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Die Bayerische Presse.
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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.

Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533.

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Nr. 239.
Würzburg, Samstag den 5. Oktober. 1850.

Das Proletariat. Das Proletariat und der Sonntag.

Ein Sonntag in London und ein Sonntag in Wien, Berlin, Paris und andern Städten des Kontinents, welch 'ein Unterschied! Gerade so groß, als der Unterschied zwischen der Haltung Englands in der letzten sturmbewegten Zeit, und dem Schwanken, Wanken und Brechen von fast allem Bestehenden in andern Staaten. Jn den Palästen der Großen, und selbst am Hofe der Königin, endigt mit dem Beginn des Sonntags jedes laute Vergnügen, die Musik verstummt und der sich kaum noch im Tanze schwingende Fuß ruht, denn das Gesetz will es so; dadurch, daß sich auf solche Weise seine Großen selbst auch dem Gesetze fügen, gewinnt das englische Volk jene Achtung vor dem Gesetze, welche es vor allen andern Völkern auszeichnet, und ohne welche keine Freiheit und Ordnung möglich ist. Wie ganz anders verhält es sich damit in den meisten Staa - ten des Kontinents? Woher soll da das Volk eine ähnliche Achtung vor dem Gesetze gewinnen, wenn es sieht, daß die höhern Stände sich über die ihm wohl bekannten Gesetze der Sonntagsfeier hinwegsetzen? Wir haben z. B. ein Gesetz, durch welches jede am Sonntag vorgenommene Amts - handlung für ungiltig erklärt wird, dessenungeach - tet wird in den Amtsstuben und nicht selten selbst auf Rathhäusern am Sonntage geamtet, freilich nur am Vormittage, denn dieser mag wohl dem Gottesdienste, nicht aber der Nachmittag dem Vergnügen entzogen werden. Wenn das Volk von Denen, die zu Wächtern des Gesetzes bestellt sind, dieses selbst übertreten sieht, wie sollte es die Gesetze des Landes anders halten, als wenn es eben muß? Wie sollte es sich ferner vom Ge - setze und nicht von der bloßen Willkür der Be - amten regiert glauben, wenn diese selbst die Ge - setze im Einzelnen nicht beobachten? Dieser Wahn, wenn gleich im Allgemeinen falsch, ist dennoch sehr häufig, er lenkt, wenn der Beamte Strenge an - wenden muß, den Unwillen auf dessen Person, un - tergräbt das Vertrauen zur Regierung, und rich - tet überhaupt weit mehr Schaden an, als man anzunehmen geneigt ist. Fast nirgends tritt ferner der Abstand zwischen Reichen und Armen, Vor - nehmen und Niedrigen mehr hervor, als in Eng - land, aber wenn der Pair des Reichs nicht nur sich dem Gesetze fügt, wie der Niedrigste, sondern auch mit diesem sich in der Kirche vor Gott beugt, so fühlt sich der sonst so mannigfach Zurückgesetzte dadurch wieder mehr versöhnt mit dem sonst be - stehenden Unterschiede; die Gleichheit in der Kirche macht ihn mit der Ungleichheit im sonstigen Leben weniger unzufrieden, so wie sie gleichzeitig die Be - vorzugten mehr zu humanem Betragen gegen An - dere führt. Wo dagegen die Beamten und über - haupt die höheren Stände sich von der gemein - schaftlichen Verehrung Gottes ausschließen, da graben sie eine Kluft zwischen sich und dem Volke, über welche hinüber sie als ein fremdes Geschlecht mit Widerwillen betrachtet werden. Wenn endlich der Arbeiter in England der Woche Last u. Hitze getragen hat, so kann er doch am Sonntage sein Haupt in Ruhe erheben und seines Daseins froh werden, so wie in der Kirche sich neue geistige Kraft sammeln und aus Gottes Wort die ihmso nöthige Ergebung und Hoffnung gewinnen; überdieß wird er durch die gebotene Stille doch mehr von Zerstreuungen und Vergnügungen, die seinen Wochenverdienst verzehren könnten, zurück - gehalten. Auf dem Kontinent dagegen kommen Fälle genug vor, wo selbst der Sonntag den Ar - beitern, Dienstboten und Lehrlingen nicht frei ge - geben wird, Tausende müssen wenigstens Vormit - tags arbeiten, und kommt der Nachmittag, so ha - ben sie von allen Seiten Lockung zu Geldausga - ben, welche, wenn sogar an und für sich klein, doch für ihre Verhältnisse zu groß sind; zugleich werden die Vergnügungen, welche sie dafür kau - fen, nicht selten durch Ueberlaß für ihre Sitten verderblich und selbst zu Verbrechen führend, wie es denn bekannt ist, daß bei weitem die meisten Verbrechen am Sonntage zu geschehen pflegen. Wenn wir daher von den kirchlichen und religiö - sen Rücksichten sogar absehen, erscheint eine wür - diege Feier des Sonntags selbst für das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft von der allergrößten Wichtigkeit. Palmerston ist doch gewiß kein Pie - tist, und dessenungeachtet ist es sein Ministerium, unter dem erst seit neuester Zeit beschlossen wurde, daß die Post in England keine Briefe mehr ab - geben dürfte. Man bedenke die Handelsverhält - nisse des englischen Volks, und man wird die Größe des dadurch auferlegten Opfers zu schätzen wissen; würden es Regierung und Parlament auf - erlegt haben, wenn sie nicht von dem wohlthäti - gen Einfluß der Sonntagsfeier überzeugt wären? Wiederum ist der bekannte Socialist Proudhon so wenig als Palmerston ein Pietist, und doch ver - langt auch er eine würdige Begehung des Sonn - tags als unentbehrlich für das Wohl des Volks. Anderer Meinung scheinen viele Staatsverwal - tungen zu sein. Glaubt man doch, wie es scheint, die ganze Staatsmaschine müßte still stehen, wenn der Dampfwagen nicht selbst unter den Stunden des Gottesdienstes fortbrauste; mögen darüber die an der Eisenbahn Angestellten immerhin in keine Kirche kommen, was liegt an den paar tausend Seelen, wenn dafür ein paar tausend Gulden mehr eingehen? Ja, noch mehr, an nicht wenigen Or - ten werden sogar gerade an den Sonntagen Ex - trafahrten auf der Eisenbahn veranstaltet, damit doch die Leute schnell genug zu den üblichen Lust - barkeiten geführt und die Arbeiter recht gewiß Ge - legenheit erhalten, ihren Wochenlohn in Sauß und Brauß durchzubringen. Da muß man wohl an jenes: non olet (es riecht nicht) denken, wo - mit Vespasian ein Geldstück von seiner Steuer auf die Cloake vorzeigte und damit die Einwürfe da - gegen abwies; freilich das Geld, das man dadurch einnimmt, riecht nicht, aber das sittliche u. leibliche Verderben, welches man dadurch befördert, möchte am Ende einen desto schlimmeren Geruch zurück - lassen. Die Kaufleute, welche irgendwo ihre Läden am Sonntag schließen, sind dadurch nicht in Vermögensverfall gekommen, und die Eisen - bahnkassen würden es auch nicht, wenn der Dampfwagen in den Stunden des Gottesdienstes stille stände und die Extrafahrten am Sonntage unterblieben, schon damit auch die an den Eisen - bahnen Angestellten einen Sonntag erhielten, so - wie eben damit die vielen Omnibusführer und Kutscher, welche nach ihren Fahrten die ihrigenrichten müssen. Selbst viele Religiöse bedenken nicht, daß sie durch Laufen und Fahren an an - dere Orte des Sonntags Aergerniß geben; sie thun es freilich in anderer Absicht, nämlich um einen beliebten Prediger zu hören oder eine reli - giose Gesellschaft zu besuchen, allein das sehen ihnen andere Leute nicht an und ihr Beispiel trägt mit dazu bei, den Sonntag zum allgemei - nen Reisetag zu machen und die Festzeiten an Weihnachten und Ostern in eine Zeit müßigen Herumziehens zu verwandeln. Man wird ein - wenden, das Volk müsse auch seine Erholungen und Vergnügungen haben; vollkommen richtig, Niemand will es demselben, sofern sie dem Zwecke des Sonntags entsprechen, weniger berauben, als wir. Aber sind das Erholungen, nach denen die Arbeiter am Montage kaum zu arbeiten vermö - gen? Sind das wahre Vergnügungen, welche mit Schlägereien, Messerstichen und derlei zu en - den pflegen? Unsere Vorfahren hatten auch ihre Erholungen und Genüsse am Sonntage, es dien - ten dazu besonders die Linden, unter welchen sich die Dorfbewohner zu versammeln pflegten, die Bürger = und Zunftstuben, wo die Städter zusammenkamen, die Gänge, welche die Fami - lien nach den Gottesdiensten in die freie Natur oder auf benachbarte Orte machten, und derlei mehr. Die Uebel, welche aus der üblichen Sonn - tagsentheiligung hervorgehen, sind nicht zu zäh - len; ihr hauptsächlich verdankt es Deutschland, daß in nicht wenigen seiner Staaten die Verbre - chen sogar noch mehr, als in England zugenom - men haben, und alle Verhältnisse in ihrem inner - sten Grunde so morsch und mürbe wurden, wie die letzten Jahre sie gezeigt haben. Mit nur zu vielem Grunde machten darum die Bischöfe Oe - sterreichs auf diese Quelle unsäglichen Verder - bens aufmerksam und baten die Regierung um Sorge für eine christliche Sonntagsfeier.

