PRIMS Full-text transcription (HTML)
1353
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 170.
18 Juni 1840.

Spanien.

General Balboa übt, so wird wenigstens von Carlistischer Seite versichert, furchtbares Wiedervergeltungsrecht. Väter, Mütter, Kinder und Verwandte büßen durch die Kugel für ihre Angehörigen in den Reihen der Rebellen. Sein Ihnen früher mitgetheiltes Publicandum und die bekannte Strenge seines Charakters machen die Nachricht nur zu wahrscheinlich. Die Empörer von Fernan Caballero treiben ihr Unwesen ungestraft fort und eine neue ziemlich zahlreiche Bande war bei Mestrida, unweit Madrid, erschienen. Aus Catalonien lauten die Nachrichten eben so ungewiß als aus Castilien. Während die Einen von neuer Gährung in Berga und naher Flucht der Einwohner vor dem anrückenden Heere Espartero's sprechen, verkünden Andere die bevorstehende Ankunft Cabrera's in Obercatalonien mit Allem, was ihm noch an Truppen bleibt, und prophezeien blutigen Widerstand. Letztere Nachricht erhält einiges Gewicht durch eine Meldung des Gouverneurs von Mequinenza vom 2 d., laut welcher Cabrera Tags zuvor mit neun Bataillonen den Ebro passirt und die Richtung von Catalonien eingeschlagen hätte. Denselben Tag wurde Kanonendonner vom Fort von Mirabel her gehört; es hieß, das Pferd Cabrera's sey ihm vor seinem Uebergange über den Fluß unterm Leibe erschossen worden, und die Einnahme von Mirabel werde als nahe bevorstehend betrachtet. Ist diese Nachricht im Wesentlichen richtig, so ist augenscheinlich, daß die frühere vom Entschlusse Cabrera's, nicht aus Aragonien zu weichen, nur eine List war, um die Christinos über dessen wahre Absicht zu täuschen. General Castañeda stand am 4 Jun. von Tremp kommend zu Pobla und Gerri. Ros d'Eroles war auf Abella zurückgewichen. Am 5 Morgens langten die gefangenen Carlisten, 2834 an der Zahl, zu Saragossa an.

Die heillose Ordre, die den General Concha aus der Gegend von Beteta weg zum Schutze der Königinnen auf die Straße von Valencia rief, trägt allein die Schuld von Balmaseda's Zug. Denn kaum sahen sich die beiden Raubnester (Beteta und Cañete) einen Augenblick frei, als auch ihre Besatzungen unter persönlicher Führung Balmaseda's daraus hervorbrachen. In raschem Zuge rückten Balmaseda und Palillos*)Der, nachdem alle spanischen Zeitungen ihn durch Cabrera hatten erschießen lassen, nun plötzlich wieder auflebt! Auch der Tod Forcadells gegen Zurbano ist mehr als zweifelhaft. über Ayllon, wo sie am 31 Mai Abends eintrafen, in zwei Colonnen, jede von 800 Mann zu Fuß und 150 zu Pferd mit einer Haubitze, ersterer auf Aranda, letzterer gegen Valladolid. Am 4 Jun. um 10 Uhr früh war Balmaseda, nach Briefen aus Burgos, zu Pinilla de Trasmonte, von wo er den Weg nach Silos, Cazago und Salas de los Infantes einschlug. Raub, Mord und Brand bezeichneten seinen Zug. Die Flammen von Roa und Nava de Roa (deren Einäscherung nur zu gewiß ist) verkündeten Altcastilien das Anrücken dieser heillosen Schaaren. Von Seite der Constitutionellen war außer dem Aufbruche des Commandanten der Nordarmee nach Logroño (3 Jun.) und der Ankunft des Generals Piquero zu Miranda de Ebro am gleichen Tage nichts Näheres bekannt. Man vermuthete, daß Balmaseda, falls er einen Anschlag auf Navarra im Schilde führt, versuchen werde, über Ordaña einzudringen. Die Madrider Post fehlte gestern neuerdings zu Bayonne. Die von vorgestern schildert den Zustand der Mancha und der Nachbargegenden mit den traurigsten Farben. Das Dorf Povedilla ward am 31 Mai von der 200 Mann starken berittenen Bande des Cypriano überfallen und von Grund aus geplündert, alle Maulthiere weggenommen, die Einwohner kläglich mißhandelt, einer ermordet, und die Wohlhabendsten gefangen fortgeschleppt. Man zitterte vor der wahrscheinlichen Vereinigung dieser Bande mit der der Empörer von Fernan Caballero, wodurch sie so ziemlich Meister der Gegend würde. Im Valencianischen hatte die Bande des Coba, 1000 Mann Fußvolk und 200 Reiter stark, am 29 Mai einen Angriff auf das Fort von Bechi gewagt; eine andere Rotte von 800 Reitern war aus der Mancha über den Jucar in die Provinz Albacete eingefallen. Nachdem sie das linke Ufer des Flusses verheert und gebrandschatzt, dehnt sie nun ihre Verwüstungen auch auf den Rest der Provinz aus! Der Tag der Abreise der Königinnen war noch ungewiß; es hieß, vier Minister, die mit dem Reiseproject nicht einverstanden wären, hätten ihre Entlassung angeboten; die Fonds waren neuerdings gewichen. Auch in Obercatalonien war das Gerücht von Cabrera's Uebergang über den Ebro (bei Flix) verbreitet. Er soll 4000 Mann Fußvolk und 300 Pferde mit sich führen und trachten, Berga zu erreichen. O'Donnell ist ihm, wie es heißt, mit 10,000 Mann auf den Fersen. Die Division des Brigadiers Van Halen beobachtete die Reste der niederarragonischen Insurgenten. General Salcedo war am 4 zu Olot erwartet, General Carbo sollte am gleichen Tage Berga berennen. Das Gerücht von Segarra's Dimission war zum zehntenmal in Umlauf.

Großbritannien.

Ganz London ist in der äußersten Bewegung und Spannung über den gestrigen Mordversuch, besonders da es sich ergeben1354 hat, daß der Thäter keineswegs der Zahl der Verrückten, sondern vielleicht gleich jenen Pariser Königsmördern, einer politisch-fanatischen Verschwörung angehört. Der religiös-politischen Partei der Chartisten jedoch scheint er fremd; er bekennt sich zur englischen Kirche, und zeigte niemals eine außerordentliche Religiosität. Die Königin hat während des ganzen Vorfalls eine bewundernswerthe Fassung und Ruhe bewiesen; von einem traurigen Einfluß auf ihren jetzigen Zustand ist demnach nichts zu fürchten. Sie wird sich binnen kurzem, unter besonderer Pflege des berühmten Accoucheurs Dr. Locock, nach Claremont begeben, um daselbst ihre Niederkunft zu erwarten. Beide Häuser haben sich heute auf Antrag Lord Melbourne's und Lord J. Russells, und wie es sagte Lord Melbourne bei solchen leider auch in der englischen Geschichte nicht selten vorgefallenen Ereignissen immer der Brauch war, mit Aufschiebung aller übrigen Geschäfte, zur Annahme einer, im Oberhause entworfenen Adresse an die Königin vereinigt, um derselben sowohl ihren Abscheu gegen die verübte ruchlose That auszudrücken, als auch sie und zugleich das Land über die von der göttlichen Vorsehung gewährte Rettung der geheiligten Person Ihrer Majestät aus einer solchen Gefahr aufs herzlichste zu beglückwünschen. Wir stellen sofort aus den Berichten der verschiedenen englischen Blätter die umständliche Geschichte der That im Auszug zusammen, brauchen übrigens nicht zu versichern, daß alle Blätter, welches auch sonst ihre politische Farbe seyn möge, die That auf gleiche Weise verdammen und für verabscheuungswürdig erklären. Wenn wir, sagt die Times, noch erwähnen, daß das Gerücht ging, die That sey verabredet und der Bösewicht, der sie beging, sey dazu von einigen interessirten Parteien angetrieben, so thun wir dieß nur, um auf die unsinnige Abgeschmacktheit eines solchen Gerüchts hinzuweisen; denn wir glauben fest, daß kein Unterthan Ihrer Maj., sey es innerhalb oder außerhalb des Königreichs, nur einen Augenblick wünschen könnte, ihr das Leben zu nehmen und die Thronfolge einem andern Stamme zuzuwenden; die Annahme ist zu offenbar monströs, als daß ein Mensch, der bei seinen Sinnen ist, sie behaupten könnte.

Die Königin, die gewöhnlich 1 Stunde vor ihrem Diner eine Spazierfahrt nach Hyde-Park zu machen pflegt, verließ auch gestern um 6 Uhr im offenen vierspännigen Wagen, von Prinz Albert begleitet, Buckinghampalast, und fuhr zwischen dem Gitter von Green-Park rechts und der Backsteinmauer des Schloßgartens links den Constitution-Hill hinauf. Mehrere Personen standen entlang dem Gitter, um Ihre Maj., die freundlich grüßte, vorüberfahren zu sehen, und unter diesen auch ein junger schlanker Mann, anständig gekleidet (in schwarzem Frack und grauen Beinkleidern) mit über die Brust gefalteten Armen. Kaum hatte der Wagen sich dem Platze, wo er stand ungefähr 30 Schritte vom Schloßthor genähert, als er die Arme entfaltend zwei Pistolen sichtbar werden ließ, von denen er rasch die eine, und dann, noch bedächtiger zielend, mit dem Ausruf: ich hab 'hier noch eine! die zweite auf die beiden im Wagen Sitzenden abfeuerte. Die Königin hatte sich bei dem ersten Schuß emporgerichtet, um zu sehen, woher er käme, Prinz Albert aber, der die Absicht rascher begriff, drückte sie in den Sitz zurück, beugte ihr Haupt nieder, und umfing sie mit seinen Armen, um sie gegen den zweiten Schuß zu decken. Die Königin sagte ihm einige Worte, und sogleich befahl er dem Kutscher, rasch vorwärts zu fahren; der Wagen flog fort, und hielt dann vor Belgrave-Square, wo die beiden königlichen Personen ausstiegen, um der Herzogin von Kent einen Besuch zu machen. Indessen hatten sich die umstehenden Personen augenblicklich des jungen Mannes bemächtigt; zuerst war es ein Frauenzimmer, das Hand an ihn legte und ihn festhielt, bis ihr dann mehrere Männer darunter auch Lord Ingestrie zu Hülfe kamen, und endlich die beiden Polizei-Constabler Brown und Smith den Thäter ergriffen, und nach dem Stationshaus in Gardners-Lane fortführten. Man erfuhr sogleich, daß es ein gewisser Edward Oxford aus Birmingham sey, eine Zeitlang Aufwärter und Kellner in verschiedenen Londoner Speisehäusern und Cafés, jetzt ohne Platz; er ist erst 18 Jahre alt, von blühender Gesichtsfarbe und angenehmem Ausdruck, mit lichtbraunem Haar und schwarzen Augen. Das schnellverbreitete Gerücht dieses Vorfalls hatte indessen eine große Menschenmenge nach dem Palast herbeigezogen, und als die Königin, die nach dem Besuche bei ihrer Mutter noch eine kurze Fahrt durch Hyde-Park machte, um sieben Uhr nach Buckingham-Palast zurückkehrte, ward sie von tausendstimmigem Jubel über ihre Rettung begrüßt, so wie gleiche Ausbrüche der Freude und Theilnahme sie auch auf ihrer Fahrt durch Hyde-Park begleitet hatten. Der Herzog von Sussex, Prinz Georg von Cambridge, Lord Melbourne, Lord Normanby, Lord John Russell, Sir Robert Peel u. A. erschienen alsobald im Palast, wo sie auch Audienz erhielten, und die Königin nahm dann nach gewohnter Weise ihr Diner. Ein nicht minderer Zudrang des Volks als beim Schlosse war aber auch beim Stationshause, wo Oxford saß, um wo möglich etwas von der Untersuchung und Geständnissen des Gefangenen zu erfahren. Derselbe blieb auf dem Stationshause die Nacht durch und ward dann heute, nach 11 Uhr, auf dem Bureau des Innern (home office) von Hrn. Hall, in Gegenwart des Marquis v. Normanby, des Lord Kämmerers, des Obristhofmeisters u. a. verhört. Das Ergebniß dieses Verhörs so wie der gestrigen Untersuchungen insoweit es bis jetzt verlautet ist besteht in Folgendem. Edward Oxford ist der Sohn eines jetzt verstorbenen Goldarbeiters in Birmingham, und zwar mulattischer Abkunft; seine Mutter lebte, nach ihres Mannes Tod, eine Zeit lang in London, wo sie bis vor neun Jahren ein Café hielt; er selbst machte in einem Speisehaus bei seinem Oheim, theils auch in mehrern andern Häusern den Kellner und Aufwärter. Er läugnet seine That und Absicht nicht im mindesten, und rief noch bei seinem Wegführen nach dem Stationshause: es thut mir leid, daß ich sie nicht beide tödtete. Zugleich zeigt er eine unerschütterliche Kälte und Standhaftigkeit. Als man ihn am Abend frug, wo er gestern Nacht schlief, antwortete er: zu Hause, und ich schlief vortrefflich, wie ich auch hier schlafen werde. Er verlangte nach Bier, und da man ihm statt dessen Kaffee brachte, trank er darin auf die Gesundheit des Sergeant Howin, und rief: Wohl, alter Knabe, der Kaffee ist nicht schlecht. Mich freut's, wenn er euch schmeckt, sagte jener. O ja, rief Oxford, doch habe ich in meinem Leben schon weit bessern getrunken. Befragt über seine Absicht bei einer solchen That, äußerte er: Oh, in diesem Augenblick gibt es Tausende, die meine Absicht wissen; die That zeigt sie. Die wichtigste Entdeckung, die man über den etwaigen Zusammenhang seiner That mit einer größern Verschwörung gemacht hat, besteht in der Auffindung mehrerer Papiere, theils in seinen Taschen, theils in seinem Zimmer, nämlich 1) des Verfassungsplans einer geheimen Gesellschaft, genannt junges England. 2) Eine Liste von 26 erdichteten Namen, z. B. Oxonian, Hannibal, Ernst von welcher Liste der Verhaftete selbst gestanden haben soll, daß sie die Namen der Mitglieder einer Gesellschaft enthalte, und daß er vergessen habe sie zu vernichten; Weiteres wollte er nicht angeben. 3) Mehrere verdächtige Briefe, in deren einem (Smith unterzeichnet) unter anderm alle Mitglieder aufgefordert werden, sich zwei Pistolen und einen Degen anzuschaffen, so wie sich zur nächsten1355 Versammlung in Harrow (?), wo mehrere wichtige aus Hannover angelangte Nachrichten mitgetheilt werden sollten, einzustellen. (Doch liegt es allerdings nahe, bei diesen Documenten an eine beabsichtigte Täuschung zu denken.) Außerdem fand man in seinem Zimmer einen Degen, eine schwarze Kreppmütze zum Vermummen des Gesichts und Pulver und Kugeln; in seinen Taschen eine halbe Krone, einen Schlüssel und ein Messer. Auf alle weitern Fragen während des gestrigen Abends antwortete er mit nichts als mit der wiederholten Frage, ob die Königin wirklich ganz unversehrt geblieben sey. Die beiden Kugeln sind heute von zwei Kindern am Fuß der Backsteinmauer aufgefunden worden. Bei dem Verhör auf dem Home-Office durften keine Reporters zugegen seyn. Der Verhörte ward sodann als des Königsmordes und Hochverraths angeklagt nach New Gate abgeführt.

