PRIMS Full-text transcription (HTML)
0569
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 72.
12 März 1840.

Großbritannien.

Am 3 März hatte die Deputation der Universität Oxford, den Kanzler Herzog v. Wellington an ihrer Spitze, die Ehre, auch dem Prinzen Albert und der Herzogin von Kent Glückwunschadressen zu überreichen. Neben der Wellington-Caserne im St. James-Park wird für Prinz Albert ein neuer Marstall gebaut.

In der Sitzung des Hauses der Gemeinen am 4 März ward unter andern eine Petition gegen den Krieg mit China und um Abstellung des Opiumhandels übergeben. Für Helston ward ein neuer Wahlbefehl erlassen, da Viscount Cantilupe, einer der bisherigen Vertreter dieses Burgfleckens, die Chiltern Hundreds angenommen, d. h. seinen Austritt erklärt hat. Auf den Antrag Lord Mahons wurde dann, nach längerem Hin - und Herreden ein zweiter Arzt, Dr. Chambers, an die Schranken gerufen, um über den Gesundheitsstand des Sheriffs Hrn. Evans und den möglichen Einfluß einer längeren Gefangenschaft auf denselben befragt zu werden. Er sagte aus, eine längere Einsperrung könne auf Hrn. Evans 'Constitution sehr nachtheilig einwirken, da Mangel an Bewegung ihm vermittelst behinderter Verdauung eine Leberkrankheit, am Ende vielleicht die Wassersucht zuziehen dürfte. (Der Tags zuvor vernommene Arzt meinte, eine Leberbeschwerde fange schon an sich bei dem Gefangenen zu bilden.) Auf diese ärztlichen Zeugnisse baute nun Lord Mahon die weitere Motion, Hrn. Evans sogleich in Freiheit zu setzen. Es entspann sich eine längere Discussion, in welcher alle Gegner des Ministeriums in der Privilegiumsfrage den Vorschlag unterstützten, die Vertheidiger des Privilegiums hingegen, darunter auch Sir J. Graham und Sir R. Peel einwarfen, es sey nirgends der Brauch, und könne es auch nicht seyn, eine gesetzlich verhängte Gefängnißstrafe wegen möglichen Schadens für die Gesundheit des Gefangenen aufzuheben. Jedoch meinte Lord Howick, es möchte vielleicht für Hrn. Evans' Gesundheit zuträglich seyn, ihn unter Aufsicht eines Parlamentsboten aufs Land zu senden. Sir R. Peel äußerte, von absoluter Freilassung könne keine Rede seyn, wohl aber erheische die Menschlichkeit, dem Sheriff täglich noch etwas mehr Bewegung in freier Luft zu gestatten, als er jetzt genieße. Lord Mahons Antrag wurde mit 125 gegen 84 Stimmen verworfen. Indeß zeigte Capitän Polhill an, daß er nächsten Tags vorschlagen werde, den Gefangenen gegen sein Ehrenwort, bis nach erfolgter Besserung seiner Gesundheit, zu entlassen. Am 5 Morgens sah man Hrn. Evans, unter Aufsicht, von seiner Familie und einem Alderman der Stadt begleitet, auf dem Bauplatz der neuen Parlamentshäuser spazieren gehen. Er sah, so versichert wenigstens der Standard, sehr krank aus. An demselben Morgen ward er von dem Herzog v. Somerset besucht. Die Theilnahme des Publicums an diesem Streite zwischen der Legislatur und der Justiz wird übrigens immer allgemeiner, und selbst aus den entlegensten Provinzen laufen Petitionen für und wider an das Parlament ein. Am Schlusse der Sitzung fragte Hr. Ew. Tennent, wie es mit der so lange schwebenden Unterhandlung über den Schadensersatz stehe, welchen brittische Unterthanen für ihre bei dem Aufstand in Pará im Jahr 1835 erlittenen Verluste an Brasilien zu fordern haben. Lord Palmerston erwiederte, eine Antwort der brasilischen Regierung sey eingetroffen, und zunächst dem Kronanwalt überwiesen worden. Auf Befragen von Lord Howard erklärte Lord Palmerston, die verlangten Berichte über den deutschen Zollverein sollten demnächst auf den Tisch des Hauses niedergelegt werden; die Documente in Betreff Mehemed Ali's würden zur Mittheilung vorbereitet.

Das Haus der Lords hielt am 4 März (Mittwoch) keine Sitzung. In der Sitzung am 5 erörterte Lord Aberdeen den Patronatsstreit in der presbyterischen Kirche, worüber jetzt in Schottland so große Aufregung herrscht. Lord Teynham übergab eine Petition von 1500 achtbaren Bewohnern von Newport um Begnadigung der Deportirten Frost, Jones und Williams oder um weitere Milderung ihrer Strafe. Der edle Lord machte aufmerksam darauf, wie edel dieß von Bewohnern derselben Stadt gehandelt sey, gegen welche unter den genannten Anführern der Ueberfall der Chartisten stattgefunden. Er fügte bei, nach den Osterferien werde Lord Brougham diese Sache in seine Hand nehmen. Lord Normanby gab keine Hoffnung, daß weitere Verwendungen für die Verurtheilten etwas nützen0570 würden. Der Anfang der Unterhaussitzung war unbedeutend.

Am 29 Febr. standen die Chartisten Bronterre O'Brien, Ayres, Mahon und Thomason, wegen Aufruhrs (sedition) angeklagt, vor den Assisen in Monmouth. O'Brien vertheidigte sich selbst, und führte unter Anderm an, zur Zeit der Reformagitation hätten die jetzigen Municipalbehörden der Stadt Newcastle eine viel stärkere Sprache geredet, als er. Thomason wurde durch einen Sohn Cobbetts vertheidigt. Gegen die vier Angeklagten gab die Jury das Verdict Nicht schuldig. Die Verkündigung desselben wurde vom Publicum mit lautem Hurrah aufgenommen. Hingegen wurde John Bell, der Drucker des Chartistenblattes Northern Liberator, zu halbjährigem Gefängniß verurtheilt. Ein gewisser John Wilkington hatte seinen Proceß durch die Auswanderung nach Amerika abgeschnitten. Die fünf Genossen Frosts in Monmouthshire, deren Straferkenntniß auf lebenslängliche Deportation in temporäres Gefängniß im Inland gemildert worden, sitzen jetzt in dem Buße-Strafhaus (Penitentiary) in London.

Der Standard sucht zu beweisen, daß die Berufung der Franzosen bei ihrer Verwerfung der Dotation für den Herzog von Nemours auf den Vorgang Englands hinsichtlich der Apanage für Prinz Albert eine unpassende gewesen, indem zwischen den beiden Fällen keine Analogie obwalte, und es sich überdieß bei dem Coburger Prinzen nicht um Verwerfung, sondern nur um Ermäßigung der beantragten Summe gehandelt habe. Die Unterthanen eines Monarchen, sagt der Standard, sind verbunden, billige Vorsorge für dessen Kinder zu treffen, ohne Rücksicht auf das Privatvermögen, das dessen Voraussicht und Frugalität zum Besten derselben gesammelt haben mag. Die für den Herzog von Nemours begehrte Summe war zudem nicht größer, als der Sohn Ludwig Philipps in Anbetracht der Wohlthaten, die sein Vater Frankreich erzeigt hat, sie ansprechen durfte. Man darf weiter nicht vergessen, daß der König der Franzosen für Wiederherstellung des Schlosses von Versailles mehr als das Vierfache des Capitals verausgabt hat, dessen Zinsen für seinen Sohn als Einkommen verlangt wurden (also mehr als 40 Millionen Francs?). Auch seiner Munificenz für die Verschönerung seiner Hauptstadt muß man sich erinnern. Durch seine Freigebigkeit aus seinem Privatvermögen hat er dazu beigetragen, die schönen Künste in Paris auf eine früher dort nie gekannte Stufe zu erheben. Der Vorwurf allzu großer Sparsamkeit geht also nicht mit dem besten Anstand von einer Stadt aus, in der sich des Königs Geschmack und Freigebigkeit eben so sehr zum Vortheil seiner Unterthanen, wie zu seiner eigenen Ehre durch sprechende Beweise kundgegeben haben. Unsere englischen Zeitungen, die da von der Knauserei Ludwig Philipps schwatzen, übersehen die edlen und ächt fürstlichen Zwecke, auf die er seine Einkünfte verwendet hat. Die enormen Kosten für die Ausstattung der neuen Galerien in Versailles fielen zum großen Theil ihm zur Last, und kaum gibt es in Paris ein öffentliches Institut, welches nicht ein und das andere eben so kostbare als geschmackvolle Kunstwerk enthält, das der König bezahlt hat. Unter diesen Umständen gereicht die Verweigerung der fraglichen Dotation den Ersparungsmännern, denen man den jetzigen Ministerwechsel in Frankreich zu danken hat, nicht zu sonderlichem Ruhm. So populär daher auch das Ministerium Thiers für den Augenblick seyn mag, für seinen Festbestand sind nur geringe Chancen vorhanden. Die Opposition gegen dasselbe ist zu zahlreich und respectabel, und hat auf die Dankbarkeit Frankreichs zu viele Ansprüche, als daß es die jetzige Session zu überdauern vermöchte wenn es anders so lange über eine Majorität wird gebieten können, was zweifelhaft scheint. In einem andern Artikel sagt dasselbe Toryblatt über Thiers: Hr. Thiers scheint ein Gentleman von so glücklichem Temperament zu seyn, daß er sich für den größten Mann seines Jahrhunderts hält. Seine Aeußerung, als von den Fähigkeiten einiger seiner jetzigen Collegen die Rede war: Ich brauche bloß Schreiber, ist ein Pröbchen von der Arroganz, womit er das Cabinet zu meistern gesonnen scheint. Das ist die natürliche Folge davon, wenn ein Mann auf eine Rangstufe gehoben wird, für die ihn die Natur niemals bestimmt haben kann. (Ein anderes Blatt räth dem Standard, doch nicht alle Anekdoten französischer Parteiblätter für baare Münze zu nehmen. ) Das ministerielle M. Chronicle seinerseits ist mit der neuen französischen Administration sehr zufrieden. Es findet sie um mehrere Schattirungen liberaler als ihre Vorgängerin, und sieht zugleich eine Bürgschaft ihrer Dauerbarkeit darin, daß die Opposition die Fahne der Mäßigung aufgesteckt habe, und vielmehr Liberalismus in dem Geiste, als in den Einzelmaaßregeln der Regierung verlange. Ueber die orientalische Frage, meint das Blatt ferner, könne das neue Cabinet bestens unterrichtet seyn, denn es besitze Admiral Roussins in der Levante gesammelte Erfahrungen, Hrn. Jaubert, der eben erst von dort zurückgekehrt sey, und Hrn. Thiers selbst, der diese Dinge zu seinem absonderlichen Studium gemacht habe. Auch auf das französische Seewesen werde der besonnene Roussin den besten Einfluß üben, denn Admiral Duperre's Politik habe nichts gewußt, als: Schiffe und Krieg.

Das M. Chronicle enthält ferner einen beachtungswerthen größeren Artikel über die orientalische Verwicklung, worin es erklärt, England werde von dem Entschlusse nicht abgehen, im Verein mit Rußland, Oesterreich und Preußen die Integrität der Türkei zu erhalten, d. h. Syrien wieder unter die Herrschaft des Sultans zu stellen. Gäbe England diesen Entschluß heute auf, so würde man morgen ein russisches Heer in Syrien oder Kleinasien sehen, und der Friede Europa's verwandelte sich in Krieg. Das jetzige französische Cabinet habe nun die Wahl, jenen vier Mächten beizutreten oder zu sehen, wie die liberale Allianz des westlichen Europa's durch einen neuen Quadrupelvertrag verdrängt werde. (Wir werden morgen den Artikel ausführlich mittheilen.)

Abweichend vom M. Chronicle, das die Wendung der Dinge in Spanien in keinem so günstigen Lichte betrachtet, sagt der Globe: Es kann nicht geläugnet werden, daß die Angelegenheiten Spaniens sich günstiger stellen, als es in den letzten 18 Jahren der Fall war. Wenn die Gewalthaber in Madrid nur einige Ehrlichkeit und Patriotismus zeigen wollten, so könnte der Credit Spaniens wieder hergestellt werden.

