PRIMS Full-text transcription (HTML)
0129
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Freitag
Nr. 17.
17 Januar 1840.

Großbritannien.

Ueber die von uns schon vor mehreren Tagen mitgetheilten wichtigen Berichte aus China äußert das ministerielle M. Chronicle: Ueber das Benehmen der chinesischen Behörden kann, auch wenn man es in dem für sie günstigsten Lichte betrachtet, in England wohl nur eine und dieselbe Ansicht herrschen. Die Auslieferung eines brittischen Unterthanen verlangen, um mit ihm nach chinesischen Gesetzen zu verfahren, das ist eine Forderung, deren Zugeständniß von englischer Seite beispiellos gewesen wäre. Selbst wenn der Verüber des angeblichen Mordes hätte entdeckt werden können in dem fraglichen Falle war es nicht möglich wäre dessen Auslieferung an die Chinesen von Seite Capitän Elliots nicht zu rechtfertigen gewesen. Der zweite und noch gewaltsamere Frevel der Chinesen hat nicht einmal einen Schatten von Rechtfertigung für sich. So bleibt demnach unserer Regierung nur Ein Weg offen: sich umfassende Genugthuung für die von den Chinesen verübte monströse Unbild zu verschaffen. Brittische Unterthanen müssen geschützt werden vor der Ungerechtigkeit, das muthmaßliche Verbrechen Eines Individuums an einer ganzen Gemeinschaft heimzusuchen, die anerkanntermaßen unschuldig ist. Die Hauptfacta des Falls erscheinen zureichend begründet, um sofort zu raschen und wirksamen Abhülfsmaaßregeln zu schreiten.

Der Hauptherd des Chartismus ist fortwährend die Stadt Birmingham, wo ein gewisser Fushell und der unlängst zum Abgeordneten in den Nationalconvent gewählte Brown bei den Arbeiterversammlungen im Bullring, die trotz der Warnungen des Magistrats ihren Fortgang haben, sich als die ärgsten revolutionären Schreier auszeichnen. Zugleich besteht in Birmingham ein chartistischer Weiberconvent the female political union der seine eigenen Versammlungen hält, in denen des Abgeschmackten und Lächerlichen nicht wenig vorkommt. Ein Hr. Cardo und Thomas Clutton Salt (Salz) oder, wie er unlängst von O'Connell in dessen Katalog chartistischer Demagogen genannt wurde: der gepöckelte Jüngling (the pickled youth) scheinen, an der Stelle des eingekerkerten Vincent, die Leitung der Debatten dieser weiblichen Radicalen übernommen zu haben; ein Amt, das keine Sinecur seyn soll.

Die Agitation in England und Schottland gegen die Korngesetze wird in dem Maaße lebhafter, als die Eröffnung des Parlaments näher rückt. Versammlungen dagegen (anti-corn-law meetings) haben in den letzten Tagen in Edinburg, Nottingham, Leith und Stockport stattgefunden. In beiden letztern wurden nachdrückliche Petitionen an das Parlament beschlossen, in den zwei erstgenannten Städten hingegen gelang es den Chartisten, die Zwecke der Einberufer der Meetings zu vereiteln. In Edinburg namentlich brauchten die Chartisten die List, alle Einlaßkarten, deren Preis absichtlich ganz niedrig, auf 6 Pence, gestellt war, wegzukaufen, und so den Saal fast ausschließlich mit ihren Anhängern zu füllen. Die Chartisten sind der Mehrzahl nach bekanntlich Gegner der Aufhebung der Korngesetze, indem sie von der Idee erfüllt sind dem Chronicle zufolge wäre sie ihnen von den Tories beigebracht daß ohne gleichzeitige Abschaffung aller Verbrauchssteuern eine freie Korneinfuhr den arbeitenden Classen nur nachtheilig seyn würde eine Meinung, welche die Whigblätter paradox finden. In Manchester hat man zu der bevorstehenden großen Demonstration gegen die Korngesetze die umfassendsten Anstalten getroffen, namentlich einen eigenen Pavillon errichtet und glänzend ausgeschmückt.

Was den Tories an Lord Mulgrave (nunmehrigem Marquis v. Normanby) so oft ein Aergerniß war, ist nun auch von Seite des jetzigen Lordstatthalters von Irland, Lord Ebrington (Fortefeue), geschehen: er lud am 2 Januar Hrn. Daniel O'Connell bei sich zu Tisch. Sofort will die orangistische Dublin Evening Mail allen Edlen und Gentlemen des Landes verbieten, den Speisesaal Sr. Exc. noch ferner zu betreten; denn, sagt sie, Lord Ebrington hat durch diese Einladung jeder Sylbe der beispiellos schändlichen revolutionären Agitation, womit O'Connell seit vierzehn Tagen, einen Tag um den andern, selbst den Sabbath nicht ausgenommen, das Publicum überschüttet, das vicekönigliche Siegel aufgedrückt.

Am 5 Jan. starb in Penzance, einem Städtchen in Cornwall, ein edler Mann: Baldwin Duppa Duppa Esq., der Hauptgründer der in ihrer Wirksamkeit bereits so segenreichen Central-Erziehungsgesellschaft, so wie auch der landwirthschaftlichen Schule in der Grafschaft Kent, der ersten dieser Art in England. Zeit, Kraft, Gesundheit und Vermögen widmete er diesen edlen Zwecken.

0130

Der torystische Courier bemerkt, es liege nachgerade zu Tage, daß die Versicherungen ewiger Freundschaft und Anhänglichkeit, mit denen die liberalen Regierungsmänner von England und Frankreich vormals so laut gewesen, das Schicksal anderer leichtsinnigen Liebesschwüre theilen; Jupiter ex alto perjuria ridet amantum. Die französische Presse, sagt der Courier, fließt über theils von giftigen Invectiven, theils von kühlern und überdachtern Abmahnungen gegen die englische Allianz, nicht etwa die legitimistische, oder die republicanische, oder die Juste-Milieu-Presse allein, sondern mehr oder minder die Presse aller Parteien und Meinungsschattirungen. Und wie die französische Presse, so die französischen Staatsmänner, wenn auch seltener und in einem Tone, der gehaltener, dabei aber auch um so gewichtiger ist. In der orientalischen Frage haben wir Hrn. Guizot mit Hrn. Berryer fraternisiren sehen; beide sympathisiren darin mit Rußland, und einer ist so sehr wie der andere Englands Politik und Ansichten entgegen. Und doch war unter allen Staatsmännern Frankreichs der große doctrinäre Führer, wie am ersten, so auch am längsten der treueste Schutzredner des englischen Bündnisses gegen den wüthigen Haufen von Carlisten, Republicanern und Napoleonisten, von denen dieses Bündniß begeistert und gelästert wird.

Alle Welt wundert sich über die dießjährige beispiellose Verspätung der amerikanischen Präsidentenbotschaft.

Frankreich.

(Sonntag.)

Der Temps gibt folgendes Resumé über die auch in unserer unten folgenden Correspondenz näher berührte Sitzung der Deputirtenkammer vom 11 Jan.: Marschall Soult verlas zuerst auf der Tribune eine kurze Darstellung der Politik des Cabinets. Dieses Manifest ist vag im Ausdruck, dunkel im Gedanken, und in der Angabe der Thatsachen übermäßig lakonisch. Man konnte in der Sprache des Conseilpräsidenten die Verlegenheit nicht verkennen; die Kammer hörte ihn mit einer Neugierde an, der einige Unruhe beigemischt war, und nachdem er gesprochen, war weder die Unruhe zerstreut, noch die Neugierde befriedigt. Hr. Carné, der ihm folgte, spielte in seiner Rede auf die seit zwei Tagen verbreiteten Gerüchte an, die alle Gemüther der Kammer während dieser ganzen Erörterung vorzugsweise beschäftigten: Sind wirklich Rußland und England mit einander einig geworden, um uns auf die Seite zu schieben? Soll sich die orientalische Frage ohne uns auflösen? Soll das Protectorat der Russen mehr als jemals auf der Türkei lasten? Soll der Pascha von Aegypten halb geopfert und für seinen Sieg gestraft werden? Dieß fragte sich Jedermann, während die verschiedenen Redner auf der Tribune erschienen. Gleichwohl hörte die Kammer mit großer Aufmerksamkeit und vielem Beifall eine sehr schöne Rede des Hrn. Mauguin über die Lage Frankreichs inmitten der großen Weltmächte, über die beständige Vergrößerung Englands, Rußlands, Preußens, Oesterreichs, über unsere stationäre Haltung und sonach über unsere relative Schwächung. Eine Rede des Hrn. v. Lamartine war nicht im Stande, den durch die Wahrheiten in der Rede des Hrn. Mauguin hervorgebrachten peinlichen Eindruck zu mildern. Hr. v. Lamartine entwickelte neuerdings sehr glänzend seine Theorie der Theilung des Orients, und beschuldigte das Ministerium, es habe den Ehrgeiz der andern europäischen Mächte nicht dahin zu benützen gewußt, an einer Zurücknahme der Tractate von 1815 und an der Wiedergewinnung unserer Rheingränze zu arbeiten. Zu gutem Glücke traf Hrn. Villemain die Widerlegung dieses Systems, der sich dieser Aufgabe mit Erfolg bemächtigte. Gestern hatte sich der Minister des öffentlichen Unterrichts gewandt und geistvoll gezeigt, heute war er beredt. Es war leicht für ihn, den Satz aufzustellen, daß wenn Frankreich das Zeichen zur Theilung des osmanischen Reichs gäbe, es das Recht und vielleicht die Macht gegen sich haben würde. Uebrigens war der Minister des öffentlichen Unterrichts, der in der That, wenn auch nicht der Chef des Cabinets, doch der Redner desselben ist, nicht offener über die neuern Acte der Diplomatie, als der Marschall Soult. Er schloß seine Rede bloß mit der Aeußerung, daß das Zusammenhalten Englands und Rußlands nicht in der Natur der Dinge liege, und daß die Engländer sich immer des Ausspruchs einer ihrer Staatsmänner erinnern würden: Wer Konstantinopel und das baltische Meer besitzt, wird Herr der Welt seyn. Die späte Stunde hinderte Hrn. Thiers, das Wort zu nehmen. Ihm bleiben für die nächste Sitzung die wichtigsten und kitzlichsten Punkte zur Verhandlung übrig. Wir wünschen, daß aus seiner Rede für alle Politiker mehr Sicherheit, für Frankreich mehr Vertrauen in seine gegenwärtig sehr erschütterten Allianzen resultire, und hoffen, die Rede dieses Staatsmanns werde diesen glücklichen Erfolg und diesen nützlichen Nachklang haben.

(Commerce.) Hr. v. Chasseloup-Laubat, einer der 221, hat in der Kammer ein Amendement zu dem letzten § der Adresse vertheilen lassen, dessen Sinn ist, daß Frankreich seit zehn Jahren eine Nationaldynastie und eine parlamentarische Regierung errungen habe, während die Ausdrücke des Adreßentwurfs zu verstehen geben, daß dieser doppelte Zweck noch nicht erreicht sey. Man erwartet eine lebhafte und wichtige Debatte über dieses Amendement, das in der That die wahre, zwischen der Opposition und dem unveränderlichen System aufzulösende Frage herausstellt.

(Commerce.) Hr. Passy hat auf der Tribune förmlich erklärt, daß die Presse keine Geldunterstützungen erhalte. Wir antworten darauf: die Presse erhält zwar amtlich, wie in den Zeiten der früheren Ministerien geschehen ist, keine Unterstützungen mehr, aber sie erhält eine Art von Beisteuer, die wenigstens eben so viel ausmacht. So besoldet z. B. das Ministerium bei den Departementaljournalen die Hauptredactoren. Wir könnten die Namen der zu diesem Geschäfte von Paris abgegangenen Individuen nennen. Auch genießen diese Agentschaften mehrere Postvergünstigungen.

In der Sitzung der Pairskammer am 11 Januar brachte der Seeminister mehrere Gesetzesentwürfe ein. In Abwesenheit des Finanzministers verlas auch Admiral Duperré einen Gesetzesentwurf über die Entschädigung von St. Domingo, und im Namen des Ministers der öffentlichen Arbeiten einen Gesetzesentwurf über die Classificirung mehrerer königlichen und Departementalstraßen. Der Handelsminister verlas einen Gesetzesentwurf in Betreff der in den Fabriken arbeitenden Kinder und im Namen des Ministers des Innern 18 Gesetzesentwürfe, Modificationen in der Wahlcircumscription für die Wahl der Mitglieder der Generalconseils betreffend, endlich im Namen des Siegelbewahrers einen Gesetzesentwurf über gerichtliche Verkäufe.

Tal-at-Effendi, von dem es einmal hieß, er würde als Gesandter der Pforte nach London gehen, ist von Paris nach Konstantinopel abgereist. Pariser Blätter wollen wissen, daß er dort seine frühere ministerielle Stellung wieder einnehmen werde.

Die Gazette de Tribunaux meldet von einem Conflict, der in Algier zwischen der gerichtlichen und der militärischen Behörde ausgebrochen, in dessen Folge Hr. Chais, Generalprocurator0131 von Algier, nach Frankreich zurückgekehrt sey und sich weigere, seinen Posten wieder aufzunehmen.

Ein Schreiben aus Algier sagt: Der hohe Preis der Lebensmittel hat sehr viele Colonisten bewogen, nach ihrer Heimath zurückzukehren. Jeden Tag segeln solche Ansiedler nach Frankreich, Spanien und Italien zurück. Die Folge davon ist, daß die Bevölkerung Algiers sich um 300 Individuen vermindert hat, obwohl 4 bis 500 Colonisten aus der Metidscha nach der Stadt zogen. Wir bezahlen für 100 Kilogramm Kartoffeln 35 Fr. und 50 Fr. für eben so viel Holzkohlen. Der Preis des Fleisches ist noch nicht gestiegen, wird aber bald hoch zu stehen kommen, da die Zufuhr aus dem Innern unterbrochen ist.