Der tiefe Eindruck, den die Mordgeschichte Lord William Russells auf das Londoner Publicum und besonders die vornehmen Kreise desselben hervorgebracht hat, wird am besten durch ein kürzlich in der Familie des Herzogs v. Argyll vorgefallenes Ereigniß bewiesen. Die Töchter des Herzogs, Ladies Campbell, die zur Erzieherin eine Schweizerin also Landsmännin Courvoisiers hatten, bemerkten an dieser bald nach dem Morde seltsame Spuren von Geistesverwirrung, jedoch nicht so auffallend, daß sie daraus auf den gewaltsamen Wahnsinn, der endlich zum Ausbruch kam, hätten schließen können. Als nämlich Lady Emma, die zweite Tochter, eines Nachts schlummernd neben einer ihrer jüngern Schwester zu Bette lag, ward sie plötzlich von einem Schütteln an ihrer Schulter aufgeweckt, und erblickte die Schweizerin mit einem breiten Messer über das Bett gebeugt. Auf welcher Seite des Bettes schläft eure Mutter , frägt die Wahnsinnige, und Lady Emma, bei dieser Frage nur für ihre Mutter fürchtend, springt mit seltener Geistesgegenwart sogleich auf, um die Thür zu verschließen, und der Wahnsinnigen mit ihrem eigenen Körper den Ausgang zu versperren. Diese versucht sie wegzustoßen, und ein kurzes Ringen entsteht, während dessen glücklicher Weise einer der Söhne des Herzogs, der eben auf dem Weg nach seinem Zimmer vorübergeht, von dem Geräusch aufmerksam gemacht, an die Thüre pocht, und, von seiner Schwester sogleich eingelassen, sich der Unglücklichen bemächtigt. Sie ward am andern Morgen ihren Verwandten zugeschickt.

Frankreich.

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 11 Jun. wurde, wie schon erwähnt, die Discussion über die Eisenbahnen fortgesetzt. Hr. August de Gasparin sprach sein Bedauern aus, daß Frankreich sich durch Vernachlässigung dieser wichtigen Erfindung der neuern Zeit so bedeutend in Nachtheil gegen andere Nationen gesetzt, sich von ihnen fast ganz getrennt hätte. Belgien neige sich mehr und mehr dem deutschen Staatenbunde zu, das Rheinthal sey verloren. Aber das Uebergewicht Frankreichs, das es besessen, werde nicht mehr durch Schlachten hergestellt, nur durch die Eisenbahnen könne es wieder gewonnen werden. Gern stimme er daher für den Gesetzesvorschlag, der die Erreichung dieses Ziels in nahe Aussicht stelle, wenn er auch mit Unmuth sehe, daß diese Verhandlungen nur zur Vergrößerung eines Ministeriums dienen, das dem Lande feindliche Interessen begünstige. Hr. Boissy d' Anglas stimmt dagegen, weil Frankreich nicht reiche Capitalisten genug besitze wie England, um sich einem gefährlichen Spiel der Actien hingeben zu können, und andererseits die bereits angenommenen Staatsausgaben zu einer solchen Höhe gestiegen seyen, daß jede Erhöhung Gefahr für das Ganze drohe. Hierauf entwickelt Hr. Duvergier de Hauranne in einem längern Vortrage seine Ansicht, nach welcher das bisherige Fehlschlagen der Eisenbahnen in Frankreich nur dem Umstand beigeschrieben werden könne, daß Staat und Privatgesellschaften sich um das Unternehmen stritten und sich gegenseitig als Feinde betrachtet hätten. Der Staat sollte, statt darauf zu denken, durch Erlangung des möglich größten Gewinns, die Privat-Unternehmungen im Beginn zu ruiniren, ihnen zu Hülfe kommen, seine Forderungen ermäßigen und namentlich ihnen nicht die Taxen der Fahrten vorschreiben, die natürlich für jede Bahn nicht dieselben seyn können. Dieses System befolge man in England und Amerika, wo das Unternehmen mit dem besten Erfolg schon seit Jahren bestände. Am wenigsten könne die Unternehmung gelingen, wenn sie bloß vom Staate ausgeführt werde, da dieser in zu bedeutende Ausgaben verwickelt würde. Graf Jaubert, Minister der öffentlichen Arbeiten, vertheidigt seine frühere Ansicht, die er 1838 als Mitglied der Commission aufgestellt habe, daß der Staat die Eisenbahnen auf seine Kosten unternehmen sollte, da Frankreich, ein in sich geschlossenes Land, nur auf Centralisation seiner Interessen hinwirke und nur in dieser Hinsicht große Bahnstrecken ausführen könnte. Auch hätten die Unternehmungen der Privatgesellschaften seine Ansicht nicht widerlegt, denn alle seyen hinter ihren Versprechungen zurückgeblieben. Ueberdieß entziehe das System der Privatunternehmungen die mehr oder weniger bedeutenden Straßen der wohlthätigen Einwirkung des Staats in Bezug auf den Tarif. Da nun selbst in England sich mächtige Stimmen gegen diese Unternehmungen erhoben, wo sogar eine Commission von Seite des Unterhauses zur Untersuchung der vielen Klagen niedergesetzt worden wäre, so hätte seine Ansicht dadurch nur größere Bekräftigung erhalten. Die Ausführung großer Linien durch den Staat aber könnte nur unter zwei Bedingungen geschehen: 1) eine große Ausdehnung und gewissermaßen eine Umgestaltung der Brücken und Straßen in Frankreich, 2) die Herstellung von mannichfachen Verbindungswegen. Das ist aber nur durch einen bedeutenden Aufwand möglich und also der Staat nicht im Stande, die Eisenbahnen für sich zu unternehmen. Ueber die andere Art der Ausführung hat Hr. Duvergier de Hauranne schon weitläufig seine Ansicht entwickelt, der ich mich völlig anschließe. Die der Actienunternehmungen nähert sich am meisten der des Staats, die Betheiligung desselben gibt dem ganzen Unternehmen eine größere Moralität, eine sichrere Garantie. Auch schließen wir die Garantie der Interessen nicht aus, nur wollen wir nicht, daß sie die Basis unseres Gesetzesvorschlags bilde. Was den Weg nach Orleans betrifft, so handelt es sich nur darum, ob die Actienunternehmung mit prélèvement, wie die Regierung sie anfangs vorgeschlagen, oder die Garantie der Interessen vorgezogen wird, doch mag ein oder das andere System gewählt werden, so wird die Straße gebaut werden. Nur wenn man die Anleihe einem dieser Systeme substituiren wollte, die für andere Compagnien von großem Vortheil seyn kann, oder wenn man von der Actien-Unternehmung die Bedingung, welche die Regierung zur leichtern Aufnahme der Bahn bewilligt hat, wegnehmen wollte, so würde das in andern Worten nur heißen, die Bahn auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Nachdem der Minister noch einige Einwürfe des Hrn. Galos aus seiner gestrigen Rede zurückgewiesen, schließt er also: Seitdem ich mein Ministerium übernommen, habe ich mir vorgesetzt, so viel möglich das Verhältniß der Privatgesellschaften zu dem Staate zu verbessern. In den verschiedenen Verhandlungen, zu denen ich berufen worden, habe ich sie auf völlig gleichem Fuße zu behandeln gesucht. Sobald die Gesetzesvorschläge angenommen1356 seyn werden, was bei der Bereitwilligkeit der Kammer, die ich dankend anerkenne, schnell geschehen seyn wird, werden die Unternehmungen, so sehr es mit dem öffentlichen Interesse vereinbar ist, Erleichterungen aller Art erfahren. Sobald der Minister geendet, verlangten zahlreiche Stimmen den Schluß der Debatten. Hr. Berryer verlangt aber noch das Wort. Zuvor macht Hr. Alcock auf die große Wichtigkeit der Eisenbahnen aufmerksam für die schnelle Verbindung des Innern Frankreichs mit den überseeischen Ländern, mit Afrika zumal. Von neuem wird der Schluß verlangt. Und Hr. v. Beaumont als Berichterstatter nimmt die Hauptpunkte noch einmal zusammen, die in den Debatten hervorgehoben worden sind. Die Nützlichkeit der Eisenbahnen (sagt er) ist unbestreitbar. Frankreich ist zurückgeblieben, es muß seinen Platz wieder einnehmen. Ohne von Amerika, das weit entfernt, von England und Belgien zu sprechen, ist der Norden bald von Eisenbahnen durchzogen. Bald wird eine Eisenbahn Berlin mit dem Rhein verbinden; der Norden wird die Donau berühren, und was thun wir unterdessen? Die Eisenbahnen sind nützlich, nothwendig, unumgänglich bei der großen Bewegung, die sich rings um uns bemerkbar macht. Wer soll sie nun unternehmen? Man muß auf sie 200 bis 300 Millionen rechnen. (Hr. Gauguier: sagen Sie doch gleich eine Milliarde! Man lacht.) Die alleinige Unternehmung derselben von Seite des Staates ist verworfen worden. Die Privatindustrie ist das beste System, es gibt der Ausführung mehr Thätigkeit, Schnelligkeit und Sicherheit. Man spricht von der Unmacht der Privatindustrie. Doch diese ist es nur zufällig. Man hat sie gleich im Beginn ihrer Laufbahn zu dem schwierigsten, kostspieligsten und complicirtesten Geschäft gerufen, das die meisten Capitalien, die größte Einsicht verlangt. Darf man sich wundern, daß sie anfangs schwankte, irrte? Zuerst bestimmte man die Eisenbahnen nur zum Waarentransport, so die Bahn von St. Etienne, von Roanne nach Andrezieux, die keine Reisenden beförderten. Darauf bestimmte man sie nur zum Transport der Reisenden, ohne Waaren aufzunehmen. Ist das Schuld der Industrie? Ist es ihre Schuld, wenn die Eisenbahn z. B. von Orleans statt 20 Millionen 45 kosten wird? Ist es ihre Schuld, wenn man die Gesellschaften auf einen Tarif beschränkt, der ihnen kaum die Kosten der Unterhaltung deckt? Wollte man ihnen auch bessere Bedingungen stellen, einen höhern Tarif, kurz weniger drückende Lasten, ein solcher Beistand würde gewiß ganz unwirksam seyn. Ihre Commission hat geglaubt, daß bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge jede solche Hülfe nutzlos wäre. Das öffentliche Vertrauen ist von den Privatunternehmungen gewichen, man muß es wieder gewinnen; die Capitalien haben sich zurückgezogen, man muß sie wieder herbei zu ziehen suchen. Wir haben die Lage jeder einzelnen Unternehmung untersucht und haben dadurch das Mittel erkannt, was jeder einzelnen die beste Hülfe gewähren kann; wir haben geglaubt, daß gewissen Gesellschaften eine einfache Anleihe nützen, andern eine Anleihe mit der Erlaubniß, daß die Actionnäre vor dem Staate ihre Interessen beziehen (avec un prélèvemènt en faveur des actionnaires) vorziehen würden. Fragt man uns nun, warum wir eine solche Unterscheidung eintreten lassen, warum wir nicht alle Gesellschaften gleichmäßig behandeln, und z. B. der Gesellschaft für die Bahn von Andrezieux nach Roanne ein einfaches Darlehen, andern nicht gewähren, so antworten wir, daß in jenem Falle es eine schon bestehende Gesellschaft ist, die wir unterstützen, daß aber eine neu sich bildende anderer Mittel der Unterstützung bedarf. Es wäre ungerecht und irrig, alle industriellen Unternehmungen auf gleichem Fuße behandeln zu wollen. Den Einwürfen im Einzelnen wird die Commission bei der besondern Debatte antworten. Die Kammer beschließt zur Berathung der einzelnen Artikel überzugehen.

Aus der Sitzung der Deputirtenkammer vom 12 haben wir gestern sowohl den an der Tagesordnung befindlichen ersten Artikel der Commission, als das Amendement des Hrn. Luneau angeführt. Die Commission schlägt nämlich vor, der Eisenbahncompagnie von Paris nach Orleans ein Zinsminimum von 3 Proc. und 1 Proc. Tilgung auf 17 Jahre zu garantiren, während Hr. Luneau will, daß man ihr 2 / 5 des Gesellschaftsfonds, d. h. 16 Millionen, leihe. Sowohl Hr. Duchatel als Hr. Thiers unterstützten den Commissionsantrag, der von Hrn. Garnier-Pagès bestritten wurde, welchem Hr. Berryer antwortete. Das Amendement des Hrn. Luneau ward mit 216 gegen 116 Stimmen verworfen.

〈…〉〈…〉In der Sitzung der Deputirtenkammer am 13 Jun. brachte der Minister der öffentlichen Arbeiten im Namen seines Collegen, des Handelsministers, einen Entwurf zur Umwandlung der k. Ordonnanzen in Betreff der Anordnung der Berührungen mit den französischen Colonien in Gesetze ein. Sodann fuhr die Kammer in Erörterung des Entwurfs über die Eisenbahnen fort. Nachdem in der vorigen Sitzung das Amendement des Hrn. Luneau verworfen worden, verlas nun der Präsident ein zweites Amendement des Hrn. v. Vatry, lautend: Dem Minister der öffentlichen Arbeiten wird ein Credit von 26 Millionen zur Ausführung der Eisenbahn von Juvisy nach Orleans eröffnet. Von diesem Credit darf nur Gebrauch gemacht werden, falls die Compagnie der Eisenbahn von Paris nach Orleans, dem 3ten Art. des Gesetzes vom 1 Aug. 1839 gemäß, auf die Vollziehung dieser Bahn für den zwischen Juvisy und Orleans gelegenen Theil verzichten würde. Hr. Vatry erläutert, er bezwecke durch sein Amendement die Beseitigung der Zinsengarantie. Die Regierung verlange in ihrem Entwurf 16 Millionen, um mittelst einer Actienübernahme zur Ausführung der Eisenbahn zwischen Juvisy und Orleans mitzuwirken. Ob es nun nicht besser wäre, 10 Millionen mehr zu votiren, um sie dem Staate zu erwerben? Der Minister der öffentlichen Arbeiten: Hr. v. Vatry sucht uns bei unserer schwachen Seite zu fassen, indem er die Ausführung durch durch den Staat durchblicken läßt. Ich erkläre aber, daß wir ganz aufrichtig für den Commissionsentwurf sind, und ihm treu bleiben werden. Ich wiederhole: es bleibt nichts mehr von dem ursprünglichen Regierungsentwurf übrig. Wollte diesen Jemand wieder aufnehmen, so müßte er es auf seine eigene Rechnung thun. (Bewegung.) Man hat uns durch Anführung einiger Stellen aus unsern frühern Reden in Widerspruch zu versetzen gesucht. Ich werde die Beweggründe, die mich und den Conseilpräsidenten veranlaßt haben, die Ausführung der Eisenbahn von Orleans durch Compagnien anzunehmen, entwickeln. Die andern großen Eisenbahnlinien betreffend, bitten wir die Kammer, ihre gute Stimmung zu Gunsten der Vollziehung durch den Staat zu bewahren. Der Minister zeigt, daß das Ministerium nur 60 Millionen für die öffentlichen Arbeiten habe, und daher ein Deficit für den Staat entstehen müßte, wenn der Staat für sich die Vollziehung übernähme. Für die Eisenbahn von Orleans würden 26 Millionen nicht einmal zureichen, man würde 40 Millionen brauchen. Uebrigens wünscht sich der Redner Glück, hierin mit den HH. Duchatel und Dufaure als praktischen Männern übereinzustimmen, deren Ansicht sowohl in Finanzsachen als in Betreff öffentlicher Arbeiten als Autorität gelte. (Sehr gut!) Hr. Deslongrais unterstützt das Amendement, Hr. Lasuier, Mitglied der Commission, spricht dagegen. Die vielen Amendements würden nur die Harmonie des Entwurfs zerstören, und ihn unmöglich machen. (Bewegung.) Das Amendement ward dann bei der Abstimmung verworfen. Hierauf besteigt Hr. Maurat-Ballanche die Tribune, um den Commissionsbericht über den Rémilly'schen Vorschlag zu verlesen. Es entsteht großer Lärm über die Frage, ob der ganze Bericht, oder nur dessen Schlußanträge verlesen werden sollen. Die HH. Glais Bizoin und Berryer sprechen für die Verlesung des Ganzen. Die Kammer entscheidet, daß das Votum des vorliegenden Gesetzes nicht unterbrochen werden dürfe. Der Präsident verlas dann das dritte von Hrn. Monier eingereichte Amendement, das Hr. Monier de la Sizeranne dann selbst entwickelt, dem zufolge der1357 Minister der öffentlichen Arbeiten ermächtigt werden soll, der Compagnie der Eisenbahn von Orleans eine jährliche Unterstützung von 1,600,000 Fr. zu bezahlen. Das Amendement findet keine Unterstützung, eben so wenig ein anderes von Hrn. Dietrich. Hr. Luneau sprach wiederholt gegen den Artikel der Commission. Hr. Beaumont sucht ihn zu widerlegen. (Abgang der Post.)

