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Ein eigenthümlich abgeſchloſſener Kreis von merkwürdigen Thieren tritt in der Ordnung der Beutelthiere vor uns. Jhr Name bezeichnet ſie; denn der Beutel allein iſt es, welcher ſie zu einem Ganzen vereinigt. Jn ihrer äußeren Erſcheinung haben ſie kaum Etwas mit einander gemein. Sie wiederholen gleichſam mehrere andere Ordnungen und zeigen nur einige abſon - derliche Geſtalten neben den übrigen, welche ebenſo gut an die Hunde, Marder und Spitz - mäuſe, wie an die Haſen, Springmäuſe und Eichhörnchen erinnern. Manchmal glaubt man wirklich eines dieſer Thiere vor ſich zu haben, und die Aehnlichkeit iſt auch ſo groß, daß man ſie an den betreffenden Stellen ohne weiteres in die Ordnung der Raubthiere oder der Nager ein - reihen könnte, verböte Dies nicht aufs entſchiedenſte die Bildung des Beutels und die damit zu - ſammenhängenden eigenthümlichen Frühgeburten, welche allen den ſo verſchiedenen Thieren gemein - ſam ſind. So ſtehen die Beutelthiere, wenn auch als ſcharf begrenztes Ganze, gleichſam doch als Uebergangsglieder zwiſchen den Raubthieren und Nagern da und vermitteln dieſe beiden in jeder Hinſicht ſcharf von einander geſchiedenen und in ſich ſelbſt abgeſchloſſenen Ordnungen.
Sie ſind aber für uns nicht blos aus dieſem Grunde beſonders merkwürdig, ſondern erſcheinen auch noch in anderer Hinſicht einer regen Theilnahme werth. Nach der allgemeinen Anſicht der Naturforſcher gelten die Beutelthiere als die älteſten Thiere unſerer Erde und ſtellen ſo gleichſam die erſten Verſuche der Natur dar, Säugethiere zu erſchaffen, neben den plumpen Lurchen des Feſt - landes, den Flugechſen der Lüfte, den Seedrachen der Meere und jenen wahrhaft furchtbaren Ge - ſtalten der Krokodile, welche in der Vorzeit das Land und die Waſſer beherrſchten. Die Unvoll - kommenheit jener erſten Verſuchsthiere ſpricht ſich deutlich genug darin aus, daß ſie nur halbreife Junge gebären und dieſe erſt außerhalb des Mutterleibes vollends austragen. Owen glaubt in der Waſſerarmuth Auſtraliens den Grund der Beutelbildung zu erblicken, vergißt aber, daß Beutel - thiere auch in Amerika zu Hauſe ſind, wo es an Waſſer wahrlich nicht fehlt. Seine Worte ſind mehr beſtechend, als beweiſend. „ Denkt Euch, ‟ ſagt er, „ einen unſerer wilden Vierfüßler — mei - netwegen einen Fuchs, eine Wildkatze —: ſie machen ihr Reſt; ſie haben ihr Lager. NehmtBrehm, Thierleben. II. 12Die Beutelthiere.an, die ſäugende Mutter müſſe, getrieben von dem furchtbaren Durſt, ein - oder zweihundert (zwanzig bis vierzig) Meilen wandern, um ihre lechzende Zunge zu erfriſchen, müſſe ihre kleine Familie zu Hauſe laſſen: — was würde aus der jungen, kleinen, blinden, verwaiſten, armen Ge - ſellſchaft geworden ſein, wenn ſie zurückkehrte von ihrem hundertmeiligen Wege? Nun, ver - ſchmachtet, verkommen. Thiere, welche ein Land wie Auſtralien bewohnen, müſſen im Einklange mit ſeinen klimatiſchen und allen übrigen Verhältniſſen gebaut ſein. Und ſo iſt es; die jenem großen Feſtlande eingeborenen und zur Nothwendigkeit des Wanderns beſtimmten Thiere beſitzen den an - deren überflüſſigen Beutel und die geſchlechtlichen Eigenthümlichkeiten, welche Gaben ſie befähigen, ihre Brut mit ſich zu nehmen, wohin immer ſie gehen. ‟
Was würde der gelehrte Forſcher antworten, wenn wir ihn fragen wollten: „ Gut, aber was thut unter ſolchen Umſtänden die Dingo mutter? ‟ wenn wir ihn erinnern wollten, daß gefangene Springmäuſe Monate lang nicht trinken? — Wir grübeln nicht nach dem Unerklärlichen, ſondern nehmen die Beutelthiere, wie ſie ſind.
Jm Allgemeinen läßt ſich die Leibesbildung der gedachten Thiere ſchwer beſchreiben. Die Ord - nung zeigt in ihren verſchiedenen Gliedern ſo erhebliche Unterſchiede, wie ſie die ganze Klaſſe nur aufzuweiſen vermag. Mit dem Raubthier - oder Nagergebiß ſteht natürlich auch der Bau der Ver - danungswerkzeuge und gewiſſermaßen ſelbſt der äußere Gliederbau im Einklange. Wir finden echte Raubthiere und echte Grasfreſſer, wir haben Familien, welche ſogar an die Wiederkäuer erinnern: wie wollte da Gleichmäßigkeit zu bemerken ſein! Ganz im Allgemeinen nur kann man ſagen, daß die Beutelthiere Säugethiere von geringer bis höchſtens mittler Größe ſind, deren Körperbau ge - drungen iſt, während ſich die Pfoten gewöhnlich durch ihre Schwäche oder Zierlichkeit auszeichnen. Der Kopf iſt in den meiſten Fällen verlängert und zugeſpitzt, und die ziemlich großen Ohren ſind aufgerichtet, der Schwanz iſt ſehr lang und der Pelz weich und anliegend. Mehr kann man kaum ſagen; denn im übrigen weichen alle Körperformen weſentlich von einander ab, und der Bau der Füße iſt ebenſo verſchieden, wie der des Gebiſſes. So müſſen wir uns die einzelnen Merkmale der Gruppen, welche man unterſchieden hat, bis zur Beſchreibung dieſer ſelbſt aufſparen. Da - gegen aber können wir ſchon jetzt das allen Gemeinſame, den Beutel, betrachten. Die Sehne des äußeren ſchiefen Bauchmuskels, welche ſich vorn auf dem Schambeine aufſetzt, verknöchert und wird ſomit zu dem ſogenannten Beutelknochen, welcher zur Unterſtützung einer Taſche dient, die ſich vorn, am Bauche befindet. Jn dieſer liegen die Milchzitzen, an welchen die halbgeborenen Jungen ſich anfangen. Die Taſche kann ein vollkommener Beutel ſein, aber auch bis auf zwei Hautfalten verkümmern: unter allen Umſtänden jedoch genügt ſie ihrem Zwecke, indem ſie ſich innig über die an den Zitzen hängenden Jungen hinweglegt. Dieſe kommen in einem Zuſtande zur Welt, wie kein einziges anderes Säugethier. Sie ſind nämlich nicht blos nackt, blind und taub, ſondern haben noch nicht einmal einen After und nur ſtummelartige Gliedmaßen. Nachdem ſie halbgeboren ſind, ſaugen ſie ſich an einer der Zitzen, welche gewöhnlich wie eine lange, keulenförmige Warze ausſieht, feſt und wachſen nun in der nächſten Zeit ganz beträchtlich. Dann bilden ſie ſich raſch aus und verlaſſen zeitweilig den Beutel, welchen ſie ſpäter blos noch bei drohender Gefahr aufſuchen, falls ſie nicht vorziehen, auf den Rücken der Mutter zu flüchten und ſich ſo von ihr wegtragen zu laſſen.
Wir müſſen, um dieſen ohne Beiſpiel daſtehenden Geburtshergang weiter zu verfolgen, vorher nothwendig einen Blick auf den inneren Bau der Fortpflanzungswerkzeuge werfen. Die weiblichen Geſchlechtstheile beſtehen aus zwei Eierſtöcken, zwei Muttertrompeten, zwei Fruchthaltern und zwei Scheiden. Die Eierſtöcke ſind klein und einfach oder groß und traubig; am größten und zuſammen - geſetzteſten von allen Säugethieren überhaupt bei dem Wombat, welchen wir ſpäter kennen lernen werden. Sie ſind in der erweiterten Mündung der Trompeten eingebettet, und jeder Eileiter erweitert ſich zu einem beſonderen Fruchthalter, welcher in ſeine eigne Scheide mündet. Jn dieſem Fruchthalter bildet ſich für das ungeborne Junge kein Mutterkuchen, und hiermit mag die Früh -3Die Raubbeutelthiere.geburt wohl zuſammenhängen. Nach Owen’s, Leining’s und Weinland’s Beobachtungen geht nun die Geburt ungefähr in folgender Weiſe vor ſich:
Nach einer ſehr kurzen Tragzeit im Fruchthalter wirft das Beutelthier ſein Junges, welches noch ganz unausgebildet iſt, nimmt es mit dem Maule auf, bringt es in den Beutel und legt es dort an eine Zitze an, wo es ſich feſtſaugt. Hier bleibt es hängen, bis ſich ſeine Sinneswerkzeuge und Glied - maßen entwickelt haben, und der Beutel iſt ſo lange nicht blos Neſt und Zufluchtsort, ſondern auch gleichſam ein zweiter Fruchthalter: noch einmal der Mutterleib. Von hieraus macht das Thierchen ſpäter größere und immer größere Ausflüge; ſeine ganze Kindheit aber verbringt es in dem Beutel, und bei mehr als einem Mitgliede dieſer merkwürdigen Ordnung, welche blos einen Monat oder etwas darüber in dem wirklichen Fruchthalter ausgetragen wurde, währt die Tragzeit im Beutel ſechs bis acht Monate. Von dem Tage der Empfängniß bis zu dem, wo das Junge ſeinen Kopf aus dem Beutel ſteckt, vergehen bei dem Rieſenkänguru ungefähr ſieben Monate, von dieſer Zeit bis dahin, wo es den Beutel zum erſten Male verläßt, noch etwa neun Wochen, und ebenſo - lange lebt dann das junge Geſchöpf noch theils in dem Beutel, theils außerhalb deſſelben.
Die Zahl der Jungen ſchwankt zwiſchen Eins und Vierzehn.
Jn ihrer Lebensweiſe zeigen die Beutelthiere ſo große Verſchiedenheiten, daß an eine allgemeine Schilderung nicht gedacht werden kann. Man muß nur immer feſthalten, daß ſie ebenſogut Raub - thiere wie Nager ſind, daß ſie ſich ebenſowohl auf dem feſten Boden, als theilweiſe unter dem Waſſer, wie auf den Bäumen herumtreiben, daß ſie ebenſogut bei Nacht, als bei Tage ihren Ge - ſchäften nachgehen. Sie nähren ſich von Blättern, Wurzeln, Früchten, Kerbthieren, Würmern und Wirbelthieren; die raubgierigſten und ſtärkſten wagen ſich ſogar an die Hausthiere, z. B. an die Schafe. Die größere Mehrzahl liebt waldige und buſchige Gegenden und zieht ſie wenigſtens offenen, freien Ebenen vor.
Die Sinnesfähigkeiten der Beutelthiere ſind ſehr ungleich entwickelt. Geſicht und Geruch, ſowie das Gehör ſcheinen auch bei ihnen durchſchnittlich am meiſten ausgebildet zu ſein. Jhr geiſtiges Weſen ſteht mit ihrer Lebensweiſe und mit ihrem Gewerbe im Einklange. Die Raubbeutler ſind liſtig, bösartig und biſſig, die pflanzenfreſſenden Beutler dumm, gutmüthig und ſanft.
Gegenwärtig ſind die Beutelthiere auf Amerika und Neuholland beſchränkt. Auſtralien mit ſeinen Jnſeln iſt das eigentliche Vaterland derſelben, und, wie wir oben ſahen, beſteht bei weitem der größte Theil aller Säugethiere dieſes merkwürdigen Erdtheils aus Beutlern. Jn früheren Schöpfungszeiten bewohnten dieſe Thiere auch unſer Europa, zumal Frankreich und England, aber ſchon in der Diluvialzeit ſind ſie von hier verſchwunden.
Für den menſchlichen Haushalt iſt weder der Nutzen noch der Schaden, den die Beutelthiere gewähren, von erheblichem Belang. Man benutzt das Fleiſch und das Fell, erfreut ſich an der Jagd u. ſ. w. und wird dafür von anderen, welche Herden und Gehöfte beſtehlen, gebrandſchatzt.
Nach ihrer Nahrung theilt man die Ordnung der Beutelthiere in zwei ungefähr gleichwerthige Abtheilungen ein, welche von Einigen in zwei, von Anderen, namentlich von Fitzinger, in ſechs Familien geſchieden werden. Der letzteren Eintheilung können auch wir uns anſchließen.
Die erſte Familie enthält die Raubbeutelthiere oder Beutelmarder (Dasyuri).
Sie haben ganz das Gepräge der Raubthiere, ſowohl was den äußerlichen, wie den innerlichen Bau anlangt. Namentlich ihr Gebiß iſt ſehr vollſtändig und beſitzt in beiden Kiefern lange und ſtarke Reißzähne. Die oberen Backenzähne ſind ſpitzzackig, die unteren ſchneidig. Gegenwärtig ſind ſie blos noch in Auſtralien zu finden. Jn der Vorzeit bewohnten ſie als die erſten Säuge - thiere mehrere Länder Europa’s.
Die Raubbeutelthiere halten ſich ebenſowohl in Wäldern als in felſigen Gegenden oder an den Ufern des Meeres auf und leben hier entweder in tiefen Erdhöhlen und Erdlöchern, unter Baum -1 *4Die Raubbeutelthiere.wurzeln und Steingeklüft der Felſen oder in hohlen Bäumen. Die einen bewegen ſich blos auf dem Boden, die anderen klettern vortrefflich, und einige halten ſich faſt ausſchließlich auf den Bäu - men auf. Jhr Gang iſt ſchleichend und bedächtig, und ſie treten dabei mit ganzer Sohle auf. Doch ſind ihre Bewegungen raſch und gewandt, ganz raubthierartig. Faſt alle ſind nächtliche Thiere welche den Tag in ihren Zufluchtsörtern verſchlafen und mit der Dämmerung auf Raub ausgehen. Bei dieſen Streifzügen ſuchen ſie die Küſten des Meeres ab und verzehren hier alle von der See ausgeworfenen Thiere, dieſelben mögen friſch oder faul ſein; die, welche auf den Bäumen wohnen, nähren ſich hauptſächlich von Kerfen und jagen höchſtens noch kleinen Säugethieren, ſowie deren Eiern nach; die größten Arten beſuchen auch wohl die menſchlichen Wohnungen und erwürgen dort nach Marderart oft in einer einzigen Nacht den ſämmtlichen Hühnerbeſtand, oder plündern, wie die frechen Füchſe des Nordens, Speicher und Vorrathskammern und ſtehlen hier Fleiſch und Speck. Die kleineren Arten zwängen ſich durch die kleinſte Oeffnung und ſind deshalb ebenſo verhaßt, wie Marder und Jltis; die größeren fallen die Schafherden an und holen ſich ab und zu ein Stück aus ihnen. Viele führen die Nahrung mit den Vorderpfoten zum Munde. Jhre Stimme beſteht in einem eigenthümlichen Knurren und einem hohltönenden Gebell.
Jhre Eigenſchaften ſind höchſt verſchieden. Die größeren ſind ſehr wild, biſſig und unzähm - bar und vertheidigen ſich, wenn ſie angegriffen werden, wüthend mit ihren ſcharfen Zähnen; die kleineren dagegen ſind ſanft und gutmüthig, und einzelne können leicht in der Gefangenſchaft erhalten und ohne große Mühe gezähmt werden, doch zeigen ſie niemals eine größere Anhänglichkeit an ihren Pfleger.
Jm Frühlinge werfen die Mütter vier bis fünf Junge, welche wenigſtens in verhältniß - mäßig vollkommenem Zuſtande zur Welt kommen.
Der Schaden, welchen die Mitglieder dieſer Familie verurſachen, überwiegt den Nutzen, den ſie bringen, bei weitem, und deshalb werden ſie auch aufs eifrigſte verfolgt.
