PRIMS Full-text transcription (HTML)
0993
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Montag
Nr. 125.
4 Mai 1840.

Vereinigte Staaten von Nordamerika.

(Sun vom 27 April.) Die Paketschiffe Roscius und North America sind mit Nachrichten aus New-York d. d. 6 und 7 April in Liverpool eingelaufen. In den amerikanischen Handelsstädten stößt die Idee eines Kriegs mit England auf starke Opposition, und welche Wendung die kitzliche Gränzfrage auch nehmen mag, die Washingtoner Regierung wird in ihren Kriegsentwürfen bei den Handelsclassen keine Aufmunterung finden. Der Morning Courier vom 3 April sagt: Hr. Senator Williams von Maine kam vor einigen Tagen durch Boston, nichts als Kriegsluft athmend, und ganz Wuth und Feuer. Wir rathen Hrn. Williams und seinen Freunden, an der Besonnenheit Hrn. Van Burens in dieser Sache sich ein Beispiel zu nehmen. Der Globe sucht mit Hülfe eines canadischen Flüchtlings in Detroit das Kriegsfieber zu verbreiten und das Gränzland, als Vorspiel des größeren Kampfs, in Händel zu verwickeln, aber wir können nicht glauben, daß Hr. Van Buren dieses Treiben begünstigt, wenn er es auch duldet. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat, unter Zugrundlegung eines Berichts von dem an der brittisch-amerikanischen Gränze commandirenden General Winfield Scott, eine Botschaft an den Congreß gerichtet über die Stärke der im brittischen Nordamerika stehenden Streitkräfte. (Dieser Bericht, aus dem Hauptquartier Elizabethtown vom 23 März datirt, zählt die englischerseits längs den Gränzmarken errichteten größeren und kleineren Forts, die Casernen, Blockhäuser, Militärposten etc. auf, und schließt mit den Worten: Ich höre zwar von keinen neuen Militärrüstungen der brittischen Behörden, doch darf ich die Thatsache nicht unerwähnt lassen, daß Großbritannien außer den zahlreichen Corps wohlorganisirter und guteingeübter Miliz zur Zeit innerhalb seiner nordamerikanischen Provinzen mehr als 20,000 Mann seiner besten regulären Truppen stehen hat. Das Gros dieser Streitkräfte könnte in wenigen Tagen an die Gränze unseres Gebiets geworfen werden. Zwei Drittel dieser regelmäßigen Streitkräfte sind seit dem Frühjahr 1838 auf amerikanischem Boden angelangt. )

Zwischen dem englischen Gesandten, Hrn. Fox, und dem amerikanischen Minister des Auswärtigen, Hrn. Forsyth, hat eine abermalige Correspondenz stattgefunden, welche dießmal die auf den großen Seen stationirten brittischen Kriegsschiffe betraf. Die dem Congreß darüber vorgelegten Papiere zeigen, daß im vorigen Jahre die brittischen Behörden zwei Dampfboote, einen Schooner und eine Anzahl bewaffneter Barken auf dem Ontario-See und dem St. Lorenzflusse zur Sicherheit gegen eine Erneuerung der letztjährigen Unruhen verwendeten; nach einer Mittheilung Hrn. Forsyths an seine Regierung steht jedoch zu erwarten, daß man englischerseits, nachdem der Winter in Canada ruhig vorübergegangen, selbst diese kleine Marine zurückziehen, und beide Mächte sich alsdann auf die durch Convention von 1817 autorisirten Streitkräfte beschränken werden. Indeß hat die amerikanische Regierung bei Houlton im Staate Maine ein, wenn auch kleines, reguläres Truppencorps aufgestellt: 500 Mann unter den Befehlen des Brigadegenerals Eustis. Auch heißt es wiederholt, daß an alle in Brooklyn liegenden Kriegsschiffe die Ordre ergangen sey, sich segelfertig zu machen.

Die Legislatur von Pennsylvanien hat eine Bill angenommen, wornach der Termin zur Wiederaufnahme der Baarzahlungen von Seite der Banken dieses Staats bis zum 15 Febr. 1841 hinausgerückt ist. Zu den vielen großen Feuersbrünsten, die seit einigen Jahren die Vereinigten Staaten heimsuchten, kam in letzter Zeit eine in Louisville, welche 500,000 Dollars Werth an Häusern und beweglichem Gut zerstörte.

Spanien.

Aliaga ist von den Truppen des Generals O'Donnell besetzt. Die Reihe wird nun wahrscheinlich Cantavieja treffen, denn das Fort von Alcala de la Selva ist zu unbedeutend, um die Armee des Centrums zu geniren und sie zu verhindern, über Fortanete mit der Division Ayerbe, welche die Orte Horcajo und Mirambel besetzt hat, in Verbindung zu treten. Auch sehen die Carlisten ihr Schicksal voraus, und haben viele Effecten von Cantavieja nach Morella gebracht. Die Besatzung dieses letztern Platzes ist mit zwei Bataillonen und der Partei des Bosque verstärkt und der Oberbefehl einem gewissen Garcia gegeben worden. Es ist lächerlich wie inmitten der bevorstehenden Auflösung noch immer die Farce einer sogenannten Regierung Karls V sowohl von diesem, als von seinen Anhängern fortgesetzt wird. Vor kurzem machte das in Morella herauskommende Bulletin ein königl. Decret vom 9 Jan. aus Bourges bekannt, worin Cabrera zum Befehlshaber aller Carlistischen Streitkräfte ernannt wird, und dieser Tage erschien ein anderer officieller Artikel über die Installation eines italienischen Prälaten, welchem Karl V die Naturalisationskarte gegeben, in dem Besitz des Bisthums von Tortosa. Es fehlt nur noch das Exequatur Espartero's. Dieser hat umsonst versucht, die Pobleta (letzter Ort0994 zwei Stunden von Morella) von den Flammen zu retten, aber von der andern Seite läßt er die Division Castafieda und den berühmten Zurbane in die so lange unangetasteten Schlupfwinkel der Gebirge von Beceite vordringen, um so mehr und mehr die Communicationen von Morella abzuschneiden. Castellote, über dessen Belagerung ein ausführlicher und interessanter Bericht eingelaufen, ist bereits gesprengt. Die Christinos haben in kurzer Zeit 1400 Gefangene gemacht; 600 Mann haben im Februar und März die Carlistischen Fahnen verlassen und das Indult angenommen. Viele desertiren und gehen nach Hause. Officiere präsentiren sich wenige, doch ist unter ihnen Franco, der Chef vom Generalstab Llangostera, welcher letztere wegen Verdacht verhaftet ist. Nur die Division von Cafiete und Beteta hat noch eine feste Organisation. Balmaseda fängt sogar an, einen neuen Punkt, nämlich eine Anhöhe bei der Brücke von Cobeta über den Tajo zu befestigen.

Großbritannien.

Die torystische und die radicale Presse trägt sich mit dem Gerücht, daß Lord Melbourne seit der Vermählung der Königin nicht mehr ganz in derselben Hofgunst stehe, wie vordem. Der Spectator enthält darüber folgenden Artikel: Felsen, die Jahrhunderte überdauerten, sanken endlich in das sie unterwühlende Meer, Denkmäler von Erz und Marmor erliegen dem Zahn der Zeit, dem Horazischen tempus edax rerum; gutta cavat lapidem singt Ovid, und wer kennt nicht die berühmte Stelle unsers Schwans vom Avon: Die wolkenhohen Thürme, die Paläste u. s. w.? Doch genug der Citate; die Wahrheit ist, die Entdeckung, daß wir uns in einem schweren Irrthum befanden, macht uns aufgelegt ein wenig zu philosophiren. Wir glaubten in der That in unsres Herzens Grund an die ewige Dauer des Ministeriums Melbourne, da wir es jede Art von Angriff, in der Fronte und im Rücken, glücklich bestehen sahen. Aber ach! dieser ministerielle Körper, der uns unverwundbar geschienen, hat, wie es sich jetzt zeigt, eine uneingetauchte Achillesferse, und diese soll bereits verwundet seyn, so daß die Möglichkeit des Falles selbst einer Melbourne'schen Verwaltung allmählich unserm Geiste aufdämmert. Nein, die Poeten lügen nicht! Die Mischung von Stärke und Schwäche, die dieses sonderbare Whigministerium charakterisirte, erinnerte uns an das mechanische Kunststück mit den auf einander gelegten drei Stäben: auf die leiseste Berührung, scheint es, müßten sie auseinander fallen, aber sie widerstehen dem stärksten Druck, ja halten unter ihm nur immer fester. So, unter dem Druck von innen und außen, schienen unsre gebenedeiten Minister nur um so fester auf ihren Sitzen zu haften. Und was war die Stütze dieser von Natur so schwachen Herren? Der Thron. Auf dem Fußschemel des Throns hatte Lord Melbourne seinen Archimedischen Punkt, sein〈…〉〈…〉 gefunden, auf dem er die Welt um seinen kleinen Finger laufen lassen konnte. .. Wie aber? wenn Mylord nun nicht mehr auf diesem Thronschemel stehen dürfte? Wir waren nie Freunde von Klatschereien, am wenigsten von Hofklatschereien, den unerquicklichsten von allen. Man sagt, sie habe die Stirn gegen ihn gerunzelt, als sie nach dem Thronsaal ging. Mein Freund Lord So und So behauptet, er habe sie erst gestern mit ihm lächeln und sprechen sehen. O nein! in dem heutigen Hofcirkel drehte sie sich um, und sprach mit einem andern Lord. Dergleichen Hauche des Gerüchts werden gierig aufgefaßt von den Ariels der Presse, die mit dem Houigseim solcher kostbaren Worte fortschweben: All das soll zu meines Meisters Ohr. Dann kommen aber die ministeriellen Paragraphen, die da anheben: Wir sind ermächtigt zu erklären, daß nicht ein Wort Wahres ist an der Angabe, daß u. s. w. , so daß Gerücht und Widerspruch sich gegen einander aufheben: 0 = 0, oder lieber: 0 + 0. Indessen Frau Fama hat nicht bloß solche leichte Zephyre, sondern auch stärkere Winde zu ihrer Verfügung, und wenn ein regelmäßiger Nordwest bläst, muß man wohl darauf Acht haben. Behaupten wollen wir es nicht, aber man sagt, und man sagt wiederholt, die höchste Person in den brittischen Reichen sey in letzterer Zeit gegen den ersten Minister etwas kaltsinniger geworden. Und diese anfangende Erkaltung soll zuwege gebracht seyn durch den Einfluß einer andern sehr hohen Standesperson in England, deren eigentliche Höhe, worüber manche Leute sich ziemlich hitzig herumstreiten, wir nicht messen wollen. Dieses on dit gibt uns in der That viel zu denken. Wir denken an unsern gentle Melbourne nachgerade mit der Zärtlichkeit eines Autors, wir denken an den vieljährigen Zauber, den er ausgeübt, und dann, mit Thränen in den Augen, überlegen wir, wie das enden mag. Guter Gott! was sagen wir? Haben wir denn nicht längst, vom prophetischen Wahnsinn ergriffen, gewisse dunkle Kassandra-Stimmen erschallen lassen über das endliche Schicksal dieses liebenswürdigen, aber unglücklichen Ministers? Ach! Alles, was wir jetzt sehen, deutet auf die nahende Erfüllung jener Orakel. Alles drängt zum Ende. Lord Brougham schreibt aus Südfrankreich, daß er bis nach den Osterferien in England seyn werde. Kennten wir doch unsres Premier Seelenzustand in diesem Augenblick! denn gewiß, wir kommen nicht ihn zu reizen, sondern zu besänftigen. Der Spectator macht hier einige witzige Parallelen und Anspielungen, in denen in England selbst wenigstens, wo man weiß, daß Melbourne am 15 März d. J. einundsechzig Jahre alt geworden, Niemand etwas Anderes sieht als einen harmlosen Scherz. Das Blatt erinnert an die berühmte Bezauberung und Entzauberung Titania's in Shakspeare's Sommernachtstraum, und wünscht dem Viscount Melbourne ironisch Glück dazu, daß er weder ein Buckingham noch ein Spencer sey, also nichts Schlimmeres zu befahren habe, als Entlassung vom Hof und von seinem Ministerposten. Das torystische Sonntagsblatt Argus versichert, die Schwangerschaft der Königin Victoria sey außer allem Zweifel, und frohlockt zugleich darüber, daß Prinz Albert unter der ministeriellen Hofumgebung tüchtig aufräume, so wie er auch nicht die mindeste Parteilichkeit für sein deutsches Dienstpersonal zeige.

Die erwähnte Versicherung, welche die Regierung dem Directorium der ostindischen Compagnie hinsichtlich der Kosten der Expedition gegen China gegeben, lautet genauer dahin, daß alle Auslagen der Compagnie in dieser Sache derselben aus der Staatscasse vergütet werden sollen.

Das M. Chronicle enthält folgende allgemeinere Apologie der auswärtigen Politik der englischen Regierung: Als die Whigs im J. 1830 berufen wurden die Zügel der Regierung zu ergreifen, die vor eitel Schwäche und Erschöpfung den Händen ihrer torystischen Amtsvorfahren entsunken waren, da gelobten sie im Angesicht des brittischen Volks die drei großen Principien: Friede, Sparsamkeit und Reform. Wie die beiden letztern Gelöbnisse erfüllt wurden, mögen die Reduction von 6 Millionen Pf. St. an der jährlichen Besteuerung, die große Maaßregel der Parlamentsreform, die Abschaffung der Sklaverei, die Beseitigung der Mißbräuche im Gemeindewesen, die Verbesserung der Armengesetze, die Einführung von Armengesetzen in Irland, die Zehntenumwandlung, die Freigebung des ostindischen Handels, die Registration der Geburten und Heirathen und die Penny-Briefpost beantworten. Was das erste Gelöbniß: den Frieden betrifft, so haben die Whigminister0995 auch dieses erfüllt. Trotz alles Hohns und Spottes, aller Lügenprophezeiungen der Torypresse ist es ihnen gelungen, Englands Ehre und Interessen bis jetzt unbefleckt und ungeschmälert zu wahren, und zugleich die Trübsal eines verheerenden Weltkriegs abzuwenden. Doch wie war dieses berühmte Friedensgelübde der Whigregierung gemeint? Weder als eine quäkerhafte Verzichtleistung auf das Recht der Waffen, noch als eine Entschließung, unbedingt jede Unbild und Beleidigung hinzunehmen, welche China, Neapel oder irgend ein Staat oder Despot uns zuzufügen belieben möchte. Wie die Regierung es verstanden wissen wollte und die brittische Nation es auch wirklich verstand, war es lediglich ein Versprechen: muthwillige Feindseligkeiten zu vermeiden, vielmehr, insoweit immer thunlich, eine ehrenhafte, geradsinnige, versöhnliche Friedenspolitik zu befolgen. Es war eine Anerkennung gezollt jenem sittlichen Gefühl, einer der edelsten Früchte der neuern Civilisation, welches endlich die Menschheit gelehrt hat den Krieg in seinem wahren Lichte zu betrachten: als ein Verbrechen und einen Fluch, wenn er ungerecht als ein schweres Unglück, selbst wenn er gerecht, nothwendig und siegreich ist. Nichts kann falscher seyn, als die kecke Behauptung der Times, daß Großbritannien eines Zustandes von Frieden und Vertrauen sich erfreut habe, als im J. 1830 die Whigs die Regierung übernahmen. Das war nicht die Ansicht eines der Scharfsinnigsten unter den Tory-Staatsmännern, der sich damals durch die bekannte unglückliche Aeußerung bloßstellte: wenn ein Engel vom Himmel ins Ministerium des Auswärtigen hernieder stiege, so könnte er kein halbes Jahr lang den Frieden wahren. So oft man auch Lord Ashburton wegen dieser unglücklichen Probe seiner Weissagungsgabe belacht hat, so war er doch vielleicht nicht so sehr im Irrthum, als die hintenher Weisen zu glauben geneigt scheinen. Nach allen altherkömmlichen Regeln und Maximen der Tory-Politik mußte die Erhaltung des Friedens auf mehrere Jahre nach der gewaltigen Erschütterung der Juliusrevolution allerdings als ein nahebei verzweifeltes Unternehmen erscheinen. Allein die Whigs haben, ohne die Hülfe eines sichtbar herniedersteigenden Engels, durch Klugheit, Redlichkeit, Aufrichtigkeit und Festigkeit den Sturm ausgedauert und die drohende Gefahr beschworen. Es ist nachgerade eine historische Wahrheit, daß nur Englands feste, aber gemessene Haltung in jener Periode, gegenüber der blinden Heftigkeit der legitimistischen wie der republicanischen Ultras, welche, die einen und die andern, um die unpraktischen Plane ihrer Propaganda zu verfolgen, Europa in den Krieg stürzen wollten, die Trübsale eines so allgemeinen und zerstörenden Kampfes, wie der erste französische Revolutionskrieg, abwenden konnte. Mittlerweile hohnlächelten die Tories über Lord Palmerston und seine Protokolle, und ergötzten sich mit Fictionen, wie England die Dupe jeder Continentalmacht sey. Was sagen sie zu den Protokollen jetzt? Können sie läugnen, daß diese so sehr verlästerten Instrumente ihrem Zweck etwas wirksamer entsprachen, als torystische Kanonenkugeln? Daß das große Ziel erreicht worden, nämlich die Aufrechthaltung der Interessen und der Ehre Englands und die Befriedung Europa's auf der Grundlage der durch die Revolutionen in Frankreich und Belgien nöthig gewordenen neuern Ordnung der Dinge, ohne die Schrecken eines allgemeinen Kriegs? Das verächtliche Geschwätz aber über die zahme Schmiegsamkeit unter erlittenen Unbilden, welche das Cabinet Melbourne zeige, und über die Langsamkeit, womit es Beleidigungen ressentire, fertigen wir mit der Frage ab: wer war erster Minister von England, als Rußland die Dardanellen blokiren durfte, und zwar nach einer ausdrücklichen, in glückwünschendem Ton in der Thronrede wiederholten Versicherung, daß eine solche Blokade nicht würde versucht werden?

