PRIMS Full-text transcription (HTML)
0969
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Freitag
Nr. 122.
1 Mai 1840.

Spanien.

(Gazette de France.) Wir haben Briefe aus Saragossa vom 19 April erhalten, die von nichts, als von den Rüstungen Espartero's zur Belagerung Morella's sprechen. Man sagt sogar, daß er mit einer Heeresmacht von 40 bis 45 Bataillonen bereits bis eine Stunde von Morella vorgerückt sey, während O'Donnell mit fast eben so bedeutenden Streitkräften die Straße nach Cantavieja eingeschlagen habe. Alles scheint auf nahe wichtige Ereignisse zu deuten. Cabrera hält sich fort während zu Mora am Ebro auf, von wo er an seine Oberofficiere Befehle abfertigt. Die Krankheit dieses berühmten Anführers ist ohne Widerrede der bedeutendste Erfolg, den Espartero je erlangt hat. Cabrera's hoher Muth kämpft aber gegen seine körperlichen Leiden und begeistert auch seine Officiere und Soldaten.

Großbritannien.

Der vor einigen Tagen gemeldete Tod des Unterstaatssecretärs für Irland, Thomas Drummond Esq., hat in Irland allgemeines Bedauern erregt, denn er war ebenso geachtet im Privatleben wie als Staatsbeamter. Am 21 April fand seine Beisetzung auf dem Kirchhof von Mount Jerome bei Dublin statt. Die Ecken des Sargtuchs wurden von dem Lordkanzler für Irland, Lord Plunket, dem Oberkanzleidirector (Master of the Rolls) Sir Michael O'Loghlen, drei Oberrichtern und dem Generalmajor Sir J. Burgoyne gehalten. Der Lordstatthalter und Lord Morpeth, der Generalsecretär für Irland, zeigten tiefe Betrübniß. Hr. Drummond starb in den besten Mannsjahren. In der Rede, welche an demselben Tage Daniel O'Connell in einer Versammlung der Repeal-Association in der Dubliner Kornbörse hielt, äußerte er, indem er das Uebel des Absentismus der irischen Grundherren beklagte, Drummonds Andenken verdiene im Gedächtniß des irischen Volkes fortzuleben, wenn er sich auch durch nichts ausgezeichnet hätte als durch seine Heilighaltung des Grundsatzes bei sich und bei andern, daß das Eigenthum nicht bloß Rechte, sondern auch Pflichten habe; diesen Satz sollte man als das schönste Epitaphium auf dessen Grabstein schreiben. O'Connell, dessen durch Lord Stanley's Bill veranlaßte Agitation eine täglich wachsende Ausdehnung in Irland gewinnt, äußerte ferner, auf der Fahne dieser Agitation stehe zwar annoch die Devise: Gerechtigkeit für Irland oder Repeal (Auflösung der Union), aber er sey überzeugt, daß letztere das einzige Heilmittel sey. England möge ja nicht glauben, daß er das Wort Repeal als einen bloßen Popanz ausstelle, sondern es solle bald erfahren, daß es ihm von nun an gründlicher Ernst damit sey. Erst nach aufgelöster legislativer Union, unter seinem eigenen Parlament, werde Irland gedeihen können. Das Uebel des Absentismus habe man zwar schon vor der Union (d. h. vor 1800) empfunden, seitdem habe es sich aber ungemein vergrößert, denn während es vormals Irland etwa 4 bis 5 Millionen Pf. St. jährlich entzogen, entziehe es jetzt dem Lande 8 bis 10 Millionen. Vormals hätten nur Leute von 10,000 Pf. St. jährlichen Einkommens sich dem Hange hingegeben, ihre irischen Revenuen außer Landes zu verzehren, seitdem aber habe diese Sucht sogar kleine Rentiers von 400 bis 500 Pf. Einkünften angesteckt. Diesem Unheil könne nur durch eine eigene Legislatur gesteuert werden. Schließlich schlug O'Connell die Gründung einer Repeal-Rente vor, wozu jeder Irländer 1 Schilling jährlich, oder 1 Penny monatlich beitragen solle, und sprach die Hoffnung aus (welche aber selbst das M. Chronicle, so gerecht es im Uebrigen die Indignation der Irländer über Stanley's Maaßregel findet, nicht theilt), daß das englische Parlament, wenn es erst den entschlossenen Ernst des gesammten Irlands sehe, die Trennung auf gütlichem Gesetzeswege gestatten werde; die einzige Schwierigkeit werde die Repartirung der Nationalschuld darbieten. Provincialversammlungen gegen die Stanley'sche Bill sind an mehreren Orten, in der Stadt Connaught u. a., angekündigt. Die Times läßt sich von ihrem Pariser Correspondenten schreiben: Wie es scheint, hat Hr. Guizot, so sehr er auch mit Recht in England geschätzt ist, neuerlich den Fehler begangen, daß er sich um eine Einladung dem Zwecke bewarb, mit Hrn. O'Connell zusammenzutreffen. Hr. Thiers hat mit gewohntem Tact die feine Bemerkung gemacht, der französische Gesandte hätte Hrn. O'Connell wohl zufällig begegnen mögen, nicht aber den ausdrücklichen Wunsch äußern sollen, die Bekanntschaft des großen Agitators zu machen.

(Globe.) Am 6 Mai werden die neuen Briefpost-Stempel in Gebrauch kommen. Man wird damit in London den Anfang machen, und ihn, so schnell es angehen will, auf das ganze Reich ausdehnen.

0970

Der Naval and Military Gazette zufolge wird in kurzem die ganze brittische Linien-Infanterie mit Percussions-Flinten bewaffnet werden. Mit dem 42sten Regiment Hochländer ist der Anfang gemacht.

Die brittische wissenschaftliche Association wird sich im September dieses Jahrs in Glasgow versammeln, wo bereits Anstalten zu ihrem Empfange getroffen werden.

In Leicester hat die erste Versammlung stattgefunden, um den Sturm gegen die Getreidegesetze zu einem allgemeinen umzugestalten. Man verlangt Ausdehnung des Wahlrechtes auf alle Hauswirthe, dreijährige Wahlen und die Ballotage. Dieß sind bekanntlich die Bedingungen, welche einst Lord Durham als allein hinreichend zur Sicherung einer wirklichen Volksvertretung angegeben, und man hofft wohl später diesen kräftigen Mann dabei zum Haupt und Führer zu erlangen. Es steht nun noch dahin, ob sich zu dieser Beschränkung die Massen verstehen werden, welche als Chartisten bekanntlich das Stimmrecht für alle großjährigen Mannspersonen und jährliche Wahlen verlangen. Geschieht dieses, so könnte die radicale Partei in ein paar Jahren sehr bedeutend werden, besonders da sie O'Connell und dessen großen Anhang auf ihrer Seite haben würde. Fürs erste jedoch macht dieser Anfang aufs gesellige Leben keinen Eindruck. Gegen die allzugroßen Ansprüche der Klerisei erhebt sich selbst in ihrer Mitte Einsprache, und alle Versammlungen, welche zur Stiftung von kirchlichen Schulvereinen stattfanden und noch beständig stattfinden, haben nichts weiter bewirkt als einen größeren Eifer für den öffentlichen Unterricht, und die Stiftung, Ausdehnung und Verbesserung von Schulen, zunächst für die Armen, und sodann, rückwirkend, auch für die Reicheren. Eine eben erschienene Schrift von einem Oxforder Professor (Baden Powell) verweist seinen geistlichen Mitbrüdern ihre Ansprüche auf das ausschließliche Recht von Seite des Staates die Erziehung der ganzen Jugend anvertraut zu erhalten, und zeigt vielmehr, auf welchem Wege eine gemeinschaftliche Erziehung der Kinder aus allen christlichen Secten möglich wäre, ohne daß der Glaube im Allgemeinen oder das Ansehen der Kirche darunter litte. Der arme Verfasser wird freilich fürs erste verketzert werden; doch können solche Worte der Weisheit und des Friedens nur wohlthätig wirken. Auch die Selbstbesteuerung der Pfründen für die Stiftung neuer Pfarren kommt jetzt häufiger zur Sprache, ehe die Kirche das Parlament um Unterstützung anginge. Ich glaube zwar nicht, daß die Idee hierzu noch hinlänglich Wurzel geschlagen, und zweifle nicht, Inglis werde nach Ostern seinen vergeblichen Vorschlag um Unterstützung vom Staate machen; aber die Sache bleibt am Ende unvermeidlich. Die Armencommission hat dem Ministerium einen höchst interessanten Bericht vorgelegt, woraus unabweislich erhellt, daß die fernere Verbesserung des Armenwesens nur durch die Beibehaltung einer solchen Commission bewirkt werden könne. Auch wird dieses, trotz der Opposition der Times, geschehen.

Frankreich.

(Moniteur.) Die Herzogin Victoria von Sachsen-Coburg, der Herzog Ferdinand, ihr Vater, und ihr Bruder, Prinz August, sind am 25 April um 7 Uhr Abends in St. Cloud eingetroffen. Der König der Belgier war am Abend zuvor um halb 10 Uhr ebendaselbst angekommen. Die Prinzessin Victoria war am 24 Abends mit dem Prinzen Ferdinand, ihrem Vater, und dem Prinzen August, ihrem Bruder, in Compiegne angekommen. Die Stadt ward von freien Stücken illuminirt. Am 25 Abends 7 Uhr traf sie in St. Cloud ein. So wie die Prinzessin den König erblickte, beugte sie die Kniee, Se. Maj. hob sie aber auf und umarmte sie aufs herzlichste. Alle Minister waren in St. Cloud und hatten die Ehre, jeder einzeln der Prinzessin vorgestellt zu werden. Se. Durchl. der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg hat aus den Händen des Königs das große Band der Ehrenlegion erhalten.

Hr. Poisson, Pair von Frankreich, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und des k. Conseils des öffentlichen Unterrichts, ist am 25 April, in Folge einer langen Krankheit, Hr. Tripier, Pair von Frankreich, Rath bei dem Cassationshof, an demselben Tage gestorben.

Aus der Rede des Hrn. Thiers über den deutschen Zollverein, welche wir gestern einer stenographirten Mittheilung entnommen hatten, tragen wir noch einige berichtigende oder ergänzende Stellen nach. Alle Staaten des deutschen Zollvereins hatten ein unermeßliches Interesse sich zu vereinen; zuerst ein bloßes Handels -, dann auch ein politisches Interesse. Der erste Grund lag in den unerträglichen Hindernissen, welche die vielfachen Zolllinien dem Verkehr jener Staaten unter sich entgegensetzten. Diesem Interesse gegenüber konnten wir nicht sagen: laßt ab vom Verein, ihr genirt unsre Industrien, ihr durchkreuzt unsre Handelspolitik. Nur einige der Gränzstaaten, Baden z. B. hätte man abhalten können, dem Zollverein beizutreten, wenn man ihm eine Herabsetzung des Zolls auf das Schlachtvieh angeboten haben würde. Die Regierung hat diese Herabsetzung zweimal bei den Kammern beantragt; sie wurde verworfen. (Eine Stimme links: Man that wohl daran. ) Wenn also der preußische Zollverein sich am Ende vervollständigt hat, liegt die Schuld nicht an der französischen Regierung, sondern an den französischen Interessen, welche hier überwogen, wenn Sie wollen, überwiegen mußten; aber durch dieses Ueberwiegen beraubten Sie die Regierung der Mittel, die Gränzstaaten von einem Beitritt zum preußischen Zollverein abzuhalten. Die Natur des Zollvereins änderte sich zuletzt, er ist politisch geworden. Sie konnten ihn nicht hindern, seinen natürlichen Gang zu gehen. Ich wiederhole, was die Gränzstaaten Frankreichs anbelangt, so hätte man ihnen Concessionen anbieten können; man verweigerte dieselben. Also darf man nicht darüber klagen, denn jene Staaten traten dem Zollverein bei, weil sie keine Zugeständnisse von unserer Seite erhielten. Die Regierung ist seit einem Jahr in Unterhandlung mit dem preußischen Hofe. Ich glaube, wir werden vortheilhafte Bedingungen für den französischen Handel erlangen; Sie müssen sich aber gefaßt halten, Concessionen dagegen zu machen, denn man wird die deutschen Zölle auf diese oder jene Artikel nicht herabsetzen, wenn nicht das Gleiche von französischer Seite geschieht. Freilich hat die Kammer erst vor kurzem durch ihr Votum hinsichtlich einer Bittschrift, welche eine Verminderung des Schlachtviehzolls verlangte, uns zu den Concessionen, die wir zu machen haben, wenig aufgemuntert. Indessen erkläre ich auf unsere Verantwortlichkeit, daß wir, wenn wir einmal definitiv in Unterhandlung sind welche Unterhandlungen erst bei Anwesenheit aller Bevollmächtigten der Vereinsstaaten in Berlin ernstlich eröffnet werden können die Concessionen machen werden, die uns billig scheinen und für die wir hinreichenden Ersatz erhalten. Wir werden diese Concessionen der Kammer vorlegen und darüber mit aller Wärme debattiren. Nimmt die Kammer sie an, so haben die Unterhandlungen ein Resultat; verweigert sie die Kammer, so wird man uns wenigstens nicht vorwerfen können, daß wir die französischen Interessen vernachlässigt haben. (Beifall.) Ich will jene Bedingungen0971 beiläufig bezeichnen. Frankreich könnte eine Zollherabsetzung auf seine Seidenwaaren, seine Merinos und Leinenzeuge erlangen. Ferner könnte es Reductionen auf seine Baumwollenzeuge und gedruckten Stoffe, endlich auf seine Tücher und Weine erhalten. Nach diesen sehr wichtigen Vortheilen, die Frankreich für seine vorzüglichsten Industriezweige auswirken könnte, ist es aber auch nothwendig, daß Frankreich bei andern Industriezweigen, welche Schonung verdienen, Opfer bringe. (Mehrere Stimmen: Ja, dieß ist billig.) Man müßte die Zölle auf Eisenwaaren, Baumwollenzeuge, Messer und Quincailleriewaaren, endlich auf Schlachtvieh einigen Veränderungen unterwerfen. (Murren auf einigen Bänken. Hr. v. Golbery: Das heißt: Frankreich dem Ausland opfern. ) Ich sage nicht, wie groß die Opfer seyn werden; ich darf dieß nicht sagen, denn ich würde sonst einen Vertrag auf der Tribune improvisiren, und dazu ist hier nicht der Ort. Ich habe nur die Hauptpunkte angedeutet. Uebrigens ist die Kammer zu aufgeklärt, um nicht einzusehen: es hieße der Welt ein lächerliches Schauspiel geben, wollte eine Versammlung von fremden Mächten Opfer hinsichtlich ihrer Zölle verlangen, ohne deren ebenfalls zu bringen. Ich benachrichtige also die Kammer, daß die Regierung unterhandelt. Sie wird die französischen Interessen so viel als möglich dabei zu fördern suchen; aber ich wiederhole: man erlangt nichts, ohne etwas dagegen zu geben. (Beifall.

