Als Manuſcript gedruckt.
Druck von F. Stahl in München.
ihre Kinder.
Marian wo iſt mein Fruhſtuck?
s’ Fruhſtuck? Da ſchneid’ Dir ein Stück’l Brod vom halben Wecken ab. Sonſt hab’n wir nix. Unſer Kuh giebt kein Milch mehr, weil’s zu wenig Futter hat.
Und ich ſoll hungrig arbeiten? Das iſt nit zum verlangen.
So gib mir a par Kreuzer, damit ich was zum Eſſen kauf.
Hab nix; krieg erſt am Samſtag mein’ lumpi - gen Wochenlohn vom Förſter für die Holzarbeit.
Ja ich weiß ſchon; für mich haſt nie a Geld,1*4aber zum Branntwein für Dich — da iſt immer was in Deim ledernen Beutel.
Halt’s Maul, Weib, oder ich ſieh’ Dich für ein’ Baumſtamm an und ſchlag drein.
Bin ohnehin beinah ſchon einer; denn vor lauter Noth und Sorg bin ich wie eine alte Rinden word’n.
Biſt aber doch kein’ Batzen werth; da iſt mir ein Eichſtumpen lieber.
Geh weiter und hör auf mit Deine Spaſſetteln; denk an die Kinder; wenn’s jetzt aufſteh’n hab’ns kaum a bißl trockens Brod.
Haſt Recht, Marianl! was fangen wir mit ihnen an? Um die Armuth iſt’s ſchon ein rechts Elend, Seit unſer Häusl abbrennt iſt, ſind mir halt z’Grund g’richte Leut. — Weißt was? verkaufen wir unſer letzt’s — die Kuh, eh’s uns gar verhungert, denn Gras hab’n wir ja keins mehr.
Geſtern hab’ ich das letzte Fleck’l abg’mäht; ſchau5 Du, daß’ d’ en Käufer findſt, vielleicht kann’s der Waldnazi brauchen, dem iſt die ſeinige die vorig’ Wochen verreckt.
Jch geh a ſo vorbei am Häusl, da probir ich’s, b’hüt Gott.
Er geht und ich muß da bleib’n bei die armen Schnecken.
Mutter, was z’Eſſen!
Da habn wirs ſchon! die ſchreien und ich hab nix als a winzigs Stückl altbachens Brod. Wart’s nur ich komm gleich! — Jch weiß mir nit anders z’helfen als daß ich’s in Wald nausſchick zum Beeren brocken. Unſer lieber Herrgott wird’s doch nit ver - hungern laſſen.
Mutter uns hungert!
Ja, ich glaub’s ſchon, lieben Kinder! aber ich hab’ nix als die alte Brodrinden da.
Da müß’n mir ja verhungern!
Für was biſt denn Mutter, wenn’ſt uns nix z’ eſſen gibſt?
Wenn i halt nix hab.
Aber weil’s d’ Mutter biſt, ſollſt was haben.
Seids nur ſtill, der Vater iſt grad fort und holt im Dorf was. Bis er wieder heimkommt geht’s in Wald ’naus und brockts euch Beeren. Die ſind g’ſund für euch.
Das gſunde Eſſen haben wir alle Tag; wir möchten amal was anders. Zuletzt werden wir noch Vögel, weil wir nix als Waldbeerln eſſen.
Sei nit ſo naſenweiß, Hansl oder Du kriegſt noch was anders mit.
Nix z’ eſſen und Schläg auch noch, das wär doch gar z’ arg.
Geht’s nur, ſeids brav. Vielleicht ſchenkt euch Jemand an Kreuzer.
Ja, da drauſſen im Wald, da gibts keine Leut, die eim’ Kreuzer ſchenken.
Haſen und Füchs die tragen kein Geld im Sack.
So — ſo — geht’s nur Kinder. Mittag kommt’s wieder heim. Derweil hat der Vater was bracht.
Wir kommen halt amal verhungert nach Haus.
Ja, ſo wird’s kommen, Mutter, wenn’s draußen nix z’ eſſen gibt.
Gott lob, daß ich’s naus bracht hab. Die armen, armen Dinger! O mein Gott. verlaß uns nit! — Jch will jetzt a bißl umanand ſchau’n, vielleicht ſind ich Schwammerling, daß wir doch a bißl was krieg’n.
Niemand z’ Haus? keine Madame, kein Mo - sieur? — Da iſt’s nix, jetzt muß ich’s wo anders probiren.
Niemand z’ Haus? ein armer reiſender Handwerksburſch bitt’ um ein’ Kreuzer oder a par Gulden thät’ns auch. Da is’ wieder nix, jetzt muß ich’s wieder wo anders probirn.
Niemand z’ Haus? — Ja wenn gar Niemand da iſt, nachher muß ich ſelber herein.
Dieſes Haus ſcheint kein Wirthshaus zu ſein, denn ich finde keinen Gegenſtand, der es dazu quali - flixiren könnte. Erſtens: wo iſt die Kellnerin? Zweitens: wo ſind die Halbe - oder Maßkrügeln? Drittens: wo iſt Etwas, das wie ein Bierfaß ausſieht? Mir ſcheint hier hat die Familie „ Noth und Elend ‟ logirt und die iſt aus lauter Noth und Elend auf Michaeli auszogen; denn Georgi iſt ſchon lang vorbei.
Heda, Wirthshaus! Schlipperment noch amal, ich will was z’ Eſſen und z’ Trinken, wenn’s nix koſt, und wenn’s was koſt, ſo will i aber nix zahlen, denn’s zahlen iſt nimmer Mod, aber’s Schul -9 denmachen. Meine Schneiderſeele verlangt nach Nahr - ung! Ein Schneidergeſell ſoll und kann und darf nicht Hunger leiden, denn ſeinen eigenen Magen kann er ſich nicht zunähen. — — Schlippermert! Wirthshaus! Bauer! Bäuerin! wer da iſt, ’raus aus der Kammer oder ich zünd die Hütt’n an! — — Schauderhaft! Spectaculos! Kein Menſch, kein Bratl, kein Bier — gar nix als die Mutterſeelen - alleinſamkeit! was fang ich jetzt an mit meinem Hunger?
Auch dieſes melodiſche Lied ſcheint Niemanden herbeigelockt zu haben.
Ah! Da iſt ja doch ein Weſen irdiſcher Be - ſtimmung! Aber ein Kalbsbratl auf’n Tiſch wär mir lieber als die Kuh vorm Haus drauſſen. — Jetzt bin ich ganz caput. Jch leg mich da a bißl auf’n Boden hin und will’s ſchlafen probiren. Derweil kann hinter meinem Rücken der Hunger mein’ Durſt freſſen und der Durſt mein’ Hunger trinken.
Grethl! wo ſind wir denn jetzt?
Jch weiß nit, Hansl. Jch glaub, wir hab’n uns vergangen.
Da waren wir ja noch nie im Wald.
Schau, da iſt ja gar ein Häusl!
Aber das iſt g’ſcheid! Da krieg’n wir vielleicht was z’ eſſen.
Klopf a mal an der Thür oder läut an.
Wer läutet? Wer iſt drauſſen?
Zwei arme Kinder, die hungrig ſind. Jch bitt euch macht nur auf geſchwind.
Ja, wie habt denn ihr daher gefunden?
Der Hunger hat uns hergetrieben, Sonſt wären wir zu Haus geblieben.
O ihr armen Dinger! wartet, ich komme hinaus.
Das ſcheint mir eine gute Frau zu ſein.
Juhe! jetzt krieg’n wir was.
Das iſt ja erſtaunlich, daß ihr daher gefunden habt in dieſe Einſamkeit.
Wir haben Beeren gebrockt und da ſind wir von einem Strauch zum andern ſo fort gezappelt, bis wir daher kommen ſind.
Das war grad nicht euer Glück, liebe Kinder.
Nicht unſer Glück? — wenn wir arme Kinder was zu Eſſen kriegen? wir bitten gar ſchön.
Jhr ſollt was Gutes bekommen; aber nachher werdet ihr ſelber gegeſſen.
Oho! wer wird denn Kinder eſſen?
Hört Kinder: in dem Häuschen wohnt der Herr Profeſſor Fleiſchmann; der iſt ein gelehrter Natur - forſcher und hat ſich deshalb in die Waldeinſamkeit zurückgezogen, nebenbei iſt er aber auch Menſchenfreſſer.
O weh, o weh! Da laufen wir wieder fort.
Das würde euch nichts mehr helfen; denn zu dieſer Stunde kömmt der Herr Profeſſor von ſeinem Spaziergange gewöhnlich nach Haus und da könntet ihr ihm gerade in den Weg laufen und ihr wäret dann verloren. Jch bin aber eine mitleidige Seele, bleibt alſo da, ich will euch was zu eſſen geben, und dann verſtecken; während der Herr Profeſſor ſein Mittagsſchläfchen macht, könnt ihr ſtill wieder aus dem Hauſe kommen. Alſo ſchnell herein!
Wir bitten gar ſchön, gute Frau!
Gebt uns was und nachher helft uns wieder hinaus.
Aber — wie iſt mir? Der Duft dieſer Wald - ſpireen und Wachholder ſcheint mir etwas durch Menſchenfleiſchgeruch alterirt zu ſein. Jch wittre etwas mehr als die gewohnte Hautausdünſtung meiner Haushälterin Katharine.
Nein, nein! Jch wittre friſch angelangtes Menſchenfleiſch! welch behaglicher Duft!
Ganz friſches junges Fleiſch muß das ſein! Kathrine, Kathrine! kommen Sie ſchnell heraus! — Ah, vortrefflich! 15Da gibt es wieder einmal zufällig einen guten Biſſen.
Was befehlen Herr Profeſſor?
So wahr ich Fleiſchmann heiße — ich wittre Menſchenfleiſch. Was gibts da? Sprechen Sie, Ka - tharine, reden Sie!
Jch wüßte nicht — —
Die Wahrheit! keine Flauſen! Es muß Je - mand in der Nähe ſein.
Sie irren Herr Profeſſor!
Ein Profeſſor irrt nie, deßwegen heißt und iſt er Profeſſor.