Die zwei ersten Verhandlungen über den Adreßentwurf in der Deputirtenkammer werden zwar auf die eigentlichen Angelegenheiten des Landes keinen Einfluß üben, allein sie sind wichtig für diejenigen, welche sich gleich beim Anblick der Kammersitzung ein Bild ihrer muthmaßlichen ferneren Gestaltung machen wollen. In der ersten Sitzung hatte das Ministerium nur auf den buntscheckigen Vortrag des Hrn. Desmousseaux zu antworten, der sich eingeschrieben hatte gegen den Adreßentwurf, und für denselben sprach. Seine Rede war ein witziges Salongespräch mit sich selbst, ohne Plan und ohne Ziel. Das Ministerium antwortete auf die vereinzelten Neckereien mit dem großen und bereit gehaltenen Argument: Wir haben aus wahrer Anhänglichkeit an das öffentliche Wohl das Ministerium übernommen, in einem Augenblick der Gefahr und Aufregung, wir haben Gesetze vorbereitet, die das Landeswohl erheischt, wie z. B. die Rentenverminderung und die Abschaffung oder Regulirung des Aemterverkaufs; wir haben die Subvention der Presse abgeschafft und uns vor aller unehrlichen Börsenspeculation und dem Krebsschaden des Nepotismus fern gehalten; wir sind also ein parlamentarisches und ergebenes Ministerium, unsre Absichten sind rein, und vor Allem, wir sind ehrliche Leute, wir verlangen von der Kammer selbst eine ausdrückliche Erklärung, ob wir gehen oder bleiben sollen. Solche Argumente verfehlen ihre Wirkung nicht leicht vor einer großen Versammlung, und ragen siegreich über unzusammenhängende Angriffe der persönlichen Meinungen hervor; auch war der Triumph in dieser ersten Sitzung unläugbar auf Seite der Minister, wiewohl sie in der Form ihrer Reden weder Demosthenes noch Cicero zum Gewährsmann hatten. Garnier-Pages war in seinen Bemerkungen wie gewöhnlich sarkastisch und geistreich, allein ohne Schluß und ohne große Wirkung. Von dem Zwischenact, den der Generalprocurator Dupin so unzeitig und anstößig in die allgemeine Verhandlung geschleudert, rede ich nur mit dem größten Widerwillen. Es ist einem edlen Herzen, zu welcher Partei man auch zähle, natürlich, den Begnadigungsact des Fürsten und dessen wohlwollendste Vollziehung von Seite des Ministeriums zu genehmigen, zu loben, zu begünstigen. Nur in der engen Brust und dem kleinen Gemüthe dieses überlebten Neiders konnte der Gedanken aufsteigen, seinen glücklichern Collegen, Teste, einst Advocat wie er, zu chicaniren, weil er den zur Zwangsarbeit begnadigten Barbés, statt auf die Galeere, in das strenge Gefängniß nach Deullens gebracht hat. Nichts wird fortan den gänzlichen Fall Dupins mehr verhindern können, keine Täuschung, keine Nachsicht mehr für ihn; mit der Glorie seiner äußern Stellung in der Kammer ist der Nimbus verschwunden, in dem ihn die Versammlung und die öffentliche Meinung erblickte, und schnell werden sich beide durch Vergessen wegen des augenblicklichen Weihrauchs rächen, den sie einem so innerlich leeren, so falschen Götzen gestreut haben. In der gestrigen Sitzung war die Reihe an den Parteien selbst in der Kammer. Den eigentlichen Kampf eröffnete Duvergier de Hauranne mit einem langen geschriebenen Vortrag, der inmitten einer großen Weitschweifigkeit und Losheit schlüssige Gedanken und ein berechnetes Ziel blicken ließ. Duvergier de Hauranne ist Doctrinär und spricht pro domo, er will den Sieg seiner Partei, und indem er das Zerwürfniß, die Zersplitterung aller Parteien in der Kammer darlegt, beabsichtigt er Einigkeit und Frieden in dem Sinne, daß die Linke dem Doctrinarismus weiche und dieser über allen Parteien, wie der Geist über den Gewässern, schwebe. Die Partei, die bei dieser Lösung am wenigsten ihre Rechnung fände, ist die dynastische Linke; auch trat ihr Führer, Odilon Barrot, mit einer Erwiederung gegen Duvergier de Hauranne auf. Auch Odilon-Barrot war, wie immer, prolix, zerfließend und nebelhaft zerfahrend, allein diese seine herkömmliche Eigenschaft war dießmal weniger als je durch Plan, Farbe, Zweck und Berechnung gemäßigt; eine peinliche Ermüdung war der Eindruck einer Rede, die das im Innern schon längst schlummernde Gefühl der Zuhörer einen Schritt näher an die Oberfläche einer bestimmten Meinung und zu der deutlichen Frage brachte: was mag wohl Hr. Barrot wollen und von jeher gewollt haben? Sobald diese Frage laut geworden ist, wird Odilon Barrot sich vergeblich nach einer Antwort umsehen, es wird zu spät seyn. Es reicht in der Politik nicht hin die Ehrlichkeit eines guten Familienvaters zu haben, die Politik erheischt vor Allem Ideen und Grundsätze; die größte Tugend, die höchste Rechtlichkeit in ihren Augen ist, diese Ideen, diese Gedanken nie verläugnet, sie stets mit klarer, bewußter Folge und Schärfe vertheidigt zu haben. Odilon Barrot aber steuert mit doppeltem Winde und fährt zwischen zwei Strömungen; er ist zu viel als Ministerieller, er ist zu wenig um als Oppositionsführer zu gelten; mit all seiner Vorsicht, niemals unmöglich zu werden, wird er inmitten beider Fahnen verlassen stehen, und von beiden gleich mißachtet werden. Die gestrige Verhandlung war ein neuer Beweis der Schwäche Barrots; die Wahlreform erschreckt das Ministerium; alsbald läßt der Redner diese Schreckniß in eine entferntere Zukunft hinausrücken und zerstört so mit muthwilliger Hand den Zauber einer Neuerung, die er selbst vor wenigen Tagen erst auf seine Oppositionsfahne geschrieben hatte. Kein Wunder, daß das spitze Wort Villemain's mehr Anklang fand als Odilon Barrots Vortrag. Villemain hatte keine neuen Eingebungen nöthig, um die Oberhand zu erhalten, er brauchte nur die Blößen seines Vorgängers zu benutzen, und das hat er mit entschiedenem Uebergewicht gethan. Zuletzt noch brach der ritterliche Alonzo-Salvandy eine Lanze für seinen theuern 15 April. Ihr seyd wackere Leute, sagte er dem 12 Mai, aber ihr taugt keinen Deut für das Land; ihr habt Frankreich durch euer Auftreten einen großen Dienst erzeigt; erzeigt ihm jetzt den größern und geht ... damit der 15 April wieder an eure Stelle komme! Soweit diese erste Begegnung auf parlamentarischem Schlachtfelde. Es geht daraus nur so viel deutlich hervor, daß jede Partei ihre Fahne in die Höhe hält und die Schaaren zu sich ruft. Krieg Aller gegen Alle, ist der Gesammteindruck ihrer Haltung.

Die seltsamste Erscheinung in der gestrigen interessanten Kammerverhandlung war die des Marschalls Soult, der als Minister der auswärtigen Angelegenheiten bei dem Paragraphen des Orients glaubte, etwas sagen zu müssen, aber in der That nichts sagte, und auf seinen Platz zurückkehrend die Verhandlung den übrigen Rednern und die Vertheidigung der ministeriellen Politik dem Minister des öffentlichen Unterrichts, Hrn. Villemain, überließ. Das eigenthümliche Interesse dieser Verhandlung lag nicht allein in dem,0132 was man laut aussprach, und der Gewandtheit der einzelnen Redner, es gründete sich auch auf eine gewisse Befangenheit der Versammlung, die von noch unklaren Gerüchten einer Annäherung zwischen Rußland und England gehört hatte, und jeden Satz der gehaltenen Reden mit diesem Gerüchte in Verbindung brachte, ohne daß irgend jemand dasselbe offen berührte. Eine Einwirkung dieses Gerüchts war z. B. unverkennbar in der Rede Mauguins, war klar ersichtlich in der geistreichen und treffenden Antwort Villemains gegen Lamartine und dessen russische Politik England und Rußland, so erzählte man sich, haben sich über die orientalische Frage vereinigt und Frankreich von aller Theilnahme an derselben ausgeschlossen. Die Erwiederung auf eine solche Behauptung lag ganz nahe, und Hr. Villemain hat sie gegeben: hat Rußland auf seine Entwürfe verzichtet, und will es nicht mehr, was es bisher gewollt? Oder aber will England plötzlich, was Rußland will? Das eine ist so unwahrscheinlich wie das andere; in welcher andern Unterstellung aber könnte von einer ernstlichen, dauernden Freundschaft zwischen jenen beiden politischen Antipoden die Sprache seyn! Mauguin hat, seiner alten Gewohnheit gemäß, die Karte von Europa, Asien und Afrika durchmustert; er findet, daß alle Mächte Europas, Rußland wie England, Oesterreich wie Preußen sich zum Nachtheil Frankreichs vergrößert und in ihrer Stärke befestigt haben, und daß Frankreich einen energischen, entscheidenden Entschluß fassen muß, um sich auf gleichen Rang mit diesen Mächten zu schwingen und sich darin zu behaupten. Was wir vor einigen Wochen aus dem Munde Lamartine's vernommen, hat er auch gestern wieder vorgebracht: Theilung der Türkei, und da Frankreich bei dieser Theilung natürlich zu kurz komme, Entschädigung desselben durch Aufhebung der beschränkenden Verträge von 1814 und 1815 ein Capitel, das seit neuester Zeit immer wiederkehrt und bei dem der Sinn der Nation mit Vorliebe verweilt. Die Verhandlung ist nicht geschlossen: der erste Redner, den wir jetzt vernehmen werden, ist Hr. Thiers, seine Meinung ist von großem Interesse; wir werden ihn morgen hören. Während im Palais - Bourbon die Deputirten über den Adreßentwurf sich streiten, werden die politischen Gefangenen nach der Pairskammer gebracht, wo ihrer in zwei Tagen die öffentliche Verhandlung harrt.

Die Reden der drei Minister Dufaure, Passy und Teste in der Sitzung vom 10 haben sowohl ihren Collegen als am Hofe mißfallen, und es ist seitdem fortwährend die Rede von der Nothwendigkeit, das Ministerium durch Zuziehung eines fähigen Redners zu verstärken. Das einzige Mitglied des Cabinets, welches einigermaßen als Redner gelten kann, ist Hr. Villemain, der aber bei weitem nicht die HH. Thiers und Guizot erreicht. Den letzten Gerüchten zufolge soll nach der Entscheidung über die Adresse Hr. Teste austreten, und durch ein anderes Amt entschädigt werden; unter den übrigen Mitgliedern des Cabinets soll dann eine Aenderung der Rollen in der Art vorgenommen werden, daß Hr. Guizot ins Ministerium des Innern eintrete (als Vorbereitung zu einem späteren Cabinet, das ausschließlich aus seinen Freunden zusammengesetzt würde). Hr. Guizot hat aber erklärt, bevor er in das bestehende Ministerium eintrete, wolle er in der Kammer sich einer hinreichenden Anzahl von Stimmen versichern, die eine sogenannte Regierungspartei bildeten, und die Maaßregeln des Cabinets sanctioniren würden: er glaubt, die Zahl derselben, mit Einschluß seiner Freunde (der Doctrinärs), auf 260 bis 270 zu bringen. Wahrscheinlich glückt dieses Unternehmen; denn viele Mitglieder der einzelnen Fractionen, in die jetzt die Kammer zersplittert ist, sind dieser unendlichen Zerstückelungen müde, und werden gern sich einer größern Fahne anreihen, sobald Hr. Guizot seinerseits keine der gewaltsamen Maaßregeln aufs Tapet bringt, die man ihm stets zum Vorwurf macht. Ueberhaupt, wie ich Ihnen bereits neulich angedeutet habe, ist die Stimmung vieler Deputirten dermalen viel günstiger für Hrn. Guizot als früher, wozu noch kömmt, daß Hr. Thiers beinahe gar keine Anhänger mehr in der Kammer zählt. Die Rede des Hr. Mauguin, über die auswärtigen Angelegenheiten, in der Sitzung von gestern, wird von allen dem Cabinet entgegengesetzten Parteien als glänzend betrachtet; dennoch erwarten selbst die Mitglieder der Opposition eine große Stimmenmehrheit für die Annahme der Adresse, da alle ehemaligen 221 und alle Doctrinärs dafür stimmen werden, weil die Mitglieder der Commission beinahe alle diesen beiden Fractionen angehören. Die Debatten werden noch die Sitzungen von morgen und übermorgen ausfüllen. Morgen wird Hr. Thiers sprechen; aber Niemand glaubt, daß seine Ansichten sich einer Stimmenmehrheit werden zu erfreuen haben, besonders da Hr. Guizot sicher nach ihm noch auftreten wird. In der Sitzung vom 10 machte der Deputirte v. Chambolle, der Opposition angehörig und Hauptredacteur des Siècle, dem Ministerium einen Vorwurf in Betreff der Subvention der Journale; seitdem hat der Finanzminister Hr. Passy mehreren Mitgliedern der Opposition augenscheinlich gemacht, daß Hr. Chambolle sein Blatt dem Cabinet gegen eine gewisse Summe angeboten habe; das Ministerium habe aber dieses Anerbieten von sich gewiesen. Diese Aeußerung des Hrn. Passy findet allgemeinen Glauben, besonders da verschiedene Processe den bedrängten Finanzzustand des Siècle zur Kenntniß des Publicums gebracht haben; zugleich erklärt sie die vor einiger Zeit allgemein bemerkte Tendenz des Siècle zum Vortheil des Ministeriums, die in der letzten Zeit wieder verschwunden ist, oder sich wenigstens sehr vermindert hat.

Das Dampfboot Sphinx hat diesen Morgen auf unserer Rhede Anker geworfen. Es verließ Algier am 5. Marschall Valée ist am 4 von Belida, dem Lauf der Chiffa folgend, nach Coleah abgegangen; man erwartete ihn am 6 in Algier. In dem Gefecht am 31 Dec. wurden der Obrist und der Obristlieutenant der Chasseurs d'Afrique verwundet und der polnische Lieutenant Skiof getödtet. Das 2 leichte Infanterieregiment griff die Araber mit dem Bajonnet an, wurde auf einer Entfernung von 15 Schritten durch eine Salve empfangen, verlor aber nur einen Todten und 10 Verwundete durch dieses erste Feuer. Dasselbe Regiment nahm die Kanone und die drei Fahnen. Der erwähnte polnische Officier hatte bereits drei arabische Reiter mit eigner Hand getödtet und warf sich eben auf den vierten, als er eine Kugel in den Kopf erhielt. Am 1 Januar kamen die Araber auf das Schlachtfeld des vorhergehenden Tages, um ihre Todten zu holen. Einige Flintenschüsse reichten hin, sie zu verjagen. Das schöne Wetter, das man seit 20 Tagen in Algier hatte, wurde am 4 wieder durch Regen und Gewitter unterbrochen.

Niederlande.

Der König wird die Dimission des Finanzministers, Hrn. Beelaerts van Blokland, annehmen, denselben aber zum Staatsminister ernennen; außerdem wird Hr. Beelaerts van Blokland Mitglied des Staatsraths, wie früher, bleiben. Die in unserm Militärwesen einzuführenden Einschränkungen werden namentlich durch Beurlaubungen der Mannschaften bereits in Vollzug gesetzt. Aus einigen Garnisonsstädten wird schon über die starke Verminderung der Garnisonen geklagt. Auch die hier garnisonirenden0133 Abtheilungen Grenadiere und Jäger sollen jede auf ein Bataillon reducirt werden.

Deutschland.

