Ex Bibliotheca Regia Acad. Georgiæ Aug:
Ungeachtet kaum zwey Jahre seit Er - scheinung der fünften Ausgabe dieses Handbuchs verflossen sind, so hat dasselbe doch setzt in der wohl mehr an wich - tigen Zuwachs von neuen Entdeckungen in der Naturgeschichte, so wie an Berichtigun - gen oder schärferer Bestimmung gewonnen, als irgend eine der vorhergehenden.
Dagegen versteht es sich von selbst, daß, um für diese Zusätze Raum zu erhalten, ohne dadurch dem zweckmäßigen Zuschnitt eines, besonders auch als Leitfaden bey Vor - lesungen tauglichen Handbuchs zu schaden, hin und wieder manches noch mehr als in den vorigen Ausgaben, hat ins Kurze gefaßt wer - den müssen.
IVNur über zwey Gegenstände der allge - meinen Naturgeschichte, die, wie ich gefun - den, ohne nähere Auseinandersetzung von un - kundigen Lesern leicht mißverstanden werden könnten, habe ich mich deßhalb (so wie in der vorigen Ausgabe) ausführlicher als es sonst dieser Zuschnitt im übrigen erlaubt, auslassen müssen. Nähmlich S. 8 u. f. über die ver - meinte und so oft gepriesene Stufenfolge in der Natur, und S. 13 u. f. über die Zeugung der organisirten Körper, besonders über den wahren Begriff vom Bildungstriebe, im Ge - gensatz von der vis plastica der ehrlichen Alten.
Die ansehnlichsten Vermehrungen hat aber der mineralogische Theil des Buchs er - halten. Besonders habe ich die Uebersicht der gemengten Gebirgsarten faßlicher, und den Abschnitt von den Versteinerungen, interes - santer und fruchtbarer darzustellen gesucht, als es insgemein geschehen.
Auch ist nun bey Angabe des Gehalts der Fossilien durchgehends der Gewährsmann da - für genannt, was, bey den zum Theil auf - fallenden Differenzen in den Resultaten der von verschiedenen Chemikern neuerlich gelie - ferten Analysen eines und eben desselben Fos - sils, nothwendig wird.
VDie mit der systematischen Anordnung der Steine und erdartigen Fossilien verbundenen Schwierigkeiten sind im Buche S. 523 be - rührt und selbst durch manche der neuesten, an sich äußerst lehrreichen Entdeckungen über die Bestandtheile einiger Steingattungen nur noch vergrößert: so, daß sich nun diese Classe des Mineralreichs weder bloß nach dem quan - titativen Verhältniß der Bestandtheile der Fossilien, noch auch bloß nach dem äußern Habitus ordnen läßt. – Nach erstern nicht; denn da jenes Verhältniß vieler, einander übri - gens oryctognostisch noch so ähnlichen und geognostisch noch so nah verwandten Fossilien (wie z. B. der mancherley Unterarten von As - best) theils gar auffallend variirt, so leuchtet von selbst ein, wie schlechterdings zweckwidrig und unbrauchbar ein System der Lithologie ausfallen müßte, das streng nach dem Gehalt der vorwaltenden Bestandtheile geordnet wer - den sollte: aber eben so wenig würde der bloße äußere Habitus zur systematischen Anordnung der Steine hinreichen; denn dem zufolge setzte man noch vor Kurzem den Saphir ins Kiesel - geschlecht, der doch fast aus nichts als ver - dichteter Thon-Erde, wenigstens ohne ein Atom von Kiesel-Erde, besteht.
Zwar glaubte man ehedem sich hierbey noch mit der spitzfindigen Distinction zwischenVI vorwaltendem und characterisirendem Be - standtheil der Fossilien durchhelfen zu können: allein auch diese Ausflucht ist nun durch solche Analysen, wie die eben gedachte, versperrt.
Es scheint also der einzige passende Aus - weg der zu seyn, daß man, ohne sich streng und ausschließlich an eins von diesen beiden Classifications-Principien zu binden, in so fern ein gemischtes System für diese Classe von Fossilien zum Grunde legt, daß 1) frey - lich diejenigen, die entweder ganz oder doch bey weiten größtentheils aus einerley Erdart be - stehen, nothwendig unter das nach dieser Erd - art benannte Geschlecht kommen. Folglich der Saphir durchaus ins Thongeschlecht; hin - gegen der Opal, Tripel und Bimsstein ins Kieselgeschlecht ꝛc. – Daß aber 2) manche andere Gattungen von Steinen, worin nur keine so auffallend vorschlagende Menge eines Bestandtheils vorwaltet, ohne ängstliche Rück - sicht auf die pro Cente derselben, da einge - schaltet werden, wo sie nach ihrem äußern Totalhabitus und nach der Analogie am schicklichsten hinpassen. So z. B. der Schil - lerspath, ungeachtet er mehr Kiesel-Erde als Thon-Erde enthält, den noch ins Thonge - schlecht in die Nachbarschaft des Glimmers:VII so Meerschaum, Speckstein, Serpentinstein, Olivin ꝛc. ins Talkgeschlecht.
Ich habe hier, so wie im ganzen Buche, von Geschlechtern und den darunter begriffe - nen Gattungen gesprochen. Denn daß man in der Mineralogie die Fossilien in genera und species eintheilt, und die genera auf deutsch Geschlechter, so wie die species Gattungen nennt, darüber ist meines Wissens unter den gelehrten und philosophischen Mineralogen Deutschlands nur eine Stimme. Und so versteht sichs wohl von selbst, daß wenn ich also in einem Theile des Buchs die Benen - nungen von Geschlecht und Gattung in diesem von je (– und bis vor Kurzen allgemein –) angenommenen Sinne brauchen mußte, ich nicht in einem andern Theile das Wort Gat - tung im verkehreen Sinne für genus brauchen durfte, wie doch in der That neuerlich von einigen deutschen Schriftstellern in der Zoolo - gie und Botanik versucht worden.
Ich weiß nicht, wer der Reformator ist, der diese Umkehrung der Begriffe und ihrer bestimmten Zeichen zuerst unternommen haben mag: – aber wohl weiß ich, was er mitVIII einem solchen versuchten Eingriffe in den Sprachgebrauch
bey andern aufgeklärten Nationen riskirt hätte: – daß es ihm hingegen in meinem theuern Vaterlande deutscher Nation nicht an Nachahmern gefehlt hat ist nichts weniger als unerwartet. – Genug indeß, daß so viele phi - losophische Naturforscher und die größten un - serer naturkundigen Philosophen das verba valent sicut numi besser befolgt, und sich also durch diese sonderbare Umstämpelung nicht irre führen lassen. – Und warum auch ich für meine Person es hierin lieber beym Alten lasse, als mich an jene Nachahmer anschließe, dafür habe ich folgende Gründe:
1) Hoffentlich weiß doch ein jeder, seiner Sprache kundige, deutsche Naturforscher (– und wer es nicht weiß, der kann es aus Adelungs Wörterbuche lernen –), was die erste und Fundamentalbedeutung des Wortes Geschlecht ist:
Dieß ist der wahre eigentliche Sinn des Wortes Geschlecht, wie wir ihn von Kindes -IX beinen an, selbst aus des seiner Sprache höchst kundigen Luthers Bibel-Uebersetzung lernen.
Dem zufolge wissen wir also in Anwen - dung auf Methodologie in der Naturgeschichte:
Die Gattungen schafft die Natur: der Systematiker bringt sie nach ihren ge - meinschaftlichen Aehnlichkeiten unter Ge - schlechter.
2) Eben so ausgemacht und bekannt ist aber auch, daß hingegen das Wort Gattung von dem Zeitworte sich gatten, abstammt; und da nun im freyen Naturzustande nur die Thiere von einer species sich mit einander fruchtbar gatten so versteht sich also von selbst, daß das Wort species, in dem Sinne wo - von hier die Rede ist durch kein anderes deut - sches Wort passender und bezeichnender und bestimmter ausgedruckt werden konnte, als durch Gattung.
3) Daß aber die Homonymie des deut - schen Wortes Geschlecht, indem es sowohl genus als sexus bedeutet, zu Irrung Anlaß geben werde, ist wohl eben so wenig im Ernst zu befürchten als bey dem lateinischen Worte genus, das, wie wir in den Kinderjahren in der Grammatik beym Unterschied der WorteX generis masculini oder foeminini lernen, auch statt sexus gebraucht wird.
4) Und wenn aber auch obbesagter Refor - mator im Ernste so was befürchten zu müssen meinte, so hätte er immerhin mögen wer weiß was für ein Wort von eigner Fabrik statt des ihm bedenklichen Geschlechts vorschlagen; aber nichts konnte ihn berechtigen, die Landes - sprache – d. h. den bestimmten einmahl fest - gesetzten Sinn der deutschen Worte – zu ver - kehren! Denn, wie unser sel. Lichtenberg bey einem ähnlichen Anlaß sich ausdrückt:
Die gleiche schuldige Achtung gegen dieses der Nation gehörige Eigenthum, habe ich auch bey den deutschen Nahmen der Naturalien beobachtet, und mich daher immer der allge - mein angenommenen und allgemein verständ - lichen, nicht aber etwa der Solöcismen einer einzelnen Provinz bedient. Darum brauche ich z. B. nicht das hier zu Lande gewöhnliche Wort Molle, sondern das allgemein ange -XI nommene Molch: eben so nicht das im Erz - gebirge gebräuchliche Wort Kobelt, sondern das längst allgemein adoptirte und selbst in andere lebende und todte Sprachen aufgenom - mene Kobalt u. s. w.
Anders ist der Fall mit den in der Natur - beschreibung von unsern neuen Systematikern zur Bezeichnung der Geschlechter und ihrer Gattungen selbsterfundnen Kunst - und Tri - vial-Nahmen. So billig und vernünftig es freylich ist, auch hierin so viel als möglich die einmahl ziemlich allgemein angenommenen Benennungen beyzubehalten, so können doch Fälle eintreten, wo es noch billiger und ver - nünftiger ist, einen vorher gewählten Nah - men, wenn er einen durchaus irrigen Begriff erweckt, gegen einen richtigern umzutauschen. Und doch habe ich mich dieser an sich erlaub - ten, aber auch heut zu Tage so oft gemiß - brauchten und dann das Studium der Na - turgeschichte so äußerst erschwerenden Freyheit nur in äußerst wenigen Fällen, wo es mir un - vermeidlich schien, bedient. So habe ich z. B. den Panzerthieren oder Armadillen ihren ein - heimischen, allgemein bekannten und längst von classischen Zoologen angenommenen Nahmen, Tatu, restituirt; da hingegen Linné diesen fast haarlosen Thieren durch einen seltsamen Miß - griff den Nahmen, Rauchfuß, Dasypus, bey -XII gelegt hatte, womit die alten Griechen, ganz passend und völlig nach der Natur, das rauch - füßige Hasengeschlecht bezeichnet haben. – Aus ähnlichen Gründen brauche ich für den schönen neuseeländischen Nephrit lieber seinen einheimischen Nahmen (Punammustein), unter welchem er zuerst von unsern Antipoden zu uns gebracht und bekannt worden, als die ihm neuerlich beygelegte Benennung Beil - stein, da ich im hiesigen academischen Mu - seum, so wie in den in London befindlichen großen Sammlungen von südländischen Merk - würdigkeiten, zwar wohl die Menge von Hacken und andern Geräthen, so sich die Neuseeländer aus diesem Steine bereiten, aber schlechter - dings kein daraus verfertigtes Beil aufgefun - den habe. – Eben so habe ich diejenige Gat - tung des Fledermausgeschlechts, vampyrus (den Blutsauger) genannt, die wirklich schla - fenden Säugethieren das Blut aussaugt; da hingegen Linné diesen Nahmen dem fliegenden Hund beygelegt hatte, der wohl seit die Welt steht, kein Blut gesogen hat, sondern sich ganz allem von Früchten nährt. – Aber viele an - dere, nur nicht gar zu unpassende Kunstnah - men der Art habe ich dennoch beybehalten, um so nicht die Nomenclatur und Synony - mieen ohne dringende Noth, zur großen Last der Lernenden, zu häufen.
XIIIDaß aber manche bekannte Nahmen von Naturalien hier doch anders geschrieben wer - den, als es insgemein geschieht, hat auch sei - nen guten Grund. So schreibe ich z. B. Tofus und nicht Tophus, weil es kein grie - chisches Wort ist; eben so Manacanit und nicht Menacanit, weil der Fundort dieses Fos - sils in seiner ersten Sylbe ein a hat, so gut wie Hamburg oder Frankfurt.
Im Thierreiche habe ich immer den latei - nischen Nahmen vorangesetzt, weil da hun - dert exotische Geschöpfe vorkommen, die im Deutschen keinen bekannten verständlichen Nahmen haben. Im Mineralreiche hingegen ist der Fall umgekehrt. Da sind gerade sie deutschen Benennungen die bekanntesten und selbst großentheils in andere Sprachen auf - genommen.
Beym Thierreich ist denjenigen Gattun - gen, die sich in Deutschland finden, wieder so, wie in den vorigen Ausgaben, ein † vorgesetzt. Im Mineralreich konnte dieß unterbleiben, weil so ein Zeichen bey den allgemein verbrei - teten Fossilien überflüßig, bey vielen von denen aber, die in Deutschland selbst ein sehr eingeschränktes Vaterland haben, wie der Boracit ꝛc. unzureichend gewesen wäre.
