungeachtet ihrer vielen Gebote und Verbote, ziemlich bequem iſt, und uͤberhaupt iſt die Beobachtung ihrer Vor - ſchriften auch gar nicht ſehr ſchwer. Jch fuͤhre nur einige Verbote und Gebote an, um die Jſraeliten vor dem Vorwurfe einer allzu ſtrengen Sittenlehre zu ſchuͤtzen:

» Du ſollſt auf keinem heimlichen Gemach, oder an einem andern unreinen Ort den Namen des Herrn deines Gottes nennen, auch dort nicht an Gott denken, und kein Gebet oder einen Spruch aus der Thorah ſagen, denn es iſt dem Herrn ein Greuel*)M. ſ. den talmudiſchen Traktat Taanis..

Du ſollſt, wenn du deines Leibes Nothdurft verrichteſt, dein Antlitz nicht gegen Morgen oder Abend, ſondern immer gegen Mittag oder Mitter - nacht wenden, damit du dem Herrn deinem Gott, und der heiligen Stadt Jeruſalem, welche bald und in unſern Tagen wieder moͤge aufgebauet werden, nicht deine Schande und den Hintern zukehreſt.

Du ſollſt dich nicht mit der rechten, ſondern mit der linken Hand wiſchen; denn mit jener zeigeſt du in der heiligen Schrift auf die Ramen des hoch -13 gelobten Gottes, und darum ſollſt du ſie nicht verunreinigen.

Du ſollſt, ehe du dein Morgengebet verrichteſt, und an den hochgelobten, heiligen Gott denkſt, zu - vor hingehen auf das heimliche Gemach, und dei - nen Leib reinigen, damit du ſauber und rein vor dem Herrn erſcheinſt, denn es ſtehet geſchrieben: So bereite dich, Jſrael, deinem Gott zu begegnen; (Amos 4. V. 12.) und: lobe den Herrn meine Seele, und was in mir iſt, ſeinen heiligen Namen; (Pſ. 103. V. 1.) durch das aber, » was in mir iſt, « werden deine Eingeweide verſtanden, die ſollſt du vorher ſaͤubern und reinigen, ehe du zu dem Herrn deinen Gott beteſt*)Brandſpiegel Nr. 40; Orachajim Nr. 3. und meh - rere andere.. «

Und nun fodere ich Euch auf, Jhr hochgeprie - ſenen Moralphiloſophen Europa’s, ſagt mir: wo giebt es wohl eine erhabenere, ſchoͤnere Sittenlehre, als die iſraelitiſche? Schon nach dieſen wenigen Proben koͤnnt Jhr urtheilen, und Jhr duͤrft, wenn Jhr mehr Aehnliches haben wollt, nicht erſt im Talmud ſuchen; auch in den Buͤchern Moſis findet Jhr dergleichen.

Moſes hatte aber ganz andere Zwecke bei ſei - nen Reinigungsgeſetzen. Die Juden waren eine tiefverſunkene, ſaͤuiſche Nation. Sie fraßen alles14 Ungeziefer, großes und kleines, was ihnen vorkam; ſie waren die eigentlichen Zigeuner der Vorwelt, ſo wie die heutigen, aͤchten Zigeuner wirklich ein iſrae - litiſcher Volksſtamm ſind*)Grellmann ſucht (in ſeinem hiſtoriſchen Verſuch uͤber die Zigeuner, 2te Aufl. Goͤtt. 1787. S. 280 326.) gegen Wagenſeil zu beweiſen, daß die Zi - geuner nicht von den Juden, ſondern aus Hindo - ſtan ſtammen. Er beruft ſich auf die Uebereinſtim - mung vieler, bei Zigeunern in der Tuͤrkei gefundener Woͤrter mit hindoſtaniſchen, von denen er ein lan - ges Verzeichniß mittheilt, und auf die Aehnlichkeit der hindoſtaniſchen Deklinationen und Conjugationen mit den zigeuneriſchen. Unter den, von Grellmann angefuͤhrten, hindoſtaniſchen Woͤrtern findet man aber eben ſo viele, die mit Woͤrtern der deutſchen, lateiniſchen, engliſchen, ſchwediſchen, ruſſiſchen und anderer Sprachen, als mit zigeuneriſchen Woͤrtern die groͤßte Aehnlichkeit und gleiche Bedeutung haben, alſo fuͤr die hindoſtaniſche Abſtammung der Zigeu - ner gar nichts beweiſen. Der Name der hindoſta - niſchen Landſchaft Czigania, welche, nach Grell - manns Meinung, das urſpruͤngliche Vaterland der Zigeuner ſeyn ſoll, beweist noch weniger, denn auf dieſe Weiſe koͤnnte man auch die Ruſſen oder Reuſ - ſen aus dem reuſſiſchen Vogtlande, und die Roth - reuſſen beſonders von Heinrich dem Rothen Reuß, Vogt und Herrn von Weida, abſtammen laſſen. Fand man wirklich bei den in der Tuͤrkei wohnenden Zigeunern viele Woͤrter, die ausſchließlich der hin - doſtaniſchen Sprache eigen ſind, ſo folgt daraus. An Schmutz und den15 hoͤchſten Grad von Unreinlichkeit gewoͤhnt, duͤnkte ihnen ſelbſt das nicht eckelhaft, was den roheſten*)weder, daß man dieſelben in den Mundarten aller andern Zigeuner gleichfalls antrifft, noch daß dies Volk uͤberhaupt von den Hindoſtanern abſtammt. War es nicht moͤglich, daß die in der Tuͤrkei leben - den Zigeunerhorden, die wie alle uͤbrigen, aus ei - nem Lande ins andere ziehen, ſich auch einmal nach Hindoſtan verirrten, und dort, wie uͤberall, eine Menge von Woͤrtern aus der Landesſprache auf - nahmen? Was beweist das in Hinſicht ihrer Ab - ſtammung? Wollte man dieſe daraus herleiten, ſo ließe ſich mit eben ſo vielem Recht behaupten, daß unſere Zigeuner ein urſpruͤnglich deutſcher Volks - ſtamm waͤren, da man gewiß mehr deutſche als hindoſtaniſche Woͤrter in ihrer Sprache findet. Wa - genſeil, deſſen Schriften (Pera libror. juvenil. Al - torf 1695. 8. und Vorrede zu der Schrift: Von der Meiſter - Singer holdſeliger Kunſt zuſammen gedruckt mit der: de civitate Noribergensi Altorf. 1697. 8. ) ich aber blos ans Grellmanns Buche kenne, behaup - tet: die Zigeuner waͤren Nachkommen deutſcher Juden, die ſich, um den Verfolgungen der Chriſten zu entgehen, gegen die Mitte des vierzehnten Jahr - hunderts in Waͤlder, Einoͤden und unterirdiſche Hoͤhlen verkrochen haͤtten. Daher ihr ploͤtzliches Er - ſcheinen, als dieſe Gefahren voruͤber waren. Er beruft ſich dabei auf die vielen hebraͤiſchen und neu - juͤdiſchen Woͤrter der Zigeunerſprache, und er hat nach meiner Anſicht voͤllig Recht; nur haͤtte er die Abſtammung der Zigeuner nicht blos auf16 Voͤlkern Abſcheu erregt. Durch ſeine Reinigungs - geſetze ſuchte Moſes ſie theils von den Krankheitenzu*)deutſche Juden beſchraͤnken ſollen. Faſt in allen europaͤiſchen Laͤndern wurden bekanntlich die Hebraͤer in fruͤhern Zeiten ſehr hart verfolgt, und allent - halben ſahe man auch Zigeuner auftreten, ohne zu wiſſen, wo ſie herkamen. Waͤren ſie hindoſtaniſchen Urſprungs, womit ſollte man ſich ihr ploͤtzliches zahlreiches Erſcheinen in Laͤndern, wo man nie von ihnen gehoͤrt hatte, ja ſelbſt in England, wohin ſie doch nicht anders als zu Waſſer kommen konnten, erklaͤren? Und wo ſollten ſie denn, wenn ſie aus Hindoſtan kamen, die europaͤiſchen Sprachen ge - lernt haben, um ſich uͤberall verſtaͤndlich zu machen? Wagenſeils Behauptung iſt alſo ohne Zweifel die richtigſte. Der Einwurf, daß die Zigeuner Fleiſch von Schweinen und andern unreinen Thieren, ja ſogar verrecktes Vieh eſſen, beweist gegen ihre juͤ - diſche Abſtammung nichts; denn in dieſer Hinſicht ſind ſie blos zu der Lebensweiſe ihrer Erz - und Urvaͤter, die vor Moſis Zeiten lebten, zuruͤck ge - kehrt. Wer wuͤrde die Berliner oder Frankfurter Juden wohl deshalb fuͤr keine Juden halten wollen, weil ſie Schweinefleiſch, Haſenbraten u. dergl. mit großer Gefraͤßigkeit verſchlingen? Moſes verbot den Jſraeliten, keine Schweine, Wallfiſche, Strauße, vierfuͤßige Voͤgel, Lindwuͤrmer ꝛc. zu eſſen, weil er das Fleiſch dieſer Thiere fuͤr ungeſund, und da er aͤgyptiſch erzogen war, fuͤr eckelhaft hielt. Betrachten wir ferner die Juden und Zigeuner in ſittlicher Ruͤckſicht, ſo finden wir unſtreitig zwiſchen beiden17zu heilen, die eine Folge ihrer ſchmutzigen Lebens - art waren; theils wollte er ſie auch an Reinlichkeit, Sitte und Anſtand gewoͤhnen, wovon ſie, als Halb - thiere, gar keinen Begriff hatten. Daher manche moſaiſche Vorſchriften, die uns vielleicht kleinlich und laͤcherlich ſcheinen; es aber keineswegs ſind, wenn man den Zuſtand des Volks und den Zweck des weiſen Geſetzgebers gehoͤrig zu wuͤrdigen vermag. Jeder Vernuͤnftige muß uͤber Moſis tiefe Menſchen -*)die ſprechendſte Aehnlichkeit. Die Zigeuner ſind, nach Grellmanns eigener Schilderung, bis zum Eckelhaf - ten gefraͤßig; ſchmutzig und ſchamlos, diebiſch, be - truͤgeriſch, voll heimlicher Tuͤcke, Raͤnke und Liſt; mordgierig, grauſam, wolluͤſtig, feig, habſuͤchtig und leidenſchaftliche Freunde aller ſilbernen und gol - denen Geraͤthe; geſchworne Feinde der Arbeit, ge - ſchwaͤtzig und plauderhaft, verlogen, aberglaͤubiſch; ſie treiben alle Arten von Wahrſagerkuͤnſten und angeblicher Zauberei, ſind faſt durchgehends zu hoͤ - herer Geiſtesbildung unfaͤhig und beſonders auf eine empoͤrende Weiſe undankbar gegen ihre Wohlthaͤter. Welche unter allen dieſen Tugenden mangelt dem auserwaͤhlten Volk Gottes? Keine einzige! Die Juden haben vor den Zigeunern blos den Geiz, den Wuchergeiſt, den Aberglauben, und einen unbe - zwinglichen Hang zu jenen abſcheulichen Laſtern vor - aus, von denen die Englaͤuder glauben, daß man ſie unter Chriſten wohl ausuͤben, aber nicht nen - nen darf.II. Baͤndchen. 218kenntniß und ſeine Weisheit eben ſo ſehr, als uͤber die Geduld erſtaunen, mit welcher er aus jenen Thieren Menſchen zu bilden, bemuͤht war! Die Menge ſeiner Reinigungs - und Ceremonialgeſetze war indeſſen genuͤgend fuͤr ſeinen Zweck; wurde die - ſer, wie leider der Fall war, nicht dadurch erreicht, ſo war er unerreichbar, und daher haͤtten die juͤ - diſchen Prieſter ſich immer die Muͤhe erſparen koͤn - nen, die Zahl jener Vorſchriften noch durch ihre albernen Satzungen zu vermehren.

Es war kein Wunder, daß bei der Menge der ceremoniellen Geſetze des Moſes das Sittengeſetz in Vergeſſenheit kommen, und unter den vielen kirch - lichen und religioͤſen Gebraͤuchen die Sittlichkeit ganz untergehen mußte. Geſchichte und Erfahrung lehren uns, daß ein Volk um ſo aͤrmer an haͤus - lichen und buͤrgerlichen Tugenden iſt, je mehr ſein Kultus ſich durch Glanz und aͤußere Ceremonien auszeichnet. Kirchliche und gottesdienſtliche Gebraͤu - che und Feſte in zu großer Zahl verſchlingen am Ende die Sittlichkeit des gebildetſten Volks; wie viel mehr mußten ſie es bei den Juden thun, die ſich kaum um eine Stufe uͤber das Thierreich er - hoben!

Daß Moſis ſchoͤner Zweck, die Juden nach und nach zu veredeln, nicht erreicht ward, lag theils freilich in ſeinen eigenen Einrichtungen, theils aber auch in nachfolgenden Ereigniſſen, die er nicht vor -19 herwiſſen konnte. Die Einſetzung einer maͤchtigen Prieſterkaſte war fuͤr das ſittliche und geiſtige Fort - ſchreiten der Juden ein Ungluͤck, ſo vortheilhaft ſie unter manchen Bedingungen haͤtte werden koͤnnen. Aus Eigennutz ſchloß dieſe Kaſte die uͤbrigen Staͤn - de, nicht blos von den gottesdienſtlichen Verrich - tungen, ſondern auch von aller wiſſenſchaftlichen Bildung aus. Dies konnte Moſes nicht vorherſe - hen. Seine Abſicht, als er eine zahlreiche Prieſter - kaſte anordnete und unter das ganze Volk vertheilte, war vielleicht ſehr wuͤrdig und edel. Dieſen Prie - ſtern waren große Einkuͤnfte bewilligt, wodurch ſie in den Stand geſetzt wurden, ohne weltliche Be - rufsgeſchaͤfte ein ſehr ſorgenfreies und gluͤckliches Leben zu fuͤhren. Jhre Muße ſollten ſie auf ihre eigene ſittliche und geiſtige Vervollkommnung und auf die ihrer Umgebungen wenden, denn zum Tem - peldienſt allein war eine ſo große Anzahl von Le - viten nicht noͤthig. Statt aber der Abſicht des Stifters zu entſprechen, ſuchten ſie das, ohnehin dumme und aberglaͤubiſche Volk noch aberglaͤubiſcher und duͤmmer zu machen. Sehr naiv erzaͤhlt uns der Verfaſſer des erſten Buchs Samuels Kap. 2. V. 12 16, wie liſtig und luſtig zugleich Eli’s Soͤhne den Gott Jſraels um ſeine Speiſeopfer be - trogen, wofuͤr ihr frommer Vater nachher von Rechtswegen den Hals brach. Nicht beſſer machten es, als Prieſter und Richter, die Soͤhne Samuels,2 *20und wir duͤrfen annehmen, daß im Durchſchnitt die Leviten ſich einander nicht weniger aͤhnlich ſahen, und wo moͤglich, eben ſo ſchlecht und verworfen waren, als heut zu Tage die Jeſuiten ſind.

Noch mehr ſank das Anſehen des moſaiſchen Sittengeſetzes, und noch tiefer verfiel mit demſelben die Sittlichkeit, als die prachtliebenden Koͤnige Da - vid und Salomo einen weit glanzvollern Tempel - dienſt einfuͤhrten, und aͤußere prunkende Formen den letzten Reſt ſtiller, heiliger Andacht verdraͤng - ten. Jmmerhin moͤgen ſinnliche Kirchengebraͤuche, Tonkunſt, ſchoͤne Gemaͤlde und Bilder das Herz fuͤr den Augenblick erheben; nur muͤſſen ſie nicht die Vernunft und das Nachdenken betaͤuben. Uns erfriſcht und erheitert der koͤſtliche Duft der Hya - cinthen, Nelken und Roſen; aber er toͤdtet im Ue - bermaaß. Wenn du beten willſt, ſprach unſer goͤtt - licher Heiland, der kein Freund rauſchender Tem - pelſchauſpiele war, wenn du beten willſt, ſo gehe in dein Kaͤmmerlein und ſchließe die Thuͤr hinter dir zu*)Jch bin keineswegs ein Feind oͤffentlicher und ge - meinſchaftlicher Gottesverehrungen, und beſuche ſie oft, ſo oft als meine Geſchaͤfte mir es verſtatten und ich hoffen darf, wirklich Erbauung und Beleh - rung zu finden. Man wird mich alſo hoffentlich nicht mißverſtehen..

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Selbſt die monarchiſche Verfaſſung, welche die Jſraeliten, Samuels weiſe Vorſtellungen verach - tend, ſich waͤhlten, und die wolluͤſtige, uͤppige Le - bensart ihrer Koͤnige, ihre Raubkriege gegen andere Voͤlker und die haͤufigen Erſchuͤtterungen im Jnnern, mußten das rohe, ſittenloſe Volk aufs aͤußerſte verwildern. Hiezu kam der furchtbare Druck, un - ter welchem die Juden, nach Einfuͤhrung des Koͤ - nigthums ſchmachteten. Ein Judenkoͤnig, wie Da - vid und Salomo machte zu ſeiner Zeit mehr Auf - wand, als irgend ein europaͤiſcher Kaiſer oder Koͤnig, ja vielleicht als alle Monarchen Europa’s zuſam - men genommen. » Salomo mußte taͤglich zur Speiſe haben dreißig Kor Semmelmehl und ſechzig Kor ander Mehl; zehn gemaͤſtete Rinder und zwanzig Weiderinder, und hundert Schafe, ausgenommen die Hirſche, die Rehe, die Gemſen und das ge - maͤſtete Gefluͤgel; « (1 B. der Koͤn. Kap. 4. V. 22 und 23). Damit koͤnnte man wahrlich alle ſouve - raͤne Fuͤrſten Europa’s und ihre Hofleute, den hei - ligen Vater zu Rom und die Kardinaͤle mit einge - ſchloſſen, zwei Tage lang bewirthen! O, Jhr Voͤl - ker, wie koͤnnt Jhr noch murren gegen Eure chriſt - lichen Landesvaͤter! Bittet doch Gott, daß keine Koͤnige von Abrahams Saamen, wie der weiſe Salomo, Eure Throne beſteigen!

Unter allen dieſen Umſtaͤnden war es daher kein Wunder, daß die Jſraeliten ſo wenig in ſittlicher22 als geiſtiger Ruͤckſicht zum Beſſern fortſchritten. Die Propheten machen freilich hievon groͤßtentheils eine ehrenvolle Ausnahme; allein ſie waren in den von Samuel geſtifteten Prophetenſchulen gebildet, und daß wir nach ihnen nicht den uͤbrigen Theil des Volks beurtheilen duͤrfen, lehren ihre Schriften; denn welcher Greuel und Abſcheulichkeiten werden die Juden von ihnen nicht angeklagt? Wo iſt eine Nation, die ſich ſolcher Laſter ſchuldig machte, wie das auserwaͤhlte Volk Gottes?

Dennoch bin ich uͤberzeugt, daß der ſittliche Zuſtand der Juden nur durch Wiederherſtellung ei - nes eigenen ſelbſtſtaͤndigen Staats verbeſſert werden kann. An der Moͤglichkeit hievon iſt nicht zu zweifeln, vorausgeſetzt, daß das tuͤrkiſche Reich und mit dem - ſelben der Jslamismus im Orient uͤber kurz oder lang ſtuͤrzen ſollten, und daß die Regierungen von Rußland, Pohlen und den angraͤnzenden Laͤndern die Nothwendigkeit erkennen wuͤrden, die in ihren Gebieten aͤußerſt zahlreichen Juden, durch deren Wuchergeiſt und Schacher der Wohlſtand der dor - tigen Chriſten ſo ſehr leidet, fort zu weiſen. Ehe aber die Jſraeliten wieder eine eigene Staatsgeſell - ſchaft wuͤrden gruͤnden koͤnnen, muͤßten ſie etwas ganz Anders werden, als was ſie jetzt ſind. Zu einer ſolchen geiſtigen, ſittlichen und ſelbſt phyſiſchen Umwandlung bedarf es ſehr viel; ſie iſt nicht das Werk eines Augenblicks, nicht die ſchnell reife Frucht eines ploͤtzlich gefaßten Entſchluſſes.

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Wer einen Juden tauft, der brennt der Sau nur ein anderes Zeichen auf den Hintern! ſagt, wo ich nicht irre, Risbeck. Ferne ſey alſo von mir, aus den Hebraͤern Proſelyten machen zu wollen. Jch bin uͤberzeugt, daß der Jude, der Katholik, der Muhamedaner, der Grieche, der heilige Vater zu Rom und der hochwuͤrdige Biſchof zu Potsdam nach dieſem dunkeln Erdentraum Alle einſt ſelig zum ſchoͤnen vollen Lichte der Wahrheit erwachen, und ſich hoͤchlich wundern werden, dort wenn auch nicht auf Abrahams geraͤumigem Schoße, doch in einem beſſern Leben einander ſo vergnuͤgt und wohl zu ſehen. Dies glaube ich mit feſter Gewiß - heit, obgleich ich ſehr zweifle, daß einer von Jenen in meiner Ruͤckſicht daſſelbe glauben moͤchte. Nie hat mich religioͤſer Fanatismus oder alberner Eifer fuͤr das Seelenheil Anderer zu irgend einer Unduld - ſamkeit verleitet. Warum ſollten wir uns draͤngen und druͤcken auf dem großen Poſtwagen des Le - bens; es iſt ja Raum genug fuͤr uns Alle! Es iſt ja Raum genug fuͤr uns Alle auf der Erde und unter der Erde! Nur der fromme chriſtliche Wunſch, meinen Mitreiſenden ihre Fahrt ſo bequem und an - genehm, wie moͤglich zu machen; ihnen zu zeigen, wie ſie beſſer und ſicherer ſich ſetzen und es verhuͤ - ten koͤnnen, daß ſie nicht von Kaͤlte und Hitze, von Sturm und Regen, von Staub und Zugluft ſo ſehr leiden, oder vielleicht gar unter die Raͤder24 kommen und ſich beſchaͤdigen, welches auf einem ſo weiten und hoͤckerichten Wege, wie von hier zum Paradieſe leicht moͤglich iſt; nur dieſer Wunſch lei - tet mich, wenn ich uͤber politiſche und religioͤſe Ge - genſtaͤnde ſchreibe, und das Thoͤrichte und Schaͤd - liche mancher kirchlichen und andern Poſſen und Poͤßchen darzuſtellen ſuche. Jch weiß es gar wohl, wie viel es koſtet, ſich von den Vorurtheilen der Jugend loszuwinden, und daß bei Manchem ſelbſt dann, wenn er ſich ſchon von ihnen befreiet glaubt, eine bange Sehnſucht nach dem eiteln Wahn ſeiner Kindheit und beunruhigende Zweifel gegen das, was die Vernunft ihn lehrt, erwachen. Wer die menſch - liche Natur kennt, den darf dies nicht befremden. Sehnt ſich doch oft der Reiche zuruͤck aus ſeinem goldnen Palaſte nach der alten, baufaͤlligen Huͤtte, wo er einſt den granenvollen Mord - und Geiſter - geſchichten der geliebten Mutter oder Amme lauſch - te, ſich in kindiſchem Spiel die Zeit vertrieb, und das ſchwarze Brod ſeiner Aeltern mit groͤßerer - luſt, als jetzt ſeine koſtbarſten Speiſen, genoß! Jugendvorurtheile, auch wenn man ſie als Vorur - theile und Albernheiten erkannt hat, haben eine außerordentliche Gewalt uͤber die Seele des Men - ſchen, denn ſie knuͤpfen ſich an die ſuͤßeſten Erinne - rungen ſeines Lebens; ſind ihm geheiligt durch die Liebe und Ehrfurcht gegen die, welche ſie ihm ein - pflanzten, und an die er noch mit Liebe und Ehr -furcht25furcht denkt. Giebt man doch in der aͤußerſten Noth, bei dem druͤckendſten Mangel das werthloſeſte und laͤſtigſte Geſchenk, welches man von ſeinen Aeltern, ſeinem Freunde oder ſeiner Geliebten em - pfieng, fuͤr keinen Preis der Welt hin, ſo lange nur irgend ein Strahl von Hoffnung da iſt, ſich ohne ein ſolches Opfer das Leben zu friſten!

Daher glaub ich mit Recht zu behaupten, daß eine Umwandelung der Juden, die ſie in den Stand ſetzte, unter den Chriſten gute Staatsbuͤrger zu werden, oder gar ſelbſt wieder einen unabhaͤngigen Staat zu gruͤnden, nie das ſchnelle Werk eines ploͤtzlich gefaßten Entſchluſſes ſeyn wird.

Jhre Religionslehre iſt mit einer Menge von Grundſaͤtzen und Formen uͤberladen, die fuͤr den jetzigen Stand der politiſchen und ſittlichen Angele - genheiten ſchlechterdings unpaſſend ſind. Schon das einzige, von allen Jſraeliten unerſchuͤtterlich feſt geglaubte Dogma: daß ſie das auserwaͤhlte Volk Gottes, daß alle uͤbrigen Menſchen Kinder des Teu - fels ſind, wuͤrde ſie, wenn ſie jemals ſo gluͤcklich waͤren, wieder einen Theil der Erde als ihr Land in Beſitz zu nehmen, mit jeder andern Nation in ein aͤußerſt feindſeliges Verhaͤltniß bringen. Jetzt da ſie zerſtreuet, oder, wie ſie es ſehr uneigentlich nen - nen, in der Gefangenſchaft leben, ſind ſie ſchlau genug, jenen Grundſatz ſo wenig als moͤglich zu aͤußern. Bildeten ſie aber wieder einen Staat, dannII. Baͤndchen. 326wuͤrde ihre Rachgier gegen ihre vormaligen ver - meintlichen Bedruͤcker, die Chriſten, auf das Hef - tigſte erwachen, und in dem thoͤrichten Wahn, daß die, von ihren Propheten verkuͤndete Zeit da ſey, wo alle Gojim von der Erde vertilgt werden ſoll - ten, wuͤrden ſie trotz ihrer Feigheit, Streit und Kriege anfangen, und ſich zu Grunde richten. Daß ſie dem Reiche Edoms (den Chriſten) weniger hold ſind, als dem Reiche Jsmaels (den Tuͤrken), ſieht man in Konſtantinopel und Griechenland. Moͤglich waͤre es freilich, daß von Jenem das Gegentheil geſchaͤhe, wenn ein geiſtreicher Staatsmann, wie z. B. Baron R d, der mit chriſtlichen Maͤchten auf freundſchaftlichem Fuße lebt, ſich als Kaiſer oder Koͤnig an die Spitze der Jſraeliten ſtellte.

Die gaͤnzliche Entſittlichung der Juden, ihr unbezwingbarer Hang zum Wucher, zum Betrug, Diebſtahl, Muͤßiggang, zur Sodomiterei*)Unter keinem heidniſchen Volke muß dies Laſter ſo ſehr geherrſcht haben, als unter den Jſraeliten, denn bei keinem andern findet man Geſetze dagegen, und dennoch klagen keine Schriftſteller anderer Boͤl - ker mehr uͤber Verbrechen der Art, als gerade die iſraelitiſchen., und uͤberhaupt zu allen erdenklichen Laſtern macht ſie durchaus unfaͤhig, ſowohl gute Buͤrger zu werden, als ein dauerndes Staatsgebaͤude aufzufuͤhren; denn was fuͤr einen Staat wuͤrde ein ſo feiges, tiefge -27 ſunkenes Volk wohl zu bilden im Stande ſeyn? Welcher Fremde wuͤrde es wagen duͤrfen, in Han - dels -, oder andern Angelegenheiten in das Jnnere ihres Landes zu kommen? Wo wuͤrde, im Fall er gemißhandelt, betrogen oder ſonſt in ſeinen Rech - ten gekraͤnkt wuͤrde, fuͤr ihn Gerechtigkeit zu finden ſeyn bei einem Volke, deſſen Grundſatz es iſt, daß kein Goi auf der Welt perſoͤnliche oder dingliche Befugniſſe, ja ſelbſt nicht einmal eheliche und vaͤ - terliche Rechte haben koͤnne?

Das Staatsbuͤrgerrecht haben die Juden frei - lich bereits in den meiſten europaͤiſchen Laͤndern er - halten, da man von Dohms ganz verkehrtem Grund - ſatze ausgieng, daß die Hebraͤer, wenn ſie nur erſt alle buͤrgerlichen Rechte beſaͤßen, auch ſittlich wuͤr - den gebeſſert werden. Die Erfahrung hat aber gelehrt, daß man vorſichtiger gehandelt haben wuͤrde, wenn man die ſtaatsbuͤrgerlichen Rechte als einen Preis ſittlicher Veredlung aufgeſtellt haͤtte. Dohm ſoll in ſpaͤtern Zeiten gleichfalls dieſer Meinung geworden ſeyn. Jn allen Laͤndern, wo die Juden jene Rechte erlangt haben, hoͤrt man die laute Klage, daß ſie dadurch nicht allein nichts beſſer, ſondern in jeder Ruͤckſicht noch weit ſchlimmer geworden ſind.

Sollen die Jſraeliten gute Staatsbuͤrger und faͤhig werden, dereinſt wieder einen unabhaͤngigen eigenen Staat zu bilden, ſo muͤſſen ſie den groͤßten3 *28Theil ihrer religioͤſen Grundſaͤtze und Gebraͤuche aufgeben, nicht etwa um zu einer andern poſitiven Religionslehre uͤberzutreten, denn das hieße aus dem Regen in die Traufen gehen, ſondern um ſich blos mit der Vernunftreligion zu begnuͤgen. Was bedarf es mehr, als den feſten, innigen Glauben an Gott, der als liebevoller, guͤtiger Vater fuͤr das Wohl aller ſeiner Geſchoͤpfe ſorgt; an Unſterb - lichkeit und kuͤnftige Vergeltung und an die ſchoͤne, erhabene Lehre des goͤttlichen Menſchenfreundes: was Jhr nicht wollt, daß Euch die Leute thun ſol - len, das thut Jhr ihnen auch nicht, und Jhr ſollt Gott uͤber alle Dinge lieben, und Euren Naͤchſten als Euch ſelbſt; was bedarf es mehr, ſage ich, um ein guter Buͤrger und ein tugendhafter, achtungs - werther Menſch zu ſeyn? Wuͤrden die Juden was ich von Herzen ihnen wuͤnſche all ihren alten Sauerteig auskehren, und ſich mit dieſer ein - fachen Glaubenslehre begnuͤgen, ſo koͤnnten ſie ge - wiß uͤber kurz oder lang ein ſehr gluͤckliches und unabhaͤngiges Volk werden, wenn auch Jeruſaleut nie wieder aufgebauet wuͤrde, und der Meſſias auf Abrahams altem Eſel nie ihnen erſcheinen ſollte.

Jch habe wohl fruͤher geſagt, daß kirchliche Poſſen und Poͤßchen gleichguͤltig waͤren; aber nur fuͤr den, der es weiß, daß ſie nichts weniger, als das Weſen der Religion ſelbſt ſind; denn haͤufig haben ſie auf die letztere und auf die Sittlichkeit29 des Menſchen den traurigſten Einfluß. Man fuͤlle in einen Becher voll Gruͤnſpan den koͤſtlichſten Wein, und dieſer wird ſich in Gift verkehren. Die herr - lichſte Religion kann durch aͤußerꝛ Formen und fremdartige Zuſaͤtze den ſchlimmſten Charakter an - nehmen. Dies lehrt uns die Geſchichte der chriſt - lichen Kirche.

Wollen wir immerhin der juͤdiſchen Religions - lehre es zugeſtehen, daß ſie urſpruͤnglich manche Begriffe und ſelbſt aͤußere Gebraͤuche enthielt, die des hoͤchſten Weſens wuͤrdig und geſchickt waren, vortheilhaft auf die Sittlichkeit ihrer Bekenner zu wirken; ſo thaten doch viele andere gerade das Ge - gentheil, und ſind als Keim der gaͤnzlichen Entſitt - lichung des iſraelitiſchen Volks zu betrachten. Hie - her gehoͤrt namentlich der Glaube, daß Jſrael das einzige auserwaͤhlte Volk Gottes, daß Gott ein rachgieriges, aber durch den Tod eines unſchuldigen Thieres verſoͤhnbares Weſen ſey; ferner die Menge von Opfern und Buͤßungen, die fuͤr den aͤrmern Theil des Volks ſehr druͤckend, fuͤr den reichern aber ein willkommenes Mittel waren, auf eine wohlfeite Art alle Bosheiten und Schandthaten abzubuͤßen. Wo religioͤſer Wahn dem Menſchen verſtattet, den Mangel rechtſchaffener Geſinnungen und Handlun - gen durch Opfer zu erſetzen, da iſt es mit der ſittlichen Veredlung ſehr traurig beſtellt.

Leider, muß ich bekennen, daß ich hier an eine30 Klippe gerathe, die ich gerne umgehen moͤchte. Jch laſſe daher einen Mann fuͤr mich ſprechen, mit dem ich in dieſer Hinſicht vollkommen uͤberein ſtim - me, ſo ſehr ich in andern Dingen von ihm ab - weiche.

» Allerdings, ſagt der edle, geiſtreiche Dohm*)M. ſ. Ch. W. Dohm uͤber die buͤrgerliche Verbeſ - ſerung der Juden. Th. 2. S. 326 328., iſt die Lehre von der Vergebung der Suͤnden und der durch gewiſſe Heilmittel urploͤtzlich zu bewirken - den Seelen - Reinigkeit und Gewißheit der ewigen Seligkeit in der juͤdiſchen und noch wohl mehr der chriſtlichen Theologie oft ſo vorgeſtellt worden, daß ſie den geſunden Menſchenverſtand und das gerade Gefuͤhl von Recht und Unrecht irre fuͤhren, auf die Moralitaͤt des gemeinen Mannes einen ſchaͤdlichen Einfluß beweiſen, und ſeine ohnedem wenig ent - wickelten Begriffe von dem, was eigentlich in dieſem und einem andern Leben ihn gluͤcklich machen koͤnne, noch mehr verwirren muß. Die leider, nur noch immer zu ſehr herrſchende Lehre von der allein ſelig machenden Kraft eines gewiſſen Glaubens, eines fremden, uns angerechneten Verdienſtes, von der Entbehrlichkeit, Schaͤdlichkeit ſogar der guten Werke, die vermeinte Leichtigkeit auch fuͤr den verworfen - ſten Menſchen durch Beobachtung religioͤſer Ceremo - nien und die an Gottes ſtatt erhaltene Suͤndenver -31 gebung der ewigen Seligkeit und des Wohlgefallens der Gottheit unendlich verſicherter zu werden, als den tugendhafteſten Heiden es moͤglich war, denen dieſe ſogenannten Gnadenmittel abgiengen; die noch groͤßere Leichtigkeit in der zahlreichſten chriſtlichen Kirche durch erkauften Ablaß allen Folgen des La - ſters, auch ſelbſt des noch kuͤnftig zu begehenden, auszuweichen: dieſe Lehren haben allerdings die ſonſt ſo natuͤrlichen Begriffe von Moralitaͤt und Gluͤckſeligkeit ſehr verwirrt; haben oft Menſchen bis zu einem unglaublichen Grade von Verderbtheit ge - leitet, ſie zu Laſtern gereizt, weil ſie die Mittel ſich von ihnen zu reinigen, noch ehe ſie begangen waren, darboten; haben, ſo undenkbar es ſcheinen moͤchte, ſogar in proteſtantiſche Erbauungsbuͤcher den Gedanken gebracht, » » daß man, um ein wah - res Kind Gottes zu ſeyn, zuvor recht gottlos ſeyn muͤſſe; « « ja ſie haben die moͤrderiſche Hand der Verbrecher geleitet, die ſich ſelbſt der Gerechtigkeit uͤberlieferten und ihr bekannten, daß ſie nur allein dem Wunſch, recht gluͤcklich bekehrt zu werden, und ganz gewiß ſelig zu ſterben, das Leben eines un - ſchuldigen Mitmenſchen geopfert haͤtten. «

So weit Dohm. Seine Behauptungen werden durch Millionen Thatſachen beſtaͤtigt, und laſſen ſich alſo nicht leugnen. Jndeſſen muß man doch zugeben, daß die Zahl derjenigen Chriſten, welche an Vorurtheilen jener Art haͤngen, ſich Gottlob,32 mit jedem Tage verringert, und daß man uͤberhaupt uns nicht das halsſtarrige, eigenſinnige Beharren bei alten thoͤrichten Gebraͤuchen und Dogmen vor - werfen kann, was den Juden zur Laſt faͤllt. Moͤ - gen auch immer in den Koͤpfen der Pfaffen, in den Beſchluͤſſen der Konzilien und in den ſymboliſchen Buͤchern der verſchiedenen chriſtlichen Konfeſſionen eine Menge von Tollheiten und Albernheiten noch als finſtere Nachtgeſpenſter ſpucken; der Glaube an ſie faͤllt mit jedem Tage, und wird vielleicht in einem Vierteljahrhundert ganz zuſammen ſtuͤrzen. Die Juden hingegen weichen nie um ein Haar breit von ihren hergebrachten Glaubenslehren, ſelbſt wenn ſie in Ruͤckſicht der aͤußern Gebraͤuche ſich alle er - denkliche Freiheiten erlauben ſollten; denn dieſe koͤnnen, wie andere Suͤnden, verziehen werden, der Unglaube aber nicht. » Wenn die boͤſe Natur des Menſchen ihn uͤberwaͤltigt, heißt es im Talmud, ſo gehe er nach einem Ort, wo man ihn nicht kennt, und ziehe ſchwarze Kleider an, und thue Alles, was ſein Herz wuͤnſcht*)M. ſ. den Traktat Kidduſchin.. « Man ſieht hieraus, daß es mit der Beobachtung der Gebote und aͤuſ - ſern Gebraͤuche nicht ſo ernſtlich genommen wird, und daß es auch bei den Jſraeliten, wie bei man - chen Chriſten, mehr auf das Glauben, als auf Thun und Laſſen ankoͤmmt.

33

Dies blinde Fuͤrwahrhalten der Lehrſaͤtze ſeiner Vorfahren und Geiſtlichen hindert, außer vielen andern volksthuͤmlichen Eigenheiten, den einzelnen Juden, jemals ein guter Buͤrger eines chriſtlichen Landes zu werden. Eben ſo kann auch nur eine gaͤnzliche Umwandelung in geiſtiger, ſittlicher und phyſiſcher Ruͤckſicht das juͤdiſche Volk faͤhig machen, unter guͤnſtigen Ereigniſſen wieder, als ſelbſtſtaͤndi - ge Nation, in die Reihe der Staaten zu treten.

Die Mittheilung der Mittel zu einer ſolchen gaͤnzlichen Umwandelung von Abrahams Saamen, welche, wie geſagt, nicht die Frucht eines ploͤtzli - chen Entſchluſſes ſeyn kann, behalte ich mir fuͤr ein anderes Werk*)Nemlich fuͤr den zweiten Band der, mit dem Eheſten erſcheinenden dritten Auflage des Ju - denſpiegels. vor, und hoffe mir dadurch die Gnade und eine gute Penſion von dem kuͤnftigen Judenkoͤnige zu verdienen.

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Ueber die Urſachen des Haſſes der Juden und Chriſten gegen einander.

Man hat ſehr viel uͤber die Urſachen des gegen - ſeitigen Haſſes der Juden und Chriſten geſprochen und geſchrieben. Bald hat man ihn als die einzige Folge des Sittenverderbniſſes der erſtern und man - cher ihrer volksthuͤmlichen Eigenheiten, bald wieder und zwar ausſchließlich als das Ergebniß der Un - duldſamkeit chriſtlicher Eiferer, wodurch erſt die Juden ſo ſchlecht geworden ſeyn ſollen, dargeſtellt. Jch glaube, die Wahrheit liegt hier, wie gewoͤhn - lich, in der Mitte, und ich werde mich bemuͤhen, zu zeigen, daß die urſpruͤnglichen Quellen dieſes Haſſes in der juͤdiſchen Religionslehre, in den, aus derſelben in das Chriſtenthum uͤbergegangenen menſchenfeindlichen Grundſaͤtzen, und den daher ent - ſtandenen Verfolgungen, beſonders aber in dem unlaͤugbaren Sittenverderben der Juden zu finden ſind.

Moſes ſuchte den Staat, welchen er ſtiftete, durch eine feindſelige Abgeſchloſſenheit gegen alle uͤbrigen Voͤlker zu befeſtigen. Dies ſchien ihm das35 ſicherſte Bollwerk des Monotheismus und das beſte Mittel die Juden vor aller Abgoͤtterei zu bewah - ren. Darum pflanzte er ihnen tief jenen Glauben ein, dem ſie freilich ſehr wenig Ehre machten, daß ſie allein das auserwaͤhlte Volk Gottes, und Gott blos ihr Gott ſey. Dieſer Glaube erhielt ſich bei allen Jſraeliten, und ihr Widerwille gegen andere Voͤlker ward von Jahrhundert zu Jahrhundert durch vielfaches Ungluͤck geſchaͤrft. Juden, wie ſie uns Leſſing und Herr Julius von Voß dargeſtellt haben, giebt es nur in Schauſpielen und Romanen; in der Wirklichkeit nicht, oder doch gewiß aͤußerſt ſelten.

Zu jenem Religionshaß der Juden gegen die uͤbrige Menſchheit, beſonders gegen die Chriſten, geſellten ſich aber noch andere Gruͤnde des Unwil - lens, die wir ſorgfaͤltig erwaͤgen wollen, ehe wir uͤber die Jſraeliten den Stab brechen.

Als dieſe ihren Staat gegruͤndet hatten, ver - fuhren ſie mit weniger Grauſamkeit gegen anders denkende Voͤlker, und knuͤpften ſelbſt mit einigen derſelben Handelsverbindungen an. Jhr Widerwille und ihr volksthuͤmlicher, durch religioͤſe Dogmen befeſtigter Hochmuth, der alles, was Nichtjude war, und von Nichtjuden herkam, verachtete, blieb jedoch in ihrer Glaubenslehre, wie in ihren Herzen.

Die Erſcheinung unſers Heilandes und noch mehr ſeine Lehren mußten natuͤrlich ein großes Auf - ſehen unter den Jſraeliten erregen, da er mit36 Strenge und Ernſt, oͤffentlich und laut die menſch - lichen Satzungen und die Heuchelei und Verſtellung ihrer Prieſter ruͤgte, und ganz andere Grundſaͤtze aufſtellte, als jemals in Jſrael gelehrt worden waren. Dennoch gewann er in wenigen Jahren einen großen Theil des Volks fuͤr ſeine goͤttliche Lehre, und wir ſehen nicht, daß jene Prieſter ſo unduldſam ſich betrugen, als manche unſerer chriſt - lichen ſich vielleicht in aͤhnlichem Falle betragen haben moͤchten. Er und redete mit ihnen, und Alles gieng, wenn auch nicht ohne heimlichen Groll, doch in den erſten zwei Jahren ſeines Lehramts mit ſcheinbarer Maͤßigung zu. Waͤren unter den juͤdi - ſchen Prieſtern ſo ſchlaue Vaͤter geweſen, wie jene von der Geſellſchaft Jeſu, unſer goͤttlicher Heiland waͤre nicht eines ſo ſchmerzhaften Todes am Kreuze, ſondern durch ein wenig Aqua Toffana oder einen einzigen Dolchſtich geſtorben; ſeine Apoſtel und Juͤn - ger waͤren mit papiernen Muͤtzen und Pechfackeln auf Scheiterhaufen geſetzt, und von ſeiner herrli - chen Lehre waͤre keine Sylbe auf die Nachwelt gekommen. Dank alſo der guͤtigen, allwaltenden Vorſehung, daß der heilige Jgnatius von Loyola weit ſpaͤter, als Chriſtus lebte, und daß die Ho - henprieſter, Phariſaͤer und Sadducaͤer nicht von der Geſellſchaft Jeſu waren!

Die Kreuzigung des groͤßten, weiſeſten und edelſten der Menſchen war freilich ein Schauer und37 Wehmuth erregendes Verbrechen ſeiner Feinde; er bat aber ja ſelber fuͤr ſie: Vater, vergieb ihnen, ſie wiſſen nicht, was ſie Boͤſes thun. Darum wol - len wir unſre Schutzjuden und iſraelitiſchen Staats - buͤrger, die ja an jenem Verbrechen keinen Theil nahmen, nicht wieder kreuzigen, ſondern ſie leben laſſen, und wo moͤglich, ſie auf den Schub nach Kanaan bringen.

Chriſtus Lehre fand unter den Jſraeliten ſeiner Zeit ſehr viele Freunde und Bekenner, obgleich auch heftige Feinde und Widerſacher unter den Prieſtern und Schriftgelehrten, deren irdiſchem Vortheil ſie ſo wenig guͤnſtig war. Unſtreitig haͤtte ſie ſich aber unter den Juden weit mehr ausgebreitet, wenn ſie ſich laͤnger in ihrer urſpruͤnglichen Reinheit erhal - ten haͤtte. Leider, ſuchten jedoch die erſten Chriſten und Kirchenvaͤter die Lehre des Heilandes den roͤ - miſchen Begriffen anzuſchmiegen; ſie erfanden das Dogma, daß zwar nur Eine Gottheit, aber in derſelben drei ſelbſtſtaͤndige Perſonen waͤren, von denen in den Schriften des alten Teſtaments gar nichts geſagt ward, und da bebte der arithmetiſche Hebraͤer vor der Dogmatik des Chriſtenthums zu - ruͤck. Strenge an den Begriff von einem einigen Gott gewoͤhnt, konnte der juͤdiſche Verſtand ſich in jene Feinheiten nicht finden, und blieb deshalb um ſo feſter bei dem ererbten, durch Alter und Vor - urtheil geheiligten Glauben der Vaͤter, da die ver -38 nuͤnftige Auslegung keinen Beifall fand, daß Gott ſich in der Eigenſchaft eines Vaters und eines hei - ligen Geiſtes, und in ſo ferne er beſonders mit und durch Chriſtus wirkſam war, auch als Erloͤſer des Menſchengeſchlechts geoffenbart haben koͤnne, ohne daß man darum gerade eine Dreiheit von Perſonen anzunehmen brauche. Keine Religionspar - thei war jemals eifriger und aufdringender mit der Verbreitung ihrer Lehrſaͤtze, als die Chriſten nicht allein der erſten, ſondern uͤberhaupt aller Jahrhun - derte. Mittel jeglicher Art dies lehrt uns die aͤltere und neuere Geſchichte waren ihnen will - kommen, um dem, was ſie fuͤr Wahrheit erkannt hatten, freiwillige oder gezwungene Anhaͤnger zu gewinnen. Durch dieſen heftigen, oft alle Schran - ken der Maͤßigung uͤberſchreitenden Eifer zogen die erſten Chriſten ſich ſelbſt und den Juden, mit denen ſie bei den Roͤmern fuͤr eine Sekte galten, harte Verfolgungen zu, und daher wurden die Jſraeliten ihnen immer mehr abgeneigt. Als ſie vollends un - ter Conſtantin zur herrſchenden Parthei ſich erhoben, uͤbten ſie ſelbſt die blutigſten Grauſamkeiten gegen Juden und Heiden. Die letztern, nicht ſo hart - naͤckig in ihren religioͤſen Anſichten, ließen ſich durch den, mit jedem Tage glanzvoller erſcheinenden Kul - tus der Chriſten, durch Vorſpiegelung falſcher Wunder und Weiſſagungen, durch Belohnungen, Ehrenſtellen und Wuͤrden eben ſo ſehr reizen,39 als durch Drohungen und Strafen in Schrecken ſetzen, und traten theils freiwillig, theils gezwun - gen zu der neuen Lehre uͤber. Je mehr Anhaͤnger das Chriſtenthum gewann, je weiter entfernte es ſich von dem Geiſte des erhabenen, goͤttlichen Stif - ters. Seine Lehre voll Sanftmuth und Liebe ver - ſchwand, und ſein heiliger Name ward entweiht durch das tobende, laute Mordgeheul blutduͤrſtiger, herrſchſuͤchtiger Pfaffen! Keine Religionsparthei hat ſo viele, ſo ſchreckliche, und mit ſo heimtuͤckiſcher, tyranniſcher Bosheit ausgeſonnene Greuel gegen An - dersdenkende veruͤbt, als die Chriſten. Jn allen Welttheilen, im Norden, wie im Suͤden, im Oſten, wie im Weſten rauchte die Erde von dem Blut ſchuldloſer Schlachtopfer, die von dem giftigen Nat - terngezuͤcht wuͤthender Bonzen und ihrer Anhaͤnger mit allen nur erdenklichen Martern, zur Ehre Got - tes und des großen Gekreuzigten, gemordet wur - den. Jedes Jahrhundert, jedes Jahrzehend, jedes Jahr moͤchte ich ſagen, hat Millionen Seufzer ge - hoͤrt, Millionen Thraͤnen geſehen, welche von die - ſer verruchten Brut der leidenden Menſchheit aus - gepreßt wurden. Kinder wurden den Eltern, Eltern den Kindern, Gatten den Gattinnen entriſſen, und mit jubelndem, jedes menſchliche Gefuͤhl verhoͤhnen - dem Triumpf auf die Schlachtbaͤnke und Scheiter - haufen geſchleppt. Der Greis auf ſeinem Todten - bette und der Saͤugling am Buſen der Mutter40 entgiengen nicht dem Feuer und Mordſtahl der chriſtlichen Eiferer, die mit gleicher Erbitterung ge - gen Jeden, der nicht alle Tollheiten glaubte, die ſie glaubten, mochte er Chriſt oder Nichtchriſt ſeyn, wuͤtheten. Ja, ſelbſt die Todten wurden aus ihren Graͤbern geriſſen, um noch von irdiſchen Richtern gerichtet und von viehiſchen Henkern geviertheilt, geſpießt oder verbrannt zu werden. Alles Blut, was jemals von Juden, Heiden und Muhamedanern aus Eifer fuͤr ihren Glauben vergoſſen ward; alle Greuel, die jemals von Nichtchriſten gegen Chriſten aus dieſer Urſache veruͤbt wurden, ſind nur ein Tropfen am Waſſereimer gegen die Grauſamkeiten, welche die angeblichen Bekenner des edeln gekreuzigten Dulders begiengen. Und wahrlich, es fehlt nicht an dem Willen der chriſtlichen Pfaffen; es fehlt nur an der Macht, ſonſt wuͤrde man dieſelben ſchauervollen graͤß - lichen Scenen ſich in unſern Tagen erneuern ſehen, vor deren Andenken die erſchrockene Menſchheit zuruͤck - bebt! Jn der That, wer die Geſchichte kennt, und einen Blick auf jene Scenen der Vergangenheit wirft, der geraͤth in Verſuchung zu wuͤnſchen, daß nie ein Chriſtenthum doch, guͤtiger Gott! bewahre mein Herz, meine Lippen, meine Feder vor einer Laͤſterung!

Daß die Juden der eben ſo zudringlichen, als mordſuͤchtigen Bekehrungswuth der chriſtlichen Eife - rer nicht entgehen konnten, war natuͤrlich. Jenewa -41waren ja Verwandte, Nachkommen, Glaubens - und Volksgenoſſen der Moͤrder des großen Gekreuzigten, und mußten fuͤr die Schuld derſelben buͤßen. Unter dieſem Vorwande wurden viele tauſend Hebraͤer von den Chriſten geſchlachtet, geſpießt, gehaͤngt und verbrannt; denn was der Heiland laͤngſt am Kreuze ſeinen Feinden verziehen hatte, das glaubten ſeine angeblichen Bekenner an jedem Juden, der an der Kreuzigung des Goͤttlichen nicht den entfernteſten Antheil hatte, raͤchen zu muͤſſen. Jn allen chriſt - lichen Laͤndern, wo Juden waren, erfuhr Abrahams ungluͤcklicher Saame, wie ſchrecklich es fuͤr den Gottloſen iſt, in die Klauen frommer Chriſten zu fallen. Die Erbitterung der Jſraeliten gegen die letztern, welche ſchon aus den Grundſaͤtzen ihrer Religion ſelbſt entſpringt, mußte daher den hoͤchſten Gipfel erreichen, und man darf es ihnen alſo nicht ſehr verdenken, wenn ſie aus Wuth gegen ihre Verfolger wirklich hin und wieder einige Chriſten - kinder geſchlachtet und vielleicht einige Brunnen ver - giftet haben. Jmmerhin wird die Zahl der dadurch umgekommenen Chriſten ſehr gering ſeyn gegen die Menge der Juden, die fuͤr das laͤngſt von Gott und dem Erloͤſer verziehene Unrecht einiger wenigen ihres Volks auf das Qualvollſte hingeopfert wur - den. Jch glaube, daß kein Jſraelit und kein un - befangener Chriſt, der die Geſchichte kennt, mich ruͤckſichtlich dieſer Darſtellung einer PartheilichkeitII. Baͤndchen. 442beſchuldigen kann. Eben ſo unpartheiiſch fahre ich weiter fort.

Die Chriſten nahmen, außer der Lehre des goͤttlichen Erloͤſers, die Religionsbuͤcher der Juden, das alte Teſtament als Erkenntnißquelle des Chri - ſtenthums mit auf, theils um dadurch die Juden zu gewinnen, theils um nach manchen Stellen der altteſtamentariſchen Buͤcher den Heiland als einen von Gott verheißenen Meſſias darzuſtellen. Da man das alte Teſtament als ein durchaus goͤtt - liches Buch anerkannte, ſo mußte auch alles, was die von den Juden ſo hochverehrten Maͤnner, ein Moſes, ein Joſua, die Richter, Samuel, David und andere gelehrt und gethan hatten, als heilig und nachahmungswuͤrdig gelten, es mochte dem Sinn der liebevollen Lehre unſers Heilandes noch ſo ſehr widerſprechen. Welche Unbill haͤtte ſich nicht aus dieſer ergiebigen Quelle beſchoͤnigen und recht - fertigen laſſen? Die Schelmereien des frommen Erzvaters Jakob gegen ſeinen Vater, Bruder und Schwiegervater; die Eidbruͤchigkeit und Mordſucht ſeiner Soͤhne gegen die Sichemiten; die Eidbruͤchig - keit Joſua’s gegen die Gibeoniten, und ſein Raub - und Vertilgungskrieg gegen alle andersdenkende Voͤlker; der durchgehends herrſchende Grundſatz, daß, wer Gott nicht auf juͤdiſche Weiſe verehrte, von der Erde ausgerottet werden muͤßte und an Gott keinen Theil habe; die Verheerungs - und Raub - kriege der Richter und Samuels; Davids Urias -43 briefchen und ſeine racheſchnaubenden Pſalme*)Gerne ſtimme ich uͤbrigens dem bei, was Eichhorn in Ruͤckſicht der Pſalme ſagt: Alle Dichter, deren Lieder in den Pſalmen geſammelt ſind, verbitten ſich das Licht unſerer Zeiten, und genuͤgen ſich mit den ſchwaͤchern Strahlen ihres Zeitalters. Man fordere beſonders nirgends chriſtliche Moral und Dogmatik; oder verlange, daß die heiligen Saͤnger uͤbermenſchliche Heilige ſeyn ſollen. David bricht aus Unmuth in Verwuͤnſchungen aus: iſt es ſeinem ungebildeten Herzen zu verargen? Kann ſich der Mann, der ſich an Urias und der Bathſeba ver - gieng, nicht auch in Liedern uͤbereilen? Und muͤſſen wir ihm in ganz anderer Lage und weit anders ge - bildet, nach Jahrtauſenden nachfluchen? M. ſ. Eichhorns Einleitung in das alte Teſtament Th. 3. S. 442. Man hat die Rachelieder Davids fuͤr Weiſſagungen von dem Erloͤſer ausgeben wollen, um dadurch die in denſelben enthaltenen Geſinnun - gen zu rechtfertigen. Guter Gott, Chriſtus hat ja am Kreuze fuͤr ſeine Feinde, wie koͤnnten denn jene Pſalme auf ihn ſich beziehen? Darum ſollte man auch jene Lieder voll Groll und Rachgier in keinen chriſtlichen Kirchen mehr ſingen. Aber was lehrt, betet und ſingt man nicht in chriſtlichen Kirchen? Jch erinnere mich hiebei eines Kirchenliedes gegen die Feinde des Chriſtenthums, welches noch vor wenigen Jahren in vielen norddeutſchen Kirchen ge - ſungen ward, und die kannibaliſche Anmahnung enthielt: gegen ſeine Feinde; dieſe und viele andere Beiſpiele4 *44und Lehren wurden von den Chriſten als fuͤr ſie aufgeſtellte Muſter der Nachahmung und als goͤtt - liche Befehle betrachtet, die ſie gegen alle Nicht - chriſten, und beſonders gegen die Hebraͤer, in Ausuͤbung bringen muͤßten.

So dienten die Religions - und Geſchichtsbuͤcher der Juden und die Handlungen ihrer geprieſenſten Vorfahren ſelbſt den chriſtlichen Eiferern zur Hei - ligſprechung ihrer fanatiſchen Wuth gegen Alle, die nicht glaubten, was ſie ihre Biſchoͤfe und Pfaffen*)Wohl dem, der nimmt ihre Kindelein, Und ſchmeißet ſie an einen Stein. Jn einem andern Liede deſſelben Buchs heißt es:O große Noth, Gott ſelbſt iſt todt! Dies iſt ſehr naiv auch in einem franzoͤſiſchen Kir - chengeſangbuche gegeben:O grande misere, Dieu est mort. Welcher vernuͤnftige Chriſt muß nicht zuͤrnen uͤber dergleichen Tollheiten? Jch fuͤhre dies keineswegs an, um den frommen Sinn unſerer Vorfahren zu verhoͤhnen, die vielleicht ohne Arges dabei zu den - ken, ſolche Poſſen recht andaͤchtig mitſangen; ſondern um zu zeigen, wie weit religioͤſer Aberglaube und Unverſtand ſelbſt bei uns Proteſtanten giengen und wahrſcheinlich bei Manchen noch gehen. O grande misere! 45 ausgeheckt und fuͤr allein ſeligmachende Wahrheit erkannt hatten. Nicht alſo der reinen, menſchen - freundlichen Lehre des Heilandes und ſeiner Apoſtel und Juͤnger, ſondern der uneingeſchraͤnkten Annah - me des alten Teſtaments und dem, von den Juden auf die Chriſten uͤbergegangenen Wahn, daß Alles, was die, als ſo fromm geruͤhmten Vorfahren der erſtern gelehrt und gethan, recht und nachahmungs - werth ſey, faͤllt der groͤßte Theil der Abſcheulich - keiten zur Laſt, wodurch ſich die Bekenner des Chri - ſtenthums entehrt haben.

Wir haben geſehen, wie die erſten Chriſten und Kirchenvaͤter alle Mittel fuͤr zulaͤßig und er - laubt hielten, ihrem Religionsſyſteme, welches ſo weit von der Lehre des Heilandes abwich, Eingang und Aufnahme zu verſchaffen. Die Liebesmahle des goͤttlichen Dulders, die uns zur geſellſchaftlichen, bruͤderlichen Erinnerung an ſein Beiſpiel, an ſeine Lehren und ſeinen Tod dienen ſollten, wurden zu einer kalten, kirchlichen Foͤrmlichkeit herab gewuͤr - digt, welcher man den myſtiſchen Namen eines Sa - kraments gab. Die Kirchenvaͤter und Geiſtlichen, immer nur nach Vergroͤßerung ihres Anſehens und ihrer Einkuͤnfte trachtend, ſchoben Dinge in die neuteſtamentiſchen Schriften ein, von denen ſo we - nig unſerm Heiland, als ſeinen Juͤngern jemals etwas in den Sinn gekommen war. Zu Einſchieb - ſeln der Art gehoͤren Matth. Kap. 16. V. 18 und46 19. und Ev. Joh. 20. V. 23, worauf noch jetzt die Pfaffen einer gewiſſen Kirche ſo ſehr pochen. Dies Verfahren darf uns nicht wundern. Wagten die erſten chriſtlichen Prieſter ſogar, die ſibyllini - ſchen und andern Orakel zu verfaͤlſchen, welches doch, wenn es bekannt ward, mit ſo ſchweren Stra - fen geahnet wurde, wie viel dreiſter mußten ſie ſich zur Verfaͤlſchung der chriſtlichen Religionsbuͤcher entſchließen, wovon ſie nicht die mindeſten nachthei - ligen Folgen fuͤr ſich erwarten durften! Daher auch in unſern heiligen neuteſtamentiſchen Schriften die Menge widerſinniger Zuſaͤtze und Entſtellungen, die man ungeachtet des anhaltenden Forſchens un - ſerer groͤßten, gelehrteſten und einſichtvollſten Theo - logen und Sprachkenner vielleicht nie ganz wird ausmerzen koͤnnen, ſo daß man an der Hoffnung verzweifeln muß, je den wahren Jnhalt in ſeiner urſpruͤnglichen Reinheit herzuſtellen. Daß von Men - ſchen, die nach ſolchen Grundſaͤtzen handelten, und ihre Handlungen gar durch goͤttliche Befehle und Eingebungen zu rechtfertigen glaubten, fuͤr Anders - denkende nicht viel Duldung zu erwarten war und noch iſt, kann man leicht denken.

Juͤdiſche und chriſtliche Eiferer haben einander nach meiner Anſicht wegen der Verfolgungen, die ſie ſich erlaubten, uͤbrigens wenig oder gar nichts vorzuwerfen. Jhre Vertilgungs - und Bekehrungs - wuth entſprang aus einer Hauptquelle und meh -47 reren ſehr aͤhnlichen Nebenquellen. Einer tadelt nur an dem Andern ſein eigenes Verbrechen. Wer ſelbſt ein Schindeldach hat, ſollte keine Feuerbraͤnde auf die Strohhuͤtten ſeiner Nachbaren ſchleudern.

Der zunehmende Polytheismus der Bekenner des Chriſtenthums, welcher unter den Paͤbſten gar keine Schranken mehr kannte, ſchreckte die, in ih - rer Gottesverehrung ſtreng monotheiſtiſchen Juden immer weiter von ihnen zuruͤck. Nur große Koͤni - ge, Geſetzgeber, Helden und andere verdiente Men - ſchen konnten bei Griechen und Roͤmern unter die Zahl der Goͤtter und Halbgoͤtter verſetzt werden. Anders gieng es bei den Chriſten. Jeder fanatiſche Lump, mit deſſen ſchmutzigen Knochen man vor den verblendeten Augen des dummen Poͤbels ſcheinbare Wunder that, ward zum Gott oder Heiligen erho - ben; eigene Tempel und Altaͤre wurden ihm errich - tet; beſondere Feſte fuͤr ihn geſtiftet, und koſtbare, fuͤr die Pfaffen eintraͤgliche Wallfahrten zu ſeinen modernden Gebeinen wurden angeordnet.

Hatte die griechiſche Mythologie mit ihrem lieb - lichen Zauber, mit dem hohen aͤſthetiſchen Sinn, der in allen ihren Dichtungen waltet, die Juden nicht feſſeln koͤnnen; wie ſollte es denn eine alber - ne, ſcheinheilige und abentheuerliche Fabellehre, in deren Hintergrunde ſie einen Mann als Stifter zu ſehen waͤhnten, den ſie fuͤr den groͤßten Verbrecher hielten? Wie konnten aufgeblaſene, herrſch - und48 geldgierige, raͤuberiſche und mordſuͤchtige Pfaffen, die wohl das Bild des edlen Gekreuzigten in ihren Haͤnden trugen und ſeinen Namen auf ihren, vor Wuth ſchaͤumenden, unheiligen Lippen fuͤhrten, de - ren Seelen aber der Geiſt ſeiner freundlichen, ſanf - ten, liebevollen Lehre ganz fremd war; wie konn - ten, ſag ich, dieſe Pfaffen wohl Herzen gewinnen? Was anders blieb ihnen uͤbrig, als Gift und Dolch, Feuer und Schwert, um ihre teufliſche Lehre zu verbreiten?

Nicht allein Religionseifer, ſondern auch Ei - gennutz der Chriſten war haͤufig die Urſache bluti - ger Verfolgungen gegen die Juden, wodurch der Haß derſelben gegen ihre Widerſacher geſteigert wurde. Ehe man noch Steuern, Acciſen, Kopfgeld und manche andere Auflagen kannte, brauchten Fuͤrſten, Pfaffen und Edelleute oft weit mehr Geld, als ihr ſchlecht bebautes Grundeigenthum ihnen ein - trug. Woher ſollte man es nehmen? Die Juden kannte man als Meiſter im Wuchern, Schachern, Stehlen und manchen kleinlichen Kuͤnſten, die man Ehrenhalber unter eigener Firma nicht treiben durf - te; denn Laͤnderraub im Großen, Straßenraub im Kleinen, Ablaß - und Reliquienhandel und einige andere damit verwandte Nahrungszweige waren die einzigen Mittel, wodurch jene drei Klaſſen etwas zu außerordentlichen Beduͤrfniſſen erwerben konnten. Man verſtattete daher den frommen Jſraeliten zuthun,49thun, was man ſelbſt zu thun ſich nicht getraute oder ſchaͤmte, nemlich das arme Volk durch Wu - cher, Schacher, kleine und große Diebſtaͤhle und Betruͤgereien auszuſaugen, zu pluͤndern und noch aͤrmer zu machen. Hatten die Juden, wie die Bie - nen, ihre Koͤrbe, ihre Kiſten und Kaſten voll ge - tragen, dann toͤdtete man ſie, gleich den Bienen, nahm ihnen Wachs und Honig, ſilberne und gol - dene Geraͤthe, gute und falſche Muͤnzen, und theilte mit einander ehrlich die Beute; nur das ungluͤckli - che Volk mußte zuſchauen, und hatte nichts weiter von allem, als die elende Schadenfreude, ſeine kleinern Blutigel von den groͤßern verſchlungen zu ſehen. An Vorwaͤnden zu dergleichen Ueberfaͤllen konnte es den Chriſten immer nicht fehlen; bald war es eine, von den Juden entjungferte Mutter Got - tes oder Himmelskoͤnigin; bald eine von ihnen ge - nothzuchtigte Maria Magdalena; bald waren es Chriſtenkinder, die ſie geſchlachtet, Brunnen, die ſie vergiftet, blutende Hoſtien, die ſie mit Mecha - tim Vekotzim, mit Nadeln und Dornen, geprickelt hatten oder haben ſollten. Fehlte es an dem Allen, ſo beſtrafte man ſie fuͤr die Kreuzigung deſſen, der am Kreuze Verzeihung fuͤr ſie von ſeinem himmli - ſchen Vater erfleht, und an deſſen Tode die Ge - ſtraften nicht die mindeſte Schuld hatten*)Dies war um ſo widerſinniger, da die Chriſten ſelbſt glaubten, daß ſie ewig verdammt ſeyn muͤßten, wenn. AufII. Baͤndchen. 550jeder Seite mit Zwickmuͤhlen bedroht, fluͤchtete Abrahams ungluͤcklicher Saame wie ein geaͤngſteter Haſe, aus einem Lande ins andere. Kaum hatte man ihn an einem Orte ausgepluͤndert, getauft, und zum Theil gehaͤngt oder gebraten, ſo rief man ihn wieder zuruͤck, um neue Schaͤtze zuſammen zu hamſtern, und nach einigen Jahren ſich auf gleiche Weiſe mißhandeln zu laſſen. Dies war das Fi - nanzſyſtem aller chriſtlichen Staaten, wo Juden waren. Sehr richtig wurden ſie in Deutſchland kaiſerliche Kammerknechte*)Bereits im Jahre 1259 nannten ſich mehrere Ju - den Comites Camerae illustris Ducis Austriae, Grafen der Kammer des erlauchten Herzogs von Oeſterreich. Gab es dazumal ſchon juͤdiſche Grafen, was will man ſich denn in unſern Zeiten uͤber die Menge der juͤdiſchen Freiherrn wundern? M. ſ. Hoffmanni Jus publicum Interregni magni §. 50. p. 106 und 107. und Meichebeck Histor. Frising. Tom. 2. genannt, weil*)nicht der Heiland einen ſo grauſenvollen Tod fuͤr ſie erlitten haͤtte, und da Chriſtus ſelbſt, ſowohl von muͤtterlicher, als vaͤterlicher Seite her ein Jude war. Sie hatten alſo ja große Urſache, den Juden dankbar zu ſeyn, daß ſie die Muͤhe und Ver - antwortung des Kreuzigens auf ſich genommen hat - ten. Wer ſollte es anders wohl thun, als ſie? Jeſuiten und Franziskaner gab es damals ja noch nicht; und Paͤbſte, Biſchoͤfe, Aebte und Proͤbſte eben ſo wenig!51 ſie die kaiſerliche Schatzkammer mußten fuͤllen hel - fen, und weil der Kaiſer es ſich vorzugsweiſe an - maßte, allein Juden in das Reich aufnehmen zu duͤrfen; eine Amaßung, die von zu wenig Macht unterſtuͤtzt war, als daß ſie gegen die groͤßern und ſelbſt gegen die meiſten der kleinern Reichsſtaͤnde geltend gemacht werden konnte. Jn Frankreich fuͤhr - ten die Juden gleichfalls den bedeutungsvollen Na - men: Servi fisci, Sklaven oder Knechte des oͤffentlichen Schatzes, und nach dem roͤmi - ſchen Grundſatze, daß, was der Sklave erwirbt, dem Herrn gehoͤrt, verfuhr man dort gegen ſie, wie in andern Laͤndern. Pohlen war das europaͤi - ſche Kanaan der Juden; nirgend haben ſie mehr Freiheiten genoſſen, nirgend findet man ihrer eine groͤßere Anzahl, und in keinem Lande ſind ſie fuͤr den Buͤrger - und beſonders fuͤr den Bauernſtand druͤckender geworden, als in Pohlen. Der pohlniſche Bauer, vor Zeiten wohlhabend, unabhaͤngig, Theil nehmend ſogar an der Regierung und ſelbſt waͤhl - bar zum Koͤnigsthron, iſt jetzt veraͤchtlicher Sklave der Juden, die, naͤchſt wenigen Edelleuten, den Wohlſtand des Landes an ſich geriſſen haben. Poh - len gewaͤhrt uns ein lebhaftes Bild von dem Schick - ſal, welches einem Lande bevorſteht, wo Juden die Oberhand gewinnen, und dies koͤnnen ſie, wenn ſie auch kein Zehntheil der Einwohnerzahl betragen. Moͤchte der edle, erhabene Menſchenfreund Alex -5 *52ander es wiſſen, wie ſehr der Wohlſtand und die Sittlichkeit Seiner chriſtlichen Unterthanen in Poh - len durch die unverhaͤltnißmaͤßige Menge der dor - tigen Juden leiden, Er wuͤrde den letztern gewiß in ſeinem weiten Reiche eine noch unbebauete Ge - gend anweiſen, wo ſie ſich anſiedeln und eine eigene Kolonie gruͤnden koͤnnten. Kaͤme der Meſſias auch wirklich uͤber kurz oder lang auf Abrahams großem Eſel geritten, um ſeine Kuͤchlein von dort abzuho - len, ſo ließe ſich ihre Stelle ja leicht und ohne Nachtheil durch andere Einwohner erſetzen. Jch meine keineswegs hiemit, daß der Kaiſer Abrahams froſtigen Saamen nach Sibirien oder in eine an - dere ſehr kalte Provinz Seines Reichs verpflanzen ſollte; ſondern in eine recht warme, freundliche Landſchaft, wo Zwiebeln und Knoblauch wild wach - ſen, und die auch zum Schachern und Stehlen ge - legen waͤre. Nichts uͤbertrifft den Eigennutz, die Zudringlichkeit und Spitzbuͤberei der pohlniſchen Ju - den. Man kann faſt nicht die unbedeutendſte Klei - nigkeit kaufen, ohne einen juͤdiſchen Verkaͤufer und zehu juͤdiſche Unterhaͤndler (dort Faktor genannt) bei ſich zu ſehen, die Alle verdienen wollen » eppes Moos. « Was muß, unter dieſen Umſtaͤnden, aus einer Nation werden, wie die pohlniſche, deren Geiſteskraͤfte noch in ſo tiefem Schlummer liegen*)Daß hier nicht von dem gebildeten Theil der Na - tion, ſondern hauptſaͤchlich von dem pohlniſchen,53 die alſo gegen den juͤdiſchen Betrugs - und Wucher - ſinn ganz ohne Wehr und Waffen iſt? Man ver - zeihe mir dieſe Abſchweifung.

Der wechſelſeitige Haß der Juden und Chriſten hat alſo eine gemeinſchaftliche Hauptquelle, nemlich die iſraelitiſchen, hoͤchſt unduldſamen Religionsbegriffe, welche mit Ruͤckanwen - dung auf die Juden in das Chriſtenthum uͤbergien - gen. Als mitwirkende Urſachen traten bei den Jſraeliten hinzu, ihr Groll gegen den erhabenen Stifter der chriſtlichen Religion, und nachher der ihnen verhaßte Polytheismus der Chriſten, ſo wie die Bedruͤckungen, Grauſamkeiten und Verfolgun - gen, welche ſie von denſelben erleiden mußten. Bei den Chriſten koͤnnen als mitwirkende Urſachen des Haſſes gegen die Hebraͤer, außer jener religioͤſen Hauptquelle betrachtet werden: die in fruͤhern Zei - ten von ihnen erlittenen Verfolgungen und Grau - ſamkeiten, die gaͤnzliche Sittenverderbtheit der Juden,*)Bauernſtande die Rede ſey, verſteht ſich von ſelbſt. Doch leiden auch die uͤbrigen Staͤnde durch die un - geheure Menge der Juden gar ſehr. Dieſe verder - ben die Sittlichkeit des gemeinen Mannes; verfuͤh - ren Dienſtboten und Untergebene zu Diebſtaͤhlen und Betruͤgereien; verleiten ſelbſt Kinder reicher Eltern zu Ausſchweifungen und Schuldenmachen, und zerſtoͤren den Wohlſtand und die Erwerbzweige aller uͤbrigen Einwohner.54 und ihre daraus entſpringende, tief empfundene Schaͤdlichkeit fur alle Voͤlker, unter denen ſie leben, wuchern und ſchachern.

Bei Vernuͤnftigdenkenden werden allerdings nur das ſittliche Verderben der Jſraeliten und die mo - raliſchreligioͤſen Grundſaͤtze, aus denen es entſprang, ſo wie die Schaͤdlichkeit dieſes Volks fuͤr die uͤbri - gen Einwohner in Betracht kommen. Dieſe Gruͤnde ſind aber auch ſo wichtig, daß ſie durch Alles, was jemals zum Vortheil der Juden geſagt worden iſt, nicht entkraͤftet werden koͤnnen.

Wenn Dohm behauptet, daß das Sittenver - derbniß der Juden nur die Wirkung des, von den Chriſten erlittenen Drucks ſey, ſo irrt er gar ſehr. Alle ihre Propheten werfen ihnen ja ſchon mit Bit - terkeit ihre Schaͤndlichkeiten und Laſter vor, und dieſe waren auch die Urſache der tiefen Verachtung, in welcher ſie, nach der Aufloͤſung ihres Staats bei den Roͤmern lebten. Jn Rom betrachtete man ſie wegen ihres ſchmutzigen Geizes, ihres Hanges zum Betrug und Diebſtahl, ihrer Feigheit und Heimtuͤcke, und uͤberhaupt wegen ihres abſchrecken - den Charakters mit dem groͤßten Widerwillen. Als ſie, nach Tacitus, aus Rom verwieſen und drei - tauſend von ihnen beſtimmt wurden, nach Sardinien gebracht zu werden, um dort gegen die Raͤuber zu fechten, aͤußerte der Senat, wenn dieſe dreitauſend Juden etwa durch das rauhe Klima dort umkom -55 men ſollten, ſo ſey das ein geringer Schade (vile damnum). Ein Beweis, daß ſie nicht in ſo hoher Achtung bei den Roͤmern ſtanden, wie Dohm ſeine Leſer zu uͤberreden ſucht. Unſtreitig war dieſer Abſcheu der Roͤmer gegen die Jſraeliten eine na - tuͤrliche Folge der Verworfenheit der letztern, denn keines der uͤberwundenen Voͤlker ward von ihnen ſo veraͤchtlich behandelt.

Die ſittliche Verderbtheit der Juden iſt alſo keineswegs eine Folge, ſondern vielmehr eine von den Urſachen der uͤbeln Behandlung, welche ſie von allen Voͤlkern und beſonders von den Chriſten ha - ben erleiden muͤſſen.

Sehr richtig bemerkt ſchon der Ritter Michae - lis: » die meiſten genauen Freundſchaften entſtehen gemeiniglich beim Eſſen und Trinken. Welches Volk nicht mit uns eſſen und trinken kann, bleibt immer ein, in ſeinen und unſern Augen ſehr abge - ſondertes Volk*)Michaelis in ſeiner Beurtheilung des Dohm’ſchen Buchs, und zwar im zweiten Theile deſſelben S. 61.. « Wo ſich die Menſchen zum Genuß geſelliger Freuden vereinen, da oͤffnen. ſich ihre Herzen gar leicht gegen einander; ſie tauſchen Jdeen und Anſichten um, berichtigen wechſelſeitig ihre Grundſaͤtze, und lernen ſich erſt als Menſchen kennen, lieben und ſchaͤtzen. Wo hingegen ein Menſch mit dem andern blos in dem eigennuͤtzigen Verkehr56 des Schachers ſteht, und ſeinen Kaͤufer oder Ver - kaͤufer immer nur mit argwoͤhniſchen, oft gar feindſeligen Augen betrachten muß, da iſt kein guͤn - ſtiger Marktplatz fuͤr edlern Tauſch von Jdeen, Anſichten und Gefuͤhlen; keine Gelegenheit, Grund - ſaͤtze zu berichtigen und Freundſchaften zu ſchließen, die auf die ſittliche Verbeſſerung wohlthaͤtig einwir - ken koͤnnen. Man ſage mir nicht, daß viele Juden an allen unſern geſelligen Vergnuͤgungen, an un - ſern Gaſtmahlen ſogar Theil nehmen. Gerade dieſe Hebraͤer ſind in ſittlicher Ruͤckſicht gewoͤhnlich die ſchlechteſten: ſie ſind Heuchler gegen uns und ſchein - heilige Heuchler gegen ihre Glaubensgenoſſen; ihnen iſt durchaus nicht zu trauen. Der Chriſt, welcher ſich von einigen oder vielleicht gar von allen aͤuſ - ſern Gebraͤuchen ſeiner Sekte zuruͤck zieht, wird in der Regel (wenn er uͤbrigens ein rechtlicher Mann iſt), nie einen Hehl daraus machen, daß ſie ſeinen Ueberzeugungen nicht entſprechen; er wird ſeine Gruͤnde gar oͤffentlich ſagen, wenn er glaubt, durch Mittheilung derſelben zur Aufklaͤrung und zum Be - ſten ſeiner Mitbruͤder wirken zu koͤnnen, moͤge man ihn deshalb auch noch ſo ſehr haſſen, verfolgen und laͤſtern. So redlich und edel vermag kein Ju - de zu handeln. Er ißt ſeinen weſtphaͤliſchen Schin - ken, ſeine Auſtern und Krebſe, und ſtellt ſich nachher gegen die eifrigen Glaubensgenoſſen als der froͤmmſte Bar Jſraels. Heuchlern ſolcher Art darf man nim - mermehr trauen.

