Dieſer Band enthält die Briefe aus den ſechs letzten Lebensjahren Jean Pauls. Wie ſeine Lebens - und Schaffenskraft, ſo iſt auch die Zahl und der Umfang ſeiner Briefe in dieſen Jahren in ſteter Ab - nahme begriffen, während die Zahl der empfangenen Briefe eher zunimmt. Viele von letzteren werden gar nicht oder erſt ſpät beant - wortet, beſonders wenn ſie, was häufig der Fall iſt, von Manuſkripten begleitet ſind, die beurteilt oder gar zum Druck befördert werden ſollen. Faſt nur noch auf den drei größeren Reiſen, die in dieſen Zeit - raum fallen, nach München (1820), Dresden (1822) und Nürnberg (1823) — mehrere andere geplante Reiſen kommen nicht zur Aus - führung — findet Jean Paul Zeit und Stoff zu ausführlichen Briefen. Rege bleibt noch der Briefwechſel mit dem treuen Heinrich Voß, mit dem ſtudierenden Sohn und der mehrmals verreiſten Gattin, mit Verlegern (zu Cotta und Reimer tritt hier noch der gefällige Joſeph Max) und Weinhändlern, außerdem der Billettwechſel mit den Bay - reuther Freunden, der aber durch eine längere Abweſenheit Ottos und eine nachhaltige Verſtimmung Emanuels Unterbrechungen erfährt.
Als tiefe Schatten lagern über dieſer Periode der tragiſche Tod des Sohnes und der frühzeitige des anhänglichen Heinrich Voß, ſodann die zunehmende Körper - und Augenſchwäche, die den Schreibgewohnten ſchließlich ſogar zum Diktieren zwingt. Trotz aller Hemmungen ſetzt aber die ſchriftſtelleriſche Tätigkeit kaum je aus; es erſcheinen die Schrift über die Doppelwörter, drei Bände Komet, die Kleine Bücher - ſchau, drei Neuauflagen (Unſichtbare Loge, Grönländiſche Prozeſſe, Katzenberger) und mehrere, zum Teil umfangreiche Zeitſchriften - aufſätze, während die neue, tiefereindringende Unterſuchung über die Unſterblichkeit der Seele (Selina) und das große humoriſtiſche Quod - libet (Papierdrache) unvollendet bleiben.
VIAls Anhang iſt dem Bande eine Anzahl nach den Empfängern ge - ordneter, faſt durchweg bisher ungedruckter Billette, hauptſächlich an Otto und an Jean Pauls Bruder Gottlieb, beigegeben, die zwar beſtimmt alle in die Bayreuther Jahre fallen, ſich aber nicht genau datieren ließen. Ungefähre Anhaltspunkte für die Datierung ſind in den Anmerkungen gegeben. Dieſe geben auch ſonſt über alles Aus - kunft, was der Band Neues bringt. Von den Bildern ſind die Porträte des Ehepaars Förſter hier zum erſtenmal reproduziert. Das Bildnis des Königs Max Joſeph I. wurde im Hinblick auf Jean Pauls auch von andern beſtätigte Angabe aufgenommen, daß er ihm ähnlich ſähe (S. 40). Von den Verlegern Georg Reimer und Joſeph Max, deren Bilder ich gern gebracht hätte, ließen ſich keine geeigneten finden.
Auch bei dieſem Bande durfte ich mich wieder vielfacher Unter - ſtützung durch öffentliche und private Stellen erfreuen. In Bayreuther Lokalfragen hat mich Herr Archivar Hans Lauterbach bereitwillig beraten, über Dresdner Perſonen und Örtlichkeiten gaben mit Herr Dr. Schlechte vom Sächſiſchen Landeshauptarchiv, Fräulein Dr. Boer vom Stadtarchiv, Fräulein Dr. Cremer von der Landesbibliothek, ſowie Herr Dr. med. Georg Ernſt und vor allem der Jean-Paul - Freund Dr. Johannes Reiher daſelbſt wertvolle Aufſchlüſſe. Herr Profeſſor Dr. Kurt Schreinert in Göttingen hat unermüdlich Werke, die mir nicht zugänglich waren, für mich nachgeſchlagen. Bei der Beſchaffung der Vorlagen für die Bildbeigaben hat Herr Dr. Hans W. Seiffert vom Inſtitut für deutſche Sprache und Literatur in Berlin, bei der Herſtellung des Regiſters Frau Hanna C. Altmann freundliche Hilfe geleiſtet. Ihnen allen, ſowie den vielen hier nicht eigens Genannten, fühle ich mich zu wärmſtem Danke verpflichtet.
Als Abſchluß der Briefabteilung ſoll noch ein Band mit einem ausführlichen Geſamtregiſter aller vorkommenden Perſonen - und Ortsnamen ſowie der Schriften Jean Pauls folgen, in dem dann auch etwaige Nachträge gebracht werden können. Doch kann dieſer Band erſt erſcheinen, wenn die vier erſten Briefbände im Rahmen der Geſamtausgabe neugedruckt ſind und die ſchmerzliche Lücke des fünften Bandes nach Möglichkeit ausgefüllt iſt.
Genf, im Dezember 1954 Eduard Berend
Meine geliebte Seele! Deinen eingeſchloßnen Brief vom 25ten Dez. hab’ ich erhalten, und du nun meinen vom 24ten wol auch. Ob gleich Emma am Mittwoche etwas an die Mutter auf die fahrende Poſt gibt und ich und alles da mitſchreibt: ſo ſend’ ich dir doch dieſes Blättchen, damit du über alles beruhigt bleibſt. Erſtlich verweile unbeſorgt ſo lange, bis du das ganze Ziel deiner Reiſe gewonnen haſt; hier kommts auf einige Wochen nicht an*)So kannſt du auch bei deinem jetzigen Gepäcke nicht mit ſchon gefüllter Fuhrgelegenheit reiſen, ſondern in eigner nach Halle. . Die Seeligkeit des Zuſammenlebens wird nur verſchoben, nicht abgekürzt. — Da dein guter Vater überall mit größter Vorſicht handelte: ſo nimm ſeine bei Richter ſtehenden 1000 rtl. und ſchlage ſie zu deinem Kapital und entſchädige Minna für das Agio durch die 100 rtl. die er dir ſchuldig iſt. Will Minna nicht: ſo ſteht dir in jedem Falle die Hälfte davon rechtlich zu, die du bei dem Kaufmann ſtehen läſſeſt. Emanuel räth dir, ſo viel als möglich dein Geld in Berlin anzulegen; hier iſt keines ſicher unterzubringen. Er will mir leider ſelber, wenn er ſeine Güter verkauft hat, meine Gelder wiedergeben. Durch Schwabacher können wir uns hier alles für Berlin auszahlen laſſen. Verwandle daher, der Reiſegefahren wegen, dein Geld in Anweiſungen, welche du hier bezahlt bekommſt. Ziehe doch Männer zu Rathe; kann denn Ahlefeldt hier kein Mann ſein? —
Wende dich in der Möbel-Verſendung an den Buchhändler Reimer, der dir als Kaufmann gewiß rathen kann. Nur vertraue ja ſolche Schätze ſichern Fuhrleuten an. Beinahe wäre Theilung unter mehr als einen Fuhrmann zur Sicherheit gut. — Meine Fußgicht, Blutbeule, und Diarrhöe ſind gänzlich beſiegt; eine zweimalige, etwas theuere Ein - reibung, die ich mir früher hätte verſchreiben ſollen, ſtärkte die1 Jean Paul Briefe. VIII. 2Eingeweide ſo, daß ſogar die jetzige große Kälte — die jedoch meine Lungennerven noch nicht antaſtet — mich unbeſchädigt läßt. Hier haſt du das Rezept; ½ Theelöffel voll reibſt du ein, doch nur im Falle der Krankheit. — Max iſt geſund, glücklich, aber zu fleißig. Einen Brief von dir hab’ ich ihm geſchickt. Am Mitt - woche will ich dir von ihm mitſchicken. — Die Mädchen ſind herr - lich-geſund. Ihre Weihnachtfreude übertraf jede vorige. — Erfülle ja Schwabachers Wünſche nicht ohne fremde Rathpflege. — Die Proben von glatten Papierſtückchen haſt du ganz vergeſſen. — Ängſtige dich alſo ja nicht ein Bischen meinetwegen; was du thuſt, iſt mir recht. — Grüße die vortreffliche Mutter und Julius. Der Himmel ſei in dir und um dich!
Richter
Mein erſter Brief in dieſem Jahre iſt alſo an dich, du liebe Seele! Mögen alle meine lauten und ſtillen Wünſche für dich eintreffen!
Wie ſchön unſere Briefe immer einander entgegengehen! Deinen letzten bekam ich geſtern; mein letzter ging vorgeſtern ab. Hier ſend’ ich dir den Brief der Generalin Sch [ubaert]. Du mußt — wie ich dir ſchon ſchrieb — mit eignem Fuhrwerk ſchon deiner Packereien wegen nach Halle reiſen; — trefflich wär’ es, könnte dich dahin Julius be - gleiten, der Einſamkeit wegen — von Halle aus fährſt du mit Betty mit einem hieſigen Wagen, für welchen ihr beide den Tag ſeiner Ankunft feſt beſtimmt, nachdem du etwan 1 Tag in Halle ausgeruht. Je früher ihr den Tag euers Abholens vorausbeſtimmt, deſto leichter kann der hieſige Fuhrmann eine Hinfracht ſich ausmitteln. Da gerade die größere Kälte in und nach der Jenner-Mitte eintritt: ſo darfſt du nichts wagen mit zufälligem oder ſchlechtem Fuhrwerk; verwende doch etwas von deinem Gelde zuerſt auf dich. — Deine Nähe iſt mir nöthig im ein - ſiedleriſchen Baireut, wo ich die Weihnacht [t] age blos in meinen — Alltaghoſen zugebracht. Mir grauſet vor künftigen Baireuter Wintern. Laſſe mich nur künftig mit weniger nachgeſchickten Wolken meine Sommerreiſen freier genießen, die ohnehin meine jährlich wachſende3 Sehnſucht nach Hauſe mehr verſchattet! Leider werd’ ich, für das Irdiſche, immer unempfänglicher der Freuden — die der Natur aus - genommen — und immer theilnehmender an deſſen Plagen. — Alle die Eisſpitzenwunden des Winters heil’ ich leicht zu; auch meinen Bruſt - nerven ſcheint er dieß mal nicht recht beikommen zu können. — Emma ſtrickte mir für Weihnachten (oft von Morgen 3 Uhr an) eine Weſte wie ich eine ſchon lange von ihr mit Vorliebe getragen; Odilia ein Paar Socken. Beide putzten mir einen Baum und Emma hatte mir Mandeln geröſtet. — Die beiden Gräfinnen Schönburg gefielen mir ſehr bei Welden; heute abends bin ich auf ſie und ſie auf mich von der Schuk - mann eingeladen ſammt Emma. — Ich wollte, du könnteſt auch den Miniſter Schuckmann in Rückſicht der Penſion ſprechen. Die Papiere kann ich jetzo nicht auffinden. Den 11ten Mai 1801 bekam ich vom Könige die erſte Verſicherung einer Präbende; — und den 18ten März 1805 auf meine Bitte die zweite; — Im Dezember 1815 vom König die abſchlagende Antwort, weil die Stifte eingezogen wären, und von Hardenberg, weil der Staat ſo große Ausgaben gehabt. — Das Couvert-Papier war glatt genug; packe unter die Möbeln 6 Bücher davon ein; und auch anderes glattes Konzeptpapier, das darum gar nicht ſehr weiß zu ſein braucht. [Schluß s. S. 298] 2
Guten Abend, mein Emanuel! Hier meine Briefe — die Otto noch nicht gehabt — und Ihre. In den Klagbriefen der guten Br [aun] iſt tiefer Sinn und tiefes Weh; ein rechter Mann braucht keine rechte Frau, aber eine rechte Frau einen rechten Mann, der Epheu den Baum, nicht dieſer jenen. Antworten Sie ja dieſer wunden Seele ſtets und ſein Sie der Zweig, an den ſie ſich hält. — Ihre Briefe ſind wahr und ſchön. — Der an C [aroline] geht wegen ſeiner Verſpätung erſt mit der nächſten Sendung ab. — Sie ſollten ſich wol einige gute Dinte von mir ausbitten. Gute Nacht Euch allen!
