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Die Bayerische Presse.
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Eine constitutionell-monarchische Zeitung.

Expedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533.

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Nr. 240.
Würzburg, Montag den 7. Oktober. 1850.

Amtliche Nachrichten.

Würzburg, 5. Sept. Auf die erledigte Pfar - rei Rödelsee wurde Pfarrvikar Weckarth, auf die Pfarrkuratie Homburg Pfarrvikar Wickenmayer, beide in gleicher Eigenschaft beordert.

München, 6. Okt. Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten. Jm Laufe des heurigen Jahres und zwar namentlich in in jüngster Zeit haben so außerordentlich zahlreiche und theilweise verheerende Brände stattgefunden, daß der durch die Brandassecuranz = Hauptrechnung pro 18 48 / 49 angezeigte Aktivbestand von 944,295 fl. nicht mehr zureicht, die dem Jahre18 49 / 50 angehörenden Entschädigungen vollständig zu de - cken, viel weniger den weiteren Anforderungen bis zu dem Zeitpunkte zu genügen, wo die Haupt - rechnung, der allgemeinen Brandversicherungs = An - stalt pro 18 49 / 50 vollendet und damit der Haupt - Ausschlag für dieses Jahr veröffentlicht werden kann. Wenn nun auch zu erwarten ist daß augen - blicklichen Zahlungs = Verlegenheiten der allge - meinen Brandassekuranz = Anstalt durch Vorschüsse aus der Staatskasse thunlichst wird abgeholfen werden, so ist Letztere doch nicht in der Lage, un - beschadet ihrer eigentlichen Zwecke so bedeutende Summen, als zur Deckung des ganzen Bedarfes voraussichtlich erforderlich sein würden, auf län - gere Zeit entbehren zu können. Es bleibt daher unter solchen Verhältnissen nichts übrig, als auf Grund des Artikels 32 der revidirten Brandversicherungs - Ordnung auch für das Jahr18 49 / 50 zu einem vorläufigen Zwischen = Ausschlage zu schreiten, wel - cher hiemit zur Erleichterung der Detailberechnung dann mit Rücksicht auf den wahrscheinlichen Be - darf und auf die gesetzlich in 4 Klassen abgestufte Beitragspflichtigkeit in der Art festgesetzt wird, daß von jedem Hundert des Versicherungskapitals in der 1. Klasse 9 kr., in der 2. Klasse 10 kr., in der 3. Klasse 11 kr., in der 4. 12 kr. zur Erhebnng kommen. Die Regierungen der sieben Kreise diesseits des Rheins und die untergeordne - ten mit Führung der Brandversicherungskassen be - trauten Polizeibehörden erhalten sofort den Auf - trag, zur Erhebung der Beiträge die entsprechen - den Einleitungen zu treffen, und die Perzeption in einer Weise zu betreiben, daß neben angemes - sener Schonung der Beitragspflichtigen die Brand - assekuranzkassen in den Stand gesetzt werden, ihre Obliegenheiten gegenüber den Entschädigungsbe - rechtigten möglichst ohne Verzögerung zu erfüllen. München, den 28. Sept. 1850. Auf Sr. Königl. Majestät Allerhöchsten Befehl. Graf v. Bray. Durch den Minister der General = Sekretär, Mini - sterialrath Wolfanger.

Staatsministerium der Justiz und Staatsmi - nisterium des Jnnern. Seine Maj. der König haben allerhöchst zu beschließen geruht: daß die k. Gerichts = und Polizeibehörde Wiesentheid sofort aufgelöst und ihr bisheriger Amtsbezirk mit dem - jenigen der k. Gerichts = und Polizeibehörde - denhausen hinsichtlich der gesammten Gerichtsbar - keit und Polizeiverwaltung vereinigt werde; daß das Amtspersonal au der bisherigen Gerichts - und Polizeibehörde Wisentheid, soweit am 1. Okt. 1848 eine Verpflichtung zur Uebernahme dessel - ben an den Staat bestanden hat, bis auf Weite - res in den zeitlichen Ruhestand zu treten habe. München, den 28. Sept. 1850. Auf Sr. - niglichen Majestät allerhöchsten Befehl. v. Klein - schrodt. Dr. v. Ringelmann. Durch den Minister der General = Sekretär Epplen.

Eine schiedsrichterliche Entscheidung.

Aus der Mitte des betreffenden Volkes selbst kann diese, wie überhaupt, so auch in Kurhessen, stets nur so lange und so weit Platz greifen, als sich der Streit zwischen Fürst und Kammer in - nerhalb der Grenzen der Verfassung bewegt und lediglich die Jnterpretation zweifelhafter Verfas - sungs - und damit zusammenhängender Gesetzes - Bestimmungen zum Gegenstande hat. Sobald der Streit die Grenzen der Verfassung verläßt, sobald der Widerspruch der Kammer von exegetischen Zweifeln zum Verfassungsbruch und vollkommener Steuerverweigerung fortschreitet: in demselben Au - genblicke wird die logische Dissonanz zur gewalt - samen Rebellion, mithin zu einem Kriegszustande, welcher nur durch die Mittel des Kriegs beseitigt werden kann. Hielten wir es daher nicht für eine Ausflucht der Verlegenheit, so möchten wir es fast unehrlich nennen, dem brennenden, wohlorganisir - ten Aufruhr in Kurhessen gegenüber im Ernste von einer verfassungsmäßigen, schiedsrichterlichen Entscheidung zu sprechen, um so mehr, als über - haupt nicht der mindeste Zweifel darüber obwal - ten kann, daß die Steuerverweigerung, wie sie von der kurhessischen Kammer in Anspruch genom - men wird, nach kurhessischem wie nach Bundes - staatsrecht gleich unberechtigt ist. Nach kurhessi - schem Staatsrecht, weil seine Regierungsform die monarchische, und daher der Verfassungsurkunde in keiner Weise ein Sinn untergelegt werden darf, welcher das Recht des Landesherrn, seine Minister zu wählen, mittelbar ganz in die Hände der Kam - mer legen müßte: nach Bundesrecht, weil der noch in voller Giltigkeit stehende Bundesbeschluß vom 28. Juni 1832 Art. 1. 2. bestimmt: daß kei - nem Souverän durch die Landstände die zur Füh - rung einer den Bundespflichten und der Landes - verfassung entsprechenden Regierung erforderlichen Mittel verweigert werden dürfen, und daß die Fälle, in welchen ständische Versammlungen die Bewilligung der zur Regierung erforderlichen Steuern auf eine mittelbare oder unmittelbare Weise durch die Durchsetzung anderweitiger Wün - sche und Anträge bedingen wollten, unter diejeni - gen Fälle zu zählen seien, und die Art. 25 und 26 der Schlußakte in Anwendung gebracht wer - den müßten. Mögen daher immerhin bei dem vorliegenden Conflicte in Kurhessen andere unter - geordnete Fragen zur Sprache gekommen sein, welche sich demnächst zur Entscheidung durch ein einheimisches Compromißgericht eigenen, die Haupt - frage, die Steuerverweigerung, kann nur durch das Einschreiten und durch ein Bundesschiedsgericht ihre verfassungsmäßige Erledigung finden. Oder sollte das preußische Ministerium des Auswärti - gen auch die Bundesgesetze nicht mehr als giltig anerkennen wollen? es würde sich dann selbst al - les Recht abschneiden, sich überhaupt in diese Sache zu mischen. Gilt das Bundesrecht nicht mehr, dann ist der Kurfürst von Hessen Preußen gegenüber ein souveräner völlig selbstständigerdeutscher Fürst, dem es unbenommen ist, die be - nöthigte Hilfe gegen seine aufrührerische Kammer dort zu suchen, wo er dieselbe am besten zu finden meint, und der um so mehr für berechtigt erachtet werden muß, sich den Einmarsch preußischer Trup - pen auf das Bestimmteste zu verbitten, als ihm ja Preußen von seinem Standpunkte aus wieder - holt auseinandergesetzt hat, daß es bis jetzt noch nicht an der Zeit gewesen wäre, mit Erklärung des Kriegszustandes oder sonstigen Ausnahmemaß - regeln vorzugehen. Wehe aber der Krone Preu - ßen, wenn sie mit Bayrhofer gemeinschaftliche Sache macht, und wenn die Regimenter, welche daheim die Revolution zertreten, dort für dieselbe in die Schranken treten müßten.

