PRIMS Full-text transcription (HTML)
Allgemeine Zeitung.
Nr. 68.
Augsburg, Donnerstag, 9 März 1871. Verlag der J. G. Cotta 'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.

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bei Hrn. G. Alexandre ***) (Paris, Cour du Commerce, St. -André -des-Arts, 2, Strassburg, rue brûlée, 5) für Frankreich undAlgerien ganz franco ............... Fr. 18. -- Cts. demselben für Spanien und Portugal frankirt bis zur franz. Austrittsgränze ............. Fr. 18. -- Cts. für England über Belgien, franco bis z. BestimmungsortFr. 14. -- Cts. franco wie oben für Aegypten, Konstantinopelund Griechenland ........... Fr. 21. 25 Cts. für Amerika frankirt bis zum Landungshafen .. Fr. 24. 50 Cts. für die französischen und englischen über -seeischen Colonien, Brasilien, Mexico undChina frankirt bis zum Landungshafen ..... Fr. 27. 75 Cts.

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***) Für Spanien, Frankreich und Portugal abonnirt man auch bei Hrn. Klincksieck Nr. 11, rue de Lille in Paris.

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Uebersicht.

Die Zutheilung eines Stücks von Nord = Elsaß an Bayern.

Deutsches Reich. München: Frhr. v. Werthern. Königl. Spende. Augsburg und Traunstein: Zu den Reichstagswahlen. Berlin: Aufhebung der Aus = und Durchfuhrverbote. Der Kronprinz über Prof. Wagner. Das Gerücht wegen einer deutsch = russischen Allianz. Die Präliminar = Grundlage. Der Kaiser. Sistirung von Truppentrans - porten. Freilassung. Reichstagswahlen. Unsere Beziehungen zu Ruß - land. Bremen: Die Augusta. Städtische Armenpflege.

Oesterreichisch = ungarische Monarchie. Wien: Preußen und Rußland. Die Kaiserin. Ein Scandalproceß. Graz: Das Verbot der deutschen Sieges = und Friedensfeier. Pest: Die preußisch = russische Liebeserklärung. Aus dem Reichstag.

Großbritannien. Die Friedensbedingungen. Aus Paris. Lord Lyons. Aus Chiselhurst. Das Tagebuch eines Belagerten.

Frankreich. Unruhen und Vorsichtsmaßregeln. Beim Einmarsch. Be - kanntmachung. Centralcomit é. Räumung des linken Seine = Ufers. Die Wahl Thiers und Gambetta's. Aus Lyon. Bordeaux: Sitzung der Nationalversammlung. Die Deputirten aus Elsaß und Lothringen Der künftige Sitz der Nationalversammlung. Gambetta. Changarnier.

Niederiand. Haag: Aus der zweiten Kammer. Ministerielles Pro - gramm. Finanzielles. Jndische Eisenbahnen. Verwickelungen mit Venezuela. Personalien.

Ver. Staaten von Nordamerika. Washington: Aus dem Abgeordnetenhaus.

Verschiedenes.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Außerordentliche Beilage. Nr. 37.

Telegraphische Berichte.

* München, 8 März. (Telegramm an das bayerische Kriegs - ministerium. ) Ferrières, 7 März, Nachts. Der Kaiser hat heute über das zwölfte (sächsische) sowie das erste bayerische Corps und die württem - bergische Felddivision auf dem Schlachtfelde bei Villiers Parade abgenom - men und darauf das Hauptquartier nach Ferrières verlegt.

* London, 7 März. Unterhaus. Auf die Jnterpellation Disraeli's erwiedert Gladstone: Die Regierung wisse absolut nichts von der Existenz eines Vertrags zwischen Rußland und Preußen, auch sei es unmöglich über die Pontus = Conferenz während der Dauer der Verhandlungen eine Erörterung zuzulassen.

* Paris, 7 März. Die deutschen Truppen haben diesen Morgen sämmtliche Forts des linken Seine = Ufers den französischen Behörden über - geben. Der Kaiser und das Hauptquartier haben heute Morgens Ver - sailles verlassen, wie es heißt gehen sie nach Ferrières. Die deutschen Truppen werden die Stadt Versailles bis zum 11 d., die Umgegend bis zum 19 d. geräumt haben. Die Rinderpest fordert zahlreiche Opfer. Jn Paris hofft man daß die in gewissen Stadtvierteln herrschende Aufregung ohne Conflict beigelegt werden wird.

* Frankfurt a. M., 7 März. Abend = Effectensocietät: 1882er Amerikaner 96 5 / 8; 1885er --; Silberrente55 3 / 4; 1860er L. --; 1864er L. --; Credit - actien 244 3 / 4; Lombarden 164; Staatsbahn368 3 / 4; Galizier237 1 / 4; 3proc. span. ausl. Schuld 30. Tendenz: fest, still.

* London, 7 März. Schlußcurse; Consols91 3 / 8; 1882er Amerikaner 92 1 / 8; Türken42 3 / 8; Lombarden14 1 / 8; Jtaliener53 5 / 8; Silber 60 7 / 16.

Liverpool, 7 März. Baumwollenmarkt. Tagesumsatz〈…〉〈…〉 8000 B., zur Ausfuhr verkauft --. Stimmung sehr unregelmäßig. Orleans7 5 / 16, Middling 7 1 / 16, fair Dhollerah5 7 / 8 -- 6, middl. fair Dhollerah5 1 / 8, good middl. Dhollerah 4 1 / 2, fair Bengal5 3 / 8, fair Oomra5 7 / 8 -- 6 1 / 4, good fair Oomra6 5 / 8, Pernam7 5 / 8, Smyrne 7, Egyptian〈…〉〈…〉 3 / 4}. Tagesimport 25,000 B., davon indische keine, amerikanische 23,000 B.

Die Zutheilung eines Stücks von Nordelsaß an Bayern. * )Von einem Süddeutschen.

Aus dem Elsaß, 4 März. Die letztvergangenen Wochen waren für uns Deutsche im Elsaß äußerst wechselvoll in ernsten und freu - digen Ereignissen. Kaum daß die Bangigkeit wegen der drohenden Armee Bourbaki's der Freude über deren Niederlage und den Fall von Paris ge - wichen, kaum daß die Sorge wegen der Kriegscontribution von 25 Fr. pro Kopf durch den Frieden uns genommen ist, und wir wiederum merken daß der deutschen Regierung das Wohl des Elsaßes am Herzen liegt -- so sehen wir uns in neue Kümmerniß versetzt durch die neuerdings angekün - digte Zerstückelung des wiedergewonnenen Reichslandes, beziehungsweise die Zutheilung eines Theils von Nordelsaß an Bayern, welche durch ein Münchener Telegramm in der Beilage von Nr. 60 der Allg. Ztg. in Aussicht gestellt wird.

Schon mehrfach andeutungsweise in deutschen Zeitungen und in Straßburg angekündigt, dann wieder halbofficiös widersprochen, soll nun das Project doch zur Ausführung gelangen, dem Elsaß neues Leid an - gethan, und Deutschland um einen Hauptstolz in diesem Krieg -- seine politische Uneigennützigkeit -- gebracht werden!

Wir gestehen daß nichts so sehr geeignet ist die Errungenschaft von 1870 und 1871 zu verleiden als diese Nachricht. Für eine solche Zerthei - lung sprechen gar keine triftigen Gründe, sie würde Bayern, Deutschland und dem Elsaß unendlich mehr Nachtheile als Vortheile bringen. Als Grund könnte höchstens das Bestreben -- sei es nun von Bayern selbst oder von Preußen -- gelten Bayern einen Ersatz für seinen 1866 erlit - tenen Gebietsverlust zu gewähren; denn daß die Abtretung von Nord - elsaß der Kaufpreis für den Eintritt Bayerns in den deutschen Bund gewesen sei, kann und darf man im Hinblick auf die nationale Gesinnung der bayerischen Regierung unter keiner Bedingung glauben.

Bayern hat aber keinen Grund die Empfindlichkeit über 1866 hervor - zukehren, und es ist ebensowenig Grund vorhanden demselben nachträglich einen Rückersatz zu gewähren. Bayern und Süddeutschland haben seit 1866 bis jetzt unendlich mehr an Macht, Ansehen, nationaler Bedeutung und Kriegsruhm gewonnen als ihre Verluste im Jahre 1866 betrugen. Die Abtretung des Stückchens Land zudem welches Bayern 1866 verlor, bildete für dasselbe überhaupt weit weniger einen Verlust als sie für Preußen ein Gewinn war. Bayern verlor zwar einen hübschen Wald, aber doch eine arme unterstützungsbedürftige Gegend, während Preußen eine für den Norden strategisch wichtige Eisenbahnlinie gewann. Der Ver - lust ist auch bisher in Bayern sehr leicht verschmerzt worden.

Sollte aber doch ein Ersatz gewünscht werden, so könnte ja derselbe in Geld oder, da ja die Mainlinie nicht mehr besteht, in der Rückgabe des ab - getretenen Stücks oder endlich in der Herausgabe irgendeines andern im Norden Bayerns gelegenen Landstreifens bestehen; vielleicht durch den An - kauf der coburgischen Enclave Königsberg durch Preußen für Bayern ge - leistet werden.

Der Rückersatz in elsäßischem Boden geleistet gewinnt dagegen einen völlig andern Charakter. Die Erwerbung des Mundatwalds bei Weißen - burg, dessen eine Hälfte bereits in der Rheinpfalz liegt -- die Einver - leibung der wohlhabenden Weißenburger Cantone, der industriellen Be - zirke bei Niederbronn würde für den bayerischen Staatssäckel einen weit -1138aus höhern Gewinn liefern. Besonders werthvoll wäre die Annexion, wenn sie sich bis Hagenau erstrecken und den dortigen großen Wald um - fassen würde. Die Eisenbahn von Hagenau über Niederbronn, Bitsch nach Saargemünd und Saarbrücken, welche für die gesammte elsäßische Jndu - strie so hochwichtig ist, welche aber den pfälzischen Bahnen Concurrenz macht, würde für letztere, welche sie doch wohl kauften, eine äußerst willkommene Gabe sein, und es verlautet daß dem Einfluß dieser Bahnen ein nicht geringer Theil der Annexionsgedanken zuzuschreiben sei. Solche Erwerbung würde für Bayern kaum mehr als Rückersatz, sondern als reine Vergrößerung und Bereicherung gelten, und könnte nur als Belohnung für die in diesem Krieg treugeleistete Hülfe angesehen werden. Von einer solchen Belohnung kann und darf aber nicht die Rede sein, und jeder Bayer muß sie mit Entschiedenheit ablehnen.

*) Von einem Süddeutschen.

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Bayern und die andern süddeutschen Staaten schlossen sich nicht so - wohl als souveräne Staaten dem Krieg gegen Frankreich an, sondern sie waren einestheils durch die Bundesverträge gebunden, anderntheils -- und dieß war das Hauptmotiv -- durch ihre Stellung als Glieder des ganzen, wenn auch nicht formell, so doch materiell einigen deutschen Volks innerlich gezwungen an den Bestrebungen des großen Ganzen theilzu - nehmen. Die nationale Pflichterfüllung gibt keinen Anspruch auf Beloh - nung, sondern von ihr gilt der Spruch der Bibel: Und wenn ihr dieß alles gethan habt, so sprecht: wir sind unnütze Knechte gewesen.

Und warum denn Bayern allein belohnen? Haben nicht etwa Baden und Württemberg ebenso tapfer gekämpft? Hat nicht Baden ebenso gut einen Anspruch auf einen Streifen Elsäßer Landes vielleicht von Lauter - burg bis gegen Straßburg längs des Rheins? Oder warum sollte Reuß - Greiz nicht die Veste Lützelstein beanspruchen können? Und Preußen --? Hier stehen wir wieder an dem Abgrunde von 1815, den wir gerade durch Hülfe Bayerns beseitigt glaubten. Mit welch 'freudigem reinem Herzen gieng man in Bayern trotz allem bevorstehenden Jammer in diesen Krieg! Die Hochherzigkeit König Ludwigs II hatte demselben den eminent deutsch - nationalen Charakter, den ihm ein Theil der süddeutschen Particularisten rauben wollte, gegeben. Man gieng ohne Eroberungs = oder Vergröße - rungsgedanken, seine Gränzen -- Deutschland zu vertheidigen. Nach den erfochtenen Siegen brach sich wohl die Ansicht Bahn daß man das neu - eingenommene, früher deutsche Land als Bollwerk gegen neue räuberische Angriffe behalten müsse, aber diese Erwerbung wurde allgemein nicht als Eroberung, Vergrößerung an sich, sondern nur als Mittel zum Zweck des Schutzes von Deutschland angesehen. Die geschichtlichen Begründun - gen bildeten nur die Colorirung des militärischen Standpunktes.

Da nicht die einzelnen Staaten, sondern Gesammtdeutschland Krieg führte, so sollte auch die Wiedergewinnung des Elsaßes, welche uns Deut - schen des Reiches Einheit brachte, und die Neuconstituirung der neuen Provinzen nur auf diejenige Weise geschehen welche dem Ganzen am mei - sten frommt. Elsaß sollte als Band der deutschen Einheit und als Hort des deutschen Friedens ein gemeinsames Reichsland bleiben. Dieß der Gedanke Deutschlands! Diesen gemeinsamen Gedanken, den ganzen Jdealismus des großartigen Kriegs würde nun Bayern vernichten, würde dem Krieg noch nachträglich den Stempel des Eigennutzes, der Vergröße - rungssucht aufdrücken, würde die Achtung welche Deutschland jetzt vor sich selbst gewonnen und der Welt auferlegt hat wieder zerstören, und würde endlich, im geraden Gegensatz zu seinem Bestreben den deutschen Bund zu erneuern und Deutschlands Kaisergröße wieder erstehen zu machen, uns in die frühern Zustände deutscher Kleinstaaterei, Vergrößerungssucht und Eifersüchtelei versetzen!

Weiterhin würde Bayern dadurch die geistige Wiedergewinnung des Elsaßes aufs erheblichste erschweren. Bayern selbst würde durch solchen Länderzuwachs auch eine Vermehrung von oppositionellen Kammermit - gliedern erhalten, denn der Norden des Elsaßes würde theils Demokraten, theils Ultramontane wählen, welche sämmtlich die Oppositionspartei der bayerischen Kammer stärkten, und da Bayern bekanntlich nicht sehr glücklich in Ueberwindung solcher Hindernisse sich gezeigt hat, so steht zu bezweifeln ob es sein kleines annectirtes Gebiet bald werde pacificiren können.

Elsaß ist bekanntlich nur deßhalb so rasch gut französisch geworden, weil es einem großen einheitlichen Staat einverleibt wurde, während es jenseits des Rheins nur Kleinstaaterei und Schwäche erblickte. Nun, da wir, in Einheit erstarkt, die Provinz wieder besitzen, wollen wir sie zur Strafe noch in die Zustände voriger Jahrhunderte versetzen! Auf solche Weise wird ihr die Sehnsucht nach Frankreich für mehrere Generationen belassen!

Hoffen wir daß zum Besten des Elsaßes von Bayern und von ganz Deutschland auf solche Zerstückelung verzichtet werde; und wenn sich die Regierungen nicht auf den höhern Standpunkt der neuen deutschen Ein - heit stellen können, so appelliren wir an den Patriotismus des deutschen Reichstags, welcher nicht zugeben kann daß die Früchte der herrlichenSiege und des Aufschwungs der deutschen Nation -- Kleinstaaterei und eifersüchtige Vergrößerungspolitik seien.

Deutsches Reich.

