Eine Benennung der tropfbaren Fluͤßigkeiten, ſ. Fluͤßig. In dieſem Sinne nennt man alle Fluida Liquoren, die keinen hohen Grad von Elaſticitaͤt beſitzen, deren Oberflaͤchen alſo in Gefaͤßen einen wagrechten Stand annehmen, z. B. Waſſer, Weingeiſt, Oel, Queckſilber, geſchmolzene Metalle. Vorzuͤglich aber giebt man dieſen Namen ſolchen Subſtanzen, die in hohem Grade fluͤßig ſind, d. i. deren Theile ſich leicht trennen und beym Ausgießen viele und kleine Tropfen bilden; dagegen man zaͤhe Fluͤßigkeiten, z. B. conſiſtente Oele, Syrupe, bey geringer Waͤrme zerlaſſenes Wachs oder Siegellak u. dgl. nicht gern Liquoren nennt.
Locker, ſ. Duͤnn.
Verticale, Vertical, A plomb. In der Geometrie ſagt man, eine Linie oder Ebne ſtehe auf einer ebnen Flaͤche lothrecht, wenn die Winkel, die ſie mit der letztern macht, nach den in der Lehre von der Lage der Ebnen vorgeſchriebnen Beſtimmungen gemeſſen, rechte Winkel ſind. Die Linie, die auf einer Ebne lothrecht ſteht, fuͤhrt den beſondern Namen eines Loths auf dieſe Ebne.
In der Phyſik legt man die oben angegebnen Namen vorzuͤglich denjenigen Linien und ebnen Flaͤchen bey, welche mit der Horizontalebne des Orts, oder, was eben ſo viel iſt, mit der Oberflaͤche des ſtillſtehenden Waſſers daſelbſt, rechte Winkel machen. Die Erfahrung lehrt, daß die Richtung der Schwere, oder des mit Gewicht beſchwerten2 Fadens, des Bleyloths, Senkbleys (à plomb), uͤberall auf der Erdflaͤche, eine ſolche Linie ſey. Da dieſe Linie aufwaͤrts verlaͤngert den Scheitelpunkt am Himmel trift, ſ. Zenith, ſo kommen daher die Namen der Vertikal - oder Scheitellinie, und der Vertikal - oder Scheitelflaͤchen.
Unterwaͤrts verlaͤngert wuͤrden alle Scheitellinien den Mittelpunkt der Erde treffen, wenn dieſe eine vollkommene Kugel waͤre. Da ſie nicht weit von der Kugelgeſtalt abweicht, ſo laͤßt ſich in den meiſten Faͤllen annehmen, daß ſich dies ſo verhalte, ſ. Erdkugel.
Man beſtimmt die lothrechten Linien in der Ausuͤbung durch das Bleyloth, welches jedoch in beſondern Faͤllen, z. B. durch die Naͤhe großer Berge von betraͤchtlichen Maſſen, ein wenig aus der lothrechten Richtung gezogen werden kann, ſ. Gravitation. Man kan dazu uͤberhaupt alle Werkzeuge gebrauchen, welche Horizontallinien angeben, ſ. Waſſerwaͤgen.
So heißt in der Hydrographie oder Schiffahrt eine krumme Linie, welche alle Meridiane der Erdkugel unter einerley Winkel ſchneidet. Eine ſolche Linie nemlich beſchreibt ein Schiff, das immerfort nach einerley Weltgegend ſegelt. Geht z. B. der Lauf des Schiffs ſtets nach Nordoſt, ſo macht er mit allen Meridianen, die er durchſchneidet, einen Winkel von 45°. Nur in den wenigen Faͤllen, da das Schiff unter einerley Meridian ſelbſt oder im Aequator, oder unter einerley Parallelkreiſe fortgehet, wird dieſer Weg ein Kreis: in allen andern Faͤllen, wobey er mit dem Meridian ſchiefe Winkel macht, bildet er eine Curve von eigner Natur, die daher den Namen der loxodromiſchen Linie (Linie des ſchiefen Laufs) erhalten hat.
Dieſe Linie gehoͤrt nicht zu den Curven, welche den Alten bekannt waren. Sie iſt eine logarithmiſche Spirale, welche ſich im Fortgange mit unzaͤhlbaren Windungen um den Pol ſchlingt, ohne ihn jemals zu erreichen. Je groͤßer der Winkel iſt, den die Richtung des Schiffs mit den Meridianen3 macht, deſto groͤßer wird auch der Umfang der Linie, und deſto langſamer die Annaͤherung an den Pol. Jac. Bernoulli (Opp. No. 42; No. 90. §. 50; No. 91.) hat die Rechnung des Unendlichen auf die Beſtimmung der Loxodromien angewendet, und dabey die Erdkugel als vollkommen ſphaͤriſch betrachtet. Die Beſchaffenheit der Loxodromie auf den Sphaͤroid haben unter andern Maclaurin (Treatiſe of Fluxions, §. 896.) und Walz (Act. Erud. Lipſ. Maj. 1741.) unterſucht.
Weil doch bey der Schiffahrt Richtung nach einerley Weltgegend, oder Rhumb, als Regel betrachtet, und auch in der Ausuͤbung ſo lang als moͤglich beybehalten wird, ſo iſt der regelmaͤßige Weg der Schiffe in den meiſten Faͤllen loxodromiſch. Auf ſolchen Karten alſo, die nach den gewoͤhnlichen Projectionen der Landkarten entworfen waͤren (ſ. Landkarten), wuͤrden dieſe Wege des Schiffs krummlinicht ausfallen. Der Seefahrer hingegen wuͤnſcht Karten, auf welchen ihm die gerade Linie von einem Orte zum andern zeigt, welche Richtung er nehmen muͤſſe, um an den Ort ſeiner Beſtimmung zu gelangen, d. h. er wuͤnſcht Karten, auf welchen die Loxodromien geradllnicht ausfallen.
Man ſieht leicht, daß dieſe Abſicht erreicht wird, wenn man die Meridiane als parallele gerade Linien darſtellt. Alsdann wird die Loxodromie, die ſie alle unter gleichen Winkeln ſchneidet, auch eine gerade Linie. Hiebey aber bleiben freylich alle Parallelkreiſe, und ihre Grade, gleich groß, anſtatt daß ſie gegen den Pol zu in dem Verhaͤltniſſe abnehmen ſollten, in welchem der Coſinus der geographiſchen Breite abnimmt, ſ. Parallelkreiſe. Um alſo doch das richtige Verhaͤltniß zwiſchen ihnen und den Graden der Meridiane beyzubehalten, laͤßt man die letztern gegen die Pole zu im umgekehrten Verhaͤltniſſe, d. i. wie die Secante der Breite, wachſen. Anſtatt z. B. daß in der Breite von 60° der Grad des Parallelkreiſes nur halb ſo groß ſeyn ſollte, als der unveraͤnderliche Grad des Mittagskreiſes, wird hier der letztere noch einmal ſo groß abgebildet, als der unveraͤnderliche erſtere. Daher heißen dieſe Karten Seekarten mit wachſenden Graden oder wach -4 ſenden Breiten, auch reducirte, ingleichen Mercators oder Wrights Karten. Gerhard Mercator zu Loͤwen verzeichnete dergleichen zuerſt 1550, Eduard Wright aber (Certain errors in Navigation detected and corrected, 2d. edit. Lond. 1657.) gab ihre Theorie genauer an. Einen kleinen Atlas ſolcher Karten hat man von Brouckner (Nouvel Atlas de marine, compoſé d'une carte generale et de 12 cartes particulières, approuvé par l'Acad. d. Sc. à Berlin, 1749.). Gegen die Pole hin werden freyllch die Grade der Breite erſtaunlich groß, und die Pole ſelbſt finder man gar nicht, weil ſie ins Unendliche hinaus fallen. Wie man dieſe Karten zu Erfindung des Weges auf der See gebrauche, zeigt unter andern Hr. Bode (Kurzgefaßte Erlaͤut. der Sternkunde u. ſ. w. Berl. 1778. 8. Th. II. S. 543 u. f.).
Kaͤſtner Anfangsgr. der mathemat. Geographie, in den Anfangsgr. der angew. Math. 3te Auſl. Goͤtt. 1781. 8. S. 384. u. f.
In ganz eigentlichem Sinne fuͤhrt dieſen Namen diejenige unſichtbare, farbenloſe, durchſichtige, compreſſible, ſchwere und elaſtiſche fluͤßige Materie, welche unſere Erdkugel von allen Seiten her umgiebt, ſ. Gas, atmoſphaͤriſches. Dieſe heißt auch die gemeine Luft, und war ſonſt das einzige permanent elaſtiſche Fluidum, das man aus Erfahrungen kannte. Jetzt aber ſind weit mehrere Gattungen ſolcher Fluͤßigkeiten entdeckt, ſ. Gas, die man nunmehr alle unter dem Namen der Luft, oder der Luftgattungen, in einem weitlaͤuftigern Sinne des Worts, begreift. Von den chymiſchen Eigenſchaften dieſer Materien handeln die Artikel, welche bey dem Worte Gas zuſammengeſtellt ſind. Hier wird die Rede vornehmlich von den mechaniſchen Eigenſchaften der gemeinen Luft ſeyn, welche von ihrer Fluͤßigkeit, Schwere und Elaſticitaͤt abhaͤngen. Dieſe Eigenſchaften kommen aber auch den uͤbrigen Gasarten zu, inſofern dieſe ebenfalls fluͤßig, ſchwer und elaſtiſch ſind. Daher rede ich zwar in dieſem Artikel blos von der gemeinen Luft, man wird aber das meiſte, nur mit andern Beſtimmungen, auch auf die uͤbrigen Gasarten anwenden koͤnnen. Was dieſer mechaniſchen5 Eigenſchaften wegen im Luftkreiſe ſtatt findet, wird man beym Worte: Luftkreis antreffen. Fluͤßigkeit, Elaſticitaͤt und Schwere der Luft.
Daß in den Raͤumen, die dem Auge leer ſcheinen, noch etwas vorhanden ſey, das gefuͤhlt werden kan, davon uͤberzeugt uns unſere Empfindung, wenn wir dieſes unſichtbare Etwas gegen uns treiben. Wir fuͤhlen alsdann die Bewegung deſſelben, oder den Wind. Taucht man ein leeres Glas EFG, Taf. XIV. Fig. 1. mit unterwaͤrts gekehrter Oefnung, im Gefaͤße ABCD ſo unter Waſſer, daß der Rand des Glaſes FG beym Aufſetzen die Waſſerflaͤche AB ringsherum zugleich beruͤhrt, ſo fuͤllt das Waſſer die Hoͤhlung des Glaſes nicht ganz aus, ob es gleich nach den Geſetzen der Hydroſtatik, wenn das Glas wirklich leer waͤre, bis E eindringen muͤßte. Es muß daher im Glaſe etwas ſeyn, das das Eindringen des Waſſers bis E hindert, etwas Ausgedehntes und Undurchdringliches, dem alſo die Eigenſchaften eines Koͤrpers zukommen. Aehnliche Erfahrungen uͤberzeugen uns von der Gegenwart dieſes unſichtbaren Koͤrpers in allen leer ſcheinenden Raͤumen von der Erdflaͤche an bis auf die hoͤchſten Berge. Wir ſchließen alſo, die ganze Erde ſey mit einer unſichtbaren Materie umgeben, die wir Luft nennen.
Die Fluͤßigkeit dieſer Materie erhellet aus der Leichtigkeit, mit der ſich ihre Theile trennen laſſen, und aus der reſpectiven Beweglichkeit der Theile, die ihr ohne Widerrede zukoͤmmt. Auch die heftigſte Kaͤlte benimmt ihr dieſe Kennzeichen der Fluͤßigkeit nicht, und uͤberhaupt iſt kein Mittel bekannt, die Luft in einen feſten Koͤrper zu verwandeln, wenn ſie nicht gaͤnzlich zerſetzt wird, und ihre Beſtandtheile in ganz neue Verbindungen treten.
Die Elaſticitaͤt der Luft kan ebenfalls durch leichte Verſuche erwieſen werden. Eine mit Luft gefuͤllte Blaſe laͤßt ſich zuſammen druͤcken, dehnt ſich aber, ſobald der Druck aufhoͤrt, wieder aus. Einen genau ſchließenden Stempel in einem metallnen cylindriſchen Rohre kan man um eine6 hetraͤchtliche Weite tiefer hineintreiben; ſobald aber der Druck nachlaͤßt, treibt ihn die zuſammengepreßte Luft mit Gewalt wieder zuruͤck. Wenn man das Glas EFG, Taf. XIV. Fig. 1. auf die oben beſchriebene Art ganz unter Waſſer taucht, ſo iſt einige Kraft noͤthig, es in dieſer Stellung zu erhalten. Hat man vorher das Glas inwendig mit Puder oder geſchabter Kreide beſtreut, ſo ſieht man beym Herausnehmen, daß das Waſſer wirklich erwa bis HI eingedrungen iſt. Es iſt alſo die Luft, welche vorher das ganze Glas EFG ausfuͤllte, in den kleinern Raum EHI zuſammengepreßt geweſen. Laͤßt man, indem das Glas noch im Waſſer ſteht, mit Druͤcken nach, daß es auf die Oberflaͤche koͤmmt, und der Rand FG die Waſſerflaͤche AB wieder beruͤhrt, ſo dehnt ſich die Luft wieder in den ganzen vorigen Raum EFG aus. Aehnliche Beſtaͤtigungen der Elaſticitaͤt der Luft geben die Taucherglocke, der Heronsball, Heronsbrunnen und die carteſianiſchen Teufel.
Die Luft iſt aber in dem Zuſtande, in welchem wir ſie hier bey der Erdflaͤche antreffen, ſchon wirklich zuſammengedruͤckt, oder in einen engern Raum gebracht, als ſie einnehmen wuͤrde, wenn ſie von allem Drucke frey waͤre. Dies zeigt ſich daraus, weil ſie ſich uͤberall, wo es die Umſtaͤnde verſtatten, ſofort und von ſelbſt durch weitere Raͤume verbreitet. Wenn man einen genau ſchließenden Stempel in einem metallnen cylindriſchen Rohre weiter auszieht, ſo dehnt ſich die Luft, die im Rohre zwiſchen Stempel und Boden eingeſchloßen war, ſogleich durch den groͤßern Raum, der ihr dadurch verſtattet wird, gleichfoͤrmig aus. Hierauf beruht die Einrichtung der Luftpumpen, ſ. Luftpumpe. Vermoͤge dieſer Eigenſchaft fuͤllt auch die Luft alle Raͤume aus, die ſenſt leer bleiben wuͤrden, oder treibt durch ihre Ausbreitung andere Koͤrper in dieſelben, und veranlaßt dadurch eine große Menge von Erſcheinungen, welche ehedem ſehr uͤbel durch einen vermeinten Abſcheu der Natur gegen den leeren Raum (fuga ſ. horror vacui) oder durch ein Zuſammenziehen (funiculus) der Materie zu Vermeidung der Leere, erklaͤrt wurden. Es wird hier genug ſeyn, ein einziges Beyſpiel anzufuͤhren. 7
Man fuͤlle eine nicht allzuweite Roͤhre AB, Taf. XIV. Fig. 2. mit Waſſer, und verſchließe ihre obere Oefnung A mit dem Finger, ſo fließt das Waſſer nicht heraus, wenn gleich die Roͤhre bey B offen iſt. Oefnet man aber auch bey A, ſo fließt augenblicklich alles Waſſer aus. Es iſt die Frage, was das Waſſer trage oder zuruͤckhalte, ſo lang A verſchloſſen iſt? Im Finger kan die Urſache nicht liegen, auch nicht in dem Anhaͤngen des Waſſers an der Glasroͤhre, welches ja auch noch da iſt, wenn man A geoͤfnet hat. Die Scholaſtiker ſagten, die Natur laſſe kein Waſſer heraus, oder die Materie des Waſſers ziehe ſich zuſammen (inviſibili funiculo contrahitur), um den leeren Raum zu vermeiden, der bey A entſtehen wuͤrde, wenn bey verſchloßner Oefnung das Waſſer ausliefe.
Es wird aber alles weit begreiflicher, wenn man annimmt, die Luſt bey A und B ſey durch irgend etwas zuſammen gedruͤckt, und ſtrebe ſich auszubreiten. Iſt dies, ſo wird ſie nach der Richtung BA gegen das Waſſer in B druͤcken, und deſſen Gewicht tragen oder aufheben, wofern nur die Oefnung B eng genug iſt, um keine Zertrennung des Waſſers zu geſtarten. Wird aber A geoͤfnet, ſo druͤckt nunmehr die Luft bey A nach der Richtung AB eben ſo ſtark entgegen, die Wirkungen der Luft bey A und B heben einander auf, und das Waſſer fließt durch ſeine Schwere aus der Roͤhre.
Dieſe Vermuthung wird zur Gewißheit, wenn man ſtatt des Waſſers Queckſilber nimmt. Iſt alsdann die Roͤhre AB uͤber 28 Zoll lang ſo wird wirklich ein Theil des Queckſilbers auslaufen, bis die noch uͤber B ſtehende Saͤule eine Hoͤhe von 28 Zollen hat. Dieſe Saͤule bleibt alsdann ſtehen, ſo lang A verſchloſſen iſt, laͤuft aber auch aus, wenn men A oͤfnet. Dies zeigt deutlich, daß bey B ein Gegendruck von beſtimmter Groͤße gefchehe, der gerade dem Drucke einer 28 Zoll hohen Queckſilberſaͤule gleich iſt. Dieſen Gegendruck muß man doch der Luft bey B zuſchreiben, weil kein anderer Koͤrper da iſt, dem man ihn beylegen koͤnnte.
Iſt die untere Oefnung weit, wie BC, Fig. 3., ſo ſteht8 die Waſſerflaͤche BC nicht ruhig, daher die anliegende Luft in die hoͤhern Stellen eindringen und das Waſſer zertrennen kan. Sie ſteigt alsdann in Blaſen nach A auf; das iſt eben ſo viel, als ob A nicht mehr verſchloſſen waͤre, und ſo laͤuft in dieſem Falle das Waſſer gar bald aus dem Gefaͤße, Legt man aber vor die Oefuung BC ein Blatt Papier, durch deſſen Anhaͤngen das Schwanken und die Trennung der Waſſerflaͤche vermieden wird, ſo kan man Waſſer in einem umgekehrten ofnen Trinkglaſe tragen. Ein Gießfaß, wie ABC geſtaltet, wo der Boden BC mit lauter kleinen Loͤchern durchſtochen iſt, in denen ſich Luft und Waſſer nicht ausweichen koͤnnen, (clepſydra, Ariſtot. Phyſic. IV. 6.) haͤlt das Waſſer, wenn man A mit dem Finger verſchließt, und gießt, wenn man es oͤfnet. So laͤuft nichts aus dem Hahne eines Faſſes, ſo lang das Spundloch verſchloſſen iſt. Man ſ. auch die Art. Stechheber, Zauberbrunnen, Zaubertrichter. Dies alles beweißt, daß ſich die Luft an der Erdflaͤche auszubreiten ſtrebe, und alſo ſchon im Zuſtande einer Zuſammendruͤckung ſey.
Die Urſache nun, welche die Luft um uns her zuſammendruͤckt, kan keine andre ſeyn, als das Gewicht. der uͤber ihr liegenden Luft. Es iſt nichts weiter vorhanden, was die untere Luft druͤcken koͤnnte, als dieſe obere. So erkennen wir, daß die Luft, wie alle bekannte Materien, ein Gewicht habe, oder ſchwer ſey. Dies iſt auch ſchon daraus klar, weil die Luft durch ihre Elaſticitaͤt ſich in die freyen Raͤume des Himmels verbreiten und den Erdball ganz verlaſſen wuͤrde, wenn ſie nicht durch die Schwere an demſelben zuruͤckgehalten wuͤrde.
Dieſe Eigenſchaften der Luſt ſind erſt ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts vollſtaͤndig bekannt geworden, ſ. Barometer. Galilei und Torricelli gaben hiezu die erſten Veranlaſſungen, Descartes und Paſcal ſtuͤrzten das ariſtoteliſche Syſtem und gaben die richtigen Erklaͤrungen der Phaͤnomene an; Otto von Guericke erfand die Luftpumpe, durch deren Huͤlfe dieſe Lehren noch mehr beſtaͤtigt, und von Boyle und Mariotte erweitert wurden, bis ihnen endlich Wolf die Form einer eignen Wiſſenſchaft gab, welche9 ſeitdem einen anſehnlichen Theil der angewandten Mathematik ausmacht, und zu den mechaniſchen Wiſſenſchaften gerechnet wird, ſ. Aerometrie. Wirkung des Drucks auf Dichte und Federkraft der Luft. Mariottiſches Geſetz.
Die abſolute Elaſticitaͤt der Luft muß im Zuſtande der Ruhe dem Drucke, der ſie zuſammenpreßt, gleich ſeyn. Dies iſt als Grundſatz einleuchtend. Beydes ſind entgegengeſetzte Kraͤfte, deren eine Zuſammendruͤckung, die andere Ausbreitung zu bewirken ſtrebt. Sind ſie nicht gleich, ſo wird noch kein Ruheſtand erfolgen, die Luft wird ſich mehr verdichten oder mehr ausbreiten, bis endlich beyde Kraͤfte gleich werden.
Wird nun durch ſtaͤrkern Druck die Luft in einen engern Raum, als vorher, gebracht, ſo muß (wenigſtens, ſo lang ſie ſich ruhig in dieſem Raume behauptet) auch ihre Elaſticitaͤt ſtaͤrker, als vorher, ſeyn. Zugleich aber wird auch ihre Dichtigkeit groͤßer. Nimmt hingegen der Druck ab, und verſtattet der Luft, ſich in einen groͤßern Raum zu verbreiten, ſo wird ſie, wenn die Ruhe hergeſtellt iſt, weniger Elaſticitaͤt, als vorher, haben, weil dieſelbe mit einem ſchwaͤchern Drucke im Gleichgewichte ſteht. Dabey wird aber auch ihre Dichte geringer. Hieraus laͤßt ſich uͤberſehen, daß Druck, abſolute Federkraft und Dichte der Luft ſtets mit einander wachſen und abnehmen.
Daher muß jede Luftſaͤule, im Freyen ſowohl als in verſchloßnen Raͤumen, unten dichtere und elaſtiſchere Luft enthalten, als oben. Denn die untern Schichten tragen das Gewicht der obern mit; ſie leiden alſo mehr Druck, als die obern. Bey kleinen Saͤulen, z. B. in Gefaͤßen, Zimmern u. dgl. kan dieſer Unterſchied als unbetraͤchtlich angeſehen werden.
Wenn zween Raͤume in Verbindung kommen, von denen einer A elaſtiſchere, der andere B weniger elaſtiſche Luft enthaͤlt, ſo wird ſo viel aus A in B uͤberſtroͤmen, bis die Luft in beyden einerley Elaſticitaͤt hat. Denn es ſind zwar10 beyde Luftmaſſen elaſtiſch, und wirken daher am Orte der Verbindung einander entgegen; aber die mehr elaſtiſche treibt die weniger widerſtehende zuruͤck, und dringt in den Raum B ſo lange, bis das Gleichgewicht hergeſtellt iſt.
Otto von Guericke (Exp. de vacuo ſpatio, Cap. 30. f. 113.) ſchloß Luft, wie ſie ſich an der Erde befand, in ein Gefaͤß mit einem Hahne ein, trug daſſelbe auf eine Hoͤhe, und oͤfnete den Hahn. Der Erfolg war, daß ein Theil Luft aus dem Gefaͤße durch den Hahn mit Geziſch heraus fuhr. Die verſchloßne Luft, an der Erde aufgefangen, war dichter und elaſtiſcher, als die aͤußere auf der Hoͤhe. Das Gefaͤß war der Raum A, die Gegend auf der Hoͤhe der Raum B.
Alle unſere Zimmer und Wohnplaͤtze ſtehen durch Oefnungen der Fenſter, Thuͤren u. dgl. mit der aͤußern Luft unter freyem Himmel in ſteter Verbindung. Alſo bleibt die Luft in den Zimmern immer eben ſo dicht und elaſtiſch, als die aͤußere. Die Luftſaͤule vom Tiſche bis an die Decke thut eben die Wirkung, als ob der Tiſch unter freyem Himmel ſtuͤnde, und eine Luftſaͤule, ſo hoch als die Atmoſphaͤre, truͤge. Dieſe Saͤule ſtemmt ſich nemlich vermoͤge ihrer Federkraſt, die der Federkraft der aͤußern Luft gleich iſt, gegen die Decke und den Tiſch, wie eine zwiſchen beyde geklemmte Stahlfeder. Daher erfolgt alles, was vom Drucke der Luft abhaͤngt, im Zimmer eben ſo, wie im Fr < * > yen.
Luft, die man in Gefaͤße einſchließt, behaͤlt, ſo lange ſich nichts weiter aͤndert, eben die Dichte und Federkraft, die ſie im Augenblicke der Einſperrung mit der aͤußern Luft gen ein hatte. Mit dieſer Federkraft druͤckt ſie gegen die Waͤnde des Gefaͤßes, deren Feſtigkeit jetzt eben das thut, was unter freyem Himmel das Gewicht der obern Luft that, naͤmlich ſie hindert, ſich weiter auszubreiten. Wenn man alſo Luft eingeſchloſſen hat, ohne weiter einen Druck auf ſie auszuuͤben, ſo muß man darum nicht glauben, daß ſie ſo von allem Drucke frey ſey. Sie leidet von den Waͤnden des Gefaͤßes noch immer einen Druck, der dem Gewichte der Atmoſphaͤre gleich iſt. 11
Die Kenntniß des Geſetzes, nach welchem ſich die Verbindung zwiſchen dem Drucke und der Dichte der Luft richtet, haben wir den Verſuchen des Boyle und Mariorte zu danken.
Boyle (Defenſio doctrinae de elatere et gravitate aëris, P. II. c. 5.) vertheidigte die Lehre von der Federkraft der Luft gegen Sranz Linus, Profeſſor in Luͤttich, welcher die Phaͤnomene des Sangens und der Spritzen lieber aus einem Funiculus erklaͤren wollte, und es fuͤr unmoͤglich hielt, daß die Federkraft der Luft jemals dem Drucke einer Queckſilberſaͤule von 28 Zollen das Gleichgewicht halten koͤnnte, Boyle nahm, um ihn zu uͤberfuͤhren, eine gekruͤmmte Glasroͤhre, wie ABEC. Taf. XIV. Fig. 4., mit parallelen, aber ungicichen Schenkeln, wovon der kuͤrzere EC zwoͤlf Zoll lang und oben bey C zugeſchmolzen, der andere BA einige Fuß lang und bey A offen war. In dieſe Roͤhre goß er durch A ſo viel Queckſilber, als gerade hinreichte, die Kruͤmmung BE zu erfuͤllen, und die Luft im Schenkel CE von der aͤußern abzuſchneiden. Hierauf goß er ſo lange Queckſilber uͤber B, bis die Luft in EC nur 6 Zoll oder den Raum CF einnahm; dabey fand er das Queckſilber bey F im laͤngern Schenkel um 29 engl. Zoll hoͤher, als im kuͤrzern bey F. Dieſer Verſuch ſollte nach ſeiner Abſicht nur beweiſen, daß die Federkraft der in CF eingeſchloßnen Luft wirklich im Stande ſey, den Druck der 29 Zoll hohen Queckſilberſaͤule fg zu tragen. Richard Townley aber, einer von Boyle's Schuͤlern, bemerkte, daß ſich hiebey dieſe Sederkraft umgekehrt, wie der Kaum der Luft, verhalte, Denn da die Luft beym Einſchließen den Raum CE = 12 Zoll eingenommen, und eine gleiche Elaſticitaͤt mit der aͤußern Luft gehabt hatte, oder eine 29 Zoll hohe Saͤule Queckſilber haͤtte tragen koͤnnen; ſo war jetzt der Raum CF, den ſie einnahm, nur 6 Zoll; dagegen hielt ihre Federkraft nicht nur, wie vorher, den Druck der aͤußern Luft bey F, ſondern auch noch uͤberdies den Druck von 29 Zoll Queckſilber in fg aus, und war alſo doppelt ſo groß, als vorher.
Boyle vermehrte die Menge des Queckſilbers, fand aber allezeit, daß ſich die Hoͤhe der Saͤulel fg mit der Hoͤhe12 des Queckſilbers im Barometer (29 Zoll) zuſammengenommen, zu der Barometerhoͤhe (29 Zoll) allein, wie CE zu CF verhielt. Er ſchloß alſo, daß ſich die Luft nach dem Verhaͤltniſſe der zuſammendruͤckenden Kraft verdichte, und vermuthete daher auch, daß ſie ſich im umgekehrten Verhaͤltniſſe ausbreiten werde, wenn man die druͤckende Kraft vermindere.
Dieſe Vermuthung zu pruͤfen, fuͤllte er ein 6 Fuß tiefes cylindriſches Gefaͤß ABCD, Taf. XIV. Fig. 5. mit Queckſilber, und ſenkte in daſſelbe eine an beyden Enden ofne Glnsroͤhre EF ſo weit ein, daß der oben hervorragende Theil EG noch 1 Zoll betrug. Dieſe Roͤhre fuͤllte ſich bis G mit Queckſilber, und in EG blieb Luft von der Dichte und Federkraft der aͤußern, welche damals nach der Anzeige des Barometers 29 3 / 4 Zoll Queckſilber trug. Er verſchloß nun die Oefnung E genau mit Siegellak, und zog die Roͤhre ſenkrecht aus dem Queckſilber herauf in die Stellung ef. Hiebey dehnte ſich die Luft im obern Theile durch eh aus, zugleich aber erhob ſich unter derſelben die Queckſilberſaͤule gh. Dies bewieß, daß die Federkraft der Luft in eh durch ihre Ausbreitung ſchwaͤcher geworden ſey, und auf h weniger druͤcke, als die aͤußere Luft auf AD, ſo daß zu Herſtellung des Gleichgewichts noch der Druck der Queckſilberſaͤule gh erforderlich war. Als der Raum eh = 2 Zoll war, fand ſich gh = 15 3 / 8 Zoll, ein Zeichen, daß die Luft in eh, welche jetzt in den doppelten Raum ausgebreitet war, von ihrer vorigen Federkraft (29 3 / 4) ſo viel verlohren, und alſo nur noch 29 3 / 4 — 15 3 / 8 = 14 3 / 8 uͤbrig hatte, welches beynahe die Helfte der vorigen Groͤße iſt. Als eh = 10 Zoll war, fand ſich gh = 26 3 / 4 Zoll, d. i. die zehnfach verduͤnnte Luft hatte von 29 3 / 4 Federkraft nur noch 3 oder den zehnten Theil uͤbrig; und eben ſo verhielt es ſich ziemlich genau bis zu einer 32 fachen Verduͤnnung.
Mariotte (Eſſay ſur la nature de l'air. Paris, 1676. 8. ingl. Du mouvement des eaux, Part. II. Diſc. 2.) fuͤhrt eben ſolche Verſuche uͤber die Verdichtung der Luft an, ohne der boyliſchen zu gedenken, die er ohne Zweifel nicht kannte. Wenn das Barometer auf 28 Zoll ſtand, ſo fand er in der13 Roͤhre ABEC Taf. XIV. Fig. 4., in welcher CE = 12 Zoll war,
Bf | = | 18; | 34; | 93 | Zoll, |
fuͤr EF | = | 4; | 6; | 9 | Zoll. |
Hieraus finden ſich die Hoͤhen der Saͤule fg = Bf — EF 14; 28; 84 Zoll, und alſo die Groͤßen der Federkraft der Luft in CF, welche außer der Saͤule fg noch den Druck der Atmoſphaͤre auf f, oder 28 Zoll Queckſilber traͤgt,
14 + 28; | 28 + 28; | 84 + 28 | ||
oder | 42; | 56; | 112 | Zoll. |
Die Raͤume aber, welche die Luft einnimmt, oder CE — EF, ſind
12 — 4; | 12 — 6; | 12 — 9 | ||
d. i. | 8; | 6; | 3 | Zoll, |
folglich wird die Federkraft der Luft 1 1 / 2, 2, 4mal groͤßer, wenn ſie in einen 1 1 / 2, 2, 4mal engern Raum zuſammengepreßt wird, als ſie in der Atmoſphaͤre einnimmt.
Die Verminderung der Federkraft bey vergroͤßertem Raume pruͤfte Mariotte durch eine Glasroͤhre von 40 Zoll Laͤnge, die an einem Ende verſchloſſen war. Er goß in dieſelbe 27 1 / 2 Zoll hoch Queckſilber, daß alſo noch 12 1 / 2 Zoll hoch Luft, eben ſo dicht als die aͤußere, darin blieb. Er ſenkte das ofne Ende dieſer Roͤhre, das er inzwiſchen mit dem Finger verſchloß, 1 Zoll tief in ein Gefaͤß mit Queckſilber, ſo daß noch 39 Zoll von der Roͤhre daruͤber ſtehen blieben. Die Luft ſtieg ſogleich in die Hoͤhe; nachdem die untere Oefnung wieder frey gelaſſen war, fiel das Queckſilber herab, und die Luft im obern Theile breitete ſich durch den weitern Raum aus, der ihr dadurch verſtatter ward. Als alles ſtehen blieb, nahm das Queckſilber unten 14 Zoll, die Luft oben 25 Zoll von der Laͤnge der Roͤhre ein. Jene Hoͤhe iſt die Helfte von der Hoͤhe im Barometer (oder von 28 Zoll); dieſer Raum iſt doppelt ſo groß, als 12 1 / 2 Zoll, oder als der, den die Luft bey gleicher Dichte mit der aͤußern eingenommen hatte. Alſo wird die Federkraft der Luft auf die Helfte herabgeſetzt, wenn ſie ſich durch den doppelten Raum ausbreitet. Dieſe Verſuche hat auch Amontons (Mém. de Paris, 1705.) wiederholt; und einige engliſche Gelehrte14 (Phil. Trans. no. 73. uͤberſ. in Auserleſenen Abhandl. zur Naturgeſch. und Phyſ. Leipz. 1779. gr. 4. V. 1. S. 171.) fanden eben den Erfolg, indem ſie glaͤſerne Gefaͤße unter Waſſer verſenkten.
Daher haben es die Naturforſcher als einen allgemeinen Satz angenommen, daß ſich unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden die Sederkraft der Luft umgekehrt, wie der Raum verhalte, den eine gleiche Menge Luft einnimt. Weil ſich bey gleicher Menge die Dichte auch umgekehrt, wie der Raum verhaͤlt, ſ. Dichte, ſo heißt dies eben ſo viel, als: Die Sederkraft verhaͤlt ſich, wie die Dichte; oder weil die Federkraft im Ruheſtande der zuſammendruͤckenden Kraft gleich iſt: Die Dichte verhaͤlt ſich wie die zuſammendtuͤckende Kraft. Alle dieſe Ausdruͤcke ſind ein und ebenderſelbe Satz, und unter dem Namen des mariottiſchen Geſetzes bekannt.
Zwar fuͤhrt Maraldi (Mém. de Paris, 1709.) einige Beobachtungen des P. Beze zu Malacca an, aus welchen zu folgen ſcheint, daß ſich die Luft um den Aequator weniger, als nach dem umgekehrten Verhaͤltniſſe der druͤckenden Kraft, ausbreite. Allein Bouguer (Sur les dilatations de l'air dans l'atmoſphère, in den Mém. de Paris, 1753.) hat in Amerika durch viele mit ſeiner Reiſegeſellſchaft wiederholte Verſuche, ſelbſt auf den hoͤchſten Bergen, und bey ſehr ſtarken Verduͤnnungen der Luft, das mariottiſche Geſetz allemal richtig gefunden. Man ſieht es daher als entſchieden an, daß die Luft an der Erdflaͤche ſich durch den doppelten Raum verbreitet, wenn ſie nur die Helfte des Gewichts der Atmoſphaͤre traͤgt. u. ſ. w.
Bey ſtarken Zuſammenpreſſungen aber kan dieſes Geſetz nicht in aller Strenge richtig ſeyn. Denn die Luft kan doch nur bis auf eine gewiſſe Grenze, nemlich bis zur vollkontmnen Beruͤhrung ihrer Theile, zuſammengedruͤckt werden, ſo groß auch die druͤckende Kraft werden mag. Dies erinnern Jacob Betnoulli (De gravitate aetheris, Amſt. 1683. 8. p. 96. ſq. ) und Muſſchenbroek (Introd. ad phil. nat. To. II. §. 2107.). Auch zeigen ſich ſchon Ausnahmen von der Regel, wenn die Luft nur ſieben bis achtmal meht,15 als in der Atmoſphaͤre, zuſammengedruͤckt iſt (ſ. Sulzer in Mém. de l'Acad. de Pruſſe 1753. uͤberſ. im Hamburg. Magazin, XVII. B. 6. Stuͤck). Was fuͤr Einfluß die Annaͤherung an dieſe groͤßte moͤgliche Dichtigkeit der Luft auf das Geſetz der Zuſammenpreſſung haben muͤſſe, daruͤber haben d'Alembert (Traité des fluides, L. I. ch. 6.) und Euler (Tentamen explic. phaen. aëris. §. 22. ſq. in Comm. Petrop. To. II. ingl. in Robins erlaͤuterter Artillerie, S. 85, 95.) allgemeine Betrachtungen angeſtellt.
Die kuͤnſtlichen Zuſammendruͤckungen der Luft, ſ. Compreſſionsmaſchine, laſſen ſich gewoͤhnlich nicht hoch treiben, weil dabey die Gefaͤße durch die verſtaͤrkte Federkraft der Luft leicht zerſprengt werden. Von der hiebey noͤthigen Feſtigkeit der Gefaͤße handelt Karſten (Lehrbegrif der geſamt. Math. VI. Theil, Pnevmatik, 7. Abſchn.). Er glaubt, in glaͤſernen Glocken duͤrfe man es nicht leicht wagen, die Luft ſtaͤrker, als auf die 3 — 4 fache Dichte der Atmoſphaͤre zuſammenzndruͤcken. In ſtarken metallnen Behaͤltniſſen, wie bey Windbuͤchſen u. dgl., laͤßt ſich die Zuſammenpreſſung weit hoͤher treiben. Boyle hat die Luft 13mal und Hales (ſ. Statique des Vegétaux, trad. de l'Anglois par M. de Buffon, Paris, 1735. 8. p. 389. ſqq. ) in einer Bombednrch Einpreſſung eines Zapfens 38 mal verdichtet. Hales fuͤhrt zwar noch einen Verſuch an, wobey er Waſſer in der Bombe gefrieren ließ, und eine 1838 fache Verdichtung der Luft erhalten zu haben glaubte; allein da hiebey die Bombe und der ganze Apparat zerſprang, ſo gruͤndet ſich dieſe Angabe auf bloße Berechnung, wobey vorausgeſetzt wird, die Luft habe den ganzen zu Zerſprengung der Bombe noͤthigen Druck getragen, und ſey dadurch voͤllig dem mariottiſchen Satze gemaͤß verdichtet worden. Dies iſt aber eben das, was durch den Verſuch erſt erwieſen werden ſollte; daher man ſich auf dieſes Erperiment des Hales gar nicht berufen kann.
Winkler (Unterſuchungen der Natur und Kunſt, Leipjig, 1765. 8. II. Abhandl. S. 98.) hat das mariottiſche Geſetz noch beym achtfachen Druck richtig befunden. Alles dies zuſammen zeigt, daß man daſſelbe zwar nicht allgemein16 und in aller Schaͤrfe, aber doch, ſo weit unſere Beobachtungen und Verſuche reichen, annehmen koͤnne. Von der Anwendung deſſelben auf die Atmoſphaͤre, ſ. Luftkreis.
Aus der durch ſtaͤrkern Druck vergroͤßerten Federkraft der Luft erklaͤren ſich leicht ihre heftigen Wirkungen, wenn ſie durch aͤußere Kraͤfte in ſehr enge Kaͤume zuſammengepreßt wird, wie beym Gefrieren der Koͤrper, in den Windkeſſein der Feuerſpritzen, in den Windbuͤchſen u. ſ. w. Von den letztern handeln Muſſchenbroek (Introd. in philoſ. nat. To. II. §. 2111. ſqq. ) und Nollet (Leçons de phyſ. exp. To. III. Leç. X. Sect. I. ch. 7.). Umſtaͤndlicher erklaͤrt ihre Theorie Rarſten (Lehrb. der geſ. Math. 6 Theil, Pneumatik, 8 Abſchn.). Er nimmt nach Regnault (Entreriens phyſiques, To. I p. 29.) an, man koͤnne die Luft darin 100mal dichter machen, als die aͤußere, und berechnet, daß eine Bleykugel von 3 / 8 Zoll im Durchmeſſer in einem Laufe von 4 Fuß Laͤnge dadurch mit einer Geſchwindigkeit abgeſchoſſen werde, welche in der erſten Secunde 628 Fuß berraͤgt, und womit die Kugel vertical aufwaͤrts geſchoſſen, 6518 Fuß hoch ſteigen muͤßtr.
Die Luft verliert durch anhaltendes Zuſammendruͤcken nichts von ihrer Elaſticitaͤt. Roberval ließ eine geladne Windbuͤchſe 16 Jahre lang ſtehen, und fand am Ende die Ladung noch eben ſo elaſtiſch, als vorher. Hawksbee bezweifelte dieſen Satz, weil er von einem Heronsballe bemerkte, daß die zuſammengedruͤckte Luft, wenn das Waſſer zu ſpringen aufgehoͤrt hatte, und er den Ball eine Zeitlang verſtopft hielt, beym Wiedereroͤfnen noch etwas Waſſer heraustrieb; woraus er ſchloß, die Federkraft nehme durch langen Druck ab, und erlange, wenn der Druck aufhoͤre, erſt nach und nach ihre vorige Staͤrke wieder. Aber Muſſchenbroek (Introd. in phil. nat. To. II. §. 2161.) hat einen entſcheidendenl Verſuch hieruͤber angeſtellt. Er preßte Luft in einer Glasroͤhre mit zween Schenkeln durch Queckſilber zuſammen, wie Taf. XIV. Fig. 4., ſchmolz alsdann das Ende A zu, fand aber fuͤnf Jahre hindurch den Raum CF, den die zuſammengedruͤckte Luft einnahm, bey gleicher17 Waͤrme immer gleich groß, ein Zeichen, daß dieſe Luft nicht das Mindeſte von ihrer Federkraft verlohr. Wirkung der Waͤrme, Feuchtigkeit und Miſchung auf Dichte und Federkraft der Luft.
Waͤrme, Duͤnſte und chymiſche Miſchung koͤnnen die Dichte der Luft auch bey gleichem Drucke, oder den Druck bey gleicher Dichte, aͤndern. Die Waͤrme dehnt die Luft bey gleicher Maſſe und gleichem Drucke aus, und vermindert alſo die Dichte. Die Duͤnſte vermehren bey gleichem Drucke die Maſſe, und alſo auch die Dichte. Mehrere Phlogiſtication macht die Luft ſpecifiſch leichter, alſo ihre Dichte bey gleichem Drucke geringer. Daher gilt das mariottiſche Geſetz, daß ſich die Dichte, wie der Druck verhalte, nur bey gleich warmer, gleich feuchter und gleich gemiſchter Luft.
Von der Waͤrme ſagt ſchon Lambert ſehr ſcharffinnig, die Federkraft der Luftwerde durch ſie verſtaͤrkt, durch den Druck aber vergroͤßert. Nemlich die Waͤrme macht jedes einzelne Lufttheilchen elaſtiſcher; der Druck bringt nur mehr Lufttheilchen in den vorigen Raum zuſammen. Jetzt unterſcheidet man gewoͤhnlicher die ſpecifiſche Federkraft E, welche jedem einzelnen Theile der Luft eigen iſt, von der abſoluten A, welche zugleich von der Menge der Theile im Raume, oder von der Dichte abhaͤngt. Dieſe letztere iſt jederzeit dem Drucke gleich. Waͤrme, Feuchtigkeit und Miſchung wirken auf die ſpecifiſche Federkraft E. Die abſolute Elaſticitaͤt A verhaͤlt ſich, wie das Product der Dichte D in die ſpecifiſche Federkraft, oder, wie D X E; die Dichte D, wie A / E; und E, wie A / D. ſ. Elaſticitaͤt, ſpecifiſche.
In Raͤumen, die mit der Atmoſphaͤre in Gemeinſchaft ſtehen, alſo auch in Zimmern, iſt A dem Drucke der Atmoſphaͤre gleich, und wird durch den Stand des Barometers angegeben. So lang alſo dieſer Stand oder A ſich nicht aͤndert, bleibt auch das ihm gleiche Product D X E18 ungeaͤndert, und die Dichte nimmt in eben dem Verhaͤltniſſe ab, in welchem E zunimmt. In verſchloßnen Gefaͤßen hingegen, wo ſich die Dichte nicht aͤndern kan, verhaͤlt ſich A, wie E; die abſolute Federkraft waͤchſt zugleich mit der ſpecifiſchen, und kan durch die Waͤrme ſo verſtaͤrkt werden, daß ſie die Gefaͤße zerſprengt.
Das Barometer zeigt den Druck oder die abſolute Federkraft der Luft an. Die Dichte beobachtet man durch andere Werkzeuge, ſ. Manometer, durch deren Vergleichung mit dem Barometer die jedesmalige ſpecifiſche Federkraft gefunden werden kan.
Wie ſtark und nach welchen Geſetzen die Maͤrme auſ die Ausdehnung der Luft wirke, hat man noch nicht ſicher genug beſtimmen koͤnnen, weil bey den Berſuchen hieruͤber auch Feuchtigkeit und verſchiedne Miſchung der Luft mitwirken, und es ſchwer machen, das, was jeder Urſache allein zugehoͤrt, gehoͤrig abzuſondern. Amontons (Diſcours ſur quelques proprietés del'air, in den Mém. de Paris 1703.) ſtellte hieruͤber die erſten Verſuche mit dem Luftthermometer an, ſ. Thermometer. So unvollkommen dieſes Werkzeug war, ſo fand er dech, daß der Druck, den die Luft zu tragen vermochte, ven der Temperatur der Keller der Pariſer Sternwarte bis zum Siedpunkte des Waſſers um ein Drittel zunahm; ſo daß das Zunehmen vom Eispunkte bis zum Siedpunkte etwa zwey Fuͤnftel betraͤgt.
(Pyrometríe, Berlin, 1779. 4. ) fand das Volumen der Luft bey der Kaͤlie des Eispunkts, durch eine Vermehrung der Waͤrme bis zum Siedpunkte, um 375 Tauſendtheile vergroͤßert, wofuͤr er jedoch bey der Anwendung nur 370 nimmt. So darf man auf jeden fahrenheitiſchen Grad (wofern auf jeden gleich viel koͤmmt) 2,05 Tauſendtheile rechnen.
De Luͤc (Recherches ſur les modif. de l'atmoſph. To. II. ) ſchließt aus ſeinen Beobachtungen, die Hoͤhe einer Luftſaͤule aͤndere ſich, wenn die Temperatur 16 3 / 4 Grad nach Reaumuͤr iſt, ſuͤr jeden Grad Aenderung der Waͤrme, um19 (1 / 215), ſ. Hoͤhenmeſſung, barometriſche. Waͤre ſie nun bey der angegebnen Temperatur = 215, ſo wuͤrde ſte beym Eispunkte = 198 1 / 4, beym Siedpunkte = 278 1 / 4 ſeyn, und ſich von jenem bis zu dieſem um (80 / (198 1 / 4)) d. i. um 403 Tauſendtheile aͤndrrn. So kommen auf jeden fahrenheitiſchen Grad 2,23 Tauͤſendtheile.
Der Ritter Shukburgh (Phil. Trans. 1777. P. I. n. 29.) giebt aus eignen Verſuchen an das Volumen der Luft beym Eispunkte wachſe, wenn die Waͤrme um 1 fahrenh. Grad zunimmt, um 2,43 Tauſendthelle.
Roy (Phil. Tr. 1777. n. 34.) beſtimmt aus ſehr ſorgfaͤltigen Verſuchen mit dem Luftthermemeter die Ausdehnung bey den gewoͤhnlichen Temperaturrn (66 — 70° fahr. ) fuͤr jeden Grad Aenderung der Waͤrme, auf 2,45 Tauſendtheile des Bolumens. Dies mach 2,69 Tauſendtheile desjenigen Volumens aus, welches die Luft bey der Temperatur des Eispunkts hat.
Herr Kramp (Geſch. der Aeroſtatik, Th. I. S. 112.) nimmt aus Mayers Beſtimmungen der aſtronomiſchen Stralenbrechung an, wenn das reaumuͤriſche Thermometer auf 10 Grad ſtehe, aͤndere ſich die ſpecifiſche Federkraft der Luft, bey 1 Grad Aenderung der Waͤrme, um (1 / 220). Nun ſetze man ſie bey 10 Grad Waͤrme = 220. ſo wird ſie beym Eispunkte = 210, beym Siedpunkte = 290 ſeyn, und ſich von jenem bis zu dieſem um (80 / 210) d. i. um 381 Tauſendtheile aͤndern, wodon auf 1 fahrenh. Grad 2,117 kommen.
Herr de Sauſſuͤre (Eſſais ſur l'hygrometrie, p. 156.) giebt an, daß ein Grad Thermometerveraͤnderung ſein Manometer um (22 / 16) Lin. aͤndere, und berechnet daraus fuͤr den Barometerſtand 27 Zoll die Ausbreitung der Luft auſ 4,24383 Tauſendtheilchen auf den reaumuͤriſchen, oder 1,88615 fuͤr den fahrenheitiſchen Grad.
Dieſe verſchiedenen Reſultate bequem zu uͤberſehen, dient folgende Tabelle. 20Volumen der Luft
beym Eispunkte | beym Siedpunkte | Ausdehnung fuͤr jeden fahr. Gr. | |
nach Amontons | 1000 | 1400 | 2,22 |
— Lambert | 1000 | 1375 | 2,05 |
— de Luͤc | 1000 | 1403 | 2,23 |
— Shukburgh | 1000 | 1437,4 | 2,43 |
— Roy | 1000 | 1484,21 | 2,69 |
— Kramp | 1000 | 1381 | 2,117 |
— de Sauſſuͤre | 1000 | 1339 | 1,886 |
Aus Roy's Verſuchen iſt noch zu bemerken, daß die Ausbreitung weder fuͤr jede Dichte der Luft, noch fuͤr jeden Grad der Waͤrme, gleich groß iſt. War z. B. die Dichte der Luft 2 1 / 2 mal ſo groß, als bey der Barometerhoͤhe 30 engl. Zoll, ſo betrug die Ausdehnung vom Eis - zum Siedpunkte nur 434 Tauſendtheile. War die Dichte 5 / 6 von der Dichte der Atmoſphaͤre, ſo machte ſie 484, und war die Dichte 1 / 6, nur 141,5 Theile aus. Vom 52 ſten bis zum 72 ſten Grade der fahrenheitiſchen Scale war die Ausdehnung am ſtaͤrkſten: das Marimum ſchien bey 57 Grad zu ſeyn. Benm Eispunkte und zwiſchen 112 und 132 Grad waren die Ausdehnungen der Luft und des Queckſilbers uͤbereinſtimmend; bey Fahrenheits Null und beym Siedpunkte dehnte ſich die Luft weniger, als das Queckſilber, aus. Feuchte Luft, und beſonders heiße Daͤmpfe, waren einer weit betraͤchtlichern Ausdehnung unterworfen.
Unter den Reſultaten der Tabelle haͤlt doch de Luͤcs Angabe ziemlich das Mittel. Nach ihr verhaͤlt ſich die ſpecifiſche Federkraft der Luft, wenn das reaumuͤriſche Thermemeter r Grade zeigt, allezeit, wie 198 1 / 4+r. Dieſe Veraͤnderung betraͤgt vom Eispunkte bis zum Siedpunkte ohngefaͤhr zwey Fuͤnftel, von der groͤßten gewoͤhnlichen Kaͤlte in unſern Gegenden (- 8°) bis zur Sommerwaͤrme (30°) ein Fuͤnftel des Ganzen, ſ. Hoͤhenmeſſung, barometriſche. Beym Worte: Aeroſtat habe ich angenommen, die Hitze beym Fuͤllen der Monrgolfieren dehne die Luft um ein Drittel aus. 21
Was hoͤhere Grade der Hitze wirken, laͤßt ſich auf folgende Art unterſuchen. Man erhitzt ein Gefaͤß mit enger Oefnung bis auf einen gewiſſen Grad, ſo dehnt ſich die Luft darin ſtark aus, und geht großentheils durch die Oefnung aus dem Gefaͤße. Man haͤlt alsdann die Oefnung unter Waſſer, ſo zieht ſich beym Abkuͤhlen die Luft wieder zuſammen, und der Druck der aͤußern Luft treibt Waſſer ins Gefaͤß, aus deſſen Menge man alsdann auf die Groͤße der Ausdehnung ſchließen kan. So hat Robins (Neue Grundſaͤtze der Artillerie, durch Euler, Berlin 1745. 8. S. 963. f.) gefunden, daß die Hitze eines weißgluͤhenden Eiſens die Luft in einen 4mal groͤßern Raum ausdehne, als den ſie kalt einnimmt.
Wie ſtark Duͤnſte oder Seuchtigkeit auf die ſpecifiſche Federkraft der Luft wirken, iſt noch weniger genau beſtimmt. Lambert (Abhandl. von den Barometerhoͤhen und ihren Veraͤnd., in den Abhandl. der churbayr. Akad, der Wiſſ. III. B. 2. Th.) hat hiëher gehoͤrige Unterſuchungen angeſtellt, und dabey das Barometer mit dem Luftthermometer des Bernoulli zu verbinden vergeſchlagen. Er nimmt an, daß die Duͤnſte die Federkraft der Luft aus zwoen Urſachen verſtaͤrken, weil ſie die Lufttheilchen zuſammenpreſſen, und weil ſie das Gewicht der obern Luft vergroͤßern. Auf dieſe Grundſaͤtze baut er eine Merhode, die Menge der Duͤnſte zu erfahren, und alſo die gedachten Werkzeuge als Hygrometer zu gebrauchen. Aber dieſer ſinnreiche Gedanke, wovon man auch Karſten (Lehrbegrif der geſ. Math. III. Th. Aeroſtatik, VIII. Abſchn. §. 110 u. f.) nachleſen kan, wuͤrde in der Ausfuͤhrung großen Schwierigkeiten unterworfen ſeyn.
Man muß vielmehr die Menge der Duͤnſte oder den Grad der Feuchtigkeit vorher kennen, ehe man aus Beobachtungen beſtimmen kan, wie groß der Einfluß derſelben auf die Federkraft der Luft ſey. Daher gehoͤrt zu dieſen Beſtimmungen eine genauere Hygrometrie, als wir noch bis jetzt haben, ſ. Hygrometer. Herr de Sauſſuͤre (Eſſais ſur l'hygrometrie, §. 110.) fand, daß die abſolute Elaſticitaͤt der eingeſchloßnen Luft, bey einer Temperatur von 14 - 15 Grad nach Reaumuͤr, durch den Uebergang von der groͤßten22 Trockenheit bis zur groͤßten Feuchtigkeit um (1 / 54) ihrer Groͤße zunahm; indem ſein Barometer in einer verſchloßnen Glaskugel bey dieſem Uebergange von 27 Zoll auf 27 Zoll 6 Lin, ſtieg, welche Veraͤnderung den 54ſten Theil von 27 Zollen ausmacht.
Weil ſich aber durch die Saͤttigung mit Feuchtigkeit (wobey 751 Gran trockne Luft 10 Gran Waſſer aufloͤſen) auch zugleich die Dichte aͤndert, und zwar hier in gleichem Verhaͤltniſſe mit der Maſſe, weil in verſchloßnen Gefaͤßen das Volumen immer daſſelbe bleibt, ſo ergeben ſich hieraus folgende Verhaͤltniſſe fuͤr eine gleich warme Luftmaſſe:
trockne Luft | feuchte Luft | ||
abſolute Elaſt. A | 751 | — | 751 + (751 / 54) = 751 + 14 = 765 |
Dichte D | 751 | — | 751 + 10 = 761 |
ſpecifiſche El. E = A / D | 1 | — | (765 / 761) |
daß alſo die ſpecifiſche Federkraft der Luft beym Uebergange von der voͤlligen Trockenheit zur voͤlligen Naͤſſe um (4 / 761) oder (1 / 190) verſtaͤrkt wird. In freyer Luft wird ſich alſo, bey ungeaͤnderter Barometerhoͤhe und Waͤrme, das Volumen der Luft, wenn ſie feucht wird, um eben ſo viel ausdehnen. Im Durchſchnitt waͤre dies (1 / 19000) fuͤr jeden Grad des Sauſſuͤriſchen Hygrometers. Es koͤmmt aber nicht auf jeden Grad gleich viel. Auch aͤndern ſich die Groͤßen dieſer Ausdehnung fuͤr andere Barometerhoͤhen und Temperaturen. Herr de Sauſſuͤre hat zwar uͤber dies alles die Reſultate ſeiner Verſuche in Tabellen gebracht; er erinnert aber ſelbſt, daß man ſie fuͤr nichts mehr, als die erſte Anlage zu fernern Unterſuchungen zu halten habe.
Endlich aͤndert ſich auch die Federkraſt der Luft durch die chymiſche Miſchung derſelben. Die Atmoſphaͤre iſt ein Gemiſch mehrerer luftfoͤrmigen Stoffe, vornemlich dephlogiſtiſirter, phlogiſtiſirter und firer Luft, ſ. Gas, atmoſphaͤtiſches. Alle dieſe Stoffe haben verſchiedene ſpecifiſche Schweren, d. h. bey gleichem Drucke verſchiedene Dichten, mithin auch ſehr verſchiedene ſpecifiſche Elaſticitaͤten; alſo muß ihre Verbindung in abwechſelnden Verhaͤltniſſen23 vielfaͤltige Aenderungen in der Federkraft der Luft veranlaſſen. Hierauf hat Bouguer zuerſt aufmerkſam gemacht; die beſten Bemerkungen daruͤber ſind die von Hrn. Ktamp (Anhang zur Geſch. der Aeroſtatik, Straßb. 1786. gr. 8.).
Boyle, Hales und Deſaguliers glaubten, die Federkraft der Luft werde durch verſchiedene Mittel, z. B. durch angezuͤndeten Schwefel, Steinkohlen, Zunder, durch eine Lichtflamme u. ſ. w. geſchwaͤcht. Man weiß aber jetzt, daß dieſes bey allen Verbrennungen in eingeſchloßner Luft vorkommende Phaͤnomen, nicht Schwaͤchung der Federkraft ſondern wahre Verminderung der Maſſe iſt, wobey die ſpecifiſche Schwere vermindert, mithin die ſpecifiſche Federkraft ſogar vergroͤßert wird, ſ. Gas, phlogiſtiſirtes. Dichte und Gewicht der Luft an der Erdflaͤche.
Das Manometer giebt nur Verhaͤltniſſe verſchiedener Dichtigkeiten der Luft an. Um dieſe mit der Dichte andeter Koͤrper zu vergleichen, muß man wenigſtens eine derſelben, welche bey einer beſtimmten Barometerhoͤhe, Waͤrmerc. ſtatt findet, mit der Dichte des Waſſers oder Queckſilbers zuſammenhalten. Das natuͤrlichſte Mittel dazu ſchien dieſes zu ſeyn, daß man ein beſtimmtes Volumen Luft abwoͤge, und ſein Gewicht mit dem Gewicht eines gleichen Volumens Waſſer vergliche, ſ. Schwere, ſpecifiſche.
Galilei, der die Schwere der Luft ſchon kannte, beweiſet dieſelbe in ſeinen Dialogen (Diſcorſi intorno a due nuove ſcienze. 1638 Giornata 1.) unter andern daraus, weil eine hohle Kugel ſchwerer wird, wenn man mehr Luft in ſie hineinpreſſet. Er hatte den Verſuch mit Huͤlfe einer Spritze wirklich zu Stande gebracht, und meldet, er habe die Luft 400mal leichter, als eben ſo viel Waſſer, gefunden: er hat aber ohne Zweifel noch nicht die richtigen Gruͤnde einer ſolchen Berechnung gekannt.
Der P. Merſenne bediente ſich einer Aeolipile, ſ. Windkugel, die er zuerſt mit der Luft darin abwog, dann aber auf Kohlen legte, die Luft durch die Hitze heraustrieb, und hierauf die Kugel leichter fand. Daraus berechnete24 er, die Luft ſey 1346mal leichter, als Waſſer. Weil aber die Hitze nie alle Luft heraustreibt, ſo giebt dieſe Methode das Gewicht derſelben viel zu gering an. Boyle (Exp. phyſico-mech. de vi aëris elaſtica) wiederholte den Verſuch mit mehr Vorſicht, und fand die Luft nur 938mal leichter.
Kiccioli (Almag. nov. L.II. c. 5.) verfuhr noch fehlerhafter. Er wog eine leere Ochſenblaſe, bließ ſie dann mit Luft auf, und fand ſie um 2 Gran ſchwerer. Hieraus ſchloß er, die Luft in der Blaſe habe 2 Gran gewogen, und ſey 10000mal leichter, als Waſſer, geweſen. Es kan aber die aufgeblaſene Blaſe nicht mehr wiegen, als die leere, wie Jacob Bernoulli (Act. Erud. Lipſ. 1685. p. 436.) ſehr richtig zeigt. Sie nimmt nemlich aufgeblaſen mehr Raum ein, treibt alſo mehr aͤußere Luft aus der Stelle, und verliert dadurch gerade ſo viel mehr von ihrem Gewichte, als die hineingeblaſene Luft wiegt, ſ. Gewicht (Th. II. S. 493.). Daß ſie bey Riccioli 2 Gran mehr wog, kam vermuthlich nur daher, weil er beym Einblaſen und Zubinden die innere Luft etwas mehr zuſammengedruͤckt hatte. Dieſe 2 Gran waren alſo nur das Gewicht des geringen mit Gewalt hineingepreßten Ueberſchuſſes. Boyle (Paradoxa hydroſt. in prolegom. ) fuͤhrt dieſes falſche Verfahren auch an, und ſetzt nach ſelbigem die Luft 7500mal leichter, als Waſſer.
Soll der Verſuch richtig ausfallen, ſo muß man feſte unbiegſame Gefaͤße, welche beſtaͤndig einerley Raum einnehmen, dazu gebrauchen. Am beſten ſchicken ſich kupferne hohle Kugeln mit einem Hahne, die man auf das Saugrohr der Luftpumpe ſchrauben kan. Eine ſolche Kugel wiegt man vorher ab, zieht alsdann die Luft ſo genau, als moͤglich, aus, verſchließt den Hahn, und wiegt die luſtleere Kugel wieder. Der Unterſchied des Gewichts vom vorigen wird dem Gewichte der Luft, die in ihr Raum hat, ſehr nahe kommen. Freylich kan man nicht alle Luft aus der Kugel ziehen; aber eine gute Luftpumpe wird immer ſo viel leiſten, daß der zuruͤckbleibende Theil unbetraͤchtlich wird.
So har Wolf (Nuͤtzl. Verſuche, 1. Theil, §. 86.) den Verſuch angeſtellt. Seine Kugel hatte 132 rheinl. Decimallinien25 im Durchmeſſer, hielt alſo im koͤrperlichen Raume 1203708 Cubiklinien. Luftleer wog ſie 704 Gran weniger, als ſonſt. Alſo wiegen 1000000 Cubiklinien oder 1 rheiniſch. Cubikſchuh Luft (704000000 / 1203708) d. i. beynahe 585 Gran. Ein Cubikſchuh Waſſer wiegt nach Wolfs Angabe 495000 Gran; und ſo giebt dieſer Verſuch die Luft (495000 / 585) oder faſt 846 mal leichter als das Waſſer.
Durch aͤhnliche Verſuche fanden Burkard de Volder (Quaeſt. acad. de aëris gravitate, §. 52.) die Luft 970 mal, Homberg (Mém. de Paris, 1693.) 800 mal, Hawksbee 885 mal leichter, als Waſſer. Halley nahm ſie 800 — 860 mal leichter an, und Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. To. II. §. 2059.) ſetzt die Grenzen 606 bis 1000mal. s'Graveſande (Phyſ. Elem. math. L. IV. c. 5. §. 2164.) bediente ſich einer von Jacob Bernoulli vorgeſchlagnen Methode, das luftleere Gefaͤß im Waſſer zu waͤgen, und findet dadurch die ſpecifiſchen Schweren des Waſſers und der Luft, wie 798 zu 1.
Wenn ſolche Verſuche etwas Beſtimmtes lehren ſollen, ſo muß dabey wenigſtens Barometerſtand und Waͤrme (eigentlich auch Feuchtigkeit und Reinigkeit der Luft) angegeben, und auf die Verſchiedenheit des Waſſers Ruͤckſicht genommen werden. Das haben aber die genannten Naturforſcher gar nicht beobachtet, daher man auch keinen genauen Gebrauch von ihren Reſultaten machen kan. Inzwiſchen laͤßt ſich im Durchſchnitte, fuͤr eine mittlere Barometerhoͤhe (27 1 / 2 par. Zoll) und bey einer mittlern Temperatur (10° Reaum. ) die Luft etwa 800 mal leichter, als Waſſer, annehmen. So iſt, des Waſſers Dichte = 1 geſetzt, die Dichte dieſer Luft = (1 / 800) oder = 0,00125.
Die barometriſchen Hoͤhenmeſſungen zeigen einen andern Weg, die Dichte der Luft zu beſtimmen. Man findet bey dem Worte: Hoͤhenmeſſung (Th. II. S. 618.) erwieſen, daß die Subtangente oder das c der dort gefundenen allgemeinen Formel, durch die Barometerhoͤhe f dividirt,26 anzeige, wie vielmal das Queckſilber ſchwerer iſt als die Luft bey dieſer Barometerhoͤhe. Koͤnnte man nun unter den (S. 632.) angegebnen Werthen von c einen als zuverlaͤſſig anſehen, ſo waͤre daraus die Dichte der Luft fuͤr jede Barometerhoͤhe leicht zu finden, und dem Grade der Waͤrme gemaͤß zu berichtigen.
Nach Lambert, Mayet und de Luͤc iſt c = 4342 Toiſen, wenn nach Letzterm die Temperatur + 16 3 / 4 Grad nach Reaumuͤr iſt. Dies gaͤbe fuͤr die Barometerhoͤhe 27 1 / 2 Zoll alſo die Luft 11368 mal leichter, als Queckſilber, oder (die Dichten von Queckſilber und Waſſer, wie 14: 1 geſetzt) 816 mal leichter, als Waſſer. Fuͤr jeden Grad Aenderung der Waͤrme aͤndert ſich dieſe Zahl um 1 / 215, d. i. um 3,8. Fuͤr 10 Grad Temperatur wird ſie alſo 816 — 6 3 / 4.3,8 = 791, welches dem oben angegebenen Mittel 800 ſehr nahe koͤmmt.
Setzt man nun das Gewicht des rheinlaͤndiſchen Cubikſchuhs Waſſer 64 1 / 2 Pfund, des pariſer Cubikſchuhs 72 Pf. ſ. Waſſer, ſo findet ſich das abſolute Gewicht
des rheinl. Cubikſchuhs Luft | = | 64,5.7680 / 800 | = 619 | Gran, | |||
des pariſer | — | — | — | = | 72.7680 / 800 | = 691 | — |
oder 2 7 / 8 Loth. Hr. D. Gren (Grundriß der Naturlehre, Halle, 1788. 8. §. 620.) ſetzt aus eignen Verſuchen das Gewicht eines rheinlaͤndiſchen Cubikſchuhs Luft, welche nicht ſehr feucht iſt und die Temperatur 65° Fahrenh. hat, bey der Barometerhoͤhe 27 Zoll 8 Lin., auf 615, 083 Gran Medicinalgewicht. Luft in den Koͤrpern. Luftgeſtalt der Materie.
Einige Koͤrper, z. B. Glas, Metall, naſſes Leder, ſind fuͤr die Luft undurchdringlich, andere nicht. Dieſe Verſchiedenheit haͤngt nicht bloß von der Groͤße der Zwiſchenraͤume27 ab, ſondern koͤmmt auch auf Verwandſchaft und Anhaͤngen der Luft an. Man darf alſo nicht mit Nollet ſchließen, die Luft habe groͤbere Theile, als das Waſſer, weil ſie nicht durch naſſes Leder geht.
An viele Koͤrper haͤngt ſich die Luft ſtark und haͤufig, und kan nur mit großer Schwierigkeit aus ihren Zwiſchenraͤumen gebracht werden. So iſt das Holz gewoͤhnlich voll Luft. Auch in fluͤßigen Koͤrpern, z. B. Waſſer, Bier, Milch, Seifenwaſſer, haͤlt ſie ſich in großer Menge auf, und ſteigt aus denſelben, wenn man ſie erwaͤrmt, oder unter die Glocke der Luftpumpe bringt, in Blaſen in die Hoͤhe. Legt man Holz mit einer daran gebundnen Bleykugel unter Waſſer, und pumpt die Luft daruͤber hinweg, ſo ſteigen dieſe Blaſen in noch groͤßerer Menge auf, und das Holz ſinkt nach Anſtellung dieſes Verſuchs im Waſſer unter — ein Zeichen, daß es bloß megen der Menge ſeiner mit Luft angefuͤllten Zwiſchenraͤume auf dem Waſſer ſchwimmt. Selbſt im Queckſilber haͤlt ſich Luft auf, und es koſtet Muͤhe, ſie herauszutreiben, ſ. Barometer. Auch nehmen Koͤrper, welche von der Luft befreyt worden ſind, dergleichen wieder in ſich, wenn ſie ihr eine Zeitlang ausgeſetzt werden.
Außer dieſer Luft in den Zwiſchenraͤumen der Koͤrper (aër poroſitatis) nahm man ſonſt noch eine zu ihren Beſtandtheilen ſelbſt gehoͤrige und mit ihnen gleichſam verkoͤrperte Luft (aer mixtionis) an. Man ſahe nemlich aus den meiſten Koͤrpern, wenn ſie durch Saͤuren, Feuer u. dgl. zerſetzt wurden, einen luftfoͤrmigen Stof hervorgehen, der oft einen viele hundertmal groͤßern Raum einnahm, als der zerſetzte Koͤrper ſelbſt. Eben darin beſteht das bey Aufloͤſungen ſo gewoͤhnliche Aufbrauſen. Boyle, Hales u. a. glaubten, dieſer Stof ſey weſentlich luftartig, und mache, als ein ſolcher, einen Beſtandtheil der Koͤrper aus. Sie nannten ihn kuͤnſtliche oder figirte, feſte Luft (aër factitius, fixus), und als neuere Unterſuchungen lehrten, daß es mehrere und ſehr weſentlich unterſchiedene Stoffe dieſer Art gebe (ſ. Gas), ſo glaubten die meiſten Phyſiker, dieſe Luftgattungen waͤren als urſpruͤnglich luftartige28 Stoffe in der Miſchung der Koͤrper aͤußerſt eng zuſammengepreßt oder eingekerkert, woher denn auch die gewoͤhnlichen Ausdruͤcke des Entbindens oder Entwickelns der Gasarten entſprungen ſind.
Nun iſt es zwar unleugbar, daß eben die Materie, welche nach der Entwickelung den luftfoͤtmigen Stoff ausmacht, vorher in der Miſchung des Koͤrpers enthalten war. So wird Niemand zweifeln, daß die durch Vitriolſaͤure aus der Kreide getriebne Luftſaͤure zuvor einen Beſtandtheil der Kreide ſelbſt ausgemacht habe. Allein man muß ſich hiebey nicht vorſtellen, daß ſie im feſten Koͤrper ſchon Luft geweſen, und nur durch Einſperrung oder Cohaͤſion verhindert worden ſey, ihre Elaſticitaͤt zu zeigen; welchen falſchen Begrif dennoch viele Schriftſteller mit den Worten: verkoͤrperte, eingekerkerte Luft (aër incorporatus, incarceratus) verbinden. Eine ſolche Einkerkerung elaſtiſcher Luft wuͤrde die ſchrecklichſten Erploſionen veranlaſſen, die auch in der That erfolgen, wenn ſich ploͤtzlich erzeugte Gasarten nicht ſogleich genugſam ausbreiten koͤnnen, ſ. Knallpulver, Schießpulver.
Vielmehr iſt die Materie, ſo lang ſie ſich in der Miſchung des zerſetzten Koͤrpers befindet, noch nicht Luft, und ihr Uebergang in eine Luftart macht eine eigne Veraͤnderung ihrer Form oder ihres Zuſtands aus. So wie Feſtigkeit und Fluͤſſigkeit, wie Dampfgeſtalt und Tropſbarkeit, verſchiedene Zuſtaͤnde ſind, in welchen ſich eine und eben dieſelbe Subſtanz zeigen kan, ſo iſt auch Luftgeſtalt oder permanent-elaſtiſche Form ein bloßer Zuſtand der Materie, welchen dieſelbe annehmen oder verlaſſen kan, ohue daß ſich ihre Subſtanz aͤndert. So iſt es vielleicht ein und ebenderſelbe Stoff, der in ſeſter Geſtalt Eis, in trepfbarer Waſſer, in Dampfgeſtalt Waſſerdampf, in Luftgeſtalt dephlogiſtiſirte Luft genannt wird.
Man findet alſo in der Miſchung der Koͤrper nicht Luft (aërem mixtionis), ſondern Stoffe, welche durch gewiſſe Bearbeitungen die Luftgeſtalt annehmen. Einige dieſer Stoffe kennt man freylich blos unter dem Namen der Luft. Man wird mich daher nicht falſch verſtehen,29 wenn ich hin und wieder ſage, man finde im Salpeter dephlogiſtiſirte, in den Mineralwaſſern fire, in vielen Koͤrpern brennbare Luft u. ſ. w.
Da die Uebergaͤnge aus Feſtigkeit in Fluͤßigkeit, und aus Tropfbarkeit in Dampfgeſtalt, durchs Feuer oder durch den Stoff der Waͤrme bewirkt werden, ſ. Fluͤßig, Daͤmpfe, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß eben dieſes Feuer den Subſtanzen, durch eine noch innigere Verbindung mit denſelben, auch die Luftgeſtalt gebe. Wenigſtens iſt dies faſt die allgemeine Meinung der beſten neuern Naturforſcher, ſ. Elaſticitaͤt (dieſes Woͤrterb. Th. I. S. 705.), Gas (Th. II. S. 350. u. f.). Vermehrung der Waͤrme verſtaͤrkt die ſpecifiſche Federkraft. Das weſentliche Kennzeichen der Gasarten, daß ſie durch die Kaͤite nicht tropfbar werden, zeigt eine innige Vereinigung mit dem Stof der Waͤrme an. Bey den Verſuchen mit den Luftgattungen zeigt ſich deutlich, daß bey jedem Uebergange in den luftfoͤrmigen Zuſtand Waͤrme gebunden, und bey jeder. Verwandlung einer Gasart in einen feſten, tropfbaren oder dampfaͤhnlichen Koͤrper Waͤrme ſrey werde. Dies macht es ſehr glaublich, daß die Luftgeſtalt blos als ein eigner von inniger Verbindung mit dem Feuer herruͤhrender Zuſtand der Materie zu betrachten ſey.
Kaͤſtners Aerometrie in den Anfangsgr. der angew. Mathematik, II. Th. 1. Abth. Goͤtt. 1780. 8.
Karſtens Lehrbegrif der geſammt. Math. III. Th. Aeroſtatik. VI. Th. Pneumatik.
Wolfs nuͤtzl. Verſuche zur Erkenntniß der Natur u. Kunſt. I. Theil. Halle, 1721. 8. Cap. V.
Errlebens Anfangsgr. der Naturl. 4te Aufl. Goͤtt. 1787. 8. §. 202. u. f.
F. A. C. Gtens Grundriß der Naturlehre. Halle, 1788. 8. §. 579. u. f.
Luft, fire, feſte, ſ. Gas, Gas, mephitiſches.
Luftarten, ſ. Gas.
Luftball, ſ. Aetoſtat.
Luftbegebenheiten, ſ. Meteore.
atmoſphaͤriſche Elektricitaͤt, Electricitas aëroa ſ. atmoſphaerica, Electricité aërienne ou30 de l'atmoſphère. Die Elektricitaͤt der in ber Aimoſphaͤre befindlichen Luft, Duͤnſte und Wolken. Sie iſt die Urſache des Blitzes, und in dieſer Ruͤckſicht ſchon bey dem Worte: Blitz, betrachtet worden. Aber auch außer der Zeit der Gewitter finder man im Luftkreiſe ſtets eiuige Elektricitaͤt, zu deren Beobachtung entweder gewoͤhnliche Elektrometer, oder beſondere Vorrichtungen, ſ. Drache, elektrriſcher, Luftelektrometer, gebraucht werden.
Als man auf Ftanklins Veranlaſſung im Jahre 1752 die Elektricitaͤt der Gewitter durch unmittelbare Erfahrungen bewieſen hatte, fand le Monnier (Obſ. ſur l'éiectricité de l'air, in den Mém. de Paris, 1752.) zuerſt durch ſeine zu St. Germain en Laye angeſtellten Verſuche die Luft auch außer der Zeit der Gewitter elektriſch. Der Abbe Mazeas (Obſerv. upon the electricity of the air, made at the chateau de Maintenon, June, July and Oct. 1753. in den Philoſ. Trans. Vol. XLVIII. no. 57.) ſpannte auf dem Schloſſe Maintenon einen 370 Fuß langen eiſernen Drath aus, deſſen Enden 90 Fuß hoch uͤber der Erde an ſeidnen Schnuͤren hiengen, und der mit einem elektriſchen Drachen verbunden war. Durch dieſe Vorrichtung fand er die Luftelektricitaͤt an jedem trocknen Tage von Sonnenauſgang an bis Abends um ſieben oder acht Uhr merklich, indem der Drath leichte Koͤrper auf einige Linien weit anzog; bey feuchtem Wetter aber und in der Nacht konnte er kein Zeichen der Elektricitaͤt wahrnehmen. Auch Kinnersley (Philoſ. Trans. Vol. LIII. no. 21.) hatte gefunden, daß eine recht trockne Luft allemal eine ziemlich ſtarke Elektricitaͤt zeigte, welche ſich ſehr leicht aus derſelben herableiten ließ. Wenn eine negatio elektriſirte Perſon im Dunkeln eine lange Nadel mit ausgeſtrecktem Arme in die freye Luft empor hielt, ſo leuchtete die Spitze der Nadel.
Weit mehrere und genauere Beobachtungen der Luftelektricitaͤt ſtellte Beccaria zu Turin an (Lettere del elettriciſmo, in Bologna, 1758. gr. 4.). Bey klarem Himmel und ſtillem Wetter nahm er allezeit, wiewohl mit einiger31 Unterbrechung, Zeichen der Elektricitaͤt wahr. Hingegen bey windigem, oder bey feuchtem Wetter, wobey es nicht wirklich regnete, zeigte ſich keine Luftelektricitaͤt. Bey Regenwetter ward ſeine Geraͤthſchaft allemal kurz vor dem Regen elektriſch, und hoͤrte erſt kurz vor dem Ende deſſelben auf, es zu ſeyn. Je hoͤher ſeine Stangen reichten oder ſeine Drachen flogen, deſto ſtaͤrker ward ihre Elektricitaͤt, und wenn er von zwoen 140 Fuß von einander entfernten Stangen die hoͤhere beruͤhrte, ſo gab in demſelben Augenblicke die andere, welche 30 Fuß niedriger war, ſchwaͤchere Funken, die aber bald wieder ſtaͤrker wurden, ob er gleich ſeine Hand an der hoͤhern Stange liegen ließ. Uebrigens hat Beccaria auf ſeine Beobachtungen der Luftelektricitaͤt ein nicht unberuͤhmtes Syſtem von Erklaͤrungen gegruͤndet, nach welchem nicht nur Gewitter, Regen, Schnee und Hagel, ſondern auch Sternſchnuppen, Nordlichter, Waſſerhoſen, Erdbeben und Vulkane als Wirkungen der Elektricitaͤt betrachtet werden.
Ueber die Elektricitaͤt der Luft bey heiterm Hinunel hat Veccaria in der Folge noch mehr Beobachtungen mitgetheilt (Oſſervazioni della elettricità terreſtre atmosferica a cielo ſereno, bey ſ. Elettriciſmo artiſiciale, in Torino, 1772. 4.). Er fand ſie beſtaͤndig bey Tag und bey Nacht poſitiv, bey kaltem Wetter ſtaͤrker, als bey warmem; durch trockne Winde ward fie geſchwaͤcht, durch die in der Luft ſchwebenden Duͤnſte aber verſtaͤrkt oder angehaͤuft, wofern nicht dieſe Duͤnſte zugleich eiue Ableitung in die Erde veranlaßten. Daher war ſie bey Nebeln, die nicht niederfielen, am ſtaͤrkſten. Wenn dicke Wolken herankamen, oder auch nur der Wind von einem entfernten Gewoͤlke herbließ, ingleichen wenn es regnete, war ſie gemeiniglich negativ.
Hiemit ſtimmen auch die Beobachtungen von Konayne in Irland (Phil. Trans. Vol. LXII. p. 138.), von W. Henly (Phil. Tr. Vol. LXIV. p 422.) und von Cavallo (Treatiſe of electricity. P. IV. c. 2. 3. ) uͤberein. Der Letztere beobachtete zu Islington die Luftelektricitaͤt ſowohl32 mit Huͤlfe eines Drachen, als auch mit einem eignen Luſtelektrometer. Die Reſultate hievon laſſen ſich auf folgende Saͤtze bringen.
I. Es giebt im Luftkreiſe allezeit einige Elektricitaͤt. Sie iſt bey kaltem Wetter ſtaͤrker, als bey warmem, auch bey Nacht nicht geringer, als am Tage.
II. Dieſe Elektricitaͤt iſt allezeit poſitiv; nur der Einfluß ſchwerer Wolken oder des Regens kan verurſachen, daß die Werkzeuge eine negative Elektricitaͤt angeben.
III. In der Regel finder ſich die ſtaͤrkſte Elektricitaͤt bey dickem Nebel und bey kaltem Wetter; die ſchwaͤchſte hingegen bey truͤber, warmer und zum Regen geneigter Witterung.
IV. In der Hoͤhe iſt die Elektricitaͤt ſtaͤrker, als an niedrigen Orten. Vielleicht mag ſie in den obern Gegenden des Luftkreiſes außerordentlich ſtark ſeyn.
V. Wenn es regnet, iſt die Elektricitaͤt des Drachen mehrentheils negativ, und ſehr ſelten poſitiv.
VI. Wenn das Wetter feucht, und die Elektricitaͤt ſtark iſt, ſo erſetzt ſich dieſelbe, wenn man einen Funken aus der Schnur des Drachen gezogen hat, mit großer Geſchwindigkeit wieder: aber bey trocknem und warmem Wetter geſchieht dieſer Erſatz außerordentlich langſam.
Die Elektricitaͤt der Wolken iſt, wie ſchon Franklin bemerkt hat, oft negativ; ſie verſchlucken bisweilen durch den Apparat eine ſtarke und vollgeladne Flaſche poſitiver Elektricitaͤt, von welcher der Apparat ſelbſt nicht den hundertſten Theil haͤtte annehmen und behalten koͤnnen. Wahrſcheinlich werden die Wolken dadurch negativ, daß ſie in den Wirkungskreis groͤßerer poſitiver Wolken kommen.
Der taͤgliche Gang der Luftelektricitaͤt iſt in der Regel folgender. Bey trockner Luft entſteht des Morgens vor Sonnenaufgang einige Elektricitaͤt, die man aber, weil die Luft gewoͤhnlich die Nacht uͤber feucht iſt, nur ſelten bemerken kann. Des Vormittags wird die Elektricitaͤt nach und nach ſtaͤrker, je hoͤher die Sonne ſteigt, und erreicht33 endlich einen Grad, auf dem ſie ſtehen bleibt, bis die Sonne bald untergehen will. Alsdann aber nimmt dieſe taͤgliche Elektricitaͤt deſto mehr ab, je feuchter die Luft iſt. In den kuͤhlern Jahrszeiten entſteht, wenn der Himmel heiter iſt, ein wenig Wind wehet und die Trockenheit ſtark zunimmt, nach Sonnenuntergang mit Anfang des Thaues eine Elektricitaͤt von betraͤchtlicher Staͤrke, welche ſich im Apparat beym Funkenziehen ſehr ſchnell wieder erſetzt, und langſam vergehet. In gemaͤßigten oder warmen Jahrszeiten zeigt ſich dieſe Elektricitaͤt ſogleich mit Sonnenuntergang; ſie faͤngt mit groͤßerer Geſchwindigkeit an, vergeht aber auch fruͤher.
Bey Gewittern bewirken die Blitze ſchnelle Veraͤnderungen der Luftelektricitaͤt. Oft wird dieſelbe dadurch weiter verbreitet, bisweilen vermindert, bald verſtaͤrkt, bald ſogar in die entgegengeſetzte verwandelt; bisweilen koͤmmt ſie, wenn vorher gar keine da war, mit einem Blitze ploͤtzlich zum Vorſchein. Empfindliche Elektrometer, z. B. das Bennetſche, zeigen ſchon Veraͤnderungen, wenn es nur von weitem am Horizonte blitzt.
Dieſe Elektricitaͤt der Atmoſphaͤre theilt ſich nun den Wolken mit, und haͤuft ſich in ihnen, als in iſolirten Leitern, an. Dies iſt unſtreitig die Urſache der Gewitterelektricitaͤt. Woher aber die Luftelektricitaͤt ſelbſt ihren Urſprung nehme, laͤßt ſich nicht zuverlaͤßig beſtimmen. Man giebt insgemein die Reibung der Wolken und Lufttheilchen an einander, durch Winde und Luftſtroͤme, zur Urſache an: allein es hat ſchon Wilke (Anm. zu Franklins Briefen uͤber die Elektr. Leipz. 1758. 8. S. 299.) ſehr richtig erinnert, daß die Erregung der Elektricitaͤt durch Reiben allemal verſchiedene Koͤrper vorausſetze, deren einer poſitiv, der andere negativ elektriſirt wird, welches in der Luft keine andere Folge, als dieſe, haben koͤnnte, daß die poſitiven und negativen Theilchen einander anzoͤgen, und die erregte Elektricitaͤt wieder verloͤhren. Auch zeigen die Beobachtungen, daß ſtarke Winde die Luſtelektricitaͤt vielmehr ſchwaͤchen. Franklin nahm daher an, die Waſſerduͤnſte, aus welchen die Wolken beſtehen, wuͤrden durch ihre ſtarke34 Verduͤnnung von ſelbſt negativ elektriſirt, daher waͤren alle Wolken, beſonders die Seewolken, auch ohne Reibung elektriſch; Beccaria hingegen ſahe die Wolken blos als Leiter an, welche die Elektricitaͤt des Erdbodens aus einem Orte in den andern uͤberfuͤhrten.