Wenn Sie nicht die Wahrheit ſprechen! Kathrine, Kathrine! — Sollte Sie Jhr ſanftes Gemüth wieder veranlaſſen, mir einen guten Braten vorzuenthalten? Weh Jhnen, wenn es ſo wäre! Sie wiſſen, daß ich Sie ſtets mit der zarte - ſten Rückſicht behandelt habe. Trotz des großen Ap - petits, den ich nicht ſelten verſpürt habe, Sie ſelbſt16 anzubeißen, habe ich es bisher ſtets unterlaſſen, weil Sie mir zu meinem Hausweſen nothwendig ſind. Aber, wenn Sie mich durch unzeitiges, ungeeignetes Benehmen allzuſehr zum Zorne reizen ſollten, ſo könnte ich nicht für mich gut ſtehen und — der gütige Himmel weiß — was dann geſchehen könnte. Es wäre fürchterlich, wenn ich mich an Jhnen ver - greifen müßte, um meinen antropophagiſchen Ten - denzen Genüge zu leiſten.
Aber ich bitte Sie, Herr Profeſſor!
Bitten Sie nicht; ſprechen Sie die Wahrheit! Es iſt Menſchenfleiſch in der Nähe! wo? wie? wer? heraus damit oder ich beiße Sie an! denn ich bin zu aufgeregt und kann mich nicht mehr zurückhalten.
Weh mir, ich bin verloren!
Gnade, Herr Profeſſor! Jch muß ſchon geſtehen, daß ich zwei arme Kinder beherbergt habe, die ſich hieher verirrt hatten; allein ſie ſind vor Hunger ſo mager, daß kein guter Biſſen an ihnen iſt.
Jhr Glück iſt’s, Kathrine, daß Sie die Wahrheit17 geſagt haben. — Vortrefflich, wenn die Kinder auch mager ſind, ſo können ſie durch gute Behandlung und zweckmäſſige Fütterung ganz geeignet werden, meinem Appetit als normale Speiſe zu dienen.
Führen Sie mich zu den lieben Kleinen, Kathrine. Jch will ſie in Augenſchein nehmen. Aber ſprechen Sie ihnen nicht von meinen Abſichten. Vor der Hand ſollen ſie gut genährt werden und ich will ihnen Unterricht in den Elementargegenſtänden er - theilen. Kommen Sie!
Noch iſt nicht Alles verloren.
Von einem Ort zum Andern
Muß der Schneider wandern — heißt’s in meim Handwerksgeſellenbüchl. Das iſt aber miſerabel. Jn dem Holzhauerhäusl hab ich nix kriegt als Grob - heiten, wie der Kerl nach Haus kommen iſt. „ Was? hat er g’ſagt — Handwerksburſchen auch & q; noch! und wir hab’n ſelber nix z’ freſſen. Naus & q; da, hat er g’ſagt, oder ich zeig ihm den Weg, & q; elendiger Schneidergſell! ‟ Dieſe unzarten Ver -218ſicherungen von Seite eines ungebildeten Holzhauers, der von meiner nähern Bekanntſchaft Umgang nehmen wollte, veranlaßte mich ſein Dach zu meiden. Jch zog waldeinwärts, wo ich glücklicherweiſe einem Eich - katzl begegnete, welches mich um Ausbeſſerung ſeiner zeriſſenen Beinkleider erſuchte. Es iſt ſehr erklärlich, daß ein Eichkatzl durch das ewige Baum auf - und abkraxeln ſich die Hoſen zerreißt. Obſchon die hungrige Kuh des hungrigen Holzhackers mein Gſel - lenranzl, während ich g’ſchlafen hab, ganz und gar mit Stumpf und Stiel aufgefreſſen hat, blieb glück - licherweiſe mein Packl engliſcher Nähnadeln und der Fingerhut noch übrig, auch etwas Zwirn. Mit dieſen Gegenſtänden war ich im Stande, dem Eich - katzl ſeine Hoſen zu flicken. Es ſchied dankbar von mir, drückte mir eine Haſelnuß in die Hand und verſchwand in einem kühnen Sprung hinter den Buchen. Aber wo bin ich den jetzt hingerathen? Obſchon in nächtliches Dunkel gehüllt, zeigt mir die Dekoration dort hinten ein Haus, welches zart vom Mondſchein, der nicht im Kalender ſteht, beleuch - tet iſt.
Kasperl, probiers halt wieder! vielleicht findſt du freundlichere Aufnahme.
Wer iſt da?
Bitt gar ſchön, ein wandernder Schneiderg’ſell; bitt gar ſchön, an Kreuzer Almoſen oder was z’ eſſen. Ein Stückl Brod und a Dutzend Bratwürſteln, mehr verlang ich nit. Bitt gar ſchön und a guts Bett mit einer Couvertdecken und a par Maßl Bier, wenns möglich wär!
Bravo, bravo! nur herein da, guter Freund! Jhr ſeid mir willkommen; könnt mir meine Garde - robe etwas in Stand ſetzen und dann gibts einen guten Biſſen.
Juhe! einen guten Biſſen. Juhe! laßt mich nur hinein.
Ende des erſten Aufzuges.
So, liebe Kinder, da bring ich euch euer Futter. Gute Spatzeln in der Milch.
Warum denn ſchon wieder Spatzeln? die hab’n wir erſt geſtern g’habt; da müßt ja Einer ſelber a Spatz werden. Und hör’ns amal, Mamſell Kathrin, da herin halt ich’s nimmer lang aus.
Nur Geduld, Schneidergeſell, ich glaub, daß euch der Herr Profeſſor heut ein wenig herauslaßt.
Ach liebe Kathrine! ihr habt uns ja verſprochen, daß wir heimlich davon laufen dürfen.
Jch bin ſchon ganz ſteif geworden. Jch möcht’ hinaus.
Nur ſtill, Kinder, daß der Herr Profeſſor nichts merkt. Jch muß den rechten Augenblick abpaſſen, wenn er einmal eine Flaſche zu viel getrunken hat; dann ſchläft er beſſer.
Was hör’ ich da vom trinken? Gebt’s mir auch a par Flaſchen. Es iſt eine wahre Schand, daß man bei euch nix als Waſſer kriegt, das bin ich gar nit g’wohnt. Ueberhaupt das Einſperren da iſt eine Dummheit und kein Menſch weiß warum. Dem Herrn Profeſſor ſeinen zerlumpten ſchwarzen Frack hab ich zuſammen g’flickt und jetzt möcht ich mein Bezahlung und nachher wandr’ ich wieder weiter.
Der Herr Profeſſor hat euch ja ſchon geſagt, warum er euch eingeſperrt hält. Das gehört zu ſeinem Studium. Von Zeit zu Zeit werdet ihr ge - wogen, damit er ſtudieren kann, um wie viel die Speiſen den menſchlichen Körper ſchwerer machen.
Schlipperment, ich bin kein Ochs, den man mäſten23 muß für den Metzger. Jetzt hab ich’s bald ſatt das Traktament.
Ruhig Schneider, ſonſt wird der Herr Profeſſor bös und wir kriegen alle Schläg.
Nachher geht’s in Ein’m hin.
Ruhig, ſag ich — da kommt der Herr Doktor ſelbſt.
Was iſt da wieder für ein Spektakel? Wird wohl dieſer Schneider Ruhe geben? oder ich werde ihn Manier lehren.
Jhr lieben Kleinen, wie geht’s euch denn? Seid ihr doch bei Appettit? ſchmeckt euch das Eſſen? — Kathrine, Sie haben doch ordentlich gefüttert?
Wie Sie befohlen haben, Herr Doktor.
Laßt einmal ſehen, Kinderchen: Streckt die Finger heraus, damit ich ſie befühlen kann.
Nun ganz paſſabel; aber noch nicht genug zu meinem anatomiſchen Experimente.
Acht Tage noch — und ſie ſind fertig! —
Und was macht den Monſieur Schneider - geſelle.
Nichts macht er, wann Sie’s wiſſen wollen. Aber hören’s Herr Profeſſor ’s iſt Zeit, daß S’ mich rauslaſſen aus der Steigen. Jetzt hock ich ſchon 8 Tag lang herin. So lang ich Jhre Kleiderfetzen z’ſamgericht hab, da hat’s es noch gethan, denn wir Schneider ſind an die eingeſchränkte Poſitur gewohnt; aber jetzt möcht ich ’raus; verſtanden, Herr Profeſ - ſor? Ja ſind mir auch ein rechter Profeſſor — Sie! —
Ruhig Schneider.
Jch muß den Kerl etwas kirre machen, er könnte mir endlich den Käfig zer - brechen in ſeinem Unmuth.
Nun weiß er was, Schneider? wenn er ſich ordentlich benimmt, darf er mit mir eine Flaſche ausſtechen.
Ausſtechen? — was iſt das wieder für a ge -25 gelehrte Dummheit. Wiſſen Sie was? Sie können ausſtechen; aber ich thu’ ausſaufen.
Schon gut, ſchon gut. Kathrine, bringen Sie ein par Flaſchen in mein Studierzimmer hinaus.
So — jetzt heraus Schneider!
Juhe!
Potz Blitz! ſei er nicht ſo heftig!
Wenn man an Vogel aus’m Käfig laßt, ſo fliegt er davon, und ich ſollt kein Sprung machen bei der Gelegenheit?
Der Burſch iſt ja hübſch fett geworden; vor - trefflich! — Jch werde ihn betrunken machen, dann durch eine Jnciſion ſeciren, hierauf anatomiſiren, um zu erfahren, wie die Jnteſtina eines Schneiders beſchaffen ſind, dann werd’ ich ihn ſchnabuliren und ſchließlich hoffentlich digeriren.
Laſſen’s uns auch heraus; uns auch heraus - laſſen, Her Profeſſor! wir bitten.
Jetzt nicht, aber ſpäter dürft ihr etwas an die Luft.
So — Monſieur Kasperl: nun komm’ Er mit mir in mein Studierzimmer; da wollen wir gemüthlich Eins zuſammen trinken.
Bravo, das laß ich mir gefallen, Herr Profeſſor, wenn Sie ſo was dociren. Jetzt wollen wir zu - ſammen Eins ſtudieren.
Wenn nur die Kathrin käm. Vielleicht wär’s bald Zeit.
Halt dich nur ruhig, Grethl.