München, 7 März. Se. Maj. der König hat den preußischen Gesandten am hiesigen königl. Hofe, Frhrn. v. Werthern, heut in längerer Audienz empfangen. -- Se. Maj. der König hat den hülfsbedürftigen Be - wohnern des Donau = Mooses (Bezirksamt Neuburg) 1000 fl. aus der königl. Cabinetscasse und 1000 fl. aus dem Gewinn = Antheil der München = Aachener Mobiliar = Feuerversicherungsgesellschaft anweisen lassen.

* Augsburg, 8 März. Heute lassen sich die bayerischen Wah - len so weit überblicken, daß eine nach Regierungsbezirken geordnete Zu - sammenstellung wenig Lücken aufweisen wird. Wir beginnen mit 1) Ober - bayern: München I v. Stauffenberg (lib. ); München II Stadtrichter Kastner (lib.); Rosenheim Pfarrer Obermayer (patr. ); Traunstein Graf Seinsheim = Grünbach (patr. ); Weilheim Brauer Kottmüller (lib. ); Wasser - burg Pfarrer Lugscheider (patr. ); Aichach Domcapitular Dr. A. Schmidt (patr. ); Jngolstadt Frhr. v. Aretin (patr. ); 2) Niederbayern: Landshut Frhr. v. Ow (patr. ); Pfarrkirchen Oekonom Stadelberger (lib.); Passau Prof. Greil (patr. ); Straubing Graf Preysing = Lichtenegg (patr. ); das Er - gebniß von Deggendorf, wahrscheinlich patriotisch, fehlt noch; 3) Ober - pfalz: Regensburg Graf Walderndorff (patr. ); Amberg Advocat Freytag (patr. ); Neumarkt Frhr. v. Reichlin = Meldegg (patr. ); Neunburg v. W. Bezirksgerichtsrath Schels (patr. ); Neustadt a. W. = N. Frhr. v. Sazenhofen (patr. ); 4) Oberfranken: Bayreuth Pfarrer Kraussold (lib.); Kronach Gutsbesitzer v. Swaine (liberal); Hof Advocat v. Schauß (lib.); Bamberg Advocat Dr. Schüttinger (patr. ); Forchheim Fürst Hohenlohe (lib. ); 5) Mittelfranken: Nürnberg Crämer von Doos (lib. ); Ansbach Advocat Dr. Völk (lib.); Dinkelsbühl Advocat Erhard (lib.); Eichstädt Bezirksgerichtsrath Herz (lib. ); Kelheim keine absolute Mehrheit zwischen Graf Max Lerchenfeld, Frhrn. v. Gumppenberg = Peuerbach und Gutsbesitzer Lottner. Engere Wahl am 16 März; Rothenburg und Erlangen - Fürth -- voraussichtlich liberal -- stehen noch aus; 6) Unterfran - ken: Würzburg Professor Gerstner (liberal); Aschaffenburg Bezirksamt - mann Hauck (patriotis) ch; Schweinfurt Regierungspräsident v. Hörmann (lib. ); Neustadt a. S. Regierungspräsident Graf Luxburg (lib.); Lohr und Kitzingen stehen noch aus. 7) Schwaben: Augsburg Bürgermeister Fischer (lib. ); Kempten Advocat Dr. Völk (lib.); Kaufbeuren Regierungspräsident v. Hörmann (lib.); Jllertissen Appellrath Behringer (lib. ); Donauwörth Appellrath Mayer (patr. ); Dillingen Regierungspräsident v. Hörmann (lib.); 8) Pfalz: Speyer Rentier Heydenreich (lib.); Landau Gutsbesitzer Jordan (lib.); Zweibrücken Appellrath Dr. K. Schmidt (lib. ); Germersheim Ad - vocat Louis (lib.); Kaiserslautern Gölsen (lib. ); Homburg Dr. Armand Buhl (lib.). Ein Blick auf dieses Verzeichniß liefert folgende Sta - tistik: Oberbayern hat 3 Liberale auf 5 Patrioten; Niederbayern 1 Libera - len auf 3 Patrioten; Oberpfalz wählte 5 Patrioten; Mittelfranken 4 Liberale, 1 Patriot, zwei Bezirke stehen noch aus; Oberfranken 4 Li - berale, 1 Patriot; Unterfranken, soviel bis jetzt bekannt, 3 Libe - rale, 1 Patriot; Schwaben 5 Liberale auf 1 Patrioten; die Pfälzer Wahlen sind ausschließlich liberal; im ganzen stehen bis zu diesem Augen - blick 17 Patrioten gegen 26 ausgesprochene Liberale; 1 Wahl ist unentschieden. Das vollständige Ergebniß wird allem Anschein nach jeder der beiden Parteien noch 2 Mandate gewähren, so daß alsdann 19 Patrioten gegen 29 Li - berale stünden. Es sind ferner eine dreifache Wahl (Schweinfurt, Dillingen und Kaufbeuren) und 1 Doppelwahl (Kempten u. Ansbach) zu verzeichnen. -- Die Karlsr. Ztg. bringt folgende vorläufige badische Wahlergebnisse, worunter zwei klerikale (Baden und Tauberbischofsheim), die andern natio - nal: Wahlkreis Konstanz: Eckhard 12,254. v. Bodmann 6410. W. = Kr. Donaueschingen: Kirsner 9187. Fürst v. Fürstenberg 3151. (Donau - eschingen fehlt noch. ) W. = Kr. Waldshut: Hebting 10,229. v. Stotzingen 6635. W. = Kr. Lörrach: v. Roggenbach 10,417. v. Gagern 3404. W. = Kr. Offenburg: Eckhard 8913. Lender 6344. W. = Kr. Baden: Renk 4494. Lindau 8890. W. = Kr. Pforzheim: Dennig 8080. Metz 1653. Faas 3937. Vogel 312. W. = Kr. Mannheim: Lamey 7956. v. Feder 4092. W. = Kr. Heidelberg: Kiefer 9008. Fischer 3716. W. = Kr. Tauberbischofsheim: Herth 8010. v. Ketteler 12,228. -- Die Main = Ztg. schreibt über die hessischen Wahlen: Jm 1. Wahlkreis Darmstadt = Großgerau siegte Hoffmann (Fortschrittsp. ) mit 6182 Stimmen gegen Hallwachs (conserv. ) mit 2833, und Klotsch (Lassalleaner) mit 255 Stimmen. Jm 2. Wahlb. Alzey = Bingen siegte Metz (Fortschrittsp. ) mit 7391 St. gegen v. Gagern (ultram. ) 1219 St. Jm 3. Wahlb. Odenwald erhielt Martin (Fortschrittsp. ) 4100, v. Gagern 2700 St. Die Wahl Martins ist wahrscheinlich. Jm 4. Wahlkreis Offenbach = Dieburg erhielt Dernburg (Fortschrittsp. ) 5700, v. Stark (conserv. ) 620, Küchler (ultram. ) 700, Wolff (Lassalleaner) 1200 St. Das Wahlergebniß aus vielen Ortschaften fehlt noch, und ist wahr - scheinlich eine Nachwahl zwischen Dernburg und Wolff nothwendig. Jm 5. Wahlkreis Friedberg = Büdingen ist der Sieg des Candidaten der Fort - schrittspartei v. Wedekind gesichert. Jm 6. Wahlkreis Worms = Heppen - heim ist Regierungsrath Pfannebecker durchgekommen. Jm 7. Wahlkreis Alsfeld = Schotten ist es bis jetzt noch unentschieden ob Professor Oncken (liberal) oder Graf Solms (freiconservativ) siegen wird. Die Wahl in1139Mainz hat folgendes Resultat ergeben: Bamberger 7298, Moufang 5623, Dumont (Volkspartei) 1485. Da die absolute Mehrheit 7254 Stimmen beträgt, so ist Bamberger gewählt.

Traunstein, 7 März. Daß im Wahlbezirke Traunstein der Graf Seinsheim = Grünbach gegen den liberalen Candidaten Salinenadmi - nistrator Hocheder gewählt wurde, ist Jhnen bereits telegraphisch mitge - theilt. Bezüglich der Stimmenzahl muß ich jedoch berichtigend nachtra - gen daß, wie die officielle letzte Revision ergab, von den im ganzen abgege - benen 15,588 Stimmen auf Hocheder nicht 3717, sondern 4696 und auf Seinsheim 10,816 statt 10,025 gefallen sind, während die übrigen Stim - men sich zersplitterten oder für ungültig erklärt wurden. Da Hocheder bei der Zollparlamentswahl im Jahr 1868 bloß 2400 Stimmen, sohin dießmal beinahe doppelt so viel erhalten hat, so läßt sich auch in unserer Gegend ein ziemlich beträchtlicher Umschlag in der Gesinnung der ober - bayerischen Gebirgsbevölkerung nicht in Abrede stellen. Hauptsächlich erhellt dieß daraus daß Hocheder in mehreren Wahlbezirken, wo ihm 1868 nicht eine einzige Stimme zufiel, dießmal die Stimmenmehrheit über den Gegencandidaten davontrug, und außerdem auch noch daraus daß ziem - lich viele auf seinen Namen lautende Wahlzettel (in Reichenhall allein 41) wegen formeller Mängel für ungültig erklärt werden mußten. An - drerseits kam dem Grafen Seinsheim auch zu gute daß der von der Frac - tion Huttler aufgestellt gewesene Candidat Graf Törring = Jettenbach recht - zeitig zurücktrat.

Berlin, 6 März. Der Staatsanzeiger veröffentlicht eine kaiser - liche Verordnung betreffend die Aufhebung der Ausfuhr = und Durchfuhr - Verbote, vom 4 März 1871: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ec., verordnen im Namen des Deutschen Reichs nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths was folgt: Einziger Artikel. Die durch die Verordnungen vom 16 Juli 1870 (Bundes = Ge - setzblatt, Seite 483), 8 August 1870 (Bundes = Gesetzblatt Seite 509) und 25 August 1870 (Bundes = Gesetzblatt Seite 511) angeordneten Verbote der Ausfuhr und Durchfuhr treten, soweit sie noch in Wirksamkeit sind, mit dem Tage der Verkündung dieser Verordnung außer Kraft. Urkundlich unter unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Hauptquartier Versailles, den 4 März 1871. (L. S.) Wilhelm. Graf v. Bismarck = Schönhausen. -- Der Kronprinz hat an das Curatorium der Albertus = Universität in Königsberg folgendes Schreiben gerichtet: Die Mir gewordene Kunde von dem am 15 d. M. zu Dole als ein Opfer edelster Pflichterfüllung erfolgten Ableben des Geheimen Medi - cinal = Raths Prof. Dr. Wagner -- für die Dauer des Krieges als General - Arzt zur Armee des Generals v. Manteuffel berufen -- hat Mich mit tiefem Schmerz erfüllt. Wie in den weitesten Kreisen der Verlust dieses durch hervorragende Leistungen und segensreiches Wirken auf dem Gebiete der operativen Chirurgie allgemein geschätzten Mannes schwer empfunden werden wird, so ist insbesondere auch die Albertus = Universität durch den Heimgang eines hochbegabten und verehrten Lehrers schmerzlich betroffen worden. Es ist Mir deßhalb Bedürfniß der Universität hiermit Meine aufrichtige Theilnahme an dem herben Verluste den sie erlitten auszuspre - chen, dessen Größe Jch nur um so mehr zu ermessen vermag, als auch Jch persönlich die ausgezeichneten Eigenschaften des Verstorbenen kennen und schätzen gelernt hatte. Hauptquartier Versailles, den 24 Februar 1871. Friedrich Wilhelm, Kronprinz.

(--) Berlin, 6 März. Die von Wien aus verbreitete Nachricht daß zwischen Deutschland und Rußland Grundzüge für eine neue Ab - machung festgestellt seien, welche eine weitere Bürgschaft für die Erhaltung unserer jüngsten Erwartungen gewähre, hält man hier nur für einen ballon d'essai. Einen reellen Werth haben auch alle Gerüchte von einer deutsch = russischen Allianz, trotz dem herzlichen Gedankenaustausch der erst jüngst zwischen dem Czaren und seinem kaiserlichen Oheim ausgewechselt wurde, schwerlich, da eine solche Bundesgenossenschaft doch eigentlich bloß auf vier Augen beruhte, und außerdem nur auf Kosten der eben erst wieder - hergestellten freundlichen Beziehungen zu Oesterreich geschaffen werden könnte. -- Der Kaiser, welcher gegen den 11 d. hier zurückerwartet wird, soll schon in Saarbrücken mit dem von der Rheinprovinz gespendeten gol - denen Lorbeerkranz erfreut werden, da er seinen Rückweg voraussichtlich nicht über Koblenz, sondern über Frankfurt und Kassel nehmen wird. Sämmtliche Transporte von Truppen und Kriegsmaterial nach Frankreich sind seit drei Tagen eingestellt. Unter den kürzlich freigelassenen Kriegs - gefangenen befindet sich auch der bisherige Uebersetzer bei der früheren hiesigen französischen Botschaft, Prof. van der Velde, der in Graudenz internirt war. -- Die Wahlen zum Reichstag sind auch in den Provinzen unter auffallend schwacher Betheiligung vor sich gegangen. Jn Königs - berg siegte der Candidat der Fortschrittspartei, Stadtverordneten = Vorsteher Dickert, über die Candidaten der Conservativen und der Radicalen. Sehr heiß war der Kampf in Waldenburg, wo Braun (Berlin), Eugen Richter und Landgraf, die Candidaten der National = Liberalen, der Fortschritts - partei und der Socialdemokraten, dem Fürsten Pleß, Candidaten der Frei - conservativen, erlagen. Jn Dortmund siegte Dr. Becker (Fortschritt) überdie katholischen Gegencandidaten, und in Duisburg der von den National - Liberalen aufgestellte Prof. Dove über die beiden ihm von den Katholiken und den Socialdemokraten entgegengestellten Candidaten Kreisrichter Grütering und Gerber Hasenclever. Letzterer, welcher den Wahlkreis in der letzten Reichstagssession vertrat, brachte es dießmal nur auf 2000 Stim - men. Auch in Elberfeld war der Wahlkampf ein sehr heißer: dort hatten sich die Conservativen zur Bekämpfung der Socialdemokraten, der Katho - liken und der Fortschrittspartei mit den National = Liberalen verbunden. Dennoch erhielt der Candidat der letzteren, der unserer Botschaft in Lon - don attachirte Legationssecretär v. Kusserow, nicht die absolute Mehrheit. Derselbe wird vielmehr mit dem Candidaten der Socialdemokraten, Dr. Schweitzer, zur engeren Wahl kommen. Die katholische Partei hat gesiegt in der Stadt Köln, im Landkreise Köln und in Bonn, wo früher die Na - tional = Liberalen dominirten; in Crefeld, wo die National = Liberalen und Socialdemokraten ein starkes Gegengewicht bildeten; in Düsseldorf, das bisher meist im fortschrittlichen Sinn wählte; in Düren = Jülich, wo der vom Kanonikus Dr. Künzer warm empfohlene Ober = Tribunalrath Weyers (nationalliberal) dem Pfarrer Decker erlag; in Neuß = Grevenbroich = Aachen, das den Kanonikus Grafen Spee dem Dompropst Holzer vorzog; Essen, Koblenz (gewählt Hr. v. Savigny), Münster und Meschede. Jn Meppen - Lingen siegte der Candidat der katholischen Partei Windthorst über den von den National = Liberalen aufgestellten Katholiken Obergerichtsrath Kerckhoff. Außerdem wurde Hr. v. Mallinckrodt in seinem bisherigen Wahl - kreise wieder gewählt. Die beiden HH. Reichensperger, die eigentlichen Führer der katholischen Partei, sind mit großer Mehrheit wieder gewählt. Man scheint in den Regierungskreisen mit einiger Besorgniß dem Ergebniß entgegen zu sehen. Wahrscheinlich wird die conservative Partei eine ziem - lich starke Einbuße erlitten haben.