Wahrſcheinlicher iſt die Muthmaßung, welche Canton zuerſt geaͤußert hat, daß die Luft, wie der Turmalin, durch die Abwechſelungen der Waͤrme und Kaͤlte elektriſirt werde. Wilke ſtimmt dieſer Meinung bey, und haͤlt die Spitzen der Berge, an welchen ſo oft Gewitterwolken entſtehen, ebenfalls fuͤr ſolche Turmaline, deren Elektricitaͤt durch die Hitze verſtaͤrkt iſt. Sie ziehen alsdann die leitenden Duͤnſte an, die eine Wolke bilden, durch die Mittheilung eine gleichartige Elektricitaͤt mit dem Berge erhalten. und alsdann von ſelbigem abgeſtoßen werden, u. ſ. w. Er bemerkt auch, daß die ſchwuͤle Hige, welche des Sommers vor den Gewittern vorhergeht, in unſerm Koͤrper ganz andere Empfindungen errege, als ſonſt die gewoͤhnliche, oft cben ſo ſtarke Waͤrme. Dieſe ſchwuͤle Luft macht traͤg, und der Wind bedeckt uns alsdann gleichſam mit einer heiſſen Wolke: wir empfinden eben die Beklemmung und Bangigkeit, welche man bey ſtarkem Elektriſiren fuͤhlt, und empfindliche Perſonen ahnden ganze Tage lang das bevorſtehende Gewitter. Die gewoͤhnliche Abkuͤhlung der Luft, die man insgemein als Folge der Gewitter betrachtet, laͤßt ſich nach dieſen Grundſaͤtzen eher als Urſache derſelben anſehen, die ſich nur ſpaͤter in die untern Regionen verbreitet. Man ſ. den Art. Blitz (dieſes Woͤrterb. Th. I. S. 374.).
Endlich haben neuere, mit dem Condenſator der Elektricitaͤt angeſtellte, Verſuche gelehrt, daß jeder aufſteigende unſichtbare Dunſt clektriſch ſey. Wenn man z. B. ein Feuerbecken mit Kohlen iſolirt, und die Platte, worauf es ſteht, mit dem Condenſator verbindet, ſo entſteht Elektricitaͤt, zumal wenn man Waſſer auf die Kohlen ſpritzt. Dieſe iſt gemeiniglich negativ — ein Zeichen, daß der aufſteigende Dampf poſitiv ſey. Da nun in den Luftkreis unaufhoͤrlich unſichtbare Duͤnſte aufſteigen, und die35 Wolken ſelbſt aus einem Niederſchlage dieſer Duͤnſte entſtehen, ſo ſcheint es ſehr natuͤrlich, dieſe Eigenſchaft der Duͤnſte, wo nicht fuͤr die einzige, doch gewiß fuͤr eine Haupturſache der Elektricitaͤt der Luft und der Wolken anzunehmen.
Die Luftelektricitaͤt hat auf die Geſundheit des menſchlichen Koͤrpers, auf die Witterung, und insbeſondere auf Vegetation und Fruchtbarkeit einen nicht zu verkennenden Einfluß. Jhre Wirkungen auf die Geſundheit hat Bertholon de St. Lazare (Anwendung und Wirkſamkeit der Elektricitaͤt zur Erhaltung und Wiederherſtellung der Geſundheit des menſchlichen Koͤrpers, a. d. Frzmit neuen Erfahrungen bereichert von D. C. G. Kuͤhn, Leipzig, 1788. 8. ) umſtaͤndlich aus einander geſetzt. Wie nothwendig es ſey, den uͤbrigen meteorologiſchen Beobachtungen auch Angaben der Luftelektricitaͤt beyzufuͤgen, zeigt Herr Achard (Mém. de l'Acad. de Pruſſe. 1780.), welcher insbeſondere erweiſet, daß das Aufſteigen und Niederfallen des Thaues durch die Luftelektricitaͤt befoͤrdert oder verhindert werden koͤnne. Endlich ſcheint auch ihr Einfluß auf das Wachsthum der Pflanzen außer Zweifel zu ſeyn. Im Fruͤhlinge, wenn ſich die Vegetation erneuert, erſcheinen auch von Zeit zu Zeit elektriſche Wolken, welche Regen ausgießen. Die Elektricitaͤt der Wolken und des Regens nimmt zu bis in die Zeit des Herbſts, in welcher die letzten Fruͤchte eingeſammelt werden. Die elektriſche Materie ſcheint die Triebfeder zu ſeyn, welche die Duͤnſte ſammelt, die Wolken bildet und dann wieder gebraucht wird, ſie zu zerſtoͤren, und in Regen aufzuloͤſen. Die Erfahrung lehrt auch, daß kein Begießen ſo fruchtbar ſey, als der Regen; beſonders derjenige, welcher die Gewitter begleitet. Man ſchloß ſonſt aus Verſuchen mit kuͤnſtlicher Elektricitaͤt, daß das poſitive Elektriſiren die Vegetation befoͤrdere: allein die Herren Ingenhouß (Rozier Obſerv. ſur la phyſique etc. May. 1788.) und Schwankhard (ſ. Magaz. fuͤr das Neuſte aus der Phyſ. V. B. 1. St. S. 161. u. f.) haben durch ſehr ſorgfaͤltige Verſuche36 keinen Einfluß der kuͤnſtlichen Elektricitaͤt auf das Wachsthum der Pflanzen entdecken koͤnnen.
Prieſtley Geſchichte der Elektricitaͤt durch Kruͤnitz, S. 208. u. f.
Cavallo vollſtaͤnd. Abhandl. der Lehre von der Elektr. aus dem Engl. dritte Aufl. Leipz. 1785. gr. 8. S. 293 und 296.
Adams Verſuch uͤber die Elektr. aus dem Engl. Leipz. 1785. gr. 8. S. 151. u. f.
Luftelektrometer, atmoſphaͤriſches Elektrometer, Electrometrum aëreum ſ. atmoſphaericum, Electromètre aërien ou atmoſphérique. Eine Veranſtaltung, wodurch ſich die Staͤrke und Beſchaffenheit der Luftelektricitaͤt beſtimmen laͤßt. Eigentlich gehoͤren alſo hieher auch die elektriſchen Drachen und Elektricitaͤtszeiger, von welchen unter beſondern Artikeln gehandelt worden iſt. Man hat aber zu Beobachtung der taͤglichen Elektricitaͤt der Atmoſphaͤre auch kleinere portative Werkzeuge angegeben, welche im eingeſchraͤnktern Sinne den Namen der Luftelektrometer fuͤhren.
Cavallo (Vollſt. Abhandl. der Lehre von der Elektr. 4. Theil, Cap. 3.) beſchreibt ein ſehr einfaches Werkzeug dieſer Art. AB, Taf. XIV. Fig. 6. iſt eine gemeine aus mehrern Gliedern beſtehende Angelruthe, von der jedoch das letzte duͤnnſte Glied abgenommen iſt. Em Ende B ſteckt eine duͤnne, mit Siegellak uͤberzogne, Glasroͤhre C, und an dieſer ein Stuͤck Kork D, von welchem ein Elektrometer E mit Korkkuͤgelchen herabhaͤngt, ſ. Elektrometer. HGI iſt ein langer Bindfaden, welcher bey A befeſtiget, und bey G von einem Schnuͤrchen FG gehalten wird; an ſein Ende I iſt eine Stecknadel befeſtiget. Wenn man dieſe in den Kork D einſteckt, ſo iſt das Elektrometer E uniſolirt. Will man nun mit dieſem Inſtrumente die Elektricitaͤt der Atmoſphaͤre beobachten, ſo haͤlt man den Stab zu einem Fenſter heraus einige Secunden lang ſo in die Luft, daß er mit dem Horizonte einen Winkel von 50 bis 60° macht. Dann zieht man an dem Bindfaden bey H, und macht dadurch die Stecknadel von dem Korke D los, wodurch der Bindfaden in die punktirte Lage KL37 faͤllt, das Elektrometer aber iſolirt, und auf die der Elektricitaͤt der Atmoſphaͤre entgegengeſetzte Art elektriſirt bleibt. Hierauf wird das Inſtrument zuruͤckgezogen, und die Beſchaffenheit der Elektricitaͤt im Zimmer unterſucht.
Auch das Taſchenelektrometer des Cavallo, ſ. Elektrometer (dieſes Woͤrterb. Th. I. S. 810.) dient ſehr bequem zu Unterſuchung der Elektricitaͤt der Luft, des Nebels u. ſ. w. Man darf es nur ſo hoch in die Luft halten, daß es ein wenig uͤber dem Kopfe ſteht, und man die Korkkugeln bequem ſehen kan. Dieſe werden ſogleich divergiren, wofern Elektricitaͤt vorhanden iſt; und ob dieſelbe poſitiv oder negativ ſey, wird man beſtimmen koͤnnen, wenn man eine geriebene Siegellakſtange rc. gegen ſie bringt.
Herr Achard (Mém. de l'Acad. de Pruſſe, 1780.) erfordert von einem guten Luftelektrometer, daß es portativ, leicht zu gebrauchen, beſtimmt in der Angabe des Grades und der Beſchaffenheit der Elektricitaͤt, und bey Gewittern ohne Gefahr fuͤr den Beobachter ſey. Die groͤßte Schwierigkeit bey Verfertigung eines ſolchen Werkzeugs macht die Iſolirung, welche auch bey Regen und feuchter Luft vollkommen bleiben ſoll. Herrn Achards Inſtrument beſteht aus einem hohlen abgekuͤrzten Kegel von Zinn, deſſen oberes Ende offen, das untere aber durch eine zinnerne Platte verſchloſſen iſt. Dieſe Platte iſt mit einer 2 Zoll dicken Lage von Pech uͤberzogen, von deren unterer Flaͤche eine zinnerne Roͤhre herab geht, mit der man den Kegel ſo auf ein Stativ ſtellen kan, daß ſeine groͤßere niederwaͤrts gekehrte Grundflaͤche horizontal ſteht. Das Pech iſolirt den Kegel, und die untere Grundflaͤche des letztern muß ſo groß ſeyn, daß ſie den Regen, wenn er auch ſchief auffaͤllt, abhalten kan, die untere Flaͤche des Pechs zu treffen oder zu beſpritzen; weil ſonſt das Elektrometer ſich in einen Ableiter verwandeln wuͤrde. An dem ſchmalen Theile des Kegels befeſtigt Hr. Achard einen eiſernen Stab, und haͤngt daran ein Thermometer und zwey Elektrometer, ein etwas langſameres und ein ſehr empfindliches, nebſt einem Faden,38 der die geringſten Grade der Elektricitaͤt anzeigt. Um den Wind abzuhalten, iſt das Ganze in eine oben und unten offne glaͤſerue. Glocke eingeſchloſſen, deren Grund ebenfalls mit Pech iſolirt iſt. Auch die obere Oefnung der Glocke, durch welche der eiſerne Stab hindurch geht, iſt mit Pech ausgefuͤllt, und um dieſes vor dem Regen zu ſchuͤtzen, iſt es mit einem glaͤſernen Trichter bedeckt, durch welchen der Stab ebenfalls durchgeht. Auf den Stab kan man hohle und leichre zinnerne Roͤhren aufſchrauben, und damit eine Hoͤhe von 10, 20, 30 Schuhen erreichen, weil das oberſte Ende allezeit wenigſtens 6 Schuh uͤber alle benachbarte Koͤrper hervorragen muß. Die letzte Roͤhre endigt ſich in eine eiſerne ſehr ſcharſe und wohl vergoldete Spitze.
Um nun zu beſtimmen, ob die Elektricitaͤt der Luft poſitio oder negativ ſey, geht von dem eiſernen Stabe durch das Pech am Boden des Kegels ein Drath herab, an den man einen leinenen Faden mit einer Korkkugel bindet. Naͤhert man dieſer Kugel Koͤrper, welche + E haben, ſo zieht ſie dieſelben an, wenn ſie — E hat, oder ſtoͤßt ſie ab, wenn ſie ebenfalls + E hat.
Zum Schutz gegen ploͤtzliche Ausbruͤche der Elektricitaͤt wird an das Fußgeſtell ein eiſerner Stab beſeſtiget, den man einige Schuhe tief in die Erde einlaſſen kan. Das obere Ende deſſelben hat einen runden, etwa 1 Zoll vom Kegel abſtehenden Knopf. So wird ſich die angehaͤufte Elektricitaͤt allemal durch einen Schlag auf den Knopf in die Erde entladen. Staht das Inſtrument in einer Dachkammer, ſo muß ſtatt dieſes eiſernen Stabs eine metalliſche Leitung bis in die Erde hinab angebracht werden. Wird alsdann der Knopf in Beruͤhrung mit dem Kegel gebracht, ſo dient der ganze Apparat, als ein wirklicher Blitzableiter. Braucht man es aber in freyem Felde oder in einem Garten, ſo muß der Boden, worauf es ſteht, 2 - 3 Schuh weit uͤber die Peripherie des Kegels rings herum gepflaſtert werden, damit ſich der aufſteigende Thau nicht an den Kegel haͤngen, und die Iſolirung aufheben koͤune. 39
Die Mannheimer Societaͤt braucht zum Luftelektrometer einen Elektricitaͤtszeiger, deſſen Spitze oben in freyer Luft ſteht, die Leitungsſtange aber ins Innere des Kabinets gefuͤhrt iſt, wo man ſie zu Vermeidung aller Gefahr mit einer Ableitungsſtange, die zur Erde geht, verbinden kan.
Uebrigens laͤßt ſich zu Beobachtung der gewoͤhnlichen ſchwaͤchern Grade der Luftelektricitaͤt auch der Condenſator oder jedes empfindliche ElektrometerAls ein Nachtrag zum Nrtikel: Elektrometer iſt bier etwas von dem aͤußerſt empfindlichen Bennerſchen Elektrometer zu erwaͤbnen. Es beſteht, nach der Beſchreibung im goͤttingiſchen Taſchenkalender fuͤr 1789, aus zwey Streifen von Blattgold, 3Zoll lang und 1 / 4 Zoll breit. Dieſe ſind dicht an einander in der Mitte eines vertikalen glaͤſernen Cylinders von 5 Zoll Hoͤhe und 1 1 / 2 Zoll Durchmeſſer aufgchaͤngt. Der Cylinder ſitzt unten in einem hoͤlzernen oder meſſingnen Fuße; oben ſchließt ihn eine metallne Kappe, die etwa einen Zoll mehr im Durchmeſſer hat, als der Cylinder, und mit einem 3 / 4 Zoll tiefen abwaͤrtsſtehenden Rande, etwa wie der Deckel einer runden Schnupftobaksdoſe, verſehen iſt. Dieſer Rand haͤlt den Regen und Staud ab. Damit er feſt anſchließe, iſt innerhalb noch ein anderer halb ſo hoher concentriſcher Rand angebracht, der mit Sammet gefuͤttert iſt, und in der der Cylinder ſtreng einpaſſet. So iſt alles ohue Kitt feſt, und kan doch leicht abgenommen werden. Inwendig tritt aus der Mitte des Deckels ein hohler blecherner Cylinder etwas laͤnger, als der innere Rand, bervor mit einem kleinen Stifte, an dem die Goldſtreifchen mit Kleiſter, Gummiwaſſer rc. befeſtigt ſind. Damit ſie nicht von der Elektricitaͤt des Glaſes afficirt werden, ſo ſind an der innern Seite des Glaſes von da an, wo ſie anſchlagen wuͤrden, bis in den Fuß Stanniolſtreifen angeleimt. Der obere Rand des Glaſes iſt mit Siegellak uͤberzogen, um den Deckel deſto beſſer zu iſoliren. So iſt dieſes Elektrometer ziemlich aͤhnlich mit dem von Cavallo, welches im erſten Theile dieſes Woͤrterbuchs S. 811. beſchrieben iſt. Seine Empfindlichkeit iſt ſehr groß, und wird noch vermehrt, wenn man eine brennende Kerze auf den Deckel ſetzt, welche wie eine Spitze wirkt. Staub, von Buͤchern abgekehrt, pulveriſirte Kreide u. dgl. wirken auf die Golbblaͤttchen ſchon in der Entfernung. Bey heiterm Wetter treibt die iſolirte Schnur eines Drachen die Blaͤttchen an die Seite des Geſaͤßes an, bey wolkichtem Himmel aber, und wenn ein Drath in der Schnur iſt, zeigt ſich ſchon 30 Fuß weit von derſelben Elektricitaͤt. Zieht eine Donnerwolke vorbey. ſo ſchlagen mit jedem Blitze die Blaͤttchen ploͤtzlich an das Glas an u. ſ. w. (Man ſehe auch Henr. Dav. Wilckens Specimina duo, mathematicum et phyſicum. Gottingae, 1789. S. wo man eine Beſchreibung dieſes Elektrometers, nebſt einigen damit angeſtellten Verſuchen findet.)) gebrauchen. Wird40 daſſelbe mit der Erde verbunden, der Luft ausgeſetzt, und dann ploͤtzlich iſolirt, ſo zeigt es, wie das von Cavallo, die entgegengeſetzte Elektricitaͤt: wird es aber mit einer oben zugeſpitzten und unten iſolirten metalliſchen Leitung verbunden, ſo erhaͤlt es, wie das von Achard, eine gleichartige Elektricitaͤt mit der Luft ſelbſt.
Luftelektrophor. Dieſen ſehr uneigentlichen Namen hat Herr Weber (Neue philoſophiſche Abhandl. der churbayriſch. Akad. der Wiſſenſch. I. B. 1778. ingl. Joſeph Webers Abhandl. von dem Luftelektrophor, 2te Auflage, Ulm, 1779. 8. ) einer Vorrichtung beygelegt, welche ſich als Elektriſirmaſchine und als Elektrophor zugleich gebrauchen laͤßt. Man ſpannt nemlich trockne Glanzleinwand, wollen Zeug, Leinwand, Papier, abgetragnes Leder oder dergleichen in einem Rahmen aus, erwaͤrmt es und reibt die Flaͤche mit einem warmen Haſenoder Katzenpelz, wodurch ſie eine betraͤchtliche Elektricitaͤt erhaͤlt. Herr W. befeſtiget dieſen Rahmen in ein ſenkrecht ſtehendes Geſtell, das man, wie einen Hitzſchirm, an den warmen Ofen, oder im Sommer an die Sonne ſtellen kan. Neben dieſes Geſtell ſetzt man ein Tiſchchen, auf welchem eine glaͤſerne Flaſche ſteht, in welche ein umgebognes metallnes Rohr eingekuͤttet iſt. Am Ende deſſelben befindet ſich eine gegen den Rahmen gekehrte Quaſte von Metallfaͤden. So thut das Rohr, wenn die eingeſpannte Flaͤche gerieben wird alle Dienſte eines erſten Leiters, und die ganze Vorrichtung kan als Elektriſirmaſchine41 gebraucht werden. Ihre Wirkungen ſind ſtaͤrker, als man vermuthen ſollte, beſonders zeigt ſie im Dunkeln die Erſcheinungen des elektriſchen Lichts mit vorzuͤglicher Schoͤnheit.
Der Rahmen allein, ohne Geſtell, dient als Elektrophor. Man legt ihn horizontal, und unterſtuͤtzt ihn ſo, daß das eingeſpannte Zeug blos von der Luft beruͤhrt wird. Da es nun durchs Reiben eine negative Elektricitaͤt erhaͤlt, ſo wird eine darauf geſetzte, beruͤhrte und wleder abgenommene Trommel poſitiv elektriſirt, ſ. Elektrophor.
Die Leinwand oder der eingeſpannte Flancll u. dgl. muß hiebey ganz frey bleiben, und blos die Luft beruͤhren. Die Urſache iſt, weil geriebne duͤnne Koͤrper an jeder Flaͤche, an der ſie anliegen, leicht kleben, und in dieſem Zuſtande gar keine elektriſchen Erſcheinungen zeigen, ſ. Elektricitaͤt (dieſes Woͤrterb. Th. I. S. 744. 745.). Daher klebt auch die Glanzleinwand u. ſ. w., wenn ſie ſtark gerieben iſt, an der Wand des Zimmers, iſt in dieſem Zuſtande ganz unthaͤtig, und zeigt ihre Elektricitaͤt erſt wieder, wenn ſie von der Wand losgeriſſen und frey in der Luft gehalten wird. Dieſer Umſtand hat Herrn Weber veranlaßt, die Benennung Luftelektrophor zu waͤhlen. Uebrigens zeigt ſich beym Losreiſſen des Rahmens von der Wand im Dunkeln ein vorzuͤglich ſchoͤnes elektriſches Licht.
Lufterſcheinungen, ſ. Meteore.
Luftgattungen, ſ. Gos.
Luftguͤtemeſſer, ſ. Eudiometer.
Die ganze Luftmaſſe, welche den Erdball von allen Seiten her umgiebt, und eine hohle Kugelſchale um denſelben bildet. Ihr Daſeyn erhellet aus der Gegenwart der Luft an allen Orten der Erdflaͤche, und in allen zugaͤnglichen Hoͤhen, bis auf die Gipfel der hoͤchſten Berge. Dieſe Luft, von deren Eigenſchaften die Artikel:42 Luft und Gas, atmoſphaͤriſches, handeln, macht zwar den Hauptbeſtandtheil des Luftkreiſes aus, ſie iſt aber in demſelben mit unzaͤhlbaren fremden Subſtanzen verbunden, deren Verhaͤltniſſe und Miſchungen ſich unaufhoͤrlich aͤndern. Vorzuͤglich haͤlt ſie aufgeloͤſtes Waſſer oder Duͤnſte in ſich, daher wenigſtens fuͤr ihren untern Theil der Name: Dunſtkreis oder Dunſtkugel, der mit dem griechiſchen Worte Atmoſphaͤre einerley ausdruͤckt, ſehr ſchicklich iſt. Uebrigens gehoͤrt der Luftkreis mit zur Erdkugel ſelbſt, und folgt der taͤglichen ſowohl, als der jaͤhrlichen Vewegung derſelben. Druck der Atmoſphaͤre.
Da der Luftkreis aus einem ſchweren und elaſtiſchen Fluidum beſteht, ſo wirkt er auf die Erdflaͤche und auf die Oberflaͤchen der Koͤrper, nach den Geſetzen des Drucks elaſtiſcher Fluͤßigkeiten. Hiebey iſt der Druck, womit die fluͤßige Materie den Boden, der ſie traͤgt, unterwaͤrts preſſet, dem Gewichte der geſammten fluͤßigen Maſſe gleich, ſ. Elaſticitaͤt (dieſes Woͤrterb. Th. I. S. 708.). Mithin traͤgt die ganze Erdflaͤche einen Druck, der dem Gewichte des ganzen Lufrkreiſes gleich koͤmmt. Und jeder Theil der Erdflaͤche FE, Taf. XIV. Fig. 7, traͤgt das Gewicht der Luft im Raume FGHE, in welchem die Luft durch den Druck der anliegenden Luftſaͤulen eben ſo zuſammengehalten wird, als ob die Grenzen FG, HE, feſte Waͤnde eines Gefaͤßes waͤren. Wenigſtens iſt dies letztere außer Zweifel, wenn FE klein und gegen den Halbmeſſer der Erde FC unbetraͤchtlich iſt; hat aber FE eine betraͤchtliche Groͤße, ſo iſt der Satz allerdings den Erinnerungen ausgeſetzt, welche Daniel Bernoulli (Hydrodyn. Sect. X. §. 3.) dagegen gemacht hat.
Fluͤßige Materien druͤcken aber auch aufwaͤrts, ſeitwaͤrts und uͤberhaupt nach allen moͤglichen Richtungen. Daher werden die Koͤrper, welche uͤberall mit Luft umgeben ſind, an allen Stellen ihrer Oberflaͤche durch das Gewicht des Luftkreiſes gedruͤckt. So lang auf allen Seiten43 Luft vorhanden iſt, heben ſich dieſe Druͤckungen gegenſeitig auf, und bewirken weiter nichts, als daß jeder Koͤrper ſoviel von ſeinem wahren Gewichte verliert, als er Luft aus der Stelle treibt, ſ. Gewicht (dieſes Woͤrterb. Th. II. S. 493.). Wird aber die Luft von einer Seite her abgehalten, oder weggenommen, ſo aͤußert ſich der Druck des Luftkreiſes von der andern Seite auf einmal in ſeiner vollen Staͤrke, und bringt Wirkungen hervor, welche zwar taͤglich bey den gemeinſten Begebenheiten in die Augen fallen, deren wahre Urſache aber bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts gaͤnzlich verkannt worden iſt.
Zu dieſen Wirkungen gehoͤren vornehmlich die Phaͤnomene des Saugens und der Sptigen. Beym Saugen wird die genau an Lippen und Gaumen anſchließende Zunge zuruͤckgezogen, und ihrer Bewegung folgt das Getraͤnk, das man einſaugen will, von ſelbſt nach. In eine Handſpritze oder Saugpumpe, deren Oefnung in Waſſer geſenkt iſt, ſieht man beym Zuruͤckziehen des genau anſchlieſſenden Kolbens, das Waſſer wider die Natur ſeiner Schwere aufſteigen, dem Kolben nachfolgen, die Spritze fuͤllen, u. ſ. w. Die Urſache hievon iſt unſtreitig dieſe. Auf die Waſſerflaͤche CD im Gefaͤße CBD, Taf. XIV. Fig. 8. druͤckt das Gewicht des Luftkreiſes an allen Stellen gleich ſtark, ſo daß ſich alle dieſe Druͤckungen das Gleichgewicht halten. Senkt man aber in dieſes Waſſer das Saugrohr AG ein, und zieht den Kolben von E bis F zuruͤck, ſo wird der Theil EH von keiner Luft mehr niederwaͤrts gedruͤckt; alſo ſehlt an dieſer Stelle der Druck der Atmoſphaͤre, die Druͤckungen auf CE und DH muͤſſen alſo das Uebergewicht bekommen, und das Waſſer daſelbſt niedertreiben, daher es durch A in das Rohr dringt, und in den Raum EF aufſteigt.
Ariſtoteles hatte dieſer Erſcheinungen halber der Natur eine Abneigung gegen die Leere beygelegt. Wie die Alten daraus die Saugwerke, Heber und andere hydrauliſche Maſchinen erklaͤrt haben, zeigt am beſten das Buch des Heron von Alerandrien (〈…〉〈…〉* pneumatikw_n2 ſ. Spiritalium liber ed. a Commandino, Pariſ. 1575. 4.). Es wird darinn44 beſonders der Luft und dem Waſſer eine Anziehungskraft zugeeignet, vermoͤge welcher dieſe Materien ſtreben ſollen, jede Leere zu fuͤllen, und zu dieſem Behuf auch andere Koͤrper nach ſich zu ziehen, daher ein Gefaͤß, aus dem man die Luft ſauget, an den Lippen klebe u. ſ. w. Dieſem Grundſatze von Vermeidung der Leere blieben die ſcholaſtiſchen Phyſiker durchgaͤngig getreu; nur ſahen einige dieſen Trieb der Natur fuͤr allgemein und alle Leere fuͤr unmoͤglich an, andere ſchraͤnkten die Saugkraft blos auf die fluͤßigen Materien ein, und noch andere, z. B. Linus, ſuchten die Sache durch ein Zuſammenziehen der Materie (funiculus) zu erklaͤren. Galilei entdeckte zwar durch den mißlungnen Verſuch eines florentiniſchen Gaͤrtners, der das Waſſer mit einer Saugpumpe hoͤher als 18 Ellen heben wollte, daß die Gewalt, welche das Waſſer in den Pumpen hebt, eingeſchraͤnkt ſey; allein er ſchloß daraus nichts weiter, als daß der Abſcheu der Natur vor der Leere, (oder nach ſeinem Ausdrucke die Kraft der Leere) beſtimmte Grenzen habe (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze, Leid. 1638. Giornata 1.).
Endlich erfand Torricelli im Jahre 1643 das Barometer, und kam dadurch auf die Entdeckung, daß alle dieſe aus dem Abſcheu vor der Leere erklaͤrten Phaͤnomene vielmehr vom Drucke der Atmoſphaͤre herruͤhrten, welches Paſcal und Descartes ausfuͤhrlicher beſtaͤtigten, und dadurch das alte ariſtoteliſche Syſtem gaͤnzlich niederſchlugen, ſ. Barometer (dieſes Woͤrterb. Th. I. S. 237 u. f.), wo man auch finden wird, daß Descartes einige Anſpruͤche auf die erſte Entdeckung habe. Doch erhielten ſich die alten Erklaͤrungen noch einige Zeit: eine nach ihnen abgehandelte Hydraulik iſt noch des P. Schott Mechanica hydraulico - pnevmatica (Herbipoli, 1657. 4.).
Wenn man eine Roͤhre, die uͤber 35 Schuhe lang und unten mit einem Hahne verſehen iſt, mit Waſſer fuͤllt, oben luftdicht zuſchließt, unten in ein Gefaͤß mit Waſſer ſetzt, und dann den Hahn oͤfnet, ſo faͤllt das Waſſer im obern Theile herab, und laͤßt uͤber ſich einen luftleeren Raum, bleibt aber ſtehen, ſobald ſeine Oberflaͤche eine Hoͤhe von45 dreyßig und etlichen Schuhen uͤber der Waſſerflaͤche im Gefaͤß erreicht hat. Aber die Veranſtaltung dieſes Verſuchs iſt ſehr beſchwerlich und unſicher. Sie erfordert metallne Roͤhren, die man an einander ſchrauben kan, bis ſie die noͤthige Laͤnge erhalten. Zwiſchen die Schrauben wird naſſes Leder gelegt, um das Eindringen der aͤußern Luft abzuhalten. Oben wird eine verſchloßne glaͤſerne Roͤhre aufgeſchraubt, damit man ſehen koͤnne, was im obern Theile vorgeht. Ein ſolcher Apparat mit einem Geſtell, um ihn an der Mauer eines Gebaͤudes aufzurichten, befindet ſich unter der fuͤr hieſige Univerſitaͤt angekauften Inſtrumentenſammlung. Es iſt eben derjenige, deſſen Herr Kaͤſtner (Anfangsgr. der Aerometrie, §. 31. Anm.) gedenkt, und den nach Hauſen und Winkler zuletzt der verſtorbne D. Ludwig beſeſſen hat. Bey dem Letztern habe ich den Verſuch mehreremale geſehen, bin auch ſelbſt dabey behuͤlflich geweſen. Er kan aber nie vollkommen gelingen, weil die Luſt, die ſich im Waſſer aufhaͤlt, ſogleich in den obern Raum tritt, und denſelben, ſtatt daß er luftleer bleiben ſollte, mit einer Menge Schaum und Blaſen fuͤllt. Caſpar Bertus in Rom, der dieſes Erperiment nach Schotts Nachricht (Mech. hydraul. pnevm. p. 308.) zuerſt anſtellte, brachte im obern Raume ein Gloͤckchen an, deſſen Hammer durch einen Magnet aufgezogen ward. Wenn der Hammer wieder herabfiel, hoͤrte man den Klang. Daraus ſchloſſen die Ariſtoteliker, der Raum ſey nicht luftleer, und hatten bey dieſem Verſuche Recht, weil er an ſich zu unvollkommen iſt, um das Daſeyn einer Leere zu erweiſen. Uebrigens wuͤrde das Waſſer, wenn der Verſuch gelaͤnge, eben ſo ſteigen und fallen, wie das Queckſilber im Baremeter, daher auch einige den Apparat dazu das Waſſerbarometer nennen.
Weit leichter und ſicherer wird alles, wenn man Queckſilber ſtatt des Waſſers waͤhlt. Alsdann darf der Apparat nur etwas uͤber 29 Zoll lang ſeyn, und man kan eine oben verſchloßne Glasroͤhre dazu gebrauchen. Dies iſt der Verſuch des Torricelli (ſ. Barometer), den man gar nicht noͤthig hat beſonders anzuſtellen, weil ihn jedes Barometer unaufhoͤrlich vor Augen ſtellt. 46
Dieſe Entdeckungen beweiſen nicht nur den Druck des Luftkreiſes; ſie geben auch zugleich die Groͤße deſſelben an. Wenn im Saugrohre AG, Taf. XIV. Fig. 8. das Waſſer durch Aufziehung des Kolbens EH nicht uͤber dreyßig und etliche Schuhe gehoben werden kan, und wenn die Queckſilberſaͤule im Barometer nicht uͤber 27 bis 29 Zoll ſteigt, ſo kan der Druck des Luftkreiſes auf CE und HD nur gerade ſoviel betragen, als ob uͤber dieſen Flaͤchen dreyßig und etliche Schuh horh Waſſer, oder 27 — 29 Zoll hoch Queckſilber ſtuͤnde. Daher iſt der Druck der Atmoſphaͤre auf jede ebne Flaͤche ſo groß, als das Gewicht einer Queckſilberſaͤuie, welche die gedruͤckte Flaͤche zur Baſis, und die Hoͤhe des Queckſilbers im Barometer zur Hoͤhe hat.
Nach den Angaben des Herrn D. Gren (Grundriß der Naturlehre, Halle 1788. 8. §. 596.) wiegt ein pariſer Cubikfuß Queckſilber 950 Pfund koͤllniſch. Iſt nun die Barometerhoͤhe 28 Zoll oder 2 1 / 3 Fuß, ſo druͤckt der Luftkreis auf eine Flaͤche von 1 Quadratfuß mit einer Laſt von 2 1 / 3. 950 = 2216 2 / 3 Pfund. Und fuͤr jede Linie, um welche das Queckſilber hoͤher oder niedriger ſteht, betraͤgt dieſer Druck (6 43 / 72) Pfund mehr oder weniger.
Dieſer Druck wirkt nach allen Seiten. Setzt man nun die Oberflaͤche des menſchlichen Koͤrpers auf 15 Quadratfuß, ſo findet ſich, daß derſelbe von der ihn umringenden Luft mit einer Kraft von 15 X 221 2 / 3 = 3250 Pfund zuſammengedruͤckr werde. Daßwir dieſen Druck bey aller ſeiner Groͤße nicht empfinden, iſt leicht begreiflich. Er wirkt auf alle Theile der Oberflaͤche gleichfoͤrmig, und nach jeden zwo entgegengeſetzten Richtungen gleich ſtark, daher kein Theil des Koͤrpers dadurch verletzt oder verſchoben werden kan; alle innere Hoͤhlungen ſind entweder mit Saͤften oder mit Luft von gleicher Elaſticitaͤt erfuͤllt, die eben ſo ſtark von innen zuruͤckwirkt; endlich wird auch durch die beſtaͤndige Gewohnheit jede Empfindung, die man noch davon haben koͤnnte, vertilgt. Wir ertragen ſogar betraͤchtliche Veraͤnderungen dieſes Drucks. Wenn das Barometer um 2 Zoll hoͤher, als ſonſt, ſteht, iſt derſelbe um 2375 Pfund47 groͤßer; dennoch wirkt dieſe Vermehrung nicht merklich auf unſer Gefuͤhl.
Eben ſo iſt auch bey lebloſen Koͤrpern der Druck des Luftkreiſes ohne Wirkung, ſo lang er auf dieſelben von allen Seiten her trift. Er zeigt ſich aber augenblicklich, ſobald man ihn auf einer Seite hinwegnimmt. Daher haͤngt die Glocke am Teller der Luftpumpe, der Schroͤpfkopf an der Haut, ein umgeſtuͤrztes Weinglas an einem Moͤrſel rc. feſt an, wenn man die inwendige Luft ausgepumpt oder durch Erwaͤrmung heraus getrieben hat. Das Glas wird von der Luft zerdruͤckt, wenn man aus einer eckichten Flaſche, oder aus einem mit einer Glasplatte gedeckten Cylinder die Luft wegnimmt; und hat man ſtatt des Glaſes eine Blaſe uͤber den Cylinder gebunden, ſo wird dieſelbe durch den Druck der aͤußern Luft mit einem heftigen Knalle zerſprengt. Eben dies beſtaͤtigt auch Guerikens beruͤhmter Verſuch, ſ. Halbkugeln, magdeburgiſche.
Uebrigens iſt ſchon beym Worte: Luft, bemerkt worden, daß dieſer Druck des Luftkreiſes auf die Koͤrper nicht blos unter freyem Himmel wirkt, ſondern auch in allen Zimmern und Raͤumen, welche mit der aͤußern Luft in Verbindung ſtehen, oder ſonſt mit Luft von gleicher obſoluten Elaſticitaͤt angefuͤllt ſind. Das Gewicht des Luftkreiſes nemlich wirkt auf die Flaͤchen mittelbar, indem es die an ihnen liegende Luft zuſammendruͤckt, deren Federkraft erſt die unmittelbare Urſache des Drucks gegen die Flaͤchen ſelbſt iſt.
Jede Luftſaͤule enthaͤlt unten dichtere und elaſtiſchere Luft, als oben, weil die untern Theile das Gewicht der obern mit tragen. Dies beſtaͤtigen alle Verſuche und Beobachtungen. Alſo nimmt der Druck der Atmoſphaͤre von unten nach oben beſtaͤndig ab, weil man oben weniger Luft uͤber ſich hat, und auf den Gipfeln der Berge iſt die Luft weit duͤnner als an der Erdflaͤche oder am Ufer des Meeres.
Man kan auf dieſe Abnahme der Dichte ohne Bedenken das mariottiſche Geſetz anwenden, wie Halley, Bouguer, Mayer, de Luͤc, Kaͤſtner, Hennert rc. bey ihren unter dem Worte: Hoͤhenmeſſung, (Th. II. S. 613 u. f.) angefuͤhrten Unterſuchungen und Formeln gethan48 haben. Zwar gruͤndet ſich dieſes Geſetz auf Verſuche, welche 1) in verſchloßnen Gefaͤßen, und 2) durch den Druck des Queckſilbers (einer nicht merklich elaſtiſchen Materie) angeſtellt ſind. Daher haben Einige, z. B. Herr Wuͤnſch (Neue Theorie von der Armoſph. Leipz 1782. 8. S. 26.) behaupten wollen, es ſey nicht anwendbar auf die freye atmoſphaͤriſche Luft, welche durch ſich ſelbſt (durch Druck einer elaſtiſchen Materie) verdichtet werde. Allein einem Theile zuſammengedruͤckter Luft muß ja immer eben daſſelbe wiederfahren, er mag nun durch feſte Waͤnde einer Roͤhre oder durch den Druck umliegender Luftſaͤulen eingeſchloſſen ſeyn, und er mag von unelaſtiſchem Queckſilber oder von elaſtiſcher Luft gedruͤckt werden, wofern nur die Groͤße des Drucks eben dieſelbe iſt. Feſte Waͤnde und Queckfilber thun weder mehr noch weniger, als was im Freyen die Federkraft der umliegenden und aufliegenden Luft auch thut; ſie hindern die gedruͤckte Luft, ſich ſeitwaͤrts und oberwaͤrts auszubreiten — eben ſo, wie es in der Hydroſtatik einerley iſt, ob eine Maſſe Waſſer von den Waͤnden eines Gefaͤßes oder von den umliegenden Waſſerſaͤulen gehalten, und ob ſie von aufliegendem Waſſer, oder von einem gleich ſchweren feften Gewichte gedruͤckt wird. Man hat alſo keine Urſache, von dem mariottiſchen Geſetze abzugehen, zumal da alles, was etwa Maraldi, Feuillee, Daniel Bernoulli, Caſſini, Wuͤnſch u. a. an deſſen Stelle haben ſetzen wollen, auf blos willkuͤhrlichen, oder wohl gar fehlerhaften Vorausſetzungen beruht.
Dieſem Geſetze gemaͤß nehmen die Dichten der Luft in geometriſcher Progreſſion ab, wenn die Hoͤhen der Stellen in arithmetiſcher Keihe wachſen. Man ſetze in den beym Worte: Hoͤhenmeſſung (Th. II. S. 615 u. f.) gebrauchten Ausdruͤcken, die Dichte der Luft in S (Taf. XI. Fig. 73.) = m; die in K = μ (die Dichte des Queckſilbers = 1) ſo iſt Die Formel fuͤr die Hoͤhe SK = x wird alsdann. 49
Iſt nun μ ein gewiſſer Theil von m, z. B. der nte, ſo wird log. m - log. μ = log. n und x = ce log. n. Hiebey iſt ce eine unveraͤnderliche Groͤße, daher die Hoͤhe x, wie der Logarithme von n waͤchſt, d. i. in arithmetiſcher Zahlreihe, wenn n ſelbſt in geometriſcher ſteigt, oder wenn die Dichte μ in geometriſcher Progeſſion abnimmt. Den Dichten m, 1 / 2m, 1 / 4m, 1 / 8m, gehoͤren die Hoͤhen o, ce. log. 2, ce. log. 4, ce. log. 8 zu. Dieſe ſteigen in einer arithmetiſchen Zahlreihe, wo der Unterſchied der Glieder ce. log. 2. iſt. Zu den Dichten m, (1 / 10) m, (1 / 100) m, (1 / 1000) m rc. gehoͤren die Hoͤhen o, ce, 2ce, 3ce, rc., wo der Unterſchied der Glieder ce. log. 10. oder ce elbſt iſt.
Nach de Luͤc iſt, fuͤr Luft von der Temperatur + (16 3 / 4) Grad nach Reaumuͤr, ce = 10000 Toiſen, alſo ce. log. 2 = 3010 Toiſen. So gehoͤren
den Dichten | m, | 1 / 2m, | 1 / 4m, | 1 / 8m |
die Hoͤhen | 0, | 3010, | 6020, | 9030 Toiſen rc. |
d. i. ſo oft man im Luſtkreiſe um 3010 Toiſen hoͤher ſteigt, ſo findet man oben die Luft nur halb ſo dicht, als unten, und das Queckſilber im Barometer ſinkt waͤhrend dieſes Steigens um die Helfte ſeiner anfaͤnglichen Hoͤhe.
Daß bey dieſer Anwendung des mariottiſchen Geſetzes auf die Beſtimmung der Dichte des Luftkreiſes, Waͤrme, Duͤnſte und verſchiedene Miſchung der Luft betraͤchtliche Abweichungen verurſachen muͤſſen, wird man von ſelbſt ermeſſen. Aber auch ohne dieſe Abweichungen iſt das Geſetz an ſich nur ſo weit erwieſen, als unſere Erfahrungen reichen, ſ. Luft. Wahrſcheinlich findet es in den duͤnnen Luftſchichten an der Grenze der Atmoſphaͤre nicht mehr ſtatt, weil doch der Luftkreis irgendwo aufhoͤren und alſo eine letzre Luftſchicht vorhanden ſeyn muß. Dieſe letzte Luftſchicht muͤßte nach dem mariottiſchen Geſetze, da ſie von nichts weiter gedruͤckt wird, die Dichte = 0 haben; gleichwohl iſt es ungereimt, eine Luft ohne alle Dichte, d. i. einen Koͤrper ohne Maſſe, anzunehmen. Daher erinnert d'Alembert (Traité de l'équilibre et du mouv. des fluides, §. 81.), es verhalte ſich vielleicht die Dichte, wie der Druck + einem gewiſſen unveraͤnderlichen Gewichte. Oder iſt etwa die Dichte der Luft50 in der oberſten Gegend gleichfoͤrmig, weil das Gewicht der oberſten Luft unvermoͤgend iſt, die Elaſticitaͤt der unmittelbar darunter liegenden zu uͤberwinden? Wie dem auch ſey, ſo ſieht man doch, daß das mariottiſche Geſetz nicht in voͤlliger geometriſcher Schaͤrfe und Allgemeinheit gelten koͤnne. Hoͤhe und Geſtalt des Luftkreiſes.
Haͤtte die Luft durchaus einerley Dichtigkeit, ſo muͤßte die Hoͤhe jeder Luftſaͤule ſo groß ſeyn, als die Hoͤhe der gleichwiegenden Queckſilberſaͤule (oder die Barometerhoͤhe) multiplicirt mit der Zahl, welche anzeigt, wie vielmal Queckſilber ſchwerer, als Luft iſt. In den beym Worte: Hoͤhenmeſſung (Th. II. S. 615. u. f.) gebrauchten Bezeichnungen iſt die Barometerhoͤhe = f; die gedachte Zahl = (1 / m). Demnach waͤre die Hoͤhe des Luftkreiſes = f / m oder c, d. i. gleich der Subtangente der logarithmiſchen Formeln, deren Groͤßen dort (S. 632.) nach verſchiedenen Schriftſtellern angegeben ſind. Nach de Luͤc betruͤge dieſe Hoͤhe 4342 Toiſen oder 26052 pariſer Schuhe.
Da aber die Dichtigkeit der Luft in der Hoͤhe abnimmt, ſo muß ſich der Luftkreis viel weiter erſtrecken. Er muͤßte unendlich hoch ſeyn, wenn das mariottiſche Geſetz in aller Schaͤrfe richtig waͤre. Da aber dies nicht ſeyn kan, ſo nimmt man insgemein an, die Luft laſſe ſich nicht weiter, als auf einen gewiſſen Grad, verduͤnnen, und hoͤre da auf, wo ſie dieſen Grad dem Geſetze gemaͤß erreicht hat. Mariotte ſelbſt (Eſſai ſur la nature de l'air, Paris, 1676. 8. ) ſetzt, die Luft koͤnne nicht uͤber 4096mal duͤnner, als unten werden, und findet daraus nach einer ungefaͤhren Berechnung, die ich bey der Ueberſetzung des de Luͤc (Unterſ. uͤber die Atmoſph. Leipz. 1776. gr. 8. Th. I. S. 239. Anm.) umſtaͤndlich vorgetragen habe, die Hoͤhe des Luftkreiſes 15 franzoͤſiſche Meilen (lieües), jede zu 12000 pariſer Fuß.
Herr de Luͤc (Unterſ. uͤber die Atm. §. 794. u. f.)51 ſchlaͤgt vor, dus Ende der Armoſphaͤre dahin zu ſetzen, wo die Luft nur noch wenig Quedſilber, z. B. noch eine Linie erhaſten koͤnne. Fuͤr dieſe Stelle iſt, wenn man f = 27 Zoll oder 324 Lin. und die Temperatur 16 3 / 4 Grad ſetzt Toiſen oder 12 1 / 2 franzoͤſiſche Meilen. Hier waͤre die Luft 324 mal duͤnner als unten. Es iſt aber gar fein Zweifel, daß ſie noch weit duͤnner werden kan, da ſchon unſere guten Luftpumpen ſie noch ſtaͤrker verduͤnnen. Bis dahin, wo ſie nur 1 / 2 Lin. Queckſilber hielte, und 628mal duͤnner, als unten waͤre, haͤtre man noch 3010 Toiſen oder 1 1 / 2 frz. Meilen hoͤher zu ſteigen; und wieder 1 1 / 2 Meilen bis dahin, wo ſie 1256mal duͤnner waͤre u. ſ. w. De Luͤc ſelbſt ſchaͤtzt ſie endlich auf 17 1 / 2 frz. Meilen. Alle dieſe Beſtimmungen ſind blos willkuͤhrlich, und lehren eigentlich gar nichts, weil man die Grenze der Verduͤnnung der Luft doch nicht aus Erfahrungen angeben kan.
Man hat aber eine weit aͤltere und beſtimmtere Methode, die Hoͤhe des Luftkreiſes zu finden. Sie gruͤnder ſich auf die Theorie der Daͤmmerung, und iſt ſchon beym Alhazen (De crepuſculis prop. ult. in Riſneri Theſaur. Opt. Baſil. 1572. fol.) vorgetragen. Wenn auf der mit dem Luftkreiſe umgebnen Erdkugel, Taf. XIV. Fig. 9. dem Orte O die Daͤmmerung aufhoͤrt, und der letzte Stral der Sonne HO im Horizonte dieſes Orts ins Auge O gelanget, ſo ſteht die Sonne ſelbſt ſchon 18° unter dem Horizonte IHO, ſ. Daͤmmerung Ihr letzter Stral SH trift alſo den Horizont IHO bey H unter dem Winkel SHI = 18°, und wird von dem Lufitheilchen H ſo nach O reflectirt, daß SHC = CHO. Daher iſt CHO = 1 / 2 SHO = 1 / 2 (180° - SHI) = 90° - 1 / 2 SHI, und C oder 90° - CHO iſt = 1 / 2 SHI = 9°. Mithin verhaͤlt ſich im rechtwinklichten Dreyecke CHO und der Unterſchied zwiſchen CH und CO, oder die Hoͤhe des Luftkreiſes iſt = CO. (ſec. 9° - 1) = 0,0124625. CO, d. i. nahe an 1 / 80 CO. Setzt man CO oder den Halbmeſſer der Erde nach Picard 3269300 Toiſen, ſo betraͤgt dies etwa 40752 Toiſen oder 20 1 / 3 Lieues. 52
Kepler (Epit. Aſtr. Copern. p. 73. ſqq. ) hatte mit Recht bemerkt, daß man auch die Brechung der Stralen SH und HO in Betrachtung ziehen muͤſſe. Er fuͤhrt eine Rechnung hieruͤber, die ihm den Luftkreis 10 Meilen hoch giebt, die er aber wieder verwirft, weil er ſich einbildet, die Luft koͤnne nur bis in die Hoͤhe einer halben Meile reichen. Halley (Philoſ. Trans. n. 181.) zeigt durch einen ſehr ſcharfſinnig gefuͤhrten Beweis, daß man wegen der Brechung den Winkel C um die Groͤße der Stralenbrechung im Horizonte, d. i. um einen halben Grad, kleiner annehmen muͤſſe. Dadurch wird oder nahe 1 / 90 CO, und die Hoͤhe des Luftkreiſes findet ſich 36325 Toiſen oder 18 1 / 6 Lieues. In geograph ſchen Meilen, deren 15 auf einen Grad und 860 auf den Halbmeſſer gehen, macht dies 9 2 / 3; und in churſaͤchſiſchem Maaße beynahe 8 Meilen, jede zu 32000 Leipziger Fuß.
De la Hire (Mém. de l'acad. des Sc. 1713. p. 54.) zieht von dem ganzen Sehungsbogen (18°) die Brechung im Horizonte (32′) und den Halbmeſſer der Sonne (16′) ab, (den letztern darum, weil der letzte Strol nicht vom Mittelpunkte, ſondern vom obern Rande der Svnne komme), und ſetzt alſo den Winkel C = 8° 36′. Dies giebt ihm 37223 Toiſen; vorausgeſetzt, daß die Stralen SH und HO gerade Linien beſchreiben. Da ſie aber in krummen Linien gehen, ſ. Stralenbrechung, aſtronomiſche, ſo zieht er auch dies in Betrachtung, und ſchließt endlich, die Hoͤhe des Luftkreiſes ſey zwiſchen 32501 und 37223 Toiſen.
Mairan (Traité de l'aurore boreale, Sect. II. ch. 3.) folgert aus Beobachtungen der Nordlichter, daß deren Hoͤhe, mithin auch die Hoͤhe des Dunſtkreiſes uͤber 200 - 300 franzoͤſiſche Meilen ſteige. Aber wenn auch dieſe Beſtimmung fuͤr das Nordlicht zuverlaͤßig waͤre, ſo folgte doch daraus noch nichts fuͤr den Luftkreis, da Nordlichter, als elektriſche Erſcheinungen, wohl auch im luftleeren Naume ſtatt finden koͤnnten. Man kan alſo die Hoͤhe der Atmeſphaͤre, ſoweit ſie das Licht zuruͤckwirft, zwiſchen 8 und 10 geographiſche Meilen, ſetzen. 53
Die Geſtalt des Luftkreiſes muß wegen der Umdrehung der Erde ſphaͤroidiſch ſeyn, wie die Geſtalt der Erdkugel ſelbſt. Außerdem aber ereignen ſich in den verſchiedenen Hoͤhen der Luft uͤber den Orten der Erdflaͤche mancherley locale und periodiſche Veraͤnderungen. Vornemlich bewirkt der Mond in der Atmoſphaͤre eine Art von Ebbe und Fluth, indem die gegen ihn gravitirende Luft ſich eben ſo, wie das Waſſer, verhaͤlt, ſ. Ebbe und Fluth, und daher ſowohl an dem Orte, der den Mond im Scheitelpunkte ſieht, als auch an der entgegengeſetzten Stelle, hoͤher tritt, als an den uͤorigen Orten. Dieſe durch den Mond verurſachte Ebbe und Fluth der Luft hat d'Alembert (Reflexions ſur la cauſe generale des vents, Berlin, 1747. 4. ) mit ſeiner bekannten mathematiſchen Einſicht unterſucht. Eine aͤhnliche, aber weit ſchwaͤchere Wirkung, thut auch die Sonne: Einfluͤſſe dieſer Urſachen in den Stand des Barometers ſind von Toaldo (Novae tabulae barometri aeſtusque maris. Patav. 1773. 4. ) beobachtet worden, beſonders, daß die Barometerhoͤhen immer etwas groͤßer ſind, wenn der Mond in der Erdferne und in den Quadraturen iſt, kleiner hingegen, wenn er ſich in der Erdnaͤhe und in den Syzygien befindet.
Uns zeigt ſich der Luftkreis als eine blaue Woͤlbung, welche bald mehr, bald weniger Durchſichtigkeit hat, ſ. Himmel.
Aeltere Schriftſteller, z. B. Seneca (Quaeſt. nat. II. 10.), Varenius (Geogr. gen. Cap. XIX. prop. 18.), Guericke (De Spatio vacuo L. V. c. 9.) theilen den Luftkreis in drey Regionen. Die untere ſoll bis dahin gehen, wo die Erwaͤrmung durch zuruͤckgeworfene Sonnenſtralen aufhoͤrt (beſtimmter ließe ſich dafuͤr die beſtaͤndige Schneegrenze ſetzen, ſ. Berge): die mittlere ſoll bis an die Gipfel der hoͤchſten Berge, oder nach Andern bis an die hoͤchſten Wolken reichen, die obere aber ſich bis ans Ende der Atmoſphaͤre erſtrecken. Dieſe obere Region haͤlt Seneca fuͤr die waͤrmſte, aus dem irrigen Wahn, daß ſich uͤber der Luft das Feuer aufhalte. 54
Der Luftkreis iſt die große Werkſtaͤtte, in welcher die Natur alle die wichtigen Veraͤnderungen hervorbringt, die unter dem Namen der Meteore oder Lufterſcheinungen bekannt ſind. Die Betrachtung derſelben macht einen beſondern Abſchnitt der phyſiſchen Erdbeſchreibung aus, ſ. Mereore, Meteorologie, nebſt den uͤbrigen zahlreichen Artikeln, auf welche bey dieſen Worten verwieſen wird. Von den Mitteln, welche die Natur zur Reinigung der Atmoſphaͤre anwendet, ſ. Gas, atmoſphaͤtiſches (Th. II. S. 377. u. f.)
Kaͤſtner Anfangsgr. der Aerometrie in d. Anſgr, der angew. Math. II. Th. 1. Abth.
Lulofs Einleitung zur Keuntniß der Erdkugel; aus. d. Hollaͤnd. durch Kaͤſtner. Erſter Theil, Cap. 19.
Torb. Bergmanns phyſ. Beſchreibung der Erdkugel; a. d. Schwed. durch Roͤhl. II. B. 4te Abtheil.
Briſſon Dict. raiſ. de phyſique, art. Atmoſphère de la terre.
Errleben Anfangsgr. der Naturl. §. 711. u. f.
Ein Werkzeug, womit man die Luft in einem eingeſchloſſenen Raume ſo ſtark verduͤnnen, oder ſo viel davon herausſchaffen kan, daß das uͤbrige kaum mehr merklich iſt. Man verſtattet ſich alsdann, den Raum fuͤr luftleer zu halten, und nennt die Operation ſelbſt das Ausleeren, Auspumpen (evacuatio, exantlatio) der Luft. Zwar kan nie alle Luft ausgepumpt werden, welches doch eigentlich der Zweck dieſer Operation iſt; die Luftpumpen ſind alſo nur in dem Grade vollkommuer, in welchem ſie dieſem Zwecke naͤher kommen, oder die Luft ſtaͤrker verduͤnnen.
Im weitlaͤuftigern Sinne begreift das Wort Luftpumpe auch diejenigen Maſchinen, welche die Luft verdichten, ſ. Compreſſionsmaſchine. In dieſem Verſtande theilt man die Luftpumpen in Saug - und Druckpumpen ein. Structur der Luftpumpe im Allgemeinen.
Das Weſentliche der meiſten Luſtpumpen beſteht darinn, daß in einem hohlen metallnen Cyiinder oder Stie -55 fel AB, Taf. XIV. Fig. 10., ein genau anpaſſender Kolben oder Stempel aus Lederſcheiben (Embolus, Piſton) C mit Leichtigkeit hin und her geſchoben werden kan, ohne doch an den Seiten einige Luft durchzulaſſen. Am Boden B wird mit der Hoͤhlung des Cylinders durch ein Zwiſchenrohr EFG das Gefaͤß D verbunden, aus welchem die Luft ausgepumpt werden ſoll. Wird alsdann der Stempel von B bis A zuruͤckgezogen, ſo verbreitet ſich die in D enthaltene Luft vermoͤge ihrer Elaſticitaͤt mit durch den Raum BA, und wird alſo duͤnner. Kan man nun den Stempel C dergeſtalt wieder zuruͤcktreiben, daß die in BA enthaltene Luft nicht wieder nach D zuruͤck geht, ſondern durch einen andern Ausweg ins Zimmer oder in der Atmoſphaͤre hinaus getrieben wird, ſo iſt dieſe Luft aus D weggeſchaft, und die in D zuruͤck bleibende verduͤnnt. Ein zweyter Zug des Stempels wird ſie noch ſtaͤrker verduͤnnen, und das Zuruͤcktreiben deſſelben wird wieder den Theil von ihr, der in BA uͤbergetreten war, ins Zimmer uͤberfuͤhren u. ſ. w. Durch fortgeſetztes Hin - und Herſchieben des Stempels wird alſo die Verduͤnnung immer hoͤher getrieben.
Es iſt hiezu noͤthig, daß beym Aufziehen des Stempels von B nach A, die Verbindung zwiſchen den Raͤumen BA und D offen, die mit der aͤußer. Luft im Zimmer aber verſperrt ſey: da hingegen beym Zuruͤcktreiben des Stempels von A nach B, die Verbindung zwiſchen AB und D verſperrt, und die zwiſchen AB und dem Zimmer offen ſeyn muß. Man kan dieſe Abſicht entweder durch Haͤhne (epiſtomia, robinets) oder durch Ventile (ventilia, ſoupapes) erreichen.
Haͤhne ſind Koͤrper von der Geſtalt abgekuͤrzter Kegel, gemeiniglich von Metall, welche durch ein Rohr oder einen Canal queer durchgeſteckr, und in die Oefnung, in die ſie paſſen, luftdicht eingeſchliffen ſind. So wuͤrden ſie das Rohr verſtopfen. Allein ſie ſind durchbohrt, bey den Luftpumpen gemeiniglich mit zween Canaͤlen, deren einer queer durch den Koͤrper des Hahns durchgeht, der andere aber an der Seite anfaͤngt, und ſich in der obern Grundflaͤche beym oder im Griffe des Hahns endigt. Steht nun56 ein ſolcher Hahn bey E ſo, daß der queer durchgehende Weg in der Nichtung FC liegt, ſo iſt die Verbindung zwiſchen D und AB durch dieſen Weg offen. Giebt man aber dem Griffe eine ſolche Stellung, baß der Eingang des zweyten Canals gegen C zu ſtehen koͤmmt, ſo iſt die Verbindung zwiſchen D und AB ver < * > perrt, dagegen eroͤfnet der zweyte Canal nunmehr einen Weg. der aus dem Raume AB durch den Grif E ins Zimmer hinaus fuͤhrt. Man darf alſo nur dem Griffe des Hahns beym Zuruͤckziehen des Stempels jedesmal die erſte, und beym Hineintreiben die zweyte Stellung geben, um die im Vorigen angezeigte Abſicht zu erreichen.
Ventile oder Klappen hingegen ſind Vorrichtungen, wodurch eine Oefnung dergeſtalt verſchloſſen wird, daß ein fluͤßiges Weſen nach einer Richtung durch ſie durchgehen kan, hingegen ſich ſelbſt den Weg verſetzen muß, wenn es nach der entgegengeſetzten Richtung wieder zuruͤck will. Die einfachſten Klappen (clapets) ſind lederne Deckel, die an der Oefnung auf einem Ringe aufliesch, und in einem Charniere auf und zu gehen. Stroͤmt nun die fluͤßige Materie nach der einen Seite, ſo ſtoͤßt ſie ſich ſelbſt den Deckel auf, und oͤfnet den Weg; will ſie aber nach der andern Seite zuruͤck, ſo ſchlaͤgt ihr Druck den Deckel zu, und ſie verſchließt ſich ſelbſt den Ruͤckweg. Solche Klappen ſind fuͤr das Waſſer brauchbar, ſ. Pumpen. Fuͤr die Luft dienen beſſer die Blaſenventile, Taf. XIV. Fig. 11., wo uͤber der Oefnung des Rohrs ein metallner Ring EFGH liegt, der in der Mitte das Loch IK hat, uͤber das ein Stuͤck naſſe Blaſe ABCD geſpannt, und bey A, B, C, D, an den Ring ſo befeſtiget wird, daß es ſich mit geringer Gewalt in die Hoͤhe heben laͤßt. Druͤckt nun die Luft aus der Oefnung IK gegen die Blaſe, ſo hebt ſie die letztere ein wenig auf, und oͤfnet ſich den Weg zwiſchen ihr und dem Ringe; will ſie aber zuruͤckgehen, ſo druͤckt ſie die Blaſe gegen den Rand der Oefnung IK an, preßt ſie in dieſelbe hinein, und verſchließt ſich ſelbſt den Ruͤckweg. Wenn ſolche Blaſenventile, eines im Boden des Stiefels bey B, Taf. XIV. Fig. 10. und eines im Stempel C (der zu dieſer Abſicht hohl ſeyn57 muß) angebracht ſind, die ſich beyde gegen A zu oͤfnen laſſen, ſo oͤfnet beym Zuruͤckziehen des Stempels die Luft in D das Bodenventil B, und tritt in den Raum BA; beym Hineintreiben des Stempels hingegen kan ſie nicht wieder zuruͤck, muß alſo durch ihren Druck das Kolbenventil C oͤfnen, und durch den Kolden hindurch in den Theil A uͤbertreten, aus welchem ſie der naͤchſte Ruͤckzug des Stempels ins Zimmer treibt. Statt des Kolbenventils dient auch wohl eine lederne Scheibe, die uͤber den Stempel hervorragt, beym Hineinſtoßen ſich an den Kolben anlegt, und der Luft Platz macht, beym Zuruͤckziehen aber ſich ausbreitet und den Weg verſperret.
Dadurch theilen ſich nun die Luftpumpen in zwo Hauptgattungen, die mit Haͤhnen, und die mit Ventilen. Die erſtern gewaͤhren den Vortheil, daß man ſie zugleich als Compreſſionsmaſchinen oder Druckluftpumpen zu Verdichtung der Luft im Raume D gebrauchen kan, wenn man mit den Stellungen des Hahns auf die der vorigen entgegengeſetzte Art abwechſelt, Alsdann wird beym Zuruͤckziehen des Stempels der Stiefel mit dem Zimmer verbunden, und der Raum BA fuͤllt ſich mit atmoſphaͤriſcher Luft; beym Hineintreiben wird die Verbindung zwiſchen dem Stiefel und dem Gefaͤße D eroͤfnet, und die aus dem Zimmer eingezogne Luft in D hineingepreßt. Dieſen Vortheil gewaͤhren die Ventile nicht, weil ſie ſich ihrer Natur nach nur nach einerley Seite zu oͤfnen laſſen. Auch ſind die Haͤhne ſicherer, und ſtellen der Luft einen Weg dar, der ſchon an ſich offen iſt, ſtatt daß ſie bey den Ventilen ihn erſt ſelbſt oͤfnen muß, wozu ſie endlich bey ſehr ſtarker Verduͤnnung nicht mehr Kraft genug hat. Dieſer letzte Umſtand ſcheint den Haͤhnen elnen betraͤchtlichen Vorzug vor den Ventilen zu geben.
Dagegen haben die Haͤhne die Unbequemlichkeit, daß man ſie zwiſchen jeder Bewegung des Stempels anders ſtellen muß, welches die Operation aufhaͤlt. Man hat zwar Vorrichtungen, durch welche ſich die Haͤhne beym Hin - und Herziehen der Stempel von ſelbſt ſtellen; doch ſind dieſe immer ſehr zuſammengeſetzt. Weſentlicher aber58 iſt dieſer Fehler der Haͤhne, daß ſich zwiſchen E und B, oder zwiſchen dem Hahne und dem Stempel, immer ein kleiner Raum befindet, in welchem Luft von gleicher Dichte mit der aͤußern ſitzen bleibt, die ſich beym Aufziehen des Stempels durch den Stieſel und das Gefaͤß mit verbreitet, die Verduͤnnung vermindert, imd alſo dem Zwecke der Operation entgegen iſt. Es iſt ſehr ſchwer, dieſen ſchaͤdlichen Kaum (ſpatium noxium) zwiſchen Stempel und Hahn zu vermeiden, zumal da ſich auch, die genaueſten Haͤhne durch das oͤftere Drehen mit der Zeit ausſchleifen.
Wenn der Hahn unmittelbar an B anſchließt, und die Capacitaͤt des Gefaͤßes D nebſt der Roͤhre GFE = a. der Raum des Cylinders AB aber = b geſetzt wird, ſo dehnt ſich auf den erſten Zug die in a enthaltene Luft durch den Raum a+b aus, und erhaͤlt alſo die Dichte (a / a+b), wenn ihre anſaͤngliche Dichte = 1 war. Der zweyte Zug verduͤnnt ſie wiederum in eben dem Verhaͤltniſſe, und giebt ihr die Dichte (a / a+b); ſo daß ſie nach n Zuͤgen noch die Dichte (a / a+b) hat. Faßt z. B. das Gefaͤß nebſt der Roͤhre 1 Cubikſchuh, der Cylinder auch 1 Cubikſchuh Raum, ſo ſollte durch zehnmaliges Hin - und Hergehen des Kolbens die Luft im Gefaͤße auf die Dichte (1 / 2) = (1 / 4096) gebracht, oder 4096 mal verduͤnnt ſeyn. Auch zeigt die Formel, daß man die Luft nie ganz auspumpen koͤnne, weil (a / a+b) nie = o werden kan. Man ſieht aber leicht, daß bey der Ausuͤbung ſehr große Abweichungen von dieſer Regel vorkommen muͤſſen. Hievon und von der Berechnung der Wirkungen verſchiedener Luftpumpen wird man ſich am beſten aus Karſten (Lehrbegriff der geſammt, Math. VI. Theil, Pneumatik, 4ter u. 6ter Abſchnitt) unterrichten koͤnnen. 59
Statt das Gefaͤß D unmittelbar bey G aufzuſchrauben, pflegt man das Ende des Zwiſchenrohrs FG durch die Mitte eines meſſingenen Tellers zu leiten, auf den man eine glaͤſerne Giocke (einen Kecipienten) ſo ſetzt, daß zwiſchen ihrem Rande und dem Teller keine Luft durch kan. Man legt in dieſer Abſicht zwiſchen den Rand der Glocke und den Teller ein naſſes Leder, oder noch beſſer zartes Leder in 1 Theil Terpentin und 1 Theil Baumwachs zuſammengeſchmolzen getraͤnkt. Am beſten ſchließen die unten abgeſchliffenen Glocken auf einen mattgeſchliffenen Teller mit etwas Baumoͤl ohne alles Leder. Man hat gar nicht noͤthig, die Glocke zu befeſtigen; ſie druͤckt ſich durch ihr Gewicht an, und ſobald durch einen oder etliche Zuͤge die Luft unter ihr verduͤnnt iſt, wird ſie durch den Druck der Atmoſphaͤre ſo feſt, daß kein Menſch ſie abzuheben vermag.
Dies iſt das Weſentllchſte, was die meiſten Luftpumpen mit einander gemein haben. Aber es giebt kaum ein phyſikaliſches Werkzeug, deſſen Einrichtung ſo oft und ſo mannigfaltig abgeaͤndert worden waͤre, als die der Luftpumpe. Man hat daher ſehr vielerley Arten derſelben, Pumpen mit Haͤhnen oder Ventilen, einfache oder doppelte Pumpen; Pumpen mit Handhaben, Steigbuͤgeln, Kurbeln, Kreuzwinden, Druckbalken rc., Queckſilberpumpen, Pumpen ohne Kolben u. ſ. w. angegeben. Von allen dieſen Erfindungen wird ſich in den nachfolgenden Abſchnitten am beſten in chronologiſcher Ordnung reden laſſen. Geſchichte der Luftpumpe bis auf Smeaton.
Als es durch Galilei Verſuche, und noch mehr durch die Erfindung des Barometers, erwieſen war, daß ſich luftleere Raͤume hervorbringen ließen, bedienten ſich die Mitglieder der Akademie zu Florenz hiezu der torriceUiſchen Koͤhre. Um mehr Raum zu erhalten, blieſen ſie das verſchloßne Ende dieſer Roͤhre in Geſtalt einer Pyiole oder Kugel auf, die man am obern Theile oͤfnen konnte, um Koͤrper von einiger Groͤße hineinzubringen. Sie verſchloſſen60 dann die Kugel wieder, fuͤllten alles mit Queckſilber an, und brachten das untere ofne Ende in ein Geſaͤß mit Queckſilber, worauf denn dieſe fiuͤßige Materie in der aufgerichteten Roͤhre herabſank, und den obern Raum, wie im Barometer, luftleer ließ. Auf dieſe hoͤchſt unbequeme Art haben ſie dennoch eine ziemliche Menge Verſuche angeſtellt.
Um das Jahr 1650 aber erfand Otto von Guericke, churbrandenburgiſcher Rath und Burgemeiſter zu Magdeburg, eine eigne weit bequemere Maſchine zu Verduͤnnung der Luft in verſchloßnen Gefaͤßen. Der hohle metallne Eylinder AB Taf. XIV. Fig. 12. iſt unten in AC ungebogen, daß ſich in ihn bey C der glaͤſerne Recipient D einſetzen, und lufidicht verkuͤtten laͤßt. Am Halſe des Recipienten iſt bey E ein Hahn, den man verſchließen kan, wenn man den Recipienten wieder von C abnehmen will, Bey G iſt eine mit einer Klappe verſehene Oefnung, durch welche die Luft in den Cylinder treten kan, wenn der Kolben I vermittelſt der Stange IK gegen B zuruͤckgezogen mird. Etwas hoͤher bey H iſt eine andere mit einem Ventil verſehene Oefnung, durch welche die Luft ins Zimmer tritt, wenn man den Stempel von B nach A zuruͤckſtoͤßt. Um den Hahn und die Stelle bey C vor dem Eindringen der aͤußern Luft zu bewahren, ſetzte Guericke den ganzen Apparat in ein Gefaͤß NOPQ, das er bis uͤber E mit Waſſer fuͤllte. Der Stempel ward am Griffe LM von zween Perſonen hin und her bewegt, wobey allenfalls beym Zuruͤckziehen noch zween andere an Stricken zogen, welche an den Grif gebunden waren. Die Ventile waren von Leder.
Durch dieſe Maſchine gelang es Guericken, wiewohl mit Muͤhe, eine hohle Kugel ziemlich luftleer zu machen, und viele Verſuche anzuſtellen, welche die Schwere und Federkraft der Luft bewieſen. Dieſe Verſuche wurden bald bekannt, und er ſelbſt zeigte ſie 1654 in Gegenwart des Kaiſers Ferdinand III. und einiger deutſchen Fuͤrſten auf dem Reichstage zu Regensburg. Der Churfuͤrſt von Mainz und Biſchof von Wuͤrzburg Iohann Philipp61 erhielt von ihm eine ſolche Maſchine, welche der Jeſuit Taſpar Schott (Mechanica hydraulico - pnerm. Herbip. 1657. 4. in Append. unier dem Titel: Experimentum novum Magdeburgicum) zuerſt beſchrieben hat. Dies alles ſind unbezweifelte Thatſachen, und ſo ſollte der durch die Luftpumpe ausgeleerte Raum billig die guerick. ſche Leere (Vacuum Guerickianum) genannt werden.
Durch Schotts angefuͤhrtes Buch lernte Robert Boyle in England dieſe Maſchine kennen, und brachte nebſt dem D. Hook bey derſelben betraͤchtliche Verbeſſerungen an, die er ſchon 1659 beſchrieb (New experiments phyſico-mechanical, touching the ſpring and weight of the air. Oxford. 1669. und lateiniſch: Noua exp. phyſico-mech. de vi aëris elaſtica, in Opp. To. I.). Boyle gab der Maſchine ein Fußgeſtell, ſtellte den Cylinder darauf ſenkrecht, und verſahe die darauf gekuͤttete Glaskugel mit einem metallenen Deckel nut eingeſchliffenem Stoͤpſel, dadurch man ſie oͤfnen, und was man wollte, hineinbringen, auch an e nem inwendig befindlichen Hacken aufhaͤngen konnte, ohne die Kugel abzunehmen. Der Stempel geht von unten in den Cylinder hinein, und hat eine gezahnte Kolbenſtange, in die ein Getrieb eingreift, das man mit einer Kurbel umdreht. Durch dieſen von Hook angebrachten Mechaniſmus, der die Fuhrmannswinde nachahmt, wird die Kraſt ſo verſtaͤrkt, daß eine einzige Perſon den Stempel ganz leicht auswindet. Am obern Theile des Cylinders iſt ein Loch mit einem eingeſchliffenen metallnen Stoͤpſel, und am Halſe der Kugel ein Hahn, wie bey Guericke. Das aͤußere Anſehen dieſer Pumpe zeigt Taf. XIV. Fig. 13. Oefnet man den Hahn, und windet den Stempel herab, ſo wird die Luft in der Kugel verduͤnnt; verſchließt man dann den Hahn, und oͤfnet das Loch im Cylinder, ſo wird durch das Heraufwinden des Stempels die aus der Kugel gezogne Luft ins Zimmer getrieben.
Dieſe Luſtpumpe laͤßt ſich auch als Compreſſionsmaſchine gebrauchen, wenn man beym Herabwinden das Loch62 oͤfnet und den Hahn verſchließt, beym Aufwinden hingegen das Loch verſtopft und den Hahn oͤfnet. Ueberdies hat ſie eine bequemere Geſtalt, erfordert weniger Kraft, und erleichtert das Einbringen anderer Koͤrper in die Kugel mehr, als die guerickiſche. Dieſe Vortheile, ihre fruͤhzeitige Bekanntmachung und die Menge lehrreicher Verſuche, welche Boyle damit anſtellte, machten, daß dieſer von ſeinen Landsleuten fuͤr den Erfinder der Luftpumpe gehalten, und der luftleere Raum in ſeiner Kugel die boyliſche Leere (Vacuum Boylianum) genaunt ward. Er geſteht aber ſelbſt die Erfindung Guericken zu, den er (Nov. exp. phyſ. mech. in prooem. ) mit vielem Lobe nennt.
Guericke ſelbſt ſeßte doch an dieſer boyliſchen Einrichtung aus, daß durch die angebrachte Winde zu viel Zeit verlohren gehe, und die aͤußere Luft nicht genug abgehalten werde. Dies letztere ſieht auch Boyle ſelbſt fuͤr die groͤßte Schwierigkeit an, und geſteht, daß hiebey faſt alles auf die Geſchicklichkeit des Kuͤnſtlers ankomme. Guericke, der das Waſſer als das beſte Gegenmitel daſuͤr anſahe, erfand noch vor dem Jahre 1663 zwey andere Einrichtungen. Die eine derſelben iſt zwar ſehr zweckmaͤßig, aber auch ungemein beſchwerlich, weil ſie zwey uͤber einander gelegne Zimmer erfordert. Sie wird von P. Schott (Technica curioſa. Herbip. 1664. 4. L. I.) nebſt der erſten guerickiſchen Luftpumpe unter dem Titel: Mirabilia Magdeburgica beſchrieben. Guerickens zwote neuere Einrichtung iſt einfacher und der boyliſchen aͤhnlich; nur wird der Stempel nicht gewunden, ſondern durch einen Hebel bewegt, und an der Stelle, wo der Hals der Kugel in den Cylinder eingelaſſen iſt, befindet ſich ein Gefaͤß, um durch hineingegoßnes Waſſer die Luft von dieſer Stelle und vom Hahne abzuhalten. Guericke ſelbſt beſchreibt alle dieſe Erfindungen und die damit angeſtellten Verſuche in einem merkwuͤrdigen Buche, das zwar ſchon am 14ten Maͤrz 1663 fertig war, aber erſt ſpaͤter heraus kam (Ottonis de Guericke Experimenta uoua Magdebur -63 gica de vacuo ſpatio. Amſtel. 1672. fol. Lib. III. cap. 2. ſqq.).
Die deutſchen Phyſiker behielten die erſte hoͤchſt einfache guerickiſche Luftpumpe bey, indeß man ſich in England der boyliſchen bediente. Johann Chriſtoph Sturms Luftpumpe (Collegium curioſum, Norimb. 1676. 4. Tentam. XIII. p. 100. ſqq. ) iſt der guerickiſchen Taf. XIV. Fig. 12. gleich; nur iſt das Ventil H in den Stempel gebracht, der in dieſer Abſicht hohl iſt. Auch iſt die Stempelſtange hohl, und die Luft geht durch dieſelbe zu einer nicht weit vom Handgriffe LM befindlichen Oefnung ins Zimmer heraus.
Einige betraͤchtliche Verbeſſerungen der boyliſchen Einrichtung machte der franzoͤſiſche Arzt Dionyſius Papin (Nouvelles experiences du Vuide. à Paris, 1674. 4. und noch mehr in A continuation of the new Digeſter of bones, Lond. 1687. 4. ſ. auch Acta Erud. Lipſ. 1687. menſ. Jun. p. 324. ſqq.). Er verwarf die Winde ebenfalls wegen der Langſamkeit der Zuͤge, und brachte dafuͤr an die Kolbenſtange einen Steigbuͤgel an, den man mit dem Fuße niedertrat. Statt des Hahns legte er ein Blaſenventil ans Ende des Communicationsrohrs, und bediente ſich zuerſt des Tellers, daher er ſich nicht mehr auf Kugeln einſchraͤnken durfte, ſondern cylindriſche und glockenaͤhnliche Gefaͤße aufſetzen konnte. Dies erleichterte die Anſtellung der Verſuche, und verſchafte ihm Mittel, die Koͤrper unter dem Recipienten ohne Einlaſſung der Luft zu bewegen.
Nach dieſen Vorgaͤngern brachte der Profeſſor Wolferd Senguerd zu Leiden die ſo beruͤhmt gewordene ſenguerdiſche oder Luftpumpe mit dem ſchiefliegenden Cylinder zu Stande; welche er ſchon 1685 (Philoſophia naturalis, Lugd. Bat.) angegeben, aber nach ſeiner Nachricht (Rationis atque experientiae connubium. Ed. 3tia. Roterod. 1715.) erſt im Jahre 1697 mit Huͤlfe eines Kuͤnſtlers vollender hat. Sie iſt in Deutſchland durch Wolfs vortrefliche Beſchreibung (Nuͤtzliche Verſuche, Halle, 1721. 8. I. Theil. S. 112. u. f.), die man als ein Muſter64 in dieſem Fache anſehen kan, ſehr bekannt geworden. Es iſt eigentlich die Beſchreibung derjenigen Maſchine, die Wolf ſelbſt beſaß, und die von Leupold in Leipzig 1718 verfertiget war. Eine andere von Johann von Muſſchenbroeck, dem Bruder des bekannten Phyſikers, gearbeitete, die von jener nur in den Abmeſſungen und wenigen Nebenumſtaͤnden abweicht, kam aus dem Nachlaſſe des Prof. Heinſius an den verſtorbnen D. Ludwig, und befindet ſich jetzr in der zum Gebrauch bey hieſiger Univerſitaͤt angekauften Sammlung.
Die ſenguerdiſche Luftpumpe iſt Taf. XIV. Fig. 14. abgebildet. Ihr Cylinder AB ruht auf dem Geſtell CD in ſchieſer Lage, und wird durch das Rohr GEF mit dem Teller verbunden. Am Boden des Cylinders iſt der Hahn H. In die gezahnte Stempelſtange K greift ein Getriebe an der Axe I, wodurch vermittelſt des Kreuzhaſpels LMNO der Stempel aus - und eingewunden wird. Der Hahn H iſt doppelt durchbohrt, wie Fig. 15. deutlicher zeigt, einmal bey Q, ſenkrecht durch ſeme Axe, dann aber auch nach der Richtung der Axe TS ſelbſt, von oben nach unten, jedoch, daß dieſer Canal nicht voͤllig den durch Q gebohrten Weg erreicht, ſondern ſich bey S ſeitwaͤrts nach R wendet. Die Oefnungen Q und R liegen in einer auf die Axe ſenkrechten Ebne. Der Grif des Hahus wird mit dem Wege durch Q parallel geſetzt. Steht er alsdann ſo, wie Fig. 14., ſo iſt der Weg aus der Glocke in den Cylinder offen, und die Luft kann bey ausgewundenem Stempel aus jener in dieſen hineintreten. Dreht man aber den Hahn ſo weit, daß der Grif einen Quadranten durchlaͤuft und ſich ſeitwaͤrts kehrt, ſo haͤngt der Cylinder mit dem Canal RST, Fig. 15., zuſammen, durch welchen die Luft beym Hineinwinden des Stempels ins Zimmer uͤbergeht. Der Canal ST kann nach Gefallen mit dem Stoͤpſel P, Fig. 14. verſchloſſen werden. Dieſe Einrichtung der Luftpumpe iſt auch von Teichmayer (Elem. Philoſ. natur. exp. Jenae 1717. p. 144.) und von Leupold (Deutl. Beſchreib. der ſogenannten Luftpumpe, Leipz. 1707., nebſt zwey Forrſetz. 1711. und 1714, 4.) beſchrieben. 65Sie hat, wie die boyliſche, den langſamen Kolbenzug: laͤßt aber, wegen der faſt horizontalen Stellung, einen laͤngern Cylinder zu, und dient auch als Compreſſionsmaſchine.
Weil bey allen dieſen Maſchinen blos der Auszug des Stempels die Luft verduͤnnt, das Hineintreiben aber eine vergebliche Pauſe veranlaßt, ſo erfand Hawksbee (Phyſico - mechanical experiments on various ſubjects. London, 1709. 4. ſ. auch Act. Erud. Lipſ. Suppl. To. V. p. 403.) die doppelte Luftpumpe oder die mit doppeltem Stiefel, welche die Luft ununterbrochen verduͤnnet, indem der Kolben im andern Stiefel zugleich ausgezogen wird, wenn man den im erſten hineintreibt. Beyde Stiefel ſtehen neben einander, die bezahnten Kolbenſtangen gehen von oben hinein, und zwiſchen beyden liegt ein Getrieb oder Stirnrad, das durch eine Kurbel umgedreht wird. Man dreht die Kurbel abwechſelnd vor - und ruͤckwaͤrts, jedesmal ſo weit, bis die Kolben die ganze Laͤnge der Stiefel durchlaufen haben. Unten am Boden ſind beyde Cylinder durch ein enges Rohr vereiniget, aus welchem ein anderes enges Rohr bis in die Mitte des Tellers heraufgeht. Der Boden der Cylinder ſteht in einer zwey Zoll hohen Ciſterne mit Waſſer, um die aͤußere Luft abzuhalten. Die Kolben ſind mit Blaſenventilen verſehen, uͤber welche ebenfalls Waſſer gegoſſen wird. Das Geſtell iſt ein Tiſch mit vier Fuͤßen, auf deſſen Blatte die Cylinder nebſt einigen Saͤulen ſtehen. Vier dieſer Saͤulen tragen den Teller, und zwo ein Querſtuͤck, in welchem die Axe des Getriebes oder Stirnrads ruht.
Um die Behandlung dieſer Pumpe noch mehr zu beſchleunigen, brachte Leupolo (Deutl. Beſchr. der Luftpump. Erſte Fortſ. 1711. 4. und Act. Erud. Lipſ. 17 3. menſ. Febr. p. 95. ſq. ) ſtatt der bezahnten Stangen mit dem Getriebe, einen ſtarken Wagbalken an, an deſſen beyden Enden die Kolbenſtangen, wie bey den großen Feuerſpritzen, haͤngen. Dieſer Balken iſt nur ſo lang, als die Entfernung der Kolbenſtangen vom Mittel es erfordert,66 an ſeiner Axe aber ſteckt ein etwas laͤngerer Balken oder Hebel mit dem vorigen parallel, deſſen beyde Enden man mit den Haͤnden angreifen, und ſo durch abwechſelndes Heben und Niederdruͤcken die Kolben in Bewegung ſetzen kan. Dieſe Kolben ſind ebenfalls mit Ventilen verſehen, bey welchen aber Leupold eine vortheilhaftere Einrichtung angebracht hat. Der Mechaniſmus dieſer Pumpe iſt ſehr einfach, erfordert keinen großen Aufwand, und beſchleuniget die Operation ſo, daß ſie ganz unſtreitig zu geſchwinden Verſuchen, die keinen hohen Grad der Verduͤnnung erfordern, die bequemſte bleibt. Auch faͤllt die aͤußere Form, die ihr Leupold in der Folge gegeben hat, ſehr gut ins Auge. Man findet ſie Taf. XIV. Fig. 16. abgebildet. Aber ſie dient nicht zu genauen Arbeiten, weil ſie, wie alle Ventilpumpen, die Luft nur ſo lang verduͤnnt, als dieſelbe noch Kraft behaͤlt, ſich die Ventile zu oͤfnen. Ueberdies bewegen ſich die Enden des Wagbalkens im Bogen, druͤcken daher nicht ſenkrecht auf die Kolbenſtangen, und ſchieben die Stempel nach ſchiefen Richtungen.
s'Graveſande beſchreibt (Elem. Philoſ. nat. math. To. II. L. IV. c. 4.) zwo Einrichtungen der Luftpumpe, von welchen auch Johann von Muſſchenbroek (Beſchreibung der doppelten und einfachen Luftpumpe, uͤberſ. von J. C. Thenn, Leipz. 1765. 8. franzoͤſiſch als ein Anhang beym Eſſai de phyſique par P. van Muſſchenbroeck, traduit par Maſſuet. Paris. 1739.), der ſie ſelbſt verfertiget hatte, Nachricht giebt. Die Abſicht iſt, Haͤhne zu gebrauchen, die ſich aber beym Hin - und Herziehen des Kolbens von ſelbſt in die gehoͤrige Stellung ſetzen, und dadurch die Zeit erſparen ſollen, die ſonſt auf das Stellen bey jedem Zuge verwendet wird. Die erſte dieſer s'Graveſandiſchen Pumpen iſt eine doppelte, an der man die bezahnten Kolbenſtangen durch ein Stirnrad bewegt, dieſes aber durch eine gleichfoͤrmige Druckſtange hin und her treibt. Die beyden Cylinder ſtehen, und ſind mit dem Teller ſo, wie bey der leupoſdiſchen Pumpe, verbunden. Jeder Cylinder hat unten ſeinen eignen, auf doppelte Art durchbohrten67 Hahn, und beyder Haͤhne Griffe ſind durch eine horizontale Stange ſo verbunden, daß ſie ſich allemal zugleich bewegen. An der Axe des Stirnrads haͤngt ein Schwengel, der ſich in zwey Arme ſpaltet, und wenn das Rad hin und her gedreht wird, wie ein Pendel ſchwingt. Aus der Mitte der Stange, welche die Haͤhne verbindet, geht eine Vorrichtung heraus, welche beym Anfange jedes neuen Zuges von einem der Arme des Schwengels ergriffen wird, und auf ſolche Art beyde Haͤhne zugleich umdreht. So ſtellen ſich gleich im Anfange des Zuges die Haͤhne gehoͤrig, und behalten dieſe Stellung im Fortgange des Zuges, weil der Arm des Schwengels die Vorrichtung bald wieder fahren laͤßt. Die zwote Pumpe des s'Graveſande iſt eine einfache, ſonſt der vorigen aͤhnlich, nur daß der Cylinder ſchief liegt, und ſtatt des Stirnrads, weil man nie eine ganze Umdrehung braucht, nur ein bezahnter Cirkelſector angebracht iſt. Dieſe Pumpen ſind aber ſehr zuſammengeſetzt, und darum nicht allein koſtbar, ſondern auch vielen Beſchaͤdigungen unterworfen. So weit ſich die Verduͤnnung damit trciben laͤßt, ſo verſichert doch Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. To. II. §. 2120.), daß ſchon 1680 ſein Vater und deſſen Bruder Luftpumpen von beſſerer Wirkung, als die doppelte graveſandiſche, gehabt haͤtten.