57

Die ſtrenge Abgeſchloſſenheit der Hebraͤer, die ihnen nicht verſtattet, ſich mit Chriſten zu verhei - rathen, muß natuͤrlich den Groll der letztern gegen ſie vermehren. Ein Volk, das ohne zu arbeiten und ſelbſt etwas fuͤr den Handel zu liefern, in unſrer Mitte lebt, ſchachert, wuchert und durch unerlaubte Mittel jeglicher Art auf unſere Koſten Schaͤtze aufhaͤuft, muß uns um ſo widerlicher ſeyn, wenn es keinen einzigen Kanal giebt, durch wel - chen dieſe, von uns zuſammen gehamſterten Schaͤtze wieder zu uns zuruͤck fließen koͤnnen. Was Abra - hams Saame von den Chriſten erwirbt, das iſt fuͤr dieſe in todter Hand, und leitet noch immer groͤßern Gewinn in die juͤdiſchen Seckel. Selbſt die Hoffnung, daß durch Verſchwendung reicher juͤdi - ſcher Erben die, von ihren Vaͤtern den Chriſten abgewucherte Beute wieder zu ihnen zuruͤck kehren, und daß auf dieſe Weiſe ein ſteter Umlauf des Geldſtroms ſich erhalten koͤnne, findet nicht ſtatt, da bekanntlich ein außerordentlicher Grad von Spar - ſamkeit die einzige Tugend von Abrahams Saamen iſt. Daher das Verſchwinden alles baaren Geldes und die Menge von Papiergeld in allen chriſtlichen Staaten. Das abwechſelnde Steigen und Fallen des letztern dient den großen Papierjuden, den R ſch ds, D e rs, G ns, und wie dieſe Wucherer alle heißen, eben ſo wie ihren kleinen Bruͤdern, die muͤhſam Dukaten und Thaler beſchnei -58 den, blos dazu, alles baare Geld in ihre Seckel zu bringen. Koͤmmt einſt Abrahams großer Eſel mit dem Meſſias, um Jſraels glorreiche Kinder aus Europa zu holen, dann wird er tauſendmal ſchwe - rer an all dem Golde und Silber, als an den ſieben bis acht Millionen Juden und ihrem Meſſias zu tragen haben; und uns armen Chriſten wird nichts weiter uͤbrig bleiben, als eine ungeheure Men - ge von Bankzetteln, Schatz - und Kammerſcheinen, Staatsſchuldenverſchreibungen und dergleichen, wo - mit wir uns, wie mancher Buchhaͤndler mit ſeinen Verlagswerken, die Thraͤnen abtrocknen koͤnnen*)Der Verfaſſer eines alten Buchs: Weltbuch, oder ſpiegel vnd bildnuß des gantzen erdtbodens genannt, ſagt (S. 146) eben ſo naiv, als wahr: Narren ſeynd wir; fafen, muͤnch vnd juͤden woͤllen wir ehe muͤſſig in allem pracht moͤſten, denn daz ſy ſelbs mit redlicher arbeit jr narung ſuchend. Unſere vernuͤnftigen Vorfahren dachten alſo, wie wir..

Einen Grund des Widerwillens der Chriſten gegen die Juden muß ich noch vor dem Schluße dieſes Abſchnitts beruͤhren. Es iſt der uͤble Geruch der letztern, welcher ihnen ſchon in den heiligen Buͤchern als Folge ihrer unzuͤchtigen Ausſchweifun - gen ſo oft vorgeworfen wird. Auch den Griechen und Roͤmern waren ſie deshalb verhaßt. Ammi - anus Marcellinus nennt ſie die ſtinkenden59 Juden, (Judaeos foetentes), und erzaͤhlt, daß der Kaiſer Marcus Aurelius, als er durch Judaͤa ge - reist ſey, ſich die Naſe zugehalten und ausgerufen habe: O Markomannen, Evader und Sarmaten, endlich habe ich noch ſchlechtere und uͤbelriechendere Menſchen gefunden, als Jhr ſeyd*)O Marcomanni, o Evadi, o Sarmatae! tandem alios vobis deteriores inveni! . Cl. Ruti - lius bezeichnet die Hebraͤer in den Verſen:

Reddimus obscoenae convitia debita genti, Quae genitale caput propudiosa metit**)Aus Hoͤflichkeit gegen meine Leſerinnen uͤberſetze ich dieſes Diſtichon nicht.;

als ein ſchmutziges Volk, und Martial***)Lib. IV. Epigr. 4. wirft ihnen gleichfalls ihren eckelhaften Geruch vor.

Wo heilige und Profanſchriftſteller das Daſeyn einer Eigenſchaft beſtaͤtigen, von der ſich jeder, dem nicht einer ſeiner fuͤnf Sinne fehlt, leicht uͤber - zeugen kann, da wird die Verſicherung aller Rab - binen: » daß ihr Volk einen ſehr ſuͤßen Geruch ha - be, « wahrlich nichts fruchten. Es kann immerhin ſeyn, daß nicht Jeder dieſen Geruch wahrzuuehmen im Stande iſt; theils gewoͤhnt man ſich mit der Zeit daran, wie die Verdammten an die Hoͤllen - ſtrafen; theils kann es Fehler des Geruchſinns ſeyn, wenn man nichts davon empfindet, und endlich60 giebt es, wie ſchon fruͤher bemerkt worden, eine ſehr betraͤchtliche Anzahl vermeintlicher Juden, wel - che, da ſie von geſtohlenen und im Judenthum er - zogenen Chriſtenkindern abſtammen, gar nicht zu den Juden gerechnet werden koͤnnen. Der aͤußere Kultus und ein kleiner Defekt am Praͤputium ma - chen noch immer keinen Jſraeliten; dazu gehoͤrt etwas mehr, nemlich: 1) legitime Abſtammung von Abraham, Jſaak und Jakob, 2) aͤchtjuͤdiſche Ge - ſinnung und 3) juͤdiſcher Geruch. Wo das erſtere dieſer Erforderniſſe vorhanden iſt, da wird man die beiden letztern ſicherlich niemals vermiſſen.

Freilich haben manche Aerzte und Naturforſcher behaupten wollen, der ſpezifiſche Geruch von Abra - hams Saamen komme von dem haͤufigen und un - maͤßigen Genuß der Zwiebeln, des Knoblauchs und aͤhnlicher Dinge her. Jch glaube aber der heiligen Schrift, und bin alſo uͤberzeugt, daß er die einzige Folge der bei allen aͤchten Juden uͤblichen, wider - natuͤrlichen Befriedigungsarten des Ge - ſchlechtstriebes, und der daher entſpringenden Krankheiten ſey.

Hiemit hoffe ich die Urſachen des wechſelſeitigen Haſſes und Widerwillens zwiſchen den Hebraͤern und Chriſten hinlaͤnglich entwickelt zu haben, um zu ei - nem andern, damit verwandten Gegenſtande uͤber - zugehen.

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Von den Judeneiden.

Die Juden ſind bekanntlich ein Volk, dem man einen allzu hohen Grad von Wahrheitsliebe und eine zu aͤngſtliche Gewiſſenhaftigkeit keineswegs mit Recht vorwerfen kann. Hiezu geſellt ſich ihr gluͤ - hender Haß gegen alle Nichtjuden, beſonders gegen die Chriſten, die in ihren Augen leibliche Kinder des Oberſten der Teufel ſind; ihre unerſaͤttliche Geldgier; ihr Wahn, daß ſie als Kinder und ein - zige Erben Gottes ein ausſchließliches Recht auf den Beſitz der Erdenguͤter haben; daß alles, was ein Nichtjude erwirbt, ein ihnen widerrechtlich entriſſe - nes Eigenthum ſey, zu deſſen Wiedereinnahme ih - nen alle moͤglichen Mittel erlaubt ſind. Außerdem glauben ſie im Zuſtande einer unrechtmaͤßigen Ge - fangenſchaft zu ſeyn, und verbinden mit dieſer fal - ſchen Anſicht den richtigen Grundſatz, daß ein, durch unbefugte Gewalt abgenoͤthigter Eid nicht fur ſie verbindlich ſey.

Einer der gelehrteſten Kenner der alt - und neujuͤdiſchen Religions - und Sittenlehre, der Ritter Michaelis, ſagt in ſeiner Beurtheilung des Dohm -62 ſchen Werks uͤber die buͤrgerliche Verbeſſe - rung der Juden*)M. ſ. den 2ten Theil des genannten Werks S. 50.: » der Judeneid iſt die haͤcklichſte Sache von der Welt, denn daß man bei dem viel Zweifel haben kann, ob der Ju - de das, was in unſern Augen Eid iſt, fuͤr Eid haͤlt, iſt keine von den ungerechten Klagen Eiſen - mengers. «

Der Talmud lehrt, und die Juden glauben ihm, als ihrer heiligſten, ihnen von Gott eingege - benen Offenbarung: » daß wir Chriſten keine Men - ſchen und nicht ihre Naͤchſten, ſondern Kinder des Satans oder Sammaels, des Oberſten der Teufel ſind**)M. ſ. Emek Hammelech Titel Schaar Schiaſchue hammelech und Titel Schaar olam hattohu; Jalkut Rubeni, Paraſcha Bereſchith; Traktat Sanhedrin; Rabbi Menachem von Rekanat Auslegung der fuͤnf Buͤcher Moſis, Paraſcha Schemini; Rabbi Salomon Jarchi, R. Bechai und R. Levi Ben Gerſon in ih - ren Auslegungen, und viele andere ſchon fruͤher angefuͤhrte talmudiſche und rabbiniſche Schriften.. « Dieſer Grundſatz hebt durchaus alle Glaubwuͤrdigkeit der Judeneide auf. Dem Teufel verſchreib ich mich nicht, und ſeinen Kindern eben ſo wenig. Haͤtte ich mich aber einem oder dem andern von ihnen auch mit den feierlichſten Eiden verpflichtet, ſo wuͤrde ich mir keinen Augenblick ein Gewiſſen daraus machen, meine Eide zu brechen63 und fuͤr nichtig zu erklaͤren. Jch bin ſogar uͤber - zeugt, daß mir alle chriſtliche Theologen und Geiſt - liche, ja ſelbſt der heilige Vater zu Rom dazu ra - then wuͤrden. Sollten die Juden und ihre Rabbiner in aͤhnlichen Faͤllen nicht eben ſo denken? Und koͤnnen wir, da ſie es thun, uns wohl im Gering - ſten auf ihre Eide verlaſſen? Unmoͤglich werden ſie doch ſo thoͤricht ſeyn, ſich einzubilden, daß Abra - hams heiliger Saame dem Saamen des gottloſen Sammaels Treue und Wahrheit ſchuldig ſey?

Die Hebraͤer glauben, wie geſagt, ferner: daß ſie das auserwaͤhlte Volk und die einzigen Erben und Kinder Gottes, wir hingegen nur unrechtmaͤſ - ſige Beſitzer (malae fidei possessores) der irdi - ſchen Guͤter ſind, zu deren Wiedereinnahme ſie je - des Mittel gegen die Satansbrut (die Chriſten) fuͤr eben ſo erlaubt halten, wie Jakobs Schurkereien gegen ſeinen Vater, Bruder und Schwiegervater; wie die heimtuͤckiſche Eidbruͤchigkeit der Soͤhne Ja - kobs und deren Grauſamkeit gegen die Sichemiten; wie die Diebereien ihrer Vorfahren in Aegypten; wie Joſua’s Eidbruch gegen die Gibeoniten; kurz, wie alle die unredlichen Handlungen, die in der heiligen Schrift uns von ihren Voraͤltern erzaͤhlt werden. Alſo ein zweiter, aus ihrer Glaubens - und Sittenlehre herfließender Grund, weshalb man ih - ren Eiden nicht trauen darf.

Nicht minder wichtig iſt die Lehre des Talmuds64 und der Rabbinen, daß die Jſraeliten ſich in einer unrechtmaͤßigen Gefangenſchaft der Nichtjuden befin - den; daß dieſe eine widerrechtliche Gewalt gegen ſie uͤben, und daß folglich die, den Chriſten gericht - lich und außergerichtlich geleiſteten Eide unguͤltig ſind.

Dies iſt ausdruͤckliche Lehre des Talmuds, den alle Juden, mit Ausſchluß der wenigen Karraiten im ſuͤdeuropaͤiſchen Rußland, in der Krim, in ei - nigen Theilen von Ungarn, u. ſ. w. als ihre vor - zuͤglichſte und heiligſte Religionsquelle anerkennen. Nach den Lehrſaͤtzen der Talmudiſten ſind die obrig - keitlichen und richterlichen Befugniſſe der Chriſten widerrechtliche gewaltſame Anmaßungen; die Chri - ſtenheit iſt ein » gewaltthaͤtiges, hochmuͤthiges Reich, ein Reich, welches vom Teufel ſtammt, « und der gegenwaͤrtige Zuſtand der Jſraeliten iſt eine durchaus unrechtmaͤßige Gefangenſchaft, wofuͤr ſich der heilige, hochgelobte Gott durch gaͤnz - liche Vertilgung ſeiner Feinde, der Chriſten, raͤchen wird. An dieſe durchaus falſchen Vorausſetzungen reihen die Juden den, unter gewiſſen Bedingungen richtigen Grundſatz, daß ein, durch unrechtmaͤßig erworbene Macht abgenoͤthigter Eid nichtig und von Anfang an unguͤltig ſey. Eine ſolche Zuſammen - ſtellung von Falſchem und Wahrem, die aus der juͤdiſchen Religionslehre ſelbſt hervorgeht, muß na - tuͤrlich alle Glaubwuͤrdigkeit der Judeneide gegen Chriſten aufheben.

Hiezu65

Hiezu koͤmmt noch die ſchaͤndliche Lehre vom Vorbehalt der Gedanken bei Eidſchwuͤ - ren, welchen Abrahams Saame mit den Jeſuiten gemein hat.

» Die Rabbinen lehren, ſagt Eiſenmenger*)So wie Dohm es unrichtig anfuͤhrt. Eiſenmen - ger ſtellt ſeine Anſicht ganz anders dar. M. ſ. deſ - ſen entdecktes Judenthum Th. 2. Kap. 9., daß ein Eid, zu dem man gezwungen werde, nicht verbindlich ſey, wenn man nur bei deſſen Ablegung den Worten einen andern Sinn gebe, als ſie ihrer gewoͤhnlichen Bedeutung nach haben. Hieraus folgt, daß die Juden alle Eide, die ſie vor der chriſtlichen Obrigkeit ablegen, als Zwangseide anſehen, und ſie alſo nicht erfuͤllen zu duͤrfen glauben. «

Dieſe Schlußfolge ſcheint mir nicht ganz rich - tig, und es ſind auch nicht Eiſenmengers Worte. Die Jſraeliten betrachten vielmehr alle chriſtlichen Obrigkeiten als unrechtmaͤßig angemaßte Gewalten, und folglich die vor ihnen abgelegten Eide als wi - derrechtlich erzwungen und nichtig.

Daß die juͤdiſche Lehre vom Vorbehalt der Gedanken ganz mit der jeſuitiſchen uͤbereinſtim - me, beweist Moſes Mendelsſohns an Dohm abge - gebene Erklaͤrung in Betreff der Judeneide.

» Wenn Jemand, ſagt der juͤdiſche Plato, ſich gewaltſamer Weiſe das Recht anmaßt, mir einII. Baͤndchen. 666Geſtaͤndniß abzufodern, das er zu meinem oder ei - nes Andern Schaden mißbrauchen will, ſo bin ich verbunden, die Wahrheit zu verſchweigen, oder auch die Unwahrheit zu ſagen, und dieſe allenfalls durch ein Geluͤbde oder durch einen Eid zu bekraͤf - tigen, dem ich im Herzen einen andern Sinn gebe. Jſt der Schade unerſetzlich, ſo kann ich den Rechtsraͤuber allenfalls durch einen falſchen Eid hintergehen. «

Schwerlich giebt es einen Grundſatz, der zer - ſtoͤrender fuͤr die Sittlichkeit und gefaͤhrlicher fuͤr die Ruhe, das Gluͤck und den Wohlſtand der Staa - ten und ihrer Bewohner ſeyn kann, als dieſe juͤ - diſch-jeſuitiſche Lehre vom Vorbehalt der Gedanken bei Eidſchwuͤren. Sie hebt alles gegenſeitige Ver - trauen auf, indem ſie das heiligſte Mittel zur Er - forſchung verheimlichter Wahrheit und zur Bindung einer zweifelhaften Treue vernichtet. Welchen un - wuͤrdigen, veraͤchtlichen Begriff muß derjenige von dem hoͤchſten und wahrhaftigſten Weſen haben, der ſich einbildet, es koͤnne einen Eid gutheißen, deſſen Worten man im Herzen einen andern, vielleicht gar den entgegen geſetzten Sinn gebe, um Jeman - den zu hintergehen?

Die Juden halten die Befugniß der Chriſten ihnen Eide abzufodern immer fuͤr ein » gewalt - ſamer Weiſe angemaßtes Recht, « wie Men - delsſohn es nennt; ſie ſind ſtets in dem Wahn, daß67 ihnen Gewalt und Unrecht von den Chriſten ge - ſchieht, da ſie vorausſetzen, daß dieſe gar keine Rechte auf der Welt haben koͤnnen; alſo werden ſie auch unbedenklich thun, was der vergoͤtterte Men - delsſohn erlaubt, nemlich » die Wahrheit verſchwei - gen, oder die Unwahrheit ſagen, und dieſe allen - falls durch ein Geluͤbde oder durch einen Eid be - kraͤftigen, dem ſie in ihrem Herzen einen andern Sinn geben. « Man merke wohl, daß Mendelsſohn einen ſolchen Eid, wodurch blos die Unwahrheit bekraͤftigt wird, noch nicht fuͤr einen falſchen Eid haͤlt, wenn man ihm nur im Herzen einen andern Sinn giebt, denn er ſetzt ausdruͤcklich hinzu: » Jſt der Schade unerſetzlich, ſo kann ich den Rechtsraͤuber allenfalls durch einen falſchen Eid hintergehen. « Alſo ein falſcher Eid und ein ſolcher, wodurch die Unwahrheit bekraͤftigt wird, dem ich aber im Herzen einen andern Sinn ge - be, ſind nach Mendelsſohn weſentlich verſchieden, da man nach ſeiner Behauptung, einen Eid mit Vorbehalt der Gedanken ablegen kann, ohne des - halb falſch zu ſchwoͤren, und die Strafe des Mein - eids, das Mißfallen Gottes, fuͤrchten zu duͤrfen. Einen falſchen Eid ohne Vorbehalt hingegen ſoll man nur im aͤußerſten Nothfall leiſten! Herrliche Sittenlehre!

Gott gebe, daß Anſichten dieſer Art nie unter den Chriſten ſo herrſchend werden, wie unter den6 *68Juden! Wo giebt es wohl eine im guten Glauben ſtreitende Parthei, die nicht ihren Gegner fuͤr den unbilligſten » Rechtsraͤuber, und jede ihr nachtheilige richterliche Verfuͤgung fuͤr eine Gewaltthat hielte? Wer waͤre ſeines Vermoͤgens, ſeiner Ehre und ſelbſt ſeines Lebens ſicher, wenn die Grundſaͤtze der Talmudiſten und Mendelsſohns: daß man ſich ge - gen jeden vermeintlichen Rechtsraͤuber durch falſche Eide und Vorbehaltungen in Gedanken ſchuͤtzen duͤr - fe, ſich auch unter den Chriſten verbreiteten, und wie gefaͤhrlich fuͤr uns muͤſſen ſie bei den Juden ſeyn, die nach der Lehre ihres Talmuds, uns Chriſten nicht fuͤr ihre Naͤchſten, ſondern fuͤr leib - hafte Kinder des Sammaels oder Satans halten, denen ſie, als einzige Kinder und Erben Gottes und als alleinige rechtmaͤßige Eigenthuͤmer aller Er - denguͤter, keine Verbindlichkeiten haben koͤnnen? Ja, es iſt ſogar ausdruͤckliche Lehre der Rabbinen, daß der Meineid, wenn er einem Jſraeliten oder ſeinen Glaubensgenoſſen zum Vorurtheil gereicht, nicht allein nicht verdammlich, ſondern eine heilige Pflicht ſey, und ſelbſt bei Strafe des Banns darf kein Jude als Klaͤger oder Zeuge vor einem chriſtlichen Gericht gegen ſeinen Mitjuden auftreten*)M. ſ. A. J. von der Hardt de difficultate a Judaeo per Juramentum in foro Christ. eliciendi. Helmst. 1745, wo dieſe Lehren aus - fuͤhrlich aus den Schriften der Rabbinen bewieſen werden..

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Schon dieſe Gruͤnde waͤren hinreichend, den Judeneiden jeden Schatten von Glaubwuͤrdigkeit zu entreißen; allein es treten noch mehrere hinzu.

Am großen Verſoͤhnungsfeſte der Jſraeliten wird in ihren Synagogen ein langes Gebet abgeſungen, welches mit den Aufangsworten Col niddre vae - ſtare uſchebhue (Alle Geluͤbde, Buͤndniſſe und Eide ꝛc. ) beginnt, und daher den Namen Col niddre fuͤhrt. Durch dies Gebet werden alle Ge - luͤbde, Buͤndniſſe, Eide, Verheißungen und andere Verpflichtungsarten des verfloſſenen Jahres, in ſo ferne ſie einen Juden gereuen, fuͤr erlaſſen, auf - gehoben, nicht geſchehen und unguͤltig erklaͤrt. Auf - ferdem kann ſich Jeder von der Verbindlichkeit und Strafbarkeit eines, ihn gereuenden Eides oder Ge - luͤbdes zu allen Zeiten durch einen Rabbiner, oder in Ermangelung deſſen, durch drei andere Juden frei ſprechen laſſen.

Dohm ſucht zwar die deshalb angefochtene Glaubwuͤrdigkeit der Judeneide durch die Verſiche - rung mehrerer rabbiniſchen Schriftſteller zu retten: » daß die Freiſprechung durch das Col niddre nur hinſichtlich der Geluͤbde ſtatt finde, welche Jemand fuͤr ſich ſelbſt leiſtet, um ſeine Seele gegen Gott zu verpflichten; keineswegs aber in Betreff der Ei - de, wodurch man ſich gegen ſeinen Naͤchſten ver - bindet. Dies iſt eine laͤcherliche Ausrede jener Rabbiner, die dadurch blos die Zuverlaͤßigkeit der70 juͤdiſchen Eide gegen die Einwuͤrfe der Chriſten ver - theidigen wollten; denn 1) iſt im Col niddre nicht allein die Rede von Geluͤbden und Eiden, als ganz verſchiedenen Gegenſtaͤnden, deren Verbindlichkeit und Strafbarkeit erlaſſen und auf - gehoben werden ſollen. Beide, ſowohl die Geluͤb - de, als die Eide werden ohne die mindeſte Beſchraͤn - kung genannt, und ſind folglich, wie alle uͤbrigen Verpflichtungsarten, ohne Beſchraͤnkung gemeint. Haͤtten die Verfertiger des Col niddre blos jene Art von Geluͤbden gemeint, ſo haͤtten ſie dies naͤher beſtimmen, und die Eide nicht gleichfalls nennen muͤſſen. 2) Darf ich gegen das |hoͤchſte Weſen mein - eidig handeln; warum ſollte ich es nicht gegen ein leibhaftes Kind des Sammaels oder Satans thun? Wer ſchlecht genug denkt, ſich von Eiden und Ge - luͤbden loszuſagen, die er Gott leiſtete, ſollte der wohl glauben, dem Nichtjuden, den er auf das Bitterſte haßt; der in ſeinen Augen ein Kind des Teufels iſt, Wahrheit und Treue ſchuldig zu ſeyn? 3) Die, von Dohm angefuͤhrten Rabbinen ſagen zwar: » ſolche Eide, die man ſeinem Naͤchſten lei - ſtet, werden durch das Col niddre nicht aufgehoben, und vernichtet. « Geſetzt auch, wir gaͤben dies zu! Was huͤlfe dies uns armen Gojim, da die Juden nach der Lehre ihres Talmuds uns » nicht fuͤr ihre Naͤchſten, « ſondern fuͤr » Kinder des Teufels und fuͤr Schweine halten, die auf der Erde keine71 Rechte haben, und denen man ſich folglich auch nicht verpflichten kann*)M. ſ. die zu Anfange dieſes Abſchnitts bereits an - gefuͤhrten talmudiſchen und rabbiniſchen Schriften.? Selbſt der Rabbi Be - chai, auf deſſen Zeugniß fuͤr die Glaubwuͤrdigkeit der Judeneide ſich Dohm beruft, ſagt ausdruͤcklich: » die Nichtjuden haben keine Ehe, und ſind nicht unſere Naͤchſten; daher kann man auch nicht mit ihren Frauen die Ehe brechen, denn das Geſetz redet nur von den Frauen unſerer Naͤchſten**)M. ſ. R. Bechai’s Auslegung der fuͤnf Buͤcher Moſ. uͤber 3 B. Moſ. Kap. 20. V. 10.. « Was gewinnen unter dieſen Um - ſtaͤnden die Judeneide gegen die Chriſten in Ruͤckſicht der Glaubwuͤrdigkeit? Gar nichts! Haͤtte Dohm gewußt oder beherzigt, daß wir nach der Lehre der Talmudiſten und Rabbiner keine Naͤchſten der Juden ſind, gewiß haͤtte er ſich dann durch jenes rabbiniſche Vorgeben nicht taͤuſchen laſſen. Vielleicht entgegnet man mir, daß die jetzigen Jſraeliten nicht mehr ſo eifrig an ihrem Talmud haͤngen, wie ehe - mals, und daß viele von ihnen billigere und edlere Geſinnungen angenommen haben, als jene ihrer Vaͤter waren. Es waͤre zu wuͤnſchen, allein es iſt nicht wahrſcheinlich, denn es fehlt an Beweiſen dafuͤr. Weicht der Jude wirklich hin und wieder von den Vorſchriften ſeines Talmuds ab; ſo wird72 dies immer nur in ſolchen Dingen geſchehen, wo es ſeiner Bequemlichkeitsliebe, ſeiner Luͤſternheit und ſeinen andern Neigungen zuſagt; nie aber wird er ſich den mindeſten Zweifel an irgend einer talmudi - ſchen Lehre erlauben, die ſeinen Eigennutz und ſei - nen Chriſtenhaß beguͤnſtigt. Die Juden koͤnnen große Freunde von Schweinefleiſch ſeyn, aber Freunde der Chriſten werden ſie nie. Was in ihrem Talmud den letztern zum Nachtheil gelehrt wird, das wird ihnen ewig eine heilige unumſtoͤßliche Wahrheit ſeyn. Alle Jſraeliten, vom reichſten und vornehmſten Pa - pierjuden, der in der Kutſche mit Sechſen faͤhrt, bis hinab zu dem lumpigſten Band - und Bettelbu - ben, der Euch das Schnupftuch aus der Taſche ſtiehlt, werden von Einem Haß gegen die Chriſten, und von der Lehre ihres Talmuds geleitet, daß die Gojim nicht ihre Naͤchſten, ſondern Kinder des Teufels ſind, die keine Rechte auf der Welt haben, und denen Abrahams auserwaͤhlte Kinder ſich folg - lich durch keine Eide verpflichten koͤnnen.

Die Mittel, welche manche Rechtsgelehrte*)Auch Eſtor de Iubrico jurisjurandi Judaeo - rum et generatim et illius speciatim quod ordinatione camerali parte, titulo 86 legi - tur. Marb. 1744. Er geſteht uͤbrigens die Unzulaͤnglichkeit der von ihm vorgeſchlagenen Mittel und Vorſichtsmaßregeln ſelbſt zu. angegeben haben, um die Juden zu gewiſſenhaftenEi -73Eiden in Ruͤckſicht der Chriſten zu noͤthigen, werden nie ihren Zweck erreichen, ſo lange die Hebraͤer den Talmud als eine heilige, ihnen von Gott mitge - theilte Religionsquelle betrachten; ſo lange ihr Haß gegen die Chriſten fortdauert, und ſo lange ſie nicht von ihrer unerſaͤttlichen Habſucht und Geldgier ge - heilt werden. Hoͤchſtens koͤnnen jene Mittel den Eiden der Juden gegen Juden eine Art von Glaubwuͤrdigkeit geben, die aber gleichfalls ſehr ge - ſchwaͤcht wird, wenn man bedenkt, daß ſie die Befugniß chriſtlicher Obrigkeiten und Richter, als unrechtmaͤßig angemaßte Gewalt betrachten.

Der Judeneid iſt alſo nicht allein, wie Michae - lis ſagt, » das haͤcklichſte Ding von der Welt; « ſondern er iſt auch gegen einen Chriſten geleiſtet durchaus unglaubwuͤrdig. Ein Sohn Abra - hams ſchiebt ſo wenig einen ihm zugeſchobenen Eid zuruͤck, wie einen ihm zugeſchobenen Dukaten. Mir wenigſtens, der ich doch lange Zeit praktiſcher Ju - riſt war, eine Menge von Rechtsfaͤllen geleſen und erfahren habe, und viele Laͤnder, wo Jſraeliten wohnten, durchreist bin, iſt nie ein Fall jener Art bekannt geworden. Geſetzt aber, es haͤtte ſich wirk - lich ein ſo wunderbares Ereigniß irgendwo zugetra - gen; ein Jude haͤtte die Leiſtung eines, ihm vom Richter auferlegten oder ihm von ſeinem Gegner zugemutheten Eides verweigert; ſo darf man ſicherII. Baͤndchen. 774annehmen, daß er es nicht aus Gewiſſenhaftigkeit, ſondern blos darum that, weil er triftiger Gruͤnde wegen beſorgte, man wuͤrde ihm, als einem offen - bar Meineidigen, den fuͤr ſeinen Verkehr noͤthigen Kredit entziehen, oder weil er ſich das Anſehen eines gewiſſenhaften Mannes zu geben wuͤnſchte. So kann auch ein Jſraelit vielleicht einmal eine Boͤrſe mit Doppellouisd’or ausſchlagen, um ſich durch dieſe ſcheinbare Uneigennuͤtzigkeit noch mehr in Gunſt zu ſetzen, und noch groͤßern » Rebbes « zu ma - chen; keineswegs jedoch aus Gleichguͤltigkeit gegen das ſchoͤne, edle Metall.

Moͤchten daher alle Richter und Sachwalter nach Moͤglichkeit zu hindern ſtreben, daß kein Jude gegen einen Chriſten, und am we - nigſten dort zu einem Eide gelaſſen wuͤr - de, wo ſein eigner oder der Vortheil ei - nes andern Juden in Beruͤhrung kommen koͤnnte. Auch das Zeugniß eines Juden fuͤr einen Chriſten gegen einen andern Chriſten muͤßte nie, oder nur in ſehr ſeltenen Faͤllen zugelaſſen werden. Wer kennt nicht den Eigennutz und die Beſtechlich - keit der Kinder Abrahams, die fuͤr wenige Gro - ſchen ſchwoͤren, was man begehrt, und wer weiß es nicht, daß es unter dem vornehmen und niedri - gen Poͤbel der Chriſten Viele giebt, die ſich zwar ein Gewiſſen daraus machen, ſelbſt falſch zu ſchwoͤ -75 ren, es aber keineswegs fuͤr ein Unrecht halten, falſche Zeugniſſe von Andern zu erkaufen*)M. ſ. uͤber dieſen Gegenſtand auch noch die Schrif - ten von Grattenauer, Ruͤhs und Frieß uͤber die Juden.?

7 *76

Von der Beſchneidung, der Loͤſung der Erſt - geburt, und andern Dingen.

Meine gefuͤhlvollen und theilnehmenden Leſerinnen werden ſich wahrſcheinlich ſchon lange nach dieſem Kapitelchen geſehnt haben, um zu erfahren, wo und wie die kleinen Juden paradiesfaͤhig gemacht werden. Manchen von Jhnen moͤchte eine ſehr um - ſtaͤndliche Beſchreibung dieſer ſchmerzhaften Opera - tion leicht Ohnmachten zuziehen; darum will ich mich mit moͤglichſter Kuͤrze faſſen. Wem dies nicht genuͤgt, der leſe das zweite Kapitel in Buxtorffs ſalbungs - und geiſtvoller Judenſchule, wo man Al - les, ſogar die Woͤchnerin und die Wiege in ſaubern Holzſchnitten dargeſtellt findet.

Die Beſchneidung ſelbſt geſchieht an der großen Zehe des rechten Fußes, und was dort beſchnitten wird, heißt die Vorhaut, lateiniſch das Praͤputium, weil es ſich an der aͤußerſten Spitze des menſchli - chen Koͤrpers befindet. Blos die Knaben werden beſchnitten; warum nicht auch die kleinen Maͤdchen weiß ich nicht! Vielleicht aus derſelben Urſache, weshalb die Juden wohl Dukaten, aber keine Pfen - ninge beſchneiden.

77

Wenn ein maͤnnliches Juͤdchen geboren iſt, dann iſt das ganze Haus voll Jubel und Entzuͤcken, voll Freude und Wonne, denn beide Eltern ſchmeicheln ſich mit der freundlichen Hoffnung, daß ihr Neu - geborner der verheißene Meſſias ſeyn werde. Der Vater ſorgt nach Moͤglichkeit, daß ſeine Kuͤche und Keller reichlich mit Allem, was einen juͤdiſchen Gaumen nur kitzeln kann, angefuͤllt werden. Kuhn - oder Truthaͤhne, Gaͤnſe, Huhner und Enten ſind in der Naͤhe eines ſolchen Judenhauſes ſich ihres Lebens nicht ſicher, denn was nicht gekauft wird, das muß gekrimpelt, und zum Beſchneidungs - mahl geſchaͤchtet werden. Das geſtohlene Gefluͤgel hat in der Regel den Vorzug, weil es beſſere Bra - ten geben und auch etwas wohlfeiler ſeyn ſoll. Fi - ſche duͤrfen beim Beſchneidungsmahl, welches am achten Tage nach der Geburt gefeiert wird, gleich - falls nicht fehlen. Zu dieſem Gaſtmahl ladet der gluͤckliche Vater nicht weniger als ein Miniau, d. h. zehn Mannsperſonen, ſaͤmmtlich uͤber dreizehn Jahre alt, ein.

Am ſiebenten Abend vor der Beſchneidung kom - men alle, oder doch einige der Geladenen nebſt andern zu der Woͤchnerin. Man ißt und durchwacht die ganze Nacht bei ihr, ſingt und treibt Poſſen, und die Maͤnner betrinken ſich tuͤchtig, um die Mutter zu erheitern, und ſie uͤber den bevorſtehen - den Schmerz ihres kleinen Lieblings zu troͤſten. 78Nebenher lallt man auch recht andaͤchtig einige from - me Gebete, und der Mohel (Beſchneider) wird fleißig ermahnt, ſich nicht allzu ſtark zu betrinken, weil er ſonſt leicht die ganze Zehe mit Allem, was daran haͤngt, wegſchneiden koͤnnte.

Dieſer Mohel muß ein Mann und natuͤrlich ein Jude ſeyn, und ſein Fach gehoͤrig kennen. Ei - nem Neuling, der noch keine Proben von ſeiner Faͤhigkeit ablegte, geſtatten die wohlhaberndern Jſraeliten nicht leicht, dies heilige und wichtige Ge - ſchaͤft an ihren Kindern zu vollziehen. Er ſoll an meinem Bart nicht ſcheeren lernen! ſagen die Rei - chen, und nur die Armen vertrauen einem ſolchen Lehrling die große Zehe ihrer Kleinen, um von ihm zu verdienen » eppes Moos, « welches natuͤrlich ſehr bedeutend iſt, wenn die Beſchneidung uͤble, oder gar toͤdtliche Folgen haben ſollte. Fuͤr einen ſolchen ungluͤcklichen Fall, der ſich nicht ſelten er - eignet, wird immer mit dem Mohel etwas Gewiſ - ſes bedungen; verliert man dann auch das Kind, ſo bekoͤmmt man doch das Geld, und der Schade wird um ſo leichter verſchmerzt, da er gewoͤhnlich nach neun bis zehn Monaten wieder erſetzt iſt. Wie den Vogel an den Federn und die Katze an den Klauen, ſo erkennt Jhr den Mohel gleichfalls an den Naͤgeln ſeiner beiden Daumen, die lang und vorne zugeſpitzt ſind. Zur Beſchneidung ſelbſt be - dient man ſich ſcharfer Meſſer von Stahl, die bei79 reichen Geld - und Papierjuden in Gold und Sil - ber eingefaßt und mit Edelſteinen beſetzt ſind.

Am Morgen des achten Tages nach der Geburt wird das Kind gebadet, gewaſchen und in reine Tuͤcher gewickelt, weil der Mohel ſonſt kein Gebet uͤber daſſelbe ſprechen duͤrfte. Hierauf werden die Gaͤſte zur Beſchneidung gerufen. Dieſe wird ent - weder im Hauſe ſelbſt oder in der Synagoge voll - zogen, gewoͤhnlich bei Sonnenaufgang, wenn das Kind noch nuͤchtern iſt, damit es nicht zu viel blu - ten, und ſich nicht ſo leicht verunreinigen moͤge. Zwei, nach Moͤglichkeit koſtbar geſchmuͤckte Seſſel ſtehen, der eine fuͤr den Propheten Elias, der an - dere fuͤr den Herrn Gevatter bereit, und zwar, wenn die Beſchneidung in der Synagoge vollzogen wird, bei der Arche, in welcher das Geſetz aufbe - wahrt wird. Der Gevatter ſtellt ſich mit dem Mo - hel, neben den fuͤr ihn beſtimmten Sitz; ihnen fol - gen die uͤbrigen Gaͤſte, und einer ruft laut: daß man bringen ſolle, was zur Beſchneidung gehoͤrt. Hierauf kommen mehrere Knaben: einer mit einem großen Armleuchter, auf welchem zwoͤlf Wachslich - ter zum Andenken der zwoͤlf Staͤmme Jſraels bren - nen; zwei mit Bechern voll rothen Wein, einer mit dem Beſchneidemeſſer, und endlich noch einer, der eine Schuͤſſel mit Baumoͤhl und Scharpie zum Verbinden traͤgt. Sie ſtellen ſich um den Mohel her, um von ihm zu lernen, und muͤſſen ihre kleinen80 Aemter fuͤr Geld erkaufen. Außer dieſen geiſtlichen Großwuͤrdentraͤgern finden ſich auch andere, die fuͤr die leiblichen Beduͤrfniſſe ſorgen, und dem Vater, dem Gevatter, dem Mohel und den Uebrigen mit Zuckerwerk, gutem Wein und dergleichen das Herz ſtaͤrken. Wenn Alles verſammelt iſt, ſetzt ſich der Gevatter auf ſeinen Seſſel; der Prophet Elias laͤßt aber den ſeinigen leer. Jndeſſen glauben doch alle fromme Jſraeliten, er nehme, ihnen unſichtbar, ſeinen Platz ein, um zu ſehen, ob ſie die Beſchnei - dung vorſchriftsmaͤßig vollziehen. Elias iſt nemlich, wie ſie lehren, von Gott ſelbſt beauftragt, hieruͤber zu wachen, und deshalb rufen ſie, wenn ſie den Stuhl fuͤr ihn zubereiten, laut aus: dies iſt der Seſſel des Propheten Elias! denn, wenn das nicht geſchieht, koͤmmt Elias nicht. Sein Stuhl bleibt drei Tage lang ſtehen. Der Mohel ſtellt ſich dem Gevatter gegenuͤber und ſingt das, im fuͤnfzehnten Kapitel des zweiten Buchs Moſis enthaltene Lied der Jſraeliten. Hierauf wird das Kind gebracht, und mit dem Ausruf: Baruch habba! (geſegnet ſey, der da koͤmmt!) von dem Gevatter, der es auf den Schoß nimmt, und den Uebrigen empfangen. Der Mohel entbloͤßt die große Zehe des Kindes, faßt die Haut und reibt ſie mit den Worten: Ge - lobet ſeyſt du, Gott unſer Herr, Koͤnig der Welt, daß du uns durch dein Geſetz geheiliget, und uns den Bund der Beſchneidung gegeben haſt! und dann81 ſchneidet er die Haut ſo weit weg, daß man das Fleiſch an der Spitze der Zehe ſehen kann. Das Abgeſchnittene wirft er ſchnell in eine Schuͤſſel mit Sand; giebt das Beſchneidemeſſer dem neben ihm ſtehenden Knaben, aus deſſen Becher er den Mund voll Wein nimmt, womit er das Kind beſpruͤtzt und die Wunde waͤſcht. Nachher nimmt er die Zehe in den Mund, ſaugt das Blut aus, und ſpruͤtzt es in einen Becher mit Wein oder in die Schuͤſſel mit Sand. Dies muß dreimal geſchehen und heißt Mezizah. Wenn das Blut etwas geſtillt iſt, faͤßt der Mohel mit ſeinen ſcharfen, ſpitzigen Naͤgeln die beſchnittene Haut, reißt ſie aus einander, und ſtreift ſie zuruͤck, ſo daß das vordere Glied der Zehe gaͤnzlich entbloͤßt iſt. Dies nennt man die Priach oder die Entbloͤßung, und es muß dem armen ge - marterten Kinde weit ſchmerzhafter ſeyn, als die Beſchneidung ſelbſt. Hierauf wird, wenn Alles mit Oehl verbunden iſt, dem Gott Abrahams, Jſaaks und Jakobs fuͤr das angenehme Geſchenk der Be - ſchneidung herzlich gedankt, und dann waͤſcht der Mohel ſich Mund und Haͤnde. Nachher ſtellt ſich der Gevatter mit dem Kinde vor den Beſchneider; dieſer nimmt den andern Becher mit Wein und ſeg - net das Kind mit den Worten: Herr unſer Gott, und Gott unſerer Vaͤter, ſtaͤrke und erhalte dies Kind ſeinem Vater und ſeiner Mutter; ſein Name ſoll unter dem Volk Jſraels genannt werden: Ruben82 oder Schamſchen! Es freue ſich ſein Vater uͤber den, der aus ſeinen Lenden entſproſſen; es freue ſich ſeine Mutter uͤber dieſe Frucht ihres Leibes, wie geſchrieben ſteht: laß ſich deinen Vater und deine Mutter freuen und froͤhlich ſeyn, die dich ge - zeuget haben! Und: ich gieng dir vorbei, und ſahe dich in deinem Blute liegen und ſprach: in deinem Blute ſollſt du leben! Bei dieſen Worten taucht der Beſchneider ſeinen Finger in den Becher Wein, in welchen er das Blut ſpruͤtzte, und benetzt dreimal die Lippen des kranken Kindes damit. Mit dem uͤbrigen Wein werden die anweſenden Knaben be - wirthet, und damit iſt das Poͤßchen vorbei.

Sollte das Kind, wie es nicht ſelten der Fall ſeyn mag, ſich waͤhrend der heiligen Handlung ver - unreinigen, ſo muß der Mohel augenblicklich mit ſeinen Gebeten und Segnungen inne halten, und das leidende Juͤdchen muß wieder geſaͤubert werden, damit man den Namen des hochgelobten, heiligen Gottes nicht gleichfalls beſchmutze!

Zum Beſchneidungsmahl, welches nach been - digter Ceremonie die Geſellſchaft erwartet, ſind außer den uͤbrigen Gaͤſten gewoͤhnlich mehrere Rab - binen geladen. Dieſe halten uͤber Tiſche lange Ge - bete und Predigten, von denen aber, wie gewoͤhn - lich, die Nutzanwendungen verloren gehen, da die Aufmerkſamkeit der Zuhoͤrer mehr auf die Speiſen und Getraͤnke, als auf die heiligen Reden gerichtet83 iſt. Der Beſchneider bleibt nachher einige Tage bei den Eltern des Kindes, und muß die Heilung der Wunden deſſelben beſorgen.

Kranke Kinder werden nicht am achten Tage, ſondern ſpaͤter beſchnitten; ſterben ſie vorher, ſo beſchneidet man ſie auf dem Begraͤbnißplatz, das Gebet faͤllt aber dann weg, und in einem Denk - male, welches man auf dem Grabe errichtet, er - ſucht man die frommen Jſraeliten, fuͤr das abge - ſchiedene Kind fleißig zu beten, damit der heilige, hochgelobte Gott es doch am Auferſtehungstage aufwecken und wieder lebendig machen moͤge.

Mit den Toͤchtern macht man weniger Um - ſtaͤnde; auch gewaͤhrt ihre Geburt den Eltern lange nicht die Freude, wie die eines Knaben. Ja, oft iſt man ſogar voll Kummer und Herzeleid daruͤber, wenn man mit inniger Sehnſucht die Erſcheinung eines kleinen Meſſias erwartete, und ſich ploͤtzlich in ſeinen ſuͤßeſten Hoffnungen getaͤuſcht ſieht.

Wenn das Kind ſechs Wochen alt iſt, kommen einige junge Maͤdchen, ſetzen ſich um die Wiege, die mit ſchoͤnen Tuͤchern, und nach Maßgabe des Wohlſtandes der Eltern mit goldnen und ſilbernen Guͤrteln und mit Baͤndern geſchmuͤckt iſt; heben die Wiege drei bis vier Mal in die Hoͤhe, und geben der kleinen Tochter einen Namen. Das Maͤdchen, welches am Haupte des Kindes ſteht, iſt die Pathe oder Gevatterin, und die ganze Feier - lichkeit wird mit einem froͤhlichen Mahle beſchloſſen.

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Waͤhrend der ſechs Wochen der Kindbetterin leben die Eheleute in einer Art von Abgeſchiedenheit von einander. Die Frau wird fuͤr unrein gehal - ten; ſie darf mit dem Mann nicht aus einer Schuͤf - ſel eſſen, und er darf ſie nicht einmal anruͤhren. Nach vierzig Tagen badet ſich die Frau Liebſte in kaltem, oder kalt ſeyn ſollendem Waſſer, legt weiße, reine Kleider an, und unſer Verkehr wird wieder hergeſtellt.

Wenn das erſtgeborne Kind ein Sohn iſt, ſo iſt es, nach der moſaiſchen Vorſchrift 2 B. Moſ. 34. V. 19 und 20, dem Herrn geheiligt, und muß am ein und dreißigſten Tage nach der Geburt mit fuͤnf Seckel Silber*)4 B. Moſ. Kap. 18. V. 16. (etwa 2 Rthlr. 12 Groſchen, denn mehr iſt ein Jude nicht werth!) geloͤst werden. Hiezu ladet der Vater einen Cohn oder Prieſter und einige ſeiner Freunde und Bekannten ein, und ſpricht zu dem erſtern, indem er das Kind und das Geld ihm vorlegt: Siehe: meine Frau hat mir gewonnen einen Bechor, und das Geſetz befiehlt, ich ſoll ihn dir geben.

Der Prieſter: Giebſt Du mir alſo deinen Be - chor (Erſtgebornen) nach Ordnung des Geſetzes?

Der Vater: Ja!

Der Prieſter zur Mutter: Biſt Du nie vorher von einem Kinde oder einer Mißgeburt entbunden?

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Die Mutter: Nein!

Der Prieſter zum Vater: Was iſt dir lieber, Dein Geld oder Dein Bechor?

Der Vater: Mein Bechor!

Hierauf nimmt der Prieſter das Geld, legt es neben das Haupt des Kindes und ſpricht: Dieſer Sohn iſt ein Bechor, und der heilige, hochgelobte Gott hat befohlen, ihn zu loͤſen, wie geſchrieben ſteht: ihre Loͤſung ſoll geſchehen nach einem Monat mit fuͤnf Seckel Silbers. Da du noch im Mutter - leibe wareſt, warſt du in der Gewalt deines himm - liſchen Vaters und deiner Eltern; jetzt aber biſt du in meiner Gewalt, da ich ein Cohn (Prieſter) bin. Deine Eltern wuͤnſchen dich zu loͤſen, weil du ihr Bechor und dem Herrn geheiliget biſt, denn es ſtehet geſchrieben: heilige mir alle Erſtgeburt unter den Kindern Jſrael, ſowohl von Menſchen, als von Vieh, denn alles iſt mein. Jetzt ſoll dies Geld an deine Statt kommen, zu deiner als eines Bechors Loͤſung, und es ſoll mir dem Prieſter ge - ſchenkt ſeyn*)Von Rechtswegen, wie billig!. Hab ich dich nun geloͤſet, wie recht iſt, ſo ſollſt du geloͤſ’t ſeyn; wo nicht, ſo biſt du doch nach juͤdiſchem Geſetz geloͤst, und ſollſt wachſen zur Furcht Gottes, zum Eheſtande und zu allen guten Werken, Amen.

Stirbt der Vater vor dem ein und dreißigſten Tage, ſo braucht die Mutter den Bechor nicht zu86 loͤſen, ſondern man haͤngt ihm ein Zettelchen oder eine kleine ſilberne Platte, worauf die Worte: Be - chor ſchaello miphdeh, d. i. dieſer Erſtgeborne iſt noch nicht geloͤst, geſchrieben ſind, an den Hals. Wenn er nachher erwachſen iſt, muß er ſich ſelbſt loͤſen.

Der Preis von drittehalb Thalern fuͤr ein Kind Gottes, fuͤr einen erſtgebornen Sohn Abrahams, Jſaaks und Jakobs ſcheint zwar nicht unbillig zu ſeyn; wenn man aber bedenkt, daß alle uͤbrige Erſtgeburt der fuͤr rein geachteten Thiere gleichfalls den Prieſtern zugeſprochen war, ſo muß man ge - ſtehen, daß Moſes durch dieſe Stiftung, falls ſie wirklich von ihm herruͤhrt, ſehr gut fuͤr die Kaſte der Leviten geſorgt hatte. Ueberhaupt waren wohl, mit Ausſchluß der Katholiken und Tibetaner, die Prieſter keiner einzigen Religionsſekte mit ſo bedeu - tenden Einkuͤnften, ſo vieler behaglichen Muſe und ſo wenig Arbeit geſegnet, als die juͤdiſchen.

Die Beſchneidung iſt aͤgyptiſchen Urſprungs, und ward zwar von Abraham bei ſeiner Nomadenhorde eingefuͤhrt, nachher aber wieder verſaͤumt, bis Mo - ſes, der von aͤgyptiſchen Prieſtern erzogen war, ihr aufs Neue das Anſehen eines goͤttlichen Geſez - zes gab. Uebrigens herrſcht ſie nicht allein bei den Juden, ſondern bei manchen andern morgenlaͤndi - ſchen Voͤlkern; und jene irren daher, nach meiner Anſicht, gar ſehr, wenn ſie den Defekt an ihrem87 Praͤputium fuͤr einen Beweis ausgeben, daß ſie das auserwaͤhlte Volk Gottes ſind, dem die Wohl - that der Beſchneidung ausſchließlich zu Theil ge - worden iſt. Beſchneiden kann man ſchon, nur nicht zuſetzen. Es gilt vom Schneiden, was vom Schrei - ben gilt. Scriptura pro scribente non probat. Haͤtten die Jſraeliten vor andern Voͤlkern ſtatt des Minus ein Plus voraus, ſo wollten wir ihnen eher glauben.

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Von der Erziehung, dem wiſſenſchaftlichen Unterricht, und der gelehrten Bildung der Juden.

Nicht Geburt und Beſchneidung allein, ſondern Erziehung und Unterricht machen den Juden zum Juden. Liegt auch wirklich, wie wir gerne zugeben, in jedem kleinen Hebraͤer der Keim zum aͤchten Bar Jſraels, ſo wuͤrde er doch leicht verkuͤmmern, oder vielleicht gaͤnzlich erſtickt werden, wenn man ihn nicht von der zarteſten Kindheit an mit gewiſſen - hafter Aengſtlichkeit hegte und naͤhrte.

Die Sorge fuͤr die erſte phyſiſche Erziehung, oder beſtimmter fuͤr die Befriedigung der thieriſchen Beduͤrfniſſe der kleinen Juden iſt eine der heiligſten Pflichten ihrer Muͤtter. Nicht allein das Beiſpiel des Mardochai, der, obgleich ein Mann, die lie - benswuͤrdige Koͤnigin Eſther ſelbſt ſtillte, und fuͤr dieſen Ammendienſt nachher von ſeiner Milchtochter zu hohen Aemtern und Wuͤrden befoͤrdert ward, ſondern ſogar der heilige, hochgelobte Gott wird den frommen Juͤdinnen zur Nachahmung aufgeſtellt. Als nemlich der gottloſe Pharao, welchem die Hoͤlleſey,89ſey, alle juͤdiſche Knaben erſaͤufen ließ, da fluͤch - teten die iſraelitiſchen Frauen in die Waͤlder und Einoͤden, und harrten mit Schmerzen ihrer Nieder - kunft. Wenn ſie dann einen Sohn gebahren, ſo gab der Herr der Welt, weil er ſelbſt nicht ſtillen konnte, daß die Erde ſich oͤffnete, das neugeborne Juͤdchen, welches er vorher mit eigenen Haͤnden beſchnitt, in ſich aufnahm und ſich wieder verſchloß. Damit aber die Kleinen nicht im Schooße der Erde verſchmachteten, ſchuf der heilige, hochgelobte Gott fuͤr jeden derſelben zwei Steine, einen, woraus das liebe Kind Milch, und einen andern, woraus es Honig ſog. So erhielt Gott Abrahams, Jſaaks und Jakobs recht wunderbarer Weiſe ſeine Juͤdchen unter der Erde, daß der boͤſe Pharao ihnen nichts anhaben konnte. Wenn ſie nachher heran wuchſen, oͤffnete er ihre unterirdiſchen Gemaͤcher, und Jeder lief dann friſch, froͤhlich und geſund zu ſeiner lie - ben Moͤmme!

Hat nun der heilige, hochgelobte Gott ſo zaͤrt - lich fuͤr die kleinen Judenkinder geſorgt, wie viel mehr iſt es Pflicht der Muͤtter, daſſelbe zu thun?

Vor Allem muͤſſen die letztern, wenn ſie ſelbſt ſtillen, jede Speiſe meiden, die ihnen und ihrem Saͤugling nachtheilig ſeyn koͤnnte; ſie muͤſſen ſu - chen, wenn es ſeyn kann, recht wohlfeil, ſich alle Leckerbißchen zu verſchaffen, denn was ihnen ſchmeckt, das iſt auch dem Kinde geſund; ſie ſollen fernerII. Baͤndchen. 890ſich vor aller anſtrengenden Arbeit huͤten, die ſie ohnehin nicht lieben, und ſtatt deſſen ſich durch er - heiterndes Geſchwaͤtz mit ihren Nachbarinnen und durch Geldzaͤhlen das Leben ſo angenehm, wie moͤg - lich machen.

Man muß geſtehen, daß die Juͤdinnen dieſen Pflichten auf das Treueſte genuͤgen, und daher die Menge lieblichduftender Pflanzen, Blumen und Fruͤchte, die wir dem Saamen Abrahams verdan - ken!

Die Kinder laͤßt man ja nicht nackt tragen oder laufen, denn Sonnen - und Mondenſtrahl ſind ih - nen beide gleich gefaͤhrlich, weil geſchrieben ſteht: die Sonne wird dich am Tage nicht brennen, noch der Mond bei der Nacht! Pſ. 120. V. 6. Auch gewoͤhnt man ſie zeitig, immer mit bedecktem Kopf zu gehen, da die Schechinah, die Herrlichkeit Got - tes, uͤber ihnen ſchwebt, und ſie den heiligen, hochgelobten Gott beleidigen wuͤrden, wenn ſie mit ihren bloßen Grindkoͤpfen an die Schechinah ſtießen. Ueberhaupt kann ein Judenkopf nie zu warm ge - halten werden, und daher iſt eine iſraelitiſche Pelz - muͤtze auch immer zehnmal lebhafter und bevoͤlker - ter, als Noahs Arche.

Von der Wiege an muͤſſen die Kinder ferner einen Guͤrtel tragen, der Bruſt und Unterleib ſchei - det, denn wuͤrde das Herz den letztern ſehen, ſo wuͤrde es ſich verunreinigen und alles Beten wuͤrde91 fruchtlos, ja ſogar Suͤnde ſeyn. Barfuß gehen iſt gleichfalls Suͤnde und beſonders im December und Januar hoͤchſt gefaͤhrlich, weil man dann auf et - was Giftiges von den Katzen treten kann, wovon man geſchwollene Fuͤße bekoͤmmt.

Die ſittliche und religioͤſe Bildung der Jſraeli - ten beginnt, wie ſchon fruͤher bemerkt worden, be - reits im Mutterleibe, wo ein Engel die Kinder das ganze Geſetz lehrt. Wenn ſie aber geboren werden, ſchlaͤgt ihnen ein anderer Engel auf den Mund und dann vergeſſen ſie alles Gelernte. Deshalb muͤſſen ſie den Kurſus nochmal machen. Wenn ſie etwas lallen koͤnnen, lehrt man ſie einige bibliſche Spruͤche und zaͤhlen. Jm letztern machen ſie die ſchnellſten Fortſchritte. Damit ſie auch in feiner Lebensart nicht zuruͤckbleiben, muͤſſen ſie an Sab - bathen und Feiertagen ihre Eltern mit den Worten: guten Morgen oder guten Abend, guten Schabbas! begruͤßen, und vom ſiebenten Jahre an erlaubt man ihnen: Gott gebe Dir oder Jhnen einen guten Schabbas! zu ſagen, denn fruͤher duͤrfen ſie den Namen Gottes nicht hinzuſetzen. Dieſer Unterricht iſt gewoͤhnlich mit kleinen Geldgeſchenken verbun - den, die dem juͤdiſchen Gedaͤchtniß ſehr zu Huͤlfe kommen.

Ueberhaupt ſucht man das Kind ſchon in den Windeln mit dem Werth der edeln Metalle bekannt zu machen. Geld oder Rechenpfenninge ſind das8 *92erſte Spielzeug des Knaben und des Maͤdchens; daher haben Peitſche und Waffen fuͤr den erſtern, und Puppe und kleines Kuͤchengeraͤth fuͤr das letz - tere auch weit weniger Reiz, als ein alter ſchmuz - ziger Thaler, der mit Schimmel und Grunſpan bedeckt iſt. Vater und Mutter ſchwatzen taͤglich von der Herrlichkeit des Reichthums, deſſen Erwerb ſie ihren Kindern als die hoͤchſte Beſtimmung des Men - ſchen, als den einzigen Zweck des Lebens darſtel - len und entrichten. Es iſt wahr, ein armer Jude genießt keiner Achtung, und daher moͤchte man den Jſraeliten ihr aͤngſtliches Streben nach Reichthuͤmern verzeihen, wenn ſie blos die Abſicht haͤtten, ſich durch Geld und Gut und durch die Anwendung deſſelben eine Art von Achtung zu erringen; allein der Jude kauft den Beſitz ſeiner Schaͤtze um jeden Preis; er giebt ſich dem Spott und Hohn und ſelbſt koͤrperlichen Mißhandlungen hin, wenn dieſe nur nicht gar zu ſchmerzhaft ſind, um einige Groſchen zu gewinnen, und das macht ihn nicht blos ver - aͤchtlich, ſondern auch verabſcheuungswerth. Ganz in dieſen ſelbſtſuͤchtigen, eigennuͤtzigen Anſichten wer - den die Kinder der Juden erzogen. Kaum koͤnnen ſie reden, ſo treiben ſie ſchon Wucher und Schacher mit einander, oft gar wohl noch etwas Aergeres. Keines giebt und leiſtet dem Andern das Mindeſte umſonſt und aus Liebe; alles muß bezahlt und vergolten werden, und die Eltern ſind entzuͤckt uͤber93 dieſen Verkehr ihrer lieben Kleinen, der ſo glaͤn - zende Hoffnungen fuͤr die Zukunft erregt. Eigennutz iſt der maͤchtige Hebel aller juͤdiſchen Handlungen. Selbſt die Almoſen an arme Naͤchſten, d. h. Glaubensgenoſſen werden nur gegeben, damit ſie Gott zehnfach wieder bezahlen ſoll; weil aber das Kapital immer etwas unſicher angelegt iſt, und oft mit den Zinſen verloren geht, ſo huͤtet man ſich wohl, ja nicht zu viel zu geben, denn Theilnahme an dem Ungluͤck Anderer und die Freude einen Lei - denden getroͤſtet zu haͤben, ſind in der Regel fuͤr den Juden ganz fremde Gefuͤhle.

Faſt eben ſo ſehr, wie die aͤlterliche Erziehung, eignet ſich der Schulunterricht zur Ertoͤdtung des Guten, und zur Ausbildung des Schacher - und Wuchergeiſtes, der Selbſtſucht und all der ſchlim - men Eigenſchaften, wodurch die Hebraͤer ſo ſehr mißfallen.

Reiche und wohlhabende Jſraeliten halten zwar ihren Kindern haͤufig einen Rabbi als Hauslehrer; doch hat dieſer haͤusliche Unterricht wenig Vorzuͤge vor dem oͤffentlichen in den Gemeindeſchulen. Schon die Art, wie die Jugendlehrer der Juden ſelbſt ge - bildet werden, muß Jeden uͤberzeugen, daß von ihnen fuͤr ſittliche und geiſtige Veredlung ihrer Zoͤg - linge nichts, fuͤr die moͤglichſte Verſchlechterung derſelben aber gar Vieles zu erwarten ſey.

Bei den Jſraeliten, die ſich dem Lehr - oder94 Rabbinerſtande widmen, wird durch die alberne Art ihres Studierens, durch den Wuſt von talmu - diſchem Aberglauben und Unſinn, und durch ihren unbeſiegbaren Hang zu laͤcherlichen Gruͤbeleien und Spitzfindigkeiten, das geringe Fuͤnkchen Geiſt er - ſtickt, was ihnen Mutter-Natur verlieh und was eine verkehrte Jugenderziehung uͤbrig ließ. Das Erſte, was der Rabbiner ſtudieren muß, ſind die drei und ſechzig Foliobaͤnde des Talmuds, welche auch bei dem anhaltendſten Fleiße zehn volle Jahre hinweg nehmen. Hierauf folgen die Thurim oder Geſetzbuͤcher, die gleichfalls einen Aufwand von vier Jahren erfodern, und endlich ein vier-bis ſechs - jaͤhriges Studium der Medraſchim und der Agga - dah, die in einer Menge ungereimter Maͤhrchen und myſtiſcher Auslegungen der heiligen Schrift beſtehen. Hat man auf dieſe Weiſe achtzehn bis zwanzig Jahre getoͤdtet, dann wird der » Kandidat « ge - pruͤft, und tritt, nach befundener Faͤhigkeit, mit verfinſtertem Verſtande, ohne Lebensart und Sitte, ohne Kenntniß der Menſchen und ihrer Verhaͤltniſſe, aber voll des unſinnigſten Aberglaubens und des hochmuͤthigſten Duͤnkels als Lehrer der Gemeinde und der Jugend auf. Je toͤlpelhafter und unbe - huͤlflicher er ſich in dieſem Ehrenſtande zu benehmen weiß, und je weniger Kenntniſſe er von allen Din - gen hat, die nicht unmittelbar ſein Fach beruͤhren, deſto heiliger und froͤmmer wird er geachtet, deſto95 ehrfurchtvoller von ſeinen glaͤubigen Schafen behan - delt; denn ein Rabbiner ſoll, wie der Talmud aus - druͤcklich befiehlt, nichts weiter lernen und wiſſen, als das Geſetz. Alle uͤbrigen Wiſſenſchaften wer - den als unnuͤtz und eitel betrachtet. Der Sohn des Duͤma und der Schweſter vom Rabbi Jsmael fragte ſeinen Oheim: darf ich, da ich das ganze Geſetz ſtudiert habe, mich jetzt zu den griechiſchen Wiſſenſchaften und Kuͤnſten wenden? Denke nach, erwiederte der Oheim, ob es eine Stunde giebt, die weder zum Tage, noch zur Nacht gehoͤrt! Jn dieſer darfſt du die griechiſche Weisheit erlernen, denn es ſtehet geſchrieben: laß das Buch des Ge - ſetzes nimmermehr von deinem Munde kommen*)M. ſ. den talmudiſchen Traktat Menachoth, und vergleiche die kleine vortreffliche Schrift: Ueber Judenreformation. Bavaria 1819. 8.. Aus allen Handlungen der Rabbiner leuchten Stumpfſinn, Unwiſſenheit, ein ſich uͤber Alles er - hebender ſcheinheiliger Duͤnkel und Hochmuth hervor. Sie gleichen darin vollkommen gewiſſen andern geiſtlichen Herren, und deshalb kann ich um ſo mehr eine umſtaͤndliche Schilderung ſparen. Eſſen und Trinken, die Freuden der Ehe und der liebli - che Klang von Silber und Gold, ſind die einzigen irdiſchen Dinge, welche das fromme Herz eines Rabbiners entzuͤcken und ruͤhren, ſo ſehr er ſich auch96 das Anſehen giebt, als haͤtten ſie gar keinen Reiz fuͤr ihn. Als Frankfurt von den Franzoſen bela - gert ward, ermahnte man einen dortigen Rabbiner, ſein gefaͤhrlich gelegenes Zimmer zu verlaſſen, weil die Stadt beſchoſſen wuͤrde. Was kuͤmmert mich das? erwiederte der heilige Mann und las weiter im Talmud, in welchem er ſchon ſeit vierzig Jah - ren ſtudierte. Ein anderer, noch junger Rabbiner ſaß bereits ſeit fuͤnf Jahren bei einem talmudiſchen Buche, ohne darin weiter zu kommen, als bis zum Titelkupfer. Einſt fragte man ihn, was er denn in der ganzen langen Zeit gelernt habe? » Main, antwortete er, ſich die Stirne reibend, do thu ich mich zerbrechen mai Kopf uͤber den Mauſes hier. Wenn es wor Winter, woruͤm hat denn der Mau - ſes nicht an kein Schuh? Und wenn es wor Som - mer, woruͤm hat der Mauſes denn oof Pelzmuͤtz? Jm Traktat Beza (das Ei des Feſttages) wird die wichtige Frage verhandelt: ob man ein Ei, wel - ches von einer Henne am Feſttage gelegt worden, eſſen duͤrfe oder nicht? Der Oberrabbi Hillel mein - te: wenn man nur nicht wuͤßte, daß das Ei am Schabbas gelegt ſey, ſo koͤnne man es, ohne zu ſuͤndigen, wohl eſſen. Sein Gegner Schammai behauptete hingegen, man mache ſich durch das Eſ - ſen des Eies der Suͤnde des Huhns, welches den Sabbath entheiliget habe, gleichfalls theilhaftig. Dieſer Streit beſchaͤftigte zwei hohe Schulen unddar -97darin achthundert Talmudiſten, und ein ganzer großer Folioband ward mit den Verhandlungen daruͤber angefuͤllt*)M. ſ. auch meine ſcherzhaften Erzaͤhlungen. St. Gallen 1821. 8. S. 39.. Es fraͤgt ſich: ob alle Sab - bath - und Feſttagseier, die jemals von juͤdiſchen und nichtjuͤdiſchen Hennen gelegt wurden, die Durch - leſung eines ſolchen Folianten voll Unſinn werth ſind?

Die Rabbiner ſind ſich zu allen Zeiten und in allen Laͤndern geblieben. Noch jetzt werden ſie von demſelben Hange zu thoͤrichten Gruͤbeleien, von demſelben Duͤnkel, Stumpfſinn und Aberglauben beherrſcht, wie zu Hillels und Schammai’s Zeiten. Was ſoll man alſo von ihrem Unterrichte fuͤr die Jugend erwarten?

Zu Hauslehrern waͤhlt man gewoͤhnlich be - ſonders bei reichern Jſraeliten eine Art junger, eleganter Haſenfuͤße, die geckenhaft genug ſind, ſich bei dem winzigſten Wiſſen und bei gaͤnzlichem Man - gel an allem Talent fuͤr » ſchaine Geiſter « und fuͤr » grauße Gelernte « zu halten. Dieſe ſind die keck - ſten, zudringlichſten und widerlichſten Geſchoͤpfe; allenthalben wollen ſie den Ton angeben; uͤber Alles wollen ſie kunſtrichtern und urtheilen; in das Neſt jedes literariſchen Wiedehopfs, und waͤre es auch noch ſchmutziger und unflaͤtiger, als der Freimuͤ -II. Baͤndchen. 998thige des Herrn Auguſt Kuhn in Berlin, wol - len ſie ihre faulen Eier legen. Die jungen reichern Jſraeliten, welche der Leitung ſolcher Wichte an - vertrauet werden, ſind in der Regel nichts beſſer daran, als jene, deren Geiſt von einem ſtumpf - ſinnigen Rabbiner verkruͤppelt wird. Fuͤr die vor - laute, zudringliche Keckheit, welche ſie von ihren Lehrern annehmen und mit laͤcherlicher Feigheit zu paaren wiſſen, muͤſſen Wangen und Schultern haͤu - fig ſehr ſchmerzhafte Erfahrungen machen, wodurch die jungen Herrn uͤbrigens eben ſo wenig kluͤger und beſſer werden, als durch den Unterricht ihrer Hofmeiſter.

Die iſraelitiſchen Erziehungs - und Lehranſtal - ten zu Seeſen und Deſſau ſind meines Wiſſens in Deutſchland die einzigen, welche beſondere Aufmerkſamkeit und Anerkennung verdienen. Aller - dings muß man dem edeln, einſichtsvollen Jakob - ſon zugeſtehen, daß er durch ſeine Anſtalt ſich be - deutende Verdienſte um die Aufklaͤrung und ſittliche Verbeſſerung ſeines Volkes haͤtte erwerben koͤnnen, und daß es nicht ſeine Schuld war, wenn ſeine Abſichten nicht erreicht, ſein ſchoͤnes Beiſpiel von andern eben ſo reichen und vielleicht noch reichern Jſraeliten nicht nachgeahmt wurde. Jakobſons Unternehmen zeugte von eben ſo viel Uneigennuͤz - zigkeit, als Einſicht. Er brachte große Opfer dar, und verwandte Geld, Muͤhe und Zeit, um ſein99 Jnſtitut in Aufnahme zu bringen. Was er that, ward jedoch mehr von Chriſten, als von Juden anerkannt; ſo wie auch wirklich mehrere chriſtliche Lehrer von ihm angeſtellt und auf eine ehrenvolle Art belohnt wurden. Jndeſſen machte man der Anſtalt zu Seeſen ich weiß nicht, ob mit Recht oder mit Unrecht? manche Vorwuͤrfe in Ruͤck - ſicht der Lehrart, beſonders in Betreff der Buͤcher, deren man ſich beim Unterricht der Kinder bediente. Das alte Teſtament ließ man zum Beiſpiel, als erſtes Religionsbuch, ohne Auswahl des Jnhalts von den Kindern aus dem Hebraͤiſchen in die Lan - desſprache uͤberſetzen. Gewiß ein wichtiger Fehlgriff, woruͤber ich weiterhin ſprechen werde. Sollten aber auch wirklich jene Vorwuͤrfe ſaͤmmtlich gegruͤn - det ſeyn, ſo fallen ſie doch weniger dem Stifter, als den Lehrern, und vielleicht nicht einmal dieſen, ſondern den Vorurtheilen zur Laſt, denen man ſich anſchmiegen mußte, um das Vertrauen zu verlie - ren. Jakobſon konnte bei dem beſten Willen und bei der Menge eigener und fremder Geſchaͤfte nicht mehr und eifriger wirken, als was er wirkte und that. Sein Name wird jedem Rechtlichen un - ter allerlei Volk ſtets ehrwuͤrdig ſeyn.

Nicht weniger Achtung verdient die eben ſo vortreffliche Erziehungsanſtalt fuͤr Jſraeliten zu Deſſau, obgleich ihr dieſelben Vorwuͤrfe gemacht werden. Sehr geiſtreiche Maͤnner iſraelitiſchen Be -9 *100kenntniſſes, die als Schriftſteller ruhmvoll ſich aus - gezeichnet haben, ſind Lehrer an dieſem Jnſtitut, welches in Ruͤckſicht des wiſſenſchaftlichen Unterrichts und der Sorgfalt fuͤr die Sittlichkeit und Geſund - heit der Zoͤglinge manchen geruͤhmten chriſtlichen Anſtalten vorzuziehen ſeyn ſoll.

Die iſraelitiſche Lehranſtalt des Doktor Hei - nemann in Berlin iſt, wenn gleich minder betraͤcht - lich, doch immer ſehr achtungswerth. Heinemann ſelbſt iſt einer der beſten Koͤpfe juͤdiſcher Nation, und ſo weit ich ihn aus ſeinen Schriften beurthei - len kann, ein ſehr ſchaͤtzenswerther, aufgeklaͤrter Mann, dem Jeder recht gerne das Gelingen ſeiner menſchenfreundlichen Abſichten wuͤnſchen muß*)Jrre ich nicht, ſo iſt der Doktor und Oberrabbiner Guͤnsburg, der ſich gleichfalls als Schriftſteller vortheilhaft ausgezeichnet hat, Mitunternehmer und Gehuͤlfe von Heinemann..

Das ſind drei kleine lichtvolle Punkte, drei ſchimmernde Sterne an einem großen, weiten, ſchwarzen Horizont. Alles Andere iſt dunkle ſchwarze Nacht, und ſelbſt jene drei hellen Puͤnktchen wuͤr - den verloͤſchen, wenn ſie nicht mit vieler Muͤhe von den Unternehmern in ihrem ſchwachen Schein er - haltén wuͤrden. Ein Beweis, daß den Jſraeliten, im Ganzen genommen, aller Sinn fuͤr ſittliche und geiſtige Veredlung fehlt, und daß ſie ſelbſt die Ge - legenheiten, welche einige ihrer beſſern Glaubens -101 genoſſen ihnen darbieten, weder benutzen, noch un - terſtuͤtzen moͤgen.

Unſtreitig erwuchern doch Abrahams ſchlaue und ſparſame Enkel ungeheure Summen von den Chriſten, die nie wieder zu dieſen zuruͤck kehren. Koͤnnten ſie nicht von all den Millionen etwas ab - geben, um Schulen und Erziehungsanſtalten zu errichten, die jenen von Seeſen und Deſſau gleich kaͤmen, und worin ihre Kinder zu nuͤtzlichen brauch - baren Menſchen, nicht zu gaunerhaften, geldſtolzen und habſuͤchtigen Wucherern und Papierjuden ge - bildet wuͤrden? Jch moͤchte faſt meinen Kopf gegen eine Dublone verwetten, daß Jakobſon, Fraͤnkel und Friedlaͤnder in Meiningen nicht auf den Schub gebracht, daß ihnen in Frankfurt keine Fenſterſcheiben eingeworfen worden waͤren, wenn ſie dort gewohnt und man ſie eben ſo genau gekannt haͤtte, wie den Herrn Baron von Rothſchild und ſeine andern dor - tigen Glaubensgenoſſen. Haͤtte man den fruͤher Genannten wirklich ein Staͤndchen bringen wollen, ſo waͤre es ſicherlich keine Fenſtermuſik, fondern ein freundliches: Ziehet hin in Frieden ꝛc. geweſen. Es koͤmmt gar viel auf die Verhaͤltniſſe und auf das Betragen an:

Die geiſtige und ſittliche Bildung der Jugend iſt alſo bei den minder Wohlhabenden toͤlpelhaf - ten, ſtumpfſinnigen und gruͤbelnden Rabbinern, bei den Reichern zudringlichen, eingebildeten und un -102 wiſſenden Laffen uͤberlaſſen, denn von den wenigen, wirklich guten Anſtalten wird nur ein ſehr kaͤrgli - cher Gebrauch gemacht.

Laßt uns jetzt zur naͤhern Darſtellung des gewoͤhnlichen haͤuslichen und oͤffentlichen Unter - richts und den damit verwandten Gegenſtaͤnden uͤber - gehen!

Schon fruͤhe wird den Kindern Haß, Wider - wille und Verachtung gegen alle Nichtjuden einge - praͤgt. Verzeihen moͤchte man es den Eltern, wenn ſie ihre Kinder anhielten, nicht mit Chriſtenkindern zu eſſen und zu trinken, da ihre Religionsbegriffe ihnen das verbieten; allein auch ſelbſt die Theil - nahme an einem unſchuldigen Spiel nichtjuͤdiſcher Kinder wird nur im aͤußerſten Nothfall, und dann geſtattet, wenn man mit den Eltern der letztern in genauem Verkehr ſteht oder denſelben ſonſt Ruͤck - ſichten ſchuldig iſt. Kein Wunder, daß ein, in ſo zarter Kindheit eingeimpfter Haß ſich bis in das hoͤchſte Alter erhaͤlt und bei jeder vermeintlichen, von einem Chriſten empfangenen Beleidigung zur gluͤhendſten, rachgierigſten Erbitterung ſteigt, zumal da er durch religioͤſe Grundſaͤtze ſelbſt genaͤhrt und angefacht wird. Dieſer Widerwille der Juden ge - gen die Chriſten, der weder durch Verleihung von Staatsbuͤrgerrechten, noch durch andere Beguͤnſti - gungen jemals getilgt werden kann, iſt ein wichti - ges Hinderniß der ſittlichen Verbeſſerung der Juden. 103Was kuͤmmert man ſich um die Achtung oder Ver - achtung deſſen, den man ſelbſt verachtet und mit Groll und Abſcheu anſieht? Mag der Jude noch ſo ſchaͤndlich gegen den Chriſten handeln; er wird doch von ſeinen Glaubensgenoſſen hoͤher geſchaͤtzt, als der rechtlichſte Mann, der kein Jude iſt. Die Mißbilligung von wenigen Beſſern unter ſeinen Mitbruͤdern iſt ihm alſo gleichguͤltig, da er durch den maͤchtigen Schild ſeines Glaubens gedeckt und durch die laute Stimme der Mehrzahl fuͤr jeden heimlichen und leiſen Tadel entſchaͤdigt iſt.

Fruͤh genug, im fuͤnften Jahre beginnt der Schulunterricht. Allein nur durch Bitten, Schmei - cheleien und Geſchenke laͤßt der kleine Jſraelit ſich bewegen, Theil daran zu nehmen. Umſonſt verſi - chert man ihn, das Geſetz werde ſo ſuͤß ſeyn auf ſeinen Lippen, wie Zucker und Honig; er werde » graußer Mann, reicher Mann « werden, wenn er huͤbſch lernte rechnen und ſchreiben; er bleibt taub und unglaͤubig fuͤr Alles, bis man endlich ei - nen foͤrmlichen Vertrag mit ihm eingeht, ihm ſchon jetzt Zucker und Honig zu geben, und auch ab - ſchlaͤglich etwas Muͤnze ihm zu zahlen. Die Gegen - ſtaͤnde des Unterrichts vom fuͤnften bis zum zehnten Jahre beſtehen im Geplaͤrr von Gebeten und dem Kinde ganz unverſtaͤndlichen bibliſchen Spruͤchen; im Leſenlernen des Hebraͤiſchen; im Ueberſetzen aus dieſer Sprache in die Landesſprache, welche ſo wenig104 der Lehrer als der Schuͤler verſteht; im Rechnen, worin der fuͤnfjaͤhrige Zoͤgling ſchon einen ziemli - chen Grund gelegt hat, und endlich im Schreiben des Hebraͤiſchdeutſchen. Damit nun das Juͤdchen bei Zeiten alle Untugenden und Schelmereien ſeiner frommen Vorfahren kennen lernen und kuͤnftig nach - ahmen moͤge, ſo muß es, wenn es die noͤthigen Vorkenntniſſe erlangt hat, die fuͤnf Buͤcher Moſis leſen und verdeutſchen oder verundeutſchen. Dies geſchieht ohne die mindeſte Auswahl und ohne Ruͤckſicht auf den Jnhalt. Die Verbote und grel - len Beſchreibungen der ſchaͤndlichſten Laſter lernt das Kind hier auswendig, und was es nicht ver - ſteht, das wird ihm von dem, gewoͤhnlich Alles praktiſch kennenden Schulmeiſter erklaͤrt und ver - ſinnlicht. Das alte Teſtament verdient alle moͤg - liche Achtung; allein es iſt durchaus kein Buch, das ſich ohne Ausnahme fuͤr die reifere Jugend, geſchweige denn fuͤr die noch zartere Kinderwelt eignet. Wie manche Stelle findet man nicht, wo - durch die Neugier rege gemacht, die Einbildungs - kraft erhitzt, und Schamgefuͤhl und Sittlichkeit der Kinder erſtickt werden muͤſſen? Was vielleicht dem Alter frommt, das iſt der Jugend toͤdtliches Gift. Welchen Eindruck muß es uͤberdies auf das Gemuͤth des jungen Kindes machen, wenn es liest, wie der fromme Erzvater Jakob ſeinem hungrigen Bruder fuͤr ein ſchlechtes Gericht Linſen die Rechte der Erſt -105 geburt abſchachert; wie er nachher mit Huͤlfe der Mutter ſeinen alten blinden Vater betruͤgt; wie er den Schwiegervater Laban durch allerlei Raͤnke und Kniffe um das Seinige prellt; und wenn dann zum Schluß dieſer Jakob noch von Eltern und Leh - rern als ein Muſter der Nachahmung aufgeſtellt wird? Wahrlich, wer unſern Vater Jakob fuͤr ei - nen frommen Mann haͤlt, der iſt nahe daran, den Teufel fuͤr heilig zu halten! Bei ſolchem Unter - richt muͤßte man ſich wundern; wenn der Jude kein Spitzbube wuͤrde! Was fuͤr Vertrauen ſoll aber der Chriſt faſſen zu dem Jſraeliten, der von der zarteſten Kindheit an in jenen Grundſaͤtzen erzogen ward, bei dem durch die Beiſpiele und Lehren ſei - ner Vorfahren, Eltern und Erzieher ſchaͤndlicher Eigennutz, Haß gegen Andersdenkende, beſonders gegen Chriſten, Neigung zum Betrug und zur Un - redlichkeit jeglicher Art fruͤhzeitig entwickelt und als Tugenden gelobt wurden? Gerne gebe ich zu, daß in manchen chriſtlichen Schulen der Unterricht wenig vernuͤnftiger und beſſer iſt; allein was dort durch die Lehre verderbt wird, das wird gewoͤhn - lich durch das Beiſpiel der Eltern oder anderer nahe verwandten Perſonen wieder verguͤtet und ausge - loͤſcht.