Se. Maj. der König geruhte heute in feierlicher Audienz die Deputation zu empfangen, welche Allerhöchstdenselben die von der Kammer der Reichsräthe beschlossene Dankadresse auf die königliche Thronrede zu überreichen die Ehre hatte. Diese von Sr. Maj. auf das huldreichste beantwortete Adresse lautet wie folgt: Allerdurchlauchtigster, großmächtigster König, allergnädigster König und Herr! Zum achtenmale seit wiederbelebtem Ständewesen, sieht sich die treugehorsamste Kammer der Reichsräthe zu Ausübung ihrer grundgesetzlichen Obliegenheiten berufen. Wie immer, so auch dießmal sind ihre ersten Worte der ungeheuchelte Ausdruck reinster Anhänglichkeit und Unterthanentreue. Ew. kön. Maj. haben den, unter Allerhöchstihrem Scepter vereinigten Ländern jene Namen wiedergegeben, deren uralter Glanz längst untergegangen schien im Strome der Ereignisse. Auch mit diesen Namen werden die Bayern aller Kreise, Glieder Einer Familie, Kinder Eines Vaters bleiben. Der geschichtliche Boden ist wahrlich ein fester, ja der einzige Ausgangspunkt nachhaltiger Verbesserungen. Zudem haben um das erweiterte Reich der Wittelsbacher Einheit des Herrscherthums, gemeinsamer Ruhm, großartige Regierungsmaaßregeln, und eine, aus dem freien Entschlusse der Krone hervorgegangene Verfassung das unauflösliche Band dankbaren Bayersinnes geschlungen, und wie die Liebe Ew. kön. Maj. alle Ihre Unterthanen umfaßt, so stehen Bayern, Pfälzer, Franken, Schwaben festgeschaart um den Thron, freudig bereit, Gut und Blut für den gottgegebenen Herrscher, für das Vaterland und für beschworenes heimisches Recht darzubringen. In dem Maaße, in welchem des Volkes Wohlfahrt steigt, ernten Ew. kön. Maj. eine schöne und hochlohnende Frucht der rastlosen Sorgfalt, welche Allerhöchstsie dem erhabenen Herrscherberufe widmen. Die zu des Landes Frommen und Schutz begonnenen Werke werden auf die Nachwelt übergehen, als sprechende Zeugen der thatenreichen Regierungsepoche Ew. kön. Maj. Der Zollverein, dieses Bündniß voll Bedeutsamkeit und Zukunft, verfolgt ruhigen, aber sichern Schrittes die Bahn seiner Entwickelnng. Nicht bloß auf die materiellen Interessen zurückwirkend, bezeichnet er einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des deutschen Volkes, und mit gerechtem Stolze sieht der Bayer den Namen seines Königs aufgeprägt einer Schöpfung von solcher Erheblichkeit. Ew. kön. Maj. haben dem dahingeschiedenen Feldherrn Bayerns durch Worte erhabener Anerkennung ein unsterbliches Denkmal gegründet. In unsern Gemüthern mußte die königliche Trauer um so tiefer widerhallen, je schmerzbewegter wir überhaupt auf jene Reihe hochverdienter Männer zurückblicken, welche die neuere und neueste Zeit aus unsrer Mitte genommen hat. Freudig dagegen begrüßen wir den Eintritt des drittgebornen Königssohnes in unsre Versammlung. Sein Erscheinen mahnt uns wiederholt an jene Tage unauslöschlichen Andenkens, da unser König noch in unserer Mitte weilte. Würdig sich anreihend an Seine edeln Vorbilder, wird Er unsere Bemühungen theilen, zum Ruhme des Regentenhauses und zum Wohle der Monarchie. Die Nachweisungen und Gesetzesentwürfe, deren Vorlage Ew. kön. Maj. huldreichst ankünden, werden den Gegenstand unserer pflichtmäßigen Aufmerksamkeit bilden. Indem Ew. kön. Maj. durch außerordentliche Vermehrung des obersten Gerichtshofes ein von beiden Kammern ehrerbietigst dargelegtes Bedürfniß in wahrhaft königlichem Maaße befriedigten, erwarben sich Allerhöchstdieselben neue Ansprüche auf den gerührten Dank Ihres Volkes. Des Deutschen Höchstes ist das Recht, und wer sollte nicht den allerdurchlauchtigsten Sprossen einer bald tausendjährigen deutschen Dynastie den wahrhaft deutschen Regenten in der erhebenden Aeußerung erkennen: die Rechtspflege ist Mir eine heilige Angelegenheit. Ew. kön. Maj. Thronrede athmet eine edle Herzlichkeit. Sie ist in alle Herzen gedrungen. Vertrauen gewähren Ew. kön. Maj. Ihren treuen Ständen. Vertrauen, inniges Vertrauen zu dem Monarchen war von jeher, und bleibt ewig unser leitendes Gefühl. Und wie die Kammer der Reichsräthe sich bewußt ist, ihre Ergebenheit an Thron und Gesetz zu allen Zeiten erprobt zu haben, so wird sie sich auch fortan des königlichen Zutrauens durch Heilighaltung der eidlich ertheilten Zusage, des Landes allgemeines Wohl und Beste nach innerer Ueberzeugung zu berathen, durch die wärmste Liebe zu Ew. kön. Maj. und durch jene tiefste Ehrfurcht würdig erweisen, womit sie erstirbt Ew. kön. Maj. allerunterthänigst treugehorsamste Kammer der Reichsräthe.

Es sind da und dort Gerüchte ausgestreut worden, als bestehe die Absicht, den Ständen Anmuthungen zu machen, einige aus dem großen Sinne des Königs Ludwig hervorgegangene großartige Denkmäler, als die Walhalla, die Glyptothek etc. auf das Land zu übernehmen, oder wegen des Ludwig-Donau-Main-Canals und früherer financiellen Verhältnisse zu Griechenland Forderungen an sie zu stellen. Ich glaube Sie versichern zu können, daß an diese Dinge nie gedacht worden ist, daß es vielmehr scheint, als seyen dergleichen Sagen bloß in böswilliger Absicht verbreitet worden, eine Absicht, die jedoch ihres Zwecks verfehlen wird.

Ein erfreulicher Beleg, daß unsere Regierung die einmal betretene Bahn der Entwicklung des constitutionellen Lebens nicht zu verlassen gesonnen ist, wie hie und da ängstliche Gemüther bei den Ereignissen der neuesten Zeit befürchteten, ist die neuliche Verordnung zur möglichsten Sicherstellung der Presse gegen Willkür der Censur. Die energischen Verhandlungen unserer zweiten Kammer in Sachen der freien Presse sind noch in frischem Angedenken. In Folge derselben erging noch unter den Auspicien des vielverdienten Nebenius an sämmtliche Censoren des Landes die Weisung: die preßpolizeiliche Aufsicht in der Weise zu handhaben, daß eine freimüthige, aber anständige Besprechung der öffentlichen Angelegenheiten, insbesondere derer des Großherzogthums, gesichert bleibe; dabei sollen sie sich nach den Vorschriften des Bundes genau achten. Die Wirkung dieser Weisung zeigte sich bald in der Haltung wenigstens einiger unserer politischen Blätter, die nun auch von und über die Heimath zu reden wagten, so daß der Badener nicht wie früher nur aus fremden Zeitungen erfährt, was in seinem Lande vorgeht. Eine neue Verordnung vom 3 Jan. d. J. sorgt nun auch für die schleunige Erledigung vorkommender Beschwerden gegen die Censur, und für einen geregelten Instanzenzug der anhängig gemachten Klage. (Allg. Zeitung vom 12 Januar.) Diese Verordnung hat im Lande einen freudigen Eindruck hervorgebracht, indem sie von neuem die Ueberzeugung begründet, daß unsere Regierung überall das Bestmögliche zu thun gerne bereit ist. Der Willkür und Leidenschaftlichkeit des Einzelnen sind nun wenigstens einigermaßen Schranken gesetzt.

Der Landtag nimmt die Theilnahme des Publicums vielfach in Anspruch. Die Verhandlung über die hannover'sche Frage, die gleich nach der Eröffnung desselben in der zweiten Kammer angeregt wurde, und nun bald wieder aufgenommen werden dürfte, war besonders geeignet, jene Theilnahme zu wecken, die sich seitdem auch durch zahlreichen0134 Besuch der Tribunen bei wichtigen Verhandlungen kund gegeben hat. Bis zu den Weihnachtsferien haben beide Kammern das erste Stadium ihrer Wirksamkeit durchlaufen, welches sich in der ersten Kammer vorzüglich durch die Berathungen über die Erläuterungen einiger Bestimmungen des neuen Criminalgesetzbuchs, über Veränderungen hinsichtlich des Staatsgutes und den Zustand des Domänenfonds, und über die Einführung der Todtenschau in Verbindung mit Anlegung von Leichenkammern, in der zweiten Kammer durch die Verhandlungen über den Antrag, die Thronrede durch eine Adresse zu beantworten, was bei uns mit dem Eintritt in die constitutionellen Formen nicht üblich geworden ist, über die provisorische Erhebung der Steuern für das Jahr 1840, über die Erläuterung einiger Verfügungen des Heimathgesetzes von 1834, ausgezeichnet hat. Nach den Weihnachtsferien hat die zweite Kammer am 3 Jan. ihre Sitzungen wieder begonnen, und mit einer noch nicht geschlossenen interessanten Verhandlung über einen, den Gewerbsbetrieb auf dem Lande betreffenden Gesetzesentwurf eröffnet, in welcher der Zwiespalt zwischen den Ansprüchen der Städte und der Dörfer scharf hervortrat, und neben den klaren und freisinnigen Ansichten einiger Mitglieder die Unentschiedenheit und Halbheit anderer unerfreulich darlegte. Es ist bei diesem Zwiespalt fast zu besorgen, daß die Absicht der Regierung, das Gewerbsverhältniß zwischen Stadt und Land zu ordnen, das sich größtentheils auf ein gänzlich veraltetes Gesetz von 1767 stützt, vereitelt werde. Keine Stimme in der Kammer hat jedoch die zeitwidrigen Anmaßungen des Zunftwesens, dem durch die Bedürfnisse der Zeit bedingten freien Gewerbsbetrieb gegenüber, so schroff ausgesprochen, als eine der Ständeversammlung überreichte Petition mehrerer Innungsvorsteher zu Leipzig, deren Verfasser der dortige Professor der Pädagogik, Dr. Lindner, ist. Die amtlichen Mittheilungen über die Verhandlungen des Landtags erscheinen dießmal sehr rasch, was wir dem lebhaft ausgesprochenen Wunsche des Abg. v. Watzdorf in der zweiten Kammer verdanken, der in einer der ersten Sitzungen einen tadelnden Rückblick auf das träge Erscheinen dieser Berichte warf, die auf den frühern Landtagen den Verhandlungen langsam nachhinkten. Sie sind die zuverlässigste Quelle für die Geschichte der Ständeversammlung, und wer den Sitzungen beigewohnt hat, findet sie auch in den meisten Fällen vollständig. Neben diesen, für das größere Publicum bestimmten Berichten werden auch die eigentlichen Landtagsacten veröffentlicht, welche, außer den Protokollen beider Kammern, die von der Regierung an die Stände gekommenen Erlasse und die ständischen Schriften enthalten. Die von G. Bacherer und F. Philippi herausgegebenen und in Grimma erscheinenden Landtagsblätter folgen jenen Mittheilungen als ihrer Hauptquelle, und haben bis jetzt von den kritischen Erörterungen, welche die viel verheißende Ankündigung erwarten ließ, noch wenig gegeben.

Preußen.

Die von der Allgem. Zeitung bereits ausführlich angezeigte Schrift von Wolfgang Menzel Europa im Jahr 1840 nimmt auch hier die Aufmerksamkeit in Anspruch. Die patriotische Versöhnlichkeit, die deutsche Gesinnung, von der der Verfasser ausgeht, findet natürlich Anklang und läßt ganz und gar vergessen, wie sehr man sich durch seine litterarischen Ansichten in den letzten Jahren von ihm entfernt und wie wenig insbesondere seine Kritik der Philosophie dem Begriff der Wissenschaft entsprochen hatte. Wie Manches man auch noch an Einzelheiten der neuen Schrift auszusetzen haben mag der Grundgedanke derselben kann nicht anders, als elektrisch wirken, denn das Bewußtseyn der Nothwendigkeit einer festen Vereinigung aller deutschen Stämme, im Norden wie im Süden, lebt hier mehr, als man hier und dort zu glauben scheint, wo man immer noch, trotz aller planmäßigen Vexationen und Bedrängnisse der alten preußischen Stammprovinzen, auf unbegreifliche Weise eine Vorliebe derselben für den russischen Nachbar voraussetzt. Nirgends vielleicht wie hier hat die verkehrte und undeutsche Tendenz der Schrift die europäische Pentarchie eingeleuchtet und eben so hat man hier auch niemals, wie anderwärts, in Pamphlets und Zeitungen die alten kirchlichen Spaltungen und die noch ältern Stammes-Antipathien der Deutschen wieder zu wecken oder zu erweitern gesucht. Eendragt maakt magt verdient noch bei weitem mehr der deutschen, als der niederländischen Provinzen Wahlspruch zu seyn, denn diese Eintracht muß und wird zu allen Zeiten die beste Defensive gegen eine mögliche Offensiv-Allianz unserer westlichen und östlichen Nachbarn seyn.

Schweden.

Das Aftonblad beginnt die erste Nummer dieses Jahrs mit einer ziemlich ausführlichen Darstellung der Verhandlungen in den holländischen Generalstaaten und macht dabei alsbald die Nutzanwendung auf Schweden: Wir bitten unsere Leser, ihre Aufmerksamkeit auf die wichtige und interessante Discussion in der Kammer der Generalstaaten zu lenken. Das Beispiel einer Repräsentation, die nach langem Schlummer endlich zur Erkenntniß ihrer Kraft und ihrer Pflichten erwacht, sollte an unsern nun bald zusammentretenden Ständen nicht verloren gehen. Gleichen Inhalts ist der Neujahrswunsch, den das Blatt an Schweden richtet.

Der glänzende Ball, der alle Jahre am Neujahrstage von der Bürgerschaft der Hauptstadt im großen Börsensaal gegeben wird, und dem das diplomatische Corps und die übrige vornehme Welt immer beiwohnen, wurde auch dießmal, wie gewöhnlich, mit der Gegenwart der Königin, des Kronprinzen und der Kronprinzessin beehrt. Der Kronprinz tanzte eine Anglaise mit der Frau eines Großhändlers, die Kronprinzessin mit einem Bäcker. Die sämmtlichen Wahlen der Bevollmächtigten zum künftigen Reichstag sind jetzt beendigt. Die Mehrzahl darunter besteht aus Leuten, welche nicht vorher Reichstagsmänner gewesen, und deren Gesinnungen daher weniger bekannt sind. Unter den übrigen besteht ungefähr die Hälfte aus alten Freunden des Hofs; die andere Hälfte rechnet unter sich viele Gegner der Regierung. Eine bestimmte Entscheidung, auf welcher Seite die Majorität ist, kann nicht gegeben werden. Die letzte Wahl war die der Bevollmächtigten des Bauernstandes im Nordlande; sie war merkwürdig, weil der zuverlässigste Freund und der heftigste Gegner der Regierung dort gewählt wurden. Dieser heißt Rutberg, und war bei den vorigen Reichstagen seit zwanzig Jahren, nebst dem verstorbenen Anders Danielsson, Führer der Opposition im Bauernstand. Jener heißt Strindlund, und war seit eben der Zeit die sicherste Stütze der Regierung in seinem Stand. Ohne Zweifel wird er beim künftigen Reichstag zum Sprecher des Bauernstands bestimmt.

Rußland und Polen.

Auf dem Landgebiete des ganzen ehemaligen Königreichs Polen in dem Umfange, welchen dasselbe vor der Theilung von 1772 hatte (12880 Quadratmeilen), leben gegenwärtig 2,119,000 Juden. Davon kommen 411,300 auf das jetzige Königreich Polen; die übrigen wohnen theils in den zu dem russischen Reiche gezogenen Provinzen, theils in den an Oesterreich0135 und Preußen gefallenen Landgebieten. Nach ziemlich zuverlässigen Schätzungen befinden sich also auf polnischem Grunde zwei Drittheile aller europäischen Juden, so wie ein Drittheil der jüdischen Bevölkerung des ganzen Erdballs. Das Verhältniß zu den Christen in Polen ist etwa wie 1 zu 8 1 / 2, in den Städten aber oft ein ganz anderes. In Wilna ist der zweite, in Krakau der dritte, in Warschau und Lemberg der vierte, in Polen der fünfte Mensch ein Jude; in den kleinen polnischen Städten verschwinden die Christen unter den Juden fast ganz.

(Schles. Z.)