Mein guter Max! Ich ſchreibe dir blos, um dir bei dieſer Kälte jede Angſt über ihren Einfluß auf meine Lungen - und Herznerven zu be -1*4nehmen. Zum Glücke iſt der Fuß mit ſeinem podagriſtiſchen Noviziat — wobei ich ausgehen kann — der Arzt der Bruſt und der Ableiter des Winters. — Deine Arbeitſamkeit würde mir noch größere Freude geben, wenn ſie nicht über die Schranken des — Körpers ſchritte. Was hilft es dir, jetzo übermäßig zu laufen, wenn du nachher eben ſo lange ruhen mußt? Der herrliche Kapp brachte aus Berlin einen Himmelwagen voll philologiſcher und philoſophiſcher Aus - beuten und ein bleiches Körpergerippe voll lauter Krankheiten mit, das jetzo ſeinen Geiſt und ſeine Jugend lähmt. Um Gottes Willen, übertreibe nicht! Bewege dich wenigſtens jede Woche einmal recht ſtark, nur nicht auf Schlittſchuhen, welche in dieſem Froſte mit neuen Übeln drohen. —
Im 25ten Jahre wird nicht darnach gefragt, ob du einen Theil deiner Kenntniſſe ſchon im 16ten, oder erſt im 20ten gewonnen; und nur anfangs glänzt man mit einer, am Ende immer ſchädlichen, Früh - zeitigkeit. —
Durchaus mußt du nach Heidelberg; lieber ſpäter darauf nach dem philologiſch - und allſeitig-reichen Berlin als nach Leipzig; die Gründe künftig. —
Es hat mir in deinen Briefen wehe gethan, daß ſie nach meinenNB3 Predigten in der Kalligraphie weiter nichts geworden als noch ſchlechter. An einen Vater muß ein Sohn allzeit Zeit haben, ſchön zu ſchreiben; das Opfer oder die Gabe höchſtens einer halben Stunde mehr darf er fodern. Z. B. das Wort Vater ſelber ſchreibſt du Vater. Wähle dir doch nur für jeden Tag einen beſondern Krüpelbuchſtaben, z. B. eben das t, welchen du dir unaufhörlich vormalſt im Kopfe, um ihn nicht auf dem Papiere zu malen. Nach 14 Tagen fange wieder von vornen an. — Du wirſt hier von München aus ſehr gelobt. — Die Mutter lebt geſund in Berlin überhäuft mit Arbeiten, Freuden und Freundinnen; und kann trotz ihrer Sehnſucht erſt nach 18 Tagen kommen. Sie ſchreibt: „ du ſollſt dich nur gedulden, ſie bringe dir viel mit. “— Den Esprit de loix von Montesquieu haſt du gewiß nicht ganz auf der Bibliothek geleſen, er hälfe dir auch weniger als ſeine Abhandlung über den Verfall (decadence) des römiſchen Reichs welche lies. — Die Schweſtern grüßen innig. — Folge deinem Vater, deſſen Worte eben ſo voll Wahrheit als Liebe ſind. — Meine Schlichtegroll’s grüß ich herzlich[Schluß abgeschnitten] 4
Bei Überſendung des Gedichts für die Welden. — Wahrlich ich bin lang Ihr Schuldner geblieben, der endlich die — Zinſen abträgt; denn das Kapital werden Sie wol verlieren ...
Sie beſchenkten mich mit einem Toninſtrumente; aber könnte man lieber Ihrem beraubten Herzen eine Laute oder Guitarre ſchicken, welche den Schrei des Schmerzes in milde Töne auflöſete. Der Menſch mit ſeinem Mitleid kann nichts. Aber Gott wird Ihnen eine Zukunft ſchicken. — Eine Mutter iſt ſchwer zu tröſten; nur ihr Gatte vermag es, und ihre Kinder. Sie mit dieſen zuſammen 〈 vereinigt 〉 werden die ver - wundete Mutter aufrichten, welche zugleich für Sie und ſich leidet. — Ihre Guitarre wird von den hieſigen Künſtlern für die beſte in B [aireut] erklärt. Deſto mehr Dank ſag’ ich Ihnen für eine Gabe, welche noch die Muſikkunſt der Meinigen ſteigert.
Herzlichen Dank, hochgeſchätzte Frau Profeſſorin, für Ihr Menſchen - Geſchenk! Ich wußte ſchon voraus, daß ich bei Ihnen die bereit - willigſte und kräftigſte Hülfe finden würde. Fänden doch alle Fürſten bei der Wahl ihrer Diener ſolche rathende Frauen Profeſſorinnen wie Sie ſind!
Wollen Sie die Güte haben, die Magd um 4 Uhr heute uns zu ſchicken!
Richter
Mein geliebtes Weib! Je näher deine Ankunft rückt, deſto drückender wird mir mein Sehnen; denn nun tritt noch die Vorſtellung deiner einſamen Fahrt und die Angſt vor deinen Gefahren und Beſchwerden dazu, und ich fühle zu ſtark, wie viel du allein mir biſt. — Aber wie6 ſind nun unſere Reiſevorkehrungen zu treffen? Dienſtags den 18ten langt dieſer Brief erſt an; deine Antwort darauf hier Sonnabends den 22ten. Ein Fuhrmann, den ich dir nach Leipzig ſchickte, käme erſt den 28ten oder 27ten in Leipzig an. Da du aber gewiß auf meinen Mittwochsbrief vom 5ten antworten und da ſchon wiſſen wirſt, daß Betty nicht mit dir reiſen kann: ſo werd’ ich — ohne Rückſicht auf dieſen Brief — alles thun und ſchicken, was du in deiner Antwort auf den Mittwochsbrief verlangen wirſt, ohne eine Antwort auf den gegenwärtigen zu erwarten. Um Gottes Willen, ſetze dich nur nicht, zur Schonung des verfluchten Geldes, einem einſamen gefährlichen Reiſen, oder einem im Voraus - ſehen wachſender Kälte aus. Gott gebe, daß du in dem Briefe, der jetzo unterwegs iſt, den hieſigen Fuhrmann und deine Leipziger Wohnung beſtimmſt, welche ja bei der trefflichen Ende nehme. Was iſt Mahlmans Geſicht gegen ihr Herz? — Kaufe dir ein Mittelköfferchen, das du mit dem Wichtigſten in den Wagen ſtellſt. Laſſe den großen Koffer, wo mög - lich, vornen aufbinden; wenigſtens ſiehe am Morgen bei jedem Auf - ſteigen nach der Feſtigkeit deſſelben. — Die Kommiſſionen deiner oft zudringlichen Freunde gehen ins Unendliche; hüte dich nur vor Mauth - ſtrafen. — Vergiß die Reviſion des Paſſes nicht. — Gingeſt du doch durch Altenburg, um an Hempel die beiliegende Bitte zu ſchicken und die gaſtfreien lieben Ludwigs zu grüßen ſammt Messerschmidt! — Könnteſt du in Leipzig einige Tage ruhen, nur aber ſo daß du vor Anfang Februars ankämeſt der neuen Magd wegen! Erſt in voriger Woche erfuhr ich viel zu ſpät (nach der gewöhnlichen Lebensunklugheit der Emma), daß du leider in einer Aufwallung die jetzige abgedankt und daß dieſe, aus deren Betragen ich nichts errathen, ſich auch in einer Auf - wallung bei Seiffertitz vermiethet, der ſie nun nicht wieder losläßt, ſo gern ſie auch wollte. Um nicht bei deiner ſpäten Ankunft auf den Abhub der Dienſtloſen eingeſchränkt zu ſein, hab’ ich eine auf 1 Vierteljahr gemiethet, welche alle Tugenden der jetzigen ohne ihre Fehler zu haben ſcheint und ſich dir durch ihr ganzes Weſen gewiß länger unentbehrlich machen wird. Freilich fand ich jetzo die Fehler der jetzigen gar zu oft wiederholt. — Am Ende kann ich doch wol deine Pelzſtrümpfe noch gegen die Fußgicht gebrauchen, deren Rückfälle mir übrigens Bruſteſſenzen und Herzſtärkungen ſind. Ohne jene podagriſtiſche Fußableitung riebe mich der Wintergrimm auf. — Mein Einreibmittel gebrauche, wegen Ge - fahr der Verſtopfung, nicht oft hinter einander. — Bringſt du mir auch7 ein engliſches Federmeſſer mit gerader Klinge mit? — Sprich doch nicht von deiner Entbehrlichkeit! Nur durch deine Fürſorge 〈 Vorordnung 〉 iſt einige in Haushalten da und hier mehr im Küchenantheil. Aber für die Erziehung der Töchter und für mein ganzes, ganzes Weſen gäb es ohne dich nur Bedürfnis. Wäreſt du mir entbehrlich, ſo wär’ ichs dir auch. Quäle mich nicht mehr mit deiner falſchen Selbererniedrigung. — Emma iſt am beſten in der Küche; aber zur Ordnung, zur Überſicht, zum Ge - ſchäftblick iſt nur Odilia geſchaffen. Und wie unentbehrlich war mir dieſe geborne Krankenwärterin! — Laſſe von Reimer eine Antwort an mich abholen.
Bitte Henriette und Julius, die ich grüße, recht, daß ſie dich nicht wagen laſſen.
Dieß iſt nun mein letzter Brief nach Berlin. — Wolkige Stunden, zumal in der Nacht, werd ich haben, bis ich in dein treues Angeſicht wieder ſchaue. Mein einziger Troſt iſt die feſte Zuverſicht zu Gott, daß er mich, wie immer, mit Schmerzen verſchonet, die mir zu groß wären; und ſo wird er auch dich noch lange mit meinem Tode verſchonen, denk’ ich.
Dein Richter
Guten Morgen, mein Emanuel! Immer lag C [aroline] ’s Brief wartend da. — Wir danken alle der lieblichen Gaſtgeberin, die uns geſtern zu Tiſche geladen und deren Gericht vortrefflich geblieben, ob - gleich erſt abends gegeſſen. — Morgen nach allen Regeln bricht ſich der Wintergrimm. Ich beſſere mich täglich — aber leider nur phyſiſch.
Guten Abend, mein geliebter Emanuel! Hier meiner guten C [aroline] Brief, die geſtern Ihren und meinen bekommen hat und den mir Otto Freitags zurückſende. — Schwabacher ſagt, daß hier die preußiſchen Thaler 3 kr. verlieren (nur 42 kr. gelten), ſo daß ich an den 500 rtl. — für ſeine Rechnung an Friedländer bezahlt — gerade 25 fl. verliere. Er räth mir oder ihr lieber zu Ld’or. — Gute Nacht! (Mit meinen Furunkeln beſſert ſichs; nur noch 2 ſtehen in Blüte.)
Meine Theuerſte! Vorgeſtern empfing ich deinen lieblichen Brief und alles geht richtig. Deinen vorigen Fuhrmann Krotſch mit demſelben Knechte ſchick’ ich euch beiden den 24ten (Montags, denn nach Leipzig braucht man 4 Tagereiſen) entgegen für 50 fl., wobei er aber alles, auch die theuern Zollgelder trägt. Verlangte indeß ein Brief von dir, der morgen kommen könnte, etwas Geändertes: ſo folg’ ich deinem aller - neuſten Wunſch; und habe daher den völligen Abſchluß auf Morgen verſchoben. Durch Altenburg kommſt du ſonach ſchwerlich. — Die Kälte hier von 22° am 16ten Jenner hat durch die Vorkehrungen meines Fußes und meines — Kopfes nicht im Geringſten auf mich gewirkt und ich habe alſo Aſſekuranz gegen alle künftige Winter; dagegen hat mich dieſer mit Blutbeulen geziert, die nicht ſehr ſchmerzen, aber ſehr be - ſchweren und es blüht jetzo noch eine an der Wade, eine am Schenkel, eine am Ellenbogen und eine kleine an der Knieſcheibe. Etwas magerer ſeh ich aus, aber ohne Verluſt meiner phyſiognomiſchen Reize. Zur Welden kam ich wegen ihrer Abweſenheit und meiner Beulen gar nicht, und zu den 3 Gräfinnen (von Thurnau und Sachſen) geh ich Sonntags. Sie war ſelber bei mir, mich zu einem kleinen Konzerte einzuladen, aber Otto gab auf mein Verlangen Hoffnung, zu kommen; — und ſo kam ich denn auch nicht. — Warum ſoll denn Otto deine Briefe lieber be - kommen als Emanuel? Dieſen zieh’ ich für mich jetzo weit vor. — Kälte kommt wahrſcheinlich erſt Ende Monats; gleichwol ſieh dich recht vor. Von deinen ankommenden Pelzwaren werd’ ich nie etwas anders gebrauchen als die Strümpfe in der Gicht-Noth. — Du irrſt, wenn du meine Vorſtellungen von unſerer Zukunft für übertreibende hälſt. Du zuweilen, aber nicht ich, glaubteſt, eine Entzückung könne fortdauern. Ich male mir ſogleich hinter den erſten Wochen die zwanzigſten ꝛc. ꝛc. und ihre Witterung; ich ſchließe aber eben nicht aus ein Paar Mai - fröſten, daß der Winter da iſt, ſondern glaube an den Mai, der in deinem und meinem Leben jedes Jahr um mehre Monate länger wurde. Von dieſer ſtill wachſenden Feſtigkeit und Begründung des Liebens hat eigent - lich der Mann die hellere Überzeugung, indeß eine Frau alles zu ſehr nach Minuten und nach äußern Zeichen ſchätzt. Aber eine rechte eheliche Liebe leidet dadurch gerade ſo wenig wie eine elterliche. — Vom ſchönen Berlin wirſt du mit Schmerzen, doch nicht mit zu großen ſcheiden; denn9 du kannſt doch wiſſen, daß du nach meinem Leben dort deines beſchließen und nachgenießen wirſt. — Der beſte Empfang für dich wird bei uns die Ordnung ſein, woran das weibliche Geſchlecht mit Freuden und Muße zu ſchaffen anfängt. — Auf deine Abend-Erzählungen, mir intereſſanter als die beſten bei Buchner, freu’ ich mich unſäglich, da mich alle Gegenſtände derſelben ſo intereſſieren. — Frage Scherzes halber nach Matzdorf. — Schwabacher will mir für den pr [eußiſchen] Thaler ſtatt 45 kr. nur 42 zahlen und ſo hätteſt du einen Verluſt von 25 fl. — Hier haſt du Otto’s Rath, und hinter dieſem meinen Gegenrath.
Die dumme Geldſache hat meinen Vormittag verzehrt und ich habe wie gewöhnlich im Haushalten mein Schreiben und Gewinnen ver - ſäumt, um einem elenden Verluſte auszuweichen. Die Sache bleibt jetzt ſo entſchieden: du ſetzeſt alles in Gold um. In Sachſen iſt das preu - ßiſche Geld neuerlich auf 42 kr. herabgeſetzt. Zur Erfüllung der ziemlich frechen Schwabachers Bitte, die eben ſo porto-frech von ihm hier beigelegt wird, nimm dir keine Zeit, denn du haſt keine. — Komme an mein Herz ſo froh, wie deines es verdient.
Grüße! R.
