PRIMS Full-text transcription (HTML)
1361
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Freitag
Nr. 171.
19 Juni 1840.

Spanien.

Die Abreise der Königin ist entschieden auf den 11 d. M. festgesetzt. Der Conseilpräsident, Hr. Perez de Castro, hat diesen Entschluß officiell den Cortes angekündigt. Sogleich schlug der Präsident der Kammer vor, daß man der Königin in einer Adresse die heißen Wünsche der Kammer ausspreche, daß der Himmel ihr eine glückliche Reise gewähre, was mit allgemeiner Zustimmung angenommen wurde. Man behauptet, die Cortes würden während der Abwesenheit der Königin prorogirt werden, doch erst nach der Abstimmung über das Gesetz des Cultus und der Geistlichkeit. Nur mit großer Schwierigkeit hat der Finanzminister 4 Millionen zu den Reisekosten der Königin zusammenbringen können. Ein Circular des Conseilpräsidenten, der selbst die Königin begleiten wird, hat das diplomatische Corps von dem Tage der Abreise in Kenntniß gesetzt. Es enthält keine Einladung. Im Gegentheil werden die Bureaux die Hauptstadt nicht verlassen, und der Unterstaatssecretär der auswärtigen Angelegenheiten ist mit der Leitung des Dienstes beauftragt. Es scheint, daß der General Espartero, Herzog de la Victoria und Morella, und Ritter des goldenen Vließes, der Königin auf der Straße von Saragossa entgegengehen soll, um sie zu bewillkommnen. Er wird sie begleiten und zugleich mit den beiden Königinnen in Saragossa eintreffen. Die besten Maaßregeln sind zur Sicherheit der Königin ergriffen worden. Drei Divisionen der Armee Espartero's sind auf der Straße von Guadalajara nach Saragossa hinter einander aufgestellt, eine derselben soll über Molina nach Guadalajara kommen, eine andere in Medinaceli bleiben; die dritte begibt sich nach Alcala, wo die Königin am 11 übernachten wird. Dem Kriegsminister sollen sehr günstige Nachrichten zugekommen seyn. General Concha hat den Carlisten der Provinz Cuenca das Fort Beteta genommen. (?) Die Behörden der Philippinen haben dem Ministerium eine Denkschrift überschickt, welche die höchste Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Sie machen auf die Uebergriffe der Engländer aufmerksam, indem eine große Anzahl brittischer Kaufleute, die aus Canton vertrieben sind, sich auf den Inseln niederlassen wollen. Alle ihre Bemühungen gehen dahin, die Eingebornen für sich zu gewinnen. Zu diesem Zwecke suchen sie auf alle Weise die katholische Religion in Worten und Schriften zu untergraben, und natürlich verbindet sich mit dieser religiösen Propaganda ein politischer Zweck. Mit Recht haben die Behörden sich dadurch beunruhigt gefühlt, und machen die Regierung auf diese Umtriebe aufmerksam.

Balmaseda stand am 6 im Innern der Gebirge von Burgos, wo er seine Streitkräfte zusammenzog. Silos, Carazo, Salas de los Infantes und andere Dörfer der Sierra waren seit dem 5 von seinen Banden besetzt, die man zusammen auf 4 bis 500 Reiter und 700 Mann Fußvolk schätzte. Sein Zug bildete eine Reihe empörender Gewaltthaten. Nova ging am 1, Roa am 2 Jun. in Flammen auf. Im letzteren Dorfe hatte sich die Miliz ins Schloß retirirt. Balmaseda, der es mit seinen zwei leichten Haubitzen vergebens beschossen, zog weiter gegen Orra, und die Miliz, seinen Abzug benützend, flüchtete nach Peñafiel. Kaum aber hatte der Cabecilla davon Kunde, als er eine Schaar rückwärts sandte, die das Fort und was noch im Dorfe aufrecht war der Erde gleich machte. Zu Gumiel de Izan wurde der Alcalde erschossen, aus Pinilla de Trasmonte der Pfarrer sammt seiner Schwester und der Domherr Barrio nebst seiner Haushälterin fortgeschleppt. Lange Reihen von beutebeladenen Karren und Maulthieren verkündeten allerwärts den erschrockenen Bewohnern, was ihrer harre.

Großbritannien.

Der allgemeine Gegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit ist natürlich heute wie gestern die Geschichte des Mordversuchs: und obwohl von den Verhandlungen des geheimen Raths (Privy Council) aus dem Staatssecretariat des Innern nichts verlautet ist, so haben doch die Blätter aus den Erzählungen sowohl der verschiedenen Personen, die bei der Handlung zugegen waren, als auch solcher, die mit dem Thäter und seiner Familie schon länger bekannt sind, eine Menge Berichtigungen und Vermehrungen ihrer gestrigen Angaben schöpfen können. Edward Oxford lebte, wie wir schon angeführt, seit drei Jahren, wo er Birmingham verließ, in mehreren Gasthäusern als Küchenjunge und Aufwärter; am längsten, über zwei Jahre lang, war er Aufwärter bei Hrn. Robinson, Gastwirth vom Schwein-im-Pferch (Hog in the pound, South-Moulton-street, Oxford-street), und erwarb sich durch sein stilles gesetztes Wesen dessen vollkommene Zufriedenheit. Er war weder ein Romanleser, noch ein politischer Schwätzer, noch überhaupt ein Enthusiast für irgend einen Gegenstand, und mehrere Gäste, die ihn dort gekannt haben, behaupten, er könne auf seine schreckliche That nimmermehr aus eigenem Antrieb gekommen seyn. Der einzige vorspringende Fehler, von dem er sich nie ganz befreien1362 konnte, war ein gewisser vielleicht mit seinem mulattischen Blut zusammenhängender Jähzorn, so daß er sogar einmal an einem frühern Platze, beim Speisewirth Minton, seinen Küchencameraden Hazelwood mit dem Messer angriff und ihn ohne die überlegene Stärke des Gegners vielleicht ermordet haben würde. Seiner Schwester soll er, wenn er in Zorn gerieth, alles was ihm in die Hände fiel, an den Kopf geworfen haben. Hrn. Robinsons Haus verließ er am 1 Mai und lebte dann, in Erwartung eines andern Platzes, bei seiner Schwester, Frau Philips und deren Mann, Little Westplace Nr. 6, wo sich bis vor 3 Wochen auch seine Mutter aufhielt. Seine Hauptbeschäftigung seit der Zeit war, sich im Pistolenschießen zu üben, und als seine Mutter ihm über das thörige Geldverpuffen Vorwürfe machte, sagte er: ein Gentleman, Namens Spring, wolle ihn für 1 Sch. 5 P. täglich in Dienst nehmen, sobald er ordentlich schießen gelernt habe. Die Pistolen behauptete er von einem Cameraden geliehen erhalten zu haben. Während der letzten Woche schloß er sich fast den ganzen Tag über in seinem Schlafzimmer ein, um hier aus dem Fenster, zur großen Beschwerde der Nachbarn, zu schießen. Er verließ sein Zimmer nur um zu Tisch zu kommen und um Nachmittags von 4-6 Uhr einen Spaziergang zu machen. Als er am Mittwoch zu derselben gewohnten Stunde ausging, verrieth er im Gesicht eine auffallende Wildheit. Dagegen zeigte er sich nach Verübung der That fortwährend gefaßt und ruhig bis zur Lustigkeit. Als er die Königin und den Prinzen Albert wegen ihrer bewiesenen Kaltblütigkeit bewundern hörte, lachte er und rief: O, ich weiß das Gegentheil; als ich die erste Pistole abschoß, war Prinz Albert im Begriff aus dem Wagen zu springen, aber als er mich die zweite Pistole halten sah, zog er sich sogleich zurück. Er machte sich dabei auch über die sofort erfolgte Verwirrung lustig, wie eine Person die andere gepackt hätte: denn Niemand wußte eigentlich, daß ich der Mann gewesen sey, bis ich es selbst erklärte, worauf mich zwei am Kragen kriegten, zwei an den Rockschößen rissen und ein fünfter mich von hinten ergriff, was Alles ganz unnöthig war, da ich keineswegs die Absicht hatte zu entrinnen. In der That war es, wie wir auch gestern schon erwähnten, ein Frauenzimmer, die ihn zuerst als den Thäter bezeichnete, ohne jedoch wirklich Hand an ihn zu legen, nämlich ein erst kürzlich vom Lande hereingekommenes junges Mädchen, Sarah Brown, die in der Absicht dastand, die Königin und den Prinzen Albert vorüberfahren zu sehen. Unter den übrigen Dastehenden befand sich auch ein deutscher Courier, Georg Kirch, der aber, als mehrere Personen auf ihn als auf den Thäter, wiesen mit dem Ausruf: es ist ein Fremder, ein Fremder, sich eiligst davon machte. Die ganze Nacht durch schlief Oxford vortrefflich, und behauptete auch am folgenden Morgen seine gute Laune. Nur kamen in seinem Gespräch auch mehrere republicanische Aeußerungen zum Vorschein, als z. B. er hielte es für Unrecht, daß ein Land wie England von einem Weibe regiert werden solle. Unter den ihn besuchenden Personen waren auch ein Arzt und Chirurg, die sich jedoch vergebens bemühten, Spuren des Wahnsinns an ihm zu entdecken. Wir hoffen aus Menschenliebe, sagt die Sun, daß, obwohl seine Bekannte bis jetzt kein Zeichen von Verrücktheit an ihm entdeckt haben, er dennoch verrückt ist.

Oxfords Schwester, Frau Philps, erschien am Donnerstag Morgen in größter Betrübniß auf dem Stationshaus, um ihren Bruder zu besuchen, wurde jedoch nicht zugelassen, auch seine Mutter und sein Oheim, Banfield, sind von Birmingham eingetroffen. Alle drei, so wie auch Hr. Philps, sein Schwager, warteten auf den Gefangenen im Durchgang von Home-Office, und er schloß sie wie einige versichern unter lebhafter Rührung beim Vorübergehen in seine Arme. Der Geheimerath hat beschlossen, daß alle etwaigen Zeugen bei Strafe von 200 Pf. gehalten seyn sollen bei dem nun eingeleiteten Proceß sich einzustellen.

Die günstigen Nachrichten über den nicht erschütterten Gesundheitszustand der Königin bestätigen sich: Lord John Russell selbst hat gestern dem Unterhause mitgetheilt, daß er, persönlich zugelassen, von der Königin eigenen Lippen die Versicherung empfing, ihr Wohlbefinden habe nicht gelitten. Der Besuch, den Ihre Maj. und Prinz Albert unmittelbar nach dem Ereigniß bei der Herzogin von Kent abstatteten, geschah, nach Lord John Russells Mittheilung, in der Absicht, dieselbe augenblicklich und noch ehe ein anderes Gerücht zu ihr gelangt wäre, über die Folgen des Vorfalls zu beruhigen. Uebrigens soll der Eindruck, den sowohl der Mordversuch als die dadurch hervorgerufene Theilnahme des Volks auf die Königin machte, so stark gewesen seyn, daß sie gleich nach ihrer Zurückkunft in Buckinghampalast in ihrem Wohnzimmer, wo sie den Blicken des Publicums entzogen war, in einen Strom von Thränen ausbrach; aber durch diesen Ausbruch ihres Gefühls selbst erleichtert, fand sie dann alsobald die nöthige Ruhe und Fassung, um sowohl beim Diner gegenwärtig zu seyn, als auch die zahlreichen sich einstellenden Beglückwünschungsbesuche zu empfangen. Ueber jede Beschreibung ergreifend, versichern die Augenzeugen, war das Schauspiel der Begeisterung und Freude, mit der sich alle Spaziergänger - und reiter in Hyde-Park, gegen 500 Herren und Damen, so wie das Gerücht von dem Ereigniß verlautet hatte, zusammendrängten, um den Wagen der Königin, als sie von Belgrave-Square nach Hyde-Park fuhr, zu umgeben, sie zu begrüßen, und unter lautem Jubel und Schwenken der Taschentücher nach Buckinghampalast zurückzubegleiten. Ebenso fand sich auch gestern und heute ihr Phaëton, da sie zur gewohnten Stunde ausfuhr, von einer ungeheuer jauchzenden Menschenmasse begleitet, und Hunderte von Reitern, theils Spalier bildend um den Wagen durchzulassen, theils demselben in einzelnen Gruppen vorwegreitend und nachfolgend, schienen das kostbare Leben wie eine Leibwache zu umgeben und vertheidigen zu wollen. Die Königin war vollkommen wohl, ward aber von dem Zeugniß dieser fortdauernden allgemeinen Theilnahme so sichtbar ergriffen, daß sie vergebens rang ihre äußere Fassung zu behaupten, und ihrer Thränen Meister zu werden.