Preußens Stellung in der kurhessi - schen Angelegenheit.

Einmal will Preußen die bundesgetreuen Re - gierungen an dem Gebrauche eines guten Rechtes und der Erfüllung einer gebotenen Pflicht hin - dern: nämlich der gegenseitigen Hülfe, wenn solche Noth thut und verlangt wird, und der Befolgung der Befehle der höchsten Bundes - autorität; auf der andern Seite stellt Preußen sogar eine gar nicht verlangte und darum unbe - fugte Einmischung seinerseits in Aussicht. Beides muß als entschieden unzulässig zurückgewiesen werden. Preußen mag sich der Erfüllung seiner Bundespflichten entziehen, mag der obersten Bun - desbehörde die Anerkennung versagen zu können vermeinen, -- auf keinen Fall aber kann ihm hieraus das Recht erwachsen, andere bundesge - treue Regierungen zu verhindern ihrerseits ihre Pflichten zu erfüllen; am wenigsten aber darf es sich das Recht anmaßen, eine Hülfsleistung auf - zudringen, wo sie gar nicht verlangt und zuge - standen ist. Würde solchem Begehren nachgesehen, so wäre damit factisch die Freiheit der betreffen - den Regierung, hier der kurhessischen, in ihren Beschlüssen und Handlungen, ihre Souveränetät vernichtet; es wäre offenbar der erste Schritt zurMediatisirung der mittleren und kleinern deutschen Staaten gethan. Die kurhessische Regierung wird hoffentlich das Radowitz'sche Ansinnen gebührend zurückgewiesen haben und einem Principe ent - schlossen entgegengetreten sein, dessen Zulassung die heillosesten Folgen für Deutschland haben, ja dessen ganze Existenz in Frage stellen müßte.

Deutschland.

München, 3. Okt. Gestern Abend versam - melten sich zahlreiche Personen im Bahnhofe, um JJ. MM. König Ludwig und Königin Therese bei ihrer Ankunft zu begrüßen. Auch der griechi - sche Konsul und der Pope waren anwesend, um den König Otto feierlich zu empfangen. Bekannt - lich ist aber dieser Monarch von Augsburg aus nach Hohenschwangau gereist. Den König Lud - wig begleiteten enthusiastische Hoch bis zu seinem Wagen und halten noch lange hinter ihm her. Später begab sich eine Deputation des vereinigten Bürger = und Künstler = Comites in den Wittels - bacher Palast, um Se. Majestät zu befragen, ob wegen des überaus ungünstigen Wetters das bevor - stehende Fest nicht verschoben werden und welchen Tag Se. Majestät hiezu bestimmen wolle. Der König beliebte dies ganz dem Gutdünken des Co - mites anheim zu geben und schickte zu diesem Zwecke eigenes seinen Adjutanten nach dem Stu - benvollbräu, wo in dem mittelalterlichen Saal Künstler und Gewerbtreibende in großer Zahl ver - sammelten waren, welche diese Nachricht mit Ju - bel und donnernden Hoch's auf König Ludwig hinnahmen. Der Adjutant Major v. Jeetze schloß sich sodann der Gesellschaft an und theilte die allgemeine Fröhlichkeit. So las man denn heute in einem Plakate an den Straßenecken die freu - dige Kunde, daß das Fest an dem nächsten von guter Witterung begünstigten Tag, welcher noch eigens bekannt gemacht werden soll, vor sich gehen wird. Der Festzug wird hiedurch an Glanz nur gewinnen, da einzelne Jnnungen mit ihren Rüst - ungen ohnehin sich allzusehr beeilen mußten. Den ganzen heutigen Tag über regnete es unaufhörlich, wonach die Enthüllungsfeier wohl kaum vor Sams - tog oder Sonntag (versteht sich -- vor dem landwirthschaftlichen Feste) stattfinden wird. -- Das Fest = Comite der Künstler hat diesen Vor - mittag Audienz bei Sr. Maj. dem König Lud - wig gehabt, und bei dieser Gelegenheit ein Höchst - demselben von den hiesigen Künstlern gewidmetes und mit vielen Handzeichnungen geschmücktes Al - bum überreicht, dessen Titelblatt eine ausgezeich - nete kalligraphische Arbeit von Ferdinand Seitz bildet.

