PRIMS Full-text transcription (HTML)
Die Vagabunden.
Dritter Band.
Die Vagabunden.
Roman in vier Bänden
Dritter Band.
Breslau,Verlag von Trewendt & Granier.1852.

Fünfzigſtes Kapitel.

Eine barmherzige Schweſter.

Was giebt es dort, wo die Leute ſich zuſammen draͤngen?

Jſt ein Ungluͤck geſchehen?

Eine Pruͤgelei vielleicht!

Oder ein Diebſtahl!

Sie ſind ſo keck, dieſe Spitzbuben! Hat man den Thaͤter ergriffen?

Nicht doch, es iſt ein Kranker!

Oder ein Trunkenbold!

Ein junger Menſch, wie bleich er ausſieht!

Wie er die Augen verdreht!

Er leidet wahrſcheinlich an Kraͤmpfen!

Er kommt aus einem Eſtaminet*)So wurden zur Zeit ſchmählicher Tyrannei diejenigen Kaffeehäuſer in P. genannt, wo Tabak geraucht werden durfte ausnahmsweiſe. Jetzt ſoll das anders ſein und über - all die Freiheit herrſchen, Geſtank zu verbreiten und Qualm..

Ha ha ha, er hat zu ſtarke Cigarren geraucht!

Ob man ihn denn nicht fortſchaffen wird?

Die Vagabunden. III. 12

Ah bah, er ſoll ſeinen Rauſch im Freien aus - ſchlafen.

Ja wohl, unter blauem Himmel.

Der Abend iſt mild.

Doch wir werden Gewitter haben!

Deſto beſſer, ſo erfriſcht ihn der Regen.

Seht, was dringt da durch’s Gewuͤhl?

Zwei fromme Schweſtern!

Gehorſamer Diener, das iſt die neue Schweſter, die Antonina!

Sie ſoll uͤber’s Meer gekommen ſein, eine Miſſio - nairin, ſagt man.

Die Erſte dort?

Die ſich Bahn bricht zu dem Kranken.

Wahrlich das iſt ſie! Gottes Segen uͤber dieſe. Sie iſt eine Heilige!

Ob ſie eine Heilige ſein will, weiß ich nicht; aber daß ſie eine Wohlthaͤterin der Kranken und Armen iſt, weiß die ganze Stadt.

Seht, ſie kniet bei ihm nieder.

Sie ergreift ſeine Hand.

Sie ſtreicht ihm die Locken aus der Stirn.

Sie fluͤſtert ihm in’s Ohr.

Er ſchaut ſie an.

3

Heilige Mutter Gottes, er laͤchelt.

Still, jetzt ſpricht er.

Habt ihr vernommen, Nachbarin, was er ſagte?

Deutlich, jede Silbe.

Nun was war’s denn?

Jch bin im Himmel, hat er geſagt; Gott ſendet mir ſeine Engel.

Der arme Menſch, er phantaſirt!

Er weiß nicht, was er redet!

Doch, wenn er jene einen Engel nennt, weiß er wohl, was er redet!

Schweſter Antonina erhebt ihre Stimme.

Seid ruhig, laßt ſie ſprechen.

Wie?

Ob wir ihn tragen wollen?

Ja, gern.

Wenn es die fromme Schweſter wuͤnſcht, herzlich gern.

Da Frau, nimm meinen Stock.

Greift an, Gevatter Bonnard.

Und auch ihr, Mathieu!

Das verſteht ſich, fuͤr Schweſter Antonina durch’s Feuer!

Es lebe Schweſter Antonina!

1 *4

Und ihrer Vier trugen Anton mitleidvoll und vor - ſichtig. Schweſter Antonina ſchritt neben ihnen her.

Einundfünfzigſtes Kapitel.

Ein Krankenſaal. Adele und Antonina. Drei Deutſche in Paris. Carino’s Teſtament.

Es war ein langer, hochgewoͤlbter Saal. Am Ende deſſelben brannte vor dem Altar-Bilde der heil. Eliſabeth die ewige Lampe. Zwei Reihen wohlge - haltener Lagerſtaͤtten, jede von der anderen durch den Zwiſchenraum einiger Fußbreiten getrennt, nahmen die Seitenwaͤnde ein. Die Kranken ſorglich gepflegt, mit jeder Bequemlichkeit verſehen, von jeder Labung erfriſcht die des Arztes Vorſicht ihnen nur geſtatten wollte, ſchliefen oder ſtoͤhnten, je nachdem ihr Zuſtand es mit ſich brachte. Dienende Schweſtern gingen ab und zu, dort Arzeneien reichend, hier Troſt und freundliche Worte ſpendend.

Bei Anton’s Bett ſaß Schweſter Antonina: Nichts als Erſchoͤpfung, Elend, Gram, Hunger! verſichert unſer Arzt! Hunger? Du armer Freund!

Er ſchlaͤft. Mag er ſchlafen, ich wache fuͤr ihn. O mein Gott, wie gnaͤdig warſt Du mir!

5

Als der Morgen anbrach ſchlug Anton die Augen auf.

Adele! ſprach er; Adele! Endlich gefunden!

Und leiſe wurde ihm geantwortet: Adele iſt geſtor - ben. Jch bin die Schweſter Antonina.

Anton blickte umher in den Raͤumen die ihn auf - genommen. Er wußte nicht mehr, wie er hierher kam! Aber er begriff, wo er war. Er begriff, wer ihn von der Straße, wo er huͤlflos lag, aufgehoben und vor qualvollem Hungertode, vor Wahnſinn geborgen. Doch eben ſo begriff er mit jenem ſchar - fen Ahnungsvermoͤgen der Seele, welches haͤufig durch koͤrperliche Leiden, vorzuͤglich aber in Zuſtaͤnden ohnmaͤchtigſter Ermattung ſich bis zum Hellſehen ſteigert, was mit Adelen vorgegangen; erinnerte ſich, jetzt erſt, wo er wiederum daniederlag! jener Aeußerungen, die ſie damals an ſeinem erſten Krankenlager von der heil. Jungfrau und von einem Geluͤbde gethan.

Sie war alſo entwichen, um der Welt und ihm zu entfliehen; hatte ſich hier dem Beruf hingegeben, in welchem ſie Troͤſtung ſuchte fuͤr ihres Lebens Weh! Und nun hatte er ſie gefunden, nur um zu erfahren, daß er ſie fuͤr immer verloren, daß Adele Jartour todt ſei fuͤr ihn.

6

Dabei jedoch mußte er ſich ſagen, war er von ihr gefunden worden, um gerettet zu werden.

Gerettet! Wofuͤr gerettet? fuͤgte er unglaͤubig, an ſich ſelbſt verzweifelnd hinzu; fuͤr welchen End - zweck? Was ſoll ich dem Leben fuͤrder nuͤtzen? Was das Leben mir?

Sehr langſam, mit aͤußerſter Behutſamkeit durf - ten die Staͤrkungsmittel angewendet werden, welche dieſem durch Ausſchweifungen, wildes Leben, Ver - zweiflung, und endlich Mangel und Noth an den Rand des Grabes geworfenen Koͤrper, die vorige Jugendkraft wieder geben ſollten.

Auch war ſolch eiſerner, unerſchuͤtterlicher Wille wie der einer Schweſter Antonina noͤthig, um den flehenden Bitten des Kranken zu widerſtehen, wenn er uͤber unerſaͤttlichen Hunger klagte und ſich, um dieſen zu ſtillen, mit den ſpaͤrlichſten Gaben zu begnuͤ - gen hatte. Ein ernſter Blick der frommen Pflegerin reichte aber jedesmal hin, ſein Murren in dankbares Gebet zu verwandeln.

Und wie eine Prophezeihung wohlthuenden Gene - ſens ſtroͤmte erquickendes Gefuͤhl ihm durch die Adern, ſobald er ihren Schweſter-Namen von Andern aus - ſprechen hoͤrte, oder ihn ſelbſt ausſprach.

7

Antonina! Da ſie dieſen Namen erwaͤhlte, hat ſie meiner gedacht!

Jn dem Bette zunaͤchſt dem ſeinigen ſiechte ein junger deutſcher Landsmann, ein armer Handwerker, fuͤr welchen der Arzt keine Hoffnung mehr gab. Jn dem Grade wie Anton ſich der Geſundheit naͤherte, zehrte ſich der dahin ſterbende Tiſchlergeſell ſichtlich ab und ſchwand dem fruͤhzeitigen Ende zu. Sie wechſelten bisweilen deutſche Gruͤße miteinander; Zauberklaͤnge aus heimathlicher Gegend.

Der Tiſchler, ſeiner guten alten Mutter einziges Kind, war ihr davon gegangen, die Welt zu ſehen! Jn Paris war er in luͤderliche Geſellſchaft gerathen und hatte ſich, ſeinem eigenen Ausdruck nach auf die ſchlechte Seite gelegt. Und auf dieſer ſetzte er mit bitter’m Scherze hinzu, bleib ich nun liegen, bis ſie mich auf den Ruͤcken legen.

Wie ſie zum Letztenmale mit einander redeten fragte der Tiſchler ob Anton nicht große Sehnſucht empfaͤnde nach ſeiner Mutter!

Jch habe keine, erwiederte dieſer.

Wenn ich meine Mutter noch einmal ſehen koͤnnte, dann wollte ich gerne ſterben, ſprach der Tiſchler.

8

Sie entſchlummerten Beide.

Jn der Nacht wurde Anton aufgeweckt von einem heiſeren durchdringenden Zuruf ſeines Nachbars: Herr Landsmann, ich ſehe meine Mutter, ſie iſt bei mir!

So iſt er wenigſtens im Traume gluͤcklich, fluͤſterte Anton.

Des Morgens, wie ſie ihm Arzenei reichen woll - ten, fanden ihn die verpflegenden Schweſtern todt. Er hatte ſeine Mutter noch einmal geſehen.

Anton blieb einen ganzen Tag ohne Nachbar.

Jn der darauf folgenden Nacht, gegen Morgen, wurde ein Kranker gebracht. Schweſter Antonina trug Sorge, daß er in das leere Bett neben Anton gelegt werde. Sie gab dieſem zu verſtehen, der neue Ankoͤmmling kenne ihn; habe den Wunſch geaͤußert, mancherlei Mittheilungen zu machen. Bis jetzt ſei er in ſeiner Wohnung verpflegt worden, nachdem jedoch die fromme Schweſter die ihn daſelbſt unter ihrer Aufſicht gehabt, die uͤblen Umgebungen in jenem Hauſe geſchildert, ſei der Transport hierher verfuͤgt worden. Leider nur zu ſpaͤt; denn die nahe bevorſtehende Aufloͤſung laſſe ſich nicht mehr bezweifeln.

Anton war ſehr begierig zu erfahren, welche Mit -9 theilungen das ſein koͤnnten? Wer derjenige waͤre, der ihm ſie machen wolle? Und woher Antonina vermuthe, daß ſie ihm gaͤlten?

Das iſt hoͤchſt einfach, antwortete dieſe. Jch war ſelbſt in dem jammervollen Gemach, wo er bis heute krank gelegen, um Obacht zu geben auf ſein Eigenthum und, was er etwa noch beſaͤße, fuͤr ihn zu retten. Da fand ich ein Blatt Papier in großen Schriftzuͤgen mit Bleiſtift beſchrieben. Es ſind deutſche Buchſtaben darunter, die ich nicht kenne. Doch zwei Woͤrter, mit franzoͤſiſchen Lettern ſprangen mir in’s Auge: Anton und Liebenau. Da ich nun, ſagte ſie wehmuͤthig laͤchelnd von meiner Freundin Adele dieſe beiden Namen oft nennen hoͤrte, ſo benuͤtzte ich einen lichten Augenblick des Fiebernden, ihn zu befragen. Aus ſeinem eifrigen Wunſch, denjenigen zu finden, an welchen dieſe Zuſchrift begonnen wor - den, entnahm ich, daß etwas Wichtiges fuͤr Sie daran geknuͤpft ſein koͤnne. Dieſe Entdeckung veranlaßte mich, den Sterbenden noch hierher ſchaffen zu laſſen, was ich nur muͤhſam, nur mit Huͤlfe maͤchtigen Ein - fluſſes durchſetzen konnte.

Das Blatt! Um Gotteswillen, Adele Anto - nina, das Blatt!

10

Hier iſt es.

An einen genannten Anton aus Liebenau in , der ſich wahrſcheinlich noch hier befindet.

Es wird gebeten, nach meinem Tode, dieſe Zeilen deutſch und franzoͤſiſch oͤffentlich der Finder erwirbt (unleſer - liche Stellen) eines Sterbenden, deſſen Schuld genaue Nachricht, Herkunft Aufenthalt ſeines Vaters beſſere Verhaͤltniſſe Tod ſeiner Mutter. Einzige Mitwiſſerin des Geheimniſſes Turin oder Piſa Dona assoluta

Carino? der Sterbende iſt Carino! rief Anton ſo laut, daß es in den hohen Hallen des Krankenſaales wiederſchallte.

Und ein von Leiden entſtelltes, todtenaͤhnliches Antlitz richtete ſich empor:

Ah, biſt Du es, mein Knabe? Deſto beſſer. Vor Schluß der Scene, eh noch der Vorhang nie - derfaͤllt. Er bedeckt nichts Gutes. Haſt Du des ewigen Ritter’s Gluck ewige Grabſchrift geleſen? Il préferait les muses aux syrenes! Bei mir hieß11 es umgekehrt: il préferait les syrenes aux muses! Jn Welſchland hauſen die Syrenen. Zieh auch gen Welſchland! Zum ſchiefen Thurme. Bring ihr meinen Abſchiedsgruß, meine Bitte um Verzeihung. Sie meinte es treu; ſie war keine Syrene; ſie iſt eine Muſe! Eine verkannte. Das Große wird immer verkannt, ſo lang es lebt. Komm, Anton, nimm die Geige, mein alter Oheim der Paſtor wuͤnſcht es auch. Spiel mir ein deutſches Lied ein deutſches, eh ich ſterbe. .... Die Saiten zerſchnitten? Nimm meine Geige! Wie, verſetzt? Ja ſo. Hier iſt Gold, loͤſe ſie mir ein! Jetzt ſpiele .... ſchoͤner Ton! Sie geht einſammeln, mit dem Hute des Bettlers .... Nun laß uns fingen dreiſtimmig: ſie, ich, du: Es ritten drei Reiter zum Thore hinaus, Ade Ade Ade!

Und auf dem Lager worauf der arme deutſche Tiſchlergeſell geſtorben, that auch der Neffe des ehr - lichen Paſtors von Liebenau, der vielgereiſete Vir - tuoſe und Muſikdirektor Carino ſeinen letzten Athem - zug, indem er mit brechender Stimme jene Volks - weiſe ſang, die Anton einſt ihm vorgeſpielt.

Sie begruben ihn wie jeden Anderen.

12

Anton’s Wiederherſtellung wurde befoͤrdert durch dies Ereigniß. Mit dem Streben nach einem neuen, wenn auch fernen und ihm faſt unerreichbaren Ziele, drang friſches Leben in ſeine jugendlichen Glieder. Schweſter Antonina naͤhrte des Juͤnglings kuͤhne Hoffnungen. Sie zeigte ihm mit allerlei bedeutungs - vollen Winken die Moͤglichkeit im Hintergrunde ſeiner uͤbrigens ſo finſter umhuͤllten Zukunft; ſie deu - tete ihm an, daß dieſelben maͤchtigen Haͤnde, welche ihr ſo raſch und gewaltig zur Erfuͤllung ihrer from - men Wuͤnſche behuͤlflich geweſen, durch paſſende Ver - mittelung in Anſpruch genommen, auch ſeine Zwecke zu foͤrdern bewegt werden koͤnnten.

Wenn ſie ſich bei dieſen ſchmeichleriſchen Ver - heißungen im Geheimniſſe huͤllte, ſo machte das ſei - nen wiedererwachenden Glauben keinesweges ſchwan - kend. Denn was Adele ſprach, durfte nur Wahr - heit ſein; ein Dunkel in welches Antonina ſich huͤllte, mußte zur Klarheit fuͤhren. Er uͤberließ ſich ihr! Ueberließ ſich dem Glauben an ihr Herz; der Achtung fuͤr ihren Verſtand; dem Vertrauen auf Gott; dem Gefuͤhle wiederkehrender Geneſung und Jugendkraft. So ausgeruͤſtet haͤtte er die Stunde ſeiner Befreiung aus dem Krankenhauſe gar nicht erwarten koͤnnen,13 waͤre ſie nicht zugleich wie die Stunde ewiger Tren - nung von Adele vor ihm erſchienen.