Die Minister fahren, trotz der erhaltenen dritten Schlappe fort, als wenn nichts geschehen wäre, ihre Stellen zu behaupten; und nichts ist komischer als das Benehmen der Politiker der alten Schule, welche nie etwas lernt oder vergißt. Sie können gar nicht begreifen, wie ein Ministerium mit solchen entschiedenen Mehrheiten gegen sich am Leben bleiben könne. Auch betrachten sie es in allem Ernste als den schlagendsten Beweis von Ehrlosigkeit und Gemeinheit; und die Toryjournale thun ihr Bestes die guten Leute bei dieser Meinung zu erhalten. Die Einsichtsvolleren, welche erkennen, daß es nicht ein ehrloses Kleben an Würden und Besoldungen von Seite der Whigs ist, was sie am Ruder erhält, sondern die Gewalt der Umstände, die es ihren Gegnern, dasselbe zu erfassen, geschweige denn zu behaupten, unmöglich macht, seufzen nach der Rückkehr einer starken Regierung, einer Regierung, welche über die Mehrheit des Parlaments gebieten0571 könne. Diese aber übersehen, daß dergleichen nicht mehr von Parteien oder dem Genius einzelner Männer abhängt, sondern eine unvermeidliche Erscheinung im Entwickelungsgange constitutioneller Staaten ist, nämlich, daß, wie die Nationen erstarken, die Regierungen, nach innen zu wenigstens, schwächer werden. Wellington bewies nur seinen Scharfsinn, als er 1832 in Bezug auf die Reformbill erklärte, er sehe nicht, wie nach der Durchsetzung dieser Maaßregel die Landesverwaltung noch wie bisher geführt werden könne. Die Leute müssen sich auch an diese Erscheinung gewöhnen lernen, ehe sie sich mit dem Daseyn der jetzigen Verwaltung gänzlich aussöhnen können, welche gerade ihrer Schwäche wegen bei den Sicherheit und Ruhe suchenden Mittelclassen so viele Gegner findet. Inzwischen ist es den Ministern Dank sey es der besseren Einsicht der Häupter der Torypartei gelungen, die irische Corporationsreformbill, und zwar in einer Form, welche den Beifall O'Connells hat, mit einer so entschiedenen Mehrheit durchs Unterhaus zu führen, daß das Oberhaus darüber zur Verständigung kommen muß. In so weit also haben sie sich durch Beharrlichkeit stark genug erwiesen; wenn sie auch in einigen einzelnen Punkten nachgeben mußten, so haben die Tories doch in der Hauptsache nachgegeben, daß die Corporationen in den größeren Städten eine volksmäßige Umgestaltung erhalten, statt abgeschafft zu werden. Und wenn O'Connell seine Drohung wahr machen kann, daß jede Corporation eine Normalschule für politische Aufregung werden solle, so erklären sie sich durch ihre Zustimmung für genöthigt, solche verderbliche Schulen stiften zu helfen. Fürs erste jedoch wird ein Zankapfel mehr beseitigt. Die Minister haben auch darin Festigkeit gezeigt, daß sie trotz den Hunderten von Bittschriften und den Tausenden von Unterschriften, trotz dem Drängen vieler ihrer Unterstützer im Unterhause und dem Gelärm einer Menge Zeitungen, Frost und seine zwei Consorten wirklich deportirt haben, ohne auch nur die so oft angekündigte und eben so oft verschobene Motion des radicalen Leader abzuwarten. Auch hat diese Festigkeit bereits die guten Früchte getragen, daß die Chartisten überall friedfertig geworden, und fast nur noch vom Schwerte des Geistes als dem Mittel zur Ausführung ihres Zweckes reden. Ja die Massen neigen sich offenbar wieder zu den Mittelclassen hin, indem die Versammlungen gegen die Korngesetze entweder gar keinen Widerstand mehr finden, oder doch so geringen, daß die Ruhestörer bald werden zum Schweigen gebracht seyn. Diese neue Opposition gewinnt immer mehr Boden. Der hiesige Verein gegen die Korngesetze zählt bereits eine große Anzahl der angesehensten Kaufleute und Bankiers in seinen Reihen, und die erste Versammlung, welche derselbe beruft, wird zeigen, daß die Vorlesungen gegen das jetzige System, welche auf Betrieb der Anticorn-law league in verschiedenen Theilen der Stadt gehalten worden sind, ihre Wirkung nicht verfehlt haben. In Doncaster, einer Stadt, welche mitten unter Maierhöfen und Gutsbesitzern liegt, und beinahe gänzlich von deren Kundschaft lebt, sind kürzlich zwei Versammlungen vereitelt worden, welche letztere berufen hatten, um das Parlament wegen der Aufrechthaltung der Korngesetze anzugehen, und die Mehrheit kam zum Beschlusse, um deren Abschaffung anzuhalten. In Wolverhampton, wo jetzt große Noth unter den Fabrikarbeitern herrscht, haben diese unter sich und aus eigenem Antrieb eine Versammlung gegen diese Gesetze gehalten, wobei man kräftige Reden hielt, ohne daß die Ordnung des Verfahrens im geringsten gestört worden wäre. Es läßt sich also erwarten, besonders wenn die Störungen im Fabrikwesen fortdauern, daß den Gutsherren ein schwerer Kampf bevorsteht, welcher wahrscheinlich damit endigen wird, daß eine Toryverwaltung sich mit Aufopferung derselben Volksbeliebtheit erkauft. Daß die Whigs die Abschaffung der Korngesetze durchsetzen können, ist, wenn sie es auch zu unternehmen wagten, kaum zu denken. Vorgestern Abend machte Lord John Russell dem Unterhause die erfreuliche Ankündigung, daß er demselben eine Bill vorschlagen werde, wodurch alle, welche parlamentarische Documente bekannt machen, gegen alle Verantwortlichkeit vor den Gerichten gesichert seyn sollen. Da dieses nicht geschehen würde, wenn der edle Lord nicht der Zustimmung des Oberhauses im voraus versichert wäre, so läßt sich erwarten, daß dem unangenehmen Kampfe zwischen dem Hause und den Gerichtsbehörden ein schnelles Ende gemacht werden wird; was um so mehr zu wünschen ist, da das Publicum im Allgemeinen anfängt Theil daran zu nehmen, und zwar mit einer Heftigkeit, welche bei der gegenwärtigen Leidenschaftlichkeit der Gemüther aufkommen zu lassen unklug wäre. Die neulichen Versammlungen in der Freimaurerhalle geben ein Pröbchen davon. Gestern Nachmittag haben die Behörden der City der Königin und dem Prinzen Albert ihre Glückwünschungsadressen überreicht, nachdem die Corporationen lange gezweifelt, ob sie solches nicht unterlassen solle, bis man ihre Sheriffs in Freiheit gesetzt habe. Des Bischofs von Exeter Aufdeckung des antichristlichen Strebens der Socialisten hat doch die gute Folge gehabt, daß hier sowohl als an andern Orten von Geistlichen und Weltlichen öffentliche Vorlesungen zur Vertheidigung und Empfehlung des von jenen so schmählich verspotteten Christenthums gehalten werden. Selbst der Ultra-Rationalist Fox hat dieses gute Werk übernommen, und wie man versichert, mit großem Erfolg. Der so eben erschienene Katalog der im vorigen Jahre in London herausgegebenen Werke enthält nicht weniger als 2759 Titel, schließt aber eine ungeheure Menge Flugschriften nicht ein, nicht einmal alle neuen Auflagen größerer Werke. Der Verleger desselben gibt auch das Publisher's Cireular heraus, das alle 14 Tage erscheint, nämlich S. Low, welcher sich große Mühe zu geben scheint, dieses für den Freund englischer Litteratur so wichtige Verzeichniß immer umfassender zu machen. Merkwürdig ist die Breite, welche die Werke über die Religion hier wieder einnehmen.

Frankreich.

Ein ministerielles Journal meldet, daß der Marquis v. Dalmatien, dessen Rücktritt man angekündigt habe, seinen Posten als Botschafter behalte, und unverzüglich nach Turin abreisen werde.

Der Gazette zufolge ist Fürst Narischkin in Paris gestorben.

Eine k. Ordonnanz ernennt den Deputirten, Hrn. Bresson, zum Generaldirector der Forstverwaltung an die Stelle des Hrn. Legrand, dessen Entlassung angenommen ist.

Hr. Guizot ward am 4 März zu Lizieur wieder als Deputirter gewählt; er hatte unter 413 Votanten 376 Stimmen erhalten.

Der Constitutionnel will aus guter Quelle wissen, daß Hr. v. Molé weit entfernt sey, die Plane erbitterter Opposition von Seite der Ueberspanntesten unter den 221 zu billigen; die persönliche und leidenschaftliche Polemik in ihren Journalen sey nicht nach seinem Geschmack. Er soll erklärt haben, daß er neutral bleiben und dem Gang der Ereignisse zusehen wolle.

Das Journal des Débats mäßigt heute seine Sprache gegen das Ministerium auffallend, und räth seinen Freunden in der Kammer, für die geheimen Fonds zu votiren, denn diese Fonds seyen der Regierung nothwendig, und man müsse die Minister, selbst wenn man sie nicht liebe, als die Agenten0572 der Regierung respectiren. Zwar sey die Gelegenheit verführerisch, denn die schwarzen Kugeln der Conservativen würden in der Urne gewiß auch denen der Legitimisten und der radicalen Partei begegnen und gegen das Ministerium eine Majorität der Zerstörung bilden können. Aber die Conservativen seyen viel zu gewissenhafte Männer, um eine so traurige Taktik nachzuahmen, sie wollten erst die Acte des Cabinets abwarten, ehe sie Opposition gegen dasselbe machten. Unbegreiflich nur sey es, wie die Linke, nachdem sie seit zehn Jahren gegen jedes Verlangen geheimer Fonds declamirt, nachdem sie hundertmal erklärt habe, eine ehrliche Regierung bedürfe keiner geheimen Fonds, denn diese seyen nur ein Werkzeug der Corruption, sich entschließen könne, für dieselben zu stimmen. Ob dieß Consequenz sey?

Auf eine Bemerkung der Presse, daß die Unterstützung der Legitimisten und der alten Opposition der Linken dem neuen Cabinet gesichert sey, antwortet die Gazette de France, das Organ der Legitimisten: Die Presse ist in einem großen Irrthum. Die Royalisten der Kammer können nicht für Hrn. Thiers votiren; denn Hr. Thiers hat gegen Ludwig Philipp sich verpflichtet, die Wahlreform zurückzuweisen. Ludwig Philipp sagte zum Bureau der Kammer, welches am Tage der Unterzeichnung der letzten Ordonnanzen ein von der Kammer votirtes Gesetz ihm überbrachte: ich habe Hrn. Thiers ernannt, er wird gemäßigt seyn, und die Wahlreform zurückweisen. Diese Aeußerung, welche notorisch unter den Deputirten ist, läßt uns über das Votum der Royalisten nicht mehr in Ungewißheit. Hr. Thiers, der die Reform verwirft, ist, gleich Hrn. Odilon-Barrot, nur ein Mann der Revolution, ein Monopolist, eine Stütze der Willkür und des Despotismus, zu dessen Gründung er im Ministerium vom 11 Oct. beigetragen hat. Hr. Thiers ist gleich verderblich der Freiheit, die er durch die Septembergesetze zerstört, der Staatsgewalt, deren Principien er verletzt, und den Nationalinteressen, die er in seiner Rede über die englische Allianz geopfert hat.

Unser Algierer Correspondent und mehrere französische Journale haben von dem in Algier umlaufenden Gerücht Erwähnung gemacht, daß Abd-El-Kader seinem tapfersten General Mohammed-El-Barkani, Khalifa von Scherschel, den Kopf habe abschlagen lassen. Ein Schreiben aus Arzew vom 8 Febr. im Commerce widerlegt dieses Gerücht, und versichert, El-Barkani operire in diesem Augenblick gegen die Provinz Constantine, wo Abd-El-Kader ihn beauftragt habe, Truppen zusammenzuziehen.

Es schien sich anfangs gegen den Hrn. Thiers eine gewaltige Opposition in den Centren erheben und ihn um die Majorität bringen zu wollen; aber das Journal des Débats hat ein wenig umgesattelt, es erklärt, es wolle abwarten, sehen, man müsse den Baum erst an seinen Früchten erkennen u. s. w., mit andern Worten, es räth, ihm die Fonds secrets zu ertheilen. Wie er aber die Fonds secrets hat, sagen seine Gegner, so wird so schnell wie möglich das Budget erzielen, dann im Sommer die Kammer auflösen und eine neue bilden, die ihm gleichgesinnter sey, und in welcher sich gegen seine Persönlichkeit keine solchen Antipathien kund geben. Kurz, man schreibt ihm Willen zu. Der Constitutionnel, Temps, Siécle und Courrier sind ganz oder fast ganz in seinen Interessen, und die Redactoren dieser Journale gehören zu seiner intimsten Umgebung; dieses sind aber auf die Masse der Wähler höchst einflußreiche Journale. Alles das zeigt sich in der Ferne mit erweiterter Aussicht vielleicht und möchte in der Nähe zusammenschrumpfen. Factum ist, daß seine letzte Anrede in der Kammer effectlos blieb, aber die ganze Linke vollkommen einverstanden ist ihn zu stützen, ohne sich ihm einzuverleiben. Außer Thiers möchte Cousin das bewegendste und rührigste Glied seyn im ganzen Ministerium, denn Cousin hat viele Plane für den öffentlichen Unterricht, daneben einen ziemlich schonungslosen und absoluten Willen, der in Contrast kommen könnte gegen den früher im Erziehungsdepartement eingerissenen allzugroßen Schlendrian. Aber auch das mag in der Ferne mehr als Brand aussehen, als es sich in der Nähe der Wirklichkeit wie Feuer bewähren möchte. Wir wollen sehen. Daß viel, sehr viel zu thun, ist keine Frage; denn die ganze Administration gleicht einem geistlosen Mechanismus, ohne Einfluß auf die Völker, und das Repräsentativsystem hat diesem Mechanismus dazu noch seine Stätigkeit benommen, denn nichts ist flüchtiger als das Hauptpersonal der Administration, wo ein Präfect oder Unterpräfect dem andern auf die Fersen tritt. Ernst, Verstand, Charakter und Größe sind überall vonnöthen; aber um diese durchzusetzen, muß die Gesinnung von oben ausgehen und mehr seyn als ein bloß genialischer oder witziger Einfall. Zudem noch ist es unumgänglich nöthig, daß die großen Interessen der Religion und Moral vor aller Macherei gesichert bleiben und tief respectirt werden, denn Irreligiosität ist der Fluch des Landes, und das fühlen heutzutage Tausende von Bürgern, und von Religion sprechen Tausende, die sonst wenig mit religiösen Gefühlen zu schaffen hatten.

Niederlande.

Das Handelsblad meldet nun in Uebereinstimmung mit frühern Nachrichten, die wir schon vor Wochen erwähnt haben: Wir vernehmen aus guter Quelle, daß Se. Maj., jederzeit besorgt für die Wohlfahrt höchst ihrer Unterthanen, eine Unterhandlung mit dem deutschen Zollverband zur Aufnahme des Großherzogthums Luxemburg in denselben eröffnet habe. Zu dieser für das Großherzogthum so wichtigen Nachricht können wir noch hinzufügen, daß alle Hoffnung vorhanden ist, daß ein Vertrag zu Stande kommen wird.

Am 4 März Nachmittags ist der König ans dem Haag abgereist nach Amsterdam, und am folgenden Tag sollten die Prinzen und Prinzessinnen seines Hauses folgen. Für denselben Tag ist Morgens bei dem König Audienz angesagt und Abends wird die ganze königliche Familie das Theater besuchen. Freitag ist Diner bei Hofe, Sonnabend Besuch des französischen Theaters in Amsterdam, und am Montag soll die königl. Familie wieder nach dem Haag zurückkehren. So lautet das Programm über den Besuch des Königs in Amsterdam. Daß derselbe so früh eingetreten, nahe um zwei Monate früher als gewöhnlich, hat zu manchen Commentarien Anlaß gegeben. Manche wollten wissen, der König suche sich der Gesinnungen des hohen Handelsstandes in Amsterdam zu versichern, ehe die Generalstaaten wieder zusammentreten, andere behaupteten, die Heirath mit der Gräfin d'Oultremont solle gleich nach dieser Reise stattfinden. In Amsterdam hat die Ankunft des Königs manche besondern Wünsche rege gemacht, welche diese Stadt hegt, nämlich daß die Verwaltung der Provinz Holland von Haarlem, wo sie sich jetzt befindet, nach Amsterdam, als der Hauptstadt der Provinz und des Reichs verlegt, und daß ein Provincialgerichtshof daselbst errichtet werde. Indeß verschwinden diese Einzelnheiten vor der heranrückenden Wiederversammlung der Generalstaaten, die nun bestimmt auf den 18 d. berufen sind. Die Verbalprocesse der Abtheilungen der zweiten Kammer der Generalstaaten sind nun gedruckt und vertheilt worden, und man ersieht daraus, daß abgesehen von dem Streit über die Colonial-Einnahmen, noch gar manche Fragen aufgeworfen worden, die0573 zum Theil unter den Mitgliedern der Generalstaaten selbst starke Zerwürfnisse rege machen könnten. Es handelt sich um die Einrichtung, ja, wie es scheint, selbst um die Existenz des Staatsraths, der ersten Kammer der Generalstaaten, und selbst der allgemeinen Rechenkammer, deren Nothwendigkeit und Nützlichkeit sehr in Zweifel gezogen wurde. Ein anderer Punkt ist die Zahl und die Vertheilung der Mitglieder der zweiten Kammer; man betrachtete die Zahl derselben (58) als genügend, will aber eine andere Vertheilung, nämlich nach der letzten Volkszählung. Dieß würde der Provinz Holland ein ungemessenes Uebergewicht über die andern geben, und es werden diese wohl kaum geneigt seyn, die Volkszahl allein als Kriterion gelten zu lassen. Jedenfalls wird das Grundgesetz sehr bedeutende Veränderungen erfahren, manche Dinge indeß, die man anderswo als veraltet ansieht, sollen nicht geändert werden, denn man will das Staatsgebäude im Ganzen unangetastet lassen. Die ministerielle Verantwortlichkeit in dem ausgedehnten Sinne, wie sie von einigen verlangt wurde, ward nicht als zweckmäßig betrachtet, auch auf eine Veränderung in der Wahlart, die bekanntlich nicht direct, sondern durch die Provincialstaaten erfolgt, scheint man nicht eingehen zu wollen. Fragt man, welche Partei wohl den Sieg davon tragen wird, so ist kaum ein Zweifel, daß die Partei, welche den jetzigen Institutionen mehr Kraft und Leben und eine größere Entwickelung geben will, in den Generalstaaten das Uebergewicht hat, die Partei aber, welche radicalere Veränderungen wünscht, in den Generalstaaten selbst und wohl auch im Lande bis jetzt noch entschieden die kleinere ist.

Italien.