XIVDie Abbildungen naturhistorischer Ge - genstände, die ich in der Verlagshandlung dieses Handbuchs heftweise herausgebe, be - ziehen sich auf die gegenwärtige sechste Aus - gabe, und dienen also zu einer zweckmäßigen Erläuterung derselben.
Göttingen, den 20. März 1797. und den 10. März 1799. J. F. Blumenbach.
Fig. 1-6. die Intestinal-Würmer im mensch - lichen Körper in natürlicher Größe. –
Die merkwürdigsten Crystallisationen der Fossilien.
Alle Körper, die sich auf, und in unsrer Erde finden, zeigen sich entweder in der - selben Gestalt und Beschaffenheit, die sie aus der Hand des Schöpfers erhalten und durch die Wirkung der sich selbst überlassenen Naturkräfte angenommen haben; oder so, wie sie durch Men - schen und Thiere, zu bestimmten Absichten, oder auch durch bloßen Zufall verändert und gleich - sam umgeschaffen worden sind.
Auf diese Verschiedenheit gründet sich die bekannte Eintheilung derselben in natürliche (naturalia), und durch Kunst verfertigte (ar - tefacta). Die erstern machen den Gegenstand der Naturgeschichte aus, und man pflegt alle Körper zu den Naturalien zu rechnen, die nur noch keine wesentliche Veränderung durch2 Menschen erlitten haben. Artefacten werden sie dann genannt, wenn der Mensch*)„ Ars, siue edditus rebus homo.”Bacon de Veru - lam. de augm. scient. L. II.„ L'art en général est l'industrie de l'homme appliquée par ses besoins, ou par son luxe, aux productions de la Nature.”Diderot Syst. figuré des connoiss. humaines. ab - sichtlich Veränderungen mit ihnen vorgenommen.
Anm. 1. Daß übrigens jene Begriffe vom Wesentlichen und vom Absichtlichen im gegenwärtigen Falle, bey so verschiedentlicher Rücksicht und Modifica - tion, nicht anders als relativ seyn können, be - darf wohl keiner Erinnerung. Wie viel kommt nicht z. B. bloß auf den Gesichtspunct des Samm - lers an. So kann eine ägyptische Mumie so - wohl in eine Naturaliensammlung zur anthropolo - gischen Seite, als in eine Sammlung altägypti - scher Kunstwerke gehören.
Anm. 2. Zuweilen können Naturalien manchen Kunst - producten so ähnlich seyn, daß sie schwer von einander zu unterscheiden sind. Daher z. B. die ehedem getheilten Meinungen, ob der Ueberzug in dem Wasser abgesetzter Rindenstein von Kalksinter, oder aber ein absichtlich aufgetragner künstlicher Mörtel sey. (– s. Götting. gel. Anzeigen 1791. 188 St. –)
Alle und jede natürliche Körper zeigen, 1) in Rücksicht ihrer Entstehung, 2) ihres Wachs - thums, und 3) ihrer Structur, eine doppelte Verschiedenheit.
Die einen nähmlich sind allemahl von andern natürlichen Körpern derselben Gestalt und Art her -3 vor gebracht; so daß ihre Existenz in einer un - unterbrochenen Reihe bis zur ersten Schöpfung*)Oder wenigstens bis zu ihren ersten Stammältern hinauf. – Denn ich habe im ersten Theile meiner Verträge zur Naturgeschichte, Facta angeführet, die es mehr als bloß wahrscheinlich machen, daß auch selbst in der jetzigen Schöpfung neue Gattungen von organisirten Körpern entstehen, und gleichsam nacherschaffen werden. hinauf immer andere dergleichen Körper voraus - setzt, denen sie ihr Daseyn zu danken haben.
Zweytens nehmen sie allerhand fremde Sub - stanzen als Nahrungsmittel in ihren Körper auf, assimiliren sie den Bestandtheilen desselben und befördern dadurch ihr Wachsthum von innen (mittelst inniger Aneignung, intus susceptio, expansio).
Diese beiden Eigenschaften setzen drittens von selbst eine besondere Structur bey dieser Art von natürlichen Körpern voraus. Sie müssen nähm - lich, wenn sie auf diese Weise Nahrungsmittel zu sich nehmen und mit der Zeit andere Geschöpfe ihrer Art wieder hervor bringen sollen mancher - ley diesen Zwecken entsprechende und deßhalb mit den sogenannten Lebenskräften versehene und dadurch belebte, Gefäße, Adern und andere Organe in ihrem Körper haben, die zur Auf - nahme bestimmter Säfte zur Assimilation je - ner Alimente, zur Erzeugung der Nachkom - menschaft u. s. w. nothwendig sind.
4Dieß alles fehlt bey den natürlichen Kör - pern der andern Art, nähmlich den Mineralien. Beides, sowohl ihre Entstehung, als ihr Wachs - thum (wenn man es gar nur Wachsthum nen - nen darf), wird keineswegs durch Ernährung, sondern lediglich nach eigentlich sogenannten bloß physischen (mechanischen und chemischen), Ge - setzen, durch Anhäufung oder Ansatz homogener Theile von außen (aggregatio, iuxta positio) bewirkt; folglich ist bey ihnen weder ursprüng - liche Organisation noch Lebenskraft zu erwarten.
Und eben deßhalb heißen sie unorganisirte, und jene hingegen organisirte Körper.
Endlich sind nun aber auch jene organisirten Körper selbst, besonders in der Art wie sie ihre Nahrungsmittel zu sich nehmen, von einer doppelten Verschiedenheit.
Die einen nähmlich saugen einen sehr ein - fachen Nahrungssaft vorzüglich mittelst zahl - reicher Zasern, die sich am untern Ende ihres Körpers befinden, ohne merkliche willkürliche Bewegung in sich.
Da hingegen die Andern eine meist einfache Oeffnung am obern oder vordern Ende ihres Körpers haben, die zu einem geräumigen Schlauche führt, wohin sie vom innern Gefühle des Hungers getrieben ihre Alimente, die von5 sehr verschiedener Art sind, mittelst willkür - licher Bewegung bringen.
Jenes sind die Pflanzen, dieses die Thiere.
Anm. Hingegen gibt die Fähigkeit den Standort zu verändern (locomotiuitas) kein hinreichendes Unterscheidungszeichen der Thiere von den Pflan - zen, ab. Denn viele Pflanzen, wie z. B. die ge - meinen Wasserlinsen, sind nicht festgewurzelt sondern können zu gewissen Jahrszeiten ꝛc. ihren Aufenthalt verändern, bald zu Boden sinken, bald wieder auf die Oberfläche des Wassers stei - gen u. s. w. Und andererseits gibt es ganze Geschlech - ter von Wasserthieren, zumahl unter den Conchy - lien, Corallen ꝛc. die ihren einmahl eingenomme - nen Platz nie von selbst wieder verlassen können.
Diese sehr faßliche Eintheilung der natür - lichen Körper in organisirte und unorganisirte (§. 2.), und der organisirten wieder unter ein - ander (§. 3.), ist nun der Grund der bekannten drey Reiche, worunter man die Naturalien sehr schicklich gebracht hat, und wovon das erste die Thiere, das zweyte die Pflanzen, das dritte die Mineralien begreift.
Die Thiere sind demnach belebte und beseelte organisirte Körper, die sich ihre sehr vielartige Nahrung mittelst willkürlicher Bewegung suchen, und selbige durch den Mund in den Magen bringen.
Die Pflanzen sind zwar ebenfalls belebte organisirte Körper, aber unbeseelt, so daß sie6 ihren sehr homogenen Nahrungssaft ohne will - kürliche Bewegung mittelst der Wurzeln ein - saugen.
Die Mineralien endlich sind unbelebte und unorganisirte Körper, die folglich ohne Lebens - kraft nach den bloß physischen (mechanischen und chemischen) Gesetzen von Anziehung, Anhäufung, Bildungskraft ꝛc. entstehen.
Anm. Gegen diese Eintheilung in drey Reiche, ist, zumahl neuerlich, eine doppelte Einwendung ge - macht worden.
Manche haben zwar die Kluft zwischen den organisirten und unorganisirten Körpern aner - kannt, aber nur keine bestimmten Grenzen zwischen Thieren und Gewächsen zugeben wollen:
Andre hingegen haben die beliebten Meta - phern von Stufenfolge der Geschöpfe geradezu dahin gedeutet, als ob überhaupt keine bestimmba - ren Eintheilungen der Naturalien in Reiche u. s. w. Statt fänden.
Was das erste betrifft, so sollte man zwar überhaupt nicht vergessen, was so oft den Gegen - ständen der Erfahrung der Fall ist, daß man sie weit leichter für das was sie sind*)Mit dem gemeinen Sprachgebrauch zu reden. Denn daß wir im strengern Sinne bekanntlich nur die Erscheinungen der Dinge kennen, bedarf wohl keiner Erinnerung. richtig aner - kennen und von andern unterscheiden, als ihre einzelnen unterscheidenden Merkzeichen ausfinden und angeben kann**)„ Facilius plerumque est rem praesentem discernere, quam verbis exacte definire”. Gaubius.„ Allein der Fehler liegt nicht am Unterschei - dungsgrunde, welcher stets wahr bleibt sondern nur an der Schwierigkeit ihn in manchen Fäl - len zu finden.”J. Aug. Unzer.. – So sagte z. B. Linné:7„ nullum characterem hactenus eruere potui, vnde Homo a Simia internoscatur.”Nun glaube ich zwar in diesem Buche solche äußere Charactere der Humanität angegeben zu haben, wodurch sich der Mensch von den noch so menschenähnlichen Affen (wie man sie nennt); so wie überhaupt von allen andern Säugethieren unverkennbar aus - zeichnet. Aber auch ohne dieselben wird doch hoffentlich nie ein Naturforscher in praxi in Ver - legenheit gekommen seyn, Menschen und Affen etwa zu verwechseln. – Außerdem aber können ferner Geschöpfe aus noch so verschiedenen Classen manche theils auffallende und unerwartete Aehn - lichkeit mit einander haben, ohne daß dadurch die deßen ohngeachtet unverkennbare Verschieden - heit zwischen diesen Classen selbst wegfallen dürste. Man theilt z. B. die Thiere sehr natürlich in warmblütige und kaltblütige; und rechnet eben so natürlicher Weise die Säugthiere zu jenen und hingegen die Insecten zu diesen; ohne je deßhalb irre zu werden, daß die Bienen in ih - rem Stocke so ganz ohne Vergleich wärmer sind, als etwa ein Igel während seines Winterschlafs. – So gibt es in der Classe der Gewürme Geschlech - ter, wie z. B. die Sepien, die sich von den übrigen Thieren dieser Classe sehr auszeichnen, und dagegen manche auffallende Aehnlichkeit mit den Fischen haben. Aber niemand wird meinen, deßhalb müsse nun die Scheidewand zwischen der Classe der Fische und der Classe der Gewürme auf - gehoben werden. – Und eben so wenig wird jemand im Ernst in Versuchung gerathen, das Thier - und Pflanzenreich deßhalb mit einander zu verbinden, weil man an gewissen Pflanzen gewisse Aehnlichkeiten mit gewissen Thieren bemerkt hat. Von der Art sind z. B. die sonderbaren Bewe - gungen mancher Mimosenarten, und des hedysa - rum gyrans etc., die, so merkwürdig sie auch an sich bleiben, doch gar nicht einmahl in den oben angegebnen Character der Animalität eingreifen. So wenig als hinwiederum diejenigen Aehnlichkei - ten, so die Arm-Polypen mit den Gewächsen haben, den oben bestimmten Character der Vegetabilität8 betreffen. Sondern, die Arm-Polypen sind Thiere, die, so wie der Mensch und die Auster, vom Hunger getrieben ihre Nahrung durch willkür - liche Bewegung in den Mund bringen, was hin - gegen bey keiner Pflanze, in der bis jetzt bekannten Schöpfung, der Fall ist.
Nun und so beantwortet sich die andre Ein - wendung gegen die Naturreiche ꝛc. die sich auf die so gepriesene Metapher von Stufenfolge der Ge - schöpfe gründet, eigentlich von selbst.
Alle die beliebten Bilder von Kette, von Leiter, von Netz ꝛc. in der Natur, haben zwar für die Methodologie im Studium der Naturgeschichte in so fern ihren unverkennbaren Nutzen, als sie den Grund eines so genannten natürlichen Sy - stems abgeben, worin man die Geschöpfe nach ihren mehresten und auffallendsten Aehnlichkeiten, nach ihrem Totalhabitus und der darauf gegrün - deten so genannten Verwandtschaft untereinander, zusammen ordnet.
Aber sie nun, wie doch so oft von wohlmei - nenden Physicotheologen geschehen, dem Schöpfer in den Plan seiner Schöpfung hinein legen, und die Vollkommenheit und den Zusammenbang der - selben darin suchen zu wollen, daß die Natur (wie man sich ausdruckt) keinen Sprung thue, weil die Geschöpfe in Rücksicht ihrer form so sein stufenweise auf einander folgten, das wäre doch schon an sich eine vermeßne Schwachheit, wenn sie auch nicht, wie doch der Fall ist, bey ernsterer Prüfung sich selbst widerlegte.
