Als Manuſcript gedruckt.
Druck von F. Stahl in München.
ihre Kinder.
Marian wo iſt mein Fruhſtuck?
s’ Fruhſtuck? Da ſchneid’ Dir ein Stück’l Brod vom halben Wecken ab. Sonſt hab’n wir nix. Unſer Kuh giebt kein Milch mehr, weil’s zu wenig Futter hat.
Und ich ſoll hungrig arbeiten? Das iſt nit zum verlangen.
So gib mir a par Kreuzer, damit ich was zum Eſſen kauf.
Hab nix; krieg erſt am Samſtag mein’ lumpi - gen Wochenlohn vom Förſter für die Holzarbeit.
Ja ich weiß ſchon; für mich haſt nie a Geld,1*4aber zum Branntwein für Dich — da iſt immer was in Deim ledernen Beutel.
Halt’s Maul, Weib, oder ich ſieh’ Dich für ein’ Baumſtamm an und ſchlag drein.
Bin ohnehin beinah ſchon einer; denn vor lauter Noth und Sorg bin ich wie eine alte Rinden word’n.
Biſt aber doch kein’ Batzen werth; da iſt mir ein Eichſtumpen lieber.
Geh weiter und hör auf mit Deine Spaſſetteln; denk an die Kinder; wenn’s jetzt aufſteh’n hab’ns kaum a bißl trockens Brod.
Haſt Recht, Marianl! was fangen wir mit ihnen an? Um die Armuth iſt’s ſchon ein rechts Elend, Seit unſer Häusl abbrennt iſt, ſind mir halt z’Grund g’richte Leut. — Weißt was? verkaufen wir unſer letzt’s — die Kuh, eh’s uns gar verhungert, denn Gras hab’n wir ja keins mehr.
Geſtern hab’ ich das letzte Fleck’l abg’mäht; ſchau5 Du, daß’ d’ en Käufer findſt, vielleicht kann’s der Waldnazi brauchen, dem iſt die ſeinige die vorig’ Wochen verreckt.
Jch geh a ſo vorbei am Häusl, da probir ich’s, b’hüt Gott.
Er geht und ich muß da bleib’n bei die armen Schnecken.
Mutter, was z’Eſſen!
Da habn wirs ſchon! die ſchreien und ich hab nix als a winzigs Stückl altbachens Brod. Wart’s nur ich komm gleich! — Jch weiß mir nit anders z’helfen als daß ich’s in Wald nausſchick zum Beeren brocken. Unſer lieber Herrgott wird’s doch nit ver - hungern laſſen.
Mutter uns hungert!
Ja, ich glaub’s ſchon, lieben Kinder! aber ich hab’ nix als die alte Brodrinden da.
Da müß’n mir ja verhungern!
Für was biſt denn Mutter, wenn’ſt uns nix z’ eſſen gibſt?
Wenn i halt nix hab.
Aber weil’s d’ Mutter biſt, ſollſt was haben.
Seids nur ſtill, der Vater iſt grad fort und holt im Dorf was. Bis er wieder heimkommt geht’s in Wald ’naus und brockts euch Beeren. Die ſind g’ſund für euch.
Das gſunde Eſſen haben wir alle Tag; wir möchten amal was anders. Zuletzt werden wir noch Vögel, weil wir nix als Waldbeerln eſſen.
Sei nit ſo naſenweiß, Hansl oder Du kriegſt noch was anders mit.
Nix z’ eſſen und Schläg auch noch, das wär doch gar z’ arg.
Geht’s nur, ſeids brav. Vielleicht ſchenkt euch Jemand an Kreuzer.
Ja, da drauſſen im Wald, da gibts keine Leut, die eim’ Kreuzer ſchenken.
Haſen und Füchs die tragen kein Geld im Sack.
So — ſo — geht’s nur Kinder. Mittag kommt’s wieder heim. Derweil hat der Vater was bracht.
Wir kommen halt amal verhungert nach Haus.
Ja, ſo wird’s kommen, Mutter, wenn’s draußen nix z’ eſſen gibt.
Gott lob, daß ich’s naus bracht hab. Die armen, armen Dinger! O mein Gott. verlaß uns nit! — Jch will jetzt a bißl umanand ſchau’n, vielleicht ſind ich Schwammerling, daß wir doch a bißl was krieg’n.
Niemand z’ Haus? keine Madame, kein Mo - sieur? — Da iſt’s nix, jetzt muß ich’s wo anders probiren.
Niemand z’ Haus? ein armer reiſender Handwerksburſch bitt’ um ein’ Kreuzer oder a par Gulden thät’ns auch. Da is’ wieder nix, jetzt muß ich’s wieder wo anders probirn.
Niemand z’ Haus? — Ja wenn gar Niemand da iſt, nachher muß ich ſelber herein.
Dieſes Haus ſcheint kein Wirthshaus zu ſein, denn ich finde keinen Gegenſtand, der es dazu quali - flixiren könnte. Erſtens: wo iſt die Kellnerin? Zweitens: wo ſind die Halbe - oder Maßkrügeln? Drittens: wo iſt Etwas, das wie ein Bierfaß ausſieht? Mir ſcheint hier hat die Familie „ Noth und Elend ‟ logirt und die iſt aus lauter Noth und Elend auf Michaeli auszogen; denn Georgi iſt ſchon lang vorbei.
Heda, Wirthshaus! Schlipperment noch amal, ich will was z’ Eſſen und z’ Trinken, wenn’s nix koſt, und wenn’s was koſt, ſo will i aber nix zahlen, denn’s zahlen iſt nimmer Mod, aber’s Schul -9 denmachen. Meine Schneiderſeele verlangt nach Nahr - ung! Ein Schneidergeſell ſoll und kann und darf nicht Hunger leiden, denn ſeinen eigenen Magen kann er ſich nicht zunähen. — — Schlippermert! Wirthshaus! Bauer! Bäuerin! wer da iſt, ’raus aus der Kammer oder ich zünd die Hütt’n an! — — Schauderhaft! Spectaculos! Kein Menſch, kein Bratl, kein Bier — gar nix als die Mutterſeelen - alleinſamkeit! was fang ich jetzt an mit meinem Hunger?
Auch dieſes melodiſche Lied ſcheint Niemanden herbeigelockt zu haben.
Ah! Da iſt ja doch ein Weſen irdiſcher Be - ſtimmung! Aber ein Kalbsbratl auf’n Tiſch wär mir lieber als die Kuh vorm Haus drauſſen. — Jetzt bin ich ganz caput. Jch leg mich da a bißl auf’n Boden hin und will’s ſchlafen probiren. Derweil kann hinter meinem Rücken der Hunger mein’ Durſt freſſen und der Durſt mein’ Hunger trinken.
Grethl! wo ſind wir denn jetzt?
Jch weiß nit, Hansl. Jch glaub, wir hab’n uns vergangen.
Da waren wir ja noch nie im Wald.
Schau, da iſt ja gar ein Häusl!
Aber das iſt g’ſcheid! Da krieg’n wir vielleicht was z’ eſſen.
Klopf a mal an der Thür oder läut an.
Wer läutet? Wer iſt drauſſen?
Zwei arme Kinder, die hungrig ſind. Jch bitt euch macht nur auf geſchwind.
Ja, wie habt denn ihr daher gefunden?
Der Hunger hat uns hergetrieben, Sonſt wären wir zu Haus geblieben.
O ihr armen Dinger! wartet, ich komme hinaus.
Das ſcheint mir eine gute Frau zu ſein.
Juhe! jetzt krieg’n wir was.
Das iſt ja erſtaunlich, daß ihr daher gefunden habt in dieſe Einſamkeit.
Wir haben Beeren gebrockt und da ſind wir von einem Strauch zum andern ſo fort gezappelt, bis wir daher kommen ſind.
Das war grad nicht euer Glück, liebe Kinder.
Nicht unſer Glück? — wenn wir arme Kinder was zu Eſſen kriegen? wir bitten gar ſchön.
Jhr ſollt was Gutes bekommen; aber nachher werdet ihr ſelber gegeſſen.
Oho! wer wird denn Kinder eſſen?
Hört Kinder: in dem Häuschen wohnt der Herr Profeſſor Fleiſchmann; der iſt ein gelehrter Natur - forſcher und hat ſich deshalb in die Waldeinſamkeit zurückgezogen, nebenbei iſt er aber auch Menſchenfreſſer.
O weh, o weh! Da laufen wir wieder fort.
Das würde euch nichts mehr helfen; denn zu dieſer Stunde kömmt der Herr Profeſſor von ſeinem Spaziergange gewöhnlich nach Haus und da könntet ihr ihm gerade in den Weg laufen und ihr wäret dann verloren. Jch bin aber eine mitleidige Seele, bleibt alſo da, ich will euch was zu eſſen geben, und dann verſtecken; während der Herr Profeſſor ſein Mittagsſchläfchen macht, könnt ihr ſtill wieder aus dem Hauſe kommen. Alſo ſchnell herein!
Wir bitten gar ſchön, gute Frau!
Gebt uns was und nachher helft uns wieder hinaus.
Aber — wie iſt mir? Der Duft dieſer Wald - ſpireen und Wachholder ſcheint mir etwas durch Menſchenfleiſchgeruch alterirt zu ſein. Jch wittre etwas mehr als die gewohnte Hautausdünſtung meiner Haushälterin Katharine.
Nein, nein! Jch wittre friſch angelangtes Menſchenfleiſch! welch behaglicher Duft!
Ganz friſches junges Fleiſch muß das ſein! Kathrine, Kathrine! kommen Sie ſchnell heraus! — Ah, vortrefflich! 15Da gibt es wieder einmal zufällig einen guten Biſſen.
Was befehlen Herr Profeſſor?
So wahr ich Fleiſchmann heiße — ich wittre Menſchenfleiſch. Was gibts da? Sprechen Sie, Ka - tharine, reden Sie!
Jch wüßte nicht — —
Die Wahrheit! keine Flauſen! Es muß Je - mand in der Nähe ſein.
Sie irren Herr Profeſſor!
Ein Profeſſor irrt nie, deßwegen heißt und iſt er Profeſſor.
Wenn Sie nicht die Wahrheit ſprechen! Kathrine, Kathrine! — Sollte Sie Jhr ſanftes Gemüth wieder veranlaſſen, mir einen guten Braten vorzuenthalten? Weh Jhnen, wenn es ſo wäre! Sie wiſſen, daß ich Sie ſtets mit der zarte - ſten Rückſicht behandelt habe. Trotz des großen Ap - petits, den ich nicht ſelten verſpürt habe, Sie ſelbſt16 anzubeißen, habe ich es bisher ſtets unterlaſſen, weil Sie mir zu meinem Hausweſen nothwendig ſind. Aber, wenn Sie mich durch unzeitiges, ungeeignetes Benehmen allzuſehr zum Zorne reizen ſollten, ſo könnte ich nicht für mich gut ſtehen und — der gütige Himmel weiß — was dann geſchehen könnte. Es wäre fürchterlich, wenn ich mich an Jhnen ver - greifen müßte, um meinen antropophagiſchen Ten - denzen Genüge zu leiſten.
Aber ich bitte Sie, Herr Profeſſor!
Bitten Sie nicht; ſprechen Sie die Wahrheit! Es iſt Menſchenfleiſch in der Nähe! wo? wie? wer? heraus damit oder ich beiße Sie an! denn ich bin zu aufgeregt und kann mich nicht mehr zurückhalten.
Weh mir, ich bin verloren!
Gnade, Herr Profeſſor! Jch muß ſchon geſtehen, daß ich zwei arme Kinder beherbergt habe, die ſich hieher verirrt hatten; allein ſie ſind vor Hunger ſo mager, daß kein guter Biſſen an ihnen iſt.
Jhr Glück iſt’s, Kathrine, daß Sie die Wahrheit17 geſagt haben. — Vortrefflich, wenn die Kinder auch mager ſind, ſo können ſie durch gute Behandlung und zweckmäſſige Fütterung ganz geeignet werden, meinem Appetit als normale Speiſe zu dienen.
Führen Sie mich zu den lieben Kleinen, Kathrine. Jch will ſie in Augenſchein nehmen. Aber ſprechen Sie ihnen nicht von meinen Abſichten. Vor der Hand ſollen ſie gut genährt werden und ich will ihnen Unterricht in den Elementargegenſtänden er - theilen. Kommen Sie!
Noch iſt nicht Alles verloren.
Von einem Ort zum Andern
Muß der Schneider wandern — heißt’s in meim Handwerksgeſellenbüchl. Das iſt aber miſerabel. Jn dem Holzhauerhäusl hab ich nix kriegt als Grob - heiten, wie der Kerl nach Haus kommen iſt. „ Was? hat er g’ſagt — Handwerksburſchen auch & q; noch! und wir hab’n ſelber nix z’ freſſen. Naus & q; da, hat er g’ſagt, oder ich zeig ihm den Weg, & q; elendiger Schneidergſell! ‟ Dieſe unzarten Ver -218ſicherungen von Seite eines ungebildeten Holzhauers, der von meiner nähern Bekanntſchaft Umgang nehmen wollte, veranlaßte mich ſein Dach zu meiden. Jch zog waldeinwärts, wo ich glücklicherweiſe einem Eich - katzl begegnete, welches mich um Ausbeſſerung ſeiner zeriſſenen Beinkleider erſuchte. Es iſt ſehr erklärlich, daß ein Eichkatzl durch das ewige Baum auf - und abkraxeln ſich die Hoſen zerreißt. Obſchon die hungrige Kuh des hungrigen Holzhackers mein Gſel - lenranzl, während ich g’ſchlafen hab, ganz und gar mit Stumpf und Stiel aufgefreſſen hat, blieb glück - licherweiſe mein Packl engliſcher Nähnadeln und der Fingerhut noch übrig, auch etwas Zwirn. Mit dieſen Gegenſtänden war ich im Stande, dem Eich - katzl ſeine Hoſen zu flicken. Es ſchied dankbar von mir, drückte mir eine Haſelnuß in die Hand und verſchwand in einem kühnen Sprung hinter den Buchen. Aber wo bin ich den jetzt hingerathen? Obſchon in nächtliches Dunkel gehüllt, zeigt mir die Dekoration dort hinten ein Haus, welches zart vom Mondſchein, der nicht im Kalender ſteht, beleuch - tet iſt.
Kasperl, probiers halt wieder! vielleicht findſt du freundlichere Aufnahme.
Wer iſt da?
Bitt gar ſchön, ein wandernder Schneiderg’ſell; bitt gar ſchön, an Kreuzer Almoſen oder was z’ eſſen. Ein Stückl Brod und a Dutzend Bratwürſteln, mehr verlang ich nit. Bitt gar ſchön und a guts Bett mit einer Couvertdecken und a par Maßl Bier, wenns möglich wär!
Bravo, bravo! nur herein da, guter Freund! Jhr ſeid mir willkommen; könnt mir meine Garde - robe etwas in Stand ſetzen und dann gibts einen guten Biſſen.
Juhe! einen guten Biſſen. Juhe! laßt mich nur hinein.
Ende des erſten Aufzuges.
So, liebe Kinder, da bring ich euch euer Futter. Gute Spatzeln in der Milch.
Warum denn ſchon wieder Spatzeln? die hab’n wir erſt geſtern g’habt; da müßt ja Einer ſelber a Spatz werden. Und hör’ns amal, Mamſell Kathrin, da herin halt ich’s nimmer lang aus.
Nur Geduld, Schneidergeſell, ich glaub, daß euch der Herr Profeſſor heut ein wenig herauslaßt.
Ach liebe Kathrine! ihr habt uns ja verſprochen, daß wir heimlich davon laufen dürfen.
Jch bin ſchon ganz ſteif geworden. Jch möcht’ hinaus.
Nur ſtill, Kinder, daß der Herr Profeſſor nichts merkt. Jch muß den rechten Augenblick abpaſſen, wenn er einmal eine Flaſche zu viel getrunken hat; dann ſchläft er beſſer.
Was hör’ ich da vom trinken? Gebt’s mir auch a par Flaſchen. Es iſt eine wahre Schand, daß man bei euch nix als Waſſer kriegt, das bin ich gar nit g’wohnt. Ueberhaupt das Einſperren da iſt eine Dummheit und kein Menſch weiß warum. Dem Herrn Profeſſor ſeinen zerlumpten ſchwarzen Frack hab ich zuſammen g’flickt und jetzt möcht ich mein Bezahlung und nachher wandr’ ich wieder weiter.
Der Herr Profeſſor hat euch ja ſchon geſagt, warum er euch eingeſperrt hält. Das gehört zu ſeinem Studium. Von Zeit zu Zeit werdet ihr ge - wogen, damit er ſtudieren kann, um wie viel die Speiſen den menſchlichen Körper ſchwerer machen.
Schlipperment, ich bin kein Ochs, den man mäſten23 muß für den Metzger. Jetzt hab ich’s bald ſatt das Traktament.
Ruhig Schneider, ſonſt wird der Herr Profeſſor bös und wir kriegen alle Schläg.
Nachher geht’s in Ein’m hin.
Ruhig, ſag ich — da kommt der Herr Doktor ſelbſt.
Was iſt da wieder für ein Spektakel? Wird wohl dieſer Schneider Ruhe geben? oder ich werde ihn Manier lehren.
Jhr lieben Kleinen, wie geht’s euch denn? Seid ihr doch bei Appettit? ſchmeckt euch das Eſſen? — Kathrine, Sie haben doch ordentlich gefüttert?
Wie Sie befohlen haben, Herr Doktor.
Laßt einmal ſehen, Kinderchen: Streckt die Finger heraus, damit ich ſie befühlen kann.
Nun ganz paſſabel; aber noch nicht genug zu meinem anatomiſchen Experimente.
Acht Tage noch — und ſie ſind fertig! —
Und was macht den Monſieur Schneider - geſelle.
Nichts macht er, wann Sie’s wiſſen wollen. Aber hören’s Herr Profeſſor ’s iſt Zeit, daß S’ mich rauslaſſen aus der Steigen. Jetzt hock ich ſchon 8 Tag lang herin. So lang ich Jhre Kleiderfetzen z’ſamgericht hab, da hat’s es noch gethan, denn wir Schneider ſind an die eingeſchränkte Poſitur gewohnt; aber jetzt möcht ich ’raus; verſtanden, Herr Profeſ - ſor? Ja ſind mir auch ein rechter Profeſſor — Sie! —
Ruhig Schneider.
Jch muß den Kerl etwas kirre machen, er könnte mir endlich den Käfig zer - brechen in ſeinem Unmuth.
Nun weiß er was, Schneider? wenn er ſich ordentlich benimmt, darf er mit mir eine Flaſche ausſtechen.
Ausſtechen? — was iſt das wieder für a ge -25 gelehrte Dummheit. Wiſſen Sie was? Sie können ausſtechen; aber ich thu’ ausſaufen.
Schon gut, ſchon gut. Kathrine, bringen Sie ein par Flaſchen in mein Studierzimmer hinaus.
So — jetzt heraus Schneider!
Juhe!
Potz Blitz! ſei er nicht ſo heftig!
Wenn man an Vogel aus’m Käfig laßt, ſo fliegt er davon, und ich ſollt kein Sprung machen bei der Gelegenheit?
Der Burſch iſt ja hübſch fett geworden; vor - trefflich! — Jch werde ihn betrunken machen, dann durch eine Jnciſion ſeciren, hierauf anatomiſiren, um zu erfahren, wie die Jnteſtina eines Schneiders beſchaffen ſind, dann werd’ ich ihn ſchnabuliren und ſchließlich hoffentlich digeriren.
Laſſen’s uns auch heraus; uns auch heraus - laſſen, Her Profeſſor! wir bitten.
Jetzt nicht, aber ſpäter dürft ihr etwas an die Luft.
So — Monſieur Kasperl: nun komm’ Er mit mir in mein Studierzimmer; da wollen wir gemüthlich Eins zuſammen trinken.
Bravo, das laß ich mir gefallen, Herr Profeſſor, wenn Sie ſo was dociren. Jetzt wollen wir zu - ſammen Eins ſtudieren.
Wenn nur die Kathrin käm. Vielleicht wär’s bald Zeit.
Halt dich nur ruhig, Grethl.
O mein Gott! was werden Vater und Mutter für eine Angſt um uns ausſtehen! Jetzt ſind wir ſchon acht Tag aus ’m Haus, und ſie wiſſen nit, was mit uns g’ſchehn iſt!
Juhe! vivat hoch!
Hörſt’n Schneider drauſſen?
Ja wenn nur der Profeſſor auch recht viel trinkt, damit er einſchlaft und wir fortkönnen.
Still, da kommt er wieder.
Der Burſche iſt ſchon toll und voll. Mittler - weile hole ich mein großes Secirmeſſer. Ha, ha, ha — einen Schneider habe ich noch nicht verſchna - bulirt, der muß wohl eigenthümlich ſchmecken! — Es iſt doch etwas Großes um die Naturwiſſenſchaften! Sie ſind es eigentlich, die uns am Gründlichſten auf den Realismus hinweiſen. Jnſoferne nämlich die Philoſophie den Geiſt in die Höhen und Tiefen eines potenzirten Jdealismus führt, wodurch wir den realen Boden, die phyſiſche Baſis, verlieren, ſonach unſere Forſchungen unhaltbar werden, indem ſie ſich in Hy - potheſen labyrintiſch verirren, iſt es andererſeits die die Naturwiſſenſchaft, deren Studium am Objekte ohne Hypertendenz feſthält. Wie können nicht irren! Die Wirklichkeit feſſelt unſere Beobachtung und28 läßt uns nicht transcendental umherſchweifen. Wir bleiben an und in dem Gegenſtande! Das Reale täuſcht nicht und während der Jdealismus in der Schwebe agirt und vagirt, folgen wir Realiſten den Andeutungen des Seciermeſſers oder des Micros - copes. Allein ſelbſt dieſe Mittel zur Forſchung genügten mir nicht mehr und ich bin durch meine unabläſſigen Studien dahin gelangt zu ergründen, daß die Summe aller wiſſenſchaftlichen Forſchungen im Betreffe des menſchlichen Körpers nur darin gefunden werden kann, wenn man den Menſchen ſelbſt ißt, inſoferne dadurch die Jncorporation und Amalgamirung der realen Eſſenz am deutlichſten und auf einfachſtem chemiſchem Reductionswege bewerk - ſtelligt wird. — Aber ſieh’ da! ich vergeſſe mich in meinen Betrachtungen — der Wein hat wohlthätig auf meine Organe gewirkt — ich fühle, wie ich all - mählig durchdrungen werde, von der realen Wirkung des Getränkes, — meine Sinne wurden ſanft be - rührt und neigen ſich der ſtagnirenden Tendenz des Fluidums, —
ich fühle — ich empfinde — ich — ich — o Wiſſen — ſchaft — — —
Holla! wo iſt denn der Pro — pro — pro - fiſor?
Lirum, larum, Löffelſtiel
Wer zu viel trinkt, hat zu viel —
Juhe! Das iſt mein Element! — Juhe!
Da liegen ſie! alle zwei haben genug.
Sie ſchlafen feſt — Kinder, jetzt will ich’s wagen, aber ich gehe mit euch, denn dieſem ſchändlichen Men - ſchen will ich nicht länger dienen.
Gott ſei Dank! Jetzt ſind wir frei!
Nur ſchnell fort! ich denke, daß wir einen Vor - ſprung gewinnen und in Sicherheit ſind, ehe uns der Profeſſor wieder einholt, wenn er uns verfolgen ſollte. — Kommt Kinder!
Wieder nichts g’funden! o mein Gott im Himmel!
Heut ſind’s grad 8 Tag und keine Spur von ihnen!
Die armen, armen Kinder! vielleicht hat’s der Wolf g’freſſen! — Da biſt Du dran Schuld! Hättſt Du mir was gegeben, ſo hätt’ ich ihnen kochen können und ſie hätten ſich nit aus Hunger im Wald verlaufen.
Hab’ ich Dir nit g’ſagt, daß ich die Kuh ver - kaufen will? hab ich’s Dir’s denn g’ſchafft, daß Du die Kinder allein in Wald ’nausſchickeſt? Du biſt dran ſchuld, nit ich!
Meinetwegen ich oder Du! verloren ſinds, —31 verloren ſind’s amal! es iſt erſchrecklich; jetzt hab’n mir keine Kinder mehr und haben 25 Gulden für die Kuh kriegt, und Du haſt dein Wochenlohn eingenommnen. Jetzt könnt’ ich ihnen was Guts kochen und derweil ſinds verhungert!
Unſer lieber Herrgott lebt auch noch. Viel - leicht haben’s doch wo an Unterſchluf g’funden. Wir geh’n halt nacher wieder zum Suchen aus und ich lauf in die Stadt und gib’s bei der Polizei an.
Ja, nachher iſt’s gwiß nix, wenn’ſt’s auf der Polizei angibſt; die weiß gar nix.
Wer klopft denn? herein, wenn’s was Gut’s iſt!
Guten Tag, liebe Leute.
Grüß’n Herrn Gott. Wem hab ich die Ehre?
Jch bin der Gerichtsdiener Schnauzbart und be - ſinde mich in Amtsgeſchäften in dieſer Gegend.
Aber was wollt’s denn amtiren in dem einſamen Wald? Gottlob, bei uns gibts keine Spitzbub’n und keine Rauba.
Das hohe Amt und ich, deſſen Bote — wir wiſſen ſehr wohl, daß es in dieſem Walde keine Spitzbuben und Räuber gibt — Dank unſerer weiſen Fürſorge; allein man iſt dennoch einem fürchterlichen Weſen auf der Spur.
Da wiſſen wir nichts davon.
Möglich — aber dem hochweiſen Amte und mir, deſſen Boten, iſt Nichts unbekannt. Es ſcheint mir oder vielmehr ich weiß es, daß ihr ehrliche Leute ſeid; alſo hört: Es iſt dem hochweiſen Amte durch ein Frauenzimmer angezeigt worden, daß in dieſem Walde an einem ſehr verborgenen Orte ein Häus - lein ſteht, in welchem ein gelehrter Profeſſor logirt, der neben ſeinem Studium die ſonderbare Gewohn - heit hat, Menſchen zu freſſen.
Gott im Himmel, der hat unſre Kinder g’freſſen!
Auweh, auweh! das Unglück!
Jnſoferne ihr Kinder habet und dieſe Kinder be - ſagtem verdächtigem Jndividuum zu Handen gekom - men ſind, iſt wohl an deren geſetzwidriger Ver - ſchlingung ſchwerlich zu zweifeln. Kurz! — ob be - ſagte eure angeblichen Kinder gefreſſen ſind oder nicht — die erwähnte Weibsperſon, welche bei dem Profeſſor in Dienſten geſtanden und die Anzeige gemacht hat, wurde von dem hochweiſen Gerichte allſogleich incar - cerirt und ich wurde mit einigen Stadtſoldaten aus - geſchickt, um Spähe zu treffen und möglichſt eine geeignete Arretirung vorzunehmen.
Aber ſag’n S’ mir doch, Herr Gerichtsdiener, wa - rum haben’s denn das Weibsbild nit mitgnommen? die hätt’ Jhnen ja am beſten gleich den Weg zum verdächtigen Häusl zeigen können.
Daran hat das hochweiſe Amt nicht gedacht und auch mir iſt dieſe ſpitzfindige Maßregel nicht einge - fallen; allein trotzdem wird die Entdeckung vor ſich gehen; denn die Unterſuchung iſt bereits eingeleitet334und das Protokoll eröffnet. Da ihr nun als Holz - hauer in dieſem Walde bekannt ſein müßt, ſo fordere ich euch auf, mich auf meinem Streifzuge zu be - gleiten.