O mein Gott! was werden Vater und Mutter für eine Angſt um uns ausſtehen! Jetzt ſind wir ſchon acht Tag aus ’m Haus, und ſie wiſſen nit, was mit uns g’ſchehn iſt!
Juhe! vivat hoch!
Hörſt’n Schneider drauſſen?
Ja wenn nur der Profeſſor auch recht viel trinkt, damit er einſchlaft und wir fortkönnen.
Still, da kommt er wieder.
Der Burſche iſt ſchon toll und voll. Mittler - weile hole ich mein großes Secirmeſſer. Ha, ha, ha — einen Schneider habe ich noch nicht verſchna - bulirt, der muß wohl eigenthümlich ſchmecken! — Es iſt doch etwas Großes um die Naturwiſſenſchaften! Sie ſind es eigentlich, die uns am Gründlichſten auf den Realismus hinweiſen. Jnſoferne nämlich die Philoſophie den Geiſt in die Höhen und Tiefen eines potenzirten Jdealismus führt, wodurch wir den realen Boden, die phyſiſche Baſis, verlieren, ſonach unſere Forſchungen unhaltbar werden, indem ſie ſich in Hy - potheſen labyrintiſch verirren, iſt es andererſeits die die Naturwiſſenſchaft, deren Studium am Objekte ohne Hypertendenz feſthält. Wie können nicht irren! Die Wirklichkeit feſſelt unſere Beobachtung und28 läßt uns nicht transcendental umherſchweifen. Wir bleiben an und in dem Gegenſtande! Das Reale täuſcht nicht und während der Jdealismus in der Schwebe agirt und vagirt, folgen wir Realiſten den Andeutungen des Seciermeſſers oder des Micros - copes. Allein ſelbſt dieſe Mittel zur Forſchung genügten mir nicht mehr und ich bin durch meine unabläſſigen Studien dahin gelangt zu ergründen, daß die Summe aller wiſſenſchaftlichen Forſchungen im Betreffe des menſchlichen Körpers nur darin gefunden werden kann, wenn man den Menſchen ſelbſt ißt, inſoferne dadurch die Jncorporation und Amalgamirung der realen Eſſenz am deutlichſten und auf einfachſtem chemiſchem Reductionswege bewerk - ſtelligt wird. — Aber ſieh’ da! ich vergeſſe mich in meinen Betrachtungen — der Wein hat wohlthätig auf meine Organe gewirkt — ich fühle, wie ich all - mählig durchdrungen werde, von der realen Wirkung des Getränkes, — meine Sinne wurden ſanft be - rührt und neigen ſich der ſtagnirenden Tendenz des Fluidums, —
ich fühle — ich empfinde — ich — ich — o Wiſſen — ſchaft — — —
Holla! wo iſt denn der Pro — pro — pro - fiſor?
Lirum, larum, Löffelſtiel
Wer zu viel trinkt, hat zu viel —
Juhe! Das iſt mein Element! — Juhe!
Da liegen ſie! alle zwei haben genug.
Sie ſchlafen feſt — Kinder, jetzt will ich’s wagen, aber ich gehe mit euch, denn dieſem ſchändlichen Men - ſchen will ich nicht länger dienen.
Gott ſei Dank! Jetzt ſind wir frei!
Nur ſchnell fort! ich denke, daß wir einen Vor - ſprung gewinnen und in Sicherheit ſind, ehe uns der Profeſſor wieder einholt, wenn er uns verfolgen ſollte. — Kommt Kinder!
Wieder nichts g’funden! o mein Gott im Himmel!
Heut ſind’s grad 8 Tag und keine Spur von ihnen!
Die armen, armen Kinder! vielleicht hat’s der Wolf g’freſſen! — Da biſt Du dran Schuld! Hättſt Du mir was gegeben, ſo hätt’ ich ihnen kochen können und ſie hätten ſich nit aus Hunger im Wald verlaufen.
Hab’ ich Dir nit g’ſagt, daß ich die Kuh ver - kaufen will? hab ich’s Dir’s denn g’ſchafft, daß Du die Kinder allein in Wald ’nausſchickeſt? Du biſt dran ſchuld, nit ich!
Meinetwegen ich oder Du! verloren ſinds, —31 verloren ſind’s amal! es iſt erſchrecklich; jetzt hab’n mir keine Kinder mehr und haben 25 Gulden für die Kuh kriegt, und Du haſt dein Wochenlohn eingenommnen. Jetzt könnt’ ich ihnen was Guts kochen und derweil ſinds verhungert!
Unſer lieber Herrgott lebt auch noch. Viel - leicht haben’s doch wo an Unterſchluf g’funden. Wir geh’n halt nacher wieder zum Suchen aus und ich lauf in die Stadt und gib’s bei der Polizei an.
Ja, nachher iſt’s gwiß nix, wenn’ſt’s auf der Polizei angibſt; die weiß gar nix.
Wer klopft denn? herein, wenn’s was Gut’s iſt!
Guten Tag, liebe Leute.
Grüß’n Herrn Gott. Wem hab ich die Ehre?
Jch bin der Gerichtsdiener Schnauzbart und be - ſinde mich in Amtsgeſchäften in dieſer Gegend.
Aber was wollt’s denn amtiren in dem einſamen Wald? Gottlob, bei uns gibts keine Spitzbub’n und keine Rauba.
Das hohe Amt und ich, deſſen Bote — wir wiſſen ſehr wohl, daß es in dieſem Walde keine Spitzbuben und Räuber gibt — Dank unſerer weiſen Fürſorge; allein man iſt dennoch einem fürchterlichen Weſen auf der Spur.
Da wiſſen wir nichts davon.
Möglich — aber dem hochweiſen Amte und mir, deſſen Boten, iſt Nichts unbekannt. Es ſcheint mir oder vielmehr ich weiß es, daß ihr ehrliche Leute ſeid; alſo hört: Es iſt dem hochweiſen Amte durch ein Frauenzimmer angezeigt worden, daß in dieſem Walde an einem ſehr verborgenen Orte ein Häus - lein ſteht, in welchem ein gelehrter Profeſſor logirt, der neben ſeinem Studium die ſonderbare Gewohn - heit hat, Menſchen zu freſſen.
Gott im Himmel, der hat unſre Kinder g’freſſen!
Auweh, auweh! das Unglück!
Jnſoferne ihr Kinder habet und dieſe Kinder be - ſagtem verdächtigem Jndividuum zu Handen gekom - men ſind, iſt wohl an deren geſetzwidriger Ver - ſchlingung ſchwerlich zu zweifeln. Kurz! — ob be - ſagte eure angeblichen Kinder gefreſſen ſind oder nicht — die erwähnte Weibsperſon, welche bei dem Profeſſor in Dienſten geſtanden und die Anzeige gemacht hat, wurde von dem hochweiſen Gerichte allſogleich incar - cerirt und ich wurde mit einigen Stadtſoldaten aus - geſchickt, um Spähe zu treffen und möglichſt eine geeignete Arretirung vorzunehmen.
Aber ſag’n S’ mir doch, Herr Gerichtsdiener, wa - rum haben’s denn das Weibsbild nit mitgnommen? die hätt’ Jhnen ja am beſten gleich den Weg zum verdächtigen Häusl zeigen können.
Daran hat das hochweiſe Amt nicht gedacht und auch mir iſt dieſe ſpitzfindige Maßregel nicht einge - fallen; allein trotzdem wird die Entdeckung vor ſich gehen; denn die Unterſuchung iſt bereits eingeleitet334und das Protokoll eröffnet. Da ihr nun als Holz - hauer in dieſem Walde bekannt ſein müßt, ſo fordere ich euch auf, mich auf meinem Streifzuge zu be - gleiten.
Da bin ich gleich dabei. Jch hab auch ſchon a mal ſo was g’hört, daß ganz hinten im Schwarz - eckerforſt ein Einſiedlerhäusl ſteht; aber die Leut hab’n immer g’ſagt, es iſt nit recht ſauber dort und da hat ſich Niemand hintraut.
Dieſem Umſtande gemäß könnte man die Spur finden. Wie weit iſt ungefähr in jene Gegend?
So a 2 bis 3 Stunden braucht man halt bis an’s Schwarzeck und’s Häusl wird nacher bald g’funden ſein.
Gut — alſo treten wir den Weg an. Jhr geht voran, eine Viertelſtunde hinter euch will ich geh’n, damit ich euch nicht aus den Augen verliere; um mich vertheilt marſchirt dann die Mannſchaft.
Jch nimm aber meine Holzaxt mit, und wenn35 ich den Kerl find, nachher ſchlag ich ihm gleich ſein’ Profeſſorſchädl ein.
Alles nach Umſtänden, — alſo fort!
B’hüt Gott Marianl! vielleicht find ich bei der Gelegenheit unſern Hansl und unſer Grethl!
Will’s Gott! — wenn’s nur nit ſchon g’freſſen ſind von dem Wüthrich!
Aber nur vorſichtig, lieber Mann, damit uns nicht ſelbſt ein Unglück zuſtoßt! So ein Streifzug hat im - mer Etwas Gefährliches an ſich. — Langſam, aber ſicher alſo! —
Hansl, ich kann nicht mehr! ich bin todt müd!
Grethl, mir thun auch die Füſſe weh vom Laufen.
Sieh! dort ſcheint der Mond auf eine Felſen - höhle; da ſchlüpfen wir hinein und können verſteckt ausruh’n.
Haſt Du’s gehört, wie der böſe Profeſſor uns nachgelaufen iſt und immer geſchrieen hat; „ halt! halt, Kinder! ‟ —?
Ja, aber wir ſind beſſer gelaufen, als er mit ſeinem dicken Bauch!
Komm, ſchnell! Dorthinein!
Potz Element! — gerade war noch heller Mond - ſchein; da wird’s auf einmal dunkel und ich ſtolpere über einen Stein. Die Kinder hab’ ich aus dem Geſicht verloren. Verfluchte Geſchichte! Der Henker hole den Schneidergeſellen! Der iſt mir auch ausge - kommen; Und die Kinder waren ſchon ſo hübſch her - ausgefüttert! Der vermaledeite gute Wein! — Auch die Kathrine iſt mir durchgegangen! — Alles geht mir der Quere! — Müd bin ich wie ein alter Poſt - gaul; was iſt zu machen als hier ein Bischen ruhen? Dort ſehe ich einen Hügel im Halbdunkel. Jch will mich niederlegen und ein wenig ſchlafen.
