Als Manuſcript gedruckt. Druck von E. Stahl.
Jch bin ein unglücklicher Prinz; ein ganzes Jahr ſchon durchziehe ich die Welt, ohne das Jdeal zu finden, welches ich erringen möchte, ja erringen muß! Wie viele Gefahren und Abenteuer habe ich ſchon überſtanden und noch bin ich nicht am Ziele! Wie am Himmel ein helles Geſtirn — ſo leuchtet mir das Bild der Prinzeſſin Lilienweiß von ferne; ſeine Strahlen dringen bis in das Jnnerſte meines Lebens — aber unerreichbar iſt das himm - liſche Bild, wie mir däucht, und ich werde endlich aus Sehnſucht verſchmachten! Ja, ich bin recht unglücklich!
Jetzt hören’s a mal auf mit dem Lamentiren! Was ſoll denn ich nachher ſagen? Sie haben alle1*4Tag eine Portion Sehnſucht zum verzehren; aber ich hab gar Nix als Hunger und Durſt und bin alleweil hundsmüd dabei. Ja, wie wir noch ge - ritten ſind, da war’s doch paſſabel zum aushalten; aber ſeit ſich unſ’re Rößeln die Füß’ abgelaufen haben vor lauter Hetzen und Jagen und ſeit wir z’Fuß auf Abenteuer ausgehen, iſt’s ſchier nimmer ausz’halten. — Was habn ’S denn alleweil mit der Prinzeſſin? Muß’s denn grad die ſein. Prin - zeſſinen gibt’s ja genug auf der Welt, reich und ſchön, die einen Mann brauchen können. Jch thät mir halt ſo Eine holen, und nachher hätt’ die arm’ Seel an Ruh.
Casperl, du biſt zwar ein treuer Kerl, aber das verſtehſt du nicht. — Wenn du nur genug zu Eſſen und zu Trinken haſt, dann biſt du auch zu - frieden. Höheres als dieß begreifſt du nicht.
Jetzt möcht ich aber doch wiſſen, ob denn’s Eſſen und ’s Trinken nit a Hauptſach iſt? Das halt Leib und Seel’ zuſammen. Schaugen’s Jhna nur in Jhren Raſirſpiegel — auweh! Den hab’n wir beim letzten Kampf mit dem Rieſen z’brochen! — Sie ſeh’n ja aus wie a Haring, ganz ausg’hungert5 und abgezehrt; es iſt eine wahre Schand für an Prinzen von Geblüt. Und ich geh’ auch z’ Grund nach und nach, als wie ein Jagdhund, der auf ſeine letzten Füß lauft. Jch halt’s nimmer aus und lauf Jhnen doch nächſtens einmal davon; nachher können’s allein herumvagiren; auf d’ letzt kommen wir noch mitenand auf’n Schub nach Haus, wenn uns ein Gendarm in dem elenden Zuſtand antrifft.
Schweig einmal mit deinem Geſchwätz. Jch will dich nicht zurückhalten, wenn du mich verlaſſen willſt.
So, und wer putzt Jhnen dann die Stiefel in der Fruh, wenn ich nimma bei Jhnen bin? und wer macht den Caffé, wenn wir Ein’ haben? und wer flickt Jhnen die Panzerhoſen?
Das ſind Nebenſachen. An derlei Kleinigkeiten des Lebens denkt ein Held nicht, der nach ſeinem Jdeale ſtrebt.
Und alleweil das Lineal da! Wenn’s nur Ein - mal die Jdee’n aus’n Kopf brächten!
Au - weh, jetzt werd’ ich ſchon ſchläfrig. Nacht wird’s6 auch und alleweil im Freien campiren! Das gibt wieder ein’ Mordscarthar Morgen früh. Nur Ein - mal möcht’ ich wieder — in — ein — Wirthhaus — kommen — — —
Himmliſche Erſcheinung, verweile! — Weh mir, es war wieder nur ein Traum! Aber das Engels - bild ſenkte den Balſam der Hoffnung in dieſe Bruſt und mit neuer Kraft geſtählt erwache ich zum Be - wußtſein meiner Berufung.
Gut g’ſchlafen hab’ ich, aber jetzt ſitz’n wir halt noch auf’m alten Fleck. Der Durſt hat mich ein - g’ſchläfert und der Hunger hat mich wieder aufge - weckt. Das iſt eine ſaubere Geſellſchaft.
Auf Caspar! Laß uns unſern Weg weiter ſuchen! Die Hoffnung winkt und der Troſt ſpannt die Segel meines Lebensſchiffleins auf. Die Wimpel wehen! folge mir!
Ja die Gimpel gehen! Jch folge dir!
Was knurrſt du Beſtie? Haſt du nicht gute Tage bei mir?
Daß ich bei Tag an der Kette hänge und Nachts losgelaſſen werde? Daß ich nur drei Mal gefüttert werde und jedesmal 6 Pfund Rattenfleiſch bekomme? Das heißt ihr gute Tage haben? Verflucht ſeid Jhr ſammt eurer Zauberkunſt! Lieber wär’ ich ein Leo - pard in der ägyptiſchen Wüſtenei geblieben.
Das iſt alſo dein Dank, daß ich dich aus einem Thiere der Wüſte in eine menſchliche Figur ver - wandelt habe?
Das dank’ euch der Satan. Damals hatte ich meine Freiheit, jetzt lieg ich gefangen und muß ein Knecht ſein, weil ihr mich brauchen könnt, da alle9 eu’re Diener es nicht mehr bei euch aushalten konn - ten und davon liefen.
Dich kann ich nur als grimmigen Wächter brau - chen aber nicht als Gärtner, der meine verzauberten Blumen pflegt. Daß der mir entlief und ich ihn trotz meiner Zauberkünſte noch nicht erſetzen konnte, iſt mir höchſt unangenehm. Jch habe ſchon überall herumgeſchrieben, aber ’s will keiner zu mir. Jetzt muß ich die Blumen ſelbſt gießen, ſonſt verſchmachten ſie und ich vermag ſie nicht mehr in Menſchen zu verwandeln.
Das habt ihr von eurer Grauſamkeit gegen die Frauenzimmer. Zuerſt raubt ihr ſie und dann, wenn ſie euch nicht heirathen wollen, verzaubert ihr ſie in Blumen. Wenn ich des Nachts vor meiner Hütte liege, höre ich oft ihren wehmüthigen Geſang; ſelbſt mein Leopardenherz wird oft zu Tigerthränen ge - rührt und ich verbeiße meine Weichmüthigkeit immer an den alten Knochen, die ihr mir zu nagen gebt. Beſonders die weiße Lilie da lamentirt am kläglichſten.
Schweig, Eſel, das verſtehſt du nicht. Marſch, füll’ mir die Gießkanne am Zauberbrunnen mit10 Eau de Cologne und bringe ſie ſchnell her.
Ja mein liebes, ſanftes Prin - zeßchen Lilienweiß, es iſt nur deine eigene Schuld, daß du nun als Blume dein ſchönes Häuptlein im Morgenwinde hin und her neigen mußt. Hätteſt du mich geheirathet, ſo wäre Alles gut und du wärſt nun die Gemahlin des großen Zauberers Negromanticus.
Da iſt die Gießkanne. Jetzt ſchüttet d’rauf los auf die armen Dinger
Welche von euch entſchließt ſich endlich, mich zu heirathen? — nun — —?
Keine, Keine, Keine!
Gut! ſo bleibt’s dabei, ihr dummen Dinger. Jhr bleibt Blumen und ich bleib ledig. Verdammt! Es gibt aber noch andere Mittel euch zur Vernunft zu bringen. Wartet nur; jetzt will mich keine von euch zum Manne haben und auf einmal werdet ihr mich Alle wollen; aber da werd’ ich nur Eine wählen und die Andern werden in Verzweiflung gerathen.
Was? ihr unterſteht euch zu lachen? Das iſt impertinent!
Recht ſo! bravo! ihr Blümlein fein! Lacht nur den alten Narren aus. Hätte ich nur die Macht, euch wieder in Jungfräulein zu verwandeln, ich würde als Leopardus eine nach der andern aus lauter Liebe mit Haut und Haaren auffreſſen!
Wir danken ſchön!
Merkt auf! Jetzt will ich euch Eins vorſingen.
Nun wie gefällt euch dies Lied? Es iſt ein ſo - genanntes „ Wüſtenlied ‟ mit einigen kleinen Ab - änderungen.
Gut, gut, ſchön, ſchön!
Nun wird es bald Mittag, die Sonne ſticht ſchon gewaltig. Jch will ein kleines Schläfchen machen. —
Euer Majeſtät haben mich rufen laſſen, womit kann meine Gelehrſamkeit dienen?
Jhre Gelehrſamkeit werde ich demnächſt nicht mehr gebrauchen können; denn was ſoll’s mit Jhrer Aſtronomie, Geographie, Philologie, Che - mie und Philoſophie, wenn Sie noch nicht ent - decken konnten, wo meine geliebte Tochter iſt, die mir vor einem Jahre ſchon entführt wurde? Güti - ger Himmel! Vielleicht iſt dieſes liebe Kind gar nicht mehr unter den Sterblichen! etwa ſchon von einem wilden Thiere gefreſſen! Es iſt erſchrecklich, was mein königliches Vaterherz oder mein väterliches Königsherz leidet! Wozu habe ich Sie angeſtellt, als daß mir Jhre Wiſſenſchaft und Jhre Genie nützlich werden? Wozu habe ich Sie zum Hofrathe ernannt, wenn Sie keinen Rath zu geben wiſſen?
Es gibt Verhältniſſe und Umſtände, welche außerhalb der möglichen Errungenſchaften aller wiſſenſchaftlichen Forſchungen ſind, Majeſtät. — Aber dennoch bin ich überzeugt, daß ich einmal den Knoten zu löſen im Stande ſein werde, wenn Aller - höchſtdieſelben mir Zeit gewähren.
Zeit, Zeit und immer Zeit! Wie lange ſtu - diren und experimentiren Sie ſchon an der Auf - gabe, die ich Jhnen geſtellt habe?
Jch bin eben noch nicht damit fertig geworden, die Zirkel und Quadrate des Lebenshoroscopes der Prinzeſſin Lilienweiß, Königlichen Hoheit, dergeſtalt zu combiniren, daß ich an den Faden anknüpfen könnte, der mir den Schlüſſel zur Löſung der eigent - lichen Aufgabe bietet. Um dieß bewerkſtelligen zu können, bedarf ich noch der Summe von 10,000 fl., damit ich mir die nothwendigen Jnſtrumente kann anfertigen laſſen. Jch brauche noch einen Tubus, der zweitauſendmal vergrößert, zur Beobachtung der Geſtirne, ferner einige phyſikaliſche Subſtanzen der theuerſten Gattung und verſchiedene andere Gegenſtände.
Sie ſollen haben, was Sie wollen, wenn es Jhnen dazu dient, zu entdecken, wo ich meine Toch - ter finden kann. Die letzte Perle aus meiner Krone, den letzten Diamant aus meiner Schatzkammer opfere ich; denn was ſind all’ dieſe Kleinodien gegen mein herrlichſtes Kleinod, meine Tochter Lilienweiß! Eines aber ſage ich Jhnen, Herr Hofrath, wenn Sie meine Aufgabe nicht bald erreichen, wenn Jhre Forſchungen kein genügendes Reſultat haben, ſo laſſe ich Sie ohne Weiteres hängen und dieß iſt mein letztes Wort; verſtanden, Herr Hofrath? —
Hängen? mich hängen? Das wäre nicht übel! Nein, daß dieß nicht geſchieht, dafür will ich ſorgen. Hab’ ich die 10,000 fl. vom Herrn Schatzmeiſter in Empfang genommen, ſo werd’ ich mich augenblick - lich aus dem Staube machen. Jch hab’ mir außer - dem ein hübſches Sümmchen bei Seite geſchafft und ſo geht’s herrlich. Mein Auskommen habe ich und König Goldkron mag ſich um einen anderen Hof - gelehrten umſehen, der ihn an der Naſe herumführt. Ha, Ha, Ha, ich lach’ mir dann in’s Fäuſtchen.
Jſt’s verlaubt?
Wer iſt da?
J bin’s.
Wer ſind Sie? Was wollen Sie?
G’horſamer Diener, g’horſamer Diener.
Das iſt eine drollige Figur, ein ko - miſcher Kerl.
Was wünſchen Sie? Wie ſind Sie da hereingekommen?
Auf meine zwei Füß.
Hat Sie der Portier eingelaſſen? Wiſſen Sie, wo Sie ſind?
Wo ich bin? — Ja, wiſſen’s; ſo viel ich weiß, bin ich in der Reſidenz Seiner Majeſtät des Königs Goldkron.
Allerdings, aber zu welchem Zweck?
Zweck oder Zwick — ich muß dem König was außerordentlich Wichtig’s ſagen.
Haben Sie ſich zu einer Audienz melden laſſen?
Zu was?
Zu einer Audienz, zu einer Aufwartung.
Jch bin kein Pudel, s’ Aufwarten hab i net glernt.
Sonderbare Bemerkung. Sollte Jhnen das Hofceremoniel nicht bekannt ſein?
Nix da, des Gſchwatz wird mir z’lang. Sagn’s mir lieber, wo ich den Herrn König finden kann?
Wenn ich weiß, wer Sie ſind, ſo kann ich Jhnen Gelegenheit verſchaffen, zu Seiner Majeſtät zu gelangen, denn ich bin Hofrath Dünkelmayer.
Hofrath Simpelmayer?
Dünkelmayer, Hofrath und Leib - gelehrter des Königs.
Ach! das iſt aber was Neus. Von einem Leib - kutſcher oder Leibſchneider oder Leibſtuhl hab i ſchon g’hört; aber von einem Leibgelehrten no nix. Das muß a curioſe Anſtellung ſein.
Brechen wir ab — ich habe nicht viel Zeit zu verlieren.
J dank ſchön, abbrechen mag i net, i bleib vor der Hand lieber noch ganz.
Kurz und gut, zum Schluſſe: Wer ſind Sie?
Jch bin der Casperl Larifari und Leibbe - dienter beim Prinzen Roſenroth und ſoll dem König von meinem Herrn was ausrichten.
Da hat ſich der Prinz Roſenroth einen ſonder - baren Geſchäftsträger gewählt. Ha, ha, ha — wirk - lich höchſt ſonderbar. Ein Bedienter und eine diplo - matiſche Sendung? wie reimt ſich das zuſamm en.
Ein Bedienter und eine zipflomatiſche Wendung?
Toller Menſch! — Nun denn; Seine Majeſtät kommen eben den Corridor herauf. Machen Sie ihm Jhr Compliment. Jch werde Seine Majeſtät darauf vorbereiten.
Das iſt aber a kurioſer Kerl, der Simpelmayer da. Sapperement, jetzt kommt, glaub ich, der König.
Wo iſt der Abgeſandte, den man mir eben ge - meldet hat.
Unterthäniger Diener!
Was wollen Sie? wo haben Sie Jhr Creditiv?
Kein Speditiv hab i net, aber was z’ſagen hab i!
Haben Sie meinen Miniſter des Auswärtigen noch nicht geſprochen?
Weder ein’ Auswendigen noch ein’ Jnwendigen. 21Mich ſchickt halt der Prinz Roſenroth wegen der Prinzeſſin Lilienweiß!
Wie? um meine Tochter handelt es ſich?
Von einer Handelſchaft iſt keine Red.
Warum kömmt Jhr Prinz nicht ſelbſt zu mir?
Weil er kein g’ſcheid’n Aufzug hat, vor lauter Rumſuchen in der Welt um die Prinzeſſin Lilien - weiß zu finden. Ja Sie glauben’s gar nit, wie’s uns zwei miſerabel geht. — Wiſſen’s was? Jetzt möcht i z’erſt was z’eſſen und z’trinken, nachher ſag’ i mein Botſchaft!
O ſprechen Sie, ſprechen Sie zuvor! Vielleicht weiß Prinz Roſenroth etwas von meiner geliebten Tochter!
Nix weiß er, als daß die Prinzeſſin Lilienweiß in ein’ Blumenſtock verwandelt iſt.
Weh’ mir! welche Nachricht!
Die Fee Liebinniglich hat’s vorgeſtern meim Herrn im Traum verzählt, daß der böſe Zauberer Negromantikus die Prinzeſſin g’raubt hat und in einen Lilienſtock verzaubert, weil’s ihn nit hat hei - rathen wollen.
Gütige Götter! welches Schickſal!
So — das hab’ ich Jhnen ausrichten ſollen und jetzt werdn’s ſchon wiſſen, was z’thun haben. A gut’s Trinkgeld für’n Casperl, ein paar Flaſchen Wein und was Gut’s z’eſſen. Nach her ſag’ ich Jhnen noch was.
Ein königliches Geſchenk für dieſe Nachricht — wenn ihr Jnhalt auch unerhört iſt!
Was? unerhört? Sie hab’n ja g’hört, was ich Jhnen g’ſagt hab’.
Kommen Sie mit mir in mein Kabinet, um das Nähere zu beſprechen, was in dieſer Sache zu thun. Jch muß den edlen Prinzen ſprechen.
Ja mir iſt’s ſchon recht; aber er traut ſich nit ’rein, weil er g’flickte Hoſen hat und ein zerriſſenes Jabodl.
Armer Prinz!
Mein Diener Caspar bleibt ſo lange aus, daß ich vermuthen muß, er habe bei ſeiner Sendung wieder einmal eine Ungeſchicklichkeit begangen. Jch warte nun ſchon zwei Stunden und dieſer Wald iſt doch kaum eine halbe Stunde von dem Schloſſe des Königs Goldkron entfernt. Jch ſelbſt wage es noch nicht, mich dem Könige zu nähern, bis ich über meine Aufnahme Nachricht erhalten habe.
Was hör’ ich! Jn dieſem Walde iſt es nicht geheuer. Er iſt voll wilder Thiere, ich muß auf einen Kampf bereit ſein. Muth, Muth, Roſenroth!
Es ſcheint die Stimme eines Bären zu ſein! Wehe mir, wenn ich ihn nicht erlege.
Brum, Brum, Brum!
Wage es nicht, dich mir zu nähern, oder mein ritterliches Schwert wird dich tödten.
Halt ein, edler Prinz! Jch thue dir Nichts zu leid. Vernimm vielmehr, was ich dir ſagen werde.
Wie erſtaunt bin ich, daß du, ein wildes Thier der Wälder, mich mit menſchlicher Stimme anredeſt!
Jch bin eigentlich kein Bär, ſondern deines Glei - chen, ein Menſch und zwar der Ritter Hugo von Felseck. — Unter den Blumen im Garten des Zau - berers Negromanticus ſteht in eine Roſe verwan - delt meine Braut, Fräulein Emma von Hohenthal. Da durch den Tod des böſen Zauberers alle Blumen wieder entzaubert werden und die unglücklichen Jung - fräulein, die ihn nicht heirathen wollten, wieder ihre vorige Geſtalt bekommen, ſuchte ich vor einiger Zeit den Negromanticus im Kampfe zu erlegen; allein wider ſeine große Zauberkunſt vermag ſelbſt ein ritterliches Schwert nicht zu ſiegen. Er verwandelte25 mich in einen Bären, wie du ſiehſt, edler Prinz. Laſſe dich alſo auf keinen Kampf mit ihm ein, um Prinzeſſin Lilienweiß zu befreien.
Furchtbares Geſchick für einen Ritter ſo vor - nehmen Geſchlechtes.
Höre weiter! Nachdem ich in dieſe ſcheußliche Geſtalt verzaubert war, ſagte mir der Zauberer höhniſch: „ Kühner Ritter, nun Bär, hätteſt du ge - „ wußt, daß die verzauberten Fräulein durch die Be - „ rührung mit einem Zweige der Wundereiche zu „ retten wären, ja meine Macht ſelbſt dadurch gelähmt „ werden könne, ſo würdeſt du ſicherlich den kühnen „ und erfolgloſen Kampf mit mir nicht gewagt haben. „ Nun trage deine Qual in der Bärenhaut. ‟ Dies die Worte des Zauberers.
O ſage, theurer Ritter, ſage, wo dieſer Wunder - baum ſteht und wie ich einen Zweig desſelben zu pflücken vermag.
Die Eiche, welche die Fee Liebinniglich gepflanzt hat, ſteht einſam im ſchauerlichen Schlangenthale und iſt von einem feuerſpeienden Drachen bewacht,26 der an ihrem Stamme liegt. Wer dieſen erlegt, ge - langt zu ſeinem Zwecke.
Ha! dieſen Kampf will ich beſtehen! Entweder ſiege ich oder ich falle und der Tod wird mir nur willkommen ſein.
Jch will dir beiſtehen. Wenn du den Kopf des Drachen abgeſchlagen haſt, ſo werde ich das Blut aus deſſen Rumpfe ſaugen, damit ihm nicht zwei Köpfe hervorwachſen, was außerdem der Fall wäre.
Herrliches Unternehmen! Laß dich umarmen werthgeſchätzter Ritter; wir wollen ewige Freund - ſchaft ſchließen.
Auf denn! Mit vereinten Kräften werden wir wohl das Ungeheuer bezwingen.
No, wo is’ er denn? Jetzt lauf’ i’ ſchon a halbe Stund umanand und find’ mein Herrn net. Wir hab’n uns ja da z’ſammbſtellt. Heda, Heda! Prinz27 Roſenroth! Wo ſind’s denn? Sitzen’s etwa hinter einer Stauden? Der Casperl iſt da! Nix is’! Weiß der Guckuck, wo der wieder hin iſt, und ich ſoll ihm den Brief vom König Goldkron bringen! Hat er vielleicht wieder ein Abenteuer im Kopf? Der Geier ſoll ſo an Dienſt holn, wo man’s ganze Jahr kein Ruh hat! Jetzt darf ich wieder einen halben Tag rumlaufen bis ich ihn find, und derweil ſitzt er ganz kommod in ein’m Wirthshäusl und ißt Bratl und Salat, während ich mir Lungl und Leber ’raus renn’. Schlipperment, iſt das a Leben!
Prinz Roſenroth; Durchlaucht!
Jn dieſem Walde will ich mich verbergen bis es Nacht wird und ich ungeſtört meinen Weg fort - ſetzen kann. Glücklich bin ich bis daher gekommen. Mein Geld hab ich mir in Banknoten umgewechſelt und trage es bequem in der Brieftaſche. Jm näch - ſten Ort nehm’ ich mir Extrapoſt — denn leider ſind die Eiſenbahnen noch nicht erfunden — und fahre bis Hamburg, wo ich mich nach Amerika ein - ſchiffen werde. Der alte König Goldkron wird mich wohl nicht verfolgen laſſen; er denkt nur an ſeine verlorne Tochter! Ha, ha, ha!
Halt, Kamerad!
Wer ruft mir? Weh mir — man verfolgt mich!
Steh mir, ich bin dein guter Freund.
Jch kenne dich nicht, wie kannſt du mein guter Freund ſein. Wer biſt du?
Jch bin der Leibhaftige und will eine kleine Luftfahrt nach Amerika machen; wenn du magſt, kannſt du mit mir reiſen.
Auf dieß kömmt’s mir auch nicht an! Recht ſo! Mit dem Teufel in Compagnie; da hab’ ich nichts dagegen.
So ſetz’ dich auf meinen Rücken; halte dich aber feſt!
Prrrrrr!
Obgleich es eigentlich nicht üblich iſt, daß Drachen ſprechen, ſo muß ich es doch thun, damit ihr wißt, woran ihr ſeid. Jch bin alſo der erſchreckliche Drache Feuerrachen. Meine Mutter war die nächtliche böſe Fee Schlangenblitz und mein Vater der Zauberer Negromanticus. Von Haus aus war ich eigentlich ein Papierdrache, den die Buben im Herbſte auf den Wieſen fliegen ließen; allein nach und nach wuchs ich heran und gewann endlich meine dermalige Geſtalt. Jch bin ein furchtbarer Kerl und wer mir in den Weg tritt, dem ſpeie ich Feuer in’s Geſicht, wie ihr auch gleich ſehen werdet, wenn der gute Prinz Roſenroth einen Zweig von dieſem Baume pflücken will, den ich auf Befehl meines Papas zu bewachen habe. Ach! wäre ich doch lieber in meiner Kindheit geblieben; als Papierdrache be - fand ich mich ſo wohlgemuth und heiter geſtimmt, beſonders, wenn ich durch die blaue Luft dahinflog30 und endlich wieder auf den grünen Raſen niederſank! Nun ſind mir dieſe jugendlichen Gefühle fremd ge - worden, ich bin mir ſelbſt zuwider. Meine Leiden - ſchaften, die ich nicht bekämpft, mein böſes Naturell, das ich nicht überwunden, haben mich complett ruinirt. Laßt euch das Warnung ſein! Die beſte Seele kann ſchlecht und verdorben werden! Dieß ſagt euch der Drache Feuerrachen.
Hier ſind wir alſo im Schlangenthale angelangt.
Und dort ſteht die Zaubereiche, an deren Wurzeln der böſe Drache liegt.
Heda, Drache! entferne dich, damit ich einen Zweig des Wunderbaumes brechen kann.
Mein Platz iſt hier und ich weiche nicht von der Stelle!
So werde ich dich dazu zwingen!
Magſt du auch wie ein Vulkan Feuer ſpeien, es wird mich nicht hindern, dich zu vertreiben.
Ja was iſt denn da wieder los? Alleweil Spe - takel! Warten’s a Bißl und leſen’s zuerſt den Brief!
Da dank ich gar ſchön; auf der ein’ Seiten ein Drach und auf der andern ein Bär! Da lauf ich davon.
Halt Freund! der Bär thut dir nichts zu Leid.
A! da hab’ ich Reſpekt, des iſt ein Mal ein manirlicher Bär, gewiß ſind Sie ein quieszirter Tanzbär und privatiſiren jetzt.
Was ſteht in dieſem Briefe? Vermuthlich iſt er vom König Goldkron.
Ja, von dem iſt er. Wie haben’s jetzt das wie - der errathen können? Sie ſind halt ein Tauſendſaſa.
Sehr natürlich! Es wird die Antwort auf meine Anfrage ſein, die ich dich ſtellen hieß.
Richtig, ſo iſt’s.
„ Edler Prinz! Sei mir jederzeit willkommen! „ Empfange zugleich mein königliches Wort, daß ich „ dir meine geliebte Tochter Lilienweiß zur Gemahlin „ gebe, ſobald du ſie aus den Händen des böſen „ Negromanticus befreit haben wirſt! ‟
„ Goldkron, König. ‟
Punktum, Streuſand d’rauf! aber auf den Punktum kommt’s halt noch an, wegen der gewiſſen Befreiung.
Nun erſt bin ich doppelt begeiſtert und mein Muth kennt keine Grenzen, da der ſchönſte Lohn des Lebens mir entgegenwinkt!
Heda, Drache! ſtell dich zum Kampfe!
Jch bin bereit.
Wohlan.
Jch bin beſiegt.
Ah! das iſt aber ſchön! Herr Jegerl, der ſchöne Drach! Jch mein’, ich bin auf der Oktoberfeſtwieſen. Juhe, Juhe!
Nun will ich den Zweig brechen, um Lilienweiß zu erlöſen und als Braut heimzuführen!
Und mich berühre dann auch mit dem Wunder - zweige, damit ich von meiner Bärenhaut befreit werde.
Und mich rührn’s a bißl an, damit ich eine Bärenhaut krieg, denn die brauch ich zu die Schläg, die ich allenfalls noch bekommen könnt.
So eben habe ich in meinen Zauberſpiegel ge - ſehen, daß mir eine große Gefahr droht. Auch iſt mein Trinkglas zerſprungen, was von übler Vor - bedeutung iſt. Jch muß alle meine Zauberkräfte zuſammennehmen, um nicht zu unterliegen; auch auf dich zähle ich, Leopardus. Sei wacker und bleibe ein treuer Wächter. Jedenfalls ſuche zu verhüten, daß irgend Jemand dieſen Garten betrete. Nach überſtandener Gefahr werde ich dich dadurch belohnen, daß ich dir deine vorige Geſtalt wieder gebe und als Leopard in die ägyptiſche Wüſte laufen laſſe.