〈…〉〈…〉Die Pairskammer, welche am 12 Jun. die Erörterung über das Salzgesetz begonnen hatte, fuhr am 13 darin fort. Der Justizminister erklärt in dieser Sitzung, es sey nothwendig, daß diese Frage in der gegenwärtigen Session noch irgend eine Lösung erhalte, indem sich zu viele Privat - und Fiscalinteressen daran knüpften, die sonst höchlich compromittirt seyn würden. Auch bemerkt er, daß nicht das von der Commission vorgeschlagene System, sondern nur das von der Regierung angetragene zulässig sey.

Der National sagt in Beziehung auf die Abwesenheit des Hrn. Garnier Pagès bei dem reformistischen Banket in Paris (S. das gestrige Schreiben aus Paris): Hr. Garnier Pagès war nicht bei dem Banket, weil man ihn nicht eingeladen hatte; und er ward nicht eingeladen, weil man diese Einladung bloß an die Mitglieder des reformistischen Comité's vom letzten Jahre ergehen ließ.

Die Debatten über die Eisenbahnangelegenheiten dauern in der Deputirtenkammer fort, und werden noch einige Tage wegnehmen. Der Entwurf der Regierung und der Vorschlag der Commission wollen den Compagnien, welche die Bahnen von Paris nach Orleans, von Straßburg nach Basel, und von Andrezieux nach Roanne unternommen haben, zu Hülfe kommen, der erstern durch seine von dem Staate zu leistende Garantie, daß die Einschüsse wenigstens 3Procent Zinsen ertragen werden, den beiden andern durch Darlehen aus den Staatscassen. Nach der Ansicht vieler Deputirten wird heute der Garantievorschlag angenommen, und das nämliche Princip auch in Bezug auf die zwei anderen Bahnen angewendet werden. Man zieht das System der Garantie der Zinsen aus dem Grunde vor, weil es im schlimmsten Fall den Staat zu nicht sehr bedeutenden Ausgaben nöthigt, die durch die Vortheile, welche die Eisenbahn dem allgemeinen Verkehr bringt, weit aufgewogen werden; außerdem ist zu hoffen, daß jenes Garantieversprechen des Staates eine bedeutende moralische Wirkung auf die Unterbringung der Actien äußern, und so vielleicht der Fall gar nicht eintreten wird, die Garantie des Staats in Anspruch zu nehmen. Hinsichtlich der Tarife des Personengeldes wird die Kammer der Regierung die Macht ertheilen, dieselben im Verhältniß der Ausgaben der Unternehmer zu erhöhen. Drei andere Bahnen, von denen der Entwurf spricht, die von Nismes nach Montpellier, dann von Lille nach Dünkirchen und Valenciennes (letztere zur Verbindung mit den belgischen Bahnen), will die Regierung auf eigene Rechnung erbauen. Allem Vermuthen nach findet dieser Theil des Entwurfs großen Widerspruch. Die jetzigen Debatten haben wiederum den Kleinigkeitssinn einer großen Anzahl der Deputirten zur Schau gestellt. Man will nicht begreifen, daß jede Eisenbahn nicht allein ein Interesse für die einzelnen Localitäten darbietet, an denen sie vorbeiführt, sondern daß sie auch im Allgemeinen dem ganzen Königreich zu Nutzen kömmt durch die Beförderung der Verbindungen zwischen den verschiedenen Theilen desselben. So will dann jeder Deputirte nur diejenige Eisenbahn gelten lassen, die sein Dorf berührt, oder worin er oder seine Freunde Actien genommen haben.

Die Frucht der Politik des Hrn. Thiers hat sich jetzt am Baume der Erkenntniß offenbart: sie ist gereift und herabgefallen; sie hat sich als Auflösung der Linken ergeben. Durch Odilon-Barrot hatte die Politik des Hrn. Thiers sich gezeitigt, aber durch Schütteln am Baum hatte er selbst die Frucht zum Falle gebracht. Was ist aus diesem durchschnittenen Apfel herausgekommen? was sich immer bei Zersetzung von morosen, boudirenden Parteien ergeben wird, die als Banner nur allgemeine Mottos aufstecken, statt durchdachter Plane einer mündigen Politik. Während der Restauration hatte die Linke eine bestimmte Polemik gegen das Bestehende, daher trugen ihre Negationen einen mehr oder minder bedeutenden Charakter; seit der Juliusrevolution hat sich die Linke zuerst von den Demagogen und Tribunen abgelöst, dann von den Lafayettisten oder Amerikanischgesinnten, jetzt auch schwankt in ihren Reih und Gliedern was man eine halb und halb anglomanisch gesinnte Partei nennen könnte, zu denen, in sehr getrennten Nuancen, de Sade und Odilon-Barrot gehören. Was bleibt übrig? Murrer, Exbonapartisten, Alles, was liberal sich nannte, ohne einen Funken ächter Liberalität zu besitzen, und gerade diese Masse der Linken löst sich heute vollkommen auf; sie ist es, welche sich débandirt hat, seitdem Thiers Minister geworden. Als Zeichen, daß sie schon früher längst gewünscht hatte, auseinanderzugehen, daß sie aus der Wüste heraus nach dem Canaan lechzte, als nach dem gelobten Lande, und (wie der Courrier und das Siècle mit Recht gesagt haben) schon früherhin dem Ministerium Passy oder Teste anheimgefallen war, haben die Journale der Linken sich nicht gegen jene Tendenz erhoben. Diese Politik des Hrn. Thiers zeugt von großer Gescheidtheit, während sie den Resten des Ministeriums Teste oder Passy zum großen Aerger gereicht, weil ein anderer erntet, was sie gesäet. Da aber die politische Capacität des Hrn. Thiers ihre politische Gewöhnlichkeit übertrumpft hat, da Hr. Thiers ein weit festerer Halt ist für diese aufgelöste Partei als das Ministerium Passy einer gewesen wäre, so begreift man, daß die Linke lieber sich dem Hrn. Thiers, als dem Hrn. Passy angeschlossen. Von heute an gibt es keine alte Linke mehr; sie ist, wo noch nicht durchaus, doch schon zum größten Theil amortirt in die Reihen eines linken Centrums. Was aber noch merkwürdiger ist: Thiers hat weder der Linken noch seinem linken Centrum vieles vergeben. Er denkt wie Napoleon, sein Vorbild, in seiner eigenen Person den revolutionären Rührigkeiten eine Satisfaction zu geben, übrigens keineswegs die revolutionären Tendenzen und besonders nicht die revolutionären Gehässigkeiten zuzulassen. Heute ist also Thiers zu der ziemlich befestigten Stellung gekommen, wo er auf mehr oder minder vollkommene Auflösung der alten Parteien denken kann, was sein eigentliches Bestreben ist. Was die Legitimisten der Kammer betrifft, so ist Berryer sein persönlicher Freund, und hat ihn stets in der Kammer, während aller Discussionen, lobend und schonend gehoben. Es ist wahr, die Legitimisten des alten Regime werden ihm nie ganz hold seyn, aber viele von ihnen sind keineswegs so intractabel als man denkt, und er begegnet ihnen mit ausgezeichneter, persönlicher Höflichkeit. Man weiß, wie Napoleon ebenfalls eine große Masse derselben an sich gezogen. Die Partei der eigentlichen Legitimität ist bestimmt, nach und nach ganz aufzuhören und zu ersterben wie die Partei der englischen Stuarts. Da Thiers weder der katholischen Religion, noch dem großen Gutsbesitz, noch den alten Namen feind ist; da er noch dazu sich im Stand sieht, durch Napoleonische Reminiscenzen kriegerischer Thaten einen Theil der legitimistischen Jugend zu erfreuen (weil der Ruhm hier leicht zur Nationalsache wird, zur Sache der Jugend und des gemeinen Mannes), so hat er als Gegner nur die legitimistischen Journale, und diese besitzen bei dem denkenden und gebildeten Theile der Legitimisten gar keinen Credit, weil die Gazette Bombast1358 macht, während die Quotidienne die Stütze des Auslandes predigt, was hier vom schlechtesten Effect ist. Also mit der aufgelösten Linken und der aufzulösenden Rechten hat Thiers eine Stellung gewonnen, in der er freilich höchst genirt wird durch die in den Centren gährenden Elemente der Ministerien Passy und Molé; aber tempus edax rerum frißt hier ärger um sich, als irgendwo anders. Ob nicht neue Kräfte sich außerhalb der alten Parteien und sich von ihnen scheidend bilden werden, das wollen wir morgen untersuchen.

Niederlande.

Der Legationsrath Hr. Rochussen hat sich mit neuen Instructionen nach Paris zurück begeben, und es ist also zu erwarten, daß die Handelsunterhandlungen dort wieder aufgenommen werden.

Italien.

Briefe aus Neapel berichten, die Familie des allgemein geachteten und durch die letzten Zeitumstände in Ungnade gefallenen Staatsministers der auswärtigen Angelegenheiten, Fürsten di Cassaro, habe bei dem König das Gesuch gestellt, ihn in der zum Exil angewiesenen Stadt Foggia besuchen zu dürfen. Wenn die Antwort des Monarchen auch verneinend ausfiel, so sind doch die Hoffnungen der gedrückten Familie auf der andern Seite aufs freudigste belebt, indem es ihnen in Aussicht gestellt ist, daß er in kurzer Zeit zurückkehren, und wenn auch nicht seine frühere Stellung, doch eine standesmäßige Einnahme erhalten werde. Gestern wurde in der Capelle des hiesigen englischen Collegiums der Director dieser Anstalt, der durch seine Gelehrsamkeit bekannte Monsignore Wiseman, von dem Cardinal Fransoni, Präfect der Propaganda fidei, feierlichst zum Bischof von Mellipotamus in partibus geweiht. Dieser Feier wohnten außer mehreren Geistlichen, fast sämmtliche fremde und einheimische Gelehrte bei.

Deutschland.

Der Besuch von Fremden mehrt sich hier mit jedem Tage. Die monumentalen Bauwerke mit ihren Kunstschätzen sind ihre Vereinigungspunkte; vorzugsweise ist es die Pinakothek mit ihrem reichen Bilderschatze, in welcher sie in zahlreichen Gruppen sich einfinden. So wie die obern Räume dieses Baues, durch die auserlesene Gemäldesammlung und die kunstgeschichtlichen Fresken, welche letztern Zimmermann in diesem Sommer beendigt, den Kunstfreund anziehen, eben so fesseln die in den Sälen des Erdgeschosses aufgestellten Werke einer kunstreichen Vorzeit das Interesse des Beschauers. Eine so vollständige Sammlung hetrurischer Vasen aus der Blüthe jener Zeit dürfte außer Neapel und Rom wohl nirgend gefunden werden. Hieran reihen sich die Zimmer, in welchen die im Besitze des Königs sich befindenden Email -, Majolika - und Porcellan-Gemälde (letztere Werke der neuesten Zeit und aus unserer Porcellan-Manufactur hervorgegangen) aufgestellt werden, endlich die Säle der Kupferstichsammlung, welche durch die Reichhaltigkeit und Schönheit der Abdrücke wohl zu den seltensten gehört. Die Zweckmäßigkeit der Beleuchtung in diesen Räumen gestattet dem Beschauer die genaueste Betrachtung jedes einzelnen Gegenstandes. Die Umgürtung dieser Kunsthallen durch ein eisernes Gitter ist gleichfalls der Vollendung nahe, umschließt eine freundliche Pflanzung und dient gleichsam als Schutz und Schlußstein des Ganzen. Die Ludwigskirche ist wohl nun das nächste große Bauwerk, welches seine Vollendung erreicht. Cornelius, der gegenwärtig mit der gänzlichen Beendigung des jüngsten Gerichts beschäftigt ist, wird den umfangreichen Bildercyklus in diesem Tempel bis zum kommenden Herbste vollenden. Alle übrigen k. Bauwerke schreiten ebenfalls ihrem Ziele entgegen, und mehrere Künstler sind thätig, die innere Ausschmückung derselben zu fördern; diejenigen, die daran nicht Theil nehmen, schaffen in stiller Werkstätte zu Hause und fertigen je nach Auftrag und Befähigung theils große, theils kleinere Bilder. Kaulbach arbeitet an einem größern Oelgemälde, dessen Stoff er Anakreons heitern Liedern entnommen, welches er binnen wenigen Wochen zu vollenden gedenkt. Peter Heß beschäftigt gleichfalls ein großes Bild (den Einzug des Königs Otto in Athen darstellend), welches der Vollendung nahe ist; er wird sodann unverzüglich, im Auftrage des Kaisers von Rußland, eine Reihenfolge von Gemälden beginnen, die ihn sieben Jahre beschäftigen dürften. Simonsen, dem der König ein Atelier im neuen Bibliothekgebäude angewiesen, malt an einem Bilde, dessen Gestalten Lebensgröße haben; es stellt einen Missionär dar, der auf dem Verdecke eines Schiffes den um ihn hergelagerten Gruppen von Orientalen das Christenthum predigt. Ruben liefert ein größeres Bild, welches den Columbus mit seinen Gefährten zu Schiff darstellt, im Augenblick als sie die Küste von Amerika erblicken, während Rottmann an der Reihenfolge griechischer Landschaften malt, die in den Sälen des neuen für Kunst - und Industrie-Ausstellungen bestimmten Baues, der Glyptothek gegenüber, ihre Stätte finden werden.