Aus dem Landgerichte Straubing berichtet die Landshuter Zeitg. von Excessen durch junge Bauernbursche, an deren Spitze der Sohn des Gemeindevorstehers, die in Oberschneiding vor - fielen und alles bisher in dieser Art Dagewesene übertreffen. Die Geistlichkeit wurde auf die herabwürdigendste Weise insultirt und bei den armen Schulschwestern, die sich selbst zu erschei - nen scheuten, Fenster, Läden und Thüren einge - worfen.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 30. Sept. Der brüderliche Empfang der dem Hanauer Militär zu Theil geworden ist, scheint seinen Zweck verfehlt zu haben. Man hört von häufigen Reibereien dieser Soldaten mit den Bürgern.

Kassel, 2. Okt. Die Einzeichnungen für das Auszahlen der Gehalte an die Staatsdiener ha - ben bereits die Summe von 45,000 Thlr. erreicht, so daß das Bedürfniß übermäßig gedeckt ist und die Auszahlung am 4. d. M. vor sich gehen kann und wird. -- Den Offizieren ist gestern ihre Gage von der Regierung ausgezahlt worden. -- Das preußische Beobachtungskorps bei Warburg soll bereits 12,000 Mann stark sein.

Kassel, 2. Oktober. Der wackere General v. Haynau zeigt eine solche Thätigkeit und Energie, verbunden mit Umsicht, daß man keinen Zweifel hegen darf, er werde das ihm geschenkte Vertrauenglänzend rechtfertigen. Der Widerstand der hiesi - gen Behörden ist übrigens noch nicht gebrochen; dieselben wollen dem Vernehmen nach im passiven Widerstande bis aufs Aeußerste verharren und die hiesige Bürgergarde beabsichtigt, den Befehlen des Korps = Kommandanten keine Folge zu leisten, da - gegen aber ruhig die Waffen abzuliefern. Der Burgergarden = Kommandeur Seidler befürchtete heute in das Kastell gebracht zu werden, weil er sich geweigert hatte, vor dem kommandirenden General zu erscheinen, und ließ deßhalb eiligst in der Stadt durch seine Trabanten nach einem No - tar suchen, um einen Notariatsakt hierüber auf - nehmen zu lassen. Ob der suspendirte Bürger - meister Henkel auch bei diesem Vorfall wieder als Notar fungirt hat, habe ich nicht erfahren.

Kassel, 2. Okt. Herr Seidler ist durch öf - fentlichen Anschlag seiner Stelle als Bürgerwehr - kommandeur entsetzt und der Fabrikant Eggena an seiner Stelle ernannt. Herr v. Haynau hat unter dem Militär eine lange Ansprache verthei - len lassen.

Kassel, 3. Okt. Die N. Hess. Ztg. be - richtet Folgendes: Der nach der Erkrankung des Hrn. Generalmajors v. Starck als Kommandant von Kassel beauftragte Hr. Generalmajor v. Helm - schwerd hat sich heute Morgen ebenfalls krank melden lassen. Da Hr. v. Heimschwerd als Kom - mandant das im heutigen Morgenblatt mitgetheilte Schreiben des Herrn v. Haynau an den Regi - mentskommandeur Seidler, sowie eine an den Ba - taillonschef Eggena übermittelt hatte, so sind auch an ihn heute Morgen die Erwiderungsschreiben der Herren Seidler und Eggena abgegangen. Die sog. Ordre an Hrn. Eggena, lautet wie folgt: Ordre des Oberbefehlshabers. Nachdem der Re - gimentskommandeur der hiesigen Bürgergarde, Hr. Seidler, sich geweigert hat, meine durch die aller - höchsten Verordnungen vom 7. u. 28. v. M. mir beigelegte Autorität als Oberbefehlshaber anzuer - kennen und meine Befehle zu vollstrecken, so wird derselbe in Gemäßheit der §§ u. 6 der Ver - ordnung vom 7. Sept. l. J., die Erklärung des Kriegszustandes betreffend, und des § 4 der Ver - ordnung vom 28. Sept. l. J., die weitere Er - gänzung und Handhabung der angezogenen Ver - ordnung betreffend, vorbehältlich weiterer Maßre - geln, von seinen Funktionen als Regimentskom - mandeur der hiesigen Bürgergarde suspendirt. Zu - gleich wird in Gemäßheit des schon angezogenen § 6 der Kommandeur des ersten Bataillons der hiesigen Bürgergarde, Herr Eggena, mit der Ver - sehung der Stelle eines Regimentskommandeurs bis auf weitere Verfügung beauftragt und hat derselbe als solcher sich mit dem ganzen Offizier - korps der hiesigen Bürgergarde morgen, Donners - tag, den 3. d. M., Vormittags neun Uhr im Schlosse Bellevue bei mir persönlich einzufinden. Kassel, am 2. Okt. 1850. Der Oberbefehlshaber: v. Haynau, Generallieutenant.

Dieser Ordre hat Eggena, einer der eifrigsten Anhänger des ständischen Ausschusses, wie zu er - warten war, nicht entsprochen, angeblich, weil die Beistimmung des ständischen Ausschusses zu der Einführung des Kriegszustandes nicht erfolgt sei. Bekanntlich wird aber eine solche Beistimmung in der Verfassung nirgends verlangt, sondern blos eine Zuziehung, und diese hat der Ausschuß durch sein Nichterscheinen selbst unmöglich gemacht. Die Bürgergarde wird nun wohl aufgelöst und ent - waffnet werden.