Da bin ich gleich dabei. Jch hab auch ſchon a mal ſo was g’hört, daß ganz hinten im Schwarz - eckerforſt ein Einſiedlerhäusl ſteht; aber die Leut hab’n immer g’ſagt, es iſt nit recht ſauber dort und da hat ſich Niemand hintraut.
Dieſem Umſtande gemäß könnte man die Spur finden. Wie weit iſt ungefähr in jene Gegend?
So a 2 bis 3 Stunden braucht man halt bis an’s Schwarzeck und’s Häusl wird nacher bald g’funden ſein.
Gut — alſo treten wir den Weg an. Jhr geht voran, eine Viertelſtunde hinter euch will ich geh’n, damit ich euch nicht aus den Augen verliere; um mich vertheilt marſchirt dann die Mannſchaft.
Jch nimm aber meine Holzaxt mit, und wenn35 ich den Kerl find, nachher ſchlag ich ihm gleich ſein’ Profeſſorſchädl ein.
Alles nach Umſtänden, — alſo fort!
B’hüt Gott Marianl! vielleicht find ich bei der Gelegenheit unſern Hansl und unſer Grethl!
Will’s Gott! — wenn’s nur nit ſchon g’freſſen ſind von dem Wüthrich!
Aber nur vorſichtig, lieber Mann, damit uns nicht ſelbſt ein Unglück zuſtoßt! So ein Streifzug hat im - mer Etwas Gefährliches an ſich. — Langſam, aber ſicher alſo! —
Hansl, ich kann nicht mehr! ich bin todt müd!
Grethl, mir thun auch die Füſſe weh vom Laufen.
Sieh! dort ſcheint der Mond auf eine Felſen - höhle; da ſchlüpfen wir hinein und können verſteckt ausruh’n.
Haſt Du’s gehört, wie der böſe Profeſſor uns nachgelaufen iſt und immer geſchrieen hat; „ halt! halt, Kinder! ‟ —?
Ja, aber wir ſind beſſer gelaufen, als er mit ſeinem dicken Bauch!
Komm, ſchnell! Dorthinein!
Potz Element! — gerade war noch heller Mond - ſchein; da wird’s auf einmal dunkel und ich ſtolpere über einen Stein. Die Kinder hab’ ich aus dem Geſicht verloren. Verfluchte Geſchichte! Der Henker hole den Schneidergeſellen! Der iſt mir auch ausge - kommen; Und die Kinder waren ſchon ſo hübſch her - ausgefüttert! Der vermaledeite gute Wein! — Auch die Kathrine iſt mir durchgegangen! — Alles geht mir der Quere! — Müd bin ich wie ein alter Poſt - gaul; was iſt zu machen als hier ein Bischen ruhen? Dort ſehe ich einen Hügel im Halbdunkel. Jch will mich niederlegen und ein wenig ſchlafen.
Tauſendſchlipperment, das war aber eine Hetz! Wie der Profeſſor ſein Rauſch ausg’ſchlafen hat und ich den meinigen und wir ſo aufenand g’legen ſind,39 das heißt, er unter mir und ich auf ihm, da ſind wir gleich umanand kugelt; er hat mich packen wol - len, aber ich hab’n beim Gnack g’habt; endlich ſpring ich auf und zum Fenſter naus, er will nach, fallt aber auf d’ Naſen; ich voraus im Wald hinaus, er nach; ich kraxl gleich auf an Baum, daß er mich nimmer ſieht; er ſtolpert wüthend fort und will die zwei Kinder fangen, ich nach und will’n bei der Hoſen packen; pumps dich, liegen wir alle zwei auf der Naſen; unterdeſſen hat ſich eine ſolche Monds - finſterniß eingſtellt, daß keiner nicht einmal ſeine verkehrte Seiten gſeh’n hat; — jetzt bin ich da — und —
potz Schlip - perement, da oben liegt er ja wieder und ſchlaft! Jetzt könnt ich’n erwiſchen den abſcheulichen Men - ſchenfreſſer. Nadel und Faden hab’ ich bei mir, ich näh ihm in der Mondbeleuchtung ſein Hoſen z’ſamm, daß er d’ Füß nimmer rühren kann, nacher kann er uns nimmer auskommen.
So jetzt ſteh auf, wenn’ſt kannſt? — Jch verſteck mich derweil in das Felſenloch da unten.
Wer hat mich da an den Beinen gekitzelt?
40Potz Tauſend! ich kann mich ja nicht rühren! —
Sind mir den die Füſſe zuſammengewachſen? Das iſt ein infamer Streich! Jch kann nicht ſtehen, ich kann nicht gehen; was ſoll da mit mir geſchehen?
Nur langſam, langſam! wir ſind auf der Spur! vorſichtig!
Um Gotteswillen! dort liegt er, ganz nach der amtlichen Perſonalbeſchreibung, wenn mich das Mondlicht nicht täuſcht! Jch muß mich verſtecken, um meine Beobachtungen ohne Ge - fahr fortſetzen zu können, bis die Mannſchaft nach - kömmt.
Holla, wo ſeid ihr Herr Gerichtsdiener?
Ach helft mir auf die Beine, lieber Mann! Jch weiß nicht, wie mir geſchehen iſt; ich kann nicht gehen. Jch belohne euch königlich, wenn ihr mir auf die Beine helft.
Wer ſeid ihr denn da oben?
Jch bin Profeſſor Fleiſchmann, Privatgelehrter41 und Mitglied mehrerer wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften, Naturforſcher und Doktor der Philoſophie.
So? ihr ſeid der Halunk, der meine Kinder g’freſſen hat? Wart, ich will Dir gleich helfen.
So — ſo — ſo — einmal — zweimal — dreimal!
Hülfe, Hülfe! ich bin verloren.
Pumps, pumps, pumps! So — jetzt könnt’s genug ſein!
Was iſt das für ein Mordſpektakel?
Jch hab’n todt gſchlag’n mit meim Hackel.
Alſo keine Gefahr mehr?
Aus iſt’s mit ihm.
So hat die Gerechtigkeit geſiegt und der Umſicht42 der Behörden iſt es gelungen, einen Verbrecher un - ſchädlich zu machen.
Da iſt auch noch Einer, wenn’s erlaubt iſt!
Jch hab ja ’n Vater ſein Stimm g’hört.
Vater, Vater — da ſind wir ja wieder bei - ſammen!
Gott ſei’s gedankt! meine lieben Fratzen! Jetzt iſt Alles wieder gut.
Ende des Stückes.
ſeine Tochter.
ſein Knappe.
eine Hexe.
Köhler, ihr Sohn.
Der Beſchreibung nach, die man mir machte, muß jenes Schloß dort Hoheneck ſein, wo die ſchöne aber ſo ſtolze Hildegardis mit ihrem Vater dem Ritter Kuno hauſt.
Mir wär’s recht; denn der Gſpaß dauert mir ſchon lang z’ lang, daß wir ſchon ſechs Wochen und a halbs Jahr dazu als Hungerleider rumziehen und das Schloß ſuchen. Und Sie — Sie wollen gar a fahrender Ritter heißen und laufen alleweil z’ Fuß umenand. Was en ordentlicher fahrender Ritter iſt, der ſoll eine Eklipage haben und in einer Kutſchenchaiſen ſitzen, ſonſt kann er ſich nicht fahren -46 der Ritter tituliren. Das iſt alſo eine bloſſe Re - nomage oder eine ſchwarze Verläumdung und Auf - ſchneiderei.
Schweige mit Deinem unnöthigen Geſchwätze?
Ja, ein unnöthig’s Gſchwatz! Jch ſag’ aber, das iſt ein unnöthigs Umanandlaufen wegen der ſtolzen Mamſell da oben. Und nacher, wenn wir miten - ander naufkraxelt ſind, da heißt’s vermuthlich wieder abſchieben.
Das wird ſich zeigen Burſche. Geh lieber zu dem Häuschen dort und frage, ob dies die Burg Hoheneck iſt.
Jedenfalls kann ich das Häusl nit fragen; denn das könnt mir kein Antwort geben; alſo muß ich die Leut fragen, die drin ſind. Verſteh’n S’ mich, Herr Ritter? So g’ſcheid bin ich doch.
Geh’ nur, geh und erkundige Dich.
Heda! mit Verlaub, aufgmacht! wir möchten gern47 was wiſſen.
Entweder haben die Leut keine Ohren oder ſie ſchlafen, oder es iſt ſogar gar Niemand drin! —
Heda! Schlipperement! Was iſt das für eine Bagage, die nicht antwort’. Raus da oder ich ſchlag’s Fenſter ein mit die pappedeckel - nen Scheiben!
Was iſt für ein Lärm draußen?
Pfui Teufel, das Gſicht! aber die Naſen! Allerſchönſtes Fräulein, ich ſoll was fragen.
Was wollt ihr?
Mein Herr möcht gern wiſſen, ob das Schloß da hinten, da oben die Burg — die Burg — die Burg — ja wie heißt denn die Burg, Herr Ritter? Jch hab’s vergeſſen.
Hoheneck, einfältiger Burſch!
Alſo, ob die Burg da hinten die Burg Hohen - ſchneck iſt.
Was ſind das für eitel Fragen? Steigt nur hinauf und ihr werdet’s erfahren.
Dieſes Weibsbild ſcheint ſehr ungebildet zu ſein, ſo gewiſſermaſſen etwas grob vielmehr.
Frag nur noch einmal?
Probir’n mir’s alſo noch a mal.
Allerallerallerallerſchönſte, wollen Sie mir buliebigſt eine Andeutung geben, wie dieſe Schloßburg da oben benamſt iſt?
Laßt mich in Ruhe!
Jetzt wiſſen’s wir’s alſo:
Ja, edler Ritter, das iſt die Burg Hoheneck; allein wenn Jhr etwan um das ſchöne Fräulein Hil - degardis freien wolltet, ſo bleibt lieber unten und bemüht euch nicht den Berg hinauf; das haben ſchon Viele verſucht, die wieder ſchmachvoll abgezogen ſind oder gar elend ums Leben gekommen wegen ihrer thörichten Liebe.
Mir einerlei! Jch wag es dennoch; denn was hätt’ ich zu verlieren? Jch bin ein armer fahren - der Ritter.
Jetzt kommt er ſchon wieder mit ſei’m fahren!
Meine Burg heißt Elend.
Und Noth.
Jch habe nichts als mein gutes Schwert.
Und nicht emal ein Pferd!
Jch will mir die ſchöne Hildegardis holen oder untergeh’n.
Jch bleib ledig und geh’ aus’n Dienſt; mit dem Untergeh’n will ich meinerſeits Nichts zu ſchaffen haben.
So geht denn in euer Verderben, wenn ihr’s ſelbſt wollt!
Ein echter Ritter kennt keine Furcht!
Ja, ein ächter Ritter kennt ſeinen Durſt!
Komm, mein Knappe; ich will hinauf.
Ja wir woll’n hinauf und ſchau’n, daß wir was z’ eſſen und z’ trinken kriegen.
Sieg oder Tod!
Knödel oder Sauerkraut!
Ja geh nur, Du Narr! geh nur! Hildegard iſt kein Blümlein für Dich gewachſen; auch für keinen Andern, als für mein liebes Söhnchen Asprian. 51Alle Ritter, die um ſie werben, weiſt ſie zwar ſchnöde ab: denn keiner iſt ihr gut genug, aber ich hab ſie für meinen Herzensſohn Asprian aufgehoben. Der häßliche Burſch kriegt keine Dirne zum Weib; aber Hildegard ſoll er doch haben und dann Burg - herr auf Hoheneck werden. Und wenn es an der Zeit iſt, daß der alte Kuno endlich des Hochmuths ſeiner Tochter überdrüſſig wird, wenn kein Ritter mehr kommen will, um ihre Hand zu werben, dann ſoll mein Asprian auf die Burg ſteigen. Jch will ihm ein ſchönes Wams anziehen und Schwungfedern auf ſein Käpplein ſtecken, damit er wie ein Ritter ausſieht und da doch kein Ritter den Spiegel der Wahrheit meinem Asprian entriſſen haben wird, dann — ja dann wird ſie wohl froh ſein, ſein Weib zu werden! hi hi hi!
dann wird ſie ihn ſchon nehmen wollen, wenn ihr Hochmuth ge - beugt iſt, hihihi!
Ja, freu Dich nur, Herzensſöhnchen; goldner Asprian, freu Dich; die ſchöne Hildegard ſoll Dein ſein!
Genug der Jagd für heute, ihr Herrn!
Blast ab!
Meiſterlich habt ihr den Hirſch erlegt, edles Fräulein.
Seht, da bringen Sie ihn. Welch Prachtge - weih ihn ziert. Jhr müßt’s in die Trinkſtube eures Vaters aufhängen laſſen mit den andern der Hirſche, die ihr mit eigner Hand erlegt habt.
Das Waidwerk iſt meine Luſt und Freude.
Ja wohl ſchöne Hildegard. Wißt ihr aber auch aus welcher Urſache? — Weil ihr Freude daran habt, ein Wild zu erjagen.
Nun ja, das iſt ja der Zweck des Waidwerks.
Und uns wollt ihr’s verdenken, daß wir einer unvergleichbar edleren Jagd pflegen, als der, ein Reh, oder einen Hirſch zu gewinnen?
Jhr meint wohl, daß ihr nach mir jaget? Ha, haha!
Fürwahr, ſchönes Fräulein. Wir thun’s mit Luſt und Lieb; und wem es endlich gelungen ſein mag, das edle Wild zu erbeuten, der ſei auch von Herzen beneidet darob.
Aber ihr wißt doch, daß ihr ins Blaue jagt. Das Wild entſchlüpft euch immer und wolltet ihr es gar ſchlau mit dem Netze fangen, ſo würde es das Garn durchbrechen.
Und dennoch laſſen wir nicht ab. Einer von uns Beiden muß es gewinnen.
Gebt euch doch fürder keine Mühe. Jch hab’s ſchon oft genug erklärt: der Mann, der mich zum Weibe haben ſoll, iſt nicht geboren; frei will ich ſein, frei bleiben mein Lebtag; und darum auch habe ich die harte Bedingung geſetzt, daß nur der mich als Weib gewinnt, der mir den Zauberſpiegel bringt, den der Köhler Asprian in ſeiner Höhle be - wahrt. Keiner hat’s noch vollbracht! Die Leichen der unglücklichen Bewerber haben die Wölfe des Waldes gefreſſen oder die Raben auf der Haide und54 Asprian ſchneidet ihnen aber zuvor die Köpfe ab und ziert mit dieſen Todtenſchädeln ſein Felſenge - mach! Wolltet ihr’s auch verſuchen, mit dem unüber - windlichen Asprian zu kämpfen? Schad’ um euer Leben, ihr edlen Ritter!
Ja, wir wollen’s!
Und morgen ſei’s; denn fürwahr, ſtolze Schöne, eures Trotzes ſind wir müde.
Wenn Du es zuerſt wagen willſt, ſteh’ ich gerne nach.
Jch denke wir looſen darum, wenn es dem Fräu - lein genehm iſt.
Looſt, ſo viel ihr wollt, — darum freilich nur: wer zuerſt von des Köhlers Asprian Keule erſchlagen werde. Looſt, ihr Herrn! heut Abend beim Jmbiß. Kommt jetzt, — auf Hoheneck!
Seid mir willkommen, edler Ritter.
Habt Dank für den gaſtlichen Willkomm.
Alſo auch Jhr wollt es verſuchen, das ſtolze Herz meiner Tochter zu erweichen? Das wird euch ebenſo wenig gelingen, als all den andern Bewer - bern, die entweder gleich wieder abgezogen ſind oder im Kampfe mit dem rieſigen Köhler unterlagen.
Ja, aber der Preis iſt ein ſo herrlicher, daß ich gerne mein Leben wage. Ringsum in allen Gauen erſchallt das Lob von der Schönheit euer Tochter. Jch habe freilich nichts zu bieten als den Schild meiner Ahnen und mein bewährtes ritterliches Schwert. Meine Burg iſt ſchier verfallen. Mein Vater ſtarb geächtet, weil er es nicht mit dem Kaiſer gehalten. Nichts ließ er mir zum Erbe als Elend, wie die56 Burg genannt iſt, weil ſie auf einer elenden Haide erbaut ward.
Aber euer Geſchlecht iſt alten Namens; ich kenn’ es wohl und ich acht’ euch nicht geringer ob eurer Armuth, als wäret ihr der reichſte Ritter im Lande; denn des Ritters wahrer Reichthum iſt ja doch eigent - lich die Ehre und ſein Schwert! Drum laßt gleich einen Humpen zuſammen leeren auf euer edles Ritterthum!
Heda! bringt Wein!
Jhr ſeid allzugütig.
Noch einmal! Seid mir willkommen!
Aber, wo iſt das Fräulein?
Hildegard pflegt der Jagd mit zwei Rittern, die ſich auch um ihre Hand bewerben; aber ſie muß bald heimkehren; denn ich vernahm ſchon der Hörner Klang im nahen Walde.
So ich bin alſo der Dritte hier auf eurer Burg, der euer Eidam werden möchte!
Ja wohl, ihr ſeid’s; und fürwahr, ich hab in dieſer kurzen Zeit ſchon ein ſo groß Vertrauen zu euch gewonnen, daß euer Sieg mir zur Freude ge - reichen würde!
Dank’ euch, edler Herr! Gewiß würde ich mich eurer Liebe würdig zeigen.
Aha! Sie kommen. Die Jagd iſt aus.
Der Hirſch iſt mein, theurer Vater!
Mit kühnem Speerwurfe hat ihn das Fräulein erlegt.
Nur ein paar Sprünge machte er noch durch’s Dickicht; dann ſtürzte er —
Und mit dem Waidmeſſer gab ich ihm den Fang, daß der rothe Schweiß hoch aufſpritzte.
Ei ſie da — ein Gaſt? — Willkommen edler Ritter! Was führt euch auf Burg Hoheneck?
Das Kleeblatt vollzumachen.
Ein Dritter alſo in der gütigen Bewerber Zahl!
So iſt’s — und nichts für ungut, ihr Herrn, wenn ich mich anreihe.
Gott zum Gruß!
Um hohes Gut gemeinſam kämpfen iſt ein edles Turnei!
Wohl dem, der den Preis gewinnt!
Nun könnt ihr alſo zu Dreien looſen, wer zuerſt ſein Leben um mich zu wagen Luſt hat. Aber ich möchte euch rathen, lieber in Frieden heimzu - ziehen.
Nimmermehr!
Wie es euch beliebt, wenn ihr euer Verderben wollt.
Jch weiß, daß es einen Kampf gilt, in dem noch Alle, die ihn bisher gewagt haben, untergingen. Jenen Zauberſpiegel wollt ihr, der die Wahrheit dem zeigt, der ihn beſitzt.
Jſt’s nicht wohlgethan, wenn man nach Wahr - heit ſtrebt?
Und haſt Du den Spiegel einmal, ſo wirſt Du aus ihm Deines Herzens Stolz erkennen.
Dann werd’ ich mich auch zu fügen wiſſen. Nun, was wollt ihr mehr? Wer mir den Spiegel bringt, dem reich’ ich meine Hand, als Gattin und ich bin ſein! Dieß gelob’ ich. Nun, mögt ihr looſen. Dort ſteht ein güldner Becher. Zwei Ku - geln liegen darin — Eine weiß, die andere ſchwarz. Wer die ſchwarze zieht iſt der erſte zum Kampfe mit Asprian.
So kommt, laßt uns ziehen!
Blickt auf und ſchaut nicht abwärts, daß nur der60 Griff der Hand wähle. Ritter Albert, ihr wart der erſte hier, ihr habt alſo das erſte Anrecht.
Wohlan!
Schwarz! Jch bin der erſte.
Werft die Kugel wieder in den Becher. Nun iſt’s an euch, Ritter Georg — ihr wart ja der zweite Bewerber.
Schwarz! Hat Albert nicht geſiegt, ſo bring ich euch den Spiegel.
Und ſo wäre denn ich der letzte, wenn ihr Beide erlegen wärt.
Gott ſchütz euch! Der Kampf iſt herb und hart; denn der Tod des Einen iſt Brautwerber für den Andern. Drum aber meide keiner den Sieger!
Keiner wir ſchwören’s!
So ſei’s denn! Nun laßt uns zum Abendſchmaus gehen; Hildegard wird euch den beſten Rheingauer kredenzen.
Ha! Jch weiß nun Alles: Eine ſchwarze Kugel — eine weiße Kugel! Ja wenn die ſchwarze Kugel nicht ſchwarz wäre, ſo wäre ſie vielleicht weiß. Schwarz oder weiß — dieß iſt das Looſungswort für den Kampf um den Zauberſpiegel. Wenn ich mich aber gewiſſermaſſen und aus ganz beſonderen Urſachen weniger an dem näheren Um - gang mit dem Rieſen Asprian oder wie er heißt zu betheiligen buabſichtige ſo — jetzt Kasperl paß auf — ſo — Schlipperment
warum ſoll denn ich’s nit auch probieren, daß ich das Ritter - fräulein krieg? Aber wie? Könnt’ ich nit zum Bei - ſpiel durch meine Pfiffigkeit den gewiſſen Spiegel da ſtibitzen, derweil die Ritter ſo dumm ſind, ſich mit dem Kohlenbrenner rumz’raufen? Dieſer Gedanke iſt groß: und wenn ich dieſen Spiegel geſtibitzt habe, werde ich im ritterlichen Coſtüm, das ich auch irgendwo ſtibitzen kann, den Zauberſpiegel in der Hand, mich vor dem Fräulein hinſtürzen und als ihren Gemahl produziren. Denn ſie hat’s ja ge - ſchworen, daß wer ihr den Spiegel bringt ihr Ge - mahl wird. Alſo Courage Kasperl! ſei gſcheid! Jch werd morgen den Rittern nachſchleichen und vielleicht,62 vielleicht ſind mir die unterirdiſchen oder oberirdi - ſchen Mächte hold. Pumpadara!
Hören’s auf da oben! oder ſollte dieſer Donner ein zarter Wink des Schickſals ſein?
Dieſes wird ſich im zweiten Akte zeigen!
Ende des erſten Aufzuges.
Die Nacht iſt hell, bald aber graut der Morgen. Mich ließ es nicht mehr ruhen. Jch muß zu meinem Herzensſöhnlein Asprian, der noch nicht ahnet, daß ihn heute noch die Ritter bekämpfen werden. Mond - ſchein was ſagſt Du mir? Huiauf ihr Raben und Eulen! Huiauf! was habt ihr mir zu verkünden?
Hoho, was iſt das für ein Lumpenpack? was fliegt ihr in die Nacht hinein und warum nicht ge - gen das Morgenroth? Galgenvögel! Und Du dort oben wirſt blutroth? Der Wiederſchein des ritter - lichen Blutes, das da fließen ſoll? nicht wahr? denn64 meinem Asprian darf nichts geſchehen; der iſt ja ſtärker als Alle.
Holla, da rauſcht’s von Oſten her und weht die Morgennebel über die Mondſcheibe hin!
Asprian! Asprian! mein Herzkind! — hörſt Du nicht? Komm doch heraus! Dein Mütterlein iſt da.
Wer ruft mich? laßt mir Ruhe!
Jch bin’s ja, ich bin’s! Komm nur; Du ſollſt was Neues hören.
Da bin ich, aber was kommſt Du nicht herein zu mir? Jch lag auf der Bärenhaut, war faul vom Kohlenbrennen.
Hör mich, Asprian! nun ſoll die ſtolze Hilde - gard bald dein ſein.
Heiſa! Da bekomm’ ich ein ſchönes Weib in in mein Felſenloch.
Dann mußt Du aber nicht ſo ungeſchlacht ſein, Herzensſöhnlein, ſondern hübſch ſanft und gut.
Hol der Henter die Sanftmuth! Warum bin ich ſo geboren, wie ich bin? Warum iſt der Bär kein Lamm und der Wolf kein Schaf? Wenn mir was unter die Hand kömmt, muß ich es erdrücken; was kann ich dafür? ich bin eben der ſtarke Asprian! — Aber mit der ſchönen Hildegard will ich ſanft ſein und gut. Mutter Wiltrud, wann bekomm’ ich ſie?
Merk’ auf, Asprian: heute werden zwei Ritter kommen, einer nach dem andern. Mit denen wirſt Du bald fertig werden.
Wieder ein paar Schädel mehr als Zierrath in meine Kammer!
Weiß ſchon, Dich bezwingt Keiner. Nun, wenn Du die zwei erſchlagen haſt, dann kömmt aber noch ein Dritter. Der wird Dir zu ſchaffen machen, denn ſein Schwert und Schild ſind am heiligen Grabe geweiht. Suche ihm vor Allem ſeine Waffen zu entwinden; dann haſt Du leichtes Spiel mit ihm.
Jch fürcht’ auch derlei Waffen nicht. Meine566Keule iſt durch Drachenblut geweiht. Den Burſchen ſchlag ich mit dem erſten Streich nieder, wie die Andern alle.
Gut denn! Wenn Du die 3 Ritter erſchlagen haſt, dann iſt’s an der Zeit. Hildegardis Vater, ihres Hochmuth müde, dem auch dieſe drei Bewerber zum Opfer fielen, wird unſerer Bewerbung geneigt ſein. Sagt Hildegardis nicht „ Ja ‟ und will ſie Dich dennoch nicht zum Gemahl haben, ſo kannſt Du ſie Dir ja entführen. Dazu kann ich Dir wohl behilflich ſein durch meine Liſt und Klugheit.
Und wenn ich ſie habe, dann erdrück’ ich ſie!
Pfui, mein Sohn! Du wollteſt ja ſanft und fromm mit ihr thun.
Aja, Mutter! wenn ich ſie nur einmal in meiner Höhle drinnen habe. Sie ſoll mir Wildſchweinkeulen röſten und Eicheln braten und Branntwein bereiten aus Waldbeeren. Kann ſie das, dann will ich ſie nicht erdrücken. Und in Schlaf ſoll ſie mich ſingen, wenn ich vom Kohlenbrennen müd bin.
Gut denn, Asprian! — Sieh der Mond iſt ver - ſchwunden und der Morgen graut. Jch gehe jetzt; denn die Ritter werden bald nah’n.
Geh’ nur, Mutter, und ſei ohne Sorge.
Mittags komm ich wieder, da ſind die Ritter wohl alle todt.
Heiſa, da ſind ſie freilich todt!
Kommt nur ihr Helden mit Schwert und Har - niſch! Jhr ſollt den Asprian finden!
Hier iſt die Höhle, wir ſind zur Stelle.
Sieh dort den rauchenden Meiler, das iſt Asprian’s Werkſtätte.
Gott ſchütze mich! Mit ſeiner Hülfe will ich den Kampf unternehmen.
Jch werde in der Nähe bleiben und ſehe ich5 *68Dich wanken, ſo werde ich herbeieilen, um Dir bei - zuſtehen.
Und wenn ich unterliege, ſo möge Dir der Kampf gelingen. Dann bringe den Zauberſpiegel der ſtolzen Hildegardis und ſie mag aus ihm er - kennen, wie grauſam und thöricht ſie war. Grüße ſie von mir, der mit ſo vielen Anderen als ihr Opfer fiel! Nun, leb wohl! Zieh’ Dich zurück.
Leb wohl, theurer Albert!