Deutschland.

München, 1. Okt. Die Verwilderung, die seit dem Jahre 1848 in Niederbayern immer mehr um sich gegriffen und sich jetzt auf erschreckende Weise in vielfachem Mord, Brandstiftung und dergleichen demokratischen Tändeleien zeigt, hat endlich zur Folge gehabt, daß die Staatsregie - rung an sämmtliche Distriktspolizeibehörden jener Provinz ein Schreiben erlassen hat, worin die Mißachtung und Verhöhnung der öffentlichen Ordnung besprochen, zur kräftigen Mitwirkung bei Wahrung und Schützung der öffentlichen Si - cherheit und des Rechtsfriedens aufgefordert und schließlich mit Absendung von Straf = und Execu - tions = Commando 's, auf Kosten der schuldigen Ge - meinden, gedroht wird. Wir glauben kaum, daß dies das Uebel radicaler curiren, sondern höch - stens eine momentane Einschüchterung zu Wege bringen dürfte. Das Uebel, das so scheußlich zu Tage tritt, sitzt tiefer und zwar in dem Beam - tenstand, der an vielen Orten roth gefleckt ist. Man trete nur auf einer Reise durch die genannte und andere Provinzen des Landes -- zur Ehre Oberbayerns, wo der gerade, ehrliche Sinn des Gebirgsvolkes nicht in seiner Treue zum König - thum wankend gemacht werden konnte, müssen wir diese Provinz zu den Ausnahmen zählen -- im Wirthshause in das sogenannte Herrenstüb - chen, in welchem die Herren vom Landgericht und anderen Behörden am Abende einzukneipen pflegen, und man kann versichert sein, unter zehn Orten dieser Art in neun gewiß als erbauliche Lektüre unsere rothen Hetz = und Giftblätter auf dem Tische liegend zu finden. Was der Herr für schmackhaft hält, behagt natürlich aus Nach - ahmungssucht dem rothen Bauer ebenfalls, und wenn ihm dergleichen gedruckte Mordpredigten noch dazu von dem Schreibergesindel, das in den Behörden nistet, angepriesen werden, was Wun - der, daß er diesem modernen Freiheits = Evan - gelium nicht folgen sollte. Die Ermahnungen der Geistlichen klingen nur tauben Ohren, die mit Aufhetzungen gegen die Pfaffen längst betäubt wurden. Das sind Geschichten, die jeder Vogel auf dem Dach bei uns weiß, -- dem Anschein nach aber unsre hohen Herren am Staatsruder nicht. Wenn man die moderne politische Psora curiren will, so gebrauche man nicht quacksal - bernde Schmieralien, die den Aussatz nur mehr nach Jnnen treiben und den ganzen Staatskörpersiech und unheilbar machen; man curire von Jn - nen heraus und zwar kräftig. So allein ist Hei - lung möglich. Leider steht's so aber nicht allein bei uns in Bayern mit dem Beamtenstande, son - dern überall in dem constitutionell gewordenen Deutschland.