# Berlin, 6 März. Die Conjecturalpolitiker konnten kaum einen fettern Bissen erhalten als die Depeschen welche der deutsche Kaiser und der Kaiser von Rußland anläßlich der Unterzeichnung der Friedenspräli - minarien unter einander ausgetauscht haben. Kaiser Wilhelm spricht von der Dankbarkeit welche Preußen dem Kaiser Alexander dafür schulde daß der Krieg durch seine Bemühungen nicht die äußersten Dimensionen ange - nommen habe, und in Wien und London wird es bald keinen Politikaster mehr geben der hinter dieser Versicherung nicht den Popanz der preußisch - russischen Allianz leibhaftig hätte hervorgucken sehen. Einzelne Blätter erinnern auch schon an die vorjährige Zusammenkunft in Ems, wo Wil - helm und Alexander, Bismarck und Gortschakoff -- der im vergangenen Sommer gar nie in Ems gewesen -- alles ins reine gebracht, Rußland zum Wächter der preußischen Rücken = und Flankenstellung während des Kriegs bestellt, und dafür dem russischen Cabinet in seiner Orientpolitik die unbedingte Unterstützung Deutschlands zugesagt hätten. Nun sollte allerdings schon ein Blick auf die neue deutsche Bundesacte daran erin - nern daß die Einschränkungen die dem Oberhaupte des deutschen Reichs hinsichtlich der auswärtigen Politik in jener Acte auferlegt werden, eine willkürliche Cabinets = oder eine persönliche Politik in Deutschland unmög - lich machen; ferner sollte die besondere Fassung der Depesche des Kaisers Wilhelm, in welcher nur von der Person des Kaisers Alexander und nur von Preußen, nicht von Deutschland die Rede ist, zu der Vermuthung führen daß man es hier bloß mit einer persönlichen Kundgebung zu thun habe; aber solche Argumente verfangen nicht überall, und darum soll noch besonders darauf aufmerksam gemacht werden daß gegenüber den in neue - rer Zeit immer häufiger auftauchenden Behauptungen: Rußland werde demnächst vereint mit Frankreich das deutsche Volk um den Preis seiner Siege zu bringen suchen, eine schlagendere Erwiederung kaum ertheilt wer - den konnte als die von so hoher Stelle ausgegangene Versicherung daß na - mentlich Rußland es gewesen sei welchem Deutschland, und in weiterer Folge Europa, die Localisirung des gegenwärtig glücklich beendeten Kriegs zu danken habe. Das Geschwätz von der durch Thiers angebahnten russisch - französischen Entente wird nunmehr verstummen müssen, wozu sich das nach allgemeinem Frieden sich sehnende Europa nur glückwünschen kann. Hier hat denn auch die Veröffentlichung des Depeschenwechsels zwischen den Kaisern Wilhelm und Alexander nicht die geringste Beunruhigung oder Besorgniß vor zukünftigen Verwicklungen, in welche Preußen aus Dank - barkeit für Rußland hineingerathen könnte, hervorgerufen. Man denkt hier im allgemeinen über das Verhältniß zwischen Deutschland und Ruß - land bei weitem nüchterner als man sich dieß anderswo einbilden mag, und hat sich deßhalb nicht einmal veranlaßt gesehen genauer zu erforschen von welcher Seite wohl die äußersten Dimensionen gedroht haben mögen die durch Rußlands freundschaftliche Bemühungen hintangehalten wurden. Vor vier Monaten hätte man dieß freilich noch ganz unbedenklich auf Oesterreich gedeutet; seitdem hat man aber auch von dem Uebelwollen Englands und Jtaliens so schlagende Beweise erhalten, daß man der Meinung ist: ein bißchen Einschüchterung sei bei diesen mindestens ebenso nothwendig ge -1140wesen als bei Oesterreich, und die Hinweisung auf die äußersten Dimen - sionen könne sich eben nur auf die allgemeinen und selbst in Rußland kei - neswegs seltenen Sympathien für Frankreich beziehen, denen durch die entgegengesetzte Strömung der russischen Regierungspolitik ein wirksamer Zügel angelegt worden sei.

sym3 Bremen, 2 März. Jn Wilhelmshafen an der Jade ist dieser Tage die Augusta angekommen, welche unter ihrem kühnen Führer Capitän Weikhmann den Franzosen im Angesicht ihrer Strommündungen und Leuchtfeuer verhältnißmäßig so vielen Abbruch gethan hat. Es ist den auf die Jagd nach ihr ausgesandten französischen Kreuzern also nicht gelungen sie zu überholen. Von ihren Prisen dagegen (nicht Kauffahrtei =, sondern Transportschiffen des Staats) sind zwei verunglückt, muthmaßlich zum Theil in Folge der geringen nautischen Erfahrung der jungen Seecadetten, deren Führung man sie nothgedrungen übergeben mußte. Ein kurzer Dienst auf einem Segelschiffe könnte, wie dieser Fall belegen würde, keinem Marine = Cadetten schaden. -- Die Bürgerschaft erledigte gestern nach drei vollen Sitzungen den schon erwähnten Ausschußbericht über das städtische Armeninstitut, indem sie alle gestellten Anträge, ohne sich principiell für den einen oder andern zu entscheiden, der niederzusetzenden Senats = und Bürgerschafts = Deputation zur Benutzung bei der von ihr erwarteten Re - formvorlage überwies. Der Streit der beiden letzten Sitzungen drehte sich überwiegend um die Organisation, und zwar hauptsächlich um die Frage: ob, wie bisher, 40 kirchliche Diakonen die unmittelbare praktische Armen - pflege wahrnehmen sollen, oder entweder neben ihnen oder statt ihrer eine größere oder geringere Anzahl frei gewählter Armenpfleger. Die Diakonen gehen allerdings aus den protestantischen Kirchengemeinden hervor, ihre armenpflegerische Thätigkeit hat aber darum keineswegs kirchlichen Charak - ter; hingegen ergänzen sie sich alterthümlicherweise selbst, und so kommt es daß sie ganz vorwiegend dem jüngeren Kaufmanns = und Juristenstand an - gehören. Daß aus dieser Gruppe nicht gerade die tauglichsten Armen - pfleger zu gewinnen sind, muß natürlich jeder zugeben. Aber die Diakonen vertheidigen ihre Position nichts destoweniger mit Zähigkeit. Andererseits hätte die Mehrheit der Bürgerschaft sich jedoch schwerlich enthalten ihnen den bisher monopolisirten Betrieb der Armenpflege grundsätzlich abzuer - kennen, und sich gleichzeitig nach Elberfelds mustergültigem Vorgang für eine Vermehrung der Zahl der Armenpfleger auszusprechen, wenn nicht die noch fortdauernden letzten Spannungen des Krieges verhindert hätten daß sich der wichtigen Reform ein tieferes öffentliches Jnteresse zuwende. Dem - gemäß wurde denn auch über den dritten wichtigen Bestandtheil des Aus - schußberichts, die Herstellung einer einheitlichen Aufsicht über alle örtlichen Wohlthätigkeitsanstalten, sehr eiligen Fußes hinweggegangen, so daß man eigentlich nur Gelegenheit hatte das Vorhandensein eines bornirt conser - vativen Widerstands gegen diese nothwendigste und heilsamste aller Refor - men zu constatiren.

Oesterreichisch = ungarische Monarchie.

sym13 Wien, 7 März. Was -- meist auf Grund der zwischen den Kaisern Wilhelm und Alexander gewechselten Telegramme -- von be - stimmten Abmachungen der Cabinete von Berlin und St. Petersburg über gewisse Fragen hat verlauten wollen, scheint einer wesentlichen Beschrän - kung zu bedürfen. Es dürfte richtig sein daß man sich namentlich in Ems* )Man vergleiche hiezu die Depesche des Grafen Beust an Apponyi in London vom 27 Juni 1870, Rothbuch IV Nro. 6, welche von der polnischen Frage handelt. D. R. über gewisse allgemeine Gesichtspunkte verständigt hat, daß man sich bei dieser oder jener Frage in derselben principiellen Auffassung begegnet ist; aber es dürfte in gleichem Maße feststehen daß von irgendeiner gemein - samen Action zum Zweck der Geltendmachung dieser Auffassung nicht die Rede gewesen, und daß noch weniger bindende Vereinbarungen über den speciellen Jnhalt einer solchen Action getroffen worden. -- Uebermorgen wird die Kaiserin aus Meran zurück in Wien erwartet. -- Gestern haben vor dem Schwurgericht die Verhandlungen eines Scandal = Preßprocesses begonnen, der sich allerdings formell nur zwischen zwei finanziellen Fach - blättern abspielt, wesentlich aber um die gegen den Grafen Beust geschleu - derte Anklage dreht: für die Cotirung der Türken = Loose an der Wiener Börse zu gewinnsüchtigen Zwecken thätig gewesen zu sein.

# Graz, 6 März. Ein Gerücht das sich heute hier verbreitete brachte die Bevölkerung in die größte Aufregung. Bekanntlich wird eine solenne Sieges = und Friedensfeier vorbereitet, welche bestimmt ist den deutschen Gefühlen der Bevölkerung von Graz Ausdruck zu geben. Ein Volksfest sollte in einem öffentlichen Local der Stadt abgehalten, eine Beleuchtung der die Stadt umgebenden Bergeshöhen und ein großartiger Fackelzug in den Straßen der Stadt selbst veranstaltet werden. Das ganze Fest soll nun von der Statthalterei in Folge eines vom Ministerium herab - gelangten Auftrags verboten worden sein. Morgen sollte auf der Uni - versität eine Studentenversammlung definitiv beschließen an dem Festdurch Veranstaltung eines Fackelzugs theilzunehmen; heute aber wies der Statthalter den Rector der Universität an die Abhaltung dieser Versamm - lung nicht zu gestatten -- und der Rector handelte nach dieser Weisung. An den Bürgermeister von Graz richtete der Statthalter eine Zuschrift, worin er jenen auffordert ihm einen Bericht darüber zu erstatten was es denn eigentlich mit der beabsichtigten Friedensfeier an sich habe, und worin er des weitern betont daß die Abhaltung einer solchen Feier durch - aus nicht zulässig erscheine, da sie im Widerspruch stehe mit der öster - reichischen Neutralität, Gegendemonstrationen hervorrufe, und nur Anlaß zu Reibungen gebe.

B. Pest, 4 März. Die Depeschen welche bei Gelegenheit des Ab - schlusses der Friedenspräliminarien zwischen Versailles und St. Petersburg gewechselt wurden, haben eine Art von politischer Panik in den beiden Reichshälften hervorgerufen. Die Wiener Blätter bringen Depeschen die von der sichtlichen Bestürzung der Pester Kreise erzählen, und in unsern Blättern lesen wir Wiener Berichte die zu melden wissen daß man in den politischen Kreisen Wiens von dem telegraphischen Gefühlsaustausch nicht minder unangenehm berührt worden sei. Seit der Depesche des Grafen Bismarck vom 14 Dec. hatte man sich bei uns mehr oder minder berech - tigten Erwartungen hingegeben mit Bezug auf die zukünftige Haltung des deutschen Kaiserstaates gegenüber Rußland; und man hatte gehofft daß Oesterreich im Orient, wo es jeden Augenblick mit Rußland in Widerstreit kommen kann, an Deutschland einen sicheren Verbündeten finden werde; man hat auch diesen Hoffnungen in Parlamentsreden und in Zeitungsartikeln Ausdruck gegeben, und eine zierliche diplomatische Note im Hinblick dar - auf abgesendet. Umsomehr wurde man daher durch die beiden Depeschen in Erstaunen gesetzt, und durch den offenkundig geführten Beweis daß eine nordische Allianz bestehe, und diese auch insolange bestehen werde als die beiden Kaiser regieren, einigermaßen außer Fassung gebracht. Hiezu ge - sellt sich noch der Umstand daß der eine Ausweg welcher sich dem unbefan - genen Beobachter darbietet, d. h. eine eventuelle Annäherung Oester - reichs an beide Mächte, von den liberalen Kreisen hier wie drüben verab - scheut wird. -- Wenn übrigens ein solches Wiederaufleben der Heiligen Allianz keine weiteren Folgen haben würde als eine Verkürzung der Reichstagsdebatten, so hätten wir nichts gegen dasselbe einzuwenden. Die Verhandlungen über das Budget nehmen gar kein Ende, und was ebenso schlimm ist: dieselben bleiben ganz ohne greifbares Resultat, wenn sich die Redner, wie jüngst bei der Behandlung des Budgets des Communications - ministeriums, entweder ganz in Allgemeinheiten bewegen, oder so tief in die Details hinabsteigen daß sie eine Reihe von Frachtbriefen zur Ver - lesung bringen und über verzögerte Absendung von Waaren Klage führen vor dem Parlament. Eine Ausnahme machte nur die Rede des Abgeordneten Dr. Falk, Redacteurs des P. Lloyd, der freilich nur alles was er seit vier Jahren in seinem Blatte geschrieben zusammenzufassen brauchte, um eine treffliche Schilderung des Verkehrswesens mit allen seinen Gebrechen und Mängeln zu liefern. Schließlich wurde der allgemeine Antrag des Abg. Wahrmann, in welchem die Wünsche des Landes und die künftigen Aufgaben des Communicationsministers bezeichnet sind, ange - nommen -- ein Antrag mit dem sich auch der vom besten Willen beseelte Minister Gorove vollkommen einverstanden erklärte.

Großbritannien.

London, 6 März.

Das allerchristlichste England hat sein Geld für die an Frankreich verkauften Jnstrumente zu diesem verabscheuungswürdigen Krieg einge - strichen, und findet es daher jetzt äußerst unbillig daß Deutschland sich auch finanziell zu entschädigen sucht. Noch am unbefangensten urtheilt die Saturday Review, wenn sie u. a. sagt: Wenn wir unsere Ansicht über die Friedensbedingungen als Unbetheiligte abgeben, welche einen Streifen See von 20 Meilen als Schutzwehr besitzen, sehr wenig Gefahr von Frank - reich her zu befürchten haben, und daher ohne große Sorge für unsere Zukunft an die höchsten Jnteressen der Menschheit denken dürfen, so können wir nur wünschen die Deutschen hätten eine in der Geschichte ohne Beispiel dastehende Großmuth geübt, und sich entschlossen -- vielleicht Straßburg ausgenommen -- kein französisches Gebiet an sich zu nehmen, um es dann auf die Folgen ankommen zu lassen. Sie würden allerdings auch dann nicht, wie uns scheint, viel Aussicht gehabt haben Feindseligkeit durch Großmuth zu entwaffnen. Die Franzosen würden, wenn wir nach der ganzen französischen Geschichte bis ins letzte Jahr hinein urtheilen dürfen, so bald wieder gegen sie zu Felde gezogen sein als sie geglaubt hätten dieß mit Aussicht auf Erfolg thun zu können. Deutschland würde für seine Großmuth gelitten haben; allein eine Großmuth welche Gefahren mit in Anschlag bringt ist die höchste und edelste Tugend bei Völkern. Die Welt würde eine bessere Welt gewesen sein wenn Deutschland im Vertrauen auf seine Stärke es verschmäht hätte neue Sicherheiten für seine Ruhe zu neh - men. Die Deutschen indessen, in ihrem Abscheu vor den Schrecknissen des Krieges und in ihrer Gereiztheit wegen der steten Unruhe und Angriffslust der Franzosen, konnten sich nicht dazu bringen ein so großes Opfer zu leisten1141Wie die Dinge heute liegen, schnaubt jeder Franzose nach Rache; indessen, bei allen Drohungen und allem Gerede, wird es sich doch herausstellen daß Frankreich sich zweimal besinnen dürfte ehe es einen neuen Kampf unter so viel ungünstigeren Verhältnissen veranlaßt. Jn demselben Geist in welchem die Deutschen auf dem Besitze von Metz bestanden, haben sie auch die höchste Kriegsentschädigung gefordert welche Frankreich überhaupt aufzubringen im Stande war. Die Bedingungen sowohl in Beziehung auf Gebietsab - tretung als auf Kriegsentschädigung sind erbarmungslos. Es kam dabei nur eine Frage in Betracht, nämlich was der letzte Heller sei den man Frankreich auspressen könnte. Die Deutschen lieben natürlich das Geld um seiner selbst willen, und keine Nation auf der Erde ist besser geeignet ein derartiges Geschenk des Zufalles von 200,000,000 Pf. St. auszunutzen, allein der leitende Hauptgedanke bei Forderung dieser Summe war, wie wir anzunehmen geneigt sind, nicht die Jdee einen solchen Preis in die Tasche zu stecken, sondern eine weitere Garantie des Friedens darin zu finden. Eine sehr schwer besteuerte Nation schreckt vor dem Gedanken an Krieg zurück, und Frankreich wird während der nächsten 25 Jahre im Verhält - niß zu seinen Hülfsquellen und seiner Bevölkerung sehr schwer besteuert sein. Mit der Zeit wird Friede und Gewerbfleiß die Bürde der erhöhten Besteuerung für Frankreich ebenso leicht machen, als es die bestehende Schuld vor einem Jahr war. Jndessen das muß nothwendig Zeit erfordern, und mittlerweile wird Frankreich bei Gefahr des nationalen Bankerottes gehalten sein Deutschland gegenüber ruhig zu bleiben, während Deutschland mit den erhaltenen 200 Millionen seine Verluste wieder einbringen und, bereichert durch die Jndustrie und den Handel des Elsaßes darauf zählen kann in dem Wettkampf an der Spitze zu bleiben und einen künftigen Krieg mit einem gesünderen Finanzsystem und festeren Credit zu beginnen als Frank - reich hoffen darf.