Heda! wo biſt Du, Asprian? Asprian? da iſt Einer heraußen, der mit Dir kämpfen und ſich den Zauberſpiegel holen will!
Ha, ha, ha! wieder ſo ein Narr, der ſein Leben verlieren will! Geh lieber heim!
Jch gehe nicht, und wenn Du den Muth nicht haſt herauszukommen, ſo werde ich Dich ſchon zu finden wiſſen.
So komm!
Wohlan! fürchte mein Schwert! ich komme.
Weh mir ich bin des Todes!
So, da haſt Du’s! Hinein mit Dir in den Kohlhaufen. Aus den Knochen hole ich mir dann Deinen Schädel.
Elender! Da iſt noch Einer! aber mich ſollſt Du nicht beſiegen. — Armer, unglücklicher Albert, ich will Dich rächen und die Rache ſoll meinen Arm ſtählen!
Da ſieh, wie es Deinem Vorgänger geſchehen! Der bratet ſchon. Da kommſt Du auch hinein!
Laß ſehen, Elender!
Her da! An meiner Keule wird bald Dein Blut träufeln!
Da gibt’s Prügel! Schlapperdibix! Jetzt heißt’s geſchwind ſein! Wenn ich nur das ſchöne Spiegerl aber auch gleich ſind!
Juhe! Da hab ich, was ich brauch! Aber jetzt heißt’s davonlaufen. Victoria! den Preis des Kampfes hab’ ich, die Schläg’ überlaß’ ich den Andern!
Jch mach Dir warm, Burſche!
Deine Schlage ſind gut. Aber wart nur!
Weh mir!
So! noch Einer, noch Einer —
Herrgott, ſteh mir bei!
Narr, Du haſt’s ja ſo gewollt.
So, jetzt ſoll das zweite Mäuslein braten. Und nun ein guter Trunk darauf!
71Halt, Verruchter! Jch will Dir’s eintränken!
Oho! Da iſt ja ſchon der Dritte!
Sind Deine Waffen geweiht, edler Kämpe?
Einerlei für Dich, aber mein Schwert ſoll Dir’s zeigen!
Nun, wenn Du willſt ſo ſei’s.
Die Sonne ſteht ſchon hoch und ſenkt ihre Strahlen ſengend herab. Der Gang im Walde hat mich er - mattet. Jch mußte hinaus in die Einſamkeit von Unruhe getrieben. Drei edle Männer wagen nun72 ihr Leben für mich wieder! Vielleicht ſind ſie jetzt ſchon erlegen! Hildegard! thuſt du recht daran? — Aber es iſt, als ob eine unbekannte Gewalt ſich meiner bemächtigt hätte. Jch muß — und weiß nicht warum und wie? — Ach, wie müd bin ich! Jch will hier ein wenig ruhen, bevor ich den Berg hinanſteige.
Jch möchte ſchlummern und kann nicht! Was iſt’s aber, das mich innerlich ſo ſehr bewegt und be - unruhigt? Jetzt vielleicht kämpfen die edlen Ritter um meinetwillen. Vielleicht ſind ſie ſchon gefallen; denn Keiner bat noch den ſtarken Asprian überwäl - tigt, Keiner, der je mit ihm gekämpft! — Gehſt du nicht zu weit mit deinem Stolze, Hildegard? Biſt du berechtigt, Menſchenleben zu opfern um deiner Freiheit willen? Und auch ihn ließ ich hin - zieh’n zu ſeinem Untergang? Jhn — den herr - lichen, edlen Hans von Elend! O hätte ich ihn nicht fortgelaſſen! Mein Herz fühlte ſich ergriffen — ſchon bei der erſten Begegnung mit ihm. Weh mir! Nun ſoll ich ſelbſt auf das Bitterſte geſtraft werden; denn ich muß es mir ſelbſt geſtehen: er von Allen iſt der Mann, dem ich meine Hand reichen könnte!
Da liegt ſie, die Stolze! Jetzt iſt’s Zeit, ihr zuzureden.
Edles Fräulein, ihr ſcheint er - müdet. Und wie? Thränen rinnen über eure Wangen? Kann ich euch dienen?
Du, mir dienen, Asprians Mutter?
Jhr ſcheint mir Vorwürfe machen zu wollen und ſeid nicht ihr’s ſelbſt, die ihr den Zauberſpiegel wollt, den Asprian nur von ſich läßt, wenn ein Ritter ihn im Kampfe von ihm gewinnt? Oder ſollte mein Sohn das ſchätzbare Kleinod ſo mir nichts dir nichts euch zu Füſſen legen? Reicht ihm eure Hand und der Spiegel iſt euer Eigen.
Wie, Unverſchämte? Jch das Edelfräulein von Hoheneck ſollte — —?
Jhr ſolltet Vernunft annehmen. Wißt Jhr nicht daß mein Asprian edlen Stammes iſt? Sein Vater iſt der vornehme Sarazenerhäuptling Abdul Mehmed. Als ich meinen Vater als treue Tochter in den Kreuz - zug begleitete — ach, damals war ich ein ſchönes74 16jähriges Mägdlein! — da raubte Abdul mich aus dem Lager der Chriſten. Jch war die erſte in ſeinem Harem. Nach einem Jahre fiel Abdul im Kampfe und ich fand Gelegenheit, wieder in die Heimath zu entfliehen. Mein Sohn kam in Deutſchland zur Welt. Jch hatte den wunderbaren Zauberſpiegel aus Abdul’s Schatz mitgebracht und ſo manche geheime Kunſt hatte ich im Orient erlernt und darum heißen mich die dummen Leute hier eine Hexe. Für Asprian aber habe ich in meinem Hüttlein noch manchen Schatz bewahrt, wenn er einmal heirathen ſollte. Glaubt’s mir, edles Fräulein! Euer Hochmuth hat nun ſchon ſo viele Ritter zu Grunde gerichtet, daß wohl keiner mehr der Narr ſein wird, um euch zu werben, und wollt ihr nicht als alte Jungfer verlacht werden — ſo bleibt wohl nichts übrig, als daß Jhr meinem Asprian, wenn er gleich ein wenig krumm - beinig iſt, die Hand als Gemahlin reicht.
Unverſchämtes Weib! wie kannſt Du es wagen, mir ſolch einen Antrag zu machen? Jch und Asprian!
Jhr und Asprian! Ja wohl! Wartet nur bis er75 vor euch tritt in ritterlichem Schmucke; er wird euch ſchon gefallen.
Fort von hier, Hexe! Entferne Dich und laſſe mich allein.
Wenn Jhr’s befehlt, edles Fräulein; aber wartet nur: es wird eine Zeit kommen, in der Jhr mich und meinen Sohn nicht mehr von euch weiſen werdet. Lebt wohl! ich gehe.
Geh nur, alte Hexe! wahnwitziges Geſchwätze! — Nie und nimmermehr! — O hätte ich doch nie dieſen Schwur gethan, daß nur der mein Gatte werde, der mir den Zauberſpiegel der Wahrheit bringt! Jch habe mich ſelbſt gefeſſelt und bin nun in der furchtbarſten Lage.
Wie höre ich nicht von ferne Waffengeklirr? Sie kämpfen wohl! Und Hans von Elend! ſchöner edler Jüngling, Du liegſt blutend da? — Doch nein, es iſt nicht Waffen - klang; der Wind ſchlägt die Aeſte aneinander; der Waſſerfall rauſcht über die Steine; — weh mir, welche Unruhe! Horch! Da naht ſich Jewand; viel - leicht der Bote des Jammers vom Ausgang des Kampfes.
76Ha, ödles Fräulein!
Wer ſeid Jhr, Ritter?
Ha! Jedenfalls!
Was meint Jhr?
Nicht nur, ſondern auch! Ha! edles Fräulein! Jn meiner Hand erblickt das triumphirende Sieges - zeichen meiner angebornen Tapferkeit mit dem zarten Verhältniß einer noch ſüßeren Zukunft verbunden, welche mir als roſenfarbiger Hintergrund der ſchwarzen Andeutung furchtbar überſtandener Gefahren entgegen - lächelt.
Jhr ſprecht unklar, Herr Ritter. Sagt doch, wer Jhr ſeid, was Jhr wollt?
Seht dieſen Spügel! dieſer Spügel iſt der77 Spügel, den die holde Hildegardis verlangt hat. Und ich bringe ihn.
Wie! Jſt’s möglich? Dies wäre der Spiegel der Wahrheit? Habt Jhr ihn erkämpft? Jſt er es aber auch wirklich? Zeigt her! — wer ſeid Jhr, Ritter?
Mein Name iſt vor der Hand und nach der Hand ein Geheimniß. Jch habe derowegen auch meine Phyſiognomie mit dem pappedecklenem Viſir zugedeckt, weil ich noch gehaim bleiben will. Aber ich bin von dem Duell mit dem Kasprian ſo er - mattet und ſo hungrig und durſtig, daß ich euch bitten muß, ödles Fräulein, meinem ritterlichen Ma - gen und meiner tapferen Gurgel die geeignete Nah - rung zu verſchaffen.
Alles ſoll euch werden; allein laßt mich zuerſt in den Spiegel ſchauen.
Wie, was ſeh’ ich? Jch erblicke Asprians blutenden Leichnam!
Na, verſteht ſich! er fiel unter meinen Stroichen! Ha! Pumpumdaderada!
Aber zugleich ſagt mir der Spiegel, daß ihr nicht der ſeid, der Jhr zu ſein ſcheint.
Schlipperdibix! Jch ſoll nicht der ſein, der ich zu ſein ſcheine! Oder ich bin nicht der, der ich bin! Wirklichkeit iſt nicht Schein und Schein iſt nicht Wirklichkeit! Ha! das verſteht ſich, weil ich der ge - heimnißvolle Ritter bin, der ſich erſt zu erkennen gibt, wenn Jhr ihm die öhliche Hand gereicht habt.
Wenn ich auch laut meines Schwures verpflichtet bin, desjenigen Gattin zu werden, der mir den Spie - gel gebracht hat, ſo bin ich nicht an Erfüllung des Schwures gebunden, bevor ich weiß, wer mein Gatte werden ſoll.
Ha! Laßt uns vor Allem auf eure Burg ſteigen zum Jmbiß! Und ich erwarte keine kleinen Biſſen für mein Gebiß! Ha! Schlipperdibix!
So kommt, mein ſonderbarer Ritter!
Ende des zweiten Aufzuges.
Schlipperement kann ich nit recht ſchlafen. Jch glaub, daß ich von dem guten Abendimbiß ein bißl zu viel zu mir genommen hab. Aber die ausgezeichnete Knödlſuppen mit dem Wildantenvoreſſen! Des herr - liche Rehbratl mit aufgſchmalzne Erdäpfel! und nacher die Bresltorten mit Sauerkraut und Bratwürſtl! Wer hätte da widerſtehen können! — Auweh! bläht’s mich! Und nacher das ausgezeichnete Hofbräuhausbier! Ferner der Rheinwein mit’n Landshuter gemiſcht! Kurz und gut — die ſchöne Hildegardis neben der ich geſeſſen bin, hat die Augen aufgriſſen, was ich für ein’ ritterlichen Appetit und rieſigen Durſt pro - duzirt hab! und der Alte hat nur ſo dreingſchaut! Eigentlich aber war mir aber auch ’s Eſſen und’s80 Trinken lieber, als meine zukünftige Braut. Die hat alleweil in den Spiegel ’neingſchaut, nacher hat’s mich wieder angſchaut und endlich, ich weiß nit wie’s gangen iſt, hat ſich meiner eine große Schwäche be - mächtigt und ſo viel weiß ich noch, daß mich nacher naustragen haben. A par Stündl muß ich doch gſchlafen haben ſeit ich da herin lieg — aber jetzt geht’s nimmer recht. Meine Verdauung ſcheint etwas geſtört zu ſein.
Pfui Teufel! jetzt ſchlagt’s zwölf Uhr: ich druck die Augen zu, damit ich kein’ Geiſt ſieh; denn das iſt die bekannte Geiſterſtunde! Hui, hui!
Wart’ Kerl, ich erwiſch Dich; haſt meinen Zauber - ſpiegel geſtohlen und mein Asprian iſt todt! Weh, Weh!
Auweh, auweh! Jch bitt Dich ſchön, liebe gute Trud, verſchon’ mich! Jch ſchenk’ Dir was D’ magſt! Auweh!
Jch will aufhören Dich zu drücken, wenn Du mir verſprichſt, mir zu meiner Rache behülflich zu ſein.
Jch will ja alles thun, liebe Trud, was Du befiehlſt; aber ich bitt Dich, druck mich nimmer. Du682haſt mich ſo ſchon halb zſammdetſcht wie an Zweſch - bendatſchi!
Was ich von Dir verlange iſt nicht einmal ſchwer für Dich; im Gegentheil es iſt zu Deinem Beſten.
O gute Trud, o gute Trud — gelt Du thuſt mir nix?
Hab nur keine Angſt, ich thu Dir nichts; ich bin ja die alte Wiltrud vom Thal unten, Asprians Mutter. Höre: Mein armer Sohn Asprian iſt durch Hans von Elend erſchlagen! Jch muß mich rächen, rächen an dieſem, rächen an Hildegardis! Du haſt nichts zu thun, als mit dem frühſten Mor - gen Deine Rechte geltend zu machen und auf die Verlobung mit Hildegardis zu dringen.
Ja, ich will auf die Verlobung ſpringen!
Du haſt ja den Zauberſpiegel gebracht und die Bedingung erfüllt. Gegen Mittag ſchon wird Hans von Elend nahen und ſeine Anſprüche geltend machen wollen, weil er meinen Sohn er -83 ſchlug, deſſen Kopf er als Siegeszeichen mitbringt. Durch mein Blendwerk hat er ſich im Walde verirrt; allein, wenn die Sonne am höchſten Mittag ſteht, ſchwindet der Hexenzauber. Bis dahin alſo mußt Du Hildegardens verlobter Bräutigam ſein; ſie kann nicht mehr zurück und dadurch wird ſie und Hans von Elend unglücklich!
Ja, ſie kann nicht mehr zurück und ich kann nicht mehr vor; an dem Punkt bleiben wir alle zwei ſtehn und mein ehemaliger Herr kann abfahren. Jch bin Hildegardens Gatte, dann geb’ ich mich zu erkennen als ſpaniſchen Ritter Don Casperlo von Guadarrama - Sierra-Morena-Granada-Salami.
So ſei’s. Nimm Dich zuſammen. Der alte Ritter Kuno hat ſelbſt keine Ruhe mehr und wird Deine Verlobung beſchleunigen. Alſo Muth!
Gute Trud! verlaß Dich auf mich, aber druck mich nimmer, ich bitt Dich!
Hui auf! hui auf!
Schlapperement, das war en Arbeit, bis ich die6*84Trud anbracht hab. Jetzt aber Couraſchi! Von nun an nur ſpaniſch! Spaniolo, Spaniolo! Aber a ſpa - niſch Röhrl brauch ich noch dazu.
Auweh! ſchon wieder a Hex!
Edler Ritter, verzeiht, daß ich euch beim frühen Morgenroth ſchon beläſtige.
Ha! Vos, vos? bon dio, bon dio!
Wie? Seid Jhr nicht deutſcher Abkunft? Jhr ſpracht doch mit meiner Tochter Deutſch.
Nix Deutſch. Das war nur meine Vermum - mung. Spaniolo, Spaniolo, Caballeros spaniolos.
Um ſo beſſer — alſo ein edler Spanier?
Was hat a von Knödl gſagt? — Don Casperlo del Guadarrama-Sierra-Morena-Granada-Salami.
Alſo aus der Sierra-Morena — mauriſcher Abkunft?
O nein, meine Abkünftlinge waren keine Maurer. Mauroscordatos Caballeros!
Jch komm mit dem Frühſten zu Euch, um Euch anzukündigen, daß ich dieſen Morgen noch Euere Verlobung mit meiner Tochter feiern will.
O ja, aber zuvor noch an Caffé, Caffé!
Jhr ſollt ſogleich euern Morgenimbiß haben; dann zieh’n wir in die Burgkapelle, wo Hildegardis euch die Hand reichen ſoll laut ihres Gelöbniſſes.
O ja! Jch muß nur noch zuvor meinen ſpani - ſchen Kragen umhängen als Brautgwand. Cragalo spaniolo!
So, guter Mann, ich danke für dein Geleit. Hätte ich Dich nicht im Walde getroffen, weiß der Himmel, wenn ich mich wieder herausgefunden hätte.
Jhr hattet euch freilich tüchtig vergangen im Ge - hölze. Der Wald iſt auch gar groß. Und dabei hattet ihr noch das abgeſchlagene Haupt des Kohlen - brenners Asprian zu ſchleppen. Gott ſei Dank, der euch Kraft und Muth gab, den böſen Kerl todt zu ſchlagen! Er war der Schrecken des Waldes. Jetzt iſt der Lümmel todt.
Steckt die Stange mit dem Kopf in’s Erdreich dort an die Mauer und geht eures Weges.
Ja, aber in der Nähe will ich doch bleiben; denn ich möchte den fremden Ritter ſehen, mit dem das ſchöne, ſtolze Edelfräulein dieſen Morgen noch ver - mählt wird, wie mir ein Burgknappe geſtern Abends in der Dorfherberg erzählte.
Wie? ein fremder Ritter? Verlobung mit Hilde - gardis? — Geh, geh, laß mich allein!
Wie ihr befehlt edler Herr; aber warum ſeid Jhr ſo aufgebracht?
Geh nur! geh!
Gehabt euch wohl, Herr Ritter!
Wer, beim Himmel, kann der Vermeſſene ſein? oder hat Hildegard ihren Sinn geändert? hatte ſie mir nicht beim Abſchied heimlich zugeflüſtert: „ Lebt wohl edler Hans! Gott ſchütze euch! ‟ Und jetzt ſollte ſie einem Andern die Hand reichen, nachdem ſie mir doch ein Zeichen Jhrer Zuneigung gegeben hatte? — Welch ein Räthſel? Ha! wär’ es möglich, daß88 vielleicht ein Anderer ſich des Wahrheitſpiegels auf irgend eine Weiſe bemächtigt hätte, den ich in der Höhle des erſchlagenen Asprian nicht mehr fand?
Schon nah’n ſie. Licht ſoll werden! und weh’ dem Verräther!
Hört es Alle! beim Schein der frühen Morgen - ſonne verkündige ich es als Vater der Braut: Fräu - lein Hildegardis von Hoheneck ſoll nun ihrem Ge - lübde entſprechend, dem Ritter ihre Hand zu reichen, welcher ihr den Spiegel der Wahrheit gebracht hat, mit dieſem edlen ſpaniſchen Helden Don Guadarrama - Sierra-Morena in der Schloßkapelle vermählt wer - den.
Wohl weiß ich, daß ich mein Gelübde zu halten verpflichtet bin; allein ich verlange noch Aufſchub, bis wir die beſtimmte Nachricht haben, daß alle drei Ritter gefallen ſind, die geſtern mit Asprian ge - kämpft haben.
Was Aufſchub? Dein Trotz dauert mir allzu - lange! bis heute haben wir der Rückkehr der Ritter geharrt. Keiner kam zurück. Es iſt kein Zweifel — alle drei ſind gefallen.
Ha! Mordjo! Schlappermentico! Kein Auf - ſchub! — alle drei ſind gefallen.
Einer iſt nicht gefallen, und der bin ich, Hans von Elend!
Die Vorſehung hat gerichtet!
Aber auch das Schwert richte. Unbekannter Ritter, ich fordere euch zum Zweikampfe!
Auweh! Jetzt bin ich weiter in keiner Verlegen - heit! Da der Ritter und heut Nacht die Trud!
Nix da! Spaniolo!
Was Spaniolo! Wenn Jhr meinen Handſchuh nicht aufhebt, ſeid ihr eine Memme.
Jch brauch’ kein’ Handſchuh mehr; ich hab ſchon a Paar!
Es bedarf keines Zweikampfes. Dieſer edle Spanier hat den Spiegel gebracht.
Und wer hat aber den Rieſen erlegt, in deſſen Händen der Spiegel war?
Das verſteht ſich von ſelber!
Nein! Du haſt den Spiegel geſtohlen! Jch habe den Asprian erlegt. Seht, dort iſt ſein Haupt, das ich als Siegeszeichen mitgebracht. Fragt den Spiegel ſelbſt. Er wir euch die Wahrheit ſagen.
„ Hans von Elend hat mich überwunden und jener Betrüger hat den Spiegel aus meiner Höhle geſtohlen, während die Ritter mit mir kämpften. ‟
Wenn die Todten ſprechen, iſt kein Zweifel mehr!
Und ich erkläre es: Nur Hans von Elend wird mein Ehgemahl!
Um Alles in der Welt! Jch bitt um Verzeihung! aber die Trud, die Trud!
Ha, das iſt ja mein Knappe, der Kasperl! Armer Teufel! Dein Plan war nicht ſchlecht ausge - dacht.
Elender Frevler, Du ſollſt gezüchtigt werden.
Laßt ihn, edler Herr! Wir wollen ihm verzeih’n!
Verzeihung dem Narren! — Die Freude unſerer Vermählung ſoll nicht geſtört werden.
So ſei’s denn!
Jch bedank mich gar ſchön! Aber die Trud wird mich weiter nit drucken.
Huiauf! Meine Zeit iſt aus! Jch muß auf den Blocksberg? Meine Hütte iſt verbrannt! Lebt wohl! Wiltrud kömmt nimmer wieder!
Ende des Stückes.
die Waldfee.
ihr Sohn.
Waldbauer.
deſſen Weib.
Rothkäppchens Eltern.
Rothkäppchens Großmutter.
beim Waldbauer im Dienſte.
Förſter.
Ei, laßt mich ziehn! warum verfolgt Jhr mich?
Du biſt ein ſo ſchönes Kind, daß ich Dich lieb habe. Komm mit mir! Jch bringe Dich zu meiner Mutter und da hauſen wir zuſammen.
Jch habe ſchon eine Mutter und auch einen Vater. Jch bedarf Eurer und Eurer Mutter nicht.
Aber ſo gut, wie bei uns, haſt Du’s doch nicht zu Hauſe. Denk’ Dir: lauter Spielzeug aus purem Golde und Perlen und Edelgeſtein zum Geſchmeide, und was Du immer zu Deiner Freude verlangen magſt an Speis und Trank — Alles, Alles ſollſt Du haben.
Brauche alles Das nicht. Hab genug an meinen Nürnberger Spielſachen und meine Puppe iſt wunder - lieb. Hab’ auch zu Eſſen und zu Trinken genug. Milch und gutes Brod und die ſchönen Waldbeeren, wie ich ſie eben in mein Körbchen ſammelte, neben - bei. Sieh! und da kamſt Du, wilder Burſch, und ſtörteſt mich im Beerenpflücken.
Jch laß Dich nicht und ſollt’ ich Dich mit Ge - walt feſthalten müſſen. Du mußt mit mir!
Wie? was hör’ ich? Gübich’s Horn! — Ver - dammt! Der ſucht mich, weil es tagt. Was küm -99 mert’s mich? So komm denn, ſchönes Kind! Folge mir. Es ſoll Dich nicht gereuen.
Laßt mich, laßt mich! Hört, Euere Jagdgenoſſen rufen euch.
Das ſind meine Diener, die mir zu gehorchen haben. Jch bin der Herr der Jagd! König des Waldes bin ich!
Schweig mit Deinem Rufe!
Weh mir!
Jn aller Fruh ſchon ſchickt mich der Bauer ’raus, daß ich im ſeine Bäum’ umhau’ und gibt mir vorher nix z’ eſſen, als e Suppen und ſechs Knödl drin! Wo ſoll nachher der Menſch ſeine Kraft hernehmen? Jetzt bin ich ſchon ſo ſchachmatt, daß ich ſelber gleich umfall’n könnt, wär’ ich nicht durch das ſittliche Be - wußtſein meiner Berufsthätigkeit gehoben.
O, hätte ich mich nie herbeigelaſſen, aus Hunger und Durſt in die Dienſte des gemeinen Oekonomiebuſitzers,101 vormals Bauernſimpel, zu tröten! O, warum habe ich nicht auf meiner gelehrten, das heißt geleerten Wanderſchaft, bei der mein Magen alleweil leer war, fort und fort und immer forter zu wandern vorge - zogen, bis ich ein meiner Qualifixation würdiges Obdach oder Dach überhaupt gefunden haben hätte hätte!
Schlipperdibix! Muß ich zu dem verdammten Holzbauern kommen, wo wirklich Alles von Holz iſt: ’s Haus iſt von Holz, Tiſch und Bänk ſind von Holz, mein Strohſack iſt ſo hart wie Holz, ’s Brod iſt ſo altbacken, daß man meint, man beißt in an eichene Rinden, die Knödl, die Nudl — Alles iſt wie von Holz! So was kann meine weiche, gemüthvolle, zarte Conflexion nicht er - tragen! O Schickſal! O Sal des Schickes! warum verfolgſt du mich von meinem zarteſten Alter an? Was hab’ ich verſchuldet, als daß ich Schulden ge - macht hab, wo ich nit zahlen hab’ können? Uebrall, bin ich halt allweil der prügelte, gſtriegelte Un - glückskasperl und in allen Komödien bin ich dem böſen Prinzip verfallen, und ich bin doch kein böſer Prinz, ſondern der kreuzfidele Kasperl! Jetzt muß ich gar den ganzen Tag Holz hacken, als wenn ich a Baumhackel wär und mein Unglück ſteht alleweil102 klafterweis vor mir. Kreuzſchlipperdibix, bin ich aber jetzt ſchon wieder müd. Das macht die furcht - bare Anſtrengung, daß ich die Viertelſtund vom Haus bis daher gegangen bin. Jch muß mich nur a bißl niederſitzen. Unſer Rothkapperl iſt auch ſchon in aller Fruh fortgangen zum Beerlbrocken. Das iſt wirklich a liebs Kind. Mir redt’s aber z’ hoch - deutſch. Das kommt aber von dem neudeutſchen gſtudierten Lehrer, den’s in der Schul hab’n. Bei dem verlernen die Kinder ihre angeborene Natio - nalitätsbauernſprach und werden alle Hochdeutſch - dümmler. Oho! da kommt grad’s Rothkäpperl. Ja wo kommſt denn Du ſchon in aller Fruh her?
Du weißt ja Kasperl, daß mir die Mutter be - fohlen hat, zur Großmutter in’s Dorf hinüber zu gehen, um nachzufragen, wie es mit ihr ſteht, weil ſie krank iſt, und da hab’ ich mir auch gleich Waldbeeren gepflückt; aber das wär mir beinah ſchlecht bekommen.
Haſt vielleicht zu viel Beerl’n geſſen und haſt nacher ’s Bauchzwicken kriegt.
Ei, was denkſt Du! Nein, mir iſt etwas ganz anderes begegnet.
A was? begegnet iſt Dir wer? Das iſt mir ſchon oft begegnet, daß mir wer begegnet iſt.
Hör nur, Kasperl: Als ich durch den Wald her - ging — ’s war noch ziemlich dunkel und Du weißt, ich fürchte mich aber gar nicht, wenn’s auch finſter iſt — —
A, beileib, das weiß ich ſchon.
Als ich ſo durch den Wald ging, da kam plötz - lich ein ſchöner Jüngling auf mich zu.
Oho, wär nit übel! aber wenn’s ſo dunkel war, wie haſt’ denn ſehen können, daß’s ein Jüngling war und daß der Jüngling noch dazu ein ſchöner Jüngling war?