Heute um 2 Uhr haben sich beide Häuser in langem Wagenzuge, fast alle Glieder in voller Hof - oder Kriegsuniform, nach Buckinghampalast begeben, um die gestern votirte Beglückwünschungsadresse einzureichen: der Zug des Hauses der Gemeinen fuhr voran, und als die ersten Wagen desselben in den Schloßhof einfuhren, hatten die letzten Wagen das Haus der Lords noch nicht verlassen. Auch die beiden Höfe der Aldermänner und des Gemeinderaths haben gestern das Einreichen dreier ähnlicher Beglückwünschungsadressen an die Königin, den Prinzen Albert und die Herzogin von Kent beschlossen. Außer dem Votiren der Adresse beschäftigte sich das Oberhaus gestern mit einer Motion des Grafen Fitz-William über Abschaffung der Korngesetze, die jedoch Lord Melbourne selbst widersetzte sich mit 194 gegen 42 Stimmen verworfen wurde. Im Unterhause kam, nach gleichfalls einstimmiger Votirung der Adresse, die Stanley'sche Bill zur Verhandlung; Hrn. Woods Antrag auf Vertagung derselben ward mit 206 gegen 195 Stimmen verworfen, und die weitere Besprechung der Bill unter vielen stürmischen Debatten auf nächsten Montag festgesetzt. In der heutigen Sitzung des Oberhauses hat Lord Melbourne angezeigt, daß die Regierung einen religiösen Feiertag1363 zur Danksagung für die wunderbare Rettung der Königin, wie dieß bei einem ähnlichen Ereignisse unter Georg III geschah, anberaumen werde. Die Ausschußdiscussion über die irische Corporationsbill ward auf Antrag des Herzogs v. Wellington mit 94 gegen 68 Stimmen auf nächsten Freitag verschoben. Im Unterhause von heute kamen die Blokade von Buenos-Ayres und Hrn. Mac Gregors Handelsvertrag mit Neapel wieder zur Sprache, jedoch ohne neue Aufklärung darüber von Seite Lord Palmerstons. Zugleich ward in beiden Häusern die Antwort Ihrer Maj. der Königin auf die Beglückwünschungsadresse vorgelesen. Sie lautet wie folgt: Mit wahrhaft aufrichtiger Freude empfange ich heute diese Adresse meiner beiden Parlamentskammern. Ich bin der göttlichen Vorsehung für die mir erzeigte Gnade von Herzen dankbar, und empfehle mich auch fernerhin mit Demuth ihrem heiligen Schutze; bei allen mir noch bevorstehenden Prüfungen aber hoff 'ich in der Ergebenheit und Treue meines Parlaments den Trost und Beistand zu finden, den sie mir heute gewährt haben.

Hätte nicht eine gütige Vorsehung über der Nation gewacht, so wäre, wie ein Wetterschlag aus heiterm Himmel, das Uebel herbeigeführt worden, das jeder Patriot im gegenwärtigen Augenblick als das größte Unglück ansehen müßte, welches das brittische Reich befallen könnte der Tod der Königin! Ein elender Wicht aus der niedrigsten Volksclasse, einer von denen, welche für die Wirthe das Bier zu den benachbarten Kunden tragen, kaum 18 Jahre alt, war es, der die Pistole gegen sie aufhob. Es hatten sich wie immer viele Personen vor dem Palaste und längs des Weges versammelt, um das verehrte hohe Paar ausfahren zu sehen, und der Wagen war nur wenige hundert Schritte von dem Thore, als man einen Schuß und gleich darauf einen zweiten vernahm. Bei dem ersten soll die Königin aufgesprungen seyn, von dem Prinzen aber, der den Mörder mit der zweiten Pistole im Anschlage bemerkte, auf den Sitz niedergezogen und mit seinen Armen umschlossen worden seyn. Die erschrockenen Zuschauer sahen mit Freude, daß das hohe Paar unverletzt war, und, als wenn nichts geschehen wäre, weiter fuhr. Der Mörder aber war von vielen gesehen und sogleich ergriffen worden, und ist bereits, nach einem geheimen Verhör im Ministerium des Innern, auf Hochverrath angeklagt, nach dem Gefängnisse Newgate abgeführt worden. Was diesen Menschen zu einem solchen abscheulichen Versuch verleitet hat, ist noch in undurchdringliches Dunkel gehüllt. Nach seinem Benehmen seit seiner Verhaftung zu schließen, war es ein krankhafter Kitzel, die Welt von sich reden zu machen. Vielleicht waren die Pistolen nur blind geladen, da man alles Suchens ungeachtet noch kein Blei gefunden haben soll. (Nach andern Angaben wäre eine Kugel gefunden worden.) Indessen hat man in seiner Wohnung Dinge entdeckt, welche ihn für ein Mitglied irgend einer geheimen Gesellschaft halten lassen. Hoffentlich wird das Räthsel zur Beruhigung der Nation gelöst, und wenn noch andere des Verbrechens theilhaftig sind, solche ebenfalls zur Strafe gezogen werden. Es scheint leider seit kurzem unter unsere untern Volksclassen eine Art von Wuth gekommen zu seyn, welche auf einen gefährlichen geistigen Zustand schließen läßt. Binnen wenig Tagen hat in London ein Mann bei hellem Tage auf öffentlicher Straße, zuerst seiner Frau und dann sich selbst den Hals abgeschnitten, ein anderer versuchte ebenfalls auf der Straße sein Mädchen zu erstechen, und ein dritter erdrosselte seine Frau, während zu Manchester ein junger Mensch sich auf der Straße den Hals abschnitt, und in Nottingham ein anderer seine Frau zu Tode stampfte! Die Monarchin hat, obgleich sie in gesegneten Umständen, von dem Schreck nicht die geringste üble Folge verspürt, und hat dadurch abermals bewiesen, daß in ihrem kleinen Körper eine große feste Seele wohnt, welche geeignet scheint, den Stürmen einer bewegten Zeit zu widerstehen. Gleich nach dem Vorfalle fuhr das hohe Paar aufs schnellste zur Herzogin von Kent, ohne Zweifel mit dem schönen kindlichen Gefühle, jedem Gerücht zuvorzukommen, welches die erlauchte Mutter zu sehr erschrecken könnte. Nachher fuhren sie in den Park, wo sie von Hohen und Niedern mit einer Herzlichkeit begrüßt wurden, welche die Monarchin von der innigen Theilnahme überzeugen mußte, womit die Nation ihre Herrscherin ansieht. Das Parlament hatte sich nach den kurzen Pfingstferien eben wieder versammelt. Die Glückwunschadresse beider Häuser ist heute Nachmittag überreicht worden, und zwar in Begleitung einer größern Anzahl von Mitgliedern, als man seit langer Zeit auf einmal vor dem Throne erscheinen sah. Auch die Corporation der City hat eine solche Adresse überreicht, und ohne Zweifel werden alle Gemeinden und Vereine jeder Art im ganzen Lande dem Beispiele folgen. Dabei waren die Anfragen im Palaste nach dem Befinden des hohen Paares von gestern früh an höchst zahlreich, und der Empfang, welchen die Königin und der Prinz gestern Abend auf ihrer gewöhnlichen Spazierfahrt fanden, war wo möglich noch enthusiastischer als am vorigen Abend, wenigstens hatten sich mehr Personen eingefunden, um dieselben zu sehen und zu begrüßen. Man bemerkte nicht, daß irgend eine Vorkehrung zu ihrer Sicherheit getroffen worden wäre; sie hatten keine militärische Begleitung, indem sie wohl fühlen mochten, daß keine Soldaten gegen solche Unternehmungen rasender Menschen schützen können, ein treues Volk aber die zuverlässigste Leibwache guter Fürsten ist. Während aber alle Parteien um den Thron her eines Herzens und eines Sinnes scheinen (denn selbst die verzweifeltsten Tories haben aufgehört, schimpflich von der Königin zu reden, und der gegenwärtige Vorfall wird sie noch mehr witzigen) droht in der Politik der Kampf der Parteien um so heftiger loszubrechen. Im Unterhause sollte gestern Abend Lord Stanley's Bill in den Ausschuß gebracht werden; aber man wußte auf der ministeriellen Seite durch mancherlei Vorschläge und lange Reden so die Zeit zu zersplittern, daß kein einziger Schritt vorwärts geschah. Wogegen denn auch Stanley drohte, nächsten Montag in Anspruch zu nehmen, welcher, nach allgemeiner Uebereinkunft, für Regierungssachen bestimmt ist. Gegen das Ende der Debatten geriethen auch O'Connell und einige Tories persönlich hart an einander, und es entstand ein Auftritt, welcher einer Versammlung von gebildeten Männern wenig Ehre macht. Heute Abend soll über den wichtigen Regierungsvorschlag, daß die das Armenwesen beaufsichtigende Commission erneuert werden solle, berathen werden, im Oberhause aber über die irische Corporationsreformbill, und eine andere, welche die Gränzen der Städte und die Gerichtsbarkeit der Gemeinderäthe bestimmen soll. Gestern Abend entschied jenes Haus wieder durch eine ungeheure Mehrheit, daß es durchaus nichts gestatten will, was nur zur geringsten Modification der Getreidegesetze Hoffnung machen könne. Die Mehrheit gegen Lord Fitzwilliams Vorschlag belief sich auf 184 Stimmen gegen 42.

Frankreich.

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 13 Jun., worin die Eisenbahndiscussion fortgesetzt wurde, machte nach Verwerfung der drei Amendemens Hr. Berryer den Vorschlag, den 1 Art. folgendermaßen zu verfassen: Der Minister der öffentlichen Arbeiten ist ermächtigt, im Namen des Staats der Compagnie der Eisenbahn von Paris nach Orleans ein1364 Minimum von 4 Proc. Zinsen auf 46 Jahre und 324 Tage, von dem Tag an zu garantiren, wo die Eisenbahn geendigt und der Befahrung in ihrer ganzen Ausdehnung übergeben ist, mit der Verpflichtung der Compagnie, jährlich 1 Proc. zur Tilgung ihres Capitals zu verwenden. Die Commission und die Regierung schlossen sich dieser neuen Abfassung an, die denn auch angenommen ward. Der Art. 2 lautet: Das Capital, worauf sich diese Garantie beziehen wird, soll bestehen aus den Arbeits - und allen Kosten der ersten Einrichtung, ohne in irgend einem Fall den durch die Statuten, welche der Ordonnanz vom 13 Aug. 1838 beigefügt sind, bestimmten Betrag des Gesellschaftsfonds (40 Millionen) überschreiten zu dürfen. Sollte bei Unzulänglichkeit des Gesellschaftsfonds zur Vollendung der Arbeiten und zur Benützung der Unternehmung die Compagnie ein Anleihen machen, so sollen die Zinsen dieser Anleihe aus dem Bruttoertrag der Bahn zum voraus abgezogen werden. In keinem Fall darf die von dem Staate zu bezahlende Annuität den Zins von 4 Proc. von 40 Millionen (1,600,000 Fr.) überschreiten. Der 1 und 2 §. werden angenommen. Auf eine Bemerkung des Hrn. Duchâtel schlägt der Commissionsberichterstatter folgende Abfassung des 2 §. vor: Die Zinsen dieser Anleihe und ihre jährliche Tilgung, die 1 Proc. des angeliehenen Capitals nicht überschreiten darf, sollen zum voraus von dem Bruttoertrag der Bahn abgezogen werden. Nach einer längern Discussion ward der 2 §. in folgender Abfassung angenommen: Im Fall der Unzulänglichkeit u. s. w. sollen die Zinsen dieser Anleihe und ihre Tilgung, wozu der Tarif von der Regierung genehmigt werden muß, von dem Bruttoertrag der Bahn zum voraus abgezogen werden. Der 3 §. ward dann ebenfalls und dadurch der ganze 2 Art. angenommen. Der 3 Art. der Commission lautet: Sollte, nachdem der Staat, als Bürge, das Ganze oder einen Theil des oben festgesetzten Zinsminimums bezahlt hätte, der Fall eintreten, daß sich der Gewinn der Unternehmung über 4 Proc. erhöhe, so soll der Ueberschuß ausschließlich zur Heimzahlung der von dem Staate eingeschossenen Summen verwendet werden. Graf Jaubert schlägt vor beizufügen: Diese Verfügung ist auf die ganze Dauer der Concession anwendbar. Die Commission tritt bei, und der so verfaßte 3 Art. ward dann angenommen. Der 4 Art. lautet: Ein Reglement der Staatsverwaltung wird die Formen bestimmen, denen zufolge die Compagnie gehalten seyn soll, dem Staat gegenüber sich 1) über den Betrag der in der Unternehmung verwendeten Capitalien, 2) über ihre jährlichen Unterhaltungskosten und ihre Einnahmen auszuweisen. Dieser Artikel ward angenommen, so wie der 5 Art., lautend: Die zwischen dem Staate und der Compagnie zur Vollziehung gegenwärtigen Gesetzes zu schließenden Conventionen sollen durch k. Ordonnanzen regulirt werden. Art. 6. Die Actenstücke, welche in Gemäßheit gegenwärtigen Gesetzes verfaßt werden, zahlen nur eine Abgabe von 1 Fr. Angenommen. Art. 7. Die Liste der übernommenen Verpflichtungen, so wie die dem Gesetze vom 7 Jul. 1838 beigefügte Zusatzconvention sollen durch die dem gegenwärtigen Gesetze beigeschlossene Liste der übernommenen Verpflichtungen ersetzt werden. Der Art. 6 des Gesetzes vom 7 Jul. 1838 ist zurückgenommen. Ein Amendement des Hrn. Dufaure, der Regierung die Befugniß zu gestatten, in gewissen Fällen zur Durchkreuzung der Eisenbahnen im Niveau mit den Vicinal - und den Departemental - und den k. Heerstraßen zu ermächtigen, wird sammt dem Art. angenommen, so wie noch mehrere andere von Hrn. Dufaure in Betreff der Liste der übernommenen Verpflichtungen (cahier des charges) verlangte Modificationen im Detail. Eine andere von Hrn. Dufaure verlangte Modification, der zufolge der Compagnie gestattet werden soll, mit den Materialien zu bauen, die sich an den Localitäten vorfinden, und dadurch ihre Arbeiten leichter und wohlfeiler zu vollbringen, wird lebhaft von den HH. Thiers und Vuitry bestritten, von Hrn. Billaudel unterstützt. Diese Modification ward bei der Abstimmung verworfen und dann die Sitzung geschlossen.

Von der Pairskammer ward am 13 Jun. das Salzgesetz nach dem Entwurfe der Regierung, unter Verwerfung aller Amendements der Commission, mit 76 weißen gegen 29 schwarze Kugeln angenommen.

