PRIMS Full-text transcription (HTML)
Luſtiges Komödienbüchlein
Drittes Bändchen.
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München,1869. Verlag der J. J. Lentner ’ſchen Buchhandlung. (F. Stahl.)

Als Manuſcript gedruckt.

Druck von F. Stahl in München.

Jnhalt.

  • Seite
  • Hanſel und Grethel oder der Menſchenfreſſer1
  • Die ſtolze Hildegard oder Aſprian mit dem Zauber - ſpiegel43
  • Das Märchen vom Rothkäppchen94
  • Albert und Bertha oder Kasperl im Sacke133
  • Die Zaubergeige187
  • Kasperl als Prinz251

Hanſel und Grethel oder Der Menſchenfreſſer. Dramatiſches Märchen in 2 Aufzügen.

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Perſonen.

  • Peter, ein armer Holzhauer.
  • Mariane, deſſen Weib.
    • Hanſel
    • Grethel
    • ihre Kinder.

  • Profeſſor Doktor Fleiſchmann, Naturforſcher und
  • Menſchenfreſſer.
  • Katharine, deſſen Haushälterin.
  • Kasperl Larifari, wandernder Schneidergeſelle.
  • Schnauzbart, Gerichtsdiener.
  • Die Nacht.
  • Der Mond.

I. Aufzug.

Das Jnnere einer ärmlichen Hütte. Peter. Mariane.
Peter
(mit der Holzart, indem er zur Arbeit geh’n will.)

Marian wo iſt mein Fruhſtuck?

Mariane.

s Fruhſtuck? Da ſchneid Dir ein Stück’l Brod vom halben Wecken ab. Sonſt hab’n wir nix. Unſer Kuh giebt kein Milch mehr, weil’s zu wenig Futter hat.

Peter.

Und ich ſoll hungrig arbeiten? Das iſt nit zum verlangen.

Mariane.

So gib mir a par Kreuzer, damit ich was zum Eſſen kauf.

Peter.

Hab nix; krieg erſt am Samſtag mein lumpi - gen Wochenlohn vom Förſter für die Holzarbeit.

Mariane.

Ja ich weiß ſchon; für mich haſt nie a Geld,1*4aber zum Branntwein für Dich da iſt immer was in Deim ledernen Beutel.

Peter.

Halt’s Maul, Weib, oder ich ſieh Dich für ein Baumſtamm an und ſchlag drein.

Mariane.

Bin ohnehin beinah ſchon einer; denn vor lauter Noth und Sorg bin ich wie eine alte Rinden word’n.

Peter.

Biſt aber doch kein Batzen werth; da iſt mir ein Eichſtumpen lieber.

Mariane.

Geh weiter und hör auf mit Deine Spaſſetteln; denk an die Kinder; wenn’s jetzt aufſteh’n hab’ns kaum a bißl trockens Brod.

Peter.

Haſt Recht, Marianl! was fangen wir mit ihnen an? Um die Armuth iſt’s ſchon ein rechts Elend, Seit unſer Häusl abbrennt iſt, ſind mir halt z’Grund g’richte Leut. Weißt was? verkaufen wir unſer letzt’s die Kuh, eh’s uns gar verhungert, denn Gras hab’n wir ja keins mehr.

Mariane.

Geſtern hab ich das letzte Fleck’l abg’mäht; ſchau5 Du, daß d en Käufer findſt, vielleicht kann’s der Waldnazi brauchen, dem iſt die ſeinige die vorig Wochen verreckt.

Peter.

Jch geh a ſo vorbei am Häusl, da probir ich’s, b’hüt Gott.

(ab.)
Mariane
(allein.)

Er geht und ich muß da bleib’n bei die armen Schnecken.

(Vom Jnnern ſchreien die Kinder.)

Mutter, was z’Eſſen!

Mariane.

Da habn wirs ſchon! die ſchreien und ich hab nix als a winzigs Stückl altbachens Brod. Wart’s nur ich komm gleich! Jch weiß mir nit anders z’helfen als daß ich’s in Wald nausſchick zum Beeren brocken. Unſer lieber Herrgott wird’s doch nit ver - hungern laſſen.

(Hansl und Grethl laufen herein.)

Mutter uns hungert!

Mariane.

Ja, ich glaub’s ſchon, lieben Kinder! aber ich hab nix als die alte Brodrinden da.

(Die Kinder weinen. Beide.)

Da müß’n mir ja verhungern!

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Hanſl.

Für was biſt denn Mutter, wenn’ſt uns nix z eſſen gibſt?

Mariane.

Wenn i halt nix hab.

Grethl.

Aber weil’s d Mutter biſt, ſollſt was haben.

(weint.)
Mariane.

Seids nur ſtill, der Vater iſt grad fort und holt im Dorf was. Bis er wieder heimkommt geht’s in Wald ’naus und brockts euch Beeren. Die ſind g’ſund für euch.

Hansl.

Das gſunde Eſſen haben wir alle Tag; wir möchten amal was anders. Zuletzt werden wir noch Vögel, weil wir nix als Waldbeerln eſſen.

Mariane.

Sei nit ſo naſenweiß, Hansl oder Du kriegſt noch was anders mit.

Hansl.

Nix z eſſen und Schläg auch noch, das wär doch gar z arg.

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Mariane.

Geht’s nur, ſeids brav. Vielleicht ſchenkt euch Jemand an Kreuzer.

Grethl.

Ja, da drauſſen im Wald, da gibts keine Leut, die eim Kreuzer ſchenken.

Hansl.

Haſen und Füchs die tragen kein Geld im Sack.

Mariane
(beſchwichtigend.)

So ſo geht’s nur Kinder. Mittag kommt’s wieder heim. Derweil hat der Vater was bracht.

(ſchiebt ſie zur Thüre hinaus.)
Hansl
(weinend im Abgeh’n.)

Wir kommen halt amal verhungert nach Haus.

Grethl.

Ja, ſo wird’s kommen, Mutter, wenn’s draußen nix z eſſen gibt.

(beide ab.)
Mariane
(allein.)

Gott lob, daß ich’s naus bracht hab. Die armen, armen Dinger! O mein Gott. verlaß uns nit! Jch will jetzt a bißl umanand ſchau’n, vielleicht ſind ich Schwammerling, daß wir doch a bißl was krieg’n.

(ab.)
(Nach einer kleinen Pauſe ſchaut Kasperl zum Fenſter herein.)
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Kasperl.

Niemand z Haus? keine Madame, kein Mo - sieur? Da iſt’s nix, jetzt muß ich’s wo anders probiren.

(guckt zur Thür herein.)

Niemand z Haus? ein armer reiſender Handwerksburſch bitt um ein Kreuzer oder a par Gulden thät’ns auch. Da is wieder nix, jetzt muß ich’s wieder wo anders probirn.

(ſchaut auf einer andern Seite herein.)

Niemand z Haus? Ja wenn gar Niemand da iſt, nachher muß ich ſelber herein.

(ſpringt ins Zimmer und ſchaut ſich überall herum.)

Dieſes Haus ſcheint kein Wirthshaus zu ſein, denn ich finde keinen Gegenſtand, der es dazu quali - flixiren könnte. Erſtens: wo iſt die Kellnerin? Zweitens: wo ſind die Halbe - oder Maßkrügeln? Drittens: wo iſt Etwas, das wie ein Bierfaß ausſieht? Mir ſcheint hier hat die Familie Noth und Elend logirt und die iſt aus lauter Noth und Elend auf Michaeli auszogen; denn Georgi iſt ſchon lang vorbei.

(Wird ungeduldig und ſchlägt mit dem Fuße auf dem Tiſch.)

Heda, Wirthshaus! Schlipperment noch amal, ich will was z Eſſen und z Trinken, wenn’s nix koſt, und wenn’s was koſt, ſo will i aber nix zahlen, denn’s zahlen iſt nimmer Mod, aber’s Schul -9 denmachen. Meine Schneiderſeele verlangt nach Nahr - ung! Ein Schneidergeſell ſoll und kann und darf nicht Hunger leiden, denn ſeinen eigenen Magen kann er ſich nicht zunähen. Schlippermert! Wirthshaus! Bauer! Bäuerin! wer da iſt, ’raus aus der Kammer oder ich zünd die Hütt’n an! Schauderhaft! Spectaculos! Kein Menſch, kein Bratl, kein Bier gar nix als die Mutterſeelen - alleinſamkeit! was fang ich jetzt an mit meinem Hunger?

(ſingt.)
O welche Pein, o welche Pein,
Ein hungeriger Schneider ſein;
Jn meinem G’ſellenwanderbuch
Steht nix vom leeren Tiſch und Krug.
Jetzt lauf ich ſchon ſechs Wochen rum,
Und finde kaum des Tags ein Trumm;
Zu Eſſen ſuch ich Arbeit nicht,
Denn’s Eſſen iſt die erſte Pflicht.
Unb gibt’s zum Trinken auch Etwas
So ſetz ich mich gleich vor das Glas.
Mit Meſſer, Gabel mach ich’s gut;
Jch brauch nit Nadel und Fingerhut.
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Auch dieſes melodiſche Lied ſcheint Niemanden herbeigelockt zu haben.

(Eine Kuh ſchaut zum Fenſter berein und ſchreit Muh, muh !)

Ah! Da iſt ja doch ein Weſen irdiſcher Be - ſtimmung! Aber ein Kalbsbratl auf’n Tiſch wär mir lieber als die Kuh vorm Haus drauſſen. Jetzt bin ich ganz caput. Jch leg mich da a bißl auf’n Boden hin und will’s ſchlafen probiren. Derweil kann hinter meinem Rücken der Hunger mein Durſt freſſen und der Durſt mein Hunger trinken.

(Legt ſich hin und ſchlaft ein. Die Kuh tritt ein, ſchnuppert herum und fangt an, Kasperls Mantelſack zu freſſen.)

Verwandlung.

Wald mit dem Häuschen des Profeſſors Fleiſchmann. Hansl und Grethl (treten auf.)
Hansl.

Grethl! wo ſind wir denn jetzt?

Grethl.

Jch weiß nit, Hansl. Jch glaub, wir hab’n uns vergangen.

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Hansl.

Da waren wir ja noch nie im Wald.

Grethl.

Schau, da iſt ja gar ein Häusl!

Hansl.

Aber das iſt g’ſcheid! Da krieg’n wir vielleicht was z eſſen.

Grethl.

Klopf a mal an der Thür oder läut an.

(Hansl geht ans Haus und ſchellt an der Hausglocke.) (Katherine ſchaut zum Fenſter heraus.)
Katharine.

Wer läutet? Wer iſt drauſſen?

Hansl.

Zwei arme Kinder, die hungrig ſind. Jch bitt euch macht nur auf geſchwind.

Katharine.

Ja, wie habt denn ihr daher gefunden?

Grethl.

Der Hunger hat uns hergetrieben, Sonſt wären wir zu Haus geblieben.

Katharine.

O ihr armen Dinger! wartet, ich komme hinaus.

Hansl.

Das ſcheint mir eine gute Frau zu ſein.

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Grethl.

Juhe! jetzt krieg’n wir was.

Katharine
(tritt heraus.)

Das iſt ja erſtaunlich, daß ihr daher gefunden habt in dieſe Einſamkeit.

Hansl.

Wir haben Beeren gebrockt und da ſind wir von einem Strauch zum andern ſo fort gezappelt, bis wir daher kommen ſind.

Katharine.

Das war grad nicht euer Glück, liebe Kinder.

Grethl.

Nicht unſer Glück? wenn wir arme Kinder was zu Eſſen kriegen? wir bitten gar ſchön.

Katharine.

Jhr ſollt was Gutes bekommen; aber nachher werdet ihr ſelber gegeſſen.

Hansl.

Oho! wer wird denn Kinder eſſen?

Katharine.

Hört Kinder: in dem Häuschen wohnt der Herr Profeſſor Fleiſchmann; der iſt ein gelehrter Natur - forſcher und hat ſich deshalb in die Waldeinſamkeit zurückgezogen, nebenbei iſt er aber auch Menſchenfreſſer.

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Grethl und Hansl.

O weh, o weh! Da laufen wir wieder fort.

Katharine.

Das würde euch nichts mehr helfen; denn zu dieſer Stunde kömmt der Herr Profeſſor von ſeinem Spaziergange gewöhnlich nach Haus und da könntet ihr ihm gerade in den Weg laufen und ihr wäret dann verloren. Jch bin aber eine mitleidige Seele, bleibt alſo da, ich will euch was zu eſſen geben, und dann verſtecken; während der Herr Profeſſor ſein Mittagsſchläfchen macht, könnt ihr ſtill wieder aus dem Hauſe kommen. Alſo ſchnell herein!

Grethl.

Wir bitten gar ſchön, gute Frau!

Hansl.

Gebt uns was und nachher helft uns wieder hinaus.

(Alle in’s Haus hinein.) (Profeſſor Fleiſchmann tritt auf.) (Auf ſeinem Hut ſteckt ein großer Schmetterling.)
Fleiſchmann
(deklamirt.)
Süße, heilige Natur,
Laß mich geh’n auf deiner Spur;
Meine heutige Promenade
War doch einigermaſſen fade;
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Denn ich fand auf meiner Tour
Dieſes Papillönchen nur.
Dennoch haſcht ich ihn in Flug,
Aufgeſpießt ich heim ihn trug,
Weil ein ſolches Exemplar
Für die Sammlung tauglich zwar.
Süße, heilige Natur
Laß mich geh’n auf deiner Spur.
Herrlich iſt das Studium,
Das Naturerforſcherthum;
Gleich Linné und Martius,
Sibold und Copernicus
Gehe ich auf deiner Spur,
Süße, heilige Natur.

Aber wie iſt mir? Der Duft dieſer Wald - ſpireen und Wachholder ſcheint mir etwas durch Menſchenfleiſchgeruch alterirt zu ſein. Jch wittre etwas mehr als die gewohnte Hautausdünſtung meiner Haushälterin Katharine.