Meine Gute! Am Donnerſtage wird der Kutſcher — den ich nach zwei - fachem Handeln nicht wolfeiler als für 50 fl. bekommen konnte und der für Geleite, Zoll ꝛc. ꝛc. und ſein Eſſen zu zahlen hat — dir dieſes Blätt - chen bringen. Du wirſt alſo doch über Altenburg fahren und von Hempel mir die oſterländiſchen Blätter von 1818 und 19 und die Betrachtungen über das Abebuch mitbringen können. — Die Generalin verſprach mir das gewiſſe Mitfahren ihrer Tochter. Ich und die Kinder haben ſchon über das Ausſteigen, Abpacken geſprochen, wie es mit Betty’s Sitzen - bleiben oder ſonſt zu machen. — Heute bekamen wir dein letztes Blatt. Meines mußt du am Dienſtage, dem Tag vor deiner Abreiſe, noch be - kommen haben mit der zurück geſchickten Anweiſung auf die 500 rtl., weil Schwabacher den Thaler nur zu 1 fl. 42 kr. auszahlen will. Daß10 du ja alles Wichtige, und beſonders das Geld nicht hinten in den Koffer gethan haſt, ſondern in den Kutſchkaſten.
Eben ſchickt mir Emanuel die angenehme Nachricht mit der Mauth - ordnung, daß Erben für den Zentner blos 12½ Kreuzer zu bezahlen haben. Die Fuhrleute kommen entſchieden viele Tage nach dir. — Da die Mägde am Mittwoch (2ten Feb.) ungern ziehen: ſo bleibt dir Zeit genug; denn am Montage, liebe Seele, kommſt du ja an zur meinigen. Möge dich nur nicht manches in Berlin verwöhnt haben! Ich verdiene in der That nicht mehr in der Welt bei ſo wenigem Genießen und vielem Beſtreben oder Arbeiten, noch viel zu leiden. — Daß die Leute ſich hier ſo ſehr nach dir ſehnen, z. B. Amöne, begreif ich wol, aber es iſt nicht ihr Verdienſt, ſondern deines und nur eine iſt deiner ganz werth. — Zur Ende gehe, es iſt deine Pflicht gegen ſie und mich. — Und ſo bringe dich denn Gott, der dich bisher ſo väterlich beſchirmt, unverſehrt zu deinen Liebenden.
Richter Alles iſt wohl.
Guten Morgen, mein guter alter Emanuel! Hier iſt mit Dank der Mauthſinai zurück. Kann der rothangeſtrichne Kunſtgriff, deſſen Nutzen ich gar nicht einſehe, nicht etwa zu einem Fehlgriffe umſchlagen? —
Wenn ich nicht Sie einer Spazierfarth beraube — der Sie ohnehin nur Plagfarthen genießen —: ſo möcht ich wol mit meinen Kleinen nach 3 Uhr auf die Eremitage fahren.
Ich wollte, ich wäre über dieſe Woche mit dem drohenden Baro - meterſtande hinüber. — Morgengrüße an die Ihrigen!
Hier der vergeßne Brief von der Sophie Dapping.
Da Sie leider ſo wenig ſchreiben: ſo muß man Gott danken, wenn Sie nur herausgeben. Hamanns Briefe erfreuten mich bis ſogar auf ihre Idioſynkraſien; an einer ſolchen Sonne hat auch der dunſtige Hof11 Regenbogenglanz. Nur ſeine und Jakobi’s Rückſichten auf das erbärm - liche Aufnehmen und Beobachten ihres Doppelgeſtirns ſind mir nicht kühn und edel genug. Daher gab uns [?] Jacobi, der von dieſer Seite einige Kühnheit von Voß ſich hätte borgen mögen, gar zu wenig und gar zu bedenklich — der Mann, der mir mit Bändchen mehr gegeben als andre mit Bänden.
Guten Morgen, Otto! Dieſe Bücher hätteſt du ſchon geſtern be - kommen, wenn deine Magd mir ſelber die L [iteratur] Z [eitung] ge - geben hätte. Schicke ſie allemal in meine Stube, da ich immer etwas [habe]. — Ich fürchte, C [aroline] kommt, da ſie ſchweigt, mitten in dieſem Höllenwetter auf Höllenchauſſeen.
Mit Vergnügen komm’ ich einmal wieder zu Einer Zeile an Sie, obwol durch kein Vergnügen, da es einen fatalen Druckfehler betrifft, deſſen Berichtigung ich Sie ja ſogleich abdrucken zu laſſen bitte. — Ich bitte Sie recht ſehr, mir die Eos nur monatlich zuzuſenden — falls ich ſie doch bekommen ſoll — da ich ſie ja ohnehin hier leicht erhalten kann. Leben Sie recht wol.
Ihr ergebenſter J. P. F. Richter
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier vom lieben Voß auch an Sie. — Endlich haben ſich die Menſchenfeinde, die Sorgen, wieder meilen - weit im Umkreiſe von mir entfernt und meine C [aroline] iſt da. Aber ich mußte für ſie zittern, ſogar nach der Gefahr. — Alles gehe in Ihrem Herzen und Hauſe wol!
R.
Guten Morgen, mein Alter! Damit ich unter einem ſo holden obwol voreiligen Himmel doch von weitem bei Ihnen bin: ſchick’ ich Ihnen drei Briefe. Mög’ alles recht blühen und fruchten im Hauſe!
Dieß war vor Ihrem Blättchen geſchrieben. Erſt um 6½ Uhr geh ich ins Sonnentheater.
Guten Morgen, mein Alter! Außer dem Briefchen vom trefflichen Roth in München ſchick’ ich hier noch eine Bitte, die Ihnen leicht ent - weder zu erfüllen oder abzuſchlagen fällt. Ich habe nämlich den Unfall, daß mir jährlich viele Weinflaſchen nicht nur leer werden — wobei ich freilich das Beſte thun muß — ſondern auch wegkommen, nachdem ſie ſchon geleert ſind. Morgen iſt nun ein großes Weinabziehen. Können Sie mir dazu nicht etwas Flaſchen leihen? Ich will ſie gern zuerſt weg - trinken und wiederſchicken.
Mein Heinrich! Der wirſt du mir doch bleiben, trotz meiner langen ſtummen Sünde. Nicht Arbeiten — denn dieß geht im Winter matt bei mir — ſondern umgekehrt mehr der Mangel an Feuer, wie an Zeit und langen Tagen ſind ſchuld; auch das Schreiben an Max und das viele an meine Frau. Dieſe kam den 31ten Jenn. zurück, nachdem ſie alles wie ein Mann abgemacht. Nur wagt ſie leider wie ein Mann. Hinter Witten - berg, wo alle Poſten ſtill lagen wegen der aus [ge] tretnen Elbe, fuhr ſie 2 Stunden lang auf der vom weiten Meere bedeckten Chauſſee durch das den Pferden an den Bauch reichende Waſſer; ein Fehltritt aus dem unſichtbaren Wege in den Graben begrub ſie und ſie glaubte ſich ſchon der letzten Stunde geweiht. Der ganze Tag ihrer Ankunft miſchte in mir Thränen entgegengeſetzter Art zuſammen, aber verklärte meinen Glauben und Dank an die Vorſehung. — Das Podagra*)Auch über dieſes werd’ ich ohne Arzt durch meine Mittel Herr; ſo wie ich in dieſem Winter gegen die immer mit dem Wetterglaſe ſteigende Diarrhöe (ſogar im Sommer) ein allmächtiges Einreibmittel herausgebracht. oder viel -13 mehr nur ſein Antrittprogramm gab mir nun in dieſem Winter, deſſen Strenge (20½ Grad unter Null) meine Bruſt weniger empfunden als ſonſt den Herbſttag, ſein Wort darauf, daß ich für mein Leben wenigſtens von harten Wintern nichts zu befürchten hätte und daß es deßhalb jedes - mal vor einem ſtrengen pünktlich eintreffen wolle, um mich zu verthei - digen. Habe aber Dank, du ächter Freund, für deine Sorge der Liebe. Freilich für das Schreiben — nicht für das Freuen — hab’ ich genug gelebt; auch hälfe mir ein Jahrhundert darüber doch nichts zum Fertig - werden, ſo häufen ſich Mittel und Stoff. — Zu Michaelis kommen viel - leicht 2 Bändchen meines komiſchen Romans bei Reimer (gegen deſſen Zahlfähigkeit man mich aber mistrauiſch gemacht — sub rosa!) und zwar weil ich will wieder aus Engelmanns Werkſtatt heraus. Alter, thue mir daher den Gefallen und ſchicke mir aus ſeiner Druckerei 4 oder mehr Probedruck blättchen, nicht Halbbogen. Den Siebenkäsischen Druck haſſ’ ich. Thue du es aber, ſtatt ſeiner, des Zauderers, und frankiere — ich bitte dich — den Brief nicht, oder gib ihn der fahrenden Poſt. Himmel! wie bedauere ich deine kritiſche 40 ſeitige Verſchwendung ans Jungiſche Fehlwerk — dem doch nicht zu helfen iſt und, glücklicher Weiſe, auch nicht zur Druck-Geburt —! Wie viel beſſere Zinſen hätte ſie abgeworfen, bei meinem Buche angebracht! — Denn dieſes halte ja nicht für den großen komiſchen Roman, den ich geben wollte, und jetzo nicht recht kann. Es iſt aber zu viel davon zu reden. — Haſt du meine Aufſätze im Cottaiſchen Damenkalender geleſen? — Der Sophronizon konnte in keine günſtigere Zeit als in das jetzige Kerker-Proviſorium fallen, wo jeder zu einem Freiworte über Adel und Pabſt jauchzet und tanzt. Stollbergs Tod hätte doch am Ende deinen edeln Vater nicht mehr bekümmern dürfen als Jakobi’n Mendelſohn’s Tod; ſonſt müßte man am Ende, bevor man gegen einen ſchriebe, bei deſſen Arzte ein Geſundheitzeugnis einholen. Aber auch das Verſterben an einer Wider - legung wäre eigentlich ſogar ein Fehler-Stoff mehr für eine, — wenn man ſtrenge richten wollte, was man aber nur vermag, wenn man andere vertheidigt 〈 tröſtet 〉, aber nicht, wenn ſich. — Mein Max (der im Sommer ſogar den philologiſchen Wettkampf der zu prüfenden akade - miſchen Rückkömmlinge mitmachen will) ſchreibt mir von einer künftigen Zuſammenkunft Creuzers, Daubs mit Thiersch und Kopp, in Stuttgart. — Schröders Leben kenn’ ich noch nicht; einmal ſah ich ihn ſelber bei Herder; er kam mir ſo unpoetiſch vor wie ſeine Luſtſpiele. 14— Iſt jener myſtiſche rezenſierende Clodius nicht der einzige Sohn des alten Dichters Clodius? Dann kenn’ ich ihn perſönlich, begreife aber ſeinen jetzigen Schein von Tiefe nicht. — Das zugemuthete unſchickliche Du der Schwendler ſchlage kühn aus, wenigſtens höflich durch Sie-Fort - ſchreiben. Sie kann wol, wenn ſie will, meine Freundin ſich nennen, aber nicht mich ihren Freund. — Guter, mein Bischen briefliches Urtheil über die Sprache in euerem Shakſpeare ſteht dir, wo und wie du nur willſt, zum Bekanntmachen zu Gebote. Noch immer ſchieb’ ich das Bemerken über den letzten Band und das Schreiben an deinen lieben lieben Abraham auf; denn geh’ ich heute oder morgen daran: ſo bleibt dieſes Blatt noch wochenlange liegen. — — In der Karwoche reiſ’ ich vielleicht nach München; im Sommer noch mehr vielleicht gegen Sachſen hin, alſo nach Weimar. Ach wenn ich nur dich, mein theuerer Bruder, bald wieder ſähe! — Grüße mir nun die geliebtern Heidel - berger warm, zuerſt Vater und Mutter, — dann zwei Sophien (an die Sophie D [apping] hätt’ ich für ihren liebevollen Brief beinahe ge - ſchrieben) — und Luiſe — und die Tiedemann ſammt Mann — und Paulus, Vater und Mutter — und Daub — und Creuzer, den künftigen Wolthäter meines Max — und die S [ch] warzens — und am wärmſten dich ſelber.
Dein treueſter Richter
Schreibe mir ein Wort über den Magnetiſmus in Heidelberg.
Guten Morgen, Alter! Der geſtrige Abend der Liebe ſteht noch immer mit ſeinem milden Abendroth an meinem Himmel. Voß belohne Sie ein wenig dafür. Einen Morgenkuß der Herzreichen und Herzdoppelten!
R.
Guten Morgen, mein Emanuel! Muß endlich das Geld Ihre wenigſtens ſchriftliche Unſichtbarkeit aufgeben, da es leider ſo oft an Ihrer körperlichen ſchuld iſt. Ich habe mich lange nach Ihnen geſehnt. —15 Hier haben Sie von mir 200 fl.; aber meine Frau wünſcht auch 700 fl. an den Mann zu bringen. Wollen Sie der Mann ſein oder Uhlfeldern dazu machen, der ſich ſchon neulich erboten, als das Geld aber noch preußiſch war?
Wenn ein Menſchenjahr vorübergezogen und dem Herzen oft zu viel mitgenommen: ſo läßt es ihm doch die guten Thaten übrig, — die Schutzheiligen des nächſten —, welche nicht durch die Zeit, wie die Schmerzen, kleiner werden. Daher bedarf ein Herz wie das Ihrige, Verehrteſte, zum Glücklichſein nur der Erinnerung. Alle unſere Wünſche für Sie können nur Wünſche für die Ihrigen ſein; und dieſen werde ein Jahr des Segens! — Dann iſt die Mutter und Gattin vom Himmel erhört und beglückt.
Baireut d. 19. März 1820Mit unwandelbarer Verehrung der Ihrige J. P. F. Richter
Mein hochgeehrteſter Freund! Warum noch körperlichen Geiſt zu Ihrer ſo herzlichen Theilnahme an mir? Ich danke kurz. Reden will ich deſto mehr mit Ihnen.