Der Herzog von Lucca ist von Florenz hier eingetroffen und hat eine Wohnung im Palast seiner Schwester, der Prinzessin Maria Luisa, bezogen. Wie man vernimmt, wird der Herzog sich später auf Besuch nach Neapel begeben. In seinem Gefolge befindet sich der Baron v. Ostini, Geschäftsträger in Wien, und der Oberststallmeister Freiherr v. Löwenberg. Der König von Neapel hat seine Reise hierher bis auf spätere Zeit verschoben, wo nicht ganz aufgegeben. Die dießjährige Fastenverordnung ist vor einigen Tagen erschienen, und ist wie die vorjährige mit Rücksicht für die ärmere Volksclasse hinsichtlich der Fleischspeisen sehr nachsichtlich abgefaßt. Der von den vornehmen römischen Damen veranstaltete Ball auf dem Capitol, zum Vortheil der Cholerawaisen, fand gestern Abend statt. Der Herzog von Lucca, der Prinz Leopold, Graf v. Syrakus und dessen Gemahlin, so wie die ganze Elite der großen Welt wohnte diesem Feste bei, zu welchem über 1200 Billette ausgegeben waren.

Deutschland.

Der königliche Minister der Finanzen Hr. v. Wirschinger liegt zu allgemeinem größten Bedauern noch immer an einer sehr schmerzhaften Krankheit darnieder. Das Uebel hat seit einigen Tagen eine so bedenkliche Wendung genommen, daß Se. Exc. durch den hochwürdigsten Hrn. Bischof von Passau vorgestern die letzten Tröstungen der Religion empfing. (Münchn. pol. Ztg.)

Nach dem gestrigen Schlusse der Berathung der Abgeordnetenkammer über das Nachdruckgesetz wurden noch drei Wünsche eingebracht. Der erste von Dekan Götz daß der in diesem Gesetz enthaltene Rechtsgrundsatz seine volle Anwendung auch auf den Central-Schulbücherverlag, in soweit demselben die Rechte einer Verlagsbuchhandlung zustehen, finde, wurde abgelehnt. Dagegen erhielten die Zustimmung der Kammer die beiden Wünsche des Frhrn. v. Thon-Dittmer es möge Sr. k. Maj. gefallen: 1) die Censur der periodisch erscheinenden Schriften und Zeitungen in Ansehung der Mittheilungen über innere Angelegenheiten aufzuheben; 2) eine den Bedürfnissen der Zeit angemessene Preßgesetzgebung für Bayern auf verfassungsmäßigem Wege in das Leben zu rufen. Der Gesetzesentwurf selbst, wie er sich mit den vorläufig genehmigten Modificationen gestaltet hat, wurde von den anwesenden 94 Kammermitgliedern bei der definitiven Abstimmung einhellig angenommen. Die Berathung über die Verwaltung der Staatsschulden-Tilgungsanstalt mußte wegen vorgerückter Zeit auf heute verschoben werden.

Dresden, 4 März. In unserer zweiten Kammer der Stände ist die Berathung über das Einnahmebudget in der heutigen Sitzung bereits vollendet worden, indem die von der Regierung aufgestellten Einnahmepositionen fast ohne alle Erörterung die Genehmigung der Kammer erlangten, wie dieß bereits in gestriger Sitzung der Fall war. Das ganze Staatseinkommen ist demnach in der dermaligen Finanzperiode auf jährlich 5,500,297 Thlr. 2 Gr. veranschlagt angenommen worden. (Leipz. Z.)

Harburg, 2 März. In dem zur Vornahme einer höchsten Orts beschlossenen Ergänzungswahl zur allgemeinen Ständeversammlung auf heute angesetzten Termin waren der Magistrat, die betheiligten Bürger-Repräsentanten und Wahlmänner der Stadt sämmtlich erschienen, und wurde die Wahl einstimmig abgelehnt, und zwar von Seite der Bürger-Repräsentanten und Wahlmänner unter folgendem zu Protokoll gegebenen Protest: Wir verweigern die Wahl, denn wir wollen eine Kammer, welche theilweise aufgelöset, um deren gänzliche Auflösung aber erfolglos gebeten ist, und woraus die ehrenwerthesten Männer zurückgewiesen wurden, nicht ergänzen; wir protestiren also unter Verwahrung unserer und unserer Committenten Rechte feierlichst gegen die Wahl und gegen alle von der gegenwärtigen Ständeversammlung, die wir als eine nach den bestehenden Gesetzen componirte nicht anerkennen, zu fassenden Beschlüsse, und bitten, diesen unseren Protest ins Protokoll aufzunehmen. (Hamb. C.)

Preußen.

Mit dem Befinden unseres Kriegsministers, Generals v. Rauch, bessert es sich zwar etwas, doch soll derselbe noch immer nicht ganz außer Gefahr seyn. Interimistisch ist von Sr. Maj. für die Dauer der Krankheit des Ministers der Generalmajor v. Cosel mit den Geschäften des Kriegsministeriums beauftragt worden. Der regierende Herzog von Nassau ist heute hier eingetroffen. In seinem Gefolge befinden sich der Freiherr v. Nauendorff und der Cabinetssecretär, Hofrath Götz.

Schweden.

Der Vorschlag zur Umwandlung der ganzen Organisation des Staatsraths und zur Einführung einer Ministerialverwaltung wie in andern constitutionellen Ländern, ein Vorschlag, welcher schon im Ritterhause, wie im Priester - und im Bauernstande durchgegangen, wurde vorgestern auch vom Bürgerstande genehmigt. Mehrere Mitglieder bestanden darauf, daß man den Vorschlag Punkt für Punkt discutire, was 43 Stimmen gegen 7 ablehnten. Darauf ward das Ganze des Vorschlags ohne Abstimmung angenommen. Hr. Petre beklagte, daß die bisherigen Mitglieder des Staatsraths durch die Eilfertigkeit, womit diese Sache abgemacht worden, dem ihnen zugedachten Schicksal entgingen, durch die Reichsstände ihrer Aemter entsetzt zu werden; sie würden jetzt ehrenvollen Abschied erhalten, könnten ihre Gehalte behaupten u. s. w. Der bekannte Adreßvorschlag Hans Janssons0574 wurde am selbigen Tage im Ritterstande vorgetragen und nach einer langen Debatte ohne Abstimmung verworfen; selbst die Opposition fand ihn nicht passend. Freiherr Sprengtporten erklärte indessen, daß er einen andern Vorschlag ähnlicher Tendenz einbringen wolle. Im Priesterstande wurde derselbe Vorschlag mit 34 Stimmen gegen 20 verworfen. Selbst im Bürgerstande erfuhr der Antrag das gleiche Schicksal; er wurde dort am Abend desselben Tages in Erwägung gezogen, und mit der Majorität Einer Stimme verworfen. Hr. Petre scheint den uneingeschränkten Einfluß, den er bisher im Bürgerstande ausgeübt hatte, wenigstens zum Theil verloren zu haben.

Rußland.

Ein aus der Lausitz gebürtiger, bei der russischen Armee angestellter Arzt, Dr. B ......, bestätigt in einem vom 17 Febr. aus Olbiopol, 60 Werste nördlich von Odessa, datirten Schreiben vollkommen die Nachrichten, welche über die Ausrüstungen der großen, zwischen jener Stadt, Balta und Kischenew mit der Hauptstärke cantonnirenden Armee, deren Vortruppen aber bis Bantkowskaja und Tiraspol vorgeschoben sind, gemeldet worden. Noch hat der erst kürzlich in sein Gouvernement zurückgekehrte commandirende General der Infanterie, Graf v. Woronzow, den Oberbefehl über das Ganze. Man hatte aber dem Heere für die ersten Tage des Märzmonats eine große Inspicirung angezeigt; wahrscheinlich, so bemerkt der Briefsteller, dürfte der Kaiser selbst auf der Reise nach Odessa seine Armee die Revue passiren lassen, ehe sie der muthmaßlichen Bestimmung entgegen geht. Man erwartet mit Ungeduld hier nach den vielen schon stattgefundenen und noch zu erwartenden Verabschiedungen in unserer Armee nun das große Avancement, da mehrere Divisionen, Brigaden und Regimenter vacant sind, und nach wiederholter Bestimmung des Monarchen nicht nach der Anciennetät, sondern nach den Fähigkeiten und Verdiensten wieder besetzt werden sollen. (Hamb. C.)

Die Breslauer Zeitung enthält folgenden ihr durch dritte Hand zugekommenen Brief eines Officiers, der an der russischen Expedition nach Chiwa theilnimmt. Das Schreiben lautet: Lager am Flusse Emba, 5 (17) Jan. 1840. *)*)48 Gr. 19 Min. 23 Sec. N. Br. Von Greenwich 57 Gr. 41 Min. 45 Sec. östl. Länge. Oder 3 1 / 2 Gr. südlicher und 2 1 / 2 Gr. östlicher als Orenburg. Am südlichen Ufer des Aral-Sees, längs dem Flusse Amu-Daria, 1400 Werste oder 200 deutsche Meilen von Orenburg liegt der Staat Chiwa. Trotz dem, daß dieses Ländchen kaum 600,000 Einwohner zählt, welche ein paar Duzend Städte und Ortschaften bewohnen, übt es dennoch vermöge seiner isolirten und unzugänglichen Lage einen bedeutenden Einfluß auf die angränzenden Nomadenstämme der Turkmenen, Karakalpaken und Kirgisen aus. Seit langer Zeit hat diese Bevölkerung durch Beraubung und Bedrückung der Karawanen, welche unsern ihrer Gränze von Rußland nach Bochara zogen, wie durch den Ankauf russischer Gefangenen, wozu sie die Kirgisen ermunterte, die Geduld der russischen Regierung auf eine harte Probe gesetzt. Nachdem alle Ermahnungen fruchtlos gewesen waren, und sogar die Festnehmung einiger Hunderte ihrer Kaufleute die Herausgabe der Gefangenen nicht bewirken konnte, so wurde im Monat März des vorigen Jahrs dem Kriegsgouverneur und Commandeur des Orenburgischen Corps, Perowsky, der Befehl ertheilt, einen Zug gegen diesen Raubstaat zu unternehmen. Zu dem Ende wurden zwei Punkte in der Steppe, wovon der eine 70, der andere 95 Meilen von der russischen Gränze entfernt liegt, durch kleine Detaschements besetzt, befestigt und mit Heu und Lebensmitteln versehen. Etwa 50 Meilen von dem letzteren, welcher Ak-Bolak heißt, erhebt sich das 700 Fuß hohe wasserlose Plateau, welches das kaspische Meer von dem Aral-See scheidet, und das westliche Ufer des letzteren mit einem steilen, nur an wenigen Stellen ersteigbaren Rande umkränzt. Wenige Brunnen, in Zwischenräumen von 60 Meilen, bieten dem Wanderer und dem Kamel, diesem Schiff der Wüste, eine sparsame, schlechte und zuweilen salzige Tränke. Erst am südlichen Ufer, an der eigentlichen natürlichen Gränze dieses Staats, steigt man in die fruchtbare, mit Bewässerungscanälen durchzogene und mit Landhäusern übersäete Oase von Chiwa herab. (Wie es dort aussehen wird, behalte ich mir vor, bei etwas mehr Sonnenwärme zu schreiben.) Die Kürze der Zeit und die Schwierigkeit der Verpflegung in dieser furchtbaren Einöde erlaubte nur die Ausrüstung eines der Zahl nach ziemlich geringen Truppencorps, und zwar um so mehr, da der Zug wegen Wassermangel nur im Winter unternommen werden konnte. Die Truppen mußten nicht allein mit einer Menge Gegenstände, welche in einer andern Jahreszeit entbehrlicher gewesen wären, sondern selbst mit Feuerungsmaterial versehen werden. Zum Transport der Lebensmittel und Kriegsbedürfnisse waren nicht weniger als 10,000 Kamele erforderlich. Meine Colonne, bei welcher sich auch der Commandeur des Corps befindet, besteht aus 3500 Kamelen, 4 Compagnien Infanterie, 2 Schwadronen regulärer und 3 Schwadronen Ural'scher Kosaken; letztere können als Muster dieser Truppengattung aufgestellt werden, da sowohl Mannschaft als Pferde fast unverwüstlich sind. Meine Artillerie besteht aus 2 Positionsgeschützen, wozu dieser Tage noch ein paar Sechspfünder kamen, und aus einigen Congreve'schen Raketen. Außerdem befehlige ich noch den Hauptpark, das Hospital, die Kirche, die Flotte etc. Dieses ganze Convoi nimmt auf dem Marsch einen Raum von nicht mehr als 500 Schritt in die Länge und ungefähr 250 Schritt in der Fronte ein. Die Infanterie mit den Geschützen deckt die[t]ête, und Queue bildet der Transport. Stoßen wir zuweilen auf Engpässe, so werden die wichtigsten Punkte mit Fußvolk besetzt und die Cavallerie dazu gebraucht, theils die Gegend zu durchsuchen, theils die, die Kamele leitenden Kirgisen, deren ich bei meiner Colonne 600 zähle, in der vorgeschriebenen Marschordnung zu erhalten. Es gewährt einen wunderbaren Anblick, wenn man diese Masse in der Ferne oder in dem Zwielichte der Morgendämmerung sich bewegen sieht. Gewöhnlich werden 6 bis 9 Kamele durch einen Strick, der ihnen durch den Nasenknorpel geht, aneinander gebunden. Auf dem Pack des vordern schaukelt sich ein Kirgise, der mit seiner spitzen Mütze und in seiner Filzeinhüllung einer oben stehenden Filzhütte nicht unähnlich ist. So lange die Kräfte der Kamele reichen, gehen sie einen Schritt, der durch seine Regelmäßigkeit jeder Garde Ehre machen würde. Die Verpflegung dieser nützlichen Thiere ist eine unsrer Hauptsorgen. Jeden Nachmittag um 2 Uhr machen wir Halt, um sie, so wie unsre Pferde, unter ziemlich starker Bedeckung auf die Weide zu schicken, welche ihnen bis jetzt, trotz der ziemlich dicken Schneedecke, trefflich mundete. (Euren schlesischen Gäulen würde diese Nahrung freilich nicht behagen.) Nachdem die Kamele von der Weide heimgetrieben sind, müssen die Kirgisen den Schnee um ihre Hütten wegschaufeln, bis der Boden sichtbar wird, auf welchem dann Bastdecken zum Lager für diese Thiere ausgebreitet werden, da sie eine einzige auf dem Schnee durchbrachte Nacht zu Grunde richten würde. Während der Zeit sucht ein Theil der Mannschaft Schilf, welches als Feuerungsmittel treffliche Dienste leistet. Können sie solches nicht auffinden, so müssen sie mit dem gelieferten Kochholz vorlieb nehmen, und die langen0575 Nächte ohne das wärmende Element zubringen. Die Verpflegung und Bekleidung der Truppen kann unter diesen Umständen vortrefflich genannt werden. Des Morgens und des Abends bekommt der Soldat seine Fleischsuppe und an kalten Tagen eine Art Thee, welcher aus Honig, Pfeffer und Gewürze bereitet wird. Auch an Branntwein fehlt es nicht. Außer der Uniform und dem Mantel ist jeder mit einer gesteppten Jacke, einem kurzen Schafpelz, warmen Stiefeln und Ueberschuhen versehen. Eine warme Mütze schützt den Kopf nebst Zubehör. Ferner hat die väterliche Sorge der Chefs die Soldaten mit Tuchlarven, um das Gesicht gegen die unerträglich scharfen Winde zu schützen, und mit netzförmigen Haarbrillen versehen, um die Augen vor den schädlichen Eindrücken der Blendung zu wahren. Außer der genannten Ruhezeit wird kein Halt gemacht; die Soldaten aber reiten abwechselnd auf den Kamelen, was freilich einen höchst sonderbaren Anblick gewährt. Nichtsdestoweniger sind die Müheseligkeiten, welche unsere Truppen zu überwinden haben, ungeheuer. Man bedenke das schwierige Marschiren in einer lästigen Bekleidung und auf einer ungebahnten, mit tiefem Schnee bedeckten Ebene Dazu kommt noch das Frühaufstehen (gewöhnlich in jeder Nacht um 2 Uhr, um die üblichen Kriegsplackereien, als Wachen, Patrouillen etc. zu verrichten) und das bei der strengen Kälte unerträgliche Auf - und Abpacken der Kamele. Man bedenke ferner die furchtbare Strenge der Kälte, welche während der letzten zwanzig Tage bis auf 34 Grad Réaumur stieg, und nicht unter 12 Grad fiel; die mittlere Temperatur betrug demgemäß 23 Grad, und selbst im Zelte mußten wir eine Kälte von 26 Grad erdulden. Vor Allem aber sind uns die Schneestürme, Buran, furchtbar, welche hier eine Wuth besitzen, die man in Europa nicht kennt; sie wehen mit einer solchen Heftigkeit, als wollten sie die unbekannten Fremdlinge hinwegblasen, um ihre alleinige unumschränkte Herrschaft in diesem Todtenreiche zu behaupten, und wenn auch das Wetterglas während derselben bis auf 10 Grad sinkt, so ziehen wir dennoch eine Kälte von 30 Grad ohne dieselben vor. Bedenkt man endlich den schon zwei Monate dauernden, trostlosen Anblick einer unbewohnten, einförmigen Steppe, so muß man in der That die moralische und physische Ausdauer unserer Truppen bewundern. Die Zahl der Kranken ist nicht nur unbedeutend (erfroren ist bis jetzt kein einziger), sondern man hört sogar Abends, nachdem das Lager aufgeschlagen ist, die gewohnten Nationallieder fröhlich erschallen. Mag das Resultat dieses Zuges seyn, welches es wolle, so muß er dennoch wegen der ungeheuern Schwierigkeiten, die sich ihm auf einer Strecke von 200 Meilen durch eine öde, nackte Gegend entgegenstellen, unter die rühmlichsten Unternehmungen der ältern und neuern Kriegsgeschichte gezählt werden. Am 6 Dec. haben wir bei den Bergen Bisch-Tamak den Namenstag unsers Kaisers mit einem feierlichen Gottesdienste im Freien bei einer Kälte von 32 Grad Réaumur gefeiert. Der Kanonendonner rollte dabei siegverkündend über die todte, stille Ebene. Da wir in der hiesigen Befestigung die Mundvorräthe ergänzen mußten, so hat uns dieses Geschäft gegen 14 Tage aufgehalten. Uebermorgen wird eine Colonne sich in Bewegung setzen. Vor Weihnachten wurde ein Detaschement von 100 Mann Infanterie mit einigen Kosaken in der Gegend von Ak-Bolak ganz unerwartet angegriffen. Der Feind aber, welcher über 2000 Reiter zählte, mußte nach vielem Geschrei und mehrfach wiederholten Angriffen unverrichteter Sache wieder abziehen, und hat sich seit der Zeit nicht wieder sehen lassen. Einige Todte blieben zur Ansicht auf der Walstatt. Unser Verlust ist unbedeutend. Dieser Tage hat sich Sultan Bey Mahammed, der Oberst in russischen Diensten ist, mit einer Reiterschaar von 150 Kirgisen an uns angeschlossen. Auch einige andere Häuptlinge kamen aus verschiedenen Gegenden der Wüste, um ihre Ergebenheit zu bezeugen. Ein großes Gastmahl von Thee und Pferdefleisch wurde für sie angerichtet, und ihnen der staunenerregende Anblick einiger, durch eine galvanische Batterie gesprengten Minen bereitet. Unsere Postverbindung mit Orenburg wird durch Kirgisen besorgt, welche, paarweise oder auch allein auf zwei bis drei Pferden abwechselnd reitend, täglich 15 bis 20 Meilen zurücklegen. Sie durchschneiden die Wüste unter den fürchterlichsten Schneestürmen und einer Kälte von 25 bis 30 Grad, und trotzen den sie umschwärmenden Wölfen und Räubern. Meist ohne Mittel zur Feuerung, wählen sie den tiefen Schnee zu ihrem Obdach, und besitzen als einziges Nahrungsmittel nur steinharten Schafkäse, den sie Krut nennen. Der Anblick der uns umgebenden Steppe ist höchst einförmig und traurig. Nur an einigen Stellen, gewöhnlich in der Nähe von Flüssen, erheben sich kahle Berge oder wird die Gegend durch den Anblick einiger Erlen und Weiden belebt. Hier sind die ersten Keiler erlegt worden, welche wir im Schilfe fanden, und die den unsrigen bis auf die kleinern Hauer ganz ähnlich sind. Sonst wird die Steppe von Wölfen, Füchsen, Kursaks (auch eine kleine Fuchsart), zuweilen auch von Bibern, vielen Dachsen, Murmelthieren und einer Anzahl von Mäusen bewohnt. Weiße Rebhühner, eine unbekannte Lerchenart und Elstern sind die einzigen Vögel, die ich gesehen habe. Dieser Tage habe ich mit Ural'schen Kosaken nach der Scheibe geschossen. Die Entfernung betrug nicht mehr als ungefähr 100 Schritte; auf größere Weiten tragen ihre Büchsen nicht.