(Beschluß der Kammerverhandlung über den Zolltarif.) In Bezug auf Position 8 gibt Vogelmann als Beleg für die Wichtigkeit der Hanfproduction einige statistische Notizen, wonach vom ganzen Lande nach dem Durchschnitt von 1829-1832 jährlich ausgeführt wurden 31,435 Ctr. à 16 fl., also zu einem Betrag von 502,960 fl. Die Production des Mittelrheinkreises im Jahr 1839 betrug 65,686 Ctr. à 16 fl. = 1,050,976 fl., die des Oberrheinkreises 36,242 Ctr. à 16 fl. = 579,872 fl. Zusammen 1,630,848 fl. Ueber den zweiten Antrag spricht zuerst der Abg. v. Itzstein und schildert die bedrängte Lage der neuentstandenen Fabriken, wie sie mit Aufbieten aller Kräfte es kaum hätten dahin bringen können, sich zu erhalten, und dieß in Folge des geringen Schutzzolls. Bei längerer Fortdauer dieses Verhältnisses werde der Untergang dieser Fabriken die unausbleibliche Folge seyn; man möge daher nicht mit Hülfe kommen, wenn's zu spät sey. Goll, nachdem er dem Commissionsbericht das verdiente Lob der Gründlichkeit und Umsicht gezollt, beschränkt sich auf die Bemerkung, daß der neuaufblühende Industriezweig der Spinnerei besonders darum Unterstützung und Berücksichtigung verdiene, weil mittelbar dadurch auch andere Zweige, wie Maschinenbau, Bleichen etc. gefördert würden. Die Spinnereien verdienten mehr Berücksichtigung, als die Webereien, indem sie weit mehr Menschen beschäftigten, als diese. Geh. Ref. Regenauer: Man wisse aus frühern Verhandlungen, daß die Regierung die Ansichten der Kammer in diesem Punkt theile, und sie habe auch danach gehandelt. Sie werde nicht ermüden in ihren Bemühungen, ihren Anträgen die Stimmen der übrigen Vereinsstaaten zu gewinnen; sey man aber Theil eines größern Ganzen, so sey es nicht immer möglich, seinen Ansichten alsbald Eingang zu verschaffen; die Interessen der Einzelnen müßten sich da oft wechselseitig kreuzen und es sey nicht möglich, die Wünsche Einzelner immer sogleich zu erfüllen. Zwei Interessen seyen es, die sich gegenüber ständen, die der Spinnerei und der Weberei; die letztere sey die ausgedehntere; die Interessen der ersteren aber die wichtigeren; die Ansicht, daß eine Zollerhöhung eintreten müsse, gewinne immer mehr Anhänger. Sander findet es auffallend, daß man bald von den großen und glücklichen Resultaten der neuen Spinnereien sprechen höre, bald von ihrer bedrängten Lage; wem solle man da glauben? Gerade unter1359 dem Zoll von 2 pr. Thlr. seyen sie entstanden; sie hätten also voraus gewußt, welchen Schutz sie zu erwarten hätten. Eine Erhöhung des Zolls möge im Interesse dieser Fabriken seyn, aber nicht in dem des Publicums. Man soll durch solche Zollerhöhungen den Abschluß von Handelsverträgen mit England und Frankreich nicht erschweren. Finanzminister v. Böckh: Die Bemerkung des Abg. Sander in Bezug auf die Unzuverlässigkeit der Klagen der Fabricanten sey im Allgemeinen richtig, aber im vorliegenden Fall nicht begründet; es sey richtig, daß die Baumwollenspinnereien mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten; aber nicht bloß darum handle es sich, sondern man führe eine große Menge englischer Garne ein und ernähre damit zum Theil die englische Population. Diesen Vortheil könne man dem eigenen Lande zuwenden, und einen Theil der Population, der Beschäftigung suche, beschäftigen. Christ findet die Idee einer allgemeinen Handelsfreiheit richtig, aber sie werde, wie der ewige Frieden, erst das Resultat einer in ferner Zukunft liegenden Weltentwickelung seyn. Ueberhaupt könne man die Bemerkung machen, daß der Geist der Neuzeit, entgegengesetzt dem des Alterthums und des Mittelalters, die Richtung habe, vom Besondern zum Allgemeinen überzugehen; früher hätten die Staaten isolirt dagestanden, jetzt vereinigten sie sich zu politischen Systemen je nach ihren Bedürfnissen und Interessen; diese Verschmelzung der Interessen, das Zurücktreten des individuellen, nationellen und Hervortreten des universellen, allgemeinen, menschheitlichen Interesses werde am Ende zur Verwirklichung jener Ideen allgemeiner Handelsfreiheit, ewigen Friedens führen; aber der Gang der Weltgeschichte sey langsam und die einzelnen Phasen brauchten oft Jahrhunderte zu ihrer Entwickelung. v. Itzstein: Die Erscheinungen im Norden Europa's zeigten, was von Verwirklichung der allgemeinen Handelsfreiheit zu halten sey. Wenn der Abg. Sander von der Blüthe und den glänzenden Geschäften der Spinnereien gesprochen habe, so sey es ein Anderes mit Actienunternehmungen, die es wohl in ihrem Interesse finden möchten, ihre Lage recht glänzend darzustellen, und ein Anderes mit Fabriken, die Einzelne mit eigenen Kräften gegründet hätten. Der Abg. Völker wünscht wenigstens für die Nummern Zollerhöhung, die in deutschen Fabriken auch gemacht würden. Finanzminister v. Böckh: Zu feine Distinctionen seyen nicht zweckmäßig und genirten den Handel. Der zweite Antrag wird nach geschlossener Discussion mit großer Mehrheit, und sodann das Ganze bei namentlichem Aufruf einstimmig angenommen. (Karlsr. Z.)

Se. kais. Hoh. der Großfürst-Thronfolger von Rußland ist in der verflossenen Nacht hier eingetroffen, aber heute früh wieder nach Bieberich abgereist. Der k. sardinische Gesandte am k. niederländischen Hof, Graf v. St. Marsan, kam gestern auch hier an.

Nach den hier eingetroffenen neuern Nachrichten wird der Kaiser Nikolaus die Kaiserin nach Ems begleiten und somit morgen hier eintreffen.

Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin von Rußland, nebst der Großfürstin Olga, kamen gestern halb 5 Uhr hier von Berlin an, und begaben sich sogleich nach dem Lustschloß Belvedere. Der Kaiser kam eher an, als er seine Ankunft melden ließ, die Harrenden, wie gewöhnlich bis auf den letzten Augenblick in Ungewißheit lassend. Sowohl im hiesigen Residenzschlosse als in Belvedere waren zugleich Vorbereitungen zum Empfang der hohen Gäste getroffen. Ihre Majestäten wollten die beiden Tage ihres Hierseyns durchaus ungestört im engsten Familienkreise zubringen, und zogen daher das Lustschloß vor, wo es Höchstdenselben bei Ihrem letzten Hierseyn schon so gefallen hatte. Der Kaiser ist wie immer sehr beschäftigt; der Courierwechsel ebenfalls stark. Viele vom Gefolge Ihrer Majestäten sind schon weitergereist; dessen ungeachtet belaufen sich die hier weilenden Personen desselben auf 140. In Begleitung unseres Großherzogs besuchte die Großfürstin Olga heute die Bibliothek und Goethe's Haus, beide mit Aufmerksamkeit durchmusternd. Die edle Prinzessin ist von reizendlieblicher Schönheit in zarter Jugendblüthe. Morgen ist Gottesdienst in der hiesigen russischen Capelle angesagt, welchem Ihre Majestäten und kais. Hoheiten beiwohnen werden. Die Kaiserin wird dann nach eingenommenem Déjeûner weiter reisen und unser Großherzog höchstdieselbe bis Eisenach begleiten. Darmstadt scheint das nächste Ziel ihrer Reise zu seyn, wohin auch schon der Thronfolger von Berlin über Magdeburg, Eisleben etc. geeilt ist. Der Kaiser wird später abreisen; wann aber ist wie gewöhnlich noch unbestimmt. Se. k. Hoh. der Prinz Luitpold von Bayern war gestern hier; der Großherzog hat ihn besucht; doch reiste der Prinz noch vor Ankunft der russischen Majestäten wieder ab. An unserem Hof ist wegen des Absterbens des Königs von Preußen eine vierwöchige Trauer angeordnet. Der Generalmajor v. Beulwitz ist zu Condolation und Gratulation nach Berlin geschickt worden.

Oesterreich.

Diesen Mittag ist Se. kais. Hoh. der Erzherzog Albrecht nach Berlin abgereist. Die Anzeige von dem Tode des Königs von Preußen hat hier tiefen Eindruck gemacht. Man sieht jetzt deutlich, wie beliebt der verewigte König war. Der Regierungswechsel in Preußen ist der Gegenstand aller Unterhaltung. Man fragt sich, ob dort Veränderungen eintreten werden, ob ein Wechsel im Personal der hohen Administration stattfinden dürfte. Man glaubt, daß dieß nicht der Fall seyn werde, wagt jedoch nicht mit Bestimmtheit darüber zu sprechen. Der neue Regent Preußens genießt hier die allgemeine Achtung, und seine Fähigkeiten, seine hohe Bildung werden von Allen gepriesen, die Gelegenheit gehabt haben, ihn kennen zu lernen. Er hatte vor mehreren Jahren Wien mit seiner Gegenwart beehrt, und Erinnerungen zurückgelassen, welche die Gewißheit geben, daß er gleich seinem vielbetrauerten Vater die Bande erhalten wird, welche Oesterreich an Preußen knüpfen, und zur Befestigung des allgemeinen Friedens wie zur Eintracht in Deutschland hauptsächlich beitrugen.

China und Siam.

Der Courier gibt unter andern Mittheilungen aus den letzten von China angekommenen Nachrichten auch einen Brief eines Officiers vom Schiff Volage, aus Pang-ku, 29 Januar. Wir haben durchaus keine Aussicht, den Handel wieder geöffnet zu sehen; er ist durch ein besonderes Edict des Kaisers für immer und einen Tag aufgehoben worden. Selbst amerikanischen Schiffen oder denen anderer Nationen bleibt es verboten, brittische Waaren in den Hafen zu bringen. Der Admiral, den wir im November so gedroschen haben, ist für den vollständigen Sieg, den er erfochten hat, zum Ritter geschlagen worden; doch scheint er nicht geneigt, sich mehr Ehren dieser Art zu erwerben, indem wir seitdem drei - oder viermal ausgelaufen sind, und er seine Flotte immer innerhalb der Befestigungen gehalten hat. Wir haben auf alle Weise versucht, sie zum Feuern auf uns zu bringen, indem wir uns innerhalb ihrer Schußlinie gestellt haben, aber die armen Teufel haben keine Lust dazu, und es ist fast absichtlicher Todtschlag, wenn man mit ihnen anfängt. Dessen ungeachtet haben sie uns alle Art von Schimpf und Schaden angethan, wofür sie, hoff 'und1360 vertrau' ich, noch büßen sollen. Der Opiumhandel ist jetzt nicht viel anders als Seeräuberei, und der einzige Beweggrund, aus dem Jemand sich darauf einläßt, ist der rücksichtlose Wunsch, sich auf Kosten chinesischer Leben Geld zu erwerben; es gibt viele starke Gründe, um ihn zu unterdrücken. Ich werde diesen Brief durch den Thomas Coutts senden, das erste Schiff, das gegen die Verordnung des Superintendenten die Verschreibung unterzeichnete und in den Hafen einlief ein Beispiel, das seitdem nur von einem einzigen Schiffe befolgt worden ist. Meine Zähne sind mir von lauter Zwiebackessen, davon wir nun fünf Monate gelebt haben, zu Stumpfen geworden, und doch will uns der kaiserliche Commissionär nicht einen einzigen Tag weiches Brod erlauben, wofür ich ihm aber, sobald ich ihn zu fassen bekomme, seinen Schopf abschneiden will. Nach Briefen aus Siam hat sich Teh, chinesischer Gouverneur von Macao, bei dem feindlichen Manöuvre des Schiffes Hyacinth mit seinen Truppen eiligst davon gemacht, besonders nachdem ihm die portugiesischen Behörden versichert hatten, daß bei längerm Widerstand die Engländer ihnen beiderseits Macao wegnehmen würden. In Siam selbst ward die Unterdrückung des Opiumhandels mit gleicher Strenge wie in China durchgeführt, und ein reicher Kaufmann, brittischer Unterthan in Bancock (Bancasay, siamesisch Fon, Hauptstadt der siamesischen Küstenprovinz Bancasay) ward, weil man 19 Ballen Opium in seinem Hause entdeckte, mit Ketten beladen ins Gefängniß geworfen. Nach Nachrichten aus Singapur ging in Batavia das Gerücht, daß die holländischen Besitzungen in Sumatra, von Java getrennt und zu einem besondern Gouvernement erhoben werden sollten, wozu man jedoch von Java eine Beisteuer von 4,000,000 holl. Gulden verlangen würde. Dieß ließe auf die Absicht der Holländer schließen, sich jene große und schon seit langer Zeit genauer umschiffte und untersuchte Insel nun vollkommen zu unterwerfen.

1353

Dr. Helfer.

Birma ist seit kurzem ziemlich ruhig; ob aus Furcht, die Expedition nach China möchte in Rangun landen, oder weil Tharawaddi, der König, ganz in seine Krönungsfeierlichkeiten, die sechs Wochen dauern sollen, versunken ist, kann nicht leicht ermittelt werden. Die Naturwissenschaften im Allgemeinen, und die brittische Regierung insbesondere, haben kürzlich in jenen Gegenden einen großen Verlust erlitten durch den gewaltsamen Tod des Naturforschers Dr. Helfer. Dieser kühne Reisende (ein Oesterreicher von Geburt) kam mit seiner eben so ausgezeichneten Gattin, einer deutschen Adeligen, vor einigen Jahren durch Syrien und den Euphrat herab, auf einem der Dampfschiffe unter Obrist Chesney. Das Dampfboot scheiterte und kaum retteten unsre Reisenden ihre kleine Habseligkeiten. Sie glaubten sich wieder gesichert, als sie am Tage nach dem Schiffbruch entdeckten, daß zwei Mitreisende, die sich für indische Prinzen ausgegeben hatten, mit ihrer ganzen Baarschaft sich davon gemacht hatten. Durch Hülfe der Engländer in Bassorah und Buschir erreichten unsre Reisenden Bombay, endlich Calcutta. Es machte dem Schreiber dieses wahres Vergnügen, Dr. Helfer eine passende Stelle verschafft zu haben, als die Regierung ihn ersuchte, die den Birmanen abgenommenen, fast unbekannten Länderstrecken in der östlichen Bay von Bengalen als Naturforscher zu bereisen. In jenen Gegenden hat sich Dr. Helfer seit dem Jahre 1837 aufgehalten. Er und seine Gattin durchzogen die wilden Strecken von Tenasserim; manche schöne Ausbeute in mineralogischer und geologischer Beziehung haben wir Dr. Helfer zu verdanken, während die Botanik mit Vergnügen die unermüdliche Thätigkeit seiner kenntnißreichen Gattin ehren wird. Es ist hier nicht der Ort, die für Indien so äußerst wichtigen Entdeckungen unsers Landsmannes näher zu schildern; aber seine an die Regierung gerichteten officiellen Berichte verdienen allgemein bekannt zu werden, und sollen später im Auszug nachfolgen.

Dieser verdienstvolle Mann nun fand in der vollen Kraft seines Lebens ein tragisches Ende. Zu Anfang dieses Jahres bestieg er ein kleines, von der Regierung zu diesem Zweck bestimmtes Schiff, die Katharine, um den Archipel von Mergui, die Nicobar - und Andamanen Inseln als Naturforscher zu besuchen. Auf einer der Andamanen ging Dr. Helfer verschiedenemale ans Land und suchte die wilden Bewohner durch kleine Geschenke zu seinen Gunsten zu stimmen. Alles schien gut von Statten zu gehen. Am 31 Jan. betrat er in Begleitung von gänzlich unbewaffneten Matrosen das Land; bald sah man vom Bord der Katharine aus, daß ein Häuptling wie gewöhnlich auf freundliche Weise sich ihm näherte. Aber plötzlich entstand ein Lärm; das Boot, in welchem Dr. Helfer ans Land gefahren war, wurde umgeworfen, und unser Reisender wie seine Begleiter suchten sich durch Schwimmen zu retten. Ein ganzer Haufen der unbändigen Insulaner stand am Ufer; sie schossen ihre Pfeile auf die Unglücklichen ab. Ein Pfeil traf Dr. Helfer an den Kopf; er sank augenblicklich und wurde nicht mehr gesehen.

Die Colonie von Liberia.

Die Colonie Liberia auf der Westküste von Afrika, welche im Jahr 1820 von der amerikanischen Gesellschaft für Colonisirung freier Neger gestiftet wurde, hat zwar die Hoffnung, welche man anfangs von ihr hatte, nicht erfüllt, indem man glaubte, daß sie ein Mittel geben würde, die nordamerikanischen Neger nach und nach wieder nach Afrika zurückzuschicken, und dort einen großen civilisirten Staat durch sie zu gründen, welcher den Rest von Afrika aus seiner Barbarei reißen könnte. Die Sklavenbesitzer und die Abolitionisten widersetzten sich auf gleiche Art dem Plan, und haben daher die Resultate auf einen kleinen Theil dessen, was beabsichtigt war, reducirt. Die Colonisationsgesellschaft hat jedoch nach Möglichkeit den Plan fortgesetzt, und nicht ohne Erfolg. Sie war ungemein glücklich in den ersten Gouverneurs, die sie ausschickte, aber später wurden viele Fehler begangen, welche der Entwicklung der Colonie schadeten, obgleich sie sie nicht ganz verhinderten. Im letzten Jahr schickte die Gesellschaft einen neuen Gouverneur mit einem Plan von Municipalorganisation dahin, und hat Maaßregeln getroffen, eine regelmäßige Linie von Paketbooten zu errichten, um Passagiere, Colonisten und Waaren hin und her zu transportiren.