Ihr treuer J. P. F. Richter
Ich danke Ihnen für die in voriger Woche erhaltene [n] Freiexemplare des 3ten und 4ten Heſperus. Aber immer wurden bei uns beiden die Freiexemplare — ſonſt der leichteſte Punkt der Verlagverträge — Nachwehen. Vom Siebenkäs waren vergeblich 12 ſchreibpapierne be - dungen; ſo auch vom Heſperus. Als Sie mir vier druckpapierne des 1ten und 2ten Bandes des Heſperus ſchickten: ſo bat ich Sie um den Reſt in ſchreibpapiernen; und ließ daher einige meiner Freunde auf dieſe16 warten, bis auf den — 23ten März 1820. Aus der letzten Lieferung des Heſperus ſeh’ ich nun, daß Sie überhaupt keine auf Schreibpapier haben drucken laſſen; daher bitte ich Sie — um noch vier leer gebliebne Freunde zu befriedigen — um 4 druckpapierne Freiexemplare vom 1ten und 2ten Heſperus-Bande.
Nun zum neuen Verlagbuche!
Ihr Wolwollen gegen mich leihe dem trocknen juriſtiſchen Tone, worin ich der Eile und Kürze wegen die Bedingungen ausſprach, die gehörige Milde. — Es gehe Ihnen recht wol!
Der Ihrige J. P. F. Richter
Mögen Sie der Nachtigall nicht blos in der Schönheit des Singens ſondern auch in der Treue des Wiederkehrens ähneln, wenn Sie davon gezogen. Ihr Leben ſei gleich Ihrem Geſange, ohne Miston; und jedes Leiden ſei ein Leitton, der Vorläufer eines neuen Dreiklangs.
Möge Ihnen, heitere Friederike, wenn Sie auf der Bühne als rei - zender Schmetterling gaukelnd geſpielt, es nie an Freudenblumen fehlen, auf denen Sie ausruhen und Honig finden.
Guten Morgen, lieber Otto! Hier ſend’ ich dir die Leipziger Literatur - Porziuncula von Oktober bis Januar; und den Hallischen Dezember mit den Ergänzblättern, in welchem du 2 Muſterwerke (von Wachtler und von Ritter) angezeigt ſo wie eine Nachricht von mir (S. 768) finden wirſt, welche mir zeigt, daß ich mich mit Recht allemal umſehe, eh’ ich mein Waſſer abſchlage. — Du bringſt bequem alles durch, da ichs erſt vor meiner [Abreiſe?] zurückſchicke. Du haſt noch, wenn die Magd alles richtig zurück gebracht, Jun. Jul. Aug. Sept., und von Voß den Januar.
Mein geliebter Sohn! Da ich ein Buch für den Druck vollenden muß vor meiner Abreiſe: ſo ſchreib’ ich dir nur Sätzchen. Du haſt uns2 Jean Paul Briefe. VIII. 18alle ſehr gefoltert durch dein neuliches Schweigen über den Empfang des Paquets. Foltere ja nicht mehr. — Schreibe mir die Nummer und Gaſſe deiner Wohnung. — Vor der Blüte komm’ ich nicht. Aber vorher er - kundige dich nach einem möblierten Stübchen für mich auf 3 Wochen (denn ich wohne, der Freiheit wegen, durchaus bei niemand zu Gaſt); ich brauche blos ein ſchlechtes Kanapée zum Studieren, einige Wandſchränke, ein Bett, eine Bedienung für Kaffeemachen und Ausſchicken. Es muß, wo möglich, nahe am königlichen Schloſſe ſein. Ziehe Frauen (die Thiersch, Schlichtegroll ꝛc. ꝛc. ) zu Rathe; dieſe helfen mir ſchon. —
Ich danke dir, Lieber zwar für dein Kopieren aus Blümner, den ich längſt kenne, und aus Schlegel, der ſein Beſtes Herder, Göthe, Leſſing (z. B. über Sophokles) und der Zeit verdankt; aber gib dir die Mühe nicht mehr, die mir Porto und dir Zeit koſtet. Lies lieber meine Vor - ſchule, die du gewiß beſſer verſtehen wirſt als die Vorrede und den Hesperus. — Ein junger Maler, Plunk glaub ich, brachte Grüße und Lob von dir. (Auch der junge Welden lobt dich. ) — An deinen Briefen meſſ’ ich deinen ſchönen Wachsthum des Charakters. Welche Blüten wirſt du erſt im warmen Boden von Heidelberg treiben und unter ſo vielen freundlichen Geſtirnen meiner Freunde! —
Alles an dir wächſt ins Schöne, nur deine Schreibhand ins Häßliche; denn anſtatt einen Zerrbuchſtaben abzudanken, belohnſt du mein Sünden - regiſter immer mit einer Vermehrung deſſelben; z. B. alten ſchreibſt du allen, Wunſch Wuntch, B wie L, v wie n oder 1, und wie o. Eigennamen ſind daher bei dir gar nicht zu entziffern in — Briefen; welches Züge - Gewirre aber mag erſt in deinen Privat-Schnellſchreibereien herum - kriechen! Du wirſt es künftig beklagen, daß du durch die wiederholten Rügen deines Vaters dich ſo wenig beſſern laſſen. — Ich freue mich auf deinen herrlichen Thiersch. — Dein Bücherkaufen ſtelle ja ein, nicht blos wegen deines noch ziehenden Nomadenlebens, ſondern auch wegen der Gränzenloſigkeit der Geldausgaben, wenn du jetzt von Klaſſikern, die du ſchon haſt, noch die verſchiedenen Buchausgaben kaufen willſt. Letzte borge; nur ganz fehlende Werke kaufe. Mich mußt du künftig überall dabei fragen. — Schreibe uns von den Geſundheitverhält - niſſen deines Leibs und der Stadt zugleich.
19Wie freu’ ich mich, mein guter Max, auf die Stunde, wo ich dich als einen in mehr als einem Sinne mir wiedergebornen Sohn an das Herz drücken kann! —
Dein guter Vater R.
N.S. Da die Poſt am Freitage dir ſchon am Sonntage die Briefe bringt: ſo rechne im Ganzen immer auf die Sonntage und frage bei deinem Stoffel nach.
verzeihen mir, daß ich eine vieljährige geiſtvolle und leidenvolle Freundin von mir an Ihren Richterſtuhl begleite. Ihr ganzes Leben war ein quälendes Durchdrängen durch den verwachſenen Wald eines Prozeſſes, noch iſt ſie im Dikkicht der Juſtiz; und wenn es ſich endlich lichten ſollte, wird ſie Gerechtigkeit und — Grab zugleich vor ſich haben. Aber ſie arbeitet für ihre Kinder, nicht für ihren kurzen Wintertag des Lebens.
Ich ſchreibe dieſe Worte nicht als Urtheil über ihre Sache — dieſes können Sie nur finden und fällen — ſondern als Verſuch, Ihre Augen unter ſo vielen Rechts - und Hülfbedürftigen um Sie her auch auf eine ſo bejahrte zu lenken.
Auch wollt’ ich zugleich die Gelegenheit benutzen, meine hohe und langgenährte Achtung für den Landtags-Redner auszudrücken, deſſen Muth und Einſicht den Glanz der edelſten Verſammlung erhöhen halfen, die je in München geweſen.
Ihr ergebenſter Dr. Jean Paul Fr. Richter
Wir werden bald gar einig ſein, mein guter Reimer! Mistrauen in Ihren Charakter hätte ſich weder mit Ihrem bisherigen Handeln gegen2*20[mich] noch mit dem Eindrucke Ihrer perſönlichen Bekanntſchaft ver - tragen; indeſſen iſt ein Schatten in meinem Briefe, deſſen Körper ich aber ſelber im Schatten laſſen muß.
Kurz zu unſerer Sache!
Zu meiner Freude wird entſchieden das Werk nach genauer Zählung kaum 40 Druckbogen ſtark; und der erſte Theil wieder kleiner als der zweite. Letzter iſt wenigſtens 3 mal umgearbeitet und an ihm und dem Plane ſeit 1812 geſchaffen worden. Der Werth des Plans kann ſich freilich erſt mit jedem neuen Bändchen reicher entfalten.
Der vollſtändige Titel heißt: Der Komet oder Nikolaus Marggraf. Eine komiſche Geſchichte.
Baireut hat wenig nach Berlin zu zahlen. Daher muß ich Sie bitten, mir jetzo 50 Louisd’or oder 40 geradezu zu ſenden; die übrigen 80 oder 90 aber in Wechſeln auf Frankfurt a / M. den 15 Juny zahlbar aus Leipzig zu ſchicken, wie Sie ſchon vorgeſchlagen. Ende künftiger Woche geht das Mſpt an Voß, damit der Druck ſogleich anfange. Nach Bezahlung des erſten Bändchens fängt der des zweiten an, wovon Sie 30 Ld’ors den 1ten September zahlen mögen, und den Reſt in der Mitte Oktobers.
Den 19ten dſ. werde ich wol Antwort von Ihnen haben können, da - mit ich an Voß die nähern Druckbeſtimmungen mitſchreibe, die Sie etwa nöthig finden.
Auch bitt’ ich Sie auf einem Oktav-Blättchen unſern Kontrakt unterſchrieben mir zu ſenden mit den neuern Veränderungen. Dieſer Brief und der vom 23ten März dienen Ihnen ſtatt eines Kontrakts von mir. Leben Sie recht wol.
Mit Liebe der Ihrige Richter
Himmel! welch’ ein Kleinod haben Sie und wir an Ritters Erdkunde.
Guten Abend, lieber Otto! Ich will dir doch von meinem neuen Romane „ Der Komet, oder Nikolaus Marggraf “Spaßes halber die Vorrede ſchicken, um dich zu überzeugen, daß ich mir bei dem dummen Gerüchte, als ſei er etwas Beſonderes — was höchſtens die künftigen Theile werden können — durch eine unſchuldige und edle Spitzbüberei21 gut durchhelfe, die am Ende wieder Wahrheit iſt oder geben 〈 werden 〉 kann. Denn in Zukunft kann ich ja ſchreiben was ich will, ſogar etwas Gelungnes. Am Dienſtage brauch’ ich die Vorrede wieder.
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier iſt wieder etwas für den Sabbath. — Was macht Ihre gute Gattin? Laſſen Sie ja ſie nicht vor - zeitig ſich bewegen oder ſonſt erhitzen; denn die voreilige Aprilwärme iſt ohnehin Zunder für die Krankheit.
Der Himmel gebe, daß ich Sie, höchſtgeſchätzter H. Hofrath, noch drei Minuten vor Ihrem Abfluge nach dem Fünfviertels Herbſte der heurigen Oſtermeſſe mit meiner Bitte erhaſche. Sind nämlich die beiden Werkchen von mir nicht ſchon auf die Schneckenpoſt der Buch - händlergelegenheit gegeben: ſo bitt’ ich Sie, mir das Büchlein über die Doppelwörter mit der fahrenden Poſt zu ſenden, da ich einige Exemplare nach München wohin ich jetzo reiſe, für Freunde und Gegner mitnehmen möchte. — Ließe ſich nicht der Reſt des Honorars für meine Viererlei Lieferungen, in das Bücherpaket, in Gold mit einſchieben? — Wenn aber nicht: ſo bitt ich Sie um eine Anweiſung nach Augsburg in Augsburger Währung. Erhalten Sie ſich geſund unter dem Goldberge der Geſchäfte! Alle Ihrigen ſeien herzlich gegrüßt!
Der Ihrige Jean Paul Fr. Richter
Mein geliebter Heinrich! Hier bringt dir der Poſtwagen die Urſache meines Schweigens in die Hände. Der Sicherheit wegen hab’ ich nur halb frankiert; aber ich fodere von deiner Freundſchaft, daß du mir die Auslage nennſt, damit ich bei der Lieferung des 2ten Theils im July ſie dir mit einpacke. — Die Vorrede, welche ich einmal zur ganzen Wahrheit machen will — jetzt iſt ſie nur eine halbe — wird dich über vieles22 und darüber belehren, daß der 2te Theil viel beſſer iſt. Wär’ ich aber erſt vollends beim 3ten! — Ich bitte dich, lies vorher das Mſpt, eh du es dem Buchhändler gibſt, und urtheile und verurtheile, wenns ſein muß. — Findeſt du Abſchreibfehler: ſo beſſere keck. Der Druck iſt, wie der Ver - leger ſchon geſchrieben haben muß, nach dem Engelmannschen Probe - blatt „ alten Burgvogt “S. 18.