Als Schweſter Antonina ihm verkuͤndigte, daß dieſe Stunde geſchlagen, was Anton, vor Wonne und Schmerz bebend, vernahm, gab ſie ihm auf, den Wagen zu beſteigen, welcher draußen ſeiner harre, und ſich in jene kleine Wohnung zu verfuͤgen, wo er ſich zuletzt aufgehalten habe und wo jetzt Alles fuͤr ihn vorbereitet ſei. Dort moͤge er behutſam das Daſein des Geſundeten beginnen, die ſchoͤnen Nach-Sommer - Tage zu maͤßigen Spaziergaͤngen benuͤtzen und ſich durch einfache Koſt kraͤftigen. Fuͤr die Mittel haben unbe - kannte, oder doch ungenannte milde Goͤnner geſorgt. Jhre alten Wirthsleute ſind unterrichtet, was Sie beduͤrfen. Das Uebrige wenn wir uns wiederſehen.

Sehen wir uns wieder, Adele?

Antonina wird mit einer ihrer Schweſtern bei Jhnen vorſprechen, um nothwendige Anordnungen wegen einer Reiſe nach Jtalien zu treffen; einer Reiſe die Anton thun muß. Bis dahin, Adieu! Und ver - lieren ſie nicht die Geduld, denn es zeigen ſich noch mancherlei Schwierigkeiten. Aber wir wollen alle uͤberwinden, und wir werden es.

14

Zweiundfünfzigſtes Kapitel.

Der Geneſende und die Polizei. Wie Anton durch ſeine Geſandtſchaft aus dem Franzöſiſchen wieder zurück in’s Deutſche überſetzt wird. Letzter Abſchied von Adele.

Die alten Leute empfingen Anton wieder eben ſo herzlich, als da er zum Erſtenmale zu ihnen zuruͤck - gekehrt war. Zugleich dankten ſie voll Erkenntlich - keit fuͤr die Unterſtuͤtzungen, welche er waͤhrend ſeiner Krankheit ihnen habe zufließen laſſen. Es war nicht ſchwer, auch hierin Antonina’s frommes fuͤrſorgendes Walten zu erkennen; nicht minder ſichtbar zeigte ſich daſſelbe in ſeinem Kaͤmmerlein, in Kleidung, Waͤſche, Ordnung und Aufbewahrung ſaͤmmtlicher Papiere.

Ja, Alles dies hab ich ihr zu verdanken, ſprach er; ihrer ſchweſterlichen Liebe. Aber wird es dieſer wohl auch moͤglich werden, mich aus dieſer Stadt, aus dieſem Lande zu bringen? Noch immer haͤngt ein Schwert uͤber meinem Haupte; eine unvorſich - tige, voreilige Bewegung, die mich, meinen Namens - tauſch meinem geſetzwidrigen Aufenthalt verraͤth, .... und es faͤllt; faͤllt, und ſchneidet mir jede Hoffnung ab, die Spuren weiter zu verfolgen, die Carino’s Andeutung mir zeigte. Jm engen Kerker, umgeben von niedrigen Verbrechern, wie der verworfenſte Landſtreicher behandelt, werd ich vergeblich nach15 Jtaliens Himmel mich ſehnen, wohin bange Hoffnung jetzt meine Seele zieht. Abermals wird wuͤſtes Fieber mich auf’s Krankenlager werfen, ach, und keine Antonina, keine Adele wird mit Engels-Fittigen mir kuͤhlenden Troſt zuwehen. Waͤr es nicht beſſer, von ihren milden Worten beruhiget, zum himmliſchen Frie - den hinuͤber gegangen zu ſein! Daß ich jetzo begraben laͤge, wo Carino liegt und mein armer Tiſchler!

Anton blieb viel daheim, holte im Tagebuche emſig nach, was er verſaͤumt durch Baͤrbels Umgang, durch ſeine Krankheit, fuͤllte alle Luͤcken aus, ſchrieb die erſteren Blaͤtter in’s Reine und lebte auf dieſe Weiſe ſein junges Leben noch einmal durch. Nur im Schutze der Abend-Daͤmmerung wagte er ſich hinaus an die Luft. Jn jedem Begegnendem der ihn eines Blickes wuͤrdigte, waͤhnte er den Verfolger fuͤrchten zu muͤſſen; den Diener der Gewalt, der ihn zur Rechenſchaft ziehe.

Es war wieder Herbſt geworden. Faſt ein Jahr verſtrichen, ſeitdem er in Paris eingewandert. Fuͤr ihn, welch ein Jahr!

Von Adele keine Kunde. Kein Zeichen, daß er noch hoffen duͤrfe! Tag auf Tag verging; ſeine Beſorgniſſe nahmen ſtuͤndlich zu.

16

Von einem der fluͤchtigen Abendſpaziergaͤnge heim - kehrend, findet er ſeine theilnehmenden Wirthsleute aͤngſtlich, einſilbig, unruhig. Er ſieht ihnen an, daß ſie ihm eine Mittheilung machen moͤchten, daß ſie es nicht wagen. Haſtig dringt er in ſie und vernimmt nach langem Zoͤgern: ein Mann von unheilverkuͤn - dendem Ausſehn iſt da geweſen, hat ſtreng-forſchend nach einem jungen Menſchen ſich erkundiget, welcher von den barmherzigen Schweſtern hier eingemiethet ſei und er will noch dieſen Abend wiederkehren.

So iſt es denn um mich geſchehen, ruft Anton. Lebt wohl ihr guten Freunde, Gott ſei mit Euch und lohne eure Liebe fuͤr mich; und wenn Schweſter Antonina nach mir zu fragen kaͤme, beſtellt ihr meine Gruͤße, meldet ihr: Anton ſchmachte im Gefaͤngniß!

Jm Gefaͤngniß! wiederholten beide Alte, zwiſchen Widerwillen und Mitleid getheilt; Sie? im Gefaͤngniß!

Zugleich oͤffnet ſich die Thuͤr; jenes haͤmiſche Geſicht erſcheint vor ihnen, welches Anton erblickt zu haben ſich erinnert, als er, um ſeinen raſenden Hun - ger zu ſtillen, einer Troͤdlerin das ſchwarze ſeidene Halstuch zum Verkaufe darbot.

17

Sie werden mir augenblicklich zum Herrn Kom - miſſair folgen, ſagte der Mann.

Anton ſchuͤttelt ſeinen Wirthen die Haͤnde, empfiehlt ihnen noch einmal den Abſchiedsgruß fuͤr die fromme Schweſter und geht, feſt entſchloſſen vor Gericht die volle reine Wahrheit zu ſagen, den ſchwerſten Gang ſeines Lebens.

Der Kommiſſair, ein ergrauter Mann, empfing ihn ernſt, maß ihn mit pruͤfendem Blick und fragte ſodann: wiſſen Sie, warum Sie bei mir ſind?

Jch kann es mir denken, erwiederte Anton.

Nun, ſo ſagen Sie es mir aus Jhrem eigenen Munde; ich will wiſſen, wie Sie ſelbſt Jhre Lage beurtheilen.

Anton wurde durch dieſe Aufforderung, trotz ſei - nes redlichſten Willens wahr zu ſein, doch in toͤdt - liche Verlegenheit geſetzt, ob er die Gruͤnde angeben ſolle und duͤrfe, die ihn zunaͤchſt nach Paris gezogen? Mußte er dann nicht eingeſtehen, daß er ſich Adelens wegen mit einem falſchen Paß hierher gewagt? Und ſtand nicht zu beſorgen, daß er durch alle hierher gehoͤrigen Bekenntniſſe Schweſter Antonina und derenDie Vagabunden. III. 218heiligen Ruf verletze? Nach langem Beſinnen hub er an: Sie haben mich feſt nehmen laſſen, weil Sie wiſſen, daß ich es bin, der eines Fluͤchtlings Reiſepaß benuͤtzend, mich in dieſes Land, in dieſe Stadt ein - geſchlichen; weil Sie wiſſen, daß ich hier einen Win - ter lang in ſchlechter, wenn auch prunkvoller Umge - bung verkehrte; daß ich jetzt durch mildthaͤtige Seelen vom Tode errettet, ohne Mittel, ohne Ausſicht, plan - los in’s Blaue hinein vegetire; weil Sie einen Va - gabunden meiner Gattung nicht dulden wollen; weil Sie fuͤr noͤthig finden, mich in’s Gefaͤngniß zu werfen.

Was der junge Mann fuͤr ſtolze Plaͤne hegt! Wir ſcheinen noch nicht gaͤnzlich hergeſtellt von ſchwarzen Fiebertraͤumen! Nein, mein Kind, ſo ſchlimm ſteht es nicht. Wohl iſt mir bekannt, und ich waͤre ein ſchlechter Beamteter auf meinem Platze, wenn ich davon keine Kenntniß haͤtte, daß Sie nicht derſelbe Antoine ſind, auf deſſen laͤngſt abgelau - fenen Ausweis Sie durch die Barrièren drangen. Eben ſo wenig, wie Sie ein gewiſſer Baron mit unmoͤglichem Namen ſind, der allerdings auf meinem ſchwarzen Regiſter ſteht und der zur guten Stunde ſich entbaroniſirte, um wieder ein ſchlichter Antoine zu werden. Auch haben wir unſere Augen, denn19 ich zaͤhle vielerlei Augen im Dienſte, auf Jhnen, ſeitdem Sie bei dem alten kinderloſen Paare einzogen. Das ſind die beiden ehrlichſten armen Menſchenhaͤute in ganz Paris, die keine verdaͤchtigen Subjekte beher - bergen wuͤrden. Jch weiß, woran wir ſind mit An - ton Hahn aus Liebenau. He? Dennoch waͤr es Jhnen am Ende ſchlecht bekommen, mit Teufels Gewalt ein Antoine bleiben zu wollen, wenn nicht hoͤheren Ortes Einſprache fuͤr Sie erhoben worden waͤre. Jhrem Verſtande will ich uͤberlaſſen, daruͤber nachzuſinnen, wie, durch wen, auf welche Weiſe die - ſelbe laut geworden ſein mag! Uns genuͤgt, daß wir ſie vernommen. Was ich Jhnen jetzt amtlich zu berichten habe, iſt Folgendes: Wir koͤnnen Herrn Anton Hahn, der uͤbrigens von einem Franzoſen pro - noncirt nicht anders klingt, als Antoine, in Paris nicht gebrauchen. Wir ſtellen ihn ſeiner Ambaſſade zur Verfuͤgung. Dieſe iſt bereits von Allem in Kennt - niß geſetzt, was ihr zu wiſſen dienlich und handelt mit meinem Chef in Uebereinſtimmung. Zum Sekre - tair Jhres Geſandten haben Sie ſich morgen fruͤh zu begeben, ihm dies verſiegelte Schreiben zu uͤberreichen und von ihm werden Sie das Weitere vernehmen.

2 *20

Aber wenn er mich nach meiner Heimath zuruͤck - weiſet?

Nun, was verlangen Sie mehr? Ou peut on être mieux, qu’au sein de sa famille?

Ach, Herr Kommiſſair, ich habe keine Familie und keine Heimath.

Armer Junge! Nur Muth; gehen Sie dreiſt, wohin die Adreſſe dieſes Briefes Sie weiſet. Er kommt von maͤchtiger Hand. Mehr darf ich nicht ſagen. Vielleicht verſchafft er Jhnen Erlaubniß, den Weg einzuſchlagen, auf welchem Sie eine Heimath ſuchen koͤnnen.

Sie ſind unterrichtet, mein guͤtiger Herr? Sie ſind

Jch bin von der Polizei. Damit Baſta. Und dies Schreiben iſt, .... o junger Freund, Sie thaten ſehr wohl, die Protektion frommer Schweſtern bei frommen Perſonen zu gewinnen. Ohne dieſe moͤcht ich fuͤr nichts ſtehen. Jetzt Finger auf den Mund, und gluͤckliche Reiſe!

Anton konnte nicht ſogleich in ſein Kaͤmmerchen heimkehren. Er fuͤhlte das Beduͤrfniß, erſt noch in21 freier Luft zu athmen und zu dem blauen Raume empor zu ſchauen, wohin wir arme Sterbliche unſer feuchtes Auge richten, wenn wir in Schmerz oder in Freude des Ewigen beduͤrfen.

Das koſtbare Schreiben ruhete auf ſeiner Bruſt; ſein Herz ſchlug maͤchtig dagegen.

Jch werde reiſen duͤrfen! Jch werde Jtalien ſehen! Jch werde jene Frau finden, die mir Kunde geben kann von meiner Mutter Tod, von meines Vaters Leben, vielleicht von ſeiner Reue, ſeiner Liebe .... Und abermals Adele!

Die alten Wirthsleute erwarteten ihn beim matten Laͤmpchen in Seelenangſt mit ruͤhrender Theilnahme. Weinend umhalſete er beide: Jch bin gerettet! Jch bin frei! Alles iſt gut!

Und ſie falteten ihre welken Haͤnde und dankten dem lieben Gott.

Beim Geſandtſchafts-Sekretair ſollte Anton, wie er ſich am andern Morgen zu ihm begab, nicht vor - gelaſſen werden. Der Diener betrachtete veraͤchtlich die abgenuͤtzte Kleidung des zu Meldenden und ſagte: Sie muͤſſen waͤhrend unſerer Amtsſtunden wieder -22 kommen; auf ſeinem Zimmer empfaͤngt der gnaͤdige Herr keine Geſchaͤftsbeſuche. (Vorzuͤglich keine Lands - leute, die ausſehen, als ob ſie betteln wollten! haͤtte er muͤſſen hinzuſetzen.)

Anton zeigte ſein Schreiben vor und entſchuldigte das fruͤhe Eindringen durch die ihm zu Theil gewor - dene Weiſung des Polizei-Beamten.

Der Diener riß ihm den Brief aus der Hand, trug ihn muͤrriſch hinein, Anton blieb im Vor - zimmer, und waͤhrend der einen Minute, wo er allein blieb, zogen finſtre Wolken uͤber die Sonne ſeiner Hoffnung. Wenn, ſeufzte er, der Beamte mich getaͤuſcht haͤtte? Wenn ....

Bitte nur einzutreten! Und der Diener oͤffnete die Pforten der Gnade mit hoͤflichſter Verbeugung.

Ein junger, feiner Herr im Morgenkleide trat Anton freundlich entgegen, das bewußte Schreiben hielt er, geoͤffnet, in der einen, in der anderen Hand verſchiedene andere Papiere, auf welche er, waͤhrend er ſprach, abwechſelnd blickte.

Sie ſind Anton Hahn aus dem Dorfe Liebenau bei * im ***? Sie haben Jhre Reiſe-Dokumente ver - loren? Sie wollen einen neuen Paß haben? Aber Sie muͤſſen, bevor Sie in unſer Vaterland zuruͤckkeh -23 ren, zur nothwendigen Herſtellung Jhrer Geſundheit, wie dieſes aͤrztliche Atteſt beſagt, durchaus einige Zeit in milderen Klimaten verleben. Es iſt Jhnen der Aufenthalt in Nizza, oder Piſa verordnet. Seine Excellenz hat mich beauftragt, Jhre Angelegenheit nach Jhren Wuͤnſchen[und]Beduͤrfniſſen zu ordnen. Jhr Paß iſt ausgeſtellt, er lautet uͤber Turin und Piſa nach Hauſe. Excellenz meinte, es wuͤrde Jhnen lieb ſein, an keinen Zeitraum gebunden zu werden. Deshalb hab ich hier geſagt: guͤltig auf die Dauer der Reiſe; ſo haben Sie unterweges keine Quaͤlereien zu befuͤrchten. Nun tragen Sie Sorge fuͤr die noͤthi - gen Viſen und reiſen Sie gluͤcklich.

Anton huͤtete ſich wohl, den einzelnen Unrichtig - keiten in des Herrn Sekretairs Vortrage zu wider - ſprechen, oder uͤber andere, ihn in Erſtaunen ſetzende Punkte deſſelben dies Erſtaunen an den Tag zu legen. Er nahm das ihm vom Himmel fallende Gluͤck mit moͤglichſter Faſſung auf, verbeugte ſich in beſter Form, wie es Laura’s Zoͤgling gebuͤhrte, richtete ein behut - ſam, auf Schrauben geſtelltes Wort der Erkenntlich - keit an die zuvorkommende Legation und ſchwebte ſodann, beinah ohne die Stufen der Treppen zu24 beruͤhren, wie ein in Wonne verklaͤrter Geiſt ohne Leib davon.