München, 5. Okt. JJ. MM. König Max und König Otto sind diesen Nachmittag zum Ok - toberfest hier eingetroffen, werden aber schon uber - morgen nach Hohenschwangau zurückkehren, wo - selbst Allerhöchstdieselben dem Besuche Se. Maj. des Kaisers von Oesterreich entgegensehen. -- Ge - stern Abends 8 Uhr ist Fürst v. Schwarzenberg, k. k. Feldmarschall = Lieutenant und Minister = Prä - sident, hier eingetroffen. Jhm zu Ehren findet heute Nachmittags 4 Uhr ein diplomatisches Fest - essen statt. Mit dem schon öfters besprochenen Fürstenkongreß hat es seine Richtigkeit. Jm Laufe nächster Woche werden der Kaiser von Oesterreich sowie die Könige von Bayern, Würtemberg und Sachsen in Hohenschwangau zusammentreffen. -- Jhre Majestät die Königin Marie hatte sich von Oberammergau nach Hohenburg begeben, um dort ihren Gemahl, den König Mar, bei seiner Rück - reise von einem Ausflug an den Gardasee zu em - pfangen.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 3. Okt. Aus dem vom Obergerichts - anwalt Henkel, Mitglied des ständischen Aus - schusses, an den Oberbefehlshaber, Generallieute - nant v. Haynau, gerichteten offenen Schreiben theilen wir die folgenden Stellen mit: Herr Ge - neral! Sie haben die sogenannte Oberbefehlsha - berstelle während des sogenannten Kriegszustandes angenommen und in dieser Eigenschaft eine Pro - klamation erlassen, worin Sie Schmähungen und Verleumdungen auf die aufgelöste Ständeversamm - lung und den bleibenden landständischen Ausschuß schleudern. Jch war Mitglied jener Ständever - sammlung und bin Mitglied dieses Ausschusses, habe daher ein Recht, diesen Jnjurien gegenüber, welche keinen Falls zu Jhrem, wenn auch nur vermeintlichen, Amte gehören, ein Wort mit Jh - nen zu reden, und ich finde dieses darum nicht unter meiner Würde, weil ich höre, daß Sie einst in den Freiheitskriegen ein tapferer Soldat und allzeit ein redlicher Mann waren, welche Eigen - schaften der Unterstellung Raum geben, daß Sie bei Jhrem jetzigen Auftreten nicht aus böser Ab - sicht, sondern als getäuschter, mißbrauchter Mann handeln. Darum das Folgende zu Jhrer Ver - ständigung. Sie haben, wie Sie selbst sagen, bisher in der Stille der Zurückgezogenheit gelebt und sich daher schwerlich von dem, was zwischen den Ständen und deren Ausschusse und Hrn. Has - senpflug vorgekommen ist, selbst eigene gründliche Kenntniß verschafft. Nicht die Stände sind pflicht - vergessen gewesen und haben die Steuern zu den nöthigen Staatsausgaben verweigert, sondern Herr Hassenpflug hat, um Conflikte herbeizuführen und Vorwände zu Gewaltstreichen zu finden, die ver - fassungsmäßig nöthige Bedingung jeder Steuerbe - willigung, die Vorlage des Staatsgrundetats, zu erfüllen unterlassen und so durch eigene Schuld den Fall herbeigeführt, daß mit dem 30. Juni die Zeit verstrichen war, bis wohin er die Steu - ern vorschußweise für die neue Finanzperiode er - heben durfte, ohne daß auf der andern Seite das Budget festgestellt und die Steuerbewilligung für den Rest der Finanzperiode erfolgt gewesen wäre. Ganz unbefugter, verfassungswidriger Weise ver - langte er über die Zeit hinaus, bis wohin spä - testens das Budget festgestellt sein soll, weitere Steuervorschüsse, ohne auch nur irgend eine be - stimmte Aussicht zu eröffnen, ob und wann er den Grundetat vorlegen werde. Und als die Stände sich diesem verfassungswidrigen, die Ord - nung des Staatshaushalts untergrabenden Ver - langen, ganz ihrer Pflicht gemäß, nicht fügten, sondern nur bereit waren, die Steuern vorläufig erheben und bis das Finanzgesetz darüber verfügen würde, aufbewahren zu lassen, löste er sie auf, erhob ein Zetergeschrei über angebliche Steuerver -weigerung, schrieb die Steuern auf sein eigen Haupt aus, erklarte das ganze Land im tiefsten Frieden in Kriegszustand, verband damit die Auf - hebung der wesentlichste Freiheitsrechte und unter - warf Volk und Behörden der Willkür eines über Gesetz und Recht erhabenen militärischen Dicta - tors. Aber damit noch nicht genug, hat er nun auch noch den Rechtsweg gegen seine Gewalttha - ten verboten, die Selbstständigkeit und Unabhang - igkeit der Gerichte vernichtet, ja ihre bereits er - folgten Erkenntnisse aufgehoben und Civilvergehen und Civilpersonen den Militärgerichten unterwor - fen. Lassen Sie sich, Herr General, durch irgend einen befreundeten Rechtskundigen alle die Para - graphen der Verfassung und die Gesetze aufschla - gen, welche durch diese Gewaltstreiche aufgehoben oder verletzt werden, und Sie werden finden, es ist ein ganzer Haufen, es bleibt wenig mehr von der Verfassung übrig .... Werfen Sie daher ein Amt ab, welches gegen göttliche und menschliche Rechte angeht.

Kassel, 4. Okt. Der Oberbürgermeister hat auf das Schreiben des Generals Haynau, die Auflösung der Bürgergarde betreffend, Folgendes erwidert: Auf Ew. Exc. soeben erhaltenes Schrei - ben von heute, beehre ich mich zu erwidern, daß ich in dem darin erwähnten Verhalten des Regi - mentscommandeurs und der übrigen Offiziere der Bürgergarde nichts zu erblicken vermag, was in irgend einer Hinsicht irgend einem Gesetze zuwider wäre. Jch muß vielmehr deren Handlungen bil - ligen und finde keinen gesetzlichen Grund, der die von Ew. Exc. angedrohte Auflösung der gesamm - ten Bürgergarde rechtfertigen könnte. Die §§. 96 und 97 des Bürgergardegesetzes von 23. Juni 1832 bezeichnen die Fälle, in welchen die Sus - pension oder Auflösung der Bürgergarde oder ein - zelner Abtheilungen derselben statthaft ist, sowie die Voraussetzung und Formen, unter welchen, und die Behörden, von denen sie ausgeführt werden sollen. Demnach kann ich, da die in Bezug ge - nommenen Septemberverordnungen verfassungswi - drig sind und dieses sogar von den Gerichten schon ausgesprochen ist, Ew. Exc. die Befugniß, die hiesige Bürgergarde aufzulösen, nicht einräu - men. Eine solche Handlung Jhrerseits würde verfassungs = und gesetzwidrig sein, und werde ich keinerlei Anordnungen treffen, um die Auflösung zu verwirklichen. Kassel, den 4. Okt. 1850. Der Oberbürgermeister der Residenz: Hartwig. -- Gegen Abend wurde an die Straßenecken fol - gende, die Auflösung der Bürgerwehr betreffende Bekanntmachung, geklebt: Nach der am 2. d. M. stattgefundenen Suspension des Regimentscom - mandeurs der hiesigen Bürgergarde wegen Wider - setzlichkeit gegen meine Befehle hat derselbe die Einstellung seiner Funktionen verweigert, der mit Versehung derselben beauftragte Commandeur des ersten Batail. der Bürgergarde aber die Ueber - nahme dieser Funktionen, sowie die Anerkennung der Suspension des Regimentscommandeurs ver - sagt, und meine Ordre, mit dem ganzen Corps der Offiziere bei mir zu erscheinen, nicht befolgt. Auch der nun mit Versehung der Stelle eines Regimentscommandeurs beauftragte Commandeur des zweiten Bataillons hat mir ausdrücklich er - klärt, daß er dem ihm gewordenen Auftrage nicht Folge geben könne, und endlich haben die Batail - lonscommandeure und sämmtliche Hauptleute der Bürgergarde meine Ordre, heute Morgen um 9 Uhr sich bei mir einzufinden, mit Ausnahme eines Einzigen, durch Krankheit verhinderten, nicht be - folgt; im Gegentheil schriftlich erklärt, daß sie sich gesetzlich nicht verpflichtet hielten, meiner Auf - forderung Folge zu leisten. Die hiesige Bürger - garde stellt sich demnach als ein bewaffnetes Corps dar, welches der Einwirkung meiner Befehle gänz - lich entzogen ist und die Erhaltung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung, sowie meiner Autorität erfordert es unaufschieblich, daß die hiesige Bür - gergarde aufgelöst werde und die Waffen abliefere. Jn Gemäßheit des §. 6 der Verordnung vom 7. Sept. l. J. spreche ich demnach die Auflösung der hiesiger Bürgergarde hiermit aus und befehle einem jeden Mitgliede dieses aufgelösten Corps,sofort sämmtliche ihm aus öffentlichen Mitteln gelieferte Armaturstücke u. Lederwerk, sowie die von ihm selbst oder aus sonstigen Privatmitteln ge - stellten Feuerwaffen, die letzteren mit einem, den Namen des Eigenthümers bezeichnenden angekleb - Zettel, zum Zwecke der Aufbewahrung, bei Mei - dung der im §. 2 der Verordnung vom 28. v. M. angedrohten Bestrafung durch das Kriegsgericht, an das Militär abzuliefern. Diese Ablieferung der Armaturstücke und des Lederwerkes hat von jetzt an bis heute Abend 6 Uhr an folgenden Plätzen stattzufinden: 1) Seitens der in der Oberneustadt wohnenden Mitglieder der aufge - lösten Bürgergarde auf der Schloßhauptwache oder auf der Casernenwache der Jnfanterie; 2) Sei - tens der in der Altstadt wohnenden Mitglieder der aufgelösten Bürgergarde im Zeughause; 3) Seitens der in der Unterneustadt wohnenden Mit - glieder der aufgelösten Bürgergarde auf der Leip - ziger = Thorwache. An allen diesen Plätzen werden Offiziere zum Zwecke der Empfangnahme des Armatur = und Lederwerks gegenwärtig sein. Kassel, am 4. Okt. 1850. Der Oberbefehlshaber v. Hay - nau, Generallieutenant.