(Schnuffelt.)

Nein, nein! Jch wittre friſch angelangtes Menſchenfleiſch! welch behaglicher Duft!

(Schnuffelt am Haus herum.)

Ganz friſches junges Fleiſch muß das ſein! Kathrine, Kathrine! kommen Sie ſchnell heraus! Ah, vortrefflich! 15Da gibt es wieder einmal zufällig einen guten Biſſen.

Katharine
(kömmt heraus.)

Was befehlen Herr Profeſſor?

Fleiſchmann.

So wahr ich Fleiſchmann heiße ich wittre Menſchenfleiſch. Was gibts da? Sprechen Sie, Ka - tharine, reden Sie!

Katharine.

Jch wüßte nicht

Fleiſchmann.

Die Wahrheit! keine Flauſen! Es muß Je - mand in der Nähe ſein.

Katharine.

Sie irren Herr Profeſſor!

Fleiſchmann.

Ein Profeſſor irrt nie, deßwegen heißt und iſt er Profeſſor.

(drohend.)

Wenn Sie nicht die Wahrheit ſprechen! Kathrine, Kathrine! Sollte Sie Jhr ſanftes Gemüth wieder veranlaſſen, mir einen guten Braten vorzuenthalten? Weh Jhnen, wenn es ſo wäre! Sie wiſſen, daß ich Sie ſtets mit der zarte - ſten Rückſicht behandelt habe. Trotz des großen Ap - petits, den ich nicht ſelten verſpürt habe, Sie ſelbſt16 anzubeißen, habe ich es bisher ſtets unterlaſſen, weil Sie mir zu meinem Hausweſen nothwendig ſind. Aber, wenn Sie mich durch unzeitiges, ungeeignetes Benehmen allzuſehr zum Zorne reizen ſollten, ſo könnte ich nicht für mich gut ſtehen und der gütige Himmel weiß was dann geſchehen könnte. Es wäre fürchterlich, wenn ich mich an Jhnen ver - greifen müßte, um meinen antropophagiſchen Ten - denzen Genüge zu leiſten.

Katharine.

Aber ich bitte Sie, Herr Profeſſor!

Fleiſchmann.

Bitten Sie nicht; ſprechen Sie die Wahrheit! Es iſt Menſchenfleiſch in der Nähe! wo? wie? wer? heraus damit oder ich beiße Sie an! denn ich bin zu aufgeregt und kann mich nicht mehr zurückhalten.

Katharine
(für ſich.)

Weh mir, ich bin verloren!

(zu Fleiſchmann.)

Gnade, Herr Profeſſor! Jch muß ſchon geſtehen, daß ich zwei arme Kinder beherbergt habe, die ſich hieher verirrt hatten; allein ſie ſind vor Hunger ſo mager, daß kein guter Biſſen an ihnen iſt.

Fleiſchmann.

Jhr Glück iſt’s, Kathrine, daß Sie die Wahrheit17 geſagt haben. Vortrefflich, wenn die Kinder auch mager ſind, ſo können ſie durch gute Behandlung und zweckmäſſige Fütterung ganz geeignet werden, meinem Appetit als normale Speiſe zu dienen.

(ſanft.)

Führen Sie mich zu den lieben Kleinen, Kathrine. Jch will ſie in Augenſchein nehmen. Aber ſprechen Sie ihnen nicht von meinen Abſichten. Vor der Hand ſollen ſie gut genährt werden und ich will ihnen Unterricht in den Elementargegenſtänden er - theilen. Kommen Sie!

Katharine
(für ſich.)

Noch iſt nicht Alles verloren.

(beide ab ins Haus.) (Mittlerweile iſt es dunkel geworden. Kasperl tritt ein.)
Kasperl.

Von einem Ort zum Andern

Muß der Schneider wandern heißt’s in meim Handwerksgeſellenbüchl. Das iſt aber miſerabel. Jn dem Holzhauerhäusl hab ich nix kriegt als Grob - heiten, wie der Kerl nach Haus kommen iſt. Was? hat er g’ſagt Handwerksburſchen auch & q; noch! und wir hab’n ſelber nix z freſſen. Naus & q; da, hat er g’ſagt, oder ich zeig ihm den Weg, & q; elendiger Schneidergſell! Dieſe unzarten Ver -218ſicherungen von Seite eines ungebildeten Holzhauers, der von meiner nähern Bekanntſchaft Umgang nehmen wollte, veranlaßte mich ſein Dach zu meiden. Jch zog waldeinwärts, wo ich glücklicherweiſe einem Eich - katzl begegnete, welches mich um Ausbeſſerung ſeiner zeriſſenen Beinkleider erſuchte. Es iſt ſehr erklärlich, daß ein Eichkatzl durch das ewige Baum auf - und abkraxeln ſich die Hoſen zerreißt. Obſchon die hungrige Kuh des hungrigen Holzhackers mein Gſel - lenranzl, während ich g’ſchlafen hab, ganz und gar mit Stumpf und Stiel aufgefreſſen hat, blieb glück - licherweiſe mein Packl engliſcher Nähnadeln und der Fingerhut noch übrig, auch etwas Zwirn. Mit dieſen Gegenſtänden war ich im Stande, dem Eich - katzl ſeine Hoſen zu flicken. Es ſchied dankbar von mir, drückte mir eine Haſelnuß in die Hand und verſchwand in einem kühnen Sprung hinter den Buchen. Aber wo bin ich den jetzt hingerathen? Obſchon in nächtliches Dunkel gehüllt, zeigt mir die Dekoration dort hinten ein Haus, welches zart vom Mondſchein, der nicht im Kalender ſteht, beleuch - tet iſt.

Kasperl, probiers halt wieder! vielleicht findſt du freundlichere Aufnahme.

(läutet am Haus.)
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Katharine
(zum Fenſter heraus.)

Wer iſt da?

Kasperl.

Bitt gar ſchön, ein wandernder Schneiderg’ſell; bitt gar ſchön, an Kreuzer Almoſen oder was z eſſen. Ein Stückl Brod und a Dutzend Bratwürſteln, mehr verlang ich nit. Bitt gar ſchön und a guts Bett mit einer Couvertdecken und a par Maßl Bier, wenns möglich wär!

Profeſſor Fleiſchmann
(auch zum Fenſter heraus ſehend.)

Bravo, bravo! nur herein da, guter Freund! Jhr ſeid mir willkommen; könnt mir meine Garde - robe etwas in Stand ſetzen und dann gibts einen guten Biſſen.

Kasperl.

Juhe! einen guten Biſſen. Juhe! laßt mich nur hinein.

(ab ins Haus.)
Nun ſchwebt die Frau Nacht über die Bühne. (Schwarzes Schleppkleid mit Silberſternen geſtickt, ſchwarzen Schleier) und ſpricht:
Jch bin die Nacht, vor der die Sonne flieht,
Wenn ſie des Abends in die Tiefe zieht.
Mit ſchwarzem Schleier deck ich Alles zu
Und wiege Jung und Alt in ſüße Ruh.
2*20
Dort naht auch ſchon der Mond, mein Ehge -
mahl,
Und ſenket nieder ſeinen blaſſen Strahl.
(Der Mond erſcheint und zieht oben vorbei.)
Du theurer Mann, ſei herzlich mir gegrüßt,
Dein Licht die ernſte Dunkelheit verſüßt.
O leuchte mild mit Deinem Troſtesſchein
Jn dieſes Haus auf die zwei Kinder klein.
Sie ſchlummern ſanft vielleicht die letzte Nacht
Weil ſie der Menſchenfreſſer ſtreng bewacht!
Sag’s den Schutzengeln, die am Himmel ſchweben,
Daß ſie beſchützen dieſer Armen Leben;
Und wem Du ſonſt begegneſt, lieber Mann
Sagſt jedem noch, der etwa helfen kann.
Nun lebe wohl! wir ſeh’n uns wieder bald,
Jch wandle weiter durch den grünen Wald;
Erwarte mich beim erſten Morgenſtrahl
Dort hinter jenen Bergen in dem Thal;
Dann haben wir den halben Erdenbogen
Auf unſrer Bahn ſtillwandert wohl durchzogen
Und ruh’n beiſammen bis die Vögelein
Zu ſingen heben an im Abendſchein!
(Der Vorhang fällt langſam.)

Ende des erſten Aufzuges.

II. Aufzug.

Zimmer im Hauſe des Profeſſors Fleiſchmann. An der hintern Wand ſtehen 2 große Hühner - ſteigen. Jn der einen ſind Hansl und Grethl, in der andern iſt Kasperl eingeſperrt.)
Katharine
(mit einer großen Schüſſel.)

So, liebe Kinder, da bring ich euch euer Futter. Gute Spatzeln in der Milch.

Kasperl
(im Käfig.)

Warum denn ſchon wieder Spatzeln? die hab’n wir erſt geſtern g’habt; da müßt ja Einer ſelber a Spatz werden. Und hör’ns amal, Mamſell Kathrin, da herin halt ich’s nimmer lang aus.

Katharine.

Nur Geduld, Schneidergeſell, ich glaub, daß euch der Herr Profeſſor heut ein wenig herauslaßt.

Hansl
(weint.)

Ach liebe Kathrine! ihr habt uns ja verſprochen, daß wir heimlich davon laufen dürfen.

22
Grethl.

Jch bin ſchon ganz ſteif geworden. Jch möcht hinaus.

Katharine.

Nur ſtill, Kinder, daß der Herr Profeſſor nichts merkt. Jch muß den rechten Augenblick abpaſſen, wenn er einmal eine Flaſche zu viel getrunken hat; dann ſchläft er beſſer.

Kasperl
(rappelt im Käfig.)

Was hör ich da vom trinken? Gebt’s mir auch a par Flaſchen. Es iſt eine wahre Schand, daß man bei euch nix als Waſſer kriegt, das bin ich gar nit g’wohnt. Ueberhaupt das Einſperren da iſt eine Dummheit und kein Menſch weiß warum. Dem Herrn Profeſſor ſeinen zerlumpten ſchwarzen Frack hab ich zuſammen g’flickt und jetzt möcht ich mein Bezahlung und nachher wandr ich wieder weiter.

Katharine.

Der Herr Profeſſor hat euch ja ſchon geſagt, warum er euch eingeſperrt hält. Das gehört zu ſeinem Studium. Von Zeit zu Zeit werdet ihr ge - wogen, damit er ſtudieren kann, um wie viel die Speiſen den menſchlichen Körper ſchwerer machen.

Kasperl.

Schlipperment, ich bin kein Ochs, den man mäſten23 muß für den Metzger. Jetzt hab ich’s bald ſatt das Traktament.

Hansl.

Ruhig Schneider, ſonſt wird der Herr Profeſſor bös und wir kriegen alle Schläg.

Kasperl.

Nachher geht’s in Ein’m hin.

(rüttelt furchtbar an ſeinem Käfig.)
Katharine.

Ruhig, ſag ich da kommt der Herr Doktor ſelbſt.

(Profeſſor Fleiſchmann tritt ein, ein großes Buch in der Hand.)
Fleiſchmann.

Was iſt da wieder für ein Spektakel? Wird wohl dieſer Schneider Ruhe geben? oder ich werde ihn Manier lehren.

(ſanft zu den Kindern tretend)

Jhr lieben Kleinen, wie geht’s euch denn? Seid ihr doch bei Appettit? ſchmeckt euch das Eſſen? Kathrine, Sie haben doch ordentlich gefüttert?

Katharine.

Wie Sie befohlen haben, Herr Doktor.

Fleiſchmann.

Laßt einmal ſehen, Kinderchen: Streckt die Finger heraus, damit ich ſie befühlen kann.

(die Kinder ſtrecken die24 die Händchen heraus)

Nun ganz paſſabel; aber noch nicht genug zu meinem anatomiſchen Experimente.

(für ſich)

Acht Tage noch und ſie ſind fertig!

(An Kasperls Käfig tretend)

Und was macht den Monſieur Schneider - geſelle.

Kasperl.

Nichts macht er, wann Sie’s wiſſen wollen. Aber hören’s Herr Profeſſor ’s iſt Zeit, daß S mich rauslaſſen aus der Steigen. Jetzt hock ich ſchon 8 Tag lang herin. So lang ich Jhre Kleiderfetzen z’ſamgericht hab, da hat’s es noch gethan, denn wir Schneider ſind an die eingeſchränkte Poſitur gewohnt; aber jetzt möcht ich ’raus; verſtanden, Herr Profeſ - ſor? Ja ſind mir auch ein rechter Profeſſor Sie!

Fleiſchmann.

Ruhig Schneider.

(für ſich)

Jch muß den Kerl etwas kirre machen, er könnte mir endlich den Käfig zer - brechen in ſeinem Unmuth.

(laut)

Nun weiß er was, Schneider? wenn er ſich ordentlich benimmt, darf er mit mir eine Flaſche ausſtechen.

Kasperl.

Ausſtechen? was iſt das wieder für a ge -25 gelehrte Dummheit. Wiſſen Sie was? Sie können ausſtechen; aber ich thu ausſaufen.

Fleiſchmann.

Schon gut, ſchon gut. Kathrine, bringen Sie ein par Flaſchen in mein Studierzimmer hinaus.

(Kathrine ab, indem er den Käfig öffnet.)

So jetzt heraus Schneider!

Kasperl.

Juhe!

(Kasperl ſpringt heraus und fällt ſamt dem Profeſſor hin, den er im Falle niederſchlägt.)
Fleiſchmann.

Potz Blitz! ſei er nicht ſo heftig!

Kasperl.

Wenn man an Vogel aus’m Käfig laßt, ſo fliegt er davon, und ich ſollt kein Sprung machen bei der Gelegenheit?

Fleiſchmann
(betaſtet den Kasperl, für ſich.)