Außer dem Leſen und Ueberſetzen macht Rech - nen und Schreiben des Hebraͤiſchen oder Hebraͤiſch - deutſchen einen Haupttheil des erſten Unterrichts106 aus. Die edle Rechenkunſt iſt dem Juden die lieb - ſte und theuerſte aller menſchlichen Wiſſenſchaften, denn auf ihrer gruͤndlichen Kenntniß und ihrer pfif - figen Anwendung beruht ſein ganzes zeitliches Gluͤck. Ueberdies ſind Zahlen das wahre Element des juͤ - diſchen Geiſtes. Alles, Endliches und Unendliches, will er berechnen, und die Groͤße und Herrlichkeit Gottes, die Dauer der Ewigkeit ſogar, ſind den gruͤbelnden Rabbinern leichte Rechenexempel. Die Augen des heiligen, hochgelobten Gottes, ſo lehren ſie, ſind dreimal hunderttauſend acht hundert goͤtt - liche Meilen von einander. Eine goͤttliche Meile enthaͤlt eine Million goͤttlicher Ellen; eine goͤttliche Elle iſt vier goͤttliche Spannen, und eine goͤttliche Spanne iſt ſo lang wie der Durchmeſſer der Erde. Dieſer Hang zum Rechnen und Zaͤhlen iſt dem Juden angeboren, wie die Neigung zum Schachern und Stehlen. Es giebt Wenige, denen Eines oder das Andere fehlte, und wo es nicht Geſchenk der Natur iſt, da wird es durch Erziehung und Bei - ſpiel eingeimpft.

Bis zum zehnten Jahre iſt der Knabe im Rech - nen geuͤbter, als Adam Rieſe, und oft ſchon, ſo weit die Verhaͤltniſſe es geſtatten, ſelbſtſtaͤndiger Wechsler und Handelsmann. Ausgelernt auf alle Schelmereien und Pfiffe, dreiſt, gewandt und ſchwatzhaft weiß der kleine Jude bereits in einem Alter, wo der Chriſt kaum die Muͤnzen ſeines Lan -107 des kennt, und oft noch Meſſing fuͤr Gold, Zinn fuͤr Silber anſieht, Reichthuͤmer und Schaͤtze zu - ſammen zu hamſtern, die man unter ſeinen Lumpen nicht ahnen ſollte. Kein Gewinn iſt ihm zu klein, kein Lappen zu ſchmutzig, kein Geſchaͤft, das nur ohne koͤrperliche Anſtrengung vollbracht werden kann, zu eckelhaft und unehrlich, wenn er nur einen Pfen - ning dabei verdienen kann. So lobenswerth uͤbri - gens die Neigung zum Erwerben ſeyn mag, ſo ſchaͤdlich fuͤr das Gemeinwohl iſt die unerſaͤttliche Habgier, welche der juͤdiſchen Betriebſamkeit zum Grunde liegt, und wodurch aller chriſtliche Verkehr zerſtoͤrt werden muß. Faſt jede Judenfamilie be - ſteht aus ſo viel Handelsleuten, Wechslern und Diebshehlern, als ſie Alte und Junge zaͤhlt, die gehen und ſprechen koͤnnen, denn das Kind, wel - ches kaum lallen kann, will nicht ſpielen, ſondern ſchachern und verdienen; will ſich Reichthuͤmer ſam - meln, weil es taͤglich von den Eltern hoͤrt, daß wer nur Geld hat » graußer Mann, frommer Mann, kluger Mann « ſey. Und daher iſt auch eine einzige Judenfa[m]ilie dem Verkehr und Wohl - ſtande der chriſtlichen Bewohner einer Mittelſtadt faſt noch verderblicher, als zehn Marderneſter einem Taubenhauſe. Ueber die Mittel zu gewinnen, ſind die Juden niemals gewiſſenhaft, und ſelten bedenk - lich. Blos in Faͤllen, die gefaͤhrliche Folgen haben koͤnnen, wird zur Vorſicht und Verſchwiegenheit108 ermahnt, und ſelten wird das Judenkind durch un - zeitige Plauderhaftigkeit, wie ſich dies haͤufig bei Chriſten ereignet, ſeine Eltern oder Geſchwiſter ver - rathen; es fuͤhlt ſich vielmehr geſchmeichelt, ihr Vertrauter und Mitwiſſer zu ſeyn, und da man es zeitig lehrt, ſeine eigenen kleinen Schelmereien zu verheimlichen, ſo verſchweigt es auch die ſeiner El - tern und Angehoͤrigen. Die mit vielen hebraͤiſchen Worten vermiſchte und kauderwaͤlſch zuſammen ge - ſetzte Sprache, woran die Kinder zeitig gewoͤhnt werden, der mißtrauiſche Widerwille gegen alle Nichtjuden, den man ihnen von der Wiege her ein - pflanzt, und die ſtrenge Abgeſchloſſenheit, durch welche man ſie von allem chriſtlichen Umgang zu entfernen weiß, ſichert uͤberdies die Alten und Er - wachſenen hinlaͤnglich, daß die Kleinen nie durch vorlaute kindiſche Geſchwaͤtzigkeit unwillkuͤhrliche Verraͤther der Bosheiten und Schelmſtreiche werden und werden koͤnnen, die ſie mit anſehen.

Es darf alſo nicht befremden, wenn man in dem kaum achtjaͤhrigen Judenknaben bereits einen ſchlauen Troͤdler, einen habgierigen, hartherzigen Wucherer, einen betruͤgeriſchen Wechsler, einen ver - ſchmitzten Dieb und Diebshehler, einen abgefeim - ten, ehrloſen Kuppler, und kurz den verworfenſten Schelm von der Welt vor ſich ſieht. Alle dieſe Geſchaͤfte treibt das Juͤdchen, von ſeinen Eltern geleitet, als Spielwerk, und ſtudiert nebenher, vom109 zehnten bis dreizehnten Jahr, die Miſchna und die fuͤnf Buͤcher Moſis. Jſt das dreizehnte Jahr er - reicht, dann wird der liebe Sohn von ſeinem Va - ter fuͤr einen Bar Mitzvah, fuͤr einen Sohn der Gebote erklaͤrt, d. h. er wird fuͤr ſchuldig erkannt, alle ſechshundert und dreizehn Gebote der juͤdiſchen Religion zu halten, und fuͤr die Uebertretungen derſelben ſowohl die weltlichen, als geiſtlichen Stra - fen Gottes zu leiden; denn was er vor dem drei - zehnten Jahr gekrimpelt oder geſtohlen, gewuchert, gekuppelt, gewippt, gekippt, durch Dukaten - und Thalerbeſchneiden, Sabbathſchaͤnden, Schweine - fleiſcheſſen ꝛc. ꝛc. ꝛc. geſuͤndiget hat, das Alles wird von dem lieben Gott auf Rechnung des Vaters geſchrieben, und an dieſem beſtraft. Bis zum drei - zehnten Jahre iſt alſo der junge Jude, er moͤge thun, was er wolle, ſo rein, wie ein Engel des Himmels. Wenn die Kinder vor dieſem Zeitpunkt bei ihrem Rabbi die Thorah (das Geſetz) lernen, und Gottes Wort von ihren unſchuldigen Lippen ſtroͤmt, dann beluſtiget ſich die Schechinah, die Herrlichkeit Gottes in dem Hauch ihres Mundes, denn nichts iſt heiliger und reiner, als dieſe iſrae - litiſchen Kindlein, die noch nicht geſuͤndiget haben; nichts iſt dem hochgelobten Gott ſuͤßer und liebli - cher, als ihr knoblauchduftender Athem*)Bava mezia Fol. 85, 1..

110

Die Erklaͤrung fuͤr einen Bar Mitzvah ge - ſchieht auf folgende Weiſe. Der Vater ladet ein Minian (wenigſtens zehn) erwachſene Juden maͤnn - lichen Geſchlechts ein, und zeigt ihnen an: ſein Sohn ſey dreizehn Jahr alt; kenne die Gebote und alle Arten des Gebrauchs der Zizis und Tephillim; wiſſe ſeine Gebete (Benſchen) gut herzuſagen, und deshalb wolle er, der Vater, von ihm befreiet und entledigt (patur) ſeyn, da der Sohn als Bar Mitzvah ſeine Suͤnden und deren Strafen von jetzt an ſelbſt tragen koͤnne. Wenn dieſe Erklaͤrung von den Anweſenden genehmigt worden, dankt der Va - ter in einem kurzen Gebet dem heiligen, hochgelob - ten Gott, daß er ihn von den Suͤnden und Stra - fen des Sohnes losgeſprochen habe, und flehet ihn an, er moͤge den neuen Bar Mitzvah recht fromm, klug, alt und vor Allem recht reich werden laſſen.

Soll der Bar Mitzvah noch weiter etwas ler - nen, ſo ſtudiert er vom dreizehnten bis zum ſech - zehnten Jahre die Gemara, und nachher, oft aber auch weit fruͤher, wenn die boͤſen Gojim es nur leiden wollen, wird geheirathet.

Der gewoͤhnliche Schulunterricht iſt alſo faſt ganz auf Religionslehre, Rechnen und Schreiben mit hebraͤiſchen Schriftzuͤgen beſchraͤnkt; denn ſelten findet ſich ein Schulmeiſter, der fertig deutſch leſen und ſchreiben kann, und verſteht er wirklich ſo viel, dann laͤßt er ſich ſeine Stunden beſonders bezahlen.

111

Allen uͤbrigen Gegenſtaͤnden des menſchlichen Wiſſens, welche den Geiſt aufklaͤren und bilden koͤnnten, der Geſchichte, Erdbeſchreibung, Natur - lehre u. ſ. w. iſt in den juͤdiſchen Volksſchulen die Thuͤre verſchloſſen. Wie ſollten die Schuͤler kluͤger und gelehrter werden wollen, als ihr Rabbi? Wer mehr zu wiſſen begehrt, muß es durch eigenen Fleiß oder von Chriſten erlernen, und das Letztere ſieht man ſehr ungern. Selten fuͤhrt Wißbegierde, ſon - dern gewoͤhnlich bloßer Eigennutz die Juden in ſolche Verſuchung, und dann wenden ſie ſich aus Kargheit meiſtens an Winkelſchullehrer, die aus Gewiſſenhaftigkeit mit ihren Stunden recht wohlfeil ſind, weil ſie wiſſen, daß man nichts von ihnen lernen kann.

Von den juͤdiſchen Hauslehrern war ſchon fruͤ - her die Rede. Was ſie vor den gewoͤhnlichen Leh - rern der iſraelitiſchen Volksſchulen voraus haben, beſteht in wenigen oberflaͤchlichen Kenntniſſen, und meiſtens in einem Anſtrich von dem, was man vor dreißig bis vierzig Jahren Bellettriſtik nannte. So wie damals eine erzwungene Sentimentalitaͤt, empfindſame Poeſie und Dramaturgie bei den mei - ſten chriſtlichen Hofmeiſtern und Kandidaten ihr Obdach fanden; ſo haben ſie es gegenwaͤrtig bei den juͤdiſchen Hauslehrern, die auf Bildung und Eleganz Anſpruch machen; denn bekanntlich haben die unſrigen es neben der edeln Kinderpaukerei112 und Gymnaſtik jetzt hauptſaͤchlich mit der Politik und der Wiederherſtellung der goldenen Zeiten zu thun, wo unſere lieben Voreltern noch Eicheln aſ - ſen. Wir machen es mit unſern geiſtigen Liebhabe - reien, wie mit unſern Kleidern; wenn ſie uns zu alt ſind, ſo verkaufen wir ſie fuͤr einen Spottpreis den Juden, die nachher, ſie moͤgen ihnen paſſen oder nicht, damit umher ſtolzieren. So gieng es mit der Bellettriſterei, und ſo wird es mit der Politik gehen, wenn ſie fuͤr uns keinen Reiz mehr hat, das heißt, ſo bald unſere Schneider erſt fuͤr bequemere Kleider geſorgt haben. Doch damit wird es wohl etwas dauern. Selten findet ein reicher Jude einen Mann ſeiner Nation, der als Hauslehrer ſeinen Kindern in der That durch Un - terricht und Beiſpiel nuͤtzlich ſeyn koͤnnte, und fin - det er ihn ja, ſo belohnt er ihn kaͤrglich und be - handelt ihn wohl gar mit ſtolzem Uebermuth als ſeinen erſten Dienſtboten. Der wirklich gebildete Mann, ſey er Jude oder Chriſt, leidet das nicht; er ſucht ein anderweitiges Unterkommen, wo er beſſer behandelt wird, wenn er auch nicht mehr oder vielleicht noch weniger an baarem Gelde gewinnen ſollte. Jch weiß gar wohl, daß dies hin und wie - der bei Chriſten nicht minder der Fall iſt; aber doch gewiß aͤußerſt ſelten, und nur da, wo der Hausherr ſich noch nicht aus dem Zuſtande thieri - ſcher Rohheit erhoben hat. Kein gebildeter Mannglaubt113glaubt mit einer Hand voll elenden Metalls dem gewiſſenhaften, rechtſchaffenen Erzieher die Bildung ſeiner Kinder bezahlen zu koͤnnen; er wird ihn viel - mehr als ſeinen vorzuͤglichſten Freund mit Liebe und Dankbarkeit ſchaͤtzen, ehren und auszeichnen. Nur der Jude, welcher waͤhnt, daß fuͤr ſein Geld alles feil ſey, und der dumme Toͤlpel, der keinen Sinn fuͤr ſittliche und geiſtige Bildung hat, weil er ſelbſt keine beſitzt, kann den Lehrer ſeiner Kin - der zum Bedienten oder gar zum Sklaven herab - wuͤrdigen wollen, der Alles thun und dulden muß, was man ihm auflegt.

Ungeachtet der vielen Hinderniſſe, welche einer hoͤhern und edlern Geiſtesentwickelung der Juden entgegen ſtehen, und die theils in ihrer Religions - lehre, ihrer Erziehung, ihrem Hange zum Aben - theuerlichen, zu Gruͤbeleien und Spitzfindigkeiten, in ihren volksthuͤmlichen Eigenheiten, und in den, aus dieſem Allen entſpringenden politiſchen Verhaͤlt - niſſen liegen, haben ſie doch eine betraͤchtliche An - zahl ausgezeichneter Schriftſteller hervorgebracht. Die Namen eines Spinoza, Maimon, Markus Herz, Moſes Kuh, Bloch, Mendelsſohn, Fried - laͤnder, Fraͤnkel, Boͤrne, Buͤſchenthal, Bondi, Heinemann, Guͤnsburg, d’Jſraeli, und anderer verdienen mit Achtung genannt zu werden. Allein ich bin uͤberzeugt, daß kaum der ſechste Theil der - ſelben aͤcht abrahamitiſcher Herkunft iſt. Die Jn -II. Baͤndchen. 10114den waren eben ſo arge Proſelytenmacher, wie die Chriſten und Mahomedaner, und wie die Jeſuiten es noch heutiges Tages ſind. Was Rechtliches und Ehrenwerthes unter ihnen iſt, das iſt durchaus fremdes und geſtohlenes Gut, denn auch geſtohlen oder gekrimpelt haben ſie Kinder von Heiden und Chriſten, ſie beſchnitten und zu Juden gemacht, weil ſie glaubten, » dem hochgelobten, heiligen Gott eine große Gefaͤlligkeit dadurch zu erzeigen, « wenn ſie verſtuͤmmelten, was er vollſtaͤndig erſchaffen hat.

Um indeſſen dem aͤchten Saamen Abrahams nicht Unrecht zu thun, muß man ihm zugeſtehen, daß er gleichfalls einige recht beruͤhmte Schriftſtel - ler hervorgebracht hat. Jch meyne nemlich die, welche ihre kleinen, gehaltvollen Flug - oder Fluch - ſchriften unter den beſcheidenen Titeln von Obliga - tionen, Banknoten, Schatzſcheinen, Lotterieplanen, Looſen u. ſ. w. zum Theil bei recht reputirlichen Verlegern herausgaben. Den ganzen Ehrenſold fuͤr meine Judenſchule geb ich demjenigen meiner Leſer, der mir eine vollſtaͤndige Sammlung aller dieſer » zerſtreuten Blaͤtter « und Blaͤttchen in der Originalausgabe und zwar innerhalb fuͤnf Jahren liefert, denn nachher, (Quinquennio elapso) zahle ich keinen Batzen dafuͤr. Obgleich dieſe kleinen Fluchblaͤtter keineswegs in das Fach der ſentimen - talen Poeſie einſchlagen, ſo kann man doch verſi - chert ſeyn, daß ſie ihren Beſitzern dereinſt Millio -115 nenmal mehr Thraͤnen entlocken werden, als jemals alle Siegwarte und Werthers ihren gefuͤhlvol - len Leſern und Leſerinnen.

Da ich einmal bei den iſraelitiſchen Schrift - ſtellern bin, ſo ſchließe ich mit einem derſelben, mit Herrn L. Hellwitz. Dieſer trat gerade zu jener Zeit als Sachwalter ſeiner Glaubensgenoſſen auf, als von den Ufern des Rheins und des Mains bis zum Kattegatt der Ausruf Hepp! Hepp! dem armen, reinen Judenvolk, wie die Poſaune des Weltgerichts, in die Ohren droͤhnte. Herr Hellwitz hielt dieſen Zeitpunkt gerade fuͤr den paßlichſten, den chriſtlichen Regierungen in einer Druckſchrift (die Organiſation der Jſraeliten in Deutſchland 1819) zum Beſten der Juden eine Anzahl von Foderungen vorzulegen, durch deren Gewaͤhrung die, ohnehin genug gedruͤckten und er - bitterten Voͤlker noch mehr gedruͤckt und erbittert worden waͤren. Außer einer allgemeinen und voll - kommenen Gleichſtellung der Juden mit den Chri - ſten begehrt er beſonders die Anordnung und Ein - richtung eines großen und kleinen Sanhedrins, die auf chriſtliche Koſten das Kirchen - und Schul - weſen der Jſraeliten leiten ſollen, und Freiheit fuͤr die Judenkinder, die chriſtlichen Schulen zu beſuchen, nebſt der Verpflichtung fuͤr die chriſtlichen Lehrer, in der Geſchichte Jeſu und der chriſtlichen Religion partheilos von den Jſraeliten zu reden.

10 *116

Von dem erſten Begehren, der buͤrgerlichen Gleichſtellung der Juden mit den Chriſten ſchweige ich, da es hier nicht zur Sache gehoͤrt, und be - merke blos, daß man dem unbeſcheidenen Fremden, der von ſeinem Wirth nicht allein freundliche Auf - nahme und koſtenfreie Bewirthung, ſondern ſogar hausherrliche Rechte und Vorzuͤge begehren wollte, gewiß allenthalben bei Juden und bei Chriſten, als einem ungeſchliffenen Grobian, die Thuͤre zeigen wuͤrde; und das von Rechtswegen! Die chriſtlichen Regierungen ſind indeſſen an manchen Orten aus angeſtammter Milde zum Jammer und groͤßten Schaden ihrer Unterthanen gegen die Juden nach - ſichtiger und willfaͤhriger geweſen.

Die Errichtung eines großen und eines kleinen Sanhedrins zur Leitung des iſraelitiſchen Kirchen - und Schulweſens in Deutſchland waͤre nicht uͤbel; aber Herrn Hellwitzens Verlangen, daß die Chri - ſten dazu die Koſten hergeben ſollen, zeigt blos, daß er ein Jude, und ein aͤchter Sohn Abrahams, Jſaaks und Jakobs iſt. Die Deutſchen haben, duͤnkt mir, ſo viele Abgaben und Laſten zu tragen, daß man ſie wohl mit einer ſolchen Zumuthung verſcho - nen kann. Wollten die Juden einen großen und einen kleinen Sanhedrin haben, ſo muͤßten ſie die - ſelben, mit Zuſtimmung der betreffenden Regierun - gen, auf ihre Koſten errichten und die dabei An - geſtellten ſelbſt beſolden. Außerdem muͤßten ſie auch117 fuͤr die noͤthigen Gebaͤude ſorgen, worin die beiden Sanhedrine ihre Sitzungen hielten, und die » Pep - piere « und Gelder verwahrt wuͤrden; und ſodann muͤßte man noch eine Menge von Amtswohnungen fuͤr die Herrn Praͤſidenten, Vicepraͤſidenten, San - hedrinsraͤthe, Sekretaͤre, Kanzelliſten und Kopiſten, Bidellen u. ſ. w. haben. Alle dieſe Gebaͤude wuͤr - den aber viel Geld koſten. Geſetzt uͤbrigens, man kaufte ſie, oder fuͤhrte ſie mit ſchweren Koſten auf, und der Meſſias kaͤme dann ploͤtzlich, um Jſraels fromme Kinder zu holen; was ſollte man mit den Palaͤſten, Haͤuſern und Haͤuſerchen wohl anfangen? Auf Abrahams großem Eſel, der an den Millio - nen Juden mit ihrem Gelde und ihren edeln Mi - neralienſammlungen, an dem Meſſias, und endlich ſogar noch an den vielen tauſend Chriſten auf ſei - nem Schweif hinlaͤnglich zu tragen haͤtte, koͤnnte man ſie nicht fortſchaffen; in den prachtvollen Kut - ſchen unſerer Kaiſer, Koͤnige, Großherzoge und Fuͤrſten, die kaum zureichen wuͤrden, alle Juden - barone mit ihren gnaͤdigen Frauen und Kindern nach Kanaan zu bringen, gienge es gleichfalls nicht; man muͤßte alſo alle die juͤdiſchen Heiligthuͤmer fuͤr einen Spottpreis den Chriſten uͤberlaſſen, und gar fuͤrchten, daß nach Jahrtauſenden ein frommer chriſtlicher Lundius einen dicken Folianten voll theologiſchen Unſinns daruͤber ſchriebe. Dieſen oder aͤhnlichen Anſichten muß man es wahrſcheinlich zu -118 ſchreiben, daß Abrahams ſtets reiſefertiger Saame bis jetzt noch faſt gar nicht fuͤr Errichtung eigener zweckmaͤßiger Schulen ſorgte, obgleich es ihm an Geld keineswegs fehlte. Warum ſoll man ſich un - noͤthige Koſten machen? Wollen die Chriſten, daß die Juden beſſere Menſchen werden, ſo moͤgen ſie dies, wenn es ja moͤglich iſt, auf ihre Koſten bewirken! Was kuͤmmert das Jſraels fromme Kin - der? Dieſe ſind in ihren Augen ſchon ſo klug, ſo gut und ſo heilig, wie die Engel im Himmel! Sie ſind ja das einzige, auserwaͤhlte Volk Gottes! Will man ſie anders haben, ſo mache man ſie an - ders; nur verſchone man ſie ja mit der Zumuthung, einen Pfenning dazu herzugeben!

Was endlich die Freiheit fuͤr die Judenkinder betrifft, chriſtliche Schulen zu beſuchen, ſo hat man ihnen dieſe bereits an manchen Orten geſtattet. Jndeſſen duͤnkt mir, daß die Bildung jedes Volks aus ihm ſelbſt hervorgehen muß, und daß alſo die Juden, ſo lange ſie Juden ſeyn wollen, fuͤr ihre eigenen Schulen und fuͤr den Unterricht ihrer Kin - der ſelbſt ſorgen muͤſſen. Waͤren die Reichern von ihnen nur zur Haͤlfte von Jakobſons Geiſte beſeelt, ſo wuͤrde es auch bald an tauglichen Lehrern nicht fehlen. Sollten die Chriſten uͤberall und freiwil - lig den Judenkindern erlauben, die chriſtlichen Schulen zu beſuchen, ſo wuͤrden ſie wahrſcheinlich ſich Manches ausbedingen, zum Beiſpiel: 1) daß119 die kleinen Jſraeliten nicht zu viel Knoblauch und Zwiebeln aͤßen; 2) daß ſie nicht fremde Sachen und Taſchen fuͤr die ihrigen anſaͤhen; 3) daß ſie huͤbſch ihre Pelzmuͤtzen mit Allem, was darunter lebet und webet, zu Hauſe ließen; 4) daß ſie nicht die Schule, wie weiland ihre Vorfahren den Tem - pel zu Jeruſalem, in eine Boͤrſe oder gar in einen Marktplatz verwandelten; 5) daß ſie den Chriſten - kindern kein Geld auf Unterpfand und Zinſen lie - hen, und dergleichen mehr, was doch vielen iſrae - litiſchen Eltern ſchwer halten wuͤrde, zu bewilligen, oder gar zu verbuͤrgen. Uebrigens haben keine Regierungen und noch weniger Schulvorſteher oder Lehrer das Recht, ohne Zuſtimmung der chriſtlichen Eltern den Judenkindern die Freiheit zu ertheilen, die Chriſtenſchulen zu beſuchen. Dieſe Schulen ſind ausſchließlich fuͤr Chriſten beſtimmt und geſtiftet; die letztern muͤſſen das Noͤthige zur Erhaltung der - ſelben und zur Beſoldung der Lehrer hergeben, und zwar unmittelbar oder mittelbar durch ihre Abga - ben an den Staat, der davon die, fuͤr die Schulen erforderlichen Koſten beſtreitet; und endlich kann auch den Eltern keineswegs die Befugniß genommen werden, von den ihnen beſtimmten Schulen alle fremde Kinder auszuſchließen, deren Geſellſchaft ſie in Ruͤckſicht auf Sittlichkeit, Geſundheit, Reinlich - keit u. ſ. w. fuͤr ihre Kinder nachtheilig halten. Verfahren die Regierungen hierin eigenmaͤchtig und120 gewaltthaͤtig, ſo verletzen ſie dadurch die heiligſten Rechte des Menſchen und des Staatsbuͤrgers.

Herrn Hellwitzens Begehren, auf jenen Fall, daß nemlich die Judenkinder chriſtliche Schulen be - ſuchten, die Lehrer zu verpflichten, in der Ge - ſchichte Jeſu und der chriſtlichen Religion partheilos von den Jſraeliten zu reden, zeugt von eben ſo viel unbeſonnener juͤdiſcher Keck - heit, als unbeſcheidener Anmaßung. Haͤlt man die Schullehrer der Chriſten fuͤr rechtliche Maͤnner, de - nen man den Unterricht und die Leitung ſeiner Kinder anvertrauen kann; ſo muß man auch vor - ausſetzen, daß ſie ihren Zoͤglingen nichts anders vortragen werden, als was ſie, nach ihren Begrif - fen und ihrem Gewiſſen, fuͤr reine, partheiloſe Wahrheit erkannt haben. Glaubt man das Gegen - theil, ſo ſchicke man ſeine Kinder nicht zu ihnen. Regierungen und Schulvorſteher muͤſſen uͤberhaupt keinem Lehrer, er moͤge Profeſſor, Pfarrer oder bloßer Schullehrer ſeyn, wenn ſie ihn als redlichen, kenntnißreichen und aufgeklaͤrten Mann gepruͤft und befunden haben, durch engherzige aͤngſtliche Vor - ſchriften einzwingen oder gar mit nichtswuͤrdigen Spionen und Aufpaſſern umſtellen, wodurch der Geiſt ſolches Mannes, der, wenn er anders ge - wiſſenhaft handeln will, ohnehin ein ſchweres Amt hat, erdruͤckt, ſein Fleiß gelaͤhmt, und Muth und Frohſinn von ihm verbannt werden. Außerdemfraͤgt121fragt es ſich, was der Jude Hellwitz unter » Par - theiloſigkeit « verſteht. Vielleicht faͤnde er es ganz unpartheiiſch und wahr, wenn unſere Schullehrer, den Judenkindern zu Liebe, den Erloͤſer als einen Gotteslaͤſterer und Hochverraͤther, die Hohenprie - ſter, Phariſaͤer und Schriftgelehrten als fromme, gewiſſenhafte und gerechte Richter, den Verraͤther Judas als einen getreuen Unterthan, und die Ju - den uͤberhaupt als das heiligſte, ehrenwertheſte Volk Gottes darſtellten? Hiemit wuͤrden aber die Chriſten nicht zufrieden ſeyn, ſondern den Schul - lehrer, der es thaͤte, von Gottes - und Rechtswegen zum Kuckuck jagen. Dagegen wuͤrde Herr Hellwitz ſich vielleicht ſchon bitter uͤber Partheilichkeit bekla - gen, wenn Chriſtus als der weiſeſte und edelſte der Menſchen, als ein wahrer Sohn Gottes, ſeine Feinde als heimtuͤckiſche, argliſtige, unduldſame und tyranniſche Eiferer, Judas als ein falſcher undank - barer Boͤſewicht, und die Jſraeliten ſo geſchildert wuͤrden, wie wir ſie in den Schriften der meiſten Propheten dargeſtellt finden. Er wuͤrde ſich be - ſchweren, weil ihm Chriſtus zu hoch geſtellt, und manche Chriſten wuͤrden daſſelbe thun, weil er ihnen noch lange nicht erhaben genug, weil er nicht, wofuͤr ſie ihn verehren, als wahrer Gott und als zweite Perſon in der dreieinigen Gottheit aufge - ſtellt waͤre*) Nicht das Uebernatuͤrlich-Goͤttliche, ſagt ein ſehr.

II. Baͤndchen. 11122

Darum, Jhr lieben Juden, ſorgt, wir bitten Euch recht ſehr, ſorgt doch ſelbſt fuͤr gute Schul - anſtalten und fuͤr beſſere zweckmaͤßigere Erziehung*)wuͤrdiger katholiſcher Geiſtlicher in dem herrli - chen Bilde, welches er von dem Heilande entwirft, nicht das Uebernatuͤrlich-Goͤttliche, ſondern das Menſchlich-Goͤttliche in Jeſu iſt es, was am kraͤf - tigſten uns anzieht. Nicht nach ſeiner hoͤhern Na - tur betrachtet, ſondern als ſtehend unter den Ge - ſetzen menſchlicher Entwickelung und Wirkſamkeit ſagt ſein Beiſpiel unſerm Herzen zu. Der Menſch in ſeiner hoͤchſten Bluͤthe und Vollendung bleibt doch noch immer ein Gegenſtand fuͤr Seinesgleichen erreichbar; die Gottheit laͤßt hinter ſich den voll - kommenſten Menſchen im unendlichen Abſtande. M. ſ. Jdeale fuͤr alle Staͤnde oder Moral in Bildern. Aarau 1819. S. 3 und 4. Ein vortreffliches Buch, welches neben den Stunden der Andacht in den Haͤnden der Chriſten aller Staͤnde und aller Bekenntniſſe ſeyn ſollte. Leider geht es dem edeln Verfaſſer, dem Pfarrer Keller, wie ſeinem erhabenen Vorbilde, dem goͤttlichen Er - loͤſer. Er wird von Hohenprieſtern, Phariſaͤern und Schriftgelehrten gehaßt und angefeindet, weil nicht Men[ſ]chenſatzungen, ſondern Gottes Wort und Chriſtus reine Lehre die Richtſchnur ſei - nes Glaubens, ſeines Lebens und Wirkens ſind. Wer uͤbrigens jenes ſchoͤne Werk liest, bekenne er ſich auch zu welcher chriſtlichen Sekte er wolle, der wird ſeinen Geiſt veredelt und ſeinen Willen zu allem Guten geſtaͤrkt fuͤhlen.123 Eurer Kinder! Jhr erwuchert ja taͤglich des Gel - des ſo viel von uns Chriſten; muthet uns nicht zu, daß wir unſern Schullehrern um Euretwillen Zaum und Gebiß anlegen ſollen. Jhr ſeyd ja keine große, vornehme Herren; wie koͤnnt Jhr denn begeh - ren, daß erſt die ſpaͤte Nachwelt von Euch ſagen ſoll, daß Jhr Spitzbuben und Schelme waret! Deshalb, liebe Juͤdchen, macht uns die Geiſtes - Gedanken - und Maulſperre nicht gar zu peinlich und druͤckend! Die Veredlung jedes Volks muß, wie geſagt, von ihm ſelbſt ausgehen, nicht ihm von Fremden angebildet werden. Legt ſelbſt alſo Hand ans Werk, und eilt, damit wir Euch bald zurufen koͤnnen:

Ziehet hin in Frieden!
Unſer Aller Gott mit Euch!
Unſer Glaube iſt verſchieden,
Unſre Herzen ſind ſich gleich!
11 *124

Von den Zizis und Tephillim.

Jm vorigen Abſchnitte wurden die Gebrauchsarten der Zizis und Tephillim erwaͤhnt. Abrahams glor - reicher Saame hat bekanntlich in allen Dingen, mit Ausſchluß ſeiner Geldfoderungen, nur ein ſchwaches Gedaͤchtniß, und bediente ſich zu Moſis Zeiten, wie in der Regel noch jetzt, der Finger und Rocksaͤrmel als Schnupftuͤcher. Deshalb ſprach der Herr zu Moſes: Rede mit den Kindern Jſrael, daß ſie ſich Zotten oder Franſen an den Saum ih - rer Kleider machen, unter allen euren Nachkommen, aus veilchenblauen Faͤden. Bei dieſen Zotten und Franſen ſollt ihr, wenn ihr ſie anſehet, der Gebote des Herrn gedenken, damit ihr nach dieſen, und nicht nach dem Duͤnkel eures Herzens handelt, und euren Augen nachhurt*)4 B. Moſ. 15. V. 38 und 39.. Haͤtten Jſraels Kinder dazumal ſchon Schnupftuͤcher gehabt, ſo wuͤrde Moſes ihnen wahrſcheinlich befohlen haben, ſich ſtatt der veilchenblauen Franſen einige Zizis oder Kno - ten ins Schnupftuch zu machen, um ſich dabei der Gebote Gottes zu erinnern. Jn Gemaͤßheit jener125 Verordnung tragen nun unſere jetzigen Jſraeliten noch heutiges Tages ein, aus zwei gleichen Vier - ecken beſtehendes Maͤntelchen von Tuch, Tafft oder Seidenzeuch. Beide getrennte Vierecke werden mit zwei Baͤndern auf jeder Seite zuſammen gebunden, ſo daß in der Mitte eine Oeffnung bleibt, um den Kopf hindurch zu ſtecken, wo dann eines der Vier - ecke auf den Schultern, das andere auf der Bruſt ruht. Das ganze heißt wegen ſeiner vier Ecken Arba Canphos. An jeder Ecke befindet ſich ein langer Zotten (eine Troddel) Zizis genannt, von acht weißen Faͤden, welche durch einen Knopf vier bis zwoͤlf Finger breit herab haͤngen. Die recht frommen Jſraeliten tragen die Arba Canphos taͤg - lich unter der Weſte oder dem Rock, und laſſen die Zizis ein wenig hervorblicken, um ſie immer vor Augen zu haben, und auch vor der Welt ihr Licht leuchten zu laſſen. Die eleganten Juden hingegen, die » ſchainen und graußen « Geiſter verhuͤllen ihre Zizis ſehr ſorgfaͤltig und ſchamhaft, wie eine zuͤch - tige, jungfraͤuliche Schoͤne den lieblichen Buſen.

Einige legen ihre Zizis erſt an, wenn ſie be - ten wollen; andere ſchon, wenn ſie ſich ankleiden. Jedesmal wird in einem kurzen Gebetchen dem hei - ligen, hochgelobten Gott gedankt, der ihnen das beneidenswerthe Geſchenk der Zizis verehrte. Wer uͤbrigens das Gebot von den Zizis puͤnktlich befolgt, dem wird es eben ſo hoch angerechnet, als ob er126 alle Gebote Gottes gehalten haͤtte, und er iſt ein ganz vollkommener Gerechter (Tzaddick); denn an jeder Zizis ſind fuͤnf Knoͤpfe, nach der Zahl der fuͤnf Buͤcher Moſis, hiezu rechne man acht Faͤden, macht dreizehn; und das hebraͤiſche Wort Zizis ent - haͤlt die Zahl ſechshundert, welches zuſammen ſechs - hundert und dreizehn betraͤgt, und gerade ſo viele Gebote ſind auch nur in den fuͤnf Buͤchern Moſis enthalten; folglich iſt nach juͤdiſcher Rechnung durch gehoͤrige Beobachtung des Zizisgebots das ganze Geſetz erfuͤllt*)Orachchajim Num. 8; Minhagim S. 6; talmudiſcher Traktat Schabbath Kap. 16; Brandſpiegel Kap. 48..

Rabbi Jochanan ſahe einſt ein Kaͤſtchen voll aͤchter Edelſteine und Perlen; da bekam einer ſei - ner Schuͤler, Bar Emorai, nach Judenart, Luſt, es zu ſtehlen. Aber die Erde erbebte, und eine Stimme vom Himmel rief: Laß das Kaͤſtchen ſtehen, Bar Emorai, denn es gehoͤrt nicht dir, ſondern der Frau des Rabbi Chanina, des Sohnes Dula. Sie wird in jener Welt blaue Veilchen zu Zizisfaͤden hinein legen fuͤr die Gerechten im Paradieſe**)Maſſeches Bava Bathra..

Das Gebot vom Tragen der Gedenkmaͤntel oder Zizis beſchraͤnkt ſich blos auf die Maͤnner; indeſſen iſt es auch den Frauen nicht verboten, ſie anzulegen; allein ſie gelten bei dieſen nicht fuͤr Be - weiſe der Gottesfurcht, ſondern der Eitelkeit.

127

Die Tephillim oder Gedenkzettel der Gebete verdanken ihren Urſprung gleichfalls einer moſai - ſchen Anordnung. Jm 5 Buch Moſ. Kap. 6. V. 6 und 8. heißt es nemlich: Und dieſe Worte, die ich dir heute gebiete, ſollſt du zu Herzen nehmen; und ſollſt ſie zum Zeichen auf deine Haͤnde binden, und ſollen dir, wie Denkzettel vor deinen Augen ſeyn. Dieſe Gedenkzettel ſind zweifacher Art: Haupt-Tephillim und Hand-Tephil - lim (Tephillim Scheljad). Zu den Haupttephillim nehmen die Juden ein kleines viereckigtes Stuͤck von ſchwarzem Kalbsleder und beugen es achtmal uͤber einander, ſo daß die acht Falten vier verſchiedene Faͤcher bilden:

Jn jedes dieſer Faͤcher werden Spruͤche aus dem dreizehnten Kapitel des zweiten Buchs und aus dem ſechsten und eilften Kapitel des fuͤnften Buchs Moſis geſteckt, die auf Pergament geſchrieben und mit Kuh - oder Kalbshaaren umwunden ſind. Die Haare muͤſſen aber ja aus dem Schweif genommen und recht rein gewaſchen ſeyn, wenn das Gebet erhoͤrt und nicht von dem heiligen, hochgelobten Gott als Laͤſterung beſtraft werden ſoll. Auch muͤſ - ſen die Spitzen der Haare etwas aus dem Leder hervorſtehen, damit man ſehen moͤge, daß ſie » ko - ſcher « ſind. Die Falten der Tephillim werden mit Saiten von Kuhnerven oder mit Riemen von Kaͤlberpergament zuſammen genaͤhet, und an das128 Leder wird ein langer ſchwarzer Riemen befeſtigt. Die Handtephillim ſind gleichfalls aus einem vier - eckichten Stuͤck Leder gemacht, welches gleich dem vorigen zuſammen gelegt wird. Nachher ſchreibt man einige Spruͤche aus dem zweiten Kapitel des andern Buchs Moſis, ſteckt ſie in ein ledernes Buͤchschen von der Groͤße und Geſtalt eines Fingerhuts, und naͤhet dieſes nebſt einem langen Riemen auf das Leder feſt.

Wenn man nun recht fromm und erhoͤrlich be - ten will, dankt man zuerſt dem Herrn der Welt, der das koͤſtliche Gebot, die Tephillim anzulegen, gegeben hat; dann bindet man die Hand-Tephillim uͤber den Ellenbogen des entbloͤßten linken Arms, ſo daß das Leder am Fleiſch liegt, und das Buͤchs - chen mit den Schriften nach dem Herzen gekehrt iſt. Der lange Riemen aber wird um den Arm bis vorne an die Hand gewickelt. Darauf wird die Haupt-Tephillim zaͤrtlich gekuͤßt, an beide Augen gedruͤckt, und mit ihrem Riemen an die Stirne gebunden.

Gute Tephillim zu machen iſt keine Kleinigkeit, und erfodert weit mehr Muͤhe und Sorgfalt, als die Verfertigung eines Roſenkranzes. Die Spruͤche muͤſſen mit ſchwarzer Gallaͤpfeltinte, und zwar mit der rechten Hand geſchrieben ſeyn. Alle Buchſtaben muͤſſen in gleicher Weite von einander ſtehen, und keiner an dem andern haͤngen. Es darf nichts129 darin ausgeſtrichen oder verbeſſert werden, und jedes Mal, wenn der Schreiber den Namen Got - tes ſchreibt, muß er laut ſprechen: ich ſchreibe hei - lige Tephillim zu Ehren des hochgelobten, heiligen Gottes. Oben, unten und an beiden Seiten muͤſ - ſen zwar Linien gezogen werden, aber keine unter der Schrift. Wenn ein Buchſtabe zu viel oder zu wenig, oder wenn jene Linien nicht voͤllig gerade, oder nicht gleich lang ſind, dann taugen auch die Tephillim nicht, ſondern ſind unheilig. Daſſelbe iſt der Fall, wenn dem Schreiber waͤhrend ſeiner Ar - beit etwas Menſchliches entfaͤhrt. Sollte er den - noch ſolche Tephillim als gut und koſcher verkaufen, ſo wird er von Gott dafuͤr beſtraft. Leder und Pergament muͤſſen von einem reinen Thier, welches ein Jude geſchaͤchtet hat, genommen, und von iſraelitiſchen Haͤnden gegerbt und zubereitet ſeyn.

Auch bei dem Gebrauch der Tephillim muß man ſich ja huͤten, ihre Heiligkeit nicht zu verlez - zen; daher iſt es gerathen, ſie nicht anders anzu - legen, als wenn man betet. Sollte man die Te - phillim an Haupt oder Hand haben, und ungluͤck - licher Weiſe fixe Luft laſſen, ſo wird man von dem hochgelobten Gott hart dafuͤr beſtraft. Wer ſeine Tephillim bei ſich traͤgt, muß ſie, wenn er der Natur ein gewiſſes Opfer bringt, vier Ellen weit von ſich entfernen, oder ſie auch in einen zweifa - chen ledernen Beutel ſtecken und in ſeinem Buſen130 verwahren. Eine Todſuͤnde waͤre es gleichfalls, dieſe Heiligthuͤmer anders, als etwa in einem drei - fachen Kaͤſtchen oder in einem dreifachen ledernen Sack in ein Zimmer zu bringen, wo Mann und Frau mit einander ſchlafen. Weiber, Dienſtboten und Kranke ſind von dem Geſetz der Tephillim ausgenommen, weil ſie ſich nicht immer rein halten und die Gebete gehoͤrig abwarten koͤnnen.

Wie ſauer muͤſſen es ſich Abrahams gottesfuͤrch - tige Kinder nicht werden laſſen, um in den Him - mel zu kommen!

Ein gottloſer roͤmiſcher Kaiſer verbot einſt den Jſraeliten, ſich mit keinem Tephillim an der Stirne ſehen zu laſſen, denn damals trugen ſie dieſelben taͤglich, ohne ſie abzulegen. Den Schergen war ſogar befohlen, jedem Juden den Schaͤdel zu ſpal - ten, den man mit dem Tephillim antraͤfe. Ein frommer Mann aber, Eliſa genannt, ließ ſich hie - durch nicht ſchrecken, ſondern trug ſeine Tephillim, nach wie vor, an der Stirne. Da kam ein Haͤſcher und wollte ihn fangen und umbringen. Eliſa nahm jedoch ſchnell die Tephillim vom Haupte, und als der Haͤſcher ihn fragte, was er in der Hand hielte? antwortete er: die Fluͤgel einer Taube! Der Scher - ge glaubte ihm nicht, und drohte ihm das Haupt zu zerſpalten; da oͤffnete Eliſa die Hand, und ſie - he, die Tephillim hatten ſich in Taubenfluͤgel ver - wandelt. Von dieſer Zeit an hieß dieſer Eliſa,131 zum Unterſchiede von ſeinem Namensverwandten, dem Glatzkopf, Eliſa mit den Taubenfluͤ - geln. Wo ſolche Wunder reden, da laͤßt ſich wohl an der goͤttlichen Einſetzung der Zizis und Tephil - lim nicht zweifeln.

Waͤhrend einer der blutigſten Verfolgungen, die zu Anfange des dreizehnten Jahrhunderts in Spa - nien gegen die Juden entſtand, zankten ſich ihre Rabbiner mit der groͤßten Erbitterung uͤber die wichtige Frage: ob ihre Tephillim und Zizis vier - eckigt oder ſechseckigt ſeyn muͤßten. Sie mißhan - delten einander faſt noch grauſamer, als es von den Spaniern geſchahe. Uns Chriſten darf dies nicht befremden. Unſre eigene Kirchengeſchichte bietet uns Beiſpiele in Menge dar, daß Chriſten gegen Chri - ſten um aͤhnlicher Poſſen willen mit unmenſchlicher Wuth ſich verfolgten. Warum ſollen die juͤdiſchen Rabbiner kluͤger ſeyn, als die unſrigen?

132

Von den Morgen - und Abendgebeten und den haͤuslichen Gebraͤuchen der Juden.

Wenn eine bedeutende Anzahl von Feſttagen, und eine aͤngſtlich-gewiſſenhafte Beobachtung religioͤſer Ceremonien und Handlungen einen richtigen Maaß - ſtab aͤchter Froͤmmigkeit geben koͤnnen; ſo muß man den Juden es zugeſtehen, daß ſie in dieſem Punkte unſern eifrigſten katholiſchen Mitbruͤdern nichts nachgeben.

Schon ihre haͤuslichen Gottesverehrungen, wenn man nemlich eine Menge alberner Gebete und Fratzen, die weder das Herz veredeln, noch den Geiſt zu dem Unendlichen erheben koͤnnen, Gottes - verehrungen nennen darf, ſind zahlreich und laͤſtig.

Alles, Aufſtehen und Schlafengehen, Kochen und Backen, Eſſen und Trinken, ja ſelbſt die Ver - richtung gewiſſer natuͤrlicher Beduͤrfniſſe muß bei den Juden nach religioͤſen Vorſchriften geſchehen, wenn es nicht Suͤnde ſeyn und dem hochgelobten, heiligen Gott wohlgefallen ſoll.

Jn den Sommermonaten ſoll man bei Anbruch des Tages, in den Herbſt - und Wintermonaten133 noch vor Aufgang der Sonne aufſtehen, denn Da - vid ſpricht: ich will den Morgen aufwecken. Dieſe Vorſchrift wird uͤbrigens nicht ſehr ſtrenge befolgt, obgleich die Talmudiſten verſichern, daß Gott alle Gebete, die vor Tage geſchehen, erhoͤrt. Die beſte Zeit zum Gebet, lehren ſie, iſt kurz vor Anbruch des Tages beim erſten Hahnengeſchrei; denn, wenn es Nacht wird, laͤßt Gott die Thore des Himmels verſchließen, und ſchickt die Teufel und boͤſen Gei - ſter auf die Erde herab, um den Menſchen zu ſchaden. Nach Mitternacht aber ruft man im Him - mel aus, daß die Thore geoͤffnet werden. Sobald die Haͤhne dies hoͤren, wecken ſie die Menſchen mit ihrem Geſchrei zum Gebet, und die Teufel verlie - ren ihre Macht. Wer dann ſchnell aufſteht und mit Seufzen und Thraͤnen zu dem heiligen Gott flehet, der iſt ein frommer Mann, ſein Gebet wird erhoͤrt, und Gott faßt ſeine Thraͤnen in eine Laͤgel (Toͤnnchen) und loͤſcht damit alle boͤſen Anſchlaͤge ſeiner Feinde aus.

Eine fromme Frau iſt ſchuldig, den Mann zu wecken, und beide Eltern muͤſſen daſſelbe bei den Kindern thun, wenn dieſe dreizehn Jahre alt, und den Geboten unterworfen ſind.

Auch beim An - und Auskleiden ſind viele Ge - bote zu beobachten, zum Beiſpiel:

Du ſollſt zuerſt den rechten Schuh anziehen, und nachher den linken.

134

Du ſollſt zuerſt den linken Schuh zuſchnallen, und darauf den rechten.

Beim Auskleiden gilt die umgekehrte Ordnung.

Du ſollſt am Morgen deinen Leib nicht mit ungewaſchenen Haͤnden beruͤhren, denn wer ſein Auge mit ungewaſchener Hand beruͤhrt, wird blind; u. ſ. w.

Du ſollſt zuerſt die rechte Hand unter das Waſchbecken halten, und ſie dreimal mit Waſſer begieſſen, und nachher die linke gleichfalls. Wer viel Waſſer zum Waſchen gebraucht, dem wird der heilige, hochgelobte Gott viel Reichthuͤmer beſcheren.

Zuerſt ſollſt du die Haͤnde waſchen, und nach - her das Geſicht.

Wenn du dich gewaſchen und mit einem Hand - tuche gehoͤrig getrocknet haſt, ſollſt du alſo ſpre - chen: » Gelobet ſeyſt du Gott unſer Gott, daß du uns geboten, die Haͤnde zu waſchen. « Dies war alſo vor dieſem goͤttlichen Befehl bei Abrahams rein - lichen Kindern nicht uͤblich*)Dieſe und die meiſten der folgenden Regeln des Talmuds ſind in den talmudiſchen Traktaten Bera - chos und Schabbath enthalten, und zuſammen ge - zogen im deutſchen Minhagim, im Buch Orachchajim und im Brandſpiegel zu finden..

Trauernd und kummervoll uͤber die Zerſtoͤrung Jeruſalems ſoll der fromme Jſraelit des Morgens aus ſeinem Schlafgemach gehen, und zwar nicht135 mit bloßem, ſondern mit geſenktem und bedecktem Haupte, damit er nicht mit ſeinem Kopf an die Schechinah (an die Herrlichkeit Gottes) ſtoͤßt, die uͤber ihm ſchwebt.

Erwachen, Aufſtehen und Ankleiden des Juden ſind von lauter Dankgebeten begleitet, die, wie alle Foͤrmlichkeiten der Art, durch ihr taͤgliches Wiederkehren in ein gedankenloſes Geplaͤrr uͤberge - hen, das auf die Erhebung des Gemuͤths und auf ſittliche Veredlung keinen Einfluß hat. Jch glaube, viele Chriſten treffen hier mit den Jſraeliten zu - ſammen. Selbſt das ſchoͤnſte Gebet, das Gebet des Herrn wird bei denen, die es jeden Tag mehrere Male herſagen, ſo ſehr zur Gewohnheitsſache, daß ſie am Ende nichts weiter dabei denken, als bei dem: guten Morgen, oder guten Abend, womit ſie einander begruͤßen. Wenn haͤusliche und kirch - liche Gottesverehrungen das Herz ruͤhren und den Geiſt des Menſchen zu dem Unendlichen erheben ſollen, ſo muͤſſen ſie nicht an gewiſſe Stunden ge - knuͤpft ſeyn, nicht zu beſtimmten Tageszeiten und mit denſelben Worten und Formen wiederholt wer - den, denn dadurch verlieren ſie, waͤren ſie auch uͤbrigens noch ſo ſchoͤn und erbaulich, allen Reiz und verfehlen ihren Zweck. Das froͤmmſte Gebet und der witzigſte Einfall ſind ſich darin ſehr aͤhn - lich, daß ſie durch zu haͤufigen Gebrauch am Ende alltaͤglich und wohl gar widerlich werden. Andacht136 und Begeiſterung haſſen den Zwang; ſie wollen frei die Seele des Menſchen ergreifen, und ſie unge - feſſelt, uͤber die Sterne hinweg gen Himmel tragen. Manche Gebete der Juden ſind faſt eben ſo laͤp - piſch, wie die Gebetsformeln eines Pater Kochem und anderer chriſtlicher Ehrenmaͤnner, die ich nicht nennen mag. Wie wenig ſie zur Befoͤrderung der Religioͤſitaͤt und Sittlichkeit ſich eignen, moͤgen folgende beweiſen.

Des Morgens beim Hahnengeſchrei muß man beten: » Gelobt ſeyſt du, Gott unſer Gott, Koͤnig der Welt, weil du dem Hahn Verſtand gabſt, Tag und Nacht zu unterſcheiden, und durch ſein Kraͤhen dein Volk Jſrael zu wecken, daß es aufſtehe, und ſein Morgengebet verrichte. « Dies iſt nun wohl nicht einziger Zweck des fruͤhen Hahnenrufs, denn bekanntlich kraͤhen die Haͤhne auch dort, wo keine Juden ſind. Wenn man ferner das Hemde anzieht, betet man: » Gelobet ſeyſt du mein Gott, und Gott meiner Vaͤter, der du die Nackenden kleideſt. « Wenn man den Guͤrtel umbindet: » Gelobet ſeyſt du Gott, Herr der Welt, der du Jſrael guͤrteſt mit Staͤrke. « Wenn man den Hut aufſetzt: » Ge - lobet ſeyſt du Gott, unſer Gott, weil du Jſrael mit Schoͤnheit kroͤneſt. « Wenn man die Hoſen zu - knoͤpft: » Gelobet ſeyſt du Gott, mein Gott, und Gott meiner Vaͤter, daß du mir meine Nothdurft geſchaffen haſt « u. ſ. w.

So137

So ſind faſt fuͤr alle, ſelbſt fuͤr die unbedeu - tendſten Bewegungen des Koͤrpers beſondere Stoß - und Dankgebete (Benſchen) angeordnet. Die Zahl derer, welche taͤglich zweimal hergeſagt wer - den muͤſſen, betraͤgt nicht weniger, als hundert. Zum Gluͤck ſind die meiſten ſehr kurz, und uͤberdies verſtehen Jſraels Soͤhne eben ſo meiſterhaft, wie manche Erweckte unter den Chriſten, Beten, Wu - chern, Betruͤgen, Stehlen, Kuppeln u. ſ. w. mit einander zu vereinigen; ſonſt koͤnnten ſie vor lau - ter Froͤmmigkeit kaum ſich ſatt eſſen, geſchweige denn ſelig werden. Wenn ein Jude Dir Geld aus - zahlt, und die Lippen regt, ſo glaube nicht, daß er zaͤhlt; er betet. Aber gieb Acht, daß er dir keine falſche Muͤnze fuͤr gute, keine beſchnittene Dukaten fuͤr unbeſchnittene giebt.

Die Weiber brauchen nicht zu beten, ſondern muͤſſen blos zu allen Gebeten der Maͤnner Amen ſagen. Eine ſehr vernuͤnftige Einrichtung der Ju - den! Auf das Woͤrtchen Amen halten ſie uͤber - haupt viel. Wer in dieſer Welt Amen ſpricht, lehren die Talmudiſten, der iſt auch wuͤrdig, es in jener zu thun; und wer mit recht herzinniger An - dacht Amen ſagt, der beſchleunigt dadurch unſere Erloͤſung aus der Gefangenſchaft; denn wenn der heilige, hochgelobte Gott es hoͤrt, ſchuͤttelt er mit - leidig den Kopf und denkt: wehe den Kindern, die man von dem Tiſche ihres Vaters verſtieß! WieII. Baͤndchen. 12138gluͤcklich iſt der Mann, deſſen Kinder ihn loben, wie mich mein Volk Jſrael. Und dann beſchließt der. Herr der Welt, ſeine Kinder aus dem Galus, (aus der Gefangenſchaft) zu befreien*)Rabbi Jehuda im Buch Tanchuma; Brandſpiegel Kap. 41; Traktat Schabbath Kap. 16..

Die Zeit des gewoͤhnlichen Morgengebets dau - ert von Sonnenaufgang bis neun Uhr. Es wird, wo Synagogen ſind, in dieſen, ſonſt aber zu Hauſe verrichtet. Ehe man dazu ſchreitet, muß man ſich voͤllig angekleidet, gewaſchen, mit den Zizis behan - gen, und vor Allem auf dem geheimen Ge - mach geweſen ſeyn, denn ſonſt iſt der Leib nicht rein, und das Gebet dem Herrn nicht wohlgefaͤllig. Wenn es in der Synagoge geſchieht, ſo muß man im Sturmſchritt dahin eilen, denn David ſpricht: wir wollen gehen in das Haus Gottes mit Stuͤr - men**)Orachchajim Nr. 46; Brandſpiegel Kap. 41; Pſalm 121.. Wer am fruͤheſten koͤmmt, iſt dem hei - ligen, hochgelobten Gott der liebſte. Wenn Jemand gewoͤhnlich zu kommen pflegt, und einmal aus - bleibt, ſo fraͤgt Gott nach ihm, wie Jeſaias ſpricht: Wer iſt unter euch, der den Herrn fuͤrchtet, und hoͤret die Stimme ſeines Knechts? Wer in der Finſterniß wandelt, und kein Licht hat***)Jeſ. 50. V. 10; Traktat Berachos Kap. 1.! (Wer139 nemlich im Bette bleibt und nicht in die Synagoge kommt.)

Am Eingange der Synagoge iſt zum Abwi - ſchen der Stiefel und Schuhe ein Eiſen befeſtigt; jedoch ſoll man ſich huͤten, beim Hingehen die Fuß - bekleidung nicht zu beſchmutzen, denn es ſtehet ge - ſchrieben: Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Hauſe Gottes geheſt, Pred. Sal. 4. V. 17. Wenn die Schuhe oder Pantoffeln allzu ſchmutzig ſind, muß man ſie ausziehen, weil Gott zu Moſes ſagt: Ziehe deine Schuhe von deinen Fuͤßen, denn der Ort, worauf du ſteheſt, iſt ein heiliges Erdreich. 2 B. Moſ. 3. V. 5. Beim Eintritt in die Syna - goge ſagt man einige Spruͤche aus den Pſalmen, und ſtellt ſich ſehr aͤngſtlich, weil man mit Furcht und Zittern zum Herrn nahen ſoll, Pſ. 30. V. 2; auch darf man nicht gleich anfangen zu beten, denn Jeder ſoll ſich vorher bedenken, was er ſagen will*)Traktat Berachos a. a. O.. Endlich neigt man ſich gegen die Arche mit den Worten: wie ſchoͤn ſind deine Huͤtten, o Ja - kob, und deine Wohnungen Jſrael. Jch aber will in dein Haus eingehen wegen der Menge deiner Wohlthaten, und will in deinem heiligen Tempel anbeten**)4 B. Moſ. 24. V. 5. und Pſ. 5. V. 8.. Hierauf beginnt das eigentliche Mor - gengebet, welches mit furchtbarem Geſchrei abgele -12 *140ſen oder abgeſungen wird. Wer nicht leſen kann, ſagt blos Amen.

Die vorhin erwaͤhnte Arche ſteht in allen iſrae - litiſchen Synagogen gegen Morgen, und dient ſo - wohl zur Erinnerung an die Bundeslade, als zur Aufbewahrung der fuͤnf Buͤcher Moſis, die mit einer eigenen Tinte geſchrieben ſind. Jn der Folge davon ein Mehreres.

Wenn das erſte Hauptgebet beendigt iſt, wer - den noch hundert kurze Dankgebete hergeſagt, von denen vorher ſchon einige angefuͤhrt ſind. Alles geſchieht mit einem hoͤchſt widerlichen Geſchrei und mit den poſſierlichſten Bewegungen des Koͤrpers. Bald ſenkt man den Kopf auf die Bruſt; dann legt man ihn wieder in den Nacken, wie ein kraͤ - hender Hahn. Faſt unaufhoͤrlich wird von einer Seite zur andern geſchwankt, als ob man ſich ſchau - kelte. Bald hoͤrt Jhr nur ein dumpfes, leiſes Ge - murmel, und ploͤtzlich erhebt ſich ein lautes betaͤu - bendes, aber eben ſo einfoͤrmiges Getraͤtſch. Ein einziges Wort wird oft ganze Stunden lang betout, wie z. B. das Wort Echad (einig) in dem Ge - bete Schma Krias, worin die Stelle vorkoͤmmt: Hoͤre Jſrael, der Herr, unſer Gott iſt ein eini - ger Gott (Schma Jſrael Adonai clohenu Adonai echad). Hier wird bei dem letzten Buchſtaben des Echad (einig) der Kopf nach allen vier Enden der Welt gekehrt und gedrehet, um anzudeuten, daß141 der einige Gott, und kein Anderer, Herr der ganzen Welt ſey. Das Gebet Krias Schmah wird fuͤr eins der heiligſten gehalten*)Orachchajim Nr. 58; Traktat Berachos Kap. 9., und from - me Juden beten es taͤglich dreimal, weil ſie dann vor dem Teufel ſicher ſind, indem es mit dem he - braͤiſchen Buchſtaben Schin anfaͤngt und mit einem Dales (D) endet, beide Buchſtaben aber das Wort Sched, Teufel, bilden. Das Gebet Schmo - ne Esre iſt dem Krias Schmah gleich geach - tet**)Orachchajim Nr. 113.. Der Vorſinger ſingt es in der Schule zweimal, und außerdem muß es jeder Jude noch taͤglich dreimal beten. Bei den Worten: Heilig, heilig, heilig iſt der Herr Zebaoth und alle Lande ſind ſeiner Ehre voll! huͤpfen ſie dreimal in die Hoͤhe, und geberden ſich uͤberhaupt, wie Be - ſeſſene.

Die Morgenandacht ſchließt***)Ebendaſ. Nr. 123., mit der Bitte an Gott um Frieden fuͤr Jſraels Kinder. Bei den Worten: der da Frieden giebt in der Hoͤhe, mache auch Frieden uͤber uns und ganz Jſrael, treten ſie drei Schritte weit zuruͤck. Steht man zu gedraͤngt, ſo ſpringt man dreimal in die Hoͤhe, und neigt erſt den Kopf nach der rechten und dann nach der linken Seite, oder umgekehrt, um anzudeuten, daß142 Gott allenthalben Frieden geben, und kein Hep Hep*)Ueber den Urſprung des Ausrufs Hep Hep hat man mancherlei Vermuthungen, die zum Theil ziem - lich weit hergeholt ſcheinen. Jch theile hier woͤrtlich mit, was ich in einer Zeitſchrift fand, die in Deutſchland nicht ſo allgemein geleſen wird, wie ſie verdient. Als die erſten Kreuzzuͤgler, unter der Leitung fanatiſcher Prieſter, ſchon in Ungarn und in den europaͤiſchen Provinzen des griechiſchen Rei - ches ein klaͤgliches Ende, das gerechte Schickſal ihrer Unwiſſenheit und ihrer Raͤubereien, gefunden hatten, waren die deutſchen Ritter gar abgeneigt, an der abentheuerlichen Unternehmung Theil zu nehmen. Waͤhrend unſerer Abweſenheit, ſagten ſie unter anderm, werden die Wieſel die Eier freſſen. Unter den Wieſeln aber verſtanden ſie die Juden; ſey es nun, daß dieſe durch ihren Wucher, der durch die nothwendigen großen Ausruͤſtungskoſten neue Nah - rung fand, ſich in jenen dunkeln Zeiten noch ver - derblicher und verhaßter gemacht hatten, als jetzt, oder daß man es uͤberhaupt am leichteſten fand, ſich die Koſten der Ruͤſtung durch ihre Auspluͤnderung anzuſchaffen. Ueber die Nothwendigkeit einer ſol - chen war man bald einverſtanden, und zur Loſung waͤhlte man die Worte, welche die Veranlaſſung des Kreuzzuges ſelbſt bezeichneten: Hierosolyma est perdita! Das Volk indeſſen zerbrach ſich nicht den Kopf mit dem Memoriren der fremden Worte, und bediente ſich kurzweg ihrer Anfangsbuchſtaben H. e. p., um das Zeichen zum Angriffe gegen das weiter ertoͤnen laſſen moͤge.

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Unter fortwaͤhrendem Beten gehen ſie hierauf aus der Synagoge, und zwar ruͤckwaͤrts, wie die Krebſe, um dem heiligen, hochgelobten Gott nicht ihre Poſteriora zu zeigen; denn die Prieſter wur - den einſt, nach der Lehre des Talmuds, ſehr hart von Gott beſtraft, weil ſie der Bundeslade den Ruͤcken zugewandt hatten. Daher ſoll man mit tie - fer Ehrfurcht, gebuͤckt und ruͤckwaͤrts gehen, wie ein morgenlaͤndiſcher Sklave von ſeinem Koͤnige. Man ſoll nicht laufen, damit der Herr der Welt nicht denken moͤge, man ſey froh, daß der Got - tesdienſt vorbei ſey. Wenn man recht kurze Schritte macht, ſo werden ſie von Gott gezaͤhlt und reich - lich belohnt, denn Hiob ſpricht: du haſt meine Gaͤnge gezaͤhlt (Kap. 14. V. 16.) Auch ſoll man beim Zuhauſegehen kein huͤbſches Frauenzimmer, ſey es Juͤdin oder Chriſtin, anſehen, ſondern die Au - gen zudruͤcken oder abwenden, damit man nicht zu ſuͤndlichen Gedanken gereizt wird*)Orachchajim 123; Traktat Berachos Kap. 1; man vergleiche auch Buxtorffs Judenſchule Kap. 5..

*)verhaßte Volk zu geben. M. ſ. Zſchokke’s Er - heiterungen, Jahrgang 1821, zwoͤlftes Heft, S. 532 und 533. Dieſe Erklaͤrung iſt, duͤnkt mir, die richtigere. Andere leiten den Ausruf Hep Hep von dem hebraͤiſchen Worte Haphach, nieder, her, allein dieſe Ableitung hat, nach meiner Anſicht, weniger Glaubwuͤrdigkeit fuͤr ſich.

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Um recht andaͤchtig und Gott wohlgefaͤllig zu beten, beobachte man folgende Gebote und Vor - ſchriften:

Du ſollſt Haupt und Herz bedecken, wenn du beteſt, und durch einen Guͤrtel den Oberleib von dem Unterleibe ſcheiden, damit dein Herz durch das Anſchauen des letztern nicht auf boͤſe Gedanken gerathe.

Du ſollſt dein Angeſicht beim Gebet gegen Ka - naan und die heilige Stadt Jeruſalem wenden, und mit geſenktem, bedecktem und demuͤthigem Haupte aufrecht ſtehen.

Jn manchen Faͤllen iſt es aber auch erlaubt, ſitzend, liegend und gehend zu beten. Ferner:

Du ſollſt waͤhrend dem Gebet beide Haͤnde auf dein Herz legen, und zwar die rechte auf die linke.

Du ſollſt beim Beten nicht gaͤhnen, ruͤlpſen und ausſpeien. Kannſt du aber das letztere nicht laſſen, ſo ſollſt du in dein Schnupftuch oder hin - ter dich, oder auf die linke Seite hinſpucken, allein nicht vor dich, damit du dem Herrn, deinem Gott nicht ins Angeſicht ſpeieſt; auch nicht auf die rechte Seite, damit du nicht die heiligen Engel beſpuckſt, die dort neben dir ſtehen.

Du ſollſt, wenn du beteſt, keinen Floh und keine Laus todtknacken. Beißen ſie dich, ſo kannſt du ſie, wenn du ſie ergreifeſt, hinter dich oder zur linken Seite hinwerfen.

Wenn145

Wenn es dich waͤhrend dem Beten irgendwo juckt, ſollſt du dich nicht auf dem bloßen Leibe, viel weniger am Hintern kratzen, ſondern auf dem Hemde oder der Kleidung. Auch kannſt du in die - ſem Fall mit dem ganzen Koͤrper hin und her ruͤcken, ruͤtteln und drehen, denn es ſtehet geſchrie - ben: Alle meine Gebeine ſollen ſagen: Herr, wer iſt dir gleich? Den Hals und die Haͤnde darfſt du dir kratzen.

Du ſollſt mit dem Gebet nicht inne halten, wenn dich gleich ein Koͤnig aus Jſrael gruͤßte, oder eine Natter dir in den Hintern biße. Blos einem wuͤthenden Ochſen darfſt du weichen, und inne halten, bis er voruͤber iſt.

Du ſollſt, wenn du beteſt, dich huͤten, daß dir keine Nephicha (fixe Luft) entwiſcht; denn der Herr wird den nicht ungeſtraft laſſen, der muth - willig beim Beten eine Nephicha laͤßt.

Du ſollſt, wenn dich waͤhrend dem Beten eine Nephicha draͤngt, vier Schritte zur linken Seite treten, und alſo ſprechen: Heiliger, hochgelobter Gott, Herr aller Welt, du haſt mich geſchaffen und gemacht voll Loͤcher, die ich nicht zuſtopfen kann. Du kenneſt unſere Schande; unſer Leben iſt voll Schmach, und wir ſind Maden und Wuͤrmer bis in den Tod, Amen. Und dann ſollſt du deine Nephicha laſſen.

Daſſelbe ſollſt du ſprechen, wenn dir unver -II. Baͤndchen. 13146muthet beim Gebet eine Nephicha entfaͤhrt, und ſollſt ſo lange inne halten mit Beten, bis der Ge - ruch voruͤber iſt.

Du ſollſt endlich zu jedem Gebet ein recht kraͤftiges Amen ſprechen*)Orachchajim Nr. 91 und ff. ; Brandſpiegel Kap. 41..

Bei Abſingung einiger Gebete muß der Vor - ſaͤnger ſich in eine Vertiefung ſtellen, oder, wenn dieſe nicht vorhanden iſt, vor ſeinem Pulte knieen, und das Buch ſo hoch in die Hoͤhe heben, wie er kann. Dies geſchieht gewoͤhnlich bei den Bußgebe - ten, weil der Pſalmiſt ſagt: Aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr. Pſ. 130. V. 1.

Die Gebete, deren man ſich gewoͤhnlich in den Synagogen bedient, ſind meiſtentheils in Reimen und in hebraͤiſcher Sprache abgefaßt, denn obgleich die wenigſten Juden von der letztern mehr, als das bloße Leſen begriffen haben, ſo ſingen ſie doch ihre Benſchen mit eben ſo viel Andacht, wie der un - wiſſendſte Katholik ſein lateiniſches Paternoſter und Ave Maria. Hin und wieder iſt man freilich auf den vernuͤnftigen Gedanken gekommen, die oͤffent - lichen Andachtsuͤbungen in der jedesmaligen Landes - ſprache zu halten; allein es gieng den Jſraeliten damit, wie den Mitgliedern einer gewiſſen Ver - ſammlung in Deutſchland, welche gleichfalls beſchloſ - ſen, ihre Vortraͤge in gutem Deutſch abzufaſſen: ſie verſtanden es nicht.

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Nichts uͤbertrifft den gluͤhenden Haß, der in den meiſten juͤdiſchen Gebeten gegen die Chriſten und den erhabenen Stifter des Chriſtenthums auf eine ſo empoͤrende Weiſe ſich ausſpricht, und bei dem Abſingen von den unanſtaͤndigſten und laͤcher - lichſten Fratzen begleitet wird. Da verkehren Jſraels gottſelige Kinder die Augen, ſtampfen und trampeln mit den Fuͤßen, verzerren die ohnehin ſcheußlichen Nußknackergeſichter noch ſcheuß - licher, und ſchreien und ſpucken aus, als haͤtten ſie alle ein Salivationsmittel genommen. Dies muß allerdings gegen ein Volk erzuͤrnen, das trotz ſeiner Schaͤdlichkeit fuͤr unſern eigenen Wohlſtand, von uns geſchuͤtzt und geduldet, und von vielen, um das Gluͤck der chriſtlichen Staatsbuͤrger ſehr ſorg - loſen Regierungen die haͤufig nur ihr eigenes allerhoͤchſtes Wohlſeyn vor Augen haben zu al - len buͤrgerlichen Rechten zugelaſſen wird. Schwer - lich wuͤrde eine chriſtliche herrſchende Religionspar - thei der in ihrem Lande wohnenden, nicht herrſchen - den, es zu Gute halten, was ſich Jſraels Kinder in dieſer Ruͤckſicht uͤberall, es ſey unter Katholiken oder Proteſtanten, erlauben, und was man ſtill - ſchweigend ihnen verzeihet. Zu den taͤglichen Gebe - ten, die faſt ausſchließlich gegen die Chriſten ge - richtet ſind, gehoͤren das Birchas Hamminim, der Fluch wider die Ketzer, auch Birchas lame Schammadim, Gebet wider die Zerſtoͤrer genannt,13 *148welches ſie taͤglich dreimal beten, und das Gebet wider die Malſchinim (Laͤſterer), worin unter anderm folgende Stelle vorkoͤmmt: » Die Malſchi - nim ſollen keine Hoffnung haben, und alle Ketzer (Andersdenkende) muͤſſen in einem Augenblick un - tergehen. Alle Feinde deines Volks muͤſſen ausge - rottet werden; demuͤthige ſie ſchnell in unſern Ta - gen. Rotte aus, zerbrich und vertilge das Malchuth ſadon (das hochmuͤthige Reich) und demuͤthige es in unſern Tagen. « Unter dem hochmuͤthigen Reiche, dem roͤmiſchen Reiche und dem Reiche Edoms oder Eſaus verſtehen die Hebraͤer, wie ſchon fruͤher er - waͤhnt worden, die ganze Chriſtenheit. Eſau wird unſer Erloͤſer genannt, weil, nach ihrer Seelen - wanderungslehre, Eſau’s Seele, welche vom Sam - mael, dem Oberſten der Teufel herſtammt, in Chriſtus gefahren und dieſer eben ſo gottlos, als Eſau und Sammael geweſen iſt. Wir Chriſten, als vermeintliche Nachkommen Eſau’s und als Ver - ehrer von Chriſtus werden Edomiter genannt.

Manche der haͤrteſten Ausfaͤlle in den Gebeten der Juden gegen unſern Heiland und gegen uns Chriſten, wurden von den Cenſuren zu Venedig und an andern Orten Jtaliens, wo ſie ihre Er - bauungsbuͤcher drucken ließen, geſtrichen. Jn Poh - len und Deutſchland fanden ſie hingegen mehr Nachſicht, da die Cenſoren in der Regel nicht ein - mal deutſch, viel weniger hebraͤiſch verſtanden, und149 es uͤberdies manche juͤdiſche Buchdrucker ſowohl von der ſchwarzen, als der weißen Linie gab. Wo ſie jedoch ſich jener, durch die Cenſur verſtuͤmmelter Gebetbuͤcher bedienen muͤſſen, da werden die ihnen geſtrichenen Stellen, die entweder durch einen lee - ren Platz oder auf andere Weiſe bezeichnet ſind, durch muͤndliche Ueberlieferung fortgepflanzt. Die Anzuͤglichkeiten gegen die Chriſten ſind auch eigent - lich der Grund, weshalb die Juden ihre Andachts - uͤbungen lieber in der hebraͤiſchen, als in irgend einer andern Sprache halten.

Kein Regent hat das Recht, ſich um die Dog - men und kirchlichen Gebraͤuche der Buͤrger und Einwohner ſeines Staats zu bekuͤmmern; ihm liegt blos die Sorge fuͤr die irdiſche Wohlfahrt, nicht fuͤr die ewige Seligkeit ob, denn dieſe muß dem Gewiſſen eines Jeden uͤberlaſſen bleiben, da Jeder fuͤr ſich ſelbſt dem hoͤchſten Weſen verantwortlich iſt. Zwecken aber die kirchlichen Gebraͤuche und Lehrſaͤtze einer Religionsparthei darauf ab, ihre Bekenner zum Haß und zu ſchaͤdlichen, ungerechten Handlungen gegen ihre uͤbrigen Mitbuͤrger zu ver - leiten, wie dies offenbar der Fall bei den Juden iſt, ſo hat auch die Regierung nicht allein das Recht, ſondern die volle Verbindlichkeit, die Ab - ſtellung ſolcher Lehrſaͤtze und kirchlichen Formen an - zuordnen. Thut ſie es nicht, ſo verletzt ſie dadurch ihre Verpflichtungen gegen die uͤbrigen Staatsbuͤr - ger, denen ſie Schutz und Sicherheit ſchuldig iſt.

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Doch bei Gelegenheit mehr von dem Geiſt und Jnhalt der juͤdiſchen Gebete!

Wenn die andaͤchtigen Maͤnner aus der Sy - nagoge zuruͤck kommen, finden ſie ihr Zimmer ſehr huͤbſch aufgeraͤumt und gereinigt. Dies iſt eine, den Weibern heilig anempfohlene Pflicht*)Orachchajim Nr. 155; Brandſpiegel Kap. 10., damit das Gemuͤth ihrer Gatten nicht durch den Anblick von Schmutz und Unordnung von dem Himmliſchen abgezogen werde. Es wird deshalb ſtrenge darauf gehalten, denn man weiß, wie ſehr die Juden die Reinlichkeit lieben. Zuerſt legt man die Hauptte - phillim und dann die Handtephillim ab, und ver - wahrt ſie ſorgſam in ein Kaͤſtchen oder in einen dreifachen ledernen Beutel. Haͤtte Jemand das Un - gluͤck, ſie beim Ablegen, Anlegen oder ſonſt fallen zu laſſen, ſo muß er mit Allen, die es ſehen, niederknieen, und einen ganzen Tag faſten. Das Arba Camphos mit den Zizis wird gewoͤhnlich gleich - falls nach beendigtem Gebete abgelegt; fromme Leute behalten es aber, wie fruͤher bemerkt worden, an, um immer die Gebote Gottes vor Augen zu haben, weil es heißt: habe Gott vor Augen.

Die im Talmud beſtimmte Zeit zum Mittag - eſſen iſt eilf Uhr**)M. ſ. im Talmud den Traktat Schabbath Kap. 1; und Brandſpiegel Kap. 43.; indeſſen bindet man ſich hier -151 an nicht ſehr ſtrenge, da eine allzu große Puͤnkt - lichkeit unſern Verkehr leicht ſtoͤren koͤnnte, und Geld doch immer beſſer iſt, als das Geſetz. Eben ſo geht es mit der Reinlichkeit, die ſowohl hinſicht - lich der Speiſen, als des Tiſchzeuges von den Tal - mudiſten empfohlen wird. Wer jemals ſo gluͤcklich oder ſo ungluͤcklich war, oft bei Juden eſſen zu muͤſſen, wird bezeugen, daß man die eckelhafteſte Unreinlichkeit fuͤr eins ihrer heiligſten Geſetze hal - ten muß.