Kassel, 4. Okt. Das Obersteuerkollegium hat aus dem Finanzministerium die Weisung erhalten, unfehlbar binnen 48 Stunden die Steuern auszu - schreiben und zwar unter Androhung einer Geld - strafe von 45 Rthlr. für den Direktor und von 30 Rthlr. für jedes andere Mitglied. -- Am Nachmittag ward, wie schon gemeldet, die Be - setzung mehrerer Zeitungspressen zur Ausführung gebracht. Kurz nach 4 Uhr wurde der Redakteur der N. Hess. Ztg. , Oetker, von einem aus 8 Mann und einem Offizier bestehenden Detache - ment Husaren in seiner Wohnung verhaftet und in die Hauptwache am Author abgeführt. Oberge - richtsanwalt Henkel sollte in seiner Wohnung verhaftet werden, war aber gerade in dem Ständehause, wo - selbst der Ausschuß Sitzung hielt. Die mit der Verhaftung beauftragten Husaren verfügten sich vor das Ständehaus, um Henkel beim Austritt zu arretiren. Auf erfolgte Einsprache von Seiten eines Ausschußmitgliedes wurde dem Vollzuge vor - läufig Anstand gegeben. -- Gegen 6 Uhr wurde die Auflösung der Bürgergarde in den Straßen der Stadt unter Trommelschlag bekannt gemacht. Von da an waren starke Kavallerie = und Jnfan - teriepatrouillen in Bewegung. Die Bürgerwehr ist dem Befehl zur Ablieferung der Waffen nicht nachgekommen. Die Ruhe wurde nicht im min - desten gestört. -- Gleichzeitig mit dem Oberst - lieutenant Hillebrand ist eine Deputation des Ober - appellationsgerichts, bestehend aus den Oberap - pellationsgerichtsräthen Schotten, Schellenberg und Elvers und dem Staatsprokurator nach Wilhelms - bad abgegangen.

Hanau, 2. Okt. Das kurfürstliche Oberap - pellationsgericht zu Kassel, hat dieser Tage eine höchst wichtige und interessante Entscheidung gege - ben über die Frage der Giltigkeit oder Ungiltig - keit der von der Frankfurter Nationalversammlung und beziehungsweise dem Reichsverweser erlassenen Reichsgesetze. Unter den Motiven, daß diesen Reichsgesetzen gesetzliche Kraft nicht zugestanden werden kann, heben wir besonders hervor: weil die Bekanntmachung derselben sich überall nicht als einen Act der in Kurhessen dem Landesherrn unter Beistimmung der Landstände zustehenden ge - setzgebenden Gewalt darstelle, vermöge dessen ei - ner Verordnung in Kurhessen Kraft verliehen werde; ferner, daß der Giltigkeit eines Reichsgesetzes aber schon der Umstand entgegenstehe, daß es für das deutsche Reich gegeben worden sei, und die hier - bei zum Grunde liegende Unterstellung, daß die Bildung eines deutschen Reiches zu Stande kom - men werde, nicht in Erfüllung gegangen sei, mit - hin es an dem Gebiete fehle, innerhalb desseo sich Reichsgesetze zu erweisen gehabt hätten.

Schleswig = holsteinische Ange - legenheiten.