Jn ſeiner Behauſung erwarteten ihn zwei fromme Schweſtern. Eine davon war Antonina.

Anton wollte ſich ihr zu Fuͤßen werfen. Sie wußte dies zu verhindern[.]

Jch habe wenig Zeit,[flüſt]erte ſie ihm zu (damit die Anweſenden nicht deutlich verſtehen ſollten), wir muͤſſen eilen. Jhre Angelegenheiten werden hoffent - lich geordnet ſein?

Und Alles, Alles dank ich Jhnen! rief Anton.

Dem Himmel, mein Lieber; ſagen Sie: dem Himmel, der oftmals in einem Uebermaß von Erbar - men unſere Vergehungen und Schwaͤchen als Mittel anwendet, uns Gutes erreichen zu laſſen, damit wir doppelt beſchaͤmt ſein moͤgen. Jch will Jhnen nicht verſchweigen, Antoine, Jhre Sache ſtand ſchlecht, Jhre Freiheit war gefaͤhrdet, mancherlei Anklagen erhoben ſich gegen Sie, den ſchutzloſen Fremdling. Da muß nun ein armes Maͤdchen, welches jetzt der Welt und ihren betruͤgeriſchen Freuden entſagt hat, zu jener Zeit, wo es noch der Welt angehoͤrte, in vertrautem Umgange gelebt haben mit einem ſehr hohen, großen, maͤchtigen Herren. Und dieſer Herr25 muß des Maͤdchens Angedenken bewahrt haben, feſter und inniger wie ſolche Herren ſonſt das Bild eines leichtſinnigen, oft verachteten Geſchoͤpfes zu bewahren pflegen. Zu ſeinem Ohre muß die Buͤßerin gluͤcklich den Weg finden; ihre Bitten werden erhoͤrt und der Freund iſt gerettet. [So]wollt es der Himmel, deſſen Werkzeug ich ward. Jhnen iſt nicht beſtimmt, in Mangel und Elend unterzugehen. Jhnen iſt, ſo ſagt mir die Stimme Gottes, die meine Seele erfuͤllt, ein gluͤckliches langes Leben beſchieden; darum ſollen Sie die Schule der Pruͤfungen durchirren, ſollen erfahren und empfinden, was Leiden ſind, was Thraͤ - nen und Kummer gelten, damit Sie einſt in Jhrem Wirkungskreiſe fuͤr die Leiden und Thraͤnen Anderer ein mitfuͤhlendes Herz bewahren. Und nun ziehen Sie jetzt, mein guter Freund, in ein neues Land, ſuchen Sie die verheißene Heimath. Zwar ahnet mir, daß Sie noch fern vom Ziele ſind, daß noch traurige Tage Jhrer harren, ... aber auch dieſe werden uͤber - lebt werden und aus Kaͤmpfen wird der Friede her - vorgehen.

Wir beide finden uns auf Erden nicht mehr. Dies iſt das letzte Lebewohl. Mich ruft die Pflicht. Gottes Huld fuͤr mich iſt unendlich, weil Er mir vergoͤnnt26 hat, Jhnen beizuſtehen. Jch will dankbar ſein fuͤr dieſe Huld; ich will von heute an in jedem Leiden - den Antoine ſehen; will einen jeden lieben wie wie meinen Bruder.

Sie reichte ihm die Hand, ließ eine kleine Summe Goldes in die ſeinige g[leite]n, wobei ſie ſagte: ein beſcheidenes Reiſegeld, von frommen Damen fuͤr mei - nen Kranken erbeten; denn ich bin arm.

Dann machte ſie das Zeichen des Kreuzes, nickte den beiden Alten zu, reichte der ſie begleitenden Schweſter den Arm und ging.

Dreiundfünfzigſtes Kapitel.

Wie Anton allerlei neue Anſichten vom Leben bekommt. Turin. Jean und das Rhinozeros. Zara und ſein Seekalb. Nizza. Eine Verſoͤhnung. Wie Anton ein Univerſal-Erbe werden ſoll.

Ueber Chalons (sur Saône) und Lyon ging An - ton bis Chambery zuſammen mit einigen Savoyar - den, die in ihre Huͤtten heimkehren wollten, nachdem ſie durch die Welt vagabundirend ein kleines Beſitz - thum errungen.

Seine Kaſſe war zu ſchwach beſtellt, um anders als auf dieſe Art zu reiſen.

27

Der Herbſt war ſchoͤn. Das Felleiſen, worin er ſeine Habſeligkeiten beherbergte, hing wohl ſchwer, doch bequem zu tragen auf ſeinem ſtarken Ruͤcken und er mußte laͤcheln, wenn er es mit jenem ungeſchickten Buͤndel verglich, welches ihn vor vier Jahren bei ſei - ner Flucht aus dem Haͤuschen der Großmutter ſchier zu Boden gezogen. Von den Folgen der Krankheit empfand er nichts mehr. Die Jugendkraft, die ihn neu belebt und belebend durchſtroͤmte, ſpottete jeder Anſtrengung, jeder Ermattung. Seine Tagebuchblaͤt - ter ſauber abgeſchrieben und wohlgeordnet gaben nur noch ein maͤßiges Heft, das wenig Raum einnahm. Auch die Violine, ſeine alte treue Begleiterin und Troͤſterin ſeit P., wo er ſie kaufte, wo ſie ihm ein - ſame Winterabende verkuͤrzte, machte diesmal die Fußwanderung in leichtem Gewande von Wachs - leinen mit. Von den Buͤchern freilich hatte er ſich losſagen muͤſſen: deutſche, franzoͤſiſche, engliſche, an die ſich vielerlei Erinnerungen gekettet. Doch troͤſtete ihn die Hoffnung auf italieniſchen Erſatz, dem er ja recht eigentlich entgegen ging. Hernach verſteh ich ſchon vier Sprachen! ſagte er, ſich ſelbſt beruhigend uͤber den Verluſt jener papierenen Freunde, welche ihm durch manche ſchwere oder leere Stunde geholfen.

28

Wenn man keine Buͤcher hat, muß man haͤufig mit Menſchen vorlieb nehmen; nur tritt der Unter - ſchied ein, daß man bei Buͤchern pruͤfend ſondern, die guten auswaͤhlen, die ſchlechten ungeleſen laſſen darf, waͤhrend man, was Menſchen betrifft, beſonders auf Reiſen, und zu Fuße wie unſer Anton, nicht allzu - reichliche Auswahl findet.

Jm Allgemeinen mag, was ſehr oft von Buͤchern gilt, auch haͤufig von Menſchen gelten: daß die aͤlte - ren vorzuziehen ſind.

Anton hielt ſich auf dieſer Reiſe an einen Savo - yarden, der gut ſein Vater ſein konnte, Thomas mit Namen. Von dieſem ließ er ſich erzaͤhlen, wie es ihm auf ſeiner nicht allzubequemen Pilgerfahrt ergan - gen. Thomas war, ein winziges elternloſes Knaͤblein ausgewandert, ohne Schutz, ohne Geld, ohne Kraft, ohne Erfahrung; Thomas hatte ſich durch betteln, dienen, arbeiten, ſparen bis zum Beſitz einer Dreh - Orgel emporgeſchwungen; Thomas hatte ſpaͤter mit dieſer Orgel ein von ihm erſonnenes, durch eigene Finger ausgeſchnittenes, luſtig eingerichtetes Schat - tenſpiel vereiniget; Thomas hatte im Laufe von zwanzig Jahren ein huͤbſches, kleines Vermoͤgen geſammelt; Thomas hatte ſein Theater ſammt Orgel -29 Spiel an zwei jugendliche Nachfolger verkauft, die der neuen Firma Thomas und Kompagnie keine Schande bringen ſollten, wie er hoffte; Thomas kehrt nun in das Gebirgsdorf zuruͤck, welches ihn geboren, um in demſelben irgend ein freundliches Haus zu kaufen, aus deſſen Thuͤre ihm vor fuͤnfund - dreißig Jahren milde Haͤnde vielleicht ein Stuͤckchen ſchwarzen Brotes zugeworfen; Thomas iſt entſchloſ - ſen, die Tochter eines wohlhabenden Nachbarn heim - zufuͤhren, wobei er die Verſicherung ertheilt, die Schoͤnſte im Kirchſpiel ſei eben gut genug fuͤr ihn.

Anton lauſchte den Erzaͤhlungen des einfachen, aufrichtigen Mannes, wie einem Evangelium. Er wußte nicht, was er mehr bewundern ſollte an Tho - mas: ob die gluͤcklichen Erfolge ſeiner Bemuͤhungen, ob die Seelenruhe, die in dieſen Erfolgen nicht nur nichts Erſtaunliches erblickte, ſondern dieſelben ſogar fuͤr ganz natuͤrlich und billig hinnahm. Solches Selbſtvertrauen, geſtuͤtzt auf praktiſche Gewandtheit, auf Kenntniß der Umgebungen, erſchien dem Liebe - nauer Kinde beneidenswerth. Er fing an, zu ahnen, daß es Menſchen gebe, die mit ſcharfen Blicken Weg und Steg zu ihrem Ziele verfolgen, ohne ſich irre machen zu laſſen durch Alles, was bluͤht und fliegt,30 ſchwebt und flattert; waͤhrend wieder andere Men - ſchen ihr ſchwaͤrmeriſches Auge nicht abwenden koͤnnen von Blumen, Voͤgeln, Wolken und Sternen, dabei jedoch uͤber jeden Stein ſtolpern, ſo auf der Straße liegt.

Daß Thomas zu der erſteren Gattung gehoͤre, unterlag fuͤr ihn keinem Zweifel. Daß er ſelbſt ein Weniges mit der zweiten verwandt ſei, fuͤhlt er anzunehmen ſich geneigt. Doch eben ſo geneigt fuͤhlte er ſich, zu erlernen, was ſich eben lernen laſſe. Er ſchied nicht von Freund Thomas, ohne ſich mancherlei erprobte Lebensregeln in’s Gedaͤchtniß gepraͤgt zu haben.

Jn Turin war natuͤrlich ſeine erſte Sorge, ein - gedenk zu ſein, daß dieſe Stadt auf Carino’s, im Todesfieber geſchriebenen, halb verwiſchten Abſchieds - blatte leſerlich zu finden geweſen. Auch wurde ihm ſehr leicht, Nachricht einzuziehen von dem Gegen - ſtande ſeiner Forſchung. Signora Carina, noch vor einem Jahre bevorzugter Liebling hieſiger Opern - kenner und Freunde, hatte bei ihrem letzten Auftritt kein Gluͤck gemacht; zum Theil, wie Einige ihm ſag -31 ten, durch Nachwirkung des Pariſer Fiasko. Man vermuthete ſie in Piſa. Auch dies traf mit Carino’s Angabe zuſammen und Anton beſchloß, ihr am naͤch - ſten Tage dorthin nachzuziehen.

Den leeren Nachmittag benuͤtzte er, ſich Turin zu betrachten; da fand er, uͤber Straßen und Plaͤtze ſtreifend, unerwartet einen Bekannten aus der Lehr - jungenzeit ſeines Vagabundenthumes: den rothbaͤrti - gen Jean von Mama Simonelli.

Dieſer hatte ſich von der Gebieterin getrennt, weil ſie beim Einkauf der neuen Menagerie uneinig geworden. Er theilte ſeinem ehemaligen Kameraden die Geſchichte dieſer Trennung folgendermaßen mit:

Jſt dieſe Frau verblendet! Jſt ſie trotzig! Wuͤthet ſie gegen ihren eigenen Vortheil! Sie moͤgen ent - ſcheiden, Antoine. Wir finden in London ein Thier, welches eine ganze Menagerie aufwiegt; ein Thier, welches ſeit Jahrhunderten, mit kurzen Worten zu ſagen, ſeit der Suͤndfluth, auf dem Kontinent nicht fuͤr Eintrittsgeld gezeigt wurde; ein Thier, auf wel - chem Noah’s juͤngſter Sohn durch die Fluthen geſchwommen, ohne ſich die Stiefeln naß zu machen; ein Thier, gegen welches zwoͤlf Elephanten eben ſo viele junge Hunde waͤren; ein Thier, welches zu32 warten und zu pflegen, mit welchem im vertraulichen Umgang zu ſtehen ich mich ſo ſtolz fuͤhle, als ob eine aͤgyptiſche Pyramide meine eigene leibliche Mutter ſei! Der Beſitzer dieſes hoͤheren Weſens auf vier Beinen iſt mit Blindheit geſchlagen, erklaͤrt ſich bereit, fuͤr elende zehntauſend Pfund Sterling es her - zugeben. Befand ich mich in der Lage der Madame Simonelli, welche dazumal als kinderloſe Hausfrau in Londons Gaſſen umherirrete, eine neue Familie ſuchend, zum Erſatz fuͤr jene, die das Feuer ihr geraubt, ſo wuͤrde ich dieſes Thieres Beſitz erſtrebt haben, es haͤtte mein werden muͤſſen, und haͤtte ich ſollen die zehntauſend Pfund à zwanzig Prozent von der Krone England ausleihen, oder beim alten Rothſchild ein - brechen, oder den Lord Mayor in einer Schildkroͤten - Suppe erſaͤufen. Sie jedoch, Madame Simonelli, fuͤr welche zehntauſend Pfund Sterling ſo viel ſind, wie fuͤr mich zehn Pfund Virginia-Kanaſter, was thut ſie? Sie verſchmaͤht meinen Rath, verlacht mein Flehen, nennt mich einen ſentimentalen Fanfaron, einen Jean cul! Du biſt ein Fantaſt, ruft ſie mich an; wie koͤnnt ich mein und meiner Tochter Vermoͤ - gen an das Leben eines einzigen Jndividuums wagen? Wenn es ſtuͤrbe, waͤr ich eine Bettlerin! So33 ſpricht eine Simonelli. Als ob die Ehre nicht auch etwas waͤre! Genug, ſie kauft Loͤwen, Tiger, Hyaͤ - nen, Affen und ſo weiter, den alten abgeſtandenen Kuͤchenzettel. Ein Anderer o es thut mir weh um meine alte Simonelli ſchließt dieſen großen Handel. Was blieb mir uͤbrig? Jch konnte nicht bei ihr bleiben; ich trennte mich mit ſchwerem Herzen, das will ich nicht leugnen; aber ich trennte mich und folgte dem Rhinozeros.

Anton fuͤgte ſich ſehr gern der Einladung des begeiſterten Mannes und ließ ſich durch ihn bei dem gewaltigen, ein ganzes Vermoͤgen aufwiegenden Thiere einfuͤhren. Selten mag es ſein, ſprach er, obwohl der Preis auch ein ſeltener iſt; doch ſchoͤn kann ich es nicht finden, lieber Jean; beim beſten Willen nicht.

Nicht ſchoͤn? ſchrie Jean, indem er verzwei - flungsvoll ſeinen rothen Bart raufte; Sie auch, Antoine, finden es nicht ſchoͤn, der Sie unter Thieren ſich herangebildet, entwickelt haben, der Sie wiſſen koͤnnten, was ſchoͤn iſt? Nun, alle Heiligen erbarmen ſich meiner! Wenn das nicht ſchoͤn iſt, was giebt es dann Schoͤnes in der Schoͤpfung? Jch finde es ſchoͤ - ner, als des Nachtwaͤchters aͤlteſte Tochter in K. Mehr vermag ich nicht zu ſagen.

Die Vagabunden. III. 334

Jch kannte jenen Gegenſtand Deiner Liebe nicht, verſetzte Anton. Dein Vergleich aber, in meiner beſchraͤnkten Anſicht von Schoͤn und Nichtſchoͤn, gereicht der Dame Deines Herzens nicht zu beſonde - rem Vortheil. Was mich betrifft, verzeih mir Gott die Suͤnde, ich kann das Rhinozeros nicht anblicken, ohne an Onkel Naſus zu denken.

An Jhren Onkel? Gut, Herr Antoine. Mag dieſer Onkel leben, oder todt ſein; wenn er unſerem Rhinozeros aͤhnlich ſah, war er ein wuͤrdiger Mann!