Denn man braucht bloß die noch so kunstreich und sorgfältig angelegten Entwürfe von solchen Stufenfolgen in der Reihe der Geschöpfe näher zu beleuchten, um einzusehn, wie sehr darin einer - seits sich ganze Haufen von Geschöpfen ähnlicher Bildung in Geschlechtern von fast unübersehlich zahlreichen Gattungen (zumahl unter den In - secten und Gewürmen, aber auch im Pflanzen - reiche) zusammen drängen, und andre dagegen gleichsam isolirt sehn, weil sie wegen ihrer aus -9 gezeichneten ganz eignen Bildung nicht ohne sicht - lichen Zwang in einer solchen Leiter der Natur irgendwo eingeschoben und untergebracht werden können (wie z. B. die ganze Classe der Vögel; unter den Gewürmen das schon gedachte Geschlecht der Sepien; unter den Säugthieren das Men - schengeschlecht selbst! ꝛc. ) – Ferner aber finden sich Thiere, bey welchen, wie z. B. bey den Schild - läusen, Männchen und Weibchen eine so durchaus ganz verschieden Gestaltung haben, daß man folg - lich in der gedachten Leiter die einen von den an - dern trennen und nach dieser so sehr verschiednen Sexualform beiden auf weit von einander entfern - ten Sprossen ihre verschiednen Stellen anweisen müßte. – Nun dann zeigen sich Lücken in der Leiter, wo offenbar ohne einen sehr gewagten Sprung gar nicht über zu kommen ist, wie zu Einem Beyspiel statt aller, die zwischen den orga - nisirten Körpern und den Mineralien u. s. w.
So mangelhaft aber überhaupt die bildlichen Vorstellungen von Kette der Natur u. s. w. gera - then müssen, so ganz grundlos ist nun vollends gar die vermeßne Behauptung mancher Physico - theologen, als ob kein Glied aus dieser ihrer zu Papier gebrachten Kette ausfallen dürste, wenn nicht die Schöpfung selbst stocken sollte u. dergl. m. – So gut einzelne Gattungen von Thieren aus ganzen großen Inseln, wie z. B. die Wölfe aus Großbritannien vertilgt sind, ohne daß die dasige Schöpfung durch diese nunmehrige scheinbare Lücke ihren sonstigen Zusammenhang verloren haben sollte, so können andre Geschöpfe aus ganzen Welttheilen und wohl von der ganzen Erde vertilgt werden (wie dieß allen Anschein nach mit manchen, z. B. mit dem Dudu wirklich geschehen), ohne daß durch diesen merklichen hiatus, der dadurch in der Kette der Physicotheologen entsteht, der ewige stille Gang der Schöpfung selbst, im mindesten gefährdet wer - den dürfte.
Und zum Verständniß der linnéischen Kunstsprache:
Jeder organisirte Körper (§. 2.) wird von sei - nes Gleichen erzeugt, dann durch eigne Kraft lebenslang ernährt, und dadurch seine Selbsterhal - tung und Wachsthum, und wenn er zu seiner Reise gelangt, auch seine Fortpflanzungsfähig - keit bewirkt.
Zu diesen großen Verrichtungen werden die organisirten Körper durch die Organisation ihres Baues, und durch die mit derselben ver - bundenen Lebenskräfte geschickt gemacht. Denn durch diese letztern erhalten die Organe ihre Empfänglichkeit für reißende Eindrücke (sti - muli) und ihr Bewegungsvermögen, ohne wel - ches weder Ernährung noch Wachsthum, noch wechselseitige Einwirkung der Theile zur zweck - mäßigen Erhaltung des Ganzen, und umge - kehrt*)Vergl. Kant's Critik der Urtheilskraft S. 285. u. f., denkbar seyn könnte.
Sich die Entstehung der organisirten Körper zu erklären, hat man, zumahl neuerlich, die so genannte Evolutions Hypothese bequem gefun - den, und gemeint, es werde gar kein Mensch, und kein andres Thier, und keine Pflanze er - zeugt, – sondern sie lägen alle schon seit der ersten Schöpfung als völlig präformirte Keime*)“Denn” (so sagt Haller, das Haupt der neuern. Evolutionisten –) „ alle Eingeweide und die Kno - chen selbst waren schon im unsichtbaren Keim vor - hero gebaut gegenwärtig, obgleich in einem fast flüssigen Zustande.”Und das ist doch wenigstens bestimmte Sprache.Wenn hingegen einige Neuere, um die Evolu - tionshypothese mit der Lehre von der allmähligen Bildung in vereinbaren, zwar zugeben, daß der Zeugungsstoff nicht präformirt sey, aber doch mei - nen, daß er deßen ohngeachtet einen Keim enthalte, der dennoch was anders sey, als ungeformter Zeu - gungsstoff ꝛc. so sind das unbestimmte, leere Aus - drücke. Wenigstens geht mir es dann mit solchen Quasi-Keimen, wie dem Cicero mit dem quasi corpus des Gottes der Epicuräer, wovon er sagt:„ corpus quid sit, intelligo: quasi corpus quid sit, nullo prorsus modo intelligo.” bey ihren Eltern und Vorfahren längstens vor - räthig: die verschiednen Generationen steckten, gleichsam wie eingepackte Schachteln, in einan - der; und würden nur nach und nach, so wie die Reihe an sie käme, durch die Befruchtung entwickelt und aus licht gebracht. – Eine Mei - nung, die doch schon sowohl durch den dabey erforderlichen Aufwand von übernatürlichen (hy - perphysischen) Anstalten**)s. Kant a. a. O. S. 372., als durch die,14 allen Gesetzen einer philosophischen Naturfor - schung zuwiderlaufende unnütze Vervielfältigung der natürlichen [physischen]*)Physische Kräfte überhangt – im Gegenfaß jener hyperphysischen Anstalten. Kräfte, und durch die unübersehliche Menge von zwecklosen Schöpfungen aller der zahllosen präformirten Keime, die nur nicht zu ihrer Entwickelung ge - langen konnten, aller präjudizlosen Urtheilskraft widerstehen müßte, wenn sie auch nicht durch die überwiegenden gegenseitigen Erfahrungs - gründe widerlegt wird.
Anm. Nach der einstimmigen Behauptung der aller - berühmtesten und allereifrigsten Versechter der Evolutionshypothese, sollen die präformirten Keime den der Mutter vorräthig liegen, und wäh - rend der Befruchtung durch die Kraft des hinzer - kommenden männlichen Zeugungsstoffes erweckt und zur Entwickelung angetrieben werdet. Was man Empfängniß nennt; sey folglich nichts als das Erwachen des schlaftrunkenen Keims durch den Reitz des auf ihn wirkenden männlichen Samens.
Also bedarf es hier zuvörderst einer erwecken - den Kraft.
Nun aber ähneln ja so oft Kinder zum Sprechen bloß ihrem Vater; – Batzen, die sich kurz hin - tereinander mit mehreren männlichen Hunden belau - fen haben, werfen oft Junge, die diesen verschie - denen Vätern ähneln; – zweyerley Menschen - rassen, z. B. Negern und Weiße, zeugen mit ein - ander nothwendigen Mittelschlug, nähmlich Mu - latten; – und wenn nun vollends ungleiche Gat - tungen (verschiedene Species) von Thieren oder Gewächsen einander befruchten, so entstehen Ba - starde, die eben so viel von der väterlichen als von der mütterlichen Gestaltung an sich haben.
Ja das läßt sich freylich nicht wohl verkennen: und dem zufolge gestehen dann die Evolutionisten15 dem männlichen Samen, auf er seiner erweckenden, nun auch Nro. 2. in sofern eine bildende Kraft zu, daß er den bey der Matter präformirt gelegenen Keim, wohl in etwas zur väterlichen Gestaltung umzuformen vermöge.
Demnach wäre folglich zweyerley Kraft im männlichen Samen; 1) die erweckende und 2) doch auch eine bildende –
Aber man kann ja mittelst einer, mehrere Gene - rationen hindurch immer wiederholten, künstlichen Bastardzeugung endlich die eine Gattung von orga - nisirten Körnern gänzlich in die andre umwan - deln. – So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung der einen Pflanzengattung mittelst des männlichen Standes von eine andern, Sa - men gezogen, welcher fecundable Bastardpflan - zen gegeben; d. h. die sich zur Blühtest aber - mals mit männlichem Stand von jener andern Gat - tung befruchten lassen, und wiederum fecundable Bastarde der zweyten Generation hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten Generation dielten gleichsam das Mittel zwischen beiden verschiedenen Stamm-Eitern von väterlicher und mütterlicher Seite. Die von der zweyten hingegen ähnelten schar weit mehr der väterlichen, als der mütterli - chen und nachdem die gleiche künstliche Befruch - tung noch fernerweit durch zwey folgende Genera - tionen eben so wiederholt worden, so entstanden endlich Pflanzen, an welchen die ursprüngliche mütterliche Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und in die väterliche umgewandelt worden. (– s. Kölreuter's dritte Fortsetzung der Nachricht vor einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffen - der Versuchen S. 51. §. 24. mit der Ueberschrift:„ Gänzlich vollbrachte Verwandlung einer natür - lichen Pflanzengattung in die andre.”–)
Da hat den folglich alle Präformation des seit Erschaffung der Welt conservirten mütterli - chen Keims am Ende in nichts geholfen, sondern hat der bildenden Kraft des männlichen Stoffes (der eigentlich nach der Evolutionshypothese bloß durch seine erweckende Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich weichen müssen!
Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Erkenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philosophischen Nachforschung*)„ Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam quae et verae sint et earum phae - nomenis explicandis sufficiant:”ist ja die erste von Newton's güldnen regulis philosophandi. weit angemeß - ner, wenn man die Entstehung der neuerzeug - ten organisirten Körper bloß durch allmähliche Ausbildung (Epigenesis) des an sich zwar un - geformten, aber unter den dazu erforderlichen Um - ständen organisirbaren Zeugungsstoffes, erklärt.
Nur kommt es bey der vielfachen Vorstel - lungsart, die man sich von einer solchen allmäh - lichen Bildung machen kann und gemacht hat**)Denn wenn z. B. Mazini meinte, daß die Kin - der bey ihrer Empfängniß in Mutterleibe bloß anschössen (ungefähr wie der Candis-Zucker), so war das auch eine Art Epigenese.Aber das schlechterdings unstatthafte aller sol - chen bloß mechanischen Erklärungsarten der all - mähligen Ausbildung organisirter Körper durch eine sogenannte Vis plastica (wie es unsre ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im Mine - ralteich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff von organisirten Körpern, als weicher durchaus zugleich Zweckmäßigkeit involvirt. – s. Kant a. a. O. S. 292., darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von organisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die uns die Beobachtung bey17 Entstehung derselben lehrt, am ungezwungensten entspricht.
Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß der reise, vorher zwar umgeformte, aber organisirbare Zeugungsstoff der Eltern, wenn er zu seiner Zeit, und unter den erforderlichen Umständen an den Ort seiner Bestimmung ge - langt, dann für eine in denselben nun zweck - mäßig wirkende Lebenskraft, nähmlich den Bil - dungstrieb (nisus formativus) zuerst empfäng - lich wird; – für einen Trieb, der sich von aller bloß mechanischen bildenden Kraft (als welche auch im unorganischen Reiche Crystallisationen u. dergl. hervorbringt) dadurch auszeichnet, daß er nach der endlos mannichfaltig verschiedenen Be - stimmung der organisirten Körper und ihrer Theile, die vielartig organisirbaren Zeugungs - stoffe auf eben so mannichfaltig aber durchge - hends zweckmäßig modificirte Weise in be - stimmte Gestalten zu formen vermag – und so (– durch die Verbindung des bloß Mecha - nischen mit dem zweckmäßig Modificirbaren in diesem Triebe –) zuerst bey der Empfängniß die allmählige Ausbildung; dann aber auch die lebenswierige Erhaltung dieser organischen Bil - dung durch die Ernährung; und selbst wenn die - selbe durch Zufall gelitten haben sollte, so wie18 möglich die Wiederersetzung derselben durch die Reproduction, bewirkt wird*)Dieß alles habe ich in der Schrift über den Bil - dungstrieb, Götting. 1791. 8. weiter ausgeführt die ich nicht mit der unreifern Abhandlung, die unter einem ähnlichen Titel 1781. erschienen ist zu verwechseln bitte..
Anm. 1. Diese allmählige Ausbildung der neuen orga - sirten Körper ist am anschaulichsten an solchen zu betrachten, die mit einer ganz ansehnlichen Größe ein schnelles (so in sagen zusehends merkliches) Wachsthum, und eine so zarte halbdurchsichtige Textur verbinden, daß sie (zumahl im sattsamen Lichte und unter mäßiger Vergrößerung) aufs deut - lichste, klarste durchschaut werden können.
So im Gewächsreiche an manchen einfaches Wassermoosen, wie z. B. an der Brunnen-Con - ferve (Conferva fontinalis) die sich in den ersten Frühlingstagen fortpflanzt.
Unter den blutlosen Thieren an den Arm-Polypen.
Und unter den warmblütigen an der ersten Erschei - nung des Küchelchens im bebrüteten Eye und seiner dann von Tag zu Tag fortrückenden Ausbildung.