Benachrichtige den Buchhändler ſogleich von der Ankunft der Arbeit. Zu Michaelis müſſen durchaus beide Bändchen vollendet ſein. — Meinen Hesperus wird dir Max mitbringen, der in jedem Briefe dich grüßt und ſich auf deine Lehren freuet. Über alle meine Erwartungen entwickelt ſich faſt von Brief zu Brief ein herrlicher Charakter voll Männlichkeit, Tugend - und Wahrheiteifer, in einem körnigen, bilderreichen, ſogar witzigen Stile. Der vorige Jüngling iſt nur der Bodenſatz und Nieder - ſchlag des jetzigen. — Für deine köſtlichen Briefe — niemand kann mir ähnliche ſchreiben — dank’ ich deiner Seele; zum Erwiedern hab’ ich wenig um mich. — Der Mai gibt mir wenigſtens eine Wonneſtunde ſtatt eines Wonnemonats, nämlich die an meines Sohnes Bruſt, weil ich da nach München gehe. Nur wird leider der Mai, wenigſtens ſein Anfang, ſo regnen und kühlen als der April hätte thun ſollen. — Dein guter Vater hat mich in der Literaturzeitung recht erfreuet; bereichert hätt’ er mich auch genug, hätt’ ich Kräfte, ſeine griechiſchen Sprach - ſchätze zu tragen. — Sein Gegen-Stollberg hat zwar an der jetzigen Zeit die beſte Wache und Wehre; und doch wird uns alle ſein Fort - ſprechen erquicken, ſchon weil man ſein Deutſch — als Sprache und als Geſinnung — ſo gern hört. — Gib doch deinen künftigen Shakespeare in abgetheilten Bändchen; deinen vorigen hat gewiß noch niemand geleſen — auf einem Spaziergange, blos weil er nicht einzuſtecken iſt. — Ich bitte dich, lade doch nicht Leute wie Fouqué und Hofmann zum Rezenſieren ein. Sind denn bloße Dichter, zumal ſo einſeitige und nach - ahmende, eben darum auch Kunſtrichter? Die wenigen Änderungen des neuen Hesperus verdienen auch keine beſondere Beurtheilung; deſto mehr aber die des Siebenkäs, der das Unglück gehabt, um zwei gute lange Rezenſionen zu kommen — und nur eine gute kurze zu erhalten. — Fouqué und Hofmann ſaugen jetzo zu ſehr an ihren Schreibtatzen, an - ſtatt mit dieſen Honig und andere Fettbeute zu holen. — Byron iſt ein größerer Dichter als beide, und hätt’ er nur den Mazeppa geſchrieben. 23Himmel! wie ſind euere Überſetzungen hoch über denen des Byron! Nur ihr dürft den Mitabdruck der Urſchrift wagen; und Göthe hat in ſeinem Divan ſo Recht, wenn er euch lobt. — Grüße mir doch herzlich den Pfarrer Thielemann und ſeine herrliche Hausfrau, deren treu - herzige Sprache und Phyſiognomie ich noch immer genieße. —
Noch wollt’ ich dir viel ſchreiben. Aber um die Abſendung eines Buchs herum ſammeln ſich ſo viele Nacharbeiten, daß ich wahrlich zu nichts mehr Zeit habe als zu wärmſten Grüßen an die Deinigen — an deine liebliche Verwandte — an die liebe edle Sophie Dapping — und an meinen Heinrich zu aller erſt.
Richter
Ich danke Ihnen, verehrte Freundin, für Ihre Worte — wenn auch ſpät — mit ganzem Herzen, ſo wie das Ihrige immer für mich ein ganzes geblieben. Die ſchönen Tage in Ihrem Hauſe hat mir noch kein anderes wiederholen können. Deſto tiefer fühlt’ ich Ihnen alle Ihre Schmerzen nach, welche darauf kamen. Wahrlich, auf der runden glatten Erdkugel ſteht faſt keine Freude feſt als nur die der wiſſenſchaftlichen Unterſuchung. Hier liegt mein Gruß an Ihren H. Gemahl ſehr nahe, den ich noch bitte, das allegoriſche Wurzelunkraut von Kanne ſo auszu - ziehen wie das hiſtoriſche von Stollberg. — Es geh’ Ihnen wol.
Der Ihrige J. P. F. Richter
Sie haben, meine gute Sophie, mein Herz ſchön erwärmt durch Ihr Andenken an unſere unvergeßlichen Tage, deren Abendroth nie unter - gehen ſoll. — Der Mörder Ihres Frühlings werde nie unter uns ge - nannt. Im Unglücklichmachen war er zum erſten male ein kühner Dichter.
Immer, meine liebe Sophie, werd’ ich mich erinnern, wie ver - trauend und liebend Sie gegen mich geweſen; aber wie könnt’ ich mich erinnern, wenn ich es nicht noch vorausſetzte und auch von meiner Seite erwiederte? So bleib’ es unter uns!
Ihr Richter
Guten Morgen, mein Emanuel! Der Kaufmann C. F. Münch ſteht doch noch auf erträglichen Füßen, da ich ihm heute einen Wechſel von 50 Ld’or girieren will? — Max herrlichen Brief über Schelling haben Sie doch erhalten? — Und Ihre Gattin hielt doch nicht die Gaſſe für die Stube — bei ihren Kindern kehren es die Weiber um — und wagte ſich zu früh heraus?
Hier Maxische Blätter! Darf ich Sie nicht wieder um eine An - weiſung von 10 oder 20, oder 25 fl. nach München auf heute erſuchen? C [aroline] glaubt, der arme Teufel fodere verſchämt nicht und meine Abreiſe warte zu lange.
Geliebter Sohn! Ich freue mich, daß du in den Studien zehn - tauſendmal weniger fehlſt und beſſer triffſt als in Geſchäften. Ich will dir deine Fehler herſetzen:
Dein Enthuſiaſmus für den von mir hochgeſtellten Schelling er - quickt mich, ob dieſer gleich noch einen ziemlichen Weg zum „ größten25 Manne “hin hat, wie du ihn nannteſt. — Ich glaube, ſogar im Deut - ſchen iſt es gut, keine Sprachſchnitzer zu machen und nicht zu ſchreiben: „ Thierſch und Schelling grüßt “oder „ das Buch, was “. — Nenne mir den dir nächſten Gaſthof zum Abſteigen, falls er erträglich iſt. — ....
Dem herrlichen Thiersch bring’ ich natürlich die „ Doppelwörter “mit, ſo wie meinem Köppen. — Voß freuet ſich unſäglich auf dich und grüßt dich in jedem Briefe. Er beſorgt die Korrektur meines neueſten Werkes: „ Der Komet “. — Welches Leben und Lieben Emanuel und Otto für dich bereit halten, wenn du kommſt, kann ich dir nicht ſagen. — Jetzo erſt werd’ ich mit dir ein philoſophiſches Wort ſprechen können. — ....
Entſchuldige meine ſchlechte Handſchrift mit der Eile und Papier - enge; denn ich weiß ſonſt recht gut, was der Reſpekt verlangt, wenn ein Vater an ſeinen Sohn ſchreibt. —
Meine Abreiſe wartet auf ſchönes Wetter, dem durchaus noch ſchlechtes vorwittern muß. Bleibe froh und gut, mein geliebter Sohn!
Richter
Höchſtgeſchätzter H. Profeſſor! Da Sie zuweilen mich unter Ihren Zöglingen als Kollaborator anſtellen: ſo ſend’ ich Ihnen dieſen Aufſatz über die Größe des All zu Ihrem beliebigen Gebrauch auf einige Tage. Erklären Sie jenen einige aſtronomiſche Beziehungen z. B. Nebelflecken ꝛc. : ſo wirkt alles gewiß ſo wie Sie wünſchen.
Richter
Mein theuerſter Heinrich! Dein Urtheil nahm mir eine zweijährige Laſt von der Seele; denn ich wollte dir mein Mistrauen in den Werth des „ Kometen “nicht ganz ausdrücken, aus der Beſorgnis, deinem Gefühle die Unbefangenheit zu ſtören. Mit ähnlicher Rückſicht iſt auch die Vor - rede*)Denn leider „ acceptiert “und übertreibt die Leſewelt zu leicht und zu ſtark jeden Selbertadel, womit man daher behutſam ſei. geſchrieben, während welcher ich ſogar erſt den Titel „ Komet “ſo wie den „ Papierdrachen “erfunden. Wie viele Blätter hab ich weg -26 geworfen, die du ſonach aufhöbeſt! Gott ſei Dank, daß du mich zu ſehr gelobt. Deſto unverzagter flick’ ich den 2ten Theil gar aus, deſſen Ende freilich für den 3ten, 4ten Theil die Ausſichten einer Donquixott’ſchen Wanderung öffnet. Vorliebe für mich und einen durch Komiker aller Art geſchärften Vorgeſchmack kann ich freilich bei keinem zweiten Leſer in ſolchem Grade erwarten; überſpanne daher auch fremde Erwartung nicht durch dein Überlob. — Übrigens iſt alles, Geſchichte und Charakter, rein blos auf dem Boden meienr Phantaſie gewachſen und die Außen - welt gab nur Klima oder Sonne dazu her; — ſo auch in der Folge. — Ach in welchen lieben warmen Händen ſeh ich nun mein naktes Kind, du treuer Menſch! — Deinen Rügen und Verbeſſerungen antwort’ ich wie folgt:
Freilich iſt die Stelle mit Flügeln überladen. Nach „ und zwar war “fehlt „ er “. Wärs noch Druckzeit zum Beſſern: ſo könnt’ es ſo heiſſen: „ Der alte Henoch Elias war nun ein Männchen, das nicht mit bloßen Federn ſondern über ſeine ganze kurze Länge hinab mit lauter Flügelchen von Tag -, Abend - und Nachtfaltern beſetzt war. “
Boſiſche Beatifikazion — Cahilſton in Boullion — Worble —
Im Urkapitel: „ dann wird die Zeit kommen ꝛc. ꝛc. und des Erſatzes der Auslagen ſammt einigen Grazialen und Verzugzinſen ꝛc. “
S. 68 „ nach den wie Sonnen auseinander gerückten Steinen umher ſetzten und meiſtens “ꝛc.
S. 102 „ dieß werd’ ihn außerordentlich empfehlen und jeder werde Lunten riechen “oder: „ ſeinen Mann kennen “. Wähle!
S. 148 „ die Jungfrau im Monde, vom himmliſchen Heiligen - ſchein einer ganzen Welt umgeben zur Anbetung für den Erd - bewohner. “
S. 156 ſtatt „ Himmel! “ſetze denn: „ o ihr höhern Geiſter! welchen “— ſtreiche „ ordentlich “weg — ſtatt „ fraß “könnte man wol etwa ſetzen: fing oder griff, faßte — Indeß ſcheint doch Freſſen zur Wildheit zu paſſen. Wähle!
Laß mir den Lungenſchlagfluß. An etwas ſterb ich doch; aber an ihm ſeit der Fußgicht wahrſcheinlich am wenigſten, ob es gleich am ſanfteſten wäre. O dein Herz iſt ſo weich-gut!
Verzeih den eiligen leeren, nur mich abhandelnden Brief. — Ich beſchwöre dich um die Nachricht der Portoauslage, damit ich ſie bei der27 zweiten Sendung erſtatte, der ich auch „ das Doppelwörterbüchlein “beilege. — Morgengänge ſind dem Gelehrten ſchädlich, weil am Morgen nach der langen Ruhe die Erregbarkeit (browniſch zu reden) zu groß iſt, wie auch die Wirkungen des Frühtrinkens ꝛc. ꝛc. beweiſen. Alle Be - wegung muß, wie ich in der Levana angeführt, der geiſtigen Anſtrengung nachfolgen, nicht vorgehen. — Ich habe Dietenberger und ſeine naive Schwäbin mit dem Gruße gemeint. — Nach München reiſ’ ich erſt bei wahrem Maiwetter, alſo in der Exaudi-Woche; Pfingſten wird ein Himmelfeſt. — Schumacher ſchickte mir ſeine ſchönen Reiſeblätter, will aber leider (und vergeblich) eine Vorrede zu ſeinen Gedichten. — Hofmann, obwol der Nachahmer meines Komiſchen, iſt doch kein Freund meines Ernſtes und vielleicht keiner von mir, weil ich ihn in der Vorrede nicht genug gelobt. Du biſt nicht im Stande, den jetzigen Jünglingen eine Schmeichelei zu ſagen; ſie halten ſie für mageres Lob. — Wird denn mein Komet nicht der Zenſur unterworfen? — Könnte mir Engelmann nicht die muthmaßliche Druckbogenzahl deſſelben ſagen? — Über alles freue ich mich auf deines Vaters Nachſtreit. Von den ekeln Blättern gegen ihn hab ich noch keines geleſen; und mags auch nicht. Grüße ihn und die herztreue Mutter und die ſchöne Kuſine; und ſonſt unſere Freunde. Lebe wol, Geliebter!
J. P. F. Richter
Mein guter, wiedergekommener Emanuel! Hier kommt das Geld, das auf Sie wartete — nicht umgekehrt —, und zwei Briefe, aber das Umgekehrte wieder umgekehrt. Gute Nacht Euch Lieben allen!
R.
Guten Morgen, mein Alter! Vor einigen Tagen war die Degen bei mir und ich verſicherte ſie, daß ich jetzo keine 1000 fl. liegen hätte und daß ich überhaupt nicht auf mehrfache Scheine liehe. Daß ſie nun meine Wahrheit für Unwahrheit hält — denn erſt nach einigen Wochen nach neuen Bezahlungen hab’ ich übrig — kann mich am wenigſten be - ſtimmen zum Geben. — Unſers ſeel. Meyers Frau iſt auf einige Tage hier mit der Gräfin Schmettau. — Mög ich Meinen bald ſehen!
Richter
Mein Guter! Den 5ten ſchrieb ich an dich. Nur 3 Eilzeilen — hier. Meine Schwiegermutter bringt dir meine Doppelwörter. Meine An - ſicht wird, wenn nicht das ganze, doch das halbe Schlachtfeld gewinnen. — Die Herzogin von Kurland war 1½ Tag in Heidelberg und doch gingſt du nicht zu ihr? — In dieſer Woche muß der Regen kommen, der die Heiterkeit der nächſten und meine Reiſe feſtſetzt. Lebe wol!
Dein Richter
Hier ſend’ ich Ihnen mit der Bitte baldigen Abdrucks aus einem noch ungedruckten Werke ein Bruchſtückchen für die Eos. Mög’ es doch ohne die Flecken der Druckfehler erſcheinen können! — Übrigens bitt ich Sie, mir das Geſchenk der trefflichen Eos blos in größern Zwiſchenräumen zukommen zu laſſen, da ich doch hier meine Neugierde an andern Sen - dungen derſelben befriedigen kann!
Ihr ergebner Jean Paul Fr. R.
Dieſer Brief verfinſterte mir den herrlichen Himmelfarthmai anfangs durch einen nahen Verdacht, bis ich endlich im Tagebuch meinen Troſt und blos Seine unſägliche Reue über ſeine unbeantworteten Briefe bei ſeiner eben ſo großen Überſchätzung meiner fand. Es waren zwei phantaſiekräftige Briefe aus Hamburg, die ich immer beantworten wollte, die ich aber jetzo im Abgrunde des Briefkoffers nicht erfiſchen kann. Geantwortet muß jetzt werden, wenn ich nur Seinen Namen weiß. Ach Emanuel, oder Otto, macht mir doch das unentbehrliche Geſchenk mit Seinem Namen! In Euerem beſſern Gedächtnis wohnt er gewiß noch.