Oesterreich.

Die Ministerialkrisis in Frankreich erhält hier Alles in Spannung. Das Schwanken der Chancen für Thiers und Molé erregt Theilnahme, indem man die Ueberzeugung hegt, daß nur die Gewalt der Umstände Ludwig Philipp zu der Wahl des Hrn. Thiers nöthigen könnte, da der Widerwille des Königs gegen diesen Staatsmann bekannt ist, auch ein Ministerium Thiers 'keinen Beistand zu versprechen scheint. Mit Freude würde man hingegen Molé als Conseilpräsidenten begrüßen, weil dieser in seinen Berührungen mit den auswärtigen Mächten immer ernste Collisionen zu vermeiden wußte, und seine Ernennung daher als eine stärkere Bürgschaft für die Erhaltung und Befestigung des Weltfriedens angesehen würde. Der hier anwesende König von Sachsen beobachtet das strengste Incognito, und ertheilt daher keine Audienzen. Im kaiserlichen Thiergarten sollen dem sächsischen Monarchen zu Ehren zwei Jagden veranstaltet werden. Dann gedenkt Se. Maj. am 12 Wien zu verlassen und mit der Königin Maj. die Rückreise nach Dresden anzutreten. Der brasilische Abgesandte Hr. v. Hoste befindet sich noch in Wien. Die von ihm im Namen seiner Regierung angesuchte Bewilligung zur Werbung von 500 Mann für Brasilien in den österreichischen Staaten wurde nicht ertheilt. Hr. del Hoste wird daher binnen wenigen Tagen von hier abreisen, um sich nach der Schweiz zu begeben. Se. Maj. der Kaiser Ferdinand haben den Freiherrn v. Daiser-Sylbach, österreichischen Geschäftsträger zu Rio de Janeiro, autorisirt, in Allerhöchstihrem Namen bei der Confirmation Sr. Maj. des Kaisers von Brasilien die Pathenstelle zu vertreten. Die Verwerfung des Dotationsentwurfes in der französischen Deputirtenkammer hat hier viel Aufsehen erregt. Die Verbindung des Herzogs v. Nemours mit der Prinzessin Victoria von Sachsen-Coburg ist bis nach den Osterfeiertagen verschoben worden, und die herzogliche Familie wird in der Zwischenzeit nach Wien zurückkehren. Der neu ernannte0576 commandirende General in Böhmen, Fürst Alfred von Windischgrätz, hat seinen Proceß wegen Wiedererstattung der Güter der Familie Waldstein (Wallenstein) verloren. Der Proceß wurde von Schiedsrichtern entschieden, die in gleicher Anzahl von beiden Seiten ernannt worden waren. Der Fürst dürfte Ursache haben, die Fortsetzung dieses Processes, auf welcher er bestehen zu müssen glaubte, um so mehr zu bedauern, als er von Sr. Maj. dem Kaiser Franz als Transactionssumme 200,000 fl. und von Sr. Maj. dem jetzt regierenden Kaiser 600,000 fl. C. M. angeboten worden waren. Auch soll von beiden Seiten im Compromißvertrag auf jede weitere Beschwerdeführung verzichtet worden seyn, so daß dem Fürsten dadurch jede weitere Appellation unmöglich gemacht ist. Der französche Botschafter, Graf St. Aulaire, ist noch nicht abgereist; es scheint, daß der Graf die Resultate der französischen Ministerialkrise hier abwarten will.

Türkei.

In einem Schreiben des Sémaphore de Marseille aus Konstantinopel vom 18 Febr. heißt es, Chosrew Pascha conspirire gegen seine Collegen und wolle seine letzte Unpäßlichkeit einer Vergiftung zuschreiben, die von einem seiner Rivalen ausgegangen. Auch Halil Pascha suche dieser lügenhaften Behauptung Glauben zu verschaffen.

Aegypten.

(Corresp. des Sémaphore.) Die Sprache des Ministeriums und der vorzüglichsten Kammerredner in Paris hat gleich den günstigen Commentaren der französischen Presse hier einen angenehmen Eindruck gemacht; anders war es natürlich in Konstantinopel. Dort gerieth der Divan in Bewegung und hatte Privatunterredungen mit den Botschaftern von Rußland, England und Oesterreich. Wenn ich gut unterrichtet bin (und ich glaube es zu seyn), so hat Hr. v. Butenieff erklärt, daß seine neuesten Iustructionen ihn ermächtigten, der Pforte den Beistand der russischen Kriegsschiffe und eines Armeecorps von 30,000 Mann anzubieten, um die kriegerischen Plane Mehemed Ali's zu nichte zu machen. Die russische Armee würde dann mit der türkischen gemeinschaftlich gegen Ibrahim Pascha marschiren, denselben in seiner festen Stellung angreifen und aus Syrien verjagen. Als Beweis ihrer uneigennützigen Absichten wolle die russische Regierung die dem Feind abgenommenen Städte und festen Plätze unverzüglich den türkischen Soldaten übergeben. Der russische Botschafter erklärte auch, es sey dringend nothwendig, daß der Divan energische Maaßregeln ergreife und bemerkte, daß die übrigen Mächte die Pforte kaum anders, als durch diplomatische Noten unterstützen könnten, da ihre geographische Lage ihnen nicht gestatte, thätig und zeitig einzuschreiten. Die Pforte, meinte der Botschafter, solle sich beeilen das Anerbieten des Kaisers anzunehmen; die russische Hülfsarmee könne in Klein-Asien seyn, bevor ein Monat vergangen, und Mehemed Ali werde auf die bloße Nachricht von ihrem Marsch hin um Gnade bitten. Diese Conferenz fand am 6 Febr. statt. Das russische Paketboot, welches an demselben Tag nach Odessa abgehen sollte, verschob seine Reise um einen Tag und erhielt dann Depeschen, die von hoher Wichtigkeit seyn sollen. Am 6 hatte Lord Ponsonby gleichfalls eine Conferenz mit Reschid Pascha. Letzterer klagte, daß England sich auf sterile Drohungen gegen Mehemed Ali beschränke. Der Lord erwiederte, er sey benachrichtigt, daß seine Regierung von der Drohung zur That schreiten werde und nur noch eine letzte Aufforderung werde an Mehemed Ali ergehen lassen. Zwischen England, Rußland, Oesterreich und Preußen herrsche Einverständniß, und Frankreich allein werde gegen England und Rußland nichts unternehmen können noch wollen. Das englische Cabinet widersetze sich nicht dem Einmarsch einer russischen Armee in Kleinasien; die englische Flotte werde inzwischen die Häfen von Aegypten und Syrien blokiren, Landtruppen ausschiffen und durch diese vereinigten Bewegungen, unterstützt durch den Aufstand der türkischen Truppen in Aegypten, werde Mehemed Ali zu Grunde gerichtet. Zuletzt erklärte der Lord noch, der englische Admiral werde bald Instructionen erhalten, die mit dieser Erklärung übereinstimmten. Gemäßigter lautete die Sprache des österreichischen Internuncius, der zu verstehen gab, daß die fünf Mächte am Ende übereinkommen und Alles ohne eine starke Krise sich ausgleichen könne. Hr. v. Pontois nahm an all diesen Conferenzen gar keinen Antheil. Er fängt an, den Muth zu verlieren und steht ziemlich schlecht mit der türkischen Regierung.

0569

Die Gemäldeausstellung in Paris.

Die Ausstellung hat seit gestern begonnen. Das erste, was uns auffiel, ist die Abwesenheit mehrerer, ja aller berühmtesten Namen der modernen Schule. Weder Ingres noch Ary Scheffer, weder Horace Vernet noch Decamps, noch Delaroche, und eben so wenig Ziegler, Biard und Roqueplan haben dieses Jahr dem Publicum etwas geboten; natürlich verliert der Salon hierdurch einen großen Theil seines Interesses. Ueberhaupt ist die Gesammtzahl der ausgestellten Werke geringer als in früheren Jahren. Was man unbedingt loben muß, ist, daß die bestellten, ich möchte beinahe sagen nach dem Längenmaaß gefertigten Schlachtgemälde und Kriegsbilder ein wenig nachlassen; es scheint nachgerade, daß Versailles wenig leere Wände mehr hat, und daß die Künstler nicht mehr mit contractmäßig zu liefernden Meisterstücken überladen sind, wie die letzten drei Jahre. Religiöse Gemälde sind zwar immer genug vorhanden, doch auch weniger als früherhin, wogegen die historischen Scenen an Zahl und ernstlicher Bedeutung gewinnen wollen. Wir wünschen dieser neuen Richtung alles Glück und Gedeihen, denn die Kunst wie das Publicum können bei ihr nur gewinnen. In dem großen viereckigen Saale haben bei einem ersten vorläufigen Besuche drei Gemälde unsere Aufmerksamkeit angezogen: die Generalstaaten (Etats généraux) von Couder, in welchem der Tiers-Etat mit der großen Figur von Mirabeau sich zwar charakteristisch zeigt, die übrigen Theile aber in einer faden, violetten Uebertünchung zu verschwimmen scheinen. Den König Ludwig XVI gar, in seiner unabsehbaren Perspective, wird man kaum gewahr! Der Triumph des Trajan, von Delacroix, ist uns bei der ersten Einsicht unverständlich geblieben, und des Kaisers Pferd scheint uns an einer convulsivischen Verzerrung zu leiden. Wir behalten uns nähere Prüfung und genauere Unterscheidung einer Leistung vor, die nothwendig leidenschaftliches Lob und nicht minder ungemessenen Tadel veranlassen wird. Der achtzehnte Brumaire von Bouchot scheint uns von diesem weltgeschichtlichen Auftritt nur die Figur des ersten Consuls, und selbst diese in etwelcher Verbleichung getroffen zu haben. Ich bekenne, daß ich in der Gruppe, die Bonaparte, angreifend oder vertheidigend, umringt, nicht jenen verhängnißvollen Charakter gefunden habe, der den dictatorischen Ueberfall in der Orangerie zu St. Cloud bezeichnet. Die arme Rachel hat man in einem abscheulichen Bild ausgestellt , im wahrhaft criminellen Sinne des Worts. Ich weiß noch nicht, welcher schwarzgallige Künstler seine Tücke über die Gestalt der großen Trauerspielerin ausgegossen hat. Glücklicherweise rächt sie der Ausdruck der Augen und des Mundes gegen die Verunglimpfung und die Unschönheit, die ihre übrige Gestalt umgibt.

Ein Tag in Athen.