In derselben Sitzung erklärte der Handelsminister Hr. Gouin, der Gesetzesentwurf über das Zollwesen sey beinahe vollendet und werde in wenigen Tagen der Kammer vorgelegt. Man habe damit nur etwas gezögert, um die Resultate der Unterhandlungen mit England in den Entwurf noch mit aufnehmen zu können.

(Temps.) Der Conseilpräsident hat nicht ohne Ursache an das Gesetz der Gerechtigkeit, das die Grundlage jedes möglichen Tractats ist, erinnert. Nichts ist in der That, selbst im Parlament, so leicht, als klagen und fordern, nichts ist aber so schwierig, als die Opfer, die man für das, was man gewinnen will, bringen muß. Bisher hat die Deputirtenkammer, durch zahlreiche Interessen gespalten, die sich in ihr den Einfluß streitig machen und sich gegenseitig durch Rivalität neutralisiren, kaum begriffen, daß das allgemeine Interesse des Landes bei Handels - und industriellen, wie bei allen andern Fragen zuerst zu berücksichtigen sey. Fast immer haben sich Privatinteressen im Conflict festgehalten, und sich selten zu Concessionen verstanden. Es ist zu wünschen, daß endlich die ministerielle Initiative die Kammer in eine großherzigere Bahn einführe, und die so lange durch Privategoismus gelähmte Thätigkeit der Regierung mehr Freiheit und Energie gewinne, und durch Erreichung positiver Resultate die ganze verlorne Zeit wieder gut macht.

Die gestrige Verhandlung in der Deputirtenkammer wird auch für Deutschland von Interesse seyn, weil sie beweist, erstens, daß der große Zollverein, der den bedeutendsten Theil von Deutschland umschlingt, auch von Frankreich nach seiner ganzen Wichtigkeit gewürdigt wird, zweitens, daß der Präsident des Ministeriums in den Verhältnissen, die das Ausland berühren, den Begriffen einer gesunden Politik und des Völkerrechts mit unumwundener Geradheit selbst da huldigt, wo seine Offenheit von den Beängstigungen des materiellen Interesses seiner eigenen Nation mißkannt werden könnte. Eine Bittschrift an die Kammer lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf den deutschen Zollverein, und gibt zu verstehen, daß die Regierung diese Verbindung wohl hätte verhindern sollen, weil sie dem französischen Handel und der französischen Industrie schädlich sey. Sie sehen, das war so recht ein Feld, auf welchem sich der alte, der kaiserliche Nationalsinn herumtummeln und die salbungsvollsten Redensarten anbringen konnte. Es scheint, und wahrlich das ist kein geringes Lob der neuen Verwaltung, daß wir von diesem abgenützten Rüstzeuge einer andern, einer überlebten Zeit endlich befreit seyn sollen. Der Ministerpräsident hat sehr bündig und klar in seiner Rede ausgesprochen, daß es ein unstatthafter Gedanke sey, Deutschland an der Wahrung seines wohlverstandenen Interesses aus dem Grunde abhalten zu wollen, weil dieses deutsche Interesse auf das französische vielleicht nachtheilig rückwirken konnte. Was jetzt zu thun bleibt, ist eine Verständigung, eine loyale, durch wechselseitiges Geben und Empfanben, das heißt also nöthigenfalls durch Bewilligungen und Zugeständnisse zu treffende Uebereinkunft mit dem deutschen Zollverein. In dieser Beziehung wird das Ministerium dem nationalen Interesse, wie den Erheischungen des Rechts getreu, die zweckmäßigsten Vorschläge machen und verfolgen. Solche Sprache ziemt allein in dem heutigen Zustande der europäischen Politik, sie ziemt besonders dem Minister eines mächtigen und geachteten Landes wie Frankreich, und wir möchten sagen, sie ehrt ihn gerade in dem Verhältnisse seines größern politischen Ansehens. Ein anderes merkwürdiges Ergebniß der gestrigen Sitzung ist die Bildung der neun Bureaux behufs der Petitionen. Die Mitglieder der linken Seite sind in solcher Mehrheit zu Präsidenten und Secretären dieser Bureaux erwählt worden, daß die Sitzungen der Kammer seit 1830 keine ähnliche Thatsache aufweisen können. Auch etwas sehr Neckisches ist vorgekommen: in die große Deputation, die den König an seinem Namenstage, 1 Mai, becomplimentiren soll, wurden ernannt: Laffitte und Arago! beide, der Präsident und der Secretär des Comité's der Wahlreformgesellschaft. Seit 1832, dem Belagerungszustand von Paris, sind die beiden Namen ungewöhnte Gäste im königlichen Schlosse geworden. Aus einem Artikel des Temps von heute können Sie entnehmen, daß die preußisch-belgische Eisenbahn den Franzosen einige Besorgniß einflößt; sie mögen nicht Unrecht haben.

Belgien.

Das neue Ministerium hat seine parlamentarische Amtsführung gestern mit einer Erklärung eröffnet, die als sein politisches Programm anzusehen ist. Es beschränkt sich durchgehends auf die gewöhnlichen constitutionellen Allgemeinheiten, denen hernach jede Partei ihre eigene Deutung zu geben weiß. Bemerkenswerth indessen ist die Sorgfalt, womit der Minister des Innern, Hr. Liedts, gleich anfangs die Katholiken wegen des Geistes, worin der Volksunterricht von Staatswegen organisirt werden soll, zu beruhigen sucht. Den Familienvätern, heißt es, werde die vollständigste Bürgschaft einer moralischen und religiösen Erziehung gewährt werden. Das Wie dieser Gewährung wird der Stein des Anstoßes seyn, denn die Partei, die bis jetzt das neue Ministerium am lebhaftesten bewillkommt, möchte gerne nur eine scheinbare Garantie dieser Art gewähren, in der That aber die auf Staatskosten, d. h. auf Kosten sämmtlicher Steuerpflichtigen zu gründenden mittleren und Volksschulen zu Oppositionsinstituten gegen die auf allen Punkten des Landes von den Katholiken aus dem Ertrage freiwilliger Beiträge gegründeten Schulen organisiren. Diese Tendenz ist aus einer Reihe von Aufsätzen, welche sie seit Jahren in Blättern und Broschüren geliefert, zu deutlich hervorgegangen, als daß sie sich versprechen dürfte, jetzt über ihre eigentliche Absicht äuschen zu können. Will nun das0972 Ministerium dennoch jene vollständigste Bürgschaft moralischer und religiöser Erziehung wirklich gewähren, so wird es sich mit einem Theil seiner jetzigen politischen Freunde entzweien, ohne dafür auf der andern Seite einen hinlänglichen Ersatz zu gewinnen, denn bereits macht das Mißtrauen auf dieser Seite Fortschritte. Ich machte schon darauf aufmerksam, daß Hr. Liedts, der einzige, der als ein Mittelsmann zwischen dem Ministerium und der katholischen Seite der Kammer hätte dastehen können, in dieser Hinsicht von seiner Bedeutung dadurch verliert, daß er das Fach des öffentlichen Unterrichts an Hrn. Rogier, den Minister der öffentlichen Bauten, abgegeben. Dem Vernehmen nach hat er auch überdieß die Abtheilung des Cultus an den Justizminister, Hrn. Leclercq, abgetreten. Eine seltsame Vermengung der Attributionen, wovon man bisher kein Beispiel gesehen, und die, insofern es sich vor Allem davon handelt, den Katholiken Vertrauen einzuflößen, als ein Mißgriff anzusehen ist, welcher die Stellung des Ministeriums erschweren muß. Die Folgen hievon dürften indessen erst fühlbar werden, wenn Fragen von moralischem Gewichte, wie die der Organisation der Schulen, zur Verhandlung kommen; in allen andern kann das neue Cabinet, will es versprochenermaßen in gemäßigtem, verfassungsmäßigen Geiste wirken, auf die Zustimmung des größeren Theils der Kammer rechnen.

Erst nach dem Schlusse des Briefkastens für die deutsche Post*)Die deutsche Post geht um 4 Uhr Nachmittags ab, und die Briefe müssen wenigstens eine halbe Stunde vorher aufgegeben werden; die französische Post dagegen geht erst um 6 Uhr ab. Da nun die Sitzungen der Kammern gewöhnlich bis gegen 5 Uhr dauern, so können die Brüsseler, vor 6 Uhr ausgegebenen Abendblätter durchgehends schon an demselben Tage nach Paris das Resultat von Abstimmungen abgehen lassen, über die der Correspondent deutscher Blätter erst am nächsten Tage berichten kann. ging gestern die Repräsentantenkammer zur Abstimmung über die von der rheinischen Eisenbahndirection gekauften 4000 Actien über: das Gesetz wurde mit 58 Stimmen gegen 4 angenommen, ein Beweis, wie allgemein sich in der letzten Zeit die Meinung zu Gunsten desselben geändert hatte. Dazu kam, daß hier der Anhang der alten Minister, weil die Convention mit der rheinischen Direction das Werk dieser letztern war, kein Oppositionsmotiv aus politischen Rücksichten in Beziehung aufs neue Ministerium haben konnte; wogegen die alte Opposition, einstweilen noch voll Anhänglichkeit für die neuen Minister, sich ihrerseits jedes Widerspruchs enthielt, und zum erstenmal ihre ministerielle Rolle zu übernehmen hatte. So verhallten denn die wenigen Stimmen, die sich gegen das Gesetz erhoben, ohne Anklang. Im Senate werden ähnliche Ursachen eine ähnliche Wirkung hervorbringen, die Opposition wird sich auch hier nur auf wenige Stimmen beschränken. Schon gleich gestern, nach der Abstimmung der Repräsentanten, wurde das Gesetz dem Senat überreicht, der auch alsobald einen Ausschuß zur Prüfung desselben ernannte. Heute stattet derselbe durch das Organ des Grafen Duval seinen Bericht an die Kammer ab, der dahin lautet, daß sich der Ausschuß einstimmig für die Annahme des Gesetzes ausgesprochen. Da die Sitzung erst nach 3 Uhr eröffnet wurde, so wird man schwerlich heute schon mit dieser Angelegenheit zu Ende kommen. Ich wiederhole übrigens, daß die Annahme mit großer Stimmenmehrheit gar nicht zu bezweifeln ist.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten hielt heute wieder die erste Sitzung, in welcher aber nichts von Bedeutung vorkam. Einige Petitionen, bezüglich der Revision des Grundgesetzes, der Freiheit des Gottesdienstes etc. wurden vorgelegt. Se. Durchl. der Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar ist nach Mannheim abgereist, um daselbst mit unbestimmtem Urlaub längere Zeit zu residiren. Die deutsche Oper von Köln wird im nächsten Monat einige Vorstellungen in Amsterdam geben, und u. A. Sabine Heinefetter dabei mitwirken.

Die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Generalstaaten sind erschienen, werden aber, da nur äußerst wenig dadurch aufgeklärt wird, nicht befriedigen. Zwar ist die Ziffer des Budgets um beinahe sieben Millionen vermindert, indem das Anlehen von 6,700,000 fl. daraus weggelassen und ein weiterer Ueberschuß von 200,000 fl. vom Jahr 1838 her darin aufgenommen, allein damit ist nicht das mindeste gewonnen, denn dafür sind unter den Ausgaben die Dotation des Syndikats mit 2,500,000 fl. und die 4,000,000 fl. für das Deficit dieses Instituts nicht aufgenommen; wenn sie aber vorher nothwendig waren, so müsse diese Ausgabe es noch jetzt seyn, und auf irgend eine Weise gedeckt werden. Ein Zuschuß aus den Geldmitteln der überseeischen Besitzungen wird für 1840 als nicht thunlich bezeichnet, ohne andere Ursachangabe, und bloß mit dem Bemerken, man werde die Sache vor die Generalstaaten bringen, wenn durch Versicherung des Decrets vom Jahr 1840 die Regierung auf einen festen und soliden Standpunkt, um für die Zukunft sorgen zu können, gesetzt seyn werde. Damit werden sich die Generalstaaten schwerlich begnügen. Etwas genügender ist die Auskunft, welche über die bereits von Belgien bezahlte Rente pro 1839 gegeben wird. Ein großer Theil davon mußte sogleich an Belgien zurückbezahlt werden, wegen der auf das große Buch der 2 1 / 2procentigen wirklichen Schuld eingeschriebenen Capitalien belgischer Rechenbeamter und öffentlicher Stiftungen, die seit dem Jahr 1830 ihre Renten nicht erhalten hatten. Der Rest ist vorerst dem Schatze der überseeischen Besitzungen für die an denselben gemachten Vorschüsse zugewiesen worden. Dagegen läßt sich nichts einwenden, als daß die Regierung diese Ausgaben und Verrechnungen wohl hätte aufführen können und ganz unnützer Weise den Vorwurf der Verheimlichung auf sich geladen hat. Die Zuweisung des Rests an den Schatz der überseeischen Besitzungen wird freilich mit den Geldverhältnissen dieser letztern überhaupt zur Sprache kommen. Ueber diese, so wie über die Verhältnisse des Syndikats wird man durch die Antworten der Regierung nicht klüger. Die Regierung gibt ihre Verlegenheit gleich im Anfang der Antworten dadurch zu erkennen, daß sie besonders darauf aufmerksam macht, man dürfe das Budget von 1840, wie es vorgelegt worden, nicht als ein Vorbild angesehen, wie dieses künftig gehalten werden solle. Dieß sind aber Versprechungen auf die Zukunft, mit denen sich die Generalstaaten schwerlich wieder werden abspeisen lassen. Das Andringen auf Ersparnisse, so gerecht es ist, hat indeß die Generalstaaten auch zu manchen Forderungen veranlaßt, deren Verwirklichung in der That nicht wohl möglich ist, und die Regierung bemerkt deßhalb: wenn man das ganze Budget und jeden einzelnen Posten durchgeht, so findet man, daß bei weitem der größte Theil der Summen zu solchen Ausgaben gehört, an welche die Hand zu legen unrathsam und im wahren Interesse des Landes bedenklich seyn würde, wenn nicht eine sehr gründliche Untersuchung vorangeht. Rechne man diese ab, so seyen die Summen, an welche überhaupt gekannt werden könnte, keineswegs so groß, daß die Ergebnisse der Einschränkungen so glänzend ausfallen könnten. Die Regierung verweist daher auf die in der Armee, und zum Theil auch in der Marine bereits0973 vorgenommenen Ersparnisse, und bemerkt dann ausdrücklich, daß für das laufende Jahr das Budget, wie es vorgelegt worden, die wesentlichen Staatsbedürfnisse umfasse, und keine Möglichkeit vorhanden sey, in der Verminderung noch weiter zu gehen. Ein sehr wunder Punkt ist nur oberflächlich berührt, nämlich die Klage über zu große Centralisation. Sie war in den Bedenken der Generalstaaten nicht näher motivirt worden, und somit beschränkte sich auch die Regierung auf die allgemeine Antwort, man mache sich darüber gewöhnlich sehr unrichtige Begriffe, die dem, der selbst mit der Verwaltung genauer bekannt sey, im Augenblick als unpraktisch in die Augen fallen; das Ministerium der innern Angelegenheiten habe ohnehin so viel zu thun, daß es keineswegs geneigt seyn könnte, Gegenstände, deren Behandlung nicht unumgänglich nothwendig sey, in seinen Geschäftskreis zu ziehen. Dieser Gegenstand wird noch zu manchen Erörterungen Anlaß geben, ist es aber nicht, der besonders heftigen Streit veranlaßt. Dieß ist fürs erste nur über die Finanzen zu erwarten.