Jch danke dir im Voraus. Lieber aber wär es mir dennoch, wenn du mich an eine Menagerie ver - kaufen würdeſt, wo ich meine alten Tage bei guter, regelmäßiger Fütterung beſchließen könnte.
Auch gut, wenn es dir lieber iſt! Nun geh’ ich in mein Zauberkabinet, um mich mit allen Waffen zu rüſten, die mir meine Kunſt bietet. Einſtweilen ſei wachſam und brülle, wenn ich kommen ſoll.
Nun, Gott ſei’s gedankt, erſcheint vielleicht doch einmal der Augenblick, der mich aus dieſer Sclaverei befreit! Aha! da kommt ſchon Etwas heran.
Ps, Ps guter Freund! Jch möcht’ Jhnen a bißl was ſag’n.
Marſch da, hier darf Niemand herein!
Wenn ich aber Entrée zahl; auf a paar Sech - ſer kommt’s mir nit an.
Hier wird man auch gegen Geld nicht einge - laſſen.
No, laßn’s nur ein Wörtl mit ſich red’n!
Nichts da, oder ich erwürge dich!
Jch muß ja hinein, weil mein Herr auch bald nachkommt.
Wage es nicht einzutreten, oder —
Schaugen’s — ich bin ja nicht hereingetreten, ich bin ja nur hereing’fall’n.
Jeder Fremdling, der dieſen Boden betritt, iſt verloren.
Negromantikus!
So, da haſt du den Lohn für deine Unverſchämt - heit. Als Eſel kannſt du die Diſteln und ſonſtiges Unkraut dieſes Gartens freſſen! Nun iſt wohl die Gefahr, von welcher Negromanticus geſprochen, vor - über. Jch will zu ihm und mir den verſprochenen Lohn holen für meine Wachſamkeit.
Ya, Ya, Ya!
Wie leicht iſt mir, ſeit ich meine ritterliche Geſtalt wieder habe. Der ſchwerſte Turnierharniſch war mir nicht ſo läſtig wie das abgelegte Bärenfell.
Sieh hier das Blumenbeet. Dieß werden wohl unſere verzauberten Fräulein ſein!
Wer könnte noch zögern, das ſüße Werk zu vollbringen?
Göttliche Fee Liebinniglich! in deinem Namen berühre ich die Blumen, damit ſie wieder Mädchen werden.
Seligſter Augenblick meines Lebens!
Dank dir, liebliche Fee!
O wie bin ich glücklich, meine vorige Geſtalt wieder zu haben!
Unſer Blumenleben war höchſt traurig!
Wenn wir auch ſüßen Duft aushauchten, die Strahlen der Morgenſonne ſich lieblich auf uns ſenkten und die friſchen Thautröpflein uns erquick - ten; es war doch nur ein Traumleben.
Nun ſeid Jhr befreit zu unſerer Wonne! Laßt uns eilen, dieſen Ort böſer Zauberkünſte zu verlaſſen. Geliebte Prinzeſſin, meine erſte Pflicht iſt es, Euch in die Arme Eures Vaters zurückzu - führen!
Und Euch, mein Fräulein, biet’ ich meine rit - terliche Hand. Auf der Burg Hohenthal bei Euern Eltern ſoll nun ungeſäumt unſer Vermählungsfeſt gefeiert werden.
Ya, Ya, Ya!
Sieh da! ein Eſel, den wir gar nicht bemerkt hatten in der Freude unſerer Herzen. Was willſt du, armes Thier?
Es iſt ein verzauberter Menſch, der vor Kur - zem in den Garten gedrungen war.
Ya, Ya, Ya!
Wer du immer biſt, mein Eichenzweig ſoll auch dich erlöſen.
Schlipperement! das war aber doch a bißl z’viel: mich in einen Eſel z’verwandeln!
Ei du biſt’s, mein guter Casperl?
Ja freilich bin ich’s. Haben’s mich denn nit erkannt, hab’n mich doch ſchon ſo oft ein’ Eſel g’heißen?
Jn der That nicht! — Doch, auf! laßt uns nicht ſäumen, fort von hier!
Jetzt könnt’ eigentlich die G’ſchicht gar ſein, alſo mach’ ich mein höfliches Compliment.
Auweh! Da kommt noch a Donnerwetter hinten - d’rein, da geh’ ich.
Bei allen Teufeln der Hölle! Jch bin beſiegt! Wo ſind meine Blumen? wo iſt all meine Zauber - gewalt? Jch fühle mich ohnmächtig und hilflos!
Weh mir! Sollte dieß Alles das Werk der Fee Liebinniglich ſein?
Ja, böſer Zauberer, es iſt mein Werk, daß Lieb’ und Treue geſiegt haben, und an der Zeit war es, daß dein böſes Wirken zu Schanden ge - worden.
Falle zurück in das hölliſche Element, dem du dich ergeben hatteſt!
reiſender Naturforſcher.
Zipfelberger.Bürgermeiſter
Ein Trommler der Bürgergarde.Nachtwächter.
der Meergott.
Na, da Dank ich g’horſamſt! Die Waſſerpar - thie ſoll der Guckuck holen! Wie mir nur ein - g’fallen iſt, nach Amerika ausz’wandern? Ja rich - tig! weil mich mein Grethl ſo plagt und chicanirt hat. Eigentlich aber kann ich doch nix dafür; denn wie ich beim Grünenbaum am Hafen auf und ab - gangen bin und ſchon wieder hab’ umkehren wollen, hat mich ein Schiffscapitän beim Kragen packt und hat mir auf Engliſch, was i aber nit verſtanden hab’, g’ſagt: „ Ju, ju, moſt werden Matroſerl, ei nimm ju auf mei Schipp! ‟ J hab g’meint, des „ ju ‟ bedeut’t „ Juhe ‟ und bin glei mitgangen, weil i mir dacht hab, da werds luſtig hergehn. 44Auweh zwick! Das iſt aber bald anders word’n. Zuerſt haben’s mir freilich ein prächtigen Likör geben und ein Pfund Schinken und eine Portion geröſteten Wallfiſch und zwölf Haring und da hab ich ein’ Rauſch kriegt; ich weiß nimmer, war’s der Wallfiſch oder der Branntwein, der mir in Kopf gſtiegen iſt — kurz wie ich wieder von meinem Dusl aufg’wacht bin, da hat der Capitän ſchon mit einer Stangen in die See g’ſtochen ghabt und ich war unter die Matroſen gepreßt, daß mir’s Hören und Sehn vergangen iſt. Ja, das glaubt kein Menſch, was ſo eine Matroſenpreſſerei fürchterlich iſt! Von allen Seiten wird man gedruckt. Na, da ſind wir halt ſo fortg’fahren, oben blau, unten blau, nix als Himmel und Waſſer und wir mitten - drein; mir iſt’s ganz blau vor die Augen word’n und engliſche Prügel hab ich auch genug kriegt, die thun grad ſo weh wie die boariſchen. Endlich nach mehreren Tagen iſt heut das Donnerwetter kommen, als wenn d’ Welt untergehn wollt und wir Alle ſammt’n Schiff. Ein Blitz, ein Schlag — jetzt war’s vorbei; Gott ſei Dank, hät’ich net’s Schwim - men g’lernt, wie’s mich amal aus’n Wirthshaus in’s Waſſer g’worfen haben, ſo hätten mich ohne Zweifel die Wellen des Oceans verſchlungen; —45 doch hier bin ich gerettet — aber pudelnaß wie aus’n Faß!
Grauſames Geſchick oder eigentlich Ungeſchick; denn das iſt doch eine Ungeſchicklichkeit, wenn man ſo mir nix dir nix von den Wellen an ein unbe - kanntes Land geworfen wird! Ha, Verzweiflung! Denn da wird’s ſchwerlich ein Wirthshäuſel geben, die Gegend ſieht mir nicht darnach aus! Auweh! da kommt ſchon ein ausgeſtopftes Krokodill auf mich losmarſchirt! Jch mach’ mich aus’m Staub.
Kro kro!
Pu pu pu!
Mumulibutzili, Krokodilli!
Schiſſi, ſchiſſi, ſtechi, ſtechi!
Wuliwulipumdara.
Hungerli, nix freßi ganzi Tagi.
J a, Diaboliverflixti.
Muri, ſchnuri, prdibixti!
Kokolimu, kokalimu.
Mu, Mu!
Nun lebe ich ſchon ein Jahr auf dieſer ein - ſamen Jnſel unter dem achtundvierzigſten Grade ſüdlicher Breite und widme mich unabläſſig dem Studium der Naturwiſſenſchaft. Dank dem Zufall, daß mich die wilden Einwohner für ein höheres Weſen anſehen und als ſolches verehren, ſonſt hätten ſie mich längſt gefreſſen. Allein das iſt ja der Vor - theil der Männer der Wiſſenſchaft, daß ſie ſtets von einem verklärenden Nebeldunſte umhüllt ſind und von den Laien im Allgemeinen, im vorliegenden Falle in specie von den Menſchen-Freſſern, als Halb - götter angeſehen werden müſſen! Noch bin ich aber mit meinen Forſchungen nicht zu Ende; unerachtet47 der genaueſten mikroscopiſchen Beobachtungen gelang es mir noch nicht zu entdecken, ob die Excremente der Sepia annulata aus rein animaliſchen oder ve - getabiliſchen Atomen beſtehen, worüber ich bereits am achthundertſten Bogen einer ausführlichen Ab - handlung arbeite.
Noch ein paar Monate, und der preußiſche Dam - pfer Aquila, der mich hier auf Staatskoſten ausge - ſetzt, wird mich wieder abholen. Es bleibt mir alſo nur noch kurze Zeit für meine Forſchung.
Wie dem auch ſei, jedenfalls kehre ich, reich an Erfahrungen, mit einer Sammlung von 40,000 naturwiſſenſchaftlichen Objekten nach Europa zurück. — Ei! was ſeh ich da kommen? Eine Art Papa - gei? Ein Psittacus formosus? — Die Species ſcheint mir neu. Jch will mich etwas verbergen und beobachten.
Schlapperdibix! das iſt ja eine miſerable Land - ſchaft! Kein Wirthshaus weit und breit! Keine menſchliche Seel! Nix als Affen, Papperln und ſon - ſtige Menagerievieher! Das iſt ja zum verhungern. Hätt’ ich nit a paar Schnecken g’funden — leider ohne Sauerkraut! — ſo wär ich ſchon hin! Mein48 Magen kommt mir jetzt ſchon vor wie ein leerer Tabaksbeutel; mein Unterleib iſt ſchon ſo eing’ſchrumpft, daß ich gar nimmer weiß, ob ich jemals einen Bauch g’hab thab! Ja, was wär denn das? — der Casperl iſt doch mit zum hungern und durſten auf der Welt! Ha — Schreckenszeit! Und wie komm ich denn wie - der fort und nach Haus zu meiner Grethl! Rings - rum Waſſer und nix als Waſſer! Wenns nur we - nigſtens Bier wär; allein dieſes heimatliche Getränk ſcheint hier gänzlich unbekannt zu ſein.
Mich kommt ſchier die Verzweiflung an! Auweh, auweh! wenn ich verhungern müßt — nein, das hielt ich nit aus, da ging ich eher zu Grund!
Halt, du entkömmſt mir nicht.
Herr Jemini! was iſt denn das?
Ein herrliches Exemplar.
Laſſen’s aus oder ich ſchlag aus!
Ah, ich habe mich geirrt: Psittacus garrulus. 49Nur ſtillgehalten, Freundchen, bis ich dir die Flügel ein wenig geſtutzt, damit du mir nicht mehr ent - kömmſt.
Was fallt denn Jhnen ein? Flügelſtutzen? Jch bin ja kein Vogel.
Das muß ich, als Gelehrter, beſſer wiſſen, wer du biſt und zu welcher Species du gehörſt.
Nix Species, ich bedank mich für den Speci, der mich ſtutzen will. Nix ſtutzen und nix dutzen heißt’s bei uns zwei! Verſtanden!
Nun, du ſcheinſt mir ein zahmes Exemplar, das vielleicht ſchon europäiſche Bildung genoſſen hat und wieder über’s Meer hiehergeflogen iſt.
Bildung hab ich nicht genoſſen, aber Bratwür - ſteln und Blauskraut genug; nur hier zu Land heißt’s Hunger leiden. Jetzt aber, wie kommen denn Sie daher in die abgelegene Jnſel, ich bin wirklich froh, daß ich eine menſchliche Phyſionomie ſeh, ob - ſchon Sie wie a Narr ausſchaun.
Es iſt die Frage, wer der Narr iſt. Er iſt alſo wirklich kein Papagei?
Wär nit übel! Jch bin nicht nur kein Papagei, ſondern der Casperl Larifari, penſionirtes Mitglied der europäiſchen Völkerwanderung und untergegan - gener Schiffsmatroſe außer Dienſt, nebenbei Priva - tier und Stiefelputzer, alſo wenn’s mich als Be - dienten brauchen können oder was, ſo ſteh ich zu Dienſten, aber ich ſeh’ mehr auf gute Koſt, als auf ſchlechte Behandlung und Arbeit — ſo jetzt wiſſen ’S Alles, was ’S zu wiſſen brauchen und überhaupt, wenn Sie ein ordentlicher Gelehrter ſein wollen, ſo geben’s mir a Maß Bier als Drangeld.
Gut, gut — genug des Geplappers, drolliger Pſittacus. Jch will dich in meine Dienſte nehmen, denn ich werde dich wohl brauchen können in meiner Höhle.
Was in der Höll? Nein ich dank, da drin mag ich Nix zu thun haben, da is der Teufel und ſein Großmutter!
Es iſt ja nur eine Felſenhöhle, in der ich wohne und meine Sammlung von Naturalien aufbewahre.
So? Capitalien hab’n ’S, das laß ich mir g’falln; bei einem Capitaliſten mag ich ſchon Budienter ſein, da fallt bisweilen was ab.
So ſind wir einig. Jch bin dein Herr und du biſt mein Diener.
Ja, ich bin von nun an Jhr Kammerdiener oder vielmehr ihr Höhlendiener, weil Sie keine Kammer zu buſitzen ſcheinen thun.
Jch werde Alles redlich mit dir theilen, obgleich die Bißen auf dieſer Jnſel oft ziemlich ſchmal ſind.
Und ich werde auch Alles redlich mit Jhnen theilen, beſonders weil ich Nix hab; denn ſonſt thät ich’s ſelber b’halten.
Nun kannſt du gleich deinen Dienſt antreten. Bleibe hier und warte bis ich von meinem wiſſen -4 *52ſchaftlichen Spaziergang zurückkehre; dann ſollſt du etwa meine Beute heimtragen.
Wenn Sie einen Beutel haben, in welchem ſich Geld bufindet, ſo können’s mir’n lieber gleich jetzt geben.
Bleibe nur hier; ſollten ſich Einwohner dieſer Jnſel nähern, ſo verſtecke dich; denn du wärſt ver - loren, im Falle ſie dich entdecken würden.
Gehn’s nur zu ich gib ſchon Acht auf mich.
Das hab ich ſchon wieder g’merkt: des iſt halt auch ſo ein gelehrter Hungerleider, wie mir’s z’Haus gnug haben. Die ſind überall z’finden, ſogar auf dieſer Jnſel da muß ſo einer rumlaufen. Aber jetzt will ich ein bißl ausraſten, des warme Klima thut mir gar nit gut; ich hab’ ſchon einen Schlaf, als wenn ich 12 Maß Bier getrunken hätt.
So — ah! da liegt man gar nicht übel auf dem indianiſchen Moos, ſo weich wie — im — Feder — bett.
Kro, kro, kro!
Pu, Pu!
Witzliwuzi.
Wuziwitzli.
Stritzliwixi.
Karamalomilapitſchipatſchiwatſchi!
Witſchiwatſchi!
Auweh, auweh, die Menſchenfreſſer! Herr Pro - feſſor, kommen’s mir zu Hülf! Auweh! auweh!
Freſſi fraßi!
Guti Bißi!
Spißibrat!
Kro, kro, kro!
Auweh! auweh! potz Schlipperement, das wird mir zu arg. Jch bin ja ein Menſch und kein Kalbsbratl. Hört’s auf, ihr rabenſchwarzen ver - dächtigen Jndividuen! Hört’s auf! — Jch gelobe, daß ich nie mehr eine Maß Bier trinken will, wenn ich diesmal ungerupft durchkomm!
Adie, Adie, ich bedank mich halt recht ſchön für meine Errettung aus den Händen und Rachen die - fer menſchenfleiſchappetitlichen ungebildeten indiani - ſchen Wildlinge!
Aber ang’führt hab’ ich den Waſſermayer doch! Jch hab g’ſchwor’n daß ich nicht eine Maß Bier mehr trink; ja freilich nicht Eine, ſondern möglichſt mehrere, denn Eine Maß hat mir ohnehin nie g’langt!
Nun, auf! in das theure Vaterland! Muthig will ich dieſen ausländiſchen Karpfen beſteigen und mich ſeiner Entführung anvertrauen! Leb wohl ſchönes Eiland, auf dem ich aber keine Eierſpeis geßen’ hab! Leb wohl Naturforſcher!
Aufg’macht! ’runterg’ſchaut! Aufpaßt! weckt’s den Burgermeiſter auf!
Was gibts da drunten? Was iſt das für ein Spektakel? Wer unterſteht ſich ſo an meinem Haus zu läuten, daß ich aus Schrecken beinah aus’m Bett g’fallen wär?
Jch bin’s Herr Bürgermeiſter.
Wer iſt dieſes unverſchämte Jch?
Der Nachtwachter is.
Was? Er iſt es, Schneck? Was gibt’s, was gibt’s? Warum ſo früh eine Meldung? hätt’s nit ſpäter auch Zeit g’habt?
Nein, Nein! Kommen Euer Gnaden nur herr - unter ich hab was ungeheuer Wichtiges zu notifli - xiren.
Wart Er nur, ich komme gleich hinab.
Sipperement, ſipperement, das iſt eine G’ſchicht! Jch weiß gar nit, wo mir mein Nachtwachterkopf ſteht.
Alſo ſchnell, was iſt beſonderes g’ſcheh’n? Aber hätt’ Er nicht das Rathscollegium zuerſt aufwecken können? warum mich aus meiner amtlichen Ruhe ſtören?
Jch bin ſchon bei alle Rathsherrn g’weſen; aber der Herr Rath Faßlmayer hat’s Podagra und kann nicht auf; der Rath Wurſtmüller hat ſich geſtern, wie er vom Bier nach Haus gegangen iſt, den Fuß überſtaucht, weil er niederg’fallen iſt; der Rath Grobhäusler iſt im Kindbett, das heißt: ſeine Frau hat einen Buben kriegt; der kann nit aus’m Haus und der Marktſchreiber iſt gar nit hier; der iſt geſtern Nachmittags in’s Gäu fort und noch nit59 wieder z’ruck. Er muß ein paar Kälber kaufen, weil er zum Kirchtag Würſt braucht.
Das iſt doch fatal, daß Gewerbe und andere Allotria’s ſo oft mit den Amtsverpflichtungen coli - diren! Alſo ſchnell, was gibt’s?
Ja, Herr Bürgermeiſter! ſtellen S’ Jhnen vor: wie ich da in der Zwielichten meinen letzten Nacht - wachtergang mach’ und über’n Markt geh’, ſeh’ ich aufeinmal einen furchtbar großen ſchwarzen Klum - pen ober mir in der Luft. Jch hab glaubt es is der Teufel und hab mich gleich unter ein Obſtler - ſtandl verſteckt. Pumps!
Erſchreck er mich doch nicht ſo!
Pumps hat’s than, und wie ich hinſchau, iſt ein großer Vogel auf und davon g’flogen und auf’m Pflaſter iſt eine Gewaltsfigur g’legen, die einen furchtbaren Seufzer gethan hat.
Nun und was weiter?
Jch hab mich vor Aengſten gar nimmer aus -60 kennt und bin davong’loffen. Nachher wie mir nach und nach die Couragi wieder kommen iſt, bin ich zu alle Rathsherrn ’rumgrennt, nu, das wiſſen S’ ja und zuletzt hab ich Jhnen in meiner Todesangſt aufgeweckt.
Allerdings ein furchtbares Ereigniß, das unſer gutes Städtlein betroffen hat! Da muß Alles auf - g’weckt werd’n. Der Stadttrommler ſoll gleich herumtrommeln und Allarm ſchlagen, der Stadt - Thurmer ſoll blaſen was er kann und an den Glocken anſchlagen; lauf Er auch gleich zum Spri - tzenmeiſter, daß die große Feuerſpritzen ausruckt; man kann nicht wiſſen, was g’ſchieht. Jch will unterdeſſen meinen Amtsrock anzieh’n; dann hol Er mich wieder ab; denn unter ſolchen Umſtänden al - lein auszugeh’n, das könnt gefährlich ſein und wäre für den Bürgermeiſter auch nicht ſchicklich. So — jetzt lauf er, was er kann!
Jch lauf ſchon! Wenn mich nur das Unge - heuer nit frißt.
Schlipperdibir! das iſt a Metten, ich kenn mich gar nit aus! Zuerſt hat mich der indianiſche Stock - Fiſch über’s Meer getragen; an der europäiſchen Küſte, i weiß nit wie’s dort heißt — bin ich aus - g’ſtieg’n, eigentlich abg’ſtiegen. Kaum hab ich ein bißl ausraſten wollen, denn mir war ſteinübel von der Seekrankheit, weil ich auf’m Meer Nix als Auſtern g’freſſ’n hab — ſo iſt auf einmal ein ungeheurer Vogel herg’flogen, hat mich bei der Hoſen packt und iſt mit mir auf und davon bis er mich vor einer halben Stund mitten in das Stadtl auf’s Pflaſter niederg’ſetzt hat, daß Alles kracht hat. Jetzt fragt ſich’s: wo bin ich? Jch hab mich vor lauter Ueberraſchung nit umg’ſchaut und des Höllen - Spectakel macht mich ja ganz confus. Ah, da kommt der Trommler wieder, den will ich fragen.
Heda, ſind S’ a bißl ſtat auf ein’ Augenblick. Sag’n S’ mir doch, was der Lärm bedeut’t und wo ich bin?
Da müſſen S’ den Spritzenmeiſter fragen oder den Nachtwachter. Nach’n Reglement muß ich’s Maul halten, wenn ich im Dienſt bin.
Schlipperement! jetzt weiß ich ſo viel wie zuvor.
Heda! Guter Freund! Jch bitt Jhnen, ſa - gen S’ mir doch — — —
Pst, Pst! Jch muß den Herrn Bürgermeiſter abholen und da darf i nix red’n, weil ich im Dienſt bin.
Brav! das ſind a mal verſchwiegene Leut! Das heißt man das Amtsgeheimniß halten.
Was iſt da für ein perdächtiges Subjektum! Nachtwächter! gleich verarretiren! — Ei was ſeh’ ich, das iſt ja der Monſiö Casperl! Wo kommen denn Sie wieder her aus der Fremd?
Ah! Schnickel, Schneckerl! Das iſt ja der Herr Burgermeiſter Zipfelberger! Juhe! Juhe! Jetzt bin ich alſo wieder z’Haus und weiß net wie!
Die Madame Grethl hat ſchon ſehr nach Jhnen63 geſchmachtet, weil Sie ſo lang ausblieben ſind. Die wär’ vor Sehnſucht beinah g’ſtorben.
Ei was? Da wär ich lieber noch ein’ halbe Stund länger ausblieben!
Ja ſag’n S’: wo warn S’ denn die ganze Zeit über?
Auf der Wanderſchaft weit hinten über’s Meer.
Zuerſt war ich Matroſenhauptmann auf einem zwölfpfünder Dreimaſterdampfſchiff, dann war ich Seegeſchöpf und Meerungeheuer; hierauf Jnſulaner, Naturalienſammler und Bratlaspirant; ſodann wieder Seefahrer und ſchließlich Luftfahrer bis ich mich in meine liebe Vaterſtadt per posteriorem wieder niedergelaſſen habe.
Aber nein! Alſo ſind Sie das Ungeheuer, wel - ches heute Nacht auf dem Marktplatze niederfiel?
Dasjenige, welches nicht nur, ſondern auch —
Die ganze Stadt in Allarm verſetzt hat?
Das heißt, weil Er ein Haſenfuß iſt! Es iſt erſchrecklich! was werden die Leut von uns denken?
Vermuthlich was ſie zuvor ſchon von dem ho - hen Magiſtrat gedacht haben: Nix Rar’s!
Genug davon! Nachtwächter jetzt geh er und ſag er den Allarm wieder ab. Jch meinerſeits will die Einwohnerſchaft beruhigen.
Und ich werde die Sehnſucht meiner Grethl be - ruhigen, aber zuvor will ich auf die vielen Stra - patzen ’nauf meinem Gevattersmann dem Wirth „ zum blauen Bock ‟ einen intereſſanten Beſuch ab - ſtatten. Dieſer ernſte, bedeutungsvolle Gang iſt mir vor Allem von Wichtigkeit. Nachtwachter! und du gehſt derweil zu meiner Grethl und bereiteſt ſie auf die Rückkehr ihres getreuen Gatten vor.
Sag ihr, ja ſag ihr, wölchen unſög - lichen Gefahren ich entgangen bin! ſag ihr, wie mein gattliches Hörz ihr aus dem blauen Bock ent - gegenſchlögt! ſag ihr, ihr ſag, ſag ihr, ihr ſag, wie ich zittere und ziböbe im Hinblick auf den Rückblick65 des Wiederblicks unſeres zörtlichen Wüderſöhens und der Umſchlingung der weitausgebreiteten Umſpan - nung der liebenden Armee treuer verhältnißmäſſiger Gattenliebe und öhlicher Umſtände. O, ſag ihr — — —
Hör’ auf, Casperl, das kann ich mir ja nit Alles merken. Weißt was? ich geh’ mit dir ins Wirthshäusl; da kannſt mir’s beſſer expliciren, nachher gehen wir miteinander zu deiner Grethl und die muß uns ein’ Kaffé machen.
Einen Kaffé machen, ſehr Kaffé mit einigen Bretzeln und ſonſt noch was zum Eintunken. Juhe! Jetzt bin ich wieder z’Haus! Ueber’s Meer mag ich nimmer, ich bleib ein ruhiger Staatsbürger und nähre mich redlich.
deſſen Gemahlin.
ihr Söhnlein.
im Dienſte der Gräfin.
Gärtner im Schloſſe des Grafen.
des Grafen Knappe.
Zigeunermutter.
Zigeuner.
Hirtenjunge.
Einſiedler.
Schläft der Bube?
Nein, edle Frau; er iſt wach und blickt mich mit ſeinen hellen Augen freundlich an, als wollt er ſagen: Heut will ich euch zum Trotz mein Nach - mittagsſchläfchen nicht machen.
Das ſchlimme Bürſchlein! Laß uns Eins zu - ſammen ſingen, vielleicht beliebts dem kleinen Herrn dann.
Gewöhnlich geht’s ſo. Ruhe thut ihm noth, denn er zappelt ja den ganzen Tag über.
So fangen wir an:
Schläft er?
Er ſchnarcht wie ein kleines Mäuslein.
G’ſegn’s ihm der liebe Gott, daß er wächst und gedeiht!
Ach! wenn doch mein Friedrich den Knaben ſäh’ wie er ſo lieblich ſchlummert! Jſt doch nichts Lie - beres, als der ſanfte Athemzug eines ſchlafenden Kindleins!
Ja der edle Herr, wo mag er jetzt Herberg haben?
Herberg? Ei was denkſt du Margreth? Jm Krieg da gibts ſelten Herberg. Das Bett iſt Gottes freies Erdreich und die Zehrung ein Stück vertrock - netes Brod; ja oft fehlt’s ſogar am friſchen Trank aus einer Quelle und Hunger und Durſt ſind zu - meiſt der Ritter Feldgenoſſen.