Wir sind hier zwar sehr mit ernsten Interessen beschäftigt, indessen fangen wir allmählich an, auch an den Spaß zu denken. Es wäre auch unrecht, wenn aus Athen, wo einst so viel Humor zu Hause war, derselbe jetzt verbannt seyn sollte. Freilich der Aristophanes fehlt noch, aber Personen und Dinge, die eben so komisch wären als die Aristophanischen, ließen sich schon auftreiben. Auch läßt sich der Volkswitz zuweilen an ihnen aus. Ueberdieß ist das Theater vollendet und die Dionysischen Künstler sind angekommen. Vielleicht daß schon diesen Winter einige Carnevalslustbarkeit von Rom herüber weht. Morgens früh geht man hier zwar nicht wie in alter Zeit auf die Pnyr, um sich wie Dikäopolis zu beklagen, daß Niemand erscheint, um an der Volksversammlung Theil zu nehmen; man begibt sich vielmehr ins Kaffeehaus zur bella Grecia, deren Sitze schon früh eingenommen sind, und wo es nicht an Rednern über das Staatswohl fehlt. Neben der Sprache fürs Ohr hat sich durch die Zeitungen eine Sprache fürs Auge entwickelt, welche auch in Griechenland täglich an Bedeutung gewinnt. Diese sind quasi die wahren Volksredner, lauter große Personagen, die zum Theil aus dem Himmel herabsteigen, um in der Versammlung der Kaffeehäuser ihre Meinung zu verkünden. Da spricht die Athena, die Pheme, der Aeon, die Hellas. Doch geht der Respect vor diesen hohen Rednern nicht so weit, daß nicht auch andere zu Worte kommen dürften, ein Volksfreund oder gar ein simpler Schnellläufer . Zuweilen sieht man selbst die Göttin der Stadt mit dem Schnellläufer in lebhaftem Wortstreit, und man sagt, der letztere habe seinen Namen eben daher, weil er über die Argumente der Athena so schnell hinwegläuft. Die Athena ist noch eben so gescheidt und erfindungsreich, als zur Zeit, da sie dem alten Odysseus beistand. So gab sie neulich einen sehr guten Rath, wie die orientalische Frage zu lösen sey. Man solle Kreta, Thessalien, Macedonien und Epirus mit Griechenland vereinigen; das wäre das beste Mittel, um die Türkei zu pacificiren und stark zu machen, und an den freien Griechen würde sie vielleicht einen stärkern Beistand haben, als sie jetzt an den unterdrückten nothwendige Feinde habe. Daher also hatte der alte Jomard seine Weisheit, als er jüngst demonstrirte, es wäre für den Sultan nichts heilsamer, nichts mehr seine Macht stärkend, als wenn er Aegypten und Syrien dem Mehemed Ali gäbe zum unabhängigen Königreich. Der Sultan soll das nicht recht einsehen. Indessen gereicht ihm zur Entschuldigung, daß er noch so blutjung ist, und überdieß imbecil, wie man sagt.

Warum die Athena nicht auch räth, die jonischen Inseln, denen es um das Protectorat Englands gar nicht zu thun ist, an Griechenland zu geben? Dann hätt 'aller Streit ein Ende; denn dieser Streit ist nicht ein Streit zwischen den jonischen Inseln und Griechenland, sondern zwischen dem Protector und Griechenland, mit welchem letztern sich die jonischen Inseln zu vereinigen wünschen. Sie sagen, es gehe ihnen mit der Freiheit, die England ihnen gewähren soll, wie jener Frau m Palais Royal mit den Trüffeln. Bei Hallavan verlangte sie nach der Karte ein Gericht Trüffeln, statt deren ihr etwas gebracht wurde, das sie für Papier maché hielt. Als sie sich beklagte, das seyen keine Trüffeln, antwortete ihr der Garcon kaltblütig: Voilà, Madame, ce que nous avons l'habitude de donner sur ce titre. Ob wohl Musturidi in London mehr ausrichtete, als die Frau im Palais Royal?

Die Pheme ist ein Blatt, welches am entschiedensten seiner Richtung folgt. Sie erzählt nämlich in dreizeiligen Artikeln alle Stadt - und Landesneuigkeiten, die sie auftreiben kann, ein unübertroffenes Repertorium des gesammten Kaffeehaus - und Straßenconversationsgeschwätzes, und deßhalb sehr interessant. Sie weiß aber die Wißbegierde nicht nur zu befriedigen, sondern auch zu erregen. So erzählt sie z. B.: ein gewisser Herr, dessen Name ihr unbekannt sey, habe sich aus einer unbekannten Ursache entfernt, man wisse aber noch nicht, wann er fort0570 gegangen und wohin. Sie sey sehr begierig zu erfahren, ob die Geschichte wahr sey. Ein solcher Lückenbüßer setzt alle Wißbegierigen in Bewegung, und ehe der Abend kommt, verbreitet das Gerücht eine Menge Antworten auf jene Fragen, die natürlich sich alsbald von selbst widerlegen.

Das Possierlichste ist, wenn man das Glück hat, in die Nachbarschaft von zeitvertreibenden Reisenden zu gerathen, welche, da sie nichts zu thun hatten, nichts Besseres thun konnten, als die orientalische Frage an Ort und Stelle in Augenschein zu nehmen. Das Fundament ihres Urtheils über Griechenland und den Orient sind im Sommer die Hitze und die Wanzen, im Winter das schlechte Wetter und die undichten Thüren, woraus sich denn ergibt, daß das Volk zumal moralisch in einem miserablen Zustande ist. Wenn man nun dazu nimmt, daß es in der Ebene von Argos keine Bäume gibt, in der von Athen nur einige häßliche Olivenbäume, und daß überhaupt seit dem Jahr 1833 in und für Griechenland nichts geschehen ist, als einige unvollständige Ausgrabungen auf der Akropolis, so sieht man leicht ein, daß dieses Land nie reussiren wird, zumal die egoistischen Pferdetreiber mehr für ihren eigenen Beutel sorgen, als für den der Reisenden, die sie befördern.

Auch Zeitungen aus der Fremde finden wir in den Kaffeehäusern. Leider beschäftigt sich das Morning Chronicle nur selten mit Griechenland, sonst würde der Kaffeewirth es sicher zur Erheiterung seiner Gäste auslegen. Die Münchhausen-Artikel dieser Zeitung sind durch den Contrast, den sie mit der Wahrheit bilden, eben so spaßhaft, als der Bericht in Balbi's Geographie über die constitutionelle Verfassung Aegyptens, von dem es heißt, daß es durch eine Versammlung von Notabeln regiert werde, welche zwar keine eigentliche französische Deputirtenkammer bilden, aber auch keinen bloßen Staatsrath, sondern ein vollkommneres Etwas, das zwischen beiden mitten inne steht, gerade so wie bekanntlich holländische Zwiebacke mitten inne stehen zwischen Eiermahe und Butterbemmen, die Tugend beider vereinigend. Und das Land ist dabei glücklich, überglücklich, wie einst zur Zeit der ägyptischen Fleischtöpfe. Die Aegyptier wissen nichts weder von Constitution noch von Glück. Das Morning Chronicle aber, welches sich so sehr für das Glück Griechenlands interessirt, sollte bedenken, daß die Artikel, welche uns hier lachen machen, und wodurch es so freundlich für unsere Erheiterung sorgt, bei andern gar zu leicht mißverstanden werden, und dann sich zu den schamlosesten Verleumdungen umgestalten. Doch ereifern wir uns nicht. Ich höre Musik, es ist zwölf Uhr, ich folge dem Strom, um auf dem Platze vor dem königlichen Palais eine Ouverture und einen Straußischen Walzer mit anzuhören. Hier versammeln sich um diese Zeit diejenigen, welche zur Abwechselung mit dem sonderbar näselnden Gesang der Griechen einige musikalische Töne aus Europa zu hören wünschen, außerdem einige wenige, die nichts zu thun haben, oder deren Neigung und Beruf sie an die Börse der Neuigkeiten zieht. Haben Sie schon gehört: der einfältige Georg Kapodistrias ist arretirt. Er ist mit dem Türkenfresser Nikitas Chef einer Verschwörung zur Aufrechterhaltung des Christenthums. Wie ein Lauffeuer ist die Geschichte durch die Stadt. Bei Tische wird schon erzählt, es sey auf eine neue Vesper abgesehen gewesen. Kein Kopf sollte auf einem heterodoxen Leib sitzen bleiben. Die Geschichte ist um so spaßhafter, weil viel Wahres daran war, nämlich an der Verschwörung, aber sicherlich nicht an der Möglichkeit der Ausführung. Glauben Sie zuverlässig, es wäre nicht möglich, in Griechenland zehn solche Kopfabschneider aufzutreiben. Wie man auch so thöricht seyn kann, solche einfältige Instrumente vorzuschieben! Der Hauptschade, den die Verschwörung gestiftet, ist, daß sie uns um die Aufmerksamkeit auf die Ouverture brachte. Ihr Nutzen ist aber unberechenbar. Ich möchte alle Zweifler an Griechenland auf einen Tag nach Athen versetzen, damit sie selbst sich überzeugten, wie unkundig sie urtheilen, wenn sie diese Verschwörung als einen neuen Beweis der Richtigkeit ihrer Vorurtheile gebrauchen. Sie würden im Gegentheil daraus lernen, daß die, welche anderer Ansicht waren, eben durch die Wirkung der Entdeckung derselben eine alle Erwartung übertreffende Bestätigung ihrer Behauptungen und ihrer Hoffnungen für Griechenland gefunden.

Nach der Musik begab ich mich auf die Demarchie, um einen Paß für eine kleine Excursion zu holen. Ich erkundige mich nach der Straße, wo ich das Bureau finden werde. Ein Demokrat, ein arger, der mit dem Demarchen eben so unzufrieden schien, als einst der selige Strepsiades, antwortete: Folgen Sie nur diesem schmutzigen Wasser, welches in der Mitte der Straße fließt: kommen Sie glücklich bei einem tiefen Loch an einer unvollendeten Kloake vorüber, so sind Sie, wohin Sie wünschen; stürzen Sie aber hinein, so brauchen Sie keinen Paß. Ohne weitere Vorfrage und mit der nöthigen Vorsicht erreichte ich die Demarchie. Es ist freilich sehr auffallend, daß in Athen, in dem wasserarmen Athen, das Wasser bei der trockensten Witterung über die Straße läuft. Die Demarchie ist bisher stets in Wassernoth gewesen. Man weiß nicht einmal, woher das Wasser kommt, welches die Stadt versorgt. Nur bis auf eine gewisse Entfernung, etwa eine deutsche Meile, kennt man den uralten unterirdischen Aquäduct; man weiß, daß eine Menge Aestuarien desselben mit Erde angefüllt sind, hat sie aber nicht gereinigt. Die Demarchie hat den sehr richtigen Vorsatz, mit möglichster Genauigkeit alle alten Wasserleitungen in und um Athen bis an ihre Quellen verfolgen, und eine vollständige hydrographische oder hydragogische Karte entwerfen zu lassen, indem sie meint, daß sie in dieser Beziehung allerdings von den Alten etwas lernen kann, da ausgemacht ist, daß auch die alten Athener Wasser tranken. Daß die neueren dessen bedürfen, bezweifeln vermuthlich nur diejenigen, welche noch immer beklagen, daß man Athen nicht nach dem Piräeus verlegt habe. Sie könnten sich von ihrem Irrthum überzeugen, wenn sie sich erkundigten, was die seltsamen viereckigen gemauerten Kasten mit einem Schornstein bedeuten, welche die Demarchie seit einiger Zeit an den Straßen und Plätzen Athens aufführt. Dieselben stellen Fontainen vor im Geschmack von 1839. Was den Piräeus betrifft, warum man wohl nicht auch auf den Einfall kommt, Wien nach Triest zu verlegen? Dann wär's erst recht eine große Handelsstadt, und von der alten Vindobona könnte man jedes Fragment aus der Erde scharren. Es ist ein Glück, daß manche neuere Bauten in Athen hinreichend leicht ausgeführt sind, um bei einer besseren Stadtverwaltung, welche jetzt fast ausschließlich in den Händen des athenischen Demos aus türkischer Zeit sich befindet, durch andere ersetzt zu werden. Eine Hauptstadt, zumal eine werdende, bedürfte wohl eines eigenen, mit den Bedürfnissen und Anforderungen unserer Zeit vertrauten Stadtpräfecten. In den Stadtplan ist leider durch spätern Linien eine solche Störung der ursprünglichen Einheit hineingerathen, daß er um so mehr bedarf gegen die Willkür und das Interesse unkundiger Municipalbeamten geschützt zu werden. Es würde zwar wieder nicht an Klagen von Seiten der Liebhaber von Aemtern fehlen, deren es hier viele gibt, was denn die natürliche Folge hat, daß eine Menge Leute meinen, es gehe ihnen nicht besser als jenem Acteur, der 10 Jahre auf der Bühne die Hinterbeine eines Kamels vorgestellt hatte, und dennoch, da eine Vacanz eintrat, bei der jedes Verdienst0571 verkennenden Direction es nicht bis zu den Vorderbeinen bringen konnte, so daß der arme Mann gezwungen war, sich an die Gesellschaft zur menschlichen Behandlung der Thiere zu wenden, die sich aber unter dem Vorwand, daß sie es nur mit vollständigen Kamelen zu thun habe, aus der Affaire zog. So geht's. Wer zum Reisekoffer geboren ist, bringt's nie zum Mantelsack. Es ist sehr natürlich, daß im Anfang zuweilen einer eine Anstellung erhielt, auf seine Versicherung, daß er alles könne, etwa außer Spanisch, und bald wieder entlassen werden mußte, weil ihm Alles spanisch war. Doch hat sich dieß im Ganzen in der kurzen Zeit außerordentlich geändert es hat sich seit 1833 in Griechenland ein verhältnißmäßig großer Reichthum von Kenntnissen und Geschick gesammelt und entwickelt.

(Beschluß folgt.)

Die russische Expedition nach Chiwa.

(Beschluß.)

Die ersten directen und politischen Verbindungen zwischen dem moskowitischen und chiwa'schen Staate reichen bis in die Zeiten der ersten Romanows hinauf. Damals ging die Initiative von Chiwa aus, und es erschien am Hofe des Alexis Michailowitsch ein Abgesandter, der den weißen Czaaren so nennen die Chiwaer und überhaupt alle Bewohner Dschagatai's den Kaiser von Rußland einlud, eine Festung am kaspischen Meer zu bauen, zum Schutz des gemeinsamen russisch-chiwa'schen Handels gegen die räuberischen Stämme der Wüste. Damals konnte der Sache noch keine Folge gegeben werden. Erst der Nachfolger des Alexis, der große Geist, der Rußlands ganze Gegenwart und Zukunft mit scharfem und weit dringendem Auge überblickte, und der im Innern und nach Außen nach allen Richtungen hin die Bahnen brach, die Wege bezeichnete, auf denen Rußland seitdem immer weiter und weiter schritt, Peter der Große, begriff erst die ganze Wichtigkeit von Chiwa und die ganze Ersprießlichkeit und Nothwendigkeit einer Ausdehnung der russischen Macht nach Indien hin. Freilich ging er mit seinen kühnen und großartigen Planen zu weit, freilich mißglückten in dieser Gegend seine Unternehmungen so völlig, wie sonst nirgends. Nichtsdestoweniger ist seine Expedition gegen Chiwa die einzige Vorgängerin des Kriegszugs unserer Tage denn nach Peters Mißgeschick versuchte sich hier kein russischer Kaiser wieder. Insbesondere ist die Instruction, welche der Kaiser seinem dahin gesandten Kriegsmann mitgab, zu interessant, um sie hier nicht etwas umständlicher zu erwähnen.

