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Die Bayerische Presse.
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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.

Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533.

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Nr. 130.
Würzburg, Freitag den 31. Mai. 1850.

Amtliche Nachrichten.

München, 29. Mai. Se. Maj. der König haben am 27. Mai Sich allergnädigst bewogen gefunden, auf die zu Hammelburg in Erledigung gekommene Advokatenstelle den Advokaten Bernard Straub von Orb -- seiner allerunterthänigsten Bitte entsprechend -- zu versetzen.

Landtagsverhandlungen.

München, 27. Mai. (CXIX. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. ) Am Minister - tische v. Kleinschrod und Ministerialrath v. Ki - liani. Der erste Präsident eröffnet um halb 11 Uhr die Sitzung. Verlesung des letzten Sitzungs - protokolls. Hierauf stellt Fürst Wallerstein eine Frage an den Justizminister. Jn der 118. Sitzung hatte Fürst Wallerstein bei Art. 36 den Antrag gestellt, daß die Wahl der den Bezirks - gerichtssitzungen beizuwohnenden Räthe nicht durch den Gerichtsvorstand, sondern durch das Gesammt - collegium vor sich gehen solle. Diesen Antrag bekämpft Referent von Wenning, und übergibt zum Belege seiner Behauptung, daß die Gerichts - vorstände zu jeder Zeit und vorzüglich auch im Jahre 1832, ihre Selbstständigkeit zu bewahren gewußt, dem Hrn. Justizminister zwei Documente zur beliebigen Verfügung, von denen er jedoch in Betracht der Amtsverschwiegenheit einen wei - tern Gebrauch weder machen wolle noch dürfe. Da nun diese Papiere in die Jahre der Verwal - tung Wallersteins fielen, so fragte derselbe, ob diese Documente seine Person beträfen. Staats - minister v. Kleinschrod erwiderte ihm, daß die betreffenden Documente zwei an einen Gerichts - vorstand gerichtete Briefe seien, deren Jnhalt je - doch dem amtlichen Wirkungskreise entnommen sei, also ohne einen Verstoß gegen das Gesetz der Amtsverschwiegenheit nicht veröffentlicht werden könne. Aber dies zu sagen, sehe er (Justizmi - minister) kein Hinderniß, daß nämlich der Ver - fasser dieser Briefe längst mit Tod abgegangen sei. -- Wallerstein dankt für die Aufklärung, bemerkend, daß er nur Lebende, nicht Todte zu vertreten habe. v. Wenning rechtfertigt die Uebergabe der Papiere als gebrauchtes Beweis - mittel, worauf der erste Präsident im Jnteresse der Oeffentlichkeit den Wunsch ausdrückt, daß, wenn die Documente als Beweise genommen würden, selbe auf den Tisch des Hauses nieder - gelegt werden sollen. (Bravo. ) Es wird nun zur Fortsetzung der Berathung und Schlußfassung des Gesetzentwurfes, die Gerichtsverfassung betr. , geschritten. Nach einer vorangegangenen ganz kurzen allgemeinen Debatte über den V. Abschnitt der dritten Abtheilung, welche von der Zuständig - keit und dem Verfahren in Ansehung der Ge - richtsablehnung und der Verweisung der Sache an ein anderes Gericht in bürgerlichen Rechts - streitigkeiten in sechs Art. (Art. 52. -- 57) han - delt, werden diese Art. theils nach dem Ausschusse, theils nach dem Entwurfe angenommen. Die von der Kammer der Reichsräthe vorgeschlagene Abtheilung von den General = und Staatsan - walten schlägt der Ausschuß vollständig zu strei - chen vor. Es werden aber sämmtliche drei Art. nach einer Modifikation Lerchenfelds angenommen. Die hierauf folgende vierte Abtheilung des Ge - setzes, welche von dem Notariate handelt, ruft eine größere Debatte und wichtigere Modificatio - nen vor. Die Regierung schlägt folgende beiden Art. hervor: Art. 58. Zur Verwaltung der Rechts - pflege in nicht streitigen bürgerlichen Rechtssachen wird am Sitze eines jeden Stadt = und Landge - richts ein Amtspfleger und für den Bezirk des Stadt = und Landgerichts die erforderliche Anzahl von Notaren angestellt. Art. 59. Die Führung des Vormundschafts =, Curatels = und Hypotheken - wesens steht ausschließend dem Amtspfleger zu. Der Wirkungskreis desselben, sowie die Geschäfts - führung der Notare und ihr Verhältniß zu den Amtspflegern wird durch das Notariatsgesetz be - stimmt. Die Kammer der Reichsräthe schlägt folgende Fassung dieser beiden Art. vor: Zur Vornahme von Geschäften der nicht streitigen Rechtspflege, in so weit dieselbe nicht dem zweiten Bezirksrichter vorbehalten sind, wird die erforder - liche Anzahl von Notaren angestellt. Der Aus - schuß schlägt folgende Fassung des ersten Art. vor: Zur Verwaltung der Rechtspflege in nicht streitigen bürgerlichen Rechtssachen wird am Sitze eines jeden Stadt = und Landgerichts ein Amts - pfleger und im Sprengel eines jeden Bezirksge - richts die erforderliche Anzahl von Notaren ange - stellt. Der Art 59 solle jedoch unverändert blei - ben. Lerchenfeld wünscht eine vollständige Ein = und Durchführung des Notariatswesens, will also die von der Regierung beantragten Amtspfleger beseitigt wissen und stellt daher fol - gende Modifikation: zur Verwaltung der Rechts - pflege in nicht streitigen bürgerlichen Rechtssachen werden in jedem Gerichtssprengel die erforderliche Notaren angestellt. Die Führung des Vormund - schafts - und Kuratelwesens steht dem Stadt = und Landrichter zu. Zur Führung des Hypotheken - wesens werden eigene Hypothekenbeamte angestellt; es kann die Führung des Hypothekenwesens auch andern Beamten übertragen werden mit Ausnahme der richterlichen Beamten und Notare. -- Abg. Paur beantragt folgende Fassung: Art. 58. Zur Verwaltung der Rechtspflege in nicht strei - tigen bürgerlichen Rechtssachen wird die erforder - liche Anzahl von Notaren angestellt. Art. 59. Die Führung der Vormundschafts =, Curatels = und Hypothekenwesens steht den Stadt = und Landrich - tern zu. Jm Falle des Bedürfnisses bei densel - ben wird vorzugsweise zur Führung dieser Ge - schäfte ein zweiter Beamter angestellt. Jn Städ - ten, die in mehrere Stadtgerichtsbezirke getheilt sind, wird das Hypothekenwesen der ganzen Stadt von einem besonders hiefür angestellten Beamten geführt. Der Wirkungskreis dieser Beamten, bez. der Verwaltung des Vormundschafts =, Curatels - und Hypothekenwesens, sowie die Geschäftsführung der Notare und ihr Verhältniß zu den erstern wird durch das Notariatsgesetz bestimmt. -- Es wird hierauf Schluß gerufen und nachdem sich Staatsminister der Justiz für die Modification Paur's entschieden ausgesprochen, wird die spezielle Debatte eröffnet. -- Arnheim findet einige Bedenken in der Modification Paux's und der Lerchenfeld's, beantragt daher eine Untermodifica - tion, welche folgende Einschaltung nach dem drit -ten Satze des Art. 59 beabsichtigt. Rechtsstrei - tigkeiten über Curatel und Hypotheken, amtlichen Handlungen des Stadt = und Landrichters kompe - tiren zum betreffenden Bezirksgerichte. -- Hierauf wird die Paur'sche Modification mit dem Arn - heimschen Antrag angenommen und die Sitzung hierauf um 3 Uhr geschlossen.