Die Haltung der Pariser in den letzten Tagen ist nicht gerade geeignet die hier von vielen gehegten Sympathien für die Ueberwundenen zu stär - ken, vielmehr wecken die zahlreichen sehr ausführlichen Berichte über wüste Excesse, leere Drohungen und leichtsinniges Vergessen der mißlichen Zeit - verhältnisse bereits vielfach Gefühle der Verachtung, zu denen eine un - unterbrochene Reihe von Niederlagen ohnehin die Gemüther angelegt hatte. Ein Berichterstatter des Daily Telegraph schildert unter anderm den Abend des Tages an welchem die Preußen die Hauptstadt räumten in folgender Weise: Es war eine prächtige Nacht. Heller Mondschein, verbunden mit der Gasbeleuchtung, die zum erstenmal seit Monaten den Parisern wieder strahlte, hatte eine große Menschenmenge hervorgelockt. Die Trottoirs waren von einer dichten Masse belebt, und Zeitungen fan - den reichlichen Absatz, hauptsächlich um der Notirungen der Renten willen und wegen der Anzeigen über die am nächsten Tag angekündigten Theater - vorstellungen. Jedermann plauderte, lachte und befand sich anscheinend in der angenehmsten Stimmung, aber kein Wort war von Krieg und Frie - den und den schweren Bedingungen für den letzteren zu hören, noch waren die gefährlichen Straßenpolitiker, welche sonst an allen Ecken kleine Parla - mente um sich versammeln, zu sehen. Sänger krächzten, Bettler machten Angriffe auf die Menge, und an den Ecken stand die Reserve von Krüppeln bereit. Liniensoldaten stolzirten in voller Uniform mit ihrem besten Me - daillenschmuck, aber ohne Waffen, in der Mitte der Straße umher; National - gardisten machten sich in angelegentlicher Unterhaltung auf dem Trottoir mit ihren Säbeln breit. Jn den Cafés war kein Eindringen möglich, und Reihen von Stühlen streckten sich vor denselben bis an dem fünften oder sechsten Hause rechts und links entlang aus. Alle Läden welche Luxus - gegenstände feilbieten standen offen, und wir giengen zu Le Filleul auf dem Boulevard des Jtaliens um für einen Freund einen Blumenstrauß zu erstehen. Madame Filleul hat keine schlechte Saison gehabt, sie hat für eine todte Saison ein recht erträgliches Geschäft in Todtenkränzen und dergleichen gemacht, und ich muß sagen sie sah durchaus nicht niedergeschla - gen aus wegen des Verlustes von Elsaß und Lothringen. Man speiste, man trank, man rauchte, man spielte Domino und Karten, Kinder sangen wie sonst anstößige Lieder, und Damen von jener Classe die in letzter Zeit unsichtbar geworden war, giengen keck in voller Gesellschaftstoilette hin um in Nr. 16 des Caf é Anglais ihr Souper zu nehmen. Dabei drängten sich betrunkene Mobile und Börsenspeculanten in Menge umher, kurz, kein Jahrmarkt konnte lärmender, kein zu Scherz und Lustbarkeit versammelter Volkshaufe sorgloser sein. Und mitten in diesem Gewühl traf ich einen Freund aus dem Elsaß, einen Mann der nicht gerade weinerlicher Natur ist, aber die hellen Thränen liefen ihm die Wangen hinab, als er sprach: Sie sind geschlagen, beraubt und mißhandelt worden; sie haben Frankreich zu Grunde gerichtet, seine besten Provinzen eingebüßt und mich der Ver - bannung überliefert, und jetzt freut sich diese Canaille der eigenen Er - niedrigung. So war es in der That. So trug das große Pariser Volk, über dessen bewunderungswerthe Haltung so viel Aufhebens gemacht wird, seine bittere Demüthigung. Jch habe selten eine lustigere Nacht auf den Boulevards gesehen.

Jn Betreff der Abreise des diesseitigen Botschafters von Paris vor der Belagerung hat sich die Regierung veranlaßt gesehen verschiedene De - peschen zu veröffentlichen, die augenscheinlich bestimmt sind den Lärm im Parlament über diese Angelegenheit zu beschwichtigen. Es handelt sich hauptsächlich darum daß die Engländer in Paris vom 8 Decbr. bis gegen Ende Januars ohne irgend welchen Vertreter waren. Neues Licht enthal - ten die Schriftstücke über diesen Punkt in keiner Beziehung, und bemer -kenswerth ist allenfalls nur daß sich unter denselben eine Art Vertheidi - gungsschrift befindet, welche von Lord Lyons mit Beziehung auf die be - treffenden Jnterpellationen im Parlament an Lord Granville gerichtet, aber vom Absender und Adressaten augenscheinlich für die Veröffentlichung bestimmt wurde. Ein längeres Eingesandt von einem Correspondenten der Daily News (jedenfalls niemand anders als Hr. Labouchère) wieder - holt übrigens heute dieselben Klagen.

Mehrere Londoner Blätter bringen eine anscheinend von Chiselhurst herrührende Mittheilung folgenden Jnhalts: Vorbereitungen wurden am verwichenen Sonnabend in Chiselhurst für die unverzüglich zu erwar - tende Ankunft des Ex = Kaisers Napoleon gemacht. Trotz der Gerüchte von einem angeblichen Gutskaufe des Kaisers in Böhmen für den Ex = Kaiser wird in Chiselhurst mit Bestimmtheit behauptet: er werde sich in einigen Tagen in Camden House bei der Kaiserin einfinden (wenn er es nicht be - reits gethan hat) und vorderhand wenigstens seinen Aufenthalt in Eng - land nehmen. Die Kaiserin und der kaiserliche Prinz machen häufig ohne irgendwelche Begleitung Spaziergänge, und erregen bei dem Landvolke schon kaum mehr Aufmerksamkeit. Prinz Arthur reitet gelegentlich von Woolwich hinüber um den hohen Verbannten seinen Besuch zu machen. Was die Politik und die Absichten der französischen Jmperialisten anbe - trifft, so hört der Observer aus zuverlässiger Quelle folgende Angaben: Der Kaiser wird nicht von der Richtschnur abweichen die er seit dem 4 Sept. stets befolgt hat. Er wird nicht seine verfassungsmäßigen Rechte durch eine Appellation an das Volk geltend machen, weil er zur gegenwär - tigen Zeit keinen politischen Conflict hervorrufen will. Der Kaiser hält sich zur Verfügung der französischen Nation, und wenn dieselbe ihn ruft, so wird er den Willen des Volkes erfüllen. Se. Majestät rechnet mit Be - stimmtheit darauf in der Zukunft eine billige Beurtheilung zu erfahren. Der Kaiser läugnet seine Verantwortlichkeit nicht, allein er erklärt daß dieselbe von der Nation getheilt wurde, und daß der Krieg gegen Preußen seinen Ursprung in den heftigen preußenfeindlichen Ausfällen der Feinde des Kaiserreichs hatte. Die Berichte von kaiserlichen Jntriguen sind unwahr. Weit entfernt zu dergleichen seine Hand zu leihen, ist der Kaiser vielmehr gegen alle Demonstrationen jeder Art. Se. Majestät wird ohne Unge - guld und ohne Zweifel die Entscheidung des französischen Volkes bezüglich des Kaiserreichs und seiner Dynastie erwarten, allein er wird keine Schritte thun um diese Entscheidung zu beeinflussen.

Das Tagebuch eines Belagerten in Paris ist nunmehr in Buchform veröffentlicht unter dem Titel: Diary of the Besieged Resident in Paris. London. Hurst and Blackett. Der Verfasser, Hr. Henry Labouchère, früher Parlamentsmitglied für Middlesex, tritt nicht aus seinem Jncognito hervor.

Frankreich.

Aus Paris, 1 März, wird der Daily News geschrieben: Ange - sichts der beunruhigenden Haltung eines Theils der Bevölkerung haben die Behörden in aller Stille mit der militärischen Besetzung gewisser Stadt - viertel begonnen. Eines derselben ist die Umgebung von Montmartre, wo die Unzufriedenen sich stark verschanzt haben. Dieselben besitzen eine Batterie von 27 Geschützen, welche sie oben auf dem Montmartre aufge - stellt und durch Schildwachen besetzt haben. Das aufrührerische Element besteht aus den Ultrarepublicanern, welche stets den Krieg bis zum äußer - sten gewollt haben, von Anfang an gegen die Regierung der nationalen Vertheidigung waren, und auch gegen jede andere Regierung sein werden, welche auch immer folgen möge. Der Chef der Executive ist sehr unpo - pulär, und die Stimmung ist derart daß zu jeder Zeit ein Funken zu einer Explosion führen kann. Die Ernennung des Generals Aurelles de Pala - dine zum Befehlshaber der Nationalgarden wird heut amtlich angezeigt. Er wird sein Reorganisationswerk sofort beginnen. Auch wird angezeigt daß die Nationalgarden fernerhin unter directe Controle des Kriegsmini - steriums, anstatt, wie bisher, des Ministeriums für innere Angelegenheiten, gestellt werden. -- Und dem Daily Telegraph ist über die Unruhen vom 4 zu entnehmen: Die Ruhestörer beabsichtigten gestern einen Angriff auf das Gefängniß von Ste. Pélagie, aber ihre Zahl war nicht ausreichend, und sie drohten im Laufe der Nacht zurückzukehren. Die Truppen welche das Gefängniß bewachten, erklärten dasselbe mit Entschlossenheit verthei - digen zu wollen, und die bewaffneten Nationalgarden zogen sich nach der Station in der Rue Montrouge zurück, welche sie im Laufe des Tags ge - nommen hatten. Jn einer von Deputirten verschiedener Bataillone Na - tionalgarden besuchten Versammlung wurde beschlossen: für den Fall daß die Nationalversammlung fortfahre ihre Sitzungen in Bordeaux oder an einem andern Ort als in Paris zu halten, eine Republik der Seine zu proclami - ren; wenn es der orleanistischen und monarchischen Partei in der Natio - nalversammlung gelingen sollte einen König auf den Thron von Frank - reich zu setzen, dann werde Paris die Wahl für ungültig erklären und eine Republik der Seine bilden. Unter dem nach Paris zugetriebenen Horn - vieh ist die Rinderpest ausgebrochen. Mehr als hundert Stück mußten getödtet werden. Eine Division der Loire = Armee wird binnen wenigen Tagen erwartet.

Ueber die beim Einzug in Paris in der Nähe des Triumphbogens vorgefallenen Ruhestörungen wird der Wes. Ztg. aus Paris vom 1 März geschrieben: Am Triumphbogen hatte eine halbe Compagnie des 38. Regiments Aufstellung genommen; der Pöbel von Paris hatte sich mittlerweile dort in einer Anzahl von einigen tausend Personen an -1142gesammelt, und hörte nicht auf unsere Truppen mit Pfeifen, Zischen und den gemeinsten Ausdrücken zu überhäufen. Blousenmänner, Jungen und Mädchen stellten sich vor der halben Compagnie des 38. Regiments auf, ein wüstes Durcheinanderschreien der zusammengelaufenen Bande entstand, aus welchen ich die Worte: Vous êtes les compatriotes de Badinguet, de Bazaine et de Trochu deutlich vernehmen konnte; ein Gamin zeigte einem Unterofficier mit einem gewissen Stolz sein Brod mit der Frage: Prussien, as-tu faim? Das Lärmen der Menge nahm immer größere Dimensionen an; einige anständigere Pariser Bürger kamen hinzu, und baten unsere Truppen die Straße von dem Gesindel zu räumen, da sonst leicht Excesse entstehen könnten. Ueber jeden Vorgang machte sich die Bande lustig; ein Soldat welcher stolperte erhielt sein Bravo, indem man rief: Eh bien, il est tombé! Nachdem unsere Truppen sich mit einer bewunderungswürdigen Langmuth den Neckereien der Gamins gegenüber eine Zeitlang ruhig verhalten hatten, riß den Officieren endlich die Ge - duld, welche die Ordre gaben mit gefällten Bajonnetten die Menge aus - einanderzutreiben. Wie mit einem Zauberschlag war die Straße gefegt; die großmäuligen Gamins liefen eiligst davon, und versuchten nur noch aus der Ferne einige kleine unbedeutende Demonstrationen zu ver - anlassen. Wir konnten uns nun mit Muße den Triumphbogen an - sehen, dessen Büsten mit einem Bretterverschlage umgeben sind, als mein Gefährte in die Hände des Pöbels gerieth, und unter dem Ruf: à la lanterne! fortgeschleppt wurde. Jch rief schnell um Hülfe, und im Nu stürmte die Mannschaft des 38. Jnfanterie = Regiments der Menge nach und befreite den Herrn aus den Händen des Pöbelhaufens; wir dankten dem betreffenden Unterofficier für seine rasche Hülfe, und sollten in seiner Person den Docenten der Geschichte an der Universität Breslau, Dr. Lindner, kennen lernen. Die Herren Officiere waren so freundlich uns unter ihren Schutz zu nehmen, und uns zu gestatten inmitten ihrer Com - pagnie Aufstellung zu nehmen. Nach und nach ließen sich auf den Champs Elysées einige Officiere erblicken; als Graf Henckel v. Donnersmarck mit seinem Groom erschien, wurde der Ruf Voilà le comte de Silésie aus der Menge laut; ein bayerischer General wurde für den Reichskanzler ge - halten, und alles brüllte: Voilà Bismarck!