Italien.

Unsre politische Lage ist noch immer dieselbe, ja ich möchte sagen, schlimmer und verwickelter als je. Das Erscheinen eines zweiten englischen Dampfschiffes und einer Kriegsbrigg am letzten Sonnabend und die plötzlich darauf erfolgte Abfahrt des Bellerophon so wie des ihn begleitenden Dampfschiffes ohne die üblichen Begrüßungen erregten unter dem hiesigen Handelsstande neue Bestürzung, welche durch die Nachricht, es seyen bereits einige Schiffe auf hoher See genommen, und auf andere in Malta und Gibraltar Beschlag gelegt worden, noch vergrößert wurde. Daß von Admiral Stopford der Befehl ergangen ist, die Repressalien zu beginnen, ist nun officiell; die Meldung findet sich in dem Journal von Malta mit dem Datum 10 April eingerückt. Der französische Botschafter, Herzog v. Montebello, auf dessen Vermittelung man noch hofft, wird heute oder morgen erwartet. Das gestern hier angekommene französische Dampfschiff brachte die Nachricht mit, daß eine Flottille von 9 Segeln von Toulon ausgelaufen und hieher unterwegs sey, wahrscheinlich um die englische Flotte zu beobachten, und nöthigenfalls französisches Eigenthum zu schützen. Mehrere neapolitanische Schiffe, welche theils leer, theils mit Maccaroni beladen in die hohe See gehen wollten, wurden von englischen Schiffen, die bei und hinter der Insel Capri kreuzen, zurückgewiesen, nachdem sie ihnen Proviant abgekauft und bezahlt hatten. Trotz aller dieser Vorgänge beharrt unsre Regierung auf dem bisher beobachteten Stillschweigen, wodurch so viele Interessen beeinträchtigt werden. Mittlerweile finden es die Capitäne der Kauffahrteischiffe der Klugheit angemessen, in den resp. Häfen, wo sie sich gerade befinden, bis auf bessere Zeiten liegen zu bleiben, um auf diese Weise ihr und Andern Eigenthum zu sichern.

Die Bemühungen unseres Gesandten am neapolitanischen Hofe, Marquis v. Crosa, die zwischen Hrn. Temple und dem Gouvernement von Neapel unterbrochenen Unterhandlungen wieder herzustellen, schienen anfänglich einen günstigen Erfolg zu versprechen. Man kam dahin überein, daß die Communicationen von Seite des Hrn. Temple wieder aufgenommen werden, und letzterer der sicilianischen Regierung in einer Note die Bedingungen darlegen und begründen sollte, auf denen der englische Repräsentant im Namen Großbritanniens noch immer bestehen zu müssen glaube. Hr. v. Crosa war nämlich der Meinung, es sey die Sache des Hrn. Temple, den ersten Schritt zur Annäherung zu thun, indem die letzte Note von Neapel ausgegangen war, mithin ein gemäßigtes Ultimatum von Seite des Hrn. Temple sich auf die natürlichste Art an die bisher gepflogene Correspondenz anschließen konnte. Obwohl nun nicht alsbald eine bestimmte Antwort von Seite des englischen Repräsentanten erfolgte, schien derselbe doch halb und halb entschlossen, den Vorschlag des Hrn. Crosa zu befolgen und den ersten Schritt zur Versöhnung zu thun, als der Marquis ganz unerwartet am folgenden Tag eine Zuschrift erhielt, worin Hr. Temple erklärt, daß seine Erwiederung auf die zuletzt von Neapel gemachten schriftlichen Erörterungen bereits erfolgt sey; er habe diese Erörterungen ausdrücklich für ausweichend und ungenügend erklärt, mithin sey es jetzt die Sache Neapels, ihm eine deutliche und definitive Antwort zu ertheilen; er könne daher auf keinen Fall der erste seyn, der die unterbrochenen Communicationen wieder in Gang bringe. Es fragt sich nun, ob die neapolitanische Regierung sich diesem rücksichtslosen Verfahren fügen und der Zumuthung des englischen Repräsentanten nachgeben werde. Nach dem, was man aus Neapel erfährt, zu urtheilen, wird dieß schwerlich geschehen; vielmehr scheint es, daß man entschlossen ist, die Sache aufs Aeußerste kommen zu lassen.

Die mit Toscana bestandene Streitfrage wegen Verkaufs der Kirchengüter im Großherzogthum, worüber mehrere Noten gewechselt wurden, ist nun zur Zufriedenheit sowohl des heiligen Stuhls als der Regierung in Florenz beigelegt und durch eine Uebereinkunft für die Zukunft geregelt. An der Angelegenheit des Nachbarstaates Neapel nimmt hier Alles lebhaften Antheil. Die Sachen sollen sich immer bedenklicher gestalten. Die von verschiedenen Seiten gemachten Versuche zu einer Ausgleichung sind alle an dem unbeugsamen Willen des Königs gescheitert. Ein Zusammenstoß scheint fast unvermeidlich, wenn von England aus nicht versöhnlichere Bedingungen eintreffen. Heute erfahren wir, daß die Feindseligkeiten von Seite der Engländer bereits begonnen haben, indem laut Schiffernachrichten mehrere neapolitanische Schiffe von brittischen genommen und nach Malta aufgebracht seyn sollen. Der zum interimistischen preußischen Geschäftsträger am neapolitanischen Hofe ernannte Kammerherr Graf v. Bernstorff ist auf seiner Reise dahin hier eingetroffen. Unter den vielen Fremden von Auszeichnung, die in letzter Zeit vom Papst empfangen wurden, befanden sich der Fürst Sanguszko, der Graf und die Gräfin Barkoczy, Graf und Gräfin v. Sternberg, General Baron v. Appel und die Baronin Orczy, welche sämmtlich vorgestern nach Beendigung der Messe in der Sacristei der sixtinischen Capelle von dem k. k. österreichischen Botschafter Grafen v. Lützow Sr. Heiligkeit dem Papst vorgestellt wurden.

Unter den Lesern der Allg. Ztg. sind gewiß gar manche, die sich von ihren Reisen des wunderherrlichen Anblicks des Montblanc und seiner Gletscher von Sallanches aus erinnern. Diese kleine savoyische Stadt (im Faucigny) steht seit vorigem Ostertag nicht mehr und ihre Einwohner irren jetzt, wenn sie nicht in den Flammen umgekommen sind, ohne Besitz und Obdach herum, selbst ohne Nahrung, denn auch alles Vieh, alle Getreide - und Brodvorräthe, alle vorhandenen Kartoffeln sind mit verbrannt. Es ist ein entsetzliches Elend. Hundert Personen sind umgekommen, besonders mehrere Mütter, die ihre kleinen Kinder retten wollten, viel mehrere aber sind schwer verwundet oder verstümmelt. Bei dem herrschenden starken Nordostwind verbreitete sich das Feuer nach allen Seiten so reißend schnell, daß in anderthalb Stunden die ganze Stadt in Flammen stand. An Löschen des Feuers und an Retten von Sachen war bei der furchtbaren Gluth in und um diesen großen Feuerherd gar nicht zu denken; und noch in0974 dieser Stunde ist die Gefahr nicht vorüber, denn in der Nähe steht ein Pulvermagazin mit zehn bis zwölf Centnern Pulver, dessen Dach ganz verbrannt ist und wo nur noch ein dünnes Gewölbe die Pulverfässer deckt. Niemand wagt es sich ihm zu nähern oder es zu untersuchen, denn einer der da eingesunkenen brennenden Balken könnte noch glimmen, oder die morschen Mauern einstürzen, wie so manche andere, wodurch noch vor zwei Tagen Menschen erschlagen worden sind. Der Feuerherd war so furchtbar, daß in dem südlich einige Stunden von Sallanches gelegenen Dorf Megève ein dichter Funkenregen niederfiel und die Einwohner die ganze Nacht aufblieben, um ihn auf ihren Dächern auszulöschen. Von den dreihundertundfünfzig Häusern, welche abbrannten, sind nur die öffentlichen, das Stadthaus, das Gebäude der frères ignorantins und einige andere mit 80,000 Fr. assecurirt, Privatgebäude bloß mit 5000 Fr. Die schöne Kirche mit einer Grablegung von H. Caracci ist ebenfalls ganz niedergebrannt, der Thurm eingestürzt, die Glocken geschmolzen. Nur das Colleg, das mit einigen Häusern vor der Stadt liegt, ist erhalten worden. Lobenswerth ist die eifrige Milde, mit der die kleinen savoyischen Nachbarstädte Bonneville und Cluse die unglücklichen Einwohner unterstützt und bei sich aufgenommen haben. Sendungen von Brod und andern Lebensmitteln kommen über den See aus dem Waadtland, besonders aber zeichnet sich Genf aus durch große Einsammlungen von baarem Geld, Kleidern, Wäsche, Decken, Betten, Nahrungsmitteln und dergleichen, die täglich in zahlreichen Wagen dahin abgehen. Aber all' diese Unterstützung, so wie diejenige, welche sich von der sardinischen Regierung und von den Städten Turin und Chambery erwarten läßt, genügt lange nicht für die Armen, welche Alles verloren haben. Die ausgezeichnetsten Genfer Chirurgen sind sogleich freiwillig und unentgeltlich nach Sallanches abgereist. Der vorzügliche Tonkünstler Landrock aus Oesterreich, welcher schon seit einigen Jahren in unsrer Nähe lebt, gibt ein Concert für Sallanches. Sollten diese Zeilen im Ausland einiges Mitgefühl erregen, so würden die Wechselhäuser Ch. Hentsch und Odier-Céard in Genf bereit seyn, mit Dank alle Unterstützung für die Unglücklichen in Empfang zu nehmen.

Deutschland.

Se. k. H. der Großherzog von Baden dürfte neuern Nachrichten zufolge erst am nächsten Sonntag Abends hier eintreffen. Wie man vernimmt, befinden sich in diesem Augenblick die Oberinnen sämmtlicher bayerischen Frauenklöster in unsrer Stadt, um der morgen in Nymphenburg stattfindenden feierlichen Installation ihrer Generaloberin beizuwohnen.

Gestern ist Ihre k. Hoh. die Frau Erbprinzessin der Niederlande mit allerhöchstihrem Gemahl hier eingetroffen. Im Gefolge beider kk. HH. befinden sich die Obristhofmeisterin der Frau Erbprinzessin und die HH. v. Hazeboom und v. Steenkracht. Morgen wird Se. k. Hoh. der Großherzog von Baden hier erwartet.

Die 2te Kammer kam heute in ihrer Berathung des Strafgesetzes zum Tit. XXXV vom Meineid, Eides - oder Handgelübdebruch, und vom falschen Zeugniß und Gutachten. Wer in einer bürgerlichen Rechtssache einen zugeschobenen oder einen vom Richter auferlegten Eid wissentlich falsch schwört, wird nach §. 442 wegen Meineids mit Arbeitshaus nicht unter 1 J. bis zu 8 J. Zuchthaus bestraft. Die Verletzung des Offenbarungseides wird nach §. 443 mit Arbeitshaus oder Zuchthaus bis zu 6 J., oder wenn sich der Handelsmann nach eröffneten Gant dieses Verbrechens schuldig macht, mit Arbeitshaus von 1 J. bis Zuchthaus von 8 J. Das falsche Zeugniß in bürgerlichen Rechts - und in Verwaltungssachen bedroht der §. 444 mit der nämlichen Strafe wie den Meineid. Bei dem falschen Zeugniß in Strafsachen macht aber der §. 445 einen Unterschied zwischen den Fällen, wo es zu Gunsten, und jener, wo es zum Nachtheil des Angeschuldigten abgelegt wurde. Nach §. 449 bleibt der Zeuge, welcher, ohne eigene falsche Angaben zu machen, nur Thatsachen fälschlich abläugnet oder verschweigt, straflos, wenn diese Thatsachen ihm oder seinen Angehörigen zur Schande gereichen würden. Auf Sanders und Bekks Vorschlag wurde der Begriff der Angehörigen, hinsichtlich deren sich der Artikel auf den §. 76 a bezieht, auf diejenigen, gegen die man Zeugniß zu leisten nicht schuldig sey, also auf Kinder und Eltern, Geschwister und Schwäger beschränkt. Nach dem von der Commission vorgeschlagenen §. 450 a gilt es als Milderungsgrund, wenn der Zeuge aus gegründeter Furcht vor schweren Uebeln, die ihm von den Betheiligten zugefügt werden würden, Thatsachen abläugnet oder verschweigt. Auf Antrag Sanders, dem der Geh. R. Duttlinger, Merk, Schaaff und Welcker beitraten, Rotteck sich aber widersetzte, wurde der §. 450 a gestrichen. Nach §. 452 gilt der Meineid oder das falsche Zeugniß erst von dem Augenblick an für verübt und strafbar, wo das Protokoll über die Leistung des zugeschobenen oder auferlegten Eides, oder über das mit Verletzung der Eidespflicht abgelegte falsche Zeugniß nach geschehener Vorlesung unterschrieben oder bestätigt worden ist. Welcker beantragte, nach geschehener Eidesleistung oder Aussage schon einen Versuch zu strafen, wenn es nicht zur Unterschrift oder Bestätigung des Protokolls kommen sollte. Kunzer beantragte, daß das Verbrechen schon durch die Thatsache der Eidesleistung als vollendet gelten soll. Geh. Rath Duttlinger: Man habe bisher keinen Versuch des Meineids angenommen, und der in dem Meineid oder falschen Zeugniß liegende Act der Fälschung sey erst vollendet, wenn die Urkunde darüber gefertigt sey. Staatsrath Jolly: bei einem so wichtigen Verbrechen müsse man ein sicheres Kriterium für die Vollendung annehmen, und so lang das Protokoll nicht bestätigt sey, berichtige der Zeuge oft noch seine Aussage, und auch derjenige, welcher einen entscheidenden Eid schwöre, müsse hier noch zurücktreten, und durch Nichtgenehmigung des Acts Alles ungeschehen machen können. Welckers und Kunzers Anträge wurden hierauf abgelehnt. Nach dem Regierungsentwurf §. 454 sollte der Meineid selbst dann noch straflos bleiben, wenn der Schwörende auch nach Abschluß des Protokolls, jedoch ehe noch für die Gegenpartei ein wirklicher Schaden entstanden ist, aus freiem Antrieb widerruft. Die Commission verwarf diesen Artikel. Zentner trug nun auf Wiederherstellung desselben in der Art an, daß jener Widerruf als Milderungsgrund gelte, wie dieß in dem von der Commission angenommenen §. 455 in Bezug auf die Zeugen ebenfalls bestimmt ist. Sander und v. Rotteck widersetzten sich diesem Antrag, welcher von Baumgärtner und Welcker unterstützt, bei der Abstimmung aber verworfen wurde.