Der Burſch iſt ja hübſch fett geworden; vor - trefflich! Jch werde ihn betrunken machen, dann durch eine Jnciſion ſeciren, hierauf anatomiſiren, um zu erfahren, wie die Jnteſtina eines Schneiders beſchaffen ſind, dann werd ich ihn ſchnabuliren und ſchließlich hoffentlich digeriren.

26
Die Kinder
(im Käfig.)

Laſſen’s uns auch heraus; uns auch heraus - laſſen, Her Profeſſor! wir bitten.

Fleiſchmann.

Jetzt nicht, aber ſpäter dürft ihr etwas an die Luft.

(Zu Casperl)

So Monſieur Kasperl: nun komm Er mit mir in mein Studierzimmer; da wollen wir gemüthlich Eins zuſammen trinken.

Kasperl
(fällt ihm um den Hals.)

Bravo, das laß ich mir gefallen, Herr Profeſſor, wenn Sie ſo was dociren. Jetzt wollen wir zu - ſammen Eins ſtudieren.

(Beide ab.)
Grethl.

Wenn nur die Kathrin käm. Vielleicht wär’s bald Zeit.

Hansl.

Halt dich nur ruhig, Grethl.

Grethl.

O mein Gott! was werden Vater und Mutter für eine Angſt um uns ausſtehen! Jetzt ſind wir ſchon acht Tag aus ’m Haus, und ſie wiſſen nit, was mit uns g’ſchehn iſt!

(Kasperl ſchreit drauſſen:)

Juhe! vivat hoch!

27
Hansl.

Hörſt’n Schneider drauſſen?

Grethl.

Ja wenn nur der Profeſſor auch recht viel trinkt, damit er einſchlaft und wir fortkönnen.

Hansl.

Still, da kommt er wieder.

Fleiſchmann
(etwas benebelt.)

Der Burſche iſt ſchon toll und voll. Mittler - weile hole ich mein großes Secirmeſſer. Ha, ha, ha einen Schneider habe ich noch nicht verſchna - bulirt, der muß wohl eigenthümlich ſchmecken! Es iſt doch etwas Großes um die Naturwiſſenſchaften! Sie ſind es eigentlich, die uns am Gründlichſten auf den Realismus hinweiſen. Jnſoferne nämlich die Philoſophie den Geiſt in die Höhen und Tiefen eines potenzirten Jdealismus führt, wodurch wir den realen Boden, die phyſiſche Baſis, verlieren, ſonach unſere Forſchungen unhaltbar werden, indem ſie ſich in Hy - potheſen labyrintiſch verirren, iſt es andererſeits die die Naturwiſſenſchaft, deren Studium am Objekte ohne Hypertendenz feſthält. Wie können nicht irren! Die Wirklichkeit feſſelt unſere Beobachtung und28 läßt uns nicht transcendental umherſchweifen. Wir bleiben an und in dem Gegenſtande! Das Reale täuſcht nicht und während der Jdealismus in der Schwebe agirt und vagirt, folgen wir Realiſten den Andeutungen des Seciermeſſers oder des Micros - copes. Allein ſelbſt dieſe Mittel zur Forſchung genügten mir nicht mehr und ich bin durch meine unabläſſigen Studien dahin gelangt zu ergründen, daß die Summe aller wiſſenſchaftlichen Forſchungen im Betreffe des menſchlichen Körpers nur darin gefunden werden kann, wenn man den Menſchen ſelbſt ißt, inſoferne dadurch die Jncorporation und Amalgamirung der realen Eſſenz am deutlichſten und auf einfachſtem chemiſchem Reductionswege bewerk - ſtelligt wird. Aber ſieh da! ich vergeſſe mich in meinen Betrachtungen der Wein hat wohlthätig auf meine Organe gewirkt ich fühle, wie ich all - mählig durchdrungen werde, von der realen Wirkung des Getränkes, meine Sinne wurden ſanft be - rührt und neigen ſich der ſtagnirenden Tendenz des Fluidums,

(er ſchläft allmählig ein, indem er auf den Boden ſinkt.)

ich fühle ich empfinde ich ich o Wiſſen ſchaft

(Er iſt eingeſchlafen und ſchnarckt.)
29
Kasperl
(kömmt betrunken herein.)

Holla! wo iſt denn der Pro pro pro - fiſor?

(fingt.)

Lirum, larum, Löffelſtiel

Wer zu viel trinkt, hat zu viel

Juhe! Das iſt mein Element! Juhe!

(macht einen Sprung und fällt auf den Profeſſor hin; ſchläft ebenfalls ein beide ſchnarchen fürchterlich.) NB. Beide müſſen ſoweit zurückliegen, daß der Vorhang der folgenden De - koration vor ihnen fallen kann.)
Katharine
(tritt raſch ein.)

Da liegen ſie! alle zwei haben genug.

(lauſcht.)

Sie ſchlafen feſt Kinder, jetzt will ich’s wagen, aber ich gehe mit euch, denn dieſem ſchändlichen Men - ſchen will ich nicht länger dienen.

(öffnet den Käfig.)
Hansl und Grethl
(treten heraus.)

Gott ſei Dank! Jetzt ſind wir frei!

Katharine.

Nur ſchnell fort! ich denke, daß wir einen Vor - ſprung gewinnen und in Sicherheit ſind, ehe uns der Profeſſor wieder einholt, wenn er uns verfolgen ſollte. Kommt Kinder!

(mit den Kindern ab.)
30

Verwandlung.

Das Jnnere der Holzhauerhütte, wie im erſten Aufzuge. Peter und Mariane treten traurig ein.
Mariane.

Wieder nichts g’funden! o mein Gott im Himmel!

Peter.

Heut ſind’s grad 8 Tag und keine Spur von ihnen!

Mariane.

Die armen, armen Kinder! vielleicht hat’s der Wolf g’freſſen! Da biſt Du dran Schuld! Hättſt Du mir was gegeben, ſo hätt ich ihnen kochen können und ſie hätten ſich nit aus Hunger im Wald verlaufen.

Peter.

Hab ich Dir nit g’ſagt, daß ich die Kuh ver - kaufen will? hab ich’s Dir’s denn g’ſchafft, daß Du die Kinder allein in Wald ’nausſchickeſt? Du biſt dran ſchuld, nit ich!

Mariane.

Meinetwegen ich oder Du! verloren ſinds, 31 verloren ſind’s amal! es iſt erſchrecklich; jetzt hab’n mir keine Kinder mehr und haben 25 Gulden für die Kuh kriegt, und Du haſt dein Wochenlohn eingenommnen. Jetzt könnt ich ihnen was Guts kochen und derweil ſinds verhungert!

Peter.

Unſer lieber Herrgott lebt auch noch. Viel - leicht haben’s doch wo an Unterſchluf g’funden. Wir geh’n halt nacher wieder zum Suchen aus und ich lauf in die Stadt und gib’s bei der Polizei an.

Mariane.

Ja, nachher iſt’s gwiß nix, wenn’ſt’s auf der Polizei angibſt; die weiß gar nix.

(Es pocht an der Thüre.)
Peter.

Wer klopft denn? herein, wenn’s was Gut’s iſt!

(Der Gerichtsdiener Schnauzbart tritt ein.)
Schnauzbart
(immer ſehr wichtig thuend.)

Guten Tag, liebe Leute.

Peter.

Grüß’n Herrn Gott. Wem hab ich die Ehre?

Schnauzbart.

Jch bin der Gerichtsdiener Schnauzbart und be - ſinde mich in Amtsgeſchäften in dieſer Gegend.

32
Mariane.

Aber was wollt’s denn amtiren in dem einſamen Wald? Gottlob, bei uns gibts keine Spitzbub’n und keine Rauba.

Schnauzbart.

Das hohe Amt und ich, deſſen Bote wir wiſſen ſehr wohl, daß es in dieſem Walde keine Spitzbuben und Räuber gibt Dank unſerer weiſen Fürſorge; allein man iſt dennoch einem fürchterlichen Weſen auf der Spur.

Peter.

Da wiſſen wir nichts davon.

Schnauzbart.

Möglich aber dem hochweiſen Amte und mir, deſſen Boten, iſt Nichts unbekannt. Es ſcheint mir oder vielmehr ich weiß es, daß ihr ehrliche Leute ſeid; alſo hört: Es iſt dem hochweiſen Amte durch ein Frauenzimmer angezeigt worden, daß in dieſem Walde an einem ſehr verborgenen Orte ein Häus - lein ſteht, in welchem ein gelehrter Profeſſor logirt, der neben ſeinem Studium die ſonderbare Gewohn - heit hat, Menſchen zu freſſen.

Mariane
(im größten Schrecken.)

Gott im Himmel, der hat unſre Kinder g’freſſen!

33
Peter.

Auweh, auweh! das Unglück!

Schnauzbart.

Jnſoferne ihr Kinder habet und dieſe Kinder be - ſagtem verdächtigem Jndividuum zu Handen gekom - men ſind, iſt wohl an deren geſetzwidriger Ver - ſchlingung ſchwerlich zu zweifeln. Kurz! ob be - ſagte eure angeblichen Kinder gefreſſen ſind oder nicht die erwähnte Weibsperſon, welche bei dem Profeſſor in Dienſten geſtanden und die Anzeige gemacht hat, wurde von dem hochweiſen Gerichte allſogleich incar - cerirt und ich wurde mit einigen Stadtſoldaten aus - geſchickt, um Spähe zu treffen und möglichſt eine geeignete Arretirung vorzunehmen.

Peter.

Aber ſag’n S mir doch, Herr Gerichtsdiener, wa - rum haben’s denn das Weibsbild nit mitgnommen? die hätt Jhnen ja am beſten gleich den Weg zum verdächtigen Häusl zeigen können.

Schnauzbart.

Daran hat das hochweiſe Amt nicht gedacht und auch mir iſt dieſe ſpitzfindige Maßregel nicht einge - fallen; allein trotzdem wird die Entdeckung vor ſich gehen; denn die Unterſuchung iſt bereits eingeleitet334und das Protokoll eröffnet. Da ihr nun als Holz - hauer in dieſem Walde bekannt ſein müßt, ſo fordere ich euch auf, mich auf meinem Streifzuge zu be - gleiten.

Peter.

Da bin ich gleich dabei. Jch hab auch ſchon a mal ſo was g’hört, daß ganz hinten im Schwarz - eckerforſt ein Einſiedlerhäusl ſteht; aber die Leut hab’n immer g’ſagt, es iſt nit recht ſauber dort und da hat ſich Niemand hintraut.

Schnauzbart.

Dieſem Umſtande gemäß könnte man die Spur finden. Wie weit iſt ungefähr in jene Gegend?

Peter.

So a 2 bis 3 Stunden braucht man halt bis an’s Schwarzeck und’s Häusl wird nacher bald g’funden ſein.

Schnauzbart.

Gut alſo treten wir den Weg an. Jhr geht voran, eine Viertelſtunde hinter euch will ich geh’n, damit ich euch nicht aus den Augen verliere; um mich vertheilt marſchirt dann die Mannſchaft.

Peter.

Jch nimm aber meine Holzaxt mit, und wenn35 ich den Kerl find, nachher ſchlag ich ihm gleich ſein Profeſſorſchädl ein.

Schnauzbart.

Alles nach Umſtänden, alſo fort!

Peter.

B’hüt Gott Marianl! vielleicht find ich bei der Gelegenheit unſern Hansl und unſer Grethl!

Mariane.

Will’s Gott! wenn’s nur nit ſchon g’freſſen ſind von dem Wüthrich!

Schnauzbart.

Aber nur vorſichtig, lieber Mann, damit uns nicht ſelbſt ein Unglück zuſtoßt! So ein Streifzug hat im - mer Etwas Gefährliches an ſich. Langſam, aber ſicher alſo!

(Alle geh’n hinaus.)

Verwandlung,

wobei es wieder Nacht wird. Waldiges Fel - ſenthal. Jm Mittelgrunde ein Hügel, unter welchem eine Höhle iſt. (Die Nacht tritt auf. Der Mond erſcheint am Himmel.)
Nacht.
Die Nebel ſtiegen aus den Thalen auf
Und ich beginne meinen ſtillen Lauf,
3*36
Dort oben ſchwebt mein lieber Mann,
Will hör’n, was er mir ſagen kann.
Sei mir gegrüßt, erzähle mir
Was ſah’ſt Du in dem Walde hier?
Der Mond.
Lieb Weib, ich wünſch Dir guten Abend.
Die Luft iſt heute lieblich labend,
Hieroben ſchweb ich gern ſpazieren,
Da läßt ſich manches obſerviren.
Zwei Kinder hab ich laufen ſeh’n,
Die auf dem Wege hieher geh’n.
Sie ſcheinen müd
Nacht.
Das ſind die zwei.
Gottlob, daß Keines gegeſſen ſei!
Mond.
Und hinter ihnen ſeh ich auch,
Da läuft ein Mann mit dickem Bauch.
Nacht.
Das wird der Menſchenfreſſer ſein.
Den Kindern leucht mit Deinem Schein,
Daß Sie zum Schutz die Höhle finden;
Dann mußt Du hinter Wolken ſchwinden,
37
Damit der Mann in Finſterniß
Nicht ſehen kann den Felſenriß.
(ab.)
Der Mond.
Geh nur; wie Du geſagt, ſo wird’s geſcheh’n,
Die armen Kinder ſoll der Mann nicht ſeh’n.
(Hansl und Grethl.)
Grethl.

Hansl, ich kann nicht mehr! ich bin todt müd!

Hansl.

Grethl, mir thun auch die Füſſe weh vom Laufen.

Grethl.

Sieh! dort ſcheint der Mond auf eine Felſen - höhle; da ſchlüpfen wir hinein und können verſteckt ausruh’n.

Hansl.

Haſt Du’s gehört, wie der böſe Profeſſor uns nachgelaufen iſt und immer geſchrieen hat; halt! halt, Kinder! ?