Jch weiß nicht — aber ſeine ganze Geſtalt war wie von einem hellen Schimmer umgeben.
Das war vielleicht ein Kaminkehrer mit der Latern.
Ei, was nicht gar. Es war ein Jüngling mit einem Jagdſpeer und ein Horn an der Seite.
Da hab’n wir’s: ſo war’s nacher der alt Hiesl, der Nachtwachter vom Dorf mit ſeim Spieß und ſeim Ochſenhorn zum Blaſen. Ein ſchöner Jüng - ling das!
O nein; der junge Jäger grüßte mich freund - lich und frug mich, wer ich ſei und wohin ich ginge — —
Nacher war’s alſo der Nachtwachter net; das is der Gendarm g’weſen; der hat dich für a verdäch - tige Perſon angſeh’n und hat Dich ſchlexaminirt.
So ſchweig doch, Kasperl, und laß Dir weiter erzählen — aber, ſieh, da kömmt der Herr Förſter mit dem Vater. Jch könnte Zank bekommen, daß ich noch nit bei der Großmutter bin, ſondern mich da verſchwätze. Bhüt Gott!
Das war ein ſchöner Anfang von einer ſchönen105 Gſchicht. Dummheiten da! Das Mädl hat gſchlafen und nacher hat’s ihr träumt von ei’m verwunſchenen Prinzen, der ihr begegnet iſt. Das kommt aber von denen Gſchichten, die der neu Lehrer den Bub’n und Madl’n alleweil vorlest, da krieg’n die Kinder lauter Fabeln in’ Kopf!
An ghorſamſten guten Morgen, Herr Forſtner!
Guten Morgen, Kasperl; auch ſchon fleißig?
Ja, ſchön fleißig! Vor einer Stund hab ich’n zur Holzarbeit ’raus gſchickt und jetzt ſteht er noch da und iſt noch net amal in Wald ’nein gangen.
Das ſieht der Bauer wieder nit ein mit ſeiner Bauernweisheit. Jſt denn’s Hergeh’n kein Arbeit und muß der Menſch nit raſten von Einer Arbeit, bis er die Andere wieder anfangt?
Der Kasperl hat ganz recht. Gut Ding braucht Weil und es fällt kein Baum auf Einen Hieb. Zeit -106 laſſen — da bringt man was vom Fleck und bei Uebereilung kömmt niemals was heraus.
No, da muß der Kasperl a Mordskerl ſein; denn übereilen thut er ſich bei der Arbeit nie, Herr Forſtner; aber beim Eſſen und Trinken da gehts friſch weg, gelt Kasperl?
Ja, bei Euerm Eſſen geht’s freilich friſch weg und kurz weg, weil wir ſo wenig hab’n. Kurze Haar ſind bald bürſt’t, heißt’s; und wenig z’ Eſſen is bald gfreſſen, was uns Dienſtboten anbelangt beim Waldbauern. Den Magen hat ſich noch keiner überſtaucht bei euch; aber eine Magenverengung und Darmſchwindſucht könnt man kriegen vor lauter Hunger.
Ei ſo lüg! Hör auf mit Deim Geplauſch. Der Herr Forſtner hat was Gſcheiters z’ reden.
Was Gſcheiters z’ reden und was Beſſers z’ Eſſen.
Gut, gut, Kasperl.
Alſo wo ſteh’n107 Deine Bäume, Waldbauer? Die Eichen, die du mir zum Kauf angeboten haſt?
Gleich da drinnen auf a par hundert Schritt in mei’m Holz.
Wenn Du einen billigen Preis verlangſt, ſo werde ich ſie wohl kaufen können; denn wir brau - chen Eichſtämme zur Umzäunung des Wildparkes, mehr, als wir jetzt in der Staatswaldung fällen können.
Herr Forſtner wiſſen ja, daß ich a billiger Mann bin.
So komm, laß einmal ſehen!
O du billiger Mann Du! Jſt das auch billig, wenn Du dem Kasperl nit g’nug z’ eſſen gibſt oder wenn der Kasperl nit g’nug an dem hat, was d’ ihm gibſt? Verflixte Bauernkoſt. Da heißt’s alleweil Knödel oder Nudel, Nudel oder Knödl, Nudl, Nudl, Nudl, Nudl, Nudl, Nudl, Nudl alle Tag! Wie ich noch reſpektabler Schnoiderguſelle war,108 hat’s doch bisweilen einen gebratenen Gaißbock ab - gſetzt oder a gſtohlne Katz in der Rahmſoß — aber jetzt! — — Jetzt muß ich halt doch a bißl zum Holzhacken geh’n. Alſo auf! Kasperl, beginne den Tagslauf deiner raſtloſen Thätigkeit und wirke für die Menſchheit, die im Winter a Holz zum Ein - heizen braucht!
Wo nur heut’s Mädl bleibt? Geht auf Mittag und ſie iſt noch nit da. Gewöhnlich kommt’s ja ſchon am frühen Morgen, das gute Kind. Wird ihm ja doch nichts paſſirt ſein! Wenn ich nur nit ſo von der Gicht geplagt wär; ich ging mit dem lieben Kind ſo gern fpazieren. Auweh! zwickt’s wieder! Auweh? — Da hat mir der Doktor eine neue Medizin verſchrieben, aber die hilft halt auch109 nichts. Jch glaub meine achtzig Jahrln die ſind mein Hauptkrankheit. Die alten Knochen und Beinere ohne Mark müßen Ei’m ja weh thun. Auweh! reißt’s. Jetzt hat’s mir wieder an Stich geb’n. Wenn nur’s Mädl käm; da hätt ich doch a Zer - ſtreuung, weil’s mir was vorleſen kann bis ich ein - ſchlaf. O mein, o mein! Wenn man alt wird, da iſt’s nichts mehr mit’m Menſchen. Auweh! mein Fuß! Jch mein, es reißt mir’n Einer ab.
Wer iſt draußen?
Großmutter, ich bin’s.
Du biſt’s? No, das iſt recht. Jm Ofenthürl draußen liegt der Schlüſſel. Sperr nur auf.
Grüß Gott, Großmutter, Grüß Gott!
Aber Du kömmſt heut ſpat, Kind!
Ach, verzeih mir, Großmutter. Jch hab mich unterwegs mit dem luſtigen Kasperl aufgehalten;110 Beeren hab ich auch gepflückt. Willſt Du welche? Sieh, das ganze Körbchen iſt voll.
Dank dir, liebs Kind. Da, ſetz’ dich auf die Fußbank zu mir und wenn du gegeſſen haſt, ſo lies mir was vor aus’m Eulenſpiegel.
Darf ich dir nicht aus dem anderen Buch vor - leſen, in dem die ſchönen Geſchichten und Märchen ſteh’n? Bitt gar ſchön!
Meinetwegen! aber mir iſt eigentlich der Eulen - ſpiegel viel lieber; der iſt gar ſo unterhaltlich zum ſchlafen. Auweh, zwickt’s mich!
Arme Großmutter, haſt du wieder Schmerzen?
Ja, die laſſen nit aus. Das iſt ſo grad mein Zeitvertreib, wenn ich allein bin, weil ich nix treiben kann. Stricken oder Spinnen kann ich nit, weil meine Finger ſteif ſind; leſen kann ich nix, weil ich nix ſieh und weil ich’s leſen nit glernt hab und da iſt’s grad recht, wenn’s mich bisweilen a bißl zwickt111 oder reißt in die Glieder; das gilt für en Unter - haltung. So, jetzt fang z’ leſen an, Mädl!
Ach! da iſt die Geſchichte vom daumlangen Hansl.
Geh weiter mit der Gſchicht; das iſt Alles ver - logen. Wie kann denn ein Menſch ſo winzig klein ſein wie der Daumen?
Es iſt eben ein Märchen. —
„ Vom wunder - ſchönen Prinzen Goldhaar. ‟
No, das laß ich mir gefall’n, das iſt was Neu’s. Fang nur an. Auweh, reißt’s mich in der großen Zeh!
„ Jn einem fernen Lande lebte einſt eine Königin, & q; welche Califaxia hieß —
Wie? Wie hat die Königin geheißen?
„ welche Califaxia hieß. ‟
Das is a curioſer Namen. Der ſteht nit im Kalender. Weiter!
„ welche Califaxia hieß und einen Sohn hatte. & q; Dieſen nannte man Goldhaar, weil er ſo ſchönes & q; goldenes Haar hatte. ‟
Geh! wer hat denn ſchon gold’nes Haar ghabt auf der Welt. Das hab’n nur die Engerln im „ Himmel und’s Chriſtkindl in der Wiegen.
„ Eines Tages nahm der Prinz Goldhaar Köcher & q; und Bogen — —
Wer?
Der Prinz.
Was?
Köcher und Bogen.
Was iſt denn das, Köcher und Bo ….
Großmutter du hörſt ja nicht zu.
Auweh, zwickt’s mich! — Jch hör ſchon; alſo Bogen.
„ Köcher und Bogen, und ging in den Wald & q; hinaus, um zu jagen. Da begegnete ihm ein hüb - ſches kleines Mädchen ‟ — Großmutter hörſt Du? — Sie iſt eingeſchlafen. So will ich für mich weiter leſen. „ Er grüßte das Mädchen und das & q; Mädchen grüßte ihn wieder; und ſie gingen zu - & q; ſammen ein Stück Wegs, als ‟ — — jetzt werd’ ich ſelbſt ſchläfrig; ich bin eben früh aufgeſtanden und müde geworden —
„ und ſie gingen zu - & q; ſammen — — — ein — — ‟ ich glaub’ ich ſchlafe — — ſelbſt — — „ ein Stück Wegs ‟ — —
Ende des erſten Aufzuges.
Der Handel war gut. Jch gib dem Herrn Forſtner 20 Eichſtämm’, und der Forſtner gibt mir für Ein’n 40 Gulden. Das macht alſo 20 Stuck zu 40 Gulden, macht alſo 40 mal 20, oder 20 mal 40, das macht grad 800 Gulden. Das Geld kommt mir grad recht. 200 Gulden bin ich dem Nachbarn ſchuldig; bleiben noch 600 Gulden, wenn ich’s ihm zahlt hab. 200 Gulden vergrab’ ich hin - ten im Gartl draußen unter’m alten Birnbaum, damit ich a bars Geld hab, wenn ich Eins brauch, —120 bleiben nacher noch 400 Gulden. Da kauf ich mir a neue lederne Hoſen, macht 9 Gulden, und das Andre leg’ ich auf Jntereſſi. Ja der Michel ver - ſteht ſein Sach! A gute Milchkuh könnt ich auch noch brauchen und an guten Hammel in’ Schafſtall; und meiner Trudl muß ich doch auch a Freud machen. Der kauf ich en Lebzelten und a neu’s Kopftüchel; aber nacher bleibt’s dabei: das Andre leg ich auf Jntereſſi. Aber z’vor geh ich noch in’s Wirthshaus und thu mir an guten Tag an. Jch ſauf mir an Rauſch; aber die Trudl darf nix davon wiſſen und das Ander’ leg ich auf Jntereſſi. Ja, der Michel verſteht ſein Sach. Aber a neue Hutſchnall’n brauch ich auch noch und a Par blaue Strümpf für die Sonn - und Feiertäg!
No, was hat denn der wieder für a Metten? Das iſt a rechter Narr, der Kasperl.
Da ſchau her, Bauer! Da ſchau her! mir iſt a Mopperl zuglaufen. Das iſt a Glück!
O mein Narr, was thuſt denn du mit an Mop - perl? Wir hab’n ja den Sultan im Hof.
Sonſt hab’ ich auch kein’ Freud auf der Welt, alſo wird der Bauer nix einzwenden haben gegen mein Mopperl. Gelt, liebs Hunderl? Und d’ Bäu - rin freut’s gwiß auch und’s Rothkapperl erſt! Die wird a Freud haben! — So, Mopperl, jetzt haſt en guten Herrn. Nix z’freſſen und brav Schläg.
Ja bell nur! Kannſt keine Kunſtſtückeln?
Von mir aus kannſt’n b’halten den Mopperl; aber futtern mußt’n ſelber. Kannſt’n ja aus deiner Schüſſel mitfreſſen laſſen. So, ſchön’s Mopperl, biſt ja gar a freundlich’s Viecherl!
So iſt’s recht. Hab ich ſelber nit gnug und jetzt ſoll ich’n Mopperl auch noch futtern? Macht aber Nix. Gelt, Mopperl? wir kommen ſchon gut aus mitenand. Jetzt probir’n mir amal, ob du was kannſt. Allo: ſchön Aufwarten! Allo! Aufwarten ſchön! No — kannſt es Aufwarten nit?
’s Aufwarten mußt mir lernen. Schön, ſetz dich!
So iſt’s recht. Nach und nach geht’s ſchon. Jetzt ſpring auch a mal! 122
Allo, hops, hops!
Oho! Mopperl! Langſam! Alſo noch a mal.
Hopſa!
So, das Springen kannſt ſo paſſabel. Brav Mopperl! Wart a bißl. Das brave Hundl ſoll jetzt auch was z’freſſen krieg’n. A bißl a Waſſer und kein Milch drin, aber dafür Bröckeln auch nit.
O mein, o mein, das Unglück, das Malär!
Was gibts denn? Du thuſt ja wie narriſch!
O mein, o mein! Alles iſt aus!
Was iſt’s denn? ſo red’ amal!
Der Wolf, der Wolf!
Was für a Wolf? Der Bader?
Der Wolf iſt in Schafſtall kommen und hat uns d’Schaf zriſſen!
Auweh! Auweh! — aber s’ hat ja in der gan - zen Gegend ſeit Menſchengedenken kein Wolf g’hauſt!
Geh nur ’naus; da wirſt es ſchon ſehen, ob der Wolf nit g’hauſt hat.
Auweh! auweh! Der Wolf! Jch hab noch nie an Wolf gſehn! der Wolf! auweh!
Wie ich’s Waſſer am Brunnen gholt hab, hab ich d’Leut im Dorf auf einmal ſchreien ſehn und laufen hörn. Nacher iſt er durch die ober Gaſſen124 dahergr’ennt. Sie hab’n glaubt, ’s wär a großer Hund; aber nacher hat er gleich’n Schullehrer um - griſſen und’n Meßmer in d’Wadl zwickt und iſt ſchnurſtracks zu unſerm Stallfenſter ’neingrumpelt und darin rumgfahren wie a Narr. D’Schaf haben elend plärrt. Jch hab mich auf’n Taubenkobel ver - ſteckt und bald drauf is er wieder ’nausgrennt, vol - ler Blut und ein Schaf hat er im Rachen forttragen und — und — o mein! das Unglück! Auf d’letzt kommt er über’s Jungvieh auch noch!
Und mich frißt er auch noch! Auweh! und mein Mopperl!
Jch kenn mich gar nit aus vor Schrecken!
Nacher is gleich’s ganze Dorf rebelliſch word’n und d’ Leut ſand durchenander gloffen, wie narret; und der Herr Forſtner und die Jäger ſind auch mit ihre Gwehr kommen; aber der Wolf iſt hinten über’n Lenzl ſein Anger in’s Holz ’naus.
Heda, Bauer! Alles muß ’raus! Alles muß zu - ſammenhelfen! Ein Wolf hat ſich ſehen laſſen. Alle125 Bauern müſſen ausrücken; das ganze Dorf muß hinaus!
Müß’n d’ Häuſer auch mit naus?
Jetzt iſt keine Zeit zum Spaß machen. Allo! nehmt Stecken, Prügel, Beile oder was ihr habt! Man muß auf den Wolf Streif halten.
O mein Gott! wenn nur der Wolf ’s Rothkap - perl nit erwiſcht! Die könnt grad im Heimgeh’n ſein von der alten Mutter herüber. Wenn’s ihm nur nit in’ Rachen lauft!
Drum fort, hinaus, hinaus! Meine Jäger ſind ſchon auf dem Weg, den Wald zu umſtellen.
Ja, Herr Forſtner, da müſſ’n wir freilich alle zuſammenhelfen. Aber meine Schaf, meine Schaf! Wer zahlt mir meine Schaf?
Vorwärts! zur Wolfsjagd! hallo!
Ach, die arme Großmutter! heute muß ſie gar im Bett liegen, ſo ſchwach iſt ſie. Jch fürchte, daß die gute Frau nicht lang mehr lebt. Schon geſtern127 war ſie ſo matt, als ich ihr vorleſen mußte. Aber wie? Jch bin ja ſelbſt eingeſchlafen und was hatte ich für einen wunderbaren Traum! Den ſchönen Jüngling ſah ich, wie er mir freundlich zunickte. Ei was! die dummen Träume! Jch will lieber ſchnell heimgeh’n, um der Großmutter ein Töpfchen gute Suppe zu holen.
Rothkäppchen, guten Tag!
Wer iſt da?
Jch bin’s.
Ja, wer biſt Du denn?
Fürchte Dich ja nicht, wenn ich mich Dir zeige.
Ei, warum ſollt’ ich mich fürchten? Wer wollte mir etwas zu leid thun?
O weh, ein Wolf!
Jch bin allerdings ein Wolf; allein von ſanftem128 Gemüthe; und da ich vor Kurzem ein Paar Schafe verzehrt habe, brauchſt Du keine Angſt zu haben, von mir etwa gefreſſen zu werden; denn mein Wolfs - hunger iſt ja geſtillt und wenn ich nicht hungerig bin, ſo hat es gar keine Gefahr mit mir.
Das iſt aber höchſt ſonderbar. Und wie kömmt’s denn, daß Du wie ein Menſch ſprichſt? Jch habe noch immer gehört, daß die Wölfe nur heulen können.
Sieh, liebes Rothkäppchen, ich bin eben ein ge - bildeter Wolf. Es iſt bei den Thieren, wie bei euch Menſchen: Es gibt ungebildete Wölfe und Wölfe von guter Bildung und Erziehung. Zu den Letzte - ren gehöre ich.
Das iſt curios. Alſo brauch ich mich wirklich nicht zu fürchten und davonzulaufen?
Ganz und gar nicht. Aber ſag’ mir, liebes Mädchen, wo kommſt Du denn des Weges daher und wo gehſt Du hin?
Jetzt geh ich heim und dann gegen Abend gehe129 ich wieder zur Großmutter im Nachbardorf da drü - ben, um ſie zu pflegen.
Du biſt wirklich ein recht braves, liebes Kind. Wie alt biſt Du denn?
Jch bin ſchon aus der Feiertagsſchule und bin kein Kind mehr, ſondern ein Mädchen von 14 Jah - ren — bald 15.
Du gefällſt mir ſo gut, daß ich Dich, wenn nicht aus Hunger, doch aus Liebe auffreſſen könnte.
Das wäre mir die rechte Wolfsliebe!
Denkſt Du noch an den Jäger, der Dir geſtern früh im Walde begegnet iſt?
O ja. Er hat mir recht gut gefallen; aber wie weißt Du das?
Jch ging eben im Walde dort ſeitwärts ſpazieren und habe euch beobachtet. Sage mir, Rothkäppchen,9130wenn der Jäger Dir einmal wieder begegnete und Dich zur Frau nehmen wollte, was würdeſt Du ſagen?
Jch? — ei, was fällt Dir ein, Wolf?
Nun, ich frage nur ſo. Was ſagſt Du dann?
Wenn’s nun einmal geheirathet ſein müßte, ſo wäre mir der ſchöne, freundliche Jäger ganz genehm. Aber was ſchwatz ich da? Jch muß heim. Adieu, Herr Wolf!
Adieu, liebes Rothkäppchen! Wünſche guten Ap - petit.
Gleichfalls.
Welch liebes Kind! — Wenn mir jemals die Stunde der Erlöſung ſchlägt, ſo will ich gerne auf alle Vortheile des Fee’nlebens verzichten. Jch wollte dann nur ein Fürſt des Waldes werden und das liebe Rothkäppchen zur Frau nehmen. Hört es, ihr Götter! Jch verlange keine Zauberkräfte mehr, wenn ihr mir nur mein Wolfsfell abnehmt und mich zum Men - ſchen macht. — — Aber jetzt regt ſich ſchon wieder die131 Wolfsgier in mir. Der Hunger pocht an meinen un - erſättlichen Wolfsmagen. Jch will zu Rothkäppchens Großmutter laufen, um ſie aufzufreſſen; ſie ſtirbt ja ohnehin bald, die gute alte Frau. Sie wird zwar ein etwas zäher Biſſen ſein, allein den Hunger ſtillt’s doch.
Jetzt aufgepaßt, Männer! Alſo da herein iſt er gelaufen, Lenzl?
Ja, Herr Forſtner; in das ander Holz ’nüber hab’ ich’n rennen ſeh’n, wie ich vor einer halben Stund auf meim Acker da draußen war.
Wenn er nur drüben net ’naus iſt, das Galgen - vieh!
Nur ruhig! Wir krieg’n den Kerl ſchon. Paßt nur auf, was ich euch ſage.
Ja, g’ſagt iſt gleich, Herr Forſtner; aber bis mir’n krieg’n, da kann er derweil die Schaf von unſerm ganzen Dorf aufg’freffen haben.
Und wer weiß, was er nacher noch Alles frißt und zerreißt!
Warum nicht gar. Folgt nur meiner Anwei - ſung: Jhr Bauern umſtellt das Holz. Jch und meine Jäger, wir gehen ſtill durch den Wald, der Spur nach. Einem muß er kommen. Entweder kommen wir zu Schuß oder Jhr ſchlagt ihn draußen todt.
Probir’n wir’s halt, wie’s der Herr Forſtner anſchafft; denn der muß’s ja verſteh’n.
Kommt’s, Kameraden! Wir gehn links und ihr geht rechts und der Herr Forſtner und die Jäger mitten durch.
Der Kasperl kommt auch zur Jagd und bringt ſeinen Fanghund mit. Z’ Haus hab ich mich a bißl gfürcht’t.
Gut, Kasperl! wir können dich auch brauchen. Wenn der Wolf rückwärts herausſpringen will, ſo treibſt du ihn ab.
Wenn aber der Wolf mich anpackt? Da dank’ ich gar ſchön.
Das brauchſt du nicht zu fürchten; denn ein ge - jagter Wolf packt Niemanden an. Alſo auf! auf! Aber anfangs ganz ſtill.
So geh’n wir halt.
Auweh! jetzt ſind’s Alle fort und haben den Kasperl allein g’laſſen. Jch bin zwar kein Schaf, aber der Wolf könnt halt doch an Appetit auf mich kriegen. Jch ſchieb’ ab und der ſicherſte Platz iſt das Wirthshaus. Komm Moperl, gehn wir zum Wirth.
Die Alte hab’ ich gefreſſen und jetzt lieg ich in ihrem Bett. Das war aber ein miſerabler Biſſen. Nun muß das arme Rothkäppchen dran! Es iſt ſchrecklich und mein Herz ſträubt ſich gegen dieſen Gedanken; aber mein Wolfsrachen verlangt darnach. Wie ſtrafen mich doch die Götter für meinen jugend - lichen Uebermuth ſo fürchterlich! Der ſanfte Heri - wolf iſt zum Raubthier geworden, weil er die Ge - ſetze des Fee’nreichs übertreten hat; weil er in froher Jagdluſt die Grenzen des nächtlichen geheimen Lebens überſchritten. — — Wenn nur die alte Großmutter ein fetterer Biſſen geweſen wäre, ſo könnte ich jetzt mit gutem Gewiſſen Rothkäppchen kommen ſehen. Allein ſo, mit halbgeſättigtem Magen überwältigt des Wolfes Heißhunger, dieſe beſtialiſche Verwand - lung die ſanften Empfindungen des armen Heriwolf. 135Schauderhaft! — Jch dürſte nach Blut. Jch muß ſie zerreißen. Weh mir! weh ihr! da kommt ſie.
So, liebe Großmutter, da bin ich und bringe die Suppe, die ich auf deinem Heerde aufwärmen kann. Wie geht’s dir jetzt?
So paſſabel.
Aber was haſt Du für eine rauhe Stimme Großmutter?
Jch habe etwas Katarrh.
Das thut mir leid.
Ei! was haſt Du für große Ohren!
Damit ich beſſer hören kann.
Und für große, große Augen!
Damit ich Dich beſſer ſehen kann.
Und was für große Hände!
Damit ich Dich beſſer packen kann.
Und was für ein entſetzlich großes Maul!
Armes Kind! damit ich Dich freſſen kann!
Mein Gott, der Wolf!
Hab ich Dich, Galgenbeſtie?
Sei ruhig, Herzenskind. Alle Gefahr iſt vorbei. Erhole Dich.
So leb ich? — O gütiger Herr Förſter, Sie haben mir das Leben gerettet. Aber gewiß hat das wilde, abſcheuliche Thier die gute Großmutter ge - freßen.
Danken wir dem Himmel, daß nicht auch Du137 ein Opfer dieſes Raubthieres geworden biſt. Jch will die Bauern holen, daß ſie den Wolf forttragen.
Jch bin erlöſt! Kennſt Du den Jäger noch, Rothkäppchen?
Wie iſt mir? Das iſt ja Zauberei.
Jetzt biſt Du mein und ich laſſe Dich nicht mehr von mir.
So ſei’s auch mein Sohn. Du haſt in dieſer kurzen Zeit gebüßt durch den Zwieſpalt der Natur, dem du unterworfen warſt. Die Götter ſind ver - ſöhnt. Sieh, auch Gübich, der gute Knecht, iſt ent - zaubert. Jenes Zauberſchloß habe ich Dir zum Auf - enthalt beſtimmt. Nun biſt du der Fürſt des Wal - des und Rothkäppchen magſt du heimführen als deine Braut!
Wer biſt Du, ſchöne Frau? Und Du ſchöner Jäger? Bin ich denn ſelbſt verzaubert?
Verzaubert biſt Du nicht, aber Du biſt in das Reich der Phantaſie verſetzt.
Und in die Mährchenwelt. Komm mit mir auf mein Schloß! Deinen Kindern und Kindskindern magſt Du einſt ſelbſt erzählen das Mährchen vom Rothkäppchen!
Ende.
ein Waldbauer.
Knecht beim Waldbauer.
Aſtrolog und Magier.
die Waldfrau.
Jſt’s Tag oder Nacht! weh mir! ich weiß es nicht mehr! ich vergeſſe die Zeit, da ich ſo lang im Kerker liege. Wo biſt du Sonne? Wo biſt du Mond? Jch kenne euch nicht mehr. Der Strahl eures Lichtes, der in das menſchliche Herz dringt, iſt mir entſchwunden. Jch bin wie ein blinder Mann! Nacht ringsum — vielleicht für immer! Grauſamer Wenzel! Und Dir ſcheint die Sonne, Dir ſchenkt der Mond ſeinen ſanften Strahl, aber dein Herz bleibt kalt und ſchwarz — wie die Nacht, die mich Unſchuldigen mit ihrer Dunkelheit quält und zernichtet. — Und meine Bertha, meine arme Bertha! — wo magſt du jetzt verborgen ſein vor deinem Nachfolger?
Was raſſelt am Schloß? Vielleicht kömmt er wieder, um mich zu peinigen.
142Ja — er iſt’s.
Biſt Du noch nicht mürb geworden, Kuno? Hat die Moderluft hier Deinen Sinn noch nicht erweicht? — Thor, der Du biſt! ein Wörtchen — und Du biſt frei und haſt Dir Deinen Feind zum Freunde ge - macht.