Schon in den Jahren 1714 und 1715 hatte Peter der Große Schiffsexpeditionen an die östliche Küste des kaspischen Meeres geschickt, um dieselbe erforschen und mathematisch genau aufnehmen zu lassen. Im Jahr 1716 rüstete er den in seinen Diensten stehenden russificirten tscherkessischen Fürsten Alexander Bekewitsch (eigentlich hieß er Dewlet-Gerei) aus, um das Land Chiwa am Oxusstrom auszukundschaften und, wenn es anginge, es für Rußland zu besetzen. Er sollte zu dem Ende zunächst an der Ostküste des kaspischen Meeres an geeigneten Orten Festungen erbauen. Alsdann sollte er auf Chiwa marschiren, diese Stadt einnehmen, sie auf europäische Weise befestigen, den Fürsten des Landes in dem Gehorsam und der Unterwürfigkeit gegen Rußland erhalten und ihm eine russische Leibwache gegen seine widerspänstigen Unterthanen anbieten. Ebenso sollte er sich nach den Verhältnissen des Chans von Bochara erkundigen, und ihm ebenfalls russische Unterthanenschaft antragen. Alsdann sollte er einen zuverlässigen Mann den Oxus hinauffahren lassen, und ihn von dort weiter nach Indien schicken, ihm auch ein Schreiben an den indischen Großmogul mitgeben, und ihm den Auftrag geben, alle Wege genau auszukundschaften, das Geschaute umständlich zu verzeichnen und auf einem andern Wege aus Indien zurückzukehren. Selbst wenn wir von dem allzu naiven Zusatz zu der Instruction absehen, daß Bekewitsch auch den Fluß Amu aus dem Aralsee in das kaspische Meer zurückleiten sollte, so mochte doch schon in dem Obigen dem Fürsten mehr zu thun aufgegeben seyn, als selbst jetzt, nach hundert Jahren, dem ganz anders ausgerüsteten General Perowsky gelingen möchte.

Bekewitsch bekam zur Ausführung aller seiner Aufträge nur 5000 Mann Russen, Kosaken, Tataren mit, und auch eine Partie deutscher Kriegsgefangener, die man dem König von Schweden abgenommen hatte, und aus denen Bekewitsch eine Schwadron Dragoner bildete. Er legte drei Forts an verschiedenen Punkten der Ostküste des kaspischen Meeres an und rückte dann im Julius 1717 durch die Truchmenensteppe auf Chiwa los. Er kam bis 15 Meilen von der Stadt; hier ließ er sich durch Einstellung der Feindseligkeiten von Seite der Chiwaer und durch freundschaftliche Botschaften derselben zu dem Glauben verleiten, daß sie sich gutwillig in seine Wünsche fügen wollten, vertheilte seine Soldaten in verschiedenen Quartieren und begab sich selbst mit wenigen hundert Mann zu den Anführern der Feinde, um mit ihnen das Weitere zu besprechen. Da wurden natürlich sowohl er als seine sämmtlichen Mannschaften, auch die Schwadron Sachsen und Schlesier unter Anführung ihres Obristen, Hrn. v. Frankenberg, niedergemacht oder gefangen genommen und in die Sklaverei abgeführt. Die Besatzung der drei von Bekewitsch angelegten Forts floh übers kaspische Meer nach Rußland zurück, und die Forts selbst wurden seitdem in unsern geographischen Handbüchern hie und da als Ruinen erwähnt.

Diese unglückliche Expedition war die einzige, die wir mit der heute stattfindenden vergleichen können, denn einige Streifzüge der uralischen Kosaken in die Länder am Aralsee waren Privatunternehmungen dieser Kosaken, und galten wohl mehr den Aralern, Konratern, Truchmenen oder Kirgisen, als dem Staat von Chiwa.

Vom Jahr 1717 bis zum Jahr 1839 hat man die Chane von Chiwa in vollkommener Ruhe gelassen, und Mohammed-Emin-Inakh folgte auf Ichmed-Bidernach Evez-Inakh, auf ihn sein Sohn Mohammed-Rahim, und endlich dessen Sohn Rachman-Kuli-Chan, oder, wie Hr. Murawieff ihn nennt, Roman-Kuli-Chan, der jetzt bedrohte Souverän der Länder des Ostens. Sie hatten bloß mit ihren usbekischen Unterthanen, mit den benachbarten Nomaden, den Kirgisen und Truchmenen, die bald ihnen Tribut auflegten, bald von ihnen selbst besiegt wurden, und endlich mit den Persern zu thun, in deren Land sie von Zeit zu Zeit, dem uralten, von Ritter so schön dargestellten Hasse zwischen Turan und Iran gemäß, räuberische Einfälle machten. Gegen Rußland verhielten sie sich so ziemlich eben so ruhig, wie Rußland gegen sie. Sie ließen den indischen Transitohandel, obgleich nicht ohne Beschränkungen und mancherlei Hemmnisse, nach den Wolga-Gegenden durch ihr Land gehen, und selbst die russischen Gefangenen, welche sich allmählich bei ihnen ansammelten, fingen sie nicht selber ein, sondern kauften sie von den Kirgisen und Truchmenen, welche dieselben den Russen abnahmen.

Unter so bewandten Umständen vermehrten sich indeß die Beziehungen und Verbindungen Rußlands nicht nur mit Chiwa, sondern überhaupt mit dem ganzen Dschagatai während des bezeichneten Zeitraums auf eine außerordentliche Weise. Die Russen0572 begründeten und consolidirten ihre Ansiedlungen am Flusse Ural: Orenburg, Troizk, Uralsk, Juriew u. s. w. Ihre Colonien vermehrten und bevölkerten sich dort mehr und mehr. Sie befestigten die kleine und mittlere Horde der Kirgisen in der Abhängigkeit von ihnen, und knüpfen noch auf mehreren Punkten Handelsverbindungen mit Turan an. Sie verlangten für die steigende Bevölkerung des großen Reichs nicht nur mehr und mehr indische und bocharische Producte, mehr Baumwolle, Indigo, rohe Seide, Kaschemirs, seidene Stoffe, chinesisches Porcellan, bocharische Lämmerfelle, Goldstaub, Perlen, Edelsteine u. s. w., sondern die sich begründenden und immer mehrenden Fabriken des Reichs strebten auch immer begieriger nach Absatz und Ausfuhr von Papier, Sammet, Zucker, Tüchern, Kupfer, Blei, Kattun, Wollenwaaren, Spiegeln, Messern, Kämmen u. s. w. Die billigen Preise, zu denen sie diese Sachen lieferten, lockten die Kirgisen, die Usbeken, die Sarten, die Bocharen, die Truchmenen, die Taschkenter, Samarkander und Afghanen. Freundschaftliche Gesandtschaften wurden nach Bochara und Chiwa geschickt, Reisen, wenn auch nicht gerade von Russen, doch von russischen Unterthanen, Tataren, Armeniern u. s. w. vielfältig in jene Länder unternommen. Mit Kokan und Taschkend wurden seit 1810 freundliche Verbindungen angeknüpft. Und so kam es denn, daß die Karawanen, welche zwischen Turan und Rußland hin und her gingen, sich von Jahr zu Jahr vermehrten, und daß wenn der Verfasser der Pentarchie, dem wir diese Notiz entnehmen, gut berichtet ist bloß vom Jahr 1824 bis 1832 der Handel Rußlands mit dem Dschagatai von 8 Millionen auf 20 Millionen stieg.

Daß diese so ungemein rasch sich entwickelnden Verbindungen nicht noch schneller vorschritten, daran war allein der bisher noch mangelnde directe militärische Einfluß der Russen auf die Nomaden der zwischenliegenden Wüsten, und insbesondere auch der kriegerische, Handelsunternehmungen wenig günstige Geist der usbekischen Herrschaft in Chiwa schuld. Es war daher schon lange Rußlands Wunsch, diese Hemmnisse zu beseitigen. Mittlerweile mehrte sich auch die Colonie gefangener Russen in Chiwa von Jahr zu Jahr. Murawieff schätzte sie 1820 auf 3000 Mann, und zuletzt soll sie gar 6000 betragen haben. Dieß machte die Expedition noch wünschenswerther, und in der letzten Zeit wurde sie denn auch wirklich fast jedes Jahr vom Publicum als gewiß angekündigt. Doch bedurfte es erst der Expedition der Engländer gegen Kabul, um das Project zur völligen Reife zu bringen, und dann auch die Ausführung rasch wie ein Blitz folgen zu lassen.

Bisher waren die äußersten Gränzen der Russen am Fluß Ural und die der Engländer am Indus durch eine Entfernung von 300 Meilen getrennt, und die weiten zwischenliegenden Ländermassen Dschagatai auf Seite der Russen, Afghanistan auf Seite der Engländer waren nur noch ein Schauplatz der verschiedenen Reisen, Gesandtschaften diplomatischer und kaufmännischer Speculationen. Jetzt, nachdem die Engländer ihre Militärmacht über den Indus nach Kabul lancirten und die Russen die ihre über den Ural nach Chiwa, sind sie in diesen äußersten Standquartieren nur noch 100 Meilen weit auseinander. Haben die Russen sich erst in Dschagatai und die Engländer noch mehr in Afghanistan befestigt, so stehen sie sich dann Stirn an Stirn gegenüber; kein Staat liegt mehr dazwischen; der Streit, der bisher nur ein Ringen der Kaufleute und Diplomaten war, wird sich in blutigen Waffenkampf verwandeln, und wir können die Vermischung germanischer und slavischer Schwerter auf den Schlachtfeldern Alexanders des Großen als ein nun nicht mehr allzu fernes Schauspiel erwarten.

Doch muß allerdings zuvor noch mancherlei geschehen. Vor allen Dingen muß zuvor die Expedition gegen Chiwa selber gelingen. Im Ganzen scheint Niemand an diesem Gelingen zu zweifeln. Auch ist wohl die politische und militärische Macht des von Rußland angegriffenen Staates wenig geeignet, es bezweifeln zu lassen. Freilich haben auch die Chowaresmier, wie fast alle asiatischen Staaten und Völker, in neuerer Zeit ihre Militärmacht auf europäische Weise zu organisiren gesucht. Der letzte Chan Mohammed Rachim ließ Kanonengießer und Bohrer aus Konstantinopel kommen, und schuf sich eine Artillerie von etwa 30 Geschützen. Allein die Stücke werden von russischen Gefangenen bedient, und es läßt sich nicht vermuthen, daß diese einen sehr eifrigen Gebrauch davon gegen ihre Landsleute machen werden. Ueberdieß sollen die Befestigungen der Städte, nach gewöhnlicher orientalischer Weise, in schlechtem Zustande seyn, und das Heer, das der Chan aufbringen kann, mag sich kaum auf 30,000 Mann belaufen.

Auch der jetzige Chan, Roman Kuli, scheint, wie Murawieff ihn schildert, kein ganz gewöhnlicher Mann zu seyn. Er ist von einer außerordentlichen Stärke, besitzt eine große Energie des Geistes und hat die Reformen seines Vaters noch weiter ausgebildet. Nichtsdestoweniger lohnt sich die Frage wohl keiner näheren Untersuchung, ob der Herr der Länder des Orients dem Feldherrn des weißen Czaren, wenn dieser nur glücklich durch die Wüsten gelangt, wird widerstehen können oder nicht. Die unermüdlichen, zähen und ausdauernden Russen sind, wenn irgend eine Nation, die rechten Leute dazu, um durch Wüsten zu marschiren, und wenn überhaupt Jemand, so kommen gewiß sie gut durch. Allein gefährlich ist das Wagstück immerhin, zumal da sie in einer Jahreszeit auszogen, die auch in jenen Gegenden zu den ungünstigen gehört. Der Winter der truchmenischen Wüste ist nichts weniger als mild, die Kälte oft bedeutend, die Stürme immer unbarmherzig. Dabei sind der Quellen ungemein wenige, und selbst die wenigen schlecht, und im Winter natürlich oft verschneit oder eingefroren. Allerdings gibt es einige Gegenden dieser Wüste, die alle ohne Quellen sind, und die daher im Winter, wenn Schnee fällt, für Karawanen noch gangbarer sind als im Frühling. Man könnte demnach denken, daß die Russen auf den Schnee des Winters gerechnet hätten. Und in der That, wenn sie viel Schnee treffen, wird sie dieß nicht wenig begünstigen. *)*)Wir verweisen auf den in der heutigen Zeitung gelieferten Brief eines russischen Officiers aus dem Lager am Emba. Allein das Schlimmste ist, daß diese Gegenden sehr selten viel Schnee empfangen. Kahlfröste sind weit gewöhnlicher als Schneegestöber, und dann auch das arge und allen in den Steppen Reisenden so äußerst unerwünschte Glatteis. Finden die Russen viel Glatteis auf ihrem Zuge, so wird es ihnen nicht wenig empfindlichen Aufenthalt verursachen. Denn das Kamel kommt auf dem Glatteis nicht von der Stelle. Die Chiwaer selbst, die besten Kenner der sie umgebenden Wüsten, haben nicht selten auf ihren Zügen gegen Persien durch solches Glatteis alle ihre Kamele, ja ihre ganze Cavallerie verloren.

Zum Theil mögen die Russen auch deßwegen den Winter gewählt haben, weil dann alle Steppenbewohner, die Kirgisen, Truchmenen u. s. w. gewöhnlich in sehr ausgehungertem und trübseligem Zustande sich befinden, sowohl Menschen als Pferde, und daher leichter zu besiegen seyn möchten, als im Frühling, wo der Ueberfluß der Nahrung sie alle frisch, übermüthig und kampflustig macht. Die Russen, die mit größeren Kräften für Vorräthe und Magazine sorgen können, haben also den Vortheil,0573 dann, selber gut genährt, in der Steppe Alles hungrig, muthlos und deprimirt zu finden.

Die Ankunft der Russen in Chiwa wird weit und breit in Asien verkündet werden. Namentlich werden die den Engländern unterworfenen indischen Völker die Ohren spitzen, sie, die schon längst von den Russen als ihren Befreiern träumen und schwatzen. Es ist wohl kein Zweifel, daß die Russen überall in Asien weit mehr Sympathien für sich haben als die Engländer. Selbst halbe Asiaten, verstehen und verbrüdern sie sich weit besser mit den asiatischen Nationen. Sogar ihre Waaren, scheint es, stehen diesen Völkern weit besser an, als die englischen; denn fast überall, wo eine Collision entstand, wurden die letztern von den russischen aus dem Felde geschlagen. Aus allem dem geht hervor, daß die anfangs von unseren Zeitungen so wenig beachtete russische Expedition nach Chiwa in der Geschichte zweier Welttheile eine bedeutungsvolle Rolle spielen wird.

Der Kampf der Confessionen in Rußland.