» Du ſollſt, ehe du dich zu Tiſche ſetzeſt, zu - vor auf das Bes Hakkiſſe (geheime Gemach) gehen, und deine Nothdurft verrichten, damit du mit leerem Magen und gereinigtem Leibe zum Eſſen koͤmmſt, denn es ſtehet geſchrieben: Du ſollſt das Alte ausziehen, wegen des Neuen; 3 B. Moſ. 26. V. 10. Nachher ſollſt du dir die Haͤnde waſchen in reinem Waſſer, und ſie gut abtrocknen. Wer mit ungetrockneten Haͤnden ißt, dem wird es an - gerechnet, als aͤße er unreines Brod*)Orachchajim Nro. 157; Traktat Sorah Kap. 1.. Als der Rabbi Akkiva, welchem das Paradies ſey, von den Gojim ins Gefaͤngniß gelegt war, brachte ihm Rabbi Jehoſcha der Garſiter, geſegneten Anden - kens, taͤglich ſo viel Waſſer, um zu trinken und ſich zu waſchen. Einſt nahm es ihm aber der Kerker - meiſter, und ſchuͤttete die Haͤlfte davon aus. Wie152 Rabbi Akkiva, auf welchem der Friede ſey, nun ſahe, daß er zu wenig hatte, ſprach er zum Rabbi Jehoſcha geſegneten Andenkens: gieb mir das Waſ - ſer, daß ich die Haͤnde mir waſche! Guter Rabbi, erwiederte Jehoſcha, dann behaͤltſt du ja gar nichts zum Trinken! Wer mit ungewaſchenen Haͤnden iſſet, verſetzte Rabbi Akkiva, der iſt des Todes ſchuldig. Es iſt beſſer, ich ſterbe vor Durſt, als daß ich das Geſetz meiner Eltern uͤbertrete*)Traktat Erubhin Kap. 2.. «

Bei dieſer außerordentlichen Waſchſucht der Jſraeliten muß man ſich freilich wundern, daß Ge - ſicht und Haͤnde gewoͤhnlich ſehr unrein ſind.

Kinder und Geſinde waſchen ſich zuerſt, dann die Hausfrau und zuletzt der Mann, welcher uͤber das Brod den Segen ſpricht. Auf dem Tiſche muß nemlich ein ganzes, gut ausgebackenes Brod liegen; dies nimmt der Hausherr, oder deſſen Stellvertre - ter, macht an einer Seite einen Schnitt, ohne jedoch ganz durchzuſchneiden, und legt es hierauf nieder. Dann bedeckt er es mit beiden Haͤnden, die Finger ausgeſpreitet, und ſpricht: Gelobt ſeyſt du Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt, daß du das Brod aus der Erde hervor ziehſt. Nun bricht er das Stuͤck, wo der Schnitt iſt, ab, taucht es in das Salz oder in die Suppe, und ißt es ſtillſchwei - gend, denn ſpraͤche er eine Sylbe, ſo muͤßte er153 noch einmal beten. Hernach ſchneidet er jedem ein Stuͤck Brod, legt es vor ihn hin, und betet zum Beſchluß den drei und zwanzigſten Pſalm, wozu die Anweſenden laut und vernehmlich Amen ſagen muͤſſen, und darauf ißt man.

Wo nicht mehr als zwei Juden mit einander ſpeiſen, ſpricht jeder den Segen fuͤr ſich.

Auch Wein, Bier, Meth u. ſ. w. werden einge - ſegnet, wenn mehr als zwei Perſonen zuſammen ſind. Der Hausherr nimmt zuerſt einen Becher voll Wein mit beiden Haͤnden, und zieht nachher die linke zuruͤck; iſt der Becher ihm zu ſchwer, ſo un - terſtuͤtzt er die rechte Hand mit der linken, ohne jedoch dieſe weiter an den Becher zu legen. Hier - auf hebt er den letztern eine Hand hoch vom Tiſch, und ſieht unverwandten Blickes hinein, indem er aufſteht und ſpricht: Gelobt ſeyſt du unſer Gott, Koͤnig der Welt, weil du die Frucht der Reben ſchufſt. Dann folgt gleichfalls der erwaͤhnte Pſalm, und das Poͤßchen iſt vorbei.

Bei dieſer letztern Einſegnung muß der Wein friſch und der Becher voll ſeyn. Hat ſchon vorher Jemand daraus getrunken, ſo muß der Wein aus - gegoſſen, und der Becher von neuem aus einer vollen Flaſche gefuͤllt werden. Wenn die Flaſche leer iſt, muß man den Wein in eine reine Flaſche gießen, den Becher in kaltem Waſſer ausſpuͤlen, und darauf den Wein wieder in den Becher ſchuͤt -154 ten; dann iſt das Getraͤnk » koſcher « und be - koͤmmt Abrahams Saamen ſehr gut*)Orachchajim Nro. 167 und 201..

Waͤhrend dem Eſſen ſind gleichfalls viele Ge - bote zu beobachten. Beſonders ſoll man huͤbſch anſtaͤndig ſich betragen, kein unnuͤtzes Geſchwaͤtz treiben und lieber von der Thorah (vom Geſetz) reden, denn der Prophet Elias iſt immer bei der Mahlzeit gegenwaͤrtig, und außer ihm ſteht noch ein guter Engel am Tiſch, der aufpaſſen und dem heiligen, hochgelobten Gott Nachricht bringen muß: ob man auch recht gebetet, vernuͤnftig geſprochen und ſich uͤberhaupt gut aufgefuͤhrt habe. Wenn man dummes Zeug macht, dann laͤuft der gute Engel davon, und Gott ſchickt einen boͤſen Engel, der etwas unter die Speiſen ſchuͤttet, wovon man krank wird**)Orachchajim Nr. 170. und Traktat Tanais..

Du ſollſt bei Tiſche bedenken, wie alles Eſſen und Trinken des Menſchen ſo eitel ſey, wie nur der geringſte Theil der Speiſe bei ihm bleibe; und daß das Meiſte, was du genießeſt, auf dem Bes Hakkiſſe (Abtritt) wieder von dir geht***)Traktat Berachos Fol. 1; und Orachchajim, wo man die meiſten dieſer und der folgenden Verhal - tungsregeln findet..

Du ſollſt das Mark aus den Knochen nicht auf dem Teller ausklopfen, ſondern, wenn du es155 ausklopfeſt, ein Stuͤck Brod darunter legen; denn ſonſt weckſt du die Teufel und boͤſen Geiſter auf, welche dann, in der Meinung, daß ihr euch ſchlagt, kommen und euch beſchaͤdigen.

Du ſollſt bei Tiſche die Knochen und Fiſchgraͤ - ten nicht hinter dich oder neben dich hinwerfen, da - mit du nicht den Propheten Elias und die heiligen Engel wirfſt.

Du ſollſt dein Meſſer nicht auf den Ruͤcken legen, denn ſonſt moͤchten der Prophet Elias und die heiligen Engel ſich darin ſchneiden.

Du ſollſt nicht Fleiſch und Fiſche zugleich eſſen, ſondern eins nach dem andern; doch ſollſt du in der Zwiſchenzeit erſt deine Zaͤhne ausſtochern, einen Biſſen Brods nehmen und etwas trinken, damit du Fleiſch und Fiſche von einander ſcheideſt.

Du ſollſt mit dem Meſſer, womit du Fleiſch geſchnitten, keine Butter und keinen Kaͤſe eſſen. Auch ſollſt du nicht Milchſpeiſen und Fleiſch ſo ne - ben einander auf den Tiſch ſetzen, daß ſie ſich beruͤhren.

Du ſollſt, wenn du iſſeſt, und den Mund voll haſt, nicht reden, und nicht einmal Geſundheit ſa - gen, wenn Jemand niest, damit dir nichts in den unrechten Hals koͤmmt*)M. ſ. den Traktat Tanais und Orachchajim Nro. 170..

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Du ſollſt dich nicht allzu ſatt eſſen, und immer noch ein Stuͤck Brod auf dem Tiſche laſſen, denn es heißt: wir haben gegeſſen, und ſind ſatt gewor - den, und es iſt ſehr viel uͤbrig geblieben, 2 Chron. 31. V. 10. Wer kein Brod auf dem Tiſch laͤßt, wird nimmermehr geſegnet und reich werden*)Sanhedrin Kap. 11..

Du ſollſt aber kein ganzes Brod auf dem Ti - ſche uͤbrig laſſen, weil es ſonſt ſcheinen moͤchte, als ob du Abgoͤtterei damit triebeſt**)Rabbi Elieſer in ſ. Pirkhe..

Das Salz iſt ein nothwendiges Erforderniß auf der juͤdiſchen Tafel, indem dieſe als ein Altar und die Speiſen als Opfer betrachtet werden; die Opfer aber, nach der moſaiſchen Verordnung geſal - zen ſeyn muͤſſen. Außer dem lieben Eſſen und Trinken haben die Juden noch ein Erſatzmittel (Sur - rogat) der leider, nicht mehr gebraͤuchlichen Opfer, nemlich zwei kleine Gebete, worin ſie des Morgens und zu andern Zeiten Gott danken, daß er ihnen das Geſetz und die Opfer gegeben hat. Opfern wir, ſagen ihre Talmudiſten, jetzt da der Tempel zerſtoͤrt iſt, auch keine natuͤrliche Kaͤlber mehr, ſo opfern wir dafuͤr die Kaͤlber unſerer Lippen, und das iſt hinreichend, denn der Prophet ſpricht: Laßt uns die Kaͤlber unſerer Lippen opfern. Hoſ. 14. V. 8.

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Du ſollſt ferner das Brod in hohen Ehren halten; es nicht verunreinigen; keine Schuͤſſel oder dergleichen darauf ſetzen; nichts davon unter den Teller legen; es nicht verachten oder gar darauf ſchelten; beſonders aber ſollſt du kein Kruͤmchen auf die Erde fallen laſſen, und es mit Fuͤßen treten; denn wer irgend eins von Allen dieſen Dingen thut, der wird in große Duͤrftigkeit gerathen. Der En - gel Nabel iſt von dem heiligen, hochgelobten Gott dazu beſtellt, diejenigen in Ungluͤck und Armuth zu bringen, die ſich jener Uebertretungen ſchuldig ma - chen. Dieſer Engel faßte einſt einen toͤdtlichen Haß gegen einen ſehr frommen Mann, und wuͤnſchte ihn ins Elend zu ſtuͤrzen. Allenthalben ſchlich er demſelben nach, und lauerte auf, ob er nicht ir - gendwo ein Kruͤmchen Brod fallen ließe, und es mit den Fuͤßen traͤte; aber vergebens. Endlich ſetzte der Mann ſich einmal im Felde auf hochgewachſe - nes Gras nieder und . Da freuete ſich der En - gel und frohlockte: nun ſoll er mir gewiß nicht entkommen! Allein, als der Fromme gegeſſen hatte, nahm er eine Schaufel, grub die Raſen mit allen Broſamen aus, und warf ſie ins Waſſer, damit die Fiſche die Brodkruͤmchen aufaͤßen. Wie der Engel dies ſahe, rief er aus der Hoͤhe, ſo daß jener es hoͤrte: Wehe mir, wehe mir, dieſer Ge - rechte hat mich aus meiner Wohnung vergebens158 gelockt, denn ſiehe, er laͤßt kein Kruͤmchen umkom - men, und ich kann ihm nichts anhaben*)Traktat Cholim Kap. 8..

Wenn waͤhrend dem Eſſen ein beſſerer, als der gewoͤhnliche Wein oder ein anderes Getraͤnk aufgeſetzt wird, dann muß der, ſo zuerſt davon trinkt, es mit den Worten einſegnen: Gelobet ſeyſt du Gott unſer Herr, und Herr aller Welt, daß du guͤtig biſt, und thuſt Gutes. Auch uͤber alle nicht gewoͤhnliche Speiſen muß ein beſonderes Ge - bet geſprochen werden, wenn ſie Jſraels Kindern wohl bekommen ſollen. Dieſe Gebete ſind nach Art der Speiſen verſchieden**)Orachchajim Nr. 202.. Waſſer wird nicht ge - ſegnet. Wahrſcheinlich glaubt Abrahams frommer Saame dem Schoͤpfer fuͤr dies beſte und geſundeſte aller Getraͤnke, deſſen Koͤſtlichkeit der Grieche Pin - dar uͤber das Gold erhebt, keinen Dank ſchuldig zu ſeyn.

Uebrigens danken die Jſraeliten dem lieben Gott nicht allein fuͤr das, was gut ſchmeckt, ſondern auch fuͤr Alles, was einen Wohlgeruch athmet, wie Fruͤchte, Blumen, Arzeneien und dergleichen; z. B. Gelobet ſeyſt du Gott, mein Gott, Koͤnig der ganzen Welt, daß du dieſen Zwiebeln gegeben haſt einen ſuͤßen Geruch. Man ſoll nichts genießen, ohne Gott dafuͤr zu loben und zu preiſen, denn wer159 das nicht thut, der gleicht einem Raͤuber, der ſich der Guͤter des Herrn gewaltſamer Weiſe bemaͤch - tigt*)Sanhedrin Fol. 102. 1. Berachos Fol. 35. 2.. Dies iſt ſehr fromm und gut, nur muß das Lob Gottes nicht in einem eintoͤnigen, gedan - kenloſen Geplaͤrr beſtehen, denn das iſt noch ſchlim - mer, als gar nichts.

Der Gott Jſraels haͤlt ſehr auf den Anſtand und auf das Etikette. Man hoͤre:

Wenn das Obſt, welches du einſegneteſt, dir aus der Hand zur Erde faͤllt, ſollſt du alſo ſpre - chen: » Gelobet ſey der Name der Herrlichkeit ſei - nes Koͤnigreichs von nun an bis in Ewigkeit! « denn du haſt eine große Suͤnde begangen, weil du den Namen Gottes umſonſt anriefſt, und das Obſt fal - len ließeſt. Entfaͤllt dir aber der Apfel, ehe du den Segen vollendet haſt, dann ſprich: Herr, lehre mich deine Gebote halten.

Wenn Du, ohne vorher zu beten, Getraͤnk oder Speiſe in den Mund nahmſt, ſo ſollſt du das Getraͤnk niederſchlucken und gleich nachher beten; die Speiſe aber, wenn du ſie ſchon gekauet haſt, ſollſt du auf der einen Seite im Munde behalten, und erſt, wenn du dein Gebet geſprochen, ſie nie - derſchlucken. Haſt du das Eſſen noch nicht gekauet, ſo ſollſt du es mit den Fingern deiner rechten Hand aus dem Munde nehmen, und zuvor beten, ehe160 du iſſeſt*)Verachos Kap. 7.. Wer Meſſer, Gabel oder Loͤffel fallen laͤßt, darf nicht weiter eſſen.

Am laͤngſten von allen muß der Hausherr am Tiſch verweilen, damit er lange lebet auf Erden. Auch ſoll er den Armen, die etwa kommen, ein Stuͤckchen Brod abbrechen, denn es ſtehet ge - ſchrieben: Brich dem Hungrigen dein Brod. Gott belohnt dies nachher mit reichem Segen.

Nach der Mahlzeit wird natuͤrlich wieder ge - betet; aber vorher muͤſſen alle Meſſer und Gabeln ſorgfaͤltig verwahrt werden, damit ſich die heiligen Engel und der Prophet Elias nicht damit ſchneiden oder ſtechen; auch kann ſonſt ein Ungluͤck geſchehen. Einſt betete ein frommer Rabbi, und bei den Wor - ten: Baue die heilige Stadt Jeruſalem wieder in unſern Tagen! Bau, bau, bau, lieber Gott! er - griff er ein Meſſer, und durchbohrte ſich das Herz.

Um die Wiedererbauung der Stadt Jeruſalems und des Tempels betet man nemlich Morgens, Mittags und Abends, und Jſraels Kinder ſind ſehr bekuͤmmert, daß ihr Gott noch immer keine Anſtal - ten zum Bauen trifft; oft vergießen ſie heiße Thraͤ - nen daruͤber. Es geht ihnen mit der Zerſtoͤrung Jeruſalems, wie jenem Holzhacker, der ploͤtzlich ſeine Axt fallen ließ, und anfieng, bitterlich uͤber den Tod ſeiner Großmutter zu weinen, die vor fuͤnfzig Jahren geſtorben war.

Eben161

Eben ſo wenig, wie das Beten, darf nach dem Eſſen das Waſchen der Haͤnde und des Geſichts verſaͤumt werden. Bei dem Waſchen der erſtern muß man beſonders vorſichtig zu Werke gehen. Hat man einen Ring am Finger, ſo muß man ihn ab - legen, damit nichts ungewaſchen bleibt.

Ob nachfolgendes Geſchichtchen aus dem Tal - mud gewaſchen oder ungewaſchen ſey, moͤgen meine Leſer entſcheiden.

Rabbi Joſe, Rabbi Juda und Rabbi Meir, denen das Paradies ſey, reisten einmal an einem Freitage mit einander uͤber Feld, und kehrten ge - gen Abend bei einem juͤdiſchen Wirth ein, um bei ihm den Sabbath zu feiern. Rabbi Meir fragte ihn, wie er hieße? Kidor! (d. i. verkehrte Art) verſetzte der Wirth. Hm! ſprach der Rabbi zu den andern, gewiß iſt der Kerl ein Spitzbube, da er einen ſo haͤßlichen Namen hat, denn es heißt 5 B. Moſ. 32. V. 20: ſie ſind von einer verkehrten Art (Kidor); ſie ſind Kinder, in denen kein Glauben iſt. Rabbi Joſe und Rabbi Juda geſegneten An - denkens, laͤchelten daruͤber, und gaben unbeſorgt ihre Boͤrſen dem Wirth fuͤr den Sabbath in Ver - wahrung*)Weil nemlich die Juden am Sabbath kein Geld bei ſich tragen duͤrfen.. Rabbi Meir aber, auf welchem der Friede ſey, gieng nach dem Grabe des Vaters vonII. Baͤndchen. 14162dem Wirth, und ſcharrte ſein Geld dort ein. Jn der Nacht traͤumte dem Kidor: er ſollte zu dem Grabe ſeines Vaters gehen, und nachgraben; er wuͤrde einen großen Beutel voll Geld finden. Die - ſen Traum erzaͤhlte er am Morgen dem Rabbi Meir geſegneten Andenkens; allein der erwiederte ihm: er ſollte keinen Traͤumen der Freitagsnaͤchte trauen; ſie taͤuſchen den Menſchen. Hierauf ſchlich Rabbi Meir ſich fort zu dem Grabe, und huͤtete dort ſeinen Geldſack bis zu Ende des Sabbaths, wo er ihn wieder zu ſich nahm, um weiter zu ziehen. Rabbi Joſe und Rabbi Juda, auf denen der Friede ſey, foderten zugleich ihre Geldbeutel vom Wirth; aber dieſer betheuerte: ſie haͤtten ihm nichts zu verwahren gegeben. Um ihn mit Guͤte beim Trunk zu uͤberreden, fuͤhrten ſie ihn endlich in ein Wein - haus; allein Kidor blieb bei ſeinem Leugnen. Da gewahrte einer von ihnen, daß Kidor noch Erbſen im Bart hatte. Sie liefen alſo eiligſt zu der Frau des Wirths und ſprachen: Dein Mann hat befoh - len, du ſollſt uns unſere Beutel geben, die er von uns in Verwahrung genommen, und damit du uns trauen moͤchteſt, laͤßt er dir zum Wahrzeichen ſa - gen, er haͤtte geſtern mit dir Erbſen gegeſſen. Die Frau fand dies Wahrzeichen ſo wahr und glaub - haft, wie Hand und Siegel ihres Mannes, und gab ohne Bedenken die Beutel mit dem Gelde zu - ruͤck. Als ihr Mann heim kam, und die Geldſaͤcke163 vermißte, beichtete ſie ihm, was geſchehen war; er aber ſchlug ſie ſo viel, daß ſie wenige Stunden darnach ſtarb. Hieraus ſoll jeder fromme Jſraelit lernen, daß man ſich die Haͤnde und das Geſicht waſchen muͤſſe; denn haͤtte der Wirth Kidor das gethan, ſo haͤtten ihn die Erbſen im Bart nicht verrathen; er haͤtte dann die Beutel der Rabbinen behalten, und ſeine Frau nicht zu Tode gepruͤgelt*)M. ſ. im Talmud den Traktat Joma Kap. 8..

Nicht allein am Morgen und vor und nach Tiſche, ſondern auch in mehreren beſondern Faͤllen iſt das Waſchen ausdruͤcklich vom Geſetz befohlen.

Du ſollſt dir die Haͤnde waſchen, wenn du aus dem Bade koͤmmſt; wenn du deine Naͤgel ab - geſchnitten, oder die Schuhe mit der Hand ausge - zogen haſt; wenn du bei einer Leiche geweſen biſt oder gar eine beruͤhrteſt; wenn du eine Laus todt - knackteſt, aber wenn du einen Floh erſchlugſt, ſo iſt es nicht noͤthig; ferner, wenn du mit deiner Frau Kurzweile getrieben, und wenn du auf dem Bes Hakkiſſe (Abtritt) geweſen biſt.

Noch iſt zu bemerken, daß die Dankſagung nach dem Eſſen, in welcher, um die ſchleunige Wie - derherſtellung Jeruſalems und des Tempels, um die baldige Sendung des Propheten Elias und des Meſſias, um die Vertilgung und Ausrottung der Chriſten und Nichtjuden (Gojim und Accum) und14 *164um andere Herrlichkeiten inſtaͤndigſt gebeten wird, an demſelben Ort geſchehen muß, wo man gegeſſen hat; denn ſonſt koͤmmt man nach dem Tode nicht zu Kebhurah, d. h. man bleibt unbegraben, weil man auf eine ſolche Weiſe ſtirbt, daß man nicht beerdiget wird. Ein frommer Jſraelit einmal auf dem Felde, und vergaß, als er ſatt war, dem heiligen, hochgelobten Gott dafuͤr zu danken. Schon hatte er einen betraͤchtlichen Weg zuruͤck gelegt, als er ſich ploͤtzlich des Verſaͤumten erinnerte. Jch habe ein koͤſtliches Kleinod vergeſſen, an dem Ort, wo wir aßen, ſprach er zu ſeinem Gefaͤhrten, und kehrte um, ſein Gebet zu verrichten. Als er hin - kam und ſeine Dankſagung geendigt hatte, ſchuf Gott eine goldene Taube, und ſandte ſie ihm zur Belohnung fuͤr ſeine Froͤmmigkeit*)Orachchajim Nr. 184.. Wenn das Beten ſo reichlich belohnt wird, wer wollte dann wohl nicht beten?

Um fuͤnf Uhr Nachmittags iſt es Zeit zum Abendgebet (Minchah). Hiezu giebt der Schul - klopfer oder Kuͤſter, an den Orten, wo Synago - gen ſind, durch Klopfen an die Thuͤren das Zei - chen. Mit Stuͤrmen, wie zum Morgengebet geht es ſodann in die Schule, man ſetzt ſich nieder und ſpricht zuerſt das Gebet Aſchre (d. h. Selig), welches aus dem vier und achtzigſten, hundert drei165 und vierzigſten und hundert vier und vierzigſten Pſalm zuſammengeſetzt iſt, und mit den Worten anfaͤngt: Selig ſind, die in deinem Hauſe wohnen und loben dich immerdar. Rabbi Kimchi*)Jn ſeiner Erklaͤrung von Pſalm 144. ver - ſichert, daß, wer den 144ſten Pſalm, womit dies Gebet ſchließt, taͤglich dreimal betet, unfehlbar Theil habe an dem ewigen Leben. Goldene Tauben verheißt er aber nicht. Nachher erhebt ſich der Vorſaͤnger, und ſingt die erſte Haͤlfte des Gebets Kaddeſch; ſodann wird das Gebet Schmone Esre (Achtzehn) von der ganzen Gemeine hergeſagt. Das Schmone Esre hat ſeinen Namen von den acht - zehn kurzen Dankgebeten, woraus es beſteht. Dieſe achtzehn kleinen Gebete, heißt es im Talmud, wurden wegen der achtzehn Knochen gemacht, die ſich im Ruͤckgrad des Menſchen befinden, denn David ſpricht: Alle meine Gebeine ſollen ſagen u. ſ. w.**)Berachoth Fol. 28, 2..

Nach dem Schmone Esre beſteigt der Vorſin - ger die Kanzel, knieet auf die Stufen vor der Arche nieder, und legt ſein weiſes Haupt auf die linke Hand. Daſſelbe thun die uͤbrigen und ſprechen aus Herzensgrunde, weil Kopf und Herz jetzt nahe bei einander ſind, ein ſehr andaͤchtiges Bußgebet nach dem Jnhalt des ſechsten Pſalms. Das Niederknieen166 des Vorſaͤngers gegen die Arche geſchieht nach dem Beiſpiele Joſua’s, von dem es heißt: er fiel auf ſein Angeſicht zur Erde vor der Lade (Arche) des Herrn. Auf die linke Hand ſtuͤtzt man ſich, weil Mund und Herz dann naͤher zuſammen ſind; weil unſer Vater Jſaak, als Abraham ihn ſchlachten wollte, auf der linken Seite gelegen, und endlich weil es Pſ. 2. V. 6. heißt: ſeine linke Hand iſt unter meinem Haupte. Auch die Bedeckung des Geſichts hat ihren ſehr vernuͤnftigen Grund. Jn dem großen Tempel zu Jeruſalem, den der heilige, hochgelobte Gott bald und in unſern Tagen wieder aufbauen moͤge, ſtand man vier Ellen weit aus einander und keiner konnte hoͤren, was der andere beichtete. Jn den engen Synagogen muß man aber, um Letzteres zu verhuͤten, das Geſicht bedecken. Wir Chriſten thun bekanntlich in unſern Kirchen daſſelbe, um nicht ſehen zu laſſen, was wir beten, und ob wir beten.

Nach Beendigung des Bußgebets erhebt man wieder ſein Haupt, und der Vorſinger ſpricht: Nun wiſſen wir nicht, was wir weiter beginnen ſollen, als daß wir unſre Augen zu dir aufheben, o Gott unſer Gott.

Das kleine Kaddeſch macht den Beſchluß der Abendandacht. Dies Gebet muß Jeder, deſſen Va - ter geſtorben iſt, ein Jahr lang beten, um die arme Seele aus dem Fegfeuer zu befreien.

167

Gleich nach der Abendandacht (Minchah) verrichtet man das Nachtgebet (Maaribh). Man verlaͤßt aber nicht die Synagoge, damit nicht einer oder der Andere ſich betrinken, und im Rauſch das Gebet vergeſſen oder verſchlafen moͤge. Es wird blos eine kleine Pauſe gemacht, um das Minchah und Maaribh zu trennen. Hier wird nun eben ſo, wie des Morgens, wie vor und nach Tiſche, und wie kurz vorher im Abendgebet um Wiederherſtellung des Tempels und der Stadt Je - ruſalem, um baldige Sendung des Meſſias und Elias, um Erloͤſung aus der edomitiſchen (chriſtli - chen) Gefangenſchaft, um Vertilgung der Chriſten, und dergleichen dummes Zeug mehr zu dem heiligen, hochgelobten Gott geflehet, denn in allen Gebeten der Juden athmet derſelbe racheſchnaubende Geiſt, der an vielen Pſalmen Davids und ſeiner Nachah - mer ſo ſehr mißfaͤllt.

Bei dem Nachtgebet herrſcht ein ſehr ſonder - barer Gebrauch. Wenn ein Jude mit dem andern eine Streitſache hat, deren ſchnelle Beendigung er wuͤnſcht, ſo tritt er aus der Gemeine hervor, geht zu dem Vorſaͤnger, ſchlaͤgt deſſen Geſangbuch zu, und klopft mit der Hand darauf, indem er die Worte ſpricht: Ani kelao, ich beſchließe es; das bedeutet: ich verbiete das Gebet, bis ich mit mei - nem Gegner verglichen bin. Geſchieht dies, dann darf nicht eher wieder gebetet werden, als bis die168 Streitenden ſich vereinbart haben, und da das haͤufig mit manchen Schwierigkeiten verknuͤpft iſt, ſo muß oft viele Tage nach einander das Gebet ausgeſetzt werden.

Beim Abendeſſen finden dieſelben Gebraͤuche ſtatt, wie bei der Mittagmahlzeit.

Es iſt Pflicht der Frau, fuͤr Reinlichkeit des Schlafgemachs und der Betten zu ſorgen, denn man ſoll den Namen des hochgelobten, heiligen Gottes an keinem unreinen Ort nennen. Als daher Rabbi Sira einmal von ſeinen Juͤngern gefragt ward: warum er ſo lange lebte auf Erden? erwiederte er: ich habe den Namen des Herrn meines Gottes nie auf dem Bes Hakkiſſe oder an einem andern ſchmuz - zigen Ort genannt und gedacht*)M. ſ. im Talmud den Traktat Tanais..

Das Ehebett ſoll ſo geſtellt werden, daß das Haupt gegen Mittag und die Fuͤße gegen Mitternacht ruhen. Wer hierauf achtet, dem werden viele Soͤhne geboren, denn es ſtehet geſchrieben (nach rabbini - ſcher Verdeutſchung): Und dein Nordwind wird ih - nen den Bauch fuͤllen; Pſ. 17. V. 14**)Reſchis chromah, Schaar hakkeduſcha Kap. 16.. Von dem, was weiter im Ehebette zu beobachten iſt, enthalten das Buch Orachchajim und der Brand - ſpiegel das Naͤhere. Noch ſind folgende Vorſchrif - ten zu bemerken.

Du169

Du ſollſt, wenn du dich ſchlafen legſt, zuerſt den linken Schuh, und darauf den rechten ausziehen.

Du ſollſt, wenn du das Hemde abzieheſt, es im Bette liegend thun, und dich zudecken, damit Balken und Waͤnde nicht deinen haͤßlichen und ſchaͤndlichen Leib ſehen.

Du ſollſt auch nicht nackend dein Waſſer laſ - ſen, ſonſt wirſt du in Duͤrftigkeit und Armuth ge - rathen.

Du ſollſt, wenn du das Gebet Schmah Ji - ſrael im Bette beteſt, gleich einſchlafen und nichts mehr plaudern. Kannſt du nicht ſchlafen, ſo ſollſt du es noch einmal, und ſo oft wiederholen, bis du am Ende einſchlaͤfſt.

Die Soͤhne der Juden ſind vom dreizehnten Jahr an, da ſie fuͤr Soͤhne der Gebote (Bar Mitz - va) erkannt werden, was bei ihnen die Konfir - mation iſt, verpflichtet, ſelbſt fuͤr ihren Unterhalt zu ſorgen, und den Eltern, wenn dieſe es begehren, Koſtgeld zu zahlen. Die Toͤchter helfen den Muͤt - tern in haͤuslichen Geſchaͤften, und werden dafuͤr von den Eltern gekleidet. Nebenher treiben ſie aber auch ihren kleinen Schacher, und wenn ſie weiter nichts haben, ſo handeln ſie mit Jhr wißt wohl, womit.

Bis die Tochter zwoͤlf Jahr und einen Tag alt iſt, gilt ſie fuͤr minderjaͤhrig (Kedenah). So - bald ſie jenes Alter erreicht hat, iſt ſie ſechs MonateII. Baͤndchen. 15170lang eine Naarah, d. h. ein Maͤdchen, welches zwar aufgehoͤrt hat, ein Kind zu ſeyn, aber noch keine guͤltige Eheverloͤbniſſe eingehen kann. Nach Ablauf dieſer ſechs Monate iſt ſie eine Gedolah oder eine volljaͤhrige Jungfrau, deren Verloͤbniſſe verpflichtend ſind, woferne der Vater ſie nicht be - reits vorher verſprochen hat, welches er, wie alle große Herren, ſchon am Tage ihrer Geburt, und ſelbſt vor derſelben thun darf.

Die Herrſchaft der juͤdiſchen Ehemaͤnner uͤber ihre Frauen iſt weit ſtrenger, als jene der chriſt - lichen; und hierin erkennt man gleichfalls die orien - taliſche Herkunft der Juden. Selten findet man einen iſraelitiſchen Pantoffelknecht. Mag der He - braͤer ſo feige ſeyn, wie er will, als Ehemann weiß er ſein vermeintliches Recht zu behaupten, daher ſieht man oft den elendeſten juͤdiſchen Kruͤppel ein ſtarkes, hochſtaͤmmiges Weib quaͤlen und mißhan - deln. Dies iſt freilich das Schickſal der Frauen bei allen ungebildeten Voͤlkern, allein bei den Jſrae - liten iſt es mehr noch Ergebniß des religioͤſen Glaubens, als der natuͤrlichen Rohheit. Die Ver - achtung gegen das weibliche Geſchlecht zeigt ſich ſelbſt in ihren Gebeten und gottesdienſtlichen Hand - lungen. So beten zum Beiſpiel die Maͤnner Mor - gens und Abends: Gelobet ſeyſt du Gott, mein Gott, und Gott meiner Vaͤter, daß du mich nicht zu einem Weibe gemacht haſt. Die Frauen hinge -171 gen ſprechen ganz demuͤthig: Gelobt ſeyſt du Gott, Herr der Welt, daß du mich eine Juͤdin haſt wer - den laſſen. Es iſt wahr, die Griechen, obgleich eine hochgebildete Nation, hielten dennoch ihre Frauen in ſtrenger Eingezogenheit; allein Eingezo - genheit und Unterdruͤckung ſind ſehr verſchiedene Dinge. Die letztere muß ruͤckſichtlich der Weiber durchaus dort eintreten, wo, wie ehemals bei den Juden, Vielweiberei herrſcht. Dieſe aber iſt nicht allein der Sarg jedes haͤuslichen und ehelichen Gluͤcks, ſie iſt auch die Wiege des Laſters und das Grab aller ſittlichen Veredlung. Wo die ſchoͤnere Haͤlfte der Menſchheit zum Befriedigungswerkzeuge grober Sinnlichkeit herabgewuͤrdigt wird, wie koͤn - nen da wohl Tugenden gedeihen, die durch gemein - ſchaftliche Erziehung der Kinder entwickelt und ausgebildet werden muͤſſen? Die Juden begnuͤgen ſich jetzt freilich mit Einer Frau, allein der Ha - remsgeiſt hat ſie noch immer nicht verlaſſen. Blinde Unterwerfung des Weibes unter den Willen des Mannes iſt ihr Geſetz, denn die Frau iſt nur ein Spielzeug, welches blos zur Befriedigung der Nei - gungen und Launen ihres Gatten erſchaffen iſt. Das iſt moſaiſche und talmudiſche Lehre.

Die Talmudiſten rathen ſehr, etwas Vieh zu halten, nicht wegen des wirthſchaftlichen Nutzens, ſondern wegen des Gluͤcks und Ungluͤcks, welches die Geſtirne und Planeten dem Hausherrn und den15 *172Seinigen oft prophezeihen. Wenn nun ein Unſtern einem frommen Jſra eliten drohet, ſo tritt der Groß - kanzler (Saphra rabba), ein Engel, der alle gute Werke der Juden aufſchreiben muß, vor den heili - gen, hochgelobten Gott und ſpricht: Herr der Welt, jenem Jſraeliten bedeuten die Geſtirne ein Ungluͤck; aber ſiehe her, wie viel gute Werke von ihm in meinem Buche verzeichnet ſind. Laß doch das Un - gluͤck einen Gottloſen betreffen, damit erfuͤllt werde, was geſchrieben ſtehet: der Gerechte wird aus der Noth erloͤſet, und der Gottloſe koͤmmt an ſeine Statt; Spruͤchw. 11. V. 8. Jſt denn gerade ein Gottloſer vorhanden, ſo trifft ihn der Unſtern, der den Frommen bedrohete. Hat der Herr der Welt aber keinen Gottloſen vorraͤthig, dann muß das Vieh des Jſraeliten das, ſeinem Herrn von den Ge - ſtirnen zugedachte Ungluͤck auf ſich nehmen.

Man ſieht hieraus, wie nuͤtzlich fuͤr die Juden die Viehzucht iſt.

Das liebe Vieh muß mit der groͤßten Sorgfalt abgewartet werden, denn es ſtehet geſchrieben: ich will deinem Vieh Gras geben auf deinem Felde, und du wirſt ſatt werden. Hier iſt das Vieh eher genannt, als die Menſchen, alſo muß es auch ge - fuͤttert werden, ehe die letztern etwas eſſen*)Traktat Gittin Kap. 3 und 5.. 173Es iſt ſogar Pflicht der ſelbſt ſtillenden Muͤtter, gleich nach dem Morgengebet, bevor ſie ihr Kind anlegen, dem Vieh Futter zu geben, weil Salomo Spruͤchw. 12. V. 10. ſagt: der Gerechte erbarmet ſich ſeines Viehes. Frauen, die dies thun, werden dadurch fromm und gerecht*)Seder mitzvos naſchim Kap. 5 und 6..

174

Von den Speiſeverboten, dem Schaͤchten und Kochen der Juden.

Die Kuͤchenpolizei der Aegypter ward von Moſes auf die Juden verpflanzt; denn vorher aßen dieſe Alles, was ihre Zaͤhne beißen konnten und ihnen gut ſchmeckte, nicht allein Haſen - und Schweine - braten, ſondern ſogar Fledermaͤuſe, Wieſel, Ratzen, Maͤuſe, Kroͤten, Eidexen, Blindſchleichen, Maul - wuͤrfe, ja ſelbſt das Aas auf dem Felde. Moſes verbot ihnen das, theils weil er das Fleiſch jener Thiere und das Aas, worauf ſie, gleich den Zi - geunern, vorzuͤglich erpicht waren, fuͤr ungeſund hielt; theils weil dergleichen Leckereien ihm, der eine aͤgyptiſche Erziehung erhalten, eckelhaft waren, theils endlich deshalb, um die Juden, welche ſich durch dieſe ſeltſame Gefraͤßigkeit bei den Aegyptern und andern Voͤlkern veraͤchtlich gemacht hatten, wieder zu Ehren zu bringen.

Nicht allein in vielen Laͤndern Aſiens und Afri - ka’s, ſelbſt in Europa haͤlt man das Fleiſch man - cher Thiere, die Moſes den Juden zu eſſen verbot, beſonders in gewiſſen Krankheiten fuͤr hoͤchſt ſchaͤd - lich. Dies gilt vor Allem vom Schweinefleiſch,175 welches in den ſuͤdlichen Laͤndern ſehr ungeſund ſeyn ſoll. Das moſaiſche Geſetz ruͤckſichtlich der reinen und unreinen Thiere verdient alſo nicht den frevel - haften Spott, den unwiſſende Thoren ſich ſo haͤufig daruͤber erlauben. Auch that Moſes ganz Recht, das, was wahrſcheinlich blos Frucht ſeines Nach - denkens, ſeiner Einſicht und Erfahrung war, den Jſraeliten als goͤttlichen Befehl anzukuͤndigen, denn ſonſt haͤtte das gefraͤßige, luͤſterne Volk ſeine Ge - bo[te]nimmermehr befolgt. Bei dieſer Taͤuſchung hatte er keineswegs die Befriedigung der Selbſtſucht und des Eigennutzes, ſondern einzig und allein den Vortheil der Getaͤuſchten zum Zweck. Es war eben ſo weiſe und edel, und gewiſſermaßen ſogar der reinſten Wahrheit gemaͤß, wenn er ſprach: Gott hat verboten, das Fleiſch jener Thiere zu eſſen; denn in den nachtheiligen Folgen, welche der Schoͤ - pfer mit dem Genuß dieſes Fleiſches verbunden hatte, lag ja offenbar das ausdruͤckliche Gebot, es nicht zu eſſen. Moſes handelte hier als kluger, verſtaͤndiger Geſetzgeber und als rechtlicher Mann, und nicht als Betruͤger, wie manche ſeiner Feinde behaupten. Man muß, wenn man die Handlun - gen eines Menſchen richtig beurtheilen will, ſie nie, von ihren Urſachen und Abſichten entbloͤßt, durch die Brille einer engherzigen, befangenen Sittenlehre betrachten, welche uns die edelſte That oft als das ſchwaͤrzeſte Verbrechen, die eiteln Beſtrebungen des176 Eigennutzes und der Ruhmſucht hingegen als die glaͤnzendſten Tugenden vorſpiegelt.

Ruͤckſichtlich der vierfuͤßigen Thiere erlaubte Moſes den Jſraeliten das Fleiſch aller derjenigen zu eſſen, welche wiederkaͤueten und geſpaltene Klauen haͤtten. Er verbot ihnen aber das Kameel, » weil es, wie er ſagt, zwar wiederkaͤuet, aber keine geſpaltene Klauen hat. « Hier be - greift man wahrlich nicht, was man von dem wei - ſen Geſetzgeber denken ſoll! Faſt ſollte man glau - ben, er haͤtte in Aegypten nie ein Kameel geſehen, da er einen ſo maͤchtigen Jrrthum begieng; denn die Kameele wiederkaͤuen nicht nur, ſie haben auch geſpaltene Klauen. Das wußte im tiefen Norden der Schwede Linnè, ehe er vielleicht jemals ein lebendiges Thier dieſer Art ſahe, und rechnete da - her das Kameel, welches er Ovis Camelus, Ka - meelſchaf, nennt, zur Klaſſe der Schafe. Der gute Moſes hatte bei den vielen Konferenzen mit dem Gott Jſraels vermuthlich zu wenig Zeit, ſich um ſeine naͤchſten irdiſchen Umgebungen zu bekuͤm - mern; wie haͤtte es ihm ſonſt in Aegypten wohl unbekannt ſeyn koͤnnen, daß die Klauen der Ka - meele geſpalten ſind! Doch wir wollen hieruͤber nicht zu ſtrenge mit ihm rechten. Sein Jrrthum beweist blos, daß der heilige Geiſt ihm bei dieſer Verord - nung die Feder, oder den Meiſſel, womit er ſeine Geſetze eingrub, nicht leitete. Unſern heutigen177 Staatsmaͤnnern geht es oft nicht beſſer, als ihm. Jch ſprach einſt mit einem preußiſchen Finanzbeam - ten, einem ſeynwollenden Gelehrten und bekann - ten Schriftſteller. » Aber, fragte ich, ſollten die ſtarken Abgaben von der rohen Baumwolle nicht ihren eigenen Manufakturen ſchaden? « Keineswegs, lieber Freund, verſetzte der Finanzmann; wir koͤn - nen die fremde Baumwolle fuͤglich entbehren, denn unſre Regierung verwendet jaͤhrlich betraͤcht - liche Summen auf die Schafzucht. Er glaubte alſo offenbar, die Baumwolle waͤre ein Erzeugniß der Schafe. Wir duͤrfen folglich den iſraelitiſchen Geſetzgeber wegen jenes unbedeutenden Fehlgriffs um ſo weniger tadeln, da er kein Gelehrter und kein Naturforſcher ſeyn wollte. Waͤre zu ſeiner Zeit die große Naturgeſchichte des weiſen Koͤnigs Salomo ſchon bekannt geweſen, worin dieſer » von den Baͤumen, von der Ceder auf dem Libanon bis zum Yſop, der aus der Mauer waͤchst, vom Vieh, von Voͤgeln, von Gewuͤrmen und Fiſchen wahr - ſcheinlich auch von Weibern und Maͤdchen « re - dete; ſo wuͤrde Moſes ſchwerlich jenen Jrrthum begangen haben. Und waͤre jenes herrliche Werk gar bis auf unſere Zeiten gekommen, was haͤtten wir dann wohl nicht fuͤr Wunder erfahren? Wun - der, von denen Plinius, Tournefort, Linné und Buffon, ja ſelbſt Albertus Magnus und die groſ - ſen Jeſuiten Athanaſius Kircher und Caſpar Schott niemals ſich traͤumen ließen!

178

Um ſeinen diaͤtetiſchen Speiſeverordnungen Ge - horſam zu verſchaffen, mußte Moſes ihnen natuͤr - lich das Anſehen goͤttlicher Befehle geben, und um die Juden noch mehr zur Befolgung derſelben auf - zumuntern, ſagte er ihnen, daß ſie ein » heiliges und reines « Volk ſeyn, und ſich nicht durch das Eſſen jener Thiere, welche dem, der ſie erſchaffen, ein Greuel waͤren, verunreinigen muͤßten. So machte er den, ihnen eingepflanzten ſtolzen Wahn, » daß ſie das ganz beſonders auserwaͤhlte Volk Gottes waͤren, ſelbſt zum Beweggrunde, jene blos weltlichen Gebote mit moͤglichſter Puͤnktlichkeit zu halten. Jn einem reichen fruchtbaren Lande, wie Kanaan, ward ihnen dies nicht ſchwer, und der hoͤchſte Grad der Heiligkeit, welche ſie in ge - nauer Beobachtung der diaͤtetiſchen Vorſchriften und des Tempeldienſtes ſuchten, ward folglich leicht von ihnen erreicht. Dieſe außerweſentlichen Dinge ſchie - nen ihnen unter allen moſaiſchen Befehlen gerade das Wichtigſte, weil ſie das Leichteſte waren, und dadurch wurden ſie Allem, was dem Menſchen wirklich ſittlichen Werth giebt, entfremdet. So traf Chriſtus die Juden. Hatte Moſes gelehrt, daß gewiſſe Speiſen den Menſchen verunreinigten, ſo lehrte er gerade das Gegentheil: » nicht das, was zum Munde eingehet, verunreiniget den Menſchen; ſondern das, was zum Munde ausgehet, verun - reiniget ihn; « Matth. 15. V. 11. Chriſtus drang179 nicht auf die Reinheit der Toͤpfe, ſondern auf die Reinheit der Herzen. Er erklaͤrte den Tempeldienſt und alle die laͤppiſchen Ceremonien fuͤr uͤberfluͤßig, womit die Juden das hoͤchſte Weſen zu verehren waͤhnten, und befahl Gott im Geiſt und in der Wahrheit anzubeten. Auch ſeinen Juͤngern gebot er: Alles ohne Ausnahme zu eſſen, was man ih - nen vorſetzen wuͤrde. Dieſe Lehre, welche in ſo ſcharfem Widerſpruch mit dem moſaiſchen Geſetze ſtand, erregte den Unwillen der Juden und beſon - ders der juͤdiſchen Prieſter, die dadurch an ihrem Anſehen und ihren Einkuͤnften verloren.

Eben ſo wenig wie das uͤbrige kirchliche For - menweſen vertrugen ſich die Speiſeverordnungen der Juden mit der Jdee einer reinen Wel treligion, welche nach dem Sinne des erhabenen Stifters, Herz und Geiſt wahrhaft veredeln, und uͤber das Jrdiſche zu dem Unendlichen erheben ſollte. Haͤtte er ſeine Lehre mit den kleinlichen, zum Theil laͤcher - lichen Gebraͤuchen der Juden verbinden wollen, ſo wuͤrde er dadurch nicht nur alle nicht juͤdiſchen Voͤl - ker von der Annahme des Chriſtenthums zuruͤck geſchreckt, ſondern ſelbſt den Grund dazu gelegt haben, daß das letztere bei den meiſten Bekennern noch fruͤher, als es wirklich geſchah, unter lee - rem Formelwenk untergegangen waͤre, und ſich hoͤchſtens dem Namen nach erhalten haͤtte.

Die Speiſeverbote des Moſes ließen ſich auch180 deshalb nicht mit einer Wel treligion vereinigen, weil ſie blos als diaͤtetiſche Vorſchriften fuͤr einen gewiſſen Himmelſtrich berechnet waren. Was in dem heiſſen Morgenlande ungeſund und leicht zu entbehren iſt, das iſt in kaͤltern, weniger fruchtba - ren Gegenden ſehr zutraͤglich und ganz unentbehr - lich. Man wuͤrde unſern Deutſchen eins ihrer kraͤf - tigſten Nahrungsmittel, und den Landleuten mancher Gegenden, wie z. B. in Niederſachſen und Weſt - phalen ihre eintraͤglichſten Erwerbzweige entziehen, wenn man das Schweinefleiſch als unrein verboͤte. Eine Religion mit der Kuͤchenſchuͤrze iſt eben ſo laͤcherlich, wie eine Kuͤchenmagd, welche die Kanzel beſteigt. Die Religion ſoll ſich mit dem Geiſte und dem Herzen, und nicht mit dem Magen und den Toͤpfen beſchaͤftigen. Der heilige Vater, der im Vatikan Kuͤchenzettel ſchreibt, iſt ein eigennuͤtziger, alberner Papa; nicht das Seelenheil ſeiner glaͤubi - gen Schafe, ſondern ihre Wolle liegt ihm am Her - zen, die er durch die Scheere ſeiner Dispenſationen und Ablaſſe an ſich zu bringen ſucht.

Ruͤckſichtlich der iſraelitiſchen Speiſeverordnun - gen finden keine Dispenſationen und Ablaſſe ſtatt. Es giebt freilich in den groͤßern deutſchen und franzoͤſiſchen Staͤdten viele Juden, die ſich, wenn ſie unter Chriſten ſind, und nicht fuͤrchten duͤrfen, verrathen zu werden, um die moſaiſche Diaͤt wenig bekuͤmmern. Aber im Ganzen genommen, iſt Abra -181 hams Saame hierin ſehr ſtrenge, und dies nebſt den vielen ſeltſamen Gebraͤuchen beim Schlachten und Kochen, ja ſelbſt beim Eſſen macht den Juden, der ſein Geſetz vollkommen beobachten will, zum Kriegsdienſt unter den Chriſten faſt noch unfaͤhiger, als ſeine Feigheit.

Uebrigens ſind den Jſraeliten nicht nur gewiſſe Speiſen, ſondern auch alle Gaſtgebote außer den Sabbathen und Feſttagen auf das ſtrengſte un - erſagt. Wer an den Werk - und Wochentagen zu viel ißt und große Gaſtmaͤhler giebt, dem wird am dritten Tage nach ſeiner Beerdigung im Grabe der Bauch aufſpringen, und die Teufel (Schedim) wer - den ihm ſeine Eingeweide hoͤhnend mit den Wor - ten: da, friß, was du geſammelt haſt! ins Geſicht ſchlagen*)Reſchis Chochma Kap. 15..

Das Schlachten oder Metzgen heißt bei den Jſraeliten ſchaͤchten; und der juͤdiſche Metz - ger wird Schochet genannt; denn was von einem Nichtjuden geſchlachtet worden, duͤrfen die reinen Hebraͤer nicht eſſen. Mit dem Schlachten ſind ſehr viele Foͤrmlichkeiten verbunden, und wer Scho - chet werden will, muß nicht blos mehrere Jahre bei einem Kunſterfahrenen ſeines Glaubens lernen, ſondern auch die juͤdiſchen Metzgerordnungen, Schaͤchitos und Bedikos genannt, ſtudieren. Nachher wird der Kandidat der Metzgerkunſt von182 einem Rabbi gepruͤft, und nach befundener Tuͤch - tigkeit erſt zum Schochet ernannt. Nur, wer hier - uͤber ein, von einem Rabbiner ausgeſtelltes Zeugniß aufweiſen kann, darf ſchaͤchten, und nur das, was ein ſolcher Schochet geſchlachtet oder geſchaͤch - tet hat, darf von Jſraels frommen Kindern gegeſ - ſen werden.

Zum Schaͤchten von großen Thieren bedient man ſich großer, von kleinen Thieren aber kleiner Meſſer. Die erſtern muͤſſen vorne breit und ſtumpf, ſehr ſcharf und durchaus ohne Scharte ſeyn. Oft faͤhrt die Seele eines gerechten und frommen Jſrae - liten in ein reines Vieh oder Gefluͤgel, und deshalb ſoll man ihm einen recht ſanften Tod geben, denn man wuͤrde der armen Judenſeele ſehr wehe thun, wenn man ein ſtumpfes oder gar ein ſchartiges Meſſer zum Schaͤchten gebrauchte*)Capthor upherach; Avodath Hakkodeſch Theil 2, Kap. 18..

» Die Verordnungen vom Schaͤchten muͤſſen ja ſorgfaͤltig beobachtet, und die Schaͤchtmeſſer jedes Mal vorher genau beſichtiget werden zum Beſten der Seelen, die etwa in das Vieh oder in den Vogel gefahren ſind, damit man ihnen keine Schmerzen mache, denn es ſtehet geſchrieben: Du ſollſt deinen Naͤchſten lieben, als dich ſelbſt 3 B. Moſ. 19. V. 18.**)Avodath Hakkodeſch, Tit. Chelek haavoda Kap 34. «

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» Wer die Seele eines Viehes opfert, der opfert mit derſelben oft eines Menſchen Seele. Darum iſt uns geboten, daß wir mit einem Meſſer ohne Scharte ſchaͤchten oder ſchlachten ſollen; denn wer weiß, ob nicht eine Seele in das Vieh gefahren iſt. Deshalb muß man ihm einen leichten Tod be - reiten. Wer ein Glied von einem lebendigen Thier ißt, in welches die Seele eines Jſraeliten verſetzt worden, der handelt eben ſo ſuͤndlich, als wenn er von dem Fleiſch ſeines Bruders aͤße. Daher gebietet Moſes: du ſollſt die Seele nicht mit dem Fleiſch eſſen, 5 B. Moſ. 12, V. 23; und David ſpricht: errette meine Seele von dem Schwert, meine Einſame von den Hunden*)Niſchmath Chajim Maamar 4, Kap. 13.. «

Großen Thieren binden die Juden beim Schaͤch - ten alle vier Fuͤße zuſammen, » denn unſer Vater Abraham hat unſerm Vater Jſaak, als er ihn ſchaͤchten wollte, gleichfalls die Haͤnde und Fuͤße zuſammen gebunden. « Hierauf ſchneiden ſie mit einem Schnitt die Gurgel ab, und beſehen das Meſſer genau: ob es auch eine Scharte bekommen hat. Jſt dies der Fall, ſo iſt das geſchlachtete Thier aſur (verboten), denn es hat ſich vor der Scharte erſchrocken und nicht gehoͤrig ausgeblutet, weil ſich das Blut zum Herzen geſammelt hat. War hingegen der Schnitt ohne Tadel und das Meſſer184 ohne Scharte, ſo haͤngt man das Vieh auf, nimmt die Eingeweide heraus, und ſchneidet auf beiden Seiten, nach dem Herzen zu ein Loch, wo der Metzger oder ein Anderer, der das Badken (Durchſuchen) verſteht, mit den Haͤnden hinein langt und badket oder unterſucht, ob ſich irgendwo Blut geſetzt, oder ob das Thier Beulen oder an - dere Fehler habe. Findet ſich das Geringſte der Art, ſo iſt das Geſchlachtete aſur (unrein und verboten) und darf nicht gegeſſen werden.

Wenn das Fleiſch koſcher d. h. rein und gut iſt, nimmt man die Adern und Nerven nebſt dem Un - ſchlitt heraus, waͤſcht ſorgfaͤltig jeden Blutstropfen ab, und laͤßt es auf einem Brett vollends abtrie - fen. Nachher wird es geſalzen und muß eine bis zwei Stunden in durchloͤcherten Gefaͤßen liegen, damit das Salz alles Blutige ausziehen moͤge, denn Moſes hat das Blut eſſen, aber nicht das Blut - vergießen, auf das ſtrengſte verboten. Das Hintertheil eſſen Jſraels heilige Kinder nicht, » weil der Engel Michael unſerm Vater Jakob die Huͤfte (das Hinterviertel) verrenkt hat. «

Das Blut der großen oder vierfuͤßigen Thiere wird eingegraben, denn » die Erde hat das Blut des frommen Abels getrunken, den ſein Bruder, der gottloſe Kain erſchlagen hat. « Auch muß man es deshalb mit Erde bedecken, » damit nicht der Sa - tan es ſieht, und uns bei dem heiligen, hochgelob -ten185ten Gott verklagt, daß wir das unſchuldige Vieh, welches doch keine Suͤnde gethan, ſo grauſam um - gebracht und einen Todſchlag begangen haben*)M. ſ. das Buch Chaſidim.. «

Das Schaͤchten des Gefluͤgels geſchieht auf dieſelbe Weiſe, nur daß man das Blut auf Aſche laufen laͤßt, und es nachher damit bedeckt. Dieſer Gebrauch hat gleichfalls ſeinen ſehr vernuͤnftigen Grund; als nemlich Elieſer, der Knecht unſers Vaters Abraham, die Rebecca unſerm Vater Jſaak zufuͤhrte, fiel Rebecca, welche gerade an einer ge - wiſſen Unpaͤßlichkeit litt, vom Kameel, und da troͤpfelte etwas Blut auf die Erde. Die Voͤgel unter dem Himmel, welche es ſahen, flogen jedoch eiligſt hinzu, und verſcharrten es ins Sand, da - mit die braͤutliche Rebecca vor unſerm Vater Jſaak nicht zu erroͤthen brauchte. Darum hat Gott uns geboten, daß auch wir das Blut der Voͤgel ver - ſcharren, und mit Aſche bedecken ſollen**)Das Metzgerbuch Schaͤchtos..

Die Juden verſtehen meiſterhaft, alles zu ih - rem Vortheil und zur Beeintraͤchtigung der Chriſten zu benutzen; ſo auch das Schaͤchten. Jch kenne Staͤdte in Deutſchland und Pohlen, wo Jſraels Kinder oft mehrere Wochen und Monate hindurch ſchaͤchten, und das Fleiſch unter dem Vorwande, daß es nach ihrem Geſetz nicht koſcher ſey, an dieII. Vaͤndchen. 16186Chriſten verkaufen. Die chriſtlichen Metzger oder Schaͤchter leiden hiedurch gar ſehr, da ſie zu ſol - chen Zeiten durchaus nicht ſchlachten koͤnnen, indem die Juden, die weder vom Schlachten leben, noch Abgaben zahlen, das Fleiſch viel wohlfeiler verkau - fen, als dies dem chriſtlichen Metzger moͤglich iſt. Um Mißbraͤuchen der Art vorzubeugen, giebt es nur das einzige Mittel, den Jſraeliten bei ſcharfer Strafe den Verkauf alles Fleiſches, welches nach ihrem Geſetz verboten iſt, zu unterſagen. Jn noch anderer Ruͤckſicht iſt der juͤdiſche Fleiſchhandel ſehr ſchaͤdlich und kann ganzen Laͤndern zum Verderben gereichen, da die Juden oft vorſaͤtzlich ungeſundes Vieh, welches ſie fuͤr ein Spottgeld erſchachern, einfuͤhren, ſchlachten und an die Chriſten verkaufen, wodurch ſowohl unter Menſchen, als Thieren die gefaͤhrlichſten Krankheiten und Seuchen verbreitet werden. Der Hebraͤer, der in der Regel gar kein, oder doch wenig Vieh hat, und von dem ungeſun - den Fleiſch nichts ißt, bekuͤmmert ſich freilich nicht darum, wenn gleich alle Viehheerden der Chriſten und die letztern ſelbſt ausſterben muͤßten!

Uebrigens werden Chriſten, die es wiſſen, was die Jſraeliten mit dem Fleiſch vornehmen, welches ſie fuͤr aſur (verboten) halten, und deshalb ver - kaufen wollen, ſich nicht leicht entſchließen, von ihnen zu kaufen. Sie beſpucken es nicht allein, ſie laſſen es ſogar von ihren Kindern auf die eckelhaf - teſte Weiſe verunreinigen, wobei ſie den frommen187 Segen ausſprechen: daß der Goi (Chriſt) ſich die Miſa meſchunah, den ploͤtzlichen Tod, daran freſſen ſoll. Nachher wird es mit Urin begoſſen, um den groͤbſten Schmutz etwas hinwegzuſpuͤhlen, und dann kocht es der argloſe Chriſt in der Mei - nung: es ſey fuͤr ihn koſcher genug. Durch die - ſen ſchaͤndlichen Muthwillen ſucht das auserwaͤhlte Volk Gottes nicht allein ſich an uns Chriſten zu raͤchen, ſondern auch ſeine Kinder bei Zeiten zum Haß gegen uns anzuleiten.

Daß fuͤr das Kochen und das Kuͤchengeraͤth gleichfalls eigene religioͤſe Vorſchriften ſeyn muͤſſen, iſt bei einer ſo frommen Nation, wie die Juden ſind, ſchon denkbar.

Alle neuen Kuͤchen -, Tiſch - und Trinkgeraͤthe, ſogar Meſſer, Gabeln, Glaͤſer und Taſſen muͤſſen, ehe man ſie gebraucht, mit vielen Foͤrmlichkeiten, und wenn man es haben kann, in Waſſer aus ei - ner ſolchen Quelle getaucht werden, worin die iſrae - litiſchen Frauen baden, wenn ſie ſich zu gewiſſen Zeiten reinigen. Was im Feuer aushalten kann, wie z. B. Eiſen - und Kupfergeraͤthe, muß darin ausgegluͤhet werden. Zu Milch - und Fleiſchſpeiſen bedient man ſich verſchiedener Kuͤchen - und Tiſchgeraͤthe, weil es heißt: ein Boͤcklein ſollſt du in ſeiner Mutter Milch nicht kochen; 2 B. Moſ. 23. V. 19*)Jore deah Nr. 86 u. ff. und Nr. 112.. Die, zu der Milch beſtimmten Ge -16 *188faͤße werden, wenn es angeht, mit drei Kerben oder Einſchnitten, oft auch mit dem hebraͤiſchen Worte Chalaf, Milch, bezeichnet; mit drei Einſchnitten deshalb, weil jener Befehl dreimal im moſaiſchen Geſetze enthalten iſt. Auf die Fleiſchgeraͤthe ſchreibt oder graͤbt man das hebraͤiſche Wort Baſar, Fleiſch, ein. Selbſt auf Reiſen fuͤhrt jeder Jude zwei Meſſer, eins zum Fleiſch, das andere zu Milch und zu Fiſchen bei ſich, die auf gleiche Weiſe be - zeichnet ſind.

Sollten die Toͤpfe u. ſ. w. verwechſelt, und z. B. in dem Fleiſchtopf Milch oder Fiſche gekocht worden ſeyn, ſo darf man dieſe nicht eſſen. Die irdenen Geraͤthe muͤſſen im Fall einer ſolchen Ver - wechſelung zerbrochen; die eiſernen in Feuer aus - gegluͤhet, und die hoͤlzernen, als wollte man ſie zum erſten Male gebrauchen, in Waſſer getaucht und wieder koſcher gemacht werden.

Milch und Fleiſch, und Fiſche und Fleiſch duͤr - fen nicht neben einander auf einem Heerde gekocht werden; auch ſetzt man Fleiſch und Milch oder Fiſche nicht auf einen Tiſch, ohne jeder Schuͤſſel ein beſonderes Tiſchtuch unterzulegen. Wer Fleiſch und Fiſche zugleich ißt, wird ausſaͤtzig.

Wenn man Fleiſchſpeiſen gegeſſen, darf man erſt nach einer Stunde Milch, Kaͤſe und dergleichen genießen. Fromme und nicht ſehr hungrige Leute warten ſechs Stunden. Auf jeden Fall muß man189 aber, wie ſchon fruͤher bemerkt worden, die Zaͤhne huͤbſch ausſtochern, den Mund ausſpuͤhlen, etwas Obſt oder Brod eſſen, oder trinken, um einen Unterſchied zwiſchen Milch und Fleiſch zu machen.

Eyer duͤrfen nicht in einem Fleiſchtopf gekocht werden; und, wenn man ſie ißt, muß man ſie an der Spitze oͤffnen, um zu ſehen, ob etwa ein Blut - aͤderchen ſich findet, denn alsdann darf man das Ey nicht eſſen. Wenn Unſchlitt (Talg) in die Milch faͤllt, ſo iſt ſie verboten, wofern nicht die letztere ſechzigmal mehr betraͤgt, als das Unſchlitt.

Die Bibel, das große Zeugheus, welches Klu - gen und Narren von jeher die Waffen lieferte, um die widerſinnigſten Thorheiten gegen einander zu verfechten, dient den Jſraeliten gleichfalls dazu, den goͤttlichen Urſprung ihrer Kuͤchengeſetze zu beweiſen. Einige reiche Judenbarone binden ſich, weil ſie Freiherren ſind, an die letztern nicht ſtrenge mehr; ſie halten ſich zum Theil ſogar chriſtliche, und mit - unter recht huͤbſche Koͤchinnen. Ob aber mit den Toͤpfen auch ihre Koͤpfe liberaler geworden ſind, iſt eine andere Frage. Jn der Regel ſcheint ihr Geiſt durch die Freiheiten, welche ſie ihrem Gaumen und Magen verſtatten, eben ſo wenig gewonnen zu haben, wie durch ihre Freiherrndiplome, denn Schachern, Wechſeln, Wuchern und Gaunern ſind noch immer das Einzige, was ſie gruͤndlich verſtehen.

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Von den Faſten der Juden.

Moſes verbot den Jſraeliten nicht allein gewiſſe Speiſen, ſondern er fuͤhrte auch Faſttage ein, an denen ſie gar nichts eſſen durften. Der heilige Vater in Rom iſt hierin etwas billiger; er unter - ſagt ſeinen Glaͤubigen zwar waͤhrend ihrer Faſten den Genuß der Fleiſchſpeiſen; aber er erlaubt alles Uebrige. Daher iſt die Faſtenzeit den reichen ka - tholiſchen Leckermaͤulern keineswegs beſchwerlich, und den Armen, der ohnehin kein Fleiſch eſſen darf, weil er es nicht bezahlen kann, druͤckt ſie gleichfalls nicht. Jch lobe mir jedoch unſere liberalen prote - ſtantiſchen und evangeliſchen Regierungen; ſie erlauben uns, zu allen Zeiten des Jahres zu eſſen, was und ſo viel ſie uns uͤbrig laſſen. Der Pfad, welcher den Einen zum Himmel fuͤhrt, bringt den Andern in die Hoͤlle. Der glaͤubige Katholik wird dereinſt zur rechten Hand Gottes und der Gottes - mutter Maria mit den auserwaͤhlten Schafen ſein Halleluja ſingen, wenn er hienieden zur Fa - ſtenzeit brav Lachſe, Forellen, Auſtern, Hummern, Krebſe, und im Nothfall Froͤſchebeine gegeſſen hat. 191Der fromme Jude hingegen muͤßte ewig in der Hoͤlle ſchmachten, wenn jemals eine Auſter oder ein Froſchkeulchen uͤber ſeine reinen, heiligen Lippen kaͤme.

Die Jſraeliten haben allgemeine und be - ſondere Faſten. Zur Beobachtung der erſtern ſind alle Juden verpflichtet; die Beobachtung der letztern haͤngt von der Willkuͤhr eines Jeden ab. Außerdem giebt es zufaͤllige Faſten, wo zum Beiſpiel ſich Jemand zur Strafe oder aus einer andern Urſache der Speiſe enthalten muß.

Nur ein allgemeines Faſten, welches zur Zeit des großen Verſoͤhnungsfeſtes gehalten, und wovon an einem andern Orte die Rede ſeyn wird, iſt mofaiſchen Urſprungs*)Daß Moſes bei Einſetzung des Verſoͤhnungsfeſtes ein wirkliches, in Enthaltung von Speiſe und Trank beſtehendes Faſten angeordnet habe, iſt ſehr zwei - felhaft. M. ſ. 3 B. Moſ. Kap. 16 und 23..

Außer jenem haben ſie noch folgende allge - meine Faſten:

1) Das Faſten des vierten Monats. Es faͤllt auf den ſiebenzehnten Junius, und wird aͤußerſt ſtrenge beobachtet, weil gerade um dieſe Zeit Jſraels Kindern vor Jahrtauſenden mancherlei Unfaͤlle be - gegnet ſind, woruͤber ſie noch ſeufzen und jammern. Die ſteinernen Geſetztafeln ſind nemlich zerbrochen; die taͤglichen Opfer haben aufgehoͤrt; das heilige192 Geſetzbuch iſt verbrannt; bei der zweiten Belage - rung Jeruſalems haben die Roͤmer die Mauern zerſprengt, und dergleichen Ungluͤck mehr, weshalb man jetzt faſten muß. Kein Jſraelit darf waͤhrend dieſer Faſttage mit dem andern vor Gericht erſchei - nen, und wer mit einem Chriſten eine Rechtsſache hat, ſucht es gleichfalls zu vermeiden, weil er fuͤrchtet, ſeinen Prozeß zu verlieren. Auch die Schul - meiſter duͤrfen nicht, wie ſonſt, ihre Zoͤglinge ſchel - ten, ſchlagen und zuͤchtigen. Ein Gluͤck fuͤr die letztern!

2) Am neunten Julius (oder nach juͤdiſcher Zeitrechnung des fuͤnften Monats) wird gefaſtet, weil an dieſem Tage der Tempel zu Jeruſalem an - gezuͤndet und abgebrannt iſt. Schon am Tage vor - her ißt man zum Zeichen der Betruͤbniß blos tro - ckene Huͤlſenfruͤchte, als Erbſen, Linſen und Bohnen, weil ſie einen ſchwarzen Strich haben, welcher Trauer bedeutet. Am Faſttage ſelbſt geht man bar - fuß, ſitzt auf der Erde, beſucht den Begraͤbnißplatz, fuͤhrt erbauliche Reden, trauert mit den Verſtorbe - nen uͤber die Zerſtoͤrung Jeruſalems und des Tem - pels, und liest in den Klagliedern des Jeremias. Das Abendeſſen iſt dem Faſttage gemaͤß, und be - ſteht meiſtens in geſottenen Eyern, welche ein Bild des Leidens ſeyn ſollen, da ſie rund ſind und von Einem zum Andern laufen. Man ſchlaͤft auch nicht auf ſo guten Betten, wie gewoͤhnlich; wer ſonſtzwei193zwei Hauptkiſſen hat, braucht jetzt deren nur eines, und ſelbſt die Ueberzuͤge muͤſſen von groͤberer Lein - wand ſeyn. Ueberhaupt ſind Jſraels Kinder den ſchoͤnen Heumonat hindurch aͤußerſt betruͤbt. Vom erſten bis zum zehnten Tage duͤrfen ſie ſich weder baden, noch barbieren; ſie trinken keinen Wein; eſſen kein Fleiſch; heirathen nicht; erſcheinen ſehr ungern vor Gericht; haben kein Vertrauen zu den Karten und Lotterien, und verſichern, daß ſie in dieſem Monat weder Gluͤck, noch Stern haben, welches ſie ſelbſt aus den Propheten beweiſen.

3) Am dritten Tage des ſiebenten Monats (September) faſtet man aus inniger Betruͤbniß uͤber den Tod des großen juͤdiſchen Helden und Land - vogts Gedalia, den Jsmael, der Sohn Nathanie, beim Eſſen vor laͤnger, als zweitauſend Jahren erſchlug.

4) Am zehnten December endlich faſtet man, weil der gottloſe Nebukadnezar, gleichfalls vor mehr als zweitauſend Jahren, an dieſem Tage die Be - lagerung der heiligen Stadt Jeruſalem begann, und nachmals die Kinder Jſrael gefangen nach Baby - lon fuͤhrte.

Beſondere Tage, wo aber das Faſten der Willkuͤhr und Froͤmmigkeit eines Jeden uͤberlaſſen iſt, ſind folgende:

1) Der 10te Maͤrz, weil Mirjam, die Schwe - ſter des Moſes an dieſem Tage ſtarb, und bei ihremII. Baͤndchen. 17194Tode der Brunnen vertrocknete, ſo daß Jſrael kein Waſſer hatte.

2) Der 10te April, weil Eli’s Soͤhne in der Schlacht umkamen, und der alte Papa vor Schre - cken den Hals brach. Auch nahmen die Philiſter am 10ten April den Juden die Bundeslade ab.

3) Am 28ſten April faſten manche Jſraeliten, weil der große Samuel ſtarb. Daſſelbe geſchieht eben - falls von Vielen an den Todestagen anderer heiliger Maͤnner, die vor Jahrtauſenden geſtorben ſind.

Recht fromme Juden faſten, wie die Phariſaͤer, zweimal in der Woche, nemlich am Montage und Donnerſtage, und alle Abende des Neumonds.

Die zufaͤlligen Faſten werden entweder frei - willig, z. B. wenn Einem etwas Boͤſes getraͤumt oder man ein Geluͤbde gethan hat, gehalten; oder ſie ſind vom Geſetze vorgeſchrieben. Der Sohn muß zeitlebens am Sterbetage ſeines Vaters faſten. Wer beim Eſſen Meſſer, Gabel oder Loͤffel fallen ließ, faſtet bis auf den Abend. Wem die Tephillim oder die Zizis zur Erde fielen, darf mit allen, die es ſahen, den ganzen Tag weder eſſen, noch trinken; und wer ſeine Frau zur Unzeit kuͤßte oder beruͤhrte, muß mit vierzigtaͤgigem Faſten buͤßen.

Des Eſſens und Trinkens muß man ſich bei allen Arten des Faſtens enthalten, bis es voͤllig Nacht iſt; dann darf man Hunger und Durſt aber nur mit großer Maͤßigkeit ſtillen.

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Von den juͤdiſchen Reinigungen.

Außer dem Waſchen haben die Jſraeliten noch viele Reinigungen, die groͤßtentheils in dem moſaiſchen Geſetze ihren Grund haben. So poſſenhaft manche dieſer Gebraͤuche uns jetzt ſcheinen moͤgen, ſo we - nig wird man ihren Urheber tadeln, der, um das tief verſunkene Volk an Reinlichkeit und Ordnung zu gewoͤhnen, ſeinen blos menſchlichen Geſetzen ei - nen goͤttlichen Stempel aufdruͤckte, und das als religioͤſe Pflicht gebot, was eigentlich nur die Sorge fuͤr die Geſundheit und den aͤußern Anſtand heiſcht. Moſes zog mit ſeinen Jſraeliten aus Aegypten hin - weg, um in einer andern Gegend einen Staat zu gruͤnden, und daher ſuchte er ihnen ſolche Bildung zu geben, daß ſie ihren kuͤnftigen Nachbaren nicht ſo eckelhaft und widerlich, als den Aegyptern er - ſcheinen, ſondern durch ihr Aeußeres Achtung ein - floͤßen moͤchten. Dies und der Wunſch, die, durch Unreinlichkeit, beſonders im Eſſen und Trinken entſtandenen Krankheiten auszurotten, waren die Urſachen der vielen Reinigungsgeſetze, welche Mo - ſes den Juden gab. Jhnen, die vorher gleich den Zigeunern, Aas und verreckte Thiere als Leckerbiſ -17 *196ſen verzehrt hatten, mußte es freilich anfangs hart duͤnken, ihre Lieblingskoſt nicht einmal beruͤhren zu ſollen, ohne ſich dadurch zu verunreinigen; allein nach und nach gewoͤhnten ſie ſich daran, zumal da ſie durch die Befolgung dieſer außerweſentlichen Vorſchriften ſich von der Beobachtung des beſſern moſaiſchen Sittengeſetzes zu entbinden glaubten.

Uebrigens denke man wegen jener Menge von Reinigungs - und Waſchgeſetzen ja nicht, daß Jſraels Kinder die wirkliche Reinlichkeit lieben. Alles be - ſteht nur in Foͤrmlichkeiten; der Schmutz wird blos angefeuchtet, und das Einzige, was man in Folge der gedachten Vorſchriften zu meiden ſucht, iſt der Genuß und die Beruͤhrung todter Thiere und an - derer von Moſes als abſcheulich geſchilderter Dinge. Hierin geht man denn, wie manchmal der Geſetzgeber ſelbſt, hin und wieder bis zum Laͤcher - lichen*)M. ſ. 3 B. Moſ. Kap. 11 und Kap. 15..

Es wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, die ſaͤmmtlichen moſaiſchen Reinigungsvorſchriften anfuͤhren zu wol - len, da ſie Jeder in den Buͤchern Moſes nachleſen kann.

Am ſchlimmſten ſind die armen Frauen und Jungfrauen daran, denn wegen der kleinen Unpaͤß - lichkeiten, denen ſie haͤufig unterworfen ſind, befin - den ſie ſich alle vier bis fuͤnf Wochen in einem197 Zuſtande der Unreinigkeit. Sie duͤrfen dann » nichts Heiliges anruͤhren und auch nicht in das Heiligthum (in den Tempel oder die Synagoge) kommen*)3 B. Moſ. 12. V. 4.. « Die verheiratheten Frauen muͤſſen, bei einem ſol - chen, oft ſich ereignenden Zufall ſieben Tage lang von ihrem Mann ſich abſondern; duͤrfen ihn nicht beruͤhren; nicht mit ihm auf Einem Sopha oder Einer Bank ſitzen, aus Einer Schuͤſſel und auf Einem Tiſchtuch eſſen, oder aus Einem Glaſe trinken; ja nicht einmal vor ihm ſtehen und ſo mit ihm reden, daß ihr Athem ſein Geſicht beruͤhrt. Wenn ein Gatte dem andern etwas geben will, darf er es ihm nicht reichen, ſondern muß es ir - gendwo hinlegen, und der andere muß kommen und es holen. Auf dieſe Weiſe erlangt der jedesmalige Zuſtand der lieben unreinen Weiberchen eine Pub - licitaͤt, die ihnen eben ſo widerlich ſeyn muß, wie den unreinen Regierungen die Preßfreiheit.

Nach jenen ſieben Tagen werden noch ſieben Tage der Reinigkeit gezaͤhlt, und wenn dieſe ver - floſſen ſind, kleidet die Holdſelige ſich ganz weiß, und badet von allem, ſelbſt vom » letzten, leicht - flatternden Gewand « entbloͤßt, in kaltem Waſſer, wozu man aber, wenn es allzu kalt iſt, etwas warmes gießen darf. Bei dieſer Feierlichkeit, wel - che im Beiſeyn einer andern Juͤdin ſtatt hat, muß198 man ſich ja huͤten, daß kein Haar und ſelbſt nicht der unbedeutendſte Theil des Koͤrpers ungebadet bleibt. Darum muß man beim Untertauchen des Kopfs den Mund und die Augen offen halten, und vorher alle Haarflechten aufloͤſen und aus einander kaͤmmen, und ſelbſt die Ringe von den Fingern ziehen, damit Alles gebadet und rein werde. Manche faſten an dieſem Tage bis nach dem Bade; andere eſſen kein Fleiſch, damit nichts zwiſchen die Zaͤhne kommen moͤge, wodurch das Waſſer koͤnnte zuruͤck - gehalten werden. Findet ſich nach dem Bade, daß man etwas zwiſchen den Zaͤhnen hat, ſo muß man nochmal baden, und den Mund recht weit offen halten. Auch die Naͤgel muͤſſen vorher beſchnitten, und Pflaſter auf Wunden muͤſſen abgelegt werden. Die Begleiterin der Badenden darf die letztere, wenn dieſe gleich von einer Ohnmacht oder gar von einem Schlagfluße befallen wuͤrde, nicht anruͤhren, wofern ſie nicht vorher ihre Haͤnde ſehr rein ge - waſchen hat.

Die Woͤchnerinnen muͤſſen am vierzigſten Tage nach ihrer Niederkunft ſich auf gleiche Weiſe reini - gen und baden, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie ſtatt einer Frau auch ein Maͤdchen, welches wenig - ſtens zwoͤlf Jahre und einen Tag alt ſeyn muß, und in Ermangelung deſſen ihren Mann mitnehmen, um zu bezeugen, daß ſie recht gebadet haben.

Die erſte Geſetzgebung iſt in guter und ſchlim -199 mer Hinſicht fuͤr die ſittliche und geiſtige Entwicke - lung und fuͤr die Zukunft eines Volks eben ſo wich - tig und folgenreich, wie die erſte Erziehung fuͤr die Ausbildung und das ganze Leben des einzelnen Menſchen. Wie dieſer Vorurtheile, Thorheiten, Tugenden und Laſter, die man ihm in ſeiner zarten Kindheit einpflanzte, gewoͤhnlich mit in das Grei - ſenalter hinuͤber nimmt; ſo behaͤlt ein ganzes Volk die ſittliche, buͤrgerliche und geiſtige Richtung bei, die ihm durch ſeine fruͤhern Geſetzgebungen und Verhaͤltniſſe gegeben wurden. Wo dieſe Richtung nicht allein durch ein mehrtauſendjaͤhriges Alter, ſondern ſelbſt durch religioͤſen Glauben geheiliget wird, und uͤberdies den natuͤrlichen, nicht an - gebildeten Eigenthuͤmlichkeiten eines Volks zuſagt, da wird daſſelbe ſich auch durch die heftigſten Er - ſchuͤtterungen und Drangſale nicht davon abwenden laſſen. So verſchließt der eigenſinnige Greis ſein bloͤdes Auge dem Sonnenlichte der Vernunft und der Wahrheit, und wird ein Maͤrtyrer ſeines Vor - urtheils, blos aus dem einfachen Grunde, weil es ihm in ſeiner Jugend gelehrt worden iſt.