Der Abt Nollet (Mém. ſur les inſtrumens, qui ſont propres aux experiences de l'air, in d. Mém. de l'Acad. des ſc. de Paris, ann. 1640. 1641. ingl. Leçons de Phyſ. exp. T. III. Leç. X.) beſchreibt, ebenfalls mit einer muſterhaften Genauigkeit, zwo von ihm ausgedachte Einrichtungen der Luftpumpe, eine einfache und eine doppelte. Die einfache hat vorzuͤglichen Beyfall erhalten. Ihr Cylinder ſteht ſenkrecht, und der Stempel geht, wie bey der boyliſchen, von unten hinein, wird aber nicht gewunden, ſondern an einem an der Kolbenſtange befindlichen Steigbuͤgel mit dem Fuße herabgetreten, und durch eine aufwaͤrts gebogne Stange an einem Handgriffe mit der Hand wieder aufgezogen. Ueber dem Cylinder befindet ſich, wie bey Boyle, ein Hahn, jedoch iſt hier das Loch68 im Cylinder, Taf. XIV Fig. 13., nicht noͤthig. Vielmehr iſt der Hahn, wie der ſenguerdiſche, doppelt durchbohrt, ſo, daß man durch abwechſelnde Stellung des Grifs entweder den Cylinder mit dem Teller, oder mit der aͤußern Luft, verbinden kan. Man muß alſo jedesmal vor dem Niedertreten den Grif in die eine, und vor dem Aufziehen in die andere Stellung bringen. Vor der Oefnung, die aus dem Hahne in die freye Luft fuͤhrt, liegt ein Ventil, das die Luft zwar heraus, aber nicht hinein laͤßt. Dieſes hat die Abſicht, das Aufziehen des Stempels zu erleichtern. Wenn man nemlich den Stempel niedergetreten hat, ſo iſt der Cylinder mit ſehr verduͤnnter Luft angefuͤllt. Oefnet man nun den Hahn, ſo tritt, wenn kein Ventil da iſt, eine Menge Luft aus dem Zimmer in den Stiefel, die man durchs Aufziehen erſt wieder herausſchaffen muß. Liegt aber das Ventil vor, ſo bleibt der Stiefel faſt luftleer, und der Druck der Atmoſphaͤre von unten auf treibt den Kolben von ſelbſt wieder zuruͤck, daß alſo die Hand nur nachhelfen und ihn vollends ganz heraufziehen darf. Ein ſolches Ventil hatte auch ſchon s'Graveſande bey ſeinen Haͤhnen angebracht. Man findet dieſe Pumpe ſehr haͤufig in den Inſtrumentenſammlungen der Phyſiker, und ſie laͤßt ſich, wenn das Ventil im Hahne weggenommen wird, auch als Compreſſionsmaſchine gebrauchen.
Nellets doppelte Luftpumpe iſt weit zuſammengeſetzter. Sie hat zween neben einander ſtehende Cylinder, in welche die Kolben mit bezahnten Stangen von unten hineingehen, und durch ein Stirnrad mit einer langen Kurbel bewegt werden. Oben liegt zwiſchen den beyden Cylindern ein Hahn, der ſo durchbohrt iſt, daß er beym Hin - und Herwenden abwechſelnd bald den einen bald den andern Cylinder mit der Glocke verbindet. Die Kurbel an der Axe des Stirnrads hat am Ende einen Zapfen, der beym Anfange jedes neuen Zuges den Grif des Hahns ergreift, mit ſich fortfuͤhrt, und dadurch dem Hahne die gehoͤrige Stellung giebt. Dabey ſind die Kolben mit ihren Stangen ſo verbunden, daß ſie ſich nicht gleich fortſchieben,69 wenn die Stange bewegt wird, ſondern erſt noch eine Zeitlang ſtill ſtehen, bis zuvor der Hahn in ſeine gehoͤrige Stellung gebracht iſt. Der Mechaniſmus hiezu iſt zu weitlaͤuſtig, als daß hier der Raum eine Beſchreibung davon verſtattete. Auch iſt dieſe Luftpumpe außerhalb Frankreich nicht in Gebrauch gekommen.
Durch die ſenguerdiſchen, graveſandiſchen und nolletſchen Luftpumpen ward der Gebrauch der Haͤhne auf dem feſten Lande faſt allgemein eingefuͤhrt: nur in England blieben die Ventile des Hawksbee mehr gewoͤhnlich, die auch wirklich vor den Haͤhnen viel Bequemlichkeit voraus haben. Die nun folgende Einrichtung hatte vornehmlich zur Abſicht, den Maͤngeln dieſer Ventilpumpen abzuhelfen. Smeaton's Luftpumpe, und deren Verbeſſerungen.
Der engliſche Kuͤnſtler John Smeaton gab im Jahre 1759 (A letter - concerning ſome improvements made in the Air-Pump. Philoſ. Trans. Vol. XLVII. no. 69.) eine von ihm erfundene Luſtpumpe an, die wegen des bequemen Gebrauchs ihrer Ventile ſowohl zur Verduͤnnung als zur Verdichtung der Luft, und wegen der leichten Bewegung des Kolbens alle vorige uͤbertraf. Sie iſt auch von Raͤſtner (Anfangsgr. der Aerometrie, §. 50. u. f.) und Rarſten (Lehrbegrif der geſammten Math. Th. VI. Pneumatik. V. Abſchn. §. 85. u. f.) umſtaͤndlich beſchrieben und abgebildet worden.
Dieſe Luftpumpe hat einen aufrechtſtehenden Cylinder AB, Taf. XV. Fig. 17., in welchen der Kolben von oben hinein geht. Die Kolbenſtange iſt uͤber doppelt ſo lang, als der Cylinder, und nur am obern Theile bezahnt. Um der aͤußern Luft den Zugang zum obern Theile des Cylinders zu verwehren, iſt dieſer bey AO mit einem Deckel verſchloſſen, durch welchen die Kolbenſtange luftdicht durchgeht. Das Geſtell dieſer Pumpe iſt ein Tiſch mit vier Fuͤßen, zwiſchen welchen der bis ins Tiſchblatt reichende Cylinder feſt iſt. Auf dem Tiſchblatte70 ſtehen ſechs Saͤulen, alle noch um etwas hoͤher, als die Fuͤße des Tiſches: zwo davon tragen ein Queerband, das der Axe des Getriebes zur Unterlage dient, die vier uͤbrigen tragen den Teller mit der Glocke. Das Getriebe wird mit einer Kurbel umgedreht.
Der Kolben hat ein Ventil, welches die Luft nur nach oben durchlaͤßt: ein aͤhnliches iſt im Boden des Stiefels, das aus dem Rohr CD fortgeht. Gienge dieſes Rohr ohne Unterbrechung bis zum Teller, und waͤre der Cylinder oben bey AO offen, ſo wuͤrde die Pumpe zur Verduͤnnung der Luft dienen. Damit ſie nun auch zur Verdichtung diene, iſt die Roͤhre CD bey D durch einen Hahn EFGH unterbrochen, deſſen Kopf K mit drey Griffen oder Schweifen, wie KL, verſehen iſt.
Die innere Einrichtung dieſes ſmeatonſchen Hahns zeigen Fig. 18 und 19., welche horizontale Durchſchnitte durch ihn vorſtellen. So iſt Fig. 18. CD das Rohr; der aͤußere Ring die Huͤlſe des Hahns, die innere Kreisflaͤche der Koͤrper derſelben, welchen Fig. 19. noch einmal beſonders vorſtellt, alles im Durchſchnitte durch die Axe des Rohrs CD. Die unbewegliche Huͤlſe hat drey Oefnungen bey D, N und M. Die bey D ſteht an der Roͤhre CD, von M geht eine Roͤhre hinauf in den Teller, von N eine andere in den obern Theil des Cylinders, wie es bey OPQ, Fig. 17. vorgeſtellt iſt. Der Koͤrper des Hahns, Fig. 19. iſt auch an drey Stellen 1, 2, 3, durchbohrt, welche an die Oefnungen der Huͤlſe D, N, M paſſen. Von 1 bis 2 geht ein Canal durch den Hahn; von 3 ein anderer nach der Mitte zu, der ſich aber bey Y aufwaͤrts biegt, und oben hinaus geht, wie Fig. 17. bey DYZ vorſtellt. Mit den Linien V1, V2, V3 ſtehen die drey Griffe des Hahns parallel.
Steht nun der Hahn, wie bey Fig. 18., ſo iſt D mit M, d. h. der Cylinder mit dem Teller und der Glocke, bey N aber durch 3 der obere Theil des Cylinders mit der aͤußern Luft verbunden. So wird durch Auf - und Abwinden des Kolbens die Luft unter der Glocke verduͤnnt. Deswegen wird der mit V1 parallelle Grif des71 Hahns, der hiebey gegen den Cylinder gekehrt werden muß, mit dem Buchſtaben E (Exantlation) bezeichnet.
Der mit V3 parallelle Grif hat den Buchſtaben C (Compreſſion). Wird dieſer gegen den Cylinder gekehrt, ſo trift 3 auf D, 1 auf M, 2 auf N. Alſo iſt M mit N, d. h. der obere Theil des Cylinders mit dem Teller und der Glocke, bey D aber durch 3 der untere Theil des Cylinders mit der aͤußern Luft verbunden. So fuͤllt ſich beym Aufwinden des Kolbens der Stiefel von unten mit atmoſphaͤriſcher Luft; dieſe wird beym Niederſtoßen durch das Kolbenventil durchgerrieben, und beym folgenden Auſwinden durch das Rohr OPQ, Fig. 17., den Hahn und das in den Teller gehende Rohr, in die Glocke gepreßt. Durch Fortſetzung der Operation wird alſo die Luft unter der Glocke verdichtet.
Der dritte mit V2 parallele Grif iſt ohne Zeichen. Kehrt man ihn gegen den Stiefel, ſo trift 3 auf M, d. h. die Glocke ſelbſt wird mit der aͤußern Luft verbunden. Dieſe Stellung iſt das Mittel, die Luft wieder unter die Glocke zu laſſen, wenn ſie ausgeleert, oder ſie herauszulaſſen, wenn ſie comprimirt war.
Dieſe ſinnreiche Einrichtung des Hahns macht die Pumpe, ob ſie gleich Ventile hat, dennoch zur Verdichtung der Luft geſchickt. Einen andern Vorzug erhaͤlt ſie durch den geſchloſſenen Deckel AO, Fig. 17., wo an der Oefnung O ein drittes Ventil vorliegt, welches keine Luft in den Stiefel hinein, wohl aber heraus laͤßt. Nemlich beym Verduͤnnen ſowohl, als beym Verdichten iſt immer nur noͤthig, daß bey O Luft ausgehe, niemals daß ſie eingehe. Die eingehende Luft aber iſt in beyden Faͤllen hinderlich. Beym Verduͤnnen koͤmmt ſie aus dem Zimmer hinein, hat alſo gleiche Dichte mit der aͤußern, und druͤckt den Stempel mit dem ganzen Gewichte der Atmoſphaͤre nieder. Beym Verdichten tritt ſie aus der Glocke hinein, wo ſie ſchon ſtark verdichtet iſt, und alſo dem Stempel mit einer ſtarken Federkraft widerſteht, welches man großentheils vermeiden kan, wenn man das Eindringen abhaͤlt. Dies erleichtert72 alſo den Kolbenzug; doch hatten ſchon s'Graveſande und Nollet dieſen Vortheil bey ihren Pumpen angebracht.
Endlich hat auch Smeaton die Ventile ſelbſt betraͤchtlich verbeſſert. Ergiebt dem Bodenventile die Taf. XIV. Fig. 11. vorgeftellte Einrichtung, da Hawksbee ſich begnuͤgt hatte, blos einen Streif Blaſe, in Geſtalt eines Rechtecks, uͤber die Oefnung des Ringes zu ſpannen. Der Boden des Stiefels hat unten eine runde Vertiefung FS, Taf. XV. Fig. 17., deren Oefnung dreymal weiter iſt, als die Roͤhre CD. Dadurch wird der Druck der Luft gegen das Ventil 9 mal ſtaͤrker als ſonſt. Damit aber dieſer Druck die Blaſe nicht ſprenge, liegt uͤber FS eine metallne Platte, in deren Mitte ſich das Taf. XIV. Fig. 11. vorgeſtellte zarte Netz von 7 Sechsecken befindet. Ueber dieſe Platte und dieſes Netz iſt die Blaſe in der Form ABCD geſpannt. Die Bogen EFGH ſind ein wenig erhoͤht, damit der Stempel, wenn er unten angedruͤckt wird, die Blaſe nicht beſchaͤdige. Im Kolben iſt in der Mitte der ebnen und glatten Grundflaͤche die Oefnung c, Taf. XV. Fig. 17., uͤber der das Kolbenventil liegt. Durch den obern Theil des Kolbens gehen die Gaͤnge m und n, um die Luft hinaufzulaſſen. Wenn hiebey auch ein Theil der im Cylinder befindlichen Luft unterhalb des Kolbens ſitzen bleibt, ſo kan derſelbe doch nicht mehr betragen, als was den kleinen Canal c ausfuͤllt. Waͤre das Ventil O nicht da, und alſo der Gang mn mit aͤußerer Luft angefuͤllt, ſo haͤtte dieſe zwiſchen Boden - und Kolbenventil ſteckende Luft gleiche Dichte mit der aͤußern. Da aber O alle aͤußere Luft abhaͤlt, alſo der obere Raum faſt luftleer iſt, ſo wird die Luftportion in c das Kolbenventil ſo lange heben und ſich ausbreiten, bis ſie nur noch gleiche Dichte mit der Luft unter der Glocke hat.
Wie viel dies helfe, kan man ſo uͤberſehen. Der Canal c faſſe den 100ſten Theil der ganzen Capacitaͤt des Stiefels. Bleibt er mit Luft von der Dichte der aͤußern erfuͤllt, ſo dehnt ſich dieſe beym Aufwinden des Kolbens durch den 100fachen Raum aus, wird alſo 100mal duͤnner. Iſt nun die unter der Glocke auch ſchon 100mal verduͤnnt,73 ſo geht nichts mehr durchs Bodenventil, weil auf beyden Seiten gleich dichte Luft liegt, und es iſt alles weitere Pumpen vergeblich. Iſt aber das Ventil O da, ſo wird die ſchon 100mal verduͤnnte Luft in c noch 100mal verduͤnnt, und nun kan die 100mal dichtere Luft im Rohre CD das Bodenventil gar wohl noch oͤfnen. Man muß noch in Anſchlag bringen, daß auch oben zwiſchen dem Kolben und dem Ventil O Luft ſitzen bleibt, welche die Dichte der aͤußern hat. Verhalten ſich die kleinen Raͤume bey O und bey c zum ganzen Kolbenzuge wie 1 / m und 1 / n zu 1, ſo kan man die Verduͤnnung der Luft nicht uͤber das mXn fache treiben.
Smeaton berichtet, er habe durch dieſe Maſchine die Luft bey reiner Zuſammenſetzung gewoͤhnlich 1000mal, und allezeit wenigſtens 500mal verduͤnnen koͤnnen. Dennoch iſt ſie nicht haͤufig verfertiget worden, und Prieſtiey (Philoſ. Trans. Vol. LXIV. P. I. n. 8.) beklagte ſich, daß kein engliſcher Kuͤnſtler ſolche Luftpumpen baue, zu einer Zeit da Kampe in Goͤttingen deren ſchon drey vollendet hatte. Einige Verbeſſerungen ihrer Einrichtung hat Leiſte (Beſchreibung einer neuen Luftpumpe - Wolfenbuͤttel, 4.) angegeben.
Nach den von Nairne und Blunt angebrachten Verbeſſerungen beſchreibt dieſe ſineaton ſche Luftpumpe Herr Lichtenberg (Errlebens Anfangsgr. der Naturl. vierte Aufl. Goͤttingen 1787. 8. nach der Vorrede S. XL. u. f.). Ihren aͤußeren Bau nach dieſer Art ſieht man Taf. XV. Fig. 20. Die Einrichtung des Stiefels DE, und der Mechaniſmus der Kolbenzuͤge mit der Kurbel B und Zahnſtange C bleibt ungeaͤndert, auch geht aus des Stiefels unterm Theile das Rohr edc in das metallne Stuͤck cb, welches wie eine Stange ausſieht, aber eigentlich eine Roͤhre iſt, deren Ausgang ſich in das Loch des Tellers a oͤfnet: aus dem obern Theile aber fuͤhrt die Roͤhre gh durch den eben ſo geformten Canal ok in den Teller. Run iſt aber der ſmeatonſche unten liegende Hahn in zween gewoͤhnliche ſenguerdiſche Haͤhne verwandelt, die zu mehrerer Bequemlichkeit oben74 bey m und n angebracht ſind. Wenn dieſe Haͤhue, wie in der Figur, ſtehen, ſo iſt der Canal cb mit der Glocke verbunden; ok aber von der Glocke abgeſchn < * > n, und dagegen mit der Buͤchſe i verbunden, aus welcher auf der abgewandten Seite ein Loch in die freye Luft geht. So ſaugt der Kolben beym Aufwinden Luft aus der Glocke durch abcdeE, und treibt die uͤber ihm befindliche durch Dghi ins Freye. Dies bewirkt Verduͤnnung. Werden aber die Haͤhne um 1 / 4 des Cirkels gedreht, ſo iſt der Canal cb von der Glocke abgeſchnitten, und mit der freyen Luft verbunden; ok aber ſteht jetzt mit der Glocke in Verbindung. So ſaugt der Kolben beym Aufwinden durch mcdeE aͤußere Luft ein, die beym Niedertreiben uͤber ihn tritt, und beym folgenden Aufwinden durch Dghka unter die Glocke getrieben wird. Dies giebt die Verdichtung. Auf den Haͤhnen und ihren Huͤlſen ſind Striche mit E und C bezelchnet, welche Merkmale geben, wie die Haͤhne ſtehen muͤſſen, um zu erantliren oder zu comprimiren. Man ſieht leicht, daß man durch dieſe Haͤhne auch aͤußere Luft zur Glocke zu, oder aus ihr ablaſſen koͤnnte; um aber die Haͤhne zu ſchonen, iſt zur Seite des Canals ok die luftdichte Schraube k angebracht, die man oͤfnen und ſo die Glocke mit der aͤußern Luft verbinden kan.
Die Ventile haben ſtatt der Blaſen ein angeſchraubtes Stuͤck Wachstaffet mit vier Zipfeln. Der Kolben beſteht aus zweyen Stuͤcken, wovon das untere gerade durchbohrt, und mit dem Ventile bedeckt, das obere ſchief durchbohrt iſt. Beyde ſchließen am Rande mit zwiſchenliegendem Leder feſt an einander; in der Mitte aber laſſen ſie zwiſchen ſich einen kleinen Raum, damit ſich das Ventil heben koͤnne. Die Vorrichtungen bey G und bey sqr dienen, die Elaſticitaͤt und Menge der unter der Glocke zuruͤckbleibenden Materie zu meſſen, ſ. Elaſticitaͤtszeiger, Birnprobe. Dieſe Luſtpumpe, von Nairne gearbeitet, koſtete ohne den mindeſten Apparat, in London auf der Stelle, 38 Pfund Sterling, oder 218 Thlr. 12 Ggr.
Sie hat noch immer den Fehler, daß ihre Wirkung aufhoͤrt, wenn die ſchon ſehr verduͤnnte Luft nicht mehr75 Kraft genug hat, das Ventil zu oͤfnen. In dieſer Abſicht haben die Herren Haas und Hurter ein Pedal am Boden des Stiefels angebracht, mittelſt deſſen das Bodenventil durch Treten geoͤfnet, und der Luft, ſo duͤnn ſie auch ſey, der freye Durchgang verſtattet wird. Beyder Einrichtungen gehen darinn von einander ab, daß Hurter den geoͤlten Taffet des Ventils an einen Rahmen befeſtigt, den man durch den Tritt in die Hoͤhe hebt, Haas hingegen den Boden des Stiefels gleichſam zum Embolus einer zweiten kleinen Luftpumpe macht, und durch das Pedal herabtreten laͤßt. Beſchreibungen von beyden geben Cavallo (Philoſ. Trans. Vol. LXXIII. for 1783. P. II. p. 435. ſqq. ) u. Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik u. Naturg. III. B. 1. St. S. 97. u. f.).
Die Einrichtung des Herrn Haas, eines gebohrnen Deutſchen, iſt die einfachere, und Taf. XV. Fig. 21. vorgeſtellt. AB iſt der untere Theil der Pumpe, CCDE ein Stuͤck Meſſing mit einem weiten cylindriſchen Canale, durch Schrauben mit Ledern an AB befeſtigt. Bey G iſt noch ein anderes Stuͤck angeſchraubt, an welches das nach dem Teller hinaufgehende Rohr H geloͤthet iſt. Die Oefnung der Pumpe iſt mit einem Stuͤck geoͤlten Taffet bedeckt, das ſechs runde Loͤcher hat, uͤber einen Ring geſpannt, und in das Stuͤck CDC eingeſetzt iſt. Im Canale DE befindet ſich der Stempel KIr, deſſen unteres Ende in den Hebel MO eingeſetzt iſt, der ſich um M bewegt. An der Mitte dieſes Stempels iſt ein Stuͤck Meſſing, mit runden Ledern umſchloſſen, die bis an die Scheiben r und K reichen. Der kleine Raum zwiſchen K und F enthaͤlt eine Spiralfeder, die den Stempel in die Hoͤhe druͤckt. Endlich iſt die Axe des Stempels bis gegen die Mitte durchbohrt, wo ſich eine Seitenoͤfnung befindet, die mit H Gemeinſchaft hat. Wenn der Stempel in Ruhe iſt, ſo bedeckt das uͤber r geſpannte Stuͤck Taffet die Oefnung, und die Gemeinſchaft zwiſchen dem Innern der Pumpe und der Roͤhre H iſt aufgehoben. Tritt man aber auf O, ſo zieht ſich der Stempel ein wenig herab, beruͤhrt den Taffet nicht mehr, und verſtattet der Luft den Durchgang durch r und durch die Loͤcher des Taffets. 76
So ſinnreich auch dieſe Einrichtung iſt, ſo bemerkt doch Herr Lichtenberg mit Recht, daß der Vortheil die gehofte Wirkung nicht thue, wenn der Luft nicht der eben ſo freye Durchgang durch die beyden noch uͤbrigen Ventile verſchaft werde. Uebrigens iſt merkwuͤrdig, daß ſchon Guericke (Exp. nova de vacuo ſpatio, L. III. c. 4. ingl. c. 7. p. 79 und c. 8. p. 81.) Mittel erwaͤhnt, das Ventil im Stiefel durch eine Kraft von außen zu eroͤfnen. Folgendes ſind ſeine Worte:” In fine minimum illud äeris,” quod reſtat in quovis vaſe evacuando, nullam eiusmodi” vim ſeu Elaterem amplius habet, coria ventiliorum ape” riendi: ideo in antliae operculo, intra ventile & tubu” lum, poteſt conſtitui tubulus aliquis parvus, cum piſtil” lulo & embolo ut & papilla aliqua, cuius beneficio poſſit” artificioſe tangi & aperiri atque iterum recludi corium” interius ventilii, ut minimum illud aͤeris — in antliam” deſcendendi lumen habeat. “ So gedenkt er auch eines” tubuli extractionis, cuius ope corium interioris ventilii” aperiri poteſt. “
Durch ſo viele Kuͤnſteleyen aber hat die Luftpumpe ihre erſte Simplicitaͤt verlohren. Sie iſt ein theures, umſtaͤndliches und oͤftern Reparaturen ausgeſetztes Werkzeug geworden, ohne doch ihren Zweck ganz zu erfuͤllen. Herr Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte a. d. Phyſ. III. B. 3. St. S. 107. u. f.) glaubt, dieſer Zweck laſſe ſich uͤberhaupt nur durch Haͤhne mit Dauerhaftigkeit erreichen, denen er aber eine andere Stelle und Lage, als ſonſt, anweiſet. In den ſtarken Deckel aaa des Stiefels b Taf. XV. Fig. 22. werden nach ſeinem Vorſchlage zween coniſche Zapfen, ein groͤßerer c, und ein kleiner l, genau eingeſchliffen, ſo daß ſie die Oefnungen im Stiefel und die Roͤhren k und n doͤllig verſchließen. Die Haͤlſe dieſer Zapfen aber ſind mit Schraubengaͤngen verſehen, und dieſe paſſen in Schraubenmuttern, welche am Deckel des Stiefels befeſtiget ſind. Wenn man alſo die Schluͤſſel g und h drehet, ſo ſchrauben ſich die Zapfen c und l ein wenig in die Hoͤhe, und oͤfnen dadurch die Verbindungen zwiſchen dem Stiefel und den Roͤhren k und n, deren erſte unter die Glocke, die letztere77 in die aͤußere Luft geht. Oefnet man nun zuerſt den Zapfen oder Hahn c, und zieht den Stempel aus, ſo wird die Luft unter der Glocke verduͤnnt. Jetzt dreht man den Schluͤſſel g zuruͤck, verſchließt alſo k wieder, oͤfnet dagegen n durch Drehung des Schluͤſſels h, treibt nun den Stempel wieder hinein und blaͤſet ſo die Luft durch n aus. Ehe nun der zweyte Zug geſchieht, muß zuvor l wieder verſchloſſen und c geoͤfnet werden u. f. w. Wenn die abgeſtumpften Enden der Zapfen c und l mit der innern Flaͤche des Deckels ſo eben gearbeiter ſind, daß ſie beynahe unſichtbar werden, und der obere Theil des Stempels genau auf dieſe Flaͤche angeſchliffen iſt, ſo wird bey dem Aneinandertreten dieſer Flaͤchen die Luft ſo gut, als durch das beſte Ventil, abgeſchnitten. Der groͤßere Hahn an dem Canale, der zur Glocke fuͤhrt, ſteht, zu beſſerer Abhaltung der aͤußern Luft in der Lederbuͤchſe e, die bey l nicht noͤthig iſt. Dieſe Einrichtung dient auch zur Verdichtung, wenn man mit der Stellung der Haͤhne auf die entgegengeſetzte Art abwechſelt, und iſt den Kuͤnſtlern zu weiterm Nachdenken allerdings zu empfehlen. Cuthbertſons Luftpumpe.
Da bisher weder Haͤhne noch Ventile die Abſicht ganz erfuͤllen, ſo ſucht der geſchickte Mechaniker in Amſterdam, Johann Cuthbertſon, dieſelbe durch Stoͤpſel zu erreichen, welche durch die innere Einrichtung der Maſchine ſelbſt zu rechter Zeit in Oefnungen einfallen und wieder ausgehoben werden (ſ. Beſchreibung einer verbeſſerten Luftpumpe, a. d. Engl. vom Hrn. Verf. hiezu erhaltenen Original uͤberſ. in den Sammlungen zur Phyſik und Naturg. IV. B. 1. u. 2. St. Leipz. 1788. gr. 8. S. 83 u. f.). Ich kan hier nur das Weſentlichſte dieſer Einrichtung angeben.
Taf. XV. Fia. 23. iſt CD der Stiefel, F die Lederbuͤchſe, durch welche die Kolbenſtange HH luftdicht eingeht, G ein Gefaͤß mit Oel; auch R iſt eine Oelbuͤchſe, welche das Oel aufnimmt, das mit der Luft durch den Canal cc getrieben wird, wenn der Kolben in die Hoͤhe geht; wenn dieſe Buͤchſe voll iſt, ſo geht das Oel mit der Luft78 durch T nach G uͤber. dd iſt ein Drath, der als luftdichter Stoͤpſel fuͤr die Oefnung des Canals cc dient. Er wird von der Luft, wenn ſie ausgehen will, in die Hoͤhe geſtoßen, und faͤllt alsdann durch ſein eigen Gewicht wieder in die Oefnung ein. Zwey Stuͤckchen Metall erhalten ihn in der gehoͤrigen Richtung. Dieſe Anordnung dient ſtatt des Ventils, das ſonſt im Deckel des Stiefels liegt.
Die Kolbenſtange HH iſt hohl, und enthaͤlt die duͤnnere Stange qq, welche mit dem Ende P die Oefnung L als Stoͤpſel verſchließt. Dieſe Oefnung L unterhaͤlt durch das aufwaͤrts gebogne Rohr m die Gemeinſchaft mit dem Teller und der Glocke. An der langen duͤnnen Stange qq iſt unten ein langer Stiſt PO, an dem ſich unten bey O ein Queerſtift befindet, der breiter iſt, als der engſte Theil der eingebohrten Oefnung, welches verhindert, die Stange qq hoͤher zu heben, als noͤthig iſt. Dieſe lange Stange, welche die Stelle des Bodenventils vertritt, geht durch eine Lederhuͤlſe im mittlern Theile des Kolbens, und laͤßt ſich darinn luftdicht hin und her ſchieben.
Die Verfertigung des Kolbens erfordert die aͤußerſte Sorgfalt. Er beſteht aus zwoen Stuͤcken, einem mittlern und einem aͤußern. Das mittlere, an dem die Kolbenſtange ſitzt, iſt coniſch, und hat an der untern breitern Grundflaͤche einen hervorſpringenden Rand. Das aͤußere iſt genau nach der Form des mittlern und ſeines Randes ausgehoͤhlt. Wenn man nun den Kolben aufzieht, ſo ſchließt das mittlere Stuͤck luftdicht in die Hoͤhlung des aͤußern ein, und die Luft im obern Theile des Stiefels kan nicht durchgehen. Treibt man aber den Kolben nieder, ſo ſtoͤßt ſich das mittlere Stuͤck aus dem aͤußern heraus, ſo weit es der etwas hervortretende Rand aa erlanbt, und nun ſteht der Luft der Durchgang durch den Kolben offen. Dieſe Einrichtung vertritt die Stelle des Kolbenventils.
Wenn der Kolben ganz aufgezogen oben am Deckel des Cylinders ſteht, ſo befindet ſich das Ende P der Stange qq gleich uͤber L; der Kolben wuͤrde es noch hoͤher mit ſich aufgezogen haben, wenn dies nicht der Queerſtift O verhindert haͤtte. Die Luft unter der Glocke tritt alſo durch das79 ofne L in den Stiefel und wird verduͤnnt. Treibt man nun die Kolbenſtange nieder, ſo oͤfnet ſich der Kolben; zugleich wird das Ende P der Stange qq in L eingetrieben, und ſchneidet die Gemeinſchaft mit der Glocke ab. Die Luft im Stiefel geht alſo durch den Kolben hindurch, und wird beym folgenden Zuge, wobey ſich derſelbe wieder ſchließt, durch den Canal cc hinausgetrieben.
Es iſt wahr, daß bey dieſer ſinnreichen Anordnung weder ein ſchaͤdlicher Raum uͤbrig bleibt, noch die Luft ſich ſelbſt die Wege oͤfnen darf. Vielmehr kan alles vollkommen an einander ſchließen, und die Oefnung der Wege wird im Boden und Kolben durch die Bewegung des Kolbens ſelbſt bewirkt. Allein die Ausfuͤhrung erfordert eine Genauigkeit, die man nur von Meiſterhaͤnden erwarten kan; auch iſt die Maſchine aus ſo vielen kleinen, und doch weſentlichen Theilen zuſammengeſetzt, daß beym Gebrauch bald Maͤngel entſtehen muͤſſen, deren Quelle nicht immer leicht zu entdecken ſeyn duͤrfte. Queckſilberpumpen.
Alle bisher beſchriebne Luftpumpen ſaugen durch Kolben, welche die Luft unmittelbar beruͤhren. Man kan ſich aber auch anderer Mittel zu Hervorbringung leerer Raͤume bedienen. Schon die florentiner Akademiſten hatten dazu das Queckſilber in der torricelliſchen Roͤhre gebraucht; neuerlich haben die Herren Baader und Hindenburg eben dieſe Materie vorgeſchlagen, welche nach jenem die Stelle des Kolbens ſelbſt vertritt, nach dieſem aber zwiſchen den Kolben und die Luft geſtellt wird.
Maria Clemens Baader, ein Arzt in Muͤnchen, beſchreibt ſeine Queckſilberpumpe ſelbſt (in Lorenz Huͤbners phyſikaliſchem Taſchenbuche fuͤr Freunde der Natur, < * > ſten Jahrg. 4tes Viertel. Salzburg, 1784. S. 650.), und nach ihm die Herren Hindenburg (Progr. De antlia Baaderiana hydroſtatico pnevmatica. Lipſ. 1787. 4. ) und Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte a. d. Phyſ. V. B. 2tes St. S. 91. u. f.). Taf. XV. Fig. 24. ſtellt ihren verticalen Durchſchnitt80 vor. Auf dem eiſernen Gefaͤße CC ſteht das Roht abc mit dem ſenguerdiſchen Hahne bc. Unten geht aus ihm das eiſerne Rohr ff von geringem Durchmeſſer und 31 - 32 Zoll Hoͤhe herab. Daran iſt unten ein heberfoͤrmiges Stuͤck m mit dem kleinen Gefaͤße D verbunden, das der Hahn o oͤfnet und ſchließt. Aus D geht die noch engere eiſerne Roͤhre pp ſchief hinauf, und endigt ſich oben dem Hahne b gegen uͤber in einen Trichter von Eiſenblech A. Wenn die Glocke auf den Teller bey a geſetzt iſt, ſtellt man den Hahn ſo, daß die aͤußere Luft mit CC Gemeinſchaft hat, ſchließt den Hahn o, und fuͤllt alles durch den Trichter A mit Queckſilber bis nahe an den Hahn bc. Dieſen dreht man nun ſo, daß die Glocke mit CC in Gemeinſchaft koͤmmt, und oͤfnet o. Das Queckſilber faͤngt an auszulaufen, bis es im Schenkel ff an die Linie hh koͤmmt, wo die Federkraft der verduͤnnten Luft uͤber h zugleich mit der Queckſilberſaͤule hm dem Drucke der Atmoſphaͤre das Gleichgewicht haͤlt. Die Luft in der Glocke dehnt ſich alſo mit durch CC aus. Das auslaufende Queckſilber wird in einem Gefaͤße aufgefangen, und nach Zuruͤckſtellung des Hahns bc, und Schließung des bey o, wieder in den Trichter gefuͤllt, wodurch aufs neue alles angefuͤllt, und die Luft aus CC durch bc ausgetrieben wird. Es iſt bey dieſer ſinnreichen Einrichtung ſehr vortheilhaft, daß ſie keines Stempels bedarf, und uͤberhaupt wenig Koſten macht: aber der ſchaͤdliche Raum wird nach Hrn. Baaders Angabe, wobey das Queckſilber nicht ganz bis an den meßingnen Hahn bc reichen darf, doch nicht vermieden, die Roͤhre pp iſt zu eng, als daß man dadurch den Cylinder CC fuͤllen koͤnnte, auch die Maſchine zu hoch, und das wiederholte Einfuͤllen des Queckſilbers durch ſo lange und enge Roͤhren aͤußerſt langweilig, wo nicht gar unmoͤglich.
Herrn Profeſſor Hindenburg gab der Anblick eines hugenianiſchen Doppelbarometers Anlaß, eine andere hydrauliſch - pnevmatiſche Luftpumpe anzugeben, welche von den oben angezeigten Fehlern der Haͤhne und Ventile gaͤnzlich frey ſeyn wuͤrde. Sie iſt von ihrem Erfinder (C. F. Hindenburg Antliae novae hydraulico-pnevmaticae me.81 chaniſmus et deſcriptio. Lipſ. 1787. 4. ) und von Herrn Lichtenberg (Magaz. fuͤr das Neuſte a. d. Phyſ. V. B. 2. St. S. 81. u. f.) beſchrieben: hier erlaubt der Raum nur, ihr Weſentlichſtes anzufuͤhren.
Im eiſernen, inwendig polirten Stiefel GH, Taf. XVI. Fig. 25. wird der Stempel mit der eiſernen Stange KI an der Handhabe I auf und nieder bewegt. Die Schrauben a a und die Stellſchraube K hindern, daß man ihn nicht zu weit aufziehe oder niedertreibe. Die Roͤhre HL iſt ebenfalls von Eiſen, oder auch von gebranntem Leder, elaſtiſchem Harz u. dgl. um dem Andringen des aus dem Stiefel geſtoßenen Queckſilbers etwas zu widerſtehen. Der uͤbrige Theil der Roͤhre LMN mit dem Gefaͤß NP, in Form eines Srechhebers, iſt von Glas. Der obere cylindriſche Hals P ſchließt in den metallnen Knopf X, worum ſich ein ſenguerdiſcher Hahn O befindet. Dieſer Hahn hat einen gerade durchgehenden, und einen in der Figur vorgeſtellten bey h ofnen Gang, vor welchem ein Ventil vorliegt, das ſich nur auswaͤrts oͤfnet, vas man aber auch ausſchrauben und wegnehmen kan. Steht der Hahn, wie in der Figur, ſo iſt die Roͤhre MNP von der Glocke auf dem Teiler RR abgeſchnitten, und mit der aͤußern Luft verbunden. Giebt man ihm eine Viertelswendung, ſo kehrt ſich der gerade durchgebohrte Canal gegen V, und verbindet das Gefaͤß PN mit dem Teller RR. Wendet man ihn noch einmal um den vierten Theil, ſo koͤmmt des gekruͤmmten Canals Oefnung gegen V, und die Glocke iſt in Verbindung mit der aͤußern Luft. Nun muß bey niedergeſtoßenem Stempel der ganze Raum HLMNP bis an den Hahn mit reinem gekochten Queckſilber gefuͤllt ſehn. Wird dann das Gefaͤß PN mit dem Teller verbunden, und der Stempel aufgezogen, ſo ſinkt das Queckſilber, das Gefaͤß wird leer, und die Luft unter der Glocke dehnt ſich aus. Stellt man nun den Hahn wieder ſo, wie ihn die Figur zeigt, und druͤckt den Stempel nieder ſo treibt das wieder aufſteigende Queckſilber die Luft aus PN in die Atmoſphaͤre. Man ſieht leicht, daß durch entgegengeſetzte Stellungen des Hahns die Luft auch verdichtet werden kan, welchen Gebrauch aber Hr. H.82 ſelbſt widerraͤth. Zum Geſtell dient ein dreyfuͤßiger Tiſch, in deſſen Blatte der Deckel des Stiefels liegt. Durch eben dieſes Blatt geht die Roͤhre LMN hindurch, an einer ſtarken auf dem Tiſche ſtehenden Saͤule, aus der bey N drey Traͤger hervorgehen, die das Gefaͤß NP umſchließen, und den Teller RR unterſtuͤtzen. An die Saͤule laͤßt ſich eine Scale anbringen, den Stand des Queckſilbers abzumeſſen. Durch dieſe Einrichtung wird, wenn anders kein Queckſilber verlohren geht, der ſchaͤdliche Raum zwiſchen Stempel und Hahn ganz vermieden (welches der eigentliche von Hrn. Baader aber nicht bemerkte Vorzug der Queckſilberpumpen iſt), auch wird die aͤußere Luft durch das Queckſilber von der innern vollkommen abgeſchnitten. Herr H. begnuͤgt ſich, den Kuͤnſtlern einen Weg gezeigt zu haben, den ſie weiter verfolgen koͤnnen wie er denn ſelbſt noch einige Vorſchlaͤge zu andern Anordnungen beyfuͤgt. Bey der Ausfuͤhrung moͤchte wohl die Verfertigung des Stiefels aus Eiſen, oder andern im Queckſilber nicht aufloͤslichen Materien, die genaue Reinigung des Queckſilbers von Luft, und die Zerbrechlichkeit des Glaſes die meiſten Schwierigkeiten machen. Vorſchlaͤge der Herren Wilke und Ingenhouß.
Herr Wilke (Abhandl. der koͤnigl. ſchwed. Akad. der Wiſſ. fuͤr 1769. 31 ſter Band, S. 31 u. f.) ſchlug vor, zu Hervorbringung leerer Raͤume die ploͤtzliche Abkuͤhlung heiſſer Waſſerdaͤmpfe zu nuͤtzen, ſ. Daͤmpfe, Dampfmaſchine. Die Maſchine, welche er hiezu angiebt, beſteht aus einer dichten meſſingenen Blaſe mit rundem Boden, welche drey mit Roͤhren und Haͤhnen verſehene Oefnungen hat. Durch das untere Rohr koͤnnen mittelſt eines langen gekruͤmmten Zugrohrs Waſſerdaͤmpfe aus einem auf Kohlen ſtehenden Theekeſſel in die Blaſe geleitet werden, welche die darinn befindliche Luft durch das zweyte Rohr zur Seite austreiben. Das dritte Rohr am obern Theile der Blaſe geht in den Teller, auf welchem die Glocke ſteht. Die ganze Blaſe iſt mit einem duͤnnen meſſingnen Cylinder umgeben,83 welcher uͤberall um 1 / 4 Zoll von ihr abſteht, und oben offen bleibt. Waͤhrend die Blaſe mit Daͤmpfen gefuͤllt wird, bleibt der Hahn nach der Glocke zu verſchloſſen, bis die Daͤmpfe anfangen, zum Seitenrohre herauszudringen. Alsdann verſchließt man die Haͤhne des untern und Seitenrohrs, gießt in den Cylinder kaltes Waſſer, bis daſſelbe aus einem im Boden befindlichen Loche eben ſo kalt wieder heraus koͤmmt, ſo entſteht durch die Verdichtung der Daͤmpfe ein Vacuum in der Blaſe. Oefnet man nun den Hahn, der zur Glocke fuͤhrt, ſo verbreitet ſich die unter ihr befindliche Luft mit durch die Blaſe, und man kan ſie durch Wiederholung des Verfahrens immer mehr verduͤnnen. Herrn Wilke gelang es, durch eine ganz leicht gebaute und nicht große Maſchine dieſer Art die Luft 130 mal zu verduͤnnen. Durch Watts Condenſator, (ſ. Dampfmaſchine, Th. I. S. 565. u. f.) wuͤrde ſich die Wirkung ungemein verſtaͤrken laſſen.
So hat auch D. Ingenhouß Vermiſchte Schriften phyſiſch - mediciniſchen Inhalts, herausg. von N. C. Molitor; zweyte Aufl. I. B. S. 433 - 446.) eine neue Art, einen leeren Raum hervorzubringen, vorgeſchlagen. Des Abt Selir Sontana Entdeckung, daß gluͤhende Kohlen beym Erſticken ſo viel Luft einſchlucken, als ihr achtſaches Volumen betraͤgt, gab ihm dazu Gelegenheit. Ein durchbrochen gearbeitetes Kohlenbecken von geſchlagnem Kupfer mit gluͤhenden Kohlen gefuͤllt, wird in einen kupfernen Keſſel, in den es genau paßt, eingeſetzt. Dieſer Keſſel ſteht auf drey Fuͤßen, und kan mit einem auf ſeinen Rand genau angeſchliffenen Deckel luftdicht verſchloſſen werden, ſo daß die Kohlen aus Mangel an Luft erſticken muͤſſen. Der Deckel hat ein Rohr mit einem Hahne. So wird nun die ganze Vorrichtung in ein großes Gefaͤß mit Waſſer geſtellt, auf das Rohr des Deckels wird ein auderes, ebenfalls mit einem Hahne verſehenes, Rohr geſchraubt, das einen Teller und eine darauf geſtellte Glocke traͤgt, und nach voͤlliger Erſtickung der Kohlen werden die Haͤhne geoͤfnet. Die Kohlen ſaugen die Luft unter der Glocke ein, und bringen, wenn84 man das Verfahren wiederholt, ein immer vollkommneres Vacuum hervor.
Man koͤnnte ſolche Werkzeuge Luftpumpen ohne Kolben nennen, zu welchen alsdann auch die torricelliſche Roͤhre ſelbſt und die Baaderiſche Queckſilberpumpe zu rechnen waͤren. Geraͤthſchaft zur Luftpumpe und Handluftpumpen.
Die zu den Verſuchen mit der Luftpumpe noͤthige Geraͤthſchaft haben Wolf (Nuͤtzl. Verſ. Th. I. Cap. 5. u. 6.), s'Graveſande (Phyſices elem. math. L. IV. ) und Nollet (Mém. de l'acad. des Sc. 1741. ingl. Leçons de phyſique experim. Leç. X.) ſehr genau und umſtaͤndlich beſchrieben. Kuͤrzer handeln davon und von den Verſuchen ſelbſt Lowitz (Samml. der Verſuche, wodurch ſich die Eigenſchaften der Luft begreiflich machen laſſen. Nuͤrnb. 1754. 4. ) und Johann von Muſſchenbroek (Beſchreibung der doppelten und einfachen Luftpumpe nebſt einer Samml. von verſchiedn. nuͤtzl. und lehrreichen Verſ. uͤberſ. von Thenn. Augsb. 1765. 8.).
Eins der vorzuͤglichſten Stuͤcken dieſes Apparats ſind die glaͤſernen Glocken, unter welche man die Koͤrper bringt, deren Verhalten in verduͤnnter oder verdichteter Luft unterſucht werden ſoll. Es muͤſſen Glocken, d. i. runde und gewoͤlbte Koͤrper ſeyn, weil platte Flaͤchen vom Drucke der Atmoſphaͤre leicht zerbrochen werden. Gewoͤhnlich giebt man ihnen oben an der Woͤlbung einen Knopf, um ſie bequemer aufzuheben. Laͤßt ſich der Teller mit der darauf ſtehenden Glocke von der Pumpe abſchrauben, und der Zutritt der aͤußern Luft durch einen Hahn unter dem Teller abſchneiden, ſo heißt dies ein tragbares Vacuum (Vacuum portatile). Die Koͤrper, mit denen man Verſuche anſtellen will, werden entweder auf den Teller gelegt, ehe man die Glocke daruͤber ſtuͤrzt, oder ſie werden unter der Glocke aufgehangen. Zu dieſer letztern Abſicht hat die Glccke oben eine meſſingne Haube mit einer oder mehrern Oefnungen, durch welche Stifie oder Metalldraͤthe in Lederbuͤchſen luftdicht85 durchgehen. Dieſe Stifte haben unten Haken, woran man die Koͤrper unter der Glocke haͤngt; oben ſind ſie mit kleinen Handgriffen verſehen, bey denen man ſie anfaſſen, weiter aufziehen, tiefer herabſtoßen, umdrehen rc. kan. Man hat auch eigne Veranſtaltungen, ſchnelle Rotationen unter der Glocke, vorzuͤglich zu Erregung der Elektricitaͤt hervorzubringen, dergleichen s'Graveſande und Nollet beſchreiben.
Bey Verduͤnnung der Luft druͤckt die Atmoſphaͤre die Glocke von ſelbſt an den Teller feſt. Bey Verdichtungen aber iſt dazu eine eigne Preſſe erforderlich. Bey Smeatons Luftpumpe ſtehen auf der Platte, in der der Teller liegt, zwo Saͤulen mit Schraubengaͤngen, an welchen zwo bewegliche Muttern, wie bey den Buchbinderpreſſen ein ſtarkes Queerholz von oben gegen die metallne Haube der Glocke druͤcken, und dieſe dadurch an den Teller befeſtigen.
Um außer der atmoſphaͤriſchen Luft auch andere Luftarten verdichten zu koͤnnen, hat Herr Hofrath Lichtenberg (Errlebens Anfangsgr. der Naturl. 4te Aufl. 1787. nach der Vorr. S. LII.) an den Hahn m, Taf. XV. Fig. 20., durch welchen beym Comprimiren die Luft aus der Atmoſphaͤre in den Stiefel geſaugt wird, noch ein Rohr angebracht, deſſen anderes Ende mit einer Glocke, und zwar von oben, in Verbindung ſteht. Dieſe Glocke kan in ein Gefaͤß mit Waſſer geſtellt und mit andern Luftarten angefuͤllt werden, welche man ſo in den Stiefel ſaugt, und unter die Glocke auf den Teller bringt. Wenn eine ſtarke kupferne Kugel auf den Teller geſchraubt wird, die mit einem am Ende zugeſpitzten horizontalen Seitenrohre verſehen iſt, das durch einen Hahn geſchloſſen werden kan, ſo laͤßt ſich der Apparat zum Blasrohre an der Lampe gebrauchen, um mit dephlogiſtiſirter Luft zu ſchmelzen, die man vorher in der Kugel condenſirt, und dann den Hahn oͤfnet.
Da die groͤßern mit vollſtaͤndigen Geraͤthſchaften verſehenen Luftpumpen ſehr koſtbare Werkzeuge ſind (die, welche Herr Lichtenberg beſitzt, koſtete mit dem Apparat 450 Thlr.), ſo verfertigen viele Kuͤnſtler Handluftpum -86 pen, mit den nothmendigſten Stuͤcken des Apparats, durch welche ſich wenigſtens die noͤthigſten Verſuche anſtellen laſſen. Solche ins Kleine gebrachte Werkzeuge beſchreiben unter andern Wolf (Nuͤtzl. Verſuche, Th. I. Cap. 5. §. 139.), Stegmann (Beſchreibung einer kleinen Luftpumpe, Caſſel, 1773. 8. ) und Brander (Kurze Beſchreibung einer kleinen Luftpumpe oder Cabinetantlia, nebſt Anweiſ. zu Verſuchen, Augsburg, 1774. 8.).
Die vornehmſren Verſuche, die ſich uͤber die Wirkungen der Schwere und Federkraft der Luft mit dieſer Maſchine anſtellen laſſen, ſind nach Herrn D. Gren (Grundriß der Naturlehre, Halle, 1788. 8. §. 619.) folgende.
Wenn man ein Barometer unter die Glocke bringt, ſo ſinkt das Queckſilber bey Verduͤnnung der Luft, und ſteigt wieder durch Hinzulaſſung der aͤußern Luft. In einer Roͤhre, die oben offen und mit der Glocke in Verbindung iſt, ſteigt das Queckſilber bey der Verduͤnnung, und ſaͤllt wieder durch Hinzulaſſung der aͤußern Luft, ſ. Elaſticitaͤtszeiger.
Glasplatten, oder uͤber metallne Chlinder geſpannte Blaſen, werden vom Drucke der aͤußern Luft zerſprengt, wenn man die Luft unter ihnen hinwegnimmt. Auch wird Waſſer durch die Blaſen hindurchgetrieben. Die magdeburgiſchen Halbkugeln haͤngen durch den Druck der Atmoſphaͤre mit betraͤchtlicher Gewalt zuſammen, ſ. Halbkugeln, magdeburgiſche.
Eine ſchlaſfe zugebundene Blaſe mit atmoſphaͤriſcher Luft ſchwillt im guerickiſchen Raume ſtark auf, und faͤllt durchs Hinzulaſſen der aͤußern Luft wieder zuſammen. Ein kleines Saugwerk zieht im guerickiſchen Raume kein Waſſer, der Heber hoͤrt auf zu fließen, und der Heronsball faͤngt von ſelbſt an, zu ſpringen, ſ. Heber, Springbrunnen.
Waſſer ſiedet unter der Glocke der Luftpumpe ſchon bey maͤßigen Graden der Waͤrme, und wird in einen elaſtiſchen vollkommen durchſichtigen Dampf verwandelt, der ſich durch Hinzulaſſung der aͤußern Luft wieder niederſchlaͤgt, ſ. Sieden. 87
Bier, Milch, Seifenwaſſer, Sauerteig, geben unter der Luftpumpe eine große Menge Luftblaſen, ſo auch das Holz, welches, wenn es von Luft leer gemacht iſt, im Waſſer unterſinkt, ſ. Luft.
Warmbluͤtige Thiere ſterben ſchnell im luftleeren Raume; brennende Kerzen verloͤſchen in verduͤnnter Luft, Schießpulver wird darinn nicht entzuͤndet, und ein Feuerzeug giebt keine Funken, ſ. Gas, atmoſphaͤriſches.
Bey der Verduͤnnung der Luft vermindert ſich der Schall, und verſchwindet faſt gaͤnzlich, ſ. Schall.
Kaͤſtner Anfangsgr. der Aerometrie. §. 39. u. f.
Karſten Lehrbegriff der geſammten Mathem. VI. Theil. Pneumatik, 5. 6. 7. Abſchnitt.
Errleben Anfangsgr. der Naturl. durch Lichtenberg, 4te Aufl. Gott. 1787. 8. §. 216 u. f. und nach d. Vorr. S. XL. u. f.
Ott de Guericke Exp. nova de vacuo ſpatio, Amſt. 1672. fol. Lib. III.
Wolfs nuͤtzliche Verſuche zu genauer Erk. der Natur und Kunſt, Halle, 1721. 8. Erſter Th. Cap. 5. 6.
C. F. Hindenburg Diſſ. Antliae novae hydraulico - pnevmaticae mechaniſmus et deſcriptio, Lipſ. 1787. 4.
Ej. Progr. de antlia Baaderiana, ibid. 1787. 4.
Lichtenberg Magazin fuͤr das Reuſte aus der Phyſik und Raturgeſch. an mehrern Stellen.
Cuthbertſons Beſchr, einer verbeſſerten Luftpumpe in den Leipz. Sammlungen zur Phyſ. und Naturg. IV. B. 1. u. 2. Stuͤck.
Luftſaͤure, ſ. Gas, mephitiſches.
Luftthermometer, ſ. Thermometer.
Luftthermometer, elektriſches. Unter dieſem Namen gab Kinnersley in Philadelphia in einem Briefe an Stanklin vom 12. Maͤrz 1761 folgendes Werkzeug an, um die Wirkung der Elektricitaͤt auf die Waͤrme der Luft zu beſtimmen.
Taf. XVI. Fig. 26. iſt AB eine 10 Zoll lange u. 2 Zoll weite Glasroͤhre, an den Enden mit meſſingnen Kappen A und B luftdicht verſchloſſen, auf deren Boden B ſich Waſſer befindet. Durch die obere Kappe geht die an beyden Enden ofne Glasroͤhre AH bis in das Waſſer bey B herab. Durch beyde Kappen gehen auch meſſingne Draͤthe FG, EI, mit Knoͤpfen88 G, I innerhalb der weiten Roͤhre AB verſehen, die man weiter ausziehen oder einſchieben kan. Der meſſingne Ring C befeſtigt das ganze Inſtrument an das Stativ CD. Wird nun die Luft in der Roͤhre AB ausgedehnt, ſo treibt ſie das Waſſer aufdem Boden durch die kleine Roͤhre AH in die Hoͤhe, daß man alſo durch das Aufſteigen deſſelben die Ausdehnung der Luft bemerken kan.
Es dient zur Bequemlichkeit, wenn man ein Zeichen an der Roͤhre AH anbringt, und mit dem Munde durch H ſo viel Luft einblaͤſet, bis das Waſſer an dieſes Zeichen tritt: man kan alsdann das Steigen deſſelben beſſer bemerken.
Sind die Knoͤpfe G und I in Beruͤhrung, ſo kan man die Ringe E und F mit den beyden Seiten einer geladnen Flaſche verbinden, und einen ziemlichen Schlag durch die Draͤthe gehen laſſen, ohne daß ſich das Waſſer in AH von dem Merkmale hinweg bewegt — ein Beweis, daß der Uebergang der Elektricitaͤt durch genau verbundne Leiter die Luft nicht erwaͤrme oder ausdehne.
Stehen aber die Knoͤpfe G und I von einander ab, in welchem Falle zwiſchen beyden ein ſtarker Funken entſteht, ſo wird das Waſſer ploͤtzlich faſt bis an die Spitze H aufſteigen, ſogleich aber auch wieder um etwas herabfallen, welches eine Folge des ploͤtzlichen Ausweichens und Wiederkehrens derjenigen Luft iſt, welche der Funken aus der Stelle treibt. Nach dieſem erſten ſchnellen Falle aber wird es nur langſam zu fallen fortfahren, und nach und nach bis an das Merkmal zuruͤckkommen. Dies beweiſt, daß der elektriſche Funken die Luft wirklich ausdehnet, dieſe Ausdehnung aber nach einiger Zeit ſich wiederum verlieret.
Es war ganz natuͤrlich, daß Kinnersley zur damaligen Zeit von dieſer Ausdehnung auf Erwaͤrmung ſchloß, welche eine ſo gewoͤhnliche Urſache der Ausdehnung iſt. Demzufolge gab er dem Werkzeuge den Namen Thermometer. Ganz ſicher iſt aber dieſer Schluß nicht, well Ausdehnung auch ohne Erwaͤrmung bewirkt werden kan. Es iſt z. B. gar leicht moͤglich, daß der elektriſche Schlag die Luft zerſetzt, oder ihre Miſchung ſo aͤndert, daß ſie auf eine Zeitlang, ein groͤßeres Volumen einnimmt, bis etwa das Waſſer89 auf dem Boden wieder einen Theil der Gasarten abſorbirt hat. So lang dieſes moͤglich bleibt, kan das Steigen des Waſſers kein ſicheres Zeichen der Erwaͤrmung abgeben.
Endlich hat man hiebey auch auf die Waͤrme der Luft im Zimmer Achtung zu geben, deren Veraͤnderungen dieſes Inſtrument eben ſo, wie jedes andere Luftthermometer anzeigt.
Prieſtley Geſch. der Elektric. durch Kruͤnitz, S. 178.
Cavallo Vollſt. Abhdl. der Lehre von der Elektr. Dritte Aufl. Leipz. 1785. S. 18
Die Zeit, in welcher der Mond die ganze Reihe ſeiner Erſcheinungen, oder des Ab - und Zunehmens, einmal vollendet, ſ. Mondphaſen. Man kan ſie von jeder Erſcheinung an bis zur Wiederkehr eben derſelben rechnen; insgemein, und wenn nichts anders erinnert wird, rechnet man ſie von einem Neumond bis zum folgenden. Sie iſt alsdann einerley mit dem ſynodiſchen Monate, ſ. Monat, und begreift im Durchſchnitt einen Zeitraum von 29 Tagen 12 St. 44 Min. 3 Sec. 11 Tertien, obgleich nicht alle Lunationen von gleich langer Dauer ſind.
Oft wird auch das Wort Lunation ſo gebraucht, daß es die Reihe der Mondsveraͤnderungen oder Mondphaſen ſelbſt bedeutet.
Magia naturalis, Magie naturelle. Magie heißt uͤberhaupt die Kunſt, Erfolge hervorzubringen, welche die natuͤrlichen Kraͤfte der Koͤrper zu uͤbertreffen ſcheinen. Man theilte ſonſt dieſe Kunſt in die natuͤrliche Magie, bey welcher die wunderbar ſcheinenden Erfolge ſich dennoch aus den Kraͤften und Geſetzen der Koͤrper erklaͤren ließen, und in die uͤbernatuͤtliche, welche die Mitwirkung der Geiſter erfordern ſollte. Die lekters war entweder Theurgie (Magis90 blanche), bey welcher gute, oder ſchwarze Kunſt, wobey boͤſe Geiſter wirkten.
Wenn wir aber von unſern Erfahrungen uͤber die Koͤrperwelt Betrug und Taͤuſchung gehoͤrig abſondern, ſo werden wir gar bald uͤberzeugt, duß alle Erfolge durch natuͤrliche Kraͤfte bewirkt werden, daß es alſo keine andere, als natuͤrliche, Magie giebt, und daß die angefuͤhrten Eintheilungen der Zauberkunſt nichts mehr, als eine Geburt der Unwiſſenhrit und des Aberglaubens ſind.
Die natuͤrliche Magie aber, bey der es blos auf Schein und Taͤuſchung ankommt, iſt von ſehr großem Umfange. Die Kraͤſte der Koͤrper ſind dem Poͤbel gar nicht, und ſelbſt denen, die ſich durch Stand und Wiſſenſchaft uͤber den Poͤbel erheben, oft nur wenig und unvollkommen bekannt. Wie leicht iſt es daher, Erfoige hervorzubringen, weiche ihnen alle Kraͤfte der Koͤrper zu uͤberſteigen ſcheinen? Eine ungewoͤhnliche Geſchwindigkeit, bisweilen mit geheimen Vorbereitungen verbunden, Nebenumſtaͤnde, welche die Aufmerkſamkeit zerſrreuen, und von dem, was der Kuͤnſtler verbergen will, ablenken, Anwendungen mathematiſcher, phyſikaliſcher und chymiſcher Lehren, welche dem großen Haufen unbekannt ſind u. dgl. vermoͤgen Dinge zu bewirken, die bisweilen auch dem aufgeklaͤrtern Zuſchauer ganz unbegreiſlich ſcheinen, wenn er von den Gruͤnden, worauf ſolche Kunſtſtuͤcke beruhen, nicht genau unterrichtet iſt.
Die Kenntniß der aͤchten Naturlehre gewaͤhrt alſo unter mehrern Vortheilen auch den, daß ſie uns vor mancherley aberglaͤubiſchen Einfaͤllen und Thorheiten ſchuͤtzt, auf welche die Alten aus Mangel an phyſikaliſchen Einſichten verſielen, und die noch jetzt von eigennuͤtzigen Betruͤgern auegebreitet, und leider, bey dem großen Hange der Menſchen zum Außerordentlichen und Wunderbaren, haͤufig genug geglaubt und verehrt werden.
Zu dieſer Abſicht ſind beſonders Werke nuͤtzlich, in welchen uͤberraſchende Wirkungen und Kunſtſtuͤcke, die ſich auf phyſikaliſche Lehren gruͤnden, umſtaͤndlich erklaͤrt werden. Dahin gehoͤrt ſchon aus dem dreyzehnten Jahrhunderte91 das Werk des Roger Bacon (Opus majus ad Clementem IV. Pontif. Rom. Ex MS. codice Dublinenſi primum edidit S. Jebb, M. D. Lond. 1733. fol.), worinn ſich dieſer fuͤr die damalige Zeit zu gelehrte Mann gegen die Beſchuldigung der Zauberey rechtfertiget, und von ſeinen Entdeckungen Nachricht giebt. Aehnliche Buͤcher ſchrieben in neuern Zeiten Johann Bapriſta Porta (Magiae naturalis ſiue de miraculis rerum naturalium libri IV. Neap. 1558. fol. nachher 1650. 8. und 1664. 12. ) und der P. Schott (Magia vniuerſalis naturae et artis. Frf. 1657. 4. ), welcher Letztere doch noch ſehr ſtark an uͤbernatuͤrliche Magie glaubte, und uͤberhaupt, wie ſein Lehrer Kircher, bey viel Gelehrſamkeit wenig Beurtheilungskraft zeigt.
Sammlungen phyſikaliſcher und mathematiſcher Kunſtſtuͤcke hat man von einem franzoͤſiſchen Schrifrſteller (Recreations mathematiques, Rouen, 1634. 8. ), den Schwenter in Altorf (Mathematiſche und philoſophiſche Erquickſtunden, Nuͤrnb. 1651. 4. ) mit vielen nicht unwichtigen Vermehrungen ins Deutſche uͤberſetzte, wozu Hatsdoͤrfer noch zwey Theile (Nuͤrnb. 1651. und 1653. 4. ) hinzugefuͤgt hat, die aber dem erſten an Werthe weit nachſtehen. Beſſer ſind Ozanams Sammlung (Recreations mathematiques et phyſiques. à Paris, 1697. II. To. 8.), und die neuſte und vollſtaͤndigſte unter allen von Guyot (Nouvelles recreations phyſ. et math. Paris. Vol. VII. 8. Neue phyſik. und math. Beluſtigungen; aus d. Frz. Augsb. VII. Th. 1770-1777. 8.).
Da die Wirklichkeit der uͤbernatuͤrlichen Magie noch ohnlaͤngſt von einem beruͤhmten Arzte (Anton de Haen de Magia. Lipſ. 1775. 8. ) oͤffentlich vertheidiget worden iſt, und der Glaube an dieſelbe ſich zeirhero mehr verbreitet hat, als man es von unſerm Zeitalter erwarten ſollte, ſo haben verſchiedne einſichtsvolle Naturforſcher fuͤr noͤthig gehalten, die Kenntuiß der natuͤrlichen Magie durch eigne Anleitungen zu derſelben gemeiner zu machen. Dahin gehoͤren Wiegleb (Die natuͤrliche Magie, Berlin und Stettin, 1779. 8., mit Eberhards vortreflicher Abhandlung von92 der Magie begleitet, fortgeſetzt von Koſenthal, Berlin, 1789. 8. ), Funk (Natuͤrliche Magie, Berlin und Stettin, 1783. 8. ), und Halle (Magie in Verſuchen, Berlin, 1783. 8.). Mehrere Ausbreitung phyſikaliſcher Lehren unter dem gemeinen Volke, welche zu dieſer Abſicht unglaublich viel beytragen wuͤrde, hat Herr Hellmuth (Volksnaturlehre zu Daͤmpfung des Aberglaubens, Braunſchweig, 2te Aufl. 1788. 8. ) zu befoͤrdern geſucht.
Dieſen Namen fuͤhrt ein Eiſenerz, meiſtens von einer ſchwaͤrzlichen oder ſchwarzbraunen Farbe, welches Eiſen und eiſenhaltige Koͤrper anzieht, oft mit ziemlicher Kraft an ſich haͤlt, ſich, wenn es frey ſchwebt, mit gewiſſen Punkten allezeit nach einerley Weltgegend kehret, und uͤberhaupt die im Folgenden naͤher zu beſtimmenden Erſcheinungen zeigt, welche unter dem Namen der magnetiſchen oder des Magnetiſmus begriffen werden.
Man ſinder dieſes Eiſenerz an ſehr vielen Orten, vornehmlich in Schweden, Norwegen, Sibirien, Oſtindien und Merico, auch in Ungarn und Sachſen, der Inſel Elba u. ſ. w., faſt uͤberall in reichhaltigen Eiſengruben. Eshat die magnetiſchen Eigenſchaften von Natur, und heißt deshalb der natuͤrliche Magnet; man kan aber auch jedem Eiſen und Stahle dieſe Eigenſchaften durch Kunſt geben, und ſie dadurch in kuͤnſtliche Magnete verwandeln. Dies geſchieht entweder mit Beyhuͤlfe anderer ſchon vorhandner Magnete, oder ohne Zuthun ſolcher durch andere Methoden; d. i. wie man insgemein redet, entweder durch Mittheilung oder durch Erweckung des urſpruͤnglichen Magnetiſmus.
Ich werde, um die Lehre vom Magnet, ſo viel hier moͤglich iſt, aus einander zu ſetzen, zuerſt die magnetiſchen Erſcheinungen ſelbſt, nebſt ihren bisher bekannt gewordenen Geſetzen und den Mitteln, ſie hervorzubringen, anfuͤhren, zuletzt aber eine kurze Nachricht von der93 Geſchichte des Magnetiſmus und von den Meinungen uͤber die Urſache deſſelben beyſuͤgen. Magnetiſche Anziehung.
Wenn man einen Magnet und ein Stuͤck Eiſen oder Stahl einander nahe genug bringt, ſo ziehen ſich beyde merklich an, ſo daß der beweglichere Koͤrper gegen den unbeweglichern fortgeriſſen wird, und zuletzt beyde an einander mit ziemlicher Kraft feſt haͤngen, auch der Trennung einen merklichen Widerſtand entgegenſetzen. Dieſe Wirkung aͤußert ſich, wenn die Koͤrper leicht beweglich ſind, ſchon in ziemlicher Entfernung. Eine Nadel, die an einem Faden haͤngt, bewegt ſich gegen entfernte Magnete; Eiſenfeile auf Papier geſtreut, fliegt hoch auf, und haͤngt ſich an den daruͤber gehaltnen Magnet, wie ein Bart, an.
Um zu entdecken, ob ein Koͤrper vom Magnet angezogen werde, naͤherte ihn Muſſchenbtoek einer mit dem Magnete beſtrichenen und ſo frey, als moͤglich, aufgehangnen Nadel, ſ. Magnetnadel, und bemerkte, ob dieſelbe dadurch bewegt werde. Beſſer iſt unſtreitig Brugmans Methode, den Koͤrper auf Waſſer zu legen (worauf er entweder von ſelbſt ſchwimmt, oder durch ein untergelegtes Papier oder Uhrglas zum Schwimmen gebracht wird), und dann einen ſtarken Magnet gegen ihn zu fuͤhren. Man kan die Koͤrper auch auf Queckſilber ſchwimmen laſſen, es muß aber daſſelbe ſehr ſorgfaͤltig gereiniget ſeyn. Cavallo hat bemerkt, daß auf dem Queckſilber zwar anfaͤnglich die Koͤrper ſehr frey ſchwimmen, in kurzer Zeit aber anfangen, ſich an daſſelbe anzuhaͤngen, welches er den beygemiſchten unedlen Metallen, und einem feinen auf der Oberflaͤche dadurch erzeugten Haͤutchen zuſchreibt. Er iſt daher wiederum zu Muſſchenbroeks Methode zuruͤckgegangen, bedient ſich aber einer eignen Art, die Nadel an einer Kette von Haar aufzuhaͤngen, die ich bey dem Worte: Magnetnadel beſchreiben werde. 94
Durch dieſe Methoden hat man geſunden, daß der Magnet alle Koͤrper ziehe, welche nur einigen Antheil von Eiſen, ſelbſt im aufgeloͤſten Zuſtande, in ſich halten, z. B. Bolus, Blutſtein, Roͤthel, Tripel, Waſſerbley, gefeilten Zink, die rohe Platina, einige Edelſteine, gefaͤrbte, ja ſogar manche der klarſten Diamanten, den Labradorſtein u. dgl. Herr Anton Brugmans in Groͤningen (Magnetiſmus ſ. de aſſinitatibus magneticis Obſſ Acad. Luga. Bat. 1778. 4maj. Beob. uͤber die Verwandſchaften des Magnets, uͤberſ. mit Anm. v. M. C. G. Eſchenbach, Leipz. 1781. 8. ) hat durch ſeine Verſuche das Verzeichniß der vom Magnete gezognen Koͤrper ſehr vermehrt, und gezeigt, daß ſogar die Aufloͤſungen des Eiſens in Saͤuren und ſelbſt die Neutralſalze mit einem Eiſengrundſtoff, z. B. der Eiſenvitriol, dazu gehoͤren. Cavallo (Treatiſe on magnetiſm. London. 1787. 8maj. p. 276. ſqq. ) glaubte auch in manchen Stuͤcken Meſſing, wenn ſie gehaͤmmert worden, etwas Magnetiſches zu entdecken; er hat aber durch genauere Verſuche gefunden, daß das Meſſing, welches die Nadel zeg, ſchon vor dem Haͤmmern magnetiſch war, und alſo Eiſen enthielt. Man kan den Verſuchen gemaͤß annehmen, daß alles, was vom Magnet gezogen wird, Eiſen, oder doch damit vermengt oder vermiſcht ſey.
Ueber die Kraft, mit welcher der Magnet das Eiſen ziehet, findet man Verſuche bey Muſſchenbroek (Introd. ad Philoſ. natur. § 955. ſqq.). Sie iſt nach der Staͤrke des Magnets, nach dem Gewichte und der Geſtalt des dagegen gehaltenen Koͤrpers, nach dem magnetiſchen oder unmagnetiſchen Zuſtande deſſelben, und nach der Entfernung verſchieden. Weiches und reines Eiſen wird am ſtaͤrkſten gezogen; ſchwaͤcher Stahl, harres Eiſen und Eiſenerze, noch ſchwaͤcher die Aufloͤſungen des Eiſens in Saͤuren. Die Anziehung nimmt deſto mehr ab, je mehr das Eiſen dephlogiſtiſirt wird, und ganz vollkommner Eiſenkalk wird nicht mehr gezogen. Muſſchenbroek hieng an eine Wagſchaale einen cylindriſchen 2 Zoll langen Magner, der 16 Drachmen wog, ſtellte einen eiſernen95 Cylinder von gleicher Groͤße auf den Tiſch darunter, und beſtimmte die Staͤrke der Anziehung durch Gegengewichte auf der andern Wagſchale. Die Reſultate waren folgende.
Entfernung in Zollen | 6, | 5, | 4, | 3, | 2, | 1, | 0 |
Anziehung in Granen | 3, | 3 1 / 2, | 4 1 / 2, | 6, | 9, | 18, | 57 |
Ein ſphaͤriſcher Magnet von gleichem Durchmeſſer, der aber etwas ſtaͤrker zog, gab fuͤr die vorigen Entfernungen folgende Reſultatr, 7, 9 1 / 2, 15, 25, 45, 92, 340 und, wenn mon ſtatt des eiſernen Cylinders eine Kugel von gleicher Groͤße mit dem Magnete natzm, 3 1 / 4, 6, 9, 16, 30, 64, 290. Die PP. Jacquier und le Sueur (Comment. ad Newtoni Princip. philoſ. To III. p. 40. 43. ) unterſuchten die Staͤrke der Anziehung zwiſchen einem Magner und einer Magnetnadel, und glaubten zu ſinden, daß ſie ſich umgekehrt, wie der Wuͤrfel der Entfernung, verhalte, womit auch Muſſchenbroek (Introd. §. 959.) uͤbereinſtimmt. Hawksoee (Philoſ. Trans. no. 335.) und Brook Caylor (ebend. no 344.) geben andere Methoden und Reſultate an. Nach Daniel Bernoulli ſollte ſich die Kraft eines Magnets, wie die Cubikwurzel aus dem Quadrate ſeines Gewichts verhalten, nach Tobias Mayers noch ungedruckter Abhandlung (ſ. Errleb. Naturl. § 568. u. 709. Anm.) verhaͤlt ſich die Kraft jedes einzelnen Theilchens direct, wie ſein Abſtand vom Mittelpunkte und verkehrt, wie das Quadrat der Entfernung vom angezognen Punkte: die Totalkraft aller zuſammen aber kan auch andern Geſetzen folgen, den Verſuchen nach ſcheint ſie ſich umgekehrt, wie der Wuͤrfel der Entfernung, zu verhalten. Es iſt aber hieruͤber noch nichts entſchieden, zumal, da bey den Verſuchen ſo viel auf die Geſtalt der Koͤrper und andere Umſtaͤnde ankoͤmmt.
Gemeiniglich hat ein Magnet zween Punkre, welche dieſe Anziehung grgen das Eiſen am ſtaͤrkſten zeigen, ſo daß ſich an ihnen die Eiſenfeile am haͤufigſten anlegt. Eben dies ſind die Punkte, welche der Magnet, wenn er96 frey ſchwebt, beſtaͤndig gegen Norden und Suͤden kehrt, Sie heißen die Pole des Magnets, und zwar wegen ihrer Richtung der eine der Nordpol, der andere der Sudpol. Die gerade Linie von einem zum andern heißt des Magnets Axe, und eine auf der Axe ſenkrecht ſtehende Ebne mitten zwiſchen beyden Polen, ſein Aequator. Magnete in Geſtalt von Kugeln gebracht, worauf Pole und Aequator bemerkt ſind, heißen, als Nachahmungen der Erdkugel Terrellen (terrellae).
Man findet die Pole eines Magnets durch verſchiedene Mittel. Legt man ihn unter eine Glastafel, ſiebt ein wenig Stahlfeile auf das Glas, und klopft mit einem Schluͤſſel darauf, daß ſich die Stahltheilchen los machen koͤnnen, ſo ordnen ſich dieſelben, wie Taf. XVI. Fig. 27., und man findet die Pole bey A und B, von welchen Punkten die krummen Linien auszugehen, und wo die Stahltheilchen faſt aufgerichtet zu ſtehen ſcheinen. Noch beſſer findet man ſie mit einem etwa 2 - 3 Linien langen feinen Stuͤckchen Eiſendrath, das man auf der Oberflaͤche des Magnets herumfuͤhrt. Dieſes ſtellt ſich uͤber den Polen ſenkrecht, neigt ſich immer mehr, je weiter man von denſelben abkoͤmmt, und legt ſich auf den Aequator flach auf.
Es giebt aber auch natuͤrliche Magnete mit drey und mehreren Polen. Dieſe anomaliſchen oder zuſammengeſetzten Magnete ſcheinen aus mehreren verwachſenen einzelnen zu beſtehen. Hiebey iſt es ein Geſetz ohne Ausnahme, daß nie zween Nordpole, oder zween Suͤdpole unmittelbar neben einander liegen; auch iſt die Anzahl der Nordpole allezeit der Zahl der Suͤdpole entweder gleich, oder doch nur um 1 von ihr unterſchieden; daß es alſo an einem Magnete, der 2 Nordpole hat, entweder 1 oder 2 oder 3 Suͤdpole geben muß.
Da beyde Pole zuſammen ein ſtaͤrkeres Gewicht ziehen, als einer allein, ſo ſchleift man die Magnete gewoͤhnlich an ihren Polen glatt, und befeſtigt an jeden eine duͤnne Platts von weichem Eiſen, die ſich unten in einen hervorſtehenden dicken Fuß endigt. Dieſe Vorrichtung nennt man die Atmatur des Magnets und ihn ſelſt in dieſem97 Zuſtande armirt oder gewafnet. Will man die Staͤrke der Anziehung durch angehangne Gewichte beſtimmen, ſo wird an die hervorſtehenden Fuͤße, welche auch die kuͤnſtlichen Pole heiſſen, ein eiſerner Stab, der Anker, angebracht, der mit ſeiner platten Seite an die Fuͤße anſchließt, und unten mit einem Haken zum Anhaͤngen der Gewichte verſehen iſt.
Durch dieſe Armatur wird die Kraft der Magnete anſehnlich verſtaͤrkt. Wolf (Nuͤtzliche Verſuche, Th. III. Cap. 4. §. 35.) fuͤhrt aus Merſenne und de Lanis Beyſpiele an, daß armirte Magnete 16 bis 40, ja bis 320 mal mehr Gewicht trugen, als ſie ohne Armatur halten konnten.
Das Vermoͤgen der Magnete haͤngt gar nicht von ihrer Groͤße ab. Man findet deren, die nicht uͤber 20 bis 30 Gran wiegen, und doch ein 40 bis 50 mal ſtaͤrkeres Gewicht tragen. Cavallo ſahe einen, der nicht mehr als 7 Gran wog, und doch 300 Gran aufzog. Große Magnete von 2 Pfund hingegen ziehen ſelten mehr, als ihr zehnſaches Gewicht. Oft zieht ein kleines Stuͤck, aus einem großen natuͤrlichen Magnet herausgeſchnitten, mehr, als der ganze große Stein, welches von den heterogenen Theilen des letztern herruͤhrt.
Die magnetiſche Anziehung wird nicht geſchwaͤcht, wenn man gleich zwiſchen den Magnet und den angezognen Koͤrper ein Zwiſchenmittel bringt, wofern nur daſſelbe nicht Eiſen oder eiſenhaltig iſt. So wirkt der Magnet frey und ungeſchwaͤcht durch Holz, Glas, Meſſing u. dgl. auch durch den luftleeren Raum. Dieſe merkwuͤrdige Eigenſchaft macht den Magnet, weil man ihn ſo leicht verbergen kan, zu einer Menge von beluſtigenden Taͤuſchungen und Taſchenſpielerkuͤnſten geſchickt. Naͤhnadeln auf einem Tiſche ſcheinen ſich von ſelbſt zu bewegen, wenn man einen in der Hand verborgnen Magnet unter dem Tiſchblatte herumfuͤhrt; und wenn im Ende eines hoͤlzernen Stabs ein Magnet verſteckt iſt, ſo kan man Koͤrper, die auf dem Waſſer ſchwimmen, damit nach Gefallen lenken, wenn ſie nur etwas98 Eiſen, z. B. ein kleines Stuͤckchen feinen Drath, enthalten.
Durch Eiſen hingegen wirkt die magnetiſche Kraft auf andeve Art, und ſo, daß ihre Wirkung dadurch in manchen Faͤllen gehindert, in andern wieder befoͤrdert zu werden ſcheint. Ein eiſernes Lineal, das man, wie eine Scheidewand, zwiſchen Magnet und Magnetnadel haͤlt, vermindert des erſtern Wirkung auf letztere gar ſehr. Wenn man es aber mit den ſcharfen Kanten, oder der Laͤnge nach, dazwiſchen bringt, ſo ſcheint es dieſelbe gar nicht zu hindern, und vielmehr weiter fortzupflanzen. Man kan ſie auf dieſe Weiſe vermittelſt eiſerner an einander gelegter Staͤbe oft bis auf eine Entſernung von 10 Fuß verlaͤngern. Auch traͤgt ein Magnet mehr Gewicht, wenn man ihn blos mit Eiſen beſchweret, als wenn man anderes Metall oder andere Koͤrper vermitteiſt Eiſens an ihn bringt. Brugmans (Philoſ. Verſ. uͤber die magnetiſche Materie, aus d. Lat. uͤberſ. von D. C. G. Eſchenbach, Leipz. 1784. 8. zter Satz, S. 15. u. f.) druͤckt ſich daruͤber ſo aus: Das Eiſen gleiche einem Schwamme, der die von dem Pole des Magnets ausgehende Wirkung aufnehme, und durch ſeine ganze Maſſe vertheile. Er beſtaͤtigt dieſe ſchwammaͤhnliche Wirkung des Eiſens durch eine große Anzahl lehrreicher Verſuche.
Die anziehende Kraft eines Magnets wird betraͤchtlich verſtaͤrkt, wenn man ihm ſtufenweiſe mehr Gewicht zu tragen giebt. So traͤgt er immer am folgenden Tage noch etwas mehr, als am vorigen, bis man endlich eine gewiſſe Grenze erreicht, die ſich nicht weiter uͤberſchreiten laͤßt. Hingegen kan durch unſchickliche Lage, oder durch allzugeringe Beſchwerung die Kraft eines Magnets ungemein geſchwaͤcht werden.
Die Hitze ſchwaͤcht den Magnetismus, und das Gluͤhen im Feuer, das Calciniren und Puͤlvern zerſtoͤrt denſelben gaͤnzlich. Auch verlieren die Magnete ihre Kraft, wenn man ſie auf Stein mit Stein ſchlaͤgt, oder auch nur oft fallen laͤßt, ingleichen durch den Roſt und bisweilen durch Blitze und ſtarke elektriſche Schlaͤge. 99Entgegengeſetzte Magnetismen.
Naͤhert man einander zween Magnete, ſo ziehen ſich ihre Pole nicht ohne Unterſchied an, ſondern es ſinder nur zwiſchen den ungleichnamigen (dem Nordpole des einen und dem Suͤdpole des andern) Anziehung, zwiſchen gleichnamigen hingegen vielmehr ein Zuruͤckſtoßen ſtatt. Man kan ſich davon ſehr leicht uͤberzeugen, wenn man die Pole eines Magnets gegen eine Magnetnadel bringt. Der Nordpol der Nadel wird nur vom Suͤdpole des Magnets gezogen; er flieht hingegen vor dem Nordpole des letztern. Wenn man einen Magnet an der Wage ins Gleichgewicht bringt, und einen andern ſo darunter haͤlt, daß die ungleichnamigen Pole zuſammen kommen, ſo wird jener herabgezogen: treffen aber die gleichnamigen Pole auf einander, ſo wird er in die Hoͤhe geſtoßen, und die Wagſchaale ſteigt. Deswegen heiſſen die ungleichnamigen Pole auch einige oder freundſchaftliche (amici), die gleichnamigen hingegen uneinige oder feindliche (inimici).
Schon Aepinus (Tentamen theoriae Electric. et Magn. Petrop. 1759.4. p. 92.) war der Meinung, daß es keinen Magnetismus ohne Polaritaͤt, oder keine Anziehung des Eiſens gebe, bey der man nicht zugleich Pole bemerke. Neuere Beobachtungen (ſ. Brugmans Philoſ. Verſ. 12. Satz, S. 127.) haben dies vollkommen beſtaͤtigzt. Sie zeigen auch, daß der Einfluß des Nordpols den Einfluß des Suͤdpols ſchwaͤche, daß noͤrdliche Polaritaͤt durch Null in ſuͤdliche uͤbergehe, ſ. Indifferenzpunkt u. ſ. w. Man iſt daher berechtiget, wenigſtens zur Bezeichnung der Phaͤnomene, die Wirkungen beyder Pole als Wirkungen entagegengeſetzter Magnetismen anzuſehen, deren einen man den noͤrdlichen, den andern den ſuͤdlichen nennen kan. Dies alles hat viel Aehnlichkeit mit den entgegengeſetzten Elektricitaͤten, der poſitiven und negativen, welche ſich nach eben dem Geſetze anziehen und abſtoßen, und es iſt gar nicht unbequem, dieſe Magnetismen mit Herrn Lichtenberg (Errlebens Naturl. §. 100569. Anm.) durch + M und — M ſo zu bezeichnen daß man dem noͤrdlichen das +, dem ſuͤdlichen das — beylegt.
Da aller Wahrſcheinlichkeit nach die Erdkugel ſelbſt einen Magnetismus beſitzt, der ſich in unſern noͤrdlichen Gegenden als ein — M, in den Suͤdlaͤndern als ein + M zeigt, ſo beruht hierauf die Polaritaͤt oder Richrung der magnetiſchen Pole nach Norden und Suͤden, welches die merkwuͤrdigſte und nuͤtzlichſte Eigenſchaft der Magnete iſt, ſ. Magnetnadel, Polaritaͤt. Magnetiſche Wirkungskreiſe und Vertheilung des Magnetismus.