Das torystische Abendblatt der Standard antwortet: Daraus, daß England in seinen jetzigen Streithändeln mit Neapel, China und den Vereinigten Staaten das Recht auf seiner Seite haben mag, folgt noch keineswegs nothwendig, daß unsere Politik diesen Staaten gegenüber eine untadelige ist oder war. Völker wie Individuen werden sehr selten in Händel, gerechte oder ungerechte, verwickelt, ausgenommen durch ihre eigene Thorheit oder Mißverhalten. Feigheit, Vernachlässigung der nöthigen Vertheidigungsmittel, unzeitige Dienstfertigkeit, dünkelvolle Unhöflichkeit kurz Thorheit von allen Arten und Namen lädt, auch ohne directe Anreizung, zu fremden An - und Uebergriffen ein. Wenn einem einzelnen Manne oder einem Staat eine Menge Streithändel, ohne einen vernünftigen Grund dazu, über den Hals kommen, so ist dieß der sicherste Beweis von der thörichten Handlungsweise dieses Mannes oder dieses Staats. England mag gerechte Beschwerdegründe gegen Neapel und China haben, und doch kann deren ursprüngliche Veranlassung das Werk unserer eigenen Regierung seyn. In dem Falle mit den Vereinigten Staaten liegt die Ungerechtigkeit der republicanischen Regierung und die Haftbarkeit unserer eigenen dafür, daß sie zum Hervortreten dieser Ungerechtigkeit auf amerikanischer Seite Anlaß gegeben, gleich deutlich zu Tag. Den neapolitanischen Handel hat man zum Motiv eines Kriegs denn das ist er mittlerweile vielleicht geworden gemacht, einzig und allein durch ungeschickte Behandlung desselben. In der That, eine gewisse Genialität in der Stümperei gehörte dazu, um einen armseligen Streit über einen armseligen Handelsartikel in den Anlaß zu europäischen Feindseligkeiten zu verwandeln. Dem Herkommen der Nationen und den ewigen allgültigen Gesetzen des gesunden Menschenverstandes gemäß sind Handelsstreitigkeiten mit Handelsoperationen zu führen. Verfährt die neapolitanische Regierung hart gegen brittische Kaufleute oder Speculanten, so übe die brittische Regierung commercielle Repressalien. Der Einwurf, die Neapolitaner könnten uns in einem solchen Kampfe mehr belästigen als wir sie, ist noch keine hinreichende Entschuldigung von jener Maxime abzuweichen. Gibt man erst einmal das Princip zu, daß es erlaubt sey, in jedem Falle, wo man sich beeinträchtigt glaubt, durch das Mittel des Kriegs die Sache auszugleichen, dann ist es mit aller Sicherheit des Friedens in der Welt vorbei. Man nehme z. B. eben unsern jetzigen Handel mit Neapel. Hr. Temple hat durch seine Reizbarkeit und Unmanierlichkeit einen verächtlichen Hader, der im Anfang vielleicht nicht einmal der Beachtung eines Handelsconsuls werth war, zu einer Frage erster Größe, einer Frage nationalen Kriegs erhöht. Europa soll erschüttert werden, um zu entscheiden, welche von zwei Compagnien, die französische oder die englische, den Profit des Schwefelhandels in die Tasche stecken dürfe. Die englische Compagnie wenn es anders eine Compagnie ist ist betrogen worden, und Bestechungen, pots-de-vin, sind höheren Orts dabei im Spiele gewesen; zugegeben. Aber welcher weise Mann läßt sich nicht lieber alle Tage, die Gott schenkt, betrügen, wenn er damit ein größeres Uebel vermeidet, ohne seinen Charakter als Mann von Muth und Ehre bloßzustellen? Die ächte Lebensklugheit, das Geheimniß des Lebensglücks und Friedens besteht großentheils in der Wissenschaft, wie man mit dem wenigsten Verlust betrogen werden kann. Eine Hauptdoctrin der Staatsklugheit ist: man mache ein Handelspunctilio nie zu einem Ehren-Punctilio, weil außerdem mit dem Verlust an Geld, den man durch einen Betrug erleidet, immer auch ein ungleich schwererer Schaden: Verlust an der Ehre, zu befürchten steht. Diese gesunde Maxime hat Hr. Temple ungeschickterweise verabsäumt, und so den Krämerstreit über den0996 Schwefelhandel zu einem Nationalehrenpunkt gemacht, der mit den Waffen auszufechten ist. Die ungeheuere Thorheit einer solchen Handlungsweise erhellt, wenn man die Größe der dadurch gefährdeten Interessen erwägt. Oesterreich muß und wird Neapel schützen, oder es muß seine eigenen Besitzungen in Italien aufgeben (?); aber Oesterreich ist Englands wichtigster Bundesgenosse (our most important ally), in Bezug nicht bloß auf unsere europäische Stellung, sondern auch für unsere orientalische Politik. Nichts kann Rußland wünschenswerther seyn, als Oesterreich von seiner brittischen Allianz abzubringen. Nun, Hr. Temple und dessen Bruder (Lord Palmerston) haben Rußland auf eine Weise in die Hände gearbeitet, daß der Czar selbst es nicht trefflicher verlangen könnte. Neapel bevortheilt unsere Kaufleute, sey es drum! aber Rußland hat uns nicht so viel Achtung bezeigt, daß es sich herabließ sie zu bevortheilen Rußland hat sie beraubt. Um den Ansprüchen einiger Schwefelkrämer Geltung zu verschaffen, bedroht man die Stadt Neapel mit einem Bombardement; aber keine Flotte ward abgeschickt Odessa und Kronstadt zu bombardiren, als der Viren weggenommen und die brittische Flagge beleidigt wurde; diese Unbild ist ungerächt, ungesühnt bis zur Stunde. Freilich Rußland ist stark, und darum darf es den brittischen Handel ungestraft heimsuchen; Neapel hingegen gilt als schwach, darum werden Händel, welche anders geschlichtet werden sollten, der Schlachtenentscheidung überwiesen. Heißt das nicht (gleich jener berühmten diplomatischen Note im Portfoglio) den schwächern Staaten und allen beim Schutze schwächerer Staaten Betheiligten sagen, daß sie auf Rußland als ihren Schirmherrn und Kämpen zu blicken haben? In dem Falle mit China haben wir gerade die nämlichen Thorheiten begangen. Der Gränzstreit mit Amerika ist einer der politischen Schnitzer, die halb aus Anmaßung, halb aus Feigheit bestehen. Vor mehr als zehn Jahren that der König von Niederland als gewählter Schiedsrichter seinen Spruch, aber nichts ist geschehen, um diesen Schiedsspruch in Kraft zu setzen; die Whigregierung scheint sich wirklich gefürchtet zu haben, sich die Gelegenheit zu einem hübschen Streithandel abzuschneiden. Das Exordium der heutigen Lobrede des M. Chronicle auf die Verdienste der Melbourne'schen Regierung (s. oben) klingt höchst ergötzlich. Leider haben wir nun statt des dort gerühmten Friedens vier Kriege vor der Thüre: mit China, Aegypten, den Vereinigten Staaten, Neapel, und einer in Afghanistan ist eben erst beendigt (wenn er anders beendigt ist). Das thut, den zweijährigen Bürgerkrieg in Canada hinzugerechnet, sechs. Was die whiggische Sparsamkeit im Staatshaushalt betrifft, so haben wir ein Ausgabenbudget, das die Staatseinkünfte um 3 Millionen Pf. St. jährlich übersteigt, und dazu die angenehme Aussicht auf neue Taxen. Endlich die Reform anlangend, so vergeht kaum ein Tag, ohne daß dasselbe ministerielle Chronicle seinen Lesern versichert, die Parlamentsreformbill sey völlig mißlungen.

Am 25 April starb in Taunton, 72 Jahre alt, der ausgezeichnete Marine-Architekt und langjährige Aufseher (Surveyor) der brittischen Flotte, Sir Robert Seppings, welchem England viele seiner besten hölzernen Mauern zu verdanken hat.

Frankreich.

(Moniteur.) Telegraphische Depesche. Toulon, 28 April, Der Seepräfect an den Seeminister. Am 25 ist der Marschall nach Buffarick, wo die Prinzen waren, aufgebrochen. Man wird den Feldzug unverzüglich eröffnen; die Truppen nehmen die Richtung nach Blida. Man glaubte, die ersten Operationen dürften gegen Medeah stattfinden.

Die Pairskammer beschäftigte sich in der Sitzung vom 28 April mit den eingelaufenen Bittschriften hinsichtlich des Schlachtviehzolls. Vicomte Dubouchage bat die Kammer um die Erlaubniß, die Ansichten eines kranken Pair, des Hrn. v. Monogues, über diesen für die materiellen Interessen des Landes hochwichtigen Gegenstand vorlesen zu dürfen. Die Kammer verweigerte dieß. Hr. v. Dubouchage nahm hierauf für sich selbst das Wort. Das Uebel, der hohe Preis des Schlachtviehs, hat seiner Meinung nach folgende drei Ursachen: 1) die Zerstückelung des Grundeigenthums; 2) die hohen Grundsteuern, welche auf der Agricultur lasten; 3) die Stadtzölle. Der Redner verlangte die Zuweisung aller auf diesen Gegenstand bezüglichen Bittschriften an die Minister des Handels und der Finanzen. Hr. Turgot forderte die Tagesordnung hinsichtlich einer Bittschrift der Metzger von Paris, welche eine Herabsetzung des Zolles auf Mastochsen und Schaafe und eine gänzliche Aufhebung des Zolles auf magere Ochsen, nämlich auf Ochsen unter vier Jahren, verlangen. Hr. Karl Dupin sprach zu Gunsten einer mäßigen Herabsetzung. Hr. v. Bourdeau hält die Angaben der Bittsteller für übertrieben und erklärt sich gegen jede Verminderung des Zolls. Der erhöhte Taglohn der Arbeiter seit 1822, meinte der Redner, sey ein hinreichender Ersatz für die gestiegenen Fleischpreise. Die einzige Aenderung des bisherigen Systems, welche Hr. v. Bourdeau wünscht, ist, daß man den Zoll nicht nach der Zahl der Stücke, sondern nach dem Gewicht erhebe. Der Handelsminister Hr. Gonin erklärte sich für eine Zuweisung der Bittschriften an die betreffenden Ministerien. Er theilt die Meinung des Hrn. v. Bourdeau, daß der Zoll nach dem Gewichte erhoben werden solle. Ueber die Frage der Herabsetzung des Zolls wolle er sich für jetzt noch nicht aussprechen; ihre Lösung hänge von Umständen ab, die man in diesem Augenblick noch nicht gehörig würdigen könne. Wenn es uns fuhr er fort bei den mit Sardinien, Belgien und den deutschen Staaten begonnenen Unterhandlungen möglich wird, den Erzeugnissen unserer Industrie größere Absatzwege zu sichern, und dieses Resultat nur durch das Zugeständniß einiger leichten Reductionen auf den Eingangszoll des Schlachtviehs erlangt werden kann, dann ist es vielleicht unsere Pflicht, dieses Zugeständniß zu machen. Die Regierung wird ihren Entschluß nach den Umständen fassen, ohne dabei irgend eines der ihr anvertrauten Interessen aus dem Auge zu verlieren. Die Kammer entschied sich mit großer Majorität für die Zuweisung der Bittschrift der Metzger von Paris an die Minister des Handels und der Finanzen. (Die Deputirtenkammer war bekanntlich darüber zur Tagesordnung übergegangen.)

〈…〉〈…〉Die Pairskammer nahm in der Sitzung vom 29 April den Gesetzesentwurf über die Ehrenlegion nach einer unbedeutenden Discussion mit 96 gegen 26 Stimmen an.

Die Deputirtenkammer begann am 27 April, wie wir vorgestern kurz bemerkten, die Erörterung über das Gesetz die Ausbeutung der Salzquellen und der Salzbergwerke betreffend. Dieß ist seit sieben Jahren das sechstemal, daß ein Gesetzesentwurf über diesen Gegenstand erörtert wird. Die so lange bestandenen Hindernisse sind, so sagt das Commerce, nicht mehr vorhanden, und die vorgeschlagenen Maaßregeln können keinen ernstlichen Einwurf mehr erleiden. Die verarmten Salzlachen, der in den Salinen des Innern immer mehr gestiegene Betrug, die zehn östlichen Departements, die dringend die Abschaffung eines unerträglich gewordenen Ausnahmsregimes verlangen Alles deutet auf die Nothwendigkeit, endlich einem Zustande der Dinge abzuhelfen, welcher sowohl die Interessen des Producenten, als die des Consumenten und des Schatzes compromittirt. 0997Seit 1837 hatte man vorgeschlagen, die freie Fabrication des Salzes im Innern wie an den Küsten mittelst aller zur Sicherung der Beziehung der Auflage für nöthig erachteten Garantien zu decretiren. Inzwischen bestand damals die Schwierigkeit darin, dieses neue System mit dem Vertrag in Einklang zu bringen, der einer Privatcompagnie das Monopol der östlichen Salinen gegeben hatte. Jetzt hat die concessionirte Compagnie einen Transactionsentwurf angenommen, so daß der allgemeinen und unverzüglichen Anwendung des Princips der freien Fabrication nichts mehr entgegen steht. Der Gesetzesentwurf schlägt sonach vor, alle salinischen Ausbeutungen, wo sie auch immer liegen mögen, einem und demselben Gesetz zu unterwerfen. Bei der allgemeinen Discussion sprach Hr. Croissant gegen, Hr. Dietrich für den Entwurf. Die Kammer schenkte beiden fast keine Aufmerksamkeit, und als man zur Erörterung der Artikel übergehen wollte, ergab sich, daß die Zahl der anwesenden Deputirten zu gering war.