München, 28. Mai. (CXX. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. ) Am Minister - tische v. Kleinschrod und Ministerialrath v. Kili - ani. Der I. Präsident eröffnet um halb 10 Uhr die Sitzung und geht nach Bekanntgabe des letz - ten Sitzungsprotokolls sogleich zur Berathung und Schlußfassung des Gesetzentwurfes: die Gerichts - organisation betr. über. Nachdem noch ein Zu - satz zu Art. 22, der bei der dortigen Berathung aufgehoben wurde, von Lerchenfeld angenommen worden, wurde die allgemeine Debatte über die 5 Artikel umfassende fünfte Abtheilung, welche von dem Wirkungskreise der Gerichtsschreiber und Se - kretäre und von den das Tax = und Depositenwe - sen betr. Geschäften handelt, eröffnet. Nach der - selben wurden diese Artikel theils angenommen, theils modificirt. Der hierauf erfolgten Berathung über die Schlußbestimmungen wurde keine allge - meine Debatte vorausgeschickt, sondern die Artikel 65 -- 81 nach kurzer Berathung erledigt. -- Die von der Kammer der Reichsräthe vorgeschlagenen und vom Ausschusse angenommenen Schlußanträge schlägt die Präsident heute Abend 4 Uhr zu be - rathen vor, damit morgen der II. Ausschuß Be - rathung pflegen könne. Das ganze Gesetz wurde hierauf mit 105 gegen 23 Stemmen angenom - men. -- Gegen dasselbe stimmten Weiß Ant., Wolfsteiner, Kauschinger, Degenhart, Praun, Pröll, Doppelhammer, Mayr Fr. Ser., Sepp, Fruth, La Rosée, Hopf, Ruland, Lauer, Högg, Koch, Westermayer, Winkler, Döllinger, Breitenbach, Demel, Wifling. -- Schluß der Sitzung um 1 Uhr. (Schluß folgt.)

München, 28. Mai. Die Kammer der Reichsräthe hat in ihrer heutigen Sitzung den Gesetzentwurf, den Art. 4 des Gesetzes über die Ablösung des Lehenverbandes vom 4. Juni 1848 betreffend, unverändert angenommen.

Deutschland.

München, 28. Mai. Der jüngst vom Staats - minister der Finanzen zugesagte Wiederbeginn der Verloosung der3 1 / 2 proz. Staatsschuld wird im Laufe des nächsten Monats zur Ausführung kom - men. Es soll eine Million Gulden für dießmal zur Tilgung bestimmt sein.

München, 29. Mai. Der vorgestern früh verhaftete Hr. Schell ist heute aus der Frohn - veste entlassen worden.

München, 29. Mai. Gestern Nachmittag starb dahier nach längerem Leiden im 63. Lebens - jahre der rühmlichst bekannte qu. Conservator der k. Gemälde = Gallerie Hr. Theodor Matten - heimer.

Fraukfurt, 28. Mai. Die Art und Weise, in der Lord Palmerston den Schutz auffaßt, wel - cher den britischen Unterthanen im Auslande ge - bühre, und die so ernste Folgerungen für mehrere Staaten mittlern Ranges nach sich zog, hat Oester -reich veranlaßt, die geeigneten Maßregeln zu neh - men, daß fortan Engländern die Aufenthaltsbe - fugniß nur unter der Bedingung zugestanden wird, wenn sie auf den ganz besondern von Lord Pal - merston eigens formirten Schutz von Seiten ihrer Regierung verzichten. Wie wir vernehmen, beab - sichtigt nun auch Oesterreich zu erwirken, daß die sämmtlichen deutschen Staaten, wenigstens inner - halb des deutschen Bundesgebiets, eine gleiche Maßregel verwirklichen. Jeder Vaterlandsfreund, jeder wahrhafte Patriot kann hierzu nur seine volle Zustimmung geben und einen solchen Akt mit Freuden begrüßen, da er sowohl im Jnteresse, als in der Ehre des Vaterlands und seiner Be - wohner liegen würde. Man hat gesehen, in welch perfider und gewaltsamer Weise die jetzige Regie - rung des mächtigen Großbrittaniens keinen An - stand nahm, das kaum gewordene und darum noch schwache Griechenland zu zwingen, übertrie - bene nicht gehörig erwiesene Ansprüche einzelner selbstsüchtiger Engländer zu befriedigen. Ebenso wird dem Großherzogthum Toskana von Lord Palmerston Namens des englischen Ministeriums die Zumuthung gestellt, ähnliche willkürliche Ent - schädigungsansprüche zu leisten. Auch steht Ad - miral Parker auf dem Punkte, einen Parlamen - tär nach Neapel zu schicken, um Satisfaktion für die britischen Unterthanen, welche während der dortigen Revolutionen Schaden gelitten, zu ver - langen. Jm Nichtgewährungsfalle hat Palmer - ston den Admiral angewiesen, mit seiner ganzen Flotte vor Neapel zu erscheinen, die bedeutendsten Häfen des Landes zu blokiren und so diesem - nigreich der Lebensnerv zu unterbinden.