Halb drei Uhr. Nachdem heute der König über die Legionen der Nationalgarde Revue gehalten hatte, die im Hofe der Tuilerien und auf dem Carrousselplatze aufgestellt waren, begab er sich durch die Pforte des Pontroyal, und durchritt die längs der Terrasse am Seineufer bis zum Platze Concorde und von hier bis zum runden Platze der elisäischen Felder aufgestellten Linien. Darauf kehrte Se. Maj. um, und ritt über die Concordebrücke nach dem Quai d'Orsay, wo die Linientruppen aufgestellt waren. Der König endigte die Revue auf der Esplanade der Invaliden, wo die Artillerie und die Cavallerie aufgestellt waren. Um 1 Uhr hielt der König links von dem Obelisken von Luxor, von seinem Generalstab und einem zahlreichen Gefolge, worunter man auch einige fremde Officiere erblickte, umgeben. Das Defiliren der Truppen begann dann sogleich, und dauerte bis gegen vier Uhr. Die Königin, Madame Adelaide, die Herzoginnen von Orleans und von Nemours wohnten in ihren Wagen der Revue bei. Der König ward von der ganzen Nationalgarde mit Zuruf und Freude begrüßt. Se. Maj. schien sehr zufrieden, und bezeugte allen Corpschefs seinen Beifall über die gute Haltung ihrer Truppen. Seit dem 10 Jun. 1838 hatte keine Generalrevue mehr stattgefunden. Es gab selten eine vollständigere als die heutige. Es knüpfte sich überdieß ein besonderes Interesse daran, nämlich die Anwesenheit des Herzogs von Orleans und seines Bruders des Herzogs von Aumale, die an der Spitze der Truppen waren, und welche die Nationalgarde sich glücklich schätzte, nach ihrer Rückkehr aus dem mühsamen Feldzuge, woran sie einen so glorreichen Antheil genommen, wieder zu sehen.

Die Unterhandlungen wegen der Schwefelmonopolsfrage werden vor ihrer Beendigung noch einige Phasen durchmachen müssen, denn fürs erste beharrt Hr. v. Serra Capriola noch immer auf Freilassung der durch die Engländer detinirten Schiffe, dann aber kann man bei der außerordentlichen Beweglichkeit des neapolitischen Genius auf manchen Ideenwechsel hinsichtlich der Ausgleichsbedingungen gefaßt seyn. Nächstens soll, wie versichert wird, eine Petition den Kammern vorgelegt werden, welche die Uebertragung der Asche Karls X nach Paris zum Zweck haben wird. Die Asche Napoleons dürfte Ende Septembers oder Anfangs October (?) in Paris beigesetzt werden. Zur Wahrung der Ruhe sollen bei dieser Gelegenheit außerordentliche Maaßregeln ergriffen werden. Die Zahl der dazu verwendeten Truppen ward auf 80,000 Mann festgesetzt, von denen die Hälfte in einem Lager bei St. Germain zusammengezogen wird. Die Zahl der Landungstruppen, die zur Disposition Baudins gestellt werden, sollen auf eine vom Admiral gemachte Vorstellung um das Doppelte vermehrt werden.

Deutschland.

Der Beschluß der Fortsetzung unserer angefangenen Eisenbahnlinie steht fest, wenn auch für das nächstkommende Finanzjahr nur eine verhältnißmäßig unbedeutende Summe (man spricht von 400,000 fl.) dafür ausgeworfen werden dürfte. Von der Kammer der Abgeordneten aus will man beantragen, daß nach Vollendung der kleinen Eisenbahn zwischen Mannheim und Heidelberg (der Studentenbahn, wie sie der Volkswitz nennt), zunächst eine Bahn von Kehl nach Baden geführt werden solle. Eine spätere Verbindung dieser beiden Linien wäre damit von selbst ausgesprochen, und zugleich die hin und wieder aufgetauchte Muthmaßung abgeschnitten, als ob man bei Karlsruhe mit der Eisenbahn aufhören und der obere Landestheil am Ende leer ausgehen möchte. Ihre k. Hoh. die Großherzogin wird gegen Ende dieses Monats die Reise nach Bad Ischl antreten, um eine ruhige Erholung und Stärkung ihrer Gesundheit daselbst zu finden. Die aufrichtigsten Segenswünsche begleiten sie. Einen1365 ungeschmeichelten Ausdruck dieser Volksgesinnung gab neuerlichst wieder ein Fest in der Eintracht, das zugleich als Erinnerungsfeier den Enthusiasmus erneute, womit im vorigen Jahre, bei einer ähnlichen Veranlassung, das persönliche Erscheinen der charaktervollen Fürstin begrüßt ward.

Obwohl die Durchführung des Strafgesetzbuches vorläufig bei Seite gesetzt ist, wird unser Landtag doch wohl noch um eine kurze Frist verlängert werden müssen, da bis zum 1 Jul. schwerlich Alles aufgearbeitet werden kann. Was den Einhalt der weitern Verhandlung über das Strafgesetzbuch betrifft, so ist es charakteristisch zu sehen, wie eindruckslos diese Art von Zurücknahme bei der öffentlichen Meinung vorüberging. Die Einen finden, daß das Werk eben doch vielfach und wesentlich mangelhaft gewesen; die Andern kommen mit Bestärkung auf den Satz zurück, daß vor einem Strafgesetzbuche einer Strafproceßordnung die Priorität gebühre; eine dritte Meinung endlich sieht es überhaupt gerne, daß es damit nicht glücken will, denn wenn die Gesetzfabrication in der bisherigen Weise fortgehe, so werde antinationaler Weise ein Trennungselement ausgebildet, und die Juristerei in Deutschland zuletzt buntscheckiger werden, als es vor dem großen Handelsverein die Zolltarife waren. Das Jubiläum der Buchdruckerkunst soll, nach einem etwas spät hervorgetretenen Plane, nunmehr auch in Karlsruhe gefeiert werden. Wenn die Sache überhaupt zu Stande kommt, so wird man mit möglichster Vermeidung alles Aufsehens zu Werke gehen. Für diejenigen, welche größer denken, wird Stuttgart der gesuchte Mittelpunkt seyn.

II. MM. der Kaiser und die Kaiserin sind heute Nachmittag hier eingetroffen.

Am 4 d. hat der Abg. Dr. Glaubrech einen Antrag, den Zustand der Presse betreffend, in unsere zweite Kammer gebracht, welcher alsbald an den Gesetzgebungsausschuß zum Bericht verwiesen wurde. Der Antrag ist nun als Theil unserer landständischen Verhandlungen hier im Druck erschienen und lautet im Auszug: Indem ich mir erlaube, die Blicke dieser hochachtbaren Versammlung auf die eben so wichtige als unglückliche Sache der vaterländischen Presse zu lenken, indem ich mir erlaube, an die Ausführung des Art. 18 der deutschen Bundesacte, sowie des Art. 35 unserer Verfassungsurkunde, welche beide die Preßfreiheit, und zwar der erstere als ein gemeinsames Gut aller Deutschen, der letztere als ein allen Hessen feierlich garantirtes Recht verheißen haben, zu erinnern, erwarten Sie nicht eine Ausführung über den unschätzbaren Werth dieser trefflichen Institution von mir zu vernehmen. Gerne will ich hier ferner, so weit dieß nur immer möglich ist, auf jede Eingehung in das Detail des wahrhaft traurigen und betrübenden Zustandes der vaterländischen Presse verzichten. Ich will es sowohl darum, weil Ihnen dieser Zustand leider nur allzusehr bekannt ist, als weil ich jeden Anlaß, der ein Entgegenkommen von Seite des großherzoglichen Ministeriums erschweren könnte, vermeiden möchte. Aber ich glaube als Abgeordneter des Volks die Verantwortlichkeit nicht übernehmen zu dürfen, den gegenwärtigen Landtag vorüber gehen zu lassen, ohne den gedrückten Zustand der Presse zu berühren, und ohne die Benutzung eines Gutes anzusprechen, auf welches das Vaterland ein heiliges und wohlerworbenes Recht hat. Ich fühle mich hierzu um so mehr verpflichtet, als diese Räume noch der einzige Ort sind, wo man offen aussprechen kann, was dem Volke noth thut und was es drückt. Meine Herren, es sind nun volle 25 Jahre, es ist fast ein Menschenalter vorübergegangen, seitdem allen Deutschen die Freiheit der Presse als eines der wesentlichsten und edelsten Güter zugesichert worden ist, seitdem der Art. 18 der Bund esacte feierlich verkündet hat: Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit beschäftigen. Dennoch hat Deutschland bis zur heutigen Stunde vergebens die Erfüllung dieser Zusage ersehnt. Ja, der Zustand der Presse im Allgemeinen ist heute viel trauriger und gedrückter, als zu der Zeit, wo die Bundesacte zu Stande kam. Alle Bemühungen, alle verfassungsmäßigen Schritte der deutschen Volkskammern, alle ständischen Petitionen haben bis jetzt jenes ersehnte Ziel nicht erreichen können. Zwar ist es wahr, nicht immer waren seitdem die Zeiten so ruhig und ungetrübt, daß im Sinne derjenigen, welche glauben, daß nur in den Zeiten der Ruhe neue Institutionen gedeihen und sich befestigen könnten, nicht Aussetzungen hätten gemacht, nicht Befürchtungen gegen den freien Gebrauch der Presse hätten aufgestellt werden können. Wir haben in der That Zeiten ungewöhnlicher Aufregung und heftigen Kampfes der Leidenschaften gesehen; allein selbst abgesehen davon, daß jene Aufregung zum Theil mit dadurch entstanden, daß den Völkern die ihnen gemachten Verheißungen noch nicht realisirt worden, selbst abgesehen ferner davon, daß die Freiheit der Presse trotz aller gegentheiligen Declamationen in Wirklichkeit noch niemals Verschwörungen und Revolutionen veranlaßt hat, wie ich dieß schon bei früheren Verhandlungen ausgeführt habe, sowie von andern Betrachtungen mehr, sind nicht jene unruhevollen, jene sturmbewegten Zeiten längst vorübergegangen? Es ist gelungen, diejenigen, welche den gesetzlichen Weg überschritten hatten, auf den Weg des Gesetzes zurückzuführen, und alle gewaltsamen Ausbrüche der Leidenschaften zu unterdrücken; die Zeiten der Gefahr sind vorüber, und der Strom läuft wieder in den Ufern seines alten Bettes. Niemand wird daher mehr verneinen können, daß jedenfalls die Zeit ruhiger Discussion jetzt vorhanden sey. Und kann es wohl einen festern und kräftigeren Damm gegen das Austreten des Stromes in künftigen Zeiten der Gefahr geben, als jetzt die billigen und gerechten Anforderungen des Volks zu gewähren? Möchten doch alle Regierungen sich von der Wahrheit des Satzes überzeugen, daß in der Erinnerung der Völker das Gefühl des Dankes für diejenigen zeitgemäßen Institutionen, die ihnen freiwillig gewährt werden, niemals erlischt, während sie selten, oder nie für diejenigen Dank wissen, welche sie in den Zeiten der Gefahr sich selbst erringen. In dem Charakter der Zeit kann also gewißlich kein Hinderniß liegen, um die Verheißung der Bundesacte in Erfüllung zu bringen, und dem deutschen Volke endlich den Genuß jenes hochwichtigen Rechtes zu gewähren, in dessen Besitze längst schon so viele andere Länder und Nationen sich befinden. Blicken Sie um sich, und Sie sehen, daß die ganze pyrenäische Halbinsel, daß Frankreich und Großbritannien, daß Dänemark, Schweden und Norwegen, daß Belgien, die Niederlande und die Schweiz, daß Griechenland und ganz Amerika die Freiheit der Presse genießen. Doch man sagt vielleicht noch immer: Der Deutsche sey noch nicht reif zum Genusse jenes Rechts? Wie sollte aber Deutschland, der Mittelpunkt der Civilisation in Europa, dasjenige Land, dessen Bewohner unstreitig die größte und allgemeinste Bildung besitzen, weniger reif seyn, als Frankreich, das noch so viele Millionen zählt, die nicht einmal den ersten Unterricht genießen, und das seine größten und ausgezeichnetsten Lehrer nach Deutschland sendet, um den deutschen Volksunterricht kennen zu lernen, und zu studiren? Oder sollte Deutschland weniger reif seyn, als England, wo so viele Hunderttausende, weit entfernt an Unterricht zu denken, nicht einmal ihren Hunger zu stillen vermögen, und zum Theil statt des Brodes Abfälle roher Stoffe verzehren? Sollte endlich das durch seinen hohen moralischen Werth, durch Rechtlichkeit und Biedersinn, sowie durch treue Anhänglichkeit an seine Fürsten ausgezeichnete deutsche Volk weniger reif zum Genusse der Preßfreiheit seyn, als Spanien und Portugal, oder das vor noch nicht langer Zeit von dem Joche des Despotismus und der Barbarei befreite Griechenland? Doch wie darf ich von Despotismus und Barbarei sprechen, wenn wir sehen, daß selbst der Halbmond nicht bloß vor den Gesetzen der Humanität und Civilisation sich beugt, sondern auch an die Stelle des absolutesten Despotismus die Gesetze eines höhern und edlern Staatsrechts und Principien constitutioneller Monarchien treten läßt. Wahrlich, nach solchen Vorgängen wird bald selbst der halbrohe Muselmann sich im Besitze jenes kostbaren Gutes, der Freiheit der Presse, befinden, während das gesittetste, das wissenschaftlich gebildetste, das edelste und treueste Volk der Erde diese Institution1366 noch immer nur als ein leeres Wort in seinen Staatsverfassungen erblicken muß! Meine Herren, ich sagte so eben, daß die Freiheit der Presse in unserer Verfassungsurkunde bis jetzt nur ein leeres Wort sey, und es ist dieses Wahrheit, denn die Censur mit ihrer Willkür herrscht überall. Ein allgemeines Gesetz über die Ausführung der Preßfreiheit ist bis heute nicht zu Stande gekommen. Der Bundesbeschluß vom Jahr 1819, weit entfernt, sich als solches anzukündigen, erklärte vielmehr selbst, daß er nur vorübergehende, durch die bewegten Zeitverhältnisse veranlaßte, beschränkende Verfügungen gegen die Ausübung der freien Presse zum Gegenstande habe. Er beschränkte übrigens, wie dieses allgemein anerkannt ist, die Presse der einzelnen Bundesstaaten bezüglich ihrer inneren Angelegenheiten nicht im entferntesten, und konnte dieses auch nicht, da, wie verschieden man über die Natur der Preßfreiheit auch denken mag, doch jedenfalls Niemandem es einfallen wird, noch je eingefallen ist, zu läugnen, daß wenigstens in Bezug auf die eigenen Landesangelegenheiten die Regulirung der Presse eine innere, der Einwirkung der Bundesversammlung fremde Angelegenheit jedes einzelnen Staates sey. Wir haben nun aber, und dieß ist notorisch, in dem Großherzogthum eben so wenig Preßfreiheit für innere Landesangelegenheiten, als für auswärtige. Ja, wir kennen eine Discussion der Presse bezüglich unserer inneren Angelegenheiten noch weniger, als bezüglich der äußeren. Wohl mag nämlich zwar, was in außerdeutschen Staaten, was in Frankreich und England, was in Spanien oder in Amerika sich begibt, in unsern Blättern besprochen werden. Für unsere eigenen inländischen hessischen Angelegenheiten, für unsere inländische Politik aber gibt es kein öffentliches Blatt in unserem Lande, das ein von der Regierung unabhängiges oder den Ansichten derselben entgegengesetztes Urtheil aussprechen dürfte. Wir sind hierin übler daran, als Bayern, Baden, Würtemberg und andere deutsche Bundesstaaten. Die wenigen unabhängigen politischen Blätter unseres Landes, die früher bestanden, wurden bekanntlich, obgleich sie niemals der Censur sich entzogen, durch Zurücknahme der Concessionen, von der Regierung unterdrückt, neue Concessionen aber nicht gegeben. Und wer könnte sich auch heute nur versucht fühlen, eine Concession zu einem unabhängigen Blatte zu begehren, wenn ihm dieselbe nur unter der Bedingung stets vorbehaltenen Widerrufes, also mit andern Worten, nur unter der Bedingung angeboten wird, daß es aufhöre, sobald irgend etwas der Regierung Mißfälliges darin aufgenommen werde, und wenn auf diese Weise das Schwert des Damokles jeden Tag über seinem Haupte schwebt! Gewiß sehr erklärbar ist es, wenn solchergestalt es endlich dahin gekommen ist, daß eine jede öffentliche Erörterung, selbst die bescheidenste Kritik, unserer inneren Landesangelegenheiten außer der ständischen Tribune unmöglich geworden ist. Wie wenig aber von unsern ständischen Verhandlungen in das Publicum kommt, und wie sehr alle deßfallsi en Mittheilungen in den öffentlichen Blättern beengt und beschränkt sind, das ist zur Genüge bekannt. Haben wir doch erst wieder in neuester Zeit erfahren müssen, daß kein inländisches Blatt auch nur ein Referat über die jüngste, im März laufenden Jahres stattgehabte Berathung der zweiten Kammer bezüglich der unglücklichen hannover'schen Verfassungsfrage aufnehmen durfte! ... An den ständischen Kammern ist es mit allen ihnen zu Gebote stehenden verfassungsmäßigen Mitteln auf Abhülfe des gegenwärtigen bekla enswerthen Zustandes der Presse zu dringen, ihre deßfallsigen Schritte so oft zu erneuern und nicht nachzulassen, bis endlich die Verheißung des Art. 18 der Bundesacte wirklich in Erfüllung geht. Indem ich hieran durch meine gegenwärtige Motion erinnere, fühle ich übri ens wohl, daß das Jahr 1840, welches noch so viele Gegner einer öffentlichen und allgemeinen Feier der segensreichen Erfindung der Presse zählt, nicht dasjenige ist, welches uns und dem großen Vaterlande den Genuß allgemeiner Preßfreiheit bringen wird; auch verkenne ich keineswegs die Hindernisse, welche einer einzelnen Regierung, hätte solche wirklich die Absicht, sofort allgemeine Preßfreiheit zu verwirklichen, entgegentreten würden, wiewohl diese Hindernisse keineswegs unübersteiglich sind. Mein heutiger Antrag ist daher nur sehr bescheiden. Nur einiger Rechtszustand in Sachen der Presse und Milderung des schwer lastenden Druckes überhaupt, so wie Freiheit der Presse für unsere innern Landesangelegenheiten ist es, was ich heute begehre. Kein Hinderniß, weder von innen noch von außen, steht der Willfahrung einer solchen Bitte entgegen. Meine Herren, wir haben auf dem gegenwärtigen Landtage ein großes Budget bewilligt, größer, als irgend eines der früheren Finanzperioden. Wir haben außerdem noch solche große und außerordentliche Opfer der Regierung bewilligt, wie keine frühere Kammer es gethan hat. Wir können also bei unserer Rückkehr keine Herabsetzung der directen Steuern mitbringen. Wir können eben so wenig unsern Mitbürgern bezüglich der indirecten Steuern, sey es eine Herabsetzung derselben, sey es eine Erleichterung in dem so schwer drückenden Controllsystem verkünden; ja wir können ihnen nicht einmal die gewisse Aussicht eröffnen, daß bezüglich der Communalauflagen, wie dieß allgemein gewünscht wird, ein Maximum gesetzlich festgesetzt werde. Möchten wir, da wir dieß Alles nicht können, bei unserer Heimkehr wenigstens im Stande seyn, unsern Mitbürgern Freiheit der Presse für unsere inländischen Angelegenheiten und dadurch die sicherste Gewähr dafür mitzubringen, daß mit Hülfe derselben, mit Hülfe fortgesetzter öffentlicher Besprechung und Erörterung es gelingen werde, auch ihre, ihr materielles Wohl betreffenden Wünsche, recht bald zum Ziele zu führen. Mein Antrag geht nach allem diesem dahin: Es wolle verehrliche Kammer großherzogliche Staatsregierung ersuchen, den Art. 35 der Verfassungsurkunde wenigstens für inländische Angelegenheiten sofort zu verwirklichen, in Bezug auf äußere Angelegenheiten aber jedenfalls einigen gesetzlichen Rechtszustand herbeizuführen, und zu diesem letzteren Endzwecke bald möglichst und noch auf diesem Landtage den Ständen einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen.