Anm. 2. Hoffentlich ist für die mehresten Leser die Erinnerung überflüssig, daß das Wort Bildungs - trieb selbst so gut wie die Benennungen aller andern Arten von Lebenskräften an sich weiter nichts erklären, sondern bloß eine besondre (das Mechanische mit dem zweckmäßig Modificirbaren in sich vereinende) Kraft unterscheidend bezeichnen soll, deren constante Wirkung aus der Erfahrung anerkannt worden, deren Ursache aber so gut wie die Ursache aller andern noch so allgemein an - erkannten Naturkräfte für uns hienieden im eigent - lichen Wortverstande qualitas occulta bleibt†)„ Il fallait respecter les qualités occultes; car depuis le brin d'herbe que l'ambre attira, jusqu 'à la route19 que tant d'astres suivent dans l'espace; depuis la formation d'une mite dans un fromage jusqu' à la Galaxie; soit que vous considériez une pierre qui tombe, soit que vous suiviez le cours d'une comète tra - versant les cieux, tout est qualité occulte.”Voltaire.. – Das hindert aber nickt, daß man nicht mehr suchen sollte, ihre Wirkungen durch Beobachtung weiter zu erforschen und zu verfolgen, und sie so auf allgemeine Gesetze zurück zu bringen.
Durch die bestimmte zweckmäßige Wirk - samkeit des Bildungstriebes in den bestimmten dafür empfänglichen organisirbaren Stoffen, wird nun die eben so bestimmte Form und der Habitus aller einzelnen Gattungen (Species) von orga - nisirten Körpern erhalten; und bey denen, wo es Statt findet auch ihre Sexual-Verschiedenheit, durch welche sich nähmlich die männlichen Ge - schöpfe von den weiblichen in derselben Gattung auszeichnen.
Aber freylich kann der Bildungstrieb auch eben sowohl als jede andre in ihrer Thätigkeit gestörte oder fremdartig modificirte Lebenskraft auf mancherley Weise vor seiner eigentlichen be - stimmten Richtung abweichen.
So entstehen dann (– der bloß krankhaf - ten, nicht ins Gebiete der Naturgeschichte ge - hörigen Abweichungen, zu geschweigen –) 1) durch ganz gewaltsame Störungen desselben ganz widernatürliche Formen der organisirten Körper, nähmlich die Mißgeburten.
2) Dadurch, daß der zweyfache Sexual - Character, der sonst in den beiden Geschlechtern getrennt seyn sollte, mehr oder weniger in einem20 und eben demselben Individuum verbunden ist, die Zwitter.
3) Dadurch, daß zwey Geschöpfe ganz ver - schiedner Gattung (zweyerley Species) einander befruchten, die Bastarde.
Endlich 4) durch den Einfluß der mancher - ley Ursachen der allmähligen, Ausartung, die Rassen und Spielarten.
Unter Mißgeburt versieht man, nach dem gemeinen Sprachgebrauche, eine widernatürliche, angeborne, leicht in die Augen fallende Ver - unstaltung in Bildung äußerer, größerer Theile. So mannigfaltig aber diese Mißgestalten seyn können, so lassen sie sich doch alle auf folgende vier Hauptclassen zurück bringen:
1) M. G. mit widernatürlicher Bildung ein - zelner Glieder. Fabrica aliena.
2) M. G. mit Versetzung oder widernatürlicher Lage einzelner Glieder. Situs mutatus. Die seltensten von allen (– nähmlich unter Mißgeburten in dem angegebnen Sinne. Oft hat man hingegen bey Leichenöffnungen wohl - gebildeter Menschen manche ihrer Eingeweide in ganz verkehrter Lage gefunden –).
3) M. G. denen ganze Glieder mangeln. Mon - stra per defectum. Unter diesen die lehr - reichsten.
214) M. G. mit überzähligen Gliedern. Mon - stra per excessum. Die gemeinsten (– selbst nicht selten unter wilden Thieren z. B. Hasen –) Theils gar erblich, wie z. B. in den sechsfingrigen Familien.
Anm. Die auffallende Aehnlichkeit unter so vielen Mon - strositäten beweiset, daß auch selbst diese Abwei - chungen des Bildungstriebes dennoch bestimmten Gesetzen folgen müssen; so wie hingegen die be - kannte Erfahrung, daß die Hausthiere seit ihrer Unterjochung und die cultivirten Gartenpflanzen denselben weit mehr als in ihrem wilden Zustand unterworfen sind (daß z. B. Mißgeburten unter den Hausschweinen so häufig, unter den wilden Schweinen hingegen fast unerhört sind), sich mit der Lehre der Evolutionisten, daß die Keime die - ser Mißgeburten ebenfalls seit der ersten Schöpfung schon monströs präformirt eingeschachtelt gele - gen, wohl schwerlich zusammen reimen läßt.
Zwitter nennt man zwar im engern Sinn bloß solche einzelne Individua von organisirten Körpern, bey welchen widernatürlicher Weise die Spuren der zweyfachen eigentlichen Sexual - organe mehr oder weniger verbunden sind, die sonst, in den männlichen und weiblichen Ge - schöpfen derselben Art, getrennt seyn sollten. Dergleichen finden sich selbst zuweilen unter den warmblütigen Thieren; zumahl unter den Rind - vieh, Schafen und Ziegen.
Nächstdem aber verdient auch diejenige Ab - weichung des Bildungstriebes hier einer Erwäh - nung, wenn andre körperliche Functionen oder22 Charactere, die dem einen Geschlechte eigen seyn sollten, sich bey Individuis des andern äußern. Wenn z. B. Hirschkühe und Rehe Geweihe auf - setzen; oder Fasan - und Pfau-Hennen mit zu - nehmenden Jahren männliches Gefieder kriegen; oder Mannspersonen oder andre männliche Säu - gethiere Milch geben u. s. w.
Endlich aber zeigt sich auch zuweilen im ganzen Verhältniß des Körperbaues einzelner, übrigens noch so regelmäßig und schön gebilde - ter Geschöpfe des einen Geschlechts doch mehr oder weniger vom Totalhabitus des andern; z. B. weibliche Weichlichkeit in der Totalform des männlichen.
Wenn ein weibliches Geschöpf der einen Gattung von einem männlichen einer andern Gat - tung befruchtet worden, so entstehen daraus Bastarde, deren Bildung aus der beiderley Eltern ihrer gleichsam zusammengeschmolzen ist, Da aber von der bestimmten Bildung der orga - nisirten Körper, besonders der Thiere, die be - hörige und für den Gang der Schöpfung so äußerst wichtige Vollziehung ihrer Geschäfte abhängt, so ist es eine weise Einrichtung in der Natur, daß erstens, wenigstens unter den rothblütigen Thieren, in ihrem freyen Natur-Zustande mei - nes Wissens niemahls eine Paarung und Ver - mischung unter zweyerley Gattungen bemerkt23 worden; zweytens aber die Bastarde überhaupt mehrentheils unfruchtbar, und nur sehr selten im Stande sind, ihr Geschlecht weiter fortzupflanzen. Daher gehört es zu den seltnern Ausnahmen, wenn Maulthiere, oder die Bastarde von Hänf - lingen und Canarienvögeln zuweilen fruchtbar sind. Bey den Pflanzen gelingt es leichter, daß durch künstliche Befruchtung verschiedner Gat - tungen Bastarde hervor gebracht werden können, die fruchtbaren Samen tragen (– s. oben S. 15. –). Hingegen bedürfen die fabelhaften Sagen von vermeinten Bastarden aus der Ver - mischung vom Rindvieh und Pferden oder Eseln, und von Caninchen und Hühnern, oder vollends gar von Menschen und Vieh, jetzt hoffentlich keiner weitern Widerlegung.
Anm. Eben in der gedachten notorischen Erfahrung, daß im freyen Natur-Zustande jener Geschöpfe nur die von einer und eben derselben Species sich mit einander gatten, liegt der natürliche Grund, warnen das Wort Species im Deutschen am allernatürlichsten durch Gattung übersetzt wird. (– davon mit mehreren in der Vorrede. –)
Rassen und Spielarten (varietates) sind diejenigen Abweichungen von der ursprünglichen specifiken Gestaltung der einzelnen Gattungen organisirter Körper, so diese durch die allmählige Ausartung oder Degeneration erlitten haben.
Rasse heißt aber im genauem Sinn ein solcher durch Degeneration entstandener Character,24 der durch die Fortpflanzung unausbleiblich und nothwendig forterbt, wie z. B. wenn Weiße mir den Negern Mulatten, oder mit ameri - canischen Indianern Mestißen zeugen: welches hingegen bey den Spielarten keine nothwendige Folge ist; wie z B. wenn blauäugige Blonde mit braunäugigen Brünetten Kinder zeugen*)Diesen Unterschied zwischen Rassen und Spielarten hat zuerst Hr. Prof. Kant genau bestimmt, im teutschen Mercur 1788. 1. B. S. 48. s. hiervon ausführlich Hrn. Geh. Hofr. Girtanner über das Kantische Princip für die Naturgeschichte. Göt - tingen 1796. 8..
Anm. Wenn sich gewisse Ausartungen seit unabsehli - chen Reiben von Generationen fortgepflanzt haben, so hält es oft schwer zu bestimmen, ob das bloße Rassen oder ursprünglich verschiedene Gattungen (Species) sind? Wenigstens gibt es dann zur Entscheidung in dergleichen Fällen keine andern in praxi anwendbare Regeln, als die, so aus des Analogie abstrahirt sind; da hingegen die, so Ray, Büffon und andre angenommen haben, den Character von Species darnach zu bestimmen, wenn die Geschöpfe mit einander fruchtbare Nachkommen - schaft zeugen, zu diesem Behuf sehr unzulänglich und schwankend ist.
Denn abgerechnet, daß die Anwendung dieser Regel ohnehin bey den unzähligen Thieren und Pflanzen wegfällt, die sich ohne Paarung fortpflan - zen. (– s. unten §. 30. –), so findet sie auch in unzähligen andern Fällen wegen unüberwindlicher Schwierigkeiten nicht Statt, wie z. B. bey Ent - scheidung der Frage, ob der asiatische und der africanische Elephant zu einerley Species gehören oder nicht? Und selbst da, wo die Erfahrung Statt hat, wie z. B. bey der Vermischung von Pferd und Esel, fragt sich wieder, soll da der gewöhnliche oder aber der äußerst seltne Erfolg als Regel angesehn werden. Denn gewöhnlich sind die25 Maulthiere steril, und nur in äußerst seltnen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung fähig be - funden. Wollte man also diesen wunderseltnen Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd und Esel für Thiere derselben Species halten, un - geachtet sie in ihrem ganzen Körperbau – zumal im Innern (und namentlich in der ganz auffallend verschiednen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge!), wenigstens eben so specifisch von einander differiren als Löwe und Katze. Da stimmt hingegen alle Analogie dafür, sie als zwey ganz verschiedne Gat - tungen anzuerkennen. Und eben diesem Grundsatz der Analogie gemäß halte ich auch die gedachten beiderley Elephanten für ganz verschiedne Gattun - gen, weil ihr Gebiß eine so constante auffallende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich als bloße Folge der Degeneration gedenken läßt.
Zu den mancherley Ursachen der Ausartung gehören vorzüglichst der Einfluß des Himmels - strichs, der Nahrung, und bey Menschen und Thieren auch der Lebensart.
Kaltes Clima z. B. unterdrückt das Wachs - thum der organisirten Körper, und darum sind die Grönländer, Lappländer ꝛc. so wie die Thiere und Gewächse kalter Erdstriche, klein, unter - setzt. Eben so bringt dieses Clima weiße Farbe an Thieren und Gewächsen hervor, und darum sind die Nordländer von Natur von weißer Haut ꝛc. so wie viele warmblütige Thiere der kältesten Gegenden anomalisch weiße Haare und Federn, viele Pflanzen daselbst anomalisch weiße Blüthen haben u. s. w. – Dagegen tragen die Creolen (d. h. die in Ost. und West-Indien von europäischen Eltern gebornen Weißen) das26 unverkennbare, meist wunderschöne Gepräge ihrer südlichen Heimath an sich.
Wie sehr aber verschiedene Lebensart, Cultur und Nahrungsmittel nach und nach die Bildung, Farbe und ganze Constitution der organisirten Körper umzuändern vermöge, davon sehen wir an unsern Hausthieren*)s. über Menschen-Rassen und Schweine-Rassen – in Voigts Magazin VI. B. 1 St. S. 1 u. f., an unserem Getreide, Obst, Küchen-Gewächsen, Blumen-Floren ꝛc. – am allerauffallendsten aber bey den Verschieden - heiten im Menschen Geschlechte selbst, die augen - scheinlichsten Beyspiele.
Diese mancherley Ursachen der Degeneration können nun aber nach Verschiedenheit der Um - stände einander entweder unterstützen, und die Ausartung um so schneller und ausfallender, machen, oder aber auch wieder gewisser Maßen einander aufheben u. s. w.; daher man in dieser Untersuchung bey der Anwendung auf einzelne Fälle nie zu voreilig urtheilen darf.
Anm. 1. So gibt es z. B. selbst unter der Linie kalte Erdstriche, wie im Innern von Sumatra ꝛc. Hin - gegen dringt Sibirien gar viele Gewächse der wär - mern Gegenden hervor, die in dem weit südlichern Europa nicht fortkommen.