Oesterreich.

Se. königl. Hoh. der Erzherzog Maximilian von Este ist bereits wieder in Wien. Nun ergibt sich mit größerer Verläßlichkeit, daß der französische Gesandte, Graf St. Aulaire, nächsten Monat doch die Reise nach Paris antreten werde. Man vermuthet, daß der Frhr. v. Neumann, wenn gleich in außerordentlicher Mission nach London abgegangen, nicht so bald zurückkehren werde; es ist selbst möglich, daß er für beständig auf diesem Posten verbleibt. Im diplomatischen Geschäftskreise herrscht viele Stille. Mittlerweile entwickeln die Bestrebungen für die Interessen des Innern, mit vorherrschendem Walten der industriellen, zusehends mehr Leben und Thätigkeit. Der Unternehmungsgeist ist geweckt und erwacht wie nie zuvor; man kann sagen, daß er erst jetzt anfange, sich selbst recht zu fühlen und die Sphäre zu erkennen, in der er sich gedeihlich für das individuelle Beste, so wie für das Staatsinteresse bewegen könne. Es ist nicht zu verkennen, daß die gesteigerte Tendenz für die Industrie Oesterreichs Macht erhöht, um so mehr als sie vereint ist mit einer jetzt schon begonnenen bessern Finanzgebahrung und einem erfreulichen Aufschwung des Creditwesens, was denn wieder die ganze moralische Macht erhebt, und dem Staat einen erhöhten Einfluß, andern Staaten gegenüber, gibt. Für Deutschland zunächst ist dieser Entwickelungsgang der innern Politik Oesterreichs ein erfreulicher, denn inwiefern Deutschland von Oesterreich nach außen repräsentirt wird, liegen beiderseits gleiche Interessen in der Wagschale; und ist Oesterreich groß und mächtig, so können die Garantien für Deutschlands Sicherheit wohl nur dabei gewinnen. Ich glaube Ihnen eine der großartigsten Wohlthätigkeitsstiftungen erwähnen zu sollen, welche die neueste Zeit aufzuweisen hat. Graf Stanislaus Skarbek in Lemberg hat sein ganzes Vermögen, beinahe eine Million Gulden in Silber, der Gründung eines Waisenhaüses und einer Armenanstalt, nebst der Separaterrichtung eines Nationaltheaters in Lemberg, gewidmet. Diese Stiftung ist bereits nach den verbürgenden vorschriftsmäßigen Formen vor sich gegangen und erwartet nur noch die kaiserliche Sanction. Sie ist die Eingebung und das Werk einer anspruchslosen edlen Gesinnung, von welcher getrieben, Graf Skarbek Reisen in mehrere Theile Europa's unternahm, um die besten Einrichtungen ähnlicher Wohlthätigkeitsanstalten kennen zu lernen, und das erworbene Zweckmäßige auf vaterländischen Boden zu verpflanzen. In Prag entstand im vergangenen Jahre eine Privatbesserungsanstalt für entlassene Sträflinge. Diese ist die erste der Art in der Monarchie und wird sicherlich nicht ohne Nachahmung des guten Beispiels bleiben, da der Sinn dafür auch hier sehr rege ist. Die Prager Anstalt erfreut sich eines guten Fortgangs; in ganz kurzer Zeit hat sie 122 Mitglieder erworben. Eine Privatmittheilung aus Wien vom 11 Dec. in einer Leipziger Zeitung spricht von der Urlaubsreise des Commandirenden von Mähren, Feldmarschalllieutenants Grafen Nugent, in einer so mysteriösen Weise, daß die Redaction der Hamburger Börsenhalle bei Aufnahme dieses Artikels sich am Schlusse bewogen fand zu bemerken: es scheine, daß dieser Artikel zu den in deutschen Blättern häufig vorkommenden gehöre, deren Verständniß zwischen den Zeilen zu suchen sey. Mit dieser Urlaubsreise hat es dem Vernehmen nach keine andere Bewandtniß, als daß Graf Nugent seine Güter bereist.

Türkei.

Die Revolte der albanesischen Truppen, die sich im Dienste des Pascha's von Janina befinden, hatte bereits einen gefährlichen Charakter angenommen. Mehr durch friedliche Mittel als durch Waffen (obwohl auch von der Gewalt Gebrauch gemacht wurde, um die Ordnung wieder herzustellen) gelang es endlich doch die Gemüther für den Augenblick zu beruhigen und die Bestrebungen Mehemed Ali's zur Insurrection der mohammedanischen sowohl, als auch der christlichen Bevölkerung zu vereiteln. Mehemed Ali kennt die Gesinnungen der christlichen Bevölkerung Albaniens, Thessaliens, Macedoniens, wenn er vorzüglich auf sie einzuwirken sucht; zwar ist sie gegenwärtig nicht übel gegen die Regierung zu Konstantinopel gestimmt, deren Bemühungen, die Bekenner aller Religionen so viel als möglich gleichzustellen, vollkommene Anerkennung finden, doch ist sie von den Erinnerungen an frühere Bedrückung so beherrscht, und mit solchem Verlangen nach Befreiung von dem zum Sprüchwort gewordenen türkischen Joch sich sehnend, daß demjenigen eine große Rolle in der europäischen Türkei vorbehalten scheint, der jene christliche Bevölkerung zu gewinnen wissen sollte. Selbst der Hattischerif machte nur geringen Eindruck, da, wie man glaubt, die schönen Hoffnungen, die er weckt, nicht so bald in Erfüllung gehen werden. Indeß scheint das Benehmen des Vicekönigs, der es nicht verschmäht sich an Ungläubige zu halten, um der Pforte Verlegenheiten zu bereiten, ziemlich den Zweck verfehlen zu müssen, da er dadurch die Moslems sich entfremden, die Zuneigung der Christen aber nicht gewinnen kann. Sollte Mehemed auch augenblickliche Vortheile aus diesen Umtrieben und aus den Verlegenheiten, die er dadurch der Pforte bereitet, zu ziehen wissen, so ist doch gewiß, daß seine Handlungsweise dem Islam Gefahren bereitet, die zu beschwören er und seine Nachfolger nicht leicht im Stande seyn werden. Der französische Consul in Janina, Hr. Grasset, ist hier durchgereist. Nach seinen Aeußerungen zu urtheilen, scheint er von der Ueberzeugung durchdrungen, daß binnen kurzem insurrectionelle Bewegungen unter den Christen in den macedonischen und griechischen Provinzen der europäischen Türkei erfolgen und daß die letztern vor Verlauf eines Jahrzehents ihre Unabhängigkeit errungen haben dürften.

Obrist Hodges, der neuernannte großbritannische Generalconsul für Alexandria, der auf seiner Reise nach Aegypten sich einige Tage hier aufhielt, hat uns bereits verlassen, und ist nach dem Ort seiner Bestimmung abgegangen. *)*)Er traf am 14 Dec. in Alexandria ein, und wurde am 16 von Mehemed Ali mit großer Auszeichnung empfangen. Die Mission dieses englischen Agenten scheint von der höchsten Wichtigkeit, denn nach seinen eigenen Aeußerungen zu urtheilen, ist Hodges von seiner Regierung beauftragt, dem Vicekönig kund zu thun, daß England entschlossen sey, die ägyptische und syrische Küste der strengsten Blokade zu unterwerfen, falls er in seiner Renitenz gegen seinen Souverän und gegen den erklärten Willen der Großmächte beharren sollte; daß überdieß dieß nur als der erste Schritt der gegen ihn anzuwendenden Maaßregeln anzusehen wäre, indem England gesonnen sey, stufenweise bis zu den stärksten Coërcitivmitteln zu0136 schreiten, um den Rechten der Pforte in Aegypten Anerkennung zu verschaffen. Obwohl das von Hrn. Wright durch Reed und Eynard der griechischen Regierung vorgeschlagene Project zur Errichtung einer Bank die allerhöchste Genehmigung erhalten hat, so glaubt man doch allgemein, daß sich gegen die Durchführung desselben noch Hindernisse ergeben dürften, und man spricht vielfach die Hoffnung aus, daß der weit vortheilhaftere Plan des Baron Sina, wodurch die Unternehmung letzterm in Verbindung mit[einigen] deutschen Handelshäusern überlassen würde, zuletzt den Sieg davon tragen werde.

0129

Ernst, das Chartisten-Epos.

In England ist in erstaunlich kurzer Zeit ein neues politisches Element in die Erscheinung getreten, das, wie zu hoffen und auch zu erwarten ist, zwar in die Schranken der Gesetzlichkeit zurückgedämmt, aber schwerlich mehr bis zur gänzlichen Unbedeutenheit wird unterdrückt werden können: der von seiner Hände Arbeit lebende Proletarierstand strebt nach politischen Rechten, zumal directer Theilnahme an der Legislatur des Landes durch Wahlberechtigung. Die agrarischen Träumereien und Leveller-Grillen des Chartismus werden an dem gesunden Volkssinn und der trotz ihrer Dehnbarkeit, oder vielmehr kraft dieser Dehnbarkeit, starken brittischen Verfassung ohne Zweifel in ihr Nichts zerscheitern; aber würde das, was in den Forderungen der untern Volksclassen relativ Vernünftiges und Haltbares, wenigstens Ausführbares liegt, durch einen glücklichen Gährungsproceß aus dem Chaos der politischen Narrheit sich ausscheiden, so könnte dann der Radicalismus, der im Parlament zwar Fuß gefaßt hat, bisher aber in demselben doch mehr die Rolle eines Theoretikers spielte, an dem verständigeren Theil der Chartisten einen nicht zu verachtenden praktischen Rückhalt und Nachdruck gewinnen. Daß die Chartisten auf dem Wege physischer Gewalt nichts ausrichten werden, scheint die leichte Unterdrückung des Aufstandes in Newport zur Genüge zu beweisen, und die Rädelsführer dieses thörichten Versuchs sehen jetzt vor einer Jury ihres Landes ihrem Urtheil entgegen. Indessen ist und bleibt der Chartismus ein wichtiges Zeitereigniß, und daß man ihn in England als ein solches betrachtet, dafür zeugt die Spannung, mit der man theils nach den Assisen in Monmouth blickt, theils allen Gerüchten von neuen Bewegungen lauscht. Unter diesen Umständen dürften folgende Auszüge aus einem Artikel, der eine dem Chartismus verwandte litterarische Erscheinung bespricht, für unsere Leser nicht ohne Interesse seyn. Sie sind den Blättern zur Kunde der Litteratur des Auslands, von Gustav Pfizer *)*)Diese Blätter haben, als litterarische Beilage zum Ausland, mit 1840 ihren vierten Jahrgang angetreten, und enthalten, neben vielen gelungenen Nachbildungen in gebundener Rede (Vieles der Art, wie die Uebersetzungen von F. Freiligrath und die Béranger'schen Lieder von Rubens, die jetzt eigens gesammelt sind, ist darin zuerst erschienen), eine Reihe gediegener kritischen Arbeiten über die bedeutendsten litterarischen Persönlichkeiten und Erzeugnisse des Auslands, Englands und Frankreichs zunächst, auf belletristischem, philosophischem und historiographischem Feld. entnommen, und unter Anderm auch dadurch bemerkenswerth, daß sie zeigen, wie leicht in England irgend einer politischen Bewegung sich ein Element verbindet, das in Frankreich bei ähnlichen Vorgängen, trotz der Bücher von Lamennais, fast gar nicht in Betracht kommt: das religiöse.

Die chartistische Bewegung in England (heißt es darin), welche eine Zeitlang wohl geeignet war, ernste Besorgnisse für die Ruhe Englands hervorzurufen, die aber an dem Ansehen der Gesetze und an dem loyalen Sinn der Mehrheit des Volks scheiterte, hat auch sogleich einen und zwar nicht unbedeutenden Dichter gefunden. Sein Werk, betitelt: Ernst, oder die politische Wiedergeburt, in zwölf Büchern, London 1837, gedruckt für den Verfasser, ist nicht veröffentlicht worden; dagegen theilt das Monthly Magazine reichliche Proben daraus mit, nebst einer ausführlicheren Beurtheilung. Das Gedicht scheint uns eben so als litterarisches wie als sociales Phänomen alle Aufmerksamkeit zu verdienen. Wir haben uns entschlossen, das Gedicht ausführlicher zu beurtheilen, weil wir dieß für den ersprießlichsten Dienst halten, den wir den religiösen und politischen Bedürfnissen der Gegenwart zu leisten vermögen. Den extremsten Grundsätzen anhängend, ist der Verfasser dieses Werks ein Dichter vom ersten Rang und von der tiefsten Frömmigkeit. Was Shelley in dem republicanischen Ton zu dichten leistete, ward in seiner Wirkung vernichtet durch seinen gestandenen (obwohl fälschlich sogenannten) Atheismus. Er verurtheilte sich selbst und zerstörte den Einfluß seiner Productionen durch den Titel, den er annahm; der Verfasser des vorliegenden Gedichts dagegen ist durch und durch Miltonisch in Ansichten und Gesinnungen, politischen wie religiösen. Wie Milton irrt er, wenn er erwartet, daß das bloße, nackte Princip im socialen Leben durchgeführt werde, und daß es für die Gesellschaft, ohne die höchste Gefährdung, möglich sey, zu den ersten Elementen ihrer Verfassung zurückzukehren. Aus einer solchen Zersetzung müßte der Tod, nicht das Leben folgen. Und selbst wenn wir zugeben, daß bei Gemeinschaften, wie bei Individuen die Seele die Auflösung des Körpers überlebt: behaupten wir doch, daß sie nicht denselben Körper wieder beseelen werde. Für die Gesellschaft wie für die Individuen gilt die nicht genug eingeschärfte Wahrheit, daß die Organisation das Ergebniß des Lebens, daß die Verfassung der Gesellschaft, wie sie bei uns besteht, das Ergebniß eines specifischen Lebens ist; und daß, wenn sie einmal aufgelöst wird, es dann keine Reconstitution gibt, weil das Leben nicht als Endresultat zu einer Organisation hinzutritt, sondern als wirkende Ursache ihr vorangeht und sie in allen Theilen durchdringt. Jahrhunderte sind erforderlich zum Wachsthum und zur Entwicklung eines organischen Sociallebens, und kein Volk hat es je in seiner Macht, ein neues in einem Tag, einer Woche, einem Monat oder einem Jahr zu produciren, bloß durch eine Willensäußerung oder die Erlassung eines Beschlusses. Selbst gesetzgebende Versammlungen, ordentliche oder außerordentliche, alte Parlamente oder neue Nationalconvente, sind nur Theile des Gesammtkörpers, nicht seine Seele, viel weniger seine Schöpfer.

Der vorliegende Dichter verdiente natürlich unsere Beachtung nicht, wäre es nicht augenfällig, daß er, wie Milton, ein Dichter und Theolog eben sowohl als ein Republicaner ist, und die letztere Eigenschaft wird uns um so wichtiger durch ihre Verbindung mit den beiden andern. Dieser Punkt möge sofort mit seinen eigenen Worten ins Licht gesetzt werden:

Du, Poesie, bist, wie mein Herz dich kennt,
Glaubensheroldin, Schutzgeist alles Guten;
Das Menschenherz, das, ach! so fleischlich brennt,
Sollst läutern du für reine Geistesgluthen.
Warum bliebt beide ihr so lang getrennt?
Doch endlich jetzt vermählet eure Fluthen
In Eins, zu wild poetischer Melodie,
Geweiht von tiefer, frommer Harmonie!
Aus Phantasien viel Eine Wahrheit findend,
Aus bunter Farben Meng 'Ein reines Licht
Aus viel Gefühlen Eine Seele bindend,
Eine Vernunft, die hoch vom Throne spricht,
Daß Fried' und Freude hier ein Reich sich gründend
Mit Glorie krönen Gottes Angesicht
O herrliche Vollendung!