Se. k. Hoh der Kurfürst von Hessen ist gestern hier angekommen, und wird einige Zeit hier verbleiben. Auch in dieser Woche scheint der Detailhandel der Messe, begünstigt durch die schöne, aber schon sehr heiße, Witterung lebhaft zu werden.

Am 13 Febraur d. J. wurde bekanntlich in unsrer zweiten Kammer über eine Proposition des großherzoglichen Kriegsministeriums, wegen Zusammenziehung des achten Armeecorps in der Gegend von Heilbronn, berathen. Danach wollte die Staatsregierung zum Zweck jener Zusammenziehung und militärischen Uebungen einen Supplementarcredit von 30,000 fl., indem sie die übrigen Kosten aus gemachten Ersparungen, nämlich den unterlassenen oder zu unterlassenden gewöhnlichen Herbstmanöuvres von 1839, 1840 und 1841, decken zu wollen erklärte. Die zweite Kammer trat einstimmig bei. In der ersten Kammer, wohin hierauf die Sache verfassungsgemäß gelangte, erstattete der Frhr. v. Breidenstein, Namens des Ausschusses, einen der Proposition günstigen Bericht, welcher neulich unter den veröffentlichten Protokollen dieser Kammer im Druck erschienen ist. Er schloß: Wenn wir auf diese Verwilligung, welche in der zweiten Kammer einstimmig0975 beschlossen wurde, mit regerer Theilnahme antragen, als sonst bei manchen Staatsausgaben zu geschehen pflegt, so haben wir hierbei zunächst den Zweck dieser Truppenvereinigung vor Augen. Eine solche Prüfung des praktischen Werthes abstracter Normen der Kriegsverfassung erscheint uns nämlich als ein wichtiges Experiment in der höchsten Angelegenheit des deutschen Bundes. Außerdem muß wohl auch einige Verknüpfung der zerstreuten Glieder des großen deutschen Militärkörpers auf seine Gediegenheit, durch welche die Stärke bedingt ist, günstig hinwirken. Das vorliegende Unternehmen ist das erste rühmliche Beispiel dieser Art und kann dem neunten und zehnten Armeecorps, bei deren noch weit größerer Zerstückelung, zum Muster dienen. An sich betrachtet dürften wohl die vereinigten Uebungen derjenigen Armeecorps, welche aus den Truppen mehrerer Bundesstaaten zusammengesetzt sind, nicht als eine Obliegenheit dieser einzelnen Staaten, sondern als eine Angelegenheit des Bundes zu betrachten seyn. Wenn solche Uebungen des achten, neunten und zehnten Armeecorps öfters angeordnet, und der hierdurch entstehende vermehrte Aufwand als eine Bundeslast betrachtet würde, so schlänge sich mit diesem Wirken aus gemeinsamen Mitteln für gemeinsame Zwecke nicht nur ein neues Band um den deutschen Staatenverein, sondern man huldigte dadurch auch der einfachen Wahrheit, daß der beste Schutz gegen fremde Heere in der sorgfältigen Einübung der eigenen zu suchen ist. Dergleichen Anordnungen, stark an Beweggründen und an Bedeutsamkeit, würden, so wie die in neuerer Zeit mit weiser Fürsorge beschlossenen Fortificationen, das deutsche Gemüth erheben und mit neuer Zuversicht beleben. Die durch die Befreiung Deutschlands erweckten, späterhin durch Zweifel und Besorgniß sehr gedrückten Keime eines edeln Nationalgefühls bedürfen gewiß in mannichfacher Beziehung Schutz und Pflege, wenn sie nicht gänzlich ersterben sollen. Wäre das Gesagte auch nur halb so wichtig, als es uns erscheint, so möchte doch die Gelegenheit, welche durch den vorliegenden Gegenstand dargeboten wird, nicht zu versäumen seyn, um obige Ansichten ständischerseits zu prüfen und, wenn sie nicht werthlos erscheinen, der hohen Staatsregierung zur geeigneten Berücksichtigung zu empfehlen. Wir tragen demnach dahin an: 1) die in Anspruch genommene Summe von 30,000 fl. zu verwilligen; 2) der Staatsregierung zur geeigneten Berücksichtigung den Wunsch auszudrücken, daß das achte Armeecorps von Zeit zu Zeit wiederholt vereinigt und eingeübt, eine solche Einrichtung auch bei dem neunten und zehnten Armeecorps eingeführt, der vermehrte Aufwand aber, welcher durch den Ausmarsch der Truppen in einen andern Bundesstaat erwächst, als eine Bundeslast betrachtet und bestritten werden möge.

Bei der Berathung in der ersten Kammer, welche nun gleichfalls hier im Druck erschienen ist, bemerkte Frhr. v. Arens: Es ist gewiß sehr wünschenswerth, daß dem deutschen Bundesheer eine Verfassung und eine Ausbildung gegeben werde, welche geeignet ist, den deutschen Bundesstaaten, dem Auslande gegenüber, auch in militärischer Hinsicht eine Achtung gebietende Stellung zu sichern, und ich bin auch nicht zweifelhaft, daß die, in den einzelnen, und zwar vorzugsweise in den gemischten Armeecorps vorzunehmenden größern Uebungen zur Förderung ihrer militärischen Ausbildung und ihrer größern Tüchtigkeit im Felde nicht wenig beitragen werden. Dessen ungeachtet bin ich bei der an mich gerichteten Frage: ob ich dem von dem Ausschusse gestellten Antrage, seinem ganzen Umfange nach werde beitreten können, einigen Bedenklichkeiten begegnet. Ich bin nämlich darüber zweifelhaft, ob die Stände des Großherzogthums überhaupt zu Petitionen von dem in Antrag gestellten Umfange befugt seyen, und ob es dem wohlverstandenen Interesse des Großherzogs und der Stände entspreche, einen Bundesbeschluß zu veranlassen, durch welchen der, durch die größern Uebungen der einzelnen Armeecorps entstehende bedeutende Kostenaufwand für eine Last des Bundes erklärt, und zugleich vorgeschrieben werde, daß dergleichen Uebungen auch von den übrigen Armeecorps von Zeit zu Zeit vorgenommen werden sollen. Meine Zweifel stützen sich auf folgende Gründe: 1) Bin ich auch noch jetzt überzeugt, daß den Ständen, nach den nun einmal hierüber bestehenden Bundesgesetzen, das Recht nicht zustehe, auf die Beschlüsse des Bundestags und die, für diesen Zweck dem Bundestagsgesandten zu ertheilenden Instructionen auf irgend eine Weise einzuwirken. Die Ertheilung dieser Instructionen ist, wie ich schon früher bei Gelegenheit des über die hannover'sche Verfassungsangelegenheit von mir erstatteten Berichts auszuführen veranlaßt war, durch die Gesetze des deutschen Bundes dem Regenten ausschließend überwiesen, und ich glaube daher, daß auch in dieser die größern Militärübungen betreffenden Angelegenheit eine Petition an die großherzogliche Staatsregierung von Seite der Stände nicht gerichtet werden könne. Will man indessen von diesem Grund auch ganz absehen, so würde doch 2) das grundgesetzlich sanctionirte Princip einer unter den sämmtlichen Bundesgliedern bestehenden, völligen Rechtsgleichheit offenbar verletzt werden, wenn, dem gestellten Antrage gemäß, bloß der, durch die größern Uebungen der drei gemischten Armeecorps entstehende größere Kostenaufwand für eine Bundeslast erklärt, und nicht auch ganz dasselbe hinsichtlich des Kostenaufwandes ausgesprochen werden sollte, der durch die Uebungen der von den größern deutschen Staaten zum Bundesheere zu stellenden Contingente veranlaßt werden wird. 3) Wird es die größten Schwierigkeiten haben, einen dem gestellten Antrag entsprechenden Beschluß der deutschen Bundesversammlung zu erwirken. Die Interessen der einzelnen Bundesglieder sind nämlich in dieser Hinsicht sehr ungleich und verschieden. Für die Contingente der größern deutschen Staaten (Oesterreich, Preußen, Bayern), welche für sich allein ein oder mehrere Armeecorps zum Bundesheere stellen, sind die größern Militärübungen nicht in gleichem Grade wie bei den zusammengesetzten Armeecorps Bedürfniß. Sie werden sich daher schwerlich entschließen, zu den nicht unbedeutenden Kosten beizutragen, welche durch die sich von Zeit zu Zeit erneuernden, größern Uebungen der zusammengesetzten Armeecorps entstehen werden. Gleiche Militärübungen für die von den größern Staaten zu stellenden Contingente anzuordnen, würde aber, da diese Contingente den ganzen Etat ihrer Heere nicht erschöpfen, so lange unthunlich seyn, als diese Contingente nicht schon in Friedenszeiten besonders abgesondert und als zum Bundesheere gehörend bezeichnet werden, indem es, ohne diese Absonderung, gar nicht einmal ermittelt werden könnte, ob die etwa anzuordnenden Corpsübungen von den zum Bundesheere gehörenden, oder von den hierzu nicht bestimmten Truppen vorgenommen worden seyen. Die Schwierigkeit, einen Bundesbeschluß zu erwirken, durch welchen der durch die Corpsübungen entstehende Kostenaufwand für eine Bundeslast erklärt werde, tritt noch mehr hervor, wenn man erwägt, daß derselbe nach Inhalt der deutschen Bundesacte, Art. 7 und 10, und der Wiener Schlußacte, Art. 13 und 52, nur durch Stimmeneinhelligkeit zu Stande kommen kann, und daß auch, in Gemäßheit dieser bundesgesetzlichen Bestimmungen, der sich auf die Grundzüge der Kriegsverfassung des deutschen Bundes beziehende Beschluß der deutschen Bundesversammlung vom 9 April 1821 einer Stimmeneinhelligkeit sein Daseyn verdankt. 4) Sollte ein solcher Bundesbeschluß auch wirklich zu Stande kommen, so wird auch eine gleichzeitige Bestimmung darüber, wie oft diese0976 größern Corpsübungen stattfinden sollen, mit Zuversicht zu erwarten seyn, und es bleibt wenigstens die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die hiefür festgesetzten Termine so nahe aneinander gerückt werden, daß dadurch sehr große Kosten für das Land entstehen können. Dieser Kostenaufwand wird dann zugleich der Einwirkung der Stände insoweit entzogen seyn, als sich bekanntlich die Landstände der Verwilligung der Mittel zur Erfüllung der in den Bundesgesetzen ausgesprochenen Verpflichtungen des Großherzogs nicht entziehen können.

Frhr. v. Breidenstein: Es scheint mir hier ein Mißverständniß obzuwalten. Der Ausschuß beantragte keineswegs, einen förmlichen Schritt zu dem von ihm angedeuteten Zwecke zu thun, sondern bloß eine Ueberzeugung auszusprechen und diese dem Großherzog ans Herz zu legen.

Frhr. v. Gagern: Unstreitig gehört der Vortrag des Hrn. Frhrn. v. Breidenstein im Namen des Ausschusses zu den trefflichsten, die noch in deutschen Ständeversammlungen vernommen worden sind. Jene berühmten Zeilen des Alterthums: Patriae carisque propinquis quantum elargiri deceat, quem te deus esse jussit disce zu deutsch: Was Vaterland und die Deinigen von dir verlangen, daß du leistest, wie Gott will, daß du seyest, und in welche menschliche Verhältnisse gestellt, das erlerne; diese drei Zeilen gelten den Völkern noch weit mehr als den Personen. Personen können oft ihre geselligen Zustände ändern oder wechseln, Nationen nicht; sie können es nicht ändern, wenn sie von ungemein kriegerischen oder selbst kriegslustigen Nationen umgeben sind, und müssen danach verfahren und sich bei allen Wünschen, bei allen Segnungen des Friedens, bei allen föderalistischen Formen dennoch danach gestalten. Als im Jahr 1815 von dem Maaße der französischen Abtretungen die Rede war, trat die entscheidende Stimme des Herzogs v. Wellington gegen uns auf und versagte dem einstimmigen Verlangen der Deutschen Elsaß und Lothringen weil er an französische Nationalgefühle glaubte weil, wie er sich in seinen unter seiner Obhut herausgegebenen Depeschen oder Staatsschriften ausdrückt, solche größere Abtretungen would afford all the means, which injured national pride could give weil sie den Franzosen alle die Mittel geben würden, die beleidigter Nationalstolz nur verleihen kann. Hier ist der Ort nicht, das zu widerlegen. Aber hätte er nur so sagen können, wenn ihm ein beleidigter, ein zu beleidigender deutscher Nationalstolz so vorgeschwebt, wenn er ihn in den Geschichten unserer letzten Jahrhunderte so gefunden hätte? Ständische Versammlungen, besonders bei der Schweigsamkeit des Bundestags, sind der rechte und einzige Ort, solche Nationalgefühle in gehörigem Maaße zu unterhalten. Als vor etlichen Jahren noch so heftiger Mißmuth mich ergriff, fanden wir nur Anklang und starkes Mitgefühl in den sämmtlichen deutschen Heeren die Fürstensöhne an ihrer Spitze! Bei meinem langen Aufenthalt in Frankreich kann ich wohl Zeugniß geben, daß die edelsten Gesinnungen dort in die Heere sich zurückgezogen hatten. Bei uns sind die Zustände anders. Aber gegebenen Falles würde es ganz eben so seyn. Man gestatte mir die allgemeine Mahnung, in allen Heeressachen den gerechten Maaßstab wohl zu suchen und nicht karg zu seyn. Wir sind Frankreich an Zahlen gleich und auch an sonstigem Bestande. Eben unser Föderalismus darf das nicht stören. Auf englische Subsidien haben wir vielleicht nicht mehr zu zählen, am wenigsten im vorigen Maaße. Die Hülfsmittel müssen wir in unserer Brust und in unserm Beutel suchen. Unsere Militärverfassung ist noch die schönste Seite unsers Bundeswesens geblieben. Der Militärcommission haben wir großen Dank zu zollen; es ist weder Nachlaß noch Erschlaffung und irgend ein Feind kann weder auf unsere Spaltung, noch auf unsere Vernachlässigung, oder die tadelnswerthen Zustände der Neunziger Jahre zählen. Ich bin hier nicht ein Dilettant, sondern ein schwer Steuernder zu solchen Zwecken werde ich jederzeit auf das bereitwilligste mitwirken. Es gereicht der andern Kammer zur großen Ehre, daß der Bericht des Ausschusses so abgefaßt und nicht ein Wort entgegnet worden ist.