Tauſendſchlipperment, das war aber eine Hetz! Wie der Profeſſor ſein Rauſch ausg’ſchlafen hat und ich den meinigen und wir ſo aufenand g’legen ſind,39 das heißt, er unter mir und ich auf ihm, da ſind wir gleich umanand kugelt; er hat mich packen wol - len, aber ich hab’n beim Gnack g’habt; endlich ſpring ich auf und zum Fenſter naus, er will nach, fallt aber auf d’ Naſen; ich voraus im Wald hinaus, er nach; ich kraxl gleich auf an Baum, daß er mich nimmer ſieht; er ſtolpert wüthend fort und will die zwei Kinder fangen, ich nach und will’n bei der Hoſen packen; pumps dich, liegen wir alle zwei auf der Naſen; unterdeſſen hat ſich eine ſolche Monds - finſterniß eingſtellt, daß keiner nicht einmal ſeine verkehrte Seiten gſeh’n hat; — jetzt bin ich da — und —
potz Schlip - perement, da oben liegt er ja wieder und ſchlaft! Jetzt könnt ich’n erwiſchen den abſcheulichen Men - ſchenfreſſer. Nadel und Faden hab’ ich bei mir, ich näh ihm in der Mondbeleuchtung ſein Hoſen z’ſamm, daß er d’ Füß nimmer rühren kann, nacher kann er uns nimmer auskommen.
So jetzt ſteh auf, wenn’ſt kannſt? — Jch verſteck mich derweil in das Felſenloch da unten.
Wer hat mich da an den Beinen gekitzelt?
40Potz Tauſend! ich kann mich ja nicht rühren! —
Sind mir den die Füſſe zuſammengewachſen? Das iſt ein infamer Streich! Jch kann nicht ſtehen, ich kann nicht gehen; was ſoll da mit mir geſchehen?
Nur langſam, langſam! wir ſind auf der Spur! vorſichtig!
Um Gotteswillen! dort liegt er, ganz nach der amtlichen Perſonalbeſchreibung, wenn mich das Mondlicht nicht täuſcht! Jch muß mich verſtecken, um meine Beobachtungen ohne Ge - fahr fortſetzen zu können, bis die Mannſchaft nach - kömmt.
Holla, wo ſeid ihr Herr Gerichtsdiener?
Ach helft mir auf die Beine, lieber Mann! Jch weiß nicht, wie mir geſchehen iſt; ich kann nicht gehen. Jch belohne euch königlich, wenn ihr mir auf die Beine helft.
Wer ſeid ihr denn da oben?
Jch bin Profeſſor Fleiſchmann, Privatgelehrter41 und Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften, Naturforſcher und Doktor der Philoſophie.
So? ihr ſeid der Halunk, der meine Kinder g’freſſen hat? Wart, ich will Dir gleich helfen.
So — ſo — ſo — einmal — zweimal — dreimal!
Hülfe, Hülfe! ich bin verloren.
Pumps, pumps, pumps! So — jetzt könnt’s genug ſein!
Was iſt das für ein Mordſpektakel?
Jch hab’n todt gſchlag’n mit meim Hackel.
Alſo keine Gefahr mehr?
Aus iſt’s mit ihm.
So hat die Gerechtigkeit geſiegt und der Umſicht42 der Behörden iſt es gelungen, einen Verbrecher un - ſchädlich zu machen.
Da iſt auch noch Einer, wenn’s erlaubt iſt!
Jch hab ja ’n Vater ſein Stimm g’hört.
Vater, Vater — da ſind wir ja wieder bei - ſammen!
Gott ſei’s gedankt! meine lieben Fratzen! Jetzt iſt Alles wieder gut.
Ende des Stückes.
ſeine Tochter.
ſein Knappe.
eine Hexe.
Köhler, ihr Sohn.
Der Beſchreibung nach, die man mir machte, muß jenes Schloß dort Hoheneck ſein, wo die ſchöne aber ſo ſtolze Hildegardis mit ihrem Vater dem Ritter Kuno hauſt.
Mir wär’s recht; denn der Gſpaß dauert mir ſchon lang z’ lang, daß wir ſchon ſechs Wochen und a halbs Jahr dazu als Hungerleider rumziehen und das Schloß ſuchen. Und Sie — Sie wollen gar a fahrender Ritter heißen und laufen alleweil z’ Fuß umenand. Was en ordentlicher fahrender Ritter iſt, der ſoll eine Eklipage haben und in einer Kutſchenchaiſen ſitzen, ſonſt kann er ſich nicht fahren -46 der Ritter tituliren. Das iſt alſo eine bloſſe Re - nomage oder eine ſchwarze Verläumdung und Auf - ſchneiderei.
Schweige mit Deinem unnöthigen Geſchwätze?
Ja, ein unnöthig’s Gſchwatz! Jch ſag’ aber, das iſt ein unnöthigs Umanandlaufen wegen der ſtolzen Mamſell da oben. Und nacher, wenn wir miten - ander naufkraxelt ſind, da heißt’s vermuthlich wieder abſchieben.
Das wird ſich zeigen Burſche. Geh lieber zu dem Häuschen dort und frage, ob dies die Burg Hoheneck iſt.
Jedenfalls kann ich das Häusl nit fragen; denn das könnt mir kein Antwort geben; alſo muß ich die Leut fragen, die drin ſind. Verſteh’n S’ mich, Herr Ritter? So g’ſcheid bin ich doch.
Geh’ nur, geh und erkundige Dich.
Heda! mit Verlaub, aufgmacht! wir möchten gern47 was wiſſen.
Entweder haben die Leut keine Ohren oder ſie ſchlafen, oder es iſt ſogar gar Niemand drin! —
Heda! Schlipperement! Was iſt das für eine Bagage, die nicht antwort’. Raus da oder ich ſchlag’s Fenſter ein mit die pappedeckel - nen Scheiben!
Was iſt für ein Lärm draußen?
Pfui Teufel, das Gſicht! aber die Naſen! Allerſchönſtes Fräulein, ich ſoll was fragen.
Was wollt ihr?
Mein Herr möcht gern wiſſen, ob das Schloß da hinten, da oben die Burg — die Burg — die Burg — ja wie heißt denn die Burg, Herr Ritter? Jch hab’s vergeſſen.
Hoheneck, einfältiger Burſch!
Alſo, ob die Burg da hinten die Burg Hohen - ſchneck iſt.
Was ſind das für eitel Fragen? Steigt nur hinauf und ihr werdet’s erfahren.
Dieſes Weibsbild ſcheint ſehr ungebildet zu ſein, ſo gewiſſermaſſen etwas grob vielmehr.
Frag nur noch einmal?
Probir’n mir’s alſo noch a mal.
Allerallerallerallerſchönſte, wollen Sie mir buliebigſt eine Andeutung geben, wie dieſe Schloßburg da oben benamſt iſt?
Laßt mich in Ruhe!
Jetzt wiſſen’s wir’s alſo:
Ja, edler Ritter, das iſt die Burg Hoheneck; allein wenn Jhr etwan um das ſchöne Fräulein Hil - degardis freien wolltet, ſo bleibt lieber unten und bemüht euch nicht den Berg hinauf; das haben ſchon Viele verſucht, die wieder ſchmachvoll abgezogen ſind oder gar elend ums Leben gekommen wegen ihrer thörichten Liebe.
Mir einerlei! Jch wag es dennoch; denn was hätt’ ich zu verlieren? Jch bin ein armer fahren - der Ritter.
Jetzt kommt er ſchon wieder mit ſei’m fahren!
Meine Burg heißt Elend.
Und Noth.
Jch habe nichts als mein gutes Schwert.
Und nicht emal ein Pferd!
Jch will mir die ſchöne Hildegardis holen oder untergeh’n.
Jch bleib ledig und geh’ aus’n Dienſt; mit dem Untergeh’n will ich meinerſeits Nichts zu ſchaffen haben.
So geht denn in euer Verderben, wenn ihr’s ſelbſt wollt!
Ein echter Ritter kennt keine Furcht!
Ja, ein ächter Ritter kennt ſeinen Durſt!
Komm, mein Knappe; ich will hinauf.
Ja wir woll’n hinauf und ſchau’n, daß wir was z’ eſſen und z’ trinken kriegen.
Sieg oder Tod!
Knödel oder Sauerkraut!
Ja geh nur, Du Narr! geh nur! Hildegard iſt kein Blümlein für Dich gewachſen; auch für keinen Andern, als für mein liebes Söhnchen Asprian. 51Alle Ritter, die um ſie werben, weiſt ſie zwar ſchnöde ab: denn keiner iſt ihr gut genug, aber ich hab ſie für meinen Herzensſohn Asprian aufgehoben. Der häßliche Burſch kriegt keine Dirne zum Weib; aber Hildegard ſoll er doch haben und dann Burg - herr auf Hoheneck werden. Und wenn es an der Zeit iſt, daß der alte Kuno endlich des Hochmuths ſeiner Tochter überdrüſſig wird, wenn kein Ritter mehr kommen will, um ihre Hand zu werben, dann ſoll mein Asprian auf die Burg ſteigen. Jch will ihm ein ſchönes Wams anziehen und Schwungfedern auf ſein Käpplein ſtecken, damit er wie ein Ritter ausſieht und da doch kein Ritter den Spiegel der Wahrheit meinem Asprian entriſſen haben wird, dann — ja dann wird ſie wohl froh ſein, ſein Weib zu werden! hi hi hi!
dann wird ſie ihn ſchon nehmen wollen, wenn ihr Hochmuth ge - beugt iſt, hihihi!
Ja, freu Dich nur, Herzensſöhnchen; goldner Asprian, freu Dich; die ſchöne Hildegard ſoll Dein ſein!
Genug der Jagd für heute, ihr Herrn!
Blast ab!
Meiſterlich habt ihr den Hirſch erlegt, edles Fräulein.
Seht, da bringen Sie ihn. Welch Prachtge - weih ihn ziert. Jhr müßt’s in die Trinkſtube eures Vaters aufhängen laſſen mit den andern der Hirſche, die ihr mit eigner Hand erlegt habt.