Mir iſt’s wohl lieber, ich bin ein Mädel; denn Spinnrocken und Kindswart ſind ein ſanft Gewerb.
Heut ſind’s gerade 3 Monate, daß mein Herr auszog auf des Herzogs Aufgebot gegen den Mark - grafen.
Was aber die fürnehmen Herren immer zu ſtreiten haben? oft um ein Geringes.
Dießmal gilt’s wieder den Kloſterzehend, und iſt’s vom Markgrafen fürwahr ein muthwillig Ge - bahren, denn der Zehent hat ſeit älteſter Zeit dem Herzog gebührt.
Und der Herr Graf muß ihm helfen mit ſeinen Reiſigen.
Jſt’s doch ſeine Schuldigkeit als deſſen Lehens - mann.
Schuldigkeit hin oder her; ich blieb aber doch lieber daheim bei Weib und Kind.
Ei! was Ehr und Pflicht gebieten, das muß immer s’erſte ſein. Machſt’s ja ſelbſt ſo, Margreth, du möchſt gewiß oft lieber in die Spinnſtube zu den Mägden und Knechten gehen, zu plaudern und zu koſen, als hier an der Wiege ſitzen und den Buben pflegen.
Jhr habt wohl recht, edle Frau! Jeder ſoll das Seine thun, wie’s Pflicht iſt.
Der Thurmwart bläst; wird wohl ein Gaſt ſein. Schau hinaus auf die Zugbrücke.
Ein Reiter ſprengt h’rüber! Herr Jeſus! s’iſt des Hannes Schimmel.
Gott ſei Dank; Botſchaft von meinem Herrn!
S’klappern ſchon die Hufe auf dem Pflaſter im Schloßhof.
Mög’s gute Kunde ſein!
Grüß Gott, Hannes! was bringſt du?
Edle Gräfin, es muß wohl gleich heraus, wie’s iſt.
Mein Gott, was iſt geſcheh’n?
Der Graf liegt hart getroffen!
Verwundet? wie? wo? — o ſag’ Hannes! Viel - leicht liegt er gar ſchon todt?
So arg iſt’s nit, Frau Gräfin; aber ſchlimm iſt’s doch!
Sprich, ich muß es ja wiſſen, und wenn’s das Aergſte wäre!
’s war ſchon bald aus mit dem Streit; wir hatten mit den Marktgräfſchen manch’ harten Strauß gehabt und die Zeit iſt uns kurz geworden — hin und herging ’s ſcharf, aber wir legten ſie nieder.
75Auf dem Heimweg, ſechs Stunden von hier an der Waldmühle — ihr kennt ſie ja — ergaben ſich die mit dem rothen Fähnlein; ein Theil davon ſtieb auseinander; der Herzog gab unſerm Herrn freund - lich Urlaub und als wir abritten, rief er noch nach: Gott lohn’s euch, Graf Friedrich! ohne euch wär’s ſchlimm gegangen! da ſchwang der Graf ſein Ba - rettlein — ich hatt’ ihm den Helm ſchon abgenom - men — und ritt mit mir allein fröhlich von dannen, um bälder zu Euch zu kommen; der Troß ſollte ge - mach nachzieh’n.
Weiter, weiter — was iſt’s mit ihm?
Als wir eine Stund ſcharf geritten waren, ſpür - ten’s die Gäule; des Grafens Hengſt fing’s hinken an. „ Wollen die Burſche ein bißl ruhen laſſen, zu viel iſt zu viel, ‟ ſagt der Graf, ſprang vom Gaul und legte ſich in’s Gras; dieweil lüft’ ich die Sättel und gab den Roßen an einem Wald - brünnlein zu ſaufen. Holla, kracht’s durch’s Buſch - werk her! s’waren Vier von den Markgräfſchen; die ſtürmten meuchlings auf uns ein und ſchrie’n dabei: „ Wollen dir noch die Zech zahlen, die du uns auf -76 gerechnet haſt, Graf Eichenfels! Wir zogen aus dem Leder; was wollen ſo ein paar Lumpen gegen des Grafens Arm und Schwert, und mein Kolben auch dazu? Wie’s Wetter waren ſie wieder weg, aber mein Herr ſtrauchelt ein wenig und ſank nieder; aus ſeiner Stirn quoll ’s Blut ’raus! Herr Gott im Himmel, ſchrie ich! aber der Graf wollt’s nit mehr hören.
Jch lehnt’ ihn an einen Baum, wuſch ihm die böſe Wunde mit hellem Waſſer und band ſie mit einem Tüchlein feſt zu. Ein Glück war’s, daß wir nit weit vom Köhlerwinkel waren, wo die Bauern den Meiler ſchüren — die kommen gleich auf mein Geſchrei herbei und trugen ihn in’s Dorf! da ließ ich ihn; die Pflege iſt treu; iſt auch gleich ein Knecht in’s Kloſter geritten, um den Pater Felix zu holen, der’s Heilen verſteht und ein guter Wundarzt iſt. Jch aber ſaß auf, als wenn der Hölliſche hinter mir wär’, und jagte heim, und nun thut, wie ihr glaubt, edle Frau!
Da thut nur Eins noth! Jch muß zu meinem Friedrich; wie’s auch ſei. — Hannes laß mein Beiz-Rößlein aufzäumen, der Wilhelm ſoll auch ſatteln und mitreiten! Auf die Reiherbeiz geht’s heut nicht! Herr im Himmel verleih die Gnade, daß ich meinen Herrn noch am Leben finde!
O theuere, gute Gräfin, was habt ihr für ein herbes Leid!
Wie Gott will! — du aber ſorg’ mir für den Buben. Jch werde wohl ein paar Tage ausbleiben; denn, find’ ich nicht einen Todten, wie ich zu Gott hoffe, bedarf’s ja meiner Pflege, bis wir den Ritter auf’s Schloß herbringen können. Derweil vertraue ich dir meinen Heinrich an; du ſorgſt ja gern für ihn, wie ich ſelbſt.
Leb’ wohl, Herzensbub; deine Mutter ſegnet dich!
Habt keine Sorge um euer Kind; ich halt’s ja als ob’s mein eigen Kleinod wäre! Lebt wohl; mögt ihr Alles beſſer finden, als wir jetzt meinen. Wie oft78 iſt der Ritter ſchon verwundet worden! ’s wird dieß - mal wohl auch nit ſo arg ſein.
Geb’s Gott!
Arme Frau! Da ſteigt ſie auf und ſprengt fort! Der Wilhelm hinterdrein, daß das Feuer auffliegt!
Ja blas nur dein Stücklein zum Ausritt! Alter Narr, meinſt wohl, es ſei ein fröhlich’ Jagen! Leg dein Horn weg und ſchweig lieber. Der gute Ritter! ach! wie grämt’ ich mich halb zu todt, wär ihm ein Leids geſchehen und müßten wir in ſchwarzer Woll’ gehen; da wär auf lang alle Freud’ aus Burg Eichenfels geſchieden. — — So will ich aber das Beßte denken; Gott verläßt uns nicht! und ſo ein ſchöner, mannhafter Herr!
Greth, was gibts im Schloß?
Ei was ſoll’s geben? Nichts Gut’s.
Oho! — Grad ſteh’ ich im Wurzgarten —79 Tre, Tre blast der Chriſtoph vom Thurm herab; gleich raßelt die Kette an der Brück und ’s ſprengt was herein; bis ich über die Stieg vom Weiher heraufſteig und meinen Korb bei Seit geſetzt, — Tre, Tre blast ’s wieder und fliegt auch ſchon die Frau Gräfin zum Thor hinaus.
Tre, Tre, Tre — ja ſo iſt’s und weißt du warum? weil der Ritter zwei Meilen von hier auf dem Siechbett liegt und vielleicht an ſeinen Wunden ſtirbt.
Da iſt freilich kein Spaß zu machen! hätt’ ich das gewußt! der arme Herr! — und denk dir aber, das paßt auch nit dazu; unten in der Schloßher - berg lungern Zigeuner, ein luſtig Geſindel; die fideln und tanzen, daß ’s n’ wahrer Jux iſt!
Jagt ſie doch fort! Das Lumpengeſindel will doch nur ſtehlen und ſeitabtreiben?
Eine alte Hex iſt dabei; die ſagt aus der Hand wahr.
Und was hat ſie denn dir geſagt?
Mir? — Ja mir — —
Daß du ein Eſel biſt und bleibſt.
Oho!
Hörſt du, da zieh’n ſie ab; kannſt ſie von oben ſeh’n.
Was geht mich das Volk an! — Jch möcht’ lieber Trübſal blaſen, ſtatt den Dudlſack zu hören.
Denk dir, haben auch ſo ein Höckerthier bei ſich aus Afrika und d’rauf ſitzt ein luſt’ger Aff!
Ei laß’ mich mit dem Zeug und geh’ deiner Wege.
Auch recht! — wenn du aber willſt, kannſt ſie da hinten beim kleinen Erker unten vorbeizieh’n ſeh’n.
Firlefanz, was kümmern mich die Zigeuner da unten? Man ſollt ſolch’ Geſindel nicht im Reiche dulden und wär’ wohl geſcheiter, wenn die Herzoge81 und Grafen und all’ die edlen Ritter ſtatt utner ſich Krieg zu führen, zuſammenhalten wollten, um dem Räuberweſen ein End zu machen, das keine Heerſtraſſe ſicher läßt, geſchweig’ erſt einzelne Gehöfte.
Nun geht’s bald zum Thore hinaus, Gottlob!
wirſt wohl gar aus dem ſüßen Schlaf geweckt werden, Herzensgräflein?
der ſchnarcht wie eine Säg! — da könnt ich doch ein bißl an den Erker ſchau’n; ſeh’n möcht ich doch die Burſche und gar das Höckerthier mit dem Affen drauf; bin ja gleich wieder da.
Das wär das erſte Mal, daß wir bei ſolch’ vornehmen Beſuch Nichts mitgenommen hätten. Gibt’s da Nichts zu kripſen in ſo ei’m gräflichen Schloß? Kein Geſchmeid, kein Linnen oder ſonſt was? — Den Spinnrocken laß ich ſtehen! Heiliger Crispin, heut wirſt uns doch nit ſitzen laſſen! — Holla eine Kindswiegen! Könnten ſo ein Würmlein brauchen, wenn Eins d’rin läg. Zum Nachwuchs für unſer Gelichter oder wenn’s geht, gibt’s gelegentlich ein hübſch Lösgeld, wenn man’s nur klug anfangt.
Ei du allerliebſter Schnack! ſchlafſt ja zum Küſſen! Du biſt mir ſchon recht.
Das Hausgeſind gafft unten noch bei den Meinen, da wird wohl die Kindswärterin auch da - bei ſein. Wird mich doch Glück und Geſchick dies - mal nicht ſitzen laſſen! So komm, herziges Käfer - lein! verlaß dein warm ſeiden Grafenbett und folg’ mir in’s kühle Felſenloch! Kannſt dort auch ſchlafen.
Hopſa, hopſa — nur nicht aufgewacht, damit’s kein Geſchrei gibt, will dir aber ſchon’s Mäulchen zuhalten — fort, fort, ſonſt zieh’n ſie ab und ich müßt’ nachzotteln, das wär’ verdächtig.
Da bin ich wieder. Hat mich doch gefreut, daß ich’s geſeh’n hab. Das find aber abſcheuliche ſchwarze Geſichter und das Gehudel und Gedudel!
Ah, da wandern ſie fort und die alte Hex läuft hintendrein, als wenn ſie was vergeſſen hätt!
So — jetzt ſind ſie draußen! Gute Fahrt durch’s Land! —
Nun, Heinrich, jetzt wär’s aber Zeit in den Garten hinab.
Herr Jeſus — das Kind iſt fort! Wer hat’s? Wer hat’s? —
Görg, Görg! Martha! Hannes! Kommt! Helft! helft! s’ Gräf - lein iſt weg!
Ei was thu ich ſo? — vielleicht hat’s die Martha in den Garten getragen. Wir hatten ja ausgemacht, den Abend drunten zu ver - plaudern, während das Kind im Graſe liegt. Und doch! Jch weiß nicht, mir iſt ſo bang, ſo abſon - derlich bang! Martha, Martha haſt du den Hein - rich? Martha, Martha!
Klipp, Klapp, ich hab’s!
Oho! Paſch!
Lump! wart ich krieg’s doch!
So wirf g’ſcheut, Katzenaug!
Sechs und Sechs! wirf beſſer!
Dem Spötter, ein Maulſchell!
Biſt’n Schuft, Hallunk!
Haltet Ruh, ihr Lumpen! Müßt ihr immer85 unſern frommen Hausfrieden ſtören? Wart’t ich komm’ euch!
Ruh, ſag ich, ihr Gäuche! Dem Erſten, der ſich rührt, hau ich Eins auf die Diebsfinger, daß ihm das Stehlen auf vier Wochen vergeht!
Der Mathes hat angefangen.
Und Wolf hat nit aufg’hört.
Jhr ſeid wie die Buben; s’iſt n’Schand! Schaut nur meinen Herzensjung da an, der iſt ſo ſanft wie ein Lamm. Nehmt euch n’Beiſpiel d’ran; gelt Bübl?
Vornehm Blut!
Still Burſch! — Zapft euch lieber vom Faß an, daß ihr geſtern heimgebracht aus dem Klo - ſter. Jch geb’s frei — aber kein Hader! Wo bleibt denn wieder der Schnaps heut?
Der Schnaps iſt ein Schlingel, ein Tagdieb; du ſchick’ſt ihn auf’s Spioniren und er lungert86 unter den Waldbäumen irgendwo und ſchlaft mit dem Maulwurf um die Wett.
Der Kerl braucht Prügel! he da eingeſchenkt! der Kerl taugt nichts!
der Kerl iſt zu faul!
Juta, dein’ G’ſundheit, alte Hex!
Wart ich will dir die Hex!
Dank für die Beſcherung! Uns wackere Män - ner klopft ihr und den Buben da herzt ihr, daß es eine Sünde iſt — wenn’s unter uns Sünden gäb. O du allerſüß’ſtes Zuckerkind!
Laß dich nicht irr machen, Herzkind! wein’ nicht; laß die Kerls ſchwatzen. Du biſt doch mein ſüßer Bub.
Aber ſie ſpotten und höhnen immer und ich thu’ ihnen nichts zu leid.
Könnt’ſt auch nit, wenn du wollteſt, Lunger - mäulchen.
Ruh da! kein Wort mehr oder ich ſchick die Drud über euch die Nacht, daß ihr Jammer ſchreit.
Nein, Nein Alte! Davon wollen wir nichts wiſſen! Haben’s ſchon ein paar mal g’ſpürt.
So merkt’s euch! — Holla aufgepaßt! Da kommt der Schnaps!
Was gibt’s drauſſen im Wald?
Haſt du nichts für uns erſchnuppert?
Keine Handelſchaft zu machen, mit Kopfnüſſen zahlbar?
Jn der Waldſchenke erfuhr ich, daß Kaufleute aus der Stadt nach Frankfurt zieh’n wollen, um Geſchmeid und Langwaaren auf die Meſſe zu brin - gen. Jn ein paar Stunden kommen ſie durch.
Brav gemacht Schnapschen! Sollſt für die fromme Botſchaft ein gut Stück mehr haben vom88 Wildbraten. Auf denn, heilig Völklein! Legt euch an den Weg! Klug aber und fürſichtig! Geht nur alle mit. Jch will auch dabei ſein, damit wir’s geſcheit machen.
Wolf, du fährſt links ab und du Mathes rechts ſeitwärts in’s Geklüft, wo ſie vorbei müſſen. Wenn’s um das Steineck geht, ſchneidet ihr den Vordern den Weg ab; die Andern packen hinten an. Zuerſt aber braucht den Bogen.
Meine Pfeile ſind friſch zugeſpitzt.
Und Steine gibt’s dort genug zum Wurf.
Jch ſteck mich in die verfall’ne Waldkapelle, da kann ich den Saumweg gut überſchauen. Wenn ich pfeif, ſo geht’s los.
Schnaps, du hüt’s Haus und ſorgſt für den Buben. Auf, Auf, Geſindel!
Nun laufen ſie wieder fort; was thun ſie denn?
Nichts Gutes, lieber Bub. Sollſt es doch ſchon längſt wiſſen, was da geſchieht.
Was weiß ich, armer Bub! Hätt’ ich dich nicht, guter Schnaps, ſo wär ich wie ein wildes Thier?
Ja darum und nur dir zu lieb bin ich auch da geblieben; wäre ſonſt längſt ſchon fortgelaufen. Aber du dauerſt mich.
Jch danke dir’s tauſendmal! Ach, wenn ich nur fort könnt’ aus dem Loch; aber ſie bewachen mich wie einen Schatz.
Wie? einen Schatz? was weißt du von Schätzen?
Hab’ ich ſie denn nicht oft genug vom Schatz - graben reden hören? Ach guter Schnaps, laß mich fort, führ mich hinaus in’s Freie, in den ſchönen, grünen Wald, den ich kaum ein paarmal geſeh’n hab’. Wie ſingen draußen die Vögel ſo fein!
Du weißt’s, ich kann nicht, ich darf nicht! Sie trauen mir nicht. Wenn ich allein bei dir zu Haus90 bleib, ſchließen ſie von Auſſen die eiſerne Fallthüre und legen einen ſchweren Stein d’rüber und ver - rammeln ſie.
Aber, findet denn kein Menſch den Weg herein?
Dafür iſt geſorgt, wer würde ſich durch das Geſtein wagen? Ein Abgrund am andern! Das unterirdiſche Felſenneſt iſt ſicher und abgelegen. Und wird’s bedenklich, ſo ziehen wir wieder an einen anderen Ort. — Hätten ſie mich nicht gefangen, als ich das Vieh hütete, das ſie mir wegtrieben, ich hätt’ auch nicht hergefunden und hätt’s auch nicht gewollt. — Ach! könnt ich doch wieder ein ehrlicher Hirt ſein! Mein Vieh wär mir lieber als dieß abſcheuliche Volk!
Und ich ſoll immer unter ihnen bleiben! Es iſt erſchrecklich! Wer weiß, wo ſie mich herhaben, und was ſie noch mit mir anfangen werden?
Geraubt biſt du worden, weiß Gott wo? du biſt wohl auch ehrlicher Leute Kind! — Aber hör,91 ich werd’ ſchläfrig! Mein Gang hat mich müd gemacht. Gib Ruh’, denn will ich ſchlafen. S’ wird wieder Lärm genug abſetzen, wenn ſie mit ihrer Beute heimkommen.
Schlaf, lieber Schnaps; ich will mich ſtill hal - ten. Der liebe Gott, von dem du mir oft heim - lich erzählt haſt, wird uns doch einmal helfen.
Ja, ſchlaf nur deine Müdigkeit aus. Mir iſt’s nicht um’s Schlafen. Jch armer Bub! wenn der Schnaps nicht wär, ſo hätt’ ich keinen Menſchen auf der Welt, der mich lieb hat; denn das ſeh’ ich wohl ein, daß das keine rechte Lieb iſt, die die Alte zu mir hat; und wenn der Schnaps nicht wär, ſo müßt ich glauben, daß es auf der ganzen Welt keine guten Menſchen gäbe, ſondern lauter böſe und ſchlechte; und wenn der Schnaps nicht wär’, ſo hätt’ ich nie was vom lieben Gott erfah - ren; nur ihm hab’ ich’s zu danken, daß ich weiß, er hat Himmel und Erde erſchaffen und alle Men - ſchen und will, daß ſie alle brav ſind und zu ihm in den Himmel kommen, weil er der liebe himm -92 liſche Vater iſt. O weh! wie traurig iſt’s für mich, daß ich immer unter dieſen böſen Menſchen ſein muß! — Lieber Vater im Himmel ich bitt’ dich, befreie mich aus dieſem Gefängniſſe! Es wäre gewiß keine Sünde, wenn ich einmal davon lief; aber wie das anfangen, da die Höhle rings um - ſchloſſen iſt und keiner der vielen Gänge einen Ausweg hat? Einmal nur hört’ ich die Juta zum Wolf ſagen, als ſie meinte, daß ich feſt ſchlief: „ Wolf, du allein weißt, daß dort am Ende des lan - „ gen Ganges noch ein Loch iſt, das in’s Freie „ führt. Das iſt mir zu gefährlich, denn es könnte „ doch einmal Einer hereinfinden, den wir nicht „ gern hier hätten. Geh und mach’s zu; nimm „ alte Baumſtämme und Steine und verramml’s „ gut. Wenn wir Zwei einmal hinaus wollen, wiſſen’s „ wir doch. ‟ So ſagte die Alte zum böſen Wolf und das hab ich mir gemerkt. Jetzt, da die Andern wohl lang ausbleiben und der gute Schnaps ſchläft, könnt’ ich doch einmal verſuchen, ob ich nicht hin - auskomme. Jch will das Lämpchen nehmen und den dunklen Gang hinaufgehen! Wenn der liebe Gott es will, daß ich die Freiheit erlange, ſo wird er mir’s ſchon zeigen, wie ich’s machen kann, und93 er wird mich draußen die Wege führen, die ich wandeln ſoll; denn ein böſer Räuber, wie die da ſind, will ich nicht werden.
Guter, lieber Schnaps! Wie leid thuts mir, daß ich dich nun verlaſſe, allein du willſt und kannſt mich nit fortführen! Das haſt du ja eben deutlich geſagt; ſo muß ich denn allein entfliehen, wozu mir Gott verhelfen möge! Leb wohl! Vielleicht ſeh’n wir uns wieder.
s’ will nicht recht geh’n mit dem Schlafen. Jch hab Hunger und Durſt; werd’ ſchon wo einen Brocken hier finden und das Faß iſt auch angezapft.
He! wo biſt du denn? Schlingel, haſt dich etwa verſteckt?
Potz tauſend! wo ſteckſt du! Holla, Holla!
Welch’ ein herrlicher Frühlingstag! Wie die Sonne ſo ſchön durch das junge Blättergrün ſcheint! Dort ziehen Rehe ſtill durch den Wald und die Vöglein ſingen ihr Morgenconcert! Wer ſollte da nicht zum Schöpfer der Natur dankbar aufblicken und ihm ein Loblied bringen?
Alſo iſt’s! die ganze Natur, meine ich immer, ſtimmt jeden Morgen in mein Gebet ein! Und da glauben die dummen Leute, ſo ein Einſiedler führe ein langweilig Leben und ſei ein unnützer Burſch! Alle Menſchen können und ſollen freilich nicht Eremiten ſein, allein wenn Einer wie ich in der Welt ſchon ſo viel durchgemacht hat, in Friedens - und Kriegs - zeiten, mag es ihm doch gegönnt ſein, ſich in ſeinen alten Tagen zur ſtillen Betrachtung und Erbauung in die Einſamkeit zurückzuziehen. Wem ſchadet’s denn? 96Jch bin Niemand im Leben zur Laſt und wenn ich einmal ſterbe, ſo geht auch nichts für die Welt ver - loren. Jch will jetzt in die Hütte gehen und mei - nen Morgentrunk thun, ein bischen Milch; dann geh’ ich heilſame Kräuter ſammeln, die der Apothe - ker bei mir holt; jetzt blühen deren ſo viel auf, daß es ringsum duftet, als ob die lieben Engelein mit dem Weihrauchfaſſe durch den Wald gezogen ſeien.
Gott im Himmel! ich kann nicht mehr — wie bin ich gelaufen! die Angſt verfolgt zu werden, hat mich gehetzt — weh mir, ich verſchmachte! Mein Gott, laß mich nicht ſterben!
Ah, das hat geſchmeckt! was will ein Menſch mehr und Beſſeres als einen Schluck Milch und wenn er die nicht hat, einen Trunk aus der friſchen Waldquelle? Als Kriegsknecht dacht ich meinerzeit freilich Anders! da hieß es: Wein her! Wein! — und ich war auch nicht beſſer d’ran als jetzt; danken97 wir Gott jederzeit für das, was wir haben; ’s iſt immer genug! — —
Ei ſieh! da ſchläft ein Knabe! Jch kenn ihn nicht; wo mag er herkommen in dieſes ſtille Thal? Wie ſelten verirrt ſich ein der Gegend Unkundiger zu mir! Will doch ſehen
Was ſeh’ ich? das arme Kind ſcheint krank und ohnmäch - tig! das iſt nicht ein geſunder Schlaf, er athmet kaum. — Liebes Kind, was fehlt dir? — Er will nicht erwachen. Da muß ich helfen! Schnell friſch Waſſer!
— Gut, Gut — das hat geholfen! Trink ein bischen, Knabe!
Wie geht’s nun Kleiner?
Jch weiß nicht wie mir geſchieht.
Hab’ Muth! Es geſchieht dir nichts Schlimmes; du biſt in guter Hand. Trink noch einmal von dem friſchen Quellwaſſer da; das wird dir gut thun.
Ach das labt! ich danke ſchön. — Wie gut ſeid Jhr lieber Mann!
So — jetzt biſt du wieder wohl, nicht wahr? Kannſt wohl ein bischen auf den Füſſen ſtehen?
Aha! ’s geht noch nicht armer Burſch. Biſt wohl recht weit gelaufen? Und wie iſt dein Gewand zerriſſen! du mußt ja gefallen ſein, und deine Händ - chen ſind wund; wie dauerſt du mich! Sag’ was iſt dir geſchehen? Woher kömmſt du in dieſem er - bärmlichen Zuſtande?
Ach! guter Mann, woher ich komm? Jch weiß es ſelbſt nicht.
Sonderbare Antwort.
Bisher lebte ich nur in dunklen Höhlen und ſah kaum ein paar Mal das Tageslicht. Jch wüßt auch gar Nichts von der Welt draußen und vom lieben Gott oben im Himmel, wenn mir der gute Schnaps nicht heimlich davon erzählt hätte.
Deine Reden ſind mir Räthſel, liebes Kind; aber ſage: wer waren denn die Menſchen, bei denen du dich bisher aufgehalten haſt?
Es müſſen böſe Leute geweſen ſein, denn Schnaps warnte mich vor ihnen. Ein altes Weib pflegte mich — von allen Anderen gefürchtet.
Biſt du ſchon lange unter ihnen geweſen?
Jch weiß es nicht anders; aber Schnaps ſagte mir, ich ſei ein geſtohlenes Kind.
Ah, nun komm ich auf eine Spur. Vielleicht gar die Zigeuner-Bande, welche ſich hier und dort im Lande umthut?
Sage Kind: waren die böſen Menſchen etwa Räuber?
Allerdings, wie Schnaps ſagte und ich ſelbſt auch beobachtete. Sie brachten oft des Nachts viele ſchöne Sachen in die Höhle, nicht ſelten auch Men - ſchen, die ſie peinigten und wieder losließen. Ach, was mußte ich Alles anſehen, während ich ſcheinbar am Feuer ſchlief! Geſtern Nachts, als ſie Alle fort waren, floh ich.
Gott ſei’s gedankt, daß du entkamſt und daß7*100dein Schutzengel dich geleitet hat! Nun komm in meine Hütte, um auszuruhen und dich mit Speis und Trank zu erquicken.
Gern will ich’s. Wenn mich nur Niemand verfolgt!
Für deine Sicherheit laß mich ſorgen und ſei ruhig!
Halt dich ruhig Burſch! reiß nicht am Zaum, kannſt an den Buchenblättern knuppern, mein Rapp! So, hab mir ſchier die Bein ſteif geritten, bin deß - halb ’n bißl abgeſeß’n und hab den Rappen ange - bunden. Muß doch im Vorbeireiten meinen alten Kriegsgeſellen wieder einmal heimſuchen. Der iſt nun ſchier heilig worden und ich bin noch der alte weltliche Hanns mit Blechhaube und Stoßdolch — er trägt die Kapuz! Heda, Menrad, frommer Ein - ſiedel
Schläfſt, alter Waldvogel? Raus mit dir! wollen Eins von vergangenen Strei - chen plaudern.