Was quälſt Du mich vergebens? War es an mir gelegen, die Liebe meiner Tochter für Dich zu erzwingen? Sollte ich das zarte Herz eines Mäd - chens mit Eiſenketten feſſeln, während es ſchon von Roſenbanden umſchlungen war?
Was Roſenbanden? Während ich der Vater, um Bertha gefreit, haſt Du meinem Sohne heimlich das Burgpförtlein geöffnet, daß er das Herz des Mägdleins gewinne.
Und warum ſollte ich der Neigung Alberts in den Weg getreten ſein? Jſt er nicht Dein Sohn? Sollte er nicht mehr berechtigt geweſen ſein, um ſie zu werben, da die Jugend ihm den Weg gebahnt,143 während Dein Alter gleichſam der Winter war, der mit ſeinen eis’gen Händen die Roſe pflücken wollte?
Fluch Dir, Du Narr! — Aber ich will Deinen Sinn brechen. Nach und nach ſollen Dich Hunger und Durſt zur Beſinnung bringen.
Und willſt Du auch die grauſamſten Mittel, mich zu verderben, anwenden — was frommt es Dir? Würde ich auch ſo ſchwach ſein, meine Geſinnung zu ändern, es hinge doch noch von dem Willen meiner Tochter ab, die — der Himmel weiß wo? — jetzt vielleicht irgendwo im Elende ſich vor Dir ver - borgen hält.
Du lügſt, wenn Du ſagſt, daß Du nichts von ihrem Aufenthalt weißt.
Jch lüge nicht. Da Du mich auf meiner Burg überfallen haſt und gefangen nahmſt, war ſie ent - floh’n! — Sage, wo iſt Dein Sohn? Wo iſt Albert? — Weißt Du es?
Der Tollkopf! — wüßt ich’s, ſo wüßt’ ich auch,144 was ich mit dem Minnehelden zu thun hätte. Bei Dir würde er liegen in dunkler Haft. — Doch ge - nug. — So lange ich Bertha nicht gefunden, ſo lange ſie nicht mein iſt, ſollſt Du hier in Ketten ſchmachten. Und wenn Du verhungert ſein wirſt, hänge ich Dein elend Gerippe an den Wartthurm hinaus, daß es im Abendwind ſchwanke den Raben und Geyern zum Zeitvertreib!
Arme hab’ ich — die ſind gefeſſelt! Eine Fauſt hab’ ich, die noch ein Schwert ſchwingen kann! — Nichts! Nichts! — Jſt denn Alles vorbei? — Weh mir! Hilf’ mein Herrgott, wenn du gerecht biſt! — Ach! käme doch der Schlaf, der gute Geſelle! Käme der Schlaf, der Ruhe bringt für immer! ſoll ich — denn — ver — ſchmachten?
Bleibe, bleibe, ſchönes Bild der Hoffnung! bleibe ſüßer Traum, der du mich erquickt haſt! — — doch wie? War’s nur ein Traum? Hab’ ich doch ſchon oft von der wunderbaren Waldfrau gehört, die ſich des Elends der Menſchen annimmt. War ſie es vielleicht wirklich? Wie hätten mir ſolch’ lieb -10146lichen Traum meine wüſten Sinne geſtalten können? Mein Unglück hätte ihnen die ſchönen Farben nicht gelaſſen, das herrliche Bild zu malen. Dort — wo ſie mir erſchien — ein Stein, deſſen Verſchiebung die Mauer des Kerkers öffnet? Warum ſollt’ ich’s nicht verſuchen? —
Sieh, hier ein hellgefärbter Mauerſtein. Und hier eine kleine Eiſen - klammer. O wär’ es doch Wahrheit!
Es iſt ſo. — Gott ſei Dank! Licht, Freiheit!
So komm doch, fauler Burſch. Heut will’s wie - der gar nicht vorwärts geh’n.
Was will net vorwärts geh’n? Da geh’ Einer vorwärts, wenn ihn hinten was rückwärts zieht. 147Vorn muß ich mein’ Bauch tragen und auf’n Buckel muß ich’s Holz ſchleppen. Jhr habt leicht reden und leicht gehen. Jhr haut’s Holz um und ich darfs tragen.
Mein Weib braucht das Holz zum Kochen, alſo troll dich, daß wir heimkommen.
Das is wieder ganz falſch, was Jhr ſagt. Wenn Eure Frau das Holz zum Kochen brauchen thät, dann müßten wir Holz eſſen; und ſo weit iſt’s Gottlob doch noch nicht gekommen, obgleich das Eſſen oft hundsſchlecht iſt. Jhr hättet ſagen ſollen: mein Weib braucht’s Holz zum Feuer machen. Aber Jhr ſeid halt ein dummer Waldbauer, der keine cultivirte Bildung hat.
Was dummer Waldbauer? — ſo ſpricht man nicht zu ſeinem Herrn?
Wieder unrecht geſprochen; Jhr ſeid kein Herr, denn ein Bauer iſt kein Herr. Jhr ſeid alſo nicht mein „ Herr ‟ — ſondern nur mein „ Bauer ‟.
Und doch will ich dir den „ Herrn ‟ zeigen, du Flegel.
Das verbitt’ ich mir: den Lohn hab ich mir nicht ausbedungen und ich ſehe überhaupt mehr auf gute Behandlung als auf ſchlechten Lohn. Das will ich Euch nur ſagen.
Jetzt hör’ auf mit deinem Geplapper, ich hab’s ſatt.
Aber ich bin nicht ſatt; hab noch kein’ Eſſen im Magen.
Komm nur, laß’ uns gehen.
Jch komm’ ſchon, aber zuvor muß ich noch ein Bißl raſten.
So — nach der Arbeit iſt gut ruh’n. Ja, ja, ja, ja, ja, — das iſt ein ſaures Leben, und ’s wär noch ſaurer, wenn es nicht durch die holde Gegenwart jenes Weſens verſüßt wäre, welches ſich unbekannter Weiſe zu uns geflüchtet hat. Das ſchöne Fräulein; die holdſelige149 Jungfrau! Was muß die auf’m Herzen haben, daß ſie ſich in ein Bauerngwandl g’ſteckt und unter dem Namen Armgard als Magd bei der Waldbäurin ein - gedingt hat? Aber ich weiß Alles und kein Menſch weiß, daß ich Alles weiß. Alles hab ich entdeckt. Neulich bin ich ganz ſchwachmatiſch hinterm Ofen g’ſeſſen und hab g’ſchlafen, oder eigentlich nicht g’ſchla - fen und da hat das ſchöne Ritterfräulein der Wald - bäurin Alles entdeckt: ihre Flucht, ihr Malheur und ihre heimliche Verliebung und Verlobung mit dem jungen Ritter Albert. Kurz ich weiß die ganze Ritterg’ſchicht — und wie’s vorbei war — da hab ich furchtbar auf der Ofenbank hinten g’ſchnarcht, damit ſie gemeint haben, ich hätt’ gar nix g’hört. Und nunmehro iſt das Geheimniß in meine Bruſt vergraben; ha! ich weiß zu ſchweigen, ſo lang mich Niemand fragt. Aber, s’ iſt wirklich Zeit, daß ich mich heimtroll, denn ſonſt krieg’n mir nix auf Mit - tag.
Jetzt hab’ ich das ganze Körbchen voll der ſchön - ſten Erdbeeren; aber ich bin wirklich recht müd ge - worden; durch all die Stauden und das Geſtripp! Die Zeit iſt mir ſo ſchnell vergangen, denn ich habe150 immer an meinen Albert gedacht und an meinen Va - ter. Ja, an meinen unglücklichen Vater, der im Kerker ſchmachtet. O könnt’ ich mein Leben opfern, ihn zu erretten! Wie oft ſchon hatte ich feſt im Sinne, zu dem böſen Ritter Wenzel zu gehen und ihm zu ſagen: „ Da bin ich, nimm mich denn hin zum Weibe ‟ aber ich weiß nicht wie es kam; eine Stimme in meinem Jnnern hielt mich zurück — es war wohl Alberts Stimme. Und immer mache ich mir die bitterſten Vorwürfe, daß ich ſo ſchwach bin, ſo undankbar. Aber wäre denn mein Vater glücklich durch Erfüllung dieſes Entſchluſſes? Er ſelbſt ſagte mir ja tauſendmal: „ Nie und nimmer ſollſt du die & q; Gattin des böſen Wenzel werden, der Niemandem & q; gut ſein kann, ſondern nur immer Böſes im Sinne hat ‟. Nun, wenn es mein Vater ſelbſt nicht will, — ſoll ich es wollen? Und dennoch wäre es viel - leicht meine Pflicht. Mein armes Herz iſt voll von Zweifeln. Wer kann mir rathen und helfen? — Ei, ihr Vögel zwitſchert ja gewaltig. Wollt ihr mir einen Rath geben? Jch verſtehe eure Sprache nicht.
Was hör ich? Jſt das der Geſang der Vögel, oder ſind es die Stimmen der guten Waldgeiſter, die micht tröſten wollen? Jch will euerm Rath folgen und in Geduld treu ausharren. Gott wird meinen Vater beſchützen und Alles zu gutem Ende führen.
Da naht eine Jagd. Wenn es etwa gar der böſe Wenzel wäre, der in dieſer Gegend bisweilen zu jagen pflegt?
Halt, ſchöne Dirne, wir laſſen Dich nicht fliehen!
Du mußt uns von deinen Erdbeeren geben zur Erfriſchung.
Heb’ ſie lieber für Herrn Wenzel auf, der uns auf der Spur folgt.
Weh mir, der böſe Wenzel!
Ha, ha! „ der böſe Wenzel! ‟ — ein wackerer tapferer Ritter, der des Waidwerks pflegt.
Sieh, da kömmt er ſchon.
Heda! ich will ein bischen von der Jagd aus - ruhen. Ei, welch hübſches Bauernmädchen! Setze Dich zu uns und ſing’ uns ein Lied.
Herr, ich kann nicht ſingen. Jch hab’ es nicht gelernt.
Und haſt doch eine ſo holde Stimme.
Jch bitte, laßt mich fort. Jch muß zu meinen Eltern heim.
Eine ſchöne Dirne läßt man nicht ſo ſchnell fort. Bleib’ nur hübſch da und gib mir von Deinen ſüßen Erdbeeren.
Die ſteh’n Euch zu Dienſten, gnädiger Herr.
Aber wie? Die ſchöne Stimme iſt mir bekannt; dieſe holden blauen Augen ſollte ich kennen. Täuſche ich mich nicht? — nein, nein! Du biſt’s: Bertha von Thaleck.
Weh mir, er hat mich erkannt!
Ver - zeiht, Herr Ritter, ich heiße Armgard und bin die Tochter eines Waldbauers — —
Nein, ſchönes Kind. Jch laſſe mich nicht täu - ſchen. Du biſt Bertha. Zu meinem Glücke habe ich Dich Entflohene wieder gefunden. Jetzt biſt Du mein!
Laßt mich, Herr Ritter! Jch bin nicht die Eure, und wenn ich auch eines Ritters Tochter wäre.
Fort mit Dir! Burſche ergreift ſie! Fort auf meine Burg!
Hülfe! Hülfe! ihr ſchützenden Mächte! Jhe Sän - ger des Waldes, helft mir!
Ende des I. Aufzugs.
Die Sterne ſind mir günſtig: Jupiter leuchtet hell und Mars flammt feurig auf. Endlich muß es mir gelingen, das große Myſterium zu entdecken — jene Goldtinktur, die mich zum reichſten Manne der Welt macht. Jch will noch etwas Queckſilber in die Eſſenz ſchütten.
Aha! Das wirkt. Wenn die Kräfte der Natur in den Tiefen der Erde kochen und das edelſte Metall hervorbringen, warum ſollte der Menſch nicht dieſelben Kräfte verwenden können, indem er ſie in der Retorte concentrirt? —156 Nun bildet ſich ſchon der Niederſchlag, den ich er - wartet. Was ſagt Jupiter dazu? Jch will ihn be - obachten.
Das herrliche Geſtirn funkelt wie Gold, ſchwarze Wolken zieh’n drüber hin. Nun laß ich das Werk ruhen bis der Morgenſtern am Himmel ſteht; dann will ich wieder nachſehen und die Probe meiner Arbeit machen.
Was für ein Lärm an meinem einſamen Thurme zur ſpäten Nachtſtunde?
Heda! Wer klopft am Thore?
Oeffnet mir die Pforte — ich bins.
Wer ſeid ihr?
Jch bin’s: Ritter Wenzel! Mach’ auf!
Ei ſo ſpät bei mir? — Wartet, ich will Euch gleich einlaſſen.
Jch muß Dich zur ſpäten Stunde ſtören, Hel -157 mont; aber ich habe Wichtiges mit Dir zu be - rathen.
Wenn ich Dir dienen kann, ſo bin ich bereit.
Mann der Weisheit — rathe mir.
Laß hören.
Du weißt, daß ich vergebens um die Hand der Tochter des Ritters Kuno geworben. Da warf ich ihn und legte ihn in Banden, um ihn zu zwingen. Allein, vergebens: das Mädchen entfloh, er ſelbſt entkam auf wunderbare Weiſe ſeiner Haft, mein eigener Sohn irrt, ich weiß nicht wo, umher. Da traf ich geſtern Bertha als Bauernmädchen verkleidet im Walde, als ich des Waidwerks pflog. Schon glaubte ich mich ihrer bemächtigen zu können, als ſie mir durch die Macht der Waldfrau entriſſen ward. Was ſoll ich thun? rathe mir! hitf mir! Meiſter der geheimen Künſte und verlange Deinen Lohn. Jch muß Bertha haben!
Da haben ſich die guten Mächte gegen Dich verſchworen.
So nimm die böſen Mächte, die Du in Deiner Gewalt haſt, zu Hilfe, um mir beizuſtehen.
Der alten Freundſchaft zu Dir will ich es zu lieb thun. Gegen die Waldfrau kann uns aber nur Einer dienen: Der böſe Geiſt Negromantius. Hab ich ihn durch die Magie citirt, ſo mußt Du ihm den Lohn verſprechen, den er begehrt, dann wird er uns beiſtehen.
Verſuch’ es. Was ich ihm bieten kann, das ſoll er haben.
Verhalte Dich ruhig, bis er, wenn er uns er - ſchienen iſt, Dich ſelbſt anredet.
Zur Sache, Helmont, zur Sache!
So ſprich, was willſt Du?
Jch ſchwör’s.
Das war eine furchtbare Erſcheinung.
Nun gehe. Wie Negromantius ſein Verſprechen erfüllt, das wird ſich zeigen; vorher aber ſchau, daß Du einen Menſchen findeſt, den Du in einen Sack geſteckt ihm an den Rabenſtein bringſt. Sonſt biſt Du verloren, weil er Dich ſelbſt als Opfer holen wird, wenn Du ihm nicht die Gabe gebracht, damit er Dir helfe.
Das wird wohl nicht ſchwer, Einen aufzufinden161 in den Sack zu ſtecken und am Rabenſtein niederzu - legen. Auf ſo was kömmts mir nicht an.
Mög’ es Dir gelingen; dann kannſt Du auch des Negromantius Beiſtandes ſicher ſein — und ich komme zu Gaſt, wenn Du mit Bertha von Thaleck Hochzeit hältſt.
Komm, Helmont! Vom Edelſten, Beſten ſoll auf - getiſcht werden und ringsum ſoll meine Burg er - leuchtet ſein in der Hochzeitnacht, daß ſie hellauf über die Lande glänze wie ein Zauberpalaſt.
So ſei’s mit des Teufels Hülfe! Jch will Dir jetzt das Pförtlein aufſchließen.
Ja, laß uns gehen.
Und ſollt ich erliegen — ich will ſo lange wandern und ſuchen, bis ich Bertha gefunden! Jch achte nicht der Mühſal, ich achte nicht Hunger und Durſt und wandere durch das Land als ein armer Sänger von Haus zu Haus, bis ich zur rechten163 Stätte komme, wo Bertha verborgen iſt. Einmal wird es mir gelingen!
Jetz’ hätt ich’s aber bald ſatt. Jſt denn der Menſch wirklich nur zum Eſel geboren? Jch mein nämlich zum Eſel — wie zum Beiſpiel ich, weil ich als ein zweifüßiges Laſtthier bei einem dummen Bauern im Dienſt bin und nur die Wahl hab’ zwi - ſchen Arbeit oder Prügel. Denn hier zu Land iſt die Aufklärung noch nicht ſo weit gedrungen, daß die Prügel ab’gſchafft ſind. Alſo was bleibt mir? Ar - beit’ ich nicht, ſo gibt’s Prügel, und lauf’ ich aus’n Dienſt, weil mir’s Arbeiten zuwider iſt, ſo ſetzt mir mein Magen zu und ſagt: Kasperl ſei gſcheit und vergiß mich nicht; denn ich bin ein edler Theil dei - nes Leibes. — Der Magen iſt aber ein gſcheiter Kerl. Er weiß, daß ich ihn nicht ſo wegwerfen kann wie den Sack da! und ſo bin ich alſo eigent - lich nicht der Eſel des Bauern, ſondern der Eſel meines eigenen Magens. — Geduld Kasperl! Mach halt den Eſel und trag dieſen Sack voll Erdäpfel geduldig auf’m Buckel, damit der Sack in deinem eigenen Leib zufrieden iſt!
Heda, guter Freund!
O, Euch hab ich gar nicht gſeh’n.
Seid doch ſo gut und ſagt mir, wohin der Weg dahin geht?
Wohin der Weg geht, das weiß ich nicht; denn der Weg geht eigentlich nicht.
Jch meine, wohin der Weg da führt?
Führt? das iſt auch ziemlich undeutlich.
Verſteht Jhr nicht? Jch meine, wohin ich komme, wenn ich auf dem Weg da fortgehe.
Da kommt Jhr dahin, wohin ich herkomme.
Und was iſt das für ein Ort?
Kein Ort, ſondern ein halbzerfallenes Lumpen - neſt, in dem ein Waldbauer mit ſeinem alten Weib165 wohnt und eine unbekannte Perſon, welche ein Frauen - zimmer zu ſeint ſcheint und mir außerordentlich gut gefallt.
Vielleicht ein fremdes Mädchen?
Das weiß ich eigentlich net; denn ſie iſt ver - kleidt, könnt’ alſo auch ein Mannsbild ſein.
O wenn ſie es wäre!
O ſage, ſage mein Freund: iſt ſie ſchon lange dort?
Alles Geheimniß. Wer, wie, wo, was, warum, woher, wohin, woraus, worin? — kurz — Alles Geheimniß und Stillſchweigen!
Erwarte reichlichen Lohn von mir — führe mich in das Haus!
Vielleicht iſt’s meine Bertha!
Reichlicher Lohn? Dieſer Ausdruck iſt mir ſo ziemlich neu.
Hier haſt Du Geld. Zeig mir den Weg zu dem Bauernhauſe.
Mein edles Herz kann nicht widerſtehen, wenn die Stimme der Menſchenliebe an den Buſen klopft. Jch kann zwar nit mit euch gehn, ſonſt krieg ich Prügel, weil ich den Sack Erdäpfel zum Verkaufen in’s nächſte Dorf tragen muß; aber wenn ich’s euch expluzir, ſo könnt ihr nit fehlen.
Gut, mein Freund, ſo ſprich:
Jhr ſcheint mir ein Muſikant zu fein — alſo ſpitzt eure muſikaliſchen Löffel und merkt auf: Jetzt ſetzt den rechten Fuß vor den linken und nachher den linken vor den rechten; auf dieſe Art bewegt Euch fort grad aus bis an einen großen Baum, der wie ein Eichbaum ausſieht; an dem Baum iſt ein Taferl, auf welchem geſchrieben ſteht: Hier iſt das Fahren verboten. Wenn Jhr dieſen polizeilichen Fingerzeig geleſen habt, ſo geht um den Baum herum, dann rechts und dann links, nachher links und rechts und wieder rechts und links, dann kehrt euch um und ſchaut gradaus hintenrum, da werdet Jhr gleich des Waldbauers Haus ſehen und könnt nicht fehlen. Am Haus wird Euch ein Hund anbellen; wenn Jhr167 aber ruft: „ Schnauzl ſei ſtat ‟, ſo wird er’s Maul halten.
Von jener Eiche kann ich alſo das Haus leicht finden.
Wenn Jhr a Weil g’ſucht und Euch nicht im Wald vergeht, ſo könnt Jhr nicht fehlen; jetzt möcht’ ich aber zu dem reichlichen Lohn noch ein kleines Trinkgeld.
Ja, da haſt Du noch Etwas. Nicht wahr das Mädchen iſt ſchön und gut?
O — ſehr; mehr ſchön als gut und mehr gut als ſchön.
Leb wohl! — Möge der Himmel mir günſtig ſein, mein Erdenglück zu finden.
Mein Erdenglück zu finden! ‟ — mein Erden - glück iſt das Wirthshaus
Aber die Expluca - tion hat mich müd’ gemacht. Jch hab’ an Mords - ſchlaf. Die Pflicht der Selbſterhaltung gebietet mir, mich jetzt a bißl niederzulegen.
Der Schlaf iſt eine jener menſchlichen Tugenden, die die Verdauung miteingerechnet, gewiſſermaſſen — ah
ſo — und — ſo zu ſagen —
Wo haſt Du die Roſſe hinbeſtellt?
An die Waldkapelle, edler Ritter.
Auch ein paar Reiſige zu Roß; denn heute heißt’s noch Einen fangen.
Wie Jhr’ befohlen habt.
Was liegt da für ein Kerl?
Scheint ein Bauernknecht mit einem Sack.
Still, daß wir ihn nicht wecken! Das iſt, was ich brauche: die gewünſchte Beute.
Ein guter Braten für Negromantius.
Paſſ’ auf Burſch: Wir überfallen ihn, ſtecken ihn in ſeinen eigenen Sack und dann fort mit ihm. Packe Du links an, ich faſſ’ ihn rechts.
Holla, Holla! rühr’ Dich nicht, oder Du biſt des Todes!
Auweh, Auweh! Räuber! Mörder! Lumpeng’ſin - del! Jch hab’ nichts, ich bin nichts, ich hab’ weder Uhr noch Geld bei mir. Laßt’s mich aus!
Brauchen nichts, als Dich ſelbſt! Schrei’ nicht ſo, oder ich bohr’ Dir meinen Dolch durch den Leib.
Tretet ein; Jhr ſeid ja müde und werdet wohl hungerig ſein von Eurer Wanderſchaft.
Jch bin das Wandern ſchon gewohnt, gute Frau. Wenn Jhr erlaubt, werd’ ich aber ein Bischen bei Euch ausruhen.
Und meine Pflegetochter Armgard ſoll Euch einen Jmbiß bringen; freilich nur Bauernkoſt und ſo ein170 Sänger, wie Jhr ſeid, iſt wohl gewohnt, nur in Ritterſchlöſſern einzukehren.
Jch bin nicht verwöhnt und nehme gern Alles dankbar an.
Armgard, bring’ eine Schüſſel Milch und Brod für den edlen Gaſt.
Gleich, gleich — Mutter!
Mein Gott! Dieſe Stimme! Sie iſt’s!
Albert! Albert! — Jhr ſeid’s!
Und Jhr, theure Bertha!
Wie? Was iſt dieß? Jhr ſeid Ritter Albert — in dieſer Verkleidung!
Jch bin’s, gute Frau. Und ſelig bin ich, endlich meine Bertha gefunden zu haben. Nichts ſoll uns nun mehr trennen können.
Wie glücklich bin ich, theurer Albert! Aber Du darfſt nicht hier bleiben; denn man würde Dich leicht entdecken können.
Wohl haſt Du recht, liebe Bertha. Da ich nun Deinen Aufentbalt und Dich bei dieſer Frau verklei - det und geſchützt weiß, will ich gerne fort. Jch kann Dich ja bisweilen beſuchen. Jch will mich bei dem alten Einſiedler verſteckt halten, bis ich meines Va - ters Knappen geſammelt habe und Dich unter meinen ritterlichen Schutz nehmen kann. Dann wollen wir uns durch den Eremiten in der Kapelle trauen laſſen.
So ſei es. Vielleicht gelingt es Dir, vorher meinen Vater aus ſeiner Haft zu befreien.
Ja, ſo iſt es beſſer. Möge Gott Euren Plan be - ſchützen. Das Fräulein will ich wohl hüten unterdeſſen.
Ei, da find ich ja Geſellſchaft.
Ja, des Fräuleins Bräutigam, den edlen Ritter Albert.
Seid willkommen in meiner armen Hütte!
Dank Dir; allein wir haben keine Zeit zu ver - ſäumen, lieber Berthold. Thu’ mir’s und dem Fräu - lein zu lieb; mach’ Dich auf den Weg gegen unſere Burg, oder ſuche in der Nähe der Schwarzburg zu erſpähen, wo mein armer Vater gefangen liegt.
Ei, gefangen? Wie mir ein Knappe aus des Ritters Wenzel Troß erzählte, hat ſich Ritter Kuno ſelbſt aus dem Thurm befreit und iſt entfloh’n.
Glückliches Geſchick! Jch zweifle nicht, daß auch er ſeine Zuflucht bei unſerm Freunde, dem Einſiedler, geſucht hat. — So lebe denn wohl, theure Bertha! bald ſollen wir uns wiederſehen. Jetzt weg mit dem Saitenſpiel und das Schwert in die Fauſt genom - men! — Lebt wohl!
Leb, wohl, mein Albert! auf Wiederſehen!
Wir ſind zur Stelle. Huſch, iſt’s kalt! Und dort baumelt einer im Nachtwind. Da, Burſche, legt den174 Kerl im Sack unter den Galgen.
Negroman - tius wird ihn ſchon holen; ich habe mein Wort ge - halten.
Der Burſch war ſchwer.
Der Kerl ſchnarcht. Jch glaube er ſchläft.
Laßt ihn ſchlafen. Aus dem Sack kann er nicht; der iſt feſt zugebunden.
Vielleicht iſt dem Teufel lieber, wenn er ſeine Beute lebendigen Leibes kriegt; da kann er ihm noch das Blut ausſaugen. Jetzt fort! Wir haben da nichts mehr zu ſchaffen. Braucht auch Keiner von der Geſchichte was zu erzählen, ſonſt liegt er im Thurm.
Wir halten’s Maul, was geht’s uns an?
Gebt uns nur einen guten Trunk, Herr Ritter; den haben wir verdient.
Sollt’n haben. Fort jetzt! Wir könnten unan - genehme Geſellſchaft bekommen.
No! No! — wo bin ich denn? Aber da is’ finſter! Schlipperdibix, ich kann mich ja nit rühren. Aufgemacht! aufgemacht! — da wird’s mir zu eng; mir geht der Athem aus. Schlüſſel her zum Auf - ſperren! Aufgemacht!
Pumps dich, ’s Loch is offen. Jch wünſch’ recht guten Morgen.
Pfui Teufel, wo bin ich? Z’erſt in ſchwarze Nacht ein - g’näht und jetzt ſteh’ ich am Galgen. Wer hat mir das angethan? Schlipperment! Aber wart’, ich ſpiel’ euch en Poſſen. Wer den Sack abholt, der ſoll an -176 g’führt ſein. Das wär nit übel, der Kasperl im Sack? Nix da! — Aber was thu’ ich jetzt hinein ſtatt’m Kasperl. Potz tauſig!
Du kommſt mir grad recht.
Nur hinein da! hinein da! So — hab dich ſchon! jetzt zugebunden.