(Ein zweiter Artikel folgt.)

0130

Spanien.

Die Anstrengungen der verschiedenen Parteien, bei den bevorstehenden Wahlen zu den Cortes den Sieg davon zu tragen, vermehren sich mit jedem Tage, und der Ausgang ist daher noch keineswegs mit Gewißheit vorauszusehen. Die hiesige Provincialdeputation hält täglich öffentliche Sitzungen, um über die Reclamationen der Wahlberechtigten zu entscheiden. Verschiedene Granden von Spanien ersten Ranges, welche als solche in die Liste der Wähler aufgenommen zu werden verlangten, wurden zurückgewiesen, und erst, nachdem sie das unbedeutende Eigenthum nachgewiesen hatten, welches das Gesetz als Bedingung der Wahlberechtigung vorschreibt, zugelassen. Viele Personen, die entweder der moderirten oder gar keiner Partei angehören, scheuen sich indessen, ihre Rechte geltend zu machen, weil sie sich vor den Beschimpfungen und Mißhandlungen fürchten, mit denen der am Eingange des Ayuntamiento versammelte Pöbel nicht selten die Personen, die in anständiger Kleidung erscheinen, überhäuft. Diese Auftritte haben bereits verschiedene Thätlichkeiten hervorgerufen, und in Balaguer (Catalonien) wurde vor kurzem ein ruhiger Bürger, der für die Moderirten gestimmt hatte, auf offener Landstraße von mehreren Exaltirten ermordet. Letztere befürchten offenbar bei den bevorstehenden Wahlen zu unterliegen, denn ihre Aufforderungen zu Gewaltthätigkeiten werden mit jedem Tage lauter und eindringlicher; jeder noch so gesetzmäßige Schritt, den die Gegenpartei thut, um den Sieg davon zu tragen, wird für Hochverrath, Verfälschung der öffentlichen Meinung und offenbar verdammenswerthes und nichtiges Bestreben ausgegeben. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß bei dem Eintritt der Wahlhandlungen selbst alle Mittel des Terrorismus werden in Bewegung gesetzt werden, um dem Volke die freie Ausübung seines Rechts , oder mit andern Worten, den racheschnaubenden und gewaltdürstigen Demagogen das Uebergewicht zuzusichern. Ich theilte Ihnen neulich eine mündliche Aeußerung Maroto's mit; nun wird hier behauptet, dieser General habe dem Herzog de la Victoria geschrieben, daß, wenn die Moderirten noch lang am Ruder blieben, Don Carlos endlich König von Spanien werden würde. Ich bezweifle, daß Maroto einen Brief dieses Inhalts an Espartero gerichtet habe, und vermuthe nur, daß die erwähnte mündliche Aeußerung einem Anhänger der exaltirten Partei zu Ohren gekommen sey, und nun von dieser, ihren Zwecken gemäß, benutzt werde. Um die zahlreichen Carlisten, welche sich der Königin unterworfen haben, auf ihre Seite zu bringen, suchen die Exaltirten ihnen den Glauben einzuflößen, daß durch das fehlerhafte politische System der Moderirten der endliche Triumph des Prätendenten, also die unerbittlichste Bestrafung derjenigen, welche seiner Fahne abtrünnig geworden wären, herbeigeführt werden könne. Letztere fürchten sich indessen fast eben so sehr vor dem Siege der Exaltirten, weil sie wissen und es täglich erfahren, daß ihnen diese ihr früheres Verhalten niemals verzeihen werden. Auf der andern Seite scheuen sie sich aber, sich offen für die Moderirten zu erklären, indem sie deren wahrscheinlichen Sturz voraussehen, und nicht in die Folgen desselben verwickelt zu werden wünschen können. So sind sie denn auf eine abwartende Stellung hingewiesen.

Großbritannien.

Die M. Post hatte ihrer (vorgestern erwähnten) Angabe, daß Lord Palmerston Rußlands Vorschläge in der orientalischen Angelegenheit beigetreten sey, mancherlei der whiggischen Politik ungünstige Bemerkungen angehängt, die der ministerielle Globe mit Spott behandelt, ohne jedoch in der Sache selbst eine genügende Aufklärung zu geben. Vielmehr sind seine Erläuterungen über die Dardanellenfrage nur geeignet, in Betreff der praktischen Folgen des Vertrags von Hunkiar Skelessi den wahren Gesichtspunkt zu verrücken. Die Post, sagt der Globe, ist groß in Fraubasenneuigkeiten, sie ist das anerkannte Orakel aller Kammerjungfern, die Modezeitung der Bedientenstuben. Durch den rastlosen Eifer, womit ihre Zuträger allen Schnickschnack der Abigails (Stubenmägde) aufklauben, sieht sie sich gelegentlich in den Stand gesetzt, die frischesten Nachrichten über bevorstehende Heirathen in der vornehmen Welt und ähnliche Ereignisse von Belang zu liefern. Jetzt aber hat unsre Collegin einen höheren Flug gewagt, damit aber nur bewiesen, daß sie die alte Maxime: Ne sutor ultra crepidam nicht kennt, oder nicht bedacht hat. Der Globe citirt hier die erwähnte Nachricht des Toryjournals, und fährt fort: Da die Post sich nicht herbeigelassen hat, ihre hohe Autorität für ihre Nachricht zu nennen, so bleibt das Publicum hierüber in einer peinlichen Spannung, die zu heben nicht in unsrer Macht liegt. Damit jedoch die hämischen Bemerkungen, mit denen das Blatt seine Angabe begleitet, nicht die irrige Meinung verbreiten, Lord Palmerston habe, seiner Gewohnheit entgegen, in diesem Fall eine Geneigtheit gezeigt, Rußland einen mit der Ehre und Unabhängigkeit Englands nicht verträglichen, durch bestehende und anerkannte Verträge nicht gerechtfertigten Einfluß üben zu lassen, so wollen wir uns die Mühe nehmen, der Post einige ihrer Ungereimtheiten nachzuweisen. Der neuerlich von Rußland gemachte Vorschlag, versichert sie, geht dahin, daß, falls zum Schutze Konstantinopels das Vorrücken eines russischen Heers in die Nachbarschaft dieser Hauptstadt nöthig würde, den Flotten Großbritanniens und Frankreichs sofort gestattet seyn soll, in die Dardanellen einzulaufen, jedoch nur mit einer solchen Anzahl Schiffe, wie sie zuvor durch Vertrag unter den fünf Mächten festgesetzt, und als zu den Erfordernissen des Augenblicks und der Größe der von Rußland aufgewendeten Streitkräfte verhältnißmäßig befunden worden seyn werde. Den Flotten Großbritanniens und Frankreichs soll es gestattet seyn, in die Dardanellen einzulaufen! Gestattet! Von wem? Von Rußland? Welche Befugniß besitzt Rußland, oder hat es je angesprochen, die Dardanellendurchfahrt den englischen und französischen Kriegsschiffen zu erlauben oder zu verbieten? Die Dardanellen gehören völkerrechtlich der Türkei, einer unabhängigen Macht, die das Recht hat, den Schiffen anderer unabhängigen Mächte die Annäherung an ihre Küsten zu gestatten, oder sie in ihre Häfen einzuladen. In dieses Recht störend einzugreifen ist Rußland so wenig befugt, und, wie wir glauben, auch so wenig geneigt, als es brittischen Schiffen, mit Frankreichs Zustimmung in den Hafen von Brest, oder französischen Schiffen mit Englands Genehmigung in den Hafen von Plymouth einzulaufen wehren kann oder darf. Die Post wähnt, der Vertrag von Hunkiar Skelessi enthalte eine Stipulation, wornach Rußland das Recht habe, die Anzahl der brittischen oder französischen Kriegsschiffe zu bestimmen, die eventuell in die Dardanellen zuzulassen seyen. Die kurze und hoffentlich genügende Antwort darauf ist, daß Lord Palmerston bei Gelegenheit, als eine Abschrift jenes Vertrags auf den Tisch des Unterhauses niedergelegt wurde, von seinem Platz in diesem Hause aus erklärte, die brittische Regierung habe dem russischen Hof notificirt, daß sie durch solche Restrictionen sich nicht als gebunden betrachte. An dieser Erklärung wird unsre Regierung festhalten. Sollte ein Schritt Mehemed Ali's ein Angehen der fünf Mächte von Seite des Sultans nöthig machen, so würde der Betrag und die Art der Streitkräfte, welche0131 jede (?) dieser Mächte zu stellen hätte, und das Wie? ihrer Verwendung natürlich durch eine Uebereinkunft unter ihnen bestimmt werden, auf den Vertrag von Hunkiar Skelessi aber würde dabei so wenig reflectirt werden, als ob derselbe gar nicht vorhanden wäre. Indessen hat sich, wie wir zu glauben Grund haben, nichts ergeben, was den Gang der Unterhandlungen unterbrechen oder die Befürchtung der Post rechtfertigen könnte, daß Mehemed Ali die Rückgabe der türkischen Flotte hartnäckig verweigern, damit die Scheide wegwerfen und mit seinem Landheer gegen Konstantinopel vorrücken werde.

Frankreich.

Es war zu erwarten, daß die Verhandlungen über die Adresse in der Deputirtenkammer dießmal nur wenig Farbe, wenig Charakter, wenig allgemeines Interesse haben würden. Wäre man darauf nicht schon durch die nichtsbedeutende Zusammensetzung der Commission der Adresse und die ganze Haltung des von ihr zu Tage geförderten Entwurfs, welcher so viel sagen will und doch so wenig Charakter hat, hinlänglich vorbereitet worden, so hätte man doch gewiß aus dem Treiben unserer politischen Salons und der sich dort abspiegelnden Stimmung der Kammer im voraus abnehmen können, was geschehen werde. Noch nie, meine ich, hatte die Eröffnung einer Sitzung in dieser Hinsicht unter entmuthigenderen Auspicien stattgefunden; noch nie hat sich in den Kreisen, wo man es sonst zu suchen pflegte, weniger politisches Leben gezeigt; nirgends ist etwas Markirtes hervorgetreten; nirgends spricht man von bestimmten Planen; es werden nirgends bestimmte Hoffnungen laut überall herrscht Lauheit, Gleichgültigkeit und sichtliche Abspannung, und die große Masse jener bewegungslosen Optimisten, welche eine ruhige Sitzung, sey es unter welcher Bedingung es wolle, als das sicherste Kriterium der Vortrefflichkeit ihres Systems politischer Glückseligkeit betrachten, gewinnt täglich mehr Terrain und macht die selbstgefälligsten Gesichter. Hiezu kommt, daß die noch ziemlich frische Erinnerung vom vorigen Jahr die Contraste zwischen Gegenwart und Vergangenheit auf eine Weise hervortreten läßt, welche nichts weniger als erfreulich ist. Vor dem Jahre gab es doch überall ein regeres Leben: man rührte sich; man hatte gewisse Zwecke und verfolgte sie je in seiner Weise, wenn auch die Triebfedern der allgemeinen Bewegung nicht gerade in den höheren Kreisen politischer Interessen, sondern vielleicht mehr in den niedern Sphären der Selbstsucht und Eitelkeit zu suchen waren. Und dieses Getreibe führte am Ende zu einer Krisis, welche, so traurig sie auch an sich seyn mochte, doch den Vortheil hatte, daß sie die Stärke der sich bekämpfenden Staatsgewalten einmal derb auf die Probe stellte. Die Kammer hat sich von der Niederlage, welche sie damals erlitten, offenbar noch nicht wieder erholt; die alten Kräfte in ihr sind abgenutzt, und ihre Wiedergeburt hat ihr noch nicht zu neuen verholfen, welche sich als die Elemente eines frischeren parlamentarischen Lebens geltend machen könnten, das eine Zukunft vor sich hätte. Es gibt in diesem Augenblick in der Kammer weder eine Opposition, noch eine Majorität: das sind die zwei wichtigen Thatsachen, welche durch die bisherigen Operationen der Kammer und bei den gestrigen Verhandlungen über die Adresse so recht ans Tagslicht getreten sind. Dieses ewige Suchen nach einer Majorität, ohne zu wissen, wo man sie eigentlich finden soll, wozu sich gestern die Minister nicht weniger wie die Redner der Opposition bekannt haben, ist einzig in seiner Art, und gehört zu den merkwürdigsten Abnormitäten des constitutionellen Lebens der Gegenwart. Man leidet gleichsam noch an den Geburtsschmerzen einer Majorität, welche schon in der letzten Sitzung zur Welt kommen sollte, welche sich nicht in der Zwischenzeit bilden konnte, und vielleicht noch nicht einmal im Laufe dieser Sitzung bestimmt hervortreten wird. Nachdem die Majorität sich am Schlusse der vorigen Sitzung noch nicht erklärt hatte, waren überhaupt nur zwei Wege möglich, auf welchen sie in der Zwischenzeit ins Leben hätte treten können: entweder durch die politische Stimmung der Nation, welche nach und nach über ihre Vertreter eine gewisse Herrschaft hätte gewinnen müssen, oder durch den Einfluß der Minister auf die Deputirten und ihre Committenten. In jenem Falle hätte sie sich selbstständiger aus dem Lande herausgebildet, und hätte folglich auch mehr moralische Garantien ihrer Dauer gehabt; in diesem hätte sie doch wenigstens den Schein eines parlamentarischen Charakters gerettet. Allein leider reducirt sich die politische Stimmung, das politische Interesse der Nation fast auf nichts; das Volk kümmert sich wenig um seine Deputirten und ihre politischen Gesinnungen, und noch weniger ist es im Stande oder liegt es ihm am Herzen, über sie eine gewisse Gewalt zu gewinnen. Und der Einfluß der Minister ist schon deßhalb vielleicht noch nie geringer und unwirksamer gewesen, als bei dem Cabinet vom 12 Mai, weil es ihm nicht hat gelingen wollen, im Lande das dazu nöthige Vertrauen zu gewinnen. Man ließ auf beiden Seiten die Dinge gehen, wie sie eben gehen wollten, und daher kommt es eben, daß man sich bei der Eröffnung dieser Sitzung noch eben so unentschieden, eben so gleichgültig gegenüber steht, wie man sich am Schlusse der letzten verlassen hat. Außerdem, daß gerade diese Stimmung der Bildung einer entschiedenen Majorität im Laufe der Sitzung nicht sehr günstig ist, dürfte ihr auch noch der Umstand entgegenstehen, daß man sich in ihr wenig mit eigentlich politischen Gesetzen zu schaffen machen wird, an welchen Majorität und Opposition ihre Kräfte stärken könnten. Um die Opposition steht es jedenfalls noch schlimmer, als um die Majorität; denn da ist Alles in einer trostlosen Auflösung begriffen, und der Mangel hervorleuchtender Individualitäten, welche auf die Wiederherstellung einer gediegenen parlamentarischen Parteiung hinwirken könnten, macht sich hier doppelt fühlbar. Die alten Helden der Opposition in ihren verschiedenen Nuancen haben sich überlebt oder ihre moralische Kraft verloren, und die jüngere Generation hat noch keine eminenten Talente hervorgebracht; und wenn sie sie hervorgebracht hätte, so würden sie in der Lauheit der jetzigen politischen Atmosphäre kaum zu gehöriger Entwicklung gelangen können. Die wenigen Redner, welche gestern gegen den Entwurf der Adresse aufgetreten sind, haben wenig Effect gemacht. Es sind fast nur Namen, welche noch keine politische Stellung haben, und wenig für die Zukunft versprechen, weil ihnen die Mittel fehlen, eine solche zu schaffen. Der Marquis de la Grange ist zu allgemein, um wirklich zu treffen, und Hr. Desmousseux de Givré ist in den Fehler verfallen, daß er das Interesse der Kammer durch Witz und Sarkasmen für sich zu gewinnen gesucht hat. Der Witz will in der politischen Beredsamkeit mit großer Vorsicht gebraucht seyn; im Uebermaaß schadet er ihrer Würde, und kann selbst ausgezeichnete Talente zu Grunde richten. Graf Jaubert hat sich durch den Mißbrauch desselben auf der Tribune, Hr. Dupin in den politischen Salons um die höhere politische Reputation gebracht, auf welche beiden ihre Talente einen gewissen Anspruch gegeben haben. Beide sind jetzt schon in den Hintergrund getreten, und werden vielleicht bald vollends ganz verschwinden. Die Opposition ist jetzt auch insofern schlimm daran, daß sie nicht recht weiß, woran sie sich eigentlich hängen soll. Die orientalischen Angelegenheiten sind freilich ein weites Feld, auf welchem man sich nach allen Richtungen hin herumtummeln0132 kann; allein man kommt dabei nicht über gewisse Allgemeinheiten hinaus, weil man über den eigentlichen Stand der Dinge wenig weiß und wenig erfährt; die Geheimnisse der Diplomatie gehören nicht in die Kammer, und das Ministerium hat bereits in der Pairskammer bewiesen, welche bequeme Taktik es befolgen wird, um auf diesem Terrain allen Angriffen auszuweichen. Ueber Algier läßt sich, so lange man mit Abd-el-Kader nicht im Reinen ist, wenig sagen; da nicht zu opponiren und Alles zu bewilligen, ist für die Kammer ein Ehrenpunkt geworden, wie es für die Nation eine Ehrensache ist, die Schmach zu rächen, welche die französischen Waffen, gleichviel durch wessen Schuld, von diesem Barbaren erfahren haben. Wollte die Opposition da ihr Heil versuchen, so würde sie auf einem sehr undankbaren Boden ihre Kräfte verschwenden. Alles Andere ist in dieser Sitzung schon an sich von untergeordneter Bedeutung. Von der Wahlreform spricht man kaum mehr, und alles lebendigere Interesse dafür ist vorläufig wieder gänzlich verschwunden.