Ps, Ps! Mach kein ſo Höllenſpektakel, Hannes;101 bei mir ſchläft Einer, der der Ruhe bedarf; darfſt ihn nicht wecken.
Oho! mitleidige Barmherzigkeit! beherbergſt et - wan einen durſtigen Muſikanten, der im Lande herum - ſtrolcht?
Still da! Ein armer Knab iſt bei mir einge - kehrt.
Ein armer Knab! Woher, Wohin? Brauchen keine Buben, die ledig umherſtreifen; gib mir einen Trunk, alter Geſell! Haſt wohl wieder nichts als Waſſer und immer Waſſer!
Dir thät’s wohl Noth öfter am friſchen Wald - quell zu ſchöpfen, als ſtets vor dem Zapfen zu liegen!
Das Waſſer gehört für die frommen Einfiedel, der Wein für die frommen Knappen und ſonſtigen edlen Geſellen mit Helm und Schwert. Zur Zeit und da ich nichts Anderes habe, beliebt es mir meine Kehle mit Waſſer zu erfriſchen, denn ich bin gewaltig durſtig.
Du greifſt freilich nach jeder Gelegenheit, deine Leibtugend, den Durſt, geltend zu machen.
Bin heut beim Frühroth ſchon in’s Kloſter hin - über geritten mit einer Bothſchaft von meinem Herrn und hab noch vier Stunden heim.
Da trink, geſeg’n dir’s Gott!
Danke für die herrliche Bewirthung! Was koſt’s?
Spottvögel beherberg’ ich umſonſt.
Um Waſſer werden auch die nit allzugern bei dir einkehren.
Wie’s beliebt, aber nimm die Lehr’ dazu: Wie Mancher wäre ſchon um ein Tröpflein Waſſer froh geweſen.
Alſo war’s, als wir zuſammen im gelobten Land lagen, weißt’s noch, alter Kamerad!
Ei wie ſollt’ ich’s vergeſſen haben? die Hitze und der Durſt wollten uns beinah umbringen.
Du biſt und bleibſt ein gott’släſteriſcher Kerl!
Und wenn ich hundert Jahr alt werd, mein Spruch bleibt:
Still, Hanns! da ſeh’ ich ein paar Burſche durch die Kluft kommen, die mir nit gefallen; s’könnt meinem armen Knaben gelten.
Holla! ſeh’n nit zum Beßten aus.
Laß uns bei Seit’ treten und lauſchen.
Das iſt eine Galgenhetz!
Um den Buben da!
Und wie er nur den Schleichweg zur Höhle hinausgefunden hat?
Blitz und Donner und Hagel und alle Wetter - element ſollen d’rein ſchlagen, daß wir ihm nach - laufen müſſen.
Weißt ja, daß Juta viel an ihm gelegen iſt.
Bis hieher geht ſeine Spur.
Vielleicht hat er ſich zum Einſiedel geflücht’t.
Das kriegen wir bald heraus.
Das kriegen wir bald heraus!
Bin auch noch bei Kräften.
Vermaledeit!
Haben wir euch, Halunken? Sollſt leben, aber dich binden wir feſt.
So fängt man die Vögel.
’s iſt keine Kunſt.
Euch eure Künſte zu vertreiben!
Geh’ Hannes! — laß uns den Kerl in meine Klauſe bringen.
Und dann zum Grafen; denn die zwei ſind ja von dem Geſindel, auf das wir längſt fahnden.
Theure Adelhaid! dein trüber Blick, den ich ſchon mit Beginn des heutigen Tages bemerkte, ſagt mir, daß unſre Gedanken ſich begegnen; denn auch ich bin tief bewegt.
Du weißt es, lieber Gemahl; heute jährt es ſich wieder, daß wir unſern Heinrich verloren haben!
Gerade acht Jahre ſind es, als ich verwundet des Abends auf die Burg gebracht wurde, daß unſer Kind aus dieſen Mauern verſchwunden, ohne daß wir jemals ſeine Spur wieder auffinden konnten.
So iſt’s! Gott hat durch ſeine Gnade und den Ablauf der Zeit allerdings unſern Schmerz gemil - dert; allein der Gedanke bleibt dennoch peinigend, was wohl mit Heinrich geſchehen ſein mag?
Lieber möge er todt, als in Hände gekommen ſein, die ihn auf ſchlechte Wege geleitet haben!
Ach! ſein Verluſt muß uns immer ſchrecklich bleiben; weiß der Himmel, wo das arme Kind nun iſt? Vielleicht Hunger und Durſt und allem Elend preis gegeben! der Gedanke iſt fürchterlich!
Tröſte dich, theueres Weib! Wo immer Heinrich ſein mag, Gottes Auge überwacht ihn, ſein heiliger Engel ſchützt ihn und unſer unabläſſiges Gebet wird nicht verhallt ſein, ohne daß der Vater aller Men - ſchen es gehört hätte.
Dieß iſt auch mein einziger Troſt, obgleich wir ſtets Arges befürchten mußten, da der zurückgelaſſene Brief der aus Angſt und Verzweiflung entflohenen Wärterin Margaretha die Vermuthung ausſprach, Heinrich ſei von den durchziehenden Zigeunern aus der Wiege geraubt worden.
Allerdings, und trotz meiner augenblicklichen Nachforſchungen gelang es damals nicht, den ver -109 meintlichen Räuber meines Kindes zu erreichen. Gott weiß, in welche Höhlen der Gebirge, in welche Tiefen der großen unwirthſamen Wälder ſie ſich verborgen hatten! Ein Schimmer von Hoffnung bleibt mir aber dennoch, daß die Schändlichen in Erwartung eines bedeutenden Löſegeldes doch einmal irgend eine Gelegenheit ſuchen werden, an uns von unſerem Sohne Kunde gelangen zu laſſen.
Und warum ſollte dieß nicht ſchon längſt ge - ſchehen ſein? Dieſe Zweifel zerfleiſchen mein Mutter - herz und laſſen mich an deiner Hoffnung verzweifeln.
Wie dem auch ſei; laß uns auf Gott vertrauen! Seine Fügung lenkt ſtets Alles zum Beßten. — Bevor ich in das Zimmer trat, erhielt ich Nach - richt, daß man wieder Zigeunern auf der Spur ſei, die vor ein paar Tagen einen Zug Kaufleute über - fallen und ausgeraubt hatten. — Eine alte Zigeu - nerin, die in der zerfallenen Waldkapelle den Aus - gang des Ueberfalles abgewartet, wurde von meinen Reiſigen gefangen. Jch habe befohlen, daß man ſie zum Verhöre hieherbringe. Entferne dich unter - deſſen, liebe Adelhaid.
Jch will auf mein Zimmer gehen.
Jmmer und immer hoffnungslos! und wenn ich auch meine Adelhaid zu tröſten ſuche, ſo iſt es ſtets vergebens! Mir ſelbſt baute ich nur ein Gebäude von Scheingründen auf — Vorſpiegelungen der hof - fenden Liebe! Mein Kind iſt und bleibt verloren!
Holla, wer kömmt?
Hier iſt die alte Hexe, edler Herr! Soll ich ſie nicht gleich todt ſchlagen?
Mit dem Todtſchlagen hat’s noch immer Zeit. Woher — alte Schlange?
Jch bin eine arme Zigeunerin und lebe vom Bettel; der Hunger iſt mein Gefährt’ auf allen Wegen.
Man kennt euch wohl! Bös’ Geſindel ſeid ihr, das ehrlichen Leuten auf dem Wege lauert. — Habt’s erſt wieder bewieſen bei den Kaufleuten, die ihr ausgeplündert.
Das gilt mir nicht; ich bin unſchuldig!
Mit gefangen, mitgehangen! du wärſt mir die rechte Unſchuld mit deinen Katzenaugen. Geſtehe Alles oder ich laß dich in die Marterkammer werfen.
Ach! gnädiger Herr! wir Zigeuner ſind ein ver - ſtoßen Volk; was bleibt uns übrig, als zu wan - dern und in Wäldern zu ſchlafen, da uns kein Menſch aufnimmt?
Das iſt eure Schuld! — Fort mit dir auf die Folter!
Ach, edler Ritter, laß mich nicht foltern, ich bin ein armes, ſchwaches, altes Weib! Alles will ich euch geſtehen; ja ich will euch mehr ſagen, als ihr von mir zu vernehmen glaubtet! Nur laßt mich nicht foltern!
So ſprich — aber die Wahrheit!
Beim maro dad, der uns heilig iſt, ich ſpreche112 wahr. Aber laßt mich frei! — Acht Jahre ſind’s ungefähr als wir hier auf eurer Burg durchzogen und dem Geſinde Kurzweil trieben; ich ſtahl mich ab, da fand ich ein ſchönes weißes Knäblein in der Wiege. — —
Gott im Himmel — hier ein Knäblein?
Ein ſchönes, weißes Knäblein — ich — ich —
Weiter, weiter, verfluchtes Weib!
Jch — Jch —
Denk der Folter!
Jch nahms mit mir, weil’s mir ſo wohl gefiel und ich wollt’s lieb haben. —
Mein Heinrich!
Jch nahm’s und zog’s auf mit guten Biſſen und pflegt’s gut und ſtrich ihm ſeine feine Sammt - haut und — —
Und, und — —?
Eben wollt ich’s euch wiederbringen das liebe Kind um ein gering Lösgeld, da war’s fort; fort aus unſerm Schlupfwinkel, weiß nicht wohin —
Verfluchtes Lügenmaul! wo iſt mein Kind?
Tödtet mich — ich weiß es nicht!
Fort mit dir in den Kerker! s’wird ſich bald zeigen, ob du’s nicht weißt; fort, fort!
Weh mir! Ein Schimmer von Hoffnung und auch der iſt dahin! Meine Sinne ſind ſchier ver - wirrt! Auf, Auf! — wohin aber, wohin? Jch muß wieder der Alten nach; ſie muß mir auf die Spur helfen, wenn anders ihre Kunde nicht Lüge war!
Da ſind wir, Hallunk; jetzt geht’s dir an den Diebskragen. Siehſt du den Galgen da drüben auf dem dürren Anger? dort wirſt du bald in den Lüf - ten hangen und zappeln, bis dir der Teufel den Hals am Strick abgedreht hat.
Hol dich der Henker mit deinem loſen Maul!
Jch hab ein loſes Maul; aber dich loſen Kerl laß ich nicht los; hörſt du’s?
Was helfen mir deine Witz - und Spitzworte? Saufen möcht’ ich; die Kehle iſt mir trocken wie ein leerer Krug!
Beiß dich in die Zunge, ſo kann’ſt deinen Durſt mit eigenem Blut löſchen! — Aber wo nur der115 Einſiedel mit dem Buben bleibt? Bei denen geht’s freilich langſamer. Aha! da kommen ſie.
Gott zum Gruß! wir ſind müd und matt.
Sind wir auf des Grafen von Eichenfels Burg?
Ja, mein Kind. Zu ihm wollte ich dich ja bringen.
Wie herrlich iſt’s doch hier!
Geh, Hannes! führ deinen Gefangenen hinein und melde dem Grafen, daß wir zwei da im Hofe harren.
Meinetwegen! — Komm Galgenvogel, laß dich in deinen Käfig bringen.
Von nun an, guter Junge, ſollſt du nicht mehr bei böſen Menſchen in dunklen Höhlen wohnen.
Wie froh bin ich, wenn man mich aufnimmt!
Habe keine Sorge, du biſt nun gerettet für immer!
Der Himmel ſei geprieſen! — Mein Kind!
Ja, du biſt’s, mein Sohn, es iſt kein Zweifel mehr!
Hat es ſich wirklich ſo erwieſen?
Das Geſtändniß der alten Zigeunerin und dieß goldene Kreuzlein, das ſie mit dem Kinde aus der Wiege geſtohlen hatte und ſtets bei ſich führte — Alles, Alles trifft zuſammen! Mein Gott, welches Glück!
Jch, euer Sohn?
Ja, du unſer Sohn!
So hat Gott unſer Flehen erhört. Pries ihm und Dank!
Nun bin ich kein armes verlaſſenes Kind mehr! Jch habe liebe Eltern! Jch will gewiß recht gut und folgſam ſein.
Herzig Kind! Lieber Heinrich!
Wenn ich nur auch den guten Schnaps hier hätte! Jhm hab’ ich ja zu danken, daß ich nicht ganz verwildert wurde.
Mit der Zigeunerhorde iſt auch ein Hirtenjunge gefangen worden, der mit ihnen gelebt hat.
O der iſt’s, wie freu’ ich mich!
Er ſoll bei dir bleiben, ſein Leben lang. Allein jetzt laßt uns vor Allem in die Burgkapelle gehen. Jn frommer Andacht wollen wir Gott für ſeinen Segen danken.
Und ich will eine Stiftung machen für arme verlaſſene Waiſenknaben.
Hofprofos.
Pfeifenſtopfer.
Leibmohrin.
Kapellmeiſter.
Potztauſend Mond und Sternhagelelement, geht die Pfeife ſchlecht! Wieder nicht ordentlich geputzt! Jch muß ja zieh’n, daß mir der Athem ausgeht! beim großen, Propheten Mahomet, ich bin ſchlecht bedient. Jetzt hab’ ich dem Sclaven Pfeifiſtopfici erſt 50 auf die Fußſohlen geben laſſen und doch ſorgt er nicht beſſer für meine Tabakpfeifen! Jch bin noch als zu gut und nachſichtig mit dem Sklaven - gefindel. Muß wieder ein Paar ſpießen laſſen, dann wird’s ſchon beſſer geh’n. Mumurikarbatſchi! Hof - profos! herein! bring mir den Pfeifiſtopfici! Augen - blicklich! — Jhr Hunde, ich will euch mores lehren!
Großer Sultan! Stern des Orients! Sonne des Occidents! Verzeih! Jch vernahm in deinem Rufe, daß du ungehalten biſt!
Elender! warum hat die Pfeife keinen Zug? fehlt’s am Röhrl?
Allmächtigſter! An meiner Sorgfalt hat es nicht gefehlt! Jch habe die Pfeife heute beim Sonnen - Aufgange geputzt.
Einerlei. Vielleicht war der Tabak zu naß. Kurz und gut: Es muß wieder einmal ein Exempel ſtatuirt werden. Mumurikarbatſchi! führe den Burſchen in das Wichszimmerl Nro. 121, dort hat er 100 Streiche in Empfang zu nehmen und auf Stempel - bogen abzuquittiren.
Wie du befiehlſt, Erhabenſter, ſo ſoll es geſchehen. Fort mit dir, Sclave!
Erbarmen, großer Sultan! Verſchone deinen treueſten Sclaven mit der Strafe, die er nicht ver - dient zu haben zu glauben ſich unterſteht.
Was? Remonſtriren auch noch? — Noch Ein Wort, und ich laſſe dich hängen!
Weh mir! —
Es iſt nicht zum aushalten! Wie hab ich mich jetzt echauffirt! Nichts als Aerger und Verdruß! Jch will meine Leibſclavin, die Mohrin Mimikatzi, rufen, damit ſie mich etwas beſänftige. Sie ſoll mir ein Lied mit Guitarre-Begleitung vorſingen. Mimikatzi! Mimikatzi!
Was befiehlt mein hoher Gebieter.
Zuerſt ſtreichle mir ein wenig den Bart; dann ſinge mir das Lied von der Lottosblume.
Wie heißen die drei Nummern? Jch will ſie in die Lotterie ſetzen. Ein Terno wär’ nicht übel.
Jch will aber die Nummern vorher wiſſen, oder ich laß dich und die Lotterieblume köpfen. Wozu iſt die Lottosblume gewachſen, als daß ſie mir die Nummern vorherſagt?
Großer Sultan! Das Lied iſt zu Ende; es iſt ein ſinniger Räthſelſpruch aus den Weisheitsbüchern des Myrza Schaffy.
Dummes Zeug! Jch will keine Räthſel! fort mit dir falſche Katze! Jn dem tiefſten Kerker ſollſt du ſchmachten, bis dir die Nummern eingefallen ſind. Fort! oder ich vergeſſe mich und werf’ dir meinen Pantoffel an den Kopf.
So hat ſich denn heute Alles verſchworen, mich zu ärgern! Heda! Heda! türkiſche Muſik will ich125 haben. Spielt mir den Marſch von dem großen Propheten auf! Wo iſt mein Kapellmeiſter Kislar - Fagotſchi?
Großer Sultan, verzeihe! Die große Trommel hat ein Loch im Fell! Der Halbmond hat einen ge - ſchwollenen Backen! Die Trompeten leiden an Ver - ſtopfung! Es iſt mir heute unmöglich ein Stück aufführen zu laſſen!
Auch das noch! Beim Allah, ich möchte wüthend werden, wäre es für den Großſultan nicht unſchick - lich! Augenblicklich ſoll die Trommel geflickt wer - den! dem Halbmond gebe man Ueberſchläge oder Schläge allein, damit er kurirt werde! Die Trom - peten ſollen zum Abführen einnehmen, Verſtopfungen leid’ ich nicht!
Alles ſoll pünktlich vollzogen werden. Doch ver - nimm, erhabener Sultan: So eben haben deine Wachen einen Fremdling arretirt, der in dem ſul - taniſchen Hofgarten aufgefunden wurde. Man fürchtet, es ſei ein Spion. Vielleicht gewährt es dir einige Unterhaltung, ihn vor deinen allerdurchlauchtigſten Augen ſtranguliren zu laſſen.
Gut! ſchleppt ihn herbei, damit ich einen Spaß habe auf meinen vielen Aerger. Schnell, ſchnell!
jch wollte mir heute ein ſanftes, ſtilles Ver - gnügen veranſtalten; allein es ſcheint, das Muha - med der große Prophet es anders beſtimmt hat. Gut! So will ich Blut ſehen! Ah, da kommt der Fremdling; zuvor will ich mich mit ihm unterhalten.
Das bitt’ ich mir aus! das iſt keine Manier, einen Reiſenden zu ſo behandeln!
Wie kömmſt du hieher! Wer hat dir geſtattet meinen Hofgarten zu betreten?
Wie ich herkomm’! No das ſehn’s ja. Man hat mich verirritirt. Und in Jhren Hopfengarten bin ich hineinkommen, ich weiß nit wie. So auf einem Spaziergang am Phosphorus hintennüber und vorn - herein um’s Eck.
Wer biſt du, Hund? was wolltſt du hier?
Erhabener Türkenkopf, nix will ich hier. Naus möcht ich wieder.
Du ſcheinſt mir ein engliſcher Spion. Eine rothe Jacke und gelbe Hoſen ſind engliſche Uniform.
Die hab ich ſchon mit auf die Welt bracht, wie mir meine Mama g’ſagt hat.
Ha! Verſtellung! diplomatiſche Kniff!
Was? ein zipflomatiſcher Pfiff?
Weiſe deinen Paß vor!
Einen Spaß kann ich gleich vorweiſen.
Was ſoll dieß heißen? Jſt dieß engliſche Sitte?
Das heißt man bei uns ein Compliment von der Chocoladi-Seiten, verſtanden?
Aha! du haſt dich verrathen. Lady iſt ein eng - liſches Wort. Schurke, geſtehe, oder ich laſſe dich ſtranguliren! Wer biſt du? Jch laße dich mit glü - henden Zangen zwicken.
Zwicken ſpiel ich nit ungern, aber Tarocken iſt mir noch lieber.
Ha! er ſpricht von Maroko?
Edler Prinz! ſeid Jhr vielleicht der Fürſt von Maroko, den ich längſt zum Beſuche erwarte?
Oho! jetzt wär ich gar ein Prinz
Aber ich muß ihm doch was ſagen, ſonſt könnt’s wenig - ſtens Prügl abſetzen.
Erhabener Großtürke, ich bin kein Prinz, ſondern ein reiſender Profeſſor à la botanique, ich mache in Blumen! Jch bin Doktor der Blimiblamiſophie!
Darüber bin ich ſehr erfreut. Jch habe längſt einen Botanicus geſucht, zur Aufſicht über meine Hofgärten, Treibhäuſer und Holländerkäſten.
Ja, ich habe mich auch ſehr auf die Miſtbetteln129 gelegt, buſonders habe ich mich mit der Cultur der Sommerradi buſchäftigöt.
Dieſe Pflanze iſt mir neu. Erklären Sie mir.
Dieſe Pflanze oder Radi, iſt ein Worzelgewächs, welches ſehr gut zum Bier ſchmeckt. Man ſchnei - det dasſelbe in Schoiben, wölche man mit Salz zu gunieſſen pflegt.
Dieſer Fremdling ſcheint wirklich große Kennt - niß der Botanik zu beſitzen.
Wenn ſie wollen, Herr Profeſſor, ſo nehme ich Sie als Hofgartenboſtandſchi?
Boſtandſchi! Was iſt das für ein Thier?
Sie haben die Leitung der ſämmtlichen Gärten und ſtehen im Range eines Paſcha’s von zwei Roß - ſchweifen mit weißem Turban!
Jch wünſchte lieber einen Federbuſchen!
Meine Beamten tragen keine Federbüſche ſon - dern nur Roßſchweife.
Auch gut, allein ein Eichkatzlſchweif würde mich noch mehr freuen.
Nun, von heute an biſt du mein Diener!
O ſehr ja! allein vor der Hand empfinde ich ein loiſes Gefühl von bedoitendem Hunger.
Beim großen Propheten! Dein gemeiner Trieb ſoll geſtillt werden. Man führe den Hofgartenbo - ſtandſchi in die Hofküche und füttere ihn. Marſch! dann wieder zu mir herauf!
Jetzt mein Glockenſpiel! Jch will etwas ſchlummern!
Alſo bin ich wirklich conſtantinopolitaniſcher Hof - gartner! Mir wär’ alles recht: Schlafen kann ich ſo viel ich will; z’eſſen hab’ ich auch g’nug, aber mit dem Trinken, da ſieht’s ſchlecht aus. Nix als Lemonad und Mandelmilch! Der Wein iſt in der mahonitaniſchen Religion verboten. Bisweilen laßt mir der Oberkellermeiſter ein Flaſchl zukommen; denn der Großſultl ſauft heimlich, was er nur grad mag; aber die Sclaven und ſonſtigen Unterthanen krieg’n Schläg, wenn ſie ſich unterſteh’n, einen Wein zu verkoſten. Wenn’s aber Niemand ſieht, g’ſchieht’s doch; grad’ als wie bei uns z’Haus mit die Faſten - Speiſen. Jetzt ſoll ich wieder bei meine Radiplan - taſchen nachſchau’n. Wenn ich dem Sultl in vier Wochen nicht einen Mordsſommerradi auf die Hof - tafel liefere, ſo werde ich karbatſcht. Das iſt aber unmöglich. Alſo entweder „ Karbatſchi ‟ oder heim -9 *132liche Flucht! Aber wie? Ueberall ſteh’n Schildwachen! Lauter Heiduken und Mameluken! die laſſen Nie - mand hinaus! Holla! was kommt da? Ein Muhrin? Eine kohlpechrabenſchwarze Sclavin! Ha! — — ich will ſie belauſchen.
Jch unglückliche Mimikatzi! Wann werde ich aus dieſer türkiſchen Sclaverei befreit werden? Zwei Jahre bin ich ſchon hier im Serail des Sultans eingeſperrt! Ein ſchändlicher Sclavenhändler hat mich ſchwarz lakirt, obſchon ich von Haus aus eine Weiße bin, weil er erfahren hatte, daß der Sultan Schurimuri eine ſchwarze Leibſclavin geſucht hat. O wär ich in meiner Heimath! Fänd’ ſich doch ein Retter, der mich entführen wollte!
Der Retter iſt da! Auch ich möchte entführt werden! Entführen Sie mich, dann bin ich ent - führt, und entführe ich Sie, ſo ſind Sie entführt! Zweimal zwei iſt vier, alſo ſind wir nachher alle zwei entviert.
Unverſchämter! wie haben Sie mich erſchreckt!
O ſchrecken Sie nicht er! weder Er noch Sie! 133Sagen Sie Du zu Jhrem Rötter und Ritter! Ja wir wollen Hand in Hand dieſe Mauern überſtoigen; ein Schiff ſteht bereit uns aufzunöhmen und durch das ſchwarze Meer hinaus werde ich dich hinaus - ſchwärzeln!
Edler Unbekannter! Du flößeſt mir Vertrauen ein.
O nein! es gibt hier keine Flöße, ſondern nur Sögelſchiffe — allein dennoch! — —
Wer biſt du, der du dich der Unſchuld annimmſt?
Jch habe noch keine Unſchuld angenommen, allein der Augenblick iſt günſtig. Wenn der Mond mitter - nächtlich durch die Wolken bricht, wenn die Mitter - nachtſtunde ſchauerlich auf den Wolken zittert, dann erwarte mich hier!
Es ſei? Um Mitternacht finde ich mich hier ein! Jch werde die Wachen zu beſtechen ſuchen.
O ja! und ich werde alles Mögliche aufbieten um unerkannt zu bleiben. Jch werde mich in den dunklen Schleier der Nacht einhüllen. Ha! — laß134 uns nun das Nähere beſprechen! Fort von hier, denn der Sultl wird jetzt ſeinen Abendſpaziergang machen.
Ein recht angenehmer Abend heute Abend! Wenn nur die verdammten Schnacken nicht wären; die verderben mir immer meine Promenad. Und da hilft gar Nichts, nicht einmal das Tabakrauchen. Jch glaub’ die Beſtien ſind den Rauch ſchon gewohnt und machen ſich nichts mehr d’raus. Jch werde mir eine eigene Leibſchnackenwache organiſiren, die mir die Schnacken vertreibt. Es iſt wirklich unerhört, daß ein ſolcher Potentat wie ich, der Großſultan, von ſo einem miſerablen Geſindel inſultirt werden kann! Vielleicht weiß der Hofgartenboſtandſchi ein Mittel dagegen. Holla, wo biſt du?
Was ſchaffen Euer Hoheit?
Schaffe du mir die Schnacken da weg.
Dös wird gleich geſcheh’n ſein.
Jetzt wär’ die G’legenheit da, den Lümmel todtzuſchlagen. Couraſchi!
Haben denn Euer Großtürkl noch nichts von der neuerfundenen Schnackenvertilgungsmaſchin gehört?
Jn der That noch Nichts.
Na, ſo warten ’S a Bißl. Dös werd’n wir gleich hab’n.
Bin doch wirklich begierig, was das für eine Maſchinerie iſt. Ei, ei, ei! gewiß recht ſinnreich!
Sehn ’S, da hab’n mir’s ſchon. Jetzt paſſ’n ’S auf. Wie ſich ein Schnack auf Jhre Naſen ſetzt, nachher ſag’n ’S nur: „ Pim. ‟
Gut! wollen doch ſehen! Aha! da iſt ſchon ſo eine unverſchämte Beſtie. Pim!
Pim!
Oho! das war ich! gib etwas mehr Acht! Schon wieder Einer! Pim!
Pim, Pim!
Auweh! Das iſt eine courioſe Maſchine!
Pim, Pim, Pim! — ſo haſt noch nit genug?
Weh’ mir! zu Hülfe, zu Hülfe! der Schurke ſchlagt mich todt!
Pim, Pim, Pim, Pim!
So — die Schnackenjagd iſt vorbei! Der muxt nimmer! den brauch ich nimmer zu fürchten! jetzt hol’ ich die weiße Muhrin, ’s kommt ohnehin gleich der Zapfenſtreich.
Die Stunde der Befreiung ſchlägt! Alles iſt vorbereitet. Die Wachen ſind beſtochen. Wenn nur mein Retter nicht ausbleibt! Ps! Ps! Ps!
Hier bin ich! — Es iſt zwar ſehr preſſant, daß wir fortkommen, allein auf dem Theater iſt es üblich, daß man vorher noch eine Stund lang discurirt und dem Publikum ſagt, daß man geſchwind fort ſoll! Alſo höre und faſſe dich:
137ſein Knappe.
Ritter.
reicher Gutsbeſitzer von Roſenthal.
deſſen Töchter.