So, jetzt iſt die Maſchinerie fertig. Der Kasperl heraußen und das Schwein’l drinn. Bravo! Die Maſchinerie iſt gut. Hab die Ehr mich zu empfehlen. Jetzt kann der redliche Finder den Sack aufpacken.
Höllenelement, was iſt das? Wie? Ein Span - ferkel ſtatt eines Menſchen? So hat man mich zum Beſten! Pech und Schwefel! Blitz und Donner! — Warte nur, du elender Wenzel! Betrüger, der du den Teufel ſelbſt betrogſt! Jetzt halt ich mich an dich. Du ſollſt des Teufels ſein. Fürchterlich will ich dich ſtrafen ſtatt dir zu helfen.
Ende des zweiten Aufzuges.
Nun iſt es Zeit, lieber Albert, daß wir an’s Werk gehn. Unſere Schaar iſt zahlreich genug.
Ach, es iſt ein ſchmerzliches Gefühl, daß ich ge - gen meinen eigenen Vater zu Feld ziehen muß; allein er ſelbſt hat die Veranlaſſung gegeben. Meine Braut, Eure Tochter, will er mir rauben; verſtoſſen will er mich aus meinem Erbe. — Ueberall ſtiftet er Unheil. Niemand iſt vor ſeiner Bosheit ſicher.
Jhr braucht kein Bedenken zu haben; Jhr kämpft unter meinem Banner. Jch bekriege Euern Vater, den ſchändlichen Ritter Wenzel; nicht Jhr thut es, wenn Jhr mit mir ſeid, ſo kämpft Jhr für die gute Sache und Gott wird es Euch verzeih’n, daß Jhr ge - gen den Vater ſtreitet.
Jch kämpfe um Bertha, meine geliebte Braut.
Wie ich von den ausgeſchickten Spähern vernahm, befindet ſich Euer Vater jetzt auf der Schwarzburg, um einen Streifzug gegen mich zu veranſtalten, weil ich ſeiner Haft entſprungen bin.
Auch erzählt man ſich, daß er mit Hilfe des Magiers Helmont ſich zauberiſcher Kräfte bedie - nen will, um Bertha’s geheimen Aufenthalt zu ent - decken.
Der Schändliche! — Nun hört: Vertheilt euch in einzelne Haufen. Ein Theil beſetzt alle Wege zur Schwarzburg; die Andern ſchleichen ſich gegen die Burg; ich werde euch führen. Auf ein gegebenes Hornzeichen dringen wir ein und ſuchen den Ritter Wenzel gefangen zu nehmen.
Der Plan iſt trefflich ausgedacht.
Alſo fort nun! Seid klug und tapfer. Wenzel wird ſich wehren wie ein Löwe, denn an Muth fehlt’s12*180ihm nicht und ſeine Knapen und Reiſigen ſchlagen wie die Teufel drein.
Auf denn!
Folgt mir!
Halt a bißl! halt! laßt’s mich auch mit! wenig - ſtens will ich den Bagaſchi - und Proviantwagen be - ſchützen und auf dem Feld der Ehre Lorbeern er - kämpfen, die ich zum Schweinsbratl brauchen kann. Oder macht’s mich zum Fähnrich, nacher hätt’ ich gleich’s Leintuch bei mir zum Zudecken. Ha! ich will Blut! Rache dem böſen Ritter! Blutiges Blut!
Auweh da kommt ſchon ein Feind! Ein furcht - barer Kerl! — Jch will’n aber verfolgen, wenn ich’n erlaufen kann. Ha! Wuth! Gluth! Muth! Hut! Gut! Trut! — fort in den Pulverdampf des blitzenden Schwertergeklirres und in den Trommel - wirbel der ſchmetternden Trompetenſtöße!
Negromantius muß nun die verſprochene Beute haben. Seine Hülfe kann alſo nicht mehr lang aus - bleiben. Oder ſollte der Teufel treulos ſein und nicht Wort halten?
Das iſt nicht zu befürchten; denn das hölliſche Geſetz bindet ihn, ſein Verſprechen zu erfüllen. Biſt Du aber auch deſſen gewiß, daß ihm ein Menſch in einem Sack geliefert wurde?
Jch ſelbſt habe mit zwei Knechten das Opfer an dem Hochgericht niedergelegt; es kann alſo nicht fehlen.
Wenn dem ſo iſt, ſo harre bis es dunkel wird. Der Teufel agirt am liebſten des Nachts. Vielleicht führt er Dir ſelbſt das verlorene Mädchen durch’s Fenſter herein.
182Ha! ſiehſt Du? Negromantius gibt uns ſchon ein Zeichen.
Jch kann es aber kaum erwarten. Jch habe auch eine Rotte ausgeſandt, auf meinen Sohn und Bertha’s Vater zu fahnden. Hab ich ſie, ſo ſollen beide im Hungerthurm verſchmachten; denn ich will mich ihrer entledigen.
Was iſt das für ein Lärm draußen? Das ſind nicht meine Leute.
Wunderbar! Der Lärm kömmt immer näher.
Verdammt! Was iſt das?
Herr Ritter! rettet euch; Die Burg iſt überfal - len. An der Spitze kämpft Kuno mit den Uebrigen.
Mein Schwert! Mein Schwert! — Jch will die Leute ſtumm machen. — Helmont rette Dich in den unterirdiſchen Gang, hier durch das Seitenthürlein.
Das will ich auch thun; mir ſcheint dießmal hat uns der Teufel ſitzen laſſen.
Halt! Verwegener!
Jſt dieß die verſprochene Hülfe?
Fluch Dir, Betrüger! War das die verſpro - chene Beute, daß Du mir ein Ferkel im Sacke lie - ferteſt?
Teufel, du lügſt!
Dießmal nicht, Elender! Aber Dich hab ich jetzt, das iſt mir genug.
Mir kommt’s auch nicht drauf an, mit dem Teu - fel zu kämpfen.
Ha, ha!
Verſuch’s, Ohnmächtiger!
184Weh mir! der Hölle Fluch! ich bin verloren!
Nun hat der Kampf begonnen. Jch meine aus weiter Ferne Schwertergeklirr zu vernehmen. Jch ſehe meinen Albert verwundet, meinen Vater todt! — Doch nein! es iſt nur die Angſt, welche mir ſolche Bilder vormalt. Hätt’ ich nur Kunde vom Platze des Kampfes. Ritter Wenzel wird ſich fürch - terlich zur Wehre ſetzen. Wer weiß, wie es endet? Himmliſche Mächte beſchützt ſie, die eigentlich für mich kämpfen.
Der Sieg iſt errungen! Bertha komm’ an mein Herz!
Dem Himmel Dank, theurer Vater!
Alles Leid iſt nun zu Ende. Mein unglücklicher Vater iſt in den Flammen der brennenden Burg untergegangen. Gott verzeih ihm!
Nun eilen wir nach Thaleck und morgen ſoll Eure Hochzeit gefeiert werden.
Geſegnet ſei das Walten der gütigen Mächte! Dank meiner Beſchützerin, der Waldfrau Waltinne!
Ende des Stückes.
Berggeiſt des Kupfergebirges.
ſeine Tochter.
Hofdame.
Hofmarſchall.
ein Jude,
Stadtrichter.
Gerichtsſchreiber.
Kellner im Gaſthofe zum „ goldenen Stern. ‟
Räuber.
Das Stück ſpielt um die Mitte eines Jahrhunderts.
Es bleibt dabei! Mir wird’s zu arg!
Mein Kasperl — aber — —
Was Haber oder Stroh und Heu, Jch ſag’s amal, es bleibt dabei!
Alſo willſt Du mich wirklich verlaſſen? Das iſt abſcheulich!
Ohne Dich zu haſſen, werd ich Dich verlaſſen, und iſt es nicht abſcheulich, ſo iſt’s auch nicht gräu - lich.
Ja abſcheulich und gräulich!
Das Schickſal ruft. Jch ſag’ dem Bauern auf, und geh’.
Aber Kasperl! — mein geliebter Schatz!
Ja Du geliebte Katz! Tröſt Dich nur! Mein Herz bleibt bei Dir und beim Heirathen bleibts auch, wenn wir wieder zuſammenkommen und wenn ich noch mag. Aber die Schikanederie’en von dem Bauern - Lümmel ertrag’ ich nimmer. Schlechte Koſt und Nix als Schmalznudel und Nix zu trinken dazu, als den ein’ Tag Waſſer und den andern ſaure Milch — das iſt Nix für meine Natur. Wenn ich mich in der Früh um 6 Uhr im Bett umkehr’ und um 9 Uhr aufſteh’, nachher ſagt der Bauer, ich ſei a fauler Kerl! das iſt infam! Wenn ich Nachmittags a bißl in’s Wirthshaus nüberſchau’ und etwas wacklig nach Haus komm’, nachher heißt’s wieder: ich bin a verſoffener Lump! — Leg’ ich mich Abends um a 6 Uhr aufs Heu und laß’ Ochſen und Küh’ allein freſſen, bin ich ſchon wieder a Faullenzer, a Strolch!
Aber ſchau’, Kasperl, eigentlich hat der Bauer nit Unrecht; denn Du möcht’ſt den ganzen Tag nur eſſen, trinken und ſchlafen.
Ha! Jch bin halt zu was Ander’m geboren, als zum Bauernknecht. Jn mir ſteckt ein Cavalier von Unten bis Oben! Jch bin ganz zum vornehmen Herrn g’ſchaffen, zum Privatier, Rentier, Bankier oder ſo was G’ſcheits.
Da haſt aber noch weithin, mein Kasperl.
Schweig Theure! das verſtehſt Du net. Geh lieber in den Ochſenſtall ’naus, melk’ Deine Küh’ und hol’ mir zum rührenden Abſchied a par Maß Bier oder auch drei, und 6 Paar Bratwürſt zum Ein - tunken. — Ah, da trappt grad der Bauer ’rein!
Wenn Du aus’n Haus gehſt, nachher bleib’ ich auch nimmer und reiſ’ Dir nach oder ich leb’ nimmer lang!
Jetzt Kuraſchi, Kasperl! Entwickle deine ganze Herzhaftigkeit und ſag’ dem Bauern einige Grobhei - ten, damit Du mit dem Bewußtſein des Reſpektes von deinem Herrn ſcheiden kannſt.
192Auch ſchon auf, Monſieur Kasperl? Stehſt wie - der da wie der Schragen, auf dem a Bierbanzen liegt.
Jedenfalls auf meine zwei Füß und ich verbitte mir ſolche Anſpielungen und Spötteleien.
Du biſt und bleibſt von Fruh bis Abends a fauler Schlingel und wenn’s möglich wär’, ſo wärſt zum Schlafen auch noch zu comod, aber das geht freilich leichter von Statten als d’ Arbeit. Jch hab bald g’nug an Dir, wenn’ſt ſo fortmachſt.
Und wer bei Jhnen iſt im Dienſt, Herr von Bauer, der hat’s auch bald g’nug.
Jch halt’ Niemanden auf. Wem’s bei mir net g’fallt, der kann geh’n.
Und wiſſen Sie? Jch laß mich auch nicht aufhal - ten. Merkſt was, Bauer?
Jch merk’s ſchon und mir iſt’s recht.
Alſo pack ich z’ſam und bitt’ um meinen wohl - verdienten Lohn.
Gut; den kannſt gleich haben. Dein rückſtän - diger Lohn macht grad drei Kupferkreuzer. Das Uebrige haſt Du Dir mit Deiner Faulheit verdient; alſo ſamma quitt! B’hüt’ Gott! Jch hoff’ Du find’ſt an beſſern Herrn und ich an beſſern Knecht.
Juhe! drei Kupferkreuzer! wenn ich noch ein’ Sechſer drauf gib, nacher bin ich a gmachter Mann! Jetzt bin ich Freiherr, alſo werde ich mich von nun an „ Baron ‟ tituliren.
Alſo bleibt’s dabei? Du gehſt?
Es bloibt dabei, ich göhe! und es iſt ſo, die Stunde ſchlagt!
Die Stunde ſchlagt, leb’ wohl geliebte Grethl!
O weh! ich bin ein unglückſelig’s Mädl!
Woher!
Wohin?
Fangauf, was haſt Du gefangen?
Nichts! Schnapper, was haſt Du erſchnappt?
Nichts!
Schlechte Zeiten! Nichts auf Weg und Steg!
Und in der Stadt gute Polizei. Der Teufel hol’s. Wir müſſen gar noch ein ehrlich Gewerb treiben?
Jſt unſer Gewerb etwa nicht ehrlich?
Jedenfalls wird ſolche Ehrlichkeit, wenn man ſie erwiſcht hat, an den Galgen gehängt.
Falſche Anſichten der Welt! Mißverſtändniß! die großen Potentaten rauben eben ſo wie wir.
Die werden aber nicht gehenkt, denn ſie er - obern.
Alſo kommts nur auf den Maßſtab an! Groß oder klein! Ergo ſind wir nicht minder ehrlich als die großen Herren; denn wir ſind Eroberer im Kleinen.
Haſt Recht! Unſer Hergott kann uns grundehr - liche Leute nicht verhungern laſſen; denn wir ſind ebenſo ehrenhafte Cavaliere wie die Raubritter.
So iſt’s. Aber was ſchwatzen und faſeln wir da? Mein leerer Magen ſucht einen vollen Beutel, um klingende Münze gegen Naturprodukte umzutau - ſchen. Seit 2 Tagen habe ich Nichts gefreſſen, als traurig Brod und ſtinkenden Käs.
Und meine Gurgel empfindet ſeit geſtern eine gewiſſe Sehnſucht nach ſtärkender Erfriſchung; das reine Quellwaſſer iſt ein gar fader Trunk.
Nun, ſo verſuchen wir’s heut wieder einmal, uns zuſammen auf die Lauer zu legen. Eine halbe Stunde von hier kreuzt ſich der Weg zur Stadt. Es wird uns doch eine arme Seele kommen, der wir den Gefallen thun können, ihre Taſchen leichter zu machen!
Beim heiligen Merkurius! Zu Zweien geht’s vielleicht beſſer. Komm’, laß uns gehen. Auf dem Kreuzweg hinter’s Gebüſch in den Graben!
So, alſo jetzt bin ich frei wie die Spatzen auf’m Dach, aber’s Futter fehlt. Jch ſtehe ſozuſagen auf meine eignen Füß, aber ich verſpür’, daß dieſe eigenen Geboine, von Seite des nahrungs - und kraftſtoffbietenden edelſten Körpertheiles vernachläſſigt, ihren Dienſt zu verſagen anfangen. Die vor Kur - zem genoſſenen ½pfündigen Bauernknödel ſind be - reits in den conſervirenden Reproduktionsſtoff ver -198 wandelt und meine drei Kupferkreuzer haben mir noch nicht Gelegenheit gegeben, mich zu reſtauriren; denn von drei Kupferkreuzer iſt noch kein irdiſches Weſen ſatt geworden, da ſie hart verdaulich ſind. Pfui Teufel! das iſt ein miſerables Leben, der Frei - herrnſtand. Aber was fang’ ich jetzt an? Müd und matt bin ich, hungrig bin ich’ Durſt hab’ ich; da kann ich mich nur durch den Schlaf retten. Jm Schlaf kommt vielleicht der Traum und bringt mir ein Kalbsbratl, nacher erwach’ ich geſättigt; denn das Leben iſt ja doch eigentlich nur ein Traum, wie ich bereits einmal in der Comödi g’ſeh’n hab? — Aber was kommt da für eine elende Figur daher?
Sei mir gegrüßt, guter Mann!
Ebenfalls, guter alter Kraxler!
Ach! ich bin ſo arm, ſo elend, daß ich mir gar nicht zu helfen weiß.
So? alſo biſt Du der Greis, der ſich nicht zu helfen weiß?
Ja, ich bins, bin’s, bin’s! O ſchenke mir Et - was, ich bitte Dich, damit ich mir ein Stück trocken Brod kaufen kann. Jch bin dem Verhungern nahe; denn ich vermag mir Nichts mehr zu verdienen, weil ich ein alter ſchwacher Mann bin.
Jch bin zwar kein alter ſchwacher Mann, ſondern ein junger, ſtarker, ſchöner Mann, aber ich befinde mich in einer ähnlichen Verlegenheit, was den Hun - ger anbelangt, wie Du, ehrwürdiges Meubel des grauen Alterthums. Nichts hab ich mehr als drei Kupferkreuzer
— ſie ſind mein Alles, wenn ich meine Gretl nit dazurechn’.
O ſchenke mir dieſe 3 Kupferkreuzer! Sei barm - herzig!
Oho! willſt Du Dir Deine Zähn’ dran aus - beißen?
Jch habe keine Zähne mehr! Der letzte Plom - birte iſt mir vorgeſtern auch ausgefallen. Aber gib mir die Kreuzer, ſie ſind ohnedieß mein Eigen - thum.
Was? dein Eigenthum? Das iſt aber ein curioſer Einfall. Die letzten 3 Kreuzer, die ich mir durch meinen außerordentlichen Fleiß verdient hab?
Sei barmherzig! gib ſie mir, und dann werde ich Dir beweiſen, daß ſie von Anbeginn an mein Eigen waren.
Dieſe Andeutung verſteh’ ich zwar nicht, aber ich bin ein guter weichgeſottener Kerl. Altes, armes, ehrwürdiges, ſich nicht zu helfen wiſſendes, zahnlo - ſes Jndividuum —
hier haſt Du die drei Kupferkreuzer!
Steh auf und fürchte Dich nicht! Wiſſe, ich bin König Cuprus, Beherrſcher dieſer Gebirge, aus wel - chen die Menſchen ihr Kupfer holen. Auch dieſe drei Geldſtücke ſind von dem Metalle, das mein Berg - ſchacht in ſich birgt. Aber es ärgert mich und ich bin ergrimmt über die Menſchheit, die mir mein edles Metall raubt und deßhalb hab ich den Schwur ge - than —
Einen Schwur?!
Ja, den Schwur, daß wer in dieſem Thal dem Kupferberge naht, das Kupfergeld, das er etwa bei ſich tragt, mir geben muß und wer es nicht thut, den in einen Kupferblock zu verwandeln.
Warum net gar in en kupfernen Keſſel! da könn - ten Sie gleich Bratwürſt oder Zwetſchgen drin ſieden.
Einerlei. Dein gutes Herz hat Dich gerettet und Du ſollſt für Deine edle That belohnt werden.
Belohnt? Nun ich hoff’, daß ich aber einen beſ - ſeren Lohn krieg’, als beim Stoffelbauer.
Wenn Du einen Wunſch haſt, ſo ſoll er durch die Zaubergewalt, welche wir Geiſter haben, in Er - füllung gehen.
Ein Wunſch? Ja, eigentlich hätte ich deſſen Möh - rererererere. Aber — wenn ich jetzt grad a paar202 Maß Bier und 12 Paar Bratwürſt haben könnt’, ſo wär’s nicht übel.
Beſinne Dich! wähle Beſſeres; denn, wenn das Bier getrunken und die Würſte gegeſſen — ſo haſt Du wieder Nichts mehr.
Da haben Sie wieder recht, edler Kupfergreis. Laſſen’s mich a bißl nachdenken.
Jetzt hab’ ich’s! Jch möchte eine Geigen haben, nach der Alles tanzen und ſpringen muß, ſo lang ich will.
Der Wunſch ſoll erfüllt werden und dabei ſollſt Du auch der größte Meiſter werden und durch Dein Saitenſpiel Alles bezaubern. Und, wenn Du zu Dei - ner Geige ſagſt: „ den Hupfauf! ‟ — ſo wird Alles tanzen müſſen, ſo lang Du die Weiſe ſpielſt.
Aber mit Erlaubniß — ich hab’ halt’s Geigen nicht gelernt; das wird a ſchöne Muſik werden.
Dein Jnſtrument, ſobald Du den Bogen in die203 Hand nimmſt und die Saiten berührſt, macht Dich zum Meiſter der Kunſt.
Juhe! das laß’ ich mir g’fallen. Jetzt muß alſo Alles nach meiner Geigen tanzen.
So iſt es; aber mißbrauche Deine Macht nicht; dann würde die Strafe Deines Uebermuthes unaus - bleiblich ſein! Sieh, ſchon ſchwebt die Zaubergeige aus dem Gebirgsnebel zu Dir herab.
Ende des I. Aufzugs.
Js das doch a dumms Volk, die Bauern: bin ich geweſt beim Stoffelbauer in Kerchberg und hab’n geſogt. Was hab’ ich ihm geſogt? — Hab ihm geſogt: Stoffelbauer willſt Du nit kaufen e Kuh in Dein Stall; hab zu verkaufen e Prachtſtuck von einer Kuh und die wird Der geben, wird Der geben alle Tag 18 Maß Milch, ſo wahr ich en ehrlicher Jüd bin. Und da hat der Stoffelbauer geſogt. Was hat der Bauer geſogt? — hat er geſogt: Mauſchl, wenn Du mer bringſt e ſolche Kuh, will ich Der geben e guts Stück Geld davor. Und da hab ich ihm ge - bracht die Kuh, die ich da am Strick hab, und er hat ſe gekaft um ſechzig Gilden und hat ſe geſtellt in den Stall zu ſeine andre Küh. Aber heut in der Nacht, da’s dunkel war wie in Egypten bei der graußen Finſterniß, da hab ich mich geſchlichen an’s205 Haus, bin ich geſchloffen durch das Hundsloch und hab aufgemacht ſtill und heimlich de Thür von Jnne raus im Stall und hab mir wieder genommen mei’ Kuh.
Und jetzt will ich geh’n in die Stadt und will verkofen die Kuh an en Schlächter, bevor ſe mich erwiſchen; aber ich will zählen mein Geld, was ich noch heut pro - fetirt hab zu de ſechzig Gilden vom Stoffelbauern.
Ei, da is ja der Mauſchl mit einer Kuh! Du haſt gewiß wieder en| guten Handel gemacht und en Bauern betrogen.
Ei, der Herr Kasperl! Beinah wär ich ver - ſchrocken. Was Er aber geſogt, das muß ich mer verbitten, daß ich könnt betrigen. Bin ich noch im - mer geweſt en ehrlicher Jüd und hab gekaft die Kuh do vor mein guts Geld.
So, ſo! Das iſt aber e ſchöne Kuh! Die ſollſt mei’m vorigen Herrn bringen, dem Stoffelbauer; der wird Dir’s gewiß gleich abkaufen und auch gut be - zahlen.
Ei, was der Herr Kasperl ſogt, das will ich auch probiren; bin grad auf’m Weg zum Stoffel - bauer in Kerchberg und will’n fragen, ob er nit will haben das ſchöne Stuck Vieh.
No, da kannſt mei’m vorigen Herrn an ſchönen Gruß von mir ausrichten.
Das will ich thun, ſo wahr mer Gott helf. Aber was hat denn der Herr Kasperl da vor e Strument? hab ich doch net gewußt, daß der Herr kann ſpielen auf der Vikolin?
Schau, Jud, du weißt halt gar Viel net. Sollſt aber gleich e ſchön’s Stückl hören.
Werd mer machen e grauß Pläſir und wenn er’s kann, ſo ſpiel er mir Was, das hat caumpenirt der grauße Muſicus der Majer-Bär, ſo iſt gweſt ach Ener von unſere Leut.
No, da ſollſt Du gleich den neueſten Bärentanz hören, den der Bär gemacht hat.
Das is a grauſig ſchöne Muſik! fährts mir doch durch alle Glieder! O graußer Majer-Bär! Was biſt Du für e Mann. Jſt mir doch, als ob ich tanzen müßt und ſpringen wie König David vor der Bun - deslade.
Wart’ nur, Jud, es kommt immer ſchöner.
O wunderſchön! wunderſchön! o Majer-Bär! O David! — —
Jetzt kommt erſt der Hupfauf! „ Hupfauf! ‟
Gottes Wunder! iſt das en Entzücken. Aber ich kann bald nimmer; ’s geht mer aus der Athem. — Auweih, auweih — iſt das en Entzücken!
So, tanz’ und ſpring’ nur, miſerabler Jud! Wa - rum haſt Du die Kuh wieder geſtohlen, Du Erz - ſchelm, Du Judas?
Auweih geſchrie’n! Hören Sie doch auf mit der Vikolin! Jch mag ni — ni — nimmer ta — ta208 tanzen
Auweih! ich geh Kapores, Kapo — po — po — pores!
Auweih, mein Ku — Ku — Ku — Kuh! Muß ich mich tanzen zu todt!
Auweih, ich ſtirb, ich ſtirb! ich fall in die Ohnmacht! Aufhören! Aufhören!
So iſt’s recht; Vivat König Cuprus und die Geigen!
Du, da liegt Einer.
Der ſchlaft.
Nur ruhig! Vielleicht laßt ſich was kripſen. Sieh da! die Geldtaſche wäre nicht übel.
Friſch dran! aber vorſichtig. Wenn er ſich rührt, dreh’ ich ihm ’s Meſſer in den Leib.
Gut gemacht. Er ſchlaft wie ein Sack; das Leben ſchenken wir ihm.
Fort! fort! Die Taſche iſt hölliſch ſchwer. Das war ein guter Fang.
Wo bin ich? waß ich nichts, als daß ich mich getanzt hab zu todt. Verfluchter Muſikant, wo biſt Du hin? Kann ich nit rühren meine Bein’. Und wo iſt mein Kuh? und
— und — und wo iſt mein Geld? Find ich nit mein Geld: Auweih! ich bin e verlorner Mann. Hat mir der Halunk ge - ſtohlen mein Taſch, und iſt geweſen die Taſch voll Geld. Auweih geſchrieen! Jch bin kapores. Will ich laufen zum Richter in die Stadt; Gerechtigkeit, Ge - rechtigkeit will ich ſchrei’n! Gerechtigkeit! Mein Taſch, mein Kuh, mein Geld, mein Geld, mein Taſch! Gerechtigkeit, Gerechtigkeit!
Ja, mein lieber Hofmarſchall, das Diner war heute vortrefflich. Jch bin, was meine Küche anbe - langt, ſehr zufrieden mit Jhnen.
O, allzugnädig, Durchlaucht. Höchſtdero Gewogen - heit iſt mir der ſchönſte Lohn für meinen Eifer, Euer Durchlaucht zufrieden zu ſtellen. Ein Wort der Ge - neigtheit von Jhren erhabenen Lippen macht mich glücklich.
Gut, gut, lieber Baron. Nur ſorgen Sie, daß die Sauce zum Ragout künftig noch pikanter ſei.
Eine kleine Zugabe von Poivre Indien.
Ja, Poivre Indien, Poivre Indien. Der reizt den Gaumen und dann ſchmeckt erſt der Champagner vortrefflich.
Darf ich unterthänigſt fragen, wie Ew. Durch - laucht die neue Mehlſpeiſe geſchmeckt — der Reis - auflauf à la Chinoise?
Nicht übel, nicht übel; aber ein andermal ein bischen mehr Confiture. Was ich ſagen wollte? — Ja! Was haben wir heute für ein Theater?
Die neue Oper von dem alten Spontini.
Ah ja, ich entſinne mich. Wir wollen wenigſtens den erſten zwei Akten anwohnen, dann mit Prin - zeſſin Amelie im blauen Cabinet ſoupiren.
Wie Ew. Durchlaucht befehlen. Bei dieſer Ge - legenheit erlaube ich mir eine intereſſante Neuigkeit zu berichten.
Nun, was gibt es Neues?
Sollte es nicht zu den allerhöchſten Ohren ge - kommen ſein, wovon die ganze Stadt voll iſt?
Eh bien! — Sie machen mich neugierig.
