PRIMS Full-text transcription (HTML)
Eine Aegyptiſche Königstochter.
Hiſtoriſcher Roman
Dritter Band.
Stuttgart. Druck und Verlag von Eduard Hallberger. 1864.
Eine Aegyptiſche Königstochter.
Hiſtoriſcher Roman
Dritter Band.
Stuttgart. Druck und Verlag von Eduard Hallberger. 1864.
[1]

Erſtes Kapitel.

Prexaspes, der Botſchafter des Königs, einer der vornehmſten Hofbeamten, hatte Gaumata, den Geliebten der Mandane, deſſen Aehnlichkeit mit Bartja in der That ſtaunenswerth genannt werden mußte, krank und verwun - det wie er war, nach Babylon gebracht. Hier wartete er im Kerker des Richterſpruches, während Boges, ſein Ver - führer, trotz aller Bemühungen der Sicherheitsbehörde, nirgends aufzufinden war. Das Volksgedränge in den Straßen von Babylon hatte ſeine Flucht, welche ihm durch jene Fallthür auf den hängenden Gärten möglich geworden war, erleichtert. Die Reichthümer, die man in ſeiner Wohnung vorfand, waren ungeheuer. Ganze Kiſten voll Gold und Schmuckſachen, die er ſich in ſeiner Stellung leicht verſchaffen konnte, wurden in den königlichen Schatz, dem ſie entſtammten, zurückgeführt. Aber Kambyſes hätte gern, um des Verräthers habhaft zu werden, den zehn - fachen Betrag dieſer Reichthümer hingegeben.

Zwei Tage nach der Freiſprechung der Angeklagten ließ er, zu Phädymes Verzweiflung, alle Bewohnerinnen des Weiberhauſes, ſeine Mutter, Atoſſa und die mit dem Tode ringende Nitetis ausgenommen, nach Suſa ſchaffen. Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 12Mehrere vornehme Eunuchen wurden ſofort ihrer hohen Stellen entſetzt. Die Kaſte ſollte für das Verbrechen ihres der Strafe entronnenen Mitgliedes büßen.

Oropaſtes, welcher ſein Amt als Stellvertreter des Königs bereits angetreten und ſeine Unſchuld an dem Verbrechen ſeines Bruders vollkommen klar bewieſen hatte, belehnte ausſchließlich Magier mit den erledigten Würden. Die Demonſtration, welche von Seiten der Babylonier zu Bartja’s Gunſten ſtattgefunden hatte, wurde dem Könige erſt bekannt, nachdem das Volk ſchon längſt auseinander gelaufen war. Trotz ſeiner Sorge um Nitetis, die ihn faſt ausſchließlich in Anſpruch nahm, ließ er ſich genauen Bericht über dieſe geſetzwidrigen Vorfälle abſtatten, und befahl die Rädelsführer ſtreng zu ſtrafen. Er glaubte dem Geſchehenen entnehmen zu können, daß Bartja um die Gunſt des Volkes werbe, und würde demſelben vielleicht ſchon jetzt ſein Mißfallen thätlich bewieſen haben, wenn ihm nicht ein beſſeres Gefühl geſagt hätte, daß nicht er dem Bartja, ſondern Bartja ihm zu vergeben habe. Trotz dem konnte er den Gedanken, Bartja ſei wiederum, wenn auch ohne ſein Zuthun, an den traurigen Ereigniſſen der letzten Tage Schuld geweſen, ebenſo wenig unterdrücken, als den Wunſch, ihn ſo vollkommen als möglich zu beſei - tigen. Darum ſchenkte er dem Wunſche des Jünglings, ſofort nach Naukratis zu reiſen, vollen Beifall.

Nach einem zärtlichen Abſchiede von ſeiner Schweſter und Mutter machte ſich Bartja, zwei Tage nach ſeiner Freiſprechung, auf den Weg. Gyges, Zopyros und ein zahlreiches Gefolge, welches koſtbare Geſchenke von Seiten des Kambyſes für Sappho mit ſich führte, begleiteten ihn. Darius folgte ihm nicht, da ihn ſeine Liebe für Atoſſa zurückhielt. Auch war der Tag nicht fern, an welchem er3 Artyſtone, die Tochter des Gobryas auf Befehl ſeines Vaters heimführen ſollte.

Bartja trennte ſich mit ſchwerem Herzen von ſeinem Freunde, dem er, in Bezug auf Atoſſa, zur größten Vor - ſicht rieth. Kaſſandane wußte jetzt um das Geheimniß der Liebenden und verſprach, Darius bei dem Könige das Wort zu reden.

Wenn Einer, ſo durfte der Sohn des Hyſtaspes ſei - nen Blick zur Tochter des Kyros erheben; war er doch eng mit dem regierenden Hauſe verſchwägert, gehörte er doch, wie Kambyſes, zu den Paſargaden; war doch ſein Stamm eine jüngere Linie der herrſchenden Dynaſtie 1). Sein Vater nannte ſich das Oberhaupt des geſammten Reichsadels und verwaltete als ſolches die Provinz Perſien, das Mutterland, dem das ungeheure Weltreich und deſſen Beherrſcher ihren Urſprung verdankten. Nach dem Aus - ſterben der Familie des Kyros hatten die Nachkommen des Hyſtaspes ein wohlbegründetes Erbrecht auf den perſiſchen Thron. Darum war Darius, ganz abgeſehen von ſeinen perſönlichen Vorzügen, ein ebenbürtiger Freier für Atoſſa. Dennoch konnte man jetzt noch nicht wager, um die Ein - willigung des Königs zu bitten. Bei der düſteren Stim - mung, in welcher ſich derſelbe ſeit den letzten Vorfällen befand, konnte er leicht eine abſchlägige Antwort geben, und eine ſolche mußte unter allen Umſtänden als unwider - ruflich betrachtet werden. So zog Bartja, ohne über die Zukunft des ihm ſo theuren Paares beruhigt zu ſein, in die Ferne.

Kröſus verſprach, auch hier als Vermittler aufzutreten, und führte Bartja, kurz vor ſeiner Abreiſe, mit Phanes zuſammen.

Der Jüngling kam dem Athener, von dem er durch4 ſeine Geliebte nur Schönes und Gutes gehört hatte, mit großer Freundlichkeit entgegen und gewann ſich ſchnell die Zuneigung des vielerfahrenen Mannes, der ihm manchen nützlichen Wink und ein Empfehlungsſchreiben 2) an den Mileſier Theopompos zu Naukratis auf den Weg gab und ihn ſchließlich um ein Geſpräch unter vier Augen er - ſuchte.

Als Bartja mit dem Athener wiederum zu den Freun - den trat, erſchien er ernſt und nachdenklich; bald aber hatte er die Sorge vergeſſen und ſcherzte mit den Genoſſen beim frohen Abſchiedsbecher. Bevor er am Morgen des nächſten Tages ſein Roß beſtieg, ließ ihn Nebenchari um eine Audienz bitten. Der Augenarzt wurde vorgelaſſen und erſuchte ihn, eine umfangreiche Briefrolle für den - nig Amaſis nach Aegypten mitzunehmen.

Dieſelbe enthielt eine ausführliche Schilderung des Leidens der Nitetis und endete: So wird dieſes arme Opfer Deines Ehrgeizes durch das Gift, welches ſie, um nicht zu verzweifeln, einnahm, in wenigen Stunden einem zu frühen Tode verfallen. Wie der Schwamm ein Bild von der Tafel, ſo wiſcht die Willkür der Mächtigen dieſer Erde das Glück eines Menſchenlebens aus. Verbannt von Heimat und Beſitz verkümmert Dein Knecht Nebenchari; als Selbſtmörderin ſiecht die unſelige Tochter eines ägyp - tiſchen Königs dahin. Jhr Leichnam wird von Hunden und Geiern, nach perſiſcher Sitte, zerriſſen werden. Wehe denen, welche die Unſchuldige des Glückes der Erde und der Ruhe im Jenſeits beraubten!

Bartja verſprach dem finſteren Manne, dieß Schrei - ben, deſſen Jnhalt er nicht kannte, mitzunehmen, ſtellte, von einer jubelnden Volksmenge umgeben, vor den Thoren der Stadt die Steine auf, welche ihm, nach dem perſiſchen5 Aberglauben 3) eine glückliche Reiſe ſicherten, und verließ Babylon.

Jndeſſen ſchickte ſich Nebenchari an, auf ſeinen Poſten am Sterbelager der Aegypterin zurückzukehren.

An der ehernen Pforte der Mauer, welche den Gar - ten des Weiberhauſes mit den Höfen des großen Palaſtes verband, trat ihm ein weiß gekleideter Greis entgegen. Kaum hatte er denſelben erblickt, als er zurückbebte und den hageren Alten wie eine Erſcheinung anſtarrte. Da ihm derſelbe jedoch vertraulich und freundlich zulächelte, beſchleunigte er ſeine Schritte, ſtreckte ihm mit einer Herz - lichkeit, welche ihm keiner ſeiner perſiſchen Bekannten zu - getraut haben würde, die Hand entgegen und rief in ägyptiſcher Sprache: Darf ich denn meinen Augen trauen?! Alter Hib 3 a), Du hier in Perſien? Eher hätte ich des Himmels Einſturz, als die Freude, Dich hier am Euphrat zu ſehen, erwartet! Jetzt aber ſage mir, in Oſiris Namen, was Dich alten Jbis bewegen konnte, Dein warmes Neſt am Nil zu verlaſſen und die weite Reiſe gen Oſten zu unternehmen?

Der Alte, welcher ſich während dieſer Worte mit herunterhängenden Armen tief verbeugt hatte, ſchaute jetzt den Arzt mit unbeſchreiblicher Glückſeligkeit an, betaſtete die Bruſt deſſelben mit zitternden Händen und rief, ſein rechtes Knie beugend und ſeine Arme gen Himmel erhe - bend: Habe Dank, große Jſis, die Du den Wandrer beſchirmſt, daß Du mich meinen Herrn alſo finden läßt! Ach, Kind, welche Angſt hab ich um Deinetwillen aus - geſtanden! Abgezehrt, wie einen verhungerten Gefangnen aus den Steinbrüchen, verhärmt und elend dachte ich Dich anzutreffen, und ſehe Dich jetzt wieder in blühender Ge - ſundheit, ſchön und ſtattlich wie immer! Ach wenn der6 arme, alte Hib an Deiner Stelle geweſen wäre, ſo würde er ſich längſt zu Tode gegrämt und geärgert haben!

Glaub Dir’s Alterchen! Auch ich habe die Heimat nur gezwungen und mit blutendem Herzen verlaſſen. Die Fremde gehört dem Typhon*)Siehe I. Theil_Anmerkung_143.; die wahren Götter woh - nen nur in Aegypten, nur am heiligen, geſegneten Nil!

Hat ſich was mit dem Segen! brummte der Alte.

Du erſchreckſt mich, Väterchen. Was iſt denn vorge - fallen, daß? ...

Vorgefallen? Hm Schöne Dinge ſind vor - gefallen! Nun, Du wirſt ſchon zeitig genug davon hören! Glaubſt Du denn, daß ich unſer Haus und meine Enkel - chen verlaſſen und mich in meinem achtzigſten Jahre, wie ſolch ein helleniſcher oder phönikiſcher Landſtreicher auf Reiſen und unter die heilloſen Fremden, welche die Götter vernichten mögen, begeben haben würde, wenn es in Aegypten noch auszuhalten wäre?

Aber ſo rede doch!

Später, ſpäter! Jetzt mußt Du mich für’s Erſte mit in Deine Wohnung nehmen, die ich nicht verlaſſen will, ſo lange wir in dieſem typhoniſchen Lande bleiben.

Der Greis hatte dieſe Worte mit ſo lebhaftem Ab - ſcheu ausgeſprochen, daß ſich Nebenchari eines Lächelns und der Frage: Jſt man Dir denn gar ſo übel begeg - net, mein Alterchen? nicht erwehren konnte.

Das will ich meinen! polterte der Greis. All dieſe Perſer ſind die nichtswürdigſte Typhonsbrut auf Er - den! Mich wundert nur, daß ſie nicht alleſammt rothköpfig und ausſätzig geboren werden! Ach Kind, ich bin ſchon zwei Tage in dieſer Hölle und habe eben ſolange mitten7 unter den Götterverächtern leben müſſen! Man ſagte mir, es ſei unmöglich, Dich zu ſprechen, denn Du dürfteſt das Lager der kranken Nitetis nicht verlaſſen. Die arme Kleine! Jch hab’s gleich geſagt, daß dieſe Heirath mit einem Fremden übel ablaufen würde. Na, es geſchieht Amaſis ſchon recht, wenn ihm ſeine Kinder Kummer ma - chen! Er hat’s um Dich allein verdient!

Schäme Dich, Alter!

Ei was! Einmal muß es doch heraus! Jch haſſe dieſen hergelaufenen König, der, als er noch ein armer Junge war, Deinem Vater die Nüſſe von den Bäumen ſchlug und die Schilder von den Hausthüren riß! O, ich hab ihn damals wohl gekannt, den Taugenichts! ’s iſt eine Schmach, daß man ſich von ſolchem Menſchen, der

Gemach, gemach Alter! unterbrach Nebenchari den ſich ereifernden Greis. Wir ſind nicht Alle von einem Holze gemacht, und wenn Amaſis als Knabe wirklich nicht viel mehr war als Du, dann iſt es Deine Schuld, wenn Du als Greis ſo viel weniger biſt, als er.

Mein Großvater war Tempeldiener, mein Vater war es, darum mußte ich natürlich daſſelbe werden 4) ...

Ganz recht, ſo befiehlt es das Geſetz der Kaſten, dem zu Folge Amaſis nichts Anderes ſein dürfte, als höch - ſtens ein armer Kriegshauptmann.

Nicht Jeder hat ein ſo weites Gewiſſen, wie dieſer Glückspilz!

Jmmer der Alte! Schäme Dich Hib! So lang ich lebe, und das dauert nun ſchon ein volles halbes Jahr - hundert, iſt jedes dritte Wort, das Du redeſt, ein Schelt - wort. Als ich noch ein Kind war, mußte ich unter Dei - ner üblen Laune leiden; jetzt trifft dieſelbe den König.

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Und mit Recht! O, wenn Du wüßteſt! Sieben Mo - nate iſt es her, ſeitdem ...

Jch kann Dich jetzt nicht hören! Beim Aufgange des Siebengeſtirns will ich aber einen Sklaven ſchicken, der Dich in meine Wohnung führen ſoll. Bis dahin bleibſt Du in Deinem bisherigen Quartiere, denn ich muß nothwendiger Weiſe zu meiner Kranken.

So, Du mußt? Gut, geh nur und laß den alten Hib ſterben! Jch komme um, ich vergehe, wenn ich nur noch eine Stunde bei dieſen Menſchen bleiben ſoll!

Aber, was willſt Du eigentlich?

Jn Deinen Gemächern warten, bis wir wieder ab - reiſen.

Hat man Dich denn gar ſo unglimpflich behandelt?

Und wie! O, dieſer Ekel! Sie haben mich gezwun - gen mit ihnen aus demſelben Topfe zu eſſen und mein Brod mit ihrem Meſſer zu ſchneiden. Ein heilloſer Per - ſer, der lange in Aegypten geweſen und mit mir gereiſt iſt, hat ihnen Alles mitgetheilt, was uns verunreinigt 5). Als ich mich ſcheeren wollte, nahmen ſie mir das Meſſer fort. Eine nichtswürdige Dirne küßte mich, eh ich mich deſſen verſah, auf die Stirn. Du brauchſt nicht zu la - chen! Jch bedarf wenigſtens eines Monats, um mich von all dieſen Befleckungen zu ſäubern. Als endlich das Brech - mittel, welches ich genommen, ſeine Wirkung that, ver - höhnten ſie mich. Aber das war noch nicht Alles. Ein verwünſchter Küchenjunge ſchlug in meiner Gegenwart ein heiliges Kätzchen halb zu Tode. Ein Salbenreiber, der erfahren hatte, daß ich Dein Diener ſei, ließ mich durch denſelben verruchten Bubares, mit dem ich hergekommen, fragen, ob ich mich auch auf Augenheilkunde verſtehe? Jch9 habe dieſe Frage vielleicht bejaht; denn, weißt Du, in ſechzig Jahren ſieht man ſeinem Herrn ſchon etwas ab. Da klagt mir der elende Menſch, Bubares dolmetſchte mir Alles, daß er ſich wegen eines ſchrecklichen Uebels an ſeinen Augen beunruhige. Als ich ihn frage, worin dieß beſtehe, läßt er mir antworten, daß er im Dunkeln nichts zu er - kennen vermöge!

Du hätteſt ihm antworten ſollen, das einzige Mittel gegen dieſe Krankheit ſei, Licht anzuſtecken!

O, wie ich dieſe Böſewichter haſſe! Wenn ich noch eine Stunde lang bei ihnen bleiben muß, ſo gehe ich zu Grunde!

Nebenchari lächelte und gab ſeinem Diener zurück: Du wirſt Dich den Fremden gegenüber wunderbar genug geberdet und ihren Uebermuth gereizt haben. Die Perſer ſind im Allgemeinen ſehr artige, höfliche Leute 6). Ver - ſuch’s nur noch einmal mit ihnen! Heute Abend will ich Dich gern bei mir aufnehmen; eher aber kann ich nicht.

Dacht ich’s doch! Auch er hat ſich verändert! Oſiris iſt todt, und Typhon herrſcht wieder auf Erden!

Gehab Dich wohl! Wenn das Siebengeſtirn auf - geht, ſo erwartet Dich der Sklave Nebununf, unſer alter Aethioper, an dieſer ſelben Stelle.

Nebununf, der alte Spitzbube, den ich nicht ſehen mag?!

Derſelbe!

Hm, ’s iſt immer noch was Gutes, wenn man bleibt wie man war. Jch kenne freilich Leute, die das nicht ge - rade von ſich ſagen können, die ſtatt ſich auf ihre Kunſt zu beſchränken, auch innere Krankheiten heilen wollen, die einem alten treuen Diener ...

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Befehlen ſeinen Mund zu halten und den Abend in Geduld zu erwarten.

Dieſe letzten mit Ernſt geſprochenen Worte verfehlten ihren Eindruck auf den Alten keineswegs. Derſelbe ver - neigte ſich nochmals und ſagte, ehe ſein Herr ihn verließ: Jch bin unter dem Schutze des früheren Söldner-Ober - ſten Phanes hierher gekommen. Derſelbe hat dringend mit Dir zu ſprechen.

Das iſt ſeine Sache; er möge mich aufſuchen!

Du ſteckſt ja den ganzen Tag bei dieſer Kranken, deren Augen ſo geſund ſind ...

Hib!!

Meinetwegen mag ſie den Sta[a]r auf beiden haben! Darf Phanes heut Abend mit mir kommen?

Jch wünſchte mit Dir allein zu ſprechen.

Und ich mit Dir; der Hellene ſcheint aber ſehr eilig zu ſein und weiß faſt Alles, was ich Dir zu erzählen habe.

Haſt Du geplaudert?

Das gerade nicht, aber ...

Bis dahin kenne ich Dich nur als einen verſchwie - genen Menſchen.

Das war ich auch immer. Dieſer Hellene wußte aber ſchon viel von dem, was ich weiß, und das An - dere ...

Nun?

Das Andere hat er aus mir herausgeholt, ich weiß ſelbſt nicht wie! Trüge ich nicht dieß Amulet gegen den böſen Blick, ſo würde ...

Jch kenne den Athener und verzeihe Dir! Es würde mir lieb ſein, wenn Dich derſelbe heut Abend begleitete. Wie hoch die Sonne ſchon ſteht! Die Zeit drängt! 11So erzähle in kurzen Worten, was ſich zugetragen hat ...

Jch denke, heut Abend ...

Nein, ich muß wenigſtens eine allgemeine Kenntniß von dem Vorgefallenen haben, ehe ich mit dem Athener rede. Mach es kurz!

Du biſt beſtohlen worden.

Weiter nichts?

Wenn Du das nichts nennſt!

Antworte! Weiter nichts?

Nein!

Dann lebe wohl!

Aber, Nebenchari! ...

Der Augenarzt hörte dieſen Ruf nicht mehr, denn ſchon hatte ſich die Pforte, welche zu dem Hauſe der Weiber des Königs führte, hinter ihm geſchloſſen.

Als das Siebengeſtirn aufgegangen war, ſaß Neben - chari in einem der prächtigen Zimmer, die er auf der öſt - lichen Seite des Palaſtes, unweit der Wohnung Kaſſan - dane’s, inne hatte. Die Freundlichkeit, mit der er ſeinem alten Diener begegnet war, hatte wieder jenem Ernſte Platz gemacht, der ihn unter den leichtblütigen Perſern in den Ruf eines finſteren Griesgrams brachte.

Er war ein ächter Aegypter, ein ächtes Kind jener Prieſterkaſte, deren Mitglieder ſelbſt in ihrer Heimat, ſo - bald ſie ſich öffentlich zeigten, feierlich und würdevoll ein - herzugehen und niemals zu ſcherzen pflegten, während ſie im Kreiſe ihrer Genoſſen und Familie den ſelbſtauferleg - ten Zwang abſch üttelten und vollkommen heiter, ja aus - gelaſſen ſein konnten.

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Nebenchari empfing Phanes mit kalter Höflichkeit, obgleich er denſelben von Sais her kannte, und befahl dem alten Hib, nach einer kurzen Begrüßung, ihn mit dem Oberſten allein zu laſſen.

Jch habe Dich aufgeſucht, begann der Athener in ägyptiſcher Sprache, deren er vollkommen mächtig war, weil ich wichtige Dinge mit Dir beſprechen muß

Von denen ich unterrichtet bin! lautete die kurze Antwort des Arztes.

Daran möchte ich zweifeln, erwiederte Phanes mit anmuthigem Lächeln.

Du biſt aus Aegypten verjagt, von Pſamtik, dem Thronerben bitter verfolgt und gekränkt worden, und kommſt jetzt nach Perſien, um Kambyſes zum Werkzeuge Deiner Rache gegen mein Vaterland zu werben.

Du irrſt! Deinem Vaterlande ſchulde ich nichts; deſto mehr habe ich jedoch dem Hauſe des Amaſis heim - zuzahlen.

Du weißt, daß in Aegypten Staat und König Eins ſind.

Jch glaube vielmehr die andre Bemerkung gemacht zu haben, daß ſich die Prieſter Deiner Heimat gern dem Staate gleichſetzen.

So biſt Du beſſer unterrichtet, als ich. Jch hielt bis dahin die ägyptiſchen Könige für unbeſchränkt.

Das ſind ſie, ſoweit ſie ſich dem Einfluſſe Deiner Standesgenoſſen zu entheben verſtehen. Auch Amaſis beugt ſich jetzt vor den Prieſtern.

Seltſame Neuigkeit!

Die man Dir ſchon längſt mitgetheilt haben wird.

Meinſt Du?

Ganz beſtimmt! Aber noch beſtimmter weiß ich, daß13 es ihm einmal, hörſt Du, einmal gelungen iſt, den Willen ſeiner Lenker dem ſeinigen unterzuordnen.

Jch erfahre nur wenig aus der Heimat und weiß nicht, was Du meinſt.

Das glaube ich; denn wenn Du es wüßteſt und ballteſt jetzt nicht Deine Fäuſte, dann wäreſt Du nicht beſſer als ein Hund, der ſich winſelnd treten läßt und ſeinem Quäler die Hände leckt!

Der Arzt erbleichte bei dieſen Worten und ſagte: Jch weiß, daß ich von Amaſis beleidigt worden bin; bitte Dich aber, zu bemerken, daß ich die Rache für ein zu ſüßes Gericht halte, um es mit einem Fremden theilen zu mögen!

Wohlgeſprochen! Was aber meine Rache anbetrifft, ſo vergleiche ich dieſelbe mit einem Weinberge, der ſo voll iſt, daß ich ihn nicht allein abzuernten vermag.

Und Du biſt hierhergekommen, um hülfreiche Winzer anzuwerben?

So iſt’s; gebe ich doch die Hoffnung immer noch nicht auf, daß Du die Ernte mit mir theilen wirſt.

Du irrſt! Meine Arbeit iſt vollbracht; die Götter ſelbſt haben mir dieſelbe abgenommen. Amaſis iſt dafür, daß er mich aus der Heimat, von Freunden und Schülern verbannte und eigennütziger Pläne wegen in dies unreine Land ſchickte, hart genug beſtraft worden.

Etwa durch ſeine Blindheit?

Vielleicht.

So weißt Du nicht, daß Dein Kunſtgenoſſe Petam - mon eine Haut, die den Sehſtern des Amaſis bedeckte, durchſchnitten und ihm das Tageslicht wieder gegeben hat?

Der Aegypter zuckte zuſammen und knirſchte mit den Zähnen; aber er gewann ſchnell ſeine Faſſung wieder und14 gab dem Athener zurück: Dann haben die Götter den Vater in ſeinen Kindern beſtraft.

Wie meinſt Du das? Pſamtik behagt dem - nige in ſeiner jetzigen Stimmung ganz wohl; Tachot leidet zwar, betet und opfert jedoch um ſo fleißiger mit dem Vater. Was endlich Nitetis betrifft, ſo wird ihm der wahrſcheinliche Tod derſelben nicht allzunahe gehn; das weißt Du ſo gut als ich.

Abermals kann ich Dich nicht verſtehen.

Das iſt natürlich, ſo lange Du wähnſt, daß ich die ſchöne Kranke für eine Tochter des Amaſis halte.

Der Aegypter erbebte wiederum; Phanes aber fuhr fort, ohne ſcheinbar auf ſeine Erregung zu achten: Jch bin beſſer unterrichtet, als Du vermuthen kannſt. Nitetis iſt die Tochter Hophra’s, des entthronten Vorgängers Deines Königs. Amaſis hat dieſelbe auferzogen, als wäre ſie ſein eigenes Kind, um Deinen Landsleuten erſtens den Glauben beizubringen, der geſtürzte Pharao ſei ohne Nach - kommen geſtorben; zweitens aber, um Nitetis aller An - ſprüche auf einen Thron, der ihr von Rechtswegen zukommt, zu berauben. Am Nil ſind ja auch Weiber regierungsfähig! 7)

Dieß ſind Vermuthungen

Die ich durch unumſtößliche Beweiſe zu bekräftigen vermag! Unter den Papieren, welche Dein alter Diener Hib in einem Käſtchen bei ſich führte, müſſen ſich Briefe eines gewiſſen Sonnophre, eines berühmten Geburtshelfers 8), Deines Vaters, vorfinden

Wenn dem ſo wäre, dann ſind doch in jedem Falle dieſe Schreiben mein Eigenthum, das ich nicht herauszugeben geſonnen bin; zweitens aber möchteſt Du in Perſien ver - geblich nach einem Manne ſuchen, der die Schrift meines Vaters zu entziffern verſtände.

15

Verzeih mir, wenn ich Dich abermals auf einige Jrrthümer aufmerkſam mache. Erſtens befindet ſich jenes Käſtchen, wie geſagt, in meinem Gewahrſam und wird Dir, ſo hoch ich ſonſt das Recht des Eigenthümers zu achten gewohnt bin, nicht eher zurückerſtattet werden, bis mir der Jnhalt deſſelben zu meinen Zwecken gedient hat; zweitens verweilt in der That, durch die wunderbare - gung der Götter, ein Mann zu Babylon, welcher jede Schriftart, die ein ägyptiſcher Prieſter nur immer kennen mag, zu leſen verſteht. Erinnerſt Du Dich zufällig des Namens Onuphis?

Der Arzt erbleichte zum drittenmale und fragte: Biſt Du ſicher, daß dieſer Mann noch immer unter den Leben - den wandelt?

Geſtern hab ich mit ihm geſprochen. Er war, wie Du weißt, Oberprieſter zu Heliopolis und darum in all eure Geheimlehren eingeweiht. Mein weiſer Landsmann Pythagoras von Samos kam nach Aegypten, erlangte, nachdem er ſich einigen eurer Ceremonien unterworfen hatte 9), die Erlaubniß, an dem Unterrichte der Prieſter - ſchule von Heliopolis Theil zu nehmen, gewann ſich durch ſeine großen geiſtigen Vorzüge die Liebe des trefflichen Onuphis, wurde durch denſelben in alle Geheimlehren 10) ein - geweiht und machte dieſelben der Welt nutzbar. Jch ſelbſt und meine treffliche Freundin Rhodopis nennen uns mit Stolz ſeine Schüler. Als Deine Standesgenoſſen erfuhren, daß Onuphis zum Verräther der Myſterien geworden ſei, beſchloſſen die prieſterlichen Richter, ihn umzubringen. Er ſollte durch ein Gift getödtet werden, das man aus den Kernen des Pfirſichbaumes, der eurem Gotte des Schwei - gens 11) geweiht iſt, gewinnen kann. Der Verurtheilte hörte von dem, was ihn bedrohte, und floh nach Naukratis,16 woſelbſt er im Hauſe der Rhodopis, von deren Trefflichkeit ihm Pythagoras erzählt hatte, einen durch den Freibrief des Königs geſicherten Verſteck fand. Hier wurde er mit Antimenidas, dem Bruder des Dichters Alkäos*)S. 1. Theil Anm. 16 (Alkäos). von Lesbos bekannt, der viele Jahre lang, während er durch Pittakos, den weiſen Herrſcher von Mitylene, aus der Heimat verbannt geweſen, zu Babylon gelebt und bei Nebukadnezar, dem damaligen Könige von Aſſyrien, Kriegs - dienſte genommen hatte. Dieſer Antimenidas gab ihm Empfehlungen an die Chaldäer. Onuphis reiste zum Eu - phrat, ließ ſich zu Babylon nieder und mußte ſich, da er als armer Mann ſeine Heimat verlaſſen hatte, nach einem Broderwerb umſehen. Einen ſolchen erhielt er durch den Empfehlungsbrief des Antimenidas. Heute noch friſtet er, der einſtmals zu den Mächtigſten in Aegypten gehörte, ſein Leben, indem er den Chaldäern bei ihren aſtronomi - ſchen Berechnungen auf dem Thurme des Bel mit ſeinen überlegenen Kenntniſſen hülfreiche Hand leiſtet. Onuphis iſt beinahe achtzig Jahr alt, doch vollkommen friſchen Geiſtes. Als ich ihn geſtern ſprach und um ſeinen Beiſtand bat, ſagte er mir denſelben mit leuchtenden Augen zu. Dein Vater war einer ſeiner Richter; er will aber nicht ſeinen Groll von dem Erzeuger auf den Sohn übertragen und läßt Dir ſeinen Gruß entbieten.

Nebenchari hatte während dieſer Erzählung ſinnend zu Boden geſchaut. Als Phanes ſchwieg, ſah er denſelben durchdringend an und fragte: Wo ſind meine Papiere?

Jn Händen des Onuphis, der in ihnen nach dem Belege ſucht, deſſen ich bedarf.

Das konnte ich denken! Sei ſo gut, mir zu ſagen,17 wie die Kiſte ausſieht, welche Hib nach Perſien zu bringen für gut fand.

Es iſt ein Köfferchen von ſchwarzem Ebenholz.

Nebenchari athmete auf und ſagte: Dasſelbe enthält nichts, als einige Aufzeichnungen meines Vaters.

Die meinen Zwecken vielleicht genügen werden. Jch weiß nicht, ob man Dir erzählt hat, daß ich mich der höchſten Gunſt des Kambyſes erfreue.

Um ſo beſſer für Dich! Jch kann Dich verſichern, daß die Papiere, welche Dir am ſicherſten dienen könn - ten, in Aegypten geblieben ſind.

Sie lagen in einer großen, bunt bemalten Syko - moren-Kiſte.

Woher weißt Du das?

Weil ich, merke wohl auf, Nebenchari, weil ich Dir jetzt ſage, ich ſchwöre nicht, denn Pythagoras, der Meiſter, verbietet den Eidſchwur, daß eben dieſe Kiſte mit ſammt ihrem ganzen Jnhalt, im Haine des Neith - Tempels zu Sais, auf Befehl des Königs, verbrannt wor - den iſt.

Dieſe Worte, welche Phanes langſam, Sylbe auf Sylbe ſcharf betonend, ausſprach, trafen den Aegypter wie ebenſoviele Blitzſchläge. Die kalte Ruhe und Gemeſſenheit, die er bis dahin bewahrt hatte, wich einer unbeſchreiblichen Erregung. Seine Wangen glühten, und ſeine Augen flammten. Aber nur während einer einzigen Minute. Dann verwandelte ſich die Erregung in eiſige Ruhe, die glühenden Wangen entfärbten ſich, und der bebende Mund ſprach kalt und gelaſſen: Du willſt mich, um mich zu Deinem Bundesgenoſſen zu machen, mit Haß gegen meine Freunde erfüllen. Jch kenne euch Hellenen! Ränkevoll und liſtig, verſchmäht ihr kein Mittel des Truges undEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 218der Lüge, wenn euch daran liegt, eure Zwecke zu för - dern.

Du beurtheilſt mich und meine Landsleute nach ächt ägyptiſcher Art; das heißt, Du hältſt uns, als Fremde, für ſo ſchlecht als möglich; dießmal täuſcheſt Du Dich aber in Deinem Verdachte! Laß den alten Hib kommen und Dir von demſelben beſtätigen, was Du mir nicht glau - ben willſt.

Nebenchari’s Stirn verfinſterte ſich, als Hib, ſeinem Rufe folgend, in das Zimmer trat.

Komm näher! herrſchte er dem Alten zu.

Hib folgte achſelzuckend dem Befehle.

Haſt Du Dich von dieſem Manne beſtechen laſſen? Ja oder nein! Jch verlange die Wahrheit, denn es gilt das Wohl oder Wehe meiner Zukunft. Biſt Du in die Schlingen dieſes Meiſters in allen Liſten gegangen, ſo verzeih ich Dir, weil ich Dir, einem alten treuen Diener, Vieles zu danken habe. Sage die Wahrheit, ich be - ſchwöre Dich im Namen Deiner oſiriſchen Väter!

Das gelbliche Geſicht des Alten war während dieſer Worte ſeines Herrn erdfahl geworden. Mehrere Minuten lang konnte er ſchluckend und ſchnaufend keine Antwort finden. Endlich, nachdem es ihm gelungen war, die Thrä - nen, welche ſich mit aller Gewalt in ſeine Augen drängen wollten, hinunterzuwürgen, rief er halb zornig, halb weinerlich: Hab ich’s nicht gleich geſagt? Er iſt in dieſem Lande der Schmach und des Unheils verzaubert und verderbt worden. Weſſen man ſelber fähig iſt, das traut man auch Andern zu! Sieh mich nur zornig an, ich mache mir nichts daraus. Was kann es mich überhaupt noch kümmern, wenn man mich, einen alten Mann, der ſechzig Jahre lang demſelben Hauſe treu und redlich gedient hat,19 für einen Schurken, einen Spitzbuben, einen Verräther, wenn’s euch gefällig iſt, auch für einen Mörder hält!

Bei dieſen letzten Worten floßen die Augen des Grei - ſes, ſehr gegen ſeinen Willen, von heißen Thränen über.

Der leicht gerührte Phanes klopfte ihm auf die Schulter und ſagte, ſich an Nebenchari wendend: Hib iſt ein treuer Menſch. Nenne mich einen Schurken, wenn derſelbe einen Obolos von mir angenommen hat.

Der Arzt hätte dieſer Worte des Atheners nicht be - durft, um von der Unſchuld ſeines Dieners vollkommen überzeugt zu ſein. Er kannte denſelben ſo lange und ſo genau, daß er in den keiner Verſtellung fähigen Zügen des Alten wie in einem offenen Buche zu leſen verſtand; darum näherte er ſich demſelben und ſagte begütigend: Jch habe Dir nichts vorgeworfen, Alter. Wer wird über eine bloße Frage ſo böſe werden!

Soll mich wohl noch über Deinen ſchändlichen Ver - dacht freuen?

Das nicht; wohl aber geſtatte ich Dir jetzt, zu erzählen, was ſich während meiner Abweſenheit in unſerem Hauſe zugetragen hat.

Schöne Geſchichten! Die Galle ſteigt mir zu Kopfe, wenn ich daran denke.

Du ſagteſt vorhin, man habe mich beſtohlen.

Und wie! So iſt noch gar kein Menſch vor uns beſtohlen worden! Wenn die Spitzbuben noch Strolche von der Diebeskaſte geweſen wären 12), ſo könnte man ſich tröſten, denn erſtens würden wir dann den beſten Theil unſres Eigenthums wieder bekommen haben, und zweitens nicht ſchlimmer dran geweſen ſein, als viele Andre; wenn aber

Bleibe bei der Sache, denn meine Zeit iſt gemeſſen!

20

Weiß ſchon! Der alte Hib kann Dir hier in Per - ſien nichts recht machen; aber ſei es drum! Du biſt der Herr und haſt zu befehlen; ich bin nichts als der Diener, der gehorchen muß. Will mir’s merken! Na, es war alſo grade in der Zeit, wo die große perſiſche Geſandtſchaft nach Sais kam, um Nitetis zu holen und ſich von aller Welt wie Wunderthiere angaffen zu laſſen, als die Schänd - lichkeit vor ſich ging. Jch ſitze, gerade eh die Sonne unterging, auf dem Mückenthürmchen und ſpiele mit meinem Enkel, dem älteſten Knaben mein er Tabainofre*)Gute Palme., ’s iſt ein prächtiger, dicker Junge geworden, der für ſein Alter merkwürdig klug und kräftig iſt. Der Schlingel erzählt mir eben, ſein Vater habe, wie die Aegypter thun, wenn ihre Frauen die Kinderchen zu viel allein laſſen, die Schuh ſeiner Mutter verſteckt 13), und ich lache aus vollem Halſe, weil ich der Tabainofre, die keins der Enkelchen bei mir wohnen laſſen will, dieſen Streich ſchon gönnte, ſie ſagen immer, ich verzöge die Kleinen, als es plötzlich mit dem Klopfer ſo heftig an die Hausthür pocht, daß ich ſchon denke, es ſei Feuer ausgebrochen, und den Jungen von meinem Schooße fallen laſſe. So ſchnell ich kann, ſpring ich die Treppe hinunter, nehme mit meinen langen Beinen immer drei Stufen auf einmal und ſchiebe den Riegel zurück. Die Thür fliegt auf, und eine Schaar von Tempeldienern und Sicherheitsbeamten, es waren we - nigſtens fünfzehn Mann, dringt, ehe ich noch Zeit habe, nach ihrem Begehr zu fragen, ins Haus. Pichi, der un - verſchämte Tempeldiener der Neith, Du kennſt ihn ja, ſtößt mich zurück, riegelt die Thür von innen zu und befiehlt den Schaarwächtern, mich zu binden, wenn ich ſeinen21 Befehlen nicht Folge leiſten würde. Jch werde natürlich grob, denn ich kann nicht anders, wenn mich etwas ärgert, das weißt Du, Herr; da läßt er mich, bei unſerem Gotte Thoth, der die Wiſſenſchaft beſchirmt, ich rede die Wahrheit, Herr, da läßt der Grünſchnabel mir die Hände binden, verbietet mir, dem alten Hib, den Mund und theilt mir mit, daß er vom Oberprieſter den Auftrag habe, mir fünfundzwanzig Stockprügel geben zu laſſen, wenn ich mich nicht ohne jede Widerrede ſeinen Anert - nungen fügen würde. Dabei zeigt er mir den Ring des Oberprieſters. Nun mußt ich, ob ich wollte oder nicht, dem Befehle dieſes Schuftes gehorchen! Derſelbe beſtand in nichts Geringerem, als ihm ſofort alle Schriftſtücke, die Du in Deinem Hauſe zurückgelaſſen, einzuhändigen. Aber der alte Hib iſt nicht ſo dumm, daß er ſich gleich fangen läßt, wenn auch Manche, die ihn beſſer kennen ſollten, meinen, daß er ein beſtechlicher Menſch und der Sohn eines Eſels ſei. Was werde ich alſo thun? Jch ſtelle mich, als wär ich ganz zerknirſcht von dem Anblicke des Siegelrings, erſuche Pichi ſo höflich als ich eben kann, mir die Hände loszubinden, und ſage, daß ich die Schlüſſel holen wolle. Man nimmt die Stricke von meinen Händen, ich eile die Treppe hinauf, immer fünf Stufen mit einem Schritte nehmend, reiße, oben angekommen, die Thür Deines Schlafzimmers auf, ſchiebe meinen Enkel, der vor derſelben ſtand, hinein und ſtoße den Riegel vor. Dank meinen langen Beinen war ich den Andern ſo weit voraus, daß ich Zeit behielt, dem Jungen das ſchwarze Käſtchen, welches Du meiner beſondern Obhut empfohlen hatteſt, in den Arm zu geben, den kleinen Kerl durch das Fenſter auf den Altan, der das Haus an der dem Hofe zugekehr - ten Seite umgibt, zu heben und ihm zu befehlen, dasſelbe22[][] ſofort in den Taubenſchlag zu ſtecken. Dann öffne ich die Thür, als wäre nichts geſchehen, mache dem Pichi weis, der Junge habe ein Meſſer im Munde gehabt, und ich ſei darüber ſo entſetzt geweſen, daß ich vor lauter Angſt die Treppe ſo raſch hinaufgeſprungen ſei und den Buben nun zur Strafe an die Luft geſetzt habe. Der Bruder eines Nilpferds glaubte mir und ließ ſich dann durch das ganze Haus führen. Erſt fanden ſie die große Sykomoren-Kiſte mit den Papieren, welche Du mir gleich - falls ſorgſam zu bewachen anbefohlen hatteſt, dann die Papyrusrollen auf Deinem Arbeitstiſche, und nach und nach alles Geſchriebene, was nur im Hauſe aufzutreiben war. Das ſteckten ſie ohne Auswahl in die große Kiſte und trugen ſie hinunter; das ſchwarze Käſtchen aber lag unverſehrt im Taubenſchlage. Mein Enkel iſt der klügſte Junge in ganz Sais!

Als ich die Kiſte zum Hauſe hinaustragen ſah, erwachte meine mühſam hinuntergekämpfte Wuth von neuem. Jch drohte den unverſchämten Eindringlingen, ſie bei den Richtern, ja, wenn es Noth thäte, beim Könige zu verklagen, und würde auch das Volk gegen ſie auf - gehetzt haben, wenn die verdammten Perſer, denen die24 Stadt gezeigt wurde, nicht gerade in dieſem Augenblicke die ganze Aufmerkſamkeit der zuſammengelaufenen Menge in Anſpruch genommen hätten. Am ſelben Abende ging ich zu meinem Schwiegerſohne, der, wie Du weißt, gleich - falls Tempeldiener der Göttin Neith iſt, und bat ihn, Alles aufzubieten, um ſich Kenntniß von dem Schickſale der geraubten Schriften zu verſchaffen. Der gute Menſch iſt Dir noch immer dankbar für die reiche Mitgift, welche Du meiner Benra ſchenkteſt, und kam drei Tage ſpäter zu mir, um mir zu erzählen, daß er Zeuge geweſen ſei, wie man Deine ſchöne Kiſte und alle in ihr befindlichen Rollen verbrannt habe. Jch bekam vor Aerger die Gelb - ſucht, ließ mich aber von meiner Krankheit nicht abhalten, bei den Richtern eine Klageſchrift einzureichen. Dieſe Elenden wieſen mich, gewiß nur weil ſie ſelbſt Prieſter ſind, mit meiner Beſchwerde ab. Jetzt gab ich in Dei - nem Namen ein Bittſchreiben beim Könige ein, wurde aber auch von dieſem mit der ſchnöden Drohung, man werde mich als Staatsverräther betrachten, wenn ich jener Papiere noch einmal erwähnen würde, abgewieſen. Nun war mir meine Zunge zu lieb 14), um weitere Schritte zu thun. Der Boden brannte mir unter den Füßen. Jch konnte nicht in Aegypten bleiben, denn ich mußte Dich ſprechen; ich mußte Dir erzählen, was man Dir ange - than; ich mußte Dich, der Du mächtiger biſt, als Dein armer Diener, auffordern, Dich zu rächen; ich mußte Dir auch den ſchwarzen Kaſten, den man mir ſonſt viel - leicht gleichfalls abgejagt hätte, überliefern. So verließ ich denn mit blutendem Herzen die Heimath und mein Enkelchen, um, ſo alt ich bin, in die typhoniſche Fremde zu ziehen. Ach, der kleine Junge war ſo klug! Als ich25 ihn beim Abſchiede küßte, ſagte er: Bleib bei uns, Großvater! Wenn die Fremden Dich verunreinigen, ſo darf ich Dich nicht mehr küſſen. Benra grüßt Dich herzlich, und mein Schwiegerſohn läßt Dir ſagen, er habe in Erfahrung gebracht, daß Pſamtik, der Thronfolger, und Petammon, der Augenarzt, Dein alter Nebenbuhler, ganz allein an dieſer fluchwürdigen Frevelthat ſchuld wären. Weil ich mich nicht dem typhoniſchen Meere anvertrauen wollte, ſo reiste ich zuerſt mit einem Zuge arabiſcher Handelsleute bis nach Thadmor, der palmen - reichen Wüſtenſtation der Phönizier 15), und von dort mit ſidoniſchen Händlern bis Karchemis am Euphrat, woſelbſt ſich die von Phönizien nach Babylon führende Straße mit derjenigen verbindet, die von Sardes aus hierher führt. Schwer ermüdet ſaß ich dort in dem Wäldchen vor dem Stationshauſe, als ein mit königlichen Poſt - pferden reiſender Fremder ankam. Jch erkannte in ihm ſofort den früheren Oberſten der helleniſchen Söldner.

Und ich, unterbrach Phanes den Erzähler, er - kannte ebenſo ſchnell in Dir, Alter, den längſten und zänkiſchſten Menſchen, der mir je begegnet iſt. Hundert - mal hatte ich zu Sais über Dich lachen müſſen, wenn Du auf die Kinder ſchalteſt, die Dir nachliefen, ſo oft Du mit dem Arzneikäſtchen unter dem Arme Deinem Herrn durch die Straßen folgteſt. Ja, ich erinnerte mich, ſobald ich Dich ſah, eines Scherzes, den ſich der König nach ſeiner Art auf Deine Koſten erlaubt hatte. Als ihr Beide eines Tages vorbeikamet, rief er: Der Alte kommt mir vor wie eine grimmige Eule, die von kleinen neckſüchtigen Vögeln umflattert wird, und Nebenchari ſoll ein böſes Weib haben, das ihm zum26 Lohne für all die Augen, welche er ſehend macht, ſeine eigenen auskratzen wird!

Solche Schändlichkeit! rief der Alte, in Ver - wünſchungen ausbrechend.

Der Arzt hatte ſchweigend und ſinnend der Er - zählung ſeines Dieners zugehört. Von Zeit zu Zeit wechſelte die Farbe ſeines Angeſichts. Als er hörte, daß man ſeine Papiere, die Frucht vieler mühſam durch - arbeiteter Nächte, verbrannt, mit dem Willen ſeiner Standesgenoſſen und des Königs freventlich zerſtört habe, ballten ſich ſeine Fäuſte und ſein Körper erbebte, als überkomme ihn ein harter Froſt.

Dem Athener war keine Bewegung des Saïten ent - gangen. Er kannte die menſchliche Natur und wußte, daß häufig ein Wort des Spottes die Seele des Ehr - geizigen tiefer verletzt, als harte Beleidigungen. Darum wiederholte er gerade jetzt jenen leichtfertigen Scherz, den ſich Amaſis in Wahrheit einſtmals, ſeiner ſchalkhaften Neigung folgend, erlaubt hatte. Auch war ſeine Rech - nung richtig geweſen, denn er bemerkte, daß Nebenchari bei ſeinen letzten Worten eine Roſe, welche vor ihm auf dem Tiſche lag, mit der flachen Hand zerdrückte. Ein wohlgefälliges Lächeln unterdrückend, ſah Phanes zu Boden und fuhr fort: Jetzt wollen wir aber die Er - zählung der Reiſeabenteuer des braven Hib ſchnell be - ſchließen. Jch lud ihn ein, meinen Wagen zu theilen. Erſt weigerte er ſich, mit einem ſo verruchten Fremden, wie ich bin, auf einem Polſter zu ſitzen; doch gab er endlich meinen Bitten nach, hatte auf der letzten Station Gelegenheit, an dem Bruder des Oberprieſters Oropaſtes die Handgriffe, welche er Dir und Deinem Vater abgeſehen,27 der Welt zu zeigen, und langte glücklich zu Babylon an, woſelbſt ich ihm im Königspalaſte ſelbſt ein Unter - kommen verſchaffte, weil wir Deiner, wegen der traurigen Vergiftung Deiner Landsmännin, nicht habhaft werden konnten. Das Andere weißt Du.

Nebenchari ſenkte bejahend ſein Haupt und befahl Hib mit einem ernſten Winke, das Zimmer zu verlaſſen.

Der Alte gehorchte brummend und leiſe vor ſich hin ſcheltend. Als ſich die Thür hinter ihm geſchloſſen hatte, näherte ſich der Heilkünſtler dem Kriegsmann und ſagte: Jch fürchte, Hellene, daß wir trotz alledem keine Bundesgenoſſen ſein können!

Und warum nicht?

Weil ich vermuthe, daß Deine Rache im Vergleich zu derjenigen, die mir zu üben obliegt, zu gelinde aus - fallen möchte.

Jn dieſer Beziehung haſt Du nichts zu beſorgen! antwortete der Athener. Darf ich Dich meinen Bundes - genoſſen nennen?

Ja; unter einer Bedingung!

Laß ſie hören!

Du mußt mir Gelegenheit verſchaffen, mit eigenen Augen das Werk unſerer Rache zu ſehen.

Das heißt, Du willſt, wenn Kambyſes nach Aegypten zieht, das Heer begleiten?

Ja! Und wenn meine Feinde in Schmach und Elend ſchmachten, dann will ich ihnen zurufen: Seht, ihr Feiglinge, dies Unheil verdankt ihr dem armen, ver - bannten Augenarzte! O, meine Bücher, meine Bücher! Sie waren mir Erſatz für Weib und Kind, die ich Beide verloren. Aus ihnen ſollten Hunderte lernen, den Blinden28 aus ſeiner Nacht zu erlöſen und dem Schauenden die ſüßeſte Göttergabe, die Blume des Angeſichts, das Gefäß des Lichtes, das ſehende Auge, zu erhalten. Nun meine Bücher zerſtört ſind, hab ich umſonſt gelebt; mit meinen Werken haben die Elenden mich ſelbſt verbrannt! O meine Bücher, meine Bücher! Bei dieſen Worten ſchluchzte der unglückliche Mann ſchmerzlich auf; Phanes aber näherte ſich ihm, ergriff ſeine Rechte und ſprach: Dich, mein Freund, haben die Aegypter geſchlagen, ich aber bin von ihnen gemißhandelt worden; Dir ſind Diebe in die Scheune gedrungen, mir haben Mordbrenner Haus und Hof eingeäſchert. Weißt Du, Mann, weißt Du, was man mir gethan hat? Wenn ſie mich verjagten und verfolgten, ſo hatten ſie ein Recht dazu, denn ich war nach ihren Geſetzen des Todes ſchuldig. Um meinetwillen hätte ich ihnen vergeben können, denn ich hing an dieſem Amaſis, wie ein Freund an dem Freunde hängt. Das wußte der Elende, und dennoch litt er das Unglaubliche. O, das Gehirn ſträubt ſich, das Entſetzliche zu denken! Wie die Wölfe drangen ſie bei Nacht in das Haus eines wehrloſen Weibes und raubten meine Kinder, ein Mädchen und einen Knaben, den Stolz, die Freude, den Troſt meines heimathloſen Lebens. Und was thaten ſie mit ihnen? Das Mädchen hielten ſie gefangen, wie ſie vorgaben, um mich zu verhindern, Aegypten an die Fremden zu ver - rathen; den Knaben aber, das Bild der Schönheit und Güte, meinen einzigen Sohn, hat Pſamtik, der Thronerbe, vielleicht mit Wiſſen des Amaſis, ermorden laſſen. Mein Herz war in Gram und Verbannung zuſammengeſchrumpft, jetzt aber fühle ich, wie es in der Hoffnung nach Rache anſchwillt und in freudigeren Schlägen pocht!

27

[]

Nebenchari ſah mit düſterglühenden Blicken in die flammenden Augen des Atheners und ſprach, indem er ihm die Hand reichte: Wir ſind Bundesgenoſſen!

Der Athener ergriff die Rechte des Arztes und ſagte: Jetzt gilt es zunächſt, uns der Gunſt des Königs zu ver - ſichern!

Jch werde Kaſſandane ſehend machen.

Du könnteſt?

Jene Operation, welche Amaſis das Licht wieder gab, iſt meine Erfindung. Petammon entwandte mir die - ſelbe aus meinen verbrannten Schriften.

28

Warum haſt Du aber Deine Kunſt nicht früher bewährt?

Weil ich nicht gewohnt bin, meinen Feinden Ge - ſchenke zu machen.

Phanes fühlte bei dieſen Worten einen leiſen Schau - der; faßte ſich aber ſchnell und ſagte: Auch mir iſt die Gunſt des Königs gewiß. Die Geſandten der Maſſageten ſind heute ſchon heimwärts gezogen. Man hat ihnen den Frieden bewilligt und

Jn dieſem Augenblick wurde die Thür aufgeriſſen und ein Eunuch Kaſſandane’s ſtürzte in das Zimmer, indem er Nebenchari zurief: Die Herrin Nitetis will ſterben! Schnell, ſchnell! Mach Dich auf und folge mir!

Der Arzt winkte ſeinem Bundesgenoſſen zu, zog die Sandalen an und folgte dem Eunuchen an das Lager der hinſcheidenden Königsbraut.

[29]

Zweites Kapitel.

Schon verſuchte die Sonne, ſich durch die dichten Vorhänge, welche das Fenſter des Krankenzimmers der Aegypterin verſchloſſen, Bahn zu brechen, als Nebenchari noch immer an dem Lager derſelben ſaß. Bald befühlte er ihren Puls, bald beſtrich er ihre Stirn und Bruſt mit duftenden Salben, bald ſtarrte er träumeriſch vor ſich hin. Die Leidende ſchien nach einem Krampfanfalle in tiefem Schlummer zu liegen. Am Fußende ihres Bettes ſtanden ſechs perſiſche Heilkünſtler und murmelten Beſchwörungen, während Nebenchari zu Häupten der Kranken ſaß und von dort aus den Aſiaten, die ſeine überlegenen Kenntniſſe anerkannten, Vorſchriften diktirte.

So oft der Aegypter den Puls der Kranken berührte, zuckte er mit den Achſeln, eine Bewegung, welche ſeine perſiſchen Collegen ſofort einhellig nachahmten. Von Zeit zu Zeit öffnete ſich der Vorhang des Zimmers und ließ einen blühenden Mädchenkopf ſehen, deſſen blaue Augen den Heilkünſtler fragend anſchauten, um von demſelben jedesmal mit demſelben bedauerlichen Achſelzucken abgefertigt zu werden. Zweimal hatte ſich die Fragerin, Atoſſa, die Schweſter des Königs, den ſchweren Teppich von mileſiſchem30 Wollengewebe kaum mit den Füßen berührend, bis an das Lager ihrer kranken Freundin geſchlichen, um einen leiſen Kuß auf die von einzelnen feuchten Perlen bethaute Stirn derſelben zu hauchen; war aber jedesmal von dem ägyp - tiſchen Arzte mit ſtreng verweiſenden Blicken in das Neben - zimmer heimgeſandt worden.

Hier lag Kaſſandane, den Ausgang der Dinge er - wartend, während Kambyſes, als die Sonne aufgegangen und Nitetis in Schlummer verſunken war, die Kranken - ſtube verlaſſen und ſich auf ein Roß geſchwungen hatte, um, von Phanes, Prexaspes, Otanes, Darius und vielen aus dem Schlaf geweckten Höflingen begleitet, den Thier - garten in einem wilden Ritte zu durchmeſſen. Er wußte, daß er jede Gemüthsbewegung am beſten auf dem Rücken eines unbändigen Hengſtes ſitzend überwältigen oder ver - geſſen konnte.

Als Nebenchari den dröhnenden Hufſchlag aus der Ferne vernahm, ſchrack er zuſammen. Jhm träumte mit offenen Augen, der König ziehe mit unüberſehbaren Reiter - ſchaaren in ſeine Heimat, werfe Brandfackeln in die Städte und Tempel derſelben und zermalme mit gewaltigen Fauſt - ſchlägen die Rieſenbauten der Pyramiden. Jn dem Schutte der eingeäſcherten Städte lagen Weiber und Kinder, aus den Gräbern ſchrieen mit klagenden Stimmen die Mumien der Verſtorbenen, die ſich gleich Lebenden bewegten; und Alle: Prieſter, Krieger, Weiber, Kinder, Todte und Ster - bende, riefen ſeinen Namen aus und fluchten ihm, dem Verräther ſeines Vaterlandes. Kalte Fieberſchauer durch - bebten ſein Herz, welches krampfhafter ſchlug als die Adern der Sterbenden an ſeiner Seite. Wiederum öffnete ſich der Vorhang des Nebenzimmers, wiederum ſchlich Atoſſa herbei und legte ihre Hand auf ſeine Schulter. Er ſchrack31 zuſammen und erwachte. Nebenchari hatte drei Tage und drei Nächte faſt ohne jede Unterbrechung an dieſem Lager geſeſſen. Jene Träume waren wohl berechtigt, den Ueber - müdeten aufzuſuchen.

Atoſſa ſchlich zu ihrer Mutter zurück. Tiefes Schwei - gen lagerte in der ſchwülen Luft des Krankenzimmers. Der Aegypter gedachte ſeines Traumes; er ſagte ſich, daß er im, Begriff ſei, zum Verräther und Verbrecher zu werden. Nochmals zog Alles, was er im Halbſchlummer geſchaut hatte, an ſeinen Blicken vorüber; dießmal aber drängte ſich ein andres Bild vor jene ſchrecklichen Geſichter. Nebenchari ſah ſich neben den mit Ketten belaſteten Geſtalten des Amaſis, der ihn verbannt und verſpottet, des Pſamtik und der Prieſter, die ſeine Werke vernichtet hatten, ſtehen. Seine Lippen bewegten ſich leiſe; ſie durften an dieſer Stätte den unbarmherzigen Worten, die er im Geiſte ſeinen um Gnade flehenden Feinden zurief, keine Sprache geben. Dann wiſchte ſich der harte Mann eine Thräne aus dem Auge. Vor ſeiner Seele zogen die langen Nächte vorüber, in denen er, mit dem Schreiberohr in der Hand, bei’m matten Schein der Lampe dageſeſſen und ſeine Gedanken und Erfahrungen, jeden Buchſtaben ſorglich malend, in den feinſten hieratiſchen Zeichen niedergeſchrieben hatte. Für manche Krankheit des Auges, welche die heilige Ambres unheilbar nannte, hatte er ein Rettungsmittel gefunden. Aber er wußte wohl, daß ſeine Amtsgenoſſen ihn des Frevels bezüchtiget haben würden, wenn er ſich heraus - genommen hätte, das geweihte Buch verbeſſern zu wollen. Darum hatte er als Ueberſchrift ſeines Werkes die Worte gewählt: Einige neue von Nebenchari, dem Augenarzt, aufgefundene Schriften des großen Thoth 16), die Heil - kunde des Geſichts betreffend. Nach ſeinem Tode wollte32 er die Arbeit der Bibliothek zu Theben 17) vermachen, da - mit ſeine Erfahrungen all ſeinen Nachfolgern nützlich werden und der ganzen Schaar der Leidenden Früchte tragen möchten. Anerkennung nach dem Tode wünſchte er für ſich, während er der Wiſſenſchaft den Schlaf ſeiner Nächte opferte; Ruhm durch ſeine Mühen für die Kaſte, der er angehörte. Da ſtand jetzt ſein alter Nebenbuhler Petammon, nachdem er ihm die Erfindung des Sta[a]rſchnittes geraubt, an der Seite des Thronfolgers, im Haine der Neith, und ſchürte das vernichtende Feuer. Rothe Gluten färbten die boshaften Züge der Beiden, und ihr hämiſches Gelächter ſtieg mit den Flammen, Rache heiſchend, gen Himmel. Dort drüben reichte der Oberprieſter dem Amaſis die Briefe ſeines Vaters. Hohn und Spott ſprühte von den Lippen des Königs, triumphirende Freude aus den Zügen Neithotephs. So ſehr war er in ſeinen Träumen verſunken, daß ihn einer der perſiſchen Aerzte auf das Erwachen der Kranken aufmerkſam machen mußte. Er nickte demſelben, auf ſeine müden Augen deutend, lächelnd zu, befühlte den Puls der Leidenden und fragte dieſelbe in ägyptiſcher Sprache: Haſt Du gut geſchlafen, Herrin?

Jch weiß nicht, antwortete die Kranke mit kaum vernehmbarer Stimme. Mir war zwar, als wenn ich geſchlummert hätte; dennoch ſah und hörte ich Alles, was hier im Zimmer vorging. Jch fühlte mich ſo müde, daß ich den Traum nicht vom Wachen unterſcheiden konnte. Jſt nicht Atoſſa mehrmals bei mir geweſen?

Ganz recht!

Und Kambyſes verweilte, bis die Sonne aufging, bei Kaſſandane; dann ging er ins Freie, beſtieg den Hengſt Rekſch und ritt in den Thiergarten.

Woher weißt Du das?

33

Jch hab es geſehen.

Nebenchari ſchaute beſorgt in die glänzenden Augen der Jungfrau, welche fortfuhr: Auch hat man viele Hunde in den Hof hinter dieſem Hauſe geführt.

Der König will ſeinen Schmerz über Dein Leiden vielleicht durch eine Jagd betäuben.

O nein, das weiß ich beſſer! Oropaſtes hat mich gelehrt, daß jedem ſterbenden Perſer Hunde 18) zugeführt werden, damit der Diw des Todes in dieſelben fahre.

Du biſt ja noch am Leben, Herrin, und

O, ich weiß, daß ich ſterben werde! Hätt ich auch nicht geſehen, wie Du und die andern Aerzte, indem Jhr mich anſchautet, die Achſeln zucktet, ſo wüßte ich dennoch, daß ich nur noch wenige Stunden zu leben habe. Das Gift iſt tödtlich!

Du ſprichſt zu viel, Herrin; das Reden wird Dir ſchaden.

Laß mich, Nebenchari! Jch muß Dich um etwas bitten, eh ich ſterbe.

Jch bin Dein Diener!

Nein, Nebenchari, mein Freund ſollſt Du ſein, mein Prieſter! Nicht wahr, Du zürnſt mir nicht mehr, weil ich zu den perſiſchen Göttern gebetet habe? Jſis und Hathor ſind doch immer meine beſten Freundinnen geblieben. Ja, ich ſeh Dir’s an, daß Du mir vergibſt. Nun mußt Du mir aber auch verſprechen, mich nicht von Hunden und Geiern zerreißen zu laſſen*)Siehe I. Theil Anmerk. 107.. O, der Gedanke iſt gar zu ſchrecklich! Nicht wahr, Du wirſt meinen Leichnam balſamiren und ihn mit Amuleten ſchmücken?

Wenn der König es geſtattet.

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 334

O gewiß! Wie könnte Kambyſes meine letzte Bitte abſchlagen?

Meine Kunſt gehört Dir!

Jch danke Dir; aber ich habe noch eine Bitte.

Faſſ Dich kurz! Meine perſiſchen Genoſſen deuten mir an, daß ich Dir Schweigen auferlegen müſſe.

Kannſt Du dieſelben nicht auf einen Augenblick ent - fernen?

Jch will es verſuchen.

Nebenchari näherte ſich den Magiern. Wenige Mi - nuten ſprach er mit denſelben, dann verließen ſie das Zimmer. Er hatte vorgegeben, eine große Beſchwörung, der kein Dritter beiwohnen dürfe, vornehmen und ein neues geheimes Gegengift anwenden zu wollen.

Als die Beiden allein waren, athmete Nitetis freudig auf und ſagte: Gib mir Deinen Prieſterſegen zur langen Reiſe in die Unterwelt und mach mich fertig für die Wanderung zum Oſiris!

Nebenchari kniete an ihrem Lager nieder und mur - melte leiſe Geſänge, denen Nitetis mit andächtiger Stimme antwortete. Der Arzt ſtellte Oſiris, den Herrn der Unter - welt, dar; Nitetis die Seele, welche ſich vor demſelben rechtfertigt 19).

Nachdem dieſe Ceremonien beendet waren, hob ſich die Bruſt der Kranken in volleren Athemzügen. Nebenchari ſah nicht ohne Rührung auf die junge Selbſtmörderin. Er war ſich bewußt, den Göttern ſeiner Heimat dieſe Seele gerettet, einem guten Geſchöpfe die letzten, ſchweren Stunden erleichtert zu haben. Während dieſer Augenblicke hatte er in reinem Mitleid und wahrer Menſchenliebe jedes bittere Gefühl vergeſſen; als aber der Gedanke, Amaſis habe das Unglück auch dieſes lieblichen Geſchöpfes verſchuldet, in35 ihm äufſtieg, verfinſterten ſchwarze Gedanken von Neuem ſeine Seele. Nitetis, welche eine Zeit lang ſchweigend dagelegen hatte, wandte ſich wiederum freundlich lächelnd ihrem neuen Freunde zu und fragte: Nicht wahr, ich werde vor den Todtenrichtern Gnade finden?

Jch hoffe und glaube es!

Vielleicht werde ich Tachot am Throne des Oſiris finden, und mein Vater

Dein Vater und Deine Mutter erwarten Dich! Segne in Deiner letzten Stunde diejenigen, welche Dich erzeugten, und fluche denen, welche Dir Eltern, Thron und Leben raubten.

Jch verſtehe Dich nicht.

Fluche denen, Mädchen, welche Dir Eltern, Thron und Leben raubten! rief der Arzt zum andern Male, ſich hoch aufrichtend und mit tiefen Athemzügen auf die Ster - bende herniederſchauend. Fluche den Böſen, Mädchen, denn dieſer Fluch wird Dir höhere Gnade vor den Todten - richtern verſchaffen, als tauſend gute Werke! Der Arzt griff, indem er dieſe Worte ausrief, nach der Hand der Kranken und drückte dieſelbe mit Heftigkeit.

Nitetis ſchaute den Zürnenden ängſtlich an und lis - pelte in blindem Gehorſam: Jch fluche!

Fluche denen, die Deinen Erzeugern Thron und Leben raubten!

Denen, die meinen Erzeugern Thron und Leben raubten! O ach mein Herz!

Entkräftet ſank ſie auf das Lager zurück.

Nebenchari beugte ſich über die Leidende, drückte, ehe die Aerzte des Königs das Zimmer betreten konnten, einen leiſen Kuß auf die Stirn der Sterbenden und murmelte: Sie ſtirbt als meine Bundesgenoſſin. Die Götter ver -36 nehmen den Fluch der ſterbenden Unſchuld! Nicht nur als mein eigner, nein auch als Rächer König Hophra’s trage ich das Schwert nach Aegypten!

Einige Stunden ſpäter ſchlug Nitetis noch einmal die Augen auf.

Dießmal ruhte ihre kalte Rechte in den Händen Kaſſandane’s. Zu ihren Füßen kniete Atoſſa; Kröſus ſtand zu Häupten des Bettes und unterſtützte mit ſeinen ſchwachen Armen den gewaltigen König, welcher im Ueber - maß des Schmerzes gleich einem Trunkenen hin - und herwankte. Die Sterbende ſchaute ſich ſtrahlenden Blickes in dieſem Kreiſe um. Sie war unſagbar ſchön. Kam - byſes nahte ſich den erkaltenden Lippen und drückte einen Kuß auf dieſelben, den erſten und letzten, den er ihr geben durfte. Da entquollen zwei volle, warme Freuden - thränen ihren brechenden Augen, der Name Kambyſes klang leiſe von ihrem erbleichenden Munde, ſie ſank in Kröſus Arme zurück und war nicht mehr.

Wir übergehen die Schilderung der nächſten Stunden, denn es widerſteht uns, zu beſchreiben, wie auf ein Zeichen des oberſten perſiſchen Arztes alle Anweſenden außer Ne - benchari und Kröſus in großer Eile das Zimmer ver - ließen; wie man Hunde in das Krankenzimmer führte, um die klugen Köpfe derſelben der Verſtorbenen zuzuwenden und die Drukhs Naçus zu veranlaſſen, in die Thiere zu fahren; wie, nach dem Ableben der Jungfrau, Kaſſandane, Atoſſa und alle ihre Diener ſofort ein andres Haus be - zogen, um von dem Leichnam nicht verunreinigt zu werden, wie man alle Feuer in der alten Wohnung verlöſchte, damit das reine Element den befleckenden Geiſtern des37 Todes entrückt werde 20), wie man Beſchwörungsformeln murmelte 21), wie ſich endlich Jeder und Alles, was dem Leichnam nahe gekommen war, zahlreichen Waſchungen mit Waſſer und Rinderurin unterziehen mußte.

Kambyſes verfiel am Abende in ſeine alten epilepti - ſchen Krämpfe. Zwei Tage ſpäter ertheilte er Nebenchari die Erlaubniß, den Leichnam der Verſtorbenen, ihrem letzten Wunſche gemäß, in ägyptiſcher Weiſe zu balſamiren. Er ſelbſt überließ ſich ſchrankenlos ſeinem Schmerze, zer - fleiſchte ſeine Arme, zerriß ſeine Kleider und ſtreute Aſche auf ſein Haupt und ſein Lager. Alle Großen des Hofes mußten ſeinem Beiſpiele folgen. Die Wachen zogen mit zerriſſenen Fahnen, bei gedämpftem Trommelſchalle, auf. Die Cymbeln und Pauken der Unſterblichen waren mit Flor umwunden; die Roſſe, die der Verſtorbenen gedient hatten, ſowie diejenigen, welche bei Hofe benutzt wurden, mußten blau gefärbt und ihrer Schweife beraubt werden; das ganze Hofperſonal ging in dunkelbraunen, bis zum Gürtel zerriſſenen Trauerkleidern umher*)Siehe II. Theil Anmerk. 116., und die Ma - gier mußten drei Tage und drei Nächte lang ohne Unter - brechung für die Abgeſchiedene beten 22), deren Seele in der dritten Nacht bei der Brücke Chinvat**)Siehe II. Theil Anmerk. 100. den Richter - ſpruch für die Ewigkeit erwartete.

Auch der König, Kaſſandane und Atoſſa entzogen ſich jenen Reinigungen nicht und ſprachen, wie für eine nächſte Anverwandte, dreißig Sterbegebete, während Nebenchari die Todte in einem vor den Thoren der Stadt gelegenen Hauſe nach allen Regeln der Kunſt, in der koſtbarſten Weiſe, zu balſamiren begann 23).

38

Neun Tage lang verweilte Kambyſes in einem Zu - ſtande, der dem Wahnſinn glich. Bald wüthend, bald ſtumpf und theilnahmslos, geſtattete er ſelbſt nicht ſeinen Anverwandten und dem Oberprieſter, ihm zu nahen. Am Morgen des zehnten Tages ließ er den Oberſten der ſieben Richter kommen und befahl demſelben, das Urtheil über Gaumata, den Bruder des Oropaſtes, in ſo milder Weiſe als möglich zu ſprechen. Nitetis hatte ihn auf dem Kran - kenlager gebeten, das Leben des unglücklichen Jünglings zu ſchonen.

Eine Stunde ſpäter überbrachte man ihm den Wahr - ſpruch zur Beſtätigung. Derſelbe lautete: Sieg dem Könige! Nachdem Kambyſes, das Auge der Welt und die Sonne der Gerechtigkeit, in ſeiner Milde, die ſo weit iſt als der Himmel, und ſo unerſchöpflich als das Meer, uns befohlen hat, die Verbrechen des Magierſohnes Gau - mata nicht mit der Strenge des Richters, ſondern mit der Nachſicht der Mutter zu beurtheilen und zu beſtrafen, ſo haben wir, die ſieben Richter des Reiches, beſchloſſen, ſeines verwirkten Lebens zu ſchonen. Weil aber durch den Leicht - ſinn dieſes Jünglings die Höchſten und Beſten im Reich gefährdet worden ſind, und befürchtet werden könnte, daß er ſein Angeſicht und ſeine Geſtalt, welche die Götter in ihrer Huld und Gnade denen des edlen Kyros-Sohnes Bartja wunderbar ähnlich machten, noch einmal zum Scha - ben der Reinen und Gerechten mißbrauchen könnte, ſo haben wir beſchloſſen, ſein Haupt alſo zu entſtellen, daß der Unwürdigſte vom Würdigſten im Reiche leicht zu un - terſcheiden ſein möge. Darum ſollen dem Gaumata, mit Willen und auf Geheiß des Königs, heute, am Açtad des Monats Chordâd*)Mai. 24) beide Ohren abgeſchnitten werden,39 zur Ehre der Gerechten und zur Schmach des Un - reinen!

Kambyſes beſtätigte ſofort dieſes Urtheil, welches in der That am ſelbigen Tage vollſtreckt wurde.

Oropaſtes wagte nicht, für ſeinen Bruder Fürſprache einzulegen; die demſelben angethane Schmach kränkte aber ſeine ehrgeizige Seele tiefer, als wenn man ihn zum Tode verurtheilt haben würde. Er fürchtete, durch den Ver - ſtümmelten an Anſehen einzubüßen, und befahl demſelben deßwegen, Babylon ſobald als möglich zu verlaſſen und ein Landhaus, welches er auf dem Berge Arakadris 25) beſaß, zu beziehen.