Herr, Seidler hat folgendes erwidert: Kassel, 2. Oct. 1850. Sr. Hochwohlgeboren dem Hrn. Generalmajor v. Helmschwerd, einstweiligen Stadt - kommandanten hiers. Ew. Hochwohlgeboren haben mir ein vom Herrn Generallieutenant v. Haynau vollzogenes Schreiben zugesendet, durch welches ich von meiner Funktion als Regimentskommandeur der Bürgergarde suspendirt werden sollte. Zu - folge § 10 des Bürgergardengesetzes, das zur Vollziehung der Verfassungs = Urkunde erlassen wurde, müssen jedoch alle die Bürgergarde betreffenden Anordnungen vom Ministerium des Jnnern er - gehen, keinenfalls können nach Maßgabe dieses Ge - setzes Suspensionen der Bürgergardenoffiziere durchMilitärbefehlshaber erfolgen. Das in Rede steh - ende Schreiben kündigt sich zwar als Vollziehung der Verordnungen vom 7. und 28. v. M. an, allein da deren Bestimmungen die Genehmigung des landständischen Ausschusses nicht erhalten ha - ben, so sind dieselben, insofern dadurch verfassungs - mäßige Gesetze abgeändert werden sollen, selbst verfassungswidrig. Jch vermag daher, ohne die Verfassung zu verletzen, zu deren Aufrechthaltung ich mit der Bürgergarde eifrige Mitwirkung an - gelobt habe, eine Suspension von meiner Stelle als Regiments = Commandeur nicht als gesetzlich erfolgt zu betrachten. Der Regiments = Comman - deur Seidler.

Die Erwiederung des Herrn Eggena lautet wie folgt: An kurfürstl. Commandantur der Re - sidenz zu Kassel. Ew. Hochwohlgeboren haben mir ein von Herrn G. L. v. Haynau vollzoge - nes Schreiben zugesendet, wodurch der Regiments - commandeur der Bürgergarde von seinen Funktio - nen suspendirt und ich mit Versehung seiner Stelle beauftragt werden soll. Zufolge § 10 des zur Vollziehung der Verfassungsurkunde er - lassenen Bürgergardegesetzes müssen alle die Bür - gergarde betreffenden Anordnungen, namentlich in Beziehung auf die dadurch festgestellten organische Verhältnisse, vom Ministerium des Jnnern er - gehen. Keinen Falls können, nach Maßgabe die - ses, bis jetzt nicht abgeänderten Gesetzes, Sus - pensionen, Ernennungen oder sonstige Beauf - tragungen von Offizieren der Bürgergarde durch Militärbefehlshaber giltig erfolgen. Das in Rede stehende Schreiben kündigt sich zwar als Vollziehung der Verordnung vom 27. an. Hier - durch werden aber die obigen Einwürfe nicht be - seitigt, da die Verordnungen die Beistimmung des bleibenden landständischen Ausschusses nicht erhalten haben, und also, in so fern dadurch ver - fassungsmäßige Gesetze abgeändert werden sollen, selbst verfassungswidrig sind. Jch vermag daher, ohne die Verfassung zu verletzen, zu deren Auf - rechthaltung die Bürgergarde eifrige Mitwirkung angelobt hat, die mir zugedachten Funktionen eben so wenig zu übernehmen, als es mir ge - stattet ist, eine Suspension des Regimentscom - mandeur als gesetzlich erfolgt anzuerkennen. Jch beehre mich, dieses Ew. Hochwohlgeb. in Erwi - derung der geehrten Mittheilung vom 2. Okto - ber zu Nr. 241 gehorsamst anzuzeigen. Der Bataillons = Commandeur: Eggena. -- Dem Ver - nehmen nach ist heute Morgen ein Offizier vom Stabe des General Haynau mit Courierpferden nach Hannover abgegangen.

Kassel, 4. Okt. Am 4. Okt. 10 Uhr Mor - gens haben sämmtliche Truppen kriegsgerüstet und im Marschanzuge auf dem Friedrichsplatze zu er - scheinen; im ersten Treffen steht die Jnfanterie in Angriffscolonnen mit vorgezogenen Teten, das Jägerbataillon auf dem rechten, das Schützenba - taillon auf dem linken Flügel; dieses Treffen be - fehligt der Generalmajor v. Urff, Kommandeur der ersten Jnfanteriebrigade. Jm 2. Treffen steht das Artillerieregiment mit abgeprotzten Geschützen, sowie die Pionniere und Handwerker = Compagnie. Jm 3. Treffen steht die Kavallerie in Divisions - colonnen mit Eskadrons.

Hanau, 4. Okt. Der königl. preußische Generallieutenant v. Brese ist gestern in Wil - helmsbad angekommen und überbrachte ein eigen - händiges Schreiben des Königs an Se. königl. Hoheit den Kurfürsten. Jn diesem Schreiben wird, wie man hört, die Ansicht ausgesprochen, daß der König von Preußen einen großen Werth auf eine gütliche Schlichtung der kurhessischen Wirren lege, jedoch nur in so weit, als die Autorität der Regierung in keiner Weise compromittirt würde. An ein Ein - schreiten preußischer Truppen in Kurhessen zum Zweck der Legalisirung ständischer Umtriebe, wäre nach dieser, unmittelbar von dem Jnhaber der höchsten Macht in Preußen ausgegangenen Er - klärung nicht mehr zu denken und alle die zahl - reichen Berliner Correspondenzen und telegraphi - chen Nachrichten, welche das Gegentheil hiervon meldeten, haben, wie schon so oft, auch diesesMal wieder ohne allen Grund die Welt in Al - larm versetzt.

Schleswig = holsteinische Ange - legenheiten.

Flensburg, 29. Sept. Der König von - nemark ist in Begleitung des Erbprinzen Ferdi - nant gestern Mittag auf dem Dampfschiffe Ei - der hier angekommen. Nach dem Einzuge in die Stadt, der in einem offenen Wagen an der Seite des Geheimrath v. Tillisch erfolgte, besuchte der König die Lazarethe, sowie die Gräber der ge - fallenen Soldaten. Abends war die Stadt er - leuchtet, und es wurde dem König ein Fakelzug gebracht. Heute Morgen um 8 Uhr hat der König sich nach Schleswig zur Armee begeben, wird aber heute Abend schon wieder zurücker - wartet.