Der Tod Sr. Maj. des Königs von Preußen hat hier ungeachtet der Erinnerungen von 1814 warme Theilnahme erregt. Man beschäftigt sich viel mit Muthmaßungen über die politischen Folgen dieses Ereignisses und glaubt, daß die seither bestandenen Verhältnisse Preußens sowohl zum deutschen Bund als hinsichtlich seiner Stellung zu den europäischen Mächten nicht die mindeste Abänderung erleiden werden. Doch ist man der Meinung, daß in dem Personal der höchsten Administrativbehörden einige Modificationen stattfinden werden. Zugleich wird vielfach die Hoffnung ausgesprochen, daß der königliche Nachfolger nicht säumen werde, die religiösen Wirren in Ordnung zu bringen, da die wichtigsten Hemmnisse einer freundschaftlichen Transaction mit dem römischen Stuhle aufgehört zu haben scheinen.

Heute Morgen vor 10 Uhr kam Se. Maj. der Kaiser von Rußland mit seiner Schwester, unserer Großherzogin, und der Großfürstin Olga vom Belvedere herunter, den Gottesdienst in der russischen Capelle zu besuchen. Dann begaben sich die hohen Herrschaften in das großherzogl. Residenzschloß, und einige Zeit später auch die Kaiserin, vom Belvedere kommend, um ein Déjeûner einzunehmen. Der Platz vor dem Schlosse war mit Menschen aus den besten Ständen angefüllt, die hohen Personen zu sehen, die ihnen freilich nur im Nu vorübergeführt wurden. Die Zeit und ihre Ereignisse seitdem schienen mir den männlich schönen Zügen des Kaisers ein noch ernsteres schärferes Gepräge in den letzten zwei Jahren gegeben zu haben. Die Kaiserin dagegen war sehr leidend und angegriffen von körperlichem Unwohlseyn sowohl als von dem Tode ihres geliebten Vaters; dem Blick der Augen merkte man die tiefste Trauer an. Neben ihr schwebte die Großfürstin Olga, edel wie aus schönstem Marmor gebildet, ein liebliches Conterfei ihres Vaters in zartester Schönheit. Mittags um 12 Uhr setzte die Kaiserin mit der Großfürstin Olga ihre Reise fort; unsere Großherzogin begleitete sie bis zur ersten Station, und unser Großherzog bis nach dem Lustschloß Wilhelmsthal bei Eisenach, wo sie diese Nacht ruhen wird. Se. kaiserl. Maj. bleibt noch zurück, ganz den Geschäften gewidmet, und wird erst diese Nacht seiner erlauchten Gemahlin nachreisen. Frankfurt ist das nächste Ziel, wohin sich auch schon die großherzogl. Darmstädtische Familie begeben, und wo der Großfürst1367 Thronfolger seinen erhabenen Eltern die erwählte Prinzessin als seine Braut vorführen wird.

Nach den Berichten der Hannover'schen Zeitung hat die zweite Kammer die Anfangs (mit 23 gegen 17 Stimmen) beschlossene Herstellung der allgemeinen Zustimmung zu dem wesentlichen Inhalte aller Gesetze in der zweiten Berathung (mit 24 gegen 16 Stimmen) wieder aufgegeben und sich mit der etwas veränderten Bestimmung des Entwurfs begnügt, nämlich daß außer den Steuergesetzen alle diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, welche die persönliche Freiheit beschränken oder einen Eingriff in das Privateigenthum enthalten, der ständischen Zustimmung, die übrige Gesetzgebung aber nur des ständischen Beiraths bedürfen soll. Vielleicht eben sowohl die (nach den umständlichen Berichten von der Hannoverschen Ztg. selbst) von dem Hauptwortführer der Regierung in jener Sitzung vom 19 d. M. mehrfach wiederholte Aeußerung, daß mit der allgemeinen Zustimmung weder an das Zustandekommen der Vereinbarung, noch an eine Garantie des Bundes zu denken sey als vielleicht noch mehr die von demselben (der Hannover'schen Zeitung zufolge) gegebene feste Versicherung, daß mit Ausnahme von Würtemberg, den beiden Hessen und dem Königreiche Sachsen, alle andern constitutionellen Staaten Deutschlands um kein Haar besser gestellt seyen mögen die Kammer dazu vermocht haben, von ihrem früheren Beschlusse abzugehen. In wie fern jene ersten Versicherungen (rücksichtlich des Scheiterns der Vereinbarung, wie der Garantie, an der allgemeinen Zustimmung) gegründet seyen, können wir hier nicht untersuchen; die letzte Versicherung jedoch, daß außer den genannten vier Verfassungen keine deutsche Verfassungsurkunde den Ständen ein Mehreres einräume, ist ein so offenbarer Irrthum, daß wir nicht begreifen können, daß derselbe nicht sofort in der Kammer Widerlegung gefunden hat. Keine einzige deutsche Verfassung enthält jenen Satz wohl aber findet sich in der bayerischen, badischen, sachsen-weimarischen, nassauischen, sachsen-coburgischen (sachsen-meiningenschen) und sachsen-altenburgischen Verfassung der übereinstimmende Satz: daß zu allen Gesetzen, welche die Freiheit der Personen oder des Eigenthums der Staatsangehörigen zum Gegenstande haben (betreffen), die Einwilligung (Zustimmung) der Stände erfordert wird. Der Unterschied zwischen dieser Bestimmung und jener am 19 d. von der zweiten Kammer beschlossenen ist mit Händen zu greifen: diese letztere spricht von gesetzlichen Bestimmungen, jene von Gesetzen; diese von Beschränken der Freiheit und Eingriffen in das Eigenthum, jene der andern Verfassungen von Gesetzen, welche Freiheit und Eigenthum zum Gegenstande haben. Durch diese am 19 d. von der zweiten Kammer beliebte Fassung wird aber der ganze Satz durch die Zweideutigkeit eines jeden Wortes so doppelsinnig, daß man damit jedes Gesetz (als etwa ein Expropriations - oder ein Verkoppelungsgesetz) der ständischen Zustimmung entziehen kann. Eine Proceßordnung, eine Hypothekenordnung, ja ein ganzes Civilgesetzbuch lassen sich auf solche Weise wegdisputiren sie alle beschränken ja nicht die persönliche Freiheit, sollen auch keinen Eingriff in das Privateigenthum enthalten, sondern gerade dagegen schützen. Nach dieser Fassung muß der Streit um Zustimmung oder Beirath bei jedem einzelnen Gesetze sich erneuern und die Sache wird damit endigen, daß die Stände es beim Beirath bewenden lassen. Die Sache ist aber um so beachtenswerther, als der neuen Verfassung alle übrigen schützenden Institutionen (Verantwortlichkeit der Minister etc.) gänzlich fehlen. (Hamb. Corresp.)

Preußen.

Das Berliner pol. Wochenblatt sagt: Mit Friedrich Wilhelm III schied der letzte Kurfürst, beinahe der letzte regierende Fürst des heiligen römischen Reichs deutscher Nation aus dem Kreise der Lebenden, mit ihm trat vom irdischen Schauplatze der letzte jener drei Monarchen, deren inniger Vereinigung und festem Ausharren nicht bloß Deutschland, sondern Europa die Erlösung vom Uebel, den endlichen Sieg des Rechts über die in Bonaparte incarnirte Revolution verdankt. Mit ihm, dem letzten Repräsentanten einer ruhmvollen Vergangenheit, ist diese abgeschlossen, und eine neue Periode beginnt. Möge sie uns Alle entschlossen und bereit finden, den vorangegangenen Geschlechtern in hingebender Treue, tapferer Gesinnung und muthiger Ausdauer nicht nachzustehen!

Rußland und Polen.