Anton hatte keine Urſache, dem Rothbart zu ver - ſchweigen, daß ſein Weg ihn nach Piſa fuͤhre; auch hielt falſche Schaam ihn nicht ab, einzugeſtehen, wie der Staub der Landſtraße, die Laſt eines Felleiſens und die Muͤdigkeit verwoͤhnter Fuͤße auf die Laͤnge wenig zum Vergnuͤgen des Reiſenden beitruͤgen; wie er ſehr zufrieden ſein wollte, wenn ſeine Finanzen ihm geſtatteten, auf einige Tage mit dem Rhinozeros zu tauſchen, welches in eigenem Wagen, von zwoͤlf Roſſen gezogen, als großer Herr reiſete. Jch wollte, verſicherte er, mit einem Sechstheil dieſer Ehren35 mich begnuͤgen und mit zwei Poſtpferden vorlieb nehmen.

Bis Nizza, meinte Jean, wird ein Freund von mir Sie gern mitnehmen; es iſt ein Venetianer, ein gewiſſer Zara, der mit einem Seekalb Geſchaͤfte macht; ſo viel ich weiß, bricht er in dieſer Nacht von hier auf. Er hat ſein eigenes Fuhrwerk und Sie wer - den bequem ſitzen. Wenn’s Jhnen recht iſt, fuͤhr ich Sie gleich zu ihm, wir haben jetzt keine Zuſchauer hier und fuͤr einen Augenblick kann ich ſchon abkommen.

Der gutmuͤthige Jean geleitete ſeiner ehemaligen Herrſchaft ehemaligen Liebling zu Herrn Zara’s zelt - artigem Etabliſſement, ſtellte ihn als ihres Gleichen vor und erbat ſich freundlich-zuſagende Erfuͤllung des Geſuches.

Das Seekalb, die eigentliche Hauptperſon, Ernaͤh - rer des Herrn Zara und deſſen dienenden Gehuͤlfen, der eigentliche pater familias, lag auf dem Rande ſeines Waſſerbehaͤlters, Bruſt und Kopf heraus - gelehnt wie ein Kapuziner*)Phoca monacus? Anm. d. S. , gaͤhnte aus Leibeskraͤf -3 *36ten, nieſete verſchiedene male, ohne nachher ein Schnupftuch zu benuͤtzen; reichte auf Befehl des Gebieters dem Liebenauer eine Vorderpfote; ſagte: Papa! (wodurch es aber nicht ſowohl, daß Anton ſein Erzeuger ſei, als vielmehr daß es in ſeiner Sprachausbildung, zarten Menſchenkindern vergleich - bar, eben noch nicht weiter gediehen war, andeuten wollte;) zog ſich dann ins Waſſer zuruͤck; waͤlzte ſich in ſelbigem wie ein vollgeſogener Blutegel umher, ſtieß ein heiſeres Geſchrei aus, wodurch es deutlich zu verſtehen gab, daß ein Gericht Fiſche große Gnade vor ſeinen ſchoͤnen Augen finden werde. Herr Zara, in ſo weit bibelfeſt, wie es die Lehre vom Schweiße des Angeſichts worin wir unſer Brot eſſen ſollen betraf, erfuͤllte dieſen Wunſch nicht unbedingt, ſon - dern verſicherte, die Fiſche koͤnnten erſt ſervirt werden, nachdem Monsieur le moine ſich als Tonkuͤnſtler gezeigt. Das Seekalb ſpie nicht Feuer und Flamme, wohl aber Gewaͤſſer, machte endlich gute Miene und boͤſes Spiel, indem es mit ſeinen Pfoten der ihm vor - gehaltenen Guitarre einige Klagetoͤne entriß und bat ſich unmittelbar nach dieſer muſikaliſchen Beluſtigung ſeine Fiſche aus, die ihm zugeworfen wurden (wie37 andern Kuͤnſtlern die Lorbeerkronen) und die es mit großer Geſchicklichkeit in der Luft auffing.

Jean naͤherte ſich Anton und ſagte ihm leiſe: Zara iſt ein braver Burſche und ich bin ihm recht gut; aber geſtehen Sie ſelbſt, Herr Antoine, ob ein ſolcher Verkehr mit einem quasi-Fiſche nicht die Menſchheit entwuͤrdiget? Jch bemitleide meinen Freund. Frei - lich wohl, nicht alle Menſchen koͤnnen bei einem Rhi - nozeros angeſtellt ſein, denn es giebt zu viele Men - ſchen, die Lebensunterhalt ſuchen und im Verhaͤltniß viel zu wenig Rhinozeroſſe; auch muͤſſen Unterſchiede auf Erden ſtatt finden; ich begreife das .... Doch dieſer Unterſchied iſt zu groß: er ſtoͤrt die Freund - ſchaft. Ein Fiſch! es iſt entſetzlich. Addio, Zara, rief er mitleidsvoll; und: gute Reiſe, Herr Antoine! Dann ſchritt Jean ſeines Weges, ſo ſtolz, als als ob er ſelbſt ein Rhinozeros waͤre.

Der Moͤnchsrobbe in Schilf-Decken gehuͤllt lag in ſeinem Reiſe-Cubiculum; der Knecht, eine Art Caliban, neben ihm. Zara mit Anton ſaßen auf dem Verdeck des ſeltſam konſtruirten Wagens. So roll - ten ſie, von gewechſelten Pferden befoͤrdert, raſch38 dahin. Mit jedem Poſtſteine den ſie zuruͤckließen mehrte ſich Anton’s Erwartung: was er durch Sig - nora Carina vernehmen ſolle. Sie war es, wie er vermuthete, ſie auf Erden allein, die ihm das Ende ſeiner Mutter, den Namen ſeines Vaters, ja, was noch wichtiger wurde: die ihm Wege und Mittel zur Ausgleichung, zur Verſoͤhnung mit dieſem bezeichnen konnte. Nur in dieſer Hoffnung gewann die Kennt - niß von ſeines Vaters Aufenthalte Werth fuͤr ihn; nur durch die Entdeckung, daß vaͤterliche Geſinnung den Mann beſeele, der ihm bisher ein Fremder geblieben!

Einen Vater, der ſich ſchaͤmt, mich anzuerken - nen, mag ich eben ſo wenig kennen lernen, als ich jemals die ſelige Großmutter nur mit einer Silbe gefragt habe, wie er heißt und wo er wohnt! So waͤre gar meine arme Mutter nicht, wie wir waͤhn - ten, bei der großen Ueberſchwemmung in N. umge - kommen? Sie waͤre vielleicht in fremde Laͤnder ent - flohen? Vielleicht nach Jtalien, wo Carino’s Gefaͤhr - tin mit ihr bekannt geweſen? Und ruͤhrte von dieſer letzteren etwa die Zuſchrift her, die meiner Großmut - ter Ende herbeifuͤhrte?? ....

Bei ſolchen Fragen, welche Anton waͤhrend Zara39 ununterbrochen ſchlief, an ſich ſelbſt richtete, ohne Ausſicht auf Beantwortung, außer durch den Mund der Erſehnten, mußte wohl ſeine Ungeduld eine ſchwer zu beherrſchende werden.

Jn Nizza trennte er ſich dankbarlichſt von dem Beſitzer des gebildeten Seekalbs, nahm ein Stuͤbchen fuͤr ſich allein, wuſch, erquickte, ſtaͤrkte ſich beſtens und trat ohne Aufſchub, Ranzen ſammt Geige auf dem Ruͤcken, den Wanderſtab in der Hand, die Fußreiſe wieder an. Er hatte kaum ſein Wirthshaus verlaſſen, als ein langſam fahrender Vetturino ihn anrief, befragte wohin er gehe und ihm, nachdem Anton Piſa genannt, den Vorſchlag machte, ſeinen Kutſcher - Sitz mit ihm zu theilen, gegen maͤßige Bezahlung. Denn auch er fuhr gen Piſa, war von einem kranken Herren, der fuͤr ſich und einen Kammerdiener das Jnnere der Kutſche gemiethet, aufgenommen; behielt aber die Verguͤnſtigung fuͤr das Kabriolet einen Paſſa - gier zu erwerben. Anton, welcher bereits mehrere Beſtandtheile der italieniſchen Sprache aufgeleſen und ſich zu eigen gemacht, verſtand ſich mit Petrillo ſo ziemlich; ſie wurden bald Handels einig; dem Felleiſen wie der Geige wies man ſichere Plaͤtze zu40 und unſer Freund, ſein gutes Gluͤck preiſend, beſtieg den Bock.

Waͤhrend der Vetturin zum Erſtenmale anhielt, ſtieg des Reiſenden Kammerdiener aus dem Wagen, naͤherte ſich Anton und redete dieſen franzoͤſiſch an: Mein Herr hat mir befohlen, Sie zu fragen, ob Sie vielleicht vorziehen, bei ihm im Wagen Platz zu neh - men? Er wuͤnſcht ſehr, ſich mit Jhnen zu unterhal - ten. Er kennt Sie und Sie kennen ihn. Jch ſoll mit Jhnen den Sitz bei’m Kutſcher tauſchen. Mein Herr wuͤrde ſelbſt abgeſtiegen ſein, Jhnen dieſen Vor - ſchlag zu machen, doch iſt er zu leidend und ſchwach.

Anton hatte keine Urſach einer ſo artigen Bitte nicht nachzugeben. Er that ohne Aufſchub, was von ihm gewuͤnſcht wurde. Wie er in den Wagen ſtieg fand er ſich neben einem Manne von ſehr krankem und verſtoͤrtem Ausſehn, der bei dem milden, faſt heißen Herbſt-Wetter in einen dicken Mantel ver - mummt, von Kiſſen und Polſtern jeder Art umgeben und geſtuͤtzt ſaß. Beim erſten Anblick erkannte der Einſteigende die entſtellten Zuͤge nicht wieder, was er durch ſeine zweifelhafte Begruͤßung zu verſtehen gab. Doch der Kranke kam ſeinem Gedaͤchtniß zu Huͤlfe indem er ihn anſprach.

41

Sogleich rief Anton: Herr van der Helfft? Sie? ....

Und Theodor entgegnete: Sie ſtaunen, daß ich Sie zu mir bitten ließ? Nach Allem was zwiſchen uns ſich zugetragen und den Gebraͤuchen zu Folge wie ſie unter gebildeten Menſchen auf Erden herrſchen duͤrften wir uns nur mit Piſtolen in der Fauſt wie - der begegnen, oder muͤßten uns vermeiden. Jch weiß das. Doch weiß ich auch, daß dieſe Gebraͤuche nur fuͤr lebende, lebendige Menſchen gelten; der Todte iſt nicht mehr verpflichtet, ſich ihnen zu fuͤgen. Und ich bin ein todter Menſch. Daß ich noch rede aͤndert nichts in der Sache. Jch bin ein Leichnam.

Als ich Sie neben dieſer Kutſche wandernd Jhres Weges ziehen ſah und Sie augenblicklich erkannte, regte ſich der verzeihliche Wunſch in mir, mit Jhnen zu beſprechen, was uns Beide ſo nahe beruͤhrt. Erſt auf meine Veranlaſſung wurden Sie durch Petrillo aufgefordert, die kleine Reiſe mit uns zu machen. Jetzt hoff ich, Sie werden meine Bitte erfuͤllen: Sterbenden pflegt man, wo moͤglich, nichts abzu - ſchlagen. Laſſen Sie mich erfahren, was Sie und Jhr Verhaͤltniß zu ..... zu der Todten angeht. Ohne Ruͤckſicht, ohne Zuruͤckhaltung, ohne Schonung! 42Sagen Sie mir die volle Wahrheit. Schlimmer kann ſie ja doch nicht ſein, als der Ausgang den ſie herbeigefuͤhrt hat. Doch auch das Schlimmſte iſt mir willkommen, weil ich klar ſehen will. Sie erweiſen mir, wenn Sie dies thun, einen großen Dienſt; und waͤre wie ich vermuthen darf, Jhr Gewiſſen nicht voͤllig rein gegen mich, ſo duͤrfte Jhnen ſelbſt erwuͤnſcht ſein, ſich durch dieſes mir gewidmete Opfer zu erleichtern.

Anton war tief ergriffen. Nur allzu lebhaft empfand er das Gewicht des ihm gemachten Vor - wurfs; um deſto lebhafter, je maͤßiger die Anklage geſtellt wurde. Er beichtete. Vom erſten Abende an, wo er Baͤrbel im großen franzoͤſiſchen Theater geſehen, bis zum letzten, wo er den in Luͤften verhal - lenden Ruf ſeines Namens, auf der Flucht vor ihr und ihrer wild-gluͤhenden Leidenſchaft, durch die Nacht zittern gehoͤrt.

Alſo auch Sie, hub nach langem Schweigen der Kranke an, alſo auch Sie waren bezaubert, verzaubert vielmehr durch die unerforſchliche Macht dieſes teuf - liſchen Engels? Bei Jhnen auch erloſch dieſes Zau - bers furchtbare Gewalt, als der ſchoͤnſte Koͤrper zer - ſchmettert, verſtuͤmmelt, grauenhaft entſtellt, die falſche Seele ausgehaucht? Nun, ſagt ich nicht, Jhre43 Bekenntniſſe wuͤrden mir Troſt verleihen? Das iſt ſchon geſchehen. Was Sie mir jetzt entdeckt: die Abhaͤngigkeit in welcher auch Sie wider eigenen Willen verharren mußten; die fortdauernde Anſpannung aller Sinne und ſinnlichen Erregungen, worin dies ſchlaue Geſchoͤpf auch Sie zu erhalten verſtanden; der Abſcheu, den Sie vor ihr hegten, immer wieder beſiegt durch die kindiſche Furcht ihr zu mißfallen und ihren Groll zu erwecken; mehr noch als dies Alles jene Erſchoͤpfung aller geiſtigen und leiblichen Kraͤfte, nachdem Sie ſich frei und den Zauber verbannt fuͤhl - ten; der Wahnſinn, der Sie zu beherrſchen drohte; die Todeskrankheit, der Sie faſt unterlagen; .... ich finde mich in dieſen Zuſtaͤnden wieder, mich und mein Geſchick. Nur mit dem einen Unterſchiede, daß Sie am Rande des Grabes, durch Jugend und Gene - ſung gerettet, umkehren durften, ſich dem Leben wie - der zuzuwenden; und daß ich hinabſteigen werde in die kalte, finſtere, einſame Grube; jung, mit dem Wunſche zu leben!

So weit iſt es noch nicht, ſtammelte Anton.

Freilich nicht! Leider nicht! Es kann noch ziem - lich lange dauern, bis dies Automaten-Daſein, das ich fuͤhre, verliſcht. Und iſt das nicht um ſo trau -44 riger? Die Aerzte wiſſen nicht mehr, was ſie mit mir beginnen ſollen! Die Pariſer ſchickten mich nach Nizza. Jn Nizza, um mich nur los zu werden, prie - ſen ſie mir Piſa. Jch weiß im Voraus, auch in Piſa kann ſich’s mit mir nicht aͤndern. Jch werde auch dort nicht aushalten. Da hab ich meine Leute ent - laſſen, die ſaͤmmtlich treuloſe Betruͤger und Verbuͤn - dete jener erbaͤrmlichen Spiel-Geſellen waren, mit denen meine eigene Verblendung mich verbuͤndet hatte. Jch habe meine Wagen verſchleudert, meine Pariſer Einrichtung hingeworfen, jeden Luxus von mir ent - fernt, nicht um zu ſparen, denn fuͤr wen ſollt ich das? Nur weil mich anekelt, worin ich aufwuchs. Es regte ſich in meinem Jnnern giftiger Neid gegen die Armen, die auf ſich allein angewieſen, ſich durch die Welt ſchlagen; die Ueberdruß, Langeweile nicht kennen: die noch empfaͤnglich ſind fuͤr Luſt und Freude. Denen wollt ich es gleich thun, ah, ich vergaß, daß man dazu Kraft und Geſundheit braucht; daß der Kranke, Elende, wenn er arm iſt, zwiefach leidet; daß Reichthum doch manche Linderung gewaͤhrt; ... aber ich rede immer von meinem Reichthum, als wuͤßt ich ſo ſicher, daß ich ihn noch beſitze! Das werd ich erſt erfahren, wenn ich heimkehre. Meine45 Unordnungen, Baͤrbels wahnwitzige Verſchwendungs - wuth, die Nichtswuͤrdigkeit der ſogenannten Freunde, haben meine Verhaͤltniſſe dermaßen verwirrt, daß ich mich ſelbſt nicht mehr auskenne. Schleicht der Tod, den ich in dieſen Gliedern ſpuͤre, ſo langſam fort wie bisher; zoͤgert er noch ſehr lange bis er mir an’s Herz tritt, dann kann’s vielleicht geſchehen, daß ich als Bettler ſterbe, wie jener Vagabund in meinem Liebenauer Walde, fuͤr deſſen Begraͤbniß Sie damals ſorgten und meine Gabe zuruͤckwieſen. O, ich weiß noch, was Sie mir in’s Ohr raunten: heben Sie Jhr Gold fuͤr die braune Baͤrbel auf!