(Beschluß folgt.)

Rußland.

Aus St. Petersburg wird geschrieben, daß Se. Maj. der Kaiser Nicolaus am 22 Mai die russische Hauptstadt verlassen und allerhöchstihre Gemahlin bis nach Warschau begleiten werde. Der Kaiser soll dann wieder nach St. Petersburg zurückkehren und erst im Monat August nach Deutschland kommen.

0969

Die Ruinen von Mesaourat und Ankunft in Karthum.

(Fortsetzung der früher gelieferten Berichte)

... Es ward nun Zeit mich zu einer Excursion nach den Ruinen von Mesaourat bereit zu machen, obgleich diese Tour, weil man sie wegen gänzlichen Wassermangels in der Wüste sehr schnell zurücklegen muß, mit großen Beschwerden verbunden ist. Zu meiner Sicherheit begleiteten mich, auf Befehl des Gouverneurs, der Emir Bischir selbst mit acht seiner ausgesuchtesten Leute. Kurz vor Sonnenuntergang verließen wir Korschud Pascha's Palast, und es war schon dunkel geworden, ehe wir, Schendy zum letztenmal durchziehend, das Ende dieser traurigen Ruinen erreicht hatten. Bald darauf überzog ein furchtbares Gewitter den ganzen Himmel mit Rabenschwärze. Von allen Seiten durchkreuzten Blitze das Firmament, welche die fahlen Mauern der uns umgebenden Trümmer von Moment zu Moment in rothem Feuerschein erglänzen ließen, gleich einer gespenstischen Erscheinung jenes früheren Brandes, der Schendy für immer verheerte. Uns that jedoch diese Artillerie des Himmels nicht den mindesten Abbruch; da sich aber nachher auch ein heftiger Platzregen zu ihr gesellte, mußten wir im nächsten Dorfe nothgedrungen ein Obdach suchen. In den kleinen, wie Backofen heißen, und von Schmutz und Insecten aller Art angefüllten Stuben der Landleute war es indeß nicht lange auszuhalten. Ich ließ daher bei einem mühsam angezündeten Feuer, unter dem fortwährenden Rollen des Donners, unsere zwei kleineren Zelte aufschlagen, die nicht größer wie Schilderhäuser sind, und sonst nur den Eingang der größeren bilden. Hier lagerten wir bald ziemlich trocken, während Schech Bischir mit seinen Leuten, Dromedaren und Pferden sich sorglos unter den herabströmenden Fluthen im Freien bettete. Dieser mächtige Schech, ein geistvoller und unternehmender Mann, hat es von Anfang an treu mit dem neuen Gouvernement gehalten und ist jetzt eine seiner mächtigsten Stützen unter den Arabern, was um so wichtiger ist, da den übrigen Schechs, die noch immer einige Rancune wegen der Vergangenheit bewahren (und es ist ihnen nicht sehr zu verdenken) ungeachtet aller scheinbaren Unterwürfigkeit, nicht viel zu trauen seyn soll eine Verstellung, in welcher überhaupt alle Orientalen Meister sind. Der Schech Bischir wird, wie ich vom Kascheff hörte, wegen seiner Anhänglichkeit an die jetzige Regierung von jenen Häuptlingen bitter angefeindet, und läßt sich daher auch nicht leicht ohne zahlreiche Begleitung unter ihnen blicken.

Nach einigen Stunden hörte der Regen auf und gestattete uns die Reise fortzusetzen, welche die ganze Nacht hindurch in monotoner Einförmigkeit rastlos vorwärts ging. Gegen Morgen kamen wir, bis jetzt noch immer nicht fern vom Nil geblieben, durch einen weitläuftigen Akazienwald, dessen Bäume sich in Folge des fruchtbaren Gewitters der Nacht, wie bei uns im Frühjahr, über und über mit kleinen, meergrünen Blättern von einer reizend frischen und glänzenden Farbe bedeckt hatten. Auch die Luft war abgekühlt, ein sanfter Zephyr wehte durch die Zweige und trug duftigen Wohlgeruch auf seinen Fittigen. Hier schlugen wir unsern ersten Bivouac in der Nähe eines Dorfes auf. Gleich nach dem Frühstück ging ich mit Akermann auf die Jagd, um für weitere Nahrung zu sorgen. Wir erlegten dießmal, außer den so leicht beizukommenden Turteltauben, eine junge wilde Gans für unsere Tafel und außerdem noch allerlei bunte Vögel, nur um der Schönheit ihres Gefieders willen. Am Nil, dessen Ufer hier ziemlich malerisch und bebuscht sind, stießen wir in der Nähe von vierzehn gravitätisch fischenden Pelikanen auf ein Krokodilweibchen mit seinem kaum erst 3 Fuß lang gewordenen Sprößling, welcher letztere einen fruchtlosen Schuß erhielt und dann wie ein Frosch seiner schwerfälligen Mama schleunig ins Wasser nachhupfte. Bei unserer Zurückkunft meldete man mir die Anwesenheit dreier Pilgrime aus Darfur, die, wie es hieß, auf einer Wallfahrt nach Mekka begriffen seyen. Es waren hohe, gutgewachsene Neger, jeder mit einem langen blauen Hemd nebst Sandalen, die bunte Lederriemen zusammenhielten, bekleidet, und es schienen gewandte Leute zu seyn. Sie rühmten einstimmig die Eigenschaften ihres Sultans, und sagten uns, daß nicht Kobbé (welches auf allen Karten angegeben ist) die Hauptstadt des Reichs und Residenz des Königs sey, sondern Tendelti-Tassir, das auf keiner Karte steht. Kobbé, meinten sie, sey nur die Hauptstadt der Kaufleute, die andere, weit stattlichere und größere, die Residenz des Herrschers und der Großen. Ihren Aeußerungen nach schien in diesem Lande zwischen Adel und Kaufmannschaft eine starke Demarcationslinie gezogen zu seyn, wahrscheinlich besitzen sie dort noch keine vermittelnden Bankiers. Ihrer Aussage nach ist die Residenz nur eine starke Tagereise von Kobbé entfernt. Einen großen Fluß, behaupten sie, gebe es, so viel ihnen bekannt, in ihrem ganzen Lande nicht, aber viel Bäche, die in der Regenzeit zu Flüssen würden, und außerdem zahlreiche Brunnen und Cisternen, so daß es nirgends als in der angränzenden Wüste an Wasser fehle.

Das Land soll reich an Waldungen und fruchtbar seyn. Unter den Gartenfrüchten nannten sie Orangen, Citronen, Granaten, Melonen und andere mir unbekannte Namen, und unter den Gemüsen ziemlich die nämlichen, welche Sudan und Kordofan liefern. Der Sultan habe, fuhren sie fort, seit einigen Jahren angefangen den Nizzam einzuführen, welchen ein Weißer befehlige, den der Sultan sehr hoch halte; doch gefalle den Eingebornen dieser Dienst nicht, und die Truppen seyen viel weniger gut dressirt, als die ägyptischen Soldaten, welche sie in Kordofan und in Sudan gesehen; auch besitze der Sultan einige Kanonen. Auf meine Frage, ob das Einhorn bei ihnen existire, erwiederten sie zuerst einstimmig, daß dieses Thier sehr häufig bei ihnen sey, ich ward aber bald gewahr, daß sie hierbei nur das Rhinoceros im Sinne hatten. Als ich ihnen die Eigenschaften des Einhorns beschrieb, erklärten sie von einem solchen Geschöpfe nie etwas gehört zu haben.

Sie hatten sämmtlich viel Amulete und Glasperlschnüren an sich hängen, der eine aber außerdem noch eine Art Brieftasche, worin sich ein buntes, roh angefertigtes Bild der heiligen Kabba befand, das er zu zeigen anfänglich einige Schwierigkeit machte. Dieser, welcher der unterrichtetste von den Dreien zu seyn schien, erzählte uns nachher von Volksstämmen, die in den höchsten Gebirgen ihres Landes wohnten und gar keine Religion hätten, nicht einmal so viel, setzte er hinzu, als ein Dschaur (Christenhund). Deßwegen stellt man auch jährlich regelmäßige Jagden auf sie an, und bedient sich der Gefangenen als Sklaven, über welche der Besitzer eine eben so unbeschränkte Herrschaft ausübt als über sein Vieh. Im Uebrigen scheint die Regierung mild und nach ihrer Art auch ziemlich gerecht zu seyn.

Die Leute konnten etwas arabisch reden und verstanden die Sprache von Kordofan, welche einem der Begleiter des Schechs Bischir ebenfalls bekannt war, der uns daher während der Unterhaltung als Dolmetscher diente.

0970

Die Abtheilung der Wüste, in welche wir von hier aus eindringen sollten, und die sich bis zum rothen Meer erstreckt, wird nur von wenigen wandernden Beduinenstämmen bewohnt, die bloß nominell unter der Oberherrschaft Mehemed Ali's stehen, und folglich alle Reisenden noch als gute Beute ansehen. Die Sicherheit, die man so vollständig in den Staaten des ägyptischen Herrschers genießt, hört also hier auf, und der Schech Bischir kündigte uns an, daß ein Anfall von Räubern möglich sey, wir daher unsere Waffen in Bereitschaft halten möchten. Zugleich bot er mir an, jetzt meinen Dromedar, auf dem wir Europäer uns immer in einer etwas unbehülflichen Lage befinden, mit seiner, bisher von einem Diener an der Hand geführten Stute zu vertauschen, was ich dankbar annahm. Gegen 5 Uhr Abends machten wir uns auf den Weg, und erreichten bald eine herrliche Plaine, die, so weit das Auge reichte, mit hohem Binsengras, Gruppen niedriger Akazien und Mimosenbüschen bedeckt war; in blauer Ferne vor uns stiegen einzelne, bald spitz, bald tafelförmig, bald gezackt geformte Berge empor, und der Anblick des ganzen Landes bis an ihren Fuß zeigte deutlich, daß einst hier allgemeine Cultur geherrscht haben müsse, deren Spuren, trotz der Austrocknung alter Canäle und Versandung der Brunnen, nach Jahrtausenden noch sichtbar bleiben, während ein überall verbreiteter Untergrund von Wasser allein die verwilderte Fruchtbarkeit erhalten kann, welche uns noch jetzt umgab. Der Himmel war bewölkt, was die Hitze sehr minderte, die Nacht aber auch so stockfinster werden ließ, daß nur Araber mit ihrem Hunde-Instinct, den man füglich ihren sechsten Sinn nennen könnte, den Weg aufzufinden im Stande waren.

Unser Marsch in dieser Dunkelheit, der keiner Karawanenstraße mehr folgte, sondern quer durch die hohen Binsen ging, hatte bereits einige Stunden angedauert, als unsere Leute plötzlich anhielten, weil jener sechste Sinn, Gott weiß wie, inne geworden war, daß seitwärts in einem struppigen Gebüsch Menschen lagerten. Der Lieutenant des Schechs rief sie sogleich an, frug, wer sie wären und was sie hier machten? Doch ehe ich weiter erzähle, muß ich des Schech Bischirs Gefolge kürzlich beschreiben. Es waren ihrer, wie gesagt, nur acht, aber allem Anschein nach höchst zuverlässige Leute, sämmtlich schwarz wie ihr Herr, stark und muskulös gebaut (was man um so leichter beurtheilen konnte, da sie fast nackt waren) und von markanten, aber nicht unangenehmen Gesichtszügen. Eine Binde um den Leib und ein Tuch um den Kopf gewickelt, nebst Sandalen an den Füßen, componirte, außer den Waffen, ihren ganzen Anzug. Nur der Lieutenant trug darüber noch eine Art weiter blauer Blouse, und der Schech den faltenreichen, weißen Mantel mit rothen Streifen eingefaßt, der der römischen Toga so ähnlich sieht, mit einem sehr voluminösen Turban von gleicher Farbe auf dem Haupte. Alle ritten weiße Dromedare von der ausgezeichneten eignen Zucht des Schechs, der seine größten Besitzungen in Berber hat, wo das Gebiet der Tischary-Araber beginnt, deren Dromedare an Güte nur denen aus Nedschdi weichen. Sämmtliche Leute waren sehr vollständig nach Landesart bewaffnet, d. h. jeder hatte einen Wurfspieß, ein großes ovales Schild aus Krokodil - oder Hippopotamushaut, durch das nur eine Büchsenkugel dringt, einen Dolch am Oberarm befestigt, und ein langes gerades Ritterschwert mit dem Griff in Kreuzesform über die Schulter gehangen, wie ich es schon früher beschrieben. Flinten scheinen hier nicht üblich, und was davon ehemals existirt haben mag, ist den von Mehemed Ali's Truppen unterworfenen Arabern weggenommen worden. Es gab kein Feuergewehr unter der ganzen Truppe, als ein paar alterthümliche europäische Pistolen, die dem Schech gehörten, und die sein Leibdiener nebst einer durch Riemen befestigten kleinen Patrontasche im Gürtel trug. Alle waren vortreffliche Reiter und wußten ihre Dromedare so geschickt zu regieren, daß die Schnelligkeit und Gewandtheit ihrer Bewegungen denen der Pferde nicht viel nachgab, während dagegen meine Suite nur sehr mühsam mit ihren Thieren zurecht kam, die aber auch von weit schlechterer Beschaffenheit waren. Dieß veranlaßte denn häufig unwillkommenen Aufenthalt, um die Traineurs wieder heranzubringen.

Kaum also war die vorhin gemeldete Frage an die verdächtigen Fremden ergangen, als von einer tiefen Stimme die (uns schnell vom Dragoman übersetzte) Antwort erschallte: Kommt nur heran, dann werdet ihr es erfahren.