Unter ihnen dürfte der Beutelhund, Zebra - oder Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus) der ausgezeichnetſte ſein. Das Thier iſt der einzige, jetzt lebende Vertreter einer beſonderen Sippe, hatte aber in der Vorzeit einen ihm ziemlich naheſtehenden Verwandten, welcher ſich nur im Gebiß ein wenig von ihm unterſchied. Seinen Namen trägt er, wie ein einziger Blick auf unſere Ab - bildung belehren wird, im vollſten Rechte; denn er ſcheint in der That ein wilder Hund zu ſein. Sein geſtreckter Leib, die Geſtalt des Kopfes, die ſtark abgeſetzte Schnauze, die aufrechtſtehenden Ohren und die Augen, ſowie der aufrecht getragene Schwanz erinnern durchaus an die betreffenden Raubthiere; nur ſind die Glieder verhältnißmäßig kurz, und das Gebiß weicht weſentlich von dem der Hunde ab.
Der Beutelwolf iſt das größte aller fleiſchfreſſenden Beutelthiere. Er kommt etwa dem Scha - kal an Größe gleich. Seine Leibeslänge beträgt gegen drei Fuß, die Länge des Schwanzes 1½ Fuß, und die Höhe am Widerriſt ebenſoviel. Manche recht alte Männchen ſollen, wie man behauptet, noch viel größer werden und im Ganzen gegen ſechs Fuß in der Länge meſſen. Der kurze, lockere, anliegende Pelz iſt graubraun, auf dem Rücken zwölf bis vierzehn Mal quergeſtreift. Die Rücken - haare ſind am Grunde dunkelbraun und vor der dunklen Spitze auch gelblichbraun, die Bauchhaare blaßbraun an der Wurzel und bräunlichweiß an der Spitze. Der Kopf iſt hellfarbig, die Augen weißlich; am vorderen Augenwinkel findet ſich ein dunkler Flecken und über dem Auge eine Binde. Die Krallen ſind braun. Nach dem Hintertheil zu verlängern ſich die Rückenhaare und erreichen auf dem Schenkel ihre größte Ausdehnung. Das Fell iſt nicht eben fein, ſondern kurz und mehr wollig. Der Schwanz iſt blos an der Wurzel mit weichen, ſonſt aber mit ſteifen Haaren bedeckt. Der Ge - ſichtsausdruck des Thieres iſt ein ganz anderer, als bei dem Hunde, und namentlich fällt das weiter geſpaltene Maul, ſowie das größere Auge beſonders auf. Die Beutelknochen fehlen, ihre Stelle iſt blos durch ſehnige Knorpel angedeutet.
5Der Beutelhund, Zebra - oder Beutelwolf.Das Thier bewohnt ausſchließlich Tasmanien oder Vandiemensland, während ſein vor - weltlicher Verwandter auf Neuholland gefunden wurde. Jn den erſten Tagen der europäiſchen An - ſiedlung fand ſich der Beutelwolf ſehr häufig, zum größten Nachtheil und Aerger der Viehzüchter, deren Schafherden und Geflügelbeſtänden er fleißigen Beſuch abſtattete. Jn der Folge vertrieb ihn das Feuergewehr mehr und mehr, und ſo iſt er gegenwärtig ſchon in das Jnnere zurückgedrängt worden. Die Hampſhire - und Woolnorſhberge ſind gegenwärtig ſeine hauptſächlichſten Zufluchtsorte, und hier findet man ihn noch immer in hinreichender Anzahl, am häufigſten in einer Höhe von etwa 3000 Fuß über dem Meere. Felsſpalten in dunklen, dem Menſchen faſt undurchdringlichen Schluchten, natür - liche oder ſelbſt gegrabene tiefe Höhlen bilden ſeine Zufluchtsorte während des Tages, und von hier aus unternimmt er ſeine Raubzüge. Er iſt ein nächtliches Thier und ſcheut das helle Licht im hohen
Grade. Die außerordentliche Empfindlichkeit ſeiner Augen gegen die Tageshelle verräth das unauf - hörliche Zucken der Nickhaut: — keine Eule kann das Auge ſorgſamer als er vor dem widerwär - tigen Glanze des Lichtes zu ſchützen ſuchen. Wahrſcheinlich wegen dieſer Empfindlichkeit iſt er bei Tage langſam und ungeſchickt; bei Nacht dagegen zeigt er ſich als ein ganz anderes Thier. Er iſt dann munter, rege und ſogar wild und gefährlich, ſcheut keinen Kampf und geht meiſtens als Sie - ger hervor, weil ſeine einzigen Feinde eben blos Hunde ſein können. Wenn er auch nicht der wil - deſte aller Raubbeutler iſt, übertrifft er doch ſeine ſämmtlichen Familienverwandten an Stärke und Kühnheit und verdient auch aus dieſem Grunde vollkommen ſeinen Namen. Er iſt wirklich ein echter Wolf und richtet in ſeiner Heimat im Verhältniß zu ſeiner bedeutend geringeren Größe ebenſo - viel Schaden an, als ſein nördlicher ſtarker Namensvetter.
6Die Raubbeutelthiere.Die Nahrung des Zebrawolfs beſteht aus allen kleineren Thieren, welche er erlangen und über - wältigen kann, und zwar aus Wirbelthieren ebenſowohl, als aus niederen Thieren, von den Kerb - thieren und Weichthieren an bis zu den Strahlenthieren herab. Wo die Gebirge bis nahe an die Seeküſten reichen und die Anſiedler noch nicht feſten Fuß gefaßt haben, ſtreift er zur Nacht am Strande umher und ſchnüffelt und ſucht die verſchiedenartigſten Thiere zuſammen, welche die Wellen ausgeworfen haben. Muſchel - und andere Weichthiere, welche ſo häufig gefunden werden, ſcheinen die Hauptmaſſe ſeiner Mahlzeiten zu bilden, falls ihm das Glück nicht wohl will und ihm die See ein Leckergericht bereitet, indem ſie ihm einen halb verfaulten Fiſch oder Seehund an den Strand wirft. Aber der Zebrawolf unternimmt auch ſchwierigere Jagden. Auf den grasreichen Ebenen und in den niedrigen, parkähnlichen Waldungen verfolgt er das ſchnelle Buſchkänguru und in den Flüſſen und Tümpeln das Schnabelthier, trotz deſſen Schwimm - und Tauchfertigkeit. Wenn er beſonders hungrig iſt, verſchmäht er keine Speiſe und läßt ſich nicht einmal von dem ſpitzigen Kleide des Ameiſenigels zurückſchrecken; ſo unglaublich es auch ſcheint, daß ein Raubthier eine Beute verzehren kann, deren Haut mit nadelſcharfen Stacheln beſetzt iſt, ſo gewiß weiß man Dies von dem Beutelwolf; denn man hat Ueberreſte des Stachelfelles von dem Ameiſenigel in ſeinem Magen gefunden.
Man fängt das Thier, wenn es ſeine Raubzüge bis zu den Anſiedlungen ausdehnt, in Fallen oder jagt es mit Hunden. Letzteren gegenüber verſteht es ſich ſehr gut zu vertheidigen und zeigt dabei eine Wildheit und Bösartigkeit, welche zu ſeiner geringen Größe ganz unverhältnißmäßig iſt. Jm Nothfalle kämpft es wahrhaft verzweifelt und macht einer ganzen Hundemente zu ſchaffen. Ja es iſt ſogar vorgekommen, daß es dieſe wirklich verſcheuchte.
Ueber das Gefangenleben des Beutelwolfs iſt noch wenig bekannt. Einige behaupten, daß er ſcheu, dummträge und unzähmbar ſei, ſich auch ſchwer erhalten laſſe ꝛc. Dem widerſprechen, wenig - ſtens theilweiſe, neuere Berichte. Die zoologiſche Geſellſchaft in London beſaß drei Beutelwölfe — die einzigen, welche jemals lebend nach Europa kamen — im Thiergarten von Regent-Park, und ein Weibchen davon lebt dort ſeit dem Jahre 1849, alſo bereits zwölf Jahre. Dieſes Weibchen wurde etwa 30 engliſche Meilen nordöſtlich von Launigſton am Patrickfluſſe in Schlingen gefangen und zunächſt in einem halb ausgebauten Hauſe untergebracht. Hier war es äußerſt lebhaft, machte Sätze von 6 bis 8 Fuß Höhe und kletterte im Gebälk mit der Behendigkeit einer Katze umher. Man fütterte dieſen und andere Beutelwölfe mit Hammelfleiſch und beobachtete, daß ſie dieſes allem anderen Fleiſche vorzogen. Das Fleiſch des Wombat, welches man friſchgefangenen Beutelwölfen als billigſtes Futter reichen wollte, wurde von ihnen nicht angerührt.
Jn demſelben Lande findet ſich noch ein Familienverwandter des Beutelwolfs, welcher ſeiner äußeren Erſcheinung nach zwiſchen den Bären und Mardern ungefähr in der Mitte ſteht: Der bärenartige Raubbeutler (Diabolus ursinus) oder, wie die Anſiedler ihn nennen: der einge - borne Teufel. Dieſen bedeutungsvollen Namen erhielt das Thier wegen ſeiner unglaublichen Wild - heit und Unzähmbarkeit, und man behauptet, daß ihm mit dieſer Bezeichnung gar nicht zuviel ge - ſchehen wäre. Alle Beobachter ſind einſtimmig, daß man ſich kaum ein ungemüthlicheres, tolleres, unſinnigeres und wüthenderes Geſchöpf denken könne, als dieſen Teufel unter den Beutelthieren, deſſen ſchlechte Laune und Aerger niemals endet und deſſen Zorn bei der geringſten Gelegenheit in hellen Flammen auflodert. Nicht einmal in der Gefangenſchaft und bei der ſorgfältigſten Pflege verliert der Teufel ſeine Eigenſchaften und niemals lernt er Den kennen oder lieben, welcher ihn mit Nahrung verſieht und Pflege angedeihen läßt, ſondern greift auch ſeinen Wärter mit derſelben Ge - häſſigkeit und ſinnloſen Wuth an, wie jedes andere Weſen, welches ſich ihm zu nahen wagt. Bei dieſer widerwärtigen Grimmigkeit fällt die ſeinem Namen allerdings widerſprechende Dummheit und Trägheit unangenehm auf. Der Beutelteufel ſchläft entweder in dem dunkelften Winkel ſeines7Der bärenartige Raubbeutler.Käſigs, oder fletſcht ſein furchtbares Gebiß und beißt raſend um ſich, ſobald er glaubt, den ſich ihm Nähernden Etwas verſetzen zu können: in dieſen Zornesausbrüchen gibt er die einzige geiſtige Thätig - keit kund, deren er fähig zu ſein ſcheint.
Wie der lateiniſche Name zeigt, gilt unſer Thier als Vertreter einer beſonderen Sippe. Er unterſcheidet ſich auch ſo weſentlich von dem Beutelwolf, daß man ihn nicht wohl mit dieſem ver - einigen kann. Ein gedrungener, unterſetzter, bärenartiger Körperbau mit kurzem, breiten Kopf, mittelhohen Beinen, nacktſohligen Füßen und Zehen, welche mit großen Sichelkrallen bewehrt ſind, ein dicker Schwanz von halber Körperlänge mit einem Nagel an der Spitze, kleine, wüthend fun - kelnde Augen, kurze, ſehr breite Ohren und ſtarke Schnurren ſind die Kennzeichen dieſer Sippe. Die Körperlänge des Beutelteufels beträgt zwei Fuß und die des Schwanzes einen Fuß. Der grobe Pelz iſt ſchwarz, am Kopfe, den Untertheilen und dem Schwanze braunſchwarz; auf der Bruſt und den Vorderbeinen ſowie am Kreuze und den Schenkeln treten weiße Binden hervor, welche auffallend von der übrigen Färbung abſtechen. Das Gepräge dieſer Zeichnung iſt überall daſſelbe, obgleich be - merkenswerthe Abänderungen in der Größe und Geſtalt der lichten Flecken beobachtet worden ſind. Das Gebiß zeigt geſchloſſene Zahnreihen ohne Lücken mit ſehr ſtarken Eckzähnen. Der Schädel zeichnet ſich durch Kürze und Breite des Schnauzentheiles aus.
Jm Anfange machte der Teufel den Anſiedlern auf Vandiemensland viel zu ſchaffen, weil er ihre Geflügelzucht faſt ganz vereitelte. Nach Marderart brach er allnächtlich in den Hühnerhof ein und wüthete hier mit einer Blutgier, wie ſie eben nur ein Marder zeigen kann. Er wurde daher von allem Anfange an grimmig gehaßt und auf das Rachſüchtigſte verfolgt, zumal nachdem man ſein Fleiſch wohlſchmeckend oder wenigſtens genießbar gefunden hatte. Fallen aller Art wurden gelegt, große Jagden veranſtaltet, und ſo kam es, daß auch dieſer Teufel ſehr bald die Herrſchaft und den Verſtand des Menſchen erkennen und fürchten lernte und ſich in die dickſten, unzugänglichſten Forſten in den Gebirgen zurückzog. Jn vielen Gegenden iſt er bereits vollkommen ausgerottet, und auch da, wo er noch ziemlich häufig vorkommt, wird er jetzt nur ziemlich ſelten bemerkt.
Er iſt ein echtes Nachtthier und ſcheut das Tageslicht im gleichen Grade, wie der Beutelwolf oder wie eine unſerer Eulen. Das Licht ſcheint ihm wirklich Schmerzen zu verurſachen; wenigſtens hat man an Gefangenen beobachtet, daß ſie, wenn man ſie ins Helle brachte, augenblicklich mit einer gewiſſen Haſt oder Aengſtlichkeit die dunkelſte Stelle ihres Käfigs aufſuchten, ſich mit dem lichtabge - wandten Geſicht zuſammenkauerten und auch hier noch durch beſtändiges Bewegen ihrer Nickhaut die Augen gegen die wirklich ſchmerzhaften Einwirkungen des Lichtes zu ſchützen ſuchten. Auch der8Die Raubbeutelthiere.Beutelteufel zieht ſich, ſolange die Sonne am Himmel ſteht, in die dunkelſten und tiefſten Höhlen im Geklüft und unter Baumwurzeln zurück und fällt hier in einen faſt todtenähnlichen Schlaf, aus welchem ihn nicht einmal der Lärm einer Jagd zu erwecken vermag. Nach Einbruch der Nacht ver - läßt er ſein Lager und ſtreift nun nach Raub umher; dabei zeigt er ſich verhältnißmäßig raſch und behend in ſeinen Bewegungen und ausdauernd in ſeinem Laufe, obgleich er an Gewandtheit und Gelenkigkeit noch immer unendlich weit zurückſteht hinter den altweltlichen Schleichkatzen und Mar - dern, die er in Neuholland vertritt. Die Haltung und manche Sitten erinnern an den Bären. Beim Gange tritt er mit voller Sohle auf, im Sitzen ruht er wie ein Hund auf dem Hintertheile. Die Nahrung führt er mit den Vorderfüßen zum Munde.
Mit ſeiner gewöhnlichen Wuth fällt er über alle Thiere her, welche er erwiſchen kann. Er ſucht ſich ſeine Beute ebenſowohl unter den Wirbelthieren wie unter den anderen Thieren. Alles, was das im ganzen arme Land oder das Meer ihm bietet, iſt ihm recht; denn ſeine Gefräßigkeit wetteifert mit ſeiner Wuth. Bei ſeinen Raubzügen läßt er auch ſeine Stimme vernehmen; ſie liegt zwiſchen einem hellen Bellen und Knurren in der Mitte. Seine Gefräßigkeit iſt die Urſache, daß man ſich ſeiner ziemlich leicht bemächtigen kann. Er geht nämlich ohne Beſinnen in jede Falle und nimmt jeden Köder weg, gleichviel ob derſelbe ein Stückchen Fiſch oder anderes Fleiſch von Wirbel - thieren oder aber ein Muſchelthier oder ein anderes niederes Thier iſt. Schwieriger iſt ſeine Jagd mit Hunden; denn er entwickelt, wenn er ſich verfolgt ſieht, im Kampfe eine unglaubliche Wildheit und vertheidigt ſich gegen jede Uebermacht bis zu ſeinem Ende. Die große Kraft ſeiner Kiefern, das furchtbare Gebiß und die raſende Wuth in Verbindung mit der vollkommenen Furchtloſigkeit machen ihn zu einem Feinde, welcher jedem Hunde ſiegreich widerſteht. Und wirklich gibt es kaum einen Jagdhund, welcher ſich mit einem dieſer vierbeinigen Teufel in Kampf einläßt.