Die Deputirtenkammer setzte in ihrer Sitzung vom 28 April die Berathung des Salzgesetzes fort. Die vier ersten Artikel des Entwurfs wurden angenommen, mit Ausnahme eines Paragraphen, welcher bestimmte, daß es, um eine Concession zur Bearbeitung einer Saline zu erlangen, erforderlich sey, Eigenthümer des Bodens zu werden.

Der National bemerkt in Betreff der Amnestie-Ordonnanz, er fühle zwar die Freude, für einige seiner Freunde die Thore von Frankreich wieder geöffnet zu sehen sehr lebhaft, dieß hindre ihn aber nicht zu sehen, wie unvollständig die Versöhnungsacte des Hrn. Thiers sey. Seine Amnestie sey im Ganzen nichts Anderes, als eine Druckfehlerberichtigung der Amnestie-Ordonnanz des 15 Aprils. Sie verfüge nichts Neues, und lasse eine Menge Unglücklicher, die schon drei Jahre gefangen sitzen, fortwährend im Gefängniß schmachten. Die erste von Hrn. Thiers ergriffene Initiative sey gewesen, gegen 50 Chouans zu begnadigen. Er müße es daher den Anhängern des ältern Zweigs überlassen, ihm dafür zu danken. Das Commerce hofft, daß aus Anlaß einer nahe bevorstehenden Feierlichkeit die Maaßregel der Amnestie von 1837 auch auf diejenigen werde ausgedehnt werden, welche sich bis 1840 gegen politische Gesetze verfehlt haben.

Die Wirkung der neuen Amnestie ist folgende: Alle Ausnahmen, die in der Amnestie von 1837 noch bestanden, sind zurückgenommen; namentlich sind auch die Flüchtigen, die im Auslande lebenden Angeklagten und Verurtheilten aller Strafe und Verfolgung enthoben, so daß also Marrast, Cavaignac und Guinard, die bisher in London lebten, wenigstens anscheinend dort lebten, ledig und ohne Zwang sich in Paris zeigen können. So groß aber ist die Macht der öffentlichen Amnestie, jener, welche die Meinung der Nation übt, daß diese Männer seit längerer Zeit hier in Paris sich aufhalten konnten und thatsächlich amnestirt waren, ehe die Ordonnanz von gestern nur vorausgesehen werden konnte. Nach dem oben angegebenen Datum der Amnestie erstreckt sie sich weder auf Laity noch auf die Angeklagten vom Aufstande des 12 Mai; letzteres begreift sich, da die Thatsache noch zu frisch im Andenken ist; vielleicht aber bringt schon die Feier der Juliustage eine neue Veranlassung, den Act der Gnade zu ergänzen und, an dem Tage selbst, wo die Ueberreste der im Jahr 1830 Gefallenen in ihre letzte Wohnung unter der Juliussäule gebracht werden, die letzte Spur von Strafe aller seit 10 Jahren verübten Aufstände zu vernichten. Laity aber hätte man wohl freigeben können, aus zwei Gründen: erstens weil Jedermann weiß, daß man in ihm den wahren Schuldigen nicht gefangen hält; zweitens, weil die Partei, für welche er als Opfer eingestanden ist, in der öffentlichen Meinung wirklich keinen Anklang findet. Wer mit der Amnestie zufrieden ist, wer nicht? das können Sie obenweg aus der Stellung der Parteien beurtheilen; das Ministerium, das seit den letzten zwei Monaten in allen Acten des Regierungslebens ausschließlich sichtbar ist, hat mit geschmackvoller Schicklichkeit dem König allein die Ehre dieser Begnadigung zugeschrieben; es scheint, man hat diesen Zartsinn im Schlosse der Tuilerien gehörig gewürdigt, denn das Journal des Débats hat die Güte, das neue Cabinet deßhalb zu loben. Auch die Unzufriedenen fehlen natürlich nicht, doch sind es weniger die Journale der radicalen Opposition, als vielmehr die Presse des Hrn. Emil Girardin, die man dahin rechnen muß. Auch nicht eine Sylbe über diesen Act der Menschlichkeit und der Ausübung des schönsten Vorrechtes der Krone findet sich in ihrer heutigen Nummer. Freilich, wo sollte sie Empfänglichkeit hernehmen für eine öffentliche Begebenheit, die an keine Speculation irgend einer Art rührt, und nur Gefühlen huldigt, die in ihren Augen zu den lächerlichen Empfindsamkeiten unserer Natur gehören? Die Vermählung des jungen Paares selbst ist mit großer Einfachheit und in aller Zurückgezogenheit im Schloß zu St. Cloud gefeiert worden. In dem Trauungsact bemerkten einige kritische Beobachter bei Gelegenheit der Herzoge von Orleans und Aumale die altbourbonische Formel: absens pour le service du roi, sie hätten vorgezogen: pour le service de l'état. Im Gegentheil, sie hätten dem König Dank wissen sollen, daß er seine Söhne und seine eigene Formel herleiht für eine Expedition, die ja ganz gegen seine wahren Gesinnungen und Wünsche geht, insofern es wahr ist, daß er fortwährend gegen die Beibehaltung von Algier ist. Es scheint der Großkanzler, Hr. v. Pasquier, der sich in die politischen Complotte vor der Pairskammer so hinein präsidirt hat, daß er seinen amtlichen Schlendrian selbst in Gegenwart der königlichen Familie nicht verläugnen konnte, hat dem König mehrmal Gelegenheit gegeben, kleine Nachlässigkeiten und Versehen in seinen Daten und Angaben zu berichtigen. Uebrigens war nach Unterzeichnung des bürgerlichen Heirathsactes und nach vollzogener kirchlicher Trauung die officielle Handlung gänzlich beendigt, und man kann sagen, daß sich das junge Paar alsbald im strengsten Sinne en famille zurückgezogen hat, da selbst das Ministerium, selbst der Ministerpräsident, selbst der Siegelbewahrer nicht zur Mittagstafel gebeten wurden.

Italien.

Während die heute hier aus Neapel eingegangenen Berichte im Wesentlichen die bereits gestern mitgetheilte Nachricht bestätigen, daß der König endlich auf die Vorstellungen der fremden Diplomaten zu einer Ausgleichung mit England sich geneigter gezeigt habe, versichern andere, der König habe den Befehl ergehen lassen, sobald bestimmte Nachrichten einlaufen, daß die Engländer das erste neapolitanische Schiff genommen, und dadurch das Zeichen zur Feindseligkeit gegeben hätten, sämmtliches Eigenthum der Engländer in dem vereinigten Königreich beider Sicilien sofort mit Beschlag zu belegen. Die Dampfboote, welche von Neapel ein - und auslaufen, müssen mit einem Passirschein eines englischen Gesandten oder Consuls versehen seyn, wenn sie nicht gewärtig seyn wollen, von den englischen Blokadeschiffen zurückgewiesen zu werden. Heute Vormittag hat Se. Durchl. der Erbprinz Adolf von Schaumburg-Lippe mit dem Baron v. Stolzenberg, seinem Begleiter, Sr. Heil. dem Papst Abschiedsbesuche gemacht, um sich von hier nach Neapel zu begeben. Das archäologische correspondirende Institut, durch deutsche Gelehrte begründet und geleitet, verlor durch den Tod des Herzogs v. Blacas ihren zeitherigen Präsidenten. Se. Durchl. der Fürst v. Metternich hat diese Stelle nun, wie aus einem in der gestrigen0998 Versammlung vorgelesenen Bericht hervorgeht, huldvoll angenommen.

Noch ein fruchtloses Experiment, um den Hrn. Temple zur Wiederaufnahme der zwischen ihm und der neapolitanischen Regierung unterbrochenen Communication zu bewegen! Der Secretär des Staatsrathes, Don Giuseppe Caprioli, verfügte sich auf Befehl des Königs von Neapel neuerdings zu dem Marquis v. Crosa, mit dem Ersuchen, den letzten Versuch bei Hrn. Temple zu machen. Dieß geschah. Der brittische Repräsentant blieb aber unbeweglich. Es ward daher beschlossen, Frankreich um Intervention in diesem leidigen Streit anzugehen. Man hoffte dadurch das Cabinet der Tuilerien für sich zu gewinnen, indem man sich der Theilnahme anderer Mächte für ganz versichert hält, bei diesen daher einen solchen Schritt als unnöthig erachtete. Man erfährt auch wirklich, daß einige dieser Mächte, ohne direct dazu aufgefordert worden zu seyn, energische Schritte zu Gunsten Neapels in London gemacht, die ohne Zweifel dem Hrn. Thiers, wenn er sich ernstlich der Sache annehmen wollte, hinlänglich die Bahn geebnet haben. Auch glaubte man in Neapel, Hrn. Thiers, falls man in Frankreich etwa die Möglichkeit einer größern Bewegung in Italien als eine erwünschte Conjunctur ansähe, durch das neue Vermittleramt in eine Art nothwendiger Stellung zu bringen, wobei man auch nicht ungern sehen mag, wenn England und Frankreich auf dem Felde der Monopolsfrage sich wieder in einer halb entgegengesetzten Richtung begegnen. Es ist mir übrigens unbekannt, ob der Umstand einer Erwägung unterworfen ward, daß Hr. Thiers sich leicht in der Monopolangelegenheit connivent gegen England zeigen dürfte, um später in der ägyptischen irgend einen Regreß zu suchen. Man will von Paris die Nachricht erhalten haben daß das französische Cabinet das Geschäft der Vermittlung übernommen habe.

Vorigen Donnerstag kam das toscanische Dampfboot Maria Antoinetta von Neapel hier an. Es war im Canal von Procida von dem englischen Kriegsdampfboot Hyder angehalten worden. Heute empfangen wir nun mit einem vorgestern von Neapel abgegangenen Dampfboote weitere Nachrichten. Die Engländer haben eine Anzahl neapolitanischer Schiffe (so viel man in Neapel wußte, sieben) nach Malta aufgebracht. Die neapolitanische Regierung hat dagegen das Zollamt beauftragt, die englischen Schiffe und englisches Eigenthum mit Beschlag zu belegen. Das englische Dampfboot, welches die Schiffsmannschaft der gekaperten Schiffe von Malta nach Neapel brachte, wurde wegen Unregelmäßigkeit in den Pässen von dem Gesundheitsamte in Neapel nicht zugelassen. Es ging wieder zurück, war aber beim Abgang des hier eingetroffenen Dampfschiffes gerade wieder angekommen, und hatte sich vor den neapolitanischen Kanonierbarken vor Anker gelegt. Trotz alle dem ist man in Neapel noch sehr wenig beunruhigt; die Fonds waren wieder etwas gestiegen. Vorgestern will man hier in Livorno eine französische Kriegsflotte, 12 bis 14 Segel stark, südlich steuernd gesehen haben.

Niederlande.

Die Generalstaaten werden wohl jetzt mit den Berathungen in den Abtheilungen zu Ende seyn, und schwerlich sind diese günstiger ausgefallen. Man kann bei den umsichtigen, nicht durch jeden Wind bewegten Holländern wohl von der einen Erscheinung auf die andere schließen. In Amsterdam war trotz des Widerspruchs einzelner Blätter in einer deßhalb gehaltenen Versammlung von einer Adresse an die Generalstaaten die Rede, um diese zur Ausharrung und zum Fortsetzen ihrer Bemühungen anzuspornen, und nur die allgemeine Ueberzeugung, daß es bis jetzt noch bei den Generalstaaten keines solchen Sporns bedürfe, hielt von einem Schritte ab, der, von Seite der Amsterdamer Einwohner gethan, allerdings einen entscheidenden Einfluß haben müßte. Folgt indeß nicht bald eine Nachgiebigkeit von Seite der Regierung, so sind Schritte dieser Art unvermeidlich, denn einzelne Symptome werden immer drohender: neue Zeitschriften, z. B. der Tolk (Dolmetscher) der Vryheid erscheinen, welche nicht durch ältere Verbindung mit politischen Personen gebunden, eine immer rücksichtslosere Sprache führen, von den Mitgliedern der zweiten Kammer als von soi-disant-Volksvertretern sprechen, und darauf dringen, daß man sich alsbald mit Uebergehung der Finanzfragen an die Umänderung des Grundgesetzes mache. Man braucht nur kurze Zeit in Holland gewesen zu seyn, um sich zu überzeugen, daß solche Stimmen etwas mehr bedeuten, als vorerst gewöhnliches Zeitungsgeschwätz.

Deutschland.

Diesen Morgen sind folgende allerhöchste Entschließungen bekannt geworden: der Staatsrath im außerordentlichen Dienst und bisherige Präsident des Appellationsgerichts von Oberbayern Jos. v. Hörmann ist zum Präsidenten der Regierung von Oberbayern ernannt; an dessen Stelle ist der bisherige Präsident der Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg, Philipp Graf v. Lerchenfeld-Brennberg, als Präsident des Appellationsgerichts von Oberbayern, und an des letzteru Stelle der bisherige Rath der Regierung von Oberpfalz und Regensburg, Leopold Graf v. Fugger-Glött, zum Regierungspräsidenten in Würzburg ernannt. Der zeitherige Regierungs - (Finanz -) Rath v. Sutner ward zum Oberrechnungsrath befördert. Diesen Morgen empfing der Finanzminister Graf v. Seinsheim die Aufwartung der höhern Beamten und des Gesammtpersonals seines Ministeriums und der demselben untergeordneten Branchen.

〈…〉〈…〉In Bezug auf eine Münchener Correspondenz in der Allg. Zeitung vom 1 Mai (worin von den Oberinnen sämmtlicher bayerischen Frauenklöster die Rede ist) erhält die Redaction die Berichtigung, daß es sich um die Aufstellung der Oberin Di Graccho des Instituts der englischen Fräulein zu Nymphenburg als General-Oberin der englischen Fräulein-Institute in Bayern handelte, das Institut der englischen Fräulein aber zu den Klöstern nicht gezählt werden kann.

Vorgestern Abend ist Se. k. H. der Großherzog von Baden zum Besuch bei der königlichen Familie hier angekommen. (Se. kön. Hoh. ist heute, am 3, durch Augsburg gekommen. ) Gestern Abend ist Se. D. der Herzog von Nassau von hier wieder abgereist. (Schw. M.)