Wir haben mehrfach die Belege russischer Blätter mitgetheilt, welche dieselben zum Beweis der Freiwilligkeit des Uebertritts der unirten Griechen anführten. Manche deutsche Blätter brachten Gegenbelege, zu deren neuesten folgender Artikel des Fränkischen Couriers. gehört. Können seine Mittheilungen bestritten werden, so findet man sich jenseits der Weichsel vielleicht um so mehr dazu veranlaßt, als die ursprüngliche Quelle dieser Nachrichten eine italienische ist, und man, unsern Correspondenzen aus Rom zufolge, erwartet, daß Se. Heil. der Papst bald in einer zweiten Allecution auf die religiösen Verhältnisse in Rußland zurückkommen werde. Der erwähnte Artikel des Fränkischen Couriers lautet: Von der Donau, 22 Februar. Ein früherer Artikel in dem Journal de Francfort, welcher gleich vielen andern die öffentliche Meinung auf den Schritt vorbereiten sollte, wodurch seitdem russischerseits die Schismatisirung der unirten Griechen in Rußland befohlen worden ist, hat eine ursprünglich in italienischer Sprache erschienene Broschüre hervorgerufen, die jetzt auch in einer deutschen Uebersetzung vor uns liegt, und vermöge ihrer Veröffentlichung von documentirten Thatsachen als ein Prüfstein der gegentheiligen Versicherungen dienen kann. Um unsere Leser darauf aufmerksam zu machen, heben wir nur Einiges hervor, das sich auf die neuere Zeit bezieht. Als Katharina II durch die Theilung Polens in den Besitz mehrerer der Provinzen gelangt war, welche vorzüglich von den Anhängern des griechisch-unirten Cultus bewohnt werden, ließ sie in die neuen Gebiete sogenannte Missionen, aus schismatischen Bischöfen und Priestern bestehend, senden. Von diesen erzählt nun eine authentische Geschichtsquelle: Die Gouverneurs hatten Befehl, sie zu unterstützen. Diese Missionarien neuer Art waren von Soldaten begleitet und durchstreiften die Dörfer. Sie erbrachen die Kirchthüren und weihten die Kirche aufs neue, als ob sie profanirt worden wären. Wenn der Pfarrer sich weigerte, dem Schisma beizutreten, ward er durch einen andern ersetzt. Unterdessen versammelten die Officiere die Einwohner des Orts; man forderte sie auf, zur Religion ihrer griechisch-schismatischen Vorfahren zurückzukehren, und nahm, wenn sie nicht in Güte zu gewinnen waren, zu gewaltsamen Mitteln, zu Stockschlägen und Gefängniß, seine Zuflucht. Auf solche Weise gewann man Proselyten. Die Bischöfe wichen dem Sturme nicht, deßhalb wurden ihre Güter eingezogen. Das hier Vorgetragene wird durch eine Bittschrift bestätigt, welche 120 Einwohner von Lubowicz in der Provinz Mohilew am 10 Julius 1829 an des jetzt regierenden Kaisers Maj. richteten. Unsere Vorfahren (heißt es darin) in dem griechisch-unirten Glauben geboren, lebten, dem Throne und dem Vaterlande stets getreu, ihre Tage friedlich in ihrer Religion dahin; und wir, in demselben Glauben geboren, wir haben ihn seit langer Zeit frei bekannt. Allein der Ortsobrigkeit war es, wie man uns sagte, nach dem höchsten Willen der Kaiserin Katharina glücklichen Andenkens, durch Anwendung gewaltthätiger Mittel und körperlicher Strafen gelungen, viele unserer Gemeindeglieder zu zwingen, die Religion unserer Vorfahren zu verlassen. Eben diese Bittschrift gibt auch Kunde, wie die Versuche, der Griechisch-Unirten dem Schisma zu gewinnen, fortdauerten und in den letzten Jahren des vorigen Jahrzehnts mit noch größerem Nachdruck unternommen wurden. Es heißt dort: Wir haben diese Religion bis heute unter Eurer kaiserlichen Majestät (Nikolaus I) Schutze frei bekannt, und wir haben nicht geglaubt, daß wir ohne einen ausdrücklichen Befehl Ihres kaiserlichen Willens in dem freien Bekenntnisse des Glaubens gestört werden könnten, den auch unsere Vorfahren bekannten, und in welchem wir geboren sind, wie sie. Allein die Priester der herrschenden Religion zwingen uns, unter dem Vorwande, daß Einige unter uns, was nicht der Fall ist, in der Gemeinschaft der griechisch-russischen Kirche gestanden hätten, unsern Glauben abzuschwören; nicht durch körperliche Strafen, sondern durch weit grausamere Mittel, nämlich dadurch, daß sie uns aller geistlichen Hülfe berauben, indem sie unsern eigenen Priestern verbieten, unsere Kinder zu taufen, unsere Beichten zu hören und unsere Ehen einzusegnen. Auf diese Weise entreißen sie uns unsern Hirten. Zu den geistlichen hier angewendeten Zwangsmitteln gesellten sich bald auch weltliche. Der Adel des Gouvernements Witepsk klagte im Jahre 1834 dem Kaiser: Man wendet Alles an, um die unirten Griechen zur herrschenden Religion hinüberzuziehen. Diese Manövers würden in dieser Provinz keinen Eindruck auf die Gemüther machen, wenn man den Gläubigen gestattete, bezugs dieser Vereinigung der Stimme des Gewissens und festgewonnener Ueberzeugung zu folgen. Aber die Mittel, welche man angewendet, erfüllen die Seele mit Schrecken. Einige Schwache, erzählen die Bittsteller weiter, ergaben sich, aber, fahren sie fort, sie gestanden denen, welche sie zur Annahme der herrschenden Religion zwangen, selbst, daß sie zwar den ihnen gegebenen Befehlen gehorchten, in die Kirchen gingen und die Sacramente der herrschenden Religion empfingen, daß sie aber im Herzen ihrer alten Religion auch fürder treu blieben. Welcher Art nun die angewendeten Maaßregeln waren, darüber gibt uns eine Bittschrift der Bewohner von Uszatz in derselben Provinz Witepsk Auskunft. Dort wäre, wird erzählt, am 2 Dec. 1835 eine Commission angelangt, und hätte das Volk zusammenberufen, und dasselbe zur Aenderung der Religion aufgefordert. Aber wir, riefen Alle einstimmig, wir wollten in unserm Glauben sterben, wir hätten nie nach einem andern verlangt, und wollten auch jetzt keine andere Religion. Darauf ging die Commission von Worten zur That über; man riß uns die Haare aus, schlug uns in die Zähne, bis Blut kam, gab uns Stöße an den Kopf und warf uns theils ins Gefängniß, theils schleppte man uns in die Stadt Lepel. Endlich, da die Commission sah, daß auch dieß Mittel nicht anschlug, verbot sie allen griechisch-unirten Priestern, uns Beichte zu hören oder die andern Heilsmittel zu administriren. Dennoch fügten wir uns nicht, sondern riefen: Man bereite uns das Schicksal des seligen Josaphat, das wünschen wir.

In Betreff von Sachen über Glaubensverführung von der herrschenden Landes - zur katholischen Kirche hat Se. Maj. zur künftigen Richtschnur der dabei betheiligten Gerichtsbehörden nachstehenden0574 Verhaltungsregeln die höchste Genehmigung ertheilt: 1) Außer dem schon über diesen Gegenstand von dem Ministercomité im Jahr 1831 entworfenen und höchst bestätigten Reglement, daß Sachen über Glaubensverführung und über willkürlichen Aufbau von Kirchen für fremde Bekenntnisse in allen Gerichtsbehörden außerhalb der festgesetzten Ordnung zu richten sind, sollen Maaßregeln ergriffen werden, damit auf geschehene Mittheilung der Eparchial - an die Gouvernementsbehörden über Sachen, welche die Religionsverbrechen betreffen, die Untersuchung ohne Aufschub zu beginnen sey, und zwar unter Zuziehung von Abgeordneten aus der rechtgläubigen griechischen wie der römischen Geistlichkeit. Das Nichterscheinen einer dieser Personen soll keineswegs den Fortgang der Sache aufhalten. 2) Geistliche und weltliche Individuen, die sich Glaubensverführungen erlaubt haben, sollen unverzüglich und geradewegs, sobald das Vergehen durch eine förmliche Untersuchung constatirt worden, nach allgemeiner Grundlage der Gesetze den Gerichten übergeben werden, Geistliche aber keineswegs, wie dieß bisher wegen Mißverständnisses der Gesetze über die griechische Geistlichkeit üblich war, dem Gericht der römisch-katholischen Consistorien, sondern nach der dafür geltenden allgemeinen Bestimmung, den Criminalbehörden, wie solches im 15ten Bande des Reichsgesetzbuchs näher angedeutet wird, übergeben werden, denn sie sind nicht der Verletzung der römischen Kirchengesetze, sondern in Verletzung der allgemeinen Staatsgesetze strafbar befunden worden. 3) Die gefällten Urtheile der Mittelcriminal-Instanzen sollen, ehe sie in Erfüllung gebracht werden, in Uebereinstimmung mit dem höchst bestätigten Gutachten des Reichsraths, von den Gouvernementschefs dem Ministerium des Innern zur Durchsicht vorgelegt werden. (Hamb. Corr.)

Erklärung.

Die wiederholten Angriffe auf die in meiner Reise nach Kordofan veröffentlichten wissenschaftlichen Leistungen, welche neuerlich in der Allg. Zeitung gemacht wurden, würde ich sicher keiner Entgegnung in Ihrem Blatte gewürdigt haben, wenn nicht Hr. Bergrath Rußegger, auf dessen Urtheil man sich dabei bezogen hat, sich hierdurch veranlaßt gefunden hätte, mir beiliegenden Brief zur Veröffentlichung zuzuschicken. Die gegen meine geographischen Arbeiten vorgebrachten Anschuldigungen werden ihre Beleuchtung in der Vorrede zum zweiten Bande meiner Reise in Abyssinien erhalten, der noch im Laufe dieses Monats dem Buchhandel übergeben wird.

Frankfurt a. M., den 1 März 1840.

Dr. Eduard Rüppell.

Ihr Streit mit Semilasso berührt mich etwas unangenehm. Es ist der Kampf zwischen einer rein wissenschaftlichen Anschauung des Gegenstandes und einer mehr humoristischen Beleuchtung desselben. Es sind hier zwei Principe, die sich einander entgegenstellen, obwohl dieß ihre natürliche Lage nicht ist, nicht seyn soll; denn zu unzugänglich steht das Wissen in seiner Form da, wenn dieser alle Poesie des Lebens mangelt, und andrerseits möchte das auch bei der poetischen Anschauung der Fall seyn, wenn diese die wissenschaftliche Begründung umgeht. In der Wirklichkeit gehören Sie beide nicht zu diesen Extremen, obwohl Sie es in der Hitze des Kampfes einer vom andern behaupten. Ich finde es wirklich gleich unbillig, den einen bloß zu den Anhängern jener engen Gelehrsamkeit zu rechnen, die sich vor der großen, schönen Welt zurückzieht, in der zu leben wir uns doch so innigst freuen sollen, als den andern unter die Touristen gewöhnlicher Art zu zählen, der einer der ausgezeichnetsten Schriftsteller unserer Tage ist und der sich denn doch auch in drei Welttheilen tüchtig umgesehen hat. Die Hand aufs Herz! Sie sind beide zu weit gegangen, und ich kann, zwischen Ihre Feuer in die Mitte gestellt, nur mit dem herzlichsten Wunsche des Gelingens ausrufen: Friede sey mit euch!

Was meine in Zeitschriften über Sie und Ihre Arbeiten ausgesprochene Meinung anbelangt, so glaube ich jederzeit jene Achtung, jenes Vertrauen ausgesprochen zu haben, die Sie mit Recht in Anspruch nehmen können. Ihre geographischen Arbeiten haben hohen Werth, und Semilasso sollte wirklich zwischen astronomischen, mit großer Genauigkeit durchgeführten Bestimmungen und bloß flüchtig eingezeichneten Details scharf unterscheiden. Ihre Leistungen im Bereiche der afrikanischen Fauna sind zu rühmlich bekannt, als daß Sie auf das Urtheil eines Laien, wie ich bin, anstehen sollten. Was Ihre geologischen Beobachtungen in Kordofan, besonders jenen unheilschwangern Koldadschi betrifft, jenen vulcanischen Herd, der, ohne Vulcan zu seyn, doch solche vulcanische Ausbrüche nach sich zog, so habe ich in einem meiner Briefe, aber durchaus in keinem amtlichen Berichte was ich zu berücksichtigen bitte, indem amtliche Beziehungen hier durchaus nicht her gehören allerdings gesagt, daß ich selbe oberflächlich, arm an Naturanschauung finde, ohne mit diesen Worten, wie natürlich, die Absicht einer Veröffentlichung, ohne damit eine Ausdehnung auf Ihre übrigen gewiß schätzbaren Forschungen zu verbinden, und am wenigsten auf Beobachtungen, die zu beurtheilen ich gar nicht berufen bin. Wenn Sie heute oder morgen meine Bemerkungen im Gebiete der Botanik oder Zoologie, die mir so in gelehrten Paroxysmen entschlüpfen, oberflächlich, arm nennen, gut mein Terrain fällt ins Anorganische und darin würde ich gegen solche Bemerkungen allerdings Einwendungen machen müssen. So Jedem das Seine, ein altes, wahres Wort! und zurückgekehrt aus der Sonnengluth der Wüsten und Savannen des innern Afrika in das heimathliche Europa, soll dann jeder frei und offen erzählen, was in der Fremde er sah; dadurch wird die Wissenschaft gewiß mehr gewinnen, als im wechselnden Kampfe der Persönlichkeiten und dieß ist doch gewiß unser Aller Zweck, dem zu Liebe wir solche Opfer brachten, uns solchen Entbehrungen aussetzen.

Auf baldige Bekanntschaft

Heidelberg, am 16 Februar 1840.

Ihr Rußegger.

[431-33]

Edictal-Citation.

Nachdem sich der vormalige k. Pfarrer Georg Wiedemann von Denklingen, k. Landgerichts Buchloe, auf die diesseitige erste Ladung vom 30 September v. J. dahier nicht gestellt und sich wegen der wider ihn vorhandenen Anschuldigung eines Verbrechens der Unterschlagung des Anvertrauten nicht verantwortet hat, so wird derselbe nunmehr mit der Warnung aufgefordert, innerhalb drei Monaten a dato dahier zu erscheinen, und sich wegen des erwähnten Verbrechens zu verantworten, widrigenfalls nach Verlauf dieser Frist wider ihn als einen Ungehorsamen den Gesetzen gemäß werde verfahren werden.

Memmingen, am 7 Februar 1840.

Königlich bayer. Kreis - und Stadtgericht.

Leeb, Director.

Eckert.

[805]

Edictal-Ladung.

Valentin Weber (Trapp), Wachstuchfabricant von Haunstetten, d. G., und dessen Ehegattin Barbara, geborne Kreußer, haben am 27 Februar 1822 bei dem hiesigen Gericht ein gemeinschaftliches Testament errichtet und sich wechselseitig mit Ausschluß aller ihrer Seitenverwandten als Universal-Erben eingesetzt. Valentin Weber ist am 29 December v. J. kinderlos mit Tod abgegangen und seine vorgenannte Ehefrau erscheint daher in Hinblick auf jenes Testament als die einzige Erbin des Verstorbenen.

Weil jedoch bei der Weber'schen Verlassenschaft unter andern der Handlungscommis Jakob Trapp, Schullehrerssohn von Geroldshofen, als Intestaterbe des Valentin Weber betheiligt, sein Aufenthalt aber unbekannt ist, so wird Jakob Trapp auf Antrag der Wittwe Weber aufgefordert, binnen zwei Monaten von heute an gerechnet sich um so gewisser bei dem unterfertigten Landgerichte zu melden und über jenes Testament sich zu erklären, als außerdem dasselbe als von ihm anerkannt betrachtet und in der Voraussetzung, daß sämmtliche übrigen Intestaterben des Erblassers das Testament anerkennen der Gesammtrücklaß des Valentin Weber unbedingt an dessen Ehefrau und nunmehrige Wittwe hinausgegeben werden würde.

Göggingen, den 7 Februar 1840.

Königlich bayer. Landgericht.

Reiber, Landrichter.

Max Fischer.

[815]

Edict.

Vorladung des Kaspar Lengauer.

Von dem Patrimonialgerichte der Herrschaft Mamling im Innkreise wird Kaspar Lengauer, Müllerssohn von der Unterstegmühle zu Henhart, welcher über 30 Jahre abwesend ist, auf Ansuchen seiner Erben de praes. 24 Febr. 1840 hiermit aufgefordert, diesem Gerichte binnen einem Jahre, sechs Wochen und drei Tagen von seinem Aufenthalte Nachricht zu geben oder persönlich zu erscheinen, als sonst auf weiteres Ansuchen zur Todeserklärung geschritten, und sein Vermögen für vererblich erklärt werden würde.

Mamling, am 24 Februar 1840.

Plaichinger, Pfleger.