Jn der Gefangenſchaft bleibt er ſich beſtändig gleich, d. h. er iſt nach Jahren eben ſo raſend und wüthend, wie am erſten Tage, wo man ihn eingefangen hat. Ohne die geringſte Urſache ſtürzt er zuweilen gegen die Stangen ſeines Käfigs und haut mit den Tatzen um ſich, als wolle er den ſich ihm Nähernden auf der Stelle zerreißen. Seine Zornesausbrüche ſind zuweilen geradezu unbegreiflich, weil ſie auch bei der beſten Pflege oder gegen die wohlwollendſten und unſchuldigſten Thiere erfolgen. Eine Stumpfheit und Dummheit ohne Gleichen gibt ſich in dem ganzen Thiere zu erkennen. Er kann in der Gefangenſchaft mit allerlei Futter erhalten werden, manchmal tagelang blos mit Knochen, die er mit ſeinem wundervollen Gebiß leicht zertrümmert.
Die Zahl ſeiner Jungen ſoll zwiſchen Drei und Fünf ſchwanken. Man behauptet, daß das Weibchen ſie lange mit ſich herumtrage. Weiter weiß man Nichts über die Fortpflanzung. Sein Fleiſch ſoll dem Kalbfleiſche ähneln.
Eine dritte Sippe enthält die eigentlichen Beutelmarder (Dasyurus), von denen man gegen - wärtig vier bis fünf Arten kennt. Sie ſtehen hinſichtlich ihres Leibesbaues ungefähr in der Mitte zwiſchen den Füchſen und Mardern, ohne jedoch mit den einen oder den anderen beſonders auf - fallende Aehnlichkeit zu zeigen. Der Leib iſt etwas ſchmächtig und geſtreckt, der Hals ziemlich lang, der Kopf nach vorn zugeſpitzt. Die Beine ſind niedrig und mittelſtark, die Hinterbeine etwas länger, als die vorderen, und durch den ihnen fehlenden Daumen beſonders ausgezeichnet, die Zehen getrennt und mit ſtarken, ſichelförmig gekrümmten, ſpitzen Krallen bewehrt. Der Schwanz iſt lang, ſchlaff und gleichmäßig buſchig behaart.
Eine der bekannteſten Arten iſt der gefleckte Beutelmarder (D. Maugii). Die allgemeine Färbung deſſelben iſt fahlbraun, zuweilen lichter, unten weiß. Auf der ganzen Oberſeite ſtehen unregelmäßig geſtaltete und vertheilte, weiße Flecken, welche am Kopfe kleiner als am Körper ſind. Die etwas zugeſpitzten Ohren ſind mäßig groß und mit kurzen, ſchwarzen Haaren bekleidet. Die9Der gefleckte Beutelmarder.Schnauzenſpitze iſt fleiſchroth. Ein ausgewachſenes Thier erreicht eine Leibeslänge von 15 Zoll und eine Schwanzlänge von einem Fuß. Die Höhe am Widerriſt beträgt ſechs Zoll.
Man trifft den gefleckten Beutelmarder nur in Neuholland an, wo er faſt noch überall ziemlich häufig iſt. Seinen Lieblingsaufenthalt bilden die Wälder an den Küſten des Meeres. Hier verbirgt er ſich bei Tage in Erdlöchern unter Baumwurzeln und Steinen oder in hohlen Stämmen. Nach Einbruch der Nacht ſtreift er, ſeiner Nahrung nachgehend, weit umher. Er frißt hauptſächlich todte Thiere, welche das Meer ausgeworfen hat, ſtellt aber auch kleineren Säugethieren oder auf der Erde niſtenden Vögeln im Walde nach und frißt im Nothfalle ſelbſt Kerbthiere. Den Hühnerſtällen ſtattet er ebenfalls Beſuche ab und würgt nach Marderart das von ihm ergriffene Geflügel ſchonungslos zu - ſammen, ſtiehlt auch wohl Fleiſch und Fett aus den Wohnungen der Menſchen. Sein Gang iſt ſchleichend und bedächtig, und er tritt dabei mit ganzer Sohle auf. Jm Uebrigen ſind ſeine Bewe - gungen raſch und behend; doch klettert er ſchlecht und hält ſich deshalb auch am liebſten am Boden auf, obwohl er zuweilen ſchiefliegende Stämme zu beſteigen pflegt. Die Zahl ſeiner Jungen ſchwankt zwiſchen Vier und Sechs. Sie werden außerordentlich klein geboren und in dem vollkom - menen Beutel des Weibchens lange Zeit verborgen.
Der Beutelmarder wird mit ebenſo großem Haß verfolgt, wie die bisher genannten Raub - beutler. Man fängt ihn oft in namhafter Anzahl in eiſernen Fallen, welche man mit irgend wel - cher thieriſchen Nahrung ködert. Für die Gefangenſchaft iſt er nicht zu empfehlen; denn er iſt eins der langweiligſten Geſchöpfe, welche ich kenne. Man kann ihn weder boshaft noch gutartig, weder lebhaft noch ruhig nennen: er iſt einfach langweilig. Sein Verſtand ſcheint ſehr gering zu ſein. Dem Pfleger beweiſt er niemals Anhänglichkeit oder Liebe und wird eigentlich niemals zahm. Wenn man ſich ſeinem Käfig nähert, zieht er ſich in eine Ecke zurück, deckt ſich den Rücken und ſperrt ſo weit er kann ſein Maul auf — ganz, wie es auch das Opoſſum thut. So gefährlich Dies aber auch ausſieht, ſo wenig hat es zu bedeuten; denn er wagt, wenn man ſich ihm weiter nähert, keinen Widerſtand. Ein heiſeres Blaſen, welches kaum Fauchen genannt werden kann, deutet auf innere Erregung; an eine andere, durch Biſſe etwa bethätigte Abwehr denkt er nicht. Das Licht ſcheut er, wie ſeine übrigen Familienverwandten, und zieht ſich deshalb bei Tage ſtets in den dunkelſten Winkel ſeines Käfigs zurück. Da er gegen Witterungseinflüſſe nicht empfindlich iſt und ſich mit jeder Tiſch - nahrung begnügt, kann er ohne ſonderliche Mühe erhalten werden. Rohes oder gekochtes Fleiſch aller Thierklaſſen iſt ihm eine erwünſchte Nahrung. Er zeigt nicht die Gier wie die Vorhergenann - ten. Wenn man ihm ein Stück Fleiſch gibt, bemächtigt er ſich deſſelben mit einer gewiſſen Haſt, reißt10Die Raubbeutelthiere.ein Stück los, wirft es ſpringend in die Höhe, fängt es dann auf und verſchlingt es. Hat das Stück noch nicht die rechte Lage, ſo hilft er mit den Vorderpfoten nach. Nach vollbrachter Mahlzeit ſetzt er ſich auf den Hintertheil, reibt ſchnell die Vorderpfoten gegen einander und ſtreicht ſich damit die feuchte Schnauze rein oder putzt ſich am ganzen Leibe; denn er iſt ſehr reinlich.
Da man weder ſein Fleiſch genießt, noch das Fell verwendet, gewährt er nicht den geringſten Nutzen.
Jn den Beutelbilchen (Phascologale) ſehen wir kleine, mehr oder weniger den Spitzmäu - ſen ähnliche Raubbeutler vor uns. Die Leibesgröße dieſer Thiere erreicht niemals einen Fuß an Länge; die meiſten Arten ſind nur einige Zoll lang, und ihr am Ende gewöhnlich buſchiger, behaar - ter Schwanz iſt noch kürzer. Der gedrungene Leib ruht auf kurzen Beinen mit kleinen, fünfzehigen Pfoten, welche mit Ausnahme des hinteren, nagelloſen Daumens, durch gekrümmte, ſpitze Krallen
bewehrt ſind. Der Kopf iſt ſpitz, die Ohren und Augen ſind ziemlich groß. Jm Gebiß fallen die merkwürdig vergrößerten, oberen Schneidezähne auf. Die ſchlanken Eckzähne ſind nur mäßig groß, die ſpitzkegelförmigen Lückzähne erinnern wegen ihrer Höcker an das Gebiß der Kerffreſſer. Unſere Thiere bewohnen ausſchließlich Auſtralien, leben auf Bäumen und nähren ſich faſt nur von Kerb - thieren. Jhre Lebensweiſe und Gewohnheiten ſind noch nicht gehörig erforſcht worden, und deshalb können wir ſie auch nur ganz flüchtig betrachten. Man unterſcheidet hauptſächlich zwei Gruppen, für welche deutſche Namen fehlen.
Mit der erſten dieſer Gruppen mag uns die Tapoa Tafa, wie die Eingeborenen das Thier - chen nennen (Phascologale penicillata), bekannt machen. Jn der Größe gleicht ſie etwa unſerem Eichhörnchen; ihre Leibeslänge beträgt näm - lich neun Zoll und die des Schwanzes acht Zoll. Der lange, weiche, wollige, nur leicht auf dem Fell liegende Pelz iſt auf der Oberſeite grau, an den unteren Leibestheilen aber weiß oder gelblich - weiß. Ein ſchwarzer Ring umgibt das Auge, ein heller Flecken liegt über ihm. Die Mitte der Stirn und des Scheitels dunkelt und auch die Haare ſind ſchwarzſpitzig. Die Zehen ſind weiß. Eigenthümlich iſt der Schwanz. Jn dem erſten Fünftheile ſeiner Länge iſt er mit glatt anliegenden, denen des Körpers ähnlichen Haaren bedeckt, die übrigen vier Fünftheile aber ſind mit langen, buſchigen, dunklen Haaren beſetzt; und deshalb ſticht der Schwanz von der übrigen Körper - färbung ab.
Die Tapoa Tafa erſcheint als ein ſchmuckes, harmloſes, kleines Geſchöpf, unfähig, irgend wel - chen Schaden zu bringen, und deshalb auch ganz geeignet, ein Liebling des Menſchen zu ſein. Aber kaum ein anderes Thier kann durch ſein Weſen dem erſten Eindruck, welchen es macht, ſo wider - ſprechen, wie dieſer Raubbeutler; denn die Tapoa Tafa iſt eine der größten Plagen der Anſiedler, ein wildes, blutdürſtiges und kühnes Naubthier, welches ſich in dem Blute der von ihm getödteten Thiere förmlich berauſcht und auf ſeinen Ranbzügen bis in den innerſten Theil der menſchlichen Woh -11Die Tapoa Tafa.nungen einzudringen weiß. Jhre geringe Größe und der kleine Kopf befähigen ſie, ſich wie ein Wieſel durch die kleinſte Oeffnung zu drängen, und gelangt ſie wirklich in einen von Hausthieren bewohnten Raum, ſo wüthet ſie hier in kaum zu glaubender Weiſe. Gegen das zudringliche Geſchöpf ſchützt weder Wall noch Graben oder Umplankung. Es zwängt ſich durch den engſten Spalt, es klettert, ſpringt über Mauer und Hage und findet ſo überall einen Zugang, ſei es von unten oder von oben, von dieſer oder jener Seite her. Zum Glück der Anſiedler fehlen der Tapoa Tafa die Nagezähne unſerer Ratte, welche dieſem Ungeziefer ſo oft einen Zugang zu den beſt verſchloſſenen Räumen gewähren, und eine gute Thür iſt hinreichend, jenen kleinen Raubgeſellen abzuhalten. Aber Jedermann muß bedacht ſein, Hühnerſtälle und Taubenſchläge auf das Sorgfältigſte abzu - ſchließen, wenn er ſein Geflügel erhalten will. Hätte die Tapoa Tafa die Größe eines Zebra - wolfs, aber verhältnißmäßig dieſelbe Blutgier: ſie würde ganze Gegenden entvölkern und unbe - dingt das fürchterlichſte aller Raubthiere ſein.
Die Anſiedler behaupten einſtimmig, daß die unabläſſige Verfolgung, welcher die Tapoa Tafa ebenſowohl ſeitens der Weißen als der Eingeborenen ausgeſetzt iſt, nicht blos auf Rechnung ihrer Raubgier und ihres Blutdurſtes zu ſetzen ſei, ſondern daß noch ein ganz anderer, beſonderer Haß gegen das Thierchen hier mitwirke. Eine angegriffene Tapoa Tafa ſoll ſich nämlich mit ſolcher Wuth ſelbſt gegen den Menſchen vertheidigen und ihm ſolche ſchmerzhafte, ja ſogar gefährliche Wunden bei - bringen, daß ihr bloſes Erſcheinen ſchon die Rachſucht des Menſchen heraufbeſchwört. Das Thier iſt wirklich berühmt wegen ſeiner Widerſtandskraft, und nicht einmal der ſcharfſichtige und behende Eingeborne wagt es, ſich in einen Kampf mit dem erboſten Geſchöpfchen einzulaſſen.
Die Nacht iſt die gewöhnliche Zeit, in welcher die Tapoa Tafa ihr Haus verläßt und nach Beute umherſtreift. Dennoch ſieht man ſie auch oft genug im Lichte des Tages und ſcheinbar unbeirrt von der Helligkeit herumlaufen. Jhre Beweglichkeit und Gewandtheit iſt ſehr groß und zeigt ſich hauptſächlich in dem Gezweig der Bäume. Unſer Thier lebt hier mehr, als auf der Erde, und ſpringt und huſcht mit der Schnelligkeit und Gelenkigkeit eines Eichhörnchens von Zweig zu Zweig, von Krone zu Krone. Der lange Schwanz nützt ihm dabei jedenfalls als vortreffliches Steuer oder als Vermittler des Gleichgewichts. Das Lager der Tapoa Tafa findet man gewöhnlich in hohlen Stäm - men; hier ernährt ſie auch ihre Jungen. Etwas Weiteres iſt mit Sicherheit nicht bekannt. Das Thier iſt weit verbreitet über Auſtralien und findet ſich ebenſo häufig in der Ebene wie in dem Ge - birge, ganz im Gegenſatze zu den meiſten anderen auſtraliſchen Thieren, welche gewöhnlich auf einen beſtimmten Höhenkreis beſchränkt ſind.
Die Spitzmäuſe ſcheinen unter den Beutelthieren in den Beutelmäuſen (Antechinus) ihre Vertreter gefunden zu haben; denn die letztgenannten Thiere ähneln ihnen wirklich faſt vollſtändig in der Lebensweiſe und im Betragen. Die Sippe, welche ſie bilden, iſt ziemlich zahlreich. Man kennt jetzt bereits zwölf bis funfzehn Arten. Dieſelben ſind weit verbreitet über das ſüdliche Auſtra - lien, vermehren ſich raſch und werden deshalb auch überall in großer Menge gefunden, ja ſie gehören unbedingt unter die häufigſten aller Säugethiere Neuhollands. Von der vorigen Sippe unterſcheiden ſie ſich hauptſächlich durch ihre geringe Größe, welche bei den meiſten kaum die einer gewöhnlichen Maus übertrifft und ſich nur bei wenigen der Größe einer kleinen Ratte nähert. Außerdem iſt ihr Schwanz gleichmäßig und ſehr kurz behaart. Die mittleren Schneidezähne ſind oft verlängert wie bei den Vorigen. Auch ſie ſind zumeiſt Baumthiere und gehören zu den beweglichſten und gewandteſten aller Kletterer; denn ſie laufen nicht blos auf der Oberſeite eines wagerechten Aſtes hin, ſondern faulthierartig auch auf der Unterſeite, aber mit der Schnelligkeit eines Baum - läufers (Certhia). Sie können ebenſo gut kopfunterſt an einem Aſte hinabſteigen, wie an ihm hin -12Die Raubbeutelthiere.auf, und ſpringen mit bewunderungswürdiger Behendigkeit und Sicherheit von einem Zweige nach dem anderen, dabei über ziemlich weite Entfernungen ſetzend.
Unſer Bild ſtellt den gelbfüßigen Beutelbilch oder die gelbe Beutelmaus (Antechinus fla - vipes) dar, ein Thierchen, welches nur wenig über fünf Zoll lang wird und einen drei Zoll langen Schwanz beſitzt. Der ziemlich reichliche und weiche Pelz iſt im Grunde tiefgrau, außen aber ſchwärz -
lich mit gelber Sprenkelung, an den Seiten roth - oder ecker -, unten lichter gelb, Kinn und Bruſt ſind weißlich, der Schwanz iſt licht, hier und da aber dunkler geſprenkelt.