Jn gleichem Fall befinden ſich die Juden. Wenn man die moſaiſchen Geſetze durchliest, ſo ſtaunt man uͤber die Menge kleinlichſcheinender Foͤrmlich - keiten, die ſelbſt der unermuͤdetſte, ſcharfſinnigſte und phantaſiereichſte Gruͤbler nicht zu deuten ver - mag; uͤber das ſteife morgenlaͤndiſchſklaviſche Cere -200 moniel bei allen gottesdienſtlichen Handlungen; und uͤber ſo manche andere Dinge, die ſich immer ſehr ſchwer mit einer wuͤrdevollen Jdee von der Erha - benheit des hoͤchſten Weſens vereinigen laſſen, z. B. wenn der Gott Jſraels zu Opfern ſich die Feiste oder die Nieren, und ſeinen Prieſtern die Bruſt als das Beſte ausbedingt. Die Anſicht, welche dieſer letztern Anordnung zum Grunde zu liegen ſcheint, daß wir nemlich dem hoͤchſten Weſen, und wohl zu merken, auch ſeinen Prieſtern, mit Freu - den das Liebſte und Beſte opfern ſollen, iſt aller - dings ſchoͤn, und ich erinnere mich, einmal eine ſehr erbauliche Predigt daruͤber gehoͤrt zu haben; nur die Art des Ausdrucks, welche Moſes waͤhlte, war bei aller ihrer Sinnlichkeit zu fein, um von den rohen Juden gehoͤrig aufgefaßt und gewuͤrdigt zu werden.

So viel Foͤrmlichkeiten jener Art Moſes den Jſraeliten auch vorgeſchrieben hatte: ſo ſchienen ſie dieſen doch noch immer nicht genug. Die Guten wollten gerne mehr hun, als man begehrte, blos das Beſte und Weſentlichſte wollten ſie nicht thun, und brauchten es ja nicht, wenn ſie nur opferten. Die Menge der Foͤrmlichkeiten und die mit der Unterlaſſung derſelben verbundenen Opfer, Bußen, Faſten, Strafen und Kaſteiungen wurden alſo von den bereitwilligen Prieſtern recht gerne vermehrt,201 zumal da dieſe hiedurch neue Quellen fuͤr ihre Ein - kuͤnfte gewannen.

Dies war das Schickſal der Jſraeliten und aller der Voͤlker, die ihre Vernunft unter den Glauben gefangen nahmen, und ſich blindlings der Leitung ihrer Prieſter uͤberließen.

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Von den Hochzeiten und Eheſchei - dungen der Hebraͤer.

Die Juden heirathen gerne ſehr fruͤh, nach der talmudiſchen Ordnung ſollen die Juͤnglinge im acht - zehnten Jahre, und die Maͤdchen, wenn ſie zwoͤlf Jahre und einen Tag alt ſind, ſich verehlichen. Wo ihre Verhaͤltniſſe und die chriſtlichen Obrigkei - ten es geſtatten, geſchieht es auf Seiten der Maͤn - ner aber oft ſchon im vierzehnten, fuͤnfzehnten und ſechzehnten Jahre. Dieſe fruͤhzeitigen Heirathen ſollen theils dem unerlaubten Umgange beider Ge - ſchlechter vorbeugen, theils auch jedem Elternpaare die Hoffnung gewaͤhren, noch den Meſſias als ihren Enkel zu ſehen und zu umarmen.

Wenn ein Liebespaͤrchen ſich verſprochen hat, wird eine große Geſellſchaft junger und alter Jſrae - liten beiderlei Geſchlechts eingeladen. Die Juͤng - linge und Knaben halten Toͤpfe und glaͤſerne Hafen in der Hand, und dann liest einer der naͤchſten Verwandten des Brautpaars oder ein Rabbi den Heirathsbrief vor. Eine ſolche Urkunde enthaͤlt die Beſtimmung deſſen, was einer dem andern zur203 Morgengabe geben, wann die Heirath vollzogen werden ſoll, und dergleichen, nebſt einer gegenſei - tigen Verſicherung, daß der, welcher dem Andern nicht Wort halten ſollte, demſelben eine beſtimmte Summe Geldes, die den Verhaͤltniſſen eines Jeden angemeſſen iſt, zahlen wolle. So wird in allen Dingen an das liebe Geld und den Schacher ge - dacht!

Hierauf ſprechen die Verlobten ſich die Haͤnde reichend zu einander: Maſſal tobh! *)Wahrſcheinlich koͤmmt das in manchen Gegenden uͤbliche Toppſagen, womit man ſich bei einem Han - del Gluͤck wuͤnſcht und Wort zu halten verſpricht, von dieſem juͤdiſchen Gebrauche her.Gut Gluͤck! und die umſtehenden Gaͤſte werfen mit den Worten: dies bedeute Gluͤck und Ueberfluß: ihre Toͤpfe und glaͤſernen Hafen entzwei. Damit iſt in der Regel das Verlobniß vorbei, und die Gaͤſte, welche jetzt zu Hauſe gehen, empfangen blos an der Thuͤr einen Trunk ſuͤßen Weins nebſt etwas Kuchen oder Zuckerwerk.

Braut und Braͤutigam halten ſich in den erſten acht Tagen nach der Verlobung zu Hauſe; der letztere empfaͤngt aber zahlreiche Beſuche von ſeinen juͤngern Freunden und Bekannten, die mit ihm trinken, ſpielen und Poſſen treiben. Dies geſchieht zum Andenken des beruͤhmten Helden Simſon, dem die Philiſter, als er eine ihrer Landsmaͤnninnen heirathen wollte, gleichfalls dreißig Juͤnglinge zur204 Geſellſchaft gaben. Waͤhrend dieſer Zeit ſchickt der Braͤutigam ſeiner Braut einen Guͤrtel mit goldenen Schnallen, und ſie ſendet ihm einen dito mit ſilber - nen. Bei reichen Papierjuden und Wechslern ſind dieſe Guͤrtel oft mit Edelgeſteinen beſetzt. Wenn es den Liebenden an dem Noͤthigen zu goldenen und ſilbernen Schnallen fehlt, ſo nehmen ſie mit ſtaͤh - lernen und meſſingenen fuͤrlieb. Dieſe Brautgeſchenke ſind uͤbrigens nothwendig; außerdem beſchenkt man ſich ſo wie bei den Chriſten, haͤufig mit Ringen und andern Putzſachen.

Am Tage vor der Hochzeit wird die Braut von einer Anzahl mit ihr verwandter und befreundeter Frauen, die zum Theil vor ihr her huͤpfen und tanzen, mit Muſik und Geſang ins Bad begleitet. Hier muß ſie in kaltem Waſſer ganz untertauchen, und zugleich belehrt man ſie, wenn ſie noch Jung - frau iſt, uͤber gewiſſe Geheimniſſe, die wir hier nicht enthuͤllen wollen. Nach dem Bade kehrt die Holdgeſchmuͤckte unter Singen und Springen wie - der in die Arme des geliebten Adonis zuruͤck.

An dem ſchoͤnſten Tage des Lebens, dem eine noch ſchoͤnere Nacht folgt, wird die reizende Braut auf das prachtvollſte gekleidet, und von den Frauen mit froͤhlichen Hochzeitliedern in ein beſonderes Zimmer gefuͤhrt, wo man unter Geſang und Tanz ihr ſeidenes Rabenhaar kaͤmmt und in Ordnung bringt, ihr eine koſtbare Haube aufſetzt, und ihr205 holdes Antlitz verſchleiert, damit ſie gleich der Re - becca fein zuͤchtig ſeyn, und den Geliebten nicht anſehen ſoll. Geſungen und getanzt muß hiebei wer - den, denn der heilige, hochgelobte Gott ſang der braͤutlichen Eva, als er ſie kaͤmmte und friſirte, ſelbſt luſtige Liederchen vor, und fuͤhrte ſie tanzend in Adams Arme. Ja, Gott machte ihnen nicht allein die Brauthimmel, unter denen er ſie trauete, ſondern wartete ihnen ſogar perſoͤnlich beim Hoch - zeitmahl auf, die Engel mußten dazu blaſen, pfei - fen und trommeln, und der Herr der Welt eroͤff - nete ſelbſt mit Eva den Ball*)M. ſ. S. 113. im erſten Baͤndchen dieſes Buchs; imgleichen in den Kapiteln oder dem Pirke des Rabbi Elieſer, Kap. 12, und Brandſpiegel Kap. 34..

Die Trauung wird durch einen Rabbiner, und zwar unter freiem Himmel in einem Garten, auf einem Hofplatze oder gar auf offener Straße ver - richtet. Vier Knaben tragen zu dieſem Zweck ein, auf vier Stangen ruhendes Zelt (Brauthimmel oder Hochzeithimmel) nach dem Orte hin, wo die Trau - ung geſchehen ſoll. Dann koͤmmt der Braͤutigam nebſt den Maͤnnern und ihm folgt unter Pauken - und Trompetenſchall die Braut mit den Frauen und Maͤdchen, und ſtellen ſich unter das Zelt, Chuppah oder Decke genannt. Beide Brautleute werden von allen Anweſenden mit dem Ausrufe: Baruch habba! 206(Geſegnet ſey, der da kommt!) empfangen. Hier - auf fuͤhrt man die Braut dreimal um den Braͤuti - gam herum, weil Jeremias ſagt: das Weib wird einen Mann umgeben. Sodann fuͤhrt auch der Braͤutigam ſie einmal im Kreiſe herum, und die Umſtehenden beſtreuen das Brautpaar mit Waitzen oder andern Korn unter dem Ausruf: Pru uſefu! (Seyd fruchtbar und mehret euch!) Das Bewerfen mit Waitzen ſoll ein Sinnbild des Friedens und Ueberfluſſes in der kuͤnftigen Haushaltung ſeyn, denn der Pſalmiſt ſagt: der deine Graͤnze hat in Frie - den geſetzt, und dich ſaͤttiget mit dem beſten Waiz - zen. Zur kleinen Ergoͤtzlichkeit fuͤr ihre armen Glaubensgenoſſen miſchen die Reichen oft etwas Geld unter den Waitzen, woruͤber es beim Herausſuchen haͤufig Rippenſtoͤße und Kopfnuͤſſe giebt. Das Ge - ſicht der Braut, welche dem Braͤutigam zur Rech - ten ſteht, muß gegen Mittag gerichtet ſeyn, weil ſie dann nach der Lehre des Talmuds viele Soͤhne bekommen wird. Mit dem Zipfel des, aus Haa - ren gewebten Tuchs, Talles genannt, welches der Braͤutigam um den Hals traͤgt, bedeckt der Rabbiner den Kopf der Braut, denn Ezechiel ſpricht: ich habe meine Fluͤgel uͤber dich ausgebreitet und deine Scham bedeckt, und Ruth ſagt zum Boas: breite deine Fluͤgel (deinen Mantel) uͤber deine Magd*)Ezechiel 16, V. 8, und Ruth Kap. 3, V. 9.. Nachher nimmt der Rabbi ein Glas207 Wein, dankt in einem kurzen Lobgebet (Birchas aͤruſin, Segen der Verlobten genannt) Gott, fuͤr das Verloͤbniß, und giebt zuerſt der Braut und dann dem Braͤutigam zu trinken. Jſt die erſtere noch eine Jungfrau, ſo muß es, aus guten Gruͤnden, ein enges, iſt ſie eine Wittwe, ein weites Glas ſeyn; und an einigen Orten bedient man ſich dazu, mit gleichem Unterſchiede, eines irdenen Gefaͤßes, z. B. bei der braͤutlichen Jungfrau eines engen Topfs, bei der Wittwe aber einer ziemlich weiten Schuͤſſel. Nachher zieht der Rabbi von dem Finger des Braͤu - tigams einen Ring, der von reinem Golde und mit keinen Edelſteinen beſetzt ſeyn muß, ruft einige Zeugen, fragt ſie, ob der Ring gut und Geldes werth ſey? und ſteckt ihn, wenn dies bejahet wird, der Braut an den Finger. Darauf liest er den Heirathsbrief laut den Anweſenden vor, nimmt ſo - dann nochmal ein Glas mit Wein, dankt in einem kurzen Gebet Gott fuͤr die geſchehene eheliche Ver - bindung, und giebt den Getraueten zu trinken. Der Braͤutigam wirft, zur Erinnerung an die Zerſtoͤ - rung Jeruſalems und des Tempels, das Glas an einen Stein oder auf die Erde entzwei, und hiemit iſt die Trauung beendigt.

Selbſt an den froheſten Tagen ſeines Lebens ſoll ein frommer Jſraelit nicht aufhoͤren, uͤber die Zerſtoͤrung Jeruſalems und des Tempels zu trauern. Darum muß der Braͤutigam an ſeinem Hochzeit -208 tage ſein Haupt mit einer ſchwarzen Kappe bedek - ken, und die Braut muß das ihrige in einem ſchwar - zen Mantel verhuͤllen, welches beiden ein ſehr un - liebliches Anſehen giebt. Außerdem ſtreuet man dem Braͤutigam an manchen Orten auch Aſche auf das Haupt, denn der Tempel und die heilige Stadt ſind durch das Feuer gleichfalls in Aſche verwan - delt. Unter freiem Himmel wird die Trauung voll - zogen, weil Jſraels Kinder ſich vermehren ſollen, wie die Sterne am Himmel*)Berachos Fol. 30, 2..

Nach geſchehener Einſegnung ſetzt man ſich zu Tiſche, und der Braͤutigam ſingt einen langen Ge - ſang. Je ſchoͤner er, nach juͤdiſchem Geſchmack, zu ſingen weiß, je gluͤcklicher fuͤhlt ſich die Braut, die ihm am andaͤchtigſten zuhoͤrt, denn die uͤbrigen to - ben und ſchreien, daß man Huͤhner auftragen ſoll. Wenn endlich ein Huhn und ein rohes Ey gebracht, und der Neuvermaͤhlten vorgeſetzt werden, faͤllt augenblicklich Alles, Maͤnner und Weiber, Große und Kleine uͤber das Huhn her; man reißt ſich ein - ander die Stuͤcke aus den Haͤnden und ſogar aus dem Munde, und verſchlingt ſie mit wildem Ge - ſchrei und Gelaͤchter. Wer das Ey ergreift, wirft es einem Andern, am liebſten einem zuſchauenden Chriſten ins Geſicht, und haͤufig wird zu dieſem Zweck eine große Schuͤſſel voll Eyer aufgetragen. Die209Die Braut wird hiebei von den Gaͤſten ermahnt, nicht betruͤbt, ſondern recht luſtig zu ſeyn, weil ſie eben ſo ſchmerzenfrei und vergnuͤgt Kinder gebaͤh - ren werde, wie die Henne mit froͤhlichem Gekakel ein Ey legt.

Darauf wird tuͤchtig gegeſſen, getrunken und geſungen und an Jeruſalem und den Tempel nicht weiter gedacht. Nach beendigter Mahlzeit beginnt vor allen andern der Mitzva-Tanz d. h. der Tanz der Gebote. Hier ſpringt Alles wild durch einan - der; der vornehmſte Mann tanzt zuerſt mit dem Braͤutigam, die vornehmſte Frau mit der Braut, und nachher muͤſſen die Neuvermaͤhlten der Reihe nach mit allen uͤbrigen tanzen.

Chriſten ſieht man bei den Hochzeiten uͤberhaupt nicht gerne, und dazu einladen ſoll man ſie gar nicht; denn Salomo ſpricht: in deine Freude ſoll ſich kein Fremder miſchen. Wenn die guten Engel einen Chriſten bei einer Hochzeit ſehen, dann fliehen ſie davon, und die Teufel kommen, und richten Zank und Streit, ja ſogar Mord, Todſchlag und alles moͤgliche Unheil an.

Die Hochzeit dauert gewoͤhnlich acht Tage, und wenn der Sabbath einfaͤllt, muß zu Ehren deſſel - ben beſonders viel gegeſſen, getrunken und getanzt werden, denn du ſollt den Sabbath heiligen; auch muß man der uͤberfluͤßigen Seele, welche man am Sabbath hat, etwas zu Gute thun.

II. Baͤudchen. 18210

Am Morgen nach der Brautnacht nehmen die Eltern oder naͤchſten Verwandten die Betttuͤcher, wenn nemlich die Vermaͤhlte eine Jungfrau war, zeigen ſie einigen der Hochzeitgaͤſte, und heben ſie nachher ſorgfaͤltig als Beweiſe deſſen auf, was die junge Frau geweſen und nicht mehr iſt*)M. ſ. 5 B. Moſ. 22. V. 13 17..

Die Morgengabe beſteht in wechſelſeitigen Ge - ſchenken, welche ſich die jungen Eheleute am Mor - gen nach der erſten Hochzeitnacht zum Zeichen ihrer wechſelſeitigen Zufriedenheit machen. Bei den Ju - den wird die Morgengabe gewoͤhnlich ſchon bei der Verlobung ausbedungen und beſtimmt, und in der Verloͤbnißurkunde erwaͤhnt.

Hinſichtlich der Eheſcheidungen war Moſes den juͤdiſchen Maͤnnern ſehr guͤnſtig; deſto haͤrter aber den Weibern. Augenblickliche Laune und Abneigung berechtigen nach ſeinem Geſetz den Mann, der Frau ihren Laufpaß oder Scheidebrief zu geben, ſie auf eine barbariſche Weiſe aus dem Hauſe zu ſtoßen, und ſich um ſie weiter nicht zu bekuͤmmern. Dieſer rohe Orientalismus darf uns bei einem Volke nicht befremden, welches die Frauen als Sachen und als bloße Spielwerke ſeiner Sinnlichkeit betrachtete. Das moſaiſche Geſetz in Beteff der Eheſcheidungen ſoll ein goͤttliches ſeyn; meinethalben, ein menſchliches iſt es ſicherlich nicht. Die Frauen211 koͤnnen ſo wenig nach moſaiſchem, als talmudiſchem Rechte ſich ſcheiden laſſen, mag der Mann ſie auch mißhandeln, ſo ſchrecklich er will.

Was Moſes in Ruͤckſicht der Eheſcheidungen geordnet hat*)5 B. Moſ. 24, V. 1., iſt noch bei den Jſraeliten uͤblich, und blos von den Talmudiſten mit mehreren Foͤrm - lichkeiten verbunden. Wer ſeiner Frau einen Schei - debrief geben will, muß denſelben von drei Zeugen unterſchreiben und verſiegeln laſſen, und in deren Gegenwart ihn ſeiner Gattin mit den ausdruͤcklich ausgeſprochenen Worten uͤberreichen: Siehe, Weib! Hier iſt dein Scheidebrief; nimm ihn, denn du biſt von mir verſtoßen und einem andern Mann ge - goͤnnt.

Der Scheidebrief darf nicht mehr, und nicht weniger, als zwoͤlf Zeilen, zur Erinnerung an die zwoͤlf Staͤmme Jſraels enthalten. Es muß nichts darin durchſtrichen oder gebeſſert ſeyn; die Jahrzahl (ſeit Erſchaffung der Welt nach juͤdiſcher Zeitrech - nung), der Monat, der Tag und der Ort, wo er ausgefertiget iſt, ſo wie auch der Name und Zuname beider Gatten und ihrer Vaͤter muͤſſen in demſelben genannt, und der Mann als redend zu ſeiner Frau eingefuͤhrt werden. Endlich muß er darin erklaͤren, daß er ſie verlaſſe, verſtoße, und freiſpreche, ſo daß ſie gehen duͤrfe, wohin, und ſich verheirathen koͤnne, mit wem ſie wolle.

18 *212

Nicht an allen Orten, ſondern nur in einer bekannten Stadt kann die Eheſcheidung vollzogen werden: Gewoͤhnlich waͤhlt man eine Seeſtadt, oder eine ſolche, die an einem großen Fluße liegt. Zu Zeugen nimmt man angeſehene Rabbiner; wenn an dem Orte, wo man ſich ſcheiden will, keine woh - nen, ſo laͤßt man ſie oft mit ſehr großen Koſten dahin kommen.

Eine andere Art der Scheidung, wodurch aber keine ſchon beſtehende Ehe getrennt, ſondern blos die Verbindlichkeit zur Eingehung einer Ehe aufge - hoben wird, iſt die Chalitza. Dieſe gruͤndet ſich auf folgende woͤrtliche Vorſchrift des juͤdiſchen Geſetzgebers Moſes:

» Wenn Bruͤder bei einander wohnen, und ei - ner von ihnen ohne Kinder ſtirbt, ſo ſoll das Weib des Verſtorbenen keinen fremden Mann nehmen, ſondern ihr Schwager ſoll ſie nehmen, und ſeinem Bruder Saamen erwecken, und der erſte Sohn, den ſie gebaͤhren wird, ſoll an des Verſtorbenen Statt ſeyn, damit deſſen Name nicht aus Jſrael vertilgt werde. Wenn er aber das Weib ſeines Bruders nicht heirathen will, dann ſoll ſie zum Thor der Stadt gehen, und zu den Aelteſten ſprechen: der Bruder meines Mannes will den Namen ſeines Bruders in Jſrael nicht erwecken und mich nicht zur Frau nehmen. Dann ſollen die Aelteſten ihn fodern, und mit ihm reden. Wenn er bei ſeinem213 Vorſatz beharrt und ſpricht: ich will ſie nicht hei - rathen; ſo ſoll ſeines Bruders Weib vor den Ael - teſten zu ihm treten, einen Schuh von ſeinem Fuß ziehen, ihm ins Angeſicht ſpeien, und ſagen: Alſo ſoll man einem jeden Mann thun, der ſeines Bru - ders Haus nicht bauen will. « 5 B. Moſ. Kap. 25.

Nach den rabbiniſchen Vorſchriften muß heuti - ges Tages die Frau mit fuͤnf erbetenen und unpar - theiiſchen Zeugen zu dem Oberrabiner gehen, und ihren Schwager gleichfalls vorladen laſſen. Der Rabbiner richtet dann folgende Fragen an die Witt - we: Ob es ſchon drei Monate nach ihres Mannes Tode ſey? Ob derſelbe einen unverheiratheten Bruder hinterlaſſen habe, und ob der Gegenwaͤr - tige und der Verſtorbene Soͤhne Eines Vaters ge - weſen? Wie alt ſie ſey? Ob ſie faͤhig ſey, Kin - der zu zeugen? Und endlich, ob ſie noch nuͤchtern ſey? weil ſie nach dem Eſſen ihrem Schwager nicht mehr ins Angeſicht ſpeien darf. Hierauf wird auch der Mann befragt: Ob die Frau wirklich die hin - terlaſſene Wittwe ſeines Bruders ſey, und ob er ſie heirathen oder ſich durch die Chalitza von ihr ſcheiden laſſen wolle? Erklaͤrt er ſich zu dem letz - tern bereit, ſo muß er einen, auf eine ſonderbare Weiſe gemachten Schuh anziehen, und ſich an die Wand ſtellen. Dann geht die Frau auf ihn zu, und ſpricht: Dieſer Mann, mein Schwager will ſeinem Bruder keinen Saamen erwecken; darum214 ſoll er auch nicht laͤnger mein Schwager genannt werden. Hiemit buͤckt ſie ſich, loͤst mit der rechten Hand den Schuh auf, zieht ihn vom Fuß und ſpuckt mit den Worten: So ſoll man dem Mann thun, der ſeines Bruders Haus nicht bauen will, dem verabſchiedeten Herrn Schwager ſo viel ins Geſicht, daß die Zeugen auf Ehre und Gewiſſen verſichern: es ſey genug. Die Rabbiner beſchließen die Feier - lichkeit mit dem Ausruf: Chalutz hannahal! (Der Schuh iſt ausgezogen!) und dann kann die eheluſtige Wittwe heirathen, wen ſie will.

Freilich ſoll nach neuern rabbiniſchen Verord - nungen Keiner die Wittwe ſeines Bruders ehelichen, ſondern ſich durch die Chalitza ſcheiden laſſen; allein damit iſt Niemanden verboten, ohne geſchieden zu ſeyn, eine andere Frau zu nehmen, und die Scheidung aufzuſchieben, ſo lange es ihm beliebt. Eheluſtige Wittwen kommen hiedurch oft in großes Gedraͤnge, wenn der hartherzige Schwager ſich weder zur Chalitza, noch zu einer andern Heirath, wodurch ſie gleichfalls frei werden, bequemen will, und haͤu - fig bleibt kein anderer Ausweg, als durch viel Geld und glatte Worte den Herrn Bruder zu be - wegen, ſich ein bischen ins Angeſicht ſpeien zu laſſen.

Den Namen Chalitza fuͤhrt dieſe ſonderbare Scheidung von dem Wort Chalutz Schuh. Das Abziehen des Schuhes mit der rechten Hand iſt215 nicht von Moſes befohlen, ſondern ein talmudiſcher Zuſatz. Jndeſſen haben ſich doch die Rabbiner ſehr eifrig uͤber die wichtige Frage geſtritten: was zu thun ſey, wenn die Frau keine rechte Hand haͤtte. Endlich hat man ſich dahin vereinigt, daß ſie den Schuh dann mit den Zaͤhnen abziehen ſolle.

216

Von der Feier des Montags und Donnerſtags.

Jch ſagte ſchon fruͤher, daß die ausgezeichnet from - men Jſraeliten am Montage und Donnerſtage fa - ſteten. Dieſe beiden Tage ſind ihnen vor allen Wochentagen heilig, indem ſie behaupten, daß Esra ihnen beim Ausgange aus der babyloniſchen Gefan - genſchaft folgende zehn Gebote gegeben habe: 1) und 2) ſowohl am Sabbath, als am Montage und Donnerſtage in der Synagoge einige Theile aus dem Geſetze mit gewiſſen Feierlichkeiten zu leſen; 3) am Montage und Donnerſtage oͤffentliche Ge - richtsſitzungen zu halten; 4) zu Ehren des Sabbaths am Donnerſtage das Haus zu reinigen, welches alſo an andern Tagen nicht noͤthig iſt; 5) ſollen die Maͤnner am Donnerſtage Knoblauch eſſen; 6) die Weiber ſollen an dieſem Tage fruͤh aufſtehen und Brod backen, damit man den Armen etwas mit - theilen kann; 7) die Weiber ſollen ferner ſich am Donnerſtage kaͤmmen und waſchen; auch ſollen ſie beim Baden ihr Haar gehoͤrig aus einander theilen; 8) ſollen ſie eine Schuͤrze vorbinden; 9) ſoll manden217den Handelsleuten erlauben, am Donnerstage in den Staͤdten umher zu ziehen, und wohlriechende Waſſer und Putzſachen fuͤr die Frauen zu Ehren des Sabbaths zu verkaufen; 10) ſollen diejenigen, denen in der Nacht vom Mittewochen auf den Donnerstag im Bette etwas Unreines entgangen iſt, ſich wieder reinigen und waſchen*)Talmud, Traktat Babha kama..

Wer wird hier nicht geſtehen, daß Eſra ein ſehr weiſer Geſetzgeber war? Manche ſeiner Vor - ſchriften, wie die vom Gerichthalten am Montage und Donnerstage, und vom Umherziehen der Kraͤ - mer und Handelsleute koͤnnen jetzt freilich nicht beobachtet werden, da Abrahams Saame mit Aus - ſchluß der juͤdiſchen Polizeiſpione bekanntlich nichts mehr mit Gerichts - und Polizeiſachen zu thun hat. Die uͤbrigen Gebote Eſra’s werden aber um ſo ſtrenger gehalten, da Moſes gerade am Donners - tage auf den Berg Sinai ſtieg, um wegen des goldenen Kalbes um Verzeihung zu bitten, und ſtatt der zerbrochenen zwei andere Geſetztafeln zu holen, womit er am Montage wieder zu den Jſ - raeliten herab kam.

Außer den gewoͤhnlichen Morgengebeten wird an dieſen beiden Tagen das Vehuc Rachum, dem man eine große Kraft zuſchreibt, ſtehend und mit vieler Andacht gebetet.

II. Baͤndchen. 19218

Der Urſprung dieſes heilſamen Gebets wird von den Talmudiſten auf folgende Weiſe erzaͤhlt:

Nach der Zerſtoͤrung Jeruſalems befahl der gottloſe Kaiſer Vespaſian, welchem die Hoͤlle ſey, drei Schiffe mit Juden zu bepacken, und ſie ohne Ruder - und Steuermann ins Meer gehen zu laſ - ſen. Durch heftigen Sturm und Ungewitter wur - den dieſe Schiffe getrennt, und das eine kam bei dem Lande Lovanda, das andere bei dem Lande Arlado und das dritte bei dem Lande Burdeli an. Der Koͤnig von Burdeli empfieng die Jſraeli - ten ſehr freundlich, gab ihnen Felder, Gaͤrten und Weinberge, und ließ ſie ſich anſiedeln. Sein Nach - folger wuͤthete aber noch aͤrger gegen ſie, als der boͤſe Koͤnig Pharao in Aegypten, welchem die Hoͤlle ſey, und peinigte ſie ſehr. Einſt ſprach er zu ihnen: Jch will verſuchen, ob ihr rechte Juden ſeyd; darum will ich euch gleichfalls in einen feurigen Ofen ſetzen laſſen, wie man ehemals mit Sadrach, Meſech und Abednego gethan hat. Wenn ihr im Feuer nicht ſchmelzen oder verbrennen werdet, dann will ich euch fuͤr aͤchte Juden halten. Bei dieſen entſetzlichen Worten vom feurigen Ofen fingen Jſraels Kinder an, zu zittern und zu zagen und ſprachen: Allerdurchlauchtigſter Koͤnig, großmaͤchtigſter Koͤnig, allergnaͤdigſter Koͤnig und Herr, geſtatte uns noch drei Tage, wie man den heiligen drei Maͤnnern Sadrach, Meſech und Abednego bewilliget hat, um uns vorzubereiten und den heiligen hochgelobten219 Gott zu bitten, daß er uns, gleich jenen, aus dem feurigen Ofen erloͤſen moͤge. Der Allergnaͤdigſte gewaͤhrte ihnen huldvoll dieſe Bitte, und man band die drei froͤmmſten Maͤnner Joſeph und Ben - jamin, und deren Vaterbruders Sohn, den Samuel, und fuͤhrte ſie in den Kerker. Hier berathſchlag - ten ſie, was zu thun ſey, und beſchloßen, bis zum dritten Tage zu faſten und zu beten. Jeder von ihnen machte ein beſonderes Gebet, die man nachher alle drei in eines verfaßte, welches das jetzige Ve - huc Rachum iſt, und drei Tage und Naͤchte hin - durch ohne Aufhoͤren von den drei heiligen Maͤn - nern Joſeph, Benjamin und Samuel gebetet wur - de. Am dritten Morgen ſprach einer von ihnen: ſiehe, mir hat dieſe Nacht getraͤumt, daß ich einen Paſuk (einen Spruch) in der Bibel laͤſe, worin zweimal Ki und dreimal Lo vorkam; ich weiß aber nicht, wo er ſteht, und was er enthaͤlt. Der Paſuk wird unſer Troſt und unſere Huͤlfe ſeyn, erwiederte einer der andern beiden, er bedeutet, daß der heilige, hochgelobte Gott vom Himmel uns helfen wird, und ſteht im drei und vierzigſten Ka - pitel des Jeſaias: » Ki taabhor bammajim, ittecha aui, ubanne, haroch lo jiſtephuchach: Ki telech bemo eſch, lo tikkaveh, velchabhah lo tibhar bach «*)Wann du durchs Waſſer gehſt, ſo will ich bei dir ſeyn, und die Stroͤme ſollen dich nicht bedecken;19 *220Am dritten Tage ward ein großes Feuer angezuͤn - det, und eine Menge Volks verſammelte ſich, um die Juden verbrennen zu ſehen. Dieſe aber gingen ganz frei und ungezwungen mitten in die Flammen, ſangen das Gebet Vehuc Rachum, bis alles Feuer ausgebrannt war, und wurden ohne ſich ein Haar zu verſengen, aus den Flammen erloͤst. Beide, das Wunder und das Gebet berichtete man nach allen Orten hin, wo Juden wohnten, und zugleich ward angeordnet, das Vehuc Rachum, welches nach ſei - nen Anfangsworten benannt wird, jeden Montag und Donnerstag in allen Synagogen zu beten*)Buxtorff nach dem Buche Colbo.. Es beginnt, wie folgt: » Und er iſt barmherzig, vergibt die Suͤnde, ſtuͤrzt den Suͤnder nicht ins Verderben, wendet oft ſeinen Zorn von ihm ab, und erweckt nicht ſeinen ganzen Grimm. Der Hauptinhalt beſteht in den Bitten um Vergebung der Suͤnden, um Wiederherſtellung Jeruſalems und des Tempels, um Befreiung aus der Gefangen - ſchaft, und um Rache gegen ihre Feinde und Bedruͤcker, deren Vertilgung und Ausrottung ſie auf das eif - rigſte zu erflehen ſuchen.

Vor dem Vehuc Rachum werden zuerſt die ge - woͤhnlichen Morgengebete mit den ſchon fruͤher er -*)wann du im Feuer wandeln wirſt, ſo ſollſt du nicht verbrannt werden, und die Flamme ſoll dich nicht brennen. Jeſ. 43. V. 2.221 waͤhnten Ceremonien hergeſagt, oder geſungen und geſchrien. Dann folgt das Vehuc Rachum; nach deßen Beendigung wird eine Menge kurzer Gebete geplerrt, die ſich ſaͤmtlich faſt um dieſelben Ge - genſtaͤnde drehen, wie die vorhergehenden, nemlich, daß Gott nicht laͤnger ihnen zuͤrnen, ſie von dem Druck ihrer Feinde, der Edomiter, befreien, dieſel - ben ſtrafen und verderben, Jeruſalem und den Tem - pel bald wieder aufbauen, den Meſſias und Elias kommen laſſen, und Abrahams Saamen vermeh - ren moͤge, wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meer. Dies iſt das ewige Einerley, was ſich der Gott Jſraels taͤglich fuͤnf bis ſechs Male vorſchreien laſſen muß, und ſeine Geduld iſt in der That zu bewundern, denn mancher Andre haͤtte ih - nen laͤngſt Alles gewaͤhrt, um die Quaͤlgeiſter nur los zu werden.

Wenn dieſe Gebete endlich alle abgeleiert ſind, wird, nach Eſra’s angeblicher Vorſchrift, das Buch des Geſetzes mit großer Feierlichkeit aus der Arche genommen, um daraus vorzuleſen.

Die Arche, ein Sinnbild der Bundeslade, iſt ein Kaſten oder Schrank von mittler Groͤße, der am oͤſtlichen Theile jeder Synagoge ſteht, und ge - woͤhnlich eingemauert oder feſtgeklammert iſt. Vor der Thuͤr haͤngt ein gewirkter Vorhang, der um ſo koſtbarer ſeyn muß, je wichtiger das Feſt iſt, welches man feiert. Gewoͤhnlich ſind Voͤgel in dieſen222 Vorhang geſtickt, weil die Bundeslade gleichfalls mit Voͤgeln geſchmuͤckt war. Das Geſetzbuch, wel - ches die fuͤnf Buͤcher Moſis begreift, und in der Arche aufbewahrt wird, muß auf Kalbspergament, das in der Laͤnge an einander genaͤhet iſt, auf die - ſelbe Weiſe, wie die Spruͤche in den Tephillim mit ſchwarzer Gallapfeltinte und mit großen Buchſta - ben geſchrieben, und nichts darin verbeſſert oder durchſtrichen ſeyn. Die Zeilen muͤſſen gleich lang ſeyn, und in gleicher Weite auseinander ſtehen. Auch darf man die Anfangsbuchſtaben nicht mit bunten Farben, wie es in alten Zeiten bei andern Schriften gebraͤuchlich war, ausmalen, oder gar vergolden. Wenn der Abſchreiber irgendwo einen Fehler macht, ſo wird das Geſetzbuch zwar nicht vernichtet, aber blos zum Leſenlernen in den Schu - len gebraucht. *)M. ſ. auch Eichhorns Einleitung in das alte Te - ſtament.Sowohl an dem untern, als dem obern Ende des in der Arche befindlichen Geſetzbu - ches ſind hoͤlzerne Rollen befeſtigt, die zum Aufwik - keln und Tragen dienen, und außerdem wird es in ein vier bis fuͤnf Ellen langes, und eine Spanne breites Tuch, welches Wimpel heißt, gewunden. Je - der Vater, der einen Sohn hat, muß nemlich die - ſen, wenn er ein halbes Jahr alt iſt, an einem Sabbath zum Oberrabbi bringen, und ihn ſegnen223 laſſen, wofuͤr er dann eine ſolche Wimpel, in wel - che gewoͤhnlich ſein eigener Name und der Name, das Alter und der Geburtstag des Kindes mit Sei - de geſtickt ſind, der Synagoge ſchenkt. Auch dieſe Schenkung iſt mit Foͤrmlichkeiten verbunden. Der Vater muß nemlich das Tuch oder die Wimpel zu - erſt dem geben, der das Amt Etzchajim (das Amt vom Holze des Lebens) bekleidet, und dieſer uͤber - reicht es wieder dem Jnhaber des Amts Gelilah (des Amts des Einwickelns). Die Schrift muß, wenn man das Geſetzbuch mit der Wimpel umwin - det, nach innen gekehrt ſeyn, und dann wird noch ein anderes koſtbares Tuch von Seide, Sammt oder dergleichen, wie ein Mantel um das liebe Ge - ſetz geſchlagen, damit es ſich ja nicht erkaͤlte. Manch - mal, aber nicht immer*)M. ſ. Paul Chriſt. Kirchners Juͤdiſches Cere - moniel oder Beſchreibung der juͤdiſchen Gebraͤuche. Neue Aufl. mit Anmerkungen von S. J. Jungen - dres. Nuͤrnb. 1734 S. 69; und Buxtorffs Ju - denſchule Kap. 9., iſt an dieſen Mantel mit einer ſilbernen Kette eine Silberplatte befeſtigt, auf welcher man die Worte liest: Keſer Thorah, die Krone des Geſetzes, oder Kodeſch Ladonai die Heiligkeit des Herrn. Jn der Platte oder hin - ter derſelben ſtecken noch einige kleinere, worauf die Feſte und Tage verzeichnet ſind, an denen aus dem Geſetzbuche vorgeleſen werden muß.

224

Mit dem Herausheben des letztern aus der Ar - che, welche zum Andenken an die Bundeslade Aron Hakkodeſch genannt wird, ſind drei wichtige Ge - ſchaͤfte oder Aemter verbunden, nemlich das Amt Gelilah, welches in dem Auf - und Zuwickeln des Geſetzbuchs beſteht; das Amt Etzchajim, oder das Angreifen vom Holz des Lebens, und endlich das Amt Hagbohoh, oder das Amt des Aufhe - bens und Umhertragens des heiligen Buches. Die - ſe kirchlichen Ehrenſtellen werden an jedem Mon - tage, Donnerstage und Sabbath auf eine ſonderbare Weiſe beſetzt .. Der Chaſan oder Vorſaͤnger geht nemlich in der Synagoge herum und ſchreit, wie ein aͤchter Bandjude: Wer will kaufen Etzchajim? Wer will kaufen Gelilah? Wer will kaufen Hagbo - hoh? Den Meiſtbietenden werden dann die Aemter zugeſchlagen, und das Geld wird zu Almoſen ver - wandt. Dieſes oͤffentliche Ausbieten und Verſtei - gern von Aemtern und Wuͤrden ſcheint vielleicht manchem meiner Leſer laͤcherlich; allein nach meiner Anſicht iſt es den heimlichen Verſteigerungen der Art, welche bei uns Chriſten uͤblich ſind, weit vor - zuziehen; denn kein Jude, der ſich beim oͤffentlichen Verkauf uͤberbieten und das Holz des Lebens aus der Hand winden laͤßt, kann ſich mit Recht uͤber Zuruͤckſetzung, Repotismus und dergleichen beklagen, da es blos von ihm abhaͤngt, der Meiſtbietende zu werden.

225

Nach den gewoͤhnlichen Morgengebeten und dem Vehuc Rachum nimmt der Chaſan oder Vorſaͤnger das Geſetzbuch aus der Arche, und die Gemeine begleitet dieſe Feierlichkeit mit den Worten: Und wenn die Lade zog, ſo ſprach Moſes: Herr, ſtehe auf, laß deine Feinde zerſtreuet werden, und die dich haſſen, fliehen vor dir. Von Zion wird das Geſetz ausgehen, und das Wort des Herrn von Jeruſalem*)4. B. Moſ. 10, V. 35 und Jeſaias 11. V. 3.. Bei dem Zuſchließen der Arche ſingt man weiter: Gelobet ſey der, welcher ſeinem Volk Jſrael das Geſetz gegeben, mit ſeiner Heiligkeit! und hierauf nimmt der Chaſan das Buch unter den Arm und ſpricht: Preiſet mit mir den Herrn, und laſſet uns mit einander ſeinen Namen erheben! Die Gemeine antwortet darauf: Erhebet den Herrn unſern Gott! Betet an zu den Schemeln ſeiner Fuͤße, denn er iſt heilig. Erhoͤhet den Herrn un - ſern Gott, und betet an auf ſeinem heiligen Ber - ge, denn der Herr unſer Gott iſt heilig. **)34 V. 4 und 99 V. 5. u. 9.

Nach dieſem Wechſelgeſang beſteigt der Vor - ſaͤnger mit dem eingewickelten Buch die Kanzel; Alles ſtuͤrzt ſodann herbei, um das Gewand des Heiligthums zu kuͤſſen, und wer durch das Gedraͤn - ge verhindert wird, ſucht es wenigſtens mit der Hand zu beruͤhren, und kuͤßt dieſe, ſtatt des Ge -226 ſetzes. Auf der Kanzel oder dem Almemor iſt ein viereckigter, mit ſeidenen und ſammtenen Tuͤchern bedeckter Tiſch, auf welchen der Chaſan oder Vor - ſaͤnger das heilige Buch niederlegt. Dann ſtellt ſich der Segen (ſo heißt nemlich der, welcher das Amt Gelilah gekauft hat,) dem Chaſan zur Linken, und befiehlt, indem er das Geſetzbuch aufwickelt, denjenigen zu rufen, den er zum Mitleſen beſtimmt hat. Der Chaſan fodert darauf den Auserwaͤhlten mit ſeinem und ſeines Vaters Namen auf, zum Beiſpiel: Es komme R. R. Sohn des R. R. zum Mitleſen des Geſetzes. Der Aufgefoderte tritt zwi - ſchen den Chaſan und den Segen oder Gelilah - Beamten, ergreift die beyden unterſten Hoͤlzer des Geſetzbuchs, und kuͤßt es mit den Worten: Gelo - bet ſeyſt du Gott, weil du uns erwaͤhlt haſt vor allen Voͤlkern, und haſt uns dein Geſetz gegeben! Gelobet ſeyſt du, ein Geber des Geſetzes! Hierauf liest der Chaſan eine Paraſcha (einen Abſchnitt) vor, die wenigſtens zehn Verſe enthalten muß, nach deren Beendigung der Aufgerufene zum zweyten Mal das Holz des Lebens beruͤhrt und dem gelieb - ten Geſetz noch ein Kuͤßchen verehrt. Dies darf aber um Gotteswillen nicht auf das Pergament oder auf die Schrift ſelbſt geſchehen, denn das waͤ - re eine noch aͤrgere Todſuͤnde, als wenn man ei - ner ſchoͤnen, vornehmen Dame, ſtatt der Hand, die Lippen kuͤßte. Blos die aͤußere Huͤlle, die Tuͤ -227 cher, in welche das heilige Buch eingewickelt iſt, darf der keuſche Mund des frommen beſcheidenen Jſraeliten beruͤhren. Bei dieſem letztern Schmaͤtzchen ſpricht er noch das kurze Dankgebet: » Gelobet ſey Gott, der uns (Juden) zu ſeiner Ehre (??) erſchaf - fen, uns das Geſetz der Wahrheit (??) gegeben, und das ewige Leben uns eingepflanzt hat. Gelo - bet ſey Gott, ein Geber des Geſetzes! « Darauf tritt er drei Schritte weit zuruͤck, und ſegnet den Aufgerufenen mit den Worten: der unſere Vaͤter Abraham, Jſaak und Jakob geſegnet hat, der ſegne auch dieſen R. R. den Sohn des R. R. nebſt ſei - nem ganzen Hauſe, weil er das Geſetz in Ehren haͤlt. Gott beſchuͤtze und behuͤte ihn vor allem Uebel ꝛc. und die ganze Gemeine ruft: Amen!

Gewoͤhnlich werden vom Chaſan drei Maͤnner nach einander zum Mitleſen aufgefodert. Der erſte ſoll ein Prieſter (Cohn), der zweite ein Levit, und der dritte ein gemeiner Jſraelit ſeyn. Dieſe Anzahl wird jedoch nach der Wichtigkeit der Feſte vermehrt, denn an den Neumonden muͤſſen vier, an andern Feſttagen fuͤnf, am Verſoͤhnungsfeſt ſechs, und am Sabbath ſieben Mitleſer nach einander aufgerufen werden. Sie gehen zum Almemor oder zur Kanzel durch die Thuͤre, welche ihnen am naͤch - ſten iſt, hinauf, muͤſſen aber durch eine andere Thuͤre wieder hinabgehen.

Der Leſende muß ſtehen, ohne ſich irgendwo228 anzulehnen. Bei dem geringſten Fehler, wenn er z. B. einen Buchſtaben verſchlucken, oder unrichtig und undeutlich ausſprechen ſollte, wird er erinnert, und muß die ganze Vorleſung von Anfang an wie - derholen. So lange das Geſetzbuch offen iſt, darf Riemand die Synagoge verlaſſen.

Nach beendigtem Leſen koͤmmt der Jnhaber des Amts Hagbohoh (des Aufhebens); hebt das Ge - ſetzbuch mit beiden Armen ſo hoch in die Hoͤhe, wie es ihm moͤglich iſt, und geht auf dem Almemor hin und her, damit Jeder die heilige Schrift ſehen moͤge. Die entzuͤckte Gemeine ruft, als ob ſie ein Wunderthier ſaͤhe: Das iſt das Geſetz, was Mo - ſes den Kindern Jſrael vorgelegt hat! Um die Staͤrke ſeiner Arme zu zeigen, wirft der Hagbohoh - Beamte das ziemlich ſchwere Geſetzbuch oft meh - rere Male in die Hoͤhe, und faͤngt es mit den Haͤnden wieder auf, wofuͤr er dann von den Lip - pen der juͤdiſchen Schoͤnen das ſchmeichelhafte Lob erndtet: daß er gar zu » ſchain gehagbohagt « habe.

Die armen Weiberchen ſind am ſchlimmſten daran. Sie haben in den Synagogen einen eigenen abgeſonderten Platz mit vergitterten Fenſtern, da - mit ihr reizender Anblick keine boͤſe Gedanken erre - gen, und ihr Geplauder die Andacht nicht ſtoͤren kann. Wann nun gehagbohagt wird, gerathen ſie in den entſetzlichſten Aufruhr, denn obgleich es229 ihnen nicht erlaubt iſt, gleich den Maͤnnern das liebe Geſetzbuch zu kuͤſſen, ſo wollen ſie es doch wenigſtens gerne ſehen, und daher entſteht bei dem Umhertragen deſſelben in ihrem Gemach ein ſo fuͤrchterlicher Laͤrm, als ob ſie von einem zweiten Paris mit goldnen Äpfeln bombardirt wuͤrden. Al - les draͤngt und ſtoͤßt ſich, zankt, ſchreiet und ſchimpft, denn Jede will ein Fenſterchen fuͤr ſich erobern, oder ſucht ſich im Beſitz des ſchon eroberten mit Haͤnden, Fuͤßen und Zunge zu ſchuͤtzen. Dies iſt das Erbaulichſte und Ruͤhrendſte am ganzen juͤdiſchen Gottesdienſt, und wird woͤchentlich dreimal, am Montage, Donnerstage und Sabbath wiederholt.

Ein großes Ungluͤck und zugleich die Vorbe - deutung eines noch groͤßern iſt es, wenn einer der genannten Kirchenbeamten mit dem heiligen Buche ſtolpern oder gar fallen ſollte. Dann muß die ganze Gemeine faſten, wehklagen und beten, und Alles iſt voll Angſt und Warten der Dinge, die da kommen ſollen.

Wenn der Jnhaber des Hagbohoh-Amtes mit ſeinen Gaukeleien und Poſſen fertig iſt, treten die Kaͤufer des Gelilah und Etzchajim wieder auf die Buͤhne. Der erſtere rollt das Heiligthum mit den zwei obern Hoͤlzern oder Staͤben zuſammen, wel - ches mit großer Sorgfalt geſchehen muß; und der andere, gewoͤhnlich ein Knabe, nimmt jenem nach - her die Staͤbe ab, und reicht ihm dafuͤr die Wim -230 peln, Tuͤcher und Silberplatten zum Einwickeln. Hierauf ſtuͤrzt alles Jung und Alt, mit Ausſchluß der Weiber herbei, um das Etzchajim (das Holz des Lebens) zu kuͤſſen. Wer von den Uebrigen zu - ruͤck gedraͤngt wird, beruͤhrt es wenigſtens mit zwei Fingern, und legt dieſe auf die Augen, denn dies ſoll gegen geiſtliche und leibliche Blindheit, gegen Gicht, Fluͤſſe und andere Krankheiten ſehr heilſam ſeyn.

Waͤhrend man das Geſetzbuch wieder in die Arche legt, ſingt der Chaſan: Ruͤhmet den Namen Gottes, denn ſein Name allein iſt ſtark. Die Ge - meine antwortet: » Sein Ruhm iſt im Himmel und auf Erden. Er hat das Horn ſeines Volks erhoͤhet zum Lob aller Heiligen, nemlich das Volk Jſrael, das ihm am naͤchſten iſt! Lobet Gott! «

Beim Verſchließen der Arche ſingt man: wann ſie (die Bundeslade) ruhete, ſprach Moſes: Komm wieder, Herr, zu der Menge der Tauſenden von Jſrael!

Endlich wird der Gottesdienſt, gleich der ge - woͤhnlichen Morgenandacht geſchloſſen, und Jeder geht mit den Worten: » Herr, leite mich in deiner Gerechtigkeit um meiner Feinde willen! Richte dei - nen Weg vor mir her! Der Herr ſegne meinen Ausgang und Eingang! « zu Hauſe, um zu wuchern, zu gaunern und zu ſchachern, ſo gut er vermag.

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Unverkennbar iſt der geiſtliche, alle uͤbrigen Voͤlker tief verachtende Hochmuth der Jſraeliten, der ſich in ihren meiſten Gottesverehrungen auf eine ſo harte und widerliche Weiſe ausſpricht. Ueberall ruͤhmen ſie ſich als das erſte und liebſte Volk Got - tes; aber kein Vernuͤnftiger kann begreifen, wie das hoͤchſte Weſen zu einer ſo ſonderbaren Liebha - berei kam.

Der Montag und Donnerstag werden zwar nicht als ganze, ſondern blos als halbe Feiertage betrachtet; indeſſen ſoll man ſich doch aller ſchweren Arbeiten an denſelben enthalten, und ſie durch Muͤſ - ſiggang und Wohlleben nach Moͤglichkeit zu heiligen ſuchen.

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Von der Feier der erſten Monatstage.

Moſes gebot den Jſraeliten am erſten Tage jedes Monats gewiſſe Opfer zu bringen; daß ſie aber den ganzen Tag faullenzen ſollten, befahl er ihnen nicht. Aus Liebe zur Froͤmmigkeit widmete man jedoch in ſpaͤtern Zeiten die erſten Tage der Neu - monden ganz der Andacht und dem Muͤſſiggange. Jetzt werden ſie freilich von den Maͤnnern blos zur Haͤlfte gefeiert, allein mit der ausdruͤcklichen Bedin - gung, daß man keine ſchwere Arbeiten, welche Abrahams Saame bekanntlich mehr als den bittern Tod haßt, verrichten, viele Fiſche und uͤberhaupt etwas Gutes eſſen und trinken, und ſich durch Geldzaͤhlen, Spielen, Spazierengehen und andere geiſtvolle Unterhaltungen erheitern ſoll. Den Frauen iſt es aber verſtattet, wenn ſie wollen, den erſten Tag jedes Monats ganz zu feiern, und zwar zur Erinnerung und Belohnung der Gottſeligkeit ihrer Urmuͤtter, die dem frommen Aaron ihre Armringe und Ketten verweigerten, woraus er zur Erbauung fuͤr Jſraels auserwaͤhlte Kinder ein goldenes Kalb machen wollte, und weil ſie dagegen ſpaͤterhin frei -wil -233willig im Neumond vom Maͤrz all ihr Geſchmeide zum Bau des zweiten Tempels darbrachten.

Fromme Juden faſten ſchon einen Tag vorher, um am folgenden deſto beſſer eſſen zu koͤnnen, und bitten zugleich Gott, ihnen einen froͤhlichen Monat zu geben.

Am erſten Tage des Neumonds ſelbſt, legt man weiße Gewaͤnder an, und ſingt in der Synagoge, nach der Beendigung der gewoͤhnlichen und einiger andern Morgengebete den hundert achtzehnten Pſalm. Darauf bietet einer der Gemeindevorſteher laut ein kirchliches Ehrenamt zum Verkaufe aus, welches in dem Herausheben des Geſetzes aus der Arche beſteht. Dem, der das Meiſte zahlt, wird dieſe, ſchnell voruͤber gehende Wuͤrde zugeſchlagen. Er muß den Vorhang (Paroches) vor der Arche hin - wegziehen, die Thuͤre (Capores) aufſchließen, und die zehn Gebote dem Vorſaͤnger uͤberreichen. Dieſer legt ſie auf einen, in der Mitte der Synagoge ſtehenden Stuhl, und nun eilen Alle mit Ausnahme der Frauen, herbei, um das theure Geſetz zu kuͤſ - ſen. Nach Einigen muß der, ſo daſſelbe aus der Arche genommen, die Tuͤcher, womit es umwunden iſt, aufwickeln; nach Andern thut dies der ſoge - nannte Segen, d. i. derjenige, welcher das Ge - lilahamt verwaltet*)M. ſ. P. Ch. Kirchner’s Juͤdiſches Ceremoniel u. ſ. w. von S. J. Jungendres. Die Angaben der.

II. Baͤndchen. 20234

Hierauf ſingt der Chaſaw aus dem 28ſten Ka - pitel des vierten Buchs Moſis die Verordnung der Opfer fuͤr den Neumond ab, und jedes Mal, wenn er vier Verſe geſungen hat, ruft er einen Mann aus der Gemeine, der zu ihm kommen und den Segen ſprechen muß, worauf er Amen ſagt. Dann betet er noch das Raddiſch, welches eins der vornehmſten, juͤdiſchen Gebete iſt, da es die armen Seelen aus dem Fegefeuer errettet. Endlich ruft einer der Vorſteher oder Kirchendiener zum zweiten Mal aus: wer das Geſetz aufheben und wieder einwickeln wolle? Dies geſchieht entweder von dem Segen (dem Gelilahbeamten) oder von dem, der das Buch zuerſt aus der Arche hob*)M. ſ. Kirchner und Jungendres a. a. O. S. 75 und 76.. Ohne das Gebet Raddiſch angehoͤrt und dieſer letztern Feierlichkeit beigewohnt zu haben, darf Keiner die Synagoge verlaſſen, und eben ſo wenig duͤrfen die -*)Schriftſteller, in Betreff der kirchlichen Gebraͤuche der Juden, weichen oft ſehr von einander ab, und doch koͤnnen ſie alle richtig ſeyn, da wahrſcheinlich bei den Jſraeliten dieſelbe Verſchiedenheit der litur - giſchen Formen herrſcht, die man bei manchen chriſt - lichen Gemeinen einer und derſelben Konfeſſion in dieſer Ruͤckſicht findet. Gut fuͤr uns Alle, daß unſere Seligkeit weder an Liturgien, noch an Dog - matiken geknuͤpft iſt.235 jenigen, welche dem Gottesdienſte nicht beiwohnen, das Mindeſte waͤhrend deſſelben arbeiten.

Nachher muͤſſen ſie denn das befiehlt ein ausdruͤckliches Gebot*)Orachchajim Nr. 417 419. gut eſſen und trinken, lange bei Tiſche ſitzen, und recht froͤhlich ſeyn. Daher ſucht man auch durch Karten - und Wuͤrfel - ſpiel und mancherlei Poſſen den traͤgen Tag zu befluͤgeln.

Am achten Abend jedes Monats beim Mon - denſchein verſammeln ſich Jſraels Kinder unter freiem Himmel, erheben ihre Augen zum » ſtillen Gefaͤhr - ten der Nacht, « und ein Rabbiner, dem die uͤbri - gen laut nachſprechen, betet ihnen vor: Gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt, der du mit deinem Wort und dem Geiſt deines Mun - des den Himmel und ſein ganzes Heer erſchaffen haſt, und haſt ihnen Geſetz und Zeit vorgeſchrieben, damit ſie thun, was du ihnen geboten, und ſich nicht veraͤndern, ſondern Gott ihrem Schoͤpfer ge - horchen, der ein rechter Baumeiſter iſt, und deſſen Werke wahrhaftig ſind.

Er ließ ſich den Mond erneuern, und dies ſoll allen, die im Mutterleibe getragen werden**)Nemlich ihnen, den Jſraeliten, von denen es Jeſaias Kap. 46. V. 3. heißt: Hoͤret mir zu, du Haus Jakobs, und ihr alle, die ihr vom Hauſe, eine20 *236ſchoͤne Krone und Zierde ſeyn, da ſie ſich gleich dem Monde erneuen und ihren Schoͤpfer loben und ehren ſollen wegen ſeines herrlichen und maͤchtigen Reichs. Gelobet ſey dein Schoͤpfer! Gelobet ſey dein Herr! Gelobet ſey, der dich gemacht hat! (Bei dieſen Worten ſpringen ſie voll Entzuͤcken dreimal in die Hoͤhe.) Und wie ich zu dir, Mond, hinauf ſpringe, und dich nimmer erreichen kann: ſo ſoll auch mich kein Feind beruͤhren, und mir im Min - deſten etwas Leides thun. Es falle uͤber unſere Feinde Furcht und Entſetzen, und durch deinen ſtar - ken Arm verſteinere ſie! Laß ſie erſtarren, wie Steine! Sie ſollen verſtummen wie Steine durch deinen allmaͤchtigen Arm! Laß uͤber ſie fallen Furcht, Schrecken und Angſt.

Alſo nicht unſere Werther und Siegwarte al - lein, auch Abrahams glaͤubige Kinder ſind Verehrer des ſilbernen Mondes, und ſchuͤtten ihre Seufzer gegen ihn aus.

Dieſe Mondverehrung brachten die Jſraeliten wahrſcheinlich aus der babyloniſchen Gefangenſchaft, wo ihre Liturgie und Dogmatik eben ſo wie ihr Haß gegen andere Voͤlker manchen huͤbſchen Zuſatz erhielten, mit heim.

**)Jſraels noch uͤbrig ſeyd; ihr, die ihr vom Mutter - leibe an von mir getragen ſeyd, und die ihr von mir von eurer Geburt an ſeyd erhalten worden.

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Uebrigens wuͤrde uns eine Gottesverehrung jener Art, wo ſich das Gemuͤth durch den Anblick der Natur zu dem großen Baumeiſter ſelbſt erhebt, keineswegs mißfallen, ſondern weit vernuͤnftiger und zweckmaͤßiger ſcheinen, als alle Tempel-Syna - gogen - und Kirchendienſte, und alle Anbetungen wurmſtichiger Heiligen - und Goͤtzenbilder; allein wen muß nicht der bittere feindſelige Groll empoͤ - ren, der ſich in dieſem Gebete der Jſraeliten gegen alle Andersdenkende ausſpricht? Gleich ihrem Koͤ - nig David, geſegneten und rachgierigen Andenkens, moͤchten ſie gerne das hoͤchſte Weſen gegen alle Men - ſchen verhetzen, die nicht, wie ſie, beſchnitten ſind, und nicht mit ihnen die Miſchna, die Gemara und andere Tollheiten fuͤr goͤttliche Offenbarungen an - erkennen.

Bei jenem Gebet muͤſſen wenigſtens zehn Maͤn - ner, die ſaͤmtlich dreizehn Jahre und einen Tag alt ſind, gegenwaͤrtig, und der Ort, wo es verrich - tet wird, muß dreißig Ellen lang und breit und ganz rein ſeyn. Wenn der Mond in Wolken gehuͤllt iſt, darf es nicht gebetet werden, und man muß es auf einen der naͤchſt folgenden Tage verſchieben.

Nach beendigtem Gebet ſpricht Einer zu den Andern: Schalom Lecha! Schalom Lecha! Schalom Lecha! d. h. Friede ſey mit Euch! Friede ſey mit Euch! Friede ſey mit Euch! und die Uebrigen ant - worten: Alechem Schalom! Schalom Alechem! 238Schalom al Jſrael! d. h. Auch uͤber euch ſey Friede! Friede uͤber euch! Friede uͤber ganz Jſrael!

Nachher darf man den Mond in dem Monat nicht wieder anſehen. Das Gebet ſelbſt bewahrt vor ſchnellem Tod, Schwerenoth und allen ploͤtzlichen und anſteckenden Krankheiten.

Eine Mondfinſterniß wird fuͤr ein ſchlimmes Zeichen gehalten, indem man dann von den Fein - den der Juden ſehr viel Boͤſes fuͤrchtet. Deshalb faſtet man gewoͤhnlich den ganzen Tag, und bittet Gott, Jſraels Kinder vor ihren Widerſachern, den gottloſen Gojim, doch zu beſchirmen*)M. ſ. das Buch Chaſidim Nr. 66. 230..

Die Talmudiſten lehren, daß Sonne und Mond anfangs von gleicher Groͤße geweſen. Aber der Mond murrte gegen den heiligen, hochgelobten Gott, und wollte allein am Himmel regieren. Darum machte der Herr der Welt ihn kleiner und nahm ihm ſeinen eigenthuͤmlichen Glanz, ſo daß er jetzt ſein Licht von der Sonne borgen muß. Als der Mond hieruͤber trauerte, gereuete den Allmaͤchtigen, was er gethan hatte, und deshalb gebot er den Jſraeli - ten, an allen Neumonden ein Suͤndopfer fuͤr ihn zu opfern, weil er (Gott) durch die Verkleinerung des Mondes geſuͤndiget hatte**)M. ſ. das talmudiſche Buch Cholin Kap. 3, und Rabbi Bechai’s Auslegung der fuͤnf Buͤcher Moſis Paraſcha Pincha u. ſ. w..

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Vom Sabbath.

Unter allen Feiertagen der Juden iſt ihnen der Sabbath der heiligſte, und ſie halten ihn auch fuͤr den aͤlteſten, obgleich er erſt nach Einſetzung des Oſterfeſtes angeordnet ward.

Am Freitagmorgen muß jeder Hausvater, wo - ferne er nicht ſchon damit verſorgt iſt, wenigſtens anderthalb Pfund Mehl, und, wenn es irgend moͤglich iſt, Fiſche einkaufen. Aus dem Mehl wer - den, außer manchen andern Kuchen, vier Brodte gebacken, uͤber welche der Hausherr oder deſſen Stellvertreter zu Anfange jeder Mahlzeit den Segen ſpricht. Ehe die Frau es baͤckt, nimmt ſie ein Stuͤck von der Groͤße eines Eies, und wirft es ins Feuer*)Kirchner a. a. O. S. 78.. Der Teig muß beim Knaͤten in einem Stuͤck bleiben; iſt dieſes aber zu groß, ſo theilt man es, und bedeckt das Stuͤck, welches man zu - letzt zubereiten will, mit einem Tuch, damit es ſich nicht ſchaͤme, weil es das letzte ſeyn ſoll**)Buxtorfii Synagoga Judaica cap. X. .

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Die Fiſche ſind, wenn man ſie irgend bekom - men kann, ein nothwendiges Erforderniß frommer Sabbathsfeier, weil die Seelen der Gerechten ge - woͤhnlich in Fiſche fahren, und durch das Eſſen derſelben aus ihrem Kerker befreiet werden. Ein ſehr gottſeliger Jſraelit, Namens Joſeph Mokir Schabbath, d. h. Joſeph der den Sabbath ehrt, ſparte in dieſer Hinſicht kein Geld, denn auch das Koͤſtlichſte war ihm nicht zu theuer, wenn es die Feier des Sabbaths galt. Beſonders wandte er ſehr viel an große und wohlſchmeckende Fiſche, die er wahrſcheinlich ſelbſt gerne . Sein Nachbar, ein ſteinreicher Mann, ſpottete deshalb immer uͤber den frommen Joſeph Mokir Schabbath, der faſt Alles, was er in der Woche erwarb, und oft weit mehr als das, am Sabbath in gebratenen Fiſchen und andern Leckereien verzehrte. Lieber, ſprach einſt der Reiche zu Joſeph, was nuͤtzt es dir, daß du den Sabbath ſo hoch ehrſt? Siehe, du wirſt von Tage zu Tage aͤrmer, und ich, der ich nicht ſo koſtbare Fiſche und Leckerbißchen an dem heiligen Tage eſſe, bin reicher, als du! Joſeph ſchwieg und vertrauete dem heiligen, hochgelobten Gott, der die Froͤmmig - keit belohnt, und den boshaften Spoͤtter beſtraft. Was ich zu Ehren des Herrn verwende, dachte er bei ſich, das wird er mir gewiß tauſendfach vergel - ten. Bald darauf kamen Sternſeher in die Stadt. Armer Freund, ſprachen ſie zu dem Reichen, washel -241helfen dir all deine Schaͤtze? Nicht einmal einen koͤſtlichen Fiſch darfſt du dafuͤr eſſen! Wir laſen in den Sternen, daß alles das Deinige dem frommen Joſeph Mokir Schabbath zu Theil werden wird, denn er ißt gerne am Sabbath etwas Gutes. Das gieng dem reichen Mann zu Herzen; er verkaufte daher ſeine vielen Guͤter und Haͤuſer, und kaufte lauter Perlen und Edelgeſteine fuͤr ſein Geld, be - feſtigte dieſe an ſeine Hutſchnur, und wollte in ein anderes Land ziehen, damit Joſeph Mokir Schab - bath ſeine Schaͤtze nicht bekaͤme. Kaum befand er ſich jedoch mit dem Schiff auf dem Meere, als ſich ein furchtbarer Sturm erhob, ihm den Hut vom Kopf blies, und ſogar das Schiff zertruͤmmerte. Da kam ein großer Fiſch und verſchlang den Hut ſamt der koſtbaren Schnur. Nicht lange nachher an einem Freitage brachte man einen ungeheuern Fiſch in die Stadt, den Jedermann kaufen und kei - ner bezahlen wollte. Der fromme Joſeph Mokir Schabbath kam aber gleichfalls, und gab mit Freu - den ſeine ganze Habe fuͤr den herrlichen Fiſch zu Ehren des Sabbaths, und im feſten Vertrauen zu dem hochgelobten, heiligen Gott, der den Frommen belohnt und den Boͤſen beſtraft. Als nun Joſeph ſeinen Fiſch heim brachte und aufſchnitt, ſiehe, da fand er im Magen deſſelben den Hut mit der Per - len - und Diamantenſchnur des Verungluͤckten, und ſo ward erfuͤllt, was die Sternſeher geweiſſagtII. Baͤndchen. 21242hatten. Niemand war froher, als Joſeph, deſſen Gottesfurcht ſo reichlich vergolten ward, denn der Werth der Schnur ward auf ein ganzes Koͤnigreich geſchaͤtzt; deshalb ſprach auch ein alter verſtaͤndiger Mann zu ihm: wer dem Sabbath viel borgt, dem bezahlt er es tauſendfach, denn der heilige, hoch - gelobte Gott ehret, die ihn ehren*)M. ſ. den talmudiſchen Traktat Schabbath, Kap. 16.. Daß Joſeph Mokir Schabbath ferner immer fromm und reich geblieben, und viele Fiſche gegeſſen haben wird, iſt nicht zu bezweifeln.

Ein anderer Jſraelit ehrte gleichfalls den Sab - bath ſehr hoch mit Fiſcheſſen, und fand in einem Fiſche eine Perle, die ihm mit zehntauſend Pfund Silber bezahlt ward. Dieſer gottſelige Mann hieß Jonas, muß aber nicht mit dem Propheten ver - wechſelt werden, der ſelbſt von einem Fiſche ver - ſchlungen wurde.

Einſt, erzaͤhlt Rabbi Chaja geſegneten Anden - kens, einſt kam ich zu einem Metzger auf der Jn - ſel Cypern, und ſpeiste mit ihm an einem goldenen Tiſch, welchen ſechzehn Maͤnner kaum tragen konn - ten. An dieſem Tiſche waren ſechzehn ſilberne Ketten befeſtigt; die Schuͤſſeln, Loͤffel, Teller und Becher waren vom reinſten Silber, und wir hat - ten die koͤſtlichſten Speiſen und Getraͤnke. Als man den Tiſch vor dem Hausherrn niederſetzte, lobte er243 Gott und ſprach: Gottes iſt die Erde, und Alles, was auf Erden iſt; und als man ihn wieder auf - hob, lobte der Metzger gleichfalls: der Himmel gehoͤrt Gott, und die Erde hat er den Menſchen gegeben! Lieber Rabbi, fragte ich, woher ſeyd Jhr ſo reich geworden? Was habt Jhr Gutes in Eurem Leben gethan? Jch war, antwortete er, von jeher Metzger. Wenn ich nun ein gutes Stuͤck Vieh ſchaͤchtete, ſo behielt ich es fuͤr mich ſelbſt bis zum Sabbath, um dieſen mit vorzuͤglich gutem Fleiſch zu feiern. Dafuͤr hat mir Gott ſo großen Reichthum beſchert. Gelobet ſey Gott, erwiederte ich, der ihn dir gegeben hat, da du deſſen ſo wuͤr - dig biſt*)Schabbath a. a. O.!

Unſere chriſtlichen Schaͤchter wuͤrden durch dies Mittel vielleicht fett, aber ſchwerlich reich werden. Uebrigens ſieht man hieraus, wie man den Sab - bath heiligen muß, und wie glaͤnzend der Lohn iſt, den man dafuͤr erndtet.

Alle Speiſen muͤſſen ſchon am Freitage und zwar vor Anfang des Sabbaths zubereitet werden; die, welche beſſer warm, als kalt zu eſſen ſind, werden in einem Ofen warm erhalten. Jeder ſoll, und wenn er hundert tauſend Knechte und Maͤgde haͤtte, zu Ehren des feſtlichen Tages etwas zuruͤſten helfen, was ſelbſt die gelehrteſten und froͤmmſten21 *244Rabbinen geſegneten Andenkens gethan haben*)Schabbath und Traktat Kidduſchin Kap. 2.. Die Fiſche muͤſſen von den Maͤnnern geriſſen werden, wenn ſie koſcher ſeyn ſollen.

Nachfolgende Gebote ſind am Freitage beſon - ders zu beobachten.

Du ſollſt deine Meſſer wetzen und reinigen, denn wenn ſie ſtumpf ſind und nicht ſchneiden, iſt kein Friede im Hauſe. Hiob 5. V. 24.

Du ſollſt dir am Freitage das Haar kaͤmmen, und dich, wenn es noͤthig iſt, balbieren laſſen.

Jhr Weiber, ſollt euch gleichfalls am Freitage kaͤmmen, das Haar einflechten, euch huͤbſch waſchen, baden und reinigen, und zu Ehren des Sabbaths euch recht zierlich ankleiden.

Du ſollſt dir jeden Freitag die Naͤgel abſchnei - den, und zwar in folgender Ordnung, ſo daß du immer einen Finger uͤberhuͤpfeſt: Zuerſt nimm an der linken Hand den vierten Finger, dann den zweiten, den fuͤnften, den dritten, und zuletzt den Daumen. Bei der rechten Hand ſollſt du anfan - gen mit dem zweiten Finger; dann nimm den vier - ten; darauf den Daumen, ſodann den dritten, und endlich den fuͤnften Finger.

Die Naͤgel, ſo du dir abgeſchnitten, ſollſt du nicht auf den Boden hinwerfen, denn wenn du das thuſt, biſt du ein Raſcha, ein abſcheulicher Suͤnder245 und ein boshafter, gottloſer Menſch, weil der Satan dann Gewalt daruͤber hat, und man Zau - berei damit treiben kann. Ueberdies iſt es hoͤchſt gefaͤhrlich, wenn Jemand darauf tritt. Deshalb ſollſt du deine Naͤgel, ſobald du ſie abgeſchnitten, in die Erde graben; dann biſt du ein Tzaddick, ein gerechter und frommer Mann. Auch kannſt du ſie ins Feuer werfen, denn dadurch wirſt du ein Bie - dermann und ein heiliger Menſch*)Orachchajim Nr. 260 ff..

Auf Befolgung dieſer und aͤhnlicher Gebote halten alle Jſraeliten, vom Vornehmſten bis zum Geringſten, vom Baron von R d, dem Doktor der Geldweisheit und Magiſter der illiberalen Kuͤnſte bis zum aͤrmſten Bandjuden hinab ſehr ſtrenge, um dereinſt Antheil am Paradieſe zu bekommen.

Der Tiſch muß ſchon am Freitage auf das ſchoͤnſte gedeckt werden, damit alles bei der An - kunft der Koͤnigin, denn ſo nennen ſie ihren Sab - bath, in voͤlliger Ordnung ſey. Reiche Juden haben beſondere Sabbathkleider, die ſie blos an dieſem, ihnen ſo heiligen Tage anziehen, weil es eine Be - leidigung der erhabenen Koͤnigin ſeyn wuͤrde, wenn man ſie zu andern Zeiten anlegen wollte**)Ebendaſ. Nr. 260..

Ehemals ward durch Blaſen auf einem Horn oder einer Trompete das Zeichen gegeben, ſich zum246 Sabbath zu ruͤſten. Da dieſer Unfug aber wahr - ſcheinlich von den Chriſten nicht allenthalben gedul - det ward, ſo muß jetzt der Schulklopfer oder Kuͤ - ſter (Schechach Tzibbur) umhergehen, und rufen, daß man ſich der Arbeit enthalten, und ſich zum Empfange des Sabbaths, der als eine ſchoͤne braͤutliche Koͤnigin daher koͤmmt, bereiten ſolle*)Orachchajim Nr. 258.. Der Sabbath beginnt ſchon am Freitage vor Son - nenuntergang, und zwar giebt man ihm von der Woche einige Stunden zu, damit die armen See - len, welche in der Hoͤlle und dem Fegefeuer ſchmach - ten, etwas eher zur Ruhe kommen, denn ſobald man in den Synagogen anfaͤngt, den Sabbath zu feiern, und ein ſchoͤnes Gebetchen ſingt, laufen die Seelen der Verſtorbenen aus ihren qualvollen Ker - kern heraus und ſetzen ſich ins Waſſer, um ſich ein wenig abzukuͤhlen. Deshalb ſoll man dann auch kein Waſſer ſchoͤpfen, damit es nicht den armen Seelen entzogen wird. Wenn der heilige Tag vor - bei iſt, muͤſſen ſie in die Hoͤlle und ins Fegefeuer zuruͤckkehren**)Minhagim S. 14. M. ſ. auch Burtorff, Kirchner und Jungendres a. a. O..

Jm Sommer faͤngt der Sabbath am Freitag Abend zwiſchen ſechs und ſieben, und im Winter zwiſchen vier und fuͤnf Uhr an, und dann muß Je - der ſein Geld bei Seite legen. Wo man keine247 Uhren hat, richtet man ſich nach der Sonne, und wenn dieſe durch Wolken verhuͤllt iſt, ſoll das Auf - fliegen der Huͤhner oder das Geſchrei der Raben und Dohlen die Stelle der Uhr vertreten*)Orachchajim Nr. 261,.

Sobald der Sabbath anbricht, zuͤndet die Frau drei oder noch mehr Lichter an, welche gewoͤhnlich auf meſſingenen Leuchtern ſtehen, breitet beide Haͤnde daruͤber aus, und ſpricht den Segen: gelobet ſeyſt du Gott, Koͤnig der Welt, der du uns durch dein Geſetz geheiliget und geboten haſt, die Sabbathlich - ter anzuzuͤnden. Daſſelbe muͤſſen die Frauen auch an andern Feſttagen thun, und ſind dazu aus meh - rern ſehr vernuͤnftigen Urſachen verpflichtet. Als nemlich Eva von dem verbotenen Baum gegeſſen hatte, und fuͤhlte, daß ſie ſterben wuͤrde, wuͤnſchte ſie, daß ihr lieber Mann gleichfalls den Tod ſchmecken moͤchte. Sie bot ihm daher den verderb - lichen Apfel; Adam aber weigerte ſich, zu eſſen, und Eva hieruͤber erzuͤrnt, brach einen Zweig von dem Baume des Erkenntniſſes des Guten und Boͤ - ſen und ſchlug den frommen Ehegemahl ſo lange, bis er endlich in den ſauern Apfel biß. Sobald dies geſchehen, verlor die Sonne ihren urſpruͤngli - chen Glanz, und Eva loͤſchte alſo durch ihre Bos - heit das herrlichſte Licht der Welt aus. Jhre Toͤch - ter ſind folglich von Rechtswegen verpflichtet, die248 Sabbathlichter anzuzuͤnden*)Orachchajim.. Ein zweiter, weni - ger wunderbarer Grund iſt, weil die Frauen die meiſte Zeit zu Hauſe, die Maͤnner aber haͤufig ab - weſend ſind**)Brandſpiegel Kap. 47..

Zwei Lichter muͤſſen, wo zwei Ehegatten ſind, wenigſtens angezuͤndet werden, eins fuͤr die Frau und eins fuͤr den Mann, und zwar weil die er - ſtere, nach der Anatomie des Talmuds, zweihun - dert zwei und fuͤnfzig, und der letztere zwei hundert acht und vierzig, alſo beide zuſammen fuͤnfhundert Glieder haben, und eine gleiche Zahl auch in dem zweifach genommenen hebraͤiſchen Wort Ner ent - halten iſt. Wenn der Wein eingeſegnet wird, muß man ja die Sabbathlichter anſehen, denn wer in der Woche weite Schritte thut, verliert dadurch den fuͤnfhundertſten Theil des Geſichts. Dies wird aber wieder durch das Anſchauen der Sabbathlichter erſetzt, weil, wie geſagt, das Wort Ner zweimal genommen die Zahl fuͤnfhundert enthaͤlt***)Traktat Sabbath Kap. 15. Fol. 113; Orachchajim Nr. 274; Brandſpiegel Kap. 47.. Die Sabbathlichter darf man nicht putzen, weil es dann ſcheinen wuͤrde, als zuͤndete man ſie von Neuem an, welches eine ſehr große Suͤnde waͤre. Wenn ſie abgeputzt werden muͤſſen, ſo muß das ein Goi (ein Chriſt oder Nichtjude) thun, und auch durch einen ſolchen muß man das Eſſen vom Feuer neh -249 men laſſen. Ein wahres Gluͤck fuͤr Abrahams hei - ligen Saamen, daß der Gott Jſraels noch nicht alle Chriſten ausgerottet hat, denn was wollte man ohne dieſe am Sabbath wohl anfangen?