Das Waidwerk iſt meine Luſt und Freude.
Ja wohl ſchöne Hildegard. Wißt ihr aber auch aus welcher Urſache? — Weil ihr Freude daran habt, ein Wild zu erjagen.
Nun ja, das iſt ja der Zweck des Waidwerks.
Und uns wollt ihr’s verdenken, daß wir einer unvergleichbar edleren Jagd pflegen, als der, ein Reh, oder einen Hirſch zu gewinnen?
Jhr meint wohl, daß ihr nach mir jaget? Ha, haha!
Fürwahr, ſchönes Fräulein. Wir thun’s mit Luſt und Lieb; und wem es endlich gelungen ſein mag, das edle Wild zu erbeuten, der ſei auch von Herzen beneidet darob.
Aber ihr wißt doch, daß ihr ins Blaue jagt. Das Wild entſchlüpft euch immer und wolltet ihr es gar ſchlau mit dem Netze fangen, ſo würde es das Garn durchbrechen.
Und dennoch laſſen wir nicht ab. Einer von uns Beiden muß es gewinnen.
Gebt euch doch fürder keine Mühe. Jch hab’s ſchon oft genug erklärt: der Mann, der mich zum Weibe haben ſoll, iſt nicht geboren; frei will ich ſein, frei bleiben mein Lebtag; und darum auch habe ich die harte Bedingung geſetzt, daß nur der mich als Weib gewinnt, der mir den Zauberſpiegel bringt, den der Köhler Asprian in ſeiner Höhle be - wahrt. Keiner hat’s noch vollbracht! Die Leichen der unglücklichen Bewerber haben die Wölfe des Waldes gefreſſen oder die Raben auf der Haide und54 Asprian ſchneidet ihnen aber zuvor die Köpfe ab und ziert mit dieſen Todtenſchädeln ſein Felſenge - mach! Wolltet ihr’s auch verſuchen, mit dem unüber - windlichen Asprian zu kämpfen? Schad’ um euer Leben, ihr edlen Ritter!
Ja, wir wollen’s!
Und morgen ſei’s; denn fürwahr, ſtolze Schöne, eures Trotzes ſind wir müde.
Wenn Du es zuerſt wagen willſt, ſteh’ ich gerne nach.
Jch denke wir looſen darum, wenn es dem Fräu - lein genehm iſt.
Looſt, ſo viel ihr wollt, — darum freilich nur: wer zuerſt von des Köhlers Asprian Keule erſchlagen werde. Looſt, ihr Herrn! heut Abend beim Jmbiß. Kommt jetzt, — auf Hoheneck!
Seid mir willkommen, edler Ritter.
Habt Dank für den gaſtlichen Willkomm.
Alſo auch Jhr wollt es verſuchen, das ſtolze Herz meiner Tochter zu erweichen? Das wird euch ebenſo wenig gelingen, als all den andern Bewer - bern, die entweder gleich wieder abgezogen ſind oder im Kampfe mit dem rieſigen Köhler unterlagen.
Ja, aber der Preis iſt ein ſo herrlicher, daß ich gerne mein Leben wage. Ringsum in allen Gauen erſchallt das Lob von der Schönheit euer Tochter. Jch habe freilich nichts zu bieten als den Schild meiner Ahnen und mein bewährtes ritterliches Schwert. Meine Burg iſt ſchier verfallen. Mein Vater ſtarb geächtet, weil er es nicht mit dem Kaiſer gehalten. Nichts ließ er mir zum Erbe als Elend, wie die56 Burg genannt iſt, weil ſie auf einer elenden Haide erbaut ward.
Aber euer Geſchlecht iſt alten Namens; ich kenn’ es wohl und ich acht’ euch nicht geringer ob eurer Armuth, als wäret ihr der reichſte Ritter im Lande; denn des Ritters wahrer Reichthum iſt ja doch eigent - lich die Ehre und ſein Schwert! Drum laßt gleich einen Humpen zuſammen leeren auf euer edles Ritterthum!
Heda! bringt Wein!
Jhr ſeid allzugütig.
Noch einmal! Seid mir willkommen!
Aber, wo iſt das Fräulein?
Hildegard pflegt der Jagd mit zwei Rittern, die ſich auch um ihre Hand bewerben; aber ſie muß bald heimkehren; denn ich vernahm ſchon der Hörner Klang im nahen Walde.
So ich bin alſo der Dritte hier auf eurer Burg, der euer Eidam werden möchte!
Ja wohl, ihr ſeid’s; und fürwahr, ich hab in dieſer kurzen Zeit ſchon ein ſo groß Vertrauen zu euch gewonnen, daß euer Sieg mir zur Freude ge - reichen würde!
Dank’ euch, edler Herr! Gewiß würde ich mich eurer Liebe würdig zeigen.
Aha! Sie kommen. Die Jagd iſt aus.
Der Hirſch iſt mein, theurer Vater!
Mit kühnem Speerwurfe hat ihn das Fräulein erlegt.
Nur ein paar Sprünge machte er noch durch’s Dickicht; dann ſtürzte er —
Und mit dem Waidmeſſer gab ich ihm den Fang, daß der rothe Schweiß hoch aufſpritzte.
Ei ſie da — ein Gaſt? — Willkommen edler Ritter! Was führt euch auf Burg Hoheneck?
Das Kleeblatt vollzumachen.
Ein Dritter alſo in der gütigen Bewerber Zahl!
So iſt’s — und nichts für ungut, ihr Herrn, wenn ich mich anreihe.
Gott zum Gruß!
Um hohes Gut gemeinſam kämpfen iſt ein edles Turnei!
Wohl dem, der den Preis gewinnt!
Nun könnt ihr alſo zu Dreien looſen, wer zuerſt ſein Leben um mich zu wagen Luſt hat. Aber ich möchte euch rathen, lieber in Frieden heimzu - ziehen.
Nimmermehr!
Wie es euch beliebt, wenn ihr euer Verderben wollt.
Jch weiß, daß es einen Kampf gilt, in dem noch Alle, die ihn bisher gewagt haben, untergingen. Jenen Zauberſpiegel wollt ihr, der die Wahrheit dem zeigt, der ihn beſitzt.
Jſt’s nicht wohlgethan, wenn man nach Wahr - heit ſtrebt?
Und haſt Du den Spiegel einmal, ſo wirſt Du aus ihm Deines Herzens Stolz erkennen.
Dann werd’ ich mich auch zu fügen wiſſen. Nun, was wollt ihr mehr? Wer mir den Spiegel bringt, dem reich’ ich meine Hand, als Gattin und ich bin ſein! Dieß gelob’ ich. Nun, mögt ihr looſen. Dort ſteht ein güldner Becher. Zwei Ku - geln liegen darin — Eine weiß, die andere ſchwarz. Wer die ſchwarze zieht iſt der erſte zum Kampfe mit Asprian.
So kommt, laßt uns ziehen!
Blickt auf und ſchaut nicht abwärts, daß nur der60 Griff der Hand wähle. Ritter Albert, ihr wart der erſte hier, ihr habt alſo das erſte Anrecht.
Wohlan!
Schwarz! Jch bin der erſte.
Werft die Kugel wieder in den Becher. Nun iſt’s an euch, Ritter Georg — ihr wart ja der zweite Bewerber.
Schwarz! Hat Albert nicht geſiegt, ſo bring ich euch den Spiegel.
Und ſo wäre denn ich der letzte, wenn ihr Beide erlegen wärt.
Gott ſchütz euch! Der Kampf iſt herb und hart; denn der Tod des Einen iſt Brautwerber für den Andern. Drum aber meide keiner den Sieger!
Keiner wir ſchwören’s!
So ſei’s denn! Nun laßt uns zum Abendſchmaus gehen; Hildegard wird euch den beſten Rheingauer kredenzen.
Ha! Jch weiß nun Alles: Eine ſchwarze Kugel — eine weiße Kugel! Ja wenn die ſchwarze Kugel nicht ſchwarz wäre, ſo wäre ſie vielleicht weiß. Schwarz oder weiß — dieß iſt das Looſungswort für den Kampf um den Zauberſpiegel. Wenn ich mich aber gewiſſermaſſen und aus ganz beſonderen Urſachen weniger an dem näheren Um - gang mit dem Rieſen Asprian oder wie er heißt zu betheiligen buabſichtige ſo — jetzt Kasperl paß auf — ſo — Schlipperment
warum ſoll denn ich’s nit auch probieren, daß ich das Ritter - fräulein krieg? Aber wie? Könnt’ ich nit zum Bei - ſpiel durch meine Pfiffigkeit den gewiſſen Spiegel da ſtibitzen, derweil die Ritter ſo dumm ſind, ſich mit dem Kohlenbrenner rumz’raufen? Dieſer Gedanke iſt groß: und wenn ich dieſen Spiegel geſtibitzt habe, werde ich im ritterlichen Coſtüm, das ich auch irgendwo ſtibitzen kann, den Zauberſpiegel in der Hand, mich vor dem Fräulein hinſtürzen und als ihren Gemahl produziren. Denn ſie hat’s ja ge - ſchworen, daß wer ihr den Spiegel bringt ihr Ge - mahl wird. Alſo Courage Kasperl! ſei gſcheid! Jch werd morgen den Rittern nachſchleichen und vielleicht,62 vielleicht ſind mir die unterirdiſchen oder oberirdi - ſchen Mächte hold. Pumpadara!
Hören’s auf da oben! oder ſollte dieſer Donner ein zarter Wink des Schickſals ſein?
Dieſes wird ſich im zweiten Akte zeigen!
Ende des erſten Aufzuges.
Die Nacht iſt hell, bald aber graut der Morgen. Mich ließ es nicht mehr ruhen. Jch muß zu meinem Herzensſöhnlein Asprian, der noch nicht ahnet, daß ihn heute noch die Ritter bekämpfen werden. Mond - ſchein was ſagſt Du mir? Huiauf ihr Raben und Eulen! Huiauf! was habt ihr mir zu verkünden?
Hoho, was iſt das für ein Lumpenpack? was fliegt ihr in die Nacht hinein und warum nicht ge - gen das Morgenroth? Galgenvögel! Und Du dort oben wirſt blutroth? Der Wiederſchein des ritter - lichen Blutes, das da fließen ſoll? nicht wahr? denn64 meinem Asprian darf nichts geſchehen; der iſt ja ſtärker als Alle.