Vor Rendsburg, 1. Okt., Abends. Die heute vom westlichen Kriegsschauplatze einlaufenden Be -richte beweisen, daß der heutige Tag in Wirklich - keit ein sehr unglücklicher für die schleswig - holstei - nischen Waffen gewesen, da die Dänen das Ter - rain nicht nur behauptet haben, sondern die Schles - wig = Holsteiner bedeutend zurückgeworfen wurden. Als des Morgens früh der Kampf von den Schleswig = Holsteinern aufgenommen wurde, mach - ten die Dänen von Friedrichsstadt und den vor - liegenden Schanzen aus einen Ausfall gegen die Husumer Chaussee und warfen die schleswig - hol - steinschen Truppen bis jenseits der Eider heruber. Nur mit Mühe gelang es den Kanonenboten, die Tags zuvor genommenen Schanzen zu behaupten, da diese mit ihren schweren Geschützen so lagen, daß sie die Schanzen bestreichen konnten. Gleich - zeitig erfolgte von Husum aus ein Angriff auf das von den Schleswig = Holsteinern genommene Tönning, diese wurden geworfen und die Dänen nahmen wiederum Besitz von der Stadt. Dem - nach waren schon um 10 Uhr Vormittags die schleswig = holsteinischen Truppen auf ihre Stellung zurückgedrängt, als ein neuer Angriff des 1. - gercorps auf Tönning gemacht und dies nach ei - nem ziemlich heftigen Angriff von diesen wieder behauptet wurde. Auch ist später wieder das Bombardement auf die Schanzen von Friedrichs - stadt eröffnet worden, doch war der Erfolg we - gen all zu großer Entfernung durchaus kein gün - stiger zu nennen, denn trotz eines längern anhal - tenden Feuerns schienen die Dänen nicht den geringsten Verlust erlitten zu haben. Der Kom - mandeur des dänischen Korps bei Friedrichsstadt ist der so oft todtgesagte ehemalige französische Oberst Latour du Pain, nach seinen Wendungen und Angriffen, die von den Dänen gemacht wer - den, muß er ein sehr bedeutendes strategisches Ta - lent besitzen, und wird voraussichtlich das Ende dieser Expedition gerade so sein, wie es alle an - deren bis jetzt waren, wenn nicht noch ungünsti - ger. Die Gerüchte, die hier verbreitet werden, daß die Dänen in Friedrichstadt um einen Waf - fenstillstand nachgesucht hätten, um frei abziehen oder ihre Verwundeten verbinden zu können, sind völlig aus der Luft gegriffen und entbehren, wie der größte Theil der exaltirten Berichte, jeder Spur von Wahrheit. Jm Centrum und rechten Flügel der Armee herrscht vollkommene Ruhe.

Vor Rendsburg, 3. Okt. Es ist noch im - mer keine Entscheidung vor Friedrichsstadt erfolgt und die Stadt befindet sich bis jetzt in den Hän - den der Dänen, welche die Unterbrechungen des Angriffs stets benutzten, um neue Schanzen auf - zuwerfen. Das Bombardement der schleswig = hol - steinischen Batterien hat den Dänen fast gar kei - nen Schaden zugefügt, da diese die ersten Häuser - reihen der Stadt gegen die Eider zu Schanzen umgewandelt hatten. Mit dem bloßen Bombar - dement kann man aber nichts machen, es müßten vielmehr die Schanzwerke der Dänen mit Sturm genommen werden; der erste Versuch hierzu kam sehr theuer zu stehen und so wird man dieses wohl unterlassen und noch einige Tage vergeblich vor Friedrichsstadt liegen, um es durch Beschießen zur Uebergabe zu zwingen. Die Dänen werden es jedoch nicht übergeben, da sie in ihrer Position ganz fest und gesichert sind und auch über Husum so viel Verstärkungen längs der Chaussee heran - ziehen können, als sie wollen, besonders da Tön - ningen wieder von den Jhrigen genommen ist und besetzt gehalten wird. Dieser jetzt viertägige Kampf kostete sehr vielen Menschen das Leben, ohne daß das Ge - ringste damit erreicht werden wird; es war dieses bei dem so günstigen Terrain der dänischen Position mit ziemlicher Gewißheit vorauszusehen. Die schles - wig = holsteinischen Truppen stehen jetzt noch da, wo sie gestanden haben, und nur die ersten beiden Vorderschanzen sind genommen und nicht wieder von den Dänen zurückerobert, weil dieselben von den diesseitigen Geschützen gänzlich bestrichen wer - den können. Von Zeit zu Zeit wird heftig ge - feuert, die Dänen erwidern jedoch nur schwach, da bei der jetzigen Entfernung es ohne Wirkung bleibt.