* Von der württembergischen Grenze, 28. Mai. Es ist ein großer Jammer, wenn man sieht, wie zur Zeit wo die politischen Nachtheile des allgemeinen Stimmrechtes in Frank - reich von allen Parteien mit Ausnahme der rothen im strengen Sinne des Wortes gefühlt und aner - kannt werden, im Lande Württemberg die Majo - ritat der Landesversammlung auf's Hartnäckigste an diesem gefährlichen Ding festhält, und -- als wäre es der Güter höchstes -- alles Uebrige, Ruhe, Friede und Ordnung dafür in die Schanze zu schlagen bereit erscheint. Das ist auch eitel , wenn ein Mitglied jener Linken seine politische Weisheit dadurch an den Tag legen will, daß es ausruft (oder gar mit Ueberlegung und Ruhe ausspricht), die Zweckmäßigkeit stehe nur in zwei - ter Linie, von der Ueberzeugung dürfe man aber unter keinen Umständen abgehen. Das ist die Rede eines hoffnungsvollen Jünglings , der für eine schöne, aber unpraktische Phantasie mit dem Kopf durch die Wand rennen möchte, und den man für diesen Muth loben muß, weil für einen Jüngling der gerade offene Sinn, das reine Stre - ben nach Wahrheit mehr werth ist, als alle Su - perklugheit die der Reinheit und Lauterkeit erman - gelt. Für den gereiften Mann aber, wofür man jeden Landtagsabgeordneten zu halten berechtigt ist, gibt es keine unzweckmäßige Ueberzeugung, noch wird er einer Sache die er für zweckmäßig erachtet, seine Ueberzeugung versagen. So un - bedeutend jene Aeußerung an sich auch ist, so ist sie doch charakteristisch für die Partei; es ist eben eine linke Aeußerung. Es ist schon 1848 in der bayerischen wie überhaupt in der deutschen Presse viel über die verschiedenen Wahlsysteme debattirt worden. Vom idealistischen Standpunkte aus, d. h. unter der Voraussetzung, daß alle Menschen so seien, wie sie sein sollten, oder richtiger, daß die große Masse des Volkes so sei wie sie sein sollte, die an Zahl geringern Begüterten und Ge - bildeten aber nicht so seien, wie sie sollten, -- verdiente freilich das allgemeine Stimmrecht den Vorzug. Da diese Voraussetzung aber falsch ist, so fällt auch das Gebäude des allgem. Stimm - rechtes in sich selbst zusammen -- und das ist zweckmäßig und hat seine guten Gründe. -- Er - lauben Sie mir noch eine Bemerkung über eine Aeußerung des Präsidenten Schoder in der Sitz - ung vom 23. ds. Es ist in aufgeregten Zeiten leider nur zu oft der Fall, daß das gegenseitigeMißtrauen der Parteien oft die natürlichen Gren - zen überschreitet. Wir können es daher nur die - sem Umstande zuschreiben, daß Schoder, obschon nirgends ein Beweis vorliegt, kurzweg annimmt und es öffentlich ausspricht, daß der Bundestag restaurirt sei. Er motivirte damit eine Art von Aufstachelung an die Versammlung, sich in keine Concessionen an die Regierung einzulassen; denn: die Versammlung wolle die Einführung der Grund - rechte in die Verfassung, was dem restaurirten Bundestag nicht annehmbar sein könne. Eine Veränderung des Wahlgesetzes (man könnte hier wohl sagen des Wühlgesetzes! ) wäre zwar am Ende zuzugeben, aber auch dieß würde nicht be - friedigen, die größere Staaten würden eine so vereinbarte Verfassung doch stets für einen bo - denlosen Demokratismus halten. Und doch hatte die Regierung längst schon erklärt und es öfters wiederholt, daß sie die Grundrechte durchzuführen gedenke, wenn es ihr auch nicht möglich sein kann, dieselben en bloc anzunehmen, weil Vieles in denselben auf Gegenseitigkeit mit den andern Staaten beruht. Was die Restauration des alten Bundestags betrifft, so ist es männiglich bekannt, daß davon -- trotz den Versicherungen eines Cor - respondenten des Lloyd -- die Rede nicht ist, sondern daß die Grundlage der Frankfurter Ver - handlungen -- wie der Minister des Auswärtigen es auch versicherte -- die Münchener Ueberein - kunft bildet.

Dresden, 26. Mai. Wie sich voraussehen ließ, hat Sachsen den mit heute eingetretenen Tag des Ablaufs des zu Berlin im vorigen Jahre am gleichen Tage vorläufig auf Jahresdauer abge - schlossen gewesenen Bündnisses benützt, um seine Lossagung von jenem Bündnisse, die im Grunde thatsächlich schon längst bestanden, nun auch förm - lich zu erklären. Gestern ist der Auftrag dazu au den sächs. Geschäftsträger zu Berlin abgegangen.

Osnabrück, 21. Mai. Vom heil. Vater ist unser verehrter Weihbischof, Dr. Lüpke, zum Exe - cutor der päpstlichen Bulle Imp. Rom. Pontif. bestellt, worüber man sich hier um so mehr freuet, als man fest glaubt, daß die in diesem Vertrage enthaltenen rechtlichen Forderungen der Katholiken des Königreichs Hannover, nämlich für Hildes - heim die Begründung der Einkünfte des Bischofs und Domcapitels, die schon 1828 hätte geschehen müssen, und für Osnabrück die Dotation des Bis - thums, jetzt ernstlicher von der Regierung bean - sprucht werden. Zu diesem Behufe ist unser Weihbischof vor Kurzem mehrere Tage in Hanno - ver anwesend gewesen, und hat dem Könige ein hierauf bezügliches Schreiben des Papstes über - reicht. Obgleich der König am 10. d. den Ueber - bringer des päpstlichen Briefes zur Tafel geladen und ihm von der Regierung günstige Zusagen ge - macht sein sollen: so stellt man hier den redlichen Willen der Regierung und vielleicht nicht mit Un - recht, sehr in Frage, wiewohl das begründete Recht der Katholiken höchsten Orts anerkannt ist.