An dieſe Sippe können wir noch den Ameiſen - oder Spitzbeutler (Myrmecobius fasciatus) reihen, obwohl dieſer von Manchen zu der folgenden Familie gezählt wird. Er gilt als Vertreter einer eigenen Sippe und ſteht bis jetzt als ſolcher einzig da. Sein Körper iſt lang, der Kopf ſehr ſpitz, die Hinterfüße ſind vierzehig, die Vorderfüße fünfzehig; die Hinterbeine ſind etwas länger, als die Vorderbeine. Die Sohlen ſind behaart, die Zehen getrennt. Der Schwanz iſt ſchlaff, lang und zottig. Das Weibchen hat keine Taſche, aber acht in einen Kreis geordnete Zitzen. Auffallend iſt das reiche Gebiß; denn die Zahl der Zähne beträgt nicht weniger als 52, mehr, als die der übrigen Säugethiere, mit alleiniger Ausnahme des Armadills und einiger Walthiere.
Der geſtreifte Ameiſenbeutler iſt uns erſt ſeit kurzer Zeit bekannt geworden und die Kennt - niß, welche wir über ſein Leben beſitzen, deshalb noch ziemlich gering. Man darf ihn mit Recht als eines der ſchönſten und auffallendſten Beutelthiere betrachten. Jn der Größe ähnelt er ungefähr unſerem gemeinen Eichhörnchen. Seine Geſtalt weiſt ihn der Familie der Raubbeutelthiere zu, ob - gleich das Gebiß dieſer Einordnung widerſpricht. Allein er ſteht überhaupt ſo eigenthümlich und ſelbſtändig da, daß man, wenn man alle ſeine Kennzeichen berückſichtigen wollte, für ihn eine eigene Familie bilden müßte. Die Länge ſeines Leibes beträgt zehn Zoll, die des Schwanzes ſieben Zoll, die Höhe am Widerriſt zehn Zoll. Ein reichlicher Pelz bedeckt den Körper, der Kopf iſt kurz, der Schwanz dagegen lang, ſchwarz und zottig behaart. Unter dem langen, ziemlich rauhen Gren - nenhaar liegt dichtes, kurzes Wollhaar, Schnurren ſtehen an den Seiten der Oberlippen und Borſten - haare unterhalb der Augen. Die Färbung und Zeichnung erinnert entfernt an den Zebrawolf und hat dem Ameiſenbeutler ſeinen lateiniſchen Namen verſchafft. Die Färbung iſt höchſt eigenthümlich. Das Ockergelb des vorderen Oberkörpers, welches durch eingemengte weiße Haare lichter erſcheint, geht nach hinten zu allmählich in ein tiefes Schwarz über, welches den größten Theil der hinteren13Der Ameiſen - oder Spitzbeutler.Körperhälfte einnimmt, aber durch neun weiße oder graulichweiße Querbinden unterbrochen wird. Die erſten beiden dieſer Binden, welche faſt auf der Mitte des Leibes liegen, ſind undeutlich und mit der Grundfarbe vermiſcht; die beiden folgenden ſind rein gefärbt, die vier nächſten wieder durch die Grundfarbe getrübt, die neunte iſt wieder vollſtändig rein; doch trifft man bisweilen auch Abän - derungen in Bezug auf die Anordnung und Färbung der Binden. Die ganze Unterſeite iſt gelblich - weiß, die Weichen ſind blaßfahlgelb, die Beine an der Außenſeite blaßbräunlichgelb, an der Vorder - ſeite weiß. Auf dem Kopfe bringen ſchwarze, fahlgelbe und einige weiße Haare eine bräunliche Färbung zu Stande. Die Schwanzhaare ſind ſchwarz, weiß und ockergelb durch einander, unten an der Wurzel fahlgelb, oben ſchwarz, immer mit weißlicher Spitze. Das Wollhaar iſt weißlichgrau, die Naſe, die Lippen und die Krallen ſind ſchwarz.
Ungeachtet dieſer ziemlich von einander abſtechenden Färbung macht das Thier einen angenehmen
Eindruck, und dieſer wird noch bedeutend erhöht, wenn man es lebend ſieht. Es iſt ebenſo beweglich, wie die vorhergehenden. Wenn es in die Flucht geſcheucht wird, eilt es mit kleinen Sprüngen ziemlich raſch davon, und trägt dabei den Schwanz ganz nach Art und Weiſe unſeres gewöhnlichen Eichhorns. Die Schnelligkeit ſeines Laufs iſt nicht eben groß, aber die Gewandtheit und Schlauheit des Thieres erſetzt ſolchen Mangel. Jn dem von der Menſchenhand unberührten Walde, ſeinem hauptſächlichſten Aufenthalt, findet ſich überall eine Höhlung, ſei es in einem Stamm oder unter dem Gewurzel oder aber eine Kluft im Geſtein. Und ſolche Zufluchtsorte weiß der Ameiſenbeutler mit der größten Geiſtesgegenwart auch während der tollſten Verfolgung auszuſpähen, und mit ebenſo - viel Geſchick als Ausdauer zu behaupten. Nicht einmal der Rauch, das gewöhnliche Hilfsmittel des tückiſchen Menſchen, um ein verſtecktes Thier an das Tageslicht zu bringen, ſoll auf unſern Ameiſen - beutler die beabſichtigte Wirkung hervorbringen, und jedenfalls ermüdet der Menſch weit eher in der14Die Beutelratten.Mühe, welche die Ausräucherung verurſacht, als jener in ſeiner Ausdauer, den athmungsbeſchweren - den, luftverpeſtenden Rauch zu ertragen. Die Hauptnahrung des Ameiſenbeutlers iſt durch ſeinen Namen ausgedrückt. Man findet ihn auch vorzugsweiſe in ſolchen Waldgegenden, wo es Ameiſen - arten in Menge gibt. Seine Ausrüſtungen, zumal die ſcharfen Krallen und die lange Zunge, ſcheinen ihn beſonders auf ſolches Futter hinzuweiſen. Die Zunge ſtreckt er ganz nach Art des Ameiſen - bären unter die wimmelnde Schaar und zieht ſie dann, wenn ſich eine Maſſe der erboſten Kerfe an ihr feſtgebiſſen, raſch in den Mund zurück. Außerdem ſoll das Thier auch andere Kerbthiere und unter Umſtänden das Manna, welches aus den Zweigen der Eucalypten ſchwitzt, ja ſelbſt Gras verzehren.
Jm Gegenſatz zu den Sippen der erwähnten Raubbeutler iſt unſer Thierchen im höchſten Grade harmlos. Wenn der Ameiſenbeutler gefangen wird, denkt er nicht daran, zu beißen oder zu kratzen, ſondern gibt ſeinen Unmuth einzig und allein durch ſchwaches Grunzen kund. Findet er, daß er nicht entweichen kann, ſo ergibt er ſich ohne Umſtände in das Schickſal ſeiner Gefangenſchaft, — ein Schickſal, welches ihm, weil der Menſch das nöthige Futter in hinreichender Menge nicht herbei - ſchaffen kann, gewöhnlich bald verderblich wird.
Jn der Freiheit bewohnt das Thier Höhlungen aller Art, in Bäumen, in der Erde oder zwi - ſchen Felſen, und dort wirft es auch ſeine Jungen, deren Zahl zwiſchen Fünf und Acht ſchwanken ſoll. Am häufigſten hat man ihn bis jetzt in den Wäldern am Schwanenfluſſe gefunden.
Einige Naturforſcher bilden aus verſchiedenen Sippen die Familie der Beutelratten (Di - delphys).
Es ſind dies mittelgroße oder kleine Beutelthiere, welche höchſtens die Größe einer Katze erreichen, aber auch oft die einer Maus nicht übertreffen. Der Leib iſt gedrungen, der Kopf an der Schnauze mehr oder weniger zugeſpitzt. Die Augen und Ohren ſind groß, der Schwanz iſt von ſehr veränderlicher Länge und meiſtens ein an der Spitze nackter Greifſchwanz. Die Hinterbeine ſind etwas länger, als die vorderen Beine, die Pfoten ſind fünfzehig, der Daumen iſt bisweilen gegenſetzbar, und bei einer Sippe ſind die Zehen durch Schwimmhäute verbunden. Den Weibchen einiger Arten fehlt die Taſche, bei anderen iſt ſie vorhanden, und zwar häufiger nach hinten als nach vorn geöffnet. Die Zahl der Zitzen iſt ſehr veränderlich, aber meiſtens bedeutend. Jn der Zahnbildung tritt das Raubthiergepräge entſchieden hervor. Die Eckzähne ſind ziemlich entwickelt, die Backzähne mehr oder weniger ſpitz und ſcharfzackig, die Lückzähne zweiwurzelig mit ſpitzen Hauptzacken, die oberen Back - zähne dreiwurzelig und drei -, ſeltener vierſeitig, die Schneidezähne kleiner oder größer, ſtumpfe roder ſchärfer, oben die beiden mittleren meiſt vergrößert. Die Wirbelſäule enthält ſieben Hals -, drei - zehn rippentragende, fünf bis ſechs rippenloſe, zwei Kreuzbein - und achtzehn bis einunddreißig Schwanzwirbel.
Jn der Vorzeit fanden ſich die Beutelratten auch in Europa; gegenwärtig bewohnen ſie blos Amerika. Sie leben faſt ſämmtlich in Wäldern oder in dichtem Gebüſch und ſuchen ſich hier in hohlen Bäumen, Erdhöhlen, zwiſchen dichten Gräſern und Büſchen einen Aufenthalt. Eine Art bewohnt die Ufer kleiner Flüſſe und Bäche, ſchwimmt vortrefflich und ſucht ſich in Erdlöchern Schutz. Alle ſind Nachtthiere und führen durchgehends ein einſam herumſchweifendes Leben, halten ſich auch blos während der Paarungszeit mit ihrem Weibchen zuſammen. Jhr Gang auf ebenem Voden, wobei ſie mit ganzer Sohle auftreten, iſt ziemlich langſam und unſicher; die meiſten vermögen aber, wenn auch nicht ohne alle Mühe, Bäume zu erklettern; und zwar ſind dies diejenigen, deren Schwanz zum Greifwerkzeug geworden iſt, vermittelſt deſſen ſie ſich an die Aeſte aufhängen und ſtundenlang in ſolcher Stellung verbleiben können. Auf der Flucht eilen ſie in kurzen Sätzen davon. Unter ihren Sinnen ſcheint der Geruch am beſten ausgebildet zu ſein. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind ſehr15Die Beutelratten.gering, obgleich ſich eine gewiſſe Schlauheit nicht leugnen läßt; namentlich verſtehen ſie es gut, Fallen aller Art zu vermeiden. Jhre Nahrung beſteht in kleinen Säugethieren, Vögeln und deren Eiern, auch wohl in kleinen Lurchen, in Kerbthieren und deren Larven und in Würmern; im Nothfalle freſſen ſie auch Früchte. Die im Waſſer lebenden Schwimmbeutler verzehren hauptſächlich Fiſche, die größeren Arten beſuchen die Wohngebäude des Menſchen und würgen hier alle Thiere ab, deren ſie habhaft werden können, laben ſich an deren Blute und berauſchen ſich förmlich darin. Jhre Stimme laſſen ſie blos dann ertönen, wann ſie gemißhandelt werden; ſie beſteht in eigenthümlich ziſchenden Lauten. Bei Verfolgung ſetzen ſie ſich niemals zur Wehr, und die meiſten haben die Eigen - thümlichkeit, ſich zu verſtellen, wenn ſie ſich nicht mehr verbergen können. Jn der Angſt verbreiten ſie einen ſtarken, widrigen, faſt knoblauchähnlichen Geruch. Sie ſind ſehr fruchtbar; denn die Zahl ihrer Jungen beträgt zwiſchen Vier und Sechszehn. Dieſe Jungen kommen bei den meiſten in einem Zuſtande zur Welt, welcher ſelbſt unter den Beutelthieren ohne Gleichen dazuſtehen ſcheint. Die Arten, bei denen die Weibchen einen vollkommenen Beutel haben, tragen ihre Jungen in dieſem lange Zeit mit ſich herum; die übrigen nehmen ſie, ſobald ſie einigermaßen erwachſen ſind, auf den Rücken, und die kleine Geſellſchaft befeſtigt ſich hier entweder mit den Krallen im Felle oder, was noch häufiger iſt, mit ihrem Schwanze an den Schwanz der Mutter.
Die großen Arten ſind ſehr ſchädliche Thiere, während die kleineren vollkommen harmlos ſind; gleichwohl werden alle ihres widrigen Ausſehens halber und der Sünden wegen, die ſich die größeren Verwandten zu Schulden kommen laſſen, aufs eifrigſte gehaßt und verfolgt. Nach Burmeiſter fängt man ſie in Braſilien, indem man ihnen an einer geeigneten Stelle Branntwein vorſetzt. Sie trinken denſelben leidenſchaftlich gern und werden bald nach dem Genuſſe trunken und wehrlos. Die Neger eſſen das Fleiſch der Erbeuteten, und von einer einzigen Art ſpinnt man das Haar, da der Pelz ſonſt nicht zu gebrauchen iſt, ſondern vielmehr gewöhnlich ausſieht, als wäre er von den Motten zer - freſſen. An die Gefangenſchaft gewöhnt ſich die größere Mehrzahl leicht und ſchnell, doch erfreuen ſie ihren Beſitzer ſehr wenig. Jhre ganze Thätigkeit beſchränkt ſich auf das Freſſen und Schlafen.
Wir können die eigentlichen Beutelratten (Didelphys) zuerſt betrachten, ſchon aus dem Grunde, weil ſie am bekannteſten geworden ſind. Jn vielen Arten über ganz Amerika verbreitet, haben ſie in tüchtigen Naturforſchern eifrige und ſorgfältige Beobachter gefunden, und das Haupt - ſächlichſte, was wir über die Fortpflanzung der Beutelthiere überhaupt, zumal über die Entwickelung der Jungen wiſſen, beruht auf den Beobachtungen der gedachten Gelehrten. Meine Leſer werden bemerkt und mir Recht gegeben haben, daß ich ſtets mit beſonderer Vorliebe meinen Beſchreibungen die Schilderung Rengger’s zu Grunde gelegt habe. Dieſer ausgezeichnete Naturforſcher nun hat auch über die Beutelratten Beobachtungen gemacht, und deshalb kann man ſicher ſein, daß wir im Folgenden die Lebensgeſchichte der Beutelratten ziemlich erſchöpfend behandelt ſehen werden.