Stuttgart, 4. Okt. Nach vorhergegangenem feierlichem Gottesdienst wurde heute11 1 / 2 Uhr die dritte Landesversammlung vom Staatsminister Freiherrn v. Linden mit folgender Rede eröffnet: Hochzuverehrende Herren! Zum dritten Male ist an das württembergische Volk der Ruf ergangen, seine Vertreter zum Zwecke der Verfassungsrevi - sion an diese Stätte zu senden. Dieser Ruf ist aus dem aufrichtigen Wunsche entsprungen, auf dem Wege der Vereinbarung zwischen König und Volk ein Werk zu gründen, welches das künftige Wohl Württembergs bedingen soll. Gewissen - haft hat die Regierung erwogen, was sie zum Zwecke dieser Vereinbarung zu bieten vermag; sie hat sich in dem Jhnen vorzulegenden Ver - fassungsentwurf ohne Rückhalt ausgesprochen, da - mit möglichst bald der verderbliche Zustand der Unentschiedenheit beseitigt werde. Dabei wurde sie durch die Erwartung geleitet, die Vertreter des Volkes werden hierin und in der Stimmung des Landes, wie solche gegenüber der vorliegen - den Aufgabe aus deutlichen Zeichen der neuesten Zeit zu entnehmen ist, dringende Gründe finden, von Wünschen und Bestrebungen abzustehen, welche die Regierung zu verwirklichen außer Stande ist. Es liegt nun an Jhnen, meine Herren, durch Jhre Beschlüsse wesentlich mitzuwirken, daß unse - ren öffentlichen Zuständen im Allgemeinen und insbesondere dem Staatshaushalte bald wieder die allerseits gewünschte Festigkeit zu Theil werde; die Regierung trägt in sich das beruhigende Be - wußtsein, solches, so weit es immer geschehen konnte, erleichtert zu haben. Gerne wird die Re - gierung an diese wichtige Arbeit die Berathung von Gesetzesentwürfen anreihen, durch welche be - sonders dringenden Volkswünschen hinsichtlich un - serer bürgerlichen und gewerblichen Zustände ent - gegengekommen werden soll, insbesondere in Be - ziehung auf das Bürgerrechtsgesetz und seine Be - stimmungen über die häusliche Niederlassung, die Gewerbeordnung, das Prioritätsgesetz, die Ar - menversorgung. Zur besonderen Befriedigung wird es der Regierung gereichen, wenn sie, wie sie gegründete Hoffnung hat, in den Stand ge - setzt werden sollte, nähere Aussichten auf die Her - stellung der Eisenbahnverbindung mit den Nach - barstaaten zu eröffnen; wenn sie ferner in Be - ziehung auf die so wünschenswerthe Lösung der in dem letzten Stadium angelangten Unterhand - lung über die Postangelegenheit die nöthigen Vor - lagen zu machen vermag. Wendet die Regierung sich zu den Verhältnissen Württembergs nach Außen, so beklagt auch sie tief, daß es noch im - mer nicht gelungen ist, das deutsche Verfassungs - werk so zu gestalten, wie es dem Bedürfniß des deutschen Volks entspricht; sie beklagt dies um so mehr, als dadurch, wie der höhere Aufschwung des materiellen Wohlstands gefährdet, so insbe - sondere das vereinte nationale Wirken fortwährend gehemmt erscheint gegenüber der sich darbietenden wichtigen, für die Ehre und Jntegrität Deutsch - lands, wie für den Frieden und den gesetzlichen Zustand einzelner deutscher Lande so bedeutungs - vollen Fragen. Von der Regierung, welche diese Fragen stets zum Gegenstand ihrer ernsten Für - sorge gemacht hat, ist nichts versäumt worden, was zu jenem Ziel führen konnte. Die Schritte, welche sie gethan hat, als alle Versuche, dasselbe zu erreichen, sich als mißlungen darstellten, wa - ren für sie, wie jetzt wohl nicht mehr bezweifelt werden wird, nicht ein Akt willkürlichen Ermes - sens, sondern die Folge bestehender rechtlicher Verhältnisse -- nicht zu gedenken anderer, tief in der Natur der Dinge begründeter Pflichten, welchen im Angesichte drohender politischer Ver - wicklungen ein doppeltes Gewicht zukommen mußte. Hierdurch, meine Herren, ist zugleich der Gang vorgezeichnet, welchen die Regierung auch künftig, wenn gleich stets unter sorgfältiger Pflege jedes Mittels zur Verständigung, zu gehen haben wird; die Regierung wiederholt aber, was sie in feier - licher Weise ausgesprochen: ihre gegenwärtige Stellung ist ihr zugleich rechtliche Grundlage und Ausgangspunkt für eine dem Bedürfnisse natio - naler Einigung entsprechende Neugestaltung derdeutschen Verfassung; und dieser Zweck, meine Herren, wird um so sicherer erreicht werden, je mehr die Volksvertretungen der einzelnen deut - schen Staaten sich im Einklang mit ihren Regie - rungen das praktisch Mögliche und Ausführbare zum Ziel setzen. Die Regierung glaubt von dem gesunden Sinne und dem Patriotismus der Ver - treter des Volkes erwarten zu dürfen, daß ihr die Revision der Verfassung im Wege der Ver - einbarung nicht unmöglich gemacht, sondern daß diese Aufgabe auf eine Weise werde gelöst wer - den, welche, unter dem Schutze des Höchsten, zum Wohl des Königs und des Volks, zum Se - gen des Vaterlandes gereicht. Jn dieser Erwar - tung, mit dem lebhaften Wunsche, daß sie er - füllt werden möge, erkläre ich im Namen Sr. konigl. Majestät diese außerordentliche Landesver - sammlung für eröffnet.

Darmstadt, 5. Okt. Ueber den Jnhalt des neuen Wahlgesetzes vernimmt man, daß die erste Kammer nur zum Theil eine Wahlkammer blei - ben wird. Sie soll im Wesentlichen aus den Prinzen, gewählten Vertretern der größern Grund - besitzer, aus den Repräsentanten der katholischen und evangelischen Kirche und aus von dem Re - genten ernannten Mitgliedern bestehen. Die zweite wird aus indirekter Wahl der Steuerzah - lenden, die nach der Größe ihres Steuerbetrags in Klassen eingetheilt werden, hervorgehen. Jn beider Hinsicht dürften also die Erwartungen de - rer, die seit 1848 etwas gelernt haben, befriedigt werden.

Vermischte Nachrichten.

Die Kinder haben einen eigenen Gott, ist eine alte Redensart, und wenn irgend ein Vor - fall geeignet ist, die Wahrheit dieser Redensart zu bestätigen, so ist es wohl folgender, der sich am 13. v. M. in Genf zugetragen hat. Das Journal de Geneve erzählt nämlich: Ein Haus in der Straße Rivoli war gestern der Schauplatz eines ganz außerordentlichen Ereignis - ses. Der Concierge des Hauses hatte verschie - dene Werkzeuge nöthig, die auf dem Estrich im siebenten Etage aufbewahrt lagen (es ist bekannte Sache, daß sich in einer Schweizer Stadt so enorm hohe Häuser finden wie in Genf), und schickte daher sein 13jähriges Töchterchen hinauf, um das Nöthige zu holen. Das Kind ging und nahm fein kleines2 1 / 4 jähriges Brüderchen mit. Während das Töchterchen mit Hervorsuchen be - schäftigt war, kletterte das Kleine am Fenster hi - nauf, verliert aber im Augenblick das Gleichge - wicht, rollt über das jäh abschüssige Dach hinab, und wird so auf die Straße hinunter geschleudert. Wer sollte nicht erwarten, der Unglückliche sei zu Brei zerschmettert auf dem Pflaster unten ange - langt? Keineswegs! Jm gleichen Augenblick fuhr ein Kutscher im raschen Trabe unten durch, wurde aber glücklicher Weise mitten auf der Straße durch eine quer über dieselbe gehende Dame zu momentanem Stillhalten genöthigt. Jn diesem Moment fällt das Knäblein aus dem siebenten Stockwerk dem Kutscher auf die Schulter, glitscht der Kutsche nach hintnunter auf den Hintertheil der Pferde und unter deren Füße. Zufälliger Weise bewegt, trotz des unerwarteten Schlages, keines derselben einen Fuß. Ein Vorübergehender wirft sich rasch auf das Kind, zieht es an sich und nimmt es auf den Arm. Wie groß war nicht das Erstannen aller Zeugen dieser schreckli - chen Scene, als sie sahen, daß das Kind ganz frisch und wohlauf war, und nur mit etwas wei - nerlichem Gesichte die Händchen nach dem Kopf hielt mit den Worten: Weh weh am Kopf! Man stelle sich die Danksagungen und das Entzücken der Mutter vor, die noch ganz zitternd und ohn - mächtig ihr so wunderbar aus einem unvermeid - lich geschienenen Tode gerettetes Kind aus Herz drückte.