Theodor, ſagte Anton, moͤchte die Thraͤne in mei - nem Auge Jhnen Buͤrgſchaft geben fuͤr mein Herz. Wollen Sie mir verzeihen, was ich an Jhnen freveln half? Koͤnnen Sie’s?

Gern, erwiederte Theodor, der ihm die magere, zitternde Hand hinſtreckte. Gern und von ganzer Seele. Jch waͤre zu tadeln, wenn ich ferner gegen Sie grollte. Nein, ich habe kein Recht dazu. Jch, von allen Menſchen, am Wenigſten, weil ich die Uebermacht am Beſten kenne, deren Verfuͤhrung Sie unterlagen. Wenn Sie an mir gefrevelt haben, ſo begingen ſie den Frevel ja nur an einem Jhnen gleich46 guͤltigen Menſchen, der kalt, hochmuͤthig, lieblos auf Sie herab ſah. Jch ſelbſt bin weit ſtraͤflicher, denn ich habe unendlich groͤßeren Frevel an mir begangen, habe mich ſelbſt zerſtoͤrt, und blieb dabei der Betro - gene, Verhoͤhnte, waͤhrend Sie geliebt wurden. Sie ſind alſo eher zu entſchuldigen als ich. Laſſen Sie uns Freunde ſein. Wir muͤſſen es werden; wir ſind es eigentlich ſchon. Eben weil wir ſo wuͤthende Feinde waren, weil unſere Feindſchaft entſprang aus einer Leidenſchaft fuͤr ein Weſen daͤmoniſcher Gat - tung; weil wir an einem Tage das ſchmaͤhliche Joch los geworden ſind, in einer und derſelben Stunde.

Bleiben Sie bei mir. Sie ſtehen allein in der Welt, im Leben. Jch gehe dem Tode entgegen und bin auch allein. Harren Sie bei mir aus, bis ich ſterbe. Sie ſollen mein Erbe ſein! Und rette ich aus der großen Hinterlaſſenſchaft, die ein zaͤrtlicher, ach, allzuzaͤrtlicher! Vater mir hinterließ, nichts als Jhr Heimathdorf, unſer Liebenau, ſo iſt das fuͤr Sie, der gar nichts beſitzt, ſehr viel. Das ſoll Jhr Eigenthum werden, wenn Sie mich bis zu meinem Tode nicht mehr verlaſſen wollen. Gott hat uns hier zuſammengefuͤhrt, daß meine Leiden durch Jhre47 liebe Gegenwart gemildert wuͤrden. Verhaͤrten Sie Jhr Gefuͤhl n[ic]ht gegen dieſen Fingerzeig von Oben; begluͤcken Sie mich durch Jhre Zuſage; willigen Sie ein, mein Erbe zu werden! Wir halten uns nicht in Piſa auf; wir reiſen ohne Aufſchub heim; wir eilen ſo viel meine Schwaͤche geſtattet nach Liebenau. Mich duͤnkt im Schatten unſerer Waͤlder muͤßte ſich’s ſanft und ruhig ſterben laſſen! Anton, willſt Du bei mir bleiben, als Freund und Bruder?

Mich ruft eine heilige Pflicht nach Piſa, antwor - tete Anton, ſehr ernſt geſtimmt durch die wunderbare Wendung die dies Geſpraͤch unerwartet genommen. Jch ſoll dort wie ich hoffe Nachrichten empfangen uͤber mich, meine Herkunft, meine Vergangenheit und Zukunft. Koͤnnen Sie ſich entſchließen, ſo lange zu verweilen, bis alle Schritte gethan ſind, die ich dort zu thun mir vorgeſetzt, dann bin ich bereit, Sie fuͤrder zu begleiten; bin bereit, bei Jhnen auszuharren und durch bruͤderliche Pflege an Jhnen gut zu machen und zu ſuͤhnen, was nicht Verzauberung, Theo - dor, beluͤgen wir uns nicht; nein, was Leichtſinn, heißes Blut, ungeſtuͤme Jugend geſuͤndiget. Von dem großmuͤthigen, aber unausfuͤhrbaren Gedanken, mich zu Jhrem Erben einzuſetzen, werden Sie in48 ruhiger Stimmung zuruͤckkommen. Sie haben, das weiß ich durch Baͤrbel, in Holland Verwandte von muͤtterlicher Seite, welche ſich mehrmals bittend an Sie gewendet

Die ich nicht kenne! die ſich nur um meinen Vater bekuͤmmerten, wenn ſie Geld verlangten; die reichlich, mit vollen Haͤnden laͤngſt abgefunden ſind. Sehr entfernte Verwandte, die geſetzlich gar keinen Anſpruch machen koͤnnen, ſo bald mein Teſtament einen anderen Univerſal-Erben einſetzt. Und dieſer Erbe iſt Anton. Anton wird Herr von Liebenau, ſo wahr und gewiß ich auf Gottes Gnade hoffe im Leben wie im Tode.

Vierundfünfzigſtes Kapitel.

Wie der Tod in Piſa eine Erbſchaft wegſchnappt.

Mit dem Felleiſen auf dem Buckel, ſtaubig, matt, des Laufens uͤberdruͤßig, hatte unſer Held in Piſa einzuziehen vermeint. Jetzt ſaß er in ſanft ſchaukeln - der Kutſche, welche am beſten Hôtel vorfuhr und welche er nach gluͤcklich zuruͤckgelegter Fahrt mit einem hohen, vornehm eingerichteten Wohnzimmer ver -49 tauſchte, das man ihm auf Theodor’s Befehl ange - wieſen. Morgen, ſprach dieſer da ſie ſich trennten, morgen fruͤh werd ich meinen letzten Willen auf - ſetzen und die hieſige Magiſtrats-Behoͤrde erſuchen, den Akt mit ihrem Zeugniſſe zu beglaubigen. Wir haben noch weit bis zur Heimath und wer weiß, was geſchieht! Jetzt freu ich mich des Abends, der Ruhe, meines Lagers. Seit Paris, ſeit Baͤrbels Tode, ſeit meiner Krankheit hab ich noch keinen ſo ertraͤglichen Tag gehabt, wie dieſen letzten mit Dir, Anton. Deine Naͤhe wirkt wohlthaͤtig auf mich. Schon hat ſie mir leichteren Sinn gegeben, vielleicht giebt ſie mir auch ruhigen Schlaf! Gute Nacht! Und das Uebrige morgen, beim Erwachen!

Seitdem ſie ſich in Nizza gefunden, waͤhrend der Reiſe bisher hatten ſie jede Minute im Wagen, oder im Gaſthofe mit einander zugebracht. Jetzt in Piſa erſt trennten ſie ſich, jeder ſein Nachtlager ſuchend und da erſt fand Anton Zeit und Gelegenheit, allein und ungeſtoͤrt dieſe neue Richtung ſeines Lebenslaufes in’s Auge zu faſſen und des Weiteren daruͤber nach - zudenken. Allerdings hob ſich ſeine Bruſt von banger Freude beſtuͤrmt hoch empor, als er durchdachte was Theodor ihm verheißen. Habſucht und EigennutzDie Bagabunden. III. 450moͤgen dem Menſchen noch ſo fern liegen, unmoͤglich doch kann es ohne Wirkung bleibe[n a]uf einen ver - waiſeten Juͤngling von lebhaftem Geiſte, wenn man ihm zuruft: Du warſt ein Bettler ohne Hoffnung, ich mache Dich zum wohlhabenden Manne! Nehmen wir an, was ich in ſeine Seele und ſein Gemuͤth hinein anzunehmen berechtiget bin, es wuͤrde ihn fuͤr den Augenblick mehr geſchmerzt, als begluͤckt haben, Theodor zu beerben, zu dem er ſich jetzt hinge - zogen fuͤhlte, ſo duͤrfen wir doch daneben annehmen, daß die Ausſicht, in ſeinem unvergeßlichen Liebenau, als Freund und Adoptivbruder des Gutsherrn einzu - ziehen, zu wohnen, wirken zu helfen, ihn beſeeligen mußte. Meine lieben Waͤlder werd ich begruͤßen, das Grab meiner Alten, unſer Haͤuschen, ...... dacht er. O Gott, woran dachte Anton nicht, da er an die Heimath dachte!? Mag Theodor geneſen! Mag ich erſt nach vielen Jahren die heimathlichen Fluren ererben, die er mir beſtimmt; mag er mich meinetwegen uͤberleben! Liebenau gehoͤrt ja ſchon mir, iſt ſchon mein Eigenthum, wenn ich nur vor - wurfsfrei und ohne Sorgen dort athmen darf.

Lange ſtritten dieſe freundlichen Bilder mit ſeiner51 Muͤdigkeit und ſpaͤt erſt ſchlief er ein, um freundlich fort zu traͤumen und ſpaͤt zu erwachen.

Wiederholte heftige Schlaͤge gegen ſeine Thuͤr weckten ihn aus behaglichen Halbſchlummer, dem er ſich willig noch uͤberlaſſen. Unwillig ſprang er in die Hoͤh, zu oͤffnen; der Cameriere ſtand mit aͤngſtlichem Geſicht vor ihm:

Befindet ſich der Diener des Kavaliers in deſſen Begleitung Sie anlangten, vielleicht bei Jhnen, mein Herr?

Jch bin allein, wie Sie ſehen, und der Diener muß bei ſeinem Herrn zu finden ſein.

Das iſt es eben, was mich beſorgt macht. Vor Tages Anbruch weckte dieſer Menſch unſere Leute und begehrte, daß man ihm das Hausthor oͤffne, weil ſein Herr, der ploͤtzlich kraͤnker geworden ſei, aͤrztlicher Huͤlfe beduͤrfe. Man ließ ihn hinaus, ohne erſt zu fragen, ob er, fremd in dieſer Stadt, einen Arzt zu finden wiſſe! Nach Verlauf einer halben Stunde iſt er zuruͤckgekehrt, mit einem Menſchen von verdaͤchti - gem Ausſehn, den unſer Portier nicht kannte, der ſich aber fuͤr einen Arzt ausgab. Mit dieſem iſt er nach dem Schlafgemach ſeines Herren gegangen. Eine Stunde ſpaͤter ſind beide herausgekommen, beide in4*52Maͤntel gehuͤllt, und der ſchlaftrunkene Portier, der mir dafuͤr buͤßen ſoll, hat ſie ungehindert wieder aus dem Hauſe gelaſſen, obwohl er jetzt ſelbſt eingeſtehn muß, er meine bemerkt zu haben, daß beide unter den Maͤnteln Chatouillen und Portefeuille’s trugen. Die Zimmer des gnaͤdigen Herrn ſind verſchloſſen, der Diener nirgend zu finden, und auf unſer ſtaͤrkſtes Pochen antwortet niemand. Deshalb hielt ich’s fuͤr angemeſſen, bei Jhnen Rath einzuholen.

Anton kleidete ſich ſchleunigſt an und folgte dem Cameriere uͤber einen Vorſaal nach Theodor’s Zim - mern. Es wurden Nachſchluͤſſel geholt, man oͤffnete die Thuͤre leicht, da innen weder ein Schluͤſſel ſteckte, noch ein Riegel vorgeſchoben war.

Jm Vorzimmer ſah es unordentlich aus; die Koffers geoͤffnet, Waͤſche, Kleider, andere Gegen - ſtaͤnde lagen durcheinander am Boden.

Sie traten in’s Schlafgemach.

Theodor lag todt in ſeinem Bette, in der rechten Hand eine Schreibfeder in der Linken einen Bogen Papier feſthaltend. Offenbar hatte der Tod ihn uͤbermannt, waͤhrend er noch zu ſchreiben ſich bemuͤhete.

Seine Kaſſette und vielerlei Kleinigkeiten, welche53 Anton auf der Reiſe bei ihm geſehen zu haben ſich erinnerte, fehlten.

Es wurde nach Polizeibeamten geſendet.

Unterdeſſen naͤherte ſich Anton in aufrichtiger Betruͤbniß der Leiche. Er war weit entfernt, da er ihr wehmuͤthig in’s gebrochene Auge blickte, an ſich ſelbſt und daran zu denken, wie dieſer ſchnelle Tod ſo viele jungkeimende Hoffnungen mit kalter Hand erſtickt habe. Doch wurde er, ohne es zu wollen, daran erinnert, als er ſich uͤber’s Bett neigte, um die Schriftzuͤge zu leſen, welche das Blatt in Theodor’s Hand enthielt. Er las:

Noch bei klarem Bewußtſein und Herr meiner Gedanken, fuͤhl ich den Tod mir nahen. Jch ſetze daher meinen letzten Willen feſt und ernenne zum Univerſal-Erben meines Vermoͤgens, namentlich der Herrſchaft Liebenau, meinen Pfleger, Freund und Herzens-Bruder Ant ..........

Hier hatte die Kraft des Sterbenden nicht mehr ausgereicht.

Anton zog das Blatt leiſe aus den ſtarren Fin - gern, druͤckt es an ſeine Lippen und legte es dann in ſeine Brieftaſche, neben die ihm von Carino hinter - laſſenen Zeilen.

54

Das zweite Teſtament in kurzer Zeit, ſprach er. Gebe Gott daß meine Erbſchaft durch das erſte gluͤcklicher ausfallen moͤge!

Fünfundfünfzigſtes Kapitel.

Wie Signora Carina abermals nicht zu finden iſt. Lipinski, der Virtuoſe. Geronimo und deſſen Kameele.

Waͤre Anton nicht durch gerichtliche Unterſuchun - gen, worin er mit ſeinen Zeugen-Ausſagen und Nach - weiſungen eine ſehr wichtige Rolle ſpielte, nebenbei auch noch durch die Anſtalten zu Theodor’s Begraͤb - niß in Anſpruch genommen worden; haͤtte er ſich ſeinen eigenen Angelegenheiten widmen und das Ziel ſeiner Reiſe verfolgen koͤnnen; wie vortheilhaft waͤre das fuͤr ihn geweſen. Denn die Frau die er ſuchte, von deren Bekanntſchaft er ſo viel erwartete, befand ſich allerdings noch in Piſa, waͤhrend Theodor’s Leiche Veranlaſſung zu mancherlei Bedenklich - keiten gab.

Der Diener, welchen der Verſtorbene in Nizza gemiethet, war mit ſaͤmmtlichem Vorrath von baarem Gelde und Pretioſen entwichen. Kein Zweifel, daß er auf dieſe Gelegenheit vorbereitet, nur ihrethalb den55 beſchwerlichen Dienſt eines Krankenpflegers uͤber - nommen. Er ſowohl wie ſein naͤchtlicher Begleiter wurden fruchtlos verfolgt.

Große Schwierigkeiten ſtellten ſich der Beerdigung des Nichtkatholiken entgegen, die Anton gern recht feierlich angeordnet haͤtte, was ihm aber durchaus nicht gelang. Theodor wurde zu Grabe getragen, wie der ſchwarze Wolfgang. Der braunen Baͤrbel drittes und letztes Opfer war auserſehen, ſeinen beiden Vorgaͤngern einzig und allein das letzte Geleite zu geben.

Durch dieſe unvermeidlichen Abhaltungen wurde Anton verhindert, die erſten Tage fuͤr ſich und ſeine Zwecke zu benuͤtzen. Sobald er Theodor’s Leiche unter die Erde gebracht, verließ er das Hôtel, in welchem aus eigenen Mitteln zu leben ihm nicht geziemen wollte, zog in ein geringes Haus, und begann jetzt, was er bisher verſaͤumen muͤſſen. Leider war es ſchon zu ſpaͤt. Signora Carina entmuthiget durch ihre Unfaͤlle hatte nicht mehr gewagt, vor einem italieniſchen Parterre zu erſcheinen. Duͤrftig, muthlos, leidend, war ſie einem Unternehmer in den Weg gelaufen, der mehrere herunter gekommene Kuͤnſtler und Kuͤnſtlerinnen ihrer Art mit verſchiedenen56 Anfaͤngern vereinigte, um zu erproben, ob italieniſche Geſangs-Methode und Sprache Reiz genug uͤben wuͤrde, dieſem zuſammengeſtoppelten Vereine in mittleren und kleineren Staͤdten Deutſchland’s bei - faͤllige Geltung, ihm aber Einnahmen zu verſchaffen! An dem Morgen deſſelben Tages wo Anton ſeinem Liebenauer Gutsherren Theodor van der Helfft die letzte Ehre erwieſen, war Signora Carina abgereiſet und zwar mit der Kurier-Poſt, weil ſie vertrags - maͤßig zur beſtimmten Stunde in Wien eintreffen mußte, wo der wandernde Jmpreſario ſammt uͤbrigem Perſonale ſie zur gemeinſamen Weiterreiſe erwartete.