0575

[750-72]

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Die gebildete Welt der Gegenwart trägt einen andern Stempel, als die des vergangenen Jahrhunderts. War sonst neben Gewandtheit in der Unterhaltung, Feinheit im Umgange, und Zartheit der gegenseitigen Berührung das Hauptmerkmal des Weltmannes, das ausschließliche der gebildeten Dame; so wird jetzt die Bildung mehr nach dem Grade bestimmt, in welchem einer das wissenschaftliche, künstlerische, schöngeistige und politische Leben der Gegenwart in sich aufgenommen hat, und fähig ist, es zum Gegenstande der allgemeinen Conversation zu machen. Der Gebildete unserer Tage muß mit allen Haupterscheinungen der Philosophie, Theologie und Litteratur, mit den riesenhaften Fortschritten in der Industrie, mit den Entdeckungen in der Natur - und Völkerkunde, mit der Politik, mit dem großen Schatze der Geschichte und mit hundert andern Dingen wohl bekannt, oder doch im Stande seyn, sich das Wissenswertheste in jedem Augenblicke zu vergegenwärtigen, sonst versteht er nicht einmal die für ihn hauptsächlich berechneten Journale und Zeitungen. Absolut unentbehrlich ist ihm daher ein stets bereiter Rathgeber und Helfer geworden, der ihm bei seiner Lecture, bei den behufs der geistigen Fortbildung angestellten Studien zur Hand sey, ja selbst bisweilen in den Kreis der mündlichen Unterhaltung gezogen werde, wenn über einzelne Gegenstände sofortige bestimmte Auskunft gewünscht wird. Je größer nun in unsern Tagen die Anzahl derer ist, welche sich zu den Gebildeten zählen mögen, desto allseitiger muß auch das Bedürfniß nach tüchtigen Encyklopädien hervortreten, und leicht ist es zu erklären, wie sie Käufer zu Hunderttausenden finden.

Es vereinigt sich aber in dem Bedürfnisse nach encyklopädischen Wörterbüchern mit den angeführten zwei Classen noch eine dritte, nicht minder zahlreiche. Zu dem Gelehrten vom Fach und dem Manne von allgemeiner Bildung gesellt sich der Praktiker, der dem Staate als Civil - und Militärbeamter dient, oder seinem eigenen Geschäfte als Handels - und Fabrikherr, als Oekonom und Techniker vorsteht. Zu keiner Zeit haben die Wissenschaften dem praktischen Leben so nahe gestanden, zu keiner Zeit waren sie ihm so unentbehrlich, als jetzt. Niemals forderte der Staatsdienst mannichfaltigere Kenntnisse über geschichtliche Zustände und Personen, über statistische Verhältnisse der Gegenwart und Vergangenheit; niemals wurde von einem tüchtigen Officier eine umfassendere Bekanntschaft mit den Lehren der Mathematik, der Geographie, der Staaten - und Völkerkunde verlangt; niemals bedurfte der Kaufmann nothwendiger die ausgebreitetsten Kenntnisse in allen Zweigen der Handelswissenschaft; und in dem Geschäfte des Technikers, des Oekonomen, des Fabrikherrn haben sich die eigentlichen Naturwissenschaften, Physik, Chemie und Naturgeschichte etc., ganz unentbehrlich gemacht. Sie, deren Studium in einem von uns nicht weit entfernten Zeitraume nichts war, als eine angenehme Beschäftigung von Personen, denen es nicht an Muße gebrach, haben in unsern Tagen einen solchen Einfluß auf die industrielle Wohlfahrt im Allgemeinen gewonnen, daß sie zu ignoriren für die meisten Gewerbleute nichts Anderes hieße, als den directen Weg zum Ruin einschlagen. Ein systematisches Studium dieser Wissenschaft erfordert jedoch weit mehr Zeit, als das bewegte Geschäftsleben übrig hat, in welchem nicht sowohl nach umfassenden, consequent durchgeführten Theorien, als nach Thatsachen und Erfahrungen gefragt wird. Diese muß ihm sein Reallexicon nachweisen.

Als ein solches in jeder Hinsicht befriedigendes Werk, und zugleich als größte litterarische Unternehmung, die bis jetzt gemacht wurde, ist mit Recht zu betrachten: Meyers Conversations-Lexikon.

Nach den bis jetzt erschienenen ersten 5 Heften ist dieses Buch mit einer Gründlichkeit bearbeitet, wie solche bei keinem Werke der Art in der deutschen Litteratur gefunden wird. Es wird enthalten: zweimal so viel als das Pierer'sche Universallexikon, dreißigmal so viel als das Leipziger Conversations-Lexikon (also über 1,000,000 Artikel). Litteratur, Mathematik, Philosophie, Theologie, Astronomie, Geographie, Physik, Chemie, Naturgeschichte, Heilkunde, Kriegswissenschaften, Oekonomie, Technologie, Handelswissenschaften, Rhetorik, Politik, Pädagogik, Geschichte, Biographie, Jurisprudenz, Künste, Berg - und Hüttenkunde, Gymnastik etc., kurz alle Fächer sind hier mit einer Kenntniß behandelt, die bis ins kleinste Detail geht; sämmtliche neue Erfindungen und Entdeckungen sind kritisch beschrieben, mit Einem Worte die Summe des menschlichen Wissens ist so klar und übersichtlich dargestellt, und dabei gehen Tendenz und Richtung des Werkes so durchaus auf das Praktische hin, daß es recht eigentlich ein Buch fürs Leben genannt werden darf.

Meyers Lexikon erscheint in 21 Bänden, Royal-Octav, jeder Band von 700 bis 800 Seiten engen, aber vortrefflichen und klaren Druckes auf extra feinem Velinpapier. Jeder solcher Bände enthält, der Zahl der Artikel nach, so viel als 10 Bände des Leipziger Conversationslexikons. Das Werk wird eben so prächtig als zeitgemäß ausgestattet mit 500 erklärenden Stahlstichen, einem historischen und geographischen Atlas, den Bildnissen der größten Menschen aller Zeiten und Völker, und den Ansichten und Planen aller Hauptstädte der Erde. Außerdem werden dem Texte über 5000 erklärende Holzschnitte, Abbildungen aller Werkzeuge, neuer Maschinen etc. eingedruckt.

Was die Behandlung des Textes anbetrifft, so kann man auf Meyers Universum hindeuten. Die nämliche schöne und gebildete Sprache, welche an diesem Werke so geschätzt wird, ziert auch alle Hauptartikel in Meyers Conversationslexikon. Zur materiellen Ausführung des Werkes ist das bibliographische Institut so gerüstet, daß sie vollkommen gesichert erscheint. Drei große Schnellpressen, von denen eine das Format von drei gewöhnlichen Medianbogen druckt (Formen von 24 Royal-Octav-Columnen), sind ausschließlich für die Herstellung des Lexikons bestimmt, und mit Hülfe von 60 Stahldruckpressen ist das Verlags-Institut vollkommen im Stande, jährlich 4 Bände des Lexikons in einer Auflage von 30,000 Exemplaren zu fördern. *) *) Die ersten drei Lieferungen haben, um alle Bestellungen zu befriedigen, zweimal gedruckt werden müssen und die Gesammt-Auflage ist um 5000 Exemplare bereits verstärkt worden.

Um das Werk den ökonomischen Verhältnissen aller Classen anzupassen, erscheint es anfänglich in vierzehntägigen, später in achttägigen Lieferungen, deren 12 einen Band ausmachen. Binnen fünf Jahren wird folglich das Werk, für welches mehr als 30 bedeutende Fachgelehrte und über 100 Künstler beschäftigt sind, beendigt seyn.

Der Preis einer jeden Lieferung von 60 bis 80 Seiten Text in Royal-Octav mit mehreren Stahlstichen ist nur 24 kr. rhn., macht also für die Abonnenten nur eine monatliche Ausgabe von etwa einen Gulden rhn. nöthig, für die sie das beste und unstreitig nützlichste Werk der gesammten Litteratur erhalten ein Opfer, das gewiß im Verhältniß zur Großartigkeit des Unternehmens, und für einen solchen ganz zuverlässigen Rathgeber in allen Zweigen der Wissenschaften und Künste, der Erfahrung und des Lebens sehr gering ist.

Hildburghausen, Paris, Amsterdam und Philadelphia, Februar 1840.

Das bibliographische Institut.

0576

[749-51]

Denkmal zur vierten Säcularfeier der Buchdruckerkunst.

Der Nibelunge Liet.

Nach der Handschrift des Freiherrn J. v. Laßberg.

Das Nibelungenlied in neuhochdeutsche Sprache übertragen von Gotthard Oswald Marbach.

Mit Holzschnitten nach Originalzeichnungen von Eduard Bendemann und Julius Hübner.

Die typographische Ausstattung dieses Prachtwerkes wird nichts zu wünschen übrig lassen. Ueber die Compositionen der Künstler, die es übernommen unser Werk zu schmücken, ein anpreisendes Wort zu sagen, erscheint als überflüssig. Doch bemerken wir, daß die Holzschnitte nur von deutschen Künstlern ausgeführt werden und daß wir es verschmähen, ausländische Hülfe dabei in Anspruch zu nehmen.

Damit die Namen der an der Feier theilnehmenden Zeitgenossen durch dieses Denkmal der Nachwelt mit überliefert werden, so soll dem Werke ein vollständiges Subscribentenverzeichniß beigefügt werden; damit aber ferner dieses schöne Buch als ein Familienbesitzthum erhalten, und dazu im Jahre des Festes gleichsam geweiht werde, so soll, wie wir dieß schon früher festsetzten, an jeden Subscribenten das ihm zustehende Exemplar mit einer Inschrift nach Art der folgenden abgeliefert werden.

Zur Erinnerung an die vierte Säcularfeier der Buchdruckerkunst erworben von N. N. in N.

Der Subscriptionspreis ist für jede der beiden Ausgaben 6 2 / 5 Rthlr. 10 fl. C. -M. oder 12 fl. rhn.

Leipzig, Ende Januar 1840.

Otto und Georg Wigand.

[771]

Subscriptions-Anzeige.

Mit Bezugnahme auf frühere Bekanntmachungen wird hierdurch schließlich angezeigt, daß das von dem Kalligraphen Johann Heinrigs in Köln herauszugebende Symbolisch-kalligraphische Denkmal Napoleons im April dieses Jahres bestimmt fertig und den zahlreichen Subscribenten zu dieser Zeit abgeliefert werden wird.

Dieses in Querfolio-Format und in Kupfer gestochene Blatt wird den Namen dieses Helden, die merkwürdigsten Schlachten und Hauptmomente seines Lebens, nebst Portrait und Todesmaske in einem neuen Genre, mit der bekannten Meisterschaft des Herausgebers bearbeitet, enthalten und sowohl den Kunstfreunden, als auch den Freunden der Geschichte Napoleons eine sehr willkommene Gabe darbieten. Die darin vorkommenden Texte sind in französischer Sprache, und es steht bei der Schönheit des Blattes zu erwarten, daß dasselbe sich einer europäischen Verbreitung zu erfreuen haben wird.

Der billig gestellte Subscriptions-Preis beträgt 1 Thlr. 16 gGr. und bleibt bis Ende Junius dieses Jahres offen, worauf der erhöhte Ladenpreis von 2 Thlr. 12 gGr, eintritt. Bis dahin nehmen sowohl die unterzeichnete Buchhandlung, als auch alle Buch - und Kunsthandlungen Deutschlands, der Schweiz und der nördlich europäischen Staaten Subscriptionen an. Die letztern, welche sich mit ihren Aufträgen an die Unterzeichneten zu wenden haben, werden in den Stand gesetzt seyn, das Blatt ohne Preiserhöhung für den Subscriptionspreis zu liefern.

Berlin, im Januar 1840.

T. Trautwein, breite Straße Nr. 8.

[767]

In allen Buchhandlungen ist zu haben: Kallisthenie, oder Uebungen zur Schönheit und Kraft für Mädchen, von J. H. Elias.

Mit Vorwort von Prof. Meckel und 38 Umrißfiguren.

Preis 1 fl. 48 kr. oder 1 Rthlr.

Es ist dieses das erste und auch unbedingt das beste Werk, das über diesen nützlichen Gegenstand erschienen ist. Fast alle andern Schriften dieser Art sind nur Excerpte aus Obigem.

[737]

Im Verlage von F. E. C. Leuckart in Breslau ist so eben erschienen: Douze Etudes pour le violon composées et dédiées à Mr. le chevalier Ole B. Bull par Maurice Schoen.

Oeuvre 3. Prix 20 gGr.

Aus der Breslauer Zeitung 1840 Nr. 32 entnehmen wir nachstehende Kritik dieses Werkes: Die uns vorliegenden Etuden verdienen die Anerkennung des musikgebildeten Publicums, und wir verfehlen daher nicht, dasselbe darauf aufmerksam zu machen. Sie sind brillant und, ungeachtet der Schwierigkeiten, ins Gehör fallend geschrieben. Obgleich wir der Art Compositionen genugsam besitzen, unter denen besonders die Kreutzer'schen Etuden (quarante Etudes par Rudolph Kreutzer) seit einer langen Reihe von Jahren immer den ersten Rang eingenommen haben und auch behaupten werden, ohne die wohl kein Geiger von Bedeutung je gebildet worden ist, da sie Alles darbieten, was ein gründlicher Geiger zu wissen braucht, so haben doch die vorliegenden Etuden den Vortheil, daß sie sich mehr auf die neuere Art von Compositionen, z. B. eines Beriot, Ernst, Prume, David u. s. w. beziehen und auf die Eigenthümlichkeiten der Passagen, Doppelgriffe und Bogenführung dieser Componisten hinweisen. Wenn von diesen 12 Etuden einige ausgezeichnet werden sollten, so würden wir Nr. 3, Andante amoroso, g-dur; Nr. 5, Andante con anima, f-dur, und Nr. 12, in Form einer Caprice, e-dur, den Vorzug geben. Wir erinnern uns noch mit besonderm Vergnügen, N. 5 von Ole Bull selbst mit enormer Fertigkeit und seltener Reinheit gehört zu haben. Angenehm ist es uns zu vernehmen, daß der Hr. Verfasser bald noch mit andern Compositionen hervortreten wird; als Spohr'sschem Schüler und nach dem, was uns bis jetzt zu Gesichte gekommen ist, dürfen wir seine Befähigung glauben.

[847-48]

Ein Hüttenmeister, welcher dem technischen Betriebe mehrerer bedeutender Eisenhüttenwerke mit Erfolg vorstand und dem sowohl wissenschaftliche als praktische Kenntnisse des Eisenhüttenwesens zu Gebote stehen, der ferner mit den neuern Fortschritten desselben vollkommen vertraut ist, wünscht seine gegenwärtige Stelle, localer Verhältnisse wegen, mit einer ähnlichen im Fache zu vertauschen. Nähere Auskunft gibt aus Gefälligkeit Hr. Wilh. Hoppe in Wien, Alsergasse, Nr. 131.

[859]

Verkaufs-Anzeige.

Die vor wenigen Jahren erbaute Papierfabrik an der Töß bei Wülflingen, eine halbe Stunde von Winterthur in der Schweiz gelegen, wird zum Kauf angetragen, und Montag den 30 März, Nachmittags 1 Uhr, im Gasthof zum Hirschen in Wülflingen öffentlich versteigert werden. Dieselbe ist mit zwei Ganz - und zwei Halbzeug-Holländern versehen und im Ganzen nach den neuesten Systemen eingerichtet. Für die zwei Wasserräder ist hinlängliche Wasserkraft vorhanden, der Canal größtentheils in Felsen gehauen. Das 100 'lange Fabrikgebäude mit zwei Flügeln ist mit einer Wohnung versehen und drei Stock massiv gemauert. Dazu gehören 1 1 / 2 Jauchert fruchtbarer Boden und 2 1 / 2 Jauchert Torfland.

Kaufliebhaber können die Kaufbedingnisse bei Fürsprech Surber in Winterthur erfahren.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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