Niederlande.

Der erste Tag des neuen Jahres ist hier unter den verschiedenartigsten Gefühlen und Hoffnungen für die Zukunft gefeiert worden; doch wie verschieden auch die Ansichten und Meinungen der Menschen gewesen seyn mochten, so begegnete man doch aller Orten, wo sie bei Anlässen dieser Art sich kund zu thun pflegen, zumal in den Organen der Presse, nur dem Ausdruck der Verehrung des Monarchen und dem Wunsche, daß er dem niederländischen Volke noch lange erhalten bleiben möchte. Je stärker sich noch kurz zuvor die Opposition in den Generalstaaten über die bekannten Gegenstände der Politik und Verwaltung ausgesprochen, desto kräftiger und feierlicher glaubte man zugleich sich gegen die falschen Interpretationen der Stimmung der letzten Wochen verwahren zu müssen, welche ein Theil der Presse des Auslands derselben, unabsichtlich oder mit Vorsatz, gegeben hat. Man erklärte, wie Sie wohl selbst gelesen und bereits auch schon in andern Artikeln mitgetheilt haben, das Ganze für einen innern Hausstreit, welcher das Ausland nicht berühre und am allerwenigsten der belgischen Revolution zu gut kommen dürfe, auf deren Rechnung gerade der größere Theil dieser financiellen Nachwehen zu bringen sey. Die Mittheilungen und Glossen einiger Brüsseler Journale hatten den Nationalstolz aufs tiefste gereizt, und so erlebte man das den holländischen Charakter ehrende Schauspiel, daß beim Anblick der tückischen Schadenfreude dessen, in welchem man den ungetreuen, abgefallenen Bruder ersieht, die im Kampfe mit der Regierung über Weniger und Mehr im innern Haushalt begriffene, eben noch mit so bitterem Ernste auftretende Reihe plötzlich still hielt und um den Thron sich schaarte, denjenigen die Faust entgegenhaltend, welche aus ihrer Differenz mit der Regierung Vortheil für sich zu ziehen, oder der Vergangenheit ein anderes Gepräge aufzudrücken begierig sich gezeigt hatten. Wer daher dem König Wilhelm nützen will, darf nur seine Person verunglimpfen, oder an das seit 27 Jahren unbefleckte Kleinod der batavischen Treue tasten, wie es so eben geschehen ist. Selbst die heuchlerischen Lobpreisungen der Standhaftigkeit und constitutionellen Energie der Volksvertreter verfehlen durchgehend ihres Zweckes; sie machen, sobald und weil sie von dieser oder jener Seite kommen, die Personen stutzig, an die sie gerichtet werden, und es wird, wie bei jenem Griechen, von ihnen die Frage an sich selbst gestellt: Hab 'ich denn etwas Schlechtes gethan? Kurz, man wird durch das so eben Erlebte zu größerer Vorsicht und Mäßigung im Ausdrucke gestimmt. In solcher Weise bewegt sich ein Volk, das eine gründliche constitutionelle Erziehung genossen und den Werth der Freiheit kennen gelernt hat. Die raffinirten Verleumdungen, welche man sich gegen die Person des Königs erlaubt und mit der bekannten Heiraths-Sage in Verbindung gebracht, machten einen tiefen, überaus peinlichen Eindruck und bewirkten das Gegentheil von dem Erzweckten in vollem Umfang. Ich fühle mich nicht berufen, Ihnen meine Gedanken über diesen Gegenstand, der das zarteste Verhältniß im Leben jedes Menschen betrifft, mitzutheilen; sollten aber auch die darüber seit einiger Zeit umlaufenden Gerüchte sich bestätigen, so kann es sich bloß um ein Recht handeln, das auch dem Niedersten im Volke freisteht, und daher auch einem Monarchen nicht entzogen werden kann, welcher alle Pflichten gegen die Nation, unter den härtesten Prüfungen und mit dem Opfer seiner edelsten Lebenskräfte, treu, standhaft und beharrlich erfüllt hat, welcher, im Innern seines Palastes allein stehend, am Abend seiner Tage einer freundschaftlichen Pflege bedarf. Wird nun, indem man einen solchen Schritt an und für sich auch nicht mißbilligt, bloß der Wahl der Person, und dem Umstande ihrer Heimath und Confession der Tadel zugewendet, so kann immerhin bemerkt werden: daß Wahlen solcher Art Sachen des Geschmacks sind, über die zu urtheilen einem Dritten nicht zusteht; daß der belgische Ursprung der vielbesprochenen Dame, deren Vorgänge hinreichend bekannt, ihr so wenig zur Last gelegt werden kann, als mehrern andern zur Zeit des Abfalls ihrer Landsleute treu und loyal gebliebenen Individuen, welche durch diese ihre festbewährte Gesinnung als doppelt naturalisirt betrachtet werden müssen; endlich daß die durch und durch holländischen Gesinnungen und Neigungen des Königs Wilhelm eben so sehr außer allen Zweifel gestellt sind, als seine Anhänglichkeit an den Glauben seiner Väter, und man den Charakter dieses Fürsten gar nicht kennt, wenn man annehmen wollte, daß er in dem letzten Stadium seines Lebens das Werk desselben, in Folge von Einflüssen, wie die befürchteten, gefährden könnte. Kurz, die ganze Angelegenheit, von der hier die Rede, ist, wenn sie auch wirklich in dem gemuthmaßten Sinne sich bewahrheiten sollte, eine so rein persönliche, und weder das Land, noch die Politik, noch die Regierungsgrundsätze berührende, daß nicht Ein Recht durch sie verkümmert, nicht Ein Interesse weder nach oben, noch nach unten, gestreift wird. Der ernste, fromme, häusliche Sinn des Monarchen ist noch in Jedermanns frischem Angedenken, und er gleicht darin ganz jenem trefflichen, befreundeten, ihm und seinem Hause mehrfach verschwägerten Könige, welcher auf gleiche Weise einigen Ersatz für einen großen unersetzlichen Verlust gesucht hat.

Dänemark.

Noch immer gehen Adressen an den König ein, die mit auffallender, man möchte in gewisser Beziehung sagen, furchtbarer Einmüthigkeit ganz dieselben Wünsche aussprechen. Das begreifen wir nun freilich sehr wohl, aber das begreifen wir nicht, woher der König die Geduld nimmt, sie alle anzuhören und zu beantworten. Wirklich scheint er auch die Geduld zu verlieren; er hat daher 2595 gewerbetreibenden Bürgern, welche beabsichtigten, ihm die zwanzigste oder dreißigste Adresse aus der Stadt Kopenhagen zu überreichen, durch den Etatsrath Adler den Bescheid ertheilen lassen, daß er gesonnen sey, nur von Vereinen mit notorischer Existenz Glückwunschadressen anzunehmen. Die Polizeibehörde der Stadt Hadersleben mag eine Ahnung von dem Depit des Königs gehabt haben, und hat deßwegen jede Versammlung zur Abfassung einer Adresse verboten, dadurch aber0133 hat sie das Uebel nur ärger gemacht, denn erstens haben die Stadtvorsteher eine Deputation mit einer Klagadresse hieher gesandt, und zweitens haben die Bürger dennoch in einem Privathause eine Glückwunschadresse abgefaßt. Auch die Stadt Schleswig hat ihre Adresse, unsers Erachtens die kühnste von allen, eingesandt. Eine Deputation der holsteinischen Ritterschaft, bestehend aus dem Klostervorsteher v. Bülow, dem Amtmann Grafen Reventlov-Criminil und dem Landrath v. Buchwald, wird erwartet. Die Zeitungen enthalten die Nachricht, das Se. k. Hoh. der Kronprinz bereits am 31 v. M. in Odense eingetroffen sey, und man erwartet ihn hier am 14, ohne jedoch Bestimmtes darüber zu wissen.

Ungarn.

Die Preßburger Zeitung theilt unterm 7 Januar die Verhandlungen der Ständetafel über das Erbschaftsrecht der Unterthanen mit. Aus dem dießfälligen angenommenen und der Magnatentafel übersendeten Gesetzentwurf von 22 §. geht hervor, daß die Unterthanen laut Artikel 9 des 9ten Abschnitts von 1832 / 6 über ihr erworbenes bewegliches und unbewegliches Vermögen ohne Beschränkung verfügen können. In Kraft des 4ten Artikels von 1832 / 6, welcher den Unterthanen das Recht einräumt, die Nutznießung ihrer Ansässigkeit ohne Unterschied zu verkaufen, wird dort, wo dieser freie Verkauf bisher noch nicht üblich war, jeder Unterthan für einen Erwerber der zur Zeit der Veröffentlichung dieses Gesetzes besessenen Urbarialsession anerkannt, wenn gleich diese Session vom Gutsherrn unentgeltlich verliehen oder von den Vorfahren ererbt war. Eine testamentarische Verfügung steht dem Unterthan in Betreff des ererbten Vermögens nur über das Witthum und über die Betheilung der Kinder zu, deren eines oder das andere er mehr begünstigen kann, keines jedoch unter die Hälfte des Antheils setzen dürfte, wenn die Erbschaft gleich getheilt würde. Der Erbe, welcher mehr erhielt, als bei gleicher Theilung auf ihn entfallen wäre, kann über das Surplus zwar frei verfügen, doch beerben ihn seine Brüder oder deren Nachkommen, wenn er ohne Testament stirbt. Alles Avitical - und erworbenes Vermögen wird zu gleichen Theilen unter die männlichen und weiblichen Erben getheilt, wenn der verstorbene Unterthan kein Testament gemacht hat. Dabei sind alle andern bisher bestandenen Verfügungen, Weinberg - und Ortsgebräuche, für die Zukunft hiermit aufgehoben; doch ist ein etwa zwischen dem Grundherrn und Unterthan bestandener besonderer Vertrag zu Weingärten zu beachten, wenn er mit dem Vorbehalt geschlossen worden ist, daß bloß männliche Nachkommen darin erben sollen. Es steht den Erben frei, die Urbarialsession, welche nach dem Gesetz vom 1832 / 6 nur mit Bewilligung des Grundherrn getheilt werden kann, falls sie dieß nicht thun wollen oder können, im Versteigerungswege dem befähigten meistbietenden Erben zu überlassen, der dann die übrigen mit ihren Ansprüchen zu befriedigen hat. Wenn aber die Erbnehmer dazu unfähig sind oder die Hälfte derselben eine öffentliche Versteigerung verlangt, so kann diese nicht verweigert werden; ferner ist bei der Weingartentheilung auch in Zukunft das Minimum zu beobachten, unter welchem, dem Ortsgebrauche zufolge, nicht mehr in natura getheilt wurde; doch soll auch hiebei auf Verlangen der Hälfte der Theilberechtigten eine öffentliche Versteigerung stattfinden. Den ohne Erben verstorbenen Unterthan beerben seine noch lebenden Eltern vor den Collateralverwandten und dem Grundherrn. Das in der Ehe erworbene Vermögen gehört beiden Gatten zu gleichen Theilen, mit der Verfügung eines jeden über seine Hälfte; deßhalb darf auch der Gatte seine Gattin im Testamente nicht ausschließen, und stirbt ein Unterthan ohne Erben und ohne Testament, so geht alles erworbene Vermögen als Eigenthum auf den andern Theil über. Dieses gegenseitige Erbrecht der Eheleute erstreckt sich bei Kinderlosigkeit und Testamentsabgang auch, mit Ausschluß aller Seitenverwandten, auf das Erworbene vor der Ehe, doch aber nie auf das Aviticalvermögen. Ist kein Testament, kein Gatte, sind keine Eltern vorhanden, dann geht das erworbene Vermögen in den Besitz des Grundherrn über; das Erbrecht im Aviticalvermögen gebührt dagegen den Seitenverwandten, wenn der Unterthan keine Leibeserben hinterlassen hat. Finden sich bei solchen Fällen unter dem Erworbenen auch Urbarialansässigkeiten, so geht deren Nutznießung an die Collateralverwandten über; diese haben jedoch die darauf befindlichen Gebäude und Ameliorationen dem Grundherrn zu vergüten. Wenn aber der erblose Unterthan noch vor der Theilung mit seinen Brüdern starb, und weder Testament noch Eltern oder eine Wittwe hinterließ, so erben die nächsten Verwandten nicht nur seinen Aviticalantheil, sondern sein ganzes erworbenes Vermögen. Stirbt der Unterthan ganz ohne Erben, und wenn überdieß keine Seitenverwandten da sind, denen das Aviticale zufallen müßte, dann erbt der Grundherr dieses unbedingt und das Erworbene ebenfalls, wenn kein Testament, kein überlebender Gatte, keine Eltern bestehen. Das mitgebrachte Vermögen der Gattin, das vorhanden oder in der Wirthschaft verwendet worden ist, gebührt bei jeder Erbtheilung vorzugsweise der Wittwe oder ihren gesetzlichen Erben. Dieses mitgebrachte Vermögen soll in Zukunft, sobald es dem Gatten zufließt, durch die Ortsvorsteher unter Einfluß des Grundherrn inventirt und abgeschätzt und von dem Abschätzungsinstrumente ein Exemplar in der Gemeindelade aufbewahrt werden; widrigenfalls hätte die Gattin nach dem Tode des Mannes auf das Mitgebrachte mit Ausnahme des etwa noch in natura Vorhandenen, keinen Anspruch. Die Wittwe des kinderlos verstorbenen Unterthans bleibt auf Lebenszeit, und so lange sie des Verstorbenen Namen führt, im ganzen Aviticalvermögen des Mannes, ausgenommen es hätte der Verstorbene durch Testament eine anständige Wittwenversorgung angeordnet. Befindet sich unter solchem Aviticale auch eine Urbarialsession, deren Bestellung und Lastenprästation die Wittwe nicht fähig ist, dann können die nächsten Erbberechtigten die Urbarialsession sammt Aviticalzugehör zwar übernehmen oder an Andere es verkaufen, bleiben aber verpflichtet, die anständige Versorgung der Wittwe vollkommen sicher zu stellen. Kommt keine Uebereinkunft hinsichtlich des Witthums zu Stande, so ist es Sache des betreffenden Gerichts unter Beachtung des Standes der Wittwe, die Proportion des Aviticalvermögens und dessen was die Wittwe titulo der Coacquisition und der wechselseitigen Erbfolge als Eigenthum erhielt, den jährlichen Wittwengehalt zu bestimmen. Hinterläßt der verstorbene Unterthan eine Wittwe mit Kindern ohne den Wittwenunterhalt letztwillig bestimmt zu haben, so können die Kinder aus Einer Ehe das Aviticalvermögen dann erst theilen, wenn der Wittwenunterhalt der Mutter nach Obigem gesetzlich gesichert ist. Stammen jedoch die Kinder alle oder auch nur einige aus einer frühern Ehe des Vaters, dann kann die Wittwe von dem nicht in letzter Ehe erwirthschafteten also auch nicht zu ihrem Miterworbenen zu zählenden Vermögen als Witthum nur ein Kindeserbtheil ansprechen, und auch dieß nur so, daß der zu ihrer Erhaltung bestimmte Vermögenstheil abgesondert werde, und sie davon die Jahreseinkünfte bezieht. Das Capital bleibt in Verwahrung des Grundherrn und der Gemeinde, und geht auf die Erben über, wenn die Wittwe stirbt, oder aufhört des Gatten Namen zu führen. Dieses Gesetz wird0134 auf alle unter grundherrlicher Jurisdiction stehenden Urbarial -, Contractual -, oder privilegirten nicht adeligen Ortsbewohner und deren Erbschaftsfälle hinsichtlich des unbeweglichen Urbarialvermögens aber auch auf Adelige gleichförmig ausgedehnt. Da indeß dieses Gesetz keine rückwirkende Kraft äußern soll, so sind nur jene Erbschaften und Theilungen darnach zu entscheiden, welche nach der Veröffentlichung dieses Gesetzes sich ereignen; die bisher geschehenen Theilungen aber, die in Gemäßheit anderer Ortsgebräuche gehörig verhandelt wurden, können im Sinne dieses Gesetzes nicht mehr aufgelöst werden.