Grethl.

Ja, aber wir ſind beſſer gelaufen, als er mit ſeinem dicken Bauch!

Hansl.

Komm, ſchnell! Dorthinein!

(Sie verſtecken ſich in der Höhle. Der Mond verſchwindet hinter Wolken.)
38
Fleiſchmann
(läuft herein und fällt auf den Bauch.)

Potz Element! gerade war noch heller Mond - ſchein; da wird’s auf einmal dunkel und ich ſtolpere über einen Stein. Die Kinder hab ich aus dem Geſicht verloren. Verfluchte Geſchichte! Der Henker hole den Schneidergeſellen! Der iſt mir auch ausge - kommen; Und die Kinder waren ſchon ſo hübſch her - ausgefüttert! Der vermaledeite gute Wein! Auch die Kathrine iſt mir durchgegangen! Alles geht mir der Quere! Müd bin ich wie ein alter Poſt - gaul; was iſt zu machen als hier ein Bischen ruhen? Dort ſehe ich einen Hügel im Halbdunkel. Jch will mich niederlegen und ein wenig ſchlafen.

(Er legt ſich auf den Hügel und ſchläft ein.) (Der Mond tritt hinter den Wolken bervor und leuchtet wieder.)
Der Mond.
Er ſchläft, nun kann ich wieder ſcheinen,
Vielleicht nütz ich den lieben Kleinen;
Doch wie? Da naht ſich dieſer Stelle
Ganz abgehetzt ein drolliger Geſelle.
Kasperl.

Tauſendſchlipperment, das war aber eine Hetz! Wie der Profeſſor ſein Rauſch ausg’ſchlafen hat und ich den meinigen und wir ſo aufenand g’legen ſind,39 das heißt, er unter mir und ich auf ihm, da ſind wir gleich umanand kugelt; er hat mich packen wol - len, aber ich hab’n beim Gnack g’habt; endlich ſpring ich auf und zum Fenſter naus, er will nach, fallt aber auf d Naſen; ich voraus im Wald hinaus, er nach; ich kraxl gleich auf an Baum, daß er mich nimmer ſieht; er ſtolpert wüthend fort und will die zwei Kinder fangen, ich nach und will’n bei der Hoſen packen; pumps dich, liegen wir alle zwei auf der Naſen; unterdeſſen hat ſich eine ſolche Monds - finſterniß eingſtellt, daß keiner nicht einmal ſeine verkehrte Seiten gſeh’n hat; jetzt bin ich da und

(indem er den ſchlafenden Profeſſor erblickt)

potz Schlip - perement, da oben liegt er ja wieder und ſchlaft! Jetzt könnt ich’n erwiſchen den abſcheulichen Men - ſchenfreſſer. Nadel und Faden hab ich bei mir, ich näh ihm in der Mondbeleuchtung ſein Hoſen z’ſamm, daß er d Füß nimmer rühren kann, nacher kann er uns nimmer auskommen.

(Er ſteigt auf den Hügel und näht.)

So jetzt ſteh auf, wenn’ſt kannſt? Jch verſteck mich derweil in das Felſenloch da unten.

(Kriecht in die Höhle, in welcher bereits die Kinder ſind.)
Fleiſchmann
(erwachend.)

Wer hat mich da an den Beinen gekitzelt?

40

Potz Tauſend! ich kann mich ja nicht rühren!

(verſucht aufzuſtehen und fällt wieder hin.)

Sind mir den die Füſſe zuſammengewachſen? Das iſt ein infamer Streich! Jch kann nicht ſtehen, ich kann nicht gehen; was ſoll da mit mir geſchehen?

Schnauzbart
(hinter der Scene.)

Nur langſam, langſam! wir ſind auf der Spur! vorſichtig!

(er tritt herein.)

Um Gotteswillen! dort liegt er, ganz nach der amtlichen Perſonalbeſchreibung, wenn mich das Mondlicht nicht täuſcht! Jch muß mich verſtecken, um meine Beobachtungen ohne Ge - fahr fortſetzen zu können, bis die Mannſchaft nach - kömmt.

(Kriecht ebenfalls in die Höhle.)
Peter
(mit der Art.)

Holla, wo ſeid ihr Herr Gerichtsdiener?

Fleiſchmann
(auf dem Hügel.)

Ach helft mir auf die Beine, lieber Mann! Jch weiß nicht, wie mir geſchehen iſt; ich kann nicht gehen. Jch belohne euch königlich, wenn ihr mir auf die Beine helft.

Peter.

Wer ſeid ihr denn da oben?

Fleiſchmann.

Jch bin Profeſſor Fleiſchmann, Privatgelehrter41 und Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften, Naturforſcher und Doktor der Philoſophie.

Peter.

So? ihr ſeid der Halunk, der meine Kinder g’freſſen hat? Wart, ich will Dir gleich helfen.

(ſpringt auf ihn los und verſetzt ihm mit der Axt Schläge.)

So ſo ſo einmal zweimal dreimal!

Fleiſchmann
(ſchreit.)

Hülfe, Hülfe! ich bin verloren.

Peter
(ſchlägt immer zu.)

Pumps, pumps, pumps! So jetzt könnt’s genug ſein!

(Fleiſchmann fällt todt nieder.)
Schnauzbart
(guckt aus der Höhle.)

Was iſt das für ein Mordſpektakel?

Peter.

Jch hab’n todt gſchlag’n mit meim Hackel.

Schnauzbart.

Alſo keine Gefahr mehr?

Peter.

Aus iſt’s mit ihm.

Schnauzbart
(kömmt heraus.)

So hat die Gerechtigkeit geſiegt und der Umſicht42 der Behörden iſt es gelungen, einen Verbrecher un - ſchädlich zu machen.

Kasperl
(guckt aus dem Verſteck.)

Da iſt auch noch Einer, wenn’s erlaubt iſt!

(kömmt heraus.) (Hansl und Grethl gucken aus dem Verſteck.)
Hansl.

Jch hab ja ’n Vater ſein Stimm g’hört.

Grethl.

Vater, Vater da ſind wir ja wieder bei - ſammen!

Peter.

Gott ſei’s gedankt! meine lieben Fratzen! Jetzt iſt Alles wieder gut.

Kasperl.
Ja, Alles geht jetzt wieder gut
Der Böſe liegt in ſeinem Blut,
Das Laſter hat nun ſeinen Lohn,
Die Tugend geht belohnt davon.
Juhe! jetzt geh’n wir gleich Alle in’s Wirths -
haus.
Der Vorhang fällt.

Ende des Stückes.

Die ſtolze Hildegard oder Asprian mit dem Zauberſpiegel. Großes Ritterſchauſpiel in drei Aufzügen.

[figure]

Perſonen.

  • Ritter Kuno von Hoheneck.
  • Hildegardis,

    ſeine Tochter.

  • Ritter Albert von Waldeck.
  • Ritter Georg von Felſenau.
  • Ritter Hans vom Elend.
  • Kasperl,

    ſein Knappe.

  • Wiltrud,

    eine Hexe.

  • Asprian,

    Köhler, ihr Sohn.

  • Ein Bauer.
  • Jäger, Knappen und Burgleute.

I. Aufzug.

Waldgegend. Jm Hintergrunde die Burg Hoheneck. Seitwärts an der zweiten Couliſſe das Häuschen der Wiltrud. Ritter Hans und Kasperl treten ein.
Ritter Hans.

Der Beſchreibung nach, die man mir machte, muß jenes Schloß dort Hoheneck ſein, wo die ſchöne aber ſo ſtolze Hildegardis mit ihrem Vater dem Ritter Kuno hauſt.

Kasperl.

Mir wär’s recht; denn der Gſpaß dauert mir ſchon lang z lang, daß wir ſchon ſechs Wochen und a halbs Jahr dazu als Hungerleider rumziehen und das Schloß ſuchen. Und Sie Sie wollen gar a fahrender Ritter heißen und laufen alleweil z Fuß umenand. Was en ordentlicher fahrender Ritter iſt, der ſoll eine Eklipage haben und in einer Kutſchenchaiſen ſitzen, ſonſt kann er ſich nicht fahren -46 der Ritter tituliren. Das iſt alſo eine bloſſe Re - nomage oder eine ſchwarze Verläumdung und Auf - ſchneiderei.

Hans.

Schweige mit Deinem unnöthigen Geſchwätze?

Kasperl.

Ja, ein unnöthig’s Gſchwatz! Jch ſag aber, das iſt ein unnöthigs Umanandlaufen wegen der ſtolzen Mamſell da oben. Und nacher, wenn wir miten - ander naufkraxelt ſind, da heißt’s vermuthlich wieder abſchieben.

Hans.

Das wird ſich zeigen Burſche. Geh lieber zu dem Häuschen dort und frage, ob dies die Burg Hoheneck iſt.

Kaspar.

Jedenfalls kann ich das Häusl nit fragen; denn das könnt mir kein Antwort geben; alſo muß ich die Leut fragen, die drin ſind. Verſteh’n S mich, Herr Ritter? So g’ſcheid bin ich doch.

Hans.

Geh nur, geh und erkundige Dich.

Kasperl
(der an das Häuschen tritt und anklopft.)

Heda! mit Verlaub, aufgmacht! wir möchten gern47 was wiſſen.

(nach einer Pauſe.)

Entweder haben die Leut keine Ohren oder ſie ſchlafen, oder es iſt ſogar gar Niemand drin!

(lauter)

Heda! Schlipperement! Was iſt das für eine Bagage, die nicht antwort. Raus da oder ich ſchlag’s Fenſter ein mit die pappedeckel - nen Scheiben!

Wiltrud
(ſchaut zum Fenſter heraus.)

Was iſt für ein Lärm draußen?

Kasperl
(zurückfahrend.)

Pfui Teufel, das Gſicht! aber die Naſen! Allerſchönſtes Fräulein, ich ſoll was fragen.

Wiltrud.

Was wollt ihr?

Kasperl.

Mein Herr möcht gern wiſſen, ob das Schloß da hinten, da oben die Burg die Burg die Burg ja wie heißt denn die Burg, Herr Ritter? Jch hab’s vergeſſen.

Hans.

Hoheneck, einfältiger Burſch!

Kasperl.

Alſo, ob die Burg da hinten die Burg Hohen - ſchneck iſt.

48
Wiltrud.

Was ſind das für eitel Fragen? Steigt nur hinauf und ihr werdet’s erfahren.

(ſchlägt das Fenſter zu.)
Kasperl.

Dieſes Weibsbild ſcheint ſehr ungebildet zu ſein, ſo gewiſſermaſſen etwas grob vielmehr.

Hans.

Frag nur noch einmal?

Kasperl.

Probir’n mir’s alſo noch a mal.

(klopft am Fenſter)

Allerallerallerallerſchönſte, wollen Sie mir buliebigſt eine Andeutung geben, wie dieſe Schloßburg da oben benamſt iſt?

Wiltrud
(wieder am Fenſter)

Laßt mich in Ruhe!

Die Burg iſt Hoheneck genannt
Und iſt ſchon ſechsmal abgebrannt;
Es bellt der Hund, es kräht der Hahn,
Und wer’s nicht glaubt, der ſteig hinan.
(Schlägt das Fenſter zu.)
Kasperl.

Jetzt wiſſen’s wir’s alſo:

Es kräht der Hund es bellt der Hahn
Und wer’s nicht glaubt, dem liegt nix dran!
49
Wiltrud
(aus dem Hauſe tretend.)

Ja, edler Ritter, das iſt die Burg Hoheneck; allein wenn Jhr etwan um das ſchöne Fräulein Hil - degardis freien wolltet, ſo bleibt lieber unten und bemüht euch nicht den Berg hinauf; das haben ſchon Viele verſucht, die wieder ſchmachvoll abgezogen ſind oder gar elend ums Leben gekommen wegen ihrer thörichten Liebe.

Hans.

Mir einerlei! Jch wag es dennoch; denn was hätt ich zu verlieren? Jch bin ein armer fahren - der Ritter.

Kasperl.

Jetzt kommt er ſchon wieder mit ſei’m fahren!

Hans.

Meine Burg heißt Elend.

Kasperl.

Und Noth.

Hans.

Jch habe nichts als mein gutes Schwert.

Kasperl.

Und nicht emal ein Pferd!

Hans.

Jch will mir die ſchöne Hildegardis holen oder untergeh’n.

450
Kasperl.

Jch bleib ledig und geh aus’n Dienſt; mit dem Untergeh’n will ich meinerſeits Nichts zu ſchaffen haben.

Wiltrud.

So geht denn in euer Verderben, wenn ihr’s ſelbſt wollt!

Hans.

Ein echter Ritter kennt keine Furcht!

Kasperl.

Ja, ein ächter Ritter kennt ſeinen Durſt!

Hans.

Komm, mein Knappe; ich will hinauf.

Kasperl
[großartig.]

Ja wir woll’n hinauf und ſchau’n, daß wir was z eſſen und z trinken kriegen.

Hans.

Sieg oder Tod!

[ab gegen die Burg.]
Kasperl.

Knödel oder Sauerkraut!

[ab.]
Wiltrud
[allein.]

Ja geh nur, Du Narr! geh nur! Hildegard iſt kein Blümlein für Dich gewachſen; auch für keinen Andern, als für mein liebes Söhnchen Asprian. 51Alle Ritter, die um ſie werben, weiſt ſie zwar ſchnöde ab: denn keiner iſt ihr gut genug, aber ich hab ſie für meinen Herzensſohn Asprian aufgehoben. Der häßliche Burſch kriegt keine Dirne zum Weib; aber Hildegard ſoll er doch haben und dann Burg - herr auf Hoheneck werden. Und wenn es an der Zeit iſt, daß der alte Kuno endlich des Hochmuths ſeiner Tochter überdrüſſig wird, wenn kein Ritter mehr kommen will, um ihre Hand zu werben, dann ſoll mein Asprian auf die Burg ſteigen. Jch will ihm ein ſchönes Wams anziehen und Schwungfedern auf ſein Käpplein ſtecken, damit er wie ein Ritter ausſieht und da doch kein Ritter den Spiegel der Wahrheit meinem Asprian entriſſen haben wird, dann ja dann wird ſie wohl froh ſein, ſein Weib zu werden! hi hi hi!