Während der letzten Tage hatte ſich ein dürftig ge - kleidetes Weib, deſſen Angeſicht von einem dichten Schleier bedeckt war, Tag und Nacht an dem großen Eingangsthore des Palaſtes aufgehalten und ſich weder von den Dro - hungen der Wachen, noch den rohen Späſſen der könig - lichen Dienſtleute von ihrem Poſten vertreiben laſſen. Keiner der Unterbeamten, der das Thor paſſirte, entging ihren neugierigen Fragen, erſt nach dem Befinden der Aegyp - terin, dann nach dem Ergehen Gaumata’s. Als ihr ein geſprächiger Lampenanzünder das über den Bruder des großen Oberprieſters verhängte Urtheil, ſchadenfroh lachend, mittheilte, geberdete ſie ſich wie eine Unſinnige und küßte das Gewand des erſtaunten Mannes, der ſie für eine Geiſteskranke hielt und ihr ein Almoſen anbot. Sie lehnte daſſelbe ab und verharrte auf ihrem Poſten, indem ſie ſich von dem Brode, das ihr mitleidige Speiſevertheiler zu - warfen, nährte. Als Gaumata drei Tage ſpäter in einer verſchloſſenen Harmamaxa, mit feſt verbundenem Haupte, zum Thore des Palaſtes herausfuhr, eilte ſie dem Wagen nach und lief ſo lange ſchreiend neben demſelben her, bis40 der Fuhrknecht ſeine Maulthiere anhielt und nach ihrem Begehren fragte. Nun ſchlug ſie den Schleier zurück und zeigte dem kranken Jünglinge ihr hübſches, tieferröthendes Geſicht. Gaumata ſtieß, als er daſſelbe erkannte, einen leiſen Schrei aus, ſammelte ſich aber bald wieder und fragte: Was willſt Du von mir, Mandane?

Die Unglückliche hob ihre Hände flehend empor und rief: O verlaß mich nicht, Gaumata! Nimm mich mit Dir! Jch verzeihe Dir all das Unglück, in welches Du mich und die arme Herrin geſtürzt haſt. Jch liebe Dich ja ſo ſehr und will Dich pflegen und für Dich ſorgen, wie Deine niedrigſte Magd!

Der Jüngling kämpfte in ſeinem Jnnern einen kurzen Kampf. Schon wollte er die Thür des Wagens öffnen und die Geliebte ſeiner Kindheit in ſeine Arme ſchließen, als er den Hufſchlag nahender Roſſe vernahm. Er ſah ſich um, erblickte einen Wagen voll Magier, welche zum Gebet nach dem Schloſſe fuhren, und erkannte in ihnen mehrere frühere Genoſſen aus der Prieſterſchule. Seine Scham erwachte; er fürchtete, von denſelben, die er, als Bruder des Oberprieſters, oftmals ſtolz und hochfahrend behandelt hatte, geſehen zu werden, warf Mandane einen Beutel voll Gold, den ihm ſein Bruder beim Abſchied ge - ſchenkt hatte, zu und befahl dem Fuhrmann, in aller Eile fortzufahren. Die Maulthiere jagten in wilder Flucht davon. Mandane ſtieß den Beutel mit den Füßen von ſich, lief dem Geſpanne nach und hielt ſich an dem Kaſten des Wagens feſt. Ein Rad erfaßte ihr Kleid und riß ſie zu Boden. Mit der Kraft der Verzweiflung ſprang ſie auf, überholte die Mäuler, welche, da die Straße einen Berg hinaufführte, langſamer gehen mußten, und warf ſich denſelben in die Zügel. Der Fuhrknecht brauchte ſeine41 dreiſchnürige Geißel, die Thiere bäumten ſich, riſſen das Mädchen um und jagten davon. Jhr letzter Angſtſchrei drang wie ein Lanzenſtich in die Wunden des Verſtümmelten.

Am zwölften Tage nach dem Tode der Nitetis begab ſich Kambyſes wieder auf die Jagd. Das Waidwerk mit ſeiner Anſtrengung, ſeinen Gefahren und Erregungen, ſollte ihn zerſtreuen. Die Großen und Würdenträger em - pfingen ihren Herrſcher mit donnerndem Zurufe, den er freundlich dankend hinnahm. Die wenigen Tage des Grams hatten den des Leides ungewohnten Mann ſehr ver - ändert. Sein Angeſicht war bleich, ſein rabenſchwarzes Haupt - und Barthaar grau geworden. Die frühere Siegesgewißheit ſtrahlte nicht mehr ſo leuchtend, wie ſonſt, aus ſeinen Blicken; hatte er doch ſchmerzlich erfahren, daß es einen ſtärkern Willen gab, als den ſeinen, daß er zwar Vieles vernichten, aber auch nicht das ärmſte Leben er - halten konnte. Ehe man aufbrach, muſterte Kambyſes die Jäger, rief Gobryas herbei und fragte nach Phanes.

Mein König hat nicht befohlen

Er iſt ein - für allemal unſer Gaſt und Gefährte. Rufe ihn und folge uns nach!

Gobryas verneigte ſich, ſprengte zum Palaſte zurück und hielt nach einer halben Stunde wiederum mit Phanes beim Gefolge des Königs.

Mancher freundliche Gruß der Jagdgenoſſen wurde dem Athener zu Theil; ein Umſtand, der um ſo befrem - dender erſcheinen mußte, weil Niemand neidiſcher zu ſein pflegt als Höflinge, und kein Menſch der Mißgunſt ſichrer ſein darf, als der Günſtling eines Herrſchers. Nur Phanes ſchien eine Ausnahme von dieſer Regel bilden zu wollen. 42Er war allen Achämeniden ſo anmuthig entgegengekommen, hatte jedem Einzelnen ſo fein zu ſchmeicheln, durch hinge - worfene Andeutungen auf einen großen Krieg, der nicht ausbleiben könne, ſo viele Hoffnungen zu erregen und durch trefflich erzählte, den Perſern ganz neue Scherze ſo große Heiterkeit zu erwecken verſtanden, daß Alle, mit wenigen Ausnahmen, das Erſcheinen des Atheners freudig begrüß - ten. Als ſich derſelbe von dem Jägerzuge getrennt hatte, um mit dem Könige einen wilden Eſel zu verfolgen, ge - ſtand Einer dem Andern zu, noch niemals einen ſo voll - kommenen Mann wie Phanes geſehen zu haben. Man bewunderte die Klugheit, mit der er die Unſchuld der Gefangnen an den Tag gebracht, die Feinheit, mit welcher er den König gewonnen, die Schnelligkeit, mit der er die perſiſche Sprache erlernt hatte. Dabei wurde er von keinem der Achämeniden durch Schönheit und Ebenmaaß der Geſtalt übertroffen. Auf der Jagd bewährte er ſich als vollkommener Reiter, und im Kampfe mit einem Bären als ausnehmend kühner und geſchickter Jäger. Während die Höflinge bei der Heimkehr all dieſe Eigenſchaften des neuen Günſtlings in den Himmel erhoben, rief der alte Araspes: Jch gebe gerne zu, daß dieſer Hellene, welcher ſich übrigens auch ſchon im Kriege beſtens bewährt hat, ein ſeltener Mann iſt; ihr würdet ihm aber nicht halb ſoviel Lob zu Theil werden laſſen, wenn er kein Fremder, wenn er euch nichts Neues wäre!

Phanes hatte dieſe Worte vernommen, denn er be - fand ſich, von dichtem Strauchwerk verſteckt, in unmittel - barer Nähe des Redners. Als derſelbe ſchwieg, geſellte er ſich zu den Plaudernden und ſagte lächelnd: Jch habe Dich verſtanden und danke Dir für Deine freundliche Ge - ſinnung. Der zweite Theil Deiner Rede berührte mich43 beinahe noch angenehmer als der erſte; fand ich doch in demſelben meine eigne Bemerkung beſtätigt, daß ihr Perſer das großmüthigſte aller Völker ſeid, da ihr den Tugenden fremder Menſchen daſſelbe, ja beinahe größeres Lob als euren eignen zu Theil werden laſſet.

Alle Anweſenden lächelten geſchmeichelt, Phanes aber fuhr fort: Wie anders ſind z. B. die Juden! Sie halten ſich für das einzige den Göttern wohlgefällige Volk und machen ſich dadurch allen Weiſen verächtlich und der ganzen Welt verhaßt. Und nun erſt die Aegypter! Jhr glaubt nicht, wie verkehrt dieſe Menſchen ſind! Wenn es auf die Prieſter, welche ausnehmend mächtig ſind, allein ankäme, ſo würden alle Ausländer getödtet und das ganze Reich des Amaſis jedem Fremden unzugänglich gemacht werden. Ein ächter Aegypter hungert lieber, als daß er aus einem Topfe mit unſer Einem ſpeist. Es gibt nirgends ſo viel Seltſamkeiten, ſo viel Befremdliches und Staunenerregen - des, als dort! Doch um gerecht zu ſein, muß ich auch geſtehen, daß Aegypten mit Recht als reichſtes und wohl - bebauteſtes aller Länder der Welt bekannt iſt. Wem dieſes Reich gehört, der braucht ſelbſt die Götter ihrer Schätze wegen nicht zu beneiden! Und es iſt kinderleicht zu erobern, dieß ſchöne Aegypten! Jch kenne die dortigen Verhältniſſe aus zehnjähriger Erfahrung und weiß, daß die ganze Kriegerkaſte des Amaſis einer einzigen Schaar, wie euere Unſterblichen, nicht widerſtehen könnte. Nun, wer weiß, was die Zukunft bringt! Vielleicht machen wir noch Alle zuſammen einen Ausflug nach dem Nil. Jch meine, daß eure guten Schwerter ziemlich lange geraſtet haben!

Allgemeine ſtürmiſche Beifallsrufe begleiteten dieſe wohlberechneten Worte des Atheners.

Kambyſes hatte den Jubel ſeines Gefolges vernommen,44 wandte ſein Roß und fragte nach der Urſache deſſelben. Phanes nahm ſchnell das Wort und ſagte, die Achämeni - den hätten gejauchzt beim Gedanken an die Möglichkeit eines bevorſtehenden Krieges.

Welchen Krieges? fragte der König, zum Erſten - Male ſeit langen Tagen heiter lächelnd.

Wir redeten nur von der allgemeinen Möglichkeit, antwortete Phanes leichthin. Dann lenkte er ſein Roß dicht an die Seite des Königs. Seine Stimme nahm einen geſangreichen, zum Herzen gehenden Ton an; mit innigem Ausdrucke ſchaute er in die Augen des Königs und ſprach: O, mein Fürſt, zwar bin ich nicht als Dein Unterthan in dieſem ſchönen Lande geboren, zwar darf ich erſt ſeit kurzer Zeit mich rühmen, den Mächtigſten aller Herrſcher zu kennen, und dennoch vermag ich mich des vielleicht frevelhaften Gedankens nicht zu erwehren, daß die Götter mein Herz von Geburt an zu inniger Freund - ſchaft mit Dir beſtimmt haben. Nicht jene großen Wohlthaten, welche Du mir erwieſen, haben mich Dir ſo ſchnell und innig genähert. Deren bedarf ich nicht, denn ich zähle zu den Reicheren meines Volkes und habe keinen Sohn, keinen Erben, dem ich erworbene Schätze vermachen könnte. Einſtmals nannte ich einen Knaben mein, ein ſchönes, liebliches Kind; aber das wollte ich Dir ja nicht ſagen, ich ... Zürneſt Du meiner Freimüthigkeit, o König?

Wie ſollte ich! antwortete der Herrſcher, zu dem noch Niemand vor dem Athener in ähnlicher Weiſe geredet hatte, und der ſich mächtig zu dem ſeltſamen Fremden hingezogen fühlte.

Bis zum heutigen Tage war mir Dein Schmerz zu heilig, um denſelben zu ſtören; jetzt aber iſt die Zeit45 gekommen, Dich dem Grame zu entreißen und Dein er - kaltendes Herz mit neuer Glut zu erfüllen. Du wirſt Dinge vernehmen, welche Dich kränken müſſen.

Es gibt Nichts mehr, was mich betrüben könnte!

Meine Worte werden nicht Deinen Schmerz, ſondern Deinen Zorn erregen!

Du ſpannſt meine Neugier!

Man hat Dich ſchnöde betrogen; Dich, wie jenes liebliche Weſen, das vor wenigen Tagen einem zu frühen Tode verfiel.

Kambyſes ſchaute den Athener mit blitzenden Augen fragend an.

König Amaſis von Aegypten hat ſich erlaubt, mit Dir, dem mächtigen Herrn der Erde, ein freventliches Spiel zu treiben. Jene holde Jungfrau war nicht ſeine Tochter, obgleich ſie ſelber glaubte, das Kind des Amaſis zu ſein; ſie

Unmöglich!

So ſollt es ſcheinen, und dennoch rede ich die reine Wahrheit! Amaſis hat ein Gewebe von Lügen geſponnen, mit dem er alle Welt, und auch Dich, o König, beſtrickte. Nitetis, das holdeſte Weſen, welches jemals von einem Weibe geboren wurde, war ein Fürſtenkind; aber nicht Amaſis, nein, der entthronte König Hophra erzeugte dieſe Perle! Runzle die Stirn, mein Herrſcher; Du haſt ein Recht dazu, denn es iſt grauſam, von Freunden und Bundesgenoſſen betrogen zu werden!

Kambyſes gab ſeinem Hengſte die Sporen und rief, nachdem Phanes, um ſeine letzten Worte tief wirken zu laſſen, eine Zeit lang geſchwiegen hatte: Das Nähere! Weiter! Jch will Näheres wiſſen!

Der entthronte Hophra hatte zwanzig Jahre 26) lang46 in leichter Gefangenſchaft zu Sais gelebt*)Siehe die Vorrede., als ſich ſeine Gattin, welche drei Kinder geboren und ebenſoviele begraben hatte, zum andern Male ſchwanger fühlte. Hophra war glücklich und wollte, um ſich für dieſe Gnade zu be - danken, in dem Tempel der Pacht**)Siehe I. Theil Anmerk. 53., einer ägyptiſchen Göttin, der man den Kinderſegen zuſchreibt, Opfer bringen, als ein früherer Großer ſeines Hofes, Namens Patar - bemis 27), den er im Zorn ungerechter Weiſe ſchmählich verſtümmelt hatte, ihn mit einer Schaar von Sklaven überfiel und niedermetzelte. Amaſis ließ die klagende Wittwe ſofort in ſeinen Palaſt bringen und derſelben ein Gemach neben dem Zimmer ſeiner Gattin Ladike anweiſen, welche gleich ihr einer baldigen Niederkunft entgegenſah. Die Wittwe des Hophra ſchenkte dort einem Mädchen das Leben, gab aber ſelbſt in der ſchweren Stunde den Geiſt auf. Ladike genas zwei Tage ſpäter gleichfalls eines Kindes. Aber da ſind wir im Schloßhofe. Wenn Du mir geſtatteſt, ſo werde ich Dir den Bericht des Geburts - helfers, welcher den Betrug vermittelte, vorleſen laſſen. Verſchiedene Aufzeichnungen deſſelben ſind durch eine wun - derbare Fügung, von der ich Dir ſpäter erzählen werde, in meine Hände gekommen. Onuphis, ein früherer Ober - prieſter von Heliopolis in Aegypten, lebt hier zu Babylon und kennt alle Schreibarten 28) ſeines Volkes. Nebenchari, der Augenarzt, wird ſich, wie natürlich, weigern, einen Betrug, der ſeinem Vaterlande ſichres Verderben bringen muß, aufdecken zu helfen.

Jch erwarte Dich in einer Stunde mit jenem Manne. Kröſus, Nebenchari und alle Achämeniden, welche in Aegyp -47 ten waren, ſollen gleichfalls erſcheinen. Bevor ich handle, muß ich Gewißheit haben. Dein Zeugniß reicht nicht aus, denn ich weiß von Amaſis ſelbſt, daß Du Grund haſt, ſeinem Hauſe zu zürnen.

Zur feſtgeſetzten Zeit ſtanden die Befohlenen vor dem Könige.

Der frühere Oberprieſter Onuphis war ein Greis von achtzig Jahren, deſſen abgezehrtes Haupt einem Todten - ſchädel geglichen haben würde, wenn nicht aus demſelben zwei große, graue Augen hell und geiſtvoll geblickt hätten. Er ſaß, da er ſeiner gelähmten Glieder wegen nicht anders konnte, auch vor dem Könige, in einem Lehnſeſſel und hielt eine große Papyrusrolle in der abgemagerten Hand. Seine Kleidung war ſchneeig weiß, wie ſich dieß für den Prieſter ziemte, zeigte aber hier und dort Flicken und Riſſe. Früher mochte er groß und ſchlank geweſen ſein; jetzt aber war er ſo gebeugt und zuſammengezogen von Alter, Ent - behrungen und Leiden, daß ſeine Geſtalt winzig klein, ſein Haupt dagegen viel zu groß für den zwerghaften Leib erſchien.

Neben dieſem ſeltſamen Manne ſtand Nebenchari und legte die Kiſſen, welche den Rücken deſſelben ſtützten, zu - recht. Der Arzt verehrte in demſelben nicht nur den in alle Myſterien tief eingeweihten Oberprieſter, ſondern auch den hochbetagten Greis 29). Zur Linken des Alten ſtand Phanes, neben dieſem Kröſus, Darius und Prexaspes.

Der König ſaß auf einem Thronſeſſel. Sein Ange - ſicht war ſtreng und düſter, als er das Schweigen der Anweſenden unterbrechend alſo anhob: Der edle Hellene dort, den ich für meinen Freund zu halten geneigt bin, hat mir ſeltſame Mittheilungen gemacht. Amaſis von Aegypten ſoll mich ſchnöder Weiſe betrogen haben. Meine48 verſtorbene Gattin ſoll nicht ſeine, ſondern ſeines Vor - gängers Tochter geweſen ſein!

Ein Murmeln des Staunens ließ ſich hören.

Der Greis dort drüben iſt erſchienen, uns den Be - trug zu beweiſen.

Onuphis machte eine bejahende Bewegung.

Jetzt richte ich zuerſt an Dich, Prexaspes, meinen Botſchafter, die Frage: Jſt Dir Nitetis ausdrücklich als Tochter des Amaſis übergeben worden?

Ausdrücklich! Zwar hatte Nebenchari der hohen Kaſſandane die andre Zwillingsſchweſter, Tachot, als die ſchönere von beiden Königstöchtern, geprieſen; Amaſis be - ſtand aber darauf, Nitetis nach Perſien zu ſchicken. Jch vermuthete, daß er Dich, indem er Dir ſein ſchönſtes Kleinod anvertraute, beſonders verpflichten wollte, und ließ ab von der Werbung um Tachot, weil mir die Verſtorbene, ſowohl an Schönheit als an Würde, ihre Schweſter zu überragen ſchien. Jn ſeinem Briefe an Dich ſchrieb er auch, wie Du Dich erinnern wirſt, daß er Dir ſein ſchönſtes, liebſtes Kind anvertraue.

Alſo ſchrieb er.

Und ſicher war Nitetis die ſchönere und edlere von Beiden, beſtätigte Kröſus die Worte des Geſandten. Uebrigens kam es mir vor, als wäre Tachot der Liebling des ägyptiſchen Königspaares.

Ganz gewiß! fügte Darius hinzu; Amaſis neckte einſt Bartja beim Schmauſe und ſagte: Sieh nicht zu tief in Tachot’s Augen, denn wäreſt Du auch ein Gott, ſo würde ich Dir doch nicht geſtatten, dieſelbe mit nach Perſien zu nehmen!‘ Der Thronfolger Pſamtik war unbe - greiflicher Weiſe über dieſe Aeußerung ſehr entrüſtet und rief dem Könige zu: Vater, gedenke des Phanes!‘

49

Des Phanes?

Ja, mein König, antwortete der Athener. Amaſis hatte einſt im Rauſche mir gegenüber ſein Geheimniß aus - geplaudert; Pſamtik warnte ihn nun, ſich nicht zum Zwei - tenmale zu vergeſſen.

Erzähle!

Als ich von Kypros ſiegreich nach Sais heimkehrte, wurde ein großes Feſt bei Hofe gefeiert. Amaſis zeich - nete mich in jeder Weiſe aus und umarmte mich, weil ich eine reiche Provinz für ihn gewonnen hatte, zum Entſetzen ſeiner Landsleute. Je trunkener er wurde, deſto wärmere Anerkennung zollte er mir. Als ich ihn endlich mit Pſamtik in ſeine Wohnung zurückführte, und wir an den Gemächern ſeiner Töchter vorüberkamen, blieb er ſtehen und ſagte: Da ſchlummern die Mädchen. Wenn Du Deine Gattin verſtoßen willſt, Athener, ſo gebe ich Dir Nitetis zum Weibe! Du wäreſt mir ein lieber Eidam! ’s iſt ein eigen Ding mit dem Mädchen, Phanes! Du haſt ja von ihrem Vater gehört, dem Hophra‘ ...... So viel ließ Pſamtik den Trunkenen ſagen. Dann legte er ihm die Hand auf den Mund und ſchickte mich mit barſchen Worten in mein Quartier. Dort überdachte ich das Gehörte und reimte mir zuſammen, was ich jetzt aus ſicherer Quelle weiß. Jch bitte Dich, König, dieſem Greiſe zu befehlen, die bezüglichen Tagebuchblätter des Geburts - helfers Sonnophre zu überſetzen.

Kambyſes winkte, und der Greis las mit lauter Stimme, welche Niemand dieſem gebrechlichen Körper zu - getraut haben würde: Am fünften Tage des Monats Thoth 30) wurde ich zum Könige gerufen. Jch erwartete dies, denn die Königin lag in den Wehen. Mit meiner Hülfe genas ſie leicht und glücklich eines ſchwachen Mäd -Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 450chens. Als die Amme daſſelbe übernommen hatte, führte mich Amaſis hinter den Vorhang, der das Schlaf - gemach ſeiner Gattin zertheilt. Dort lag ein zweiter Säugling, in dem ich das Neugeborene der Gattin des Hophra erkannte, die am dritten Tage des Thoth unter meinen Händen geſtorben war. Der König zeigte auf die kräftige Kleine und ſagte: Dies iſt ein elternloſes Weſen; da aber das Geſetz ſagt, man ſolle ſich der ver - laſſenen Waiſen annehmen 31), ſo haben Ladike und ich beſchloſſen, dieſen Säugling aufzuerziehen, als wenn er unſere eigene Tochter wäre. Nun liegt uns daran, der Welt und dem Kinde dieſe Handlung zu verbergen. Da - rum bitte ich Dich, reinen Mund zu halten und zu ver - breiten, Ladike habe ein Zwillingspaar zur Welt gebracht. Vollbringſt Du dies nach unſerm Willen, ſo erhältſt Du heute noch 5000 goldne Ringe*)S. I. Theil. Anmerk. 167. und Jahr für Jahr, ſo lange Du lebſt, den fünften Theil dieſer Summe. Jch verneigte mich ſchweigend, befahl allen Anweſenden, die Wochenſtube zu verlaſſen, und rief dieſelben wieder herein, um ihnen mitzutheilen, daß Ladike eines zweiten Mägd - leins geneſen ſei. Das rechte Kind des Amaſis erhielt den Namen Tachot, das untergeſchobene wurde Nitetis ge - nannt.

Kambyſes ſprang bei dieſen Worten von ſeinem Sitze auf und durchmaß den Saal mit großen Schritten; Onu - phis aber fuhr, ohne ſich ſtören zu laſſen, fort: Am ſechsten Tage des Monats Thoth. Als ich mich heute morgen, um ein wenig von den Anſtrengungen der Nacht auszuruhen, niedergelegt hatte, erſchien ein Diener des Königs, der mir das verſprochene Gold und einen Brief51 überbrachte. Jn demſelben wurde ich gebeten, ein todtes Kind zu ſchaffen, welches als das verſtorbene Töchterlein des Hophra mit großer Feierlichkeit beſtattet werden ſollte. Mit vieler Mühe hab ich vor einer Stunde das Ver - langte von dem armen Mädchen, welches heimlich bei der alten Frau, die am Eingange der Todtenſtadt wohnt, niedergekommen iſt, erhalten. Sie wollte ihren verſtorbe - nen Liebling, der ihr ſo viel Gram und Schande gebracht hatte, durchaus nicht von ſich geben und willfahrte mir nur, als ich ihr verſprach, das Kleine ſollte aufs Schönſte mumiſirt und beigeſetzt werden. Jn meinem großen Arz - neikaſten, den diesmal mein Sohn Nebenchari, ſtatt meines Dieners Hib, tragen mußte, ſchafften wir die kleine Leiche in das Wochenzimmer der Gattin des Hophra. Das Kind des armen Mädchens wird mit aller Herrlichkeit be - graben werden. Dürfte ich ihr doch mittheilen, welches ſchöne Loos ihren Liebling nach dem Tode erwartet. Nebenchari wird ſoeben zum Könige berufen.

Bei der zweiten Nennung dieſes Namens blieb Kam - byſes ſtehen und fragte: Jſt unſer Augenarzt Neben - chari Derſelbe, deſſen dieſe Schrift erwähnt?

Nebenchari, gab Phanes zurück, iſt der Sohn des - ſelben Sonnophre, der die beiden Kinder vertauſchte!

Der Augenarzt blickte düſter zu Boden.

Kambyſes nahm Onuphis die Papyrusrolle aus der Hand, beſchaute die Schriftzeichen, welche dieſelbe bedeck - ten, kopfſchüttelnd, näherte ſich dem Arzte und ſprach:

Betrachte dieſe Zeichen und ſage mir, ob Dein Vater dieſelben geſchrieben?

Nebenchari fiel auf die Kniee nieder und erhob ſeine Hände.

Hat Dein Vater dieſe Zeichen gemalt? frage ich.

52

Jch weiß nicht, ob .... Jn der That .....

Die Wahrheit will ich wiſſen! Ja oder nein?

Ja, mein König; aber .....

Erhebe Dich und ſei meiner Gnade gewiß. Es zieret den Unterthan, wenn er treu zu ſeinem Herrſcher ſteht; vergiß aber nicht, daß Du mich jetzt Deinen König zu nennen haſt. Kaſſandane ließ mir ſagen, Du wolleſt ihr morgen durch eine kunſtreiche Operation das Geſicht wiedergeben. Wagſt Du auch nicht zu viel?

Jch bin meiner Kunſt gewiß, o König!

Noch Eins! Wußteſt Du um dieſen Betrug?

Ja mein Fürſt.

Und Du ließeſt mich im Jrrthum?

Jch hatte Amaſis ſchwören müſſen, das Geheimniß zu bewahren, und ein Schwur .....

Der Schwur iſt heilig! Sorge dafür, Gobryas, daß dieſen beiden Aegyptern eine Portion von unſrer Tafel angewieſen werde. Du ſcheinſt einer beſſeren Nah - rung zu bedürfen, Alter!

Jch bedarf Nichts, als Luft zum Athmen, eine Krumme Brod und einen Schluck Waſſer, um nicht zu ver - hungern und zu verdurſten, ein reines Gewand, um den Göttern und mir ſelbſt angenehm zu ſein, und ein eignes Stübchen, um keinem Menſchen im Wege zu ſtehen. Nie - mals war ich reicher, als am heutigen Tage.

Wie ſo?

Jch bin ſoeben im Begriff, ein Königreich zu ver - ſchenken.

Du ſprichſt in Räthſeln.

Jch habe durch meine Ueberſetzung dargethan, daß Deine verſtorbene Gattin das Kind des Hophra geweſen ſei. Nach unſerm Erbrechte hat, wenn keine Söhne oder53 Brüder vorhanden ſind, auch die Tochter eines Königs Anrecht auf den Thron*)S. III. Theil. Anmerk. 7.. Wenn dieſe wiederum kinder - los ſtirbt, ſo iſt der Gatte derſelben ihr geſetzlicher Nach - folger. Amaſis iſt ein Kronenräuber, während Hophra und ſeine Nachkommen durch das Recht der Geburt An - ſprüche auf die Herrſcherwürde haben. Pſamtik verliert jedes Recht auf das Szepter, ſobald ſich ein Bruder, ein Sohn, eine Tochter oder ein Eidam des Hophra findet. Alſo begrüße ich in meinem Könige den zukünftigen Herrn meines ſchönen Vaterlandes.

Kambyſes lächelte ſelbſtgefällig, und Onuphis fuhr fort:

Auch habe ich in den Sternen geleſen, daß Pſamtik untergehen wird; Dir aber die Krone von Aegypten be - ſchieden iſt.

Die Sterne ſollen Recht behalten! rief Kambyſes; Dir aber, Du freigebiger Alter, befehle ich, einen Wunſch, derſelbe möge lauten, wie er wolle, auszuſprechen.

Laß mich Deinem Heerzuge in einem Wagen folgen. Jch ſehne mich darnach, meine Augen am Nil zu ſchließen.

So ſei es! Verlaßt mich jetzt, ihr Freunde, und ſorgt dafür, daß alle Tiſchgenoſſen zum heutigen Schmauſe erſcheinen. Wir wollen beim ſüßen Weine Kriegsrath halten. Ein Feldzug nach Aegypten ſcheint mir lohnen - der zu ſein, als ein Kampf mit den Maſſageten!

Sieg dem Könige! riefen die Anweſenden mit lautem Jubel und entfernten ſich, während Kambyſes ſeine An - und Auskleider rufen ließ, um, zum Erſtenmale, die Trauergewänder mit den prunkenden Königskleidern zu vertauſchen.

54

Kröſus und Phanes begaben ſich gemeinſam in den Garten, welcher auf der Oſtſeite des Schloſſes mit Baum - und Sträucherpflanzungen, Waſſerkünſten und Blumen - beeten grünte. Die Züge des Atheners ſtrahlten vor Wonne, während der entthronte König ſorgenvoll vor ſich hinblickte.

Haſt Du bedacht, Hellene, begann der Letztere, welche Brandfackel Du ſoeben in die Welt geſchleudert haſt?

Unbedacht zu handeln iſt nur Kindern und Narren eigen.

Du vergißt die von der Leidenſchaft Bethörten.

Zu dieſen gehöre ich nicht.

Und dennoch iſt die Rache die furchtbarſte aller Leidenſchaften.

Nur, wenn ſie in blinder Wallung geübt wird. Meine Rache iſt kühl, wie dieſes Eiſen; aber ich kenne meine Pflicht.

Die erſte Pflicht jedes Tugendhaften iſt, dem Wohle ſeines Vaterlandes ſein eignes unterzuordnen.

Das weiß ich ...

Vergißt aber, daß Du den Perſern mit dem ägypti - ſchen Reiche Deine helleniſche Heimat überlieferſt!

Jch denke anders.

Glaubſt Du, daß Perſien das ſchöne Griechenland unangefochten laſſen wird, wenn alle anderen Küſten des Mittelmeeres ihm gehören?

Keineswegs; wohl aber kenn ich meine Hellenen und glaube, daß ſie allen Barbarenheeren ſiegreich wider - ſtehen, und, naht die Gefahr, größer ſein werden, denn je. Die Noth wird all unſre geſonderten Stämme ver - einen, wird uns zu einem großen, einigen Volke machen und die Throne der Tyrannen ſtürzen.

55

Das ſind Träume.

Die zur Wahrheit werden müſſen, ſo wahr ich auf die Erfüllung meiner Rache hoffe!

Jch kann nicht mit Dir rechten, denn mir ſind die Verhältniſſe Deiner Heimath zu fremd geworden. Uebri - gens halte ich Dich für einen weiſen Mann, der das Schöne und Gute liebt und zu rechtlich denkt, um aus bloßem Ehrgeiz ein ganzes Volk verderben zu mögen. Es iſt furchtbar, daß die Schickung die Schuld des Einzelnen, wenn derſelbe eine Krone trägt, an ganzen Nationen ver - gilt! Jetzt erzähle mir, wenn Dir etwas an meiner Mei - nung gelegen iſt, wech es Unrecht Deine Rachſucht ſo mächtig entflammt hat!

Höre denn und verſuche niemals wieder, mich von meinem Vorhaben abzuhalten! Du kennſt den Thronerben von Aegypten, Du kennſt auch Rhodopis. Erſterer war mein Todfeind, aus mehreren Gründen, Letztere die Freundin aller Hellenen, und ganz beſonders die meine. Als ich Aegypten verlaſſen mußte, bedrohte mich Pſamtik mit ſeiner Rache. Dein Sohn Gyges rettete mich vor dem Tode. Einige Wochen ſpäter kamen meine Kinder nach Naukratis, um mir von dort aus nach Si - geum zu folgen. Rhodopis nahm dieſelben in ihren freundlichen Schutz. Ein Elender hatte das Geheimniß erſpäht und dem Thronfolger verrathen. Jn der folgen - den Nacht wurde das Haus der Thrakerin umſtellt und durchſucht. Man fand meine Kinder und nahm dieſelben gefangen. Amaſis war unterdeſſen erblindet und ließ ſei - nen elenden Sohn gewähren, der ſich nicht entblödete, meinen einzigen Knaben zu ....

Er ließ ihn tödten?

Du ſagſt es.

56

Und Dein andres Kind?

Das Mädchen iſt heute noch in ſeiner Gewalt.

Aber man wird der Armen ein Leid anthun, wenn man erfährt ....

Sie möge ſterben. Lieber kinderlos, als ohne Rache zu Grabe gehen!

Jch verſtehe Dich und kann Dir nicht mehr zürnen. Das Blut Deines Knaben muß gerochen werden.

Bei dieſen Worten drückte der Greis die Rechte des Atheners, der, nachdem er ſeine Thränen getrocknet hatte und ſeiner Gemüthsbewegung Herr geworden war, aus - rief: Komm jetzt zum Kriegsrathe! Niemand darf den Schandthaten des Pſamtik dankbarer ſein, als Kambyſes. Dieſer Mann der ſchnellen Leidenſchaft paßt nicht zum Friedensfürſten.

Und doch ſcheint mir die höchſte Aufgabe eines Königs die zu ſein, an der inneren Wohlfahrt ſeines Reiches zu arbeiten. Aber die Menſchen ſind einmal ſo, daß ſie ihre Schlächter höher preiſen, als ihre Wohlthäter. Wie viele Geſänge ertönten dem Achill; wem aber iſt es eingefallen, die weiſe Regierung des Pittakos in Liedern*)S. I. Theil. Anmerk. 16 u. 17. zu feiern?

Es gehört eben mehr Muth dazu, Blut zu ver - gießen, als Bäume zu pflanzen.

Aber mehr Güte und Klugheit, Wunden zu heilen, als Wunden zu ſchlagen. Doch ehe wir die Halle be - treten, muß ich Dir eine dringende Frage vorlegen. Wird Bartja, wenn Amaſis die Pläne des Königs erfährt, ohne Gefahr zu Naukratis bleiben können?

Keineswegs. Jch habe ihn jedoch gewarnt und ihm57 gerathen, verkleidet und unter falſchem Namen dort auf - zutreten.

Zeigte er ſich willfährig?

Er ſchien mir folgen zu wollen.

Jedenfalls wird es gut ſein, wenn man ihm einen Boten nachſendet, der ihn warnt.

Wir wollen den König darum bitten.

Komm jetzt. Dort fahren ſchon die Wagen aus der Küche, welche die Mahlzeit für den Hofſtaat enthalten.

Wieviel Menſchen werden vom Könige ernährt?

Etwa 15,000 32).

So mögen die Perſer den Göttern danken, daß ihre Herrſcher nur einmal des Tages zu ſpeiſen pflegen!

[58]

Drittes Kapitel.

Sechs Wochen nach dieſen Ereigniſſen trabte eine kleine Reiterſchaar den Thoren von Sardes entgegen.

Roſſ und Leute waren von Schweiß und Staub be - deckt. Erſtere, welche die Nähe der Stadt mit ihren Ställen und Krippen ahnten, nahmen ihre letzte Kraft zu - ſammen, ſchienen aber für die Ungeduld der beiden Män - ner, die in beſtaubter perſiſcher Hoftracht an der Spitze des Zuges ritten, viel zu langſam zu gehen.

Die wohlgehaltene Königsſtraße, welche ſich über die Vorberge des Tmolos-Gebirges hinzog, war von Aeckern mit ſchwarzem Fruchtboden und Bäumen von mancherlei Art umgeben. Oliven -, Citronen - und Platanenhaine, Maul - beer und Weinpflanzungen zogen ſich am Fuße der Berge hin, während in größerer Höhe Pinien, Cypreſſen und Nußbaumwälder grünten. Auf den Aeckern ſtanden Feigenſträucher und Dattelpalmen voller Früchte. Jm Graſe der Wieſen und am Boden der Wälder blühten farben - und duftreiche Blumen. Dann und wann zeigten ſich ſorgſam eingefaßte Brunnen mit Ruheſitzen und ſchatti - gem Strauchwerk am Rande der Straße, die über Schluch - ten und Bäche, welche durch die Hitze des Sommers halb59 vertrocknet waren, führte. An ſchattigen feuchten Stellen blühte die Lorbeerroſe, während ſich da, wo die Sonne am heißeſten brannte, ſchlanke Palmen wiegten. Ein tief - blauer, vollkommen wolkenloſer Himmel lag über dieſer üppigen Landſchaft, deren Horizont im Süden von den ſchneeigen Spitzen des Tmolosgebirges, im Weſten von den bläulich ſchimmernden Sipylos-Bergen begrenzt war.

Die Straße führte jetzt durch ein Birkenwäldchen, um deſſen Stämme ſich traubenreiche Weinreben bis zu den Gipfeln rankten, thalabwärts. An einer Krümmung des Weges, welche einen Blick in die Ferne bot, hielten die Reiter. Vor ihnen lag die Hauptſtadt des einſtigen lydiſchen Reiches, die frühere Reſidenz des Kröſus, das goldne Sardes 33), im viel berühmten Hermusthale.

Ein ſteiler ſchwarzer Felſen, auf deſſen Gipfel ſich weithin ſichtbare Bauten von weißem Marmor erhoben, die Burg, um deren dreifache Mauer der König Meles vor vielen Jahrhunderten einen Löwen getragen hatte, damit ſie uneinnehmbar werde, beherrſchte die Schilfdächer der zahlreichen Häuſer der Stadt 34). Nach Süden hin war der Abfall des Burgberges weniger ſteil und mit Häuſern bebaut. Jm Norden deſſelben erhob ſich am Goldſand führenden Paktolos der frühere Palaſt des Krö - ſus. Ueber dem Marktplatz, der den bewundernden Reiſen - den wie ein unbewachſener Fleck inmitten einer blühenden Wieſe erſchien, rauſchte der röthliche Fluß, der ſich nach Weſten zu in ein ſchmales Gebirgsthal ergoß, um dort den Fuß des großen Tempels der Kybele zu beſpülen.

Nach Oſten hin erſtreckten ſich weite Gärten, in deren Mitte der ſpiegelhelle Gygäiſche See erglänzte. Bunte Luſtfahrzeuge, begleitet von vielen ſchneeweißen Schwänen, bedeckten denſelben. Etwa eine Viertelſtunde von den60 Waſſern entfernt erhoben ſich zahlreiche, von Menſchen - händen aufgeſchüttete Hügel, unter denen ſich drei, ihrer bedeutenden Größe und Höhe wegen, beſonders auszeich - neten 35).

Was haben dieſe eigenthümlich ausſehenden Erd - berge zu bedeuten? fragte Darius, der Anführer jener Schaar, den an ſeiner Seite reitenden Mann, Prexaspes, den Botſchafter des Kambyſes.

Es ſind die Gräber der früheren Könige von Ly - dien, lautete die Antwort. Das größte derſelben, dort drüben links, nicht das mittlere, welches einem fürſtlichen Ehepaare, der Panthea und dem Abradat geweiht wurde*)S. II. Theil. Anmerk. 108., iſt das dem Vater des Kröſus, Alyattes, errichtete Denk - mal. Die Handelsleute, Handwerker und Dirnen von Sardes haben daſſelbe ihrem verſtorbenen Könige aufge - ſchüttet. An den fünf Säulen, welche auf dem Gipfel ſtehen, kann man leſen, wie viel jeder Theil zuwege brachte. Die Dirnen ſind am fleißigſten geweſen 36). Der Großvater des Gyges ſoll ein beſondrer Freund derſelben geweſen ſein.

Dann iſt der Enkel ſehr aus der Art geſchlagen!

Was um ſo wunderbarer erſcheinen muß, da auch Kröſus in ſeiner Jugend durchaus kein Feind der Weiber geweſen iſt, und die Lyder den Freuden der Liebe ſehr er - geben zu ſein pflegen. Dort drüben im Paktolos-Thale, unweit der großen Goldwäſcherei, ſteht der Tempel der Göttin von Sardes 37), die man Kybele oder Ma be - nennt. Du ſiehſt das weiße Gemäuer aus dem Haine, der ihn umgibt, hervorleuchten. Da findet ſich manches ſchattige Plätzchen, wo ſich die jungen Leute von Sardes61 zu Ehren der Göttin, wie ſie ſagen, in ſüßer Liebe ver - einen.

Grad wie zu Babylon am Feſte der Mylitta *)Her. I. 200..

An den Küſten von Kypros herrſcht dieſelbe Ge - wohnheit 38). Als ich dort auf meiner Heimfahrt von Aegypten landete, empfing mich eine Schaar der ſchönſten Mädchen mit ſüßen Geſängen und führte mich, tanzend und Cymbeln ſchlagend, in den Hain ihrer Göttin. Dort mußte ich einige Goldſtücke niederlegen und wurde dann von dem holdſeligſten Kinde, das Du Dir denken kannſt, in ein duftendes Zelt von Purpurſtoff geführt, woſelbſt ein Lager von Roſen und Lilienblättern uns aufnahm.

Zopyros wird der Krankheit des Bartja nicht zür - nen.

Und ſich länger im Haine der Kybele, als an der Seite des Leidenden aufhalten.

O nein! Zopyros iſt der treuſte, aufopferungs - fähigſte Freund!

Aber der treuloſeſte aller Liebhaber.

Leider; und doch freue ich mich ſehr darauf, den heiteren Kumpan wiederzuſehen.

Er wird jene trüben Launen, denen Du jetzt ſo oft verfällſt, nicht mehr aufkommen laſſen.

Jch werde mich mit aller Kraft bemühen, dieſelben zu unterdrücken.

Das wird ſchwer halten!

Sei es! Jene Stimmungen, welche Du mit Recht tadelſt, haben, wie Du weißt, ihren Grund, und dennoch bin ich ſicher, dieſelben überwinden zu können. Kröſus ſagt, man ſei nur übel gelaunt, wenn man zu träge oder62 kraftlos wäre, gegen Mißhelligkeiten anzukämpfen. Unſer Freund hat Recht. Man ſoll Darius weder einer Schwäche noch einer Trägheit zeihen dürfen. Wenn ich nicht die Welt beherrſchen kann, ſo will ich wenigſtens Herr meiner ſelbſt ſein!

Der ſchöne Jüngling richtete ſich bei dieſen Worten in ſeinem Sattel hoch empor. Sein Begleiter ſah ihn ſtaunend an und rief:

Wahrlich, Sohn des Hyſtaspes, ich glaube, daß Du zu großen Dingen beſtimmt biſt. Die Götter haben ihrem Lieblinge Kyros, als Du noch ein Knabe wareſt, nicht von ungefähr jenen Traum geſchenkt, um deßwillen Dich derſelbe von Deinem Vater in Gewahrſam bringen ließ.

Und dennoch ſind mir noch keine Flügel gewachſen!

Nicht Deinem Körper, wohl aber Deinem Geiſte. Jüngling, Jüngling, Du wandelſt eine gefährliche Straße!

Braucht der Geflügelte den Abgrund zu fürchten?

Ja; wenn ſeine Kräfte verſagen!

Jch aber bin ſtark!

Doch Stärkere werden verſuchen, Deine Schwingen zu brechen!

Sie mögen kommen! Jch weiß, daß ich nur das Rechte will, und vertraue meinem Stern!

Weißt Du auch, wie derſelbe heißt?

Er beherrſchte die Stunde meiner Geburt und Anahita 39) iſt ſein Name.

Jch glaube ihn beſſer zu kennen. Heißer Ehrgeiz nennt ſich die Sonne, deren Strahlen Deine Handlungen leiten. Hüte Dich, Jüngling! Auch ich bin einſtmals jene Straße gewandert, welche entweder zum Ruhm oder in die Schande, aber nur ſelten zum wahren Glücke führt. 63Der Ehrgeizige gleicht dem Dürſtenden, welcher Salzwaſſer trinkt! Je mehr Ruhm er erntet, deſto durſtiger wird er nach Ruhm und Größe! Jch bin aus einem ge - ringen Soldaten der Botſchafter des Kambyſes geworden; was bleibt Dir zu erſtreben übrig, da es jetzt ſchon, außer dem Könige, keinen Größeren gibt, als Dich?

Aber trügen mich nicht meine Augen, ſo reitet dort Zopyros und Gyges an der Spitze jener Reiterſchaar, die uns von der Stadt her entgegenzieht. Der Angare, welcher vor uns die Herberge verließ, muß unſere An - kunft gemeldet haben.

Ja, ſie ſind es!

Wahrlich! Sieh nur, wie der muthwillige Zopyros mit dem Palmenblatte, das er ſoeben abbrach, winkt und wedelt!

Jhr Leute, ſchneidet uns ſchnell ein Paar Zweige von dieſem Strauche! So iſt’s recht! Laß uns mit pur - purner Granate der grünen Palme antworten!

Wenige Minuten ſpäter umarmten Darius und Pre - xaspes ihre Freunde. Dann zogen die vereinten Reiter - ſchaaren durch die Gärten, welche den Gygäiſchen See umgaben, den Erholungsplatz der Bewohner von Sardes in die volkreiche Stadt, deren Bürger, da ſich die Sonne zum Untergange neigte und kühlere Lüfte zu wehen begannen, in hellen Haufen den Thoren entſtröm - ten, um ſich im Freien zu ergehen. Lydiſche Krieger mit reich verzierten Helmen und perſiſche Soldaten, welche cylinderförmige Tiaren trugen, gingen geſchminkten und bekränzten Dirnen nach. Wärterinnen führten Kinder zu dem See, um ſie die Schwäne füttern zu laſſen. Unter einem Platanenbaume ſaß ein blinder Sängergreis, der ſeinen zahlreichen Zuhörern wehmüthige Lieder, die er mit64 der zwanzigſaitigen lydiſchen Laute, der Magadis, be - gleitete, vorſang. Kegel und Würfel ſpielende 40) Jüng - linge ergötzten ſich im Freien und halberwachſene Mädchen kreiſchten erſchrocken auf, wenn der geſchleuderte Ball eine Genoſſin traf oder von ungefähr in den See fiel.

Die perſiſchen Ankömmlinge achteten kaum dieſes bunten Bildes, welches ſie zu andrer Zeit ergötzt haben würde. Jhre ganze Aufmerkſamkeit wandte ſich den Freun - den zu, die ihnen von Bartja und deſſen glücklich über - ſtandener Krankheit erzählten.

Der Satrap von Sardes, Oroetes, ein ſtattlicher Mann in überladen glänzender Hoftracht, deſſen kleine ſchwarze Augen durchdringend und ſtechend unter buſchigen zuſammengewachſenen Augenbraunen hervorſprühten, kam ihnen an der ehernen Pforte des Palaſtes, den Kröſus vor ihm bewohnt hatte, entgegen. Die Satrapie, welche er verwaltete, war eine der wichtigſten und einträglichſten im ganzen Reiche. Seine Hofhaltung glich derjenigen des Kambyſes an Glanz und Reichthum, wenn auch ſeine Diener und Weiber weit weniger zahlreich waren, als die des Königs. Dennoch kam den Reitern an der Pforte des Palaſtes eine große Schaar von Leibwächtern, Sklaven, Eunuchen und reich gekleideten Beamten entgegen.

Dieſes Gebäude, welches noch immer prächtig ge - nannt werden mußte, war einſtmals, als Kröſus daſſelbe bewohnte, das glänzendſte aller Königsſchlöſſer geweſen; nach der Einnahme von Sardes hatten aber die perſiſchen Erobrer den beſten Theil der Reichthümer und Kunſtwerke des Entthronten in den Schatz des Kyros nach Paſar - gadä abgeführt.

Seit jener Schreckenszeit hatten die Lyder manchen verborgenen Schatz hervorgeholt und ſich in einigen Frie -65 densjahren unter der Regierung des Kyros und Kambyſes durch Kunſtfleiß und Betriebſamkeit ſoweit erholt, daß Sardes wiederum als eine der reichſten Städte Klein - Aſiens, und ſomit der ganzen Welt, angeſehen werden konnte.

Obgleich Darius und Prexaspes an die Pracht einer königlichen Hofhaltung gewöhnt waren, ſo erſtaunten ſie dennoch über die Schönheit und den Glanz des Satrapen - hauſes. Abſonderlich köſtlich ſchien ihnen die künſtliche Marmorarbeit, welche ſich weder zu Babylon, noch zu Suſa, noch zu Ekbatana vorfand 41). Gebrannte Ziegel und Cedernholz mußten dort die glatten Blöcke des Ur - kalks erſetzen.

Jn der großen Halle fanden die Ankömmlinge den bleichen Bartja, welcher ihnen von dem Polſter, auf dem er lag, die Arme entgegenſtreckte.

Nachdem die neuvereinten Freunde an der Tafel des Satrapen geſchmaust hatten, begaben ſie ſich, um einander ungeſtört ſprechen zu können, in das Gemach des Geneſen - den. Als ſie ſich dort niedergelaſſen, rief Darius, indem er ſich an Bartja wandte:

Jetzt mußt Du mir zu allererſt erzählen, wie Du zu dieſer böſen Krankheit gekommen biſt.

Kerngeſund, begann der Königsſohn, reisten wir, wie ihr wißt, von Babylon ab und kamen ohne Unter - brechung bis nach Germa, einem kleinen am Sangarios gelegenen Städtchen. Von dem angeſtrengten Ritte ermüdet, verbrannt von der Sonne des Chordât*)Mai. und vom Staube des Weges beſchmutzt, ſprangen wir von den Pferden, warfen die Kleider ab und ſtürzten uns in dieEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 566Wogen des Stroms, welcher klar und hell, recht zum Baden auffordernd, an dem Stationshauſe vorüberfloß. Gyges tadelte unſere Unvorſichtigkeit; wir aber ſchlugen, auf unſere abgehärteten Glieder bauend, ſeine Mahnungen in den Wind und ſchwammen fröhlich in den grünen Wo - gen umher. Vollkommen ruhig, wie immer, ließ uns Gyges gewähren, entkleidete ſich, nachdem wir mit dem Bade fertig waren, und ſprang gleichfalls in den Strom.

Zwei Stunden ſpäter ſaßen wir von Neuem in den Sätteln, jagten, als gälte es Tod und Leben, auf der Landſtraße fort, wechſelten bei jedem Stationshauſe die Pferde und machten die Nacht zum Tage.

Jn der Nähe von Jpſus bekam ich heftige Kopf - und Gliederſchmerzen, ſchämte mich aber, meine Leiden zu geſtehen und hielt mich aufrecht, bis wir zu Bagis friſche Pferde beſteigen ſollten. Als ich mich in den Sattel ſchwingen wollte, ſchwanden mir Kräfte und Sinne, und bewußtlos ſank ich zu Boden.

Wir bekamen einen guten Schreck, als Du zuſammen - bracheſt, unterbrach Zopyros den Redner, und es war ein rechtes Glück, daß Gyges bei mir war. Jch hatte den Kopf ganz und gar verloren; Jener behielt aber ſeine volle Geiſtesgegenwart und handelte, nachdem er ſeine Rache mit den Worten: Das verwünſchte Bad!‘ gekühlt hatte, wie ein umſichtiger Feldherr. Der Eſel von einem Arzte, der herzulief, betheuerte ſofort, Bartja ſei rettungslos verloren, wofür er von mir eine Tracht Prügel bekam.

Die er ſich gern gefallen ließ lachte der Satrap, da Du auf jede Schwiele eine Goldſtatere zu legen be - fahleſt

Meine Kampfluſt hat mich ſchon viel Geld gekoſtet! 67Doch zur Sache. Kaum hatte Bartja wieder die Augen geöffnet, als mir Gyges auftrug, nach Sardes zu reiten und einen guten Arzt mit einem bequemen Reiſewagen zu holen. Den Ritt macht mir ſobald Keiner nach! Eine Stunde vor der Stadt brach mein drittes Pferd vor Er - müdung zuſammen. Nun lief ich, was ich laufen konnte, den Thoren zu. Die Spaziergänger und Wandrer müſſen mich alle für wahnſinnig gehalten haben. Den erſten Reiter, der mir begegnete, einen Kaufmann aus Kelänä, riß ich ohne Weiteres vom Pferde, ſchwang mich in den Sattel und war, bevor der nächſte Morgen graute, mit dem geſchickteſten ſardiſchen Arzte und dem beſten Reiſe - wagen des Oroetes bei unſerm Kranken, den wir, im langſamſten Schritte fahrend, in dieſes Haus brachten, woſelbſt er ein hitziges Fieber bekam, alle Dummheiten, die nur ein Menſchengehirn ausdenken kann, phantaſirte und uns ſo grauſame Angſt ausſtehen ließ, daß mir, wenn ich daran denke, noch immer die hellen Schweißtropfen von der Stirne triefen.

Hier ergriff Bartja die Hand des Freundes und ſagte, ſich an Darius wendend:

Jhm und Gyges verdanke ich mein Leben. Sie haben mich, bis ſie euch entgegengeritten, keine Minute verlaſſen und mich gepflegt, wie eine Mutter ihr krankes Kind. Auch Deiner Güte, Oroetes, bin ich verpflichtet; doppelt, weil Dir aus derſelben Unannehmlichkeiten er - wachſen ſind.

Wie wäre das möglich? fragte Darius.

Jener Polykrates von Samos, deſſen Namen in Aegypten ſo oft genannt wurde, hat den berühmteſten Arzt, den Griechenland zeugte, bei ſich. Nun ſchreibt Oroetes, als ich krank in ſeinem Hauſe liege, an De -68 mokedes*)S. I. Theil. Anmerk. 80. und bittet ihn mit ungeheuren Verſprechungen, ſofort nach Sardes zu kommen. Samiſche Seeräuber, welche die ganze joniſche Küſte unſicher machen, fangen den Boten auf und überbringen den Brief des Oroetes ihrem Herrn Polykrates. Dieſer öffnet denſelben und ſchickt den Abgeſandten hieher zurück mit der Botſchaft, Demokedes ſtehe in ſeinem Solde. Wenn Oroetes 42) die Dienſte deſſelben begehre, ſo möge er ſich an ihn, den Polykrates ſelbſt, wenden. Unſer edler Freund demüthigte ſich um meinetwillen und willfahrte dem Samier, indem er ihn ſeinen Arzt nach Sardes zu ſenden erſuchte.

Und Polykrates? fragte Prexaspes.

Der hochmüthige Jnſelfürſt ſandte ſofort den Heil - künſtler, welcher mich, wie ihr ſeht, wieder hergeſtellt und Sardes erſt vor wenigen Tagen reich beſchenkt ver - laſſen hat.

Uebrigens, fiel Zopyros dem Königsſohn in die Rede, kann ich wohl begreifen, warum der Samier ſeinen Leibarzt nicht gern von ſich läßt. Jch ſage Dir, Darius, ſolchen Mann gibt es nicht zweimal! Schön iſt er, wie Minutſcher, klug wie Piran Wiſa, ſtark wie Ruſtem 43) und hülfreich wie das heilige Soma**)S. II. Theil. Anmerk. 48.. Du hätteſt nur ſehen ſollen, wie er metallne Scheiben, die er Diskos nannte, zu ſchleudern verſtand. Jch bin kein Schwächling; aber er warf mich nach kurzem Ringen zu Boden, und Geſchichten konnte er Dir erzählen, Geſchich - ten, daß einem bei’m Zuhören das Herz im Leibe tanzte.

Wir haben einen ähnlichen Menſchen kennen ge - lernt, ſagte Darius, die Begeiſterung ſeines Freundes69 belächelnd, Phanes, den Athener, welcher damals kam, um unſere Unſchuld zu beweiſen.

Demokedes, der Arzt, iſt aus Kroton, einem Orte, der dicht beim Untergange der Sonne liegen muß

Aber, fügte Oroetes hinzu, wie Athen, von Hellenen bewohnt wird. Hütet euch vor dieſen Menſchen, meine jungen Freunde, denn ſie ſind eben ſo ſchlau, lüg - neriſch und ſelbſtſüchtig, als kräftigen Leibes, klug und ſchön.

Demokedes iſt edel und wahrheitsliebend, rief Zopyros.

Und Phanes, verſicherte Darius, wird ſelbſt von Kröſus für ebenſo tugendhaft, als tüchtig gehalten.

Auch Sappho, beſtätigte Bartja dieſe Ausſage, hat des Atheners nur rühmend gedacht. Schweigen wir aber von den Hellenen, denen Oroetes nicht wohl will, da ſie ihm, ihrer Widerſpenſtigkeit wegen, viel zu ſchaffen machen.

Das wiſſen die Götter! ſeufzte der Satrap. Eine Griechenſtadt iſt ſchwerer in Gehorſam zu halten, als alle Länder zwiſchen dem Euphrat und Tigris.

Während dieſer Worte des Satrapen war Zopyros an das Fenſter getreten und rief, den Redner unter - brechend: Die Sterne ſtehen ſchon ſehr hoch, und Bartja bedarf der Ruhe; darum eile Dich, Darius, und fange an von der Heimat zu erzählen!

Der Sohn des Hyſtaspes winkte beiſtimmend und begann mit dem Berichte jener Ereigniſſe, welche wir be - reits kennen. Das Ende der Nitetis flößte namentlich Bartja aufrichtige Theilnahme ein, während der entdeckte Betrug des Amaſis alle Anweſenden mit Staunen und Entrüſtung erfüllte.

70

Nachdem die eigentliche Herkunft der Verſtorbenen unumſtößlich feſtgeſtellt war, fuhr der Erzähler nach einer kurzen Pauſe fort, ſchien Kambyſes wie umge - wandelt zu ſein. Er berief uns Alle zum Kriegsrath, und hatte bei Tafel wieder ſtatt der Trauerkleider könig - liche Gewänder an.

Jhr könnt euch denken, mit welchem Jubel die Hoff - nung auf einen Krieg mit Aegypten aufgenommen wurde. Nicht einmal Kröſus, der dem Amaſis wohl will, und ſonſt, wo er nur immer kann, zum Frieden räth, hatte dießmal etwas einzuwenden. Am andern Morgen wurde, wie gewöhnlich, das im Rauſche Beſchloſſene nüchternen Muthes überdacht. Nachdem verſchiedene Anſichten laut geworden waren, bat Phanes um das Wort und ſprach wohl eine Stunde lang. Aber wie verſtand er zu reden! Es war, als hätten ihm die Götter Wort für Wort in den Mund gelegt. Unſere Sprache, die er in unglaub - lich kurzer Zeit erlernt hat, floß wie Honig von ſeinen Lippen und lockte bald heiße Thränen aus Aller Augen, bald ſtürmiſchen Jubel und wilde Ausbrüche der Wuth aus der Bruſt der Anweſenden. Jede Bewegung ſeiner Hände war anmuthig, wie der Wink einer Tänzerin, und dennoch männlich und würdevoll. Jch vermag ſeine Rede nicht wiederzugeben, denn meine Worte würden neben den ſeinen wie Trommelgeraſſel neben Donnerſchlägen klingen. Und als wir endlich, hingeriſſen und begeiſtert, den Krieg einſtimmig beſchloſſen hatten, nahm Phanes noch einmal das Wort und gab die Mittel und Wege an, durch welche man den Sieg am leichteſten erringen könnte.

Hier mußte Darius innehalten, denn Zopyros war ihm mit lauten Jubelrufen um den Hals gefallen. Auch71 Bartja, Gyges und der Satrap Oroetes nahmen dieſe Nachricht freudig auf und drängten den Erzähler, ſchleu - nigſt fortzufahren.

Jm Monat Farwardîn, begann der Jüngling von Neuem, müſſen unſre Heere an der Gränze von Aegypten ſtehen, weil im Murdâd 44) der Nil ſein Bett verläßt und den Marſch des Fußvolks zu hindern droht. Der Hellene Phanes iſt jetzt[auf] dem Wege zu den Arabern, um ein Bündniß mit denſelben zu ſchließen 45). Die Wüſten - ſöhne ſollen unſere Heere in ihrem quellenloſen Lande mit Waſſer und Führern verſehen. Ferner will er das reiche Kypros, welches er einſtmals dem Amaſis eroberte, für uns gewinnen. Die Könige dieſer Jnſel haben durch ſeine Fürſprache ihre Kronen behalten und werden ſeinen Rath - ſchlägen Folge leiſten. Der Athener ſorgt für Alles und kennt Weg und Steg, als könne er, wie die Sonne, die ganze Erde überſchauen. Er zeigte uns auch das Bild aller Länder auf einer Kupfertafel *)S. I. Theil. Anmerk. 32. (Anaximander). .

Oroetes nickte zuſtimmend mit dem Kopfe und ſagte: Auch ich beſitze ſolches Gemälde der Welt. Ein Mileſier, Namens Hekatäos 46), der ſich fortwährend auf Reiſen befindet, hat daſſelbe gezeichnet und mir für einen Frei - paß geſchenkt.

Was dieſe Hellenen aber auch Alles erdenken! rief Zopyros, der ſich gar nicht erklären konnte, wie ein Bild der Erde ausſehen möchte.

Jch will Dir morgen meine Kupfertafel zeigen, ſagte Oroetes; jetzt aber wollen wir Darius nicht wieder unterbrechen.

Phanes ging alſo nach Arabien, fuhr der Erzähler72 fort, während Prexaspes nicht nur abreiste, um Dir, Oroetes, zu befehlen, ſo viele Soldaten als möglich, be - ſonders Jonier und Karier, deren Anführung der Athener übernehmen wird, auszuheben, ſondern auch, um Poly - krates ein Bündniß mit uns anzutragen.

Ein Bündniß mit ihm, dem Seeräuber? fragte Oroetes, deſſen Stirn ſich verfinſterte.

Demſelben, ſagte Prexaspes, indem er die un - willige Miene des Oroetes gefliſſentlich unberückſichtigt ließ. Phanes hat von dem Gebieter über ſo viele treff - liche Schiffe ſchon Zuſagen erhalten, die meiner Sendung einen günſtigen Erfolg verſprechen.

Die phönikiſchen, ſyriſchen und joniſchen Kriegs - fahrzeuge, erwiederte der Satrap, würden vollkommen hinreichen, um die ägyptiſche Flotte zu bewältigen.

Ganz Recht! Sollte ſich aber Polykrates gegen uns erklären, ſo würden wir uns kaum auf der See be - haupten können; ſagteſt Du doch ſelbſt, daß er im ägäiſchen Meere nach Willkür ſchalte und walte.

Dennoch mißbillige ich jeden Vertrag mit dem Räuber!

Wir ſuchen vor allen Dingen ſtarke Bundesgenoſſen, und die Seemacht des Polykrates iſt gewaltig. Wenn wir Aegypten mit ſeiner Hülfe beſitzen, ſo wird es Zeit ſein, ſeinen Uebermuth zu demüthigen. Einſtweilen bitte ich Dich, Deinen perſönlichen Groll zu unterdrücken und nur an das Gelingen unſeres großen Vorhabens zu denken. Dieſe Worte ſage ich im Namen des Königs, deſſen Ring ich trage und Dir zu zeigen beauftragt bin.

Oroetes verneigte ſich kurz vor dieſem Zeichen der Herrſchergewalt und fragte: Was verlangt Kambyſes von mir?

73

Er befiehlt, daß Du Alles aufbieten mögeſt, um jenes Bündniß mit dem Samier zu Stande zu bringen. Auch ſollſt Du Deine Truppen ſobald als möglich zum großen Reichsheere in der babyloniſchen Ebene ſtoßen laſſen.

Der Satrap verneigte ſich und verließ in trotziger Haltung das Zimmer.

Sobald ſeine Schritte in dem Säulengange des inneren Hofes verhallten, rief Zopyros:

Der arme Mann! Es iſt hart für ihn, dem Ueber - müthigen, der ſich manche Frechheit gegen ihn heraus - nahm, freundlich begegnen zu ſollen. Denkt nur an die Geſchichte mit dem Arzte!

Du biſt zu mild, ſagte Darius, den Freund unter - brechend. Dieſer Oroetes gefällt mir nicht! So darf man keinen Befehl des Königs aufnehmen! Saht ihr nicht, wie er ſeine Lippen blutig biß, als ihm Prexaspes den Siegelring des Herrſchers zeigte?

Jn dieſem Manne lebt ein trotziger Geiſt! rief auch der Botſchafter. Er verließ uns ſo ſchnell, weil er ſeinen Zorn nicht länger bemeiſtern konnte.

Trotzdem erſuche ich Dich, bat Bartja, meinem Bruder das Benehmen des Satrapen, dem ich Dankbar - keit ſchulde, zu verſchweigen.

Prexaspes verneigte ſich; Darius aber ſprach: Dennoch muß man ein wachſames Auge auf dieſen Menſchen haben. Gerade an dieſer Stelle, ſo weit von der Pforte des Königs, inmitten feindlicher Völker, brauch - ten wir Statthalter, die ihrem Herrſcher williger gehorchen, als Oroetes, der ſich einbildet, König von Lydien zu ſein!

Grollſt Du dem Satrapen? fragte Zopyros.

Jch glaube, ja, lautete die Antwort. Wer74 mir auch begegnet, flößt mir gleich im erſten Augenblicke entweder Liebe oder Abneigung ein. Dieſes ſchnelle uner - klärliche Gefühl hat mich ſelten betrogen. Oroetes miß - fiel mir ſchon, ehe ich ein Wort aus ſeinem Munde ver - nommen hatte. Ebenſo erging es mir mit dem Aegypter Pſamtik, während ich mich zu Amaſis hingezogen fühlte.

Du biſt einmal anders, als wir! lachte Zopyros. Thu mir aber jetzt den Gefallen und laß den armen Oroetes ruhen; ’s iſt ganz gut, daß er fort iſt, denn nun kannſt Du ungezwungener von der Heimat reden. Was macht Kaſſandane und Deine Göttin Atoſſa? Wie geht’s dem Kröſus? Was treiben meine Weiber? Sie wer - den nächſtens eine neue Gefährtin bekommen, denn ich bin willens, morgen um das holde Töchterlein des Oroetes zu werben. Mit den Augen haben wir Beide uns ſchon aller - lei Liebes erzählt. Jch weiß nicht, ob dieſelben Perſiſch oder Syriſch ſprachen; aber wir verſtanden uns doch ganz vortrefflich!

Die Freunde lachten, und Darius rief, in die allge - meine Heiterkeit einſtimmend: Jetzt ſollt ihr eine frohe Botſchaft, die ich mir eigentlich, als das Beſte, für den Schluß aufgeſpart hatte, vernehmen. He, Bartja, ſpitze nur die Ohren! Deine Mutter, die edle Kaſſandane, hat das Licht der Augen zurückerlangt! Ja, ja, es iſt die reine, lautere Wahrheit! Wer ſie geheilt hat? Nun, wer anders, als der griesgrämliche Aegypter, der jetzt womöglich noch düſtrer geworden iſt, als früher. Beruhigt euch nur und laßt mich weiter erzählen, ſonſt wird es Morgen, ehe Bartja zum Schlafen kommt. Uebrigens ſollten wir ſchon jetzt auseinandergehen, denn das Schönſte habt ihr vernommen und könnt davon träu - men. Jhr wollt nicht? Dann muß ich in Mithra’s75 Namen weiter erzählen, wenn mir auch das Herz dabei blutet.

Laßt mich mit dem Könige beginnen! So lange Phanes in Babylon war, ſchien derſelbe ſeinen Schmerz um die Aegypterin vergeſſen zu haben. Der Athener durfte ihn niemals verlaſſen. Sie waren ſo unzertrenn - lich, wie Rekſch und Ruſtem*)S. II. Theil. Anmerk. 117.. Kambyſes fand in dieſer Geſellſchaft auch gar keine Zeit zur Trauer, denn der Hellene hatte jeden Augenblick neue Einfälle und unter - hielt nicht nur den König, ſondern uns Alle ganz bewun - derungswürdig. Dabei war ihm Jeder hold; ich glaube, weil ihn Keiner recht beneiden konnte. Sobald er nämlich einen Augenblick allein war, traten ihm Thränen über ſeinen gemordeten Knaben in die Augen; darum war ſeine große Heiterkeit, die er auch auf Deinen ernſten Bruder, lieber Bartja, zu übertragen verſtand, doppelt bewunde - rungswürdig. Alle Morgen ritt er mit Kambyſes und uns Allen zum Euphrat und freute ſich an den Uebungen der Achämeniden Knaben**)S. II. Theil. Anmerk. 29.. Als er die Buben ſporn - ſtreichs an den Sandhügeln vorbeireiten und die auf den - ſelben ſtehenden Töpfe mit Pfeilen zerſchießen ſah, als er erblickte, wie ſie Holzblöcke auf einander warfen und den - ſelben geſchickt auswichen 47), geſtand er, daß er dies nicht nachzumachen verſtünde, wogegen er ſich anbot, im Speere - werfen und Ringſpiele mit uns Allen den Kampf auf - zunehmen. Lebhaft, wie er iſt, ſprang er ſogleich vom Pferde, warf, es war eine Schande 48), die Kleider ab und ſchleuderte, zum Jubel der Knaben, den Ring - meiſter derſelben wie eine Feder in den Sand. Dann76 überwältigte er eine gute Anzahl von Großſprechern und hätte wohl auch mich bezwungen, wenn er nicht ſchon er - müdet geweſen wäre. Jch verſichere euch übrigens, daß ich ſtärker bin, als er, denn ich vermag ſchwerere Blöcke zu heben; der Athener gleicht aber einem Aal an Be - hendigkeit und umſtrickt ſeine Gegner mit wunderbaren Griffen. Seine Nacktheit kam ihm auch zu Statten. Eigentlich ſollte man, wäre es nicht unſchicklich, nur ent - kleidet ringen und ſich dazu, wie die Hellenen, die Haut mit Olivenöl ſalben. Jm Speerſchleudern übertraf er uns gleichfalls, wogegen der Pfeil des Königs, der, wie bekannt, ſtolz darauf iſt, der beſte Schütze in Perſien zu ſein, weiter flog, als der ſeine. Am meiſten lobte er unſere Sitte, daß nach dem Ringkampfe der Geworfene dem Sieger die Hand küſſen muß. Endlich zeigte er uns eine neue Uebungsart, den Fauſtkampf. Die An - wendbarkeit deſſelben wollte er an keinem Freien erproben; darum ließ der König den größten und ſtärkſten von allen Dienern, Beſſus, meinen Stallknecht, kommen, der mit ſeinen rieſigen Armen die Hinterbeine eines Pferdes zuſammen - drückt, ſo daß der Gaul zittert und ſich nicht zu rühren vermag. Der gewaltige Schlagetodt, welcher Phanes mindeſtens um eines Hauptes Länge überragte, lachte und zuckte mitleidig die Achſeln, als er hörte, daß er mit dem fremden Herrlein einen Fauſtkampf verſuchen ſollte. Seines Sieges gewiß, ſtellte er ſich dem Athener gegenüber und that einen Schlag nach demſelben, der einen Elephanten getödtet haben würde; Phanes aber wich dem - ſelben aus und ſchlug in dem gleichen Augenblicke dem Rieſen ſo furchtbar mit der bloßen Fauſt unter die Augen, daß dem Munde und der Naſe deſſelben ein Blutſtrom ent - quoll, und der ungeſchlachte Menſch heulend zu Boden77 ſank. Als man ihn aufgerichtet hatte, glich ſein Antlitz einem grünlich-blauen Kürbiß. Die Knaben jubelten über dieſen Streich; wir aber bewunderten die Geſchick - lichkeit des Hellenen und freuten uns der guten Stimmung des Königs, die ſich beſonders bemerkbar machte, wenn ihm Phanes muntere griechiſche Lieder und Tanzweiſen zu den Klängen der Laute vorſang.

Jndeſſen hatte Kaſſandane durch die Kunſt des Aegypters Nebenchari ihr Augenlicht wieder erlangt, ein Vorfall, welcher natürlich dazu beitrug, den Tiefſinn des Königs noch mehr zu zerſtreuen. Wir hatten gute Tage, und ich wollte mich eben um Atoſſa’s Hand bewerben, als Phanes nach Arabien aufbrach, und ſich Alles ſchnell ver - änderte.

Sobald nämlich der Athener die Pforte verlaſſen hatte, ſchienen alle böſen Diw’s in den König gefahren zu ſein. Stumm und düſter ging er einher, ſprach kein Wort und genoß, um ſeinen Trübſinn zu übertäuben, ſchon am frühen Morgen ganze Kannen des ſchwerſten ſyriſchen Weins. Des Abends war er ſo trunken, daß man ihn gewöhnlich aus der Halle tragen mußte, während er des Morgens mit Krämpfen und Kopfſchmerzen er - wachte. Bei Tage wandelte er umher, als ſuche er Etwas, und bei Nacht hörte man ihn oft den Namen Nitetis rufen. Die Aerzte waren für ſeine Geſundheit beſorgt und gaben ihm Arzneien, die er fortgoß. Kröſus hatte ganz Recht, als er denſelben eines Tages zurief: Ehe man ſich mit der Heilung befaßt, ihr Herren Magier und Chaldäer, muß man den Sitz der Krankheit ergründet haben! Kennt ihr denſelben? Nein? Dann will ich euch ſagen, was dem Könige fehlt! Er hat ein inneres Leiden und eine Wunde. Das erſtere heißt Lange -78 weile, und die zweite ſitzt im Herzen. Für jene iſt der Athener gut, für dieſe aber weiß ich kein Mittel, denn die Erfahrung lehrt, daß ſolche Wunden entweder von ſelbſt vernarben, oder aber nach innen verbluten.

Jch wüßte dennoch eine Arznei für den König!‘ rief Otanes, der dieſe Worte vernommen hatte. Wir ſollten ihn überreden, die Weiber, oder wenigſtens meine Tochter Phädyne, aus Suſa zurückkommen zu laſſen. Liebe zerſtreut die Schwermuth und beſchleunigt den Lauf des langſam fließenden Blutes!‘ Wir gaben dem Redner Recht und forderten ihn auf, den Herrſcher an die verbannten Frauen zu erinnern. Otanes wagte den Vorſchlag, als wir gerade beim Schmauſe ſaßen, wurde aber ſo hart vom Könige angelaſſen, daß er uns Allen leid that. Kurze Zeit darauf ließ Kambyſes eines Morgens alle Mobed’s und Chaldäer kommen, um denſelben die Deutung eines ſeltſamen Traumgeſichts zu befehlen.