Nach dem Abzuge der Deutschen aus Paris wurde folgende Bekannt - machung an den Mauern von Paris angeschlagen: Die deutsche Armee räumte heute Morgens um 11 Uhr die Stadtviertel in welche sie eingedrun - gen war. Während ihres Aufenthaltes war die Haltung von Paris über alles Lob erhaben; überall wurden die öffentlichen Orte, die Läden aus freien Stücken geschlossen. Linien = und Nationalgarden = Abtheilungen bildeten zwischen den deutschen Truppen und der Bevölkerung provisorische Gränzen, denen sie Achtung verschafften. Die sich selbst überlassenen Occupationstruppen haben begreifen können daß, wenn das Recht zuweilen durch die Gewalt zu Grunde geht, es nicht so leicht ist die Geister zu bän - digen, und daß die Kriegstortur nicht allein die Welt beherrscht. Wir zollen den Bewohnern der Arrondissements welche die Anwesenheit der Fremden ertragen haben ein verdientes Lob; sie haben ihre Mitbürger zurückgekauft, die Stadt vor namenlosem Unglück bewahrt und Frankreich Belfort gerettet. Die Gemeinderäthe des 8., 16. und 17. Arrondissements haben ihre Pflicht mit ebenso viel Eifer als Selbstverläugnung erfüllt, Paris wird niemals genug Achtung für diese ergebenen Magistratsper - sonen haben, die es in allen Stunden der Gefahr und des Schmerzes neben sich findet. Die Regierung der Republik dankt ihnen, sie wird im - mer auf sie zählen, um zu machen daß Paris eine der ersten Städte der Welt bleibt.

Der Kaiser und der Kronprinz waren nicht in Paris. Dagegen waren die Prinzen Karl, Albrecht und Adalbert, der Großherzog von Sachsen - Weimar und Graf Bismarck in der Stadt.

Eine Proclamation welche der Minister des Jnnern am 2 erlassen hat lautet: Die bedauernswerthen Thatsachen haben sich seit einigen Tagen ereignet und bedrohen ernstlich den Frieden der Stadt. National - garden in Waffen, welche nicht ihren regelmäßigen Führern, sondern einem anonymen Comit é gehorchen, welches ihnen keinen Befehl geben kann ohne ein von den Gesetzen streng bestraftes Verbrechen zu begehen, haben sich einer großen Anzahl von Waffen und Munition unter dem Vorwande bemächtigt sie dem Feinde zu entziehen, dessen Einfall sie zu befürchten vorgaben. Es scheint denn doch daß solche Handlungen nach dem Rück - zug der preußischen Armee hätten aufhören müssen. Dem war aber nicht so. Heute Abend ward der Posten der Gobelins gestürmt, und wurden die Patro - nen geplündert. Die welche diese Unordnungen hervorriefen, nehmen eine schwere Verantwortlichkeit auf sich; es ist im Augenblick wo die Stadt Paris, von der Berührung der Fremden befreit, ihre Gewohnheiten der Ruhe und Arbeit wieder aufnehmen will daß sie Unruhe und den Bürger - krieg hervorrufen. Die Regierung erläßt einen Aufruf an die guten Bürger, um diese schuldvollen Kundgebungen in ihrem Keime zu ersticken. Mögen alle die welchen die Ehre und der Friede der Stadt am Herzen liegt, möge die Nationalgarde, diese persiden Aufhetzereien zurückweisend, sich um ihre Chefs schaaren, und Unglücksfällen zuvorkommen deren Folgen unberechenbar sein würden. Die Regierung und der Obergeneral sind ent - schlossen ihre Pflicht energisch zu erfüllen; sie werden die Gesetze ausfüh - ren; sie rechnen auf die Vaterlandsliebe und die Aufopferung aller Be - wohner der Hauptstadt.

Das sogenannte republicanische Central = Comit é der Nationalgarde faßte am 2 März folgenden Beschluß: Jeder Officier der Nationalgarde schuldet den Befehlen des republicanischen Central = Comit é's unbedingten Gehorsam. Falls jemand gegen dieses höchste Gesetz handelt, wird er ab - gesetzt werden. Wenn Widerspruch zwischen den Befehlen des Platzes und denen des Comit é's besteht, so werden die ersteren als null und nichtig be - trachtet, und Maßregeln ergriffen werden um die Action des Generalstabes zu paralysiren.

Der Times = Correspondent in Versailles meldet daß der Mont Va - l érien und die Südforts am 7 März und Rouen am 12 geräumt werden sollen. Der französische General de Valden und der Jntendant = General Wolff sind zu Versailles, um mit dem deutschen Stabe die Bewegungen der französischen Truppen anzuordnen, so daß bei dem Vormarsche derselben und auf dem Rückmarsche der Deutschen von Paris kein Zusammenstoß entstehe. Der erste Abmarsch der Mobilgarde aus Paris sollte am 6 früh Morgens stattfinden. Diejenigen deren Heimath nicht über drei Tage - märsche entfernt ist werden zu Fuß heimkehren. Die Linientruppen in Paris werden durch 40,000 Mann ausgewählter Soldaten aus den ver - schiedenen Armeecorps in den Provinzen ersetzt werden.

Wohl noch nie hat ein Abgeordneter eine gleich große Anzahl von Stimmen auf sich vereinigt wie Thiers: er erhielt 1,720,296 Stimmen. Gewählt wurde er in folgenden 26 Departements: Basses = Alpes, Aube, Bouches du Rhône, Charente = Jnférieure, Cher, Dordogne, Doubs, Drôme, Finistère, Gard, Gironde, Hérault, Jlle et Vilaine, Landes, Loir = et = Cher, Loire, Loiret, Lot = et = Garonne, Nord, Orne, Pas = de = Calais, Saône = et = Loire, Seine, Seine Jnférieure, Seine = et = Oise, Vienne. Gambetta dürfte jetzt wohl der Versammlung den Rücken kehren, denn da er für Straßburg angenommen hatte und dieses in der Versammlung nicht mehr vertreten sein kann, dürfte er bald aus der Nationalversammlung ausscheiden.

Jn Lyon ward die Nachricht von der Unterzeichnung der Friedens - präliminarien ziemlich ruhig aufgenommen. Auf der Place de la Comédie, wo die officiellen Telegramme angeschlagen waren, hatten sich einige Grup - pen gesammelt, und verhandelten über die Art und Weise wie man der Lage die Stirn bieten müsse; aber die Reden waren meist kalt, und erreg - ten nur mäßigen Beifall. Die Regierung war auf alles gefaßt, die ganze Garnison war in den Casernen consignirt, alle Mobilen waren aus der Stadt entfernt worden. -- Am 7 März wird endlich, nach mehrfacher Vertagung, die Verhandlung gegen die Mörder des Commandanten Ar - naud vor dem Kriegsgericht vor sich gehen. Der Gerichtshof wird präsidirt durch den Genie = Obersten Leleux, für die Angeklagten werden nicht weni - ger als 17 Vertheidiger auftreten.

* Bordeaux, 3 März. Nationalversammlung. Bei Eröffnung der Sitzung, welcher Hr. Grévy präsidirte, erklärt ein Mitglied der Rechten zu Protokoll daß es sich dem Votum über Abschaffung des Kaiserreichs anschließe. Kabl é (Adjunct von Straßburg) widmet dem Patriotismus des Hrn Küß, Maire von Straßburg, der so eben seinem Schmerz über die Annexion des Elsaßes erlegen sei, einige Worte; er sei einer der würdig - sten und patriotischesten Bürger des Elsaßes gewesen, und die Versamm - lung werde ihre Trauer über einen solchen Verlust aussprechen. Justiz - minister Dufaure legt einen Gesetzentwurf vor welcher die verhängte (durch Crémieux) Absetzung von Richterbeamten annullirt. Die Dringlich - keit wird gegen den Widerspruch Millière 's ausgesprochen. Finanzminister Pouyer = Quertier wünscht die Ernennung einer Commission zur Prü - fung der seit dem 19 September für den Krieg abgeschlossenen Kaufver - träge. Ein Mitglied schlägt vor: die Versammlung wolle dem schweize - rischen Volke mit Rücksicht auf die Behandlung der Kriegsgefangenen ihren Dank aussprechen. Auf Verlangen eines Mitglieds der Rechten wird der Vorschlag auf Belgien ausgedehnt und einstimmig angenommen. Der Präsident verliest die Todesanzeige des Maire Küß und widmet ihm einige Worte des Bedauerns. Ein Mitglied verlangt die Bestattung des - selben auf Staatskosten. Es werden mehrere Urlaubsgesuche eingebracht. Philippe, Abgeordneter von Hoch = Savoyen, erklärt sein Mandat nieder - zulegen. Der Präsident verliest folgendes Schreiben: Bürger Präsi - dent! Unsere Wähler haben uns das Mandat gegeben die französische Re - publik zu vertreten. Durch Abstimmung vom 1 März hat die National - versammlung die Zerstückelung Frankreichs, den Ruin des Vaterlands ge - nehmigt, und so für die Zukunft ihre Berathungen mit Nichtigkeit behaftet. (Unruhe. ) Die Abstimmung von vier Generalen und die Enthaltung dreier anderer widerlegen förmlich die Behauptungen des Hrn. Thiers. Wir können deßhalb keinen Tag länger im Schooße der Versammlung bleiben. Wir zeigen Jhnen also, Bürger Präsident, an daß uns nichts mehr übrig bleibt als uns zurückzuziehen. gez. Rochefort, Ranc, Malon, Tridon (Côte d'Or). Stimme auf der Rechten: Glückliche Reise! Felix Pyat verlangt Verlesung eines von ihm an den Präsidenten gerichteten Briefs. Der Präsident fordert ihn auf selbst seinen Brief zu ver - lesen. Pyat besteigt die Tribüne, ein Papier entfaltend, er bemerkt: es sei dieß eine Copie welche er in Voraussicht des Zwischenfalls behalten habe. Der Präsident bemerkt: Pyat hätte seinen Brief dem Se - cretariat oder dem Präsidialcabinet übergeben sollen. Pyat: Wenn ich Sie nicht überzeugen kann, so will ich nicht mehr der College eines Mitglieds der Regierung bleiben welche eine Fälscherin ist. (Lärm, Rufe: Zur Ord -1143nung! ) Der Präsident: Lesen Sie Jhren Brief. Pyat: Folgendes ist der Brief welchen ich an den Präsidenten dieser Versammlung zu richten die Ehre hatte: Hr. Präsident! Die Abstimmung der Mehrheit legt mir eine Gewissenspflicht auf, die Pflicht zu erklären daß dieser Beschluß das Abgeordnetenmandat berührt. Jch bin Mandatar des souveränen Volkes, und nicht sein Herr, ich glaube deßhalb daß ich nicht die Befugniß hatte einen solchen Vertrag zu berathen. Jch habe vom Volk ein imperatives Mandat erhalten. (Lärm. ) Mein Gewissen, ich bin dessen sicher, stimmt mit dem meiner Wähler überein, sie haben mir folgendes Mandat gegeben: Keinen schmachvollen Frieden! Das eine untheilbare Frankreich! Diese Versammlung hat einen Frieden um den Preis der Ehre, um den Preis eines Theils von Frankreich gewollt. Jch muß also protestiren, nicht durch meinen Austritt, denn die Versammlung hat nicht das Recht ihn anzu - nehmen, sie hat sich das Recht abgesprochen, sie hat sich selbst durch ihren Beschluß getödtet, sie vertritt nicht mehr ganz Frankreich das sie ernannt hatte. Jch bin der Einheit Frankreichs schuldig zurückzutreten, und werde nicht mehr in diese Versammlung zurückkehren bis dieser Beschluß annullirt ist. (Beifall auf der Linken. ) Bethmont, Target und Civrac bringen einen Antrag ein bezüglich des Decrets welches die Ge - neralräthe aufhob, und dadurch das allgemeine Stimmrecht verletzt habe. Tendret, Renaud und Lafayette verlangen Entschädigung der in die Schweiz geflüchteten Beamten aus Elsaß und Lothringen. Beide An - träge werden der Commission überwiesen. de Talhouët beantragt die Niedersetzung eines Decentralisations = Ausschusses von 30 Mitgliedern. Turquet schlägt vor daß die Fahne Frankreichs künftig schwarzen Krepp zu tragen habe. Brion und Barrois (Abgg. der Meurthe) erklären, nachdem ein Theil des Meurthe = Departements abgetreten sei, ihre Absicht Franzosen bleiben zu wollen, aber aus der Versammlung auszutreten. Frank - reich besitze noch 550,000 Mann unter den Waffen, Preußen habe Belfort gar nicht verlangt, Frankreich habe den Becher bis zur Hefe leeren müssen. Danel (Abg. der Meurthe) erklärt seinen Austritt. Auf Anregung eines Abgeordneten gibt der Präsident dem Bedauern über die Umstände Ausdruck welche einige Mitglieder zum Austritt bewogen haben. Brame und Des Rotours bringen einen Antrag ein: daß die Gehalte der Staatsdiener welche 10,000 Fr. übersteigen um die Hälfte herabzusetzen seien, und kein Gehalt 20,000 Fr. übersteigen dürfe. Guichard verlangt Niedersetzung einer Commission zur Prüfung der Ausgaben und Revision des Budgets für 1870. Der Finanzminister will diese Aufgabe sich selbst vorbe - halten wissen. Raudot entgegnet mit Berufung auf Art. 23 der Ge - schäftsordnung. Thiers sagt: dieser Artikel betreffe ein schon vorgeleg - tes Finanzgesetz, die Regierung bedürfe der Unterstützung, man möge nicht in Jrrthümer verfallen welche so verhängnißvolle Folgen gehabt, die Gränzen der vollziehenden Gewalt und der Versammlung müßten streng eingehalten werden. Guichard schließt sich dem Vorschlag des Präsidenten an seinen Antrag dem Ausschuß zu überweisen, er verlange eine Commission zur Ausarbeitung eines Gesetzes über die Reorganisa - tion der finanziellen Hülfsquellen Frankreichs. Der Antrag wird dem Ausschuß überwiesen. Es wird nun Bericht erstattet über die Wahl im Departement der Vogesen. Das 15. Bureau beantragt Genehmigung der Wahlen mit Einschluß des Präfecten George, der vor den Wahlen das Land habe verlassen müssen. Cochery Namens des 3. Bureau protestirt gegen die Zulassung des George. Die Versammlung verschiebt die Be - schlußfassung. Das Bureau beantragt Genehmigung der Wahlen in Cor - sica. Lockroy beantragt alle Mitschuldigen des Kaiserreichs auszustoßen. Ein Corse versucht vergeblich zu sprechen. Die Wahlen werden genehmigt. Ein Mitglied legt einen Bericht über die Wahl des Bischofs Dupanloup im Loiret vor. Ein Abgeordneter von Paris verlangt Vertagung der Beschlußfassung. Cochery widerspricht. Die Wahl Dupanloups wird genehmigt. Es werden die Wahlen von Tridon (Côte d'Or), de Puy - s égur (Seine et Marne), Jules Favre und Gambetta (Seine et Oise), so - dann die Wahlen in Haute = Saône genehmigt, der Beschluß bezüglich der Wahlen Chevandiers und Lamothe's (Departement Drôme) jedoch vertagt. Hiemit wird die Sitzung aufgehoben.