Anm. 2. Sonderbar ist die individuelle Wirkung, die einige Climate auf die organisirte Körper, zumahl der Thierreichs, äußern. So, daß z. B. in Syrien die Katzen, Kaninchen, Ziegen ꝛc. so auffallend langes und weißes Haar haben; auf Corsica die Pferde, Hunde ꝛc. so auszeichnend gefleckt sind; auf Guinea Menschen und Hunde und Hübner zu Negern in ihrer Art werden u. s. w.
Die Ernährung der organisirten Körper gehe auf verschiedene Weise vor sich. Den Pflanzen wird ihre einfache Nahrung durch Wurzeln, die sich außerhalb ihres Stammes am einen Ende desselben befinden, zugeführt. Die Thiere hin - gegen haben, wie sich Boerhaave ausdrückte, gleichsam ihre Wurzeln innerhalb ihres Körpers, nähmlich im Magen und Darmcanal, wo der nahrhafte Theil der Alimente durch unzählige Gefäschen, fast wie bey den Pflanzen durch Wurzeln, eingesogen und den Theilen des Kör - pers zugeführt wird.
Der brauchbare Theil der Nahrungsmittel wird durch einen bewunderungswürdigen Proceß dem Stoff der organisirten Körper assimilirt; der überflüssige hingegen ausgedunstet; und bey den Thieren, die keinen so einfachen Nahrungssaft wie die Pflanzen zu sich nehmen, auch durch andre Wege als Unrath ausgeworfen.
Das Wachsthum der organisirten Körper ist die Folge ihrer Ernährung. Die mehresten erreichen früh die bestimmte Größe ihres Kör - pers. Von manchen Bäumen aber, wie z. B. von der Arekpalme (Areca oleracea), dem Baobab (Adansonia digitata) ꝛc. auch von einigen andern Gewächsen, z. B. vom Rotang (Calamus rotang) und so auch von manchen28 Thieren, wie z. B. von vielen Gattungen der Bandwürmer und selbst von den Crocodilen und großen Wasserschlangen läßt sich schwerlich sagen, ob und wann in ihrem leben sie aufhören an Länge oder Dicke zuzunehmen.
Zum Wachsthum der organisirten Körper gehört auch ihre Reproductions-Kraft, oder die merkwürdige Eigenschaft, daß sich verstüm - melte oder völlig verlorne Theile ihres Körpers von selbst wieder ergänzen. Sie gehört zu den weisesten Einrichtungen in der Natur, und sichert die Thiere und die Pflanzen bey tausend Gefah - ren, wo ihr Körper verletzt wird: sie ist folglich auch, nebst der Ernährung überhaupt, einer der größten Vorzüge, wodurch die Maschinen aus der Hand des Schöpfers bey weitem über die größten Kunstwerke der Menschen erhoben wer - den, als welchen ihre Verfertiger keine Kraft mittheilen können, ihre Triebfedern und Räder, wenn sie verbogen, verstümmelt und abgenutzt würden, von selbst wieder herzustellen: eine Kraft, die hingegen der Schöpfer jedem Thier und jeder Pflanze – nur in verschiedenem Maße – beygelegt hat.
Viele organisirte Körper verlieren, zu be - stimmten Zeiten, gewisse Theile ihres Körpers von freyen Stücken, die ihnen nachher wieder reproducirt werden; wohin das Abwerfen der29 Geweihe, das Mausern der Vögel, die Häu - tung der Schlangen, der Raupen, das Schälen der Krebse, das Entblättern der Gewächse u. s. w. gehört. Man könnte dieß die gewöhnliche Re - production nennen.
Die andre hingegen ist die außerordent - liche, von der hier eigentlich die Rede ist, da nähmlich dem organisirten Körper, zumahl den Thieren, Wunden, Beinbrüche ꝛc. geheilt, oder gar durch Unfall verstümmelte und verlorne Theile wieder ersetzt werden. Der Mensch und die ihm zurächst verwandten Thiere besitzen eine freylich. sehr eingeschränkte Reproductionskraft: die hingegen bey vielen kaltblütigen Thieren, be - sonders bey den Wasser-Molchen, Krebsen, Land - Schnecken, Regenwürmern, See-Anemonen, See-Sternen, Arm. Polypen ꝛc. von einer aus - nehmenden Stärke und Vollkommenheit ist.
Anm. Manche Reproductionsversuche setzen eine schon in dergleichen Arbeiten geübte Hand und viele voraus, wenn sie gelingen sollen: daher man sich hüten muß, aus dem etwa anfangs mißlungenen Erfolg zu voreilig die ganze Sache bezweifeln zu wollen. So ist es mir nach mehreren fruchtlosen Versuchen erst spät gelungen, daß der ganze Kopf der gemeinen Waldschnecke (helix pomatia) mit seinen vier Hörnern binnen ungefähr 6 Mo - nathen wieder reproducirt ward.
Vor mehreren Jahren habe ich einem Wasser - molch der größern art (lacerta lacustris), den ich nun in Spiritus auf bewahre, fast das ganze Auge exstirpirt; nähmlich alle Säfte auslausen lassen und dann 4 / 5 der ausgeleerten Häute rein ausge - schnitten: – und doch hat sich hinnen zehn Mona -30 ten ein vollkommener neuer Augapfel mit neuer Hornhaut, Augenstern, Crystall-Linse ꝛc. repro - ducirt, der sich bloß dadurch vom andern gesun - den Auge auszeichnet, das er nur erst ungefähr bald so groß ist. (– s. Götting. gel. Anz. 1785 47. St. –)
Wenn die organisirten Körper durch Ernäh - rung und Wachsthum zu ihrer vollen Reife ge - langen, so erhalten sie dann auch das Fortpflan - zungsvermögen (§. 5.), das aber auf eine sehr verschiedene Weise vollzogen wird. Ueberhaupt nähmlich ist entweder schon jedes Individuum für sich im Stande, sein Geschlecht fortzupflanzen; oder aber es müssen sich ihrer zwey mit einan - der paaren oder begatten, wenn sie neue orga - nisirte Körper ihrer Art hervor bringen sollen.
Die mannigfaltigen besondern Verschieden - heiten in diesen beiderley Hauptweisen der Fort - pflanzung lassen sich doch füglich unter folgende vier Arten bringen:
1) Jedes Individuum vermehrt sich auf die ein - fachste Weise, ohne vorher gegangene Befruch - tung: entweder durch Theilung, wie manche Infusions-Thierchen*)J. Ellis in den philos. Transact. vol. LIX. P. I. S. 138 u. f. tab. VI. fig. 1 – 6. und Blumen-Po - lypen**)A. Trembley ebendaselbst. vol. XLIII. N. 474. S. 175 u. f. und vol. XLIL. N. 484. S. 138 u. f.; oder wie bey der Brunnen-Con - ferve so, daß das alte fadenartige Gewächs am einen Ende zu einem dicken Knöpfchen31 anschwillt, das nachher abfällt und wieder zu einem solchen Faden ausgetrieben und umge - bildet wird*)Götting. Magaz. II. Jahrg. I. St. S. 80. tab. II.; oder durch Sprossen wie die Arm Polypen und viele Gewächse u. s. w.
2) Jedes Individuum ist zwar auch im Stande sich fortzupflanzen, hat aber als ein wahrer Zwitter beiderley Geschlechtstheile an seinem Leibe, und muß vorher, wenn es Thier ist, die bey sich habenden weiblichen Eyerchen mit männlichem Samen – und wenn es Pflanze ist, seine weiblichen Samenkörner mit männ - lichem Blumenstaub – begießen und dadurch befruchten, ehe sich ein Junges daraus bilden kann. Dieß ist der Fall bey den mehresten Gewächsen, und im Thierreich, wie es scheint, bey manchen Muscheln.
3) Ebenfalls beide Geschlechter, wie bey den Hermaphroditen der vorigen Classe, in einem Individuo verknüpft; doch daß keines sich selbst zu befruchten im Stande ist, sondern immer ihrer zwey sich zusammen paaren und wechselseitig einander besuchten und befruch - tet werden müssen. Diese sonderbare Ein - richtung findet sich nur bey wenigen Thie - ren; beym Regenwurm, bey manchen Land - Schnecken**)Swammerdam biblia naturae p. 157 tab. VIII. fig. 6. ꝛc.
4) Die beiden Geschlechter in separaten Indi - viduis, von denen das eine die weiblichen32 Theile aber Eyer, das andre den männlichen befruchtenden Saft enthält. So alle roth - blütige und viele andere Thiere, und so auch manche Pflanzen, wie die Weiden, der Hopfen, die mehresten Moose ꝛc.
Einige Thiere dieser Classe geben die Eyer selbst von sich, in welchen sich erst nachher das Junge vollends ausbildet. Dieß sind die eyer - legenden Thiere (ouipara). Bey andern aber wird dieß Ey so lange in der Bärmutter zurück behalten, bis das Junge vollkommen ausgebildet worden, und nun von seinen Hül - sen befreyt zur Welt kommen kann: leben - dig gebärende Thiere (viuipara).
Anm. Wie gering inzwischen der Unterschied zwischen Eyer legen und lebendig gebären sey, erweisen die Beyspiele der Blattläuse und Federbusch-Po - lypen, die sich bald auf die eine, bald auf die an - dre Weise fortpflanzen; und mancher Schlangen, die zwar Eyer legen, in welchen aber das ganz ausgebildete Thier enthalten ist. Gewissermaßen könnte man mit diesem letztern Falle diejenigen Pflan - zen vergleichen, in deren reifen Samenkörnern ein grüner Pflanzenkeim eingeschlossen liegt, wie z. B. bey den sogenannten ägyptischen Bohnen von der Nymphaea nelumba.
Nachdem die organisirten Körper die Bestim - mungen ihres Lebens erfüllt haben, so weicht endlich alle Lebenskraft von ihnen, und sie ster - ben. Die wenigsten aber erreichen das Ziel,33 das ihnen die Natur zum Laufe ihres Lebens vor - gesteckt hat, sondern tausenderley Zufälle verkürzen ihnen diesen Weg, meist lange vor der bestimm - ten Zeit. So rechnet man z. B., daß von 1000 gebornen Menschen nur ungefähr 78 für Alter sterben; und von den großen furchtbaren Wasser - thieren, Crocodilen, Wasserschlangen ꝛc. erreicht vielleicht nicht das tausendste sein gesetztes Alter und Größe. Nach dem Tode der Thiere und Wanzen wird ihr Körper durch die chemische Zersetzung seiner Urstoffe allmählich aufgelöset, mithin ihr Organismus zerstört, und ihre Asche endlich mit der übrigen Erde vermengt, die ihnen vorher Nahrung und Aufenthalt gegeben hatte.
So endlos mannigfaltig die Bildung und der Bau der Thiere ist, so scheinen sie doch sämmt - lich (oder höchstens bis auf wenige Ausnahmen mancher so genannten Infusionstierchen ꝛc. ) den Mund (§. 3.) mit einander gemein zu haben, durch welchen sie dem Körper seine Nahrung zu - führen: und statt daß die Pflanzen ihren sehr einfachen Nahrungssaft aus Luft, Wasser und Erde einsaugen, so ist hingegen der Thiere ihr Futter äußerst mannigfaltig, und wird beynahe ohne Ausnahme aus den organisirten Reichen selbst entlehnt; und sie müssen es, durch die pein - lichen Gefühle des Hungers getrieben, mittelst willkürlicher Bewegung zu sich nehmen, um dadurch ihre Selbsterhallung zu bewirken.
Bey den insgemein so genannten vollkomm - neren Thieren wird der abgesonderte Nahrungs - saft zuvor mit dem Blute, das in seinen Adern circulirt, vermischt, und von da erst in die übri - gen Bestandtheile des Körpers abgesetzt. Die - ses eigentlich so genannte Blut ist von rother35 Farbe, aber in Rücksicht seiner Wärme bey den verschiednen Classen dieser rothblütigen Thiere von doppelter Verschiedenheit. Bey den einen (nähmlich bey den Amphibien und Fischen) hält es meist ungefähr die Temperatur des Mediums, in welchem sie sich befinden, daher sie kaltblütig genannt werden. Bey den andern aber, die deß - halb warmblütig heissen (den Säugethieren und Vögeln), zeigt es in ihrem vollkommen belebten Zustande immer eine Wärme von unges. 100 Gr. Fahrenh. mehr oder weniger. Der Saft hin - gegen, welcher bey den so genannten weißblüti - gen Thielen (nähmlich bey den Insecten und Gewürmen) die Stelle des Bluts vertritt, un - terscheidet sich besonders durch den Mangel der rothen Kügelchen, von jenem eigentlich so genann - ten Blute.
Das Blut der Thiere mag nun aber weiß oder roth, kalt oder warm seyn, so muß es im gesunden Zustande immer mit frischen Portionen eines zum leben nothwendigen Stoffes (– des so genannten Sauerstoffs oder Oxygens –) aus der atmosphärischen Luft oder aus dem Wasser geschwängert werden, wogegen es gleiche Por - tionen eines andern Stoffes (– des Kohlenstoffes oder Carbones –) aus dem Körper wiederum fortschafft. Zu diesem merkwürdigen lebens - wierigen Proceß in dem belebten thierischen Labo - ratorium dient vorzüglichst das Athemholen;36 welches die rothblütigen Thiere entweder durch Lungen, oder wie die Fische durch Kiefern; die weißblütigen aber mittelst mancherley anderer analogen Organe verrichten.
Nur diejenigen Thiere die mit jungen ver - sehen sind können auch Stimme (vox) von sich geben. Der Mensch hat sich außer der ihm an - gebornen Stimme auch noch die Rede (loquela), erfunden.