Jhm hatte geträumt, daß er ſich inmitten einer dürren Ebne befinde, die, dem Boden einer Tenne ähnlich, keinen Halm erzeugte. Mißgeſtimmt über den öden, traurigen Anblick des Platzes, wollte er ſoeben andere, fruchtbarere Orte aufſuchen, als Atoſſa erſchien und, ohne ihn zu be - merken, einer Quelle entgegenlief, die plötzlich, wie durch Zauberei, mit fröhlichem Gemurmel aus dem dürren Bo - den emporquoll. Staunend ſah er dieſem Schauſpiele zu und bemerkte, wie ſich überall, wo der Fuß ſeiner Schweſter das verſengte Land berührt hatte, ſchlanke Terebinthen 49) erhoben, die ſich, da ſie größer wurden, in Cypreſſen - bäume verwandelten, deren Gipfel bis in den Himmel ragten. Als er Atoſſa anreden wollte, war er aufgewacht.

Die Mobed’s und Chaldäer beriethen ſich und deute -79 ten den Traum dahin, Atoſſa werde bei all ihren Unternehmungen vom Glücke begünſtigt werden.

Kambyſes gab ſich mit dieſer Antwort zufrieden; als er aber in der nächſten Nacht ein ähnliches Traumbild erblickte, da bedrohte er die Mobed’s mit dem Tode, wenn ſie ihm keine andere Deutung geben würden. Die Weiſen bedachten ſich lange und antworteten endlich: Atoſſa werde einſtmals Königin und die Mutter mächtiger Für - ſten werden.

Mit dieſer Auslegung war der König zufrieden und lächelte ſonderbar vor ſich hin, als er uns ſeinen Traum erzählte.

Kaſſandane berief mich ſelbigen Tages und that mir zu wiſſen, ich möge, ſo lieb mir mein Leben wäre, jeder Hoffnung auf den Beſitz ihrer Tochter entſagen.

Eben wollt ich den Garten der hohen Greiſin ver - laſſen, als ich Atoſſa hinter einem Granatengebüſch er - blickte. Sie winkte mir. Jch kam. Wir vergaßen Ge - fahr und Schmerz und nahmen endlich Abſchied auf immer. Jetzt wißt ihr Alles. Und nun, wo ich entſagt habe, wo jeder fernere Gedanke an dies holde Weſen Wahnſinn wäre, muß ich mir Gewalt anthun, um nicht, eines Weibes wegen, wie der König, in Trübſinn zu verfallen. So lautet das Ende dieſer Geſchichte, deren Schluß wir ſchon erwarteten, als mich, den zum Tode Verurtheilten, Atoſſa’s Roſe zum Glücklichſten aller Sterblichen machte. Hätte ich euch damals, in der vermeinten Todesſtunde, mein Ge - heimniß nicht verrathen, ſo würde daſſelbe mit mir zu Grabe gegangen ſein! Doch, was rede ich! Auf eure Verſchwiegenheit darf ich ja zählen und bitte euch nur, mich nicht ſo bedauerlich anzublicken. Jch bin, wie ich meine, noch immer beneidenswerth, denn ich habe eine80 Stunde des Glückes genoſſen, die hundert Jahre des Elends aufwiegt. Jch danke euch, ich danke! Jetzt aber laßt mich ſchnell zu Ende kommen!

Drei Tage nach meinem Abſchiede von Atoſſa mußte ich Artyſtone, des Gobryas Tochter, heimführen. Sie iſt ſchön und würde einen anderen, als mich, glücklich machen. Am Morgen nach der Hochzeit kam der Angare, welcher die Nachricht von Bartja’s Erkrankung nach Babylon brachte. Schnell entſchloſſen bat ich den König, Dich aufſuchen, pflegen und vor der Dein Leben in Aegypten bedrohenden Gefahr warnen zu dürfen, nahm, trotz der Einſprache meines Schwiegervaters, von meiner Neu - vermählten Abſchied, und jagte in Begleitung des Prexas - pes ohne Aufenthalt an Deine Seite, mein Bartja, um Dich mit Zopyros nach Aegypten zu begleiten, während Gyges dem Botſchafter als Dolmetſcher nach Samos folgen muß. Alſo befiehlt es der König, deſſen Stimmung ſich in den letzten Tagen verbeſſert hat, weil er in der Beſichtigung der herbeiziehenden Heeresmaſſen Zerſtreuung findet, und ihn die Chaldäer verſichert haben, daß der Planet Adar*)Planet Mars. Chronic. pasch. I. p. 18. Cedrenus. Chron. I. p. 29. Cicero, nat. deor. II. 20 46., welcher ihrem Kriegsgotte Chanon an - gehört, den perſiſchen Waffen einen großen Sieg verheiße. Wann denkſt Du reiſen zu dürfen, Bartja?

Morgen, wenn Du willſt, antwortete Dieſer. Die Aerzte ſagten, daß mir die Seefahrt gut bekommen würde. Die Landreiſe bis Smyrna iſt ja nur kurz.

Und ich, fügte Zopyros hinzu, verſichere Dich, daß Deine Liebſte Dich ſchneller geſund machen wird, als alle Arzeneibereiter der Welt!

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So wollen wir in drei Tagen aufbrechen, über - legte Darius, denn wir haben noch allerlei vor der Ab - fahrt zu beſorgen. Bedenkt nur, daß wir in ein ſo gut als feindliches Land ziehen! Bartja muß, ſo habe ich mir das Ding überlegt, als ein Teppichhändler von Babylon auftreten. Jch ſtelle ſeinen Bruder dar, und Zopyros einen Kaufmann, der mit ſardiſchem Roth 50) Handel treibt.

Könnten wir nicht als Krieger auftreten? fragte Zopyros, ’s iſt ſchmählich, für ſolchen trügeriſchen Scha - cherer gehalten zu werden! Wie wär’s z. B., wenn wir uns für lydiſche Soldaten ausgäben, die einer Strafe entflohen ſind und Dienſte im ägyptiſchen Heere ſuchen?

Der Vorſchlag ließe ſich hören! ſagte Bartja. Auch meine ich, daß man uns, unſerer Haltung wegen, eher für Krieger, als für Kaufleute anſehen würde.

Das wäre nicht maßgebend, erwiederte Gyges. So ein helleniſcher Großhändler und Schiffsherr geht einher, als wenn ihm die Welt gehörte. Uebrigens finde ich den Vorſchlag des Zopyros nicht übel.

Gut denn, ſagte Darius, nachgebend. So muß uns Oroetes mit den Kleidern lydiſcher Taxiarchen 51) verſehen.

Warum nicht gar mit dem Schmuck der Chili - archen 51), rief Gyges. Das würde bei eurer Ju - gend Verdacht erregen.

Als gemeine Soldaten können wir doch nicht auf - treten.

Nein, aber wohl als Hekatontarchen 51)!

Auch gut, lachte Zopyros, wenn ich mich nur nicht für einen Krämer ausgeben muß! Jn drei Ta - gen geht’s alſo fort! ’s iſt mir lieb, daß ich Zeit be -Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 682halte, mich des Töchterleins dieſes Satrapen zu verſichern und endlich einmal den Kybele-Hain, nach dem ich mich ſchon lange ſehne, zu beſuchen. Aber jetzt, gute Nacht, Bartja! Und daß Du gehörig lange liegen bleibſt. Was würde Sappho ſagen, wenn Du mit bleichen Wangen zu ihr kämeſt!

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Viertes Kapitel.

Ein heißer Hundstags-Morgen war über Naukratis aufgegangen. Der Nil hatte bereits ſeine Ufer überſchritten und die Aecker und Gärten von Aegypten mit Waſſer - fluten bedeckt.

Die Häfen an der Mündung des Stromes wimmelten jetzt von Schiffen. Griechiſche Trieren brachten feine Oele und Weine, Maſtixzweige, chalkidiſche Erzarbeiten und wollene Gewebe; phönikiſche und ſyriſche Fahrzeuge mit bunten Segeln Purpurſtoffe, Edelſteine, Gewürze, Glas - arbeiten, Teppiche und Cedern vom Libanon zum Bau von Häuſern, nach dem holzarmen Aegypten, um die Schätze Aethiopiens: Gold, Elfenbein, Ebenholz, bunte Tropen - vögel, Edelſteine und ſchwarze Sklaven, beſonders aber das weltberühmte ägyptiſche Korn oder memphitiſche Wagen, ſaïtiſche Spitzengewebe und feinen Papyros für ihre Waaren einzutauſchen. Aber die Zeit des bloßen Tauſchhandels war längſt vorbei, und die Kaufleute von Naukratis be - zahlten ihre Einkäufe nicht ſelten mit klingendem Gold und ſorglich gewogenem*)Siehe I. Theil Anmerk. 167. Silber.

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Große Waarenſpeicher umgaben den Hafen der helle - niſchen Pflanzſtadt. Neben denſelben ſtanden leicht gebaute Häuſer, in welche Muſik und Gelächter, ſowie der Blick und Zuruf geſchminkter Dirnen die müßigen Seefahrer lockte. Zwiſchen ſchwarzen und weißen Sklaven, welche ſchwere Ballen auf den Schultern trugen, tummelten ſich Ruderknechte und Steuermänner in verſchiedenen Trachten. Schiffsherren in helleniſchen oder ſchreiend bunten phöni - kiſchen Kleidern riefen ihren Untergebenen Befehle zu und übergaben den Großhändlern ihre Frachtgüter. Wo ſich ein Streit erhob, zeigten ſich ſchnell ägyptiſche Sicherheits - beamte mit langen Stäben und helleniſche Hafenwächter, die von den Aelteſten der Kaufmannſchaft der mileſiſchen Pflanzſtadt angeſtellt waren*)Siehe I. Theil Anmerk. 3..

Jetzt entleerte ſich der Hafen, denn die Stunde der Eröffnung des Marktes war nahe 52), und der freie Hel - lene pflegte dort nicht gern zu fehlen. Mancher Neugierige blieb aber dießmal zurück, denn ſoeben wurde ein ſchön - gebautes ſamiſches Schiff mit langem Schwanenhalſe, die Okeia 53), an deren Vordertheil ein hölzernes Bild der Göttin Hera prangte, abgeladen. Beſonderes Aufſehen erregten drei ſchöne Jünglinge in lydiſcher Kriegertracht, welche der Triere entſtiegen. Mehrere Sklaven folgten denſelben und trugen ihnen einige Kiſten und Bündel nach.

Der Schönſte der Ankömmlinge, in denen der Leſer unſre jungen Freunde Darius, Bartja und Zopyros er - kannt haben wird, redete einen Hafenwärter an und bat denſelben, ihm die Wohnung Theopompos des Mileſiers, ſeines Gaſtfrenndes, zu zeigen.

Dienſtwillig und höflich, wie alle Griechen, ging der85 Beamte den Fremden voran und führte dieſelben über den Markt, deſſen Eröffnung gerade durch den Klang einer Glocke angezeigt wurde*)Siehe III. Theil Anmerk. 52., in ein ſtattliches Haus, das Eigenthum des angeſehenſten Mannes von Naukratis, des Mileſiers Theopompos.

Aber die Jünglinge waren nicht ohne Aufenthalt über den Markt gekommen. Der Zudringlichkeit frecher Fiſch - verkäufer hatten ſie ſich ebenſo leicht entzogen, als dem einladenden Zuruf der Fleiſcher, Wurſt - und Gemüſehändler, Töpfer und Bäcker. Als ſie ſich aber dem Platze 54) der Blumenmädchen näherten, klatſchte Zopyros, vor heller Freude über den reizenden Anblick, der ſich vor ihm auf - that, laut in die Hände.

Drei wunderliebliche Geſchöpfe in weißen, halbdurch - ſichtigen Gewändern mit bunten Säumen ſaßen, von lauter Blumen umgeben, auf niedrigen Seſſeln und wanden ge - meinſam einen großen Kranz von Roſen, Veilchen und Orangeblüten. Jhre lieblichen, von Kränzen umgebenen Köpfchen glichen den drei Roſenknospen, welche Eine von ihnen, die unſre Freunde zuerſt bemerkt hatte, denſelben entgegenhielt.

Kauft mir meine Roſen ab, ihr ſchönen Herren! rief dieſelbe mit heller, klangvoller Stimme, und ſteckt ſie eueren Liebchen in die Haare!

Zopyros nahm die Blumen und rief, die Hand des Mädchens feſthaltend: Jch komme ſoeben aus weiter Ferne, ſchönes Kind, und habe noch keine Freundin zu Naukra - tis; darum laß mich dieſe Roſen in Dein eignes goldenes Haar und dieſes Goldſtück in Dein weißes Händchen ſtecken!

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Das Mädchen lachte fröhlich auf, zeigte die über - reiche Gabe 55) ihrer Schweſter und rief: Bei’m Eros! Jünglingen wie euch, kann es nicht an Freundinnen fehlen! Seid ihr Brüder?

Nein!

Das iſt ſchade, denn wir ſind Schweſtern!

Und Du meinſt, daß wir drei hübſche Pärchen ab - geben würden?

Das hab ich vielleicht gedacht; aber nicht geſagt.

Und Deine Schweſtern?

Die Mädchen lachten, ſchienen durchaus nicht abge - neigt, gegen eine derartige Verbindung zu ſein und reich - ten auch Bartja und Darius Roſenknospen dar.

Die Jünglinge nahmen dieſelben an, ſpendeten gleich - falls für jedes Sträußchen ein Goldſtück und wurden nicht eher von den Schönen fortgelaſſen, bis ſie den Helm eines jeden mit grünen Lorbeerblättern umkränzt hatten.

Die Kunde von der ſeltenen Freigebigkeit der Frem - den hatte ſich indeſſen unter den vielen Blumenmädchen, welche rings umher Bänder, Blüten und Kränze feilhielten, verbreitet. Jede derſelben reichte ihnen Roſen und lud ſie mit Blicken und Worten ein, zu verweilen und zu kaufen.

Zopyros wäre gern, wie mancher junge Herr von Naukratis, noch viel länger bei den Mädchen geblieben, die ſich faſt alle durch Schönheit und leicht zu gewinnende Herzen auszeichneten; Darius drängte ihn aber fort und erſuchte Bartja, dem Leichtſinnigen jeden weiteren Aufent - halt zu verbieten. So gelangten ſie denn, nachdem ſie bei den Tiſchen der Wechsler und den Bürgern, die, auf ſteinernen Bänken ſitzend, unter freiem Himmel Rath hiel - ten, vorbeigekommen waren, zum Hauſe des Theopompos.

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Sobald ihr helleniſcher Führer mit dem metallnen Klopfer an die Thüre gepocht hatte, ward dieſelbe von einem Sklaven geöffnet. Da ſich der Hausherr auf dem Markte befand, wurden die Fremden von dem Beſchließer, einem im Hauſe des Theopompos ergrauten Diener, in die Andronitis*)S. I. Theil im Text zu Anmerk. 25. geführt und gebeten, dort die Heimkehr des Wirthes zu erwarten.

Während ſich die Jünglinge noch an den ſchönen Wandmalereien und der kunſtreichen Steinarbeit des Fuß - bodens dieſer Halle erfreuten, kehrte Theopompos, jener Großhändler, den wir bereits im Hauſe der Rhodopis kennen gelernt haben, begleitet von vielen Sklaven, welche ihm die von ihm erſtandenen Gegenſtände nachtrugen, vom Markte zurück 56).

Der Mileſier kam den Fremden mit anmuthiger Höf - lichkeit entgegen und fragte in verbindlicher Weiſe, womit er ihnen dienen könnte.

Nachdem Bartja ſich überzeugt hatte, daß ſich kein unberufener Hörer in der Nähe aufhalte, übergab er dem Hausherrn die Briefrolle, welche ihm von Phanes beim Abſchiede übergeben worden war.

Kaum hatte Theopompos das Schreiben geleſen, als er ſich tief vor dem Königsſohn verbeugte und ausrief: Beim Zeus, der das Gaſtrecht wahrt, eine größere Ehre, als durch Deinen Beſuch, hätte meinem Hauſe nicht wieder - fahren können. Betrachte Alles, was ich habe, als Dein Eigenthum und bitte auch Deine Begleiter, bei mir vor - lieb zu nehmen! Verzeihe, wenn ich Dich in Deinen lydi - ſchen Kleidern nicht gleich erkannte. Wie ich meine, ſind Deine Locken kürzer und Dein Bart voller geworden, ſeit -88 dem Du Aegypten verlaſſen. Jch habe Recht, und Du wünſcheſt unerkannt zu bleiben? Ganz nach Deinem Begehr! Die ſchönſte Gaſtlichkeit iſt diejenige, welche den Gäſten die vollſte Freiheit gewährt. O, jetzt erkenne ich auch Deine Freunde wieder! Aber dieſe haben ſich eben - falls ſehr verändert und, gleich Dir, die Locken geſtutzt. Ja, ich möchte behaupten, daß Du, mein Freund, deſſen Name ....

Jch heiße Darius.

Daß Du, Darius, Deine Haare ſchwarz gefärbt haſt. Ja? Jhr ſeht, daß mein Gedächtniß mich nicht betrügt. Uebrigens darf ich mich deſſen nicht allzuhoch rühmen; habe ich euch doch mehrmals zu Sais und auch hier, als ihr ankamet und abreistet, geſehen! Du fragſt, o Königsſohn, ob euch die Anderen nicht erkennen würden? Gewiß nicht! Die fremde Tracht, die kurzen Haare und die Färbung eurer Augenbrauen verändern euch wunder - bar. Aber verzeiht einen Augenblick! Mein alter Schließer winkt und ſcheint eine wichtige Beſtellung zu haben.

Wenige Minuten ſpäter kehrte Theopompos zurück und rief: Ei, ei, meine Werthen! So darf man nicht zu Naukratis auftreten, wenn man unerkannt zu bleiben wünſcht! Jhr habt mit den Blumenmädchen getändelt und dieſelben für ein paar Roſen nicht, wie entflohene lydiſche Hekatontarchen, ſondern wie große Herren, die ihr eben ſeid, bezahlt! Ganz Naukratis kennt die ſchönen, leichtſinnigen Schweſtern Stephanion, Chloris und Jrene, die mit ihren Kränzen manches junge Herz beſtrickt und mit ihren ſüßen Blicken manchen blanken Obolos*)Groſchen. aus89 dem Säckel unſrer leichtblütigen Söhne gelockt haben! Bei den Blumenmädchen halten ſich die Herrlein zur Zeit des Marktes am liebſten auf, und was dort verhandelt wird, das pflegt in ſtiller Nacht mit mehr als einem Goldſtücke bezahlt zu werden. Für ein freundliches Wort und ein paar Roſen iſt man aber weniger freigebig, als ihr! Die Mädchen haben ſich mit euren Geſchenken ge - brüſtet und ihren kargeren Bewerbern die glänzenden Goldſtücke gezeigt. Das Gerücht iſt eine Göttin, welche arg zu übertreiben und aus der Eidechſe ein Krokodil zu machen pflegt. So kam denn dem ägyptiſchen Hauptmanne, der, ſeitdem Pſamtik regiert, den Markt bewacht, die Nachricht zu Ohren, drei eben angekommene lydiſche Krie - ger hätten Gold unter die Kranzwinderinnen ausgeſtreut. Das erregte Verdacht und veranlaßte den Toparchen*)I. Theil. Anmerk. 137., einen Beamten hierher zu ſchicken, der ſich nach eurer Her - kunft und dem Zwecke eurer Reiſe nach Aegypten er - kundigen ſoll. Da habe ich denn eine Liſt gebrauchen und dem Kundſchafter etwas weismachen müſſen. Jch handelte nach eurem Willen und gab euch für reiche Jüng - linge von Sardes aus, die dem Groll des Satrapen ent - flohen ſind .... Aber da kommt der Beamte mit dem Schreiber, der euch einen Paß ausſtellen wird, damit ihr unangefochten am Nil verbleiben könnt. Jch habe dem - ſelben eine reiche Belohnung verſprochen, wenn er euch zum Eintritt in die Söldnerſchaar des Königs behülflich ſein will. Er iſt in die Falle gegangen und glaubt mir. Wegen eurer Jugend traut man euch keine geheime Sen - dung zu.

Der geſprächige Hellene hatte kaum ausgeredet, als90 der Schreiber, ein dürrer, weißgekleidter Mann, ſich den Fremden gegenüberſtellte und dieſelben mit Hülfe eines Dolmetſchers nach ihrer Herkunft und dem Zweck ihrer Reiſe befragte.

Die Jünglinge hielten ihre Behauptung, entwichene lydiſche Hekatontarchen zu ſein, feſt und erſuchten den Be - amten, ihnen Mittel und Wege für ihren Eintritt in die ägyptiſchen Hülfstruppen anzugeben und ſie mit Päſſen zu verſehen.

Nachdem Theopompos für unſere Freunde Bürgſchaft geleiſtet hatte, zauderte der Beamte nicht lange und ſtellte ihnen die gewünſchten Papiere aus.

Der Paß des Bartja lautete:

Smerdes, Sohn des Sandon aus Sardes, ungefähr 22 Jahr alt, von ſtattlichem, ſchlankem Wuchſe, mit wohlgeſtaltetem Angeſicht, gerader Naſe und hoher Stirn, in deren Mitte ſich eine kleine Narbe befindet, darf, weil für denſelben Bürgſchaſt geleiſtet worden iſt, da, wo das Geſetz die Fremden duldet, in Aegypten verweilen.

Jm Namen des Königs. Sachons, Schreiber.

Die Päſſe des Zopyros und Darius waren in der - ſelben Weiſe abgefaßt 57).

Als die Beamten das Haus verlaſſen hatten, rieb ſich Theopompos die Hände und ſagte: Nun könnt ihr, wenn ihr meinen Rath in allen Stücken befolgt, ſicher in dieſem Lande verweilen. Bewahrt dieſe Papier - röllchen gleich euren Augen und laßt dieſelben niemals von euch. Jetzt erſuche ich euch aber, mir zum Früh - ſtücke zu folgen und mir, wenn es euch genehm iſt, zu erzählen, ob das Gerücht, welches am Markte verbreitet91 war, nicht, wie gewöhnlich, lügt. Eine von Kolophon kommende Triere brachte nämlich die Nachricht, Dein hoher Bruder, edler Bartja, rüſte gegen Amaſis.

Am Abend deſſelben Tages feierten Bartja und Sappho ein Wiederſehen, deſſen Glück durch die mit dem Erſcheinen des Königsſohnes verbundene Ueberraſchung ſo unermeßlich war, daß die Jungfrau in der erſten Stunde keine Worte für ihre Wonne und Dankbarkeit finden konnte. Als ſie endlich wieder in jener Akanthus-Laube, welche ihre junge Liebe mit blühenden Zweigen verborgen hatte, allein waren, ſank Sappho an das Herz des theuren Wiedergekehrten. Lange ſprachen ſie kein Wort und ſahen weder Mond noch Sterne, die in der lauen Sommernacht ihre ſtillen, bedeutungsvollen Kreiſe über ihren Häuptern zogen. Sie hörten nicht das Lied der Nachtigallen, welche, wie damals, ihren geliebten Jtys in flötenden Wechſelſängen riefen, ſie fühlten nicht den befeuchtenden Thau, den die Nacht auf ihre, wie auf die Häupter der Blumen im Raſen, herniedergoß.

Endlich faßte Bartja beide Hände ſeiner Braut und ſchaute ſie lange ſprachlos an, als wollte er ſich das Bild ihrer Züge unauslöſchlich einprägen; ſie aber blickte ſchämig zu Boden, als er endlich ausrief:

Wenn ich von Dir träumte, ſo ſchienſt Du mir ſchöner als Alles, was Auramazda erſchaffen; jetzt aber find ich, daß Du ſelbſt meine Träume an Schönheit überbieteſt!

Und als ſie ihm für dieſe Worte mit einem leuchten - den Blicke gedankt hatte, ſchlang er nochmals ſeinen Arm um ihre Hüften, zog ſie feſter an ſich und fragte:

92

Haſt Du mein gedacht?

Nur, nur an Dich!

Und hoffteſt Du, mich ſchon ſo bald zu ſehen?

Ach Stund für Stunde dacht ich: er muß kom - men!‘ Wenn ich des Morgens in den Garten trat und ſchaute hin nach Oſten, Deiner Heimat, und ein Vöglein flog von drüben, von der rechten Seite auf mich zu, fühlt ich ein Zucken in dem rechten Augenlid; wenn ich in meiner Kiſte räumte und allda das Kränzlein fand, das Dir ſo herrlich ließ, und das ich drum zum Ange - denken aufhob, Melitta ſagt, ſolch aufbewahrter Kranz erhalte treue Liebe 58), dann klatſcht ich in die Hände, dachte mir: heut muß er kommen‘, lief dem Nile zu und winkte jedem Nachen mit dem Tuch, denn jedes Fahr - zeug, dacht ich, trüge Dich zu mir heran. Und wenn Du doch nicht kamſt, ſo ging ich traurig in das Haus zurück und ſang ein Lied und ſchaute in das Feuer des Heerdes, das im Weiberſaale brennt, bis mich Großmutter aus dem Traume rief und ſagte: Höre, Mädchen, wer bei Tage träumt, iſt in Gefahr, des Nachts ſchlaflos zu liegen und mit trübem Sinn, mit müdem Hirn und mit erſchlafften Gliedern des Morgens von dem Lager aufzu - ſtehen. Der Tag ward uns gegeben, um zu wachen, um unſre Augen offen zu erhalten und zu ſtreben, daß keine Stunde ungenützt verrinne. Vergangne Zeit gehört den Todten an, die Narrheit hoffet von der Zukunft Heil, der Weiſe hält ſich an die Gegenwart, die ewig junge, und nimmt dieſe wahr, um alle Gaben, die uns Zeus ver - liehen, die uns Apollon, Pallas, Kypris ſchenkte, durch Arbeit ſo zu pflegen, daß ſie nach und nach ſich ſteigern und ergänzen und veredeln, und unſer Sinnen, Handeln, Fühlen, Reden zuletzt wohllautend werde, wie der ſüße93 Klang der Harmonieen eines Saitenſpiels. Du kannſt dem Manne, dem Dein Herz gehört, den Du für höher als Dich ſelber hältſt, weil Du ihn eben liebſt, nicht beſſer dienen und Deine Treue ihm nicht ſchöner zeigen, als wenn Du Deinen Geiſt und Dein Gemüth, ſo hoch es nur in Deinen Kräften ſteht, veredelſt. Was Du auch Schönes, Gutes neu erlernſt, das wird für Deinen Lieb - ſten zum Geſchenk, denn, gibſt Du ihm Dein ganzes Weſen hin, empfängt er Deine Tugenden mit Dir. Doch träumend hat noch Niemand Sieg erkämpft. Der Labe - thau der Tugendblume nennt ſich Schweiß!‘ So ſagte ſie; ich aber ſprang beſchämt vom Heerde fort, ergriff das Saitenſpiel, erlernte neue Lieder oder hing am Munde meiner Lehrerin, die mich, ſie übertrifft an Weisheit manchen Mann, mit Wort und Schriften liebend unter - wies. So floß die Zeit dahin, ein raſcher Strom, der, gleich dem Nil dort drüben, ewig fließt und bald ein bunt bewimpelt goldnes Boot, bald ein gefräßig böſes Kroko - dill an uns, den Sterblichen, vorüberführt!

Jetzt ſitzen wir in jenem Wonnekahn! O hielte doch in dieſem Augenblick der Strom der Zeit die ſchnellen Fluten auf, o wär es immerwährend ſo, wie jetzt! Du holdes Mädchen, wie Du klüglich ſprichſt, wie Du die ſchönen Lehren wohl begreifſt und ſie noch anmuthsvoller wiedergibſt. Ja, meine Sappho, ich bin ſtolz auf Dich! Jn Deiner Tugend hab ich einen Schatz, der mich viel reicher macht, als meinen Herrn und Bruder, dem die halbe Welt gehört!

Du, ſtolz auf mich, Du hoher Fürſtenſohn, der Schönſte, Beſte Deines ganzen Stammes?!

Jch finde keinen höhern Werth in mir, als den, daß Du mich Deiner würdig hältſt!

94

Jhr großen Götter, ſagt, wie kann dies kleine Herz ſolch eine Fülle höchſter Seligkeit ertragen, ohne, einer Vaſe gleich, die man mit ſchwerem Golde überfüllt, ge - ſprengt zu werden.

Weil ein andres Herz, das meine, Deine Laſt zu tragen hilft, weil Deine Seele meine unterſtützt. Mit dieſer Hülfe ſpotte ich der Welt und aller Leiden, die die Nacht gebiert.

O reize nicht den Neid, den Zorn der Götter, die oft das Glück der Sterblichen verdrießt. Wir haben, ſeit Du in die Ferne zogſt, gar manchen thränenreichen Tag verlebt. Des guten Phanes arme Kinderlein, ein Knabe, ſchön wie Eros, eine Maid, ſo hold und roſig, wie ein Wölkchen, das vom Morgenroth beleuchtet, freundlich ſtrahlt, verlebten manchen Tag in unſrem Haus. Großmutter ward von Neuem froh und jung, wenn ſie die lieben, friſchen Kleinen ſah; ich aber ſchenkte ihnen all mein Herz, obgleich es Dir ja ganz allein gehört. Doch iſt es mit dem Herz ein ſeltſam Ding, das gleich der Sonne, Vielen Strahlen ſchenkt, und doch nicht ärmer wird an Licht und Glanz, und keinem vorenthält, was ihm ge - bührt. Jch liebte Phanes Kinder, ach, ſo ſehr! An einem Abend ſaßen wir allein mit Theopompos in dem Frauenſaal, als an der Thüre wilder Lärm erklang. Der alte Knakias, unſer treuer Sklav, kam juſt zur Pforte, als der Riegel ſprang und eine Schaar von Kriegern durch den Flur in’s Periſtyl, die Andronitis und von dort, die Mittelthür zerſchlagend, zu uns drang. Groß - mutter zeigte ihnen jenen Brief, durch welchen Amaſis ihr Haus zur unantaſtbar ſichern Zuflucht macht. Sie lachten aber ſpöttiſch jener Schrift und zeigten ein be - ſiegelt Dokument, in dem der Kronprinz Pſamtik ſtreng95 befahl, des Phanes Kinder jener rohen Schaar ſofort zu übergeben. Theopomp verwies den Kriegern ihre rauhe Art und ſagte, jene Kinder, die bei uns zu Gaſte wären, ſeien aus Korinth und hätten mit dem Phanes nichts zu thun. Der Hauptmann der Soldaten aber bot dem edlen Manne nichts als Hohn und Trotz, ſtieß die beſorgte Ahne frech zurück, drang mit Gewalt in ihren Thalamos, wo neben allen Schätzen beſter Art, die ſie beſitzt, zu Häupten ihrer eignen Lagerſtatt die beiden Kleinen fried - lich ſchlummerten, riß ſie gewaltſam aus den Bettchen fort und führte ſie, auf einem offnen Kahn, zu kalter Nachtzeit, in die Königsſtadt. Nach wen’gen Wochen war der Knabe todt. Man ſagte, Pſamtik hab ihn um - gebracht. Das holde Mägdlein ſchmachtet heute noch in eines finſtern Kerkers ödem Raum und weint nach ihrem Vater und nach uns. O, mein Geliebter, ſprich, iſt es nicht hart, daß ſich auch in das allerreinſte Glück ein Un - heil ſchleichen muß? Die Wonnezähre hier in dieſem Blick vereint ſich jetzt ſchon mit dem Schmerzensnaß, und dieſer Mund, der eben noch gelacht, wird jetzt zum Herold eines tiefen Leids.

Jch fühle Deine Schmerzen nach, mein Kind; doch klage ich nicht nur gleich Dir, dem Weib. Was Dich zu nichts als warmen Thränen zwingt, das ballt zum Fauſtſchlag meine Männerhand. Der holde Knabe, der Dir theuer war, das Mägdlein, das im öden Kerker weint, ſoll bald gerochen werden. Traue mir! Bevor der Nil zum zweitenmale ſchwillt, dringt ein gewalt’ges Heer in dieſes Land und wird Vergeltung fordern für den Mord!

O liebſter Mann, wie Deine Augen glühen! So ſchön, ſo herrlich ſah ich Dich noch nie! Ja, ja, der96 Knabe muß gerochen ſein, und Niemand darf ihn rächen außer Dir!

Mein ſanftes Mädchen wird zur Kriegerin!

Auch Weibern ziemet Kampf, wo Unrecht lacht, auch Weiber freu’n ſich, wenn das Laſter fällt! Doch ſage, habt ihr ſchon den Krieg erklärt?

Noch nicht, doch zieht ſchon heute Schaar auf Schaar zum Euphratthale fort und eint ſich dort mit unſerm großen Heer.

Jetzt ſinkt mir ſchon der ſchnell entflammte Muth. Jch zittre vor dem bloßen Worte Krieg‘. Wie viele Mütter macht er kinderlos, wie vielen Weibern ſinkt, wenn Ares tobt, der Wittwenſchleier auf das ſchöne Haupt, wie viele Betten werden naßgeweint, wenn Pallas ihre grauſe Aegis ſchwingt!

Wie aber wächst der Mann im wilden Streit, wie weitet ſich ſein Herz, wie ſchwillt ſein Arm! Wie jubelt ihr, wenn der geliebte Held mit Ruhm bedeckt als Sieger heimwärts kehrt! Ein Perſerweib muß ſich der Schlachten freuen; denn ihres Gatten Leben iſt ihr lieb, doch lieber noch iſt ihr ſein Kriegerruhm!

Zieh in den Kampf! Dich ſchirmet mein Gebet!

Und der gerechten Sache wird der Sieg! Erſt ſchlagen wir das Heer des Pharao, dann wird des Phanes Töchterlein befreit ....

Und dann der brave Ariſtomachos, der des ent - floh’nen Phanes Platz bekam. Er iſt verſchwunden, Nie - mand weiß, wohin. Doch ſagte man, der Kronprinz habe ihn, weil er der Kinder wegen ihn bedroht, in eines Kerkers finſtre Nacht gebannt; wenn er ihn nicht, was ſchlimmer wäre, als der ſchlimmſte Tod, in einen fernen Steinbruch ſchleppen ließ. Der arme Alte war97 vom Heimatland durch böſe Feinde ſonder Schuld ver - bannt. Am ſelben Tage, der ihn uns entzog, kam eine Botſchaft vom Spartanervolk am Nile an, um Ariſto - machos, durch deſſen Söhne Sparta hohen Ruhm gewon - nen hatte, zum Eurotasſtrom mit allen Ehren, welche Hellas kennt, zurückzurufen. Ein bekränztes Schiff er - wartete den vielgeprieſ’nen Greis, und, als der Führer der Geſandten, kam ſein eigner ruhmgekrönter, ſtarker Sohn.

Jch kannte jenen eiſenharten Mann, der ſich ver - ſtümmelte, um einer Schmach, die ſeiner Ehre drohte, zu entgehen. Wir rächen ihn, beim Anahita Stern*)III. Theil. Anmerk. 39., der dort im Oſten zitternd untergeht.

O, mein Geliebter, iſt es ſchon ſo ſpät? Mir iſt die Zeit vergangen, wie ein Hauch, der unſere Stirnen küſſet und entflieht. Hörſt Du nicht rufen? Ja, man harrt auf uns! Vor Tagesanbruch ſollt ihr in der Stadt im Hauſe eures edlen Gaſtfreunds ſein. Leb wohl, mein Held!

Geliebte, lebe wohl! Und in fünf Tagen tönt der Hochzeitsſang. Du zitterſt ja, als ging es in den Krieg!

Jch bebe vor der Größe unſres Glücks, wie man vor allem Ungeheuern bebt!

Schon wieder ruft die edle Rhodopis. Jetzt laß uns gehen! Jch habe Theopomp gebeten, mit der Greiſin, wie es Brauch, ſich zu bereden, wann uud wie und wo die Hochzeitsfeier zu begehen ſei. Jch bleibe unerkannt in ſeinem Hauſ, bis daß ich Dich als mein geliebtes Weib mit mir entführe.

Und ich folge Dir!

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 98

Als die Jünglinge am nächſten Morgen im Garten des Theopompos mit ihrem Gaſtfreunde luſtwandelten, rief Zopyros: Jch habe dieſe ganze Nacht von Nichts als Deiner Sappho geträumt, Du glücklicher Bartja. Solch ein Weſen iſt noch niemals geſchaffen worden. Wenn Araspes ſie geſehen haben wird, ſo muß er mir zugeben, daß Panthea übertroffen worden ſei! Meine neue Frau in Sardes, die ich für Wunder wie ſchön hielt, kommt mir jetzt wie eine Nachteule vor! Auramazda iſt ein Ver - ſchwender! Mit Sappho’s Reizen hätte er drei Schön - heiten ausſtatten können! Und wie köſtlich es klang, als ſie uns auf Perſiſch gute Nacht wünſchte.

Sie hat während meiner Abweſenheit, erwiederte Bartja, die Sprache unſerer Heimat von einer Suſianerin, der Gattin eines babyloniſchen Teppichhändlers, welche zu Naukratis wohnt, erlernt und überraſchte mich mit dieſem mühſam erworbenen Geſchenke.

Sie iſt ein herrliches Mädchen! rief der Groß - händler. Meine verſtorbene Gattin liebte die Kleine, wie ihr eignes Kind und hätte ſie gern mit unſerem Sohne, der den Geſchäften meines Hauſes zu Milet vorſteht, ver - heirathet; doch die Götter haben es anders gewollt! Meine Abgeſchiedene würde ſich freuen, wenn ſie die Hochzeits - kränze am Hauſe der Rhodopis ſehen könnte!

Es iſt alſo Sitte bei euch, die Wohnung einer Braut mit Blumen zu ſchmücken? fragte Zopyros.

Freilich! antwortete Theopompos. Wenn ihr einer bekränzten Thür begegnet, ſo wißt ihr, daß dieſelbe eine Braut verſchließt, ſeht ihr einen Oelzweig an einem Hauſe hängen, ſo ward in demſelben ein Knabe geboren; erblickt ihr dagegen eine wollene Binde über der Pforte, ſo hat ein Mägdlein hinter derſelben die Welt erblickt 59). 99Ein Gefäß mit Waſſer vor der Thür bedeutet, daß ihr einem Sterbehauſe nahe ſeid. Doch die Stunde des Marktes naht, meine Freunde! Jch muß euch verlaſſen, denn mich rufen wichtige Geſchäfte.

Jch begleite Dich, rief Zopyros, und beſtelle Kränze für das Haus der Sappho!

Ahaha lachte der Mileſier. Du ſehnſt Dich nach den Blumenmädchen! O, Dein Leugnen hilft Dir nichts! Wenn Du wünſcheſt, ſo kannſt Du mich immerhin begleiten; ich bitte Dich aber, weniger freigebig zu ſein, als geſtern, und Dich an eure Verkleidung, die leicht ge - fährlich werden könnte, wenn ſichre Nachrichten von dem drohenden Kriege eintreffen ſollten, zu erinnern!

Der Hellene ließ ſich von einem Sklaven die Sandalen an die Füße binden und begab ſich in Begleitung des Zopyros auf den Markt, um wenige Stunden ſpäter heim - zukehren. Wichtige Dinge mußten ſich zugetragen haben, denn der ſonſt ſo heitere Mann ſchien außergewöhnlich ernſt, als er zu den zurückgebliebenen Freunden trat.

Jch fand die ganze Stadt in großer Aufregung, begann er zu erzählen, denn ein Gerücht verkündete, Amaſis ſei tödtlich erkrankt. Als wir nun eben, um Ge - ſchäfte abzuſchließen, auf der Börſe 60) beiſammen ſtanden, und ich im Begriff war, durch den ſchnellen Verkauf all meiner hoch im Preiſe ſtehenden Vorräthe große Summen zu ſammeln, die ich, wenn durch die ſichere Ausſicht auf einen großen Krieg der Werth der Waaren gefallen ſein wird, zum Ankauf neuer Handelsgüter anzuwenden ge - dachte (die frühe Kenntniß von den Rüſtungen Deines erhabenen Bruders kann mir großen Nutzen bringen), er - ſchien der Toparch in unſerer Mitte und brachte die Nach - richt, daß Amaſis nicht nur erkrankt ſei, ſondern, von allen100 Aerzten aufgegeben, ſeine letzte Stunde erwarte. Jeden Augenblick müſſen wir auf das Ableben des Königs und auf ernſte Wendungen der Dinge gefaßt ſein. Der Tod dieſes Monarchen iſt der ſchwerſte Verluſt, welcher uns Hellenen treffen kann, denn er war uns ſtets mit Freundſchaft zugethan und begünſtigte uns, wo er konnte, während ſein Sohn, ein erklärter Griechenfeind, Alles auf - bieten wird, um uns womöglich vollkommen aus Aegypten zu verdrängen. Naukratis iſt ihm ſchon lange ein Dorn im Auge! Hätte ſein Vater ihn nicht verhindert, und be - dürfte er nicht der helleniſchen Söldner nothwendig, ſo würde er uns, die verhaßten Fremden, ſchon lange aus ſeinem Reiche vertrieben haben. Wenn Amaſis todt iſt, ſo wird ganz Naukratis den Heeren des Kambyſes ent - gegenjubeln; wiſſen wir doch von meiner Heimat her, daß ihr auch Nichtperſer zu ehren und in ihren Rechten zu ſchützen pflegt.

Jch werde dafür ſorgen, ſagte Bartja, daß mein Bruder all eure alten Freiheiten beſtätigt und denſelben neue hinzufügt.

Möge derſelbe ſchnell in Aegypten eindringen! rief der Hellene. Wir wiſſen, daß uns Pſamtik, ſobald er nur irgend kann, befehlen wird, unſre Tempel, die ihm ein Greuel ſind, niederzureißen; der Bau einer helleni - ſchen Opferſtätte zu Memphis iſt ſchon längſt verboten worden.

Hier aber, ſagte Darius, haben wir ſtattliche Tempel geſehen, als wir vom Hafen kamen.

Wir beſitzen deren mehrere*)Siehe I. Theil. Anmerk. 3.. Doch da kommt Zopyros mit meinen Sklaven, die ihm einen Wald von101 Kränzen nachtragen. Er lacht mit dem ganzen Geſichte und muß ſich mit den Blumenmädchen außerordentlich gut unterhalten haben. Fröhlichen Morgen, Freund! Dich ſcheint die trübe Botſchaft, welche Naukratis erfüllt, nicht eben zu bekümmern!

Jch gönne dem Amaſis noch hundert Jahre! rief Zopyros. Aber man wird, wenn derſelbe ſtirbt, mehr zu thun bekommen, als auf uns Acht zu haben. Wann werdet ihr zu Rhodopis fahren, ihr Freunde?

Sobald es dunkelt.

Dann bietet der edlen Frau dieſe Blumen, als Ge - ſchenk von mir! Jch dachte nie, daß eine Greiſin mich ſo bezaubern könnte. Jedes ihrer Worte klingt wie Muſik, und ob es auch ernſt und weiſe iſt, ſchmeichelt es ſich doch wie ein Scherz in unſer Ohr. Jch mag Dich diesmal nicht begleiten, Bartja, denn ich würde Dich doch nur ſtören! Was haſt Du beſchloſſen, Darius?

Jch möchte kein Geſpräch mit Rhodopis verſäumen.

Das verdenke ich Dir nicht! Du mußt eben Alles wiſſen und erlernen, während ich darnach ſtrebe, Alles zu genießen! Wollt ihr mir auf heut Abend Urlaub geben, Jhr Freunde? Seht einmal ...

Jch weiß Alles! unterbrach Bartja lachend den leichtfertigen Jüngling. Du haſt die Blumenmädchen bis jetzt nur bei Tage geſehen und möchteſt nun auch gern wiſſen, wie ſie ſich beim Lampenlicht ausnehmen.

So iſt’s! rief Zopyros, ein ernſtes Geſicht machend. Jn dieſer Beziehung bin ich, gleich Darius, wißbegierig.

So wünſchen wir Dir viel Vergnügen bei den drei Schweſtern!

Nicht doch; nur bei Stephanion, der jüngſten!

102

Als Bartja, Darius und Theopompos das Haus der Rhodopis verließen, graute ſchon der Morgen. Ein edler Hellene, Syloſon 61), der Bruder des Poly - krates, welcher durch den Tyrannen aus ſeiner Hei - mat vertrieben worden war, hatte den Abend mit ihnen getheilt und kehrte jetzt in ihrer Geſellſchaft nach Naukratis, woſelbſt er ſeit mehreren Jahren wohnte, zurück.

Dieſer Mann, den ſein Bruder zwar verbannt hielt, dennoch aber reichlich mit Geld verſorgte, führte das glän - zendſte Haus in Naukratis und war ebenſo berühmt wegen ſeiner verſchwenderiſchen Gaſtlichkeit, als wegen ſeiner Kraft und Gewandtheit. Außerdem zeichnete ſich Syloſon durch Schönheit und Kleiderpracht ganz beſonders aus. Alle Jünglinge von Naukratis rechneten es ſich zur Ehre, den Schnitt und Faltenwurf ſeiner Gewänder nachzuahmen. Unverheirathet, wie er war, brachte er viele Abende im Hauſe der Rhodopis zu, welche ihn zu ihren beſten Freun - den zählte und ihn auch in das Geheimniß ihrer Enkelin eingeweiht hatte.

An jenem Abende war beſtimmt worden, die Hochzeit ſolle in vier Tagen ſtill und heimlich begangen werden. Bartja hatte den Quittenapfel bereits mit ſeiner Geliebten, welche dem Zeus, der Hera und den andern Schutzgöttern der Ehe am ſelben Tage Opfer darbrachte 62), verzehrt, und ſich durch dieſe Ceremonie mit derſelben förmlich ver - lobt. Syloſon übernahm es jetzt, für Sänger des Hyme - näos und Fackelträger zu ſorgen. Der Hochzeitsſchmaus ſollte im Hauſe des Theopompos, als dem des Bräuti - gams 63), zugerichtet werden. Die koſtbaren Brautgeſchenke des Königsſohnes waren der Greiſin bereits übergeben worden, während Bartja das bedeutende väterliche Erbtheil103 ſeiner Geliebten ausſchlug und auf Rhodopis, die ſich deſſen hartnäckig weigerte, übertrug.

Syloſon begleitete die Freunde bis zum Hauſe des Theopompos und wollte ſich eben von denſelben verab - ſchieden, als ſich lauter Lärm in den nächtlich ſtillen Straßen vernehmen ließ und bald darauf eine ägyptiſche Schaar - wache, die einen gebundnen Mann ins Gefängniß abführte, herbeikam. Der Verhaftete ſchien ſehr erzürnt zu ſein und wurde um ſo heftiger, je weniger die Schaarwächter auf ſein gebrochenes Griechiſch und ſeine in einer ihnen unbe - kannten Sprache ausgeſtoßenen Flüche Acht gaben.

Kaum hatten Bartja und Darius die Stimme des Gefangenen vernommen, als ſie auf ihn zueilten und Zo - pyros in demſelben erkannten.

Syloſon und Theopompos hielten die Schaarwache augenblicklich an und fragten den Befehlshaber derſelben, was ihr Gefangener verbrochen habe. Der Beamte, wel - cher, wie jedes Kind zu Naukratis, den Mileſier und den Bruder des Polykrates kannte, verneigte ſich vor denſelben und erzählte, daß von dem fremden Jünglinge ein Mord begangen worden wäre.

Theopompos nahm nun den Hauptmann bei Seite und machte demſelben große Verſprechungen, wenn er den Gefangenen freilaſſen würde, konnte aber von dem Aegyp - ter nichts weiter erlangen, als die Erlaubniß, ſeinen Gaſt ſprechen zu dürfen.

Als die Freunde dem Zopyros gegenüberſtanden, baten ſie denſelben, ſchnell zu erzählen, was ſich ereignet habe, und erfuhren, daß der leichtſinnige Jüngling beim Ein - bruch der Nacht die Blumenmädchen beſucht habe, bis zum grauenden Morgen bei Stephanion geblieben und dann auf die Straße getreten ſei. Kaum hatte er die Haus -104 thür geſchloſſen, als er von mehreren jungen Leuten an - gegriffen wurde, die ihm aller Wahrſcheinlichkeit nach auf - gelauert hatten. Mit Einem derſelben, welcher ſich Ste - phanion’s Bräutigam nannte, war er ſchon am Morgen in Streit gerathen. Die Dirne hatte den läſtigen Be - werber von ihren Blumen fortgewieſen und Zopyros ge - dankt, als derſelbe den Aufdringlichen mit Schlägen bedrohte. Als ſich der Achämenide überfallen ſah, zog er ſofort ſein Schwert und ſchlug die nur mit Stöcken be - waffneten Angreifer leicht zurück, hatte aber das Unglück, den Eiferſüchtigen, welcher ungeſtüm auf ihn eindrang, ſo ſchwer zu verwunden, daß derſelbe niederſank. Jndeſſen war die Schaarwache herbeigekommen und wollte Zopyros, deſſen Opfer kläglich Mörder und Räuber ſchrie, feſt - nehmen; dieſer aber zeigte ſich keineswegs willens, ſeine Freiheit ſo leichten Kaufes hinzugeben. Angeſtachelt von der ihn umgebenden Gefahr, ſtürzte der kampfluſtige Perſer mit erhobenem Schwert auf die Häſcher los und hatte ſich ſchon durch dieſe Bahn gebrochen, als eine zweite Wache herbeikam und ihn, vereint mit der erſten, angriff. Wieder ſchwang er ſein Schwert, das dießmal den Schädel eines Aegypters ſpaltete. Ein zweiter Schlag verwundete einen Soldaten am Arm; als er aber zum dritten Hiebe ausholte, fühlte er plötzlich, wie ſich eine Schlinge um ſeinen Hals legte und ſich feſter und feſter zuſammenzog. Schnell verging ihm Beſinnung und Athem. Als er wieder zu ſich kam, war er gebunden und mußte, trotz ſeines Paſſes und ſeiner Berufung auf Theopompos, den Häſchern folgen.

Nachdem er ſeine Erzählung beendet hatte, gab der Mileſier dem Jünglinge ſeine volle Mißbilligung zu er - kennen und verſicherte demſelben, daß ſeine unzeitige105 Kampfluſt die traurigſten Folgen haben könnte. Darauf wandte er ſich noch einmal an den Hauptmann und bat denſelben, ſeine Bürgſchaft für den Gefangenen anzuneh - men; dieſer aber wies jede Vermittlung ernſt zurück und verſicherte, daß er ſein eignes Leben durch Nachſicht gegen den Mörder verwirken werde; galt doch in Aegypten ein Geſetz, das ſelbſt den Hehler eines Mordes mit der Todes - ſtrafe bedrohte 64). Er müſſe, ſo verſicherte der Haupt - mann, den Verbrecher ſofort nach Sais bringen und dort dem Nomarchen*)I. Theil Anmerk. 137. zur Beſtrafung überantworten. Er hat, ſo ſchloß er ſeine Rede, einen Aegypter gemordet und muß darum von einem ägyptiſchen Obergerichte ver - urtheilt werden. Jn jedem andern Falle ſteh ich Dir gern zu Dienſten.

Während dieſer Rede ſprach Zopyros mit den Freun - den und bat dieſelben, unbeſorgt um ihn zu ſein. Jch ſchwöre euch beim Mithra, rief er aus, als Bartja ihm verſprechen wollte, ſich ſofort zu erkennen zu geben, um ſeine Freiheit zu erwirken, daß ich mir ohne Beſinnen mein Schwert in’s Herz ſtoße, wenn ihr euch um meinet - willen dieſen ägyptiſchen Hunden in die Hand gebt. Schon iſt das Gerücht von dem nahenden Kriege in der ganzen Stadt verbreitet. Sobald Pſamtik erfährt, was für koſt - bare Vögel in ſeinem Garn ſitzen, wird er ſich nicht lange beſinnen und das Netz zuſchlagen**)S. I. Theil Anmerk. 196., um euch als Geißeln zu behalten. Auramazda ſchenke euch Heil und Segen und Reinheit! Lebt wohl, ihr Freunde, und denkt manchmal des luſtigen Zopyros, der für Kampf und Liebe gelebt hat, und für Liebe und Kampf zum Tode geht!

106

Der Hauptmann hatte ſich unterdeſſen wieder an die Spitze des Zuges geſtellt und ſeinen Leuten den Befehl zum Aufbruch gegeben.

Wenige Minuten ſpäter war Zopyros den Freunden entſchwunden.

[107]

Fünftes Kapitel.

Nach dem ägyptiſchen Geſetze mußte Zopyros unbe - dingt des Todes ſchuldig geſprochen werden.

Sobald die Freunde dieß erfahren hatten, ſtand ihr Entſchluß feſt, ſofort nach Sais zu reiſen und dort zu verſuchen, den Gefangenen mit Liſt zu befreien. Syloſon, welcher dort bekannt und der ägyptiſchen Sprache mächtig war, bot ſich freiwillig an, ihnen hülfreiche Hand zu leiſten.

Durch Färbung der Haare und Augenbrauen, ſowie durch breitkrämpige Filzhüte 65) ſelbſt für Freunde un - kenntlich, und von Theopompos mit ganz einfachen helle - niſchen Anzügen ausgeſtattet, trafen Bartja und Darius mit dem reichgekleideten Syloſon, eine Stunde nach der Verhaftung des Zopyros, am Nilufer zuſammen, beſtiegen ein dem neuen Freunde gehörendes und von deſſen Sklaven gerudertes Boot und kamen nach kurzer, vom Winde be - günſtigter Fahrt, ehe die glühende Hundstagsſonne die Mittagshöhe erreicht hatte, zu Sais an, welches, einer Jnſel gleich, aus den überſchwemmten Fluren hervortauchte.

An einer entlegenen Stelle ſtiegen ſie aus und kamen zunächſt in das Viertel der Handwerker, die, trotz der großen Mittagshitze, ihre Hantirungen fleißig verrichteten.

108

Jn dem offenen Hofe eines Bäckerhauſes ſah man Geſellen, die den groben Teig mit den Füßen, den feinen mit den Händen kneteten. Brode in allen Geſtalten wur - den aus den Oefen gezogen, kreisrunde und ovale Back - werke, Semmeln in Geſtalt von Schafen, Schnecken und Herzen in Körbe gelegt. Flinke Burſche ſtellten drei, vier und fünf derſelben auf ihre Köpfe und trugen ſie raſch und ſicher zu den in andern Stadttheilen wohnenden Kunden 66). Ein Fleiſchermeiſter ſchlachtete vor ſeinem Hauſe einen Ochſen, deſſen Beine zuſammengeknebelt waren, während ſeine Geſellen ihre Meſſer an Schleifſteinen ſchärften, um die Glieder einer wilden Ziege zu zerle - gen 67). Luſtige Schuſter 68) riefen aus ihren Buden die Vorbeieilenden an, und Zimmerleute, Schneider, Tiſchler und Weber 69) waren in voller Arbeit.

Handwerkerfrauen traten, mit nackten Kindern an der Hand, aus den Häuſern, um Einkäufe zu beſorgen, wäh - rend einige Soldaten ſich dem Wein - und Bierſchenker, der ſeine 70) berauſchende Waare an offener Straße feil - hielt, näherten.

Unſere Freunde bemerkten nur wenig von dieſem Treiben und folgten ſchweigend dem Syloſon, der ſie bei der Wache der helleniſchen Söldner erſuchte, auf ihn zu warten.

Der Samier kannte zufälligerweiſe den dienſtthuenden Taxiarchen und erkundigte ſich bei demſelben, ob er von einem Mörder gehört habe, der von Naukratis nach Sais gebracht worden ſei.

Freilich! rief der Hellene, vor kaum einer halben Stunde iſt derſelbe hier eingetroffen. Man fand an ſeinem Gürtel einen vollen Beutel und hält ihn für einen perſiſchen Spion. Du weißt doch, daß Kambyſes gegen Aegypten rüſtet?

109

Es iſt nicht möglich!

Ganz gewiß! Arabiſche Kaufleute, deren Karawane geſtern in Peluſium eintraf, brachten dieſe Nachricht, welche ſofort durch einen reitenden Boten dem Regenten hinter - bracht wurde.

Dieſe Botſchaft ſcheint mir ebenſo unbegründet, als der Verdacht gegen den Lyder. Jch kenne denſelben recht gut und beklage den armen Jungen. Er ſtammt aus einem der reichſten Häuſer von Sardes; iſt aber von dort entflohen, weil er einen Streit mit dem perſiſchen Satra - pen Oroetes hatte und von deſſen allmächtiger Feindſchaft verfolgt wurde. Jch will Dir die ganze Geſchichte aus - führlich erzählen, wenn Du mich nächſtens zu Naukratis beſuchſt. Natürlich bleibſt Du einige Tage in meinem Hauſe und bringſt mehrere Freunde mit. Mein Bruder hat mir einen Wein von Samos geſchickt, der Alles über - trifft, was Du jemals gekoſtet haſt. Nur einer feinen Zunge, wie der Deinen, gönne ich dieſen Göttertrank!

Das Angeſicht des Taxiarchen verklärte ſich, während er, Syloſon’s Hand ergreifend, ausrief: Beim Hunde*)I. Theil Anmerk. 181., Freund, wir werden nicht auf uns warten laſſen und Deinen Schläuchen hart zuſetzen! Wie wär’s, wenn Du Archidike 71), die drei Blumenſchweſtern und ein paar Flötenſpielerinnen zum Jmbiß beſtellteſt?

Keine ſoll fehlen! Dabei fällt mir auch ein, daß der arme junge Lyder um der Blumenſchweſtern willen gefangen ſitzt. Ein eiferſüchtiger Tölpel überfiel ihn mit mehreren Geſellen vor dem Hauſe derſelben. Mein lydi - ſcher Hitzkopf wehrte ſich

Und ſchlug den Angreifer zu Boden?

110

So, daß er nie wieder aufſtehen wird.

Der Junge muß eine gute Fauſt ſchlagen.

Er hatte ein Schwert bei ſich.

Deſto beſſer für ihn.

Nein, deſto ſchlimmer, denn ſein Opfer iſt ein Aegypter.

Das iſt eine dumme Geſchichte, die ein ſchlechtes Ende nehmen wird. Ein Fremder, der einen Aegypter er - ſchlägt, iſt des Todes ſo ſicher, wie Jemand, der am Galgen 72) zappelt. Uebrigens wird er einige Tage Friſt haben. Die Prieſter ſind alle mit Gebeten für den ſter - benden König beſchäftigt und haben keine Zeit zum Ge - richthalten.

Jch gäbe viel darum, wenn man dem armen Schelm helfen könnte. Jch kenne ſeine Eltern

Ja, und im Grunde hat er nichts als ſeine Schuldigkeit gethan. Man wird ſich doch nicht prügeln laſſen!

Weißt Du, in welchem Gefängniſſe der arme Jüng - ling ſitzt?

Freilich! Das große Gefangenenhaus wird umgebaut, darum iſt er einſtweilen in den Speicher geſperrt worden, der die Hauptwache der ägyptiſchen Leibgarde von dem Haine des Neithtempels trennt. Jch komme eben erſt nach Hauſe und ſah den armen Schelm dorthin abführen.

Er iſt kühn und ſtark. Könnte er wohl, wenn man ihm forthülfe, entwiſchen?

Nimmermehr! Der Raum, in welchen man ihn geſteckt hat, iſt zwei Stock hoch, und das einzige Fenſter deſſelben ſchaut in den Hain der Göttin, der, wie Du weißt, von zehn Fuß hohen Mauern umgeben und gleich einer Schatz - kammer bewacht wird. An allen Thoren deſſelben ſtehen111 doppelte Poſten. Nur da, wo das Waſſer die Mauer beſpült, ſtellt man zur Ueberſchwemmungszeit natürlich keine Schildwachen auf. Die Thieranbeter ſind vorſichtig wie Bachſtelzen!

Das iſt ſchade, dann müſſen wir den armen Wicht ſeinem Schickſale überlaſſen. Leb wohl, Dämones, und folge bald meiner Einladung!

Der Samier verließ die Wachtſtube und geſellte ſich ſofort zu den Freunden, die mit Ungeduld auf ihn war - teten und ſeinem Berichte mit großer Spannung lauſchten.

Als der Hellene mit der Beſchreibung des Gefäng - niſſes fertig war, rief Darius: Jch glaube, daß wir Zopyros mit einiger Kühnheit retten können. Er iſt be - hend wie eine Katze, und ſtark wie ein Bär. Jch habe einen Plan!

Theile ihn mit, ſagte Syloſon, und laß mich be - vorworten, daß auch ich nicht ohne Hoffnung bin.

Wir kaufen Strickleitern, einen Bindfaden und einen guten Bogen, ſchaffen das Alles in den Nachen und fahren mit demſelben, wenn es dunkelt, zu der unbewachten Stelle der Tempelmauer. Jhr helft mir, dieſelbe zu überklettern. Jch nehme die eingekauften Gegenſtände mit mir, ſtoße den Adlerſchrei aus, durch welchen mich Zopyros ſofort erkennen wird, da wir uns von Kindheit an mit dieſem Schrei auf Jagden und Fahrten zu rufen pflegen, ſchieße den Pfeil mit dem Bindfaden in ſein Fenſter, ich fehle niemals, rufe dem Freunde zu, das Ende deſſelben zu beſchweren und herabzulaſſen, befeſtige die Strickleiter an die Schnur, Zopyros zieht das Rettungswerkzeug hinauf, ſchlingt daſſelbe um den eiſernen Nagel, der in jedem Fall mit der Leiter hinaufwandern muß, denn man kann nicht wiſſen, ob ſich ein Gegenſtand, um dieſelbe zu befeſtigen,112 in ſeiner Zelle befindet, ſteigt herunter, eilt mit mir zu der Stelle der Mauer, wo ihr mit dem Boote wartet, überklettert dieſelbe mit Hülfe einer zweiten Strickleiter, die dort hängen muß, ſpringt in den Kahn und iſt ge - rettet!

Herrlich, herrlich! rief Bartja.

Aber ſehr gefährlich! fügte Syloſon hinzu. Wenn wir im heiligen Hain ergriffen werden, ſo ſind wir ſchwe - rer Strafe gewiß. Die Prieſter feiern dort bei Nacht eigenthümlich geheimnißvolle Feſte, bei denen jeder Unbe - rufene ſtreng verpönt iſt. Uebrigens ſoll der See im Haine*)I. Theil Anmerk. 146. der Schauplatz derſelben ſein, und dieſer iſt ziemlich weit von dem Gefängniſſe des Zopyros ent - fernt.

Um ſo beſſer! rief Darius; aber jetzt zur Haupt - ſache! Wir müſſen ſofort zu Theopompos ſchicken und denſelben erſuchen, eine ſchnelle Triere für uns zu miethen und zum Abſegeln fertig machen zu laſſen. Die Nachricht von den Kriegsrüſtungen des Kambyſes ſind bereits hier eingetroffen; man hält uns für Spione und wird Zopyros und die Befreier deſſelben mit allen Kräften verfolgen; darum wäre es frevelhaft, wenn wir uns unnützen Ge - fahren ausſetzen wollten. Du, Bartja, ſollſt die Botſchaft ausrichten und Dich heute noch mit Sappho vermählen, denn wir müſſen morgen, geſchehe was da wolle, von Naukratis aufbrechen. Keine Widerrede, mein Freund, mein Bruder! Du kennſt ja unſern Plan und weißt, daß Du bei dem Rettungswerke, das doch nur Einer ausführen kann, den müßigen Zuſchauer ſpielen würdeſt. Jch habe den Anſchlag erdacht und laſſe mir nicht nehmen, denſelben113 auszuführen. Morgen ſehen wir uns wieder, denn Aura - mazda beſchirmt die Freundſchaft der Reinen!

Lange weigerte ſich Bartja, die Gefährten im Stich zu laſſen; gab aber endlich den vereinten Bitten und Vor - ſtellungen nach und ging dem Waſſer zu, um dort ein Boot zur Reiſe nach Naukratis zu miethen, während Sy - loſon und Darius die Werkzeuge zur Flucht des Zopyros erſtanden.

Um auf den Platz zu gelangen, wo die zu vermie - thenden Nachen lagen, mußte der Königsſohn an dem Tempel des Neith vorüber. Dieſe Aufgabe war nicht leicht, denn das Volk umwimmelte in dichten Haufen die Eingangspforte der Götterwohnung. Als ſich Bartja bis zu den Obelisken vorgedrängt hatte, die bei der mit der geflügelten Sonnenſcheibe und flatternden Fahnen geſchmück - ten Pforte des Tempels ſtanden, wurde er von prieſter - lichen Dienern zurückgehalten, welche die von Sphinxen begrenzte Prozeſſionsſtraße*)I. Theil Anmerk. 145. freihielten. Die rieſigen Thorflügel des Pylon öffneten ſich, und Bartja, der gegen ſeinen Willen in die vorderſte Reihe der Zuſchauer zu ſtehen gekommen war, ſah nun einen glänzenden Zug dem Tempel entſtrömen. Der unerwartete Anblick vieler ihm aus früherer Zeit bekannter Geſichter nahm ſeine Aufmerk - ſamkeit ſo ſehr in Anſpruch, daß er den Verluſt ſeines breitkrämpigen Hutes, der ihm im Gedränge abgeriſſen worden war, kaum bemerkte. Aus den Reden zweier hinter ihm ſtehender joniſcher Söldner entnahm er, daß die Fa - milie des Amaſis, um für den ſterbenden König zu beten und zu opfern, im Tempel geweſen ſei.

Reichgeſchmückte Prieſter in Pantherfellen oder langenEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 8114weißen Gewändern gingen dem Zuge voran. Dieſen folg - ten Hofbeamte, welche goldne Stäbe führten, an deren Spitzen Pfauenfedern und ſilberne Lotosblumen befeſtigt waren. Dann erſchienen Paſtophoren 73), die eine goldne Kuh, das Thier der Jſis, auf den Schultern trugen. Nachdem ſich die Menge vor dieſem Heiligthume verneigt hatte, nahte die Königin in prieſterlichem Gewande, einen reichen Kopfputz mit der geflügelten Sonnenſcheibe und den Uräusſchlangen auf dem Haupte, ein heiliges goldenes Siſtrum 74), deſſen Klang den Typhon vertreiben ſollte, in der Linken und Lotosblumen in der Rechten tragend. Der hohen Frau folgten die Gattin, Tochter und Schweſter des Oberprieſters in ähnlichem, aber weniger koſtbarem Schmucke 75). Dann erſchien der Thronerbe in reichem Feſtornate. Hinter demſelben wurde von vier jungen, weißgekleideten Prieſtern Tachot, die Tochter des Amaſis und der Ladike, die falſche Schweſter der Nitetis, in einer offenen Sänfte getragen. Die Wangen der kranken Jung - frau waren von der Andacht des Gebetes und der Hitze des Sommertages leicht geröthet. Jhre blauen Augen ſchwammen in Thränen und waren auf das Siſtrum, welches ihre ſchwachen, abgezehrten Hände kaum zu halten vermochten, gerichtet.

Ein Murmeln der Theilnahme zog durch die Menge, welche mit Liebe an dem ſterbenden Könige hing und der hinwelkenden, jungen Tochter deſſelben jenes Mitleid frei - gebig ſchenkte, welches einem ſiechen Jugendleben, beſonders wenn daſſelbe zu Größe und Hoheit geboren zu ſein ſcheint, ſo gern gezollt wird. Manches Auge wurde feucht, als ſich die ſchöne Kranke zeigte, und Tachot ſchien die Theil - nahme des Volkes zu bemerken, denn ſie erhob ihre Blicke von dem Siſtrum und ſchaute die Menge freundlich und115 dankbar an. Da plötzlich verſchwand das Roth von ihren Wangen, tiefe Bläſſe bedeckte dieſelben, und klirrend fiel das goldene Jnſtrument aus ihren Händen auf die Stein - platten des Prozeſſionsweges, dicht vor Bartja’s Füße, nieder. Der Jüngling fühlte, daß er erkannt ſei und be - dachte einen Augenblick, ob er ſich nicht hinter ſeine Nach - barn verbergen ſollte; aber nur einen Augenblick dauerte dieß Zaudern, denn ſchon hatte der ritterliche Sinn des jungen Helden jede Beſorgniß überwunden. Schnell wie der Gedanke warf er ſich auf das Siſtrum und hielt das - ſelbe, nicht achtend der Gefahr, erkannt zu werden, der kranken Königstochter hin.

Tachot blickte ihn, ehe ſie ſeine Hände von dem gol - denen Funde befreite, fragend an; dann lispelte ſie, nur ihm verſtändlich: Biſt Du Bartja? Bei Deiner Mutter frage ich Dich, biſt Du Bartja?

Jch bin es, gab er ebenſo leiſe zurück, Bartja, Dein Freund!

Mehr konnte er nicht ſagen, denn ſchon drängten ihn die Tempeldiener unter das übrige Volk zurück. Als er wieder auf ſeinem Platze ſtand, bemerkte er, daß ſich Tachot, deren Träger dem Zuge von Neuem zu folgen begannen, noch einmal nach ihm umſchaute. Jhre Wangen hatten ſich wiederum geröthet, und ihre leuchtenden Augen ſuchten die ſeinen. Er wich dem Blicke der Kranken nicht aus, bückte ſich abermals, um eine Lotosknospe, die ſie vor ihm niederwarf, aufzuheben, und brach ſich gewaltſam durch die Menge Bahn, deren Aufmerkſamkeit er durch ſeine raſche That erweckt hatte.

Eine Viertelſtunde ſpäter ſaß er in einem Nachen, der ihn zu Sappho, der ihn zur Hochzeit führen ſollte. Seine Beſorgniß um Zopyros war verſchwunden; er hielt116 denſelben ſchon für gerettet. Jn ſeinem Herzen wohnte, trotz der ihn bedrohenden Gefahren, eine wunderbare Zu - friedenheit, er wußte ſelbſt nicht, warum.

Jndeſſen war die kranke Königstochter heimgekehrt, hatte ſich des feſtlichen Schmuckes, der ſie beengte, ent - kleiden und mit ihrem Ruhebette auf einen Altan des Schloſſes tragen laſſen, woſelbſt ſie während der heißen Sommertage, von Blattpflanzen 76) und einem zeltartigen Tuche überſchattet, am liebſten verweilte.

Sie konnte von dort aus den großen, mit Bäumen bepflanzten Vorhof des Schloſſes überſchauen, welcher heut von Prieſtern und Höflingen, ſowie von Befehlshabern des Heeres und der Nomen wimmelte. Aengſtliche Spannung malte ſich in allen Geſichtern, denn die Todesſtunde des Amaſis rückte immer näher heran.

Tachot vernahm mit fieberhaft geſpanntem Gehör, ohne ſelbſt bemerkt zu werden, Vieles von dem, was unter ihr geſprochen und verhandelt wurde.

Jetzt, wo man den Verluſt des Königs zu befürchten hatte, waren Alle, ſelbſt die Prieſter, ſeines Lobes voll. Da hörte man die Weisheit ſeiner neuen Schöpfungen, die Umſicht ſeiner Regierung, die Unermüdlichkeit ſeines Fleißes, die Mäßigung, welche er ſtets gezeigt hatte, und die Schärfe ſeines Witzes preiſen. Wie hat ſich der Wohlſtand Aegyptens unter ſeinem Scepter gehoben! ſagte ein Nomarch. Welchen Ruhm brachte er unſern Waffen durch die Eroberung von Kypros und den Krieg mit den Libyern! rief ein Kriegsoberſter. Wie glänzend ſchmückte er unſre Tempel, wie hoch wußte er die Göttin von Sais zu ehren! fügte ein Sänger der Neith hinzu. Wie herablaſſend und gnädig er war! murmelte ein Höfling. Wie geſchickt wußte er Frieden mit den mächtigſten117 Staaten zu erhalten! ſagte der Oberſte der Schreiber, während der Schatzmeiſter, eine Thräne aus dem Auge wiſchend, ausrief: Und wie weiſe hielt er mit den Ein - künften des Landes Haus! Seit Ramſes III. waren die Kammern des Schatzhauſes nicht ſo gefüllt, als heute 77)! Pſamtik hat eine große Erbſchaft zu erwarten, lispelte der Höfling, während der Krieger ausrief: Doch wird er dieſelbe wohl ſchwerlich zu ruhmreichen Kriegen verwenden; der Thronerbe ordnet ſich ganz dem Willen der Prieſter unter. Du irrſt, erwiederte der Sänger; ſeit ge - raumer Zeit ſcheint unſer Herr die Rathſchläge ſeiner treuſten Diener zu verſchmähen! Nach ſolchem Vater, rief der Nomarch, iſt es ſchwer, ſich allgemeine Anerken - nung zu erwerben. Nicht Jedem ward der hohe Geiſt, das Glück und die Weisheit eines Amaſis zu Theil! Das wiſſen die Götter! murmelte der Krieger.

Tachot hörte all dieſe Worte und ließ ihren Thränen freien Lauf. Was man ihr bis jetzt verſchwiegen hatte, beſtätigte ſich: ſie ſollte bald ihren geliebten Vater ver - lieren.

Nachdem ſie ſich dieſe ſchreckliche Gewißheit vollkommen klar gemacht und ihre Dienerinnen vergeblich gebeten hatte, ſie an’s Bett des Kranken zu tragen, wandte ſie ihr Ohr von den Geſprächen der Höflinge ab und ſchaute, als ſuchte ſie dort einen Troſt, auf das Siſtrum, welches Bartja in ihre Hand gegeben, und das ſie mit ſich auf den Altan genommen hatte. Und ſie fand, was ſie ſuchte, denn es war ihr, als würde ſie von dem Klange der goldnen Ringe des heiligen Jnſtrumentes dieſer Welt entrückt und in eine lachende Sonnenlandſchaft verſetzt.