Die Deputirten von Elsaß und Lothringen haben am 1 März ihr Mandat niedergelegt. Das Schreiben welches dieß der Kammer anzeigt, lautet: Die Vertreter von Elsaß und Lothringen haben vor jeder Frie - densunterhandlung auf dem Tische des Hauses eine Erklärung nieder - gelegt welche auf das förmlichste im Namen der genannten Provinzen ihren Willen und ihr Recht französisch zu bleiben bekräftigte. Jeder Gerechtigkeit zum Trotz und durch einen gehässigen Mißbrauch der Ge - walt der Herrschaft des Auslandes überliefert, haben wir eine letzte Pflicht zu erfüllen. Wir erklären noch einmal für null und nichtig einen Vertrag der ohne unsere Zustimmung über uns verfügt. Die Zurückforderung unserer Rechte bleibt für immer allen und jedem in der Form und dem Maße offen welche uns unser Gewissen eingeben wird. Jm Augenblick wo wir diesen Saal verlassen, in welchem zu sitzen unsere Würde uns nicht mehr gestattet, und ungeachtet der Bitterkeit unseres Schmerzes ist der letzte Gedanke welchen wir im Grunde unserer Herzen finden, ein Gedanke der Erkenntlichkeit für die welche während sechs Monaten nicht aufgehört haben uns zu vertheidigen, und der unveränderlichen Anhänglichkeit an unser Vaterland, von dem wir gewaltsam weggerissen worden sind. Wir werden Sie mit unserem Wunsche begleiten, und wir erwarten mit vollem Vertrauen in die Zukunft daß das wiedergeborne Frankreich den Lauf seinergroßen Schicksalsaufgabe wieder erfüllen wird. Jhre Brüder des Elsaßes und Lothringens, in diesem Augenblicke von der gemeinschaftlichen Familie ge - trennt, werden Frankreich eine kindliche Zuneigung bis zum Tage bewahren wo es seinen Platz wieder einnehmen wird. Bordeaux, 1 März 1871. L. Chauf - four, E. Teutsch, Pr. Andr é, Osterman, Schneegans, E. Keller, Kable, Mels - heim, Böll, Titot, Albrecht, Alfred Köchlin, v. Rhem, A. Scheurer - Kestner, Alp. Saglis, Humbert, Küß, Rencker, Deschange, Börsch, A. Ta - chard, Noblet, Dornès, Ed. Bamberger, Bardon, Léon Gambetta, Fré - déric Hartmann, Jules Grosjean.

Bordeaux, 6 März. Jn der National = Versammlung brachte Louis Blanc einen Antrag ein welchen er selbst als schmerzlich, aber unumgäng - lich bezeichnet: er fordert daß die Mitglieder der Regierung der National - Vertheidigung zur Rechenschaft gezogen werden sollen wegen der Weise in welcher sie seit dem Anfange der Belagerung von Paris bis zur Capi - tulation ihre Gewalt ausgeübt haben. Der Antrag ist von mehreren Mitgliedern der Versammlung mit unterzeichnet. Clemenceau und Tirard unterstützen denselben. Delescluze beantragt die Anklage und Verhaftung der Mitglieder der Vertheidigungs = Regierung als des Hochverraths schul - dig. Ein Deputirter beantragt die Verlegung der Versammlung an einen andern Ort als Paris. Thiers bittet über diesen Antrag unverzüglich zu entscheiden. Gambetta ist nach seiner Vaterstadt Cahors abgereist. Changarnier ist sehr leidend. (T. N.)

Niederland.

. / /. Haag, 2 März. Endlich hat das neue Ministerium seinen Einzug in die zweite Kammer der Generalstaaten gehalten. Unmittelbar nachdem dieselbe nämlich ihre Arbeiten von neuem aufgenommen hatte, erörterte der Minister des Jnnern, Hr. Thorbecke -- bekanntlich gibt es in Holland keinen Ministerpräsidenten im eigentlichen Sinne des Wortes -- das ministerielle Programm, wenigstens mit Bezug auf die Plane des Ca - binets; denn, wie Hr. Thorbecke hervorhob, das Ministerium hat keine neue Politik einzuführen, sondern nur eine dem Lande hinlänglich bekannte zu verfolgen. Was nun die Plane des Ministeriums betrifft, so ver - langt dasselbe vor allem die Etatsvorlagen, insoweit sie nicht während der letzten Legislaturperiode festgestellt wurden, sowie das Budget der Colo - nien zur Erledigung zu bringen. Darauf glaubt die Regierung, und zwar vor der Prüfung des Wahlcensus, sowie der höheren Unterrichtsfrage, die Vertheidigung des Landes auf eine den Bedürfnissen völlig ent - sprechende Weise regeln zu müssen. Die Ausarbeitung der hierauf bezüg - lichen Gesetzentwürfe, wie die hinsichtlich der Vertheidigungswerke, der Revision des Milizgesetzes, der Reorganisation der Bürgerwache u. s. w., wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Und somit wird die Volksvertretung sich nach Erledigung der erwähnten Budgets mit einigen wichtigen von der Regierung abgeschlossenen Staatsverträgen zu befassen haben, wozu sich später, doch wahrscheinlich nicht während der jetzigen Le - gislaturperiode, Gesetzentwürfe hinsichtlich der Aufhebung der Zehnten und der gerichtlichen Organisation gesellen werden. Der früher eingereichte Gesetzentwurf bezüglich der Einführung einer Einkommensteuer wurde von der Regierung zurückgenommen. Die neun Abschnitte der Etatsvor - lage, welche der endgültigen Bestätigung der Volksvertretung noch be - dürfen, sind: hohe Staatscollegien u. s. w. (593,603 fl. ), Auswärtiges (495,365 fl.), Justiz (3,245,472 fl.), Jnneres (19,288,803 fl. 23), Marine (8,983,535 fl. 96), Finanzen (18,243,498 fl. 48), Krieg 14,898,115 fl.), Colonien (1,726,015 fl. 75) und unvorhergesehene Aus - gaben (50,000 Gulden). Die Regierung beantragt weiter, als Abände - rung des früher festgestellten Budgets der Mittel und Wege, sie zur Aus - gabe von Schatzscheinen bis zu einem Betrag von höchstens9 1 / 2 Millionen zu ermächtigen, und zwar als vorläufiges Auskunftsmittel bis zu der Zeit wo die finanziellen Ergebnisse der Verwaltung eine bestimmtere Gestalt annehmen werden. Bei Erörterung seiner Etatsvorlage ward seitens des Kriegsministers bemerkt: die Armee besitze zur Zeit 82,000 Snider = Ge - wehre; im Anfang nächsten Jahrs hofft derselbe außerdem noch über 20,900 Beaumont = Gewehre verfügen zu können. -- Der König hat so eben einen Ausschuß von Sachverständigen zur Lösung sämmtlicher auf den Bau von Eisenbahnen in Jndien bezüglicher Fragen ernannt. Wie ver - lautet, soll der Ausschuß vor allem damit beauftragt werden der Regie - rung ein Gutachten hinsichtlich der Anlegung einer Stammlinie abzugeben, welche, von Batavia ausgehend, die Jnsel Java quer durchschneiden soll. -- Die früher mehrfach erwähnten zwischen den Regierungen Hollands und Venezuela's entstandenen Schwierigkeiten sind, wenigstens theilweise, bereits geordnet. Das neue Cabinet von Carácas hat sich nämlich zur Zahlung einer Entschädigung an die Eigenthümer des Schiffes Jo - sephina, sowie zur Rückerstattung desselben entschlossen. Dieses Schiff wurde bekanntlich im J. 1868 in Puerto Cabello ohne hinreichenden Grund mit Beschlag belegt und seitdem von der Regierung als Kriegsfahrzeug verwendet. -- Der Landesherr hat eine Commission ernannt welche jähr - lich fünf jugendliche Maler von hervorragender Befähigung und ebenso -1144viele Tonkünstler bei Sr. Majestät in Antrag bringen soll, um auf Kosten der königlichen Privatschatulle ihre Studien im Auslande vervollständigen zu können. -- Das Leben des kürzlich erst in das Privatleben zurückgetre - tenen Colonienministers Hrn. de Waal war vor einigen Tagen sehr ernstlich bedroht. Auf seiner Reise nach Nizza, wohin Hr. de Waal sich zur Her - stellung seiner zerrütteten Gesundheit zu begeben beabsichtigte, befand er sich nämlich auf dem Eisenbahnzug welcher im Laufe vorigen Monats bei Toulon mit einem andern Zug zusammenstieß und so entgleiste. Jm An - fang ließ die Verwundung des früheren Ministers das schlimmste befürch - ten. Die so eben eingetroffenen neueren Nachrichten lauten aber weit be - ruhigender. -- Die Blattern richten noch immer große Verheerungen namentlich hier und in Utrecht an. Während der letztverflossenen Tage schwankte die Zahl der neuen Krankheitsfälle im Haag zwischen 30 und 45 in je 24 Stunden.

Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Washington, 4 März. Das Repräsentantenhaus hat eine Bill angenommen, welche die Verschmelzung aller zwischen den Ver. Staaten und dem Auslande gelegten Kabel, deren Tarif 5 Dollars Gold für 10 Worte übersteigt, verbietet. Darauf wurde der Congreß -- der einundvierzigste -- aufgelöst, und der zweiundvierzigste trat um Mittag zusammen. Das Repräsentantenhaus, welches Hrn. James Blaine zum Sprecher wieder wählte, umfaßt 131 Republicaner und 96 Demokraten, während 16 Sitze noch unbesetzt sind. Der Congreß beschloß sich am Mittwoch auf unbe - stimmte Zeit zu vertragen. Die englisch = amerikanische Commission trat heute zu einer Sitzung zusammen, in welcher über den Geschäftsmodus der Verhandlungen Beschluß gefaßt wurde. Sämmtliche Commissarien waren zugegen. (T. N.)

Verschiedenes.

Berlin, 6 März. Die Spen. Ztg. schreibt: Gestern Nachmittag 1 Uhr hat die Trauung des Hrn. Niemann mit Frl. Hedwig Raabe in seiner Pri - vatwohnung stattgefunden.

Trier, 4 März. Unter den mit dem Eisernen Kreuz Decorir - ten unserer Stadt sind auch fünf Brüder, die HH. v. Porembsky. Es sind dieß: 1) Karl v. Porembsky, Rittmeister im litthauischen Ulanen = Regiment Nr. 12. 2 ) Ferd. v. Porembsky, Rittmeister im 15. Ulanen = Regiment (brachte in der Schlacht bei Mars = la = Tour nach Niederreitung zweier feindlichen Batail - lone nur 17 Mann seiner Schwadron zurück, und erhielt dabei einen Schuß ins Bein und Bajonnettstich in den Rücken), derselbe ist jetzt Präfect des Departe - ments Eure zu Evreux. 3) Franz v. Porembsky, Premierlieutenant und Com - pagnieführer im 44. Jnfanterie = Regiment (demselben wurde bei Noiseville ein Pferd erschossen, ein zweites verwundet). 4) Fritz v. Porembsky, Premierlieu - tenant im 70. Jnfanterie = Regiment und Adjutant der 29. Jnfanterie = Brigade (verlor bei St. Quentin ein Pferd. 5) Peter v. Porembsky, Secondelieutenant und Adjutant des 2. Bataillons 77. Jnfanterie = Regiments. Der Vater dieser Tapfern, Major v. Porembsky, ist Etappencommandant in Soissons. (K. Z.)

Breslau, 3 März. Unserem Professor Joseph Reinkens ist von der philosophischen Facultät zu Leipzig die (philosophische) Doctorwürde honoris causa ertheilt worden. Es dürfte dieß der Vorläufer eines baldigen Ueber - tritts des Prof. Reinkens von der theologischen zur philosophischen Facultät sein, so daß die Jnfallibilisten sich bald werden rühmen können wiederum einen Mann aus seinem Wirkungskreise getrieben zu haben, in welchem er als eine Zierde der katholischen Theologen gelten mußte. (K. Z.)

Meiningen, 4 März. Der Musikdirector Wilhelm, der Componist der Wacht am Rhein, liegt, in voriger Woche vom Schlage getroffen, in Schmalkalden, wenn auch nicht hoffnungslos, doch lebensgefährlich darnieder. (Krzztg.)

Nach einer von der amtlichen Wiener Zeitung auf Grund der letzten Volkszählungen bewirkten Zusammenstellung über die Einwohnerzahl in Wien und Berlin hat sich bei einer Hinzunahme der sogenannten Vorstädte die Volkszunahme Wiens im Jahr nur auf 2,7 Proc. belaufen, während sich der Jahreszuwachs Berlins mit 6 Proc. berechnet.

* Paris. Von Jnteresse ist es die Sterblichkeit während der Be - lagerung mit der im vorigen Jahre zu vergleichen. Vom 18 Sept. 1869 bis 24 Febr. 1870 starben 21,978, im gleichen Zeitraum 1870 -- 1871 dagegen 60,154.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Bayerische Ostbahn. Am 20 April d. J. findet eine außerordentliche Generalversammlung zu München statt. Den Gegenstand der Berathung bildet die Erbauung einer Vicinalbahn von Tirschenreuth nach Wiesau.

Wechselstempel. Die württembergische Regierung hat den Antrag gestellt: dem Verzeichniß derjenigen Orte welche mit Rücksicht auf die Wechselstempelfreiheit der Platzanweisungen (§. 24 des Gesetzes vom 10 Juni 1869) je als ein Platz zu betrachten sind, die Orte: 1) Stuttgart und Canstatt, 2) Reutlingen, Pful - lingen, Unterhausen, Betzingen und Wannweil, 3) Heidenheim und Mergelstetten, hinzuzufügen.

Berlin, 6 März. Die Börse war im gestrigen Privatverkehr ziemlich belebt gewesen, die Haltung aber etwas matter. Heute war letztere auch nicht viel fester, die Curse erreichten auf speculativem Gebiete meist nicht den Sonnabend - Standpunkt, und das Geschäft blieb gering, nur in Lombarden wurde viel gehan - delt. Die Bank hat den Wechseldiscont auf 4, den Lombard = Zinsfuß auf 5 Proc. herabgesetzt, und in Folge dessen belebte sich das Geschäft vorübergehend. Eisen - bahnen waren weniger fest bei beschränktem Verkehr. Banken fest, Disconto = Com - mandit, Darmstädter, Deutsche Bank gefragt. Jnländische und deutsche Fonds waren in nicht so günstiger Haltung wie vorgestern und nicht so belebt. Köln - Mindener Prämien Autheilsscheine96 1 / 2 bezahlt; Oldenburger37 3 / 8 G. Julän - dische Prioritäten fest und lebhaft, auch 4proc. russische behaupter〈…〉〈…〉, österreichische matt, amerikanische fest und steigend. Rumänen sehr belebt und stark steigend. Von Russen waren alle englischen in Folge der immer bestimmter auftretenden Nachricht von einer neuen Anleihe von 12 Millionen mit Ausnahme der 1864er sämmtlich sehr offerirt; Prämien Anleihen, und namentlich Bodencredit, belebt. Ungarische Loose50 1 / 2 bezahlt und Geld.

Frankfurt a. M., 7 März. Württ. 5proc. Oblig. 99 3 / 4 bez. ; 4 1 / 2 proc. 95 1 / 4 bez. ; 4proc. 87 1 / 4 G.; 3 1 / 2 proc. 84 G.; bad. 5proc. Obl. 99 3 / 4 bez. ; 4 1 / 2 proc. 94 1 / 4 G.; 4proc 88 G.; 3 1 / 2 proc. 83 G.; pfälz. Max = Bahn 111 bez. ; 4proc. hess. Ludw. B. 142 bez. ; bad 35fl = L.59 1 / 4 bez; kurh. 40Thlr. = L.64 1 / 2 G.; nass. 25fl. = L38 1 / 2 P; großh. hess. 50fl = L. 170 P; 25fl. = L. L. 49 P.; Ansbach - Gunzenh 7fl. = L. 12 G; Pistolen fl. 9.45 -- 47; doppelte fl. 9.46 -- 48; preuß. Friedrichsd'or fl 9.58 1 / 2 -- 59 1 / 2; holl. 10fl. = St fl. 9.54 -- 58; Ducaten fl. 5.36 -- 38; Ducaten al marco fl. 5.37 -- 39; Napoleonsd'or fl. 9.27 -- 28; engl. Sover. fl. 11.53 -- 57. (〈…〉〈…〉Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgen.)