Eine dem wesentlichen Inhalte nach ganz übereinstimmende Correspondenz des Univers und des Journal des Débats gibt einige neue Details über die Deportation des Bischofs von Podlachien. Nach dem Univers weigerte sich der Bischof gemäß der Aufforderung der Regierung eine Namensliste aller Mitglieder der in seiner Diöcese befindlichen frommen Bruderschaften abzugeben, während er nach einer Correspondenz des Journal des Débats aus Janow vom 29 März sich bei dem Ministerium des Innern beschwert haben soll, daß das Pfarreigebäude von Wengrow nicht seiner Bestimmung gemäß zum Wohnort emeritirter Geistlicher seiner Diöcese, sondern zur Einquartirung für Soldaten verwendet wurde. Da seine Vorstellung fruchtlos blieb, soll sich der Bischof in einer Immediateingabe an den Kaiser gewendet haben, deren Ausdrücke zum Theil Anstoß gefunden, und zunächst zu seiner Verhaftung Veranlassung gegeben hätten. Ganz falsch sey es, daß der Bischof Schritte gethan, die sogar das Mißfallen des Papstes ihm zugezogen hätten. Der heilige Stuhl habe vielmehr sein Benehmen 1833 hinsichtlich der gemischten Ehen vollkommen gebilligt. Der letzte Act des Bischofs vor seiner Abführung war, wie berichtet wird, die Abfassung einer feierlichen schriftlichen Protestation gegen seine Abführung. Er wurde nach Mohilew in ein Dominicanerkloster gebracht.

Das 5te russische Armeecorps, welches seit mehreren Jahren in der Krim, Bessarabien und den Gegenden von Odessa stationirt ist, und dessen Hauptquartier unter General Lüders sich eben in Odessa, wo die Wohnungen schon in Bereitschaft gesetzt waren, etabliren sollte, hat unerwartet Marschordre nach Circassien erhalten. Es scheint, daß Rußland den dießjährigen Feldzug mit außerordentlicher Kraft zu führen gedenkt. Die Voranstalten zeigen dieß deutlich an, und man erhält damit zugleich einen Beweis, welches Gewicht Rußland auf seine Herrschaft in diesem Gebirgslande und den im letzten Winter darin erlittenen Verlusten legt. Zwölftausend Mann sind bereits eingeschifft, 8-10,000 Mann und die 3te Division sind nach Tiflis instradirt worden. Auch ist das Corps des Generals Grabbe ansehnlich verstärkt worden. Der erste Ausschiffungsort dürfte Tuabs*)Die Mündung des Tuabs, berichteten unsre vorgestrigen Briefe aus Galacz und Jassy. und Psesouape (?) seyn. Man ist auf heftigen Widerstand gefaßt, und blutige Gefechte werden besonders den dießjährigen Feldzug bezeichnen. Man spricht von einer kaukasischen Conföderation, die sich in Folge der neuesten Successe der Tscherkessen gebildet habe, und vom schwarzen bis zum kaspischen Meer erstrecken soll, weßhalb auch manche an einem entscheidenden Erfolg der dießjährigen großen1368 Anstrengungen der Russen zweifeln. Krankheiten unter den russischen Truppen in Folge schlechter Nahrung und die Strapazen des ungewohnten Gebirgskriegs richten unter den Russen eben so große Verheerungen an, als die feindlichen Waffen, und kommen den zusehends besser geübten und fanatisirten Tscherkessen sehr zu statten. Das 5te russische Armeecorps wird in seinen Stationen durch das 3te ersetzt werden, das bisher in altpolnischen Provinzen (Podolien, Volhynien, Kiew) stand, und dieses wieder durch aus dem Herzogthum Warschau und den nördlich angränzenden Provinzen nachrückende Truppen. Die russische Flotte wird an der kaukasischen Küste Station nehmen, übrigens in beständiger Bereitschaft seyn, um, wenn die Verhältnisse in der Türkei es erheischen, dem ersten Rufe zu anderweitiger Verwendung folgen zu können.

Oesterreich.

Se. Maj. der Kaiser haben den Professor der Pastoraltheologie, Ignaz Feigerle, zum Hof - und Burgpfarrer und Vorsteher des höhern weltpriesterlichen Bildungsinstituts zum heil. Augustin in Wien und den Consistorialrath Zenner zum Referenten in kirchlichen Angelegenheiten bei der Studien-Hofcommission, zugleich zum Director der theologischen Studien der österreichischen Monarchie zu ernennen geruht. Gestern ist hier der älteste Sohn des preußischen Gesandten, Grafen v. Maltzan, mit Tod abgegangen.

Der serbische Finanzminister, Hr. Alexea Simitsch, ist in Familienangelegenheiten hier eingetroffen. Die heutige Wiener Zeitung enthält eine ältere allerhöchste Entschließung, wodurch der Vicepräsident der königl. ungarischen Hofkammer, Freiherr v. Mednyansky, zum Präsidenten des im Königreich Ungarn neu errichteten, mit der Studiencommission vereinten Censurcollegiums ernannt wird.

1361

Cousin über Graf Santa Rosa.

Cousin, der Philosoph, der Minister, hat kürzlich eine dem Principe de la Cisterna zugeeignete Lebens - und Charakterskizze des Grafen Santa Rosa veröffentlicht, dessen späteres Schicksal und Ende nur verworren und fragmentarisch von den öffentlichen Blättern besprochen worden war. Cousin hat diese Skizze mit einer Menge Details aus seinem und seines Freundes Privatleben begleitet, in Betreff deren wir auf die Schrift selbst (in der Revue des deux Mondes vom 1 März, dem Tage, wo Cousin ins Ministerium getreten,*)Die Litterarischen Blätter der Börsenhalle haben eine vollständige Uebersetzung davon geliefert. verweisen. So bezeichnend jene Details für Santa Rosa's Charakter, wie für das damalige Leben und Treiben der Proscribirten in Frankreich und England sind, so müssen wir uns doch hier auf die mehr allgemeinen Züge beschränken, die wir in Folgendem gedrängt zusammenstellen:

Die Zeit hat beinahe das Andenken an die kurze piemontesische Revolution von 1821, so wie des Menschen verwischt, welcher in jener die Hauptrolle spielte. Diese Vergessenheit enthält nichts Ungerechtes. Um im Gedächtniß der Menschen zu bleiben, muß man Thaten verrichtet haben, welche bleibend sind. Es ist nicht bloße Schwäche, wie man oft glaubt, wenn die Menschen ihre Verehrung nach dem Erfolge richten; er ist in ihren Augen das Symbol der großen Vorzüge der Seele, und der ersten von allen, nämlich jener kräftigen Klugheit, welche sich in keine Unternehmung einläßt, ohne alle Chancen gegen einander abgewogen und sich überzeugt zu haben, daß sie nichts enthalten, wodurch Beharrlichkeit und Energie vereitelt werden könnten. Der eclatanteste Muth gegen das Unmögliche findet wenig Anklang, und die heroischsten Opfer verlieren gewissermaßen ihren Werth, wenn sie einem unvernünftigen Zweck dienten. Der wahre Zweck der piemontesischen Revolution war gewiß nicht die ungestüme Errichtung einer constitutionellen Regierung, nach Art der englischen und heutigen französischen, in einem Lande, welches noch zwei Jahrhunderte zurück ist. Diese Revolution war nichts als eine militärische Bewegung. Der große und unverzeihliche Fehler der Chefs dieser militärischen Bewegung war der, daß sie auf ihre Fahne die Devise eines überspannten und fremdartigen Liberalismus setzten, so daß die unvermeidliche Folge Parteiungen, Unzufriedenheit des Adels, in dessen Händen der Reichthum und die Macht waren, und die Beunruhigung des Königthums seyn mußten. Und ferner hing der Erfolg der Erhebung des Hauses Savoyen gegen Oesterreich von den zwei Bedingungen ab, daß 1) Frankreich, wenn es nicht offen diese Bewegung unterstützte, doch ihr nicht entgegenwirke und sie selbst unter der Hand befördere; und 2) die neapolitanische Armee wenigstens ein paar Monate Widerstand leisten könne. Diese beiden Bedingungen aber fehlten. 1821 neigte sich die französische Regierung schon der verhängnißvollen Reaction zu, welche das Ministerium des Hrn. v. Villèle und später die Julius-Ordonnanzen bezeichnet, und alle gut unterrichteten Militärs in Piemont wußten wohl, daß es Thorheit sey, auf die neapolitanische Armee zu rechnen. Die piemontesische Revolution war also im voraus zum Scheitern verurtheilt; sie hat das größte Unglück über dieses kleine Land gebracht, welches Alles der Weisheit, gepaart mit Kühnheit, verdankt, und welches nur durch dieselben Mittel wachsen und zunehmen kann, die in drei Jahrhunderten es zu dem gemacht haben, was es jetzt ist. Mitten zwischen Oesterreich und Frankreich hat sich das Haus Savoyen nur gehoben, indem es dem einen Staate gegen den andern diente und in keinem Momente mehr als einen Feind hatte. Die piemontesische Monarchie ist das Werk der Politik; die Politik allein kann sie erhalten. Wenig hätte gefehlt, und die Revolution von 1821 hätte sie vernichtet. Die Abdankung eines geachteten Königs, der Erbe des Thrones in Gefahr und beinahe ein Gefangener, die Blüthe des Adels im Exil, der erste General Italiens, der Stolz und die Hoffnung des Heeres, Giflenga, für immer in Ungnade, Sie, mein theurer Freund (Fürst de la Cisterna), der Sie durch Geburt, Vermögen, namentlich aber durch Ihre Persönlichkeit und Ihre Einsicht, mit solchem Recht auf die Vertretung Piemonts bei den Höfen von Paris oder London angewiesen waren, für Ihr ganzes Leben vielleicht zur Unthätigkeit verdammt, Officiere, wie Saint Marsan, Lisio und Collegno dahin gebracht, daß sie nichts Besseres thun konnten, als ihren Degen zu zerbrechen; endlich der, welcher, lassen Sie mich es frei heraussagen, Sie Alle überragte, der, dessen muthiger Geist, wenn er eine bessere Richtung erhalten hätte, und dessen überlegenes Genie, wenn es an der Erfahrung gereift wäre, dem piemontesischen Vaterlande und dem Hause Savoyen den fähigsten Minister hätten liefern können, um ihre Schicksale zu leiten, Santa Rosa geächtet, in Europa umherirrend und in Griechenland in einem seiner kaum würdigen Kampfe den Tod suchend das sind die bittern Früchte einer zugleich höchst nobeln und höchst unverständigen Unternehmung. Europa erinnert sich kaum mehr, daß in Piemont eine liberale Bewegung stattgefunden im Jahr 1821; die, welche natürlichen Sinn für das Schöne haben, unterschieden in diesem vorübergehenden Geräusch einige Worte, welche eine große Seele verriethen; der Name Santa Rosa machte einen Augenblick Epoche; wenige Zeit darauf hörte man denselben Namen wieder in den griechischen Angelegenheiten, und man vernahm, daß derselbe Mann, welcher sich 1821 mit einem vorübergleitenden Schatten von Größe in seiner kurzen Dictatur geltend gemacht hatte, bei der Vertheidigung der Insel Sphakteria gegen die ägyptische Armee den Tod der Tapfern gestorben war; dann trat tiefe Stille ein, eine ewige Stille, und das Andenken Santa Rosa's lebt nur noch in einigen zu Turin, Paris und London zerstreuten Freunden.

Einer dieser Freunde bin ich; meine Beziehungen mit Santa Rosa waren nur von sehr kurzer Dauer, aber desto inniger. Mehr als einmal bin ich in Versuchung gewesen, sein Leben zu beschreiben dieses halb romantische, halb heroische Leben; ich habe es aufgegeben. Ich will der Vergessenheit den Namen eines Mannes nicht streitig machen, der seine Bestimmung verfehlt hat; aber mehrere Personen, und so namentlich Sie, der Sie ein frommes Andenken seinem Namen erhalten, haben mich zu wiederholten Malen aufgefordert, zu erzählen, durch welche Fügung ich, ein Professor der Philosophie, vollkommen fremd den Ereignissen in Piemont, mit dem Haupt der piemontesischen Revolution in ein so inniges Verhältniß gerathen, und welche die wahren Beziehungen zu Ihrem geliebten und unglücklichen Landsmann gewesen. Ich erfülle Ihren Wunsch.

Im Monat October 1821, wo ich meiner Functionen als Professor der Geschichte der neueren Philosophie an der faculté des lettres enthoben, und auf eine traurige Zurückgezogenheit in der Nähe des Luxembourg beschränkt lebte, kam mir zufällig eine Broschüre in die Hand, deren Titel war: Ueber die piemontesische Revolution, und die als Motto jenen Vers Alfieri's1362 führte: Sta la forza per lui, per me sta il vero .... Ich fand darin einen vollkommenen Romanhelden in der Person des erklärten Hauptes dieser Revolution, des Grafen v. Santa Rosa. Die Erscheinung dieses Mannes beherrschte die Ereignisse jener dreißig Tage dermaßen, daß allein sie mir auffiel. Ich sah ihn, wie er anfangs, als Freund des englischen Parlamentarsystems, für sein Vaterland nur eine constitutionelle Regierung, zwei Kammern, ja selbst eine erbliche Pairswürde forderte; wie er später, wo das verhängnißvolle Beispiel der Neapolitaner und die Einführung der spanischen Constitution alle Geister hingerissen hatte, sich nur mit einem Gegenstande, der militärischen Leitung der Revolution, beschäftigte, und wie er endlich, durch die Verhältnisse zu einer förmlichen Dictatur erhoben, eine Energie entwickelte, welche selbst seine Feinde bewundert haben, ohne sich einen Augenblick von jenem Sinn für ritterliche Mäßigung zu entfernen, welchen man in Revolutionen so selten antrifft.

Als Alles verloren war, unterhandelte Santa Rosa mit dem Grafen v. Mocenigo, russischem Minister bei dem Turiner Hof, um eine allgemeine Pacification zu erhalten, unter der Bedingung einer Amnestie und einiger innern Verbesserungen, indem er um diesen Preis sich erbot, für seine Person und die andern constitutionellen Chefs auf die Amnestie zu verzichten, und sich freiwillig zu verbannen, um den Frieden und das Glück des Vaterlandes besser zu sichern ....