Holla, da rauſcht’s von Oſten her und weht die Morgennebel über die Mondſcheibe hin!
Asprian! Asprian! mein Herzkind! — hörſt Du nicht? Komm doch heraus! Dein Mütterlein iſt da.
Wer ruft mich? laßt mir Ruhe!
Jch bin’s ja, ich bin’s! Komm nur; Du ſollſt was Neues hören.
Da bin ich, aber was kommſt Du nicht herein zu mir? Jch lag auf der Bärenhaut, war faul vom Kohlenbrennen.
Hör mich, Asprian! nun ſoll die ſtolze Hilde - gard bald dein ſein.
Heiſa! Da bekomm’ ich ein ſchönes Weib in in mein Felſenloch.
Dann mußt Du aber nicht ſo ungeſchlacht ſein, Herzensſöhnlein, ſondern hübſch ſanft und gut.
Hol der Henter die Sanftmuth! Warum bin ich ſo geboren, wie ich bin? Warum iſt der Bär kein Lamm und der Wolf kein Schaf? Wenn mir was unter die Hand kömmt, muß ich es erdrücken; was kann ich dafür? ich bin eben der ſtarke Asprian! — Aber mit der ſchönen Hildegard will ich ſanft ſein und gut. Mutter Wiltrud, wann bekomm’ ich ſie?
Merk’ auf, Asprian: heute werden zwei Ritter kommen, einer nach dem andern. Mit denen wirſt Du bald fertig werden.
Wieder ein paar Schädel mehr als Zierrath in meine Kammer!
Weiß ſchon, Dich bezwingt Keiner. Nun, wenn Du die zwei erſchlagen haſt, dann kömmt aber noch ein Dritter. Der wird Dir zu ſchaffen machen, denn ſein Schwert und Schild ſind am heiligen Grabe geweiht. Suche ihm vor Allem ſeine Waffen zu entwinden; dann haſt Du leichtes Spiel mit ihm.
Jch fürcht’ auch derlei Waffen nicht. Meine566Keule iſt durch Drachenblut geweiht. Den Burſchen ſchlag ich mit dem erſten Streich nieder, wie die Andern alle.
Gut denn! Wenn Du die 3 Ritter erſchlagen haſt, dann iſt’s an der Zeit. Hildegardis Vater, ihres Hochmuth müde, dem auch dieſe drei Bewerber zum Opfer fielen, wird unſerer Bewerbung geneigt ſein. Sagt Hildegardis nicht „ Ja ‟ und will ſie Dich dennoch nicht zum Gemahl haben, ſo kannſt Du ſie Dir ja entführen. Dazu kann ich Dir wohl behilflich ſein durch meine Liſt und Klugheit.
Und wenn ich ſie habe, dann erdrück’ ich ſie!
Pfui, mein Sohn! Du wollteſt ja ſanft und fromm mit ihr thun.
Aja, Mutter! wenn ich ſie nur einmal in meiner Höhle drinnen habe. Sie ſoll mir Wildſchweinkeulen röſten und Eicheln braten und Branntwein bereiten aus Waldbeeren. Kann ſie das, dann will ich ſie nicht erdrücken. Und in Schlaf ſoll ſie mich ſingen, wenn ich vom Kohlenbrennen müd bin.
Gut denn, Asprian! — Sieh der Mond iſt ver - ſchwunden und der Morgen graut. Jch gehe jetzt; denn die Ritter werden bald nah’n.
Geh’ nur, Mutter, und ſei ohne Sorge.
Mittags komm ich wieder, da ſind die Ritter wohl alle todt.
Heiſa, da ſind ſie freilich todt!
Kommt nur ihr Helden mit Schwert und Har - niſch! Jhr ſollt den Asprian finden!
Hier iſt die Höhle, wir ſind zur Stelle.
Sieh dort den rauchenden Meiler, das iſt Asprian’s Werkſtätte.
Gott ſchütze mich! Mit ſeiner Hülfe will ich den Kampf unternehmen.
Jch werde in der Nähe bleiben und ſehe ich5 *68Dich wanken, ſo werde ich herbeieilen, um Dir bei - zuſtehen.
Und wenn ich unterliege, ſo möge Dir der Kampf gelingen. Dann bringe den Zauberſpiegel der ſtolzen Hildegardis und ſie mag aus ihm er - kennen, wie grauſam und thöricht ſie war. Grüße ſie von mir, der mit ſo vielen Anderen als ihr Opfer fiel! Nun, leb wohl! Zieh’ Dich zurück.
Leb wohl, theurer Albert!
Heda! wo biſt Du, Asprian? Asprian? da iſt Einer heraußen, der mit Dir kämpfen und ſich den Zauberſpiegel holen will!
Ha, ha, ha! wieder ſo ein Narr, der ſein Leben verlieren will! Geh lieber heim!
Jch gehe nicht, und wenn Du den Muth nicht haſt herauszukommen, ſo werde ich Dich ſchon zu finden wiſſen.
So komm!
Wohlan! fürchte mein Schwert! ich komme.
Weh mir ich bin des Todes!
So, da haſt Du’s! Hinein mit Dir in den Kohlhaufen. Aus den Knochen hole ich mir dann Deinen Schädel.
Elender! Da iſt noch Einer! aber mich ſollſt Du nicht beſiegen. — Armer, unglücklicher Albert, ich will Dich rächen und die Rache ſoll meinen Arm ſtählen!
Da ſieh, wie es Deinem Vorgänger geſchehen! Der bratet ſchon. Da kommſt Du auch hinein!
Laß ſehen, Elender!
Her da! An meiner Keule wird bald Dein Blut träufeln!
Da gibt’s Prügel! Schlapperdibix! Jetzt heißt’s geſchwind ſein! Wenn ich nur das ſchöne Spiegerl aber auch gleich ſind!
Juhe! Da hab ich, was ich brauch! Aber jetzt heißt’s davonlaufen. Victoria! den Preis des Kampfes hab’ ich, die Schläg’ überlaß’ ich den Andern!
Jch mach Dir warm, Burſche!
Deine Schlage ſind gut. Aber wart nur!
Weh mir!
So! noch Einer, noch Einer —
Herrgott, ſteh mir bei!
Narr, Du haſt’s ja ſo gewollt.
So, jetzt ſoll das zweite Mäuslein braten. Und nun ein guter Trunk darauf!
71Halt, Verruchter! Jch will Dir’s eintränken!
Oho! Da iſt ja ſchon der Dritte!
Sind Deine Waffen geweiht, edler Kämpe?
Einerlei für Dich, aber mein Schwert ſoll Dir’s zeigen!
Nun, wenn Du willſt ſo ſei’s.
Die Sonne ſteht ſchon hoch und ſenkt ihre Strahlen ſengend herab. Der Gang im Walde hat mich er - mattet. Jch mußte hinaus in die Einſamkeit von Unruhe getrieben. Drei edle Männer wagen nun72 ihr Leben für mich wieder! Vielleicht ſind ſie jetzt ſchon erlegen! Hildegard! thuſt du recht daran? — Aber es iſt, als ob eine unbekannte Gewalt ſich meiner bemächtigt hätte. Jch muß — und weiß nicht warum und wie? — Ach, wie müd bin ich! Jch will hier ein wenig ruhen, bevor ich den Berg hinanſteige.
Jch möchte ſchlummern und kann nicht! Was iſt’s aber, das mich innerlich ſo ſehr bewegt und be - unruhigt? Jetzt vielleicht kämpfen die edlen Ritter um meinetwillen. Vielleicht ſind ſie ſchon gefallen; denn Keiner bat noch den ſtarken Asprian überwäl - tigt, Keiner, der je mit ihm gekämpft! — Gehſt du nicht zu weit mit deinem Stolze, Hildegard? Biſt du berechtigt, Menſchenleben zu opfern um deiner Freiheit willen? Und auch ihn ließ ich hin - zieh’n zu ſeinem Untergang? Jhn — den herr - lichen, edlen Hans von Elend! O hätte ich ihn nicht fortgelaſſen! Mein Herz fühlte ſich ergriffen — ſchon bei der erſten Begegnung mit ihm. Weh mir! Nun ſoll ich ſelbſt auf das Bitterſte geſtraft werden; denn ich muß es mir ſelbſt geſtehen: er von Allen iſt der Mann, dem ich meine Hand reichen könnte!
Da liegt ſie, die Stolze! Jetzt iſt’s Zeit, ihr zuzureden.
Edles Fräulein, ihr ſcheint er - müdet. Und wie? Thränen rinnen über eure Wangen? Kann ich euch dienen?
Du, mir dienen, Asprians Mutter?
Jhr ſcheint mir Vorwürfe machen zu wollen und ſeid nicht ihr’s ſelbſt, die ihr den Zauberſpiegel wollt, den Asprian nur von ſich läßt, wenn ein Ritter ihn im Kampfe von ihm gewinnt? Oder ſollte mein Sohn das ſchätzbare Kleinod ſo mir nichts dir nichts euch zu Füſſen legen? Reicht ihm eure Hand und der Spiegel iſt euer Eigen.
Wie, Unverſchämte? Jch das Edelfräulein von Hoheneck ſollte — —?
Jhr ſolltet Vernunft annehmen. Wißt Jhr nicht daß mein Asprian edlen Stammes iſt? Sein Vater iſt der vornehme Sarazenerhäuptling Abdul Mehmed. Als ich meinen Vater als treue Tochter in den Kreuz - zug begleitete — ach, damals war ich ein ſchönes74 16jähriges Mägdlein! — da raubte Abdul mich aus dem Lager der Chriſten. Jch war die erſte in ſeinem Harem. Nach einem Jahre fiel Abdul im Kampfe und ich fand Gelegenheit, wieder in die Heimath zu entfliehen. Mein Sohn kam in Deutſchland zur Welt. Jch hatte den wunderbaren Zauberſpiegel aus Abdul’s Schatz mitgebracht und ſo manche geheime Kunſt hatte ich im Orient erlernt und darum heißen mich die dummen Leute hier eine Hexe. Für Asprian aber habe ich in meinem Hüttlein noch manchen Schatz bewahrt, wenn er einmal heirathen ſollte. Glaubt’s mir, edles Fräulein! Euer Hochmuth hat nun ſchon ſo viele Ritter zu Grunde gerichtet, daß wohl keiner mehr der Narr ſein wird, um euch zu werben, und wollt ihr nicht als alte Jungfer verlacht werden — ſo bleibt wohl nichts übrig, als daß Jhr meinem Asprian, wenn er gleich ein wenig krumm - beinig iſt, die Hand als Gemahlin reicht.