[117-18]

Erklärung.

Die schamlosen Angriffe des Hrn. M. G. Saphir auf meinen Ruf als Mensch und Bürger sind von der Art, daß ich sie nicht mit Stillschweigen hinnehmen kann. Jeder Ehrenmann wird mit mir den tiefsten Ekel vor der Veröffentlichung von Privatangelegenheiten empfinden, aber gegen Hrn. Saphir kann man sich keiner andern als seiner eigenen Waffen bedienen. Der Hamburger Telegraph für Deutschland wird in seinen nächsten Nummern eine detaillirte Auseinandersetzung der Ursachen unseres Zerwürfnisses enthalten. Hamburg, den 7 Januar 1840.

Uffo Horn, m. p.

[126-27]

Venediger Handelsgesellschaft.

In Bezug auf die am 30 December v. J. in Nro. 364 dieser Blätter erfolgte Ankündigung, die Gründung einer Handelsgesellschaft in Venedig betreffend, wird hiemit bekannt gemacht, daß die Unterzeichnungen auf Actien zu dieser Unternehmung bereits so weit gediehen sind, daß dieselbe in kurzem nach Artikel 3 der Statuten in Activität treten kann, und die Register zur Vormerkung auf diese Actien in Mailand bei HH. Galli & Brambilla, in Wien bei Hrn. S. G. Sina, in Augsburg bei Hrn. G. Chr. Baur, Agenten der Gesellschaft, mit dem 31 Januar 1840 geschlossen werden.

[98-100]

Vorladung.

Der ehemalige Forstcandidat und nachherige Mauthprakticant Johann Bapt. Pfundner, Sohn des bereits im Jahre 1819 im Wittwerstande dahier verstorbenen k. b. Salzbeamten Johann Nepomuk Pfundner, ist am 15 d. M. im ledigen Stande ohne Hinterlassung eines Testaments mit Tod abgegangen.

Da demnach die gesetzliche Erbfolge einzutreten hat, so werden alle diejenigen, welche ein Erbrecht an den Nachlaß des Johann Baptist Pfundner geltend machen können, hiermit aufgefordert, ihr Erbrecht bis zum Mittwoch den 26 Februar 1840, oder an diesem Tage selbst bei der unterfertigten Verlassenschaftsbehörde anzumelden und durch die nöthigen Belege zu begründen, widrigenfalls ohne Berücksichtigung ihrer Ansprüche der Nachlaß Pfundners an diejenigen ausgeantwortet werden würde, die sich als dessen nächste Verwandte und Erben ausgewiesen haben werden.

Zugleich ergeht an alle jene, welche sonst aus irgend einem Rechtstitel Ansprüche an die Masse Pfundners zu machen haben die Aufforderung, dieselben bis zu obiger Tagfahrt um so sicherer geltend zu machen und nachzuweisen, als außerdem bei Ausfolglassung der Nachlaßmasse hierauf keine Rücksicht genommen werden würde.

Endlich werden alle diejenigen, die etwas von dem Vermögen Pfundners in Händen haben, angegangen, solches in kürzester Frist mit Vorbehalt ihrer etwaigen Rechte zur Verlassenschaftsbehörde abzugeben.

Würzburg, am 31 December 1839.

Königliches Kreis - und Stadtgericht.

A. D.

Schneider.

Oppmann.

[45-47]

Versteigerung.

Montag den 20 Januar 1840 werden im k. Zwirkgewölbe (Lederergasse Nr. 26), Vormittag von 9 bis 12 Uhr, mehrere Partien Wilddecken gegen sogleich baare Bezahlung an die Meistbietenden öffentlich versteigert. Kaufsliebhaber werden hiemit eingeladen.

München, den 2 Januar 1840.

Königliche bayer. Hofjagd-Intendanz.

[128]

Bekanntmachung.

Die beiden Söhne des weiland fürstlich Bamberg'schen Hoftrompeters Johann Georg Nußbammer dahier a) Johann Sebastian Nußbammer, geb. den 20 Januar 1770, angeblich im Jahre 1787 in französische Kriegsdienste getreten, b) Heinrich Christoph Nußbammer, geb. den 8 October 1773, angeblich als Friseur nach Oesterreich gewandert, sind über 40 Jahre von hier abwesend, ohne von ihrem Aufenthalte Nachricht gegeben zu haben.

Dieselben oder deren Leibeserben werden daher anmit aufgefordert, sich binnen sechs Monaten, von heute an, zur Empfangnahme ihres unter Verwaltung stehenden Vermögens von 157 fl. 13 1 / 2 kr. diesseits um so gewisser zu melden, als dasselbe außerdem ihren sich legitimirenden nächsten Verwandten zum Genusse gegen Caution hinausgegeben werden würde.

Bamberg, den 13 December 1839.

Königliches Kreis - und Stadtgericht.

Dangl.

Rüdel.

[129-31]

Aufforderung.

Johann Peter Schneider, dahier am 12 December 1756 geboren, sofort 83 Jahre alt und gegen 68 Jahre von hier abwesend, erlernte zu Würzburg die Strumpfweberei, entwich aber aus der Lehre, und hat seitdem von seinem Aufenthalt keine Nachricht gegeben.

Wegen seines Erbtheiles zu 216 fl. 15 1 / 8 kr. ist eine Caution auf das Wohnhaus seines nun verlebten Bruders Kaspar Schneider eingetragen.

Johann Peter Schneider oder dessen etwaige Leibeserben werden auf Antrag der Kaspar Schneiders Wittib hiemit aufgefordert, binnen 5 Monaten a dato entweder in Person oder durch legal Bevollmächtigte dahier zu erscheinen und dieses Vermögen in Empfang zu nehmen, widrigenfalls Johann Peter Schneider als verschollen erklärt, sein Vermögen dessen Intestaterben unbedingt überlassen, und die deßhalb eingetragene Caution gelöscht wird.

Haßfurth, den 26 December 1839.

Königliches Landgericht.

Greser, Landrichter.

[96]

Amortisations - Erkenntniß.

Die gemäß diesseitiger Edictalcitation vom 19 Julius 1839 aufgeforderten Inhaber der zu Verlust gegangenen, verschiedenen diesseitigen Stiftungen angehörigen, Staats-Schuldurkunden haben dieselben seither dießorts weder vorgewiesen, noch hat Jemand hierauf rechtliche Ansprüche gemacht.

Dem angedrohten Präjudize gemäß werden daher diese Urkunden hiemit für wirkungslos erklärt.

Dachau, den 24 December 1839.

Königliches Landgericht Dachau.

Eder.

[97]

Amortisations - Erkenntniß.

Nachdem auf die Edictalladung vom 19 Julius 1839 in Betreff der zu Verlust gegangenen Staats-Schuldurkunden bezüglich auf ein Capital von 1500 fl., welches der Pfarrkirche und Bruderschaftsstiftung Kreuzholzhausen angehört, bisher Niemand einen rechtlichen Anspruch geltend gemacht, auch der unbekannte Inhaber dieser Urkunden sich dießorts nicht gemeldet hat, so werden diese Urkunden hiemit auf Antrag der betreffenden Stiftungs-Verwaltungen für kraftlos erklärt.

Dachau, den 24 December 1839.

Königliches Landgericht Dachau.

Eder.

[57]

Jungen Leuten, die das Whist - und Bostonspiel fein und gewinnreich spielen lernen wollen, kann als beste Anweisung dazu empfohlen werden, und ist in allen Buchhandlungen zu haben: Der Whist - und Bostonspieler, wie er seyn soll, oder Anweisung, das Whist - und Bostonspiel nebst dessen Abarten nach den besten Regeln und allgemein geltenden Gesetzen spielen zu lernen nebst 26 belustigenden Kartenkunststücken und drei Tabellen zu Boston-Whist, von F. v. H. 3te verb. Aufl. 15 Sgr.

0135

[5596]

Bei C. A. Hartleben in Pesth erscheint in neuer Subscriptions-Ausgabe: Joseph v. Hammer-Purgstalls Geschichte des Osmanischen Reiches.

Zweite verbesserte Auflage.

Zweite Ausgabe.

Die neuesten Begebenheiten im osmanischen Reiche nehmen die Theilnahme von ganz Europa in Anspruch; sie werden aber nur denjenigen klar und verständlich seyn, welche mit der Geschichte dieses Staates, mit seiner Verfassung und dem Charakter seiner Völkerschaften näher bekannt sind. Glücklicherweise besitzen wir in v. Hammer-Purgstalls Geschichte des osmanischen Reiches ein großes Nationalwerk, das uns mit allen Verhältnissen desselben auf das genaueste vertraut macht. Mit Stolz können wir dieses Riesenwerk deutschen Geistes den berühmtesten des Auslandes entgegenstellen, denn Alles an demselben Schreibart, Ausdruck, Anordnung, Prüfungsgeist, Quellensichtung; Philosophie des Lebens, der Gesetzgebung, der Regierungskunst; unparteiische Wahrheit, Kenntniß des menschlichen Herzens, Unbestechlichkeit der über Blendwerk und Heuchelei richtenden Vernunft; Abscheu vor Tyrannei unter allen Formen; Schilderung folgenreicher Begebenheiten, den Leser fortreißend in das Getümmel gährender Völkerschaften; Malerei der Sitten, Charakteristik der Regenten, der Staatsmänner und Helden; Alles Alles trägt das Gepräge möglichster Vollendung. Die öffentliche Stimme und das Urtheil der Kunstrichter haben diesem historischen Meisterwerke die höchste Auszeichnung zuerkannt, und bereits ist eine vollständige französische und eine italienische Uebersetzung erschienen. So verbreitet es auch durch zwei Auflagen unter den Gelehrten und den gebildeten Ständen Deutschlands ist, so mag der beträchtliche Preis doch noch Manchen von der Anschaffung abgehalten haben, und wir glauben einem vielseitigen Wunsche zu begegnen, indem wir von der zweiten Auflage desselben eine höchst billige Ausgabe unter nachfolgenden Bedingungen veranstalten: 1) das ganze Werk in vier Bänden, 226 Bogen gr. 8. auf Velindruckpapier, mit 8 Karten und großem Plane von Konstantinopel, wird in 23 Lieferungen ausgegeben; 2) jede Lieferung von 10 Druckbogen in Umschlag geheftet kostet nur 9 Groschen. Die 8 Karten bilden eine unentgeltliche Zugabe; 3) vom 1 October an werden monatlich 4 Lieferungen ausgegeben und das Ganze bis März 1840 beendigt seyn.

12 Lieferungen sind bereits ausgegeben und bei Erscheinung der 23sten tritt wieder der frühere höhere Preis von 12 Rthlrn. unabänderlich ein.

Alle soliden Buchhandlungen Deutschlands liefern das Werk zu jetzigem geringem Subscriptionspreis.

[115]

Bei Imle & Liesching in Stuttgart ist so eben erschienen und vorräthig in allen soliden Buchhandlungen Deutschlands, der Schweiz, der österr. und preuß. Staaten: Celtica II, Versuch einer genealogischen Geschichte der Kelten, von Dr. Lorenz Diefenbach, Pfarrer und Bibliothekar zu Solms-Laubach, Ehrenmitgliede der Berliner Gesellschaft für deutsche Sprache.

Erste Abtheilung. Preis 3 fl. 48 kr. rhn. 3 fl. 10 kr. C. M. oder 2 Rthlr. 6 gr.

Wie wir schon bei Ankündigung von Diefenbach, Celtica II, Sprachliche Documente zur Geschichte der Kelten, zugleich als Beitrag zur Sprachforschung überhaupt erklärten, hat der Verfasser dieses für den Historiker wie für den Sprachforscher gleich wichtigen Werkes sich zur Aufgabe gemacht, nicht bloß Quellenstudien, sondern auch eine möglichst vollständige Quellensammlung für diesen Gegenstand dem kritischen Leser in die Hand zu geben. Die vorliegende Abth. enthält: histor. Untersuchungen über die Völker wirklicher oder angeblicher Keltischer Abstammung; darunter ausführliche Abhandlungen u. A. über die Ligyer die Kimmerier, die Kimbern-Züge, die Kelten-Züge nach Delphi, Kleinasien etc. Die unter der Presse befindliche letzte Abth. beschäftigt sich mit den Kelten der iberischen Halbinsel (zugleich eine Abhandlung über die Iberer enthaltend) und der brittischen Inseln. Celt. I und II werden abgesondert abgegeben.

Zeugnisse evangelischer Wahrheit, eine Sammlung christlicher Predigten und Reden. in Verbindung mit andern Predigern herausgegeben von Dr. Chr. Fr. Schmid, Prof. in Tübingen, und Wilh. Hofacker, Diak. in Stuttgart.