Dieses edle Benehmen frappirte mich lebhaft, und mehrere Tage hindurch wiederholte ich gegen alle meine Freunde: Meine Herren, es gab einen Mann in Turin! Meine Bewunderung nahm zu, als ich erfuhr, daß der Held jenes Buches auch sein Verfasser sey. Ich konnte mich eines Gefühls von wahrer Hochachtung nicht erwehren, indem ich bei dem Vertheidiger einer unglücklichen Revolution diese Entäußerung jeder Parteilichkeit, diese großartige Loyalität wahrnahm, welche allen Intentionen Gerechtigkeit widerfahren läßt, und sich unter den grausamsten Leiden der Verbannung jeder ungerechten Beschuldigung, jeder bittern Aufwallung enthält. Der Enthusiasmus für eine edle Sache, bis zum letzten Opfer ungeschwächt, und zugleich eine Mäßigung voller Würde, nicht zu reden von dem seltenen Talent, welches sich auf jeder Seite dieser Schrift kundgibt, führten meinen Augen eine jener schönen Persönlichkeiten vor, welche mich hundertmal mehr interessiren, als die zwei Revolutionen von Neapel und Piemont; denn wenn der Philosoph in mir in den gleichzeitigen Ereignissen die Bewegung der ewigen Principien und ihre sichtliche Offenbarung sucht, so sucht mit nicht weniger Eifer der Mensch den Menschen in den Dingen hienieden. Und wer kennt einen bewunderungswürdigeren Zug eines menschlichen Charakters, als Mäßigung im Verein mit Energie! Dieses Ideal, das ich so oft geräumt hatte, schien sich mir in Santa Rosa zu verwirklichen. Man sagte mir, er sey in Paris; ich mußte ihn kennen lernen, und einer meiner Freunde aus Italien führte mir ihn eines Morgens zu. Ich hatte gerade einen Blutsturz überstanden, und die ersten Worte, welche ich an ihn richtete, waren die: Mein Herr, Sie sind der einzige Mensch, nach dessen Bekanntschaft in meiner Lage ich noch verlangte. Wie oft seitdem haben wir uns diese erste Zusammenkunft ins Gedächtniß zurückgerufen, ich sterbend, er zum Tode verurtheilt, unter einem falschen Namen verborgen, ohne Hülfsquellen, fast ohne Brod! Ohne bei den Details unserer Unterredung stehen zu bleiben, genüge es zu bemerken, daß ich noch mehr fand, als ich erwartet hatte. An seiner Miene, seinem Gang, in allen seinen Worten erkannte ich mit Leichtigkeit das Feuer und die Energie des Verfassers der Proclamation vom 23 März wieder, und zu gleicher Zeit schien meine elende Gesundheit ihm ein liebevolles Mitleiden einzuflößen, welches sich jede Minute in den liebenswürdigsten Aufmerksamkeiten äußerte. Wenn er mich in diesem kritischen Zustande sah, so vergaß er sich selbst und dachte nur noch an mich. Da unsere lange Unterredung, deren Seele er allein war, mich angegriffen und sehr schwach gemacht hatte, so kam er den Abend wieder, um sich von meinem Befinden zu überzeugen, dann kam er am andern Morgen wieder, den Tag darauf eben so, und nach wenigen Tagen war unser Verhältniß so innig, als wenn wir unser ganzes Leben zusammenzugebracht hätten. Er hatte den Namen Conti angenommen, und wohnte nicht weit von mir in einer chambre garnie, beinahe unter dem Dach, mit einem seiner Turiner Freunde, welcher, ohne an der Revolution Theil genommen zu haben, und ohne compromittirt zu seyn, freiwillig sein Vaterland verlassen hatte, um ihm zu folgen. Was für ein Mensch ist das wohl, in dessen Gesellschaft man das Exil den Annehmlichkeiten des Vaterlandes und der Familie vorzieht? Den Reiz seines Umganges zu schildern, ist unmöglich. Ich fand, ich wiederhole es, diesen Reiz in der Vereinigung von Kraft und Seelengüte. Ich sah ihn bei dem schwächsten Schimmer von Hoffnung stets bereit, sich in die gefahrvollsten Unternehmungen zu stürzen, und sah ihn wiederum glücklich, sein Leben im Verborgenen der Sorge eines leidenden Freundes widmen zu können. Sein Herz war ein unerschöpflicher Heerd für edle Gesinnungen. Seine Liebe zur ganzen Welt gränzte an Zärtlichkeit. Begegnete er auf der Straße, wenn er zu mir ging, einem Unglücklichen, so theilte er mit ihm das Almosen der Armen. War seine Wirthin, eine alte Frau, die ich noch vor mir sehe, krank, so pflegte er sie, als wenn sie zu seiner Familie gehörte. Hatte Jemand seinen Rath nöthig, so ertheilte er ihn verschwenderisch, und das Alles aus einem unwiderstehlichen natürlichen Antriebe, dessen Daseyns er sich nicht einmal bewußt war. Man konnte ihn nicht kennen, ohne ihn zu lieben. Schwerlich ist je ein menschliches Geschöpf, selbst eine Frau, so geliebt worden. Er hatte in Turin einen Freund, dem er sein Weib und seine Kinder hatte anvertrauen können, und ein anderer war ihm in die Verbannung gefolgt! Das ist der sprechendste Beweis für die Gesinnungen, welche er Andern gegen sich einflößte. Ehedem, als er, noch ein ganzes Kind, in der Alpenarmee in dem Regimente seines Vaters diente, hatte man ihm zum Cameraden einen Knaben seines Landes gegeben, welcher seitdem die Armee und Piemont verlassen und seinen jungen Herrn aus den Augen verloren hatte; aber in seiner Erinnerung hatte er einen festen Platz behauptet, und eines Tages sah der edle, ins Elend gestürzte Graf in seinem Bodenstübchen plötzlich den armen Bossi, jetzt Limonadier in Paris, erscheinen, der aus den Zeitungen die Schicksale seines jungen Officiers erfahren und nicht eher Ruhe gehabt hatte, bis er seine Wohnung aufgefunden und ihm seine Dienste anbieten konnte. Und später, als ich Santa Rosa in einem Gefängnisse besuchen mußte, wie oft habe ich da des Morgens an der Pforte von Saint Martin Bossi oder seine Frau mit einem Korbe Früchte angetroffen, Stunden lang harrend, daß man ihnen die Pforte öffnete, mit mir sich hineinschleichend und dem Gefangenen ihre kleine Gabe mit dem Respecte eines alten Dieners und der Zärtlichkeit eines wahren Freundes darbietend!

Vom Ende des Octobers 1821 bis zum 1 Januar 1822 lebten wir zusammen in dem innigsten und freundschaftlichsten Umgange. Während des ganzen Tages bis gegen 6 Uhr des Abends blieb er in seiner Kammer in der Straße des Francs-Bourgeois, mit Lesen, so wie auch mit Vorbereitungen auf ein Werk über die constitutionellen Regierungen des neunzehnten Jahrhunderts1363 beschäftigt. Nach seinem Mittagsessen, wenn der Abend anbrach, trat er aus seiner Zelle, ging nach der Straße d'Enfer, wo ich wohnte, und brachte den Abend bis 11 Uhr oder Mitternacht bei mir zu. Ich meinerseits hatte mein Leben beinahe ganz nach dem seinigen eingerichtet: ich verlebte den Tag zwischen meinen Arzneien und Plato; und am Abend machte ich meine Bücher zu und empfing meine Freunde. Santa-Rosa sprach gerne und leidenschaftlich, mit einem Ausdruck voll Wahl und Schönheit, aber ich war so matt und schwach, daß ich die Energie, welche er in seine Worte legte, nicht ertragen konnte. Ich bekam das Fieber, und eine nervöse Aufregung endete mit allgemeiner Mattigkeit oder vielmehr Ohnmacht. Da schwieg der energische Mann mit den glühenden Worten, und an seine Stelle trat das liebevollste Wesen von der Welt. Wie viele Nächte hat er nicht an meinem Bette zugebracht mit meiner alten Haushälterin! Als ich besser wurde, warf er sich ganz angekleidet auf ein Sopha, und trotz seiner Sorgen und seines Kummers schlief er in wenigen Minuten mit seinem guten Gewissen und einer unverwüstlichen Gesundheit ein, um erst mit Tagesanbruch wieder zu erwachen.

Es ist hier am Platze, sein Porträt zu entwerfen. Santa-Rosa war damals etwa vierzig Jahre alt; er war von mittlerer Größe, ungefähr fünf Fuß zwei Zoll. Sein Kopf war groß, die Stirne kahl, Lippen und Nase ein wenig zu stark, in der Regel trug er eine Brille. Nichts Elegantes in seinen Manieren; ein ernstes männliches Aussehen unter außerordentlich feinen Formen. Er war weit davon entfernt, schön genannt zu werden, aber sein Gesicht, wenn es belebt war, und das war er immer, hatte etwas so Leidenschaftliches, daß es interessant wurde. Das Auffallendste an ihm war eine ganz ungewöhnliche Körperkraft. Weder groß, noch klein, weder stark noch mager, war er ein wahrer Löwe an Kraft und Behendigkeit. Wenn er einmal nicht Acht auf sich hatte, so ging er nicht, er hüpfte. Er hatte Muskeln, wie von Stahl, und seine Hand war eine Schraube, mit welcher er die stärksten drückte. Ich habe ihn, fast ohne Anstrengung, die schwersten Tische aufheben sehen. Er ertrug die längsten Strapazen, und für den Krieg schien er geboren. Dieß Handwerk liebte er denn auch leidenschaftlich. Er war Grenadierhauptmann gewesen, und Niemand hatte von der Natur, was Geist sowohl, als was Körper anbelangt, in höherem Maaße, als er, das empfangen, was den wahren Soldaten macht. Sein Blick war belebt, aber ernst; seine ganze Person und seine bloße Erscheinung waren das Ideal der Kraft.

Ich habe nie ein rührenderes Schauspiel gesehen, als das, welches dieser so kräftige Mensch, der so sehr Luft für seine Brust, Bewegung für seine robusten Glieder bedurfte, bot, indem er sich in eine wahre barmherzige Schwester umwandelte, bald schweigsam, bald heiter, sein Wort und beinahe den Athem anhaltend, um nicht das zerbrechliche Geschöpf zu erschüttern, welchem er seine Theilnahme geschenkt hatte. Die Güte eines schwachen Menschen besticht nicht; denn man sagt sich: es ist vielleicht eben Schwäche; aber die Zärtlichkeit einer kräftigen Natur hat einen beinahe göttlichen Reiz.

Wir hatten im Grunde dieselben Ansichten, und er hat nicht wenig dazu beigetragen, mich in meinem guten Glauben zu bestärken. Wie ich war er durch und durch constitutionell gesinnt, weder servil, noch demokratisch, ohne Neid und ohne Unbescheidenheit. Er geizte weder nach Rang, noch nach Vermögen, und das materielle Wohlseyn war ihm gleichgültig; aber er geizte nach Ruhm. Eben so in der Moral liebte er aufrichtig die Tugend, und verehrte die Pflicht, aber er hatte auch die Sehnsucht zu lieben und geliebt zu werden; die Liebe oder eine zärtliche Freundschaft waren seinem Herzen Bedürfniß. In der Religion galt er in Italien für einen Menschen von großer Frömmigkeit, und in der That war er voll Achtung für das Christenthum, das er aufmerksam studirt hatte. Er war selbst ein bißchen Theologe. Er erzählte mir, daß er in der Schweiz gegen die protestantischen Geistlichen disputirt und den Katholicismus vertheidigt habe; aber sein Glaube war nicht der Mansoni's, und ich habe im Grunde seines Herzens nichts mehr finden können, als den Glauben des savoyischen Vicars. Lern - und wißbegierig, und Alles an die Politik reihend, verschlang er in meiner Bibliothek Alles, was mit der Moral und Praxis im Zusammenhang stand. Obwohl liberal, oder vielmehr gerade weil er es wirklich war, verwarf er den Einfluß der liberalen Declamationen, und je tiefer er die Religiosität in der europäischen Gesellschaft sinken sah, desto mehr fühlte er das Bedürfniß einer sittlich edeln und erhabenen Philosophie. Niemand in der Welt hat mich so ermuthigt und aufrecht erhalten in meiner philosophischen Laufbahn. Meine Zwecke waren die seinigen geworden, und wäre er in Frankreich geblieben, er würde der guten philosophischen Sache in ihren moralischen und politischen Anwendungen einen vortrefflichen Schriftsteller mehr, ein festes, großartiges, überzeugendes Organ verliehen haben.

Allerdings war sein Geist nicht der eines Gelehrten oder Philosophen, sondern eines Militärs oder Staatsmannes. Sein Sinn war richtig und gerade, wie sein Herz; er verabscheute die Paradoxen, und bei ernsten Materien kämpfte er mit allem Ernste gegen jede gewagte, willkürliche, nur persönliche Ansicht. Er tadelte mich oft wegen mehrerer meiner Meinungen, und führte mich unermüdlich von den engen und gefahrvollen Pfaden der persönlichen Theorien auf die große Straße des Gemeinsinns und der allgemeinen Ueberzeugung. Er hatte weder Umfang noch Originalität in seinen Gedanken, aber er fühlte tief und energisch, und er äußerte sich, sprach und schrieb mit Würde und Ueberzeugung. Sein Werk über die piemontesische Revolution hat wahrhaft schöne Stellen. Und das war sein erster Versuch! Was würde er noch geleistet haben, wäre er am Leben geblieben!