& Mailand, 5 März. An hiefiger Börse waren die Geschäfte ziemlich lebhaft, aber, es versteht sich, zum Nachtheil der Preise. Gold schwach auf 21.03 bis 21.01, da aus der Schweiz viele Sendungen von 20 = Frankenstücken als Zahlung für abgesandte Seide stattgefunden, Wechsel stationär und Geld weniger in Ueber - fluß, daher der Disconto für Bankfirmen von4 1 / 4 auf4 1 / 2 und4 3 / 4 Prozent stieg. Schlußcurse: Rente57 3 / 8〈…〉〈…〉 Eude, Anleben 1866 83, Nationalbankactien 2355, lomb. Bankactien 575, Meridionale 328, deren Obligationen 180, bezüg - liche Bons 418, Domänen 455, Tabaksactien 672, deren Oblig. 470 1 / 2, Kirchen - güter 77.35, lomb. venet. Anlehen 185091 1 / 2, 5proc. Stadtanlehen 186082 3 / 4. Fremde Devisen: Frankreich, Sicht, 104 20 weniger 6 Proc., London 3 Monate 26.28 mehr 3 Proc., Frankfurt a. M. 219 1 / 2 mehr3 1 / 2 Proc., Wien 209 und 5 Procent. Schweiz und Belgien in Ueberfluß, und man könnte deren haben zu 104 3 / 4 Sicht. -- Seide. Die immer mehr zunehmende Festigkeit der von den Eignern geforderten Preise entmuthigte nicht wenig die ausländischen Besteller, die sich in Reserve halten, indem sie ihre Aufträge von Ankäufen beschränken. Die Flauheit der Geschäfte der verflossenen Woche kann jedoch nicht als ein Stocken derselben angesehen werden, da, obgleich wenig zahlreich, doch verschiedene Ver - käufe, jedoch mit gewissen Zugeständnissen in den Preisen, die früher nicht bewil - ligt worden wären, stattgefunden. Die Lage des Artikels wird im allgemeinen immer noch für eine gute gehalten, und um so viel mehr jetzt als die Befürch - tungen hinsichtlich der Annahme der von Dentschland auferlegten Bedingungen seitens Frankreichs beseitigt sind. Auch dürfte die Bestätigung der Nachrichten aus London den Seidenmarkt begünstigen, die auf eine Bankcombination des Hauses Rothschild schließen lassen, in der Absicht die Kriegsentschädigungen binnen einem Jahr zu leisten, um so die Räumung des französischen Bodens seitens der deutschen Truppen zu bezwecken. Die Preise im Verlaufe der vergangenen Woche zeigen keine Schwankungen wie jene der Vorwoche, ausgenommen für gewisse, sehr ge - suchte Artikel, insbesondere Tramen zu 3 Fäden und schöne Tramen von 24 -- 30 Denari, für welche man 2 -- 3 Francs mehr bezahlen mußte, und zwar von 86 bis 88 Francs. Jn den anderen Artikeln waren vorgezogen die höchstfeinen und hochfeinen Qualitäten, die schlechteren blieben vernachlässigt.

TODES-ANZEIGE.

Gott dem Allmächtigen hat es in seinem unerforschlichen Rathschluss gefallen unsern innigstgeliebten Gatten, Vater, Schwiegervater, Bruder, Schwager und Grossvater,

den kgl. bayerischen Kammerherrn, Reichsrath der Krone Bayern und II. Präsident der Kammer der Reichsräthe, Comthur des bayer. Kron-Ordens und Ritter des Michael-Ordens, Wilhelm Freiherrn von Thüngen zu Thüngen und Rossbach etc.,

nach langem und schwerem Leiden in ein besseres Jenseits abzurufen.

Indem wir den theuren Verblichenen dem freundlichen Andenken empfehlen, bitten wir um stille Theilnahme.

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Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 68.
Donnerstag, 9 März 1871. Verlag der J. G. Cotta 'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. J. v. Gosen.

Correspondenzen sind an die Redaction, Jnserate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adressiren. ANZEIGEN werden von der Expedition aufgenommen und der Raum einer dreigespaltenen Colonelzeile berechnet: im Hauptblatt mit 12 kr., in der Beilage, welcher das Montagsblatt gleich geachtet wird, mit 9 kr. ; ausserdem ist zu Ermöglichung der Selbstausrechnung des Insertionspreises durch den Tit. Auftraggeber und der Anhersendung des Betrags in Papiergeld und Briesmarken eine wortweise Berechnung eingeführt, bei welcher eine Anzeige (Aufschrift, Firma etc. durch fette Lettern ausgezeichnet) um baar und franco 4 kr. südd. (auch 7 Ngr. ö. W. 1 1 / 4 Ngr., 15 Cent) für jedes Wort oder Zahl in der Beilage Aufnahme findet: bezüglich der Collectivanzeige vid. am Schluss der Beilage.

Uebersicht.

Die Universität Prag. -- Das Völkerrecht und der Krieg. (II. Schluß. ) Geschichten aus Livius.

Neueste Posten. München: Prinz Luitpold. Graf Vray. Die Kriegsgefangenen. Danksagung an die Schweiz. Ministerialrath v. Nar . Augsburg: Wahlen. Breslau: Ovation. Straßburg: Fürstlicher Besuch. Durchreisende Minister. Die Leiche Küß '.

Telegraphische Berichte.

* Stuttgart, 8 März. Das Wahlergebniß in 15 Wahlkreisen ist jetzt bekannt. Gewählt wurden: Hölder, Chevalier, Goppelt, Elben, Keßler, Müller, Schmidt, Professor Römer, Reyscher, Wagner, Weber, Fürst Hohenlohe = Langenburg, sämmtlich Nationale; ferner Streich, Fürst Waldburg = Zeil (beide klerikal mit National = Programm), Probst (groß - deutsch). Aus zwei Wahlkreisen liegt noch kein endgültiges Ergebniß vor. Jn Baden wurden gewählt 12 Nationalliberale und 2 Klerikale.

Diese Depesche aus dem Hauptblatt hier wiederholt.

* Berlin, 8 März. Die Prov. = Corr. schreibt: Nach der Nück - kehr des Kaisers wird voraussichtlich eine allgemeine kirchliche Dank = und Gedenkfeier mit Bezug auf den Krieg und seine Opfer und Erfolge statt - finden. Von einer längeren Landestrauer, welche mehrfach als bevor - stehend angekündigt wurde, ist in Regierungskreisen keine Rede. Der Prov. = Corr. zufolge wird Graf Bismarck nächster Tage hier erwartet. Der Reichstag wird am 21 März vom Kaiser eröffnet. Die Fürsorge der kaiserlichen Regierung ist vor allem darauf gerichtet die Mannschaften der Landwehr sobald als möglich ihren Familien und Berufskreisen zurückzu - führen.

* Berlin, 8 März. Der Krzztg. zufolge ist die Rückkehr des Kaisers in etwa acht Tagen zu erwarten. Der Kaiser wird erst nach sei - ner Rückkunft über das Reichs = und Kaiserwappen, die Jnauguration und die Siegesfeier befehlen; alles bisher hierüber Veröffentlichte ist verfrüht. Von einer Krönung ist vorläufig gar nicht die Rede, nur von einer großen militärischen Feier, welche mit dem Einzug unserer Truppen und von Deputationen des gesammten deutschen Heeres, der Bayern, Sachsen, Württemberger, Badener und Hessen verbunden sein wird. Wahrschein - lich wird ein Trauergottesdienst für die Gefallenen in Verbindung mit der kirchlichen Friedensfeier oder am Abend derselben stattfinden. Die Nationalzeitung nennt als Tag der Rückkehr des Kaisers den 16 März. Privatmittheilungen der Blätter zufolge wird der Einzug der Truppen nicht vor dem 1 Mai stattfinden.

* Berlin, 8 März. Graf Bismarck trifft hierselbst morgen früh um halb 8 Uhr am Anhalter Bahnhof mit dem Nachtcourierzug von Frankfurt ein.

* Dresden, 8 März. Das Dresd. Journ. veröffentlicht die Reichstagswahlen aus 22 sächsischen Wahlkreisen (der 20. fehlt noch). Ge - wählt wurden 3 Conservative (Ackermann, Günther, Schwarze), 6 Na - tionalliberale (Birnbaum, Böhme, Georgi, Mosig v. Aehrenfeld, Pfeiffer, Stephani), 6 Mitglieder der Fortschrittspartei (Eysoldt, Hirschberg, Lud - wig, Minckwitz, Oehmichen und Schaffrath), 2 Socialdemokraten (Bebel und Schraps). Jn fünf Bezirken sind Nachwahlen erforderlich.

Weitere Telegramme siehe fünfte Seite.

Die Universität Prag.

sym15 Prag, Anf. März. Es hält für einen ehrlichen Deutschen jetzt schwer eine Besorgniß auszusprechen oder auch nur ein Bedenken laut werden zu lassen, da ihm solches schnurstracks von maßgebender wie von gegnerischer Seite als Verketzerung der neuesten Aera und als Verdächti - gung des Cabinets Hohenwart angerechnet wird. Jst es aber unsere Schuld wenn gerade jetzt von allen Seiten die bedrohlichsten Anzeichen auftauchen, und sollen wir etwa ruhig zuwarten bis ein Unheil geschehen, um nicht durch eine rechtzeitige Warnung den Verdacht der Cabinetsfeind - lichkeit zu erregen? Es ist wahrhaftig ganz ohne unser Zuthun, und ver - muthlich nur ein Spiel des boshaften Zufalls, daß alle reichs = und deutsch - feindlichen Coterien diesem Ministerium zujubeln und von ihm Handlanger - dienste für eine föderalistische Reaction verlangen; da aber dem einmal so ist, erachten wir es zum mindesten für unsere Pflicht auf das Auftauchen der Sturmvögel aufmerksam zu machen und das Ministerium selbst vordrohenden Fehlgriffen zu warnen, ob es nun dieser Warnung achtet oder nicht. Und in diesem Sinne sei es uns gestattet eine Frage von der größ - ten Tragweite völlig objectiv zu behandeln; die Frage nämlich: ob Prag seine deutsche Universität behalten oder ob dieselbe der Tschechisirung ver - fallen soll. Dem Hrn. Unterrichtsminister, der sich eben mit dieser Frage beschäftigen muß, kann es ja nur angenehm sein die Stimme der Oeffent - lichkeit -- und zwar auch die deutsche -- zu vernehmen.

Allbekannt ist der nationale Streit um die Universität Prag. Ge - gründet vom deutschen Kaiser Karl mit der ausdrücklichen Bestimmung sämmtlichen in vier Classen geschiedenen Nationalitäten als Lehrstätte zu dienen, erlitt die gegenwärtige Carolo = Ferdinandea den empfindlichsten, durch Jahrhunderte unverwundenen Stoß durch die nationalen Umtriebe des Magister Huß, die mit der bekannten Vertreibung deutscher Lehrer und Schüler endeten. War das folgende geisttödtende jesuitische Régime nicht dazu angethan der arg geschädigten Hochschule zu einem neuen Auf - schwung zu verhelfen, so kündigte sich dieser doch schon zu Beginn dieses Jahrhunderts mit der Lehrthätigkeit eines Exner und Bolzano an, und vollzog sich im Laufe der letzten Jahrzehnte, so daß die Prager Universität jetzt mit Stolz auf eine Reihe anerkannter Stützen der deutschen Wissen - schaft verweisen kann, und der verheißungsvollsten Zukunft entgegensehen könnte wenn nicht das Gespenst ihres ersten Verderbers aus seinem Grab erstanden wäre, und in das 19. Jahrhundert die finstere Erbschaft des Mit - telalters, den nationalen Fanatismus und die terroristische Unduldsamkeit, hineintrüge.

Die nationale Partei, welche das historische Recht nur dort hervorkehrt und achtet wo es eben in ihren Kram paßt, strebt seit langem bald offener, bald versteckter darnach die Universität zu usurpiren: zuerst den Utra - quismus einzuführen und dann mit Anwendung ihrer bekannten Agita - tionsmittel die Herrschaft zu erringen, mit welcher natürlich die Erstickung alles deutschen Geistes besiegelt wäre. Wir haben genau dasselbe Schau - spiel bei dem Polytechnikum verfolgen können, wo zuerst mit aller Gewalt die Einführung des Utraquismus erstrebt wurde, und, als derselbe erreicht war, die endlosen Reibungen, das widerlichste nationale Gezänke, die un - ausgesetzten Agitationen begannen, welche das rein wissenschaftliche Jnsti - tut so lange zum Spielball von Partei = Jntriguen erniedrigten, und jede er - sprießliche Thätigkeit brach legten, bis die Deutschen endlich, trotz der hef - tigsten Gegenbemühungen, die Trennung des Jnstituts durchsetzten und so dem unheilvollen Treiben ein Ende machten. Man sollte nun meinen dem Princip der nationalen Gleichberechtigung entspräche es vollkommen wenn jede Nationalität ihr eigenes, aus Landesmitteln dotirtes Jnstitut besitzt; aber behüte! das wollen unsere Tschechen nicht. Ueber die Tren - nung des deutschen Polytechnikums vom tschechischen schrieen sie als ob ihnen das ärgste Unrecht widerführe. Sie wollen ein Jnstitut mit Parallelclassen und die stete Möglichkeit die deutschen Schulen zu beengen, die besten deutschen Lehrkräfte durch ewige Chicanen wo möglich zu vertrei - ben und mit der Zeit die deutschen Classen zu amalgamiren.

Genau dasselbe Spiel wie mit dem Polytechnikum wiederholt sich nun mit der Universität. Die Tschechen erklären: ihre Nationalität be - dürfe unumgänglich einer Hochschule. Die Deutschen haben nicht das mindeste dagegen einzuwenden, und sind vollständig bereit die Mittel für Errichtung einer solchen aus Landesfonds zu bewilligen. Aber das wollen die Tschechen einfach nicht; sie wollen die bestehende Universität tschechisi - ren. Sie erklären, im offenen Widerspruche mit der Bestimmung des Gründers wie mit der geschichtlichen Entwicklung, die Universität Prag für das Eigenthum der böhmischen Nation, und reclamiren sie als solches. An der ältesten deutschen Universität soll die deutsche Wissenschaft nur noch untergeordneten Spielraum finden, und ein allem deutschen Geist feind - licher, wenn gleich nur auf Grund deutscher Geistesarbeit sein Dasein fristender, engherziger Nationalitätscultus die Herrschaft antreten. Zur Erreichung dieser Absichten glaubt die nationale Partei jetzt den richtigen Zeitpunkt gekommen.

Minister Jiretschek wird in allen tschechischen Journalen bestürmt als Sohn der tschechischen Nation dieser zu ihrem Recht auf die Prager Uni - versität zu verhelfen, widrigenfalls man seinen Namen zu brandmarken droht. (So zu lesen im Pokrok vom 25 Febr. ) Als Mittel zu diesem Zweck wird die sofortige Creirung ordentlicher tschechischer Professuren für alle Fächer1146und die ungesäumte Besetzung derselben mit Tschechen bezeichnet. Es wäre dieß, wie die tschechischen Organe selbst eingestehen, ein Bruch mit dem rechtlichen Vorgang, nach welchem für jedes Fach ein Privatdocent zugelassen und, wenn sich seine Fähigkeit sowie das Bedürfniß nach einer ordentlichen Lehrkanzel herausstellt, zum ordentlichen Professor befördert wird. Auf diesem gewöhnlichen Weg, erklären die Tschechen, kommen wir zu nichts; es〈…〉〈…〉 müssen sofort ordentliche besoldete Professoren angestellt wer - den. Dieses Verlangen ist sehr erklärlich. Die tschechischen Privatdocen - ten finden in den seltensten Fällen hinreichend Zuhörer um ein halbwegs nennenswerthes Collegiengeld zu beziehen; es ist eben das Bedürfniß nach tschechischen Collegien nicht vorhanden, und jeder Docent liest lieber deutsch, wie wir denn zahlreiche Beispiele haben daß Professoren welche ausdrück - lich für die tschechische Vortragssprache angestellt wurden nebenbei deutsch lesen, um ihre Bezüge zu verbessern, so der tschechische Historiker Tomek, der neben drei deutschen Geschichtsprofessoren auch noch deutsche Collegien liest. Und ein Mitglied des gegenwärtigen Ministeriums, der Justiz - minister* )Hr. Habietinek ist, so viel wir wissen, Deutschböhme. D. R., konnte, als er noch an der Prager Universität den Civilproceß vortrug, nie dazu bewogen werden seine Vorlesungen in tschechischer Sprache zu halten. Diesem Mangel an Zuhörern, und folgerichtig an Einnahmen, soll nun in äußerst praktischer Weise durch die Creirung be - soldeter Professoren abgeholfen werden. Weil kein Bedürfniß nach tsche - chischen Vorlesungen vorhanden ist, soll der Staat für jedes Fach einen ordentlichen tschechischen Professor aufstellen und bezahlen, der sich dann um Collegiengelder weniger zu kümmern hat, da seine Stellung durch Ge - halt gesichert ist.