Wien, 25. Mai. Ein halbofficieller Artikel der Oesterr. Reichs = Ztg. erörtert die Bemerkung in dem letzten Finanzvortrag, daß Oesterreich ge - nöthigt war, sehr bedeutende russische Heeresmas - sen auf österr. Boden zu erhalten, mit folgenden Worten: Laut eines für die Hilfeleistung in Un - garn zwischen Oesterreich und Rußland im Mai vorigen Jahrs abgeschlossenen Staatsvertrags er - bot sich letzteres, Sold und Kriegszulagen seiner Auxiliartruppen fortwährend und ohne Anspruch auf eine Vergütung von Seiten Oesterreichs selbst zu bezahlen, wogegen Oesterreich innerhalb seiner Grenzen die Naturalverpflegung und die nöthigen Vorspänne denselben zu leisten übernahm. Da aber weder in Galizien, noch in Mähren hinrei - chend dotirte Verpflegungsmagazine vorbereitet wa - ren, und bei dem überraschend schnell erfolgenden Einmarsche von 200,000 M. und 90,000 Pfer - den nicht mehr rechtzeitig errichtet werden konnten, so stellte die russ. Regierung ihre im Königreich Polen seit lange angehäuften Victualienvorräthe bereitwillig gegen dereinstige Vergütung zur Dis - position, und dieselben wurden, und zwar großen -theils mit gemietheten russ. Privatfuhrwerken, bis Dukla, Bartfeld, Eperies, Kaschan und Debreczin vorgeschoben. Die unerwartet schnelle Beendigung des ungar. Kriegs hatte zur Folge, daß von den an den erwähnten Orten eingelagerten Vorräthen selbst -- nach dem Rückmarsche der russ. Trup - pen -- noch sehr bedeutende Mengen erübrigten, welche Oesterreich vertragsmäßig entweder gegen Vergütung der Gestehungs = und Transportkosten übernehmen, oder auf eigene Gefahr und Rech - nung in das Königreich Polen zurückführen mußte. Letztere abermalige Transportspesen hätten aber den Preis des vorhandenen Materials weit überschrit - ten, weßhalb dessen Ankauf vorgezogen und aus - geführt wurde. Jene 3,600,000 Silberrubel, welche nach der neuesten Abrechnung Oesterreich schließlich an Rußland zu bezahlen, sind -- wie wir verneh - men -- die Ausgleichung für Anschaffung und Transport der von der russ. Armee nach Oester - reich mitgebrachten, theils verzehrten, theils als noch vorhanden übernommenen Lebensmittel und Fouragen.

Berlin, 26. Mai. Die Neue Preußische Zeitung enthält in ihren Spalten über den versuchten Königsmord folgende Reflexio - nen: Wir haben von vornherein ausgesprochen, daß wir von der moralischen Mitschuld und Ur - heberschaft der revolutionären Propaganda an der fluchwürdigen That überzeugt sind. Ob die Un - tersuchung irgend eine direkte Betheiligung Sei - tens der Demokratie darthun wird, darauf legen wir weniger Gewicht. Aber das Recht der An - klage der moralischen Urheberschaft glauben wir vollkommen nach alle den vorliegenden Beweisen und Thatsachen zu haben und widerholen: Die Geistesrichtung des Sefeloge ist durch demokra - tische Einflüsse und Einwirkungen bis zu jenem schrecklichen Entschlusse fanatisirt worden. -- Denn eine solche That konnte nicht ausbleiben, nachdem systematisch seit Jahr und Tag durch die hiesige demokratische Presse jede Achtung vor der Person des Monarchen, vor der Würde des Thrones auf das Perfideste untergraben worden ist, nach - dem Eid und Gewissen, Glauben und Heiligthum fortwährend blasphemirt worden sind, nachdem durch die bekannten Blätter fortwährend Haß und Bitterkeit gegen den Monarchen und die Regie - rung gepredigt, ja offen die Nothwendigkeit der gewaltsamen und blutigen Empörung proklamirt sind! -- Wer da Augen haben will, um die Früchte dieser Propaganda und den Geist, den sie erzeugt hat, zu sehen, der braucht einfach nur die reichhaltige Sammlung von Motto's zu lesen, die in der hiesigen Urwählerzeitung und Abend - post die demokratischen Beiträge für die berüchtigte Rinow'lche Sammlung begleiten. Mit offenen klaren Worten ist da das Verbrechen proklamirt. Motto's, wie: Auch deine Stunde wird kommen, Fritze! -- Die rothe Fahne muß durch ganz Europa wehen! kommen zu Dutzenden vor und sind die geringfügigsten! -- Wer da weiß, wie systematisch in dem Vereinswesen das Mißtrauen und die Erbitterung gegen die Regierung organi - sirt wurde; welche Reden dort an der Tagesord - nung waren, welche Lectüre verbreitet, welche Grundsätze und Ansichten dem Volke eingepflanzt wurden, -- konnte sich über den Ausgang nicht täuschen. -- Und diesem Allem gegenüber wagt die Demokratie ihre Mitschuld, ihre Theilnahme an dem Morde abzuläugnen? Diesem Allem ge - genüber kann sie in der constitutionellen Juden - zeitung und in dem zaghaften Manöver eines al - ten feigen Klatschblattes noch Ritter finden! -- Wahrlich die Zeit ist eine solche, daß eine gründ - liche Reinigung gründlich Noth thut, und wenn jetzt unsere Regierung, die den Giftbaum, so hoch hat emporschießen und solche Früchte treiben las - sen, nicht statt des Oculirmessers die Art nimmt, dann werden wir nächstens noch andere Ergebnisse sehen, als den versuchten Königsmord!

Berlin, 27. Mai. Die polizeilichen Nach - forschungen, zu welchen das Attentat auf den König Veranlassung gegeben, in Verbindung mit von der Schweiz hierher gesandten Documenten, haben den Beweis geliefert, daß mehrere Hand -werker = und Arbeitervereine in Preußen mit aus - ländischen, namentlich schweizerischen Vereinen in Verbindung stehen, deren gemeinsamer Zweck ist, die soziale Republik herbeizuführen. Diese Ver - eine werden aufgehoben werden, und sicherlich wird hierbei die Sache der Freiheit am wenigsten verlieren.