Wie Anton dieſe niederſchlagende Kunde ver - nahm, war ſein Erſtes, der Erſehnten eben ſo raſch nacheilen zu wollen! Doch mußt es wohl beim Wollen verbleiben, denn ſeine Kaſſe fand ſich leer: ihn allein, ſeine Armuth hatten die mannigfachen, durch aͤcht italieniſche Prellereien erzwungenen Neben - Ausgaben fuͤr Theodor’s Beerdigung getroffen. Das Gericht, welches ein Jnventar der noch vorhandenen, nicht geſtohlenen Effekten entworfen, die Theodor’s Hinterlaſſenſchaft bildeten, verſtand ſich zu keinem Zuſchuſſe fuͤr unnuͤtze Dinge; vielmehr ſchienen die ſubalternen Beamten, die in dieſer Sache walteten,57 weit nuͤtzlicher zu finden, daß man den Lebendigen (das heißt ihnen) zuwende, was dem Todten gewiß gleichguͤltig ſei. Und ſo wurde denn der um ſeine ſchoͤnſten Hoffnungen abermals betrogene Anton durch den Tod ſeines neuerworbenen Goͤnners in peinigende Noth und Entbehrung verſetzt, anſtatt, wie der Sterbende beabſichtiget, durch ihn zum wohl - habenden Gutsbeſitzer zu werden. Daß er die duͤnne Boͤrſe fuͤr Theodor’s Sarg und Grabſtaͤtte leeren muͤſſen, ſchmerzte ihn nicht; vielmehr gab es ihm eine fromme Beruhigung, dies Opfer der juͤngſt geſchloſ - ſenen Verſoͤhnung mit einem ungluͤcklichen Gegner gebracht zu haben. Daß er aber dadurch die Moͤg - lichkeit verloren ſah, der Carina nachzueilen, das erfuͤllte ſeine Seele mit Gram.

Jetzt iſt es wohl vorbei, ſprach er, mit jeder guͤnſtigen Ausſicht fuͤr mich! Dieſe letzte Taͤuſchung war die grauſamſte. Sie ſcheint uͤber mich verhaͤngt als Strafe fuͤr meine Pariſer Verirrungen und Schlechtigkeiten. Verdient mag ſie ſein, aber hart iſt ſie nicht minder. Ja ſie iſt grauſam. Zuͤchtige Deinen Suͤnder, ewige Macht; laſſe ihn das ſchwerſte Gewicht Deines Raͤcherarmes fuͤhlen, ... aber locke ihn nicht erſt ſpoͤttiſch auf heitere Huͤgel von denen58 er in lachende Fluren blickt, um ihn ſodann deſto tiefer in den Staub des Weges zu ſtoßen. Strafe und Hohn, das iſt zu viel!

Ja, der Staub des Weges! Weiter bleibt mir nichts uͤbrig. Und ſo wandre weiter, armer Teufel; wandre und ſchlucke Deinen Staub!

Anton ſtand am Fenſter in ſeiner beſcheidenen Oſteria. Rings um ihn her ſchwieg Alles. Das Gaſtzimmer ſchon leer, die wenigen Reiſenden, die gleich ihm Unterkunft geſucht, ſchliefen. Er konnte ungeſtoͤrt ſinnen. Seine Todten zogen an ihm voruͤber. Er gedachte ihrer letzten Worte. Da gedachte er auch Carino’s. Seiner zunaͤchſt, weil dieſer ihm nach Piſa beſchieden. Und er beſann ſich, daß der arme Mann ſingend geſtorben; daß die Melodie, welche Anton der Korbmacherjunge damals dem fremden Herrn vor Onkel Naſus Schloſſe vor - geſpielt, aus der Bruſt des Verſcheidenden nach - geklungen habe. Als wenn er dem Verewigten ein Requiem ſchuldig ſei und dieſe Schuld jetzt in tiefer ſtiller Nacht abtragen muͤſſe, holte er ſeine Geige aus ihrem wachsleinenen Reiſemantel hervor, lehnte ſich in die Fenſtermauer und ſpielte das alte deutſche59 Volkslied ſtummen ſteinernen italieniſchen Palaͤſten vor, die da in den Sternenhimmel hinein ſchauten. Ueberall herrſchten Schlaf und Schweigen. Nur ihm gegenuͤber in dem oberen Stockwerk eines hohen Hauſes ſchimmerte Licht durch zwei Fenſter, deren eines auch offen ſtand. Es beduͤnkte ihn, als rege ſich’s da druͤben! Und wirklich, er hatte kaum die Weiſe ſeines Liedes einigemale durchgegeigt, ſo riefen von dort heruͤber ſchon die Klaͤnge einer ihm ant - wortenden Violine. Aber welch einer! Und was fuͤr Klaͤnge!? Die ſeinigen galten ihm dagegen ſo duͤnn, ſo marklos, daß er beſchaͤmt inne hielt und lauſchte.

Welche Kraft! Welche Fuͤlle! Welcher Wohl - laut: rief er aus, ließ ſeinen Bogen ſinken und trank mit durſtigem Ohre. Nicht lange blieb der Kuͤnſtler im anderen Hauſe bei Anton’s Melodie; er fing an zu variiren, ging ſonach in Doppelgriffe und Kadenzen uͤber, arbeitete ſich durch kuͤhne Uebergaͤnge, und ließ aus chaotiſchem Gewirre von Toͤnen, wie aus einem Korbe voll durcheinander geworfener Blaͤtter und Bluͤthen unerwartet eine ganz einfache Volksweiſe dringen, die dem ſingenden Vogel vergleichbar, aus60 jenem bunten Gemiſch aufſtieg in die dunkelblaue Nacht.

Das war eine polniſche Melodie. Eines jener ſeelenvoll-ſchwermuͤthigen Lieder aus dem Volke der Sarmaten, welches auch bei Tanz und Spiel zu klagen ſcheint! Anton kannte dies Lied, von ſeinem Aufenthalte in P. wo er es oft vernommen. Nach - dem der Fremde geendet, wiederholte er auf ſeinem Jnſtrument, was er jetzt von jenem gehoͤrt: es war, wie wenn ein Kind mit duͤnner, ſchwacher Stimme die kraͤftige Fuͤlle eines Mannes nachzuahmen ver - ſucht.

Doch ſchien der Mann Freude zu finden am kind - lichen Geſange, denn er gab ihm Antwort zuruͤck.

So begruͤßten ſie ſich durch Toͤne, und Toͤne ſchlangen ein unſichtbares Band zwiſchen zwei Seelen, die ſich ſonſt nicht kannten.

Laͤnger denn eine Stunde waͤhrte dieſer Austauſch der Gefuͤhle.

Am naͤchſten Morgen bewarb ſich Anton um Aus - kunft uͤber ſeinen naͤchtlichen Freund. Es ſei ein Profeſſor der Muſik, ſagte man ihm; ein Reiſen - der, ein Englaͤnder, welcher kuͤrzlich dort eingezogen ſei und fleißig ſtudire, naͤmlich geige.

61

Ein Englaͤnder? Ein Landsmann Kaͤthchen’s? Mit dem darf ich es wagen. Jch gehe, mich ihm vorzuſtellen.

Er wurde freundlich empfangen und ſprach den Fremden im reinſten Engliſch an, wie es ihm nur irgend zu Gebote ſtand.

Der Fremde antwortete auf Franzoͤſiſch, daß er ihn nicht verſtehe.

Das liegt an der vermaledeiten Ausſprache, dachte Anton und erklaͤrte ihm, wie er eigentlich ein Deutſcher ſei.

O, die Deutſchen lieben und verſtehen Muſik, erwiederte der Fremde; ſie treiben das gruͤndlich. ich ſpreche auch Deutſch. Wenn Sie wollen, wir reden Deutſch.

Und ſind Englaͤnder!

Jch? nein, ich bin Pole!

Ein Pole? Ach, deshalb ſpielen ſie polniſche Lieder ſo goͤttlich!

Sie haben mich gehoͤrt?

Jn dieſer Nacht.

Sind Sie mein vis-à-vis?

Jch muß mich ſchaͤmen es einzugeſtehen vor einem ſolchen Meiſter.

62

O ich bitte, mein Herr!

Das hab ich nicht geahnet, daß in dieſem kleinen Jnſtrument Toͤne wohnen koͤnnten, wie Sie daraus hervorholen? Es war mir um’s Herz, als wenn der Himmel mit ſeinen Sternen die Woͤlbung einer hohen Kirche ſei und hier bei Jhnen das Chor worauf die Orgel ſteht. Von dieſer Kraft und Gewalt hatte ich keinen Begriff. Jhre Hand muß von Eiſen ſein und Jhr Bogen von Stahl, aber die Finger Gold.

O ich bitte, mein Herr!

Wenigſtens ſind die Toͤne die Sie hervorbringen Gold und das reinſte welches jemals floß. Machen Sie einen armen Teufel gluͤcklich, lieber Herr. Laſſen Sie mich noch etwas hoͤren, und zugleich ſehen! Und wenn Sie das glaͤnzendſte Publikum verſammeln um ſich her, ſie werden kein empfaͤnglicheres finden und kein dankbareres.

Der Blick womit Anton dieſe Bitte begleitete verfehlte ſeine Wirkung nicht.

Waͤhrend des Spieles murmelte der entzuͤckte Hoͤrer mehrmals: Armer Carino! freilich war’s eines Bettlers Geige worauf ich ihn hoͤrte!

Wie das Stuͤck beendet war ſagte Anton: zu danken, mit Worten zu danken, vermag ich nicht;63 jedes Wort aus meinem Munde, wenn es Sie preiſen wollte, muͤßte albern klingen.

Der Fremde bot ihm das Jnſtrument dar und forderte ihn auf, ſich nun auch zu zeigen?

Das kann nur ihr Scherz ſein. Jch ſtehe vor Jhnen, wie ich einmal vor einem großen Schauſpieler ſtand. Was der mir ſagte mit ſcharfen eindringlichen Lehren und Worten, mich zuruͤckzuweiſen von jener Pforte an die meine Keckheit voreilig pochte, Sie haben mir’s heute in Toͤnen geſagt. Meine Geige hat Feiertage von nun an. Wenigſtens will ich mich nicht mehr vermeſſen, anders aufzuſpielen, als zum Tanze, oder bei Nacht, wenn Alles ſchlaͤft und ich mich allein hoͤre

Und nur ein Freund wacht, gegenuͤber, der Ant - wort giebt? ſprach der Kuͤnſtler mit liebenswuͤrdiger Herzlichkeit.

Anton naͤherte ſich einem Tiſche worauf Muſika - lien, andere Papiere, Viſitenkarten lagen und eine der letzteren ergreifend, fragte er: darf ich? Er nahm ſie und las: Charles Lipinski.

Lipinski! Nun, ich will dieſen Namen in meinem Herzen tragen: er ſoll darin eingegraben ſtehen neben dem Namen: Ludwig Devrient. Sagen Sie mir 64 aber aufrichtig, ihre innerſte Meinung, kann es auf Erden noch einen groͤßeren Geiger geben, wie Sie ſind?

O ich bitte, mein Herr! Wenn Sie ſchon moͤchten hoͤren Paganini.

Paganini? Wer iſt Paganini?

Jch kann ihnen das nicht ſagen. Man vermag nicht zu beſchreiben, was iſt Paganini; man muß ihn erleben. Sie werden reiſen?

Nach Deutſchland zuruͤck, antwortete Anton mit unterdruͤcktem Seufzer.

Vielleicht Sie werden begegnen Paganini, bevor Sie ſich trennen von Jtalien, welches er hat noch nicht verlaſſen wollen. Verſaͤumen Sie ihn nicht und wenn Sie ſollten machen einen Umweg von vielen Meilen. Jch werde gehen nach Paris; wann reiſen Sie?

Noch heute, oder morgen.

Vielleicht, daß Sie ihn treffen in Modena, vielleicht noch in Lucca! Erlauben Sie.

Lipinski nahm die Viſitenkarte aus Anton’s Hand, ergriff eine Feder und fragte: Jhr Name, ich bitte?

Antoine, Anton!

65

Das will ſagen hier zu Lande Antonio?

Und er ſchrieb unter Charles Lipinski die franzoͤſiſchen Worte: empfiehlt ſeinen jungen Freund Antonio der Guͤte des Maëſtro Nicolo Paganini.

Bei San Roſſore unweit Piſa liegt eine Sand - flaͤche, von Eichen, Erlen, Brombeerhecken, Diſtel - geſtraͤuchen ſo ſparſam durchwachſen, daß ſie im Ganzen ein recht artiges Bildchen arabiſcher Wuͤſte - neien giebt. Dort werden ſeit Jahrhunderten Ka - meele erzogen. Und weil das Kameel, dem Schafe gleich, Vielweiberei treibt; weil fuͤr viele Frauen ein Gatte genuͤgt, ſo verkauft man gern den jungen maͤnnlichen Nachwuchs, findet jedoch in der Umgegend ſelten Kaufluſtige, da kein Landmann ſich danach ſehnt, ſeine Baumanlagen durch dieſe ſonſt brauch - baren Thiere verwuͤſten zu laſſen.

Von dort alſo haben die meiſten Kameeltreiber ihre ungluͤcklichen, gequaͤlten Opfer abgeholt, die wir in unſerer Kindheit, poetiſcher Ahnung voll, fuͤr Aſiens oder Afrika’s Kinder hielten, wenn wir ſie nach dem dumpfen Schlag der Trommel, beim ſchril -Die Vagabunden. III. 5.66lenden Pfiff der eintoͤnigen Floͤte durch die Gaſſen ziehen ſahen.

Ein Transport ſolcher Geſchoͤpfe, dazu verflucht, die ſchauluſtige Jugend deutſcher kleiner Staͤdte und Doͤrfer zu begeiſtern, brach unter Leitung des Laͤnder - und Voͤlker-kennenden, ſchlauaͤugigen Veroneſers Geronimo von Piſa auf, wie eben der teſtamentariſch ein - und ſogleich wieder ab-geſetzte kuͤnftige Guts - herr von, auf und zu Liebenau mit Felleiſen und Knotenſtock ſehr entmuthiget angetreten, wohin der Pariſer Paß ihn wies, ohne die Luftkur vornehmer Kranker in Nizza oder Piſa uͤber Winter abzuwarten.

Sein Humor regte ſich, da er die Karawane hin - ter ſich her mit einer zu den Wolken hinauf wirbeln - den Staubwolke anwachſen ſah und ſeit langer Zeit zum Erſtenmale, trieb es ihn, wieder als Poet auf - zutreten.

Zum Thor hinein, als Kavalier;
Zum Thor hinaus, als Trampelthier!

dichtete er, mehr poetiſch-erhaben und ſchoͤn, als naturhiſtoriſch wahr, da Trampelthiere von Kameelen gaͤnzlich geſonderte Weſen ſein ſollen.

Jhr habt ja keinen Affen, rief er dem Signor Geronimo entgegen, wobei er ſich auf gutes Gluͤck67 der franzoͤſiſchen Sprache bediente. Euch fehlen Affen, und ohne Affen huſt ich auf die Kameele. (Wie jener Mann, ſetzte er auf Deutſch hinzu, von den Krammetsvoͤgeln meinte, ohne Aepfelmus. )

Die Vagabunden aͤhneln auch darin den Diplo - maten, daß ſie faſt ohne Ausnahme, Franzoͤſiſch ver - ſtehen. Franzoͤſiſch iſt die Sprache der Kabinette und der Landſtreicher. Mit ihr kommt man durch die ganze Welt. Geronimo antwortete franzoͤſiſch: Leider beſitz ich noch keinen Affen; will ſich Eure Excellenz vielleicht als Affe bei mir verdingen?

Warum das nicht? ſagte Anton, dem in dieſem Augenblicke eine trotzige Wonne, eine verzweifelte uͤbermuͤthige Luſtigkeit wie Feuer durch alle Adern zog; warum das nicht, wenn Jhr ſonſt ein gut Stuͤck Geld daran wendet? Jch bin ein paſſabler Orang - Utang ſollt ich meinen!