Die Organe, wodurch die willkürlichen Be - wegungen unmittelbar vollzogen werden, sind die Muskeln, die bey den rothblütigen Thieren das eigentlich so genannte Fleisch ausmachen. Nur bey einigen ganz einfach gebauten Thieren, wie die Polypen, sind diese Bewegungs-Organe von dem übrigen gallertigen Stoffe nicht zu un - terscheiden.
Außerdem finden sich aber auch einige wenige Muskeln, über welche der Wille nichts vermag. So z B. das Herz, als welches lebenslang un - aufhörlich (– beym Menschen ungefähe 4500 Mahl in jeder Stunde –) und zwar ohne wie andere Muskeln zu ermüden, oder endlich zu schmerzen, als Haupttriebfeder des Blutumlaufs, in seiner schlagenden Bewegung ist.
Beide Arten von Muskeln aber, bis un - willkürlichen sowohl als die, so sich nach dem Entschlusse des Willens bewegen, bedürfen zu diesem ihren Bewegungsvermögen des Einflusses der Nerven.
Diese Nerven entspringen aus dem Gehirn und aus dem Rückenmark, und es scheint, daß die Größe der beiden letztern in Vergleichung zur Dicke der daraus entstehenden Nerven mit den Geisteskräften der Thiere im umgekehrten Verhältniß siehe*)Diese scharfsinnige Bemerkung gehört dem Hrn. Hofr. Sömmerring. s. Dess. Diss. de basi encephali p. 17., so daß der Mensch von allen das größte Gehirn, in Vergleichung seiner sehr dünnen Nerven, hat; da hingegen einfältige Thiere, wie z. B. die hieländischen Amphibien, dicke Nerven bey einem sehr kleinen Gehirne haben.
Außer dem Einfluß, den die Nerven auf die Muskelbewegung haben, ist ihr zweytes Ge - schäft, auch der Seele die äußern Eindrücke auf den thierischen Körper, durch die Sinne mit - zutheilen. Die Beschaffenheit der Sinnwerk - zeuge ist aber in den verschiednen Thier-Classen selbst sehr verschieden. So erhalten z. B. viele Thiere offenbar allerhand sinnliche Eindrücke, ohne daß wir doch die Sinnwerkzeuge an ihnen38 entdecken können, die bey andern zu solchen Ein - drücken nothwendig sind. Die Schmeißfliege z. B. und viele andere Insecten haben Geruch, ob wir gleich keine Nase an ihnen wahrnehmen u. dergl. m.
Anm. Manche haben die Zahl der fünf Sinne über - haupt auf wenigere einschränken, andere hingegen dieselbe mit neuen vermehren wollen. Vanini z. B. und viele nach ihm hielten das Gefühl bey Be - friedigung des Sexual Triebes für einen sechsten Sinn. Jul. Cäs. Scaliger das Gefühl beym Kitzeln unter den Achseln für einen 7ten. So hält 8tens Hr. Spallanzani das Gefühl, wodurch sich die Fledermäuse bey ihrem Flattern im Finstern für den Anstoß sichern; so wie 9tens Hr. Darwin das Gefühl für Wärme und Kälte für besondre Sinne.
Durch den anhaltenden Gebrauch werden Nerven und Muskeln ermüdet, und sie brauchen von Zeit zu Zeit Ruhe zur Sammlung neuer Kräfte, die ihnen der Schlaf gewährt. Dem Menschen und den mehresten von Gewächsen le - benden Thieren ist die Nacht zu dieser Erhohlung angewiesen; viele Raubthiere aber, wohin zumal die mehresten Fische gehören, auch manche In - secten und Gewürme, halten sich am Tage ver - borgen und gehen des Nachts ihren Geschäften nach, weshalb sie animalia nocturna genannt werden.
Außer diesem Erhohlungsschlaf findet sich in der Oeconomie vieler Thiere noch die sehr be - queme Einrichtung, daß sie einen beträchtlichen39 Theil des Jahrs, und zwar gerade die rauhesten Monate, da es ihnen schwer werden würde, für ihre Erhaltung zu sorgen*)„ Ergo in hiemes aliis prouisum pabulum, aliis pro cibo somnus.”Plinivs. , in einem tiefen Winterschlaf zubringen. Sie verkriechen sich, wenn diese Zeit kommt an sichere, schaurige Orte; und fallen mit einbrechender Kälte in eine Art von Erstarrung, aus der sie erst durch die er - wärmende Frühlingssonne wieder erweckt werden. Diese Erstarrung ist so stark, daß die warm - blütigen Thiere während dieses Todtenschlafs nur unmerkliche Wärme übrig behalten (– s. oben S. 7. –), und daß die Puppen vieler In - secten, die zu gleicher Zeit ihre Verwandlung bestehen, im Winter oft so durchfroren sind, daß sie, dem Leben des darin schlafenden Thieres unbeschadet, wie Eiszapfen oder Glas klingen, wenn man sie auf die Erde fallen läßt.
So viel bekannt, hält doch kein einziger Vogel, hingegen die mehresten Amphibien, Win - terschlaf.
Von den Seelenfähigkeiten sind manche dem Menschen mit den mehresten übrigen Thie - ren gemein, wie z. B. die Vorstellungskraft, die Aufmerksamkeit, und so auch die beiden so - genannten innern Sinne, Gedächtniß nähm - lich und Einbildungskraft.
Andre sind fast bloß den übrigen Thieren eigen, so daß sich beym Menschen nur wenige Spuren davon finden, nähmlich die so genannten Naturtriebe oder Instincte. Dagegen er hin - wiederum im ausschließlichen Besitz der Ver - nunft ist.
Der Instinct*)Herm. Sam. Reimarus Betr. über die Triebe der Thiere. 4te Ausg. Hamb. 1798. 8. ist das Vermögen der Thiere, aus einem angebornen, unwillkürlichen, inne - ren Drange, ohne allen Unterricht, von freyen Stücken, sich zweckmäßigen, und zu ihrer und ihres Geschlechts Erhaltung abzielenden Hand - lungen zu unterziehen.
Daß diese wichtigen Handlungen wirklich ganz unüberlegt bloß maschinenmäßig vollzogen werden, wird durch zahlreiche Bemerkungen er - weislich, wie z. B., daß die Hamster auch todten Vögeln doch zuerst die Flügel zerbrechen, ehe sie weiter anbeissen; daß junge Zugvögel, die man ganz einsam im Zimmer erzogen hat, doch im Herbst den innern Ruf zum Fortzie - hen fühlen, und im Käfich bey allem guten Futter und Pflege unruhig werden.
Unter den mancherley Arten dieser thierischen Triebe sind besonders die so genannten Kunst -41 triebe merkwürdig, da sich nähmlich so viele warmblütige Thiere und Insecten ohne alle An - weisung und ohne alle vorgängige Uebung*)„ Nascitur ars ista, non discitur.”Seneca. , (als welche bey so vielen gar nicht Statt finden kann; wie z. B. bey den Raupen, die nur Ein für alle Mahl in ihrem Leben davon Gebrauch machen können, und wo folglich schlechterdings erster Versuch und Meisterstück eins seyn muß), so un - gemein künstliche Wohnungen, Nester, Ge - webe ꝛc. zu ihrem Aufenthalte, zur Sicherheit für ihre Junge, zum Fang ihres Raubes, und zu vielfachen andern Zwecken zu verfertigen wissen.
Der Mensch zeigt außer den Sexualtrieben wenig andere Spuren von Instinct: angeborne Kunsttriebe aber hat er vollends ganz und gar nicht. Was ihn hingegen für diesen schein - baren Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft.
Diese mag nun entweder eine ausschließlich eigenthümliche Fähigkeit der menschlichen Seele, oder aber ein unendlich stärkerer Grad einer Fä - higkeit seyn, wovon manche Thiere auch einige schwache Spur hätten; oder eine eigne Richtung der gesammten menschlichen Seelenkräfte u. s. w. so liegt wenigstens der gedachte auszeichnende Vorzug, den der Mensch durch den Besitz der - selben erhält, unwiderredlich am Tage.
42Denn da ihm die ganze bewohnbare Erde zum Aufenthalt offen steht, und fast die ganze organisirte Schöpfung zur Speise überlassen ist, so erzeugt freylich eben die große Verschieden - heit der Climate, die er bewohnen soll, und der Nahrung, die ihm der Ort seines Aufenthalts gestattet, eben so verschiedene Bedürfnisse, die er durch keinen einförmigen Kunsttrieb, aber wohl durch den Gebrauch seiner sich nach den Um - ständen gleichsam accommodirenden Vernunft auf eben so mannigfaltige Weise zu stillen vermag.
Wie unendlich aber der Mensch schon durch diesen einzigen Vorzug über die ganze übrige thierische Schöpfung erhoben werde, beweiset die unbeschränkte Herrschaft, womit er über alle Triebe und über die Lebensart, Haushaltung ꝛc. mit einem Worte, über das ganze Naturell dieser seiner Mitgeschöpfe nach Willkür disponiren, die furchtbarsten Thiere zähmen, ihre heftigsten Triebe dämpfen, sie zu den kunstreichsten Hand - lungen abrichten kann u. s. w.
Anm. Um sich überhaupt zu überzeugen, wie sehr der cultivirte Mensch Herr der übrigen Schöpfung auf dieser Erde ist, braucht man sich bloß an die Um - schaffung zu erinnern, die er seit Entdeckung der neuen Welt mit ihr und der alten wechselseitig vor - genommen hat! Was für Gewächse und Thiere er aus dieser in jene übergepflanzt hat, wie z. B. Reis, Caffee ꝛc., Pferde, Rindvieh ꝛc. und was er v. v. von dorther nun wieder in seinem Welttheil ein - heimisch gemacht, wie z. B. Cartoffeln, Tabak, wälsche Hüner u. s. w.
Am auffallendsten erweist sich die allein auf den Vorzug der Vernunft beruhende Herrschaft des Menschen über die übrige thierische Schöpfung durch die so genannten Hausthiere; worunter man in engerer Bedeutung diejenigen warmblü - tigen Thiere versteht, so der Mensch zu Befrie - digung wichtiger Bedürfnisse und überhaupt zu beträchtlicher Benutzung absichtlich ihrer Freyheit entzogen und sich unterjocht hat. Im weitern Sinne kann man aber auch die Bienen und Seidenwürmer, so wie die Coschenill-Insecten dahin rechnen.
Anm. 1. Unter jenen Hausthieren im engern Sinn ist eine dreifache Verschiedenheit zu bemerken. Von manchen nämlich bat der Mensch die ganze Gattung ihrem freyen Naturzustande entzogen, und sich un - terwürfig gemacht, wie z. B. das Pferd. Von andern, die er sich zwar auch ins Haus zieht, exi - stirt doch aber noch die ursprünglich wilde Stamm - rasse wie vom Rindvieh, Schwein, Katze, Ren - thier, den beiderley Cameelen der alten Welt, und dem so genannten Meiergeflügel. Der Elephant endlich pflanzt sich gar nicht in der Gefangenschaft fort, sondern jeder, der zum Dienst des Men - schen gebraucht werden soll, muß erst aus der Wild - heit eingefangen, gezähmt und abgerichtet werden.
Anm. 2. Die eigentlich so genannten Hausthiere varii - ren zwar häufig in der Farbe; und manche der darunter gehörigen Säugethiere zeichnen sich auch durch einen hängenden Schwanz und schlappe Ohren aus, aber keins von beiden ist ein beständi - ges Kennzeichen der Unterjochung. (– Ueber die Hausthiere s. mit mehrern den gothaischen Hof - Kalender vom Jahre 1796. –)
Das ganze Thierreich läßt sich füglich nach dem Linnéischen System unter folgende sechs Classen bringen:
I. Cl. Säugethiere (mammalia), Thiere mit warmen rothen Blut, die ihre Junge le - bendig zur Welt bringen, und sie dann einige Zeit lang mit Milch an Brüsten säugen.
II. Cl. Vögel, Thiere mit warmen rothen Blut, die aber Eyer legen, und Federn haben.
III. Cl. Amphibien, Thiere mit kaltem rothen Blut, die durch Lungen Athem hohlen.
IV. Cl. Fische, Thiere mit kaltem rothen Blut, die durch Kiefern, und nicht durch Lungen, athmen.
V. Cl. Insecten, Thiere mit kaltem weißen Blut, die Fühlhörner (antennas) am Kopf, und eingelenkte (hornartige) Be - wegungswerkzeuge haben.
VI. Cl. Gewürme (vermes), Thiere mit kaltem weißen Blut, die keine Fühlhör - ner, sondern meist Fühlfäden (tentacula) und meines Wissens nie eingelenkte Be - wegungswerkzeuge haben*)Dieser von der Beschaffenheit der Bewegungswerk - zeuge hergenommene Character dünkt mich minder unbestimmt, als die, wodurch man bisher Insec - ten und Gewürme von einander zu unterscheiden gesucht hat..
auch unter dem Titel
und Dess. großes Kupferwerk unter gleichem Titel ib. seit 1763. gr. Fol.