Jene der Ohnmacht gleichende Mattigkeit, welche die Schwindſüchtigen oftmals überkommt, hatte ſie er -118 griffen und ſchmückte ihre letzten Stunden mit lieblichen Träumen.

Die Sklavinnen, welche mit Fächern und Wedeln die Fliegen aus der Nähe der Schläferin ſcheuchten, verſicher - ten ſpäter, Tachot niemals ſo ſchön und lieblich geſehen zu haben, wie damals.

Eine Stunde mochte ſie ſo gelegen haben, als ihre Athemzüge tief und röchelnd wurden, ein leiſer Huſten ihre Bruſt erhob, und lichtes Blut von ihren Lippen auf ihr weißes Gewand herniederrieſelte. Jetzt erwachte die Schlä - ferin und blickte verwundert und enttäuſcht auf die An - weſenden. Als ſie ihre Mutter Ladike bemerkte, welche in dieſem Augenblicke den Altan betrat, lächelte ſie wiederum und ſagte: O Mutter, wie ſüß hab ich geträumt!

So iſt meinem theuren Kinde der Gang in den Tempel wohl bekommen? fragte die Königin, welche die Blutstropfen auf den Lippen der Kranken bebend wahr - nahm.

Ach, Mutter, ſehr gut! Jch habe ihn ja wieder - geſehn!

Ladike blickte die Dienerinnen ihrer Tochter ängſtlich an, als wollte ſie fragen: Hat auch der Geiſt eurer armen Herrin gelitten? Tachot bemerkte dieſen Blick und ſagte mit ſichtbarer Anſtrengung: Du glaubſt, daß ich irre rede, Mutter? Jch habe ihn aber ganz gewiß nicht nur geſehn, ſondern auch geſprochen. Er gab mir das Siſtrum in die Hand und ſagte, er ſei mein Freund. Dann nahm er meine Lotosknoſpe auf und verſchwand im Gedränge. Sieh mich nicht ſo bekümmert und ſtaunend an, Mutter; ich rede die volle Wahrheit und habe nicht etwa geträumt. Da hörſt Du’s, Schïe hat ihn auch bemerkt! Er iſt ganz gewiß um meinetwillen nach Sais119 gekommen, und das Kinderorakel im Vorhof des Tempels hat mich doch nicht betrogen! Jetzt fühl ich auch gar nichts mehr von meiner Krankheit, und mir hat geträumt, ich läge in einem blühenden Mohnfelde, ſo roth wie das friſche Blut der jungen Opferlämmer, und Bartja ſäße an meiner Seite, und Nitetis kniete neben uns und ſpielte wunderbare Lieder auf einer Nabla*)Altägyptiſches Saiteninſtrument. von Elfenbein. Und auch in der Luft hat es geklungen, daß mir um’s Herz wurde, als küſſe mich Horus, der liebe kleine Gott des Morgens und des Lenzes. Ja, ich ſage Dir, Mutter, daß er bald kommen wird, und wenn ich geſund bin, dann dann o weh! Mutter, ich ſterbe!

Ladike kniete vor dem Lager ihrer Tochter nieder und drückte heiße Küſſe auf die gebrochenen Augen der Jungfrau.

Eine Stunde ſpäter ſtand ſie an einem andern Lager, dem Sterbebette ihres Mannes.

Die Züge des Königs waren entſtellt von ſchweren Leiden; kalter Schweiß bedeckte ſeine Stirn, und ſeine Hände klammerten ſich an die goldnen Löwen 78), welche die Seitenlehnen des tiefen Krankenſtuhls, in dem er ruhte, bildeten.

Als Ladike in das Zimmer trat, öffnete er ſeine Augen, die noch immer, trotz ihrer einſtigen Blindheit, ſcharf und geiſtſprühend glänzten.

Warum bringſt Du Tachot nicht zu mir? fragte er mit trockner Stimme.

Sie iſt zu krank und leidend, als daß

Sie iſt todt! Jhr iſt wohl, denn der Tod iſt keine Strafe, ſondern das letzte Ziel des Lebens, das einzige Ziel, das wir ohne Mühe, aber, die Götter wiſſen es,120 unter wie vielen Leiden, erreichen. Oſiris hat ſie aufge - nommen, ſie war ſchuldlos. Auch Nitetis iſt todt. Wo iſt der Brief des Nebenchari? Da ſteht es: Sie ſtarb, indem ſie einen großen Fluch über Dich und die Deinen ausrief. Dieſe Kunde, welche ſo wahr iſt, wie mein Haß gegen Dich, ſendet Dir der arme, verbannte, verhöhnte und beraubte Augenarzt aus Babylon.

Höre dieſe Worte, Pſamtik, und laß Dir von Deinem ſterbenden Vater ſagen, daß jedes Unrecht, welches Dir auf Erden eine Drachme Genuß verſchafft, Deine Todes - ſtunde mit einem Talent Verzweiflung belaſtet. Um Ni - tetis willen wird furchtbares Unglück über Aegypten hereinbrechen. Die Nachricht der arabiſchen Händler iſt wahr. Kambyſes rüſtet gegen uns und wird Aegypten überfallen, wie ein brennender Wüſtenwind. Vieles, was ich geſchaffen, woran ich den Schlaf meiner Nächte und das Mark meines Lebens ſetzte, wird vernichtet werden. Aber dennoch hab ich nicht umſonſt gelebt, denn vierzig Jahre lang bin ich der ſorgende Vater, der Wohlthäter eines großen Volkes geweſen. Ferne Enkel werden den Namen des Amaſis als eines großen, weiſen und menſchen - freundlichen Königs nennen, und von meinen Bauten zu Sais und Theben mit Bewunderung leſen den Namen ihres Gründers und preiſen die Fülle ſeiner Macht! Ja, auch Oſiris und die zweiundvierzig Richter werden mich in der Unterwelt nicht verdammen, und die Göttin der Wahrheit, die Herrin der Wagſchale 79), wird finden, daß das Gewicht meiner guten die Laſt meiner böſen Thaten überwiegt! Der König ſeufzte und ſchwieg lange Zeit. Endlich blickte er ſeine Gattin mit herzlicher Jnnig - keit an und ſagte: Du, Ladike, biſt mein treues, tugend - haftes Weib geweſen. Jch danke Dir dafür und bitte121 Dich für Manches um Verzeihung. Du, Neithoteph, haſt Deine Pflicht als Prieſter ſtets erfüllt; ob Du das Gleiche als Diener Deines Königs thateſt, will ich jetzt nicht beurtheilen. Sage Deinen Brüdern von Heliopolis Theben und Memphis, daß ich ſie, als das Gewiſſen des Volkes, immer verehrt habe; daß ich aber dem Glauben ihrer Myſterien*)III. Theil Anmerk. 35. nicht hold ſei. Er iſt ſo kalt und ge - ſtaltenlos; ich aber hänge gar zu ſehr an der lebendigen, greifbaren Form, um an die Schöpferkraft eines unſicht - baren Nichts glauben zu können, oder beſſer, zu wollen. Jch ſehe täglich, wie das Licht unſres Ra, zu dem ich von Kind auf gebetet habe, die Welt erleuchtet, wie die wohl - thätige Wärme, der hohe Ptah, die Früchte zeitigt und in der Flamme glüht, wie Ammon die lebensſpendende Luft, Alles was athmet, blühet und lebt, erhält und bewacht, wie Nutpe, die Himmelsgöttin, mit ihrem Sternengeſchmeide ſich über die Erde breitet und die Welt bedacht, wie Oſi - ris, das befruchtende Naß, der gütigen Jſis reiche Gaben abringt, die Horus, ihr Sohn, der liebliche Lenz, ſeiner holden Mutter abſchmeichelt; wie endlich Neith, meine große Herrin und Beſchützerin, deren Tempel ich ſo herr - lich zu ſchmücken wußte, unwandelbar fortſchreitend, die Ewigkeit mit ihrem Weberſchiffe abſpinnt. Sie iſt, ſo ſteht an ihrem Tempel geſchrieben, Alles, was iſt, was geweſen iſt und ſein wird 80), d. h. das einzig Unbe - grenzte, die Zeit.

Siehſt Du, Neithoteph, ich bin rechtgläubiger als Du, der Oberprieſter, denn ich mag nichts von dem vor - nehmen Myſterien-Gedanken wiſſen und halte mich, als Sohn des Volkes, an dem Glauben deſſelben, den ich mit122 der Muttermilch eingeſogen habe. Was gut für das Volk iſt, das muß auch gut ſein für mich, denn ich wäre ohne Volk nicht König; die Aegypter aber würden ein großes Volk ſein, auch ohne mich.

Manches hab ich verſucht und geprüft, ſolange ich lebe, aber ich bin ſtets zum Alten zurückgekehrt. Da ſind die Hellenen, Ladike! Jch achte dieſelben, doch kann ich ihnen nicht überall beipflichten. Sie ſehen verächtlich auf unſern Thierdienſt herab und bedenken nicht, daß es beſſer iſt, den Schöpfer im Geſchöpf, als in ſteinernen Bildſäulen anzubeten. Jhre Götter ſind allen menſchlichen Schwächen unterworfen, ja ich hätte meine Königin ſehr unglücklich gemacht, wenn ich gleich dem helleniſchen Zeus gelebt haben würde.

Bei dieſen Worten lächelte der König, der ſelbſt im Angeſicht des Todes von ſeiner witzelnden Art nicht zu laſſen vermochte. Dann fuhr er fort: Aber wißt ihr, woher das kommt? Dieſen Hellenen geht die ſchöne Form über Alles; darum vermögen ſie den Leib, den ſie für das Herrlichſte alles Geformten halten, nicht von der Seele zu trennen, wie ſie auch behaupten, daß ein ſchöner Geiſt nothwendig in einem ſchönen Körper wohnen müſſe. So ſind ihre Götter nichts als geſteigerte Menſchen, wäh - rend bei uns der Gott, wie ſich’s ziemt, im Gegenſatz zum Menſchen hingeſtellt wird. Zwiſchen Beiden ſteht das Thier, welches nicht, wie wir, nach dem Buchſtaben, ſon - dern nach den ewigen Geſetzen der Natur handelt 81). Dieſer iſt nur von Menſchen erdacht, jene aber verdanken den Göttern ihren Urſprung. Und wer von uns ſtrebt wohl ſo dringend nach Freiheit, dem höchſten Gute, als die Thiere? Wer lebt ohne Lehren und Anweiſungen ſo gleichmäßig fort von Geſchlecht zu Geſchlecht, als jene?

123

Hier verſagte die Stimme des Königs, der nach kurzer Pauſe fortfuhr: Jch fühle, daß es zu Ende geht, darum will ich von dieſen Dingen abbrechen und Dir, mein Sohn und Nachfolger, meinen letzten Willen ausſprechen. Handle nach demſelben, denn die Erfahrung ſpricht zu Dir! Aber ach, ich habe in meinem langen Leben hundertfach geſehen, daß alle Lebensregeln, die Andre uns mit auf den Weg geben, unnütz ſind. Kein Menſch darf für einen zweiten Erfahrungen machen. Nur durch eigne Verluſte wird man vorſichtig, nur durch eignes Lernen klug! Du beſteigſt den Thron in gereiften Jahren, mein Sohn, und haſt Zeit gehabt, über das Rechte und Unrechte, das Heilſame und Schädliche nachzudenken und Dinge verſchiedener Art zu ſehen und zu vergleichen. Darum gebe ich Dir keine all - gemeinen Lehren, ſondern begnüge mich damit, Dir einzelne heilſame Rathſchläge zu ertheilen.

Vor Allem magſt Du wiſſen, daß ich in den letzten Monaten, trotz meiner Blindheit, nur ſcheinbar theilnahms - los Deinem Treiben zugeſehen und Dir in guter Abſicht freies Spiel gelaſſen habe. Rhodopis erzählte mir einſt eine Fabel ihres Lehrers Aeſop: Ein Wandrer begegnete einem Manne und fragte denſelben, wie lange Zeit er brauchen würde, um bis zur nächſten Stadt zu gelangen. Geh nur, geh! rief der Befragte. Jch will aber erſt wiſſen, wie lange ich laufen muß, um mein Ziel zu er - reichen! Geh nur, geh! Der Wandrer hielt den alſo Redenden für einen groben Menſchen und ent - fernte ſich, Verwünſchungen ausſtoßend. Nachdem er einige Schritte fortgewandert war, rief ihn der Geſcholtene zurück und ſagte: Du wirſt eine Stunde bedürfen, um zur Stadt zu gelangen. Jch konnte Deine Frage nicht eher richtig beantworten, als bis ich Deinen Gang geſehn!

124

Zu Deinem Beſten merkte ich mir dieſe Fabel und beobachtete ſchweigend die Art Deines Regierungsganges, um Dir ſagen zu können, ob Du zu ſchnell oder zu lang - ſam wanderteſt. Jetzt weiß ich, was ich zu erfahren wünſchte, und gebe Dir zu meinen Rathſchlägen die Lehre in den Kauf: Prüfe Alles ſelbſt!‘ Jeder Menſch, be - ſonders aber ein König, hat die Pflicht, ſich von Allem, was Diejenigen betrifft, für deren Wohl er zu ſorgen hat, ſelbſt zu überzeugen. Du, mein Sohn, ſiehſt zu viel durch fremde Augen, hörſt zu viel durch fremde Ohren und gehſt zu wenig zu der erſten Quelle zurück. Deine Rathgeber, die Prieſter, wollen ſicher nur das Gute; aber, Neitho - teph, ich bitte Dich, uns einen Augenblick allein zu laſſen.

Sobald ſich der Oberprieſter entfernt hatte, rief der König: Sie wollen das Gute, aber nur das, was ihnen gut iſt! Wir aber ſind nicht die Könige der Prieſter und Vornehmen, ſondern die Fürſten des Volkes. Höre darum nicht ausſchließlich auf den Rath jener ſtolzen Kaſte, ſon - dern überzeuge Dich ſelbſt, indem Du alle Bittſchriften lieſeſt und treue, Dir ergebene und im Volke beliebte Nomarchen anſtellſt, was den Aegyptern gebricht, was ſie hoffen und weſſen ſie bedürfen. Weißt Du genau, wie es im Lande ſteht, dann iſt es unſchwer, gut zu regieren. Wähle nur die rechten Beamten; für die richtige Einthei - lung des Reichs bin ich beſorgt geweſen. Die Stimme des Volkes pflegt rauh zu ſein; ſie iſt aber meiſtens wahr, und Niemand bedarf dringender der Wahrheit, als ein König. Der Pharao, welcher den Prieſtern und Höflingen am willigſten folgt, wird die meiſten Schmeichelworte hören; derjenige, welcher die Wünſche des Volkes zu erfüllen ſtrebt, durch ſeine Umgebung viel zu leiden haben, in ſeinem Herzen aber zufrieden ſein und von der Nachwelt geprieſen125 werden. Jch habe viel in meinem Leben gefehlt, und dennoch werden mich die Aegypter beweinen, denn ich kannte ſtets ihre Bedürfniſſe und war wie ein Vater auf ihr Wohl bedacht. Für einen König, der ſeine Pflichten kennt, iſt es leicht und ſchön, ſich die Liebe des Volkes, undank - bar, den Beifall der Großen, beinahe unmöglich, die Zu - friedenheit Beider zu erwerben.

Erinnere Dich ſtets daran, daß Du und die Prieſter für das Volk und nicht das Volk für Dich und die Prieſter da iſt. Ehre die Religion um ihrer ſelbſt willen und als die weſentlichſte Stütze des Gehorſams der Völker gegen die Könige; zeige aber den Verkündigern derſelben, daß Du ſie nicht als Gefäſſe, ſondern als Diener der Gottheit betrachteſt. Halte, wie das Geſetz befiehlt, am Alten feſt; verſchließe aber niemals dem beſſeren Neuen das Thor des Reiches. Frevler brechen ſchnell mit dem Hergebrachten, Narren finden nur Fremdes und Neues wünſchenswerth; beſchränkte Thoren oder eigennützige Bevorzugte klammern ſich unbedingt an das Alte und nennen den Fortſchritt Sünde; Weiſe bemühen ſich, durch die Vergangenheit Be - währtes feſtzuhalten, ſchadhaft Gewordenes zu beſeitigen, Gutes, möge es ſtammen woher es wolle, aufzunehmen. Darnach handle, mein Sohn! Die Prieſter werden Dich rückwärts zu drängen, die Hellenen Dich vorwärts zu trei - ben verſuchen. Schließe Dich dem einen oder dem andern Theile an; hüte Dich aber, in der Mitte ſtehen zu bleiben und heute dieſen, morgen jenen nachzugeben. Eine Partei ſei Dein Freund, die andre Dein Feind, denn verſuchſt Du es mit Beiden zu halten, ſo werden ſehr bald Beide Deine Feinde werden. Die Menſchen ſind einmal ſo, daß ſie Diejenigen haſſen, welche ihren Gegnern Gutes er - weiſen.

126

Jn den letzten Monaten, welche Dich ſelbſtſtändig regieren ſahen, haſt Du durch Dein unſeliges Hin - und Herſchwanken beide Theile verletzt. Wer bald vorwärts, bald rückwärts geht, wie die Kinder, kommt niemals voran und ermüdet vorzeitig. Jch hielt es mit den Hellenen und trat den Prieſtern entgegen, bis ich meine letzte Stunde nahen fühlte. Jm lebendigen Treiben des Lebens ſchienen mir die tapferen und klugen Griechen beſonders brauchbar; zum Sterben aber bedurfte ich Derer, welche den Paß in die Unterwelt ausſtellen. Mögen mir die Götter verzeihen, daß ich ſelbſt in der letzten Stunde meinen Mund ſo leichtfertig klingenden Worten nicht zu verſchließen vermag. Sie haben mich gemacht, wie ich bin, und müſſen mich nun auch ebenſo hinnehmen. Jch rieb mir die Hände, als ich König wurde; mögeſt Du die Hand auf’s Herz legen, wenn Du den Thron beſteigſt! Rufe Neithoteph wieder herein, ich muß euch Beiden noch etwas ſagen!

Als der Oberprieſter an ſeiner Seite ſtand, ſtreckte der König ihm die Hand entgegen und ſprach: Jch ſcheide ohne Groll von Dir, mit dem ich viel gekämpft und geſtritten habe. Pſamtik wird Dir, denke ich, williger gehorchen, als ich; Eines aber lege ich euch Beiden an’s Herz: Ent - laßt die helleniſchen Söldner nicht eher, als bis ihr die Perſer mit Hülfe derſelben bekriegt und hoffentlich geſchla - gen haben werdet! Meine Weiſſagung von vorhin hat keinen Werth; man verliert die gute Laune und ſieht ein wenig ſchwarz, wenn’s an’s Sterben geht. Ohne die Hülfstruppen werdet ihr rettungslos verloren ſein; mit denſelben iſt es nicht unmöglich, daß die ägyptiſchen Heere ſiegen. Seid klug und macht die Jonier darauf aufmerk - ſam, daß ſie am Nil für die Freiheit ihrer eignen Heimat kämpfen. Der ſiegreiche Kambyſes wird ſich nicht mit127 Aegypten begnügen, während eine Niederlage der Perſer auch den geknechteten Joniern die Freiheit bringen kann. Jch wußte, daß Du mir zuſtimmen würdeſt, Neithoteph, denn im Grunde meinſt Du es gut mit Aegypten. Jetzt bitte ich Dich, mir die heiligen Gebete vorzuleſen. Jch fühle mich ſehr erſchöpft; bald iſt’s vorbei! Könnte ich nur der armen Nitetis vergeſſen! Mögen ſich die Todtenrichter und Oſiris unſerer Seelen erbarmen! Setze Dich hier - her, Ladike, und lege die Hand auf meine heiße Stirn; Du aber, Pſamtik, ſchwöre in Gegenwart dieſer Zeugen, daß Du Deine Stiefmutter hochhalten und ehren willſt, als wäreſt Du ihr eigenes Kind. Armes Weib! Du ſoll - teſt mich bald aufſuchen bei Oſiris. Was willſt Du noch ohne Gatten und Kinder auf dieſer Erde? Wir haben Nitetis wie unſre eigne Tochter auferzogen, und dennoch werden wir um ihretwillen ſo ſchwer beſtraft. Aber ihr Fluch trifft uns allein; nicht Dich, Pſamtik, nicht Deine Kinder! Bringt mir jetzt meinen Enkel! Jch glaube wahr - haftig, daß das eine Thräne war. Nun, man pflegt ſich gewöhnlich von kleinen Dingen, an die man ſich gewöhnt hat, am ſchwerſten zu trennen!

Ein neuer Gaſt war am ſelben Abend bei Rhodopis eingetroffen; Kallias, der Sohn des Phaenippos*)Siehe I. Theil Anmerk. 63 u. 69., den wir bereits als Erzähler des Verlaufs der olympiſchen Spiele kennen gelernt haben.

Der muntere Athener kam ſoeben aus ſeiner Heimat zurück und war, als alter, bewährter Freund, mit Freuden128 von der Greiſin aufgenommen und in das Geheimniß des Hauſes eingeweiht worden.

Knakias, der alte Sklave, hatte zwar die Empfangs - fahne ſeit zwei Tagen mit in’s Haus genommen, wußte aber, daß Kallias ſeiner Herrin ſtets willkommen ſei und führte ihn deßwegen ebenſo ſchleunig zu ihr, als er jeden andern Beſucher zurückwies.

Der Athener wußte viel Neues zu erzählen und führte endlich, als ſich Rhodopis in Geſchäften entfernte, Sappho, ſeinen Liebling, in den Garten, um dort mit ihr ſcherzend und neckend nach dem ſehnlich erwarteten Geliebten aus - zuſchauen. Als derſelbe immer nicht kommen wollte, und die Jungfrau beſorgt zu werden begann, rief er die alte Melitta, die beinahe noch ängſtlicher als ihre Herrin nach Naukratis blickte, und erſuchte dieſelbe, das Saitenſpiel, welches er mitgebracht hatte, in den Garten zu bringen.

Nachdem er die ſchöne, ziemlich große Laute von Gold und Elfenbein der Jungfrau überreicht hatte, ſagte er lächelnd: Dieſes herrliche Jnſtrument hat der Erfinder deſſelben, der göttliche Anakreon, auf meine Beſtellung eigens für Dich machen laſſen. Er nennt es Barbiton und entlockt demſelben wunderbare Töne, die ſelbſt noch im Schattenreiche fortklingen werden 82). Jch habe dem Dichter, der ſein Leben wie ein großes, den Muſen, Eros und Dionyſos dargebrachtes Opfer verbringt 83), von Dir erzählt und ihm verſprechen müſſen, Dir folgendes Liedchen, das er für Dich erſonnen, als ein Geſchenk von ihm zu überbringen. Höre:

Tantalos Tochter ward gebannt
Zu einem Fels im Phrygerland,
Und als ein Vogel flog vor Zeiten
Pandion’s Kind in alle Weiten;
129
Jch aber möcht ein Spiegel ſein,
Dann ſäh’ſt Du ſtets in mich hinein;
Jch würde gern zu Deinem Kleid,
Dann trügeſt Du mich allezeit!
Jch wollte, daß ich Waſſer wär,
Dann plätſchert ich rings um Dich her;
Auch möcht ich gern, o Mägdelein,
Um Dich zu ſalben, Balſam ſein!
Zum Gürtel dient ich gerne Dir,
Zur Perle, Deines Halſes Zier,
Zum Schuh, den Du Dir angeſchnürt,
Damit mich nur Dein Fuß berührt! 84).

Zürnſt Du dem unbeſcheidenen Sänger?

Wie ſollt ich! Dem Dichter muß man ſchon eine Freiheit geſtatten!

Und noch dazu ſolchem Dichter!

Der einen ſo meiſterhaften Sänger zum Ueberbringer ſeiner Lieder wählt!

Schmeichlerin! Ja, als ich zwanzig Jahre jünger war, wurde meine Stimme und mein Vortrag mit Recht gerühmt; jetzt iſt’s aber vorbei mit der Herrlichkeit!

Du willſt nur neues Lob ernten; ich laſſe mir aber Nichts abzwingen! Doch möcht ich gern wiſſen, ob dieſe ſogenannte Barbiton mit ihren weichen Klängen auch für andre Lieder als die des Teiers geeignet iſt?

Ganz gewiß! Stimme das Plektron 85) und verſuche ſelbſt, die Saiten zu ſchlagen.

Jch kann nicht ſingen, denn ich bin der Ausblei - benden wegen gar zu unruhig!

Oder Du fühlſt mit andern Worten, daß Dir vor Sehnſucht die Stimme verſagt. Kennſt Du das Lied Dei - ner lesbiſchen Muhme, der großen Sappho, welches dieEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 9130Stimmung ſchildert, in der Du Dich in dieſem Augenblicke aller Wahrſcheinlichkeit nach befindeſt?

Jch glaube nicht.

So höre. Früher glänzte ich am liebſten mit dieſem Geſange, den kein Weib, ſondern Eros ſelbſt erdacht zu haben ſcheint:

Selig, gleich den Göttern in der Höhe,
Preiſ ich Jenen, der in Deiner Nähe,
Der bei Dir, an Deiner Seite weilt;
Der den ſüßen Ton von Deinem Munde
Saugen darf, und ach die holde Kunde,
Die Dein Liebeslächeln ihm ertheilt.
Tritt mir ſolches Bild im Geiſt entgegen,
Klopft mein Herz die Bruſt mit wilden Schlägen,
Und in meinem Mund erſtickt das Wort;
Lähmung feſſelt plötzlich meine Zunge,
Und ein Feuer pflanzt mit wildem Sprunge,
Sich durch meine Haut und Glieder fort.
Mein Geſicht hat ſeine Kraft verloren,
Ein Gebrauſe tönt in meinen Ohren,
Und vor Zittern kann ich nicht mehr ſteh’n.
Kalter Schweiß befeuchtet meine Glieder,
Gleich dem Graſe ſink ich welkend nieder,
Könnt ich athmen! ’s iſt um mich geſcheh’n 86)!

Nun, was ſagſt Du von dieſem Liede? Aber, beim Herakles, Kind, Du biſt ganz bleich geworden! Haben Dich die Verſe ſo ſehr ergriffen, oder biſt Du nur er - ſchrocken von dem treuen Bilde Deines eignen ſehnſüchtigen Herzens? Beruhige Dich, Mädchen! Wer weiß, was Dei - nen Liebſten zurückhält

Nichts, gar nichts! rief in dieſem Augenblicke eine friſche Männerſtimme, und wenige Sekunden ſpäter lag Sappho an der Bruſt des geliebten Jünglings.

131

Kallias ſpielte den ſchweigenden Zuſchauer und lächelte vor Freude über die wunderbare Schönheit des jungen Paares.

Nun aber, rief der Königsſohn, nachdem er mit Kallias bekannt geworden war, muß ich die Großmutter ſofort aufſuchen. Statt in vier Tagen, ſoll heute noch die Hochzeit ſein! Jede Stunde des Zauderns kann uns gefährlich werden. Jſt Theopompos hier?

Jch vermuthe es faſt, antwortete Sappho; denn ich wüßte ſonſt nicht, warum die Großmutter ſo lang im Hauſe bleibt. Aber was iſt es mit der Hoch - zeit? Jch meine ....

Laß uns erſt hineingehen, meine Liebe; ich fürchte, daß ein Gewitter heraufzieht. Der Himmel verfinſtert ſich ſchon, und es fängt an, unerträglich ſchwül zu werden!

So kommt ſchnell, rief Sappho, wenn ihr nicht wollt, daß ich vor Neugier vergehe! Vor dem Gewitter braucht ihr euch nicht zu fürchten. So lang ich lebe, hat es in Aegypten während dieſer Jahreszeit weder ge - blitzt, noch gedonnert 87)!

Dann wird Dir heut etwas Neues begegnen, lachte der Athener. Soeben fiel ein ſchwerer Regen - tropfen auf mein kahles Haupt, die Nilſchwalben flogen bei meiner Herfahrt ganz dicht über dem Waſſer hin, und ſchon breitet ſich eine Wolke über den Mond. Kommet ſchnell herein, damit ihr nicht naß werdet. He, Sklav, ſorge dafür, daß man den Göttern der Unterwelt ein ſchwarzes Lamm opfert!

Jm Wohnzimmer der Rhodopis ſaß Theopompos, wie Sappho richtig vermuthet hatte. Er war eben mit ſeiner Erzählung von der Verhaftung des Zopyros und der Reiſe des Bartja und ſeiner Freunde fertig geworden.

132

Je größere Beſorgniß in den Beiden wegen dieſer Vorgänge erwacht war, deſto freudiger wurden ſie von der unerwarteten Erſcheinung des Königsſohnes überraſcht, der in geflügelten Worten die Erlebniſſe der letzten Stunden wiederholte und Theopompos bat, ſich ſofort nach einem ſegelfertigen Schiffe für ihn und ſeine Freunde umzuſehen.

Das trifft ſich herrlich! rief Kallias. Meine eigne Triere, welche mich heut nach Naukratis brachte, liegt vollkommen ausgerüſtet im Hafen und ſteht Dir zu Dienſten. Jch brauche nur dem Steuermanne zu befehlen, die Mannſchaft zuſammen und Alles fertig zu halten. Du biſt mir nicht verpflichtet; ich muß Dir vielmehr für die mir erwieſene Ehre danken! Heda, Knakias, ſage ſofort meinem Sklaven Philomelos, der draußen im Vor - ſaale wartet, er möge ſich in den Hafen rudern laſſen und meinem Steuermanne Nauſarchos befehlen, Alles zur Abreiſe bereit zu halten. Gib ihm nur dieß Siegel, welches ihn zu Allem bevollmächtigt!

Und meine Sklaven? fragte Bartja.

Knakias ſoll meinem alten Schaffner den Auftrag geben, dieſelben zum Schiffe des Kallias zu führen; er - wiederte Theopompos.

Wenn ſie dieſes Zeichen ſehen, ſo werden ſie ihm unbedingt folgen, fügte Bartja hinzu und gab dem alten Diener ſeinen Ring.

Als ſich Knakias unter tiefen Verbeugungen entfernt hatte, fuhr der Königsſohn fort: Jetzt aber muß ich Dir, meine Mutter, eine dringende Bitte vortragen.

Jch errathe dieſelbe, lächelte Rhodopis. Du wünſcheſt, daß man die Hochzeit beſchleunige, und ich ſehe ein, daß ich Deinem Verlangen nachgeben muß!

Wenn ich nicht irre, rief Kallias, ſo ſtehen wir133 hier dem ſelt’nen Falle gegenüber, daß ſich zwei Menſchen über eine Gefahr, in der ſie ſchweben, von Herzen freuen!

Du magſt Recht haben, gab Bartja, die Hand ſeiner Geliebten verſtohlen drückend, dem Athener zurück. Dann wandte er ſich nochmals an Rhodopis und bat die - ſelbe, ihm ohne Säumen ihr Liebſtes, deſſen Werth er wohl zu ſchätzen wiſſe, anzuvertrauen.

Rhodopis richtete ſich hoch empor, legte ihre Rechte auf Sappho’s, ihre Linke auf Bartja’s Haupt und ſagte:

Es gibt eine Sage, ihr Kinder, welche erzählt, daß im Lande der Roſen ein blauer See bald ſänftlich ebbe, bald ſtürmiſch flute, und daß das Waſſer dieſes See’s halb ſüß, wie Honig, halb bitter, wie Galle ſchmecke. Jhr werdet den Sinn dieſer Sage kennen lernen und in dem erhofften Roſenlande eurer Ehe bald ſtille, bald bewegte, bald ſüße, bald bittere Stunden erleben. So lange Du ein Kind warſt, Sappho, ſind Deine Tage da - hingegangen, ungetrübt, gleich einem Frühlingstage; ſobald Du zur liebenden Jungfrau wurdeſt, hat ſich Deine Bruſt dem Schmerz geöffnet, der jetzt durch lange Monde der Trennung ein wohlbekannter Gaſt in derſelben geworden iſt, ein Gaſt, der bei Dir anklopfen wird, ſo lange Du lebſt. Deine Aufgabe, Bartja, wird es ſein, den Zu - dringlichen, ſo weit es in Deinen Kräften ſteht, von Sappho fern zu halten. Jch kenne die Menſchen und wußte, ehe mich Kröſus Deines Edelſinnes verſichert hatte, daß Du meiner Enkelin würdig wäreſt. Darum geſtattete ich Dir, mit derſelben den Quittenapfel*)Siehe III. Theil. Anmerkung 62. zu verzehren, darum übergebe ich Dir ohne Zagen ein Weſen, welches134 ich bis dahin als ein heiliges, mir anvertrautes Pfand behütet habe. Betrachte Du Dein Weib in gleicher Weiſe als einen dargeliehenen Schatz, denn Nichts iſt gefährlicher für die Liebe, als die behagliche Sicherheit des ausſchließ - lichen Beſitzes. Man hat mich getadelt, weil ich das unerfahrene Kind in die den Frauen ungünſtigen Ver - hältniſſe Deiner fernen Heimat ziehen laſſe; ich kenne aber die Liebe und weiß, daß es für eine liebende Jungfrau kein anderes Vaterland gibt, als das Herz des Mannes, dem ſie ſich hingibt, daß ein von Eros getroffenes Weib kein andres Unglück achtet, als das, getrennt von dem Manne ihrer Wahl leben zu müſſen. Und außerdem frage ich euch, Kallias und Theopompos, ſind eure Gattinnen vor denen der Perſer ſo ſehr bevorzugt? Muß die joniſche, attiſche Frau nicht, gleich der Perſerin, in den Weibergemächern ihr Leben verbringen und froh ſein, wenn man ihr ausnahmsweiſe geſtattet, tiefverſchleiert und von mißtrauiſchen Sklaven begleitet, über die Straße zu gehen? Was die Vielweiberei der Perſer anbelangt, ſo fürchte ich dieſelbe weder für Sappho, noch für Bartja! Er wird ſeiner Gattin treuer ſein als ein Hellene, denn in Sappho wird er vereint finden, was ihr, Kallias, einerſeits in der Ehe, andrerſeits in den Häuſern der gebildeten Hetären*)Siehe I. Theil. Aumerk. 10. ſucht. Hier Hausfrauen und Mütter, dort geiſtig belebte und belebende Geſellſchafterinnen. Nimm ſie hin, mein Sohn; ich übergebe Dir Sappho vertrauensvoll und gern, wie ein Lehrer dem guten Schü - ler das Beſte, was er beſitzt, ſein Wiſſen, mit Freuden hingibt. Jn wie weite Ferne ſie auch zieht, wird ſie doch ſtets Hellenin bleiben und, das iſt mir ein hoher135 Troſt, in ihrer neuen Heimat dem Griechennamen Ehre bringen und dem Griechenthume neue Freunde wer - ben. Jch danke Dir für Deine Thränen, Kind! Jch vermag den meinen zu gebieten, doch habe ich für dieſe Kunſt dem Schickſale Unermeßliches gezahlt! Dieſen Schwur, edler Bartja, hörten die Götter. Vergiß denſelben nie - mals und nimm ſie hin, als Dein Eigenthum, Deine Freundin, Dein Weib! Führe ſie fort, ſobald Deine Gefährten heimkehren. Die Götter wollen nicht, daß zu Sappho’s Vermählungsfeier der Hymenäos*)Siehe III. Theil. Anmerk. 63. ge - ſungen werde!

Bei dieſen Worten fügte die Greiſin die Hände des Paares in einander, umarmte Sappho heiß und innig und hauchte einen leiſen Kuß auf die Stirne des jungen Perſers. Später wandte ſie ſich an die in tiefer Rührung daſtehenden helleniſchen Freunde und ſprach:

Das war eine ſtille Vermählung, ohne Sang und Fackelſchein. Möge derſelben eine um ſo freudigere Ehe folgen! Geh hin, Melitta, und hole das Hochzeitsge - ſchmeide der Braut, die Armbänder und Halsketten, welche in dem goldenen Käſtchen auf meinem Putztiſche liegen, damit unſer Liebling ihrem Eheherrn, angethan, wie es der zukünftigen Fürſtin ziemt, die Hand reichen könne 88).

Eile Dich! rief Kallias, der jetzt ſeine alte Heiter - keit wieder erlangt hatte; auch darf die Nichte der größten Hymenäen-Sängerin nicht ganz ohne Sang und Klang in das Brautgemach treten. Da das Haus des jungen Ehe - herrn allzufern iſt, ſo nehmen wir an, die leere Andronitis wäre ſeine Wohnung. Dorthin führen wir die Jungfrau durch die Mittelthür und genießen am Herde des Hauſes136 ein fröhliches Hochzeitsmahl. Theopompos ſtellt den Chor der Jünglinge dar, indeſſen ich den Fackelträger 89) ſpiele, eine Würde, die mir ohnedem zukommt. Du mußt wiſſen, Bartja, daß meine Familie das erbliche Recht beſitzt, die Fackeln bei den Myſterien von Eleuſis zu tragen, weßwegen man uns Daduchen oder Fackelträger nennt*)Siehe I. Theil. Anmerk. 69.. Heda, Sklav! Sorge für Kränze an der Thür der An - dronitis und befiehl Deinen Genoſſen, daß ſie uns bei unſerm Eintritt mit Zuckerwerk bewerfen 90)! Ei, ſieh da, Melitta, wie haſt Du die ſchönen Braut - und Bräuti - gams-Kronen von Veilchen und Myrten ſo ſchnell be - ſchaffen können**)Siehe I. Theil. Anmerk. 208.? Der Regen fließt ſtromweis durch die Oeffnung im Dache! Aha, Hymen hat Zeus überredet, daß er euch zu allen Gebräuchen der Ver - mählungsfeier verhelfe. Da ihr das Bad, welches Braut und Bräutigam, nach alter Sitte, am Hochzeitsmorgen zu nehmen pflegen***)Siehe III. Theil. Anmerk. 88., nicht haben könnt, ſo müßt ihr einen Augenblick hierher treten und das Naß des Zeus für geheiligtes Quellwaſſer gelten laſſen!

Jn dieſem Augenblicke ſtrahlte das Licht eines Blitzes, dem ein heftiger Donnerſchlag folgte, durch die Oeffnung im Dache, unter welche der muntere Kallias das junge Paar geführt hatte. Seht ihr? rief derſelbe, ſeine Hand gen Himmel erhebend, Zeus ſelbſt ſchwingt die Hochzeits - fackel und ſingt den Hymenäos für ſeine Lieblinge!

Als der nächſte Morgen graute, traten Bartja und Sappho aus dem Brautgemach in den Garten, welcher137 nach dem Gewitter, das während der ganzen Nacht in un - erhörter Heftigkeit getobt hatte, ſo heiter und morgen - friſch ſtrahlte, wie das Angeſicht der Neuvermählten.

Die Beiden hatten ſich ſo zeitig von dem hochzeitlichen Lager erhoben, weil in Bartja’s Seele die Beſorgniß um ſeine Freunde, welche er im Rauſche der Zärtlichkeit bei - nahe vergeſſen hatte, von Neuem, und heftiger als vor - her, erwacht war.

Der Garten lag auf einem künſtlichen Hügel, welcher die überſchwemmte Ebene überragte und einen freien Blick über dieſelbe geſtattete. Auf dem Spiegel des Nilwaſſers ſchwammen weiße und blaue Lotosblumen, Waſſervögel verſchiedener Art umkreisten dieſelben oder ſaßen auf den Palmenkronen, um, ſobald ſich das bunte Segel einer Barke zeigte, ſchreiend und ſchnatternd in die Höhe zu flattern. Ein friſcher Nordoſtwind durchwehte die von dem nächtlichen Gewitter abgekühlte Luft und trieb, trotz des frühen Morgens, eine ziemliche Anzahl von Fahr - zeugen über die unter Waſſer ſtehenden Aecker hin. Der Geſang der Matroſen vereinte ſich mit dem Plätſchern der Ruderſchläge und dem Gezwitſcher der Vögel, um die einförmige und dennoch bunte Landſchaft des überſchwemm - ten Nilthals auch mit Tönen zu beleben.

Das junge Ehepaar ſtand eng aneinander gelehnt an der niedern Mauer, welche den Garten der Rhodopis umgab, und ſchaute, zärtliche Worte tauſchend, dieſem Schauſpiele zu, bis Bartja’s ſcharfes Auge ein Fahrzeug entdeckte, welches, vom Winde und kräftigen Ruderſchlägen getrieben, gerade auf das Landhaus der Greiſin zuſteuerte.

Wenige Minuten ſpäter landete das Boot bei der Gar - tenmauer, und bald darauf ſtand Zopyros mit ſeinen Ret - tern vor dem Königsſohne.

138

Der Plan des Darius war, Dank dem Gewitter, welches die Aegypter, ſeiner ungewohnten Zeit und Heftig - leit wegen, erſchreckt hatte, wohl gelungen; dennoch durfte keine Zeit verloren werden, denn es ſtand zu erwarten, daß die Saïten den Flüchtling mit allen ihnen zu Gebote ſtehenden Mitteln verfolgen würden.

Nach einem kurzen, aber um ſo zärtlicheren Abſchiede trennte ſich Sappho von ihrer Großmutter und beſtieg an Bartja’s Hand, von der alten Melitta, die ihr nach Perſien folgte, begleitet, den Kahn des Syloſon und eine Stunde ſpäter die ſchöngezimmerte Hygieia, das ſchnellſegelnde Meerſchiff des Kallias.

Der Athener erwartete die Flüchtlinge am Bord ſeiner Triere und nahm beſonders von Sappho und Bartja herz - lichen Abſchied. Letzterer hängte dem Alten eine überaus koſtbare Kette, als Zeichen ſeiner Dankbarkeit, um den Hals, während Syloſon dem Darius, zum Andenken an die gemeinſam beſtandene Gefahr, ſeinen Purpurmantel, ein unſchätzbares Meiſterwerk ſidoniſcher Färberkunſt, wel - ches die Bewunderung des Hyſtaspesſohnes erweckt hatte, um die Schultern legte. Darius nahm dieſe Gabe freudig an und rief dem Bruder des Polykrates beim Abſchiede zu: Erinnere Dich ſtets daran, helleniſcher Freund, daß ich Dir Dank ſchulde, und gib mir ſo bald als möglich Gelegenheit, Dir einen Gegendienſt zu leiſten!

Erſt aber wendeſt Du Dich an mich, den Zopyros! rief der Befreite, ſeinen Retter umarmend. Jch bin be - reit, mein letztes Goldſtück mit Dir zu theilen und, was mehr ſagen will, Dir zu Liebe in dem verwünſchten Loch, aus dem ihr mich befreitet, eine volle Woche zu ſitzen! Aber die Anker werden gelichtet! Lebe wohl, braver Hellene! Grüße die Blumenſchweſtern von mir; beſonders die kleine139 Stephanion, und ſage derſelben, ihr langbeiniger Bräutigam werde ihr durch meine Vermittlung ſo bald nicht wieder nachlaufen. Aber noch Eins! Nimm dieſen Beutel mit Gold für das Weib und die Kinder des ägyptiſchen Naſe - weis, dem ich in der Hitze des Gefechts ſo übel mitge - ſpielt habe. Das iſt meine Schuldigkeit!

Während dieſer Worte fielen die Anker raſſelnd auf das Deck des Schiffes, der Wind ſchwellte das aus - gebreitete Segel, und aus dem Raume der Triere erklang das einförmige Keleusma oder Ruderlied, deſſen Rhythmus der Trieraules*)Trierenflötiſt. mit der Flöte angab**)Siehe I. Theil Anmerk. 209.. Bartja und Sappho ſtanden an der Spitze des Fahrzeuges neben der hölzernen Bildſäule der Hygieia***)Göttin der Geſundheit., der Schutz - patronin des Schiffes, und ſchauten ſo lange nach Nau - kratis zurück, bis die Ufer des Nils ihren Blicken ent - ſchwanden, und die grünen Wogen des helleniſchen Meeres den Bord der Triere beſpülten.

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Sechstes Kapitel.

Das junge Ehepaar hatte ſich zuerſt nach Babylon begeben, woſelbſt es die durch einen Angaren überbrachte Nachricht vom Tode des Amaſis erhielt, und war dann nach Paſargadä in der Provinz Perſis aufgebrochen. Hier befanden ſich Kaſſandane, Atoſſa und Kröſus. Erſtere hatte das Bedürfniß empfunden, vor dem Zuge nach Aegypten, den ſie mitmachen ſollte, das nach Angabe des Kröſus jüngſt vollendete Grabmahl ihres verſtorbenen Gatten aufzuſuchen. Die Greiſin, welche das Licht ihrer Augen durch die Kunſt des Nebenchari wiedererlangt hatte, war über die würdige Ausſtattung der Begräbnißſtätte hoch erfreut und verweilte täglich ſtundenlang in dem herrlichen Luſtgarten, welcher dieſelbe umgab.

Das Denkmal des Kyros beſtand aus einem rieſigen Sarkophage von Marmorblöcken, der, einem Hauſe ähnlich, auf einem Unterbau von ſechs hohen Marmorſtufen ruhte. Das Jnnere des Sarkophags war gleich einem Zimmer ausgeſtattet und enthielt neben dem goldnen Sarge, in welchem die von Hunden, Geiern und den Elementen ver - ſchonten Ueberreſte des Kyros ruhten, ein ſilbernes Bett und einen Tiſch von gleichem Metall, auf welchem goldne141 Becher ſtanden, und vielerlei Gewänder mit den reichſten Edelſtein-Geſchmeiden lagen.

Die Höhe des Ganzen betrug vierzig Fuß. Schattige Paradieſe*)Perſiſche Luſtgärten. und Säulengänge, welche der Angabe des Kröſus ihren Urſprung verdankten, umgaben das Ganze, und in Mitten des Haines erhob ſich ein Wohnhaus für die Magier, denen die Bewahrung des Grabes oblag.

Jn der Ferne war der Palaſt des Kyros ſichtbar, den, nach ſeiner Anordnung, die künftigen Könige von Perſien alle Jahre wenigſtens auf einige Monate bewohnen ſollten. Jn dieſem, einer Feſtung gleichenden Prachtbau befand ſich auch, wegen der ſchwer zugänglichen Lage des Platzes, die Schatzkammer des Reichs 91).

Kaſſandane fühlte ſich in der friſchen Gebirgsluft, welche das Grab ihres geliebten Verſtorbenen umwehte, unendlich wohl und ſah mit Freude, daß auch Atoſſa an dieſem ſtillen, ſchönen Orte ihre alte Heiterkeit, welche ſie ſeit dem Tode der Nitetis und der Abreiſe des Darius verloren hatte, wiedergewann. Sappho befreundete ſich bald mit der neuen Mutter und Schweſter und verließ, wie dieſe, nur ungern das ſchöne Paſargadä.

Darius und Zopyros waren bei dem großen Reichs - heere, welches ſich in der Ebene des Euphrat ſammelte, verblieben, und auch Bartja mußte vor dem Aufbruche des - ſelben nach Babylon zurück.

Kambyſes zog ſeiner heimkehrenden Familie entgegen und ſprach ſich über die Schönheit ſeiner jungen Schwä - gerin mit Bewunderung aus, während Sappho den Bruder ihres Gatten, wie ſie Bartja geſtand, nur mit Furcht be - trachten konnte.

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Der König hatte ſich in wenigen Monaten ſehr ver - ändert. Seine ſonſt nicht unedel geformten, bleichen Züge waren jetzt vom übermäßigen Genuß des Weins unſchön und roth geworden. Seine dunklen Augen hatten zwar die alte Glut behalten, brannten aber in einem unreineren Feuer, als früher. Sein ſonſt ſo üppiges, rabenſchwarzes Haar umwallte jetzt, grau und wüſt, ſein Haupt und Kinn, während das triumphirend ſtolze Lächeln, welches ſonſt ſeine Züge verſchönte, einem Ausdrucke verachtungsvollen Ueberdruſſes und herber Strenge gewichen war.

Nur in der Trunkenheit, einem Zuſtande, der bei ihm längſt aufgehört hatte, etwas Ungewöhnliches zu ſein, hörte man ihn lachen; dann aber wiehernd und maßlos.

Vor ſeinen Weibern zeigte er nach wie vor Wider - willen, und ließ den Harem, ſelbſt als er nach Aegypten aufbrach, in Suſa zurück, während all ſeine Großen ihre Lieblingsfrauen und Kebsweiber mit ſich führten*)Siehe II. Theil Anmerk. 22.. Trotz - dem hatte ſich Niemand über Ungerechtigkeit von ſeiner Seite zu beklagen; vielmehr drang er, nachdrücklicher als je, auf ſtrenge Vollziehung des Rechts; zeigte ſich aber, wenn er einen Mißbrauch entdeckt hatte, unerbittlich und verhängte Strafen der grauſamſten Art. Als ihm z. B. hinterbracht worden war, ein Richter Namens Siſamnes habe für Geld ein falſches Urtheil geſprochen, ließ er dem Unglücklichen die Haut abziehen und den Richterſtuhl mit derſelben beſchlagen; darauf ernannte er den Sohn des Geſtraften zum Richter an des Vaters Stelle und zwang denſelben, jenen entſetzlichen Stuhl einzunehmen 92). Außerdem zeigte er ſich als Kriegs - herr unermüdlich thätig und leitete die Uebungen der143 bei Babylon verſammelten Truppen mit eben ſo großer Strenge, als Umſicht.

Nach dem Neujahrsfeſte*)Jn unſerem März. ſollte die Reichsarmee auf - brechen. Kambyſes ließ daſſelbe mit ungeheurem Aufwande begehen und begab ſich nach Beendigung der Feierlichkeit zum Heere, bei dem er ſeinen vor Glückſeligkeit ſtrahlen - den Bruder traf, welcher ihm, ſein Gewand küſſend, trium - phirend erzählte, daß er hoffen dürfe, Vater zu werden. Der König erbebte bei dieſer Kunde, erwiederte dem be - glückten Bruder kein einziges Wort, berauſchte ſich am Abende bis zur Bewußtloſigkeit und rief am folgenden Morgen die Mobeds, Magier und Chaldäer zuſammen, um denſelben eine Frage vorzulegen.

Jhr wißt, ſo begann er, daß ihr, meine Träume deutend, behauptet habt, Atoſſa würde einen künftigen König dieſes Reiches gebären. Werde ich gegen die Götter ſündigen, wenn ich meine Schweſter zum Weibe nehme und wahr mache, was mir mein Traum verhieß?

Die Magier beriethen ſich kurze Zeit; dann warf ſich Oropaſtes, der Oberprieſter, vor dem Könige nieder und ſprach:

Wir glauben nicht, daß Du durch dieſe Heirat ſün - digen würdeſt; denn erſtens iſt es Sitte, daß die Perſer ihre Verwandten heimführen 93); zweitens ſteht es zwar nicht im Geſetze, daß der Reine ſeine Schweſter ehe - lichen darf; wohl aber, daß der König thun kann, was ihm beliebt 94). Handle, wie Du wünſcheſt, und Du wirſt ſtets das Rechte vollbracht haben!

Kambyſes entließ die Magier mit reichen Geſchenken, übergab Oropaſtes alle Vollmachten als Statthalter des144 Reichs, und verkündete ſpäter ſeiner entſetzten Mutter, er gedenke, ſobald er die Aegypter beſiegt und den Sohn des Amaſis beſtraft haben würde, Atoſſa heimzuführen.

Endlich brach das Heer, welches mehr als 800,000 Streiter zählte, in einzelnen Abtheilungen auf und kam nach zwei Monaten zur ſyriſchen Wüſte, woſelbſt es die von Phanes gewonnenen Araberſtämme*)III. Theil. Anmerk. 45. der Amalekiter und Geſſuriter antraf, welche die Truppen mit Waſſer, das ſie auf Pferden und Kameelen herbeibrachten, verſorgten.

Bei Akko, im Lande der Kanaaniter, ſammelten ſich die Flotten der dem Perſerreiche angehörenden Syrer, Phöniker und Jonier, ſowie die gleichfalls von Phanes geworbenen Hülfsſchiffe der Kyprer und Samier. Mit Letzteren hatte es eine eigne Bew andtniß. Polykrates ſah nämlich die Aufforderung, dem Kambyſes eine Flotte zu ſenden, für eine günſtige Gelegenheit an, um ſich auf ein - mal von allen mit ſeiner Alleinherrſchaft unzufriedenen Bürgern zu befreien. So ließ er denn vierzig Trieren mit achttauſend mißvergnügten Samiern bemannen und ſandte dieſelben den Perſern zu, mit der Bitte, keinen Einzigen von ihnen heimkehren zu laſſen 95).

Sobald Phanes dieſes erfahren hatte, warnte er die Preisgegebenen, welche dann, ſtatt gegen Aegypten zu kämpfen, nach Samos zurückfuhren und Polykrates zu ſtürzen verſuchten. Sie wurden aber von demſelben in einem Landtreffen geſchlagen, begaben ſich nach Sparta und ſuchten dort Hülfe gegen den Zwingherrn.

Einen vollen Monat vor der Ueberſchwemmungszeit ſtanden die perſiſchen den ägyptiſchen Heeren bei Peluſium an der Nordoſtküſte des Delta gegenüber.

145

Alle Anordnungen des Phanes hatten ſich als vor - züglich bewährt. Die Reiſe eines Heeres durch die Wüſte, welche ſonſt Tauſende von Opfern zu fordern pflegte, war dießmal, Dank den ihre Verſprechungen treulich haltenden Arabern, ohne jeden ſonderlichen Verluſt zurückgelegt wor - den, und die glücklich gewählte Jahreszeit geſtattete den perſiſchen Soldaten, auf trockenen Wegen bequem und ohne Säumniß in Aegypten einzudringen.

Der König hatte ſeinen helleniſchen Freund mit großer Auszeichnung empfangen und freundlich genickt, als ihm derſelbe zurief: Jch habe vernommen, daß Du ſeit dem Tode Deiner ſchönen Freundin weniger heiter zu ſein pflegſt, als früher. Dem Manne ziemt ein langes Feſt - halten an ſeinen Schmerzen, während die Frau ihr Leid in ſtürmiſchen aber flüchtigen Klagen ausſtrömt. Jch fühle mit Dir, was Dich bewegt, denn auch ich verlor mein Liebſtes. Danken wir gemeinſam den Göttern, daß ſie uns die beſten Mittel gegen den Schmerz, Kampf und Rache, gewähren!

Dann begleitete Phanes den Herrſcher zu ſeinen Sol - daten und zum Schmauſe. Es war ſtaunenswerth, welchen Einfluß er auf den grimmen Mann zu üben verſtand, wie gemeſſen und heiter Kambyſes wurde, ſobald der Athener in ſeiner Nähe erſchien.

Wenn das perſiſche Reichsheer ungeheuer genannt werden mußte, ſo war auch die Zahl der ägyptiſchen Trup - pen keineswegs zu verachten.

Das Lager derſelben lehnte ſich an die Mauern von Pelu - ſium, der Grenzfeſtung, welche Aegypten vor den kriegeriſchen ſemitiſchen Stämmen zu ſichern beſtimmt war. Ueberläufer verſicherten die Perſer, daß die Geſammtheit des Pharaoniſchen Heeres beinahe ſechsmalhunderttauſend Mann betrage.

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 10146

Außer einer großen Anzahl von Wagenkämpfern und dreißigtauſend kariſchen und joniſchen Söldnern hatten ſich zweimalhundertfünfzigtauſend Kalaſirier, einmalhundert - ſechzigtauſend Hermotybier, zwanzigtauſend Reiter 95) und beinahe fünfzigtauſend Aethiopen und andere Hülfstruppen, welche, um die Freiheit des Vaterlandes zu retten, zu - ſammengelaufen waren, unter den Feldzeichen des Pſamtik verſammelt.

Die Jnfanterie*)Kalaſirier und Hermotybier. war in Regimenter und Kompag - nien, welche ſich um vielerlei Feldzeichen 96) ſchaarten, ein - getheilt und abtheilungsweiſe verſchieden gerüſtet. Da gab es Schwerbewaffnete mit großen Schildern, Lanzen und Dolchen 97); Beil - und Schwertfechter mit kleinen Schildern, Schleuderer und, als Hauptmaſſe des Heeres, Schützen, deren ungeſpannte Bogen die Höhe des Menſchen - leibes erreichten. Die Reiter waren nur mit dem Schurze bekleidet und führten leichte, den Morgenſternen ähnliche Keulen, während die Wagenkämpfer, welche dem vor - nehmſten Theile der Kriegerkaſte angehörten, im reichſten Schmuck in den Kampf zogen, und ſowohl auf das Ge - ſchirr ihrer herrlichen, weltberühmten Roſſe**)Siehe I. Theil. Anmerk. 30., als auf die Pracht ihrer zweirädrigen Fuhrwerke große Summen verwandten 98).

An ihrer Seite ſtanden die Wagenlenker, während ſie ſelbſt, nur auf den Kampf bedacht, mit Bogen und Lanzen zu fechten pflegten.

Das Fußvolk der Perſer war nicht viel zahlreicher, als die ägyptiſche Jnfanterie, wogegen die aſiatiſche Reiterei die Kavallerie der Nilthalbewohner um das ſechsfache übertraf.

147

Sobald die beiden Heere einander gegenüber ſtanden, ließ Kambyſes das weite peluſiniſche Gefilde von Geſtrüpp und Bäumen reinigen und die Sandhügel, welche da und dort zu ſehen waren, abräumen, um ſeinen Reitern und Sichelwagen freie Bahn zu ſchaffen 99). Phanes unter - ſtützte ihn mit ſeiner genauen Kenntniß des Orts und wußte es dahin zu bringen, daß ſein mit tiefer ſtrategiſcher Ein - ſicht entworfener Schlachtplan nicht nur von Kambyſes, ſondern auch von dem alten Oberfeldherrn Megabyzus und den kriegskundigſten Achämeniden angenommen wurde. Nach Beendigung des Kriegsraths bat der Athener noch einmal um das Wort und ſagte: Jetzt endlich darf ich auch eure Neugier in Bezug auf die verſchloſſenen Wagen voller Thiere, die ich hierher ſchaffen ließ, befriedigen. Dieſelben enthalten fünftauſend Katzen. Jhr lacht; ich verſichere euch aber, daß dieſe Thiere uns nützlicher ſein werden, als hunderttauſend Schwertkämpfer! Viele von euch kennen jenen Aberglauben der Aegypter, dem zu Liebe ſie eher ſterben, als eine Katze tödten. Jch ſelbſt hätte, wegen des Mordes ſolcher Vierfüßler, beinahe mein Leben einge - büßt. Dieſes Aberglaubens gedenkend, habe ich, wohin ich kam, auf Kypros, woſelbſt es prächtige Mäuſefänger gibt, auf Samos, Kreta und in ganz Syrien alle Katzen, deren man habhaft werden konnte, einfangen laſſen und mache euch nun den Vorſchlag, dieſelben an die Soldaten, welche rein-ägyptiſchen Truppen gegenüberſtehen, zu vertheilen und den Leuten zu befehlen, die heiligen Geſchöpfe an ihre Schilder zu binden und den Angreifern entgegenzuhalten. Jch wette, daß jeder rechte Aegypter lieber das Schlachtfeld ver - laſſen, als auf eins der angebeteten Thiere ſchießen wird*)S. I. Theil. Anmerk. 51.!

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Ein ſchallendes Gelächter antwortete dieſem Vor - ſchlage, der bei näherer Erwägung gebilligt und zur ſo - fortigen Ausführung anempfohlen wurde. Kambyſes bot dem erfindungsreichen Hellenen die Hand zum Kuſſe, er - ſetzte ſeine Auslagen mit einem überreichen Geſchenke und drang in ihn, ſich mit einer vornehmen Perſerin zu ver - mählen 100). Dann lud er den Athener zum Abend - ſchmauſe ein; dieſer entſchuldigte ſich aber mit der noth - wendigen Muſterung der ihm kaum bekannten joniſchen Truppen, welche er führen ſollte, und begab ſich zu ſei - nem Zelte.

An der Thür deſſelben fand er ſeine Sklaven im Streite mit einem bärtigen, zerlumpten und beſchmutzten Greiſe, der durchaus mit ihm zu ſprechen begehrte. Phanes hielt den Alten für einen Bettler und warf ihm ein Gold - ſtück hin; Jener bückte ſich aber nicht einmal nach der reichen Gabe, ſondern rief, indem er ihn am Mantel feſthielt: Jch bin Ariſtomachos von Sparta!

Phanes erkannte jetzt den grauſam veränderten Freund, führte denſelben in ſein Zelt, ließ ihm die Füße waſchen und das Haupt ſalben, gab ihm Wein und Fleiſch zur Stärkung, nahm im ſeine Lumpen ab und legte einen neuen Chiton um ſeine abgemagerten, ſehnigen Schultern.

Ariſtomachos ließ ſich dieß Alles ſchweigend gefallen. Erſt, nachdem er durch die kräftige Koſt und den beleben - den Trunk neue Kräfte geſammelt hatte, beantwortete er die Fragen des drängenden Atheners und erzählte dem - ſelben Folgendes:

Als Pſamtik das Söhnlein des Phanes gemordet hatte, war er demſelben mit der Erklärung entgegenge - treten, daß er ſeine Untergebenen veranlaſſen wollte, ſo - fort aus ägyptiſchen Dienſten zu treten, wenn man das149 Töchterlein ſeines Freundes nicht ohne Säumen freilaſſen und eine genügende Auskunft über das Ende des verſchwun - denen Knaben geben würde. Der Thronerbe verſprach, ſich die Sache zu überlegen. Als der Spartaner zwei Tage ſpäter eine nächtliche Nilfahrt nach Memphis unternahm, wurde er von äthiopiſchen Kriegern angegriffen, überwäl - tigt und mit geknebelten Gliedern in den finſtern Raum eines Fahrzeugs geworfen, welches, nach einer Reiſe von vielen Tagen und Nächten, an einem ihm unbekannten Ufer die Anker auswarf. Nun befreite man den Ge - fangenen aus ſeinem Kerker und führte ihn, bei glühen - der Hitze, durch wunderbar geſtaltete dichte Wälder, in denen ſeltſame Thiere hausten. Endlich kam er zu einem Gebirge, an deſſen Fuß zahlreiche Hütten gebaut waren, in denen viele Menſchen wohnten, die, mit Ketten an den Füßen, alle Morgen in den Schacht eines Bergwerks ge - trieben wurden, um dort Goldkörner aus dem harten Ge - fels zu hacken 101). Manche der unglücklichen Gruben - arbeiter verweilten ſchon länger als vierzig Jahre an dieſer Stätte des Elends; die meiſten derſelben verfielen aber durch die ungeheure Anſtrengung, welche man ihnen auferlegte, und die entſetzliche Hitze, die ihnen, ſobald ſie den kühlen Schacht verließen, entgegenſtrahlte, einem früh - zeitigen Tode.

Meine Genoſſen, ſo erzählte Ariſtomachos, waren theils zum Tode verurtheilte und begnadigte Mörder, theils ihrer Zunge beraubte Staatsverräther, theils dem Könige gefährliche und von demſelben gefürchtete Menſchen, wie ich. Drei Monate arbeitete ich mit dieſem Geſindel, von dem Stock der Vögte geſchlagen, verſchmachtend in der Hitze des Mittags, erſtarrend, wenn der kalte Thau der Nächte auf meine nackten Glieder herniederfiel, dem150 Tode erleſen und nur lebend und mich friſtend durch die Hoffnung auf Rache an meinen Verfolgern. Da fügten es die Götter, daß ſich die Wärter bei dem Feſte der Pacht oder Bubaſtis*)I. Theil. Anmerk. 53. II. Theil. Anmerk. 69., wie es Sitte in Aegypten iſt, ſo ſehr in Wein übernahmen, daß ſie in den ſtarren Schlaf der Trunkenheit verfielen und nicht bemerkten, wie ich und ein junger gefangener Jude, der ſich erlaubt hatte, bei einem Handel falſches Gewicht zu gebrauchen und deßhalb ſeiner rechten Hand beraubt worden war, die Flucht ergriffen. Zeus Lakedämonios und der große Gott jenes Jünglings ſtanden uns zur Seite und blendeten die Verfolger, deren Stimmen wir oftmals dicht hinter uns vernahmen.

Mit einem den Wächtern von mir entwendeten Bogen ſchaffte ich uns Nahrung. Wo ſich kein Wild fand, aßen wir Wurzeln und Baumfrüchte. Der Stand der Sonne und der Sterne half uns den rechten Weg zu finden. Da wir wußten, daß die Bergwerke im Süden des äthiopiſchen Landes lagen, galt es, die nördliche Richtung einzuhalten. Oftmals erlahmten meine Kräfte, und ſchon hatte ich mein hölzernes Bein durch einen Baumaſt erſetzen müſſen, als wir zum Meere gelangten und dort mit freundlichen Schiffern zuſammentrafen, die uns ſo lange verpflegten, bis ein arabiſches Boot uns aufnahm, welches mich und den Juden, der die Sprache der Seefahrer kannte, nach Ezeongeber, im Lande der Edomiter, brachte. Dort ver - nahmen wir, daß Kambyſes mit einem großen Heere gegen Aegypten heranziehe, und reisten mit einem amalekitiſchen Reiterzuge, welcher die Perſer mit Waſſer unterſtützen ſollte, nach Harma. Von hier aus wanderte ich mit Nachzüglern des großen aſiatiſchen Heeres, die mich aus151 Mitleiden dann und wann auf ihre Pferde ſetzten, nach Peluſium und höre jetzt, daß Du dem Großkönige als Kriegsoberſter dienſt. Jch habe meinen Schwur gehalten und bin treu für die Hellenen in Aegypten eingetreten; jetzt iſt die Reihe an Dir, dem alten Ariſtomachos zu helfen und ihm das Einzige zu verſchaffen, wonach er ſich ſehnt: Rache an ſeinen Verfolgern!

Die ſollſt Du haben, rief der Athener und drückte die Hand des Greiſes. Jch werde Dich an die Spitze der mileſiſchen Schwerbewaffneten ſtellen und Dir anheim - geben, gegen unſere Feinde zu wüthen, wie es Dir beliebt! Aber damit hab ich meinen Dank noch lange nicht abge - tragen, und ich preiſe die Götter, weil ſie mir jetzt ſchon ge - ſtatten, Dich durch ein einfaches Wort glücklich zu machen! Wiſſe, daß wenige Tage nach Deinem Verſchwinden ein ſpartaniſches Ehrenſchiff, geführt von Deinem treff - lichen Sohne, nach Naukratis kam, um Dich, den Vater zweier olympiſcher Sieger, auf Befehl der Ephoren*)Siehe I. Theil. Anmerk. 82. in die Heimat zurückzurufen.

Bei dieſer Nachricht erbebten die Glieder des Greiſes, ſeine Augen füllten ſich mit Thränen, und ſeine Lippen murmelten ein leiſes Gebet. Dann ſchlug er ſich vor die Stirn, und rief mit zitternder Stimme: Jetzt erfüllt es ſich, jetzt wird es zur Wahrheit! Verzeihe mir, Phöbos Apollon, wenn ich an den Worten Deiner Prieſterin zweifelte! Was verhieß das Orakel?

Wenn einſt die reiſige Schaar von ſchneeigen Bergen herabſteigt,
Zu den Gefilden des Stroms, welcher die Ebne benetzt,
Führt dich der zaudernde Kahn hinab zu jenem Gefilde,
Welches dem irrenden Fuß heimiſchen Frieden gewährt!
Wenn einſt die reiſige Schaar von ſchneeigen Bergen herabſteigt,
Schenkt Dir die richtende Fünf, was ſie Dir lange verſagt.
152

Jetzt erfüllt ſich, was mir der Gott verhieß. Jetzt darf, jetzt will ich heimkehren; erſt aber heb ich die Hand empor und bitte Dike, die ewigwaltende Gerechtigkeit, daß ſie mir die Wonne der Rache nicht verſagen möge!

Morgen graut der Tag der Vergeltung! rief Pha - nes in das Gebet des Alten einſtimmend. Morgen ſchlacht ich meinem Sohne die Todtenopfer und gehe nicht eher zur Ruhe, bis Kambyſes mit den von mir geſchnitzten Pfeilen das Herz von Aegypten getroffen hat! Komm jetzt, mein Freund, und laß Dich zum Könige führen. Ein Mann wie Du ſchlägt einen ganzen Haufen ägypti - ſcher Schleuderer in die Flucht!

Die Nacht war hereingebrochen, und die perſiſchen Soldaten ſtanden, da ihr unbefeſtigtes Lager einen Ueber - fall der Feinde befürchten laſſen mußte, in Reih und Glied auf den ihnen angewieſenen Poſten. Die Jnfante - riſten lehnten ſich an ihre Schilder und Speere, während die Reiter ihre geſattelten und gezäumten Pferde bei den Wachtfeuern hielten. Kambyſes ritt an den Schlachtreihen vorüber und begeiſterte durch ſeinen Gruß und Anblick die Schaaren der Streiter 102). Nur das Centrum des Heeres hatte ſich noch nicht aufgeſtellt, denn dieſes beſtand aus den perſiſchen Leibwachen, den Apfelträgern, Unſterblichen und Verwandten des Königs, welche ſich erſt zugleich mit demſelben den Feinden entgegenzuſtellen pflegten.

Außerdem waren die kleinaſiatiſchen Griechen auf Befehl des Phanes, ſtatt in die Reihen zu treten, zur Ruhe gegangen. Der Athener wünſchte ſeine Streiter friſch zu erhalten und ließ ſie, wenn auch in voller - ſtung, ruhig ſchlafen, während er ſelbſt für dieſelben153 wachte. Ariſtomachos war von den Joniern mit lautem Jubel empfangen, vom Könige freudig begrüßt worden und ſollte mit der einen Hälfte der Hellenen zur Linken des Mitteltreffens kämpfen, während Phanes mit dem andern Theile derſelben auf der rechten Seite der Garden zu ſtehen kam. Der König wollte an der Spitze der zehn - tauſend Unſterblichen, denen das blau-roth-goldene Reichs - banner und die Fahne des Kawe voranwehte 103), die Schlacht leiten, Bartja das perſiſche Gardereiterregiment (tauſend Mann) und die ganz bepanzerte Kavallerie führen.

Kröſus befehligte eine Abtheilung des Heeres, welche das Lager, die in demſelben befindlichen unermeßlichen Schätze, die Weiber der Großen, die Mutter und Schweſter des Königs zu bewachen hatte.

Als ſich der leuchtende Mithra zeigte, und die finſtern Geiſter der Nacht ſich in ihre Höhlen verbargen, wurde das heilige Feuer, welches dem Heere von Babylon aus vorangetragen worden war, zu rieſenhafter Größe ange - facht und von den Magiern und dem Könige mit koſtbaren Wohlgerüchen geſpeist. Dann verrichtete Kambyſes das Opfer und flehte mit hoch erhobener, goldner Schaale um Sieg und Ruhm. Hierauf gab er den Perſern das Lo - ſungswort: Auramazda, Helfer und Führer , und ſtellte ſich an die Spitze ſeiner Garden, deren Tiaren mit Krän - zen geziert waren. Auch die Hellenen verrichteten ihre Opfer und jubelten laut, als die Prieſter verkündeten, daß die Vorzeichen Sieg verſprächen. Hebe lautete ihre Parole 104).

Jndeſſen hatten auch die ägyptiſchen Prieſter mit Opfer und Gebet den Morgen begonnen und ſich dann in Schlachtordnung aufgeſtellt.

Dem Mitteltreffen gegenüber hielt Pſamtik, der nun -154 mehrige König, auf einem goldnen Fuhrwerke mit Bogen - haltern von demſelben Metalle. Seine Roſſe waren mit purpurnen Decken und goldnen Schabracken geſchmückt und trugen Straußenfedern auf den ſtolzen Häuptern. Sein Wagenlenker entſtammte der vornehmſten ägyptiſchen Fa - milie 105) und ſtand, Zügel und Peitſche führend, zur Linken ſeines die Doppelkrone von Ober - und Unter - Aegypten tragenden Gebieters.

Zur Linken des Centrums ſollten die helleniſchen und kariſchen Söldner kämpfen. Die Reiterei ſtand an den äußerſten Enden der beiden Flügel des Heeres, während die ägyptiſchen und äthiopiſchen Fußvölker ſich zur Rechten und Linken der Wagenkämpfer und Hellenen in ſechsfachen Gliedern ordneten.

Pſamtik fuhr ermuthigend und grüßend an den Reihen der Seinen vorüber und hielt endlich vor den Hellenen ſtill, um dieſelben folgendermaßen anzureden: Jch freue mich, ihr Helden, deren Waffenthaten mir von Kypern und Libyen her wohl bekannt ſind, daß ich dießmal euren Ruhm theilen und neue Siegeskränze auf euer Haupt ſetzen darf! Fürchtet nicht, daß ich, wenn wir unſre Feinde bezwingen, eure Freiheiten ſchmälern werde. Verläumder haben euch in’s Ohr geraunt, ſolches Undanks von mir gewärtig zu ſein; ich aber verſichere euch, daß ich euch und eure Nachkommen, wenn wir ſiegen, in jeder Weiſe be - günſtigen und die Stützen meines Thrones nennen will! Bedenket auch, daß ihr heut nicht allein für mich, ſondern für die Freiheit eurer fernen Heimat kämpfen werdet. Jſt es doch leicht zu ermeſſen, daß ſich Kambyſes, wenn er Herr von Aegypten werden ſollte, nicht zufrieden geben, ſondern vielmehr ſeine begehrliche Hand nach dem ſchönen Hellas und den Jnſeln deſſelben ausſtrecken wird. Jch155 brauche euch nur daran zu erinnern, daß dieſelben zwiſchen Aegypten und euren aſiatiſchen Brüdern, welche jetzt ſchon unter dem Perſerjoche als Knechte ſeufzen, gelegen ſind. Euer Zuruf beweist mir, daß ihr mir Recht gebt; ich bitte euch aber, mir noch einen Augenblick Gehör zu ſchenken, denn es iſt meine Pflicht, euch den Mann zu nennen, welcher nicht nur Aegypten, ſondern auch ſeine eigne Heimat für ungeheure Schätze an den Großkönig von Perſien verkauft hat. Phanes heißt jener Mann! Jhr dürft nicht murren, denn ich ſchwöre euch, daß eben dieſer Phanes das Gold des Kambyſes angenommen und dem - ſelben verſprochen hat, ihm nicht nur den Weg nach Aegypten, ſondern auch die Pforte eures heimiſchen Mutter - landes zu öffnen. Dieſer Mann kennt Land und Leute und iſt mit Gold für Alles zu erkaufen. Seht ihr, wie er dort neben dem Könige einhergeht, wie er ſich vor dem - ſelben in den Staub wirft? Jſt das ein Hellene? Scheint mir’s doch, als hätte ich einſt vernommen, die Griechen fielen nur vor ihren Göttern nieder! Aber freilich, wer ſein Vaterland verkauft, der hört auf, ein Bürger deſſelben zu ſein! Jhr ſtimmt mir zu? Jhr gebt mir Recht? Jhr verſchmäht es, den Schandbuben euren Landsmann zu nennen? Wohl denn, ſo will ich die Tochter des Elen - den, welche ich als Geißel znrückbehalten mußte, und die der Habſüchtige mit ſeiner Heimat verkaufte, euch über - antworten. Macht mit dem Kinde eines Schurken, was ihr wollt. Schmückt es mit Roſen, fallt vor ihm nieder; vergeßt aber nicht, daß es jenem Manne angehört, der den Namen Hellene‘ beſchimpfte, der euch, der ſein Va - terland verrieth!