Jetzt ſchlagt’s grad zwölf Uhr und noch is er von der Bärenjagd nicht z’Haus kommen. Da jagt wohl Ein Bär den Andern! Nein, wenn ich das voraus gewußt hätt’; in dieſen Dienſt wär ich nicht um eine Million getreten. Das iſt ja ein furcht - barer Kerl, mein Herr, der Blaubart! Wer’s bei dem aushalten könnt, der müßt ein’n ordentlichen Magen haben. Ein Wüthrich iſt er, wie die ganze Ritterſchaft des Mittelalters nicht aufzuweiſen hat. Was thut er geſtern wieder? Mein Colleg, der Knappe Kuno ſoll ihm ſeinen Abendtrunk bringen, ſtolpert im Hereingeh’n, ſchlagt das chineſiſche Por - zellangeſchirr zuſamm’, überſtaucht ſich den linken Fuß und fallt auf d’ Naſen hin! Potz tauſend Schlipperement! der Blaubart wird ganz wüthig, nimmt ſein Spadix von der Wand und ſticht den armen Kuno durch und durch als wie ein Reb - hühnl am Bratſpieß und ſchreit: werft den Kerl in142 den Burggraben! Nachher ruft er mich herein, gibt mir gleich eine G’waltsohrfeigen und befiehlt mir, ihm ſeinen Nachttrunk zu bringen, damit er ſein’ Aerger vertrinken kann. Da hat er zwölf Maß Bier g’ſoffen und iſt in’s Bett gangen, als wenn gar Nix g’ſcheh’n wär!
Hopſa — da is er ſchon! Jetzt heißt’s auf - paſſen! Was wird er heut wieder für ſaubere Ca - meraden mitbringen? Das iſt immer a hübſche G’ſellſchaft beinand.
Wein her! Bier her! in Fäſſern!
Jch könnte das hölliſche Meer ausſaufen, ſolch ein’ Durſt hab ich!
Wird’s was, oder ſoll ich dreinhau’n, daß dir der Kopf wegfliegt?
Gleich, gleich, edler Ritter!
Das war einmal eine Jagd! der Bär hat uns warm gemacht!
Mich hatt’ er ſchon um den Leib und drückte mir ſeine Tatzen in’s Zwergfell, daß mir das Blut aus den Augen ſpritzte! Wärſt du mir nicht zu Hilfe gekommen, ſo wär’s um mich all geweſen.
Jch ſtieß ihm mein Schwert in den Bauch zu rechter Zeit noch! — Holla, wo bleibt der Kerl mit dem Wein?
Du biſt ſchlecht bedient! Mußt dem Lumpen eine Lektion geben, damit er ſich beſſer auf die Füße macht.
Haſt recht! — Weißt du was? Jch laß ihn in die Bärenhaut einnähen.
Recht ſo! da gibt’s was zur Kurzweil!
Her damit, Faulthier!
Bitt um Verzeihung; ich hab den Kellerſchlüſſel nit gleich g’funden!
Was Kellerſchlüſſel? Marſch hinaus!
Näht mir den Burſchen in’s Bärenfell; dann ſoll er uns wieder bedienen!
Auweh! Auweh! ich bitt, ich bitt!
Ha, ha, ha! Jſt auch noch nicht da geweſen, daß ein Eſel als Bär erſcheint. Jetzt, Bruder, laß dir’s ſchmecken! Stoß an! das Waidwerk ſoll leben!
Das Waidwerk ſoll leben und der Wein ſoll leben!
Hoch, hoch!
Die Humpen ſind leer! Aufgetiſcht, Eingeſchenkt!
Da bin ich wieder, wie ’S befohlen haben. Aber das iſt doch ein Bißl gar zu arg, mich in eine Bären - haut zu practiziren; das iſt ja grad als ob ich ein Narr, im Zwangshemd wär’!
Halt’s Maul, oder ich laß noch die Rüden auf dich hetzen! Ha, ha, ha!
Jetzt magſt du uns auch einen Bärentanz auf - führen!
Was? tanzen ſoll ich auch noch, und kann kaum gehen in der engen Bärenhoſen? Jch bitt’ unterthänig!
Rühr’ dich Burſch! tanz, oder ich ſchlag dir die Knochen ab.
Wir brummen den Bärentanz dazu.
Steh auf, mein lieber Bär, und laß dir die Haut abzieh’n. Marſch hinaus!
Jetzt Freund, ein ernſtes Wort!
Laß los, Herzensfreund! was haſt du?
Sollſt wieder ein Weib nehmen! biſt jetzt ſchon zum ſechſten Mal Wittwer; ’s wär an der Zeit das ſiebente zu frei’n!
Gut geſprochen, Bruder; ich will’s bedenken, ob - gleich mir meine ſechs erſten Frauen hölliſch Ver - druß gemacht.
Oder du ihnen; denn ſie ſind wohl Alle aus Gram geſtorben. Warſt wohl zu jäh mit ihnen.
Firlefanz, Firlefanz!
Wie’s immer ſei; für ſolch ehrſames Haus ziemt ſich eine Hausfrau.
Schon recht; aber wo Eine finden im heiligen deutſchen Reich?
Nimm die Rothenburgerin.
Jſt mir zu alt.
Hol’ dir die Marthe von der Mainau.
Jſt mir zu jung.
Weißt was? Frag beim alten Geldſack an, der hat der Töchterlein zwei. Eine davon wird dir wohl taugen.
Der Vorſchlag iſt nit ſchlecht. Holla! Bertha iſt ein Jungfräulein nach meinem Sinn. Hat ſo rechte Vergißmeinnichtäuglein und wallend Haar wie Flachs.
Soll ich für dich werben?
Nein, Bruder, der Casper, ſo dumm er ſcheint, iſt ein ſchlauer Kund; der ſoll mein Botſchafter ſein.
Ha, ha, ha! Sonderbarer Einfall!
Das gibt noch zuerſt einen Mordſpaß! Er ſoll als mein Brautwerber beim Alten einreiten und ich dann ſelbſt hinter ihm drein. Und macht der Geld - ſack Federleſen, ſo raub’ ich mir die Braut und du hilfſt mir dazu.
Gut ſo, ich bin dabei! Hand drauf; — Jetzt reit ich heim.
Und ich lehr den Caspar ſeine Botſchaft. Leb wohl.
He, Caspar! herein!
Jch mag nit. Jch bitt um mein’ Entlaſſung.
Ei was, Burſch; nimm dir den Spaß nit ſo zu Herzen.
Jch trau mir nit ’rein, das war weiter kein Spaß für mich. Jch bin noch bockſteif.
Bei meinem blauen Bart — ’s ſoll dir nichts geſcheh’n!
Wenn’s wahr iſt.
Hör, Casper: du biſt ein geſcheiter Kerl, du mußt meinen Brautwerber machen.
Ein’ Blaufärber ſoll ich machen? das kann i nit; ich hab die Färberei nit g’lernt.
Du ſollſt mir eine Braut holen.
’s Kraut ſoll ich holen? das iſt ’m Gärtner ſein G’ſchäft.
Hör doch! Jch will wieder heirathen und da ſchick’ ich dich zum alten Geldſack hinüber, den ſollſt du fragen, ob er mir ſeine ältere Tochter zur Frau geben will.
Ah! da hab’ ich Reſpekt! das iſt emal eine honorable Commiſſion. Soll ich gleich aufſitzen?
Hol dir den alten Schecken aus dem Stall und mach dein Geſchäft gut.
Aber a Geld brauch ich auch dazu.
Da haſt du ſechs Batzen und dem Fräulein bringe einen ſchönen Roſenſtrauß in meinem Namen.
Jn Jhrem Namen iſt ja kein Roſenſtrauß!
Tölpel! Mache deine Sache fein und artig, wie ſich’s gehört. Jch folg dir auf dem Fuße und hol mir die Antwort und die Braut.
So iſt’s recht, das wird a ſchöne G’ſchicht werd’n.
Gemach im Schloß Roſenthal.
Du liest dir noch die Augen heraus; das ewige Leſen! Es kann dir nicht gut ſein!
Schweſter, laß mich! Es gibt nichts Schöneres, Reizenderes als die alten Ritterromane. Ach! wenn mich nur ſo ein Ritter entführen wollte! Denke dir eine ſchauerliche Mondnacht; Sturmgeheul ringsum, der Ritter reitet heimlich unter mein Fenſter; er wirft eine Strickleiter herauf, holt mich herab, ſetzt mich auf ſeinen ſchäumenden Rappen hinter ſich; ich klammere mich feſt an ihn und wir jagen fort, fort — —
Fort, fort — — und was hernach? das Ende vom Liede, daß die Entführte unglücklich würde.
Schweſter, du haſt keinen romantiſchen Sinn, du kennſt nur Küche und Keller.
Warum haſt du die Werbung des edlen Hugo von Hohenfels von dir gewieſen?
Ei! eine gewöhnliche Brautwerbung! das war mir zu alltäglich, ich liebe nur das Außergewöhnliche.
Deine extravagante Richtung wirſt du noch zu büſſen haben.
Verſchone mich mit deinen Predigten. Jch bin ohnedieß die Aeltere.
Und ich vielleicht die Klügere.
Jch verbitte mir das.
Ha, ha, ha! — o du romantiſche Heldin!
Berth’chen, warum weinſt du?
Jch laß mich nicht verſpotten.
Was iſt wieder verſotten worden? Muß doch alltäglich Etwas in der Küche fehlen!
Jch wollt ihr nur von ihren Thorheiten abrathen.
Was der Braten? und ich hatte mich ſo auf die Hammelskeule gefreut!
Vater, Anna iſt die jüngere von uns beiden und braucht mich nicht immer zu corrigiren.
Gut, laßt den Hammel fricaſſiren, wenn er verbraten iſt. Schmeckt auch ſo nicht übel. Apropos Kinder, wißt ihr was Neues? So eben iſt ein Diener des Ritters Blaubart eingeritten, der mir eine Bot - ſchaft zu bringen hat.
Vielleicht eine Einladung zum Thee?
Mir iſt der Blaubart recht zuwider. Er hat ſo etwas Unheimliches an ſich, und der abſcheuliche, lange, blaue Bart.
Gerade der gefällt mir. Originell, abenteuerlich - ritterlich!
Und hat ſchon ſechs Weiber gehabt. Die Welt erzählt ſich Arges von ihm.
Die Welt, die Welt und immer die Welt; die auch Nichts von der Romantik wiſſen will, wie du!
Jedes hat ſeine Meinung. Halte du es, wie du willſt; ich bleibe bei meiner Anſicht. Jch mag einmal den Blaubart nicht.
Entfernt euch jetzt, Mädchen. Jch will die Bot - ſchaft des Ritters Blaubart entgegennehmen.
Wen hab ich die Ehre bei mir zu ſehen?
Jch bin des Ritters Blaubart Abgeſandter.
Ah! freut mich! ein Verwandter des Ritters Blaubart?
O nein, aber vielmehr deſto weniger, jedoch einerſeits hergeſchickt auf dem alten Schecken.
Jch weiß längſt, daß Ritter Blaubart ein wackerer Recke iſt. Was haben Sie mir von ihm zu bringen?
Zu bringen hab ich nichts, allein etwas zu fragen.
Beklagen? wie? Sollte ich Herrn Blaubart zu einer Klage Veranlaſſung gegeben haben?
Schlipperement, iſt der Kerl taub! Da muß ich beſſer ſchrei’n
Jch ſoll Sie um Etwas fragen.
Oho! ſchreien Sie nicht ſo, ich höre recht gut.
Brav! das hab ich gemerkt.
Nun, womit kann ich dem Ritter Blaubart dienen?
Jetzt will ich gleich deutlicher reden
Mein Herr möchte eine von Jhre Mamſelln heirathen.
Wenn ich weiß worin, ſo will ich ſehr gerne meinen Rath geben.
Nix rathen allein, heirathen!
Jch verſtehe Sie nicht. Jch bitte ſich deutlicher ausdrücken zu wollen.
Na, jetzt hab’ ich’s ſatt,
Wenn Sie ſo talket ſind und nix verſteh’n, nachher halt ich lieber ’s Maul.
Jhren Gaul hab’ ich nicht geſehen.
Sie ſind ein alter, tauber Eſel!
Wie? hab ich recht verſtanden? Was fällt Jhnen ein? Welche Jnſolenz!
Jnſolvenz hin, Jnſolvenz her! Mit Jhnen iſt nix anz’fangen. Jch geh und ſag’s mei’m Herrn.
Mit ſolch einem Flegel kann ich nicht verkehren. Jch muß mich entfernen. Ein impertinenter Kerl das.
Was thu ich jetzt? Wenn ich dem Blaubart157 keine Antwort bring’, ſo ſchlagt er mich zuerſt todt und nachher prügelt er mich noch recht durch. Wenn ich nur an ein’ Domeſtiken kommen könnt, um Etwas zu erfratſcheln!
Ps, Ps!
Aha, kommt ſchon Eine. Ps, Ps!
Sind Sie vielleicht Ritter Blaubarts Bote?
O ja, Madmoiſell! Und Sie ſind vielleicht Stubenmädl oder ſonſtiges dienendes Wöſen bei Herrn von Geldbeutel!
Jch bin deſſen Tochter Bertha.
Ha! ſo ſchoint das Schückſal mir die Hand zum Bunde ſölbſt entgögenzubieten!
Wie ſo? Sprechen Sie etwas leiſe, damit uns Niemand hört.
Jetzt ſoll ich loiſe ſprechen und vorher hab’ ich wie ein Mordbrenner geſchrie’n und hat mich doch Niemand g’hört.
Jch war im Nebenzimmer und habe Alles ver - nommen.
Als ich Jhrem Herrn Vater in die Ohren lüspelte?
O ſagen Sie, hat vielleicht Blaubart Abſichten auf mich?
O ja! Er ſichtigt ſehr ab.
Wie glücklich bin ich, einem ſolchen Ritter zu gefallen.
Bedau’re, wenn Sie heut ſchon niederg’fallen ſind, allein ich bin jetzt vor lauter Discuriren ſo durſtig word’n, daß ich ein ungemeines Verlangen nach dem Geldſack’ſchen Bräuſtübl habe.
Kommen Sie mit mir. Jn der Laube am Er - kerthurme können wir ungeſtört unſer Geſpräch fort -159 ſetzen und ich werde Jhnen etwas zu Eſſen und zu Trinken bringen.
Nicht Etwas, denn das wäre gemein, ſondern Viel, vielmehr ſehr Viel.
Kommen Sie!
So, Bruder, jetzt ſind wir da. Jch harre der Botſchaft meines Knappen, den ich zu Geldſack ge - ſchickt habe.
Ohne Zweifel wird er das Jawort bringen. Wer wollte es wagen die Hand des mächtigen Ritters Blaubart auszuſchlagen?
Jch wollte es auch Niemanden rathen.
Wenn aber dennoch?
Dann würde ich Liſt oder Gewalt anwenden. Jch habe es mir nun einmal in den Kopf geſetzt, eine Tochter des alten Geldſack zu freien.
Auch iſt die Mitgift nicht zu verachten.
Ah! da kömmt mein Bote.
Da bin ich, geſtrenger Herr Ritter.
Was bringſt du für Kunde?
Nix bring ich von einem Hunde.
Jſt mein Antrag genehm?
Mit dem Alten hab ich nix ausrichten können.
Hölle und Teufel!
Aber das betreffende Jndividuum ſcheint an - beißen zu wollen.
Wie ſo?
Jn jönem öpheuumrankten Oerker, wo die Turtel - Tauben niſten, vernahm ich das Jawort der Mam - ſell Bertha, welche die Jnfamität begöhen will, ſich von Jhnen entführen zu laſſen.
Ha! Wonne! Dieſe Nacht noch ſoll die That vollbracht werden.
Ein ritterlich Abenteuer.
Jetzt paſſen ’S auf! Wenn der Stille Mond die Mitternachtſtunde ſchlägt und der Zeiger der Thurm - Uhr ſich in die Wolken hüllt, erwartet Sie das Fräulein am hintern Kammerfenſter und wird mit dem Schnupftüchel wöhen.
Da iſt nicht mehr lange zu harren.
Eben ſchlägt die Stunde.
Und dort ſeh’ ich ſchon die Flagge der Liebe. Schnell Caspar hole eine Leiter.
Ja ich weiß nit wo? Jch müßt nur einen Rauchfangkehrer begegnen. Aber ’s Fräulein hat g’ſagt, ſie wirft Jhnen den Schlüſſel ’runter.
Sie, Herr Ritter! Wenn der Alte was merkt, ſo kriegt mein Herr Prügel.
Ha, ha, ha! Blaubart ſchützt ſein Schwert.
Wenn’s Schläg’ abſetzt, ſo lauf ich davon.
Da kommen ſie ſchon.
Edles Fräulein, nun ſeid Jhr mein.
Auf ewig, edler Ritter!
Meine Roße ſtehen hier ganz nah. Laßt euch auf den Sattel heben, durch die ſtille Nacht hin auf meine Burg zu jagen.
Jmmer zu, edles Fräulein! Solltet ihr verfolgt werden, ſo decke ich Euch den Rücken.
So Caspar, wir reiten langſam hinterdrein.
Dank gar ſchön, ich werd’ ſchon ein Hunds - Trappel reiten, damit ich eher heimkomm.
Wie du magſt. Mich dürſtet nach einem Kampfe mit Verfolgern!
Wie’s Jhnen beliebt, ein Jeder hat ſein G’ſchmack. Mich durſt’s nach was Anderm!
Jetzt hab ich alſo meine ſiebente Frau. Ha! ſollte auch dieſe fallen müſſen? Noch keine hab ich gefunden, die nicht einen Fehler gehabt, der mir unerträglich war und weßhalb ich ſie dem Tode ge - weiht habe. Die erſte war ſchön aber müriſch; die zweite war nicht müriſch aber herriſch; die dritte war nicht herriſch, aber ihre Taubenſanftmuth lang - weilte mich endlich; die vierte war nicht übel, aber ſie war eiferſüchtig; die fünfte hatte alle guten Ei - genſchaften, allein ſie war häßlich; die ſechſte end - lich konnte keinen guten Caffe machen; und alle — eine wie die andere — waren neugierig wie die Affen und dieſes Laſter brachte ihnen die wohlver - diente Strafe. Jetzt hängen ihre Leichen in dieſer Kammer, wo ich ihnen die Köpfe mit meinem Schwerte abſchlug. Jch will doch ſehen, ob Bertha, der ich nun mein ſanftes Herz gewidmet habe, die Probe165 der Neugierde beſtehen wird? Es wäre mir ſehr leid, wenn auch ſie ſchwach wäre und das Opfer meiner unerſchütterlichen Grundſätze würde; denn ein ächter Ritter muß ſeinen Grundſätzen treu bleiben und mein Beſchluß ſteht feſt, jedes meiner Weiber zu tödten, welches den Verſuchungen der Neugierde nicht zu widerſtehen vermag. Potz tauſend! ich habe noch nicht gefrühſtückt! Holla! den Kaffe will ich haben! Bertha, geliebtes Weib, wo bleibſt du?
Hab die Ehre guten Morgen zu wünſchen! Wünſch wohl geruht zu haben.
Guten Morgen, lieber Blaubart!
Haſt du gut geſchlafen, mein Täubchen?
Wie im Himmel, theurer Gatte.
Es freut mich, wenn du dich bei mir zufrieden fühlſt. Jch werde auch mein Möglichſtes thun, dich glücklich zu machen. Nichts ſoll dir fehlen. Wünſche nur, und Alles ſoll dir zu Gebot ſtehen.
Du biſt zu gut, theurer Blaubart. Solch ein Glück verdiene ich wahrlich nicht!
Jch habe bereits heute mit dem Früheſten ſchon an deinen Vater einen Brief geſchrieben, in welchem ich wegen deiner Entführung um Entſchuldigung bitte und habe ihn mit deiner Schweſter zum Eſſen eingeladen, damit du Geſellſchaft haſt.
Wie ſo, Geliebter? Sollte mir deine Geſellſchaft nicht genügen?
Leider habe ich heute auch eine Nachricht er - halten, welche mich ſogleich zu einem Geſchäfte von hier abruft. Jch muß ausreiten und werde erſt morgen Abend wieder zurückkommen.
O, wie leid thut mir dieß! Schon am erſten Tage unſerer Ehe willſt du mich verlaſſen?
Es muß ſein? Wir Ritter vom ächten Schrott und Korn haben ein bewegtes Leben. Daran mußt du dich gewöhnen. Mein Roß iſt ſchon geſattelt und ich werde gleich aufſitzen.
So lebe wohl, lieber, lieber Gemahl, komme aber ſo bald als möglich wieder zurück zu deiner Bertha!
Nun höre: Hier übergebe ich dir die Schlüſſel zu allen Räumen der Burg. Der iſt der Keller - ſchlüſſel; dieſer ſchließt die Vorrathskammer; der große da, ſperrt meine Caſſa. Das kleine goldene Schlüſſelchen öffnet das Schloß der Thüre dieſes Nebengemaches, welches Niemand betreten darf, als ich allein, ſelbſt mein Weib nicht; denn ich habe darin Koſtbarkeiten aufbewahrt, die kein Menſch ſehen darf, den ich nicht ſelbſt einlaſſe. Wage es nicht, etwa aus Neugierde aufzuſchließen und in das Gemach einzudringen! Selbſt dein Leben könnte in Gefahr kommen. Merk’ dir’s wohl! Keine Neugier! Unterdrücke den erſten Gedanken der Verſuchung, welcher in dir auftauchen wollte! — Denk daran!
O, wie kannſt du befürchten, daß ich deinen Be - fehl nicht genau befolgen werde? Jch bin gar nicht neugierig! Was geht mich dieß Gemach mit all ſeinen Schätzen an? Du biſt mein einziger Schatz!
Gut, wenn’s dabei bleibt; allein du könnt’ſt dennoch in Verſuchung gerathen.
Nichts mehr davon! Verlaſſe unbekümmert die Burg. Jch werde genug zu thun haben, alle an - dern Schlüſſel zu gebrauchen und überall in der Burg nachzuſehen.
Thu’ das, bald bin ich wieder hier. Leb’ wohl!
Laß dich hinab begleiten, lieber Mann?
Das iſt aber curios! Geſtern hat er ſeine Bertha entführt, heut’ Nacht hat er ſich einen Rauſch an - getrunken und jetzt in allerfruh reit’t er ſchon wie - der davon. Mir iſt’s recht. Jch werde mich mittler - weile an das wichtige Geſchäft der Abſtaubung dieſes Zimmers begeben. Daß wir Domeſtiken aber über - haupt abſtauben müſſen, ſind ich ungeheuer dumm. Erſtens deßwegen, weil wir lieber gar nix zu thun hätten, als Koſt und Lohn einzunehmen; zweitens, weil der Staub eigentlich überall liegen bleiben ſoll, damit169 der Menſch alleweil die Erinnerung vor Augen habe, daß er ſelber nix als Staub und Aſchen iſt. Meine muraliſche Betrachtung geht aber dahin aus:
Da heißt’s alleweil: der Casperl thut nix als ſaufen, ja — weil niemand den wahren Grund dieſer meiner unausgeſetzten Thätigkeit einſieht. Das Trinken oder Durſtlöſchen iſt eigentlich nur das memento muri, daß der Menſch Staub iſt und170 wieder Staub wird, alſo iſt nach ſaufologiſchen Grundſätzen das Trinken die Staubbewußtſeinser - innerungsangelegenheit, folglich: je mehr Einer trinkt, deſto muraliſcher iſt er. Wenn Jhnen das nit ein - geht, ſo — kann ich Sie nur bedauern und muß Jhnen meine ſtille Verachtung zeigen. — Da kommt die gnädige Frau!
Ah, du biſt ein fleißiger Diener, Casperl. Du reinigſt das Gemach.
O ſehr! Dieſer Staubbeſen kommt den ganzen Tag nicht aus meiner Hand. Er iſt gleichſam das Zunftzeichen und die Standarten meines Lebensbe - rufes —
ſo lang mich mein Herrſchaft ſieht.
Aber wie ich bemerke, haben ſich Euer Gnaden auch ſchon fleißig umgethan im Hausweſen.
Als Hausfrau muß ich doch Einſicht nehmen von Allem, was ich zu verwalten habe.
Und der ungeheure Bund Schlüſſel! Wird er Jhnen denn nit zu ſchwer?
Ha, ha, ha! wie könnten einer guten Hausfrau ihre Verpflichtungen zur Laſt werden?
Da ſchauen ’S einmal! Was iſt denn das für ein wundernettes goldenes Schlüſſerl? Das gehört gwiß zum Geldkaſten, wo die Dukaten drin liegen.
Das iſt der einzige Schlüſſel, von dem ich keinen Gebrauch machen darf.
Oho? wär nit übel! Ja warum hat ihn nach - her der g’ſtreng Herr Ritter nit lieber in ſei’m Gilettaſchl b’halt’n?
Das iſt ſeine Sache. Er will es einmal ſo.
Das ſcheint mir eine reine Schicanederie und eine Buleidigung, grad ſo, als wenn mir Einer ein’ Bierkrug zum Trinken vorſetzen thät, in dem Nix drin wär. Eine Buleidigung und Blamaſch! Das thät ich einmal nit leiden.
Der Schlüſſel ſperrt dieß Seitengemach auf, in welches weder ich noch ſonſt Jemand hineindarf.
Das hielt ich nit aus, wenn ich den Schlüſſel dazu hätt! So jetzt machen ’S was wollen. G’hor - ſamer Diener.
Eigentlich hat Casperl ſo unrecht nicht. Es iſt in der That eine Kränkung für mich und Mangel an Achtung, die mir mein Gemahl ſchuldig iſt.
Und was könnte denn wohl in dieſem geheimen Zimmer ſein, welches ſelbſt die Hausfrau, die Ehefrau nicht betreten darf? Pure Männerlaune! Jch werde gewiß ſtets meine Pflichten als Gattin ſtreng erfüllen; ob es aber auch zu ihnen gehört, Launen und Willkür zu ertragen, das iſt wohl ſehr die Frage. — — Ein geſchloſſenes Gemach! Vielleicht mit alten Tabakspfeifen gefüllt, abgeleg - ten Kleidern und dergleichen?
„ Koſtbarkeiten, ‟ ſagte er im Weggehen! Was für Koſtbarkeiten? — — Nein, es iſt eine Quä - lerei, eine Tyrannei meines Mannes, die ich am erſten Tage unſere Ehe nicht dulden kann, nicht dulden darf; denn wie ging’s dann vielleicht weiter mit mir? Seine Tyrannei würde zunehmen von Tag zu Tag und ich wäre dann bald nicht mehr173 Blaubarts Gattin, ſondern ſeine Sklavin. Neu - gierde! — Was Neugierde? Jch bin gar nicht neu - gierig; allein wenn es meine Weibesehre und Würde betrifft, müſſen alle Rückſichten in den Hin - tergrund treten. Jch will nur ein bischen durch’s Schlüſſelloch gucken.
Vielleicht bekomm ich Etwas zu ſehen von den einfältigen, geheimen Koſtbarkeiten.
Jch kann nichts unterſcheiden; es iſt mir wie ein Nebel vor den Augen. Das iſt ärgerlich, ſehr ärgerlich! Nun, was wird’s denn ſein, wenn ich geöffnet und mich ein wenig umgeſehen habe in dem Tempel des Heiligthums. Jmmer und immer müſſen die Männer ſich Etwas vorbehalten. Es iſt wirk - lich ſchändlich, wie ſie uns Frauen behandeln! Ge - rade als wenn wir nur Mägde wären.
Komm nur liebes goldenes Schlüſſelchen; du ſollſt nicht umſonſt mit den Uebrigen am Schlüſſel - ringe hängen. Laß einmal ſehen!
Wird mir doch ganz ſonderbar zu Muth. Blaubart hat mir’s ſo ſtreng unterſagt. Warum? War es nothwendig? Hätte er nur den Schlüſſel bei ſich behalten! — es iſt und bleibt eine grau -174 ſame Männerlaune! Jch wag’s und habe ein Recht dazu.