Guten Maimorgen im Garten, mein Emanuel! Leſen Sie doch bald den Brief aus Hannover, damit Sie bald das lange Tagebuch leſen und deſto ſchneller meine Bitte erfüllen. Ich erinnere mich noch recht wol, daß Sie damals mein Antworten wünſchten. — Wann ſeh’ ich Sie end - lich neben mir nach ſo langen, langen Tagen?
Guten Morgen, mein Emanuel! Beinahe wär’ ich geſtern gekommen. Welcher Zufall! Mein allererſter Griff in den Koffer nach Einem Briefe zog beifolgenden heraus. Aber was hilfts, da Jahrzahl und Unter - ſchrift fehlen? Vielleicht durch Otto’s Rath, wenn Ihrer noch dazu käme, ging’ es eher. — Sie werden ſich über mein Autornähtiſchchen für meine Nadeln freuen. — Frohe Pfingſten!
Die Freude des Empfängers iſt für einen wolwollenden Geber eigent - lich der einzige rechte Dank; — alſo hab’ ich Ihrer Exzellenz heute ſchon den größten geſagt, wenn auch ſtumm. Durch dieſes überaus niedliche Nähtiſchen für Autornadeln find’ ich überall ein Wandermuſeum, wo eine Bank iſt, und ich kann mich nun mit ihm in jedem Garten häuslich, d. h. ſchriftſtelleriſch niederlaſſen. Wie jeden in mehr als einem Sinne, ſo ſuchen Sie durch dieſes Tiſchchen auch mich näher mit dem Himmel zu verbinden, da ich dadurch überall unter ihm arbeiten kann. Ich freue mich auf Morgen, wo ich meinen Dank mündlich wiederholen kann, in - dem ich ihn zugleich verdoppeln muß für das Morgen.
Mit innigſter Verehrung
Ihrer Exzellenz ergebenſter J. P. F. Richter
Warum haben Sie nicht ſich und mir mehr Gutes zugetrauet? Mein Schweigen auf Ihre 2 geiſt - und herzvollen Briefe entſtand vorzüglich30 daher, weil ſolchen Briefen nicht mit Zeilen ſondern mit Bogen zu ant - worten iſt und weil ich überhaupt nicht einmal zu Zeilen für die meiſten Briefe Muße habe. Der Brief vor Ihrem Tagebuch bedeckte mir den ſchönſten Himmelfarthmai mit einem Nebel durch den veranlaßten Argwohn eines Unglücks; bis endlich das Tagebuch den Nebel wegnahm und mir die Sonne wiedergab. Zur ſchnellſten Antwort fehlte mir nichts als Ihr Name, welchen ich zwar in Ihrem erſten Briefe zu finden hoffte, aber nicht den Brief ſelber, der mit 1000 andern im Briefgewölbe eines großen Kaſtens auf Auferſtehen, nämlich auf Ordnen wartete. Und ſieh der erſte, erſte Griff in den Kaſten zog Ihren erſten Brief von Hamburg wie eine Quaterne des Schickſals ꝛc. ... Wem die Muſik ſo in die Tiefe des Herzens geht, oder was noch ſchöner, die Mittrauer um eine edle Dahingegangne, wie Ihnen, der iſt mein alter Bekannter und Freund und braucht ſich nie um mein Schweigen zu kümmern ... Indeß möcht’ ich wol ab - und anrathen; und Ihnen beſonders mehr Handeln und weniger Reflektieren wünſchen; aber wenn man den ganzen Autor - menſchen kaum aus vielen Büchern erräth, wie noch weniger den Brief - ſchreiber aus Blättchen! Und wie ſchwer iſts, ſogar einem lange Be - kannten einen das Leben durchgreifenden Rath zu ertheilen! Gegen Ihre Überſchätzung meines Werths hab’ ich nicht viel; dem Jüngling iſts immer geſünder, zu ſehr zu verehren als zu ſehr zu verachten, und es iſt beſſer, Sie haben ein Paar Götter zuviel als eine Gottheit weniger. — Vertrauen Sie mehr ſich oder noch richtiger, ganz dem Allgenius. Es werden Ihnen noch manche Blüten der Jugend abfallen; aber blos die unſcheinbaren Fruchtanſätze ſtoßen ſie aus und als Mann werden Sie ſchon die vollern Früchte wahrnehmen. — Nur den Dämon des Ehr - geizes und den Waldteufel der Eitelkeit fliehen Sie; und ſein Sie mit den nahen Engeln des Guten und Schönen zufrieden.
Sie ſollen mich nicht vergeſſen, ſo wenig als ich Sie; daher ſchreib’ ich, wenn auch nur weniges zu ſchreiben iſt ... Wer einen ſolchen Reich - thum von Witz, von Empfindung und von anmuthiger Gelehrſamkeit zu geben hat, der braucht für die ſämmtliche Herausgabe nur ein rechtes — Titelblatt, das alle 3 Gaben ankündigt, und eine rechte abwechſelnde31 Miſchung der drei, welche immerfort mit einer neuen unterbricht und ſo das Überſät[t]igen verhindert. — Hat denn die Herzogin, die leichter andere als ſich beglückt, mein Briefchen erhalten, das ihr als ein Vergiß - meinnicht in ihre Orangenblüten nachflog?
Hier ſend’ ich Ihnen, höchſtgeſchätzter H. Hofrath, die neu aufgelegte Rechnung, deren Belege von Ihrer Hand Sie mir gütig wieder zu - rückſenden. Die Anweiſungen mögen Sie mir, wenn es Ihnen ſonſt paßt, theils auf Frankfurt, theils auf Augsburg (in Augsburger Währung) geben.
Beiliegender Aufſatz wurde eben ſo ſehr für das Morgenblatt als für mein neueſtes Werk der Komet gemacht, welches vielleicht zur Michaelis Meſſe bei Reimer heraus kom [m] t. Ich konnte ſeinen 〈 des letzten 〉 ſo alten, zumal mündlichen Wünſchen, ein Buch von mir zu ver - legen, nicht immerfort ein Nein antworten, ſo ſehr es auch aus Dankbar - keit für die Vergangenheit und aus Rückſicht für die Zukunft und für die Erleichterungen des ſchriftſtelleriſchen Verhältniſſes, die nur Sie allein mir gewähren, mein Grundſatz iſt, nur Ihren Namen auf meinen Titel - blättern zu haben. Indeß hab’ ich noch Werke genug übrig — ein wichtiges über die Religion — ein großes komiſches — meine Auto - biographie — Siebenkäſes Ehe mit Natalien u. ſ. w.; und der Himmel gebe nur, daß Ihnen meine ganze Entſchuldigung nicht zu überflüßig vorkommt.
Da ich morgen auf einige Wochen nach München reiſe: ſo bitt’ ich Sie, Ihre Antwort dahin bei H. Direktor v. Schlichtegroll abgeben zu laſſen.
Mit herzlichen Grüßen an die Ihrigen und mit alter Liebe
Ihr J. P. F. Richter
Meine gute Karoline! Nach 4 Uhr kam ich (von Amberg aus um 5¼ Uhr) hier an, ſo gut ſind des Kutſchers Pferde und er. Ein Soldat iſt32 ein herrlicher Kutſcher. Meiner iſt höflich, bedachtſam, vorſorgend, ſtets heiter und wo Ham einen Durchfall in Geſicht und Ton bekäme, ſingt er. — Geſtern war in Amberg noch Kirchweihe; und der ſchöne 〈 glänzende 〉 „ Wittelsbacher Hof “noch überfüllt; ich logierte daher, auf Wittelsbachiſche Empfehlung, weit davon im „ Türken “, wo freilich alles ſchlecht und ärmlich war, aber durch die große Zeche doch ein gewiſſes Anſehen bekam. Ich ließ daher, wegen der Entfernung und halb ver - drießlich, den Brief der Fr. v. Lochner nur übergeben. Mein jetziger Aufenthalt im ſchwarzen Bären iſt vortrefflich. — Der Kutſcher pries geſtern mein ſtündliches Wettererrathen. Für heute hatt’ ich ihm noch ſchöneres Wetter zugeſagt. Am Morgen mußten wir beide unſere Mäntel anziehen, weil es unaufhörlich regnete bis beinahe jetzo, wo ich (im Trocknen ſeßhaft) mehr Blau ſehe. Alſo gerade die ſchönſte Zeit und Stelle meiner Reiſe, worauf ich mich ſo lange ſpitzte, wurde mir von den Wolken grau verſalzen; auf dem herrlichen weiten Halbkreis von Bergen (vor Schwandorf), den ich ſeit Jahren im Kopfe glänzen ſah, ſtanden die Regenwolken und an ihm hingen die großen Nebelflocken und Dämpfe als Propheten fortdauernder Einweichung. Was mich jedoch freuet, iſt daß ich gewiß weiß, daß in München, wo keine ſchöne Natur zu ſehen iſt, dafür der Himmel deſto ſchöner und blauer darüber ſchweben wird. Gewöhnlich beſtell ich den Reiſewagen ein Paar Minu - ten vor Regengüſſen; und zwar darum, weil ich meine Abreiſen immer einen Monat voraus vorkrähe — dießmal gar 2 Monate — und weil die Kinder mich an jedem ſchönen Tage erinnern und martern mit der Frage, warum ich nicht abreiſe. So ging ich denn dieſes mal vor lauter Jammer über das Treiben, wie der Pudel, ins Waſſer. Da du wünſchteſt, daß ich dir lieber gar nichts von Weibern ſchreiben ſoll: ſo hab’ ich kaum das Herz, dir zu ſagen, daß mir unter ein Paar Hunderten bei dem Hereinfahren nicht ein einziges erträgliches Geſicht vorgekommen. Find’ ich aber künftig ein ſchönes: ſo kann ich dirs wol leichter ſagen. Jetzo geh ich zu Westerholt.
... Ich bin wieder zurück. Ich hatte eine herrliche Andachtſtunde mit ihm über Primas und ſeine Freunde, Gleichen u. a. Ein edles aus - gearbeitetes Geſicht und ein Kopf voll Gluth mit einem weinenden Auge! — Alle Seinige waren über Land und er hatte nicht viel Zeit; aber die Stunde war mir genug.
33Ich bin geſund und für alle Menſchen heiter genug — Meinen Ver - ehrer Bissel in Amberg hab ich nicht aufgeſucht; auch hier keine Zeit zu einem Beſuche bei Posch gehabt, da dieſer Brief ſie nimmt. — Die Fröſche ſoll Odilie nie in die Sonne ſtellen — dem neueſten viele Fliegen geben — die Dinte umrühren — die Blumenſtöcke alle 3 Tage begießen, aber die beiden von Miedel auf dem Schreibſchrank gar nicht — Franzö - ſiſch hingegen und Singen treibe ſie wenigſtens halb ſo eifrig wie Emma und dieſe es ganz ſo eifrig wie jene — — Verrücke mir ja keine Bücher durch unnützes Abſtäuben; denn im July — nach Endigung des „ Kometen “— bin ich ein freier Mann und bringe alles in Ordnung und alle Bücher in neue Stellungen. Leider begingeſt du unter dem Ein - packen 2 Fehler; das dicke, aber kleinſte Fläſchchen wollt’ ich für gewiſſe Fälle des Durſtes zu mir ſtecken; und die Flaſche mit Roſoglio haſt du gar wieder die Treppe hinaufgeſchickt.
Ich wollte dir doch etwas ſogleich von mir melden, da ich nicht weiß, auf welchen Umwegen erſt der Kutſcher Münchner Briefe dir zubringt. Grüße die Otto’s und Emanuel’s; dieſer warf mir noch aus dem Fenſter einen Abſchied zu. Grüße meine Welden. Lebe froh, geliebtes Weib!