Die alſo Angeredeten brachen in ein wüthendes Ge - ſchrei aus und nahmen das zitternde Mägdlein in Em -156 pfang. Ein roher Soldat hob die Unglückliche auf und hielt dieſelbe ihrem Vater, der ſie deutlich erkennen konnte, weil er von den Söldnern nur durch die Entfernung eines Bogenſchuſſes getrennt war, entgegen. Zu gleicher Zeit rief ein Aegypter, welcher ſich ſpäter durch ſeine laute Stimme berühmt machte 106), dem Erbebenden zu: Gib Acht, Athener, wie man hier zu Lande käufliche Verräther ſtraft! Dann ergriff ein Karer den Miſchkrug, deſſen vom Könige geſpendeter Jnhalt ihn und ſeine Waffenbrüder berauſcht hatte, tauchte ſein Schwert in die Bruſt des Kindes, ließ das unſchuldige Blut deſſelben in das eherne Gefäß rinnen, füllte einen Becher mit dem gräßlichen Tranke und leerte denſelben, als bringe er das Wohl des verſteinert daſtehenden Vaters aus. Wie die Unſinnigen fielen die andern Söldner über den Miſchkrug her und ſchlürften, gleich wilden Thieren, den mit Blut beſudelten Rebenſaft 107).

Jn dieſem Augenblicke ſchoß Pſamtik triumphirend den erſten Pfeil auf die Perſer ab.

Die Söldner warfen die Leiche des Kindes zu Boden, ſtimmten, trunken von dem genoſſenen Blute, den Schlacht - geſang an und eilten ihren ägyptiſchen Streitgenoſſen weit voraus in den Kampf.

Aber auch die Reihen der Perſer ſetzten ſich jetzt in Bewegung, und Phanes ſtürzte ſich, raſend vor Schmerz und Wuth, begleitet von ſeinen über die ſchändliche Bar - barei ihrer Landsleute entrüſteten Schwerbewaffneten, auf dieſelben Männer, deren Liebe er durch zehnjährige treue Führung verdient zu haben glaubte.

Als die Sonne in der Mittagshöhe ſtand, ſchien ſich das Glück der Waffen den Aegyptern zuwenden zu wollen; als das Tagesgeſtirn unterging, waren die Perſer im157 Vortheil; als ſich der volle Mond am Himmel zeigte, verließen die Aegypter in wilder Flucht das Schlachtfeld und kamen entweder in den Wogen des peluſiniſchen Nil - arms, der im Rücken ihres Heeres floß, oder von aſiati - ſchen Schwertern erſchlagen, für die Freiheit ihres Vater - landes kämpfend, um.

Zwanzigtauſend Perſer und fünfzigtauſend Aegypter bedeckten mit ihren Leichen den blutigen Staub des Meer - ſtrands, während die Verwundeten, Ertrunkenen und Ge - fangenen kaum zu zählen waren 108). Pſamtik hatte zu den Letzten der Fliehenden gehört und auf dem Rücken eines edlen Roſſes, leicht verwundet, das rettende jenſeitige Ufer des Nils erreicht, um mit wenigen Tauſenden ſeiner Getreuen nach Memphis, der wohlbefeſtigten Pyramiden - ſtadt, zu enteilen.

Von den helleniſchen Söldnern in ägyptiſchen Dienſten waren wenige übrig geblieben, ſo furchtbar hatte der racheſchnaubende Phanes mit ſeinen Joniern in ihren Reihen gewüthet. Zehntauſend Karer geriethen in perſiſche Gefangenſchaft. Den Mörder ſeines Kindes ſchlug der Athener mit eignen Händen zu Boden.

Auch Ariſtomachos hatte, trotz ſeines hölzernen Beines, Wunder der Tapferkeit verrichtet. Dennoch war es ihm ebenſowenig, als ſeinem Genoſſen in der Rache, gelungen, des Pſamtik habhaft zu werden.

Als die Schlacht entſchieden war, und die Perſer mit lautem Jubel zum Lager zurückkehrten, wurden ſie von Kröſus, den zurückgebliebenen Prieſtern und Soldaten em - pfangen und feierten mit Opfern und Gebeten den ruhm - reichen Sieg.

Am andern Morgen rief der König alle Heerführer zuſammen und vertheilte an dieſelben nach ihren Verdienſten158 Ehrenzeichen, als da ſind: koſtbare Kleider, goldne Ketten, Ringe, Säbel und Sterne von edlem Geſtein 109), während er Gold - und Silbermünzen unter die Soldaten auswer - fen ließ.

Der Hauptangriff der Aegypter hatte ſich gegen das Mitteltreffen der Perſer, an deſſen Spitze der König kämpfte, ſo nachdrücklich gerichtet, daß die Garden ſchon zu weichen anfingen, als Bartja mit ſeinen Reitern recht - zeitig eintraf, die Wankenden mit neuem Muth beſeelte und endlich, wie ein Löwe fechtend, den Ausgang des Tages durch ſeine Tapferkeit und Schnelligkeit entſchied.

Die Perſer jubelten dem Jünglinge entgegen und nannten ihn laut den Sieger von Peluſium und den Beſten der Achämeniden.

Dieſe Rufe kamen dem Könige zu Ohren und erfüllten ihn mit tiefem Groll. Er war ſich bewußt, mit Auf - opferung ſeines Lebens, wahrem Heldenmuthe und der Kraft eines Rieſen gekämpft zu haben, und wäre dennoch ver - loren geweſen, wenn ihn dieſer Knabe nicht gerettet haben würde. Sein Bruder, der ihm das Glück der Liebe ver - kümmert hatte, nahm ihm jetzt die Hälfte ſeines Kriegs - ruhms. Kambyſes fühlte deutlich, daß er Bartja haſſe, und ſeine Fäuſte ballten ſich, als er des jungen, von edlem Selbſtbewußtſein ſtrahlenden Helden anſichtig wurde.

Phanes weilte verwundet in ſeinem Zelte, und neben ihm ruhte der verröchelnde Ariſtomachos.

Das Orakel hat dennoch gelogen, murmelte der Spartaner. Jch ſterbe und ſehe die Heimath niemals wieder!

Es redete die Wahrheit! gab Phanes zurück. Wie lauteten die letzten Worte der Pythia?

Führt Dich der zaudernde Kahn hinab zu jenem Gefilde, Welches dem irrenden Fuß heimiſchen Frieden gewährt!
159

Verkennſt Du den Sinn dieſer Worte? Sie meinen den zaudernden Kahn des Charon, der Dich zur letzten Heimat, dem großen Ruheplatz aller Wandrer, dem Reiche des Hades, befördern ſoll!

Ja, Du haſt Recht, mein Freund, es geht zum Hades!

Und die richtende Fünf, die Ephoren, haben Dir vor dem Tode, was ſie Dir lange verſagt, d. h. die Rück - kehr nach Lakedämon, geſtattet. Auch mußt Du den Göttern, die Dir ſolche Söhne und Rache an Deinen Feinden ſchenkten, dankbar ſein. Jch werde, wenn ich geneſen bin, nach Hellas reiſen und Deinem Sohne mittheilen, ſein Vater ſei, eines ruhmvollen Todes ſterbend, auf ſeinem Schilde vom Schlachtfelde in das Grab getragen worden.

Thue das und übergib ihm meinen Schild, den er als Andenken an ſeinen alten Vater aufbewahren ſoll. Jch habe nicht nöthig, ihn zur Tugend zu ermahnen.

Soll ich Pſamtik, wenn wir denſelben gefangen haben werden, mittheilen, daß Du nicht wenig zu ſeinem Sturze beigetragen haſt?

Nein; er ſah mich, bevor er floh, und ließ vor Schreck über den unerwarteten Anblick den Bogen fallen. Seine Freunde hielten dieß für ein Zeichen zur Flucht und wandten ihre Roſſe.

Die Götter verderben den Frevler durch ſeine eignen Schandthaten. Pſamtik verlor den Muth, als er glauben mußte, daß ſelbſt die Geiſter aus der Unterwelt gegen ihn kämpften.

Er hatte mit den Sterblichen genug zu thun! Die Perſer haben gut gekämpft. Dennoch wäre ohne die Garden und uns die Schlacht verloren geweſen!

Ganz gewiß!

160

Zeus Lakedämonios, ich danke Dir!

Du beteſt?

Jch preiſe die Götter, denn ſie laſſen mich ohne Sorge für unſer Vaterland ſcheiden. Dieſe zuſammen - gewürfelten Maſſen ſind der helleniſchen Heimat nicht ge - fährlich. Heda, Arzt! Wann werde ich ſterben?

Der korinthiſche Heilkünſtler, welcher das perſiſche Heer nach Aegypten begleitet hatte, lächelte ſchmerzlich und ſagte, auf die Pfeilſpitze, welche in der Bruſt des Spar - taners ſteckte, weiſend: Nur noch wenige Stunden darfſt Du das Tageslicht ſchauen. Sobald ich das Geſchoß aus Deiner Wunde entfernen würde, müßteſt Du den Geiſt aufgeben!

Der Spartaner dankte dem Arzte, ſagte Phanes Lebe - wohl, bat denſelben, Rhodopis zu grüßen, und zog, ehe er daran verhindert werden konnte, mit ſichrer Hand den Pfeil aus ſeiner Bruſt. Wenige Augenblicke ſpäter war Ariſtomachos geſtorben.

Selbigen Tages fuhr eine perſiſche Geſandtſchaft auf einem lesbiſchen Fahrzeuge nach Memphis, um den König aufzufordern, ſich und die Stadt auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Kambyſes folgte derſelben, nachdem er eine Abtheilung des Heeres unter Megabyzus zur Einnahme von Sais abgeſendet hatte.

Jn Heliopolis kamen ihm Geſandtſchaften der helle - niſchen Bewohner von Naukratis und der Libyer, welche ihn um Schutz und Frieden baten, mit einem goldnen Kranze und reichen Geſchenken entgegen. Er nahm die - ſelben gnädig auf und verhieß ihnen ſeine Freundſchaft; die Geſandten von Kyrene und Barka wies er aber zornig161 ab und warf den Tribut derſelben, fünfhundert Silber - minen 110), welche ihm verächtlich klein erſchien, mit eignen Händen unter die Soldaten aus.

An demſelben Orte kam ihm auch die Nachricht zu, daß die Memphiten bei der Ankunft ſeiner Geſandtſchaft ſchaarenweis herbeigeſtrömt wären, das Schiff in den Grund gebohrt und die Fahrgäſte deſſelben, ohne Unter - ſchied, wie rohes Fleiſch, in Stücke geriſſen und in die Feſtung geſchleift hätten 111). Kambyſes rief, ſobald er dieß gehört hatte, zornig aus: So ſollen denn, beim Mithra, für jeden dieſer gemordeten Männer zehn Be - wohner von Memphis zu Tode gehen! Zwei Tage ſpäter hielt er mit ſeinem Heere vor den Thoren der Rieſenſtadt. Die Belagerung derſelben dauerte nur kurze Zeit, denn die Beſatzung war viel zu klein für die Größe des Platzes, und die Bürgerſchaft entmuthigt von der furchtbaren peluſiniſchen Niederlage.

König Pſamtik ſelbſt zog dem Könige mit ſeinen vor - nehmſten Hofbeamten entgegen. Der unglückliche Mann erſchien in zerriſſenen Kleidern und hatte alle Zeichen der Trauer angelegt. Kambyſes empfing denſelben mit kaltem Schweigen und befahl, ihn ſammt ſeinem Gefolge feſtzu - nehmen und abzuführen. Die Wittwe des Amaſis, Ladike, welche gleichfalls erſchienen war, wnrde mit Rückſicht be - handelt und auf Verwenden des Phanes, gegen den ſie ſich immer huldreich bewieſen hatte, unter ſichrer Bedeckung in ihre Heimat Kyrene zurückgeſchickt, woſelbſt ſie bis zum Sturze ihres Neffen Arkeſilaos III. und der Flucht ihrer Schweſter Pheretime verblieb. Dann ſiedelte ſie nach Anthylla, der ihr in Aegypten gehörenden Stadt, über 112), lebte dort ſtill und einſam und ſtarb in hohem Alter.

Kambyſes verſchmähte es, den an ihm verübten Be -Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 11162trug an einem Weibe zu rächen, und hatte als Perſer zu viel Ehrfurcht vor einer Mutter, beſonders aber vor der Mutter eines Königs, um der Wittwe des Amaſis ein Leid anzuthun.

Pſamtik verweilte, in fürſtlichen Räumen und fürſt - lich bedient, unter ſtrenger Bewachung im Palaſte der Phara - onen, bis Megabyzus von ſeinem Zuge nach Sais zurückkehrte.

Der alte Feldherr hatte dieſe Reſidenz nach kurzer Belagerung genommen und brachte viele vornehme Aegyp - ter, welche das Volk zum Widerſtande aufgereizt hatten, als Gefangene nach Memphis. Unter denſelben befand ſich auch Neithoteph, der Oberprieſter der Göttin Neith.

Megabyzus beklagte ſich bitter über die Störrigkeit des ägyptiſchen Volkes, welches ſein Loos verſchlimmere, indem es ſich an ſeinen Ueberwindern durch kleinlich feind - ſeliges Weſen zu rächen ſuche. Zu Sais, ſo erzählte der Greis, ſind mehrere kleine Abtheilungen mediſcher Fußſoldaten, welche ſich des Abends im Viertel der Hand - werker harmlos ergingen, meuchlings ermordet worden. Die Verkäufer von Lebensmitteln haben ihre Vorräthe in den Hain der Göttin getragen und dort verbrannt, die Weinhändler den edlen Reben - und Gerſtenſaft in den Nil gegoſſen oder vergiftet, um uns denſelben zu entziehen. Sobald ſich nur einer meiner Leute zeigte, murrten die Männer, während die Frauen ſchreiend und kreiſchend die Flucht ergriffen. Die Feindſeligkeit dieſer Menſchen läßt ſich am beſten daraus erkennen, daß ſelbſt die Weiber unſern Soldaten mit Haß begegnen. Mein ſchönſter Lyder klagte, daß ihn die Männer anſchauten, als wenn ſie ihn erdroſſeln wollten; die Frauen aber, als ob er den Aus - ſatz hätte. Solche Feindſeligkeit artet, wenn ſie nicht von Furcht darniedergehalten wird, gar leicht in Gewaltthaten163 aus. Laß darum die zweitauſend vornehmen Jünglinge von Memphis, die Du, zur Strafe für die Ermordung unſrer Geſandtſchaft, zum Tode beſtimmt haſt, ſofort hin - richten. Auch kann es nicht ſchaden, wenn Du den Sohn des Pſamtik, um den ſich die Empörer einſtmals ſchaaren werden, zu den Verurtheilten geſellſt. Die Töchter des früheren Königs und des Oberprieſters Neithoteph müſſen, wie ich höre, für die Bäder des edlen Phanes Waſſer tragen.

Der Athener lächelte bei dieſen Worten und ſagte: Kambyſes, mein Herr, hat mir auf meine Bitte ſo vor - nehme Dienerinnen zu halten geſtattet.

Dir aber verboten, fügte Kambyſes hinzu, das Leben irgend eines Mitgliedes des geſtürzten Herrſcher - hauſes zu gefährden. Nur ein König darf Könige be - ſtrafen!

Phanes verneigte ſich; Kambyſes aber wandte ſich wiederum an Megabyzus und befahl demſelben, die Hin - richtung der Verurtheilten am folgenden Tage als war - nendes Beiſpiel vollziehen zu laſſen. Ueber das Schickſal des Königsſohnes wollte er ſpäter eine Entſcheidung fällen; derſelbe ſollte aber jedenfalls mit den andern Verurtheilten zum Richtplatze geführt werden. Man muß ſehen, rief er, daß wir der Feindſeligkeit mit Strenge zu begegnen wiſſen!

Als Kröſus ſich erlaubte, um Gnade für den unſchul - digen Knaben zu bitten, lächelte Kambyſes und ſagte: Sei ruhig, alter Freund, das Kind iſt noch am Leben und wird es vielleicht nicht ſchlimmer bei uns haben, als Dein Sohn, der bei Peluſium ſo wacker kämpfte! Uebrigens möcht ich wiſſen, ob Pſamtik ſein Schickſal gefaßt und männ - lich, wie Du vor fünfundzwanzig Jahren, zu tragen verſteht!

164

Das käme auf einen Verſuch an! rief Phanes. Laß den König in den Schloßhof treten und die Gefang - nen und Verurtheilten an ihm vorüberführen, dann wird ſich erweiſen, ob er ein Mann iſt oder ein Feigling.

So ſei es! rief Kambyſes. Jch werde mich ver - bergen und ihn ungeſehen beobachten. Du begleiteſt mich, Phanes, und nennſt mir den Namen und Stand der ein - zelnen Gefangenen!

Am Morgen des nächſten Tages begab ſich der Athe - ner mit dem Könige auf den Altan, welcher den rieſen - großen, mit Bäumen bepflanzten Schloßhof umgab. Dichtes Blumengebüſch verbarg die Lauſcher, welche jede Bewegung der Menſchen unter ihnen erkennen und jedes Wort der - ſelben verſtehen konnten. Pſamtik ſtand, von einigen ſeiner früheren Genoſſen umgeben, an einen Palmenbaum gelehnt und ſchaute finſter zu Boden, während ſeine Tochter mit dem Kinde Neithoteph’s und andern Jungfrauen in Skla - venkleidern, gefüllte Waſſerkannen tragend, in den Hof ſchritt. Sobald die Mädchen den König erblickten, erhoben ſie ein lautes Klagegeſchrei, welches Pſamtik aus ſeinen Träumen weckte. Nachdem er die Jammernden erkannt hatte, beugte er ſein Antlitz zur Erde nieder, richtete ſich aber bald wieder auf und fragte ſeine Tochter, für wen ſie das Waſſer trage? Als er vernommen hatte, daß ſie Phanes Sklavendienſte leiſten müſſe, erbleichte er, nickte mit dem Kopfe und rief den Mädchen zu: Geht und laßt mich allein!

Wenige Minuten ſpäter traten die Gefangenen, mit Stricken am Halſe und Zäumen im Munde, von perſiſchen Wachen geführt, in den Hof 113). Dem Zuge voran ging der kleine Ramſes, welcher ſeinem Vater die Händchen entgegenſtreckte und ihn bat, daß er die fremden, böſen165 Menſchen, die ihn tödten wollten, beſtrafen möge. Die Aegypter weinten bei dieſen Worten vor übergroßem Schmerz; Pſamtik aber beugte ſich abermals thränenlos tief zur Erde nieder und winkte dann dem weinenden Kna - ben mit der Hand ein letztes Lebewohl entgegen.

Kurze Zeit darauf traten die zu Sais Gefangenen durch die Pforte. Unter denſelben befand ſich der greiſe Neithoteph. Der frühere Oberprieſter war in Lumpen gekleidet und ſchlich an einem Stabe mühſam vorwärts. Am Thore des Hofs ſchlug er die Augen auf und erblickte Darius, ſeinen einſtigen Schüler. Alſogleich ging er, ohne ſich um ſeine Umgebung zu kümmern, auf denſelben zu, klagte dem Jünglinge ſeine Noth, bat denſelben, ihm zu helfen, und flehte ihn endlich um ein Almoſen an.

Darius that ſeine Hand auf und veranlaßte dadurch die andern Achämeniden, welche in ſeiner Nähe ſtanden, den Alten ſcherzend anzurufen und ihm kleine Münzen - ſtücke zuzuwerfen, die er mühſam und dankend von der Erde auflas.

Sobald Pſamtik dieß erblickte, weinte er laut, rief den Namen ſeines Freundes klagend aus und ſchlug ſich mit der Hand vor die Stirn.

Kambyſes wunderte ſich, als er dieſes ſah, zertheilte die Blumen, trat an die Brüſtung des Altans und rief dem Unglücklichen zu: Sage mir, Du ſeltſamer Menſch, warum Du beim Anblicke Deiner unglückſeligen Tochter und Deines in den Tod gehenden Sohnes nicht gejammert und geweint, einem Bettler aber, der nicht einmal mit Dir verwandt ſein ſoll, ſo große Theilnahme erwieſen haſt?

Pſamtik ſchaute zu ſeinem Beſieger hinauf und ant - wortete demſelben: Meines Hauſes Unglück, Sohn des Kyros, war für Thränen zu groß; das Ungemach eines166 Freundes aber, der im Greiſenalter vom angeſehenſten, glücklichſten Manne zum elenden Bettler wurde, durfte ich beweinen!

Kambyſes nickte dem Unglücklichen beifällig zu und bemerkte, als er ſich umſchaute, daß nicht allein in ſeinem Auge eine Thräne ſchwamm. Kröſus, Bartja und alle anweſenden Perſer, ja ſogar Phanes, der den beiden - nigen als Dolmetſcher gedient hatte, weinten laut.

Der ſtolze Sieger ſah dieſe Thränen gern und ſagte, ſich dem Athener zuwendend: Jch meine, helleniſcher Freund, daß wir jetzt mit unſrer Rache zufrieden ſein können. Steh auf, Pſamtik, und ſuche Dich, wie dieſer edle Greis (dabei zeigte er auf Kröſus), an Dein neues Schickſal zu gewöhnen. Der Betrug Deines Vaters iſt an Dir und Deinem Hauſe ſtreng genug beſtraft worden. Dieſelbe Krone, welche Amaſis der Tochter des Hophra, meiner unvergeßlichen Gattin, raubte, habe ich von Deinem Haupte geriſſen. Um Nitetis willen begann ich dieſen Krieg; jetzt ſchenke ich Deinem Sohne das Leben, weil ſie ihn liebte. Ungekränkt magſt Du von nun an als Tiſch - genoſſe an unſrem Hofe leben und die Ehren meiner Großen theilen. Hole den Knaben, Gyges! Derſelbe ſoll, wie Du vor Jahren, mit den Söhnen der Achämeniden erzogen werden!

Der Lyder eilte, um dieſen erfreulichen Auftrag aus - zurichten, der Thüre des Altans zu; Phanes aber rief ihn, ehe er dieſelbe erreichen konnte, zurück, ſtellte ſich in ſtolzer Haltung zwiſchen den König und den vor Wonne bebenden Pſamtik und ſprach: Dein Gang, edler Lyder, würde vergebens ſein; Ramſes, der Sohn des Pſamtik, iſt nicht mehr! Deinem Befehle trotzend, mein Herrſcher, hab ich unter dem Vorgeben, eine Vollmacht von Dir zu beſitzen,167 dem Henker auftragen laſſen, den Enkel des Amaſis als erſten von allen Gefangenen hinzurichten. Jener Hörner - ton, den ihr vernommen haben werdet, gab Kunde von dem Tode des letzten am Nil gebornen Thronerben von Aegypten. Jch kenne mein Geſchick, Kambyſes, und bitte nicht um ein Leben, deſſen Ziel erreicht iſt. Auch Deinen vorwurfsvollen Blick, o Kröſus, verſtehe ich. Du beklagſt die gemordeten Kinder; das Leben iſt aber ein ſolches Gewebe von Jammer und Enttäuſchungen, daß ich mit Deinem Warner Solon Denjenigen für den Glücklichſten halte, dem die Götter, wie einſt dem Kleobis und Biton 114), einen frühen Tod beſcheeren. Geſtatte mir, wenn ich Dir jemals werth war, wenn mein Rath Dir je zum Heil gereichte, o Kambyſes, als letzte Gnade, nur noch wenige Worte reden zu dürfen. Du, Pſamtik, weißt, was uns entzweite. Jhr, an deren Achtung mir gelegen iſt, ſollt es jetzt Alle erfahren.

Jch bin von dem Vater dieſes Mannes an ſeiner Stelle zum Befehlshaber der gegen Kypros geſandten Truppen ernannt worden und errang große Erfolge, wo er Demüthigungen erntete; ich wurde ohne meinen Willen zum Mitwiſſer eines, ſeine Anſprüche auf den Thron ge - fährdenden Geheimniſſes; ich verhinderte ihn endlich, eine tugendhafte Jungfrau aus dem Hauſe ihrer Großmutter, einer allen Hellenen ehrwürdigen Greiſin, zu rauben. Das iſt es, was er mir nicht verzeihen konnte, was ihn bewog, mich, als ich die Dienſte ſeines Vaters verlaſſen mußte, zum Kampf auf Tod und Leben herauszufordern. Jetzt iſt der Streit entſchieden. Du haſt meine unſchul - digen Kinder morden und mich ſelbſt, gleich einem ſchäd - lichen Thiere, hetzen laſſen; das iſt Deine ganze Rache! Jch habe Dich Deines Thrones beraubt und Dich und168 Dein Volk zu Knechten gemacht; denn nur mit meiner Hülfe konnte die Eroberung Acgyptens ſo ſchnell gelingen. Jch habe Deine Tochter meine Sklavin genannt, habe Deinen Sohn verbluten laſſen und mit angeſehen, wie dieſelbe Jungfrau, welche Du verfolgteſt, zur glücklichen Gattin eines Helden wurde. Du, Geſtürzter, Sinkender, ſaheſt mich zum Reichſten und Mächtigſten meiner Lands - leute werden; Du, Unglücklicher, mußteſt mich und das war meine ſchönſte Rache vor unbezwinglicher Rührung über Dein entſetzliches Schickſal weinen ſehen! Wer ſo, wie ich, das tiefſte Elend ſeines Feindes nur um einen Athemzug überleben darf, den preiſe ich glücklich, gleich den ſeligen Göttern. Jetzt habe ich nichts mehr zu ſagen!

Phanes ſchwieg, die Hand auf ſeine Wunde preſſend. Kambyſes ſchaute ihn ſtaunend an, trat einen Schritt vorwärts und wollte eben den Gürtel des Atheners be - rühren, eine Handbewegung, welche der Unterzeichnung eines Todesurtheils gleichgekommen wäre 115), als ſeine Blicke auf die Ehrenkette fielen, welche er dem Athener zum Lohn für die Klugheit, mit der er die Unſchuld der Nitetis bewieſen, um den Hals gehängt hatte. Die Erin - nerung an das Weib ſeiner Liebe und den Dank, welchen er dem ſeltnen Manne für zahlloſe Dienſte ſchuldete, be - ſänftigte ſeinen Groll und ließ ſeine zum Zeichen des Todes erhobene Hand ſinken. Während einer Minute ſtand der ſtrenge Herrſcher dem ungehorſamen Freunde zaudernd gegenüber, dann erhob er abermals, einer ſchnellen Eingebung folgend, ſeine Rechte, wies mit derſelben auf den Ausgang des Hofes hin und rief: Der Dank, den ich Dir ſchulde, und die Freundſchaft, der ich Dich werth gehalten, retten Dein Leben, welches Du durch Ungehorſam169 zehnfach verwirkt haſt. Jch ſchulde Dir nichts mehr! Flieh jetzt und meide mein Reich, denn von morgen an gehört Dein Haupt meinem Henker!

Phanes verneigte ſich ſchweigend, küßte das Gewand des Königs und ſtieg gemeſſenen Schrittes in den Hof hinab. Pſamtik ſchaute ihm bebend nach und ſprang an die Brüſtung des Altans, ſank aber, eh er ſeine Lippen zu einem Fluche öffnen konnte, kraftlos zuſammen.

Kambyſes winkte ſeinem Gefolge und befahl dem Jägermeiſter, Vorbereitungen zu einer Löwenjagd in den libyſchen Bergen zu treffen.

Wenige Tage ſpäter bekam er die Nachricht, daß ſich Phanes ohne Aufenthalt nach Naukratis begeben und dort eine ſegelfertige ſybaritiſche Triere beſtiegen habe. Das Schreiben, in welchem ihm der Athener dieſes mittheilte, ſchloß mit den Worten: Auch danke ich Dir dafür, daß Du den von mir gemachten Schuh der Rache ſo willig angezogen haſt. Du hielteſt mich für Dein Werkzeug; Du aber biſt das meine geweſen. Dieß theile ich Dir mit, um Dich vor Selbſtüberhebung zu warnen. Uebrigens werde ich nie vergeſſen, daß ich Deiner Huld mein Leben verdanke. Sei glücklich und lerne das, was Dir vor Allem abgeht: Mäßigung!‘

[170]

Siebentes Kapitel.

Der Nil begann wiederum zu ſteigen. Zwei Mo - nate, in denen ſich Manches zugetragen hatte, waren ſeit der Flucht des Phanes vergangen.

Sappho war an demſelben Tage, an welchem der Athener Aegypten verließ, eines Mägdleins geneſen und hatte ſich unter der Pflege ihrer Großmutter ſoweit erholt, daß ſie an einer Nilfahrt, welche auf Vorſchlag des Kröſus am Feſte der Neith unternommen wurde, theilnehmen konnte. Das junge Ehepaar wohnte nicht mehr zu Mem - phis, denn Bartja hatte, um dem ſeit der Flucht des Phanes unerträglichen Benehmen ſeines Bruders zu ent - gehen, mit Erlaubniß deſſelben das Königsſchloß von Sais bezogen. Auch Rhodopis, in deren Hauſe der Lyder mit ſeinem Sohne, Bartja, Darius und Zopyros keine ſeltnen Gäſte waren, ſchloß ſich den Luſtreiſenden an.

Am Morgen des Neithfeſtes beſtieg man, acht Meilen unterhalb Memphis, eine köſtlich geſchmückte Barke und fuhr, von einem günſtigen Nordwinde und zahlreichen Ruderern getrieben, den Strom hinauf.

Unter dem theils vergoldeten, theils mit bunten171 Farben bemalten, hölzernen Schirmdache*)Siehe I. Theil Anmerk. 99., welches ſich inmitten des Verdeckes erhob, verweilten die Fahrgäſte, geſichert vor den brennenden Strahlen der Sonne.

Kröſus ſaß an der Seite der Greiſin, zu deren Füßen der Mileſier Theopompos ruhte. Sappho lehnte ſich an Bartja; Syloſon, der Bruder des Polykrates, lag neben dem tiefſinnig in den Strom ſchauenden Darius, während Gyges und Zopyros die Blumen, welche ihnen ein ägyp - tiſcher Sklave überreichte, zu Kränzen für die Stirn der beiden Frauen zuſammenflochten.

Man ſollte nicht glauben, ſagte Bartja, daß wir gegen den Strom fahren. Der Nachen fliegt wie eine Schwalbe über das Waſſer!

Das macht der kräftige Nordwind, der unſre Stir - nen kühlt, entgegnete Theopompos. Auch verſtehen die ägyptiſchen Ruderknechte ihr Handwerk ganz vorzüglich.

Und arbeiten doppelt fleißig, fügte Kröſus hinzu, weil es gegen den Strom geht! Nur, wo wir Widerſtand finden, pflegen wir unſre Kräfte einzuſetzen.

Und ſchaffen uns ſelbſt Schwierigkeiten, ſagte Rho - dopis, wenn das Geſchick unſern Lebenskahn auf glatte Fluten ſetzt.

So iſt es! rief Darius; der Edle haßt das be - queme mit dem Stromſchwimmen. Jn thatenloſer Ruhe ſind alle Menſchen gleich; darum bedürfen wir des Kampfes, um zeigen zu können, daß wir beſſer ſind, als die Andern!

Aber die edlen Kämpfer ſollen ſich hüten, daß ſie nicht zu Händelſuchern werden, fügte Rhodopis hinzu. Siehſt Du dort die Waſſermelonen, welche auf dem172 ſchwarzen Lande gleich goldnen Kugeln umhergeſtreut liegen? Würde der Landmann den Samen allzu freigebig verſenkt haben, ſo wäre keine derſelben gereift! Ueppige Ranken und Blätter hätten die Früchte erſtickt und die Ernte ver - eitelt. Kampf und Arbeit iſt der Beruf des Menſchen; aber auch hierin muß er, wie in allen Dingen, Maß zu halten verſtehen, wenn ſein Streben einen gedeihlichen Fortgang haben ſoll. Die rechten Grenzen nirgend zu überſchreiten, iſt die wahre Kunſt des Weiſen. Amaſis wird bis an’s Ende der Tage ein großer Herrſcher ge - nannt werden müſſen, weil er, belehrt von Pythagoras, dieſe Wiſſenſchaft aus dem Grunde verſtand. Aegypten iſt niemals reicher, niemals ſorgloſer geweſen, als unter ſeinem Szepter, der aus einem vom Bürgerkriege zerwühl - ten Staate die am beſten geordnete Monarchie der Welt zu ſchaffen verſtand. Nur Eines gebrach ihm, und dies Eine hat ihn, oder was daſſelbe ſagen will, ſein Haus und ſeine Schöpfungen, vernichtet. Jhm mangelte das, was euch Perſer vor allen anderen Völkern auszeich - net, die ſchönſte der Tugenden, die Wahrhaftigkeit. Durch eine Lüge ſuchte er ſeinen Thron zu ſichern, und dieſelbe Lüge hat ſein Haus geſtürzt und Knechtſchaft über ſein Volk gebracht! Die höchſte Weisheit iſt nutzlos, wenn ſie nicht mit Wahrhaftigkeit verbunden iſt!

Könnte Dich doch der König hören! rief Kröſus. Zwar iſt demſelben der Fehler des Amaſis ſo fremd als mir und Dir; dafür geht ihm aber die Mäßigung, jene von Dir ſo hochgeſchätzte Tugend vollſtändig ab. Statt mit ſeiner großen Eroberung zufrieden zu ſein und auf die Wohlfahrt ſeiner Unterthanen zu ſinnen, ſchweifen ſeine Wünſche in die Ferne. Die ganze Welt möchte er be - zwingen, während er ſich ſelbſt ſeit der Verbannung des173 Phanes faſt alle Tage von dem Diw der Trunkenheit zu Boden werfen läßt.

Hat denn ſeine erhabene Mutter gar keine Macht über ihn? fragte Rhodopis.

Sie konnte ihn nicht einmal von dem Vorſatz, Atoſſa zu heirathen, abbringen, und hat dem Hochzeits - ſchmauſe in eigner Perſon beiwohnen müſſen!

Die arme Atoſſa! murmelte Sappho.

Sie verlebt als Königin von Perſien keine goldnen Tage, ſagte Kröſus, und wird mit ihrem brüderlichen Gatten um ſo ſchwerer leben können, von je heftigerer Ge - müthsart ſie ſelber iſt. Kambyſes ſoll ſie leider ſehr vernachläſſigen und ihr wie einem Kinde begegnen. Uebri - gens erſcheint dieſe Heirat den Aegyptern gar nicht außer - gewöhnlich, denn bei ihnen werden Bruder und Schweſter nicht ſelten Mann und Weib 116).

Und auch in Perſien, fügte Darius, vollkommene Ruhe erheuchelnd, hinzu, hält man Verbindungen mit Blutsverwandten für die beſten Ehen *)Siehe III. Theil. Anmerk. 93..

Um aber auf den König zurückzukommen, ſagte Kröſus, der mit Rückſicht auf den Sohn des Hyſtaspes dieſes Geſpräch gefliſſentlich abbrach, ſo verſichre ich Dich, Rhodopis, daß er durchaus kein ſchlechter Menſch iſt. Seinen in Leidenſchaft und Jähzorn begangenen Fehlern folgt die Reue auf dem Fuße, und niemals hat ihn der Vorſatz, ein guter und gerechter Herrſcher zu ſein, ver - laſſen. Neulich fragte er zum Beiſpiel beim Schmauſe, ehe noch der Wein ſeinen Geiſt getrübt hatte, was die Perſer von ihm, im Vergleich mit ſeinem Vater, hielten.

Und was war die Antwort? fragte Rhodopis.

174

Jntaphernes zog uns geſchickt genug aus der Schlinge, lachte Zopyros, denn er rief dem Könige zu: Wir denken, daß Du den Vorzug verdienſt, weil Du das Gebiet des Kyros nicht nur ohne Schmälerung beſitzeſt, ſondern auch unſer Reich über das Meer hinaus durch die Eroberung von Aegypten vergrößert haſt!‘ Dieſe Antwort behagte jedoch dem Könige nicht, denn er ſchlug mit der Fauſt auf den Tiſch und rief: Schmeichler, elende Schmeichler! Jntaphernes erſchrak nicht wenig über dieſen unerwarte - ten Angriff; der König aber wandte ſich an Kröſus und befragte dieſen um ſeine Meinung.

Mir ſcheint, antwortete unſer kluger Freund, als hätteſt Du den Werth Deines Vaters noch nicht erreicht; fehlt Dir doch, fügte er begütigend hinzu, ein Sohn, wie ihn der hohe Verſtorbene in Dir hinterließ 117).

Schön, ſchön, rief die Greiſin dem Freunde - chelnd zu, indem ſie in die Hände klatſchte, dieſe Worte hätten dem vielgewandten Odyſſeus Ehre gemacht! Aber wie nahm der König dieſe mit ſüßem Honig beſtrichene Pille der Wahrheit auf?

Mit großem Beifall. Er dankte dem Kröſus und nannte ihn ſeinen Freund.

Jch aber, fuhr der Greis, das Wort ergreifend, fort, benutzte die Gelegenheit, um ihn von ſeinem Vor - haben, die lange lebenden Athiopen, Ammonier und Kar - thager zu bekriegen, abzubringen. Von erſterem Volke weiß man nur märchenhafte Dinge und wird, bekriegt man daſſelbe, mit großen Opfern einen kleinen Gewinn erkaufen. Die Oaſe des Ammon iſt wegen der Wüſte, welche dieſelbe von Aegypten trennt, für ein größeres Heer kaum zugänglich, und es ſcheint mir ſündhaft, gegen einen Gott und die Schätze eines ſolchen, möge man auch nicht175 zu ſeinen Anbetern gehören, einen Krieg zu beginnen. Was endlich die Karthager betrifft, ſo hat der Erfolg bereits die Wahrheit meiner Vorausſagung beſtätigt. Die Matroſen unſrer Flotte ſind faſt ohne Ausnahme Syrer und Phö - niker und weigerten ſich natürlich, gegen ihre Brüder zu Felde zu ziehen. Kambyſes verlachte meine Gründe, nannte mich einen Feigling und ſchwur endlich, als ihn der Wein übermannt hatte, daß er auch ohne Phanes und Bartja im Stande ſein würde, ſchwierige Unternehmungen durch - zuführen und große Völker zu unterjochen.

Was bedeutet dieſe Anſpielung auf Dich, mein Sohn? fragte die Greiſin.

Er hat die Schlacht von Peluſium gewonnen, kein Andrer! rief Zopyros, dem Freunde das Wort ab - ſchneidend.

Du aber, ſagte Kröſus, hätteſt ſammt Deinen Freunden vorſichtiger ſein und bedenken ſollen, daß es ge - fährlich iſt, die Eiferſucht eines Mannes, wie Kambyſes, zu erwecken. Jhr vergeßt immer, daß ſein Herz wund iſt und den kleinſten Verdruß gleich einem Schmerz empfindet. Die Schickung hat ihm das Weib ſeiner Liebe und den Freund, der ihm theuer war, entriſſen; jetzt legt ihr es darauf an, ihm auch noch das Letzte, was ihm am Herzen liegt, ſeinen Kriegsruhm, zu ſchmälern.

Tadle ihn nicht, rief Bartja, die Hand des Grei - ſes ergreifend. Mein Bruder iſt niemals ungerecht ge - weſen und weit entfernt, mir mein Glück, denn Ver - dienſt kann ich meinen rechtzeitigen Angriff kaum nennen, zu beneiden. Jhr wißt ja, daß er mir nach der Schlacht dieſen herrlichen Säbel und hundert edle Roſſe, als Be - lohnung für meine Tapferkeit, ſchenkte!

Jn Sappho’s Seele war bei der Rede des Kröſus176 eine leiſe Beſorgniß aufgeſtiegen, die aber nach den zu - verſichtlichen Worten ihres Gatten ſchnell verſchwand und ganz vergeſſen wurde, als Zopyros ſeinen Kranz vollendet hatte und denſelben auf die Stirn der Greiſin drückte.

Gyges bot den ſeinen der jungen Mutter dar, die das Geflecht von ſchneeweißen Waſſerlilien auf ihre vollen braunen Locken drückte und in dieſem ſchlichten Schmucke ſo wunderbar ſchön ausſah, daß ſich Bartja nicht enthalten konnte, trotz der anweſenden Zeugen, einen Kuß auf ihre Stirn zu drücken. Dieſer Zwiſchenfall gab dem ernſten Geſpräch eine heitere Wendung. Jeder bemühte ſich, ſeinen Theil zur Belebung des Frohſinns beizutragen; ja, ſelbſt Darius ließ von ſeinem gewöhnlichen Ernſt, um mit den Freunden, denen jetzt allerlei Speiſen und Getränke auf - getragen wurden, zu lachen und zu ſcherzen.

Als die Sonne hinter dem Moqattam-Gebirge ver - ſchwunden war, ſetzten die Sklaven koſtbar geſchnitzte Stühle, Fußbänke und Tiſchchen auf das offene Verdeck, welches die muntere Geſellſchaft nunmehr betrat. Ein wunderbar ſchöner, alle Erwartungen übertreffender An - blick bot ſich derſelben dar.

Das Feſt der Neith, welches die Aegypter Lampen - brennen nannten und das durch eine große Jllumination aller Häuſer des Landes gefeiert zu werden pflegte, hatte mit dem Aufgange des Mondes begonnen 118). Die Ufer des Rieſenſtromes glichen unabſehbar langen Feuerſtreifen. Jeder Tempel, jedes Haus, jede Hütte war, je nach dem Wohlſtande des Beſitzers, mit Lampen geſchmückt. An den Por - talen der Landhäuſer, ſowie auf den Thürmchen der größeren Gebäude brannten in Pechpfannen helle Feuer und ſchickten dichten Rauch empor, der ſich mit den Fahnen und Wim - peln in der Luft wiegte. Die vom Mondſcheine verſilber -177 ten Palmen - und Sykomoren-Bäume ſpiegelten ſich, ſelt - ſame Geſtalten annehmend, in den vom Abglanze der Flammen gerötheten Wellen, welche das Ufer beſpülten. Aber all das Licht genügte nicht, um auch die Mitte des Rieſenſtromes, in der ſich die Barke der Luſtfahrer hielt, zu erhellen. Es war denſelben, als führen ſie, von zwei leuchtenden Tagen umgeben, in finſterer Nacht dahin. Dann und wann zeigten ſich Barken, die, mit Lampen er - leuchtet, wie feurige Schwäne über das Waſſer flogen und, wenn ſie ſich an den Ufern hielten, das Anſehen hatten, als ob ſie einen glühenden Eiſenguß durchſchnitten.

Schneeweiße Lotosblumen wiegten ſich auf den Wellen und erſchienen den Luſtfahrern wie die Augen des Waſſers. Kein Laut erreichte von den Ufern her das Ohr der Lau - ſchenden. Die Kraft des vom Nordwinde entführten Schalles war zu gering, um die Mitte des Stromes zu erreichen. Nur der Ruderſchlag und der einförmige Ge - ſang der Matroſen unterbrach die tiefe Stille der ihres Dunkels beraubten Nacht.

Lange Zeit ſchauten die Freunde ſchweigend auf das ſeltſame Schauſpiel, welches an ihnen vorüberzugleiten ſchien. Endlich unterbrach Zopyros die Stille, indem er hoch aufathmend ausrief: Wie beneide ich Dich, Bartja! Wenn es mit rechten Dingen zuginge, ſo müßte Jeder von uns in dieſer Stunde ein geliebteſtes Weib an ſeiner Seite haben!

Wer hat Dir verboten, eine Deiner Lieblingsfrauen mitzunehmen? antwortete der glückliche Gatte.

Meine fünf andern Lebensgefährtinnen, ſeufzte der Jüngling. Hätt ich Paryſatis, des Oroetes Töchterlein, meinem jüngſten Liebling, allein mit mir zu kommen ge - ſtattet, ſo würde dieſer reizende Anblick mein letzter ge -Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 12178weſen ſein, denn morgen hätte es ein Paar Augen weniger auf der Welt gegeben!

Bartja lächelte und ſagte, die Hand ſeiner Sappho drückend: Jch glaube beinah, daß ich mich Zeit Lebens mit einem Weibe begnügen werde!

Die junge Mutter erwiederte den Druck der geliebten Hand und ſagte: Jch traue Dir nicht, Freund Zopyros, denn es ſcheint mir, als fürchteteſt Du weniger den Zorn jener Dir gleichgültigen Weſen, als einen Verſtoß gegen die Sitten Deiner Heimat zu begehen. Man hat mir ſchon erzählt, daß man in den Frauengemächern meinen armen Bartja ausſchilt, weil er mich nicht von Eunuchen bewachen läßt, und mir geſtattet, ſeine Freuden zu theilen.

Er verwöhnt Dich auch ſchrecklich, gab Zopyros zurück, und unſre Weiber berufen ſich ſchon, wenn wir ſie ein wenig kurz halten, auf ſeine Güte und Nachſicht. Jn den nächſten Tagen wird an der Pforte des Königs eine Empörung der Frauen losbrechen, und die Achämeniden, welche ſcharfen Schwertern und Pfeilen entkamen, werden ſpitzen Zungen und ſchneidigen Nägeln unterliegen.

O Du unhöflicher Perſer, lachte Syloſon, wir müſſen Dir größere Ehrfurcht vor den Ebenbildern Aphro - dite’s beibringen.

Jhr Hellenen etwa? fragte der Jüngling. Beim Mithra, unſre Frauen haben es eben ſo gut, als die euern. Nur die Aegypterinnen leben unglaublich frei!

So iſt es! ſagte Rhodopis. Die Einwohner dieſes ſeltenen Landes gewähren ſeit Jahrtauſenden meinem ſchwa - chen Geſchlechte daſſelbe Recht, welches ſie für ſich ſelbſt beanſpruchen. Jn mancher Beziehung haben ſie uns ſogar den Vorzug gegeben. Gebietet doch z. B. das ägyptiſche Geſetz nicht den Söhnen, ſondern den Töchtern, die greiſen179 Eltern zu ernähren und zu pflegen. Dieſe Vorſchrift zeigt, wie fein die weiſen Väter eines jetzt gedemüthigten Volkes die Natur des Weibes zu beurtheilen verſtanden, wie richtig ſie erkannt hatten, daß wir euch Männer an um - ſichtiger Sorge, aufmerkſamer Pflege und hingebender Liebe um Vieles übertreffen! Spottet nicht dieſer Thieran - beter, welche ich nicht verſtehe und dennoch ſchon darum tief bewundere, weil mich Pythagoras, der Meiſter alles Wiſſens, verſichert hat, die in den Lehren der Prieſter verborgene Weisheit ſei ſo ungeheuer, als die Pyra - miden.

Und euer großer Lehrer hat Recht! rief Darius. Jhr wißt, daß ich ſeit mehreren Wochen täglich mit Neithoteph, dem Oberprieſter der Neith, den ich aus ſeiner Gefangenſchaft befreien ließ, ſowie mit dem alten Onuphis verkehre, oder beſſer mich von denſelben unterrichten laſſe. Wie viel Neues, nie Geahntes hab ich von den Greiſen erlernt! Wie viel Trauriges vergeß ich, wenn ich ihren Lehren lauſche! Die ganze Geſchichte des Him - mels und der Erde iſt ihnen bewußt. Sie kennen den Namen jedes Königs, den Hergang jedes bedeutſamen Ereigniſſes ſeit viertauſend Jahren; ſie haben Kunde vom Lauf aller Sterne und den Leiſtungen aller Künſtler und Weiſen ihres Volkes ſeit eben ſo langer Zeit, denn alles Dieß ſteht aufgezeichnet in großen Büchern, welche zu Theben*)Siehe III. Theil. Anmerk. 17. in einem Palaſte, den ſie Heilan - ſtalt der Seele nennen, aufbewahrt werden. Jhre Geſetze ſind ein reiner Quell der Weisheit, und die Ein - richtungen ihres Staates den Bedürfniſſen des Landes mit hohem Geiſt angepaßt. Jch wollte, daß wir uns der180 gleichen Ordnung, der gleichen Regelmäßigkeit in unſerer Heimat rühmen könnten! Der Grund ihres Wiſſens beruht in dem Gebrauche der Zahlen, mit deren Hülfe es allein möglich iſt, die Sternenbahnen zu berechnen, das Beſtehende genau zu beſtimmen und zu begrenzen, ja ſo - gar, durch Verlängerung und Verkürzung der Saiten, die Töne zu regeln 119). Die Zahl iſt das einzige Gewiſſe, jeder Willkür, jeder Deutung Spottende. Jedes Volk hat ſeine eigne Anſicht vom Rechten und Unrechten, jedes Geſetz kann durch Verhältniſſe unbrauchbar werden; die - jenigen Erfahrungen aber, deren Grundlagen die Zahlen bilden, bleiben ewig unumſtößlich. Wer kann beſtreiten, daß zweimal zwei vier ausmacht? Die Zahlen beſtimmen feſt und ſicher den Jnhalt alles Seienden, jedes Seiende iſt gleich ſeinem Jnhalte, darum ſind die Zahlen das wahre Sein, das Weſen aller Dinge!

Jn Mithra’s Namen, Darius, höre auf, wenn Du nicht willſt, daß ich ſchwindlig werde! rief Zopyros, den Freund unterbrechend. Wenn man Dich ſo reden hört, ſollte man denken, Du habeſt Dein Leben lang mit dieſen ägyptiſchen Spintiſirern verkehrt und niemals ein Schwert in der Hand gehabt! Was gehen uns die Zahlen an?

Mehr als Du glaubſt, ſagte Rhodopis. Auch Pythagoros hat dieſe Lehren, welche zu den Geheimniſſen der ägyptiſchen Prieſter gehören, demſelben Onuphis zu danken, der Dich, Darius, jetzt in die Myſterien ein - weiht. Beſuche mich bald einmal und laß Dir berichten, wie wunderbar ſchön der große Samier die Geſetze der Zahlen mit denen der Harmonieen in Einklang gebracht hat 120). Aber ſeht nur, ſeht, da zeigen ſich die Pyra - miden!

Die Luſtfahrer erhoben ſich von ihren Sitzen und181 ſchauten ſprachlos auf das gewaltige Schauſpiel, welches ſich ihnen darbot.

Maſſig und ehrfurchtgebietend, den Boden mit ihrer Wucht erdrückend, lagen am linken Ufer des Stromes, verſilbert vom Scheine des Mondes, die uralten Rieſen - gräber gewaltiger Herrſcher, beweiſend die Schöpfer - kraft des Menſchenwillens, mahnend an die Eitelkeit irdiſcher Größe. Wo war jener Chafra, der einen Berg von Steinen mit dem Schweiße ſeiner Unterthanen zu - ſammengekittet hatte, wo jener Chufu, der die Götter verachtete und, trotzend auf ſeine eigne ſtolze Kraft, die Pforten der Tempel verſchloß, um ſich und ſeinen Namen durch ein übermenſchliches Grabmal unſterblich zu machen? Jhre leeren Sarkophage haben uns gelehrt, daß ſie von den Todtenrichtern unwerth der Grabesruhe, unwerth der Auferſtehung erfunden worden ſind, während der Bauherr der dritten, ſchönſten Pyramyde, Menkera, der ſich mit einem kleineren Grabmale begnügte und die Thore der Tempel wieder aufthat, ungeſtört ruhen durfte in ſeinem Sarge von blauem Baſalt, auf deſſen Deckel folgendes Gebet für ſeine in Oſiris, dem großen Urſein, aufgegan - gene Seele zu leſen war:

Jn Oſiris ruhender König Menkera, ewiglebender, dem Himmel entſtammender Sohn der Nutpe, der Du der Mutter der Götter entſtammſt und geliebt wirſt von Seb, dem Gotte. Möge ſich Deine Mutter Nutpe (die Himmels - göttin) über Dich breiten, ſie, in deren Namen ſich der Himmel ausſpannt ..... Dich darſtellend dem Gotte, dem Vernichter Deiner unreinen Feinde: König Menkera, Ewiglebender 121)!

Da lagen die Pyramiden in ſchweigender Nacht, be - glänzt von den Sternen, behütet von dem Wächter der182 Wüſte, der rieſigen Sphinx, überragend die öden Felſen der libyſchen Steinhügel. Zu ihren Füßen ſchlummerten in köſtlich geſchmückten Gräbern die Mumien der Getreuen ihrer Erbauer, und gegenüber dem hohen Denkmale des frommen Menkera erhob ſich ein Tempel, in welchem die Prieſter des Oſiris für die Seelen der zahlloſen in der Todtenſtadt von Memphis beigeſetzten Verſtorbenen Gebete ſprachen. Jm Weſten, dort wo die Sonne hinter den libyſchen Bergen unterging, wo das Fruchtland aufhörte, und die Wüſte begann, hatten die Memphiten ihre Gräber erbaut, nach Weſten ſchauten die Luſtfahrer und ver - har[r]ten, von frommem Schauder und ehrfurchtsvollem Staunen erfüllt, in tiefem Schweigen.

Als der Nordwind den fliegenden Kahn an der Stätte des Todes und jenen ungeheuren Dämmen*)S. I. Theil. Anmerk. 138., welche die Menes-Stadt vor den überſtrömenden Fluten ſicherten, vorbeigetrieben hatte, als die Reſidenz der alten Pharaonen immer näher kam, und ſich endlich Milliarden Lichter, welche zu Ehren der Neith überall und überall angezündet waren, den Nilfahrern zeigten, wich der Bann von ihren Zungen, und laute Worte der Bewunderung ließen ſich hören, als ſie dem Rieſentempel des Ptah**)S. I. Theil. Anmerk. 56., dem älteſten Bau - werke des älteſten Landes, nahten.

Tauſende von Lampen erhellten das Haus des Gottes, hundert Feuer brannten auf den Pylonen, den Zin - nen der Mauern und den Dächern des Heiligthums. Zwi - ſchen den Sphinxreihen, welche die verſchiedenen Thore mit dem Hauptgebäude verbanden, glühten leuchtende Fackeln, und das leere Haus des heiligen Stieres Apis 122)183 ſtrahlte, von bunten Flammen umwallt, wie ein vom tropiſchen Abendroth beglänzter Kreidefelſen. Ueber dieſem leuchtenden Bilde flatterten Wimpel, wallten Fahnen, ſchlangen ſich Blumengewinde, tönte Muſik und lauter Geſang.

Herrlich, herrlich! rief Rhodopis, begeiſtert von dieſem wunderbaren Schauſpiele. Seht nur, wie die buntbemalten Säulen und Wände ſtrahlen, und welche Figuren die Schatten der Obelisken und Sphinxe auf das gelbe, glatte Pflaſter der Höfe zeichnen!

Und wie geheimnißvoll, fügte Kröſus hinzu, dunkelt dort drüben der heilige Hain des Gottes! Niemals ſah ich ein gleiches Schauſpiel!

Jch aber, verſicherte Darius, habe noch Wunder - bareres erſchaut. Jhr werdet mir glauben, wenn ich euch ſage, daß ich Zeuge der ſogenannten Myſterien der Neith geweſen bin!

Erzähle erzähle! riefen die Freunde.

Neithoteph weigerte ſich erſt, mir Einlaß zu den - ſelben zu gewähren; als ich ihm aber verſprach, mich ver - ſteckt zu halten und außerdem die Freiheit ſeines Kindes zu erwirken, führte er mich auf ſeine Sternwarte, die einen weiten Rundblick gewährt, und theilte mir mit, daß ich einer Darſtellung der Schickſale des Oſiris und ſeiner Gattin Jſis beiwohnen werde 123).

Kaum hatte er mich verlaſſen, als ſeltſame bunte Lichter den Hain ſo hell erleuchteten, daß ich bis in den innerſten Schooß deſſelben zu ſehen vermochte.

Vor mir lag ein ſpiegelblanker, von ſchönen Bäumen und bunten Blumenbeeten umgebener See*)I. Theil. Anmerk. 146. Herod. II. 170 u. 171., auf deſſen184 Fläche goldne Boote ſchwammen, in denen liebliche, ſchnee - weiß gekleidete Knaben und Mädchen, ſüße Lieder ſingend, fuhren. Kein Schiffer lenkte die Nachen, und dennoch durchkreuzten dieſelben in zierlichen Wendungen, wie von Zauberhand geleitet, die glatten Wogen. Jn Mitten dieſer Kähne ſchwamm ein herrliches, großes Schiff, deſſen Bord von Edelſteinen erglänzte. Ein ſchöner Knabe ſchien der einzige Leiter deſſelben zu ſein; aber wunderbar, das Steuer, welches er regierte, beſtand nur aus einer weißen Lotosblume, deren zarte Blätter die Fluten kaum be - rührten. Jn der Mitte des Fahrzeugs ruhte auf ſeidnen Kiſſen ein wunderholdes, mit königlicher Pracht gekleidetes Weib. An ihrer Seite ſaß ein übermenſchlich großer Mann, der eine mit Epheu umrankte hohe Krone auf den wallenden Locken, ein Pantherfell über den Schultern und einen gekrümmten Stab in der Rechten führte. Jm Hin - tertheile des Schiffes ſtand, unter einem von Roſen, Epheu und Lotosblumen gebildeten Dach eine ſchneeweiße Kuh 124) mit goldenen Hörnern, über deren Rücken ſich eine pur - purne Decke breitete. Der Mann war Oſiris, das Weib Jſis, der Knabe am Steuer Horus, der Sohn des Götter - paares, die Kuh das heilige Thier der unſterblichen Frau 125). All die kleinen Boote fuhren an dem großen Schiffe vor - über, und Jubellieder erklangen, ſobald ſich die Nachen den Himmliſchen näherten, welche Blumen und Früchte auf die holden Sänger und Sängerinnen warfen. Plötzlich ließ ſich ein Donner vernehmen, deſſen Grollen immer lauter erſchallte und zu herzerſchreckendem Krachen wurde, als ein furchtbar anzuſchauender, mit der Haut eines Ebers bekleideter Mann, deſſen rothes Haar in ſtrup - pigem Gewirr ein ſcheußliches Angeſicht umgab, aus der Nacht des Haines hervortrat und ſich, in den See185 ſpringend, von ſiebzig ihm ähnlichen Männern begleitet, dem Schiffe des Oſiris näherte.

Windesſchnell enteilten die kleinen Nachen, und die Lotosblume entfiel der zitternden Hand des ſteuerführen - den Knaben. Das ſcheußliche Ungethüm ſtürzte ſich, ſchnell wie der Gedanke, auf Oſiris, erſchlug denſelben mit Hülfe ſeiner Genoſſen, warf den Leichnam in einen Mumien - kaſten und dieſen wiederum in den See, welcher den ſchwimmenden Sarg, wie durch Zauber, entführte. Jn - deſſen hatte ſich Jſis in einem der kleinen Boote an’s Land gerettet und lief mit fliegendem Haar, laute Weh - klagen ausſtoßend und von den Jungfrauen, welche, gleich ihr, den Nachen entſtiegen waren, begleitet, am Rande des Waſſers umher. Sie alle ſuchten unter ſeltſam rühren - den Tänzen und Geſängen, bei denen die Mädchen mit ſchwarzen Byſſustüchern wunderbare Bogen ſchlangen, den Leichnam des Verſtorbenen. Auch die Jünglinge blieben nicht müßig und bereiteten unter Tänzen und Klapper - ſchlagen einen koſtbaren Sarg für die verſchwundene Leiche des Gottes. Als derſelbe fertig war, vereinten ſie ſich mit dem weiblichen Gefolge der wehklagenden Jſis und ſchweif - ten mit derſelben, ſuchend und Schmerzenslieder ſingend, am Rande des Waſſers umher.

Da plötzlich erhob ſich eine leiſe Stimme von un - ſichtbarem Munde, welche, immer lauter und lauter wer - dend, ſang:

Eile hin zum fernen Norden,
An des ew’gen Stromes Borden,
Jn der Tamariske Schatten
Findeſt Du den lieben Gatten.
Wo des Niles ſüße Wellen
Sich dem bittern Meer geſellen,
186
Ruht er in dem Schilf, dem ſchwanken,
Rings umkränzt von Lotosranken.
Roſige Flamingoſchaaren
Hüten ihn, den Wunderbaren,
Und der Nachtigallen Klage
Weint auf ſeinem Sarkophage.

Alſo rief jene wunderbare Stimme, welche der Sohn des Neithoteph, der an meiner Seite weilte, den Wind des Gerüchtes‘ nannte.

Kaum hatte Jſis die frohe Kunde vernommen, als ſie ihre Trauerkleider abwarf und, begleitet von den Stim - men ihres liebreizenden Gefolges, ein helles Jubellied an - ſtimmte. Das Gerücht hatte nicht gelogen, denn die Göttin fand in der That am nördlichen Ufer 126) des See’s den Sarkophag und die Leiche ihres Gatten.

Sobald Derſelbe unter Tänzen an’s Land gebracht worden war, warf ſich Jſis über die geliebte Leiche, rief Oſiris beim Namen und bedeckte die Mumie des Todten mit tauſend Küſſen, während die Jünglinge ein wunder - volles Grabgewölbe von Lotosblumen und Epheuranken für denſelben zuſammenflochten.

Nachdem der Sarkophag beigeſetzt war, verließ Jſis die Stätte der Trauer, um ihren Sohn aufzuſuchen. Sie fand denſelben am öſtlichen Ende des See’s, woſelbſt ich ſchon lange einen wunderſchönen Jüngling bemerkt hatte, der ſich mit zahlreichen Altersgenoſſen in Waffenſpielen übte. Dieſer ſtellte den nunmehr herangewachſenen Ho - rus dar.

Während ſich die Mutter mit dem ſchönen Kinde freute, ließ ſich ein neuer Donner vernehmen, der zum zweitenmale das Nahen des Typhon verkündete. Das Ungeheuer ſtürzte ſich auf das blühende Grab ſeines187 Opfers, entriß demſelben den Sarkophag und zerhieb die Mumie in vierzehn Stücke 127), welche er unter Poſau - nen - und Donnerſchall am Rande des Waſſers umherſtreute.

Als ſich Jſis dem Grabmale wiederum näherte, fand ſie nichts als verwelkte Blumen und einen leeren Sarkophag; am Ufer des See’s aber flammten an vier - zehn verſchiedenen Stellen vierzehn Feuer in wunderbaren Farben. Die Beraubte eilte mit ihren Jungfrauen dieſen Lichtern entgegen, während ſich die Jünglinge mit Horus vereint hatten und, von demſelben angeführt, am jenſeitigen Ufer des Waſſers gegen Typhon kämpften.

Jch wußte nicht, wohin ich meine Augen und Ohren zuerſt wenden ſollte. Hier tobte unter Donnerſchlägen und Trompetengeſchmetter eine furchtbare Schlacht, von deren Verlauf ich die Blicke nicht losreißen mochte, dort ſangen liebliche Frauenſtimmen herzbeſtrickende Lieder zu zaubriſchen Tänzen, denn Jſis hatte bei jedem der plötzlich entflammten Lichter, deren ich erwähnte, eins der Glieder ihres Gatten wiedergefunden und feierte jetzt ein Freudenfeſt.

Hätteſt Du doch dieſe Tänze ſehen dürfen, Zopyros! Jch finde keine Worte, um die Anmuth der Bewegungen jener Mädchen zu beſchreiben, und kann euch nicht an - ſchaulich machen, wie ſchön es war, wenn ſie in verworre - nem Getümmel umherſchwärmten, um plötzlich in mackellos gleichmäßigen Reihen einander gegenüber zu ſtehen und neuen Wirrwarr mit neuer Ordnung pfeilgeſchwind zu vertauſchen. Dabei zuckten fortwährend blendende Licht - ſtrahlen aus den wirbelnden Reihen; trug doch jede Tän - zerin einen Spiegel 127 a) zwiſchen den Schultern, deſſen Schwingung Blitze erzeugte, deſſen Stilleſtand das Bild der Jungfrauen verdoppelte.

188

Kaum hatte Jſis das vorletzte Glied 128) des Oſiris gefunden, als auch vom jenſeitigen Ufer des See’s trium - phirende Fanfaren und Lieder erklangen.

Horus hatte Typhon geſchlagen und drang nun, um ſeinen Vater zu befreien, in die offne Pforte der Unter - welt, welche ſich auf der Weſtſeite des See’s, bewacht von einem grimmigen weiblichen Nilpferde 129), aufthat.

Jetzt ertönten, näher und näher kommend, liebliche Harfen - und Flötentöne, himmliſcher Wohlgeruch ſtieg auf, ein roſiges Licht verbreitete ſich, heller und heller werdend, über den Hain und, an der Hand ſeines ſiegreichen Sohnes, trat Oſiris aus der offenen Pforte der Unterwelt. Jſis eilte in die Arme des erlösten, von den Todten erſtande - nen Gatten, gab dem ſchönen Horus von Neuem, ſtatt des Schwertes, eine Lotosblume in die Hand und ſtreute Blüten und Früchte aus, während ſich Oſiris unter einen mit Epheu umrankten Baldachin ſetzte und die Huldigung aller Geiſter der Erde und des Amenthes*)Unterwelt. empfing.

Darius ſchwieg. Rhodopis ergriff nach ihm das Wort und ſagte:

Wir danken Dir für Deine anmuthige Erzählung; würden aber doppelt erkenntlich ſein, wenn Du uns den Sinn dieſes ſeltſamen Schauſpiels, welches nicht ohne höhere Bedeutung ſein kann, mittheilen wollteſt.

Deine Ahnung betrügt Dich nicht, antwortete Darius; ich muß aber das, was ich weiß, verſchweigen, denn ich habe Neithoteph eidlich verſprechen müſſen, nicht aus der Schule zu plaudern 130).

Soll ich Dir ſagen, fragte Rhodopis, welchen Sinn ich nach allerlei Andeutungen des Pythagoras und189 Onuphis jenem Schauſpiele unterlege? Jſis ſcheint mir die gütige Erde zu ſein, Oſiris die Feuchtigkeit oder der Nil, welche dieſelbe fruchtbar machen, Horus der junge Lenz, Typhon die Alles verſengende Dürre. Letztere ver - nichtet den Oſiris oder die Feuchtigkeit. Die gütige Erde, der Zeugungskraft beraubt, ſucht wehklagend den geliebten Gatten, den ſie im kühleren Norden, wohin der Nil ſich ergießt, wiederfindet. Endlich iſt Horus, die junge Trieb - kraft der Natur, erwachſen und beſiegt Typhon oder die Dürre. Oſiris war, wie die Fruchtbarkeit, nur ſcheintodt, entſteigt der Unterwelt und beherrſcht mit ſeiner Gat - tin, der gabenreichen Erde, von Neuem das geſegnete Nilthal.

Und weil ſich der erſchlagene Gott in der Unter - welt löblich aufführte, lachte Zopyros, ſo empfing er am Ende dieſer wunderlichen Geſchichte die Huldigung aller Bewohner des Hameſtegan Duzakh und Gorothman 131), oder wie ich dieſe Wohnungen des ganzen ägyptiſchen Seelenheeres nennen ſoll!

Sie heißt Amenthes! ſagte Darius, auf den heite - ren Ton des Zopyros eingehend.

Danke ſchön, antwortete Dieſer; ich will mir’s für den Fall, daß ich in Aegypten ſterben ſollte, merken. Nächſtesmal muß ich übrigens dieſem Schauſpiele um jeden Preis beiwohnen.

Jch theile Deinen Wunſch, ſagte Rhodopis, denn das Alter macht neugierig!

Du bleibſt ewig jung! unterbrach Darius die Greiſin. Deine Rede iſt ſo ſchön geblieben, wie Dein Angeſicht, und Dein Geiſt ſo hell, wie Deine Augen!

Verzeih mir, rief Rhodopis, als habe ſie dieſe Schmeichelworte überhört, wenn ich Dich unterbreche; bei190 Augen‘ fällt mir aber der Augenarzt Nebenchari ein, und mein Gedächtniß iſt ſo ſchwach geworden, daß ich Dich, ehe ich es vergeſſe, nach demſelben fragen muß. Jch höre nichts mehr von dem Künſtler, dem doch die edle Kaſſandane ſo viel verdankt!

Der arme Mann! rief Darius. Schon auf dem Zuge nach Peluſium mied er allen Umgang und ver - ſchmähte es ſogar, mit ſeinem Landsmanne Onuphis zu reden. Nur ſein alter, hagerer Diener durfte ihn bedienen und mit ihm verkehren. Nach der Schlacht veränderte ſich aber ſein ganzes Weſen. Strahlenden Antlitzes trat er vor den König, um denſelben zu erſuchen, Megabyzus nach Sais begleiten und ſich zwei Bürger dieſer Stadt als Sklaven auswählen zu dürfen. Kambyſes glaubte dem Wohlthäter ſeiner Mutter keine Bitte abſchlagen zu kön - nen und gab ihm die betreffende Vollmacht. Jn der Reſi - denz des Amaſis angekommen, eilte er ſofort in den Neith - Tempel, ließ den Oberprieſter, ſowie einen Augenarzt Namens Petammon verhaften und erklärte denſelben, ſie würden von nun an, zur Strafe für die Verbrennung ge - wiſſer Schriften, zeitlebens einem Perſer, an den er ſie verkaufen wolle, in der Fremde die niedrigſten Sklaven - dienſte leiſten müſſen. Jch war Zeuge dieſes Auftritts und verſichere euch, daß ich vor dem Aegypter erbebte, als er ſeinen Feinden dieſe Erklärung machte. Neithoteph hörte ihn jedoch ruhig an und ſagte, als Nebenchari ſchwieg: Wenn Du, thörichter Sohn, um Deiner ver - brannten Schriften willen, Dein Vaterland verrathen haſt, ſo handelteſt Du eben ſo ungerecht, als unweiſe. Jch bewahrte Deine koſtbaren Werke ſorgſam auf, legte ſie in unſerem Tempel nieder und ſchickte eine vollſtändige Abſchrift in die Bücherſammlung nach The -191 ben*)S. I. Theil. Anmerk. 17.. Wir ließen nichts verbrennen, als die von Amaſis an Deinen Vater gerichteten Briefe und eine alte, werthloſe Kiſte. Pſamtik und Petammon ſahen dem Feuer zu und beſchloſſen bei demſelben, Dir, zum Dank für Deine Schriften, und zum Erſatz für jene Papiere, welche wir, um Aegypten zu retten, leider vernichten mußten, in der Todtenſtadt ein neues Erb - begräbniß bauen zu laſſen. An den Wänden deſſelben kannſt Du in zierlicher Malerei die Zahl und den Jnhalt Deiner Werke, Deinen Stammbaum und viele andere auf Dich bezügliche ſchöne Bilder finden 132).

Der Arzt erbleichte und ließ ſich zuerſt ſeine Bücher, dann ſeine neue, herrlich ausgeſtattete Grabkammer zeigen. Hierauf ſchenkte er ſeinen Sklaven, welche trotzdem als Gefangene nach Memphis geführt wurden, die Freiheit und ging, wie ein Trunkener taumelnd und fortwährend mit der Hand über die Stirn fahrend, nach Hauſe.

Hier ſetzte er ein Teſtament auf, in dem er den Enkel des alten Dieners Hib zum Erben all ſeiner Güter ein - ſetzte, und legte ſich, Unwohlſein vorſchützend, auf ſein Lager. Am andern Morgen fand man ihn als Leiche wieder. Er hatte ſich mit dem furchtbaren Strychnos-Safte**)S. II. Theil. Anmerk. 12. vergiftet!

Der Unglückliche! rief Kröſus. Von den Göttern verblendet, mußte er, als Verräther ſeines Vaterlandes, ſtatt der Rache, Verzweiflung ernten!

Jch beklage den Armen! murmelte Rhodopis. Aber ſeht nur, die Ruderknechte ziehen ſchon die Riemen ein! Wir ſind am Ziele; dort drüben warten eure Sänften und Wagen. Das war eine ſchöne Fahrt! Lebt wohl,192 ihr Lieben, und laßt euch bald in Naukratis ſehen! Jch fahre ſogleich mit Syloſon und Theopompos dorthin zu - rück. Gib der kleinen Parmys in meinem Namen hundert Küſſe und ſage Melitta, ſie ſolle mit dem Kinde während der Mittagszeit niemals in’s Freie treten. Das iſt ge - fährlich, wegen der Augenkrankheit*)S. II. Theil. Anmerk. 71.. Gute Nacht, Kröſus, gute Nacht, ihr Freunde, leb wohl, mein lieber Sohn!

Die Perſer verließen, winkend und grüßend, das Schiff. Auch Bartja wandte ſich noch einmal um, trat fehl und fiel auf der Landungsbrücke nieder.

Zopyros eilte herbei und rief dem Freunde, welcher ſchon ohne ſeine Hülfe aufgeſprungen war, lachend zu: Nimm Dich in Acht, Bartja! Es bedeutet Unglück, wenn man, an’s Land tretend, hinfällt. Mir ging es gerade ſo, als wir damals zu Naukratis vom Schiffe ſtiegen!

[193]

Achtes Kapitel.