Altona, 1. Okt. Das folgende Nähere wird über die neuesten Vorgänge in den heutigen Blät - tern mitgetheilt: Es sind 77 Gefangene nach Glückstadt transportirt worden. Mit der Feldpost ist nach Rendsburg die Nachricht gelangt, daß unser Parlamentär den Bescheid in Friedrichstadt bekommen habe, man werde sich nicht ergeben; die Unserigen werden deshalb angreifen. (-- Ei - ner Mittheilung aus Rendsburg im Altonaer Merkur zufolge war der Besatzung Friedrichstadt bis gestern, den 30., Nachmittags 2 Uhr, Bedenk - zeit gegeben worden, mit der Erklärung, daß, wenn sie sich bis dahin nicht ergeben habe, die Stadt bombardirt werden solle. --) -- Willisen steht bereit, eine etwaige Hilfe, die den Dänen vom Norden zukommen könnte, mit der Hauptmacht zurückzuweisen; so berichtet der Postbeamte. -- Dem Vernehmen nach sollte der Angriff v. d. Tanns auf Friedrichstadt heute Morden7 1 / 2 statt - finden. Jn Friedrichstadt kommandirt der oft ge - nannte Oberst Latour du Pin über etwa 3000 Dänen. -- Auch Eiderstädt ist in unserm Besitze. -- Aus Rendsburg wird den Hb. Nachr. von gestern geschrieben: Das Gefecht ward bei Fried - richstadt gestern durch unsere Kanonenböte, die durch das Dampfschiff Rendsburg auf der Ei - der nach Friedrichstadt hingeschleppt waren, eröff - net. Gestern Morgen7 3 / 4 Uhr fiel der erste Schuß. Die Kanonenböte Nr. 3, Lieutenant Rie - per, Nr. 6, Lieutenant Fischer, und Nr. 12, Lieu - tenant Meyer, führten bis10 1 / 2 Uhr das Ge - fecht allein; das Kanonenboot Nr. 10, Lieutenant Burow, kam auf der schleswigischen Seite auf den Grund, so daß es nicht wirken konnte. Lieu - tenant Andresen vom nicht armirten Dampfschiff Rendsburg machte im heftigsten Kugelregen den Versuch, das Boot wieder abzubringen; seine Maschine ward indeß so stark beschädigt, daß er unverrichteter Sache sich zurückziehen mußte. Das Kanonenboot Nr. 2 war bei der Ebbe auf den Strand gerathen, lag jedoch unterm Deich ge - sichert gegen das feindliche Feuer und es wird ohne Zweifel mit eingetretener Fluth wieder flott geworden sein. Um10 1 / 2 Uhr kam die Batterie Christiansen, auf dem diesseitigen Eiderufer pla - cirt, zum Feuern. Unsere Geschütze brachten die auf dem Eiderdeich in einer sehr festen Schanze postirten feindlichen Geschütze zum Schweigen. Eine zweite Schanze auf der Chaussee wurde von den Unserigen genommen, nachdem unter dem Feuer der dritten 12pfündigen Batterie, Haupt - mann Held, der von den Dänen gemachte Durch - schnitt auf der Chaussee zugeworfen worden war. Die Batterie hatte keinen weiteren Verlust als vier Pferde. Die äußeren Schanzwerke waren damit in unserer Hand; unsere Jäger standen am Deich in sehr geringer Entfernung den Dänen, die jenseits der Eider = und Tonnenkanals an den Häusern standen, gegenüber. Nachdem die erste Schanze auf der Chaussee genommen war, stürmte das 6. Bataillon (1. und 2. Comp.) auf die zweite Schanze; dicht vor dem Blockhause bekam es indeß ein so heftiges Stückkugel = und Kartät - schenfeuer, daß es sein Ziel nicht erlangte. Etwa 49 Mann darunter der Lieutenant Apel, sollen bei dieser Affaire gefallen sein. Die unter demHauptmann Schöning stehende Abtheilung des 1. Jägerkorps ist unterdeß weiter westlich bei Wol - lersum mit Böten über die Eider gegangen. Die beiden Compagnien nahmen Tönning und Gar - ding und machten die dort befindlichen Danen zu Gefangenen. Heute Morgen zwischen 7 und 8 Uhr wurden die letzteren hier eingebracht, zuerst 44, dann 59 Mann mit zwei Offizieren, die Lieutenante Baron Wedels = Wedelsberg und Wom - sen. Der dänische Hauptmann Buhl, der sich zur Wehr setzen wollte, soll gefallen sein; die Mannschaft scheint sich schnell ergeben zu haben. Unter den Gefangenen sind zwölf Verwundete; von unsern Jägern sind drei Mann geblieben und etwa 8 bis 10 verwundet. Friedrichstadt war von unseren Truppen so gut wie eingeschlossen. Wir stehen mit einer Anzahl Geschütze nordwest - lich von der Stadt in einer Stellung, die die Chaussee nach und von Husum vollkommen be - herrscht, so daß der Feind eben so schwer entwi - schen, als von Winnert her neue Truppen heran - ziehen kann. Jn der Stadt brannten fünf Häu - ser, die bei der Beschießung eines hinter ihnen liegenden Blockhauses Feuer fingen. Mehrere un - serer Schwadronen mit zwei Geschützen der rei - tenden Batterie trafen jenseits Cropp gestern mit dänischer Cavallerie zusammen und wechselten ei - nige Schüsse.

Frankfurt, 4. Oct. Zugleich mit der De - pesche, welche die beiden Bundescentralcommissäre von hier abberuft, ist von Wien eine Antwort auf die bekannten preußischen Noten in der kur - hessischen Angelegenheit hier eingetroffen, welche sich, dem Vernehmen nach, auf das entschiedenste gegen die von dem preuß. Ministerium in diesen Noten eingenommene Stellung ausspricht. Diese Antwort war in einem Ministerrathe beschloßen worden, in welchem der Kaiser selbst den Vorsitz führte.