[lacht.]

dann wird ſie ihn ſchon nehmen wollen, wenn ihr Hochmuth ge - beugt iſt, hihihi!

[im Abgehen]

Ja, freu Dich nur, Herzensſöhnchen; goldner Asprian, freu Dich; die ſchöne Hildegard ſoll Dein ſein!

[ab in’s Haus.]
[Hörnerklang, hinter der Scene, bald darauf Hildegard im Jagdgewand, mit ihr Albert von Waldeck und Georg von Felſenau mit Jagd - Gefolge.]
Hildegard.

Genug der Jagd für heute, ihr Herrn!

[zu den Jägern]

Blast ab!

[Hornſteß, der hinter der Scene beantwortet wird.]
4 *52
Albert.

Meiſterlich habt ihr den Hirſch erlegt, edles Fräulein.

[Ein Hirſch wird über die Bühne getragen.]
Georg.

Seht, da bringen Sie ihn. Welch Prachtge - weih ihn ziert. Jhr müßt’s in die Trinkſtube eures Vaters aufhängen laſſen mit den andern der Hirſche, die ihr mit eigner Hand erlegt habt.

Hildegard.

Das Waidwerk iſt meine Luſt und Freude.

Albert.

Ja wohl ſchöne Hildegard. Wißt ihr aber auch aus welcher Urſache? Weil ihr Freude daran habt, ein Wild zu erjagen.

Hildegard.

Nun ja, das iſt ja der Zweck des Waidwerks.

Albert.

Und uns wollt ihr’s verdenken, daß wir einer unvergleichbar edleren Jagd pflegen, als der, ein Reh, oder einen Hirſch zu gewinnen?

Hildegard.

Jhr meint wohl, daß ihr nach mir jaget? Ha, haha!

53
Georg.

Fürwahr, ſchönes Fräulein. Wir thun’s mit Luſt und Lieb; und wem es endlich gelungen ſein mag, das edle Wild zu erbeuten, der ſei auch von Herzen beneidet darob.

Hildegard.

Aber ihr wißt doch, daß ihr ins Blaue jagt. Das Wild entſchlüpft euch immer und wolltet ihr es gar ſchlau mit dem Netze fangen, ſo würde es das Garn durchbrechen.

Albert.

Und dennoch laſſen wir nicht ab. Einer von uns Beiden muß es gewinnen.

Hildegard.

Gebt euch doch fürder keine Mühe. Jch hab’s ſchon oft genug erklärt: der Mann, der mich zum Weibe haben ſoll, iſt nicht geboren; frei will ich ſein, frei bleiben mein Lebtag; und darum auch habe ich die harte Bedingung geſetzt, daß nur der mich als Weib gewinnt, der mir den Zauberſpiegel bringt, den der Köhler Asprian in ſeiner Höhle be - wahrt. Keiner hat’s noch vollbracht! Die Leichen der unglücklichen Bewerber haben die Wölfe des Waldes gefreſſen oder die Raben auf der Haide und54 Asprian ſchneidet ihnen aber zuvor die Köpfe ab und ziert mit dieſen Todtenſchädeln ſein Felſenge - mach! Wolltet ihr’s auch verſuchen, mit dem unüber - windlichen Asprian zu kämpfen? Schad um euer Leben, ihr edlen Ritter!

Albert und Georg
[zugleich.]

Ja, wir wollen’s!

Albert.

Und morgen ſei’s; denn fürwahr, ſtolze Schöne, eures Trotzes ſind wir müde.

Georg.

Wenn Du es zuerſt wagen willſt, ſteh ich gerne nach.

Albert.

Jch denke wir looſen darum, wenn es dem Fräu - lein genehm iſt.

Hildegard.

Looſt, ſo viel ihr wollt, darum freilich nur: wer zuerſt von des Köhlers Asprian Keule erſchlagen werde. Looſt, ihr Herrn! heut Abend beim Jmbiß. Kommt jetzt, auf Hoheneck!

[Alle ab.]
55

Verwandlung.

Gemach auf Burg Hoheneck. Ritter Kuno mit Hans vom Elend eintretend.
Kuno.

Seid mir willkommen, edler Ritter.

Hans.

Habt Dank für den gaſtlichen Willkomm.

Kuno.

Alſo auch Jhr wollt es verſuchen, das ſtolze Herz meiner Tochter zu erweichen? Das wird euch ebenſo wenig gelingen, als all den andern Bewer - bern, die entweder gleich wieder abgezogen ſind oder im Kampfe mit dem rieſigen Köhler unterlagen.

Hans.

Ja, aber der Preis iſt ein ſo herrlicher, daß ich gerne mein Leben wage. Ringsum in allen Gauen erſchallt das Lob von der Schönheit euer Tochter. Jch habe freilich nichts zu bieten als den Schild meiner Ahnen und mein bewährtes ritterliches Schwert. Meine Burg iſt ſchier verfallen. Mein Vater ſtarb geächtet, weil er es nicht mit dem Kaiſer gehalten. Nichts ließ er mir zum Erbe als Elend, wie die56 Burg genannt iſt, weil ſie auf einer elenden Haide erbaut ward.

Kuno.

Aber euer Geſchlecht iſt alten Namens; ich kenn es wohl und ich acht euch nicht geringer ob eurer Armuth, als wäret ihr der reichſte Ritter im Lande; denn des Ritters wahrer Reichthum iſt ja doch eigent - lich die Ehre und ſein Schwert! Drum laßt gleich einen Humpen zuſammen leeren auf euer edles Ritterthum!

[ruft.]

Heda! bringt Wein!

Hans.

Jhr ſeid allzugütig.

Ein Diener bringt zwei Becher Wein. [Sie trinken, nachdem ſie angeſtoßen haben.]
Kuno.

Noch einmal! Seid mir willkommen!

Hans.

Aber, wo iſt das Fräulein?

Kuno.

Hildegard pflegt der Jagd mit zwei Rittern, die ſich auch um ihre Hand bewerben; aber ſie muß bald heimkehren; denn ich vernahm ſchon der Hörner Klang im nahen Walde.

Hans.

So ich bin alſo der Dritte hier auf eurer Burg, der euer Eidam werden möchte!

57
Kuno.

Ja wohl, ihr ſeid’s; und fürwahr, ich hab in dieſer kurzen Zeit ſchon ein ſo groß Vertrauen zu euch gewonnen, daß euer Sieg mir zur Freude ge - reichen würde!

Hans.

Dank euch, edler Herr! Gewiß würde ich mich eurer Liebe würdig zeigen.

Hornruf draußen.
Kuno.

Aha! Sie kommen. Die Jagd iſt aus.

Hildegard mit Albert und Georg treten ein.
Hildegard
[mit Lebhaftigkeit.]

Der Hirſch iſt mein, theurer Vater!

Albert.

Mit kühnem Speerwurfe hat ihn das Fräulein erlegt.

Georg.

Nur ein paar Sprünge machte er noch durch’s Dickicht; dann ſtürzte er

Hildegard.

Und mit dem Waidmeſſer gab ich ihm den Fang, daß der rothe Schweiß hoch aufſpritzte.

[Hans erblickend.]

Ei ſie da ein Gaſt? Willkommen edler Ritter! Was führt euch auf Burg Hoheneck?

58
Hans.

Das Kleeblatt vollzumachen.

Hildegard
[ſpöttiſch.]

Ein Dritter alſo in der gütigen Bewerber Zahl!

Hans.

So iſt’s und nichts für ungut, ihr Herrn, wenn ich mich anreihe.

Georg.

Gott zum Gruß!

Albert.

Um hohes Gut gemeinſam kämpfen iſt ein edles Turnei!

Hans.

Wohl dem, der den Preis gewinnt!

Hildegard.

Nun könnt ihr alſo zu Dreien looſen, wer zuerſt ſein Leben um mich zu wagen Luſt hat. Aber ich möchte euch rathen, lieber in Frieden heimzu - ziehen.

Albert, Georg und Hans
[zugleich.]

Nimmermehr!

Hildegard.

Wie es euch beliebt, wenn ihr euer Verderben wollt.

59
Hans.

Jch weiß, daß es einen Kampf gilt, in dem noch Alle, die ihn bisher gewagt haben, untergingen. Jenen Zauberſpiegel wollt ihr, der die Wahrheit dem zeigt, der ihn beſitzt.

Hildegard.

Jſt’s nicht wohlgethan, wenn man nach Wahr - heit ſtrebt?

Kuno
[zu Hildegard.]

Und haſt Du den Spiegel einmal, ſo wirſt Du aus ihm Deines Herzens Stolz erkennen.

Hildegard.

Dann werd ich mich auch zu fügen wiſſen. Nun, was wollt ihr mehr? Wer mir den Spiegel bringt, dem reich ich meine Hand, als Gattin und ich bin ſein! Dieß gelob ich. Nun, mögt ihr looſen. Dort ſteht ein güldner Becher. Zwei Ku - geln liegen darin Eine weiß, die andere ſchwarz. Wer die ſchwarze zieht iſt der erſte zum Kampfe mit Asprian.

Hans.

So kommt, laßt uns ziehen!

Kuno.

Blickt auf und ſchaut nicht abwärts, daß nur der60 Griff der Hand wähle. Ritter Albert, ihr wart der erſte hier, ihr habt alſo das erſte Anrecht.

Albert.

Wohlan!

[greift in den Becher]

Schwarz! Jch bin der erſte.

Hildegard.

Werft die Kugel wieder in den Becher. Nun iſt’s an euch, Ritter Georg ihr wart ja der zweite Bewerber.

Georg
[er zieht.]

Schwarz! Hat Albert nicht geſiegt, ſo bring ich euch den Spiegel.

Hans.

Und ſo wäre denn ich der letzte, wenn ihr Beide erlegen wärt.

Kuno.

Gott ſchütz euch! Der Kampf iſt herb und hart; denn der Tod des Einen iſt Brautwerber für den Andern. Drum aber meide keiner den Sieger!

Die drei Ritter
[reichen ſich die Hände.]

Keiner wir ſchwören’s!

Kuno.

So ſei’s denn! Nun laßt uns zum Abendſchmaus gehen; Hildegard wird euch den beſten Rheingauer kredenzen.

[Alle ab.]
61
Kasperl
[tritt ein.]
[im hochtragiſchen Tone.]

Ha! Jch weiß nun Alles: Eine ſchwarze Kugel eine weiße Kugel! Ja wenn die ſchwarze Kugel nicht ſchwarz wäre, ſo wäre ſie vielleicht weiß. Schwarz oder weiß dieß iſt das Looſungswort für den Kampf um den Zauberſpiegel. Wenn ich mich aber gewiſſermaſſen und aus ganz beſonderen Urſachen weniger an dem näheren Um - gang mit dem Rieſen Asprian oder wie er heißt zu betheiligen buabſichtige ſo jetzt Kasperl paß auf ſo Schlipperment

[in gewöhnlichem Tone.]

warum ſoll denn ich’s nit auch probieren, daß ich das Ritter - fräulein krieg? Aber wie? Könnt ich nit zum Bei - ſpiel durch meine Pfiffigkeit den gewiſſen Spiegel da ſtibitzen, derweil die Ritter ſo dumm ſind, ſich mit dem Kohlenbrenner rumz’raufen? Dieſer Gedanke iſt groß: und wenn ich dieſen Spiegel geſtibitzt habe, werde ich im ritterlichen Coſtüm, das ich auch irgendwo ſtibitzen kann, den Zauberſpiegel in der Hand, mich vor dem Fräulein hinſtürzen und als ihren Gemahl produziren. Denn ſie hat’s ja ge - ſchworen, daß wer ihr den Spiegel bringt ihr Ge - mahl wird. Alſo Courage Kasperl! ſei gſcheid! Jch werd morgen den Rittern nachſchleichen und vielleicht,62 vielleicht ſind mir die unterirdiſchen oder oberirdi - ſchen Mächte hold. Pumpadara!

[Es donnert.]

Hören’s auf da oben! oder ſollte dieſer Donner ein zarter Wink des Schickſals ſein?

[mit Wichtigkeit.]

Dieſes wird ſich im zweiten Akte zeigen!

Der Vorhang fällt.

Ende des erſten Aufzuges.

II. Aufzug.

Waldiges Felſenthal. Der Eingang in Asprian’s Höhle ſichtbar. Jm Hinter - grunde ein rauchender Meiler. Nacht, der Morgen - Dämmerung nahe; der Vollmond am Himmel.
Wiltrud
[tritt ein.]

Die Nacht iſt hell, bald aber graut der Morgen. Mich ließ es nicht mehr ruhen. Jch muß zu meinem Herzensſöhnlein Asprian, der noch nicht ahnet, daß ihn heute noch die Ritter bekämpfen werden. Mond - ſchein was ſagſt Du mir? Huiauf ihr Raben und Eulen! Huiauf! was habt ihr mir zu verkünden?

[Während der Vollmond blutroth wird, flattert eine Schaar Eulen und Raben über die Bühne mit Geſchrei und Gekräh.]

Hoho, was iſt das für ein Lumpenpack? was fliegt ihr in die Nacht hinein und warum nicht ge - gen das Morgenroth? Galgenvögel! Und Du dort oben wirſt blutroth? Der Wiederſchein des ritter - lichen Blutes, das da fließen ſoll? nicht wahr? denn64 meinem Asprian darf nichts geſchehen; der iſt ja ſtärker als Alle.

[Der Wind rauſcht durch die Baumwipfel.]

Holla, da rauſcht’s von Oſten her und weht die Morgennebel über die Mondſcheibe hin!