Richter
Liebe Karoline! Ich will alles ſtät ohne Vorgreifen in die Zukunft erzählen. Meinen Brief aus Regensburg haſt du gewiß. Auf dem Wege von Regensburg nach Landshut ſchickte mir Gott Vormittags drei wolkenloſe blaue Sonnenſtunden und ich hatte darin zum erſten und letzten male auf dieſer Reiſe wieder jene Reiſeidyllenſtimmung, nach der ich Jahre lang ſchmachte und die faſt keine Geſellſchaft erträgt als einen Kutſcher, der in die ſchöne Weite hinein ſingt, was meiner that. Nach - mittags, wo Landshut immer reicher vortritt, erſah der Teufel ſich der Gelegenheit und begoß mich aus den Wolken und erſäufte für meine Phantaſie die ſchöne Iſar und die Brücken und den Bergkranz um Landshut. Da beſuchte ich blos — den Brief an Podewills ließ ich aus Zeitmangel nur abgeben — Köppen mit ſeiner recht alten Frau, die mir mit alter Erinnerung entgegenflog; — ein kräftiger Abend und3 Jean Paul Briefe. VIII. 34Abendeſſen voll Ströme der Reden und der Liebe. Keinen andern Ge - lehrten hatt’ ich Zeit und Luſt zu ſehen. Natürlicher Weiſe wars Tags darauf noch grauer und regneriſcher auf der Fahrt nach Freiſingen (ich erfror in meinem Mantel beinahe) bis es in der Nähe von Freiſingen, das noch ſchöner liegt, noch ſchlechter wurde, nur endlich aber am aller ſchlechteſten auf der Nachmittagſtraße nach München; ein Pelz über dem Mantel hätte mir wolgethan unter dem Sommerrock. Die regne - riſche Einfahrt in das glänzend-gebauete München hielt endlich nach einer kurzen Fehlfahrt vor dem goldnen Adler ſtill, deſſen herrliche Vorderzimmer alle ſo beſetzt waren, daß ich das finſtere Eckzimmer in die Hofenge nehmen mußte. Ich glaube nicht, daß ich auf dem ganzen Wege je eine Minute lang ſo verdrießlich und hoffnungvoll war, als in der einlogierenden. Maxen ſucht’ ich im 5 Treppen hohen Neſte auf, aber ich mußte einen Berichtzettel an die Thüre kleben, ich ſei da und bei Schlichtegroll. Hier fand ich die faſt der Schukmann jetzt ähnliche, körpergealterte, aber geiſtigvorige Schlichtegroll wieder — es ärgert mich doch, daß die Jahre den Weibern außen mehr nehmen als den Männern innen —; und nach ihrer Vermuthung war Max bei ihrem Sohne. In 2 Minuten hing er ſchluchzend an mir. Sein Körper und Geſicht iſt herrlich ausgearbeitet — er iſt ½ Kopf länger als ich, blühend und voller, nicht magerer im Geſicht. Er war und blieb immer fort netter, beſtimmter, eleganter angekleidet als ich, und trägt doch nur die mitgebrachte Kleidung. Seine perſönliche Erſcheinung erreicht, ja übertrifft ſeine Briefe und mein ganzes Vaterherz liebt den reinen, freien, kräftigen, beſcheidenen, anſpruchloſen Jüngling. Als er mit mir von Schlichtegroll nach Hauſe ging, fragte er, was macht denn die Mutter; aber die Stimme erſtickte ihm unter Weinen der Liebe — und dieſe hat er rein und recht und ohne irrige Verſchwendung. Sein innigſter Freund iſt ein Mitſeminariſt von 27 Jahren, Merk (denn im Seminar ſtudiert ſogar einer, der Frau und Kinder hat). Alle ſeine Bekannte ſchätzt er mit großer Schärfe in Rückſicht des wiſſenſchaftlichen und ſittlichen Strebens ab, aber doch mit gradeweiſer Liebe. — Nur die Kamaſchen, aber nicht den Sommerrock und anderes hat er an - genommen, „ weil er nichts brauche “, ſogar deinen Kaffee und Zucker nicht, auch nicht die Uhr. In ſeiner Wohnung kann er ſich nichts zubereiten laſſen; am Morgen nimmt er gewöhnlich nur Milch; abends nach einem fremden Gaſtmal nichts. Den mitgebrachten Stollen35 bracht’ er mir heute, nachdem er davon unter ſeine 2 arme Mit - häuslinge ausgetheilt, zurück, weil er dachte, ich wolle davon. (Thats ſpäter auch mit der geräucherten Zunge)
Wie ſchwillt mein Stoff und verſchrumpft meine Zeit! Und doch hab’ ich kaum angefangen, hier zu ſein. Max frühſtückt und ſoupiert mit mir und durchläuft die Stadt für mich und mit mir. Noch nicht den kleinſten Tadel hatt’ ich auszuſprechen oder nur zu verbergen. Durch ihn bin ich ordentlich halb in Baireut. Am Mittwoch holt’ er mir auf der Polizei die Nummern der Vermiethzimmer. Dann ging ich zu H. Mann mit ihm, fand aber blos die ſchönaugige Frau; und ich dankte ſpäter Gott dafür; denn Mann ſelber hätte mir in ſeinem großen Hauſe gewiß ein Zimmer angeboten und ich wäre, nach Erlangung einiger galli - kaniſchen, d. h. kulinariſchen (d. h. Keller -) Freiheiten, dem Wolwollen erlegen. Aber Max flog zu mir mit dem Funde eines herrlichen Stutt - garter Quartiers, zwei Zimmerchen mit Abendſonne — 12 fl. auf 4 Wochen, mit Aufwartung — eine Rollwenzel-Wittwe, aber höherer Bildung, mit 2 Söhnen und 2 Töchtern — Manche Leute blieben bei ihr ſtatt 2 Monate mehre Jahre. Die ganze, recht bürgerliche Familie, die abends ſchon um 6½ Uhr ißt, wiederholt nicht, ſondern übertrifft die ſtuttgartiſche. Als ich ausgegangen, hatte die freundliche Hausfrau eine unſcheinbare Decke eingeſchwärzt für den — Ponto. Ihr Sohn, der Maler, wollte anfangs erſt Montags ausräumen, aber alles war doch geſtern um 5 Uhr gethan. Was ich nur wünſchte — Nachttiſchchen am Bette, Blumen u. ſ. w. — kam. Endlich aber, als gar geſtern früh der andere Sohn, Sekretär in Thürheims Miniſterium, aus meiner Lega - zionadreſſe meinen Autornamen, den ich immer unterwegs verſchweige, heraus hatte: ſo hört das Bedienen und Erfreuen gar nicht auf und er kam geſtern morgen zu mir und ſagte: er möchte mich einſaugen vor Liebe. Die gute freundliche, aber überall vorſichtige Alte kann bei mir gar nicht aufhören zu reden. Kurz in ganz München hab’ ich das einzige rechte Stübchen für mich aus der Münchner Zahlenlotterie gezogen.
Adreßiere denn: abzugeben Nro 1453 im Rochusgäßchen bei Mad. Gail.
Ich ſchreibe dir zu viel; und zu ſehr von allem; noch kam ich zu keiner Zeile Bücherarbeit. H. v. Mann gab mir ſeine Loge in 3 Theatern, heute, außer dem Mittageſſen mit Max, noch den Wagen zum Vor - fahren bei vier Miniſtern, wovon nur Thürheim zu Hauſe war, und die Einladung auf ſein Gut am Stahrenbergerſee. — Die Roſoglio - Flaſche fand ſich; aber nur Eine vom Kapwein und keine andere ge - ſiegelte. Wie kams denn, daß du mir nicht ein einziges feines weiſſes Schnupftuch eingepackt? —
Geſtern ſah ich Welden auf eine Stunde. Er iſt ſeiner Mutter würdig; ein anſpruchloſer, kräftiger, in vollſter Geſundheit blühender, angenehmer Jüngling. Phyſiognomiſch iſt er die ins Männliche über - ſetzte Weiblichkeit der Schweſter F., in Blick, Auge, Mund und Naſe. Wie ſeelig wird er unter den Seinigen, nach denen er lechzet, ſein und machen! Max iſt ſein einziger Freund hier. Dich wird der reine, ruhige, einſicht - und liebevolle Jüngling ſo bezaubern wie ſeine Mutter. — Von meinen vielen geſelligen Verhältniſſen im nächſten Briefe. — Max und meine Wohnung machen indeß meinen größern Genuß. Grüße was mich liebt und küße meine Kinderlein und lebe froh und im Freien, meine geliebte Karoline. Bei Schlichtegroll trank ich mit Max und den Übrigen am 31ten Mai auf den 31ten Mai.
Richter
Ich flehe dich an, daß du in meiner Stube gar nichts umändern oder weißen läſſeſt als den Fußboden; ſo auch im Schlafzimmer.
Schon ſeit 3 Jahren fü [h] r’ ich meine kurzen Beinkleider auf allen Reiſen herum und komme nicht aus den langen heraus. Heute iſt end - lich der merkwürdige Tag, der mich zu einigen Miniſtern und in Schuhe treibt. Ich habe aber Schuh - und Hoſenſchnallen zu Hauſe gelaſſen; willſt du mich nicht mit 2 Paar geliehenen an den Hofdienſt anſchnallen? Nachmittags eſſ’ ich ꝛc. ; ich muß alſo dem Eſſen die Mumien opfern, [ſo] ſehr auch beide bei den Aegyptern vereinigt geweſen. Aber den Sonntag-Abend geb’ ich nicht her, ſondern grüße mündlich ꝛc.
Mein theuerer Heinrich! Seit dem 30ten Mai bin ich hier, aber in keinem Heidelberg. Ich rechnete ſo lange am Wetter, bis ich gerade das ſchlechteſte getroffen, das ſich von den Tyroler Alpen noch Verſtärkung von Kälte und Gewölke holte. —
Nimm mit hiſtoriſchen Skeletten vorlieb, denn der Briefminuten bleiben mir wenige, von welchen noch dazu meine Frau ſo viele für ſich verlangt. — In Regensburg hatt’ ich mit Graf Westerholt, dem Freunde meines Primas, die hohe Stunde einer Todtenfeier des Ge - liebten. — In Landshut beſucht’ ich nur Köppen und ſeine Frau; ein blitzender Abend voll Philoſophie und Scherz. — Das Schönſte und Liebſte, was ich hier fand, war mein Max. Sein gelehrter und ſein moraliſcher Gehalt hat ſich hier verdoppelt. Mein Vaterherz kann dir mit keinem Worte ausdrücken, wie es ſich an dem reinen, heißen, wiſſensdurſtigen, beſcheidenen Jüngling erquickt und erfriſcht. Da er Morgen und Abends und noch öfter bei mir iſt: ſo iſt mir das ungemüth - liche München eine halbe Heimath. — Ein Umſturz des Wagens auf dem Wege nach Nymphenburg lieferte mir zum Wetterübel noch einen ſtarken Bruſtſchmerz, über welchen mein mitfahrender Max bitterlich weinte; — ſiehe den Dualiſmus! — Thiersch herrliche Naſe, Augen, Offenheit und alles hat mich für ihn erobert. Dein Loben hab’ ich ihm ausgeplaudert; wie ich überhaupt eine wahre Stadtklatſche von allem bin, was einer dem andern hinter dem Rücken nachſagt im Lobe. — Deine Briefe adreſſiere: abzugeben im Rochusgäßchen N. 1453 zwei Treppen hoch. — Zum Glücke wohne ich im Häuſerkreiſe vor der Stadt, der gerade die Gelehrten, folglich die Ausländer befaßt, z. B. Schlichte - groll, Yelin, Sömmering ꝛc. ꝛc. Die Inländer innerhalb brauchen ein Jahr, um meine Ankunft, und ein Jahrhundert, um mein literariſches Verhältnis zu erfahren. König und Königin werd’ ich nach ihrer Rück - kehr ſehen.
Das ſchlechte Wetter iſt mir in ſo fern lieb, als ich wegen der kranken Bruſt doch gutes nicht lange durch Gehen genießen könnte; und ſo empfiehlt ſich mir wieder die kranke Bruſt, da ich mit einer geſunden doch keine heitere Luft zu athmen bekäme. — „ Hohenbaum’s “Lungenſchlag -38 fluß muß es im Mſpt heißen. Wie gefällt dir der Traum über das All? — Den Damenkalender auf 1820 ſollteſt du doch leſen. — Von Byron hab’ ich nur den Mazeppa und noch ein Gedicht geleſen, wo er freilich nur als ein fliegender Engel, nicht als ein gefallner ſchreibt. — Ich ſah das glänzende Frohnleichnamfeſt; aber der Grimm über den Pfaffenunſinn erſtickt den äſthetiſchen und empfindſamen Genuß. Es iſt ſchön, einen König zum erſten male blos auf den Knieen zu ſehen; ein knieender König predigt feuriger als ein knieender Prieſter.
Deine trübe Nachricht über die mir unvergeßliche Koch hat mich im froheſten Briefe trüb geſtimmt; wie ſehr hat mich daher die frohere in deinem letzten erquickt. Grüße ſie und die herrliche Bürgermeiſterin; in ganz München findeſt du von ihnen nicht einmal einen löſchpapiernen Nachdruck. — Grüße die ſämmtlichen Paulus — und Schwarz — und Creuzer — und deine Kuſine und um recht zu ſchließen, Vater und Mutter und dich.
Schreibe bald!
Dein J. P. F. Richter
Max ſagt mir, kein runder Hut gelte am Hofe, ſondern ein eckiger, ob man gleich ſonſt alles Eckige dort wegzuſchleifen ſucht. Kann mir unſer Schlichtegroll ſein Dreieck leihen, damit ich nicht anſtoße? Unter Einen Hut werden wol leicht unſere 2 Köpfe zu bringen ſein.