Ein Stuͤck Eiſen, noch mehr aber harter Stahl (auf weichen die Wirkungen des Magnets zwar ſchwaͤcher, aber weit bleibender und dauerhafter ſind), das eine Zeitlang an einem Magnete gehangen hat, oder mit demſelben geſtrichen worden iſt, wird dadurch ſelbſt ein bleibender Magnet. Man kennt dieſes Phaͤnomen allgemein unter dem Namen der Mittheilung des Magnetismus, der auch auf den erſten Blick ſehr wohl gewaͤhlt ſcheint. Wenn man aber unter Mittheilung, wie ſonſt in der Phyſik gewoͤhnlich iſt, wirklichen Uebergang verſteht, wobey der eine Koͤrper eben das bekoͤmmt, was der andere verliert, ſo findet man bey genauerer Unterſuchung dieſe Benennung gar nicht mehr paſſend, indem der Magnet dem Eiſen nicht das giebt, was er ſelbſt hat, ſondern gerade das entgegengeſetzte in ihm hervorbringt, und dabey von ſeiner eignen Kraft nichts verliert. Dies zeigt nicht Uebergang, ſondern Wirkung durch geſtoͤrtes Gleichgewicht an, und wird weit ſchicklicher mit dem Namen der Vertheilung bezeichnet, der auch beym Worte: Elektricitaͤt (Th. I. S. 736. u. f.) in gleichem Sinne gebraucht und von der Mittheilung unterſchieden worden iſt.
Der Pol eines Magnets nemlich wirkt auf Eiſen oder andere Magnete ſchon in einiger Entfernung. Der Raum, durch welchen ſich dieſe Wirkung erſtreckt, heißt101 ſein magnetiſcher Wirkungskreis, nach Andern, wiewohl nicht ſo ſchicklich, die magnetiſche Atmoſphaͤre. Das Hauptgeſetz dieſer Wirkung iſt, wiederum wie bey der Elektricitaͤt, folgendes.
Jeder magnetiſche Pol ſucht in demjenigen Eiſen, oder eiſenhaltigen Roͤrpern, welche in ſeinen Wirkungskreis kommen, einen dem ſeimgen enrgegengeſetzten Magnetismus hervorzubringen.
Von eigentlicher Mittheilung finden wir bisher in den magnetiſchen Erſcheinungen wenig Spuren: man muͤßte denn dies dafuͤr annehmen, daß beſonders in weichem Eiſen + M und — M in einem und eben demſelben Roͤrper leicht in einander uͤbergehen, wodurch freylich der Magnetismus aufhoͤrt oder = o wird. Aus eben dem Grunde leiden auch ſtarke kuͤnſtliche Magnete, gleich nach ihrer Verfertigung, einen kleinen Verluſt an Kraft, wie Herr Lichtenberg (zu Errlebens Naturl. §. 558.) erinnert, weil ſich ein kleiner Theil ihres + M und — M ſaͤttigt, wenn die bey der Verfertigung von außen her bewirkte Anſtrengung aufhoͤrt. Wenn aber von der Wirkung der M in zween verſchiedenen Roͤrpern die Rede iſt, ſo zeigt ſich wenig hievon; z. B. der Magnet, mit dem man Nadein beſtreicht, verliert nichts an Kraft, und wenn gleich Euler und Fuß (Obſ. et exp. ſur les aimans artificiels, in Rozier Journ. de phyſ. Suppl. 1782. p. 3.) einigen Verluſt bemerkt haben wollen, ſo iſt doch dieſer ſehr gering, und laͤßt ſich uͤberdies eben ſo, wie der in den kuͤnſtlichen Magneten, erklaͤren. Sonſt herrſcht hier das Perpetuelle ſo allgemein, daß man nicht umhin kan, es fuͤr die Regel anzunehmen, und die. Vertheilung als den Hauptbegrif bey den Phaͤnomenen des Magnetismus zu betrachten. Geſetze des Magnetismus.
Es laſſen ſich alle Erſcheinungen des Magnets auf die angefuͤhrten Geſetze des Anziehens und Zuruͤckſtoßens,102 und der Wirkungskreiſe, verbunden mit dem Satze, daß die Erde ſelbſt, wie ein Magnet, wirkt, zuruͤckfuͤhren. Dieſe einfachen Saͤtze werden in der Anwendung eine unerſchoͤpfliche Quelle von Erklaͤrungen der mannigfaltigſten Phaͤnomene, die man ſo, wie bey der Elektricitaͤt, durch die Bezeichnungen + M und — M, ſehr kurz und deutlich ausdruͤcken kan.
Man betrachte den Zuſtand eines unmagnetiſchen Eiſens, als + M — M = o, d. i. man ſchreibe ihm zwo gleiche entgegengeſetzte Magnetismen zu, die ſich beyde voͤllig binden. So iſt der magnetiſche Zuſtand nichts anders, als Aufhebung des Gleichgewichts dieſer beyden M.
Gleichartige M ſtoßen ſich zuruͤck, entgegengeſetzte ziehen ſich an. Erfolgen ſolche Anziehungen rc. nach mehreren Punkten, ſo giebt es fuͤr alle eine gewiſſe mittlere Richtung nach einem Punkte, der alsdann der Pol eines M heißt. Die Weite, bis auf welche ein Pol ringsum anzieht rc., macht ſeinen Wirkungekreis aus, Das M, oder der Theil des M, der auf ein ſolches Anziehen rc. verwendet wird, kan nichts weiter bewirken. Man nennt ihn gebunden. Hoͤrt das Anziehen rc. auf, ſo kan er ſich wieder durch etwas anders zeigen, d. h. er wird frey oder ſenſibel.
Im unmagnetiſchen Zuſtande binden ſich beyde M des Eiſens voͤllig. Bringt man aber einen Stab Eiſen in den Wirkungskreis eines Pols, der ſenſibles + M hat, ſo empfaͤngt das Eiſen an dem naͤchſten Ende — M, am andern + M durch Vercheilung. Der Pol + M zieht nehmlich das — M des Eiſens in den naͤhern Theil, und ſtoͤßt das + M, welches von jenem verlaſſen und dadurch frey wird, in das entferntere Ende zuruͤck. Das entgegengeſetzte erfolgt, wenn man den Stab gegen einen Pol bringt, der ſenſibles — M hat. So iſt auch hier das Geſetz der Wirkungskreiſe nichts anders, als das Geſetz des Anziehens und Zuruͤckſtoßens ſelbſt.
In dieſem Zuſtande nun wird das naͤchſte Ende des Stabs vom Pole des Magnets ſtark angezogen, weil beyde103 entgegengeſetzte M haben. Je naͤher beyde einander kommen, deſto ſtaͤrker wird die Anziehung, bis ſie endlich bey der Beruͤhrung ſelbſt die hoͤchſte Stufe erreicht. Aber ſelbſt auf dieſer Stufe iſt ſie noch nicht ſtark genug, einen merklichen Uebergang beyder M in einander zu veranlaſſen. Entfernt man den Stab wieder vom Pole, ſo zeigt der letztere die ganze Intenſitaͤt ſeines M ohne einigen Verluſt wieder: im Stabe binden ſich, wenn er von weichem Eiſen iſt, beyde M aufs neue, und werden = o; iſt er von Stahl, ſo dauert die Trennung der M laͤnger, und er behaͤlt an einem Ende — M, am andern + M, oder zeigt Spuren eines Magnetismus, den man in der gemeinen Sprache einen mitgetheilten nennt. In dieſer Ruͤckſicht verhaͤlt ſich das weiche Eiſen als ein ſchlechter Leiter, der Stahl rc. als ein Nicht-Leiter des Magnetismus.
Da ſolchemnach die magnetiſche Anziehung blos von der Vertheilung abhaͤngt, ſo wird begreiflich, wie ſie ungehindert durch Holz, Glas, Papier u. dgl. wirken koͤnne. Solche unmagnetiſche Koͤrper hindern die Wirkungen der Vertheilung eben ſo wenig, als das Glas die elektriſchen Wirkungskreiſe. Dazwiſchengeſtelltes Eiſen aber leidet ſelbſt vom Pole des Magnets Vertheilung, und aͤndert daher ſeinen Einfluß auf anderes weiter abſtehendes Eiſen.
Haͤlt man die flache Seite eines eiſernen Lineals gegen das + M eines Magnets, ſo treibt dieſer das + M des Lineals auf die entgegengeſetzte Seite, wo es eine große Flaͤche findet, uͤber die es ſich verbreitet. Dadurch kommen Theile dieſes + M in groͤßere Entfernungen von einer dahinter ſtehenden Nadel, und wirken nicht mehr ſo ſtark auf ſie, als das + M des Magnets ohne dazwiſchen geſtelltes Lineal wuͤrde gewirkt haben. Bringt man hingegen das Lineal nach der Laͤnge zwiſchen Nadel und Magnet, ſo treibt das + M des Magnets das + M des Lineals nach dem andern ſchmalen Ende, wo es ſich nicht verbreiten kan, wohl aber der Nadel naͤher iſt; mithin wird die Wirkung104 des Magnets ungeſchwaͤcht auf eine groͤßere Entfernung fortgepflanzt.
Wenn man zwey Stuͤcken duͤnnen Drath von weichem Eiſen an Faͤden bindet, dieſe oben zuſammenknuͤpft, und den Pol eines Magnets darunter haͤlt, ſo gehen die Faͤden, wie am Elektrometer, aus einander, weil die Enden der Draͤthe durch den Wirkungskreis des Magnets einerley M erhalten, und ſich abſtoßen. Bringt man aber den Magnet noch naͤher, ſo kommen die Draͤthe in die Taf. XVI. Fig. 28. abgebildete Stellung, weil ſich zwar die obern Enden a und c noch abſtoßen, die untern b und d aber beyde vom magnetiſchen Pole E angezogen werden. Nimmt man den Magnet EF hinweg, ſo fallen die Draͤthe zuſammen; ſind es aber ſtaͤhlerne Nadeln, ſo dauret ihr Divergiren noch eine Zeitlang.
AB, Taf. XVI. Fig. 29. ſey ein Drath von weichem Eiſen, 4 Zoll lang, an einem Faden frey aufgehangen. CD eine eiſerne Stange auf einem Stativ, mit dem Ende C etwa 3 / 4 Zoll von B entfernt. Bringt man den Pol eines Magnets in E, ſo wird B von C zuruͤckgeſtoßen, weil beyde einerley M erhalten. Haͤlt man aber den Magnet E neben A, ſo wird B gegen C angezogen. Nehmlich der Pol des Magnets, der z. B. + M hat, wird das + M des Draths nach B, das + M der Stange nach D treiben, alſo wird die letztere in C freyes — M haben, und B anziehen.
Wenn ein Magnet an einem Pole gerade ſo viel Eiſen traͤgt, als er halten kan, ſo kan er, wenn man unter dieſes Eiſen eine eiſerne Platte haͤlt, noch etwas mehr tragen. Geſetzt, der Pol habe + M, ſo wird das + M am untern Ende des angehangnen Eiſens durch die Platte mehr beſchaͤftigt, alſo wird mehr — M frey, welches ſich ans obere Ende begiebt, und dadurch die Anziehung verſtaͤrkt. So kan man mit einem Magnete mehr Eiſen von einem Ambos aufheben, als von einem hoͤlzernen Tiſche. Auch erklaͤrt ſich hieraus, wie die Kraſt eines Magnets durch mehr angehangenes Eiſen immer mehr zunehme. Noch ſtaͤrker aber wird die Anziehung, wenn man ſtatt der eiſernen105 Platte den Pol — M eines andern Magnets darunter haͤlt. Haͤlt man aber einen Pol + M darunter, ſo faͤllt das Eiſen ſogleich ab.
Bringt man zween Magnete von gleicher Staͤrke mit ihren ungleichnamigen Polen zuſammen, ſo ziehen ſie einander ſelbſt ſtark an. Weil ſich aber jetzt ihre ± M vollkommen binden, ſo ziehen ſie in dieſem Zuſtande weiter kein Eiſen, und was vorher an ihnen hieng, faͤllt ab. Bringt man ſie hingegen mit den gleichnamigen Polen zuſammen, ſo ſtoßen ſie zwar einander ſelbſt ab, wirken aber deſto ſtaͤrker auf Eiſen, und zeigen alle magnetiſche Erſcheinungen mit deſto groͤßerer Intenſitaͤt.
Sind aber ſolche zuſammengebrachte Magnete von ungleicher Staͤrke, ſo werden die Phaͤnomene weit mannigfaltiger. Sind die genaͤherten Pole gleichnamig, ſo wird das ſchwaͤchere ± M ſchon = o, noch ehe es das ſtaͤrkere ± M beruͤhrt, und zeigt in dieſem Zuſtande gar keinen Magnetismus. Bringt man den ſchwaͤchern Magnet noch naͤher an den ſtaͤrkern, ſo erhaͤlt er gar das entgegengeſetzte - + M, und wird nun vom ſtaͤrkern ± M angezogen. Naͤhert man aber die Magnete mit ihren ungleichnamigen Polen an einander, ſo wird das ſchwaͤchere ± M immer ſtaͤrker, je mehr es an das ſtaͤrkere - + M herankoͤmmt, und die Anziehung beyder Magnete waͤchſt immerfort bis zur Beruͤhrung.
Der Pol eines Magnets wirkt ſtaͤrker, wenn man den entgegengeſetzten Pol ebenfalls beſchaͤftiget, oder das + M an einem Ende wird freyer, wenn mehr — M an das andere Ende gelockt wird. Hieraus erklaͤren ſich die Vortheile, welche man durch Armatur und Anker erhaͤlt.
Wenn man den Pol + M eines ſtarken Magnets auf das Ende A eines unmagnetiſchen Eiſenſtobs AC auſſetzt, (Taf. XVI. Fig. 30.), ſo erhaͤlt in dieſem Augenblicke A den Magnetismus — M, C hingegen den + M. In der Mitte des Stabs liegen Punkte, die gar kein M zeigen. Streicht man mit dem Pole des Magnets von A gegen106 C fort, ſo wird das — M bey A immer ſchwaͤcher, bis man an M koͤmmt, wo es = o wird. Hingegen wird das + M bey C immer ſtaͤrker, bis man an P koͤmmt, wo es ſeine groͤßte Staͤrke erreicht. Indeß faͤngt A an, auch + M zu zeigen. Hebt man hier den Pol des Magnets ab, ſo behaͤlt der Stab, wenn er gehaͤrtet iſt, dieſe Magnetismen eine Zeitlang, und man hat einen kuͤnſtlichen Magnet mit drey Polen bey A, P, C, oder eine Nadel, an der beyde Ende einerley Polaritaͤt zeigen. Dieſes Phaͤnomen iſt ſchon lange bekannt geweſen, und von Hamberger (Elementa Phyſices, Jenae, 1735. 8. ) die Partialitaͤt der Magnetnadel genannt worden.
Setzt man das Streichen weiter fort, ſo koͤmmt man an einen Punkt N, wobey das + M an C, deſſen Staͤrke bis dahin wieder abgenommen hat, nunmehr = o wird. Streicht man bis ans Ende C, ſo erhaͤlt C den Magnetismus — M, und der Stab iſt nunmehr ein kuͤnſtlicher Magnet von zween Polen bey A und C. Das Zuruͤckſtreichen von C bis A nimmt allen Magnetismus wieder hinweg. Die Wirkungen des ganzen Strichs waren laͤngſt bekannt, die Indifferenzpunkte M und N aber ſind von Brugmans 1765., und der culminirende Punkt P iſt von van Jwinden (Tentamina theoriae mathematicae de phaenomenis magneticis, Specim. I. Franequ. 4maj. ) entdeckt worden. Die Lage der Punkte M, P, N haͤngt von der Laͤnge und Dicke des Stabs, von der Haͤrte des Eiſens und der Staͤrke des Magnets nach Geſetzen ab, uͤber welche Herr van Swinden ſchaͤtzbare Verſuche angeſtellt hat, deren Reſultate auch beym Cavallo (Abhandl. vom Magnetismus, a. d. Engl. Leipz. 1788. gr. 8. S. 55. u. f.) ſtehen.
Man ſieht leicht, wie ſich dieſe merkwuͤrdigen Erſcheinungen aus dem einfachen Geſetze der Wirkungskreiſe berleiten laſſen. Der Pol + M zicht alles — M des Stabes gegen den Punkt, wo er ſteht, ſo weit ſein Wirkungskreis reicht, und ſo viel es die Haͤrte des Eiſens zulaͤßt, dagegen ſtoͤßt er alles + M ſo weit, als moͤglich, von ſich. 107Daher wird anfaͤnglich mehr + M nach C getrieben, bis der Pol nach P koͤmmt; hier faͤngt er wegen ſeiner Naͤhe an, dieſes geſammelte + M weiter fort und durch die untere Seite des Stabs gegen A zu treiben, zum Theil auch mit mehr — M, das er gegen C zieht, zu ſaͤttigen u. ſ. w. Alles dies iſt blos geaͤnterte Vertheilung, die durch das Ruͤckſtreichen wieder ihre vorige Gleichfoͤrmigkeit erhaͤlt.
Streicht man mit dem Pole — M, ſo entſtehen eben dieſe Wirkungen, nur mit Verwechſelung der Zeichen + und —. Das allgemeine Geſetz iſt alſo, daß beym Streichen der Staͤbe nut ± M allemal da, wo man zu ſtreichen aufhoͤrt, der Pol - + M entſteht, in einiger Entfernung davon aber der Magnetismus ±M anfaͤngt.
Da kein Eiſen vom Magnete gezogen werden kan, ohne in dieſem Augenblicke ſelbſt magnetiſch zu ſeyn, ſo erklaͤren ſich hieraus die Taf. XVI. Fig. 27. vorgeſtellten Figuren, welche die Eiſenfeile auf Papier oder Glastafeln bildet, wenn man einen magnetiſchen Stab darunter legt. Nemlich an dem kleinen Eiſendrathe ab Taf. XVI. Fig. 31., den man an den magnetiſchen Stab AB bringt, erhaͤlt benm Pole A (+ M) das Ende b den Magnetismus — M, das Ende a den + M. Jenes wird alſo gezogen, dieſes abgeſtoßen, und ab ſtellt ſich ſenkrecht auf die Flaͤche des Stabs. Weiter gegen den Pol B zu wird ab in eine ſchiefe Lage kommen, weil jetzt ſchon B (— M) das + M in a zu ziehen anſaͤngt. Beym Aequator des Magnets aber, wo A eben ſo ſtark auf b, als B auf a wirkt, wird ab dicht am Stabe an, oder doch mit demſelben parallel liegen. Sind nun mehrere Eiſentheilchen, wie ab, vorhanden, ſo wird jedes derſelben magnetiſch: ſte haͤngen ſich alſo mit ihren ungleichnamigen Polen an einander und bilden Reihen, deren einzelne Stuͤcken die Fig. 31. vorgeſtellten Richtungen haben, woraus natuͤrlich die krummen Linien Taf. XVI. Fig. 27. entſtehen, die man mit Unrecht fuͤr Beweiſe eines um den Magnet ſtroͤmenden Wirbels gehalten hat.
Der Magnetismus der Erdkugel ſelbſt, welche in unſern noͤrdlichen Gegenden den Pol — M, in den ſuͤdlichen den108 + M hat, veranlaſſet durch ſeinen Wirkungskreis die Erſcheinungen der Magnetnadel, ſ. Magnetnadel, Compaß, Abweichung, Neigung der Magnetnadel. Auf unmagnetiſches Eiſen wirkt er in den meiſten Faͤllen nicht merklich, weil er hiezu zu ſchwach iſt. Wenn z. B. eine eiſerne Stange ſo gehalten wird, daß ihre beyden Enden von dem naͤchſten magnetiſchen Pole der Erde gleich weit entfernt ſind, ſo kan das Gleichgewicht ihrer M nicht merklich geſtoͤrt werden. Iſt aber die Stange ſchon vorher magnetiſch, ſo wird das Ende + M derſeiben vom naͤchſten Pole der Erde angezogen, das andere — M abgeſtoſſen, und ſo die Stange ſelbſt in die Richtung des magnetiſchen Merioians gebracht.
Dennoch wirkt der Magnetismus der Erde auch in unmagnetiſches, beſonders in weiches Eiſen, wenn man dem letztern eine dazu geſchickte Stellung giebt. Wird eine eiſerne Stange in eine Lage gebracht, in der ſie der Richtung und Neigung der Magnetnadel parallel iſt, ſo ſtoͤßt ihr unteres Ende in unſern Laͤndern den Nordpol der Magnetnadel ab, und zeigt alſo + M. Eben das geſchieht auch oft, wenn man die Stange nur lothrecht ſtellt. In dieſen Lagen nemlich iſt der Unterſchied der Entfernungen beyder Enden vom naͤchſten Pole der Erde groͤßer, als in andern, daher wird die ſonſt zu ſchwache Wirkung merklicher. Dieſer Magnetismus iſt aber von kurzer Dauer, und verliert ſich wieder bey veraͤnderter Stellung.
Man befoͤrdert dieſe Wirkung, wenn man die Stange in der vorerwaͤhnten Stellung mit einem Hammer oder Schluͤſſel von einem Ende zum andern klopft. So werden ſtaͤhterne Werkzeuge oft magnetiſch, wenn man damit kaltes Eiſen bohrt oder ſchneidet. Auch das Abloͤſchen des gluͤhenden Eiſens in kaltem Waſſer, das Zerbrechen der Stangen, der elektriſche Schlag und der Blitz bringen oft auf dieſe Art einigen Magnetismus hervor. (Man ſ. Exp. qui montrent, avec quelle facilité le fer et l'acier ſ'aimantent par M. de Rćaumur, in den Mém. de Paris 1723.)
Dieſe Erſcheinungen, die man gemeiniglich unter dem Namen der Erregung drs urſpruͤnglichen Ma -109 gnetismus begreift, entſtehen blos aus Vertheilung der M, durch die Wirkung der magnetiſchen Pole der Erdkugel. Denn die angefuͤhrten Mittel bewirken nichts, wenn die Stange auf den magnetiſchen Meridian ſenkrecht gehalten wird, wobey alle ihre Punkte von den Polen der Erde gleich weit entfernt ſind. (ſ. v. Muſſchenbroek Diſſ. de Magnete, Sect. V.) Verfertigung der kuͤnſtlichen Magnete.
Eigentlich iſt jedes harte, mit dem Magnet beruͤhrte, oder beſtrichene Eiſen, alſo auch die Magnetnadel, ein kunſtlicher Magnet. Man giebt aber insgemein dieſen Namen nur denjenigen Staͤben, die einen betraͤchtlich ſtarken und dauerhaften Magnetismus erhalten haben, und an Wirkung oft die natuͤrlichen weit uͤbertreffen.
Ein eiſerner oder ſtaͤhlerner Stab, in Geſtalt eines Parallelepipedums ACB, Taf. XVI. Fig. 27, der etwa 5 bis 6 Zoll lang, 1 / 4 — 1 / 2 Zoll breit und (1 / 16) — (1 / 12) Zoll dick iſt, kan mit einem armirten Magnete entweder durch den einfachen Strich, (touche ſimple) oder durch den Doppelſtrich (touche double) magnetiſch gemacht werden. Beym einfachen Striche ſetzt man den einen Pol des Magnets in der Mitte bey C auf, und fuͤhrt ihn, ohne eben ſtark zu reiben, bis B fort. Hat man den Pol + M gebraucht, ſo erhaͤlt B dadurch — M. Nun darf man aber nicht wieder zuruͤckſtreichen, ſondern es muß der Pol des Magnets von B abgehoben, einige Zoll weit vom Stabe AB entfernt, und in dieſer Diſtanz wieder bis C zuruͤckgebracht werden, worauf man denn wieder bey C aufſetzen, und den zweyten Strich bis B fuͤhren kan. Nach fuͤnf bis ſechs Strichen wird B ein ziemlich ſtarkes — M haben. Man ſetzt alsdann den andern Pol des Magnets (— M) bey C auf, und ſtreicht damit eben ſo von C bis A, wodurch das Ende A, + M erhaͤlt, und der ganze Stab AB ein kuͤnſtlicher Magnet wird.
Beym Doppelſtriche ſetzt man den armirten Magnet mit beyden Polen auf die Mitte des Stabs C, und ſtreicht110 nun denſelben nach ſeiner ganzen Laͤnge mehreremale von einem Ende bis zum andern; bey Endigung des Streichens aber muß man den Magnet nicht an einem Ende des Stabs abheben, ſondern vorher nach C zuruͤckfuͤhren und daſelbſt abnehmen. Dadurch erhaͤlt jedes Ende des Stabs dasjenige M, welches dem M des Pols, der ihm beym Streichen der naͤchſte war, entgegengeſetzt iſt.
Man pflegt an dieſen kuͤnſtlichen Magneten das Ende, welches + M hat, oder den Noropol, durch einen Strich mit der Feile kenntlich zu machen. Gewoͤhnlich werden ſie paarweiſe verfertiget, und ſo aufbewahret, wie AB und CD Taf. XVI. Fig. 32., daß die gezeichneten Nordpole A und D ſich von einander kehren. An ihre Enden legt man Anker von weichem Eiſen E und F, welche die ± M beſchaͤftigen und ihre Trennung unterhalten, in die Mitte koͤmmtein Holz G, um die Staͤbe aus einander zu halten; und-alles liegt in einem hoͤlzernen Kaͤſtchen.
Sehr oft giebt man ihnen auch die Geſtalt eines Hufeiſens, damit an die Enden ein Anker mit Gewichten angebracht werden koͤnne. Solche Hufeiſen werden, wie die geraden Staͤbe, durch den Doppelſtrich magnetiſirt, indem man beyde Pole auf die Mitte der Kruͤmmung auffetzt, bis an das eine Ende, dann immer von einem Ende zum andern, und endlich wieder in die Mitte fuͤhrt und abhebt.
Die erwaͤhnten Beſtreichungen geben keinen ſtaͤrkern Magnetismus, als der dazu gebrauchte Magnet ſelbſt beſitzt. Man hat aber ſeit etwa 60 Jahren vielerlev Verſtaͤrkungsmethoden erfunden, welche ſo wirfſam ſind, daß man ſelbſt ohne Zuthun eines andern Magnets, durch bloßes Streichen unmagnetiſcher Staͤbe, kuͤnſtliche Magnete von ganz ungemeiner Staͤrke verfertigen kan. Es waͤre zu weitlaͤuftig, alle dieſe Methoden anzufuͤhren, welche darinn uͤbereinkommen, daß man entweder durch einen andern Magnet, oder durch den Magnetismus der Erdkugel 1) die beyden M in ſtaͤhlernen Staͤben immer genauer trennet und 2) in dieſer Trennung erhaͤit. Es wird genug ſeyn, einige der vornehmſten Verfahrungsarten anzufuͤhren, wodurch111 theils der ſogenannte urſpruͤngliche Magnetismus erregt, theils der ſchon vorhandene verſtaͤrkt werden kan.
Servington Savery (Magnetical obſerv. and exp. in Philoſ. Transact. num. 414. art. 1.) gab zuerſt um 1730 Mittel an, die magnetiſche Kraft des erhaͤrteten Stahls durch eine Art des Streichens betraͤchtlich zu verſtaͤrken, und Arnold Marcel (Phil. Trans. num. 423.) zeigte, wie man Stahl durch bloßes Reiben an Eiſen magnetiſch machen koͤnne, welche Methode er ſchon 1726 gekannt zu haben verſichert. D. Gowin Knight aber brachte dieſe Kunſt zur hoͤchſten Vollkommenheit. Im Jahre 1746 zeigte er der Societaͤt zu London (Philoſ. Trans. num. 474. 484. ) zween 15 Zoll lange ſehr ſtarke Magnetſtaͤbe, die er ohne Zuthun eines Magnets gemacht hatte, hielt aber das Verfahren geheim. Die Herren Mitchell (Treatiſe of artificial magnets. London, 1750. 8. ) und Canton (Philoſ. Trans. Vol. XLVII. p. 31. uͤberſ. im Hamburg. Magaz. B. VIII. S. 339. u. f.) machten darauf, Jeder fuͤr ſich, gluͤckliche Verſuche. Mitchell legte einen kleinen ſtaͤhlernen Stab zwiſchen zwey groͤßern eiſernen nach der Richtung und Neigung der Magnetnadel, und ſtrich mit einem dritten eiſernen Stabe, den er faſt lothrecht, jedoch mit einer kleinen Neigung des obern Endes gegen Suͤden, hielt, jene drey Staͤbe von Norden nach Suͤden hinauf. So ward der Stahl, wiewohl nur ſchwach, magnetiſch. Canton ſtellte eine eiſerne Stange ſenkrecht, und band am obern Ende einen kleinen ſtaͤhlernen Stab mit einem ſeidnen Faden feſt. In der Hand hielt er einen andern eiſernen Stab auch faſt ſenkrecht, und ſtrich mit dem untern Ende deſſelben den ſtaͤhlernen Stab etwa zehn. bis zwoͤlfmal von unten nach oben. Dadurch ward das untere Ende des letztern ein Nordpol, und trug ſchon einen kleinen eiſernen Schluͤſſel. Statt der eiſernen Staͤbe nahm er gewoͤhnlich eine kleine eiſerne Ofengabel oder Kohlenſchaufel (fourgon, a poker) und eine Feuerzange, die deſto beſſere Dienſte thaten, je groͤßer und je laͤnger ſie gebraucht waren.
Die beſte Methode, urſpruͤnglichen Magnetiſmus zu erregen, hat Antheaulme (Mémoire ſur les aimans artificiels,112 qui a remporté le prix de l'Acad. de Petersbourg. Paris 1760. 4. ingl. Obſ. ſur les nouvelles methodes d'aimanter par de la Lande, in d. Mém. de Paris, 1761.) angegeben. Er lehnt nach der Richtung und Neigung der Magnetnadel ein 12 Fuß langes Bret AB, Taf. XVI. Fig. 33. ſo an, daß A im magnetiſchen Meridian nordwaͤrts liegt, wobey der Winkel BAH in unſern Gegenden etwa 71 Grad betragen muß, ſ. Neigung der Magnetnadel. Darauf liegen nach der Laͤnge zwo eiſerne Stangen CD und EF, deren Enden D und E glatt abgefeilt ſind. Auf der Mitte des Brets liegt ein hoͤlzerner Wuͤrfel G von 1 — 2 Zoll Seite, und zwiſchen dieſen Wuͤrfel und jede Stange wird eine eiſerne etwa 1 / 12 Zoll dicke Platte, DK und EL geſetzt. Dieſe Platten ragen mit den Enden K und L, 3 / 4 Zoll uͤber die Oberflaͤche der Stangen CD und FE hervor, und die hervorragenden Kanten ſind etwas duͤnner abgeſchliffen, als die Platten ſelbſt. Will man nun den ſtaͤhlernen Stab MN, der vorher wohl polirt ſeyn muß, magnetiſiren, ſo reibt man ihn auf den Kanten K und L, wie auf den Polen eines armirten Magnets beym Doppelſtriche, oder ſo, daß man die Mitte aufſetzt, von einem Ende zum andern hin und her ſtreicht, und in der Mitte abzieht. So kan man durch 50, 60 bis 100 Striche auf jeder Seite einen 12 bis 15 Zoll langen Stab ziemlich ſtark magnetiſiren. Die Wirkung iſt deſto ſtaͤrker, je groͤßer die Stangen CD und EF an Maſſe ſind.
Mittel, den ſchon vorhandnen Magnetismus, ohne Zuthun eines ſtaͤrkern Magnets, alſo durch ſich ſelbſt, zu verſtaͤrken, haben ebenfalls Mitchell, Canton und Antheaulme, dann aber auch Le Maire und Duhamel (Mém. de Paris, 1745.) angegeben, die im Allgemeinen auf Folgendes hinaus laufen. Wenn man mehrere kuͤnſtliche Magnete von gleicher Staͤrke hat, ſo verbindet man ſie gehoͤrig, dadurch erhaͤlt man ſchon einen ſtaͤrkern Magnet A. Mit dieſem macht man nach den gemeinen Methoden andere kuͤnſtliche, die nun ſchon einzeln ſtaͤrker ſind, als die vorigen, und verbunden einen noch ſtaͤrkern B geben. Mit B beſtreicht man alle Magnete, woraus A beſteht, einzeln,113 und mit dem daraus entſtehenden verſtaͤrkten A wieder die, woraus B beſteht u. ſ. w. bis man merkt, daß die Kraft keinen Zuwachs mehr erhaͤlt. Uebrigens unterſcheiden ſich die angegebnen Methoden blos in der Art, zu beſtreichen, und mit den Staͤben abzuwechſeln.
Wenn man z. B. vier Staͤbe AB, CD, KL, NM, Taf. XVI. Fig. 34., ſchon magnetiſirt hat, ſo legt man zween davon AB und CD, mit von einander gekehrten bezeichneten Polen B und C, zwiſchen die Verſtaͤrkungsan - ker EF und GH; legt ferner die andern zween KL und NM mit ihren freundſchaftlichen Polen an einander, ſetzt ſie lothrecht uͤber die Mitte von AB, haͤlt ſie bey KM feſt, bringt die Pole Lund N etwas aus einander, und reibt alsdann von einem Ende zum andern, wie beym Doppelſtrich. Nach 50 bis 100 Strichen hoͤrt man wieder in der Mitte auf, druͤckt die Pole L und N wieder zuſammen, und zieht ſie ſeitwaͤrts vom Stabe AB ab. Eben ſo verfaͤhrt man auch mit dem Stabe CD. Alsdann legt man KL und MN zwiſchen die Verſtaͤrkungsanker, und ſtreicht ſie eben ſo mit AB und CD. Hiedurch wird allemal das liegende Paar etwas ſtaͤrker, als das ſtehende, und man kan die Verſtaͤrkung durch mehrmalige Verwechſelung immer weiter treiben.
Nach 50 bis 100 ſolchen Verticalſtrichen (touche verticale) laͤßt Canton noch 10 bis 12 Horizontalſtriche auf folgende Art geben. Man trennt die obern Pole der reibenden Staͤbe K und M, wie bey Fig. 35, bis die Staͤbe ſelbſt einen ziemlich ſtumpfen Winkel machen, fuͤhrt KL gegen A und MN gegen B, aber nicht wieder zuruͤck, ſondern uͤber die Verſtaͤrkungsanker hinaus, und im Bogen herum, bis beyde in einiger Entfernung von AB mit den Polen L und N wieder zuſammen kommen, da man ſie denn aufs neue auf die Mitte von AB bringt u. ſ. w. Voͤllig eben ſo kan man verfahren wenn AB und CD unmagnetiſche Staͤbe ſind, denen man durch KL und MN Magnetismus mittheilen will.
So bald man mehr, als zween Staͤbe, zum Verticalſtriche hat, kan man ſtatt des einzelnen KL, drey oder mehrere114 an einander legen, alle mit den Nordpolen unterwaͤrts, und ſtatt MN ebenſoviel mit den Nordpolen aufwaͤrts, die aber an einander befeſtiget werden muͤſſen, weil ſie ſich ſo nicht anziehen. Dies bewirkt noch mehr Verſtaͤrkung. Will man vermittelſt kleinerer Staͤbe groͤßere magnetiſiren, ſo muß man erſt mehrere von mittlerer Groͤße machen, und ſo nicht unmittelbar, ſondern ſtufenweiſe von kleinern zu groͤßern uͤbergehen. Nach Herrn Fuß (im Rozier Journ. de phyſ. Suppl. 1782.) nehmen auch die Stahlſtaͤbe am Ende mehr Kraft an, wenn man ſie etlichemal zuruͤckgeſtrichen, und ihnen die gegebene Kraft wieder genommen, dann aber die Bearbeitung von neuem angefangen hat. Durch ſchickliche Verbindungen aller dieſer Mittel laͤßt ſich ungemein viel ausrichten.
D. Knight brachte auf aͤhnliche Weiſe ſeine großen kuͤnſtlichen Magnete oder magnetiſche Magazine zu Stande, womit er in wenig Secunden die ſtaͤrkſten kuͤnſtlichen Magnete machen und die Pole der natuͤrlichen umkehren konnte. Die maͤchtige Maſchine iſt von D. Fothergill, dem ſie Knight vermacht hatte, (Phil. Transact. Vol. LXV. for the year 1776.) beſchrieben, und der koͤniglichen Societaͤt zu London geſchenkt worden, die ſie im Muſeum aufbewahret. Sie beſteht aus 2 großen Parallelepipedis, deren jedes auf 500 Pfund wiegt, und 240 ſtark magnetiſirte Stahlſtaͤbe enthaͤlt, die in vier Abtheilungen, jebe zu 60 Staͤben, geordnet ſind. Die 60 Staͤbe liegen mit den gleichnamigen Polen an einander; die Abtheilungen ſelbſt aber beruͤhren ſich mit den ungleichnamigen. Die Spitze einer Magnetnadel, die dieſe Vorrichtung nur beruͤhrt hatte, erlangte eine ſolche Kraft, daß ſie den Magnetiſmus der beſten Nadeln in England zernichtete. Als D. Ingenhouß dieſe Maſchine ſahe, hatte ſie viel von ihrer vorigen Kraft verlohren; Herr Nairne aber hatte es auf ſich genommen, ſie wieder herzuſtellen.
D. Knight verfertigte auch kuͤnſtliche Magneten aus einem Teig, dem er jede Form geben konnte, und der an gelindem Feuer getrocknet, ſteinhart wurde. Erſt nach ſeinem115 Tobe hat Wilſon (Philoſ. Trans. Vol. LXIX. for 1778. no. 5.) bekannt gemacht, daß dieſer Teig aus dem feinſten Eiſenmohr und Leinoͤl beſtand. Den Magnetismus gab er der Paſte durch ſein magnetiſches Magazin. Nach D. Ingenhouß Vermiſchte Schriften, Th. I. S. 402. u. f.) nahm er zu ſolchen Paſten auch pulveriſirten Magnet, Kohlenſtaub und Leinoͤl: Ingenhouß ſelbſt hat mit gutem Erfolg Magnet-oder Eiſenſtaub mit Wachs gebraucht, welches eine biegſame Paſte giebt. Geſchichte des Magnetismus.
Die Kenntniß des natuͤrlichen Magnets iſt ſehr alt. Schon in dem Gedichte von den Steinen (〈…〉〈…〉< * > ika3), das den Namen des Orpheus fuͤhrt, vermuthlich aber von Onomakrit, einem Athenienſer aus den Zeiten des Piſiſtratus, herruͤhrt, wird er unter dem Namen〈…〉〈…〉* magnh / ths4 erwaͤhnt, den er von der Stadt Magneſia in Lydien, wo man ihn vielleicht zuerſt fand, erhalten haben ſoll. Theophraſt und Plato geben ihm den Namen〈…〉〈…〉* hraklei_a li / < * > os5; welches ſich daraus erklaͤrt, weil nach dem Zeugniß eines aͤltern Schriftſtellers beym Euſtathius die Stabt Magneſia in Lydien auch Heraclea hieß. Beym Ariſtoteles heißt er einigemal vorzugsweiſe〈…〉〈…〉h (li / < * > os6, bey ſpaͤtern Schriftſtellern koͤmmt er unter andern Benennungen (〈…〉〈…〉magnh / sia, magnh / ss < * >, sidhri / ths, sidhragwgo\s7) vor.
Plinius (Hiſt. nat L. XXXVI. c. 16.) ſpricht von der Anziehung des Magnets mit Erſtaunen. ” Quid lapidis ri” gore pigrius? Ecce ſenſus manusque tribuit illi natura” Quid ferri duritie pugnacius? Sed cedit et patitur mores. ” Trahitur namque a Magnete lapide, domitrixque illa” rerum omnium materia ad inane neſcio quid currit, at” que ut propius venit, aſſiſtit teneturque et complexu” haeret. “ Außerdem war auch ſchon das Abſtoßen, das Durchwirken durch andere Koͤrper und die Mittheilung bemerkt worden, wie Lucrez, der ſo viele Bemerkungen alter Naturforſcher geſammelt hat, in folgender Stelle (De rer. nat. VI. v. 1400.) angiebt:116 Fit quoque, ut a lapide hoc ferri natura recedat Interdum, fugere atque ſequi conſueta viciſſim. Exultare etiam Samothracia ferrea vidi: Et ramenta ſimul ferri furere intus ahenis In ſcaphiis, lapis hic Magnes cum ſubditus eſſet, Usque adeo fugere a ſaxo geſtire videtur Aere interpoſito, diſcordia tanta creatur. Nirgends aber findet ſich bey den Alten eine Erwaͤhnung der Polaritaͤt, deren Entdeckung ein Werk des Zufalls, und gewiß nicht vor dem zwoͤlften, vielleicht gar erſt im vierzehnten Jahrhunderte n. C. G. gemacht iſt, ſ. Compaß. Der ungemein wichtige Nutzen dieſer Entdeckung fuͤr die Schiffahrt und den Handel machte den Magnet vollends zu einem Gegenſtande der allgemeinen Bewunderung. Durch den haͤufigen Gebrauch, weichen die Schiffer davon machten, ward (doch vielleicht erſt im 16ten Jahrhunderte) die Abweichung und Neigung der Magnetnadel entdeckt; allein man vernachlaͤßigte in den damaligen Zeiten die Erperimentalunterſuchung, und begnuͤgte ſich, die magnetiſchen Erſcheinungen als eines der groͤßten Myſterien der Natur anzuſehen, wodurch man noch mehrere unerklaͤrbare und geheimnißvolle Sympathien und Antipathien glaublich zu machen ſuchte.
William Gilbert, ein engliſcher Arzt (De magnete, magneticisque corporibus et de magno magnete tellure, phyſiologia nova. Lond. 1600. fol.) unternahm es, die magnetiſchen Erſcheinungen in ein Syſtem zu bringen, und den Magnetismus der ganzen Erde dabey zum Grunde zu legen. Er gab zuerſt die kugelfoͤrmigen Magnete oder Terrellen an, von denen er ſich doch mehr verſprach, als ſie in der Folge geleiſtet haben. Jnzwiſchen harte er den Begrif von freundſchaftlichen und feindlichen Polen oder Seiten des Magnets und der Erde richtig gefaßt, und fand damit, weil ſich daraus viel Phaͤnomene erklaͤren, verdienten Beyfall. Kepler, dem dieſe magnetiſche Philoſophie ſehr gefiel, machte davon in der phyſiſchen Aſtronomie Gebrauch, zum Theil aber mit ungluͤcklichem Erfolg, ſ. Gravitation. Nicolaus Cabeus (Philoſ. magnetica. Ferrar. 1629.) trug dieſes Syſtem mit einigen Zuſaͤtzen vor, erwaͤhnte zuerſt117 den Magnetismus des Eiſens, und erklaͤrte alles aus ein - und ausſtroͤmenden Materien. Kircher (Ars magnetica), Schott (Magia naturalis), de Lanis (Magiſterium naturae et artis) haben viele Beobachtungen uͤber den Magnet geſammelt, und Kunſtſtuͤcke angegeben, die ſich mit Huͤlfe deſſelben bewirken laſſen. Aber die damaligen Kenntniſſe vom Magnet waren durch eine Menge Fabeln verunſtaltet. Man glaubte z. B., daß er durch Reiben mit Knoblauch und durch die Beruͤhrung des Diamants ſeine Kraft verliere, daß Muhammeds Sarg durch zween Magnete in der Luft ſchwebend erhalten werde, daß nach Galens Behauptung ein Pflaſter von Magnetſtaub Eiſen aus den Wunden ziehe u. dgl.
Descarres gab in ſeinen Principiis philoſophiae eine mechaniſche Erklaͤrung der magnetiſchen Erſcheinungen durch den doppelten Wirbel einer Materie aus ſchraubenaͤhnlichen Theilchen. Seitdem hat man faſt allgemein eine beſondere magnetiſche Materie angenommen. Weit vortheilhafter aber waren die Erperimentalunterſuchungen, wozu die florentiner Akademie del Cimento, und bald nachher die gelehrten Geſellſchaften zu Paris und London Gelegenheit gaben. Dieſe ſchaͤtzbaren Erfahrungen hat Muſſchenbroek (Diſſ. phyſica exp. de Magnete, in ſ. Diſſ. phyſ. et geom. Lugd. Bat. 1729. 4. No. 1.) geſammelt, und mit eignen vermehrt. In dieſen Zeitraum gehoͤrt auch Vallemonts Entdeckung eines urſpruͤnglichen Magnetismus in der Spitze des Kirchthurms zu Chartres (Deſcription de l'aimant, qui s'eſt formé à la pointe du clocher neuf de Notre Dame de Chartres. à Paris, 1692. 12. ), und Halleys ſinnreiche Theorie der Abweichungen der Magnetnadel. Was man damals vom Magnete aus Erfahrung wußte, findet ſich in Wolfs nuͤtzlichen Verſuchen (Th. III. Cap. 4.) beyſammen.
Descartes Hypotheſe ward zuerſt von Dalencé (Traité de l'aimant. Amſt. 1687. 8. ) verbeſſert, der den doppelten Wirbel in einen einfachen, und die ſchrauben foͤrmigen Gaͤnge in Canaͤle? mit Faſern verwandelte. Dieſe Gedanken haben nachher duͤ Fay, Euler und duͤ Tour weiter118 ausgefuͤhrt, da hingegen Johann und Daniel Bernoulli den doppelten Wirbel wiederum angenommen haben.
Eine der wichtigſten Entdeckungen des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts betrift die urſpruͤngliche Erregung und große Verſtaͤrkung der Kraft in den kuͤnſtlichen Magneten. Herr von Reaumuͤr (Mém. de Paris, 1723.) machte zuerſt Beobachtungen uͤber die Mittel, das Eiſen ohne Magnet zu magnetiſiren, und duͤ Fay ſetzte dieſelben in den Jahren 1728, 1730, 1731 fort. Was in England Savery, Marcel, Knight, Mitchel und Canton hierinn geleiſtet haben, iſt nebſt den neuern Methoden des Antheaulme ſchon oben angefuͤhrt worden. Die aͤltern erzaͤhlt der P. Kivoite (Traité ſur les aimans artificiels. à Paris 1752. 12. ); mehrere dazu gehoͤrige Verſuche hat Nebel (Diſſ. de magnete artiſiciali. Ultraj. 1756. 4. uͤberſ. im Hamburg. Magaz. B. XVII. S. 227.) angeſtellt.
Durch die zwiſchen Elektricitaͤt und Magnetismus entdeckten Aehnlichkeiten ſind die Syſteme der magnetiſchen Wirbel ſehr zweifelhaft geworden. Aepinus (Sermo acad. de ſimilitudine vis electr. et magnet. Petrop. 1758. 4. uͤberſ. i. Hamb. Magaz. B. XXII. S. 227. ingſ. Tentamen theoriae electr. et magnetismi. Petrop. 1759. 4. verſuchte Franklins Theorie der Elektricitaͤt auf den Magnet anzuwenden. Brugmans aber und Wilke (Schwed. Abhdl. v. J. 1766. im 28 ſten B. der deutſch. Ueberſ. ) haben faſt noch gluͤcklicher zwo magnetiſche Materien zur Erklaͤrung angenommen; da hingegen Herr van Swinden ſich gaͤnzlich gegen die Vorausſetzung magnetiſcher Fluͤßigkeiten erklaͤrt. Unſtreitig ſind wir in der Kenntniß des Magnets noch allzuweit zuruͤck, um uͤber dieſe Achnlichkeit mit der Elektricitaͤt entſcheiden zu koͤnnen, welche inzwiſchen eine ſehr bequeme Vorſtellungsart verſchaft, und die ſo mannigfaltigen magnetiſchen Erſcheinungen auf wenige einfache Geſetze zuruͤckfuͤhrt, wobey man nur nicht glauben muß, die phyſiſche Urſache zu kennen, die ja ſelbſt bey der Elektricitaͤt noch unbekannt iſt.
Die Lehre vom Magnet iſt in ihrer neuſten Geſtalt von Tiberius Cavallo (Treatiſe on Magnetism in theory and practice. London, 1787. 8maj. uͤberſ. Leipzig, 1788.119 gr. 8.) kurz und lehrreich vorgetragen worden. Wenn man hiemit Brugmans Tentamina philoſophica nach der vom Verfaſſer ſelbſt ſehr bereicherten deutſchen Ueberſetzung des Herrn Doctor und Profeſſor Eſchenbach (Philoſ. Verſuche uͤber die magnetiſche Materie. Leipzig, 1784. 8. ) verbindet, ſo findet man eine ſehr richtige und vollſtaͤndige Belehrung. Kunſtſtuͤcke mit verſteckten Magneten, worinn es beſonders Comus in Paris ſehr weit gebracht hat, beſchreiben Guyot (Phyſikal. und mathemat. Beluſtigungen, Th. I.) und Weigleb (Natuͤrl. Magie, S. 67 — 132.). Hypotheſen uͤber die Urſache des Magnetismus.
Seit Gilberts Zeiten iſt man daruͤber einig, daß die magnetiſchen Erſcheinungen großentheils vom Magnetismus der Erdkugel herruͤhren, den man hiebey als ein unbezweifeltes Phaͤnomen zum Grunde legen kan. Daraus folgt, daß bey jedem Magnete das im Kleinen vorgeht, was bey der Erde im Großen ſtatt findet, und man fragt nun, was dieſes ſey.
Descartes (Princip. philoſ. P. IV. §. 113. ſqq. ) nimmt an, eine feine aus Schraͤubchen oder Spiralen beſtehende Materie ſtroͤme aus dem Nordpole jedes Magnets in den Suͤdpol; eine aͤhnliche aus Schraͤubchen, die nach der entgegengeſetzten Richtung gewunden ſind, ſtroͤme aus dem Suͤdpole in den Nordpol. Im Eiſen gebees ausgehoͤhlte Canaͤle, wie Schraubengaͤnge gewunden, von zwo Sorten, jede fuͤr eine der gedachten Materie paſſend. Dieſe Canaͤle ſind entweder ſchon da, oder die Materie bildet ſie erſt zwiſchen den nachgebenden Faͤſerchen des Eiſens. Die aus den Polen ſtroͤmenden Materien finden Widerſtand in der Luft, bilden daher Wirbel, und gehen an beyden Seiten des Magnets in den andern Pol durch krumme Linien zuruͤck.
Hieraus wird nun erklaͤrt, wie die Wirbel der Erdkugel jedem Magnete die Richtung geben, wie eben dies geſchieht, wenn man zween Magnete an einander bringt, wie alsdann Anziehung erfolgt, wenn die freundſchaftlichen Pole zuſammen kommen, und die Wirbel beyder Magnete120 in einen einzigen zuſammengehen, wie hingegen Repulſion entſteht, wenn die aus feindlichen Polen ſtroͤmenden Materien ſich Platz zu ihren Wirbeln machen muͤſſen, u. ſ. w. Das Williuͤhrliche in dieſem Syſtem faͤllt in die Augen, und der angenommene Widerſtand der Luft widerſpricht den Verſuchen, welche im luftleeren Raume eben ſo erfolgen; dennoch bleibt dem Descartes das Verdienſt, die Bahn gebrochen und Andere auf leichtere Theorien geleitet zu haben.
Dalencé, dem eine Materie aus Schrauben mit Recht mißfiel, ſetzte an die Stelle der carteſianiſchen Schraubengaͤnge Canaͤle mit Faſern oder Klappen, welche die durchſtroͤmende Fluͤßigkeit nur nach einer Richtung durchlaſſen, nach der andern aber ihr den Wog verſchließen. Auch nahmer ſtatt des doppelten Wirbels nur einen einfachen an (ſ. Act. Erud. Lipſ. 1687. Aug. p.424.). Dieſe Hypotheſe trug auch duͤ Fay (Mém. de Paris, 1728.) vor, und nahm an, daß die aus dem Suͤdpole der Erde ſtroͤmende Materie in den Suͤdpol des Magnets eingehe, durch den Nordpol wieder heraustrete, und durch den Widerſtand der Luft umgelenkt zum Suͤdpole zuruͤckkehre, auch daß die Faſern des Eiſens bey ſenkrechter Stellung eines Stabs durch ihre Schwere oder durch Haͤmmern u. dgl. in die gehoͤrige Richtung kaͤmen, woraus er den von Vallemont und Reaumur entdeckten urſpruͤnglichen Magnetismus erklaͤrt. Dies wurde noch umſtaͤndlicher durch die Herren Euler, duͤ Tour, auch Johann und Daniel Bernoulli ausgefuͤhrt (Recueil des pieces, qui ont remporté les prix de l'ac. des Sc. To. V.), als die pariſer Akademie die Preisfragen fuͤr 1744. und 1746. auf dieſen Gegenſtand gerichtet hatte.
Euler (Opuſc. To. III. continens nouam theoriam magnetis praemio condecor. 1744. Berol. 1751. 4. ) haͤlt die magnetiſche Materie fuͤr die ſeinern Theile des Aethers, welche ſich mit den uͤbrigen groͤbern Theilen nicht ohne Schwierigkeit vereinigen koͤnnen. Die Gaͤnge des Magnets und Eiſens ſind Canaͤle, wie AB Taf. XVI. Fig. 36. mit Faſeru, die ſich von A nach B neigen, und Klappen121 bilden, welche den feinen Aether zwar von A nach B, nicht aber ruͤckwaͤrts durchlaſſen. So dringt dieſer feinere Aether wegen ſeiner aͤußerſten Elaſticitaͤt bey A ein, ſtroͤmt bey B hervor, und wird hier durch den Widerſtand des groͤbern Aethers in einem einfachen Wirbel nach A zuruͤck getrieben. Dies dauert ſo lang, bis ſich beyde Arten des Aethers nach und nach wieder vermiſcht haben. Die Erde ſelbſt iſt wegen der großen Menge Eiſen und Magnet, die ſie in ſich faßt, mit aͤhnlichen Gaͤngen erfuͤllt, und ſo mußte ſich um ſie ein großer Wirbel bilden.
Hiebey iſt nun freylich die Luft entbehrlich; aber es iſt auch ſehr gewagt, den Aether, von dem man gar keine Erfahrungen hat, noch in zwo Sorten von verſchiedener Feinheit zu ſondern. Uebrigens muͤßte der Erdwirbel den Wirbel des Magnets beſtaͤndig ſtoͤren. Euler entſcheidet zwar nicht, aus welchem Pole der Erde der Aether komme, und in welchen er Zehe. Aber man ſetze, er komme von A, ſo muß er die Geſchwindigkeit des aus dem Magnete von B her zuruͤckkehrenden Aethers vermindern. Koͤmmt er aber von B, ſo wird er entweder die Stellung des Magnets BA umkehren, und die vorige Schwierigkeit wiederbringen, oder es wird ſonderbar bleiben, daß er von B herkoͤmmt, und doch von A einſtroͤmt. Auch bleibt beym einfachen Wirbel unbegreiflich, wie beyde Pole ein unmagnetiſches Eiſen mit gleicher Staͤrke und Geſchwindigkeit anziehen koͤnnen. Endlich beſtimmt Euler ſelbſt, daß nach ſeiner Hypotheſe die gerade Figur die geſchickteſte zu ſtarken Magneten ſeyn muͤſſe, da doch der Erfahrung gemaͤß die hufeiſenfoͤrmigen Magnete den geraden Staͤben an Staͤrke nichts nachgeben.
Duͤ Tour nimmt eben den einfachen Wirbel und eben den klappenartigen Bau der Canaͤle des Eiſens an, ſcheint aber die Schwierigkeit wegen der Stoͤrung und gehinderten Bewegung des Wirbels mehr gefuͤhlt zu haben. Er legt alſo den Faſern des Eiſens eine Kraft bey, die Oefnungen zu verengern und zu erweitern, und laͤßt dadurch die magnetiſche Materie waͤhrend des Durchgangs122 immer neue Stoͤße erhalten, die ihr mehr Geſchwindigkeit mittheilen, als ihr der widerſtehende Strom auf dem Ruͤckwege nehmen kan. Dies heißt aber eine Hypotheſe auf die andere ſetzen. Uebrigens erklaͤrt duͤ Tour die Entſtehung des Wirbels aus dem Widerſtande der Luft, ohne ſich an die Verſuche im luftleeren Raume zu kehren.
Daniel und Johann Bernoulli hingegen nehmen den doppelten Wirbel des Descartes an, und legen deshalb in das Eiſen Canaͤle von doppelter Art, wie AB und CD, Taf. XVI. Fig. 36., deren Klappen ſich nach entgegengeſetzten Seiten oͤſnen. Die Faſern ſind elaſtiſch, und druͤcken, wenn ſie in ſchwingende Bewegung gerathen, die magnetiſche Materie aus den zwiſchen ihnen befindlichen Raͤumen durch die Klappen heraus. Die Elaſticitaͤt der Materie ſelbſt, welche in der innern Bewegung der Theile beſteht, wird beym Durchgange durch ſo enge Roͤhren gehemmt, und die Bewegung in eine blos fortgehende verwandelt; beym Ruͤckgange zum andern Pol aber kehrt dieſe Elaſticitaͤt nach und nach wieder zuruͤck. Die Erſcheinungen laſſen ſich hieraus ganz gut erklaͤren; allein wie koͤnnte wohl die Verwirrung unter den in verſchiedenen Richtungen bewegten Wirbeln vermieden werden, und muͤßte nicht jeder Magnet und alles Eiſen faſt aus lauter Faſern beſtehen, deren Lage oft durch einen einzigen Strich eines ſtarken Magnets umgekehrt wuͤrde, da ſich die Pole ſo leicht verwechſeln laſſen?
Unſtreitig haben die Figuren, Taf. XVI. Fig. 27., welche der Feilſtaub auf Glas bey untergelegtem Magnet annimmt, viel dazu beygetragen, die Syſteme der Wirbel in Anſehen zu erhalten. Muſſchenbroek (Diſſ. de magnete. Tab. III. et IV. ) und Bazin (Deſeription des courants magnetiques. à Strasb. 1753 4. deutſch im Hamburg. Magaz. B. XII. S. 579.) haben dieſe Figuren Zenau unterſucht und abgebildet. Sie beweiſen aber gar nichts fuͤr die Wirbel, und Muſſchenbroek (p. 119.) erklaͤrt ſie ſchon ſehr richtig. Brugmans (Philoſ. Verſ. S. 99. u. f.) beſtreitet die Syſteme der magnetiſchen Wirbel mit Gruͤnden, denen man ſchwerlich etwas gleich Starkes wird123 entgegenſetzen koͤnnen. Man kan durch den magnetiſchen Wirbel kein ſtaͤhlernes Rad umtreiben, wie durch den elektriſchen Strom moͤglich iſt, und ein ſchwimmender Magnet wird weder gen Suͤden noch gen Norden fortbetrieben.
Aepinus nimmt, wie Franklin bey der Elektricitaͤt, eine einzige magnetiſche Materie an, deren Theile einander abſtoßen, von den Theilen des Magnets und Eiſens aber angezogen werden. Das Eiſen ſetzt der Bewegung dieſer Materie durch ſeine Zwiſchenraͤume Hinderniſſe entgegen, und verhaͤlt ſich daher, wie ein Nichtleiter, doch naͤhert ſich weiches Eiſen etwas mehr der Natur der Leiter; dagegen giebt es gar keine magnetiſchen Leiter in dem Sinne, daß ſolche die Materie anziehen und frey durchlaſſen ſollten. So entſtehen die magnetiſchen Erſcheinungen aus dem Ueberfluß oder Mangel der natuͤrlichen Menge magnetiſcher Materie, und es giebt einen poſitiven und negativen Magnetismus mit Wirkungskreiſen, in welchen die Vertheilung nach eben den Geſetzen, wie bey der Elektricitaͤt, erfolgt. Die Phaͤnomene der Mittheilung fehlen, weil es keine Leiter giebt; doch im Eiſen ſelbſt, vorzuͤglich im weichen, heben ſich Ueberfluß und Mangel wieder auf, und ſtellen das natuͤrliche Gleichgewicht her. Dieſe ſehr einfache Hypotheſe hat doch gleiche Schwierigkeiten mit der franklinſchen Theorie ſelbſt, und noch außerdem dieſe, daß man dem Eiſen unmoͤglich eben die Undurchdringlichkeit fuͤr die magnetiſche Materie beylegen kan, welche die Nicht-Leiter fuͤr die elektriſche zeigen.
Wilke und Brugmans wollen daher lieber zwo beſondere magnetiſche Materien annehmen. Der Erſtere giebt ihnen die Namen der poſitiven und negativen, der Letztere die der noͤrdlichen und ſuͤdlichen. Die gleichartigen Materien ziehen ſich an, die entgegengeſetzten ſtoßen ſich ab. In dieſem einfachen Satze liegen alle Erklaͤrungen der Phaͤnomene des + M und — M. Nur die Ausdruͤcke ſind bey Brugmans noch etwas mehr hypothetiſch. Das Anziehen der ungleichnamigen Pole, z. B.124 erklaͤrt er daraus, daß ſich die noͤrdliche Materie am einen mit der ſuͤdlichen am andern ins Gleichgewicht ſetzt, daher die Elaſticitaͤt der umgebenden Materie die Magnete zuſammentreibt. Man ſieht, daß er ſich nicht mit dem ſimpeln Phaͤnomene der Anziehung beſriedigen will, ſondern noch eine Urſache davon ſucht, und dieſe im Drucke der umgebenden Materie zu finden glaubt. Wenn man dieſe Idce entfernt, und ſeine Ausdruͤcke nach der gewoͤhnlichen Sprache durch Anziehen, Abſtoßen, Binden, Freylaſſen uͤberſetzt, ſo enthaͤlt ſein Buch einen wahren Schatz von wichtigen Beobachtungen, welche unabhaͤngig von allen Hypotheſen die wahren Geſetze des Magnetismus beſtaͤrken.
Herr Kratzenſtein (ſ. Lichtenbergs Magaz. fuͤr das Neuſte aus der Phyſ. I. B. 4. St. S. 132. u. f.) ſucht die magnetiſchen Erſcheinungen aus einer oſcillirenden oder wellenfoͤrmigen Bewegung der magnetiſchen Materie herzuleiten, bey der ſich die Welle an einem Pole zuſammenzieht, wenn die am andern ſich ausbreitet. Die kleinern Theile des Magnets oſcilliren uͤbereinſtimmend mit den Wellen der allgemeinen magnetiſchen Atmoſphaͤre, wie gleichgeſtimmte Saiten in ſchallender Luft. Das Eiſen iſt dieſer Vibrationen faͤhig, weil ihm die merkurialiſche Elementarerde mangelt, die in den andern Metallen aͤhnliche Bewegungen hindert. In den uͤbrigen Koͤrpern iſt vermuthlich die Gegenwart des Acidums, oder der Mangel des Brennbaren, oder die geringe Dichte Schuld an dem Mangel der magnetiſchen Eigenſchaften. Alle dieſe Behauptungen moͤchten wohl eben ſo ſchwer, als das Daſeyn der Merkurialerde in den Metallen, zu beweiſen ſeyn.
Herr Gabler (Naturlehre, Muͤnchen, 1778. 8. ingleichen Theoria magnetis, explicauit Matth. Gabler. Ingolſt. 1781. 8. ) bringt die Theorie des Magnets auf den Satz, daß alle Eiſentheilchen, jedes fuͤr ſich, wahre Magneten ſind, und im Eiſen nur wegen ihrer unordentlichen Lage keine magnetiſchen Erſcheinungen aͤußern koͤnnen. Dies iſt ſehr ſinnreich ausgedacht, und es laͤßt ſich ungemein viel125 daraus erklaͤren. Was aber die erſte Urſache des Magnetismus ſey, bleibt dabey noch immer unerklaͤrt. Rittenhouſe (Transactions of the american philoſophical Society at Philadelphia. Vol. II. 1786. 4) traͤgt eine ſehr aͤhnliche Theorie vor, nach welcher zwar nicht alle, aber doch viele Theile des Eiſens, Magnete ſeyn ſollen, die aber erſt durch einen darangehaltenen Magnet, oder durch Haͤmmern, in ihre rechte Lage kommen. Ueberdies nimmt er an, es ſey durch die ganze Natur eine gewiſſe Kraft verbreitet, welche auf dieſe kleinen Magnetchen nach der Richtung der Magnetnadel wirke, welches er durch Verſuche mit Stangen zu beweiſen ſucht, die in den magnetiſchen Meridian gelegt, durch bloßes Klopſen magnetiſch werden.
Herr van Swinden bleibt ganz bey den Geſetzen des Magnetismus ſtehen, und haͤlt es fuͤr uͤberfluͤßig, magnetiſche Materien anzunehmen, die doch nur unzureichende und hypothetiſche Erklaͤrungen verſchaften, und uͤber deren Natur, Bewegung und Wirkungsart man keine Erfahrungen habe. Brugmans vertheidigt dagegen dieſe Materien ſehr ernſtlich. Er glaubt, man fuͤhle ſie, wenn man zwey große Magnete mit den freundſchaftlichen Polen an einander ſtreiche; Newton billige ja ſelbſt die Verſuche, die Anziehung aus dem Drucke einer Materie zu erklaͤren, und man koͤnne doch die bewunderungswuͤrdige Erzeugung, Verſtaͤrkung, Schwaͤchung und Vertilgung des Magnetismus bey unveraͤnderter Maſſe, unmoͤglich einer anziehenden Kraft allein zuſchreiben. Wie es auch um das Fuͤhlen der Materien ſtehen mag, ſo verdienen doch die uͤbrigen Gruͤnde Herrn Brugmans allen Beyfall. Allerdings ſind die Geſetze das einzige Gewiſſe, die Urſachen ſind verborgen und ungewiß: das iſt aber noch kein Grund, alle Unterſuchungen und Muthmaßungen daruͤber abzubrechen, welche doch ohne Vorausſetzung von Materien nicht wohl ſtatt finden. Denn was ſoll das ſeyn, das ſich bindet und frey laͤßt, wenn es nicht ein rcelles Weſen, oder eine Materie, iſt? 126
Die Aehnlichkeit des Magnetismus mit der Elektricitaͤt, welche nach Muſſchenbroek (Introd. ad philoſ. nat. §. 996.) auch Aepinus (Nov. Comm. Petrop. To. X. p. 296.), Cigna (Miſcell. Taurin. To. I. uͤberſetzt im Neuen Hamb. Mag. VI. Band, S. 35.) und die Verfaſſer der bayriſchen Preisſchriften fuͤr die Jahre 1774. u. 1776, Steiglehner und Huͤbner (Recueil des mém. ſur l'analogie de l'electricité et du magnetisme par van Swinden. III Tomes. à la Haye, 1784. 8. ) aus einander geſetzt haben, koͤnnte wohl auf den Gedanken leiten, daß beyderley Phaͤnomene durch eben dieſelben Materien bewirkt wuͤrden. Vielleicht ſind aber dieſe Aehnlichkeiten nur allgemeine Geſetze der Wirkungsart mehrerer elaſtiſchen Fluͤßigkeiten. Es findet ſich dagegen auch viel Unaͤhnliches zwiſchen Elektricitaͤt und Magnet, wie Franklin (Lettre à Mr. Barbeu Dubourg, in Sigaud de la Fond Precis des phénom. électriques. Paris, 1781. 8.) Lichtenberg (Anmerk. zu Errleb. Naturl. § 569.) und beſonders van Swinden (in dem erſt angefuͤhrten Recueil des mém) zeigen, z. B. in der langen Dauer und großen Staͤrke der magnetiſchen Anziehung, daß ſich der Magnetismus blos auf Eiſen einſchraͤnkt daß man das + M und — M durch keinen Schlag vereinigen kan u. ſ. w. Schillings Beobachtungen uͤber den Zitteraal (Nouv. mém. de l'acad. de Pruſſe. 1770. p. 68.). nach welchen die Erſchuͤtterung dieſes Fiſches mit dem Magnet zuſammenzuhaͤngen ſchien, ſind von Ingenhouß und Spallanzani falſch befunden worden, ſ. Zitteraal.
Petr. van Muſſchenbroek Diſſ. de magnete, in Diſſ. phyſ. exp. et geom. Lugd. bat. 1729 4 maj.
Ejusd. Introductio ad philoſ. nat. To. I. cap. 19. §. 945. ſqq.
Anton Brugmans Beobacht. uͤber die Verwandtſchaft des Magnets; aus dem Latein. von C. G. Eſchenbach. Leipz. 1781. 8.
Ebend. Philoſoph. Verſuche uͤber die magnetiſche Materie; a. d. Lat. mit Zuſaͤtzen des Verf. von C. G. Eſchenbach. Leipz. 1784. 8.
Karſtens Anleitung zur gemeinnuͤtzl. Kenniniß der Natur. XXI. Abſchn. 127
Errlebens Anfangsgr. der Naturl. durch Lichtenberg. XI. Abſchn §. 553. u. f.
Tib. Cavallo Abhandl. vom Magnetismus; a. d. Engl. Leipz. 1788. gr. 8.
Der Inbegrif der magnetiſchen Erſcheinungen, oder auch der Zuſtand eines Koͤrpers, in welchem er dieſe Erſcheinungen zeigt. So viel man aus den bisherigen Erfahrungen folgern kan, ſcheinen blos der Magnet und das Eiſen eines ſolchen Zuſtands faͤhig zu ſeyn, und wenn andere Koͤrper magnetiſche Erſcheinungen zeigen, ſo geſchieht dies blos, in ſo fern ſie Eiſen im metolliſchen Zuſtande bey ſich ſuͤhren.
Natuͤrlicher Magnetismus koͤmmt dem Magnete, kuͤnſtlicher dem durch Veranſtaltungen magnetiſirten Eiſen oder Stahle zu. Der Letztere iſt entweder mitgetheilter, wenn man ſich zu dieſen Veranſtaltungen anderer Magnete bedient, oder urſprtuͤnglicher, wenn man bey Erregung deſſelben blos den der ganzen Erdkugel eignen Magnetismus genuͤtzt hat. In beyden Faͤllen iſt eigentlich nur Stoͤrung des Gleichgewichts durch Vertheilung vorhanden, ſ. Magnet.
Man hat viel von Einwirkungen des Magnets in den menſchlichen und thieriſchen Koͤrper geſprochen, durch welche Veranlaſſung auch der Name des thieriſchen Magnetismus (Magnetisme animal) entſtanden iſt. Nach Kirchers Bericht (Magnes ſ. de arte magnetica. Colon. Agripp. 1643.) haben ſchon Galen, Dioſcorides und Avicenna dem Magnet eine Kraft zugeſchrieben, die dicken Saͤfte im menſchlichen Koͤrper zu verbeſſern, Kroͤpfe zu heilen und Nervenſchmerzen zu lindern: auch hat man ihn nach neuern Erfahrungen als ein Mittel wider Zahnweh und Magenkrampf angeprieſen. Da das Eiſen ein ſo allgemein verbreiteter Stof iſt, und man es wirklich ſowohl in den Saͤften, als in den feſten Theilen der Pflanzen und Thiere findet, ſo ließe ſich wohl die Moͤglichkeit eines ſolchen thieriſchen Magnetismus begreiflich machen:128 allein man hat von dem allen noch keine ſichern Erfahrungen.
Hingegen iſt mehr als zu wohl bekannt, daß die Wirkungen, welche Meßmet anfaͤnglich in Wien, und dann in Paris, vermittelſt des Magnets im menſchlichen Koͤrper hervorzubringen ſuchte, Anlaß zu einer ganz neuen und ſonderbaren Idee vom thieriſchen Magnetismus gegeben haben, der zufolge man durch gewiſſe Behandlungen und Manipulationen des Koͤrpers mit oder ohne Magnet geheime Kraͤfte erwecken und mittelſt verborgner Einfluͤſſe Desorganiſation, Somnambulismus, Divinationsvermoͤgen, Criſen, Heilung vieler Krankheiten und andere Wunder bewirken will. Einſichtsvolle Maͤnner haben dies aufs hoͤchſte fuͤr ein Spiel erklaͤrt, das man mit der Einbildungskraft nervenkranker oder ſonſt getaͤuſchter Menſchen treibt (ſ. Rapport des Commiſſaires chargés par le Roi de l'examen du magnetisme animal. Paris, 1784. 4. ): unlaͤugbar aber hat ſich auch Schwaͤrmercy, und oft ſogat grober Betrug, in die Sache gemiſcht. Hoffentlich werden dieſe Taͤuſchungen, wie viele andere, von ſelbſt aufhoͤren, wenn ihre Zeit voruͤber ſenn wird. Da ſie mit dem phyſikaliſchen Magnetismus nichts gemein haben, und die jetzigen Magnetiſeurs ſogar den Magnet nicht mehr gebrauchen, ſo gehoͤrt alles dies nur in ſofern hieher, als man dabey den Namen Magnetismus mißbraucht: uͤbrigens iſt es der Wuͤrde des Phyſikers gemaͤß, ganz davon zu ſchweigen.
D. Ingenhouß (Vom Magnete, in ſ. Vermiſchten Schriften, Th. I. S. 411.), ein eben ſo einſichtsvoller Arzt, als großer Naturforſcher, druͤckt ſich uͤber die wiener Vorgaͤnge mit folgenden Worten aus:” Ich weiß keine ſichere” Thatſache, welche bewieſe, daß die magnetiſche Kraft auf” die thieriſche Haushaltung einigen Einfluß habe. Das,” was ich ſelbſt zu ſehen Gelegenheit hatte, und welches am” meiſten Geſchrey machte, und gewiſſen uͤbrigens einſichts” vollen Perſonen das groͤßte Vertrauen einfloͤßte, hat, im” Grunde unterſucht, mich dergeſtalt entfernt, ihm je” mals den mindeſten Glauben beyzumeſſen, daß es ſogar129” die Moͤglichkeit, in Zukunft aͤhnliche Faͤlle, von welchem” Anſehen ſie auch unterſtuͤtzt werden moͤchten, zu glauben,” in mir vertilgt hat. “
Acus magnetica, Verſorium, Aiguille aimantée. Dieſen Namen fuͤhren die mit dem Magnet beſtrichenen ſtaͤhlernen Nadeln oder langen duͤnnen Platten, welche ſich, wenn ſie frey haͤngen, mit ihren beyden Enden gegen die magnetiſchen Pole der Erde kehren, und dadurch zu Erforſchung der Weltgegenden dienen. Zwar ſind die magnetiſchen Pole der Erde nicht einerley mit den Polen ihrer Umdrehung, und die Richtung der Magnetnadel faͤllt alſo nicht in die Mittagslinie ſelbſt, ſ. Abweichung der Magnetnadel: auch ſteht die in ihrem Schwerpunkte aufgehangene Nadel nicht wagrecht, ſondern neigt ſich mit einem Ende gegen den Horizont, ſ. Neigung der Magnetnadel. Hier ſetzen wir dieſe beyden Umſtaͤnde inzwiſchen beyſeit, und nehmen die Nadel ſo aufgehangen an, daß der eine Theil etwas ſchwerer als der andere iſt, damir ſie ſich der Neigung ohngeachtet wagrecht ſtelle. So bleibt noch die Materie der Nadeln, ihre Geſtalt, die Art, ſie zu beſtreichen, und ihre Aufhaͤngung zu betrachten uͤbrig.
Man verfertigt die Magnetnadeln am beſten aus dem feinſten und haͤrteſten Stahle. Das Haͤrten des Stahls veraͤndert aber oft ſeine Geſtalt, und macht ihn krumm, beſonders wenn er eine laͤngliche Form hat. Man muß daher die Magnetnadeln beym Feilen etwas breiter laſſen, als noͤthig iſt, und ihnen erſt nach dem Haͤrten ihre gehoͤrige Geſtalt und Groͤße durch Abſchleifen geben. Gewoͤhnlich bringt man die Nadeln nach Muſſchenbroeks Vorſchlage nur auf die blaue Federhaͤrte. Allein dies iſt gar nicht zu billigen. Sie nehmen zwar in dieſem Zuſtande den Magnetismus ſchneller an; aber ſie verlieren ihn auch wiederum weit leichter.
Die Geſtalt der Nadeln muß ſo einfach, als moͤglich, und frey von hervorragenden Theilen und unregelmaͤßigen130 Verzierungen ſeyn. Man muß ſie ſo einrichten, daß ſie nicht mehr als zween magnetiſche Pole haben, und daß dieſe in einerley Vertikalebne mit dem Aufhaͤngungspunkte fallen. Die gewoͤhnliche Form eines Pfeils, oder einer Nadel mit einer Lilie an der Spitze iſt alſo gerade eine der unſchicklichſten. Am beſten iſt die Geſtalt eines Parallelogramms oder einer duͤnnen ablangen Platte, deren Enden ſich entweder geradlinicht, oder mit zween Linien ſchlieſſen, die unter einem ſehr ſtumpfen Winkel zuſammenſtoſſen. Cavallo raͤth, um die Pole ſicherer in die Axe zu bringen, an, die Nadeln nicht breit, ſondern lieber etwas dicker zu machen, wenn man ihnen ja mehr Maſſe geben will. Die gewoͤhnlichen zu Seecompaſſen ſind zwiſchen 4 und 5 Zoll lang; bey denen, die zur Beobachtung der taͤglichen Variation dienen, geht man bis 8 Zoll.
Man kan den Nadeln durch armirte natuͤrliche oder durch kuͤnſtliche Magnete die Polaritaͤt entweder vermittelſt des einfachen oder des Doppelſtrichs mittheilen, ſ. Magnet. Am ſtaͤrkſten aber laſſen ſie ſich nach der von D. Knight angegebnen Methode ſo magnetiſiren. Man legt zween ſtarke kuͤnſtliche Magnetſtaͤbe in eine gerade Linie mit den freundſchaftlichen Polen zuſammen, ſetzt mitten auf dieſelben da, wo ſie ſich beruͤhren, die in ihrer Mitte durchloͤcherte Nadel auf, befeſtiget dieſelbe ſo, daß ihre beyden Helften laͤngſt der beyden an einander gelegten Staͤbe hin liegen, und zieht alsdann beyde Staͤbe aus einander, ſo, daß ſie langſam unter den beyden Helften der Nadel hin gleiten. Wenn man alsdann die Magnetſtaͤbe von der Seite her wieder unter die Nadel bringt, und das Verfahren wiederholt, ſo kan man der letztern eine ſehr ſtarke Kraft mittheilen. Bey D. Knight's ſtarken kuͤnſtlichen Magneten war ein einziger Strich ſchon hinreichend.
Was die Arten der Aufhaͤngung betrift, ſo koͤnnte die einfachſte Magnetnadel eine gewoͤhnliche mit dem Magnet beſtrichene Naͤhnadel ſeyn, die entweder an einem um die Mitte gebundenen Faden ſchwebend aufgehangen, oder131 mit ein wenig Kork auf der Oberflaͤche des Waſſers in einem Gefaͤße ſchwimmend erhalten wuͤrde. Von dieſen beyden Methoden aber wuͤrde die erſte wegen der Steifheit und des Drehens der Faͤden, die zwote wegen der Bewegung gegen die Raͤnder des Gefaͤßes ſehr unbequem ſeyn. Das gewoͤhnlichſte und beſte Mittel, den Nadeln ein freyes Spiel zu geben, iſt alſo dieſes, daß man ſie horizontal mit ihrer Mitte auf ſehr ſcharfen Spitzen ruhen laͤßt. Man giebt ihnen in dieſer Abſicht in der Mitte ein Huͤtchen (chape, chapelle), oder eine koniſche Hoͤhlung, deren Scheitel auf dem Stifte ſo ruhet, daß der Schwerpunkt der Nadel gerade unter dieſen Aufhaͤngungspunkt faͤllt. Die Nadel wird dabey in der Mitte durchbohrt, in die Oefnung ein Stuͤck geſchlagnes Meſſing gepaſſet, und in dieſes die kegelfoͤrmige Hoͤhlung gebohrt. Der Stift iſt gewoͤhnlich von Meſſing, mit einer ſtaͤhlernen Spitze. Damit dieſe ſich nicht in das Meſſing einbohre, ſetzt man bey den deſten Nadeln ein Stuͤck Agat auf den obern Theil des Meſſings, wodurch ſie ein ſehr freyes und leichtes Spiel erhalten. Dies heiſſen Nadeln mit Agathuͤten; ſ. Taf. XVI. Fig. 37.
Um das Durchbohren der Nadeln zu vermeiden, welches Einige wegen der unregelmaͤßigen Geſtalt ſuͤr nachtheilig halten, hat man folgende Aufhaͤngungsart vorgeſchlagen. Die Nadel AB, Taf. XVI. Fig. 38. wird an das umgebogne meſſingne Stuͤck CED befeſtiget, in deſſen Mitte bey E ein Agathuͤtchen angebracht iſt. In das Gehaͤuſe KL, Fig. 39. wird ein Stab FH eingelegt; dieſer hat auf ſeiner Mitte einen zugeſpitzten Stift I, auf welchem E, Fig. 38. ruht; die Nadel AB bewegt ſich unter dem Stabe FH, welcher zwiſchen ihr und CD durchgeht. Hiebey kan aber die Nadel noch nicht voͤllig eine halbe Umwendung machen. Auch lehren die Verſuche, daß das Durchbohren der Richtung der Nadel nicht ſchadet, daß man ſie auch ohne Bedenken in der Mitte etwas breiter machen kan, wenn nur alles wohl abgerundet und auf beyden Seiten gleichfoͤrmig gearbeitet wird, wie Taf. XVII. Fig. 63. 132
Cavallo beſchreibt eine ſehr ſinnreiche Art, die Nadeln aufzuhaͤngen, nach einigen Seecompaſſen, welche D. Lind, Arzt zu Windſor, mit aus China gebracht hatte. Taf. XVI. Fig. 40. zeigt dieſe chineſiſche Nadel ſo, daß das Auge in der verlaͤngerten Richtung derſelben ſteht, Fig. 41. ſtellt ſie von der Seite dar. I iſt ein duͤnnes, leichtes meſſingnes Huͤtchen, welches gegen den Rand zu ein Paar einander gegenuͤberſtehende Loͤcher hat. BB iſt ein ſehr duͤnner Streif Meſſing, am obern Theile bey A wie ein Ring geſtaltet, durch welchen die Nadel CD hindurch geht. Die aͤußern Enden dieſes meſſingnen Streifs gehen durch die Loͤcher am Rande des Huͤtchens I, und ſind durch Umbiegung uͤber den Rand daran beſeſtiget. Die Nadel ſelbſt iſt ein cylindriſcher ſtaͤhlerner Drath, 1 Zoll lang und (1 / 40) Zoll im Durchmeſſer, halb roth und halb ſchwarz, um Nordund Suͤdpol zu unterſcheiden. Dies alles ruht aufder Spitze B, auf der es ſich gemaͤchlich bewegen kan. Die Nadel liegt zwar uͤber dem Aufhaͤngungspunkte B, aber weil ſie ſehr leicht iſt, und das meſſingne Huͤtchen mit dem Streife weit herunter reicht, ſo faͤllt doch der Schwerpunkt des Ganzen unter B, daß alſo die Nadel nicht fallen kan. Ueberdies wird ſie auch noch durch das duͤnne meſſingne Blatt FG, welches bey BB durchloͤchert iſt, gehalten.
D. Ingenhouß (Vermiſchte Schriften, Th. I. S. 383. u. f.) erzaͤhlt verſchiedene Verſuche, der allzugroßen Beweglichkeit der Magnetnadeln abzuhelfen, welche bey der ſtarken Kraft, die man ihnen durch die neuern Methoden geben kan, fuͤr den Beobachter ſehr beſchwerlich iſt. Er haͤlt endlich fuͤr das Beſte, ſie in einem fluͤßigen Mittel aufzuſtellen, wie etwa die Aſtronomen das Senkbley am Quadranten in Oel gehen laſſen. Daher ſchlaͤgt er zur Magnetnadel ein Stahlroͤhrchen vor, das wegen ſeiner Hoͤhlung auf feinem Leinoͤle ſchwoͤmme. Aus der Mitte deſſelben muͤßten Spitzen herauf und herunter gehen, und in zwey Agathuͤtchen ruhen, deren eines am Deckel, das andere am Boden des Compaſſes befeſtiget waͤre, um die Nadel zu halten. 133
Oft wird auch die Magnetnadel gebraucht, um zu beſtimmen, ob in Subſtanzen, die man ihr naͤhert, einiger Magnetismus vorhanden ſey. Hiebey muß ſie ſehr geringe Grade von Magnetismus anzeigen, und daher ſo frey, als moͤglich, aufgehangen ſeyn. Cavallo fand dazu nach verſchiedenen Proben eine Kette von Pferdehaar bequem, die etwa aus fuͤnf bis ſechs Gliedern beſtand, und an welche er die Nadel hieng. Jedes Glied hat ohngefaͤhr 3 / 4 Zoll im Durchmeſſer, und die Enden jedes Stuͤckchens Haar, woraus ein Ring gebildet wird, ſind mit einem Knoten zuſammengebunden und mit Siegellak befeſtiget. Das oberſte Glied wird an einen Stift gehangen, und in das untere etwas feiner Silberdrath, woran ein Haͤckchen gebogen iſt, eingehaͤngt. Dieſer Drath iſt etwa 1 1 / 2 Zoll lang, und mit dem untern Ende um ein kleines cylindriſches Stuͤckchen Kork gebunden, wodurch eine magnetiſirte Naͤhnadel horizontal durchgeſteckt iſt. Wegen der Glaͤtte und Leichtigkeit des Haares bewegen ſich die Glieder der Kette ſehr frey in einander, und die Nadel ſtellt ſich ganz genau wieder in die gehoͤrige Richtung, wenn ſie auch durch Schuͤtteln aus derſelben gebracht worden iſt.
Herr van Swinden zeigt, daß Nadeln oder viereckichte magnetiſche Prismen, wenn ſie außerhalb des Mittelpunkts ihrer Bewegung unterſtuͤtzt werden, ſich nur dann im magnetiſchen Meridian erhalten koͤnnen, wenn ihre Pole gleich ſtark ſind. Sind hingegen die Pole ungleich, ſo weicht die Nadel vom magnetiſchen Meridian deſto mehr ab, je groͤßer die Ungleichheit der Pole und je weiter die Nadel vom Mittelpunkte der Bewegung entfernt iſt; doch giebt es in dieſer Entfernung ein Marimum, uͤber welches hinaus die Abweichung wieder kleiner wird. Er will auch die Nadeln nicht durchloͤchert wiſſen, und den Gebrauch der Huͤte nicht zulaſſen; er thut ſie vielmehr in ein Behaͤltniß, welches an einem Ringe haͤngt, und worinn ſie auf einer Spitze ruhen.
Von der Art, die Magnetnadeln zum Gebrauch det Schiffahrt, ingleichen zu den Beobachtungen der Abweichung134 und Neigung einzurichten, ſ. die Worte: Compaß, Abweichung, Neigung der Magnetnadel.