Heute erreicht der Großfürst-Thronfolger sein 22stes Lebensjahr. Die Prinzessin Marie von Hessen feiert ihren nächsten Geburtstag am 8 August, wo sie in ihr 16tes Lebensjahr eintritt. Zur Vorfeier des Geburtstages des hohen Gastes fand gestern Abend im Hoftheater bei erleuchtetem Hause eine glänzende Vorstellung der Norma statt. Der Thronfolger, welcher mit der ganzen großherzoglichen Familie anwesend war, wurde vom Publicum mit freudigem Zurufe begrüßt. In den Adelslogen bemerkte man mehrere auswärtige Diplomaten von Frankfurt und Stuttgart. Nach dem Theater fand ein vom großh. Militär arrangirter Fackelzug vor dem großh. Palais auf dem großen Louisenplatz statt, wobei alle Regimentsmusiken spielten. Das russische Nationallied schloß die Feier. Heute Nachmittag 12 Uhr holte der Generalstab, der Erbgroßherzog in bayerischer Obristenuniform an der Spitze, vom Residenzschlosse aus den Großfürsten-Thronfolger und den Großherzog ebenfalls zu Pferde, zu einer Revue der zwei hier garnisonirenden Linienregimenter, der Artillerie zu Pferd und Fuß und der drei Divisionen Chevauxlegers ab, welche auf dem0999 Paradeplatz vor dem durch seine Construction berühmten, in Deutschland größten Zeughauses, dem Muster des Petersburger, abgehalten wurde. Außer dem Generallieutenant, Prinzen v. Wittgenstein, einem der stattlichsten deutschen Generale, führte dießmal der Prinz Emil, der Führer der hessischen Truppen im russischen Feldzuge von 1812, die Chevauxlegers, und der Prinz Alexander, der um ein Jahr ältere Bruder der Prinzessin Marie, als Hauptmann die erste Leibgardecompagnie am Thronfolger vorüber. Der bei der großh. Familientafel ausgebrachte Toast auf das Wohl des hohen Gastes wurde von 19 Kanonenschüssen begleitet. Ein Hofball im Residenzschlosse beschloß sein Geburtsfest. Der Fürst von Leiningen, Ritter des Hosenbandordens, befindet sich von dem nahen Amorbach hier, um eine Reise an den Hof seiner Stiefschwester, der Königin Victoria, nach Windsor von hier aus anzutreten. Seine Mutter, die Herzogin von Kent, wird zum Besuch diesen Spätsommer in Amorbach erwartet, wohin sie der Fürst begleiten wird.

Nach den neuesten hier eingegangenen Nachrichten aus England bereitet sich unser Erbprinz vor, mit nächstem London zu verlassen, und sich zu einem Besuche bei seinen Verwandten nach Lissabon zu begeben. Von einer Verbindung des Prinzen Ernst mit der Prinzessin Auguste von Cambridge, die jüngst in einigen deutschen und darnach auch in englischen Blättern besprochen wurde, weiß man im hiesigen Publicum nicht das Mindeste, und jene Nachricht scheint also bis jetzt alles Grundes zu ermangeln. (L. A. Z.)

Der commissarische Bericht der Aerzte, denen die Beobachtung der Somnambule Höhne übertragen war, ist auf Anordnung des Ministeriums des Innern gedruckt erschienen. Es ist daraus ersichtlich, daß diese Person keine ächte Somnambule war, aber, wie es scheint, sich gut einstudirt hatte. Wie es mit Allem geht, was vom Publicum mit Enthusiasmus ergriffen, und dann eben so wieder mit einem anderen Gegenstande vertauscht wird, so auch hierbei. Niemand geht mehr zu dieser Höhne, Niemand spricht mehr von ihr. Jetzt ist ihr auch von Polizeiwegen das Handwerk ganz gelegt. (Hann. Z.)

Unser gegenwärtiger Landtag wird zu Pfingsten geschlossen werden, bis wohin die beiden Kammern die ihnen vorliegenden Arbeiten erledigt haben dürften. Es ist jetzt eigentlich nur noch das Armengesetz ganz zu berathen. Mittlerweile werden immer neue Petitionen, mitunter die seltsamsten, bei der Ständeversammlung eingereicht, und namentlich macht sich ein hiesiger Privatmann ein eigenthümliches Geschäft daraus. An dem Horizonte unserer poetischen Litteratur wird im Laufe dieses Sommers eine wichtige Erscheinung aufgehen. J. Max in Breslau druckt an einem neuen zweibändigen Romane von Ludwig Tieck, zu welchem der Dichter den Stoff aus der italienischen Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts und zunächst der des kräftigen Papstes Sixtus V genommen hat. Die Heldin ist die durch ihre wunderbaren Schicksale, ihre Schönheit, Anmuth, Kenntnisse und Geistesgaben, so wie durch die hochtragische Katastrophe ihres Todes berühmte Vittoria Accoramboni, über die neuerdings E. Münch in Stuttgart in seinen historischen Studien einige Facta zusammengestellt hat. Der als Mitübersetzer des Tieck-Schlegel'schen Shakespear rühmlich bekannte Graf Wolf Baudissin aus Holstein, der seit seiner levantischen Reise wieder hier lebte, hat uns heute verlassen, um zu dem bevorstehenden hohen Landesfeste nach Kopenhagen zu gehen, und man glaubt, daß er von dem ihm besonders wohlwollenden König vielleicht auf längere Zeit dort zurückgehalten werden dürfte.

Göttingen hat heute wiederum einen Deputirten gewählt. Man darf aber keineswegs glauben, als wolle unsre Stadt dadurch in die Reihe derjenigen Corporationen treten, welche von einem neuen Verfassungswerk und von einem Friedensschluß durch die jetzige Landesversammlung träumen. Zwar hat sich eine zweite Partei gebildet: verjährte Gildenrechte und Vorurtheile sind hervorgesucht, um dieser Partei Anhänger zu verschaffen, wie die zunehmende Noth und Armuth als Schreckbilder einer Zukunft gebraucht sind, wo die königliche Ungnade noch härter auf der Stadt lasten werde. Einer Minoritätswahl konnte sich Göttingen auf keine Weise entziehen, und da sich die in Hannover versammelte zweite Kammer über die Rechtsungültigkeit solcher Wahl noch nicht ausgesprochen hat, so war es vorzuziehen, in dem bisher treu beibehaltenen Sinne zu wählen. Aber wie wurde selbst das erschwert! Schon in voriger Woche wurden sechs Wahlmänner zum Magistratsdirector (Ebell) beschieden, der ihnen in einer langen Rede die Nachtheile auseinander zu setzen sich bemühte, welche die Stadt durch Beibehaltung des bisher befolgten Systems träfen, und verschiedene Vorschläge zu einer neuen Wahl machte. Einige Tage darauf wurden die sechs übrigen Wahlmänner zum Polizeidirector v. Beaulieu citirt, der unter Anerkennung der ehrenwerthen Gesinnung derselben gleichfalls die Zweckmäßigkeit der Wahl eines Mannes rühmte, der weder protestire noch resignire, sondern für materielle Interessen bei Berathung des neuen Verfassungsentwurfs kämpfe, wie man es z. B. vom Dr. Mejer in Clausthal mit Gewißheit erwarten dürfe. Außer diesen Schritten enthielt sogar das den Tag der Wahl bestimmende Circular eine lange Abhandlung über die Verderblichkeit des bisher von der Stadt befolgten Weges, und glaubte wenigstens der Magistratsdirector alle Verantwortung von sich ablehnen zu müssen, wegen der Folgen, die eine so starre Oppositionslust für die Stadt haben werde. Er erlaubte sich drei Candidaten vorzuschlagen: den Dr. Grefe, Dr. Keidel hieselbst und Dr. Mejer zu Clausthal. Ersterer habe nun zwar auf Befragen erklärt, wie er eine auf ihn fallende Wahl unter keiner Bedingung annehmen könne, dagegen seyen die beiden letzteren zur Uebernahme des Mandats bereit. In ähnlichem Sinne leitete Hr. Ebell denn auch die heutigen Wahlverhandlungen ein: man stehe auf demselben Fleck, auf dem man am 6 d. gestanden, das könne nur zum Unglück und Verderben der Stadt führen, er wolle die Verantwortung von sich wenden, und rathe, einen Mann zu wählen, der in die Versammlung eintrete, und an ihren Berathungen ohne zu protestiren Theil nehme. Er bitte diese seine Meinung zu Protokoll zu nehmen. Trotz allem dem wählte die Majorität einen Anhänger des Staatsgrundgesetzes, den Advocaten Schaumann zu Hannover, mit 20 Stimmen. Dr. Mejer zu Clausthal erhielt 11 Stimmen, Buchhändler Dankwerts 1 Stimme, ein Zettel protestirte gegen die Wahl. So blieb sich die staatsgrundgesetzliche Majorität getreu, indem die gegen die letzte Wahl fehlenden Stimmen durch das Loos ausgefallen waren. Der dem Gewählten nicht unbekannte Sinn der Majorität wünscht, daß Schaumann in die Versammlung eintreten, auch seine Kenntnisse, wo es nöthig, geltend mache, am Ende der Berathung aber feierlichst gegen den Entwurf der neuen Verfassung protestire, und die Rechte auf das Staatsgrundgesetz geltend mache, und es läßt sich vorherbestimmen, daß es so geschehen werde. Professor Herbart ist seit mehreren Tagen nicht unbedeutend krank.

Bei den morgen wieder beginnenden Sitzungen der Ständeversammlung dürfte die Zahl der Mitglieder zweiter Kammer, wenn nicht einige von den ältern Mitgliedern zurückbleiben (wie dieses in Betreff des durch Krankheit verhinderten Consistorialraths Werner vermuthet wird)1000 um einige neue vermehrt seyn; so namentlich um drei neue Deputirte aus den Grafschaften Hoya und Diepholz, nämlich dem bereits 1839 gewählten, aber am Eintritt noch verhindert gewesenen Deputirten Stubbe, Mitglied der Majorität vom 5 Jun. 1838; Regierungsrath Wehner, dem in den letzten Tagen dem Vernehmen nach gewählten geheimen Kanzleirath Wedemeyer und dem Camerarius Albers aus Lüneburg. Die HH. Wagner für Göttingen, Stüve für Fürstenau und Breusing für Schüttorf (als Substitut des vom Cabinet nicht zugelassenen Dr. Detmold) haben die Wahl abgelehnt. In Uelzen sollte dieser Tage eine neue Wahl stattfinden, über deren Resultat jedoch noch nichts bekannt ist. (Kass. Allg. Z.)

Preußen.

Professor Schönlein hat einen Tag nach seiner Ankunft den kranken Minister v. Altenstein besucht, und dort mit mehrern seiner Collegen eine Consultation gehalten. Man scheint jedoch leider wenig Aussicht zur Wiederherstellung des Patienten zu haben. Schönlein wurde in Berlin sehr ehrenvoll empfangen; die hiesigen Zeitungen brachten Gedichte zu seiner Bewillkommnung; jüngere Aerzte haben sich ihm zahlreich als Famuli angeboten, und auch die ältern ließen es an Beweisen der Artigkeit nicht fehlen, um die vorgefaßte Meinung von einem Mangel an Collegialität, bei ihn hier erwarte, gänzlich zu verwischen. Daß jedoch diese Meinung von einem Mangel an Collegialität unter den hiesigen Aerzten und zwar trotz der hier bestehenden, solchem Mangel angeblich entgegen arbeitenden medicinischen Gesellschaft nicht ganz unbegründet sey, geht aus einer eben in den hiesigen Blättern sich durchfechtenden Polemik über den Werth oder Unwerth der Tenotomie (Muskeldurchschneidung) zur Heilung des Schielens zur Genüge hervor. Prof. Dieffenbach, der glückliche Tenotom, der eine kühne Idee Stromeyers noch kühner ins Leben zu setzen wußte, hat schon einer sehr großen Anzahl von Schielenden zu einem geraden und schönen Gesichte verholfen, und wenn auch hin und wieder einmal eine Operation nicht gelingt wie dieß namentlich bei einer einem gräflichen Hause angehörenden deutschen Dichterin der Fall seyn soll so scheint dieß doch keineswegs zu den Angriffen zu berechtigen, welche die Methode in unsern Zeitungen gefunden, wo sie übrigens auf nicht minder unangemessene und unwissenschaftliche Weise auch vertheidigt worden ist. Prof. Gubitz erklärt nunmehr in hiesigen Blättern, daß das Buchdrucker-Jubiläum hier bestimmt am 24 Jun., und zwar eben so wie anderwärts mit einer würdigen Oeffentlichkeit verbunden, werde gefeiert werden. Aus St. Petersburg wird geschrieben, daß die russische Regierung Befehl ertheilt habe, die transkaukasische Armee bedeutend zu verstärken. Es scheinen mit dem Eintritte der bessern Jahrszeit neue Invasionen der Bergvölker befürchtet zu werden, und mehr als 20,000 Mann sollen bereits nach jenen Gegenden des schwarzen Meeres aufgebrochen sey.

Schweden.

Die hiesigen Zeitungen führen ein neues Beispiel an von den Erpressungen, welche das dänische Sundzollamt in Helsingör seit einer geraumen Zeit gegen die Seefahrer ausübt, und gegen welche schon von mehrern Seiten ernsthafte Remonstrationen erhoben worden. Eine schwedische Brigg, Oberon, von Rio-Janeiro kommend, hatte am 16 v. M. den Sund passirt mit einer Ladung von 3764 Ballen Kaffee, deren Werth nach der Factur sich auf 140,414 Rthlr. schwed. Banco belief. Nach dem bestehenden Tractat sollte davon für das Recht in die Ostsee einzulaufen ein Proc. oder 1404 Rthlr. an Zoll gezahlt werden. Das dänische Zollamt hat dagegen, aller Proteste des Schiffers ungeachtet, eine Summe berechnet und erpreßt, welche nach Curs an 8406 Rthlr. schwedisch Bco. beträgt. Es wäre demnach nur diese eine Ladung, welche ungefähr einen Fünftheil des jährlichen Bedarfs Schwedens an Kaffee enthielt, ungehöriger Weise mit 7000 Rthlrn. zu hoch taxirt worden.

Oesterreich.

Am 3 oder 4 Mai werden Se. Maj. der Kaiser Wien verlassen, und sich nach Preßburg begeben, um den ungarischen Reichstag zu schließen. Der schwedische Gesandte am kaiserlichen Hofe, Graf v. Löwenhjelm, hat von seinem Hofe einen sechsmonatlichen Urlaub erhalten, den der Graf anzutreten gedenkt, sobald der interimistische schwedische Geschäftsträger hier eingetroffen seyn wird. Vorgestern ist dem Grafen Ficquelmont, der auf der Reise auf seinen Botschafterposten in St. Petersburg begriffen ist, eiligst ein Courier nachgesendet worden, um ihm, wie man glaubt, neue Mittheilungen über den Stand der neapolitanischen und orientalischen Angelegenheiten zu überbringen.

0993

Die Ruinen von Mesaonrat und Ankunft in Karthum.

(Beschluß.)