Während der oben beſchriebenen Nilfahrt war der Botſchafter Prexaspes von den langlebenden Aethiopen, zu denen ihn Kambyſes geſchickt hatte, zurückgekehrt 133). Er pries die Größe und Stärke dieſer Menſchen, ſchilderte den Weg zu ihnen als unzugänglich für ein großes Heer, und wußte Wunderdinge zu erzählen. Die Aethiopen pflegten den ſchönſten und ſtärkſten Mann ihres Volkes zum Könige zu machen und gehorchten demſelben unbedingt. Viele von ihnen wurden 120 Jahr alt; nicht wenige aber lebten noch länger. Jhre Speiſe war gekochtes Fleiſch, ihr Getränk friſche Milch. Sie wuſchen ſich in einer Quelle, deren Waſſer wie Veilchen duftete, der Haut eigenthümlichen Glanz verlieh und ſo leicht war, daß Holz in derſelben unterging. Jhre Gefangenen trugen goldne Feſſeln, da das Erz bei ihnen außerordentlich ſelten und theuer war. Jhre Todten überzogen ſie mit Gyps, be - goſſen denſelben mit einer glasartigen Maſſe und behielten die alſo entſtehenden Säulen ein Jahr im Hauſe. Hier brachten ſie den Verſtorbenen Opfer und ſtellten ſie ſpäter um die Stadt her in langen Reihen auf.

Der König dieſes ſeltſamen Volkes nahm die Geſchenke,Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 13194welche ihm Kambyſes überſandt hatte, ſpottend an und ſagte, er wiſſe recht wohl, daß den Perſern Nichts an ſeiner Freundſchaft gelegen und Prexaspes nur gekommen ſei, um Aethiopien auszukundſchaften. Wenn der Fürſt von Aſien rechtſchaffen wäre, ſo würde er ſich mit ſeinem großen Reiche begnügen und ein Volk, das ihm keine Beleidigung zugefügt habe, nicht unterjochen wollen. Bringe Deinem Könige dieſen Bogen, ſagte er, und rathe dem - ſelben, er möge dann erſt gegen uns zu Felde ziehen, wenn die Perſer Waffen, wie dieſe, ebenſo leicht als wir zu ſpannen vermögen. Uebrigens ſoll Kambyſes den Göttern danken, daß die Aethiopen noch nicht auf den Einfall ge - kommen ſind, zu ihrem eignen auch noch fremde Gebiete zu erobern!

Nach dieſen Worten ſpannte er ſeinen Bogen ab und gab ihn Prexaspes, der das mächtige Geſchoß von Eben - holz ſeinem Gebieter überbrachte.

Kambyſes lachte über den prahleriſchen Afrikaner, lud ſeine Großen zur Probe des Bogens auf den nächſten Morgen ein und belohnte Prexaspes für ſeine beſchwer - liche Reiſe und die geſchickte Ausrichtung der ihm anver - trauten Botſchaft. Trunken, wie gewöhnlich, legte er ſich nieder und verfiel in einen unruhigen Schlaf. Als er aufwachte, hatte ihm geträumt, Bartja ſitze auf dem per - ſiſchen Königsthron und berühre mit ſeinem Scheitel den Himmel 134).

Dieſen Traum, zu deſſen Deutung er weder Mobeds noch Chaldäer bedurfte, erregte erſt ſeinen Zorn, dann ſein Nachdenken.

Haſt Du nicht, ſo fragte ſich der ſchlafloſe Mann, Deinem Bruder Grund zur Rache gegeben? Sollte er ver - geſſen haben, daß Du ihn ſchuldlos in den Kerker warfeſt195 und zum Tode verurtheilteſt? Würden ihm nicht alle Achämeniden, wenn er die Hand gegen Dich erheben wollte, zur Seite ſtehen? Was habe ich auch gethan, um mir die Liebe dieſer feilen Höflinge zu erwerben? Was will ich in Zukunft thun, um ſie für mich zu gewinnen? Gibt es denn ſeit dem Tode der Nitetis und der Flucht jenes wunderbaren Hellenen noch einen einzigen Menſchen, dem ich trauen, auf deſſen Zuneigung ich zählen darf?

Dieſe Fragen erregten ſein ſiedendes Blut ſo ſehr, daß er von ſeinem Lager ſprang und ausrief: Die Liebe will nichts von mir, ich nichts von der Liebe wiſſen! Andre mögen es mit Güte verſuchen; ich muß Strenge üben, ſonſt verfalle ich den Händen Derer, die mich haſſen, weil ich gerecht geweſen bin und ſchweres Unrecht mit ſchweren Strafen heimgeſucht habe. Jn meine Ohren flüſtern ſie Schmeichelworte, hinter meinem Rücken ver - fluchen ſie mich! Selbſt die Götter ſind meine Feinde, denn ſie rauben mir Alles, was ich liebe, und gönnen mir nicht einmal Nachkommen und den mir gebührenden Waffen - ruhm! Jſt denn Bartja ſoviel beſſer als ich, daß ihm Alles, was ich entbehren muß, hundertfach zu Theil wird? Liebe, Freundſchaft, Ehre, Kinder, Alles fließt ihm zu, wie dem Meer die Ströme, während mein Herz wie die Wüſte verdorrt! Aber noch bin ich König, noch kann und will ich ihm zeigen, wer der Stärkere iſt von uns Beiden; mag auch ſein Scheitel an den Himmel ſtoßen! Nur Einer darf groß ſein in Perſien! Er oder ich, ich oder er! Jn den nächſten Tagen will ich ihn nach Aſien zurückſchicken und zum Satrapen von Baktrien machen. Dort mag er ſich von ſeinem Weibe Lieder ſingen laſſen und den Wärter ſeines Kindes ſpielen, während ich im Kampfe gegen die Aethiopen ungeſchmälerten Ruhm gewinne! 196Heda, ihr Ankleider! Bringt meine Gewänder und einen tüchtigen Morgentrunk! Jch will den Perſern zeigen, daß ich zum Könige von Aethiopien tauge und ſie alleſammt im Bogenſpannen bemeiſtere! Noch einen Trunk! Jch ſpanne das Geſchoß, auch wenn die Sehne deſſelben ein Schiffstau und das Bogenholz eine Cypreſſe wäre!

Nach dieſen Worten leerte er einen rieſigen Humpen voll Wein auf einen Zug und begab ſich, im vollen Be - wußtſein ſeiner rieſigen Kraft, des Erfolges gewiß, in den Schloßgarten, woſelbſt alle Großen des Reichs auf den König warteten und ihn mit lautem Zuruf, den Boden mit der Stirn berührend, empfingen.

Zwiſchen den geſchorenen Hecken und geradlinigen Baumgängen*)Siehe I. Theil Anmerk. 7. erhoben ſich ſchnellerrichtete Säulen, welche mit ſcharlachnen Stricken verbunden waren. An goldnen und ſilbernen Ringen flatterten von dieſen herab rothe, gelbe und dunkelblaue Tücher 135). Zahlreiche Bänke von edlen Metallen ſtanden in weitem Kreiſe umher und luden zur Ruhe ein, während behende Schenken Wein in goldnen Gefäſſen herbeibrachten und den zum Bogenſpannen Ver - ſammelten anboten.

Auf einen Wink des Königs erhoben ſich die Achä - meniden von der Erde.

Sein Blick überflog ihre Reihen und blitzte freudig auf, als er die Abweſenheit ſeines Bruders bemerkte. Nun überreichte Prexaspes ſeinem Gebieter den äthiopiſchen Bogen und zeigte ihm eine in ziemlicher Entfernung auf - geſtellte Schießſcheibe. Kambyſes lachte über die Größe derſelben, wog das Geſchoß mit der Rechten, forderte ſeine Getreuen auf, ihr Glück vor ihm zu verſuchen, und über -197 gab den Bogen zuerſt dem greiſen Hyſtaspes, als dem Vornehmſten der Achämeniden*)II. Theil Anmerk. 1..

Während erſt dieſer, dann die Häupter der andern ſechs vornehmſten Geſchlechter in Perſien ſich vergeblich abmühten, die ungeheure Waffe zu ſpannen, leerte der König Becher auf Becher und wurde um ſo fröhlicher, je weniger es einem derſelben gelingen wollte, die Aufgabe des Aethiopen zu löſen. Endlich ergriff Darius, deſſen Kunſt im Bogenſpannen berühmt war, das Geſchoß und verſuchte ſeine Kraft. Aber trotz aller Anſtrengung gelang es ihm nur, das eiſenfeſte Holz einen Finger breit zu biegen. Der König nickte ihm dieſes Erfolges wegen freundlich zu und rief, mit ſiegesgewiſſem Blick ſeine Ver - wandten und Großen muſternd: Gib den Bogen her, Darius! Jch will euch zeigen, daß nur Einer in Perſien lebt, der den Namen König‘ verdient, daß nur Einer es wagen darf, gegen die Aethiopen zu Felde zu ziehen, daß nur Einer dieſen Bogen zu ſpannen vermag!

Nun ergriff er das Geſchoß mit gewaltiger Hand, umklammerte den Bogen von Ebenholz mit der Linken und die fingerdicke Sehne von Löwendärmen mit der Rechten, holte aus tiefſter Bruſt Athem, krümmte den gewaltigen Rücken und zog und zog und raffte all ſeine Kraft zu ungeheurer Anſtrengung zuſammen und ſpannte ſeine Seh - nen an, bis ſie zu reißen und die Adern auf ſeiner Stirn zu ſpringen drohten, und verſchmähte es nicht, ſelbſt mit den Füßen zu arbeiten, um mit ihrer Hülfe das Unge - heure zu bewerkſtelligen; aber Alles war vergebens, denn nach einer Viertelſtunde voll übermenſchlicher Anſtrengung ließen ſeine Kräfte nach, ſchnellte das Ebenholz, welches198 er ſchon weiter als Darius gebogen hatte, zurück, und ſpottete all ſeiner ferneren Verſuche. Endlich, als er ſich völlig erſchöpft fühlte, warf er den Bogen wüthend zur Erde nieder und rief: Der Aethiope iſt ein Lügner! Kein Sterblicher hat dieſe Waffe je geſpannt! Was meine Arme nicht vermögen, das vermag kein andrer Arm! Jn drei Tagen brechen wir nach Aethiopien auf. Dort will ich den Betrüger zum Zweikampfe herausfordern und euch zeigen, wer der Stärkere iſt von uns Beiden. Hebe den Bogen auf, Prexaspes, und bewahre ihn wohl, denn ich gedenke den ſchwarzen Lügner mit jener Sehne dort zu erdroſſeln. Dieß Holz iſt wahrlich feſter als Eiſen! Wer es zu ſpannen vermöchte, den wollt ich gern meinen Meiſter nennen, denn der wäre in der That von beſſerer Art, als ich!

Kaum hatte er dieſe Worte ausgeſprochen, als Bartja in den Kreis der verſammelten Perſer trat. Reiche Ge - wänder umwallten ſeine herrliche Geſtalt, und ſeine Züge ſtrahlten vor Glück und ſelbſtbewußter Kraft. Freundlich winkend, durchſchritt er die Reihen der Achämeniden, die den ſchönen Jüngling mit froher Bewunderung grüßten, ſchritt geraden Wegs auf ſeinen Bruder zu, küßte das Gewand deſſelben und rief, indem er ihm frei und heiter in die finſtern Augen ſchaute: Jch habe mich ein wenig verſpätet und bedarf Deiner Entſchuldigung, mein hoher Herr und Bruder. Oder ſollt ich doch zu rechter Zeit gekommen ſein? Ja, wahrlich, ich ſehe noch keinen Pfeil in der Scheibe und ſchließe daraus, daß Du, der beſte Schütze der Welt, Deine Kraft noch nicht verſuchteſt! Du ſiehſt mich fragend an? Nun, ich will nur geſtehen, daß mich unſer Kind ein wenig aufgehalten hat. Das Püpp - chen lachte heut zum erſten Male und war ſo lieb mit199 ſeiner Mutter, daß ich darüber Zeit und Stunde vergaß. Spottet nur über meine Narrheit, kann ich mich doch ſelbſt kaum freiſprechen! Sieh nur, das kleine Ding hat mir wahrhaftig den Stern von der Halskette geriſſen! Nun, ich denke, lieber Bruder, daß Du mir einen neuen ver - ehren wirſt, wenn mein Pfeil den Mittelpunkt des Zieles durchbohrt. Darf ich gleich mit dem Schießen beginnen, oder willſt Du, mein König, den Anfang machen?

Gib ihm den Bogen, Prexaspes! erwiederte Kam - byſes, den Jüngling keines Blickes würdigend.

Als derſelbe das Geſchoß in Empfang genommen hatte und im Begriff war, Bogen und Sehne ſorglich zu prüfen, lachte der König ſpöttiſch auf und rief: Jch glaube, bei’m Mithra, daß Du dieß Geſchoß, wie die Herzen der Menſchen, mit ſüßen Blicken Dir gefällig zu machen verſuchſt! Gib nur Prexaspes den Bogen zurück! Es ſpielt ſich leichter mit ſchönen Weibern und lachenden Kindern, als mit dieſer Waffe, welche der Kraft ächter Männer ſpottet!

Bartja erröthete bei dieſen, im bitterſten Ton ge - ſprochenen Worten, vor Zorn und Entrüſtung, nahm den rieſigen Pfeil, der vor ihm am Boden lag, ſchweigend in die Rechte, ſtellte ſich der Scheibe gegenüber, raffte all ſeine Kräfte zuſammen, zog mit beinahe übermenſchlicher Anſtrengung die Sehne an, ſpannte den Bogen und ent - ſandte den gefiederten Pfeil, deſſen eiſerne Spitze tief in die Mitte der Scheibe drang, während der hölzerne Schaft deſſelben krachend zerſplitterte 136).

Die meiſten Achämeniden brachen bei dieſem wunder - baren Kraftſtück in lauten Jubel aus, während die nächſten Freunde des Siegers erbleichten und ſchweigend, bald den vor Wuth zitternden König, bald den vor200 Stolz und Selbſtbewußtſein ſtrahlenden Bartja an - ſchauten.

Kambyſes bot einen wilden, Entſetzen erregenden An - blick dar. Es war ihm, als habe der in die Scheibe dringende Pfeil ſein eignes Herz, ſeine Würde, ſeine Kraft, ſeine Ehre durchbohrt. Funken ſprühten vor ſeinen Augen, während ſeine Wangen tief erbleichten, und ſich ſeine Rechte krampfhaft um den Arm des neben ihm ſtehenden Pre - xaspes klammerte. Dieſer wußte den Druck der königlichen Hand wohl zu deuten und murmelte: Armer Bartja!

Endlich gelang es dem Könige, die nöthige Faſſung wieder zu gewinnen. Schweigend warf er ſeinem Bruder eine goldne Kette zu, befahl ſeinen Großen, ihm zu folgen, und verließ den Garten, um in ſeinen Gemächern ruhelos auf und ab zu wandern und ſeinen Groll im Wein zu ertränken. Plötzlich ſchien er einen Entſchluß gefaßt zu haben, befahl allen Höflingen, außer Prexaspes, die Halle zu verlaſſen, und rief demſelben, als ſie allein waren, mit trunkenen Blicken und heiſerer Stimme zu: Dieß Leben iſt nicht länger zu ertragen! Schaffe meinen Feind aus der Welt, und ich will Dich meinen Freund und Wohlthäter nennen!

Prexaspes erbebte, warf ſich vor dem Herrſcher nieder und hob ſeine Hände flehend zu demſelben empor; Kam - byſes aber war zu berauſcht und von ſeinem Haß zu ſehr verblendet, um dieſe Bewegung des Höflings zu verſtehen. Er glaubte, daß der Botſchafter durch jenen Fußfall ſeine Ergebenheit bezeugen wolle, winkte ihm, ſich vom Boden zu erheben und flüſterte, als wenn er ſich ſeine eignen Worte zu vernehmen fürchtete: Handle ſchnell und ge - heimnißvoll! Niemand außer Dir und mir darf, ſo lieb Dir Dein Leben iſt, von dem Tode des Glückspilzes wiſſen. 201Geh hin und nimm Dir, nach vollbrachter Arbeit, ſoviel Du willſt, aus der Schatzkammer! Sei auch vorſichtig, denn der Knabe hat einen ſtarken Arm und verſteht die Kunſt, ſich Freunde zu gewinnen. Bedenke, wenn er Dich mit glatten Worten verſuchen wird, daß Dein Weib und Deine Kinder in meiner Gewalt ſind!

Bei dieſen Worten leerte er einen neuen Becher voll ungemiſchten Weins, taumelte unſicheren Schrittes durch das Thor des Gemaches und rief mit lallender Stimme: Wehe Dir und den Deinen, wenn der Bube ent - kommt!

Als er längſt den Saal verlaſſen hatte, ſtand Pre - xaspes noch immer regungslos auf dem alten Platze. Der ehrgeizige, aber nicht unedle Deſpotendiener war nieder - geſchmettert von der Furchtbarkeit der ihm zuertheilten Aufgabe. Er wußte, daß ihm und den Seinen, wenn er ſich dieſelbe zu vollziehen weigern würde, Tod oder Un - gnade drohe; doch, er liebte Bartja, und ſein ganzes Weſen empörte ſich bei dem bloßen Gedanken, zum gemei - nen Mörder werden zu ſollen. Ein furchtbarer Kampf entſpann ſich in ſeinem Jnnern, der in ihm forttobte, als er den Palaſt ſchon längſt verlaſſen hatte. Auf dem Wege zu ſeinem Hauſe begegnete er Kröſus und Darius. Er verſteckte ſich vor denſelben hinter das vorſpringende Thor eines großen ägyptiſchen Hauſes, denn er meinte, dieſelben müßten ihm anſehen, daß er den Pfad des Verbrechens wandle. Als die Beiden an ihm vorübergingen, vernahm er, wie Kröſus ſagte: Jch habe dem trefflichen Jüngling ſeine unzeitige Kraftprobe bitter vorgeworfen, und wir müſſen in der That den Göttern danken, daß ſich Kam - byſes nicht in einem Anfall von Jähzorn an ihm ver - griffen hat. Jetzt iſt er meinem Rathe gefolgt und mit202 ſeinem Weibe nach Sais gefahren. Der König darf ihn in den erſten Tagen nicht wieder ſehen, denn ſein Groll könnte bei ſeinem Anblicke leicht von Neuem erwachen, und ein Herrſcher findet zu jeder Zeit ruchloſe Diener

Bei dieſen letzten, verhallenden Worten zuckte Pre - xaspes ſchmerzlich zuſammen, als habe Kröſus ihn ſelbſt der Schändlichkeit bezüchtigt, und beſchloß, möge kommen was da wolle, ſeine Hände nicht mit dem Blute eines Freundes zu beflecken. Nun ging er wieder in hochauf - gerichteter Haltung einher, bis er zu der ihm angewieſenen Wohnung gelangte. An der Thür derſelben ſprangen ihm ſeine beiden Söhne entgegen, die ſich von dem Spiel - platze der Achämeniden-Knaben, welche dem Reichsheere und dem Könige, wie immer, gefolgt waren, fortgeſtohlen hatten, um ihren Vater auf einen Augenblick zu begrüßen. Jn ſeltſamer, ihm ſelbſt unverſtändlicher Rührung drückte er die ſchönen Kinder an ſeine Bruſt und umarmte ſie nochmals, als dieſelben erklärten, wenn ſie nicht beſtraft werden wollten, zum Spielplatze zurückkehren zu müſſen. Jn ſeiner Wohnung fand er ſeine Lieblingsgattin mit ihrem jüngſten Kinde, einem holden, kleinen Mädchen, ſpie - lend. Da erfaßte ihn abermals jene unerklärliche Rüh - rung. Dießmal bezwang er dieſelbe, um dem geliebten Weibe ſein Geheimniß nicht zu verrathen, und zog ſich bald in ſein Gemach zurück.

Jndeſſen war die Nacht hereingebrochen.

Schlaflos wälzte ſich der ſchwer Verſuchte auf ſeinem Lager umher; der Gedanke, daß ſeine Weigerung, den Wunſch des Königs zu erfüllen, auch ſein Weib und ſeine Kinder dem Verderben preisgeben würde, ſtellte ſich mit greller Schrecklichkeit vor ſeine ſchlafloſen Augen. Die Kraft, ſeinen ſchönen Vorſatz feſtzuhalten, verließ ihn, und203 daſſelbe Wort des Kröſus, welches den edlen Gefühlen in ſeiner Bruſt den Sieg verſchafft hatte, ließ dieſelben jetzt unterliegen: Ein Herrſcher findet jederzeit ruchloſe Diener! Dieſer Satz beſchimpfte ihn zwar, erinnerte ihn aber daran, daß, wenn er dem Könige trotzen würde, hundert Andre den Befehl deſſelben zu vollziehen bereit ſein würden. Kaum war ihm dieſer Gedanke vollkommen klar geworden, als er von ſeinem Lager aufſprang, die zahlreichen Dolche, welche wohlgeordnet über demſelben hingen, prüfte und den ſchärfſten auf das vor ihm ſtehende Tiſchchen legte.

Darauf ging er ſinnend auf und ab und trat häufig an die Fenſteröffnung, um zu ſehen, ob es nicht tagen wolle, und um ſeine heiße Stirn zu kühlen.

Als endlich das Dunkel der Nacht dem hellen Morgen - lichte gewichen war und ihn das die Knaben zum Früh - gebet rufende Erz*)II. Theil Anmerk. 29. von Neuem an ſeine Söhne erinnerte, prüfte er den Dolch zum zweiten Male. Als eine reich - geſchmückte Schaar von Höflingen, um ſich zum Könige zu begeben, an ſeinem Hauſe vorüberritt, ſteckte er den - ſelben in ſeinen Gürtel. Als ſich endlich das muntre Gelächter ſeines jüngſten Kindes aus dem Weibergemache vernehmen ließ, ſetzte er mit einer gewiſſen Heftigkeit die Tiara auf das Haupt und ging, ohne ſeinem Weibe Lebe - wohl zu ſagen, von mehreren Sklaven begleitet, zum Nile, warf ſich dort in eine Barke und befahl den Ruderknechten, ihn ſofort nach Sais zu befördern.

Bartja war wenige Stunden nach dem verhängniß - vollen Bogenſchießen dem Rathe des Kröſus gefolgt und204 mit ſeiner jungen Gemahlin nach Sais gefahren. Dort fand er Rhodopis, welche ſich, ſtatt nach Naukratis heim - zukehren, einem unwiderſtehlichen Drange folgend, nach Sais begeben hatte. Nach jener Luſtfahrt war Bartja, als er an’s Land ſtieg, hingefallen, und ſie hatte mit eignen Augen geſehen, daß eine Eule, von der linken Seite her, dicht an ſeinem Haupte vorübergeflogen war. Wenn dieſe böſen Vorzeichen ſchon hinreichten, ihr dem Aberglauben ihrer Zeit keineswegs entwachſenes Herz zu beunruhigen, und ihr den Wunſch, in der Nähe des jungen Paares zu verweilen, dringender als ſonſt einzuflößen, ſo entſchloß ſie ſich kurz, ihre Enkelin in Sais zu erwarten, als ſie aus einem unruhigen Schlaf erwachte, in dem ſie eine verworrene Reihe von böſen Träumen gehabt hatte.

Das junge Paar freute ſich über den lieben, uner - warteten Gaſt und führte Rhodopis, nachdem dieſelbe mit ihrer kleinen Urenkelin, die den Namen Parmys 137) führte, nach Herzensluſt getändelt hatte, in die für ſie bereit ſtehen - den Gemächer. Dieß waren dieſelben, in denen die un - glückliche Tachot die letzten Monde ihres hinſiechenden Da - ſeins verlebt hatte. Rhodopis betrachtete mit tiefer Rührung all jene kleinen Gegenſtände, welche nicht nur das Ge - ſchlecht und Alter der Dahingeſchiedenen, ſondern auch ihre Neigungen und ihre Sinnesart verriethen. Da ſtanden zahlreiche Salbenbüchschen und Fläſchchen 138) mit Wohl - gerüchen, Schminken und Oelen auf dem Putztiſche. Jn einer Schachtel 139), welche die Geſtalt einer Nilgans täuſchend nachahmte, und einer andern, an deren Seite eine Lautenſchlägerin gemalt war, hatte einſt der reiche goldne Schmuck der Königstochter gelegen, und jener Metall - ſpiegel, deſſen Griff eine ſchlummernde Jungfrau dar - ſtellte 140), das ſchöne, ſanft geröthete Geſicht der Ver -205 ſtorbenen zurückgeſtrahlt. Die ganze Ausſtattung des Zimmers, von dem zierlichen, auf Löwenfüßen ſtehenden Ruhebette an, bis zu den auf dem Putztiſche liegenden zierlich geſchnitzten Kämmen 141) von Elfenbein bewieſen, daß die frühere Bewohnerin dieſer Räume an der äußern Zier des Lebens mit ganzem Herzen gehangen habe. Das goldne Siſtrum*)III. Theil Anmerk. 74. und die feingearbeitete Nabla, deren Saiten längſt zerſprungen waren, deuteten auf den muſi - kaliſchen Sinn der Königstochter 142), während die in der Ecke liegende zerbrochene Spindel von Elfenbein**)III. Theil Anmerk. 69. und einige angefangene Netze von Glasperlen 143) bewieſen, daß ſie weiblichen Arbeiten nicht abhold geweſen ſei.

Rhodopis muſterte all dieſe Gegenſtände mit weh - müthigem Wohlgefallen und malte ſich, an dieſelben an - knüpfend, ein von der Wahrheit nur wenig abweichendes Lebensbild. Endlich nahte ſie ſich, von neugieriger Theil - nahme getrieben, einer großen, bemalten Kiſte und öffnete den leichten Deckel derſelben. Da fand ſie zuerſt einige getrocknete Blumen, dann einen Ball, der von geſchickter Hand mit längſt verwelkten Blättern und Roſen umwickelt war, hierauf eine Menge von Amuleten in verſchiedener Geſtalt, dieſes die Göttin der Wahrheit darſtellend, jenes ein mit Zauberſprüchen beſchriebenes Papyroszettelchen in goldner Kapſel verbergend. Dann fielen ihre Augen auf einige mit griechiſchen Buchſtaben geſchriebene Briefe. Sie nahm dieſelben und durchlas ſie bei’m Schimmer der Lampe. Nitetis hatte ſie aus Perſien an ihre vermeinte Schweſter, von deren Krankheit ſie nichts wußte, geſchickt. Als Rho - dopis dieſe Briefe aus der Hand legte, ſchwammen ihre206 Augen in Thränen. Das Geheimniß der Verſtorbenen lag jetzt offen vor ihren Blicken. Sie wußte, daß Tachot Bartja geliebt, daß ſie jene welken Blumen von ihm em - pfangen und jenen Ball, weil er ihr denſelben zugeworfen, mit Roſen umwickelt hatte. Die Amulete waren gewiß dazu beſtimmt geweſen, entweder ihr krankes Herz zu heilen, oder Gegenliebe in der Bruſt des Königsſohnes zu er - wecken.

Als ſie endlich jene Schreiben an ihren alten Platz zurücklegen wollte und einige Tücher, welche den Boden der Kiſte auszufüllen ſchienen, mit der Hand berührte, fühlte ſie, daß dieſelben einen harten, runden Gegenſtand bedeckten. Nun hob ſie die Gewebe auf, und fand unter denſelben eine Büſte von bunt gefärbtem Wachs*)II. Theil Anmerk. 68., welche Nitetis ſo wunderbar ähnlich darſtellte, daß ſich Rhodopis eines ſtaunenden Ausrufs nicht enthalten und ſich lange Zeit an dem köſtlichen Kunſtwerke des Theodoros von Samos nicht ſatt ſehen konnte.

Dann legte ſie ſich nieder und ſchlief ein, indem ſie an das traurige Schickſal der ägyptiſchen Königstochter dachte.

Am nächſten Morgen begab ſie ſich in den Garten, welchen wir bei Lebzeiten des Amaſis ſchon einmal betreten haben, und fand dort unter einer Weinlaube Diejenigen, welche ſie ſuchte.

Sappho ſaß auf einem Stuhle von leichtem Flecht - werk. Jn ihrem Schooße lag ein nackter Säugling und ſtreckte die Händchen und Füßchen bald ſeinem Vater, der vor dem jungen Weibe auf der Erde kniete, bald ſeiner Mutter, die ſich lachend zu ihm herniederbeugte, entgegen.

207

Abſonderliche Freude ſchien es dem jungen Helden zu machen, wenn ſich die kleinen Finger ſeines Kindes in ſeinen Bart und ſeine Locken vergruben, wenn die wilden Füßchen deſſelben ſein Geſicht berührten, oder wenn das fleiſchige Händchen der kleinen Parmys einen ſeiner Finger umklammerte. Sappho theilte die Wonne dieſes harmloſen Spiels und war bemüht, die Aufmerkſamkeit ihres Lieb - lings ausſchließlich auf den Vater hinzulenken.

Dann und wann beugte ſie ſich über die Kleine, um den fleiſchigen Hals oder die rothen Kinderlippen zu küſſen, und in ſolchen Augenblicken geſchah es wohl, daß ihre Stirn die Locken ihres Gatten berührte, der dann jedes - mal den dem Kinde gegebenen Kuß von ihrem Munde raubte.

Rhodopis ſah dieſem Spiele lange Zeit im Geheimen zu und betete, mit Thränen in den Augen, zu den Göttern, daß ſie ihren Lieben dieß große, reine Glück erhalten möchten. Endlich näherte ſie ſich der Laube, rief dem jungen Paare einen fröhlichen Morgen zu und belobte die alte Melitta, welche, mit einem großen Sonnenſchirm in der Hand, gekommen war, um die kleine Parmys zur Ruhe zu bringen und dem greller werdenden Sonnenlichte zu entziehen.

Die alte Sklavin war zur oberſten Wärterin des fürſtlichen Säuglings ernannt worden und verwaltete ihr Amt mit ebenſo großer, als komiſcher Würde. Jn reiche, perſiſche Gewänder ihre alten Glieder bergend, empfand ſie eine wahre Seligkeit in dem ihr neuen Befehle - ertheilen und hielt die vielen ihr untergebenen Sklavinnen, denen ſie mit vornehmer Herablaſſung begegnete, in fort - währender Bewegung.

Sappho folgte der Alten, nachdem ſie ihren runden208 Arm um den Hals ihres Gatten geſchlungen und ihm ſchmeichleriſch in’s Ohr geflüſtert hatte: Erzähle doch der Großmutter Alles und frage dieſelbe, ob ſie Dir Recht gibt!

Ehe ihr Bartja antworten konnte, hatte ſie ſeinen Mund geküßt und war der würdevoll dahinſchreitenden Alten nachgeeilt.

Der Königsſohn ſchaute ihr lächelnd nach und wurde nicht müde, ihren ſchwebenden Gang und ihre herrliche Geſtalt ſchweigend zu bewundern. Endlich wandte er ſich wieder an die Greiſin und fragte: Findeſt Du nicht auch, daß ſie in der letzten Zeit gewachſen iſt?

Es ſcheint ſo, antwortete Rhodopis. Die Jung - fräulichkeit breitet einen eignen Anmuthszauber über das Weib; aber erſt die Mutterſchaft iſt es, welche ihm die rechte Ehrwürdigkeit verleiht. Dieſe erhebt das Haupt der Frau. Wir wähnen, ſie müſſe körperlich gewachſen ſein, während ſie ſich nur durch das Bewußtſein, ihre Be - ſtimmung erfüllt zu haben, innerlich erhoben fühlt!

Ja, ich glaube, daß ſie glücklich iſt, gab Bartja der Greiſin zurück. Geſtern waren wir zum erſten Male verſchiedener Anſicht. Als ſie uns ſoeben verließ, bat ſie mich heimlich, Dir unſre Streitfrage vorzulegen, und ich folge ihr gern, da ich Deine Weisheit und Lebensklugheit ebenſo hoch ſchätze, als ich ihre kindliche Unerfahrenheit liebe.

Nun erzählte Bartja der Greiſin den Verlauf jener verhängnißvollen Bogenprobe und ſchloß mit den Worten: Kröſus tadelte meine Unvorſichtigkeit; ich kenne aber meinen Bruder und weiß, daß er zwar im Zorne zu jeder Gewaltthat fähig iſt und wohl im Stande geweſen wäre, mir im Angeſicht ſeiner Niederlage den Tod zu geben, daß209 er jedoch, wenn ſein Groll verraucht iſt, meine Ueberhebung vergeſſen und ſich nur bemühen wird, mich in Zukunft durch Großthaten zu übertreffen. Noch vor einem Jahre iſt er bei Weitem der beſte Schütze in Perſien geweſen und würde es heute noch ſein, wenn ſeine Rieſenkräfte nicht durch den Trunk und ſeine böſen Krämpfe geſchwächt worden wären. Von der andern Seite fühle ich, daß meine Stärke täglich zunimmt

Reines Glück, unterbrach Rhodopis den Jüngling, ſtählt die Arme des Mannes, wie es die Schönheit des Weibes erhöht; während Unmäßigkeit und Qualen der Seele Körper und Geiſt ſicherer zerrütten, als Krankheit und Alter. Hüte Dich vor Deinem Bruder, mein Sohn, denn ebenſo gut, wie ſein urſprünglich ſtarker Arm erlah - men konnte, kann ſeine urſprünglich edle Seele ihre Hoheit einbüßen. Traue meiner Erfahrung, die mich lehrt, daß, wer der Sklave einer ſchädlichen Leidenſchaft geworden iſt, ſehr ſelten Herr ſeiner andern Triebe bleibt. Außer - dem trägt Niemand ſchwerer eine Erniedrigung, als der Sinkende, welcher das Abnehmen ſeiner Kräfte fühlt. Hüte Dich vor Deinem Bruder, und traue mehr der Stimme der Erfahrung, als Deinem eignen Herzen, welches, weil es ſelbſt edel fühlt, jedes andre für edel zu halten geneigt iſt.

Dieſe Worte, erwiederte Bartja, zeigen mir im Voraus, daß Du Sappho’s Anſicht theilen wirſt. Die - ſelbe hat mich nämlich gebeten, ſo ſchwer ihr auch die Trennung von Dir werden würde, Aegypten zu verlaſſen und mit ihr nach Perſien zurückzukehren. Sie meint, daß Kambyſes, wenn er nichts von mir hört und ſieht, ſeinen Groll vergeſſen würde. Jch habe ſie bisher für allzu ängſtlich gehalten und würde mich nur ungern von dem Feldzug gegen die Aethiopen ausſchließen

Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 14210

Jch aber, unterbrach ihn Rhodopis abermals, bitte Dich dringend, ihrem von richtigem Gefühl und wahrer Liebe eingegebenen Rathe zu folgen. Die Götter wiſſen, welchen Kummer mir die Trennung von euch bereiten wird, dennoch rufe ich tauſend und tauſend Mal: Kehre nach Perſien zurück und bedenke, daß nur Thoren ihr Leben und ihr Glück zwecklos auf’s Spiel ſetzen! Der Krieg mit den Aethiopen iſt ein Wahnſinn, denn ihr werdet nicht den ſchwarzen Bewohnern des Südens, wohl aber der Hitze, dem Durſt und den Schreckniſſen der Wüſte unterliegen. Dieß gilt von dem beabſichtigten Feldzuge im Allgemeinen; was Dich im Beſondern betrifft, ſo gebe ich Dir zu bedenken, daß Du Dein eignes und das Glück und Leben der Deinen vergeblich auf’s Spiel ſetzeſt, wenn kein Kriegsruhm zu gewinnen iſt; daß Du aber, ſollteſt Du Dich von Neuem auszeichnen, den Groll und die Eiferſucht Deines Bruders zum andern Male reizen wür - deſt. Geh nach Perſien, mein Sohn, und zwar ſo bald als möglich!

Als Bartja eben mit Zweifeln und Einwänden ant - worten wollte, erblickte er Prexaspes, der mit bleichem Angeſicht auf ihn zutrat.

Nach den gewöhnlichen Begrüßungen und Fragen flüſterte der Botſchafter dem Jünglinge zu, daß er mit ihm allein zu reden habe und ſagte, als ſich Rhodopis entfernt hatte, indem er verlegen mit den Ringen an ſeiner Rechten ſpielte: Der König ſendet mich zu Dir. Du haſt ihn durch Deine geſtrige Kraftprobe aufgebracht. Er will Dich in der nächſten Zeit nicht wieder ſehen und be - fiehlt Dir darum, nach Arabien zu reiſen und dort ſoviel Kameele 144) als möglich zu kaufen. Dieſe Thiere, welche den Durſt lange Zeit zu ertragen wiſſen, ſollen das Waſſer211 und die Lebensmittel für unſer nach Aethiopien ziehendes Heer führen. Unſre Reiſe leidet keinen Verzug. Nimm von Deinem Weibe Abſchied und ſei, ſo befiehlt es der König, bevor es dunkelt, zum Aufbruche bereit. Du wirſt mindeſtens einen Monat unterwegs bleiben. Jch begleite Dich bis nach Peluſium. Kaſſandane wünſcht unterdeſſen Dein Weib und Kind in ihrer Nähe zu haben. Sende dieſelben ſobald als möglich nach Memphis, wo ſie, von der hohen Mutter des Königs bewacht, am ſicherſten ſein werden.

Bartja hörte Prexaspes an, ohne daß ihm die kurze und verlegene Art des Botſchafters aufgefallen wäre. Er freute ſich über die vermeinte Mäßigung ſeines Bruders und jenen Auftrag, der ihn aller Zweifel in Betreff ſeiner Entfernung von Aegypten enthob, reichte dem vermeinten Freunde die Hand zum Kuſſe und forderte denſelben auf, ihm in den Palaſt zu folgen.

Als er kühler zu werden anfing, nahm er von Sappho und dem Kinde, das auf Melitta’s Armen ruhte, einen kurzen, aber herzlichen Abſchied, befahl ſeiner Gattin, die Reiſe zu Kaſſandane ſobald als möglich anzutreten, rief ſeiner Schwiegermutter neckend zu, daß ſie ſich dießmal doch in der Beurtheilung eines Menſchen, nämlich ſeines Bruders, getäuſcht habe, und ſchwang ſich auf ſein Roß.

Als Prexaspes das ſeine beſteigen wollte, flüſterte ihm Sappho zu: Gib Acht auf ihn und erinnere den Wagehals an mich und das Kind, wenn er ſich unnöthigen Gefahren ausſetzen will!

Jch muß ihn ſchon zu Peluſium verlaſſen, antwor - tete der Botſchafter, indem er ſich, um den Blicken des jungen Weibes auszuweichen, mit dem Zaumzeuge ſeines Pferdes zu ſchaffen machte.

212

So werden ihn die Götter beſchützen! rief Sappho, indem ſie die geliebte Hand des Scheidenden ergriff und in Thränen, denen ſie nicht zu wehren vermochte, ausbrach. Er blickte zu ihr hernieder und ſah ſeine ſonſt ſo ver - trauensvolle Gattin weinen. Da erfaßte auch ihn eine niegekannte ſchmerzliche Rührung. Liebreich neigte er ſich vom Pferde herab, ſchlang ſeinen ſtarken Arm um ihren Leib, hob ſie zu ſich empor und drückte ſie, während ihr Fuß auf ſeinem Fuße ſtand, an ſein Herz, als müſſe er ihr auf ewig Lebewohl ſagen. Dann ließ er ſie ſanft und ſicher zur Erde nieder, nahm ſein Kind noch einmal zu ſich hinauf in den Sattel, um es zu küſſen und ihm ſcherzend zuzurufen, daß es ſeiner Mutter rechte Freude machen möge, rief Rhodopis herzliche Abſchiedsworte zu und ſprengte, ſeinem Hengſte die Sporen gebend, daß er wild aufbäumte, von Prexaspes begleitet, durch das Thor des Pharaonenpalaſtes.

Sobald der Hufſchlag der Roſſe in der Ferne ver - hallt war, warf ſich Sappho an die Bruſt ihrer Groß - mutter und weinte unaufhörlich, trotz der ernſten Vorſtel - lungen und des ſtrengen Tadels der Greiſin.

[213]

Neuntes Kapitel.

Am Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe folgte, war Kambyſes von einem ſo heftigen Zufall ſeiner Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stun - den lang, krank an Geiſt und Körper, das Zimmer hüten mußte und bald vollkommen entkräftet niederſank, bald wie ein Raſender tobte.

Als er am dritten Tage ſein klares Bewußtſein wieder erlangte, gedachte er ſofort jenes ſchrecklichen Auftrages, den Prexaspes jetzt ſchon ausgeführt haben konnte. Er zitterte vor dieſer Möglichkeit, wie er nie vorher gezittert hatte, ließ zuerſt den älteſten Sohn des Botſchafters, der die Ehrenſtelle ſeines Schenken bekleidete, kommen, und er - fuhr von demſelben, daß ſein Vater, ohne Abſchied zu nehmen, Memphis verlaſſen habe. Dann berief er Darius, Zopyros und Gyges, von denen er wußte, daß ſie Bartja am innigſten liebten, und fragte dieſelben, wie ſich ihr Freund befinde. Nachdem er vernommen hatte, daß ſich derſelbe zu Sais aufhalte, ſandte er die Jünglinge ſogleich dorthin und trug ihnen auf, Prexaspes, wenn ſie dem - ſelben begegnen ſollten, ungeſäumt nach Memphis zurück - zuſchicken. Die jungen Achämeniden konnten ſich das ſon -214 derbare Benehmen und die Haſt des Königs nicht erklären; machten ſich aber ſchnell auf den Weg, weil ihnen nichts Gutes ahnte.

Jndeſſen konnte Kambyſes keine Ruhe finden, ver - wünſchte im Stillen ſeine Trunkenheit und rührte während dieſes ganzen Tages keinen Wein an. Als er im Garten des Pharaonen-Palaſtes ſeiner Mutter begegnete, wich er derſelben aus, weil er fühlte, daß er den Blick derſelben nicht ertragen würde.

Auch die folgenden acht Tage vergingen, ohne Pre - xaspes zu bringen und erſchienen ihm ſo lang, wie ein Jahr. Hundertmal ließ er den Mundſchenken kommen und fragte denſelben, ob ſein Vater noch nicht heimgekehrt ſei; hundertmal erhielt er eine verneinende Antwort.

Als ſich die Sonne des dreizehnten Tages zum Un - tergange neigte, ließ ihn Kaſſandane bitten, daß er ſie be - ſuchen möge. Nun begab er ſich ſogleich in die Ge - mächer derſelben, denn er ſehnte ſich jetzt darnach, das Angeſicht ſeiner Mutter zu ſchauen. Jhm war, als müßte ihm der Anblick deſſelben ſeinen verlorenen Schlaf wie - dergeben.

Nachdem er die Greiſin mit einer Zärtlichkeit, welche dieſelbe um ſo mehr überraſchte, je weniger ſie von ſeiner Seite an derartige Kundgebungen gewöhnt war, begrüßt hatte, fragte er nach ihrem Begehren und erfuhr, daß Bartja’s Gattin unter ſeltſamen Umſtänden bei ihr ein - getroffen wäre und den Wunſch ausgeſprochen habe, ihm ein Geſchenk zu überreichen. Ohne Säumen ließ er ſie kommen und erfuhr von ihr, daß Prexaspes ihrem Gatten einen Befehl, nach Arabien zu reiſen, überbracht; ihr ſelbſt aber, in Kaſſandane’s Namen, nach Memphis zu kommen befohlen habe. Der König erbleichte bei dieſer Mittheilung215 und ſah das holde Weib ſeines Bruders mit ſchmerzlich bewegten Blicken an. Die junge Griechin fühlte, daß in dem Könige etwas Befremdliches vorgehen müſſe und konnte, von ſchrecklichen Ahnungen geängſtigt, ihm nur mit zitternden Händen das Geſchenk, welches ſie mitgebracht hatte, überreichen.

Mein Gatte ſendet Dir Dieß! ſagte ſie, indem ſie auf das in einer kunſtreich gearbeiteten Kiſte verborgene Wachsbild der Nitetis deutete. Rhodopis hatte ihr ge - rathen, gerade dieß Geſchenk, gleichſam als Gabe der Ver - ſöhnung, in Bartja’s Namen, dem Zürnenden darzu - bringen.

Kambyſes übergab die Kiſte, deren Jnhalt ſeine Neu - gier nur wenig zu erregen ſchien, einem Eunuchen, rief ſeiner Schwägerin einige Worte zu, die wie Dank klingen ſollten, und verließ gleich darauf das Haus der Weiber, ohne ſich nach Atoſſa, die er ganz vergeſſen zu haben ſchien, zu erkundigen.

Er war der Meinung geweſen, dieſer Beſuch würde ihm wohlthun und ihn beruhigen, Sappho’s Mittheilung hatte ihm aber die letzte Hoffnung, und ſomit auch den letzten Theil ſeiner Ruhe, geraubt. Prexaspes mußte den Mord ſchon begangen haben, oder konnte doch in jedem Augenblicke, vielleicht gerade jetzt, den Dolch erheben, um ihn in die Bruſt des Jünglings zu ſtoßen. Wie ſollte er nach Bartja’s Tode ſeiner Mutter gegenüber treten? Was ſollte er ihr und den Fragen jenes holden Weibes, welches ihn ſo ängſtlich und rührend mit den großen Augen an - geblickt hatte, erwiedern?

Kalte Schauer überfielen ihn, als ihm eine innere Stimme zurief, daß der Mord ſeines Bruders eine Hand - lung der Feigheit, der Furcht, der Unnatur und Unge -216 rechtigkeit genannt werden würde. Der Gedanke, ein Meuchelmörder zu ſein, ſchien ihm faſt unerträglich. Ohne Gewiſſensbiſſe hatte er ſchon ſo manchem Manne den Tod gegeben; aber entweder im ehrlichen Kampfe, oder im An - geſicht aller Welt. Er war ja König und, was er that, war gut. Wenn er Bartja mit eigner Hand erſchlagen hätte, ſo würde er mit ſeinem Gewiſſen fertig geworden ſein; nun er ihn aber heimlich aus dem Wege zu räumen, ihn, nachdem er viele des höchſten Ruhmes würdige Pro - ben männlicher Trefflichkeit abgelegt, zu meucheln befohlen hatte, überkam ihn eine folternde, ſeinem Herzen bis da - hin durchaus fremde, mit Jngrimm gegen ſeine eigne Ruch - loſigkeit gepaarte Scham und Reue. Er begann ſich ſelbſt zu verachten. Das Bewußtſein, nur Gerechtes gewollt und gethan zu haben, verließ ihn, und er meinte jetzt, daß all die auf ſein Geheiß getödteten Menſchen, wie Bartja, unſchuldige Opfer ſeiner Wuth geweſen wären. Um dieſe Gedanken, welche immer unerträglicher wurden, zu betäuben, griff er von Neuem nach dem berauſchenden Saft der Rebe. Dießmal verwandelte ſich aber der Sorgenbrecher in einen Qualenbringer für Leib und Seele. Sein vom Trunk und der fallenden Sucht zerrütteter Körper ſchien jetzt den mannigfaltigen grauſamen Erregungen der letzten Monde erliegen zu wollen. Endlich fühlte er ſich, bald frierend, bald glühend, gezwungen, ſein Lager aufzuſuchen. Während man ihn auskleidete, fiel ihm das Geſchenk ſeines Bruders ein. Augenblicklich ließ er die Kiſte holen und eröffnen, befahl den Auskleidern, ihn allein zu laſſen, und konnte ſich nicht enthalten, beim Anblicke der ägyptiſchen Malerei, welche den Kaſten bedeckte, an Nitetis zu denken und ſich zu fragen, was wohl die Verſtorbene über ſeine jüngſt vollbrachte That geſagt haben würde. Fiebernd217 und verworrenen Geiſtes beugte er ſich endlich über die Kiſte, entnahm derſelben das aus Wachs gebildete ſchöne Haupt, und ſtarrte mit Entſetzen in die glanzloſen unbe - weglichen Augen des Bildwerks. Die Aehnlichkeit war ſo täuſchend, und ſeine Urtheilskraft durch den Wein und das Fieber ſo geſchwächt, daß er von einem Zauber be - fangen zu ſein glaubte. Dennoch vermochte er nicht, ſeine Blicke von den theuren Zügen abzuwenden. Plötzlich kam es ihm vor, als wenn das Bildwerk ſeine Augen bewege. Da faßte ihn ein jähes Entſetzen. Krampfhaft ſchleuderte er das lebendig gewordene Haupt an die Wand, ſo daß die hohle, ſpröde Wachsmaſſe in tauſend Stücke zerſplitterte, und ſank ſtöhnend auf ſein Lager zurück. Von nun an wurde das Fieber immer heftiger. Der Unglückliche glaubte, in wirren Phantaſieen, zuerſt den verbannten Phanes zu ſehen, der ein griechiſches Schelmenliedchen ſang und ihn ſo ſchändlich verhöhnte, daß ſich ſeine Fauſt vor Jn - grimm ballte. Dann ſah er Kröſus, ſeinen Freund und Berather. Derſelbe drohte ihm und rief ihm jene Worte abermals zu, mit denen er ihn, als er Bartja um Nitetis willen hinrichten laſſen wollte, gewarnt hatte: Hüte Dich, brüderliches Blut zu vergießen, denn wiſſe, daß die Dämpfe deſſelben aufſteigen zum Himmel und zu Wolken werden, welche die Tage des Mörders verfinſtern und endlich einen Blitz der Rache auf ihn hernieder ſchleudern!

Und in ſeiner Phantaſie geſtaltete ſich dieſes Bild zur Wirklichkeit. Er wähnte, daß ein blutiger Regen aus finſtren Wolken auf ihn herniederſtröme und mit ſei - nem widrigen Naß ſeine Kleider und Hände befeuchte. Als derſelbe endlich aufgehört hatte, und er ſich, um ſich zu reinigen, dem Ufer des Nils näherte, trat ihm Nitetis mit ſüßem Lächeln, wie ſie Theodoros dargeſtellt hatte,218 entgegen. Bezaubert von der lieblichen Erſcheinung, warf er ſich vor ihr nieder und faßte ihre Hand. Kaum hatte er dieſelbe berührt, als ſich an jeder ihrer zarten Finger - ſpitzen ein Blutstropfen zeigte, und ſie ihm mit allen Zei - chen des Abſcheu’s den Rücken kehrte. Jetzt flehte Kam - byſes die Erſcheinung demüthig an, ihm zu vergeben und zu ihm zurückzukehren; ſie aber blieb unerbittlich. Da ergrimmte er und drohte ihr erſt mit ſeinem Zorn, dann mit furchtbaren Strafen, uud vermaß ſich endlich, als Nitetis ſeine Worte mit leiſem Hohngelächter beantwortete, ſeinen Dolch nach ihr zu werfen. Da zerſtob ſie in tauſend Stücke, wie das wächſerne Bildwerk an der Wand zer - ſprungen war; das Hohngelächter tönte aber fort und wurde lauter und lauter, und viele Stimmen miſchten ſich in daſſelbe und ſuchten ſich einander in Spott und Hohn zu überbieten. Und Bartja’s und Nitetis Stimmen klan - gen am erkennbarſten an ſein Ohr und ſchienen ihn am bitterſten zu höhnen, und endlich vermochte er dieſe furcht - baren Töne nicht länger zu ertragen und hielt ſich die Ohren zu und vergrub, als auch dieß nichts helfen wollte, ſeinen Kopf in brennend heißen Wüſtenſand und dann in den eiſig kalten Nil und wieder in die Glut und wieder in das froſtige Naß, bis ſeine Sinne ſchwanden. Als er erwacht war, konnte er ſich durchaus nicht in der Wirk - lichkeit zurecht finden. Er hatte ſich Abends niedergelegt und ſah jetzt an der Sonne, welche ſein Lager mit ihren letzten Strahlen vergoldete, daß es nicht, wie er erwarten mußte, tage, ſondern vielmehr dunkle. Er konnte ſich nicht täuſchen, denn jetzt vernahm er den ſingenden Prieſterchor, der dem ſcheidenden Mithra die letzten Grüße zurief.

Nun hörte er auch, wie ſich hinter einem Vorhange, den man zu Häupten ſeines Lagers angebracht hatte, viele219 Menſchen regten. Er wollte ſich umwenden, fühlte aber bald, daß ihm dieß aus Kraftloſigkeit unmöglich ſei. End - lich rief er, nachdem er ſich vergeblich bemüht hatte, den Traum von der Wirklichkeit und die Wirklichkeit vom Traume zu ſondern, ſeinen Ankleidern und den andern Höflingen, welche zugegen zu ſein pflegten, wenn er ſich vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur dieſe, ſondern auch ſeine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und er - zählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fie - ber heimgeſucht und nur durch die beſondere Huld der Götter, die Kunſt der Aerzte und die unverdroſſene Pflege ſeiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun blickte er erſt Kaſſandane, dann Prexaspes fragend an und verlor wiederum die Beſinnung, um am andern Mor - gen, nach einem geſunden Schlafe, mit neuen Kräften zu erwachen.

Vier Tage ſpäter war er ſtark genug, in einem Lehn - ſeſſel ſitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegen - ſtande, der ſeinen Geiſt beſchäftigte, fragen zu können.

Der Botſchafter wollte im Hinblick auf die Schwäche ſeines Gebieters ausweichend antworten; als dieſer aber ſeine abgemagerte Hand orohend emporhob und ihn mit dem noch immer furchtbaren Blick ſeines Auges anſchaute, zögerte Prexaspes nicht länger und ſagte, in der Meinung, Kambyſes eine hohe Genugthuung zu verſchaffen: Freue Dich, mein Herrſcher! Der Jüngling, welcher ſich unter - fing, Deinen Ruhm ſchmälern zu wollen, iſt nicht mehr. Dieſe Hand erſchlug ihn und begrub ſeine Leiche bei Baal Zephon. Niemand hat meine That geſehen, außer dem Sande der Wüſte und den unfruchtbaren Wogen des rothen Meeres 145); Niemand weiß um dieſelbe, außer Dir und220 mir und den Möven und Seeraben, die ſein Grab um - kreiſen!

Ein gellender Schrei der Wuth entfuhr den Lippen des Königs, der, von neuen Fieberſchauern ergriffen, neue Phantaſieen ausſtoßend, zuſammenſank.

Nun vergingen lange Wochen, in denen jeder Tag das Ende des Königs zu bringen drohte. Endlich beſiegte ſein ſtarker Leib den gefahrvollen Rückfall; die Kräfte ſeines Geiſtes hatten aber den Dämonen des Fiebers nicht zu widerſtehen vermocht und blieben zerrüttet und geſchwächt bis zu ſeiner letzten Stunde.

Als er das Krankenzimmer verlaſſen durfte und von Neuem reiten und den Bogen ſpannen konnte, gab er ſich dem Genuß des Weines zügelloſer hin, als vorher, und verlor auch den letzten Reſt der Fähigkeit, ſich ſelbſt zu beherrſchen.

Außerdem hatte ſich in ſeinem zerrütteten Geiſte der Wahn feſtgeſetzt, Bartja ſei nicht todt, ſondern in den Bogen des Königs der Aethiopen verwandelt worden und der Feruer*)Siehe II. Theil Anmerk. 54. ſeines verſtorbenen Vaters habe ihm be - fohlen, demſelben durch die Beſiegung des ſchwarzen Volkes ſeine frühere Geſtalt wieder zu geben.

Dieſer Gedanke, den er jedem Einzelnen in ſeiner Umgebung, gleich einem großen Geheimniſſe, anvertraute, verfolgte ihn Tag und Nacht und ließ ihn nicht ruhen, bis er mit einem großen Heere nach Aethiopien aufge - brochen war. Aber er mußte unverrichteter Sache heim - kehren, nachdem der größte Theil deſſelben durch Hitze und Mangel an Speiſe und Trank einen kläglichen Untergang gefunden hatte. Ein Schriftſteller, der beinahe zu ſeinen221 Zeitgenoſſen gehört, erzählt 146), daß die unglücklichen Sol - daten ſich, nachdem der Mundvorrath ausgegangen war, ſo lang es ging, von Kräutern genährt hätten; als aber in der Sandwüſte jede Vegetation aufhörte, ſollen ſie, von verzweifelter Noth getrieben, ihre Zuflucht zu einem Aus - kunftsmittel genommen haben, welches die Feder ſich zu berichten ſträubt. Je zehn Soldaten looſeten nämlich mit einander und verzehrten denjenigen, welcher den unglück - lichen Treffer gezogen hatte.

Nun zwang man endlich den Wahnſinnigen, heim - zukehren, um ihm, nachdem man wiederum zu bewohnten Gegenden gelangt war, nach aſiatiſcher Sklavenart, trotz ſeines zerrütteten Geiſtes, von Neuem blindlings zu ge - horchen.

Als er mit den Trümmern des Heeres in Memphis einzog, hatten die Aegypter einen neuen Apis*)Siehe III. Theil Anmerk. 122. gefunden und feierten, dem in dem heiligen Stiere verborgenen neu erſchienenen Gotte, in herrlichen Kleidern, ein großes Freudenfeſt.

Da Kambyſes ſchon zu Theben erfahren hatte, daß ſein gegen die Oaſe des Ammon 147), in der libyſchen Wüſte, geſchicktes Heer durch einen Chamſin 148) kläglich umge - kommen ſei, und daß ſich die Flotte, der er Karthago zu erobern befohlen hatte, gegen ihre Stammgenoſſen zu ziehen, geweigert habe 149), glaubte der König, daß die Memphiten, ſeiner unglücklichen Kriegszüge wegen, jenes Freudenfeſt begingen, ließ die vornehmſten Leute der Stadt berufen, warf ihnen ihr Benehmen vor und fragte ſie, warum ſie ſich nach ſeinem Siege ſtörrig und düſter, nach ſeiner Niederlage ausgelaſſen fröhlich gezeigt hätten? Da222 erklärten ihm die Memphiten die Urſache ihrer Feſtfreude und verſicherten, daß das Erſcheinen des göttlichen Stiers jedesmal in ganz Aegypten durch Jubelfeſte und Aufzüge begangen zu werden pflege. Nun ſchalt ſie Kambyſes Lügner und verurtheilte ſie als ſolche zum Tode 150). Dann ließ er die Prieſter kommen und bekam von ihnen dieſelbe Antwort.

Höhnend und ſpottend wünſchte er jetzt die Bekannt - ſchaft des neuen Gottes zu machen und befahl, ihm den - ſelben vorzuführen. Man brachte den Apis herbei und erzählte ihm, derſelbe werde von einer jungfräulichen Kuh durch die Berührung eines Blitzſtrahls gezeugt, müſſe ſchwarz ſein, auf der Stirn ein weißes Dreieck, auf dem Rücken das Bild eines Adlers, und an der Seite einen zunehmenden Halbmond tragen. Am Schwanze ſuche man bei ihm zweierlei Haar und an der Zunge einen Auswuchs in Geſtalt des heiligen Käfers Scarabaeus 151).

Als der vergötterte Stier vor ihm ſtand, und er nichts Außergewöhnliches an demſelben entdecken konnte, wurde Kambyſes wüthend und ſtieß ihm ſein Schwert in die Seite 152). Als er das Blut ſtrömen und den Apis zuſammenſtürzen ſah, lachte er gellend auf und rief: Jhr Narren! Eure Götter haben alſo Fleiſch und Blut und laſſen ſich verwunden? Freilich iſt ſolche Thorheit eurer vollkommen würdig. Aber ihr werdet ſehen, daß ich mich nicht ſtraflos verſpotten laſſe. Heda, Trabanten! Peitſcht dieſe Prieſter durch und tödtet Jeden, den ihr bei der wahnſinnigen Feier ertappt! Man befolgte ſeine Befehle und ſteigerte dadurch den Jngrimm der Aegypter auf’s Höchſte.

Nachdem der Apis an ſeiner Wunde gefallen war, beſtatteten ihn die Memphiten heimlich in den bei’m Se -223 rapeum befindlichen Grüften der heiligen Stiere*)Siehe III. Theil Anmerk. 122. und verſuchten dann, unter Pſamtik’s Führung, einen Aufſtand gegen die Perſer; derſelbe wurde aber bald unterdrückt und koſtete dem unglücklichen Sohne des Amaſis ein Leben 153), deſſen Flecken und Härten durch ſein nimmer ruhendes Beſtreben, ſein Volk von der Fremdherrſchaft zu erlöſen, und durch ſeinen Tod für die Freiheit vergeſſen zu werden verdienen.

Der Wahnſinn des Kambyſes hatte indeſſen neue Formen angenommen. Nach dem fehlgeſchlagenen Verſuch, dem in einen Bogen verwandelten Bartja ſeine alte Ge - ſtalt wieder zu geben, erhöhte ſich ſeine Reizbarkeit ſo ſehr, daß ihn ein Wort, ein Blick, welcher ihm mißfiel, in Ra - ſerei verſetzen konnte.

Sein treuer Mahner Kröſus wich auch jetzt nicht von ſeiner Seite, obgleich ihn der König mehrmals den Tra - banten zur Hinrichtung übergeben hatte. Dieſe kannten aber ihren Herrn, hüteten ſich wohl, ihre Hand an den Greis zu legen und waren der Strafloſigkeit ſicher, weil der König am nächſten Tage entweder ſeinen Befehl ver - geſſen oder denſelben längſt bereut hatte. Nur einmal mußten die unglücklichen Peitſchenträger ihre Nachſicht furchtbar büßen, denn, obgleich ſich Kambyſes über die Erhaltung des Greiſes freute, ſo ließ er die Lebensretter deſſelben nichtsdeſtoweniger wegen ihres Ungehorſams hin - richten 154).

Es widerſteht uns, viele andre Züge der barbariſchen Grauſamkeit, welche der wahnſinnige König in jener Zeit begangen haben ſoll, nachzuerzählen; dennoch können wir einige derſelben nicht unerwähnt laſſen.

224

Als er eines Tags beim Schmauſe ſaß, fragte er trunkenen Muthes den Prexaspes, was die Perſer von ihm ſagten. Der Botſchafter, welcher ſich gerade zu jener Zeit der beſondern Huld des Königs erfreute, und in dem Bedürfniß, ſein marterndes Gewiſſen durch edle Thaten gefährlicher Art zu übertäuben, keine Gelegenheit vorüber - gehen ließ, welche ihm geſtattete, wohlthätig auf den Un - glücklichen einzuwirken, antwortete, daß ſie ihn in jeder Hinſicht belobten, doch aber meinten, er ſei dem Weine zu ſehr ergeben.

Nach dieſen halb ſcherzend geſprochenen Worten brauste der Wahnſinnige auf und ſchrie: So ſagen die Perſer, daß mich der Wein um den Verſtand bringe? Jetzt will ich zeigen, daß ſie ſelbſt verlernt haben, richtig zu urthei - len! Bei dieſen Worten ſpannte er ſeinen Bogen, zielte einen Augenblick und ſchoß dann dem älteſten Sohne des Prexaspes, der im Hintergrunde der Halle, als Schenk, der Winke des Herrſchers harrte, in die Bruſt. Darauf gab er den Befehl, den unglücklichen Jüngling zu öffnen und zu unterſuchen. Der Pfeil war mitten in ſein Herz ge - drungen. Hierüber freute ſich der unſinnige Tyrann und rief lachend: Jetzt ſiehſt Du, Prexaspes, daß nicht ich, ſondern die Perſer ihren Verſtand verloren haben. Wer könnte ſein Ziel unfehlbarer treffen, als ich?

Prexaspes ſah, gleich der am Sipylos verſteinerten Niobe, bleich und regungslos dem entſetzlichen Schauſpiele zu. Seine Sklavenſeele beugte ſich vor der Allmacht des Königs und zwang ihm nicht den Dolch der Rache in die Rechte. Vielmehr murmelte er, als der Wahnſinnige ſeine Frage zum andern Male wiederholte, indem er die Hand auf ſein Herz drückte: Kein Gott vermöchte ſicherer zu treffen 155)!

225

Wenige Wochen ſpäter begab ſich der König nach Sais. Als man ihm dort die Gemächer ſeiner einſtigen Geliebten zeigte, erwachte die längſt vergeſſene Erinnerung an dieſelbe mit neuer Kraft in ſeiner Seele, und ſein ge - trübtes Gedächtniß mahnte ihn zu gleicher Zeit, daß Amaſis ihn und ſie betrogen habe. Ohne ſich über die einzelnen Umſtände Rechenſchaft geben zu können, fluchte er dem Verſtorbenen und ließ ſich tobend zum Tempel der Neith führen, woſelbſt ſeine Mumie ruhte. Dort riß er den balſamirten Leichnam des Königs aus dem Sarkophage, ließ denſelben mit Ruthen ſchlagen, mit Nadeln ſtechen, ihm die Haare ausreißen, ihn in jeder Weiſe mißhandeln und endlich, gegen das religiöſe Geſetz der Perſer, welches die Verunreinigung des reinen Feuers durch Leichname für eine Todſünde hält, verbrennen. Zu gleichem Schickſale verdammte er die Mumie der erſten Gattin des Amaſis, welche zu Theben, ihrer Heimat, im Sarkophage ruhte 156).

Nach Memphis zurückgekehrt, ſcheute er ſich nicht, ſeine Gattin und Schweſter Atoſſa mit eigner Hand zu mißhandeln.

Eines Tages hatte er nämlich ein Kampfſpiel ange - ordnet, in welchem unter Anderen ein Hund mit einem jungen Löwen kämpfen mußte. Als der Leu ſeinen Gegner bewältigt hatte, riß ſich ein andrer Hund, der Bruder des Ueberwundenen, von ſeiner Kette los, ſtürzte ſich auf den Löwen und bezwang denſelben mit Hülfe des Verwundeten. Dieſer Anblick, der dem Kambyſes große Freude machte, veranlaßte Kaſſandane und Atoſſa, welche dem Schauſpiele auf Befehl des Königs beiwohnen mußten, laut zu weinen.

Der erſtaunte Tyrann fragte ſie um die Urſache ihrer Thränen, und erhielt von der heftigen Atoſſa die Antwort: Das tapfere Thier, welches für ſeinen Bruder ſein LebenEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 15226auf’s Spiel geſetzt habe, erinnere ſie an Bartja, der un - gerochen, ſie wolle nicht ſagen, durch wen, getödtet wor - den ſei.

Dieſe Worte erregten den Zorn und die ſchlummern - den Gewiſſensqualen des Raſenden ſo ſehr, daß er die allzukühne Frau mit Fäuſten ſchlug, ja dieſelbe vielleicht getödtet haben würde, wenn ihm nicht ſeine Mutter in den Arm gefallen wäre und ſich ſelbſt den Streichen des Tobſüchtigen ausgeſetzt hätte 157).

Das geheiligte Angeſicht und die Stimme der Mutter genügten, ſeiner Wuth Zügel anzulegen; der Blick der - ſelben, welcher ihn voll getroffen hatte, war aber von ſo hohem Zorn und ſo tiefer Verachtung erfüllt geweſen, daß er ihn nicht vergeſſen konnte, und der neue Jrrwahn in ihm erwachte, daß er von den Augen der Weiber vergiftet werden würde. Sobald er von nun an eine Frau er - blickte, ſchrack er zuſammen und verſteckte ſich hinter ſeine Begleiter, bis er endlich verordnete, daß man alle weib - lichen Bewohner des memphitiſchen Schloſſes, ſeine Mutter nicht ausgenommen, nach Ekbatana bringen ſolle. Aras - pes und Gyges erhielten den Auftrag, dieſelben nach Perſien zu führen.

Der Reiſezug der königlichen Frauen war zu Sais angelangt und dort im Palaſte der Pharaonen abgeſtiegen. Kröſus begleitete die Scheidenden bis zu dieſer Stadt.

Kaſſandane hatte ſich in den letzten Jahren ſehr ver - ändert. Tiefe, von Gram und Leid gefurchte Falten durch - zogen ihr einſtmals ſo ſchönes Angeſicht, während der Schmerz nicht vermocht hatte, ihre hohe Geſtalt zu beugen.

Atoſſa, die Tochter der Greiſin, war dagegen, trotz227 manchen Kummers, ſchöner geworden, als vorher. Das muthwillige Mädchen hatte ſich in ein vollkommen ent - wickeltes, ſelbſtbewußtes Weib, das ungeſtüme, trotzige Kind in eine lebhafte, willensſtarke Frau verwandelt. Der Ernſt des Lebens und drei, an der Seite ihres raſenden Gatten und Bruders verbrachte, traurige Jahre waren für ſie zu trefflichen Lehrmeiſtern in der Geduld geworden, hatten aber nicht vermocht, ſie der erſten Liebe ihres Her - zens abwendig zu machen. Sappho’s Freundſchaft mußte ſie gewiſſermaßen für den Verluſt des Darius entſchädigen.

Die junge Griechin war ſeit dem Verſchwinden ihres Gatten zu einem andern Weſen geworden. Der roſige Schein ihrer Wangen und ihr holdſeliges Lächeln hatten ſie längſt verlaſſen. Wunderbar ſchön, trotz ihrer Bläſſe, ihrer geſenkten Wimpern und ſchlaffen Haltung, glich ſie jener Ariadne, welche des heimkehrenden Theſeus harrte. Sehnſucht und Erwartung ſprachen aus dem Blick ihrer Augen, dem Ton ihrer leiſen Stimme, der Gemeſſenheit ihres Ganges. Sobald ſich Schritte nahten, wenn eine Thüre ging oder eine männliche Stimme unerwartet ſich hören ließ, ſchrack ſie zuſammen, ſtand auf und lauſchte, um ſich bald darauf, enttäuſcht und doch nicht irre gemacht in ihrer Hoffnung, der Sehnſucht von Neuem hinzugeben und, wie ſie ſchon früher ſo gern gethan hatte, zu ſinnen und zu träumen.

Nur wenn ſie mit ihrem Kinde ſpielte und für das - ſelbe ſorgte, ſchien ſie wieder die Alte zu werden, denn dann färbten ſich ihre Wangen mit neuem Roth, ihre Augen erglänzten, und ihr ganzes Weſen ſchien wieder, ſtatt in der Vergangenheit oder Zukunft, in der friſchen Gegenwart zu leben.

Das Kind war ihr Alles. Jn ihm lebte Bartja für228 ſie fort; auf das Kind konnte ſie, ohne dem Verſchwun - denen auch nur das Geringſte zu entziehen, die ganze Liebesfülle ihres Herzens übertragen; mit dem Kinde hatte ihr die Gottheit ein Lebensziel, ein Band geſchenkt, welches ſie wiederum mit der Welt, deren ſchätzbarer Theil ſeit ihres Gatten Verſchwinden für ſie verloren ſchien, vereinte. Manchmal dachte ſie wohl, wenn ſie in die blauen Augen des holden Weſens ſchaute, die denen ſeines Vaters ſo täuſchend glichen: Warum iſt ſie doch kein Knabe? Der würde ihm von Tag zu Tag ähnlicher werden und endlich als ein zweiter Bartja, wenn es überhaupt einen ſolchen geben könnte, vor mir ſtehen!

Aber ſolche Gedanken pflegten nur von kurzer Dauer zu ſein und damit zu enden, daß ſie die Kleine mit dop - pelter Zärtlichkeit an ihr Herz drückte, daß ſie ſich un - dankbar und thöricht ſchalt.

Eines Tages hatte Atoſſa in gleichem Sinne ausge - rufen: Schade, daß Parmys kein Knabe iſt! Der würde ſeinem Vater ähnlich werden und Perſien als ein zweiter Kyros regieren! Sappho ſtimmte der Freundin, weh - müthig lächelnd, bei und bedeckte die Kleine mit Küſſen; Kaſſandane aber ſagte: Erkenne auch darin die Güte der Götter, meine Tochter, daß ſie Dir ein Mägdlein beſcheer - ten. Wäre Parmys ein Knabe, ſo würde man Dir Dein Kind, ſobald es das ſechste Lebensjahr überſchritten, fort - nehmen, um es mit den Söhnen der andern Achämeniden erziehen zu laſſen, während Dir das Mädchen noch lange Zeit angehören wird.

Sappho erbebte in dem bloßen Gedanken, ſich je von der Kleinen trennen zu müſſen, drückte das blonde Locken - köpfchen feſt an ihre Bruſt und hatte von nun an nichts mehr an ihrem koſtbaren Schatz auszuſetzen.

229

Atoſſa’s Freundſchaft that dem wunden Herzen der jungen Wittwe wohl. Mit ihr konnte ſie, ſo oft und ſo viel ſie wollte, von Bartja ſprechen und war immer einer freundlichen, theilnahmsvollen Zuhörerin gewiß. Auch Atoſſa hatte den verſchwundenen Bruder ſehr geliebt. Aber ſelbſt ein Fremder würde den Erzählungen Sappho’s gerne zugehört haben, ſteigerte ſich doch ihre Rede nicht ſelten zu hohem Schwunge, ſchien ſie doch, wenn ſie die Erinne - rungen aus der Roſenzeit ihres Glücks in Worte kleidete, zur gottbegabten Dichterin zu werden. Und wenn ſie gar das Saitenſpiel in die Hand nahm und die heißen Sehn - ſuchtslieder des lesbiſchen Schwanes*)Siehe I. Theil Anmerk. 17., in denen ſie ihre eigenſten Gefühle wiederfand, mit ihrer reinen, holdſelig klagenden Stimme ſang, dann glaubte ſie mit dem Ge - liebten in ſchweigender Nacht unter duftendem Akanthus zu verweilen und vergaß, von Phantaſieen der Wirklichkeit entführt, der trüben Gegenwart. Und jedesmal, wenn ſie das Saitenſpiel aus der Hand legte, um ſich, tief auf - athmend, dem Reiche der Träume zu entziehen, wiſchte ſich Kaſſandane, obgleich ſie die griechiſche Sprache nicht ver - ſtand, eine Thräne aus den Augen, beugte ſich Atoſſa zu ihr nieder, um ihre Stirn zu küſſen.

So waren drei lange Jahre vergangen, in denen ſie ihre Großmutter nur ſelten geſehen hatte; durfte ſie doch, auf Befehl des Königs, um Parmys willen das Haus der Weiber niemals ohne Kaſſandane’s oder der Eunuchen Begleitung und Erlaubniß verlaſſen.