Im Nu waren alle Dromedare des Schech Bischirs am Boden und ihre Reiter schon herabgesprungen, von denen jedoch vorsichtig zuerst nur die Hälfte mit gezogenen Schwertern und, von ihren Schilden gedeckt, in der Dunkelheit nach der Richtung des Schalls der gehörten Stimme vordrangen. Wir blieben ruhig mit gespannten Pistolen halten und erwarteten den weitern Verfolg, um nach Umständen mit zu agiren. In wenig Sekunden hörten wir, mit großem gegenseitigen Kampfgeschrei, mehrere mit den Schildern aufgefangene Schwerthiebe ertönen, und wollten, da es nun Ernst zu werden schien, ebenfalls vorrücken, als der Schech uns bat, dieß bis zum höchsten Nothfall zu versparen, worauf er nun selbst mit seinen übrigen Leuten der Mêlée zueilte. Seine lauten, drohenden Worte, die er den Streitenden zurief, schienen sogleich einen Waffenstillstand herbeizuführen (denn da wir nichts sahen, konnten wir uns nur der Ohren als Fühlhörner bedienen), das Geklirr der Waffen hörte auf, das Geschrei aber verdoppelte sich. Nach ungefähr fünf Minuten verstummte auch dieß plötzlich, alle die Unsrigen kamen hastig zurück, schwangen sich auf ihre Dromedare und eilten in kurzem Trabe mit uns davon. Auf unsere neugierigen Fragen erhielten wir zur Antwort, die Fremden hätten sich für reisende Dschellabs erklärt und vorgegeben, daß sie uns für Räuber gehalten. *)Dschellab bedeutet eigentlich Kaufmann, da aber hier in der Regel Niemand reist, als um zu handeln, auch einen Reisenden. Am richtigsten würde man es mit wandernder Handelsmann übersetzen.Der Schech setzte hinzu, daß er sich damit beruhigt habe, obgleich das Vorgeben erlogen sey, da hier gar kein Karawanenzug existire, wo Dschellabs angetroffen werden könnten. Es sey indeß besser, sich zu entfernen, weil man nicht wissen könne, ob nicht eine weit stärkere Anzahl in der Nähe sey, von denen jene nur ein vorgeschobener Posten gewesen. In der That fanden wir, nachdem wir noch nicht tausend Schritte weiter geritten waren, in einer sehr engen und schwierigen Passage durch unebenes, steiniges Terrain voller Dornen, einen zweiten Trupp ähnlicher Dschellabs, der aber wahrscheinlich nur wenig zahlreich war, da er bei dem Anruf unserer Spitze sogleich die Flucht ergriff. Ich hatte übrigens keinen Augenblick die mindeste Besorgniß für unsere Sicherheit, da wir uns auf die Treue der Escorte verlassen konnten, und die Menge unserer Feuergewehre gewiß, selbst gegen eine fünfmal überlegene Zahl, schnell den Sieg auf unsere Seite gebracht haben würde.

Eine Stunde später, nahe vor Mitternacht, und gerade als der Mond riesengroß und feurig am Horizont emporstieg, beleuchtete er vor uns die imposanten Ruinen von Mesaourat, in der Mitte eines geräumigen Thales gelegen, das einzelne Sandsteinberge von den barocksten Formen umgeben, in jener häufig vorkommenden Bildung dieser Gebirgsart, welche sie wie mit Thürmen, Mauern und Zinnen auf ihren Gipfeln gekrönt0971 erscheinen läßt. Wir waren indeß so ermüdet, daß wir vor der Hand nur wenige Blicke auf alle die Herrlichkeiten unter dem Mondlicht warfen, und nach dem Genuß einer schnell an der Spirituslampe gekochten Tasse Thee die Teppiche auf den Boden unserer Duodezzelte breiten ließen und, den Sattel zum Kopfkissen, so köstlich wie auf Eiderdun bis zum Anbruch des Tages schliefen.

(Fortsetzung folgt.)

Algier.

Der Herzog von Orleans ist heute nach Buffarik abgegangen, um das Commando seiner Division zu übernehmen, während der Marschall Valée nach dem Osten der Metidscha aufgebrochen ist, in der Absicht, wie man allgemein glaubt, den Seehafen Dellys zu besitzen. Wird, nach Scherschel und Dellys, auch Medeah occupirt, so ist die Ruhe der Metidscha gesichert, da man die Räuberstämme, welche die Gegend bisher so unsicher machten, alsdann im Rücken fassen kann. Drei Dampfboote sind in vergangener Nacht abgegangen, wahrscheinlich um bei der Expedition gegen Dellys mitzuwirken. Abd-El-Kader steht, wie es heißt, ziemlich nahe bei uns. Mehrere Eingeborene versichern sogar, er sey vor einigen Tagen mit einer kleinen Reiterschaar in die Metidscha und auf den Sahel gekommen, um die Gegend zu recognosciren. Es wäre dieß gar nicht unmöglich; indessen circuliren so viele seltsame Gerüchte hier, daß man darein billig einiges Mißtrauen setzen darf. Eines dieser Gerüchte, von dem sich jedenfalls sagen läßt: se non è vero, è ben trovato, muß ich Ihnen doch wiederholen. Man erzählt, der Emir habe an den Marschall Valée einen Brief geschrieben, etwa folgenden Inhalts: Um Blutvergießen zu vermeiden und dem Krieg ein Ende zu machen, schlage ich dir vor, unsern Streit durch einen Zweikampf zu entscheiden. Bei meinem Rang als Sultan kann ich mich nur mit einem König, wie ich bin, schlagen. Aber ich will dir, wenn du hiermit einverstanden bist, einen meiner Chalifas schicken, der sich mit dir messen soll. Der Gouverneur soll hierauf erwiedert haben: Ich nehme die Ausforderung an. Da es aber bei uns der Brauch ist, daß der Geforderte die Wahl der Waffen hat, und meine specielle Waffe die Artillerie ist, so wähle ich die Kanone und überlasse es deinem Chalifa, die Entfernung festzusetzen.

Von dem Siege Ben-Ganahs über den Chalifa Abd-El-Kaders werden Sie im Moniteur gelesen haben. Das officielle Blatt hat dieses wichtige Ereigniß so lakonisch und unvollständig gemeldet, daß einige nähere Angaben darüber nicht unpassend seyn dürften. Der Chalifa oder General Abd-El-Kaders, welcher im Namen seines Gebieters Biscara besetzt hielt, ist Ben-Asus-Ulid-Sidi-Hassan, derselbe, der einst als Abgesandter des Farhat-ben-Sa d zum Herzog von Rovigo kam und die indirecte Ursache der Niedermetzelung des Stammes El-Uffia bei dem Lager Maison carrée war. Seitdem die Würde eines Scheikh-el-Arab oder Oberhaupts der Araber des Dscherid dem Oheim des Erbey's Achmet, Ben-Ganah übertragen worden, nahm der Einfluß des Ben-Asus in jenen Südsteppen mehr und mehr ab. Letzterer hatte anfangs nur eine kleine Macht von 300 regulären Infanteristen und 50 Reitern. Abd-El-Kader schickte aber Verstärkungen nebst zwei Kanonen nach dem Land Zab, damit sein General dort operiren und die Ruhe der Provinz Constantine stören könne. General Galbois, welcher diese Provinz mit vieler Klugheit verwaltet, war kaum von diesen Planen unterrichtet, als er dem Scheikh-el-Arab Befehl gab, die Unternehmungen des Ben-Asus zu hindern. Dieser Auftrag konnte Ben-Ganah nur willkommen seyn, denn er, wie die Stämme unter seinen Befehlen, gehören jenem Theil des arabischen Volks an, der sich rühmt, von jeder Vermischung mit den Urbewohnern des Landes freigeblieben zu seyn und das Blut der ersten mohammedanischen Krieger, welche Nordafrika eroberten, in seinen Adern rein bewahrt zu haben. Er hegt die tiefste Verachtung und den glühendsten Haß gegen die Partei, auf welche Abd-El-Kader in der Provinz Constantine sich stützen zu müssen glaubte. Diese Partei besteht ausschließlich aus Schauiad (Name einiger Kabylenstämme im Osten) und aus Arabern, die mehr oder minder durch Heirathen mit den Kabylen sich vermischt haben. Ben-Ganah nennt in seinem aristokratischen Stolz Abd-El-Kader den Sohn eines Stallknechts. Man kann daraus entnehmen, was Ben-Ganah von den Unterthanen Abd-El-Kaders hält, von jenen rohen Arabern des Westens, welche mehr als all' ihre Landsleute mit den Urbewohnern, nämlich mit dem besiegten Volk sich vermischt haben. Von solchen Gesinnungen beseelt stieß Ben-Ganah am 24 März bei Selsus, auf der Straße von Biscara nach Setif, auf den Feind. Der Chalifa Abd-El-Kaders hatte seine Infanterie am Fuß eines Berges in Schlachtordnung gestellt; die Cavallerie stand hinter dem regulären Bataillon, die Artillerie auf den Flügeln. Zweimal griff Ben-Ganah die feindliche Armee an und zweimal wichen seine Reiter, bestürzt über das Kanonenfeuer. Ben-Ganah sammelte nun um sich alle Mitglieder seiner zahlreichen Familie und stellte sich an ihre Spitze in der Richtung der Kanonenmündungen. Dann entblößte er seinen Bernuß von der linken Schulter, zeigte den Soldaten des Emirs das Ehrenkreuz auf seiner Brust und statt aller Antwort auf deren Geschrei: Apostat! Knecht der Ungläubigen! führte er die Seinigen zu einem dritten Angriff vor. Die Reiter der Wüste, angefeuert durch die glänzende Tapferkeit ihres Häuptlings, stürzten sich nun mit Wuth auf die Kanonen, die ihnen kurz zuvor so großen Schrecken eingejagt hatten. Ihr Angriff war unwiderstehlich, in wenigen Minuten war Abd-El-Kaders Infanterie niedergehauen, die Cavallerie in die Flucht geschlagen, zwei Kanonen, drei Fahnen erobert, und der Boden mit den weggeworfenen Waffen der Flüchtlinge bedeckt. Kaum war die Nachricht dieses Treffens nach Biscara gelangt, als die Einwohner, froh des Abd-El-Kader'schen Generals los zu seyn, Ben-Ganah ihre Thore öffneten. Ben-Asus flüchtete sich zuerst zu Sidi-Achmet-ben-Omar, einem andern Chalifa in partibus, der sich in der Ebene Medschana herumtreibt und nirgends Anhang findet; auch dort hielt er sich aber nicht mehr für sicher und ging nach Medeah. Da ein so denkwürdiger Sieg, in so weiter Entfernung von Constantine erfochten, von so manchen Eingebornen bezweifelt werden konnte, wurden die 1020 Ohren, welche der Scheikh-el-Arab dem General Galbois geschickt hatte, in Constantine öffentlich ausgestellt. Die Mehrzahl der Einwohner freute sich darüber; die Stämme der Medschana namentlich feierten diese Siegesnachricht mit großen Festen, und hoffen, nun auch Ben-Omars, der sie so oft als möglich plündert, los zu werden. An Ben-Ganah ist eine bedeutende Summe Geldes abgeschickt worden, und man wird ihm alle Hülfsmittel liefern, damit er seinen Sieg verfolge und Abd-El-Kader in der Provinz Titteri beschäftige. Neben dem Scheikh-el-Arab fällt ein guter Theil des Verdienstes unserer Erfolge in der Provinz Constantine dem General Galbois zu, der unter den Eingeborenen die rechten Männer auszuwählen versteht.

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Die Whigs und die Tories über China ..

Was bezweckte Sir James Graham bei seiner Motion über die chinesischen Wirren? Sollte das Geschwader sammt den Landungstruppen durch einen Schnellsegler zurückgerufen und die auflodernde Kriegesflamme im Osten alsbald wieder gelöscht werden? Nein, das ist unmöglich, Albion's beleidigte Ehre fordert Genugthuung; es unterwerfe sich der erhabene Himmelssohn der Nordresidenz, sollen nicht Congrevische Raketen und Perkinsgewehrfeuer das Innerste seines Palastes in Brand stecken und den Vater der zehntausend Jahre ein gewöhnlicher Titel des chinesischen Kaisers aus den Hallen der himmlischen Ruhe (Kien-tsing-kong) jagen, hin zu dem wilden Geklüfte des langen weißen Berges, zur alten Heimath der barbarischen Mandschu. Sollten vielleicht rings um das langgestreckte Gestade des östlichen Landes Kriegsflotten sich lagern, um den Schmuggelhandel der brittischen Unterthanen zu vernichten? Sollte wohl die Mohnpflanze in Indien ausgerottet und die Giftkrämer, gleichwie die Sklavenhändler, als Seeräuber betrachtet und behandelt werden? Das liegt jenseits der Gränzen menschlicher Macht. Die englische wie die einheimische Bevölkerung Indiens würde dagegen sich auflehnen. Und wer sollte denn endlich die unberechenbaren Summen tragen, welche die Ueberwachung eines Küstenlandes von mehr denn zweitausend englischen Meilen erheischen würde? Was bezweckte nun aber die Motion des ehrenwerthen Mitgliedes für Pembroke? Was wollten die Tories, als sie diese, der Nationalehre in mannichfacher Beziehung nachtheiligen chinesischen Händel vor das Parlament brachten? Kein hoher Sinn für Menschlichkeit und Gerechtigkeit hat ihre langen unerquicklichen Reden aus dem Herzen emporgetrieben. Tories und Whigs waren ja einstimmig in ihren Beschuldigungen gegen die Chinesen und ihre Regierung. Wir, sagt der Tory Sir William Follet, unter dem rauschenden Beifalle seiner Partei man wollte sich nämlich mit den kriegerisch gesinnten Kaufleuten der Altstadt nicht verfeinden wir verdammen nicht minder die Barbareien und die Heuchelei der Chinesen; wir verdammen ihre Uebertretung des Völkerrechts, ihre Grausamkeiten gegen unsere Landsleute, ihre wiederholten Beleidigungen der Majestät und der Flagge Großbritanniens. Kein Engländer wird über diesen Punkt einer andern Meinung huldigen. Sir James Graham wollte durch diese Motion bloß die Whigs zum Falle bringen; es sollte den Tories wiederum die süße Herrschaft werden; sie würden dann den Krieg gegen das Mittelreich nur mit größerem Nachdrucke fortgeführt; sie würden, um sich allenthalben Freunde zu machen, dem Schmuggelhandel mit Opium nur größeren Vorschub geleistet haben. China war bei diesem ganzen Handel nur ein leerer Schall, eines Traumes Schatten. Wer könnte es nun, nach solchen Vorgängen, einem Chinesen verargen, wenn er, ergrimmt ob dieses schmachvollen Spieles mit seinem Namen, mit seiner Ehre, die Engländer rothhaarige Barbaren schilt, wenn er über deren Herrsch - und Habsucht bittere Klagen führt? Wir haben hier in Canton, schreibt der Generalgouverneur Li vor bereits 10 Jahren an Se. kaiserl. Maj. nach Peking, Amerikaner, Hindu, Spanier und Holländer. Obgleich dieser aller Betragen in Beziehung auf Ruhe und Unterwerfung viel zu wünschen übrig läßt, sind sie doch bei weitem besser, als die Engländer; die Herrschsucht und Unverträglichkeit dieses Volkes ist nicht auszuhalten. Wer fände es wohl nicht natürlich, daß die Weisen des Mittelreiches ihre altererbte Lehre, die Sprüche des Kriegergottes Kuan-fu-tse höher achten, als all den Industrie - und Maschinenreichthum, die beiden Herkulessäulen des jungen Europa's, welche den Menschen lassen, wie er ist. Eines Tags unterhielt sich Dr. Morrison mit einem der einsichtsvollsten Hong über die unterscheidenden Merkmale zwischen Europa und dem Reich der Mitte. Der Missionair rühmte die Wissenschaft und die Kunstfertigkeit, die politische wie die bürgerliche Freiheit Großbritanniens und der Vereinigten Staaten, er machte den Chinesen mit allen Wohlthaten bekannt, welche durch die europäisch-christliche Civilisation über die ganze Menschheit verbreitet würden. Morrison hatte nämlich damals im Sinne, eine Anzahl geschichtlicher und wissenschaftlicher Werke ins Chinesische zu übersetzen, um die Bewohner des Ostens mit unsern Zuständen bekannt zu machen. Der Kaufmann horchte aufmerksam auf die Worte des Missionairs bis zu Ende und entgegnete dann, wie die Chinesen dieß zu thun pflegen, in bescheidener Weise: Ich zweifle nicht an der Wahrhaftigkeit Ihrer Rede; aber Sie werden mir auch zugestehen, daß Ihr Volk aller herrlichen Lehren Ihrer Religion, aller Freiheit und alles Reichthums ungeachtet, nicht besser ist als das unsrige. Ja, ihr habt nicht bloß alle Laster unserer Bevölkerung, sondern überdieß noch andere, und zwar höchst schädliche, wie euer aufbrausendes, auf Streit und Mord gerichtetes Wesen, wobei ein so großes, starkbevölkertes Reich, wie das unsrige, kein Jahrzehent zusammengehalten werden könnte. Die Weisheit unserer Altvordern ist mehr werth, als alle die unbegreiflichen Seltenheiten, von welchen Sie mir erzählen. Gibt es Herrlicheres auf Erden, als die Sprüche unserer Lehrers Kuan:*)Diesem vergötterten Heros oder chinesischen Mars, von welchem abzustammen der Admiral in den Gewässern Cantons sich vor kurzem rühmte, werden 120 Sprüche zugeschrieben, welche im ganzen Mittelreiche sehr verbreitet sind. Kuan, geboren im Jahre 175 unserer Zeitrechnung ward zum Schutzpatron der jetzigen Dynastie erhoben. Seine Sprüche bilden den 17ten Abschnitt der in China berühmten moralisch-religiösen Sammlung King-sin-lu oder Gebet - und Glaubensbuch überschrieben. Gehorche den Eltern; beobachte des Königs Gesetz; halte hoch die Lehrer und Vorgesetzten; liebe die Brüder und alle Verwandten; sey treu den Freunden; lebe in Frieden mit den Nachbarn!