Meine Karoline! Heute erſt erhielt ich deinen ſo lange und ſehnlich erwarteten Brief vom Freitage. Schicke nie an Tagen, die ich auf der Poſtkarte ausgeſtrichen, Briefe ab, weil da blos die fahrende Poſt ſie mitnimmt. — Im ganzen Jahre hab’ ich nicht ſo verdrießliche Tage gehabt als die Mehrzahl meiner hieſigen geweſen. Den blauen Himmel erſetzt mir keine Stubendecke. Rundum gäb’ es ſchöne Dörfer und Plätze, wenn man hinkönnte. Außerdem vergällt der Regen das Ausgehen; — und das Staatsvolk oder Münchnervolk iſt, wie ich vorausgeſagt, kein39 Frankfurter oder Stuttgarter Verein für Autoren. Zum Glücke wurde mir am vorvorigen Sonntage (den 4ten), ehe ich meinen Brief ab - geſchickt, einiger Troſt über das Naßwetter durch ein Wagenumſtürzen zu Theil, oder vielmehr der Regen verſüßte mir die Bruſtſchmerzen, weil ſie mich doch von nichts als nur vom Ausgehen in ſchlechtem Wetter abhielten. Es ſtieß nämlich der Einſpänner*)Unnützer Weiſe wurde mir die Beſchleunigung an einem ſchönen Sonntage, wo nur noch Einſpänner zu 2 fl. für einen halbſtündigen Weg zu haben waren, auf - gedrungen, weil die Königin ſchon „ präveniert “ſei worden — Mir grauſet vor der Länge des Erzählens., der mich nach Nymphen - burg zur Gräfin Taxis zum Anmelden bei der auf einige Tage ab - reiſenden Königin fahren ſollte, ſo an einen herfahrenden eingeſchlafnen Kutſcher an, daß die Deichſel zerbrach und mein Wagen um - und ich an Max fiel. Ich ſpürte den Fall anfangs etwas ſtark, da nach dem ſchweren Athmen die Lunge verletzt ſein konnte — und der gute Max weinte bitterlich — aber ich errieth bald, daß es nur Verletzung des Rippenfells war, fuhr noch nach Nymphenburg mit einer neuen Deichſel, (fand aber die Gräfin nicht) und ſprach abends in einer Geſellſchaft bei Schlichtegroll bis 12 Uhr unter ſtarken Schmerzen. Angerathenes Baden und Aderlaſſen gebraucht’ ich nicht, und ob ich gleich mehre Tage nach einem ½ſtündigen Gehen große Schmerzen, zumal Nachts emp - fand, ſo iſt das Übel doch meiſtens faſt ganz vorüber. Auch mein herr - licher Sömmering — nicht unweit von mir, der mich immer ſo gern zum Diſputieren hätte — beſtätigte mich. — Hier will ich doch gleich zur Königin zurück ... (Eben komm ich von einer wie die Welden licht - vollen Frau v. Venningen, Niece des Primas 〈 Dalberg 〉, her, wohin mich die liebe Lukrezia auf Anrathen der Fr. v. Lochner, der ich hier dafür danke, gebracht.) Da der Hofprediger mich auf Freitags, oder Sonnabends oder Sonntags zum Erſcheinen zwiſchen 12 und 1 geladen, ſo nahm ich natürlich den Freitag, beſann mich aber, da der König wieder zurück war, daß man doch geſcheuter zu ihm zuerſt ginge und thats auch, obwol zur ungewöhnlichen Zeit um 12. Bei ihm braucht man nichts, von 7 Uhr an bis 10, als ſich zu melden durch den Kammer - diener. Einen ſolchen weitoffnen, gutmüthigen, unbegehrlichen, an - ſpruchloſen, hausväterlichen König hab’ ich mir nie gedacht. Als ich ſagte: er ſehe geſünder aus als am Frohnleichnamfeſt, („ am ſchönſten einen König zum erſten male bei einem religiöſen Feſte zu ſehen, ein40 knieender König predigt beſſer als ein aufrechter Prediger “), ſprach er wie ein Proteſtant gegen die katholiſche Zeremonie ꝛc. ꝛc. Sein Dank an die Baireuter für die Aufnahme auf der Flucht — Sein Geſicht iſt meinem ähnlich, hat aber noch weit mehr Reize. „ Seine Frau, ſagt’ er, habe meine Büſte; ob ich ſie geſehen ꝛc. “ Hierauf ließ er mich bei ihr an - melden und ich ſah ſie im Salon. Sie iſt nicht ſchön, aber ſcharf - blickend, ruhig, ungeziert, ohne allen Stolz. Ich ſollte das Alter meiner Kinder nennen — langes Geſpräch über Verlobung mit der Feuchters - leben, deren Namen ich nicht ſogleich wußte, bis die Taxis ihn brachte — über Weimar, Herder und Adelbert Herder, der ſie mit Briefen ver - folgt — über Sand — ich pries den König, daß er, ſo wie Licht zuerſt geſchaffen wurde und darauf alles von ſelber entſtand, zu Baiern geſagt: es werde Licht — Leider lieſt ſie auch meine „ Chreſtomathie “wogegen ich ſprach. — Vieles mündlich! — Noch ſah ich ihre ſchönen Kinder nicht. Er und ſie geben keine beſondere Hoftafel, ſie eſſen blos an ihrem Familientiſche; folglich hab’ ich wenig Ausſicht zu öfterem Sehen. Du dachteſt dir überhaupt die Umgänglichkeit mit einem königlichen Hofe zu ſehr nach dem Maßſtabe der kleinen Höfe. — Schmidt, der Hof - prediger, deſſen Hofäußeres mich nicht ſehr einnimmt, hat mich mit Schlichtegroll auf 1 Tag nach Nymphenburg geladen; aber es kommt auf Wolken und Muße an, ſo wie auch bei dem Stahrenbergerſee, zu welchem H. v. Mann (welchem nebſt Schlichtegroll ich die meiſten Verbindlichkeiten habe) mich auf ſein Gut bringen [will]. Sein treff - licher Sohn macht der Mutter Ehre und dem Vater Freude. — Der guten Renate ſieht man die Jahre, und vollends deren Schmerzen ſehr an; Otto aber erſcheint deſto kräftiger und iſt wie immer, höchſt dienſt - fertig. Ein Aufſatz von ihm über den Handel, im Gewerbeblatt, iſt ſehr gut geſchrieben. Ich bring ihn mit. —
Geſtern war Bahrt endlich bei mir. Meine Karte mit der Wohngaſſe war verlegt, wie bei Lerchenfeld, der mich nun zu ſeinen Männerabenden bitten ließ. Morgen bin ich zur Venningen auf ein Mittageſſen um 4 Uhr eingeladen, welche Zeit mir mit einem vornehmen Zirkel droht. Aber die höhere Welt, die mir hier ſo wenig gefällt als der Mann der Venningen, ſoll mich mit ihren Strudeln nicht aus den gelehrten Zirkeln um mich her wegziehen; leider nur war der herrliche Roth aus dieſen verreiſet. —
41 Mehre ganze Tage war ich ſchon zu Hauſe; und dieß war dem wunden Rippenfelle recht geſund; nur ſtören die Morgen-Beſuche ſo abſcheulich und doch ſo ſchön wie der von Sömmering. Dabei liegen die Tiſche voll Bücher aus der Bibliothek und von Sömmering zum Exzerpieren — Die unorganiſchen Merkwürdigkeiten, die Parkplätze, die Gemälde, die Glyptothek ꝛc. hab ich auch noch nicht geſehen. Ich brauche ſo viel Zeit, daß ich nicht oft in das drei Stunden wegfreſſende Theater gehen werde. — Und doch ſchreib’ ich dir, liebe Karoline, Briefe, die viermal ſtärker ſind als deine. Warum biſt du ſo geizig mit Nachrichten, z. B. über deine Geldſachen in Berlin? Nur einiges zur Antwort auf dein Sedez-Brief - chen! Ich fragte nur aus Beſorgnis der Dieberei über den Wein; denn nur 1 Kapweinflaſche fand ich, ſonſt lauter Franzwein; hatteſt du mehr eingepackt, ſo iſts geſtohlen worden. — Mein Mantel ſchützte mich trefflich gegen die Kälte und das Abnützen des guten Überrocks wäre un - nütz geweſen; du nimmſt nur, wie immer, meinen Scherz zu ernſt. — Der ſeidne Schlafrock iſt hier bei dieſer Kälte und bei ſeiner Schönheit nicht mit Geld zu bezahlen; daher bekam ich ihn auch wirklich geſchenkt. — Laſſe mir jetzo, da (hoff’ ich) das alte Bier getrunken iſt, neues zu - gleich recht bitteres und helles Bier abziehen; es wird dir doch noch jemand anderes als mein unerkenntlicher Bruder rathen können. *)Laſſe die Weinflaſchen zählen und ſchreibe mir die Zahl.— Du könnteſt dich auch vor die Brief-Koffer ſetzen und mit Be [i] hülfe Odiliens, welche die kleinen Blättchen bei Seite würfe, unter den Folio - briefen die berliniſchen Penſiondekrete ausſuchen. — Von unſerem Max, der auch den von der Barner gebrachten Kaffée ablieferte, hab ich dir an unſern Abendnachtiſchgeſprächen, worauf ich mich kindiſch freue, noch viel Rührendes zu erzählen. Ende Auguſts kommt er mit Welden nach Baireut und muß wol 1 Monat bei uns bleiben. — [dick ausgestrichen: Emma ſoll mir lieber nicht ſchreiben als ſo flüchtig, ſo ſchlecht das folgende unleserlich] Lehrſt du ihnen denn noch das Franzöſiſche jeden Morgen? — Molento ſoll ſie gar nicht mit poetiſchen Aufſätzen martern. Das Schreiben lehrt ſich durch Leſen, und Emma könnte leichter ſeine — Lehrerin hier ſein; nur den vergeßnen Unterſchied zwiſchen das und daß erlerne ſie wieder. — Grüße Otto’s, Emanuel’s, die Welden, Lochner, Vitzthum und wer dir jetzo die meiſte Freude macht. — Über dein ſo künſtliches und mühſames Einpacken42 bin ich dankbar erſtaunt. — Hätt’ ich nur alles geſehen, damit ich nach Hauſe dürfte! Ohne Max hätte mich das Heimatfieber ſehr geſchüttelt. Jetzo kann mir das ſchönſte Wetter den idealen Glanz einer neuen Stadt nicht erſetzen. Lebe wol!
Dein alter Richter
Überſieh die Beilage nicht.
Täglich geh ich vor baireuter Retourkutſchen vorbei. Wenn ich auch jetzo noch nicht Zeit und Luſt habe: könnt’ ich doch einmal eine benutzen und — abfliegen. Sende mir daher mit dem erſten ſichern Kutſcher ein hölzernes Kiſtchen mit 6 Flaſchen Franzwein und 1 Krug Pomeranzen - roſoglio ſammt einem ordentlichen Frachtbrief. Dann bin ich frei.
Dein am Montage abgeſandter Brief kam geſtern an. Da Morgen erſt die Poſt abgeht, ſchick ich meinen durch [Seeligberger]. Zuerſt die Geſchäftſachen! Warum ſollſt du nach Ottos Rathe die 500 rtl. deiner Schweſter zu dir herbeſtellen und ſo Porto, Riſiko und Wieder - abſenden übernehmen? Doch muß Otto ſeine Gründe haben. Dank’ ihm in meinem Namen recht herzlich für ſeine ſo oft wiederkehrende Schreib - mühe. — Von Cotta hab’ ich zwei Wechſel auf Augsburg, jeden zu 500 fl., der eine vom 10ten Jun. in 4 Wochen zahlbar, der andere in 6. Frage erſtlich Emanuel, was er davon nehmen will; dann Schwabacher; dann Münch. Mein guter Cotta, dem das Verlegen bei Reimer auf eine freundſchaftliche Weiſe wehe thut, hatte gerade um 316 fl. ſich geirrt zu meinem Nachtheil. Gib doch ſeine Briefe Otto. — Meine treffliche Hausfrau bittet dich um das Küchenrezept zum Stollen, der allen un - geachtet ſeines Greiſenalters außerordentlich geſchmeckt. — Schlichte - groll will mit aller Gewalt mich hier einſpinnen durch eine Stelle bei der Akademie, die ich mit einer Beſoldung von 1000 oder 1500 fl. ſehr leicht haben könnte und in welcher etwa eine Vorleſung jährlich und eine Sitzung monatlich gefodert würde; aber mein Alter — das der Bruſt43 nachtheilige Klima — die Gegend ꝛc. ꝛc. ſprechen ganz dagegen; am ſtärkſten ſpricht dafür der Genuß des hieſigen Gelehrtenvereins. — Was ſoll ich den Kindern mitbringen? — Die Königin ſagte dem Herrn v. Mann, ich habe ihr ſehr gefallen. Irrig ſchrieb ich dir neulich über die Tafel; allerdings eſſen König und Königin an einer Hoftafel, wozu nur Geheimräthe, Präſidenten ꝛc. taugen; die für mich alſo keine Hoffnung des leeren Raums laſſen. In Sanssouci dachte eine andere Königin anders. — Herrliche Sprech - und Singabende hatt’ ich ſchon bei Schlichtegroll und Yelin; nur reichen ſie leider zuweilen über 12 Uhr hinaus. Ich ſchlug daher ſchon 2 Thées, noch dazu bei Damen aus (Frau v. Mettingh und Frau v. Schaden); und kam auch noch nicht zu den ſpäten Abenden Lerchenfelds (der mich doch auf Morgen zum Mittag einladen ließ), und ja ſogar zu denen meines geliebten Sömme - rings, um mich nicht durch Reden aufzureiben. Ich bin hier ganz geſund (ohne Diarrhöe und Brechen) und außerordentlich hungrig; die Bruſt - wunde ſchwindet täglich mehr. Mir und Maxen ſchmeckt unſer gutes Mittageſſen zu 21 kr. wetteifernd. — Gott ſchenke mir nur zum Reiſen ſchönes Wetter. — Eigentlich ſpar’ ich hier; nur aber die Zeit nicht. Abends iſt eine Milch - oder Mehlſuppe alles; doch trieben wir beide es einmal zu Einer großen Bratwurſt mit ſchlechten Erdäpfeln.
Über Augsburg geh’ ich blos des erträglichern Weges halber zurück. Ich muß den alten Kutſcher wiederhaben. Laſſe ihms auf einige Wochen vorausſagen. Durch Augsburg paſſier’ ich nur. — Grüße was uns liebt. Barth thut alles Beſte für Wagner, ſo auch Niethammer. Jener reiſet ſeinetwegen ſelber nach Augsburg. — Möchte doch Gott dir, geliebtes Weib, die Freude eingießen, die du immer an andere austheilſt, und möchte ſie, wenn ſie da iſt, nicht ſo leicht verfliegen!
Dein Richter
Das Wetter iſt ſtundenweiſe lichter und weniger rauh; und theilt es mir mit. Aber ach, wo iſt ein Miedels-Garten?
(Zu Montgelas wollt’ ich ſchon längſt; nur wohnt er auf ſeinem Gütchen; denn ihm hab ich doch die Penſion zu danken.)
Zentner kommt vielleicht an Thürheims Stelle.
Poſtſkript: In Heidelberg trank ich die Freuden aus dem Heidelberger Faſſe; hier aus einem und dem andern Vexierbecher.
Durch Gutes-Thun kann der Menſch jeden Tag zum längſten machen und durch Wahrheit-Suchen jede Nacht zur kürzeſten.
Auf dem Duplo-Blatt:
Zum Andenken für H. Mörtl und ſeinen Freund Waltenberg — Zum Andenken für H. Waltenberg und ſeinen Freund [Mörtl].
München d. 21. Jun. oder am längſten Tage 1820 [Mittwoch]
Für einen Brief voll ſo inniger und heiliger Liebe wie dein letzter war, meine geliebte Karoline, laſſ’ ich mich gern umwerfen und verwunden; was iſt ein körperliches Drücken und Spannen in der Bruſt gegen das geiſtige Erweichen und Löſen in ihr? Habe tauſend Dank für