Jetzt hatte Kröſus, der ſie nach wie vor gleich einer Tochter liebte, Rhodopis nach Sais beſchieden. Sappho konnte nicht in die Ferne ziehen, ohne ihrer treuſten Freun -230 din Lebewohl zu ſagen, und fand bei Kaſſandane, wie bei dem greiſen Lyder, volles Verſtändniß für dieſen Her - zenswunſch. Die Wittwe des Kyros hatte außerdem ſo viel von der edlen Großmutter ihrer Schwiegertochter ge - hört, daß ſie dieſelbe kennen zu lernen wünſchte und ſie, nachdem Sappho ein zärtliches Wiederſehen mit derſelben gefeiert hatte, zu ſich entbieten ließ.

Als die beiden Greiſinnen einander gegenüberſtanden, hätte ein Fremder nimmer entſcheiden können, wer von ihnen die Königin ſei; würde er ſie doch Beide für Für - ſtinnen gehalten haben.

Kröſus, welcher der Griechin ebenſo nahe ſtand, als der Perſerin, verſah das Amt des Dolmetſchers und wußte, unterſtützt von dem biegſamen Geiſte der Hellenin, das Geſpräch in ununterbrochenem Fluß zu halten.

Nachdem Rhodopis mit dem ihr eignen Zauber Kaſ - ſandane’s Herz gewonnen hatte, glaubte die Königin, nach perſiſcher Art, derſelben ihr Wohlgefallen nicht beſſer be - weiſen zu können, als durch die Aufforderung, ihr irgend einen Wunſch vorzutragen.

Die Hellenin zauderte einen Augenblick, ehe ſie, ihre Hände wie zum Gebet erhebend, ausrief: Laß mir Sappho, den Troſt und Schmuck meines Alters!

Kaſſandane lächelte ſchmerzlich und gab zurück: Dieſen Wunſch vermag ich nicht zu erfüllen, denn unſer Geſetz befiehlt, daß die Kinder der Achämeniden an der Pforte des Königs erzogen werden ſollen. Jch darf die kleine Parmys, als einzige Enkelin des Kyros, nicht von mir laſſen, und Sappho wird ſich, ſo lieb ſie Dich zu haben ſcheint, in keinem Falle von ihrem Kinde trennen. Auch iſt ſie mir und meiner Tochter ſo theuer, ja, ich möchte ſagen, nothwendig geworden, daß ich ſie, obgleich ich231 Deine Sehnſucht nach ihr wohl verſtehe, niemals von mir laſſen würde.

Als Kaſſandane ſah, daß ſich das Auge der Hellenin mit Thränen füllte, fuhr ſie fort: Aber ich wüßte ein gutes Auskunftsmittel. Verlaß Naukratis und komm mit uns nach Perſien. Dort ſollſt Du Deine letzten Jahre mit uns und Deiner Enkelin verleben und gleich einer Fürſtin gehalten werden!

Rhodopis ſchüttelte ihr ſchönes, greiſes Haupt und erwiederte mit gedämpfter Stimme: Jch danke Dir für Deine gütige Einladung, hohe Königin; fühle aber, daß ich dieſelbe nicht anzunehmen vermag. Alle Faſern meines Herzens wurzeln in Griechenland und würden mit meinem Leben zerreißen, wenn ich mich von demſelben für immer abtrennen wollte. An fortwährende Thätigkeit, regen Aus - tauſch der Gedanken und unbedingte Freiheit gewöhnt, würde ich in der Beſchränkung des Harems hinſiechen und ſterben. Von Kröſus auf Deinen gütigen Vorſchlag vor - bereitet, hab ich ſchwere Kämpfe beſtanden, eh ich dahin gelangen konnte, mir zu ſagen, daß es meine Pflicht ſei, mein liebſtes für mein höchſtes Gut aufzuopfern. So viel ſchwerer es iſt, ſchön und gut, als glücklich zu leben, ſo viel ruhmvoller, ſo viel würdiger des helleniſchen Namens iſt es, ſtatt dem Glücke der Pflicht zu folgen. Mein Herz zieht mit Sappho nach Perſien, mein Geiſt und meine Erfahrungen gehören den Griechen. Wenn Du eines Tages vernehmen ſollteſt, daß Niemand außer dem Volke in Hellas regiert, und daß ſich dieſes Volk vor nichts Andrem beugt, als vor ſeinen Göttern und Geſetzen, dem Guten und Schönen, dann magſt Du denken, daß die Aufgabe, an die Rhodopis, im Bunde mit den Beſten der Hellenen, ihr Leben ſetzte, erfüllt ſei. Zürne nicht der232 Griechin, welche, damit ich es nur geſtehe, lieber als freie Bettlerin vor Sehnſucht ſterben, denn als glücklich geprie - ſene, aber geknechtete Fürſtin leben möchte.

Kaſſandane hörte der Greiſin ſtaunend zu. Sie ver - ſtand dieſelbe nur theilweis; fühlte aber, daß Rhodopis edle Worte geſprochen habe, und reichte ihr am Schluß ihrer Rede die Hand zum Kuſſe. Dann ſagte ſie nach einer kurzen Pauſe: Handle nach Deinem Ermeſſen und ſei verſichert, daß es Deiner Enkelin, ſo lange ich und meine Tochter leben, nicht an treuer Liebe gebrechen wird.

Dafür bürgt mir Dein edles Angeſicht und der hohe Ruf Deiner Tugend! antwortete Rhodopis.

Sowie meine Pflicht, Das, was man an Deiner Enkelin verbrochen, nach Kräften wieder gut zu machen.

Die Königin ſeufzte ſchmerzlich, ehe ſie fortfuhr: Auch ſoll auf die Erziehung der kleinen Parmys aller Fleiß verwendet werden. Sie ſcheint von der Natur reich begabt zu ſein und ſingt jetzt ſchon ihrer Mutter die Weiſen ihrer Heimat nach. Jch wehre nicht ihrer Nei - gung zur Muſik, obgleich dieſelbe in Perſien, außer beim Gottesdienſte, nur von niedrig gebornen Menſchen aus - geübt zu werden pflegt 158).

Rhodopis erglühte bei dieſen Worten und rief: Ge - ſtatteſt Du mir, frei zu reden, o Königin?

Sprich ohne Furcht!

Als Du vorhin in dem Gedanken an Deinen ver - ſchwundenen, trefflichen Sohn aufſeufzteſt, dachte ich bei mir: Vielleicht wäre der junge, edle Held noch am Leben, wenn die Perſer ihre Söhne beſſer, ich wollte ſagen, mannigfaltiger zu erziehen verſtänden. Jch habe mir von Bartja mittheilen laſſen, was den perſiſchen Knaben ge - lehrt wird. Bogenſchießen, Speerewerfen, Reiten, Jagen,233 die Wahrheit zu reden und vielleicht einige ſchädliche und heilſame Kräuter zu unterſcheiden, das iſt Alles, was man ihnen beibringen zu müſſen meint. Unſre helleniſchen Knaben werden körperlich ebenſo unverdroſſen geübt und geſtählt, denn der Arzt iſt nur der Ausbeſſerer, die Gym - naſtik aber der Schmied der Geſundheit. Wäre jedoch ein helleniſcher Jüngling durch fortwährende Uebung ſtärker geworden, als ein Stier, wahrhaftiger, als die Gottheit und weiſer, als der gelehrteſte ägyptiſche Prieſter, ſo wür - den wir ihn dennoch nur mit Achſelzucken anblicken, wenn ihm Dasjenige fehlte, was ihm nur durch frühes Beiſpiel und ſorgfältige Pflege der mit der Gymnaſtik vereinten Muſik gegeben werden kann: Anmuth und Ebenmaß!‘ Du lächelſt, weil Du mich nicht verſtehſt; wirſt mir aber Recht geben, wenn ich Dir gezeigt haben werde, daß die Muſik, welche Dir ja, nach Sappho’s Erzählungen, zu Herzen zu gehen ſcheint, ebenſo wichtig für die Erziehung ſei, als die Gymnaſtik. Beide wirken, ſo ſeltſam dieß auch klingen mag, gleichmäßig auf die Vervollkommnung der Seele und des Körpers. Wer ſich ausſchließlich der Muſik hingibt, wird zwar anfangs, wenn er wilder Natur war, wie Erz im Feuer, weich und biegſam werden und ſeine ſtrenge, rohe Art und Weiſe mildern; aber endlich wird ſein Muth zerſchmelzen; ſtatt heftig wird er in kleinen Dingen reizbar und wenig tauglich zum Soldaten werden, was ihr Perſer doch vor allen Dingen erſtrebt. Wer nur Gymnaſtik treibt, wird zwar, wie Kambyſes, Kraft und Mannhaftigkeit in ſich vereinen; ſeine Seele aber hier höre ich zu vergleichen auf bleibt ſtumpf und blind, und ſeine Empfindungen entbehren der Reinheit. Er wird ſich verſtändigen Gründen taub zeigen und, einem Tiger gleich, mit roher Gewalt Alles durchzuſetzen ſuchen; ja,234 ſein Leben wird wahrſcheinlich, der Anmuth und Mäßigung entbehrend, zu einem ungeſchlachten, gewaltthätigen Treiben werden. Daher iſt die Muſik nicht allein für die Seele, die Gymnaſtik nicht allein für den Körper da, ſondern beide, innig verſchmolzen, müſſen den Körper kräftigen und die Seele erheben und ſänftigen, dem ganzen Menſchen aber männliche Anmuth und anmuthige Mannhaftigkeit verleihen 159).

Rhodopis ſchwieg einen Augenblick, um bald darauf fortzufahren: Wem eine ſolche Erziehung nicht zu Theil wird, und wer außerdem von Kindheit an ſeine Rohheit ſtraflos auslaſſen darf, wie und an wem er will; wer immerdar nichts als Schmeichelworte, niemals aber gerech - ten Tadel zu hören bekommt; wer befehlen darf, eh er zu gehorchen lernt; wer endlich mit dem Grundſatze, Glanz, Macht und Reichthum wären die höchſten Güter, aufer - zogen wird, der kann niemals jene volle, edle Männlichkeit erwerben, welche wir für unſre Knaben von der Gottheit erflehen. Und wenn ein ſolcher Unglücklicher mit heftiger Gemüthsart und begehrlichen Sinnen geboren wurde, ſo wird ſich ſeine Unbändigkeit ohne den beſänftigenden Ein - fluß der Tonkunſt durch bloße Leibesübungen ſteigern, und aus dem, vielleicht nicht ohne gute Anlagen zur Welt ge - kommenen Kinde, durch die Schuld ſeiner Erziehung, ein reißendes Thier, ein ſich ſelbſt vernichtender Schlemmer und ein wahnſinniger Wütherich werden*)II. Theil Anmerk. 21..

Hier ſchwieg die lebhafte Greiſin. Als ihr Blick den feuchten Augen der Königin begegnete, fühlte ſie, daß ſie zu weit gegangen ſei und ein edles Mutterherz gekränkt habe. Darum faßte ſie Kaſſandane’s Gewand, führte den235 Saum deſſelben an ihre Lippen und ſagte leiſe bittend: Verzeihe mir!

Kaſſandane gab ein Zeichen der Bejahung, grüßte die Hellenin und ſchickte ſich an, das Gemach zu verlaſſen. Auf der Schwelle deſſelben blieb ſie noch einmal ſtehen und ſprach: Jch grolle Dir nicht, denn Deine Vorwürfe ſind gerecht. Aber verſuche auch Du zu vergeben, denn ich ſage Dir, daß Derjenige, welcher das Glück Deines und meines Kindes mordete, zwar der Mächtigſte, aber zu gleicher Zeit der Beklagenswertheſte aller Sterblichen iſt. Lebe wohl und denke, wenn Du irgend etwas bedürfen ſollteſt, der Wittwe des Kyros, die Dir für Deine Frei - müthigkeit verpflichtet iſt und Dich daran erinnert, daß man den Perſern vor allen Dingen Dankbarkeit‘ und Freigebigkeit‘ anerzieht.

Nach dieſen Worten verließ Kaſſandane das Gemach. Rhodopis blieb, gedankenvoll zu Boden ſchauend, allein zurück, bis Kröſus, welcher die Königin zu ihren Skla - vinnen und Eunuchen geleitet hatte, zu ihr zurückgekehrt war.

Jn dem nun folgenden Geſpräche erzählte der Greis, wie Kaſſandane ſtündlich bitter bereue, daß ſie und ihr verſtorbener großer Gatte ihren älteſten Sohn ſo falſch erzogen habe, und darum von dem Vorwurfe der Rho - dopis doppelt tief ergriffen worden ſei. Dann erwähnte er, im Gegenſatz zum Könige, des, trotz ſeiner mangel - haften Erziehung, ſo trefflich gerathenen Darius, und ſchloß mit der Behauptung, daß Letzterer einſtmals den Thron des Kambyſes beſteigen und, als ein zweiter Kyros, den Hellenen um ſo gefährlicher werden würde, je weniger er ſich, trotz ſeiner Achtung für das Wiſſen und die Kunſt der Griechen, mit dem Selbſtbewußtſein und Tyrannenhaß derſelben verſöhnen könne.

236

Rhodopis antwortete lächelnd, daß ſie die Perſer nicht fürchte und, im Gegentheil, von einem Angriffe derſelben die volle Einigung und den höchſten Aufſchwung ihres Vaterlandes erwarte.

Als ihr Kröſus hierauf die Zahl der perſiſchen Kriegs - völker, ſowie die Erfolge des Kyros gegen die joniſchen Städte in Kleinaſien vorhielt, nahm ſie eine Briefrolle aus den Falten ihres Gewandes und ſprach:

Jch will nicht leugnen, daß uns die aſiatiſche Macht ſchwer bedrohen kann; bitte Dich aber, folgende Zeilen mit anzuhören, die mir ein Mann, deſſen Geiſt Du achteſt, vor kurzer Zeit überſandte. Phanes, der Athener, von dem wir Alle ſeit drei Jahren keine Nachricht erhielten, hat dieſen Brief geſchrieben.

Leſe; ich bitte darum! rief der Greis, welcher des hochbegabten Mannes oft und gern zu gedenken pflegte.

Höre denn! erwiederte Rhodopis und begann zu leſen:

Phanes, der Athener, ſendet ſeiner ſchönen, treff - lichen und weiſen Freundin Rhodopis aus dem fernen Kroton Gruß und Heil.

Als ich Aegypten verließ, war es mir nicht geſtattet, Dir und den anderen Freunden zu Naukratis Lebewohl zu ſagen. Wund und krank an Leib und Seele, bedroht von den Henkern des Tyrannen und dem zehrenden Gifte des Wundfiebers, beſtieg ich mit meinen Sklaven und Schätzen, gedankenlos, wie ein Trunkener, die ſegelfertige Triere des Oinophilos von Sybaris. Jch fragte ebenſo - wenig, wohin das Schiff ſeinen Lauf richten werde, als ich mir Rechenſchaft zu geben verſuchte, was ich mit dem Reſt meines mir widerwärtigen Lebens beginnen ſolle. Jn237 dumpfem Brüten lag ich Tag und Nacht auf dem Ver - decke, ließ mir von einem Sklaven Nahrung bringen und ſchaute auf das endloſe Meer, deſſen einförmiger Wogen - ſchlag meiner Stimmung zuſagte, während ich die Augen abwendete, wenn grüne Ufer mit Myrten - und Oliven - hainen, Weinbergen und wohlbewohnten Städten, meinem Blick begegneten.

Am liebſten hätte ich geſehen, wenn die Triere der Nachen des Charon, die blaue See der Fluß der Unter - welt und das Keleusma*)I. Theil Anmerk. 209. der Ruderknechte der Geſang des mich zu Grabe tragenden Chors geweſen wäre. Be - ſonders in der Nacht, wenn der Kiel des Schiffes leuch - tende Furchen durch die Wogen zog, wenn der Geſang der Matroſen ſchwieg, und ſich Selene in dem blanken Stahlſpiegel der weißfüßigen Thetis ſpiegelte, wurde mein Herz ſo weit von übergroßer, unausſprechlicher Sehnſucht nach einem mir ſelbſt unklaren Etwas, daß ich mir Ge - walt anthun mußte, um nicht in dem feuchten Reiche des Poſeidon den Tod zu ſuchen.

Als aber am fünfzehnten Tage unſerer Fahrt, im Angeſicht des Hafens von Kroton, die Triere von einem Wirbelwinde erfaßt und an die Klippen des Ufers ge - ſchleudert wurde, da ſetzte ich, o des wunderbaren Wider - ſpruches in der Menſchennatur, alle Kräfte ein, um daſſelbe Leben zu erhalten, welches ich geſtern, als eine ſchwere Laſt, ſo gern von mir geſchleudert haben würde.

Das Fahrzeug war ſammt dem größten Theil meiner Schätze und vielen unglücklichen Menſchen kläglich zu Grunde gegangen; ich ſelber aber ſtand wohlbehalten auf dem Marktplatze von Kroton, umgeben von dem wogenden238 Gedränge der geſchäftigen Städter. Niemals hatte ich mich ſo einſam, ſo verlaſſen, ſo abgetrennt von der ganzen übrigen Welt gefühlt, als in dieſem Gewimmel von frem - den, nach Gewinn jagenden Menſchen, die mich, wie den Stein im Wege, ſtießen und doch überſahen.

Während ich noch, unſchlüſſig, welchen Weg ich ein - ſchlagen ſollte, und meinem Geſchicke zürnend, daſtand, be - merkte ich, wie das Volk zuſammenlief und ſchreiend und jubelnd eine Reiterſchaar umringte, die, wie ich mir ſpäter erzählen ließ, von Sybaris gekommen war, um den Kro - toniaten Proben ihrer ſeltenen Kunſtfertigkeit zu ge - ben 160).

Du kannſt Dir denken, mit welcher Aufmerkſamkeit das neugierige Volk den kühnen Menſchen zuſah, die, auf laufenden Pferden ſtehend, athletiſche Stellungen einnahmen, durch Reife ſprangen und andere Kunſtſtücke zum Beſten gaben. Jch ſelbſt konnte mich der Bewunderung nicht enthalten und war darum nicht wenig erſtaunt, als ſich die Aufmerkſamkeit der Menge plötzlich von einem Reiter, der mit der Seite ſeines im Kreiſe laufenden Roſſes Eins zu ſein ſchien, abwandte, um auf einen ſtattlichen, weiß gekleideten Mann überzugehen, welcher neben einem rieſigen, reich bekränzten Krotoniaten, begleitet von vielen Jüng - lingen und Männern, gemeſſenen Schrittes den Markt be - trat. Sobald ſich der ſeltſame Zug den Gaffern genähert hatte, verneigte ſich ein Theil derſelben tief und ehrfurchts - voll, während Andere in ein lautes Jubelgeſchrei aus - brachen, und wieder Andere durch Ziſchen und Murren Zeichen ihres Mißfallens gaben.

Schon aus der Ferne hatte ich in dem Anführer des Zuges Pythagoras erkannt. Aus den Reden meiner Nach - barn entnahm ich, daß der den Weiſen begleitende Rieſe239 der berühmteſte und ſtärkſte aller Hellenen, der ſchöne Milon ſei*)I. Theil Anmerk. 72.. Jhm, der den Krotoniaten ſo großen Ruhm ge - bracht hatte, galt der Jubel der Menge, während dem Pythagoras ſchweigende Ehrfurcht oder unverholene Miß - billigung gezollt wurde 161). Der gemeine, ungebildete Haufe haßt den edlen Meiſter, wie er alles wahrhaft Er - habene, weil ihn daſſelbe blendet, niemals zu ertragen vermag. Der beſſere Theil der Bevölkerung von Kroton beugt ſich dagegen vor der Ueberlegenheit des Meiſters, und die Söhne der vornehmſten Bürger dieſer blühenden Stadt, welche ihn zum Prytanen erwählten 162), nennen ſich mit Stolz ſeine Jünger.

Klar und würdig um ſich herblickend, ſchien der Meiſter die Aeußerungen des Volkes nicht zu hören, oder beſſer, die Anweſenheit deſſelben vollkommen zu überſehen. Als er ſich meinem Platze genähert und mich bemerkt hatte, ſchaute er mich mit ſeinen hellen Augen, welche bis in die innerſten Tiefen des Herzens dringen, prüfend an und ſagte: Du biſt Phanes, der Athener, den ich einſt am Hofe des Amaſis kennen lernte!

Du ſagſt es!

Und kommſt hierher, weil Du vor dem Könige von Perſien fliehen mußt?

Jch gab ein bejahendes Zeichen.

Du biſt aus Deiner Heimat verbannt und ver - zehreſt Dein Herz. Das Leben ſcheint Dir nichts mehr bieten zu können, und dennoch ſcheuſt Du Dich vor dem Tode. Du beklagſt Dich im Stillen über dein Unglück und würdeſt das Glück, gleich einem ungebetenen Gaſte, von Dir weiſen. Du ſehnſt Dich nach Ruhe und Schmerz -240 loſigkeit und wirſt doch nicht müde, den Frieden Deiner Seele durch unwilliges Auflehnen gegen das Verhängte zu trüben und ihr durch mißtönende Gedanken wehe zu thun.

Jch ſchaute den großen Herzensergründer ſtaunend an; er aber faßte meine Hand, preßte dieſelbe mit flüchtigem Drucke und ſagte, mich noch einmal, während er ſeinen Weg fortſetzte, durchdringend anſchauend: Wenn Du finden willſt, was Du ſucheſt, ſo folge mir!

Und ich, der ſeit vielen Jahren nur Befehle ertheilt hatte, folgte ihm willig, wie ein Kind. Wenige Stunden ſpäter befand ich mich in dem Pythagoräiſchen Hauſe, einem Bauwerke mit weiten Sälen und luftigen Zimmern. Aus den Fenſtern deſſelben kann man die wohlgepflegten Sträucher, Baumgänge und Quellen unſeres ausgedehnten Gartens überſchauen 163). Derſelbe umgrünt einen ſanft anſteigenden Hügel und gewährt einen weiten Blick auf das bläuliche Meer mit ſeinen Schiffen und Booten und die öſtlich von der Stadt gelegenen Berge, mit ihren Oliven - und Myrtenhainen.

Nachdem ich mich einer ſtrengen Prüfung unterzogen und das Gelübde, drei Jahre lang zu ſchweigen, geleiſtet hatte, wurde ich unter die Zahl der Schüler des großen Meiſters aufgenommen. Mein Vermögen fiel dem Pytha - goräiſchen Hauſe anheim; wäre mir aber zurückbezahlt worden, wenn man mich unwerth des Bundes gefunden haben würde.

Jetzt, wo die ſchwere Lehrzeit hinter mir liegt, und ich mich wiederum frei ausſprechen darf, will ich Dir, meine Freundin, zuerſt die Verſicherung geben, daß ſich die Prophezeiung des Meiſters erfüllt hat, und ich das, was ich ſuchte, gefunden habe.

241

Kein Mißklang ſtört die Ruhe meines Gemüths, kein Augenblick der Unzufriedenheit drängt ſich in den ſchein - bar einförmigen Lauf eines Lebens, welches jetzt, nach vielen Jrrungen und Jrrfahrten, einzig der Betrachtung Gottes, der Wiſſenſchaft, und ſomit der Vorbereitung der Seele auf das Leben nach dem Tode gewidmet iſt.

Dort, jenſeits des Grabes, ſchlingen die Sphären in ſeligen Harmonieen ihre ewigen Kreiſe, waltet ein nie geſtörter göttlicher Einklang. Damit die Seele nun in dieſe unſichtbare, reine, geiſtige Welt eingehen könne, ohne die Harmonie derſelben zu ſtören, müſſen wir ſchon hier auf Erden dafür ſorgen, uns alles Unreinen und Un - harmoniſchen zu entkleiden. Gelingt uns dies an Leib und Seele, dann können wir ruhig ſterben, ſicher, als harmoniſcher Theil in dem harmoniſchen Ganzen auf - zugehen.

Du kennſt die Anſicht des Meiſters, daß die unreine Seele, ſo lange die Leiber von Menſchen und Thieren durchwandern muß, bis ſie jene Lauterkeit angenommen hat, die ſie befähigt, in die ungetrübte Harmonie des Welt - äthers, aus dem ſie, wie die Götter, entſprungen iſt, wie - der aufgenommen zu werden. Niemand kann wiſſen, in wie vielen Körpern ſeine Seele ſchon gewohnt hat, aber Jeder ſoll darnach ſtreben, ſo zu leben, daß er endlich in das ewige Reich beſeligender, höherer Erkenntniß ein - gehen darf.

Möchteſt Du doch in unſerer Mitte weilen, könnteſt Du an dem unſchuldigen, arbeitſamen, reueloſen Leben theilnehmen, welches Deinen Freund den Verluſt der höchſten Lebensgüter vergeſſen hilft.

Jn ſchneeig weißen Gewändern von glänzender Wolle gehen wir einher, denn die Reinheit des Leibes muß derEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 16242Lauterkeit unſerer Seele entſprechen. Des Morgens wer - den wir von Chören geweckt, zu denen wir bald unſere eigenen Stimmen geſellen, um, gleichſam von den Schwingen der Töne getragen, aus dem Schlaf in das wache Leben überzugehen. Mit Geſängen begrüßen wir den dem Meere entſteigenden Apollon und fragen uns dann, indem wir in den Gängen des Gartens ſchweigend luſtwandeln: Was hab ich geſtern gethan und gedacht? Was werd ich heute zu vollbringen haben?

Dieſe in ernſter Beſchaulichkeit zugebrachten Morgen - ſtunden ſind, möchte ich ſagen, die würdig angewendete Jugendzeit des kommenden Tages!

Dann begeben wir uns in den Tempel und arbeiten dort mit Ernſt und Fleiß im Gebiete aller Wiſſenſchaften, lauſchen den hohen Lehren des Meiſters, ſtreben nach ſelbſtſtändigen Erfolgen im Bereiche des Geiſtes und helfen und fördern einander, wie und wo wir können. Hierauf folgen körperliche Uebungen, welche dazu dienen, dem kräf - tigen Geiſte einen ebenbürtigen Träger zu verſchaffen und die Geſundheit, unſer höchſtes Gut, zu fördern. Wenn dann das Mittagsmahl mit ſeinen ſchlichten aber ſchmack - haften Speiſen winkt, ſo würzt der Hunger ſelbſt das einfachſte Gericht. Wenig ſtark gemiſchter Wein belebt den Geiſt, ohne ihn zu verwirren und zu betäuben. Wie unſer ganzes Leben, ſo iſt auch unſer Mahl frei von Rauſch, und darum von Entnüchterung. Nach Tiſch be - geben wir uns von Neuem in den Garten und beſprechen, ſpazieren gehend, das am Vormittag Erlernte. Jedes Aufbrauſen, jedes bittere, unziemliche oder überflüſſige Wort iſt unterſagt, während der Meiſter anmuthige Scherze gern geſtattet. Eine nutzbare Pflanze oder ein unſchuldiges Thier zu verletzen, gilt für ſündlich; den Namen der Götter243 in Eiden zu mißbrauchen, für frevelhaft; düſter und un - freundlich zu ſein, für verwerflich. Wenn ſich Mit - glieder des Hauſes vergeſſen und mit einander in Streit gerathen, ſo dürfen ſie die Sonne nicht untergehen laſſen, ohne ſich die Hand gereicht und einander von Herzen ver - geben zu haben. Sobald ſich Meinungsverſchiedenheiten zeigen, rufen wir das Urtheil des Meiſters an und unter - werfen uns um ſo lieber ſeiner Anſicht, je klarer und ein - gehender er dieſelbe mit wunderbar wenigen Worten aus - zuſprechen weiß. Jeder Widerſpruch ſchweigt augenblicklich, wenn er mit dem einfachen Satze: Er hat’s geſagt! angefochten werden kann.

Nach dieſen den Geiſt anregenden und das Erlernte durch Wiederholung befeſtigenden Geſprächen begeben wir uns in die wohlgeheizten Badeſtuben und von dort mit erfriſchtem und gereinigtem Körper zur Abendmahlzeit, welche, gleich dem Mittageſſen, ebenſo einfach als ſchmack - haft zu ſein pflegt. Ehe wir uns auf die Polſter nieder - laſſen, ſpenden wir den Göttern Trank - und Weihrauch - opfer. Je zehn Freunde liegen an einem Tiſche und führen während des Eſſens ungezwungene, doch niemals leicht - fertige Geſpräche. Vor Sonnenuntergang werden die Speiſen abgetragen, und wir treten in’s Freie, um dem ſcheidenden Apollo unſere Grüße und Gebete darzubringen.

Wenn es dunkelt, verſammeln wir uns am flammen - den Herde und hören dem Jüngſten von uns zu, welcher diejenigen Stellen aus den beſten Schriftſtellern vorliest, die der Aelteſte und Weiſeſte auszuwählen pflegt. Nach - dem wir uns hierauf eine ruhige Nacht‘ und günſtige Träume‘ gewünſcht haben, begibt ſich Jeder in ſein Zimmer. Hier pflegen wir die unruhigen Sinne durch Töne zu ſänftigen und verſinken in friedlichen Schlaf, nicht ohne244 uns ernſtlich gefragt zu haben: Worin fehlte ich? Was habe ich gethan; was unterlaſſen?‘

Dieſe tägliche Selbſtprüfung ſollte Niemand ver - geſſen, dem an der Veredlung ſeiner Seele wahrhaft ge - legen iſt.

Du kennſt den Meiſter, darum brauche ich Dir nicht zu ſagen, daß ſein bloßer Anblick, ſein bloßes Wort ge - nügt, den Fehlenden auf den rechten Weg zu leiten, den Ungeſtümen zu ſänftigen und den Schlaffen zum Aufraffen ſeiner Kräfte zu ermuntern. Laute Ausbrüche der Luſt und des Schmerzes ſind uns, wie Du weißt, verboten, und Pythagoras geht uns auch hierin mit dem ſchönſten Beiſpiele voran, denn ſein Gelächter iſt Lächeln, ſein Wei - nen ein wehmüthiger Blick. Er, der Leidenſchaftsloſe, hält die Freundſchaft für höher, als die Liebe, denn dieſe trübt die Harmonie unſerer Seele durch Begier und Er - regung, während jene dadurch, daß ſich in ihr zwei Seelen ſchön und ruhig gleichſam zu einer verſchmelzen, die Har - monie unſeres Weſens erhöht.

Er nennt die Freundſchaft Gleichheit‘, den Freund unſer anderes Jch‘, und befiehlt ſeinen Jüngern vor allen Dingen unwandelbare, opferwillige Seelenbündniſſe. Wie glücklich bin ich zu preiſen! Jſt es mir doch gelungen, die Liebe des Meiſters ſelbſt zu erwerben, hat er mich doch vor Kurzem in die Zahl der dreihundert Eſoteriker 164), denen er keine ſeiner Lehren vorenthält, aufgenommen!

Ruhigen, friedensreichen Herzens erwarte ich jetzt meine letzte Stunde, die ja nichts anderes iſt, als die erſte eines beſſeren Lebens. Jn einem mit Oliven - und Pappel - blättern geſchmückten Sarge wird man mich zu Grabe tragen, und wahre Freunde werden den Dahingegangenen nicht beweinen, ſondern glücklich preiſen.

245

Wie oft hab ich jenen Sturm geſegnet, der das Schiff des Dir bekannten Oinophilos (derſelbe iſt jüngſt zu Sybaris während eines Gaſtmahls in ſeinem Hauſe plötzlich geſtorben) im Angeſicht des Hafens von Kroton ſcheitern ließ.

Wenn Du trotz dieſes Berichtes meinen ſollteſt, daß ich mein früheres thatenreiches Leben zurückwünſche, ſo irrſt Du. Als ich Naukratis verließ, fühlte ich mich geiſtig und körperlich zu krank und ſchwach, um meinem Vater - lande nützen zu können. Jetzt, wo mich eine weit höhere, als die alte Geſundheit durchdringt, folge ich den Ereig - niſſen in Hellas mit der höchſten Theilnahme und bin der Anſicht, daß ſich Alles zum Beſten wendet.

Piſiſtratus war ſchon, als ich Aegypten verließ, ge - ſtorben, und die Athener müßten keine Athener ſein, das heißt, ſie müßten ihren unwiderſtehlichen Drang nach Frei - heit verloren haben, wenn ſie die Gewaltherrſchaft des Hippias und Hipparchos lange ertragen würden. Der verſtorbene Tyrann war ſo hochbegabt*)Siehe I. Theil. Jm Text., ſo maßvoll und milde, verſtand es ſo gut, dem Volke zu ſchmeicheln und ſeiner Eitelkeit durch Prachtbauten und die Berufung der bedeutendſten Geiſter Griechenlands genug zu thun, daß er, der ſogar die Geſetze des Solon ſcheinbar achtete, das ihm entriſſene Szepter zweimal wieder erobern konnte. Seine Söhne ſind jedoch von ſo viel geringerer Art, daß ſie, einmal vertrieben, nie wieder zur Tyrannis gelangen werden.

Sollte es den Athenern nicht gelingen, dieſe zu ſtür - zen, ſo wären ſie der Freiheit nicht werth! Mögen ſie, mögeſt Du, mögen alle Feinde der Gewalthaber den Fall246 derſelben vorbereiten. Wenn die Stunde da iſt, und ſie kann nicht fern ſein, ſo werde ich weder meinen Arm, noch meinen Rath Denen vorenthalten, die mich bezüchtigen, um meiner perſönlichen Rache willen, die Sicherheit Griechen - lands gefährdet zu haben.

Wohl kann es geſchehen, daß die Perſer, nach der Eroberung von Aegypten, verſuchen werden, ſich zu Herren aller Länder, die das Meer beſpült, zu machen; und ich geſtehe, daß ich dieſe Möglichkeit, als ich Kambyſes zum Nile führte, wohl erwogen hatte.

Trotzdem nenne ich mich den wärmſten Freund der Hellenen, denn ich bin der Meinung, daß ihre Einheit und Freiheit nur durch einen großen, ihre Selbſtſtändig - keit bedrohenden Krieg gefördert werden kann. Wenn die aſiatiſchen Horden heranziehen, dann wird, wie weiland zum Rachezuge gegen Troja, ganz Griechenland zuſammen - ſtrömen, und die ſpartaniſche Kraft und Strenge vereint mit der attiſchen Rührigkeit des Körpers und Geiſtes die Barbaren vernichten, und Hellas, durch den Sieg über ſcheinbar unbezwingliche Feinde, zum vollen Bewußtſein ſeines Werthes und ſeiner Kraft gelangt, die ſchönſte Blüte entwickeln.

Glaube meiner Erfahrung und meiner Kenntniß beider Theile, wenn ich Dich verſichere, daß die ganze Heeresmacht des Kambyſes, welche zum größten Theile mit Schlägen in den Kampf gejagt werden muß, nicht im Stande ſein wird, der Begeiſterung des geiſtig und körper - lich begabteſten und geübteſten aller Völker die Spitze zu bieten.

Sollte jener Kampf entbrennen, ſo wird es ſich um mehr als Ruhm und Länderbeſitz handeln! Die letzte Schlacht in dieſem furchtbaren Kriege wird vielmehr ent -247 ſcheiden, ob helleniſcher Geiſt oder aſiatiſche Barbarei die Welt beherrſchen ſoll. Jch aber ſage Dir, daß, ſo wahr der Geiſt den Körper zu beſiegen vermag, das freie, be - geiſterte Volk der Hellenen die rohen Maſſen barbariſcher Sklaven am letzten Ende unterwerfen wird!

Hier legte Rhodopis den Brief aus der Hand und fragte Kröſus: Glaubſt Du, daß ein Mann, wie Phanes, ohne triftige Gründe und tiefe Ueberzeugung eine ſo be - ſtimmte Vorausſagung wagen würde? Meinſt Du, daß ein Volk, welches den ſchlichten Oelzweig ſeinen koſtbarſten Kampfpreis, und die Freiheit, das Schöne und Gute ſeine reichſten Beſitzthümer nennt, den aſiatiſchen Knechten unter - liegen kann?

Nein, meine Freundin, antwortete Kröſus. Muß ich doch ſelber glauben, daß Menſchen, welche, wie dieſe Pythagoräer, die Lüſte und Leidenſchaften, um der bloßen Tugend willen, zu beſiegen wiſſen, auch jedem anderen Feinde gewachſen ſind!

Und was dieſe für die Tugend aufgeben, rief Rhodopis, das iſt jeder Hellene zehnfach für die Frei - heit zu opfern bereit! Jch kenne meine Griechen und ſehe darum ohne Beſorgniß in die Zukunft. Was die Pytha - goräer betrifft, ſo mein ich, daß Onuphis, der greiſe Ober - prieſter von Heliopolis, Recht hatte, als er ſagte: Pytha - goras iſt ein herrlicher, wunderbarer Mann, der die ganze Menſchheit um ſich verſammeln und ſie zu hoher Vervoll - kommnung führen könnte, wenn er im Stande wäre, ſein vornehmes Weſen abzulegen und zum Volke herunterzu - ſteigen. Ariſtokrat vom Scheitel bis zur Sohle, wird er nur die geringe Zahl Derjenigen gewinnen, welche ihn zu verſtehen vermögen. Der erhabene Gedanke der Myſterien, den er kennt, wird durch ihn der Menge niemals zugäng -248 lich werden. Pythagoras verbietet, auf der gemeinen Straße zu wandeln; doch ſind die Wege, welche er an deren Stelle angibt, viel zu ſchmal und beſchwerlich für das Volk. Ein Einziger‘, ſetzte Onuphis hinzu, hat es bisher verſtanden, den tiefſten Kern unſrer Geheimlehren einer ganzen Nation zu eigen zu machen, und dieſer Eine wurde dafür von den Aegyptern verflucht und der An - führer einer Schaar von Ausſätzigen 165) genannt. Oſarſiph oder Moſes war der Name dieſes ſeltenen Mannes, wel - cher das Hirtenvolk, von dem er abſtammte, zwar belehren, aber nicht beglücken und befriedigen konnte.

Doch es dunkelt, und ich habe Sappho verſprochen, nach Sonnenuntergang zu ihr zu kommen und ſie bis zu ihrer Abreiſe nicht mehr zu verlaſſen. O dieſe Trennung würde mich tödten, wenn mir nicht das Bewußtſein treuer Pflichterfüllung neue Lebenskraft einflößte.

Drei Tage ſpäter nahm Sappho zum letzten Male von ihrer Großmutter Abſchied und folgte den Königinnen nach Perſien, wo ſie, trotz der folgenden Ereigniſſe immer noch an Bartja’s mögliche Wiederkehr glaubend, voll Liebe, Hoffnung und treuer Erinnerung ganz der Erziehung ihrer Tochter und der Pflege der greiſen Kaſſandane lebte.

Die kleine Parmys erblühte in ſeltener Schönheit und lernte neben den Göttern nichts inniger lieben, als das Andenken ihres verſchwundenen Vaters, den ſie durch tauſendfache Erzählungen ihrer Mutter, wie einen Leben - den kannte.

Atoſſa bewahrte ihr, trotz des hohen Glückes, welches ihr bald erblühen ſollte, die alte Freundſchaft und pflegte ſie nicht anders, als Schweſter zu nennen.

[249]

Zehntes Kapitel.

Hier könnten wir dieſe Erzählung beſchließen, wenn wir nicht dem Leſer einen Bericht von dem phyſiſchen Ende des geiſtig ſchon längſt untergegangenen Kambyſes und dem ferneren Schickſale einiger Nebenperſonen dieſer Ge - ſchichte geben zu müſſen glaubten.

Kurze Zeit nach der Abreiſe der Königinnen kam die Kunde nach Naukratis, der Satrap von Lydien, Oroetes, habe ſeinen alten Feind Polykrates durch Liſt nach Sardes gelockt und an’s Kreuz ſchlagen laſſen*)Siehe III. Theil. Anmerk. 42.. Somit war das traurige Ende, welches Amaſis dem Tyrannen vor - ausgeſagt hatte, zur Wahrheit geworden. Der Satrap hatte dieſe That ohne den Willen des Königs kühnlich begangen, weil im mediſchen Reiche Veränderungen einge - treten waren, welche die Dynaſtie der Achämeniden zu ſtürzen drohten 166).

Der lange Aufenthalt des Königs in einem fernen Lande hatte die Furcht geſchwächt oder gebrochen, welche ſein bloßer Name in früherer Zeit allen zum Widerſtande Geneigten einzuflößen pflegte. Die Nachricht von ſeinem250 Wahnſinn entzog ihm die Ehrfurcht ſeiner Unterthanen, während die Kunde, daß er Tauſende von Landeskindern, aus bloßem Uebermuth, einem ſichern Tode in der äthio - piſchen und libyſchen Wüſte preisgegeben habe, den auf - gebrachten Aſiaten einen Haß einflößte, der, von den mäch - tigen Magiern genährt und geſchürt, ſehr bald, erſt die Meder und Aſſyrer, dann aber auch die Perſer zum Ab - fall und zur offenen Empörung reizte.

Der von Kambyſes zum Statthalter eingeſetzte ehr - geizige Oberprieſter Oropaſtes ſtellte ſich in eigennütziger Abſicht an die Spitze dieſer Bewegung, ſchmeichelte dem Volke durch den Erlaß von Steuern, große Geſchenke und noch größere Verſprechungen, und verſuchte endlich, als er ſah, wie dankbar man ſeine Milde anerkannte, durch einen Betrug die perſiſche Königskrone für ſein Haus zu ge - winnen.

Eingedenk der wunderbaren Aehnlichkeit ſeines der Ohren beraubten Bruders Gaumata mit Bartja, dem Sohne des Kyros, faßte er, ſobald er Kunde von dem Verſchwinden des allen Perſern ſo theuren Jünglings er - halten hatte, den Entſchluß, Gaumata für den Gemorde - ten auszugeben, und denſelben an Stelle des Kambyſes auf den Thron zu ſetzen. Dieſe Liſt gelang um ſo leichter, je verhaßter der wahnſinnige König im ganzen Reiche ge - worden war, mit je größerer Liebe daſſelbe an Bart - ja hing.

Als endlich zahlreiche Boten des Oropaſtes alle Pro - vinzen des Landes bereisten und den unzufriedenen Bür - gern die Nachricht brachten, der jüngere Sohn des Kyros befinde ſich, trotz des entgegengeſetzten Gerüchtes, noch am Leben, ſei von ſeinem Bruder abgefallen, habe den Thron ſeines Vaters beſtiegen und gewähre allen Unterthanen251 auf drei Jahre volle Freiheit vom Kriegsdienſte und allen Abgaben, ſo wurde der neue Herrſcher im ganzen Reiche mit lautem Jubel anerkannt.

Der falſche Bartja war ſeinem Bruder, dem Ober - prieſter, deſſen überlegenem Geiſte er ſich vollkommen unter - ordnete, gefolgt, hatte den Palaſt von Niſäa 167) in der mediſchen Ebene bezogen, die Krone auf ſein Haupt geſetzt, den Harem des Königs für den ſeinen erklärt und ſich dem Volke, das in ſeinen Zügen diejenigen des Ge - mordeten wieder erkennen ſollte, aus der Ferne gezeigt. Später hielt er ſich, um nicht dennoch entlarvt zu werden, im Palaſte verborgen und gab ſich, nach aſiatiſcher Herr - ſcherart, allen Lüſten hin, während ſein Bruder mit ſichrer Hand das Szepter führte und alle wichtigen Stellen und Aemter ſeinen Freunden und Stammgenoſſen, den Magiern, übertrug.

Als er feſten Boden unter ſeinen Füßen fühlte, ſchickte er den Eunuchen Jxabates nach Aegypten, welcher dem Heere den Thronwechſel mittheilen und daſſelbe bereden ſollte, von Kambyſes abzufallen und auf Bartja’s Seite zu treten, der, wie wir wiſſen, namentlich von den Sol - daten, vergöttert worden war.

Der gut gewählte Botſchafter erfüllte ſeine Sendung mit Geſchick und hatte bereits eine große Zahl von Sol - daten für den neuen König gewonnen, als er von einigen auf Belohnung hoffenden Syrern gefangen genommen und nach Memphis gebracht wurde.

Jn der Pyramidenſtadt angekommen, führte man ihn ſofort vor den König, welcher ihm, im Fall er die volle Wahrheit ſagen würde, Strafloſigkeit zuſicherte.

Nun beſtätigte der Bote die Nachricht, welche bis da - hin nur gerüchtweiſe bis nach Aegypten gedrungen war,252 nämlich, daß Bartja den Thron des Kyros beſtiegen habe und bereits von dem größeſten Theile des Reichs aner - kannt worden ſei.

Kambyſes erſchrak über dieſe Nachricht, wie Jemand, der einen Todten aus dem Grabe erſtehen ſieht. Trotz ſeines umnachteten Geiſtes wußte er jetzt ganz genau, daß Bartja auf ſeinen Befehl von Prexaspes ermordet worden ſei. Er argwöhnte, daß der Botſchafter ihn betrogen und dem Jünglinge das Leben geſchenkt habe. Jndem er dieſen ſchnell aufblitzenden Gedanken ungeſäumt ausſprach, warf er Prexaspes ſeine Verrätherei mit bitteren Worten vor und veranlaßte denſelben dadurch, einen großen Eid zu ſchwören, daß der unglückliche Bartja von ſeiner eignen Hand getödtet und beerdigt worden ſei.

Nun wurde der Bote des Oropaſtes gefragt, ob er den neuen König ſelbſt geſehen habe. Derſelbe verneinte dies und fügte hinzu, der angebliche Bruder des Kam - byſes. habe ſeine Wohnung erſt ein einziges Mal verlaſſen, um ſich dem Volke von Ferne zu zeigen. Nunmehr durch - ſchaute Prexaspes das ganze Lügengewebe des Oberprieſters, erinnerte den König an jene unſeligen Mißverſtändniſſe, welche durch die wunderbare Aehnlichkeit Gaumata’s mit Bartja herbeigeführt worden waren, und bot ſchließlich ſeinen Kopf zum Pfande, wenn ſich ſeine Vermuthung als falſch erweiſen ſollte. Der geiſteskranke König, dem dieſe Auslegung behagte, hatte von jetzt an nur noch den einen Gedanken, die Magier gefangen zu nehmen und zu tödten.

Das Heer mußte ſich marſchfertig machen. Aryan - des 168), ein Achämenide, wurde zum Satrapen von Aegyp - ten ernannt, und die Armee brach ohne Säumniß nach Perſien auf. Von ſeinem neuen Jrrwahne getrieben,253 gönnte ſich der König keine Ruhe und machte die Nacht zum Tage, bis ſich in Syrien ſein von dem ungeſtümen Reiter gemißhandelter Hengſt mit ihm überſchlug, und er das Unglück hatte, während des Sturzes von ſeinem eige - nen Dolche ſchwer verwundet zu werden 169).

Nachdem er mehrere Tage lang ohne Beſinnung da - gelegen hatte, ſchlug er die Augen auf und verlangte erſt Araspes, dann ſeine Mutter und endlich Atoſſa zu ſehen, obgleich dieſe Drei ſchon vor mehreren Monaten abgereist waren. Aus all ſeinen Reden ging hervor, daß er die letzten vier Jahre, von jenem Fieberausbruche an, bis zu ſeiner Verwundung, gleichſam im Schlafe verlebt habe. Alles, was man ihm aus dieſer Zeit erzählte, ſchien ihm neu zu ſein und ſein Herz mit Kummer zu erfüllen. Nur von dem Tode ſeines Bruders hatte er vollkommen Kennt - niß. Er wußte, daß Prexaspes denſelben auf ſeinen Befehl gemordet und ihm erzählt habe, daß Bartja am Ufer des rothen Meeres begraben liege. Jn der dieſem Erwachen folgenden Nacht wurde ihm auch klar, daß er lange Zeit vom Wahnſinn befangen geweſen ſei. Gegen Morgen verfiel er in einen tiefen Schlaf, der ihm ſo viel Kraft zurückgab, daß er Kröſus herbeirufen und demſelben befehlen konnte, ihm ausführlich mitzutheilen, was er in den letzten Jahren gethan habe.

Der greiſe Mahner gehorchte dem Willen des Königs und verſchwieg demſelben keine ſeiner Gewaltthaten, ob er auch kaum mehr hoffen durfte, den ſeiner Fürſorge Anvertrauten auf den rechten Weg zurückführen zu können.

Seine Freud[e]war darum doppelt groß, als er ſah, daß ſeine Worte einen tiefen Eindruck auf die neu erwachte Seele des Königs übten. Mit Thränen in den Augen beklagte derſelbe ſeine Miſſethaten und ſeinen Wahnſinn,254 bat er Kröſus, beſchämt, wie ein Kind, um Verzeihung, dankte er demſelben für ſeine Treue und Ausdauer, trug er ihm endlich auf, in ſeinem Namen beſonders Kaſſan - dane und Sappho, aber auch Atoſſa und alle von ihm mit Unrecht Beleidigten um Vergebung zu bitten.

Der greiſe Lyder weinte bei dieſen Worten Freuden - thränen und wurde nicht müde, den Kranken zu verſichern, daß er geneſen und reiche Gelegenheit finden würde, alles Geſchehene durch doppelt edle Thaten wieder gut zu machen. Kambyſes ſchüttelte jedoch, beſtimmt verneinend, das bleiche Haupt und bat den Greis, ihn in’s Freie tragen, ſein Lager auf einen erhöhten Ort ſtellen zu laſſen und den Achämeniden zu befehlen, ſich um ihn zu verſammeln. Als ſeine Befehle, trotz des Widerſtandes der Aerzte, befolgt worden waren, ließ er ſich aufrecht hinſetzen und ſprach mit weithin vernehmlicher Stimme:

Es iſt jetzt an der Zeit, ihr Perſer, daß ich euch mein größtes Geheimniß entdecke. Von einem Traumge - ſicht betrogen, aufgebracht und gekränkt von meinem Bru - der, hab ich denſelben im Zorn ermorden laſſen. Prexas - pes vollbrachte auf mein Geheiß dieſe Frevelthat, welche mir, ſtatt der Ruhe, die ſie mir verſchaffen ſollte, Wahn - ſinn und eine martervolle Todesſtunde einbrachte. Dieſes Geſtändniß möge euch überzeugen, daß mein Bruder Bartja nicht mehr unter den Lebenden wandelt. Die Magier haben ſich des Thrones der Achämeniden bemächtigt. An ihrer Spitze ſtehen der von mir als Statthalter in Perſien zurückgelaſſene Oropaſtes und ſein Bruder Gaumata, wel - cher dem verſtorbenen Bartja ſo ähnlich ſieht, daß Kröſus, Jntaphernes und mein Oheim, der edle Hyſtaspes, den - ſelben einſtmals für den Gemordeten hielten. Wehe mir, daß ich Denjenigen, welcher die mir von den Magiern255 angethane Schmach, als mein Blutsverwandter, hätte rächen ſollen, gemordet habe! Aber ich kann ihn nicht vom Tode erwecken, und darum ernenne ich euch zu Vollſtreckern meines letzten Willens. So beſchwöre ich euch denn, bei dem Feruer*)Siehe II. Theil. Anmerk. 54. meines verſtorbenen Vaters und im Namen aller guten und reinen Geiſter, daß ihr die Regierung nicht in die Hände der falſchen Magier fallen laßt. Wenn dieſelben ſich mit Liſt der Krone bemächtigt haben, ſo ſucht ſie ihnen wiederum durch Liſt zu entreißen; brachten ſie das Szepter mit Gewalt an ſich, ſo entwindet es ihnen in gleicher Weiſe. Folgt ihr dieſem meinem letzten Willen, dann ſoll euch die Erde reiche Früchte bringen, eure Wei - ber und Heerden geſegnet, und Freiheit für alle Zeit euer Loos ſein; werdet ihr aber die Herrſchaft nicht wieder er - langen oder zu erringen ſtreben, dann ſoll euch das Gegen - theil treffen; ja, dann ſollt ihr Alle, dann ſoll jeder Perſer ein Ende nehmen, wie ich!

Als die Achämeniden den König nach dieſen Worten weinen und kraftlos zurückſinken ſahen, zerriſſen ſie ihre Kleider und erhoben ein Klagegeſchrei 170). Wenige Stun - den ſpäter gab Kambyſes in Kröſus Armen den Geiſt auf. Jn ſeiner letzten Stunde dachte er an Nitetis und ſtarb mit ihrem Namen auf den Lippen und mit Thränen der Reue in den Augen.

Nachdem die Perſer den unreinen Leichnam verlaſſen hatten, kniete Kröſus vor demſelben nieder und rief, ſeine Hand gen Himmel erhebend: Großer Kyros! Jch habe meinen Schwur gehalten und als treuer Mahner bei dieſem Unglücklichen ausgehalten, bis an ſein Ende!

Am folgenden Morgen begab ſich der Greis mit ſei -256 nem Sohne Gyges nach der ihm gehörenden Stadt Ba - rene 171) und lebte dort noch manches Jahr, als Vater ſeiner Unterthanen, hoch geehrt von Darius und geprieſen von all ſeinen Zeitgenoſſen.

Nach dem Tode des Kambyſes hielten die Ober - häupter der ſieben Stämme der Perſer 172) mit einander Rath und beſchloſſen, ſich vor allen Dingen über die Perſon des Uſurpators Gewißheit zu verſchaffen! Otanes ſchickte darum einen treuen Eunuchen in geheimer Sendung zu ſeiner Tochter Phädyme, welche, wie man wußte, mit dem ganzen in Niſäa zurückgebliebenen Harem des Kambyſes in den Beſitz des neuen Königs übergegangen war. Bevor der Bote wiederkehrte, hatte ſich der größte Theil des Reichsheeres zerſtreut, denn die Soldaten ergriffen begierig die günſtige Gelegenheit, nach mehrjähriger Trennung zu ihren Angehörigen heimzukehren. Endlich kam der lang Erwartete zurück und überbrachte Otanes die Botſchaft: Phädyme ſei von dem neuen Könige nur ein einziges Mal beſucht worden, ſie habe jedoch den Schlaf deſſelben benützt, um ſich mit großer Gefahr davon zu überzeugen, daß ihm in der That beide Ohren fehlten. Aber ſelbſt ohne dieſe Entdeckung könne ſie mit Beſtimmtheit behaupten, daß der Uſurpator, welcher übrigens täuſchende Aehnlichkeit mit dem Gemordeten habe, Niemand anders ſei, als der Bru - der des Oropaſtes, Gaumata. Jhr alter Freund Boges ſei wiederum Oberſter der Eunuchen und habe ſie in das Geheimniß der Magier eingeweiht. Der Oberprieſter habe nämlich den Weiberhüter als Bettler in den Straßen von Suſa getroffen und ihm mit den Worten: Zwar haſt Du Dein Leben verwirkt, ich bedarf aber Leute Deines257 Schlages, ſeine alte Stellung zurückgegeben. Endlich bat Phädyme ihren Vater, Alles aufzubieten, um den Magier, der ſie mit großer Nichtachtung behandle, zu ſtürzen. Sie ſei, ſo verſicherte ſie, das unglücklichſte aller Weiber.

Obgleich keiner der Achämeniden auch nur einen Augen - blick daran glaubte, daß Bartja noch am Leben ſei und ſich in der That des Thrones bemächtigt habe, ſo waren ſie dennoch froh, als ſie durch Phädyme ſo beſtimmte Kunde von der wahren Perſon des Uſurpators erhalten hatten, und beſchloſſen, ungeſäumt mit den Trümmern des Heeres nach Niſäa zu ziehen und die Magier durch Liſt und Ge - walt zu ſtürzen.

Nachdem ſie unangefochten in der neuen Reſidenz ein - gezogen waren und geſehen hatten, daß der größte Theil des Volkes mit der neuen Regierung zufrieden ſei, gaben ſie ſich den Anſchein, als wenn ſie an die Jdentität des neuen Königs mit dem jungen Sohne des Kyros glaubten und demſelben zu huldigen bereit wären. Die Magier ließen ſich indeſſen nicht hinter’s Licht führen, blieben ſtreng abgeſchloſſen in ihrem Palaſte, ſammelten ein Heer, dem ſie hohen Sold verſprachen, in der Ebene von Niſaja*)Siehe III. Theil Anmerk. 167. und ſetzten ihre Bemühungen fort, den Glauben an die Maske des Gaumata zu befeſtigen. Jn dieſer Hinſicht konnte ihnen Niemand ſchädlicher, oder unter Umſtänden nützlicher werden, als Prexaspes, denn derſelbe ſtand bei allen Perſern in hoher Achtung und vermochte darum durch ſeine Verſicherung, Bartja nicht ermordet zu haben, dem ſich immer weiter verbreitenden Gerüchte von der wahren Todesart des Jünglings die Spitze abzubrechen. Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 17258Darum ließ Oropaſtes den Botſchafter, welcher ſeit den letzten Worten des Königs von allen Standesgenoſſen ge - mieden wurde und das Leben eines Geächteten führte, rufen und verſprach ihm eine ungeheure Summe, falls er einen Thurm beſteigen und dem im Vorhofe verſam - melten Volke ſagen wollte, daß Böswillige ihn den Mörder Bartja’s genannt hätten, während er doch ſoeben mit eig - nen Augen den neuen König geſehen und in demſelben den jüngeren Sohn des Kyros, ſeinen Freund und Gönner, wiedergefunden und erkannt habe. Prexaspes unterzog ſich dieſem Auftrage ohne Widerrede, nahm, während das Volk ſich im Schloßhofe verſammelte, zärtlichen Abſchied von den Seinen, richtete bei dem heiligen Feueraltare ein kurzes Gebet zu den Göttern und begab ſich dann in ſtolzer Haltung zum Palaſte. Auf dem Wege dorthin traf er mit den Oberhäuptern der ſieben Stämme zu - ſammen und rief ihnen, da er bemerkte, daß ſie ihm aus - wichen, zu: Jch bin eurer Verachtung werth; will aber verſuchen, eure Vergebung zu verdienen!

Als ſich Darius nach ihm umwandte, eilte er dem - ſelben nach, faßte ſeine Hand und ſagte: Jch habe Dich wie einen Sohn geliebt! Sorge, wenn ich nicht mehr ſein ſollte, für meine Kinder und brauche Deine Schwingen, geflügelter Darius! Dann beſtieg er in ſtolzer Haltung den hohen Thurm.

Viele tauſend Bürger von Niſäa vernahmen ihn, als er mit hocherhobener Stimme folgende Worte hinab - rief: Jhr Alle wißt, daß die Könige, welche euch bis dahin mit Ruhm und Ehre überſchütteten, dem Hauſe der Achämeniden angehörten. Kyros beherrſchte euch wie ein rechter Vater, Kambyſes wie ein ſtrenger Gebieter, und Bartja würde euch wie ein Bräutigam geleitet haben,259 wenn er nicht von meiner eigenen Hand, die ich euch hier zeige, am Ufer des rothen Meeres erſchlagen worden wäre. Dieſe ruchloſe That, welche ich, beim Mithra, mit blu - tendem Herzen beging, vollbrachte ich, indem ich, als treuer Diener, dem Befehle meines Königs und Herrn gehorchte. Dennoch konnte ich, weder bei Tag noch bei Nacht, Ruhe finden und bin wie ein geſcheuchtes Wild von den Geiſtern der Finſterniß, welche den Schlaf von dem Lager des Mörders ſcheuchen, vier lange Jahre hindurch gehetzt und geängſtigt worden; jetzt aber hab ich beſchloſſen, dieſes Daſein voller Angſt und Verzweiflung mit einer würdigen That zu beenden und mir, wenn ich auch keine Gnade an der Brücke Chinvat*)S. II. Theil Anmerk. 100. finden werde, wenigſtens im Munde der Menſchen den Namen eines braven Mannes, den ich befleckt habe, von Neuem zu erwerben. Wißt denn, daß jener Mann, welcher ſich für den Sohn des Kyros aus - gibt, mich auf dieſen Thurm ſchickte und mir reichen Lohn verhieß, wenn ich euch betrügen und verſichern wollte, daß er Bartja, der Achämenide, ſei. Jch aber lache ſeiner Verſprechungen und ſchwöre hier mit dem höchſten Eide, den ich kenne, beim Mithra und den Feruers der Könige, daß Derjenige, welcher euch jetzt beherrſcht, Niemand an - ders iſt, als der ſeiner Ohren beraubte Magier Gaumata, der Bruder des Oberprieſters und Statthalters Oropaſtes, den ihr Alle kennt! Wenn ihr des Ruhms vergeſſen wollt, den ihr den Achämeniden verdankt, wenn ihr Undank mit Erniedrigung vereinen wollt, ſo erkennt die Elenden an und nennt ſie eure Könige; wenn ihr aber die Lüge ver - achtet und euch ſchämt, nichtswürdigen Betrügern zu ge - horchen, dann verjagt die Magier, ehe Mithra den Himmel260 verläßt, und ruft den Edelſten der Achämeniden, der ein zweiter Kyros zu werden verſpricht, und ruft Darius, den erhabenen Sohn des Hyſtaspes, zum König aus. Damit ihr aber meinen Worten Glauben ſchenken und nicht arg - wöhnen möget, daß mich Darius, um euch für ihn zu gewinnen, hierher geſandt habe, ſo will ich jetzt eine That begehen, welche jeden Zweifel vernichten und euch beweiſen wird, daß mir die Wahrhaftigkeit und die Ehre der Achä - meniden lieber iſt, als mein Leben. Seid geſegnet, wenn ihr meinem Rathe folgt, verflucht, wenn ihr euch nicht wieder der Herrſchaft bemächtigen und an den Magiern rächen werdet! Seht her, ich ſterbe als ein wahr - haftiger und als ein braver Mann!

Mit dieſen Worten ſtieg der Redner auf die höchſte Zinne des Thurms, ſtürzte ſich kopfüber von demſelben herab und ſtarb, mit einem ſchönen Tode das einzige Ver - brechen ſeines Lebens ſühnend 173).

Das Volk, welches ſeiner Rede lautlos gefolgt war, brach jetzt in ein lautes Geſchrei der Wuth und Rache aus, ſprengte die Thore des Palaſtes und wollte eben mit dem Rufe: Tod den Magiern! in das Jnnere deſſelben eindringen, als ſich die ſieben Stammhäupter der Perſer dem wüthenden Haufen entgegenſtellten.

Sobald die Bürger derſelben anſichtig wurden, ju - belten ſie laut auf und riefen nur noch ungeſtümer: Nieder mit den Magiern! Sieg dem Könige Darius!

Nun ſtellte ſich der Sohn des Hyſtaspes, getragen von der Menge, auf einen erhöhten Ort und erzählte dem Volke, daß die Magier ſoeben, als Lügner und Kronen - räuber, von der Hand der Achämeniden getödtet worden wären. Neue Jubelrufe beantworteten dieſe Rede. Nach - dem man endlich die blutenden Köpfe des Oropaſtes und261 Gaumata dem Volke gezeigt hatte, ſo eilte die heulende Menge in raſender Wuth durch die Straßen der Stadt und tödtete jeden Magier, deſſen ſie habhaft werden konnte. Nur der Einbruch der Nacht konnte dieſem furchtbaren Blutbade ein Ende machen 174).

Vier Tage ſpäter wurde der Sohn des Hyſtaspes, im Hinblick auf ſeine Geburt und Vortrefflichkeit, von den Häuptern der Achämeniden zum Könige erwählt und als ſolcher von den Perſern mit Jubel begrüßt.

Darius hatte den Magier Gaumata mit eigner Hand getödtet, indeſſen Megabyzus, der Vater des Zopyros, den Oberprieſter durchbohrte. Während Prexaspes das Volk anredete, waren nämlich die ſieben verſchworenen Stamm - fürſten, Otanes, Jntaphernes, Gobryas, Megabyzus, As - patines, Hydarnes und Darius, welcher ſeinen im hohen Greiſenalter ſtehenden Vater Hyſtaspes vertrat, durch ein ſchlecht bewachtes Thor in den Palaſt getreten, hatten bald erkundet, wo ſich die Magier aufhielten, und waren ſodann, da ſie die innere Einrichtung des Schloſſes kannten, und die meiſten Wachen das der Rede des Prexaspes zuhörende Volk beaufſichtigen mußten, ohne Aufenthalt bis zu den Gemächern gedrungen, in denen die Magier verweilten. Hier traten ihnen einige Eunuchen unter Anführung des uns wohlbekannten Boges entgegen, wurden aber, trotz des Widerſtandes, den ſie zu leiſten verſuchten, bis auf den letzten Mann von den Verſchworenen niedergeſtochen. Boges ſtarb von der Hand des Darius, der ihn erkannt und darum mit doppelter Wuth angegriffen hatte. Die Magier ſtürzten, von dem Geſchrei der ſterbenden Eunuchen er - ſchreckt, herzu und ſetzten ſich, als ſie ſahen, was ſich er - eignet hatte, zur Wehr. Oropaſtes riß dem ſinkenden Boges die Lanze aus der Hand, ſtieß dem Jntaphernes262 ein Auge aus und verwundete Aspatines am Schenkel, wurde aber dafür von Megabyzus erdolcht. Gaumata war in das Nebenzimmer geflohen und wollte die Thür deſſelben zuriegeln; Darius und Gobryas ſtürzten aber mit ihm hinein. Letzterer umfaßte den Magier, warf ihn zu Boden und hielt ihn, auf ihm liegend, an der Erde feſt. Darius ſtand in dem halbdunkeln Gemach unſchlüſſig neben den Beiden, denn er fürchtete, wenn er zuſtoßen würde, auch Gobryas zu treffen. Letzterer bemerkte dieß und rief: Stoß zu, auch wenn Du uns Beide durch - bohren ſollteſt! Da ſchwang Darius den Dolch, traf aber glücklicherweiſe nur den Magier 175).

Alſo endete Oropaſtes, der Oberprieſter, und der unter dem Namen des Pſeudo - oder falſchen Smerdes bekanntere Gaumata.

Wenige Wochen nach der Königswahl des Darius, welche, wie die Perſer erzählten, durch wunderbare gött - liche Zeichen und die Liſt eines Stallmeiſters 176) unter - ſtützt wurde, feierte der Sohn des Hyſtaspes zu Paſar - gadae ein prachtvolles Krönungs - und ein noch glänzen - deres Hochzeitsfeſt mit der Geliebten ſeines Herzens, Atoſſa 177), der Tochter des Kyros. Das durch ernſte Schickſale gereifte junge Weib blieb bis an’s Ende des thaten - und ruhmreichen Lebens ihres Gatten die treue, geliebte und hochverehrte Gefährtin deſſelben; Darius aber wurde, wie Prexaspes vorausgeſagt hatte, zu einem Könige, deſſen Thaten und Werke wohl geeignet waren, ihm den Namen eines zweiten Kyros und des Großen zu ver - dienen 178).

Umſichtig und tapfer als Feldherr, wußte er ſein unermeßliches Reich ſo trefflich einzutheilen und zu ver - walten, daß er zu den größten Organiſatoren aller Länder263 und Zeiten gezählt werden muß. Jhm allein haben ſeine ſchwachen Nachfolger zu danken, daß ſich der aſiatiſche Länderkoloß noch zweihundert Jahre lang erhalten konnte. Freigebig mit ſeinen eignen und ſparſam mit den Schätzen ſeiner Unterthanen, wußte er wahrhaft königliche Geſchenke zu machen, ohne jemals mehr als das ihm Gebührende zu fordern. Statt der unter Kyros und Kambyſes üblichen willkürlichen Gelderpreſſungen führte er ein geregeltes Steuerſyſtem ein und ließ ſich in der Durchführung des für recht Erkannten weder durch Schwierigkeiten, noch durch den Spott der Achämeniden beirren, die ihn, wegen ſeiner ihrem ausſchließlich kriegeriſchen Geiſte kleinlich vor - kommenden Finanzmaßregeln, den Krämer nannten. Es iſt keines ſeiner kleinſten Verdienſte, daß er in ſeinem ganzen Reiche, und ſomit in der halben damals bekannten Welt, ein gleiches Münzſyſtem einführte 179).

Die Sitte und Religion jedes Volkes ehrend, geſtattete er den Juden, nachdem Daniel, der Satrap von Suſa, jenes Dokument des Kyros, von welchem Kambyſes nichts wußte, im Archive von Ekbatana aufgefunden hatte, den Bau des Jehovah-Tempels fortzuſetzen; erlaubte er den joniſchen Städten, die Verwaltung ihrer Gemeinden ſelbſt - ſtändig auszuüben. Auch würde er ſeine Heere ſchwerlich gegen Griechenland ausgeſchickt haben, wenn er nicht, na - mentlich von den Athenern, beleidigt worden wäre.

Die Kunſt, einen weiſen Staatshaushalt zu führen, hatte er, nebſt vielen andern Dingen, von den Aegyptern erlernt. Darum zollte er dieſem Volke eine ganz beſondere Achtung und erwies demſelben viele Wohlthaten. So ließ er z. B. zur Hebung des ägyptiſchen Handels den Nil mit dem rothen Meere durch einen Kanal verbinden 180).

Während ſeiner ganzen Regierung bemühte er ſich,264 die Härte, mit welcher Kambyſes die Aegypter behandelt hatte, durch Güte wieder gut zu machen, und noch in ſpäteren Jahren beſchäftigte er ſich gern mit den geiſtigen Schätzen jenes weiſen Volkes, deſſen Sitten und Religion, ſo lang er lebte, von Niemand angetaſtet werden durften. Der greiſe Oberprieſter Neithoteph, welcher ſein Lehrer geweſen war, erfreute ſich bis an ſein ſpätes Ende der Gunſt des Fürſten, welcher die aſtrologiſchen Kenntniſſe des alten Weiſen nicht ſelten in Anſpruch nahm.

Die Aegypter erkannten die Güte des neuen Fürſten an, nannten Darius, gleich ihren frühern Königen, eine Gottheit 181), vergaßen aber dennoch in ſeinem letzten Regierungsjahre, ihrem Drange nach Selbſtſtändigkeit nach - gebend, der Dankbarkeit und verſuchten das milde Joch, welches ſie bedrückte, abzuſchütteln.

Jhr edler Herr und Beſchützer ſollte das Ende dieſer Kämpfe nicht mehr erleben.

Xerxes, dem Nachfolger und Sohne des Darius und der Atoſſa*)S. III. Theil Anmerk. 177., war es vorbehalten, die Bewohner des Nil - thals zu einem erzwungenen und darum unhaltbaren Ge - horſam zurückzuführen.

Jn Perſien ſelbſt blieb die Eroberung von Aegypten nicht ohne Einfluß und wirkte namentlich auf die iraniſche Baukunſt, welche auch der griechiſchen Architektur viele Formen entlehnte**)S. III. Theil Anmerk. 91..

Darius ließ, als ein würdiges Denkmal ſeiner Größe, einen herrlichen Palaſt auf dem Berge Rachmed bei Per - ſepolis erbauen, deſſen Trümmer heute noch das Staunen und die Bewunderung der Reiſenden erwecken. Sechs -265 tauſend ägyptiſche Bauleute, welche unter Kambyſes nach Aſien geführt worden waren, halfen bei dieſem Werke und unterſtützten die Arbeiter, denen es oblag, eine Königs - gruft für Darius und ſeine Nachkommen anzulegen. Die ſchwer zugänglichen Felſenkammern derſelben haben der Zeit getrotzt und dienen heute zahlloſen wilden Tauben zur Wohnung.

An einer Wand des Felſens von Biſitun oder Be - hiſtan, unweit der Stelle, bei welcher Darius das Leben ſeiner Atoſſa gerettet hatte, ließ derſelbe die Geſchichte ſeiner Thaten in den Felſen meißeln; die keilförmigen Zeichen dieſer Jnſchrift ſind in jüngſter Zeit mit ziem - licher Sicherheit entziffert worden und beweiſen, daß Da - rius ein Leben voll ſiegreicher Kämpfe geführt habe.

Dort findet ſich auch eine, mit unſerer und der Er - zählung des Herodot ziemlich genau übereinſtimmende Mit - theilung von den in den letzten Kapiteln geſchilderten Er - eigniſſen. Unter Andrem heißt es: Es ſpricht Darius der König: Das, was ich that, das geſchah durch die Gnade Auramazda’s in aller Weiſe. Nachdem die Könige abtrünnig geworden waren, da lieferte ich neunzehn Schlach - ten. Durch die Gnade Auramazda’s ſchlug ich ſie. Neun Könige nahm ich gefangen. Einer war Gaumata mit Namen, ein Meder, dieſer log, indem er alſo ſprach: Jch bin Bardiya (Bartja), der Sohn des Kyros‘; dieſer machte Perſien abtrünnig.

Weiter unten nennt er auch die Namen der Stamm - häupter, welche ihm, die Magier zu ſtürzen, geholfen hatten, und an einer andern Stelle heißt es: Es ſpricht Darius der König: Das, was ich gethan, das hab ich in aller Weiſe durch die Gnade Auramazda’s gethan. Aura - mazda brachte mir Beiſtand, und die übrigen Götter, die266 es gibt. Deßwegen brachte mir Auramazda Beiſtand, und die übrigen Götter, welche es gibt, weil ich nicht feind - ſelig war, kein Lügner war, kein gewaltthätiger Herrſcher war, weder ich noch meine Familie. Wer meinen Stamm - genoſſen geholfen hat, den hab ich wohl begünſtigt, wer feindſelig war, den hab ich ſtrenge beſtraft. Du, der Du nachher König ſein wirſt, ein Mann, der ein Lügner oder Aufrührer iſt, dem ſei nicht freundlich geſinnt, den ſtrafe mit ſtrenger Strafe. Es ſpricht Darius der König: Du, der Du nachher dieſe Tafel ſehen wirſt, die ich geſchrieben habe, oder dieſe Bilder, verderbe ſie nicht, ſondern, ſo lange Du lebeſt, bewahre ſie u. ſ. w.

Schließlich bleibt uns nur noch zu erzählen übrig, daß Zopyros, der Sohn des Megabyzus, bis zu ſeinem Ende der treuſte Freund des Darius blieb.

Als ein Höfling dem Könige einſtmals einen Granat - apfel zeigte und ihn fragte: Welches Glücksgut möchteſt Du wohl ſo vielfach beſitzen, als dieſer Apfel Körner ent - hält? antwortete Darius, ohne ſich zu beſinnen: Meinen Zopyros 182)!