Hier folgt ein Auszug aus dem Bericht des Gouverneurs über seine Aufnahme und den Zustand, in dem er die Colonie fand: Den Tag nach meiner Inauguration begann ich eine Reise in die Niederlassungen im Innern in Begleitung des Colonialsecretärs, Hrn. Teags, und eines der Räthe, Hrn. Brander. Trotz der Schnelligkeit unserer Reise, und obgleich unsere Ankunft nur wenige Stunden zuvor angekündigt worden war, fanden wir überall die Bewohner der Dörfer versammelt, und sie empfingen uns mit Kanonenschüssen und andern Freudenbezeugungen. Die Nothwendigkeit einer schnellen Rückkehr nach Monrovia (der Hauptstadt der Colonie), zwang mich oft, die öffentlichen Essen abzulehnen, welche die Ortschaften mir anboten. Ich konnte nirgends viel länger bleiben, als so lange nöthig war, eine kurze Rede zu halten und die Constitution so wie den Brief der Gesellschaft vorzulesen, welche beide mit allgemeinem Beifall aufgenommen wurden. Ich war sehr erfreut, die großen Verbesserungen zu sehen, welche seit meinem letzten Besuch hier, vor drei Jahren, an dem ganzen Ufer des Flusses St. Paul hin vorgenommen worden waren. Von Neugeorgia bis Millsburgh, einer Distanz von 17 Meilen, bietet das rechte Ufer des Flusses eine fast ununterbrochene Linie cultivirten Landes dar, und man sieht viele Pachtgüter von beträchtlicher Ausdehnung. Das linke Ufer ist noch immer von der reichen Vegetation ununterbrochener Wälder bedeckt, und bietet eines der schönsten Schauspiele der Natur dar, obgleich meinem Gefühl nach die reinlichen Häuser, die reifen Kornfelder und sogar die schwarzen Flecken des eben zum Umbruch niedergebrannten Waldes reizender sind, als alle Schönheit der wilden Natur dieses gesegneten Landes. Wir erreichten Millsburgh etwas vor Abend, besuchten die Niederlassung im Detail und bestiegen einen Hügel in einiger Entfernung von dem Fluß, wo wir eine gute Aussicht auf das Dorf und die Gegend hatten. Millsburg liegt sehr angenehm; es besteht aus einer Straße, welche am Fluß hinläuft und etwa 1 1 / 2 Meile lang ist. Die Straße ist gut chaussirt und ihrer ganzen Länge nach mit Bananen bepflanzt. Nach der Reinlichkeit der Häuser und der guten Cultur der Felder zu schließen, möchte man sagen, daß alle Einwohner wohlhabend seyen, und alle meine Nachfragen bestätigten diesen ersten Eindruck; ich gebrauche natürlich hier das Wort wohlhabend in einem beschränkten Sinne. Letztes Jahr wurden hier 4000 Buthels Kartoffeln und eine große Quantität1354 Mais, Cassava, Reis und Gemüse erzeugt. Heuer ist in Millsburgh und an der ganzen Linie des St. Paul hin wenigstens zehnmal mehr Korn angesäet worden, als in irgend einem der früheren Jahre. Neugeorgia ist noch dieselbe wohlhabende Niederlassung, wie ich sie vor drei Jahren bewunderte; das Dorf selbst ist wenig verändert, aber in den Umgegenden ist viel Wald umgebrochen worden und die Cultur sehr im Zunehmen. Nachdem wir Caldwell verlassen hatten, besuchten wir das Experimentalgut der Colonie, mit dem ich für die wenige Zeit, seit der es angelegt worden ist, sehr zufrieden bin; etwa 30-40 Morgen sind unter Cultur, worunter 8-9 mit Zuckerrohr bepflanzt, das sehr gut gedeiht und im September reifen wird, wo dann die Zuckermühle zum erstenmal in Gang gesetzt werden wird. Hierauf schifften wir uns nach Bassa Cove ein, wo wir den nächsten Tag eintrafen, und wo mich meine alten Freunde herzlich empfingen; Männer, Weiber und Kinder drängten sich ans Ufer, als mein Boot landete, und erdrückten mich fast mit ihren Freundschaftsbezeugungen. Ich hielt eine öffentliche Versammlung der Bürger von Bassa Cove und Edina und legte ihr die neue Constitution so wie die Briefe der Committees von New-York und Philadelphia vor; die Constitution wurde mit sichtbarer Freude angehört und einstimmig angenommen. Die Versammlung setzte eine Commission von fünf Mitgliedern nieder, um eine Dankadresse an die Gesellschaft zu entwerfen. Seit dem 1 Januar des laufenden Jahres sind in Bassa Cove und Edina über 250 Morgen Landes neu umgebrochen worden, und die Urbarmachung geht noch immer mit einer Energie vorwärts, die mich in Erstaunen setzt.

Hierauf folgen seine Vorschläge über die Errichtung einer neuen Niederlassung in Bassa am Ausfluß des St. Paul, worauf er hinzusetzt: Die Vortheile derselben beständen in einem guten Hafen und einem zu jeder Jahreszeit sichern Landungsplatz, und zweitens in der Leichtigkeit, die sie uns geben würde, alle Berührung zwischen der Colonie und den Sklavenhändlern an der Küste abzuschneiden; der Hafen würde bald der Ausfuhrhafen für das ganze Thal des St. Paul werden, und er ist der einzige Platz an der ganzen Küste, den ich noch auf viele Jahre hin colonisirt zu sehen wünsche. Ich bin schon lange überzeugt, daß wir an der Küste keine andern neuen Niederlassungen gründen sollten, außer wo wir die dringendsten Gründe dazu haben. Unsere Politik muß seyn, gegen das Innere vorzudringen und uns auf den Anbau dieses reichen Bodens zu verlassen. Eine beträchtliche Niederlassung hier (in Monrovia) und eine in Bassa würde der Colonie mehr Bedeutung geben und sie besser gegen Sklavenhändler und gegen die Nationen des Innern schützen, als zwanzig kleine Häfen an der ganzen Küste hin; ich empfehle daher dringend, daß die nächste Expedition von neuen Colonisten an den angegebenen Ort geschickt werde.

Dieser Bericht läßt zu gleicher Zeit die Gefahren, welchen die Colonie ausgesetzt ist, und die Fortschritte, die sie macht, sehen, obgleich er sie mit Vorsicht und nur für die anzeigt, welche die Lage der Colonie kennen. Die große Gefahr für die Colonie bestand in der Neigung eines großen Theils der Colonisten, sich zu Krämern zu machen, anstatt sich der Cultur zu widmen; sie zogen besonders in den letzten Jahren mit ihren Waaren an der Küste, am Flusse hin, und im Innern bei den Negerstämmen herum, und ein Theil von ihnen trieb Sklavenhandel, wo sie es vortheilhafter fanden. Man hätte kaum glauben sollen, daß eine aus losgekauften Sklaven bestehende Colonie diesem ausgesetzt seyn könnte, aber die Abneigung gegen Arbeit, die Anwesenheit zahlreicher Sklavenschiffe an der Küste, die alte Organisation des Handels, welcher das Innere des Landes bis in die Mitte des Continents demoralisirt hatte, waren zu starke Versuchungen für den schlechtern Theil der Ansiedler. Daher will der neue Gouverneur, der ein Mann von Verstand und Charakter ist, keine neuen Niederlassungen an der Küste, außer am Einfluß des St. Paul, der seit langer Zeit den Canal für diesen Handel bildete, den er durch ein beträchtliches Etablissement am Ausfluß des Flusses abzuschneiden hofft. Das größte Zeichen des Fortschritts der Colonie liegt in der Zunahme des Ackerbaues, welcher beweist, daß es gelungen ist, den größten Theil der Bevölkerung zu fixiren. Man sieht aus dem jährlichen Bericht der Colonisationsgesellschaft vom 15 Februar des gegenwärtigen Jahres, daß die Gesellschaft die strengsten Maaßregeln genommen hat, dem Uebel vollends ein Ende zu machen; sie erklärt die Sklavenhändler für Seeräuber, und befiehlt, daß jeder Bürger von Liberia, von dem bewiesen wird, daß er mit ihnen auf irgend eine Art in Verbindung gestanden sey, als Verräther an der Colonie criminell behandelt und mit Tod bestraft werde. Der Bericht setzt hinzu: Seit Jahrhunderten hat man sich über die Fähigkeit der Negerrace gestritten; die Gesellschaft hält sie für fähig, unter gleich günstigen Umständen eine der Civilisation der Weißen gleiche Stufe zu erreichen, und hat die Colonie von Liberia gestiftet, um den praktischen Beweis davon zu liefern. Die civilisirte Welt beobachtet den Versuch mit großem Interesse, und er muß fortgesetzt werden. Man muß der Habsucht einiger Individuen nicht erlauben, ihn zu vereiteln, wie streng und summarisch auch die Gesetze seyn mögen, die nöthig seyn können, sie unschädlich zu machen.

Ungarn und Croatien.

(Aus dem Századunk übersetzt.) In der Allg. Zeitung Nro. 88 lesen wir einen Artikel, dessen Verfasser sich wundert, daß bei uns die Nationalisirung und die Verbreitung der vaterländischen Sprache Allem vorgezogen wird. Er beruft sich häufig auf die Geschichte, vergißt aber, daß überall bei gemischten Völkern dieß die Prämisse der eigenthümlich nationalen Entwicklung gewesen ist. In Nordamerika, wohin ein Gemisch so vieler Nationen gezogen, ist dennoch eine einzige, nämlich die englische, die Sprache des Staats. In Frankreich wie in England wurde die Sprache der Eroberer, nachdem sie sich mit jener der Eroberten ziemlich amalgamirt hatte, doch endlich zur Staats - und Amtssprache. In Ungarn wird zufolge des bisher bestandenen Systems die ganze Nation durch den Adel vertreten. Die Vertretung kann verschiedene Formen annehmen; in unserem ungarischen Vaterlande bildet, wie es Chateaubriand bemerkt, der Adel den Wahlkörper, der als solcher im Verhältniß zur Bevölkerung bedeutend zahlreicher ist als in Frankreich, und weil es hier auch einen unbegüterten Adel gibt, so ist es klar, daß ein solcher Wahlkörper neben dem aristokratischen Element auch ein demokratisches in sich trägt. Uebertreibungen und Mißbräuche beweisen nichts gegen ein System, sie zeigen bloß die Nothwendigkeit, es zu verbessern, nicht aber es aufzuheben. Welch eine beschränkte Auffassung ist es, die Vertretung und Wählbarkeit einzig und allein vom Steuerquantum abhängig zu machen! Das Wahlsystem Ungarns beruht auf einer solchen Mischung des aristokratischen und demokratischen Elements, wie sonst nirgends in Europa. Die Geschichte unserer Landtage, besonders in neuerer Zeit, liefert einen genügenden Beweis, daß der meistentheils begüterte Adel, dessen Grund und Boden das Landvolk nutznießt, keineswegs unwürdig gewesen sey, auch dieses zu vertreten. Ich glaube kaum, daß jener Theil des Bauernstandes, der bei einer andern Art1355 der Vertretung etwa direct betheiligt worden wäre, bei dem Grade seiner jetzigen Bildung für das Wohl des Volks mehr gethan haben würde, als seine adeligen Vertreter gethan. Indessen läugne ich nicht, daß diese in gewissen Dingen in einer gründlichern Richtung und zweckmäßigern Reihenfolge, vielleicht auch mit zweckdienlichern Mitteln hätten zu Werke gehen können. Ohne Zweifel wird mit der Zeit auch das Volk überall einen unmittelbaren Antheil an der Vertretung gewinnen; dieß setzt aber bei uns noch mehrfältige Prämissen voraus, und die Rechte des Volks werden am sichersten nach Maaßgabe der Entwicklung nationaler Erziehung erweitert. Die Staatsmänner Englands haben dieß bei Anlaß der Emancipation der westindischen Sklaven, mit deren früherem Loos verglichen selbst der vormalige Zustand unserer Bauern ein paradiesischer war, vollkommen eingesehen.

Vergebens behauptet der Verfasser obenerwähnten Artikels, daß wir nichts besitzen, was andere Nationen erst zu erhalten suchen müßten; denn unser Municipalsystem allein, gegen jenes anderer europäischen Nationen gehalten, würde hinreichen, vom Gegentheil zu überzeugen doch erfordert auch dieses Verbesserung. Wie kann er dann ausrufen, das Land als Land wird nicht vertreten? Vielleicht liegt gerade darin der Hauptfehler, daß beinahe ausschließend nur das Land, d. h. das unbewegliche Eigenthum vertreten wird.

Was die königlichen Freistädte betrifft, ist es noch sehr zweifelhaft, ob sie alle zusammengenommen an Volkszahl und real drei großen Gespannschaften gleichgestellt werden könnten. Obschon nun auch hiebei eine Reform noth thut, so ist man doch auch hier schon auf dem Wege, und die eifrigste Bereitwilligkeit ist dazu vorhanden: freilich in dem Sinn, daß auch hier das demokratische Element mit dem aristokratischen vermengt werde.

Die Superintendenten der Protestanten haben als solche keinen Sitz beim Landtag; sie besitzen aber auch kein namhafteres und bleibendes Grundeigenthum. Es fragt sich übrigens, ob selbst in dem Fall, wenn die protestantischen Superintendenten beim Landtag Sitz und Stimme gehabt, sie, bei den jetzigen Religionswirren Europa's, mehr erlangt haben würden, als sie bereits, besonders bei dem neuesten Landtag, erlangt haben.

Es ist wahr, daß die slavische und deutsche Bevölkerung das Vaterland ebenfalls zu jeder Zeit vertheidigt hat, doch dieß geschah ja überall, in allen Ländern Europa's, wo die Bevölkerung verschiedene Sprache spricht, und in Nordamerika geschieht es gleichfalls; dennoch ist auch dort die Staats - und Amtssprache nur Eine. Kein vernünftiger Mensch fordert, daß der deutsche oder slavische Bewohner Ungarns seine Sprache vergesse, sie im Verkehr mit seinen Sprachgenossen nicht spreche, nur das wünscht man, daß derselbe auch der ungarischen Sprache kundig sey, und dieß wünscht man zu ihrem eigenen Heil sowohl als im Interesse des Wohls und der Kräftigung des Volks und des Königs. Der Sprachzwang verdammt jeder gerechte und vernünftige Mensch, ja er hält ihn sogar gerade in Beziehung auf die Nationalisirung für schädlich, denn er erzeugt Reaction, und eine jede Reaction verzögert; doch ist ja dieser Zwang durchaus nicht allgemein im Lande, und kann nur als Ausnahme erwähnt werden. Die heftigern Aufwallungen der, in redlicher Absicht eifernden Jugend können eben so wenig für den gemeinsamen Nationalgeist gelten, wie die einstigen Gährungen der deutschen Burschenschaften. Das Eifern gegen die lateinische Sprache ist eine natürliche Folge davon, daß sie unsere vaterländische so lange Zeit hindurch unterdrückt, und von den öffentlichen Angelegenheiten ausgeschlossen hat. Dieser Abscheu gilt nicht der römischen, sondern der barbarisch-lateinischen Sprache, und es liegt darin die Anerkennung der großen Wahrheit, daß eine todte Sprache, weder in den amtlichen noch in den gesellschaftlichen Berührungen, als gemeinsame Nationalsprache erhalten werden könne, ohne zu degeneriren. Sie kann zwar dazu behülflich seyn, den Austausch der jetzigen Ideen und ihrer Formen zu fördern, doch vermag sie dieses Bedürfniß bei der nothwendig in eigenthümlich nationellem Geiste zu geschehenden Entwicklung nur äußerst unvollständig zu befriedigen.