Wenn ein frommer Jſraelit am Freitage reist, und vor Anfang des Sabbaths kein Wirthshaus erreichen kann, ſo ſoll er auf freiem Felde oder in einem Walde bleiben, und gaͤbe es ſo viele Raͤuber darin, als Blaͤtter auf den Baͤumen, damit er nicht den Sabbath entheiligt. Einſt reisten drei Juden mit einander am Freitage uͤber Feld. Gegen Abend ſprach Einer zu den Andern: nun, was wollen wir machen? Der Weg iſt ſehr meſukkam mit Gazlanim (ſehr gefaͤhrlich wegen der Raͤuber); auch laufen viel wilde Chaijos (boͤſe Thiere) hier im Walde! Jſt es nicht beſſer, daß wir erretten unſer Leben, als daß wir den Sabbath hier halten und umkommen? Jch weiche nicht von hier, ant - wortete Einer, bis der Sabbath voruͤber iſt, denn der heilige, hochgelobte Gott hat geboten: gedenke des Sabbathtages, daß du ihn heiligeſt, und er wird mich beſchirmen. Da verließen ihn ſeine Ge - faͤhrten, und entheiligten den Sabbath. Er aber blieb, ſchlug ſein Zelt auf, breitete ein Tuch, ſtatt des Tiſches, auf die Erde aus, legte ſein Brod und ſeine Fiſche darauf, und verrichtete mit großer Andacht ſein Abendgebet. Als er nun ſein erſtes Sabbathmahl einnehmen wollte, erſchien ploͤtzlich250 ein ungeheurer fuͤrchterlicher Baͤr, ſetzte ſich neben ihm, und ſtellte ſich ſehr hungrig. Der fromme Jſraelit erſchrack, reichte ihm ein Stuͤckchen Brod, und flehte zu dem heiligen, hochgelobten Gott um Huͤlfe und Rettung. Der Baͤr und blieb ruhig. Nach dem Eſſen ſprach unſer Jude ſein Nachtgebet, und legte ſich endlich, weil mit einem Baͤren nicht viel Vernuͤnftiges zu reden iſt, ſchlafen. Der Baͤr that daſſelbe. Am andern Morgen wunderte der gottſelige Mann ſich gar ſehr, daß ſein Geſellſchaf - ter ihn nicht gefreſſen hatte; er dankte voll Freu - den dem Hoͤchſten fuͤr ſeinen gnaͤdigen Schutz, zu Mittag und Abend mit groͤßtem Appetit, gab ſeinem furchtbaren Gaſt auch etwas ab, und ver - richtete nebenher mit der glaͤubigſten Andacht all ſeine Gebete. Als der Sabbath vorbei war, machte er Habhdolah*)Hievon in der Folge das Naͤhere!, d. h. er ſchied den heiligen Tag von der Woche, reiste weiter, und der Baͤr beglei - tete ihn. Endlich erreichte er ſeine Gefaͤhrten, die vorausgegangen waren, und den Sabbath entwei - het hatten. Sie waren in derſelben Nacht, wo ſie ihn verließen, unter die Raͤuber gefallen, und dieſe hatten ihnen nichts, als das Leben gelaſſen. Auch das ſollte ihnen nicht bleiben, denn als der Baͤr ſie erblickte, ſprang er ploͤtzlich auf ſie zu, und zerriß ſie. Der fromme Jſraelit entſetzte ſich; er251 zitterte und bebte, er wimmerte und betete, wie dies bei Juden uͤblich iſt. Noch hoͤher aber ſtieg die Angſt ſeines Herzens, als auch eine Raͤuber - bande erſchien, und der Anfuͤhrer mit drohendem Blick ihn fragte: wer und woher er ſey? Ein Jude bin ich, und komme vom Hofe des Koͤnigs! ant - wortete er, denn er wollte ſich nicht verleugnen, ſondern vertrauete dem heiligen, hochgelobten Gott, der alle frommen Jſraeliten beſchuͤtzt, die auf ihn ſich verlaſſen. Woher, fragten die Raͤuber ihn wei - ter, woher haſt du den Baͤren? Den gab mir der Koͤnig zur Begleitung mit! Hm, ſprach Einer darauf heimlich zu den Andern, der Jude wird ge - wiß des Koͤnigs Bankier und Hofagent und ſehr bei ihm in Gnaden ſeyn, da er ihm den Baͤren zum Beſchuͤtzer mitgab. Wir wollen ihm all unſer Geld ſchenken, ihn aus dem Walde begleiten, und ihn bitten, daß er uns nicht verrathe. Die Uebri - gen willigten ein; der fromme Jſraelit erhielt die großen Schaͤtze und Reichthuͤmer, die ſie zuſammen geraubt hatten, und ward noch uͤberdies von ihnen auf einen ſehr guten und ſichern Weg gebracht. Dieſe wahrhafte Geſchichte zeigt, wie ſchreckliche Strafe man ſich zuzieht, wenn man den Sabbath entweihet, und wie herrlich hingegen der Lohn deſ - ſen iſt, der ihn heiliget*)Sepher Hamaaſe Nr. 138..

252

Man hat neun und dreißig allgemeine oder Hauptgebote in Betreff derjenigen Handlungen, die man am Sabbath unterlaſſen ſoll, und aus jedem dieſer Hauptgebote fließen, wie Baͤche aus einer Quelle, unzaͤhlbare beſondere Verbote, die ſich oft noch in viele Unterabtheilungen verzweigen. Das erſte Hauptgebot zum Beiſpiel befiehlt: Du ſollſt am Sabbath keinen Ackerbau treiben. Nun werden zum Ackerbau aber nicht allein die gewoͤhn - lichen laͤndlichen und Gartenarbeiten gerechnet, ſondern man ſoll auch keine Blumen in einem Topf begießen; nicht mit einem Stock zum Zeitvertreibe in die Erde graben oder ſtoßen; nicht mit einem Beſen auskehren oder uͤber ein umgeackertes Feld gehen, weil leicht eine kleine Grube dadurch koͤnnte geoͤffnet oder zugeſchuͤttet werden, welches eben ſo gut waͤre, als ob man Ackerbau triebe u. ſ. w. Das zweite Hauptgebot heißt: Du ſollſt am Sab - bath nicht erndten. Folglich darf man keine Blu - me, keine Kornaͤhre*)Deshalb verklagten auch die Phariſaͤer die Juͤnger unſers Heilandes, weil ſie am Sabbath Aehren pfluͤckten. und kein Obſt pfluͤcken, den Bienen keinen Honig nehmen und dergleichen. Will man Obſt, das noch am Baume haͤngt, eſſen, ſo muß man es thun, ohne es vom Zweige zu bre - chen. Ueber ein gruͤnes Kornfeld am Sabbath zu gehen, iſt ebenfalls verboten, denn wie leicht koͤnnte253 man nicht mit den Fuͤßen etwas von der Saat ausreißen, und das waͤre eben ſo ſuͤndlich, als maͤhete man es mit der Sichel oder der Senſe ab. Zum Dreſchen wird das Ausklopfen der Kleider und das Auspreſſen von Citronen u. ſ. w. gerechnet.

Die neun und dreißig allgemeinen oder Hauptgebote heißen im Talmud Abhos Mela - chos, die Vaͤter aller Arbeit, und die daraus ent - ſpringenden beſondern Gebote nennt man Toledos Geburten, weil ſie als Kinder der erſtern zu be - trachten ſind. Wer einer Uebertretung derſelben durch Zeugen uͤberfuͤhrt wird, iſt werth, daß man ihn ſteinige, und wer es gar aus Muthwillen thut, verdient, daß Gott ihn ſelbſt richte und von der Erde ausrotte*)Traktat Schabbath Kap. 7.. Es verlohnt ſich alſo wohl der Muͤhe, noch einige dieſer herrlichen Gebote kennen zu lernen.

Wenn dir am Sabbath ein Stuͤck Vieh in eine Grube oder in einen Brunnen faͤllt, ſo fuͤttere es darin; ziehe es aber nicht eher heraus, als bis der Sabbath vorbei iſt. Damit es nicht im Waſſer erſaufen moͤge, kannſt du ihm ein Bund Stroh unterlegen**)Dies Gebot zeugt offenbar von der heimtuͤckiſchen Bosheit der Talmudiſten gegen Chriſtus, nach deſ - ſen Behauptung es (zu ſeiner Zeit) bei den Juden erlaubt war, ein, in eine Grube geſtuͤrztes Thier.

254

Auch einen Jſraeliten, der am Sabbath in das Bes Hakkiſſe ſtuͤrzt, ſollſt du darin ſpeiſen und traͤnken und ihn ruhen laſſen, bis der Sabbath voll - bracht iſt; dann darfſt du ihn herausziehen.

Dergleichen Unfaͤlle begegnen Abrahams Saa - men nicht ſelten. Einſt fiel, wie Buxtorff nach einer Saͤchſiſchen Chronik erzaͤhlt, ein Jude in Sachſen an einem Sabbath in ein heimliches Ge - mach, und ward von ſeinen frommen Glaubensge - noſſen recht theilnehmend und gaſtfrei auf das Beſte darin bekoͤſtigt. Ungluͤcklicher Weiſe erfuhr es aber der Biſchof des Orts, und gebot aufs ſtrengſte, ihn den Chriſtenſabbath gleichfalls im Bes Hakkiſſe feiern zu laſſen. Daher der bekannte Vers:

**)heraus zu ziehen. Um das elende Vergnuͤgen zu haben, ihn einer Luͤge zu beſchuldigen, fuͤhrten ſie jenes Gebot ein, und gaben vor, es habe zu Chri - ſtus Zeiten ſchon gegolten. Hierauf bauet beſonders Rabbi Lipman in ſeinem Buche Nizachon die hefti - gen Ausfaͤlle gegen unſern Erloͤſer, den er einen Luͤgner nennt, weil derſelbe Matth. 12. V. 11. ſagt: wer unter euch wuͤrde, wenn er ein Schaf haͤtte, das am Sabbath in eine Grube fiele, es nicht er - greifen und herausziehen? Halten ſie es erlaubt, dem Thier am Sabbath Stroh unterzulegen, war - um ſollte es denn unrecht ſeyn, es herauszuziehen? Blos der Geiſt des Widerſpruchs gegen Chriſtus veranlaßte ſie, jenes Gebot auszuhecken.

255
Sabbatha sancta colo,
De stercore surgere nolo,
Sabbatha nostra quidem
Salomon celebrabis ibidem.

Du ſollſt dich beim Sabbathlicht nicht floͤhen noch lauſen, denn es iſt ein heiliges Licht.

Du ſollſt am Sabbath keinen Floh, der auf der Erde oder auf einem Kleide huͤpft, fangen; weil es eine Jagd iſt, und man am Feiertage nicht jagen ſoll. Beißt dich aber ein Floh, ſo kannſt du ihn greifen und wegwerfen oder einſperren, und nach dem Sabbath ihn toͤdten.

Du ſollſt am Feiertage keine Laus ſchaͤchten; denn es iſt eben ſo ſuͤndlich, als ob du ein Kameel ſchlachteteſt*)Schabbath Fol. 12, 1 und 107, 2. Jn dieſem tal - mudiſchen Traktat, ſo wie im Buch Orachchajim ſind alle dieſe und viele andere Gebote in Betreff der Sabbathfeier enthalten..

Ueber dies Gebot iſt ſehr viel zwiſchen Jſraels Gottesgelehrten geſtritten. Manche Heterodoxe ha - ben behauptet, eine Laus duͤrfe man am Sabbath todtſchlagen, weil die Laͤuſe nicht von Gott erſchaf - fen, ſondern aus Schmutz und Unreinigkeiten ent - ſtanden waͤren. Die Orthodoxen bewieſen dagegen ſehr gruͤndlich, daß die Laͤuſe eben ſowohl, wie die Floͤhe aus Eiern gebruͤtet und vom heiligen, hoch - gelobten Gott erſchaffen ſind; auch ſpricht der256 Rabbi Mar, welchem das Paradies ſey: der Herr unſer Gott, ein Koͤnig der Welt, ſitzt oben im Himmel und fuͤttert alle Geſchoͤpfe vom gehoͤrnten Rhinoceros an, bis zu den Eiern der Laͤuſe. Folglich iſt es Suͤnde am Sabbath eine Laus zu toͤdten, und ſehr rathſam, daß man es nicht thue. Die Freunde theologiſcher Wiſſenſchaften finden dieſe wichtige Streitfrage mit ſehr viel Einſicht und Scharfſinn abgehandelt in dem talmudiſchen Buch Schabbath.

Du ſollſt am Feiertage kein Gold und Silber, auch kein Kupfer -, Papier - oder andres Geld tra - gen; und eben ſo wenig Waffen, Harniſche und Helme. Ein Gluͤck fuͤr die, welche am Sabbath gegen Jſraels muthvolle Kinder fechten muͤſſen.

Ein Schneider ſoll mit keiner Naͤhnadel, die an ſeinem Kleide ſteckt, aus dem Hauſe gehen, denn ſo wie der heilige, hochgelobte Gott am Sabbath ruhet, ſo ſoll ein Schneider gleichfalls ruhen, und nichts tragen.

Ein Pflaſter auf einer Wunde darf man tra - gen; faͤllt es aber ab, dann ſoll man es nicht wieder auflegen, oder gar die Wunde aufs Neue verbinden.

Ein Lahmer kann einen Stab tragen, um ſich zu ſtuͤtzen; aber ein Blinder nicht.

Wenn du deine Huͤhner oder Tauben am Sab - bath unter freiem Himmel fuͤtterſt, ſo wirf ihnennicht257nicht mehr vor, als ſie auffreſſen; denn es koͤnnte regnen, und wenn das Korn keimte und wuͤchſe, ſo haͤtteſt du am Sabbath geſaͤet und eine ſchreckli - che Suͤnde begangen.

Du ſollſt auf keinen Baum ſteigen; du koͤnn - teſt leicht einen Zweig abbrechen, und das waͤre eben ſo ſuͤndlich, als haͤtteſt du Holz geſpalten.

Ferner ſollſt du nicht auf der Erde, auf Aſche, auf einer angelaufenen Fenſterſcheibe oder auf einem naſſen Tiſch mit den Fingern ſchreiben, und eben ſo wenig eine Schrift am Sabbath auskratzen oder durchſtreichen. Jn der Luft darfſt du mit dem Fin - ger ſchreiben, weil es keine Spuren hinterlaͤßt.

Du ſollſt am Sabbath nicht laufen und ſprin - gen, es ſey denn um ein Gebot des heiligen, hoch - gelobten Gottes zu erfuͤllen. Jungen Leuten ſteht es frei, zum Vergnuͤgen zu laufen, und zu Ehren des Sabbaths ſogar uͤber einen Graben zu ſprin - gen. Auch ſollſt du nicht weiter, als hoͤchſtens zwei Schuhe oder eine Elle lang ſchreiten, denn es iſt ſehr große Suͤnde und ſchwaͤcht das Geſicht.

Jede Art von Muſik, ſelbſt das Pfeifen auf dem Finger oder auf einem Laubblatt iſt am Sab - bath verboten, und das Letztere blos dann erlaubt, wenn man einen Menſchen oder einen Hund da - durch zu ſich rufen will. Mit eiſernen, meſſingenen oder andern Ringen und Haͤmmern an die Thuͤren zu klopfen, iſt Suͤnde, weil es ſo ſcheint, alsII. Baͤndchen. 22258ſchmiedete man. Daher muß der Schulklopfer mit der Fauſt an die Thuͤre ſchlagen, um das Zeichen zum Gottesdienſt zu geben. Sogar das Klopfen mit den Fingern auf den Tiſch, um ein Kind zu beſchwichtigen, gilt fuͤr eine ſchreckliche Suͤnde.

Tanzen iſt erlaubt, da es keine Arbeit, ſon - dern ein Vergnuͤgen iſt, und man den Sabbath nicht beſſer, als durch Froͤhlichkeit heiligen kann. Zum Tanz aufſpielen muͤſſen aber Chriſten oder Nichtjuden, denn Abrahams gottſeligem Saamen waͤre es eine ſchreckliche Suͤnde, am Sabbath Mu - ſik zu machen, weil es eine Arbeit iſt.

Nicht allein die Menſchen, auch die Thiere ſol - len am Sabbath ruhen und den Feiertag heiligen. Darum darf man keinem Pferde einen Sattel auf - legen; ihn aber abzunehmen, wenn er ſchon darauf liegt, iſt eben ſo ſuͤndlich; aufloͤſen darf man ihn indeſſen, und wenn das Pferd ihn ſich dann ſelbſt abſchuͤttelt oder abwaͤlzt, ſo iſt man ohne Schuld. Ueberhaupt ſoll an dieſem heiligen Tage kein Thier etwas anders tragen, als etwa einen Zaum, einen Halfter, ein Band, oder dergleichen, woran man es leitet. Wer ein Pferd oder ein anderes Thier fuͤhrt, laſſe ja den Zuͤgel nicht uͤber eine Hand - breit zur Erde hinab haͤngen, ſondern faße ihn etwa am aͤußerſten Ende an, denn der heilige, hoch - gelobte Gott glaubt ſonſt, man truͤge etwas, und259 beſtraft den Suͤnder fuͤr dieſe Entheiligung des Sabbaths ſehr hart*)Traktat Schabbath Kap. 5. und Orachchajim Nr. 305..

Ein Huhn oder Schaf ſoll am Sabbath kein Band und keinen Lappen, womit man es zeichnete, am Fuß oder am Halſe tragen; ſondern man muß es ihm am Freitage abnehmen, damit es am Sab - bath gehoͤrig ruhen kann**)Traktat Schabbath und Orachchajim a. a. O..

Wer Kuͤhe oder Ziegen hat, der laſſe ſie am Sabbath von einem Chriſten melken, eſſe aber nicht die Milch, weil dies eben ſo ſuͤndlich waͤre, als haͤtte er ſie ſelbſt gemolken. Will man ſie gerne behalten, ſo kaufe man ſie dem Chriſten fuͤr eine Kleinigkeit ab, dann darf man ſie eſſen, ohne zu ſuͤndigen***)Man darf dem Chriſten keine andere Belohnung, als die Milch dafuͤr geben, denn ſonſt waͤre es eben ſo ſuͤndlich, als haͤtte man am Sonntage arbeiten laſſen, oder ſelbſt gearbeitet..

Wer ſeine Stiefel oder Schuhe beſchmutzt hat, darf ſie wohl an einer Mauer oder Wand abreiben, aber nicht an der Erde, denn der heilige, hochge - lobte Gott wuͤrde dann glauben, daß man eine Grube ausfuͤllen, einen Graben machen oder Acker - bau treiben wollte, und es als große Suͤnde be - ſtrafen†)Orachchajim Nr. 302..

22 *260

Wenn man die Kleider mit naſſer Erde beſpruͤtzt hat, ſo darf man ſie abreiben, ſo lange ſie noch naß, nicht aber, wenn ſie ſchon trocken iſt, weil es dann ſtaͤuben, und der heilige Gott glauben wuͤrde, daß man etwas zerriebe oder mahlte*)Orachchajim a. a. O..

Wenn du am Sabbath deine Haͤnde mit Koth beſchmutzteſt, ſo reibe ſie dir an einem Pferde - oder Kuhſchweif ab; nicht aber an einem Handtuch, damit man nicht am Sabbath noͤthig hat zu wa - ſchen**)Ebendaſelbſt..

An Sabbathen und Feiertagen ſollſt du keine Teufel uͤber kuͤnftige Dinge befragen, oder dir gar von ihnen geſtohlene Sachen wieder verſchaffen laſ - ſen, denn ſie ſollen den Sabbath heiligen, und du kannſt, wenn du ihres Raths und ihrer Huͤlfe be - darfſt, ſie an den Werktagen darum anſprechen***)Talmud, im Traktat Sanhedrin. Hier iſt zu bemerken, daß es zwei Arten von Tenfeln giebt, die man uͤber zukuͤnftige Dinge befragen kann; nem - lich, die Fuͤrſten des Oehls, welche man durch Oehl, und die Fuͤrſten des Eier, die man durch Eier befraͤgt. So giebt es auch zwei Arten von Teufeln, durch deren Huͤlfe man geſtohlene Sachen wieder bekoͤmmt. Die einen heißen Fuͤrſten des Glaſes; dieſe bannen den Dieb in ein Glas; die andern ſind die Fuͤrſten der Hand, weil ſie dem Beſtohlenen den Dieb in die Hand liefern. (Lef Tof.).

261

Wenn am Abend des Freitags der Sabbath beginnt, eilt Alles » mit Stuͤrmen, « wie der gott - ſelige David es nennt, in den Tempel des Herrn. Am Eingange der Synagoge werden die Haͤnde gewaſchen, und Viele kuͤſſen voll heiliger Jnbrunſt die Thuͤrpfoſten. Nach dem Gebet Kabbala Schab - bath, womit man den Feiertag bewillkommt, wird der 92ſte und 95ſte Pſalm geſungen. Mit hoher Ehrfurcht wenden ſich Jſraels fromme Kinder bei dieſen Andachtuͤbungen gegen die Thuͤre der Syna - goge und gehen einige Schritte vorwaͤrts, um die himmliſche Koͤnigin Schabbath bei ihrem Eintritt zu empfangen. Waͤhrend ihres ſabbathlichen Got - tesdienſtes ſollen ſie durchaus an kein Geld, an keinen Wucher und keinen Schacher denken. Gewiß eine ſchwere Aufgabe fuͤr die armen Jſraeliten! Wo keine Synagogen ſind, muß man mit denſelben Ceremonien die Ankunft des Sabbaths im Hauſe feiern.

Nach dem Gebet nimmt der Chaſan oder Vor - ſaͤnger einen Becher mit Wein und ſegnet ihn mit den Worten: » Gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, der du die Frucht der Reben erſchaffen haſt! Gelo - bet ſeyſt du Herr unſer Gott, Herr der ganzen Welt, der du uns mit deinen Geboten geheiliget, den heiligen Sabbath verordnet, und nach deinem Wohlgefallen und deiner Barmherzigkeit uns ihn zum Eigenthum gegeben, damit wir uns der Werke262 deiner Schoͤpfung erinnern koͤnnen; denn er iſt ein Anfang der Verſammlung der Heiligen, und ein Denkmal des Ausgangs aus Aegypten. Du haſt uns vor allen andern Voͤlkern erwaͤhlt und geheiliget; du haſt uns Deinen Sab - bath zum Beweiſe deiner Guͤte und dei - nes Wohlgefallens geſchenkt. Gelobet ſeyſt du Gott, der du den Sabbath geheiliget haſt. « Hierauf giebt er jedem der Maͤnner zu trinken. Dies geſchieht zum Beſten der Armen und Fremden, die keinen Wein haben, damit auch ſie den heiligen Tag auf eine, nach juͤdiſcher Anſicht, wuͤrdige Weiſe feiern koͤnnen. Der Chaſan ſelbſt trinkt nicht, weil man von dem Wein, den man ſelbſt einſegnete, nur an dem Tiſche etwas genießen ſoll, an welchem man ißt. Statt ſeiner laͤßt er manchmal einen Knaben davon trinken.

Bei dem Sabbathgottesdienſte bedienen ſich die Juden keiner Tephillim, weil der Sabbath ohnehin ein genuͤgendes Zeichen des Judenthums iſt. Uebri - gens legen ſie, wie an andern Tagen, ihren Tal - les Gedol oder Schulmantel an. Dies iſt ein viereckigtes Tuch, gewoͤhnlich von weißem, wolle - nen Zeuge, manchmal auch von Tafft, deſſen Ek - ken, gleich denen am Arba Canphos, mit vier Zizis verſehen ſind. Zu den wollenen muß man ja ſolche Schaf - oder Laͤmmerwolle nehmen, die weder von ſelbſt abgefallen, noch an Dornen ausgeriſſen,263 ſondern geſchoren iſt. Eine fromme Juͤdin muß ſie ſpinnen, und ihre Arbeit mit den, laut in hebraͤi - ſcher Sprache geſagten, Worten beginnen: Jetzt fange ich mit dem Spinnen dieſer Faͤden, die fuͤr unſere Maͤnner zu Talles Gedol beſtimmt ſind, um den heiligen, hochgelobten Gott darin anzurufen. Reiche Papierjuden, Wechsler, Barone und andere wohlhabende Jſraeliten laſſen an denjenigen Theil, womit der Kopf bedeckt wird, noch ein Stuͤck Sei - denzeug ſetzen, das etwa eine Elle lang und eben ſo breit iſt, und die Atarah oder Krone ge - nannt wird. Dieſe Krone iſt oft mit Gold und Silber, und ſogar mit Perlen und koſtbaren Edel - geſteinen geſtickt. Viele wohlhabende Juden nehmen ſtatt der wollenen, ſeidene geſtreifte Zeuge. Frei - lich ſoll, nach der moſaiſchen Anordnung, die Farbe himmelblau ſeyn; wahrſcheinlich iſt man aber we - gen der Koſtbarkeit dieſer Farbe, und weil ſie nicht ſo leicht, als weißes Tuch zu reinigen iſt, davon abgewichen. Mit dem Talles Gedol muͤſſen Hin - terhaupt und Stirne bedeckt werden, wobei man das Dankgebet ſpricht: Gelobet ſeyſt du Gott, daß du uns durch dein Geſetz geheiliget und uns gebo - ten haſt, uns mit Zizis zu behaͤngen. Bei den Worten: ihr ſollt ſie anſehen, ſchauen Jſraels glaͤu - bige Soͤhne ihre Zizis an, kuͤſſen ſie, und druͤcken ſie an beide Augen. Sie behaupten, Moſes habe dieſe Poͤßchen von dem heiligen, hochgelobten Gott264 ſelbſt gelernt, als ſich dieſer ihm auf dem Sinai offenbarte.

Waͤhrend des Gottesdienſtes am Sabbath ſte - hen zwei Engel, ein guter und ein boͤſer, vor der Thuͤre der Synagoge und geben Acht, ob man auch andaͤchtig und fleißig betet. Wer dann mit recht inniger Salbung den Paſuk ſpricht: » Alſo waren vollendet die Himmel und die Erde mit ihrem gan - zen Heer, und alſo vollendete Gott am ſiebenten Tage ſein Werk, das er gemacht hatte, und ruhete am ſiebenten Tage von allen ſeinen Werken, die er gemacht hatte! « den begleiten die beiden Engel heim, legen ihm die Haͤnde auf das Haupt und ſprechen: deine Suͤnden ſind von dir genommen, und deine Miſſethat iſt verſoͤhnet*)Traktat Schabbath Kap. 16. Fol. 119. c. 2.. Rabbi Joſe hat geſagt: Rabbi Jehuda hat geſagt: Zwei Engel, ein guter und ein boͤſer, begleiten an dem Sab - bathabend jeden Menſchen aus der Synagoge in ſein Haus. Wenn ſie ſehen, daß die Sabbathlich - ter gut brennen, der Tiſch weiß gedeckt und mit koͤſtlichen Speiſen beſetzt, und das Bette recht zier - lich gemacht iſt, ſo ſpricht der gute Engel zu dem boͤſen: Gott gebe, daß es am kuͤnftigen Sabbath hier wieder ſo ſtehe! und der boͤſe muß wider ſei - nen Willen Amen dazu ſagen. Finden ſie am fol - genden Sabbath das Gegentheil, dann ſpricht derboͤſe265boͤſe Engel voll haͤmiſcher Schadenfreude: So muͤſſe es am naͤchſten Sabbath hier wieder ſeyn! worauf der gute Engel zu ſeinem groͤßten Verdruß, gleich - falls Amen ſagen muß*)Schabbath a. a. O..

Abrahams Saame iſt alſo immer mit himm - liſchen und hoͤlliſchen Heerſchaaren umringt.

Unter den wechſelſeitigen Begruͤßungen » gu - ten Schabbas « und » gut Jahr « geht es aus der Synagoge zu Hauſe. Hier legt der Bater zu - erſt den Soͤhnen, dann den Toͤchtern die Hand aufs Haupt, und ſpricht zu jenen: Gott erfreue dich, wie Ephraim und Manaſſe! zu dieſen: Gott erfreue dich, wie Sara, Rebecca, Rahel und Lea! Die Mutter thut darauf daſſelbe.

Der Sabbath muß durch drei, moͤglichſt gute Mahlzeiten gefeiert werden, und zwar am Abend des Freitags, und am Mittag und Abend des Samſtags.

Bei dem Sabbathmahl am Freitagabend ſegnet der Hausherr einen Becher voll Wein, und wenn man dieſen nicht hat, voll Bier oder dergleichen auf die fruͤher erwaͤhnte Art ein, wobei Jeder mit ſtarren, unverwandten Augen die Sabbathlichter anblickt. Zwei ganze Brodte, die nebſt Salz auf dem Tiſche ſtehen muͤſſen, ſind mit Tuͤchern bedeckt, damit ſie ſich nicht ſchaͤmen und aͤrgern, daß manII. Baͤndchen. 23266dem Getraͤnk vor ihnen den Vorzug giebt. Nach Andern verhuͤllt man ſie aber zur Erinnerung an das Manna. Erſt fiel nemlich in der Wuͤſte ein Thau, darauf Manna und zuletzt wieder Thau, und ſo lag das Manna zwiſchen dem Thau, wie jetzt die Brodte zwiſchen dem untern und obern Tiſchtuch. Ein noch reizenderes Sinnbild des Manna ſind die Paſteten, welche fromme Frauen und Toͤch - ter fuͤr den Sabbath zu backen pflegen. Hier deu - ten die obere und die untere Decke von Teig auf den Thau, und der wohlſchmeckende, mit Knob - lauch und Zwiebeln reichlich gewuͤrzte Jnhalt der Paſtete iſt das Manna. Äßen Jſraels heilige Kin - der Auſtern und Muſcheln, die ihnen leider, ver - boten ſind, ſo koͤnnten dieſe noch bequemer zum Sinnbilde des Manna dienen.

Auch die beiden Brodte ſollen an jene himm - liſche Speiſe erinnern, weil es heißt: Am ſechsten Tage ſammelten ſie, die Jſraeliten, das Manna zweifach*)2 Buch Moſ. 16. V. 12.. Nach dem Wein wird das Brod, wie gewoͤhnlich, geſegnet; der Hausherr ſchneidet ein kleines Stuͤck ab, taucht es in Salz oder Suppe, ißt es, und legt dann Jedem ein etwas groͤßeres Stuͤck vor, als an den Werktagen.

Bei Manchen**)Wohl nicht bey allen, wie Kirchner anzunehmen ſcheint, iſt dieß uͤblich. Burtorff und Andere ſagen wird, waͤhrend dem Eſſen267 fuͤr Genuß des Geiſtes gleichfalls geſorgt, und nach jedem Gericht ein Kapitel aus dem Talmud geleſen. Wenn nicht mehr als drei Mannsperſonen, jeder von dreizehn Jahren und einem Tage, am Tiſche ſind, beſchließt man das Mahl mit einem ſehr kur - zen Gebet; ſonſt dauert es laͤnger. Nachher ſegnet der Wirth einen zweiten Becher mit Wein, Bier oder dergleichen und giebt allen zu trinken. Der Tiſch bleibt vom Freitag Abend bis zu Ende des Sabbaths gedeckt.

An letzterem ſoll man ruhen; darum ſchlafen die Hebraͤer auch an dieſem Tage viel laͤnger, als ſonſt. Wenn man die Sabbathkleider angelegt und auf dem Bes Hakkiſſe ſein Morgenopfer gebracht hat, welches ja nicht vergeſſen werden darf, wird der vorhin erwaͤhnte Talles Gedol umgehangen, und dann geht es » mit Stuͤrmen « zum Hauſe des Herrn. Nach den gewoͤhnlichen Morgengebeten werden nicht weniger, als ſechs und dreißig Pſalme geplaͤrrt. Hierauf hebt der Chaſan mit den ſchon bekannten Feierlichkeiten das Geſetzbuch aus der Arche, und liest oder ſingt vielmehr ſieben Para - ſchen oder Abſchnitte vor. Bei jedem Abſchnitt ruft23 ***)nichts davon. Jch habe es ebenfalls niemals geſehen, obgleich ich oft die Ehre hatte, bei Jſraels frommen Kindern, die zum Theil ihr Licht meinetwegen, nicht unter den Scheffel ſetzten? am Sabbath zu Mittage zu ſpeiſen.268er einen Mann aus der Gemeine auf, der ſich ne - ben ihn ſtellen und zuhoͤren muß. Außerdem wer - den einige Haphtaros vorgeleſen. Haphtarah und in der Mehrzahl Haphtaros ſind gewiſſe Stellen aus den Propheten, die auf Anordnung der Rab - biner zum Vorleſen in den Synagogen beſtimmt wurden, als in einigen Laͤndern das Leſen des mo - ſaiſchen Geſetzes den Jſraeliten verboten ward. Sie ſind mit den Paraſchen aus dem Geſetzbuche aͤhn - lichen Jnhalts.

Beſonders darf an keinem Sabbath das Kadeſch oder Kaddiſch vergeſſen werden, welches man fuͤr die armen juͤdiſchen Seelen betet, die im Fegefeuer und in der Hoͤlle ſchmachten.

Manchmal predigt ein Rabbiner auch Vor - und Nachmittags uͤber einen bibliſchen Spruch, dem eine Stelle aus dem Talmud oder andern rabbini - ſchen Schriften beigefuͤgt wird. Die Schoͤnheit und Erbaulichkeit dieſer heiligen Reden wird Niemand bezweifeln.

Der Gottesdienſt am Vormittage darf nur bis zwoͤlf Uhr dauern, denn der Sabbath ſoll der Wolluſt gewidmet ſeyn, und deshalb Oneg oder Wolluſt heißen. Es waͤre aber keine Wolluſt, wenn man laͤnger als bis zwoͤlf Uhr in der Syna - goge bliebe; ſagen die Talmudiſten, und ſie haben Recht. Mancher hielte es nicht einmal ſo lange darin aus.

269

Fuͤr die Wolluſt des Eſſens und Trinkens wird beim zweiten Sabbathmahl nach Moͤglichkeit geſorgt. Dies heiſcht die Feier des heiligen Tages und die Pflicht gegen die uͤberfluͤßige Seele, Neſchama Jethera, welche die - und Trinkluſt befoͤrdert, und der man Alles zu Liebe thun muß*)M. ſ. S. 169. des erſten Bandes.. Wer aber einen boͤſen Traum gehabt hat, zum Beiſpiel, daß die Thorah verbrannt, daß ihm ſein Haus eingeſtuͤrzt, oder daß ihm ein Zahn ausgefallen ſey, darf bis zum Abendeſſen faſten, aber nicht laͤnger. Wem hingegen traͤumte, ſein Kinnbacken ſey ihm ausgeriſſen, muß eſſen und trinken, denn der Traum iſt gut, und bedeutet, daß ein Feind des Traͤu - mers geſtorben iſt. Auch dem, der Zahnſchmerzen hat, oder vor Kummer weinen muß, iſt das Fa - ſten erlaubt. Wer aber am Sabbath faſtete, muß es am folgenden Tage gleichfalls thun, weil er dem Sabbath ſeine Ehre, und der Neſchama Jethera ihr Vergnuͤgen entzogen hat.

Nach dem Mittageſſen ſoll man im Talmud, in der Bibel oder in den rabbiniſchen Schriften et - was leſen; allein dies geſchieht ſelten, denn man ſpricht ſtatt deſſen lieber vom Schacher und Wucher, von Banknoten, Lotterien, Rebbismachen und an - dern erbaulichen Dingen. Jenes Gebot ward auch erſt auf Anſtiften des Sabbaths und der Thorah270 gegeben. Jener kam nemlich zu dem heiligen, hoch - gelobten Gott und ſprach: Alles auf der Welt hat einen Freund oder Geſellſchafter; nur ich habe we - der Gatten, noch Freund. Da antwortete Gott: Mein Volk Jſrael ſoll dein Gatte und Geſellſchaf - ter ſeyn; es ſoll am Sabbath nicht arbeiten und Thorah (das Geſetz) lernen. Die Thorah kam gleichfalls. Wann die Jſraeliten, ſprach ſie, wie - der in ihr Land kommen, dann wird der Eine ſeine Felder und Wieſen, der Andere ſeine Weinhuͤgel beſuchen, und ich werde verlaſſen ſeyn. Wer wird mich alsdann lernen? Jſraels Kinder ſollen dich lernen, erwiederte Gott, denn ſie ſind am Sabbath muͤßig und arbeiten nichts*)M. ſ. Caphthor Upherach 43; Minhagim S. 13.. Wie treu Abrahams gehorſame Kinder dies Gebot zu erfuͤllen ſuchen, kann man an jedem Sonnabend auf den Luſtplaͤtzen bei Wien, Frankfurt, Straßburg und an andern Orten ſehen, wo Juden ſind. Blos die uͤber - fluͤßige Seele, die Neſchama Jethera ſucht man mit Wein, Punſch, Kaffe, Zuckerwerk, Zigarren und dergleichen zu erfreuen; an die andern armen Seelen, an den Ruach, die Nepheſch, die Neſcha - ma und die Jechida wird außer der Synagoge faſt gar nicht gedacht. O Jſrael! Jſrael! wie wird es dir ergehen!

Nachmittags um vier Uhr gehen die Frommen wieder in die Synagoge, wo, nach den Feierlich -271 keiten mit dem Geſetzbuche, eine Paraſche daraus vorgeleſen wird. Der Chaſan fodert jetzt aber nur drei Maͤnner auf, die ſich nach einander neben ihn ſtellen, und ihm zuhoͤren.

Beim Abendeſſen oder dem dritten Sabbath - mahl treibt man weniger fromme Poſſen, als am Mittage; auch wird nicht ſo viel gegeſſen und ge - trunken, damit Kopf und Magen nicht uͤberfuͤllt werden, indem man noch eine Abendandacht vor ſich hat, und ſich bei der himmliſchen Koͤnigin Schab - bath durch das Habhdalahmachen beurlauben muß. Beim Aufſtehen reißen Viele das Tiſchtuch ge - ſchwinde vom Tiſch, weil ſie glauben, dadurch ihre Schulden ſchnell los zu werden. Wer die drei Sabbathmahlzeiten gehoͤrig feiert, und gut ißt und trinkt, ſagen die Talmudiſten, der koͤmmt nicht in die Hoͤlle, und wird in dem Kriege mit dem Gog und Magog, ſo wie in allen, bei der Ankunft des Meſſias entſtehenden Verfolgungen und Plagen vor jedem Ungluͤck beſchirmt werden*)Traktat Schabbath Kap. 16; Orachchajim Nr. 291.. Urſachen genug, um am Sabbath tuͤchtig zu eſſen und zu trinken. Auch den Armen ſoll man behuͤlflich ſeyn, dieſen heiligen Tag auf eine wuͤrdige Weiſe zu feiern. Man folge darin dem Beiſpiel des Rabh oder Rabbi Hone, der an jedem Freitage das Gemuͤſe aufkaufen und ins Waſſer werfen ließ, was die272 Gaͤrtner nicht anbringen konnten. Aber, warum gab er es nicht den Armen? fragen die Talmudi - ſten. Weil die Armen, antworten ſie, ſich dann immer darauf wuͤrden verlaſſen, und nie ſelbſt fuͤr den Sabbath eingekauft haben. Warum ließ Rabbi Hone es denn nicht dem Vieh geben? fragen unſere Talmudiſten weiter; waͤre es nicht beſſer angewandt worden? Rabbi Hone wollte nicht, daß, was ein Menſch genießen koͤnnte, dem Vieh vorgeworfen wuͤrde. Aus dem Waſſer hingegen konnten es noch Menſchen auffiſchen und ſich zu Nutze machen. Warum ließ er aber Alles aufkaufen? Damit die Gaͤrtner deſto williger jeden Freitag ihr Gemuͤſe zu Markte bringen ſollten, denn haͤtten ſie an ei - nem Tage nicht Alles verkauft, ſo waͤren ſie viel - leicht nachher ganz ausgeblieben, und die Armen haͤtten dann am Sabbath nichts zu eſſen gehabt*)Traktat Tanais Kap. 3..

Wer muß nicht geſtehen, daß der Rabh Hone ein ſehr weiſer und wohlthaͤtiger Mann war?

Nach der letzten Mahlzeit geht es mit Stuͤr - men wieder in die Synagoge, wo das Vehurachum und andere ſchoͤne Lieder und Gebete in ſo melo - diſchen Toͤnen abgeſungen werden, daß man ſchwoͤ - ren ſollte, es ſey ein Bramvilliſches Konzert. Dies dauert bis gegen Mitternacht und geſchieht aus Mitleid gegen die armen verdammten Seelen der273 Raſchaim oder Gottloſen, die erſt nach Endigung der naͤchtlichen Andacht in ihr hoͤlliſches Schwefel - bad zuruͤck zu kehren brauchen, und ſich bis dahin noch einmal in den kalten Gewaͤſſern der Erde abkuͤhlen. Um ihnen die kleine Erfriſchung nicht zu verkuͤmmern, darf man am Abend des Samſtags oder Sonnabends eben ſo wenig, wie am Freitag Abend Waſſer ſchoͤpfen. Beſonders dringend und inſtaͤndig wird der Prophet Elias in dieſen Nacht - geſaͤngen angefleht, doch endlich am naͤchſten Schab - bas - (Freitag -) Abend ſein Verſprechen zu erfuͤllen, und Jſraels troſtloſen Kindern die Ankunft des Meſſias zu verkuͤndigen. Dem Elias ſucht man um ſo mehr zu ſchmeicheln, da er im Paradieſe unter dem Baum des Lebens ſitzt, und alle guten Werke, womit die Jſraeliten jeden Sabbath geheiligt haben, aufſchreibt. Der Prophet muß ein vortrefflicher Schnellſchreiber ſeyn, oder Abrahams zahlreicher Saame thut am Sabbath nicht viel Gutes*)M. ſ. Minhagim S. 3. und Orachchajim Nr. 291 295..

Wenn der Geſang Barechu ertoͤnt, laufen die Weiber eiligſt zu den Brunnen, um Waſſer zu ſchoͤpfen, weil der Brunnen Mirjams, der Schwe - ſter des Moſes, aus welchem Jſraels durſtige Kin - der in der Wuͤſte tranken, ſich zu Ende des Sab - baths mit dem Meer von Tiberias und durch die -274 ſes mit allen Gewaͤſſern der Welt vermiſchen ſoll. Wer ſo gluͤcklich iſt, nur einen Tropfen von dem Waſſer aus Mirjams Brunnen zu bekommen, der hat die herrlichſte Arzenei, wodurch alle Krankhei - ten geheilt werden. Einſt gieng die Frau eines kranken Jſraeliten nach dem Gebet Barechu zu dem Brunnen, und ſchoͤpfte von Mirjams Waſſer. Al - lein ſie verſpaͤtete ſich etwas, woruͤber ihr Mann ſo heftig mit ihr zuͤrnte, daß ſie vor Schrecken und Angſt den Eimer fallen ließ. Der Ungeduldige ward zufaͤllig mit einigen Tropfen beſpruͤtzt, und augenblicklich an allen benetzten Theilen ſeines Leich - nams geſund; aber die uͤbrigen blieben krank und voll Schmerzen. Haͤtte er ſtatt zu ſchelten und zu toben, von dem heilſamen Waſſer getrunken, ſo waͤre er voͤllig geneſen. Darum ſprechen auch un - ſere Rabbinen, denen das Paradies ſey: ein zor - niger Mann bringt nichts davon, als ſeinen Zorn*)Minhagim S. 4; Orachchajim Nr. 299; Colbs Kap. 41. Nr. 20..

Den Beſchluß der naͤchtlichen Andacht macht das Habhdalah, d. h. das Scheiden des Sab - baths von der neuen Woche. Jn der Synagoge geſchieht dies vom Vorſaͤnger oder Chaſan zum Beſten der armen Juden, die es zu Hauſe nicht thun koͤnnen; reiche und wohlhabende Hausvaͤter verrichten es aber haͤufig in ihrem Hauſe ſelbſt. Jn275 der Synagoge wird eine große Wachskerze ange - zuͤndet, die Ner Habhdalah, das Licht des Un - terſchieds heißt. Kirchner ſagt, dies muͤſſe ein Chriſt thun; doch braucht es dann wahrſcheinlich nicht in der Synagoge ſelbſt zu geſchehen. Darauf ſingt man den 114ten Pſalm, und der Chaſan nimmt in die rechte Hand einen Becher mit Wein, in die linke eine Schachtel mit wohlriechendem Gewuͤrz, und ſingt mit lauter Stimme: Siehe, Gott iſt mein Heil; ich bin ſicher und fuͤrchte mich nicht; denn Gott der Herr iſt meine Staͤrke, mein Lobgeſang, mein Heil. Jhr werdet mit Freuden Waſſer ſchoͤ - pfen aus dem Brunnen des Heils. Bei dem Herrn iſt Huͤlfe! Dein Segen ſey uͤber dein Volk, Selah. Der Gott Zebaoth iſt mit uns; der Gott Jakob iſt unſer Schutz. Jch will den Becher des Heils nehmen und des Herrn Namen verkuͤnden. Den Juden war Licht und Freude, Wonne und Ehre beſchieden*)Dies Loblied iſt aus den Pſalmen und andern bib - liſchen Vuͤchern zuſammen geflickt.. Hierauf ſegnet er den Wein ein, und ſchuͤttet bei den Worten: gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, ein Koͤnig der Welt, der du die Frucht der Reben ſchufſt, etwa den dritten Theil auf die Erde. Das geſchieht nach Einigen zum Zeichen des Ueberfluſſes, denn wo man in einem Hauſe nicht Wein gleich Waſſer verſchuͤttet, da iſt weder Fuͤlle,276 noch Ueberfluß. Nach Andern ſollen Korah*)M. ſ. 4 B. Moſ. Kap. 16. und ſeine Rotte, welche lebendig von der Erde ver - ſchlungen wurden, noch unter derſelben leben, und mit dieſem geſegneten Wein getraͤnkt werden.

Nachher nimmt der Chaſan den Becher, den er vorhin in der rechten Hand hielt, in die linke, die Schachtel aber in die rechte Hand, und ſpricht oder ſingt: Gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, der du erſchaffen haſt mancherlei Gewuͤrze! Nun be - riecht er zuerſt ſelbſt das Gewuͤrz, und giebt es auch den Uebrigen. Darauf faßt er wieder den Becher mit der Rechten, und geht mit feierlichem Ernſt zu der großen Kerze (Ner Habdalah), wo er mit moͤglichſter Aufmerkſamkeit die Naͤgel an ſeiner linken Hand beſchauet, indem er die Finger anfangs kruͤmmt, daß ſie einen Schatten in die Hand wer - fen; zuletzt ſtreckt er ſie gerade vor ſich hin, und beſieht ſie eben ſo genau auswendig. Dann erhebt er ploͤtzlich ſeine Stimme, und ſingt: gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt, der du ein helles Licht erſchaffen haſt. Beim Schluß dieſer Worte kehrt der Becher aus der rechten in die linke Hand zuruͤck, die Naͤgel an der erſtern wer - den auf gleiche Weiſe beliebaͤugelt, und endlich bricht der Hochwuͤrdige in den lauten Lobgeſang aus: ge - lobet ſeyſt du Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt,277 der du einen Unterſchied machſt zwiſchen dem Heili - gen und Unheiligen, zwiſchen dem Licht und der Finſterniß, zwiſchen Jſrael und andern Voͤlkern, zwiſchen dem ſiebenten Tage und den ſechs Werktagen! Gelobet ſeyſt du Herr, der du einen Unterſchied machſt zwiſchen dem Heiligen und Unheiligen! Bei dieſem fuͤr uns Chriſten ſo ſchmei - chelhaften Lobgeſange ſchuͤttet er wieder etwas Wein aus dem Becher auf die Erde, trinkt ſelbſt und giebt Jedem der Uebrigen. Mit den letzten Tro - pfen wird die Habhdalah-Kerze ausgeloͤſcht, an welche Jeder zum Beſchluß noch riechen muß. End - lich ſingen alle gemeinſchaftlich in entzuͤckender Me - lodie den 128ſten Pſalm, wuͤnſchen ſich wechſelſeitig eine gute Woche, worauf » gut Jahr « erwiedert wird, und gehen mit kurzen langſamen Tritten heim.

Nachdem die Kinder eben ſo, wie am Freitag - abend eingeſegnet ſind, ſtellt ſich der Hausherr an eine Ecke des Tiſches, nimmt in die rechte Hand einen Becher mit Wein oder Bier, in die linke eine Schachtel mit Gewuͤrz, wendet ſein Geſicht gegen Abend, und macht dieſelben Poſſen, wie der Rabbiner oder Chaſan in der Synagoge. Vor ihm ſteht ſein aͤlteſter Sohn, oder, in Ermangelung deſſen, ein anderer Jude. Darauf giebt er von den, auf dem Tiſche liegenden Brodten, die er ein - geſegnet hat, Jedem ein Stuͤckchen. Hiezu trinkt278 man etwas von Mirjams Geſundbrunnen, um ſich gegen den Ausſatz und andere boͤſe Uebel zu ſichern, und damit iſt der Sabbath beſchloſſen.

Das Ausſchuͤtten des Weins dient ſowohl zum Beſten des armen Korah, als zum Sinnbilde, daß der heilige, hochgelobte Gott, eben ſo gewiß, wie der Wein in die Erde zieht, Jſraels fromme Kin - der wieder in ihr Land fuͤhren wird, wo Milch und Honig in Stroͤmen fließt, und daß ihr Saame ſich herrſchend uͤber die ganze Welt verbreiten ſoll, wie ſich der ausgegoſſene Wein in der Erde ver - breitet.

Wer ſich mit dem Habhdalah-Wein die Augen und das Geſicht waͤſcht, ſchuͤtzt ſich gegen Blind - heit, Fluͤße und Zahnſchmerzen. Jn die Ecken der Zimmer geſpruͤtzt, bewahrt er vor Heren und Zau - berern; und wenn man die Kinderwiegen und Ehe - betten damit begießt, befoͤrdert er ganz ungemein die eheliche Fruchtbarkeit*)Orachchajim Nr. 289..

Die Habhdalah-Lichter haben gleichfalls eine ſinnbildliche Bedeutung, denn ſo wie ſie leuchten, werden Jſraels Seelen dereinſt im Himmel leuchten immer und ewiglich.

An das Gewuͤrz riecht man aus mehrern hoͤchſt wichtigen Urſachen. Erſtens, weil die uͤberfluͤßige Seele zugleich mit dem Sabbath ſcheidet, wodurch279 die armen Juͤdchen ſehr ermattet und kraftlos wer - den. Der Geruch des Gewuͤrzes ſtaͤrkt ſie wieder*)Traktat Betzah Kap. 2; Tanais Kap. 4; Zeror Hammor; Antonius Margaritha vom Judenglau - ben ꝛc.. Zweitens ſtinkt die Hoͤlle am Sabbath nicht, weil die Thuͤren verſchloſſen ſind; ſobald aber die ver - dammten Seelen zu Ende des heiligen Tages in ihren Schwefelpfuhl zuruͤckkehren, und die Hoͤllen - thore geoͤffnet werden, verbreitet ſich ploͤtzlich ein abſcheulicher Geſtank, den blos Jſraels Kinder wahrnehmen, und daher bedient man ſich des wohl - riechenden Gewuͤrzes zum Gegenmittel**)M. ſ. die deutſchen Minhagim S. 3.. Endlich drittens ſoll das Gewuͤrz ein Sinnbild der Juden - ſeelen ſeyn; denn ſo lieblich jenes ihnen duftet, eben ſo lieblich iſt dem hochgelobten, heiligen Gott der Geruch der iſraelitiſchen Seelen.

Aus gleich wichtigen Gruͤnden werden beim Habhdalahmachen die Naͤgel an den Fingern beſe - hen. Erſtens hat Gott dem Adam im Paradieſe ein naͤgelfarbenes Kleid gemacht. Zweitens, als Adam nach ſeinem Suͤndenfall wahrnahm, daß es auf der Erde ſo dunkel ward, rief er: Ach wehe, wehe uͤber mich, der ich die Welt mit meinen Suͤn - den verfinſtert habe! Der heilige, hochgelobte Gott gab ihm jedoch den Rath, zwei Steine an einander280 zu ſchlagen, und ſich bei dem herausſpringenden Feuer eine Kerze anzuzuͤnden. Das that Adam, und als er nun ſahe, daß zwar ſein Leib nackt, aber ſeine Finger mit Naͤgeln bekleidet waren, wun - derte und freuete er ſich hoͤchlich, und dankte dem Herrn der Welt fuͤr dieſe Gnade mit einem froͤhli - chen Lobgeſange*)Traktat Peſachim Kap. 4; Buch Colbo Kap. 41..

Das Brod ißt man zu Ende des Sabbaths gleichfalls zur Staͤrkung, weil die uͤberfluͤßige Seele wieder den Leib verlaͤßt, und von allen Gliedern Abſchied nimmt; und daher zuckt, ruͤckt und ruͤttelt man dann auch mit dem rechten Arm, um ihr je - nen Abſchied zu erleichtern.

Meine chriſtlich - katholiſchen, griechiſchen, lu - theriſchen, reformirten, biſchoͤflichen, presbyteriani - ſchen, herrnhuthiſchen und andern vernuͤnftigen Leſer werden uͤber dieſe juͤdiſchen Gebraͤuche und ihre ſonderbaren Bedeutungen unſtreitig laͤcheln; allein tutto il mondo e fatto come la nostra famiglia! ſagt Harlekin.

Jch erwaͤhnte vorhin den uͤbeln Geruch der Hoͤlle, den Jſraels wohlriechende Kinder eben ſo ſehr ſcheuen, wie wir Chriſten den Knoblauchgeruch. Der gottloſe Turnus Rufus fragte einſt den be - ruͤhmten Rabbi Akibha, welchem das Paradies ſey: Was iſt der Sabbath denn beſſer, als andere Tage,daß281daß ihr Juden ihn vor allen uͤbrigen ſo hoch feiert und ehrt? Rabbi Akibha geſegneten Andenkens erwiederte: Warum muß man dich mehr, als an - dere Leute ehren? Weil mein Koͤnig es will! ver - ſetzte Turnus. Gut, ſprach der Rabbi, unſer Gott, der ein Koͤnig der Koͤnige iſt, will gleich - falls, daß wir den Sabbath vor allen uͤbrigen Tagen ehren und heiligen ſollen. Aber, fragte der gottloſe Turnus, woher weißt du, daß euer Sab - bath der rechte Sabbath und der ſiebente Tag iſt; koͤnnte dies nicht ein anderer ſeyn? Beweiſe mir doch jenes! Das beweiſe ich dir erſtens, antwor - tete Rabbi Akibha, mit dem Fluße Sabbathjon, der an den ſechs Wochentagen mit maͤchtigem Brau - ſen die groͤßten Steine und Felſenſtuͤcke fortwaͤlzt, ſo daß Niemand hinuͤber zu kommen vermag; allein am Sabbath iſt er ganz ſtille und ruhet wegen des heiligen Tages. Zweitens beweiſe ich es dir mit deines Vaters Grabe, aus welchem waͤhrend der ganzen Woche der Dampf und boͤſe Geruch der Hoͤlle aufſteigt, weil dein Vater an den Werktagen mit hoͤlliſchem Schwefel gebrannt und gequaͤlt wird. Am Sabbath hingegen, wenn er von ſeinen Qua - len ausruhet, nimmt man auf dem Grabe jenen Rauch und Geſtank nicht wahr. Turnus fand, daß der Rabbi Recht hatte. Aber, ſprach er, vielleicht hat die Pein meines Vaters jetzt ein Ende, darum dampft und riecht es nicht mehr? Gehe hin, wennII. Baͤndchen. 24282der Sabbath vorbei iſt! antwortete Rabbi Akibha geſegneten Andenkens, dann wirſt du finden, daß es noch dampft und riecht, wie vorher. Turnus that es, und auch diesmal hatte ihm der Rabbi die Wahrheit geſagt. Er rief daher ſeinen Vater durch Zauberei aus dem Grabe, und fragte ihn: War - um feierſt du nach deinem Tode den Sabbath, ob - gleich du ihn in deinem ganzen Leben nicht feierteſt? Wann biſt du ein frommer Jude geworden? Mein Sohn, erwiederte der Vater, wer auf Erden nicht freiwillig den Sabbath heiligt, der muß es bei uns gezwungen thun. Aber was macht ihr an den Werktagen? ſprach Turnus. Man brennt uns mit Feuer und Schwefel, bis am Freitagabend der Sab - bath beginnt. Dann ruft eine ſchrecklich donnernde Stimme: Jetzt iſt es Ruhezeit! Gehet hin, euch abzukuͤhlen, ihr Gottloſen! Hierauf begeben wir uns zur Ruhe und feiern den Sabbath. Sobald dieſer vorbei iſt, und die Juden ihre Feierlichkeiten und Gebete beendigt haben, koͤmmt der boͤſe Engel Dumah, unſer Kerkermeiſter, und ruft: Kehret in die Hoͤlle zuruͤck, ihr Gottloſen, denn das Volk Jſraels hat ſeinen Sabbath vollendet; und dann faͤngt unſere Pein von Neuem an. Man brennt uns mit Feuer und Schwefel die ganze Woche hin - durch; das iſt Alles, was wir thun, der einzige Zweck unſers Daſeyns, ſo wie der Sabbath unſer einziger Ruhetag*)Traktat Sanhedrin Kap. 7; Rabbi Bechai’s Aus -!

283

So hart die Strafe der Entheiligung des Sab - baths, ſo herrlich iſt dagegen die Belohnung des Gegentheils. Wer den Sabbath immer recht luſtig in Freude und Wonne verlebt, dem beſchert der heilige, hochgelobte Gott reiche Erbſchaften, ſchoͤne Guͤter, viel Geld, und Land und Leute ohne Zahl. Denn es ſtehet geſchrieben: du ſollſt dich freuen an deinen Feiertagen, und ich will dich uͤber die Hoͤ - hen der Erde ſetzen, und dich ſpeiſen mit dem Erbe deines Vaters Jakob. Rabbi Nachman geſegneten Andenkens hat geſagt: wer am Sabbath vergnuͤgt und froͤhlich iſt, der wird von der Sklaverei der Koͤnigreiche befreiet werden*)Dies aber nur unter uns, denn erfuͤhre es der oͤſterreichiſche Beobachter, welchem der Frie - de ſey, ſo duͤrften kuͤnftig am Sabbath gar keine Luſtparthieen im Prater und Augarten weiter ſtatt finden.; denn es heißt, ich will dich uͤber die Hoͤhen der Erde ſetzen. Endlich hat Rabbi Jehuda, welchem das Paradies ſey, geſagt: wer am Sabbath recht luſtig iſt, dem giebt Gott, was ſein Herz begehrt, wie geſchrieben ſte - het: habe deine Luſt im Herrn, ſo wird er dir geben, was dein Herz wuͤnſchet**)Traktat Schabbath..

24 *

*)legung der fuͤnf Buͤcher Moſis Paraſcha Vajiſchma Jethro oder uͤber Buch 2. Kap. 18.

284

Den Sabbath ſollſt du Oneg oder Wolluſt nennen. Darum und trink, ſo viel du vermagſt, und gedenke, daß du es dem Sabbath zu Ehren thuſt.

Auch ſollt ihr, und vorzuͤglich ihr Rabbiner, am Feiertage viel Knoblauch eſſen, und in der Sabbathnacht eure Frauen recht lieb haben; denn je oͤfterer ihr ſie kuͤßt, und je mehr Kurz - weile ihr mit ihnen treibt, deſto hoͤher wird der Sabbath geehrt, deſto groͤßer wird euer Lohn im Paradieſe ſeyn. Die Kinder einer Sabbathnacht gerathen ganz vorzuͤglich; werden fromm, weiſe und ſehr reich*)Orachchajim Nr. 280..

Rabbi Jochanan hat geſagt: Dem, welcher den Sabbath gehoͤrig feiert, werden alle Suͤnden, und ſelbſt die Abgoͤtterei und Sodomiterei vergeben. Nach Rabbi Jehuda’s Verſicherung haͤtte nie ein fremdes Volk uͤber Jſraels Kinder geherrſcht, wenn ſie nur den erſten Sabbath recht geheiliget haͤt - ten, und Rabbi Jochanan ſpricht im Namen des Rabbi Simeon Jochaides: wenn die Jſraeliten nur zwei Sabbathe ordentlich feiern, ſo werden ſie au - genblicklich aus der Gefangenſchaſ: befreiet, worin ſie von den Chriſten gehalten werden**)Schabbath Kap. 16. Fol. 118..

Der Sabbath iſt ein ganz beſonderes Eigen - thum der Kinder Jſrael und ein Geheimniß, wel -285 ches der heilige, hochgelobte Gott ihnen vor allen andern Voͤlkern anvertrauete. Bekanntlich haben die meiſten Glaubensſekten gewiſſe Geheimniſſe, die ihnen vorzugsweiſe von dem hoͤchſten Weſen offen - bart ſind, und die ſie doch gerne allen uͤbrigen Menſchen, welche nicht das Gluͤck und die Neigung haben, etwas davon zu wiſſen, gerne, wenn auch mit Feuer und Schwerdt aufdringen moͤchten. Ein Beweis, daß wir arme Sterbliche nicht zur Aufbewahrung goͤttlicher Geheimniſſe taugen; der Trieb zur Mittheilung iſt zu groß, und die Pfaffen waren von jeher zu plauderhaft, um ihre geheime Unterredungen mit dem hoͤchſten Weſen lange bei ſich behalten zu koͤnnen. Waͤren ſie verſchwiegener geweſen; haͤtten ſie alle die Wunderdinge, die blos ihnen anvertrauet waren, fuͤr ſich behalten, und mit ſich in ihre Graͤber genommen; gewiß, es wuͤrde hienieden weit beſſer ſtehen.

Der Rabbi Joſe hat geſagt: der Rabbi Simeon Ben Jochai hat geſagt: Alle Gebote, die Gott den Jſraeliten gegeben hat: gab er ihnen oͤffentlich, mit Ausſchluß des Sabbaths, den er ihnen ingeheim mittheilte, wie geſchrieben ſteht: er iſt zwiſchen mir und den Kindern Jſraels ein Zeichen der Verheim - lichung, das heißt, er iſt den andern Voͤlkern ver - borgen, und nur die Kinder Jſrael wiſſen ihn. Hier fragen nun die Verfaſſer der Gemara: wenn die Voͤlker (die Chriſten und Nichtjuden) nicht wiſ -286 ſen, daß wir den Sabbath haben, wie kann man ſie denn ſtrafen, weil ſie ihn nicht halten*)Dieſe Frage iſt allerdings ſehr vernuͤnftig, und laͤßt ſich auch bei andern Dingen aͤhnlicher Art auf - werfen. Nur das Folgende iſt wieder talmudiſcher Unſinn. M. ſ. die talmudiſche Abhandlung Betzah Kap. 2; und Tanais Kap. 4.? Sie wiſſen es ſehr wohl, lautet die Antwort, daß wir einen Sabbath haben, allein die Belohnung der Feier deſſelben iſt ihnen ein Geheimniß, und wuͤrde ihnen nur dann bekannt ſeyn, wenn ſie den Sab - bath recht heiligten. Dies koͤnnen ſie aber nicht, da ihnen die uͤberfluͤßige Seele fehlt, die uns Jſrae - liten an den Sabbathtagen gegeben und wodurch unſer Herz erheitert wird, daß wir gehoͤrig ruhen, mit Luſt und Freude eſſen und trinken, und uns aller Sorgen entſchlagen koͤnnen.

Daß der Chriſten am Sabbath, wie an allen uͤbrigen Tagen, gleichfalls auf eine ſehr liebevolle Weiſe gedacht werde, kann man ſich denken. Eines der juͤdiſchen Sabbathgebete lautet folgendermaßen: » Heiliger, hochgelobter Gott, gieb mir meiner Nahrung und meines Brodtes ein beſcheidenes Theil, und laß mich mit den beſten Guͤtern der Gojim geſaͤuget und gemaͤſtet werden. Saͤttige meine jungen Kinder und Saͤuglinge mit Gutem. Mein Meſſias komme in die Stadt meiner Wohnung mit287 dem Propheten Elias. Schaffe deinem Volk Jſrael Brod zu eſſen, und ſchoͤne Kleider anzuziehen, daß die Gojim es ſehen und ſich ſchaͤmen. Vertilge bald die Wohnungen des Berges Seir*)Har Seir oder Berg Seir iſt bei den Juden einer der gewoͤhnlichſten Namen der ganzen Chri - ſtenheit.! Vertilge den Ammon und Noab, und offenbare deinem Volk ſeine Erloͤſung**)Benſchbuch Fol. 16. unter dem Titel Semiroth lemozae Schabbath.. « Unter Ammon und Noab wer - den gleichfalls die Chriſten verſtanden.

Jn einem andern Gebet heißt an demſelben Orte es: » Jch will in meinem Herzen mich freuen und frohlocken, wenn ich ſehen werde, daß du Herr mein Gott und Gott meiner Vaͤter, mit meinen Feinden Krieg fuͤhren, den Erloͤſer, den Mann Zemach, nach Zion bringen, und den Propheten Elias nebſt dem Meſſias ſenden wirſt. Furcht und Schrecken muͤſſe dann uͤber die Gojim kommen. Jhr Herz muͤſſe zittern, wann das einzige Volk ſich er - heben und gluͤcklich ſeyn wird. Es wird von Auf - gang der Sonne bis zum Niedergang gerufen und ermuthiget werden, daß es in Edom und in Ara - bien viel umbringe und durch ſein Geſchrei wird es ſeine Feinde erſchrecken. « Die ſind leider nicht ſehr ſchreckhaft! Durch Edom werden, wie ſchon fruͤher gezeigt worden, alle chriſtlichen Voͤlker bezeich - net. Unter Arabien verſteht man die Tuͤrkei.

288

Wie wird es aber kuͤnftig werden in Kanaan, wenn der heilige, hochgelobte Gott alle Nichtjuden vertilgt haben wird, da Abrahams fromme Nach - kommen an ihren Feiertagen nicht das unbedeu - tendſte Geſchaͤft ſelbſt thun duͤrfen? Wer ſoll ihnen ihre Lichter anzuͤnden und putzen, ihnen einheitzen, ihre Kuͤhe und Ziegen melken, ihre Speiſen und Getraͤnke waͤrmen und auf den Tiſch ſetzen, wozu ſie jetzt die Haͤnde von Chriſten gebrauchen?

Die alberne Strenge in Ruͤckſicht der Heiligung ihrer Feiertage macht ſchon allein die Juden ganz unfaͤhig, in einem chriſtlichen Staat gute Buͤrger zu werden. Der rechtliche Staatsbuͤrger, dem ſein Alter und ſein koͤrperlicher Zuſtand es geſtatten, muß zu jeder Stunde bereit und willig ſeyn, das Vaterland gegen feindliche Angriffe zu vertheidigen. Was ſoll man aber mit Buͤrgern anfangen, denen es nicht blos an Muth und gutem Willen hiezu gebricht, ſondern denen ſelbſt ihre Religion auf das Strengſte verbietet, am Sonnabend nicht einmal eine Naͤhnadel, viel weniger Waffen zu tragen? Wie ungluͤcklich waͤre ein Volk, welches ſich dem Schutze eines ſolchen Kriegsheers anvertrauen muͤß - te? Bei Raubkriegen, wie die Jſraeliten des alten Teſtaments ſie gegen ihre ſchwachen Nachbaren fuͤhr - ten, mag man immerhin, nachdem man ſechs Tage lang gepluͤndert, geſengt und gebrannt, gemordet und genothzuͤchtiget hat, die Waffen bei Seitewer -289werfen, um den Sabbath mit kirchlichen Poſſen und luſtigem Eſſen und Trinken zu heiligen; allein bei unſerer jetzigen Art, Kriege zu fuͤhren, geht das nicht mehr an. Nehme man hiezu noch die Menge der Speiſeverbote und der Satzungen in Betreff des Schlachtens, des Kochens und dergleichen, ſo muß Jeder zugeſtehen: daß die Juden ſelbſt aus religioͤſen Gruͤnden durchaus unfaͤhig ſind, den Staat zur Zeit der Gefahr gehoͤrig vertheidigen zu helfen; und dies iſt und bleibt doch immer die heiligſte Pflicht des Buͤrgers gegen den Staat, der ihm Schutz und Unterhalt gewaͤhrt. Man wende nicht ein, daß man hin und wieder einen Juden ſahe, der ein brauchbarer Soldat war; Faͤlle der Art ſind hoͤchſt ſelten, und Ausnahmen bilden nie eine Re - gel, obgleich ſie gewoͤhnlich das Beſte von jeder Regel ſind. Jm Kriege taugt der Jude zu nichts, als zum Spion, zum Lieferanten und zum Marke - tender. Aber wehe dem, der ſich hiezu der Hebraͤer bedient! Der Spion iſt der erſte, der ihn verraͤth; der Lieferant betruͤgt ihn am meiſten und laͤßt ihn verhungern; und der Marketender beſtiehlt ihn, und pluͤndert ihn noch endlich auf dem Schlachtfelde aus. Dies ſind Wahrheiten, die durch Tauſende von Thatſachen beſtaͤtiget werden. Fort alſo mit den Juden! Sie ſind ſo wenig unter unſern Buͤrgern, als unter unſern Kriegern etwas werth.

II. Baͤndchen. 25290

Das Oſterfeſt.

Die Juden haben außer dem Sabbath noch zwei Arten von Feſttagen: die hohen Feyertage (Schaboſch Regalim), und die guten Tage (Ja - mim Tobhim). Der erſtern giebt es nur drei, nemlich das Oſterfeſt, das Pfingſtfeſt oder Feſt der Wochen und das Lauberhuͤttenfeſt. An dieſen Feiertagen mußten ſie nemlich, als ſie noch in Kanaan waren, jedes Jahr nach Jeruſa - lem wallfahrten, um dort dem Gottesdienſt im Tempel beizuwohnen. Moſes war der Stifter die - ſer Feſte, und deshalb werden ſie noch fuͤr beſon - ders heilig gehalten. Als ſich unter Rehabeam das juͤdiſche Volk in zwei verſchiedene monarchiſche Staa - ten theilte, gaben jene Wallfahrten nach Jeruſalem dem Jerobeam, dem neu erwaͤhlten Koͤnige der Jſraeliten, d. h. der von Rehabeam abgefallenen Staͤmme, die Veranlaſſung, in ſeinem Lande einen beſondern Gottesdienſt anzuordnen, wodurch außer der weltlichen, auch eine kirchliche Trennung des juͤdiſchen Volks entſtand, welche nachmals fuͤr daſ - ſelbe die traurigſten Folgen hatte. Uebrigens beweist291 die fruͤhere Verpflichtung aller Jſraeliten, jaͤhrlich dreimal den Tempel in Jeruſalem zu beſuchen, hin - laͤnglich, daß Moſes keineswegs die Abſicht hatte, eine Welt religion zu ſtiften, ſondern daß er ſich blos auf das juͤdiſche Volk beſchraͤnkte; und hier - nach muß man ſeine kirchlichen und andern Anord - nungen beurtheilen.

Die guten Tage (Jamim Tobhim) ſind die - jenigen Feſte, welche Jeder an ſeinem Wohnorte feiern konnte. Sie ſind groͤßtentheils in ſpaͤtern Zeiten entſtanden, und von ihnen wird in der Folge die Rede ſeyn*)Die Neumonden, welche gleichfalls zu den guten Tagen gehoͤren, ſind ſchon fruͤherhin abgehandelt worden, da ſie jetzt nur noch als halbe Feiertage gelten, und den Montagen und Donnerstagen faſt gleich geachtet werden..

Das Feſt der Oſtern oder des Oſterlamms, Paſchah, das erſte der iſraelitiſchen Hauptfeſte faͤllt auf den vierzehnten des Monats Niſan, d. h. zu Anfange unſers Aprilmonats**)Ueber die Berechnung der juͤdiſchen Monate und das Verhaͤltniß zu den unſrigen findet man das Naͤhere in dem Abſchnitt vom Neujahr der Juden.. Es ward von Moſes zur Erinnerung des Auszuges der Jſraeliten aus Aegypten geſtiftet, und iſt ſicherlich eine der ſchoͤnſten und erhebendſten unter allen kirchlichen25 *292Einrichtungen dieſes Geſetzgebers, da es den edlen Zweck hatte, noch bei den entfernteſten Nachkommen die Gefuͤhle der Ehrfurcht und Dankbarkeit gegen das hoͤchſte Weſen zu beleben, und durch das An - denken an die Befreiung aus dem aͤgyptiſchen Skla - venjoch den Muth und das Vertrauen des Volks zu dem allmaͤchtigen Vater im Himmel zu ſtaͤrken.

Jetzt iſt aber das Oſterfeſt der Juden mit dem Roſt kleinlicher, laͤppiſcher und pfaͤffiſcher Poſſen uͤberzogen; denn dies iſt leider, das gewoͤhnliche Schickſal aller menſchlichen, ſowohl kirchlichen, als weltlichen Einrichtungen. Wenn ſie auch wirklich Jahrtauſende lang gegen den nagenden Zahn der Zeit ſich bewahren, ſo werden ſie doch endlich durch Unverſtand und Dummheit, durch Eigennutz, Aber - glauben und gruͤbelnden Vorwitz verunſtaltet. Das lehrt uns ſogar die Geſchichte der chriſtlichen Kirche! Man muß erſtaunen, wie ſchnell das Chriſtenthum ſeiner urſpruͤnglichen Einfachheit und Reinheit be - raubt und mit einem Ballaſt alberner Gebraͤuche, Fratzen, Maͤhrchen und Glaubenslehren uͤberladen ward! Man muß erſtaunen, wie leichtfertig und frech eifernde Pfaffen das himmliſche Band der Bruderliebe zerrißen, womit der goͤttliche Erloͤſer alle Menſchen umſchlingen und zu ſich und ſeinem allliebenden Vater hinaufziehen wollte! Kaͤme er noch einmal zu uns auf die Erde herab, er wuͤrde ſein reines Chriſtenthum vielleicht in wenigen an - dern Kirchen, als in denen der Unitarier finden.

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Die Zuruͤſtungen zum iſraelitiſchen Oſterfeſte beginnen ſchon vierzehn Tage vorher, am erſten Niſan, wo der Weitzen zu den Oſterkuchen einge - kauft werden muß*)M. ſ. Kirchner a. a. O. S. 87.. Nach Andern ſoll dies dreißig Tage, und nach Einigen erſt zehn Tage vor An - fang des Feſtes geſchehen**)Orachchajim Nr. 429; Buxtorff a. a. O. Jun - gendres a. a. O.. Der Weitzen muß ganz trocken ſeyn, oder wenn er naß iſt, gedoͤrrt, und das Mehl wenigſtens drei Tage vorher gemah - len werden, damit es ſich abkuͤhle und der Teig nicht ſauer werde. Die Muͤhlenſteine ſollen, wo moͤglich, neu behauen, der Kaſten neu beſchlagen, und der Beutel gleichfalls neu ſeyn; auch muß man die Muͤhle mit neuen weißleinenen Tuͤchern bedek - ken, und wenn man dieſe nicht bekommen kann, muͤſſen die alten Tuͤcher gut ausgeklopft werden, weil ſich oft Mehl darin anſetzt, wovon das ſuͤße, heilige Oſtermehl durchſaͤuert werden koͤnnte. Bei dem Mahlen muß ein frommer Jude die Aufſicht fuͤhren, damit kein Staͤubchen fremdes Mehl unter das juͤdiſche koͤmmt, und auch nichts davon wegge - nommen wird. Dies waͤre um ſo ſchrecklicher, wenn ein Chriſt davon aͤße, denn hiedurch wuͤrden alle Oſterkuchen verdorben. Das heilige Mehl darf zu keinem andern Zweck verwandt werden. Wenn294 eine Maus davon naſcht, oder es naß wird, darf man es weder eſſen, noch verkaufen oder verſchen - ken, ſondern muß es wegſchuͤtten. Um es vor der - gleichen Unfaͤllen zu ſichern, haͤngt man es in einem weißen leinenen Beutel auf. Die reichen Juden geben den armen von ihrem Mehl, damit auch ſie auf die gehoͤrige Weiſe Oſterkuchen backen und eſſen koͤnnen.

Der letzte Sabbath vor dem Feſte wird Schab - bath haggadol, der große Sabbath genannt, und iſt Jſraels Kindern vorzuͤglich heilig; denn als Moſes verordnet hatte, jeder Hausvater ſollte am zehnten des Monats Niſan ein Lamm aufbewahren, um es nachher zu ſchlachten, und am Oſterfeſte zu eſſen, banden » unſere Vaͤter ihre Laͤmmer an die Pfoſten ihrer Bettſtellen, damit ſie ihnen nicht weg - liefen. Die Aegypter ſahen dies und fragten: was ſie mit den Laͤmmern wollten? Unſere Vaͤter ant - worteten: wir wollen ſie zum Korban Peſach (zum Opfer fuͤr das Oſterfeſt) ſchaͤchten. Das duͤnkte den blinden Heiden ein ſchrecklicher Greuel, denn ſie verehrten das Himmelszeichen des Widders als ihren Gott, und zuͤrnten daher heftig, daß man dieſen Gott vor ihren Augen ſchaͤchten und eſſen wollte. Der Herr der Welt erfuͤllte aber ihre Her - zen mit Furcht und Angſt, daß ſie nicht einmal reden, viel weniger unſern Vaͤtern etwas Leides295 thun konnten*)Orachchajim Nr. 43; Traktat Peſachim Kap. 5.. « Ueber dies Wunderwerk und uͤber die Einſetzung des Feſtes ſelbſt wird an dem gedachten Sabbath eine ſehr lange und erbauliche Predigt gehalten.

Am 12ten Niſan, Abends gleich nach Sonnen - untergang, und zwar vor Sternen - und Monden - ſchein, muß jeder Hausvater, das Mitzvah-Waſſer, oder Waſſer der Gebote, womit die Oſterkuchen am folgenden Tage gebacken werden ſollen, in einem feiertaͤglichen Gefaͤß ſelbſt aus einem Brunnen ſchoͤ - pfen, und zu Hauſe tragen. Dazu darf ſich keiner zu chaſchubh oder vornehm halten, und wenn er der reichſte Baron und Papierjude waͤre. Das heilige Waſſer muß beim Heimtragen mit einem Tuche bedeckt werden, weil in vier und zwanzig Stunden kein Sonnenſtrahl dazu kommen darf. Auch muß es nicht bei Mehl und Getreide, welcher Art es ſey, hingeſetzt werden**)M. ſ. Orachchajim Nr. 453. Nach Joh. Pfef - ferkorns Juden-Beicht und Nachricht von ihren Oſtern muß der Hausvater Baalba - jis das Waſſer nicht aus einem Brunnen, ſondern aus einem Bach oder Fluß holen..

An demſelben Abend hat der Hausherr noch ein ſehr wichtiges Geſchaͤft. Er muß nemlich im ganzen Hauſe umhergehen und alle Brodkruͤmchen296 aufleſen, die irgend wo niedergefallen, oder von den Maͤuſen verſchleppt ſind. Die Loͤcher der letztern muß er beſonders genau unterſuchen, und wo er ein Broſaͤmlein findet, es wegnehmen. Dies heißt Chametz - oder Sauerteigſuchen, und iſt in der That eine ſehr muͤhſame und die Augen angreifende Ar - beit. Um ſie zu verrichten, nimmt der Baalbais oder Hausvater eine Schuͤſſel und einen Federwiſch, zuͤndet eine Wachskerze an und ſpricht: Gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt, der du uns durch deine Gebote geheiliget, und uns befohlen haſt, Chametz zu ſuchen. Frau, Kinder und Dienſtboten ſprechen hiezu Amen, und darauf faͤngt er an, zu badken (ſuchen). Jn einem großen Hauſe darf er einige Maͤnner und Knaben zu Huͤlfe nehmen, aber keine Frauen und Maͤdchen, weil ſie zu leichtſinnig, zu traͤge, zu unachtſam und zu ſchwatzhaft ſind, und daher zum Suchen nicht taugen. Jeder Gehuͤlfe muß ſeine beſondere Wachskerze haben. Alle Gemaͤcher, alle Spalten und Ritzen, alle Mauſeloͤcher werden mit der groͤß - ten Sorgfalt beleuchtet und durchſucht. Hoͤher, als man reichen kann, iſt es nicht noͤthig. Wo die Wand an das Haus eines Chriſten ſtoͤßt, darf man nicht in die Loͤcher und Spalten leuchten, weil es durchſchimmern und der Goi glauben koͤnnte, man wollte ihm das Haus anzuͤnden. Hingegen an der Scheidewand von einem Judenhauſe muß man leuch -297 ten, ſo hoch, ſo tief und ſo weit, wie man ver - mag. Lichter von Talg oder Unſchlitt darf man bei dieſer Arbeit nicht gebrauchen; ſie triefen, und durch das herabfallende Talg wuͤrde das Haus mit neuem Sauerteige verunreinigt. Waͤhrend des Su - chens darf kein Wort weiter geſprochen werden, als was auf das Geſchaͤft ſelbſt Bezug hat. Das Brod, welches zum Nachteſſen beſtimmt iſt, verſteckt man vorher ſehr ſorgfaͤltig, denn wuͤrde der Baal - bais es finden, ſo muͤßte er es wegnehmen, und es muͤßte verbrannt werden. Schlimm waͤre es aber, wenn er in irgend einem Zimmer gar nichts faͤnde, denn der heilige, hochgelobte Gott wuͤrde dann meynen, man haͤtte nur nicht recht ordentlich gebadket. Um ſich nicht in einen ſo uͤbeln Verdacht zu ſetzen: wirft man vorher in diejenigen Zimmer, wo man nichts zu finden glaubt, einige Broſamen hin, die aber alt und hart ſeyn muͤſſen, denn wenn der Herr unſer Gott merkte, daß ſie noch friſch und ſo eben erſt hingeworfen waͤren, ſo haͤlfe die - ſer Pfiff nichts, und es waͤre uͤbler, als wenn man gar nichts faͤnde. Das Gefundene wird auf die Schuͤſſel gelegt, und ſorgfaͤltig bis zum folgen - den Morgen mit einem Tuch bedeckt, damit kein naſchhaftes Maͤuschen etwas davon ſtehle, weil man dann das ganze Haus nochmal wuͤrde durchbad - ken muͤſſen. Um nicht ſelbſt etwas beim Nachteſſen zu verſtreuen, ſpeist man in einem Winkel des298 Zimmers, und huͤtet ſich wohl, irgend ein Kruͤm - chen fallen zu laſſen, denn ſonſt waͤre gleichfalls alle Arbeit vergeblich, und der arme Hausvater muͤßte ſie nochmal thun. Nach vollbrachtem Ge - ſchaͤft ſpricht er: » Alles Geſaͤuerte, was in meiner Gewalt iſt, ſo wie auch das, was ich nicht geſe - hen und ausgeraͤumt habe, werde zerſtreuet und gleich dem Staube der Erde*)M. ſ. Orachchajim Nr. 43, und Peſachim Kap. 5.. «

Die gefundenen Brocken werden, nachdem ſie eingeſegnet worden, die Nacht unter freiem Himmel aufgehangen, und am andern Morgen außer dem Hauſe von einem Knaben verbrannt**)Nemlich nach Kirchners und Pfefferkorns Bericht. Buxtorff hingegen, der von dem Aufhaͤngen unter freiem Himmel nichts erwaͤhnt, ſagt, daß die ge - fundenen Brocken am Tage vor dem Feſte, nach dem Mittageſſen unter freiem Himmel verbrannt wuͤrden, wobei der Hausvater die oben angefuͤhrten Worte ſpraͤche: Alles Geſaͤuerte u. ſ. w. Die Gebraͤuche ſind vielleicht eben ſo verſchieden, als die Nachrichten daruͤber. Jn der Folge hievon ein Mehreres..