Jn der New = York Literary World berichtet eine amerikanische Dame aus Kairo vom Ende Julius: Eine neue Entdeckung hat man so eben in Heliopolis gemacht. Einige Fellahs welcheErde ausgruben, um sie in den Gärten zu ver - wenden, welche die Trümmer jener einst hochbe - rühmten Priesterstadt bedecken, stießen auf zwei Steinpfeiler welche einst einen Eingang, vielleicht zu einem Tempel, gebildet zu haben scheinen. (Pylonen? ) Die darauf befindlichen Hieroglyphen sind schön eingegraben und trefflich erhalten; auf der Einfassung (cartouche) steht der Name Thothmes III, unter dessen Regierung im Jahre 1491 v. Chr., nach Wilkinson, der Auszug der Jsraeliten stattfand. Auch fand man einen Theil einer Mauer, auf welchem jeder Backstein densel - ben Cartouche zeigt. Man hofft durch diesen Fund neue Aufschlüsse zu erhalten über die Geschichte einer Stadt, deren einziges bisheriges Denkmal der Obelisk Osirtadens I war, unter dessen Re - gierung im J. 1740 v. Chr. Joseph nach Aegyp - ten kam. Die Pfeiler und andere alterthümliche Reste die man dort gefunden, wurden leider ent - fernt und, wie ich glaube, in den neuen Palast des Abbas Pascha, dieses unwissenden und wohl - lüstigen Despoten, versetzt, wo sie jedem Auge verschlossen und in aller Hinsicht nicht an ihrem Platze sein werden.

Neuestes.

Stuttgart, 4. Okt. Diesen Abend 4 Uhr war schon die erste Sitzung, worin Hr. v. Linden als Abgeordneter von Spaichingen vom Alters - präsidenten Schott beeidigt wurde. Zum Präsi - denten wurde sofort wieder Schoder mit 37, zum Vicepräsidenten Rödinger mit 36 Stimmen ge - wählt: beide nehmen sofort ihre Sitze ein. Zu Sekretären werden gewählt 5 von der Majorität (Winter, Ruoff von Balingen, Vogel von Bra - ckenheim, Riecke Zech) und 2 von der Minorität (Wieland Notter, Mäulen.

Darmstadt, 5. Okt. Das heute erschienene Regierungsblatt bringt in 32 Artikel eine äußerst beschränkende Verordnung über die Vervielfältig - ung und Verbreitung von Druckschriften und ver - schiedene durch Druck, Rede, bildliche oder andere Darstellungen begangene strafbare Handlungen.

Alsfeld, 3. Okt. Ein Zwischenakt des Stauff = Görlitzschen Prozesses hat hier gestern be - gonnen und heute ausgespielt. Wir hatten ge - stern Markt und zwar von bedeutender Frequenz. Unter den Verkäufern war auch ein Quincaillerie - händler Namens Braun aus Winterberg im Sauerland da, der im Gasthaus zur Krone feil hielt. Zu ihm kam des Morgens gegen 10 Uhr ein älterer Mann und bot ihm mehrere Ju - welen, verschiedenen Schmuck, Braceletts, Bro - chen ec. zum Kauf an. Des Schmuckes war viel und derselbe kostbar, was bei Braun, der als ehrlicher Mann bekannt ist, sogleich Verdacht arregte. Er entgegnete dem Verkäufer, er kaufe eallerdings solche Dinge, könne sie aber nur dann taxiren, wenn Ueberbringer ihm einige Stunden Zeit ließe, wenn derselbe etwa gegen 12 Uhr wiederkomme, wo sie dann bald Handels einig werden würden. Der Alte, treuherzig gemacht, ging in die Falle, überließ an Braun sämmtlichen Schmuck sammt dessen Behälter, eine alte lederne Brieftasche. Braun, durch die Umstände neugie - rig gemacht, untersuchte den ganzen Jnhalt der - selben und fand darin zu seiner Ueberraschung einen Heimatschein von -- Heinrich Stauff, Oel - händler. Sein erstes war nun, die Anzeige bei Gericht zu machen, sein Nächstes ruhig zu Hause zu verweilen, während vom Gericht in die an - grenzenden Zimmer Gendarmen postirt wurden, um Stauff Vater, die treue redliche Seele, welche bei den Darmstädter Assisensitzungen gewöhnlich so gemüthlich schlummerte, zu greifen. Al - lein Stauff kam nicht um 12 Uhr, noch später: die Geschichte war vielleicht ausge - schwätzt, oder er roch Lunte, kurz er kam gar nicht. Jetzt steckte die Gendarmerie alle Segel aus, um den Verdächtigen der vielleicht Alsfeld schon verlassen, einzubringen. Der Gesammt - schmuck aus sieben größeren Stücken befand sichnebst Brieftasche in Aufbewahrung des Kronen - wirths. Da erschien im Hause ein Postillon und erzählte, Stauff, dem diese Dinge gehören, habe ihn soeben ersucht, er solle Hrn. Braun sagen, dieser möge doch zu ihm kommen und ihm Geld oder sein Eigenthum zurückgeben. Auf Befragen, wo Stauff logire, wies der Postillon auf das gegenüber liegende Haus und Stauff Vater sah ganz verstohlen durch die Fensterscheiben nach Brauns Wohnung herüber. Was hierauf er - folgte, ergibt sich von selbst; Heinrich Stauff steht so eben, 9 Uhr Morgens, vor Gericht und wird nun auf Nummer Sicher gebracht.

Wiesbaden, 5. Okt. Sicherm Vernehmen nach haben sich die hier wohnenden Engländer um einen geeigneten Platz zur Erbauung einer englischen Kirche an das Staatsministerium gewendet. Die - se Kirche soll zu einer Art Episcopalkirche für alle englischen Kirchen in Deutschland erhoben werden.

Leipzig, 2. Okt. Der akademische Senat hat eine Sitzung gehalten und beschlossen, sich wegen Niederschlagung der Disciplinaruntersuchung gegen die wegen ihres Verhaltens bei der Wahl eines Abgeordneten der Universität zum Landtage sus - pendirten Mitglieder desselben, sowie um Aufhe - bung dieser Suspension an das Ministerium zu wenden. (D. J.)

Hamburg, 3. Okt. Friedrichstadt wurde ge - stern noch stark beschossen. Bei der Kirche brennt es; das Pulvermagazin ist in die Luft gesprengt; die Einwohner sollen meistens geflohen sein.