Wir wollen auf das Maßlose dieser Logik nicht näher eingehen; es liegt auf der Hand daß auf diese Weise nur eine Reihe von Sinecuren für tschechische Gelehrte geschaffen werden soll, und wenn es nichts weiter auf sich hätte -- wir würden wahrhaftig nicht eine Sylbe dagegen sprechen. Die Tschechen, die sich immer als die Unterdrückten darzustellen lieben, und namentlich in der Universitätsfrage sich wieder auf die Verkürzten hinausspielen, haben herzlich wenig Grund dazu; ein Blick auf unsere Universitätsverhältnisse zeigt dieß deutlich. Als es sich darum handelte tschechische Lehrkanzeln zu schaffen, und man Umschau hielt unter den vor - räthigen Kräften, zeigte es sich daß die einzig brauchbaren nicht einmal den akademischen Doctorgrad besaßen, und man sah von dieser sonst unerläß - lichen Bedingung ab, so daß wir vier ordentliche Professoren haben die nicht einmal Doctoren sind, den Historiker Tomek, den Archäologen Wotzel, die Philologen Hattala und Kwiczala. Jetzt declamiren die Nationalen wieder daß die in Unzahl vorhandenen tschechischen Gelehrten keine Stel - lung erringen können, und wenn man nach dieser Unzahl fragt, nennen sie einige Professoren des Polytechnikums als Aspiranten für akademische Lehrkanzeln. Es liegt uns fern einer kleinen Nationalität ihren empfind - lichen Mangel an wissenschaftlichen und productiven Kräften vorzuhalten, selbst wenn diese Nationalität in eitelster Selbstverblendung den deutschen Geist und die deutsche Wissenschaft, denen sie einzig verdankt was sie jetzt hat und ist, begeifert. Glauben die Tschechen daß sie eine Universität brauchen -- in Gottesnamen, kein Deutscher hat etwas dagegen.

Das Cabinet Hohenwart scheint geneigt den Nationalitäten Conces - sionen zu machen, in der freilich schon oft als eitel befundenen Hoffnung sie dadurch zu gewinnen. Die Tschechen wollen eine Universität, Minister Jiretschek gebe sie ihnen. Aber zu einem lasse sich Minister Jiretschek ja nicht verleiten durch die nationalen Sirenenstimmen; er versuche sich nicht an der Tschechisirung der bestehenden Universität. Das Eingehen auf die gegenwärtigen Forderungen der Tschechen wäre nichts anderes als die Tschechisirung im Princip. Der Utraquismus führt nur zur Entwürdigung und Brachlegung der Wissenschaft durch kleinliche natio - nale Nergeleien, durch brüske Terrorisirungsgelüste, durch ewigen Hader. Das Professorencollegium einer utraquistischen Universität müßte ein noch schreienderes Schauspiel bieten als die gegenwärtigen erbitterten Kämpfe der Doctorencollegien; die Pflege der Wissenschaft gienge unter im sterilen und würdelosen Gezänk; die Hochschule würde zu dem ewig unruhigen Herd politischer und nationaler Jntriguen.

Und hierauf sei hingewiesen -- warnend hingewiesen bei Zeiten, denn man hört schon von Massenberufungen nationaler Professoren reden. Wir Deutschen sind frei von jeder nationalen Unduldsamkeit; wir wenden nichts ein gegen eine tschechische Universität, wir wollen gleichmäßig für sie beisteuern aus unserm Säckel. Aber wogegen wir Protest erheben würden, lauten und unaufhörlichen Protest, und wogegen ganz Deutsch - österreich, ganz Deutschland, die ganze gebildete Welt mit uns protestiren müßten -- das wäre die Tschechisirung der ältesten Hochschule Deutschlands, die Ueberantwortung einer der ehrwürdigsten und be - deutendsten Pflegstätten deutscher Wissenschaft an ein wüstes Parteige -triebe. Nicht die Deutschen Böhmens allein würden diesen Schlag ins Gesicht bitter empfinden, und wie ein Mann sich erheben gegen dieses Attentat auf das deutsche Geistesleben in Böhmen. Gleichberechtigung der Nationalitäten, aber nicht die Vergewaltigung der einen zu Gunsten nationalen Uebermuthes!

Das Völkerrecht und der Krieg. II. (Schluß.)

A.S. Wir haben gesehen daß das Princip nach welchem die Bürger feind - licher Staaten am Krieg unbetheiligt bleiben sollen, mitunter, bei dem Con - flict in welchen Patriotismus und Civilisation gerathen können, durch - brochen wird; aber selbst wenn dieß nicht der Fall ist, erfährt es immerhin eine bedeutende Einschränkung. Auch jene Kriegsartikel der Vereinigten Staaten sehen sich genöthigt sie dem Grundsatze selbst sofort hinzuzufügen. Es geschieht in den Worten: as much, as the exigencies of war will admit. Denn wenn auch jenes furchtbare Wallenstein'sche Princip: Der Krieg muß den Krieg ernähren, im ganzen aufgegeben ist, so kommen doch genug Fälle vor in welchen das was in der militärischen Sprache der Kriegszweck heißt, erfordert auch den Privaten welche die Waffen nicht er - griffen haben Lasten aufzulegen, ja selbst sie in Gefahr des Lebens zu bringen. Das letzte ist namentlich bei der Belagerung einer befestigten Stadt der Fall, und wie dem abzuhelfen sei ist gar nicht abzusehen, falls man nicht dahin gelangen sollte die Festungen in wüsten Gegenden anzu - legen, von allem bürgerlichen Leben getrennt. Jndeß da die Festungswerke oft dazu bestimmt sind auch ein politisch wichtiges Object, wie z. B. die Hauptstadt, zu decken, so wäre ein solcher Plan, von allem andern abge - sehen, doch immer nicht vollständig durchführbar. Daß das bevorstehende Bombardement dem Befehlshaber des befestigten Platzes angezeigt werde ist eine völkerrechtliche Sitte; gleichfalls daß dieser verpflichtet ist die Be - wohner des ihm anvertrauten Platzes auf diese Gefahr, wie schon vorher auf die drohende Belagerung überhaupt, aufmerksam zu machen und ihrem Wegzug kein Hinderniß in den Weg zu legen. Der Belagerer dagegen soll berechtigt sein diesen Wegzug zu hintertreiben, um, wie man sich ausdrückt, eine Pression durch die Civilisten auf die Militärgewalt auszuüben. Das Beispiel von Straßburg steht noch zu lebhaft vor jedermanns Augen, als daß ich nöthig hätte darzulegen welche Folgen diese Sätze nach sich ziehen können.

Häufig genug erheischt indeß der Kriegszweck die Privaten, auch wenn sie nicht in Festungen leben, in Anspruch zu nehmen. Um einen Rückzug zu decken, oder den feindlichen Angriff zu erschweren, muß man zur Zer - störung von Privatbesitzungen schreiten. Da nicht alle Bedürfnisse auf dem Wege der Lieferung rechtzeitig herbeigeschafft werden können, ist eine Re - quisition von Lebensmitteln für Mann und Roß, von Wagen und Pferden, Schuhen und Kleidern unvermeidlich.

Jnwiefern für diese Leistungen eine Entschädigung zu gewähren, ist ungewiß. Nach dem Princip über die Nichtbetheiligung der Bürger am Kriege läge ein richtiger Kauf = oder Miethvertrag vor. Man weiß aber daß mit Durchbrechung des Grundsatzes meistens jene bekannten Bons ausgefertigt werden, deren Geldwerth, wenn es später zur Auseinander - setzung kommt, zwischen wem sie auch stattfinde, häufig genug gleich dem der Assignaten aus der großen Revolution befunden wird.

Auf der Gränze dieses delicaten Gebiets steht der Fall wenn fried - liche Bürger oder Bauern des feindlichen Staats zu militärischen Arbeiten, vielleicht zum Schanzen, gebraucht werden, wie denn die Umwohner von Straßburg, wenn ich mich recht entsinne, unter Lebensgefahr an dem Aus - werfen der Laufgräben helfen mußten welche ihre Festung zu Fall bringen sollten. Das heißt gleichsam sich selbst das Grab graben.

So war auch das Mitführen von Notabeln auf den Locomotiven und das gewaltsame Zusammentreiben von Nanziger Bürgern zum Zwecke der Wiederherstellung der Brücke von Fontenoy ein verzweifeltes Mittel, das wenig Präcedentien in der modernen Geschichte hat. Durch den letzt - erwähnten Fall wird man sehr unliebsam an Davousts Verfahren in Ham - burg erinnert, und es ist doch sehr zu bezweifeln ob der materielle Vortheil den man augenblicklich auf diese Weise erreicht, nicht sehr bedeutend über - wogen wird durch die Summe von Haß und Jngrimm welche in der Brust der Geknechteten zurückbleiben.

Wenn so der Grundsatz auf schwankendem Gebiete nicht aufrecht - erhalten werden kann, so muß es aufs schmerzlichste berühren daß er in vielen andern Fällen, wo nicht die mindeste Nöthigung vorlag, gröblich verletzt ist. Diese Fälle beziehen sich wesentlich auf die Behandlung des Privateigenthums.

Jn erster Linie steht hier die Forderung von Geldcontributionen, wohlverstanden nicht zur Strafe, sondern rein um des Gewinnes willen. Man wende nicht etwa ein: auch hier handle es sich, ähnlich wie bei der1147Verproviantirung, um ein unabweisbares Bedürfniß. Soviel Geld als es in Feindesland braucht kann ein Heer mit sich führen. Vielmehr ist dieß ein Mißbrauch der alten barbarischen Kriegführung, und wenn mit vollem Recht das eiserne Verfahren der alten Napolconischen Heere in diesem Punkt aufs strengste verurtheilt wird, so verdammt man zugleich sich selbst, wenn man auch nur im mindesten durch Wiederaufnahme dieses Verfahrens seine Hand beschmutzt.

Wenn in dieser Art von Raub oder Erpressung noch ein gewisses System eingehalten werden kann, so tritt die völligste Regellosigkeit ein wenn dem einzelnen Soldaten der Begriff vom Rechte des Privateigenthums abhanden kommt. Leider stimmen alle Zeugen darin überein daß bei der längern Dauer des deutsch = französischen Kriegs vielfach eine Verwilderung eingerissen ist, daß selbst unsere wohldisciplinirten Truppen mannichfach sich darbietenden Versuchungen nicht haben widerstehen können, und zwar selbst solche nicht die auf feinere Bildung Anspruch machen konnten. Was soll man z. B. dazu sagen wenn man in der N. Fr. Presse (vom 14 Nov. 1860) in dem Brief eines sächsischen Soldaten hat lesen können wie jeder seiner Cameraden aus den Villen vor Paris sich ein Andenken mit nach Hause zu nehmen suche, und weiter: Jch für meinen Theil habe mir aus kostbaren Bi - bliotheken Molière 's und Racine's Werke und aus dem Haus eines geflüchteten Malers in Clichy einen kleinen Teniers ausgewählt. Und dieß gewiß in aller Unschuld, vielleicht sogar in der Aussicht daß die Villa mit allen ihren Schätzen doch möglicherweise in den nächsten zwei Stunden in Brand ge - schossen werde. Jch darf auf die Aufzählung weiterer Beispiele dieser Art verzichten, da Gustav Freytag, welcher die Dinge aus eigener Anschauung gesehen hat, und dem man am wenigsten den Vorwurf parteilicher Unbe - sonnenheit wird machen können, gerade über die Behandlung des Privat - eigenthums in der Umgegend von Paris ein offenes und betrübendes Urtheil gefällt hat. * )Siehe den Artikel,〈…〉〈…〉 Das Retten und Rollen im 6. Hefte der Zeitschrift Jm neuen Reich. D. R.Es nützt in der That nichts mit einem Schleier zu bedecken was besser nicht geschehen wäre, aber wenn Vorwürfe erhoben werden, so sollen sie weniger die Tapferen kränken, auf deren Moral in normalen Verhältnissen wir, nach der Art der Zusammensetzung unseres Heeres, alle Ursache haben stolz zu sein, als zum Beweise dienen wie die Gräuel des Krieges auch in der Brust des reinsten die Begriffe von dem, was Recht und von dem was Unrecht sei, gänzlich verwirren können.

Es ist bekannt daß der an die Spitze gestellte Grundsatz über die Un - verletzlichkeit des Privatguts bis jetzt auf den Seekrieg nicht ausgedehnt ist. Es sind vor allem die englischen Staatsmänner und Rechtsgelehrten welche sich, um die Vortheile ihrer großen Seemacht auszubeuten, dem widersetzt haben. Man hat zwar versucht die schreiendsten Mißstände welche aus diesem Mangel hervorgehen zu beseitigen. Friedrich der Große und die Regierung Nordamerika's haben die wesentlichsten Verdienste um Herbeiführung von Reformen in diesem Punkt. Am klarsten sprechen die Resolutionen des Bremer Handelsstandes vom 2 Dec. 1859 es aus: daß das Rechtsbewußtsein unserer Zeit die Unverletzlichkeit der Person und des Eigenthums in Kriegszeiten zur See unbedingt erfordere. Jm Kriege von 1866 erkannten Preußen, Oesterreich und Jtalien durch Vertrag, der natürlich nur unter den Contrahenten und für den bestimmten Kriegsfall wirkt, das Princip an. Man erinnert sich wie beredt Laboulaye vor dem Ausbruch des Kriegs von 1870 für dasselbe Ziel wirkte, daß Deutschland anfangs auch das Aufgeben der alten Praxis proclamirte, leider aber in Frankreich keine Nachfolge fand. Hier zeigt sich eine wesentliche Lücke des Völkerrechts, und man kann, da der Friede bevorsteht, nicht früh und nicht energisch genug auf sie hinweisen, damit wenigstens im Vertrags - wege zwischen Deutschland und Frankreich die Abstellung jenes Miß - brauchs erreicht werde, falls sich der Festsetzung des modernen Princips als allgemein völkerrechtlichen Satzes noch unübersteigliche Schwierigkeiten entgegen stellen sollten.

Bei weiterer Untersuchung der Frage: was dem einen kriegführenden Staat gegen den andern erlaubt sei? wird man zu erfahren wünschen wie das Völkerrecht die Benutzung barbarischer Stämme beurtheilt. Welch ein Gefühl gieng durch Süddeutschland als sich an seinen Gränzen die Schaaren der afrikanischen Horden sammelten, deren Kriegsweise nach früheren Proben hinlänglich bekannt war! Und gewiß wäre nicht abzu - sehen gewesen welche Gräuel diese vorangestellten Söldner des Zuaven im Purpur in unsre heimische Cultur getragen hätten, zumal man durch officielle Kundgebungen alles that um die Erinnerungen an Melacs Zei - ten wach zu rufen. So verabscheuungswürdig es auch sein mag die Stät - ten moderner Cultur einer Soldateska anheimzugeben deren Begriffe von Moral und Recht von den unsrigen gar sehr verschieden sind, so kennt doch das Völkerrecht keinen Satz der dieß verbieten könnte, und es ist auch nicht zu denken wie man je einem Staate das Recht