Daß man bey den Beobachtungen der Magnetnadel alles Eiſen entfernen muͤſſe, faͤllt von ſelbſt in die Augen. Außerdem wirken auch noch andere aͤußere Urſachen auf ihren Stand. Briſſon fuͤhrt eine Beobachtung an, daß im Jahre 1724 unter 41° 10′ noͤrdlicher Breite und 28° Grad Laͤnge vom Cap Henri in Virginien die Nadel auf eine Stunde lang ſo unruhig geworden ſey, daß man ſie durch kein Mittel habe zum Stillſtande bringen und zur Beſtimmung des Weges nuͤtzen koͤnnen; ingleichen, daß nach Ellis Nachricht in ſeiner Reiſe nach der Hudſonsbay die Kaͤlte den Nadeln ihre Kraft voͤllig genommen habe. Auch wirken Elektricitaͤt und Nordlicht auf die Richtung der Nadel.
v. Muſſchenbroek Introd. ad Philoſoph. nat. To. I. §. 966.
Tib. Cavallo theoret. und praktiſche Abhandl. der Lehre vom Magnet; a. d. Engliſch. Leipzig, 1788. gr. 8. S. 89. u. f. 168. u. f.
Briſſon Dict. raiſ. de phyſique, Art.: Aiguille aimantée.
Malleabilitaͤt, ſ. Dehnbarkeit.
Manometrum, Manomètre. Ein Werkzeug zu Abmeſſung der Veraͤnderungen, welche die Luft in Anſehung ihrer Dichtigkeit leidet. Waͤre die ſpecifiſche Federkraft der Luft immer gleich groß, mithin ihre Dichte ſtets dem Drucke proportional, ſo wuͤrde das Barometer mit dem Drucke zugleich die Dichte der Luft angeben. Dies findet aber nicht ſtatt, weil ſich die ſpecifiſche Elaſticitaͤt durch Waͤrme, Feuchtigkeit und chymiſche Miſchung aͤndert, ſ. Luft. Man bedarf alſo eigner Werkzeuge, um die Dichte der Luft an ſich zu meſſen, und nennt dieſelben Manometer, wofuͤr Wolf den unſchicklichen Namen Luftmeſſer vorſchlaͤgt. 135
Das erſte, und noch immer das vollkommenſte Werkzeug dieſer Art, beſchrieb Otto von Guericke ſchon im Jahre 1661 in einem Briefe an den P. Schott (ſ. deſſen Technica curioſa, Herbip. 1664. 4. L. I. c. 21.), und dann auch in ſeinen Verſuchen uͤber den luftleeren Raum (Exp. noua de vacuo ſpatio, p. 114.). Boyle (Philoſ. Trans. no. 14. p. 231. ingleichen in der Hiſt. frigoris tit. 14.) machte es als ſeine Erfindung bekannt. Beyde aber verkannten noch die wahre Abſicht deſſelben; Guericke hielt es fuͤr ein Barometer, und Boyle legt ihm den Namen eines ſtatiſchen Varoskops bey.
Eine kupferne Kugel, etwa von einem Schuh Durchmeſſer, wird, ſo viel moͤglich, von Luft geleeret, und dann feſt verkuͤttet. So haͤngt man ſie an einen empfindlichen Wagbalken, und bringt ſie ins Gleichgewicht mit einem am andern Ende haͤngenden Gegengewichte, das ſo klein, als moͤglich, iſt. Man kan alsdann den Raum, den das Gegengewicht in der Luft einnimmt, fuͤr unbetraͤchtlich halten, mithin annehmen, es bleibe immer gleich ſchwer. Die Kugel hingegen, die einen weit groͤßern Raum einnimmt, wird von ihrem wahren Gewichte ſo viel verlieren, als die Luft wiegt, die ſie aus der Stelle treibt, ſ. Gewicht, d. i. mehr, wenn die Luft dichter, weniger, wenn ſie duͤnner wird. So wird in duͤnnerer Luft die Kugel, in dichterer das Gegengewicht einen Ausſchlag geben, den man entweder durch zugelegte kleine Gewichte, oder durch einen oben an der Wage befeſtigten und in Grade getheilten Kreisbogen abmeſſen kan. Bey der letztern Einrichtung muß vorher durch Verſuche ausgemacht ſeyn, wieviel Gewicht jeder Grad des Ausſchlags am Kreisbogen anzeige. Kennt man nun das Gewicht der Luft unter dem Raume der Kugel bey demjenigen Zuſtande des Luftkreiſes, bey welchem das Inſtrument verfertiget ward, ſo giebt die Groͤße des Ausſchlags zu jeder audern Zeit den Theil davon an, um welchen die Dichte der Luft groͤßer oder geringer iſt; haͤtte z. B. die Luft, die das Volumen der Kugel ausfuͤllt, bey Verfertigung des Manometers 704 Gran gewogen, und gaͤbe jetzt das Gegengewicht 6 Gran Ausſchlag,136 ſo waͤre die jetzige Dichte der Luft um 6 / 704 groͤßer, als die anfaͤngliche, oder ſie verhielte ſich zur letztern, wie 710: 704, d. i. wie (710 / 704) zu 1.
Daß die Kugel luftleer ſey, iſt nicht unumgaͤnglich noͤthig; es erleichtert aber die Beſtimmung der jedesmaligen Dichte, welche dadurch auf die eben angezeigte Rechnung gebracht wird, da man ſonſt noch auf das Gewicht der Luft in der Kugel Ruͤckſicht nehmen muͤßte. Auf dieſe Art hat Halley Verſuche angeſtellt (Act. Erud. Suppl. To. II. Sect. 9. p. 435.) und gefunden, daß die Luft in England bey der groͤßten Sommerwaͤrme um (1 / 13) duͤnner, und bey der groͤßten Winterkaͤlte um (1 / 20) dichter ſey, als bey den mittlern Temperaturen, wobey aber nicht auf die Feuchtigkeit geſehen iſt. Eine ſehr vollkommne Einrichtung dieſes Guerickiſchen Manometers hat de Souchy (Mém. de Paris, 1780. p. 73.) angegeben.
Varignon (Manomètre, ou machine pour trouver le rapport des raretés de l'air naturel, Mém. de Paris, 1705. p. 300.) beſchreibt unter dieſem Namen ein Werkzeug, welches die verlangte Abſicht gar nicht erfuͤllet. Es beſteht aus einem lothrechten cylindriſchen Gefaͤße BC Taf. XVI. Fig. 42., an welches die im Zikzak gebogne Glasroͤhre CD EFG angeſchmolzen iſt, die ſich in ein bey A ofnes Gefaͤß endigt. In BC iſt Luft, und in der Roͤhre CDEFG Waſſer. Wenn man durch ein Zeichen bey D bemerkt, wo das Waſſer zur Zeit der Verfertigung ſtand, ſo kennt man den Raum BCD, den die eingeſchloßne Luft bey ihrer damaligen Dichtigkeit fuͤllte. Aendert ſich nun ihre Dichte, ſo wird ſie ſich dem gemaͤß ausbreiten oder zuſammenziehen, welches man durch das Vor-oder Ruͤckwaͤrtsgehen der Waſſerflaͤche bey D wahrnimmt. Daher zeigt dieſes Inſtrument die Dichte der in BCD eingeſchloßnen Luft, die ſich aber nicht, wie Varignon vorausſetzt, auf gleiche Art mit der Dichte der aͤußern Luft aͤndert. Denn, obgleich die Waͤrme der Luft in BCD mit der Waͤrme der aͤußern einerley iſt, ſo iſt doch dieſes nicht der Fall mit den uͤbrigen Urſachen, welche die ſpecifiſche Elaſticitaͤt der aͤußern Luft aͤndern,137 nemlich der Feuchtigkeit und innern Miſchung. Das Inſtrument iſt auch noch darum mangelhaft, weil das Waſſer nicht immer in beyden Schenkeln gleich hoch ſteht, und weil die Waͤrme bey BC nicht ſchnell genug durchs Glas dringt, daher es kaum den Namen eines Manometers verdient. Wolf (Nuͤtzl. Verſ. Th. II. Cap. 4. §. 54.) ſchlaͤgt eine andere Einrichtung deſſelben vor, wobey Queckſilber ſtatt des Waſſers gebraucht wird, und die Queckſilberflaͤchen in langen horizontalen Roͤhren hin und her gehen: aber auch dieſe Anordnung behaͤlt den Fehler, daß ſie nur die Dichte der eingeſchloßnen, nicht der aͤußern, Luft anzeigt.
Zur Beſtimmung der Dichte der aͤußern atmoſphaͤriſchen Luft bleibt alſo das guerickiſche Manometer noch immer das beſte Werkzeug. Bey manchen Verſuchen aber erfordert die Abſicht, Dichten eingeſchloßner Luft zu meſſen. Alsdann koͤnnte man Varignons Manometer gebrauchen; aber weit bequemer bedient man ſich hiezu des Amontoniſchen Luftthermometers, ſ. Thermometer. So verfuhr William Roy (Philoſ. Trans. Vol. LXVII. P. II. no. 34.) bey ſeinen Verſuchen uͤber die Ausdehnung der Luft durch die Waͤrme. Seine ſogenannten Manometer beſtanden aus einer Kugel mit einer ofnen Glasroͤhre; in der Roͤhre ward ein wenig Queckſilber durch die Luft in der Kugel hin und her getrieben; dies gab, wenn alle Verſuche bey einerley Barometerhoͤhe angeſtellt wurden, Dichte der eingeſperrten Luft bey gleichem Drucke an.
Herr de Sauſſuͤre (Eſſais ſur l'hygrometrie, §. 109. p. 147.) giebtden Namen Manometer einem gewoͤhnlichen Barometer, das er in eine große glaͤſerne Kugel einſchloß, um die Elaſticitaͤt der darinn eingeſperrten Luft bey verſchiedenen Graden der Waͤrme und Feuchtigkeit zu meſſen. Weil er alſo nicht Dichte, ſondern Federkraft, abmaß, ſo waͤre wohl der Name Elaterometer ſchicklicher geweſen, welcher uͤberhaupt einem jeden Barometer zukoͤmmt, indem der Druck der Luft, den es zeigt, mit ihrer abſoluten Elaſticitaͤt einerley iſt.
Wolf Nuͤtzl. Verſ. Th. II. Cap. 4. 138
Karſten Lebrbegrif der geſ. Math. III. Theil, Aeroſtatik, VII. Abſchn.
Mariottiſches Geſtz, ſ. Luft.
Der Name eines von den ſechs Sternen, welche ihren Stand unter den Firſternen taͤglich aͤndern, ſ. Planeten. Mars zeichnet ſich unter denſelben durch ſein feuerrothes Licht und durch ſeine veraͤnderliche Groͤße beſonders aus. Wenn er der Sonne gegenuͤber ſteht, und um Mitternacht im Mittagskreiſe geſehen wird, zeigt er ſich in einer anſehnlichen Groͤße, deſto kleiner hingegen, wenn er bey der Sonne ſteht. Was ſeine eigne Bewegung von Abend gegen Morgen betrift, ſo eilt er in derſelben, wenn er bey der Sonne geſehen wird, am ſchnellſten fort; wenn er aber der Sonne faſt gegenuͤber koͤmmt, ſteht er ſtill, und geht endlich 75 Tage lang uͤber 10 Grad weit zuruͤck. Mit dieſen Abwechſelungen vollendet er ſeinen ſcheinbaren Umlauf um den ganzen Himmel in 1 Jahre und 322 Tagen. Dies ſind aber Erſcheinungen, die von der Bewegung der Erde abhaͤngen, und von denen ſein wahrer Lauf ſehr weit unterſchieden iſt.
Nach den Lehren der theoriſchen Aſtronomie iſt Mars einer von den obern Planeten, deren Bahnen um die Sonne die Erdbahn umſchließen. Er iſt der Ordnung nach, von der Sonne aus gerechnet, der vierte Planet, und ſeine Bahn faͤllr zwiſchen die Bahnen der Erde und des Jupiters, doch ſo, daß ſie der Erdbahn weit naͤher, als dem Wege des Jupiters, liegt. Sie iſt, wie alle Planetenbahnen, elliptiſch, und ihre Ebne macht mit der Ebne der Erdbahn einen Winkel von 1° 51′.
Die Eccentricitaͤt der Marsbahn iſt nicht unbetraͤchtlich. Sein groͤßter Abſtand von der Sonne verhaͤlt ſich zum kleinſten etwa wie 17 zu 14. Dieſe merkliche Abweichung von der Kreisgeſtalt, und die Naͤhe dieſer Bahn an der Erde veranlaßte, daß die elliptiſche Form der Planetenbahuen am Mars zuerſt entdeckt ward, ſ. Kepleriſche Regeln. Im mittlern Abſtande iſt Mars von der Sonne ohngefaͤhr 1 1 / 2 mal. (venauer 1,524 mal) weiter, als die139 Erde entfernt. Man kan alſo ſeine Bahn mit einem Kreiſe vergleichen, deſſen Halbmeſſer 1 1 / 2 mal groͤßer, als der Halbmeſſer der Erdbahn, iſt, deſſen Mittelpunkt aber nicht in die Sunne ſelbſt faͤllt, ſondern von ihr um (14 / 100) oder um 1 / 7 des Halbmeſſers der Erdbahn abſteht.
Dieſe Bahn durchlaͤuft der Planet in 686 Tagen, 22 Stunden, 18 Min. 27 Sec. oder in ohngefaͤhr 1 Jahr, 322 Tagen ſo, daß er, im Durchſchnitt genommen, taͤglich 31′ 26″ 40tʹ ſeines Kreiſes zuruͤcklegt. Hieraus und aus der Große dieſes Kreiſes laͤßt ſich berechnen, daß er in jeder Zeitſecunde 6 1 / 2 Stunden Weges durchlaͤuft.
Aus den Bewegungen ſeiner Flecken hat Caſſini ſchon 1666 und nachher Maraldi (Mém. de Paris, 1704.) geſchloſſen, daß er ſich in 24 Stunden 40 Min. um ſeine Axe drehe, und daß dieſe auf der Flaͤche ſeiner Bahn faſt ſenkrecht ſtehe. Herr Herſchel aber (ſ. Bode aſtronom. Jahrb. fuͤr 1787. S. 212.) hat durch neuere genaue Beobachtungen die Stellung der Axe weit ſchiefer gefunden. Sie neigt ſich nach ihm gegen die Ekliptik um 59° 42′ nach 17° 47′ X zu, ſo daß der Winkel des Marsaͤquators mit der Marsbahn, oder die Schiefe der Ekliptik im Mars 28° 42′ betraͤgt. Auch findet er, daß dieſe Umdrehung dem Mars eine ſphaͤroidiſche Geſtalt gegeben habe, deren Aequatorialdurchmeſſer ſich zur Axe, wie 16 zu 15, verhaͤlt.
Der ſcheinbare Durchmeſſer dieſes Planeten betraͤgt, wenn er der Sonne gegen uͤber geſehen wird, auf 30 Secunden, in den mittlern Weiten aber iſt er weit kleiner, und nicht viel uͤber 10 Secunden. Nach Herſchels neuern Abmeſſungen wuͤrde der Aequatorialdurchmeſſer des Mars, aus derjenigen Entfernung betrachter, in welcher ſich die Erde von der Sonne befindet, 9″ 8tʹ betragen. In eben dieſer Weite aber erſcheint der Durchmeſſer der Sonne 31′ 57″, d. i. 210 mal groͤßer. Man kan alſo ſchließen, daß Mars im Durchmeſſer 210mal kleiner, als die Sonne ſey, oder daß ſein Durchmeſſer nur 0, 504, d. i. wenig uͤber die Helſte des Durchmeſſers der Erde betrage. Aeltern Abmeſſungen zufolge nahm man ſonſt den ſcheinbaren Durchmeſſer in der Entfernung der Erde von der Sonne 11″, 4, alſo den wahren140 Durchmeſſer nur 168mal kleiner, als den der Sonne, oder 0, 67, d. i. uͤber 2 / 3 des Durchmeſſers der Erde an. Aber die Herſchelſchen Werkzeuge verdienen bey Abmeſſungen ſo kleiner Groͤßen weit mehr Zutrauen.
Den aͤltern Beſtimmungen nach betruͤge der koͤrperliche Raum des Mars 3 / 10 (nach Herſchel wenig uͤber 1 / 8) von dem Inbegriffe der Erdkugel. Die Gravitation anderer Koͤrper gegen ihn, iſt aus den Stoͤrungen, welche ſein Einfluß in dem Laufe anderer Planeten macht, nicht ſicher zu ſchließen, weil dieſe Stoͤrungen aͤußerſt gering ſind. De la Lande ſetzt ſie etwa 1 / 5 von der Gravitation gegen die Erde, in gleicher Entfernung. So haͤtte dieſer Planet 5mal weniger Maſſe, als die Erde, ſeine Dichtigkeit waͤre etwas uͤber 2 / 3 (nach Herſchel 1, 7) von der Dichtigkeit der Erde, und die ſchweren Koͤrper fielen auf ſeiner Oberflaͤche in einer Secunde durch 7 Fuß (nach H. durch 12 Fuß).
Theilt man den mittlern Abſtand der Sonne von der Erde (12000 Erddurchmeſſer) in 1000 Theile, ſo iſt Mars in der Sonnenferne um 1665, und in der Sonnennaͤhe um 1382 ſolcher Theile von der Sonne entfernt. Sein kleinſter Abſtand von uns, wenn er der Sonne entgegengeſetzt, und in der Sonnennaͤhe, die Erde aber in der Sonnenferne iſt, betraͤgt 1382 — 1017 = 365 ſolcher Theile. Sein groͤßter Abſtand hingegen, wenn er hinter der Sonne ſteht, und in der Sonnenferne, die Erde aber auch in der Sonnenferne iſt, hat 1665 + 1017 = 2682 Theile, jeden zu 12 Erddurchmeſſern. Sein kleinſter Abſtand von uns verhaͤlt ſich alſo zum groͤßten, wie 365 zu 2682, d. i. faſt wie 1 zu 7 1 / 3, daher auch ſeine ſcheinbare Groͤße ſo veraͤnderlich iſt, und von 4 Sec. bis zu 30 Sec. im Durchmeſſer abwechſelt.
Seine geringſte Entfernung von uns macht 4380, die groͤßte 32184 Erddurchmeſſer aus.
Da Mars von außen um die Erdbahn umlaͤuft, alſo nie zwiſchen Sonne und Erde koͤmmt, ſo koͤnnen wir niemals die von der Sonne abgekehrte Helfte ſeiner Kugel ganz ſehen. Vielmehr kehrt er uns ſowohl, wenn er der Sonne gegenuͤber, als auch, wenn er hinter ihr ſteht, eben die Seite zu, welche von der Sonne erleuchtet wird. Aber in141 den Stellen, wo er 90° von ihr entfernt iſt, koͤmmt uns ein Theil der abgewendeten Helfte zu Geſicht. Alsdann erſcheint dieſer Planet nicht voͤllig rund, ſondern etwa wie der Mond 3 Tage vor oder nach dem vollen Lichte. Dies iſt inzwiſchen genug, um zu beweiſen, daß er ein dunkler Koͤrper, und blos von der Sonne erleuchtet ſey.
Von einem Trabanten des Mars, der ſich wohl vermuthen ließe, iſt bisher nichts bekannt geworden.
Die dunkeln Flecken des Mars ſind ſehr groß, obwohl nicht allemal deutlich begrenzt, und veraͤndern oſt ihre Geſtalt. Herſchel giebt ihm eine ſtarke, aber gemaͤßigte Atmoſphaͤre, ſo daß ſich deſſen Vewohner faſt in eben dem Zuſtande, wie wir, beſinden.
Die Aſtronomen bezeichnen dieſen Planeten mit
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Vode kurzgefaßte Erlaͤut. der Sternkunde. Berlin, 1778. 8. an mehrern Stellen.
Eb. aſtronomiſches Jahrbuch auf 1787. S. 212. u. f.
Veranſtaltungen, wodurch man Bewegungen mit Vortheil hervorbringt. Der Vortheil liegt entweder in der Groͤße der Kraft, oder in der Geſchwindigkeit der Bewegung, d. i. man braucht die Maſchine, um eben dieſelbe Bewegung entweder mit geringerer Kraft, oder durch eine langſamere Bewegung hervorzubringen, als ſonſt moͤglich waͤre. So iſt bey der Heblade, dem Flaſchenzuge rc. die Abſicht auf Erſparung der Kraft, hingegen beym Wurfhebel, den Muͤhlen, Uhrwerken rc. auf Erhaltung einer groͤßern oder einer beſtimmten Geſchwindigkeit gerichtet.
Im praktiſchen Theile der Statik und Mechanik, der Maſchinenlehre, werden die Maſchinen in einfache und zuſammengeſezte abgetheilt. Die einfachen, in ſofern ſie zu Erſparung der Kraft angewendet werden, heiſſen auch einfache Hebzeuge, Ruͤſtzeuge, Potenzen: Verbindung mehrerer einfachen zum Vortheile der Kraft oder Geſchwindigkeit giebt zuſammengeſetzte Maſchinen.
Die Kenntniß der einfachen Maſchinen, und ihrer erſten Gruͤnde iſt dem Phyſiker unentbehrlich. Pappus142 (Collect. mathem. L. VIII. ) fuͤhrt deren fuͤnf an, den Hebel, die Radwelle, die Scheibe, die Schraube und den Keil, von welchen beſondere Artikel dieſes Woͤrterbuchs handeln. Man kan noch die ſchiefe Flaͤche hinzuſetzen, ſ. Schiefe Ebne. Ihre Gruͤnde laſſen ſich ſaͤmtlich auf die Theorie des Hebels bringen. Die zuſammengeſeßten Maſchinen und ihre Abſichten ſind unzaͤhlbar. Abbildungen und Beſchreibungen vieler Maſchinen haben Zeiſing (Theatrum machinarum, Leipz. 1673. in laͤngl. 4.) und Leupold (Theatr. machinarum, in 8 Foliobaͤnden mit verſchiedenen Titeln, Leipjig, v. 1724 — 1727.) geſammelt.
In der ganzen Maſchinenlehre herrſcht durchgaͤngig der Grundſaß, daß man nie an Kraft und Geſchwindigkeit zugleich gewinnen kan, ſondern ſtets an dem einen eben ſoviel verlieren muß, als man am andern gewinnt.
Oft legt man den Namen der Maſchinen in weitlaͤuftigerm Sinne auch ſolchen Veranſtaltungen bey, deren Abſicht nicht eben auf Verſtaͤrkung der Kraft oder Geſchwindigkeit der Bewegung gerichtet iſt. Sie ſollten eigentlich Inſtrumente, Werkzeuge, Geraͤthſchaften rc. genannt werden. So heißt z. B. der verſchloßne Digeſtor Papins Maſchine; die Glasgeraͤthſchaft zu Vereitung der Sauerwaſſer, Parkers Maſchine u. ſ. w. Auch einige Arten der Luftpumpe haben keine eigne Anſtalt zu Verſtaͤrkung der Kraft, obgleich die Luftpumpen uͤberhaupt den Namen der pnevmatiſchen Maſchinen fuͤhren. Solcher Maſchinen kommen in der phyſikaliſchen Erperimentalgeraͤthſchaft ſehr viele vor. Werkzeuge, die blos zu Abmeſſungen dienen, koͤnnen nie Maſchinen genannt werden.
Maſchine zur Centralbewegung, ſ. Centralmaſchine.
Maſchine zu Compreſſion fluͤßiger Materien, ſ. Compreſſionsmaſchine.
Maſchine, durch Daͤmpfe bewegt, ſ. Dampf. maſchine.
Maſchine zu Erregung der Elektricitaͤt, ſ. Elektriſitmaſchine. 143
Maſchine, durch Feuer bewegt, ſ. Dampfmaſchine.
Maſchine, Funicular - ſ. Vera's Maſchine.
Maſchine des Matiotte, ſ. Percuſſionsmaſchine.
Maſchine des Papinus, ſ. Papiniſche Maſchine.
Maſchine, Parkers, zu Bereitung der Mineralwaſſer, ſ. Parkers Maſchine.
Maſchine, Potenzen - ſ. Potenzen.
Maſchine, Segners, ſ. Segners hydrauliſche Maſchine.
Maſchine zu Verduͤnnung der Luft, ſ. Luftpumpe.
Maſchine zu Verſuchen uͤber den Stoß, ſ. Percuſſionsmaſchine.
Maſchine des Vera, ſ. Vera's Maſchine.
Unter der Moſſe eines Koͤrpers verſteht man die Menge ſeiner undurchdringlichen Materie. Zwar ſind unſere Begriffe von der Materie ſelbſt dunkel, und die Meltweiſen machen ſich davon ſehr verſchiedene Vorſtellungen, unter welchen jedoch das atomiſtiſche Syſtem mit dem allgemeinen ſinnlichen Scheine am meiſten uͤbereinſtimmt, ſ. Materie. Wenn wir alſo in der Phyſik, wie billig, bey dieſem Scheine ſtehen bleiben, und auch die Atomen oder erſten Theilchen der Materie fuͤr ausgedehnt und undurchdringlich annehmen, ſo koͤnnen wir uns jeden Koͤrper als eine Summe ſolcher Atomen vorſtellen, deren Anzahl alsdann die Maſſe deſſelben ausmacht.
Nun iſt es zwar unmoͤglich, die Anzahl anzugeben, und alſo die Maſſe eines Koͤrpers beſtimmt abzumeſſen. Dennoch giebt es ein Mittel, Verhaͤltniſſe ſolcher Anzahlen in verſchiedenen Koͤrpern zu beſtimmen und dadurch ihre Maſſen zu vergleichen. Denn, wenn die Schwere allen Atomen oder Theilen der Materie eigen iſt, und das Gewicht eines jeden Koͤrpers aus der Summe der Beſtrebungen beſteht, womit alle ſeine Theile fallen wollen, ſo laͤßt ſich hieraus folgern, daß ſich die Mengen der materiellen144 Theile zweener Koͤrper, oder ihre Maſſen, wie die Gewichte derſelben, verhalten.
Die Erfahrung ſtimmt hiemit vollkommen uͤberein. Man kan das Gewicht eines Koͤrpers nicht anders vergroͤßern, als wenn man mehr Materie hinzubringt, nicht anders vermindern, als wenn man Theile ſeiner Materie hinwegnimmt. Aenderung der Form, Erweiterung oder Zuſammenziehung des Raums u. dgl. aͤndern nichts am Gewichte, wofern nur die Menge der Materie die vorige bleibt.
Einige Phyſiker glauben zwar, daß es Materien ohne Schwere gebe, und ſchraͤnken daher alle dieſe Saͤtze blos auf die Menge der ſchweren Materie in den Koͤrpern ein. Es iſt auch wahr, daß die Erfahrungen, worauf ſich die gedachten Saͤtze gruͤnden, blos von ſchwerer Materie gelten: allein dies koͤmmt nur daher, weil wir uͤberhaupt keine andere, als ſchwere Materie, aus Erfahrung kennen. Stoffe, die wirklich als materiell d. h. als ausgedehnt und undurchdringlich in unſere Sinne fallen, ſie moͤgen in feſter oder fluͤßiger, in tropfbarer oder elaſtiſcher Form, in Dampfgeſtalt oder in Luftgeſtalt vorhanden ſeyn, ſind ſaͤmmtlich ſchwer; diejenigen aber, deren Schwere man bezweifelt, z. B. Aether, Lichtmaterie, Waͤrmeſtof, Phlogiſton, elektriſche und magnetiſche Materie 2c. ſind uͤberhaupt gar nicht aus klaren Erfahrungen bekannt: ihr Daſeyn wird nur angenommen oder geſchloſſen, weil ſich ſouſt gewiſſe Erſcheinungen nicht wohl erklaͤren laſſen. Es iſt alſo ſehr natuͤrlich, daß uns alle Erfahrungen uͤber ihre Schwere mangeln, weil ſie uns ſogar uͤber ihr wirkliches Daſeyn fehlen.
Dies berechtiget nun wohl noch nicht zu Ausnahmen von dem allgemeinen Satze, daß alle bekannte Materie ſchwer ſey. Die genannten hypothetiſchen Stoffe muͤſſen vhnehin aus andern Gruͤnden ſo fein und von ſo geringer Dichte angenommen werden, daß ihr Gewicht bey allen unſern Verſuchen immer unmerklich bleiben muͤßte, ſelbſt wenn ſie ſchwer waͤren. Hiezu koͤmmt noch, daß das Gewicht der Koͤrper mehrentheils im luftvollen Raume beſrimmt wird, wo die fremdattigen Materien, die ſich in den Zwiſchenraͤumen der Koͤrper aufhalten, von der Luft getragen145 werden, und alſo nicht mit wiegen, oder wohl gar (wenn ſie eingeſchloſſen und ſpeciſiſch leichter, als die Luft, ſind) gehoben werden, und das Gewicht der Koͤrper zu vermindern ſcheinen. Es wuͤrde ſehr falſch ſeyn, aus einem ſolchen Phaͤnomen zu ſchließen, daß es in der dem Koͤrper zugehoͤrigen Materie Theile ohne Schwere gebe.
Noch mehr ſtreitet es mit der allgemeinen Erfahrung, wenn man gewiſſen Materien eine ſogenannte abſoluts Leichtigkeit oder ein der Schwere enrgegengeſetztes Beſtreben, ſich von der Erde zu entfernen, beylegen will. Was ſollte alsdann die gaͤnzliche Entweichung ſolcher Materien von unſerm Erdballe verhindern? Ihre Vereinigung und Verwandtſchaft mit den uͤbrigen ſchweren Materien iſt dazu nicht hinreichend. Die Natur bewirkt ja ſo viele Zerſetzungen der Koͤrper, bey weichen dieſe an ſich leichten Stoffe von ihren Verbindungen ſrey werden. In dieſem freyen Zuſtande muͤßten ſie doch ihrem eignen Beſtreben, zu ſteigen, ungehindert folgen, und dadurch endlich bis uͤber die Grenzen des Luftkreiſes erhoben werden. So wuͤrden ſich endlich Waͤrmeſtof, Phlogiſton 2c. vom Erdballe gaͤnzlich verlieren. Die Phaͤnomene, welche man durch dieſe Leichtigkeit erklaͤren will, z. B. die Verminderung des Gewichts beym Phlogiſtiſtren, Reduciren der Metallkalke u. ſ. w. laſſen ja noch andere Erklaͤrungen zu, ſ. Phlogiſton, Waͤrme, und noͤthigen uns eben nicht, Materien anzunehmen, die, aller Induction zuwider, gar keine oder eine negative Schwere beſitzen ſollten.
Die Gewichte der Koͤrper geben unlaͤugbar Verhaͤltniſſe ihrer ſchweren Maſſe, und alſo, wenn alle Materie ſchwer iſt, auch ihrer ganzen Maſſe an. Man muß aber hiebey nicht die Gewichte im luftvollen Raume, welche blos relative ſind, vergleichen, ſondern die wahren Gewichte im luftleeren Raume, welche man findet, wenn man zu den vorigen das Gewicht der Luft, die der Koͤrper aus der Stelle treibt, hinzuſetzt. Doch iſt das Gewicht dieſer Luft in den meiſten Fallen unbetraͤchtlich, und nur dann nicht zu vernachlaͤßigen, wenn ſehr leichte Koͤrper dennoch einen großen Raum einnehmen, ſ. Gewicht. 146
Heißen alſo zweener Koͤrper Maſſen M und m, ihre Gewichte P und p, ſo iſt M: m = P: p, und es laͤßt ſich, wo es blos auf Verhaͤltniſſe ankoͤmmt, P fuͤr M, das Gewicht fuͤr die Maſſe, ſetzen, wovon man Beyſpiele bey den Worten: Bewegung, Dichte, Schwere, ſpecifiſche rc. findet.
Alles, was auf dieſe Saͤtze gebaut iſt, d. h. ein großer Theil unſerer zuverlaͤßigſten Kenntniſſe der Dichte, eigenthuͤmlichen Schwere, und Bewegung der Koͤrper, wuͤrde wegfallen, wenn es Materien von negativer Schwere gaͤbe. Hieße alsdann die ſchwere Materie eines Koͤrpers M, die der Schwere entgegenſtrebende m, ſo wuͤrde ſich die Maſſe, wie M + m, das Gewicht wie M - m verhalten. Die Schwere = 1 wuͤrde in dieſem Koͤrper eine bewegende Kraft = M — m hervorbringen; eine beſchleunigende Kraft f aber, die nach einer andern Richtung in die ſaͤmtllche Maſſe wirkte, wuͤrde die bewegende Kraft (M + m) f erzeugen. So wuͤrde man in der Formel dv = 2 gf dt (ſ. Kraft, beſchleunigende, Th. II. S. 800 u. 801) f nicht mehr = P / M ſetzen koͤnnen, welches den groͤßten Theil der hoͤhern Mechanik umſtoßen wuͤrde.
Materia corporum, Matière, Matière des corps. Dasjenige, woraus die Koͤrper beſtehen, oder was dieſelben undurchdringlich macht. Mit dem Begriffe des Koͤrperlichen iſt allezeit auch der Begrif der Ausdehnung verbunden; aber dieſer allein erſchoͤpſt noch nicht das ganze Weſen des Koͤrpers. Die Vorſtellung des ausgedehnten bleibt noch in der Einbildungskraft zuruͤck, wenn wir uns den Koͤrper aus ſeinem Raume herausgenommen denken. Es gehoͤrt alſo zum Weſen des Koͤrpers außer der Ausdehnung noch Etwas, das den Raum erfuͤllet, oder verurſacht, daß in eben dem Raume außer dem Koͤrper nicht noch etwas anderes ſeyn kan. Dieſes Etwas nennen wir Materie.
Der allgemeine ſinnliche Schein ſtellt uns die Materie als ausgedehnt, undurchbringlich, theilbar und traͤg vor;147 er belehrt uns auch, daß die Theile der Materie auf uns und auf einander ſelbſt, auch wir auf ſie, wirken, daß dieſe Wirkungen in Bewegung oder in Streben nach Bewegung beſtehen, daß dies Urſachen, die wir Kraͤfte nennen, vorausſetze u. ſ. w. Wir bemerken zugleich, daß die Thaͤtigkeiten und Zuſtaͤnde unſers eignen Selbſt den Ideen, die wir von außen her durch die Materie empfangen, durchaus unaͤhnlich ſind, und nach ganz andern Geſetzen erfolgen. Daher nennen wir unſer Selbſt einen Geiſt, unterſcheiden die Materie von uns, und von dem Selbſt anderer Menſchen, die eben daſſelbe Gefuͤhl von Geiſtigkeit offenbaren, und theilen ſo die ganze Welt in geiſtige und materielle Dinge ein. Die Phyſik, welche blos die Eigenſchaften, Erſcheinungen und Geſetze des Materiellen nach dem allgemeinen ſinnlichen Scheine unterſucht, uͤberlaͤßt zwar alle Fragen uͤber das wahre Weſen der Materie, uͤber ihren Unterſchied von den geiſtigen Dingen, die Art ihrer Einwirkung auf den Geiſt, die Natur der Kraͤfte u. ſ. w. der Metaphyſik. Da doch aber die Materie einmal den Gegenſtand der Phyſik ausmacht, ſo wird es nicht ganz unſchicklich ſeyn, etwas von den Vorſtellungen anzufuͤhren, welche ſich die Weltweiſen von dem Weſen derſelben und von der wahren Beſchaffenheit der Koͤrperwelt gemacht haben.
Die Meinungen der aͤlteſten Philoſophen ſcheinen dahin gegangen zu ſeyn, daß die materielle Welt aus Theilen beſtehe, in welchen lebendige und ſeelenartige Kraͤfte wohnten, die man als Theile und Ausfluͤſſe eines allgemeinen Weltgeiſtes betrachtete. Darinn vereinigen ſich die Behauptungen der meiſten philoſophiſchen Schulen Griechenlands. Sie erkannten die Materie fuͤr etwas aus Theilen Zuſammengeſetztes, und nannten die Kraͤfte, die ſie dieſen Theilen zuſchrieben,〈…〉〈…〉* poiothtas8, welches Wort Cicero (Quaeſt. Acad. I. 7. und De nat. Deor. II. 37.) durch qualitates uͤberſetzt hat. Man wird ſich hieraus den Urſprung der in der ſcholaſtiſchen Philoſophie ſo haͤufig vorkommenden verborgnen Qualitaͤten, z. B. der Furcht fuͤr der Leere, des Bildungstriebes, und anderer der Natur beygelegten Neigungen, erklaͤren koͤnnen. Inzwiſchen ſtellte man ſich dieſe148 Theile immer noch materiell und ausgedehnt vor, wie denn uͤberhaupt der Begrif von reiner Einfachheit und Geiſtigkeit im ganzen Alterthum nicht vorkoͤmmt, und ſelbſt die Weltſeele entweder blos materiell oder als eine in feine Materie eingekleidete Denkkraft angenommen wird.
Leucipp und Demokrit unternahmen es, die Koͤrperwelt ohne Weltgeiſt, und ohne ſolche von ihm abſtammende Kraͤfte zu erklaͤren. Sie ſetzten dabey einen leeren Raum voraus, und leiteten das uͤbrige blos aus erſten kleinſten Theilen oder Atomen her, denen ſie nichts weiter, als die allgemeinen Eigenſchaften der Materie, Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Schwere und Bewegung, beylegten. Daher ſagt Diogenes (De vit. philoſ. IX. 72.) vom Demokrit, er habe die〈…〉〈…〉poiothtas9 aus der Phyſik vertrieben. Darinn beſteht auch allein das Eigne dieſer ſogenannten atomiſtiſchen Philoſophie (phyſica corpuſcularis), welche nachher von der epikureiſchen Schule angenommen, und von Lucrez in dem Gedichte De rerum natura mit vielen Zuſaͤtzen vorgetragen worden iſt. Denn die Idee, daß die materielle Welt aus erſten Theilen beſtehe, iſt, wie Cudworth (Syſtem. intellect. ex edit. Moshemii. Jenae 1733. fol. To. I. p. 9.) erweiſet, weit aͤlter, als Leucipp, und mehrern Schulen mit der epikureiſchen gemein geweſen. Der Unterſchied liegt nur darinn, daß die Epikuraͤer dieſe Atomen fuͤr nichts weiter, als Materie, erklaͤrten, da ihnen die uͤbrigen gewiſſe lebendige Kraͤfte beylegten. Daß Auguſtin (Epiſt. 56.) dem Demokrit die Meinung von beſeelten Atomen beylegt, koͤmmt von einer uͤbel verſtandnen Stelle des Cicero (De nat. Deor. I. 38.) her, welche ſich auf die〈…〉〈…〉ei) dwla10 dieſes Weltweiſen, und gar nicht auf die Atomen bezieht. Dàß dieſes Syſtem von Epikur und Lucrez mit Ideen verbunden ward, welche auf den Atheiſmus fuͤhrten, iſt zufaͤllig und kan dem Hauptbegriffe deſſelben nicht zum Vorwurfe gereichen. Gaſſendi hat es hievou zu teinigen, den leeren Raum gegen die Peripatetiker zu vertheidigen, und die Phyſik gan; mechaniſch aus den Figuren und andern Eigenſchaften blos materieller Atomen149 herzuleiten geſucht, wodurch die neuere atomiſtiſche Phyſik entſtanden iſt.
Descartes, deſſen Philoſophie ſo ſchoͤn von dem Bewußtſeyn unſerer eignen Denkkraft ausgeht, unterſchied genau das Geiſtige oder durchaus Einfache von dem Materiellen, und ſetzte das Weſen dieſes letztern ganz allein in die Ausdehnung. Er lehrt uns den Anfang der Betrachtungen damit machen, daß wir an allem, was außer uns iſt, zweifeln. In dieſem Augenblicke, ſagt er, wiſſen wir nichts gewiß, als das Cogito, ergo ſum. Wir fuͤhlen, daß Ausdehnung, Figur, Bewegung, und was ſonſt den Koͤrpern zugehoͤrt, zu unſerm Selbſt nicht gehoͤre, weil dieſes Letztere blos in der Denkkraft beſteht, von der wir ſchon uͤberzeugt ſind, indem wir an allem andern noch zweifeln. So wird der weſentliche Unterſchied zwiſchen Geiſt und Koͤrper ein Hauptſatz ſeines Syſtems, dem man den Namen des Dualiſmus gegeben hat, weil es alle Weſen in die zwo ganz verſchiednen Claſſen der geiſtigen und koͤrperlichen eintheilet.
So, wie nun Descartes das Weſen der Geiſter in die reine Einfachheit ſetzt, ſo nimmt er die Materie als zuſammengeſetzt an aus Theilen, die zwar in der Wirklichkeit untheilbar oder Atomen, im Verſtande aber noch theilbar, oder ausgedehnt ſind. Ausdehnung iſt ihm ſo ganz einerley mit Materie, daß er alles Ausgedehnte ohne Materie, allen leeren Raum, ſchlechterdings laͤugnet, ſ. Leere. Wenn man, ſagt er, die koͤrperliche Subſtanz von der Ausdehnung oder Groͤße trenne, ſo bleibe entweder gar keine Subſtanz mehr, oder doch nur ein verworrener Begrif von geiſtiger Subſtanz uͤbrig; der wahre Begrif von koͤrperlicher Subſtanz bleibe immer da, wo man die Groͤße oder Ausdehnung hinſetze (Princip. Philoſ. L. II. §. 9. ſqq.). Er laͤßt alſo den Schoͤpfer ſeine Welt aus einem harten Stoffe bilden, den die Allmacht in Theile von unendlich verſchiedenen Geſtalten zerſchlaͤgt und in Bewegung ſetzt. Das uͤbrige ſ. bey dem Worte: Erdkugel (Th. II. S. 54.).
Dieſes Syſtem des Descartes gehoͤrt ebenfalls zu den atomiſtiſchen, in ſofern die letzten darinn angenommenen150 Theilchen einerley Weſen mit der Materie ſelbſt haben. Dennoch ſind dieſe Theilchen von den Atomen der Alten, wie ſich Descartes ſelbſt (Princ. IV. 202.) ausdruͤckt, darinn unterſchieden, daß ſie an ſich noch theilbar ſind, daß ſie ſich in keinem leeren Raume befinden, daß ihnen die Schwere nicht eigen iſt, ſondern erſt durch ihre Lage und Bewegung gegen andere Koͤrper beſtimmt wird, und daß endlich die Entſtehung der Welt aus ihnen ganz anders, als bey den Alten, hergeleitet werden muß. Das Hypothetiſche und Erfahrungswidrige des phyſikaliſchen Theils von dieſem Syſteme iſt an mehrern Stellen dieſes Woͤrterbuchs gezeigt worden: der metaphyſiſche Theil laͤßt die Schwierigkeit zuruͤck, daß die Ausdehnung ſelbſt nur ein Schein der Sinnen iſt, und daß die Verknuͤpfung zwiſchen geiſtigen und materiellen Dingen im carteſianiſchen Dualiſmus aͤußerſt ſchwer zu erklaͤren bleibt, daher auch Descartes ſelbſt hiezu eine beſtaͤndige Aſſiſtenz der Gottheit anzunehmen genoͤthiget war.
Newton hat ſich zwar nie in das Gebiet der Metaphyſik gewagt; inzwiſchen aͤußert er doch an einigen Stellen ſeiner Schriften, daß er die Materie fuͤr eine Zuſammenhaͤufung kleinſter Theilchen erkenne, welche ſelbſt materiell und ausgedehnt ſind, und durch eine Kraft, deren Natur er unentſchieden laͤßt, ſehr ſtark unter einander zuſammen haͤngen, ſ. Cohaͤſion (Th. I. S. 517.). Hierauf fuͤhren auch die von ihm angegebnen Naturgeſetze, z. B. daß ſich die Gravitation nach der Maſſe oder Menge der materiellen Theile des anziehenden Koͤrpers, und jede bewegende Kraft nach der Maſſe des bewegten Koͤrpers richtet, u. ſ. w. So gehoͤrt Newtons Phyſik ebenfalls zu den atomiſtiſchen Syſtemen, welche den erſten Theilen der Materie Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Haͤrte und Traͤgheit beylegen. Ubrigens beſtreitet dieſer große Lehrer der Phyſik den vollen Raum des Descartes, und den falſchen Begrif, daß Materie nichts weiter als Ausdehnung ſey, erweiſet die Anziehung als allgemeines Phaͤnomen der Koͤrperwelt, laͤßt aber ihre Urſache und die Natur der Kraͤfte uͤberhaupt unentſchieden, und wagt ſich noch weniger an die Erklaͤrung des groſen Geheimnißes, wie Materie und Geiſt in einander wirken,151 oder wie, nach Hallers Ausdrucke, Weſen fremder Art der Seelen Werkzeug ſind.
In der That bleibt auch der Phyſiker, der ſich ohnedem nur mit dem ſinnlichen Scheine beſchaͤftiget, am beſten bey dem atomiſtiſchen Syſtem ſtehen, welches mit dieſem Scheine die meiſte Uebereinſtimmung zeigt. Da er doch die Eriſtenz der Materie annehmen muß, und bey allen Theilen derſelben das Materielle wiederfindet, ſo kan er faſt nicht umhin, daſſelbe auch an der letzten Grenze der wirklichen Theilungen zu vermuthen, und ſich in dieſem Sinne Atomen zu denken, ſ. Atomen. Hiemit kan er nun alle phyſiſche Erfahrungen und Geſetze ſehr wohl vereinigen. Er kan aber auch dabey die ſinnliche Vorſtellung von dem, was wirklich iſt, unterſcheiden, und es fuͤr ſehr moͤglich halten, daß Materie etwas ganz anders ſey, als was ſie zu ſeyn ſcheinet. Nur iſt es Pflicht fuͤr ihn, hieruͤber ſeine gaͤnzliche Unwiſſenheit zu geſtehen.
Die Schwierigkeiten, welche der carteſianiſche Dualismus in Abſicht auf die Verknuͤpfung zwiſchen Geiſt und Materie zuruͤcklaͤßt, haben eine Menge metaphyſiſcher Syſteme veranlaſſet. Dahin gehoͤrt zuerſt der Idealismus, nach welchem es gar keine materielle Welt giebt, und die Ideen davon blos Vorſpiegelungen ſind, welche die Gottheit in unſern Seelen erweckt. Descartes hatte ſelbſt zu dieſer Meinung Anlaß gegeben, indem er (Princip. II. 1.) das Daſeyn der Materie blos aus dem Grunde erweiſet, daß uns Gott nicht taͤuſchen werde, auch ſogar zur Entſtehung der Ideen von Materie die Mitwirkung der Gottheit fuͤr noͤthig haͤlt. Hierauf baute nun der P. Malebranche (De la Recherche de la verité. 7me ed. à Paris, 1721. II To. 4. Part. II. L. III. ch. 1.) den Satz, daß wir alle Dinge in Gott ſehen, und daß ſelbſt der Glaube verſtatte, die Eriſtenz aller Dinge außer Gott und den Geiſtern zu laͤugnen. Den ſcheinbaren Zuſammenhang zwiſchen Seele und Koͤrper erklaͤrte er alſo ebenfalls aus der unmittelbaren Wirkung der Gottheit (ſyſtema cauſarum occaſionalium). Berkeley (Treatiſe concerning the principles of human knowledge, Dialogues between Hylas and Philonous) machte den152 Idealism demonſtrativ, und zeigte, daß uns die Gottheit dabey nicht einmal taͤuſche, weil allerdings etwas außer uns eriſtire, nemlich die goͤttlichen in unſern Geiſt wirkenden Ideen. So befriedigend auch die Antworten ſind, welche man den angeblichen Beweiſen einer Unmoͤglichkeit der Materie entgegenſetzen kann, ſo geſtehen doch alle Metaphyſiker, daß man dem Idealiſten die Ueberzeugung von der Wirklichkeit der Außenwelt nicht aufdringen koͤnne.
Noch weiter gehen die Syſteme des Spinoza und Hume. Im erſtern wird alles aus einer einzigen Subſtanz erklaͤrt, welche in unendlicher Denkkraft und Ausdehnung beſteht, ſo, daß alle geiſtige Erſcheinungen Zuſtaͤnde dieſer einzigen Denkkraft, und alle materielle Phaͤnomene Zuſtaͤnde eben dieſer einzigen Ausdehnung ſind. Sehr deutlich druͤckt dies Mendelsſohn (Philoſ. Schriften, I. Theil, 2. Geſpr. ) ſo aus: Spinozens Welt, oder vielmehr Gott, ſey eben daſſelbe Weltideal, welches nach Plato und Leibnitz vor dem Anfange der Dinge als ein Plan in dem goͤttlichen Verſtande vorausgeſetzt wird. Hume's Syſtem laͤngnet ſogar alle Subſtanzen, Subjecte und ſelbſtſtaͤndige Dinge, und laͤßt die ganze geiſtige ſowohl als materielle Welt aus einer Menge und Reihe voruͤbergehender Erſcheinungen beſtehen, aus einem Wechſel, worinn nichts iſt, das immer daſſelbige bliebe.
So, wie beym Idealismus das Daſeyn der Materie gelaͤugnet wird, ſo ſucht hingegen der allgemeine Materialismus alle Erſcheinungen aus materiellen Subſtanzen allein zu erklaͤren. Dahin gehoͤren ſchon viele Syſteme der Alten, welche uͤberhaupt in ihre Begriffe von den Seelen immer etwas Ausgedehntes einmiſchten, ob man ſie gleich darum nicht alle des groben Materialismus beſchuldigen kan. Unter den Neuern iſt der Satz, daß der Menſch eine Maſchine ſey, hauptſaͤchlich von la Mettrie und dem Verfaſſer des Syſteme de la nature behauptet worden. Schon die Betrachtung, daß ein Gedanke, als eine Vergleichung mehrerer Gegenſtaͤnde, in einem zuſammengeſetzten153 Dinge unmoͤglich iſt, verbunden mit dem Selbſtgefuͤhl von einem im Koͤrper lebenden beſondern Weſen, iſt hinreichend, dieſen Materialismus zu widerlegen. Hiezu koͤmmt noch, daß aus allen moͤglichen Verbindungen, Trennungen und Bewegungen der Materie ſich nie das Entſtehen eines Bewußtſeyns oder Gedankens, nie die Auffaſſung und Vergleichung der Ideenbilder erklaͤren laͤßt. Herr de Luͤc (Phyſ. und moral. Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, Th. I. S. 60. u. f.) hat uͤber die Natur des Menſchen und die weſentliche Verſchiedenheit des empfindenden Weſens von ſeinen Organen ſehr lehrreiche und eines denkenden Phyſikers wuͤrdige Betrachtungen angeſtellt, welche das Unzulaͤngliche des Materialismus, aber auch die engen Grenzen unſerer Kenntniſſe von der Welt uͤberhaupt, ſehr deutlich zeigen.
Mitten unter den gegen einander laufenden Meinungen der Dualiſten, Idealiſten und Materialiſten fand Hr. von Leibnitz (Princip. philoſ. in Opp. p. Lud. Dutens. Genev. 1768. VI. To. 4. Tom. II. ) einen ſinnreichen Ausweg. Die Argumente der Idealiſten, daß der aus unſerm Selbſtgefuͤhl entſtandene Begrif der Eriſtenz nur auf geiſtige Weſen, wie wir ſelbſt ſind, uͤbergetragen werden koͤnne, und daß unſere Begriffe von Materie ſich doch am Ende blos im Begriffe von Erſcheinungen und Eigenſchaften aufloͤſen, ſchienen ihm ſtark genug, um Zweifel gegen die Wirklichkeit ausgedehnter Atomen zu erregen, die doch, in ſofern ſie ausgedehnt ſind, wenigſtens im Verſtande noch theilbar, und alſo keine wahren ausdruͤcklichen Einheiten waͤren. Dem zufolge nahm er die Ausdehnung ſelbſt mit allen ſinnlichen Eigenſchaften fuͤr einen bloßen Schein an, der aus einer zuſammenfließenden verworrenen Vorſtellung einfacher Subſtanzen entſtehe. Dieſe einfachen Dinge oder Monaden ſieht er als aͤhnlich mit den geiſtigen Subſtanzen, als Vorſtellungskraͤfte an, deren jede ihre bleibende Grundbeſtimmung hat. Die ganze Welt macht eine ſtetige Reihe von ſolchen Vorſtellkraͤften aus, deren Beſchaffenheit und Groͤße verſchieden iſt. Die154 ſchlafenden Vorſtellkraͤfte ſind die Subſtanzen der ſcheinbaren Materie, erwa in dem Zuſtande der Seele im Schlafe, nur der dunkelſten Perceptionen ohne Bewußtſeyn faͤhig; die wachenden ſind die Geiſter, von der niedrigſten bis zur hoͤchſten Geiſterart in ſtetiger Reihe. Die vollkommenſte aller wirklichen und moͤglichen Vorſtellkraͤfte iſt die Gottheit, welche ſich alle moͤgliche Subſtanzen mit ihren Accidenzen und Verhaͤltniſſen auf das deutlichſte, in ſich ſelbſt, und ohne vorbildende Außendinge vorſtellt. Ausfuͤhrlicher findet man dieſe leibnitziſche Monadologie von Hanſch (Principia philoſ. Frf. et Lipſ. 1728. 4. ) und Alerander Gottlieb Baumgarten (Halle, 1738. 8. §. 153. u. f.) vorgetragen.
Dieſer Begrif vom Weſen der Materie laͤßt den ſinnlichen Schein, mithin die ganze Phyſik, ungeaͤndert, hebt den Materialismus gaͤnzlich auf, und ſetzt dem Idealismus wenigſtens etwas eben ſo moͤgliches und eben ſo unwiderlegliches an die Seite. In Ruͤckſicht auf den Dualism hebt die Monadologie zwar die Schwierigkeit der Vereinigung zwiſchen Geiſt und Koͤrper, laͤßt aber doch noch die Schwierigkeit einer phyſiſchen Gemeinſchaft zwiſchen den Subſtanzen uͤberhaupt zuruͤck, welche Leibnitz durch die Hypotheſe einer vorherbeſtimmten Harmonie zu heben ſuchte. Dem Phyſiker muß nach Hrn. Kluͤgel (zu Prieſtley Geſch. der Optik, S. 285. Anm. k.) dieſes Syſtem, welches die ganze. Koͤrperwelt zu Erſcheinungen macht, die von unkoͤrperlichen Dingen herruͤhren, ſchon darum lieb ſeyn, weil damit eine Menge unnuͤtzer Gruͤbeleyen auf die Seite geſchaft wird. Man muß alsdann bey den Factis bleiben, ohne die erſten Urſachen erklaͤren zu wollen.
Etwas aͤhnliches hiemit hat das Syſtem des P. Boſcovich (Theoria philoſ. naturalis, Venet. 1763. 8. ), welcher der Materie die Undurchdringlichkeit abſpricht, und ſie blos aus phyſikaliſchen Punkten beſtehen laͤßt, welche mit anziehenden und zuruͤckſtoßenden Kraͤften in beſtimmten Wirkungskreiſen verſehen ſind. Hat alſo ein bewegter Koͤrper genug Moment, die zuruͤckſtoßenden155 Kraͤfte, in deren Wirkungsraum er koͤmmt, zu uͤberwinden, ſo kan er durch jeden Koͤrper dringen. Auf dieſe Art kreuzen und durchdringen ſich blos Kraͤfte, deren (ſchon nach den Vorſtellungen der Mechanik) mehrere zugleich an einem Orte vorhanden ſeyn, und ſich das Gleichgewicht halten, oder einander uͤberwinden koͤnnen, ohne daß Jemand dabey eine Schwierigkeit findet. So loͤſet ſich das Phaͤnomen der Undurchdringlichkeit in den Begrif einer ſtarken Zuruͤckſtoßungskraft auf. Boſcovich wendet auf dieſe Kraͤfte die Lehren der Dynamik an, und zeigt, daß ſeine Theorie mit keinem Geſetze der Mechanik und mit keiner phyſikaliſchen Entdeckung ſtreite, daß ſie vielmehr eine Menge Erſcheinungen, beſonders an dem Lichte und den durchſichtigen Koͤrpern, leichter, als irgend eine andere Hypotheſe, erklaͤre. Dennoch ſollen ſich die phyſikaliſchen Punkte ſelbſt, oder die Subſtanzen, worinn die Kraͤfte ſind, nicht durchdringen koͤnnen.
Prieſtley, der ſchon in ſeiner Geſchichte der Optik dieſe Meinung mit Beyfall erwaͤhnt, und erzaͤhlt, daß ſein Freund Michell bereits in juͤngern Jahren auf eben dieſe Idee gekommen ſey, hat nachher in einem eignen Werke (Disquiſitions relating to Matter and Spirit. Lond. 1778. 8. ) den Gedanken auszufuͤhren geſucht, daß die Materie aus nichts weiter beſtehe, als aus Repulſionen und Attractionen, die ſich auf gewiſſe mathematiſche Punkte im Raume bezoͤgen. Er ſpricht alſo der Materie die Undurchdringlichkeit und Traͤgheit ab, und glaubt ſie dadurch zu veredeln, und der Natur der geiſtigen Subſtanz naͤher zu bringen. Aber auf eine ganz ſonderbare Weiſe wender er dieſes Syſtem zur Vertheidigung des Materialismus an, indem er meint, die Seele laſſe ſich ganz wohl aus ſeiner veredelten Materie erklaͤren, welche blos aus Kraͤften beſtehe, und alſo wohl auch die Kraft zu denken und zu empfinden haben koͤnne. Er treibt das Paradore hiebey ſo weit, daß er ſogar die Einheit und Untheilbarkeit des empfindenden Weſens laͤugnet. 156
Herr de Luͤc (Phyſ. und, moral. Briefe, Th. I. S. 88. u. f.) hat dieſe kuͤhnen Behauptungen ſehr umſtaͤndlich widerlegt. Er zeigt, daß Kraft, die ſich auf einen mathematiſchen Punkt bezieht, Wirkſamkeit ohne Subſtanz, ein leerer Ausdruck ſey; daß Prieſtley doch wenigſtens den Wirkungskreiſen Ausdehnung geben muͤſſe, daß ein Wirkungskreis den andern verdraͤnge, und die einmal mitgetheilte Bewegung fortſetze, daß man alſo dadurch immer wieder auf eine undurchdringliche und traͤge Materie komme, daß Anziehungs - und Repulſionskraft doch nichts weiter, als Anziehen und Abſtoßen, keinesweges aber Selbſtgefuͤhl, Denken und Empfinden erklaͤre, und daß Elemente eines ſich ſelbſt fuͤhlenden Ganzen ebenfalls Selbſtgefuͤhl haben muͤſſen, welches allen Begrif von Elementen aufhebt, weil nun ein einziges Element das ganze Phaͤnomen erklaͤrt. De Luͤc ſelbſt haͤlt ſich, als ein ſtrenger Newtonianer, ganz an die atomiſtiſche Phyſik, und begnuͤgt ſich, die Schwierigkeiten des Dualismus dadurch zu mindern, daß er annimmt, es gebe nicht nur Subſtanzen, ſondern auch Eigenſchaften der Materie, welche nicht in unſere Sinne fallen. Vermittelſt ſolcher Eigenſchaften koͤnnen Geiſt und Materie in einander wirkenl, auf eine Art, die uns ſchlechterdings unbegreiflich ſey, weil es uns an einem Sinne fehle, dieſe Eigenſchaften und ihre Wirkungen wahrzunehmen.
Ernſt Platners Philoſophiſche Aphoriſmen. Leipzig, 1784. 2. B. 8. hauptſaͤchlich Th. I. S. 281. u. f.
J. A. de Luͤc Phyſikaliſche und moraliſche Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen; aus dem Franz. mit Abkuͤrzung uͤberſ. Leipzig, 1781. II. B. gr. 8. in den vorlaͤufigen Abhandlungen, Num. XII. und XIII.
Prieſtley Geſchichte der Optik durch Kluͤgel, S. 283. u. f.
Materie, elektriſche, ſ. Elektricitaͤt.
Materie des Feners, ſ. Feuer.
Materie des Lichts, ſ. Licht.
Materie, magnetiſche, ſ. Magnet.
Materie, ſchwermachende, ſ. Schwere. 157
Matheſis, Mathemata, les Mathématiques. Die Wiſſenſchaft der Groͤſſen, oder deſſen, was an den Gegenſtaͤnden der Vermehrung und Verminderung faͤhig iſt. Der griechiſche Name (〈…〉〈…〉ma / qhsis, ma / qhma11) bedeutet ſo viel, als Wiſſenſchaft oder Unterricht (Diſciplina, inſtitutio). Man hat ihn der Lehre von den Groͤßen vorzugsweiſe beygelegt, entweder, weil dieſe Lehre, wegen der Klarheit und Gewißheit ihrer Saͤtze vorzuͤgliche Anſpruͤche auf den Namen einer Wiſſenſchaft machen kan, oder weil mehrere philoſophiſche Schulen Griechenlands den Anfang des Unterrichts mit mathematiſchen Saͤtzen zu machen pflegten.
Man theilt die Mathematik in die reine und angewandre. Jene (matheſis pura, abſtracta) betrachtet die Groͤße blos an ſich und abgeſondert von den Gegenſtaͤnden, an welchen ſie wahrgenommen wird; dleſe (matheſis mixta, applicata) enthaͤlt Anwendungen von jener auf wirkliche in der Natur und dem menſchlichen Leben vorkommende Gegenſtaͤnde und Faͤlle.
Die reine Mathematik zerfaͤllt wiederum in zwo Hauptabtheilungen, weil man zwo von einander verſchiedene Arten von Groͤßen betrachten kan. Sieht man nehmlich die Groͤße blos als eine Menge einzelner Theile an, auf deren Verbindung und Lage gegen einander nichts ankoͤmmt, ſo entſteht hieraus der Begrif einer Menge oder Anzahl (quantum diſcretum); betrachter man aber ein Ganzes, deſſen Theile in ununterbrochenem Zuſammenhange ſtehen, ſo hat man den Begrif des Kaumes, der ausgedehnten oder ſtetigen Groͤße (quantum continuum). Da die Mengen gezaͤhlt, die Raͤume gemeſſen werden, ſo erfordert jede Art der Groͤße eine eigne Behandlung, und die reine Mathematik theilt ſich in Arithmetik oder Kechenkunſt, und Geometrie oder Meßkunſt ein. Weil ſich aber die Raͤume auch der Berechnung unterwerfen laſſen, und hiebey alles auf Berechnung der Dreyecke ankoͤmmt, ſo verbindet ſich hiemit noch eine dritte Wiſſenſchaft unter dem Namen der Crigonometrie, in welcher158 das Dreyeck, als ein geometriſcher Gegenſtand, auf eine arithmetiſche Art behandelt wird. Arithmetik, Geometrie und Trigonometrie machen zuſammen die Elementaroder gemeine Mathematik (Matheſis elementaris, Mathemata inferiora) aus.
Hiezu kommen noch unter dem Namen der hoͤhern Mathematik (Matheſis ſublimior, Mathemata ſuperiora) verſchiedene große Capitel einer aus Arithmetik und Geometrie zuſammengeſetzten Wiſſenſchaft. Die Buchſtabenrechnung oder allgemeine Kechenkunſt (Arithmetica vniuerſalis) lehrt allgemeine Zeichen ſo gebrauchen, daß das daraus Gefundene auf Zahlen ſowohl, als auf Raͤume angewendet werden kan; die Analyſis und Algebra lehren das Unbekannte aus ſeinem Verhalten gegen das Bekannte finden, und die dabey vorkommenden Gleichungen aufloͤſen; die hoͤhere Geometrie betrachtet die krummen Linien, welche nicht Kreiſe oder aus Theilen von Kreiſen zuſammengeſetzt ſind; die Rechnung des Unendlichen (calculus infiniteſimalis, analy ſis infinitorum) findet aus der Vergleichung zwiſchen veraͤnderlichen Groͤßen die Vergleichung zwiſchen den Geſchwindigkeiten, mit denen ſie ſich aͤndern (Differentialrechnung), oder umgekehrt aus dieſer Vergleichung jene (Integralrechnung). Alles bisher Erwaͤhnte macht den ganzen Umfang der reinen Mathematik aus.
Die angewandte Mathematik hat keine andern Grenzen, als die Welt ſelbſt, und kan ſo viel Wiſſenſchaften enthalten, als es Gegenſtaͤnde giebt, bey denen ſich Groͤßen durch Schluͤſſe beſtimmen laſſen. Der gewoͤhnlichſten Gegenſtaͤnde dieſer Art ſind drey: die Kraͤfte und Bewegungen der Koͤrper, das Licht, und die Himmelskoͤrper. Nach dieſen zerfaͤllt die angewandte Mathematik beym gewoͤhnlichen Vortrage in die drey Hauptabſchnitte der mechaniſchen, optiſchen und aſtronomiſchen Wiſſenſchaften. Jeder Abſchnitt enthaͤlt wiederum mehrere Theile, ſ. die Worte Mechanik, Optik, Aſtronomie. So wie ſich aber unſere Kenntniſſe der natuͤrlichen Dinge immer vervielfaͤltigen, ſo finden ſich159 auch von Zeit zu Zeit neue Gegenſtaͤnde der mathematiſchen Betrachtung und neue Theile der angewandten Mathematik. Dies ſagte ſchon Baco (De augm. ſcient. III. 6.) vorher. ” Prout Phyſica, ſind ſeine Worte, maiora in dies incrementa capiet et noua axiomata educet, eo mathematica novâ operâ in multis indigebit et plures demum fient Mathematicae mixtae. “So haben zu dem Syſtem der angewandten Mathematik Wolf die Aerometrie, Lambert die Pyrometrie, Bouguer und Lambert die Photometrie hinzugeſetzt.
Auch die Geſchuͤtzkunſt, ingleichen die Kriegs - und die buͤrgerliche Baukunſt werden in einigen Lehrbuͤchern der angewandten Mathematik mit abgrhandelt. Da ſie aber eine Menge Kenntniſſe, die nicht mathematiſch ſind, erfordern, ſo betrachten Andere ſie lieber als beſondere Wiſſenſchaften, oder ſetzen aus ihnen noch einen nenen Haupttheil unter dem Namen der vermiſchten Mathematik zuſammen. Die Anwendungen der Groͤßenlehre erſtrecken ſich ſogar auf Dinge, die nicht ſinnlich ſind, auf Berechnung der Wahrſcheinlichkeiten und Hofnungen bey Spielen, Leibrentengeſellſchaften, Wittwencaſſen u. dgl. Faſt von allen menſchlichen Verrichtungen und Anſtalten beruht ein Theil auf mathematiſchen Gruͤnden, und ob gleich unzaͤhlige Kuͤnſtler und Handwerker die Vorſchriften richtig beobachten, ohne ihre Gruͤnde zu kennen, ſo wird doch gewiß derjenige gruͤndlicher und ſicherer zu Werke gehen, der ſich auch die mathematiſche Kenntniß der Gruͤnde erworben hat. Scharfſinnige Handwerker erfinden oder entwickeln ſich oft mathematiſche Saͤtze und Regeln, und beſitzen dadurch eine Art von natuͤrlicher Mathematik, die ſie zum Gebrauch ihres Berufs ſehr wohl anzuwenden wiſſen. Man kan uͤber den weirlaͤuftigen Umfang und die Eintheilungen der reinen ſowohl als der angewandten Mathematik die vortreflichen Schriften von Buͤſch (Encyclopaͤdie der hiſtoriſchen, philoſophiſchen und mathematiſchen Wiſſenſ. nach dem Grundriſſe des ſel. Reimarus, Hamburg, 1775. gr. 8.) und Sulzer (Kurzer Begrif aller Wiſſenſchaften und anderer Theile der Gelehrſamkeit, Berlin, 1778. 8. ) nachleſen. 160
Aus dem Angefuͤhrten iſt leicht zu uͤberſehen, daß die reine Mathematik eine fuͤr den Naturforſcher ganz unentbehrliche Huͤlfswiſſenſchaft ſey. Die Frage: wie groß? miſcht ſich auf eine unvermeidliche Art in alle Beobachtungen und Verſuche, auf welchen doch die richtige Naturlehre ganz allein beruhen muß. Und ſelbſt bey Erforſchung der Urſachen geben Verhaͤltniſſe und Vergleichungen der Groͤßen den beſten Leitſaden ab: Groͤße der Wirkung laͤßt uns auf die Groͤße der Urſache ſchließen, und entdeckt dadurch oft die Natur und Beſchaffenheit der Urſache ſelbſt. Daher muß die Erfahrung, und die auf Erfahrung gegruͤndete Phyſik, ſters von der Mathematik geleitet werden.
Die Hauptabſchnitte der angewandten Mathematik ſind wirklich Theile der Naturlehre ſelbſt, die man nur wegen der Weitlaͤuftigkeit des Gegenſtands als beſondere Wiſſenſchaften zu behandeln pflegt, die ſich aber nie ganz von der Phyſik trennen laſſen, wenn anders dieſe Wiſſenſchaft aus etwas mehr, als einigen unvollkommnen und uͤbel verbundenen Vruchſtuͤcken beſtehen ſoll. Es iſt ſchwer, die Grenzen zu beſtimmen, welche man bey einem zweckmaͤßigen Vortrage der Naturlehre zwiſchen ihr und der angewandten Mathematik zu ziehen hat. Viele aͤltere Lehrbuͤcher der Phyſik tragen faſt nichts, als mathematiſche Lehren vor, und vernachlaͤßigen daruͤber die chymiſchen Unterſuchungen, welche doch eben ſowohl einen weſentlichen Theil der Naturlehre ausmachen, gaͤnzlich. So gemiß es iſt, daß ſich in vielen Faͤllen die angewandte Mathematik von der Phyſik gar nicht trennen laͤßt, ſo kan doch auch die letztere nicht ganz allein auf mathematiſche Betrachtungen eingeſchraͤnkt werden, aus denen wir nur die Groͤße und das Maaß der Wirkungen, nicht aber ihre innern Urſachen und Beſchaffenheiten kennen lernen. Schon Baco erinnerte im neuen Organon:” naturalem philoſophiam infe” ctam eſſe et corruptam in ſecunda ſchola Platonis, Pro” cli et aliorum per Mathematicam, quae terminare eam,” non generare aut procreare debeat. “ Herr Karſten (Vom eigenthuͤmlichen Geblet der Naturlehre, in ſ. phyſ.161 chem. Abhandl. I. Heft. Halle, 1786. 8. Num. 2.) hat hieruͤber leſenswuͤrdige Bemerkungen angeſtellt, ob er gleich in ſeiner Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur (Halle, 1783. 8. ) die Abſonderung der mathematiſchen Lehren etwas zu weit getrieben, und nach einem Plane gearbeitet hat, in welchem ſich allzuſichtbare Luͤcken befinden.
Der Urſprung mathematiſcher Kenntniſſe iſt ohne Zweifel ins hoͤchſte Alterthum zu ſetzen. Wahrſcheinlich brachten Beduͤrfniß und Nothwendigfeit zuerſt praktiſche Erfindungen hervor, aus welchen nachher ſcharfſinnige Koͤpfe die allgemeinen theoretiſchen Saͤtze abſtrahirt haben. Nach den Zeugniſſen der Alten ſoll dies zuerſt bey den Phoͤniciern und Egyptiern geſchehen ſeyn: jenen ſchrieb man nach dem Strabo (Geogr. L. XVII. ) die Erſindung der Rechenkunſt, dieſen nach dem Herodot, Plato und Ariſtoteles die Entdeckung der Geometrie zu. Man ſucht die Veranlaſſung geometriſcher Erfindungen gewoͤhnlich in den jaͤhrlichen Ueberſchwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwaͤhnten Landabtheilung des Seſoſtris; wahrſchelnlicher leitet Ariſtoteles (Metaphyſ. I. 1.) den Urſprung der Theorie aus dem geſchaͤftloſen und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egyptiſchen Prieſter her. Dennoch ſcheinen dieſe geruͤhmten Kenntniſſe der Egyptier kaum uͤber die erſten Anfangsgruͤnde hinausgegangen zu ſeyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehrſaͤtze gehoͤrt erſt den griechiſchen Weltweiſen zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. ſ. w., welche insgemein eine ſo große Meinung von den mathematiſchen Einſichten dieſes Volkes erregen, laſſen ſich, auch bey ſehr mittelmaͤßigen praktiſchen Kenntniſſen der Mathematik, leicht aus der Menge von Menſchen erklaͤren, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, ſ. Mechanik.
Aus Egypten trugen Thales und Pythagoras die mathematiſchen Kenntniſſe nach Griechenland uͤber, und pflanzten ſie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier erſt hat der bewundernswuͤrdige162 Scharfſinn der Griechen die Theorie der Meßkunſt gehoͤrig entwickelt. Unter allen uͤbrigen Schulen zeichnete ſich hierinn die platoniſche am meiſten aus. Plato ſelbſt war der Erfinder der geometriſchen Analyſis, und ſeine Schuͤler legten durch die Betrachtung der Kegelſchnitte den erſten Grund zur hoͤhern Geometrie. Hauptſaͤchlich gaben zu dieſen Erweiterungen der Meßkunſt die Aufgaben von Verdoppelung des Wuͤrfels und Triſection des Winkels Anlaß, mit welchen ſich die meiſten Geometern der damaligen Zeit beſchaͤftigten, deren Bemuͤhungen uns Proclus im Commentar uͤber das erſte Buch des Euklides aufbehalten hat. Naͤchſt der platoniſchen Schule haben die Gelehrten des Muſeum zu Alerandrien die ausgezeichnetſten Verdienſte um die mathematiſchen Wiſſenſchaften. In dieſer beruͤhmten Stiftung der Ptolemaͤer lebte 300 Jahre vor C. G. Euklides, welcher die bis dahin erfundenen Saͤtze der Geometrie und der Lehre von den Verhaͤltniſſen unter dem Titel der Elemente (〈…〉〈…〉* stoixeia12 ſ. Elementa) in dreyzehn Buͤchern ſo vortreflich ordnete, und ſo ſcharf erwies, daß ſein Syſtem noch bis jetzt als das beſte Muſter des geometriſchen Vortrags und der aͤchten Strenge der Demonſtration angeſehen wird. Von dieſen dreyzehn Buͤchern des Euklid fuͤhrt der Theil der Meßkunſt, welcher ſich auf die Betrachtung der geraden Linie und des Kreiſes gruͤndet, den Namen der Elementargeometrie. Ein anderer alerandriniſcher Mathematiker, Hypſikles, ſetzte in ſpaͤtern Zeiten noch zwey Buͤcher hinzu, welche die Lehre von den regulaͤren Koͤrpern betreffen. Archimedes zu Syrakus bereicherte die Meßkunſt mit der Lehre von der Kreismeſſung und einigen andern wichtigen Erfindungen. Hundert Jahr nach dem Euklid ſchrieb Apollonius von Perga, ebenfalls im Muſeum zu Alerandrien, ſieben Buͤcher von den Kegelſchnitten (Conica), welche die erſten Gruͤnde der hoͤhern Geometrie enthalten. Die alerandriniſche Schule bluͤhte bis in das 7te Jahrhundert nach C. G., und war bis dahin immer fruchtbar an vorzuͤglichen Mathematikern, unter welchen ſich in Abſicht auf reine Mathematik Diophantus, der Verfaſſer von dreyzehn Buͤchern163 uͤber die Rechenkunſt (Quaeſtiones arithmeticae), die ſich groͤßtentheils mit den unbeſtimmten Aufgaben beſchaͤftigen, und wovon noch ſieben uͤbrig ſind, Pappus, der Urheber ſchaͤtzbarer mathematiſcher Sammlungen (Collectiones mathematicae) und Theon, der Commentator des Euklids, beſonders auszeichuen. Von der Trigonometrie der Alten nden ſich Proben im Almageſt des Ptolemaͤus, und die Sphaͤrik hat Theodoſius in drey Buͤchern vortreflich abgehandelt. Auch Proclus, ein Neoplatoniker zu Athen im 5ten Jahrhunderte nach C. G. verdient in der Geſchichte der reinen Mathematik wegen ſeines Commentars uͤber das erſte Buch des Euklides genannt zu werden.
Bey den Roͤmern hielt zuerſt der kriegeriſche Geiſt der Nation, dann die Verachtung gegen Griechen und griechiſche Wiſſenſchaften, und zuletzt der uͤberhandnehmende Lurus, den Fortgang der mathematiſchen Wiſſenſchaften ſehr zuruͤck, woruͤber ſich auch die aufgeklaͤrtern Roͤmer ſelbſt beklagt haben. Ticero (Tuſe. Diſp. I. 1.), wo er die Verdienſte der Griechen und Roͤmer gegen einander haͤlt, ſagt:” In ſummo apud” illos (Graecos) honore geometria fuit. Itaque ni” hil mathematicis illuſtrius. At nos metiendi ratio” cinandique vtilitate huius artis modum terminaui” mus. “
Im mittlern Zeitalter erhielten ſich die mathematiſchen Wiſſenſchaften bey den Arabern oder Saracenen, denen wir die Ueberlieferung dieſer Kenntniſſe an den Occident nebſt verſchiedenen Erweiterungen der Wiſſenſchaft ſelbſt zu verdanken haben. Sie uͤberſetzten die Werke des Euklid, Archimed, Apollonius u.a.m. in ihre Sprache, commentirten uͤber dieſelben, gaben der Trigonometrie eine beſſere Geſtalt, und fuͤhrten in der Rechenkunſt die von den Indianern entlehnte Bezeichnung mit zehn Ziffern ein, welche der neuern praktiſchen Arithmetik ſo große Vorzuͤge vor der alten verſchaft hat. Auch brachten ſie es zuerſt zu einiger Vollkommenheit in der Algebra, einer Wiſſenſchaft,164 deren Name ſchon zeigt, daß ſie zu uns von den Arabern uͤbergegangen ſey.
Im funfzehnten und ſechszehnten Jahrhunderte erwachte das Studium der mathematiſchen Wiſſenſchaften in den occidentaliſchen Laͤndern. Leonhard von Piſa und Lucas von Brugo machten die Algebra bekannter, welche in Jtalien durch Tartalea, Cardan, Bombelli, und in Frankreich durch Vieta anſehnliche Erweiterungen erhielt: Purbach, Regiomontan und Rhaͤticus verbeſſerten den trigonometriſchen Canon, und uͤberall war man bemuͤht, ſich durch Ausgaben und Ueberſetzungen der griechiſchen Mathematiker in den Beſitz der Schaͤtze des Alterthums zu ſetzen. Der Anfang des ſiebzehnten Jahrhunderts zeichnete ſich durch Nepers ſinnreiche und nuͤtzliche Erfindung der Logarithmen aus. Zugleich entſtand unter den Haͤnden Replers und Cavalleti eine neue Geometrie, die ſich durch die Methode des Untheilbaren zu weit hoͤhern Unterſuchungen erhob, als die Alten hatten unternehmen koͤnnen. Nachdem Harriot in England die Buchſtabenrechnung anſehnlich erleichtert und erweitert hatte, wandte Descartes dieſelbe ſehr gluͤcklich auf die Geometrie an, und gab dadurch der Theorie der krummen Linien eine ganz neue Geſtalt. Fermat, Wallis, Barrow, Gregory bereicherten die Arithmetik und Geometrie mit einer Menge neuer Methoden und Entdeckungen: Leibnitz und Newton endlich erfanden die Rechnung des Unendlichen, fuͤr welche ſo viele ſonſt aͤußerſt ſchwere Unterſuchungen ein bloßes Spiel ſind, und ohne die es unmoͤglich iſt, in die Lehren der neuern Geometrie und Phyſik einzudringen. Dieſer Theil der hoͤhern Mathematik und vorzuͤglich die Integralrechnung iſt ſeitdem durch die Bernoullis und Eulern ungemein erweitert, und auf viele Gegenſtaͤnde der Phyſik mit großem Nutzen angewendet worden.
Ein großes Verdienſt um die Ausbreitung der mathematiſchen Wiſſenſchaften haben ſich die Neuern durch Abfaſſung guter Lehrbuͤcher erworben. Johann Chri -165 ſtoph Sturm (Matheſis enucleata. Norimb. 1695. 8. ) machte in Deutſchland hiezu den Anfang, und dem Freyherrn von Wolf (Anfangsgr. aller mathemat. Wiſſ. Halle, 1710. IV Theile, 8.) gelang es beſonders durch die lichtvolle Deutlichkeit und Ordnung ſeines Vortrags, den Geſchmack an der Mathematik weit allgemeiner zu machen. Seine Lehrbuͤcher ſind ein halbes Jahrhundert hindurch mit ungemeinem Nutzen gebraucht worden, und das Mangelhafte derſelben in Ruͤckſicht auf Vollſtaͤndigkeit und Schaͤrfe der Beweiſe laͤßt ſich mit dem Zeitalter und der Abſicht ihres Verfaſſers vollkommen entſchuldigen. In der Folge aber ward es noͤthig, auf gruͤndlichere und ausfuͤhrlichere Handbuͤcher zu denken. Hiezu brach Hauſen (Elem. Matheſeos. Lipſ. 1734. 4. ) zuerſt die Bahn, und ihm folgten die Herren von Segner (Elem. Arithm. et Geom. Halae, 1756. 8. ), Raͤſtner (Anfangsgruͤnde der Arithm. Geom. Trigonom. und Perſp. Goͤttingen, 1758. 8. vierte Aufl. 1786. 8. Anfangsgr. der angewandten Mathem. Goͤtting. 1759. 8. dritte Aufl. in 2 Abtheil. 1780. und 1781. 8. Anf. der Analyſis endlicher Groͤßen, Goͤtt. 1760. 2te Aufl. 1767. Anf. der Analyſis des Unendlichen, Goͤtt. 1761. 2te Aufl. 1770. 8. Anfder hoͤhern Mechanik, Goͤtt. 1766. 8. Anfangsgr. der Hydrodynamik. Goͤtt. 1769. 8. ) und Karſten (Praelectiones Matheſeos theoreticae elementaris atque ſublimioris. Roſt. et Gryph. 1760. 8. Lehrbegrifder geſammten Mathematik. Greifswald, in 8 Theilen von 1767-1777. 8. des 2ten Theiles 1 ſte und 2te Abth. neue Aufl. Greifswald, 1786. 8. ) deren vortrefliche Einleitungen alles leiſten, was man bey einem gruͤndlichen Studium der Mathematik verlangen kan. Unter den neuſten ſind die Anfangsgruͤnde des Herrn Lorenz (Die Elemente der Mathematik in ſechs Buͤchern, Leipzig, 1785. 8. ) vor andern zu empfehlen.
Die Geſchichte der Mathematik hat das vorzuͤgliche Gluͤck gehabt, von Herrn Montucla (Hiſtoire des mathematiques par M. Montucla. à Paris, 1758. II To. 4maj. ) ſo abgehandelt zu werden, daß man dieſe Arbeit166 als ein Muſter einer wiſſenſchaftlichen Geſchichte betrachtenkan. Aus dieſem wichtigen Werke, welches jedoch nur bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts reicht, hat Herr Scheibel (Einleitung zur mathematiſchen Buͤcherkenntniß, Breslau, 1769. 8. im 1ſten, 3ten und 4ten Stuͤck) einen reichhaltigen Auszug mitgetheilt, auch Nachrichten von mehrern Geſchichtſchreibern der mathematiſchen Wiſſenſchaften gegeben. Verzeichniſſe mathematiſcher Schriftſteller findet man beym Wolf (Kurzer Unterricht von den vornehmſten mathematiſchen Schriften, im 4ten Theile der Anfangsgr. math. Wiſſ. ) in ſyſtematiſcher Ordnung und mit Urtheilen begleitet; weit vollſtaͤndiger aber, jedoch in willkuͤhrlicher Ordnung, in Herrn Scheibels vortreflicher Einleitung zur mathematiſchen Buͤcherkenntniß, von welcher 1789 das achtzehnte Stuͤck erſchienen iſt.
Ueber den gegenwaͤrtigen Zuſtand, die Vervollkommnung und Erleichterung des Studiums dieſer unter allen am meiſten vollendeten und allgemein unentbehrlichen Wiſſenſchaft, verdient auch die Schrift des Herrn Michelſen (Gedanken uͤber den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Mathematik, und die Art, ihre Vollkommenheit und Brauchbarkeit zu vergroͤßern, Berlin, 1789. gr. 8.) nachgeleſen zu werden.
Dieſen Namen, im weitlaͤuftigſten Sinne genemmen, fuͤhrt die Lehre von der Bewegung und von den Kraͤften, welche als Urſachen der Bewegung angeſehen werden. Dieſer wichtige Abſchnitt der Naturlehre erfordert haͤufige Anwendungen der Mathematik, und begreift mehrere einzelne Wiſſenſchaften, welche unter dem Namen der mechaniſchen einen Haupttheil der angewandten Mathematik ausmachen.
Die bequemſte Claſſification dieſer mechaniſchen Wiſſenſchaften moͤchte wohl ſolgende ſeyn. Man betrachtet die Kraͤfte entweder im Zuſtande des Gleichgewichts, oder im Zuſtande der wirklichen Bewegung; man wendet167 im letztern Falle entweder nur gemeine, oder auch hoͤhere Mathematik, an; man betrachtet endlich Kraͤfte und Bewegungen entweder an feſten Koͤrpern, oder an tropfbaren fluͤßigen, oder an elaſtiſchen fluͤßigen Materien. Die Lehre vom Gleichgewicht wird bey feſten Koͤrpern Statik der feſten Koͤrper, bey tropfbaren Fluͤßigkeiten Hydroſtatik, bey elaſtiſchen Aerometrie oder Aeroſtatik genannt. Die Lehre von der Bewegung, in ſofern blos praktiſche Mittel, Bewegung hervorzubringen, mit Huͤlfe der Elementar - Mathematik erklaͤrt werden, heißt bey ſeſten Koͤrpern Mechanik in eingeſchraͤnkter Bedeutung des Worts, auch gemeine Mechanik oder Maſchinenlehre, bey tropfbaren Fluͤßigkeiten Hydraulik, bey elaſtiſchen Pnevmatik: wenn aber mit Beyhuͤlſe der hoͤhern Mathematik genauere Unterſuchungen uͤber die Natur und Eigenſchaften der Bewegungen angeſtellt werden, ſo rechnet man dieſelben bey feſten Koͤrpern zur hoͤhern Mechanik oder Dynamik, bey tropfbaren Fluͤßigkeiten zur Hydrodynamik, bey elaſtiſchen werden ſie mit zur Pnevmatik gezogen, ob man ſie gleich auch unter dem Namen der Aerodynamik abſondern koͤnnte. Einige theilen die hoͤhere Mechanik in Dynamik und Phoronomie, wobey das, was die Kraͤfte betrift, zu jener, was aber die Vewegung allein angeht, zu dieſer gerechnet wird. Man ſ. die Artikel: Aerometrie, Aeroſtatik, Dynamik, Hydraulik, Hydroſtatik, Hydrodynamik, Pnevmatik, Phoronomie, Statik, wo von allen dieſen Wiſſenſchaften umſtaͤndlichere Nachricht gegeben wird, daß alſo hier nur noch von der gemeinen und hoͤhern Mechanik feſter Koͤrper etwas hinzuzuſetzen uͤbrig bleibt.