„ Jn der Mitte des Winters, ‟ ſagt Rengger von den in Paraguay lebenden Arten der Beutel - ratten, „ im Auguſtmonat nämlich, ſcheint bei ihnen die Begattungszeit einzutreten; wenigſtens trifft man in dieſem Monate häufig die beiden Geſchlechter bei einander an und findet im darauffolgenden Monat trächtige Weibchen. Dieſe werfen nur einmal im Jahre. Die Zahl ihrer Jungen iſt weder bei den Arten, noch bei den verſchiedenen Weibchen einer Art dieſelbe. Jch fand bei einer Art bis vierzehn Junge, oft aber nur acht oder vier und einmal blos ein einziges. Die Tragzeit dauert etwas mehr als drei Wochen. Anfang des Weinmonats kommen die Jungen zur Welt und treten ſogleich unter den Beutel oder unter die Hautfalten am Bauche der Mutter, wo ſie ſich an den Zitzen anſaugen und ſo lange in dem Zuſtande bleiben, bis ſie ihre vollkommene Ausbildung erreicht haben. Dies geſchieht nach funfzig und einigen Tagen. Alsdann verlaſſen ſie den Beutel, nicht aber die Mutter, indem ſie ſich, auch wenn ſie ſchon freſſen können, in dem Pelze derſelben feſthalten und ſo von ihr noch einige Zeit herumgetragen werden. ‟
Rengger berichtet nun, daß er blos über eine Art Beobachtungen machen konnte, von dieſer16Die Beutelratten.aber die Weibchen theils während ihrer Tragzeit oder im Augenblicke des Gebärens, theils nach der Geburt unterſucht, und fährt dann fort:
„ Die Tragzeit der betreffenden Art fällt in den Herbſtmonat und dauert etwa 25 Tage. Wäh - rend dieſer Zeit bemerkt man einen Zufluß der Säfte gegen die Wände des Beutels, ein Anſchwellen ſeiner Ränder und eine Erweiterung deſſelben. Die Embryonen oder Thierkeime liegen zum Theil in den Hörnern, zum Theil in dem Körper der Gebärmutter, nie aber in den henkelförmigen Fort - ſätzen derſelben. Nach den erſten Tagen der Empfängniß erſcheinen ſie blos als gallertartige, runde Körperchen, bei denen man ſelbſt durch das Vergrößerungsglas keine Verbindung mit der Gebär - mutter, wohl aber als erſte Spur der Ausbildung des Leibes einen feinen, blutigen Streifen bemerkt. Gegen das Ende der Tragzeit hingegen, wo die Embryonen eine Länge von beinahe ſechs Linien erreicht haben, findet man ſie von einer Haut umgeben und mit einem Nabelſtrange, welcher ſich vermittelſt mehrerer Faſern an die Gebärmutter anſetzt. An der Frucht ſelbſt nimmt man auch mit unbewaffnetem Auge deutlich den Kopf, die vier Beine und den Schwanz wahr. Uebrigens ſind in dieſem Zeitpunkte nicht alle Jungen gleich ausgebildet, es herrſcht im Gegentheil unter ihnen eine Art von Stufenreihe; und zwar ſind diejenigen, welche den fallopiſchen Röhren am nächſten liegen, in ihrer Organiſation auch am wenigſten vorgerückt. ‟
„ Ueber die Art, wie der Embryo aus der Gebärmutter in die Scheide gelangt, habe ich Folgendes beobachtet: Bei einem Weibchen, das ich in den erſten Tagen des Weinmonats tödtete, fand ich in ſei - nem verſchloſſenen Beutel zwei ganz kleine Junge, dann aber in dem linken henkelförmigen Fortſatze der Gebärmutter einen ausgewachſenen Embryo, der von keinem Häutchen mehr umgeben war und deſſen Nabelſtrang in keiner Verbindung mit den Wänden des Fortſatzes ſtand. Jn dem Körper der Gebärmutter lagen noch zwei andere Embryonen, deren Nabelſtrang ſich aber von denſelben noch nicht abgelöſt hatte. Uebrigens war die Gebärmutter ſowie ihr Fortſatz außer der gewöhnlichen Ausdeh - nung nicht im geringſten verändert. Die Embryonen treten alſo bei dieſer Beutelratte aus dem Körper der Gebärmutter in die henkelförmigen Fortſätze derſelben und erſt von dieſen in die Scheide. ‟
„ Wie man ſieht, werden die Jungen nicht alle zugleich geboren. Es verſtreichen vielmehr drei bis vier Tage zwiſchen der Geburt des erſten und des letzten Jungen. Wie ſie in den Beutel gelangen, habe ich nie beobachten können. Möglich iſt, daß der Beutel während der Geburt gegen die Scheide zurückgezogen wird, ſo daß die Jungen durch die Geburtsarbeit ſelbſt in den Beutel ge - ſchoben werden. Die neugeborenen Thierchen ſind und bleiben noch einige Zeit wahre Embryonen. Jhre Größe beträgt höchſtens ſechs Linien, ihr Körper iſt nackt, der Kopf iſt im Verhältniß zu den übrigen Theilen groß, die Augen ſind geſchloſſen, die Naſenlöcher und der Mund hingegen offen, die Ohren in Quer - und Längenfalten zuſammengelegt. Die Vorderbeine ſind über der Bruſt, die hinteren über dem Bauche gekreuzt und der Schwanz iſt nach unten gerollt; ſie zeigen auch auf äußere Reize nicht die geringſte Bewegung. Nichtsdeſtoweniger findet man ſie kurze Zeit, nachdem ſie in den Beutel gelangt ſind, an den Zitzen angeſogen. Es iſt nun kaum denkbar, daß Thiere in einem ſolchen Embryonenzuſtande ohne alle Hilfe eine Zitze aufſuchen und ſich anſaugen können. Jch ver - muthe dagegen, daß ſie von der Mutter an die Zitzen gelegt werden, wozu derſelben ohne Zweifel die entgegenſetzbaren Daumen dienen. Die Jungen bleiben nun beinahe zwei Monate in dem Beutel, ohne die Zitzen zu verlaſſen, ausgenommen in den letzten Tagen. Jn den erſten zwei Mo - naten bemerkt man keine andere Veränderung an ihnen, als daß ſie bedeutend zunehmen und daß ſich die Borſtenhaare am Munde zu zeigen anfangen. Nach vier Wochen werden ſie ungefähr die Größe einer Hausmaus erreicht haben, der Pelz tritt über den ganzen Körper hervor, und ſie können einige Bewegung mit den Vorderfüßen machen. Nach Azara ſollen ſie ſich in dieſem Alter ſchon auf den Füßen halten können. Etwa in der ſiebenten Woche werden ſie faſt ſo groß, wie eine Ratte; dann öffnen ſich die Augen. Von dieſer Zeit an hängen ſie nicht mehr den ganzen Tag an den Zitzen und verlaſſen auch zuweilen den Beutel, kehren aber ſogleich wieder in denſelben zurück, ſowie ihnen17Das Opoſſum.Gefahr droht. Bald aber verſchließt ihnen die Mutter den Beutel, der ſie nicht mehr alle faſſen kann, und trägt ſie dagegen während mehrerer Tage, bis ſie ihren Unterhalt zu finden ſelbſt im Stande ſind, mit ſich auf dem Rücken und den Schenkeln herum, wo ſie ſich an den Haaren feſthalten. ‟
„ Während der erſten Tage nach der Geburt ſondern die Milchdrüſen blos eine durchſichtige, etwas klebrige Flüſſigkeit ab, die man in den Magen der Jungen findet; ſpäter wird dieſe Flüſſigkeit immer ſtärker und endlich zu wahrer Milch. Haben die Jungen einmal die Zitzen verlaſſen, ſo hören ſie auf, zu ſäugen, und die Mutter theilt ihre Beute mit ihnen, beſonders wenn dieſe in Vögeln oder Eiern beſteht. ‟
„ Noch will ich einer Beobachtung erwähnen, welche Dr. Parlet bei einem ſäugenden Weibchen gemacht haben wollte. Weder er, noch ich, hatte je erfahren können, wie die Säuglinge ſich ihres Kothes und Harnes entledigen. Nachdem, während meiner Abweſenheit, ein Weibchen, wel - ches daſelbſt geworfen hatte, fünf Wochen lang von demſel - ben beobachtet worden, berichtete er mir bei meiner Rückkehr, daß die Jungen während der erſten Tage nach der Geburt keinen Koth von ſich geben und daß Dies erſt geſchieht, wenn dieſelben wenigſtens 24 Tage alt ſind, und daß dann die Mutter von Zeit zu Zeit zu dieſem Zwecke den Beutel öffnet. ‟
„ Alle Beutelratten, welche ich in Paraguay angetroffen habe, laſſen ſich einigermaßen zähmen, d. h. ſie gewöhnen ſich an den Menſchen, daß man ſie berühren und herumtragen kann, ohne von ihnen gebiſſen zu werden, nie aber lernen ſie ihren Wärter kennen und zeigen überhaupt nicht den ge - ringſten Verſtand. Jn Paraguay fällt es nicht leicht Je - mandem ein, eine Beutelratte zu zähmen. Jhr Ausſehen iſt zu häßlich und der Geruch, den ſie von ſich geben, zu abſchreckend. Auch werden ſie mit als die gefährlichſten Feinde des zahmen Geflügels angeſehen, ſelbſt wenn ſie ſich in der Gefangenſchaft befinden. Des Schadens wegen, den ſie anrichten, werden ſie überall von den Menſchen verfolgt. Man fängt ſie entweder in Fallen oder lauert ihnen des Nachts auf und tritt, ſowie ſie ſich dem Hühnerhof nähern, ihnen plötzlich mit einem Lichte entgegen. Dadurch geblen - det, wiſſen ſie nicht zu entfliehen und werden leicht todtge - ſchlagen. ‟ —
Unter dieſen Thieren iſt wohl das Opoſſum (Didel - phys virginiana) das bekannteſte. Das merkwürdige Thier hat, weil es eine der gemeinſten Arten iſt, wegen ſeiner
rattenähnlichen Geſtalt ſeiner ganzen Sippſchaft den Namen Beutelratten verliehen. Es iſt von der Größe einer Hauskatze und die größte Art der ganzen Sippe. Weder die Färbung, noch irgend welche Anmuth oder Annehmlichkeit in ſeinen Sitten zeichnen es aus, und ſo gilt es mit Recht als ein höchſt widriges Geſchöpf. Die Leibeslänge des Opoſſums beträgt über 1½ Fuß, die des Schwan - zes faſt einen Fuß, die Höhe am Widerriſt acht Zoll. Der Leib iſt nur wenig geſtreckt und ziemlich ſchwerfällig, der Hals kurz und dick, der Kopf lang, an der Stirn abgeflacht und allmählich in eine lange, zugeſpitzte Schnauze übergehend. Die Beine ſind kurz, die Zehen von einander getrennt und faſt von gleicher Länge, die Hinterfüße mit einem den übrigen Zehen entgegenſetzbaren Daumen ver -Brehm, Thierleben. II. 218Die Beutelratten.ſehen. Der ziemlich dicke, runde und ſpitze Schwanz iſt blos an ſeiner Wurzel behaart und von da bis zu ſeinem Ende nackt und von feinen Schuppenhaaren umgeben, zwiſchen denen nur hier und da einige kurze Haare hervortreten. Er iſt ein Rollſchwanz, welcher von dem Thiere nach abwärts ge - rollt getragen wird und ihm beim Klettern weſentliche Dienſte leiſtet. Das Weibchen hat einen voll - kommenen Beutel.
Nordamerika iſt die Heimat des Opoſſums, und es findet ſich dort von Mejiko an bis in die kälteren Gegenden der nördlichen Vereinigten Staaten, bis Pennſylvanien und an die großen Seen Canadas. Jn den mittleren Theilen dieſes gewaltigen Landſtrichs wird es überall häufig gefunden und zwar keineswegs zur Freude der Menſchen. Wälder und Gebüſche ſind ſeine Aufenthaltsorte, und je dichter dieſelben ſind, um ſo lieber hält ſich das Opoſſum in ihnen auf.
Bevor ich über die Lebensweiſe und Sitten des ſonderbaren Geſchöpfes ausführlicher berichte, will ich daſſelbe meinen Leſern mit Audubon’s Worten vorſtellen; denn nach ſeiner Anführung bin ich im voraus der Theilnahme für das Opoſſum gewiß, ſo häßlich es auch ſonſt ſein mag.
„ Mir iſt, ‟ ſagt der vortreffliche Beobachter, „ als ſähe ich noch jetzt eines über den ſchmelzenden Schnee langſam und vorſichtig dahintrippeln, indem es am Boden hin nach Dem ſchnuppert, was ſeinem Geſchmack am meiſten zuſagt. Jetzt ſtößt es auf die friſche Fährte eines Huhnes oder Haſens; es erhebt die Schnauze und ſchnüffelt. Endlich hat es ſich entſchieden und eilt auf dem gewählten Wege vorwärts, ſo ſchnell wie ein guter Fußgänger. Nun ſucht es und ſcheint in Verlegenheit, welche Richtung es weiter verfolgen ſoll; denn der Gegenſtand ſeiner Verfolgung hat entweder einen beträchtlichen Satz gemacht oder wohl einen Haken geſchlagen, ehe das Opoſſum ſeine Spur aufge - nommen hatte. Es richtet ſich auf, hält ſich ein Weilchen auf den Hinterbeinen, ſchaut ſich um, ſpürt aufs neue und trabt dann weiter. Aber jetzt, am Fuße eines alten Baumes, macht’s ent - ſchieden Halt. Es geht rund um den gewaltigen Stamm über die ſchneebedeckten Wurzeln und findet zwiſchen dieſen eine Oeffnung, in welche es im Nu hineinſchlüpft. ‟
„ Mehrere Minuten vergehen: da erſcheint’s wieder, ſchleppt ein bereits abgethanes Eich - hörnchen in ſeinem Maule heraus und beginnt, den Baum zu erſteigen. Langſam klimmt es empor Der erſte Zwieſel ſcheint ihm nicht anzuſtehen: es denkt wohl, es möchte hier allzuſehr den Blicken eines böſen Feindes ausgeſetzt ſein, und ſomit ſteigt es höher, bis es die dichteren Zweige bergen können, die mit Weinranken durchflochten ſind. Hier ſetzt es ſich zur Ruhe, ſchlingt ſeinen Schwanz um einen Zweig und zerreißt mit den ſcharfen Zähnen das unglückliche Eichhörnchen, das es dabei immer mit den Vorderpfoten hält. ‟
„ Die lieblichen Frühlingstage ſind gekommen; kräftig ſchoſſen die Blätter: das Opoſſum aber muß immer noch Hunger leiden und iſt faſt gänzlich erſchöpft. Es beſucht den Rand der Buchten und freut ſich, einen jungen Froſch zu ſehen, der ihm eine leidliche Mahlzeit gewährt. Nach und nach brechen Moosbeeren und Neſſeln auf, und vergnügt ſchmauſt es die jungen Stengel. Der Morgenruf des wilden Truthahns entzückt das Ohr des liſtigen Geſchöpfes; denn es weiß ſehr wohl, daß es bald auch die Henne hören und ihre Spur bis zu dem Neſte auffindig machen wird; dort wird es dann mit Wonne die Eier ausſchlürfen. ‟
„ Auf ſeinen Reiſen durch den Wald, bald auf dem Boden, bald in der Höhe von Baum zu Baum, hört es einen Hahn krähen, und ſein Herz ſchwillt bei der Erinnerung an die ſaftige Speiſe, mit welcher es ſich im vorigen Sommer am benachbarten Meierhofe eine Güte that. Höchſt vorſichtig jedoch rückt es vor und birgt ſich endlich im Hühnerhaus ſelbſt. ‟
„ Biederer Bauer! warum haſt du vorigen Winter ſoviel Krähen weggeſchoſſen und Raben dazu? Nun, du haſt deinen Spaß gehabt: jetzt aber eile ins nahe Dorf und verſchaffe dir hinrei - chenden Schießvorrath, putze deinen roſtigen Kuhfuß, ſtelle deine Fallen auf und lehre deine trägen Köter, um dem Opoſſum aufzulauern. Dort kommt es! Die Sonne iſt kaum ſchlafen gegangen, aber des Strolches Hunger iſt längſt wach. Hörſt du das Kreiſchen deiner beſten Henne, die es gepackt hat? Das liſtige Thier iſt auf und davon mit ihr. Jetzt iſt Nichts weiter zu thun; höchſtens19Das Opoſſum.kannſt du dich hinſtellen und auch noch auf Füchſe und Eulen anſtehen, welche bei dem Gedanken frohlocken, daß du ihren Feind und deinen Freund, die arme Krähe, weggeputzt haſt. Die werth - volle Henne, der du vorher ſo gegen ein Dutzend Eier untergelegt haſt, iſt dieſe jetzt glücklich los - geworden. Trotz all ihres ängſtlichen Geſchreies, trotz ihrer geſträubten Federn hat das Opoſſum die Eier verſpeiſt, eins nach dem andern, und nun ſchau nur, wie der arme Vogel im Hofe herum - läuft und ſelbſt jetzt noch in wahnwitziger Angſt nach ſeinen Jungen ruft! ‟
„ Das kommt alſo von deinem Krähenſchießen her. Wäreſt du barmherziger und geſcheiter ge - weſen, ſo wäre das Opoſſum wohl im Walde geblieben und hätte ſich mit einem Eichhörnchen be - gnügt oder mit einem Häslein, mit den Eiern des Truthahns oder mit den Trauben, die ſo reichlich die Zweige unſerer Waldbäume ſchmücken: Aber ich rede dir vergeblich vor! ‟ —
„ Doch auch angenommen, der Bauer hätte das Opoſſum über der That ertappt, — dann ſpornt ihn ſein Aerger an, das arme Thier mit Fußtritten zu mißhandeln. Dieſes aber, wohl - bewußt ſeiner Widerſtandsunfähigkeit, rollt ſich zuſammen wie eine Kugel. Jemehr der Bauer raſt, deſtoweniger läßt ſich das Thier etwas von ſeiner Empfindung merken. Zuletzt liegt es da, nicht todt, aber erſchöpft, die Kinnladen geöffnet, die Zunge heraushängend, die Augen getrübt, und ſo würde es daliegen, bis die Schmeißfliege ihre Eier auf den Pelz legte, wenn nicht ſein Quälgeiſt fortginge. „ „ Sicherlich, ‟ ‟ ſagt der Bauer, „ „ das Vieh muß todt ſein. ‟ ‟ Bewahre, Leſer, es „ opoſſumt ‟ ihm nur Etwas vor. Und kaum iſt ſein Feind davon, ſo macht es ſich auf die Beine und trollt ſich wieder in den Wald. ‟
Jch glaube, daß ich dieſe anmuthige Schilderung blos noch etwas zu vervollſtändigen brauche, um das Leben und Treiben der Beutelratte jedem meiner Leſer hinlänglich kennen zu lehren.