Unverſchämtes Weib! wie kannſt Du es wagen, mir ſolch einen Antrag zu machen? Jch und Asprian!
Jhr und Asprian! Ja wohl! Wartet nur bis er75 vor euch tritt in ritterlichem Schmucke; er wird euch ſchon gefallen.
Fort von hier, Hexe! Entferne Dich und laſſe mich allein.
Wenn Jhr’s befehlt, edles Fräulein; aber wartet nur: es wird eine Zeit kommen, in der Jhr mich und meinen Sohn nicht mehr von euch weiſen werdet. Lebt wohl! ich gehe.
Geh nur, alte Hexe! wahnwitziges Geſchwätze! — Nie und nimmermehr! — O hätte ich doch nie dieſen Schwur gethan, daß nur der mein Gatte werde, der mir den Zauberſpiegel der Wahrheit bringt! Jch habe mich ſelbſt gefeſſelt und bin nun in der furchtbarſten Lage.
Wie höre ich nicht von ferne Waffengeklirr? Sie kämpfen wohl! Und Hans von Elend! ſchöner edler Jüngling, Du liegſt blutend da? — Doch nein, es iſt nicht Waffen - klang; der Wind ſchlägt die Aeſte aneinander; der Waſſerfall rauſcht über die Steine; — weh mir, welche Unruhe! Horch! Da naht ſich Jewand; viel - leicht der Bote des Jammers vom Ausgang des Kampfes.
76Ha, ödles Fräulein!
Wer ſeid Jhr, Ritter?
Ha! Jedenfalls!
Was meint Jhr?
Nicht nur, ſondern auch! Ha! edles Fräulein! Jn meiner Hand erblickt das triumphirende Sieges - zeichen meiner angebornen Tapferkeit mit dem zarten Verhältniß einer noch ſüßeren Zukunft verbunden, welche mir als roſenfarbiger Hintergrund der ſchwarzen Andeutung furchtbar überſtandener Gefahren entgegen - lächelt.
Jhr ſprecht unklar, Herr Ritter. Sagt doch, wer Jhr ſeid, was Jhr wollt?
Seht dieſen Spügel! dieſer Spügel iſt der77 Spügel, den die holde Hildegardis verlangt hat. Und ich bringe ihn.
Wie! Jſt’s möglich? Dies wäre der Spiegel der Wahrheit? Habt Jhr ihn erkämpft? Jſt er es aber auch wirklich? Zeigt her! — wer ſeid Jhr, Ritter?
Mein Name iſt vor der Hand und nach der Hand ein Geheimniß. Jch habe derowegen auch meine Phyſiognomie mit dem pappedecklenem Viſir zugedeckt, weil ich noch gehaim bleiben will. Aber ich bin von dem Duell mit dem Kasprian ſo er - mattet und ſo hungrig und durſtig, daß ich euch bitten muß, ödles Fräulein, meinem ritterlichen Ma - gen und meiner tapferen Gurgel die geeignete Nah - rung zu verſchaffen.
Alles ſoll euch werden; allein laßt mich zuerſt in den Spiegel ſchauen.
Wie, was ſeh’ ich? Jch erblicke Asprians blutenden Leichnam!
Na, verſteht ſich! er fiel unter meinen Stroichen! Ha! Pumpumdaderada!
Aber zugleich ſagt mir der Spiegel, daß ihr nicht der ſeid, der Jhr zu ſein ſcheint.
Schlipperdibix! Jch ſoll nicht der ſein, der ich zu ſein ſcheine! Oder ich bin nicht der, der ich bin! Wirklichkeit iſt nicht Schein und Schein iſt nicht Wirklichkeit! Ha! das verſteht ſich, weil ich der ge - heimnißvolle Ritter bin, der ſich erſt zu erkennen gibt, wenn Jhr ihm die öhliche Hand gereicht habt.
Wenn ich auch laut meines Schwures verpflichtet bin, desjenigen Gattin zu werden, der mir den Spie - gel gebracht hat, ſo bin ich nicht an Erfüllung des Schwures gebunden, bevor ich weiß, wer mein Gatte werden ſoll.
Ha! Laßt uns vor Allem auf eure Burg ſteigen zum Jmbiß! Und ich erwarte keine kleinen Biſſen für mein Gebiß! Ha! Schlipperdibix!
So kommt, mein ſonderbarer Ritter!
Ende des zweiten Aufzuges.
Schlipperement kann ich nit recht ſchlafen. Jch glaub, daß ich von dem guten Abendimbiß ein bißl zu viel zu mir genommen hab. Aber die ausgezeichnete Knödlſuppen mit dem Wildantenvoreſſen! Des herr - liche Rehbratl mit aufgſchmalzne Erdäpfel! und nacher die Bresltorten mit Sauerkraut und Bratwürſtl! Wer hätte da widerſtehen können! — Auweh! bläht’s mich! Und nacher das ausgezeichnete Hofbräuhausbier! Ferner der Rheinwein mit’n Landshuter gemiſcht! Kurz und gut — die ſchöne Hildegardis neben der ich geſeſſen bin, hat die Augen aufgriſſen, was ich für ein’ ritterlichen Appetit und rieſigen Durſt pro - duzirt hab! und der Alte hat nur ſo dreingſchaut! Eigentlich aber war mir aber auch ’s Eſſen und’s80 Trinken lieber, als meine zukünftige Braut. Die hat alleweil in den Spiegel ’neingſchaut, nacher hat’s mich wieder angſchaut und endlich, ich weiß nit wie’s gangen iſt, hat ſich meiner eine große Schwäche be - mächtigt und ſo viel weiß ich noch, daß mich nacher naustragen haben. A par Stündl muß ich doch gſchlafen haben ſeit ich da herin lieg — aber jetzt geht’s nimmer recht. Meine Verdauung ſcheint etwas geſtört zu ſein.
Pfui Teufel! jetzt ſchlagt’s zwölf Uhr: ich druck die Augen zu, damit ich kein’ Geiſt ſieh; denn das iſt die bekannte Geiſterſtunde! Hui, hui!
Wart’ Kerl, ich erwiſch Dich; haſt meinen Zauber - ſpiegel geſtohlen und mein Asprian iſt todt! Weh, Weh!
Auweh, auweh! Jch bitt Dich ſchön, liebe gute Trud, verſchon’ mich! Jch ſchenk’ Dir was D’ magſt! Auweh!
Jch will aufhören Dich zu drücken, wenn Du mir verſprichſt, mir zu meiner Rache behülflich zu ſein.
Jch will ja alles thun, liebe Trud, was Du befiehlſt; aber ich bitt Dich, druck mich nimmer. Du682haſt mich ſo ſchon halb zſammdetſcht wie an Zweſch - bendatſchi!
Was ich von Dir verlange iſt nicht einmal ſchwer für Dich; im Gegentheil es iſt zu Deinem Beſten.
O gute Trud, o gute Trud — gelt Du thuſt mir nix?
Hab nur keine Angſt, ich thu Dir nichts; ich bin ja die alte Wiltrud vom Thal unten, Asprians Mutter. Höre: Mein armer Sohn Asprian iſt durch Hans von Elend erſchlagen! Jch muß mich rächen, rächen an dieſem, rächen an Hildegardis! Du haſt nichts zu thun, als mit dem frühſten Mor - gen Deine Rechte geltend zu machen und auf die Verlobung mit Hildegardis zu dringen.
Ja, ich will auf die Verlobung ſpringen!
Du haſt ja den Zauberſpiegel gebracht und die Bedingung erfüllt. Gegen Mittag ſchon wird Hans von Elend nahen und ſeine Anſprüche geltend machen wollen, weil er meinen Sohn er -83 ſchlug, deſſen Kopf er als Siegeszeichen mitbringt. Durch mein Blendwerk hat er ſich im Walde verirrt; allein, wenn die Sonne am höchſten Mittag ſteht, ſchwindet der Hexenzauber. Bis dahin alſo mußt Du Hildegardens verlobter Bräutigam ſein; ſie kann nicht mehr zurück und dadurch wird ſie und Hans von Elend unglücklich!
Ja, ſie kann nicht mehr zurück und ich kann nicht mehr vor; an dem Punkt bleiben wir alle zwei ſtehn und mein ehemaliger Herr kann abfahren. Jch bin Hildegardens Gatte, dann geb’ ich mich zu erkennen als ſpaniſchen Ritter Don Casperlo von Guadarrama - Sierra-Morena-Granada-Salami.
So ſei’s. Nimm Dich zuſammen. Der alte Ritter Kuno hat ſelbſt keine Ruhe mehr und wird Deine Verlobung beſchleunigen. Alſo Muth!
Gute Trud! verlaß Dich auf mich, aber druck mich nimmer, ich bitt Dich!
Hui auf! hui auf!
Schlapperement, das war en Arbeit, bis ich die6*84Trud anbracht hab. Jetzt aber Couraſchi! Von nun an nur ſpaniſch! Spaniolo, Spaniolo! Aber a ſpa - niſch Röhrl brauch ich noch dazu.
Auweh! ſchon wieder a Hex!
Edler Ritter, verzeiht, daß ich euch beim frühen Morgenroth ſchon beläſtige.
Ha! Vos, vos? bon dio, bon dio!
Wie? Seid Jhr nicht deutſcher Abkunft? Jhr ſpracht doch mit meiner Tochter Deutſch.
Nix Deutſch. Das war nur meine Vermum - mung. Spaniolo, Spaniolo, Caballeros spaniolos.
Um ſo beſſer — alſo ein edler Spanier?
Was hat a von Knödl gſagt? — Don Casperlo del Guadarrama-Sierra-Morena-Granada-Salami.
Alſo aus der Sierra-Morena — mauriſcher Abkunft?
O nein, meine Abkünftlinge waren keine Maurer. Mauroscordatos Caballeros!