Schon im hoͤchſten Alterthum findet man deutliche Spuren von Kenntniſſen der praktiſchen Mechanik. Ohne dieſe haͤtten weder die Egyptier den Bau ihrer ungeheuren Pyramiden und die Einrichtung ſo großer Obelisken ausfuͤhren, noch auch andere Nationen des Alterthums die Gebaͤude vollenden koͤnnen, deren Ruinen uns noch in Erſtaunen ſetzen. Dennoch ſind hieraus noch nicht tiefe Einſichten168 in die Theorie der Mechanik zu folgern. Der Gebrauch der einfachſten Ruͤſtzeuge, des Hebels, des Haſpels und der ſchiefen Flaͤche, wovon die Entdeckung ſich dem Menſchen ſo leicht darbieter, war ſchon vermoͤgend, erſtaunliche Dinge zu bewirken, wenn dabey die Kraͤfte der Menſchen in ſo großer Menge und mit ſolcher Anſtrengung, als es bey den Alren gewoͤhnlich war, angewendet wurden. Dieſe Verſchwendung der menſchlichen Kraft erleichterte ehedem alle mechaniſchen Unternehmungen, da hingegen die neuere Mechanik faſt gaͤnzlich die Erſparung und Verſtaͤrkung der menſchlichen und thieriſchen Kraͤfte zur Abſicht hat.
Die Theorie der Mechanik entwickelte ſich zuerſt bey den Griechen. Zwar ſind die mechaniſchen Fragen des Ariſtoteles von gar keinem Werthe, wie er denn z. B. die Erſcheinungen des Hebels aus den wunderbaren Eigenſchaften des Cirkels herleitet: in andern Schriften aber (Phyſ. L. I. c. vlt. ) gedenkt er doch ſchon des mechaniſchen Grundgeſetzes, daß Kraͤfte gleich viel wirken, wenn ſie ſich umgekehrt wie ihre Geſchwindigkeiten verhalten. Weit groͤßer ſind Archimeds Verdienſte um dieſe Wiſſenſchaſt. Er demonſtrirte zuerſt (〈…〉〈…〉* isor) r (opikw_n bibl. b.13 ſ. de aequiponderantibus libri II. ) das Geſetz des Hebels, als den eigentlichen Grundſatz der Statik, und bediente ſich dabey der ſinnreichen Idee vom Schwerpunkte, von der er der erſte Urheber zu ſeyn ſcheint. Auch lehrte er die Erfindung des Schwerpunkts mehrerer Figuren, beſonders der Parabel, mit vielem Scharfſinn. Unter ſeine praktiſchen Erfindungen zaͤhlen die Alten die Schraube ohne Ende und die Zuſammenſetzung der Scheiben im Kloben, oder den Polyſpaſt. Er ließ nach dem Berichte des Athenaͤus (Deipnoſophiſt. L. V.) den Koͤnig Hieren ganz allein ein Schiff in Bewegung ſctzen, und that dabey den kuͤhnen Ausſpruch, daß er die Erde bewegen wolle, wenn man itzm einen Standpunkt außer derſelben gaͤbe, ſ. Hebel. Er vertheidigte nach den Zeugniſſen des Polybins, Livius und Plutanch ſeine Vaterſtadt Syrakus durch neuerfundene Maſchinen gluͤcklich gegen die Belagerung der Roͤmer,169 bis er bey der ohne ſeine Schuld erfolgten Eroberung im I. 212. vor C. G. das Leben verlohr. Unter den alerandriniſchen Mathematikern haben ſich beſonders Cteſibius und Heron um die Mechanik verdient gemacht. Der Letztere brachte nach dem Berichte des Pappus (Collect. Math. L. VIII. ) alle Ruͤſtzeuge auf die Theorie des Hebels, ſetzte ſie auf verſchiedene Art zum praktiſchen Gebrauch zuſammen, und erfand eine Maſchine aus bezahnten Raͤdern (〈…〉〈…〉baroulkon14) zu Fortſchaffung großer Laſten. Außer ſeinem vornehmſten Werke uͤber die Waſſermaſchinen hat man von ihm eine Schrift von Verfertigung der Wurfſpieße (〈…〉〈…〉* belopoihka15) ſ. Telofactiua gr. et lat. ex inter pr. Bern. Baldi, Aug. Vind. 1616. 4.). In ſpaͤtern Zeiten haben ſich noch Iſidorus von Milet, Anthemius und der juͤngere Heron durch Erfindung von Kriegsmaſchinen hervorgethan. Im mittlern Zeitalter aber ſcheinen die mechaniſchen Wiſſenſchaften gaͤnzlich in Vergeſſenheit gelegen zu haben; man finder weder bey den Arabern, noch im Occident, Spuren mechaniſcher Kenntniſſe, einige Erzaͤhlungen von kuͤnſtlichen Avtomaten ausgenommen, deren Verfertigung dem Roger Baco und Albert Grot zugeſchrieben wird, welche beyde in dieſen finſtern Zeiten fuͤr Zauberer galten.
Selbſt im ſechszehnten Jahrhunderte nach C. G. waren die Fortſchritte der mechaniſchen Theorie noch unbedeutend. Man commentirte uͤber die Quaͤſtionen des Ariſtoteles, glaubte, die bewegten Koͤrper wuͤrden durch die hinter ihnen zuſammenfahrende Luft fortgetrieben, nahm Bewegungen an, die ihrer Natur nach kreisſoͤrmig waͤren, theilte uͤberhaupt die Bewegung in natuͤrliche und gewaltſame, und behauptete in Abſicht auf die Geſetze derſelben die ſonderbarſten Irrthuͤmer. Doch ward die Statik von Guido Ubaldi, Marcheſe del Monte (Mechanicorum libri VI. 1577.) mit ziemlichem Gluͤck bearbeitet, und ganz auf das Geſetz des Hebels gebracht; auch fand Cartalea einige richtige Saͤtze der Lehre von geworfenen Koͤrpern. Simon Stevin (Beghinſelen der Weghkonſt, Amſt. 1596. 4. ) entdeckte endlich das wahre Geſetz des170 Gleichgewichts auf der ſchiefen Ebne, erfand die ſinnreiche Methode, die Groͤße der Kraͤfte durch gerade mit ihrer Richtung parallel laufende Linien auszudruͤcken, und kam dadurch auf den Satz des Gleichgewichts zwiſchen drey Kraͤften, der zum allgemeinen Grundſatze der Statik dienen kan, ſ. Gleichgewicht.
Die glaͤnzende Epoche der Mechanik aber faͤngt erſt von den Zeiten des Galilei an, deſſen wichtige Entdeckung der Geſetze fallender Koͤrper bey dem Worte: Fall der Roͤrper erzaͤhlt worden iſt. Hiedurch ward der erſte Grund zur hoͤhern Mechanik gelegt, von der ſchon Galilei ſelbſt einige Lehren, z. B. vom paraboliſchen Wege geworfener Koͤrper, von der Bewegung der Pendel, vom Widerſtande feſter Koͤrper 2c. weiter entwickelte. Ihm gehoͤrt auch der Satz, daß einerley Kraft ſtets einerley Zeit braucht, um eine gegebne Laſt durch einen gegebnen Raum zu fuͤhren, und daß daher bey allen Maſchinen eben ſo viel an Raum oder Zeit verlohren, als an Kraft gewonnen wird. Dieſe Entdeckungen wurden von ihm ſchon gegen das Ende des ſechszehnten Jahrhunderts gemacht, aber erſt ſpaͤter in ſeinen mechaniſchen Abhandlungen (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze attenenti alla Mecanica ed i muovimenti locali. Leid. 1638. 4. ) vorgetragen. Von den daruͤber entſtandnen Streitigkeiten ſ. den Art. Fall der Roͤrper.
Aus dieſen Erfindungen des Galilei entſprang in der erſten Helfte des ſiebzehnten Jahrhunderts die hoͤhere Mechanik durch Torricelli, Baliani, Borelli in Italien, ſo wie durch Roberval und Descartes in Frankreich. Der P. Merſenne, durch deſſen ausgebreiteten Briefwechſel damals die Gelehrten mehrerer Laͤnder in Verbindung ſtanden, veranlaßte durch vorgelegte Fragen und Aufgaben eine Menge hieher gehoͤriger Unterſuchungen, die man in ſeiner Harmonia univerſali, und ſeiner Abhandlung de mechanica findet. Descartes (Tract. de Mechanica, ed. in Opuſc. poſth. Amſt. 1701. 4. ) lehrte die Eigenſchaften der Bewegung noch deutlicher, als Galilei,171 und fuͤhrte den Grundſatz ein, daß das Vermoͤgen einer bewegenden Kraft dem Producte der bewegten Maſſe in ihre Geſchwindigkeit gleich ſey. Er erkannte, daß jede Bewegung mit unveraͤnderter Richtung und Geſchwindigkeit fortdauern muͤſſe, und daß krummlinichte Bemegungen nicht anders, als durch beſtaͤndige Einwirkung einer ablenkenden Urſache entſtehen koͤnnten. Deſto irriger ſind ſeine Meinungen von den Geſetzen des Stoßes. Sie beruhen aufdem Grundſatze, daß in der Koͤrperwelt immer eine gleiche Summe von Bewegung erhalten werde, wobey aber Descartes Bewegung nach entgegengeſetzten Richtungen nicht gehoͤrig unterſcheidet, ſondern vielmehr jede Bewegung der Ruhe entgegenſetzt, und der letztern eine beſondere Kraft beylegt — Ideen, welche nothwendig auf falſche Folgen fuͤhren mußten. Die wahren Geſetze des Stoßes oder der mitgetheilten Bewegung wurden bald darauf von Wallis, Wrenn und Huygens entdeckt, und in den erſten Numern der philoſophiſchen Transactionen bekannt gemacht, ſ. Stoß. Wallis (Mechanica, ſ. de motu tract. geom. Oxon. 1669. fol. et in Opp. Vol. I.) trug die bis auf ſeine Zeit gemachten Erfindungen vollſtaͤndig zuſammen.
Huygens bereicherte dieſe Wiſſenſchaft mit verſchiedenen neuen Theorien. Er wandte zuerſt das Pendel an, um den Gang der Uhren gleichfoͤrmig zu machen; er entdeckte die merkwuͤrdigen Eigenſchaften, welche der Cykloide hiebey zukommen; er erweiterte und berichtigte die Theorien vom Mittelpunkte des Schwunges und des Stoßes, und erſand die Saͤtze von der Schwungkraft im Kreiſe, ſ. Centralkraͤfte (Th. I. S. 496. u. f. ingl. S. 500.).
Endlich vollendete Newton durch ſeine Entdeckungen das Gebaͤude der hoͤhern Mechanik, das er in ſeinem unſterblichen Werke (Philoſophiae naturalis principia mathematica. Lond. 1687. 4. ) aufgefuͤhrt, und der Mechanik der Himmelskoͤrper oder der phyſiſchen Aſtronomie zum Grunde gelegt hat. Er behandelte die Lehre von den krummlinichten Centralbewegungen in der groͤßten Allgemeinheit, fand durch Anwendungen der erhabenſten Geometrie ihre Geſetze, und entwarf zuerſt eine vollſtaͤndige Theorie der172 Bewegungen in widerſtehenden Mitteln. In der Vorrebe ſeines Werks unterſcheidet er die hoͤhere Mechanik (Mechanicam rationalem ſ. ſcientiam motuum et virium) ausdruͤcklich von der gemeinen oder der Maſchinenlehre (Mechanica practica ſ. ſcientia potentiarum ad artes manuales ſpectantium), und man hat ſeitdem dieſen Unterſchied genau zu beobachten fortgefahren.
Von dieſer Zeit an ward die hoͤhere Mechanik mit Huͤlfe der Rechnung des Unendlichen immer anſehnlicher erweitert. Man pflegte ſich damals Aufgaben vorzulegen, an deren Aufloͤſung die Mathematiker ihre Geſchicklichkeit zeigen, und die Staͤrke ihrer Methoden pruͤfen konnten. Dahin gehoͤren die mechaniſchen Probleme von den iſochroniſchen Curven, der Kettenlinie, der elaſtiſchen Curve, der Linie des kuͤrzeſten Falles, der Figur des kleinſten Widerftandes u. a., woran Huygens, Leibnitz, Jacob und Johann Bernoulli, de l'Hopital, Fatio de Duillier, Saurin u. a. ihre Kraͤfte geuͤbt, und dabey manche nuͤtzliche Methoden und Lehrſaͤtze gefunden haben.
Hermann (Phoronomia ſ. de viribus et motibus ſolidorum et fluidorum libri II. Amſt. 1716. 4. ) traͤgt die Lehren der hoͤhern Mechanik ſynthetiſch, Euler hingegen (Mechanica, ſ. motus ſcientia analytice pertractata. Petrop. 1736. II. To. 4. maj. und Theoria motus corporum ſolidorum ſ. rigidorum. Roſtoch. et Gryphisw. 1765.4. ) analytiſch vor. D'Alembert (Traité de Dynamique. à Paris, 1743.4. ) ſtellt eine ſehr ſcharfe Pruͤfung der Gruͤnde an, auf welchen das ganze Gebaͤude der Mechanik beruht, und ſucht dieſelben mehr aufzuklaͤren und ſchaͤrfer zu erweiſen. Einen aͤhnlichen Verſuch hat auch Lambert gemacht (Gedanken uͤber die Grundlehren des Gleichgewichts und der Bewegung, in den Beytraͤgen zum Gebrauch der Mathematik, II. Theil, Berlin, 1770. 8. Num. 11.). Kuͤrzere Einleitungen in dieſe Wiſſenſchaft haben die Herren Kaͤſtner (Anfangsgruͤnde der hoͤhern Mechanik. Goͤtting. 1766. 8. ) vorzuͤglich aus Eulers und Joh. Bernoullis Werken, und Rarſten (Lehrbegrif der geſammten Mathematik, im 3ten und 4ten Theile) mit ſchoͤnen Anwendungen auf das Maſchinenweſen173 gegeben. Das neuſte Syſtem der hoͤhern Mechanik von Herrn de la Grange (Mechanique analytique. à Paris, 1788. 8. ) leitet in der hoͤchſten Allgemeinheit, und ohne alle Figuren, die ganze Statik und Dynamik aus einer einzigen Grundformel ab.
Die Maſchinenlehre, welche ohne hoͤhere Mechanik nicht vollkommen ſeyn kan, hat ſeit Newtons Zeiten eine ganz andere Geſtalt, als vormals, gewonnen. In England zeichneten ſich als praktiſche Mechaniker D. Hook und Deſaguliers, in Frankreich Huygens, Hautefeuille, Varignon, de la Hire, Amontons, Parent, Camus u. a. aus. Hook und Hautefeuille brachten zuerſt die Spiralfeder bey den Uhren, und Roͤmer die epicykloidaliſchen Zaͤhne an dem Raͤderwerk an. Varignon (Nouvelle Mecanique. à Paris, 1725.4. ) brachte die Statik ganz auf Stevins Grundſatz vom Gleichgewichte dreyer Kraͤfte; und de la Hire (Traité de Mecanique. Paris, 1695. 4. ) gab einen neuen Beweis vom Geſetze des Hebels, ſehr aͤhnlich mit demjenigen, auf welchen nachmals Herr Raͤſtner fuͤr ſich gekommen iſt, ſ. Hebel. Amontons, Parent, Muſſchenbroek und Deſaguliers klaͤrten zuerſt die Lehren vom Reiben und von der Steife der Seile auf, und Camus (Traité des forces mouvantes. Paris, 1722. 8. ) handelte die Anfangsgruͤnde der Maſchinenlehre mit vieler praktiſchen Geſchicklichkeit ab.
Einleitungen in die Statik und Maſchinenlehre enthalten die Lehrbuͤcher der angewandten Mathematik, vornemlich das Kaͤſtneriſche. Herr Rarſten (Lehrbegrif der geſ. Math. III — VI. Theil) hat ſehr viel Brauchbares vom Maſchinenweſen beygebracht, ſo wie Martin (Philoſophia Britannica, nach der deutſchen Ueberſ. Leipzig, 1778.8. ) und Moͤnnich (Anleitung zur Anordnung und Berechnung der gebraͤuchlichſten Maſchinen, iſte Abth. Augſp. 1779. 8.). Einen ſehr leichten und faßlichen Vortrag der Maſchinenlehre enthaͤlt des Herrn Buͤſch Verſuch einer Mathematik zum Nutzen und Vergnuͤgen des buͤrgerlichen Lebens (2te Aufl. Hamburg, 1776. 8.). Ein Verzeichniß der vornehmſten mechaniſchen Schriften bis auf ſelne Zeit liefert Wolf174 (Kurzer Unterricht von den vornehmſt. mathem. Schriften, Cap. 8., im vierten Theile ſ. Anſangsgr. ber math. Wiſſenſch.).
Eigentlich bedeutet dieſes Wort den Bau oder die innere Einrichtung einer Maſchine, mittelſt welcher die Kraft in derſelben ihre Wirkung hervorbringt. So redet man von dem Mechanismus einer Uhr, eines Muͤhlwerks u. dgl. Im weitlaͤuftigern Sinne heißt Mechanismus uͤberhaupt die Art und Weiſe, auf welche eine materielle Urſache ihre Wirkung hervorbringt. So ſagt man, es ſey moͤglich, daß Anziehung, Schwere, Cohaͤſion 2c. durch Stoß oder Druck einer feinen Materie vermittelſt eines uns unbekannten Mechanismus bewirkt werden.
Die große Sammlung von Waſſer, welche die niedrigern Stellen der Erdflaͤche bedeckt, und in welche ſich die Fiuͤſſe ergießen. Ueber zwey Drittel der ganzen Erdflaͤche ſtehen unter Waſſer, ſ. Erdkugel. Die groͤßten und tiefſten Thaͤler der Erdrinde bilden rings um die feſten Laͤnder ein großes zuſammenhaͤngendes Baſſin, in welchem ſich das Weltmeer, die ofne See (Oceanus, Ocean) befindet. Diejenigen Theile davon, welche ſich tief zwiſchen das Trockne hincin erſtrecken, heiſſen Meerbuſen, Golfen (Sinus), und ſind mit dem Weltmeere insgemein durch Meerengen, Straßen (Freta, Détroits) verbunden. Sammlungen von Waſſer mitten im Lande heißen Landſeen, ſ. Seen.
Das Weltmeer wird insgemein unter vier große Abtheilungen gebracht. Das Eismeer (Oceanus ſeptemtrionalis ſ. glacialis) umgiebt die Gegenden des Nordpols; das atlantiſche (Oceanus atlanticus) zwiſchen den weſtlichen Kuͤſten der alten und den oͤſtlichen der neuen Welt, wird nordwaͤrts auch die Nordſee, und ſuͤdwaͤrts das aͤthiopiſche Meer genannt; die Suͤdſee oder das ſtille Meer (Oceanus auſtralis, Mare pacificum) befindet ſich zwiſchen den weſtlichen Kuͤſten von Amerika und den oͤſtlichen von175 Aſien; endlich das indiſche Meer (Oceanus indicus) geht von Aſiens ſuͤdlichſten Kuͤſten gegen den Suͤdpol herab.
Unter den Meerbuſen iſt der groͤßte und merkwuͤrdigſte das mittellaͤndiſche Meer (Mare mediterraneum), welches ſich zwiſchen Europa, Afrika und Aſien uͤber 50 Grad weit ins Land hineinſtreckt, und nur durch die enge Straße bey Gibraltar mit dem atlantiſchen Ocean zuſammenhaͤngt. Es wird ſeiner anſehnlichen Groͤße wegen wiederum in verſchiedene Theile getheilt, wovon wir nur das adriatiſche, das aͤgeiſche Meer, das Mare di Marmora (Propontis) und das ſchwarze Meer (Pontus Euxinus ſ. mare nigrum) bemerken wollen. Das letztere iſt mit dem Mare di Marmora durch die Straße bey Conſtontincpel (Boſphorus thracicus), und dieſes mit dem aͤgeiſchen Meere durch den Helleſpont oder die Dardanellen verbunden.
Durch die Meerenge bey Gibraltar geht in der Mitte ein beſtaͤndiger Strom aus dem atlantiſchen Meere in das mittellaͤndiſche; auf den Seiten aber geht er zweymal im Tage ein und zuruͤck. Auch das ſchwarze Meer ſtroͤmt durch den Boſphorus und die Dardanellen ein, und fuͤhrt das Waſſer der großen Fluͤſſe, die es aufnimmt, dem mittellaͤndiſchen Meere zu. Außerdem ergießen ſich in dieſes Meer noch eine Menge anſehnlicher Stroͤme, ohne daß man irgendwo einen Ausfluß ins Weltmeer oder ein bleibendes Anwachſen des Waſſers wahrnimmt. Es entſteht alſo die Frage, wo dieſes Waſſer bleibe? Rircher (Mund. ſubterran. To. I.) glaubt, es werde durch unterirdiſche Gaͤnge, beſonders unter der Landenge zwiſchen Afrika und Aſien, abgefuͤhrt; Halley (Miſcellan. curioſa, To. I.) und Buffon (Hiſt. naturelle, To. I. p. 399.) hingegen laſſen es burch die Ausduͤnſtung hinweggehen, wobey Popowitſch (Unterſuchungen vom Meere, Frf. u. Leipz. 1750. 4. ) noch die unterirdiſche Waͤrme zu Huͤlfe nimmt. Alle dieſe Schriftſteller aber ſetzen bey ihren Berechnungen die Menge des einſtroͤmenden Waſſers bey weitem zu gering an. Nach Bergmanns Ueberſchlage fuͤhrt der Strom in der Meerenge bey Gibraltar ſoviel Waſſer ein, daß dadurch die Oberflaͤche des mittellaͤndiſchen Meeres in einem Jahre gegen 22 Fuß huͤper werden176 muͤßte, und nur der Nil allein wuͤrdenoch 4 Fuß hinzuſetzen. Die Ausduͤnſtung hingegen erniedrigt die duͤnſtenden Flaͤchen jaͤhrlich nur etwa um 30 Zoll, und durch den herabfallenden Regen rc. werden ſie faſt um eben ſoviel wieder erhoͤhet. Mithin iſt die Ausduͤnſtung viel zu ſchwach, um das Phaͤnomen zu erklaͤren, zu geſchweigen, daß eine ſo ſtarke Verduͤnſtung des aus dem Weltmeere gekommenen Waſſers eine ungeheure Menge von Salz zuruͤcklaſſen muͤßte, die man doch im mittellaͤndiſchen Meere nicht wahrnimmt. Wahrſcheinlicher iſt es alſo, daß ſich in der Tiefe des Meeres ein ausfuͤhrender Strom befinde; ſo wie durch eine Thuͤr zwiſchen einem waͤrmern und einem kaͤltern Zimmer, die leichtere Luft aus jenem oben aus, und die ſchwerere unten einſtroͤmt. Der Graf Marſigli (Hiſtoire phyſique de la mer. Amſterd. 1725. fol.) hat im thraciſchen Boſphorus wirklich ſolche entgegengeſetzte Stroͤme gefunden; und nach den Beobachtungen der engliſchen Schiffer giebt es dergleichen auch im Sunde. Buffons Einwendung, daß die Hypotheſe der doppeiten Stroͤme gegen die Geſetze der Hydraulik ſtreite, iſt ungegruͤndet, und von Waiz (Schwed. Abhandl. von 1755, der deutſchen Ueberſ. S. 28. u. f.) hinreichend widerlegt worden. Im Jahre 1712 ward ein hollaͤndiſches Schiff in der Mitte der Meerenge in Grund geſchoſſen; einige Tage darauf fand man faſt eine Meile weſtwaͤrts Tonnen davon, die zu Boden geſunken und dem untern Strome gefolgt waren (Waiz, S. 29.).
Ein andrer großer Meerbuſen iſt das baltiſche Meer oder die Oſtſee, zwiſchen den Kuͤſten von Deutſchland, Preuſſen, Liefland und Schweden. Sie haͤngt mit der Nordſee durch drey Meerengen, den Sund, den großen und den kleinen Belt zuſammen, durch welche beſtaͤndig Waſſer in ſie einſtroͤmet. Der arabiſche Meerbuſen oder das rothe Meer zwiſchen Arabien und Afrika iſt wegen ſeiner haͤufigen rothen Corallen beruͤhmt, und ſoll nach de l'Isle (Mém. de Paris. 1702.) ehedem mit dem Nil und dadurch mit dem mittellaͤndiſchen Meere in Verbindung geſtanden haben. Andere, z. B. den perſiſchen Meerbuſen, das weiße Meer rc. muß man aus den geographiſchen Handbuͤchern177 kennen lernen. Die breitern ſuͤhren den Namen der Bayen, wie die Hudſonsbay, Baſfinsbay u. ſ. w.
Der Boden des Meeres iſt wie die Oberflaͤche des feſten Landes gebildet, ſo daß Thaͤler, Huͤgel und Berge uͤberall mit einander abwechſeln. Dies beweiſen die aus dem Meere hervorragenden Klippen und Inſeln, und die verſchiedene Tiefe des Waſſers. Man findet auf dem Meergrunde Schichten von verſchiedenen Materien, dergleichen Donati (Della ſtoria naturale marina dell 'Adriatico. Venez. 1750. 4. Vitaliano Donati Auszug der Naturgeſch. des adriat. Meeres, Halle, 1753. gr. 4.) unterſucht, und von Marmor, Fels, Sand, Erdarten, mit Kies und Conchylien vermiſcht, gefunden hat. Dieſe Schichten erhoͤhen ſich von Zeit zu Zeit. Deſto wahrſcheinlicher wird hieraus der Satz, daß auch unſer feſtes Land ehedem Meergrund geweſen ſey, ſ. Erdkugel. Es giebt auch Quellen auf dem Boden des Meeres. Kircher (Mund. ſubterr. To. I. p. 97.) erzaͤhlt, der ſicilianiſche Taucher Peſce Cola habe auf dem Grunde der Charybdis einen reißenden Strom entdeckt.
Die Tiefedes Meeres iſt ſehr verſchieden. Boyle (Relationes de ſundo maris Sect. 1.) erzaͤhlt, im Canale zwiſchen England und Frankreich habe man in einer Entfernung von zwo Schiffslaͤngen die Tiefe an einem Orte 30, am andern 100 Klaftern gefunden, daß es alſo daſelbſt eine jaͤhe Klippe geben muß. Die groͤßte Meerestiefe iſt noch nicht bekannt. Forſter erreichte um den Aequator, wo man ſit immer am groͤßten findet, mit 250 Klaftern noch keinen Grund. Er meldet, daß ſolche Verſuche große Umſtaͤnde erfordern, weil das Schiff dabey in den Wind gelegt, und die halbe Mannſchaft auf das Verdeck commandirt werden muß, welches die Schiffskapitaͤne nicht leicht zugeben.
Dampier (Voyage autour du monde. To. II. p. 119. ſq. ) nahm wahr, daß das Meer laͤngſt den Kuͤſten insgemein um ſo viel tiefer iſt, je hoͤher die Kuͤſten ſind; daß man hingegen an flachen niedrigen Kuͤſten die geringſte Tiefe und die bequemſten Ankerplaͤtze findet. Buffon (Hiſt. naturelle, To. II. p. 199. edit. in 12.) zieht daraus die allgemeine178 Regel, daß die Ungleichheiten des Meergrunds mit denen auf den angrenzenden Kuͤſten uͤbereinſtimmen. Dem zufolge muͤßte das Weltmeer gegen den Chimboraço in Suͤdamerika am tiefſten, gegen die oͤſtliche Seite von Aſien ſeichter, und das mittellaͤndiſche gegen den weitgeſtreckten Atlus ſeichter, gegen die Pyrenaͤen tiefer ſeyn. Auch giebt Marſiglidie Tieſe des Meers an den franzoͤſiſchen Kuͤſten ſehr groß, und bis auf 1500 Toiſen an. Forſter aber bemerkt, daß im Suͤdmeere ſehr haͤufige Ausnahmen von dieſer Regel vorkommen.
Das Meerwaſſer hat einen ſalzigen und zugleich bittern Gefchmack, und mehr eigenthuͤmliches Gewicht, als das ſuͤße Waſſer. Nach dem Aequator zu iſt es am ſchaͤrfſten, nach den Polen weniger geſalzen: auch iſt es in der Tiefe ſalziger und bitterer, als oben. Bergmann hat uͤber dieſen Salzgehalt viele Verſuche geſammelt, welche aber ſo weit von einander abweichen, daß ich kein Mittel daraus zu ziehen wage. Es iſt auch der Grad der Salzigkeit an einerley Orte veraͤnderlich. Marſigli legt dem mittellaͤndiſchen Meere 1 Loth, andere 2, 3, bis 4 Loth Salz aufs Pfund bey. Ueberhaupt aber iſt es noch weit entfernt, von Salz geſaͤttigt zu ſeyn, und weit ſchwaͤcher als die Solen, welche zum Salzſieden gebraucht werden. Dennoch erhaͤlt man, beſonders in Frankrelch und Holland, durch Abduͤnſten Kochſal; aus dem Seewaſſer, welches insgemein Boyſalz genannt wird, von deſſen Bereitung Gaubius (De aqua maris ſeptemtrionalis orae belgicae, in ſ. Adverſariis, p. 1.) und Bergmann (De aqua pelagica, in Opuſc. Vol. I. S. 179.) handeln.
Den Grund der Bitterkeit ſuchte man ehedem in einem beygemiſchten Erdharze oder Bergfette, welches Marſigli von den im Grunde befindlichen Steinkohlen berleitete, und ſogar den Geſchmack des Seervaſſers durch 46 1 / 2 Loth Waſſer, 1 1 / 2 Loth Kochſalz und 48 Gran fluͤchtigen Steinkohlengeiſt nachzuahmen ſuchte. Aus dieſem Grunde hielt man es auch fuͤr unmoͤglich, ihm dieſe Bitterkeit ohne Zuſatz einer fremden Materie zu benehmen. Allein Bergmann und Macquer (Chym. Woͤrterb. Art.: Seewaſſer) haben179 nach den genauſten Verſuchen keine Spur von Bergfett darinn gefunden. Der Erſtere erhielt aus einer ſchwediſchen Kanne Seewaſſer, 2 Unzen und 432 Gran Kochſalz, 380 Gran Bitterkochſalz, und 45 Gran Gyps. Nach allen Verſuchen bleibt nach dem Anſchießen des Salzes eine dicke Lauge uͤbrig, in weicher noch Salzſaͤure, weiße Magneſia, Glauberſalz und ſelenitiſche Theile ſtecken. Da alle dieſe Theile nichts Fluͤchtiges enthalten, ſondern beym Abduͤnſten des Waſſers zuruͤckbleiben, ſo muß es ſehr wohl moͤglich ſeyn, durch die Deſtillation das Seewaſſer trinkbar zu machen.
Man hat dennoch bey dieſer fuͤr die Seefahrer ſehr wichtigen Aufgabe viele Schwierigkeiten gefunden. Nach dem Plinius (H. N. XXXI. 6.) fiengen die Alten die Duͤnſte des Seewaſſers mit aufgehangnen oder ausgeſpannten Fellen auf, welche alsdann ausgedruͤckt ſuͤßes Waſſer gaben. Plinius ſchlaͤgt auch vor, hohle Gefaͤße von Wachs tief ins Meer zu ſenken, die ſich durchs Wachs mit filtrirtem trinkbaren Waſſer fuͤllen wuͤrden. Selbſt Leibnitz (Act. Erud. Lipſ. 1682. p. 386.) raͤth an, das Seewaſſer durch Gloͤtte zu filtriren. Marſigli glaubte durch ein 75 Zoll hohes, mit Sand und Erde gefuͤlltes, Rohr dem Seewaſſer, das er durch ſelbiges geſeihet hatte, den groͤßten Theil des Salzes und der Bitterkeit benommen zu haben. Aber der P. Feuillee fand alle dieſe Vorſchlaͤge des Filtrirens unzureichend. Samuel Reyher (Act. Erud. Lipſ. 1697. p. 398.) bemerkte zuerſt, daß das Eis aus Seewaſſer ganz ohne Salz ſey. Dieſe Beobachtung, die ſich vollkommen beſtaͤtiget hat, giebt ein ſicheres Mittel, trinkbares Waſſer durchs Gefrieren zu erhalten; allein die Seefahrer koͤnnen daſſelbe nur ſelten anwenden.
Mehrere ſehr aufgeklaͤrte Naturforſcher verſuchten die Deſtillation mit ſolchen Zuſaͤtzen, welche dabey das vermeinte fluͤchtige Erdharz zuruͤck halten ſollten. So deſtillirte Hauton (Philoſ. Trans. no. 67.) das Seewaſſer uͤber fires Alkali, und glaubte das Uebergangene durch eine Erde reinigen zu koͤnnen. Liſter (Phil. ſrans. no. 156.) trieb es uͤber Seegras (Alga marina), Appleby und Wat -180 ſon (Phil. Tr. Vol. XLVIII. P. I. p. 69.) uͤber Hoͤllenſtein, gebrannte Knochen und aͤtzendes Laugenſalz, Chapman (Phil. Tr. Vol. L. P. II. p. 635.) uͤber Seife und Aſche.
Da das faulende Waſſer, wenn es das Fluͤchtige verlohren hat, von dem Bodenſatze geſchieden, wieder klar und gut wird, ſo hat ſchon Leutmann, nachher aber Hales (Edinb. Medical Eſſays, To. V.) verſucht, das Meerwaſſer durch die Faͤulniß zu reinigen. Er laͤßt es in bedeckten Gefaͤßen faulen, bis der Geruch verſchwunden iſt, und deſtillirt es alsdann viermal ohne Zuſatz.
Man iſt aber endlich wiederum auf den richtigen Weg der ſimplen Deſtillation zuruͤckgekemmen, wobey es nur auf bequeme Maſchinen ankoͤmmt, um eine hinreichende Menge Waſſers ohne großen Zeitverluſt und Aufwand von brennbaren Materien zu erhalten. Gautier, ein Arzt zu Nantes, erfand eine ſolche Maſchine im Jahre 1717 (ſ. Gallon Recueil des machines approuvées par l'Acad. To. III. no. 189.), durch die er ein voͤllig trinkbares Waſſer bereitete; aber ſie war noch zu unbequem fuͤr die Seefahrer. Im Jahr 1765 gab Poiſſonnier, Mitglied der mediciniſchen Facultaͤt zu Paris, einen Apparat an, der aus einem ablangen kupfernen, inwendig verzinnten Gefaͤße, mit einem Hute an jedem Ende verſehen, beſteht, nur zween Matroſen zur Behandlung erfordert, und dennoch in einem Tage 4200 Kannen Waſſer liefern kan. In England zeigte D. Lind (Eſſay on diſeaſes incident to Europeans in hot climates) eine bequeme und ihrem Endzwecke vollkommen entſprechende Methode der Deſtillation. Nach ſeinen Vorſchriften erfand D. Irving eine ganz einfache Deſtillirmaſchine, und erhielt dafuͤr vom brittiſchen Parlamente eine Belohnung von 4000 Pf. Sterling. Man braucht dabey nicht mehr Brennholz, als ſonſt, ſondern es wird blos an vier Tagen der Woche, da die Matroſen kein Fleiſch bekommen, der eine Kochkeſſel, der ohnehin mit Seewaſſer gefuͤllt werden muß, um nicht vom Feuer zu leiden, mit einem hoͤlzernen Deckel bedeckt, an dem ſich eine kupferne Roͤhre mit einer Vorlage und einem Kuͤhlgefaͤße befindet, in welches letztere ein Matroſe beſtaͤndig friſches Seewaſſer hineinpumpt und181 durchlaufen laͤßt. Bey Cooks Seereiſe im Jahr 1772 war dieſe Merhode auf beyden Schiffen angebracht, und gab jedesmal 120 Quart Waſſer, welches aber fuͤr das Beduͤrfniß der Mannſchaſt bey weitem nicht zugereicht haͤtte, wenn man ſich auf dieſes deſtillirte Waſſer allein haͤtte verlaſſen ſollen. So bequem dieſe Einrichtung iſt, ſo geſteht doch Herr Forſter, daß ſie noch immer mehr Holz erfordere, als irgend ein Schiff mit ſich fuͤhren kan, wenn man hinlaͤngliches Trinkwaſſer dadurch erhalten wolle, daß ſie alſo nur im Nothfall von wirklichem Nutzen ſeyn koͤnne, welches inzwiſchen bey einer Aufgabe von dieſer Art ſchon genug iſt.
Ueber die Urſache der Salzigkeit des Seewaſſers ſind die Meinungen ſehr getheilt geweſen. Die Scholaſtiker leiteten ſie nach dem Ariſtoteles (Meteor. II. 3.) von der Wirkung der Sonne, und den Ausduͤnſtungen des trocknen Landes her, die mit dem Regen ins Meer fielen. Wenn dieſes waͤre, ſo muͤßte das Meer, der Erfahrung zuwider, oben ſalziger, als in der Tiefe, ſeyn. Halley (Philoſ. Trans. no. 344.) glaubte, das Salz komme aus den Fluͤſſen. De Maiſon-Neuve (in Rozier Journal Nov. 1778.) leitet es ebenfalls von den Fluͤſſen her, worinn es ſich durch die von der Ebbe und Fluth verurſachte Bewegung aufloͤſe. Gleichwohl bemerkt man nicht, daß die Salzigkeit des Meers zunimmt, wie doch alsdann geſchehen muͤßte, weil die Fluͤſſe immer Salz zufuͤhren wuͤrden, die Ausduͤnſtung aber keines abfuͤhrt. Andere behaupten, das Meer ſey geſalzen erſchaffen, oder das Salz werde in demſelben erzeugt. Am wahrſcheinlichſten erklaͤrt man es aus den aufdem Grunde befindlichen Salzbergen und Salzlagern, welche nach und nach aufgeloͤſet werden. Es wird zwar eingewendet, daß das Meer dann mit Salz geſaͤttigt ſeyn muͤſſe; vielleicht aber iſt es auch in den groͤßten Tiefen. wo es Salzbaͤnke beruͤhrt, wirklich geſaͤttigt, und theilt nur ſeinen Gehalt dem obern Waſſer aus Mangel an Bewegung nicht mit; ſo wie ruhig ſtehendes Waſſer in Gefaͤßen nur wenig Salz aufloͤſet, und auf der Oberflaͤche kaum einigen Gcſchmack davon erhaͤlt. Uebrigens nuͤtzt das Salz dem Meere dazu, daß dieſes groͤßere Laſten traͤgt und nicht ſo leicht geſrieret. Einige ſetzen182 noch hinzu, daß das Salz die im Meer enthaltenen thieriſchen und vegetabiliſchen Theile vor der Faͤulniß ſchuͤtze. Aber die Erfahrung lehrt, daß das Salz, wenn es dem Waſſer in geringer Menge beygemiſcht iſt, die Faͤulniß vielmehr befoͤrdert, ſ. Leuchtende Koͤrper.
Die gewoͤhnlichſte Farbe des Seewaſſers iſt himmelblau oder gruͤn, ob man gleich auch anders Farben wahrnimmt, die theils vom Boden, theils von darinn befindlichen Inſekten oder Seepflanzen herruͤhren. So haben mehrere vor der Muͤndung des Platafluſſes das Meer roth gefunden, und der Meerbuſen bey Californien hat von dieſer Farbe den Namen Mare de Vermejo erhalten. Forſter bemerkt, daß die Farbe des Oceans ſehr vom klaren oder truͤben und bewoͤlkten Himmel abhange. Halley ſieß ſich unter der Taucherglocke tief ins Meer, fand das Obertheil ſeiner Hand, worauf die Sonne durchs Waſſer und durch ein Fenſter in der Glocke ſchien, roſenroth, das Untertheil gruͤn (Newton Optic. L. II. P. I. prop. 10.), daß alſo das Meer die rothen Stralen durchließ und die gruͤnen zuruͤckwarf. Ueber die Durchſichtigkeit des Seewaſſers findet man Verſuche bey Bouguer (Traité d'Optique ſur la gradation de la lum. p. 65.) und Lambert (Photometr. §. 468.). Bouguer ſetzt, es werde das Licht, wenn es durch 10 Fuß Seewaſſer geht, im Verhaͤltniſſe 5: 3 oder 5: 3 1 / 2 geſchwaͤcht, und eine Dicke von 679 Fuß Seewaſſer wuͤrde alle Durchſichtigkeit benehmen.
Das Meer wirft zuweilen bey Nacht einen leuchtenden Schein von ſich. Nach Kirchern ſoll Americus Veſpucci dies zuerſt wahrgenommen haben. Dieſes Licht erſcheint bisweilen bey ſtiller See, wie tauſendfaͤltige Sterne auf der Oberflaͤche zerſtreut, bisweilen bey der Bewegung, wo die Wellen brechen oder an feſte Koͤrper ſchlagen; oft leuchtet auch nur die naͤchſte Gegend um das Schif, und beſonders die Furche, die daſſelbe im Waſſer nach ſich laͤßt, oder die Spur der ſchwimmenden Fiſche. Der P. Bourzes (Lettres édifiantes. To. IX. Paris, 1730.), der auf ſeiner Reiſe nach Indien ſchaͤtzbare Beobachtungen hieruͤber gemacht hat, ſucht den Grund davon in einer fetten oder183 klebrichten Materie im Seewaſſer, die vielleicht von der Faulniß herruͤhre. Hiemit ſcheinen Canton's Verſuche (Philoſ. Trans. Vol. LIX. p. 446.), die ich bey dem Worte: Leuchtende Koͤrper, angefuͤhrt habe, ſehr wohl uͤbereinzuſtimmen, nach welchen das Leuchtender Seefiſche und des Waſſers, worinn man ſie ſchuͤttelt, mit dem erſten Anfange der Faͤulniß verbunden zu ſeyn ſcheint.
Vianelli (Nuove ſcoperte intorno alle luci notturne dell 'acqua marina, Venez. ) und Griſellini (Nouvelles obſ. ſur la ſcolopendre marine), zween Venetianer, imgleichen Nollet (Mém. de Paris, 1750.) ſchreiben das Leuchten des Seewaſſers einem phoſphoriſchen Inſekte zu. Der Letztere ſahe die leuchtenden Punkte auf dem Seegraſe des Bodens, wie Inſekten, ſpringen. Le Koi (Obſerv. ſur une lumiere produite dans la mer, in den Mém. préſentés. To. III. ) bemerkte, daß das Schiff im Segeln bey Tage eine Menge kleiner Theilchen in die Hoͤhe warf, die bey Nacht feurig ſchienen; aber er haͤlt fie nicht fuͤr Inſekten, weil er ſie mit dem Schnupftuche aufgefangen, rund und ohne Merkmale einer thieriſchen Beſchaffenheit fand. Fougerour de Bondaroy (Sur la lumiere, que donne l'eau de la mer dans les lagunes de Veniſe, in den Mém. de Paris 1767.) ſchreibt dieſes Leuchten einer kleinen Nereide, und Forskal nach Niebuhrs Erzaͤhlung (Reiſe nach Arabien, Th. I. S. 7.) einer Menge von Meduſen zu. Auch Bartholin (De luce animalium) und Donati haben es von Meergewuͤrmen (Molluſca) hergeleitet.
Forſter unterſcheidet drey Arten des Leuchtens. Die erſte, die ſich blos in der Naͤhe des Schiffs zeigt, erklaͤrt er fuͤr ein elektriſches Phaͤnomen; die zwote, die ſich bey langen Windſtillen uͤber die ganze See verbreitet, haͤlt er fuͤr ein phoſphoriſches durch Faͤulniß erzeugtes Licht; die dritte entſteht nach ihm aus dem Leuchten unzaͤhlbarer großen und kleinen Thierchen.
Das Meer wird durch aͤußere Urſachen beſtaͤndig in Bewegung erhalten. Die Winde bringen auf der Oberflaͤche Wellen oder Wogen hervor, deren Groͤße nach der Staͤrke des Winds veraͤnderlich iſt. Nach Marſigli184 ſoll auf dem mittellaͤndiſchen Meere die lothrechte Hoͤhe der Wellen, vom ſtillen Waſſer an gerechnet, nie uͤber 8 Fuß gehen: in der Oſtſee ſind ſie zuweilen hoͤher. Wenn viele zuſammenſtoßen, wird die Tiefe groͤßer. Die Taucher ſpuͤren in einer Tiefe von 15 Klaftern keine Bewegung mehr, wenn gleich die Oberflaͤche noch ſo unruhig iſt, und die oſtindiſchen Perlenfiſcher tauchen ohne Bedenken unter, wenn kein Schiff auszulaufen wagt.
Ariſtoteles (Problem. Sect. XXII. XXIII. ), Plinius (H. N. II. 106.) u. a. erzaͤhlen, man koͤnne das ſtuͤrmiſche Meer durch aufgegoßnes Oel beruhigen, auch werde es dadurch durchſichtiger, daher auch die Taucher Oel aus dem Munde um ſich zu ſpritzen pflegten. So fabelhaft dieſes ſcheint, ſo hat doch Franklin (Of the ſtilling of waves by means of Oil, in Philoſ. Trans. Vol. LXIV. P. II. no. 44.) die Wahrheit der Beobachtung vertheidigt, und durch Verſuche gezeigt, daß aufgegoßnes Oel wirklich entſtandene Wellen, wenigſtens im Kleinen, ſtille. Meiſter (De olei aquae ſuperfuſi effectibus opticis et mechan., in Comm. Soc. Gotting. Claſſ. Math. To. I. ad a. 1768.) zweifelt an der Wirkung im Großen, bringt aber ſchoͤne Verſuche uͤber die Bewegung der Flaͤche bey, mit der ſich Oel und Waſſer beruͤhren.
Eine andere Bewegung des Meers iſt die Ebbe und Fluth, von welcher ein eigner Artikel dieſes Woͤrterbuchs handelt.
Eine dritte beſteht in den Stroͤmen (courans) des Meeres. Im Weltmeere geht zwiſchen den Wendekreiſen ein beſtaͤndiger Strom von Oſten nach Weſten, welcher durch den Umlauf des Monds, durch die Umdrehung der Erde um ihre Axe und durch den beſtaͤndigen Oſtwind in dieſen Gegenden zu entſtehen ſcheint. Dieſer Strom macht, daß man von Amerika nach den Molucken geſchwinder ſegelt, als auf dem Ruͤckwege. Kiccioli, Kircher, Varenius und Fournier haben viele Beobachtungen dieſer Art geſammelt: ſie erwaͤhnen auch einen Strom von den Polen gegen die Linie, der ſich vielleicht daraus erklaͤren ließe, daß um die Linie die Ausduͤnſtung ſtaͤrker, alſo das Waſſer ſalziger185 und ſchwerer iſt, mithin unterwaͤrts ausweicht, indem das ſuͤßere und leichtere Waſſer der Pole auf der Oberflaͤche hin entgegenſtroͤmt. Neuere Seefahrer gedenken dieſes letztern Stroms nicht mehr. Particulaͤre Stroͤme an einzelnen Orten entſtehen groͤßtentheils aus der Ebbe und Fluth durch die beſondere Lage der Inſeln, Kuͤſten und Klippen.
Zum Schluß dieſes Artikels muß ich noch der beruͤhmten Frage von der beſtaͤndigen Abnahme des Meerwaſſers gedenken. Dalin betrachtete in ſeiner Geſchichte Schwedens dieſes Land als ein neuentſtandenes, und gruͤndete ſeine Behauptung darauf, daß gewiſſe jetzt trockne Gegenden ehedem unter Waſſer geſtanden haͤtten, und einige in vorigen Zeiten ausgehauene Merkmale der Waſſerhoͤhe jetzt ziemlich hoch uͤber der Meeresflaͤche ſtuͤnden. Dies veranlaßte den Profeſſor Celſius zu einigen Veranſtaltungen, wodurch er im Jahre 1743 zu finden glaubte, daß die Meereshoͤhe an den ſchwediſchen Kuͤſten jaͤhrlich um 4 1 / 2 Decimal-Linien, d. i. in 1000 Jahren um 45 Schuhe abnehme. Man findet bey dem Worte: Erdkugel (Th. II. S. 62.), daß de Mailler etwas aͤhnliches an den Kuͤſten des mittellaͤndiſchen Meeres wahrzunehmen geglaubt, und darauf eine eigne Hypotheſe uͤber die Bildung der Erde gebaut hat. Linne (Oratio de telluris habitabilis incremento, in Amoen. acad. Vol. II. p. 402.) behauptete, die Menge des Waſſers vermindere ſich durch eine beſtaͤndige Verwandlung deſſelben in Erde, und das bewohnbare Land werde dadurch immerfort vergroͤßert. Der Biſchof Browallius hingegen (Hiſtor. und phyſik. Unterſ. von der vorgegebnen Verminderung des Waſſers rc. Stockholm, 1756. 8. ) ſuchte dieſe Meinung zu widerlegen, und erklaͤrte die bemerkten Veraͤnderungen blos fuͤr local und relativ. Um die Frage mit Gewißheit zu entſcheiden, waͤren weit mehr Erfahrungen von allen Kuͤſten des Meeres noͤthig. Den bisherigen laͤßt ſich das entgegen ſetzen, daß man eben ſo gewiß Stellen findet, die ehedem trocken waren, und jetzt vom Meere uͤberſchwemmt ſind, Und wuͤßte man auch gewiß, daß die ganze Meeresflaͤche jetzt niedriger, als vorzeiten, ſtuͤnde, ſo folgte doch daraus noch nicht die Verminderung des Waſſers, weil Veraͤnderungen186 im Boden eben das zu bewirken im Stande waͤren. Die Verwandlung des Waſſers in Erde, welche man durch chymiſche Verſuche hat darthun wollen, iſt ſehr ungewiß, und eher zweifelhaft, ſ. Waſſer.
Bergmann phyſicaliſche Beſchreibung der Erdkugel, a. b. Schwed. durch Roͤhl, I. Th. 3. Abth. 5 Cap. und II. Th. 5. Abth. 3 Cap.
Lulofs Einl. zur Kenntniß der Erdkugel, a. b. Holl. durch Kaͤſtner, Cap. 12. und 14.
Erxleben Anfangsgr. der Naturl. durch Lichtenberg, §. 673. u. f.
Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 414. u. f.
De la Fond Dict. de Phyſ. Art. Mer.
J. R. Forſters Bemerkungen auf ſeiner Reiſe um die Welt, uͤberſ. mit Aum. von G. Forſter. Berlin, 1783. 8. S. 44. u. f.
Meerbarometer, ſ. Barometer, unter dem Abſchnitte: Keiſebarometer.
Megalometer, ſ. Mikrometer.
Ein Laͤngenmaaß, das man vorzuͤglich in der Erdbeſchreibung gebraucht, um Entfernungen der Orte und andere Weiten auf der Erdflaͤche anzugeben. Ds Unbeſtimmte und Willkuͤhrliche bey der Wahl der Laͤngenmaaße macht, daß die Meilen faſt aller Nationen von einander abweichen.
Das Meilenmaaß iſt roͤmiſchen Urſprungs, wie ſchon der Name verraͤth. Das roͤmiſche Milliare begrif 1000 Schritte, jeden zu 5 Schuhen gerechnet (Paſſus quinque pedes porrectos habet. Columella, V. 1.), oder 8 roͤmiſche Stadien von 125 Schritten (Plin. H. N. II. 23.). Setzt man mit Eiſenſchmidt (De ponderibus et menſ. vet. Arg. 1708. 8. p. 102.) das Verhaͤltniß des alten roͤmiſchen Fußes zum pariſer, wie 1324,5 zu 1440, oder wie 883 zu 960, ſo findet man die roͤmiſche Meile = 4600 par. Fuß, oder 766 3 / 5 Toiſen. Zwanzig ſolche Meilen rechnete man fuͤr eine Tagreiſe (Diaeta, ſ. l. 3. ff. de Verb. Sign.)
Die neuern europaͤiſchen Voͤlker aber haben ihre Meilen weit groͤßer angenommen. Anfaͤnglich ſind ſie wohl zufaͤllig, aus einer zuſammengenommenen Summe anderer187 Maaße, beſtimmt worden. Nachher bey zunehmenden Kenntniſſen goben ihnen die Geographen Beziehung auf die Groͤße des Umkreiſes der Erde, und nahmen einen aliquoten Theil des Grades fuͤr die Meile an, z. B. den 60ſten, 20ſten, 15ten, je nachdem es das Verhaͤltniß der eingefuͤhrten Meile zu der geglaubten Groͤße des Grades erforderte. In England z. B. war eine Meile eingefuͤhrt, deren Laͤnge ohngefaͤhr (1 / 60) von der damals bekannten Groͤße des Grades betrug. Daher ſetzte man die Meile auf (1 / 60) Grad, oder auf eine Minute vom Erdumkreiſe. So rechnete auch Newton, ſ. Gravitation (Th. II. S. 523.). Nachher, da Picards genauere Erdmeſſung bekannt wurde, fand ſich, daß ſolcher Meilen 69 auf einen Grad giengen. Dieſe engliſche Meile haͤlt alſo in der That (57060 / 69) oder 827 Toiſen. Sie iſt nicht viel groͤßer, als die alte roͤmiſche, und unter den jetzt uͤblichen die kleinſte.
Die italiaͤniſche Meile iſt der ſechszigſte Theil des Picardiſchen Grades, oder = 951 Toiſen.
Die franzoͤſiſchen Schiffer haben es bequem gefunden, 3 Minuten, oder den zwanzigſten Theil des Grades fuͤr eine Seemeile anzunehmen, welche daher 2853 Toiſen betraͤgt. Zu Lande bedient man ſich in Frankreich der Lieiie (Leuca Gallica), deren 25 auf einen Grad gerechnet werden. Dieſe Lieiie iſt demnach eine Laͤnge von 2283 Toiſen. Man nennt ſie insgemein die franzoͤſiſche Meile; doch kan das Wort auch richtig durch eine Stunde Weges uͤberſetzt werden.
Die deutſche oder geographiſche Meile (Milliare germanicum) macht den 15ten Theil eines Grades aus. Sie iſt kein beſtimmtes Maaß, das in irgend einem Lande mit unveraͤnderter Groͤße wirklich eingefuͤhrt waͤre; vielmehr richtet ſich ihre Groͤße nach der Groͤße des Grades vom Umfange der Erdkugel, welche verſchieden iſt, je nachdem man den Grad im Aequator, oder im Mirtagskreiſe an verſchiedenen Stellen der Erde nimmt. Dies giebt zwar bequeme Rechnungen. weil man ſo jeden Grad ohne Unterſchied 15 geographiſche Meilen ſetzen darſ; es lehrt aber nichts Beſtimmtes, weil dieſe Meilen nicht alle gleich groß ſind. Legt188 man den Grad des Aequators zum Grunde, welcher nach den neuſten Beſtimmungen (ſ. Erdkugel) 57247 Toiſen betraͤgt, ſo macht die deutſche Meile 3816 1 / 2 Toiſen aus: bedient man ſich des Grads auf dem mittlern Umfange der Erde von 57173 1 / 2 Toiſen, ſo kommen auf dieſe Meile 3811 3 / 5 Toiſen: iſt man endlich mit Picards Beſtimmung des Grads von 57060 Toiſen zufrieden, ſo hat die deutſche Meile nur 3804 Toiſen. Will man ſolche in geographiſchen Meilen berechnete Angaben auf beſtimmtes Maaß bringen, ſo wird man am wenigſten irren, wenn man die Meile zu 3811 3 / 5 Toiſen, oder 23661 rheinl. Fuß = 26274 leipz. Fuß annimmt.
Die in Deutſchland in der That uͤblichen Meilen ſind von verſchiedener Groͤße, meiſtens zwiſchen 22500 und 25000 rheinl. Fuß, oder zwiſchen 4500 und 5000 geom. Schritt. Man ſcheint ſo viel auf eine Meile gerechnet zu haben, als ein guter Fußgaͤnger in zwo Stunben gieng (ſ. Kepler Tab. Rudolph. Cap. 16.). Das iſt freylich ſehr unbeſtimmt, und hat große Verſchiedenheit in den Meilenmaaßen der deutſchen Provinzen veranlaßt. Nachdem Snellius im I. 1615 den Grad in Holland 28500 rheinl. Ruthen gefunden hatte (ſ. Erdkugel Th. II. S. 37.), nahmen die niederdeutſchen Geographen dem gemaͤß die Meile zu — (28500 / 15) = 1900 rheinl. Ruthen oder 2280 rheinl. Fuß an. Aber der Grad des Snellius iſt zu klein: daher gehen ſolcher Meilen auf den eigentlichen Grad 15 1 / 2.
Was Sachſen insbeſondere betrift, ſo haben zwar die Schoͤppen zu Leipzig (ſ. Saͤchſiſches Weichbild im Anhang der Urtel, ingl. Zobel in der lateiniſchen Gloſſe des Landrechts, L. III. art. 66.) ehedem darauf geſprochen,” daß eine” Meile 60 Gewende, ein jeglich Gewende 60 Ruthen und” eine Ruthe 7 1 / 2 Elle haben ſolle, “nach welcher Angabe die ſaͤchſiſche Meile 27000 Ellen oder 54000 Fuß halten wuͤrde. Allein eine ſo große Meile iſt, wenigſtens in neuern Zeiten, nie angenommen worden. Vielmehr ſetzen die Wittenbergiſchen Rechtsgelehrten (Wernher Obſ. I. 201.) die Meile nur auſ 1500 achthalbellichte Ruthen oder auf 22500 Fuß mit dem Zuſatze:” wie es die deutſchen Feldmeſſer jederzeit189 im Gebrauch gehabt. “ Dieſer Gebrauch ſcheint ſich, weil deutſche Feldmeſſer im Allgemeinen erwaͤhnt werden, auf rheinlaͤndiſches Maaß zu beziehen, von welchem 22500 Fuß ſo viel, als 24985 leipziger ausmachen; daß man alſo dieſem Ausſpruche gemaͤß, die ſaͤchſiſche Meile nahe an 25000 leipz. Fuß annehmen koͤnnte. Die Landtagsreſolution vom 17ten Maͤrz 1722. (Cod. Aug. Contin. I. 23.) befiehlt, bey Beſtimmung der Weite, auf die ſich das Bierzwangsrecht der Staͤdte erſtreckt, die Ausmeſſung der Meile in Zukunft jedesmal nach 16000 Dresdniſchen Ellen zu verrichten. Dieſem Geſetze zufolge haͤlt die churſaͤcyſiſche Policey. Meile 2000 achtellige Ruthen, oder 32000 leipziger Fuß. Dies betraͤgt in pariſer Maaße 27842 Fuß = 4640 1 / 3 Toiſen, und es gehen ſolcher Meilen auf den picardiſchen Grad 12 1 / 3. Dieſe Meile wird von den meiſten Schriftſtellern als die churſaͤchſiſche uͤberhaupt angefuͤhrt, ob ſie gleich blos fuͤr das Bier - und Schankrecht vorgeſchrieben iſt. Bey topographiſchen Landesvermeſſungen aber wird ſeit 1560, da Churfuͤrſt Auguſt die erſten Meilenſaͤulen ſetzen ließ, die Meile nur zu 12000 dresdner Ellen, oder 24000 leipziger Fuß angenommen, welches 20883 pariſer Fuß = 3480 1 / 3 Toiſen betraͤgt, daß alſo ſolcher Meilen 16 2 / 5 auf einen Grad gehen.
Tobiaͤ Beutels Cimelium Geographicum, Dreßd. 1680. 4. S. 93. u. f.
Meniskus, ſ. Linſenglaͤſer.
Menſtruum, ſ. Aufloͤſungsmittel.
Mephites, ſ. Gas, mephitiſches.
Der Name eines von den ſechs Sternen, welche ihren Stand unter den Firſternen taͤglich aͤndern, ſ. Planeten. Er zeigt ſich als ein kleiner Stern mit einem weißglaͤnzenden Lichte, bleibt ſtets ſehr nahe bey der Sonne, und iſt daher nur ſelten in der Abend - oder Morgendaͤmmerung ſichtbar. Seine groͤßte Ausweichung oder Elongation von der Sonne190 betraͤgt nur 28, bisweilen nur 18 Grad. Wenn er in dieſer Entfernung auf der Abendſeite der Sonne ſteht und des Morgens ſichrbar iſt, ſo geht er rechtlaͤufig wieder zur Sonne, und tritt mit ihr in die obere Conjunction. Alsoann iſt ſein Lauf am ſchnellſten, und er ſetzt denſelben mit abnehmender Geſchwindigkeit auf der Morgenſeite ſo lang fort, bis er hier wiederum die groͤßte Elongation erreicht. In dieſer ſteht er eine kurze Zeit ſtill, wird dann ruͤcklaͤufig, und kehrt mit immer wachſender Geſchwindigkeit zur untern Conjunction mit der Sonne zuruͤck. Zu dieſer Zeit ſieht man ihn bisweilen als einen kleinen ſchwarzen Flecken, von Morgen gegen Abend, vor der Sonnenſcheibe voruͤbergehen. Er entfernt ſich alsdann auf der Abendſeite der Sonne mit abnehmender Geſchwindigkeit immer weiter von ihr, bis er in der groͤßten Elongation wieder ſtillſteht, und aufs neue rechtlaͤufig wird. Einen ſolchen Umlauf vollendet er dem Scheine nach in 116 Tagen, als ein beſtaͤndiger Begleiter der Sonne.
Schon die alten Aſtronomen haben hieraus richtig geſchloſſen, daß Merkur nicht weit von der Sonne abſtehe, und beſtaͤndig um dieſelbe umlaufe. Er gehoͤrt demnach zu den untern Planeten, welche der Sonne naͤher, als die Erde ſind, und deren Bahnen von der Erdbahn umſchloſſen werden. Er iſt, von der Sonne aus gerechnet, der erſte Planet. Seine Bahn um die Sonne iſt elliptiſch, und ihre Ebne macht mit der Ebne der Erdbahn einen Winkel von 7 Graden.
Die Eccentricitaͤt der Merkursbahn iſt ungemein betraͤchtlich. Sein groͤßter Abſtand von der Sonne verhaͤlt ſich zum kleinſten, wie 47 zu 31, oder faſt wie 3 zu 2. Dies macht, daß ſein Lauf von der Erde aus ſehr ungleich erſcheint, und ſeine Ausweichungen von der Sonne bald groͤßer bald kleiner werden. Der mittlere Abſtand Merkurs von der Sonne betraͤgt etwa 2 / 5 (genauer 0,3871) des Abſtands der Erde. Man kan alſo ſe ne Bahn mit einem Kreiſe vergleichen, deſſen Halbmeſſer 2 / 5 vom Halbmeſſer der Erdbahn betraͤgt, deſſen Mittelpunkt aber nicht191 in die Sonne ſelbſt faͤllt, ſondern von ihr um (8 / 100) des Halbmeſſers der Erdbahn abſteht.
Dieſe Bahn durchlaͤuft Merkur in 87 Tagen, 23 Stunden, 15 Minuten, 37 Sec. ſo, daß er im Durchſchnitt taͤglich 4° 5′ 22″ 35tʹ ſeines Kreiſes zuruͤcklegt — eine Geſchwindigkeit, die bey der Groͤße dieſes Kreiſes 12 1 / 2 Stunden Weges in einer Zeitſecunde austraͤgt.
Wahrſcheinlich dreht ſich Merkur auch um ſeine Axe, ob man gleich wegen ſeiner großen Naͤhe an der Sonne noch keine Flecken auf ihm hat wahrnehmen koͤnnen, aus deren Bewegung ſich dieſe Umdrehung erweiſen und die Geſchwindigkeit, derſelben beſtimmen ließe.
Der ſcheinbare Durchmeſſer dieſes Planeten iſt ſehr klein. Man hat ihn in der geringſten Entfernung von uns, wenn er vor der Sonnenſcheibe geſehen wird, kaum uͤber 13 Sec. gefunden. Herr von Zach (Philoſ. Trans. Vol. LXXV. P. I. no. 8.) fand ihn bey dem Turchgange am 12ten Nov. 1783 nur 9 Sec. ; Proſperin am 4ten May 1786 (Schwed. Abhandl. fuͤr 1786. Num. 13.) 13, 85 Sec. In ſeiner groͤßten Entfernung, wenn er hinter der Sonne ſteht, ſcheint er kaum 5 Sec. Nach Proſperins Beſtimmungen wuͤrde er aus derjenigen Entfernung betrachtet, in welcher ſich die Erde von der Sonne befindet, 7,73 Sec. groß erſcheinen. In eben dieſer Weite aber erſcheint der Sonnendurchmeſſer 31 57″, d. i. 248 mal groͤßer. Man kan hieraus ſchließen, baß Merkur im Durchmeſſer 248 mal kleiner, als die Sonne ſey, oder daß ſein Durchmeſſer nur 0, 45, d. i. noch nicht die Helfte des Erddurchmeſſers ausmache. De la Lande ſetzt ihn = (11 / 27) des Letztern.
Die Gravitation anderer Koͤrper gegen ihn iſt aus den Stoͤrungen, die ſein Einfluß in dem Laufe anderer Planeten verurſacht, nicht ſicher zu ſchließen, da dieſe Stoͤrungen aͤußerſt gering und kaum merklich ſind. Herr de la Lande ſetzt ſie etwa 1 / 7 von der Gravitation gegen die Erde in gleichen Entfernungen. Dieſer Schaͤtzung nach haͤtte Merkur 7 mal weniger Maſſe, als die Erde, ſeine192 Dichtigkeit waͤre etwa doppelt ſo groß, als die Dichte der Erde, und die ſchweren Koͤrper fielen auf ſeiner Oberflaͤche in einer Secunde durch 12 1 / 2 Fuß.
Theilt man den mittlern Abſtand der Sonne von der Erde (1200 Erddurchmeſſer) in 1000 Theile, ſo ſteht Merkur in der Sonnenferne um 466, in der Sonnennaͤhe um 307 ſolcher Theile von der Sonne ab. Sein kleinſter Abſtand von uns, wenn er in der untern Conjunction und Sonnenferne, die Erde aber in der Sonnennaͤhe iſt, macht 983 — 466 = 517 Theile; der groͤßte, wenn er in der obern Conjunction und Sonnenferne, die Erde aber auch in der Sonnenferne iſt, 1017+466 = 1483 Theile aus. Beide verhalten ſich faſt, wie 5 zu 14 1 / 2, daher auch ſein ſcheinbarer Durchmeſſer zwiſchen 5 und 13 Secunden veraͤnderlich iſt.
Sein geringſter Abſtand von uns macht 6204, der groͤßte 17796 Erddurchmeſſer aus.
Da Merkur innerhalb der Erdbahn um die Sonne laͤuft, ſo muß er ſeine gegen die Sonne zu gekehrte Helfte bald ganz, bald nur zum Theil gegen uns kehren, bald ganz von uns abwenden. Iſt er alſo ein dunkler Koͤrper, ſo muß er bisweilen mit vollem Lichte, bisweilen nur zum Theil erleuchtet ſcheinen, bisweilen ganz unſichtbar oder dunkel ſeyn. Seit Erfindung der Fernroͤhre hat man in der That gefunden, daß Merkur, wie der Mond, ab - und zunimmt, und ſeinen hellen Theil jederzeit nach der Sonne kehrt. Solche Phaſen von ihm findet man unter andern beym Hevel (Selenographiae Proleg. p. 70.) abgebildet. Von ſeinen Durchgaͤngen durch die Sonnenſcheibe ſ. Durchgaͤnge. Durch dieſe Erſcheinungen wird es ganz außer Zweifel geſetzt, daß er an ſich dunkel ſey, und ſein Licht nur von der Sonne empfange. Die Aſtronomen bezeichnen dieſen Planeten mit
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Bode, kurzgefaßte Erlaͤuterung der Sternkunde. Berlin, 1778. 8. an mehrern Stellen.
Eine Verbindung von erwa drey Theilen reinen Kupfers, mit einem Theile von eben ſo reinem193 Zink. Durch dieſe Verbindung wird die Farbe des Kupfers gelb, und der Goldfarbe naͤher gebracht, auch die Geſchmeidigkeit vermehrt, und eine der brauchbarſten Compoſitionen fuͤr die Beduͤrfniſſe des Lebens und fuͤr die Kuͤnſte bereitet.
Da der aus den Erzen erhaltene Zink nie ganz rein iſt, und durch Zuſammenſchmelzen mit dem Kupfer einen ſproͤden Tombak giebt, ſo bereiter man das Meſſing aus dem Galmey, einem Zinkerze, durch eine Art von Cementation deſſelben mit dem Kupfer, ſ. Galmey, Cementation. Das Cementpulver hiezu wird aus gepuͤlvertem Galmey und eben ſoniel Kohlengeſtiebe gemacht, welches man mit Waſſer befeuchtet, in einen irdenen Schmelztiegel druͤckt, gures zu Platten geſchlagnes oder gekoͤrntes Kupfer hineinlegt, und alles zuſammen bedeckt bis zur Schmelzung des Kupfers gluͤhet. Hiebey geht der im Galmey enthaltene Zinkkalk in Daͤmpfe uͤber, und veroͤindet ſich mit dem Phlogiſton der Kohlen und mit dem Kupfer, ohne das Eiſen mit uͤberzuſuͤhren, das ſonſt ſchwer vom Zink zu trennen iſt. Umſtaͤndlicher beſchreiben die Bereitung des Meſſings Gallon (L'art de convertir le cuivre rouge en laiton. Paris, 1764.), Cramer (Anfangsgr. der Metallurgie. Blankenburg, 1774. kl. Fol. Th. II. S. 179. u. f.) und der engliſche Ueberſetzer des Macquerſchen chymiſchen Woͤrterbuchs in den der Leonhardiſchen Ausgabe beygefuͤgten Anmerkungen.
Obgleich ein großer Theil des Zinks in Rauch verſliegt, ſo verbindet ſich doch ſo viel mit dem Kupfer, daß es um 1 / 4 — 1 / 3 ſeines Gewichts ſchwerer wird. Friſch bereitetes Meſſing iſt ſpecifiſch ſchwerer, ais Kupfer; ſtark geſchlagen aber wird das Kupfer ſpecifiſch ſchwerer, als eben ſo ſtark geſchlagnes Meſſing (Mém. de Paris, 1772. Part. II. p. 18.). Gemeiniglich iſt das Meſſing nach der erſten Arbeit noch nicht fein und geſchmeidig genug; man bearbeiter es daher noch einmal mit Galmey und Kohlenſtaub, wobey Einige auch altes Meſſing zuſetzen. Man kan es ſehr fein bereiten, wie im Knittergolde, den unaͤchten Treſſen und Blattgolde. 194
Das Meſſing ſetzt nicht ſo leicht Gruͤnſpan an, als das Kupfer, dagegen aber haͤlt es keine ſo ſtarke Hitze aus, ſondern wird uͤber dem Feuer muͤrbe und bruͤchig.
Macquer chym. Woͤrterbuch, mit Leonhardi Anmerk. Art. Meſſing.
Dies iſt der Name einer eignen Hauptgattung von mineraliſchen Koͤrpern, welche ſich von den uͤbrigen durch ein ſehr großes eigenthuͤmliches Gewicht, einen beſondern Glanz, eine voͤllige Undurchſichtigkeit und Schmelzbarkeit, und durch ihre Unvereinbarkeit mit erdichten Materien unterſcheiden. Dieſe Koͤrper, welche dem menſchlichen Leben unzaͤhlbare und unbeſchreiblich wichtige Dienſte leiſten, werden nur ſelten von der Natur in dem Zuſtande, in welchem ſie ſo brauchbar ſind, hervorgebracht; ſie liegen groͤßtentheils in vererztem Zuſtande (ſ. Erze) tief im Schooße der Erde verborgen, und muͤſſen mit großer Muͤhe aus demſelben hervorgezogen und aufbereitet werden. Sie haben daher ihre. Benennung von einem griechiſchen Worte (〈…〉〈…〉metalla_|n16) erhalten, welches ſo viel als Auſſuchen oder Nachforſchen bedeutet.
Die angefuͤhrten Eigenſchaften der Metalle laſſen ſich groͤßtentheils auf eine einzige, nehmlich auf ihre ungemein große Dichtigkeit, zuruͤckfuͤhren. Das leichteſte Metall hat noch uͤber doppelt ſo viel eigenthuͤmliches Gewicht, als der ſchwerſte Stein, der nichts Metalliſches enthaͤlt. Dieſe große Dichte iſt die Urſache der Undurchſichtigkeit und der ſtarken Zuruͤckwerfung des Lichts, von welcher der eigne unter dem Namen des metalliſchen Glanzes bekannte Schein herruͤhrt. Ihre Unvereinbarkeit mit erdichten Subſtanzen macht, daß ſie bey der Schmelzung in irdenen Gefaͤſſen eine erhabne Oberflaͤche annehmen, wie dies alle fluͤßige Materien thun, die am Gefaͤße nicht anhaͤngen. So lang ein Metall die angefuͤhrten Eigenſchaften hat, nennt man es einen Roͤnig (regulus), oder ſagt, es ſey im regulini -195 ſchen Zuſtande, welchem man den Zuſtand der Verkalkung entgegenſetzt.
Im Ganzen genommen ſind die Metalle in den Saͤuren aufloͤslich, bilden mit ihnen Mittelſalze mit einem metalliſchen Grundrheile, und koͤnnen durch abſorbirende Grden oder Laugenſalze wiederum von den Saͤuren geſchieden werden. Auch die Laugenſalze, der Schwefel und die Schwefellebern wirken auf die Metalle. Mit dem Phlogiſton koͤnnen ſie bis zum Uebermaaße angefuͤllt werden; auch laſſen ſie ſich unter einander ſelbſt verbinden.
Die Metalle ſind theils fenerbeſtaͤndig, theils werden ſie durch die Wirkung des freyen Oſenfeuers in metaltiſche Kalke verwandelt, ſ. Kalke, metalliſche, oder in Daͤmpfen aufgetrieben. Hierauf beruht ihre Eintheilung in edle (vollkommne) und unedle (unvollkommne) Metalle. Die edlen ſind: Gold, Silber und Platina. Auch laſſen ſie ſich theils unter dem Hammer ſtrecken und ausdehnen, theils ſind ſie bruͤchig und zerſpringen, wenn ſie geſchlagen werden. Die dehnoaren ſind außer den ſchon genannten edlen, noch folgende: Queckſilber (welches gefroren gehaͤmmert werden kan), Bley, Kapfer, Eiſen, Zinn, Zink, welche im eigentlichen Verſtande unedle Metalle genannt werden. Die undehnbaren heiſſen Halbmetalle. Man findet ihre Namen unter dieſem Worte (Th. II. S. 558.), und von jedem der hier genannten Metalle handelt ein eigner Artikel dieſes Woͤrterbuchs. Weil die Dehnbarkeit eine bloß zufaͤllige Eigenſchaft zu ſeyn ſcheint, ſo verwerfen einige neuere Chymiſten die Eintheilung in Metalle und Halbmetalle, und rechnen die letztern mit zu den unedlen Metallen.
Unter dieſen metalliſchen Subſtanzen ſind drey, die Platina, der Kobaltkoͤnig und der Nickelkoͤnig, erſt in neuern Zeiten bekannt worden. Dies laͤßt hoffen, daß man in Zukunft noch mehrere Metalle entdecken werde. So haben die Gebruͤder de Luyart (Chemiſche Zergliederung des Wolframs und Unterſuchung eines neuen darinn196 befindlichen Metalles, nach dem Engl. von F. A. C. Gren. Halle, 1786. 8. ) ohnlaͤngſt gefunden, daß ſich aus dem Wolfram ein bisher unbekanntes Metall ziehen laͤßt, dem mai: den Namen des Wolframkoͤnigs geben koͤnnte. Der Wolfram beſteht groͤßtentheils aus derjenigen Saͤure, welche Scheele und Bergmann aus dem Tungſtein oder Schwerſtein (lapis ponderoſus) gezogen haben, mit etwas Braunſtein und Eiſen vermiſcht. Durch die Verbindung dieſer Saͤure mit dem Phlogiſton entſteht ein ſehr ſchwerer metalliſcher Koͤnig, der die Farbe des Stahls hat, ſich unter dem Hammer ſtreckt, hoͤchſt ſtrengfluͤßig und in keiner Saͤure aufloͤslich iſt, ſondern vom Koͤnigswaſſer und der Salpeterſaͤure blos verkalkt wird.
Die unedlen Metalle verhalten ſich im Feuer, wie alle andere Koͤrper, welche reines Phlogiſton enthalten. In verſchloßnen Gefaͤßen gluͤhen ſie, ſchmelzen oder ſublimiren ſich, ohne ihren metalliſchen Zuſtand zu aͤndern: in freyer Luft aber verbrennen ſie mit einer mehr oder weniger merklichen Flamme, die jedoch keinen ſchwaͤrzenden Ruß giebt, zu metalliſchen Kalken. Der verkalkte Theil ſetzt ſich, ſo lange das Metall noch feſt iſt, in Schuppengeſtalt auf der Oberflaͤche an; wenn es aber ſchmelzt, ſchwimmt er oben, wegen ſeiner geringern ſpecifiſchen Schwere. Setzt man den Metallkalken noch weiter mit Feuer zu, ſo ſchmelzen ſie, und verwandeln ſich dadurch in metalliſche Glaͤſer. Je vollkommner die Verkalkung geweſen iſt, d. h. je genauer man die Kalke vom Brennbaren befreyt hat, deſto ſchwerer erfolgt die Schmelzung, und deſto durchſichtiger werden die Glaͤſer. Iſt die Verkalkung auf das hoͤchſte getrieben, ſo ſind die Kalke voͤllig unſchmelzbar und unaufloͤslich in Saͤuren, ſo daß ſie in dieſem Zuſtande ganz den Namen metalliſcher Erden verdienen.
Wenn man dieſe metalliſchen Erden mit irgend elnem brennbaren Stoffe vermiſcht, der ſchon verkohlt iſt oder ſich verkoblen laͤßt, und das Gemiſch in einem verſchloßnen Gefaͤße mit nach und nach verſtaͤrktem Feuer zum197 Fluſſe bringt, ſo findet man, nachdem alles erkaltet iſt, im Gefaͤße das Metall ſelbſt in ſeiner vorigen Geſtalt wieder. Dieſe Operation heißt die Reduction oder Wiederherſtellung der Metallkalke, welche dadurch aufs neue in den reguliniſchen Zuſtand verſetzt werden. Man kan dieſe Reduction nie ohne brennbare Subſtanzen bewirken; auch verlieren dieſe ſo viel von ihrem Phlogiſton, als ſie dem reducirten Metalle gegeben haben: es iſt alſo außer allen Zweifel geſetzt, daß dieſe wunderbare Wiederherſtellung blos von dem wiederempfangnen Phlogiſton, ſo wie die Verkalkung von dem Verluſt deſſelben herruͤhre.
Dieſe Zerſetzung und Reduction beweiſen alſo, daß die Metalle aus einer Erde und dem Phlogiſton beſtehen. Waͤren dies aber ihre einzigen einfachen Beſtandtheile, ſo ſollte man durch Verbindung des Brennbaren mit den reinen Erden Metalle hervorbringen koͤnnen, welches doch der Fall nicht iſt, da ſogar die metalliſchen Erden ſich nicht mehr reduciren laſſen, wenn man die Verkalkung zu weit getrieben, oder ſie dem Zuſtande der unmetalliſchen Erden zu nahe gebracht hat. Aus dieſem Grunde haben einige Chymiſten noch einen dritten Grundſtof in den Metallen angenommen, welcher von Becher und Stahl eine Merkurialerde, und von Vogel (Inſtit. Chem. §. 95 -99.) ein arſenikaliſches Principium genannt wird. Henkel aͤußerte, es werde vielleicht der erdichte Beſtandtheil erſt alsdann einer innigen Verbindung mit dem Brennbaren faͤhig, wenn der Anfang oder die erſte Anlage zu dieſer Verbindung von der Natur ſchon gemacht ſey: bey welcher Erklaͤrung man keinen dritten Grundſtof noͤthig hat. Wenzel (Einleitung zur hoͤhern Chymie. Leipzig, 1773. 8. ) glaubt in den Metallen ſtatt des Phlogiſtons einen Schwefel oder Phosphorus, und außerdem eine faͤrbende Erde, eine talgaͤhnliche Erde und einen ſalzaͤhnlichen Beſtandtheil gefunden zu haben. Weigel laͤßt die metalliſchen Erden aus einer mit Saͤuren verbundenen Kiefel - oder Kalkerde beſtehen; Bergmann hingegen iſt der Meinung, daß die metalliſchen Erden198 nichts anders, als Saͤuren ſind, die durch Verbindung mit Brennbarem Conſiſtenz, und durch Saͤttigung damit das metalliſche Anſehen bekommen. Dieſer Meinung nach wuͤrden alle Metalle gleichſam Schwefelarten ſeyn.
Die kuͤnſtliche Hervorbringung der Metalle, mit der ſich ſo Viele beſchaͤftiget haben, iſt vielleicht nicht unmoͤglich, aber noch bis jetzt ganz unerreicht geblieben. Man muͤßte erſt die Natur der metalliſchen Erden durch die vollkommenſte Verkalkung genauer unterſuchen, und mit der Natur der gemeinen Erden vergleichen: dann aber Mittel ausfindig machen, die Verbindung der ganz reinen Erde und des Brennbaren entweder durch Schmelzung mit Huͤlfe der Salze, oder auf dem naſſen Wege mit Huͤlfe des Waſſers zu bewirken. Aber alle dieſe Forderungen haben unuͤberwindliche Schwierigkeiten. Und dann iſt noch die Frage, ob eine ſolche Verbindung ein Metall geben wuͤrde, da nach neuern Entdeckungen auch der Diamant aus einer mit dem Brennbaren verbundnen Erde beſteht. Eben dieſe Bewandniß hat es mit der Verwaudlung oder Transmutation der Metalle. Man kennt die Urſache ihrer Verſchiedenheit gar nicht, und was man daruͤber annimmt, ſind willkuͤhrliche Vorausſetzungen.
Die Metalle ſind im reguliniſchen Zuſtande ſaͤmmtlich gute Leiter der Elektricitaͤt, ſie verlieren aber dieſe Eigenſchaft durch die Verkalkung. Durch ſtarke elektriſche Schlaͤge werden ſie geſchmolzen und verkalkt. Beccaria (Elettricismo artif. Bologna, 1758. 4. ) und de Milly (in Rozier Journal de phyſ. Aôut. 1775.) behaupteten, der Blitz ſowohl als der elektriſche Schlag koͤnne die Reduction der Metallkalke bewirken, aber nach Briſſon und Cadet (Mém. de Paris, 1775. und in Crells chym. Journal, Th. V. S. 104. u. f.) ſind die dahin gehoͤrigen Erfahrungen und Verſuche noch ſehr zweifelhaft.
In Abſicht ihres eigenthuͤmlichen Gewichts ſtehen die Metalle, vom ſchwerſten angefangen, in folgender Ordnung:199 Platina, Gold, Queckſilber, Bley, Silber, Kupfer, Eiſen, Zinn.
In Abſicht des metalliſchen Glanzes, der Politur und Menge des zuruͤckgeworfnen Lichts, nach Keir (Anm. zu Macquers Woͤrterb. ): Silber, Queckſilber, Zinn, Gold, Eiſen, Kupfer, Bley. Nach den neuern Verſuchen muß die voͤllig gereinigte Platina in dieſer Abſicht noch uͤber das Silber geſetzt werden.
In der Geſchmeidigkeit: Gold, Silber, Kupfer, Eiſen, Zinn, Bley.
Der Haͤrte nach: Eiſen, Platina, Kupfer, Silber, Gold, Zinn, Bley.
Nach der Zaͤhigkeit oder Staͤrke des Zuſammenhangs, aus Muſſchenbroeks Verſuchen (ſ. Cohaͤſion): Eiſen, Silber, Kupfer, Gold, Zinn, Wismuth, Zink, Spießglaskoͤnig, Bley.
Der Schmelzbarkeit nach: Queckſilber (welches ſchon bey den gewoͤhnlichen Temperaturen fluͤßig iſt), Zinn, Bley, Silber, Gold, Kupfer, Eiſen. Die Platina hielt man lange Zeit fuͤr unſchmelzbar. Aber die Herren Morveau, Maret und Durande haben ſie mit Glas, Borar, Kohlenſtaub und Eiſen zuſammengeſchmolzen.
Macquer chym. Woͤrterbuch, durch Leonhardi, Art. Metalle.
Hagen Grundriß der Erperimentalchemie. Koͤnigsb. und Leipzig, 1786. gr. 8. S. 291.
Metallthermometer, ſ. Pyrometer, Thermometer.
Man giebt dieſen Namen demjenigen Theile der praktiſchen Chymie, welcher von der Gewinnung und Aufbereitung der Metalle aus ihren Erzen oder von den Mitteln handelt, dieſelben von den fremdartigen Theilen zu ſcheiden, mit welchen ſie die Natur vermiſcht hat. Da der Gebrauch der Metalle ſo alt iſt, ſo zaͤhlt man die Kenntniſſe ihrer Bereitung mit Recht unter die aͤlteſten, und leitet von ihnen den Urſprung der Chemie her, ſ. 200Chymie. Inzwiſchen ſind dieſe Kenntniſſe ganz auf dem langſamen, aber ſichern, Wege der Erfahrung verbeſſert und erweitert worden, bis ſie erſt in neuern Zeiten, vorzuͤglich in Deutſchland und Schweden die Form einer Wiſſenſchaft erhalten haben. Johann Georg Agricola (De re metallica libri XX. Baſil. 1546. fol.) und Lazarus Erker (Aula ſubterranea oder Beſchreibung derjenigen Sachen, ſo in der Tiefe der Erde wachſen. Prag, 1574. Fol.) waren die Erſten, welche die Huͤttenarbeiten in Verbindung mit dem Bergbau beſchrieben, und aus der Dunkelheit hervorzogen, in der ſie ſo lange unter den Haͤnden der praktiſchen Arbeiter gelegen hatten. Durch die Verbeſſerungen der Chymie hat in neuern Zeiten auch die Metallurgie ungemein gewonnen. Die vollſtaͤndigſten Werſe uͤber dieſelbe ſind von Schluͤter (Unterricht von Huͤttenwerken. Braunſchweig, 1738. Fol. ins Franz. uͤberſ. unter dem Titel: De la fonte des mines. Paris, 1750 - 1753. II. To. 4. von Hellot) und Cramer (Anfangsgr. der Metallurgie. Blankenburg, 1774 - 1777. III. Th. kl. Fol.); kuͤrzere Anleitungen von Gellert (Anfangsgr. der metallurgiſchen Chemie. Leipzig, 1755. 8. neuere Ausgabe, 1776. 8. ), Wallerius (Elementa metallurgiae. Holm. 1768. 8. Deutſch: Wallers Anfangsgruͤnde der Metallurgie, Leipzig, 1770. 8. ) und Scopoli (Anfangsgruͤnde der Metallurgie, mit 20 Kupfertaf. Mannh. 1789. gr. 4.).