Bis zum Orang-Utang, ſo hoch verſteigen wir uns nicht, lachte Geronimo. Wir ſind zufrieden, wenn wir einen tuͤrkiſchen Affen zu Kauf finden, haͤtt er auch in Gibraltar’s Felſen ſeinen verehrten Erzeu - ger. Fuͤr jetzt aber muß ich noch warten, bis gute Einnahmen den Saͤckel gefuͤllt, der von meinem An - kaufe leer iſt. Fuͤr dieſe drei Kameele habe ich dem5*68Herrn Verwalter von San Roſſore, die heilige Jungfrau ſegne den Mann, wenn ihn der Teufel nicht freſſen wollte, weil er ſogar fuͤr dieſen zu zaͤh waͤre! vierhundert ſchwere Gulden zahlen muͤſſen. Das geht auf’s Lebendige, mein Theuerſter. Hingegen ſeh ich auf Eurem Ranzen die Fiedel haͤngen! Seid Jhr, wie ich vermuthe, ein wandernder Muſikant, und habt Jhr Luſt, die Reiſe mit mir zu machen als Spielmann, ſo ſoll es Euer Schade nicht ſein. Mein Kleiner ſchlaͤgt die Trommel und dazu muͤßte ſich eine Geige, duͤnn und hell geſtrichen, abſonderlich gut ausnehmen. ’s waͤr auch ganz ’was Neues und wuͤrde dem Volke hier, dem Kameele keinen Eindruck machen, manches Geldſtuͤck entlocken, weil ſie verſeſſen ſind hier zu Lande auf Muſik. Koͤnnt Jhr tuͤchtig geigen, dann zieht mit mir, vorausgeſetzt, daß Jhr nichts Beſſeres vorhabt.

Was koͤnnt ich Beſſeres vorhaben, als unter Eurem Szepter, hoͤchſt wuͤrdiger und erlauchter Va - gabundenfuͤrſt, Kameele zu treiben, und dieſen gott - gefaͤlligen, aͤcht bibliſchen Thieren bei ihren Schwen - kungen mit meiner Fiedel unter ihre Hoͤker an’s Herz zu greifen? Ja, ich will mich verdingen bei Euch, als Knecht; will mir einbilden, weiſer Patriarch ich,69 muͤßte bei Euch dienen um eine ſchoͤne Rahel! Es wird mir zu beſonderem Vergnuͤgen gereichen, wieder mit Vieh zu verkehren, ſeitdem ich im Umgang mit Men - ſchen nicht allzu gluͤcklich war. Offen geſtanden umſchwebten mich bei meinem Einzug in Piſa ganz andere Ausſichten, und wenn mir von Heerden traͤumte, ſo waren dies Rinder und Schafe, von meinen Hirten gehuͤtet. Doch was thut’s? Jetzt werd ich ſelbſt ein Hirte. Alſo: Topp, ich trete in Euren Dienſt und bin Kameeltreiber!

Legt Euer Gepaͤck hier in dieſen Korb; da giebt’s Platz. Die Geige huͤbſch oben auf, damit ſie keinen Schaden nimmt. Nun ſeid Jhr leicht; nun laßt uns ruͤſtig wandern und nehmt den Kameelſchritt zum Muſter fuͤr Eure zarten Fuͤße. Je ſchneller wir aus Piſa’s Dunſtkreis gelangen, deſto beſſer fuͤr uns: hier ſind Kameele zu alltaͤgliche Waare! Dann, mit ſich ſelbſt redend, ſetzte Geronimo hinzu: es iſt ein huͤbſcher Burſch und wenn er nur ertraͤglich ſpielt und wenn er nicht verruͤckt iſt, woruͤber ich erſt in’s Klare kommen muß, ſo hab ich einen gluͤcklichen Griff gethan und mir einen unſchaͤtzbaren Kameraden gewonnen.

70

Sechsundfünfzigſtes Kapitel.

Paganini.

Schon im erſten Nachtquartier hatte Anton mit ſeinem Geigenſpiel des muſikliebenden Geronimo gan - zes Herz bezwungen. Der rohe Thierfuͤhrer der uͤbrigens fuͤr einen aufmerkſam-beobachtenden Men - ſchenkenner vielleicht Zweifel dargeboten haben duͤrfte, ob dieſe zur Schau getragene Rohheit nicht mehr Kunſt enthalte, als Natur? ſchmolz in Wehmuth hin bei ſanften und melancholiſchen Melodieen. War er doch auch einmal jung geweſen! Hatte doch auch ſeine Kindheit eine Heimath gehabt! Es erging ihm, wie es allen Menſchen ergeht, jedem in eigener Art: mag die Rinde, die Wetter und Wind und Staub und Regen um unſere Bruſt gelegt, noch ſo derb und dick ſein, bei Sonnenuntergang, in daͤmmernder Abendſtunde traͤumen wir wieder von harmloſer Kin - derzeit; und waͤhrend ſolcher Traͤume ſchleicht ſich durch irgend welch verborgenes Winkelchen die ſuͤße Macht des Liedes unvermerkt bei uns ein. Wer dieſe Stimmung in uns hervorzubringen weiß, den gewin - nen wir lieb.

Jn Lucca, wenn Anton’s Tagebuch nicht irrt,71 denn es traͤgt die Spuren der Fußwanderung und iſt unſicher und ſchwankend in Beziehung der italieniſchen Reiſe; in Lucca machten ſie in einer Vorſtadt Halt; wie Anton vermuthete, weil Geronimo heimliche Ge - ſpraͤche zu pflegen hatte, mit verſchiedenen Perſonen, die moͤglichſt unbemerkt kamen und gingen, und ſich ſogar den Blicken des Reiſegefaͤhrten zu entziehen ſuchten, welcher natuͤrlich diskret genug war, ſie gar nicht zu beachten.

Es war noch zeitig am Tage; die Kameele hatte Anton in einem großen Stalle untergebracht und ver - ſorgt; nun ſaß er bei einem Glaſe Wein in der Schenkſtube, da geſellte ſich Geronimo wieder zu ihm, erzaͤhlte vielerlei Schwaͤnke und Raͤnke aus ſeinem Wanderleben, was Anton gern hoͤrte, weil es ihn reizte, Vergleiche mit ſich anzuſtellen, Unterſchiede aufzuſuchen und in manchen Erniedrigungen des um ſo viel aͤlteren Mannes ſtillſchweigend eine Erhebung ſeiner ſelbſt zu entdecken und auszufinden. So waren ſie guter Dinge. Einige Gaͤſte der Schenke geſellten ſich an ihrem Tiſche zu ihnen, hoͤrten Geronimo ſchwatzen und nickten ſich bisweilen mit einem Zeichen des Einverſtaͤndniſſes pfiffig-laͤchelnd zu. Der Spre - cher verkuͤndete ihnen, daß ſein junger Kamerad ein72 Wunder ſei; ein Violinvirtuoſe, wie es noch nie und nirgend einen gegeben, der dem Zuhoͤrer Thraͤnen in’s Auge zu holen verſtehe, und wenn er ſie mit ſeinem Geigenbogen aus den Schuhſohlen heraufpumpen ſolle.

Hoͤrt auf, ſagte Einer, haltet uns nicht fuͤr Nar - ren. Wer ein ſolcher Meiſter waͤre auf vier Saiten, wie Jhr den jungen Herren ſchildert, der brauchte nicht Kameele zu fuͤhren von Piſa in’s Land der Barbaren. Zuletzt wollt Jhr uns glauben machen, er uͤbertreffe den Paganini!

Was wißt Jhr von Paganini, guter Freund? ſchrie Anton, der lebhaft emporſprang. Habt Jhr ihn jemals gehoͤrt? O ich bitte, erzaͤhlt mir von ihm.

Natuͤrlich hab ich ihn gehoͤrt und werd ihn heute wieder hoͤren; und wenn Jhr Luſt habt, ihn auch zu hoͤren, ſo ſaͤubert Euer Gewand, legt reine Waͤſche an, kaͤmmt und glaͤttet eure ſchoͤnen Locken, dann geht mit mir zur Stadt, wo heute Abend im großen Opern - hauſe Nicolo Paganini ein Konzert giebt.

Corpo di Dio, ich bin auch dabei, ſagte Gero - nimo.

Anton ſtuͤrzte nach dem Stall, um zwiſchen drei Kameelen Toilette zu machen.

73

Geronimo, Anton und der philharmoniſche Vor - ſtaͤdter begaben ſich mit einander nach dem Konzerte. Der Vorſtaͤdter hatte ſeinen Bratenrock angelegt. Geronimo ſah aus, wie ein Handwerksmann von groͤberem Zuſchnitt, ſo zwiſchen Schmied und Zimmermann, der ſich ſonntaͤglich geputzt. Anton dagegen wie ein vornehmer junger Herr im Reiſekleid.

Dem ſcharf geuͤbten Auge Geronimo’s entging dieſer Unterſchied nicht. Er machte den Vorſtaͤdter aufmerkſam darauf, waͤhrend dieſer an ſeiner Seite hinter dem ungeduldig voranlaufenden Anton her - keuchte:

Was meint Jhr zu meinem Burſchen? habt Jhr dergleichen ſchon geſehen in unſerem Gewerbe? Fuͤr was haltet Jhr ihn?

Jch halte ihn, erwiederte der Vorſtaͤdter, fuͤr einen Englaͤnder; was ſie einen Lord nennen, der die Wette einging, ſo und ſo lange als Knecht bei einem Kameel - treiber zu dienen. Wenn die Zeit um iſt und er hat ſeine Wette gewonnen, treffen die Equipagen ein, und Diener mit Haarbeuteln, und er iſt wieder ein Lord. Man muͤßte ſie nicht kennen, dieſe Englaͤnder! Sie ſind alle toll.

Aber er iſt kein Englaͤnder; er iſt ein Deutſcher.

74

Englaͤnder, Deutſcher! Das kommt auf Eines heraus; Chriſten ſind ſie alle zuſammen nicht und Eng - land wie Deutſchland ſind Jnſeln im Nordmeere, wo die Eis-Polen ſchwimmen; das grenzt ſogar an Rußland.

Euch beliebt das anzunehmen, Blume der Weis - heit von Lucca; doch erlaubt mir, der ich Deutſchland ſchon zweimal durchzog, die demuͤthige Einwendung, daß ihr euch irret. England und Deutſchland ſind wirklich zwei ganz verſchiedene Laͤnder.

Meinetwegen, aͤußerte der unſichere Geograph; zu den Barbaren gehoͤren die Einwohner da wie dort, denn ſie ſind keine Jtaliener.

Antons Sprachtalent hatte ſchon ſeit Turin genug aufgefaßt, daß er mit Huͤlfe ſeiner lateiniſchen Erin - nerungen vom Liebenauer Paſtor her einer italieni - ſchen Unterhaltung folgen konnte. Er wendete ſich um und ſagte zum Vorſtaͤdter: Jhr habt’s getroffen; ich bin ein deutſcher Graf, doch meine Herrſchaften liegen in England. Wollt Jhr mir tauſend Dukaten darauf leihen?

Wenn ich ſie haͤtte, mit Wonne, antwortete Jener, aber ich habe nicht ſo viele Lire.

Dann geht es Euch mit Euren Dukaten, wie mir mit meinen Herrſchaften, lachte ihm Anton freundlich zu.

75

Sie draͤngten ſich in’s Schauſpielhaus. Dort zeigte Alles ein feſtlich Geſicht. Die vornehme Welt in Glanz und Schmuck, die Maſſe feierlich bewegt. Auf jedem Antlitz ſtand zu leſen: ich werde ihn hoͤren!

Den erſten Nummern des Konzertes ward wenig Aufmerkſamkeit vergoͤnnt. Ouvertuͤre und Geſang gingen wirkungslos voruͤber.

Dann trat eine Pauſe ein; eine erwartungsvolle Stille herrſchte im Saale; Anton lauſchte, ob man nicht ein Notenpult bringen werde! Nein! Die Fluͤgelthuͤren gehen auf .... ein langer, bleicher Mann erſcheint, die Violine unter’m Arm .... es erhebt ſich ein Jauchzen, Schreien, Stampfen, Klatſchen, Ju - beln, daß die Mauern beben! Scheinbar gleichguͤltig dagegen und ſchwankenden Schrittes ſchlendert der Kuͤnſtler vor; (er verbeugt ſich, wie meine Ka - meele, wenn ſie uͤbler Laune ſind, ſagt Geronimo) die Jntroduktion, zu welcher ſein Bogen einige - male den Takt giebt, hebt an, .... ſie geht zu Ende .... aus den Augen des blaſſen Angeſichtes ſchießen zwei Flammen, ... der erſte Strich ertoͤnt ...

Jch will mich wohl huͤten, weiter zu beſchreiben!

Es war ſeine eigene Kompoſition, die Meiſter76 Nicolo vorgetragen. Das Adagio rein, edel, einfach; das Rondo heiter, friſch, lieblich; voll Melodie, An - muth, neckiſcher Grazie und mit Bizarrerieen und Kaprizen ausgeziert, die wie Schmetterlinge und gol - dene Jnſekten in Blumen gaukeln.

Nach Beendigung des Tonſtuͤckes, waͤhrend der Sturm des Entzuͤckens immer lauter und anhaltender nachbrauſete, ward er in die Hofloge beſchieden. Man ſah, wie alle ihm huldigten. Er, ſeine Geige unter’m Arme, nahm das hin, als koͤnnte es nicht anders ſein. Nur da ſchoͤne Damen ihm die Haͤnde zum Kuſſe reichten, legte er ſeine Geige bei Seite auf einen Stuhl, um die dargebotenen Finger dankbarer faſſen und kuͤſſen zu koͤnnen.

Anton verlor keine ſeiner Bewegungen. Anton bemerkte auch, daß eine junge Schoͤne ſich an des Meiſters Geige zu thun machte. Durch ſehr natuͤr - liche Gedankenverbindung fiel Tieletunke ihm ein und wie dieſe mit ihrer Scheere ihn außer Stand geſetzt, ſeine eigene Violine vor Carino erklingen zu laſſen, ſo daß er des Fremden ſeine ergreifen muͤſſen. Auf Paganini’s Jnſtrument, fluͤſterte er, waͤre das unmoͤglich: aus dieſem wuͤrden Funken blitzen, mich davon zu vertreiben, wenn ich mich daran wagen wollt.

77

Das zweite Stuͤck des Konzertgebers war ange - kuͤndiget als: Militairiſche Sonate, ohne Begleitung des Orcheſters. Es begann nach duͤſterer Einleitung mit dem Thema aus Mozart’s Figaro non piu andrai.

Schon nach den erſten Bogenſtrichen platzte eine Saite.

Wie wird das werden? dachte Anton.

Paganini ſpielte fort.

Jetzt ſprang die zweite Saite.

Paganini achtete nicht darauf und ſpielte fort auf zwei Saiten.

Kaum waren noch einige Takte voruͤber, ſo riß ſchwirrend auch die dritte.

Nur die G-Saite hielt ſich.

Auf dieſer ſetzte er ſein Muſikſtuͤck fort, ohne ein Zeichen von Verlegenheit zu geben. Ja, es war, wie wenn er den Mangel dreier Saiten nicht bemerkte. Er ging aus dem Mozartiſchen heroiſchen Motiv in eine wunderlich-monotone Klage uͤber*)Hier ſcheint Anton’s Tagebuch in einem Jrrthum. So viel ich mich erinnern kann, kam bei Paganini’s Sonate mili - taire jene jammernde Klage als Einleitung und dann erſt das Motiv aus Figaro. A. d. V. ; er ſtoͤhnte,78 jammerte, heulte in hohen und tiefen Toͤnen; er wimmerte den Hoͤrern in die innerſte Bruſt, umſchlang ihnen Herz und Seele mit ſeinem Weh; er weinte auf dieſer einen Saite, daß alle, die ihn vernahmen, mit ihm weinen mußten; er kaͤmpfte, wie gegen unſichtbare finſtre Maͤchte und rief die andern Men - ſchen auf, mit ihm zu kaͤmpfen; er ſpottete ſeiner eigenen Qualen und quaͤlte die Entzuͤckten. Es war, wie wenn ein Teufel vor Gottes Throne winſelnd flehe, daß er wieder Engel werden duͤrfe, was er einſt - mals geweſen und woran er die Erinnerung noch nicht verloren.