Das Opoſſum iſt ein Baumthier, wie ſeine ganze Ausrüſtung beweiſt. Auf dem Boden iſt es ziemlich langſam und unbehilflich. Es tritt beim Gehen mit ganzer Sohle auf. Alle Bewegungen ſind träg, und ſelbſt der Lauf fördert nur wenig, obgleich er aus einer Reihe von paßartigen Sprün - gen beſteht. Jn den Baumkronen dagegen klettert das Thier mit großer Sicherheit und auch ziemlich hurtig umher. Dabei kommt ihm der abgeſonderte Daumen ſeiner Hinterhände, mit welchem es die Aeſte umſpannen und feſthalten kann, ſowie der Rollſchwanz gut zuſtatten. Nicht ſelten hängt es ſich an letzterem auf, wie unſere Abbildung es zeigt, und verbleibt ſtundenlang in dieſer Lage. Sein ſchwerfälliger Bau hindert es freilich, mit derſelben Schnelligkeit und Gewandtheit zu klettern, wie die Vierhänder oder Nager es vermögen; doch iſt es auf dem Baum ſo ziemlich vor Feinden geborgen. Am Boden muß es, wenn ihm ſeine Verfolger auf die Näthe gehen, zur Ver - ſtellung greifen, um ſich zu retten. Unter ſeinen Sinnen iſt der Geruch beſonders ausgebildet und das Spurvermögen ſoll ſehr groß ſein. Gegen blendendes Licht zeigt es Empfindlichkeit und vermei - det es deshalb ſorgfältig. Dies genügt alſo, um anzunehmen, daß auch das Geſicht ziemlich gut ſein muß. Die anderen Sinne aber ſtehen unzweifelhaft auf einer ſehr niedrigen Stufe.
Jn den großen, dunklen Wäldern ſchleicht das Opoſſum Tag und Nacht umher, obgleich es die Dunkelheit immer dem Lichte vorzieht. Da aber, wo es Gefahr befürchtet, ja ſchon da, wo ihm die Helle beſchwerlich fällt, erſcheint es blos nachts, verſchläft den ganzen Tag in Erdhöhlen oder Baumhöhlungen. Nur zur Zeit der Paarung lebt es mit ſeinem Weibchen zuſammen; im ganzen übrigen Jahre führt es ein einſames, ungeſelliges Leben nach Art aller ihm nahe verwandten Thiere. Es hat keine beſtimmte Wohnung, ſondern benutzt jeden Schlupfwinkel, den es nach vollbrachter Nachtwanderung mit Anbruch des Morgens entdeckt. Jſt ihm das Glück beſonders günſtig und findet es eine Höhlung auf, in welcher irgend ein ſchwacher Nager wohnt, ſo iſt ihm das natürlich um ſo lieber; denn dann muß der Urbewohner einer ſolchen Behauſung ihm gleich zur Nahrung dienen. Es verzehrt, wie wir aus Audubon’s Schilderung annehmen können, alle kleinen Säugethiere und Vögel, welche es erwiſchen kann, ebenſo auch Eier, mancherlei Lurche, größere Kerfe, deren Larven und ſelbſt Würmer, begnügt ſich aber auch in Ermanglung von thieriſcher Nah - rung mit Baumfrüchten, z. B. mit Mais und nahrungshaltigen Wurzeln. Blut zieht es allen2 *20Die Schupalis.übrigen Speiſen vor, und deshalb wüthet es da, wo es kann, mit unbeſchreiblicher Mordgier. Jn den Hühnerſtällen tödtet es oft ſämmtliche Bewohner und ſaugt dann blos deren Blut aus, ohne ihr Fleiſch anzurühren. Dieſer Blutgenuß berauſcht es derart, daß man es morgens nicht ſelten mitten unter dem todten Geflügel ſchlafend antrifft. Jm Ganzen vorſichtig, wird es, ſo lange es ſeiner Blutgier fröhnen kann, vollkommen blind und taub, vergißt jede Gefahr und läßt ſich, ohne von ſeinem Morden abzuſtehen, von den Hunden widerſtandslos erwürgen oder von dem erboſten Bauer todtſchlagen.
Man hat durch Beobachtung an Gefangenen mit hinlänglicher Sicherheit feſtgeſtellt, daß das Weibchen ungefähr nach vierzehntägiger Tragzeit ſeine Jungen wirft oder, beſſer geſagt, aus dem Mutterleibe in den Beutel befördert. Die Zahl der Jungen ſchwankt zwiſchen Vier und Sechszehn, die Keime ſind anfänglich noch ganz formlos und klein, wie wir oben bemerkten, eher einem gallert - artigen Klümpchen, als einem Säugethiere ähnlich. Sie haben ungefähr die Größe einer Erbſe und wiegen blos fünf Gran. Augen und Ohren fehlen, nicht einmal die Mundſpalte iſt deutlich, ob - wohl ſie natürlich hinlänglich ausgebildet ſein muß, um als Verbindungsmittel zwiſchen den Thier - keimen und ſeiner Mutter zu dienen. Der Mund entwickelt ſich auch viel eher, als alle übrigen Theile des Leibes; denn erſt viel ſpäter bilden ſich die Augen und Ohren einigermaßen aus. Nach etwa vierzehn Tagen öffnet ſich der Beutel, welchen die Mutter durch beſondere Hautmuskeln willkürlich verengern oder erweitern kann, und nach etwa funfzig Tagen ſind die Jungen bereits voll - ſtändig ausgebildet. Sie haben dann die Größe einer Maus, ſind überall behaart und öffnen nun auch die Augen. Nach ſechszig Tagen Saugzeit im Beutel iſt ihr Gewicht auf mehr als das Hun - dertfache des früheren geſtiegen: ſie wiegen jetzt 2½ Loth. Die Mutter geſtattet unter keiner Be - dingung, daß ihr Beutel geöffnet werde, um die Jungen zu betrachten. Sie hält jede Marter aus, läßt ſich ſogar über dem Feuer aufhängen, ohne ſich ſolchem Verlangen zu fügen. Erſt wenn die Jungen die Größe einer Ratte erlangt haben, verlaſſen ſie den Beutel, bleiben aber auch, nachdem ſie ſchon laufen können, noch bei der Mutter und laſſen dieſe für ſich jagen und ſorgen.
Wegen des Schadens, den das Opoſſum unter dem Hausgeflügel anrichtet, wenn es einmal in einen Meierhof einbricht, wird es überall gehaßt und ſchonungslos verfolgt. Zumal die Neger ſind eifrige Feinde des Thieres und erlegen es, wo ſie nur können, und zwar weil ſie es am beſten zu be - nutzen vermögen. Das Wildpret des Opoſſums nämlich iſt für europäiſche Gaumen ungenießbar; denn ein äußerſt widriger, ſtark knoblauchartiger Geruch, welcher aus zwei, zu beiden Seiten des Maſt - darms liegenden Drüſen ſtammt, theilt ſich auch dem Fleiſche mit und verdirbt es nach unſerer Anſicht vollſtändig, während die Neger derartige zarte Rückſichten eben nicht hegen.
Das Gefangenleben des Opoſſums entſpricht Vorausſetzungen, zu welchen man ſich durch Au - dubon’s maleriſche Feder etwa veranlaßt ſehen könnte, durchaus nicht. Jch muß nach meinen Er - fahrungen behaupten, daß dieſes Thier noch langweiliger iſt, als der Raubbeutler oder Beutel - marder. Regungslos, in ſich zuſammengerollt, liegt es den ganzen Tag über in ſeinem Käfig, und nur wenn man es reizt, bequemt es ſich wenigſtens zu einer Bewegung: es öſſnet den Rachen ſo weit als möglich und ſolange, als man vor ihm ſteht, gerade, als ob es die Maulſperre hätte. Von dem Verſtand, welchen Audubon am wildlebenden Thiere beobachtete, bemerkt man keine Spur. Es iſt träge, faul, ſchlafſüchtig und erſcheint erſchrecklich dumm: mit dieſen Worten iſt ſein Betragen in der Gefangenſchaft am beſten beſchrieben.
Von den eigentlichen Beutelratten unterſcheiden ſich die Schupatis (Philander) hauptſächlich durch den unvollkommenen Beutel des Weibchens. Dieſer wird nämlich nur durch zwei Hautfalten gebildet, welche ſich über die an den Zitzen hängenden, noch unausgebildeten Jungen hinweglegen.
Die größte Art aller Schupatis und zugleich die größte Beutelratte überhaupt iſt der Krebs - beutler (Philander cancrivorus), ein Thier von ſechszehn Zoll Körperlänge, mit funfzehn Zoll21Der Krebs - oder Krabbenbeutler.angem Schwanze. Er iſt beſonders durch ſein über drei Zoll langes, tiefſchwarzbraunes, an der Wurzel hellſchmuzig, gelblichweißes Stachelhaar von den übrigen Arten der Familie ausgezeichnet. An den Seiten tritt das Gelbe mehr hervor. Der Bauch iſt bräunlichgelb bis gelblichweiß. Das kurze Haupthaar iſt ſchwarzbraun; über den Augen, bis zu den Ohren verläuft eine gelbliche Binde. Die Ohren ſind ſchwarz, wie die Pfoten und die Wurzelhälfte des Schwanzes, während die Endhälfte weißlich iſt.
Der Krebs - oder Krabbenbeutler ſcheint ziemlich weit, vielleicht über das ganze heiße
Amerika verbreitet zu ſein und findet ſich ſehr zahlreich in den Waldungen Braſiliens, am liebſten in der Nähe von Sümpfen, welche ihm Krebſe und Krabben liefern. Er lebt faſt nur auf den Bäu - men und kommt blos dann auf die Erde herab, wenn er unten jagen will. Sein vollkommener Rollſchwanz macht ihm das Klettern leicht; man ſieht ihn in keiner Stellung, ohne daß er ſich durch dieſes Werkzeug feſtgemacht hätte, und ſobald er zur Ruhe kommt, iſt es das Erſte, was er thut, den langen Rattenſchwanz ein paar Mal um den nächſten Zweig zu ringeln und ſich ſo zu verſichern. Auf dem Erdboden geht er langſam und ſchlecht; dennoch weiß er kleinere Säugethiere, Lurche und Kerb - thiere, ſowie namentlich Krebſe, ſein Lieblingsfutter, zu berücken. Jn den Bäumen ſtellt er Vögeln22Die Schupatis.und deren Neſtern nach, doch frißt er auch Früchte, wie das Opoſſum und ſeine anderen Verwandten. Auch er ſoll zuweilen die Hühnerhöfe beſuchen und dort unter Hühnern und Tauben große Ver - wüſtungen anrichten. Die Jungen des Krebsbeutlers ſind während ihrer Kindheit ſehr verſchieden von den Alten gefärbt. Kurz nach ihrer Geburt ſind ſie vollkommen nackt, wenn ſie aber ſoweit erwachſen ſind, daß ſie den Beutel verlaſſen können, bekleidet ein kurzes, ſeidenweiches Haar von glänzendem Nußbraun ihren Körper, und erſt nach und nach nimmt es die dunkle, braunſchwarze Färbung der Alten an. Alle Berichterſtatter ſind einſtimmig, daß die aus dem Beutel geſchlüpften Thierchen, wie ſie ſich um ihre Mutter und auf dieſer herumbewegen, ein allerliebſtes Schauſpiel ge - währen. Jm übrigen ähnelt das Thier in ſeiner Lebensweiſe und in ſeinen Sitten der bekannteren Aeneas-Ratte (Philander dorsiger), welche mehr den Oſten und Norden Braſiliens bewohnt und in niederen, mit Urwäldern bedeckten Ebenen lebt. Sie iſt der eigentliche Bertreter der Schupatis, weil ihr Beutel am unvollkommenſten iſt. Jhre Körperlänge beträgt 5½ Zoll, die Länge des Schwanzes ſieben Zoll, die Höhe am Widerriſt 1½ Zoll: ſie iſt demnach etwas kleiner, als unſere
Hausratte, mit welcher ſie übrigens in der Geſtalt manche Aehnlichkeit hat. Der Leib iſt geſtreckt, der Hals kurz und dick, die Beine ſind ziemlich kurz, das Hinterpaar iſt etwas länger, als das vor - dere, die Sohlen ſind nackt, die Zehen getrennt. An den Hinterfüßen befindet ſich ein, den übrigen Zehen entgegenſetzbarer, nagelloſer Daumen, welcher durch eine kurze Spannhaut mit der zweiten Zehe verbunden iſt; die übrigen Zehen haben kurze, weniger gekrümmte, ſpitze Krallen. Der ſehr lange, dünne, runde und ſpitze, an der Wurzel dicht behaarte, dann nackt geringelte und geſchuppte Schwanz iſt ein echtes Greifwerkzeug. Die Behaarung iſt kurz, glatt, dicht, weich und wollig, ohne eigentliches Grannenhaar. Auf der Oberſeite iſt ſie graubraun, auf der Unterſeite weißlichgelb ge - färbt. Das Auge umgibt ein dunkelbrauner Flecken; die Stirn, der Naſenrücken, die Wangen und die Füße ſind gelblichweiß.
Die Aeneas-Ratte iſt auch ein Baumthier, doch keineswegs ein beſonders ſchnelles. Jhr Gang auf ebenem Boden iſt noch ſchlechter und unſicherer, als ihre Bewegungen in den Bäumen. Sie wandert in ihrem laubigen Gebiet von Krone zu Krone, von Baum zu Baum, von einem Theile des Waldes zu dem anderen, ohne ein beſtimmtes Lager zu haben. Den Tag bringt ſie gewöhnlich23Der Schwimmbeutler.im dichteſten Geſträuch oder zwiſchen recht laubigen Aeſten, vielleicht auch in einem hohlen Stamme zu; nachts geht ſie nach Nahrung aus. Nur während der Paarungszeit findet man Männchen und Weibchen zuſammen; den übrigen Theil des Jahres leben die Geſchlechter für ſich. Jhre fünf bis ſechs Jungen kommen noch ſehr unausgebildet zur Welt, ſaugen ſich aber ſogleich an den Zitzen feſt und hängen hier wie Früchte an einem Baume. Wenn ſie Haare bekommen haben, ſetzen ſie ſich der Mutter auf den Rücken und halten ſich mit ihren Schwänzen feſt, indem ſie dieſelben um den Schwanz der Alten ſchlingen. Selbſt wenn ſie ſchon faſt erwachſen ſind und der mütterlichen Pflege oder der Muttermilch kaum mehr bedürfen, bleiben ſie noch immer in der Nähe der Alten, und flüchten bei drohender Gefahr ſchnell auf deren Rücken, klammern ſich an und laſſen ſich von ihr nach einem ſicheren Orte tragen. Hiervon erhielt das Thier ſeinen Namen. Jn der Angſt ſträubt die Alte die Haare ihres Rückens, gibt einen ziſchenden Laut von ſich und verbreitet einen eigenthüm - lichen, unangenehmen, faſt knoblauchartigen Geruch aus ihren Afterdrüſen.
Der Schaden, welchen das Thier verurſacht, iſt ſehr gering, der Nutzen aber eben ſo unbedeu - tend. Die Neger eſſen ihr Fleiſch.
Die letzte Sippe unſerer Familie enthält das einzige, bis jetzt bekannte Beutelthier, welches vor - zugsweiſe im Waſſer lebt, den Schwimmbeutler (Chironectes variegatus) nämlich. Man hat bis jetzt blos dieſe eine Art der Sippe aufgefunden und auch von ihrem Leben und Treiben nur wenig erfahren können. Der Schwimmbeutler iſt ſchon längſt bekannt, jedoch niemals ordentlich beobachtet worden. Buffon nennt ihn den kleinen Otter von Guyana, andere Naturforſcher erwähnen ſeiner unter dem Namen des Demeraraotters. Die Engländer bezeichnen es mit dem Landnamen Yapock.