So nennt man alle im Luftkreiſe ſich ereignenden Naturbegebenheiten oder Erſcheinungen, welche ſonſt von den meiſten Phyſikern in luftige, waͤſſerichte, feurige und glaͤnzende eingetheilt wurden.
Luftige Meteore ſind die Winde. Waͤſſerichte werden durch die Duͤnſte veranlaſſet, und ſind der Thau, Reif, Nebel, das Naßniedergehen, die Wolken, der Regen, Schnee, das Glatteis, der Hagel, die Waſſerhoſe. Zu den feurigen (richtiger zu den elektriſchen und phosphoriſchen) Meteoren rechnet man den201 Blitz und Donner, das Wetterleuchten, das Nordlicht, die Feuerkugeln, Sternſchnuppen, Irrwiſche und Irrlichter; zu den glaͤnzenden oder optiſchen den Regenbogen, die Hoͤfe, Nebenſonnen und Nebenmonden. Von jeder dieſer Erſcheinungen handelt ein beſonderer Artikel des gegenwaͤrtigen Woͤrterbuchs.
Meteorologia, Metéorologie. Die Lehre von den Veraͤnderungen, die ſich im Luftkreiſe zutragen. Man giebt dem Zuſtande der Atmoſphaͤre in Abſicht auf die Meteore, den Namen der Witterung oder des Wetters. Die Veraͤnderungen dieſes Zuſtands haͤngen von gewiſſen veraͤnderlichen Eigenſchaften der Luſt, z. B. von ihrer Dichte, Waͤrme, Feuchtigkeit, Elektricitaͤt, chymiſchen Miſchung u. ſ. w. ab, deren jedesmalige Groͤßen und Veraͤnderungen man durch Barometer, Thermometer, Hygrometer, Luſtelektrometer, Eudiometer rc. erkennt. Andere Werzeuge, z. B. die Windmeſſer, Regenmaaße, Blitzmeſſer u. dgl. dienen, die Groͤße und Veraͤnderung verſchiedner Meteore ſelbſt zu meſſen. Alle dieſe Inſtrumente werden zuſammen unter dem Namen der meteoroſkopiſchen oder meteorologiſchen Werkzeuge begriffen, ſo wie auch die damit angeſtellten Beobachtungen meteorologiſche heißen.
Die Abſicht der Meteorologie iſt vorzuͤglich auf Erklaͤrung der Urſachen der Witterung, und ihres Zuſammenhangs mit den Veraͤnderungen der meteorologiſchen Werkzeuge gerichtet. Koͤnnte man dieſen Zuſammenhang vollkommen erklaͤren, ſo wuͤrde ſich die ſo wichtige Auſgabe von Vorherſagung der Witterung, leichter aufloͤſen laſſen. Wie weit man aber von dieſem Ziele noch entfernt ſey, iſt unter andern in dem Artikel: Barometerveraͤnderungen, gezeigt worden. Inzwiſchen hat man ſich in unſern Zeiten durch wichtige Verbeſſerungen und Vermehrungen der Werkzeuge, und durch zahlreiche Vervielfaͤltigung, Sammlung202 und Vergleichung der Beobachtungen dem Zwecke immer mehr zu naͤhern geſucht.
In aͤltern Zeiten beſtand die Witterungslehre blos aus einigen auf angebliche Erfahrung gegruͤndeten Regeln, die mitunter ſehr aberglaͤubiſch und mit thoͤrichten Erklaͤrungen der Urſachen vermengt waren. Man kan ſich hievon aus der Meteorologie des Ariſtoteles, und aus vielen von den Vorzeichen der Witterung handelnden Stellen der alten Dichter und Schriftſteller vom Landbau ſattſam uͤberzeugen. Im mittlern Zeitalter ward dieſe Lehre ſogar mit der Aſtrologie vermengt. Bey den damaligen hoͤchſt unvollkommnen Kenntniſſen vom Luſtkreiſe ſchrieb man nicht blos der Sonne und dem Monde, ſondern auch allen uͤbrigen Geſtirnen einen unmittelbaren Einfluß auf die Witterung zu, und ſuchte aus den Stellungen derſelben Wetterprophezeihungen herzuleiten, woraus ein eigner Zweig der Sterndeuterey (Aſtrologia meteorologica) erwachſen iſt. Daher kommen noch die in den Kalendern uͤblichen Vorherſagungen der Witterung — ein Ueberbleibſel der ehemaligen Barbarey, welches man in unſern Tagen voͤllig vertilgen ſollte. Beyſpiele ſolcher aſtrologiſchen Witterungsregeln hat Funk (Natuͤrliche Magie, Berlin und Stettin, 1783. gr. 8. S. 5. u. f.) aus einem noch im Jahre 1733. zu Berlin herausgekommenen Haus - und Reiſe-Calender beygebracht. Was fuͤr Begriffe von den Urſachen der Naturbegebenheiten die Erfinder dieſer Regeln hatten, zeigt z. B. des Cheophraſtus Paracelſus Buch De Meteoris (deutſche Ausgabe, Strasb. 1616. Fol.), welcher die Nebenſonnen fuͤr ein meſſingnes Fabricat der Luftgeiſter und die Sternſchnuppen fuͤr Ercremente der Geſtirne aus der Verdauung ihrer aſtraliſchen Speiſen erklaͤret. So nichtig und abgeſchmackt, im Ganzen genommen, der Kalenderaberglaube iſt, ſo muß man doch darum nicht alle alte Wetterregeln ſchlechthin verwerfen. Manche darunter, z. B. die aus dem Verhalten der Thiere genommenen Anzeigen u. dergl. werden doch wirklich durch die Erfahrung beſtaͤtigt, und laſſen ſich auch203 zum Theil aus der Natur der Sache ganz wohl erklaͤren.
Erſt ſeit der Erfindung des Barometers bekamen die Naturforſcher beſſere Begriffe vom Luftkreiſe, fehlten aber nun wieder darinn, daß ſie das neuerfundene Werkzeug allein fuͤr einen untruͤglichen Vorboten der Wetterveraͤnderungen anſehen, und den ganzen Zuſtand der Atmoſphaͤre blos aus der Dichte und Federkraft der Luft erkennen wollten. Dieſer Wahn, der dem Barometer den Namen des Wetterglaſes verſchafte, erzeugte eine Menge Hypotheſen uͤber den Zuſammenhang der Witterung mit der Dichte der Luft, und uͤber die Urſache des Steigens und Fallens der Barometer. Da aber keine dieſer Hypotheſen zureichend war, ſo leitete dies endlich bey den Unterſuchungen uͤber dieſen Gegenſtand auf einen richtigern Weg. Man fand nemlich nach und nach, daß man außer der Dichte der Luft noch weit mehrere Eigenſchaften derſelben unterſuchen, die dazu noͤthigen Werkzeuge zuvor verbeſſern, ihre Angaben gehoͤrig beſtimmen, und die Anzahl der Beobachtungen moͤglichſt vervielfaͤltigen muͤſſe, ehe man zu richtigen Erklaͤrungen und Vorherſagungen der Witterung gelangen koͤnne. Dieſe Bemuͤhungen um Verbeſſerung der Werkzeuge und Vervielfaͤltigung der Beobachtungen beſchaͤftigen nun noch bis jetzt die Naturforſcher, und es ſteht zu erwarten, was fuͤr Reſultate dereinſt unſre Nachkommen daraus werden herleiten koͤnnen.
Ganz mechaniſch ſucht die Lufterſcheinungen Descartes (Meteora, in Opp. philoſ. Amſt. 1685.4. p. 153. ſqq. ), chymiſch hingegen Stahl (Einleitung zur Witterungsdeutung, Halle, 1716. 8. ) zu erklaͤren. Die Menge der daruͤber entworfenen Hypotheſen iſt faſt unzaͤhlbar; nur die vornehmſten derſelben werden bey den Worten: Barometerveraͤnderungen, Winde, Duͤnſte, Regen, Wolken, Schnee, Hagel u. ſ. w. angefuͤhrt. Ihre Geſchichte erzaͤhlt der Abbe Richard (Hiſt. naturelle de l'air et des metéores, à Paris, VII To. 1770. gr. 12mo. Deutſch, Frankf. 1773. gr. 8.). Le Roy's Gedanke, daß204 die Ausduͤnſtung als eine wahre Aufloͤſung des Waſſers in der Luft anzuſehen ſey, verbreitete ein neues Licht uͤber die Natur der waͤſſerichten Meteore, ſ. Ausduͤnſtung. Neuerlich aber haben die Herren de Sauſſuͤre (Eſſais ſur l'hygrometrie. Neufch. 1783. 8maj. Eſſ. IV. ) und de Luͤc (Idees ſur la metéorologie. à Londres, 1786. 8maj. To. II. ) uͤber dieſen Gegenſtand ſehr ſcharfſinnige Bemerkungen und Erklaͤrungen mitgetheilt, welche ſich vornehmlich auf die neuern Entdeckungen uͤber die Natur der beſtaͤndig elaſtiſchen Fluͤßigkeiten gruͤnden, und, ob ſie gleich noch immer Hypotheſen bleiben, dennoch der Aufmerkſamkeit aller Naturforſcher werth ſind. Als ein Lehrbuch der Meteorologie kan man das Werk des P. Cotte (Traité de Metéorologie. à Paris, 1774. 4maj. ) anſehen.
Meteorologiſche Beobachtungen findet man ſchon in ziemlicher Menge in den Mémoires de l'academie des Sciences de Paris, den Philoſophical Transactions und den Werken mehrerer gelehrten Geſellſchaften. Eine lange Reihe von Beobachtungen zu Koppenhagen hat Herrebow (Tractatus hiſtorico-meteorol. continens obſ. XXVI. annorum in obſervatorio Havnienſi factas. Havn. 1780. 4maj. ) herausgegeben. Aus ſehr vielen, hauptſaͤchlich in Frankreich angeſtellten, giebt der P. Cotte (Traité de metéorol. L. III. ) einen Auszug in Tabellenform. So allgemeine Auszuͤge aber verſchaffen der Wiſſenſchaft nicht ſo viel Vortheil, als die umſtaͤndliche Bekanntmachung der Beobachtungen ſelbſt, wobey die Veraͤnderungen der Witterung in kleinen Zeitraͤumen, nach allen Umſtaͤnden, von ſo vielen Gegenden, als nur immer moͤglich iſt, mit einander verglichen werden koͤnnen. Dabey koͤmmt es nicht ſowohl auf lange Reihen, als auf Vervielfaͤltigung der Beobachtungsorte an.
In dieſer Abſicht hat ſich der jetztregierende Churfuͤrſt von Pfalz-Bayern, mit Beyhuͤife des Herrn Abt Hemmer zu Manheim, durch Errichtung einer eignen ſehr weit ausgebreiteten meteorologiſchen Geſellſchaft im Jahre 1780, hoͤchſt verdient gemacht. Durch ſeine Veranſtaltung205 und auf ſeine Koſten werden nicht nur in den churfuͤrſtlichen Landen, ſondern uͤberhaupt in - und außerhalb Europa, an ſchicklichen Orten, correſpondirende Inſtrumente aufgeſtellt, und damit taͤglich zu beſtimmten Stunden Beobachtungen gemacht. Das Directorium dieſer Anſtalt fuͤhrt die meteorologiſche Claſſe der churpfaͤlziſchen Akademie zu Manheim. Die von der Societaͤt verſendeten Inſtrumente ſind ein Barometer, ein Thermometer mit reaumuͤriſcher Scale und ein Gaͤnſekielhygrometer, bisweilen auch ein branderiſches Declinatorium, deren Behandlung und Gebrauch in einer ausfuͤhrlichen Inſtruction angegeben ſind. Die Geſellſchaſt wuͤnſcht, daß ſich die Beobachter auch noch mit einem Luft - und Wolkenelektrometer, Wind - Regen - und Ausduͤnſtungsmeſſer verſehen moͤchten. Die Beobachtungen ſelbſt werden taͤglich dreymal, als fruͤh um 7, Nachmittags um 2, und Abends um 9 Uhr angeſtellt, und mit ſehr ſchicklich ausgedachten und vorgeſchriebnen Bezeichnungen der begleitenden Umſtaͤnde, in Tafeln eingetragen. Von dieſen der Societaͤt eingeſendeten Beobachtungen ſind nun bereits 5 Jahrgaͤnge (Ephemerides ſocietatis meteorologicae palatinae. Hiſtoria et obſervationes. Manhemii, 1783-1787. 4maj. ) erſchienen, welche die Beobachtungen der Jahre 1781 bis 1785 mit angehangenen ſchaͤtzbaren Bemerkungen und Abhandlungen enthalten; auch hat Herr Hemmer (Deſcriptio inſtrumentorum ſocietatis meteorol. palat. Manh. 1782. 4maj. ) die gebrauchten Werkzeuge beſonders beſchrieben. Dieſes Werk, deſſen vierter Band bereits Beobachtungen von 30 verſchiedenen Orten enthaͤlt, iſt fuͤr die Witterungslehre von aͤußerſter Wichtigkeit, und verſpricht ſehr viel fuͤr die Zukunft, ob es gleich, nach dem unvermeidlichen Schickſale menſchlicher Unternehmungen, nicht von allem Tadel frey geblieben iſt.Unter den Barometerbeobachtungen ſind blos die des Herrn Prof. Planer zu Erfurt wegen der Waͤrme berichtiget. Die uͤbrigen muͤſſen beym Gebrauch erſt uach den dabey befindlichen Thermometerangaben berichtiget werden. Wie ſehr dies den Gebrauch erſchwere, faͤllt in die Augen. Jch habe bey dem Worte: Barometer (Th. I. S. 264.) erinnert, daß zu dieſer Berichtigung Tabellen, nach den dort angegebnen allgemeinen Formeln berechnet, ſehr brauchbar ſeyn wuͤrden. Solche Reductionstabellen, die ganz beſonders fuͤr das manheimiſche Inſtitut eingerichtet ſind, haben wir nunmebr wirklich erhalten (Tabulae pro reductione quorumuis ſtatuum barometri ad normalem quendam caloris gradum publico vſui datae a P. Guarino Schlögl. Muͤnchen und Ingolſt. 1787. 4.). Es iſt darinn angenommen, daß ſich 27 Zoll Queckſilber von 0 bis 80 Gr. Reaum. um 5, 5 Lin. ausdehnen.) 206
Ein Beyſpiel von Regeln, welche als Reſultate aus vieljaͤhrigen Witterungsbeobachtungen anzuſehen find, geben Toaldo's 24 meteorologiſche Aphorismen (in Rozier Journal de phyſique, Nov. 1785. p. 388.). Man hat ſchon laͤngſt vorgeſchlagen, in der Meteorologie den Weg zu gehen, den die Aſtronomen bey den Beobachtungen und der Vorherbeſtimmung des Himmelslaufs mit ſo vielem Gluͤcke befolgt haben — den Weg der Tafeln, wobey das, was von der Haupturſache abhaͤngt, als eine mittlere Bewegung oder Veraͤnderung, zum Grunde gelegt, und wegen der mitwirkenden Nebenurſachen durch Gleichungen verbeſſert und berichtigt wird. So behandelte ſchon Mayer die Veraͤnderungen der Waͤrme, ſ. Klima. Fuͤr die Witterungslehre hat unter andern Lambert (Expoſé de quelques obſervations, qui pourroient ſervir pour repandre du jour ſur la metéorologie, in Nouv. Mém. de Berlin, 1771. S. 60.) dieſen Vorſchlag gethan. Niemand aber hat auf dieſem Wege ſo muͤhſame Unterſuchungen angeſtellt, als Herr Hofrath Gatterer in Goͤttingen (ſ. Lichtenbergs Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſ. und Naturgeſch. I. B. 2. St. S. 1. u. f.). Dieſer hat fuͤr die Einwirkungen der Sonne und des Monds, die er als Haupturſachen der Wetterveraͤnderungen annimmt, eine große Menge von Tafeln berechnet, welche noch mit Vergieichungstafeln und Ortstafeln vermehrt ſind, in denen207 er die Localwirkungen der Meere, Gewaͤſſer, Berge, Beſchaffenheit des Erdreichs u. ſ. w. berechnet hat. Dieſe Tafeln nun brauchbar zu machen, veriangt er einen einzigen Jahrgang oder ein meteorologiſches Grundjahr von ununterbrochenen Beobachtungen, fuͤr einen gewiſſen Ort, dergleichen er ſelbſt vom 8ten Nov. 1779 bis zum 18ten Nov. 1780. in Goͤttingen faſt ſtuͤndlich angeſtellt hat. Durch gehoͤrige Ausfuͤhrung dieſes Plans, meint er, werde man nicht nur in der Gegend, wo die Beobachtungen angeſtellt ſind, ſondern uͤberall, kuͤnftige Witterungen vorherſagen, und meteorologiſche Kalender, wie aſtronomiſche, verfertigen koͤnnen.
Das Mittel, woran man ſich bey Vorherſagung der Witterung noch bisher am meiſten gehalten hat, iſt die Ruͤckkehr derſelben nach Perioden, beſonders nach der Periode von neunzehn Jahren. Herr Gatterer verwirft dieſes Mittel nicht ganz, glaubt aber, da die von ihm angenommenen Urſachen der Witterung nicht alle in einerley Perioden wieder zuſammen kaͤmen, ſo wuͤrden dabey ſehr viele Epakten und Gleichungen noͤthig ſeyn. Die Perioden, welche ſolcher Berichtigungen am wenigſten beduͤrften, ſind nach ihm fuͤr den Mond 350, fuͤr die Sonne faſt 400 Jahre. Auf dieſe Art wuͤrden freylich die jetzt angeſtellten Witterungsbeobachtungen erſt der ſpaͤtern Nachwelt unmittelbar nuͤtzlich ſeyn.
Mikroelektrometer, ſ. Condenſator der Elektricitaͤt.
Werkzeuge zu Abmeſſung kleiner Groͤßen. Man bringt ſie insgemein bey Fernroͤhren und Vergroͤßerungsglaͤſern an, um die Groͤße des Bildes zu meſſen, welches durch das letzte Augenglas betrachtet wird. Aus dieſer kan man nehmlich die Groͤße des zugehoͤrigen Sehewinkels finden, wenn man vorher die Groͤße eines andern Bildes und des ihm zugehoͤrigen Sehewinkels wirklich gemeſſen hat. So dient das Mikrometer, ſehr kleine Sehewinkel zu meſſen, und unter einander zu vergleichen, z. B. kleine208 ſcheinbare Entfernungen am Himmel, ſcheinbare Durchmeſſer der Planeten, Verhaͤltniſſe der Theile an kleinen Gegenſtaͤnden, die man durchs Mikroſkop betrachtet, u. ſ. w.
Gaſcoigne fiel um das Jahr 1640 zuerſt darauf, in aſtronomiſchen Fernroͤhren das Bild im Brennpunkte des Objectioglaſes durch zwo bewegliche Metallplaͤttchen mit ſcharfen Ecken abzumeſſen (Philoſ. Trans. num. 25. p. 457.). Huygens (Syſtema Saturnium, Hag. Com. 1659. 4. ) bediente ſich, um die Durchmeſſer der Planeten zu meſſen, einiger Meſſingplaͤttchen mit zuſammenlaufenden Seiten, die er durch Einſchnitte ins Fernrohr ſchob, und bemerkte, an welcher Stelle ihre Breite gerade den Planeten bedeckte. Aus den zu Modena 1662 gedruckten Ephtmeriden des Marcheſe Malvaſia ſieht man, daß derſelbe kleine Diſtanzen der Firſterne und Mondflecken, Planetendurchmeſſer u. dgl. durch ein Gitter von Silberdrath im Brennpunkte des Augenglaſes abgemeſſen, und den Abſtand der Faͤden in dieſem Gitter durch die Zeit beſtimmt hat, die ein Firſtern im Aequator brauchte, um von einem Faden zum andern zu kommen. Auzout und Picard beſchreiben in einem Briefe an Gldenburgh vom Jahre 1666 ein Mikrometer aus zween ſeidnen Faͤden, deren einer unbeweglich, der andere aber in einen Rahmen geſpannt war, den man mittelſt einer Schraube vor - oder ruͤckwaͤrts bewegen konnte (ſ. de la Hire in Mém. de Paris, 1717. p. 72. ſq.). Unter Hevels Nachlaß fand Hecker in Danzig (Acta Erud. Lipſ. 1708. Mart.) ein Mikrometer aus parallelen Faͤden, deren Abſtand ſich durch Schrauben ſo aͤndern ließ, daß man das zu meſſende Bild zwiſchen ſie faſſen konnte. Koͤmers Mikrometer, ebenfalls mit parallelen Faͤden, beſchreibt Horrebow (Baſis Aſtron. cap. 13.) aus einem um 1676 verfertigten Aufſatze, worinn Roͤmer meldet, er habe daſſelbe mit Picard zugleich auf der pariſer Sternwarte gebraucht; daher auch Horrebow glaubt, de la Hire (Mém. de Paris, 1717.), der blos Auzout und Picard als Erfinder nennt, habe Roͤmers Namen vorſetzlich verſchwiegen. Dieſes Mikrometer mit209 parallelen Faͤden iſt in der praktiſchen Sternkunde nachher ſehr in Gebrauch gekommen, und wird mit einigen dabey angebrachten Verbeſſerungen beym Smith (Lehrbegrif der Optik, durch Kaͤſtner, III. Buch, 8 Cap. §. 135. u. f.) umſtaͤndlich beſchrieben.
Ein anderes ſehr einfaches und wohlfeiles Mikrometer erfand Gottfried Kirch zu Berlin im Jahre 1679, und beſchricb es zuerſt in ſeinem 1696 herausgegebnen Kalender. Es iſt unter dem Namen des Schraubenmikrometers bekannt. Ein meſſingener Ring ABMN, Taf. XVI. Fig. 43., der an der Stelle des Brennpunkts der Glaͤſer um das Fernrohr gelegt wird, hat bey A und B Schraubenmuttern, in welche die Schrauben FD, EC paſſen, welche man ſo weit hineinſchrauben kan, daß ihre Enden F und E im Mittelpunkte des Geſichtsfeldes bey O zuſammenkommen. K und L ſind runde Scheiben mit getheilten Kreiſen, und die Handhaben CG, HD vertreten durch ihre Richtung die Stelle der Zeiger. Betrachtet man nun durch dieſes Fernrohr z. B. den Durchmeſſer eines Planeten, ſo kan man die Schrauben ſo ſtellen, daß ihre Enden E und F das Bild deſſelben zwiſchen ſich enthalten. Alsdann ſchraubt man E und F zuſammen, und zaͤhlt die dazu noͤthigen Umdrehungen, wobey dis Stellung der Handhaben CG, HD gegen die getheilten Scheiben K und L, noch halbe, Viertel-Achtel-Umdrehungen u. ſ. w. angiebt. So weiß man die Groͤße des Bildes in Umdrehungen der Schraube.
Der Werth jeder Umdrehung laͤßt ſich zwar aus der Brennweite des Objectivglaſes und der Weite der Schraubengaͤnge durch bloße Rechnung finden (ſ. Kaͤſtner aſtron. Abhandl. 2te Samml. S. 311. u. f.); es iſt aber ſicherer, ihn durch wirkliche Erfahrung zu beſtimmen. Hiezu braucht man den Sonnendurchmeſſer, oder bekannte Weiten von Firſternen, oder die Zeit, die ein Firſtern noͤthig hat, um durch die taͤgliche Bewegung von einer Schraube zur andern gefuͤhrt zu werden, oder endlich auch die ſcheinbare Groͤße eines irdiſchen Gegenſtandes, deſſen Entfernung bekannt iſt. Herr Kaͤſtner lehrt (a. a. O. S. 319.210 u. f.), daß, wenn die ſcheinbare Groͤße eines irdiſchen Gegenſtands = h Secunden, ſeine Entfernung = b, die Brennweite des Objectivs = l, und die Zahl der Umdrehungen fuͤr das Bild dieſes Gegenſtands = g genannt wird, der Werth einer Umdrehung = (h. b / (b — l) g) Secunden ſey. Hiebey wird die Stellung des Fernrohrs ſo gelaſſen, wie ſie fuͤr unendlich entfernte, d. i. fuͤr himmliſche Gegenſtaͤnde ſeyn muß. Man findet auf dieſe Art den Werth der Umdrehungen etwas zu klein, aber der Fehler iſt unbetraͤchtlich, wenn nur der betrachtete Gegenſtand eine hinlaͤnglich große Entfernung hat. Herr K. betrachtete durch ein Ferurohr von 87 leipz. Zoll Brennweite einen um 15921 1 / 4 leipz. Zoll entfernten Stab, von 8 pariſer Fuß Laͤnge, der alſo dem bloßen an die Stelle des Objectivglaſes geſtellten Auge unter einem Winkel von 1432 Secunden erſcheinen mußte. Dem Bilde dieſes Stabs im Fernrohre kamen (14 19 / 24) Umdrehungen zu. Daraus findet ſich nach obiger Formel der Werth einer Umdrehung = 97,343 Secunden. Die Berechnung aus der Brennweite und Weite der Schraubengaͤnge (deren 26, 92 auf den rheinl. Zoll giengen) gab 97, 396 Secunden. Herr de la Lande (Aſtr. 2de edit. §. 2529.) giebt andere, hievon etwas abweichende Vorſchriften, welche vielleicht in der Ausuͤbung leichter, aber in der Theorie ſo genau nicht ſind, als die hier beygebrachte. Man ſieht uͤbrigens leicht, daß ſich dieſe Beſtimmungsarten auch auf alle andere Mikrometer anwenden laſſen.
Kirchs Schraubenmikrometer iſt in der erſten Helfte dieſes Jahrhunderts in Deutſchland allgemein gebraucht worden. Weiten der Sterne von einander zu meſſen, zieht es Euler (Mém. de l'Acad. de Pruſſe 1748. p. 121.) allen andern vor, und raͤth nur, die Schrauben in Spitzen zu enden. Inzwiſchen kan man damit doch nur eine Linie auf einmal meſſen, nicht aber Unterſchiede der Rectaſcenſionen und Abweichungen zweener Sterne zugleich, wie doch oft noͤthig iſt.
Zu dieſer Abſicht alſo erfand Caſſini das aſtronomiſche Netz (reticulum) von 45 Graden, welches Zanotti (la211 Cometa dell 'anno 1749. obſeruata nella ſpecula di Bologna) zuerſt beſchrieben hat. Die dabey von Bradley angebrachten Verbeſſerungen nebſt dem Kautennetze (reticulum rhomboidale) beſchreibt Smith (Lehrbegrif der Optik durch Kaͤſtner S. 318. u. f.). Solche Netze beſtehen aus unbeweglichen im Brennpunkte des Objectivglaſes ausgeſpannten Faden. Dieſe Faͤden bilden eine Figur, in der eine gewiſſe Linie jederzeit mit der Richtung der taͤglichen Bewegung parallel geſtellt wird.
Man hat auch Mikrometer aus unbeweglichen parallelen Linien oder Gittern, welche ſowohl in Fernroͤhren als Vergroͤßerungsglaͤſern zu Abmeſſungen kleiner Groͤßen mit Vortheil gebraucht werden. Dechales (Mund. mathem. Dioptric. L. II. prop. 59.) und Zahn (Oculus artific. Fundam. III. Syntagm. IV. Cap. 2. §. 1.) empfehlen Gitter von Pferdehaaren oder von Linien auf Glas, zu Abzeichnung der Mondflecken. Koͤmer ſtellte ein ſolches Gitter wegen des veraͤnderlichen Monddurchmeſſers in ein Fernrohr mit zwey Objectivglaͤſern, deren Abſtand man ſo aͤndern konnte, daß das Mondbild allezeit den Raum des Geſichtsfelds genau ausfuͤllte. De la Hite (Mém. de Paris 1701.) giebt eben dieſe Vorſchrift, raͤth aber an, die Linien des Gitters mit Demant in ein ebnes Glas zu ſchneiden. In vielen Fernroͤhren, beſonders an Quadranten, findet man einige feſte parallele Faͤden, die man als Mikrometer brauchen kan. Das Fernrohr am goͤttingiſchen Mauerquadranten z. B. hat fuͤnf parallele Faͤden, wobey der Abſtand zwiſchen jedem Paare 7 1 / 2 Min. betraͤgt, und die Theile des Abſtands nach dem Augenmaaße geſchaͤtzt werden koͤnnen. Cobias Mayer (Koſmographiſche Nachrichten und Samml. Wien und Nuͤrnb. 1750. gr. 4. S. 1.) ſchlug vor, ein Glas mit Tuſche zu uͤberſtreichen, und mit einem Federkiele ſo viel wegzunehmen, daß parallele Linien ſtehen blieben; Brander ſchnitt die Linien mit einem Demant ſo fein in Glas, daß ſie kaum (1 / 200) einer Linie breit wurden, und ihre Abſtaͤnde (1 / 10) — (1 / 26) einer Linie betrugen. Da aber dieſer Linien ſehr viele ſind, ſo iſt man bey der Beobachtung in Gefahr, eine fuͤr212 die andere zu nehmen. Wie man einen leeren Kreis als Mikrometer brauchen koͤnne, zeigt de la Lande (Aſtron. 2de edit. §. 2510.).
Der P. Helfenzrieder (Tubus aſtronomicus ampliſſimi campi cum micrometro ſuo et feneſtellis ocularibus. Ingolſt. 1773. 4. ) ſucht durch Vervielfaͤltigung der Oculare, deren er 32 in zwo Reihen oder Fenſterchen ordnet, das Feld des Mikrometers zu erweitern. Er braucht dazu ein Gitter aus feinen Silberfaͤden, uͤber das ſich ein beweglicher Faden vermittelſt einer Schraube fuͤhren laͤßt. In dieſem ziemlich zuſammengeſetzten Werkzeuge zeigt jedes Ocular eine andere Stelle des Himmels, und alle zuſammen faſſen einen Raum von mehreren Graden.
Wenn man die Mikrometer der Fernroͤhre bey Sternen im Dunkeln gebrauchen will, ſo muͤſſen die Faͤden derſelben erleuchtet werden. Insgemein ſtellt man eine weiße Pappe ſchief vor das Objectivglas, erleuchter ſie durch ein gegenuͤberhaͤngendes Licht in einer Laterne, und ſchneidet in der Mitte ein Loch aus, durch welches man die Sterne ſehen kan. Weit beſſer aber iſt es, die Seiten des Rohres zwiſchen dem Mikrometer und dem Oculare zu oͤfnen und mit beweglichen Spiegeln zu verſehen, durch welche ſich das Licht von Lampen auf beyde Seiten eines jeden Fadens werfen laͤßt. Durch Blendungen kan man es leicht ſo einrichten, daß nur die noͤthigen Faͤden erleuchtet werden, und das Auge an einem voͤllig dunkeln Platze bleibt.
Da die Stellung der Mikrometer gegen die Glaͤſer immer unveraͤndert bleiben muß, ſo macht man insgemein die hiezu beſtimmten Fernroͤhre aus einem einzigen Stuͤck, nicht wie ſonſt, aus Roͤhren, die ſich verſchieben laſſen.
Aehnliche Vorrichtungen laſſen ſich auch bey Mikroſkopen anbringen. Weil man aber hier nahe Gegenſtaͤnde vor ſich hat, ſo braucht man nicht, wie am Himmel, bey der bloßen Angabe des Sehewinkels ſtehen zu bleiben. Man kan ſogleich auf die wirkliche Groͤße des Gegenſtands ſchließen, daher auch einige Neuere die Veranſtaltungen hiezu Megalometer nennen, und von den Mikrometern,213 durch welche blos Sehewinkel beſtimmt werden, unterſcheiden wollen.
Leeuwenhoek ſchaͤtzte die Groͤße kleiner Gegenſtaͤnde durch Vergleichung mit Sandkoͤrnern, deren 100 auf die Laͤnge eines Zolls giengen, und die er zugleich mit dem Objecte durch das Mikroſkop betrachtete. D. Jurin (Diſſ. upon phyſico - mathematical ſubjects, p. 45.) wand einen feinen Silberdrath ſo dicht, als moͤglich, um eine Nadel, und zaͤhlte die Umwindungen in der Laͤnge eines Zolles, dann ſchuitt er den Drath in kleine Stuͤckchen, und ſtreute dieſelben auf den Teller, auf dem die Sache lag, um ihr Bild nach dem Augenmaaße mit dem Bilde der Sache zu vergleichen. So fand er z. B., daß vier Kuͤgelchen im Menſchenblute insgemein die Breite eines Draths bedeckten, von dem 485 Umwindungen auf einen Zoll giengen. Daher ſetzt er den Durchmeſſer eines Kuͤgelchens = (1 / 1940) Zoll.
D. Hook's Methode, mit einem Auge durchs Vergroͤßerungsglas Gegenſtaͤnde zu betrachten, und das andere Auge unbewafnet auf andere gleich weit entfernte Objecte von bekannter Groͤße zu richten, dient nicht ſowohl, die Groͤße der Gegenſtaͤnde, als vielmehr die Vergroͤßerung, die das Inſtrument bewirkt, zu erfahren. Sie iſt der Vorſchrift aͤhnlich, die ich zu Beſtimmung der Vergroͤßerung bey Fernroͤhren aus Wolfs Dioptrik bey dem Worte Auzometer angefuͤhrt habe.
Netze oder Gitter von feinen, in Glas geſchnittnen, oder auf Glas gezeichneten Linien zum Mikrometer und zu Abzeichnungen zu gebrauchen, hat Martin (Opticks. p. 288.) unter dem Namen Graphical Perſpectives vorgeſchlagen. Brander verſahe unter den zwey zuſammengeſetzten Mikroſkopen, die er (Augsb. 1769. 8. ) beſchrieben hat, das eine mit einem ſolchen Gitter - das andere mit einem Schraubenmikrometer. Um dadurch Groͤßen der Gegenſtaͤnde zu beſtimmen, muß der Werth der Gitterfaͤcher oder der Schraubenumdrehungen in wahrem Maaße, nebſt der Vergroͤßerung des Inſtruments bekannt ſeyn. Weil ſich aber die letztere aͤndert, ſo oft das Mikroſkop anders geſtellt wird, ſo muß ſie fuͤr jede Stellung beſonders beſtimmt werden. 214Uebrigens werben ſolche mikroſkopiſche Gitter von Herrn Tiedemann in Stuttgard und Herrn Schroͤter in Gotha ſehr vollkommen verfertiget.
Herr Beſeke in Mietau (Leipziger Magazin zur Naturgeſch. und Oekonomie v. I. 1786. 1ſtes Stuͤck, ingl. Beob. und Entd. aus der Naturk. v. der Berl. Geſ. naturf, Freunde, II B. 1. Stuͤck. Num. 13.) bedient ſich zum Megalometer einer Flaͤche von 6 Zoll Laͤnge und 5 Zoll Breite, die in Quadratzolle und Quadratlinien nach Decimalmaaß eingetheilt iſt, wobey ſich die Zollſtriche durch ihre Staͤrke unterſcheiden. Dieſe Flaͤche wird in einerley Horizontalebne mit dem Objecte gebracht. Das linke Auge betrachtet den Gegenſtand durchs Mikroſkop, indem das rechte unbewafnet auf die getheilte Flaͤche ſieht. So kan man das vergroͤßerte Bild mit den Zollen und Linien der Theilung vergleichen, noͤthigenfalls auch, wenn ſich etwa die Linien nicht gut abzaͤhlen laſſen, mit dem Zirkel meſſen, und die Zahlder Linien, die es einnimmt, beſtimmen. Nun nimmt Hr. B., wie Jurin, eine Drathſaite zu Huͤlfe. Von den meſſingnen Klavierſaiten Num. 5. gehen 81 Gewinde auf einen Rheinl. Zoll. Alſo iſt der Durchmeſſer (10 / 81) oder etwa 1 / 8 Lin. Ein Stuͤck ſolcher Saite bringt er unter das Mikroſkop, zaͤhlt die Linien, welche die Breite deſſelben einnimmt (z. B. 23.); und findet dadurch die Vergroͤßerung (8X23 = 184 mal). Bey unveraͤnderter Stellung des Inſtruments betrachtet er nun eben ſo, einen Gegenſtand (z. B. ein Menſchenhaar, deſſen Breite (46 / 8) Lin. einnimmt), und erhaͤlt daraus deſſen Groͤße durch eine leichte Rechnung (46 / 8): 184 = 1 / 32 Lin.). Es iſt aber fuͤr jede Stellung des Mikroſkops die Vergroͤßerung aufs neue zu beſtimmen, obgleich Hr. B. zu glauben ſcheint, daß ſie fuͤr jede Objektivlinſe immer dieſelbe bleibe: auch iſt dieſe Methode fuͤr diejenigen nicht wohl brauchbar, welche Augen von ungleicher Guͤte haben.
Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel. S. 167. 172.
Kaͤſtner Aſtronomiſche Abhandlungen, zweyte Sammlung Goͤttingen, 1774. 8. Siebente Abhdl. S. 265 u. f. 215
Ein Werkzeug, wodurch ſich ſehr kleine, aber nahe Gegenſtaͤnde dem Auge deutlich und vergroͤßert darſtellen. Man bedient ſich dabey entweder eines einzigen, oder mehrerer Glaͤſer, worauf die Eintheilung der Mikroſkope in einfache und zuſammenge - ſetzte beruht. Bey den letztern werden bisweilen auch ſtatt einiger Glaͤſer Metallſpiegel gebraucht; in dieſem Falle heißt das Inſtrument ein reflectirendes oder Spiegelmikroſkop.
Die Erfindung der Mikroſkope iſt fuͤr die Naturlehre faſt noch wichtiger, als die Entdeckung der Fernroͤhre geweſen, obgleich die letztere mehr aͤußern Glanz hat, und auf erhabnere und groͤßere Gegenſtaͤnde gerichtet iſt. Das Mikroſkop zeigt uns dagegen mehr von dem Baue der Koͤrper, die uns zunaͤchſt angehen, und lehrt uns den großen Schoͤpfer auch im Kleinen bewundern.
Das einfache Mikroſkop, welches blos aus einem einzigen converen Linſenglaſe beſteht, muß eben ſo alt, als der Gebrauch der erhabnen Linſen uͤberhaupt ſeyn, ſ. Linſenglaͤſer, Brillen. Denn dieſe Linſen konnten, ſo bald ſie erfunden waren, doch zu nichts anderm, als zur Vergroͤßerung kleiner und naher Gegenſtaͤnde gebraucht werden, ob es gleich damals Niemand einfiel, ihnen den Namen der Mikroſkope zu geben. Man brauchte ſie zuerſt als Loupen und Brillen, und verfertigte ſie nachher immer kleiner und erhabner, um deſto kleinere Gegenſtaͤnde dadurch betrachten zu koͤnnen, bis endlich Hartſoeker und Hook den Gebrauch der kleinſten Glaskuͤgelchen lehrten. Da alles dieſes allmaͤhlig geſchehen iſt, ſo bleibt blos die Frage von der Erfindung des zuſammengeſetzten Vergroͤßerungsglaſes uͤbrig, welches den Namen Mikroſkop ſogleich bey ſeiner Entſtehung erhalten hat.
Boreel (De vero teleſcopii inventore. Hag. Com - 1655. 4. p. 35.) ſchreibt dieſe Erfindung dem Zacharias Janſen in Middelburg und deſſen Sohne gemeinſchaftlich zu. Er theilt einen Brief des hollaͤndiſchen Geſandten216 Wilhelm Boreel mit, worinn erzaͤhlt wird, dieſe Kuͤnſtler haͤtten dem Erzherzog Albrecht von Oeſterreich ein Mikroſkop uͤberreicht, ſ. Fernrohr. Boreel fuͤgt hinzu, er ſelbſt habe im Jahre 1619, da er als Geſandter in England geweſen, bey ſeinem Freunde Cornelius Drebbeln ein von den Janſen verfertigtes Mikroſkop geſehen, welches Drebbel von dem Erzherzoge bekommen habe. Es ſey daſſelbe ſechs Fuß lang, einen Zoll weit und von vergoldetem Kupfer geweſen, und habe mittelſt dreyer meſſingnen Delphine auf einem Wuͤrfel von Ebenholz geruhet, auf den man auch die Gegenſtaͤnde gelegt habe. Dieſe Erzaͤhlung, der man die Glaubwuͤrdigkeit nicht abſprechen kan, zeigt deutlich, daß das erwaͤhnte Inſtrument ein zuſammengeſetztes Mikroſkop geweſen ſey; aber die innere Einrichtung iſt nicht angegeben. Montucla vermuthet, es moͤge ſo, wie die erſten Fernroͤhre, aus einem erhabnen und einem Hohlglaſe beſtanden haben.
Dieſer Nachricht ungeachtet, hat man doch den Janſen die Ehre dieſer Erfindung nicht durchgaͤngig zugeſtanden. Huygens (Dioptrice, in Opuſc. poſth. Lugd. Bat. 1703. 4. p. 221.) ſagt, daß im Jahre 1618 das Mikroſkop noch nicht bekannt geweſen, erhelle aus dem Stillſchweigen des Sirturus (Teleſcopium, Frf. 1618. 4. ), der eine ſo wichtige Entdeckung gewiß wuͤrde erwaͤhnt haben. Es ſey ihm aber von Augenzeugen verſichert worden, daß man 1621 in England bey Drebbeln Mikroſkope geſehen habe, und ebenderſelbe werde auch fuͤr den Erfinder gehalten. Dieſe Stelle des Huygens hat veranlaſſet, daß faſt die meiſten Schriftſteller die Erfindung des Mikroſkops Drebbeln zueignen, und in die Jahre 1618 — 1621 ſetzen.
Endlich hat ſich auch noch der Neapolitaner Franz Fontana (Novae terreſtrium et caeleſt. obſ. Neap. 1646. 4. ) als den Erſinder des Mikroſkops angegeben, auf welches er ſchon im Jahre 1618 gekommen ſeyn will. Seine Zeugniſſe aber ſind nicht aͤlter, als von 1625. Montucla iſt geneigt ihm die Erfindung des Mikroſkops mit zwey Converglaͤſern zuzucignen, weil nach ſeiner Vermuthung das Drebbelſche ein hohles Augenglas gehabt haben ſoll. Daß Montucla217 die Janſen gar nicht nennt, da er doch Boreels Brief anfuͤhrt, iſt eine kaum zu verzeihende Unterlaſſung.
Man ſieht hieraus, daß die zuſammengeſetzten Vergroͤßerungsglaͤſer bald nach den Fernroͤhren erfunden und bekannt worden ſind. Sie gaben Veranlaſſung, kleine Gegenſtaͤnde genauer zu betrachten, und da man in der Folge auch einfache Linſen ſehr bequem hiezu fand, ſo entſtand daraus erſt nachher die Benennung der erhabnen Glaslinſen mit dem Namen der Mikroſkope, und die Eintheilung in einſache und zuſammengeſetzte. Einfaches Mikroſkop.
Wenn man eine kleine Sache CD, Taf. XVI. Fig. 44. durch ein erhabnes Glas AB ſo betrachtet, daß ſie in des Glaſes Brennpunkte F liegt, ſo erſcheint ſie auſrecht, und dem Presbyten deutlich, ſ. Linſenglaͤſer (Th. II. S. 917. Num. 2.). Der Stral CE, welcher des Glaſes Mitte trift, geht ungebrochen hindurch; die uͤbrigen, welche von eben dem Punkte C auf die Linſe fallen, laufen nach der Brechung mit CE parallel. Eben ſo iſt es mit den Stralen aus D beſchaffen, welche nach der Brechung mit dem ungebrochenen DG parallel auslaufen. Das Auge in O bekoͤmmt alſo von jedem Punkte der Sache Parallelſtralen, durch welche es ihn, wenn es nicht kurzſichtig iſt, deutlich ſieht: auch ſieht es den Punkt C nach γ, den Punkt D nach δ zu, mithin den Gegenſtand aufrecht.
Was die Vergroͤßerung betrift, ſo erſcheint die Sache CD unter dem Winkel γOδ, welcher dem CcD, oder demjenigen Sehewinkel gleich iſt, unter welchem CD vom bloßen Auge wuͤrde geſehen werden, wenn daſſelbe in c an der Stelle des Glaſes ſtuͤnde. Man ſieht alſo in dieſem Falle die Koͤrper nur eben ſo groß, als ſie das bloße Auge an der Stelle des Glaſes ſehen wuͤrde; und wenn man unter Vergroͤßerung, wie bey den Fernroͤhren, das Verhaͤltniß der Winkel γOδ und CcD verſteht, ſo erhaͤlt man in dieſem Sinne des Worts durch ein einfaches Mikroſkop gar keinr Vergroͤßerung. 218
Man muß aber bedenken, daß kleine Sachen, in der Naͤhe betrachtet, ſchon dem bloßen Auge ſehr groß erſcheinen wuͤrden, wenn man ſie nur nahe genug bringen koͤnnte, ohne Undeutlichkeit zu verurſachen. Es giebt eine gewiſſe Weite des deutlichen Sehens (diſtantia viſionis diſtinctae), die eigentlich fuͤr jedes Auge eine andere iſt, im Durchſchnitte aber fuͤr die meiſten Augen auf 8 Zoll geſetzt werden kan. Iſt nun cF, oder die Brennweite des Glaſes, weit unter 8 Zoll, ſo wird das bloße Auge, in c geſetzt, den Gegenſtand CD unter einem ungemein großen Sehewinkel, freylich aber ſehr undeutlich, ſehen. Setzt man hingegen das Glas in c, ſo ſieht das Auge in O die Sache, unter eben dem ungemein großen Sehewinkel, nunmehr deutlich. Die Wirkung des Glaſes iſt alſo die, daß man die Sache viel naͤher, als an das bloße Auge, ruͤcken, und doch deutlich ſehen kan. In der Figur z. B. ſieht man ſie ſo groß, als ob ſie um die Weite Fc vom Auge abſtuͤnde, da man ſie mit dem bloßen Auge nicht naͤher, als in der Weite von 8 Zollen, betrachten koͤnnte. Da ſich nun kleine Sehewinkel umgekehrt, wie die Abſtaͤnde der Sache vom Auge verhalten, ſ. Sehewinkel, ſo verhaͤlt ſich die ſcheinbare Groͤße, die das Mikroſkop zeigt, zu der, die das bloße Auge ſieht, wie 8 Zoll zu Fc; oder die Vergroßetung (worunter hier das Verhaͤltniß des Winkels γOδ zu dem, unter welchem CD im Abſtande von 8 Zollen erſcheint, verſtanden wird) iſt = (8 Zoll / Fc) d. i. gleich der Weite des deutlichen Sehens, dividirt durch die Brennweite der Linſe.
In dieſem Sinne vergroͤßert ein einfaches Mikroſkop deſto ſtaͤrker, je kuͤrzer ſeine Brennweite iſt. Ein Glas, das eine Brennweite von 1 / 20 Zoll hat, wird 160mal vergroͤßern. Es verſtattet nemlich, die Sache ſo zu betrachten, als ob ſie dem Auge 160mal naͤher ſtuͤnde, als gewoͤhnlich, und ſie doch deutlich zu ſehen.
Das Geſichtsfeld hiebey hat einen Halbmeſſer, der dem ſcheinbaren Halbmeſſer der Oefnung des Glaſes γOF gleich iſt. Weil nun dieſer deſto mehr waͤchſt, je naͤher219 man das Auge an das Glas bringt, ſo kan man auch am meiſten vom Gegenſtande uͤberſehen, wenn man das Auge dem Glaſe ſo nahe als moͤglich haͤlt.
Wenn die Sache nicht genau im Brennpunkte des Glaſes, ſondern ein wenig vor oder hinter demſelben liegt, ſo erhaͤlt das Auge nicht mehr parallele, ſondern divergirende oder convergirende Stralen. Myopen, welche durch divergirende Stralen deutlich ſehen, muͤſſen alſo das Glas etwas naͤher an den Gegenſtand ruͤcken, als die Presbyten. Dies iſt der Fall, der beym Worte: Linſenglaͤſer (Th. II. S. 917. Num. 1.) angefuͤhrt wird.
Die Vergroͤßerung wird hiebey um etwas weniges geringer, und der Ort des Auges iſt nicht mehr willkuͤhrlich, ſoudern muß otzngefaͤhr um die Weite des deutlichen Sehens vom Bilde abſtehen. Haͤlt man das Glas etwas weiter von der Sache ab, als die Brennweite betraͤgt, ſo ſieht man durch convergente Stralen, alſo nicht mehr ſo deutlich, aber ſtaͤrker vergroͤßert, als vorher, u, ſ. w.
Da die Guͤte der Augen ſo verſchieden iſt, ſo thut man am beſten, wenn man beym Gebrauche der einfachen Vergroͤßerungsglaͤſer den gehoͤrigen Abſtand des Glaſes von der Sache und des Auges vom Glaſe durch Probiren ſucht. Zu dieſer Abſicht werden erhabne Linſen von kurzen Brennweiten in Ringe von Meſſing, Horn u. dgl. gefaßt, und mit einem Griſſe verſehen, bey dem man ſie nahe an die Sache halten, und dann das Auge ſo weit entſernen kan, bis man die groͤßte Deutlichkeit erhaͤlt. Solche Glaͤſer ſind unter dem Namen der Loupen (loupes) bekannt, und es laͤßt ſich mit ihnen ſchon ſehr viel wahrnehmen, was dem bloßen Auge entgeht.
Lecuwenhoek, der ſich durch mikroſkopiſche Entdeckungen ſo ausnehmend hervorgethan hat, bediente ſich zu ſeinen unzaͤhlbaren und muͤhſamen Unterſuchungen nie anderer, als ſolcher einfachen Linſenglaͤſer, die er zwiſchen zwo ſilberne in der Mitte durchbohrte Platten einlegte. Den Gegenſtand befeſtigte er mit Leim auf eine Nadel, die man in jede beliebige Entfernung vom Glaſe bringen konnte. Seine Linſen, die er ſelbſt verfertigte, und groͤßtentheils220 der koͤniglichen Societaͤt zu London hinterließ, ſind von Folkes und Baker unterſucht, und von keiner ſtaͤrkern, als etwa 160facher, Vergroͤßerung, aber von ungemeiner Deutlichkeit, gefunden worden, ſo daß man ſeine großen Entdeckungen nicht ſowohl der vergroͤßernden Wirkung der Glaͤſer, als vielmehr ſeiner Geſchicklichkeit und langen Erfahrung im Gebrauche derſelben und in der Zubereitung der Gegenſtaͤnde zu danken hat.
Starke Vergroͤßerungen erfordern geringe Brennweiten. Da man nun Glaͤſer von ſehr kurzer Brennweite nicht gut ſchleifen kan, ſo kam Hartſoeker um das Jahr 1668 auf den Gedanken, zum einfachen Mikroſkop kleine Glaskuͤgelchen zu gebrauchen, die ſich an der Lampe ſehr leicht ſchmelzen laſſen. Schon vorher ſchlug D. Hook (Micrographia. Lond. 1665. fol.) kleine Glaskugeln zu dieſem Gebrauche vor, ob er gleich auf das Schmelzen derſelben an der Lampe erſt in der Folge kam. Die Brennweite der Glaskugeln betraͤgt den vierten Theil, oder wenn man vom Mittelpunkte der Kugel aus rechnet, drey Viertel ihres Durchmeſſers. Soberechnet Huygens (Dioptr. prop. 59.) die Vergroͤßerung, die man durch ſolche Kuͤgelchen erhaͤlt, in dem Verhaͤltniſſe von 3 / 4 des Durchmeſſers zu 8 Zoll, ſo daß ein Kuͤgelchen von 1 / 12 Zoll Durchmeſſer 128mal vergroͤßert. Methoden ſolche Kuͤgelchen zu ſchmelzen, beſchreiben Butterfield (Phil. Trans. no. 141) und Adams (Eſſay on the microſcope, p. 11.).
Die kleinſten Kuͤgelchen dieſer Art hat der P. di Torte in Neapel verfertigt, und im Jahre 1765 vier davon an die koͤnigliche Societaͤt zu London uͤberſendet, bey welcher ſie von Baker (Philoſ. Trans. Vol. LVI. p. 67.) unterſucht worden ſind. Das kleinſte derſelben hatte nur 1 / 210 Zoll im Durchmeſſer, und ſollte daher 2560mal vergroͤßern. Sie waren aber ganz unbrauchbar, und Baker urtheilte bey aller ſeiner Geſchicklichkeit in Behandlung der Mikroſkrope, daß wenig Augen ſeyn moͤchten, die durch ſie nicht blind werden wuͤrden. Allerdings ſind ſolche Kuͤgelchen zwar der Theorie nach die ſtaͤrkſten Vergroͤßerer, in der Ausuͤbung aber ſetzt die Schwierigkeit, die Objecte anzubringen, der221 Mangel des Lichts, die große Naͤhe des Auges und die Kleinheit des deutlichen Geſichtsfelds ihrem Gebrauche unuͤberwindliche Hinderniſſe entgegen.
Ueberhaupt wird der Gebrauch der einfachen Vergroͤßerungsglaͤſer durch viele Umſtaͤnde ſehr erſchweret, wenn die Brennweite kurz iſt. Alsdann nemlich muͤſſen Gegenſtand, Glas und Auge aͤußerſt nahe zuſammengebracht werden, wobey es an Bequemlichkeit, den Gegenſtand anzubringen, und an der noͤthigen Menge von Licht mangelt. Sind die Gegenſtaͤnde durchſichtig oder duͤnn genug, um viel Licht durchzulaſſen, ſo kan man ſie von der Ruͤckſeite her erleuchten, und hiezu haben einige Kuͤnſtler ſehr bequeme Einrichtungen des einſachen Mikroſkops angegeben.
Unter andern beſchrieb Wilſon eine ſolche im Jahre 1702 in den philoſophiſchen Transactionen, die nachher von D. Lieberkuͤhn zum Sonnenmikroſkop gebraucht, und unter dem Namen des wilſoniſchen oder lieberkuͤhniſchen Mikroſkops allgemein beliebt geworden iſt. Sie beſteht aus zwo Roͤhren, die ſich in einander ſchrauben laſſen, Taf. XVI. Fig. 45. Am Ende der innern Roͤhre AC befindet ſich ein großes erhabnes Linſenglas, deſſen Brennweite ohngefaͤhr bis D aus andere Ende des Inſtruments reicht. Wenn man dieſes Glas gegen das Taglicht kehrt, ſo wird alles, was ſich um D herum befindet, ſtark erleuchtet. In der aͤußern Roͤhre ſtemmt ſich eine Spiralfeder von einigen Windungen aus Drath mit ihrem Ende gegen eine anliegende Platte, welche dadurch beſtaͤndig gegen eine zweyte Platte angedruͤckt wird. Dieſe aͤußere Roͤhre hat auch an der Vorderſeite bey D die zur Vergroͤßerung dienende Linſe, welche in eine hohle oder trichterfoͤrmige Faſſung eingelegt iſt, ſo daß man das Auge bequem in die Hoͤhlung legen, und der Linſe ſo nahe als moͤglich bringen kan. Beyde Roͤhren ſind an den Seiten, faſt an ihrer ganzen Laͤnge hin, ausgeſchnitten und offen. Die Gegenſtaͤnde befinden ſich in einem Fig. 45 b
beſonders vorgeſtellten Schieber mit Loͤchern, in welchen ſie zwiſchen Plaͤttchen von Frauenglas, oder beſſer duͤnnem Glas, eingeklemmt ſind. Dieſen Schieber ſteckt222 man durch die Oefnungen an den Seiten der Roͤhren zwiſchen die zwey vorhin erwaͤhnten Platten, welche in der Mitte durchbohrt ſind, ſo, daß das Loch mit dem Gegenſtande vor der Mitte ſteht. Hier wird der Schieber durch die Kraft der Feder gegen das eingeſchraubte Ende der innern Roͤbre feſt angeklemmt, und man kan nun die ganze Vorrichrung bey dem Grif anfaſſen, die Stelle D an das Auge bringen, und indem man AC der Erleuchtung halber gegen das Taglicht kehrt, beyde Roͤhren ſo lang in einander ſchrauben, bis der Gegenſtand die gehoͤrige Entfernung von D erhaͤlt, und das vergroͤßerte Bild deſſelben recht deutlich wird. Dieſes Mikroſkop wird noch jetzt ſehr haͤufig aus Meſſing, Elfenbein, Horn u. dgl. verfertigt, und mit der dazu noͤthigen Geraͤthſchaft und einer Anzahl Schiebern mit mikroſkopiſchen Gegenſtaͤnden in Etuis aufbewahrt. Insgemein iſt es ſo eingerichtet, daß man bey D Faſſungen mit groͤßern und kleinern Linſen nach Gefallen einſchrauben kan. Zur Betrachtung fluͤßiger Koͤrper ſind hohle glaͤſerne Roͤhren dabey, die man mit den Fluͤßigkeiten fuͤllet, und ſtatt der Schieber zwiſchen die Platten bringt.
Eine andere Einrichtung, die von einem Prediger in Zeiß Gottfried Teuber herruͤhrt, findet man beym Wolf (Elem. Dioptr. Probl. 40. §. 418). Sie beſteht aus zwo meſſingnen Platten, die ſich in einem Charniere ſo bewegen, daß ſich der Winkel, den ſie machen, mehr oͤfnen oder ſchlieſſen laͤßt. In der einen Platte liegen die Linſen oder Kuͤgelchen, in der andern der Gegenſtand auf einer Glasplatte: die ganze Vorrichtung wird an einem Griffe gehalten, und der Gegenſtand gegen das Taglicht betrachtet. Das ſogenannte Zirkelmikroſkop hat die Form eines Zirkels, deſſen eine Spitze die Faſſung mit dem Glaſe, die andere den Gegenſtand traͤgt, und den man ſo weit oͤfnet oder zurhut, bis Glas und Gegenſtand in die gehoͤrige Entfernung kommen. Mehrere Einrichtungen zu Linſen und Kuͤgelchen beſchreiben Wolf (Elem. Dioptr. Probl. 38. §. 407. ingl. Probl. 40. §. 418. Nuͤtzliche Verſuche, Th. III. Cap. 6. §. 76. u. f.) und Adams (Eſſay on the microſcope. London, 1787. 4 maj.). 223
Stephan Gray (Philoſ. Trans. no. 221. 223. ) fiel auf ein leichtes Mittel, ſehr wohlfeile Mikroſkope, freylich nur auf kurze Zeit, zu machen. Man nimmt mit einer Nadelſpitze ein Waſſertroͤpfchen auf, und bringt es in ein kleines Loch in einer metallnen Platte, wo es eine kugelfoͤrmige Geſtalt annimmt, und die Dienſte eines einfachen Mikroſkops thut. Beſonders erſcheinen dadurch die im Waſſertropfen ſelbſt beſindlichen Thierchen ſehr groß, weil hiebey die hintere Seite des Tropfens wie ein Hohlſpiegel wirkt. Man nennt dieſe Vorrichtung Grays Waſſermikroſkop.
Bey Betrachtung undurchſichtiger Gegenſtaͤnde iſt die Erieuchtung, die hier von der Vorderſeite kommen muß, ſchwerer anzubringen. D. Lieberkuͤhn bediente ſich dazu im Jahre 1739 eines polirten ſilbernen Hohlſpiegels, den er in der Mitte durchbohrte, und in das Loch ein Vergroͤßerungsglas einſetzte. Der Hohlſpiegel, gegen das Taglicht gekehrt, erleuchtet den Gegenſtand, der in ſeinem Brennpunkte angebracht wird, von eben der Seite her, von welcher ihn das Auge durch das eingeſetzte Glas betrachtet. Lieberkuͤyn zeigte dieſe Einrichtung verſchiedenen Kuͤnſtlern in England, beſonders dem Herrn Cuff, welcher viel Mikroſkope von dieſer Art nut großer Voilkommenhelt verfertiget hat. Schon Leeuwenhoek (Areana naturae detecta, p. 182.) redet von einer aͤhnlichen Erfindung, wobey er eine kleine polirte meſſingne Schuͤſſel zur Erleuchtung gebrauchte, um den Kreislauf des Bluts in Aalen zu betrachten.
Beym Gebrauche des einfachen Mikroſkops koͤmmt ſehr viel auf eine geſchickte Behandlung des Gegenſtands an, die man ſchwerlich anders, als durch Erfahrung erlernen kan. Dunkle Gegenſtaͤnde erfordern ein ſtaͤrkeres Licht, als helle und durchſichtige; fuͤr manche iſt das Licht einer Kerze dem Taglichte vorzuziehen: das unmittelbare Sonnenlicht aber iſt fuͤr alle mikroſkopiſche Beobachtungen zu ſtark. Zuſammengeſetzte Mikroſkope.
Das zuſammengeſetzte Mikroſkop aus zwey Glaͤſern iſt dem aſtronomiſchen Fernrohre aͤhnlich. Es beſteht224 aus zwey Converglaͤſern, der Objectivlinſe DE, Taf. XVI. Fig. 46., und dem Augenglaſe GH. Der Gegenſtand AB iſt von der Objectivlinſe DE um etwas weniges mehr entfernt, als ihre Brennweite CF betraͤgt. Dadurch entſteht, den Eigenſchaften der Linſenglaͤſer gemaͤß, in ab ein umgekehrtes und vergroͤßertes Bild des Gegenſtandes, welches im Brennpunkte des Ocularglaſes GH liegt, und durch dieſes Glas vom Auge O betrachtet wird. Da alle aus einem Punkte des Bildes, z. B aus a kommende Stralen aus dem Brennraume des Glaſes GH ausfahren, ſo werden ſie nach der Brechung mit einander parallel, und zeigen dem Auge in O den Punkt a deutlich. Weil aber O den Punkt B des Gegenſtands nach der Richtung OG ſieht, ſo erſcheint die Sache durch dieſes Mikroſkop umgekehrt.
Man ſetze der Objectivlinſe Brennweite CF = f, die des Ocularglaſes Ka = F, die Weite des Gegenſtands von der Objectivlinſe CA = b, ſo iſt die Entfernung des Bildes, ſ. Linſenglaͤſer. Der Winkel GOK, unter welchem das Bild geſehen wird, iſt = bKa, und verhaͤlt ſich zu bCa = ACB, wie Ca: Ka, d. i. wie Ca: F. Der Winkel bCa aber verhaͤlt ſich zu dem, unter welchem der Gegenſtand in der Entfernung von 8 Zoll erſcheint, wie 8 Zoll zu CA = b. Alſo vergroͤßert das Werkzeug in dem zuſammengeſetzten Verhaͤltniſſe — (Ca: F) + — (8 Zoll: b,) d. i. wenn alle Laͤngen in Zollen ausgedruͤckt werden, im Verhaͤltniſſe 8. Ca: b. F, oder wenn man fuͤr Ca ſeinen obigen Werth ſetzt, im Verhaͤltniſſe 8 f: (b — f) F.
Bey einerley Glaͤſern, oder wenn F und f ungeaͤndert bleiben, wird die Vergroͤßerung deſto ſtaͤrker, je kleiner b — f oder FA iſt, d. i. je naͤher der Gegenſtand AB an den Brennpunkt der Objectivlinſe gebracht wird. Man kan auf dieſe Art ſehr ſtarke Vergroͤßerungen erhalten; aber es waͤchſt dabey auch die Laͤnge des Werkzeugs, oder die Entfernung beyder Glaͤſer, welche = Ca + F iſt, weil Ca deſto groͤßer wird, je naͤher AB dem Brennpunkte koͤmmt. 225Wuͤrde die Sache in den Brennpunkt ſelbſt geruͤckt, ſo waͤre Ca unenolich groß, und das Mikroſkop wuͤrde gar kein Bild mehr zeigen.
Der vortheilhafteſte Ort fuͤr das Auge iſt der, wo. Nemlich von jedem Punkte der Sache AB geht ein Stral ungebrochen durch die Mitte der Objectivlinſe. Wo dieſe Stralen, dergleichen hier BCb iſt, mit der Axe vereiniget werden, da iſt der vortheilhafteſte Ort fuͤr das Auge: denn dabin kaͤme von jedem Punkte der Sache ein Stral, wenn auch die Oefnung des Glaſes DE nur ein Punkt waͤre. Wenn nun des Glaſes GH Brennweite = F iſt, ſo vereinigen ſich Stralen, die aus C oder aus der Entfernung herkommen, hinter dem Glaſe in der Entfernung.
Der Halbmeſſer des Geſichtsfelds iſt gleich dem Winkel, unter welchem ſoviel vom Gegenſtande, als der Winkel KOG uͤberſehen laͤßt, in der Entfernung von 8 Zollen ins Auge faͤllt. Nun ſey der Halbmeſſer der Oefnung des Augenglaſes KG (in Zollen ausgedruͤckt) = r. Was man von der Sache uͤberſieht, oder AB,, wegen der aͤhnlichen Dreyecke GKC und BAC. Dieſes AB erſcheint aus 8 Zoll Entfernung unter einem Winkel, deſſen Tangente = (AB / 8) oder (br / 8. CK) iſt. Dies iſt alſo die Groͤße der Tangente des Halbmeſſers vom Geſichtsfelde, woraus ſich vermittelſt der trigonometriſchen Tafeln der zugehoͤrige Winkel, oder der Halbmeſſer ſelbſt beſtimmen laͤßt.
Folgendes Beyſpiel aus Huygens (Dioptr. Prop. 62.) wird dieſe Theorie erlaͤutern. Es ſey f = (7 / 10), F = 2 Zoll. Der Gegenſtand AB ſey vom Objectivglaſe um b = 7 / 9 Zoll entfernt. So geben die obigen Formeln folgende Reſultate Zoll
Die Vergroͤßerung
Den Abſtand der Glaͤſer226
Den Abſtand des Auges OK = F+ (F / Ca) = 2 4 / 7 Zoll
Die ganze Laͤnge OA = 2 4 / 7+9+7 / 9 = (12 22 / 63) Zoll
Die Tangente des Halbmeſſ. vom Geſichtsfelde = (7 / 648) r, und AB = (7 / 81) r Zoll.
Ruͤckte man den Gegenſtand um ſoviel naͤher, daß b nur (14 / 19) Zoll betruͤge, ſo waͤre
Die Vergroͤßerung 8. Ca: (2. (14 / 19)) = 76mal
Die Laͤnge OA = 2 2 / 7+16+ (14 / 19), oder faſt 19 Zoll
Die Tang. des Halbm. v. Geſichtsf. = (7 / 1216) r; AB = (7 / 152) r Zoll.
Hieraus erhellet, daß durch ein geringes Anruͤcken des Gegenſtandes die Vergroͤßerung ungemein verſtaͤrkt wird, daß man aber dabey die Glaͤſer viel weiter aus einander ziehen, das Auge etwas naͤher bringen, und mit einem kleinern Geſichtsfelde zufrieden ſeyn muß. Man laͤßt daher die zuſammengeſetzten Mikroſkope aus zwo Roͤhren beſtehen, die ſich, wie beym Fernrohre, in einander verſchieben laſſen, und macht ſie beweglich, oder ſetzt die Gegenſtaͤnde auf einen beweglichen Traͤger, um ihren Abſtand vom Objectivglaſe, und den Abſtand beyder Glaͤſer ſelbſt, nach Befinden aͤndern zu koͤnnen. So kan man zwar mit einerley Werkzeuge verſchiedene Vergroͤßerungen erhalten; aber es giebt auch hier Grenzen, uͤber welche man die Vergroͤßerung nicht treiben darf, wenn nicht die Abweichungen wegen der Geſtalt der Glaͤſer und wegen der Farbenzerſtreuung allzugroße Undeutlichkeit verurſachen ſollen.
Man nahm die Wirkung dieſer Abweichungen ſehr fruͤhzeitig wahr. Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ſuchte ſie Euſtachio de Divinis in Rom durch Verdopplung der Glaͤſer zu vermindern. Er brauchte nemlich ſowohl ſtatt der Objectivlinſe als ſtatt des Augenglaſes227 zwo zuſammengelegte Linſen, die mit einander, wie eine einzige, wirkten, und konnte dadurch ſtaͤrkere Vergroͤßerungen und ein weiteres Geſichtsſeld mit geringerer Undeutlichkeit erhalten.
Weit beſſer aber dienen hiezu die Mikroſkope mit drey Glaͤſern, dergleichen zuerſt D. Hook (Micrographia. Lond. 1635. fol. praef.) und Philipp Bonanni (Micrographia curioſa adiuncta obſervationibus circa viventia etc. Romae, 1691. 4. ) beſchrieben haben, und deren Einrichtung Taf. XVII. Fig. 47. vorgeſtellt iſt. Die Objectivlinſe C wuͤrde das Bild der Sache AB, welche ein wenig uͤber ihren Brennpunkt F hinaus liegt, umgekehrt in〈…〉〈…〉ab18 entwerfen. Aber ehe noch das Bild〈…〉〈…〉ab19 zur Wirklichkeit kommen kan, werden die Stralen durch das breite erſte Augenglas G aufgefangen, und in naͤher liegenden Punkten vereiniget, wodurch das Bild ab entſteht. Dieſes Bild liegt im Brennpunkte des zweyten Augenglaſes K, und wird durch daſſelbe vom Auge O betrachtet. Es erſcheint, wie alles, was im Brennpunkte eines Converglaſes liegt, dem Presbyten deutlich, und wegen ſeiner Lage ſieht man den Gegenſtand AB umgekehrt. Vergroͤßerr wird der Gegenſtand zuerſt im Verhaͤltniſſe 8 Zoll: CA, dann beym Bilde〈…〉〈…〉ab20 im Verhaͤitniſſe Cα: Gα, endlich beym Bilde ab im Verhaͤltniſſe Ga: Ka, alſo zuſammen im Verhaͤltniſſe 8″. Cα. Ga: CA. Gα. Ka.
Euler (Dioptr. To. III. p. 178.) giebt zu einem ſolchen Mikroſkop folgende Maaße an
Brennweite CF | = 1 / 2 Zoll | Entfernung GC = (x / 32) Zoll |
Brennweite von G = | 1 — | Entf. der Sache |
Oefnung -- | = 1 / 2 — | von F, oder FA = S / x — |
Brennweite von K | = 1 / 3 — | Vergroͤßerung = x mal |
Oefnung -- | = 1 / 6 — | Tangente des Halb - |
Entfernung GK | = 1 / 3 — | meſſers v. Geſichtsf. = (1 / 2x) |
Entf. des Auges OK | = 1 / 6 Zoll. | Wahrer Durchmeſſer des uͤberſehen. Raums oder 2 AB = 8 / x Zoll. |
Die rechter Hand ſtehenden Angaben ſind unbeſtimmt, weil ſie ſich aͤndern, je nachdem man die Glaͤſer ſtellt. Soll das Mikroſkop z. B. 320mal vergroͤßern, ſo muß man G und C 10 Zoll weit von einander entfernen, und den Gegenſtand (1 / 40) Zoll von F abruͤcken; der Durchmeſſer des Raums, den man uͤberſieht, iſt auch (1 / 40) Zoll. Begnuͤgt man ſich mit 160facher Vergroͤßerung, ſo wird GC nur 5 Zoll, AF und der Durchmeſſer des Geſichtsfelds an der Sache werden (1 / 20) Zoll, u. ſ. f.
Um die Stellung der Glaͤſer bequem aͤndern zu koͤnnen, werden K und G, die immer einerley Lage gegen einander und gegen das Auge behalten, in eine Roͤhre zuſammen befeſtiget, welche einige praktiſche Optiker den Tubus des Mikroſkops, und G das Collectivglas dieſes Tubus nennen. Die Linſe C befindet ſich alsdann am Ende einer andern Roͤhre, in welcher ſich jener Tubus verſchieben laͤßt. Die Kuͤnſtler richten das Inſtrument ſo ein, daß ſich bey C mehrere Linſen von verſchiedenen Brennweiten einſchrauben oder einlegen laſſen, die ſie mit Num. 1, 2, 3, 4, 5 bezeichnen, damit man nach Gefallen ſchwaͤchere oder ſtaͤrkere Vergroͤßerungen waͤhlen koͤnne. Fuͤr alle dieſe Linſen dient einerley Tubus.
De la Sond (Dictionn. de phyſ. ) beſchreibt unter dem Namen des gewoͤhnlichen, ein Cuffiſches Mikroſkop, deſſen Augenglas K 15 Lin., das Collectivglas G 30 Lin. Brennweite hat. Der Abſtand beyder Glaͤſer KG iſt auch 30 Lin., der Abſtand der Linſe oder GC aber 60 Lin. Bey C kan man mehrere Linſen einſetzen, die von 1 / 2 Lin. bis 6 Lin. Brennweite haben.
Aus dieſen Angaben folgt Ga = 30-15 = 15 Lin. ; Gα = (30. 15 / 30-15) = 30 Lin.; Cα = 30+60 = 90 Lin. Acht Zoll ſind 96 Lin. Alſo iſt (welche Linſe man auch bey C229 brauchen mag) die Vergroͤßerung im Verhaͤltniſſe 96. 90. 15 zu CA. 30. 15, d.i. 288: CA. Die Groͤße von CA aber koͤmmt auf die Brennweite der gebrauchten Linſe an. Nemlich CA iſt = (Cα. f / Cα-f) oder hier = (90 f / 90-f). Waͤhlt man die Linſe von 6 Lin., ſo wird es (90. 6 / 84) = 6 3 / 7; bey der Linſe von 5 Lin. wird es (90. 5 / 85) (5 5 / 17) Lin. ſeyn, u. ſ. w. Bey Berechnung der Vergroͤßerung ſetzt man insgemein CA der Brennweite der Linſe gleich, weil der hieraus entſtehende Fehler nicht groß iſt, und ſo vergroͤßert in dieſem Beyſpiele die Linſe von 6 Lin. im Verhaͤltniſſe 288: 6 oder 48mal (eigentlich 288: 6 3 / 7 oder 44 4 / 5 mal); die von 5 Lin. 288: 5 oder 57 3 / 5 (eigentlich nur 54 2 / 5) mal; die von 1 / 2 Lin. 576 (richtiger 572 4 / 5) mal. Nach dieſem Beyſpiele laſſen ſich auch Bergroͤßerungen und Stellungen anderer Mikroſkope aus den gegebnen Brennweiten und Abſtaͤnden der Glaͤſer finden: allgemeine Formeln dafuͤr aus den Schriften von der aualytiſchen Dioptrik anzufuͤhren, wuͤrde hier zu weitlaͤuftig ſeyn.
Der Univerſitaͤtsoptikus in Leipzig, Herr Hofmann, der ſich durch Verfertigung guter Vergroͤßerungsglaͤſer verdienten Ruhm erworben hat, legt denſelben zween Tubos bey, die er mit den Buchſtaben A und B bezeichnet, wovon B, der kuͤrzere, zu den ſtaͤrkern Vergroͤßerungen dient. Im Tubus A giebt D. Peliſſon (Vergleichung der bekannteſten Vergroͤßerungsgl. in den Beſchaͤftig. der berl. Geſellſch. naturforſch. Freunde. B. I. S. 343.) die Brennweiten der Glaͤſer in rheinlaͤndiſchem Maaße 16 Lin. und 24 Lin., ihre Entſernung 40 Lin. die Diſtanz der Linſe 35 Lin. an. In dieſem Tubus ſtehen die Glaͤſer (weil 16 + 24 = 40) ſo, daß ihre Brennpunkre zuſammenfallen, wie im aſtronomiſchen Fernrohre. Er erfordert alſo Parallelſtralen, um deutlich zu ſehen, und ſo muß der Gegenſtand in F, dem Brennpunkte der Linſe, ſelbſt liegen. Cα und Gα werden unendlich groß und gleich, und die Vergroͤßerung iſt230 96.24: CF. 16 = 144: CF. Im Tubus B ſind die Brennweiten 12 Lin. uno 28 Lin., der Abſtand der Glaͤſer 24 Lin., der Abſtand der Linſe vom letzten Glaſe 54 Lin. Daraus findet ſich Ga = 12 Lin.; Gα = (28. 12 / 28-12) = 21 Lin.; Cα = 21 +54 = 75 Lin.; und die Vergroͤßerung 96.75.12: CA. 21. 12 = 343: CA. Eine Linſe von 9 Lin. Brennweite ſollte alſo mit dem Tubus A, 144: 9 oder 16 mal, mit B, 343: 9 oder 38 mal (richtiger 343: 10, 2 oder 34 mal) vergroͤßern.
Um die Vergroͤßerung der Sache und des Geſichtsfeldes ohne Nachtheil der Deutlichkeit und Helligkeit hoͤher zu treiben, hat man auch Mikroſkope mit 4 und 5 Glaͤſern verfertiget. Die Theorie derſelben handelt Euler (Mém. de l'acad. de Pruſſe. 1757. p. 283. 1761. p. 191. u. 201. auch in ſeiner Dioptrik) im Allgemeinen ab. Peliſſon (a. a. O.) theilt die Abmeſſungen eines engliſchen, vom aͤltern Adams verfertigten, Werkzeugs mit, wo fuͤnf Glaͤſer zuſammengeſetzt ſind, und die beyden oberſten Ocularlinſen die Stellen einer einzigen vertreten. Ein hollaͤndiſcher, in Paris wohnender Kuͤnſtler, Namens Dellebare, uͤbergab der Akademie der Wiſſenſchaften im Jahre 1777 eine Beſchreibung ſeiner Mikroſkope mit ſuͤnf Glaͤſern, die ſich in verſchiedene Entfernungen von einander mit verwechſelten Stellungen bringen laſſen. Sie erhielten den Beyfall der Akademie, und ſind in Briſſons und de la Fond's Woͤrterbuͤchern mit großem Ruhm umſtaͤndlich beſchrieben. Peliſſon hingegen fand an einem Dellebariſchen mit vier Glaͤſern verſehenen Mikroſkop, das faſt im Marktſchreyerton angeprieſen und ſehr theuer gekauft war, nichts Vorzuͤgliches, als das große Geſichtsfeld, das es von den beyden nahe zuſammengebrachten Ocularen erhaͤlt. Außerdem erklaͤrt er es fuͤr eines der ſchlechteſten Werkzeuge.
Folgende aus Eulers Berechnungen entlehnte Regeln theilt Herr Kluͤgel (Umſtaͤndl. Anweiſung, Fernroͤhre in groͤßter Vollkommenheit zu verf. von Nic. Suß. Leipz. 1778. gr. 4. S. 56.) mit. 231Fuͤr das Mikroſkop von drey Glaͤſern. (Taf. XVII. Fig. 47.)
1. Die Brennweite des Collectivglaſes G muß zmal ſo groß ſeyn, als die des Oculars K.
2. Der Abſtand GC haͤngt von der Vergroͤßerung ab. Iſt CA = 1 / 2 Zoll, ſo iſt GC etwas kleiner, als CF mit der Vergroͤßerungszahl multiplicirt, und mit 32 dividirt.
3. Der Abſtand KG richtet ſich nach der Guͤte des Auges. Fuͤr Presbyten iſt er = 2 K a.
4. Der Abſtand des Auges OK iſt etwas groͤßer, als 1 / 2 K a.
5. Das Objectiv wird beynahe planconver, mit der flachen Seite dem Gegenſtande zugekehrt. Die beyden andern Glaͤſer werden gleichſeitig, und ihre Oefnung etwa der halben Brennweite gleich.
6. CA iſt ſehr wenig groͤßer, als CF. Fuͤr das Mikroſkop mit vier Glaͤſern.
1. Die Brennweiten der drey Oculare, vom Objective an gerechnet, verhalten ſich, wie 18, 10, 5.
2. Der Abſtand des Objectivs vom erſten Ocular iſt etwas kleiner, als die Brennweite des erſten Oculars mit der Vergroͤßerung multiplicirt, und durch 48 dividirt, die Entfernung des Objects zu 1 / 2 Zoll angenommen.
3. Der Abſtand der beyden erſten Oculare iſt 4 / 9 der Brennweite des erſten, und der Abſtand des zweiten und dritten der halben Brennweite des letztern gleich. Die beyden letztern Oculare behalten dieſe Entfernung, ſind aber fuͤr ſich beweglich.
4. Der Abſtand des Auges iſt 1 / 3 der Brennweite des letzten Oculars.
Die Helligkeit waͤchſt mit der Oefnung der Objectivlinſe und nimmt ab, wenn die Vergroͤßerung waͤchſt. Die Deutlichkeit hingegen nimmt bey erweiterter Oefnung der Objectivlinſe betraͤchtlich ab, ſo daß die Schwierig eit, das Helle und Deutliche zugleich mit ſtarken Vergroͤßerungen232 zu vereinigen, bey den Mikroſkopen ungleich ſtaͤrker wird, als bey den Fernroͤhren.
Euler hat daher vorgeſchlagen, auch zu Mikroſkopen achromatiſche Objectivlinſen aus mehreren Glasarten zu gebrauchen. Die Beſchreibung einer ſolchen Linſe von 1 / 2 Zoll Brennweite findet man in der erſt angefuͤhrten Schrift des Herrn Fuß (S. 52. u. f.), wobey aber Herr Kluͤgel erinnert, es ſey kein Kuͤnſtler im Stande, ſo duͤnne Glaͤſer zu ſchleifen, als zur Zuſammenſetzung dieſer Objectivlinſe erfordert werden. Denn die Dicke der beyden Converglaͤſer muͤßte nicht uͤber (2 / 100), und die des Hohlglaſes nicht uͤber (1 / 100) Zolle gehen. Es ſcheint demnach unmoͤglich, den Vorſchlag in dieſer Maaße auszufuͤhren.
Aepinus in Petersburg (Deſcription des nouveaux microſcopes inventés par Mr. Aepinus. à St. Petersb. 1784. 8maj. ) verſuchte groͤßere achromatiſche Glaͤſer, wie man ſie zu kleinen Fernroͤhren braucht, etwa von 7 Zoll Brennweite, zu Objectivlinſen zuſammengeſetzter Vergroͤßerungsglaͤſer anzuwenden. Freylich geben Objectivglaͤſer von ſo großen Brennweiten ungemein lange Mikroſkope; ſie verſtatten aber dafuͤr auch, den Gegenſtand weit vom Objectivglaſe zu entfernen, welches fuͤr die Erlenchtung deſſelben kein geringer Vortheil iſt. Auch ſind die erwaͤhnten Verſuche ſehr gluͤcklich ausgefallen. Im Grunde iſt ein ſolches Inſtrument des Herrn Aepinus nichts anders, als ein weiter aus einander gezogenes Fernrohr, dergleichen ſchon das drebbelſche Mikroſ kop von 6 Fuß Laͤnge war. Adams (Eſſay on the microſcope, p. 23.) will es lieber ein mikroſkopiſches Fernrohr nennen, und fuͤr keine neue Erfindung gelten laſſen, weil es laͤngſt bekannt ſey, daß weit ausgezogene Fernroͤhre nahe Gegenſtaͤnde deutlich vergroͤßern, und Martin (Deſcription and uſe of a polydynamic microſcope) hiezu ſchon lange vor Aepinus kleine achromatiſche Perſpective vorgeſchlagen habe.
Der aͤußere Bau der zuſammengeſetzten Mikroſkope hat theils die Stellung des Inſtruments gegen das Object, theils die bequeme Behandlung und Erleuchtung des letztern zum Zwecke. Da die geringſte Verruͤckung des Gegenſtands233 eine andere Stellung der Glaͤſer erfordert, ſo muß man den gehoͤrigen Punkt ganz genan treffen, und alſo die feinſten Veraͤnderungen mit der Stelle des Gegenſtands vornehmen koͤnnen. Dies laͤßt ſich am beſten durch Schrauben, oder durch Getriebe mit bezahnten Stangen erhalten. Ich kan hier nur einige ſolche Einrichtungen als Beyſpiele anfuͤhren, da faſt jeder Kuͤnſtler andere Mittel erwaͤhlt.
Die aͤltern Einrichtungen der engliſchen Mikroſkope findet man beym Wolf (Dioptr. Probl. 43. §. 434.). Die Marshalliſche iſt darunter die erſte, bey welcher zur Stellung ein viereckichter Stab angebracht iſt, an dem ſich das Mikroſkop vermittelſt einer Schraube auf und ab bewegen laͤßt. Nach Culpepers Verbeſſerung ward das Inſtrument auf drey Fuͤße geſtellt, und der Gegenſtand durch einen Hohlſpiegel von unten auf erleuchtet. So beſchreibt es Baker (The uſe of the Microſcope made eaſy. Lond. 1743. 8. Das zum Gebrauch leicht gemachte Microſcopium; aus d. Engl. v. I. L. St. (Steiner) Zuͤrich, 1753. 8.); Baker fand es aber hernach ſelbſt unbequem, und veranlaßte Herrn Cuff, die Marshalliſche Stange mit der Schraube wieder anzubringen, ob er gleich die Erleuchtung von unten durch den Hohlſpiegel beybehielt. Hieraus entſtand das ſo gewoͤhnliche Cuffiſche Mikroſkop, welches Baker ſelbſt (Employment ſor the Microſcope. Lond. 1752. 8. Beytraͤge zum Gebrauch und Verbeſſ. des Mikroſkops; a. d. Engl. Augsb. 1754. 8. ), Nollet, Briſſon, de la Fond, Adams (Eſſay on the microſc. p. 80.) und viele Andere beſchrieben.
Dieſes Cuffiſche Mikroſkop zeigt Taf. XVII. Fig. 48. Die Roͤhre A iſt in die meſſingne Platte B eingeſchraubt, welche an der Stange EF feſt iſt. Dieſe Stange laͤßt ſich an einer zweyten Stange C verſchieben. Beyde Stangen reichen bis in die am Fußgeſtell feſte Huͤlſe OP. An der Stange C iſt die Platte G feſt. Dieſe iſt in der Mitte durchloͤchert, um durchſichtige Objecte in einer glaͤſernen Schale, einem Schieber, oder ſonſt einer durchſichtigen Unterlage aufzunehmen. Dieſe Objecte werden von unten her durch den Hohlſpiegel M erleuchtet. T iſt ein Converglas,234 um undurchſichtige Gegenſtaͤnde von oben her zu erleuchten, V eine Nadel, Inſekten u. dgl. anzuſtecken. Die Stellung kan man dem Inſtrumente durch eine doppelte Bewegung geben. Um es ſtark zu verruͤcken, oͤfnet man die Druckſchraube e, welche die Huͤlſe I an die Stangen andruͤckt, ſo kan man die Stange EF mit der Platte B und dem Mikroſkope nach Gefallen auf oder abſchieben. Will man ihm aber nur eine feine Bewegung geben, ſo ſchraubt man e feſt, und dreht die Stellſchraube K, wodurch das Mikroſkop ſo langſam auf oder ab bewegt wird, daß es ganz leicht iſt, den Punkt zu finden, wo das Bild die groͤßte Deurlichkeit bekoͤmmt. Brander (Beſchreibung zweyer zuſammengeſetzten Mikroſkope. Augsb. 1769. 8. ) hat noch einige Verbeſſerungen an dieſer Einrichtung angebracht. Der verſtorbene Mechanikus Keinthaler in Leipzig gab der Roͤhre mit den Glaͤſern die Bewegung auf eine vortrefliche Art vermittelſt eines kleinen Rades, welches mit ſeinen Zaͤhnen ſehr gleichfoͤrmig und ſanft in die Zaͤhne der Stange eingreift. Das ganze Werkzeug befeſtigte er an ein Kaͤſtchen, worein es mit allem Zubehoͤr konnte zuruͤckgebogen werden, welches den Gebrauch auf Reiſen erleichtert. Dieſer Mechanismus, welchen Herr Tiedemann in Stuttgard beybehalten hat, ſcheint mir unter allen der vorzuͤglichſte zu ſeyn. Man kan auch, ſtatt des Mikroſkops, die untere Platte mit dem Objecte beweglich machen, wobey aber auch die Anſtalten zur Erleuchtung immer bewegtwerden muͤſſen.