Erster Jahrgang gr. 8. mehr als 600 Seiten.

Preis auf Druckvelin 2 fl. 24 kr. rhn. 2 fl. C. M. od. 1 Rthlr. 12 gr.

Auf feinstem Velin 3 fl. rhn. 2 fl. 30 kr. C. M. od. 1 Rthlr. 18 gr.

In wenigen Monaten mußte dieses Werk dreimal neu gedruckt werden wohl der beste Beweis dafür, daß es in jeder Beziehung geeignet ist, die Bedürfnisse frommer Gemüther zu befriedigen. Der Grund dieser Befriedigung liegt nicht bloß in der Gediegenheit des Inhalts, sondern auch da die Bedürfnisse der Herzen verschieden sind in der Mannichfaltigkeit der Form, und wir dürfen als Mitarbeiter nur Namen nennen, wie Chr. G. Barth, W. Hofacker, W. Hoffmann, Kapff, Alb. Knapp, Schmid u. A., um jedes weitern Beweises überhoben zu seyn. Der 2te Jahrgang erscheint 1840 und wird den ersten zu einem vollständigen Kirchenjahrgang ergänzen.

[17]

Für Guts - u. Schäfereibesitzer, Herrschafts - u. Gutsverwalter.

Gründlicher Elementar-Unterricht in der rationellen Schäferei.

Von J. G. Elsner.

8. Preis 1 fl. 36 kr. oder 1 Rthlr.

Wie tief der Verfasser in seinen Gegenstand eindringt und mit welcher Klarheit er seine eigenen scharfsinnigen Auffassungen wieder zugeben weiß, davon legen die beiden von ihm über Schafzucht geschriebenen Werke: Erfahrungen in der höhern Schafzucht, und Das goldene Vließ das beste Zeugniß ab. In diesem neuesten Werkchen trägt er die praktische rationelle Schafzucht mit einer Klarheit vor, in der sie auch dem Laien verständlich ist, und es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß ein so gründlicher Elementar-Unterricht in dem betreffenden Fache kaum noch jemals gegeben seyn dürfte.

Besonders dürfte derselbe seiner Fassung, des Preises und Formates wegen für den Unterricht der Schäfer empfohlen werden, von denen keiner dieses Büchlein in seiner Tasche entbehren sollte, wie der nachfolgende Inhalt beweisen mag:

Inhalt: I. Die Vorbereitung des Schäfers zu seinem Beruf. II. Berufstreue und Stellung eines Schafmeisters. III. Die Einrichtung im Schafstalle. IV. Die Fütterung und Verpflegung der Schafe. a) Die Verpflegung im Sommer. Art und Benützung der Hutweiden. Die Abrichtung des Hundes. Fernere Regeln für den Weidegang. Von der Sommerstallfütterung. Vom Hürden im Freien. Hülfsmittel bei plötzlichen Krankheitsfällen. b) Die Verpflegung der Schafe im Winter. Ordnung im Schafstalle. Ordnung beim Füttern. Verschiedene Futterarten. Das Tränken der Schafe. Das Salzgeleck. V. Vom Bocken (Stähren) der Schafe und von der Lammung. Vom Bocken. Vom Lammen. VI. Von der Erkennung der Schafe. Nach ihrem Aussehen. Nach ihrem Alter. VII. Von den Krankheiten der Schafe. 1) Die Drehkrankheit. 2) Die Traber - oder Gnubberkrankheit und das Kreuzdrehen. 3) Die Raude oder Krätze. 4) Die Klauenseuche oder Krümpe. 5) Der Blutschlag oder das laufende Feuer, auch Staupe genannt. 6) Die Pocken oder Blattern. 7) Die Lämmerlähme. 8) Die Ruhr. 9) Der Husten und die Kachexie. 10) Die Egelkrankheit und die Fäule. VIII. Von der Aufbewahrung des Futters. 1) Das Heu. 2) Das Stroh und die Spreu. 3) Die Wurzelgewächse. IX. Von der Wollkenntniß. X. Von der Schwemme und Schur der Schafe. 1) Die Schwemme oder die Wäsche. 2) Die Schur. XI. Vom Vertrage (Contracte) des Schäfers. XII. Einige Anweisungen auf besondere Fälle. 1) Bescheidenes höfliches Betragen. 2) Benehmen bei vorkommenden plötzlichen Verlusten in der Heerde. 3) Verhalten bei eintretender Futternoth. 4) Der Schäfer soll ohne Erlaubniß keinen Fremden in den Schafstall lassen. 5) Wie er ein Schaf greifen und Wollmuster nehmen kann. 6) Er soll weder Schweine, Hühner, noch anderes Vieh im Schafstalle haben. 7) Wie er sich zu benehmen hat, wenn er Schafe von der Ferne her holen muß. 8) Was er thun soll, wenn den Schafen augenscheinliche Gefahr droht. 9) Erlernung und Anwendung des in diesem Buche Abgehandelten.

Stuttgart und Tübingen, im Januar 1840.

J. G. Cotta'sche Buchhandlung.

[5592]

So eben ist bei Fr. Volckmar in Leipzig erschienen und in allen Buchhandlungen zu finden:

Höchst wichtige Aufklärung über das Sinken des Werthes des Goldes. Nach den neuesten Entdeckungen von Arago, Biot und Gay-Lussac. Aus dem Englischen übertragen. 8. brosch. Preis 4 gr.

0136

[5268-70]

So eben ist in unserm Verlage erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Handbuch der poetischen Nationallitteratur der Deutschen von Haller bis auf die neueste Zeit.

Vollständige Sammlung von Musterstücken aus allen Dichtern und Dichtungsformen, nebst Angabe der frühern Lesarten, biographischen Notizen und litterarisch-ästhetischem Commentar, von Dr. Heinrich Kurz, Professor der deutschen Litteratur in Aarau.

Erste Abtheilung: Haller bis Goethe.

Lexikonformat. 46 Bogen. Subscriptionspreis broschirt 3 fl. oder 1 Rthlr. 16 gr.

So viele mitunter treffliche Sammlungen aus der deutschen Litteratur es gibt, so darf mit Recht behauptet werden, daß dieses Handbuch sich vor allen andern durch wesentliche Vorzüge auszeichnet, welche es nicht nur für den Gebrauch in höhern Lehranstalten empfehlen, sondern auch für jeden Lehrer und Freund der Poesie überhaupt werthvoll machen werden.

Die Hauptmerkmale, wodurch es sich von den bisher erschienenen hervorhebt, bestehen in Folgendem: 1) Soll es die geschichtliche Entwicklung der poetischen Nationallitteratur der Deutschen mittheilen, weßwegen der historische Gang gewählt wurde. 2) Um ein getreues Bild der ganzen poetischen Litteratur zu geben, wurden alle Dichtungsformen aufgenommen. 3) Um das poetische Leben des Volkes in seiner eigenthümlichen Entwicklung lebendig darzustellen, wurden auch bedeutende Erscheinungen in den besondern Volksdialekten nicht übersehen. 4) Da man aus bloßen Bruchstücken weder den Geist eines Dichters noch das Wesen einer Dichtungsform wirklich kennen lernen kann, so wurden in dem Handbuch durchaus keine Bruchstücke aufgenommen. 5) Bei der Auswahl bemühte sich der Herausgeber nur Dichtungen von höherm poetischem und sittlichem Werthe aufzunehmen mit steter Rücksicht auf Mannichfaltigkeit des Inhalts. 6) Eine besonders vorzügliche Eigenthümlichkeit dieses Handbuchs bildet die in Noten unter dem Texte befindliche Mittheilung der ältern Lesarten, oder derjenigen Gestalt der Gedichte, in welcher sie bei den frühern Ausgaben der Dichter erschienen waren, über deren Wichtigkeit die Vorrede, auf welche wir zu verweisen uns erlauben, sich weitläufiger ausspricht. 7) Einen wesentlichen Vorzug des Handbuchs wird man endlich in der dritten Abtheilung finden, welche einen litterarisch-ästhetischen Commentar mit ausführlichen biographischen Notizen enthalten wird. Das Ganze wird aus drei Bänden bestehen und wenigstens 100 Bogen groß Lexikonformat umfassen und bis künftige Ostern vollständig erscheinen. Obgleich keine Unkosten gespart werden, um dieses Handbuch durch Reichhaltigkeit, wissenschaftlichen Werth und schöne Ausstattung auszuzeichnen und es zu einer sprachlich und ästhetisch-kritischen Sammlung zu machen, so wird dennoch der Subscriptionspreis auf das ganze Werk von drei Bänden nur auf 6 fl. 36 kr. oder 3 Rthlr. 18 gr. gestellt. Dagegen tritt mit Ostern 1840 ein Ladenpreis von 8 fl. oder 4 Rthlr. 14 gr. ein.

Zürich, im November 1839.

Meyer & Zeller (ehemals Ziegler und Söhne).

[5640]

Wohlfeile Ausgaben von Dante, Petrarca, Tasso, in Uebersetzungen von Kannegießer, Förster, Streckfuß.

Eine eingetretene Concurrenz nöthigt mich, die in meinem Verlag erschienenen als ausgezeichnet anerkannten Uebersetzungen von Dante's, Petrarca's und Tasso's Meisterwerken, die sich zugleich durch schöne typographische Ausstattung auszeichnen, bedeutend im Preise zu ermäßigen: Die göttliche Komödie des Dante Alighieri. Uebersetzt und erklärt von K. L. Kannegießer. Dritte sehr veränderte Auflage. Drei Theile. Mit Dante's Bildniß und geometrischen Planen der Hölle, des Fegefeuers und des Paradieses. Gr. 8. 1832. Bisher 3 Thlr. Jetzt für 1 Thlr. 12 gr.

Francesco Petrarca's sämmtliche Canzonen, Sonette, Balladen und Triumphe. Uebersetzt und mit erläuternden Anmerkungen begleitet von K. Förster. Zweite verbesserte Auflage. gr. 8. 1833. Bisher 2 Thlr. 6 gr. Jetzt für 1 Thlr. 4 gr.

Torquato Tasso's befreites Jerusalem. Uebersetzt von K. Streckfuß. Zweite verbesserte Auflage. Zwei Bände. Gr. 12. 1835. Bisher 2 Thlr. Jetzt für 1 Thlr.

(Von der ersten Auflage dieser Uebersetzung, mit gegenüberstehendem Originaltext, sind noch einige Exemplare vorräthig, die ich für 18 gr. erlasse.)

Wer diese drei Werke, die im Ladenpreise 7 Thlr. 6 gr., im herabgesetzten Preise 3 Thlr. 16 gr. kosten, zusammennimmt, erhält sie für drei Thaler.

Leipzig, im December 1839.

F. A. Brockhaus.

[114-116]

Nürtingen, Oberamtsstadt.

Verkauf der Spitalgebäude.

Der Stiftungsrath beabsichtigt, die bisher zu einer Oberamtsrichterswohnung und Oberamtsgerichtskanzlei vermiethet gewesenen Hospitalgebäude sammt den entbehrlich gewordenen Fruchtkästen und Kellern, sofern ein dem Werth angemessener Erlös erzielt würde, zu verkaufen und wird deßhalb am Dienstag den 3 März 1840 eine öffentliche Versteigerung, vorbehaltlich des letzten Streichs und der Genehmigung k. Regierung, vornehmen lassen. Die Gebäude umschließen einen gepflasterten Hof von ungefähr 100 Rth., worin sich ein laufender Brunnen befindet; sie liegen innerhalb der Stadt an der durch die Stadt führenden Hauptstraße, nach Kirchheim, Ulm und Mezingen, und bestehen in Folgendem: 1) dem sogenannten langen Bau, welcher 200 'lang und 44' breit ist, zweistöckig, der untere von Stock und Stein, und enthält im ersten Stock 7 Zimmer, wovon 4 heizbar, eine geräumige Waschküche, 2 große Holzmagazine, einen Pferdestall, 2 Futtervorrathskammern und eine Wagenremise; im zweiten Stock 7 schöne Zimmer, wovon 5 heizbar, eine Küche und Speisekammer, und einen Fruchtboden 115 'lang und 44' breit; unter dem Dache 2 durch die ganze Länge des Gebäudes hindurch gehende Fruchtböden und Kammern; 2) der Querbau ist einstöckig, von Stein, 85 'lang, 38' breit, worin sich eine Wagenremise und zwei Holzmagazine, und unter dem Dache zwei durchlaufende Fruchtböden befinden; 3) das Saalgebäude ist 50 'lang, 38' breit, zweistöckig, der erste Stock von Stein; in jedem Stock befindet sich ein großer heizbarer Saal von 26 'Länge, 34' Breite und 14 'Höhe, mit zwei heizbaren Nebenzimmern, und unter dem Dach ist ein Fruchtboden; 4) das Spritzenhaus ist einstöckig, von Stein, und enthält einen Raum von 22' Länge, 34 'Breite und 14' Höhe und unter dem Dache einen Fruchtboden; 5 'das Archivgebäude, welches gegen die Hauptstraße den Hof schließt, ist zweistöckig, 44' lang und 30 'breit, der untere Stock von Stein, in welchem sich zwei Gewölbe befinden, der zweite Stock enthält zwei sehr heitere Zimmer, wovon eines heizbar; unter dem Dach ist ein Fruchtboden. Unter den Gebäuden 1, 2, 3 und 4 befinden sich sehr schöne gewölbte, großentheils in Felsen gehauene, ineinander gehende Keller von 350' Länge und verschiedener Breite, worin mehrere 1000 Eimer Getränke aufbewahrt werden können. Sämmtliche Gebäude sind erst vor 80 Jahren neu, geschmackvoll und sehr solid gebaut worden, ganz gut unterhalten, und eignen sich wegen ihrer vorzüglich schönen Lage nicht nur zu einem sehr schönen Aufenthalt für eine Herrschaft, sondern auch wegen der großen Geräumigkeit zum Betrieb einer großen Oekonomie, eines Fabrikgeschäfts, einer Bierbrauerei und Wirthschaft; auch dürfte beachtet werden, daß nach Herstellung der gegenwärtig im Bau begriffenen Straße von hier nach Mezingen, wodurch die Straßenstrecke von hier nach Reutlingen um eine Stunde abgekürzt wird, die Errichtung eines Postamts hier in Aussicht gestellt ist, wozu diese Gebäude vorzüglich gut gelegen wären. Der Kaufschilling ist ganz billig gestellt; er kann gegen gesetzliche Sicherheit zu 4 Proc. Verzinsung ganz stehen bleiben, oder aber nach Belieben ganz oder nach und nach bezahlt werden. Die Liebhaber werden eingeladen, dieses schöne Besitzthum selbst in Augenschein zu nehmen, und sodann am obengedachten Tage, Morgens 10 Uhr, der Aufstreichsverhandlung auf hiesigem Rathhause anzuwohnen. Auf schriftliche Anfragen wird die unterzeichnete Stelle jede geforderte Auskunft ertheilen.

Den 2 Januar 1840.

Hospital-Verwaltung.

[120]

Aufforderung.

Den Schmiedgesellen Conrad Wappler aus Buch bei Nürnberg fordere ich hiemit auf, wichtiger Familienverhältnisse wegen mir ungesäumt seinen dermaligen Aufenthalt anzuzeigen oder hieher zurückzukommen.

Buch, den 11 Januar 1840.

Ulrich Wappler, Schmiedmeister.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
Author[unknown]
Extent16 images; 15429 tokens; 5056 types; 110254 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 17. 17. Januar 1840 . Augsburg1840.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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