Berlin, 27. Mai. Die identische Erklärung an Oesterreich lautet: Euer Hochgeboren sind durch mein Schreiben vom 3. d. M. von der Einladung in Kennteiß gesetzt worden, welche das k. k. Kabinet zu einer Konferenz sämmtlicher Ge - nossen des deutschen Bundes in Frankfurt a. M. mittelst der Cirkulardepesche vom 26. v. M. hatte ergehen lassen. Jch mußte mich damals auf die Erklärung beschränken, daß die königliche Regie - rung diese Aufforderung in Erwägung ziehen, ih - ren definitiven Entschluß aber erst nach vorgängi - ger Berathung mit ihren Verbündeten fassen werde, mit welchen sich zu gemeinsamem Handeln zu verständigen ebenso sehr ihr eigener Wunsch, wie die übernommenen Verpflichtungen ihr gebo - ten. Diese Berathung hat nunmehr stattgefunden, und die königliche Regierung kann sich nur Glück wünschen zu der lebhaften und entgegenkommenden Theilnahme, welcher sie bei ihren Verbündeten be - gegnet ist, und welche die erfreuliche Bürgschaft für eine gedeihliche Entwickelung der alle gemein - sam betreffenden großen und hochwichtigen Ange - legenheit gewährt. Jch sehe mich daher nunmehr auch im Stande, Ew. ec. zu der Abgabe folgen - der Erklärung im Namen der königlichen Regie - rung an das k. k. Kabinet zu ermächtigen, in wel - cher das letztere den ernsten Willen der k. Regie - rung erkennen wird, Alles, was in ihren Kräften steht, dazu beizutragen, um die lang ersehnte Ei - nigung über die größte schwebende Frage der deutschen Angelegenheiten zu erzielen. Wir haben für die Erwägung der Aufforderung des k. k. Ka - binets, gemeinsam mit allen deutschen Regierun - gen, nur Einen Standpunkt: die Rücksicht auf die Wohlfahrt und das Heil des gemeinsamen Vaterlandes. Die Einigung des gesammten Deutschlands, die Neubildung des alten Bundes auf Grundlagen, welche dem wahren Bedürfnisse der Nation entsprechen, steht uns so hoch, daß wir es für eine heilige Pflicht achten müssen, kei - nen Weg unversucht zu lassen, welcher möglicher - weise zu diesem Ziele führen kann; wir haben mit zu tiefem Bedauern den bisherigen Mangel an Uebereinstimmung in den Ansichten empfunden, als daß wir nicht mit Freuden jede Gelegenheit begrüßen sollten, welche eine Aussicht darbieten kann, diesem Mangel durch den offenen Austausch der gegenseitigen Wünsche und Bedürfnisse abzu - helfen. Ebenso erkennen wir das unmittelbar vor - liegende Bedürfniß, zunächst für eine wenigstens provisorische Leitung der gemeinsammen Angele - genheiten Fürsorge zu tragen. Alle deutschen Staaten sind hierbei gleichmäßig betheiligt, und eine gemeinschaftliche Berathung aller Regierungen kann daher nur als der natur = und bundesgemäße Weg erscheinen, um gemeinschaftliche Entschlüsse herbeiführen. Es kann uns eben darum auch nur zur Befriedigung gereichen, daß das k. k. Kabinet auf diesem Wege durch seine an die Regierungen gerichtete Einladung vorgegangen ist, und wir sind bereit, dieser Einladung zu folgen und auch unse - rerseits einen Bevollmächtigten nach Frankfurt ab - zusenden. Wir glauben, daß über den Charakter der dortigen Konferenzen kein Zweifel bleiben könne und dürfe. Wir sehen in denselben eine freie Berathung der souveränen Staaten Deutsch - lands, deren Beziehungen auf dem völkerrechtli - chen Grunde vollkommener Freiheit und Unabhän - gigkeit ruhen und deren Zusammentritt und Ver - einigung daher nur aus vollkommen freien Ent - schlüssen hervorgehen kann. Wir lehnen daher ausdrücklich die Hinweisung auf eine Einberufung des Kongresses auf Grund der erloschenen Präsi - dialbefugnisse der rechtmäßig aufgelösten Bundes - versammlung ab. Aus demselben Grunde können wir nicht anerkennen, daß dieser Zusammenkunft der Charakter des Plenums der früheren Bun - desversammlung beiwohne, sondern betrachten sielediglich als eine Vereinigung der 35 deutschen Regierungen zu bestimmten Zwecken. Es folgt hieraus von selbst, daß wir derselben keinerlei Rechte zugestehen können, Beschlüsse im Namen des Bundes zu fassen, welche diejenigen deutschen Regierungen binden könnten, die nicht selbst aus freiem Entschlusse ihre Zustimmung dazu gegeben haben. Für letztere würde keine andere Art von Folgen daraus erwachsen können, als daß die Re - sultate der Zusammenkunft auf sie keine Anwen - dung finden. Wir geben uns gern der Hoffnung hin, daß eine solche Voraussetzung nicht in Wirk - lichkeit treten, daß der offene Austausch der ge - genseitigen Ansichten auf dem Grunde des gemein - samen Bestrebens nach Einem Ziele hin alle Re - gierungen zu einträchtigem Zusammenwirken ver - einigen werde. Je sicherer wir Dies hoffen, um so fester halten wir auch daran, daß keinem deut - schen Staate das Recht verkümmert werde, seine besonderen Bedürfnisse zur Geltung zu bringen. Wir nehmen daher keinen Anstand, zu erklären, daß wir keiner Neugestaltung der Bundesversamm - lung zustimmen werden, welche den Grundsatz der freien Unirung auf bundesstaatlicher Grundlage nicht allen Regierungen sichert, welche hiezu das Bedürfniß empfinden. Wir sprechen Dies mit derselben Offenheit aus, die wir von allen Ge - nossen des deutschen Bundes erwarten, und die allein zur Einigung führen kann. Wir werden diese Genossen des Bundes in Frankfurt mit der Zuversicht begrüßen, daß wir uns auf dem ge - meinsamen Boden der Sorge für das Wohl der deutschen Nation befinden, und drücken gern dem k. k. Kabinet insbesondere das Vertrauen aus, daß es auf diesem Boden und in diesem Sinne die einzelnen, in der Natur der besonderen Ver - hältnisse liegenden Schwierigkeiten zu überwinden helfen werde. Ew. Hochgeboren wollen diese Er - klärung dem k. k. Ministerpräsidenten abgeben und ihm von der gegenwärtigen Depesche abschriftliche Mittheilung machen. Berlin, des 16. Mai 1850. (gez. ) v. Schleinitz. An den k. Gesandten, geh. Legationsrath Hrn. Grafen v. Bernstorff Hochge - boren, zu Wien.

Berlin, 27. Mai. Die Schweizer Regierung hat bekanntlich auf Andringen der europäischen Mächte die Papiere der dortigen Arbeitervereine mit Beschlag belegt. Aus diesen Papieren soll deutlich hervorgehen, daß das Absehen der ge - nannten Vereine auf die Einführung der socialen Republik, Aufhebung des Eigenthums und Zer - störung des Kapitals gerichtet ist. Unter den ergriffenen Papieren haben sich auch Original - briefe gefunden, welche die unmittelbare Ver - bindung jener Vereine mit den hiesigen Arbeiter - und Handwerkervereinen herausstellen.