Wien, 1. Okt. Jn Ofen ist ein Verbot ge - gen das Anfertigen von Braceletten, Busennadeln und sonstigen Schmucksachen aus ungarischen Du - katen und Sechskreuzerstücken erlassen worden, da mit diesen Arbeiten ein immer mehr zunehmender Mißbrauch und Unfug getrieben werde.

Wien, 3. Okt. Die letzten Nachrichten über die schleswigholsteinische Frage melden eine fast unerwartet günstige Wendung der Dinge. Oe - sterreich ist mit seinen Anträgen in Kopenhagen durchgedrungen. und hat auch die Cabinette von Paris London und St. Petersburg für seine An - sichten zu stimmen gewußt. Der König ist ge - neigt den Schleswig = Holsteinern Amnestie zu er - theilen, und die politische Verfassung der Herzog - thümer im Verein mit dem Bundestag festzu - stellen, unter der Bedingung daß sofort alle Feindseligkeiten eingestellt werden. Die Erklär - ung des Bundestags vom 17. Sept 1846 wird als Grundlage angenommen werden. (A. Z.)

Salzburg, 3. Okt. Gestern Abend8 1 / 2 Uhr traf Se. Maj. der Kaiser Franz Joseph, von Jschl kommend, hier ein. Heute sehen wir großen Festlichkeiten entgegen.

Kopenhagen, 1. Okt. Die Sache mit der Gefion soll veranlaßt haben, daß eine öster - reichische Note an den hiesigen Gesandten gerichtet worden ist, um von der hiesigen Regierung Auf - klärung darüber zu verlangen. Oesterreich ver - langt eine solche Aufklärung im Namen des deut - schen Bundes.

C Paris, 2. Okt. -- Biele Abgeordnete zur gesetzgebenden Versammlung werden dieser den Antrag stellen, zur Versetzung der sterblichen Reste des Königs Ludwig Philipp in das Familienbe - grabniß zu Dreux die Ermächtigung zu ertheilen. Die Regierung scheint zur Bewilligung dieses Be - gehrens geneigt und das Ministerium soll schon an die dabei zu begehenden Ceremonien denken, bei welcher die Prinzen der Familie Orleans anwesend sein würden, jedoch unter Begleitung höh - erer Offiziere, welche einerseits den Auftrag hät - ten, ein würdiges Leichengefolge zu bilden, und anderseits jeden Grund zu Gerüchten über Mani - festationen zu vernichten.

Paris, 4. Oktober. Der Erzbischof Fran - soni wird in Lyon bleiben.

London, 2. Okt. Times und Globe ver - sichern, daß die Königin Jsabella abermals in interessanten Umständen sich befinde.

Turin, 26. Sept. Die Mordthaten mehren sich auf der Jnsel Sardinien in schrecklicher Weise. Jm Bezirke Sassari allein wurden seit dem Jan. zwanzig Personen ermordet. Die Mörder bleiben meist straflos, da Niemand es wagt, Zeugniß zu geben.

Turin, 29. Sept. Der erzbischöfliche Palast ist unter Siegel gelegt und an dessen Hauptthür eine Verkündigung angeheftet, welche den Schuld - nern des Erzbisthums verbietet, in eine andere als die kgl. Oekonomiekassen Summen abzuliefern.

Petersburg, 20. Sept. Ein vor kurzem erschienener kaiserl. Ukas verbietet in diesem Jahre die Ausfuhr des Roggens aus Polen gänzlich.

T. D. 1) Berlin, 4. Okt. Auf den Wunsch der großherzoglich badenschen Regierung werden die badenschen Truppen, welche sich jetzt in der Mark Brandenburg befinden, und die noch aus Baden zu erwartenden ihre Garnisonen in West - phalen erhalten.

2) Hamburg, 3. Okt. Auf dem Kriegsschau - platze ist bis jetzt immer noch keine entscheidende Wendung eingetreten. Die Beschießung von Friede - tichstadt wird fortgesetzt. Tönning ist weder von dänischen noch von schleswig = holsteinischen Truppen besetzt.

3) Kassel, 5. Okt. Das Generalauditoriat hat, auf Anklage des ständischen Ausschusses, Unter - suchung gegen den Generallieutenant v. Haynau, wegen Vergewaltigung, erkannt und das weitere Verfahren dem Garnisonsgericht aufgetragen. Oberstlieutenant Hildebrand ist im Auftrage der verfassungsgetreuen Officiere nach Wilhelmsbad gereist, um den Landesherrn Vorstellungen zu ma - chen. Generallieutenant v. Haynau hat sein Eh - renwort gegeben, daß er vor der Rückkehr Hilde - brands nichts mehr unternehmen werde.

4) Wien, 4. Okt. Dem Vernehmen nach soll zwischen Oesterreich, Bayern, Sachsen und Württemberg ein Offensiv = und Defensivbündniß geschlossen sein.

5) Kiel, 2. Okt. Sämmtliche russische Kriegs - schiffe haben den Kieler Meerbusen verlassen.

6) Kopenhagen, 3. Okt. Der König ist gestern hier wieder eingetroffen. Bei der Abreise von Flensburg hat Se. Maj. erklärt: Flensburg solle künftig der Hauptsitz der Regierung des Her - zogthums Schleswig sein und die erste Magistrats - person werde den Titel Oberpräsident führen. F. Op. Z.

Verantwortlicher Redakteur u. Verleger: Franz v. Faber.

Mittelpreise hiesiger Schranne vom 5. Oktob.

Weizen 13 fl. 6 kr. Korn 9 fl. 34 kr. Gerste 8 fl. 38 kr. Haber 4 fl. 13 kr.

Eben ist wieder eingetroffen:

Einsiedler = Kalender für das Jahr 1851 mit vielen Kupfern. -- Preis: 12 kr.

Zur Abnahme empfiehlt

Neue fränkische Buchhandlung.

Theater = Anzeige

Montag den 7. Oktober: Martha, oder: Der Markt zu Richmond, romantisch = komische Oper in 4 Abtheilungen von F. v. Flotow. Montag den 7. Okt. ist der Anfang des Theaters um 6 Uhr.

Gestorbene:

Den 6. Oktober.

Jos. Klüpfel, Pfründner, 48 J. alt. -- Jos. Hänle, Redakteurssohn, 8 J. 6 M. alt.

Druck von Joseph Steib in Würzburg.

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TextDie Bayerische Presse
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Institut für Deutsche Sprache, MannheimNote: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription Peter FankhauserNote: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format. CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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