Wir wandten uns nun westlich, in der Richtung des Waldes und Flusses, und ritten, da wir durch die luxuriös wuchernden hohen Dornbüsche nicht mehr zu dringen vermochten, in einem jetzt trocknen und nur bei der Ueberschwemmung gefüllten Canal des Nils, in mäandrischen Krümmungen einem kleinen Dorfe mit Namen Marnat zu, wo unsere Karawane Halt gemacht hatte. Die Ueppigkeit und der unnachahmliche Reiz dieser tropischen Gegend, eine wahrhaft ideale Wildniß, däuchte uns entzückend und hier wohl einzig in ihrer Art, um so mehr, als die Nähe des Wassers bereits die meisten der unzähligen Baum -, Strauch - und Pflanzensorten mit dem frischesten Grün und vielen Blüthen überzogen hatte. Hundert Arten von Mimosen und Akazien, Sodabäumen, Tujas, viele Weiden - und Pappelsorten, und eine Menge mir ganz unbekannter Bäume und Sträucher, alle mit einem dichten Gewebe von Winden überdeckt und durchzogen, umschlossen die netten Strohhütten des Dorfes, die wie zu einem Luftlager in diesem Paradiese vertheilt zu seyn schienen. Unsere eigenen Zelte fanden wir dicht an einem breiten Arm des Nils, den wir nach beiden Seiten weit hinauf und hinab übersehen konnten, aufschlagen. Der Fluß war voll kleiner bebuschter Eilande und isolirter barock geformter Granitfelsen; gegenüber lag eine dicht bewaldete große Insel, auf der sich ein anderes weitläufiges Dorf befand, mit der ein Kahn, als Fähre dienend, fortwährend den lebhaftesten Verkehr zwischen den beiderseitigen Einwohnern unterhielt. Besagter Kahn bestand jedoch nur aus einem ausgehöhlten Baumstamm, und stand, wenn er mit 10 bis 12 Individuen angefüllt war, kaum noch einen halben Zoll aus dem Wasser hervor. Gerudert ward er mit kleinen Hölzern gleich Kochlöffeln. Einmal fuhren acht Damen zugleich hinüber, bei deren Einschiffung so viel Umstände und Aufenthalt stattfand, als wären es europäische Exclusives gewesen. Das Geschlecht verläugnet sich nirgends, es trage wie hier die Ringe in der Nase und an den Knöcheln, oder wie bei uns in den Ohren und an den Händen. Wir wurden sehr freundlich von diesen Naturkindern aufgenommen, reichlich mit vortrefflicher Kuhmilch versorgt, und auch eine fette, junge Ziege bereitwillig für uns geschlachtet. Dieß war in jeder Hinsicht eine so liebliche Station, daß ich, weniger von der Zeit und der Neugierde gedrängt, gern Monate hier verweilt haben würde. Alles erinnerte an unser nordisches Frühjahr, selbst keine Hitze belästigte uns bei dem umwölkten Himmel und der frischen Ausdünstung des Wassers, und eine Menge bunter Vögel sang und schwirrte um uns her im freudigsten Jubel. Nur die schwarzen Menschen, und ein kleines Krokodil, das auf einem einzeln aus dem Fluß hervorragenden Felsen dicht vor uns Posto gefaßt hatte, und dort stundenlang mit offenem Rachen frische Luft schöpfte, erinnerte uns, daß wir in Afrika waren. Perlhühner, fast so groß wie Pfauen, leben hier wild in großer Anzahl, und wir schossen einige derselben, deren Geschmack vortrefflich befunden ward, obgleich ich selbst nicht davon urtheilen kann, da ich meiner Milchkur treu blieb.

Nachdem wir den folgenden Tag hier noch verweilt, und einige höchst anmuthige Spaziergänge in der Gegend gemacht hatten, die jedoch wegen der uns überall umgebenden Dickichte, und der Ermangelung aller für Bekleidete gangbaren Wege (denn die Haut der Schwarzen scheint für Dornen weit unempfindlicher zu seyn als unsere Gewänder) nicht ohne Beschwerlichkeit waren, setzten wir am 29 April um 1 Uhr Nachmittags unsere Reise weiter fort, mit schwerem Herzen das reizende Marnat verlassend, dessen heiteres Andenken nie meiner Erinnerung entschwinden wird. Der Weg führte längs dem Gebirge hin, das wir in den vorigen Tagen gesehen, und zum Theil hindurch, beschwerliche sieben Stunden Reitens bei jetzt wieder sengend gewordener Hitze. Es stieß uns nichts Merkwürdiges während dieses Tages auf als ein ungewöhnlich zierlicher Kirchhof in der Nähe eines ansehnlichen Dorfes, auf dem fast jedes Grab mit sorgfältig gebrannten puzzolanartigen und braunroth glassirten Ziegeln eingefaßt, und der innere Raum mit farbigen Kieseln in verschiedenen Desseins ausgelegt war. Hr. Cadalvène erwähnt irgendwo ähnlicher Gräber, und behauptet, man lege die Kiesel bloß in der Absicht darauf, damit der Todte, wenn er sein Grab besuche, gleich das Material finde, um einen Rosenkranz daran abbeten zu können. Hier wußte Niemand etwas von diesem Raffinement, und wo ich frug, beschied man mich immer, daß kein anderer Zweck als Zierde mit diesem schon von Wuadi-Halsa aus üblichen Gebrauch verbunden sey, den ich jedoch noch nirgends so kunstreich angewandt sah als in diesem Dorfe. Unser Nachtlager war wieder unter hohen Akazien am Nil, unsern eines isolirten spitzen Berges, mit den Spuren eines eingestürzten Kraters, also offenbar ein ausgebrannter Vulcan. Ich fand auf dieser Station einen in Blau und Weiß schön gekleideten Abgesandten Korschud Pascha's, des Gouverneurs von Sudan, dem ich meine Ankunft schon vor einer Woche schriftlich gemeldet, und der besorgt über mein langes Ausbleiben diesen Diener auf schnellfüßigem Dromedar ausgesandt hatte, um sich zu erkundigen, was aus mir geworden sey. Sobald er meine Antwort erhalten, beurlaubte er sich schnell, und flog in einem so gestreckten Trabe davon, daß ich nicht mehr an seiner, schon vorhergegebenen Versicherung zweifelte, er werde die vierzehn Stunden starke Tagereise bis Karthum noch vor Mitternacht zurückgelegt haben. Wir reisen mit unsern dießmal sehr schlechten Thieren leider viel langsamer. Die Dämmerung war schon nahe, als ich, um meine, von dem langen Ritt ganz steif gewordenen Glieder wieder etwas geschmeidiger zu machen, noch einen einsamen Spaziergang längs dem Fluß unternahm. Bei einer jähen Wendung des Nils befand ich mich plötzlich vor einem mit Felsen rings umschlossenen kleinen Grasplatz, der so zu sagen halb dem Fluß und halb dem Land angehörte, und erblickte hier mit freudigem Erstaunen ein ungeheures Nilpferd, ganz friedlich und von der Nähe der weithinleuchtenden Feuer und dem Lärm unseres Bivouacs nicht im mindesten gestört, emsig grasen. Ich rief sogleich den Doctor mit meinen Leuten herbei, und über eine halbe Stunde lang konnten wir nun das Thier in einer Entfernung von kaum hundert Schritten, mit größter Muße und Genauigkeit beobachten. Sehr unrichtig ist die deutsche Bezeichnung Nilpferd; die Araber nennen es richtiger Wasserochse, obgleich es eben so gut auch Wasserschwein heißen könnte, denn zwischen diesen beiden Thieren hält es eigentlich die Mitte, und in seinen Manieren ähnelt es fast mehr dem letztern als dem ersten. Doch der unförmliche, außer allem Verhältnisse mit dem übrigen Körper stehende Kopf, wie die kolossalen, gleich Teleskopen, in der Größe von Kanonenkugeln gräulich hervorstehenden Augen sind nur ihm selbst eigenthümlich. Es0994 ist ein harmloses Thier, dem Landmann allein schädlich durch seinen unstillbaren Appetit, und gefährlich nur dann, wenn man es zum Kampf herausfordert. Wahrscheinlich wäre das von uns beobachtete Individuum, da die Weide sehr reichlich schien, die ganze Nacht bei uns geblieben, wenn nicht auf dem Fluß ein Schiff mit vollen Segeln herangekommen wäre. Als dieß in seine Nähe gelangte, ging das Thier, anscheinend sehr verdrießlich über die Störung denn es schüttelte mehrmals den Kopf, und sperrte drei - bis viermal seinen Rachen mit den großen Fangzähnen auf langsam und gravitätisch ins Wasser, tauchte dann noch einigemal spähend mit dem Kopfe daraus hervor, und begab sich erst, als das Schiff beinahe über dasselbe hinwegzufahren im Begriff war, zur Nachtruhe in die Tiefe. Dort mag es besser und wärmer geschlafen haben als wir, denn kaum im Bett mußten wir eine zweite Edition des Sandsturmes erleben, der, wenn gleich mit nach und nach verminderter Heftigkeit, dießmal fünf Stunden lang anhielt, so daß während dieser Zeit an kein Reinigen der Zelte gedacht werden konnte, und die vereinigten Kräfte aller unserer schwarzen und weißen Leute fortwährend angewandt werden mußten, um diese Zelte nur vor dem Umwerfen zu schützen. Das Souper des Doctors entführte der Wind, ohne ihm irgend etwas davon übrig zu lassen, blies die Feuer aus, und füllte alle Koffer und Kisten mit Erde, so daß wir, als er endlich nachließ, nach einer schlaflosen Nacht noch den ganzen Morgen damit zubringen mußten, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Dazu war es so kalt geworden (ein ganz ungewöhnlicher Fall), daß ich trotz zweier Mäntel mich kaum zu erwärmen vermochte. Alles dieß verzögerte unsern Abmarsch bis um 2 Uhr Nachmittag.

Hier muß ich aber eine kleine Pause machen, um meine Freude darüber auszudrücken, daß die so eben von mir erzählte entrevue mit dem Hippopotamos, durch cabbalistische Magie, unserem verehrten preußischen Regierungsrath Karl Immermann schon lange vor meiner Enthüllung derselben bekannt, und dann von ihm so geistreich variirt wurde, wie es mir selbst unmöglich hätte gelingen können. Nur dagegen muß ich protestiren, daß das Unthier mich verschlungen und wieder ausgespieen habe. Eine solche Ehre würde mir eine zu große Aehnlichkeit mit dem Propheten Jonas geben, was meine Bescheidenheit abweisen muß. Wahrscheinlich ist es auch, daß ich in einem solchen Falle nicht ausgerufen haben würde: Monsieur, Monsieur! avec permission je suis son Altesse telle et telle. Die Phrase ist nicht recht in meinem Genre, und um dem Hippopotamos meine Unverdaulichkeit am schnellsten begreiflich zu machen, würde ich lieber gesagt haben: Mon cher animal, cheval, bœuf ou cochon, qui que vous soyez, laissez-moi tranquille. Votre nature est de manger du foin ne sutor ultra erepidam zu Deutsch: Friß nicht über Vermögen, Hippopotamos! und wenn es diese Rede zu weitschweifig für einen in seinem Rachen Steckenden gefunden, hätte ich mich damit entschuldigt, ein norddeutscher humoristischer Schriftsteller zu seyn, welche von jeher das Privilegium in Anspruch nahmen, ihre Goldkörner ungewaschen und noch mit allem ursprünglichen Sande vermischt abzuliefern.

Der Salzgehalt der Wüste, durch die wir an diesem Tage zogen, ward immer reichlicher; die Eingebornen haben nichts zu thun, als kleine Gruben in den Sand zu machen deren wir auch zu vielen Tausenden rechts und links der Straße erblickten und dann die so ausgeschaufelte Erde mit Wasser zu kochen, um eine sehr bedeutende Quantität Salz, circa den sechsten Theil des Gewichts der Erde, daraus zu ziehen. Die Straße war heute noch belebter als gestern, und einmal begegneten wir sogar einem dem Anschein nach vornehmen Mann mit ansehnlichem Gefolge, der in seiner bunten Tracht, nebst dem spitzen Sonnenhut aus Papier angefertigt auf dem Kopfe, ganz einem chinesischen Mandarinen glich. Nachdem wir ungefähr vier deutsche Meilen zurückgelegt hatten, hielt ich um sieben Uhr bei einer Heerde Ziegen unter Mimosengebüschen an, um ein wenig auszuruhen und dort eine doppelte Portion meines Milchdeputats zu mir zu nehmen. Dann ward bei Sternenlicht weiter geritten, um wo möglich Karthum schon am frühen Morgen zu erreichen. Der Weg ging jetzt meistens durch ebenes Terrain und dichtes Gebüsch, so daß wir gleich von Anfang an bei der ziemlich dunklen Nacht Mühe hatten zusammen zu bleiben, und oft an unbemerkten Dornenzweigen hängen blieben. Zuletzt verirrte sich der Doctor und mein Kammerdiener, da sie wegen zu großer Ermüdung ihrer Thiere uns nicht mehr schnell genug hatten folgen können. Wir wurden dieß erst gewahr, als wir wieder ins Freie hinaus kamen. Ich schickte den Dragoman ab, um sie zu suchen, doch vergeblich, und nachdem wir noch eine geraume Zeit gewartet und nach allen Weltgegenden hin gerufen hatten, ohne Antwort zu erhalten, mußten wir sie sich selbst überlassen, was auch ohne große Bedenklichkeit geschehen konnte, da wir uns nur eine halbe Stunde von Halfaja, einem ansehnlichen Orte befanden, und der Morgen schon nahe war. Wie wir später erfuhren, hatten sich die Verlornen, nach lang ausgestandener Angst im Walde, auch glücklich dort eingefunden, und nachdem sie den Schech geweckt, und von ihm Esel nebst einem Führer requirirt, langten sie drei Stunden nach mir in Karthum an.

Diese Stadt liegt an der Gabel, welche gebildet wird durch die Vereinigung des weißen und des blauen Flusses, die beiden großen Arme des Nils, von denen es noch immer unbestimmt bleibt, welcher von beiden den Namen dieses Flusses zu tragen berechtigt ist. Sie nimmt sich mit dem hohen Thurme ihrer Moschee, und den weithin sich erstreckenden crenelirten Befestigungsmauern in der Ferne recht stattlich aus, doch in der Nähe ist sie, da alle Gebäude darin nur aus Erde ohne Abputz aufgeführt sind, eben so unscheinbar als alle übrigen Städte dieses Landes. Die Umgegend ist größtentheils Wüste oder baumlose Feldflur; nur in der Nähe befinden sich einige Gärten, was auch kaum anders zu erwarten ist, da diese Hauptstadt des Sudans erst vor zehn Jahren auf Mehemed Ali's Befehl aus der Einöde emporstieg.

Noch ehe ich den blauen Fluß passirte, der dicht vor der Stadt in ihrer ganzen Länge hinfließt, fand ich am diesseitigen Ufer desselben den Schatzmeister Korschud Pascha's postirt, um mich im Namen seines Herrn zu becomplimentiren und mich in der eleganten Barke desselben hinüber in das mir bereitete Haus zu führen. Dieß producirte wie gewöhnlich ein Muster vom charakteristischen Geschmack der Türken und Orientalen ich meine jene ihnen so eigenthümliche Mischung von Pracht, Schmutz und Elend aber hier, nach der Sitte des Landes, in dreifach gesteigertem Maaßstabe. Von außen rohe Lehmwände, durch die ein hohes und verziertes Thor unter einer Veranda in einen Saal von ansehnlichen Dimensionen (den Divan) führte, dessen Decke nur aus rohen Balken, und der Boden aus festgestampfter Erde bestand, die alle zwei Stunden von einem Sklaven aus großen Ochsenhautschläuchen übergossen wurde, um den Staub zu löschen. Auch der an drei Seiten des Saales sich umherziehende, einen Fuß erhöhte Divan, war ebenfalls nichts als eine zweite Erdtenne mit einer hölzernen Einfassung, aber mit den schönsten Teppichen in Profusion und0995 vielen weichen seidenen Kissen aller Farben belegt. Den Boden deckten bis auf eine gewisse Distance vom Divan kunstreich aus Palmblättern gewobene Matten, die nirgends schöner als im Sudan verfertigt werden. Die Wände waren zwar, als eine besondere Recherche für diesen Palast, geweißt worden, hatten aber bereits die allgemeine Staubfarbe schon wieder angenommen, und alles Amenblement des Salons bestand nur aus zwei enormen Fässern aus gebranntem Thon, durch die fortwährend das öfters darin erneute Nilwasser in große darunterstehende Becken filtrirte, wo es sich klar wie Krystall und kühl wie Brunnenwasser erhielt; mehrere Bardocken (irdene Krüge, die das Wasser durch Ausschwitzen noch kälter machen) standen auf einem in der Wand befestigten Brette zum beliebigen Gebrauch daneben. Ein Duzend reichgekleidete, aber barfuß gehende Diener füllten außerdem das Zimmer, und beeiferten sich mir prächtige Pfeifen nebst Kaffee und Scherbet in den kostbarsten Gefäßen zu präsentiren. Die Schlafstuben neben dieser Hauptpiece waren gräulich für alle Sinne, schlechter als der ärmste Bauer in Europa sie würde bewohnen wollen. Ich beschloß daher, mich für meine Person Tag und Nacht im Divan einzurichten, und bedauerte aufrichtig meine Leute und Sklaven, welche in diesen dumpfen, schmutzigen Löchern nothgedrungen ihre Wohnung aufzuschlagen gezwungen waren. Denn nur für den Doctor hatte man noch außerdem ein eigenes kleineres Haus bereitet, das in Allem die Diminutivabbildung des meinigen repräsentirte, und ihm an Schmutz und mit Pracht übertünchtem Elend n chts nachgab.