Am 13ten Niſan ſchuͤttet ein Mann oder ein Juͤngling, der wenigſtens dreizehn Jahre und einen Tag alt ſeyn muß, oder auch eine mannbare Jung - frau das Mehl zu den Oſterkuchen in ein neues Gefaͤß, welches zu keinem andern Gebrauch wieder benutzt werden darf. Wer das Waſſer zugießt,299 huͤte ſich, daß es nicht zu viel werde, weil man kein Mehl weiter hinzuthun darf, und den Teig, wenn er zu naß iſt, in einen Bach oder Fluß ſchuͤt - ten muß, ohne ihn benutzen zu koͤnnen.

Zu Anfange des Knaͤtens ſpricht der dabei anweſende Hausvater: alle Brocken, die von dieſem Teige auf die Erde fallen, ſollen patur ſeyn, d. h. nach Buxtorffs Auslegung, was auf die Erde faͤllt, ſoll den Maͤuſen gegoͤnnt und geſchenkt ſeyn, und der Herr des Hauſes entſagt allen ſeinen Rech - ten daran. Die Maͤuſe werden ſich hiefuͤr ohne Zweifel hoͤflichſt bedanken.

Das Knaͤten geſchieht an einem kuͤhlen Ort, wohin weder Sonnen - noch Ofenwaͤrme dringen kann, damit der Teig nicht aufgehe und ſauer werde. Wer dies Geſchaͤft verrichtet, darf außer dem, was etwa auf die Arbeit ſelbſt Bezug hat und durchaus nothwendig iſt, keine Sylbe reden, und nicht dabei inne halten oder ausruhen.

Nach dem Knaͤten muß ein Anderer, eine Mannsperſon, nicht unter dreizehn Jahren und ei - nem Tage alt, den Teig aus dem Backtroge neh - men, und mit einem Rollholz aus einander rollen, wobei gleichfalls weder geſprochen, noch inne gehal - ten werden darf. Einige wollen, man ſoll nicht mehr Teig nehmen, als zu ſechs bis acht duͤnnen Kuchen noͤthig iſt*)Kirchner a. a. O.. Nach Andern kann Jeder ſo viel300 backen, als er fuͤr ſich und die Seinigen zu beduͤr - fen glaubt*)Pfefferkorn a. a. O..

Man theilt den Teig in drei Stuͤcke, und dieſe heißen: der Teig Cohen von der erſten und zweiten Nacht, der Teig Levi von der erſten und zweiten Nacht, und der Teig Jſrael von der erſten und zweiten Nacht. Nachher, wenn er in Kuchen getrennt wird, muß die Hausfrau mit einem neuen, oder blos zu die - ſem Gebrauch beſtimmten Meſſer von jedem der drei Teige ein Stuͤck von der Groͤße eines Eyes abſchneiden, welches Challah genannt wird. Hier - aus macht ſie einen Kuchen, und wirft ihn mit den Worten ins Feuer: gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, der du uns geboten haſt, einen ungeſaͤuerten Kuchen abzuſondern.

Das Feuer muß von einem Juden angezuͤndet ſeyn; die Kuchen werden in eiſerne Formen gelegt, damit ſie nicht aufgehen, und dann auf neuen Schiebehoͤlzern in den Ofen geſchoben. Nachdem man ſie wieder heraus genommen, verwahrt man ſie in Kaſten, und bedeckt ſie mit weißen leinenen Tuͤchern.

Dieſe Oſterkuchen beſtehen gewoͤhnlich ganz aus Mehl und Waſſer**)M. ſ. Jungendres S. 90.. Manche wohlhabende Juden301 ſollen den Teig mit Eyern vermiſchen, und Einige ſollen ſogar ihre Kuchen von geſtoßenen Mandeln backen laſſen*)Dies behauptet nemlich Buxtorff, dem aber Jungendres ausdruͤcklich widerſpricht. Jn Straß - burg beſtaͤtigten mir jedoch mehrere Juden Bux - torffs obige Behauptung, und vielleicht hoͤrte der letztere, da er in Baſel lebte, es gleichfalls von franzoͤſiſchen oder Elſaͤßer Juden. Jungendres ſcheint es blos deshalb zu verneinen, weil die Juden in Fuͤrth es nicht thun. Ein ſeltſamer Grund zum Widerſpruch!. Auf keinen Fall haben wir Chri - ſten Urſache, ſie darum zu beneiden. Gewoͤhnlich iſt dies poſſierliche Backwerk rund, und wird, da - mit es nicht aufgehe, mit einem eiſernen Kamm, oder in Ermangelung deſſen, wohl gar mit einem Haarkamm durchloͤchert, ſo daß es ſcheint, als waͤre es von den Wuͤrmern zerfreſſen.

Am Tage des Kuchenbackens muͤſſen die Haͤu - ſer mit allen darin befindlichen Sachen, beſonders aber die Kuͤchen -, Trink - und Speiſegeſchirre auf das Beſte nach juͤdiſcher Weiſe gereiniget werden. Wo ein Rabbi iſt, bringt man ihm einige der groͤſ - ſern Kuͤchengeraͤthe, gut ausgeſcheuert und gewa - ſchen, um ſein Urtheil daruͤber zu faͤllen. Findet er ſie koſcher und brauchbar zum Feſt, ſo ſteckt er ſie in einen geſtrickten Sack, und mit dieſem in einen, uͤber dem Feuer haͤngenden Keſſel voll ſie - dendheiſſen Waſſers, zieht ſie ſogleich wieder heraus,302 gießt kaltes Waſſer daruͤber, ſpricht dreimal: Ko - ſcher! Koſcher! Koſcher! und giebt ſie dem Bringer zuruͤck. Der eilt, wo moͤglich, damit zu einem Bach oder Fluß, taucht ſie hinein, und dann ſind ſie voͤllig koſcher. Das uͤbrige Hausgeraͤth macht Jeder ſelbſt koſcher*)Das Koſchermachen ward zum Beſten der Rabbiner eingefuͤhrt, denen man dafuͤr eine Abgabe entrichten muß, da ſie eben ſo wenig, wie ihre chriſtlichen Amtsbruͤder, etwas umſonſt thun. Was und wie viel ſie bekommen, konnte ich nie erfahren, denn Jſraels Kinder ſind in ſolchen Dingen ſehr geheim - nißvoll., und dies thut man mit Al - lem, wenn man keinen Rabbiner in der Naͤhe hat. Zu dieſem Zweck haͤngt man den großen Feiertags - keſſel, Jom tobh oder Jom tof genannt, mit Waſ - ſer uͤber das Feuer, und wirft, wenn es ſiedet, die vorher abgeſcheuerten und gewaſchenen Geſchirre von Silber, Zinn, Porzellan, Holz und was dem aͤhnlich und fuͤr den Keſſel nicht zu groß iſt, hin - ein. Bei Silber, Zinn und dergleichen gebraucht man zwei Zangen, eine zum Hineinlegen, die an - dere zum Herausziehen. Große Keſſel werden gut ausgerieben und mit kochendem Waſſer angefuͤllt, worauf man drei Feuerbraͤnde hinein ſtoͤßt, und ſie dann mit kaltem Waſſer auswaͤſcht. Jn einen eiſernen oder ehernen Moͤrſer ſchuͤttet man gluͤhende Kohlen, umbindet ihn mit einem Faden, und wenn303 dieſer zerreißt, iſt der Moͤrſer koſcher! koſcher! koſcher! Ein ſteinerner muß, wo moͤglich aufs Neue behauen werden. Pfannen, Bratſpieße und andere Sachen von Eiſen legt man ins Feuer; wenn ſie roth gluͤhen und Funken herausſpringen, ſind ſie koſcher. Ueber Tiſche, Stuͤhle, Baͤnke und derglei - chen haͤlt man einen heiſſen Stein oder ein gluͤhen - des Eiſen, welches man mit Waſſer begießt, damit nicht die kleinſte Stelle an dem darunter ſtehenden Geraͤth unbenetzt und ungekoſchert bleibe. Die Back - troͤge werden ringsum mit Kalk belegt, und in ein beſonderes Gemach geſtellt. Auch derjenige, in welchem man den Teig zu den Oſterkuchen geknaͤtet hat, und der Tiſch, worauf dieſe aus einander gerollt ſind, muͤſſen auf das Sorgfaͤltigſte gewa - ſchen und gereiniget werden, ehe man ſie wieder gebraucht. Verſaͤumt man darin das Mindeſte, ſo darf man den neuen Teig weder ſelbſt benutzen, noch verkaufen oder verſchenken, ſondern muß ihn ins Waſſer ſchuͤtten.

Am Tage vor Oſtern wird um zehn Uhr Mor - gens das Mittagmahl gehalten, aber nicht in dem gewoͤhnlichen Zimmer. Damit in der bevorſtehenden Nacht die heiligen Kuchen beſſer munden, muß man mit leichter Koſt ſich begnuͤgen und darf ja nicht zu viel eſſen. Vom Mittag bis zur Nacht ſoll man nichts weiter genießen, blos mit Wein, Bier und Branntewein duͤrfen Jſraels trinkluſtige Kinder ih -304 ren Durſt loͤſchen; Waſſer iſt nur in ſehr geringem Maße erlaubt, weil es den Appetit zu den heiligen Kuchen ſchwaͤcht.

Die Erſtgebornen, ſelbſt der kleinſte Meſſias in der Wiege nicht ausgenommen, muͤſſen den gan - zen Tag vor Oſtern faſten, um ſich voll Dankes zu erinnern, daß der Herr unſer Gott in der Oſternacht, wo er alle aͤgyptiſche Erſtgeburt toͤdtete, die juͤdiſchen Erſtgeboruen verſchonte*)Damit der Herr unſer Gott in jener fuͤrchterlichen Nacht ſich nicht verſehen, und einen juͤdiſchen Erſt - gebornen, ſtatt eines aͤgyptiſchen, durch ſeinen Wuͤrg - engel moͤchte ſchaͤchten laſſen, mußten alle Juden die Pfoſten ihrer Thuͤren am Abend vorher mit Blut beſtreichen. 2 B. Moſ. Kap. 12. V. 22 und 23.. Fromme Juden laſſen an dieſem Tage auch die Erſtgeburt ihres Viehes faſten**)Dies hat mir nicht blos ein, zum Chriſtenthum uͤbergetretener Jude in Hamburg geſagt, der allge - mein fuͤr einen wahrheitliebenden Mann galt, ſon - dern auch mehrere boͤhmiſche Juden beſtaͤtigten es mir, und ſchienen es fuͤr einen wichtigen Beweis von Froͤmmigkeit zu halten..

Bis neun Uhr Abends ißt man am dreizehnten Niſan geſaͤuertes Brod. Nachher darf es Niemand beruͤhren, und ſelbſt nicht einmal anſehen, weshalb man es mit einer Schuͤſſel oder auf andere Weiſe bedeckt. Am Nachmittage bereits ſind alle Geſchaͤfte verboten, die nicht zur Feier und Verherrlichungder305der heiligen Tage erforderlich ſind. Kleidungsſtuͤcke zu Ehren des Feſtes darf man vom Schneider, Schuhmacher u. ſ. w. holen. Kurz vor Abend wird oben am Tiſche das Koͤnigsbette bereitet. Es iſt zum Sitzen fuͤr den Hausherrn, unter Umſtaͤn - den auch fuͤr die Hausfrau, beſtimmt, und hat eine Lehne von ſeidenen und ſammetnen Kiſſen, die bei den reichen Juden oft prachtvoll und auf das Koſt - barſte geſtickt, bei andern hingegen haͤufig ziemlich beſchmutzt und geflickt ſind. Dies Koͤnigsbette ſoll das Sinnbild eines Thrones ſeyn; denn jeder from - me iſraelitiſche Hausvater muß am heiligen Oſter - feſte ſich vorſtellen, daß er ein Koͤnig und ſeine Gemahlin eine Koͤnigin ſey, und ſelbſt die aͤrmſten Juden ſollen ſich fuͤr Fuͤrſten und Freiherren halten, die aus der Dienſtbarkeit erloͤst und nicht mehr in Aegypten gefangen ſind. Die, welche keine Tep - piche und ſchoͤne Kiſſen haben, und ſelbſt die, ſo von Almoſen leben, ſollen wenigſtens auf einem Lehnſtuhl ſitzen, um, wie Buxtorff ſagt, » ſich als Freiherren anlehnen zu koͤnnen. « Die, außer dem Koͤnigsbette, um den Tiſch ſtehenden, fuͤr die uͤbrigen Hausgenoſſen beſtimmten Lehnſtuͤhle muͤſſen gleichfalls mit Tuͤchern und Teppichen behangen ſeyn, welche denn nach Maßgabe des Wohlſtandes ſich ſehr unterſcheiden. Frauen und Maͤdchen brau - chen ſich nicht anzulehnen; haben aber auch in der Regel ihre Lehnſtuͤhle. Ueberhaupt iſt es PflichtII. Baͤndchen. 26306eines Jeden, ſeinen ganzen Reichthum, er moͤge ſo groß oder ſo gering ſeyn, wie er wolle, dieſem hohen Feſte zu Ehren auf das Vortheilhafteſte zur Schau zu ſtellen*)Orachchajim Nr. 472.. Wirklich findet man Jſraels Kinder zu keiner Zeit hochmuͤthiger, aufgeblaſener, anmaßender, zudringlicher und kecker, als gerade an ihrem Oſterfeſte.

Dieſes beginnt am dreizehnten Niſan Abends. Herrlich geſchmuͤckt eilen dann die Lieblinge Gottes in ihre Synagogen und plaͤrren und ſchreien ihre gewoͤhnlichen Gebete und Pſalmen. Nachher giebt der Chaſan von einem, vorher eingeſegneten Becher voll Wein jedem Knaben zu trinken. Erſt ſpaͤt in der Nacht laͤuft man eiligſt zur Synagoge hinaus, wuͤnſcht ſich gegenſeitig » guten Paſchah « und » gut Jahr « und dann geht es voll heiſſer Sehn - ſucht nach den heiligen Mitzvoskuchen in ſauſendem Galopp zu Hauſe. Letztere werden in einer koſt - baren Schuͤſſel aufgetragen. Der Kuchen Cohen oder der Prieſterkuchen von der erſten Nacht liegt von Gottes - und Rechtswegen oben; dann folgt der Kuchen Levi oder der Kuchen der Geiſtlichen, unter dieſem der Kuchen Jſrael und ganz unten der Kuchen Saphek oder der Kuchen der Ungewißheit und des Zweifels, der fuͤr eine Zugabe des andern und des achten Tages gilt, welche man deshalb307 feiert, weil man jetzt nicht mehr mit Beſtimmtheit weiß, an welchem Tage das Paſchahfeſt nach der alten Rechnung eigentlich beginnt, und an welchem es endet. Daß der Zweifelskuchen unten und der Prieſterkuchen oben liegt, iſt ganz Recht, denn Froͤmmigkeit und Wahrheit muͤſſen immer die Ober - hand haben.

Statt des Oſterlamms nimmt man ein gebra - tenes Schulterblatt von einem Kalbe, einem Lamm oder einer jungen Gais, und wenn man das nicht bekommen kann, ein anderes Stuͤck. Am liebſten hat man aber das Schulter - oder Vorderblatt, um dadurch Gottes allmaͤchtigen Arm zu bezeichnen, wo - mit er Abrahams glorreichen Saamen aus Aegyp - ten fuͤhrte. Als Gemuͤſe hiezu wird ein ſonderbares Gemiſch aus zerſtampften Aepfeln, Birnen, Man - deln, Nuͤſſen, Kaſtanien, Feigen, Citronen und dergleichen beſtehend, aufgeſetzt. Es iſt mit Wein gekocht, in Geſtalt eines Ziegelſteins zugerichtet, und mit vielem grob geſtoßenen Zimmt und anderm Gewuͤrz beſtreuet, wodurch es das Anſehen von zuſammen geknaͤtetem Lehm und Stroh erhaͤlt. Da - neben, auf dieſelbe Schuͤſſel, legt man etwas Meerrettigkraut und auf den ſinnbildlichen Ziegel - ſtein ein wenig geriebenen Meerrettig. » Hiebei ſollen wir gedenken, daß unſere Vaͤter in Aegypten Ziegel geſtrichen haben; und bei einem Salat von Peter - ſilien, Meerrettig, Kreſſe, Lattich, Kerbelkraut,26 *308nebſt einer kleinen Schuͤſſel mit Eſſig muͤſſen wir uns erinnern, daß unſere Vaͤter in Aegypten bit - tere Kraͤuter aßen. « Ein hartgebratenes Ey und Salz vertreten die Stelle der Opfer.

Wenn es die Verhaͤltniſſe irgend erlauben, ſetzt man fuͤr Jeden, vom großen Hausherrn und der dicken ſtattlichen Hausmama an bis zu dem kleinen Meſſias in der Wiege und dem lieblich duftenden Bluͤmchen in den Windeln herab einen Becher mit Wein auf den Tiſch. Jn der Mitte ſteht der groͤßte von allen, der Becher des Propheten Elias. Be - denkt man die ungeheure Menge aͤhnlicher Becher, die dem guten Propheten waͤhrend dieſes Feſtes eingeſchenkt werden, ſo ſollte man faſt an ſeiner Nuͤchternheit zweifeln! Allein Propheten und Poe - ten haben große Rechte und gewoͤhnlich ſtarken Durſt.

Die Hausfrau zuͤndet drei Feiertagslichter an, loͤſcht ſie wieder aus, und ſpricht, wenn ſie zum zweiten Mal brennen, den Segen daruͤber. Die Kinder empfangen, ſo wie am Sabbath, gleichfalls den Segen von beiden Eltern. Zum Eſſen erſcheint Jeder in ſeinem Todtenhemde; wer keines hat, muß ein anderes weißes Gewand anlegen. Mit den ſtolzen Worten: Jetzt ſind wir Koͤnige in Jſrael! ſetzt ſich der Hausherr auf ſein Koͤnigsbette. Als Koͤnig darf er weder ſich noch einem Andern Wein einſchenken; das muß ein Dritter thun. Jm Noth -309 fall bedient man ſich ſtatt des Weins auch eines andern Getraͤnks, z. B. Meth, Cyder oder Apfel - wein, Bier und dergleichen. Es wird von dem Baalbajis oder Hausvater auf dieſelbe Weiſe ein - geſegnet, wie der Wein. Man mag uͤbrigens dazu nehmen, welches Getraͤnk man will, ſo muß doch Jeder, und ſelbſt der, welcher es nie trinkt, oder dem es gar nachtheilig iſt, vier volle Becher davon leeren. Eine wichtige und noch unentſchiedene Streit - frage der iſraelitiſchen Gottesgelehrten iſt es: ob man vor dem Segenſprechen oder nachher die Haͤnde waſchen ſoll? Um nicht zu ſuͤndigen, nehmen ge - wiſſenhafte Leute ihre Zuflucht zu einer Liſt. Sie waſchen ſich nemlich vorher, und greifen waͤhrend des Segens an ihre bloßen Poſteriora oder an ei - nen andern, nicht appetitlichen Ort, um ſich zum zweiten Mal waſchen zu muͤſſen. Dies iſt unſtreitig das Vernuͤnftigſte. Nachher lehnt ſich Jeder recht gravitaͤtiſch und mit Ehrfurcht gebietendem Anſtan - de, wie Koͤnigen und Fuͤrſten es ziemt, an die linke Seite ſeines Seſſels und leert ſeinen Becher. Der Baalbajis oder Hausvater, der auch hinſicht - lich des Trinkens die Stelle des Propheten Elias vertritt, ſegnet hierauf den Salat mit den Wor - ten: gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt, der du mancherlei Kraͤuter auf Erden ge - ſchaffen haſt. Nun taucht Jeder etwas in Eßig und ißt es. Der Hausherr nimmt ſodann den Kuchen310 Jſrael von der erſten Nacht, bricht ihn in zwei Stuͤcke, legt das kleinere wieder an ſeinen vorigen Platz, wickelt das groͤßere in ein Handtuch, wel - ches er, gleich einer Reiſetaſche, uͤber die Achſel haͤngt, und darauf beginnt, wenn Kinder zugegen ſind, folgende Unterredung. Der Vater: Sehet, Jhr Kinder, ſo wie ich hier jetzt ſtehe, liefen einſt unſere Vaͤter, einen Stab in der Hand, und unge - ſaͤuerten Teig in der Taſche, aus Aegypten heraus. Der aͤlteſte Sohn oder ein Anderer fraͤgt: Mein, warum ſind ſie denn fortgelaufen? Der Vater: Weil der gottloſe Pharao, welchem die Hoͤlle ſey, ſie zu arbeiten zwang! Da ſandte der Herr unſer Gott, ein Koͤnig der Welt, ſeinen Knecht Moſes, welchem das Paradies ſey, zu unſern Vaͤtern, und Jeder mußte ſeinen Teig, der noch nicht geſaͤuert war, auf den Ruͤcken nehmen, und damit zum Lande hinauslaufen. Der Sohn: Aber, Tate, warum eſſen wir das Gruͤne von dem Meerrettig, und was bedeuten die zerſtampften Aepfel und Birnen, die mit Zimmet beſtreuet und wie ein Ziegelſtein geſtaltet ſind? Der Vater: Sie zeigen an, daß unſere Vaͤter in Aegypten mußten Ziegel ſtreichen, und Haͤckerling ſchneiden, um es unter den Lehm zu miſchen. Das Kraut vom Meerrettig bedeutet das Stroh und das Uebrige die Ziegel und den Lehm. Der Sohn: Warum eſſen wir den gerie - benen Meerrettig? Der Vater: Weil der gott -311 loſe Pharao, welchem die Hoͤlle ſey, unſere Vaͤter zur Arbeit zwang, die ihnen eben ſo bitter duͤnkte, wie uns der Meerrettig. So geht das alberne Geſchwaͤtz weiter, um nach Moſis Vorſchrift die Geſchichte der Einſetzung des Oſterlamms durch muͤndliche Ueberlieferung auf ihre Kinder zu ver - erben*)M. ſ. 2 Buch Moſ. 12. V. 26 und 27..

Waͤhrend dieſes Geſpraͤchs wird der Braten, das Ey und die Schuͤſſel mit dem Kuchen, welches, beim Zerbrechen des letztern, ſaͤmmtlich vom Tiſch genommen war, wieder aufgeſetzt, und Abrahams hungriger Saame faͤllt jetzt mit beiden Haͤnden uͤber das koͤſtliche Backwerk her, indem er mit vollem Munde und in lauten melodiſchen Toͤnen ſingt: Ceha lachma, di anjalu u. ſ. w., das heißt: So war das Brod der Armuth, das unſere Vaͤter in Aegypten aßen. Jhr Hungrigen kommet und eſſet! Jhr Duͤrftigen, kommet, und ſaͤttiget euch von dem Opfer des Oſterlamms. Dieſes Jahr ſind wir noch hier; im kuͤnftigen werden wir, wenn der hei - lige, hochgelobte Gott es nur will, im Lande Ka - naan ſeyn! Jetzt ſind wir Knechte; in Zukunft, wenn Gott es nur will, freie Kinder und Herren. Dies Gebet wird in chaldaͤiſcher Sprache geſungen, damit es der Teufel nicht verſtehen und ſich nicht gleichfalls zu Gaſte bitten moͤge.

312

Hierauf fuͤllt man den Becher zum zweiten Mal und in einem langen Geſang wird die herz - brechende Geſchichte vom Auszuge Jſraels aus Aegypten vorgetragen. Wenn man auf die zehn Plagen koͤmmt, womit die Aegypter gepeinigt wur - den, ſingt man ſehr langſam, und jeder ſpruͤtzt mit dem Finger etwas Wein aus dem Becher, um da - mit anzudeuten, daß jene Plagen auch ihre jetzigen Feinde, die Chriſten, treffen ſollen*)Minhagim S. 25.. Nachher erheben Alle ihre Becher und ſingen: Darum muͤſ - ſen wir bekennen, loben und preiſen den, der ſo viele Zeichen an uns und unſern Vaͤtern gethan hat; der uns aus der Dienſtbarkeit zur Freiheit, aus dem Leide zur Freude, aus dem Kummer zu froͤh - lichen Feſttagen, aus der Finſterniß zum Licht fuͤhrte! Laßt uns lobſingen, Halleluja u. ſ. w. Je - der leert den zweiten Becher; der Hausherr waͤſcht ſeine Haͤnde zum andern Mal, nimmt den Kuchen Cohen von der erſten Nacht und ſpricht: gelobet ſeyſt du unſer Gott, Koͤnig der Welt, der du das Brod aus der Erde hervorbringſt! Dann ſegnet er auch den zerbrochenen Kuchen Jſrael mit den Wor - ten ein: gelobet ſeyſt du, Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt, weil du uns durch dein Geſetz geheiliget und uns geboten haſt, ungeſaͤuertes Brod zu eſſen! Von beiden Kuchen bricht er hierauf etwas ab, ißtes313es und giebt den uͤbrigen gleichfalls. Bei dem Eſſen lehnen ſich alle ſehr vornehm an die linke Seite ihres Seſſels. Hernach taucht der Baalbajis oder Hauspapa etwas Salat in das Ziegelſteingemuͤſe, lobt dabei Gott, der geboten hat, bittere Kraͤuter zu eſſen, ißt davon und gebietet den andern, daſ - ſelbe zu thun. Hiebei darf man ſich aber nicht an - lehnen, denn » dies ſoll uns eine Erinnerung ſeyn, daß unſere Vaͤter Knechte waren und gezwungen wurden, zu arbeiten und Ziegel zu ſtreichen. «

Zum Beſchluß bricht der Baalbajis ein Stuͤck von dem dritten, oder mittelſten Kuchen, nemlich den Kuchen Levi von der erſten Nacht, und ißt es, ohne es einzutauchen.

Nach dieſen ſinnloſen Poſſen, die weder das Herz veredeln, noch den Geiſt erheben koͤnnen, be - ginnt endlich die eigentliche Mahlzeit, wobei tapfer gezecht wird; denn die vier geſegneten Becher, wel - che man Gott und dem Feſt zu Ehren trinken muß, werden nicht gerechnet. Gegen Mitternacht langt der Baalbajis das erſte Stuͤck Kuchen Jſrael, welches er vorhin in einem Tuche uͤber die Achſel gehaͤngt und nachher unter der Ruͤcklehne ſeines Koͤnigsbettes verborgen hielt, wieder hervor, ißt etwas und theilt allen andern ein Stuͤckchen davon mit. Darauf waͤſcht man die Haͤnde, und der dritte geſegnete Becher wird gefuͤllt und getrunken.

Auf das Abendgebet nach Tiſche folgt der vierteII. Baͤndchen. 27314Becher. Der Hausvater ergreift den ſeinigen und ſpricht in hoher Begeiſterung das Fluchgebet Sche - photh gegen uns arme Gojim: Schuͤtte deinen Zorn aus uͤber die Heiden, die dich nicht kennen, und uͤber die Koͤnigreiche, die deinen Namen nicht anrufen. Schuͤtte deinen Zorn aus uͤber ſie, und der Grimm deines Zorns ſoll ſie ergreifen. Ver - folge ſie mit Wuth und rotte ſie unter dem Himmel aus u. ſ. w. Waͤhrend dieſes ſchaͤndlichen Fluch - gebets, welches gegen alle Nichtjuden, beſonders aber gegen die Chriſten gerichtet und aus mehreren Stellen der Pſalme Davids zuſammen geſetzt iſt, laͤuft einer hinaus und oͤffnet die Hausthuͤren, da - mit die Gojim es hoͤren ſollen, und um zugleich anzudeuten, daß man in der bevorſtehenden Nacht vor allen Ueberfaͤllen ſicher ſey, und ſich vor den Chriſten nicht fuͤrchte. Vorzuͤglich eifrig flehet man an dieſem Abende um die baldige Ankunft des Meſ - ſias und des Elias, und um Wiederherſtellung der heiligen Stadt und des Tempels. Die Worte des letzten Gebets, (Addir hu jibneh beſo bekarobh u. ſ. w.) worin dies geſchieht, ſind zu erbaulich, als daß ſie hier duͤrften uͤbergangen werden: » All - maͤchtiger Gott, nun baue deinen Tempel, in Kur - zem, recht bald, bald, bald, bald! Jn unſern Tagen baue, bau, bau, bau deinen Tempel bald! Barmherziger Gott, großer Gott, demuͤthiger Gott, hoher Gott, ſchoͤner Gott, ſuͤßer Gott, tugendhaf -315 ter Gott, juͤdiſcher Gott, nun baue deinen Tem - pel in Kurzem, naͤchſtens, recht bald, bald, bald! Jn unſern Tagen, recht bald, bald, bald, bald! Nun bau, bau, bau, bau, bau deinen Tempel bald! Starker Gott, lebendiger Gott, maͤchtiger Gott, beruͤhmter Gott, ſanftmuͤthiger Gott, ewiger Gott, furchtbarer Gott, freundlicher Gott, koͤnig - licher Gott, reicher Gott, trauter Gott, nun bau deinen Tempel in Kurzem, recht bald, bald, bald, bald! Jn unſern Tagen, in Kurzem, recht bald, bald; nun bau, bau, bau, bau, bau, bau, deinen Tempel bald, bald, bald, bald, recht bald! «

Der Judengott muß in der That ein ſehr ge - duldiger oder hochherziger und harthoͤriger Gott ſeyn, da er ſich ſo lange mit dergleichen Gebeten quaͤlen laͤßt.

Nach dem vierten geſegneten Becher darf Nie - mand mehr Wein trinken, welches auch ſehr uͤber - fluͤßig ſeyn wuͤrde, da in der Regel Alle, und be - ſonders der Hausvater, der ſowohl fuͤr ſich, als den Propheten Elias trinken muß, ziemlich ſchwer berauſcht ſind. Den Kranken und denen, die eine Unpaͤßlichkeit vorſchuͤtzen, iſt indeſſen noch ein Be - cher erlaubt.

Mit frohem Herzen und in der ſichern Ueber - zeugung, daß weder Menſch, noch Teufel Jſraels Kindern in dieſer Nacht ſchaden koͤnne, legen unſere Glaubenshelden ſich endlich zu Bette, und laſſen27 *316ihre Hausthuͤren offen ſtehen, um die Staͤrke ihres Vertrauens zu dem Gott Abrahams, Jſaaks und Jakobs zu beurkunden. Die Schuͤſſel mit dem uͤbrig - gebliebenen Kuchen wird nebſt einem Becher voll Wein fuͤr den Propheten Elias auf den Tiſch ge - ſetzt, damit dieſer fuͤr ſeinen Durſt auch in der Nacht etwas finde.

Die geſegneten vier Becher ſollen zu Sinnbil - dern der vier Wohlthaten dienen, welche in den Worten enthalten ſind: ich will euch herausfuͤhren aus den Laſten der Aegypter; ich will euch heraus - reißen aus ihrer Dienſtbarkeit; ich will euch erloͤ - ſen durch einen ausgeſtreckten Arm und durch große Gerichte; ich will euch annehmen mir zum Volk; 2 B. Moſ. 6. V. 6.*)Rabbi Bechai’s Auslegung der fuͤnf Buͤcher Moſis Paraſcha Vaera.. Das Fluchgebet Schephoth gegen die Chriſten wird beim vierten Becher ge - ſprochen, weil Gott der Herr am Tage der Rache den Chriſten und allen Nichtjuden vier Becher ſeines Zorns und ſeiner Strafen einſchenken und zu trinken geben wird, wie geſchrieben ſteht: Nimm den Kelch mit dem Wein dieſes Zorns von meiner Haud, und ſchenke daraus allen Voͤlkern. Babylon iſt ein goldner Kelch in der Hand des Herrn. Feuer und Schwefel und Sturmwind des Ungewit - ters wird ihres Kelchs Theil ſeyn. Es iſt ein Kelch317 des Herrn mit ſtarkem und gemiſchtem Wein ge - fuͤllt; und er hat ihn geneigt von einer Seite zur andern*)R. Bechai a. a. O. Man vergleiche Jeremias Kap. 25. V. 15 und 51. V. 7, Pſalm 10. V. 6. und Pſalm 74. V. 9..

Gluͤcklicher Weiſe iſt das hoͤchſte Weſen kein ſo grimmiger Gott, als die Eiferer faſt der meiſten Glaubensſekten einander drohen; ſonſt waͤren ſie ſchon alle von der Erde vertilgt. Welchen Gefallen kann aber der guͤtige, allliebende Vater im Himmel daran haben, wenn ein Theil ſeiner Kinder ihn gegen die uͤbrigen durch ſtuͤrmiſche Gebete zum Zorn zu entflammen ſucht? Muß er nicht den Betenden mit Unwillen betrachten, und ſeine racheſchnauben - den Pſalme mit Abſcheu hoͤren? Dieſen giftigen, gehaͤßigen und eifernden Ton, der noch jetzt in allen iſraelitiſchen, und leider ſogar in manchen chriſtlichen Gebeten herrſcht, fuͤhrte zuerſt oder doch hauptſaͤchlich der veraͤchtliche David ein, der, wo wir nicht irren, mehr noch als die meiſten ſeiner Feinde der Nachſicht des hoͤchſten Richters bedurfte.

Hier muß ich bemerken, daß Kirchner**)Kirchner war von der juͤdiſchen zur chriſtlichen Religion uͤbergetreten, und verdient daher wohl Glauben. Allein ſein Buch verraͤth ſo wenig Kennt - niß des Talmuds und iſt mit ſolcher Verworrenheit abgefaßt, daß es ſchwer iſt, ſich daraus eine voll -, Jun -318 gendres und Andere in ihren Darſtellungen der fruͤherhin angefuͤhrten Oſterfeierlichkeiten von der meinigen abweichen, wobei ich, obgleich nicht ganz, doch groͤßtentheils Buxtorff gefolgt bin. Zu - verlaͤßig hat dieſe Verſchiedenheit der Berichte in der Verſchiedenheit der Gebraͤuche ſelbſt ihren Grund, die eben ſo wenig bei den Juden, wie bei uns Chriſten ſich uͤberall ganz gleich ſind. Aber da ich nicht wiſſen kann, welche von dieſen Gebraͤuchen am allgemeinſten herrſchen, ſo theile ich in der Kuͤrze der Vollſtaͤndigkeit halber die Abweichungen jener Schriftſteller mit. Hiedurch ſoll jedoch der Richtigkeit der vorhergehenden, aus eben ſo guten, und zum Theil aus viel beſſern Quellen ge - ſchoͤpften Nachrichten keineswegs im Mindeſten wi - derſprochen ſeyn. Die folgenden Abweichungen be - weiſen blos, daß die vorhin erzaͤhlten Gebraͤuche**)ſtaͤndige und deutliche Vorſtellung der kirchlichen Ceremonien der Juden zu bilden. Ueberdies bleibt er gewoͤhnlich auf der Oberflaͤche ſtehen, ohne, wie Buxtorff u. ſ. w., die Urſachen und Bedeutungen dieſer und jener Gebraͤuche anzugeben. Jungendres, der ihn verbeſſern und berichtigen wollte, machte blos einige Anmerkungen, die man in Pfefferkorns, Sebaſtian Schmidt’s, Buxtorffs, Muͤllers und an - dern Schriften, und auch in J. Ch. Wagenſeils Nachricht wegen einiger das Judenthum betreffender Sachen Leipz. 1705, 2 Theile beſſer und zuſammen - haͤngender findet.319 vielleicht an den meiſten Orten gelten; daß aber Ausnahmen davon ſtatt finden.

Waͤhrend jener Unterredung des Hausvaters und der Uebrigen mit den Kindern uͤber die Ent - ſtehung und den Zweck des Oſterfeſtes, nimmt der erſtere die andere, noch auf der Schuͤſſel befindliche Haͤlfte des Kuchens Jſrael und die Haͤlfte des Ku - chens Levi von der erſten Nacht, ſegnet beides ein, giebt Jedem davon und ißt ſelbſt. Hierauf vertheilt er unter Alle noch ein Stuͤck Kuchen mit etwas Meerrettig, welches ganz aufgegeſſen werden muß. Mit einer in Salzwaſſer getauchten Peterſilie ge - ſchieht daſſelbe. Nach dem Eſſen und dem Segen wird wieder etwas Meerrettig in das, als Ziegel - ſtein geformte Obſtgemuͤſe getaucht, und ausgetheilt. Das Uebriggebliebene legt man in die Schuͤſſel, welche von Allen zugleich mit der rechten Hand in die Hoͤhe gehoben wird, worauf der Hausvater noch einen Segen ſpricht, und dann ſingt man: Wahrhaftig dies iſt das Brod, das unſere Eltern in Aegypten gegeſſen u. ſ. w. Der Hausvater ver - birgt die Haͤlfte des Kuchens Jſrael von der erſten Nacht unter das Hauptkiſſen ſeines Koͤnigsbettes, und lehnt ſich daran. Zu Ende der Mahlzeit zieht er es wieder hervor, und giebt jedem der Tiſchge - noſſen ein Stuͤck; wer das Meiſte davon ißt, der hat ein beſonderes verdienſtliches Werk gethan*)Woran wir keinen Zweifel han!!. 320Die Geſchichte des Ausgangs der Jſraeliten aus Aegypten wird aus einem Buche, Maniſthana genannt, vorgeleſen. Von jedem der, in der Schuͤſ - ſel liegenden Gegenſtaͤnde handelt ein beſonderes Kapitel. Wenn eins dieſer Dinge beim Leſen er - waͤhnt wird, zeigt man mit dem Finger darauf. Endlich, nach der eigentlichen Mahlzeit ſtellt man die Schuͤſſel bedeckt auf den Tiſch, und fuͤllt die ſaͤmmtlichen, rings um den Kelch des Propheten Elias ſtehenden Becher zum vierten Mal, ſingt den 113ten bis 119ten Pſalm mit großer Andacht, und trinkt nach geſprochenem Segen den letzten Wein.

Am erſten Oſtertage wird der Morgengottes - dienſt mit einer Menge von Ceremonien und Gebe - ten gefeiert. Oft hebt man nicht allein ein Geſetz - buch, ſondern deren wohl zwei aus der Arche, und fuͤnf Maͤnner werden aufgerufen, um daraus vor - zuleſen; faͤllt der Tag gerade auf einen Sabbath, ſo muͤſſen es ſieben thun. Nachher ſpricht der Prieſter (Cohen) mit ausgebreiteten Fingern uͤber das Volk den Segen. Es iſt aber ernſtlichſt verbo - ten, den Prieſtern oder Cohenim hiebei, auf die Finger zu ſehen, weil die Schechinah, die Herr - lichkeit Gottes dann auf ihren Haͤnden ruht, und man durch das Anſchauen derſelben blind wird*)Minhagim S. 27; Orachchajim Nr. 484 u. ff.. Tout comme chez nous! Auch unſere Prieſter321 haben es nicht gerne, daß man ihnen ſtrenge auf die Finger ſieht. Sie fuͤrchten zwar nicht, daß wir Laien blind davon werden, aber daß wir zu viel ſehen moͤchten.

Bei dem Mittagmahl iſt man ſehr luſtig, und ſpricht fleißig dem Becher zu. Eſſen darf man hin - gegen nicht viel, um nicht den Appetit zu den Ku - chen zu verderben. Mit der haſtigſten Eile wird die Abendandacht gehalten, denn erſt nachher darf wieder gekocht werden, und man ſoll, was wirklich vernuͤnftig iſt, uͤber die Kirche nicht die Kuͤche und uͤber das Beten nicht das Eſſen vergeſſen. Die Feierlichkeiten des Nachtmahls ſind denen der vori - gen Nacht gleich; blos die Kuchen, welche man jetzt ißt, werden Kuchen der zweiten Nacht genannt, z. B. Kuchen Cohen der zweiten Nacht. Der zweite Tag wird auf gleiche Weiſe, und, wie geſagt, deshalb gefeiert, weil man nicht weiß, ob der Tag, den man als den erſten begieng, wirklich der erſte war; waͤre er es nicht geweſen, ſo ſoll es doch dieſer ſeyn. Die vier folgenden Tage gelten nur fuͤr halbe Feſttage. Der ſiebente wird wieder, nach moſaiſcher Anordnung, mit vielem Gepraͤnge ganz geheiligt; auch wird die Thorah zweimal aus der Arche gehoben. Daſſelbe geſchieht am achten Tage, aus der gleichen Urſache, weshalb man den zwei - ten Tag feierte. Um dem heiligen, hochgelobten Gott zu zeigen, daß man nicht laͤnger, als er322 geboten hat, Oſtern haͤlt, bringt man zu Ende des achten Tages wieder mit einigen Ceremonien unge - ſaͤuertes Brod ins Haus. Sollte Jemand am er - ſten oder zweiten Oſtertage aber einen Brocken ge - ſaͤuerten Brods finden, ſo darf er ihn nicht aufhe - ben, ſondern muß ihn mit einer Schuͤſſel oder einem Teller bedecken, und nach Oſtern wird das ungluͤckliche Broſaͤmlein feierlich und von Rechts - wegen verbrannt. Nach dem Feſte muͤſſen die Maͤnner an zwei Montagen und einem Donners - tage faſten, um dafuͤr zu buͤßen, wenn ſie etwa das heilige Feſt nicht gehoͤrig gefeiert oder ſonſt etwas verſehen haben ſollten.

Ueber die Art und die Zubereitung der Oſter - ſpeiſen, und uͤber das, was man waͤhrend des Feſtes thun und laſſen ſoll, iſt viel Streit zwiſchen Jſraels frommen Gottesgelehrten geweſen. Fol - gende Vorſchriften ſind allgemein geltend.

An allen Feiertagen mit Ausſchluß der Sab - bathe darf man ſolche Speiſen kochen und braten, die durch eine fruͤhere Zubereitung an ihrem Ge - ſchmack verlieren wuͤrden. An einem Feiertage ſoll man nicht mehr kochen, als man gerade fuͤr den Tag gebraucht; indeſſen iſt es erlaubt, um die Suppe ſtaͤrker und wohlſchmeckender zu machen, mehr Fleiſch zu nehmen, als gegeſſen wird; nur braten darf man es dann nicht.

Du ſollſt, wenn du am Feiertage Gewuͤrze323 ſtoͤßeſt, den Moͤrſer auf die Seite halten und den Stoͤßer umkehren. Ein Aehnliches gilt vom Kaffe - mahlen, Zuckerſchlagen und dergleichen. Ueberhaupt ſollſt du in allen Dingen die Arbeit am Feiertage anders, als am Werktage machen.

Du ſollſt, wenn du am Feiertage ein Huhn, eine Gans oder dergleichen fuͤlleſt, den Faden, wo - mit du es zunaͤheſt, nicht abreißen oder abſchneiden, ſondern abbrennen; auch mußt du die Nadel den Tag vorher einfaͤdeln, denn du ſollſt den Feiertag heiligen, und nicht arbeiten.

Teller, Schuͤſſeln und Taſſen, die du am Morgen gebraucht haſt, ſollſt du am Feiertage nicht waſchen oder ausſpuͤhlen, um ſie auf den Abend zu gebrauchen; ſondern du mußt andere nehmen.

Du ſollſt keine Voͤgel, Fiſche und wilde Thiere am Feiertage fangen und jagen, und ſelbſt die, ſo ein Goi an ſolchem Tage gefangen hat und dir verkauft oder ſchenkt, ſollſt du erſt post ſestum eſſen. Zahmes Federvieh darfſt du greifen und ſchaͤchten.

Du ſollſt keinen Goi auf einen Feiertag zu Gaſte bitten, damit du ſeinetwegen nicht mehr zu kochen und zu thun brauchſt, als noͤthig iſt. Koͤmmt er zufaͤllig, und du kannſt ihn mit guter Manier nicht los werden, ſo mag er miteſſen.

Du ſollſt am Feiertage wegen eines boͤſen Traums nicht faſten, denn es ſtehet geſchrieben: du324 ſollſt an deinen Feiertagen eine recht froͤhliche Mahl - zeit halten, und vergnuͤgt und luſtig ſeyn. Das kannſt du mit leerem Magen nicht; darum ſollſt du eſſen und trinken. Am Sabbath kannſt du faſten, wenn etwas Uebles dir traͤumte, denn der Sab - bath heißt Oneg oder Wolluſt, und wenn das Fa - ſten dir eine Wolluſt gewaͤhrt, ſo heiligſt du den Sabbath damit.

Am Feiertage ſollſt du lachen und froͤhlich ſeyn, und nicht weinen. Das Letztere kannſt du an einem Werktage, oder wenn es dir eine Wolluſt gewaͤhrt, an einem Sabbath thun. An andern Feſttagen iſt das Weinen ſtrenge verboten; wer lachen ſoll, darf nicht weinen.

Ein Kind darfſt du freilich am Feiertage in warmem Waſſer baden, welches eine Juͤdin gewaͤrmt hat; allein ein erwachſener Jude ſoll ſich weder darin baden, noch waſchen, und ſelbſt dann nicht, wenn ein Goi es gewaͤrmt haͤtte.

Du ſollſt ſo wenig an einem Sabbath, als an einem andern Feiertage einen Docht aus einer Lampe in die andere thun. Wenn du ein brennen - des Licht an ſolchen Tagen ausloͤſchen willſt, ſo mußt du es nicht mit der Scheere oder einem Meſ - ſer abſchneiden, ſondern es ins Waſſer ſetzen, da - mit es beim Niederbrennen ſelbſt verloͤſcht.

Die vier mittelſten Tage des Oſterfeſtes wer - den, wie geſagt, zwar nur fuͤr halbe Feiertage325 gehalten; indeſſen darf man doch keine Arbeiten des gewoͤhnlichen Gewerbes verrichten. Blos ſolche Geſchaͤfte ſind erlaubt, durch deren Unterlaſſung ein augenſcheinlicher Nachtheil entſtehen wuͤrde, und die eigentlich nicht als wirkliche Erwerbzweige zu betrachten ſind, z. B. das Melken der Kuͤhe und dergleichen. Alle uͤbrigen Arbeiten, als Acker - und Gartenbau, Spinnen, Naͤhen, Weben u. ſ. w. ſind verboten. Mit dem Schachern, Wuchern, Geld - zaͤhlen und Stehlen wird es in Berlin, Frankfurt, Strasburg und Paris von gebildeten und aufge - klaͤrten Juden waͤhrend dieſer halben Feiertage ſo ſtrenge nicht genommen, weil unſer Verkehr ſonſt zu ſehr leiden wuͤrde, und das Geld doch immer beſſer iſt, als das Geſetz. Auch darf man einem Kinde, nur keinem Alten, die Haare abſchneiden, Meſſer wetzen, Leinwand glaͤtten, Tiſch - und Kuͤ - chengeſchirre reinigen und dergleichen. Das Waſchen von Kleidungsſtuͤcken u. ſ. w. iſt, mit Ausſchluß der Kinderwindeln, ſtrenge verboten; wer aber nicht mehr, als ein Hemde hat, darf es ſich waſchen, doch muß dies im Verborgenen geſchehen. Eine wichtige und ſchwierige Frage, woruͤber die juͤdi - ſchen Gottesgelehrten ſich ſehr die Koͤpfe zerbrachen, und viele Ballen Papier verſchrieben, war es: ob man ſich an den halben Oſterfeiertagen die Naͤgel beſchneiden duͤrfe, oder nicht. Freiſinnige Neologen erlaubten es, allein die Orthodoxen behielten, wie326 in der Regel, die Oberhand und verboten es als die groͤßte Suͤnde. Blos den Frauen ward es zu ſolchen Zeiten geſtattet, wenn ſie gewiſſer Urſachen halber baden muͤſſen.

Uebrigens gilt bei den halben Oſterfeiertagen gleichfalls die vorhin bemerkte Vorſchrift: daß man alle Geſchaͤfte auf eine andere, als die gewoͤhnliche Weiſe verrichten muͤſſe, um dadurch die heiligen Tage von den Werktagen zu unterſcheiden.

Von der zweiten Oſternacht bis Pfingſten wer - den neun und vierzig Tage gezaͤhlt, wobei man jedes Mal vorher den Segen ſpricht: Gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt, der du uns durch dein Geſetz geheiliget und uns gebo - ten haſt, das Omer (die Tage der Erndte) zu zaͤh - len, » und heute iſt der erſte Tag. « So faͤhrt man fort bis zum ſiebenten Tage, dann wird hinzuge - ſetzt: » und heute ſind es ſieben Tage, die machen eine Woche. « Am achten heißt es: » heute ſind es acht Tage, die machen eine Woche und einen Tag; « und ſo ferner. Wer nicht vor dem Schlafengehen jeden Abend den obigen Segen ſpricht, der be - koͤmmt, gleich einem Meſſer, eine Scharte in der Seele, wovon die letztere ganz muͤrbe wird und zerbroͤckelt. Eine ſolche Seelenſcharte iſt blos durch große Buße, Faſten, Almoſen und Geſchenke an die Cohenim oder Prieſter und Synagogen wie - der auszuwetzen. Auch Kindern, die erſt anfangen327 zu ſprechen, muß man an jedem Abende der neun und vierzig Tage den Segen vorbeten, ſonſt wer - den nicht allein ihre Seelen, ſondern auch jene der Eltern ſchartig, und dieſe muͤſſen dafuͤr buͤßen. Die Weiber ſind nicht zum Zaͤhlen verpflichtet, weil ſie von der Beobachtung mancher Gebote oder Mitzvos freigeſprochen ſind. Thun ſie es aber, ſo rechnet der heilige, hochgelobte Gott es ihnen als ein be - ſonderes Verdienſt an. Von dieſem Zaͤhlen, wel - ches immer ſtehend geſchehen muß, im naͤchſten Ab - ſchnitt ein Mehreres!

Jn den erſten drei und dreißig Tagen nach dem Oſterfeſte ſind Jſraels Kinder ſehr traurig. Sie geben keine Hochzeiten, tanzen, ſpatzieren, ſpie - len und baden nicht; laſſen ſich weder Bart, noch Haare ſcheeren; ziehen keine neue Kleider an, und meiden jedes Vergnuͤgen außer dem Wucher und Schacher. Manche nehmen es freilich nicht ſehr ſtrenge damit, und ſuchen, wenigſtens im Aeußern zu zeigen, daß ſie aufgeklaͤrt ſind; indeſſen herrſcht doch bei ihnen gleichfalls ein groͤßerer Ernſt, als zu andern Zeiten. Zu dieſer Trauer haben ſie wich - tige Urſachen. Rabbi Akibha, auf welchem der Friede ſey, hatte vier und zwanzig tauſend Talmi - dim oder Juͤnger, ſaͤmmtlich große und fromme Gottesgelehrte, die aber alle zwiſchen Oſtern und Pfingſten ſtarben, weil ſie heftig gegen einander eiferten, ſich verleumdeten, ſchmaͤheten, und nicht,328 wie ſie haͤtten thun ſollen, ſich wechſelſeitig liebten und ehrten. Wegen des Abſterbens dieſer frommen Maͤnner iſt Abrahams Saame mit Recht noch jetzt ſehr betruͤbt, und auch die Frauen duͤrfen deshalb waͤhrend der drei und dreißig Tage zur Abendzeit nicht die mindeſte Arbeit thun. Am letzten der Jammertage, wo das Viehſterben unter den Juͤn - gern des Rabbi Akibha geſegneten Andenkens na - tuͤrlich aufhoͤren mußte, weil keine mehr uͤbrig waren, iſt man wieder heiter und froh, ſchmuͤckt ſich aufs Beſte, haͤlt luſtige Mahlzeiten und Trinkgelage, und laͤßt die zaͤnkiſchen Todten in Frieden ruhen*)Orachchajim Nr. 493..

Das329

Das Pfingſtfeſt.

Das zweite Hauptfeſt der Juden iſt das Pfingſt - feſt oder ſogenannte Feſt der Wochen, Chag Schebhuos genannt. Schon in der vorhergehen - den Abhandlung erzaͤhlte ich, wie ſie neun und vierzig Tage von der zweiten Oſternacht bis Pfing - ſten zaͤhlen. Dieſer Gebrauch gruͤndet ſich auf die moſaiſchen Einſetzungsworte: Du ſollſt ſieben Wo - chen zaͤhlen; von dem Tage an, wo man angefan - gen hat, die Saat mit der Sichel zu ſchneiden, ſollſt du ſieben Wochen zaͤhlen; 4 Buch Moſ. 16. V. 9. Jm alten Teſtamente wird dies Feſt auch das Feſt der Erndte oder der Erſtlinge genannt.

Nach den Verſicherungen der Rabbinen befahl Gott den Jſraeliten die Wochen und Tage zu zaͤh - len, damit ſie uͤber der vielen Erndtearbeit nicht vergaͤßen, zur Feier des Pfingſtfeſtes nach Jeruſa - lem zu gehen. Dies war ein vortreffliches Erinne - rungsmittel, denn das Zaͤhlen iſt dem Juden ein zu liebes Geſchaͤft, als daß er es jemals vergeſſen ſollte. Außerdem hat, wie die Talmudiſten verſi - chern, Gott ſich hiedurch mit einem Koͤnige ver -II. Baͤndchen. 28330gleichen wollen, der einem gefangenen Fuͤrſten ver - ſpricht, ihn nach einer beſtimmten Anzahl von Wochen in Freiheit zu ſetzen, und ihm ſogar ſeine eigene Tochter zur Gemahlin zu geben. Der fuͤrſtliche Gefangene zaͤhlt dann voll heiſſer Sehnſucht Wochen und Tage, wo er die Freiheit erhalten, und die koͤnigliche Prinzeſſin an ſein liebevolles Herz druͤcken ſoll, und ſo zaͤhlen Jſraels Kinder gleichfalls. Der gefangene Fuͤrſt iſt natuͤrlich kein anderer als Abra - hams durchlauchtiger Saame, und die holde koͤnig - liche Braut iſt die Thorah oder das Geſetz.

Die letztere wird am fuͤnften Sivan auf das Koſtbarſte mit Gold, Perlen und Edelgeſteinen und mit duftenden Kraͤnzen behangen. Synagogen, Haͤuſer und Zimmer ziert man gleichfalls mit Maien und Blumenguirlanden, mit Citronen und andern ſchoͤnen und ſeltenen Fruͤchten; und Jſraels reizende Toͤchter ſchmuͤcken ihr glaͤnzendes wolligtes Raben - haar und den vollen, dukatenfarbenen Buſen mit Roſen, Nelken und Vergißmeinnicht. Alle, Greiſe und Juͤnglinge, Maͤnner und Kinder, Frauen und Maͤdchen gehen froh, ſtolz und feierlich in Hochzeitkleidern einher.

Die Abendandacht (Minchah) iſt die gewoͤhn - liche. Erſt nach dem Nachteſſen beginnen in der Synagoge die eigentlichen Feierlichkeiten Tikkunel Schebuat, Ordnung des Pfingſtfeſtes genannt. Das Geſetz wird zweimal aus der Arche gehoben,331 und der Chaſan ruft fuͤnf Maͤnner zum Mitleſen einiger Kapitel und Opfergeſetze auf. Außer gewiſ - ſen, fuͤr jeden Pfingſttag beſtimmten Pſalmen, die man ſtehend herſagt, muß Jeder, der waͤhrend ei - nem Jahre ſeinen Vater oder ſeine Mutter verlor, das Kadeſch oder Kaddiſch*)Vom Kaddiſch ſehe man auch S. 231 des erſten Bandes, wo es aber unrichtig Raddiſch genannt iſt. in der Synagoge laut beten, und alle Anweſenden antworten Amen Jche Schemaraba! d. h. Ja, er, der Verſtor - bene, ſoll Theil am ewigen Leben haben. Das Kaddiſch darf nur in Gegenwart von zehn Manns - perſonen, die wenigſtens dreizehn Jahr und einen Tag alt ſeyn muͤſſen, geſprochen werden. Wenn man es am fuͤnften Sivan betet, laufen Jſraels gottesfuͤrchtige Kindlein alle » mit Stuͤrmen « in den Tempel, als ob der Meſſias kaͤme, und dann dauert die Andacht oft lange bis nach Sonnenauf - gang des folgenden Tages.

Da jetzt die Opfer hinwegfallen, ſo ſind die kirchlichen Feierlichkeiten am Pfingſtfeſte weniger bedeutend, als an den uͤbrigen hohen Feſttagen oder Schaboſch Regalim. An den Nachmittagen wird in der Regel gepredigt und aus dem Buche Ruth vor - geleſen, weil die darin erzaͤhlte Geſchichte ſich in dieſer Jahrzeit ſoll zugetragen haben. Mit dem28 *332ſechsten Sivan ſind die neun und vierzig Zaͤhltage oder ſieben Wochen vollendet, und deshalb heißt dieſer Tag Schebuas, die Wochen. Am Morgen wird auf eine poſſierliche Weiſe gebeichtet; man ſtellt ſich nemlich in kaltes Waſſer, ſpricht ſtehend ein Suͤndenbekenntniß, Aſahamnu oder die Schuldbeichte genannt, und ſchlaͤgt bei jedem Wort kraͤftig mit der rechten Hand auf die linke Bruſt, zum Zeichen herzlicher Reue. Ueberhaupt ſind die Hebraͤer ſehr bußfertig; jedesmal, wenn ſie einen Regenbogen*)Sie glauben im Regenbogen den Namen Jehovah mit hebraͤiſchen Buchſtaben zu leſen. ſehen, laufen ſie aus ihren Haͤu - ſern, bekennen Gott ihre Suͤnden, und verſichern, daß ſie ſaͤmmtlich verdienten, durch eine zweite Suͤndfluth erſaͤuft zu werden. Dies Geſtaͤndniß iſt freilich ſehr wahr; aber nicht wieder ſuͤndigen, waͤre doch beſſer. Ueberhaupt giebt es unter allen kirch - lichen Gebraͤuchen keinen, der laͤcherlicher waͤre, als die Beichte. Sollte das hoͤchſte Weſen nicht ohne unſer Bekenntniß es wiſſen, daß wir ſchwache, der Leidenſchaft und dem Jrrthum unterworfene Men - ſchen ſind? Koͤnnen wir durch das ſinnloſe Her - plaͤrren unſrer Thorheiten und Suͤnden wohl eine einzige ungeſchehen machen, und die ſchlimmen Fol - gen derſelben aufheben? Jn faſt allen poſitiven Religionen findet man dieſe Albernheit, die durch333 pfaͤffiſche Neugier und aͤngſtlichen Argwohn erfun - den ward, um auch die geheimſten Gedanken der armen verblendeten Menge zu erforſchen.

Erſt, wenn ſie ſich gebadet haben, gehen Jſraels Kinder am zweiten Pfingſttage in die Sy - nagoge und beten. Darauf bringen die Leviten friſches Waſſer zu der Arche (Aaron hakkodeſch). Einige von ihnen halten das Waſchbecken, andere das Handtuch und einer gießt den Prieſtern oder Cohenim Waſſer zum Waſchen auf die Haͤnde. Nach - her treten die Prieſter, ohne Schuhe zum heiligen Schrank, Aaron hakkodeſch, binden ihre Hauptte - phillim vor die Stirne, halten die Haͤnde vor die Augen, ſo daß zwei und zwei Finger von jeder Hand neben einander ruhen, und der Rabbi ſpricht: der Herr ſegne euch u. ſ. w. Die Cohenim ſingen daſſelbe, und halten bei jedem Wort etwas inne, damit die Zuhoͤrer Amen ſagen koͤnnen. Hernach nehmen ſie die Thorah aus der Arche, und plaͤrren in hoͤchſt widerlichen Toͤnen aus einem Buche, Ma - ſcher genannt, mehrere Verſe, welche die Pfingſt - gebote enthalten. Dann wird der Geſang Hada - kamus angeſtimmt*)Dieſer Geſang wird in chaldaͤiſcher Sprache geſun - gen, denn ſonſt wuͤrden die heiligen Engel, welche zwar Hebraͤiſch, aber kein Chaldaͤiſch verſtehen, Abrahams Saamen die herrliche Mahlzeit beneiden., der von dem großen Fiſch334 Leviathan, dem ungeheuern Ochſen Behemoth dem Vogel Barzuchne und dem koͤſtlichen Wein aus Adams Keller handelt, womit der Meſſias die Jſrae - liten nach ihrer Heimkehr in Kanaan bewirthen wird. Jedem Nachkommen Abrahams ſoll bei dieſem groſ - ſen Gaſtmahl ein goldner, mit Diamanten und andern koͤſtlichen Edelgeſteinen beſetzter Becher, der zweihundert und ſechzehn Oxhoft haͤlt, voll des herrlichſten Weins gereicht werden, welchen Adam noch im Paradieſe gekeltert und der heilige, hoch - gelobte Gott zu dieſem Feſte aufbewahrt hat. Dann werden die Chriſten und uͤbrigen Voͤlker, die von dem Schwerdt des Meſſias verſchont blieben, Jſraels Sklaven; ihre Kaiſer, Koͤnige und Fuͤrſten die Kammerdiener, Lakaien, Saͤnftentraͤger, Kutſcher und Sattelknechte, und die chriſtlichen Prinzeſſinnen, wenn ſie noch jung und ſchoͤn ſind, die Beiſchlaͤfe - rinnen des Judenkoͤnigs ſeyn. Abrahams Saame wird in den herrlichſten Kleidern prangen, die wie Pilze aus der Erde hervorwachſen. Die Frauen ſollen taͤglich ohne Schmerzen Kinder gebaͤhren; die Baͤume alle Tage neue Fruͤchte und die Erde Man - deltorten und Kuchen tragen. Nach dem Gaſtmahle des trinkluſtigen Meſſias wird man gemeinſchaftlich, Herren und Damen, in dem Bache Eden baden und die Fuͤße waſchen, und darauf beginnt ein glaͤnzender Ball, den der Herr unſer Gott, ein335 Koͤnig der Welt, ſelbſt als Vortaͤnzer mit Mutter Eva eroͤffnen wird*)M. ſ. Hulsii Theologia Hebraeorum; Buxtorfii Synagoge Judaica; Eiſenmengers entdecktes Juden - thum; Muͤllers Judenthum; Friedrich Albrecht Chri - ſtiani Judenglaub und Aberglaube; Sammlung talmudiſcher Thorheiten in Briefen; nebſt vielen andern, und in dieſer Judenſchule den Abſchnitt vom Meſſias, nebſt den dort angefuͤhrten talmudi - ſchen und rabbiniſchen Schriften..

Das Hadakamus wird, wie man leicht denken kann, in den entzuͤckendſten Toͤnen vorgetragen. Jſraels Kinder muͤſſen in den Himmel kommen, nicht allein ihrer vielen guten Werke, auch ihres ſchoͤnen Geſanges wegen!

Nachher ſpricht man noch einige Gebete; der Chaſan macht mit einem Becher voll Wein dieſelben Ceremonien, wie am Sabbath, nur gebraucht er kein Gewuͤrz dabei, und beſieht auch nicht ſeine Haͤnde; und endlich ſcheidet man mit dem wechſel - ſeitigen Wunſche: gut Chag Schebhuos, oder: gut Schebhuas, und gut Jahr, von einander.

Was der Chaſan oder Vorſaͤnger zum Beſchluß in der Synagoge gethan, das thut nachher der Hausvater gleichfalls daheim. Die haͤuslichen Ge - braͤuche ſind denen des Oſterfeſtes gleich, in ſo ferne ſie nicht durch das Weſen und den Zweck der Feſte ſelbſt unterſchieden werden. So gehoͤrt z. B. das336 Sauerteigſuchen und Kucheneſſen dem Oſterfeſte aus - ſchließlich an; das Segnen der Kinder hingegen, das Anzuͤnden der Lichter durch die Frauen und andere nicht weſentliche Dinge ſind beiden Feſten gemein. Auch ißt man am Pfingſtfeſte beſonders viel Milch - und Mehlſpeiſen, weil das Geſetz, welches der heilige, hochgelobte Gott unſern Vaͤtern gege - ben, ſo rein, ſo weiß, und ſo ſuͤß, wie Milch und Mehl war. Der dicke, ſiebenfach zuſammen gelegte Sinai-Kuchen darf gleichfalls nicht fehlen. Er ſoll ein Sinnbild der ſieben Himmel ſeyn, durch welche Gott auf den Berg Sinai herab - und wieder her - auf gefahren iſt. Wein und Fleiſch ſind eben ſo wichtige Erforderniſſe zur guten und gottgefaͤlligen Pfingſtmahlzeit. Ohne beide kann, wie die from - men Talmudiſten und Rabbiner verſichern, keine Freude und Luſt bei Tiſche ſeyn, und alſo das hei - lige Feſt nicht ordentlich gefeiert werden, weil ge - ſchrieben ſtehet: Du ſollſt ein froͤhliches Mahl hal - ten vor dem Herrn deinem Gott, du, dein Sohn und deine Tochter u. ſ. w.

Noch iſt zu bemerken, daß man am Pfingſt - abend ja nicht zur Ader laſſen muß, denn der Herr unſer Gott ließ an dieſem Abende, da er folgen - den Tages den Jſraeliten das Geſetz geben wollte, einen ſehr boͤſen Wind Tabhoach oder Moͤrder, Schinder genannt, wehen, dem er geboten hatte, das ganze Volk Jſrael umzubringen, wenn es ſichim337im Mindeſten weigern wuͤrde, das Geſetz anzuneh - men. Dieſer ſchaͤdliche Wind wehet noch an jedem Pfingſtabende, und daher iſt das Aderlaſſen hoͤchſt gefaͤhrlich und auf das Strengſte verboten*)M. ſ. die talmudiſche Abhandlung Schabbath Kap. 18; und vom Pfingſtfeſte uͤberhaupt die Abhandlung Peſachim..

II. Baͤndchen. 29338

Das Lauberhuͤttenfeſt.

Das Laubhuͤtten - oder Lauberhuͤttenfeſt iſt das dritte der hohen juͤdiſchen Feſte oder Scha - boſch Regalim, welche, wie fruͤher bemerkt worden, jaͤhrlich von allen Maͤnnern aus ganz Kanaan zu Jeruſalem gefeiert werden mußten.

Es beginnt nach der moſaiſchen Anordnung am fuͤnfzehnten oder eigentlich ſchon Abends am vier - zehnten des Monats Tisri, gewoͤhnlich zu Ausgange unſers Septembers, dauert acht Tage, und iſt zum Andenken des vierzigjaͤhrigen Umherirrens der Jſrae - liten in der Wuͤſte geſtiftet.

Zur Feier dieſes Feſtes werden unter freiem Himmel Huͤtten gebauet, mit gruͤnen Baumzweigen bedeckt, und mit Blumen und Fruͤchten, beſonders mit Citronen*)Buxtorff behauptet, daß zu ſeinen Zeiten, zu An - fange des achtzehnten Jahrhunderts, die Juden oft fuͤr eine Citrone zu dieſem Zweck vier Gulden be - zahlt haͤtten. Wahrlich ein Beweis von unglaubli - cher Froͤmmigkeit der Juden jener Zeit! Jungendres verſichert gar, daß eine einzige Citrone oder Pome - und Pomeranzen geſchmuͤckt. Wenn339 dieſe zu theuer ſind, behilft ſich Abrahams genuͤg - ſamer, beſcheidener Saame auch wohl mit Kuͤrbiſ - ſen, und Gurken und lieblich duftenden Zwiebeln. Das Dach muß Sonnen - und Mondenſtrahl durch - ſchimmern laſſen, ſo daß man im Jnnern der Huͤtte die Sterne uͤber ſich ſehen kann. Jn den Huͤtten der Reichen und Wohlhabenden werden ſchoͤne Tep - piche und Tuͤcher aufgehangen, die aber nicht zur Wand dienen duͤrfen, denn Jeder ſoll hier der freien Luft genießen, und deshalb darf ſelbſt bei*)ranze, manchmal mit hundert Thalern von Juden bezahlt worden ſey. Man muͤßte bei Gott, keinen Hebraͤer kennen, um dergleichen Tollheiten zu glau - ben. Gab wirklich einmal ein Jude fuͤr Eine Ci - trone hundert Thaler, ſo bezahlte er ſie gewiß in Staatspapieren und machte bei ſeinem Handel ſehr guten Rebbes. Daß, wie Buxtorff gleichfalls erzaͤhlt, jaͤhrlich ſechzehn Juden nach Spanien reisten, um dort Citronen, Pomeranzen und Oel -, Myrthen - und Palmzweige zu holen, und in Deutſchland theuer zum Laubhuͤttenfeſte zu verkaufen, iſt ein albernes Maͤhrchen, welches dem frommen ehrlichen Tropf von luͤgenhaften Juden aufgebunden, und ihm von andern nachgeſchrieben ward. Wer hat wohl je, außer Buxtorff, von ſolcher Judenkaravane etwas gehoͤrt? Alles, was die Hebraͤer von auslaͤndiſchen Sachen dazu gebrauchen, verſchreiben ſie ſich, oder beziehen es auf den gewoͤhnlichen Handlungswegen. Die meiſten jener Sachen braucht man auch nicht erſt aus Spanien zu holen.29 *340ſchlimmer Witterung die Thuͤre nicht zugemacht wer - den. Ueber dem Tiſche haͤngt eine Lampe oder gewoͤhnlich ein meſſingener, und bei Reichen oft ein vergoldeter Leuchter. Die Lichter werden am Abend vor dem Feſt angezuͤndet.

Am vierzehnten Tisri haͤlt man in den Syna - gogen das Abendgebet bis zur Nacht. Der Chaſan ſegnet den gewoͤhnlichen Feſtbecher mit Wein und giebt den Knaben zu trinken. Nach geendigter Andacht wuͤnſcht Einer dem Andern Jom Tof, gute Feiertage, und erhaͤlt ein gutes Jahr zum Gegenwunſch. Hierauf geht man in die Huͤtten, uͤber welche jeder Hausvater den Segen ſpricht: gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, Koͤnig der Welt, weil du uns durch dein Geſetz vor allen andern Voͤlkern der Welt erwaͤhlt, erhoͤhet und geheiliget, und uns geboten haſt, in Laubhuͤtten zu wohnen. Zugleich bekoͤmmt das weiße Brod, welches die Frauen zu allen Sabbathen und Feiertagen backen muͤſſen, den Segen, und dann ſetzen ſich Alle zum froͤhlichen Mahl. Weil die Naͤchte in den meiſten Laͤndern Europa’s nicht ſo warm und angenehm ſind, wie in Kanaan, ſo uͤbernachtet Abrahams froſtiger Saame nicht in ſeinen Huͤtten, ſondern zu Hauſe. Blos recht fromme Jſraeliten halten es fuͤr ein ſehr verdienſtliches Werk, ſich zu Ehren des heiligen, hochgelobteu Gottes Schnupfen und Hu - ſten zu holen, und bleiben waͤhrend der ganzen341 Dauer des Feſtes auch die Naͤchte hindurch in ihren Laubhuͤtten.

Am fuͤnfzehnten Tisri Morgens begiebt man ſich, Jeder mit einem Palmzweige, Lulaf genannt, verſehen, in die Synagoge. Dieſer Palmzweig iſt unten mit Myrthen umwunden, uͤber welche er et - wa vier Spannen weit hervorragt; und die Myr - then ſind gewoͤhnlich mit ſieben Weidenzweigen daran befeſtigt, welche Blaͤtter haben muͤſſen, die aber ja nicht durchloͤchert ſeyn duͤrfen. Außer einer Menge anderer Gebete ſingt man das ſogenannte Hallel oder den 112ten bis 119ten Pſalm. Bei den Worten: gelobet ſey Gott, ſeine Gnade waͤhret ewig! oder auch bei dem Gebet: Sum Schalom, Herr gieb Friede, ergreifen die friedliebenden He - braͤer mit der rechten Hand den Palmzweig, mit der linken eine Citrone oder einen Adamsapfel*)Adamsapfel iſt eine Frucht, von der Geſtalt einer Pomeranze, aber viel groͤßer und von dunkelgelber Farbe. Die Schale iſt etwas hoͤckericht und hat einige Spalten, ſo daß es ſcheint, als ob darein gebiſſen waͤre, und daher der Name! Die Aepfel, deren ſich die Juden bei ihrem Laubhuͤttenfeſte be - dienen, muͤſſen noch ihren Staͤngel haben. Nach dem Feſte werden dieſe Fruͤchte mit Zimmt, Mus - katbluͤthen, Zucker u. ſ. w. eingemacht und gegeſſen. Haͤufig verſchenkt man ſie auch an Chriſten, denen man wohl will, oder deren Wohlwollen man zu gewinnen wuͤnſcht. Jch ſelbſt erhielt in fruͤhern Zei -,342 und unter dem lauten Dankgebet: gelobet ſeyſt du Herr unſer Gott, ein Koͤnig der Welt, daß du uns durch dein Geſetz vor allen Voͤlkern der Erde erwaͤhlt, erhoͤhet, geheiliget, und uns geboten haſt, einen Palmzweig zu tragen! « ſchuͤtteln ſie den letz - tern dreimal recht kraͤftig gegen Morgen, dreimal gegen Mittag, dreimal hinter ſich, uͤber die Ach - ſeln gegen Abend, eben ſo oft gegen Mitternacht, und endlich uͤber dem Kopf und unter ſich, um Suͤnde und Teufel auf allen Seiten in die Flucht zu ſchlagen, und den gottloſen Sammael durch das Rauſchen ihrer Palmzweige zu erſchrecken, daß er ſie nicht weiter bei dem hochgelobten, heiligen Gott, mit dem ſie jetzt Friede haben, verklagen ſolle. Hernach wird dieſe Feierlichkeit nochmal wiederholt, indem ſie ruͤckwaͤrts mit dem Schuͤtteln unter ſich anfangen und mit dem dreimaligen Schuͤtteln gegen Morgen aufhoͤren. Hierauf ſchickt man die Palm -*)ten, ehe ich noch an eine Judenſchule dachte, von Jſraels freundlichen Soͤhnen haͤufig Adamsaͤpfel zum Geſchenk, die ich aber immer weit theurer bezahlen mußte, als die Hebraͤer bei Jungendres ihre Citronen; m. ſ. die vorhergehende Anmerkung. Wenn die Adamsaͤpfel zu koſtbar ſind, kauft oft eine ganze Gemeinde nur einen einzigen, welchen ſodann der Chaſan oder Vorſaͤnger erhaͤlt, um ſeine Poſſen damit zu machen. Die uͤbrigen nehmen in dieſem Fall gewoͤhnliche Citronen.343 zweige und Aepfel den Frauen und Kindern, damit auch dieſe, woferne es noch nicht geſchehen iſt, den Segen daruͤber ſprechen, denn fruͤher darf Niemand etwas eſſen und trinken, ja ſelbſt der Saͤugling in der Wiege muß faſten, bis die Palmzweige und Citrone von der Mutter eingeſegnet ſind.

Nach dem Schuͤtteln wird die Thorah aus der Arche genommen, und auf den Almemor oder die Kanzel gebracht, um welche die ganze Gemeine in den erſten Tagen zur Zeit ein Mal, in den letzten aber immer ſieben Mal herumgeht. Dies Umkrei - ſen der Kanzel geſchieht zum Andenken des ſieben - maligen Umgehens der beruͤhmten Feſtung Jericho, deren Vollwerke blos davon und von dem Poſau - nenſchall der iſraelitiſchen Prieſter, ohne einen ein - zigen Kanonenſchuß zuſammen ſtuͤrzten, worauf Abrahams ſiegreicher Saame in die Stadt einzog, ſie verbrannte, und Alles, was an die Wand pin - kelt und nicht daran pinkelt, mit Ausſchluß der gottesfuͤrchtigen Hure Rahab und ihrer großen und kleinen Familie, uͤber die Klinge ſpringen ließ. Außerdem iſt das ſiebenmalige Umgehen der Kanzel, nach Rabbi Bechai*)Cad Hakkemach S. 51 und 52., ein prophetiſches Vorbild der kuͤnftigen Zeit, wo die Mauern Edoms oder des roͤmiſchen Reichs, das heißt der chriſtlichen Voͤlker gleich den Mauern der Stadt und Feſtung Jericho344 einſtuͤrzen und alle Edomiter oder Chriſten von dem heiligen, hochgelobten Gott vertilgt werden ſollen. Um Beſchleunigung dieſes heiß erſehnten und wuͤn - ſchenswerthen Zeitpunkts wird am Laubhuͤttenfeſte von Jſraels frommen Kindern recht inbruͤnſtig ge - flehet.

Aus der Thorah werden einige Stellen vorge - leſen, und waͤhrend dem Beten ſchuͤttelt man fleißig mit den Palmzweigen.

Die Feier des ſechzehnten Tisri gleicht jener des vorigen Tages. Die hierauf folgenden vier Tage werden nur halb gefeiert. Wenn auf einen derſelben ein Sabbath faͤllt, ſo wird aus dem Pro - pheten Ezechiel das Kapitel vom Gog und Magog geleſen, die in dieſem Monat mit ihren Heeren er - ſchlagen werden ſollen, worauf der Meſſias Jſraels froͤhliche Kinder wieder in ihr Land zuruͤck fuͤhren wird.

Am ſechsten Feſttage bindet man gruͤne Wei - denzweige, in deren Blaͤttern aber gleichfalls keine Loͤcher ſeyn duͤrfen, zuſammen. Dies muß Abends beim Schein der Wachskerzen geſchehen, die vom Verſoͤhnungsfeſte, welches auf den zehnten des Mo - nats Tisri faͤllt, uͤbrig geblieben ſind.