Jch komm mit dem Frühſten zu Euch, um Euch anzukündigen, daß ich dieſen Morgen noch Euere Verlobung mit meiner Tochter feiern will.
O ja, aber zuvor noch an Caffé, Caffé!
Jhr ſollt ſogleich euern Morgenimbiß haben; dann zieh’n wir in die Burgkapelle, wo Hildegardis euch die Hand reichen ſoll laut ihres Gelöbniſſes.
O ja! Jch muß nur noch zuvor meinen ſpani - ſchen Kragen umhängen als Brautgwand. Cragalo spaniolo!
So, guter Mann, ich danke für dein Geleit. Hätte ich Dich nicht im Walde getroffen, weiß der Himmel, wenn ich mich wieder herausgefunden hätte.
Jhr hattet euch freilich tüchtig vergangen im Ge - hölze. Der Wald iſt auch gar groß. Und dabei hattet ihr noch das abgeſchlagene Haupt des Kohlen - brenners Asprian zu ſchleppen. Gott ſei Dank, der euch Kraft und Muth gab, den böſen Kerl todt zu ſchlagen! Er war der Schrecken des Waldes. Jetzt iſt der Lümmel todt.
Steckt die Stange mit dem Kopf in’s Erdreich dort an die Mauer und geht eures Weges.
Ja, aber in der Nähe will ich doch bleiben; denn ich möchte den fremden Ritter ſehen, mit dem das ſchöne, ſtolze Edelfräulein dieſen Morgen noch ver - mählt wird, wie mir ein Burgknappe geſtern Abends in der Dorfherberg erzählte.
Wie? ein fremder Ritter? Verlobung mit Hilde - gardis? — Geh, geh, laß mich allein!
Wie ihr befehlt edler Herr; aber warum ſeid Jhr ſo aufgebracht?
Geh nur! geh!
Gehabt euch wohl, Herr Ritter!
Wer, beim Himmel, kann der Vermeſſene ſein? oder hat Hildegard ihren Sinn geändert? hatte ſie mir nicht beim Abſchied heimlich zugeflüſtert: „ Lebt wohl edler Hans! Gott ſchütze euch! ‟ Und jetzt ſollte ſie einem Andern die Hand reichen, nachdem ſie mir doch ein Zeichen Jhrer Zuneigung gegeben hatte? — Welch ein Räthſel? Ha! wär’ es möglich, daß88 vielleicht ein Anderer ſich des Wahrheitſpiegels auf irgend eine Weiſe bemächtigt hätte, den ich in der Höhle des erſchlagenen Asprian nicht mehr fand?
Schon nah’n ſie. Licht ſoll werden! und weh’ dem Verräther!
Hört es Alle! beim Schein der frühen Morgen - ſonne verkündige ich es als Vater der Braut: Fräu - lein Hildegardis von Hoheneck ſoll nun ihrem Ge - lübde entſprechend, dem Ritter ihre Hand zu reichen, welcher ihr den Spiegel der Wahrheit gebracht hat, mit dieſem edlen ſpaniſchen Helden Don Guadarrama - Sierra-Morena in der Schloßkapelle vermählt wer - den.
Wohl weiß ich, daß ich mein Gelübde zu halten verpflichtet bin; allein ich verlange noch Aufſchub, bis wir die beſtimmte Nachricht haben, daß alle drei Ritter gefallen ſind, die geſtern mit Asprian ge - kämpft haben.
Was Aufſchub? Dein Trotz dauert mir allzu - lange! bis heute haben wir der Rückkehr der Ritter geharrt. Keiner kam zurück. Es iſt kein Zweifel — alle drei ſind gefallen.
Ha! Mordjo! Schlappermentico! Kein Auf - ſchub! — alle drei ſind gefallen.
Einer iſt nicht gefallen, und der bin ich, Hans von Elend!
Die Vorſehung hat gerichtet!
Aber auch das Schwert richte. Unbekannter Ritter, ich fordere euch zum Zweikampfe!
Auweh! Jetzt bin ich weiter in keiner Verlegen - heit! Da der Ritter und heut Nacht die Trud!
Nix da! Spaniolo!
Was Spaniolo! Wenn Jhr meinen Handſchuh nicht aufhebt, ſeid ihr eine Memme.
Jch brauch’ kein’ Handſchuh mehr; ich hab ſchon a Paar!
Es bedarf keines Zweikampfes. Dieſer edle Spanier hat den Spiegel gebracht.
Und wer hat aber den Rieſen erlegt, in deſſen Händen der Spiegel war?
Das verſteht ſich von ſelber!
Nein! Du haſt den Spiegel geſtohlen! Jch habe den Asprian erlegt. Seht, dort iſt ſein Haupt, das ich als Siegeszeichen mitgebracht. Fragt den Spiegel ſelbſt. Er wir euch die Wahrheit ſagen.
„ Hans von Elend hat mich überwunden und jener Betrüger hat den Spiegel aus meiner Höhle geſtohlen, während die Ritter mit mir kämpften. ‟
Wenn die Todten ſprechen, iſt kein Zweifel mehr!
Und ich erkläre es: Nur Hans von Elend wird mein Ehgemahl!
Um Alles in der Welt! Jch bitt um Verzeihung! aber die Trud, die Trud!
Ha, das iſt ja mein Knappe, der Kasperl! Armer Teufel! Dein Plan war nicht ſchlecht ausge - dacht.
Elender Frevler, Du ſollſt gezüchtigt werden.
Laßt ihn, edler Herr! Wir wollen ihm verzeih’n!
Verzeihung dem Narren! — Die Freude unſerer Vermählung ſoll nicht geſtört werden.
So ſei’s denn!
Jch bedank mich gar ſchön! Aber die Trud wird mich weiter nit drucken.
Huiauf! Meine Zeit iſt aus! Jch muß auf den Blocksberg? Meine Hütte iſt verbrannt! Lebt wohl! Wiltrud kömmt nimmer wieder!
Ende des Stückes.
die Waldfee.
ihr Sohn.
Waldbauer.
deſſen Weib.
Rothkäppchens Eltern.
Rothkäppchens Großmutter.
beim Waldbauer im Dienſte.
Förſter.
Ei, laßt mich ziehn! warum verfolgt Jhr mich?
Du biſt ein ſo ſchönes Kind, daß ich Dich lieb habe. Komm mit mir! Jch bringe Dich zu meiner Mutter und da hauſen wir zuſammen.
Jch habe ſchon eine Mutter und auch einen Vater. Jch bedarf Eurer und Eurer Mutter nicht.
Aber ſo gut, wie bei uns, haſt Du’s doch nicht zu Hauſe. Denk’ Dir: lauter Spielzeug aus purem Golde und Perlen und Edelgeſtein zum Geſchmeide, und was Du immer zu Deiner Freude verlangen magſt an Speis und Trank — Alles, Alles ſollſt Du haben.
Brauche alles Das nicht. Hab genug an meinen Nürnberger Spielſachen und meine Puppe iſt wunder - lieb. Hab’ auch zu Eſſen und zu Trinken genug. Milch und gutes Brod und die ſchönen Waldbeeren, wie ich ſie eben in mein Körbchen ſammelte, neben - bei. Sieh! und da kamſt Du, wilder Burſch, und ſtörteſt mich im Beerenpflücken.
Jch laß Dich nicht und ſollt’ ich Dich mit Ge - walt feſthalten müſſen. Du mußt mit mir!
Wie? was hör’ ich? Gübich’s Horn! — Ver - dammt! Der ſucht mich, weil es tagt. Was küm -99 mert’s mich? So komm denn, ſchönes Kind! Folge mir. Es ſoll Dich nicht gereuen.
Laßt mich, laßt mich! Hört, Euere Jagdgenoſſen rufen euch.
Das ſind meine Diener, die mir zu gehorchen haben. Jch bin der Herr der Jagd! König des Waldes bin ich!
Schweig mit Deinem Rufe!
Weh mir!
Jn aller Fruh ſchon ſchickt mich der Bauer ’raus, daß ich im ſeine Bäum’ umhau’ und gibt mir vorher nix z’ eſſen, als e Suppen und ſechs Knödl drin! Wo ſoll nachher der Menſch ſeine Kraft hernehmen? Jetzt bin ich ſchon ſo ſchachmatt, daß ich ſelber gleich umfall’n könnt, wär’ ich nicht durch das ſittliche Be - wußtſein meiner Berufsthätigkeit gehoben.
O, hätte ich mich nie herbeigelaſſen, aus Hunger und Durſt in die Dienſte des gemeinen Oekonomiebuſitzers,101 vormals Bauernſimpel, zu tröten! O, warum habe ich nicht auf meiner gelehrten, das heißt geleerten Wanderſchaft, bei der mein Magen alleweil leer war, fort und fort und immer forter zu wandern vorge - zogen, bis ich ein meiner Qualifixation würdiges Obdach oder Dach überhaupt gefunden haben hätte hätte!
Schlipperdibix! Muß ich zu dem verdammten Holzbauern kommen, wo wirklich Alles von Holz iſt: ’s Haus iſt von Holz, Tiſch und Bänk ſind von Holz, mein Strohſack iſt ſo hart wie Holz, ’s Brod iſt ſo altbacken, daß man meint, man beißt in an eichene Rinden, die Knödl, die Nudl — Alles iſt wie von Holz! So was kann meine weiche, gemüthvolle, zarte Conflexion nicht er - tragen! O Schickſal! O Sal des Schickes! warum verfolgſt du mich von meinem zarteſten Alter an? Was hab’ ich verſchuldet, als daß ich Schulden ge - macht hab, wo ich nit zahlen hab’ können? Uebrall, bin ich halt allweil der prügelte, gſtriegelte Un - glückskasperl und in allen Komödien bin ich dem böſen Prinzip verfallen, und ich bin doch kein böſer Prinz, ſondern der kreuzfidele Kasperl! Jetzt muß ich gar den ganzen Tag Holz hacken, als wenn ich a Baumhackel wär und mein Unglück ſteht alleweil102 klafterweis vor mir. Kreuzſchlipperdibix, bin ich aber jetzt ſchon wieder müd. Das macht die furcht - bare Anſtrengung, daß ich die Viertelſtund vom Haus bis daher gegangen bin. Jch muß mich nur a