Doch sehen wir ab von dem Wesen der Motion und wenden uns zu dem Formellen. Zeigten die Mitglieder des Parlaments, welche bei dieser Frage das Wort nahmen, daß sie vollkommen vorbereitet und gerüstet den welthistorischen Ereignissen entgegenschreiten, daß sie ihren Feind nach innen und außen kennen und seine Macht zu würdigen verstehen? O nein, auch in dieser Beziehung hat der Chinese das Recht, seine Gegner unwissende Barbaren zu schelten. Von welchen gigantischen, unverzeihlichen Irrthümern strotzen nicht die Reden Graham's, die seiner Freunde, wie seiner Gegner. China, sagt der ehrenwerthe Baronet, ist von 350 Millionen Menschen bewohnt, welche eine einzige Sprache sprechen, denselben Gesetzen gehorchen, zu einer einzigen Religion sich bekennen und von Einem Gefühle nationalen Stolzes und Sympathie beseelt sind. Die Stärke eines Reiches, wird dann hinzugefügt, besteht aber n seiner Einheit. Engländer, bedenkt es also, welch einen furchtbaren Feind die Drachenzähne eurer whigg'schen Regierung aus der Erde hervorgerufen haben! Um dieser tiefen Weisheit und seltenen Wissenschaft den Stachel auszureißen, erwiedert der Minister Macaulay entschuldigend: Wie hätten wir denn zu solcher erstaunlichen Kenntniß empordringen können! Die Chinesen haben gar keine Litteratur, die den Fremden helfend zur Seite stünde, und alle diejenigen, welche sich bestrebten, die Gesetze, Sitten und geselligen Verhältnisse dieses Volkes kennen0973 zu lernen, sahen sich schon gleich bei dem Beginne ihrer Unternehmung von Schwierigkeiten aller Art umgeben. Ist es glaublich! Ist es möglich! Von solcher unverzeihlichen Unkunde ist noch, im Jahre 1840, der helle Geist der englischen Staatsmänner umschattet! Vergebens habt ihr, Gaubil und Prémare, Deguignes und Rémufat, Klaproth und Hyakinth, Staunton und Morrison gelehrt und geschrieben, vergebens haben alle diese talentvollen Männer ihr ganzes Leben, mit dem größten Erfolge, dem Studium der chinesischen Litteratur zugewendet sie hatten Schattenbildern nachgejagt, the Chinese have no literature to afford help to foreigners sagt ihnen der gelehrte Macaulay der sogar lange in Indien gewesen ins Gesicht! Nun Hr. Macaulay, vernehmen Sie Ihrerseits, wahrscheinlich unter nicht minderem Erstaunen, daß selbst in Ihrer Nähe, in London, drei große chinesische Büchersammlungen aufbewahrt werden, die des verstorbenen Dr. Morrison in dem Gebäude der Londoner Universität, Gower Street, von zwölftausend, die der asiatischen Gesellschaft von fünftausend und die des ostindischen Hauses von dreitausend Bänden. Nicht minder reich an chinesischen Büchern sind die großen Bibliotheken des Continents. In Paris befinden sich nahe an fünfzehn -, in München mehr denn zehn -, in Berlin vier - bis fünftausend Bände, und zwar aus allen Fächern des menschlichen Wissens, Dichtens und Trachtens! Dieß ist Alles aber nur ein Kinderspiel im Vergleiche zur großen Masse der chinesischen Litteratur. Die Gelehrten des Mittelreiches waren, was gewiß viel sagen will, ehemals noch viel schreibseliger als jetzt die unseres deutschen Vaterlandes. Der Kaiser aus dem goldenen Hause Gioro, dessen Regierungszeit (1736-1795) in Europa unter dem Namen Kien long, des Himmels Wohlthat, bekannt ist, beschloß gegen das Jahr 1770, das Wissenswürdigste der chinesischen Litteratur aufsuchen und in einer großen, mit kaiserlicher Pracht ausgestatteten Sammlung abdrucken zu lassen. Es wurden, nach der niedrigsten Angabe, über zweimalhunderttausend Bände für würdig erkannt, in dieser riesenhaften Compilation ihren Platz zu finden. Die Sammlung ward, es erheischte dieß die Pietät gegen die Vorfahren, auch nach dem Tode des Kaisers fortgesetzt, und einem officiellen Berichte vom Ende des Jahres 1812 gemäß, abgedruckt in der neuesten Ausgabe der gesammelten Satzungen des Reichs*)Tay tsing hoei tien LXXX. Bl. 13 v:, waren von dieser Sammlung damals bereits 3511 Werke in 78,731 Bänden erschienen.

Wahrlich, die Antwort des Ministers Macaulay war würdig der Wissenschaft Sir J. Grahams. Die Einheit also, die Centralisation, welche jede selbstständige Lebensregung im Keim erstickt, in ihr läge die Macht, sie wäre die Seele des Staatskörpers? Vergebens waren die zahlreichen Revolutionen aller der orientalischen Despotien, welche sämmtlich an dieser gepriesenen Einheit krank daniederlagen; vergebens sind die Erfahrungen Europa's in den letzten Jahrzehnten; umsonst die Warnung des tiefsinnigen Montesquieu vor dem Streben nach dieser äußerlichen, organisch nicht zusammengewachsenen Einheit. Man lasse sich aber nicht täuschen! Diese Einheit ward von den Tories bloß ersonnen, um den Britten Angst einzujagen. Außer dem Mohammedanismus, der sich zahlreicher Anhänger erfreut, allenthalben im Lande, namentlich aber in den nordwestlichen Kreisen des Reichs, finden wir in China nach ihrem Princip, wie nach ihrer äußerlichen Gestaltung drei verschiedene Religionen, die ihrerseits wiederum in mehrere Secten und Bruderschaften zerfallen, welche feindlich einander gegenüber stehen. Ueberdieß gibt es zahlreiche, über alle Lande und Inseln des großen Reiches verbreitete geheime Gesellschaften, die zur weißen Wasserlilie, zur Dreieinigkeit und zum grünen Thee genannt, welche sämmtlich nach Einem Ziele streben. Es soll die Herrschaft der Fremden, die Tyrannei der Mandschu gestürzt und ein ächter Sohn des Jao und Schun auf den Drachensitz erhoben werden. Erging doch bereits im Jahr 1821, nach der Aussage Morrisons, eine Anfrage an die Factorei der ostindischen Compagnie in China: ob wohl die Engländer geneigt wären, diesen patriotischen Bestrebungen der revolutionären Bünde Vorschub zu leisten? Ja es fehlte wenig, so hätten einige Jahre vorher (1813) die Anhänger der Dreieinigkeit*)Man denke hier nicht an eine Dreieinigkeit im christlichen Sinne; Himmel, Erde und Menschen sind jene heilige Drei. den Vater Seiner jetzt regierenden Majestät vom Throne gestoßen und ermordet. Schon waren die Wachen der Residenz gewonnen und die Verschworenen überstiegen bereits die innern Ringmauern des kaiserlichen Palastes.

Nicht minder irrig ist die andere Behauptung Grahams, daß alle Unterthanen des Reichs der Mitte denselben Gesetzen gehorchen und einerlei Sprache sprechen. Im Gegentheil, es war im äußersten Osten der Erde von jeher Sitte, die unterworfenen Völker bei ihren angestammten Gesetzen und Gewohnheiten zu lassen. So sind für die herrschenden Mandschu eigene Verordnungen vorhanden; selbst ihre bewaffnete Mannschaft wird in besondere, von den besiegten Chinesen getrennten Regimenter, die sogenannten acht Banner, eingetheilt. Die unter China stehenden Mongolen erfreuen sich eines eigenen Gesetzbuchs, welches durch eine Uebersetzung des Archimandriten Hyakinth auch in Europa bekannt geworden ist; die Tibetaner leben nach der althergebrachten buddhistischen Weise, und die Türken der kleinen Bucharei gehorchen ihren Beg und Hakim-Beg, die freilich ihrerseits wiederum dem chinesischen Statthalter von Ily untergeordnet sind. Es ist wahr, innerhalb der Gränzen des chinesischen Reichs, im engern Sinne des Wortes, findet man nur eine einzige Schriftsprache. Die gesprochene Sprache zerfällt aber in mehrere, so sehr von einander abweichende Dialekte, daß diese als selbstständige Sprachen betrachtet werden müssen, welche sich, wie Dänisch und Schwedisch, wie Holländisch und Englisch, aus einem Urstamme heraus entwickelt haben. Der Einwohner von Fo kien ist so wenig wie der von Kuang tong im Stande, sich in den Kreisen Pe tsche li, Sse tschuen oder Kan su verständlich zu machen. Man fand es deßhalb nothwendig, bei jedem Gerichte officielle Dolmetscher anzustellen, welche die Aussagen der Einheimischen für die aus der Ferne herkommenden Beamten in die allgemeine Schriftsprache übertragen.

Was endlich die vielbesprochene Frage über die Bevölkerung China's und des chinesischen Reichs betrifft Benennungen, die nicht minder verschieden sind, als die Frankreich und französisches Reich zu den Zeiten Napoleons so belief sich nach officiellen Angaben die Einwohnerzahl China's am Ende des Jahrs 1812 nahe an 374 Millionen. Die Bevölkerung der 19 Kreise des Mittelreichs die tributären Staaten, wie Korea und die Völker fremder Zungen, Tungusen, Mongolen, Tibetaner, Türken und Tadschik nicht mitgerechnet kann ohne Uebertreibung, obgleich das Land in den letzten Jahrzehnten von Erdbeben, Ueberschwemmungen und Cholera stark heimgesucht wurde, gegen Ende des Jahrs 1839 zu vierhundert Millionen angenommen werden. Ist es möglich, daß dieses Land im Stande sey, eine solche ungeheure Masse Volkes zu ernähren? Das urbar gemachte Land wird in den gesammelten Satzungen auf 791,525,196 Meou angegeben. Ein Meou gleicht aber,0974 nach Dr. Morrison, einem englischen Acker Landes ganz vollkommen. Es würde demnach auf eine Person etwas mehr als zwei Meou oder zwei englische Acker kommen; während von Kundigen behauptet wird, ein Meou reiche vollkommen hin zur Nahrung von fünf Chinesen. Mit Recht sagt Medhurst:*)China, its state and prospect. London 1839. S. 26. China im engern Sinne des Wortes soll nach Staunton und Barrow einen Flächeninhalt von 1,297,999 englischen Quadratmeilen oder 830,719,390 englischen Acker Landes enthalten. Wenn wir nun annehmen, daß nur die Hälfte urbar gemacht, und jeder angebaute Acker bloß ein Individuum ernähren könnte, so bekämen wir doch angebautes Land genug, um vierhundertundfünfzehn Millionen Menschen zu erhalten. Und weiß man denn, mit welcher Kleinigkeit ein chinesischer Magen sich begnügt? Eine Handvoll gebackenen Reises, einige Früchte, ein Brocken Schweinefleisch reicht hin, um ihn auf einen ganzen Tag zu befriedigen. Von Wild ist aber freilich hiesigen Landes keine Spur mehr! Hasen und Rehe nähren sich nicht vom Schweiße des Landsmannes, und das Geflügel ist sicher im Stalle vor den Nachstellungen Reineke's.

Ostindien.