Die Säugethiere haben das warme rothe Blut mit den Vögeln gemein; aber sie gebären leben - dige Junge: und ihr Hauptcharakter, der sie von allen übrigen Thieren unterscheidet, und von dem auch die Benennung der ganzen Classe ent - lehnt ist, sind die Brüste, wodurch die Weibchen ihre Junge mit Milch ernähren. Die Anzahl und Lage der Brüste ist verschieden. Meist sind ihrer noch Ein Mahl so viel, als die Mutter gewöhnlicher Weise Junge zur Welt bringt; und sie sitzen entweder an der Brust, oder am Bauche, oder zwischen den Hinterbeinen.
Der Körper der allermehresten [wo nicht aller*)Denn selbst die Haut des Wallfisches ist hin und wieder, an den Lippen ꝛc. dünn behaart, auch hat er Augenwimpern ꝛc.] Säugethiere ist mit Haaren von sehr verschiedener Stärke, Länge und Farbe[ besetzt]; die auch bey einigen als Wolle gekräuselt, oder als Borsten straff und struppig sind, oder gar wie beym Igel ꝛc. steife Stacheln bilden. Bey47 manchen sind die Haare an besondern Stel - len als Mähne oder Bart verlängert; und bey einigen, wie bey den Pferden, Hunden ꝛc. stehen sie an bestimmten Stellen in entgegen gesetz - ter Richtung an einander und machen so genannte Näthe (suturas). Bey manchen, wie z. B. bey den Seehunden ꝛc. ändert sich die Farbe mit dem Alter. Auch sind manche durch die Kälte (§. 16.) bey uns im strengen Winter, im Norden aber Jahr aus Jahr ein, entweder grau, wie das Eichhörnchen (Grauwerk), oder schneeweiß, wie das große Wiesel (Hermelin) ꝛc. Wenn hinge - gen diese weiße Farbe zugleich mit lichtscheuen Augen und rothen Pupillen verbunden ist, wie bey den so genannten Kackerlacken im Menschen - geschlecht und unter manchen anderen Gattungen von warmblütigen Thieren, so ist es die Folge einer wirklich kränklichen Schwäche.
Der Aufenthalt der Säugethiere ist sehr ver - schieden. Die mehresten leben auf der Erde; manche wie die Affen, Eichhörnchen ꝛc., fast bloß auf Bäumen; einige, wie der Maulwurf, als ei - gentliche animalia subterranea unter der Erde; andere bald auf dem Lande bald im Wasser, wie die Bieber, Seebären; und noch andere endlich bloß im Wasser, wie die Wallfische. – Hiernach sind nun auch ihre Füße oder ähnliche Bewe - gungswerkzeuge verschieden. Die mehresten48 haben vier Füße; der Mensch nur zweye, aber auch zwey Hände; die Affen hingegen haben vier Hände. Die Finger und Zehen derjenigen Säugethiere, die im Wasser und auf dem Lande zugleich leben, sind durch eine Schwimmhaut verbunden. Bey den Fledermäusen sind die an den Vorderfüßen ungemein lang und dünne; und zwischen ihnen ist eine zarte Haut ausgespannt, die zum Flattern dient. Die Füße mancher Seethiere aus dieser Classe sind zum Rudern eingerichtet, und bey den Wallfischen ähneln sie gar einigermaßen den Flossen der Fische; doch daß die Hinterflossen ohne Knochen sind, und horizontal, nicht wie ein Fischschwanz vertical, liegen. Einige wenige Säugethiere (solidun - gula) haben Hufe; viele aber (bisulca) gespal - tene Klauen. Die mehresten gehen (zumahl mit den Hinterfüßen) bloß auf den Zehen; einige aber, wie der Mensch, und gewisser Maßen auch die Affen, Bären, Elephanten u. a.m. auf der ganzen Fußsohle bis zur Ferse.
Die mehresten Ameisenbären, die Schup - penthiere und einige Wallfische ausgenommen, sind die übrigen Säugethiere mit Zähnen versehen, die man in Schneidezähne*)Bey den mehresten sitzen die obern Schneidezähne in einem besondern (– einfachen oder gepaarten –) Knochen, der das intermaxillare genannt wird;49 von dessen merkwürdigen Besonderheiten ich in der 3ten Ausg. der Schrift de generi humani varietate natiua, 795. 8. S. 34. u. f. ausführlich gehan - delt habe. (incisores s. primores), Spitzzähne oder Eckzähne (caninos s. laniaros), und Backenzähne (molares), ab - theilt. Die letztern zumahl sind nach der ver - schiednen Nahrung dieser Thiere auch verschie - dentlich gebildet. Bey den fleischfressenden nähm - lich ist die Krone zackig und scharf; bey den grasfressenden oben breit und eingefurcht; und bey denen, die sich, so wie der Mensch, aus beiden organisirten Reichen nähren, in der Mitte eingedruckt, und an den Ecken abgerundet.
Manche Säugethiere, wie z. B. der Ele - phant und der Narwhal haben große promini - rende Stoßzähne (dentes exserti); andre, wie z. B. das Wallroß, Hauzähne ꝛc.
Bloß unter den Säugethieren, und zwar nur unter den grasfressenden, gibt es wirklich wiederkauende Gattungen, bey welchen nähm - lich das zuerst bloß flüchtig zerbissene und ge - schluckte Futter bissenweise wieder durch den Schlund zurück getrieben, und nun erst recht durchkaut und dann zum zweyten Mahl ge - schluckt wird.
Zu diesem Zweck haben die wiederkauenden Thiere eine eigne Einrichtung des Gebisses; indem50 ihre Backenzähne wie mit sägeförmigen Queer - furchen ausgeschnitten sind, und die Kronen der - selben nicht horizontal liegen, sondern schräg - ausgeschlägelt sind, so daß an denen im Ober - kiefer die Außenseite, an denen im untern aber die nach der Zunge hingerichtete innere Seite die höchste ist. Dabey haben sie einen schmalen Unterkiefer, der eine sehr freye Seitenbewegung hat, wodurch denn, wie der Augenschein lehrt, der Mechanismus dieser sonderbaren Verrichtung von dieser Seite bewirkt wird.
Anm. 1. Bey denjenigen ruminantibus, die zugleich gespaltene Klauen haben (pecora), kommt nun außerdem noch der vierfache Magen hinzu, dessen innerer Bau und Mechanismus überaus merkwür - dig ist. Das zum ersten Mahl geschluckte noch bald rohe Futter gelangt nähmlich in den ungeheuern ersten Magen (rumen, magnus venter, franz. le double, l'herbier, la panse, der Pansen, Wanst), als in ein Magazin, worin es nur ein wenig durch - weicht wird. Von da wird eine kleine Portion dieses Futters nach der andern mittelst des zweyten Magens (reticulum, franz. le bonnet, le reseau, die Haube, Mütze, das Garn), der gleichsam nur ein Anhang des ersten ist, aufgefaßt und wieder durch den Schlund hinauf getrieben. Nun wird der wiedergekaute, zum zweyten Mahl geschluckte Bissen durch eine besondere Rinne, ohne wieder durch die beiden ersten Mägen zu passiren, gleich aus dem Schlunde in den dritten (echinus, cen - tipellio, omasus, franz. le feuillet, le pseautier, das Buch, der Psalter, der Blättermagen) gelei - tet, wo er von da endlich zur völligen Verdauung in den vierten (abomasus, franz. la eaillette der Laab, die Ruthe, der Fettmagen) gelangt, der dem Magen andrer Säugethiere am nächsten kommt.
Anm. 2. Der allgemeine, auf alle wiederkauende Thiere überhaupt passende Haupt-Nutzen der Rumination scheint mir noch gänzlich unbekannt. –
Außer den Klauen, Zähnen ꝛc. sind viele Säugethiere auch mit Hörnern als Waffen ver - sehen. Bey einigen Gattungen, wie beym Hirsch, Reh ꝛc. sind die Weibchen ungehörnt; bey andern, wie beym Renthier und im Ziegengeschlecht, sind ihre Hörner doch kleiner als der Männchen ihre. Anzahl, Form und Lage, besonders aber die Tex - tur der Hörner, ist sehr verschieden. Beym Ochsen - Ziegen - und Gazellengeschlecht sind sie hohl, und sitzen wie eine Scheide über einem knöchernen Zapfen oder Fortsatz des Stirnbeins. Die Hör - ner der beiderley Rhinocer sind dicht, und bloß mit der Haut auf der Nase verwachsen. Beym Hirschgeschlecht hingegen sind sie zwar ebenfalls solide, aber von mehr knochenartiger Textur, und ästig. Sie heissen dann Geweihe, und werden gewöhnlich alljährlich abgeworfen und neue an ihrer Statt reproducirt.
Die Oeffnung des Afters wird bey den meh - resten Säugethieren durch den Schwanz bedeckt, der eine Fortsetzung des Kuckucksbeins (coccyx), und von mannigfaltiger Bildung und Gebrauch ist. Er dient z. B. manchen Thieren sich der stechenden Insecten zu erwehren; vielen Meer - katzen und einigen andern americanischen und neu holländischen Thieren statt einer Hand, um sich daran halten, oder damit fassen zu können52 (cauda prehensilis, Rollschwanz); den Jaculis zum Springen (cauda saltatoria), dem Kän - guruh zum Gleichgewicht bey seiner aufrechten Stellung und zur Verteidigung ꝛc.
Auch sind am Körper einiger Thiere dieser Classe besondre Beutel von verschiedner Bestim - mung zu merken. So haben viele Affen, Pa - viane, Meerkatzen, auch der Hamster, die Zisel - maus u. a., Backentaschen (thesauri, Fr. salles), um Proviant darin einschleppen zu können. Beym Weibchen der Beutelthiere liegen die Zitzen in einer besondern Tasche am Bauche, worein sich die saugenden Junge verkriechen.
Manche Säugethiere, wie z. B. die mehre - sten größern Grasfressenden, sind gewöhnlich nur mit Einem Jungen auf einmahl trächtig; andre hingen, wie z. B. die Raubthiere, und die Schweine mit mehreren zugleich.
Die Leibesfrucht steht mit der Mutter durch die so genannte Nachgeburt (secundinae) in Ver - bindung, welche aber von verschiedner Gestaltung ist; da sie z. B. im Menschengeschlecht einen ein - fachen größeren Mutterkuchen (placenta) bildet, hingegen bey den wiederkauenden Thieren mit ge - spaltnen Klauen (pecora) in mehrere, theils sehr zahlreiche, zerstreute kleine solche Verbindungsor - gane (cotyledones) vertheilt ist u. s. w.
Die Wichtigkeit der Thiere überhaupt läßt sich hauptsächlich aus einem zweyfachen Gesichts - puncte bestimmen; entweder nähmlich, in so fern sie auf die Haushaltung der Natur im Großen, auf den ganzen Gang der Schöpfung Einfluß haben; oder in so fern sie dem Menschen unmit - telbar nutzbar werden. Aus jener Rücksicht sind, wie wir unten sehen werden, die Insecten und Gewürme die bey weiten wichtigsten Geschöpfe; aus dieser hingegen die Säugethiere. Die Ver - schiedenheit in ihrer Bildung, ihre große Geleh - rigkeit, ihre Stärke u. s. w. machen sie für den Menschen auf die mannigfaltigste Weise brauch - bar. Aus keiner andern Classe von Thieren hat er sich so treue, dienstfertige und arbeitsame Gehülfen zu schaffen gewußt; keine ist ihm zu seinem unmittelbaren Gebrauch und zu seiner Selbsterhaltung so unentbehrlich als diese. – Ganze Völker des Erdbodens können mit einer einzigen Art von Säugethieren fast alle ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen. So die Grönländer mit dem Seehund; die Lappen, Tungusen ꝛc. mit dem Renthier; die Aleuten mit dem Wallfisch.
Die vielfache Brauchbarkeit der Säugethiere fürs Menschengeschlecht reducirt sich vorzüglich auf folgendes. Zum Reiten, zum Zug, Acker -54 bau, Lasttragen u. s. w.: Pferde, Maulthiere, Esel, Ochsen, Büffel, Renthiere, Elephanten, Camele, Llacmas, Hunde. Zur Jagd zum Bewachen ꝛc. Hunde. Zum Mausen und Ver - tilgen anderer schädlichen Thiere: Katzen, Igel Ameisenbären ꝛc. Zur Speise: das Fleisch vom Rindvieh, Schafen, Ziegen, Schweinen, vom Hirschgeschlecht, von Hasen, Kaninchen, u. s. w. Ferner Speck, Schmalz, Blut, Milch, But - ter, Käse. Zur Kleidung, zu Decken, Zel - ten ꝛc. Pelzwerk, Leder, Haare, Wolle ꝛc. Zum Brennen: Talg, Fischthran, Wallrath. Zum Schreiben, Bücherbinden ꝛc. Pergament, Leder. Für andere Künstler und zu allerhand Gebrauch: Borsten, Haare (zumahl Pferde - Haar), Geweihe Hörner, Klauen, Elfenbein u. a. Zähne, Fischbein, Knochen, Blasen. Sehnen und Knochen zu Tischerleim. Därme zu Sai - ten. Blut zu Farbe. Mist zum Dünger, zur Feuerung, zu Salmiak ꝛc. Endlich zur Arz - ney: Bisam, Bibergeil, Hirschhorn, Milch ꝛc.