Deutsche und französische Poesie der Gegenwart.

(Beschluß.)

Die französische Poesie befindet sich allerdings, mit sich selbst verglichen, derzeit in einem glänzenderen Stadium als die deutsche; denn unsere poetische Litteratur hatte ohne Zweifel ihre glänzendste Zeit zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts, und die poetische Productionskraft ließ in Deutschland verhältnißmäßig nach gerade von der Zeit an, wo in Frankreich nach dem Ende der Kriege ein neues Leben in die litterarische und poetische Thätigkeit kam. Nachdem die stürmische Periode des kriegerischen Ruhmes vorüber war, begann ein schöner Wetteifer im Ringen nach dem friedlichen Lorbeer der Dichtkunst. Zurückgedrängte Kräfte schienen sich jetzt Bahn zu brechen, unterdrückte Keime um so gewaltiger zu treiben; die französische Lyrik hat seit fünfundzwanzig Jahren wohl Größeres geleistet, als je zuvor, und die Töne, welche Victor Hugo und Lamartine der gallischen Lyra entlockten, hätte man früher, zumal unter dem Kaiserreich, für unmöglich gehalten. Und doch haben, dünkt uns, die Deutschen die Vergleichung ihrer Poesie mit der französischen auch im jetzigen Augenblick nicht zu scheuen.

Welches sind die Namen der jetzt lebenden französischen Dichter, welche so ziemlich allgemein anerkannt sind? Etwa folgende: Béranger, Delavigne, Lamartine, Victor Hugo, A. de Vigny, Barthelemy, A. de Musset, Barbier, Sainte-Beuve, Quinet; wir begreifen, daß der Franzose diese Namen mit Stolz und patriotischem Selbstgefühl nennt. Wir finden dieß um so natürlicher, als unter den genannten allen kaum Einer seyn dürfte, der nicht dem französischen Nationalgefühl in irgend einer Weise ausdrücklich gehuldigt hätte. Die in ihrer Poesie schärfer, man möchte sagen ausschließlicher ausgeprägte Nationalität ist es, was man als einen Vorzug dieser Dichter gegenüber den deutschen geltend machen kann, obgleich der poetische Werth im engeren Sinn davon nicht berührt wird; sie sind Alle mehr oder weniger Dichter Frankreichs, nicht bloß Dichter in französischer Sprache, sie stehen in Rapport mit dem öffentlichen Geist und Leben der Nation; dieß steigert ihre Bedeutung und gibt ihren Werken etwas Positives, eine Concentration, einen Mittelpunkt; sie werden gleichsam die Söhne der Nation. Dieß ist nun freilich bei den deutschen Dichtern nicht der Fall; aber abgesehen davon, können wir wohl Namen gegen Namen stellen. Ist auch Uhland seit Jahren schon stumm, so darf er hier doch wohl aufgezählt werden, da ja auch Béranger und Delavigne (der letztere als Lyriker) nichts mehr von sich hören lassen. Dagegen aber ist Rückert noch immer fruchtbar, und seine in sechs starken Bänden nicht einmal vollständig gesammelten Gedichte stehen den lyrischen Werken Victor Hugo's in ihrer Art schwerlich nach. Marmier klagt über das außerordentliche dénuement d'idées in dem von ihm kritisirten Buch. Wollte er sich die Mühe geben, Rückerts sechs Bände oder auch nur seine Weisheit des Brahmanen zu studiren so würde er einen Reichthum von Gedanken finden, mit dem sich kein französischer Dichter messen kann. Drei kürzlich Verstorbene dürfen wohl noch unter den Dichtern der Gegenwart aufgezählt werden: Platen, Chamisso, Gaudy,*)Die beiden Letztgenannten Herausgeber des deutschen Musenalmanachs. Es kann mit dem Verfall der deutschen Poesie doch so arg nicht seyn, wenn der Musenalmanach zehn Jahre ununterbrochen erscheinen konnte; und was haben die Franzosen diesem Entsprechendes aufzuweisen? und ferner nennen wir: Schwab, Kerner, Anastasius Grün, Lenau, Freiligrath, Zedlitz, Mosen, so geringschätzig auch Marmier von dem Verfasser des Gedichts Ritter Wahn glaubt sprechen zu dürfen. Noch haben wir den Namen desjenigen Dichters nicht genannt, welchen Marmier, nach Maaßgabe der Stolle'schen Sammlung, als Matador der jetzigen deutschen Lyrik verkündet, und den er, auf Einen Schlag der gesammten Poesie das Urtheil sprechend, so tief unter Lamartine und Victor Hugo stellt, Heine. Aus dem bisher Gesagten erhellt, und jeder mit deutscher Litteratur Bekannte weiß es von selbst, daß Heine in keiner Weise als Repräsentant der dermaligen gesammten deutschen Lyrik anzusehen ist, daß er seine eigenthümliche und hohe Stelle einnimmt, aber nicht die deutsche Lyrik krönend abschließt. Hätte nun Marmier sich darauf beschränkt, Heine den beiden Dichtern Lamartine und Victor Hugo im Allgemeinen unterzuordnen, so hätten wir wohl Bedenken getragen, sein Urtheil anzufechten, weil wir der Ansicht sind, daß jene beiden Dichter im Ganzen einen positiveren, einen nationaleren und einen im ethischen Sinn höhern Standpunkt einnehmen, als Heine mit seiner phantastisch-ironischen Zerrissenheit, mit der spukhaften Heimathlosigkeit seiner Poesie. Aber Marmier hat seine Behauptung, seine Vergleichung so gestellt, daß man ihm aufs entschiedenste und zuversichtlichste widersprechen und der Zustimmung jedes competenten, unbefangenen Beurtheilers gewiß seyn kann. Er behauptet, Heine's schönstes Gedicht komme nicht einem der einfachsten Blätter von Lamartine oder Victor Hugo gleich! Das ist in der That etwas stark. Und wenn wir die Worte streng auslegen, müssen wir unter den einfachsten Gedichten (une des pages les plus simples) eigentlich die schwächsten Poesien Lamartine's oder Hugo's verstehen, was Marmier lieber geradezu herausgesagt hätte, wenn es einmal sein Gedanke war; an sich freilich könnten die einfachsten Gedichte leicht die besten seyn.

Soll es heißen: die schwächsten, so verdient die Behauptung in der That keine Widerlegung; aber selbst den hyperbolischen0996 Ausdruck abgezogen, behaupten wir: den schönsten Poesien der beiden französischen Dichter stehen die schönsten Gedichte Heine's, einzeln mit einander verglichen, nicht nach. Es ist wahr, jene Pracht - und Paradestücke, welche man bei Hugo und Lamartine findet, sucht man in Heine's kleinem Buch der Lieder vergebens; er hat nichts von der in stolzem gemessenem Gang einherschreitenden Kunstpoesie, die das Purpurkleid in kunstreichen Falten drapirt, nichts von jener pathetischen Beredsamkeit, welche das Ohr mit harmonischen Wellen volltönender Verse bestürmt, nichts von der wohlberechneten poetischen Oekonomie, welche klug ihre Mittel sammelt und passend sie verwendet; aber dagegen hat er in seinen schönsten Liedern, mögen der ganz tadellosen auch nur wenige seyn, den edelsten Lebensgeist der ächten Poesie, rein von irdisch-prosaischen Elementen, befreit von körperlicher Schwere; in ihnen redet er jene Sprache, bei der man nicht mehr an Gesetze der Grammatik und Rhetorik denkt, die, aus den innersten Tiefen des begeisterten Gemüths quellend, unmittelbar Musik und Wohllaut, ganz Natur und ganz Phantasie ist; wir nennen als solche nur: Auf Flügeln des Gesanges, Ich will meine Seele tauchen, Die Lotosblume ängstigt, Ein Fichtenbaum steht einsam, Wie der Mond sich leuchtend dränget, König ist der Hirtenknabe, welchen sich noch weitere hinzufügen ließen, und wir fragen: stehen diese Lieder an lauterer Poesie irgend einem Gedicht Victor Hugo's oder Lamartine's nach? schmeichelt sich irgend ein Gedicht von ihnen mit so überwältigender Süßigkeit in die Seele des Lesers oder Hörers ein? Ihre Gedichte erobern, könnte man sagen, die Geister im Sturm ihrer poetischen Beredsamkeit, aber die ächte Poesie, was uns Deutschen als solche erscheint, gewinnt die Seelen wie mit unwiderstehlichem Sirenengesang. Dieß Specifische der deutschen lyrischen Poesie demjenigen begreiflich machen zu wollen, der einmal keinen Sinn dafür hat, wäre eine vergebliche Mühe; jedenfalls würde es hier zu weit führen. Ebenso können wir auch nicht weiter auf die Charakterisirung und Vergleichung der französischen Dichter einerseits, der deutschen andrerseits eingehen; nur in Beziehung auf die beiden von Marmier namhaft gemachten Dichter Lenau und Anastasius Grün, welche er in Frankreich nur als Dichter dritten Rangs lociren würde, seyen uns ein paar Worte gestattet. Was wir von Heine's schönsten Liedern behauptet, das gilt auch von den schönsten Poesien Lenau's, dessen Dichtungen überhaupt noch mehr Einheit des Gemüths haben, und mit der Tiefe der Empfindung, der Originalität der Anschauung auch die edelste künstlerische Vollendung an sich tragen. Und wenn bei Anastasius Grün die künstlerische Vollendung bisweilen vermißt wird, wenn man auf Härten des Ausdrucks, auf Nachlässigkeiten und störende Bilder stößt, so gehört er doch wahrlich nicht zu denen, bei welchen man über Gedankenarmuth klagen kann; der vorwärts strebende, bewegende Gedanke spielt in seiner Poesie vielleicht nur eine allzu große Rolle, und dürfte durch ruhigere poetische Contemplation temperirt werden. Jedenfalls gehört er zu denjenigen, welchen Deutschland, das doch in den letzten Jahrzehnten keine poetische Hungersnoth und Theurung gehabt, gern lauscht, und von dem es noch schöne Leistungen zu erwarten sich berechtigt glaubt, zu denjenigen, welche die in der Gegenwart empfindlichsten Saiten anzuschlagen wußten.

Wir haben uns bemüht, der französischen Poesie der Gegenwart nach bester Einsicht unparteiische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; wir bescheiden uns gern, daß einem Deutschen die Vorzüge derselben nicht alle so klar einleuchten mögen, als einem Franzosen, und verzichten auf die Untersuchung, wie die Entscheidung einer allgemeinen objectiven Aesthetik und Poetik ausfallen würde, worüber doch nie Einigkeit der Ansichten erzielt werden wird; aber wir dürfen auch umgekehrt von französischen Kritikern erwarten und fordern, daß sie ihren Maaßstab nicht als einzig gültigen an unsere poetischen Productionen anlegen; wir glauben, daß ihnen noch leichter und häufiger es geschieht, die ungreifbaren und unwägbaren Elemente unserer Poesie zu verkennen, und daß sie namentlich, gewohnt die Poesie ein prächtiges Pfauenrad entfalten zu sehen, den Gesang unserer minder scheinbaren Nachtigallen überhören oder geringschätzen.

Ungarn.

In Nr. 102 der Allgem. Zeitung fordert mich ein Correspondent vor dem europäischen Publicum dieses Blattes auf das Feld der Thatsachen, wo er mir begegnen will ; es ist derselbe rüstige Kämpe, der mit dem Stierzeichen und der lateinischen Devise auf dem Schilde schon mehrmals bald gegen Parteien in Ungarn, bald gegen die ganze Nation auftrat. Will ich nun nicht als Feigling erscheinen, so muß ich dieser feierlichen Aufforderung Genüge leisten; ich trete daher in die Schranken und hebe den hingeworfenen Handschuh auf. Aber trotz dem daß es mein Vaterland ist, für dessen Ehre ich die Lanze brechen soll, thue ich es doch ungern, denn trotz meiner jungen Augen glaube ich hinter dem geschlossenen Visier meines Gegners die Züge eines deutschen Mannes zu erkennen, dessen Meisterwerke mich oft begeistert hatten; und es thut mir herzlich leid, ihm auf einem Feld zu begegnen, wo er weniger groß ist, aber tu l'as voulu George Dandin!

Der Correspondent hat mir die Aufgabe selbst gestellt: er will, ich solle die in seinen Artikeln angeführten Behauptungen thatsächlich widerlegen. Diese Aufgabe dürfte mir freilich etwas leichter fallen als dem Ritter Hüon Karls des Großen Auftrag, da mir mein Gegner die Mühe bedeutend erleichtert, und manches eigene Urtheil selbst widerlegt. Den 19 Julius 1839 (Beilage Nr. 200) liebt er noch das Land und es tritt immer näher, immer bedeutender in den Kreis der europäischen Interessen der Ungar ist damals noch von Natur geistvoll, sehr bildungsfähig, und wenn diese Eigenschaft sich bisher mehr zu gelehrter als eigentlicher Weltbildung hinneigte, so liegt das nicht sowohl an der Anlage als an der Richtung; er ist gutmüthig, tapfer, gastfrei; er ist leicht zu enthusiasmiren, und in diesem Enthusiasmus, der indeß mehr erregbarer als nachhaltiger Natur ist, großer Thaten fähig aber er hat vor Allem einen Fehler, und dieser ist fast die alleinige Quelle seiner verkehrten Zustände: er ist über alle Maaßen hochmüthig. So der Correspondent. Hochmuth aber kommt vor dem Fall; Hochmuth war die Sünde, die Satan zum Teufel machte, und so geschah es denn auch, daß schon am 22 und 23 September (Beilage Nr. 265 und 266) die Nation grasse Vorurtheile hat , so wie der größte Theil ihrer Vertreter verworrene, ungenügende und leidenschaftliche Ansichten und Begriffe. Das Verständniß für den Handel und für Industrie liegt noch so im Argen, daß selbst die Wenigen, die noch eine dunkle Ahnung von ihrer Nothwendigkeit haben, in Bezug auf die zu befolgenden Grundsätze die unvollkommensten und unbrauchbarsten Begriffe entwickeln ; trotz dem hat noch die Opposition viele edle Kräfte. Aber am 4 und 5 December (Beilage Nr. 338 und 339) sieht das Gemälde wieder düsterer aus, es ist nur Weniges mehr in Ungarn, was noch wie Ordnung aussieht; die Justizpflege ist verkommen, der Usus bei den Gerichten ist ein wahrer Abusus geworden ein unförmliches, mißgestaltetes0997 Ungeheuer nennt man Recht. *)En parenthèse bemerke ich bei dieser Stelle, daß der Correspondent in seiner Naivetät nicht ahnt, daß diese seine Sätze, auf individuelle Fälle angewendet, eigentlich der Boden sind, auf dem sich die Opposition bei der berühmten Verhandlung über Rede - und Wahlfreiheit bewegte.A. d. Eins.Doch dieß ist noch nicht genug, die Ungarn verabscheuen jede Ordnung, und sind Allem entgegen, was diese bei ihnen einheimisch machen könnte ihre Constitution, wie sie jetzt ist, scheidet noch mehr die Begriffe als die Länder, und die Leytha ist nicht nur die Gränzscheide zwischen Ungarn und Oesterreich, sie ist es eben so zwischen Cultur und mittelalterlichem Barbarismus, zwischen Fortschritt und Stagnation. So war die Nation noch am 5 December 1839. Ich Unglücklicher wagte es aber bald darauf, über diese sich stets verfinsternden Ansichten des Correspondenten zwar nicht ein saures Gesicht zu ziehen , aber doch gutmüthig zu lächeln, und dafür muß nun nicht nur ich es büßen denn für einen solchen Frevel wäre ja das gerecht, und ich würde darüber auch nicht murren aber mein armes Vaterland muß es für meinen Fehler mitentgelten, und am 11 April (Beilage Nr. 102) ist in Ungarn ein Mangel an Ehrwürdigem, ein inconstitutionelles Treiben , ja sogar Begriffe, Gesetze und Einrichtungen, die man mit Recht als den Inbegriff aller Barbarei und Willkür brandmarken kann. So sank vom 19 Julius 1839 bis zum 11 April 1840 ein edles Volk in den Augen des Correspondenten bis zur tiefsten Barbarei und Verworfenheit! Fürwahr es ist ein so würdiger Gegenstand für ein gewaltiges Trauerspiel, daß ich, trotz meiner durch diese Ausfälle verletzten Nationaleitelkeit, dennoch keinen Groll hegen kann gegen den Correspondenten, der die Consequenz des Geschichtschreibers einer poetischen Licenz aufopferte.