Mehrere Einrichtungen findet man in den Werken des Joblot (Deſcription et uſage de pluſieurs nouveaux microſcopes avec des nouvelles obſerv. Paris, 1718. 4. ), des aͤltern Adams (Micrographia illuſtrata, or Knowledge of the microſcope explained. London, 1. ed. 1747., 4th ed. 1771. 4. ) und des juͤngern Adams (Eſſay on the microſcope, Lond. 1787. 4maj.). Der Letztere beſchreibt unter andern ein Lampenmikroſtop von ſeines Vaters Erfindung, bey welchem der Sohn ſtatt einer gewoͤhnlichen die jetzt ſo beruͤhmte Argandiſche Lampe (ſ. Lampen) angebracht hat. 235
Vergleichungen mehrerer zuſammengeſetzten Mikroſkope von verſchiedenen neuern Kuͤnſtlern haben Peliſſon und neuerlich Beſeke (Beob. und Entd. aus d. Naturk. von der berl. Geſ. naturf. Freunde, II B. 1788. S. 117. u. f.) angeſtellt. Der Erſtere (im I. 1775.) lobt vorzuͤglich die Hofmanniſchen Glaͤſer und den reinthaleriſchen Mechanismus: der Letztere ziehtdas Mikroſkop des Herrn Tiedemann allen uͤbrigen vor. Es ſchien ihm ſowohl in Abſicht der Glaͤſer und innern Guͤte, als auch in der ſeinen Arbeit, dem Mechanismus und der Vollſtaͤndigkeit des Apparats, ſelbſt die engliſchen von Dollond zu uͤbertreffen. Herr Tiedemann hat ſeine Werkzeuge in einer gedruckten Nachricht (Stuttgard, 1785. 8. ) beſchrieben. Spiegelmikroſkope.
Als man die Metallſpiegel ſo gluͤcklich zu Vermeidung der Abweichungen in Fernroͤhren angewandt hatte, ſuchte man ſie auch zur Verbeſſerung der Mikroſkope zu gebrauchen. D. Kobert Barker ſchlug hiezu in den philoſophiſchen Transactionen einen Hohlſpiegel vor, mit einem Augenglaſe, gegen welches die hohle Flaͤche des Spiegels gekehrt iſt. Das Object ſteht vor dem Spiegel in einer ſolchen Entfernung, daß ſein vergroͤßertes Bild in den Brennpunkt des Augenglaſes faͤllt. Es dient aber dieſes Inſtrument nur zu kleinen und durchſichtigen Gegenſtaͤnden; große und dunkle wuͤrden alles Licht auffangen, weil hier das Object ſelbſt zwiſchen Spiegel und Glaſe ſteht, und alſo das Licht abhaͤlt.
Eine beſſere Einrichtung, welche Taf. XVII. Fig. 49. abgebildet iſt, giebt Smith (Lehrbegrif der Optik; a. d. Engl. durch Kaͤſtner, S. 448. u. f.) an. Sie hat einen großen Hohlſpiegel ABCD, und einen kleinen Converſpiegel abcd, beyde nach einerley Kruͤmmungen geſchliffen, und beyde in der Mitte durchbohrt. Bey Jedem betraͤgt die Brennweite einen Zoll, und ſie ſtehen 1 1 / 2 Zoll von einander. Das Object OPQ wird ein wenig unter den kleinen Spiegel geſtellt, ſo daß es zwiſchen Brennpunkt und Mittelpunkt des236 großen liegt. Unter dieſen Umſtaͤnden wuͤrde der Hohlſpiegel ein Bild der Sache in qpo machen, wenn nicht die dazu gehoͤrigen Stralen vom Converſpiegel aufgefangen und zuruͤckgeworfen wuͤrden. Sie gehen alſo wieder durch das Loch des Hohlſpiegels durch, und weil ihre Convergenz durch den Converſpiegel vermindert iſt, machen ſie erſt in einer ziemlichen Entfernung ein ſehr vergroͤßertes Bild QPO, das im Brennpunkte des Augenglaſes G ſteht, und durch daſſelbe betrachtet wird. D. Smith fand dieſes Mikroſkop ſehr gut, obgleich die Spiegel nicht zum Beſten ausgearbeitet waren. Es ſind aber dieſe reflectirenden Mikroſkope uͤberhaupt nicht in Gebrauch gekommen.
Gewiſſe Einrichtungen der Vergroͤßerungsglaͤſer ſind zu beſondern Abſichten beſtimmt. Dahin gehoͤren Ellis Aquatic-Microſcope (Eſſay towards a natural hiſtory of Corallines. Lond. 1755. 4. ), Lyonnet's anatomiſches (Traité de la chenille, qui ronge le bois de ſaule. à la Haye, 1762. 4. ), Withering's botaniſches Mikroſkop. Die gemeinen botaniſchen Vergroͤßerer oder Suchglaͤſer beſtehen aus 2 — 3 gewoͤhnlichen Loupen, die man einzeln, oder zwo zuſammen ſtatt einer einzigen, nach Gefallen brauchen kan. Adams (Eſſay on the microſcope), der alle dieſe Werkzeuge beſchreibt, ſchlaͤgt zum Gebrauch fuͤr Botaniſten ein kleines Fernrohr vor, das weiter ausgezogen alle Dienſte eines Mikroſkops thut, und die Bequemlichkeit verſchaft, Pflanzen auf dem Felde in einiger Ferne, und ohne Gefahr einer Beſchaͤdigung des Auges, zu betrachten. Hieher gehoͤrt auch Lieberkuͤhns bekannte Vorrichtung, den Kreislauf des Bluts u. dgl. in Froͤſchen durch ein einfaches Mikroſkop zu beobachten (Mém. de l'Acad. de Pruſſe ann. 1745. To. I. p. 14.).
Durch die Mikroſkope hat man, beſonders im Thierund Pflanzenreiche, unzaͤhlbare ganz unerwartete Entdeckungen gemacht, deren Erzaͤhlung zur Naturgeſchichte, und nicht hieher, gehoͤrt. Die erſten mikroſkopiſchen Beobachtungen dieſer Art ſind von Stelluti (im I. 1625.), und betreſfen die Theile der Biene. Viel weiter giengen ſchon Power (1664) und D. Hook (1665.). Ganze Schaͤtze mikroſkopiſcher237 Entdeckungen aber findet man beym Leeuwenhoek (Arcana naturae detecta. Delphis, 1695. 4. nebſt fuͤnf Fortſetzungen von 1696 — 1719. Opera omnia, Lugd. Bat. 1722. 4. ), Nehemiah Grew (Anatomy of plants. London, 1682. fol.), Wolf (Nuͤtzliche Verſuche, Th. III. Cap. 6. Von dem, was die Vergroͤßerungsglaͤſer zeigen), Needham (New Microſcopical Diſcoveries, Lond. 1745. 8. Franz. uͤberſ. Paris, 1750. 8. ), Ledermuͤller (Mikroſkopiſche Gemuͤths - und Augenergoͤtzung. Nuͤrnb. 1760. gr. 4. Anhang, 1762. gr. 4.), Gleichen, genannt Kußworm (Neuſtes aus dem Reiche der Pflanzen, oder mikroſkopiſche Unterſ. Nuͤrnb. 1764. gr. Fol., ingleich. Auserleſene mikroſkcpiſche Entd. bey Pflanzen, Blumen rc. Nuͤrnb. 1777 — 1780. gr. 4.), Hill (The conſtruction of timber. London, 1770. 8. ), Hedwig (Theoria generationis et fructificationis plantarum cryptogamicarum, Petrop. 1784. 4maj. ), O. S. Muͤller (Animalcula infuſoria fluviatilia et marina. Havn. 1786. 4. ), ingleichen in den ſchon angeſuͤhrten Schriften von Ioblot, Baker und Adams.
Von den Mikrometern, die man bey den Vergroͤßerungsglaͤſern anbringt, ſ. das Wort: Mikrometer.
Montucla hiſt. des mathematiques. To. II. P. IV. L. 3.
Prieſtley Geſchichte der Optik, durch Kluͤgel, S. 62. u. f. 164. u. f. 527.
Smith vollſtaͤndiger Lehrdegrif der Optik, durch Kaͤſtner, an mehrern Stellen.
Wolf Elem. Dioptricae, in Elem. Math. vniu. Halae, 1715. 4. To. II.
Briſſon Dict. raiſonné de Phyſ. art. : Microſcope.
Eſſay on the microſcope, by G. Adams. London, 1787. 4maj.
Ein lichter Streif oder Guͤrtel, welcher ſich faſt in der Lage eines groͤßten Kreiſes rings um den ganzen Himmel erſtreckt, an einigen Stellen breiter als an andern, an einigen einfach, an andern in mehrere Streifen238 zertheilt iſt. Die Sternbilder, welche dieſer Streif durchſchneidet, ſind: Caſſiopea, Perſeus, ein Theil des Fuhrmanns, der Arm und die Keule des Orions, die Fuͤße der Zwillinge, das Einhorn, das Schif, der Centaur, das Kreuz, das ſuͤdliche Dreyeck, der Altar, Schwanz des Scorpions, Bogen des Schuͤtzens, der oͤſtliche Theil des Schlangenmanns, das Sobieskiſche Schild, der Schwanz der Schlange, der Adler, Pfeil, Fuchs mit der Gans, Schwan, Kopf des Cephrus bis wieder zur Caſſiopea. Vom Orion bis zum Schiff iſt die Milchſtraße am hellſten: vom Scorpion bis zum Schwan erſcheint ſie ſehr breit und in mehrere nicht ſo helle Streifen zertheilt.
Nach Plutarchs Zeugniße hat ſchon Demokrit den Schein der Milchſtraße von dem vereinten Schimmer einer großen Menge Firſterne hergeleitet, die zu klein waͤren, um einzeln geſehen zu werden. Auch Manilius (Aſtronomicon L. I.) fuͤhrt dieſe Meinung unter andern Muthmaßungen an: An maior denſa ſtellarum turba corona Contexit flammas, et craſſo lumine candet Et fulgore nitet collato clarior orbis? Nach Erfindung der Fernroͤhre ward dies von Galilei beſtaͤtigt, der viele Stellen der Milchſtraße ſogleich fuͤr Anhaͤufungen unzaͤhlbarer Sterne erkannte. Und obgleich noch die meiſten Stellen dieſes hellen Kreiſes, ſelbſt durch die beſten Fernroͤhre, ein bloßer Lichtſchimmer bleiben, ſo iſt es doch als entſchieden anzuſehen, daß das ganze Phaͤnomen der Milchſtraße von einer zahlloſen Menge einzelner Sterne herruͤhre, die von unſerm Standorte aus betrachtet, nach der Segend dieſes Kreiſes zu, in unermeßlichen Abſtaͤnden und Reihen hinter und neben einander liegen.
Daß wir in den uͤbrigen Gegenden des Himmels bey weitem nicht ſo viele Sterne ſehen, das kan wohl nicht vom Zufalle herruͤhren; es ſcheint vielmehr eine eigne Anordnung in den Stellen der Firſterne anzuzeigen. Gerade Linien, aus der Erde (oder uͤberhaupt aus der Stelle unſers239 Sonnenſyſtems) nach den Punkten der Milchſtraße gezogen, muͤſſen mehr Firſterne treffen, als Linien nach andern Segenden des Himmels. Da nun die Milchſtraße nicht genau einen groͤßten Kreis bildet, ſo fallen die aus dem Auge in ihre Punkte gezognen Linien nicht ganz in einerley Ebne, ſondern ſie bilden mit einander die Oberflaͤche eines ſtumpfwinklichten Kegels SAB, Taf. XVII. Fig. 50., in deſſen Spitze S das Auge ſteht, und deſſen Grundflaͤche der Kreis vom Durchmeſſer ACB, oder der Kreis der Milchſtraße iſt. Der Schoͤpſer ſcheint alſo die Fixſterne in einen Raum geordnet zu haben, der nach SE und SD zu enger begrenzt iſt, nach SA und SB hingegen ſich ringsum am meiſten ausbreitet, d. i. in einen Raum, der eine abgeplattete linſenfoͤrmige Figur hat. Unſer Sonnenſyſtem, oder der Standpunkt S liegt nicht ganz in der Mitte dieſes Raums, ſondern naͤher an B, als an A, d. i. naͤher an dem Theile, wo wir den Adler ſehen, weil daſelbſt die Milchſtraße viel breiter und die Sterne zerſtreuter erſcheinen, als in der gegenuͤberſtehenden Gegend A beym Orion. Hiedurch erhalten alle Firſterne eine gemeinſchaftliche Beziehung auf die Ebne der Milchſtraße ACB, und auf deren Mitte C, welche vielleicht mit einer großen Sonne beſetzt iſt, um welche ſich die uͤbrigen nach gewiſſen Geſetzen bewegen. Vielleicht iſt der Sirius dieſe Centralſonne des Firſternſyſtems; wenigſtens ſehen wir ihn in der Linie SCF nach der Gegend zu, nach welcher uns, den Vorausſetzungen gemaͤß, die Mitte des Raumes AEBD erſcheinen muͤßte.
Dieſe erhabenen Muthmaßungen uͤber die Ordnung der Firſternwelt, hat Lambert (Koſmologiſche Briefe uͤber die Einrichtung des Weltbaus, Augsburg, 1761. 8. ) zuerſt gewagt, und ſie ſcheinen durch neuere Beobachtungen immer mehr beſtaͤtiget zu werden, ſ. Weltgebaͤude.
Bode Anleitung zur Kenntniß des geſtirnten Himmels. Oritte Aufl. Berl. 1777. gr. 8. S. 656. u. f. 240
Diejenigen unbelebten und unorganiſirten natuͤrlichen Koͤrper, die blos dadurch entſiehen, daß einfache ſeſte Theile durch Anſatz von außen zuſammengehaͤuſt, und mit einander verbunden werden (aggregata per iuxta - poſitionem).
Die meiſten Mineralien ſind weit aͤlter, als die Revolutionen des Erdballs, von denen wir Spuren finden, ſ. Erdkugel, und vielleicht ſo alt, als die Erde ſelbſt, von der ſie den eigentlichen Stof ausmachen. Dennoch geſchehen immerfort und noch jetzt im Mineralreiche Veraͤnderungen und neue Erzeugungen, nicht allein durch gewaltſame Revolutionen des Waſſers und der Vulkane, ſondern auch durch allmaͤhlige Verweſung der organiſirten Koͤrper und durch Verwitterung der Mineralien ſelbſt. Daß ſogar noch immer neue Metalle und Erze erzeugt werden, zeigt Herr von Trebra (Erfahrungen vom Innern der Gebirge. p. 53. ſq.). Er fand alte hoͤlzerne Stempel, die etwa 200 Jahr in einem marienberger Schachte gelegen hatten, mit gediegnem Silber und Glaserz angeflogen.
Die Mineralien laſſen ſich fuͤglich unter die vier Claſſen der Erden, Salze, brennbaren Materiale und Metalle bringen, von welchen in dieſem Woͤrterbuche unter eignen Artikeln gehandelt wird. Die Steine, aus welchen die aͤltern Mineralogen eine eigne Claſſe machten, ſind nichts, als verhaͤrtete Erden, deren Theile durch einen ſtaͤrkern Grad der Cohaͤſton verbunden ſind. Als einen Anhang zu den Mineralien betrachtet man die Verſteinerungen (Petrefacta), von welchen ebenfalls unter dem beſondern Artikel Petrefacten gehandelt wird.
Die Mineralien ſind erſt nach Linné von Walletius (Mineralogia. Stockh. 1747. 8. Syſtema mineralogicum. Holm. 1772. II. Vol. 8. Deutſch von Leske und Hebenſtreit, Berlin, 1781. II B. 8.) und Cronſtedt241 (Foͤrſoͤktil Mineralogie, Stockh. 1758. 8. Deutſch v. A. G. Werner, Leipz. ſeit 1780. 8. ) in bequemere und vollſtaͤndigere Syſteme geordnet worden, wobey groͤßtentheils die Beſchreibungen nach den aͤußern Kennzeichen gemacht werden, zu deren richtiger und feſter Beſtimmung Herrn Werners vortrefliches Werk (Von den aͤußern Kennzeichen der Foſſilien, Leipz. 1774. 8. ) ſo viel beygetragen hat. Torbern Bergmann aber (Sciagraphia regni mineralis. Lipſ. 1782. 8. ) hat die Eintheilung und Ordnung der Foſſilien mehr nach den chnmiſchen Beſtandtheilen einzurichten vorgeſchlagen. Seinen Entwurf hat Kirwan (Elements of mineralogy. Lond. 1784. 8. Deutſch mit Anm. v. Crell. Berlin, 1785. 8. ) ſehr gluͤcklich ausgeſuͤhrt, ob er gleich in Verwerfung der aͤußern Kennzeichen allzuweit zu gehen ſcheint. Eine bequeme Ueberſicht dieſes Mineralſyſtems geben Cavallo's Tabellen (Two mineralogical tables. London, 1786. fol. Deutſch von I. K. Forſter, Halle, 1786. Fol.), auch iſt demſelben Herr Hſr. Blumenbach (Handbuch der Naturgeſchichte. Dritte Ausg. Goͤttingen, 1788. 8. ) in den die Mineralien betreffenden Abſchnitten gefolgt.
Mineralwaſſer, ſ. Geſundbrunnen.
Miſchung, Gemiſch. Die Bedeutung dieſes Worts ſ. im Art. Aggregat.
Diejenige Welt - oder Himmelsgegend, in welcher Sonne und Geſtirne, aus unſern Laͤndern betrachtet, ihren hoͤchſten Stand am Himmel erreichen.
Derjenige Zeitpunkt des Tages, an welchem der Mittelpunkt der Sonne ſeinen hoͤchſten Stand hat, oder culminiret, d. i. durch den Mittagskreis geht, ſ. Culmination, bey Melchem Worte auch von den Mitteln, den Augenblick des Mittags durch Beobachtung zu finden, etwas geſagt worden iſt. 242
Die Aſtronomen fangen den Tag von dem Augenblicke des Mittags an, und zaͤhlen die Stunden von da aus bis zur 24 ſten, deren Ende auf den Mittag des folgenden Tages faͤllt. Nach der buͤrgerlichen Zeitrechnung, welche den Tag von Mitternacht anfaͤngt, faͤllt der Mittag auf das Ende der zwoͤlften Stunde: daher die zwoͤlf erſten Stunden Vormittagsſtunden, die zwoͤlf letzten, welche man wieder von neuem zaͤhlt, Nachmittagsſtunden heißen. Der Mittag ſelbſt faͤllt in die Mitte des Tages, oder der Zeit, welche die Sonne uͤber dem Horizonte zubringt, und hat davon auch den Namen.
Die aſtronomiſche ſowohl, als die buͤrgerliche Zeitrechnung, richtet ſich nach dem wahren Mittoge, den die Sonnenuhren, Gnomons und andere Beobachtungsmittel angeben. Von dieſem unterſcheidet man den mittlern Mittag, oder den Augenblick, in welchem es Mittag ſeyn wuͤrde, wenn die gerade Auſſteigung der Sonne ſich voͤllig gleichfoͤrmig aͤnderte, oder wenn jeder Tag von 24 Stunden eben ſo lang, als der andere, waͤre. Der wahre Mittag erfolgt bald fruͤher, bald ſpaͤter, als der mittlere, und die Zeitgleichung giebt an, um wieviel beyde fuͤr jeden Tag im Jahre aus einander ſind, ſ. Gleichung der Zeit.
Eine Ebne durch die Weltare und den Scheitelpunkt. Da ſich die Himmelskugel taͤglich um die Weltare zu drehen ſcheint, ſo koͤmmt hiebey, den Saͤtzen der Sphaͤrik gemaͤß, jeder ihrer Punkte dem Scheitel am naͤchſten, oder culminirt, wenn er ſich in der gedachten Ebne befindet. Daher muß dieſe Ebne durch die Mittagsgegend gehen, ſ. Mittag. Sie heißt davon die Mittagsflaͤche, und ihr Durchſchnitt mit dem Horizonte beſtimmt daſelbſt den Mittagspunkt.
Taf. VIII. Fig. 2. ſtellt einen Durchſchnitt der Himmelskugel vor, wobey die Flaͤche des Papiers ſelbſt die Mittagsflaͤche iſt. In dieſer Flaͤche nemlich liegen die Weltare PS, der Scheitelpunkt Z und das Nadir N, mithin auch die ganze Scheitellinie ZN. 243Die Ebnen des Horizonts HR und des Aequators AQ ſtehen auf ihr ſenkrecht.
Wenn der Mittelpunkt der Sonne culminirt, d. i. im Augenblicke des wahren Mittags, liegen die Schatten lothrechter Staͤbe auch in der Mittagsflaͤche, in welcher ſich alsdann ſowohl die Sonne, als die Scheitellinie, d. i. die Richtung eines jeden ſolchen Stabes, befindet.
Meridianus, Méridien, heißt am Himmel derjenige groͤßte Kreis der Sphaͤre, welcher durch beyde Weltpole und den Scheitelpunkt geht, oder der Durchſchnitt der Mittagsflaͤche mit der ſcheinbaren Himmelskugel. Taf. VIII. Fig. 2. iſt es der Kreis ZPRNHAZ, der die Figur begrenzt. In dieſem Kreiſe erreichen die Geſtirne bry der taͤglichen Umdrehung des Himmels ihren hoͤchſten Stand uͤber dem Horizonte, und wenn der Mittelpunkt der Sonne in ihm ſteht, iſt es Mittag.
Der Mittagskreis theilt die ganze Flaͤche der Himmelskugel in zwo gleiche Helſten, die oͤſtliche und weſtliche Halbkugel (Hemiſphaerium orientale et occidentale). Dem gegen Mittag, oder vom ſichtbaren Weltpole hinweg, gekehrten Zuſchauer liegt in unſern Laͤndern die oͤſtliche Halbkugel zur Linken, die weſtliche zur Rechten.
Von den beyden Durchſchnittspunkten des Mittagskreiſes mit dem Horizonte heißt der vom Nordpole P abgekehrte, oder H, der Mittagspunkt, der entgegengeſetzte R, der Mitternachtspunkt. Die um 90 Grad von dieſen entſernten Punkte des Horizonts, der Morgenpunkt und Abendpunkt, ſind die Pole des Mittagskreiſes.
Auſ der kuͤnſtlichen Himmelskugel wird dieſer Kreis durch den Ring PAHSQR, Taf. XI. Fig. 71. vorgeſtellt, ſ. Himmelskugel, kuͤnſtliche, und in 360 Grade u. ſ. w. getheilt, nach welcher Theilung ſich auf ihm Polhoͤhe,244 Aequatorhoͤhe, Abweichungen der Geſtirne rc. angeben laſſen.
Die Durchgaͤnge der Geſtirne durch dieſen Kreis ſind fuͤr den praktiſchen Aſtronomen ſehr wichtig, ſ. Cuimination, und der Durchgang des Mittelpunkts der Sonne beſtimmt inſonderheit den wahren Mittag und die wahre Zeit des Beobachtungsorts.
Dieſen Namen fuͤhren alle groͤßte Kreiſe der Erdkugel, welche durch die beyden Pole derſelben gehen. Durch jeden Ort der Erde, z. B. durch o, Taf. VIII. Fig. 2. kan man einen ſolchen Kreis opnsmo ziehen, der alsdann der Mittagskreis des Orts o genannt wird, ſ. Erdkugel (Th. II. S. 22.). Die erweiterte Flaͤche dieſes Kreiſes iſt fuͤr ebendenſelben Ort die Mittagsflaͤche, und ſchneidet an der ſcheinbaren Himmelskugel den Mittagskreis ZPRNSHZ ab.
Mehrentheils verſteht man aber unter dem Mittagskreiſe eines Orts o nur diejenige Helfte dieſes groͤßten Kreiſes, welche von einem Pole zum andern durch den Ort ſelbſt geht, nemlich poms. Alsdann iſt die andere Helſte snp der entgegengeſetzte Meridian. Alle Orte, die im Meridiane poms liegen, haben auch am Himmel einerley Mittagskreis, mithin einerley Mittag und einerley Zeit. Die Orte der andern Helfte snp ſehen die entgegengeſetzte Helſte des Mittagskreiſes am Himmel, ihre Mittage alſo und ihre Zeitangaben ſind um 12 Stunden von jenen unterſchieden. Da alſo Orte, die in einerley Mittagskreiſe liegen, einerley Zeit zaͤhlen, ſo ſagt man von Angaben, die fuͤr die Zeit eines gewiſſen Orts berechnet ſind, ſie ſeyen auf deſſen Mittagskreis berechnet. So beziehen ſich Keplers rudolphiniſche Tafeln, die aus Tychons Beobachtungen gezogen ſind, auf den Meridian von Oranienburg, die Zeitangaben in Bode's aſtronomlſchem Jahrbuche auf den von Berlin, u. ſ. w. 245
Die Mittagskreiſe der Erde werden, wie alle Kreiſe, in 360 Grade getheilt. In ſolchen Graden und ihren Theilen wird die geographiſche Breite der Orte angegeben, ſ. Bteite, geographiſche. Bey Unterſuchungen, welche Ruͤckſicht auf die abgeplattete Geſtalt der Erdkugel zu nehmen erfordern, darf man dieſe Grade der Mittagskreiſe nicht mehr von gleicher Groͤße annehmen; ſie ſind nemlich gegen die Pole zu groͤßer, als gegen den Aequator, ſ. Erdkugel, unter dem Abſchnitte: Abgeplattete Geſtalt der Erde.
Orte, die in einerley Mittagskreiſe liegen, haben einerley geographiſche Laͤnge. Die in verſchiedenen Meridianen ſind auch in der Laͤnge verſchieden, daher der Unterſchied der Laͤngen durch den Unterſchled der Meridiane, d. i. durch den Unterſchied der Zeit, beſtimmt wird, ſ. Laͤnge, geographiſche.
Meridianus primus, Premier Méridien. Derjenige Mittagskreis der Erde, welcher durch den willkuͤhrlich gewaͤhlten Aufangspunkt des Aequators geht, oder den man als den erſten unter den uͤbrigen betrachtet. Es kan nemlich von einem Pole zum andern durch jeden Punkt des Aequators AQ, Taf. XII. Fig. 94. ein halber groͤßter Kreis, wie PAp, PCp, PLp, PQp gezogen werden. Dieſe Halbkreiſe ſind die Meridiane der Orte A, B, L, Q, und die zwiſchen ihnen enthaltenen Bogen des Aequators AC, CD, DQ die Unterſchiede ihrer geographiſchen Laͤngen. Will man nun abſolute Groͤßen dieſer Laͤngen angeben, ſo muß man ſie ſaͤmmtlich von einerley Punkte des Aequators, z. B. von A aus, rechnen. Dann werden AC, AD, AQ die Laͤngen der Orte B, L, Q; A ſelbſt wird des Aequators Anfangspunkt, und der Mittagskreis PAp der erſte unter den uͤbrigen.
Da nun die Wahl des Punktes A ganz willkuͤhrlich iſt, ſo hat man dem erſten Mittagskreiſe verſchiedene Lagen gegeben. Die Alten zogen ihn ohngefaͤhr durch die weſtlichſten ihnen bekannten Laͤnder, Prolemaͤus durch die246 weſtwaͤrts der afrikaniſchen Kuͤſte gelegnen canariſchen Inſeln (Inſulas Fortunatas), von denen man die Erdflaͤche zu rechnen anſieng. Auch jetzt iſt es noch gewoͤhnlich, den erſten Mittagskreis in dieſe Gegend zu legen. Man erhaͤlt dadurch, wenigſtens auſ den Landkarten, den Vortheil, daß die alte Welt ganz in die oͤſtliche, und die neue groͤßtentheils in die weſtliche Halbkugel der Erde faͤllt, welches bey Planiglobien bequem iſt, welche die Erdflaͤche in zwo neben einander liegenden Halbkugeln vorſtellen, als wenn ſie durch die Ebne des erſten Meridians zerſchnitten waͤre.
Gerhard Mercator auf ſeinen Karten, und nach ihm Riccioli (Geogr. reform. L. IX. cap. 2.) zogen den erſten Mittagskreis durch die canariſche Inſel Palma, und zwar durch den Hafen St. Cruz, weil Chriſtoph Colom zu Entdeckung der neuen Welt aus demſelben ausgeſeegelt ſey. Wilhelm Blaeu legte ihn weiter weſtwaͤrts durch die azoriſchen Inſeln Corvo und Flores, weil daſelbſt die Maguetnadel zu ſeiner Zeit keine Abweichung zeigte; nachher aber ruͤckte er ihn ſelbſt auf die canariſche Inſel Teneriffa, deren Pik als einer der hoͤchſten Berge bekannt iſt, worinn ihm nachher faſt alle hollaͤndiſche Geographen gefolgt ſind. Aber keine von dieſen Beſtimmungen iſt recht ſchicklich, weil alle die angegebnen Gruͤnde der Wahl mit der Idee vom erſten Meridian nicht die geringſte Verbindung haben.
In Frankreich hingegen zog man dieſen Kreis ſchicklicher durch den weſtlichen Ort der canariſchen Inſeln, d.i. durch die weſtlichſte Kuͤſte der Inſel Ferro oder Ferri (Isle de Fer). Um alle Unbeſtimmtheit aufzuheben, ſetzte Ludwig XIII. ſogar durch einen Befehl vom 25ſten April 1634 feſt, daß die franzoͤſiſchen Geographen und Seefahrer die Laͤngen nie anders, als von da aus, rechnen ſollten. Die Beobachtungen des P. Feuillee zeigten, daß die Stadt auf der Inſel Ferro 19° 54′ 15″ weſtlicher liege, als der Mittagskreis der pariſer koͤniglichen Sternwarte, die Kuͤſte aber liegt nach le Monnier (Mém. de l' acad. 1742.) 8′ 15″ weſtlicher, als die Stadt; daher nach dieſer247 Lage des erſten Meridians die Sternwarte zu Paris eine Laͤnge von 20° 2′ 30″ erhaͤlt.
Es iſt aber der Leichtigkeit halber gewoͤhnlich werden, den erſten Meridian ſo zu legen, daß die Laͤnge der pariſer Sternwarte gerade 20° wird, und ihn alſo zwiſchen der weſtlichen Kuͤſte der Inſei Ferro und der Stadt auf derſelben hindurch gehen zu laſſen. So wird er jetzt auf den meiſten Landkarten angenommen, und ſo ſetzt ihn ſelbſt de la Lande in der erſten aſtronomiſchen Tafel (Aſtronomie. To. I.). Doppelmayt auf einer homanniſchen Karte (Baſis geographiae recent. aſtron. ) legt den erſten Meridian 22 1 / 2° weſtwaͤrts von Paris, weil dies gerade einen aliquoten Theil, nemlich (1 / 16), des Umkreiſes ausmache; er ſagt aber, er habe den Ptolemaͤiſchen erſten Mittagskreis behalten, welcher in die Gegend von Ferro (circa inſulam de Fer) falle. Wenn man dieſen Ausdruck mit der Karte ſelbſt vereinigen will, ſo muß man ſeinem circa einen Umfang vom 2 1 / 2°, d. i. von 37 1 / 2 Meilen unter dem Aequator, geben.
Es koͤmmt ſehr wenig darauf an, wohin man den erſten Meridian legt, weil in der Ausuͤbung ohnehin nicht abſolute Groͤßen, ſondern nur Unterſchiede der Laͤngen gebraucht werden, ſ. Laͤnge, geographiſche. Die Aſtronomen nehmen mehrentheils den Meridian ihrer Sternwarte fuͤr den erſten, ſo wie Tycho den von Uranienburg, Flamſtead den von Greenwich, Manfredi den von Bologna u. ſ. w.
Lulofs Einl. zur mathematiſchen und phyſikal. Kenntniß der Erdkugel; a. b. Holl. durch Kaͤſtner, Goͤtt. n. Leipz. 1755. gr. 8. §. 619. 620.
Die Richtung der Magnetnadel geht nicht genau nach dem wahren Mitternachtsund Mittagspunkte, ſondern weicht von derſelben mehr ober weniger ab, ſ. Abweichung der Magnetnadel. Sie trift alſo verlaͤngert andere Punkte des Horizonts. Ein groͤßter Kreis der Himmelskugel durch die Punkte248 und den Scheitel gefuͤhrt, heißt der magnetiſche Mittagskreis, und ſeine Ebne die Magnetiſche Mittags. flaͤche. Dieſe letztere iſt alſo eine uͤber der Richtung der Magnetnadel errichtete Scheitelflaͤche, und ihr Durchſchnitt mit der ſcheinbaren Himmeiskugel giebt den magnetiſchen Mittagskreis. Die Lage des magnetiſchen Mittagskreiſes iſt an jedem Orte der Erde eine andere, und ſelbſt fuͤr einerley Ort im Fortgange der Zeit veraͤnderlich.
Eine nach dem wahren Mittags - und Mitternachtspunkte gerichtete Horizontallinie; oder der Durchſchnitt der Mittagsflaͤche mit der Horizontalflaͤche. Taf. VIII. Fig. 2., wo die Ebne des Papiers die Mittagsflaͤche, und hr den ſcheinbaren Horizont des Orts o vorſtellt, iſt die Linie hor zugleich die Mittagslinie. Ein kleines Stuͤck derſelben, nahe an o, kan man als einen Theil des durch o gehenden Mittagskreiſes der Erde ſelbſt betrachten. Es iſt eine gerade Linie, ſo lang es ſo klein bleibt, daß die Kruͤmmung der Erde darinn nicht merklich wird. Verbindet man aber mehrere ſolche Stuͤcken von Mittagslinien, z. B. fuͤr die Orte von o bis f mit einander, ſo machen ſie endlich einen Bogen des Mittagskreiſes ſelbſt aus, oder eine weit verlaͤngerte Mittagslinie auf der Erdflaͤche kruͤmmt ſich in einen wahren Bogen des Meridians.
Die Mittagslinie iſt zu aſtronomiſchen Beobachtungen unentbehrlich, und uͤberdies zu mancherley Abſichten im gemeinen Leben brauchbar. Sie dient z. B. zu Beſtimmung der Weltgegenden, zu Vergleichung der Sonnenuhren, zu richtiger Angabe der Zeit und Stellung aller Uhren uͤberhaupt u. ſ. w. Unter den vielen Methoden, ſie zu finden, will ich hier nur die gemeinſte anfuͤhren. Auf einer wagrecht geſtellten ebnen Flaͤche IKLM, Taf. XVII. Fig. 51., errichte man lothrecht den Stift CD Um C beſchreibe man mit willkuͤhrlichem Halbmeſſer einen oder mehrere concentriſche Kreiſe. Einige Stunden vor249 Mittag bemerke man genau die Punkte F, f, in welchen der Schatten der Spitze D durch die Peripherien dieſer Kreiſe geht, und eben ſo einige Stunden nach Mittag die Punkte e, E, in welchen der Schatten eben dieſer Spitze die gedachten Kreiſe wiederum durchſchneidet. Halbirt man alsdann die Bogen fe, FE dieſer Kreiſe in n und N, ſo werden die Punkte n, N in einer geraden Linie GCnNH liegen, welche durch C gehen, und die Mittagslinie des Orts ſeyn muß.
Man ſieht leicht, daß durch dieſes Verfahren eigentlich uͤbereinſtimmende Sonnenhoͤhen beobachtet werden: denn da die Punkte f und e (ingleichen F und E) in einerley Kreiſe um C liegen, ſo waren die Schatten des Stifs Vormittags bey f, und Nachmittags bey e gleich lang, mithin ſtand die Sonne beydemal gleich hoch. Da nun die Mittagsflaͤche zwiſchen den Gegenden, nach welchen die Geſtirne auf der. Morgen - und Abendſeite gleiche Hoͤhen erreichen, mitten inne ſteht, ſo iſt eine micten zwiſchen f und e, oder durch die Mitte des Bogens fe gezogne Linie durch C in der Mittagsflaͤche, und weil ſie zugleich horizontal iſt, die Mittagslinie. Es waͤre hiezu ſchon ein Kreis um C hinreichend; blos der Genauigkeit halber werden mehrere genommen.
Dieſe Art, die Mittagslinie zu finden, iſt einem kleinen Fehler unterworfen, weil die Sonne eine eigne Bewegung hat, nach der ſie nicht den ganzen Tag uͤber in einerley Parallelkreiſe bleibt, ſondern von den Vormittagsſtunden dis zu den nachmittaͤgigen im Fruͤhlinge etwas hoͤher ſteigt, im Herbſte ein wenig herabſinkt. Daher erreicht ſie die uͤbereinſtimmenden Hoͤhen nicht in voͤllig gleichen Abſtaͤnden vom Mittagskreiſe. Es iſt deswegen cine kleine Berichtigung noͤthig, die aber beym gewoͤhnlichen Gebrauch ohne Bedenken unterlaſſen werden kan, und ganz wegfaͤllt, wenn man zu dieſem Verfahren die Zeit des Sommerſolſtitiums, oder der laͤngſten Tage waͤhlt. Genauer finden und pruͤfen die Aſtronomen ihre Mittagslinien, indem ſie die uͤbereinſtimmenden Hoͤhen der250 Sonne oder der Firſterne, mittelſt der Quadranten beobachten.
Von dem Gebrauch der Mittagslinie zu aſtronomiſchen Beobachtungen ſ. den Artikel: Culmination. Zu Abmeſſung der Grade auf der Erdkugel und uͤberhaupt zu Verbeſſerung der geographiſchen Ortsbeſtimmungen ſind Mittagslinien durch ganze Laͤnder hindurch verlaͤngert worden, Die beruͤhmteſte Unternehmung dieſer Art iſt die Verlaͤngerung der Mittagslinie der pariſer Sternwarte, welche von Picard angefangen, von Johann Dominicus Caſſini in den Jahren 1700 und 1701 ſuͤdwaͤrts bis Collioure an den Pyrenaͤen, und von Jacob Caſſini, Maraldi und de la Hire 1718 nordwaͤrts bis Duͤnkirchen, zuſammen durch einen Bogen von 8° 31′ 6 1 / 2″ des Mittagskreiſes der Erde, fortgeſetzt ward (ſ. Jaques Caſſini Tr. de la figure et de la grandeur de la terre, in der Suite des Mém. de l'Acad. roy. des Sc. 1718., auch beſonders herausgegeben Amſt. 1723. 8.). Um dieſe Mittagslinie auf der Sternwarte ſelbſt kennbar zu machen, ſind Obeliſken geſetzt, die von da aus am Geſichtskreiſe den wahren Mittags - und Mitternachtspunkt bezeichnen (ſ. le Monnier in Mém. de l'acad. des ſc. 1743.).
Unter den zu aſtronomiſchen Beobachtungen beſtimmten Mittagslinien ſind mehrere mit einem Gnomon, d. i. mit einer Veranſtaltung verſehen, durch welche um die Zeit des Mittags ein Bild der Sonne auf die Mittagslinie faͤllt. Eine der aͤlteſten Vorrichtungen dieſer Art iſt der von Egnaz Dante zu Bologna 1575 errichtete, vom aͤltern Caſſini 1655 wiederhergeſtellte, 1695 aufs neue gepruͤfte, und durch ein vortrefliches Werk des Manfredi (De gnomone Bononienſi. Bonon. 1736. 4. ) beruͤhmt gewordene Gnomon. Ein anderer iſt in der Kirche St. Sulpice in Paris von Sully errichtet, und von le Monnier (Mém. de l'acad. de Paris, 1743.) verbeſſert worden. Die Oefnung, wodurch das Sonnenlicht einfaͤllt, hat zu Bologna 1000 Zoll, zu Paris 70 Fuß Hoͤhe. Bey dem großen Abſtande des Bildes von der Oefnung, unter welcher die Mittagslinie anfaͤngt, kan man die geringſten Veraͤnderungen251 ſowohl in der Hoͤhe der Sonne, als in der Zeit ihrer Culmination, ſehr genau bemerken, daher dieſe Vorrichtungen unter die vornehmſten Werkzeuge der praktiſchen Sternkunde gehoͤren.
Picard (Voyage d'Uranibourg. à Paris, 1680. fol.) fand die Mittagslinie von Uranienburg um 25 Min. 40 Sec. anders gerichtet, als ſie Tycho angegeben hatte. Einige, z. E. Wallis, ſchloſſen daraus, daß ſich die Lage der Weltgegenden mit der Zeit aͤndere. Man hat aber dieſe Vermuthung ungegruͤndet befunden, ſ. Weltgegenden.
Meridies, Auſter, Midi, Sud. Der Durchſchnittspunkt des Mittagskreiſes mit dem Horizonte an derjenigen Seite des Himmels, welche vom Nordpole abgekehrt iſt. Er iſt einer von den vier Haupt - oder Cardinalpunkten, durch welche im Horizonte die vier Hauptgegenden beſtimmt werden, ſ. Weltgegenden. Die Schiffer nennen ihn Suͤden. Von ihm heißt die ganze umliegende Gegend des Himmels die Mittagsgegend, und man ſagt von dem, was ſich daſelbſt zutraͤgt, es geſchehe gegen Mittag. Von dieſem Punkte aus wird im Horizonte das Azimuth der Geſtirne gerechnet, ſ. Azimuth.
Man hat dieſes Kunſtwort in der Naturlehre angenommen, um dadurch Materien zu bezeichnen, mit welchen andere Koͤrper umgeben ſind, und worinn ſie ſich bewegen, oder in welchen ſonſt Bewegungen fortgepflanzt werden. So nennt man die Luft das Mittel, in welchem wir leben; Waſſer das Mittel, in welchem ſich die Fiſche bewegen, Glas, Luft, Waſſer u. dergl. durchſichtige Mittel, wodurch ſich das Licht fortpflanzt. Wenn ein Lichſtral aus Glas in Luft oder Waſſer uͤbergeht, ſo ſagt man, er gehe aus einem Mittel in das andere, u. ſ. w. Man betrachtet den Widerſtand, den die Bewegung der Koͤrper von der umgebenden Materie leidet, unter dem Namen des Wider -252 ſtands der Mittel (reſiſtentia mediorum) ſ. Widerſtand.
In der Geometrie heißt Mittelpunkt des Kreiſes oder der Kugel derjenige Punkt, welcher von allen Punkten des Umkreiſes oder der Kugelflaͤche gleich weit abſteht; Mittelpunkt einer regulaͤren Figur oder eines regulaͤren Koͤrpers der, welcher von allen Winkel - oder Eckpunkten gleich weit abſteht. Und uͤberhaupt, wenn ſich eine Figur oder ein Koͤrper durch eine gerade Linie oder ebne Flaͤche in gleiche und aͤhnliche Helften theilen laͤßt, ſo heißt der Punkt, der dieſe Linie halbirt, oder den Mittelpunkt des Durchſchnitts ausmacht, der ganzen Figur oder des ganzen Koͤrpers Mittelpunkt. So kan man ſich auch in manchen irregulaͤren Figuren und Koͤrpern, z. B. Parallelogrammen, Ellipſen, Priſmen, Cylindern, Ellipſoiden u. dgl. einen Mittelpunkt gedenken. Dieſer heißt Mittelpunkt der Groͤße (centrum magnitudinis); es iſt aber nicht bey allen Figuren und Koͤrpern ein ſolcher Punkt gedenkbar.
Bey phyſikaliſch und mathematiſchen Unterſuchungen wird das Wort Mittelpunkt noch in vielerley andern Bedeutungen gebraucht. Wenn nemlich gewiſſe zuſammengeſetzte Wirkungen eben ſo erfolgen, als ob die Summe aller ihrer Urſachen in einem einzigen Punkte vereinigt waͤre, ſo erieichtert es die Betrachtungen ſehr, wenn man in Gedanken die Urſachen wirklich in dieſen Punkt verſetzt, der alsdann den Namen eines Mittelpunkts erhaͤlt, So ſind die meiſten der folgenden Benennungen entſtanden, die ich hier in alphabetiſcher Ordnung aufſtelle.
Mittelpunkt der Anziehung, oder der Gravitation, Centrum attractionis ſ. grauitationis, Centre d' attraction ou de gravitation. Derjenige Punkt des anziehenden Koͤrpers, nach welchem die Richtung der ganzen Anziehung gehet. Man ſetze z. B. der Koͤrper B, Taf. XVII. Fig. 52. werde von allen Theilen der Kugel A angezogen. Dieſe Theile D, E, F ziehen ihn nach BD, BE, BF, jeder nach einer andern Richtung, jeder auch mit anderer253 Staͤrke, wegen ihrer verſchiedenen Entfernungen von B. Wenn nun die Totalſumme aller dieſer einzelnen Anziehungen darauf hinauslaͤuft, daß der Koͤrper B ſo ſtark gegen C gezogen wird, als ob alle Theile D, E, F u. ſ. w. zuſammen aus dem Punkte C auf B wirkten, ſo heißt C der Mittelpunkt der Anziehung. Das Wort Anziehung iſt hier blos wegen des leichtern Vortrags gewaͤhlt, und kan, wenn es mißfaͤllt, mit dem ſchicklichern Namen Gravitation vertauſcht werden.
Newton hat im erſten Buche ſeiner Principien die Mittelpunkte der Anziehung fuͤr verſchiedene Faͤlle berechnet. Wenn A eine Kugel iſt, und in gleichen Abſtaͤnden vom Mittelpunkte C gleiche Dichtigkeit hat, ſo giebt es zween Faͤlle, in welchen C ſelbſt der Mittelpunkt der Anziehung wird, nemlich 1. wenn ſich die Anziehungen von D, E, F, direct, wie die Abſtaͤnde BD, BE, BF verhalten, 2. wenn ſie ſich umgekehrt, wie die Quadratzahlen dieſer Abſtaͤnde verhalten. Haͤngt die Staͤrke der Anziehung nach andern Verhaͤltniſſen von der Entfernung ab, ſo kan die Staͤrke der ganzen Anziehung nicht mehr ſo berechnet werden, als ob die ganze anziehende Maſſe in C beyſammen waͤre.
Da in der Natur alle Materie gegen einander nach dem unter Num. 2. angefuͤhrten Geſetze ſchwer iſt, und die Himmelskoͤrper als Kugeln angeſehen werden koͤnnen, die gleich weit von ihren Mittelpunkten gleich dicht ſind, ſo kan man bey den Berechnungen der Gravitation die ganzen Maſſen der Himmelskoͤrper in ihren Mittelpunkten vereinigt annehmen.
Bey der Schwere der Erdkoͤrper koͤmmt hier die abgeplattete Geſtalt der Erde in Betrachtung. Waͤre ſie eine vollkommne Kugel und in concentriſchen Schichten um ihren Mittelpunkt gleich dicht, ſo wuͤrde auch hier ihr Mittelpunkt der Groͤße mit dem Mittelpunkte der Schwerkraft (Centre des graves) einerley ſeyn. Die Abplattung aber verurſacht Abweichungen hievon; und die Erfahrung lehrt, daß die Richtung der Schwere uͤberall lothrecht auf der Horizontalebne, oder auf der Tangente des Umkreiſes254 ſtehet; daher ſie den Mittelpunkt des Sphaͤroids nur unter den Polen und im Aequator treffen kan, an allen uͤbrigen Stellen der Erdflaͤche aber neben ihm vorbeygehet, ſ. Erdkugel.
Centrum motus, Centre de mouvement. Der Punkt, um welchen einer oder mehrere Koͤrper ſich bewegen, und Kreiſe oder Kreisbogen beſchreiben, z. B. der Ruhepunkt am Hebel, der Auſhaͤngungspunkt beym Pendel u. ſ. w.
In einem Syſteme von Koͤrpern, die von Kraͤften getrieben werden, und durch Faͤden, Hebel u. dgl. mit einander verbunden ſind, heißt derjenige Punkt, in welchem man das Syſtem unterſtuͤtzen muß, wenn es im Gleichgewichte ſeyn ſoll, der Mittelpunkt des Gleichgewichts. Es iſt nemlich ſo viel, als ob alle Maſſen und alle Kraͤfte des Syſtems in dieſem Punkte beyſammen waͤren.
Wenn die Maſſen blos von der Schwere getrieben werden, ſo heißt dieſer Punkt der Schwerpunkt, oder der gemeinſchaftliche Schwerpunkt des Syſtems, ſ. Schwerpunkt. Dies iſt aber nur ein beſonderer Fall, und wenn andere beſchleunigende Kraͤfte außer der Schwere wirken, iſt der Mittelpunkt des Gleichgewichts nicht allezeit mit dem Schwerpunkte einerley.
Mittelpunkt der Kraͤfte, ſ. Centralbewegung.
Centrum maſſae ſ. inertiae, Centre de maſſe au d' inertie. Dieſen Namen kan man mit Euler (Theoria motus corp. rigid. §. 285.) dem Schwerpunkte beylegen, weil man denſelben oft in Faͤllen braucht, wo an keine Schwere gedacht wird, wo alſo der gewoͤhnliche Name anſtoͤßig ſeyn koͤnnte. Die Schluͤſſe nemlich, durch welche der Schwerpunkt gefunden wird, laſſen ſich eben ſo anbringen, wenn in die Maſſe eines Koͤrpers eine andere beſchleunigende Kraft wirkt, die groͤßer oder kleiner iſt, als die Schwere, wofern dieſe Kraft nur auf alle Theile gleich ſtark und in parallelen255 Richtungen wirkt. Wenn z. B. eine Kugel auf einer ſchiefen Ebne herabrollt, oder ein horizontaler Wind auf einen Muͤhlenfluͤgel wirkt, ſo kan man die ganze Wirkung im Mittelpunkte der Kugel oder im Schwerpunkte des Muͤhlenfluͤgels vereinigt annehmen. Aber dieſe Punkte heißen hier ſchicklicher Mittelpunkte der Maſſe oder der Traͤgheit. Man ſ. Kaͤſtners hoͤhere Mechanik, zter Abſchn. §. 228.
Centrum phonicum, Centre phonique. Der Ort, an welchen ſich bey einem Echo, das mehrere Sylben wiederholt, die redende Perſon ſtellen muß.
Der Ort, von welchem beym Echo der Schall zuruͤckgeworfen wird.
Mittelpunkt der Schwere, ſ. Schwerpunkt.
Mittelpunkt des Schwunges, Schwingungspunkt, Centrum oſcillationis, Centre d' oſcillation. Derjenige Punkt eines zuſammengeſetzten Pendels, in welchem die ganze ſchwere Maſſe des Pendels vereiniget, um eben den Aufhaͤngungspunkt eben ſo ſchnelle Schwuͤnge machen wuͤrde, als das zuſammengeſetzte Pendel ſelbſt macht. Taf. XVII. Fig. 53. ſey CD ein einfaches, CE ein zuſammengeſetztes Pendel, die beyde gleich ſchnell ſchwingen. Man nehme CO = CD, ſo iſt O der Mittelpunkt des Schwunges fuͤr das Pendel CE.
Man braucht daher bey einem zuſammengeſetzten Pendel CE blos den Mittelpunkt des Schwunges O zu kennen, um ſeine ganze Theorie auf die Lehre vom einfachen Pendel zuruͤckzufuͤhren. Es ſchwingt vollkommen ſo, wie ein einfaches von der Laͤnge CO, in deſſen Punkt O die ganze Maſſe von CE zuſammen gebracht iſt. Huygens (Horologium oſcill. Pariſ. 1673. fol. p. 93.) hat dieſe Art, die Sache zu betrachten, zuerſt eingefuͤhrt, und Methoden angegeben, den Mittelpunkt des Schwungs zu finden.
Die Aufgabe von den Schwingungen zuſammengeſetzter Pendel von beſtimmter Figur hatte der P. Mer -256 ſenne ſchon 1646 den Mathematikern zur Aufloͤſung vorgelegt und beſonders Descartes, Robervaln und den damals noch jungen Huygens dazu aufgefordert. Ob ſie gleich die Kraͤfte der damaligen Mechanik uͤberſtieg, fanden dennoch Descartes und Roberval Aufloͤſungen fuͤr einzelne Faͤlle, die von einander verſchieden waren. Sie fuͤhrten daruͤber einen ziemlich heftigen Streit, worinn beyde Unrecht hatten. Was ſie nemlich fanden, war eigentlich Mittelpunkt des Stoßes, der nur zufaͤlliger Weiſe in dieſen Faͤllen mit dem Mittelpunkte des Schwunges einerley iſt. Huygens war weit gluͤcklicher, betrachtete die Sache von der rechten Seite und fand zuerſt eine richtige allgemeine Theorie, welche folgenden Satz lehrt.
Man dividire das Moment der Traͤgheit des Pendels fuͤr den Punkt C, durch das ſtatiſche Moment deſſelben fuͤr eben dieſen Punkt, der Quotient giebt den geſuchten Abſtand CO.
Er. An der geraden Linie ohne Schwere CD, Taf. XVII. Fig. 54. ſchwingen um C, die Maſſen A, B, C. Man ſucht CO oder den Abſtand des Mittelpunkts des Schwunges O. Die Momente der Traͤgheit um C ſind CA. A, CB. B, CD. D, ſ. Moment der Traͤgheit. Die ſtatiſchen Momente um C ſind CA. A, CB. B, CD. D, ſ. Moment, ſtatiſches. Daher. Fuͤr ganze Koͤrper, welche nicht blos in einzelnen Punkten A, B, D, ſondern uͤberall ſchwere Maſſe haben, ſucht man die Momente nach den Regel, die unter den angefuͤhrten Artikeln dieſes Woͤrterbuchs vorgeſchrieben ſind. Iſt z. B. CD eine durchaus gleich dichte priſmatiſche Stange von der Maſſe M, ſo iſt ihr Moment der Traͤgheit um C = 1 / 3M. CD; ihr ſtatiſches Moment = 1 / 2M. CD. Folglich CO = 2 / 3CD. Iſt D der Mittelpunkt einer Kugel vom Halbmeſſer r, und der Maſſe M, und CD ein Faden, deſſen Gewicht man vernachlaͤßigen kan, ſo iſt das Moment der Traͤgheit der Kugel = (CD+2 / 5r). M, das257 ſtatiſche Moment = CD. M; mithin CO = CD + 2 / 5r: CD.
Huygens bewieß dieſe Theorie durch Vorausſetzung des Grundſatzes: daß verbundene einzelne Maſſen durch den Fall ſo viel Kraft erlangen, daß ihr gemeinſchaftlicher Schwerpunkt wieder eben fo hoch ſteigen kan, ſo tief er gefallen iſt, welchen Satz man insgemein den Grundſatz der aufſteigenden Kraͤfte nennet. Jacob Bernoulli (Mém. de l'acad. des ſc. 1703. Opp. Jac. Bern. p. 98.) leitete ſie zuerſt durch ein voͤllig ſtrenges Verfahren, das aber fuͤr zuſammengeſetzte Faͤlle etwas weitlaͤuftig wird, aus der Lehre vom Hebel her. Johann Bernoulli (Act. erud. Lipſ. 1714 und Opp. Jo. Bern. To. II. n. 96. und To. IV. n. 177.) handelt die Sache weit leichter und allgemeiner ab, und ihm iſt Herr Kaͤſtner (Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik, III. Abſchn. §. 6. u. f.) groͤßtentheiſs gefolgt. Euler (Theoria motus corp. rigid. Cap. VI. VII. ) traͤgt dieſe Lehre als eine Anwendung ſeiner allgemeinen Theorie von der Umdrehung feſter Koͤrper um eine unbewegliche Axe vor.
Centrum percuſſionis, Centre de percuſſion. Diejenige Stelle eines bewegten Koͤrpers, wo man ſich ſeinen voͤlligen Stoß vereinigt vorſtellen kan, ſo, daß dasjenige, worauf dieſe Stelle ſtoͤßt, den ganzen Stoß des Koͤrpers empfindet, und ſeine fernere Bewegung, wenn es nicht ausweicht, gaͤnzlich aufhaͤlt. Bey einem Koͤrper, deſſen Punkte ſich alle nach parallelen Linien mit gleichen Geſchwindigkeiten bewegen, iſt dieſer Mittelpunkt des Stoßes mit dem Schwerpunkte einerley.
Wallis (Mechan. Cap. XI. prop. 15.) hat den Mittelpunkt des Stoßes zuerſt betrachtet, und nennt ihn punctum percuſſionis maximae. Man kan aber unter dieſem Ausdrucke auch den Punkt verſtehen, mit dem der Koͤrper ſtoßen muß, wenn er einem andern beweglichen die groͤßte Geſchwindigkeit mittheilen ſoll. Wenn ſich die Maſſe des Koͤrpers nicht nach parallelen Richtungen bewegt, ſondern258 ſich um eine feſte Axe dreht, ſo ſind dieſe beyden Punkte nicht allemal einerley.
Wallis hat das Wort in dem zuerſt angefuͤhrten Sinne genommen, ſo wie auch die beyden Bernoullis: Euler (in Kobins erlaͤuterter Artillerie, S. 182.) nimmt es im letztern. Wallis betrachtete aber blos den Stoß einer Ebene, die ſich um eine in ihr ſelbſt befindliche Axe dreht, in welchem Falle die Mittelpunkte des Stoßes und des Schwunges einerley ſind. Er fand alſo eben die Formel, durch welche man den Mittelpunkt des Schwunges beſtimmt. Dadurch hat ſich Stone (Analyſe des infiniment petits, trad. de l'Angl. par Rondet. Paris, 1735. 4. Sect. VII. p. 131.) verleiten laſſen, beyde Mittelpunkte uͤberhaupt fuͤr einerley anzunehmen, welches auch ſogar Jacob Bernoulli (Opp. To. II. n. C. p. 951.) behauptet. Johann Bernoulli aber (Opp. To. IV. n. 170. p. 180. ſq. ) erinnert ſehr richtig, daß dieſe Uebereinſtimmung nur zufaͤllig ſey, und blos ſuͤr einige beſondere Faͤlle ſtatt finde. Ausfuͤhrlicher traͤgt die Theorie von den Mittelpunkten des Stoßes Karſten (Lehrbegriff der geſammten Math. IV. Theil, Mechanik, im XVIII. Abſchnitte) vor.
Centrum rotationis, Centre de rotation. Derjenige Punkt, um welchen ſich ein Koͤrper drehet. In den meiſten Faͤllen kan man das ſo nennen, was ſonſt Mittelpunkt der Bewegung heißt, z. B. den Ruhepunkt, um den ſich der Hebel dreht, den Aufhaͤngungspunkt, um den das Pendel ſchwingt, u. ſ. w.
In einer beſondern Bedeutung aber heißt freywilliger Mittelpunkt der Umdrehung (centrum rotationis ſpontaneum, centre ſpontané de rotation) derjenige Punkt, welcher unbewegt bleibt, und um welchen ſich der Koͤrper zu drehen anfaͤngt, wenn er eineh eccentriſchen Stoß erhaͤlt, d. i. einen ſolchen, deſſen Richtung nicht durch den Schwerpunkt geht. Durch einen ſolchen Stoß nehmlich erhaͤlt der Koͤrper nicht allein eine fortgehende Bewegung (motum progreſſiuum) aller ſeiner Theile, ſondern auch259 eine Umdrehung (motum rotationis), welche fuͤr jeden Theil ſo ſtark iſt, als ſie bey eben dem Stoße ſeyn wuͤrde, wenn der Schwerpunkt feſtgehalten wuͤrde. Dabey muß es nun in der Ebene, in welcher die Richtung des Stoßes und der Schwerpunkt liegen, nothwendig einen Punkt geben, der durch die fortgehende Bewegung eben ſo weit vorwaͤrts, als durch die Umdrehung ruͤckwaͤrts geſuͤhrt wird, der alſo ruht, indem ſich die uͤbrigen wirklich bewegen. Dieſem Punkte hat Johann Bernoulli (Opp. To. IV. n. 177. p. 265. ſq) den angefuͤhrten Namen gegeben. Er aͤndert ſich bey fortdauernder Bewegung alle Augenblicke, und alle Punkte der gedachten Ebene, die vom Schwerpunkte gleich weit abſtehen, werden der Reihe nach ſelche freywillige Mittelpunkte der Umdrehung.
Kaͤſtner hoͤhere Mechanik, III. Abſchn. an mehrern Stellen.
Karſten Lehrbegriff der geſammten Math. IV. Theil, Mechanik der feſten Korper, XI. und XVIII. Abſchn.
Briſſon Dict. raiſ. de phyſique. Art. Centre.
Salia media. Sonſt gab man dieſen Namen ohue Unterſchied allen zuſammengeſetzten Salzen, die aus Verbindung der Saͤuren mit Laugenſalzen oder mit abſorbirenden Erden entſpringen, wenn dieſe Verbindung bis zur Saͤttigung getrieben wird. Es war der allgemeine Name der ganzen Elaſſe, die man wieder in vollkommne oder wahre Mittelſalze aus Verbindung der Saͤuren mit Laugenſalzen, und unvollktommne, analogiſche oder erdichte Mittelſalze (Salia media terreſtria) aus Verbindung der Saͤuren mit Erden eintheilte. Die Worte Mittelſalz und Neuttalſalz (Sal neutrum, Sel neutre) waren ganz ſynonymiſch.
Bergmann aber (Ausg. von Scheffers chemiſchen Vorleſ. uͤberſ. von D. C. E. Weigel, Greifsw. 1779. 8. S. 5 und 99. ingl. Sciagraphia regni mineralis) unterſcheidet Neutral - und Mittelſalze, und verſteht unter den letztern blos diejenigen, welche aus Verbindung der Saͤuren mit Erden entſpringen, und ſonſt unvollkommne260 oder erdichte genannt wurden. Ihm folgen auch die meiſten Chymiker.
Die Mittelſalze ſind in ihrer aͤußern Beſchaffenheit den Neutralſalzen ſehr aͤhnlich, unter einander ſelbſt aber im Geſchmacke, Aufloͤsbarkeit, Kryſtallengeſtalt, Faͤhigkeit, ſich zu kryſtalliſiren, Verhalten in der Luft u. ſ. w. verſchieden. Jede eigenthuͤmliche Erde bringt mit einer beſtimmten Saͤure ein eignes von den andern unterſchiednes Mittelſalz hervor, daß alſo die Anzahl der Mittelſalze dem Producte aus den Anzahlen der Saͤuren und abſorbirenden Erden gleich iſt.
Man giebt den meiſten Mittelſalzen Namen, die von der darinn befindlichen Saͤure hergenommen ſind, mit dem Beyſatz der dazu genommenen Erde, z. B. Thonſalz aus Kochſalzſaͤure und Thonerde, bitteres Weinſteinſalz aus Weinſteinſaͤure und Bitterſalzerde. Die aus der Vitrioſaͤure bekommen beſondere Namen. Dieſe Saͤure nemlich giebt mit der Kalkerde den Selenit, mit der Bitterſalzerde das Bitterſalz, mit der Thonerde den Alaun, mit der Schwererde den Schwerſpath.
Zu den Mittelſalzen gehoͤren auch die aus Verbindung der Saͤuren mit den metalliſchen Erden entſprungenen, die man Mittelſalze mit einem metalliſchen Grundtheile nennet.
Bey der Verbindung einer Saͤure mit einer abſorbirenden Erde ſindet man den Saͤttigungspunkt, indem man die Erde nach und nach zu der fluͤßigen Saͤure traͤgt, bis ſie nicht mehr davon aufgeloͤſet wird, und das Ueberfluͤßige zu Boden faͤllt. Dieſes wird alsdann durch Filtriren abgeſchieden, und das Mittelſalz aus der Aufloͤſung durch Kryſtalliſiren oder Abrauchen erhalten.
Gren ſyſtematiſches Handbuch der Chemie, Th. I. §. 227. u. f.
Diejenige Welt - oder Himmelsgegend, in welcher der in unſern Laͤndern ſichtbare Weltpol ſteht, und261 wo die bey uns nicht untergehenden Geſtirne erſcheinen. Unter dieſe Geſtirne gehoͤren auch die unter dem Namen des Himmelswagens bekannten ſieben Sterne im großen Baͤr, welche die Alten die ſieben dreſchenden Rinder (Septem Triones) nannten, wovon die lateiniſche Benennung der Gegend entſprungen iſt.
Media nox, Minuit. Derjenige Zeitpunkt der Nacht, in welchem der Mittelpunkt der Sonne den tiefſten Stand unter dem Horizonte har, oder in der unſichtbaren Helfte des Mittagskreiſes ſteht. Da die Sonne von hier aus eben ſo viel Zeit zum Aufſteigen an den Horizont noͤthig hat, als ſie vom Untergange bis dahin zum Niederſinken brauchte, ſo halbirt dieſer Augenblick die Dauer der Nacht, und hat daher ſeinen Namen.
Die Mitternacht iſt um zwoͤlf Stunden wahrer Sonnenzeit von den Mittagen des vorhergehenden und folgenden Tages unterſchieden; und die buͤrgerliche Zeitrechnung faͤngt den Tag von dem Augenblicke der Mitternacht an.
Der Durchſchnittspunkt des Mittagskreiſes mit dem Horizonte an derjenigen Seite des Himmels, welche gegen den Nordpol zugekehrt iſt. Er iſt einer von den vier Haupt-oder Cardinalpunkten, durch welche im Horizonte die vier Hauptgegenden beſtimmt werden. ſ. Weltgegenden. Die Schiffer nennen ihn Norden. Von ihm heißt die ganze umliegende Gegeud des Himmels die Mitternachtsgegend, und man ſagt von dem, was ſich daſelbſt zutraͤgt, es geſchehe gegen Mitternacht.
Wenn ein Koͤrper durch Verbindung mit einem andern ſeinen Zuſtand oder ſeine Eigenſchaften ſo aͤndert, daß von dieſem Zuſtande oder von dieſen Eigenſchaften etwas in den andern Koͤrper uͤberzugehen ſcheint, welches der erſte262 verliert, ſo nennt man dieſes Phaͤnomen eine Mittheilung. So theilt ein bewegter Koͤrper andern, and die er ſtoͤßt, einen Theil ſeiner Bewegung, ein waͤrmerer Koͤrper kaͤltern, die er beruͤhrt, einen Theil ſeiner fuͤhlbaren Waͤrme, ein elektriſirter Koͤrper den Leitern, gegen die et Funken ſchlaͤgt, einen Theil ſeiner Elektricitaͤt mit, u. ſ. w. ſ. Stoß, Warme, Elektricitaͤt.
Ob hiebey wirklich erwas aus einem Koͤrper in den andern uͤbergehe, laͤßt ſich nicht in allen Faͤllen entſcheiden. Bey den Mittheilungen der Waͤrme und der Elektricitaͤt ſcheint es zu geſchehen: wenigſtens ruͤhren dieſe Phaͤnomene, den angenommenen Erklaͤrungen nach, von Materien her, die nach einem gewiſſen Gleichgewichte ſtreben, und ſo lange dieſes nicht erreicht iſt, aus dem einen Koͤrper, der mehr hat, in den andern uͤbergehen, der weniger hat.
Bey der Mittheilung der Bewegung aber kan man nicht ſagen, daß aus dem bewegten Koͤrper irgend erwas Wirkliches in den andern uͤbergehe. Die Bewegung ſelbſt iſt doch blos ein Zuſtand der Koͤrper, und daß ſie von einem an den andern abgegeben werde, laͤßt ſich nur in figuͤrlichem Verſtande ſagen. Man hat behaupten wollen, es ſey die lebendige Kraft, welche als etwas ganz Eignes und Subſtantielles den bewegten Koͤrpern zu Theil werde, und ſich nach gewiſſen Geſetzen unter mehrere einander ſtoſſende vertheile: ſolche Vorſtellungen aber haben die Lehre von der Bewegung mehr verdunkelt, als aufgeklaͤret, ſ. Kraft. Wit muͤſſen vielmehr zufrieden damit, daß wit die Geſetze des Stoßes aus Erfahrungen kennen, uͤber die Art und Weiſe, auf welche Mittheilung der Bewegung bewirkt wird, unſere gaͤnzliche Unwiſſenheit geſtehen, und den Ausdruck: Mittheilung der Bewegung fuͤr nichts weiter, als fuͤr die eingefuͤhrte Benennung eines Phaͤnomens halten. Ich beziehe mich hieruͤber gaͤnzlich auf das Wort: Stoß.
In der Lehre vom Magnet wird das Wort Mittheilung ſehr uneigentlich gebraucht. Man ſagt, der Magnet theile ſeine anziehende Kraft dem Eiſen mit, und handelt daher unter einem beſondern Abſchnitte vom mitgetheil -263 ten Magnetismus. Da nun der Magnetismus nach den allgemein angenommenen Erklaͤrungen auch durch eine eigne Materie bewirkt wird, ſo kan man leicht durch dieſe Benennung verleitet werden, ſich unter der magnetiſchen Mittheilung einen Uebergang dieſer Materie aus dem magnetiſchen Koͤrper in den unmagnetiſchen vorzuſtellen. Gleichwohl iſt dieſe Vorſtellung falſch, und widerlegt ſich ſchon dadurch, weil der magnetiſche Koͤrper nichts von ſeiner Kraft verliert, wenn auch noch ſo viele andere durch ihn magnetiſch gemacht werden. Es iſt alſo hier an keine wahre Mittheilung zu denken; was vorgeht, iſt blos Wirkung einer Vertheilung, ſ. Magnet. Dennoch iſt hiebey das Wort Mittheilung nach dem herrſchenden Sprachgebrauche einmal angenommen.
Dieſer Name iſt in die Lehren der Statik und Mechanik blos der Bequemlichkeit halber eingefuͤhrt. Man bezeichnet damit nichts Reelles, fuͤr ſich Eriſtirendes, ſondern nur gewiſſe Ausdruͤcke, nach welchen ſich Wirkungen ſchaͤtzen laſſen, welche von Kraͤften unter gewiſſen Umſtaͤnden hervorgebracht werden — Ausdruͤcke, welche immer gleich bleiben muͤſſen, wenn die Wirkungen die nemlichen ſeyn ſollen. In dieſem Sinne gebraucht man die Namen: Statiſches Moment und Moment der Traͤgheit.
Statiſches Moment, Momentum ſtaticum, Moment d'une puiſſance au levier. So nennt man, wie ſchon beym Worte Hebel (Th. II. S. 571.) erinnert worden iſt, das Produkt einer bewegenden Kraft am Hebel in ihre Entfernung vom Ruhepunkte. Sind dieſe Producte auf beyden Seiten des Hebels gleich, ſo erfolgt Gleichgewicht und Ruheſtand, oder beyde Kraͤfte wirken alsdann gleich ſtark auf des Hebels Umdrehung. Man kan alſo dieſes Product als den Ausdruck der Gewalt anſehen, mit welcher eine Kraft den Hebel um ſeinen Ruhepunkt zu drehen ſtrebt. Daher koͤmmt ihm, der obigen Worterklaͤrung gemaͤß, der Name Moment zu. 264
Wirken an einerley Arme eines mathematiſchen Hebels CB, Taf. XVII. Fig. 55., die bewegenden Kraͤfte P, p, π, in die Maſſen M, m, μ, in den von C aus gerechneten Entfernungen CM = D, Cm = d, Cμ = δ, ſo ſind die Momente dieſer Kraͤfte PD, pd,〈…〉〈…〉pd21, und die ganze Gewalt, womit der Hebel um C gedreht wird, wird durch die Summe dieſer Momente ausgedruͤckt, oder iſt
Sollte der Ruhepunkt in B ſeyn, und waͤre die Laͤnge des Hebels CB — a, ſo wuͤrden jetzt jener Kraͤfte Entfernungen von B = a — D, a — d, a — δ, und die Momente ſeyn. Ihre Summe druͤckt nun die Gewalt aus, womit dieſe Kraͤfte den Hebel um B zu drehen ſtreben. Alſo iſt das Moment um C von dem Momente um B unterſchieden, und man muß, um beſtimmt zu reden, nicht von ſtatiſchem Moment uͤberhaupt, ſondern von Moment um einen gewiſſen Punkt, z. B. um C, oder um B, ſprechen.
Da die bewegende Kraft P durch das Product der Maſſe M in die beſchleunigende Kraft F ausgedruͤckt wird, (oder da P = MF, ſ. Kraft, bewegende), ſo iſt das Moment um C = MFC. Sind nun die beſchleunigenden Kraͤfte der Maſſen M, m, μ, einerley (z. B. wenn M, m, μ Gewichte ſind, die durch die Schwere = 1 getrieben werden) ſo verhaͤlt ſich P, wie M, und man kan das Moment von M = MD ſetzen.
Die Vorſtellung von Momenten um gewiſſe Punkte dient bey den ſtatiſchen Rechnungen zu ungemeiner Erleichterung. Alle Berechnungen am Hebel beruhen auf dem Satze, daß fuͤr den Fall des Gleichgewichts die Summe der Momente auf beyden Seiten des Ruhepunkts gleich ſeyn muß. Die Erfindung des gemeinſchaftlichen Schwerpunkts E der Maſſen M, m, μ ergiebt ſich daraus, daß es einerley Wirkung auf den Hebel thun muß, es moͤgen die Maſſen einzeln in M, m, μ, oder zuſammem in E angebracht werden, daher die Summe der Momente MD, md,〈…〉〈…〉md22 eben ſoviel,265 als das Moment (M+m+μ). CE betragen, mithin ſeyn muß, d. h. Der Abſtand des Schwerpunkts E von C iſt gleich der Summe aller ſtatiſchen Momente um C, dividirt durch die Summe aller ſchweren Maſſen. Und wenn der Schwerpunkt ſchon anderswoher bekannt iſt, ſo findet man die Summe der ſtatiſchen Momente um C, wenn man des Schwerpunkts Abſtand von C (oder CE) in die Summe der ſchweren Maſſen (M+m+μ) multipliciret.
Iſt CB eine prismatiſche Stange von der Maſſe M, und von gleichfoͤrmiger Dichte, ſo faͤllt der Schwerpunkt E in ihre Mitte, oder es iſt CE = 1 / 2 CB. Daher die Summe der ſtatiſchen Momente aller Theile, oder das Moment der Stange ſelbſt um C = 1 / 2 M. CB. Mehr hievon ſ. bey dem Worte: Schwerpunkt.
Wuͤrde der Hebel wirklich um C gedreht, ſo bewegten ſich M, m, mit Geſchwindigkeiten, C, c, die ſich wie ihre Entfernungen von C, oder wie D, d verhielten. So koͤnnte man hier, wo es doch blos auf Verhaͤltniſſe ankoͤmmt, C fuͤr D, c fuͤr d u. ſ. w. ſetzen, und die Momente von M und m auch durch MC, mc ausdruͤcken. Dies iſt eben derſelbe Ausdruck, nach dem man ſonſt die Groͤße der Bewegung ſchaͤtzt, ſ. Bewegung, und welchen Descartes fuͤr das Maaß der bewegenden Kraft angenommen hat, ſ. Kraft, bewegende.
Dieſer Umſtand hat veranlaſſet, daß ſehr viele Schriftſteller die Ausdruͤcke: ſtatiſches Moment, Groͤße der Bewegung, und Maaß der bewegenden Kraft, mit einander verwechſeln. So ſagt Briſſon: Le Moment d'un corps eſt la quantité de ſon mouvement, und definirt Moment: Nom, que l'on donne à la force d'un corps en mouvement. Solche Verwechſelungen aber verdunkeln die erſten Begriffe der Wiſſenſchaft. Statiſches Moment iſt nur da gedenkbar, wo von Streben nach Umdrehung um einen feſten Punkt, oder um eine Axe, die Rede iſt, und heißt: Das, was gleich ſeyn muß, wenn dieſes Streben gleich ſeyn ſoll,266 oder das, wornach man dieſes Streben ſchaͤtzt. Groͤße der Bewegung aber laͤßt ſtch bey jeder Bewegung betrachten, und iſt allezeit = MC, da hingegen das ſtatiſche Moment eigentlich = PD iſt, und nur dann MC wird, wenn es verſtatter iſt, P = M und D = C zu ſetzen. Was endlich das carteſianiſche Maaß der Kraft betrift, ſo ſetzt daſſelbe voraus, daß man die Groͤße einer bewegenden Kraft durch die Groͤße der Bewegung ausdruͤcken wolle, die ſie in einer gewiſſen Zeit hervorzubringen ſtrebt. Man ſieht alſo, daß dieſe drey Begriffe an ſich ſohr verſchieden ſind, und nur zufaͤlliger Weiſe in manchen Faͤllen uͤbereinkommen.
Momentum inertiae ſ. maſſae, Moment d'inertie d' < * > ne maſſe. Dieſen Namen giebt man dem Producte einer Maſſe in das Quadrat ihrer Entfernung vom Bewegungs - oder Umdrehungspunkte.
Soll es nemlich fuͤr die Umdrehung des Hebels CB, Taf. XVII. Fig. 55. durch den Winkel BCb, gleichguͤl < * > ig ſeyn, ob ſich die Maſſe M in der Entfernung CM = D, oder ob ſich die Maſſe m in der Entfernung Cm = d daran befindet (d. h. ſoll in beyden Faͤllen die Umdrehung des Hebels durch den Winkel BCb vermittelſt einer gleichen Gewalt in gleicher Zeit geſchehen), ſo duͤrfen die beſchleunigenden Kraͤfte F und f, die in M und m wirken, nicht mehr gleich ſeyn; ſonſt wuͤrde die Maſſe m, in gleicher Zeit mit M nur durch den Bogen m μ = MN gefuͤhrt werden, mithin wuͤrde der Hebel mit m nicht den ganzen Winkel BCb durchlaufen. Vielmehr muͤſſen ſich dieſe beſchleunigenden Kraͤfte F und f, wie die aͤhnlichen Bogen MN und mn, d. i. wie die Halbmeſſer CM und Cm, oder wie D: d verhalten. Daher ſind die bewegenden Kraͤfte P und p im Verhaͤltniſſe MD: md. Weil ſich nun dieſe, wenn ſie gleich ſtark auf den Hebel wirken ſollen, umgekehrt, wie die Entfernungen von C verhalten muͤſſen, ſo muß ſeyn, Dieſes Product MD muß immer gleich bleiben, wenn der Hebel durch eine gleiche Gewalt mit ebenderſelben Winkelgeſchwindigkeit umgedrcht werden ſoll. Es iſt ein267 Ausdruck fuͤr die Groͤße der Gewalt, die man braucht, um eine traͤge Maſſe am Hebel mit einerley Winkelgeſchwindigkeit um den Ruhepunkt zu drehen. Daher heißt es Moment, und zwar, weil die Rede nicht von Gewichten, ſondern von traͤgen Maſſen iſt, Moment der Traͤgheit oder der Maſſe.
Auch hier wird Umdrehung um einen feſten Punkt, oder um eine Axe, vorausgeſetzt, alſo kan man auch nur Momente der Traͤgheit um einen gewiſſen Punkt betrachten.
Befinden ſich an einer mathematiſchen Linie CB mehtere traͤge Maſſen M, m, μ in verſchiedenen Entfernungen von C, z. B. CM = D, Cm = d, Cμ = δ, ſo iſt die Summe ihrer einzelnen Momente der Traͤgheit um C, oder das Moment der Traͤgheit der ganzen Linie CB.
Iſt CB eine prismatiſche Stange von der Maſſe M, der Laͤnge CB = a und von durchaus gleicher Dichte, ſo laͤßt ſie ſich als eine marhematiſche Linie anſehen, die an allen Punkten mit gleichen kleinen Maſſen belaſtet iſt. Nennt man ein veraͤnderliches Stuͤck dieſer Linie CE = x, ſo hat das Element davon (Ee = dx) die Maſſe (Mdx / a) und ſeine Entfernung von C iſt = CE = x; alſo ſein Moment der Traͤgheit um C = (M / a) xdx. Mithin das Moment der Traͤgheit des ganzen Stuͤcks der Stange CE, durch die Integralrechnung, und das Moment der Traͤgheit der ganzen Stange CB, wofuͤr x = a wird
Denkt man ſich ſtatt der Stange CB einen Koͤrper von beſtimmter Geſtalt, ſo kan man ihn auf aͤhnliche Art in Elemente zerlegen, das Moment der Traͤgheit zuerſt fuͤr ein ſolches Element ſuchen, und dann die Summe aller268 Momente, oder das Moment des ganzen Koͤrpers durch Integralrechnung finden. Wenn Taf. XVII. Fig. 53. eine Kugel von der Maſſe M und dem Halbmeſſer r, an dem Faden CD ſo haͤngt, daß D der Kugel Mittelpunkt iſt, und man die Maſſe des Fadens vernachlaͤßigen kan, ſo iſt das Moment der Traͤgheit der Kugel um den Punkt C Die hiezu gehoͤrigen Rechnungen findet man bey Raͤſtnet (Anfangsgr. der hoͤhern Mech. S. 222 u. f.).
Die Beſtimmung der Momente der Traͤgheit iſt bey den Lehren vom Pendel und vom Stoße unentbehrlich. Die Regel, nach welcher man aus dieſem Momente den Schwingungspunkt findet, habe ich bey dem Worte Mittelpunkt des Schwunges angegeben.
Monaden, Monadologie, ſ. Materie.
Die Zeit, binnen welcher der Mond einen Umlauf um den Himmel zu vollenden ſcheint. Faſt in eben dem Zeitraume vollendet er auch einen ganzen Wechſel ſeiner Erſcheinungen, oder ſeines Zuund Abnehmens. Dies mußte den Menſchen ſehr fruͤhzeitig in die Augen fallen; man fieng alſo baid an, verfloßne Zeitraͤume nach der Anzahl der Monden oder Monate anzugeben, die ſie in ſich faßten.
Eine genauere Betrachtung aber lehrt bald, daß man dieſe Zeitraͤume auf verſchiedene Arten rechnen koͤnne. Betrachtet man nemlich die Zeit, binnen welcher der Mond ſeinen Umlauf um den Firſternhimmel zu vollenden, oder wiederum zu den vorigen Firſternen zu gelangen ſcheint, ſo heißt dieſe der ſideriſche Monat. Waͤhrend dieſes Umlaufs aber ſind die Nachtgleichen und mit ihnen alle Punkte der Ekliptik ein wenig vorgeruͤckt. Der Mond begegnet alſo dem verigen Punkte der Ekliptik etwas ſruͤher wieder, und der Zeitraum, binnen welchem er den ganzen Umkreis der Ekliptik durchlaͤuft, der periodiſche Monat, iſt etwas kuͤrzer, als der ſideriſche, wiewohl der Unterſchied kaum 7 Secunden betraͤgt. 269
Die Sonne aber iſt indeſſen um eine betraͤchtliche Weite fertgegangen, und der Mond braucht uͤber 2 Tage Zeit, um ſie wieder einzuholen. Daher iſt der Zeitraum von einem Neumonde zum andern, oder die Dauer eines voͤlligen Mondwechſels, der ſynodiſche Monat, laͤnger als jene beyde.
Auch ſind alle Umlaͤufe des Monds an ſich von ungleicher Dauer. Man kan ſie daher, wenn eine aligemeine Beſtimmung verlangt wird, nicht anders, als nach mittlern Groͤßen, angeben. In ſolchen ſetzt de la Lande (Aſtron. 1422.)
den ſideriſchen Mon. | 27 | Tage | 7 | St. | 43 | Min. | 11,5069 | Sec. |
den periodiſchen — | 27 | — | 7 | - | 43 | — | 4,6480 | — |
den ſynodiſchen — | 29 | — | 12 | - | 44 | — | 2,8921 | — |
Wenn die Dauer des Sonnenjahrs oder des Umlaufs der Sonne (ſ. Jahr) = T, der periodiſche Monat = t geſetzt wird, ſo zeigt die Formel (Tt / T - t), wie oſt Sonne und Mond einander begegnen, oder ſie giebt die Dauer des ſynodiſchen Monats, ſ. Aſpecten. Setzt man beylaͤufig T = 365 1 / 4; t = 27 1 / 3 Tag, ſo findet man fuͤr den ſynodiſchen Monat (365 1 / 4. 27 1 / 3 / 338) = 29 1 / 2 Tag.
Die Knoten des Monds ruͤcken mit ziemlicher Geſchwindigkeit der Ordnung der Zelchen entgegen, ſ. Rnoten. Daher gelangt der Mond ſchon wieder zu ſeinem Knoten, ehe noch von der Zeit an, da er ihn verließ, der periodiſche Monat um iſt. Dies veranlaßt noch einen vierten, den Drachenmonat (menſis draconiticus) von 27 Tagen 5 St. 6 Min. 56 Sec. Ein fuͤnfter iſt der anomaliſtiſche Monat von 27 Tagen 13 St. 18 Min. 35 Sec., binnen welcher Zeit der Mond zu ſeiner Erdferne oder Erdnaͤhe wiederkehrt. Weil zwoͤlf Mondwechſel faſt die Dauer des Sonnenjahrs ausmachen, ſo nennt man auch den zwoͤlften Theil dieſes Jahres, oder den Zeitraum von 30 Tagen 10 St. 29 Min. 4 Sec. einen Monat, der durch den Namen des Sonnenmonats270 von den vorigen, den Mondenmonaten, unterſchieden wird. Dieſer Sonnenmonat iſt eigentlich die Zeit, welche die Sonne, im Durchſchuitt genommen, in jedem himmliſchen Zeichen verweilet.
Die bisher angezeigten Monate ſind aſtronomiſche, und geben wirkliche Dauer himmliſcher Bewegungen bis auf Minuten und Secunden an. Von ihuen unterſcheiden ſich die buͤrgerlichen Monate, welche aus Anzahlen von vollen Tagen beſtehen, die den aſtronomiſchen Monaten nahe kommen. Nach dem vorigen iſt es am natuͤrlichſten und richtigſten, den Sonnenmonat auf 30 bis 31 Tage, und den Mondenmonat, wobey man auf den Mondwechſel oder ſynodiſchen Umlauf ſieht, auf 29 bis 30 Tage zu ſetzen.
Wenn ſich das Jahr blos nach dem Mondlaufe richten ſoll, ſo