Dieſer wußte die Güte ſeines königlichen Freundes zu vergelten, denn als derſelbe Babylon, das ſich nach dem Tode des Kambyſes von dem perſiſchen Reiche losriß, neun Monate lang fruchtlos belagert hatte, erſchien er eines Tages, als Darius ſchon die Belagerung aufheben wollte, blutend, ohne Naſe und Ohren, vor dem Könige und erklärte ihm, daß er ſich ſelbſt verſtümmelt habe, um die Babylonier, welche ihn ebenſogut kennten, als er einſtmals mit ihren Töchtern befreundet geweſen ſei, hin - ter’s Licht zu führen. Er wolle den übermüthigen Städ - tern einreden, Darius habe ihn alſo verunſtaltet, und er komme zu ihnen, um ſich mit ihrer Hülfe an dem Könige267 zu rächen. Dieſelben würden ihm Truppen übergeben, mit denen er, um das Vertrauen der Bürger vollkommen zu erwerben, einige glückliche Ausfälle zu machen gedenke. Endlich wolle er ſich die Schlüſſel der Thore verſchaffen und mit denſelben die Pforte der Semiramis ſeinen Freun - den öffnen.

Dieſe in ſcherzhaftem Ton geſprochenen Worte und der traurige Anblick ſeines einſt ſo ſchönen Freundes rührten den König bis zu Thränen; als aber die beinah unein - nehmbare Feſtung durch die Liſt des Zopyros in der That erobert worden war, rief er aus: Jch würde hundert Babylon hingeben, wenn ſich mein Zopyros nicht alſo ver - ſtümmelt hätte!

Dann ernannte er den Freund zum Herrn der Rieſenſtadt, überließ ihm die ganzen Einkünfte derſel - ben und beehrte ihn alljährlich mit den ſeltenſten Ge - ſchenken. Jn ſpäter Zeit pflegte er noch zu ſagen, daß, außer Kyros, mit dem kein Menſch verglichen werden könne, Niemand eine ſo edle That als Zopyros begangen habe 183).

Wenige Herrſcher konnten ſich ſo opferwilliger Freunde rühmen, als Darius, weil Wenige gleich ihm Dankbarkeit zu üben verſtanden.

Als Syloſon, der Bruder des gemordeten Polykrates, eines Tags nach Suſa kam und ihn daran erinnerte, welche Dienſte er ihm erwieſen habe, empfing Darius denſelben als ſeinen Freund, ſtellte ihm viele Schiffe und Soldaten zur Verfügung und half ihm, ſich der Herrſchaft über die Samier zu bemächtigen.

Die Jnſelbewohner wehrten ſich verzweifelt gegen die fremden Kriegsvölker des neuen Tyrannen und ſagten, als ſie ſich endlich ergeben mußten:

268

Um Syloſon’s willen haben wir viel Platz im Lande*)S. III. Theil Anmerk. 61..

Rhodopis erlebte noch die Ermordung des Tyrannen Hipparchos, Gewalthabers von Athen, durch Harmodios und Ariſtogeiton und ſtarb endlich, feſt vertrauend auf den hohen Beruf der Hellenen, in den Armen ihrer beſten Freunde, Theopompos des Mileſiers und Kallias des Atheners.

Ganz Naukratis betrauerte die edle Greiſin; Kallias aber ſandte einen Boten nach Suſa, um dem Könige und Sappho den Tod ſeiner Freundin mitzutheilen.

Wenige Monate ſpäter erhielt der Satrap von Aegyp - ten folgende Zuſchrift von der Hand des Darius:

Da wir die jüngſt in Naukratis verſtorbene Hellenin Rhodopis gekannt und verehrt haben, da die Enkelin derſelben, als Wittwe eines recht - mäßigen Thronerben des perſiſchen Reiches, heute noch die Ehre einer Königin genießt, da ich endlich die Urenkelin der Abgeſchiedenen, Parmys**)S. III. Theil Anmerk. 157., die Tochter des Bartja und der Sappho, jüngſt zu meiner dritten rechtmäßigen Gattin erwählt habe, ſo ſcheint es mir billig, daß wir den ſterblichen Ueberreſten der Ahnfrau zweier hoher Fürſtinnen königliche Ehre angedeihen laſſen. Darum ver - ordne ich, daß Du die Aſche der Rhodopis, welche wir ſtets für die größte und ſeltenſte aller Frauen gehalten haben, in dem größten und ſeltenſten aller Denkmäler, das heißt in einer der Pyra - miden, mit fürſtlichem Gepränge beiſetzen laſſeſt. 269Jn beifolgender koſtbaren Urne, welche Sappho ſendet, ſoll die Aſche der Verſtorbenen aufbewahrt werden.

Gegeben in dem neuen Reichspalaſte zu Perſepolis.

Darius, Sohn des Hyſtaspes, König.

[270][271]

Anmerkungen.

  • 1. (S. 3.) Jn der Jnſchrift von Behiſtân finden wir den Stamm - baum des Darius, der mit demjenigen, welchen wir namentlich Hero - dot verdanken, vereint werden kann. Jnſchr. v. Behiſtân I. §. II.
  • 2. (S. 4.) Aus verſchiedenen Stellen geht hervor, daß die alten Griechen Empfehlungen, welche theils aus Briefen, theils aus dem Ab - druck des Siegels beſtanden, mit auf Reiſen zu nehmen pflegten. Schon in der Jlias erzählt Glaukos von ſolchem Symbolon. Vgl. Plutarch Artaxerxes XVIII. und namentlich Böckh c. Inscr. I. p. 126. Mar - mor. Oxon. II. 24. Jn dieſer Jnſchrift wird von den Empfehlungs - ſchreiben oder Zeichen (σύμβολα) geſprochen, welche der König von Sidon, Straton, etwa ſeinen Geſandten nach Athen mitgeben möchte. Eines Paſſes (σφραγίς) in das Ausland wird in den Vögeln des Ari - ſtophanes 1212 gedacht. Solcher war mit dem Siegel des Staates verſehen. Die Lokrer und Ozoler führten den Abendſtern in demſelben, die Samier eine Leyer u. ſ. w. Siehe II. Th. Anmerk. 67.
  • 3. (S. 5.) Dieſer Aberglaube iſt heute noch herrſchend. Morier, zweite Reiſe in Bertuch’s neuer Bibl. d. Reiſebeſchr. S. a. de Wette, Archäologie §. 192.
  • 3 a. (S. 5.) Hib bedeutet in der Sprache der Hieroglyphen einen Jbis. Viele alte Aegypter führten die Namen heiliger Thiere.
  • 4. (S. 7.) Der Sohn mußte ſtets daſſelbe werden, wie der Vater. Diod. I. 74. Lepſius hat ausnehmend lange Stammbäume gefunden, deren Mitglieder alle denſelben Beſchäftigungen oblagen.
  • 5. (S. 8.) Ueber die zahlreichen Reinigungen durch Waſchen, Scheeren, Purgiren ꝛc. ſiehe Herod. II. 37. 41. 47. 77. Plutarch Is. et Osir. 5.
  • 6. (S. 9.) Herod. I. 134.
  • 7. (S. 14.) Jn den Königsliſten finden ſich mehrere von den Denkmälern beſtätigte regierende Königinnen.
  • 272
  • 8. (S. 14.) Nach den Bildern auf den alten Denkmälern ſcheint es faſt, als wenn, wie im heutigen Aegypten, die Geburtshülfe ge - wöhnlich von Hebammen ausgeübt worden ſei; doch iſt es nicht un - wahrſcheinlich, daß bei ſchwierigen Lagen auch Aerzte zu Hülfe gerufen worden ſind.
  • 9. (S. 15.) Jamblichus de vita Pythagorae II. p. 18. ed. Kiessl. Diodor I. 98. Plutarch, quaest. conviv. VIII. 8. 2. Onuphis wird auch Oinuphis genannt.
  • 10. (S. 15.) Ueber die Geheimlehren der Aegypter hören wir zwar von ſpäten griechiſchen Schriftſtellern, namentlich von einigen Neupla - tonikern, viel fabuliren, können uns aber kein klares Bild von denſelben machen. Die Myſterien ſcheinen, wie auch Plutarch (Jſis und Oſiris IV IX) ſagt, ausſchließliches Eigenthum der Prieſter geweſen zu ſein, und dasjenige, was durch die heiligen Ceremonien ſymboliſirt wurde, umfaßt zu haben. Der Glaube an einen einigen Gott ſcheint der Kern jener Geheimlehren geweſen zu ſein, welche viel Hohes und Schönes enthalten haben müſſen, da die Weiſeſten der Griechen, Lykurg, Solon, Thales, Pythagoras, Demokrit, Plato und manche Andere, denſelben viele ihrer Lehren in Staatswiſſenſchaft, Geometrie, Aſtronomie und Philoſophie entlehnt haben. Auch Moſes verdankt den Geheimlehren, welche er, als Zögling der Prieſter, kannte, viele ſeiner ſittlichen und mediziniſchen Vorſchriften. S. II. Th. Anmerk. 35. Ueber die My - ſterien iſt mit einem großen Aufwande von Gelehrſamkeit, aber ſehr kleinen Reſultaten, auch von neueren Gelehrten viel geſchrieben worden; ſo von J. G. Bremer, Symboliſche Weisheit der Aegypter ꝛc. ; R. Ho - ward, Revelations of Egyptian Mysteries; F. Nork, Andeutungen eines Syſtems der prieſterlichen Myſterioſophie und Hierologie ꝛc.
  • 11. (S. 15.) Horus, das Kind mit dem Finger am Munde, wel - chen Plutarch, Is. et Osir. 12, Harpocrates nennt.
  • 12. (S. 19.) Nach Herod. II. 120. ſollte zwar der ſchlaue Bau - meiſterſohn, welcher das Schatzhaus des Rhampſinit beſtohlen hatte, ſtreng beſtraft werden; aus Diodor I. 80 und Gellius XI. 18 geht aber hervor, daß die Diebe, wenn ſie ſich als ſolche bei den Behörden meldeten, vielleicht ſtreng überwacht, aber nicht beſtraft wurden. Nach Diodor ſoll es einen Vorſteher der Diebeskaſte gegeben haben, bei dem man ſich das entwendete Gut gegen Aufgabe des vierten Theils ab - holen konnte. Dieſes ſeltſame Geſetz verdankt wohl jener Vorſchrift ſeinen Urſprung, nach welcher jeder Aegypter verpflichtet war, ſich all -273 jährlich bei der Obrigkeit ſeines Bezirkes zu melden und ſich über ſei - nen Lebensunterhalt auszuweiſen. Denjenigen, welcher falſche Angaben machte, erwartete die Todesſtrafe. Diod. I. 77. So konnte Niemand, dem ſein Leben lieb war, ſich dem überwachenden Auge der Obrigkeit entziehen. Der Dieb opferte den beſten Theil ſeines Gewinnes und bekannte ſeine Unredlichkeit, um nicht dem Tode zu verfallen.
  • 13. (S. 20.) Plutarch erzählt, es ſei in Aegypten unſchicklich ge - weſen, barfuß über die Straße zu gehen; darum hätten die Männer ihren Frauen, um dieſelben zur Häuslichkeit zu zwingen, die Schuhe verſteckt. Nach Herod. II. 35 lag es übrigens den Weibern ob, die Einkäufe auf dem Markte zu machen.
  • 14. (S. 24.) Dem Staatsverräther ſollte nach ägyptiſchem Geſetz die Zunge abgeſchnitten werden. Diod. I. 78.
  • 15. (S. 25.) Thadmor, das ſpätere Palmyra, wurde von Salomo als Ruheplatz für die Karawanen, welche gen Oſten zogen, auf einer Oaſe mitten in der ſyriſchen Wüſte erbaut und erlebte eine hohe Blüte, welche ſich ſchnell entfaltete. Heute noch überraſchen die Trümmer die - ſer Rieſenſtadt den Reiſenden durch ihre Schönheit und Größe. Siehe R. Wood, The ruins of Palmyra. Karchemis am Euphrat, das ſpä - tere Circeſium, wird als Hauptſtation der über Palmyra führenden Straße nach Babylon angegeben. Joſephus, Antiq. VIII. 6. X. 6. Movers, Das phöniziſche Alterthum II. 40.
  • 16. (S. 31.) Dem ibisköpfigen Gotte Thoth, dem Himmelsſchrei - ber, den die Griechen mit ihrem Hermes verglichen, wird die Erfindung faſt aller Wiſſenſchaften zugeſchrieben. Er, der dreimal große (Tris - megiſtos), ſoll auch ſechs Bücher über die Heilkunde geſchrieben haben, welche die Anatomie, die Lehre von den Krankheiten, die Anwendung der Arzneimittel und auch die Augenkrankheiten behandelt haben ſollen. S. Jamblichus de myst. Aeg. VIII. 4. Clemens Alex. Stromm. VI. 260. Auch Jſis nud ſpäter Serapis werden als heilkundige Götter gerühmt. Diod. I. 25. Strabo VIII. Tacit. hist. IV. 81.
  • 17. (S. 32.) Die Bibliothek von Theben, welche nach Diodor I. 49 die Jnſchrift ψυχῆς ἰατρεῖον, Heilanſtalt für die Seele führte, ſoll nach Jamblichus de myst. Aeg. VIII. 1. 20,000 hermetiſche oder prieſterliche Bücher enthalten haben. Dieſelbe befand ſich in dem Ra - meſſeum, welches nach Diodor von Oſymandyas, dem Ramſes Miamun der Denkmäler, im vierzehnten Jahrhundert v. Chr. erbaut worden iſt. Champollion erkannte die Räume derſelben in den Trümmern des Ra -Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 18274meſſeum wieder. An dem Eingange fand er Darſtellungen Thoths, des Gottes der Weisheit, und der Saf, der Göttin der Geſchichte. Mehrere hieratiſche Papyrus, welche wir noch heute beſitzen, ſind aus dieſer Bibliothek datirt, welche nicht ſelten in den ägyptiſchen Bücher - rollen erwähnt wird. Lepſius fand ſogar zu Theben die Gräber von zwei Bibliothekaren unter Ramſes Miamun. Die Jnhaber waren Vater und Sohn, indem auch dieſes Amt, wie die meiſten, erblich war. Sie führten die Titel Oberſter der Bücher und Chef der Bücher . Siehe Lepſius Chronologie. Einl. S. 39.
  • 18. (S. 33.) Sobald ein Perſer ſtarb, ſtürzte in Geſtalt einer Fliege die Drukhs Naçus, der unreine Dämon des Todes, herzu und ſetzte ſich vernichtend, Fäulniß und Verderben bringend, auf den Leichnam und einen der Anweſenden. Vendid. Farg. VII. 2 24. Darum halten die Parſen heute noch den Sterbenden Hunde vor, da - mit das Geſpenſt des Todes in dieſelben fahre. Ritter, Erdkunde IV. S. 1092.
  • 19. (S. 34.) Das Todtenbuch, welches zu den Mumien der Aegyp - ter, gleichſam als Wegweiſer in die Unterwelt, gelegt wurde, beſtand zum Theil aus Zwiegeſprächen der Seele mit dem Beherrſcher der Unterwelt.
  • 20. (S. 37.) Jm Winter darf das Feuer nach neun Tagen, im Sommer nach einem Monat in die Wohnung des Verſtorbenen zurück - gebracht werden. Vend. Farg. V. 130.
  • 21. (S. 37.) Der ganze zehnte Fargard des Vendidad iſt voll von ſolchen Beſchwörungen.
  • 22. (S. 37.) Ueber die Zahl der Sterbegebete bei den verſchiedenen Verwandtſchaftsgraden ſiehe Vend. Farg. XII. 1 flgd.
  • 23. (S. 37.) Es gab drei verſchiedene Arten von Balſamirungen, die erſte koſtete ein Silber-Talent (1500 Thlr.), die zweite 20 Minen (400 Thlr.), während die dritte ſehr billig war. Herod. II. 86 88. Diod. I. 91. Erſt zog man das Gehirn zur Naſe heraus und füllte den Schädel mit Spezereien. Dann nahm man die Eingeweide aus dem Leib und that Gewürze in denſelben. Endlich legte man den Kör - per 70 Tage lang in eine Natron-Auflöſung und umwickelte ihn mit Byſſusbinden, welche mit Gummi beſtrichen wurden. Dies iſt die koſtbarſte Balſamirungsart, welche die Griechen nach den neueſten che - miſchen Unterſuchungen ziemlich richtig angegeben haben. L. Penicher behauptet, die Leichen ſeien erſt in Dörröfen etwas ausgetrocknet wor -275 den, dann habe man in alle Oeffnungen Cedernharz oder Asphalt ge - goſſen. Traité sur les embaumemens selon les anciens et les modernes. Paris 1699. Nach Herod. II. 89. wurden weibliche Leich - name von Frauen balſamirt.
  • 24. (S. 38.) Der Chordâd war nach Spiegel Aveſta, Einleitung S. XCVIII. der Monat Mai, der Açtâd iſt der 26. Tag des Monats. Der Urtheilsſpruch im Text iſt alſo vom 26. Mai datirt.
  • 25. (S. 39.) Jnſchrift von Behiſtân I. §. IX., bei Spiegel §. XI.
  • 26. (S. 45.) Nach Herod. II. 169 behandelte Amaſis ſeinen ent - thronten Vorgänger ſehr huldreich und ließ ihn leben, bis er von den Aegyptern überfallen und erhängt wurde. Um des Alters der Nitetis willen müſſen wir Hophra ſeinen Sturz um zwanzig Jahre überleben laſſen. Nur ſo können wir die Geſchichte des Herod. III., 1, welche unſerer Erzählung zu Grunde liegt, retten. Amaſis würde kaum ge - wagt haben, dem Großkönige von Perſien eine vierzigjährige Jungfran zum Weibe anzubieten. Dabei muß noch bedacht werden, daß eine vier - zigjährige Dame vom Nil älter iſt, als eine ſechzigjährige Europäerin.
  • 27. (S. 46.) Herod. II. 162.
  • 28. (S. 46.) Zur Zeit des Amaſis exiſtirten ſchon die drei Schreib - arten der Aegypter, obgleich die demotiſche (Volks -) oder Briefſchrift nicht viel älter zu ſein ſcheint, als er. Die erſten demotiſchen Dokumente, die wir kennen, ſind Urkunden aus der Zeit Pſamtik I., welche ſich im Muſeum zu Turin befinden. Die hieroglyphiſche Schreibart iſt unend - lich alt und mag wohl keine Vorgängerin haben. Die in derſelben an - gewendeten Zeichen ſind die deutlichen Abbilder der verſchiedenartigſten konkreten Gegenſtände. Zoega zählte 958 verſchiedene Zeichen, Cham - pollion zog dieſelben zu 864 zuſammen. Dieſe Schreibart wurde von der älteſten Zeit an bis in’s vierte Jahrhundert nach Chriſtus zu Jn - ſchriften gebraucht; doch finden ſich auch religiöſe Bücher, welche in rei - nen Hieroglyphen verfaßt ſind; ſo z. B. das von R. Lepſius heraus - gegebene Todtenbuch, deſſen Original ſich auf einer 57 Fuß 3 Zoll langen Papyrusrolle zu Turin befindet. Die hieratiſche oder heilige Schrift war eine Abkürzung oder Vereinfachung der Hieroglyphenbil - der, welche faſt ausſchließlich von den Prieſtern zur Aufzeichnung von Büchern gebraucht wurde. Die oben erwähnte demotiſche Schrift iſt noch einfacher und hat weit weniger Zeichen, als die beiden anderen Schreibarten. Sie war die Curſivſchrift, welche beſonders zur Aufzeich - nung von Briefen, Contracten und Gerichtsverhandlungen diente. Be -276 ſonders verdient um die Entzifferung der Hieroglyphen machte ſich der Franzoſe Champollion und der Preuße R. Lepſius, um die demotiſchen Schriften der Preuße H. Brugſch.
  • 29. (S. 47.) Das Alter zu ehren galt den Aegyptern als heilige Pflicht. Herod. II. 80. Cicero de senectute. 18.
  • 30. (S. 49.) Der Monat Thoth oder Thout dauerte vom 29. Auguſt bis zum 27. September. Der 5. Thoth war alſo gleich unſe - rem 3. September.
  • 31. (S. 50.) Nach Charles Lenormant’s Ueberſetzungen aus dem Todtenbuche in der revue orientale etc. Nr. 28. Janv. 1861.
  • 32. (S. 57.) Dieſer ungeheure Hofſtaat ſoll täglich zu ſeinem Unterhalte 400 Talente, d. ſ. 600,000 Thlr., gebraucht haben. Deipn. d. Athen. p. 607.
  • 33. (S. 59.) Aeſchylos, Perſer V. 45.
  • 34. (S. 59.) Herod. I. 84 und 94. V. 101.
  • 35. (S. 60.) Der Gygäiſche See war ſchon dem Homer Jlias II. 863, XX. 386 bekannt. Derſelbe iſt nach Prokeſch drei Stunden lang und eine Stunde breit. Die lydiſchen Königsgräber wurden von Herod. I. 93 nach den ägyptiſchen und babyloniſchen die größeſten Werke von Menſchenhand genannt. Dieſe kegelförmigen Hügel ſtehen heute noch unweit des Gygäiſchen Sees bei den Trümmern von Sar - des. Hamilton (Asia minor I. p. 44) zählte einige 60, und brauchte zehn Minuten, um den Hügel des Alyattes zu umreiten; Prokeſch (Denk - würdigkeiten und Erinnerungen aus dem Orient) 100 ſolcher Hügel. Der größte (das Grab des Alyattes) hat noch immer 3400 Fuß Um - fang und mißt in ſchräger Höhe 650 Fuß. Nach Prokeſch liegen auf einigen dieſer Gräber rieſige Phallus-Säulen. Der preußiſche Conſul Spiegelthal zu Smyrna fand in demſelben eine Grabkammer.
  • 36. (S. 60.) Herod. I. 93.
  • 37. (S. 60.) Die kleinaſiatiſchen Griechen nahmen den Kultus dieſer Göttin auf und ſtellten ſie auf einem Löwen reitend oder über - haupt in Begleitung von Löwen dar. O. Müller, Archäol. §. 395 und 387. Sie trug ein Tambourin in der Hand, welches, nach Pin - dar bei Strabo p. 470, bei ihren taumelnden Feſten geſchlagen wurde. P. Heyſe hat in ſeiner Thekla eine ſehr ſchöne Schilderung ſolchen Kybele-Feſtes gegeben. Die Griechen machten die große Mutter der Klein-Aſiaten zur Gemahlin des Kronos, der Mutter des Zeus, der Ahnfrau der Götter. Jhr Cultus war, ihrem der Zeugung und Frucht -277 barkeit vorſtehenden Weſen angemeſſen, ein wollüſtiger. Herod. I. 93 erzählt, die Mädchen von Sardes hätten ſich im Dienſte der Göttin durch Umgang mit Männern ein Heirathsgut erworben. Jn der Ehe wären ſie dann ihren Gatten treu geweſen. Athen. deipn. p. 515. Niobe ſoll wohl auch die Kybele, d. i. die fruchtbare Erde, welche in jedem Herbſte ihrer Kinder beraubt wird, darſtellen. M. Duncker, Ge - ſchichte des Alterthums I. S. 252. Der Stein der Niobe ſieht, wie ſchon Pauſanias I. 21 erzählt, einem trauernden Weibe ähnlich. v. Ol - fers legte der archäologiſchen Geſellſchaft zu Berlin den 4. Nov. 1862 Photographien dieſes Felſens vor, welche beweiſen, daß die Kunſt nach - geholfen hat, um dem Steine die Geſtalt eines Weibes zu geben. Als mittelgroßer Stein, den ein Mann aufzuheben vermochte, wurde ſie zu Peſſinus verehrt. Dieſer Stein wurde am Ende des dritten Jahrhunderts v. Chr. auf Geheiß der ſibylliniſchen Bücher nach Rom gebracht und angewendet, um die angezweifelte Keuſchheit der veſtaliſchen Jungfrauen zu prüfen. Livius XXIX. 14. Phrygiſche Eunuchen ver - ſahen das Prieſteramt bei demſelben. Die beiden letzten Umſtände be - weiſen, im Bunde mit vielen anderen Nachrichten, daß mit dem Namen Kybele zwei verſchiedene eine der Zeugung freundliche und eine der - ſelben feindliche Gottheiten bezeichnet worden ſind. Duncker findet in derſelben ganz richtig eine Vereinigung der ſyriſchen Aſtarte und Aſchera.
  • 38. (S. 61.) Herod. I. 199. Juſtin. XVIII. 5. Movers, Reli - gion der Phönizier.
  • 39. (S. 62.) Der Planet Venus. Vullers, Fragmente über die Religion des Zoroaſter.
  • 40. (S. 64.) Die Lyder ſollen das Würfel -, Ball - und andere Spiele, nur nicht das Brettſpiel erfunden haben. Herod. I. 194.
  • 41. (S. 65.) Zur Zeit unſerer Erzählung exiſtirte der Palaſt von Perſepolis noch nicht. Dieſer war theils aus dem ſchwarzen Geſtein des Berges Rachmed, theils aus weißem Marmor zuſammengefügt. Darius wird den Bau deſſelben begonnen haben. Der Palaſt von Suſa beſtand aus Ziegeln, Strabo p. 728; der von Ekbatana aus Holz, welches mit Goldblechen von ungeheurem Werthe bekleidet und mit Ziegeln von edlen Metallen bedeckt war. Polyb. X. 27.
  • 42. (S. 68.) Dieſer ſelbe Oroetes lockte ſpäter den Polykrates mit Liſt nach Sardes und ließ ihn dort an’s Kreuz ſchlagen. Herod. III. 120 125. Valerius Maximus VI. 9. 5.
  • 278
  • 43. (S. 68.) Helden aus der älteſten perſiſchen Sage.
  • 44. (S. 71.) Der Farwardîn iſt gleich unſerem März, der Mur - dâd gleich unſerem Juli. Spiegel, Aveſta, Einl. S. XCVIII.
  • 45. (S. 71.) Herod. III. 5.
  • 46. (S. 71.) Hekatäos von Milet kann, wie Herodot der Vater der Geſchichte , der Vater der Geographie genannt werden. Er ver - beſſerte die Karten des Anaximander und ſchrieb ein großes Werk, die Reiſe um die Welt , welches leider, abgeſehen von ganz kleinen Bruch - ſtücken, verloren gegangen iſt und von den Alten für das Vorzüglichſte in ſeiner Art gehalten wurde. Er kannte, wie Herod. V. 36 verſichert, alle Theile des perſiſchen Reichs auf’s Genaueſte und hat auch Aegypten bereist. Er lebte zur Zeit unſerer Erzählung. Seine Karte iſt von Klauſen i. d. fragm. Hecat. hergeſtellt worden. Solche findet ſich auch bei Mure, Lan. and Lit. of ancient Greece. Tom. IV.
  • 47. (S. 75.) Niebuhr ſah auf ſeiner Reiſe nach Aſien zu Schiraz junge Leute, welche dieſe Spiele mit großem Eifer betrieben. Siehe auch Hyde de ludis orientalium.
  • 48. (S. 75.) Die Morgenländer hielten ſchon damals die Nackt - heit für höchſt unſchicklich, während die Griechen nichts Schöneres kann - ten, als den nackten Körper. Als die Hetäre Phryne einſt wegen Ver - letzung der Religion vor den Richtern ſtand, und dieſe ſie verurtheilen wollten, riß der Vertheidiger des ſchönen Weibes das Gewand von ihrem Buſen. Der Kunſtgriff wirkte, denn überwältigt von der wun - derbaren Anmuth der nackten Formen und überzeugt, daß nur einen Liebling Aphrodites ſolche Reize zieren könnten, ſprachen die Richter die Angeklagte frei. Athen. XIII. p. 590.
  • 49. (S. 78.) Die Könige von Perſien mußten bei ihrer Krönung eine Terebinthe eſſen. Plutarch, Artaxerxes 3.
  • 50. (S. 81.) Eine im Alterthum ſehr beliebte Farbe, welche aus der Blüte des Sandixbaumes gewonnen wurde. Ariſtoph. Acharn. 113.
  • 51. (S. 81.) Die perſiſche Armee war in Decimaltheile gegliedert. Die Diviſion zählte 10,000, das Regiment 1000, die Compagnie 100 Mann. Der Taxiarch war etwa gleich unſerem Hauptmann, der He - katontarch ein über 100, der Chiliarch ein über 1000 Mann Komman - dirender. Uebrigens bezeichnete ſpäter bei den Perſern der Name der Chiliarchen eine ſehr hohe Stellung, deren Träger (χιλιάρχης) die erſte Perſon nach dem Könige geweſen ſein ſoll. Diod. XVIII. 48. Aelian. var. hist. I. 21.
  • 279
  • 52. (S. 84.) Wie eifrig ſich die Griechen zum Markte drängten, beweist folgendes Geſchichtchen, welches Strabo erzählt: Ein Flöten - ſpieler zu Jaſos wurde von all ſeinen Zuhörern verlaſſen, ſobald die Glocke zum Markte rief. Nur Einer blieb bei ihm. Der Muſikant dankte demſelben, daß er ſich nicht habe durch die Glocke im Zuhören ſtören laſſen. Ach‘ rief der Mann es hat alſo ſchon geläutet?!‘ und lief gleichfalls fort.
  • 53. (S. 84.) Ὠκεῖα das Schnelle. Böckh, Staatshaushalt der Athener III. 93.
  • 54. (S. 85.) Die verſchiedenen Waaren wurden in begränzten Abtheilungen (κύκλοι) feilgeboten. Der Platz der Blumenverkäuferinnen, welche im Allgemeinen für leichtſinnige Mädchen galten, hieß der Myr - tenmarkt. Ariſtoph. Theſmoph. 448. Becker, Charikles II. S. 156.
  • 55. (S. 86.) Bei dieſer Stelle haben wir an folgendes Epigramm des Dionyſios gedacht: Du mit Roſen im Korb, was, roſiges Mädchen, verkaufſt Du? Roſen? Dich ſelbſt? o ſprich! oder auch beides zugleich? F. Jakobs, Gr. Blumenleſe IX. 51. Ein Goldſtück war eine ſehr hohe Zahlung. Bei Ariſtophanes in den Acharnern bietet der Sklave des Lamachos einen lächerlich hohen Preis, als er für einen fetten Aal von Kopai 3 Drachmen (22½ Silbergroſchen), für ein Paar Krametsvögel 1 Drachme ( Sgr.) geben will.
  • 56. (S. 87.) Selbſt vornehme Griechen verſchmähten es nicht, von ihren Sklaven begleitet Einkäufe auf dem Markte zu machen. Dagegen konnten ehrbare Hausfrauen denſelben nicht beſuchen. Ge - wöhnlich ſchickte man Sklavinnen zum Einkaufen aus. Becker, Cha - rikles II. S. 150.
  • 57. (S. 90.) S. Papyros v. S. d’Anaſtaſy. Dr. Young on Hieroglyphical Literature p. 65. Dort findet ſich ein ganz ähnliches Signalement eines gewiſſen Nechutes. Wilkinſon m. a. c. bringt ein Bild aus Theben, auf dem ein ſich verneigender Mann vor den Schrei - ber geführt wird, welcher ihm einen Paß auszuſtellen ſcheint.
  • 58. (S. 92.) Der Vogel, welcher von der rechten Seite herkam, galt für glückbringend; ebenſo das zuckende rechte Auge. Theokrit III. 37. Der aufbewahrte Kranz. Lucian. Tox. 30.
  • 59. (S. 98.) Schömann, Privatalterthümer. Waſſer vor dem Hauſe. Schol. Ariſt. Nub. V. 837.
  • 60. (S. 99.) Auf dem ſogenannten δεῖγμα, der Börſe, pflegten280 die griechiſchen Großhändler ihre Waaren nach der Probe zu verkaufen. Böckh, Staatshaushalt der Athener I. S. 84 u. 85.
  • 61. (S. 102.) Herod. III. 39. 139. 141 flgd.
  • 62. (S. 102.) Diod. V. 73. nennt nur Zeus und Hera als die Götter, denen hochzeitliche Opfer dargebracht wurden. Plutarch, So - lon 20 ſagt, ein ſoloniſches Geſetz habe den Bräuten in Athen vor der Hochzeit einen Quittenapfel (μῆλον κυδώνιον), der auch ſonſt für Liebende von Bedeutung geweſen zu ſein ſcheint, zu eſſen befohlen. Daß auch bei den Griechen ein Brautſtand in unſerem Sinne exiſtirte, iſt unzweifelhaft. Man denke nur an die Antigone des Sophokles, welche mit Hämon verlobt war.
  • 63. (S. 102.) S. Böttiger, Aldobr. Hochzeit S. 142, wo der Hoch - zeitsgeſang oder Hymenaeos mit Flötenbegleitung geſungen wird. Wer eigentlich die Brautfackeln trug, iſt nicht genau zu beſtimmen. K. F. Hermann, Privatalterthümer §. 31. Ebenſo zweifelhaft iſt es, ob der Hochzeitsſchmaus im Hauſe der Braut oder des Bräutigams abgehalten worden ſei. Für beide Orte laſſen ſich Stellen anführen.
  • 64. (S. 105.) Der Hehler eines Mordes ſollte geknutet (ἒδει μαστιγοῦσϑαι) und drei Tage lang ohne Trank und Speiſe gelaſſen werden. Diod. I. 77.
  • 65. (S. 107.) Weiß, Koſtümkunde II. S. 722 u. 723.
  • 66. (S. 108.) Das Leben und Treiben der Handwerker findet ſich häufig und anſchaulich auf den alten Denkmälern dargeſtellt. Bei Wilkinſon II. 384. Roſellini II. 2. S. 464. S. auch I. Moſ. 40, 16. Herod. II. 36.
  • 67. (S. 108.) Schlächter. Wilkinſon II. 375.
  • 68. (S. 108.) Schuſter. Wilkinſon III. 160.
  • 69. (S. 108.) Holzarbeiter. Wilkinſon III. 144. 174. 183. We - ber II. 60. III. 134 u. 135. Jm Berliner Muſeum befinden ſich ei - nige altägyptiſche Spindeln, im Leydener Muſeum ein ſchönes, noch immer mit rothem Garn umwickeltes Weberſchiff und viele Proben von altägyptiſchen Stoffen.
  • 70. (S. 108.) Das ägyptiſche Bier, welches die Griechen Zythus nannten, war im Alterthum berühmt, doch nicht hoch geachtet. Der Gott Oſiris ſollte daſſelbe, wie den Wein, den Menſchen geſchenkt ha - ben. Diod. I. 34. Jn Peluſium wurde der beſte Gerſtenſaft gebraut. Es mag nicht unintereſſant erſcheinen, daß unſer Gambrinus mit Aegypten, dem erſten Bier trinkenden Lande, in Verbindung gebracht281 worden iſt. Jm Aventinus Annal. Boj. heißt es nämlich I. 6. 11, Gambrinus ſei der Sohn der Jſis geweſen.
  • 71. (S. 109.) Eine von Herod. II. 135 erwähnte berühmte Hetäre zu Naukratis. Flötenſpielerinnen pflegten bei den Sympoſien der grie - chiſchen jungen Herren ſelten zu fehlen.
  • 72. (S. 110.) Aegyptiſche Verbrecher wurden nicht ſelten aufge - knüpft. I. Moſe 40, 20 23. Roſellini m. c. 124.
  • 73. (S. 114.) Diejenigen Prieſter, welche bei feierlichen Aufzügen die heiligen Thiere, Götterbilder ꝛc. zu tragen hatten. Die Prieſterſchaft wurde nach Clemens v. Alexandrien, Stromm. VI. 633 und der Jn - ſchrift von Roſette eingetheilt 1) in Propheten oder Oberprieſter; 2) Hierogrammaten oder heilige Schreiber, Gelehrte; 3) in Horoskopen, Aſtronomen und Aſtrologen; 4) Sänger, welche den Gottesdienſt zu leiten hatten; 5) Hieroſtoliſten, denen es oblag, die Opfer und äußeren Erforderniſſe des Cultus zu ordnen; 6) Paſtophoren (ſiehe oben); 7) die Einbalſamirer; 8) die Neokoren oder Tempeldiener.
  • 74. (S. 114.) Ein nicht ſelten ſehr kunſtreich gearbeitetes Jnſtru - ment, welches beim Gottesdienſte gebraucht wurde. Es beſtand aus einem Bogen, in welchem an Stäben Ringe hingen, die man zuſam - menklingen ließ. Plutarch Is. et Osir. 63 beſchreibt es genau und ſagt, es ſei angewendet worden, um Typhon zu verſchenchen. Auf der Rundung des Blechs habe man das Bild einer Katze mit menſchlichen Zügen angebracht ꝛc. Ein Siſtrum von Bronze im Berliner Muſeum beſtätigt die Beſchreibung Plutarchs. Auf dem Bogen deſſelben ruht eine Katze mit der Sonnenſcheibe auf dem Kopfe. Am Griff eines anderen iſt eine doppelte Jſismaske zu ſehen. S. auch Wilkinſ. I. 145.
  • 75. (S. 114.) Ein gleicher Zug von Frauen befindet ſich zu The - ben. Die Gattin Ramſes des Großen und die Mutter, Tochter und Schweſter eines Prieſters gehen zum Gebete. Wilkinſon I. 260.
  • 76. (S. 116.) Wilkinſon II. 129.
  • 77. (S. 117.) Rhampſinit, von deſſen Schatzhauſe Herod. II. 121 und 122 jenes anmuthige Märchen erzählt, welches Graf Platen dra - matiſch behandelte. Appian berichtet, Römiſche Geſchichte Vorrede 10, daß der Schatz des Ptolemäus Philadelphus 740,000 ägyptiſche Talente enthalten habe. Dies wären, wenn man auch das ägyptiſche Talent zu einem halben äginetiſchen rechnen wollte, 555,000,000 Thaler. Vielleicht iſt Böckh’s (Staatshaush. d. Ath. I. S. 14) Conjectur rich - tig, daß hier die Geſammteinnahme ſeiner 38jährigen Regierung ge -282 meint ſei. Uebrigens ſoll eine Jnſchrift am Schatzhauſe Ramſes des Großen (Oſymandyas) beſagt haben, daß die Gold - und Silbergruben der Aegypter jährlich 32 Millionen Minen, das ſind 600 Mill. Thlr., eingebracht hätten. Diod. I. 49. Nach demſelben, I. 62, enthielt der Schatz des Rhampſinit 4 Millionen Talente, d. ſ., wenn man wieder - um ägyptiſche Talente rechnet, 3000 Millionen Thaler.
  • 78. (S. 119.) Wilkinſon II. Plate XI. Fig. 1.
  • 79. (S. 120.) S. II. Theil Anmerk. 94. Der Beiname Herrin Wagſchale kommt daher, weil die Göttin der Wahrheit die Seelen der Verſtorbenen in der Unterwelt abwog. Jm Todtenbuche und Wil - kinſon Suppl. I. Pl. 88.
  • 80. (S. 121.) Plutarch Is. et Osir. 9. Es iſt hier nicht der Ort, unſere Auffaſſung der Neith zu rechtfertigen; doch wird dieſelbe häufig mit dem Weberſchiffchen in der Hand abgebildet. Auch findet man ihren Namen ſelten ohne die Hieroglyphe, welche das Weberſchiff darſtellt.
  • 81. (S. 122.) Nach Anarcharſis bei Diod. XII.
  • 82. (S. 128.) S. I. Theil Anmerk. 36 und Athen. IV. p. 175. Gr. Blumenleſe III. 47. (Simonides) 50. 51. (Antipater v. Sidon) u. a. a. O.
  • 83. (S. 128.) Epigramm des Antipatros v. Sidon. Gr. Blumen - leſe III. 52:

    Dreien allein, dem Dionyſus und den Muſen und Eros Hatteſt Du, fröhlicher Greis, all dein Leben geweiht.

  • 84. (S. 129.) Anakr. ed. Melhorn. κβ. Eigene Ueberſetzung.
  • 85. (S. 129.) Ein Stäbchen von Elfenbein, mit dem die Saiten gerührt wurden.
  • 86. (S. 130.) Dieſes Lied, welches wir uns frei in deutſche Reime zu überſetzen erlaubten, iſt die zweite der beiden einzigen vollſtändig erhaltenen Oden der Sappho. Jn Neues trefflicher Ausgabe II. Die Freiheiten, welche wir uns namentlich in der letzten Strophe erlaubt haben, empfehlen wir der Nachſicht des der griechiſchen Sprache kun - digen Leſers.
  • 87. (S. 131.) Obgleich ein Gewitter in Aegypten ſehr ſelten iſt, ſo kommt es doch vor. Lepſius erlebte ein ſolches. Briefe aus Aegypten, S. 26. Herodot erzählt als ein Wunder, daß es zur Zeit unſerer Erzählung in Oberägypten geregnet habe. III. 10. Die Griechen pflegten, wenn ein Gewitter drohte, den Stürmen, die zu den Göttern283 der Unterwelt gehörten, ein ſchwarzes Lamm zu opfern. Als in den Fröſchen des Ariſtophanes Aeſchylos den Euripides mit fürchterlicher Heftigkeit anzugreifen beginnt, ruft Dionyſos: Jhr Sklaven bringt ein Lamm, ein ſchwarzes Lamm, ein gräßlich Ungewitter iſt im An - zug! Ariſtoph. Fröſche 853.
  • 88. (S. 135.) Die helleniſche Braut erſchien in ſchönem Schmuck, und auch die Brautführer erhielten Feſtgewänder. Hom. Odyſſ. VI. 27. Außerdem wurde dieſelbe nach dem Bade, welches Braut und Bräutigam nehmen mußten (Thukyd. II. 15), mit duftenden Eſſenzen geſalbt. Xenoph. Symp. II. 3. Böttiger, Aldobr. Hochz. S. 42.
  • 89. (S. 136.) Die Brautmutter zündete die Fackel an. Jphig. a. Aulis p. 722. Der Träger derſelben ſollte wohl den Gott Hymen darſtellen. Aldobr. Hochz. S. 142. Becker, Charikles III. S. 306.
  • 90. (S. 136.) Dieſer Gebrauch war auch zu Rom üblich. Schol. zu Ariſtophanes. Plut. 768. Becker, Charikl. III. S. 306.
  • 91. (S. 141.) Strabo nach Ariſtobul. XV. 3. Arrian Anab. VI. Curtius X. 1. Plinius VI. 29. Kugler, Geſchichte der Baukunſt I. S. 99. Schnaaſe, Kunſtgeſch. I. 213. Rich. narrative of a jour - ney to the site of Babylon. Ritter, Erdkunde S. 948. Dieſer Bau erinnert unbedingt an die architektoniſche Anordnung der Griechen. Herder und Anquetil meinen gleichfalls, die Perſer hätten mehr vom helleniſchen, als vom ägyptiſchen Bauſtyl angenommen.
  • 92. (S. 142.) Herodot V. 25.
  • 93. (S. 143.) Nach Anquetil wird noch von den heutigen Parſen eine Ehe unter nahen Verwandten für beſonders gut gehalten.
  • 94. (S. 143.) Nach Herod. III. 31.
  • 95. (S. 144.) Herod. III. 44.
  • 96. (S. 146.) Herod. II. 64 berichtet, die ganze ägyptiſche Armee ſei in zwei Abtheilungen: Hermotybier und Kalaſirier, getheilt geweſen. Ueber die Bedeutung dieſer Namen ſind ſehr viele Vermuthungen, auch ſchon von Herodot, aufgeſtellt worden. Etwas geſucht erſcheint die Erklärung von Uhlemann (Phil. Aegypt. p. 15. 18), der die Kala - ſirier nach dem koptiſchen Chelsiri für die junge Mannſchaft, die Her - motybier (Nareh em teb) für die Vertheidiger der Feſtungen (Land - wehr) hält. Wagenkämpfer finden wir auf faſt allen Denkmälern, zum Theil höchſt naturgetreu, dargeſtellt. S. Roſellini, Mon. stor. II. Taf. 103. I. Taf. 78. u. v. a. O. Schon Hom. Jl. IX. 383 kennt und rühmt die Zahl der ägyptiſchen Wagenkämpfer. Obgleich man284 auf allen Denkmälern nur einen einzigen ägyptiſchen Krieger zu Roß gefunden hat, ſo beweiſen doch ihre eignen Jnſchriften und zahlreiche Berichte andrer Völker, daß ſie ſich auch der Reiterei bedienten. König Ramſes führte nach Diodor 24,000 Reiter in’s Feld, und Seſonchis (Scheſchenk) kam mit 60,000 Reitern nach Jeruſalem. Chron. II. 12. 3. Jeſaias 36. 9. König Amaſis ſaß nach Herodot zu Pferde, als der Bote des Hophra zu ihm kam.
  • 96a. (S. 146.) Eine große Anzahl ſolcher Feldzeichen oder Standar - ten findet ſich abgebildet bei Wilkinſ. I. 294 u. Roſell., Mon. civ 121.
  • 97. (S. 146.) Alle dieſe, ſowie die nächſtfolgenden Angaben, haben wir den Bildern alt-ägyptiſcher Denkmäler bei Wilkinſon u. Roſellini entnommen. Ein Dolch befindet ſich im Muſeum zu Berlin. Die Klinge deſſelben iſt von einer bronzeartigen Metallverbindung, der Griff von Elfenbein, die Scheide von Leder.
  • 98. (S. 146.) Ganz beſonders ſchöner Streitwagen bei Roſellini, Mon. stor. I. Taf. 78.
  • 99. (S. 147.) Nach der Schlacht bei Gaugamela. Curtius IV. Arrian III. 11.
  • 100. (S. 148.) Auch Themiſtokles wurde, als er an den perſiſchen Hof kam, vom Könige mit einer vornehmen Perſerin vermählt. Diod. XI. 57.
  • 101. (S. 149.) Diod. III. 12 beſchreibt die Zwangsarbeit in den Goldbergwerken ausführlich. Die Sträflinge waren theils Kriegs - gefangene, theils Leute, welche man in blinder Leidenſchaft aus dem Wege räumen wollte. Die Minen lagen gegen Süden, unweit des rothen Meeres.
  • 102. (S. 152.) Schlacht bei Gaugamela. Curtius IV. 14. 12.
  • 103. (S. 153.) Die Farben des Reichsbanners nach Firduſi. Die Fahne des Kawe beſtand aus dem Schurzfelle jenes kühnen Schmieds, der zum Aufſtande gegen den böſen Zohak rief und dem Feridun half, den grauſamen Verwüſter des Reichs zu ſtürzen.
  • 104. (S. 153.) Nach den Beſchreibungen von griechiſch-perſiſchen Schlachten bei verſchiedenen alten Autoren. Jn der Schlacht bei My - kale hieß das Loſungswort der Griechen Hebe . Herod. IX. 98.
  • 105. (S. 154.) Daß die Wagenlenker vornehme Leute waren, er - gibt ſich aus der Art und Weiſe, in der die Könige mit denſelben verkehren. S. das Bild des Ramſes u. ſeines Wagenlenkers zu Theben. Wilkinſon I. 338.
  • 285
  • 106. (S. 156.) Herod. IV. 141.
  • 107. (S. 156.) Dieſe furchtbare That erzählt Herod. III. 11.
  • 108. (S. 157.) Herod. III. 12. Kteſias Perſer. 9. Die Sieger verlieren im Alterthum ſtets unendlich viel weniger Leute, als die Geſchlagenen.
  • 109. (S. 158.) Herod. III. 130. VIII. 118. Xenoph. Kyrop. VIII. 3.
  • 110. (S. 161.) 12,500 Rthlr. Herod. III. 13.
  • 111. (S. 161.) Herod. III. 13.
  • 112. (S. 161.) Nach Athen. I. 25 gehörte Anthylla der jedesmaligen Königin. Ueber Kyrene u. Arkeſilaos Herod. IV. 163 165.
  • 113. (S. 164.) Dieſe Angabe des Herod. III. 14 wird durch die Denkmäler beſtätigt, auf denen wir häufig Gefangene mit Stricken um den Hals einherführen ſehen. Die ganze folgende Begebenheit iſt der - ſelben Stelle des Herodot entlehnt.
  • 114. (S. 167.) Kröſus hatte dem Solon ſeine Schätze gezeigt und denſelben dann, in der Hoffnung, ſeinen eigenen Namen zu vernehmen, gefragt, wen er für den Glücklichſten halte. Der Weiſe nannte zuerſt den Tellus, einen ruhmreichen Bürger von Athen, dann die Brüder Kleobis und Biton. Dieſe ſchönen Jünglinge, welche auch den Preis im Ringſpiele davongetragen hatten, zogen ihre Mutter, als die Zug - thiere nicht zur rechten Zeit vom Felde kamen, im Angeſichte des ganzen Volks in den weit entfernten Tempel. Die Männer von Argos prieſen die Stärke der Söhne, die Frauen ihre Mutter, der ſolche Kinder zu Theil geworden waren. Die Mutter nun, entzückt über die That und das Lob ihrer Söhne, ſtellte ſich vor das Bild der Göttin und betete, ſie möchte ihnen das Beſte geben, was einem Menſchen werden könnte. Nach dieſem Gebet und dem Opfer ſchliefen die Jüng - linge ein und erwachten nicht wieder, denn ſie waren geſtorben. Herod. I. 31. Cicero, Tuscul. I. 47.
  • 115. (S. 168.) Der letzte Darius bezeichnete in derſelben Weiſe ſeinen trefflichen griechiſchen Feldherrn Memnon, deſſen Freimüthigkeit ihn verletzt hatte, als dem Tode verfallen. Derſelbe rief, als man ihn abführte, auf den heranrückenden Alexander deutend: Meinen Werth wird Deine Reue bezeugen; mein Rächer iſt nicht fern! Droyſen, Alex. d. Große S. 148. Diod. VII. 30. Curtius III. 2.
  • 116. (S. 173.) Die Aegypter heiratheten, wie wir mehrfach be - ſtätigt finden, nicht ſelten ihre Schweſtern oder die Wittwen ihrer286 verſtorbenen Brüder. Diod. I. 27. Cod. Justin. V. tit. V. leg. VIII. Ebenſo die Griechen. Cornel. Nep. I. v. Cim. I.
  • 117. (S. 174.) Herod. III. 34.
  • 118. (S. 176.) Von dieſem Lampenbrennen der λυχνοκαΐα erzählt Herod. II. 62.
  • 119. (S. 180.) Zeller, Geſchichte d. Phil. d. Griechen I. S. 292. Wir nehmen an, daß dieſe pythagoräiſchen Anſichten den ägyptiſchen Myſterien entlehnt ſind. Daſſelbe behauptet Jamblichus de vita Pythagorae.
  • 120. (S. 180.) Ariſtoteles, Metaphys. I.
  • 121. (S. 181.) Bunſen, Aegypt. Stellung II. 171. Lepſius hat die zerſtörten Hieroglyphen ergänzt, Vyſe Pyramids II. S. 94 folgende von uns nur wenig veränderte Ueberſetzung gegeben.
  • 122. (S. 182.) Ueber die Abzeichen des Apis etwas weiter unten im Text; ebenſo über das Feſt der Auffindung deſſelben. Wenn der heilige Stier ſtarb, ſo wurde er tief betrauert und mit fabelhaftem Prunk beſtattet. Als unter Ptolemäus Lagi der Apis an Altexsſchwäche fiel, verwendete der Hüter deſſelben zu ſeinem Begräbniſſe nicht nur den ganzen vorhandenen Geldvorrath, ſondern borgte noch dazu von dem Könige 50 Silbertalente, das ſind 75,000 Rthlr. Einige Vor - ſteher des Apistempels ſollen für das Begräbniß des Thieres 100 Ta - lente, 150,000 Rthlr., ausgegeben haben. Diod. I. 84. Ein ganzer Stall von Kühen ſoll ihm gehalten worden ſein. Aelian XI. 10. Die Aegypter ſchrieben ihm die Kraft der Weiſſagung zu (Plin VIII. 71) und ſcheinen mit ihm eine Zeitperiode von 25 Jahren ſymboliſirt zu haben. Dieſe Anſicht iſt durch die Ausgrabungen im Serapeum und den Apisgräbern durch Mariette und die Forſchungen des Gelehrten Brugſch beſtätigt worden. Erſterer fand eine ſteinerne, mit Jnſchriften bedeckte, ſchöne Statue des Stieres, welche nach Paris gebracht wurde, und eine Menge von koloſſalen Apisſärgen. A. Mariette, le Sera - peum de Memphis.
  • 123. (S. 183.) Solche im Haine der Neith aufgeführte Schau - ſpiele ſcheinen zu den Myſterien gehört zu haben. Die Bühne der - ſelben war der heute noch flutende See Sa-el-Hagar, bei dem ſich, wie Herod. II. 170 andeutet, ein Grab des Oſiris befand. 171 ſagt der Halikarnaſſier: Dieſe Schauſpiele ſtellten die Schickſale des oben Genannten dar und hießen Myſterien.
  • 124. (S. 184.) Der Ephen war die Pflanze des Oſiris, die Kuh287 das heilige Thier der Jſis. Diod. I. 17. Plut. Isis u. Osiris 37. Herod. II. 41.
  • 125. (S. 184.) Dieſes ganze Schauſpiel ſchildern wir nach der Oſiris-Mythe, wie ſie ſich bei Plut. Is. u. Osir. 13 19 und Diod. I. 21 u. 22 findet.
  • 126. (S. 186.) So fand Jſis die Leiche ihres Gatten zu Byblos im nördlichen Aegypten. Plut. Is. u. Osir. 16.
  • 127. (S. 187.) Nach Diod. I. 21 in 26 Stücke, welche Typhon an eben ſo viele ſeiner Genoſſen vertheilte.
  • 127a. (S. 187.) Dupuis, origine des cultes. Dieſe Spiegel - tänze beſchreibt Th. Moore auf’s Lieblichſte in ſeinem Epicurean.
  • 128. (S. 188.) Das letzte Glied, den Phallus, ſuchte ſie verge - bens. Typhon hatte denſelben in den Nil geworfen. Jſis verfertigte nun ein künſtliches Glied und ſetzte den Phallusdienſt ein. Diodor I. 22. Plut. Is. u. Os. 18.
  • 129. (S. 188.) Lepſius hält das die Unterwelt bewachende Thier, welches gewöhnlich vor Oſiris ſitzend abgebildet wird, für ein weibliches Nilpferd. Uebrigens kann daſſelbe auch eine ſäugende Hündin dar - ſtellen. Jedenfalls verdankt der Cerberus dieſem Freſſer des Amen - thes ſeinen Urſprung.
  • 130. (S. 188.) Als Herod. II. 170 von dem Oſiris der Myſterien ſpricht, ſagt er: Dieß Heiligthum iſt Einem geweiht, deſſen Namen ich hier zu nennen für eine Verſündigung halte, und 171: Obgleich ich Vieles von den Myſterien weiß, ſo ſchweige ich doch mit tiefer Ehrfurcht davon .
  • 131. (S. 189.) Haméſtegân = Aufenthalt Derer, deren gute und ſchlechte Thaten einander ganz gleich ſtehen; Duzakh = Hölle; Goroth - man = das Paradies der Perſer. Spiegel, Aveſta I. S. 23. Ulmai Jslam bei Vullers, Fragmente. Die Anſchauung von den 7 Himmeln (The Ardai-Viraf nameh etc. Transl. from the Persian by J. A. Pope) ſcheint einer ſpäteren Zeit zu entſtammen. Spiegel, Aveſta Farg. XIX. Anmerk. zu §. 121.
  • 132. (S. 191.) Beſchreibungen und Abbildungen ſolcher Gräber von alten Aegyptern finden ſich in allen neueren Werken über das Land der Pharaonen.
  • 133. (S. 193.) Herod. II. 20 25.
  • 134. (S. 194.) Herod. III. 30.
  • 135. (S. 196.) Nach Buch Eſther I. 6. Dort ſind die Tücher288 weiß, roth und gelb. Wir ſchreiben roth, gelb und dunkelblau, weil dieß die perſiſchen Farben waren. S. III. Th. Anmerk. 103.
  • 136. (S. 199.) Herod. III. 30 erzählt dieſe Geſchichte. Demſelben Autor verdanken wir die Nachricht von den folgenden Ereigniſſen.
  • 137. (S. 204.) Herod. berichtet III. 88, Darius habe eine Tochter des verſtorbenen Bartja, Namens Parmys, neben Atoſſa ꝛc. zum Weibe genommen. Dieſelbe wird nochmals erwähnt VII. 78.
  • 138. (S. 204.) Wilkinſon III. 381 u. 383.
  • 139. (S. 204.) Nach Wilkinſon II. 360. Leyd. Muſeum.
  • 140. (S. 204.) Nach dem Griff einer Schmuckſchaale bei Wilkinſ. II. 359. Auch Wilkinſ. III. 386. 1 u. 2.
  • 141. (S. 205.) Zu Theben gefundene Kämme. Wilkinſ. III. 381.
  • 142. (S. 205.) Villoteau, on the musical instruments of the Egyptians S. 22.
  • 143. (S. 205.) Jm Berliner Muſeum u. a. a. O. finden ſich an Mumien Glasperl-Arbeiten. Wilkinſon III. 90. 101 gibt das Bild der berühmten großen Glasperle Captain Henveys, in welche eine hieroglyphiſche Jnſchrift geſchnitten iſt.
  • 144. (S. 210.) Auf den ägyptiſchen Denkmälern finden wir keine Kameele abgebildet, während wir wiſſen, daß die Araber und Perſer dieſe heutzutage am Nil unentbehrlich gewordenen Thiere fleißig be - nützten.
  • 145. (S. 219.) Herod. III. 30 ſagt, Einige wollten wiſſen, Pre - xaspes habe Bartja am rothen Meere, ἐς τὴν Ἐρυϑρὴν ϑάλασσαν, ermordet. Es iſt möglich, aber keineswegs gewiß, daß Herodot an dieſer Stelle den perſiſchen Meerbuſen meinte.
  • 146. (S. 221.) Herodot beſuchte Aegypten etwa 60 Jahre nach dem Tode des Kambyſes. Derſelbe beſchreibt den Zug nach Aethio - pien III. 25.
  • 147. (S. 221.) Auf dieſer Oaſe befand ſich jenes Orakel des Gottes Ammon, welches durch den Ausſpruch, Alexander ſei ein Sohn der Gottheit, ſo hoch berühmt wurde. Curtius IV. 7. Uebrigens hatte ſchon Kröſus dieſes Orakel beſchickt. Herod. I. 46. Ueber die Art des Spruchs Jambl. de Myst. 3. Tacit. hist. IV. 83. Näheres über jene wunderſame Oaſe, welche heute Siwah heißt, bei Minutoli, Reiſe zum Tempel des Jupiter Ammon ꝛc. Abulfeda nennt ſie Vach oder el Vach. Abulfedae descript. Aegypt. 1746.
  • 148. (S. 221.) Furchtbarer aus Südweſten wehender Wind in289 der libyſchen Wüſte. Brugſch erlebte einen Chamſin und beſchrieb den - ſelben in ſeinen Reiſeberichten S. 59. Ein ähnlicher unter dem Namen Sammun bekannter Wind wird von den Türken Schamyele genannt. Vielleicht hat dieſer die Karawanen tödtende Unhold dem böſen Samiel ſeinen Namen gegeben.
  • 149. (S. 221.) Herod. III. 26. 17. 19.
  • 150. (S. 222.) So erzählt Herod. III. 27. Wir haben an ver - ſchiedenen Stellen hervorgehoben, wie hoch die Perſer die Wahrhaftig - keit ſchätzten. Jetzt ſoll das leider anders geworden ſein. Brugſch verſichert in ſeinem Vortrage Perſer und Germanen , daß er nir - gends unverſchämtere Lügner, als im heutigen Perſien, gefunden habe. Jm Buche des Kabus gibt der weiſe Schah Kjekjawus ſeinem Sohne und Thronfolger ſchon im 11. Jahrh. u. Chr. die Lehre, er möge lieber eine Lüge ſagen, die wahrſcheinlich, als eine Wahrheit, welche lügenhaft klinge. B. d. Kawus überſ. v. Diez S. 376. Dagegen ſagt Herod. I. 138 von den Perſern des fünften Jahrhunderts: Lügen und Schul - den haben halten ſie für die größte Schande , und der Vendidad be - zeichnet an vielen Stellen die Lüge als eine der ſchwerſten Sünden.
  • 151. (S. 222.) S. III. Theil 122. Ueber die Abzeichen des Apis Herod. III. 28. Ob er ein weißes Dreieck oder Viereck auf der Stirn haben mußte, iſt nach den verſchiedenen Lesarten des Herodot fraglich. Wir ſind dem Weſſeling’ſchen Texte gefolgt. S. auch Plut. Is. u. Os. 43. Plinius VIII. 46. 71. Wilkinſon I. 349. II. 113. An der von Mariette ausgegrabenen Apisſtatue (jetzt zu Paris) hat man viele dieſer Abzeichen wieder gefunden. Dieſelben ſind mit ſchwarzer Farbe auf den Leib des Thieres gemalt. Die Färbung des Kopfes iſt leider verwiſcht.
  • 152. (S. 222.) Nach Herod. III. 29 glitt das Schwert des Kam - byſes aus und fuhr dem Apis in den Schenkel. Weil der König gleichfalls an einer Schenkelwunde ſtirbt, paßt dieß dem Herodot, welcher ſtets die Vergeltung des Frevels in das hellſte Licht zu ſtellen bemüht iſt, ganz beſonders.
  • 153. (S. 223.) Herod. III. 15.
  • 154. (S. 223.) Herod. III. 36.
  • 155. (S. 224.) Herod. III. 35 meint jedenfalls unter τὸν ϑεόν den ferntreffenden Apollon. Seneca de ira III. 14 ſagt bei der Er - zählung dieſer Geſchichte ohne Weiteres Apollo .
  • 156. (S. 225.) Herod. III. 16. Die Offiziere der franzöſiſchenEbers, Eine ägyptiſche Königstochter. III. 19290Fregatte Luxor, die den Obelisken von Theben holten, fanden zu el Quornah die Mumie der Gattin des Amaſis, halb verbrannt, in einem Sarkophage.
  • 157. (S. 226.) Herod. III. 32.
  • 158. (S. 232.) Buch des Kabus S. 732. Brugſch, Reiſe nach Perſien S. 389. Ueber die muſikaliſchen Jnſtrumente der Perſer bei Chardin V. p. 69 71.
  • 159. (S. 234.) Die Grundgedanken dieſer Rede haben wir dem idealen Staate des Plato entlehnt.
  • 160. (S. 238.) Die erſten Kunſtreiter ſcheinen, nach Diodor, zu Sybaris aufgetreten zu ſein.
  • 161. (S. 239.) Dieſe Mißbilligung ſteigerte ſich mit der Zeit und wurde, 10 Jahre nach unſrer Erzählung, ſo ſtark, daß die Krotoniaten den Saal, in welchem die Pythagoräer verſammelt waren, in Brand ſteckten.
  • 162. (S. 239.) Timaei fragm. 78. ed. Müller. M. Duncker, Geſchichte des Alterthums III. S. 571.
  • 163. (S. 240.) Wir wiſſen recht wohl, daß wir uns hier einen Anachronismus zu Schulden kommen laſſen. Hätte ſchon damals ein pythagoräiſches Haus zu Kroton beſtanden, ſo würden ſich die An - hänger des ſamiſchen Weiſen ſchwerlich im Saale des Milon verſam - melt haben. Dennoch mochten wir dem Leſer das Bild des pythago - räiſchen Lebens nicht vorenthalten. Wir geben daſſelbe nach Diogenes von Laërte, Jamblichus, Diodor, Juſtin, Athenäus und andern alten Schriftſtellern. Von den Neueren haben wir beſonders benützt: Zeller, Geſchichte der Philoſophie der Griechen; Röth, Geſchichte der ſpekula - tiven Philoſophie des Abendlandes, und Andre. Bei der Auswahl des Stoffs ſind wir zum Theil dem Geſpräche des Samiers mit Anacharſis bei Barthélemy, voyage du jeune Anacharsis, gefolgt. Wir fürch - ten, die Anmerkungen mit unnöthigen Zahlen zu überhäufen, wenn wir bei jedem Satze die Quelle, aus welcher wir ihn geſchöpft haben, angeben. Ein tieferes Eingehen in die Lehre des Pythagoras ſchien uns nicht angemeſſen für den Zweck unſres Buches. Wiſſen wir doch, daß dahin zielende Verſuche in der ſonſt ſo ungemein feſſelnden Hy - pathia von Kingslay im größeren Publikum, für welches dieſes Buch beſtimmt iſt, nur wenig Anklang gefunden haben.
  • 164. (S. 244) Eſoteriker Diogenes Laërt. 8. 15. Dieß Wort ἐσωτερικός bedeutet in die Geheimlehren (namentlich des Pythagoras291 und Ariſtoteles) eingeweiht , und ſteht im Gegenſatz zu ἐξωτερικός, was ſich auf Diejenigen bezieht, welche ſich mit den allgemein faßlichen Lehren begnügen müſſen.
  • 165. (S. 248.) Der Prieſter Manetho von Heliopolis, der eine Geſchichte von Aegypten für die Ptolemäer ſchrieb (um 250 v. Chr.), nennt Moſes Oſarſiph und gibt ihn für einen Prieſter von Helio - polis aus, der ſich an die Spitze von 80,000 Ausſätzigen geſtellt habe, welche auf Befehl des Königs Menephta (Lepſius Chronol. S. 323) in die Steinbrüche geſchickt und dann dazu begnadigt worden wären, die Stadt Abaris, das ſpätere Peluſium, zu bewohnen. Dieſe Unreinen bemächtigten ſich Aegyptens, weil der König ihnen, wegen eines Orakelſpruchs, nicht entgegentreten zu dürfen glaubte, wütheten furcht - bar, wurden aber nach 13 Jahren geſchlagen und von Oſarſiph, der ſich nun Moſes nannte, nach Syrien geführt. Josephus contra Apionem I. 26.
  • 166. (S. 249.) Wir folgen auch bei dieſem Theile unſrer Erzäh - lung im Weſentlichen dem Herodot III. 61 88 und der Jnſchrift von Biſitun oder Behiſtan. Die Nachrichten des Kteſias ſind an dieſer Stelle ähnlich der Erzählung des Halikarnaſſiers, aber weit unwahr - ſcheinlicher, als dieſe.
  • 167. (S. 251.) Spiegel, Jnſchrift von Behiſtan: Es iſt eine Feſtung, Cikathauvatis mit Namen, ein Bezirk, Niçâya mit Namen, in Medien, dort tödtete ich ihn. Welche Stadt hier gemeint ſei, iſt nicht zu beſtimmen; dagegen war der Bezirk Niſaja, namentlich wegen ſeiner vorzüglichen Roßwaiden, hochberühmt. Euſtath. in Dionys. Pe - rieg. p. 178. Nach Diodor XVII. 110 und Arrian Anab. VII. 13 ſoll es dort mehr als 150,000 Roſſe, die ſich namentlich durch ihre Größe auszeichneten, gegeben haben. Nach Herodot ging dieſer ganze Theil unſrer Erzählung in Suſa vor ſich.
  • 168. (S. 252.) Herod. IV. 166.
  • 169. (S. 253.) Herod. III. 64. S. III. Theil Anmerk. 152. Jn der Spiegel’ſchen Ueberſetzung der Jnſchrift von Biſitun heißt es da - gegen: Darauf ſtarb Kambujiya, indem er ſich ſelbſt tödtete. Oppert überträgt Uvâmarſiyus ebenſo. Benfey überſetzt: Darauf ſtarb Kambuija vor übergroßem Zorn . Kteſias Pers. 12 berichtet, Kam - byſes habe ſich aus Verſehen mit einem Meſſer in den Schenkel ge - ſtochen und ſei an der Wunde geſtorben. Dieſe, ſowie die Relation des Herodot, läßt ſich mit der Angabe der Jnſchriften: Er endete,292 uvamarsiyus‘, von ſelbſt ſterbend‘ , ſehr wohl vereinen, denn auch die Griechen geben zu, daß ſeine eigne Waffe den Kambyſes, wenn auch gegen ſeinen Willen, getödtet habe. Wir verwerfen den gefliſſent - lichen Selbſtmord an dieſer Stelle um ſo lieber, je mehr gerade hier Herodot und Kteſias zuſammenſtimmen, ein je entſchiedener perſiſch - iraniſches Gepräge (M. Duncker, Geſch. d. Alterth. II. S. 544) die Sterberede trägt, welche Herodot den Kambyſes halten läßt. III. 65.
  • 170. (S. 255.) Herod. III. 65. 66. Die ſentimental klingende Reue des Kambyſes wird ausdrücklich von Herodot erwähnt.
  • 171. (S. 256.) Kteſias Pers. 4.
  • 172. (S. 256.) Die Namen der verſchworenen Stammhäupter bei Herodot ſtimmen großentheils ſehr ſchön mit denen, welche die Keil - ſchriften enthalten. Spiegel, Keilinſchriften S. 37. Bei Herod. III. 70 heißen die Verſchworenen: Otanes, Jntaphernes, Gobryas, Megabyzus, Aspatines, Hydarnes und Darius Hyſtaspis, in der Keilinſchrift: Utâna, Vi[ñ]dafranâ, Gaubaruva, Ardumanis, Vidarna, Bagabukhsa? und Darayavus.
  • 173. (S. 260.) Herod. III. 75.
  • 174. (S. 261.) Herod. III. 79. An dieſer Stelle ſagt derſelbe auch, daß die Perſer dieſen Tag als großes Feſt, unter dem Namen der Magierermordung , feierten. Wlaſtoff gibt in den Nouvelles an - nales des voyages 177me vol. einige neue Gedanken über dieſen Theil der perſiſchen Geſchichte; doch können wir dieſelben ebenſowenig theilen, als die Conjectur des Malcolm, Anquetil u. A., welche den Darius der Jnſchriften für den Guſtasps des Firduſi halten. Die Jnſchrift von Biſitun ſoll ganz gewiß weit eher die Thaten des Darius, als religiöſe Ereigniſſe auf die Nachwelt bringen.
  • 175. (S. 262.) Herod. III. 78.
  • 176. (S. 262.) Herod. III. 85 erzählt, die ſieben Verſchworenen hätten mit einander ausgemacht, ſie wollten zuſammen vor die Stadt reiten, und Derjenige, deſſen Roß beim Aufgang der Sonne zuerſt wiehern würde, ſollte König werden. Ein Stallknecht des Darius führte nun eine Stute, kurze Zeit vor dem Ausritte, an die Landſtraße und ließ ſie von dem Hengſte ſeines Herrn beſchälen. Als die Verſchworenen an dieſe Stelle kamen, ſo lief das Roß des Darius auf dieſelbe zu und wieherte laut auf. Zu gleicher Zeit ſoll es bei heiterem Himmel gedonnert und geblitzt haben. Erſtere Geſchichte iſt darum nicht eben unwahrſcheinlich, weil das Pferd der Sonne heilig, und man es wohl293 für ein göttliches Zeichen halten konnte, wenn es dem aufgehenden Mithra entgegenwieherte. Uebrigens würde Darius auch ohne die Liſt ſeines Stallknechts begründete Anſprüche auf den Thron gehabt haben.
  • 177. (S. 262.) Atoſſa wird häufig als Lieblingsgattin des Darius genannt. Jhr Sohn Xerxes wurde von Darius zum Könige ernannt, obgleich derſelbe von der Tochter des Gobryas drei ältere männliche Erben beſaß. Herod. ſagt VII. 3 ausdrücklich, das Gewicht und An - ſehen der Atoſſa ſei ſehr groß geweſen. Aeſchylos preist ſie in den Perſern als hochverehrte, edle Greiſin. Darius wird z. B. in den Fröſchen des Ariſtophanes der große Dareios genannt. Ariſt. ran. V. 1035.
  • 178. (S. 262.) Herod. III. 89. Böckh, Metrologie.
  • 179. (S. 263.) Eſra VI. 2 12. Sacharja 1 8. Ueber die Sta - dien des Tempelbaues. Bunſen, Bibelwerk. Vibliſche Jahrbücher CCCXXIII XXV.
  • 180. (S. 263.) König Ramſes Miamun begann dieſen Kanal, Necho nahm den Bau wieder auf. Herod. II. 158. Darius arbeitete fleißig an demſelben. Unter den Ptolemäern wurde er fertig. Diod. I. 33. Der in den letzten Jahren wieder aufgenommene Bau des Suezkanals ſcheint an der dieſem Unternehmen feindlichen engliſchen Handelspolitik und dem britiſchen Einfluß auf die innern Angelegen - heiten von Aegypten, trotz der Unermüdlichkeit und dem Talente des Herrn v. Leſſeps, ſcheitern zu ſollen. L’isthme de Suez, par Le - tronne. Revue des deux mondes 15. Juillet 1841. Journal. Le canal de Suez. 1863.
  • 181. (S. 264.) Lepſius, Chronologie S. 354. Description de l’Egypte ant. vol. VIII. p. 27 flgd. Roſellini, Mon. stor. II. 164. Auch in hieratiſchen Papyrosrollen zu Paris u. Turin findet ſich der Name Darius (Ndarius). Auf einem Porzellangefäſſe zu Florenz heißt er der gute Gott und der Herr der Welt .
  • 182. (S. 266.) Plut. Apophth. erzählt dieſe Geſchichte von Zo - pyros, Herod. von Megabyzos, dem Vater deſſelben.
  • 183. (S. 267.) Plut. Apophth. Herod. III. 153. 156.

Jnhalt.

  • Seite Erſtes Kapitel1
  • Zweites Kapitel29
  • Drittes Kapitel58
  • Viertes Kapitel83
  • Fünftes Kapitel107
  • Sechstes Kapitel140
  • Siebentes Kapitel170
  • Achtes Kapitel193
  • Neuntes Kapitel213
  • Zehntes Kapitel249
  • Anmerkungen271
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About this transcription

TextEine Aegyptische Königstochter
Author Georg Ebers
Extent312 images; 71945 tokens; 13370 types; 501156 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationEine Aegyptische Königstochter Historischer Roman Dritter Band Georg Ebers. . HallbergerStuttgart1864.

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LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Roman; Belletristik; Roman; core; ready; china

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