Von der andern Seite sind aber freylich mehrere Thiere dieser Classe dem Menschenge - schlecht unmittelbar oder mittelbar nachtheilig. Manche reissende Thiere, besonders aus dem Katzen-Geschlecht, fallen Menschen an. Eben diese und noch manche andere, z. B. die Wiesel, Marder, Iltise, Vielfraße, Fischottern, Wall -55 fische ꝛc. vertilgen viele nutzbare Thiere: – oder schaden den Gewächsen, Bäumen, Gar - tenfrüchten, dem Getreide u. s. w. wie die Feld - mäuse, Hamster, Leming, Hirsche, Hasen, Biber, Affen, Elephanten, Rhinocer, Nil - pferde ꝛc. oder gehen andern Eßwaaren nach; wie Ratten, Mäuse, Fledermäuse, Murmel - thiere u. s. w. Gift scheint kein einziges Thier dieser Classe zu besitzen, außer in der Wuth und Wasserscheue, der zumahl die aus dem Hundege - schlecht ausgesetzt sind.
Man hat verschiedene künstliche, d. h. bloß von einzelnen zum Classificationsgrunde geleg - ten Charactern entlehnte Systeme (systemata artificialia), nach welchen verdiente Naturfor - scher die Säugethiere zu ordnen versucht haben. Aristotelis Eintheilung z. B. ist auf die Verschie - denheit der Zehen und Klauen gegründet, und die haben auch Ray u. a. nach der Hand ange - nommen und weiter bearbeitet. Aber hierbey müssen die verwandtesten und im Ganzen noch so ähnlichen Gattungen von Ameisenbären, Faul - thieren ꝛc. getrennt, und in ganz verschiedene Ordnungen versetzt werden, bloß weil die eine mehr, die andere weniger Zehen hat. Linné hat die Zähne zum Classificationsgrund gewählt, ein Weg, auf dem man aber nicht minder, bald auf die unnatürlichsten Trennungen, bald auf die56 sonderbarsten Verbindungen stößt*)„ Non enim methodicorum scholis se adstringere voluit natura – systemata artificialia nostra flocci faciens”. Pallas. . Das Geschlecht der der Fledermäuse muß nach des Ritters Entwurf, wegen des verschiedenen Gebisses bey einigen Gattungen, wenigstens in drey verschiedene Ordnungen zerstückt werden; so die beiderley Nashörner in zwey; – so die verschiedenen Gat - tungen des Schweinegeschlechts ebenfalls in zwey verschiedene Ordnungen ꝛc. Dagegen kommt der Elephant mit den Panzerthieren, und den formo - sanischen Teufelchen in eine gemeinschaftliche Ordnung ꝛc.
Ich habe daher, mit Beybehaltung einiger lin - néischen Ordnungen, ein im Ganzen natürlicheres System der Säugethiere zu entwerfen getrachtet, wobey ich nicht auf einzelne abstrahirte, sondern auf alle äußere Merkmahle zugleich, auf den ganzen Habitus der Thiere gesehn habe**)Die Benennungen einiger dieser Ordnungen sind zwar von einem einzelnen Character entlehnt, wenn er gerade vorzüglich in die Augen fallend, und daher fürs Gedächtniß leicht faßlich war; nicht aber, als ob die darunter begriffenen Thiere bloß dieses einzelnen Characters wegen zusammen gestellt worden. So heißt z. B. die IIte Ordnung Qua - drumana, nicht deßhalb, als ob dieser Character den darunter begriffenen Thieren ausschließlich eigen sey (denn einige Beutelthiere haben auch fast Hände ähnliche Pfoten); sondern weil dieser Cha -57 racter der Affen und affenartigen (im ganzen Ha - bitus untereinander übereinkommenden) Thiere besonders auffallend ist, und mit dem Character des Menschengeschlechts contrastirt.. So sind Thiere die in neunzehn Stücken einander ähnelten, und nur im zwanzigsten differirten, doch zusammen geordnet worden, dieses zwanzigste mochten nun die Zähne oder die Klauen oder irgend ein andrer Theil seyn; und so sind denn folgende zehn Ord - nungen dieser ersten Classe entstanden:
I. Ordn. Bimanus. Der Mensch mit zwey Händen.
II. Quadrumana. Thiere mit vier Händen. Affen, Paviane, Meerkatzen und Makis.
III. Bradypoda. Säugethiere, deren gan - zer Körperbau auf den ersten Blick Träg - heit und Langsamkeit verräth. Faulthiere, Ameisenbären u. dergl.
IV. Chiroptera. Die Säugethiere, deren Vorderfüße Flatterhäute bilden (§. 43). Die Fledermäuse.
V. Glires. Die nagenden Säugethiere. Sie nähren sich bis auf sehr wenige Aus - nahmen (– und im ganz wilden Zustande vermuthlich alle –) von Vegetabilien, zumahl von härtern, die sie benagen. Dahin gehören Eichhörnchen, Mäuse, Hasen, Biber ꝛc.
58VI. Ferae. Reissende oder doch sonst fleisch - fressende Säugethiere, als wovon nur einige wenige Gattungen ausgenommen sind. Bären, Hunde, Katzen, Marder, Ottern und mehr andere.
VII. Solidungula. Pferd ꝛc.
VIII. Pecora. Die wiederkauenden Thiere mit gespaltnen Klauen.
IX. Belluae. Meist sehr große, oder un - förmliche, borstige oder dünn behaarte Säugethiere. Schwein, Elephant, Nas - horn, Nilpferd u. dergl.
Der Manate macht von hier den schick - lichsten Uebergang zur
Xten O. Cetacea. Wallfische, warmblütige Thiere, die mit den kaltblütigen Fischen fast nichts als den unschicklichen Nahmen gemein haben, und deren natürliche Ver - bindung mit den übrigen Säugethieren schon Ray vollkommen richtig einge - sehen hat*)„ Cetacea quadrupedum modo pulmonibus respi - rant, coëunt, viuos foetus pariunt, eosdemque lacte alunt, partium denique omnium internarum structura et vsu cum iis conneniunt.”Raius. .
1. Geschl. Homo. Erectus, bimanus. Mento prominulo. Dentibus aequaliter appro - ximatis; incisoribus inferioribus erectis.
1. Gatt. sapiens. Zu den äußern Kennzeichen, wo - durch der Mensch selbst vom menschenähnlichsten Affen, geschweige von den übrigen Thieren zu unterscheiden ist, gehört vorzüglich sein aufrech - ter Gang (als wozu sein ganzer Wuchs und Bildung besonders aber seine beckenähnlichen Hüft - knochen, das Verhältniß seiner Schenkel zu den Armen und seine breiten Fußsohlen, eingerichtet sind), dann der freyeste Gebrauch zweyer voll - kommnen Hände; ferner sein prominirendes Kinn und die aufrechte Stellung seiner un - tern Schneidezähne.
Das weibliche Geschlecht hat noch ein paar eigenthümliche Charaktere, die dem männlichen und allen übrigen Thieren abgehen, nähmlich einen periodischen Blutverlust in einer bestimmten Reihe von Lebensjahren; und dann einen beson - dern Theil an den Sexual-Organen, dessen Man - gel oder Zerstörung als ein körperliches Kenn - zeichen der verletzten jungfräulichen Integrität anzusehen ist.
Was aber die Seelenfähigkeiten des Menschen betrifft, so hat er außer dem Begattungstriebe wenig Spuren von Instinct (§. 34. u. f.), Kunst - triebe aber (§. 36.) schlechterdings gar nicht. Dagegen ist er ausschließlich im Besitz der Ver - nunft (§. 37.), und der dadurch von ihm selbst erfundenen Rede oder Sprache (loquela), die nicht mit der bloß thierischen Stimme (vox) ver -61 wechselt werden darf (§. 25.), als welche auch den ganz jungen und selbst den stummgebornen Kin - dern zukommt.
Der Mensch ist für sich ein wehrloses, hülfs - bedürftiges Geschöpf. Kein andres Thier außer ihm bleibt so lange Kind, keins kriegt so sehr späth erst sein Gebiß, lernt so sehr späht erst auf seinen Füßen stehen, keins wird so sehr späth mann - bar u. s. w. Selbst eine großen Vorzüge, Ver - nunft und Sprache, sind nur Keime, die sich nicht von selbst, sondern erst durch fremde Hülfe, durch Cultur und Erziehung entwickeln können; daher denn bey dieser Hülfsbedürftigkeit und bey diesen zahllosen dringenden Bedürfnissen die allgemeine natürliche Bestimmung des Menschen zur gesell - schaftlichen Verbindung. Nicht ganz so allge - mein läßt sich hingegen vor der Hand noch ent - scheiden, ob in allen Welttheilen die Proportion in der Anzahl der gebornen Knäbchen und Mädchen, und die Dauer der Zeit und der Fortpflanzungsfähig - keit bey beiden Geschlechtern so gleich sey, daß der Mensch überall so wie in Europa zur Monoga - mie bestimmt sey.
Sein Aufenthalt und seine Nahrung sind beide unbeschränkt; er bewohnt die ganze bewohn - bare Erde, und nährt sich beynahe aus der ganzen organisirten Schöpfung. Und in Verhältniß zu seiner mäßigen körperlichen Größe, und in Ver - gleich mit andern Säugethieren erreicht er ein ausnehmend hohes Alter.
Es giebt nur eine Gattung (species) im Men - schengeschlecht; und alle und bekannten Völker aller Zeiten und aller Himmelsstriche können von einer62 gemeinschaftlichen Stammrasse abstammen*)Ich habe dieß in der 3ten Ausgabe der Schrift de generis humani varietate nativa weiter aus - geführt.. Alle National-Verschiedenheiten in Bildung und Farbe des menschlichen Körpers sind um nichts auf - fallender oder unbegreiflicher als die, worin so viele andere Gattungen von organisirten Körpern, zumahl unter den Hausthieren, gleichsam unter unseren Augen ausarten. Alle diese Verschieden - heiten fließen aber durch so mancherley Abstufun - gen und Uebergänge so unvermerkt zusammen, daß sich daher auch keine andre, als sehr willkürliche Grenzen zwischen ihnen festsetzen lassen. Doch habe ich das ganze Menschengeschlecht noch am füglichsten unter folgende fünf Rassen zu bringen geglaubt:
1) Die caucasische Rasse:
Abbild. n. h. Gegenst. tab. 3.
von weißer Farbe mit rothen Wangen, langem weichem, nußbraunem Haar (das aber einerseits ins Blonde, anderseits ins Dunkelbraune über - gebt); und der nach den europäischen Begriffen von Schönheit musterhaftesten Schedel - und Gesichts-Form. Es gehören dahin die Euro - päer mit Ausnahme der Lappen und übrigen Finnen; dann die westlichern Asiaten, dies - seits des Obi, des caspischen Meers und des Ganges; nebst den Nordafricanern; – also ungefähr die Bewohner der den alten Griechen und Römern bekannten Welt.
2) Die mongolische Rasse:
Abbild. n. h. Gegenst. tab. I.
meist waizengelb (theils wie gekochte Quitten, oder wie getrocknete Citronschaalen); mit we - nigem, straffem, schwarzem Haar; enggeschlitz -63 ten Augenliedern; plattem Gesicht; und seit - wärts eminirenden Backenknochen. Diese Rasse begreift die übrigen Asiaten, mit Ausnahme der Malayen; dann die finnischen Völker in Europa (Lappen ꝛc. ), und die Eskimos im nördlichen America von der Beringsstraße bis Labrador.
3) Die äthiopische Rasse:
Abbild. n. h. Gegenst. tab. 5.
mehr oder weniger schwarz; mit schwarzem, krausem Haar; vorwärts prominirenden Kiefern wulstigen Lippen und stumpfer Nase. Dahin die übrigen Afrikaner, nahmentlich die Neger, die sich dann durch die Fulahs in die Mauren ꝛc. verlieren, so wie jede andre Menschen-Varietät mit ihren benachbarten Völkerschaften gleichsam zusammen fließt.
4) Die americanische Rasse:
Abbild. n. h. gegenst. tab. 2.
Lohfarb oder zimmtbraun (theils wie Eisenrost oder angelaufnes Kupfer); mit schlichtem, straf - fem, schwarzem Haar, und breitem aber nicht plattem Gesicht, sondern stark ausgewirkten Zügen. Begreift die übrigen Americaner außer den Eskimos.
5) Die malayische Rasse:
Abbild. n. h. Gegenst. tab. 4.
von brauner Farbe (einerseits bis ins helle Ma - hagony anderseits bis ins dunkelste Nelken - und Castanienbraun); mit dichtem schwarzlockigem Haarwuchs; breiter Nase; großem Munde. Dahin gehören die Südsee-Insulaner oder die Be - wohner des fünften Welttheils und der Maria - nen, Philippinen, Molucken, sundaischen In - seln ꝛc. nebst den eigentlichen Malayen.
64Von diesen fünf Haupt-Rassen muß nach allen physiologischen Gründen die caucasische als die sogenannte Stamm - oder Mittel Rasse an - genommen werden. Die beiden Extreme, worin sie ausgeartet, ist einerseits die mongo - lische, anderseits die äthiopische. Die andern zwey Rassen machen die Uebergänge. Die america - nische den, zwischen der caucasischen und mon - golischen. Die malayische den, zwischen jener Mittel-Rasse und der äthiopischen*)Versteht sich nämlich dieß alles so – das die in den verschiednen Welttheilen verbreiteten Völker - schaften nach der stärkern und längern Einwirkung der verschiednen Climate und anderer obgedachten Ursachen der Degeneration, entweder um desto weiter von der Urgestalt der Mittel