Ein eminenter Virtuoſe auf der Violine befindet ſich ſeit ein paar Tagen hier. Die in gehört ha - ben, ſind enchantirt, enthuſiasmirt. Er wirkt Wunder auf ſeinem Jnſtrumente.
Was Sie mir ſagen! Sehr intereſſant. Wie heißt der Künſtler? Woher kömmt er? An welchen Höfen hat er ſchon geſpielt?
Er heißt Spagatini und erſchien wie vom Him - mel gefallen. Niemand weiß, woher er kam. Er be - hauptet, bisher nur als Privatmann gelebt zu haben, wird ſich aber hier öffentlich hören laſſen; möchte nur zuvor die Ehre haben, ſich am Hofe produciren zu können.
Bravo, bravo! Das gibt eine hübſche Kammer - Soiree. Arrangiren Sie die Sache für morgen Abend. Sie wiſſen, daß Muſik meine Paſſion iſt. Aber kom - men Sie in mein Cabinet, wo ich Caffee nehmen will. Da läßt ſich noch darüber ſprechen.
Ja, ich bin ein gemachter Mann. Da ſieht man, was man mit lumpige drei Kreuzer werden kann, wenn man’s nur gſcheid anfangt. Die paar Mal,214 die ich in Wirthshäuſern aufg’ſpielt hab, das hat mich ſchon berühmt gemacht. Eine Deputation von Ton - und andern Künſtlern hat mir ſchon Aufwar - tung gemacht; heut Abend will mir die Bürgerlieder - tafelſängerzunft ein Ständchen bringen, und die frei - willige Feuerwehr mich mit Eau de Cologne von Unten herauf anſpritzen; durch’s Vorzimmer da draußen kann ich ſchon beinah nimmer durch vor lauter Vi - ſiten und Leut’, die den berühmten Spagatini ſehen wollen; in meinem Schlafcabinet liegen ſchon zwei Zentner Viſitkarten und Billets Dux (doux)! — Alles wegen die drei Kupferkreuzer. Großer Kupfer - ſchmied — Kupfergeiſt wollt’ ich ſagen — Dank Dir! Du haſt mein Glück gemacht. Und Eſſen und Trin - ken, grad nur was in mich hinein und wieder hin - aus geht. Das iſt e Leben! So bin ich auf die wohlfeilſte Art ein Künſtlergenie geworden. Deßwegen habe ich auch meinen alten Namen abegelegt und mich von nun an Signore Spagatini genannt, weil der Paganini, der ein ſo großer Geigiſt war, Paganini geheißen hat.
Was gibt’s? Was will er?
Großer, unſterblicher Herr Spagatini! Das Pu - blikum läßt ſich nicht mehr halten, die ganze Stadt wird ungeduldig. Man will — man muß ſie hören. Eine Deputation der Repräſentanten der verſchiedenen Stände und Behörden iſt draußen im Vorzimmer und bittet um Entſchluß, ob Sie heute oder morgen Jhr Concert spirituel zu geben geneigt ſind.
Sagen Sie der Streputation mit den Präſenten, daß ich von der Reiſe noch ſtraplizirt bin und die Herren nicht empfangen kann. Nach meinem Früh - ſtück werde ich Antwort ſagen. Jetzt bring’ Er mir nur gleich zwei Maß Caffee, drei halbe Bier, eine Bouteille Wein, vier gebratene Hühner und ein Span - ferkel.
Hören Dieſelben, wie man im Vorzimmer Jhr Hoch ausbringt und Vivat ruft?
Jch danke, meine Herren, danke gehorſamſt!
Hoch! Hoch! Hören laſſen! Sehen laſſen! Con - zert geben! Bald! bald!
Morgen Abend, mein Conzert im Hoftheater!
Bravo! Bravo! Vivat Spagatini!
Danke ergebenſt, meine Herren; gehen Sie jetzt nur ruhig nach Hauſe.
Dießmal hat die Beifallsbezeigung mich getroffen. Hier aber öffnen Sie gefälligſt das Billet, das ich Jhnen zu überreichen habe.
Ein Buillett? Leſe er mir vor; meine Augen ſind von dem vielen Notenſpielen etwas ſchwachmatt ge - worden.
„ Großer, göttlicher Spagatini! ‟ „ Jhr Ruf ging Jhnen voraus — —
Was? — Wer iſt mir vorausgegangen? Der Ruf? Den kenn ich gar nit.
Jhr „ Ruf ‟ — ſo zu ſagen Jhr Renommé ‟
Renommé. — Leſ’ er weiter.
„ Aber als ich Sie ſah, da war ich hingeriſſen — —
Wer? Sie?
Nein, Sie oder Die, Diejenige.
Ah ſo!
Jch fahre fort —
Was nit gar fortfahren; er muß mir ja das Buillet ausleſen.
Alſo: „ war ich hingeriſſen und mein Herz war verloren. ‟
Aber nein? Das muß man halt wieder ſuchen oder im Blattl ausſchreiben.
„ Jch beſchwöre Sie, ſchicken Sie mir eine Locke von Jhrem genialen Haupte! ‟
Oho! a Glocken ſoll ich ihr ſchicken! Ah — ich trag ja keine Glocken auf’m Schädl.
Eine Locke!
So? eine Locke! No — auf en Büſchel Haar kommt’s mir nit an.
Das Billet iſt unterzeichnet —
Alſo eine Zeichnung iſt auch dabei?
D. h. unterſchrieben:
„ Jhre Sie anbetende Caroline. ‟
Ha! Caroline! Violine! Crinoline! Das reimt ſich;
und wo iſt denn dieſe Caroline? Jſt ſie ſauber? Ha! Caroline! Violine! Violine! Caroline! — Hörn’s auf — und bringen’s mir mein Fruh - ſtuck, aber auch ein’ Salat mit zwölf harte Eier dazu.
Sollen ſogleich bedient werden.
Und wenn dieſe Caroline kommen ſollte, ſo bringen Sie ſie auch gleich mit.
Caroline, Violine. Caroline! Carolililine! Caro - lilinenelilililili ....
Ende des zweiten Aufzugs.
Das Conzert iſt aus.
Die Herrſchaften ſind alle wie toll.
Jch verſteh’ nichts davon, aber der Kerl kratzt wie närriſch auf ſeiner Geige.
Und das nennen ſie „ die Zukunftsmuſik. ‟ Weiß der Teufel, was das heißen ſoll.
Jetzt iſt ſchon das zweite Hofkonzert. Die Prin - zeſſin Amalie iſt auch wie närriſch, als wär’ ſie in den Geiger verliebt; und er ſieht doch wie ein221 Hanswurſt aus und ſein Benehmen iſt läppiſch und täppiſch. Mir ſcheint, daß er kein vernünftiges Wort reden kann. Holla, ſie kommen!
Göttlich! Himmliſch! Herr Spagatini! Sie be - zaubern wirklich.
Welch ein Entzücken! Das ſind Sphärenmelo - die’n! Töne aus einer andern Welt!
O! ſehr! ja! ſehr!
Es ſind wieder ſechs Damen aus der Geſellſchaft ohnmächtig hinausgetragen worden.
Ach! wie wäre es anders möglich? Jhr Zauber - ſpiel, Herr Spagatini, greift die Nerven fürchterlich an.
O, ich bitte; ich habe Niemanden angegriffen.
Aber wie Sie in die Saiten mit Jhrem Bogen greifen! es iſt unglaublich!
Göttlicher Mann! wie haſt Du mein Jnnerſtes bewegt!
Edler Spagatini, Sie wiſſen die Herzen zu feſſeln!
O, Feſſeln! Ja! Ha!
Aber, lieber Spagatini; man hat Sie auch mit Beifall überſchüttet, wie noch Keinen.
Jch habe Nichts geſpürt von einer Ueberſchüttung.
Wie kann ich Jhnen meine Bewunderung dar - thun? Jedenfalls ernenne ich Sie zu meinem Ehren - Capellmeiſter und verleihe Jhnen den Orden der „ goldenen Leier ‟, den ich zur Belohnung an große Tonkünſtler geſtiftet habe. Ja, Spagatini, Sie ſind von heute an herzoglicher Kapellmeiſter und Ritter von der goldenen Leier erſter Klaſſe. Hundert Du - katen ſoll Jhnen mein Hofmarſchall einhändigen für das Vergnügen, das Sie mir durch Jhre Kunſt ge - währt haben.
Die 100 Dukaten ſind das Gſcheiteſte —
das heißt, wollt’ ich ſagen: die goldene Leier iſt auch nicht von Holz, wenn das Gold ächt iſt.
Schalkhafter Humoriſt!
Jch hab’ immer an guten Humor, beſonders wenn ich 100 Dukaten krieg’.
Auch Apollo hält eine goldene Leier im Arme. Sie ſind ja ein Apollo!
Mein Fräulein bulieben zu ſcherzen.
O ich ſcherze nicht.
Erhabener Zukunftskünſtler! Nie hat noch ein Mann einen ſolchen Eindruck auf mich gemacht!
Wie? Eindruck? Druck? — o, ich verſtehe!
Mir ſcheint — mir ſcheint! Jhre Blicke! Jhre Augen! Ha! — wenn das meine Grethl wüßte,224 ich krieget gwiß a par Ohrfeigen.
Durchlauch - tigſter Herzog! Meine Rührung, mein Dank ver - ſtummt! Die Gnade! Die Leier! Der Kappel - meiſtertitel! Die 100 Dukaten! Wonne! Sonne! Oh — Oh — Oh!
Wie groß ſteht er da!
Meiſter! Was ich gethan — iſt nur billig und gerecht. Solche Kunſt kann nicht mit Jrdiſchem be - lohnt werden. Der Name Spalatini iſt mit golde - nen Lettern im Tempel des Parnaſſes eingeſchrieben.
Was? für die Näſſen bedank’ ich mich. Naß will ich nit werden.
Doch nun iſt es Zeit, daß wir uns zurückziehen. Adieu! Gute Nacht mein Kapellmeiſter und Ritter von Spagatini. Sie müſſen wiſſen, daß mit Ver - leihung des Ordens auch der Hofadel verliehen. Morgen kommen Sie zum Diner. Jch laſſe alle Kunſt-Notabilitäten zur Tafel laden. — Liebe Ame - lie, gute Nacht! Geh’ bald zu Bette; Du wirſt wohl225 auch aufgeregt ſein von der göttlichen Muſik. Bon soir, baronne de Nelke! bon soir, Trüffel!
Gute Nacht Spagatini! Gute, gute Nacht!
O daß ich noch Einen Zauberton von Jhnen vernehmen könnte!
Jch habe die Ehre —
Schlafen Sie wohl, Herr von Spagatini! Jch kann Sie verſichern, daß an unſerem Hofe noch nie ein Künſtler ſo ausgezeichnet wurde wie Sie. — Die Hofequipage ſteht bereit, Sie in den Gaſthof zurückzufahren.
Potz tauſendſchlipperement, was iſt das? Jch bin ganz confus. Die Prinzeſſin? Die Hofdame? Sollte ich mich toiſchen!? Die Eine hat was vom Eindruck geſagt, die Andere hat mich an Pollo ge - nannt. Ha!
Sollte, ſollte ich beide Her - zen — — Ha! furchtbar und vielleicht doch wahr? 15226Zwoi Herzen auf Einmal! Wahnſinniger Gedanke! Und dieſe 100 Dukaten! Dieſe goldene Leier! — Was werde ich heute im „ goldenen Stern ‟ Alles zu mir nehmen? —
Jetzt möcht’ ich doch gleich einen Magen haben, wie’n Stoffel - bauer ſein Branntweinkeſſel oder wie die große Treberbutten! O Grethl! — Grethl! Vergib mir dieſe Stunde der Schwäche! — Aber einem Genie und beſonders einem Zukunftsmuſikgenie — wie man mich nennt — iſt mehr erlaubt, als dem gewöhn - lichen Jndividuumdum. Ha! Jch will die Stunde benützen. Jm Hofgarten, vor dem Balkon — bei uns zu Haus „ Laben ‟ genannt — vor dem Bal - kon der Prinzeſſin, wo unten auch die Hofdame lo - girt, will ich dieſe Nacht noch meine Zaubergeigen im Mondſchein ertönen laſſen! das gibt an Mord - gaudi! Ja, ich will ſchwärmen! Schwärmen und geigen, daß die Aepfel von die Bäum fallen müſſen und die Stern vom Himmel. Jetzt erſt weiß ich was Liebe iſt! Ha! Jetzt iſt mir meine Zaubergeige nicht um Millionen feil. Jetzt erſt ſteig’ ich in die Tiefe des Abgrundes der Höhe des menſchlichen Herzens. Jetzt erſt bade ich mich im Herzblut der begeiſterten Natur und wenn die Mondſcheibe zittert,227 ſeid umſchlungen Millionen! Dieſen Kuß der ganzen Welt!
Hör’ ich nicht Schritte?
Jn des Waldes Mitte?
Er iſt’s! beim Sternenlicht!
Jſt er’s oder iſt er’s nicht?
Jch hör’ der Tritte Rauſchen.
O könnt’ ich mit ihm plauſchen!
Ja, ich ſehe Licht. Holder Mond verdunkle dich!
Schlipperdibix! Jetzt ſeh ich aber gar nix mehr und weiß nit was Unten oder Oben iſt.
Was muß ich hören? Mein Kapellmeiſter wagt es, unter den Fenſtern meiner Tochter ein Ständ - chen zu bringen? Verwegener, wie kann er es wagen? Jch werde meine Leibtrabanten holen, daß ſie den Frevler arretiren.
Holdſelige Geſtalt, neige Dich herab! Beglücke mich durch Deine Gegenwart!
Ha, verwegener, unverſchämter Frevler! packt ihn Trabanten!
Was, ihr wollt mich fangen? Wart’s nur a bißl; ich ſpiel euch den „ Hupfauf. ‟
Verfluchter Geiger! Trabanten packt ihn, packt ihn! Nehmt ihm die Geige! Holla, he!
Wir können nicht, es dreht uns im Wirbel! Heraus! Heraus!
So tanzt nur und ſpringt! Gute Nacht, gute Nacht!
Ende des dritten Aufzuges.
Aber Herr Gerichtsſchreiber, warum das Proto - koll nicht aufgenommen, Ruheſtörung im Hofgarten S. Durchlaucht des Herzogs geſtern Abend betreffend?
War noch Niemand da von den Tumultuanten.
Warum haben Sie noch Niemand zitirt?
Es liegt nur eine Meldung vom Nachtwächter vor, der durch’s Thorgitter in den Hofgarten g’ſchaut hat.
Recherchiren, recherchiren! — das wäre Jhre Sache geweſen.
Der Nachtwächter hat ſich den Fuß überſtaucht und kann nicht auf’s Gericht kommen.
Fiat Commiſſion extra muros, in loco Protokoll aufnehmen und ſo weiter.
Was iſt das für ein unanſtändiger Lärm? Sehen Sie nach, Pfifficus.
Dieſer Pfifficus iſt doch ein rechter Eſel; ich kann ihn beinah nicht brauchen. Wenn er nicht eine ſo ſchöne unortographiſche Schrift hätte, ſo hätt’ ich ihn längſt entlaſſen. Er ſchreibt aber ſo deutlich, daß man’s kaum leſen kann.
Zwei herzogliche Trabanten bringen den Kerl, der geſtern Nachts den Spektakel im Schloßgarten angefangen hat, damit ihn Herr Stadtrichter verneh - men und abſtrafen kann.
Brav! herein damit, das iſt ein intereſſanter Fall. Jch hoffe, daß ein Reat von Majeſtätsbelei - digung dabei iſt.
Herein mit dem Arreſtanten!
234Schlapperment! das iſt keine Manier, mich in aller Fruh aus’m Schlaf zu reiſſen und zu arreti - ren! Das laß ich mir nit g’fallen. Jch bin der große Virtuos Spagatini. Das iſt keine Behand - lung für einen Künſtler; Mordelement!
Ruhig, mein Herr! benehmen Sie ſich anſtändig vor der Behörde. Sie ſind in einem Amtslokale.
Ja, verdammt’s Lokale! Jch wär’ lieber im Wirthshaus. — Wo iſt meine Violin? Meine Vio - lin will ich haben!
Laſſen Sie die Violine bei Seite. Wir haben andere Dinge zu verhandeln.
Die Violin iſt ſchon beſaitet. Halten Sie’s Maul.
Wenn Sie ſich nicht anſtändig und ruhig be - tragen, ſo werde ich Sie an dieſe Bank binden laſſen.
Was anbinden! Von ſolchen Verbindlichkeiten will ich Nichts wiſſen. Jch bin ſchon ruhig und un - anſtändig.
Gut alſo. Die Herrn Trabanten können ab - treten, bleiben aber draußen vor der Thür ſtehen, für den Fall, daß wir ihrer bedürfen.
Setzen! Protokollkopf, Praesentes. —
Wenn ich ein Präſent krieg, werd ich mich ganz beſonders ruhig verhalten.
Haben Sie?
Alſo: ad Personalia!
Name?
Alſo!
Namen! das heißt: wie ich heiß?
Nun ja! Name, Stand, Geburt, woher, wohin und ſo weiter?
Jch heiße Casperlino Berlicco Berlocco Violino Spagatini, Virtuosotaliano, Capellmeisterio, Ritter236 von der goldenen alten Leyer, bin Cavalier und Ba - ron auf Kunſtreiſen — —
Halt! dictiren Sie dieß dem Herrn Gerichts - ſchreiber langſam in die Feder,
Jn die Feder ſprizziren? das kann ich nicht.
Jch verbitte mir alle Scherze. Sie ſind ein Unruhſtifter, ein Tumultuant nach Meldung des Nachtwächters.
Was? Jch hab noch keine Stiftung gemacht und bin auch kein Skrupulant.
Haben Sie das Bisherige zu Protokoll genom - men? — fertig? —
J — a!
Haben Sie denn ein’ Eſel zum Schreiber, weil der immer J — a, J — a ſagt?
Das verbitt ich mir! das iſt Amtsehrenbeleidigung.
Ruhig, meine Herren! Nehmen Sie’s nur in’s Protokoll auf, Herr Gerichtsſchreiber.
Was gibt’s da wieder? Heute iſt doch der Teu - fel los!
Gerechtigkeit! Gerechtigkeit Herr Richter! Jch bin a ruinirter Mann! Gerechtigkeit! Jſt mer geraubt worden all’ mein Geld und mein Taſch von rothem Leder! Hab ich verloren mein Kuh! Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!
Verdammter Jncidenzfall! — Ei, das iſt ja der Handelsjude Mauſchl!
Gottes Wunder! Herr Richter, da iſt auch der Dieb, da iſt der Rauber, der Mörder! da iſt er. Gerechtigkeit des Himmels Du biſt grauß und wun - derbar!
Wie? was? — Jch kenne mich gar nicht aus in der Sache. Pfifficus legen Sie ein zweites Proto - koll an. Mauſchel erzähl’ er ſeinen Vorgang.
Die Sache wird complicirt.
Will ich verzählen die Wahrheit, ſo mir Gott helf — die reinſte Wahrheit, was mir geſchehen. Bin ich gegangen vorgeſtern auf der Straß nach Kerchberg, iſt mer begegnet der Vicoliniſt do, hab ich gehabt e Kuh am Strick und hat mer geſpielt der Vicoliniſt e Stück vom graußen Majerbär, und hat geſpielt ſo ſchön und ſo lang, daß ich hab tan - zen und ſpringen müſſen, bis ich gefallen bin in die Ohnmacht.
Haben Sie — „ Ohnmacht ‟.
„ Ohnmacht ‟ — J — a!
J — a!
Ruhig, Herr Maleficant!
Weiter!
Und wie ich wieder erwacht bin geworden aus der Ohnmacht, da war weg meine ſchöne Kuh ſammt’n Strick, und war weg meine rothe Taſch und all die ſchönen Tholer und Gilden, die ich gehabt hab in der Taſch und des muß mer Alles genommen haben der boshafte Vicoliniſt — denn er iſt geweſen fort.
Das is Alles verlogen. Der Jud hat dem Stoffelbauer die Kuh gſtohlen und da hab ich ihm nur den „ Hupfauf ‟ aufg’ſpielt. Weiter weiß ich Nix und hab Nix und will Nix wiſſen.
Der Sache muß man auf den Grund kommen. Jedenfalls liegen Verdachtsgründe vor. Herr Ge - richtsſchreiber, laſſen Sie den Jnquiſiten abführen und in Verwahrung bringen; der Jude kann, bis ich ihn wieder vorrufen laſſe, einſtweilen in’s Wirths - gehen.
J — a, ſogleich.
Warum laſſen Sie nicht den Juden zum Abfüh - ren eingeben und nicht mich in’s Wirthshaus gehen?
Sie haben keine Bemerkungen zu machen. Fort!
Jetzt iſt’s Zeit, daß ich zum Frühſchoppen gehe; meine Collegen werden ſchon lange beiſammen ſein. Es iſt erſchrecklich, ein Beamter hat doch kaum einen freien Augenblick zur Erholung!
Alſo Spagatini iſt vernommen worden und in Verwahrung gebracht?
Allerdings, Euer Durchlaucht; Mittlerweile iſt er noch als Dieb verdächtigt, einen Juden auf der Land - ſtraſſe beraubt zu haben.
Schändlich! Solch ein muſikaliſches Genie und ſo ſchlechte Streiche.
Das kömmt bei Muſikern bisweilen vor.
Gerne wollt’ ich ihm die Extravaganzen von ge - ſtern Abend verzeihen. So ein Phantaſiegenie kann ſich leicht begeiſtern; aber wenn ſich der Raubanfall beſtätigen ſollte — kann ich freilich keine Begnadi - gung eintreten laſſen. Jedenfalls werde ich, wenn die Akten geſchloſſen ſind, meinen Staatsrath darüber vernehmen und will Spagatini ſelbſt noch ſprechen.
Wenn der Vorfall ſich beſtätigt, wird Spagatini ohne Zweifel zum Tod verurtheilt.
Armer Spagatini! — Ach warum bin ich nicht darauf eingegangen, als die Kammern mir die Auf - hebung der Todesſtrafe vorgeſchlagen?
Solch ein Alt der Humanität wäre des edlen Herzens meines allergnädigſten Fürſten ganz und gar würdig geweſen.
Habe ich doch die Prügelſtrafe in meiner Armee geſchafft. — Und noch nicht genug!
Der Grund lag vor; weil ſich die Soldaten ohne - dieß ſchon genug im Wirthshauſe prügeln; warum noch eine Prügelſtrafe dazu beibehalten?
Dieß war auch das Motiv zur Genehmigung. Genug davon. Apropos! was macht Prinzeſſin Amalie?
Sie ſchlummert noch. Jhre Nerven ſcheinen be - ruhigt.
Sobald ſie erwacht, ſoll ſie ſich auf mein Jagd - ſchlößchen im Sauparke begeben und einige Tage dort zubringen. Die Waldluft wird ihre Nerven ſtärken. Beſorgen Sie dieß, lieber Baron. — Und Fräulen von Nelke? was macht ſie?
Sie liegt fortwährend in Krämpfen und iſt kaum zu beruhigen.
Das arme Kind! Jch hoffe, mein Leibarzt hat ſie in Behandlung. Der wird ſchon helfen. Adieu!
Siehſt Du da draußen? Da ſteht er.
Wer?
Nu’, mach die Augen auf. Der Galgen.
Hui, mich gruſelt’s!
Ei was gruſeln! — Der Geiger wird gehenkt.
Armer Teufel! Jetzt ſag’ mir einmal, wo die Gerechtigkeit auf Erden iſt? Er wird gehenkt und wir haben den Juden beſtohlen.
Ende gut — Alles gut! Wie oft hat nicht die Unſchuld ſchon in’s Gras beiſſen müſſen für den Schuldigen.
Das gehört zu den Geheimniſſen des Weltgan - ges. Darüber ziemt uns nicht zu grübeln.
Nun iſt nur die Frage, ob wir denn nicht ſchließlich auch baumeln müſſen? —
Wenn’s an der Zeit wäre! — Still! da kom - men Leute. Wenn der Spektakel losgeht, beſuchen wir den Richtplatz; da lauft der Plebs zuſammen und unſ’re Finger können im Gedränge was zu thun kriegen.
Recht ſo. Einſtweilen hocken wir in die Kneipe da drüben und ſtärken uns mit einem Labetrunk.
Können vielleicht auch was mitſpazieren laſſen. Der Wirth hat ſilberne Löffel.
Nun, Monſieur Spagatini, jetzt hat Er ausge - geigt. Das Urtheil hat Er vernommen. Es geht246 an den Galgen. Schon iſt das Volk auf der Richt - ſtätte verſammelt.
Jch bin u — u — u — unſchuldig. Machen’S keine Spa — ſpa — ſpaß mit mir.
Die Juſtiz macht nie Spaß.
Aber, aber, aber, aber — das iſt wirklich kein Spaß — der Spaß.
Voller Ernſt. Gerechtigkeit muß ſein. Er hat den Juden beraubt — ergo muß Er hängen nach Paragraph 184.
Jch weiß von kei’m Pararrakrapfen was.
Ruhig! ſtill! — So eben kommen Seine Durch - laucht ſelbſt, um den Maleficanten noch zu beſichtigen.
Der Spaleficant braucht keine Beſchwichtigung.
Wo iſt der Verbrecher?
Zu Deinen Füßen!
Spagatini! Spagatini! — Nie hätte ich Sol - ches von Jhnen erwartet. O wie konnten Sie ſich ſo vergeſſen? Sie — dem die Götter ſolch’ einen Genius eingehaucht.
O ich bin nicht verſeſſen und habe den Fuß nicht überſtaucht. Gnade! Gnade!
Wie? Jch ſollte einen Verbrecher begnadi - gen? — Nimmermehr! Es bricht mir zwar das Herz, aber —
O! es braucht Jhnen Nichts zu brechen, aber Eine Gnade können ’S mir noch gewähren.
Wenn er mir’s Geigen erlaubt — rettet mich mein „ Hupfauf ‟.
Und welche Gnade verlangen Sie?
Wenn ich denn moinem verbröcheriſchen Ende entgögen gehen muß, muß — obgloich unſchuldig — ha! — ſo wendet ſich der Künſtler an die Großmuth der Gnade oder an die Gnade der Groß - muth! Noch Einmal vor ich ſtörben muß, laſ - ſen Sie mich in die Saiten greifen!
Was dem Verbrecher nicht geſtattet iſt — das ſei dem ſcheidenden Künſtler erlaubt. Es ſei! Spielen Sie Jhren Schwanenſang.
Ha! ha! — Komme denn Freundin! traute Holde, die du moin Löben verſüßt haſt!
Das Stück dauert mir ſchon zu lang. Jch habe längſt auf die letzte Scene gewartet. Jch bin der deus ex machina. Kasperl! Kasperl! Kasperl! Jch habe Dich für Deine drei Kupferkreuzer belohnt249 nach Deinem eigenen Wunſche, deſſen Erfüllung ich verſprochen hatte. Aber die Uhr Deines Künſtler - lebens iſt abgelaufen. Die Zaubervioline iſt in Deinen ordinären Händen zur gewöhnlichen Geige geworden. Falle zurück aus dem idealen Kunſthimmel auf die materielle Erde! Hier nimm Deine Margaretha!
Alſo werd’ ich nicht gehenkt?
Nein! umarmt euch und ſeid glücklich!
Mein Kasperl, nun biſt Du mein!
Ja, Grethl, jetzt bin ich Dein!