Herr im Himmel! ich bin verloren! — Weh mir! weh mir!
— — — Wie iſt mir? War’s ein Traum? Was hab’ ich geſehen? Es iſt fürchterlich! die Leichen meiner Vorgängerinnen an der Wand hangen! zu ihren Füſſen ihre Köpfe! Alles voll Blut! Schauerlich! Schauerlich!
Ach! Blaubart kömmt! Was fang’ ich an? — — zuſperren, zuſperren! — Wenn er mich in dieſem Zuſtande findet! wo iſt der Schlüſſel? wo? wo? — Jch hab’ ihn fallen laſſen. Schnell, ſchnell, daß ich wieder zuſchlieſſe! —
Da iſt er — aber blutbefleckt! Raſch die Thüre zu!
Er kömmt! weh mir! ich muß Faſſung gewinnen.
Heda! wo iſt mein Weib! Bertha, Bertha! — Warum iſt ſie nicht hier? — — Will doch ſehen, ob auch ſie mich getäuſcht hat. Du ſanftes Täub - chen nicht wahr mein Geſchäft war bald abgemacht;175 vielleicht zu früh für dich?
Bertha, liebes Weibchen, komm doch in die Arme deines Gemahls.
Ei, ſchon zurück, lieber Blaubart?
Ja, liebes Weibchen! Als ich ein paar Stun - den geritten war, kam mir ein Bote entgegen, der mir die Kunde brachte, daß das Geſchäft abgemacht ſei und daß man meiner Gegenwart nicht mehr be - dürfe. Da bin ich denn heimgejagt, um baldigſt bei dir zu ſein.
O, wie freut es mich, daß du wieder da biſt!
So, ſo? Aber du biſt ſo ſonderbar. Biſt du vielleicht nicht ganz wohl? du ſiehſt blaß aus, als wärſt du krank.
O nein, ich bin ganz wohl und es fehlt mir gar Nichts, lieber Mann.
Du zitterſt am ganzen Leibe. Haſt du Fieber?
Nein, es iſt die freudige Ueberraſchung, die mich bewegt, dich ſo bald wieder zu ſehen.
Eine curioſe Art, ſich zu freuen.
Gib mir die Schlüſſel zurück.
Hier ſind ſie.
Es ſind nicht alle.
Jch wüßte nicht, daß Einer fehlte.
Wo iſt der goldene, der dieß Gemach aufſperrt.
Er muß dabei ſein.
Er iſt nicht dabei. Her damit!
Ei, ja, ich hatte ihn bei Seite gelegt, weil du befahlſt — — — hier, da — —
Was ſtotterſt du
Wie? Ein Flecken darauf?
Ein Flecken? ich wüßte nicht wie?
Ha, Schlange! ich weiß es! du warſt un - gehorſam, du warſt neugierig, du haſt das Gemach betreten, haſt das Schickſal derjenigen geſehen, wel - chen du nun folgen ſollſt. Weh dir, Treuloſe! die Strafe, iſt verhängt. Morgen wirſt du ſterhen!
Jetzt heißts den Kopf hängen! Arme Bertha! Unglückliche gnädige Frau! Nein, daß ich in einem ſolchen Trauerſpiel mitſpielen müßt’, das hätt’ ich niemals geglaubt! — Jch lauf davon! das heißt: ich thät’s, wenn ich könnt, aber der Kerl laßt mich nit fort; eher ſchlagt er auch mich noch todt, wie er’s jetzt ſeiner Frau angekündigt hat. Sein großes Ritterſchwert hab’ ich ihm ſchon ſchleifen müßen heut. Das gibt eine furchtbare G’ſchicht! Wenn die nicht vor’s nächſte Schwurgericht kommt, ſo iſt keine Ge - rechtigkeit mehr auf Erden! — Auweh! da kommt ſie ja ganz erbärmlich!
Jch glaub’s gern. Jch geh, das halt ich nicht aus.
Arme Schweſter! ſetze dich hier, du kannſt ja kaum weiter.
Den Tod vor mir! Furchtbares Schickſal! Solch’ eine grauſame Strafe für ein kleines Ver - gehen!
Siehſt du nun, wohin dich deine romantiſche Entführungs-Geſchichte gebracht hat?
O ſchweige! Jn dieſem Augenblicke —
Verzeih mir. Habe Muth, liebe Schweſter! Mein Brief an Hugo von Hohenfels iſt jetzt in deſſen Händen. Bald wird der Retter deines Lebens hier ſein.
Gebe es Gott! — Wenn nicht, ſo muß ich ſterben.
Wenn die Stunde naht, welche Blaubart als deine letzte beſtimmt hat, werde ich mich auf jenen Söller begeben, um die Straffe zu beobachten, auf welcher Hugo mit ſeinen Reiſigen hieherreitet. Viel - leicht wird es dir möglich, dir von deinem grau - ſamen Gatten Aufſchub zu erflehen, bis die Retter da ſind und er es nicht mehr wagen wird, dir ein Leid zu thun.
Blaubart wird aber alle Zugbrücken aufziehen und alle Thore ſchlieſſen laſſen. Niemand wird in die Burg eindringen können.
Der gute Casperl hat mir verſprochen, das kleine Pförtlein aufzuſchlieſſen, zu welchem eine geheime Hintertreppe führt. Da herein wird Hugo hieher gelangen.
Gebe es der gütige Himmel.
Weh mir! Blaubart! — Entferne dich ſchnell und verbirg dich auf dem Söller.
Leb wohl! theuere Schweſter!
Leb wohl! — —
Noch eine halbe Stunde — — zur Ewigkeit!
Jch weiß es.
Wenn du willſt, kannſt du jetzt noch in die181 Burgkapelle gehen, um dich auf den Tod vorzube - reiten.
Wenn du ein menſchlich Herz haſt, ſo erbarme dich mein! Jſt denn mein Verbrechen ſo groß, daß es wirklich mit dem Tode beſtraft werden muß? Ein Augenblick weiblicher Schwäche!
Es bleibt dabei. Neugierig warſt du, unge - horſam warſt du — und dieß ſchon am erſten Tage unſeres ehelichen Lebens. Was hätte ich am zwei - ten, dritten und in folgenden Tagen zu erwarten? Blaubart kennt kein Mitleid, wenn er einmal Strafe beſchloſſen hat. Gerade ſo wie du, haben es deine Vorgängerinen gemacht. Keine — wie du — hat die Prüfung beſtanden. Deßhalb mußten Alle, Alle durch mein Schwert ſterben. Jch übe mein Haus - recht; wer hindert mich daran?
Erbarmen, Erbarmen! Jch will dir in der Zu - kunft beweiſen, daß ich deine Befehle zu achten weiß. Schone meiner!
Nichts da! Was nützen mich Verſprechungen für die Zukunft? Leere Seifenblaſen ſind es. Jch halte182 mich an das, was geſchehen iſt. Hätteſt du es zu - vor bedacht und darnach gehandelt. Es iſt zu ſpät. Blaubart ſagt es: es bleibt dabei! Fort in die Kapelle; wenn die Glocke ertönt, ſo komm wieder hieher. Es iſt das Zeichen zum Vollzuge der Strafe. Hörſt du?
Jch höre. Gott ſtärke mich!
Caspar! Caspar! Wo ſteckt der Burſch?
Da bin ich, g’ſtrenger Ritter.
Sind meine Befehle vollzogen?
Ja, Alles iſt verlogen.
Die Brücke aufgezogen?
Die Stücke aufgebogen.
Die Thore geſperrt.
Die Ohren aufgeſperrt.
Daß Niemand in die Burg kann, bis ich wie - der zu öffnen befehle! Auf den öſtlichen Thurm ſoll die ſchwarze Fahne aufgepflanzt werden.
Auf’m Thurm kann man ja nir pflanzen, die Rahnen muß man im Garten pflanzen.
Jetzt geh! der Caſtellan ſoll läuten!
Ha! ich dürſte nach Blut! Nun ſoll mein Kunſt - cabinet wieder um eine Figur vermehrt werden. Sechs hängen ſchon oben; jetzt kömmt die ſiebente dazu. Soll’s etwa gar ein Dutzend abgeben nach und nach?
Das Zeichen!
Mein Schwert!
Anna, theure Anna! ſiehſt du nichts?
Nichts, Nichts, Schweſter, ſeh’ ich als den Staub der Sonnenſtrahlen und das Gras an der Heer - ſtraße vom Wind bewegt!
Weh mir! — ich bin verloren!
Dein Richter naht! Faſſe dich!
Nur einen Augenblick noch, ich beſchwöre dich!
Noch fünf Minuten, dann iſt die Zeit um.
Anna, Schweſter! ſiehſt du noch Nichts?
Was ſoll deine Schweſter ſehen?
Nichts, Nichts, Schweſter, ſehe ich, als den Staub, den eine Heerde Schafe aufwühlt!
Weh mir! ich bin verloren!
Es iſt der letzte Augenblick. Nur noch zwei Minuten.
Anna, liebe Anna! ſiehſt du noch Nichts?
Was, in drei Guckucks Namen — was ſoll deine Schweſter ſehen?
Jch ſehe, ich ſehe — gütiger Himmel er iſt’s!
Hülfe! Rettung!
Wer iſt’s
Faſſe dich!
Was gibt’s? Was bedeutet des Wärters Zeichen?
Hölle und Teufel! wer wagt’s? Verrätherei!
Fluch dir, elender Mörder!
Verdammt!
Stirb! Teufel von einem Menſchen!
Weh! ich bin zum Tod getroffen!
Der Himmel hat gerichtet! Bertha du biſt ge - rettet.
Wie iſt mir? Wo bin ich?
Jn den Armen deines Hugo, den du verſchmäht haſt.
O nein, o nein! Jch gehöre meinem Retter auf ewig.
Dank dem Himmel, theure Schweſter! — Wo iſt aber der ſchändliche Blaubart?
Den hat der Teufel g’holt! — Vivat hoch der Herr Ritter Hugo von Hohenfels und Fräulein Bertha ſollen leben hoch! hoch! dreimal hoch!
Dieſe Geſchicht iſt zwar gut ausgegangen; aber wer weiß, was ein Andermal geſchieht, wenn man der Neugierd nicht widerſtehen kann? Nehmen ’S Jhnen’s zur Lehr, und jetzt gehen ’S nach Haus und legens S’ Jhnen in’s Bett!
Jch wünſch recht gute Nacht!
Porträtmaler.
ſein Farbenreiber und Stiefelwichſer.
die ſich malen laſſen will.
Tauſendſchlipperement, iſt das eine Arbeit! da bin ich ſchön ankommen! hab ein Purträtmaler werden wollen und bis dato hab ich’s nur zum Farbenreiber bracht! die Kenntniß der Farben, ſagt mein Herr, das iſt die Hauptſach! biſt du einmal mit den Farben vertraut, dann kannſt du weiter ſchreiten! — Jetzt reib ich aber ſchon drei Jahr und’s iſt mir alleweil roth und blau vor’n Augen, daß ich nächſtens einmal blind werd. Jch hab’s ſatt.
Aha! kommt vermuthlich eine Kundſchaft, die ſich abportrutiren laſſen will. Gut und grad recht! Mein Herr bleibt den ganzen Tag aus bei der großen Künſtlerfeſtivität, die’s dem Landſchaftsmaler Eichbaum geben, weil er einen Orden kriegt hat. Nun werd’ ich als Künſtler auftreten und meinen Prinzipal den berühmten Purträtmaler Schmier - pinſel vorſtellen; laß mir aber gleich vorher Etwas auf die Hand geben, denn das iſt die Hauptſach dabei. Alſo Kurag’ Casperl! Herein, herein!
Habe ich das Vergnügen, den berühmten Herrn Schmierpinſel zu treffen?
Ja und vielmehr ſehr ja allerdings! Jch bin nicht ſo faſt Schmierpinſel als berühmt und deß -191 halben zu einem ſo außerordentlichen Renomage gelungen, daß ich alle diejenigen für ungeheuer dumm zu halten Gelegenheit gefunden habe, die ſich nicht von mir haben ab - und anſchmieren laſſen.
Welch’ ſprudelnde Genialität! eigen - thümlich und originell!
wie ſehr bin ich erfreut, den größten Künſtler ſeines Zeitalters kennen zu lernen!
Dünſtler hin, Dünſtler her! Mein Beſtröben geht vorzüglich da hinaus oder vielmehr da hinein, wo das Bedürfniß zur Menſchheit ſpricht und der Ver - ſtand ſtill zu ſtöh’n anfangen möchte! Jch bin nehm - lich ein Genie! — Aber, was ſteht Jhnen zu Dien - ſten, Madame!
Jch wünſche mein Porträt von Jhrer Meiſter - hand ausgeführt.
Jch bedauere Sie nicht ausführen zu können, denn ich muß zu Haus bleiben; allein —
Sie ſcherzen!
Jch ſchwärze nicht; denn man braucht auch an - dere Farben zum Malen als ſchwarz, inſoferne der Purträtgegenſtand nicht ein afrikaniſcher Mohr iſt.
Wie liebenswürdig humoriſtiſch! —
Wann könnte ich die erſte Sitzung haben?
Die erſte Schwitzung können’s gleich jetzt anfan - gen. Platzen Sie ſich nur gefälligſt auf dieſen Stuhl - ſeſſel.
Jn welcher Stellung werden ſie mich auffaſſen?
Erſtens in keiner Stellung, weil ſie nicht ſtehen, ſondern ſitzen, und zweitens weder auffaſſen noch viel weniger anfaſſen.
Jch meine: welche Poſition Sie wählen?
Nir Opoſition, da wird nir draus!
Verſteh’n Sie mich denn nicht, als Mann vom Fach? — Von welcher Seite werden Sie mich malen?
Jedenfalls von vorn.
Sonderbar! Jeder Künſtler muß doch ſeinen Sparn haben!
Was? zum Rarren haben? das verbitt’ ich mir.
Verzeih’n Sie, Herr Schmierpinfel; Sie haben mich mißverſtanden.
Wenn Sie eine Miß ſind, ſo müſſen Sie jeden - falls eine Engländerin ſein und die können recht blechen, was mir ſehr angenehm iſt — — Oha! jetzt hätt’ ich mich beinah verſchnappt!
Wie meinen Sie das?
Nemlich ſo oder ſo: Vor ich zu malen anfang, werd’ ich Sie um einen baaren Vorſchuß für Far - ben, Leinwand und Terpentinöl erſuchen; ſonſt fang’ ich gar nicht an.
Zweifeln Sie an meiner Nobleſſe?
Robleß hin, Robleß her! das iſt einmal bei mir der Brauch, wenn ſich Jemand will malen laſſen.
Es kömmt mir darauf nicht an. Wie viel wün - ſchen Sie?
Zwölf Paar Bratwürſt machen 48 Kreu - zer, 8 Maß Bier — 45 Kreuzer, 6 Batzenweckeln 24 Kreuzer, 2 Pfund Käs 32 Kreuzer — und noch was dazu —
no geben S’ mir halt fünf Gulden.
Ein ſonderbarer Menſch! Mit Künſtler - Naturen muß man Nachſicht haben.
Hier haben Sie zwei Ducaten!
Juhe! —
Verzeih’n S’ Madame; es kommt mir manchmal ſo ein luſtiger Humor an.
Sie ſind eben ganz Naturkind, Künſtler in ur - ſprünglicher Originalität.
Meine Uhr hat keinen Sprung; denn ich bin195 Nichtbuſitzer einer Uhr. — doch, wenn’s gefällig iſt, ſo wollen wir anfangen.
Vermuthlich werden Sie mich zuvor ſkizziren?
Wie? ſprizziren? Wir malen nicht mit Spritzen, ſondern mit Bemſeln.
Nur gemeine Zim - meranſtreicher budienen ſich bisweilen der Spritze zum Marmoriren.
Machen Sie einſtweilen den Contur?
Das begreift ſich, daß ich Sie nicht ohne Montur purträtire.
Wie finden Sie mein Profil?
O, ſehr viel!
Man hat mir ſchon öfters das Compliment ge - macht, ich hätte ganz griechiſche Züge.
O ja! wenn die Falten, die Sie im Geſicht haben, griechiſch ſind, ſo hab’ ich nix dagegen.
Jhr Künſtlerhumor fängt an, etwas inſolent zu werden!
Jnſolvent bin ich immer; denn ich hab nie ein Geld.
Laßen Sie mich doch einmal den Entwurf ſehen.
Schändlich! ſchändlich! — das iſt empörend! Wie konnten Sie es wagen — —?
Halten Sie’s Maul, Madame! Mein Vorſchuß hab’ ich und jetzt können’s abmarſchiren!
Jhr Benehmen iſt unerhört!
Für die Abſchlagszahlung dank ich!
Hülfe, Hülfe!
So, die hat ihr Purträt und ich meine Ducaten. 197Jetzt nur gleich in mein eigentliches Attulier — nem - lich in das Wirthshaus! Unterdeſſen kommt wohl mein Herr nach Haus und wird ſeinen Künſtlerfeſt - rauſch ausſchlafen. Juhe! Prrrrrr!
Der Gram tödtet mich noch! Jch möchte vor Neid berſten! dieſen Eichbaum ſo zu erheben! Ein Landſchaftsmaler, der nur Ochſen und Schafe als Staffage malt, während ich die menſchliche Jn - dividualität wiedergebe! O es iſt ſchändlich! Eich - baum mit dem Verdienſtorden des „ goldnen Pinſels ‟ geſchmückt und ich noch nicht! Vergebens alſo habe ich die Frau Miniſterin mit ihren vier häßlichen Fratzen gemalt! vergebens den alten Präſidenten mit ſeiner Burgundernaſe um einen Spottpreis! Alles umſonſt! und dieſer Eichbaum iſt durchgedrungen! Ha! vermuthlich weil ſeine Schweſter Kammerjungfer der Miniſterin iſt. So ſind aber die Menſchen! Wahres Verdienſt, ächte Genialität überſehen ſie aus Nebengründen; Mittelmäſſigkeit, die ſich zu ſchmiegen weiß, erheben ſie! Jch möchte meine Pal - lette zerbrechen und meinen Pinſeln oder mir ſelbſt die Haare ausreiſſen!
198Weh mir! in dieſer Stimmung einen Beſuch! — Herein!
Wen habe ich die Ehre, bei mir zu ſehen?
J-i-ich bin der Po-po-po-lizei-Commiſſär Ka - ka-ka-karrnpi-pi-pi-pi-pichler.
Was ſteht einer hohen Polizei zu Dienſten?
Ma-ma-ma-man hat in Erfa-fa-fahrung ge - brrr-racht, da-da-daß Sie eine Da-da-da-dame mißhandelt haben.
Wie? ich — eine Dame mißhandelt? Wie kann die Polizei ſo Etwas von mir muthmaßen?
Das Ge-ge-ge-richt mu-mu-mu-muthmaſſet nie, es weiß Alles gewi-wi-wi-wiß! Ma-ma-man hat A-A-A-Anzeige erhalten.
Wer hat es gewagt mich zu verläumden? ich bitte um Beweiſe.
Die Be-be-be-Beweiſe ſind, daß die Da-Dame ſelbſt Anzeige gema-ma-macht hat und einen E-e - e-eſelskopf in die A-A-A-Amtsſtube gebracht hat!
Was habe ich mit dergleichen zu thun? Was geht das mich an, wenn eine Dame mit einem Eſels - kopf auf die Polizei kömmt?
Die Dame behaupte-te-te-te-te-te, daß Sie die - ſen E-e-ſelsko-ko-kopf als ihr Porträ-trä-trä-trät gemalt und ſie dann zur Thü-thü-thü-Thüre hin - ausgewo-wo-wo-worfen haben, und ich bin beauf - tragt, Sie deßwegen zu arre-re-re-re-retiren.
Der Herr Po-po-po-po-polizei-Direkto-to-to-tor wird ſelbſt die Co-co-co-co-confronta-ta-ta-ta-tion vornehmen.
Gut, ich bin bereit. Gehen wir!
Unter allen Künſten iſt doch die Trinkkunſt die erſte, denn bei der geht Alles in den Menſchen hin - ein und man hat Etwas davon und müd wird man auch nit dabei. Ma’ ſetzt ſich ruhig nieder200 und trinkt nacheinander ſtill fort und wenn der rechte Arm vom heben müd wird, ſo nimmt man den linken, und ſo kann Einer alleweil abwechſeln! Wenn’s für die Kunſt eine Belohnung gäb, da be - käm’ ich gewiß den erſten Preis; aber das iſt noch keinem Potentaten eing’fallen, eine ſolche Kunſt zu be - lohnen! dieſen Hebel der Jnduſtrie läßt man unbe - lohnt! Wenn aber die Kunſt verloren ging, nach - her möcht’ ich wiſſen, wie’s mit Wein - und Bier - fabrikanten ſtünd! Jch werd über die G’ſchicht eine Ab - handlung ſchreiben und die ſchick ich an eine Nudl - verſität ein; vielleicht haben die Herren doch ein Ein - ſehen und geb’n mir a Prämie. Jch hab ſchon oft g’hört, daß die Profeſſoren ſelber der Kunſt nit Feind ſind, wenn’s d’rauf ankommt. Aber wenn ich nur’s Schreiben könnt’! Da laßt’s mich ſitzen. So muß ich halt meine gelehrte Abhandlung Je - manden dictiren. Der Hausknecht vom „ ſilbernen Kübel ‟ drüben, der kann ſchreiben und hilft mir ſchon aus der Noth!
Aha, mein Herr! G’horſamſter Diener. Wie ha - ben’s Jhnen unterhalten beim Künſtlerfeſt?
Nichts davon. Jch habe mit dir ein Wörtchen zu reden.
No, ſo reden S’ halt. Wir haben ſchon oft miteinander discurirt.
Was haſt du wieder getrieben, während ich fort war?
Laß deine Späße! Jch weiß Alles.
No, wenn S’ Alles wiſſen, warum fragen S’ nachher?
Welch’ empörendes Benehmen hinter dem Rücken deines Herrn!
Hinter Jhrem Rücken war ich gar nit; während Sie gegeſſen und getrunken haben, hab ich g’hungert und gedurſt’t; denn wenn ich hinter Jhren Rücken g’weſen wär’, ſo hätten S’ mir vielleicht auch ein’202 Biſſen oder ein’ Schluck zukommen laſſen, alſo hab’ ich aber hinter Jhrem Rücken gar Nix anfangen können, weil ich Jhren Rücken gar net g’ſehn hab. Das iſt eine pure Verläumdung hinter ſeinem Rü - cken ſo einen treuen, ordentlichen Dienſtboten, wie ich bin!
das hab ich nicht verdient, das thut mir weh.
Es kann aber nicht anders ſein. Wer ſollte denn in meiner Stube geweſen ſein, als du?
Jch weiß gar Nix, als daß ich ein armer, ver - ſtoſſener Dienſtbot bin. Jch kann bei Jhnen nimmer bleiben.
Aber Casperl, ſei geſcheit! War denn während meiner Abweſenheit nicht eine Dame hier?
Ja!
Und was iſt geſcheh’n?
Jhr Purträt hab’ ich gmacht.
Aha! jetzt kommt’s heraus!
Was kommt heraus?
Deine Narrheit, deine Grobheit!
Oho! ’s iſt erſt die Frag: wer grob war. Meine Höflichkeiten nehmen die Leut halt für Grobheiten, das iſt nit meine Schuld.
Kurz und gut. Man wird deinen Schlingeleien und Flegeleien ein Ende machen. Jch erwarte den Herrn Polizeicommiſſär und der wird ein Protokoll mit dir aufnehmen und du wirſt der Strafe nicht entgehen.
Mir iſt’s recht; denn ich bin unſchuldig.
Das wird ſich zeigen.
Jetzt heißt’s Schläg kriegen, oder ſich ’rauslügen; und geht’s gar nit, ſo ſchlag ich den Commiſſarius todt und lauf nachher davon. Da kommt er ſchon!
Ah, Monſieur Casperl, ko-ko-ko-kommen wir wie-wie-wie-wieder einmal zuſammen?
Freut mich ungemein;
der Kerl red’t aber!
Jch we-we-werde jetzt ein Prrrrrrotokoll auf - nehmen mit Jhnen.
Gut! ſo nehmen Sie halt ein Prrrrrrotikoll auf. Aber was iſt denn eigentlich ein Prrrrrrotikoll? Das müßen’s mir zuvor expluciren.
Das we-we-we-werden Sie gleich ſehen, Mon - ſieur Casperl, — wa-wa-was iſt das.
No, da bin ich aber begierig!
Zuvor Na-na-na-na-namen und Sta-ſta-ſta - ſtand.
Das verſteh ich nit.
Wie-wie-wie - Sie heißen?
Jch heiße Ca-Ca-Ca-Ca-Casperl Larifari.
La-La-La-La-Larifari. Weiter: Stand — das heißt: Wa-wa-wa-was Sie ſind?
Wa-wa-wa-wa-wa-wartens a bißl; da muß ich mich erſt b’ſinnen — — — —
Nun, wi-wi-wirds bald?
Jch bin Budldienter beim Herrn Maler Schmier - pinſel und privilegirter Farbenreiber.
Gut! — Gebo-bo-bo-boren?
Allerdings, ſonſt wär ich nicht auf der Welt.
Jch frage wo-wo-wo-wo - und wa-wa-wa-wann?
Halten’s, daß Jhnen’s Radl nit laufend wird! Jch bin ein ſogenanntes Findelkind; meinen Vater hab ich net gekannt und meine Mutter hab’ ich nit g’ſehn. Der Ort meiner Geburt liegt zwiſchen St. Niklas und Nimmermannstag, grad eine Viertel - ſtund hinter dem erſten April.
Ma-ma-ma-man verbittet ſich alle Spaſſe vor Gege-ge-gerichtsperſonen.
Jch mach aber kein G’ſpaß.
Wie-wie-wie-wie verhält ſich der Vorfall mit der Dame, die ſich bei Jhnen hat ma-ma-ma-ma - len wollen la-laſſen?
Die G’ſchicht war ſo: da hab ich einen Pinſel genommen,
und hab’n in eine Farb eintaucht
und hab die Madam abgemalt, wie jetzt den Herrn Po-po - po-polizeico-co-co-commiſſär.
No-no-no-no, wa-wa-wa-was iſt denn da-da - da-das — —?
Jetzt machen S’, daß hinauskommen, miſerabler Protokolliſt, ſonſt ſchütt ich Jhnen auch noch den Terpentin über’n Kopf!
deſſen Gemahlin.
ihre Tochter.
ein Königsſohn.
Dichter.
deſſen Diener.
Sconea.Die gute Fee,
böſe Fee’n.
Sei mir gegrüßt, o Wald romant’ſcher Dichtung, Wo myſtiſch Dunkel oder helle Lichtung Dem Eingeweihten je nach Stimmung winkt! Gegrüßt ſeid Tannengrün und ſchlanke Buchen, Bei euch will ich die inn’re Ruhe ſuchen, Wenn müd’ gehetzt der Leib auf’s Moos hinſinkt. Umarmt mich, ſchlingt um mich die üpp’gen Zweige, Wenn ich mein Haupt ermattet auf euch neige; Verſenken will ich mich in’s tiefe Grün; Zur ſtillen Klauſe ſoll der Wald mir werden, Daß ich vergeſſen kann die irdiſchen Beſchwerden, Vergeſſen all’ den Tand mit ſeinen Müh’n.
Auch recht, nun ſind wir einmal wieder im beliebten grünen Wald — immerhin eine Abwechs - lung mit dem Stubenhocken! Allein ob da heraußen14*212oder ob dort drinnen, überall ſperren wir das Maul auf. Jhr, mein theurer Herr, um Lieder zu ſingen, ich meinerſeits um, in Ermanglung von etwas Anderem, Mücken zu ſchnappen. Vielleicht fallen mir hier doch ein paar reife, lebensmüde Haſelnüſſe in den Rachen, die einigermaßen meinen ausgehungerten Verdauungs - Werkzeugen Beſchäftigung geben. Was hab ich an Euern ſchönen Poeſien? Das ſind nur Luftbilder und Träume, von welchen kein mit Vernunft be - gabtes zweibeiniges Thier ſatt wird!