Am ſiebenten Tage des Laubhuͤttenfeſtes, Ho - ſchanna Rabba oder der große Huͤlfstag genannt, wird Gott beſonders um maͤchtige Huͤlfe gegen alle Judenfeinde und um Erfuͤllung alles345 deſſen dringend angeflehet, was Jſraels Kinder vom Neujahrsfeſt der Jahre*)Dies Neujahrfeſt der Jahre, wovon in der Folge die Rede ſeyn wird, faͤllt nemlich auf den erſten des Monats Tisri. bis zum Verſoͤh - nungsfeſt von ihm gebeten haben. Der große Huͤlfstag iſt vorzuͤglich heilig und wird ganz gefeiert. Viele baden am Morgen, ehe ſie in die Synagoge gehen, wo eine Menge von Lichtern angezuͤndet und ſieben Geſetzbuͤcher aus der Arche gehoben werden. Jn Pohlen nimmt man, nach Buxtorff, alle Ge - ſetzbuͤcher aus der Arche, und wenn deren auch ſie - ben tauſend ſind; ein Fall, der ſchwerlich irgendwo vorkommen wird. Die Buͤcher werden ſaͤmmtlich auf den Almemor geſtellt, um welchen alle Anwe - ſende, ihre am vorigen Tage gebundenen Weiden - buͤſchel in der Hand haltend, ſiebenmal die Runde machen. Nach jeder Umkreiſung wird ein Geſetzbuch wieder in die Arche gelegt, und ſo, wie dies mit dem letzten geſchehen iſt, ſchlaͤgt man die Weiden - buͤſchel ſo lange an ein Eiſen, bis kein Blatt mehr daran iſt. Die Stoͤcke verwahrt nachher Jeder ſehr ſorgfaͤltig bei ſeinen ledernen zehn Geboten oder Tephillim; wer von denſelben etwas bei ſich traͤgt, iſt ſicher vor Moͤrdern und Straßenraͤubern. Jener Gebrauch des Blaͤtterabſchlagens hat gleichfalls eine hohe ſinnbildliche Bedeutung: denn wie die Blaͤtter346 von den Zweigen fallen, ſo fallen auch die Suͤn - den und ihre Strafen von Jſraels gottſeligen Kin - dern. Ein leichtes und wohlfeiles Mittel, ſeine Suͤnden los zu werden! Schade, daß unſere chriſt - lichen Paͤbſte, Biſchoͤfe, Pfaffen und Moͤnche nicht laͤngſt einen Handel mit ſo ſchaͤtzbaren und heilſa - men Weidenzweigen anfiengen. Die Jeſuiten van den Wyenberg und C. L. von Haller in Bern wuͤrden gleich ein paar tauſend Fuder in Commiſſion nehmen! Es waͤre ja dabei zu verdie - nen » eppes Moos! «

Dieſer Tag iſt den Juden noch in anderer Hinſicht ſehr wichtig. Der heilige, hochgelobte Gott haͤlt zwar am Neujahrstage eine Gerichtsſitzung, in welcher jedem Juden fuͤr das kommende Jahr ſein Urtheil gefaͤllt wird; allein erſt am ſiebenten Tage des Laubhuͤttenfeſtes druͤckt der Herr der Welt ſein großes Siegel darunter, und bis dahin kann er das Urtheil, wenn man gehoͤrig Buße thut, und es auch an Geſchenken fuͤr die Cohenim oder Prie - ſter nicht fehlen laͤßt, wieder zuruͤcknehmen. Durch das Unterſiegeln aber tritt es in Rechtskraft, und dann iſt an keine Wiedereinſetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum) weiter zu denken. Darum muß man ja die Nothfriſt vom Neujahrs - tage bis zum Hoſchanna Rabba nicht unbenutzt verſtreichen laſſen; denn nachher hilft keine Buße mehr.

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Die Neugier iſt bei Jſraels Kindern zu groß, als daß nicht Jeder gerne wiſſen moͤchte, was der Himmel uͤber ihn beſchloſſen hat. Zu dem Ende gehen ſie in der Nacht vom ſiebenten auf den ach - ten Tag des Laubhuͤttenfeſtes mit angeſtvoll klopfen - dem Herzen im Hemde und mit bloßem Kopf, oft ganz nackt, und nur mit einem Tuche umhuͤllt, welches ſie nachher von ſich werfen, aus ihren Haͤuſern in den Mondenſchein. Dort betrachten ſie, die Arme von ſich geſtreckt und die Finger aus ein - ander geſpreitet, ihren Schatten. Fehlt an dieſem der Kopf, ſo ſtirbt man im laufenden Jahr; laͤßt ſich ein Finger nicht ſehen, dann buͤßt man einen ſeiner beſten Freunde ein; wer ſeine rechte Hand am Schatten nicht wahrnimmt, der verliert einen Sohn; vermißt er die linke, ſo ſtirbt ihm eine Toch - ter, und wenn er etwa keine Kinder hat, dann trifft ihn ein anderes Ungluͤck. Wer endlich gar keinen Schatten ſieht, der muß in den erſten Ta - gen oder Wochen ſterben, und kehrt, wenn er ver - reiſen will, nicht wieder heim. Dies Alles ſoll nach den Behauptungen der beruͤhmteſten Rabbinen, eines Moſes Ben Maimon oder Maimonides, Rambam von den Juden genannt, eines Bechai, Menachem von Rekanat und Anderer in den weni - gen Worten enthalten ſeyn: ihr Schatten iſt von ihnen gewichen*)4 B. Moſ. Kap. 14. V. 9. Nach den chriſtlichen. Wie viel Tollheiten haben alberne348 Gruͤbler doch von jeher aus den Worten der Bibel herausgedeutelt? Und wo iſt wohl eine Tollheit unter dem Monde, die ſich nicht auf irgend eine Weiſe herausdeuteln ließe? Man entferne ſich nur wenige Schritte weit von dem geraden Pfade der Vernunft; man verachte dies herrlichſte aller Ge - ſchenke, die Gott uns Menſchen gegeben hat, und man wird in ein Labyrinth voll Rebel und Schre - cken gerathen, woraus keine Ruͤckkehr moͤglich iſt. Dies lehrt uns nicht allein die juͤdiſche, ſondern auch die chriſtliche Kirchengeſchichte auf allen ihren Blaͤttern, nicht allein die Vergangenheit, auch die Gegenwart lehrt es uns, und ſtellt uns, wo wir nur hinblicken, Millionen Beiſpiele zur Warnung dar.

Der achte und letzte Tag des Laubhuͤttenfeſtes wird gleichfalls ganz gefeiert. Er heißt Schemini Azeres, ein Tag des Aufenthalts, weil es ſich mit ihm eben ſo verhaͤlt, wie mit dem Beſuch, den Jemand ſeinem Freunde macht, und der nur ſieben Tage dauern ſoll. Weil aber der hoͤfliche Wirth bittet, ſo verzieht der Beſuchende noch einen Tag laͤnger. Rabbi Abarbenel giebt eine etwas vernuͤnf - tigere Urſache der Feier des Azeres an: Dieſer Tag, ſchreibt er, wird in der Bibel Azeres, ein*)Ueberſetzungen heißt es aber: ihr Schirm oder Schutz iſt von ihnen gewichen.349 Tag des Aufenthalts genannt, weil man an dem - ſelben noch einen Tag laͤnger, als eigentlich das Laubhuͤttenfeſt dauerte, in Jeruſalem bleiben mußte.

An dem Tage Azeres wird noch zu Mittage in den Huͤtten gegeſſen; allein dieſe werden nicht mehr eingeſegnet, wie ſonſt an jedem Tage geſche - hen muß; vielmehr traͤgt man ſchon am Morgen unheilige Toͤpfe und Sachen dahin, und ſucht ſie nach dem Eſſen noch auf andere Weiſe moͤglichſt zu verunreinigen, damit man um ſo mehr Urſache habe, ſich wieder in ſeine Haͤuſer zu begeben. Abends beim Auszuge aus den Huͤtten ertoͤnt von allen Seiten der ſehnſuchtsvolle Wunſch: gebe doch der Herr unſer Gott, ein Koͤnig der Welt, daß wir kuͤnftiges Jahr in den Huͤtten des Leviathan wohn - ten! Eine Anſpielung auf den großen Fiſch, womit der Meſſias dereinſt ſeine iſraelitiſchen Kuͤchlein bewirthen wird. Nach dieſer ungeheuern Forelle waͤſſert Abrahams eßluſtigem Saamen ſchon lange der Mund!

Wegen uͤbler Witterung, ſelbſt wenn es noch ſo ſehr regnete, darf man nicht aus den Huͤtten laufen, ſondern muß traurig und kummervoll her - aus ſchleichen, und denken, daß der heilige, hoch - gelobte Gott zornig ſey, und nicht wolle, daß man jetzt ſeine Gebote halten ſolle. Es geht, ſprechen unſere Rabbinen geſegneten Andenkens, es geht mit ihm, wie mit einem vornehmen Herrn, dem ſein350 Bedienter einen Becher voll koͤſtlichen Weins reicht. Der zuͤrnende Herr nimmt den Becher, und gießt ihn dem Bedienten ins Angeſicht. Ein eben ſo wuͤrdiges, als paſſendes Gleichniß!

Frauen und Dienſtboten ſind nicht ſchuldig, die Laubhuͤtten mit gleicher Strenge zu bewohnen, wie die Maͤnner, weil ſie von der Erfuͤllung derjenigen Gebote, die ſich an eine gewiſſe Zeit binden, theils ganz, theils zum Theil freigeſprochen ſind.

Die Sachen, deren ſich die Jſraeliten bei der Feier dieſes Feſtes vorzugsweiſe bedienen, nemlich die Palmzweige, die Citronen, die Myrthen und die Weidenbuͤſchel haben ſaͤmmtlich, nach der Aus - legung ihrer talmudiſchen und rabbiniſchen Schrift - ſteller, eine ſinnbildliche Bedeutung. Der Palm - baum, ſagen ſie, iſt ſehr ſchoͤn, allein ſeine Fruͤchte ſind unſchmackhaft. Jhm gleichen jene Jſraeliten, die zwar das Geſetz haben, aber keine gute Werke aufweiſen koͤnnen. Darnach muͤßte man freilich wohl die meiſten Juden zu den Palmbaͤumen rech - nen. Die Citronen ſind ſchoͤn von außen, und ihr Geruch iſt gleichfalls lieblich und angenehm; daher werden durch ſie die Tzaddikim, die frommen Ju - den bezeichnet, die wegen ihrer vielen guten Werke einen ſuͤßen Geruch vor dem Herrn haben, und auch im Aeußern voll Anmuth ſind. Die Myrthen duften freilich gut, allein ſie tragen keine Fruͤchte und gleichen denen, die wohl etwas Gutes thun,351 aber kein Geſetz haben. Die Weidenzweige endlich empfehlen ſich durch nichts; ſie athmen weder wuͤr - zigen Duft, noch bringen ſie gute Fruͤchte hervor, und ſind folglich den Chriſten und Nichtjuden gleich, denen der heilige, hochgelobte Gott kein Geſetz ge - geben hat, und alſo auch nichts Gutes und Gott Wohlgefaͤlliges thun koͤnnen. Darum bemerkt Rabbi Bechai geſegneten Andenkens ſehr richtig, daß mit den Weidenzweigen beſonders das roͤmiſche Reich oder das Reich Edom, die Chriſtenheit, bezeichnet werde*)M. ſ. Cad Hakkemach, Kap. Lulabh oder Lulaf..

Dereinſt, am juͤngſten Tage, wird der Herr unſer Gott ſelbſt ein ausfuͤhrliches Geſpraͤch mit den Voͤlkern der Welt, den Nichtjuden, halten, und ſie uͤberzeugen, daß die Jſraeliten fromm und ge - recht, ſie hingegen gottlos geweſen ſind, weil ſie das Geſetz ſo wenig gehabt, als gehalten haben. Die Chriſten und Nichtjuden werden dann antwor - ten: Herr der Welt, gieb uns das ganze Geſetz jetzt; wir wollen es noch halten, damit wir nicht ewig verdammt werden. O ihr Thoren, wird der heilige, hochgelobte Gott erwiedern, wißt ihr nicht das Spruͤchwort: wer am Sabbathabend arbeitet, wird am Sabbath zu eſſen haben; wer aber nicht arbeitet, was ſoll der eſſen? Jch will euch das kleine Gebot Sukkah, das Gebot vom Laubhuͤtten -352 feſt geben. Wenn ihr es haltet, ſollt ihr alle ſelig werden. Die Nichtjuden werden vor Freuden huͤ - pfen und ſpringen und vergnuͤgt hinlaufen, um ſich Huͤtten zu bauen. Der Eine wird auf ſeinem Dach, der Andere in ſeinem Garten, der Dritte in ſeinem Weinberge oder ſonſt wo, ſich eine Laubhuͤtte errich - ten, um acht Tage darin zu wohnen, und nachher ſelig zu werden. Aber der Herr unſer Gott, ein Koͤnig der Welt, wird dann die Sonne ſo heiß darauf ſcheinen laſſen, daß alle Nichtjuden voll Wuth und Verzweiflung ihre Huͤtten mit Fuͤßen zer - treten und ſie mit trotzigem Zorn verlaſſen; und Gott wird uͤber ſie ſpotten und lachen. Daher heißt es auch in der Schrift: der im Himmel wohnet, wird ſie verlachen und der Herr wird ihrer ſpot - ten. Rabbi Jſaak geſegneten Andenkens hat geſagt: daß der heilige, hochgelobte Gott nur an dieſem einzigen Tage lachen werde*)M. ſ. das Buch Avodah Sarah Kap. 2. Vom Laubhuͤttenfeſt handelt im Talmud beſonders das Buch Succah oder von den Laubhuͤtten..

Der Judengott iſt alſo ein ſehr ernſthafter Herr. Weinen ſahen wir ihn bereits bei dem Tode ſeines Knechts Moſes**)M. ſ. S. 138. des erſten Bandes.; und lachen ſoll er in aller Ewigkeit nur einmal.

Weiſes, guͤtiges, allliebendes Weſen, wie mußt Du Dich von albernen Pfaffen ſchildern laſſen! Der353Der Eine malt Dich uns ab, als einen Thoͤrich - ten unduldſamen Rabbiner, der ſeine Wonne und Seligkeit in der ewigen Qual empfindender Ge - ſchoͤpfe ſucht, die er ſelbſt aus dem Nichts ins Da - ſeyn hervorrief. Der Andere ſchildert uns Dich, wie einen heiligen Vater zu Rom, wie einen Jn - nocenz oder Hildebrand, der mit flammendem, verzehrendem Blitz alle diejenigen zu unendlicher Hoͤllenpein verdammt, die Dich nicht auf eine ſol - che Weiſe verehren oder entehren, von welcher ſie niemals etwas gehoͤrt; die an keine Maͤhrchen glauben, von denen ſie nie etwas erfahren haben, und die keine Dogmen als wahr annehmen koͤnnen, welche mit der Vernunft, die du ihnen ſelbſt gege - ben, im ſtrengſten Widerſpruche ſtehen.

II. Baͤndchen. 30354

Von der Zeitrechnung und dem Neujahrfeſte der Juden.

Die iſraelitiſche Zeitrechnung faͤngt zwar an von Erſchaffung der Welt nach moſaiſch-mythiſchen Be - griffen; ſie weicht jedoch von der chriſtlichen um zweihundert und zwei Jahre ab, da die Juden bis zu Chriſti Geburt 3761, die Chriſten hingegen 3963 Jahre zaͤhlen. Beide Berechnungen gruͤnden ſich auf einer und derſelben Vorausſetzung, und wir laſſen daher die Frage uͤber ihre Richtigkeit dahin geſtellt ſeyn. Jm gegenwaͤrtigen 1822ſten Jahr zaͤh - len die Juden das 5582ſte, und beginnen am 1ſten Tisri ihr 5583ſtes Jahr nach Erſchaffung der Welt.

Noch jetzt haben Jſraels Kinder dreimal, und zur Zeit ihrer Koͤnige hatten ſie gar viermal im Jahr ein Neujahr, nemlich: 1) das Neujahr der Monate, wornach ſie die Monate zaͤhlen, und in ihren kirchlichen Gebraͤuchen ſich richten. Es faͤllt auf den erſten des Niſan, ihres erſten Monats, und wird gleich den uͤbrigen Neumonden nur als ein halber Feiertag betrachtet. 2) Das Neujahr der Jahre oder das buͤrgerliche Neujahr am erſten des355 Tisri oder des ſiebenten Monats. Dies iſt das eigentliche Feſt, von welchem nachher die Rede ſeyn wird, und wornach die Juden in ihren buͤrgerlichen Angelegenheiten und Vertraͤgen die Zeit beſtimmen. 3) Der erſte Tag des Monats Tebeth wird gleich - falls fuͤr den Anfang eines neuen Jahres gehalten, weil nach der juͤdiſchen Naturlehre dann der Saft wieder in die Baͤume tritt, und die Kerne im Obſt ſich umwaͤlzen und zu neuem Wachsthum ſich vor - bereiten. Er wird nicht hoͤher, als andere Neu - monden gefeiert. 4) Das Neujahr der Koͤnige diente ehemals, wie noch jetzt das Neujahr der Jahre, zur Zeitbeſtimmung in buͤrgerlichen, beſon - ders aber in oͤffentlichen politiſchen Verhaͤltniſſen und begann mit dem Tage der Thronbeſteigung des jedesmaligen Koͤnigs.

Die Monate der Jſraeliten fangen immer mit den Neumonden an, und folgen in nachſtehender Ordnung:

  • 1) Niſan, vom Neumond des Maͤrz bis zum Neumond des April.
  • 2) Jjar, vom NM. des April bis zum NM. des Mai.
  • 3) Sivan, vom NM. des Mai bis zum NM. des Junius.
  • 4) Tammuz, vom NM. des Junius bis zum NM. des Julius.
30 *356
  • 5) Abh
    *)Man ſpricht es aus Aph.
    *) oder Abib, vom Neumond des Julius bis zum Neumond des Auguſt.
  • 6) Elul, vom NM. des Auguſt bis zum NM. des Septembers.
  • 7) Tisri, vom NM. des Septembers bis zum NM. des Oktobers.
  • 8) Chesvan oder Marchesvan, vom NM. des Oktobers bis zum NM. des Novembers.
  • 9) Kislev oder Caslev; vom NM. des Novembers bis zum NM. des Decembers.
  • 10) Tebeth, vom NM. des Decembers bis zum NM. des Januars.
  • 11) Schebhat
    **)Man ſpricht es gewoͤhnlich Schephath aus.
    **) oder Schebeth, vom NM. des Januars bis zum NM. des Februars.
  • 12) Adar, vom NM. des Februars bis zum NM. des Maͤrzmonats.

Das Neujahr der Jahre iſt fuͤr die Jſraeliten ein ſehr wichtiges Feſt. Der hohe Rath oder San - hedrin zu Jeruſalem hatte nemlich den Gebrauch, ſich immer kurz vor Neujahr zu verſammeln, und durch einen foͤrmlichen Beſchluß den Tag des Neu - jahrfeſtes anzuordnen. Sobald Gott dies erfuhr, und er erfuhr es ſehr leicht, berief auch er den hohen Rath ſeiner Engel zuſammen, und befahl ihnen: ſteiget zur Erde hinab, und bringet mir357 Nachricht, welchen Tag der hohe Rath zu Jeru - ſalem zur Neujahrsfeier beſtimmt hat. Die Engel befolgten Gottes Befehl, und an demſelben Tage, wo Jſraels Kinder hienieden ihr Neujahr der Jahre feierten, ließ der Herr unſer Gott, ein Koͤnig der Welt dort oben im Gerichtſaal die Gerichtsbuͤcher und Protokolle auf den Tiſch legen und Stuͤhle und Baͤnke fuͤr ſeine Raͤthe und Beiſitzer, die heiligen Engel, hinſetzen. Er ſelbſt aber nahm als Praͤſi - dent unter Poſaunen - und Paukenſchall auf dem Thron ſeiner Herrlichkeit Platz, um Gericht zu hal - ten. Daher ſpricht der Prophet Daniel: » Jch ſahe zu, wie die Stuͤhle hingeſetzt wurden, und wie der Alte von Jahren ſich niederließ. Weiß, wie Schnee war ſein Kleid, und das Haar ſeines Hauptes, wie reine Wolle. Sein Stuhl war wie feurige Flammen; auch die Raͤder deſſelben waren von Feuer. Ein Flammenſtrom gieng von ihm aus. Tauſendmal tauſend dieneten ihm und zehntauſend - mal zehntauſend ſtanden vor ihm. Das Gericht ward beſetzt und die Buͤcher wurden aufgethan. « Und der Koͤnig David ſagt: Gott faͤhrt auf mit Schall, und der Herr mit hellen Poſaunen*)Caphtor Uperach Fol. 68; vergl. Dan. 7. V. 9. und Pſ. 47. V. 6..

Mit dem hohen Rath zu Jeruſalem iſt es nun freilich vorbei; aber der hohe Rath dort oben be -358 ſteht noch und haͤlt fortwaͤhrend an jedem juͤdiſchen Neujahrfeſte ſeine Sitzungen. Es ſind drei Gerichts - buͤcher, welche vorgelegt werden: eins fuͤr die ganz Gerechten, Tzaddikim gemurim; eins fuͤr die mit - telmaͤßig Frommen, Benoniim, die eben ſo viel Boͤſes, als Gutes thaten; und endlich eins fuͤr die ganz Gottloſen, Raſchaim. Die erſtern werden augenblicklich zum Leben eingezeichnet. Mit den andern hapert es etwas; ſie erhalten noch zehn Tage Friſt bis zum Verſoͤhnungsfeſte; thun ſie waͤhrend der Zeit nicht Buße, ſo werden ſie zum Tode ein - geſchrieben. Die Gottloſen, Raſchaim, verurtheilt Gott ohne Weiteres zum Tode*)Roſch haſchannah Kap. 1.. Deshalb ſoll man eigentlich ſchon am erſten Elul, alſo einen ganzen Monat vorher, anfangen, jeden Morgen vor dem Fruͤhſtuͤck ſeine Suͤnden zu bereuen, und damit bis zum Neujahrfeſte fortfahren. Dann wird man als ein vollkommener Gerechter von Gott in das Buch des Lebens eingeſchrieben, und von aller Schuld freigeſprochen. Zur Erinnerung an jene Verbindlichkeit, Buße zu thun, ſoll das Horn - blaſen dienen, und deshalb ſpricht der Prophet Amos: Blaͤſet man auch die Poſaune in der Stadt, daß ſich das Volk nicht entſetze**)Amos Kap. 3. V. 6.? Dieſe liebliche Muſik hat der heilige, hochgelobte Gott ſelbſt ein -359 gefuͤhrt, denn » der Herr redete mit Moſes und ſprach: Rede mit den Kindern Jſrael und ſprich: Am erſten Tag des ſiebenten Monats ſollt ihr einen Feiertag halten zum Andenken des Trompetenbla - ſens, eine heilige Verſammlung. Jhr ſollt keine Arbeit thun, ſondern dem Herrn ein Brandopfer bringen*)Orachchajim Nr. 581. und 3 B. Moſ. 23. V. 23 25.. « Abrahams luſtiger Saame und ſeine frommen Prieſter feierten daher dies Feſt, welches man deshalb auch das Feſt des Blaſens nennt, mit Poſaunen - und Hoͤrnerſchall. Jetzt faͤngt man bereits am erſten Elul an, recht tapfer auf einem Bocks - oder Widderhorn zu blaſen, und zwar in der ſchlauen Abſicht, um den Sammael oder Satan uͤber den eigentlichen Tag des Neujahrfeſtes irrig zu machen. Wenn er nemlich am erſten Elul und den folgenden Tagen blaſen hoͤrt, ſo glaubt er, es ſey ſchon Neujahr, und geht zu dem heiligen, hoch - gelobten Gott, um Jſraels Kinder bei demſelben anzuſchwaͤrzen. Koͤmmt er nun mit ſeiner Klage zu fruͤh oder gar zu ſpaͤt, ſo verwirft ſie der Herr unſer Gott, und er darf dann binnen Jahresfriſt nicht wieder klagen**)Roſch haſchanah Kap. 1..

Zum Blaſen nimmt man gewoͤhnlich ein Bocks - oder Widderhorn, weil Gott unſerm Vater Abra - ham, als dieſer den Vater Jſaak ſchaͤchten wollte,360 einen Bock oder Widder zum Opfer fuͤr Jſaak ſandte. Jm Nothfall bedient man ſich wohl eines andern Horns, aber ja keines Stier - oder Kuhhorns, um nicht Gott durch den Anblick deſſelben an das goldene Kalb zu erinnern, und ſeinen grimmigen Zorn nicht auf’s Neue rege zu machen. Jn der Folge werden wir mehr von dem herrlichen Jnſtru - ment und ſeinen entzuͤckenden Toͤnen vernehmen!

Am 29ſten Elul, dem Tage vor dem Neujahr - feſte, ſtehen die Juden ſehr fruͤh auf, und eſſen, wider ihre Gewohnheit, vor ihrem Morgengebet; allein ja nicht zu viel, und keine blaͤhende Spei - ſen, damit ſie nicht in die Verlegenheit kommen, waͤhrend ihrer vielen Gebete eine Nephicha zu laſ - ſen. Denn in dieſem Fall iſt alle vorhergegangene Buße und Reue vergeblich, und der heilige, hoch - gelobte Gott ſchreibt den Namen des Miſſethaͤters, wenn er ſonſt ein vollkommener Gerechter war, in das Buch der mittelmaͤßig Frommen; iſt er ein mittelmaͤßig Frommer, in das Buch des Todes; und iſt er gar ein Raſcha oder ein Gottloſer, ſo iſt ihm ohnehin ſein Todesurtheil gewiß.

Das Morgengebet wird mit der groͤßten Eile hergeplaͤrrt. Nachher laufen Jſraels bußfertige und angſtvolle Kinder hinaus auf ihren Begraͤbnißplatz, und bitten Gott mit furchtbarem Geheul, ſich ihrer zu erbarmen um der vielen Verdienſte der Gerech - ten willen, die dort begraben liegen. Auch werdenauf361auf dem Kirchhofe Almoſen an die aͤrmern Glau - bensgenoſſen ausgetheilt, damit ſie gleichfalls fuͤr ihre Wohlthaͤter beten, und ſich zum bevorſtehenden Feſt Wein, Fleiſch und Fiſche einkaufen koͤnnen.

Am Nachmittage badet man zuerſt in warmem, nachher in kaltem Waſſer, um alle Suͤnden hin - wegzuſpuͤhlen, und am bevorſtehenden Feſt recht ſauber, rein und niedlich vor dem hoͤchſten Richter zu erſcheinen. Die Gebraͤuche bei dieſem Baden ſind verſchieden. An manchen Orten muß der Ba - dende, im Waſſer ſtehend, die gewoͤhnliche Beichte Viddui herſagen, welche zwei und zwanzig, alſo eben ſo viel Worte, wie das hebraͤiſche Alphabeth Buchſtaben enthaͤlt. Bei jedem Worte ſchlaͤgt er ſich mit der rechten Hand auf die Bruſt und taucht mit dem ganzen Koͤrper unter, und ein dabei ſte - hender oder mit ihm badender Zeuge muß ihm das Zeugniß geben, daß er recht gebeichtet, und daß kein Theil ſeines Koͤrpers unbenetzt geblieben ſey. Andere tauchen waͤhrend der Beichte nur drei - mal unter, aber gleichfalls in Gegenwart eines Zeugen. Nach Antonius Margaritha ſoll man ſich immer in fließendem Waſſer baden, und wo man es nicht hat, ſich damit zum Voraus verſorgen.

Wenn es an oͤffentlichen Gewaͤſſern zum Ba - den fehlt, ſo graͤbt man in den Haͤuſern, Kellern, Gaͤrten u. ſ. w. zu dieſem Zweck Gruben und Brunnen; allein ſehr viel Kopfbrechens und man -II. Baͤndchen. 31362chen hitzigen Streit haben unter Jſraels gewiſſen - haften Gottesgelehrten die wichtigen Fragen veran - laßt: wie tief und wie groß die Brunnen ſeyn, und wie viel Waſſer ſie enthalten muͤſſen, wenn man am 29ſten Elul auf die gehoͤrige Weiſe darin baden will.

Das Baden iſt hoͤchſt noͤthig. Einige heilige Engel nemlich, die in der Luft umherfliegen, und auf Erden mancherlei Geſchaͤfte haben, wobei ſie ſich ihre Fluͤgel und Finger beſchmutzen, muͤſſen jedes Mal, ehe ſie vor dem Herrn unſerm Gott erſcheinen und ihre himmliſchen Lobgeſaͤnge anſtim - men duͤrfen, in dem feurigen Strom Dinor baden und ſich abwaſchen. Thun die Engel dies; warum ſollten denn die Juden es nicht thun, die ja nichts vernehmer und beſſer ſind, als die heiligen En - gel*)Taame Mitzvos Fol. 36. und Reſchis Chochma, Schaar Hatteſchubha Kap. 3. Nr. 136.?

Das Abendgebet am 29ſten Elul wird von der ganzen Gemeinde in tiefgebeugter Stellung und mit lauter Stimme, ſtatt des ſonſt gewoͤhnlichen dum - pfen Gemurmels, hergeſchnattert, wobei man mit allen Gliedern zittern und ſich recht aͤngſtlich und kummervoll geberden muß, um zu zeigen, wie got - tesfuͤrchtig man iſt, und wie ſehr man ſeine Suͤn - den bereuet.

363

Nach beendigter Abend - oder Nachtandacht wird das Feſt, wie gewoͤhnlich mit einem Becher Wein und einem kurzen Gebet eingeſegnet, und der Ober - rabbi ertheilt den zu ihm kommenden Knaben durch Auflegung ſeiner heiligen, und oft etwas ſchmutzi - gen Finger den Segen zu einem gluͤcklichen neuen Jahr. Mit den Wuͤnſchen: Beſchanah tobhah tik - kaſeb! Du ſollſt zu einem guten Jahr eingeſchrieben werden, und: Bore gezre dich leſchanah tobhah! der Schoͤpfer bringe dich in ein gutes Jahr! wor - auf man: Gam attah! du auch! oder: Gam oſach, dich gleichfalls! antwortet, ſcheidet » die heilige Verſammlung « aus einander.

Auch in den Haͤuſern zuͤndet man Sabbathlich - ter an, weihet das Feſt mit Wein, Moſt oder Bier und mit frommen Gebeten ein, und ißt, wenn man ſie irgend bekommen kann, recht viel ſuͤße Speiſen. Beſonders werden ſuͤße Aepfel oder Brod in Honig getaucht und dabei der liebliche Segen geſprochen: dies gereiche uns zu einem recht ſuͤßen und angenehmen Jahr! oder: ſo ein ſuͤßes Jahr, wie dies Brod gebe uns der Herr unſer Gott!

Zur Erinnerung an unſern Vater Jſaak wird an manchen Orten ein gebratener Schafskopf auf - getragen, weil Gott, wie ſchon vorhin erwaͤhnt worden, einen Bock oder Widder vom Himmel ſandte, um jenen Erzvater aus den frommen Klauen des opferſuͤchtigen Vaters Abraham zu erretten. 31 *364Vorzuͤglich erpicht ſind Jſraels Kinder am Abende vor ihrem Neujahr, und uͤberhaupt an dieſem Feſte, auf wohlſchmeckende Fiſche, die, wie die meiſten Speiſen, eine ſinnbildliche Bedeutung haben; denn ſo wie die Fiſche ſich vermehren im Waſſer, ſo ſol - len die guten Werke der Jſraeliten ſich vermehren auf Erden. Ueberdies iſt es auch ein gutes Werk, viele Fiſche zu eſſen, und Abrahams Saame ißt ſie ſehr gerne. Nur muͤſſen ſie am Neujahrfeſte nicht mit einer ſauern, ſondern mit einer ſuͤßen Bruͤhe zugerichtet ſeyn, weil alle ſaure Sachen ſtren - ge verboten ſind, da es kein ſaures, ſondern ein ſuͤßes Jahr werden ſoll. Bei den Kuͤrbiſſen und Melonen ſagt der Hausvater oder ein Anderer: Un - ſere Feinde ſollen zerriſſen und vernichtet, und dagegen unſere guten Werke und Verdienſte dem Herrn, unſerm Gott vorgeleſen werden. Bei den Mandeln und Nuͤſſen muß man ſprechen: Unſere Feinde ſollen verzehrt und zermalmt werden, gleich dieſen Mandeln und Nuͤſſen. Ueber ein ſuͤßes Ge - muͤſe, in rabbiniſcher Sprache Silka genannt: Un - ſere Feinde muͤſſen hinweggeraͤumt werden! Bei dem beliebten Knoblauch oder Schnittlauch, der im Chaldaͤiſchen durch das Wort Crate abhauen, ab - ſchneiden, bezeichnet wird, heißt es: Alle, die uns haſſen, ſollen abgeſchnitten und zerhauen werden.

So liebevoll ſpricht der veraͤchtlichſte Abſchaum des Menſchengeſchlechts vom reichſten Papierwuche -365 rer an bis zum elendeſten Bettelbuben herab, bei jedem Biſſen, den er unter dem Schutze der Chri - ſten genießt, ſeinen empoͤrenden Haß gegen alle Nichtjuden aus. Weder durch Wohlthaten, noch durch ſtaatsbuͤrgerliche Rechte, noch durch irgend ein anderes Mittel kann dies Natterngezuͤcht mit der uͤbrigen Menſchheit verſoͤhnt werden. Kein Blut, nur Gift und Galle iſt es, was gegen alle Anders - denkende in den Adern der Juden rinnt.

Zur Morgenandacht, welche weit fruͤher, als gewoͤhnlich beginnt, verſammelt ſich die Gemeine der Heiligen in ihren Todtengewaͤndern*)Dieſe feſttaͤglichen Todtenkleider gehoͤren zu den Brautgeſchenken, und werden bei der Beerdigung dem Verſtorbenen uͤber ſein eigentliches Todtenge - wand angezogen. Auch Unverheirathete und Nicht - verlobte, ſogar die Kinder, haben ihre feſttaͤglichen Todtengewaͤnder., ſingt und betet ſehr viel und andaͤchtig, hebt zweimal mit großer Feierlichkeit das Geſetzbuch aus der Ar - che, liest mehrere Paraſchen daraus, und eine Haphtarah aus den Propheten.

Hierauf beſteigt zur Befoͤrderung der Buße und zur angenehmen Erheiterung fuͤr Abrahams muſika - liſchen Saamen ein Rabbiner den Almemor, und blaͤst dreißig Mal in verſchiedenen, ſehr melodiſchen Toͤnen auf dem Bockshorn, wobei er nach jedem zehnmaligen Blaſen eine Pauſe macht. Wenn das366 Horn recht hell klingt, dann herrſcht Freude und Wonne unter Jſraels Kindern; klingt es aber dumpf und traurig, dann ſind ſie gleichfalls betruͤbt, weil es ein ſchlimmes Jahr bedeutet. Auf jeden Fall antwortet jedoch die ganze Gemeine mit lauter Stimme, Heil dem Volke, das ſo herrlich blaſen und ſingen kann! Herr, wir werden im Licht dei - nes Antlitzes wandeln*)Pſalm 89. V. 16.. Das laͤßt ſich denken!

Nach beendigter Andacht werden unſre Glaͤu - bigen noch ernſtlich von ihrem Rabbiner ermahnt, recht luſtig zu ſeyn, und zu Ehren des Feſtes tuͤch - tig zu eſſen und zu trinken, weil Gott ihnen jetzt alle ihre Suͤnden vergeben hat.

Nachmittags wird Taſchlich gemacht, d. h. die Suͤnden werden ins Waſſer geworfen. Zu dem Ende begeben ſich Alle, Maͤnner und Frauen, Greiſe und Kinder zu einem Strom oder einem andern Gewaͤſſer, worin Fiſche ſind, nehmen vorne ihre Kleider zuſammen, und ſchuͤtteln ſie uͤber dem Waſ - ſer aus. Sehen ſie Fiſche ſchwimmen, ſo huͤpfen, ſpringen und jubeln ſie, und ſchuͤtteln ihre Gewaͤn - der noch kraͤftiger, um alle ihre Miſſethaten den Fiſchen auf den Kopf zu werfen. Bei dieſer Feier - lichkeit werden recht andaͤchtig die Worte geſprochen: Er wird ſich wenden, und ſich uͤber uns erbarmen, unſere Miſſethaten wird er hinwegnehmen und alle367 unſere Suͤnden in die Tiefe des Meeres werfen; Micha 7. V. 19.

Mit einem froͤhlichen Abendeſſen beſchließt man den Tag; doch iſt es nicht, wie an den uͤbrigen Feſttagen, Sitte, ſich ſtark zu berauſchen, weil noch ſo wenig die guten, als die boͤſen Urtheile, die im Himmel gefaͤllt worden, unterſiegelt ſind, und alſo bis zum Verſoͤhnungstage leicht geaͤndert werden koͤnnen.

Der zweite Neujahrstag wird, gleich dem er - ſten gefeiert, weil der hohe Rath zu Jeruſalem zwei Tage zu dieſem Feſte angeordnet haben ſoll. Am letztern derſelben gehen auch die Frauen auf den Begraͤbnißplatz, und heulen und weinen auf den Graͤbern ihrer Verwandten uͤber ihre Suͤnden und uͤber die Zerſtoͤrung Jeruſalems und des Tempels. Abends bewaffnen ſich die Jungen, und oft die Alten gleichfalls mit Stoͤcken und hoͤlzernen Saͤbeln, begeben ſich auf ihren Kirchhof und fechten mit wildem unſinnigem Geſchrei in der Luft umher, um den gottloſen Sammael oder Satan zu verjagen.

368

Das Verſoͤhnungsfeſt.

Dieſes Feſt, welches die Juden auch den langen Tag, Jom Kippur nennen, beginnt am neunten Tisri Abends und dauert bis zum Abende des fol - genden Tages. Es iſt eins der heiligſten juͤdiſchen Feſte, und ward von Moſes ſelbſt angeordnet. Außer mehreren Opfern, welche man darbrachte, mußte das ganze Volk alle ſeine Suͤnden auf einen Bock bekennen, den man damit in die Wuͤſte zum Kuckuck jagte. Hiedurch ward Abrahams Saame wieder rein von Suͤnden und ſo weiß, wie Schnee; Gott war verſoͤhnt, man hatte auf ein ganzes Jahr neuen Kredit und ſuͤndigte fuͤrder noch mehr, als zuvor*)M. ſ. 3 B. Moſ. 16..

Die Tage vom buͤrgerlichen Reujahr bis zum Verſoͤhnungsfeſt, oder vom erſten bis zum zehnten Tisri heißen die zehn Reiſetage, Aſeres Jeme re - ſchubhah. Sie ſind vorzuͤglich der Buße gewidmet, denn weil der Herr der Welt am Neujahrstage Gericht uͤber Jſraels Kinder haͤlt, ſo ſuchen dieſe waͤhrend der Reiſetage durch ſtrenges Faſten, vieles369 Beten und eine beſondere Froͤmmigkeit Milderung der harten Urtheile zu bewirken, die etwa im Him - mel uͤber ſie gefaͤllt worden. Darum ſchleichen ſie dann mit demuͤthig geſenktem Haupt und kummer - vollen Mienen einher, nehmen weniger Zinſen als ſonſt, betruͤgen und ſtehlen nicht ſo arg, verklagen Niemanden, thun keinen ihrer Glaubensgenoſſen in den Bann, und beichten an jedem Morgen dreimal.

Sehr fruͤh beginnt am neunten Tage in der Synagoge das Morgengebet, welches ziemlich lange dauert. Sobald man heim koͤmmt, nimmt jeder der Maͤnner und Knaben einen Hahn, jede der Frauen und Maͤdchen eine Henne, und die Schwan - gern einen Hahn und eine Henne zugleich*)Weil ſie nemlich nicht wiſſen, ob ſie einen Sohn oder eine Tochter gebaͤhren werden. Einen Hahn nehmen die Maͤnner, weil das hebraͤiſche Wort Gebher ſowohl einen Hahn, als einen Mann bedeutet. bei den Beinen. Der Hausherr tritt mit ſeinem Hahn hervor und ſpricht in feierlichem Ton: » Die Nar - ren, ſo um ihrer Suͤnde und Uebertretung willen geplagt waren, daß ihnen eckelte vor aller Speiſe, wurden todtkrank, und riefen den Herrn an in ihrer Roth. Da half er ihnen aus ihrer Angſt; er ſandte ihnen ſein Wort und machte ſie geſund, und errettete ſie, daß ſie nicht ſtarben. Darum ſollen ſie dem Herrn danken fuͤr ſeine Guͤte und fuͤr370 ſeine Wunder, die er an den Kindern der Men - ſchen thut; ſie ſollen Dank opfern und ſeine Werke erzaͤhlen voll Freude. Wann aber der Engel, der einzige aus Tauſenden, dem Menſchen verkuͤndiget, wie er ſoll recht thun, wird er ihm gnaͤdig ſeyn und ſagen: er ſoll erloͤſet werden und nicht herun - ter fahren und verderben, denn ich habe eine Ver - ſoͤhnung gefunden*)M. ſ. Pſ. 106. V. 17. und Hiob 33. V. 23 und 24, woraus dies Gebet zuſammengeſetzt iſt, verſteht ſich, nach rabbiniſcher Dollmetſchung., nemlich einen Hahn, der mein Capporah oder Verſoͤhnopfer ſeyn ſoll. « Hier - auf ſchlaͤgt er ſich den Hahn dreimal um den Kopf mit den Worten: » dieſer Hahn ſoll mir zum Tau - ſche dienen; er komme an meine Statt; er ſoll in den Tod gehen und ich mit allem Volk Jſrael in ein ewiges Leben. « Dreimal muß die Poſſe vom Hausvater wiederholt werden; dann thut jeder der Uebrigen mit ſeinem Hahn oder ſeiner Henne daſ - ſelbe, und den kleinen Kindern, die dieſe wichtige Feierlichkeit noch nicht ſelbſt verrichten koͤnnen, ſchlaͤgt der Vater oder die Mutter einen Hahn oder eine Henne um das Koͤpfchen**)Nach Einigen muß der Hausvater ſeiner Frau, ſeinen Kindern und Dienſtboten auch ihre Haͤhne und Huͤhner um den Kopf ſchlagen. M. ſ. Jungen - dres a. a. O.. Das liebe Federvieh, deſſen man ſich hiezu bedient, muß wo moͤglich371 weiß, und ja nicht ſchwarz oder gar roth ſeyn; denn die rothe Farbe iſt die Leibfarbe der Suͤnde, und beweist, daß das Thier ſo voll eigener Suͤn - den ſteckt, daß es keine fremde tragen kann. An - tonius Margaritha erzaͤhlt, alte Rabbiner haͤtten verordnet, man ſolle Affen opfern; wahrſcheinlich, weil dieſe dem Volke Gottes am aͤhnlichſten ſehen*)Sollten die Juden wirklich, wie man in aͤltern Zeiten ſehr oft behauptete, hin und wieder Chri - ſtenkinder geſchlachtet haben, ſo war vielleicht der fromme Wunſch, Gott ein ihnen recht aͤhnliches Opfer darzubringen, die Veranlaſſung.. Die Affen wuͤrden aber dann ſehr ſelten werden, und man muͤßte gewiß wieder die Gottesverſoͤhner aus den Huͤhnerſtaͤllen hervorſuchen.

Nach jenen Feierlichkeiten muß Jeder ſeinem Hahn oder ſeiner Henne die Haut am Halſe zuſam - men ziehen, und dabei bedenken, daß er ſelbſt werth ſey, erwuͤrgt zu werden. Dann wird das Thier geſchlachtet, und mit Heftigkeit auf den Bo - den oder gegen einen Stein geworfen, beides um anzudeuten, daß man die Strafe des Schwerts und der Steinigung verdient habe; und durch das Kochen und Braten ſoll die Feuerſtrafe bezeichnet werden, deren man ſich gleichfalls ſchuldig glaubt, und wofuͤr jetzt das arme Huͤhnchen im Topf buͤſ - ſen muß. Dieſe ſinnbildlichen Deutungen moͤgen in ihrer Anwendung ganz richtig ſeyn; allein Jſraels372 fromme Kinder denken doch wahrſcheinlich mehr an das wohlſchmeckende Fleiſch ihrer gefiederten Gott - verſoͤhner, als an Reue und Beſſerung.

Die Eingeweide der Huͤhner wirft man auf die Daͤcher. Dies geſchieht aus einem zweifachen Grunde. Die Suͤnden ſitzen nemlich in den Ein - geweiden des Thieres; wenn die Raubvoͤgel dieſel - ben freſſen und damit fortfliegen, ſo ſind die Juden von all ihrer Suͤndenſchuld frei, und dann iſt es oben ſo gut, als haͤtte man ſeine Uebertretungen ſaͤmmtlich, nach Moſis weiſem Befehl, auf einen Bock bekannt, und den damit fort in die Wuͤſte gejagt. Zweitens wuͤnſcht man auch den Voͤgeln unter dem Himmel etwas von den Opfern zu goͤnnen.

Wer keinen Hahn bezahlen und kochen kann, der giebt einem Chriſtenkinde einige Pfenninge oder etwas Zuckerwerk, und fraͤgt es ſchmeichelnd: willſt du ſeyn mein Capporah? Antwortet das Kind: Ja, ſo muß es dereinſt in der Hoͤlle fuͤr die Suͤn - den des Juden buͤßen.

Ehemals ſchenkten die reichern Jſraeliten ihre Haͤhne und Hennen den aͤrmern, die ſelbſt keine kaufen konnten. Dies ward aber endlich von den letztern ſehr empfindlich genommen; ſie ſagten, ih - nen eckelte vor den Suͤnden der Reichen; ſie woll - ten ſie nicht eſſen; Jeder moͤchte ſich ſeine Miſſetha - ten ſelbſt kochen und braten, und ſie allein verzeh -373 ren. Dieſe Stimmung verbreitete ſich ſchnell und allgemein, und die Reichern mußten ſich daher entſchließen, ihren duͤrftigen Mitbruͤdern zum Ver - ſoͤhnungsfeſte ſo viel zu geben, daß nunmehr Jeder ſeine eigenen Suͤnden braten und eſſen kann. Fin - det einer ein kleines gutmuͤthiges Chriſtenkind, das ſich fuͤr einen billigen Preis zum Capporah hergiebt, ſo hat er nicht noͤthig, einen Hahn oder eine Henne zu kaufen, und macht noch » eppes Rebbes*)Herr Jungendres ſeliger raͤth ſehr ernſtlich: daß ein Chriſt ſich vor ſolcher Leichtſinnigkeit und gott - loſem Zumuthen wohl in Acht zu nehmen habe, weil er ſich dadurch verpflichtet, des Juden Suͤnd und Straf auf ſich zu nehmen. Die Gefahr duͤrf - te indeſſen doch wohl ſo ſchrecklich nicht ſeyn. Der gerechteſte aller Richter ſtraft keinen Schuldloſen fuͤr den Schuldigen, ſelbſt wenn Jener auch freiwil - lig die Suͤnden und Strafen des letztern auf ſich nehmen wollte.. «

Nach dem Mittageſſen geht es auf den Fried - hof, wo man mit furchtbarem Geſchrei bei den Graͤbern der Todten, wie am Neujahrstage, betet, und Almoſen an die Armen austheilt. Auch baden ſich Jſraels Kinder am Nachmittage in kaltem Waſſer, um ſich von allen Suͤnden voͤllig zu reini - gen. Warmes Waſſer und venetianiſche Seife waͤren hiezu unſtreitig weit beſſer.

Wer einen andern beleidigt hat, muß ihn vor Anfang des Feſtes bitten, zu verzeihen. Will der374 Gekraͤnkte nicht, ſo nimmt Jener drei Zeugen zu ſich, und wiederholt in ihrer Gegenwart ſein Ge - ſuch. Jſt dies gleichfalls[ver]geblich, dann geht er mit zehn Zeugen zu ſeinem Gegner, und wenn die - ſer dennoch bei ſeiner Weigerung beharrt, ſo ſcha - det es dem Beleidiger nichts. Er hat ſeine Pflicht gethan und Gott vergiebt ihm ſeine Suͤnden. Dem Unverſoͤhnlichen hingegen werden ſie in dieſem Ver - ſoͤhnungsfeſte nicht verziehen; weil er auch nicht verzeihen wollte.

Jſt der Gekraͤnkte bereits todt, ſo geht der, ſo ihn beleidigte, mit zehn Zeugen zu des Verſtor - benen Grabe und ſpricht: ich habe mich verſuͤndigt gegen den Gott Abrahams, Jſaaks und Jakobs und gegen dieſen Joſeph Schmuel, der hier begra - ben liegt. Jch bitte um Verzeihung! und hiemit iſt die Sache abgethan.

Nach dem gewoͤhnlichen Abendgebet am neun - ten Tisri wird gebeichtet. Paarweiſe geht man zu dieſem Zweck mit einander an einen beſondern Ort der Synagoge. Der zuerſt Beichtende knieet, den Kopf gegen Mitternacht, das Hinterviertel gegen Mittag gewandt, und mit einer Hand auf den Bo - den ſich ſtuͤtzend, nieder, und ſagt leiſe ſeine Beichte, Viddui genannt, her, indem er mit der andern Hand ſich bei jedem Wort auf die Bruſt ſchlaͤgt. Sein neben ihm ſtehender Beichtvater giebt ihm waͤhrend deſſen mit einer ledernen, ziemlich ſtarken375 Karbatſche vierzig Streiche, weniger eins auf den bloßen Hintern, und ſpricht: » Er aber iſt barm - herzig, und wird ihre Miſſethat vergeben, und ſie nicht verderben; er hat ſeinen Zorn abgewandt, und nicht ſeinen ganzen Grimm erweckt. « Dieſe Stelle aus dem 78ſten Pſalm, welche in der Ur - ſprache gerade dreizehn Worte enthaͤlt, wird von dem Schlagenden dreimal wiederholt, und bei jedem Wort empfaͤngt der Beichtende einen Hieb, ſo daß er netto vierzig, weniger eins, oder neun und dreißig Streiche auf ſein Sitzfleiſch bekoͤmmt. Des - halb ſagt auch der heilige Paulus: » von den Juden habe ich fuͤnfmal vierzig Streiche, weniger einen empfangen. «

Der Beichtende erzeigt nachher ſeinem Beicht - vater den gleichen Liebesdienſt, und das iſt ſehr billig, denn auf dieſe Weiſe haͤlt bei jenem, der zuerſt geißelt, die Furcht vor ſtrenger Wiederver - geltung, und bei dem, der es zuletzt thut, die Dank - barkeit fuͤr gelinde Strafe den Muthwillen im Zuͤ - gel; ſonſt koͤnnte man ſich leicht zu hart ſchlagen. Frauen und Maͤdchen bedienen ſich einander auf dieſelbe Manier.

Dies Geißeln heißt Malkusſchlagen, und iſt ebenfalls von Moſes, aber als eine blos weltliche Strafe angeordnet. » Wenn der Gottloſe Schlaͤge verdient hat, ſoll ihn der Richter niederwerfen und ſchlagen laſſen, nach dem Maaße ſeiner Miſſethat,376 mit gewiſſer Zahl; mit vierzig Schlaͤgen ſoll man ihn ſchlagen, und ſoll nichts dazu thun. « Das auserwaͤhlte Volk Gottes ſtand alſo gleichfalls unter dem Stourza, auf Ruſſiſch Kantſchu genannt; war - um wollen ſich denn andere dagegen ſtraͤuben?

Daß man nur neun und dreißig, ſtatt der von Moſes verordneten vierzig Hiebe empfaͤngt, hat nach der talmudiſchen und rabbiniſchen Erklaͤrung ſehr vernuͤnftige Urſachen. Erſtens ſoll Moſes nicht ge - ſagt haben: vierzig, ſondern zunaͤchſt an vierzig, alſo neun und dreißig. Zweitens bediente man ſich ehemals zum Malkusſchlagen einer Geißel mit drei Riemen, ſo daß man mit jedem Schlage drei Strei - che gab. Haͤtte man nun dem armen Suͤnder ſtatt dreizehn Schlaͤge vierzehn gereicht, ſo haͤtte er of - fenbar mittelſt der drei Riemen zwei Streiche mehr bekommen, als der heilige, hochgelobte Gott durch ſeinen Knecht Moſes befohlen hatte, und deshalb laͤßt man es noch jetzt bei neun und dreißig Hieben bewenden*)M. ſ. die talmudiſche Abhandl. Makkos Kap. 3; Rabbi Bechai’s Auslegung der 5 Buͤcher Moſ. uͤber 5 B. Moſ. 25. V. 2 und 3.; immerhin genug fuͤr jeden Juden, wenn ſie nur recht ernſtlich und taͤglich gegeben wuͤrden!

Nach dem Abendgebet legt man ſeine beſten Feierkleider an, und zieht ſein Todtenhemde daruͤber,wel -377welches tief bis auf die Ferſen herabhaͤngen muß, weil man nun ganz weiß, wie Schnee und rein von allen Suͤnden iſt. Bei den koͤſtlichen Huͤhner - ſuppen und den gebratenen Haͤhnen werden die Miſſethaten und die Geißelhiebe vollends vergeſſen. Die Abendmahlzeit darf aber nur bis Sonnenun - tergang dauern; dann wandert Alles in den Tod - tenhemdern zur Synagoge, deren Fußboden mit Gras beſtreuet oder mit Teppichen bedeckt iſt, damit man bei dem vielen Niederknieen am folgenden Tage nicht die Kleider beſchmutze. Vornehme und Ge - ringe muͤſſen ihre Stiefel, Schuhe und Socken draußen vor der Thuͤre laſſen. Jeder traͤgt ſein Feiertagslicht bei ſich, ſtellt es auf den Leuchter, und zuͤndet es an; die fernere Sorge dafuͤr muß man einem Goi uͤberlaſſen, weil das Feſt zu heilig und wichtig iſt, als daß es einem Juden erlaubt waͤre, ſich darum zu bekuͤmmern. Dieſe Lichter muͤſſen von Wachs ſeyn, und wenigſtens vier und zwanzig Stunden brennen. Blos im aͤußerſten Noth - fall darf man eine Oehllampe nehmen. Jn Deutſch - land werden nur fuͤr die Maͤnner, nicht fuͤr die Frauen, in den Synagogen Lichter angezuͤndet, denn die erſtern haben, nach der Anatomie der Kabba - liſten, zweihundert acht und vierzig Glieder, und Seele und Leib dazu gerechnet, machen zweihundert und fuͤnfzig, und gerade dieſe Zahl enthaͤlt das hebraͤiſche Wort Ner oder Licht. Die Frauen hin -II. Baͤndchen. 32378gegen haben, nach jener Zergliederungskunde, vier Glieder mehr, und koͤnnen folglich kein Licht be - gehren. Jn andern Laͤndern werden auch fuͤr ſie Kerzen angezuͤndet. Wer Anſpruͤche auf beſondere Froͤmmigkeit macht, laͤßt fuͤr ſich zwei große Wachs - lichter brennen, eins fuͤr den Leib, und ein etwas groͤßeres fuͤr die Seele, welches daher das Neſcha - malicht heißt. Viele zuͤnden ſogar Kerzen fuͤr die Seelen ihrer verſtorbenen Eltern und Kinder an. Aus dem Schein ſeiner Lichter weiſſagt ſich Jeder, was ihm im kuͤnftigen Jahr Gutes oder Boͤſes be - vorſteht. Brennen ſie recht hell, dann giebt es Freude und Wonne; iſt der Schein aber dunkel und matt, ſo hat man nichts, als Kummer und Leid zu erwarten, und manchem frommen Juden ver - loͤſcht mit ſeinem Feiertagslicht die ſchoͤnſte und ein - zige Hoffnung ſeines Lebens, ja die Liebe zum Le - ben ſelbſt.

Ehe die naͤchtliche Andacht beginnt, rufen zwei oder drei Rabbiner in der Synagoge laut in he - braͤiſcher Sprache aus: daß es Jedem, dem Gott - loſen ſowohl, wie dem Frommen erlaubt ſeyn ſolle, zu beten. Hierauf geht der Chaſan oder Vorſaͤn - ger zur Arche, oͤffnet ſie, und ſingt in chaldaͤiſcher Sprache das lange Gebet Col niddre*)M. ſ. die Abhandlung von den Eiden der Juden in dieſem Werke; ferner Eiſenmengers Neuentdeck -, worin379 alle Geluͤbde, Buͤndniſſe und Eide, welche die Juden ſeit einem Jahr geleiſtet, geſchloſſen und ge - ſchworen haben, fuͤr nichtig und unverbindlich er - klaͤrt, aufgehoben und erlaſſen werden. Die An - fangsworte, in denen dies vorzuͤglich geſchieht, wer - den dreimal und in immer lauterm, freudigerm Ton wiederholt. Dies geſchieht, damit alle Jſrae - liten, die meineidigen und wortbruͤchigen ſo gut, wie die frommen, mit einander als eine heilige Gemeinde zu Gott beten koͤnnen*)Orachchajkm a. a. O.. Das Beten und Singen dauert nachher, mit furchtbarem Ge - ſchrei, bis tief in die Nacht. Manche ſchlafen in irgend einem Winkel der Synagoge, weit von der Arche entfernt, einige Stunden, aber die froͤmm - ſten, und die, ſo eine große Buße thun wollen, bleiben das ganze Feſt uͤber, Tag und Nacht auf - recht ſtehen, und plaͤrren, heulen und bruͤllen in Einem fort. Buxtorff verſichert, daß Einige wohl ſieben und zwanzig Stunden auf einer Stelle ge - ſtanden und gebetet haben. Wahrſcheinlich ſind ſie noch eben ſo bußfertig, wie damals|; wenigſtens fehlt es nicht an Urſachen dazu.

Schon vor Anbruch des Tages kommen auch die, welche zu Hauſe gegangen waren, um zu ſchla -32 **)tes Judenthum Theil 2. Kap. 9. S. 489 bis 515. und das Buch Orachchajim Nr. 610.380fen, ſaͤmmtlich wieder in ihren Todtenkleidern zuruͤck. Die Thorah wird mit großen Feierlichkeiten aus der Arche genommen, und der Chaſan ruft, indem er die Geſchichte von der Sara vorliest, nach ein - ander fuͤnf Maͤnner zum Zuhoͤren auf, welche dann, ſo wie ſie zu der Thorah treten, einen Se - gen ſprechen: Hierauf ſegnet der Chaſan jeden der Aufgeforderten gleichfalls. Außer ihnen finden ſich, nach Pfefſerkorns Bericht, alle anweſende Cohe - nim*)Dieſe Cohenim oder Prieſter ſind angebliche Nach - kommen Aarons. M. ſ. die Abhandlung: Von den Prieſtern. oder Prieſter zum Segnen und Mitleſen ein. Sie ſelbſt aber und die ganze Gemeine muͤſſen ſich ſehr wohl huͤten, waͤhrend des Segnens nicht ihre ausgebreiteten Haͤnde anzuſehen, weil die Herrlich - keit Gottes und alle himmliſchen Heerſchaaren dann in Lebensgroͤße auf den heiligen Fingern der Cohe - nim ſitzen, und Jeder, der ſie erblickt, ſogleich davon ſterben muß. Dies wird bewieſen mit 2 B. Moſ. Kap. 33. Als nemlich Moſes ſo neugierig war, Gott in ſeiner Herrlichkeit ſchauen zu wollen, antwortete ihm der Herr: » mein Angeſicht kannſt du nicht ſehen, denn kein Menſch wird leben, der mich ſiehet. « Daß man von dem Anſchauen der Prie - ſterfinger blind werden kann; haben wir ſchon fruͤ - her gehoͤrt; daß man gar davon ſterben muß, iſt noch ſchlimmer; indeſſen lieber todt, als blind!

381

Der ganze Verſoͤhnungstag wird unter lauter gottſeligen Uebungen vollbracht. Bald betet, bald ſingt, bald beichtet man, wobei Jeder voll Jnbrunſt heftig an ſeine Bruſt ſchlaͤgt zum Zeichen der An - dacht und Reue. Jn einem Augenblick ſteht Alles aufrecht und gerade auf den Beinen; im andern liegt die ganze Gemeine der Heiligen mit Bauch und Antlitz auf der Erde, und ſo wechſeln die Poſſen, bis die Sterne hoch am Himmel ſtehen. Dann verhuͤllt der Prieſter oder Chaſan ſeine Augen mit dem Talles Gedol und giebt der Gemeine, welche gleichfalls Geſicht und Augen mit den Haͤnden und Manteln bedeckt, den gewoͤhnlichen Segen. Hier - auf ſchreiet die fromme Verſammlung ſiebenmal, immer einmal lauter, als das andere: Alu Elohim Jehovah, Gott der Vater allein iſt Gott! Auch das Schmah Jſrael wird ſiebenmal geſungen, um der goͤttlichen Majeſtaͤt oder Schechinah, die jetzt wieder aus der Synagoge in ihren ſiebenten Him - mel zuruͤckkehrt, das Geleite zu geben.

Ein lauter, langer Schall des wohlbekannten Bockhorns*)M. ſ. die Abhandlung vom Neujahr der Juden., auf welchen eine Stimme vom Him - mel antwortet: Gehet hin, und eſſet froͤhlich euer Abendbrod! Gott der Herr hat alle eure guten Werke angenommen! dient endlich zum Zeichen des Aufbruchs. Draußen im Freien wird noch der382 Neumond geſegnet, worauf man mit den Worten ſcheidet: Schalom Alechem! Friede ſey mit euch! Alechem Schalom! Auch mit euch ſey Friede!

Viele nehmen beim Fortgehen die Ueberbleibſel ihrer Wachskerzen mit, um zu Hauſe Habhdalah zu machen, d. h. den Feiertag von den Werktagen zu ſondern. Andere laſſen die ihrigen zuruͤck, um ſie bei gewiſſen feierlichen Gelegenheiten anzuzuͤn - den, und manche recht Fromme und Reiche unter - halten das ganze Jahr hindurch, Tag und Nacht, ein brennendes Wachslicht, Ner tamid genannt, in der Synagoge.

Eine ſo anhaltende Andacht befoͤrdert natuͤrlich die Eßluſt gar ſehr, und man ſucht daher moͤglichſt Gaumen und Magen fuͤr ihre lange Entbehrung zu entſchaͤdigen. Das Faſten am Verſoͤhnungsfeſte, welches wenigſtens vier und zwanzig, oft wohl acht und zwanzig bis dreißig Stunden dauert, wird mit groͤßter Strenge beobachtet. Selbſt Kindbette - rinnen, die vor drei Tagen entbunden ſind, muͤſſen ſich alles Trinkens und Eſſens enthalten; und an - dere Kranke bekommen nur dann etwas, wenn ſie es ausdruͤcklich begehren, oder der Arzt es befiehlt. Knaben uͤber zwoͤlf und Maͤdchen uͤber eilf Jahr muͤſſen ebenfalls faſten. Der Gebrauch wohlriechen - der Sachen, das Baden und das Tragen von Schuhen, Stiefeln und Pantoffeln ſind gaͤnzlich ver - boten. Blos alten und ſehr kraͤnklichen Leuten iſt383 erlaubt, wollene und haͤrene Socken anzuziehen, und in der Synagoge der Kaͤlte halber auf einem Kiſ - ſen zu ſtehen.

Du ſollſt dir am Morgen des Verſoͤhnungsfe - ſtes weder den Mund ausſpuͤhlen, noch Geſicht und Haͤnde waſchen; ſelbſt den kleinen Finger ſollſt du nicht ins Waſſer ſtecken. Wenn du dir auf dem Bes Hakkiſſe die Haͤnde beſchmutzeſt, ſo tauche die Fingerſpitzen bis an das erſte Gelenk, aber nicht weiter, in Waſſer und reibe ſie an. Auch darfſt du hiezu dich eines feuchten Tuchs bedienen; allein huͤte dich ja, daß es nicht zu naß iſt, denn druͤckſt du einen einzigen Tropfen Waſſer heraus, ſo iſt es ein aͤußerliches Werk, wodurch du das Verſoͤh - nungsfeſt entheiligeſt, und der hochgelobte Gott wird dich einſt dafuͤr in der Hoͤlle in Feuer und Schwefel braten*)Orachchajim 610. und ferner..

Am Morgen nach dem Verſoͤhnungsfeſte muͤſ - ſen Jſraels Kinder fruͤhe wieder in die Synagoge gehen, damit der gottloſe Sammael ſie nicht bei dem Herrn der Welt anklagen und ſprechen darf: Siehe, geſtern waren ſie zeitig im Tempel, weil das Verſoͤhnungsfeſt war; aber jetzt iſt es mit ih - rer Froͤmmigkeit vorbei! Dort liegen ſie im Bette und ſchnarchen, ſtatt zu beten und zu ſingen**)Minhagim 68.. 384Uebrigens iſt es ſehr rathſam, daß man dem Sam - mael oder Satan am Verſoͤhnungsfeſt einige kleine Geſchenke verehrt; man verblendet ihm damit die Augen, daß er nicht alles ſehen und anklagen kann, wenn man irgendwo ſuͤndigt, wie geſchrieben ſtehet: du ſollſt keine Geſchenke nehmen, wodurch ſelbſt Weiſe verblendet werden*)Caphtor upherach Fol. 71. und 2 B. Moſ. 23. V. 8. Vom Verſoͤhnungsfeſt handelt beſonders der talmudiſche Traktat Joma. .

Das385

Das Freudenfeſt wegen der Vollen - dung des Geſetzes.

Das Feſt Simchas Torah oder das Freudenfeſt wegen der Vollendung des Geſetzes ward nicht von Moſes, ſondern in ſpaͤtern Zeiten von den Rabbi - nen angeordnet, und wird am 23ſten Tisri, alſo gerade an dem erſten Tage nach der Beendigung des Laubhuͤttenfeſtes gefeiert, weshalb es von Man - chen als der neunte Tag des letztern betrachtet wird*)Wie z. B. von Kirchner, Jungendres u. a. Dies iſt aber unrichtig, da beide Feſte einen ganz ver - ſchiedenen Urſprung und Zweck haben..

Die juͤdiſchen Schriftgelehrten theilten die fuͤnf Buͤcher Moſis in zwei und fuͤnfzig Paraſchen oder Abſchnitte, und beſtimmten, daß an jedem Sabbath ein ſolcher Abſchnitt vorgeleſen werden ſollte. Auf den Sabbath nach dem Laubhuͤttenfeſt faͤllt der letzte, womit dann die jaͤhrlichen Vorleſungen des Geſetzes vollendet ſind. Hiefuͤr ſoll Gott gedankt werden, und daher der Name Geſetzesfreude oder Freudenfeſt uͤber die Vollendung des Geſetzes.

II. Baͤndchen. 33386

Nach den Berichten des Talmuds*)M. ſ. die talmudiſche Abhandlung Succah oder von den Laubhuͤtten Kap. 5. ward dies Feſt ehemals mit vielen Luſtbarkeiten, beſonders mit Tanz und Saitenſpiel von den Prieſtern und dem Volke gefeiert, und noch jetzt iſt es mehr der Freude, als der ernſtern Andacht geweihet.

Schon am Abend vorher, d. h. am letzten oder achten Tage des Laubhuͤttenfeſtes nimmt der Vor - leſer oder Chaſan nach beendigtem Abendgebet die Geſetzbuͤcher aus der Arche und geht, eins derſel - ben unter dem Arm haltend, in der Synagoge umher; andere folgen ihm auf gleiche Weiſe mit den uͤbrigen Geſetzbuͤchern. Darauf beſteigt er den Al - memor oder die Kanzel, ſchlaͤgt die Vorleſung fuͤr den folgenden Tag auf, ſpricht oder ſingt noch ei - nige Gebete, und dann kehrt man heim.

Wenn Oertlichkeit und Polizei es geſtatten, wird am Morgen des Feſtes im Hofe der Syna - goge ein Freudenfeuer angezuͤndet, wozu man ſich des Holzes von den Laubhuͤtten bedient. Nachher werden im Tempel mit vielen Feierlichkeiten alle Geſetzbuͤcher aus der Arche genommen. So wie man das letzte heraushebt, muß man wieder ein bren - nendes Licht hinein ſetzen, denn die Arche darf nie leer ſtehen; aber ein brennendes Wachslicht iſt eben ſo gut, wie das Geſetz, weil der weiſe Koͤnig387 Salomo, vor deſſen Weisheit der Himmel alle Koͤ - nige behuͤte, in ſeinen geiſtvollen Spruͤchwoͤrtern ſagt: das Gebot iſt eine Leuchte, und das Geſetz iſt ein Licht.

Mit den Geſetzbuͤchern tanzen Jſraels luſtige Kinder dreimal um den Almemor oder die Kanzel und in ihrer Kirche herum, und legen ſie dann wieder in die Arche, mit Ausſchluß von dreien, die ſie zuruͤck behalten. Aus dieſen liest darauf einer die erſte, und ein Anderer die letzte Paraſcha. Der erſte Vorleſer wird Braͤutigam des Breſchis oder des Anfangs, der zweite Braͤutigam der Torah oder des Geſetzes genannt. Da - fuͤr muͤſſen nachher beide die Armen mit reichlichen Almoſen und ihre Freunde mit einer koͤſtlichen Mahlzeit erfreuen. Zur Herzſtaͤrkung der lieben Jugend und zum ergoͤtzenden Schauſpiel der Alten wird eine Menge Obſt und Kuchenwerk in der Sy - nagoge ausgeworfen, um welches ſich die holden Kleinen dann raufen, ſchlagen, kratzen, ſchimpfen und beiſſen, daß es eine wahre Luſt fuͤr die zaͤrt - lichen Eltern iſt. Zu dieſem Zweck bringt man an manchen Orten ganze Tonnen voll Aepfel, Birnen, Nuͤſſe und dergleichen auf den Almemor, und weil auch die Erwachſenen glauben, daß es heiliges Obſt ſey, ſo bemuͤhen ſie ſich nicht minder, etwas davon zu erhaſchen, und gerathen dabei gar oft mit Fingern und Haaren in unangenehme Verwik - kelungen.

33 *388

Brautleute und andere Liebende machen ſich an dieſem herrlichen Feſttage gegenſeitig Geſchenke.

Zu jenen Geiſt und Herz erhebenden Feierlich - keiten koͤmmt noch die Verſteigerung mehrerer Kir - chenaͤmter in der Synagoge. Einige derſelben wer - den freilich jedesmal, wenn ihre Verwaltung noͤthig iſt, ausgerufen und verkauft; andere dauern aber ein Jahr lang, d. h. von einem Freudenfeſte bis zum andern, woferne ſie nicht in der Zwiſchenzeit wegen Todesfaͤlle oder anderer Urſachen beſetzt werden muͤſſen, denn alsdann erſtreckt ſich in der Regel die Amtsdauer nur bis zum naͤchſten Freu - denfeſte. Das aus dem Verkauf der Aemter geloͤste Geld wird zur Erhaltung der Synagogen und Schu - len und zur Unterſtuͤtzung der armen Juden ver - wandt*)Die Aemter des Chaſan, des Rabbiners, des Schul - klopfers u. ſ. w. werden auf laͤngere Zeit, gewoͤhn - lich auf Lebenszeit vergeben, und ſind mit Einkuͤnf - ten verbunden..

Der Schulklopfer, Kuͤſter oder Sigriſt, ruft die zu verkaufenden Aemter in nachfolgender Ord - nung aus: 1) das Amt, waͤhrend des ganzen Jahrs die Lichter in der Synagoge anzuzuͤnden. Wer es recht treu verwaltet, hat vorzuͤglich große Anſpruͤche auf das Paradies und das ewige Leben. 2) das Amt des Weingebens zu den Sabbathen und andern Feſten. Der gelieferte Wein wird zwar389 erſt im Paradieſe bezahlt, indeſſen behilft man ſich dafuͤr recht gerne mit dem gewoͤhnlichen Herrgotts - tiſchwein, wie ihn unſere Herren Pfarrer beim Nachtmahl ausſchenken, und darf, gleich dieſen, etwas Aqua Fontana dazu miſchen, oder im Noth - fall auch Apfelmoſt nehmen. Die Knaben, welche man damit traͤnkt, werden ungemein fett, fromm, klug, alt und ſehr reich, und trinken ihn mit vie - lem Vergnuͤgen. 3, 4 und 5) die Aemter Gelilah*)Nach Einigen gehoͤrt das Gelilah-Amt zu den jaͤh - rigen; nach andern zu denjenigen Kirchenaͤmtern, die an jedem Tage, wo ihre Verwaltung noͤthig iſt, verkauft werden. Buxtorff rechnet es im 9ten Kap. ſeiner Synagoge Jud. zu den letztern und im 22ſten Kap. zu den erſtern., Hagbohah und Etzchajim werden blos fuͤr einen Tag verkanft und ſind mit ihren Verrichtungen be - reits an einem andern Orte erwaͤhnt**)M. ſ. den Aufſatz von der Feier des Montags und Donnerstags.. Der Jnhaber des Amts Etzchajim muß an die Staͤbe, Etzchajim oder Holz des Lebens genannt, greifen, an welche das, auf Pergament geſchriebene Geſetz befeſtiget iſt. Außerdem reicht er dem Segen, d. h. dem, mit dem Gelilah oder dem Auf - und Zuwickeln des Geſetzbuchs Beamteten die Tuͤcher zu, um es ſchnell zu verhuͤllen. Das Amt Etzchajim kaufen gewoͤhnlich Knaben, indem ſie durch das390 Beruͤhren des Lebensholzes fromm, fett, klug, reich und alt zu werden hoffen, weil es heißt: Sie iſt ein Baum des Lebens, denen, die ſie ergreifen; Spruͤchw. 3. V. 18. Jndefſen iſt es doch ein ge - faͤhrliches Amt, das viel Vorſicht erfodert, denn, wenn man ungluͤcklicher Weiſe das Pergament mit der bloßen Hand beruͤhrt, ſo begeht man die ſchreck - lichſte Suͤnde, wofuͤr man dereinſt in der Hoͤlle mit den entſetzlichſten Qualen gemartert wird. 6) das Amt Acherva beſteht in der Verpflichtung, an den Feſttagen zuletzt aus dem Geſetzbuche vorzuleſen. 7) das Amt Schehijah. Der Jnhaber deſſelben muß jedesmal fuͤr denjenigen Beamten eintreten, der ſeine Pflicht nicht erfuͤllen will oder kann.

Ueber dieſe Kirchenaͤmter entſtehen bei der Ver - ſteigerung zwiſchen Jſraels friedliebenden Kindern eben ſo arge Raufereien, wie uͤber die Aepfel und Nuͤſſe. Oft wird ein Reicher dem Armen, ein Papierjude dem Bandjuden, ein Juͤngling dem Greiſe, ein » Ungelernter « dem » Gelernten, « ein Gottloſer dem Frommen widerrechtlich vorgezogen; und da ſetzt es Rippenſtoͤße, Kopfnuͤſſe, blaue Au - gen und zerkratzte Geſichter! Haare und Baͤrte werden weidlich zerzaust, und ſelbſt der fromme Baͤrenprophet Eliſa wunderthaͤtigen Andenkens ſoll ſich bei einem ſolchen Scharmuͤtzel ſeinen Glatzkopf geholt haben. Manchmal gehen die Zaͤnkereien ſo weit, daß man ſogar chriſtliche Obrigkeiten und391 Richter um ihre Entſcheidung anſprechen muß, die dann zum erſten Mal in ihrem Leben von dem Amt Etzchajim, dem Amt Gelilah, dem Amt Schehijah u. ſ. w. hoͤren, und ſich hoͤchlich wundern, wie man ſich einander wegen dieſer Aemter, die nicht die geringſten Sporteln eintragen, Haare und Baͤrte ausraufen und die Augen auskratzen kann.

Mit einem geſegneten Becher Wein beſchließt der Chaſan, eben ſo wie an den uͤbrigen Feſttagen die naͤchtliche Andacht, und mit dem Wunſch einer guten Woche ſcheidet man von einander.

Nach einer moͤglichſt koͤſtlichen Abendmahlzeit verrichtet jeder Familienvater zu Hauſe mit einem Glas Wein oder Bier dieſelben Feierlichkeiten, welche der Vorſaͤnger zuletzt in der Synagoge vor - nahm, und damit iſt das Feſt voͤllig geendigt.

392

Das Feſt der Tempelweihe.

Das Feſt der Tempelweihe, von den Juden Cha - nucah genannt, wird am 25ſten des Monats Kaslef oder Kislev gefeiert. Als Judas Maccabaͤus nach dem Tode ſeines Vaters Mattathias, Jeruſalem wieder eroberte, wollte er auf’s Neue den Tempel einweihen, der von Lyſias und Gorgias, den Feld - herren des Antiochus entheiliget war. Erſt nach langem Suchen fand er ein Flaͤſchchen mit heiligem Oehl, welches der Hoheprieſter mit ſeinem Siegel verſchloſſen hatte; es reichte jedoch nur fuͤr einen Tag hin, und das Feſt der Weihe ſollte acht Tage dauern. Die Stadt Tehoa, der einzige Ort, wo man von jenem Oehl bekommen konnte, war vier ſtarke Tagereiſen von Jeruſalem entfernt, und Jſrael befand ſich alſo in der peinlichſten Verlegen - heit. Der heilige, hochgelobte Gott aber, der ſei - nem frommen Volke ſchon aus ſo mancher Klemme durch ganz unglaubliche Wunder heraushalf, that auch diesmal ein unbegreifliches Wunderwerk. Er ließ nemlich das Oehl in dem Flaͤſchchen, wahr - ſcheinlich durch Huͤlfe der Prieſter und des Judas393 Maccabaͤus, ſich ſo ſtark vermehren, daß man acht volle Tage genug daran hatte. Zum Andenken an dies Wunder ſowohl, als an jene Weihe, feiert man ſeitdem das, von Judas Maccabaͤus angeord - nete Feſt der Tempelweihe oder Kirchweihfeſt, ob - gleich bekanntlich von jenem Tempel, der erſt » naͤchſtens « wieder aufgebauet werden ſoll, kein Stein mehr uͤbrig iſt.

Das Wichtigſte bei dieſer Feier ſind, außer Eſſen, Trinken und Spielen, die Lichter. Sowohl in den Haͤuſern, als in den Synagogen wird am 25ſten Kaslef ein Licht, entweder eine Wachskerze oder eine Oehllampe angezuͤndet, und mit den Worten geſegnet: Gelobet ſeyſt du, Herr unſer Gott, ein Koͤnig der Welt, weil du uns das Wun - der mit unſern » eigenen « Augen haſt ſehen laſſen. An dem Wunderwerk iſt alſo gar nicht zu zweifeln, da ſo wahrhafte Maͤnner, wie unſere Juden, ver - ſichern, es mit eigenen Augen geſehen zu haben. Am 26ſten Kaslef zuͤndet man zwei, am 27ſten drei und ſo taͤglich mehrere Lichter an, bis am achten Abend acht Kerzen auf dem achtarmigen Leuch - ter brennen*)Nach Buxtorff werden nur ſieben angezuͤndet; dies iſt aber ein Jrrthum, wie ſowohl der Leuchter mit den acht Ampeln oder Armen, als die Einſetzungs - worte des Feſtes ſelbſt beweiſen, wornach daſſelbe acht Tage auf gleiche Weiſe gefeiert werden ſollte. M. ſehe 1. B. der Maccabaͤer 4. V. 59.. An jedem Abend muß der eben394 erwaͤhnte Segen geſprochen werden, und nachher wird noch ein Dankgebet zur Erinnerung an die Opfer geſungen, welche man ehemals im Tempel dem Gott Jſraels fuͤr das Ertrinken des Pharao im rothen Meere und fuͤr den Sturz des gottloſen Haman darbrachte.

Uebrigens ſind ſich die Feierlichkeiten in den Haͤuſern und in den Synagogen beim Anzuͤnden der Kerzen, wozu ohne Ausnahme alle Maunsperſonen verpflichtet ſind, voͤllig gleich. Die Lichter duͤrfen nie ganz ausbrennen, ſondern muͤſſen nach ein paar Stunden ausgeloͤſcht werden. Beim Schein der heiligen Kerzen und Lampen darf nichts gearbeitet werden; wer ein Geſchaͤft hat, muß ſich dazu eines beſondern Lichts bedienen. Wenn ſie nicht mehr brennen, iſt die Arbeit erlaubt. Die Ueberbleibſel werden bis acht Tage nach beendigtem Feſt aufbe - wahrt, und dann außer dem Hauſe an einem rei - nen Ort und in einem beſonders dazu angelegten Feuer verbrannt. Die Leuchter muͤſſen in den Haͤu - ſern zur rechten Hand an der Thuͤre, nicht niedri - ger als zehn, und nicht hoͤher, als zwanzig Span - nen von