Das also nur scheint wahr und dient zugleich zum Beweis des praktischen Blicks des Verfassers, was er von den Uebertreibungen und Uebergriffen der Eiferer verdammend spricht, das Uebrige verräth wenig Spuren einer sorgfältigeren Würdigung der gegenwärtigen Lage unseres Landes und Volkes. Jener Ausdruck aber magyarische Sprache statt der sonst üblichen ungarischen Sprache klingt eben so, als wenn ein ungarischer Schriftsteller in einem Artikel über Deutschland, statt zu sagen: die deutsche Sprache, wie dieß allgemein gilt, sich der Worte: die allemanische, teutonische, germanische Sprache, bedienen würde. Jenes verächtliche Vornehmthun, mit welchem einige besonders inländische oder nachbarländische deutsche Schriftsteller uns und unsere Einrichtungen behandeln, gleichsam um sich für die zeitweisen französischen Verunglimpfungen deutscher Zustände schadlos zu halten, dürfte nunmehr eben so lächerlich als ungerecht erscheinen. Sie gleichen jenen, weiland kriechend ihre Köpfe erhebenden Höflingen, die Voltaire treffend mit den Worten schildert:

Ils rampent vers Versailles essuyer des mépris,
Pour revenir en poste les rendre à Paris.

Es wäre besser, unser unter so vielen von oben und von unten herrührenden Hindernissen beginnendes Vorwärtsschreiten Schritt vor Schritt mit Aufmerksamkeit zu begleiten und zu würdigen, dann würde es sich herausstellen, wie viel Spannkraft hier ist, und welche sua si bona norint den Keim einer glücklicheren Zukunft in sich tragenden, bis jetzt schlummernden Kräfte bei einer Nation zu gähren beginnen, welche bei allen ihren Mängeln und Uebertreibungen, und ungeachtet der äußern und innern Hindernisse, dennoch in so kurzer Zeit, in so vielfältiger Beziehung, und so augenscheinlich vorwärts geschritten, und deren größtes Unglück ist, daß der mächtigere Trieb der nationalen und der materiellen Entwicklung gleichzeitig und im nämlichen Augenblick bei ihr rege geworden. Gr. G. D.

der eigentlichen Quelle unparteiisch nachforschen wollte, aus welcher der seit beiläufig zehn Jahren in Ungarn so mächtig aufkeimende, die deutsche wie die slavische Nationalität bedrohende Magyarismus hervorsprießt, so würde man leider bald gewahr werden, daß nicht den Magyaren allein diese Magyarisationswuth zur Last fällt, sondern daß ein bedeutender Antheil an dieser traurigen Erscheinung den in Ungarn ansässigen Nichtmagyaren selbst zugeschrieben werden muß. Welcher redliche Mann, der noch einen Funken Gefühl für seine angeborne Nationalität in der Brust bewahrt, wird nicht mit Entrüstung erfüllt, wenn er täglich neue Beispiele sieht, die sogar durch öffentliche Blätter kund gemacht werden, wie sich ein Daubach in Daubatsy, ein Steiner in Kövöcses, ein Rosenthal in Rozsahelgyi, ein Goldburger in Aranyvary, ein Demetrievich in Dömötörsi etc. metamorphosiren läßt, um seinen ehrlichen deutschen oder slavischen Namen in asiatisch rasselnde, unsern europäischen Ohren unheimlich klingende Töne zu verrenken? Wahrlich, zu keiner Zeit, und am wenigsten in der gegenwärtigen, hat ein Deutscher oder ein Slave Ursache gehabt, sich seiner Abstammung unter den Völkern1356 Europa's zu schämen, und wenn man erwägt, daß diese Verläugnung jedes bessern Gefühls heutzutage in einem Lande sich so oft erneuert, wo ein deutscher Kaiser als König von Ungarn herrscht, und in welchem mehr als zwei Drittel Deutsche, Slaven und Romanen (Wallachen) wohnen, so muß man diejenigen um so tiefer verachten, die ihre angeborne, durch die Landesverfassung garantirte Nationalität von sich werfen, um entweder aus schmutzigem Eigennutz oder aus schnödem Knechtsinne dem magyarischen Stolze zu fröhnen. Und dann wundert man sich noch, daß nach ähnlichen, täglich vorkommenden Beispielen von Selbstentwürdigung der Magyare alle andern Völker mit Geringschätzung betrachtet, und mit stupidem Hochmuth ausruft: Toth nem ember, der Slave ist kein Mensch! So lange sich diese Magyarisationswuth auf die Gränzen des eigentlichen Ungarns beschränkte, konnten die mit dem besagten Königreich verbündeten Nebenländer wohl dieses ungerechte Treiben in stiller Wehmuth beklagen, durften aber für ihre eigene Nationalität keine Besorgnisse hegen. Da jedoch in den letzten Januartagen des laufenden Jahres in einer gemischten Reichstagssitzung zu Preßburg ein Gesetzentwurf Sr. Maj. dem Kaiser und König unterbreitet wurde, vermöge welchem die magyarische Sprache für alle mit Ungarn verbündeten Länder als Gesetzes - und Landessprache in der Art proclamirt werden sollte, daß nach Verlauf von zehn Jahren Niemand, der dieser Sprache nicht mächtig seyn werde, in den erwähnten Nebenländern weder ein Meisterrecht erlangen, noch auf das Bürgerrecht Ansprüche machen könne, so erhält hiedurch das bisher zwischen Croatien und Slavonien einerseits und Ungarn andrerseits bestandene gesetzmäßige Verhältniß eine ganz andere Gestalt, und die Croaten und Slavonier können in den modernen Magyaren nicht mehr wie in den bisherigen biedern Ungarn, die mit ihnen unter dem milden Scepter eines und desselben gemeinsamen Landesvaters im unangefochtenen Genuß ihrer angestammten Nationalitäts - und Municipalitätsrechte seit Jahrhunderten in friedlicher Eintracht und gegenseitiger Achtung lebten, ihre Brüder anerkennen, sondern müssen sie nach den neuesten Vorgängen als ihre Unterdrücker betrachten, die ihnen das theuerste Erdengut auf die ungerechteste Art wegzunehmen entschlossen sind, um die drittehalb Millionen Magyaren zu einer sogenannten grande nation auf Kosten fremder Nationalitäten und Gerechtsame zu erheben. Auf die wohlbekannte Gerechtigkeitsliebe und Huld ihres allergnädigsten Monarchen vertrauend, hoffen die Croaten und Slavonier jedoch mit voller Zuversicht, daß sie dessen souveräne Macht gegen derlei empörende Attentate auf ihre Nationalität, die weit älter als die ungarische in Europa ist, in Schutz nehmen werde. *)Wir bemerken, daß diese Mittheilung geschrieben war, ehe der eben geschlossene Landtag zu Ende ging.

Im Herbst des vergangenen Jahres ist bei dem ungarischen Landtage bei Gelegenheit der Debatten über die Einführung der magyarischen Sprache auch sogar in den Militär-Gränzlanden von einigen magyarischen Solonen der Opposition den croatischen und slavonischen Militärgränzen der sehr naive Vorwurf gemacht worden, daß sie ganz zu vergessen scheinen, wie auch sie ungarisch seyen. Es ist schwer, eine Sache zu vergessen, die nie war, und von der kein Illyrier bis jetzt etwas wußte. Wir verweisen die Magyaromanen, die diesen sonderbaren Antrag stellten, auf den im Jahr 1838 zu Agram im Druck erschienenen Aufruf an Illyriens hochherzige Töchter von einem unserer edelsten und wärmsten Vaterlandsfreunde, dem Grafen Janko Draskovich verfaßt, worin mit seltener historischer Treue der wahre Ursprung unserer Verbindung mit Ungarn durch unwidersprechliche Beweise constatirt, und geschichtlich nachgewiesen wird, daß nach der unglücklichen Tartarenschlacht am Sajo im Jahr 1241, wo ganz Ungarn durch die Mongolen erobert und entvölkert wurde, die Wiederherstellung dieses Reiches nur den croatischen, slavonischen und dalmatischen Illyriern verdankt werden muß, die den fliehenden König Bela IV auf dem illyrischen Boden unter die Obhut ihrer Waffen nahmen, und nach dem durch illyrisches Blut auf dem Grobniker Felde erfochtenen Sieg auf den verlornen Thron wieder einsetzten. Wir müssen ferner diesen magyarischen Eiferern ins Gedächtniß zurückrufen, daß Ungarns Stolz, der Leonidas des 16ten Jahrhunderts, Nicola Subich-Zrinski (Niclas Zrinyi), sammt seiner ganzen Sigether Heldenschaar dem illyrischen Volksstamm angehört.

Die Croaten und Slavonier ehren hoch die biedere hochherzige ungarische Nation, und wünschen gewiß nichts herzlicher, als mit den Ungarn wie mit ihren Brüdern unter dem gemeinsamen Landesvater und Herrn in Eintracht und Heilighaltung der gegenseitigen Rechte wie bisher zu leben; aber unter Ungarn verstehen sie nicht den Magyarenstamm allein, sondern alle Volksstämme insgesammt, die dieses Königreich als gesetzliche Insassen bewohnen und lange vor dem Eindringen der Magyaren bewohnt haben. Für uns ist ein in dem eigentlichen Ungarn geborner oder gesetzlich naturalisirter Deutscher, Slave, Romane etc. eben so gut ein Ungar, als der Magyare selbst, und so sehr die Croaten und Slavonier die ungarische Nation mit allen ihren jetzigen Bestandtheilen hochschätzen, eben so sehr werden sie mit Gottes und ihres Monarchen Hülfe und Schutz an der von ihren Vätern ererbten Sprache, Nationalität und Gerechtsame mit aller Anhänglichkeit festhalten, und sich des gewaltsamen Aufdringens einer ihnen fremden Sprache alles Ernstes erwehren.

Frankreich.

Folgendes ist der vollständige Inhalt der Correspondenz zwischen General Bertrand und dem Grafen Survilliers in Betreff der Waffen Napoleons: I. Paris 9 Mai 1840. Hr. Graf! Ich habe, wie ich bereits Ihnen anzuzeigen die Ehre hatte, Schritte gethan, um die von dem Kaiser ausgedrückten letzten Wünsche, die zugleich die Wünsche von ganz Frankreich geworden, zu erfüllen. Ich habe es als meine Pflicht angesehen, deren Vollzug zu besorgen. Wenn aber auch das Resultat nicht so günstig seyn sollte, als wir es wünschen müssen, so werden jedenfalls die Waffen Napoleons dem Gouverneur der Invaliden überliefert werden, und Sie werden in dem, was mir zu thun übrig bleibt, mein sehnliches Verlangen, Ihren Wünschen zu entsprechen, erkennen. Genehmigen Sie, Hr. Graf, meine Gefühle des Danks, der Ehrfurcht und erlauben Sie mir die Gefühle der aufrichtigen Anhänglichkeit beizufügen. (Unterz.) Bertrand.

II. Paris, 4 Junius. Hr. Graf! Nach der Vorlegung des Gesetzesentwurfs, die Abholung der sterblichen Reste des Kaisers betreffend, hat der König mir die Ehre erwiesen, mich zu empfangen. Ich habe Sr. Maj. gedankt, die letzten Wünsche des großen Napoleon erfüllt zu haben, und ihm gesagt, daß ich gesonnen sey, den Invaliden die Waffen des Kaisers im Namen seiner Verwandten und in meinem Namen zu überliefern. Der König antwortete mir, daß ihm dieses Anerbieten von meiner Seite natürlich erscheine, daß aber weder seine Minister noch er darein willigen könnten, daß jene Waffen den Invaliden im Namen der Familie des Kaisers überliefert1357 würden. Trotz meiner dringendsten Bitten beharrte der König bei seinem Entschluß. Nachdem ich meinen Hauptzweck, die Vollziehung des letzten Willens des Kaisers erreicht hatte, und beruhigt war, diese Pflicht erfüllt zu haben, hatte ich nun keinen weitern Wunsch, als das zu thun, was ich als Ihnen angenehm vernommen hatte, und ich kann mit Wahrheit sagen, daß ich bei diesem Anlaß mit aufrichtigem Eifer zur Betreibung Ihrer Absichten gehandelt habe. Daß mir dieß nicht gelungen ist, war für mich ein wahrer Schmerz; diesen Schmerz empfinde ich noch jetzt, und werde ihn nach St. Helena mitnehmen. Der König hat mich gefragt, ob es mir nicht angemessener erscheinen würde, bis dahin, wo die Waffen auf den Sarg niedergelegt werden könnten, sie, statt sie verborgen zu halten, im Palast der Tuilerien zu deponiren. Er setzte hinzu, er glaube dieses Zeichen des Vertrauens für Alles, was er in dieser Sache gethan, verdient zu haben. Ich war derselben Ansicht, und die Waffen werden nun bei den Krondiamanten niedergelegt. Wenn eines der Resultate des großen Ereignisses, welches seit einigen Wochen die öffentliche Aufmerksamkeit beschäftigt, darin bestehen könnte, Ihnen die Thore des Vaterlandes zu öffnen, so wären meine innigsten Wünsche erfüllt, besonders wenn ich mir schmeicheln könnte, etwas dazu beigetragen zu haben. Geruhen Sie Hr. Graf mir Ihr Wohlwollen zu bewahren und meine tiefste Ehrfurcht zu genehmigen (Unterz.) Bertrand.

III. London, 6 Junius. Der Tod Napoleons II endigte die Mission, welche Sie von dem Kaiser erhalten hatten, so wie die der andern Depositarien der Mobiliareffecten, die er seinem Sohne hinterließ. Sie waren mit den Waffen beauftragt; ich hielt es für angemessen, die verständigsten Männer zu Rath zu ziehen: alle waren der Ansicht, daß es der Familie Napoleons zur Ehre gereichen würde, der Nation dieselben als Opfer ihrer Huldigung auf einen öffentlichen Monumente, wie der Vendomesäule oder in dem Invalidenhotel darzubringen. Ich drückte diesen Gedanken in meinem Schreiben vom 28 August 1833 feierlich den ehrenwerthen Rechtsgelehrten aus, deren Ansicht ich mich anschloß, indem ich es für das höchste Glück erachtete, selbst in der Verbannung dem Vaterlande, dem wir Alles verdanken, noch einen Beweis der Hingebung geben zu können. Noch vor wenigen Tagen schrieben Sie mir: Die Waffen des Kaisers werden dem Gouverneur der Invaliden überliefert werden, und Sie werden in dem, was ich noch weiter zu thun habe, meinen innigen Wunsch, Ihnen Genüge zu leisten, erkennen. Jetzt empfange ich Ihr Schreiben vom 4 Junius; dieses meldet mir, daß Sie das Gegentheil gethan haben: wie konnte ich eine solche Aenderung voraussehen? ... Ich verweise Sie auf Ihren Brief, wovon ich Ihnen hier eine Abschrift beilege. Wie sollte ich nicht gegen die neue, uns zugefügte Ungerechtigkeit protestiren und reclamiren? Wie soll man sich selbst und das Publicum überreden, daß die dem Namen der Familie des Kaisers zugefügte Beschimpfung das Werk eines so treuen Bürgers sey, wie des Großmarschalls des Palastes des Kaisers, meines Bruders? (Unterz.) Joseph Napoleon Bonaparte.