Dieß über die Fassung und den immer gereiztern Ton der Pia desideria; was den Inhalt anbelangt, so finden wir gleich im ersten Artikel eine etwas leicht hingeworfene, aber im Ganzen richtige Schilderung des Mangels an Credit und Capital in Ungarn, die mit den Worten schließt: Wer so zu den Ungarn spräche, wie würde der die Nationaleitelkeit aufstürmen. Wie ein Orkan würden sie ihn anschnauben, um so gewaltiger, je mehr sie sich getroffen fühlten. Der Correspondent ist hier in großem Irrthum, denn so wie der Correspondent, aber gründlicher, schärfer und geistreicher, und nicht nur das Uebel, sondern auch die Arznei andeutend, spricht schon seit mehr als zehn Jahren bei jeder Gelegenheit der Graf Szécheny zur Nation, in Schrift und Rede, wie es der Correspondent in den zahlreichen Werken des Grafen, vom Hitel angefangen bis zum nehány szó a' lóverseny körül leicht lesen könnte, wenn er ungarisch verstände und doch ist Graf Szécheny einer der populärsten Führer im Lande, und seine Ansichten sind längst durch alle ungarischen Zeitungen verbreitet worden, ehe es noch dem Correspondenten einfiel die politische Feder in die Hand zu nehmen. Uebrigens nennt man die Männer, die diese Sprache zum Lande führen, bei uns in Ungarn Opposition, weil sie das Bestehende ändern wollen. **)Der Correspondent übersetzt bocskoros mit unbeschuhet , während dieß gerade das Gegentheil bedeutet, denn bocskor ist eine lederne Fußbekleidung, die einem Schuh bedeutend ähnlicher sieht als einem Stiefel, und unter dem Namen Bundschuh auch in der Geschichte Deutschlands bekannt ist. Der Correspondent beweist, daß man 25 Jahre in einem Lande wohnen kann, ohne seine Verhältnisse genau kennen zu lernen, zu denen freilich die Sprache den ersten Schlüssel bildet.A. d. E. Es haben , sagt der Correspondent ferner, die auf dem letzten Landtag vom Adel freiwillig gebrachten großen Opfer dem Eigenthum empfindliche Wunden geschlagen, ohne dem Bauer irgend bedeutend genützt zu haben, man hat wohlbegründete Rechte, einen Theil der Zehnten und Schankgerechtigkeit ohne Entschädigung hingegeben, und hätte bei weitem besser und nützlicher gehandelt, wenn man nur den Grundsatz und die Möglichkeit zu freiwilliger Ablösung auf dem Wege gegenseitigen Uebereinkommens festgestellt hätte. Nun ist aber der erste Theil dieser Behauptung augenscheinlich unwahr, denn kein Theil des Zehntens*)Um übrigens dem Verfasser der Pia desideria nicht Unrecht zu thun, so will ich den Grund dieses Verstoßes nicht verschweigen. Ein Theil des Neuntens, der in einigen Theilen des Landes von den Producten der Brachfelder genommen wurde, aber eben deßhalb, weil es ein partieller Gebrauch war, kein wohlbegründetes Recht genannt werden kann, würde dem Unterthan erlassen, eben so die Naturalprästation in Hühnern, Eiern u. dergl.A. d. E., noch die Schankgerechtigkeit ward bis jetzt vom Adel den Bauern hingegeben, die Möglichkeit des Loskaufs aber, auf dem Wege des gegenseitigen Uebereinkommens, war ja in jenem in Ungarn so bekannten fünften Urbarialartikel ausgesprochen, den die unterrichtete, vernünftige, gebildete Minorität bei der Ständetafel, und die eben solche Majorität unter den Magnaten trotz ihrer occidentalen Begriffe lange hinderte, und den die Regierung auf dem vorigen Landtag verwarf, von der wir aber allen Grund haben zu hoffen, daß sie ihn jetzt, wo er ihr wieder unterbreitet ist, annehmen werde. Dieß entging dem Falkenblick des Correspondenten. Aber für Handel und Industrie in höherem Sinn ist in Ungarn nichts geschehen; es fehlt an Communicationsmitteln, der Fremde erlangt für seine Forderungen keine schnelle Gerechtigkeit, die Justizformen sind chikanös, vor Allem aber monströs sind die Rechtsmittel der Opposition und Reoccupation. Doch auch diese schönen Redensarten wie steht es mit ihnen? Für die Communicationsmittel sorgte der vorige Landtag, als er das Expropriationsgesetz, bis jetzt das liberalste in Europa, brachte; für die schnelle Gerechtigkeit, als er den Verbalproceß einführte. Höchst seltsam ist aber obige Behauptung gegenüber dem Landtag, der sich mit Eisenbahnen und Canälen vielfach beschäftigte und eben um Opposition, Reoccupation und chikanöse Justizformen abzuschaffen, das Wechselrecht ausarbeitete. Doch dieß ist ja eine vereinzelte, aus dem Zusammenhang gerissene Maaßregel, ohne praktischen Nutzen , nach der Ansicht des Correspondenten, dem ich hier leider wieder widersprechen muß, denn im Zusammenhang mit dem Wechselrecht wurden Gesetze über die Verhältnisse der Kaufleute, der Fabricanten, der Gesellschaften, der Handelsgremien, der Mäkler und Fuhrleute gebracht, und eine Concursordnung und ein Intabulationsgesetz entworfen alles dieß wird der Regierung in einigen Tagen unterbreitet, mittelst einer Repräsentation, in der wir ausdrücklich erwähnen, daß das Wechselrecht ohne die damit zusammenhängenden, obenerwähnten Gesetzesvorschläge nicht eingeführt werden könne. Von allem diesem weiß der Correspondent freilich nichts; ich aber weiß es aus dem einfachen Grunde, weil ich daran mitgearbeitet habe. Der Correspondent glaubt ferner, der Grundsatz der Aviticität komme bei dem Wechselrecht auch in Frage. Hätte er es aufmerksam durchgelesen, so hätte er gefunden, daß die Wechsel bei uns auf das bewegliche Gut, das seiner Natur nach sich nicht füglich unter die Aviticität zwängen läßt, Pfandrecht haben, und daß die Aviticität hier ganz aus dem Spiel bleibt. Bei dieser Gelegenheit gesteht übrigens der Correspondent etwas empfindlich, er wisse nicht, was die Absicht der Regierung in Hinsicht auf die Aviticität sey, und behauptet dazu, ich wisse sie auch nicht. Dieß ist schon wieder falsch, denn die Regierung machte nie ein Geheimniß daraus, daß sie diese0998 Frage nicht für reif halte, und diesen Grundsatz nicht antasten lassen wolle. Wenn übrigens der ofterwähnte Correspondent die Wechsel - und Handelsgesetzverhandlungen gelesen hätte, so hätte er wahrscheinlich auch nicht daran gezweifelt, daß eine hinlängliche Anzahl solcher Specialitäten unter den Deputirten sey, die eine industrielle, mercantile oder financielle Frage gründlich zu erörtern vermögen. Daß nur eine Verhandlung, die Religionsfrage, mit großer Einsicht, Ruhe und Würde geführt wurde , ist eine etwas starke Behauptung: die Discussionen über die Emancipation der Juden, über den nachträglichen Urbarialartikel, über die Feldpolizei, die Verpflegung des Militärs und eine Unzahl anderer Gegenstände waren eben so würdevoll und leidenschaftslos; im Grunde waren nur bei Einer Frage die Leidenschaften aufgeregt, bei der Wahl - und Redefreiheit, weil dieß die Frage war, an der sich die Parteien maßen. Um übrigens zu beweisen, daß es keine Rodomontade von mir war, als ich schrieb, der Adel in Ungarn wolle seine Privilegien auf alle Bewohner des Landes ausdehnen, will ich hier einige Thatsachen folgen lassen: Bihar (Deputirte Böthy) verlangt, daß das Recht, adeligen Grundbesitz zu erwerben, auf alle Bewohner des Landes ausgedehnt, daß bei der Besetzung der Aemter keine Rücksicht auf adelige oder unadelige Geburt genommen werde, daß alle Ungarn vor dem Gesetz gleich seyen und alle Lasten gleichförmig tragen, daß endlich die Repräsentation beim Landtag auf alle Classen der Bewohner ausgedehnt werde. Mehrere Comitate schlagen vor, der Adel solle die Municipalsteuern (cassa domestica) im Verhältniß seines Grundbesitzes mittragen; die Mehrheit der Comitate entschied, daß die Landtagskosten und Diäten der Adel auf sich nehme; ohne Widerspruch ward der Vorschlag angenommen, daß dem obersten Gerichtshof, dem Septemvirat, zwei städtische, wenn gleich unadelige Beisitzer beigegeben werden; daß bei den neu zu errichtenden Wechselgerichten in Hinsicht der Richter auf die Geburt keine Rücksicht genommen werde. Der ungarische Adel fühlt es, daß die Zeit der Privilegien zu Ende gehe. ...

Sollte der oft erwähnte Correspondent glauben, daß seine Behauptungen durch alle diese Thatsachen noch nicht hinlänglich widerlegt seyen, so kann ich ihm noch ein zweitesmal mit einer viel längern Liste seiner irrigen Angaben dienen; um aber die Gränzen eines Zeitungsartikels nicht zu überschreiten, will ich noch kurz einige Hauptgrundsätze der Staatswissenschaft der pia desideria beleuchten. Sehr richtig bemerkt der Correspondent denn, daß seine Artikel bei vielem Irrigen manches Richtige, und unendlich viel Geistreiches enthalten, will ich ihm gern zugeben es fehle dem Lande hauptsächlich ein kräftiger Bürgerstand um diesen nun zu erschaffen und zu heben, will er den Repräsentanten der geschlossenen Corporationen und Magistrate gleiche Stimmen mit den Deputirten der Comitate geben meiner Ansicht nach hieße aber gerade dieß die Kirche beim Thurm zu bauen anfangen. Wie ein kräftiges Bürgerthum zu erschaffen sey, dieß hat am besten Preußen gezeigt mit seiner berühmten Städteordnung; dieß ist der Weg, den die Ungarn für den angemessensten halten: die Bürger sollen erst Einfluß in ihre Communal - und Municipalangelegenheiten erhalten, erst ihre Stadt verwalten lernen, dann wollen wir ihnen gern einen größern Antheil an der Gesetzgebung geben. Daß es aber dem jetzigen Landtag Ernst sey mit dieser Aufgabe, das zeigte er, als er die Deputation zu ernennen beschloß, die bis zum nächsten Landtag die unumgänglichen Vorarbeiten zur Lösung dieser folgenreichen Frage beenden soll. Denn daß die jetzigen Vertreter der Städte, oder eigentlich ihrer Corporationen, nicht die Vertreter des Handels und der Industrie sind, das bewiesen sie hauptsächlich bei der Verhandlung über die Judenemancipation und die Handelsfreiheit, wo beide Anträge von den Comitatsdeputirten unterstützt, und von den Städtedeputirten bekämpft wurden. Falscher aber und geradezu gefährlich ist die Grundidee der pia desideria. Der Verfasser von ihnen will, daß wir nicht nur unsere Civil - und Criminalgesetzgebung, sondern selbst die Coordination des Landtags und aller Municipalverhältnisse einer gründlichen Revision unterwerfen, denn stückweise Reformen und vereinzelte Maaßregeln dürften, seiner Ansicht zufolge, die vorhandene Verwirrung eher vermehren als vermindern. Der Verfasser will, daß wir, die sichere historische Basis verlassend, alles durch ein Jahrtausend Gegebene in Frage stellen, und die Gesetze auf einmal zu einem systematischen Ganzen verarbeiten, das dem Geist unserer Civilisation und den daraus entstandenen heutigen Bedürfnissen angepaßt und vom Lichte philosophischer Forschung durchdrungen werde; mit andern Worten, er ermahnt uns, das zu thun, was die Constituante und Assemblée legislative thun wollte; wir aber wissen, daß darauf der Nationalconvent folgte; wir wollen daher lieber dem Beispiel Englands mit seinen theilweisen ruhigen Reformen nacheifern, und haben eben deßhalb, nachdem der vorige Landtag vorzüglich das Verhältniß des Grundherrn zum Unterthanen regelte, und die jetzigen Wechsel - und Handelsgesetze ausarbeitete, bereits einen Ausschuß ernannt, der bis zum nächsten Landtag einen Criminalcodex und eine Gefängnißordnung ausarbeite, deren Mangel bei uns am meisten fühlbar ist. So gehen wir langsamer zwar, aber sicherer als es der Herr Correspondent rathet, auf dem Wege der Reformen vorwärts, ohne zu gleicher Zeit alle wunden Flecken zu berühren, alle Interessen zu kränken, alle Leidenschaften aufzuregen.

Mehr aber, als diese gänzlich unpraktische Ansicht des Verfassers über die Revision des Corpus juris, wundert es mich, daß er als Mann von so viel Geist nicht die ganze Menschheit überblickt, daß in seinen Augen nur im Occident etwas zu lernen ist, daß der ganze große Orient für ihn keine Institution hat, die würdig wäre den Blick des Staatsmannes zu fesseln. Wir Ungarn, auf der Brücke zwischen dem Occident und dem Orient, sind anderer Ansicht, und ich glaube, der Verfasser wäre es auch, wenn er mehr Rücksicht auf die zahlreichen Schriften der Engländer über Indien, auf Ritters Erdkunde, oder Urquhart's Turkey and its ressources genommen hätte; er würde finden, daß eine Institution dort besteht, die trotz dem furchtbaren Despotismus die Völker doch nicht untergehen läßt dieß sind die verschiedenen Municipalinstitutionen, die auch der Ungar, so wie sie sich bei ihm aus der orientalischen Wurzel nationell entwickelten, als sein höchstes Kleinod bewahrt. Doch freilich liebt diese der Correspondent nicht, er klagt über die paralysirte Stellung der Executivgewalt, ihn widert das selfgovernment der Comitate an, er ist ein Occidentale, er liebt die Centralisation. Denn dieß ist ja der große Gegensatz zwischen dem Osten und dem Westen: dort gilt noch das Individuum, die verschiedene Form der Municipalität, hier herrscht mehr oder minder bureaukratische Gleichförmigkeit, die Individualität verliert sich in der Masse, das Volk verflacht. Ich war lange genug in Frankreich, um zu sehen, daß ein solcher Zustand kein wünschenswerther sey, daß es die Centralisation allein sey, die dieses unglückliche Land unfähig zur Freiheit mache und endlosen Convulsionen entgegenführe. In diesem Sinne, im Sinne der Municipalverfassung wünsche ich, daß Ungarn nie seine orientalische Richtung verliere, und dieß ist der ungarische Standpunkt, zu dem sich der Correspondent nicht erhob.