Jm Ganzen ähnelt der Schwimmbeutler den eigentlichen Beutelratten noch am meiſten; nur der Bau ſeiner Füße iſt es, welcher ihn unterſcheidet. Die Vorder - und Hinterfüße ſind fünfzehig, dieſe aber merklich größer, als jene, und durch große Schwimmhäute, welche die Zehen verbinden, ſowie durch ſtarke, lange und ſichelförmige Krallen vor den Vorderfüßen ausgezeichnet. Die Zehen der letz - teren tragen blos kleine, ſchwache und kurze Krallen, welche ſo in den Ballen eingeſenkt ſind, daß ſie beim Gehen den Boden nicht berühren. Der Daumen iſt verlängert, und hinter ihm befindet ſich noch ein knöcherner Fortſatz, aus einer Verlängerung des Ferſenbeines herrührend, gleichſam als ſechſte Zehe. Der ſehr lange Schwanz iſt blos an der Wurzel kurz und dicht behaart, im übrigen mit ver - ſchoben-vierſeitigen Schüppchen bekleidet. Der Kopf iſt verhältnißmäßig klein, die Schnauze lang und zugeſpitzt; die Sohlen ſind nackt, der Pelz iſt weich. Das Weibchen hat einen vollſtändigen Beutel, das Männchen einen dicht und pelzig behaarten Hodenſack. Jm Zahnbau ähnelt der Schwimmbeutler den eigentlichen Beutelratten faſt vollſtändig. Von ſeinem inneren Leibesbau iſt noch nichts Genügendes bekannt.
Unſer Thier gehört unzweifelhaft zu den merkwürdigſten Mitgliedern der ganzen Ordnung. Jm Allgemeinen hat es ungefähr das Ausſehen einer Ratte. Die Ohren ſind ziemlich groß, eiförmig ge - rundet, häutig und nackt, die Augen klein. Große Backentaſchen, welche ſich weit rückwärts in die Mundhöhle öffnen, laſſen das Geſicht oft dicker erſcheinen, als es wirklich iſt. Der geſtreckte, walzenförmige, aber eher unterſetzte als ſchlanke Leib ruht auf kurzen Beinen mit breiten Füßen, deren Vorderpaar vollkommen getrennte, ſehr lange und dünne Zehen hat, während die Hinterfüße ſich als ſtarke Ruder kennzeichnen. Der Schwanz iſt faſt von gleicher Länge mit dem Körper, und ein Rollſchwanz, obgleich er wohl nicht als Greifwerkzeug benutzt wird. Eigenthümlich iſt die Zeich - nung. Der weiche, glatte, anliegende Pelz, welcher aus zerſtreuteren längeren Grannen und dichtem Wollhaar beſteht, iſt auf dem Rücken ſchön aſchgrau gefärbt und ſticht ſcharf ab von der weißen Un - terſeite. Auf dem grauen Grunde des Rückens liegen ſechs ſchwarze, breite Querbinden und zwar läuft davon eine über das Geſicht, eine über den Scheitel, eine über die Vorderbeine, die vierte über24Der Schwimmbeutler.den Rücken, die fünfte über die Lenden und die ſechſte über das Kreuz. Längs der Rückenlinie ver - läuft ein dunkler Streifen von einer Binde zur anderen. Die Ohren und der Schwanz ſind ſchwarz, die Schwanzſpitze iſt fleiſchfarben. Die Pfoten ſind oben hellbraun, die Sohlen dunkelbraun; die Naſe iſt ſchwarz. Ausgewachſene Thiere ſind etwa 15 Zoll lang und haben einen beinahe eben ſo langen Schwanz. Jhre Höhe am Widerriſt beträgt kaum vier Zoll. Einzelne ſehr alte Männchen ſollen zwei Fuß lang werden.
Der Schwimmbeutler iſt über einen großen Theil von Südamerika verbreitet. Er findet ſich von Rio de Janeiro an durch das ganze Küſtenland Südamerikas bis nach Honduras; aber er ſcheint überall ſelten vorzukommen oder wenigſtens ſchwer zu erlangen zu ſein und wird daher auch noch in den wenigſten Sammlungen gefunden. Natterer, welcher ſiebzehn Jahre in Braſilien ſammelte, erhielt das Thier blos dreimal, und auch nur zufällig. So darf es uns nicht Wunder nehmen, daß wir von ſeiner Lebensweiſe noch kaum Etwas wiſſen. Man hat erfahren, daß der Schwimmbeutler haupt - ſächlich in den Wäldern an den Ufern kleiner Flüſſe und Bäche ſich aufhält und nach Art der meiſten
Waſſerſäugethiere ſich hauptſächlich in Uferlöchern verſteckt, oder mitten im Strome herumſchwimmt, ſomit aber gewöhnlich der Beobachtung entgeht. Er ſoll mit größter Leichtigkeit ſchwimmen und ſich auch raſch und behend bewegen können, und ſowohl bei Tage als bei Nacht nach Nahrung ausgehen. Dieſe beſteht, wie man angibt, in kleinen Fiſchen oder in anderen kleinen Waſſerthieren und in Fiſch - laich, doch deuten die großen Backentaſchen wohl darauf hin, daß der Schwimmbeutler nebenbei auch Pflanzennahrung nicht verſchmäht. Man ſagt, daß das Thier, wenn es dieſe Vorrathskammern mit Nahrung gefüllt hat, nach dem Lande zurückkehre, um dort zu ſpeiſen. Sicheres hierüber iſt jedoch nicht bekannt.
Das Weibchen wirft etwa fünf Junge, trägt ſie im Beutel aus, führt ſie dann ſchon ziemlich frühzeitig in das Waſſer und unterrichtet ſie hier längere Zeit im Schwimmen, Tauchen und im Er - werb der Nahrung. Ob die Jungen bei Gefahr in den Beutel zurückkehren, an der Mutter ſich feſt - klammern oder in Uferlöcher ſich verſtecken, iſt nicht bekannt.
Die Jagd und der Fang des Schwimmbeutlers ſcheinen ganz dem Zufall unterworfen zu ſein. Nur ſehr ſelten ſoll man eins der Thiere zum Schuß bringen, wenn es in der Mitte des Fluſſes ſich25Der Beuteldachs oder Bandikut.zeigt. Gewöhnlich erhält man die wenigen, welche man überhaupt in ſeine Gewalt bekommt, beim Aufheben der Fiſchreuſen, in denen ſie ſich verwirrt und den Tod durch Erſtickung gefunden hatten.
Mit dieſen merkwürdigen und ſeltenen Thieren verlaſſen wir Amerika und wenden uns wieder nach der eigentlichen Heimat der Beutelthiere, nach Auſtralien zurück; denn von allen übrigen Familien, welche wir noch zu betrachten haben, hat keine einzige mehr einen Vertreter in der neuen Welt.
Auch der Laie wird ohne Bedenken die Familie der Beutelratten von der der Beuteldachſe oder Bandikuts (Perameles) unterſcheiden können. Die anſehnlich verlängerten Hinterbeine und die ganz abweichende Zehenbildung dieſer Thiere ſind Merkmale, welche Jedem in das Auge fallen müſſen. Von den fünf Vorderzehen nämlich iſt die innere und äußere ſo verkümmert, daß ſie eigent - lich blos als eine nach hinten gerichtete nagelloſe oder blos mit flachen Nägeln bedeckte Warze erſcheint; die drei mittleren Zehen dagegen ſind um ſo größer, frei und mit ſtarken, ſichelförmigen und ganzen Nägeln oder vielmehr Krallen beſetzt. An den Hinterfüßen iſt wenigſtens der Daumen verkümmert und die zweite und dritte Zehe ſind mit einander bis zu den Nägeln verwachſen, die Sohlen ſind nackt. Der Leib iſt im Ganzen gedrungen, der Kopf ſehr zugeſpitzt, zumal am Schnauzentheile; die Ohren ſind meiſt mäßig, bei einigen Arten aber auffallend groß; der Schwanz dagegen iſt gewöhnlich ſehr kurz und dünn behaart, nur ausnahmsweiſe lang und buſchig. Der Beutel des Weibchens, in welchem acht Zitzen liegen, iſt nach hinten geöffnet. Jm Gebiß ähneln die Beuteldachſe den Beutelratten bis auf die unterſten Schneidezähne, von denen blos drei Stück vorhanden ſind.
Man kennt gegenwärtig etwa neun verſchiedene Arten unſerer Thiere, welche ſämmtlich Neu - holland bewohnen. Sie leben in höher gelegenen, kühleren Berggegenden, und zwar in Höhlen, welche ſie ſich in den Boden graben und bei der geringſten Gefahr eiligſt aufſuchen. Mitunter trifft man ſie in der Nähe von Pflanzungen oder menſchlichen Anſiedlungen, gewöhnlich aber halten ſie ſich fern von dem Erzfeinde aller Thiere. Die meiſten Arten ſcheinen geſellig mit einander zu leben und nur nächtliche Lebensweiſe zu führen. Jhre Bewegungen ſind ziemlich raſch und eigenthümlich, da ihr Gang aus einer Reihe kürzerer oder weiter Sprungſchritte beſteht. Keine einzige Art kann ordent - lich gehen und keine nur im geringſten klettern. Die Nahrung beſteht hauptſächlich aus Pflanzen, beſonders aus ſaftigen Wurzeln und Knochen, doch verzehren ſie nebenbei auch Kerbthiere und Wür - mer oder Sämereien. Sie führen die Speiſe mit den Vorderpfoten zum Munde und ſetzen ſich dabei halb aufrecht hin, den Leib auf die Hinterbeine und den Schwanz geſtützt.
Alle Beuteldachſe ſind ſcheue und flüchtige, durchaus gutmüthige, harmloſe und friedliche Thiere, welche in der Freiheit vor jeder Gefahr zurückſchrecken und dem Menſchen ängſtlich zu ent - fliehen ſuchen. Jn der Gefangenſchaft aber fügen ſie ſich ohne Schwierigkeit und ohne Beſinnen in ihr Loos und werden ſchon nach kurzer Zeit zahm und zutraulich, machen daher auch dem Beſitzer viel Freude. Hierin beſteht der einzige Nutzen, welchen ſie den Menſchen bringen können, da von keiner Art das Fleiſch gegeſſen oder das Fell verwendet wird. Der Schaden, welchen ſie anrichten, kann unter Umſtänden ziemlich bedeutend ſein. Sie unterwühlen die Felder und richten deshalb in den Pflanzungen große Verwüſtungen an; andere beſuchen auch wohl die Kornſpeicher und vermin - dern hier die Vorräthe, indem ſie in ziemlicher Anzahl erſcheinen.
Man theilt die Familie in wenige und artenarme Sippen ein. Die nachſtehend beſchriebenen und abgebildeten Arten werden uns hinlänglich mit ihr bekannt machen.
Zu den eigentlichen Beuteldachſen gehört der ſpitznaſige Beuteldachs (Perameles nasuta), ein Thier von eigenthümlicher Geſtalt, welches mit einem Kaninchen faſt ebenſoviel Aehnlichkeit hat, als mit einer Spitzmaus. Er trägt ſeinen Namen inſofern mit Recht, als er die längſte26Die Beuteldachſe.Schnauze unter allen echten Bandikuts beſitzt. Namentlich der obere Theil derſelben iſt verlängert, und die Naſenkuppe ragt weit über die Unterlippe vor. Die ſehr kurzen, behaarten Ohren ſind unten breit, ſpitzen ſich aber raſch zu; die Augen ſind klein. Der geſtreckte Leib trägt einen mittel - langen, ſchlaffen und kurzbehaarten Schwanz und ruht auf ziemlich ſtarken Beinen, von denen die hinteren faſt noch einmal ſo lang als die vorderen ſind. Am vorderen Fußpaar ſind die Jnnen - und Außenzehen blos durch die beſchriebenen Warzen angedeutet und ſoweit nach rückwärts geſtellt und unter den Haaren verſteckt, daß es ſchwierig iſt, ſie aufzufinden. Die übrigen drei Zehen, auf welche das Thier allein auftritt, tragen tüchtige, ſichelförmig gekrümmte Krallen. Der nicht eben dicke, aber ziemlich lange, ſtraffe und rauhe, ja faſt borſtenartige Pelz beſteht aus einem ſpärlichen und kurzen Wollhaar und längeren Grannen. Oben iſt er bräunlichfahlgelb und ſchwarz geſprenkelt, und Dies wird hauptſächlich durch die Doppelfärbung der einzelnen Haare bewirkt, welche unten grau ſind und allmählich in Schwarz übergehen, oft aber noch in bräunlichfahlgelbe Spitzen endigen. Die Unterſeite iſt ſchmuzig gelblichweiß, die Oberſeite der Hinterfüße lichtbräunlichgelb. Der Schwanz iſt oben ſchwarzbraun, unten lichtkaſtanienbraun. Die Ohren ſind an den Rändern bräun - lich behaart, aber die nackte Haut ſchimmert überall zwiſchen den Haaren hindurch. Erwachſene Thiere meſſen gewöhnlich 1 Fuß 10 Zoll, einſchließlich des Schwanzes, deſſen Länge 6 Zoll beträgt, und ſind am Widerriſt etwa 4 Zoll hoch.
Der ſpitze Bandikut lebt wie ſeine Verwandten in höheren, kühleren Berggegenden Auſtra - liens, zumal in Neuſüdwales. Er fehlt in den heißen Ebenen dieſes Erdtheils, ſteigt jedoch öfters bis zur Seeküſte herab. Jn ſeiner eigentlichen Heimat iſt er überall ſehr häufig, und durchgräbt oft ganze Strecken, theils der Nahrung wegen, theils um ſich eine Wohnung zu gründen. Ein wahres Netz von Furchenwegen, welche von einem Loche zum anderen führen, bedeckt nicht ſelten ganze große Ebenen. Namentlich unter dem Gebüſch ſind jene Löcher zahlreich beiſammen. Die langen und kräf - tigen Krallen machen es ihm ſehr leicht, dieſe halb und halb unterirdiſchen Gänge und Höhlen aus - zugraben, und da gerade Wurzeln und Knollen die hauptſächlichſte Nahrung aller Bandikuts zu bil - den ſcheinen, muß er beſtändig, wie der Maulwurf, neue Gänge ausſcharren, um leben zu können. Der lange Rüſſel dient ihm jedenfalls auch zum Wühlen. Nächſt den Wurzeln frißt er auch Würmer und Kerbthiere. So lange er aber Pflanzennahrung haben kann, ſcheint er dieſe aller übrigen vor - zuziehen. Zuweilen richtet er in Kartoffelfeldern oder in Kornſpeichern ziemlich bedeutende Verhee - rungen an, und wird dort faſt ebenſo läſtig, als die Mäuſe und Ratten. Glücklicherweiſe fehlen ihm die Nagezähne dieſes Ungeziefers, und ſomit iſt der Pflanzer bei einiger Vorſicht im Stande, ihn von ſolchen Beſuchen abzuhalten; gleichwohl muß der Menſch noch immer bedacht ſein, die Mauern27Der ſtreifige Beuteldachs.ſolcher Speicher tief einzuſenken, weil der Bandikut ſonſt, unter ihnen ſich durchgrabend, neue Gänge bahnen würde. Der Gang des Thieres iſt ein eigenthümliches Mittelding zwiſchen Rennen und Springen und ſoll noch am meiſten dem des Kaninchens ähneln. Dabei tritt es abwechſelnd auf die Hinter - und Vorderfüße, alſo nicht wie die Kängurus blos auf die letzteren. Die Nahrung führt der Beuteldachs wie unſere Eichhörnchen mit den Vorderpfoten zum Munde; dabei ruht er auf dem Hintertheile und ſtützt ſich zugleich auch auf den Schwanz. Seine Stimme hört man blos, wenn er verwundet wird; ſie beſteht aus ſcharf pfeifenden Tönen, welche lebhaft an das Gequieke der Ratten erinnern. Jn der Gefangenſchaft beträgt er ſich bald ſehr liebenswürdig und zutraulich. Seine Ernährung macht nicht die geringſten Schwierigkeiten. Er gewöhnt ſich an den Menſchen, iſt gutmüthig, harmlos und verlangt eben keine Abwartung oder Pflege; die Anſiedler ſcheinen ihn und ſeine Verwandten aber mit demſelben Widerwillen anzuſehen, mit welchem wir die Ratten betrachten, und verfolgen alle Bandikuts wo ſie nur können. Hier und da wird behauptet, daß man das Fleiſch dieſer Art eſſen könne, doch widerſprechen dieſer Angabe andere Berichte, und es iſt wohl auch anzunehmen, daß die europäiſchen Pflanzer wenigſtens ein Thier, welches ſie eben Ratte nennen und, wie es ſcheint, von den eigentlichen Ratten gar nicht unterſcheiden, nicht eben ohne Ekel verſpeiſen
dürften. Das Weibchen ſoll mehr als einmal im Jahre drei bis ſechs Junge werfen und dieſe lange Zeit in ſeiner nach hinten geöffneten Taſche herumtragen.