[ruft in die Höhle]

Asprian! Asprian! mein Herzkind! hörſt Du nicht? Komm doch heraus! Dein Mütterlein iſt da.

Asprian
[drinnen.]

Wer ruft mich? laßt mir Ruhe!

Wiltrud.

Jch bin’s ja, ich bin’s! Komm nur; Du ſollſt was Neues hören.

Asprian
[tritt aus der Höhle.]

Da bin ich, aber was kommſt Du nicht herein zu mir? Jch lag auf der Bärenhaut, war faul vom Kohlenbrennen.

Wiltrud.

Hör mich, Asprian! nun ſoll die ſtolze Hilde - gard bald dein ſein.

Asprian.

Heiſa! Da bekomm ich ein ſchönes Weib in in mein Felſenloch.

Wiltrud.

Dann mußt Du aber nicht ſo ungeſchlacht ſein, Herzensſöhnlein, ſondern hübſch ſanft und gut.

65
Asprian.

Hol der Henter die Sanftmuth! Warum bin ich ſo geboren, wie ich bin? Warum iſt der Bär kein Lamm und der Wolf kein Schaf? Wenn mir was unter die Hand kömmt, muß ich es erdrücken; was kann ich dafür? ich bin eben der ſtarke Asprian! Aber mit der ſchönen Hildegard will ich ſanft ſein und gut. Mutter Wiltrud, wann bekomm ich ſie?

Wiltrud.

Merk auf, Asprian: heute werden zwei Ritter kommen, einer nach dem andern. Mit denen wirſt Du bald fertig werden.

Asprian.

Wieder ein paar Schädel mehr als Zierrath in meine Kammer!

Wiltrud.

Weiß ſchon, Dich bezwingt Keiner. Nun, wenn Du die zwei erſchlagen haſt, dann kömmt aber noch ein Dritter. Der wird Dir zu ſchaffen machen, denn ſein Schwert und Schild ſind am heiligen Grabe geweiht. Suche ihm vor Allem ſeine Waffen zu entwinden; dann haſt Du leichtes Spiel mit ihm.

Asprian.

Jch fürcht auch derlei Waffen nicht. Meine566Keule iſt durch Drachenblut geweiht. Den Burſchen ſchlag ich mit dem erſten Streich nieder, wie die Andern alle.

Wiltrud.

Gut denn! Wenn Du die 3 Ritter erſchlagen haſt, dann iſt’s an der Zeit. Hildegardis Vater, ihres Hochmuth müde, dem auch dieſe drei Bewerber zum Opfer fielen, wird unſerer Bewerbung geneigt ſein. Sagt Hildegardis nicht Ja und will ſie Dich dennoch nicht zum Gemahl haben, ſo kannſt Du ſie Dir ja entführen. Dazu kann ich Dir wohl behilflich ſein durch meine Liſt und Klugheit.

Asprian.

Und wenn ich ſie habe, dann erdrück ich ſie!

Wiltrud.

Pfui, mein Sohn! Du wollteſt ja ſanft und fromm mit ihr thun.

Asprian.

Aja, Mutter! wenn ich ſie nur einmal in meiner Höhle drinnen habe. Sie ſoll mir Wildſchweinkeulen röſten und Eicheln braten und Branntwein bereiten aus Waldbeeren. Kann ſie das, dann will ich ſie nicht erdrücken. Und in Schlaf ſoll ſie mich ſingen, wenn ich vom Kohlenbrennen müd bin.

67
Wiltrud.

Gut denn, Asprian! Sieh der Mond iſt ver - ſchwunden und der Morgen graut. Jch gehe jetzt; denn die Ritter werden bald nah’n.

Asprian.

Geh nur, Mutter, und ſei ohne Sorge.

Wiltrud.

Mittags komm ich wieder, da ſind die Ritter wohl alle todt.

Asprian.

Heiſa, da ſind ſie freilich todt!

[Wiltrud ab.]
Asprian.

Kommt nur ihr Helden mit Schwert und Har - niſch! Jhr ſollt den Asprian finden!

[ab in die Höhle.]
[Die Ritter Albert und Georg treten geharniſcht ein.]
Albert.

Hier iſt die Höhle, wir ſind zur Stelle.

Georg.

Sieh dort den rauchenden Meiler, das iſt Asprian’s Werkſtätte.

Albert.

Gott ſchütze mich! Mit ſeiner Hülfe will ich den Kampf unternehmen.

Georg.

Jch werde in der Nähe bleiben und ſehe ich5 *68Dich wanken, ſo werde ich herbeieilen, um Dir bei - zuſtehen.

Albert.

Und wenn ich unterliege, ſo möge Dir der Kampf gelingen. Dann bringe den Zauberſpiegel der ſtolzen Hildegardis und ſie mag aus ihm er - kennen, wie grauſam und thöricht ſie war. Grüße ſie von mir, der mit ſo vielen Anderen als ihr Opfer fiel! Nun, leb wohl! Zieh Dich zurück.

Georg.

Leb wohl, theurer Albert!

[ab.]
Albert
[gegen die Höhle.]

Heda! wo biſt Du, Asprian? Asprian? da iſt Einer heraußen, der mit Dir kämpfen und ſich den Zauberſpiegel holen will!

Asprian
[drinnen.]

Ha, ha, ha! wieder ſo ein Narr, der ſein Leben verlieren will! Geh lieber heim!

Albert.

Jch gehe nicht, und wenn Du den Muth nicht haſt herauszukommen, ſo werde ich Dich ſchon zu finden wiſſen.

Asprian
[lacht wieder drinnen.]

So komm!

69
Albert.

Wohlan! fürchte mein Schwert! ich komme.

[ab in die Höhle, aus welcher man bald den Kampf vernimmt. Nach einigen Schwert - und Keulenſchlägen ruft Albert drinnen:]
Albert.

Weh mir ich bin des Todes!

[Gelächter Asprians.]
Asprian
[des Ritters Leiche herausſchleppend.]

So, da haſt Du’s! Hinein mit Dir in den Kohlhaufen. Aus den Knochen hole ich mir dann Deinen Schädel.

[er wirft den Leichnahm in den Kohlhaufen, der hoch auflammt.]
Georg
[raſch eintretend.]

Elender! Da iſt noch Einer! aber mich ſollſt Du nicht beſiegen. Armer, unglücklicher Albert, ich will Dich rächen und die Rache ſoll meinen Arm ſtählen!

Asprian.

Da ſieh, wie es Deinem Vorgänger geſchehen! Der bratet ſchon. Da kommſt Du auch hinein!

Georg.

Laß ſehen, Elender!

Asprian.

Her da! An meiner Keule wird bald Dein Blut träufeln!

[Sie kämpfen und zieh’n ſich hinter die Couliſſen zurück. Kasperl ſchleicht von der anderen Seite herein.]
70
Kasperl.

Da gibt’s Prügel! Schlapperdibix! Jetzt heißt’s geſchwind ſein! Wenn ich nur das ſchöne Spiegerl aber auch gleich ſind!

[ab in die Höhle. Man hört die Kämpfenden ſich wieder nähern. Kasperl ſpringt aus der Höhle, den Zauberſpiegel in der Hand,]
Kasperl.

Juhe! Da hab ich, was ich brauch! Aber jetzt heißt’s davonlaufen. Victoria! den Preis des Kampfes hab ich, die Schläg überlaß ich den Andern!

[ab.]
[Georg mit Asprian kommen kämpfend wieder herein.]
Georg.

Jch mach Dir warm, Burſche!

Asprian.

Deine Schlage ſind gut. Aber wart nur!

[ſchlägt mit der Keule.]
Georg.

Weh mir!

[Er ſinkt zu Boden.]
Asprian.

So! noch Einer, noch Einer

Georg
[ſich wehrend.]

Herrgott, ſteh mir bei!

[fällt und ſtirbt.]
Asprian.

Narr, Du haſt’s ja ſo gewollt.

[ſchleppt ihn gegen den Kohlhaufen.]

So, jetzt ſoll das zweite Mäuslein braten. Und nun ein guter Trunk darauf!

71
[Ritter Hans tritt raſch ein.]
Hans.

Halt, Verruchter! Jch will Dir’s eintränken!

Asprian.

Oho! Da iſt ja ſchon der Dritte!

[höhniſch]

Sind Deine Waffen geweiht, edler Kämpe?

Hans.

Einerlei für Dich, aber mein Schwert ſoll Dir’s zeigen!

[Dringt auf ihn ein.]
Asprian.

Nun, wenn Du willſt ſo ſei’s.

[Sie kämpfen, ſich gegen den Hintergrund ziehend.]

Verwandlung.

Waldgegend. Jm Hintergrunde Burg Hohencck wie im zweiten Aufzuge.
Hildegardis
[tritt ein.]

Die Sonne ſteht ſchon hoch und ſenkt ihre Strahlen ſengend herab. Der Gang im Walde hat mich er - mattet. Jch mußte hinaus in die Einſamkeit von Unruhe getrieben. Drei edle Männer wagen nun72 ihr Leben für mich wieder! Vielleicht ſind ſie jetzt ſchon erlegen! Hildegard! thuſt du recht daran? Aber es iſt, als ob eine unbekannte Gewalt ſich meiner bemächtigt hätte. Jch muß und weiß nicht warum und wie? Ach, wie müd bin ich! Jch will hier ein wenig ruhen, bevor ich den Berg hinanſteige.

[ſetzt ſich auf eine Raſenbank.]

Jch möchte ſchlummern und kann nicht! Was iſt’s aber, das mich innerlich ſo ſehr bewegt und be - unruhigt? Jetzt vielleicht kämpfen die edlen Ritter um meinetwillen. Vielleicht ſind ſie ſchon gefallen; denn Keiner bat noch den ſtarken Asprian überwäl - tigt, Keiner, der je mit ihm gekämpft! Gehſt du nicht zu weit mit deinem Stolze, Hildegard? Biſt du berechtigt, Menſchenleben zu opfern um deiner Freiheit willen? Und auch ihn ließ ich hin - zieh’n zu ſeinem Untergang? Jhn den herr - lichen, edlen Hans von Elend! O hätte ich ihn nicht fortgelaſſen! Mein Herz fühlte ſich ergriffen ſchon bei der erſten Begegnung mit ihm. Weh mir! Nun ſoll ich ſelbſt auf das Bitterſte geſtraft werden; denn ich muß es mir ſelbſt geſtehen: er von Allen iſt der Mann, dem ich meine Hand reichen könnte!

[Sie ſinkt auf die Bank von Schmerz ergriffen. Wiltrud kömmt aus ihrer Hütte.]
73
Wiltrud
[für ſich.]

Da liegt ſie, die Stolze! Jetzt iſt’s Zeit, ihr zuzureden.

[zu Hildegard.]

Edles Fräulein, ihr ſcheint er - müdet. Und wie? Thränen rinnen über eure Wangen? Kann ich euch dienen?

Hildegard.

Du, mir dienen, Asprians Mutter?

Wiltrud.

Jhr ſcheint mir Vorwürfe machen zu wollen und ſeid nicht ihr’s ſelbſt, die ihr den Zauberſpiegel wollt, den Asprian nur von ſich läßt, wenn ein Ritter ihn im Kampfe von ihm gewinnt? Oder ſollte mein Sohn das ſchätzbare Kleinod ſo mir nichts dir nichts euch zu Füſſen legen? Reicht ihm eure Hand und der Spiegel iſt euer Eigen.

Hildegard
[heftig aufſtehend.]

Wie, Unverſchämte? Jch das Edelfräulein von Hoheneck ſollte ?

Wiltrud.

Jhr ſolltet Vernunft annehmen. Wißt Jhr nicht daß mein Asprian edlen Stammes iſt? Sein Vater iſt der vornehme Sarazenerhäuptling Abdul Mehmed. Als ich meinen Vater als treue Tochter in den Kreuz - zug begleitete ach, damals war ich ein ſchönes74 16jähriges Mägdlein! da raubte Abdul mich aus dem Lager der Chriſten. Jch war die erſte in ſeinem Harem. Nach einem Jahre fiel Abdul im Kampfe und ich fand Gelegenheit, wieder in die Heimath zu entfliehen. Mein Sohn kam in Deutſchland zur Welt. Jch hatte den wunderbaren Zauberſpiegel aus Abdul’s Schatz mitgebracht und ſo manche geheime Kunſt hatte ich im Orient erlernt und darum heißen mich die dummen Leute hier eine Hexe. Für Asprian aber habe ich in meinem Hüttlein noch manchen Schatz bewahrt, wenn er einmal heirathen ſollte. Glaubt’s mir, edles Fräulein! Euer Hochmuth hat nun ſchon ſo viele Ritter zu Grunde gerichtet, daß wohl keiner mehr der Narr ſein wird, um euch zu werben, und wollt ihr nicht als alte Jungfer verlacht werden ſo bleibt wohl nichts übrig, als daß Jhr meinem Asprian, wenn er gleich ein wenig krumm - beinig iſt, die Hand als Gemahlin reicht.

Hildegard.

Unverſchämtes Weib! wie kannſt Du es wagen, mir ſolch einen Antrag zu machen? Jch und Asprian!

Wiltrud.

Jhr und Asprian! Ja wohl! Wartet nur bis er75 vor euch tritt in ritterlichem Schmucke; er wird euch ſchon gefallen.

Hildegard.

Fort von hier, Hexe! Entferne Dich und laſſe mich allein.

Wiltrud.

Wenn Jhr’s befehlt, edles Fräulein; aber wartet nur: es wird eine Zeit kommen, in der Jhr mich und meinen Sohn nicht mehr von euch weiſen werdet. Lebt wohl! ich gehe.

[ab.]
Hildegard
[allein.]

Geh nur, alte Hexe! wahnwitziges Geſchwätze! Nie und nimmermehr! O hätte ich doch nie dieſen Schwur gethan, daß nur der mein Gatte werde, der mir den Zauberſpiegel der Wahrheit bringt! Jch habe mich ſelbſt gefeſſelt und bin nun in der furchtbarſten Lage.