Die Wirkung dieſes in ſolcher Weiſe noch nie ver - nommenen Spieles war ſo gewaltig, daß am Schluſſe der Elegie kein Menſch ſich regte. Eine Minute ver - ging, der Beifall wagte nicht, dieſelbe Luft zu erſchuͤttern, in welcher Paganini’s Klagelied noch ſchwebte. Erſt nach langem Schweigen athmeten die zuſammengeſchnuͤrten Lungen wieder auf und machten ſich frei in fanatiſchem Viva!

Man wollte behaupten, die Saiten waͤren abſicht - lich durchſchnitten worden, um einem nicht allzu getreuen Liebhaber große Verlegenheit zu bereiten! Eiferſucht habe die Scheere gelenkt! Als dieſe Anſicht79 in Anton’s Naͤhe laut wurde, gedachte er ſogleich jener Schoͤnen, die er bei der Violine bemerkt hatte, waͤhrend Nicolo andere Haͤnde kuͤßte, anderen Goͤn - nern huldigte.

Naͤrrin, ſammt ihrer Eiferſucht, rief einer der Umſtehenden; und wenn ſie die G-Saite auch ent - zwei geſchnitten, ſo haͤtte er ſich von ſeinen langen Haaren ausgerauft und auf dieſen gegeigt, der Parze und ihrer Scheere zum Trotze. Viva Paganini!!

Auf der offenen, in ein Orcheſter umgewandelten Buͤhne ging es lebhaft zu. Viele Perſonen verließen den Zuſchauer-Raum, um ſich an Paganini zu draͤn - gen und ihm Lobeserhebungen in’s Geſicht zu werfen.

Wohin? fragte Geronimo ſeinen jungen Gefaͤhr - ten, als derſelbe eiligſt entwich.

Zu ihm! erwiederte Anton.

Plagt den Jungen der Teufel? ſprach Geronimo zum Vorſtaͤdter; wo nimmt er den Muth her, ſich unter Fuͤrſten und Grafen zu miſchen?

Es wird ſchon ſo ſein, wie ich vermuthete, aͤußerte der Vorſtaͤdter; Jhr habt einen hochgebore - nen Knecht bei Eurem Vieh. Seht doch, er macht ſich Platz, er gelangt bis zu ihm, er nimmt ein kleines Portefeuille aus der Bruſttaſche, er80 zieht eine Karte heraus: ſolch ein glattes Ding, worauf die Vornehmen und Reichen ihre Namen ſetzen, in Kupfer geſtochen ...

Bei allen Heiligen, der Maëſtro erkennt ihn an. Kaum hatte er geleſen, ſo umarmte er den Jungen. Kommt mit mir, Freund, laßt uns gehen. Heute zu Nacht muß ich meine Thiere ohne ſeine Beihuͤlfe ver - ſorgen, mit dem Kleinen. Der große Burſche iſt unter die Grafen gegangen.

Anton, durch jenen dunklen Drang geleitet, der uns dem Wunderbaren entgegen treibt, der uns die Naͤhe großer Kuͤnſtler ſuchen und wuͤnſchen laͤßt, ohne daß wir gruͤndliche Urſachen fuͤr ſolche Wuͤnſche auf - zuweiſen vermoͤchten, war denn auch richtig durch das Gewuͤhl verehrender, lobpreiſender Damen und Her - ren, welche ſich Sonnen gleich um eine Haupt-Sonne drehten, bis zu dieſer gelangt. Er, der aͤrmſte, kleinſte Wandelſtern auf irrer Bahn ſchweifend, fuhr planlos zwiſchen Planeten, Monde, Trabanten jedes Kalibers. Wie er dem Zauberer Nicolo Paganini gegenuͤber - ſtand, wußt er nicht, was er ſagen oder thun ſolle. Er bot ihm nur Lipinski’s Karte dar. Sobald81 Paganini den Namen Lipinski geleſen, umarmte er den Ueberbringer, wandte ſich zu den Umſtehenden und verkuͤndete des jungen Polen Lob und Preis, als des Einzigen von allen Virtuoſen des Auslandes, welche ihm bekannt worden, vor deſſen Genius er unbe - grenzte Achtung hege*)Eigene Worte Paganini’s, aus ſeinem Munde ver - nommen. H. . Ein Theil dieſer Auszeich - nung ſchien gewillt, auf Anton uͤberzugehen, nur daß man nicht wußte, wer und was der Empfohlene ſei. Paganini hatte ihn umarmt, ſo zaͤrtlich, wie wenn der Empfohlene der Empfehlende ſelbſt waͤre. Doch was nun mit ihm beginnen?

Sie ſind auch Kuͤnſtler? lautete die an ihn gerich - tete Frage, von deren Beantwortung das fernere Verhalten abhaͤngig gemacht werden ſollte.

Der Befragte, der waͤhrend Paganini’s Spiel den bei Lipinski ſchon gefaßten Vorſatz erneuert hatte, nie mehr den Bogen in die Hand zu nehmen, haͤtte jetzt nicht Ja erwiedern koͤnnen, um alle Schaͤtze der Erde. Er fuͤhlte ſich ſo gering, ſo duͤrftig, ſo nich - tig, daß er ſich mit einem rohen irdenen Gefaͤße ohne Jnhalt verglich, werthlos und leer, dem nichts Beſſe -Die Vagabunden. III. 682res zu thun bliebe, als demuthsvoll in ſich zu zerfallen und vor aller Welt in den Staub heimzukehren, aus dem es entſtand. Er uͤberſchaute den Kreis, der ſie beide umgab, aus dem viele Blicke ſich nach ihm rich - teten, in Erwartung, den Namen eines Virtuoſen von hohem Range aus dem Munde zu vernehmen, welchem Paganini’s Lippen den weihenden Bruderkuß gegeben.

Dann ſagte er, ohne Bitterkeit, ohne Ziererei, ganz einfach und natuͤrlich:

Jch bin der Knecht des Kameeltreibers Gero - nimo.

Ein lautes Gelaͤchter folgte dieſer Erklaͤrung. Nur Paganini blieb ernſt.

Aber wie kamen Sie zu Lipinski?

Er hoͤrte mich geigen, bei Nacht, und ich ihn; ich ſuchte ihn auf.

Und er empfiehlt Sie mir? Dahinter muß mehr ſtecken; Sie muͤſſen ihn entzuͤckt haben. Da, ſpielen Sie auf meiner Violine (er vergaß die zerriſſenen Saiten!) laſſen Sie mich hoͤren, was Sie koͤnnen. Wenn’s danach iſt, ſollen Sie mein Schuͤler werden.

Daß Gott mich davor behuͤte! Auch wenn ich etwas mehr waͤre, als ein Stuͤmper, vor Jhnen, auf dieſem Jnſtrument, muͤßt ich doch als ſolcher erſcheinen. 83Warum den Herrſchaften hier zum Gegenſtande des Spottes dienen? Wer Jhnen gegenuͤber Muth und Hoffnung in ſich fuͤhlt, Jhnen nachzufolgen, muß entweder ein eitler Narr ſein, oder ein Genie, wie Lipinski. Daß ich dies letztere nicht ſein ſollte, lag im Willen des Schoͤpfers. Daß ich mich nicht wie ein Narr gebehrde, liegt in meinem eigenen Willen. Deshalb empfangen Sie Dank fuͤr Jhre Großmuth und leben Sie wohl.

Anton ging.

Ein vielſtimmiges Bravo, Braviſſimo! folgte dem Knechte des Kameeltreibers Geronimo.

Geronimo kam aus dem Stalle, woſelbſt er ſeinen Kameelen einige Pfund Heu vorgeworfen, gerade zu rechter Zeit in’s Gaſtzimmer, um zu verhindern, daß Anton. ſeine Violine vernichte. Jn einer Art von wahnſinniger Schwaͤrmerei hatte unſer Freund noch einmal das Liedchen von den drei Reitern darauf geſpielt; beim letzten Tone warf er die Vertraute ſei - ner Leiden zur Erde. Schon erhob er den Fuß, ſie zu zertreten, da oͤffnete Geronimo die Thuͤre, ſtieß ihn zuruͤck, hob die Geige auf, unterſuchte aufmerkſam bei6*84Lampenlichte, ob ſie nicht etwa bereits Schaden genommen, legte ſie dann unverſehrt auf den Tiſch und ſprach freundlich: Antonio, ich verſtehe Dich. Wenn auch in Deinen Augen nur ein Thierfuͤhrer, fuͤhl ich doch italieniſches Blut in meinen Adern und dieſes verkuͤndet mir, was in Dir vorgeht. Aber ſei kein Narr. Fuͤr uns beide ſpielſt Du gut genug, und fuͤr die Leute, die Dich in der Gaſſe bewundern werden, auch. Warum die Geige zerſchmettern, die uns Geld bringen kann? Sieh die Sterne dort oben! die koͤnnen wir auch nicht in die Hand nehmen; ſollen wir deshalb keine Lampen und Kerzen mehr brennen? Die Sterne macht der liebe Gott, die Kerzen machen wir Menſchen; ohne Kerzen muͤßten wir manchen langen Abend im Finſtern ſitzen. Laß Deine Fiedel am Leben; iſt ſie kein Stern fuͤr die Welt, iſt ſie doch eine Kerze fuͤr Dich. Und jetzt komm zur Ruhe. Unſere Kameele ruhen gleichfalls.

85

Fuͤnfundfuͤnfzigſtes Kapitel.

Anton iſt wiederum in Gefahr ſich ſelbſt zu verlieren. Ein Carbonaro.

Geronimo wußte ſchon, was er wollte, wenn er Anton abhielt, die Geige zu vernichten, auf deren Wirkung er gerechnet, um die Proſa der Kameeltrei - berei mit einigem Zucker muſikaliſcher Poeſie zu beſtreuen. Wie ſie ſich erſt wieder auf dem Marſch befanden, ſetzt er ihm ſeine Anſichten auseinander: ſei wer Du willſt, ſtamme meinetwegen von hohen Eltern, .... denn daß Du nicht auf der Straße gefunden wurdeſt, merk ich wohl; Eines iſt ſicher: Du biſt ohne Geld, ohne Mittel, ohne Ausſichten; ein Vagabund wie man ihn nur verlangen kann. Dein Schickſal hat Dich mit mir zuſammen gefuͤhrt. Das Schickſal thut nichts vergebens; bei Allem was geſchieht waltet eine hoͤhere Abſicht. Deshalb muͤſ - ſen wir die Dinge nehmen, wie ſie ſind und Vortheil zu ziehen ſuchen aus jeder Schickung. Jch will mei - nen Vortheil durch Dich ſuchen, das ſag ich Dir geradezu, ohne Hinterhalt. Haſt Du etwas Anderes vor, weißt Du beſſere Auskunft fuͤr Dich, dann ſag’s eben ſo ehrlich und wir trennen uns. Meinſt Du aber auch, daß unſere Vortheile ſich vereinigen laſſen,86 ſo mußt Du Alles thun, ſie foͤrdern. Was ich von Dir verlange iſt Folgendes: Wir laſſen Dir eine huͤbſche, kleidſame Tracht machen, die Deine Perſon heraushebt; ein bischen knapp, bunt und abentheuer - lich, wie ſich’s fuͤr den Thierfuͤhrer ſchickt. Dieſe legſt Du an in jeder Stadt, in jedem groͤßeren Flecken, wo wir mit den Kameelen auf Straßen und Plaͤtzen erſcheinen. Da geigſt Du, waͤhrend mein Kleiner einſammelt und ich die Thiere ihren Kreislauf machen laſſe. Des Abends zaͤhlen wir die Kaſſe, ſo lange bis ich mein Kapital heraus habe, ziehſt Du ein Vier - theil; ſpaͤter trittſt Du in ein Drittheil. Gegenſei - tige Aufkuͤndigung von einer Woche zur anderen. Das iſt klar und deutlich, will ich hoffen? Und nun entſcheide Dich: Ja, oder Nein.

Geh und beſtelle den Schneider, ſagte Anton feſt entſchloſſen; ich will mir die Affengarderobe anmeſ - ſen laſſen. Man muß nichts halb thun. Zog ich bis jetzt im halben Scherze mit Dir herum, mag’s nun meinethalb ganzer Ernſt werden. Jch will gei - gen! Lipinski hoͤrt mich nicht und Paganini hat mich laͤngſt vergeſſen. Jch bin entſchieden: Ja!

tel brille au sécond rang, qui s’éclipse au premier!

pflegte Anton hohnlachend auszurufen, wenn Weiber87 und Maͤdchen, ohne der Kameele und ihres Beſitzers zu achten, ſich um ihn ſchaarten, mit allen Zeichen der Bewunderung fuͤr ſeine Toͤne, noch mehr aber fuͤr ſeine Schoͤnheit. Modena, Mantua, Verona, Roveredo, ſammt vielen Plaͤtzen von geringerem Namen wurden zu eben ſo vielen Schauplaͤtzen des Triumphes fuͤr ihn. Und ſo tief iſt auch in beſſeren Naturen die liebe perſoͤnliche Eitelkeit eingewurzelt, daß dieſe Erfolge ihn ſchmeichelnd beruͤhrten; daß ihre Wirkung ihn taub und blind machte, gegen die Entwuͤrdigung worein er zu verſinken begann. Dazu geſellten ſich noch fluͤchtig voruͤber gehende Liebeshaͤn - del, die ſich knuͤpften und loͤſeten von einem Tage, von einem Orte zum anderen; die durch bunten Wechſel, fuͤr ihn etwas Fremdes und Neues, ſein Haupt mit wuͤſtem Rauſch umnebelten, waͤhrend das Herz ſtumm dabei blieb und fuͤhllos.

So verging der Winter. Geronimo zoͤgerte abſichtlich ſo lange, ob nur deshalb, weil er das mil - dere Klima ſeines Vaterlandes fruͤher nicht verlaſſen wollte? Ob deshalb, weil allerlei heimliche und geheimgehaltene Geſchaͤfte, Beſorgungen, Zuſammen - kuͤnfte da und dort ihn feſſelten? daruͤber ſann der in Leichtſinn und Lebensgenuß verlorene Anton nicht88 nach. Jhm genuͤgte das Bewußtſein, daß ſich Gero - nimo ohne ihn und ſein Spiel nicht gehalten haben wuͤrde; er fuͤhlte ſich den Liebling der Bevoͤlkerung; die Kameele waren zu Nebenfiguren herabgeſunken, ſie wuͤrden nicht das Futtergeld eingebracht haben. Auch wurde er mit Erkenntlichkeit behandelt. Er hatte ſtets das ſauberſte Lager, den beſten Biſſen, den reinſten Wein, die huͤbſcheſten Maͤdchen und als Wuͤrze die freundlichſten Worte von Momolo. *) Momolo verkleinerndes Liebkoſungswort für Geronimo.

Mit dem Fruͤhlinge zugleich hielten ſie ihren Ein - zug in Deutſchland.

Und hier kam Anton zur Beſinnung.

Bei den erſten deutſchen Worten, wie ſie aus den Kreiſen gaffender Hoͤrer an ſein Ohr ſchlugen, erwachte in ihm das Gefuͤhl der Beſchaͤmung, welches er bis - her zu uͤbertaͤuben geſucht, aber ſo maͤchtig, daß er es nicht mehr zu beherrſchen, nicht mehr abzuweiſen vermochte. Was in fremder Sprache an ihm vor - uͤbergezogen, wie wenn es einem Fremden gelten ſollte, das beruͤhrte nun in heimathlichen Klaͤngen, wenn ſchon mit abweichendem Dialekt und Accent89 ausgeſprochen, ihn ſelbſt in eigener Seele. Jn Jta - lien hatte er mit luͤſternem Behagen ausrufen hoͤren: o, wie gut er ſpielt! Wie lieblich er ausſieht! Welch ein ſchoͤner Menſch! Jn Deutſchland ſchnitt es ihm wie ein Meſſer durch’s Herz, wenn ſie um ihn her murmelten: Seht nur den Geiger; ſchade um den huͤbſchen Burſchen!

Und wohlgethan waͤr es geweſen, wenn er, ſei - nen beſſeren Empfindungen gehorſam, hier gleich den Vertrag mit Geronimo aufgehoben haͤtte: ſein Antheil am Baarbeſtande der Kaſſe belief ſich ſchon auf mehr als hundert Silbergulden. Damit konnt er, weiter wandernd, ein gutes Stuͤck Weges machen. Doch ſeine Gutmuͤthigkeit ließ ihn zoͤgern und zoͤgern und abermals war ihm beſchieden, den bitterſten Bodenſatz des Kelches zu leeren. Frei ſollt er wie - der werden von d