Berlin, 27. Mai. Es wird uns aus der Provinz Sachsen mitgetheilt, daß am 24. d. M. in Nordhausen ein furchtbares Hagelwetter ge - wüthet hat. Dasselbe zog von Süden nach Nor - den und hat in einer Entfernung von 2 Stunden alle Früchte, Obst und die nach der Südseite lie - genden Fensterscheiben der Gebände vollständig zerstört. Die Schlossen waren von der Größe eines Hühnereies, ja oft wie eine Faust groß. Was auf dem Felde vom Hagel verschont blieb, wurde verschlammt. Man fand viele Vögel er - schlagen und auch 12 Schaafe sind vom Wetter getödtet. Der Quedlinburger Postwagen wurde auf einer Höhe von dem mit furchtbarem Getöse begleiteten Sturme umgeworfen.

Münster, 26. Mai. Herr Direktor Temme ist in Folge der gegen ihn eingeleiteten Discipli - nar = Untersuchung zum dritten Male vom Amte suspendirt worden. Dem Vernehmen nach erstreckt sich die Untersuchung nicht allein auf die Theil - nahme an den stuttgarter Beschlüssen und die Nichtbefolgung der Aufforderung zur Rückkehr, sondern auch auf das öffentliche Anbieten, gericht - liche Gutachten anzufertigen, welches er während seiner Haft durch hiesige Zeitungen machte und das man seiner Stellung als Gerichts = Direktor unangemessen hält, so wie auf die Bekanntmachung von Eingaben und Vorstellungen an das Justiz - ministerium durch öffentliche Blätter.

Frankreich.

C Paris, 28. Mai. Man liest im Consti - tutionnel: Wünschen wir der gemäßigten Partei vor Allem zur Einstimmigkeit Glück, welche sie bei ihrer gestrigen Abstimmung dargethan hat. Alle oppositionellen Amendements zu Art. 2, d. h. zum wichtigsten des Wahlreform = Entwurfs, wurden von einer ungeheuren und sozusagen unveränderten Majorität verworfen. Kaum haben die Ansprüche des tiers parti 20 Stimmen außer jenen der Rothen erhalten. Wir hoffen, die Majorität werde bis zum Ende in dieser vollkommenen Ein - tracht verharren, deren Schauspiel heute von allen Vertheidigern der Ordnung beklatscht wird. Es wird daraus eine große und heilsame Lehre her - vorgehen. Jeder, Freund oder Feind, weiß nun im Voraus, daß die Majorität entschieden ist, alle Mittel in den Grenzen der Gerechtigkeit und des Rechts anzuwenden, welche man zur Vernich - tung des Socialismus nöthig erachten wird. -- Man liest in der Assemblée nationale: Es steht den politischen Republikanern gut, zu behaupten, man wolle in Deutschland aus dem Meuchelmord des Königs von Preußen eine Affaire Fieschi ma - chen und daraus Folgen für die Reaction ziehen. Hat die republikanische Partei Fieschi verläug - net? Erinnert man sich nicht, daß die repub - likanischen Freunde des Herrn Marrast's unter Recurt's Präsidentschaft die Wittwe und, wie wir glauben, auch die Kinder Pepins, des Mitver - brechers Fieschi's, auf die Listeder Nationalbelohnun - gen setzten! Sollte man nicht glauben, die repub - blikanische Partei sei jungfräulich rein an diesen Attentaten gegen die Könige? Der Vater des Generals Cavaignac machte Ludwigs XVI. Haupt vom Rumpfe fallen und der Name Königsmörder war ein Ehrenname. Schämt euch also euerer Werke nicht! Ja! Es ist die Hand einer Partei, welche den Meuchelmörder des Königs von Preu - ßen bewaffnet hat. Die Lehren, welche ihr dem Geiste des Volkes einbläuet, erzeugen die Elen - den, welche den General Brea, den Grafen Rossi, den Fürsten Lichnowsky meuchlings mordeten. Jhr sagt dem Volke, jeder Herrscher sei ein Usurpa - tor. Jst es dann so erstaunlich, wenn die Ban - diten, welche euch hören, sich für Brutus halten? Man muß hoffen, das Berliner Attentat werde dem Wohle und der Ruhe von ganz Deutschland nutzbringend sein. Friedrich Wilhelms erste Ver - ordnung kann nun wahrscheinlich diese werden: Einigung aller Kräfte der Gesellschaft gegen das demagogische Prinzip, keine aufrührerische Presse, keine rebellische Volksvertretung, Rückkehr zur Sol - datenherrschaft und zum Militärstaate Friedrichs des Großen.

Jtalien.