[lauſchend.]

Wie höre ich nicht von ferne Waffengeklirr? Sie kämpfen wohl! Und Hans von Elend! ſchöner edler Jüngling, Du liegſt blutend da? Doch nein, es iſt nicht Waffen - klang; der Wind ſchlägt die Aeſte aneinander; der Waſſerfall rauſcht über die Steine; weh mir, welche Unruhe! Horch! Da naht ſich Jewand; viel - leicht der Bote des Jammers vom Ausgang des Kampfes.

76
[Kasperl in komiſchen ritterlichen Aufputz, Helm mit geſchloſſenen Viſir; er hält den Spiegel in der Hand.]
Kasperl
[ſpricht, wenn er nicht mit ſich ſelbſt redet, in lächerlichem tragiſchem Pathos.]

Ha, ödles Fräulein!

Hildegard.

Wer ſeid Jhr, Ritter?

Kasperl.

Ha! Jedenfalls!

Hildegard.

Was meint Jhr?

Kasperl.

Nicht nur, ſondern auch! Ha! edles Fräulein! Jn meiner Hand erblickt das triumphirende Sieges - zeichen meiner angebornen Tapferkeit mit dem zarten Verhältniß einer noch ſüßeren Zukunft verbunden, welche mir als roſenfarbiger Hintergrund der ſchwarzen Andeutung furchtbar überſtandener Gefahren entgegen - lächelt.

Hildegard.

Jhr ſprecht unklar, Herr Ritter. Sagt doch, wer Jhr ſeid, was Jhr wollt?

Kasperl.

Seht dieſen Spügel! dieſer Spügel iſt der77 Spügel, den die holde Hildegardis verlangt hat. Und ich bringe ihn.

Hildegard.

Wie! Jſt’s möglich? Dies wäre der Spiegel der Wahrheit? Habt Jhr ihn erkämpft? Jſt er es aber auch wirklich? Zeigt her! wer ſeid Jhr, Ritter?

Kasperl

Mein Name iſt vor der Hand und nach der Hand ein Geheimniß. Jch habe derowegen auch meine Phyſiognomie mit dem pappedecklenem Viſir zugedeckt, weil ich noch gehaim bleiben will. Aber ich bin von dem Duell mit dem Kasprian ſo er - mattet und ſo hungrig und durſtig, daß ich euch bitten muß, ödles Fräulein, meinem ritterlichen Ma - gen und meiner tapferen Gurgel die geeignete Nah - rung zu verſchaffen.

Hildegard.

Alles ſoll euch werden; allein laßt mich zuerſt in den Spiegel ſchauen.

[ſieht in den Spiegel.]

Wie, was ſeh ich? Jch erblicke Asprians blutenden Leichnam!

Kasperl.

Na, verſteht ſich! er fiel unter meinen Stroichen! Ha! Pumpumdaderada!

78
Hildegard.

Aber zugleich ſagt mir der Spiegel, daß ihr nicht der ſeid, der Jhr zu ſein ſcheint.

Kasperl.

Schlipperdibix! Jch ſoll nicht der ſein, der ich zu ſein ſcheine! Oder ich bin nicht der, der ich bin! Wirklichkeit iſt nicht Schein und Schein iſt nicht Wirklichkeit! Ha! das verſteht ſich, weil ich der ge - heimnißvolle Ritter bin, der ſich erſt zu erkennen gibt, wenn Jhr ihm die öhliche Hand gereicht habt.

Hildegard.

Wenn ich auch laut meines Schwures verpflichtet bin, desjenigen Gattin zu werden, der mir den Spie - gel gebracht hat, ſo bin ich nicht an Erfüllung des Schwures gebunden, bevor ich weiß, wer mein Gatte werden ſoll.

Kasperl.

Ha! Laßt uns vor Allem auf eure Burg ſteigen zum Jmbiß! Und ich erwarte keine kleinen Biſſen für mein Gebiß! Ha! Schlipperdibix!

Hildegard.

So kommt, mein ſonderbarer Ritter!

[beide ab.]
(Der Vorhang fällt.)

Ende des zweiten Aufzuges.

III. Aufzug.

Gemach. Kasperl liegt im Bette. Nacht.
Kasperl
[ſich unruhig im Bett herumwerfend.]

Schlipperement kann ich nit recht ſchlafen. Jch glaub, daß ich von dem guten Abendimbiß ein bißl zu viel zu mir genommen hab. Aber die ausgezeichnete Knödlſuppen mit dem Wildantenvoreſſen! Des herr - liche Rehbratl mit aufgſchmalzne Erdäpfel! und nacher die Bresltorten mit Sauerkraut und Bratwürſtl! Wer hätte da widerſtehen können! Auweh! bläht’s mich! Und nacher das ausgezeichnete Hofbräuhausbier! Ferner der Rheinwein mit’n Landshuter gemiſcht! Kurz und gut die ſchöne Hildegardis neben der ich geſeſſen bin, hat die Augen aufgriſſen, was ich für ein ritterlichen Appetit und rieſigen Durſt pro - duzirt hab! und der Alte hat nur ſo dreingſchaut! Eigentlich aber war mir aber auch ’s Eſſen und’s80 Trinken lieber, als meine zukünftige Braut. Die hat alleweil in den Spiegel ’neingſchaut, nacher hat’s mich wieder angſchaut und endlich, ich weiß nit wie’s gangen iſt, hat ſich meiner eine große Schwäche be - mächtigt und ſo viel weiß ich noch, daß mich nacher naustragen haben. A par Stündl muß ich doch gſchlafen haben ſeit ich da herin lieg aber jetzt geht’s nimmer recht. Meine Verdauung ſcheint etwas geſtört zu ſein.

[Es ſchlägt Mitternacht.]

Pfui Teufel! jetzt ſchlagt’s zwölf Uhr: ich druck die Augen zu, damit ich kein Geiſt ſieh; denn das iſt die bekannte Geiſterſtunde! Hui, hui!

[Er ſchlaft nach und nach ein und ſchnarcht.] [Wiltrud erſcheint auf einem Beſen reitend, und ſchwebt ein paar Mal auf und ab.]
Wiltrud.

Wart Kerl, ich erwiſch Dich; haſt meinen Zauber - ſpiegel geſtohlen und mein Asprian iſt todt! Weh, Weh!

Jch komm als Trud
Voll Zorn und Wuth!
Jch druck Dich hinten, druck Dich vorn,
Jch druck Dich von Der Zeh bis zu den Ohr’n;
81
Hui, hui, mit Eul und Katz
Geb ich Dir einen Hexenſchmatz!
(ſetzt ſich auf Kasperl auf - und niederhüpfend.)
Kasperl.
Auweh! auweh! wie druckt’s mich!
Auweh! das iſt die Trud! auweh!
Wiltrud.
Du darfſt nicht ſchmucken,
Jch will Dich drucken,
Jch druck Dich auf den Magen
Und würg Dich an dem Kragen,
Die Trud iſt Deine Braut
Bis daß der Morgen graut!
Kasperl.

Auweh, auweh! Jch bitt Dich ſchön, liebe gute Trud, verſchon mich! Jch ſchenk Dir was D magſt! Auweh!

(wimmert.)
Wiltrud.

Jch will aufhören Dich zu drücken, wenn Du mir verſprichſt, mir zu meiner Rache behülflich zu ſein.

Kasperl.

Jch will ja alles thun, liebe Trud, was Du befiehlſt; aber ich bitt Dich, druck mich nimmer. Du682haſt mich ſo ſchon halb zſammdetſcht wie an Zweſch - bendatſchi!

Wiltrud.

Was ich von Dir verlange iſt nicht einmal ſchwer für Dich; im Gegentheil es iſt zu Deinem Beſten.

Kasperl
(ſpringt aus dem Bett.)

O gute Trud, o gute Trud gelt Du thuſt mir nix?

Wiltrud.

Hab nur keine Angſt, ich thu Dir nichts; ich bin ja die alte Wiltrud vom Thal unten, Asprians Mutter. Höre: Mein armer Sohn Asprian iſt durch Hans von Elend erſchlagen! Jch muß mich rächen, rächen an dieſem, rächen an Hildegardis! Du haſt nichts zu thun, als mit dem frühſten Mor - gen Deine Rechte geltend zu machen und auf die Verlobung mit Hildegardis zu dringen.

Kasperl.

Ja, ich will auf die Verlobung ſpringen!

Wiltrud.

Du haſt ja den Zauberſpiegel gebracht und die Bedingung erfüllt. Gegen Mittag ſchon wird Hans von Elend nahen und ſeine Anſprüche geltend machen wollen, weil er meinen Sohn er -83 ſchlug, deſſen Kopf er als Siegeszeichen mitbringt. Durch mein Blendwerk hat er ſich im Walde verirrt; allein, wenn die Sonne am höchſten Mittag ſteht, ſchwindet der Hexenzauber. Bis dahin alſo mußt Du Hildegardens verlobter Bräutigam ſein; ſie kann nicht mehr zurück und dadurch wird ſie und Hans von Elend unglücklich!

Kasperl.

Ja, ſie kann nicht mehr zurück und ich kann nicht mehr vor; an dem Punkt bleiben wir alle zwei ſtehn und mein ehemaliger Herr kann abfahren. Jch bin Hildegardens Gatte, dann geb ich mich zu erkennen als ſpaniſchen Ritter Don Casperlo von Guadarrama - Sierra-Morena-Granada-Salami.

Wiltrud.

So ſei’s. Nimm Dich zuſammen. Der alte Ritter Kuno hat ſelbſt keine Ruhe mehr und wird Deine Verlobung beſchleunigen. Alſo Muth!

Kasperl.

Gute Trud! verlaß Dich auf mich, aber druck mich nimmer, ich bitt Dich!

Wiltrud.

Hui auf! hui auf!

(fährt auf dem Beſen ab.)
Kasperl.

Schlapperement, das war en Arbeit, bis ich die6*84Trud anbracht hab. Jetzt aber Couraſchi! Von nun an nur ſpaniſch! Spaniolo, Spaniolo! Aber a ſpa - niſch Röhrl brauch ich noch dazu.

(Es klopft heftig an der Thüre. Kasperl fallt um.)

Auweh! ſchon wieder a Hex!

(verkriecht ſich.)
(Es klopft wieder. Ritter Kuno tritt ein.)
Kuno.

Edler Ritter, verzeiht, daß ich euch beim frühen Morgenroth ſchon beläſtige.

Kasperl.

Ha! Vos, vos? bon dio, bon dio!

Kuno.

Wie? Seid Jhr nicht deutſcher Abkunft? Jhr ſpracht doch mit meiner Tochter Deutſch.

Kasperl.

Nix Deutſch. Das war nur meine Vermum - mung. Spaniolo, Spaniolo, Caballeros spaniolos.

Kuno.

Um ſo beſſer alſo ein edler Spanier?

Kasperl
(für ſich.)

Was hat a von Knödl gſagt? Don Casperlo del Guadarrama-Sierra-Morena-Granada-Salami.

Kuno.

Alſo aus der Sierra-Morena mauriſcher Abkunft?

85
Kasperl.

O nein, meine Abkünftlinge waren keine Maurer. Mauroscordatos Caballeros!

Kuno.

Jch komm mit dem Frühſten zu Euch, um Euch anzukündigen, daß ich dieſen Morgen noch Euere Verlobung mit meiner Tochter feiern will.

Kasperl.

O ja, aber zuvor noch an Caffé, Caffé!

Kuno.

Jhr ſollt ſogleich euern Morgenimbiß haben; dann zieh’n wir in die Burgkapelle, wo Hildegardis euch die Hand reichen ſoll laut ihres Gelöbniſſes.

Kasperl.

O ja! Jch muß nur noch zuvor meinen ſpani - ſchen Kragen umhängen als Brautgwand. Cragalo spaniolo!

(beide ab.)
86

Verwandlung.

Burghof von Hoheneck. Seitwärts Eingang in die Burgkapelle. Morgenbeleuchtung. (Hans von Elend tritt durch ein Seitenthürchen ein. Jhm folgt ein Bauer, der auf einer Stange Asprians Kopf trägt.)
Hans.

So, guter Mann, ich danke für dein Geleit. Hätte ich Dich nicht im Walde getroffen, weiß der Himmel, wenn ich mich wieder herausgefunden hätte.

Bauer.

Jhr hattet euch freilich tüchtig vergangen im Ge - hölze. Der Wald iſt auch gar groß. Und dabei hattet ihr noch das abgeſchlagene Haupt des Kohlen - brenners Asprian zu ſchleppen. Gott ſei Dank, der euch Kraft und Muth gab, den böſen Kerl todt zu ſchlagen! Er war der Schrecken des Waldes. Jetzt iſt der Lümmel todt.

Hans.

Steckt die Stange mit dem Kopf in’s Erdreich dort an die Mauer und geht eures Weges.

87
Bauer.

Ja, aber in der Nähe will ich doch bleiben; denn ich möchte den fremden Ritter ſehen, mit dem das ſchöne, ſtolze Edelfräulein dieſen Morgen noch ver - mählt wird, wie mir ein Burgknappe geſtern Abends in der Dorfherberg erzählte.

Hans.

Wie? ein fremder Ritter? Verlobung mit Hilde - gardis? Geh, geh, laß mich allein!

Bauer.

Wie ihr befehlt edler Herr; aber warum ſeid Jhr ſo aufgebracht?

Hans.

Geh nur! geh!

Bauer.

Gehabt euch wohl, Herr Ritter!

(ab.)
Hans
(allein.)