Ende des Stückes.
deſſen Hofkavalier.
ſeine Frau.
Leibmohr des Prinzen.
So, jetzt ſchlägts ſchon 8 Uhr und er iſt noch nicht zu Haus. Seit Mittags 12 Uhr iſt er fort. Und wohin? Zu einem Gſchäft hat er g’ſagt. Ja, das wird wieder a Gſchäft ſein: Jm Wirthshaus! Es iſt ein wahres Kreuz mit dem Mann. Das bißl Vermögen, das ich in die Ehe gebracht hab’, wird bald durchgebracht ſein, denn die Zinſen von denen wir leben, die langen bei der Wirthſchaft ſchon lang nimmer. Alles wird vertrunken! Und ich kann ihm doch nit feind ſein; denn er iſt halt mein guter Kasperl. Aber ein Lump iſt er auch. Was wird’s heut wieder ſein? Mit eim Rauſch kommt er254 nach Haus; den ſchlaft er bis morgen aus und nachher geht’s wieder von vorn an.
Das iſt aber a Wetter! Paraplui hat er auch keins bei ſich, da kommt er tropfnaß heim und legt ſich wie a taufte Maus ins Bett.
Ach, das wird er ſein! Gottlob, amal!
Biſt du’s Casperl?
Bitte, laſſen Sie uns ein!
Wer ſind denn die Herren?
Machen Sie nur auf; es regnet fürchterlich! Nur ein Viertelſtündchen Unterſtand bis der Wagen kömmt.
Das ſcheinen mir ganz reſpektable Herren zu ſein. Jch mach auf.
Gleich, gleich werd’ ich aufmachen.
Verzeih’n Sie, liebe Frau, daß wir Sie ſo ſpät am Tage ſtören. Allein es hat uns beim Spazier - gang der Regen überraſcht. Geſtatten Sie, daß wir den Wagen hier abwarten, nach dem ich geſchickt habe.
Jch bitte recht ſehr; freut mich, wenn ich dienen kann.
Seine Durchlaucht —
Still! ich will incognito bleiben. Jch heiße Müller, ein fremder Paſſagier.
Zu Befehl.
Ja, wir ſind fremd und haben uns auf dem Gange zur Stolzenburg verſpätet. Mittlerweile kam das Gewitter — —
Und wir haben unſern Lohndiener von hier aus in den Gaſthof geſchickt, einen Wagen zu holen.
Machen ſich’s die Herrn nur bequem einſtweilen. Wir wohnen halt ein bißl weit von der Stadt, weil das Logis wohlfeiler iſt.
Bei wem habe ich das Vergnügen Unterkunft zu finden?
Mein Mann iſt Privatier und heißt Herr von Larifari. Wir leben recht einfach von unſern ge - ringen Procenten.
Alſo verheirathet? Und ihr Mann?
Ja mein Mann — mein Mann — iſt ein ganz guter Kerl, aber einen kleinen Fehler hat er, daß er etwas gern im Wirthshaus ſitzen bleibt.
Nun dieſen Fehler findet man bei Männern nicht ſelten.
Das wär’ ſchon recht, aber bisweilen und — und das iſt auch nicht ſelten — kommt er etwas betrunken nach Haus.
Das iſt allerdings eine üble Gewohnheit.
Ja, und ich hab’ ſchon Alles probirt, ihn auf einen beſſeren Weg zu bringen, aber es nutzt Nichts und257 endlich verthut er unſer ganzes Sach und wir haben nichts mehr — —
Hören ’S ihn? Jetzt kommt er wieder betrunken nach Haus! Das iſt a Schand für mich.
Da thut es mir leid, daß wir hier ſtören.
Könnten wir nicht einſtweilen ins Nebenzimmer geh’n, bis die Equipage kömmt?
Wenn ſie in dem kleinen Kammerl da drin vor - lieb nehmen wollen, wär’s mir freilich recht angenehm.
Gut, geh’n wir hinein.
Aufmachen, aufmachen! Schlipperment! Grethl rühr’ Dich!
O Du liederlicher Burſch! Der hat richtig ſein Theil!
Edelfels, wir wollen ein Bischen lauſchen. Das gibt vielleicht einen Höllenſpaß!
17258Schlipperdibix! Was haſt mich a ganze Halb - Viertelſtund da unten im Regen ſteh’n laſſen!
Ja ganz hätt ich Dich drunten ſtehen laſſen ſollen, damit Dich der Regen a Bißl abgekühlt hätt’, Du liederliches Tuch.
Was? ich bin kein Tuch! Jch bin der Kasperl, was Tuch!?
Da ſiehſt es! Nicht amal ſteh’n kannſt mehr!
Deßwegen ſetz ich mich nieder.
Wo biſt denn wieder g’ſteckt den ganzen Tag?
G’ſteckt? — G’ſteckt bin ich nirgends. Jch hab’ wieder wichtige Gſchäft gehabt. Alſo ruhig!
Ja — ich ſoll ruhig ſein bei dem Schandleben. Jmmer beſoffen!
Gloffen bin ich aber net, ich bin ganz langſam und comod herg’wackelt.
A Schand und a Spott iſt’s!
Nein, die Verlegenheit! wenn wir nur allein wären! Jch muß nur trachten, daß ich’n in’s Bett bring.
Jetzt ſteh auf und leg Dich nieder!
So, jetzt bin ich aufg’ſtanden und hab’ mich gleich wieder niederglegt!
Laß Dir nur helfen
So — jetzt ſteh’ ich kerzengrad wie der Frauen - thurm.
Leg Dich in’s Bett und ſchlaf, das iſt das Geſcheitſte.
Was? Schaf? — Das iſt eine Beleidigung — gung — gung! Jch will Ruh haben.
No ja, ’s iſt ſchon recht. Komm, komm, leg Dich.
Wenn ſich der Menſch den ganzen Tag plagt, ſo iſt’s billig und gerecht, daß er von ſeine Fa - tiken ausraſt’.
So, Charmanterl, jetzt ſchlaf.
Jch hab kein Manterl; nix Manterl; Jch hab — nur — a Gwanterl.
Gottlob, jetzt ſchlaft er ein. Jch will’n nur zu - decken, damit ihn die Herren nit ſehen.
Das war göttlich!
Jch bitt’ halt um Verzeihung; aber ſeh’n Sie meine Herren: ſo iſt er! Und das beinah alle Tag.
Wenn Sie mir das Vertrauen ſchenken, ſo möchte ich eine Kur mit ihrem Herrn Gemahl vornehmen.
Eine Kur? Sind Sie denn ein Doktor?
So halb und halb. Jch habe ſchon vielen Leuten von ihren Uebeln geholfen. Trinker habe ich ſchon in zwölf Stunden geheilt.
Nicht wahr mein Freund?
Allerdings. Jch kann es bezeugen.
Ja, das wär’ ja prächtig, wenn Sie meinen Mann kuriren könnten!
Da hör’ ich was rumpeln; ich glaub’ es kommt Jhr Wagen, meine Herren.
Schnell hinab! inſtruiren Sie meine Lakaien. Jch laß’ den Burſchen in die Reſidenz tragen.
Aber Durchlaucht!
Das gibt eine Komödie zum Todtlachen. Nur fort!
Gut, mein Prinz; wie Sie befehlen.
Nun gute Frau, vertrauen Sie mir. Jch nehme den Herrn Larifari — nicht wahr, ſo heißt Jhr262 Mann? — ich nehme den Herrn Larifari dieſe Nacht zu mir in den Gaſthof; ein kleines Mittel — und er iſt geheilt!
Nein, das leid’ ich nicht! Wer weiß was ihm geſchieht?
Nichts geſchieht ihm! Hier —
hier haben Sie den Beweis, daß ich kein Betrüger bin. Vierzig Gulden als Pfand.
Ja, wenn das ſo iſt, da nehmen’s ’n nur gleich mit.
Die kleine Summe gehört ihnen als Quartier - geld.
Aber nein, das kann ich nicht annehmen, Excel - lenz! Sie haben mir ja gar keine Ungelegenheit ge - macht; war mir die größte Ehre —
Gut, gut!
Dort liegt er, alſo raſch an’s Werk!
Nun gute Nacht, Madame. Wir wohnen in der goldenen Krone. Morgen Früh ſollen Sie Nachricht vom Herrn Gemahl bekommen.
Da wird er aber die Augen aufmachen, wenn er nicht zu Haus aufwacht; denn der ſchlaft ſo feſt bis morgen Früh, daß ihn kein Kanonenſchuß aufweckt! Aber ich bitt’, daß ihm nichts gſchieht!
Auf mein Wort — nur Angenehmes ſoll ihm zu Theil werden. Adieu!
Jetzt habn ’s mein Kasperl fort! — Hätt ich’s denn erlauben ſollen? Der Beutel mit den 40 fl. hat mich ganz confus gemacht. — Nein, nein, ich leid’s nicht. Halt, halt!
Halt, halt! mein Kasperl, mein Kasperl!
Pſt! Pſt! — daß wir ihn nicht wecken! Er ſcheint noch feſt zu ſchlafen.
Wie ein Sack!
Wie viel Uhr mag es ſein?
Es hat eben 10 Uhr geſchlagen.
Schläft der Burſch alſo 14 Stunden ununterbrochen!
Allerdings, Durchlaucht; denn ungefähr nach 8 Uhr geſtern ward er hiehergebracht. Jch denke aber, daß er bald erwachen wird.
Haben Sie Alles angeordnet, wie ich es be - fohlen?
Alles iſt in Ordnung.
Das wird ein toller Spaß. Aber auf die Kur halte ich nicht viel. Mein Kammerdiener hat mir heute, als er das Dejeuner brachte, erzählt, daß der Patient der bekannte Kasperl iſt. Der iſt wohl unheilbar, denn Eſſen und Trinken ſind ſeine Haupt - beſchäftigung und überall amüſirt er durch ſeine lu - ſtigen Streiche. Doch ſtill! hinter der Gardine ſcheint ſich etwas zu bewegen. Treten wir bei Seite.
Grethl! — mein’ Kaffee! —
Grethl! — ja — was iſt denn das? Träum’ ich oder bin ich wach! — Schlipperdibix! — Grethl!
266Jch bin ja wach! Nein — das iſt ja nit möglich! Jch weiß gar nit, wie mir iſt.
Das Bett — das Zimmer! bin ich närriſch worden? hab ich mein’ Verſtand verloren? — mir wird ganz angſt und bang! — Grethl! Grethl!
Was befehlen Euer Durchlaucht?
Wa — wa — was?
Das iſt eine infame Zauberei! Jch bin ver - hext.
Euer Durchlaucht entſchuldigen, haben vielleicht noch nicht auszuruhen geruht?
Und wer iſt denn Er? bin ich denn im Narren - haus?
Euer Durchlaucht ſcheinen nicht gut geſchlafen zu haben, weil Sie ſo aufgeregt ſind. Darf ich das Frühſtück bringen?
A Fruhſtuck? — Das laß’ ich mir g’fallen. Jetzt werd’ ich gleich ſehen, was das eigentlich für a Gſchicht mit mir iſt. Entweder träum’ ich — oder wach’ ich. Jetzt muß ſich’s zeigen. Alſo her mit’m Fruhſtuck. Aber a Gut’s! —
Jch weiß net wo mir der Kopf ſteht! — Sollte ich wirklich meinen Verſtand verloren haben?
Sullte ich in das feenhafte Reich des Zauberlandes der höheren Phantaſie entrückt ſoyn, wo einem die gebrutenen Tauben in das Maul flie - gen? Sollte ich auf den Standpunkt der materiellen Errungenſchaften angelangt ſoyn, wo der Menſch als Menſch in höherer Bedoitung — —
Halt — boinah hätt mich meine Phantoſie hin - geriſſen! — Da is das Fruhſtuck!
Schlupperdibux! Das laß ich mir g’fall’n!
Sie, bortirtes Mannsbild! Haben Sie doch die Gefälligkeit und nehmen Sie mich bei der Naſen —
O ich bitte! wie könnte ich ſo Etwas wagen?
Bei meiner Naſen —
Wenn Durchlaucht befehlen.
Was haben denn Sie alleweil mit der „ Durch - lauft ‟? Jch bin der Kasperl Larifari und kein Durch - lauft! — Alſo bei der Naſen! —
So, jetzt zwicken ’S mich a Bißl. Au! gnug iſt’s. — Jch ſcheine nicht zu träumen; denn ich hab’s geſpürt. Alſo marſch naus! Jetzt will ich allein die Prob mit dem Fruhſtuck anſtellen.
Brav! Das iſt a Kaffee, und da ſind d’ Bretzen und Eierweckerln. Und a Schnaps! Juhe! Die Hexerei laß ich mir gfall’n! — —
Euer Durchlaucht allerunterthänigſter Hofmar - ſchall hat die Ehre ſich gehorſamſt zu melden.
Schon wieder was Neu’s! Nach und nach gfallt’s mir in der Zauberei.
Die Prinzeſſin Gemahlin laſſen guten Morgen wünſchen und werden das Vergnügen haben, bald herüber zu kommen, um bei Euer Durchlaucht ihr De - jeuner einzunehmen.
Was? Prinzeſſin Gemahlin? Einnehmen? — Sie ſind ja a Narr, mit Reſpekt zu melden.
Durchlaucht belieben zu ſcherzen.
Jch ſchmerze nicht. Aber jetzt ſagen Sie mir a mal, wenn Sie wirklich eine Art menſchlicher Fi - gur und kein maskirter Zauberer ſind: Jch kenn’ mich nimmer aus. Sagen Sie mir deutlich: Wo bin ich? Wer bin ich? Was bin ich? Wie bin ich? Warum bin ich? Kurz und gut! — —
Hochdieſelben ſind ganz beſonderer Laune heute! Sollte Prinz Schnudi ſich ſelbſt vergeſſen haben und auch hochdero Gemahlin Amalia?
Prinz Schnudi? — Prinzeſſin Amalia? — Sa - gen Sie mir, iſt dieſe Amalie hübſch? — Nun —270
weil ich der Prinz Schnudi bin, ſo befehle ich, daß mir dieſe Amalie vorgeführt werde!
Allſogleich werde ich es der Prinzeſſin melden.
Jetzt hört Alles auf! Jch halt’s net aus! Jch verlier’ meinen Verſtand, wenn ich noch eine Portion hab! — Aber das Fruhſtuck, das Fruhſtuck! der Kaffee, der Schnaps! — Jch verweiß mich gar nimmer! Juhe! Juhe! Jetzt muß ich mich erſt wie - der a bißl in’s Bett legen!
Er liegt im Bett. Spielen Sie ihre Rolle fort. Jch bin der Hofleibarzt.
Jch verſtehe.
Guten Morgen, Herr Leibarzt.
Ebenfalls, Herr Hofmarſchall. Seine Durchlaucht ſind doch nicht unwohl? ich wollte eben nachfragen, weil der Prinz ſein Gemach noch nicht verlaſſen haben.
O nein. Der Prinz hat mit gutem Appetit gefrühſtückt.
Vielleicht ſind derſelbe zur Prinzeſſin hinüber gegangen.
Erlauben Sie mir eine ernſte Frage, Herr Leib - arzt?
Jch ſtehe zu Befehl.
Was halten Sie von der Lebensweiſe des Prinzen?
Einfach beantwortet: Wenn der Prinz ſich ſo fort und fort dem Trunke ergibt, ſo können wir ihn eines Morgens vom Schlag getroffen als Leiche im Bett finden.
Schlipperment! Das wär nit übel! Jch bin ja der verſoffene Prinz Schnudi nicht, ich bin der Kas - perl Larifari.
Gott im Himmel! Verzeih’n Durchlaucht! wir glaubten uns allein. Dieſe Bemerkung — —
Verbitt ich mir! Marſch hinaus! Jch brauch’ kein Leibarzt, der mir mein’ Spaß verdirbt! Naus da, oder ich ſchlag’ drein! Gleich will ich was z’eſſen haben: 12 Paar Bratwürſt und 6 Maß Bier und a Paar Flaſchen Wein und an Schweins - braten und an Salat mit harte Eier!
Entſchuldigen Hochdieſelben; der Herr Leibarzt haben die beſten Abſichten.
Nix da. ’Naus Alle zwei und was zum Eſſen und Trinken! Das ging mir auch noch ab.
Fort da! Naus!
Jetzt bin ich aber ganz caput, vor lauter Zorn. Was Schlag treffen! Meinetwegen, aber das wär’ kein Gſpaß, wenn mich der Schlag für den ver - ſoffenen Prinzen träf’. Schlipperment! ich bin ja der Kasperl! — Aber, wie komm ich da herein? Das iſt ganz an anders Loſchi. Alles von Gold! A prächtige Zipfelkappen. A gſtickter Schlafrock. A ſilbern’s Caffeegſchirr. Jch kenn’ mich net aus, bin273 ich wirklich der Prinz Schnudi oder bin ich der Kasperl, der in den Prinzen ’neingfahren iſt, oder iſt der Prinz in mich ’neingfahren. ? Das wär’ a verteufelte Seelenwanderung. Krieg ich Prügel, ſo kriegts der Prinz Schnudi auch und trifft den Prinzen der Verſchlag, ſo bin ich todt. Vermale - deite Komödie!
Bravo! Bravo! Nur her damit!
Die Prinzeſſin Amalia wird augenblicklich hier ſein.
Was? Die ſoll nur a bißl draußen warten bis ich geſſen und trunken hab. Nacher kann’s aufmar - ſchiren.
Die Durchlauchtigſte kann es aber nicht erwarten, Hochdieſelben an ihr Herz zu drücken.
Dieſe gewünſchte Druckerei kann ſpäter auch vor ſich gehen.
Wie mein Gemahl will mich nicht herein laſſen? Treuloſer, Herzloſer, Elender! Jſt das Deine Liebe?
Oho! was iſt denn das für eine Ueberraſchung? Verſchleierte Schönheit, ſind Sie meine Gemahlin?
Schändlich, Du kennſt mich nicht?
Jch habe ſchon eine Gattin und hab an der genug. Warum noch eine Zwoite? Ha! Und warum, Amalia, biſt Du verſchloiert? Ha!
Die Luft ſchadet meinen Teint; das weißt Du ja, Geliebter.
O, ſo entſchloire Dich, Gelubteſte, damit ich deine holde Phyſionomie erblücken kann.
Jeden - falls iſt ſie beſſer gewachſen, als meine Grethl. Schlipperment!
O dringe nicht in mich, daß ich meinen Schleier lüfte!
Warum willſt Du Deine Lüfte nicht ſchleiern? Ha! ich liebe Dich, Amalia.
Nun, es ſei!
Pfui Teufel!
Prrrrr! Prrrr! Ja, ich bin der Teufel, der Dich holen will.
Auweh, auweh! der Teufel! Aber wart’, ich komm Dir ſchon!
Schlipperment! Jſt der Teufel noch da? — — Jch glaub’ er iſt verſchwunden. — Aber mir iſt der Appetit vergangen. Nein! mir iſt miſerabel. Heda, ’rein da! Allo!
Was befehlen, Durchlaucht?
Den Doktor will ich haben. Augenblicklich, den Doktor! Mir iſt miſerabel.
Sogleich.
Nein, das iſt kein Gſpaß. Da ſieht man’s, daß die ganze Gſchicht nur eine vermaledeite Hexerei iſt.
Ew. Durchlaucht ſind unwohl geworden; ich habe daher gleich eine kleine Mixtur mitgebracht.
Ja, da ſoll Einer net krank werden, wenn ihn der Teufel holen will.
Wie ſo, mein Prinz? Sie ſcheinen mir an Fieber - phantaſieen oder an Congeſtionen zu leiden.
Möglich, daß ’s Compreſſionen ſind; mir iſt aber eigentlich die Angſt in den Bauch gefahren. Auweh, zwickt’s!
Gut, ich werde — —
Nein, nicht gut, Sie werden nicht.
Jch werde Jhnen ein ſüßes Medicament eingeben, dann wird ein gelinder Schlummer mit Transpira - tion eintreten und bei Hochdero Erwachen werden Sie ſich ganz im vorigen Zuſtande befinden.
Sie werden mir alſo einen ſüßen Malefikanten eingöben, dann wird ein geſchwinder Kummer mit Mancipation eintröten — aber, ich bitt’ mir aus, daß ’s a gutes Trankl iſt.
Ein vortreffliches Fluidum.
Was Pfuidum? — wär nit übel! No, alſo her damit!
Ah! Ah! — das war ja ſo eine Art von Li - queur, ſo a Magenbitter oder hofmaniſcher Tropfen — Ah! das war gut! — prächtig! Nun — Herr Doktor — das — war — — —
Der Trank hat gut gewirkt — ein unſchuldiges Narcoticum.
Edelfels, kommen ſie!
Hat die Medizin ſchon gewirkt?
Er ſchläft feſt.
Vortrefflich!
Nun, gute Nacht, Monſieur Kasperl!
Madame Larifari! — Ps! Ps!
Er ſchlaft noch feſt. Wollen Sie nur herein - treten.
Das wär wirklich ein Spaß, wie ſich Jhr Herr Gemahl als Prinz ausgenommen hat.
Ja, ich weiß es. Die Lakaien, die ihn geſtern Abends wieder ins Haus gebracht, haben mir Alles genau erzählt. Er hat aber keinen Muxer gethan die ganze Nacht.
Jch glaub es gern. Ein unſchuldiger Schlaftrunk mußte zur Vollendung des Scherzes das Seinige280 thun. Nun aber iſt die Sache noch nicht aus. Laſ - ſen Sie mich mit Herrn Kasperl noch allein, bis ich Sie wieder hereinrufe.
Wie Sie befehlen.
Nun, weil’s der gute Prinz Prinz befohlen hat, will ich den Spaß noch zum Ende führen. Hof - entlich wacht Kasperl bald auf. Alſo zur Sache.
Oh! das war a guter Schlaf.
Mein Fruhſtuck! wie geſtern, aber heut will ich auch Knö - del und Sauerkraut zum Caffe.
Oho! Was iſt denn das? Schlipperdibix! Heda! Wo ſind denn meine bortirten Hoflakeln? Hofmar - ſchall! Schlipperment!
Ja, wie komm ich mir denn vor? Hat mich der Teufel, von dem ich geträumt hab, wirklich geholt? Wo ſind denn die ſeidenen Vorhäng und mein goldner Schlafrock! Des iſt ja eine miſerable Wirthſchaft!
Ja, mein Prinz! das ſind die Folgen Jhrer281 Lebensweiſe! Ein mächtiger Zauberer hat Sie aus Jhrem Palaſte in dieſe Hütte gebannt und in die ſchlichte Hülle eines dummen Kerls verwandelt.
Oho! was ſind denn Sie für a grober Patron? Was dummer Kerl? Was Zauberei? Jch bin der Prinz Schnudi!
Allerdings ſind Sie es; aber Jhr liederlicher Lebenswandel, Jhre Trunkſucht, Jhre Freßluſt mußte beſtraft werden.
Jch bin der Zauberer Artaxerxes Strobelmajer, welcher Sie in den Kasperl Larifari verwandelt hat, bis Sie Jhr Leben gebeſſert haben. Dann erſt werden Sie wieder wirklicher Prinz von fürſtlichem Geblüt.
Jch bitt Jhnen! Schwatzen’s kein ſo Zeug da - her. Was wolles dann jetz derweil mit meim fürſt - lichem Geblüt anfangen? Hab’n Sie’s in ein Flaſchl aufg’hoben und ſchütten’s mir’s nacher wieder ein. Die Dummheiten leid’ ich net. Und wie kann man als ein Zauberer ſo en Namen haben, wie Sie? Wie heißn’S? ſagen Sie’s noch a mal.
Artaxerxes Strobelmajer iſt mein Name.
Pfui Teufel! — Strobelmajer! Laß’n’S mich aus. Das ſind Faxen. Mein Frühſtück will ich ha - ben!
Einerlei, wie ich heiße. Sie werden ſich in Jhr Geſchick zu fügen wiſſen.
Beſſere Dich, edler Prinz! Lebe mäßig, einfach, beſcheiden. Liebe Deine Gattin und ſo weiter — dann wirſt Du in Deinen vorigen Glanz wieder eingehen.
„ Dann wirſt Du Deinen vorigen Tanz wieder einſehen ‟ — dummer Kerl! Das iſt gſcheit, daß d’naus biſt, ſonſt hätt’ ich dir ’n Weg gezeigt. — Aber, ſchlipperdibix — als Prinz Schnudi kommt’s mir doch vor als wär’ ich bei mir zu Haus. Bei mir z’Haus? Ja, wo bin ich denn eigentlich z’ Haus? Hat mir träumt, daß ich der Prinz bin oder hat’n Prinzen träumt, daß er der Kasperl iſt? Jch könnt’ ja ganz confus werden. Heda! wo iſt denn ſo a Lackl, daß er mich wieder in die Naſen zwickt, um mich von meiner wirklichen Lebhaftigkeit283 zu überzeugen. Aber Naſen iſt Naſen. Alſo weiß ich doch wieder nicht, wem die Naſen ghört: dem Prinzen Schnudi oder dem Kasperl Larifari?
O ihr himmliſchen Mächte rettet mich aus dieſen Zweifeln — und an Hunger und an Durſt hab’ ich zum Sterben. Jch will’s a Mal probiren und das Schickſal prüfen.
Grethl! Grethl!
Nun, guten Morgen, mein lieber Kasperl! Aber Du haſt gſchlafen! Jch hab gemeint, Du wachſt nimmer auf oder’s hätt Dich gar der Schlag trof - fen, weil’ſt geſtern wieder mit einem Rauſch nach Haus kommen biſt.
Was ſchwätzen Sie da, Madame. Jch verbutte mir alle An - und Abzüglichkeiten. Man traktire mich mit Reſpekt und Zonör, wie man es einer vor - nöhmen Purſon von dürſtlichem Geblute ſcholdig iſt. Verſtöh’n Sie mich?
Wie man einem Narren wie Du biſt, ſchuldig iſt. Ja, ſchämen ſollſt Du Dich; das wär gſcheiter!
Ja, allerdings ſchämen ſoll ich mich, in dieſer284 niedrigen Figur bei Jhnen, Madame, die Zeit mei - ner Verzauberung zubringen zu müſſen.
Jetzt ſei ſtill mit dem Gſchwätz und trink’ deine Milch zum Fruhſtück, die ſchon lang auf’m Tiſch ſteht.
Was? Milch! — Ha! Verzweiflung! Beſinnung! Elend und Noth! Ach, ich armer Prinz! Jch armes Mitglied eines dürſtlichen Hauſes! — Da ſteckt ge - wiß wieder der Bismark dahinter.
Jch bitt’ Dich um Alles in der Welt: werd’ mir nit närriſch; Du haſt wirklich alle Anlagen dazu. Gwiß haſt wieder dumms Zeug geträumt und meinſt iſt eine wirkliche Gſchicht geweſen.
O Madam! Geſchicht oder nicht Geſchicht! Was kann ich Anderes thun, als mich in mein Schlückſal ergöben! O Madam! Laſſen Sie ſich umarmen und an meinen geſchwollenen Buſen drücken! Hand in Hand auf der Bahn dieſes röthſelhaften Löbens? — O! O! O!
Ja, mein Kasperl, gelt? Du wirſt jetzt brav ſein!
Kasperl oder Prinz! Von nun an wird die Krone der Tugend und Enthaltſamkeit mein Löben würzen und ich werde noch manche Maß in meine Gurgel ſtürzen!
Ende.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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