Eine zweite Art der echten Beuteldachſe iſt der ſtreifige Beuteldachs (Perameles fasciata), ein Thier von 12 Zoll Leibes - und 4 Zoll Schwanzlänge, mit großen Ohren und dünn behaartem Schwanze. Die allgemeine Färbung ſeines Pelzes iſt ein Gemiſch von Schwarz und Gelb, und zwar herrſcht das Dunkel auf der Oberſeite und dem Rücken, das Gelb an den Seiten vor. Ueber das Hintertheil verlaufen einige, nicht beſonders ſcharfbegrenzte, dunkle Streifen, zwiſchen denen lichtere Binden hervortreten. Eine dunkle Linie zieht ſich auf der Oberſeite des Schwanzes dahin, deſſen Unterſeite die Färbung des übrigen Körpers hat. Die Kopfgegend und der Vorderrücken, ſo - wie die Füße, ſind leicht mit Grau gemiſcht.
Der geſtreifte Bandikut findet ſich in einem großen Theile des Oſtens und Südens von Auſtra - lien, am meiſten im Jnnern, gewöhnlich auf den ſteinigen Höhenzügen, welche ſich in Auſtralien in ſo großer Ausdehnung finden und wenig beſucht werden. Sein Lauf iſt ſehr ſchnell und ähnelt am meiſten dem des Kaninchens. Die Eingeborenen eſſen ſein Fleiſch. Die Aufbewahrung der ge - tödteten Thiere für unſere Sammlungen ſcheint beſondere Schwierigkeiten zu haben, wenigſtens wird28Die Beuteldachſe.erwähnt, daß das zarte Fell außerordentlich feſt auf dem Fleiſche ſitze und gewöhnlich blos in Stücken abgeſtreift werden könne, — ein Umſtand, welcher dem ſammelnden Forſcher natürlich ſehr hinderlich iſt.
Der Stutzbeutler (Choeropus ecaudatus oder castanotos) bildet eine zweite Sippe der Beutel - dachſe. Er erinnert lebhaft an die kleinen Rohrrüßler, welche wir auf Seite 666 des erſten Bandes kennen gelernt haben. Der ziemlich ſchlanke Leib ruht auf ſehr dünnen und hohen Beinen, deren Hin - terpaar gegen das vordere bedeutend verlängert iſt. Die Schnauze iſt ſpitzig; die Ohren ſind ſehr lang; der Schwanz iſt mittellang und dünn behaart. An den Vorderfüßen finden ſich blos zwei kurze, gleich lange Zehen mit kurzen, aber ſtarken Nägeln; das Hinterpaar hat nur eine einzige große Zehe, neben welcher die übrigen, ſehr verkümmerten liegen. Man hat dieſes merkwürdigen Fußbaues wegen dem Thiere ſeinen griechiſchen Namen gegeben, welcher ſo viel als „ ſchweinefüßig ‟ bedeutet,
obwohl bei Lichte betrachtet, dieſe Aehnlichkeit nur eine geträumte iſt. Auch mit ſeinem Artnamen hat es eine eigenthümliche Bewandtniß. Der Ent - decker unſeres Thierchens, Thomas Mitchell, zog den erſten und einzigen Stutzbeutler, welchen er erbeutete, lebend aus einem hohlen Baume heraus, in welchen ſich derſelbe geflüchtet hatte, und zwar nicht weniger zu ſeinem Erſtaunen, als zur Ver - wunderung der Eingeborenen, welche erklärten, niemals ein ſolches Geſchöpf geſehen zu haben. Am meiſten fiel dem Naturforſcher der Mangel des Schwanzes auf, und deshalb gab er ihm den Artnamen „ Schwanzloſer Schweinefuß ‟. Später nach Europa gekommene Stutzbeutler be - ſaßen aber ſämmtlich Schwänze, und zwar recht hübſche Schwänzchen von fünf Zoll Länge, und es zeigte ſich alſo, daß der erſte Mitbruder, wel - cher in die Hand der Forſcher gekommen war, durch einen unglücklichen Zufall ſeines Schwanzes be - raubt worden war. Gray änderte deshalb den Namen um und naunte das Thierchen nach ſeiner Hauptfärbung „ castanotos ‟ oder kaſtanienfarbig. Doch iſt es nun einmal in der Wiſſenſchaft gebräuchlich, den erſt gegebenen Namen ſo viel als möglich feſtzuhalten, und ſo heißt der betreffende Beutler noch heutzutage der ſchwanzloſe Stutz - beutler oder ſchwanzloſe Schweinefuß.
Unſer Thier erreicht etwa die Größe eines kleinen Kaninchens; ſeine Leibeslänge beträgt etwa 11 Zoll und die des rattenähnlichen Schwanzes 5 Zoll. Der lange, lockere, weiche Pelz iſt auf der Oberſeite braungrau, unten weiß oder gelblichweiß; die großen Ohren ſind mit roſtgelben, gegen die Spitze hin mit ſchwarzen Haaren bedeckt, die Vorderpfoten ſind weißlich, die hinteren blaß - roth; ihre große Zehe iſt ſchmuzigweiß. Der Schwanz iſt oben ſchwarz, an der Spitze und Unter - ſeite aber bräunlichweiß.
So viel man bis jetzt erfahren hat, bewohnt der Stutzbeutler hauptſächlich Neuſüdwales, und zwar die Ufer des Murray. Jene mit dürrem, ſchneidigen Graſe bewachſenen Ebenen bilden ſeine Hauptaufenthaltsorte. Jm Allgemeinen lebt er ganz wie der Beuteldachs. Er baut ſich aber ein ziemlich künſtliches Neſt aus trockenem Graſe und Blättern, unter dichten Sträuchern und Gras -29Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus.büſcheln, möglichſt verdeckt vor den Blicken, ſo daß ſelbſt ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu - finden. Seine Nahrung ſoll ein Gemiſch verſchiedener Pflanzenſtoſſe und Kerbthiere ſein. Genaueres iſt bis jetzt noch nicht über ſeine Lebensweiſe bekannt geworden.
Die vierte Familie enthält eine Reihe merkwürdiger, ſehr verſchieden erſcheinender Thiere, welche man Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus (Phalangista) genannt hat. Der erſte Name dürfte angemeſſener ſein, als die übrigen und die Benennung „ Beutelbilche ‟, welche Einige auf die ganze Familie angewendet wiſſen wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn - chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher - oder tieferſtehende Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere ſind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen erſcheinen. Jhre vorderen und hin - teren Gliedmaßen ſind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote iſt die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel - loſen und gegenſetzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe ſind mit einander verbunden. Der Schwanz iſt gewöhnlich ein Greifſchwanz und als ſolcher oft ſehr lang; bei einer Sippe fehlt er aber gänzlich. Der Kopf iſt kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, geſpalten. Das Weib - chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Taſche. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver - ſchiedenen Sippen begründet iſt, zeigt oben ſechs an Größe ſehr verſchiedene, unten dagegen blos zwei ſehr große Schneidezähne; die Eckzähne ſind ſtumpf oder fehlen ſogar; die Lückzähne ſind ſtummelhaft geworden, die Backzähne endlich, von denen ſich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige Kronen mit verſchiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, ſechs oder ſieben ſind rippenlos. Das Becken beſteht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel ſteigt bis dreißig. Der Magen iſt einfach und drüſenreich und der Blinddarm ganz außerordentlich lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen.
Die Kletterbeutelthiere bewohnen Auſtralien und einige Jnſeln Südaſiens. Sie ſind ſämmtlich Baumthiere und finden ſich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmsweiſe ſteigen einige zur Erde herab, die meiſten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Faſt ſämmtliche Arten ſind Nachtthiere oder ſchlafen wenigſtens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen ſie aus ihren Verſtecken hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: ſelbſt die Arten, welche dem Fuchſe oder entfernt dem Bären ähneln, ſind Pflanzenfreſſer, und wohl nur zu - fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen freſſen Andere blos die jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, ſollen ſich unterirdiſche Baue anlegen und in denſelben während der kalten Jahreszeit ſchlafen. Jn ihren Be - wegungen unterſcheiden ſich die Sippen weſentlich von einander. Die Einen ſind langſam und äußerſt vorſichtig und gehen mehr ſchleichend dahin, die Anderen zeichnen ſich durch Lebendigkeit und Behen - digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif - ſchwanz und die Flughaut deuten ſchon von vornherein auf ſolche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern ſuchen ſie ſich ſämmtlich ſoviel als möglich zu ver - ſichern. Die Mehrzahl lebt geſellig oder hält ſich paarweiſe zuſammen. Einige werfen gewöhnlich zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere ſind ſanfte, harmloſe, furchtſame Geſchöpfe. Wenn ſie verfolgt werden, hängen ſich manche mittelſt des Schwanzes an einen Aſt und verharren lange Zeit regungslos in dieſer Stellung, jedenfalls um ſich dadurch zu verbergen. Hierin zeigt ſich die einzige Spur von Verſtand, welche ſie im Freileben offenbaren. Jn der Gefangenſchaft bekunden ſie zwar zuweilen eine gewiſſe Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die30Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus.meiſten lernen ihn kaum kennen. Bei einiger Pflege halten faſt alle längere Zeit in der Gefangen - ſchaft aus. Jhre Ernährung verurſacht durchaus keine Schwierigkeiten. Einzelne Arten werden, wenn ſie zahlreich in die Pflanzungen einfallen, oft ziemlich ſchädlich, die Anderen nützen durch ihr Fell und ihr Fleiſch, und ſo gleicht ſich der Schaden, den ſie anrichten, durch den Nutzen ſo ziemlich wieder aus.
Als die bewegungsfähigſten Kletterbeutler müſſen wir wohl die Flugbeutelbilche (Belideus) anſehen. Sie zeigen in ihrer Geſtalt eine ſo täuſchende Aehnlichkeit mit den bekannteren Flug - eichhörnchen, daß ſie mit dieſen verwechſelt werden könnten, wenn nicht das Gebiß ſie weſentlich von den Nagern unterſchiede. Die behaarte Flug - oder Flatterhaut an den Seiten des Rumpfes zwiſchen den vorderen und hinteren Gliedmaßen iſt jedenfalls ihr Hauptkennzeichen. Der Körper iſt geſtreckt, der Kopf klein, die Schnauze zugeſpitzt. Die Augen ſind groß und vorſtehend, die auf - rechtgeſtellten Ohren zugeſpitzt. Der ſehr lange Schwanz iſt buſchig, zuweilen auch zweizeilig behaart;
der Pelz iſt weich und fein. Keine Art erreicht zwei Fuß Leibeslänge; die meiſten werden kaum einen Fuß lang. Der Bau des Gebiſſes, der Ohren, der Flughäute und des Schwanzes ordnen ſie noch in kleinere Gruppen.
Als den bekannteſten Flugbeutelbilch darf man wohl das Zuckereichhorn oder das fliegende Eichhorn in Norfolk (Belideus seiureus) betrachten; denn aus dem Namen ſchon geht hervor, daß dieſe Art ein volksthümliches Thier geworden iſt. Man kann nicht leugnen, daß der Name, welchen ihm die erſten Einſiedler gaben, paſſend gewählt iſt, und auch die Wiſſenſchaft hat Dies anerkannt, wie die lateiniſche Benennung beweiſt. Nicht blos in der Geſtalt, ſondern auch in der Größe ähnelt das Thier unſeren Eichkätzchen, noch mehr dem Taguan oder dem ſibiriſchen Flugeichhorn. Der geſtreckte und ſchlanke Leib erſcheint durch die Flughaut, welche ſich zwiſchen beiden Beinen ausſpannt, breiter, als er iſt. Der Hals iſt kurz und ziemlich dick, der flache Kopf endet in eine kurze und ziemlich ſpitze Schnauze; der Schwanz iſt ſehr lang, rundlich und ſchlaff und dabei ſehr buſchig. Die aufrecht -31Das Zuckereichhorn oder das fliegende Eichhorn.ſtehenden Ohren ſind lang, aber ſtumpfſpitzig, die Augen groß und halbkugelförmig vorſtehend. Die Beine ſind kurz, die Zehen des Vorderfußes getrennt, die des Hinterfußes durch faſt vollſtändige Verwachſung der zweiten und dritten Zehe und einen den übrigen Zehen entgegenſetzbaren Daumen aus - gezeichnet. Dieſer Daumen iſt nagellos; alle übrigen Zehen dagegen ſind mit ſichelförmig gekrümmten Krallen verſehen. Das Weibchen beſitzt einen vollſtändigen Beutel. Der Pelz iſt ſehr dicht, außer - ordentlich fein und weich, die Flatterhaut iſt behaart, und nur die Ohren ſind auf der Jnnenſeite nackt, auf der Außenſeite dagegen wenigſtens gegen die Wurzel mit Haaren bedeckt. Die ganze Oberſeite des Leibes iſt aſchgrau, die Flatterhaut außen dunkelnußbraun und weiß eingefaßt, die Unterſeite iſt weiß mit ſchwachgelblichem Anfluge, gegen den Rand der Flatterhaut hin aber bräunlich. Ein roſtbrauner Streifen zieht ſich durch die Augen und verläuft gegen die Ohren hin, ein anderer Streifen läuft über den Naſenrücken, die Stirn und die Mitteklinie des Rückens. Er iſt vorn roſt - braun, auf der Stirn aber lebhaft kaſtanienbraun. Der Schwanz iſt an der Wurzel lichtaſchgrau, an der Spitze aber ſchwarz. 8½ Zoll Leibeslänge, 9 Zoll Schwanzlänge und 3½ Zoll Höhe am Widerriſt ſind die wichtigſten Größen des Thieres.
Man findet das Zuckereichhorn hauptſächlich in Neuſüdwales, auf Neu-Guinea, Norfolk und einigen anderen Eilanden. Es iſt ein echtes Baumthier und, wie die meiſten der ihm ähnlich ge - ſtalteten Geſchöpfe, bei Nacht lebendig. Den ganzen Tag über verbirgt es ſich in den dichteſten Baumkronen, wo es ſich entweder eine Höhlung oder einen Gabelaſt ausſucht und, zu einer Kugel zuſammengerollt und gleichſam in ſeine Flatterhaut eingewickelt, dem Schlafe hingibt. Mit der Nacht beginnt ſeine Thätigkeit. Dann klettert es ganz mit der Gewandtheit eines Eichhorns auf den Bäu - men umher und zwar immer von unten nach oben; denn von oben nach unten zu ſpringt es mit Hilfe ſeiner Flatterhaut, welche es wie einen Fallſchirm ausbreitet. Bei Tage erkennt man das Thier, wel - ches man während der Nacht beobachtete, nicht wieder. Es ſcheint eher ein lebloſes Weſen zu ſein, als der behende Baumbewohner. Mürriſch und lichtſcheu ſchläft es faſt den ganzen Tag; nur gelegent - lich wacht es auf, um Etwas zu freſſen; wankend, unſicher bewegt es die Glieder, und ängſtlich meidet es die Strahlen des ihm verhaßten, allbelebenden Lichts. Ganz anders zeigt es ſich in einer jener klaren, zaubervollen Mondnächte ſeiner Heimat. Das Auge folgt überraſcht ſeinem Treiben. Alle Bewe - gungen ſind jetzt ebenſo lebhaft, behend und gewandt, wie die des übermüthigſten Affen, wie die des erregteſten Eichhorns. Nur auf dem Boden iſt es ziemlich tölpiſch und ſchwankt hier unſicheren Schrittes dahin: aber es betritt die ihm faſt feindliche Erde auch nur in der höchſten Noth, blos dann, wenn die Bäume gar zu weit von einander ſtehen, ſo weit, daß nicht einmal ſeine Flughaut die Brücke bilden kann. Es iſt im Stande, außerordentlich weite Sprünge auszuführen und dabei die Richtung beliebig zu ändern. Schon wenn es aus einer Höhe von dreißig Fuß abſpringen kann, iſt es fähig, einen achtzig bis neunzig Fuß von ihm entfernten Baum zu erreichen. Aber es leiſtet noch ganz andere Proben ſeiner Geſchicklichkeit. Am Bord eines an der Küſte Neuhollands ſegelnden Schiffes befand ſich ein Flugbeutler, welcher bereits ſo gezähmt war, daß man ihm geſtatten durfte, frei auf dem Schiffe herum zu laufen. Das muntere Geſchöpf, die Freude der ganzen Schiffsmann - ſchaft, war hier ſo vertraut geworden, daß es bald auf den höchſten Maſtſpitzen, bald unten im Raum geſehen werden konnte. Eines Tages kletterte es bei heftigem Wehen nach ſeinem Lieblingsplatze, der Maſtſpitze, empor; aber man beſorgte, daß es während eines ſeiner Sprünge vom Sturme erfaßt un