Darmstadt, 3. Okt. Die großherzogl. Ver - ordnung, die politische Vereine betreffend, lautet wie folgt: Ludwig III. von Gottes Gnaden Großherzog ec. Um bei der außerordentlichen Lage, worin sich das Großherzogthum dermalen befindet, dem verderblichen Einfluß, welchen poli - tische Vereine notorisch bisher geübt, ein Ziel zu setzen und den daraus entstehenden Gefahren für die öffentliche Ruhe und Ordnung vorzubeugen, haben Wir auf den Grund des Art. 73 der Ver - fassungsurkunde verordnet und verordnen wie folgt: Art. 1. Alle in dem Großherzogthum bestehenden Privatvereine oder Privatverbindungen, deren Zweck es ist, über öffentliche Angelegenheiten zu verhan - deln oder auf dieselben einzuwirken -- politische Vereine und Verbindungen -- sind aufgelöst und die Bildung solcher Vereine und Verbindungen ist verboten. Art. 2. Diejenigen, welche in Zuwi - derhandlung gegen Art. 1 einen politischen Pri - vatverein oder eine politische Privatverbindung fortsetzen, oder einen solchen Verein oder Verbin - dung bilden, sollen, wie im Art. 172 des Straf - gesetzbuches bestimmt ist, bestraft werden, und zwar: 1) die Anstifter oder Vorstände mit Ge - fängniß von zehn Tagen bis zu einem Monat; 2) die übrigen Mitglieder mit Gefängniß von drei bis fünfzehn Tagen. Der letztern Strafe unterliegten auch diejenigen, welche sich in einen durch Art. 1 geschlossenen Verein oder in eine solche Verbindung aufnehmen lassen, oder densel - ben beitreten. Ueberdies können die Gerichte die Confiscation der Papiere, Literalien und Bücher solcher Vereine oder Verbindungen aussprechen. Art. 3. Allen Angehörigen des Großherzogthums ist der Beitritt oder die Theilnahme an im Aus - land gestifteten oder bestehenden politischen Verei - nen oder Verbindungen (Art. 1) untersagt. Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, wird, wie in Art. 183 des Strafgesetzbuches bestimmt ist, mit Ge - fängniß von einem bis fünfzehn Tagen, und wer für den verbotenen Beitritt geworben hat, mit Gefängniß von zehn Tagen bis zu einem Monat bestraft. Art. 4. Sobald ein nichtpolitischer Ver - ein zugleich pölitische Zwecke zu verfolgen oder inseine Verhandlungen zu ziehen beginnt, oder ir - gend ein Verein als ein politischer ausdrücklich von der Obrigkeit verboten worden ist, unterliegt er ebenfalls allen Anordnungen dieser Verordnung. Art 5. Gegenwärtige Verordnung soll für die Dauer von sechs Monaten bestehen und mit dem Tag ihrer Verkündigung im Regierungsblatt in Kraft treten. -- Urkundlich ec. Darmstadt, am 2. Okt. 1850. Ludwig. v. Dalwigk.

Darmstadt, 3. Oct. Aus allen drei Provin - zen kommen uns Nachrichten zu, daß diesmal fast überall sich ein wahrer Eifer in frühzeitiger Er - legung der Steuern kundgibt und daß die Ein - wohner des Großherzogthums somit bessern Wil - len und klarere Einsicht von den unnmgänglichen Bedürfnissen des Staatsbedarfs zeigen, als die - jenigen, welche das Mandat einer Partei in sol - cher Weise mißbrauchen, daß es selbst ihrer klei - nen Partei gegenüber sich als weit überschritten erweist.

Berlin, 2. Okt. Nicht nur die in Arns - walde, sondern sämmtliche in den Marken garni - sonirende Badensche Truppen (2,400 Mann) sollen nach Westphalen verlegt werden. Eben dahin sollen auch die die erste Abtheilung ergänzenden Mannschaften (2600 Mann) verlegt werden, falls die Schwierigkeit der Durchfahrt bei Mainz ge - hoben, oder ihnen ein anderer Weg eröffnet wird. Von einer Verlegung der zweiten Abtheilung Ba - denscher Truppen (wieder 5000 Mann) nach Preu - ßen ist bekanntlich schon früher Abstand genommen worden. Auch dem 6. Armeekorps ist vorgestern der Befehl zugegangen, sich jeden Augenblick marschfertig zu halten.

Frankreich.