Turin, 24. Mai. Die öffentliche Verhand - lung des Prozesses gegen den Erzbischof von Tu - rin, Monsignore Fransoni, hat gestern unter un - geheurem Zudrang von Theilnehmenden und bloßen Neugierigen stattgefunden. Der demagogische Troß bildete natürlich die Mehrzahl; er konnte es kaum erwarten, den Urtheilsspruch über das Opfer zu vernehmen. Aber auch elegant gekleidete Damen, Mitglieder beider Kammern, Beamte, Geistliche sah man in großer Zahl anwesend. Cavaliere Mazza di Saluzzo präsidirte dem aus 8 Räthen bestehenden Gerichtshof. Die 12 Geschworenen leisteten zuerst den Eid; aber der für den Ange - klagten bestimmte Sessel in Mitte des Saales war leer. Der Präsident kündete die Weigerung des in der Citadelle in Haft sitzenden Erzbischofs an, zu erscheinen, und es wurde daher zum Con - tumacialverfahren geschritten. Der Präsident er - klärte: das Gesetz gebe zwei Wege an die Hand, entweder gewaltsame Vorführung des widerspensti - gen Angeklagten, oder Aburtheilung desselben in seiner Abwesenheit; der Gerichtshof habe sich für letztere entschieden, da die Anwesenheit des Ange - schuldigten durchaus nutzlos sein würde, indem derselbe seinen festen Entschluß erklärt habe, auf keine Frage zu antworten. Es war 11 Uhr Mit - tags, als die Verlesung der Aktenstücke des Pro - zesses, nämlich des Antrags auf Versetzung in denAnklagestand und des darauf lautenden Erkennt - nisses der Anklagekammer, begann. Die Anklage lautete dahin: Marquis Luigi Fransoni, 62 Jahre alt, gebürtig von Genua, Erzbischof von Turin, habe sich -- entgegen dem Art. 24 des Preßge - setzes -- durch Veröffentlichung und Verbreitung seines vom 18. April datirten Rundschreibens der Verletzung der den Gesetzen des Staats schuldi - gen Achtung schuldig gemacht. Auf Antrag des General = Advokaten Persoglio wurden vor Allem die zwei Zeugen vernommen, welche aussagten, das Rundschreiben des Erzbischofs sei an einem Sonntag an der Sacristei der Pfarrkirche di Santa Maria Maggiore in Poirino, zu welcher das Pub - likum freien Zutritt hat, angeheftet gewesen. Nun wurde das am 21. April mit Beschlag belegte Rundschreiben, das über diese in der Druckerei, auf der Post und im erzbischöfl. Palaste selbst, wo man noch 356 Abdrücke fand, bewerkstelligte Beschlagnahme aufgenommene Protokoll, das Vor - ladungsmandat, so wie der Haftbefehl und das Protokoll über die ersten Verhöre in der Citadelle, dann der Anklageakt und Anhängsel dazu verlesen. Aus diesen Aktenstücken ging auch hervor, daß Monsignore Fransoni bestimmt erklärt hätte, bei dem Verfahren gegen ihn sich lediglich passiv zu verhalten, bei keinem Verhör eine Antwort zu ge - ben, noch irgend ein Protokoll zu unterschreiben. Die Art und Weise, wie nun der General = Advo - kat Persoglio die Anklage entwickelte und begrün - dete, bot durchaus nichts wesentlich Neues; es waren darin nur die bekannten Argumente gegen den Erzbischof wiederholt, der sich selbst als Ur - heber des fraglichen Rundschreibens bekannt habe. Er stellte am Schlusse die Anklage auf Verletzung und Aufreitzung zur Nichtbeobachtung des Gesetzes vom 9. April. Für den Erzbischof, der unerschüt - terlich jede Theilnahme an dem Vorschreiten ver - weigerte, daher auch keinen Vertheidiger für sich bestellt hatte, führte von Amtswegen der Armen - Advokat Cavaliere Vigliano mit unbestreitbarem Talent das Wort, indem er nachwies, wie hier gar kein Preßvergehen vorliege, weil die Oeffent - lichkeit mangle; denn das Rundschreiben konnte wegen der Beschlagnahme nicht vertheilt werden, und selbst angenommen die Vertheilung, so würde diese nicht hinreichen, eine Veröffentlichung im Sinne des Art. 13 des Preßgesetzes zu begrün - den. Er führte dann zur Rechtfertigung der be - sonders ineriminirten Einleitung des Rundschrei - bens aus, wie das Statut die kathol. Religion als Staatsreligion, also auch die Gesetze und Concordate derselben anerkenne, das Gesetz vom 9. April daher nur insoweit sanctionirt werden konnte, als es diese Gesetze und Concordate nicht verletzte. Der Erzbischof wollte nur die Gewis - seuscrupel seiner Geistlichkeit mit dem Gesetze in Einklang bringen, und darum schrieb er gewisse Cautelen vor, unter denen das Gesetz dann beob - achtet werden könne. Zum Widerstand habe das Rundschreiben nirgends angerathen. Nachdem er so Punkt für Punkt der Anklage durchgegangen und widerlegt hatte, erinnerte er Richter und Ge - schworene daran, wie man vor einem halben Jahr - hundert in derselben Citadelle den berühmten Schrift - steller Pictro Giannone eingesperrt zu Grunde gehen ließ, weil er die Fürstenrechte gegen die Kirche vertheidigt hatte, und sprach die Hoffnung aus, daß sie nicht gleichen Tadel würden auf sich zie - hen wollen, wie ihn die Geschichte über jenen verhängte, die den berühmten Schriftsteller zu Grunde gehen ließen. Er beantragte Schuldlos - Erklärung des Angeklagten. Jndessen sprachen die Geschworenen nach halbstündiger Berathung ein - stimmig das Schuldig aus, und der General - Advokat beantragte sofort auf 6 Monate Gefäng - niß und 1000 Lire Geldbuße zu erkennen, der Vertheidiger auf Weglassung jeder Geldbuße und nur auf wenige Tage Arrest. Das Urtheil lau - tete auf einen Monat Gefängniß, 500 Lire Geld - buße und Tragung der Prozeßkosten. Jnzwischen hat der Erzbischof von Sassari an die Pfarrer seiner Diöcese ein ganz ähnliches Rundschreiben,wie der Erzbischof von Turin, erlassen, und be - reits hat der Staatsanwalt zu Sassari auch ge - gen ihn Antrag auf Versetzung in Anklagestand gestellt. Sämmtliche Bischöfe von Piemont haben eine Adresse an den gefangengehaltenen Erzbischof hier gerichtet, worin sie ihn als Märtyrer für die Kirche preisen. Der Muth der Kirche ist überall gewachsen, je härter und ungerechter sie verfolgt würde. Piemont dürfte die jetzige Verblendung seiner Regierung noch bitter zu bereuen haben. -- Die Kammer der Abgeordneten hat gestern die Befreiung der politischen, wissenschaftlichen und literarischen Blätter des Jnlandes von der Stem - pel = Abgabe, dagegen Stempel = Abgabe von 1 Cen - tesimo für jede Numer eines auswärtigen Blattes beschlossen.

Vermischte Nachrichten.

Düsseldorf, 28. Mai. Vor den heutigen Assisen wurde ein 25jähriges Mädchen aus Wanlo bei Odenkirchen zum Tode verurtheilt, welches am 28. März d. J. ihr neugebornes Kind in einen benachbarten Wald getragen, dort getödtet und hinter einen Busch geworfen hatte. Die Art des Tödtens war noch besonders grausam; sie selbst, die Kindsmörderin, gab an: das zappelnde Knäb - lein bei den Füßen gefaßt und es dann mit der Faust auf den Kopf der Art geschlagen zu haben, daß der Tod erfolgte. Die schweren Kopfverle - tzungen, das mangelnde linke Ohr, die gebroche - nen, sonst so biegsamen Schädelknochen, die Blut - sugillationen, kurz: Alles sprach dafür, und selbst der Vertheidiger nahm dies an, daß die Mörde - rin das Kind mit den Füßen erfaßt und gegen einen Baum geschleudert habe. -- Die Mörde - rin blieb während den Verhandlungen sehr ruhig und behauptet, dies in einem Zustande der Gei - stesverwirrung gethan zu haben, und wußte sich von der That nichts mehr zu erinnern, während sie früher die That auf die zuerst beschriebene Weise erzählt hatte.

Neuestes.

Frankfurt, 30. Mai. Generallieutenant v. Radowitz traf gestern Abend unerwartet von Er - furt hier ein und begab sich heute Morgen nach Baden = Baden, wo er seine durch die jüngsten anstrengenden Geschäfte, sowie durch Familienschick - sale sehr gebeugte Gesundheit in der stärkenden Luft dieses schönen Bades, fern von allen diplo - matischen Geschäften wieder stärken will.