In der Politik besaß dieser Revolutionär eine Mäßigung, welche ihm, wäre er in Frankreich in jener Epoche in der Deputirtenkammer gewesen, seinen Platz zwischen Royer-Collard und Lainé angewiesen hätte. Meine Freunde und ich waren damals übel mitgenommen worden durch das Ministerium des Hrn. v. Richelieu, und wir waren nicht immer gerecht gegen dasselbe. Santa-Rosa, mit seinem gewohnten Ernste, wies meine Aufgeregtheit zurück und wunderte sich über die meiner klügsten und vernünftigsten Freunde. Ich erinnere mich noch eines Abends, wo er bei mir war mit Humann und Royer-Collard, und an einer ernsten Discussion Theil nahm darüber, was unter den gegenwärtigen Umständen zu thun sey, ob man das Ministerium Richelieu leben lassen solle, wofür Pasquier, Lainé und Dessolles sich erklärten, oder ob man es stürzen solle durch eine Allianz mit der rechten Seite, deren Führer Corbière und Villèle waren. Royer-Collard war der Meinung, daß, wenn Corbière und Villèle an die Spitze kämen, sie sich keine sechs Monate halten würden; und wenn das Ministerium Richelieu gestürzt sey, so sehe er hinter Villèle und Corbière den schnellen Triumph der liberalen Sache. Das war eine sehr verführerische Aussicht für einen Geächteten, wie Santa-Rosa. In sechs Monaten, nach einer stürmischen und ephemeren Regierung, ein liberales Ministerium, welches zum mindesten das Exil der piemontesischen Réfugiés gemildert, und indem es mich und meine1364 Freunde der Ungnade entzog, Santa-Rosa eine Zukunft in Frankreich geöffnet haben würde! Mit welcher tiefen Hochachtung hörte ich da den edlen Geächteten, wie er mich aufforderte, mich aus allen Kräften einem Parteienmanöver zu widersetzen, welches er strenge so charakterisirte: Kümmern Sie sich nicht um mich, sagte er mir, ich werde aus mir machen, was ich kann; Ihr, thut Eure Pflicht: Eure Pflicht als gute Bürger ist, ein Ministerium nicht zu bekämpfen, welches Eure letzte Hülfsquelle gegen die jedem Fortschritte und jedem Lichte feindliche Faction ist. Man darf nicht Unrecht in der Hoffnung des Guten befördern; Ihr seyd nicht sicher, später Corbière und Villèle zu stürzen; und Ihr seyd sicher, Unrecht zu thun, indem Ihr ihnen die Gewalt überliefert. Wäre ich Deputirter, ich würde versuchen, dem Ministerium Richelieu Kraft gegen den Hof und die rechte Seite zu verschaffen. Santa-Rosa's Meinung war die meinige. Sie ging nicht durch, und an diesem Tage wurde ein Fehler begangen, welcher sieben Jahre schwer auf Frankreich gelastet hat. Das Ministerium Richelieu wurde gestürzt, Corbière und Villèle kamen an die Spitze, und sie blieben es bis 1827.

(Fortsetzung folgt.)

Frankreich.

Cousin verfolgt geräuschlos die vorgesteckte Bahn der Verbesserungen im öffentlichen Unterrichtswesen. Wo die bestehenden Einrichtungen außer Gebrauch oder ins Stocken gekommen waren, werden sie von ihm neu belebt, die Departemente haben den Blick auf die Neuerungen an den verschiedenen Facultäten der Pariser Universität gerichtet und fühlen sich um so mehr aufgefordert, sie zum Vorbild zu nehmen, ihr nachzustreben, gleiche Maaßregeln von dem Minister zu begehren, als dieser stets bereit ist, wo immer möglich, ihrem Verlangen zu entsprechen. Auf diese Weise sind bereits mehrere neue Facultäten, namentlich der Medicin, in Departementsstädten gebildet worden, andere werden nächstens ins Leben treten. Cousin folgt der Ueberzeugung, daß nichts die Studien mehr fördere, als Ernst der Prüfungen, Oeffentlichkeit der sie umgebenden Formen, der Concurs der Candidaten und die gerechte Bereitwilligkeit der obersten Behörden, das ausgezeichnete Verdienst zu belohnen und zu neuen Forschungen anzufeuern. In diesem Sinn waren die früheren Verordnungen des Monats März über die Rechtsfacultät erlassen, und denselben schließt sich eine neueste Vorschrift in Betreff der philosophischen Facultät (faculté des lettres) und jener der mathematischen und physikalischen Wissenschaften (faculté des sciences) an. Künftighin sollen die Prüfungen für das Licentiat regelmäßiger und häufiger, als bisher, in Paris statthaben; sie sollen in Art eines wahren Concurses geschehen, und den ausgezeichnetsten Candidaten sollen, abgesehen von den übrigen Empfehlungen und Vortheilen, die Erlegung der Universitätsgebühren sowohl für das Licentiat als das Doctorat erlassen werden. Dieselbe Maaßregel gilt auch für die Departemente. Wir glauben, daß Cousin unter seinen Vorgängern im Ministerium großen Neid und große Mißgunst erregen muß, denn seine heilsamen Abänderungen und Verbesserungen hätten auch sie fühlen und ausführen können und sollen, aber in dem großen Publicum erkennt man seinen einsichtsvollen Eifer mit aufrichtigem Dank und spricht laut den Wunsch aus, daß es dem Unterrichtsminister vom 1 März gegönnt seyn möge, eine Ausnahme von der ephemeren Natur der Minister seit 1830 zu bilden, daß ihm Zeit gelassen werde, den Samen zu befruchten, den er mit so fleißiger Hand ausgestreut hat.

Die französische Akademie hat gestern ihre jährliche Tugendsitzung gehalten und Bericht gegeben über die Vertheilung der von Monthyon und Gobert ausgesetzten Preise. Wir sind allzumal Sünder und finden daher diese Tugendsitzung nicht immer sehr unterhaltend, gleichwohl haben wir mit Rührung die einzelnen Züge wahrer menschlicher Liebe und Hingebung aus dem Bericht des Hrn. v. Salvandy vernommen. Hier, wie an dem Grabe von Nepomuk Lemercier ist es dem Redner gelungen, die Aufmerksamkeit, das billigende Mitgefühl und das Lob seiner Zuhörer zu verdienen. Unter den gekrönten Werken ist das Lob der Frau v. Sévigné von Mad. Amable Pastu, seit zwei Jahren, wenn ich nicht irre, die dritte Frau, die den akademischen Preis erhält. Vor ihr waren Mad. Reveil Collet, die das Museum von Versailles besungen, und Mad. Necker-Saussure für ihr vortreffliches Buch über die Erziehung. Ich bekenne, daß ich die Würdigung des Talents der Frau v. Sévigné lieber aus der Feder eines Mannes vernommen hätte; es scheint mir schwer denkbar, daß eine Frau über diesen Gegenstand etwas Anderes als einen unbedingten und übertriebenen Panegyrikus schreiben könne.

Wie wir früher schon gemeldet haben, ist der große Preis für französische Geschichtsschreibung dem Hrn. Augustin Thierry zuerkannt worden. Künftighin wird auch die französische Geschichte von Monteil, deren Werth und gründliche Forschung mehr und mehr anerkannt wird, und jene von Sismondi zu dem Preis concurriren. Es ist unsere Absicht, nächstens ausführlich von dem großen Werke des Hrn. v. Sismondi zu berichten; heute möge uns nur vergönnt seyn, mit kurzen Worten des 24sten Bandes zu gedenken, der so eben bei Treuttel und Würtz erschienen ist. Er umfaßt die Regierungsepoche unter Anna von Oesterreich und das ganze Ministerium des Cardinals Mazarin, bekanntlich einer der interessantesten Abschnitte der neuern französischen Geschichte. Die Regentschaft der Königin, ihre abwechselnde Macht und Schwäche, Mazarin als Nachfolger Richelieu's, mit dem er fortwährend in vergleichende Parallele tritt, seine persönlichen, guten wie schlechten Eigenschaften, sein Kampf gegen das Volk, das Parlament und die Prinzen von Geblüt, sein Einfluß auf die Erziehung Ludwigs XIV, seine Kriege und Unterhandlungen und sein endlicher Sieg über seine persönlichen Feinde, in Folge dessen er aus der Verbannung wie ein Triumphator nach Frankreich und Paris zurückkehrte, sein pyrenäischer Frieden, der Frankreich ein so entschiedenes Uebergewicht über Spanien sicherte, seine Mitwirkung zum westphälischen Frieden und die Vereinigung des Elsasses mit Frankreich alle diese historischen Momente sind von Sismondi mit seinem gewöhnlichen Fleiß und seiner sorgfältigen Ergründung zusammengestellt, und machen den Leser doppelt ungeduldig auf die nachfolgenden Bände. Glücklicherweise können wir über diese Folge beruhigt seyn. Einen Augenblick war es zweifelhaft, ob Hr. v. Sismondi der neuesten Geschichte Frankreichs dieselbe Genauigkeit und Ausdehnung widmen könnte, wie den früheren Jahrhunderten. Nach einer ausdrücklichen Erklärung aber, die er dem 24sten Bande beigefügt hat, wird er in dem begonnenen Plane fortfahren, und hat das zuversichtliche Vertrauen, daß er für jeden Abschnitt von 25 bis 30 Jahren einen Band bestimmen könne und dennoch an die endliche Lösung seiner Aufgabe gelangen werde.

Ein Artikel Ihres Pariser Correspondenten, welcher uns die Ernennung des Hrn. Domcapitulars Rees (Andreas Räß) zum Coadjutor unsers greisen Erzbischofs in Aussicht stellt, hat hier nicht geringe Sensation erregt. Der Genannte wird als einer der würdigen, aufgeklärten und unterrichteten Männer, die man nur ziemlich sparsam unter dem jetzigen französischen Clerus finde , bezeichnet. 1365Wir wissen nicht, in wie weit Ihr Correspondent in Paris einen Mann kennt, dessen Namen er nicht einmal zu schreiben weiß, um alle diese vortrefflichen Eigenschaften an ihm rühmen zu dürfen; wir, in deren Mitte er lebt, kennen ihn. Ihr Correspondent versichert auch, daß Hr. Räß sich von den sehr beklagenswerthen Zwistigkeiten, die zwischen dem Bischof und einigen Mitgliedern der Geistlichkeit entstanden sind, entfernt gehalten habe. Allerdings hat er mit jenen Mitgliedern unserer Geistlichkeit nicht Partei gemacht, wohl aber wurde gerade er die traurige Veranlassung zum Ausbruch jenes Zwistes, welcher die Diöcese der Wirksamkeit von Priestern beraubte, über deren Vortrefflichkeit kein Zweifel obwalten kann, wenn ich sage, daß der geistreiche und edle Bautain die Seele derselben war. Ihr Correspondent rühmt Hrn. Räß als einen aufgeklärten und unterrichteten Mann. Es ist wahr, er hat mit seinem Freunde, Hrn. Dr. Weis, eine nicht geringe Anzahl von bessern oder schlechtern Büchern herausgegeben, wir hörten aber bisher noch nicht, daß er auch eines geschrieben habe. Wir wollen auch nicht einmal glauben, daß bei dieser litterarischen Industrie die eigentliche Industrie eine so große Rolle spiele, wie so Manche ihm Schuld geben; allein so lange Hr. Dr. Räß sich durch keine andern Werke bekannt macht, als gewisse humoristisch-satyrisch seyn sollende Artikel im Katholiken , von denen wir immer beklagten, daß diese Zeitschrift sich und die Sache, welche sie vertritt, damit verunzierte, müssen wir wenigstens seine wissenschaftliche Tüchtigkeit in Zweifel ziehen. Man würde sich übrigens sehr irren, wenn man voraussetzte, wir erklärten uns gegen die Aussicht, Hrn. Räß einmal an der Spitze unserer Diöcese zu sehen, weil er in dem Ruf eines Ultramontanen, Obscuranten, Jesuiten u. dgl. steht; wir wissen von Hrn. Räß auch nichts Unwürdiges ; daraus folgt aber nicht, daß wir ihn für geeignet finden, unser Bischof zu werden.

Deutschland.

Armins Denkmal.

Mit Vergnügen haben wir hier aus dem Aufruf in der Allg. Zeitung d. J. ersehen, daß nun auch in Würtemberg ein Verein namhafter, zum Theil hochgestellter Männer für das Armins-Denkmal zusammengetreten ist. Rührend und erhebend ist, wie ein deutsches Land nach dem andern von dem in der Stille mancher Jahre zu München gereiften, hier in Detmold endlich ausgesprochenen Gedanken des Künstlers ergriffen wurde. Von dem höchst ehrenwerthen Eifer unsers kleinen Ländchens zu schweigen (denn hier lag es nahe, viel und selbst mit Vorliebe beizusteuern), folgten bald auf Einsendungen aus Hannover, den Hansestädten, Theilen von Preußen etc., ganz am andern Ende von Deutschland, aus München und Bayern so reichliche Beisteuern, daß von dort (außer der frühen Gabe Sr. Maj. des Königs Ludwig von Bayern mit 1000 fl.) bis jetzt über 7350 fl. angemeldet und großentheils auch schon eingesendet sind. Eben so unvorausgesehen sprang der schöne Wetteifer mit Einemmal wieder nach Mecklenburg über, von wo unaufhörlich noch die bedeutendsten Spenden fließen. Und so werden gewiß nunmehr auch die Schwaben hinter ihren Brüdern in andern deutschen Ländern und hinter ihrem Könige nicht zurückbleiben, der bereits ziemlich früh gleichfalls 500 fl. übersenden ließ. Der Verein deutscher Liebe und Eintracht ist aber über die engen Gränzen des deutschen Bundes hinaus, weit hinaus gegangen. Nicht nur hat der König der Niederlande (dem einen Brückenkopfe deutscher Nationalität und Selbstständigkeit) gleichfalls 1000 fl. längst gesendet, nicht nur haben die deutschen Regimenter in Luxemburg bis zum Gemeinen herab fleißig gesammelt und freudig beigesteuert, sondern über das Weltmeer herüber, aus Havannah, Matanzas, Rio de Janeiro sind die erfreulichsten, ja reichlichsten Gaben bereits ins alte Mutterland zurückgeflossen. So wird thatsächlich wahr, was die Allg. Zeitung neulich in Aussicht stellte: es ersteht in Nordamerika ein neues Deutschland. Sie haben kürzlich in Ihrer Zeitung aus der hannover'schen Zeitung die richtige Correspondenz von hier aufgenommen, daß am Denkmale rüstig fortgearbeitet wird, daß dasselbe aber (wie es bei solchen Unternehmungen kaum anders gehen kann) noch ein gut Theil mehr Kräfte und Mittel in Anspruch nehmen werde, als beim ersten Voranschlage nöthig geglaubt wurde. Unser Verein aber, welcher wieder einen ins Einzelne gehenden Bericht zu veröffentlichen im Begriff steht, läßt nach dem bisherigen ungeahnten und überraschenden Fortgange den Muth nicht sinken. Hinter den Würtembergern stehen die Badener und die übrigen Rheinbewohner, zu denen wir dreist auch Elsaß und Lothringen zählen, die um so weniger zurückbleiben werden, wenn sie hören, daß selbst aus Lyon und Paris und zwar nicht nur von Deutschen manche Gaben zu Armins Denkmale eingegangen sind. Frankreich feiert 1840 mit vollem Jubel die Rückkehr von Napoleons Staube; es hofft sich mit Einsenkung seiner Ueberreste unter der Invalidenkuppel selber wieder aus dem Staube alter Unfälle und Demüthigungen zu erheben, die ihm übrigens (was die zum Theil trefflichen Reden über Napoleon von den Rednerbühnen am besten bewahrheiten) gerade so zum Heile gedient haben, wie uns Deutschen die Schlacht bei Jena. Und uns sollte es an gleichen Denkmalen, gleichen Symbolen deutscher Einheit fehlen?