Paris, 30. Sept. Der Constitutionnel 'ent - hält heute einen Artikel, den man mit Fug und Recht als das wahre Manifest des Prasidenten der Republik betrachten darf. Der unterzeichnete Verfasser desselben, Dr. L. Véron, schickt die Er - klärung voraus, er beabsichtige, das Land zu be - ruhigen, indem er es über die allgemeine Politik des Präsidenten der Republik aufklären wolle, wozu er sich für vollkommen befugt, und sogar für verpflichtet halte, da er in dessen Pläne ein - geweiht worden sei, unter welcher Bedingung al - lein er die treue Unterstützung des Cönstitution - nel' ehrenhafter Weise haben versprechen können. Dieses Schreiben ist daher von der größten Wich - tigkeit, weßhalb wir die Hauptstellen desselben hier wörtlich folgen lassen: Einige Redner und Schriftsteller bemerken um uns her sei keine andere Revolutionsgefahr, als die, welche ein 18. Bru - maire, ein Staatsstreich von Seiten des Präsi - denten der Republik herbeiführen könnte. Alle Meinungen, alle Parteien haben bekanntlich ihre Tollköpfe. Haben wir nicht im Jahre 1815 die alten Emigranten, deren vergangene Leiden ihre Lächerlichkeit entschuldigten, royalistischer gesehen, als der König selbst war? Unter der im Jahre 1848 gefallenen constitutionellen Regierung ist die ultra = parlamentarische Partei erschienen. Es ist also ganz natürlich, daß wir unter der Präsident - schaft Louis Napoleon Bonaparte's, der mit 6 Millionen Stimmen erwählt worden ist, die Jm - perialisten haben. Jn ihren übertriebenen Hoff - nungen und Wünschen haben die Jmperialisten vielleicht nur Eins im Auge: die Wiederkehr ei - nes Kaiserthums und eines Kaisers. Man kann allerdings nicht leugnen, daß in diesem blinden Bekenntnisse ein ehrenwerthes Nationalitätsgefühl liegt; denn am Ende war Napoleon doch der Ein - zige in Frankreich seit 60 Jahren, dessen Thron nur durch die Waffen der verbündeten auswärti - gen Mächte zertrümmert worden ist. Allein, da wir vor allen Dingen nur an die Jnteressen der Gesellschaft und die Schwierigkeiten der gegen - wärtigen Lage denken, so werden wir uns nicht zum Vertheidiger der Worte und Handlungen der mehr oder minder zahlreichen imperialistischen Par - tei auswerfen. Wir bekümmern uns einzig und allein um die Worte und Handlungen des Prä - sidenten der Republik. Tagtäglich notirt man die geringsten Handlungen und Geberden Louis Na -poleon Bonaparte's der Armee gegenüber. Ein Besuch in den Casernen, eine abgehaltene Mu - sterung, ein den Officieren und Unteroffizieren ge - gebenes Banquet wird als der entscheidenste Be - weis angeführt, daß ein Staatsstreich im Werke ist: man muß auf Prätorianer rechnen können, um sich zum Dictator zu machen. Diese Aus - legungen sind sehr weit von der Wahrheit entfernt, und wir unsererseits können den Präsidenten der Republik nicht genug wegen seiner aufgeklärten und beharrlichen Sorgfalt für die Armee loben. Die Armee hat heutzutage nicht die Welt zu er - obern, allein sie hat die edle Sendung, die Ge - sellschaft zu vertheidigen und die Civilisa - tion zu retten. Das Staatsoberhaupt handelt im Verein mit dem Obergeneral, der ihn unter - stützt, weislich daran, die Mannszucht, den mili - tärischen Geist, das Wohlsein und die Munterkeit der Soldaten in jenen zahlreichen Regimentern zu unterhalten und zu überwachen, die Paris nicht verlassen könnten, ohne daß Ordnung und Achtung vor dem Gesetz darin aufhörten. Können diese Befürchtungen und Anschuldigungen wegen brü - derlichen Gesinnungen des Präsidenten der Repu - blik gegen die Armee gegründet und passend er - scheinen, nachdem derselbe sich eben in socialen Städten und Dörfern unter die ganze Bevölke - rung gemischt hat? Er hat auf seiner Reise al - lerdings auch einige Regimenter gemustert; allein er hat besonders die Geistlichkeit, die Magistratur, die Maires, die Handelskammern, die Ackerbauer, die Fabrikanten ausgeforscht; er hat mit einem Wort für die Religion, die Justiz, den Handel, die Jn - dustrie, den Handwerker, den Ackersmann dieselbe Sorgfalt bewiesen, wie für die Armee und den Soldaten. Der Präsident der Republik wird kei - nen 18. Brumaire unternehmen; er wird die mächtige Autorität, die. 6 Millionen Stimmen zum Heile Franksreichs ihm gegeben haben, nicht mit einem Handstreich aufs Spiel setzen; er wird die verdiente Popularität, die ihm die Weisheit und Gerechtigkeit seiner Handlungen und der ruhmvolle Zauber seines Namens bei der Armee geben, nicht zu einem Angriff gegen unsere Jn - stitutionen benutzen; er begreift, daß alle diese kostbaren und unbesiegbaren Kräfte nur zur Be - siegung der Demagogie und des Socialismus aufbewahrt werden müssen. -- Louis Napoleon Bonaparte ist mit der Präsidentschaft der Repu - blik bekleidet worden. Er glaubt noch immer, daß es das Land unnützer und gefährlicher Weise erschüttern heißen würde, wenn man eine andere Regierungsform von früheren Datum an die Stelle dieser Republik setzen wollte, die am Ende seit der Präsidentschaft des Erwählten vom 10. Dzbr. dem Lande doch friedliche Tage, schnelle Vermeh - rung der öffentlichen Einkünfte und einiges Wie - deremporkommen in Handel und Gewerben gege - ben hat. -- Jm Jahre 1852 erlöschen die Ge - walten des Präsidenten. Seine Politik besteht darin, alle Maßregeln zu treffen, alle Gesetze vor - zuschlagen, die dem Lande vom Nutzen sein kön - nen, ganz als ob seine Gewalten ihm für unbe - grenzte Zeiten übertragen worden wären. -- Man hat vom Präsidenten, wir versichern es, keine Ge - waltsanmaßung zu fürchten. Gefahren sind nur von der Spaltung der Parteien und dem damit möglich gemachten Sieg der Demagogie und des Socialismus zu fürchten. Allein glücklicher Weise hat Niemand das Recht, in Betreff der Zukunft Frankreichs seine Hände in Unschuld zu waschen. Viele Generalräthe haben schon die Verfassungs - revision und die Verlängerung der Gewalten des Präsidenten verlangt; die Nationalversammlung wird also eine Jnitiative zu ergreifen haben. Wir hoffen auf ihren Patriotismus, ohne ihre Pläne und Vota vorhersehen zu wollen.

C Paris, 1. Okt. Paris ist vollkommen ruhig und unterhält sich über die schrecklichen Pläne, welche die Rothen für die Eröffnung der Legisla - tive vorbereiten. Die Rothen wollen nämlich ein blutiges Seitenstück zu der orleanistischen Brand - markung von Belrave = Square, sie klagen die le -gitimistischen Mitglieder der Nationalversammlung wegen der Reise nach Wiesbaden des Landesver - rathes an auf Tod und Leben und den Herrn Grafen von Chambord citiren sie als der Mit - schuld am Landesverrath höchst verdächtig vor ih - ren Richterstuhl. Wenn die Nationalversamm - lung auf diese Bouffonade (man sieht, bei aller Tollheit ist die Montagne doch auf Eventualitä - ten gefaßt) nicht eingeht, so wird sich der Berg so lange jeder Abstimmung enthalten, bis den weißen Verschwörern ihr Urtheil gesprochen. Die Montagne rechnet bei diesem Vorhaben auf die Hülfe des tapfern Generals, der um jeden Preis der Schande der Situation ein Ende machen will, auf den General Cavaignac, und seine Blauen. Und warum sollten sie nicht? Sind die Blauen, ja sind die Dreifarbigen nicht oft schon dumm genug gewesen, den Rothen zu dienen als gehor - same Werkzeuge? Warum sollten sie auch dieses Mal nicht thöricht genug sein, denn Sie wissen ja, der Mensch ist das einzige Thier, das nicht durch Schaden klug wird. Aber was hilft's, wenn die Rothen und Blauen in Gemeinschaft sich der Abstimmungen enthalten, die Versammlung ist darum noch immer beschlußfähig, und lange wer - den die Herren das Schweigen nicht aushalten, man müßte Vater Miot nicht kennen und die an - dern Gäfte von Toulangeau und Baillez.

Vermischte Nachrichten.

Ein französischer Arzt, Dr. Goudret, hat eine unfehlbare Methode entdeckt, alle, selbst die hart - näckigsten, Wechselfieber sofort zu heilen. Das Heilmittel besteht in der Setzung von 20 trocke - nen Schrepfköpfen oder, wenn man diese nicht hat, 20 (sich gleichfalls, so wie die darin befindliche Luft erwärmt ist, festsaugenden) Gläsern auf den Rücken neben dem Rückgrath, von der Schulter bis zu den Weichen, worauf der Fieberanfall so - fort aufhört und nicht wiederkehrt. Diese Methode ist auf Befehl des französischen Ministers des Ackerbaues und Handels von den berühmten Aerz - ten Bricheteau und Bouillaud, als Commissaren der Akademie der Medizin, geprüft worden und ihr Bericht durchaus günstig und bestätigend aus - gefallen.

Neuestes.

Frankfurt, 4. Okt. Gestern hat die Bun - desversammlung auch ihrer Seits den deutsch = - nischen Friedensvertrag ratificirt u. zwar ohne Vor - behalte.