Weh mir! unſäglich iſt mein inn’res Leiden, Vergebens ſuch’ ich längſt nach einem Stoff, Nach einem Stoff, der ſich zum Drama eignet; Bisher ſchuf ich nur immer Lyriſches: Sechs Bände liegen auf in allen Laden, Doch hat der Leſekreis längſt g’nug daran; Dramatiſches verlangt von mir die Welt, Und bring’ nicht bald ein Stück ich für die Bühne, So iſt’s geſcheh’n um meinen alten Ruhm. Schon will der Kranz auf meinem Haupte welken, Ein Blatt um’s andere wird dürr und bleich, Und endlich ſteh’ ich da mit kahlem Scheitel — Wohl ſelber gar vergeſſen und vergriffen!
Das war einmal ein vernünftig Wort! Der Stoff, ja der Stoff! der iſt und bleibt die Haupt - ſache. Allein unſere Anſichten darüber ſind ſehr ver - ſchieden. Mit Euerm Stoff locke ich keinen hungrigen Hund unter dem Ofen heraus; aber mein Stoff - begriff iſt praktiſch. Stoff, wie ihn unſer lieber Herrgott geſchaffen hat; Stoff der zur Erhaltung der Menſchheit da iſt: Eßbares, Trinkbares und dergleichen. Jch will Euch Euern Stoff laſſen, laßt Jhr mir den Meinen, oder gebt mir vielmehr Solchen. Aber Euch ſcheint der Stoff in jedweder Beziehung ausgegangen zu ſein; denn wir hungern alle zwei, ſo daß wir nächſtens zum Urſtoff zurück - kehren und Speiſe der Würmer werden, wenn es nicht bald anders kömmt. Jch halt’s nicht mehr aus; ich werd’ ſo dünn wie ein Blatt Papier; dann könnt Jhr wirklich auf mich ſelbſt einen Reim ſchreiben.
Wohin, wohin ſoll ich das Dichterauge wenden? Hiſtoriſches iſt ziemlich abgethan; Verlaſſen iſt auch der romant’ſche Boden, Man liebt die Märchen nimmer und dergleichen; Hat Claſſiſches ſich nicht auch überlebt,214 Seit Göthe ſeine Jphigenia ſchrieb? Der Dichter ſoll nach Realiſtik greifen Und auf culturhiſtor’ſchem Felde ſchweifen. Woher dieß nehmen, da die Phantaſie, Gewohnt in duftigen Räumen aufzuſchweben, Nicht gern den Pegaſus zur Erde ſenkt Und lieber ihn durch lichte Höhen lenkt? Jhr Muſen und ihr Nymphen dieſes Haines, Die ihr im Abendgolde über Wieſen ſchwebt, Helft, wenn ihr je den euern mich genannt, Wenn ihr mich je als Dichter habt erkannt!
Da geht er wieder! Wenn es aber ſo fort geht, ſo geht mir die Geduld aus, und ich werde aus dem Dienſt gehen. Wär er mir nicht den Lohn ſeit zwei Jahren ſchuldig, ſo wäre ich ſchon längſt wieder mein eigener Herr und könnte mich auf mich ſelbſt verlaſſen; allein beſagter Umſtand verſetzt mich in die Nothwendigkeit, als ein lebendiges Schulden - regiſter ihm auf allen Schritten zu folgen und mich an ſeinen poetiſchen Brocken zu nähren, die er hie und da fallen läßt. Nun will ich unter einem ſchat - tigen Buſche meinen alten Freund den Schlaf ſu - chen, damit er mir meinen Erzfeind den Hunger215 vertreibe; bisweilen aber hält der leere Magen Schild - wache und läßt den Freund nicht herein! O Elend und Jammer! Und dieß ſoll die Poeſie des Lebens ſein, daß immer Etwas zu hoffen bleibe! Mit der Hoffnung aber hat ſich noch kein Menſch auf Erden ſeinen Hunger g’ſtillt!
Wiltrud, auch du biſt nicht zum Feſt geladen?
Wie du! Man hat uns Beide, ſcheint’s, ver - geſſen.
Ei was, vergeſſen? nein! man hielt uns zu gering.
Sind wir nicht auch ſo gut wie all die Andern?
Jch meint’ es wohl: denn als zu der Berathung Auch wir zum König waren eingeladen Mit allen Fee’n des Landes, auszuſinnen Ein Mittel, daß ein Kind ihm werd’ geboren, Weil die Frau Kön’gin keine Hoffnung gebe — —
Als mit den And’ren wir zu Rathe ſaßen, Ward unſ’re Stimme wichtig auch befunden. Jch rieth zu jenem Kraut — —
Und ich, du weißt es, Lieh meinen mag’ſchen Stein, bewährt nicht ſelten Zum Segen für die kinderloſen Eh’n.
Nur, weil wir Feeen ſind des zweiten Ranges, Hielt man uns ferne von dem Jubelfeſte, Wo nun die And’ren alle ſich ergötzen, Für ihre Künſte Huldigung empfangend.
So iſt’s und ungeſtraft ſoll dieß geſcheh’n? Was meinſt du?
Zum Geſpött ſind wir den And’ren, Daß uns der König Purpur nicht geachtet; So mög’ entgelten er’s an ſeinem Kind. Beſchenkt ward’s Töchterlein, das heißerſehnte, Mit vielen Gaben von den Zauberinnen. Nun wohl! da wir zum Feſt nicht ſind geladen, Laß uns ſtatt Segen Fluch als Weihe ſpenden!
So ſei’s und ſorgſam wollen wir’s bedenken. Jn meine Höhle komm, dort das Orakel Des alten Satanas klug zu befragen. Den Keſſel füllen wir mit giftigen Kräutern, Mit Schlangenfett und Salamandergeifer.
Ein Büſchel Haar’ riß geſtern ich am Galgen Vom Haupte dem Gehängten und dem Mägdlein, Das ſich aus Gram ertränkt, ſchnitt aus dem Leibe Das Herz ich, zwei bewährte Zaubermittel, Des Teufels Spruch aus Giſcht und Dampf zu leſen.
Fort denn! Es mag ſich unſre Kunſt bewähren!
O Wonne! Gunſt der Muſen, ich erkenn’ es, Hat heute mich in dieſen Wald geführt. Was dieſe böſen Fee’n hier beſprachen, Jſt eines Drama’s herrliche Geſtaltung. Nun raſch der Spur nach! nimmer will ich ſäumen, Jn den Pallaſt des Königs einzudringen. 218Dort iſt der Schauplatz für die ganze Handlung; Dort muß der Stoff ſich bald zum Knoten winden!
Komm Freund, bei König Purpur mich zu melden; Jch folge dann, als Dichter angekündigt; Zum Hofpoeten mag er mich ernennen Und zum Leibnarren dich! Komm laß uns eilen!
Wie? mich zum Narren? mich traurige, aus - gehungerte Figur? die beiden Heren haben ihn när - riſch gemacht, wie es ſcheint. Allein — — dennoch wär’s zu bedenken. Ein würziger Rauch duftet mir jetzt ſchon aus dem Kamine der Königsburg ent - gegen. Kommt! laßt uns den Spuren des Stoffes nachgehen, denn das Schloß eines Königs muß je - denfalls in gutem Geruch ſtehen. Jch werde baldigſt mit Koch und Kellermeiſter Freundſchaft ſchließen. All’ meinen Mutterwitz will ich hervorholen, um mich dieſen beiden edlen Dienſtmannen angenehm zu machen. So wahr ich Chriſtoph heiße, man ſoll mich bald den lieben, guten Chriſtoph heißen und mich auf den Händen tragen wie einen klugen Sittich, den man mit Zucker füttert!
Wie glücklich ſind wir liebe Hermeline! Ein Kind, ein Kind liegt vor uns in der Wiege!
Wie athmet’s lieb, wie blickt es mit den Aeuglein, Wie ſchmücket Roſenduft die vollen Wangen! Dem Himmel Dank, der uns nach langem Hoffen Die Segensgabe endlich hat beſcheert.
Dem Himmel Dank, doch auch den weiſen Frau’n, Durch deren Rath und Mittel wir errungen, Wonach wir lang geſtrebt; denn was Natur Und auch Magie vermag, das boten ſie!
Bei all dem Glück jedoch, bei all der Freude Bin ich ob eines Umſtandes ſorgenvoll.
Sprich, was beengt das Herz?
Du weißt: wir dachten Der beiden Zauberfrauen nicht; Wiltrude,220 Scohlint, die luden wir zur Feier nicht, Und ihre Rache könnt’ gefährlich werden.
Ei was? wer hätt’ auch gern die böſen Weiber Bei unſerm Freudenfeſte denn geduldet? Und lobten nicht die Andern uns darum, Daß wir mit der Geſellſchaft ſie verſchont?
Doch ſie auch waren hier zu Rath geſeſſen Jm Kreis der weiſen Frau’n und ſprachen mit; So hatten ſie ein Recht auch, theilzunehmen, Als von den Zinnen Freudenbanner wehten.
Was hätten ſie gebracht? Nur Zwieſpalt, Hader! Dieß iſt ihr Element; die guten Fee’n Beſchenkten unſer Kind mit ſchönen Gaben; Was hätten jene beiden denn zu bieten Aus ihrer dunklen Höhle Zauberreich?
Wie’s immer ſein mag, mich beſchweret Angſt Und Sorge d’rum, vielleicht weil ich ein Weib bin; Als Mann magſt du dergleichen wohl bewält’gen.
Beſchwichtige dein Mutterherz; bedenke, Daß unſer Röslein ſchützt die Fee Sconea, Die Heil dem Kinde ſprach, als es erwachte Zum Leben und den erſten Lichtſtrahl ſchaute.
Verzeiht, o Herr! wenn Euch mein Eintritt ſtört Doch ihr befahlt ja, daß, man immer melde, Wenn ſich der Königsburg ein Fremder naht.
Was gibt’s?
Ein Wand’rer harret vor dem Thor, Er bittet Einlaß ſich, um euch zu huldigen. Es ſchmückt ſein Haupt ein grüner Lorbeerkranz, An ſeiner Schulter hangt das Saitenſpiel. Ein Sänger iſt’s, wie er ſich ſelber nennt.
Willkommen ſei er; ſolche Gäſte lieb ich, Und Sang und Klang kömmt mir zur rechten Stunde.
Auch folgt ein Diener ihm, ein droll’ger Kauz, Der dir als Schalksnarr gute Schwänke bringt.
So laß ſie beide ein; ich will ſie ſeh’n.
Die Fremden nah’n, ich geh’ zu unſerm Kinde, Dem lieben Röslein! und wie oft geſchieht’s! Ja nimmer müde wird der Mutter Liebe, Zu herzen und zu küſſen!
Geh, bald folg ich.
Doch zum Empfang will ich den Thron beſteigen Und mich mit meinem Purpurmantel ſchmücken; Die Krone ſetz’ ich auf und nehm’ den Scepter, Denn ſolchen Käuzen muß man imponiren. Und tritt der Dichter vor mich, um die Schläfe Den Lorbeerkranz, ziemt mir das Diadem. Die Blätter welken, doch das güldne Stirnband Trotzt auch dem Zahn der Zeit; ja, in den Gräbern Ziert noch der Könige Schädel manche Krone Und ſonſt’ger Schmuck von fürſtlichem Geſchmeid.
Jch neig’ mich ehrfurchtsvoll vor dir, o König; Und lege meine Laute dir zu Füſſen223 Greif wieder ich nach ihr, wenn du’s befiehlſt, Sei’s, um der Majeſtät ein Lied zu weih’n!
Erhebe dich, willkommen ſei! ich liebe Den Sang. Greif in die Saiten, mich zu grüſſen Nach Sänger Art.
Es ſei, wenn du’s erlaubſt!
Jhre Huldigung hat mich ſehr erfreut. Sie ſchei - nen mir ein Mann von Talent zu ſein. Wie hei - ßen Sie?
Majeſtät, mein Name iſt Lautenklang.
Ein ſchöner Name für einen Sänger! Jhr Ge - burtsort?
Eine kleine Provinzialſtadt in Deutſchland und ich bin der Sohn eines armen Schuhmachers.
Es gibt ſehr viele Schuhmacher in Deutſchland,
O ja, und auch viele Schneider aller Gattung, erhabene Majeſtät.
Schweig und rede nicht zur Unzeit.
O laſſen Sie ihn. Er iſt wohl Jhr Diener?
Zu dienen bin ich ſein Diener. Mein Name iſt Chriſtoph. Auch ich bin in einer erbärmlichen kleinen Stadt des ungeheuern deutſchen Reiches ge - boren, eine Art Abkömmling des alten Hermann, in welchem ſchon der Keim zu mir, ſeinem derein - ſtigen Enkel, lag.
Bravo, bravo! Jhr Humor gefällt mir. Waren Sie vielleicht ſchon Schauſpieler?
Ei bewahre! Unter das Comödiantenvolk miſcht ſich ein Mann wie ich nicht. Jch habe bisher nur auf der großen Weltbühne mitagirt, mitgelitten, mitgehungert, mitgedurſtet und mit meinem Herrn Stoff geſucht, möglichſt viel Stoff!
Verzeih’n Euer Majeſtät dieſem ungeſchliffenen Burſchen.
O, ich bin ein ungeſchliffener Diamant, welcher Witz bei einer Gelegenheit in einem Gedichte mei - nes Herrn vorkömmt. Hört nur:
Habt, Jhr den Witz verſtanden? — Ja, ich bin auch ein verkanntes Genie, wie der ungeſchliffene Diamant in Braſilien!
Jch bitte Euer Majeſtät das ungeeignete Be - nehmen dieſes Hanswurſten nicht zu beachten; ſoll - ten jedoch Allerhöchſtdieſelben eines Hofpoeten be - dürfen, ſo wage ich es, meine Dienſte anzubieten.
Jch bin gar nicht abgeneigt, Jhrem Geſuche Gehör zu geben, um ſo mehr da der Meiſterſänger, den ich an meinem Hofe hatte, an Mittelalters - ſchwäche geſtorben iſt; auch waren ſeine Leiſtungen nicht mehr zeitgemäß, weßhalb ich ihn längſt pen - ſionirt hatte.
Unendlich glücklich wäre ich, könnten meine ge - ringen Kräfte Eurer Majeſtät dienlich ſein. Meine Anſprüche ſind in jeder Beziehung höchſt beſcheiden.
Ei, der lügt! — Still, ſtill! Je mehr wir krie - gen, deſto beſſer!
Gut denn, es ſei! Von heut an ſind Sie in meinen Dienſten. Sie ſollen mit Jhrer Stellung zufrieden ſein. Und ihr Diener kann auch bleiben. Jch ernenne ihn zum Hofnarren extra statum.
Extra statum oder extra status, das heißt eine Extraſtatur, wohlgenährt und überhaupt gut ge - halten!
Auch Er wird zufrieden ſein. Doch verbitte ich mir alle plumpen Späſſe, denn ich dulde nur den feinen Humor.
Einen feinen Rumor hab’ ich noch nicht gehört. Wenn’s einmal wo einen Rumor gibt, da muß es ſchnallen und krachen.
Kommen Sie, Lautenklang! Jch will Sie der Königin vorſtellen. Sie können gleich Jhr Talent in Anwendung bringen und ein Gedicht auf die Geburt meiner Tochter Prinzeſſin Röslein ſchreiben.
Herrlicher Stoff zu einem graziöſen Schlummer - oder Wiegenliede!
„ Sein oder nicht ſein — das iſt die Frage. ‟ Wo wird hier zu Land ein gutes Wirthshaus ſein oder nicht ſein, in welchem man von dem anſtren -229 genden Hofleben einigermaſſen bisweilen ſtillvergnügt ausruhen kann?
Trinken, „ ſchlafen und nichts weiter?! denn wer zu viel getrunken hat, ſchlaft gern. Alſo iſt’s trin - ken ſchlafen. Daß aber „ ein Schlaf ‟ das Herzweh und „ die tauſend Stöße endigt, dieß iſt ein Ziel auf’s Jnnigſte zu wünſchen! ‟ — „ Schlafen, viel - leicht auch träumen? ‟ Neulich träumte mir, ich hätte Prügel bekommen. „ Stolze Mißhandlungen! ‟ Jch erwachte und „ ſtöhnte und ſchwitzte unter Le - bensmüh! ‟ Ha, Schickſal! „ das unentdeckte Land — nemlich das Wirthshaus — von deß Bezirk kein Wan - derer wiederkehrt ‟ ohne daß er ſeine Zeche hätte be - zahlen müſſen — dieß Land oder dieß Haus viel - mehr ſei der Zweck meiner „ Unternehmungen voll Mark und Nachdruck! ‟
O herzig Kleinod laß dich an mich drücken So inniglich! biſt ja ein Theil von mir, Das beßte wohl aus meinem eignen Jch, Ja ſelbſt mein „ Jch, ‟ gleichwie der Blume Duft, Der aus dem Kelch ſich hebt ſo würzig rein, Zu ihr gehört. Denn wär’ die Roſe Roſe,230 Haucht’ nicht ihr rother Mund ſo ſüßen Ruch? Wär’ Lilie Lilie, ſtünd ſie duftlos da? So biſt du mein und ich bin wieder dein: Ein Leben und Ein Sinn, ſchier unzertrennlich! Und doch, wie bang iſt mir, blick ich dich an Und ſchauſt du auf zu mir mit deinen Sternlein, Die aus dem Himmel mein ſo lieblich leuchten. Ein dunkler Schleier liegt auf dir, ich ſeh’s; Jch möchte weg ihn küſſen, doch er bleibt, Umhüllt die Zukunft mir in trüben Nebel. Jch fühl’ es! Drohend ſah ich jene Frau’n Vor mir ſteh’n oft in dunkler Nächte Traum!
Jch ſuchte dich, o Königin.
Hier bin ich!
Und hier ein Gaſt, der Hausgenoſſe worden: Der Dichter Lautenklang, mein Hofpoet, Mög’ er der Königin willkommen ſein.
Jſt nicht die Poeſie des Lebens Schönſtes? Sie windet Blumen in den dunklen Kranz, Der ernſt ſich oft um unſre Stirne wölbt;231 Jſt ſie nicht auch der Regenbogenſchimmer, Der düſtre Lebenswolken überſpannt?
Jhr zeichnet ſinnig, edle Königin, Jn ſchönen Bildern, was ich tief empfinde. Fürwahr, ich tret in’s Reich der Poeſie; Der Dichter hat die Heimath hier gefunden, Die er vergebens ſich ſo lang gefucht; Die Welt iſt öd’ und kalt ſind alle Herzen, Verſchloſſen höh’rem Sinn nach Jrd’ſchem trachtend.
Vortrefflich! — Ja die Kön’gin war geneigt Der Poeſie und ihren Jüngern ſtets.
Geſtattet, daß der Königin ich bringe Jn einer Dichtung meine Huldigung, Jndem ein kleines Lied ich ſchnell erſinne, Dem Kind geweiht, das auf dem Arm ſie wiegt.
Weh uns! hört ihr den Sturm ſich jetzt erheben? Wenn er dem Kind nur nichts zu Leide thut!
Grundloſes Bangen! Setzt den Sang nur fort.
Hört’s nur! ſie nah’n, die ich im Traum geſeh’n!
Wer naht? dich ſchreckt die Angſt vor dem Gewitter, Verlaß den Ort und leg das Kind zur Ruh!
Wir ſind’s, wir ſind’s, die ungebet’nen Gäſte, Die ihr vergeſſen habt bei eurem Feſte.
Wir ſind’s, wir ſind’s, zu bringen unſre Gaben; Wir bieten euch das Beßte, was wir haben.
Weh uns, da ſind die böſen Zauberfrau’n!
Wir reichen eurem Kind als Weihgeſchenk Den Fluch, dem ſeinerzeit Erfüllung folgt.
Daß Röslein ſich an einer Spindel ſticht, Wenn fünfzehn Mal der Mai ſie hat begrüßt.
Und mit dem Stich fällt ſie in tiefen Schlaf, Jhr ſelbſt auch und was lebt im Königshaus.
Ein Dornſtrauch wird umwuchern den Pallaſt: „ Dornröslein ‟ ſei fortan das Kind genannt!
Hört’s König Purpur, Königin Hermelin: Den Fluch ſchenkt euch das Zauberſchweſternpaar!
Hört’s alle, holde Mägdlein, ſchöne Frauen, Was König Purpur mich hieß kund euch thun: Von heut an darf man keine Spindel ſchauen, Und eu’re Hände ſoll’n vom Spinnen ruh’n. Jhr möget weben, ſtricken oder näh’n, Wie’s Frau’n und Fräulein ziemt, doch nie geſehen Werd’ eine Spindel mehr; ich ſag’ es zweimal euch, Damit ihr’s Alle, Alle hört im Reich. Die Rocken werft in’s Feuer und kauft den Faden Zum Linnenzeuge außer Land im Laden. Dieß iſt des Königs ſtrenges Aufgebot; Wer nicht gehorcht, den trifft alsbald der Tod. D’rum wagt nicht, etwa heimlich gar zu ſpinnen, Nicht Eine wird der Strafe dann entrinnen. Hört’s Alle! Wenn ich rede, aufgepaßt! Sorgt, daß ihr auf der That nicht ſeid erfaßt. Was ich verkünde in des Königs Namen, Jſt ſtreng Geſetz und dabei bleibt es. Amen!
Romantiſcher Wald (wie im erſten Aufzuge.)
Der Stoff iſt exponirt, der Knoten auch Geſchürzt und die Verwicklung ſoll nicht fehlen; Einheit des Ortes, wie’s die Regel will. Was liegt noch an der Zeit? die fünfzehn Jahre, Die nun verfloſſen, deckt der Zwiſchenakt. Jch lebte mittlerweile gut am Hof des Königs, Nichts fehlte mir in jeglicher Beziehung. Dornröslein wuchs heran zur ſchönen Jungfrau, Und hat die Kinderſchuhe abgelegt. Bisher hat mir der Held im Stück gefehlt, Als Kind war die Prinzeſſin zu paſſiv; Tritt ſie aktiv von nun an in das Leben, So iſt mir auch die Hauptperſon gegeben. Begierig bin ich ſelbſt, wie ſich’s geſtaltet, Und wie ſich der dramat’ſche Knoten löst; Denn iſt Prinzeſſin Röslein eingeſchlafen — Was ſoll geſcheh’n, wird ſie nicht aufgeweckt? Wohlan, ich kehr’ zurück in’s Königsſchloß, Daß nicht ein Augenblick’chen ſei verſäumt, Der Cataſtrophe harrend, die ſich naht.
Der Stoff iſt lobenswerth, allein mit Schrecken bemerke ich, daß nun auch das Vacuum eingetreten iſt. Die Flaſche iſt leer. Leerheit! von jeher hab ich dich gehaßt. Von einem dummen Kerl ſagt man er ſei ein leerer Kopf, ſo halte ich denn eine leere Flaſche auch für eine Dummheit. Uebrigens kann ich zufrieden ſein; denn meine Geſchäfte waren bisher nicht anſtrengend, inſoferne nicht auch die Erfüllung der Selbſterhaltungspflicht zur Laſt werden kann, denn am Eſſen und Trinken hab ich’s keinerzeit fehlen laſſen. Jch habe mich dadurch als einen ächten Hofmann ſcalifizirt.
Nun bin ich aber neugierig, wann einmal der große allgemeine Schlaf beginnt, den uns die aller - liebſten zwei Blocksbergbewohnerinen prophezeit haben, oder: wann die Prinzeſſin ſich an der Spindel ſtechen wird? Deßhalb hat auch der König alle Spindeln im Lande verbieten laſſen; allein, was einmal ſein ſoll, das wird ſein. Mir wär’s einerlei, ein paar Jahre zu verſchlafen; doch mein Herr ſagt: Wie die Geſchichte losgeht, läuft er davon und betrachtet ſich Alles romantiſch von Weitem. Auch gut! Wenn nur er Stoff nicht ausgeht!
Es fließt mir heute wirklich aus der Feder Und leicht ſchreib ich fünffüß’ge Jamben hin, Doch leider iſt mein Tintenfäßchen leer! He, Chriſtoph, haſt du’s denn nicht aufgefüllt?
Das verſteht ſich — gefüllt, ſchwarz bis an den Rand! Aber ich möchte euch rathen, wenn ihr mit Tinte ſchreiben wollt, dieß zu Haus zu thun. Die Tintenklexer gehören in die Stube, und wollen die Dichter fingen, ſo ſollen ſie es wie die Vöglein machen. Aber — freilich das will Alles geſchrieben ſein, damit der Nachwelt auch nicht eine Silbe ver - loren gehe! Kommt, laßt uns heimgehen! ’s iſt bald Eſſenszeit.
Gemeinen Sinnes bleibſt du ſtets doch, Chriſtoph! Es wäre Zeit, daß du nach Höh’rem trachteſt; Haſt du denn gar Nichts noch von mir gelernt?
O ſehr ja! die Sache verhält ſich alſo: Wir Beide ſuchten Stoff. Nun, das wißt Jhr aber — denn Jhr habt’s ja oft ſelbſt geſagt — daß der Menſch aus Leib und Geiſt beſteht. Jhr ſucht Stoff238 für den Geiſt und ich für den Leib, da hat jeder ſeinen Theil und kann dem andern aushelfen.
Pro domo ſpricht der Cicero nicht übel! Fürwahr, geſunde Logik fehlt dir nicht, Als humoriſtiſch Element zu brauchen.
Jetzt macht Jhr gar ein Element aus mir; da hätten wir alſo fünf Elemente: Feuer, Waſſer, Luft, Erde und ich dazu! Wieder eine neue Erfind - ung. Bringt ſie dem König Purpur, kriegt vielleicht ein Ritterkreuz oder ſo was.
Ein Orden mir? was denkſt du denn, mein Freund? Den Rittern und den Kriegern iſt der Schmuck Und Ehrenzeichen ihrer ſchönen Thaten. Dem Dichter blüht des Lorbeerbaumes Blatt; Wind’ es zum Kranz und ſchmück damit ſein Haupt, Mehr will er nicht — er fühlt ſich reich belohnt.
Geht mit Eurem Lorbeer! Von dem kann kein Dichter leben. Lorbeer, Lorbeer — aber Etwas dabei! So denkt ihr Dichter wohl ſelbſt alle!
Unziemlich ſehr iſt, was du ſagſt, d’rum ſchweige! Jch will in’s Königsſchloß zurück nun eilen.
Pfui, Röslein! Was läufſt du ſo raſch voraus?
Ach, Mutter ſieh den ſchönen Schmetterling! Jch möcht’ ihn fangen.
Das ſchickt ſich nicht für dich. Du biſt kein Kind mehr; bedenke, daß du nun ein Jungfräulein biſt. Die ſollen nicht den Schmetterlingen nachlaufen, ſondern hübſch anſtändig ſpazieren geh’n.
Die Jungfräulein ſollen alſo keine Freude mehr haben? Da wär’ ich lieber ein Kind geblieben.
Jedes Alter hat ſeine Freuden. Du biſt an deinem fünfzehnten Geburtstage dem ganzen Hofe vorgeſtellt worden; war dieß nicht ein ſchönes Ver - gnügen für dich? Auch darfſt du von nun an mit uns an der großen Tafel ſpeiſen.
Da wollt ich lieber nur Beeren mit den Vöglein im Wald eſſen, wenn mir alle Kindesfreuden ver - boten würden. Sieh doch, liebe Mutter, wie herr - lich es hier iſt! Leuchtet der Sonnenſchein nicht mächtiger als der güldene Thron im Schloße? Jſt der Geſang der Vögel nicht lieblicher als das Ge - ſchwätz der Hofdamen? Das Grün der Blätter, die Farbe der Blumen — übertrifft dieß Alles nicht den Schmuck des Hofes?