Das Commerce fügt bei: Der General klagt sich sonach selbst an. Am 5 Mai feierliches Versprechen, die Waffen dem Gouverneur der Invaliden abzuliefern. Seit jenem Tage tausenderlei Umtriebe, ihn von Erfüllung seiner Verpflichtungen abwendig zu machen. Seine Redlichkeit empör sich dagegen, und er beharrt fortwährend auf dem Depot be den Invaliden im Namen der Familie. Weigerung und beleidigende Weigerung. Ein Bourbon, ward gesagt, hat nichts von einem Bonaparte zu empfangen. Was brauchte es noch mehr, um den General zu belehren, und eine heilige Empfindlichkeit in ihm zu erwecken? Gerade aber da, wo er still hätte zurücktreten sollen, bleibt er, erniedrigt sich noch, und nimmt endlich die peinliche Bedingung an, sich einer ganzen Familie zu substituiren, und seinen Namen zu einer Insulte gegen sie herzugeben. Welcher Mißgriff! welche Demüthigung jenem hier wie zu einem Schauspiele versammelten Hof gegenüber! Doch, was liegt daran; diese Beraubung ist kein Geheimniß mehr. Man wird Mitleiden mit dem alten Manne fühlen, der sich mißbrauchen ließ, Sympathie für diejenigen, denen solchergestalt das Recht, über ein glorreiches Erbe zu verfügen, entzogen wurde. Welches Gefühl soll man aber für jene traurige Geschicklichkeit bewahren, welche Verbannung und Schwäche so gut ausbeutet? (Mit Ausnahme des Capitole, beschäftigt sich kein weiteres Journal mit obiger Correspondenz, welche der National gar nicht in seine Spalten aufnimmt.)

Zu dem neulichen Schreiben Joseph Napoleons, worin er zwei Millionen nicht anerkannter Staatspapiere anbot, bemerkt die legitimistische France: Diese neue Episode in dem napoleonischen Drama erweckt ernste Reflexionen. Sie vernichtet den letzten Zauber, der an dem Namen Bonaparte haftete, und schlägt dem Interesse dieser Erinnerung eine tödliche Wunde. Was brachte diese Familie, die wir vollgestopft mit französischem Gelde sehen, nach Frankreich, und was hat sie ihm gelassen? Was haben wir für den Schweiß der Armen und das Blut der Tapfern, die durch diese Familie ausgebeutet wurden, erhalten? Nackt kamen sie von ihrer Insel und reich ausgestattet schifften sie wieder über den Ocean. Die Geschichte wird erzählen, in welcher Hülflosigkeit wir verlassen wurden. Der Graf von Survilliers öffnet nicht die Kisten seiner Ersparnisse, die für die gefallene Größe seiner Brüder aufbewahrt wurden, was er uns sagt seine Anhäufung von Millionen zu Millionen ist hinreichend den esprit d'ordre zu zeigen, der vor der Katastrophe von 1815 herrschte. Ist es klug uns zu eröffnen, wie ungeheuer Bonaparte seine Taschen füllte, als er von uns ging? Könnte einer sinkenden Popularität ein schlechterer Dienst geleistet werden? Eine andere Familie kam auf den Thron von Frankreich; nicht eine von gestern her; groß, erlaucht, durch eine lange Reihe von Geschlechtern, sie brachte Frankreich eine reiche Mitgabe. Zu Gunsten Frankreichs gab sie ihre Privatdomänen auf und vermehrte den Staat mit mehreren schönen Provinzen. Freigebig vertheilte sie ihre Schätze unter die Armen, und als der Tag ihres Unglücks ankam, nahm sie den Stab der Verbannung, gleich einem Pilger, und nahm nichts mit als diesen Wanderstab. Ist es nothwendig, den Reichthum der einen mit der erhabenen Armuth der andern zu vergleichen? Die eine Familie nahm Alles, die andere gab Alles. Dennoch haben wir nie schmutzige Klagen von den Verbannten von Görz gehört, während die Millionen von St. Helena, Rom, den Vereinigten Staaten von jedem Theil der Erde, wohin der Wechsel von 1815 die Reste des kaiserlichen Hauses trieb, frei anerkannt wurden. O Franzosen, wo ist euer gesunder Verstand!

Der Advocat Patorni bei dem k. Gerichtshofe von Paris antwortet den auch von der Allg. Ztg. aufgenommenen Angaben des National in Betreff jener zwei Millionen, die Wahrheit sey folgende: Im Augenblick der Abreise Napoleons nach Elba war man ihm für Rückstände der Civilliste 6,200,000 Fr., und den verschiedenen Mitgliedern seiner Familie für Rückstände von Dotationen 1,366,667 Fr. schuldig. Der Tractat von Fontainebleau garantirte förmlich die Zahlung dieser beiden Summen. Derselbe Tractat garantirte Napoleon zwei Millionen jährlich, und den verschiedenen Mitgliedern seiner1358 Familie 2,500,000 Fr., Alles in Renteninscriptionen auf das große Buch der öffentlichen Schuld. Zwei Millionen waren ferner für die Tapfern der Armee stipulirt, deren Namen der Kaiser in einem von ihm zu liefernden Etat bestimmen würde. Napoleon konnte trotz aller Reclamationen nichts von der Regierung der Bourbons weder von seinen Rückständen von der Civilliste, noch von seiner jährlichen, ihm angewiesenen Summe erhalten, so daß er ohne eine ihm von den Bankiers von Genua gewährten Anleihe nicht einmal seine Garde und seine nothwendigsten Bedürfnisse in Elba hätte bestreiten können. Dasselbe begegnete den verschiedenen Mitgliedern der kaiserlichen Familie, deren Privateigenthum man trotz eines bestimmten Artikels des Tractats von Fontainebleau, der ihnen dasselbe sicherte, confiscirte ... Napoleon gelangte am 20 März 1815 wieder zur Souveränetät von Frankreich. Der Schatz war ihm sowohl die 6,250,000 Fr., die vor dem Tractat von Fontainebleau verfallen waren, als die während seines Aufenthalts in Elba verfallenen 2,420,000 Fr. schuldig: zusammen 8,680,622 Fr. Den Mitgliedern seiner Familie war man für Dotationen, die früher und später als der Tractat waren, 3,965,955 Fr. schuldig: also im Ganzen 12,646,578 Fr. Ein kaiserliches Decret liquidirte diese Summe. Es stand ganz bei Napoleon, sie aus dem Schatze in baarem Gelde zu erheben; er ließ sie aber für die Armee darin, um die Vorbereitungen zum Feldzuge zu bestreiten; und da auf seine ausdrückliche Aufforderung seine Brüder ihre Kostbarkeiten und Diamanten zum Verkauf hergaben, und der Ertrag des Verkaufs der Armee zugewiesen wurde, so vertheilte der Kaiser die acht Millionen, die ihm persönlich gehörten, unter sie, welche der Schatz in Delegationen und Declarationen auf die Staatswaldungen au porteur bezahlte. Dieß ist die reine Wahrheit, und es ist vollkommen falsch, daß sich Napoleon außer diesen Werthen 13 Millionen baar von dem Schatze habe bezahlen lassen. Es ist nur allzu wahr, daß Ludwig XVIII durch eine Ordonnanz die an den Kaiser gemachte Zahlung annullirte. Was beweist aber diese Ordonnanz? ... Durch dieses Verfahren confiscirte Ludwig XVIII fremdes Gut, gegen den 66sten Art. seiner Charte, und versetzte den Schatz in Bankerottzustand, was nicht wohl mit dem 70sten Art. derselben Charte, nach welchem die Staatsschuld unverletzlich war, übereinstimmte. Ebenso wahr ist, daß die Restauration die Zahlung der zwei Prinzessinnen der kaiserlichen Familie schuldigen Summen verweigerte, die unter den Ministerien Corvetto und Villele reclamirten. Diese Verweigerung beweist Logik: man hatte confiscirt und wollte von der Confiscation Nutzen ziehen. Ein Umstand aber, der wahrscheinlich noch nicht zur öffentlichen Kunde gekommen, ist folgender. Unter den 12 Millionen befand sich eine Summe von 668,333 Fr., die man der Kaiserin Josephine schuldig war. Der bayerische Hof reclamirte dringend dafür, Ludwig XVIII milderte die Strenge seiner Ordonnanz, und die Erben Josephinens erhielten 1818 ihre Bezahlung .... Jene Ordonnanz ist offenbar in jeder Beziehung null und nichtig, es müßten denn die beiden Charten von 1814 und 1830 nur Lügen seyn. Wir dem aber auch sey, so ward dem Staatsrath diese Sache vorgelegt, und trotz aller Bemühungen des Finanzministers, welcher die Bonaparte als des Rechts zu Reclamationen verlustig erklären wollte, erfolgte am 3 December eine Entscheidung des Inhalts, daß es sich in dieser Sache von politischen Fragen handle, worüber nur von den großen Staatsgewalten statuirt werden könne. In der nächsten Session werden die Kammern damit befaßt werden, und Frankreich wird dann zu entscheiden haben, ob es, nach Zurückrufung der Asche Napoleons aus ihrer Verbannung, das ihm von dem Verbannten anvertraute Pfand, mit dem Zwecke, den Bedürfnissen des Vaterlandes dadurch unter die Arme zu greifen, noch ferner zurückbehalten darf.

Wir haben heute einen edlen Mann zu Grabe getragen. W. Zais starb den 5 d. in seinem 68sten Jahr. Er gehörte zu den seltnen Menschen, die durch ihren reich begabten Geist, ihr edles Herz und ihren Unternehmungsgeist, für die Gemeinde und das Land, in dem sie wirken, eine Quelle des Segens werden, die viele Jahre nach ihrem Tode noch fortfließt, und den spätesten Enkeln Labsal spendet. Vor dreißig bis vierzig Jahren legte er hier mit den Grundstein zu der Gewerbthätigkeit und Industrie der Stadt mit einer Türkischroth-Färberei; seinem Beispiel und seiner Aufmunterung folgten Viele nach, und Tausende von Händen bekamen Beschäftigung und Nahrung. Er war ein Freund seiner Mitbürger, und wo irgend einer Rath und Hülfe suchte, fa d er sie bei ihm. In der Ständeversammlung war er ein eifriger Verfechter des Gemeinwohls und ein freimüthiger Vertheidiger des Volks. Bei seinen Standesgenossen war er wegen seines hochgebildeten Geistes und seiner umfassenden Kenntnisse hochgeachtet. Die Kunst hatte an ihm einen enthusiasti chen Verehrer. Nach mancher bitteren Erfahrung in seinem thätigen Leben hinterläßt er ein schönes Etablissement, eine Baumwollspinnerei und Calicodruckerei, welche sich den bessern der Art in Deutschland beigesellen darf. Die allgemeine Theilnahme und die Todtenfeier waren würdig des Entschlafenen.

Das Spital der barmherzigen Schwestern zu Wien.

Kürzlich erst von Wien zurückgekehrt, wo ich mich längere Zeit zum Behufe meiner weitern medicinischen Ausbildung aufhielt, und durch zufälliges Zusammentreffen mit einigen Anhängern der in der Kaiserstadt sehr tüchtig repräsentirten Homöopathie in diese neue Heilmethode tiefer eingeweiht wurde, fühle ich mich in letzterer Hinsicht insbesondere lebhaft gedrungen, das Wirken einer Anstalt, in der nach homöopathischen Grundsätzen behandelt wird, öffentlich anzuerkennen: ich meine nämlich das Spital der barmherzigen Schwestern. Der genannte Orden ist seit dem Jahre 1832 durch die Vermittelung des Grafen von Coudenhove (weiland Domherr zu St. Stephan) aus Tyrol nach Wien verpflanzt worden. Sein Wirken besteht in unentgeltlicher Verpflegung von Kranken, ohne Unterschied der Religion, des Standes und Geschlechtes, theils in den eigenen Wohnungen der Kranken (wobei die Mehrzahl der Schwestern es sind ihrer 90 in Anspruch genommen ist), theils in dem in der Vorstadt Gumpendorf liegenden Spital, welches dem Orden selbst gehört, und erst in diesem Jahre durch die Mumificenz des Erzherzogs Maximilian von Este vergrößert wurde, so daß jetzt vier Säle mit fünfzig Betten, und überdieß noch sechs abgesonderte Zimmer für distinguirte Personen zur Aufnahme der Kranken bereit sind. Noch kein Besucher verließ das Haus, ohne durch die Eleganz und Zweckmäßigkeit der Einrichtung überrascht und erfreut zu seyn, welche das Spital bei seiner Erweiterung erhielt. Wasserleitungen gehen zur Erleichterung der Reinigung in beide Stockwerke, an den Zimmern sind geruchlose Retiraden angebracht, und zur ebenen Erde befindet sich ein sehr wohl eingerichtetes Badezimmer mit allen Apparaten zu Douche -, Tropf - und Regenbädern. An der Rückseite des Hauses ist ein schöner Garten mit Küchengewächsen und Obstbäumen, und hinter diesen befindet sich ein Maierhof, aus welchem die Anstalt ihre ökonomischen Bedürfnisse zieht. Ebendaselbst befindet sich auch eine Sectionskammer. Mehr aber als durch dieses Alles wird das Interesse eines Fremden rege gemacht durch die Musterhaftigkeit der Krankenpflege, und man findet gewiß nur in dem Spitale dieses achtungswerthen Ordens eine solche Reinlichkeit, Pünktlichkeit und zarte Sorgfalt gegen die Kranken, und eine solche Selbstverläugnung und Aufopferung sich ihrem Nebenmenschen wohlthätig zu zeigen. Die Behandlung der in das Spital aufgenommenen Kranken, wie auch der ambulatorischen Patienten, die sich in sehr großer Zahl an zwei dazu bestimmten Tagen der Woche einfinden, geschieht seit dem Jahre 1836, in welchem das früher bestandene Verbot der Homöopathie in den österreichischen Staaten aufgehoben wurde, durchaus homöopathisch, zu welchem Zwecke auch eine homöopathische wohleingerichtete Apotheke1359 sich vorfindet, der eine geprüfte Apothekerin vorsteht, und die specifischen Arzneien auf das pünktlichste bereitet. Das Spital steht wie jedes andere unter der Controle der Regierung. Anziehend für den ärztlichen Beobachter ist auch das Wirken des Dr. Fleischmann. Er ist gleich entfernt von einer schlaffen Inconsequenz hinsichtlich des Princips, wie von einem einseitigen, fanatischen Dogmatismus in unwesentlichen Nebenpunkten. Seine Behandlung ist sehr einfach, und bei der Wahl der Mittel scheint er vielen Tact zu besitzen. Er nimmt bei der Bestimmung der Krankheiten und der Heilmittel besondere Rücksicht auf die Resultate der pathologischen Anatomie, und entfernt sich dadurch entschieden von denjenigen, welche bei der Congruenz geistloser Symptomencomplexe stehen bleiben. Durch alles dieses, ebenso durch seine Mäßigung im Gebrauche kleiner Dosen ist er auch für den allopathischen Arzt, der sein Spital besucht, eine nichts weniger als abschreckende Erscheinung.