Stuttgart, 2. Okt. Heute Vormittag rückte eine Abtheilung reitender Artillerie von Ludwigs - burg hier ein und verließ alsobald wieder die Stadt, indem sie die sechs Kanonen, welche seit - her die hiesige Bürgerartillerie inne gehabt hatte, und welche auf der kön. Stadtdirektion gestanden waren, mit sich führte.

Darmstadt, 3. Okt. Nach Mittheilungen der Darmst. Ztg. und des Mainz. Journals gibt sich ein außerordentlicher Eifer in der Ent - richtung der Steuern in den drei Provinzen des Großherzogthums kund.

Kassel, 3. Oct. Der Offiziersstand hat das Anerbieten einer Privatgesellschaft gegen Cession die Löhnung zu beziehen, energisch abgelehnt, was als ein nicht gering zu achtendes Symtom an - sehen ist.

T. D. Kassel, 4. Oct. Unsere Bürgergarde wurde heute aufgelöst, ihre Waffen sollen bis heute Abend 6 Uhr abgeliefert sein.

Hildburghausen, 1. Okt. Der Jnhaber des hiesigen bibliographischen Jnstitutes, F. Meyer, ist neuerdings wegen eines Artikels in dem von ihm herausgegebenen Universum auf Requisition der preuß. Regierung zu 4wöchentlicher Festungs - strafe verurtheilt worden. Die Publication dieses Urtheils hat jedoch bis jetzt nicht erfolgen können, da Mayer der gerichtlichen Vorladung noch keine Folge geleistet hat.

Hamburg, 2. Okt. Es heißt, daß gestern Nachmittag der Oberst v. d. Tann die Beschie -ßung Friedrichstadts unternommen, und zwar von der Südwestseite, da ein Cerniren im militärischen Sinne dort nicht möglich, weil in nordwestlicher Richtung die Treene aufgestaut ist und durch die Friedrichstädter Schleusen immer neue Nahrung erhalten kann. Das anhaltende Regenwetter hat das schon ohnehin sumpfige Erdreich in der Ge - gend von Friedrichstadt noch unwegsamer gemacht, so daß bei der von den schlesw. = holst. Truppen ausgeführten Erstürmung einiger Außerschanzen gar viele der Braven in dem Schlamm stecken geblie - ben sind. Das Bahnhofsgerücht von einer deut - scherseits geforderten Uebergabe Friedrichsstadts, dann die Mähr vom dänischen Parlamentär, der freien Abzug für die Besatzung erbitten sollte, wiederlegt sich durch die einfache, aber von vielen Seiten bestätigte Thatsache, daß die feindliche Hauptschanze, welche die Chaussee südwärts be - herrscht, gestern noch nicht genommen war, mithin die Dänen noch keineswegs aller ihrer um Fried - richstadt befindlichen Vertheidigungswerke verlustig sein können. Die Dänen haben Verstärkungen her - beigezogen und sind von Husum herunter nach Tönnigen und Garding gekommen, welche Ort - schaften die schleswig = hvlsteinischen Truppen, nach - dem sie selbe einige Stunden gegen den andringenden Feind gut vertheidigt hatten, wieder verlassen haben. Bei der Affaire haben weder dänische Kriegsschiffe noch Kanonenboote mitgewirkt. Friedrichstadt soll etwas gelitten haben. Was ich Jhnen hier mit - theile, sind einige verläßliche Einzelheiten über die Affaire, über den Ausgang oder über die Ereig - nisse seit gestern Vormittag verlauten nur dunkele und sich durchkreuzende Gerüchte, die gar keinen Anhalt zur Mittheilung darbieten.

Wien, 1. Oct. Ernst August, König von Hannover, hat sich in das Album des Tiroler Radetzky = Vereins eigenhändig eingeschrieben, und für die edlen Zwecke des Vereins zwanzig Stück Friedrichsd'or in Gold übersenden lassen.

Linz, 27. Sept. Zum Versammlungsorte für die katholischen Vereine Deutschlands ist für das nächste Jahr Fulda gewählt worden.

Berlin, 30. Sept. Das hiesige Ministerium ist in diesem Augenblicke, wie dem M. C. ge - schrieben wird, mit der Ausarbeitung eines Ent - wurfes zu einem Gesetze, betreffend die Militär - verhältnisse der Union, beschäftigt, um es zur Zeit dem provisorischen Fürsten = Collegium und dem Unionsparlamente zur Beschlußnahme vorzu - legen. So weit der Entwurf bekannt ist, findet hierin eine vollständige Concentrirung sämmtlicher Streitkräfte der Union statt, die unter den - nig von Preußen als obersten Kriegsherrn ge - stellt werden sollen. Die militärischen Uebungen sollen nicht mehr vereinzelt, nach dem Umfange eines jeden Landes, sondern nach der militärischen Eintheilung in Armeecorps, Brigaden ec. vorgenommen werden, wodurch jeder einzelne Truppentheil in steter Verbindung mit der ganzen Heermassegehaltenwirdund im Stande ist, alle Uebungen, die in größeren Heermas - sen nur vorgenommen werden können, durchzumachen.

Berlin, 2. Okt. Jn der gestrigen 33. Sitz - ung des provisorischen Fürstencollegiums wurde auf den Antrag eines Mitglieds beschlossen, den Verfassungsausschuß zu beauftragen, mit Bezug auf den zum 15. d. M. bevorstehenden Ablauf des Provisoriums der Union Bericht darüber zu erstatten, was von diesem Zeitpunkte ab im ge - gemeinsamen Jnteresse der verbündeten Staaten weiter zu geschehen habe.

Madrid, 27. Sept. Jn Cadix sind 6000 M. zur Einschiffung nach Cuba bereit.

Turin, 28. Sept. Der Erzbischof von Cag - liari ist ebenfalls zu lebenslänglicher Verbannung verurtheilt.

Verantwortlicher Redakteur u. Verleger: Franz v. Faber.

Gestorbene:

Den 1. Oktober.

Gertraud Diem, Oek. = Wittwe 79 J. Adam Knauer, Pfründner 84 J. alt. -- Rhein, Kasp., Privatier vormals Melber, 65 J. alt.

Druck von Joseph Steib in Würzburg. Hiezu das Ergänzungsblatt Nr. 80.

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TextDie Bayerische Presse
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Institut für Deutsche Sprache, MannheimNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription Peter FankhauserNote: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationDie Bayerische Presse Eine constitutionell-monarchische Zeitung. . Würzburg (Bayern)1850.

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