Jch begreife nicht, wie du zu dieſen Grundſätzen kommſt.
Du redeſt mir von Grundſätzen, liebe Mutter! davon weiß ich fürwahr Nichts. Jch fühle nur mein Herz ſich aufthun, wenn ich heraustrete in Gottes herrliche Natur. Es wird mir ſo fromm zu Muth; ich möchte immer hinknie’n und beten.
Das iſt recht hübſch und lobenswerth, allein die Schranken des Anſtandes ſoll und darf eine Prin - geſſin nie überſchreiten. Jch glaube immer, daß die Vorleſungen des Hofdichters Lautenklang dir den Kopf verdrehen. Du wirſt mir zu phantaſtiſch; du241 wirſt zu ſehr der Wirklichkeit und der Convenienz entrückt. Jch werde dieſem ſchädlichen Einfluſſe zu ſteuern wiſſen.
Alſo auch dieß ſoll eine verbotene Freude ſein, daß ich mich an den Gedichten des Herrn Lauten - klang erfreue? Jſt die Poeſie eine Sünde?
An und für ſich nicht, allein ſie kann es wer - den, wenn ſie ein jugendliches Gemüth zu ſehr auf - regt. Müller’s Vorträge ſollen ſich von nun an darauf beſchränken, dir die deutſche Literaturgeſchichte kurz darzuſtellen; die Periode der Romantiker ſoll dir nur im Auszug gegeben werden. Jhre Richtung paßt nicht mehr für unſere Zeit und man ſollte mehr auf die Entwicklung des Verſtandes wirken. Herz und Phantaſie — —
Laß mir mein Herz, liebe Mutter! laß mir das Reich der Phantaſie!
Pfui, Röslein! Es ſchickt ſich überhaupt durch - aus nicht für ein Mädchen, Phantaſie zu haben;16242vielweniger für eine Prinzeſſin. Jch verbitte mir ſolche Jdee’n! hörſt du? Ein für Allemal!
Bin ich denn nicht gehorſam in allen Dingen? Hab ich dir ſchon Kummer gemacht durch mein Herz und ſeine Träume?
Nein, liebes Kind; allein es iſt einer Mutter Pflicht, dich vor Extravaganzen zu warnen. Jch mein’ es ſo gut mit dir.
Liebe Mutter, wie lieb ich dich! — — Jch möchte mich dort in den Schatten legen und etwas ſchlummern, darf ich wohl?
Wir ſind hier ungeſeh’n; außerdem wäre es nicht ſchicklich. Jch erlaub es dir.
Ja, ſchlummere immerhin, mein theures Kind, Und träume dich in’s Reich der Phantaſie! Nur allzubald vielleicht wird an dein Herz Des Lebens Wirklichkeit mit derben Schlag Anpochen rauh, ſo daß des Troſtes Zuflucht Dir nur dein inn’rer Reichthum bieten mag!
243O herbe Außenwelt für Jung und Alt, Die oft in Zwieſpalt jagt des Lebens Mächte, Wenn Herzensdrang und Sehnen mit der ſtarren Beſchränkung äuſſerer Gewalten ringen! Und ſolchen Kampf möcht’ ich der Tochter ſparen Abſchneiden möcht’ ich rechter Zeit die Sehnſucht, Die ſchlummernd in des Kindes Blüthenkelch Still ruht als des Verlangens Dämmerſchein, Weil ihr ſo oft nur bitt’re Täuſchung folgt. Doch wie? — vergaß’ ich ganz der Fee’n Drohung, Die ſich in dieſem Jahre ſoll erfüllen? Weh mir! denk’ ich daran, bricht’s Mutterherz Zuſammen ſchier, „ Dornröslein ‟ heißt der Fluch! — Sconea, milde Fee, die du in erſter Stunde Dem Kinde Huld und Schutz haſt angelobt, Vermöcht ich’s, dich mit Mutterſtimm’ zu rufen Und Mutterſchmerz dir an das Herz zu legen!
Die Fee Sconea hört, ruft Mutterliebe! Dein Röslein ſchütz’ ich, wie ich es verheißen, Doch jeder Fee’nſpruch muß ſich erfüllen, Denn in ihm liegt der mächt’gen Weihe Kraft; Gut oder bös — es iſt des Zaubers Recht. 16*244D’rum kann ich auch des Fluchs Gewalt nicht hemmen, Der auf dem Haupte deines Kindes ruht: Der Spindel Stich wird langen Schlaf ihr bringen — Mein Segen aber bringt einſt Morgenroth. Der Blume Kelch, in myſt’ſcher Ruh geſchloſſen, (Ein Bild des Schlummers) wird ſich Einmal öffnen, Des Duftes Blüthenhauch wird ihm entſteigen Gleich einem Minnelied zur Maienzeit. Getroſt ſei denn, gedenke meiner Worte: Des Zaubers Fluch wird ſich in Segen wandeln!
Dank dir, o holde Fee, die du, ein Engel, Mir milden Thau auf meine Wunde träufelſt. Jch will vertrau’n dir; muthig ſeh’ entgegen Jch dem Geſchick, das unvermeidlich iſt.
Wo bin ich? Mutter, welch’ ein ſchöner Traum Hat mich gegrüßt: denk dir, ich war ein Blümlein, Das einſam ſtill in einem Garten ſtand; Ein böſer Sturm erhob ſich, mich zu brechen, Da kam ein Engel, trug mich in den Himmel.
Fürwahr, mein Kind, du ſah’ſt ein herrlich Bild;245 Doch laß’ den Schlummer jetzt und ſeine Spiele. Wir geh’n zurück, es ſteht ſchon hoch die Sonne.
Sag, Mutter, was iſt Leben, was iſt Traum? Zerſchäumt das Leben nicht in luft’gen Träumen, Und wird der Traum nicht einſt der Wahrheit Leben?
Komm, laß das eitle Fragen, liebes Kind.
Wiltrud!
Scohlint!
Nun muß es ſich erfüllen!
Die Zeit iſt um! Wie aber wird’s geſchehen, Die Spindel iſt im ganzen Land verpönt?
Ei, blinde Hexe, daß du’s noch nicht weißt! Die taube Alte, die im Königsſchloß, Vergeſſen ſchier, im grauen Erker wohnt Und unbeachtet an der Spindel ſitzt — —
Bei Satans Dreifuß — daran dacht’ ich nicht. Wie aber lenken Röslein wir zu ihr?
Oft ſteigt das Mägdlein heimlich auf die Zinnen Der Königsburg, um ſtill hinauszuſchau’n Mit träumeriſchem Blick in’s weite Land. Jhr Auge wandert mit den Silberflüſſen, Verſenkt mit ihnen ſich in tiefe See’n Und hanget gern am Tiefblau ferner Berge. Ein Stufengang führt ſie vorbei am Pförtlein Des Erkers, wo die alte Spinn’rin ſchnurrt.
Und wahr muß werden, was wir angedroht; Der Giftqualm rauſcht’ es aus dem Hexenkeſſel, Der Zauberſpiegel zeigt es uns im Bild.
Darum Geduld, Geduld! Es kann nicht fehlen; Ein Mal lockt ſie der Spindel Schnurren doch Und in die Falle geht ſie!
Laß’ uns bleiben Dem Orte nah, am Sieg uns zu erfreu’n, Der ſicher iſt.
Der Augenblick iſt da.
Vollzogen iſt, was du befahlſt, ich meld es: Nachdem dein Aufgebot verkündigt ward, Füllt bald darauf der Marktplatz ſich mit Weibern Und Mägdlein jeden Standes, haufenweiſe Die Spindlein beizubringen. Von den Burgen Des Reiches ſchleppen Boten ſchwerbeladen Das Frau’ngeräth, das dein Geheiß verpönt. Allüberallher folgt man dem Befehle; Noch brennen Scheiterhaufen zur Vertilgung. Wie manch Geſpinnſt ward ſchleunig abgebrochen, Wie mancher Faden ward entzwei geriſſen; Ungern zwar mocht’s geſcheh’n, doch es geſchah; Wer wollte widerſetzen ſich der Drohung Des Königs, die ſein Herold hat verkündigt?
So kann beruhigt ich ſein; denn wenn im Lande Nicht Eine Spindel mehr, wie wär es möglich, Daß Röslein ſich an einer Spindel ſtäche? 248Bei aller Milde iſt oft Strenge nöthig, Wenn ſich’s um Dinge handelt, die gefährlich. Du weißt’s: des Volkes Wohl liegt mir am Herzen, Doch auch der Dynaſtie bin ich verpflichtet, Die ſeit Jahrhunderten dieß Reich beherrſcht. Spinnt nicht das Weibervolk, ſo bleibt noch Andres Genug zu thun im Haus und in der Küche, Und ’s iſt kein Grund vorhanden zur Beſchwerde.
So denk auch ich, mein König; ’s iſt kein Zweifel, Daß Jhr in eu’rem Rechte ſeid, und ſollte Es Einer wagen, etwa drob zu murren, Den Kopf zu ſchütteln, ſchlagt den Kopf ihm ab, Damit er ſchweige, mag er ſein, wer immer.
Geh’ nun zur Königin, entbiet ſie her, Damit ihr mütterliches Herz ich ganz beſchwicht’ge.
Wie ihr befehlt!
Der Sorge wär ich ledig! Was iſt ein König doch mit Kümmerniſſen Jedweder Art bedroht! Jſt hier geordnet, Taucht wieder dort ein neu Geſchäft empor. 249Bald iſt’s der Staat, bald iſt’s das eig’ne Haus Und ſonſt’ge Angelegenheit: Krieg oder Frieden, Verwaltung jeder Art nimmt ſtets in Anſpruch. Sieh da, die Kön’gin!
Sei zur guten Stunde Willkommen mir. Nun leg’ die Sorgen ab. Geſcheh’n iſt, was zu thun war, frei das Feld.
Dein trefflich Herz erkenn’ daran ich wieder, Daß deine Weisheit Fürſorg hat getroffen. Nicht Eine Spindel mehr im ganzen Land?
Nicht Eine, dafür ſorgt die Polizei! — Doch Rößlein?
Lautenklang iſt grad’ bei ihr. Jch trug ihm auf, ſie nicht zu exaltiren Durch Schwärmerei und durch romantiſch Weſen. Culturhiſtoriſch ſoll er auf ſie wirken, Damit ihr Geiſt in richt’gen Schranken bleibe, Nicht etwa frei hin ſchweife in Regionen, Die ihre zarten Nerven afficiren.
Vortrefflich! ſelber muß ich dir geſteh’n: Des Dichters Richtung bin ich müd und ſatt. Auf gute Art werd’ ich ihn bald entfernen Von meinem Hof und geb’ ihm die Penſion. Der Zeiten Umſchwung hab’ auch ich erfaßt, Begriffen was die Welt jetzt will. Der Fortſchritt Läßt ſich nicht hemmen und man will Reales; Romant’ſche Träumerei’n ſind aus der Mode, Mir liegt daran, das Techniſche zu fördern. Die Spindel hab ich abgeſchafft, Maſchinen Zum Spinnen ſind ein trefflicher Erſatz; So treff’ zwei Fliegen ich mit Einem Schlag. Gefährliches entfernend führ’ ich ein, Was aller Welt jetzt Nutzen bringen mag.
So fügt zum allgemeinen Beßten ſich, Was eig’ne Zwecke fördert.
Meine Räthe
Verſamml’ ich nun, Staatszwecke zu verhandeln Und in zwei Stunden geht’s zum Abendtiſch.
Enges Erkerſtübchen.
Ei wie ſchön du ſingſt?
Wer iſt da? Ein lieb Jungfräulein! Wie kömmſt du herauf in mein einſames Loch?
Jch bin dem Schnurren deiner Spindel gefolgt.
Das freut mich, denn ich habe ſchon viele Jahre kein menſchlich Weſen geſeh’n.
Wie kömmt das, gutes Weib?
Jch bin ein altes Hofmeubel, das längſt aus den Gemächern entfernt wurde.
Du biſt ja ein menſchlich Weſen.
So balb und halb, wie man’s nehmen will. Jch bin die Spindel, mit der die Mutter des Königs Purpur ſpann. Als die ſtarb, ward ich da herauf geſtellt und ſchnurre aus alter Gewohnheit noch immer ſo fort.
Ei wie? Sorgt Niemand für dich?
Siehſt du den Kater? Er iſt mein Freund und fangt Mäuſe, die wir zuſammen verzehren.
Pfui! wer wird auch Mäuſe eſſen?
Liebes Kind, es iſt Alles nur Gewohnheit. Wenn es üblich wäre, Mäuſe auf die Tafel zu ſetzen, ſo würden ſie aller Welt ſchmecken. Jßt man doch viele andere Thiere, die nicht ſo appetitlich und ſauber. ſind wie die niedlichen Mäuslein.
Jch könnte mich doch nicht daran gewöhnen. Sieh da, was haſt du für eine ſchöne goldene Spindel!
Gib Acht, gutes Mädchen, du könnteſt dich daran ſtechen; denn ſie iſt an beiden Enden ſpitz.
Ach, ich möchte gar zu gern auch ein bißchen ſpinnen.
Haſt recht, das Spinnen iſt was Schönes. Sieh nur die Spinnen, wie ſie die Fäden ihres Netzes bilden und die Raupe, wie ſie ſich einſpinnt und aus ihrer Puppe der bunte Schmetterling erſteht; und wie die Vöglein ihre Neſter ſpinnen — kurz Alles ſpinnt und ſpinnt und ſpinnt — —
Weh mir! ich habe mich geſtochen!
Nun harr’ ich hier ſo lange ſchon der Löſung, Daß meinem Sinn der Jahre Zahl entſchwand; Still leb’ ich in der Hütte, die ich mir Aus Stämmen ſelbſt gebaut; Einſiedlern gleich Hab ich mir Waldesnahrung angewöhnt; Der kühle Felsquell iſt mein Trunk, ich ruhe Des Nachts auf Moos. So alt bin ich geworden, Daß mein ergrauter Bart berührt den Boden. Kahl iſt mein Haupt, der Lorbeer nur bedeckt es; doch iſt mein Herz noch jung und friſch mein Geiſt, Und täglich greif’ ich in das Saitenſpiel Und täglich ſinge ich ein neues Lied. 257Daß aber dieß mein Drama nicht vollendet, Daß ich am dritten Aufzug ſteh’n geblieben Und Alles um mich ſchläft, betrübt mich tief, Denn endlich wirkt’s ſogar auf’s Publikum. Jch bitt Euch: habt Geduld, es kann nicht fehlen, Daß ſich der Stoff vor Euch noch ganz entwirre; Denn ſo, wie’s jetzt ſteht, kann und darf’s nicht bleiben; Ein ſolch Fragment würd’ nimmer Euch genügen. Nicht denkbar iſt ein ew’ger Schlaf; Erwachen Jſt jedem Schlummernden gewiß, denn geiſtig Leben Verbürgt es durch die inn’re Weſenheit: Dem tiefſten Schlafe folgt einmal Erwachen.
Was predigſt du wieder, alter Narr? Jch bin deines Geleiers ſatt. Hör’ einmal auf, wenn du willſt, daß ich gute Nachbarſchaft halte. Entweder fabelſt du unverſtändlich Zeug oder klimperſt auf deiner alten Leyer. Du änderſt ja doch Nichts an der Geſchichte. Dornröslein und Alles, was im Königsſchloſſe lebte und webte, ſchläft ein für alle - mal bis zum jüngſten Tag.
Unmöglich iſt ’s! ’s wär gegen alle Regel: Der Knoten, der geſchürzt — er muß ſich löſen! Du alter Hamſter, kannſt es nicht verſteh’n; Du haſt ein Drama wohl noch nie geſeh’n. Erpoſition, Verwicklung und Entwirrung — Dieß ſind die Elemente ſolcher Dichtung.
Du faſelſt immer von Dichtung und wir be - finden uns mitten in der Wahrheit des Lebens. Das weiß ich am Beßten, ſeit mich die Fee’n Wil - trud und Scohlint als Wächter hier aufgeſtellt haben. Dir bin ich freilich ein Dorn im Aug. Jch ſelbſt hätte auch an der Geſchichte längſt genug; denn es iſt kein Spaß, weiß der Himmel, wie lange ſchon und wie lange noch mit der Keule als Schildwache dazuſteh’n, damit kein Sterblicher das verhexte Schloß betrete.
Und trotzdem wird’s geſcheh’n; des Wächteramts Wirſt ledig du, ich kann es dir verheißen.
Wird ſich zeigen, wer recht behält. Da, nimm eine Priſe Tabak. Jch muß Tag und Nacht ſchnu -259 pfen, damit ich nicht einſchlafe, obgleich ich mir durch langjährige Uebung das Schlafen ſchon ganz abgewöhnt habe.
Ei laß’ mich! Jeder treib’ es wie er will: Den Bären gleich magſt du beliebig brummen, Die Laute ſpiel’ ich, weil es mir gefällt; Und wenn du meine Lieder nicht willſt hören, Bleib in der Höhle, lege dich auf’s Ohr.
Jch thu’s und will in meinem Loch da drinnen ein wenig ausruh’n; aber ſchlafen darf und kann ich nicht. So oft ich mich niederlege, beugt ſich der Zipfel meiner Nachmütze herab und kitzelt mich unter der Naſe; das iſt eine verfluchte Hexerei, die die beiden Fee’n veranſtaltet haben; und fortlaufen kann ich auch nicht, denn ihr Zauber hat mich an dieſen Ort gebannt. Es iſt wirklich ein miſerables Leben für einen Rieſen aus der Urzeit. So — jetzt leyre ſo viel du willſt.
Nun komm herab, mein theures Saitenſpiel! Dem Herzquell ſoll ein innig Lied entſtrömen;17*260Jhr Vöglein tragt hinaus es in die Welt, Damit es von den Lüften niederſchalle, Begeiſternd und erhebend irgendwo!
Wie viel der Lieder, ach, hab ich geſungen, Und zur Befreiung iſt nicht Ein’s gelungen; Am Ende muß ich ſelber noch verzagen Und hauch mein Leben aus in lyr’ſchen Klagen. O wär’ ein Ritter ich mit Schwert und Harniſch! Mein armes Lied, es bannt den Zauber nicht; Wohl eilt’s empor in wunderbarer Macht Und ſchwebet klingend über Berg und Thal; Zu ſchüchtern iſt’s, fliegt nicht in’s Zauberſchloß. Geheimnißvoll nur naht ſich Herz zum Herzen, Wenn es die Minne will, löst ſich der Zauber.
Wie ſich die Zeiten ändern! Vormals war ich der Diener eines Poeten am Hofe eines Königs262 und repräſentirte den Humor ich war eigentlich der Luſtigmacher — — da brach die Nacht herein. Wir floh’n; ich verlor meinen guten Herrn und mit ihm meinen guten Humor. Lautenklang zog in die Einſamkeit und harrt am Fuße des ver - zauberten Königsſchloſſes, bis die Nacht des Schla - fes entweicht! Und ich, was bin ich jetzt? Ein alter Burſch, den die Laſt der Jahre taub gemacht; ich habe mich ſozuſagen überlebt, kein Menſch frug mehr nach mir. Da bin ich denn in der Schenke in Dienſt getreten; man nährt mich und ich zehre nebenbei an alten Schwänken. Der Gäſte ſind wenig; die Umgegend iſt verrufen wegen der Nähe des ver - hexten Königsſchloſſes.
Holla! ein Gaſt; etwa ſo ein Schnapphahn, deren wir nicht ſelten beherbergen.
Führt mein Roß in den Stall, reibt ihm den Schweiß ab und ſchüttet ihm auf.
Heda! wo iſt der Wirth? Jch bin müde und mich dürſtet. Gebt mir einen Jmbiß.
Bei uns wird Niemand gebißen, wir ſind zah - mes Volk, edler Ritter.
Reicht mir einen Humpen!
Ei, was meint Jhr! Wir ſind keine Lumpen. Der Wirth iſt ein ehrlicher Mann und ich bin noch ehrlicher als er. Aber taub bin ich — alſo ver - gebt, wenn ich Euch nicht gleich verſtehe.
Einen Becher Wein!
Ein verſtändlich Wort. Gleich ſollt Jhr bedient ſein.
Wie lange ſchon ſuche ich das verzauberte Schloß und die ſchlafende Prinzeſſin! Jch muß ſie finden! Ueberall vernehm’ ich die Kunde davon — mein ritterlicher Sinn verlangt nach ſolchen Abenteuern — aber Niemand konnte mir noch Näheres von dieſer Volksſage erzählen.
Nun löſcht Euern Durſt, edler Herr.
Du biſt wohl der Diener in dieſem Gaſthofe.
So lange wohl, daß ich nicht mehr weiß wie oft das Jahr mittlerweile umgelaufen.
Alſo biſt du ſchon lange in dieſem Hauſe.
Wie geſagt und ich war ſonſt ein luſtiger Burſch, allein die Zeit hat mich beim Schopf genommen und hat mich derb geſchüttelt wie der Wind einen alten Baum.
Da weißt du vielleicht auch Etwas von dem verzauberten Königsſchloß, das in dieſer Gegend ſein ſoll.
Allerdings auch. Es ſind nur ein paar Stun - den hin, aber kein vernünftiger Menſch traut ſich in die Nähe zu kommen, denn der Wald ringsum iſt voll von Hexen und Teufeln!
Ha gerade recht für einen Ritter, der auf Aben - teuer ausgeht.
Jch ſage Euch, daß es hier im Hauſe gar nicht theuer iſt, weder des Abends, noch Mittags noch Morgens. Die Gäſte loben den Preis und ſagen ſtets: Wenn auch euer Wein ſauer iſt, ſo iſt er doch wohlfeil und nach meiner dummen Anſicht iſt ein ſaurer Wein immer beſſer ſchlecht bezahlt als ein guter mit Verdruß getrunken.
Du kaunſt mir wohl den Weg angeben, der zu dem Zauberwalde führt?
Ob ich’s nicht kann! Da ſchaut einmal zum Fenſter hinaus. Rechts um die alte Eiche dort, dann links durch den Sumpf, dann gradaus über die lange Wieſe, dann obenauf über den Hügel, auf dem der Galgen ſteht, und abwärts durch den Fluß, dann etwas mehr rechts und dann wieder links um den Tannenwald und noch drei Stunden geritten oder gegangen — dann ſeid Jhr auf dem rechten Wege.
Seht hier an der Wand das Bild. Es iſt die ſchlafende Prinzeſſin, das liebe ſchöne Dornröslein!
Himmel, welche Schönheit!
Köhler haben es einſt am Gemäuer gefunden, dort unter der Dornhecke, die das Schloß überwuchert hat. Das arme, liebe Dornröslein!
O reizendes Bild, wie bin ich von dir begei - ſtert! Dornröschen, dich muß ich erlöſen! Dich muß ich beſitzen!
Hütet Euch, edler junger Herr, Euch in ſo nam - hafte Gefahr zu begeben! Mit Rieſen und Hexen iſt kein Spaß zu machen.
Gleichviel! Es läßt mir keine Ruhe mehr! Auf, Auf! Zu ihr, zu ihr! und ſollt ich mit allen Teu - feln um ſie kämpfen müſſen!
Armer junger Held! Fürwahr, ich meine, daß iſt ſo Einer wie mein guter Herr war, ſo eine ro - mantiſche Natur, die auch Stoff ſucht. Gott ſchütz’ ihn! Mag er mit Rieſen kämpfen, ich leg’ mich auf die faule Haut. Jch denke ich werde bald ein - ſchlafen und kein verliebter Prinz wird mich wecken. Alſo gute Nacht!
Schmählicher Dienſt für einen Rieſen aus der beßten Rieſenfamilie! Eines ſchlafenden Mägdleins268 wegen daſteh’n und wachen! Schickten mir die bei - den Zauberſchweſtern nicht täglich ein Faß Meth und ein Kalb zur Nahrung, ſo hielt ich’s wirklich nicht aus. Mein ſanfter Nachbar, der Sänger, ſchläft ruhig in ſeiner Hütte, das Morgenlied der Wald - vögel weckt ihn täglich, während ich mich die Nacht über am Heulen der Wölfe und am Geächze der Eulen zu erfreuen habe.
Holla, ihr lieben Vögelein mit ſchwarzem Ge - fieder, was wollt ihr da? Wenn ihr auffliegt gilt’s eine Botſchaft; was habt ihr mir zu verkünden?
Was wird geſcheh’n ihr weiſen Vögel? fort ſind ſie! — Aber dorther kracht’s durch’s Gebüſch; es269 klingt wie Eiſen, es blitzt wie Stahl im Mond - ſchein. Wer da? der Rieſe wacht!
’S iſt Minnamunt mit Schwert und Schild; Er will erlöſen die Jungfrau mild; Er will zerbrechen des Zaubers Macht, Als Freier kömmt er in dieſer Nacht!
Steck dein Schwert ein, Minneheld! Wage dich nicht an den Rieſen!
Mein Schild iſt feſt, mein Schwert iſt gut, Das will ſich färben mit Rieſenblut! Stell dich zum Kampf, ich bin bereit — Der Morgen graut, ’s iſt an der Zeit!
Willſt du, ſo ſei’s!
Was weckt mich aus dem Schlummer? Wie, ein Kampf? So iſt ein Streiter endlich hier erſchienen, Den meine Klänge haben hergerufen! Muth! edler Kämpfer! Muth! Heil deinem Schwerte! Mög dich ein Lied begeiſtern für den Sieg!
270Die Schönheit ruft’s: Komm, wecke mich! Sie winket und erwartet dich, Die Minne hart im Zauberſchloß: Auf, Ritter, auf! beſteig dein Roß! Greif nach dem Schwerte, hell und blank, Zu kämpfen um der Minne Dank!
Halt ein, Ritter! Jch bin vom Kampfe müd. Laß uns ruh’n! Dann beginnen wir wieder; dein Arm iſt ſtark.
Mein Arm iſt ſtark, mein Schwert iſt gut, Das will ſich färben im Rieſenblut!
Wenn du ein ſtarker Held auch biſt, So traue nicht des Rieſen Liſt, Dornröslein liegt in Schlummers Macht, Dornröslein dir im Traume lacht! Die Sonn’ geht auf, drum kämpfe fort, Der ſchönſte Preis iſt Minne dort!
Heil dir! du haſt geſiegt, jetzt eil’ in’s Schloß; Dornröslein ſchlummert in des Königs Schooß.
Wohlan es ſei! Es winkt der ſchönſte Lohn! Mein Schwert haut mir die Bahn durch’s Dorngeheg.
Geſegnet ſei, du junger Held, zu pflanzen Des Sieges Banner auf die Zinnen dort! Vollbracht haſt du das Schwerſte, freue dich An deiner That! Nun hole dir die Krone! Dank dir, o himmliſches Geſchick! die Löſung naht! Geſchloſſen iſt der mag’ſche Ring der Minne, Das Seherlied des Sängers hat’s verkündet.
Heil euch! der böſe Zauber iſt gelöst! Mein Segen ruht auf Euch; der Schlaf entwich, Die Nacht entfloh, nun winkt das Morgenroth — Erfreuet euch nach langen Schlummers Noth!
Dornröslein iſt nun mein! Das Röslein blühe, Die Dornen bleiben in der Nacht zurück Gleich einem Traume, der entſchwunden iſt.
Ja ich bin dein, mein holder Minnamunt, Da mich geweckt der reine Minne-Kuß! Dein bin ich für die irdiſche Lebenszeit, Und dein gehör’ ich für die Ewigkeit!
Zu gutem Ende führt der edle Kampf Des Lebens; ja, er führt einmal zum Heil! Zur Wahrheit ward’s! Nun ſtirbt der Sänger gern! Der Laute Saiten ſpringen und es bricht Sein Herz; dort oben winken lichte Höh’n.
Lebt wohl! im Reich der ew’gen Poeſie Seh’n wir uns wieder! Heil euch, lebet wohl!
Seite 223 Zeile 11 lies ſtatt kühne ihr — kühn hier.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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