Man ist der neuen Heilmethode und denen, die sie auf eine tüchtige Art pflegen, ein solches Zeugniß um so mehr schuldig, wenn sie, man sollte es kaum für möglich halten, jetzt noch Gegner findet, wie sich einer in Ihrer Zeitung im vorigen Jahre vom 23 October aus Prag hat vernehmen lassen. Es ist natürlich hier nicht der Ort auf eine in die Sache eingehende wissenschaftliche Art zu polemisiren; es kann nur davon die Rede seyn, Thatsachen, die vor den Augen eines jeden aus dem größern Publicum liegen, geltend zu machen. Wenn nun schon seit mehr als dreißig Jahren eine Heilmethode besteht, sich trotz der Paradoxie, die theils in ihren wirklichen und wesentlichen Lehren zu liegen scheint, theils aber auch durch Ungeschicklichkeit und Seichtigkeit mancher ihrer Anhänger erst in sie hineingetragen wurde, immer weiter verbreitet, und diese Ausdehnung durch die langsame von Krankenbett zu Krankenbett fortgehende Ueberzeugung ihres praktischen Nutzens, nicht durch blendende Theorien (die Homöopathen haben noch gar keine gemeinsame Theorie für ihr Verfahren, aber gerade diese Uneinigkeit im Theoretischen beweist, daß ihre Einhelligkeit im Praktischen einen unerschütterlichen thatsächlichen Grund hat) genommen hat, wenn sich diese Ausbreitung in einer bedeutenden Zahl von Männern*)Untaugliche Individuen wird wohl jede der ärztlichen Schulen zu desavouiren haben, und man sollte endlich aufhören den Doctrinen zur Last zu legen, was nur Schuld der Anhänger ist. repräsentirt, die, mit Wissen ausgerüstet, für wahrhaft in ihren Berichten und für kalte Beobachter gehalten werden müssen, wenn endlich umfangreiche, vom Staate anerkannte Anstalten aus dem Schooße der neuen Lehre hervorgehen, so darf man im Angesicht solcher Thatsachen es kecklich für einen unverantwortlichen Leichtsinn erklären, wenn alles dieß mit einem leichten Federstrich abgeläugnet wird, ohne daß man die gewichtigsten Gründe dazu hat. Welche Gründe können dieß seyn? Wie sich die homöopathische Heilmethode auf eine doppelte Art Anerkennung verschaffen kann, theils durch Einsicht in den Zusammenhang ihres Princips mit andern bewährten physiologischen Gesetzen und Erfahrungen, theils durch die unabweislichen Thatsachen am Krankenbette, so kann sie auch nur auf diese doppelte Art bestritten werden. Ist nun der Gegner nicht im Stande, das neue Heilprincip durch theoretische Untersuchung physiologischer Gesetze sich zu bewähren und begreiflich zu machen, so ist es ihm doch Angesichts der vorhin bezeichneten Erfolge auf keine Weise erlaubt, den Stab über das Ganze zu brechen, wenn er nicht auch das andere noch wichtigere Mittel, um zu einem brauchbaren Urtheile über die Sache zu kommen, die Erfahrung am Krankenbette, auf eine gründliche Art benützt hat. Daß unser Gegner diese Prüfung gänzlich vernachlässigt hat, sieht man aus der ganzen Art seiner Polemik. Wie er denn auch ausdrücklich sagt: Es ist das heilige Recht der Vernunft allen Thatsachen zum Trotz das ihr Contradictorische zu verwerfen. Hierbei ist aber wohl zu bedenken, daß die Homöopathie der Gegenwart eine ganz andere ist als die anfängliche vor dreißig Jahren. Sie hat sich von vielem Unhaltbaren, ja Widersinnigen gereinigt, z. B. von dem Dogma der ab oluten Gabenkleinheit, von der Psora-Theorie, von der Verwerfung aller tiefern Erforschung des Krankheitsprocesses; der wesentliche Kern, welcher nach dieser Reform noch übrig bleibt, ist das Heilprincip similia similibus curantur und die zu seiner Ausführung unentbehrlichen Prüfungen der Arzneien am Gesunden, die freilich auch noch großer Reinigung und Ergänzung bedürfen. Zwar liegt auch in diesem neuen Heilprincip noch immer genug anscheinend Paradoxes, aber gerade in der jetzigen Zeit ist es das ernstlichste Bemühen der reformirten Homöopathie, das neue Princip durch bewährte physiologische Gesetze auch theoretisch begreiflich zu machen, und es ist sehr die Frage, ob unser Gegner, diesen Bemühungen gegenüber, das neue Princip noch für so gar vernunftwidrig wird halten können. Noch in anderer Weise ist die Stellung der Homöopathie zur übrigen Medicin eine veränderte: die Homöopathie in ihrer ursprünglichen Form verwarf auf das einseitigste die ganze alte Medicin sammt allen bisherigen Methoden, welche doch Jahrtausende durch sich bewährt hatten. Ist es ein Wunder, wenn die Mehrzahl der Aerzte bei dieser Alternative sich gegen das Neue kehrte. Jetzt ist aber der Stand der Sache anders. Die Homöopathie verwirft nicht mehr das Alte, sie will zu letzterem nur noch ihren neuen Heilgrundsatz hinzufügen (der freilich eine Menge Altes entbehrlich macht), und sie glaubt beides vereinigen zu können. Die alte Medicin hat gar nicht mehr nöthig, ihre Existenz zu vertheidigen, sie soll bloß das neuentdeckte Princip in ihren Kreis aufnehmen, und gerade das ist es, wogegen man sich sträubt, ohne durch genaue Prüfung dazu berechtigt zu seyn. Wenn der Gegner sagt: die Wissenschaft habe die homöopathische Heilmethode gerichtet, wenn er fragt: ob nicht in der Untauglichkeit ihres Princips der Grund zu suchen sey, daß die Opposition gegen dasselbe viel länger daure als gegen Copernicus und Harvey, so weiß man eigentlich gar nicht, was man auf diese wunderliche Einwendung antworten soll. Wenn die neue Methode durch eine zahlreiche compacte Masse von Anhängern repräsentirt ist, so ist ja der Ausdruck Opposition nur noch in einem ganz relativen Sinn zu verstehen, und es kann offenbar nur noch die Meinung seyn, daß die Anhänger der Homöopathie noch in der Minorität sind. Wir wollen sogar diese Minorität noch geringer machen, indem wir alle diejenigen davon abziehen, welche aus unlautern Absichten oder in haltungsloser Leichtgläubigkeit sich dem Neuen zuwandten; aber eben so nehmen wir von der Majorität derer, die dem Alten anhängen, alle diejenigen weg, welche wirklich zu entschuldigen sind, wenn sie von der neuen Methode keine Notiz nehmen, sey es aus Ueberhäufung mit Geschäften, sey es, daß ihnen durch Mangel an collegialischer oder litterarischer Anregung noch nicht eine gehörige Kunde von der neuen Methode zugekommen ist. Wenn aber auch dann noch auf Seite des Alten eine Majorität bleibt, was folgt daraus? Der heillose Widerstand, den die am Alten hängenden Aerzte gerade der Entdeckung des Blutkreislaufes entgegen setzten, ist ja zum Sprüchwort gelehrter Hartnäckigkeit geworden, wie denn einer gesagt hat: malo cum Galeno errare, quam cum Harveyo esse circulator. Eben so wenig hätte Copernicus genannt werden sollen, denn abgesehen von den Verfolgungen seiner Ansicht, sehen wir noch geraume Zeit später, wie eine der bedeutendsten astronomischen Autoritäten, Tycho de Brahe, diese neue Entdeckung mit dem alten Ptolémäischen Wirrwarr vermischen will.

Ueberhaupt bringen sich die Beweisgründe, welche unser Gegner geltend macht, nachgerade durch ihre Uebertreibung selbst um allen Credit. Wenn er sagt, daß alle Gelehrten der gesammten Welt, darunter Männer, die in ganz Europa mit größter Achtung genannt werden, und welche ihre ganze Lebenszeit der Wissenschaft gewidmet haben, doch nicht wohl für Verblendete oder gar absichtliche Läugner der Wahrheit angesehen werden können, weil sie der Homöopathie nicht huldigen: so fragt sich ganz einfach, ob die Gelehrten, die der Gegner meint, ihre ganze Lebenszeit oder einen großen Theil derselben gerade der praktischen Medicin und innerhalb derselben einer gründlichen Prüfung der Homöopathie zugewendet haben. Ist dieß nicht, so gilt auch ihr Urtheil in dieser Sache so viel wie nichts, und die Homöopathie einerseits wie der Charakter und die hohe Gelehrsamkeit jener Autoritäten andrerseits können aufs beste neben einander bestehen. Damit uns ja kein Zweifel bleibe, ob uns unser Gegner wirklich diese Hinterthüre offen lasse, durch welche wir seiner drohenden Alternative entschlüpfen, machte er Gelehrte namhaft, welche die Geheimnisse der Natur bis auf die Höhen des Chimborasso und in die Sandwüsten von Afrika verfolgten, verschweigt aber weislich, ob sie auch am Krankenbette gründliche Versuche mit ähnlichwirkenden Mitteln gemacht haben. Eben darum ist auch die Erwähnung der Naturforscherversammlungen, die insgesammt die Homöopathie verdammt haben sollen, von gar keinem Gewichte. Nur von den medicinischen Sectionen dieser Vereine kann hier mit Fug die Rede seyn; und es ist schon mehreremal in diesen Versammlungen der Versuch gemacht worden, die Homöopathie zur Sprache zu bringen, aber sie wurden immer von der Majorität deren Charakter wir oben bezeichnet haben zum Schweigen gebracht. Scharfsichtige Beobachter haben bemerken wollen, daß in den medicinischen Sectionen dieser1360 Vereine die Debatten mit viel weniger Würde, Zweckmäßigkeit, Ordnung und wissenschaftlichem Eifer geführt wurden als in den andern Sectionen. Sollte dieß etwa seinen Grund darin haben, daß Männer, die sich den andern Naturwissenschaften widmen, dieses aus Wißbegierde, aus Liebe zur Sache selbst und innerem Forscherdrang thun, während das medicinische Studium von der Mehrzahl nur um des künftigen Auskommens, um des Brodes willen begonnen wird? Wie möglich und wahrscheinlich ist es dann, daß bei vielen solchen der Eifer für die Wissenschaft als Selbstzweck fehlt, wobei dann an eine vorurtheilsfreie Bequemlichkeit und Lieblingsmeinungen hintansetzende angestrengte Erforschung der Wahrheit schwer zu denken ist? Und hat es nicht am Ende eben darin seinen Grund, wenn großartige medicinische Neuerungen mehr als andere naturwissenschaftliche Entdeckungen Widerstand finden, womit auch die Einwendung zusammenfällt, welche unser Gegner aus diesem Umstand gegen die Homöopathie bildet. Wir sagen großartige Neuerungen; denn es ist in der That komisch, wenn der Gegner die Anerkennung der Brauchbarkeit des Mercurius solubilis Hahnem. für einen Beweis hält, daß der Widerstand gegen das homöopathische Heilprincip nicht aus persönlichen und unwissenschaftlichen Gründen herkommt. Was machte denn die Annahme dieses neuen Mercurialpräparats für Mühe? wirft sie alte Meinungen um? erfordert sie ein ganz neues Studium mit Selbstverläugnung und Anstrengung? Unter allem diesem, was die Huldigung für das neue Princip erschwert, ist das stärkste die Furcht vor dem Bekenntniß, geirrt zu haben, und dieß muß namentlich die gelehrten Körperschaften, deren einstimmige Feindschaft gegen die Homöopathie unserm Gegner so viel gilt, zu den reizbarsten Feinden jeder billigen Untersuchung der Sache machen. Man erinnere sich nur an den feindseligen Widerstand gewisser Facultäten gegen die Kuhpocken-Impfung. Haß gelehrter Kasten gegen neue Meinungen ist ja ganz sprüchwörtlich, und Pfarrer Oberlin in Steinthal sagte darum zu seinen Bauern, die Professoren von Jerusalem seyen es gewesen, die Christum bis auf den Tod verfolgt. Wenn aus allen Einwürfen des Gegners hervorleuchtet, wie sehr es ihm an ernstlichem Willen fehlt, in dieser Sache zur Wahrheit zu kommen, so mahnt uns auch seine letzte Berufung auf das Eine unvergänglich Wahre, das festbleibe, wenn auch die Systeme kommen und gehen, an die übertünchten Gräber, die außen schön anzuschauen sind, aber inwendig voll Todtengebeine.

Sonderbar ist, daß die Einführung der China, die jetzt wohl kein Arzt entbehren möchte, bei den Aerzten jener Zeit so heftigen Widerstand fand. Der Leibarzt Dr. Chifletius schrieb im Jahre 1651 eine schmähliche Schrift dagegen, in welcher er behauptete, daß man weder in Brüssel, noch in Neapel, Florenz, Madrid, Wien und Paris ein kaltes Fieber damit geheilt hätte. Ueber dieses Werk machten ihm seine Collegen die größten Complimente, als hätte er die Welt von einem Ungeheuer befreit. Sollten wohl damals die Aerzte eine Ahnung davon gehabt haben, daß dieses Mittel 150 Jahre später ihrer Zunft so viel zu schaffen machen werde. Die China war bekanntlich die erste empirische Veranlassung zu der großen Entdeckung Hahnemanns.

[2138-44]

Donau-Dampfschifffahrt.

Da die Schifffahrt auf der obern Donau durch Brücken - und Strom-Correctionen für einige Zeit unterbrochen ist, so müssen die Fahrten der Dampfschiffe zwischen Regensburg und Donauwörth bis auf weitere Ankündigung ausgesetzt werden, und diese einstweilen auf die Strecke zwischen Regensburg und Linz beschränkt bleiben.

Die Schiffe fahren demnach:

von Regensburg nach Linz am 18, 21, 23, 26, 28 Junius, von Linz nach Regensburg am 18, 20, 23, 25, 28, 30 Junius.

Regensburg, den 28 Mai 1840.

Die Verwaltung.

[2229]

In der Herder'schen Verlagshandlung in Freiburg ist so eben erschienen:

Der Stahlsäuerling zu Griesbach am Fuße des Kniebis im Großherzogthum Baden, natur - und heilkundig beschrieben von Dr. W. J. A. Werber, ordentlicher öffentlicher Professor an der Universität zu Freiburg.

Mit einer Reisekarte, welche bis Constanz, Basel, Straßburg und Stuttgart sich ausdehnt.

Preis broschirt in Umschlag 48 kr. oder 12 gr.

[2313-15]

Gasthofs-Eröffnung.

Dem reisenden Publicum beehre ich mich anzuzeigen, dass ich am 12 d. den käuflich an mich gebrachten Gasthof zu den Drei Helmen eröffnen werde.

Regensburg, den 1 Junius 1840.

Nicolaus Banhof.

[2262-67]

BRÜNNLBAD.

Der Eigenthümer dieser, inner den Linien Wiens gelegenen, in neuester Zeit auf das zweckmäßigste und bequemste eingerichteten Badeanstalt empfiehlt seine seit Jahrhunderten durch ihre stärkende Heilkraft rühmlichst bekannten Mineralquellen der ärztlichen Würdigung sowohl als dem hochgeehrten Publicum.

[2167]

Durch alle Buchhandlungen Deutschlands und der Schweiz ist zu haben:

Volks - und Jahrbüchlein der Land - und Hauswirthschaft.

Dritter Jahrgang.

Von A. Rothe, Verfasser der rechten Mitte, Franz Noak etc. Motto: Mit dem Strome der Zeit kommt Gutes und Böses; bauet der ruhige Verstand und die Tugend eine Brücke, so schreitet das Glück sicher hinüber.

Preis geheftet 8 gr. sächs., 36 kr. rhein. od. 30 kr. CM.

[2291-94]

Russ. poln. Staats-Anlehen.

Am 1 Julius d. J. erfolgt in Warschau die Ziehung von 7000 Obligationen mit folgenden Prämien, als: eine Million Gulden poln. (290,000 fl. rhein. ) 300,000 fl., 2 à 150,000 fl., 6 à 25,000 fl., 8 à 14,000 fl, 12 à 7000 fl, 20 à 4200 fl., 100 à 2500 fl., 150 à 2100 fl., 200 à 1500 fl., 1000 à 950 fl., 5500 à 750 fl. poln. (215 fl. rhein.)

Eine Obligation, welche eine dieser Prämien gewinnen muß, kostet 435 fl. rhein., wovon jedoch 215 fl. als Betrag der kleinsten Prämie abgezogen werden können, mithin 220 fl. rhein., eine halbe 110 fl., eine viertel 55 fl., eine achtel 27 fl. 30 kr.

Gegen Einsendung des Betrags bis zum bis zum 6 Julius direct zu beziehen bei J. & S. Friedberg, Bankiers in Frankfurt a. M.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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Editorial principles

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;

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