Wer, beim Himmel, kann der Vermeſſene ſein? oder hat Hildegard ihren Sinn geändert? hatte ſie mir nicht beim Abſchied heimlich zugeflüſtert: Lebt wohl edler Hans! Gott ſchütze euch! Und jetzt ſollte ſie einem Andern die Hand reichen, nachdem ſie mir doch ein Zeichen Jhrer Zuneigung gegeben hatte? Welch ein Räthſel? Ha! wär es möglich, daß88 vielleicht ein Anderer ſich des Wahrheitſpiegels auf irgend eine Weiſe bemächtigt hätte, den ich in der Höhle des erſchlagenen Asprian nicht mehr fand?

(Trompeten ſchallen aus dem Jnnern der Burg.)

Schon nah’n ſie. Licht ſoll werden! und weh dem Verräther!

(zieht ſich zurück.)
(Das Thor rückwärts öffnet ſich. Hochzeitszug ad libitum zu arrangiren. Am Schluße deſſelben Hildegard mit dem Brautſchleier. Kasperl, einen großen Federhut auf und ſpaniſchen Mantel umgehängt. Kuno mit Gefolge. Jm Vordergrunde macht der Zug Halt.
Kuno.

Hört es Alle! beim Schein der frühen Morgen - ſonne verkündige ich es als Vater der Braut: Fräu - lein Hildegardis von Hoheneck ſoll nun ihrem Ge - lübde entſprechend, dem Ritter ihre Hand zu reichen, welcher ihr den Spiegel der Wahrheit gebracht hat, mit dieſem edlen ſpaniſchen Helden Don Guadarrama - Sierra-Morena in der Schloßkapelle vermählt wer - den.

(Trompetenſtoß.)
Hildegard
(mit bebender Stimme.)

Wohl weiß ich, daß ich mein Gelübde zu halten verpflichtet bin; allein ich verlange noch Aufſchub, bis wir die beſtimmte Nachricht haben, daß alle drei Ritter gefallen ſind, die geſtern mit Asprian ge - kämpft haben.

89
Kuno.

Was Aufſchub? Dein Trotz dauert mir allzu - lange! bis heute haben wir der Rückkehr der Ritter geharrt. Keiner kam zurück. Es iſt kein Zweifel alle drei ſind gefallen.

Kasperl.

Ha! Mordjo! Schlappermentico! Kein Auf - ſchub! alle drei ſind gefallen.

Hans
(hervortretend.)

Einer iſt nicht gefallen, und der bin ich, Hans von Elend!

(Allgemeines Erſtaunen. Kasperl fallt aus Schrecken um.)
Hildegard.

Die Vorſehung hat gerichtet!

Hans.

Aber auch das Schwert richte. Unbekannter Ritter, ich fordere euch zum Zweikampfe!

Kasperl.

Auweh! Jetzt bin ich weiter in keiner Verlegen - heit! Da der Ritter und heut Nacht die Trud!

(zu Hans)

Nix da! Spaniolo!

Hans.

Was Spaniolo! Wenn Jhr meinen Handſchuh nicht aufhebt, ſeid ihr eine Memme.

90
Kasperl.

Jch brauch kein Handſchuh mehr; ich hab ſchon a Paar!

Kuno.

Es bedarf keines Zweikampfes. Dieſer edle Spanier hat den Spiegel gebracht.

Hans.

Und wer hat aber den Rieſen erlegt, in deſſen Händen der Spiegel war?

Kasperl.

Das verſteht ſich von ſelber!

Hans.

Nein! Du haſt den Spiegel geſtohlen! Jch habe den Asprian erlegt. Seht, dort iſt ſein Haupt, das ich als Siegeszeichen mitgebracht. Fragt den Spiegel ſelbſt. Er wir euch die Wahrheit ſagen.

(Donnerſchlag. Asprians Haupt ſpricht feierlich.)

Hans von Elend hat mich überwunden und jener Betrüger hat den Spiegel aus meiner Höhle geſtohlen, während die Ritter mit mir kämpften.

(Donnerſchlag.)
Kuno.

Wenn die Todten ſprechen, iſt kein Zweifel mehr!

91
Hildegard.

Und ich erkläre es: Nur Hans von Elend wird mein Ehgemahl!

Kasperl
(fällt auf die Knie.)

Um Alles in der Welt! Jch bitt um Verzeihung! aber die Trud, die Trud!

Hans
(lachend.)

Ha, das iſt ja mein Knappe, der Kasperl! Armer Teufel! Dein Plan war nicht ſchlecht ausge - dacht.

Kuno.

Elender Frevler, Du ſollſt gezüchtigt werden.

Hans.

Laßt ihn, edler Herr! Wir wollen ihm verzeih’n!

Hildegard.

Verzeihung dem Narren! Die Freude unſerer Vermählung ſoll nicht geſtört werden.

Kuno.

So ſei’s denn!

Kasperl.

Jch bedank mich gar ſchön! Aber die Trud wird mich weiter nit drucken.

(Donner. Wiltrud fährt herein und auf Asprians Kopf.)
92
Wiltrud.

Huiauf! Meine Zeit iſt aus! Jch muß auf den Blocksberg? Meine Hütte iſt verbrannt! Lebt wohl! Wiltrud kömmt nimmer wieder!

(fährt mit Asprians Kopf ab.) Rothe Beleuchtung. Der Vorhang fällt.

Ende des Stückes.

Das Märchen vom Rothkäppchen in zwei Aufzügen.

[figure]

Perſonen.

  • Waldminne,

    die Waldfee.

  • Heriwolf,

    ihr Sohn.

  • Der Zwerg Gübich.
  • Rothkäppchen.
    • Michel,

      Waldbauer.

    • Trudl,

      deſſen Weib.

    • Rothkäppchens Eltern.

  • Die alte Kathrin,

    Rothkäppchens Großmutter.

  • Kasperl Larifari,

    beim Waldbauer im Dienſte.

  • Holzmann,

    Förſter.

  • Lenzl und andere Bauern. Jäger.
  • Der Genius des Traumes.
  • Ein Wolf.
  • Ein Mops.

I. Aufzug.

Felſenhöhle. Morgendämmerung, ſichtbar oben durch eine Felſenſpalte.
Waltminne
(ſitzt auf einer Felſenbank,)
Wo bleibt den Heriwolf mein Sohn?
Es flieht die Nacht, die Sonne ſchon
Seh ich an Bergesſpitzen glüh’n.
Der Wilde iſt doch allzukühn!
Wie oft hab ich’s ihm unterſagt,
Daß er in Tageshelle jagt;
Denn für die dunkle Feenwelt
Jſt nur die heilige Nacht beſtellt.
Verwünſcht ſein unbezähmter Drang,
Sein allzuwilder Jugendhang!
Er ſpürt wohl einem Wilde nach,
Verliert ſich bis zum hellen Tag.
(ruft:)
Hei! Gübich, Gübich, komm herbei,
Such mir im Wald, wo Heriwolf ſei!
96
(es kömmt Gübich, ein Horn an der Seite.)
Waltminne.
Such meinen Sohn und eil ihm nach,
Denn Unheil brächte ihm der Tag.
Gübich.
Wie oft foll ich den Sohn euch ſuchen?
Jch möcht ihn lieber gleich verfluchen!
Was jagt er auch ſo unbedacht?
Wie oft hat’s euch in Angſt gebracht!
Waltminne.
Ei dießmal nur, thu’s mir zu lieb!
Gübich.
Wer weiß, wo er umher ſich trieb?
Jch ſelber muß den Tag ja flieh’n
Und mit den andern guten Zwergen
Muß ich mich in den Höhlen bergen.
Waltminne.
Drum ſollſt Du mit ihm heimwärtszieh’n
Noch eh der Sonne goldner Strahl
Sich breitet in des Waldes Thal.
Gübich.
Jch geh, doch ſorgt für gute Koſt,
Legt einen Braten auf den Roſt
97
Und kühlen Trunk mir auch beſcheert,
Bin ich mit Heriwolf heimgekehrt.
Waltminne.
Hab keine Sorg, ich lab Euch gut.
Troll ab und ſeid auf Eurer Hut.
(Gübich ab und ſtößt in’s Horn.)
Der Morgenwind rauſcht durch den Wald;
O komme, Heriwolf, doch bald!
Jn meine Höhle tret ich nun,
Auf moos’gem Lager auszuruh’n.
(ab.)

Verwandlung,

Freie Gegend vor einem Walde. (Rothkäppchen eilt herein; Heriwolf, im mittelalterlicher Jägertracht ihr nach.)
Rothkäppchen.

Ei, laßt mich ziehn! warum verfolgt Jhr mich?

Heriwolf.

Du biſt ein ſo ſchönes Kind, daß ich Dich lieb habe. Komm mit mir! Jch bringe Dich zu meiner Mutter und da hauſen wir zuſammen.

798
Rothkäppchen.

Jch habe ſchon eine Mutter und auch einen Vater. Jch bedarf Eurer und Eurer Mutter nicht.

Heriwolf.

Aber ſo gut, wie bei uns, haſt Du’s doch nicht zu Hauſe. Denk Dir: lauter Spielzeug aus purem Golde und Perlen und Edelgeſtein zum Geſchmeide, und was Du immer zu Deiner Freude verlangen magſt an Speis und Trank Alles, Alles ſollſt Du haben.

Rothkäppchen.

Brauche alles Das nicht. Hab genug an meinen Nürnberger Spielſachen und meine Puppe iſt wunder - lieb. Hab auch zu Eſſen und zu Trinken genug. Milch und gutes Brod und die ſchönen Waldbeeren, wie ich ſie eben in mein Körbchen ſammelte, neben - bei. Sieh! und da kamſt Du, wilder Burſch, und ſtörteſt mich im Beerenpflücken.

Heriwolf.

Jch laß Dich nicht und ſollt ich Dich mit Ge - walt feſthalten müſſen. Du mußt mit mir!

(Man hört Gübich’s Hornruf.)

Wie? was hör ich? Gübich’s Horn! Ver - dammt! Der ſucht mich, weil es tagt. Was küm -99 mert’s mich? So komm denn, ſchönes Kind! Folge mir. Es ſoll Dich nicht gereuen.

(will ſie umfangen.)
Rothkäppchen.

Laßt mich, laßt mich! Hört, Euere Jagdgenoſſen rufen euch.

Heriwolf.

Das ſind meine Diener, die mir zu gehorchen haben. Jch bin der Herr der Jagd! König des Waldes bin ich!

(Hornſtoß.)

Schweig mit Deinem Rufe!

(Gübich tritt ein,)
Gübich.
Hab ich Dich endlich? die Mutter ruft
Aus ihrer dunklen Höhle Kluft.
Komm heim, komm heim! ſieh’ſt Du den Tag,
Der keine Feeen leiden mag?
Heriwolf.
Der Sonne Fluch und Fluch auch Dir,
Daß Du mir jetzt begegneſt hier!
Sieh her, dieß wunderliebe Kind,
Jch will es haben zu meinem Geſind.
Gübich.
Komm, Heriwolf, ’s iſt hohe Zeit,
Und unſer Weg iſt noch ſo weit.
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Heriwolf.
Jch will nicht, laß mich nur allein;
Und geh’ſt Du nicht, tränk ich Dir’s ein!
(ſchlägt nach Gübich, unterdeſſen entflieht Rothkäppchen. Gübich hält ihn feſt.)
Heriwolf.
Laß ab, was hält’ſt Du mich ſo feſt?
Das Vöglein flog mir aus dem Neſt.
(plötzlich wird es heller Tag.)

Weh mir!

Gübich.
Weh uns! Der Sonne Macht
Stürzt uns zurück in Geiſternacht!
(Es donnert und Beide verſinken.) (Kasperl mit einer Holzart tritt ein.)
Kasperl.

Jn aller Fruh ſchon ſchickt mich der Bauer ’raus, daß ich im ſeine Bäum umhau und gibt mir vorher nix z eſſen, als e Suppen und ſechs Knödl drin! Wo ſoll nachher der Menſch ſeine Kraft hernehmen? Jetzt bin ich ſchon ſo ſchachmatt, daß ich ſelber gleich umfall’n könnt, wär ich nicht durch das ſittliche Be - wußtſein meiner Berufsthätigkeit gehoben.

(mit Pathos.)

O, hätte ich mich nie herbeigelaſſen, aus Hunger und Durſt in die Dienſte des gemeinen Oekonomiebuſitzers,101 vormals Bauernſimpel, zu tröten! O, warum habe ich nicht auf meiner gelehrten, das heißt geleerten Wanderſchaft, bei der mein Magen alleweil leer war, fort und fort und immer forter zu wandern vorge - zogen, bis ich ein meiner Qualifixation würdiges Obdach oder Dach überhaupt gefunden haben hätte hätte!

(in gewöhnlichem Tone)

Schlipperdibix! Muß ich zu dem verdammten Holzbauern kommen, wo wirklich Alles von Holz iſt: ’s Haus iſt von Holz, Tiſch und Bänk ſind von Holz, mein Strohſack iſt ſo hart wie Holz, ’s Brod iſt ſo altbacken, daß man meint, man beißt in an eichene Rinden, die Knödl, die Nudl Alles iſt wie von Holz! So was kann meine weiche, gemüthvolle, zarte Conflexion nicht er - tragen! O Schickſal! O Sal des Schickes! warum verfolgſt du mich von meinem zarteſten Alter an? Was hab ich verſchuldet, als daß ich Schulden ge - macht hab, wo ich nit zahlen hab können? Uebrall, bin ich halt allweil der prügelte, gſtriegelte Un - glückskasperl und in allen Komödien bin ich dem böſen Prinzip verfallen, und ich bin doch kein böſer Prinz, ſondern der kreuzfidele Kasperl! Jetzt muß ich gar den ganzen Tag Holz hacken, als wenn ich a Baumhackel wär und mein Unglück ſteht alleweil102 klafterweis vor mir. Kreuzſchlipperdibix, bin ich aber jetzt ſchon wieder müd. Das macht die furcht - bare Anſtrengung, daß ich die Viertelſtund vom Haus bis daher gegangen bin. Jch muß mich nur a