Frankfurt, 30. Mai. Admiral Kotzebue ist hier angekommen.

Vom Neckar, 29. Mai. Die Ministererisis, deren ich in meinem Briefe vom 24. Mai Er - wähnung that, ist überstanden. Die Minister blei - ben vorläufig in ihren Aemtern. Es ist dies der klugen Berechnung zu verdanken, mit welcher der Minister des Jnnern, v. Schlayer, die Protesta - tion der Standesherren gegen die Bildung einer Staatsverfassung ohne Beachtung der ihnen in Art. 14 der Bundesakte vom 8. Juni 1815 versicherten Rechte -- wiewohl sie nur an den König gerichtet war --, der Ständeversammlung im rechten Moment überliefert, und die Gelegen - heit benützt hat, sich in einer entschiedenen Weise für das Princip der Gleichheit und gegen die Forderungen der vormaligen Reichsstände auszu - sprechen.

Aus Thüringen, 25. Mai. Auf der Wart - burg tagen jetzt wieder viele Studenten, die sich Progressisten nennen. Jhr Streben geht dahin, das Duellwesen von den Universitäten zu entfer - nen, und hiefür Ehrengerichte einzusetzen.

Hannover, 28. Mai. Jn der zweiten Kam - mer hat Groß von Leer von Neuem wegen der deutschen Angelegenheiten angefragt. Minister Stüve erklärte, er wisse in der That nicht, was er antworten solle. Die Protokolle der Berliner Conferenzen seien im Druck erschienen, mehr wisseer auch nicht; in Frankfurt beschäftige man sich mit dem Entwurfe einer provisor. Verfassung. Groß, Detering, Oppermann halten diese Ant - wort für sehr ungenügend; Bueren erklärt, daß die Regierung immer so antworte.

Wien, 27. Mai. Gestern Nachmittag ist der Großherzog von Toskana hier angekommen.

Berlin, 27. Mai. Die Aufstellung eines großen Armeekorps am Rhein ist nun definitiv festgesetzt.

Berlin, 28. Mai. Die Truppen des russi - schen ersten Armeekorps sind Berichten von der Grenze zufolge in voller Bewegung, um sich in der Gegend von Suwalki zu konzentriren.

Erfurt, 28. Mai. Generallieutenant v. Voß, unser Kommandant, ist von den Geb. Gagern ver - klagt worden, weil er sich erlaubt habe, dieselben Vagabunden zu nennen.

Straßburg, 28. Mai. Von Hrn. v. Girar - din sagt Der Elsässer : eine Hanswurstjacke habe ebenso viel Farben, als dieser politische Pro - teus schon Meinungen vertheidigt habe.

Bern, 28. Mai. Der Regierungsrath hat durch ein Kreisschreiben sämmtliche Mitglieder des Großen Raths auf Samstag den 1. Juni, Mor - gens 10 Uhr, in den Sitzungssaal auf dem Rath - hause einberufen, um sich verfassungsgemäs zu constituiren und nachher die Wahl des Regie - rungsraths vorzunehmen.

Warschau, 25. Mai. Gestern Abend sind Se. Maj. der Kaiser Nikolaus und Se. kaiserl. Hoheit der Großfürst = Thronfolger von St. Pe - tersburg hier eingetroffen. -- Das Const. Blatt aus Böhm. schreibt aus Kalisch, 15. Mai: Als Kaiser Alexander von Rußland die Kunde von einer in Wilna entdeckten Verschwörung erhielt, rief er aus: die Polen geben die Realität für ein Traumgebilde hin!

Verantwortlicher Redakteur u. Verleger: Franz v. Faber.

Frankfurter Cours. Den 30. Mai 1850.
Geld.Papier.
Oesterreich Bankaktien ......10551060
5% Metallique ....7777 1 / 4
4%....5939 1 / 2
3%....44 1 / 444 3 / 4
2 1 / 2 %....41 1 / 441 1 / 2
4 1 / 2 % Bethmann ...7273
4%...----
fl. 250 Loose v. J. 1839.89 3 / 490 1 / 4
5001834.144144 1 / 2
Preußen3 1 / 2 % St. Schuld Scheine. 86 1 / 4 86 3 / 4Thl. 50 Prämien Scheine.103--
Bayern3 1 / 2 % Obligationen ...83 1 / 284
4%....8888 1 / 2
5%....100 3 / 4101 1 / 4
Württemberg3 1 / 4 % ....81 1 / 881 5 / 8
4 1 / 2....95 1 / 895 5 / 8
Baden3 1 / 2 %....78 1 / 878 5 / 8
fl. 35 Loose......31 1 / 831 1 / 8
50......51 1 / 252
Nassau fl. 25 ......23 3 / 823 7 / 8
Hessen Darmst. fl. 50 Loose ... 7272 1 / 2 25 ...25 5 / 825 3 / 4
Polen fl. 300...123--
Sardinien Fes. 36 ...31 3 / 831 5 / 8

Fremden = Anzeige

Adler: Kflte. : Heid v. Stuttgart, Walter v. Cöln, Rothschild v. Frkft.

Kronprinz: Se. Durchl. der Herzog v. Placas mit Fam. u. Dienersch. v. Paris. Frhr. v. Grosschedel, Gene - ralmajor und Baron v. Guttenberg, Adjutant v. Bayrenth. Kreß, Oberzollinsp. v. Marktbr. Kflte. : Diest v. Frkft., Leid - ner v. Mannh.

Kleebaum: Fräul. Pertine v. Berlin. Fräul. Dietz v. Potsdam. Fritze, Kfm. v. Berleberg.

Nuss. Hof: v. Fleming, k. preuß. Reggs. = Präsident v. Großen bei Zeitz. Frau v. Biarorosky v. Waitzenbach. Lier - cking, Rent. v. London. Kflte. : Lichtenberg v. Zürich, Weigle v. Ludwigsburg.

Württembergerhof: Frhr. v. Lübdorf v. Stokholm. Frhr. v. Waldenfels, Hauptm. v. Frkft. Brand, Staatsrath v. Meiningen, Dr. Wögennitz, Stadtkommissär v. Erlangen. Opes, Buchhalter, Kucht, Vikar und Mahner, Pfarrer mit Frau v. Konglingen. Endreß, Gastw. v. Esselbach. Kflte. : Jansen v. Montoje, Stark v. Düsseldorf, Braun v. Erfurt, Sulzer v. Frkft., Allfeld v. Berlin.

Druck von Joseph Steib in Würzburg.

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TextDie Bayerische Presse
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Institut für Deutsche Sprache, MannheimNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription Peter FankhauserNote: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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