Und nun, noch einen frommen Wunsch für den Verfasser der pia desideria. Möge er noch oft ewig duftende Kränze großen0999 Todten winden, möge er sich begnügen mit dem Lorbeer, der ihm schon die Schläfe schmückt, und den ihm Niemand zu bestreiten wagt; möge er aber nie vergessen, daß Pegasus ein zu feuriges Roß sey, als daß man es vor eine Staatscarrosse spannen könnte. Sollte übrigens der Correspondent mich einer Antwort würdigen, so ersuche ich ihn freundlich mich lieber gleich mit einem Griff zu erdrücken, als daß er mich so wie jenen Ungarn behandelte, der das Unglück hatte ihm zu widersprechen, und den er deßhalb gleich einen Botokuden schalt, dem die rohen Hühner zusammt den Federn besser schmecken, als unsere gebratenen (Beilage Nr. 338), denn ich gebe ihm mein Ehrenwort, daß ich die Freuden einer wohlbesetzten Tafel eben so sehr goutire, als, wie es scheint, der Correspondent selbst.

Noch ein Wort an die Redaction der Allgemeinen Zeitung. Es herrscht in Ungarn die irrige Meinung, die Allgemeine Zeitung öffne ihre Spalten williger den Mittheilungen wider als für Ungarn; möge sie ihre Unparteilichkeit auch jetzt dadurch beweisen, daß sie gegenwärtigen Artikel bald und unverstümmelt*)Der Artikel wurde unverändert wiedergegeben, mit Ausnahme von zwei oder drei Wendungen, welche bloß die doch nur vermuthete Persönlichkeit des Gegners betrafen. Wenn wir dennoch noch einige Anspielungen dieser Art beibehielten, so geschah es nur, weil darin der Verfasser, trotz aller Polemik, die entschiedenste Achtung vor seinem Gegner ausspricht; die Ausnahme dieser Stellen möge aber nicht so gedeutet werden, als sollte sie eine Bestätigung der jenen Anspielungen zu Grund liegenden Vermuthung seyn.A. d. R. dem Publicum mittheilt.

Pulszky.

[1453-57]

Bekanntmachung.

Der bürgerl. Handelsmann Simon Erber dahier ist am 10 d. gestorben. Alle diejenigen, welche aus was immer für einem Titel Forderungsansprüche machen zu können glauben, werden hiemit aufgefordert, selbe innerhalb 30 Tagen a dato bei der unterzeichneten Verlassenschaftsbehörde geltend zu machen, als außerdem bei Bereinigung der Verlassenschaft keine weitere Rücksicht auf sie genommen wird.

Wer etwas zur Erbsmasse gehörig in Handen hat, hat solches innerhalb desselben Termines bei Gericht zu übergeben.

Nach dem von den Erben gestellten Antrage wird am Montag den 1 Junius d. J. das ganz gemauerte Wohnhaus mit realer Handelsgerechtsame und Ladeneinrichtung auf dem Stadtplatze dahier, von Vormittags 9 Uhr bis 12 Uhr an den Meistbietenden in der Gerichtskanzlei öffentlich versteigert, und bemerkt, daß der Hinschlag mit dem Glockenschlage 12 Uhr geschieht.

Die Kaufsbedingungen werden am Verkaufstage selbst näher bekannt gegeben; auswärtige und dem Gerichte unbekannte Käufer haben sich hinsichtlich der Aufnahme von Seite des hiesigen Magistrates, dann ihres Vermögens und Leumundes durch gerichtliche Zeugnisse auszuweisen.

Am Dienstag den 2 Junius und die folgenden Tage wird der gesammte Rücklaß des Simon Erber, bestehend in verschiedenem Silberzeug, Betten, Uhren, Leinwand, Zinn, Kupfer und verschiedenen Meubeln und sonstiger Hauseinrichtung, sodann dem Waarenlager, bestehend in Tüchern, Kasimir, Wollen -, Taffent - und Seidenzeugen, wie auch Specerei - und Materialwaaren, Rauch - und Schnupftabak, öffent ich an die Meistbietenden gegen gleich baare Bezahlung versteigert, wozu Kaufslustige hiemit eingeladen werden.

Burghausen, den 16 April 1840.

Königl. Landgericht Burghausen.

Appel.

[1631-33]

Erb-Vorladung.

Der vor mehreren Jahren nach Nordamerika ausgewanderte Friedrich Schoch von hier ist zur Erbschaft seines verstorbenen Vaters Karl Friedrich Schoch von hier berufen.

Da der gegenwärtige Aufenthaltsort des Friedrich Schoch dahier unbekannt ist, so wird derselbe hiedurch öffentlich aufgefordert, innerhalb vier Monaten, zur Erbtheilung um so gewisser dahier zu erscheinen, als sonst im Nichterscheinungsfalle die Erbschaft lediglich denjenigen würde zugetheilt werden, welchen sie zukäme, wenn der Vorgeladene zur Zeit des Erbanfalls gar nicht mehr am Leben gewesen wäre.

Lörrach, den 28 April 1840.

Großherzoglich badisches Amtsrevisorat.

Kohlund.

[1628]

Bekanntmachung.

Von den seiner Zeit an den Verwaltungsrath der Stadt St. Gallen eingesandten Planen für den Bau eines neuen Bürgerspitals liegen gegenwärtig noch mehrere, die in Folge Expertenbefund keine Prämien erhalten haben, bei unterzeichneter Stelle.

Da die Namen der Planeinsender nicht bekannt sind, weil nur die Billets eröffnet wurden, die bei den Preis erhaltenden Planen lagen, so werden die Einsender von Bauplanen eingeladen, dieselben beförderlich mit Angabe ihrer Adresse zurückzuverlangen, damit ihnen die eingesandten Plane übermittelt werden können.

St. Gallen, den 26 April 1840.

Verwaltungsrathskanzlei St. Gallen.

[1470-72]

Gesuch einer Musik-Directorstelle.

Ein Musiker, der bei bedeutenden Theatern als Musikdirector funairt hat, sucht eine Stelle als Dirigent eines Musikvereins, oder als Musikdirector bei einer bedeutenden Stadt, oder einem soliden Theater. Derselbe hat sich als Componist durch viele gedruckte Werke sowohl, als auch durch mehrere Opern und größere geistliche Werke, als Messen etc., einen ehrenvollen Ruf erworben, und kann über seine Tüchtigkeit die befriedigendsten Zeugnisse lie ern. Adressen unter H. D. werden an die Expedition dieser Zeitung franco erbeten.

[1630]

Maschinen-Verkauf.

Montag den 18 Mai d. J. werden in dem Fabrikgebäude des Unterzeichneten nachstehende, demselben wegen Einrichtung eines ganz andern Geschäftszweiges entbehrlich gewordene Maschinen im öffentlichen Aufstreich verkauft.

2 Assortiments zur Schafwollespinnerei, bestehend aus 3 Droussetten, 2 Lockenmaschinen, 1 Wolf, 2 Vorspinnmaschinen, 7 Feinspinnmaschinen und 2 Haspel, nebst den erforderlichen Geräthschaften, Kratzen, Spindeln u. Wagen etc.

Ferner: 1 Rauhmaschine mit 180 Stäben und 1 Dampfbürstmaschine mit Dampf - und Decatirkessel.

Alle diese Maschinen, mit Ausnahme einiger Feinspinnmaschinen und 2 Haspel, sind Niederländer1000 Fabricat, keine derselben über 3 Jahre im Betrieb, und von anerkannt vorzüglicher Güte.

Die Gegenstände sind in meinem Fabriklocal aufgestellt und können täglich eingesehen, auch die Verkaufsbedingungen gehört werden.

Unterkochen bei Aalen, 28 April 1840.

G. Jacob Fürgang.

[1625-26]

Bekanntmachung.

Von dem Unterzeichneten wurde mit Beihülfe eines sehr geschickten Charcutier, der in Frankreich gelernt, während 30 Jahren diesem Geschäfte sich widmete, in vielen Städten Europa's für diesen Beruf Einrichtungen getroffen, dadurch und die große Anzahl der gehabten Lehrlinge sich vervollkommnet, eine Charcuterie (Wursterei) in hiesiger Stadt eingerichtet, und verfertigt die nachbenannten Waaren, welche er einem nahen und fernen Publicum bestens empfiehlt.

Wer meine neu getroffene Einrichtung sieht, wird an der Reinlichkeit nicht zweifeln.

Er verfertigt: Gefüllten Schweinskopf.

Gefüllten Schinken.

Mortendellen-Würste.

Ligoner-Würste.

Schwarten-Magen.

Italienischen Käs.

Ballerronen.

Kengel-Würste.

Frankfurter geräucherte Leberwürste.

St. Galler Bratwürste.

Nanziger Würste.

St. Galler Schübling.

Preß-Würste.

Straßburger Servila.

Knackwürste.

Eingefaßte Schinken.

Preßkopf.

Salzeis zum roh essen.

Einem auswärtigen Publicum darf ich meine Fabricate besonders darum empfehlen, weil der größere Theil obiger Waaren nicht nur keinem Verderben ausgesetzt, sondern besser alt als frisch sind.

Auch bin ich entschlossen Lehrjungen anzunehmen, und darf versichern, einen gelernten Metzger in drei Monaten vollständig zu lehren, obige Artikel zu verfertigen. Großen Werth hat auch die Erlernung dessen, alles Fleisch so einzubeitzen, daß es im hohen Sommer bei der größten Hitze haltbar und vor Verderben gesichert ist.

Auf franco zugesandte Anfragen über die Conditionen ertheilt Auskunft: Noa Scherer, zum Stadthof, in Rapperschwyl, Kantons St. Gallen.

[1497-98]

Gutsverkauf.

In einer der fruchtbarsten und bevölkertsten Gegenden Oberfrankens, in dem Landgerichte Lichtenfels, ist ein an der Straße nach Leipzig und am Main gelegenes großes Landgut, mit Schloß - und Oekonomiegebäuden im baulichsten Zustande, schönen Gartenanlagen, wohl arrondirten Gründen, Jagd etc., aus freier Hand zu verkaufen.

Nähere Auskunft wird ertheilt auf Anfrage unter Adresse J. B. in Lichtenfels.

[1506-8]

Gesuch.

Ein gesunder junger Mann, der Pharmacie und Chemie mit der ersten Note absolvirt hat, wünscht in einer ausgedehntern chemischen Fabrik eine Anstellung zu finden. Er sieht für den Anfang weniger auf Belohnung als auf Gelegenheit, sich praktische Kenntnisse zu erwerben.

Die Expedition der Allg. Zeitung befördert frankirte Anfragen mit den Buchstaben T. C. Nr. 1506-8.

[1604-6]

Gesuch.

Man wünscht einen Provisions-Reisenden, welcher das Würtembergische und die Schweiz bereist.

Sich durch frankirte Briefe an das Inserate - und Zeitungs-Bureau von Hr. G. A. Alexander in Straßburg zu wenden.

[1339]

Durch alle Buchhandlungen des In - und Auslandes ist von mir zu beziehen: Das Geschlechtsleben des Weibes in physiologischer, pathologischer und therapeutischer Hinsicht dargestellt von Dr. Dietr. Wilh. Heinr. Busch.

Gr. 8. Auf feinem Druck-Vellnpapier. 1839-40.

Erster Band: Physiologie und allgemeine Pathologie des weiblichen Geschlechtslebens. 3 Thlr. 20 gr.

Zweiter Band: Aetiologie, Diagnostik, Therapie, Diätetik und Kosmetik, so wie auch specielle Pathologie und Therapie der weiblichen Geschlechtskrankheiten, getrennt von der Schwangerschaft, der Geburt und dem Wochenbette. 3 Thlr.

Der berühmte Verfasser legt in diesem Werke die Resultate dreißigjähriger Erfahrung nieder und liefert seit A. E. von Siebold das erste umfassende Handbuch der Geschlechtskrankheiten des Weibes nach dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaften. Das ganze Werk wird aus vier Bänden bestehen.

Leipzig, im März 1840.

F. A. Brockhaus.

[1579]

In unserm Verlage ist so eben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben, Augsburg in der K. Kollmann'schen Buchhandlung: Abdelkader, oder drei Jahre eines Deutschen unter den Mauren.

Von Karl Berndt.

Nebst einem Anhange von Darstellungen und Erklärungen maurischer Sitten, Gebräuche, Sprüchwörter, Redensarten u. s. w.

Preis, geheftet, 1 Thlr. 7 1 / 2 Sgr. oder 2 fl. 15 kr. rhein.

Eine treue und lebendige Darstellung des mächtigen Emirs, der jetzt von neuem der französischen Macht in Afrika feindlich entgegen tritt, wird um so größern Antheil erregen, da der Verf. lange Zeit in der Nähe Abdelkaders verweilte und mit dessen Persönlichkeit genau bekannt geworden ist. Außer dem allgemeinen geschichtlichen Interesse wird auch der Wechsel der in dem Buche geschilderten Begebenheiten die Leser vollkommen befriedigen.

Nicolai'sche Buchhandlung in Berlin.

[1116]

Reise-Gelegenheit nach Nord-Amerika.

Regelmässige Post-Schifffahrt zwischen Havre und New-York.

Ville de Lyou. Capitän: Richardson. Abfahrt am 16 Mai.

Baltimore. Capitän: Stoddard Abfahrt am 24 Mai.

Emerald. Capitän: Hoeve. Abfahrt am 1 Jun.

Silvie de Grasse Capitän: Wiederholdt. Abfahrt am 8 Jun.

Nöthige Auskunft ertheilt der Agent Karl Posselt in Karlsruhe.

[1512-14]

Oelgemälde-Verkauf.

In einer Stadt im Kanton Waadt in der Schweiz befinden sich zum Verkauf circa 60 Oelgemälde encadrirt und gut conservirt, das größte von 4 Schuh im Diameter und abwärts.

Es befinden sich darunter: Landschaften von Didai, Schütz, De la Croix, M. Carré, H. Reol, Roos de Tivoli und Theodor Roos, Schalch, Bacler-d'Abbe, Van der Velde, Vivaris und Idem; Portrait von Rembrand, von ihm selbst gemalt, Gustav Horn, Feldmarschall de Gustav Adolph dit von Vandyk; Gemälde von Vandyk, Netscher, Vanloo; ein schlafendes Kind in Lebensgröße von Guido Real, Boiterin, Guercino, Ostade, Jali etc.

Sollte sich ein Liebhaber finden, der nähere Auskunft wünschte, darf er sich nur an C. D. poste restante à Vevey adressiren.

[1184-86]

Die Besitzer des wieder ganz neu und auf das bequemste eingerichteten, vis-à-vis der k. k. Börse gelegenen Hotels zur Kaiserin von Oesterreich in Wien, Weiburggasse Nr. 906, empfehlen sich ergebenst allen hohen Herrschaften, so wie einem geehrten reisenden Publicum mit der Versicherung, daß für beste Aufnahme, Restauration, reinliche und schnelle Bedienung alle Vorsorge getroffen ist.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
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Extent16 images; 15871 tokens; 5526 types; 112124 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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LanguageGerman
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ShelfmarkDWB 1996/32
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