Die Intoleranz und die unzeitigen Bekehrungsversuche der methodistischen Partei erregen nach und nach von Seite der eingebornen Bevölkerung einen fanatischen Haß, von dem sie früher, mit Ausnahme der Mohammedaner, frei war. In Baraset sind auf einmal alle indischen Schüler aus der englischen Schule von ihren Eltern weggenommen worden, und diese haben eine eigene englische Schule gestiftet, in welcher die orthodoreste indische Lehre gelehrt werden soll. Hier haben in demselben Geist die Hindus eine Schule, welche den Namen Patschala führt, eröffnet, in welcher in bengalischer Sprache gelehrt werden soll, und über hundert Kinder mußten vom ersten Tag an abgewiesen werden, weil das Local nicht über 450 fassen kann. Sir Edward Ryan, einer der Chefs der antiorientalischen Schule, kam zu der Eröffnungsfeierlichkeit, um zu erklären, daß die Absicht der Committee für öffentlichen Unterricht keineswegs sey, die englische Sprache zum einzigen Mittel von Unterricht zu machen. Die Nothwendigkeit, in der sich die Committee sieht, sich öffentlich vor den Hindus zu vertheidigen, ist ein gutes Zeichen, und wird den unmäßigen Eifer der antiorientalischen Partei etwas im Zaume halten. Am größten ist aber die Aufregung in Bombay, wo 2116 Parsen, Hindus und Mohammedaner, eine Bittschrift an die Regierung eingegeben haben, in welcher sie über die Bekehrungsversuche in den englischen Schulen klagen, und verlangen, daß keine Missionäre ohne specielle Erlaubniß der Regierung ins Innere des Landes zugelassen werden, daß sie keine Bekehrungsversuche bei Kindern unter 21 Jahren machen sollen, daß die Bekehrten ihr Erbrecht verlieren, und daß die Regierung Schulen errichte, in denen keine besondere Religion gelehrt werde. Auf diese zum Theil unvernünftigen Forderungen erwiedert der Gouverneur, daß es von den Eingebornen selbst abhänge, ihre Kinder in Missionsschulen zu schicken oder nicht, daß das Lesen von Missionsschriften in den Schulen der Regierung verboten sey, und daß sie dieses Verbot immer aufrecht erhalten werde; daß er übrigens die ganze Sache an den Generalgouverneur berichten werde. Vor einiger Zeit sollte das Oratorium der Messias hier gegeben werden. Bei dieser Gelegenheit erschien in den Zeitungen eine Protestation von 28 Geistlichen und Missionären dagegen, weil es eine Profanation heiliger Gegenstände sey, sie zu einem Gegenstand von Unterhaltung und Gewinn zu machen; sie forderten Christen aller Art auf, sich eines solchen Gräuels zu enthalten. Was können solche Leute anders hervorbringen, als einen entgegengesetzten Fanatismus von Seite der einheimischen Bevölkerung? Sie stören die Hindus in ihrem Eifer, ihren Kindern eine europäische Erziehung geben zu lassen, welche mit Gewißheit zum Zweck der Bekehrung geführt hätte, aber ihre Ungeduld und die geheime Hoffnung eines Jeden, daß er dazu bestimmt sey, der Apostel von Indien zu werden, verzögern und vereiteln mehr, als ihre eifrigsten Bemühungen je zu Stande bringen könnten. Der indische Bankier Annodapersad hat kürzlich eine bengalische Ausgabe der Werke von Rammohunroy drucken lassen, um die Ansichten dieses aufgeklärten Mannes über indische Theologie zu verbreiten, aber die methodistische Partei haßt Rammonhunroy bitterer, als den blindesten Braminen, weil er ein Socinianer war. Sie hat es jetzt so weit gebracht, daß die Regierung jede Verbindung mit indischen Tempeln aufzugeben genöthigt ist. Die Pilgertaxen werden nach und nach überall abgeschafft, die Tempel und die Radschas, welche Rechte auf einen Theil der Taxe haben, entschädigt und der Cult ganz ihnen selbst überlassen. Es war viel gegen diese Taxen zu sagen, besonders weil sie zum Theil dazu verwendet wurden, Pilgerwerber auszuschicken, welche, wie im Mittelalter in Europa und noch jetzt in den mohammedanischen Ländern, die Nothwendigkeit der Pilgerschaften predigen. Aber wie soll die Sache besser werden, wenn den Priestern Alles überlassen ist und der Staat sich der Polizei der Wallfahrtsorte entschlägt? Das Wahrscheinlichste ist, daß die Mißbräuche ins Unerträgliche getrieben werden, und dann die Intervention des Staats aufs neue und unter weit schwierigeren Umständen verlangt werden wird, von Niemand eifriger als der Partei, welche gegenwärtig behauptet, daß jede Art von Einmischung eines christlichen Staats in heidnische Ceremonien ein Gräuel sey.

Wildbad im Königreich Würtemberg.

Nicht ohne Interesse dürfte es für die Leser der Allg. Zeitung seyn, einige Worte über das früherer großer Berühmtheit wieder entgegengehende Bad Wildbad zu lesen, das von der Natur so überwiegend bevorzugt ist.

In einer der romantischsten Gegenden des würtembergischen Schwarzwaldes gelegen, ist es das einzige Bad in Deutschland, das, ohne eine Schwefelquelle zu seyn, den zum Bade in der Quelle selbst geeigneten Wärmegrad von Natur hat, und daher immer unverändert erhält.

Im 15ten und 16ten Jahrhundert hochberühmt und seine Wunderkraft an den ersten Fürsten der Nation bewährend (unter die Ferdinand, Karl des V Bruder, gehört), konnte es nur in Folge der alle Zustände Deutschlands völlig umgestaltenden Reformation und endlich des 30jährigen Krieges und mehrerer wiederholter Einäscherungen von dem Sammelplatze der höchsten Aristokratie zu einem Bade für arme Bewohner der Umgegend sinken. Unwillkürlich erinnert Wildbads Geschick an den großen werthvollsten Diamanten der Pforte, den ein lahmer Bettler aus einem Trümmerhaufen zog und für drei hölzerne Löffel vertauschte, bis der früher geachtete Stein, in die Hand des Kenners kommend, aufs neue die erste Zierde des Schatzes der Osmanen ward.

Während seiner Vergessenheit im Auslande bewirkte die Quelle ununterbrochen Wunder an den Besuchern, die indeß den untern Ständen angehörend, und überdieß bei dem beinahe religiösen Glauben der Umgegend an Wildbads Heilkraft über ihre Heilung keineswegs erstaunend, davon weiter kein Aufhebens machten. In langer Zeit das erste ärztliche Werk über Wildbad; erschien inmitten der Kriege des Kaiserreichs die Schrift des genialen Just. Kerner; indeß waren damals Zeit und Verhältnisse zu ungünstig, als daß von diesem verdienstvollen Werke der Gewinn für Wildbad zu erwarten gewesen, den es zu anderer Zeit und unter andern Verhältnissen wohl auf dasselbe geäußert haben würde. Ganz verloren ging aber die verdienstliche Saat Kerners nicht, und nach beendeten Kämpfen wuchs die Zahl der Besucher Wildbads alljährlich. Auf seiner Reise zu Erforschung der deutschen Bäder kam der berühmte englische Arzt Dr. Granville nach Wildbad, und der Bericht, den er mit begeisterter Feder über den Erfund niederschrieb, in seinem allgemein geschätzten Werk: The Spas of Germany, war die Ursache, daß der Demant nun von allen Seiten Bewunderer anzog (um auf mein obiges Gleichniß zurück zu kommen) und Raum im Bad und in dem Städtchen für die zahlreich von allen Seiten ankommenden Fremden zu gebrechen anfing.

0975

Die Regierung, auf Wildbads Flor bedacht, ließ sogleich (schon mit Anlage einer schönen Straße beschäftigt) nach Vermehrung der Quellen graben, und ist so glücklich, auf eine doppelt so große Wassermasse ihre beabsichtigten Verbesserungen gründen zu können.

Nicht im Willen der Regierung, nicht an den Mitteln würde es fehlen, sollte nicht das Resultat der Verbesserungen ein ruhmwürdiges werden; es ist zu hoffen, daß die mit so wichtigem, aber auch zugleich so schwerem Werke betrauten Techniker, im Sinne der väterlichsten Regierung, würdig und schnell ihre Aufgabe zu lösen verstehen werden.

Auch für den der Privat-Industrie zugewiesenen Theil der nöthigen Verbesserungen trat reges Leben in dem Städtchen ein, und jeder suchte nach Kräften den vortheilhaft veränderten Verhältnissen zu genügen. Es dürfte ein Gewinn für Wildbad seyn, daß ein in der Nähe begüterter Graf es auf sich nehmen wollte, nach Ankauf des einzigen zu Wildbad disponiblen, unweit der Quellen gelegenen Grundes, auf demselben eine Reihe von Gebäuden zu errichten, die, in Verbindung mit einem Restaurant, von Blumen und Promenaden umgeben, um so mehr ein angenehmer Aufenthalt werden dürften, als keine Mühe und kein Geldopfer zu groß erschien, um den einmal gefaßten Entschluß würdig zu vollenden.

Ein großes Glück für den Eigenthümer wie für die Gesellschaft ist es, daß der zu Entwurf und Ausführung der Plane erwählte Baumeister, Architekt Pfeilsticker, (ein Schüler des für die Kunst zu früh verstorbenen Professors Heigelin) trotz seiner Jugend die Talente und Kenntnisse im höchsten Grade besitzt, die zu Entwurf des Planes nöthig waren; diejenige Ausdauer und rastlose Thätigkeit ferner, die allein es möglich machten, unter den allerschwierigsten, durch die Oertlichkeit bedingten Verhältnissen, ganz allein das große Geschäft, in die allergeringsten Details einzudringen genöthigt, so völlig und so schnell zu vollenden. Am ersten Junius wird das Etablissement, welchem der Name Bellevue gegeben wurde, eröffnet werden, und mit 125 Zimmern die Aufnahmsfähigkeit Wildbads für Fremde, besonders der höheren Classen, erweitert haben.

Um, ohne Arzt zu seyn, auf die Heilkraft der Quellen zurückzukommen, so sind es vor Allem Wunden, dann Rheuma, Gicht und eine Menge weiblicher Krankheitszustände, welche durch die Bäder Wildbads erfahrungsmäßig seit Jahrhunderten geheilt werden; eine neuere, aber nicht minder erprobte Erscheinung ist die, daß das Trinken des so reinen und nur durch seine Wärme von der angenehmsten Trinkquelle sich unterscheidenden Wassers die bösartigsten Halsleiden, veraltete, keinem andern Mittel weichende Husten, Magenübel, Würmer, besonders bei Kindern, eben so völlig als auf eine leichte Art zu heilen vermag.

Die mit den balsamischen Ausdünstungen der umgebenden Tannenwaldungen geschwängerte Luft endlich gehört mit zu den Erleichterungen manchen Uebels.

Das Klima, über welches hie und da die irrigsten Begriffe, worüber wahrhaft spaßhafte Dinge anzuführen wären, immer noch bestehen, ist um 1 Grad mit dem Stuttgarts verschieden, welchem eine gelinde atmosphärische Temperatur nirgends abgesprochen werden kann.

Die Britten sind es vor Allen, die sich durch die wildschöne Natur, die sie mit dem schottischen Hochlande vergleichen, angezogen fühlen, und denen der Ruhm gebührt, mit mancher Selbstverläugnung die oft rauhe Schale, des Kernes wegen, ertragen zu haben, indem sie in der Zeit des Mangels an Unterkunftmitteln sich freudig in Beschränkungen ergaben, denen sich deutsche Familien nicht unterzogen haben dürften. Mögen diese Zeilen mit dazu beitragen, jene Nebeldünste völlig zu zerstreuen, welche, den neuen Strahlen Wildbads vergebens widerstehend, um dieselben häufig von Neid, häufiger von Unkenntniß gesammelt werden wollen!

[1601]

Todes-Anzeige.

Es hat Gott dem Allmächtigen in seinem unerforschlichen Rathschlusse gefallen, heute Abends um 7 Uhr, mit allen heiligen Sterbsacramenten versehen, meine innigstgeliebte Gemahlin, Agnese Gräfin von Butler-Cloncbough, geb. Freyin von Spiering, nach einem mehrmonatlichen Krankenlager, im 26sten Lebensjahre, in Folge einer Lungenlähmung, im sechsten Jahre unserer so glücklichen Ehe, in ein besseres Daseyn abzurufen.

Indem ich mich der traurigen Pflicht entledige, sämmtliche Verwandte und Freunde von diesem für mich so derben Trauerfalle in Kenntniß zu setzen, empfehle ich mich und meine beiden unmündigen Kinder, unter Verbittung aller Beileidsbezeugungen, Ihrem geneigten Andenken. München, den 24 April 1840.

Karl Graf von Butler, k. b. Kammerjunker, Lieutenant im k. Cuirassierregimente Prinz Karl und Ordonnanzofficier Sr. königl. Hoheit des Kronprinzen von Bayern, mit seinen beiden unmündigen Kindern, im Namen sämmtlicher Verwandten.

0976

[1530]

Mineral-Wasser-Anzeige!

Hiemit beehre ich mich anzuzeigen, daß Püllnaer - und Saidschützer-Bitterwasser, dann Selzer -, Eger-Franzens - und Eger-Salzbrunnen -, Marienbader -, Kreuzbrunnen -, Geilnauer -, Fachinger -, Embser -, Wiesauer -, Kondrauer -, Ragozy - und Marbrunnen-Wasser, sowohl in ganzen, als auch mehrere der genannten Sorten in halben Krügen, ächt, frisch und zu den billigsten Preisen bei mir zu finden sind.

Ferner besitze ich hier allein die Niederlage der sich durch ihre Wirkung berühmt gemachten Heilbrunner Adelheidsquelle.

Pyrmonter -, Spaa - und Wildunger-Wasser, dann Gießhübler-Säuerling, so wie alle hier nicht genannten Wasser können auf Verlangen billigst besorgt werden. Zu gefälligen Aufträgen empfiehlt sich mit aller Hochachtung Friedr. Heinr. Theod. Fabricius in Regensburg.

[1522-23]

Offene Stelle.

Ein Wechselhaus auf einem Platze Süddeutschlands sucht einen tüchtigen Commis, der sich zur Führung der Correspondenz in deutscher, französischer u. italienischer Sprache engagiren könnte. Hierauf Reflectirende wollen sich in frankirten Briefen unter Chiffer A. Z. 1522 an die Expedition der Allgem. Zeitung wenden.

[1566]

Je prie Mess. F. B. & Comp. à J. de me repondre à ma lettre du 20 Janvier. I. St. à E.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
Author[unknown]
Extent16 images; 14912 tokens; 5076 types; 105507 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 122. 1. Mai 1840 . Augsburg1840.

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Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften DWB 1996/32

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T11:43:53Z
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Holding LibraryBibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
ShelfmarkDWB 1996/32
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