Niederlande.

In der vorgestrigen Sitzung der Generalstaaten wurde der Vorschlag der HH. van Sytzama, van Asch van Wyck und Corver Hooft nach einigen in den Abtheilungen schon verlangten Veränderungen mit 30 gegen 1 Stimme angenommen. Dieser Gegenstand ist unter den gegenwärtigen Umständen einer der wichtigsten nicht sowohl wegen dessen, was er wirklich gibt, als was er in Aussicht stellt, und noch dazu hat die Kammer bei einer Veränderung des Grundgesetzes die Initiative ergriffen. Der Art. 130 des Grundgesetzes lautet: Die Zahl der Mitglieder der Provincialstaaten und das Verhältniß der Stände (Ritterschaft, Stadt und Land), werden durch den König geregelt, der aus jeder Provinz eine Commission ernennt, um ihn dabei zur Berathung zu dienen. Nach dem Art. 7 des Grundgesetzes sollte diese, so wie alle andern Bestimmungen hinsichtlich des Wahlrechts nach 10jährigem Bestande einen Theil des Grundgesetzes ausmachen. Diese 10 Jahre sind längst verfloßen, und das jetzige Verhältniß der Stände in den Provincialstaaten also grundgesetzmäßig. Die Veränderung, welche die oben genannten Mitglieder der Kammer vorschlugen, besteht jetzt ganz einfach in dem Zusatze: Veränderungen in der einmal bestehenden Regulirung werden nach eingeholtem Bericht der Provincialstaaten durch das Gesetz festgestellt. Das heißt mit andern Worten, die Kammer behält sich vor, auf dem gewöhnlichen Wege der Gesetzgebung Aenderungen in der Wahlart einzuführen, namentlich wenn solche von den Provincialstaaten selbst gefordert werden. Es war höchst nothwendig geworden, eine solche Aenderung zu machen, weil man einer Debatte über die Wahlreform unmöglich entgehen konnte. Die erste Kammer wird wohl noch Ende dieser Woche mit den Gesetzentwürfen zur Veränderung des Grundgesetzes fertig werden, im Julius oder August kommt die Kammer in gedoppelter Anzahl zusammen,1366 um sich über die Veränderungen des Grundgesetzes speciell zu berathen, und so mußte der Weg zu einer theilweisen Veränderung angebahnt werden. Indeß hat man sich auch auf diese Anbahnung beschränkt, eines Theils weil zu einer positiven Veränderung keine Zeit mehr war, andern Theils weil die Mehrzahl der Mitglieder auch nicht dahin zu bringen gewesen wäre, bei dem Mißtrauen, das man immer noch in die Regierung und in die erste Kammer setzt, über eine mäßige positive Veränderung sich definitiv auszusprechen. Ein anderer Grund mußte mitwirken. Ich habe Ihnen vor einiger Zeit von einem Aufruf des Hrn. Donker Curtius gesprochen, der alle Freunde directer Wahlen aufforderte, zur Erreichung derselben alle Kräfte anzustrengen. Das erste Mittel sollte seyn, daß Niemand mehr sein Stimmrecht bei den Wahlen zu den städtischen Behörden und den Provincialstaaten ausübe, sondern sämmtliche unausgefüllte Stimmzettel mit der Forderung um directe Wahlen an die Generalstaaten eingeschickt werden sollten. Dieser gefährliche Vorschlag scheint durch den jetzt gefaßten Beschluß der Generalstaaten beseitigt, indem es jetzt im Interesse aller Freunde directer Wahlen ist, bei der Wahl der Provincialstaaten dahin mitzuwirken, daß die Mehrzahl der Mitglieder einer Veränderung des Wahlgesetzes sich geneigt zeige. Ist dieß der Fall, dann folgt eine Veränderung von selbst.

Schweiz.

Der Cretinismus.

Ihre Schweizer Correspondenten lassen es nicht an Nachrichten über unser politisches Leben und Treiben fehlen, während von den wissenschaftlichen und gemeinnützigen Bestrebungen nur selten Erwähnung geschieht. Diese Lücke wollen wir nun heute durch eine Angelegenheit ausfüllen, welche dieser Tage vor der allgemeinen schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft zu Frauenfeld zur Sprache kam. Außer ihren Verhandlungen über das Armen - und Pönitenzwesen wurde nämlich dieselbe von Dr. Guggenbühl, bekannt durch seine Untersuchung über den Alpenstich , zur Theilnahme an seinen Bestrebungen für die Tilgung des Cretinismus in Anspruch genommen. Die einfache Thatsache, daß jenes furchtbare Uebel eine gewisse Meeres höhe nicht übersteigt, und das kindliche Alter nur innerhalb einer bestimmten Lebensperiode zu der Entartung disponirt ist, führte zunächst auf den Gedanken der Ortsversetzung als Vorbauungs - und Heilmittel hin. Wirklich sah Dr. Guggenbühl, welcher selbst in einer mit Cretinismus behafteten Gegend längere Zeit gelebt, und alle seine verschiedenen Standorte besucht hat, Fälle gelungener Heilung, welche die Möglichkeit außer allen Zweifel setzen. Sein erster Vorschlag geht demnach dahin, eine Colonie auf einer geeigneten Gebirgshöhe zu begründen, die eine heilende Zufluchtsstätte diesen Unglücklichen gewähren soll. Fellenberg könnte auch hier in seinem einzigen Erziehungsstaate mit einem Muster voranleuchten, da die Ausrottung des Cretinismus ganz wesentlich in das Gebiet der Nationalpädagogik fällt. Von diesem Gesichtspunkt aus entwickelte Dr. Guggenbühl die Ursachen, und wies die Möglichkeit ihrer Besiegung nebst den Mitteln und Wegen dazu nach. Da ein umfassendes Werk über das Ganze erscheinen wird, so können wir diese Punkte hier übergehen, und wünschen nur, daß dasselbe überall, wo der so weitverbreitete Zustand herrscht, gute Früchte tragen möge! Die gemeinnützige Gesellschaft beschloß hierauf, in voller Anerkennung des Eifers des verdienten Arztes, noch die naturforschende Societät mit ins Interesse zu ziehen, um sich dann weiter zu entscheiden. Es war gerade am Vorabend der großen politischen Ereignisse, als der unvergeßliche Paul Usteri vor derselben Versammlung die Sache in Anregung brachte, was aber durch den Tod des hochverdienten Mannes erfolglos blieb. Um so mehr steht jetzt für die Menschheitsangelegenheit zu hoffen, da ein Mann erstanden, der sich dieselbe zur eigentlichen Lebensaufgabe macht. Wenn auch weniger glänzend als Jenners Vertilgung der Pocken oder Bulards angestrebte Bekämpfung der Pest, wird doch die Unternehmung von segensvoller Wirkung für das Wohl der Menschheit seyn.

Der Reisende Dr. Tschudy.

Die Allgem. Zeitung hat schon einigemal über den Naturforscher Tschudy aus Glarus berichtet, der vor einigen Jahren, mit viertausend Franken Unterstützung von Sr. Maj. dem König von Preußen und andern ehrenwerthen Männern, auf dem Edmond nach Lima ging, um von da Excursionen in die Cordilleren und das Land zu machen, die gesammelten naturhistorischen Gegenstände aber dem hiesigen Museum zu übersenden. Seitdem ist ein bedeutender Transport angekommen, und ganz vor kurzem trafen gute Nachrichten von ihm hier ein. Er ist noch immer in den Gebirgen Peru's, und da er das ihm mitgegebene Geld aufgezehrt hat, so lebt er jetzt von der Jagd und wartet auf neue Unterstützung, die schon für ihn unterwegs ist. In der Regenzeit hatte er viel zu leiden vom Mangel an Obdach und selbst von Hunger. Dadurch ließ er jedoch seinen Eifer nicht erkalten. Seit seinem letzten Brief hat sich seine Sammlung für unser Museum sehr vermehrt, denn er kündigt siebenzig Säugethiere, mehr denn fünfhundert Vögel, Reptilien, Fische, tausend einhundert Käfer, zweihundert Schmetterlinge und hundert Muschelthiere, mit vielem anderm Merkwürdigen an Pflanzen und selbst an Fossilien an. Die ihm zugesandten Unterstützungen werden Hrn. Tschudy in den Stand setzen, mit seiner reichen Beute sich einzuschiffen und nach Europa zurückzukehren.

Schweden.

Ich kann nicht umhin, einer kleinen Schrift zu erwähnen, die im Augenblick ein gewisses Aufsehen macht und die hiesige Stimmung bezeichnet. Vor einigen Tagen erschien von einem bekannten Novellisten, Namens G. M. Mellin, ein Buch unter dem Titel: Schwedens letzter Kampf. Ein phantastisches Nachtstück. Es zerfällt in mehrere Tableaux. Das erste schildert die Eroberung Schwedens durch die Russen nach einem hartnäckigen Kampfe; das zweite enthält eine Schilderung des Zustands von Schweden unter russischer Herrschaft, der dritte Abschnitt die Wiedererhebung des Volks und die Erringung nationaler Selbstständigkeit nach blutigem Kampf. Da er den bedeutendsten jetzt lebenden Personen Rollen in dem Nachtstück austheilt, so fehlt es an pikanten Anspielungen und beißenden Ausfällen nicht. Namentlich ist die zweite Abtheilung ironisch ausgefallen, und geschildert, wie einer oder der andere der jetzigen Russomanen unter der russischen Herrschaft zu Macht und Ansehen gelangt. Am Reichstag schleppen sich die Sachen langsam hin, so daß man kein rechtes Ende absieht. Die Regierung zeigt sich für manche Oppositionsäußerungen im hohem Grade empfindlich, und in dieser Beziehung hat namentlich ein Ausflug, den etliche 20 Reichstagsmitglieder vom Bauernstand nach der Feste Waxholm machten, wo sie den Assessor Crusenstolpe, der wegen Preßvergehen dort gefangen sitzt, besuchten, zu spöttischen und bittern Bemerkungen das Oppositionsblätter Anlaß gegeben.

1367

[2404]

Baja, den 24 Mai. Verehrter Herr Redacteur! Ueber das fürchterliche Unglück, welches unsere Stadt betroffen, brauche ich Ihnen nichts mehr zu berichten, denn es ist schon bekannt genug. Der Schaden, der durch eine eigens hiezu ernannte Commission aufgenommen wurde, soll sich auf zwei Millionen Gulden Conv. -Münze belaufen, leider war nur der kleinste Theil der Betheiligten versichert. Unter den Assecuranz-Anstalten zeichnete sich die k. k. priv. Riunione Adriatica di Sicurta in Triest vorzüglich durch die Schnelligkeit und Loyalität bei der Schaden-Aufnahme und in der Auszahlung aus. Bereits wenige Tage nach dem Brande fand sich der Secretär der Gesellschaft, Hr. Sachs, abgeordnet durch die General-Agentur für Ungarn, Hrn. B. Weiß und Comp. in Pesth, hier ein, um die Schäden nachzurechnen, und den betreffenden Parteien namhafte Vorschüsse zu machen, und kaum sind 8 Tage seitdem verflossen, und schon sind sämmtliche Parteien in dem Besitz des vollen Schadenersatzes, den sie anzusprechen berechtigt waren. Sechsundzwanzigtausend Gulden Conv. -Münze wurden bereits ausgezahlt. Einen besondern Fall, der hier viel Aufsehen erregt, und die außerordentliche Rechtlichkeit der Riunione und ihrer Vertreter erprobte, fühle ich mich verpflichtet, Ihnen mitzutheilen: einen Tag vor dem Feuer ließen zwei Hauseigenthümer ihre Gebäude bei dem Agenten dieser Anstalt versichern, der dieselben mit Vorbehalt der Genehmigung der General-Agentschaft annahm, und mittelst Post die betreffenden Documente absandte. Selbe trafen zugleich mit der Unglückspost in Pesth ein, und obwohl die General-Agentschaft mit Gewißheit rechnen konnte, daß die zwei Häuser, die sie, im Sinne ihrer Instructionen keineswegs verpflichtet gewesen wäre, anzunehmen, verbrannt seyen, fertigte sie dennoch die Versicherungs-Instrumente aus, und sandte selbe an die betreffenden Parteien, die keine Hoffnung hegten, irgend etwas zu erhalten, und dennoch ihren vollen Schadenersatz empfingen. Eine Anstalt, die auf eine so edle Weise ihre Verbindlichkeiten erfüllt, wie es bei der Riunione Adriatica di Sicurta in Triest der Fall ist, verdient den reichsten Segen des Himmels, der ihr auch gewiß durch die allgemeine Theilnahme des Publicums zu Theil werden wird. Ich verbleibe etc. etc.

[2401-3]

Anzeige.

K. K. priv. österreichisches Lloyd in Triest.

Zweite Section.

Dampfschifffahrts-Gesellschaft.

Das am 8 jeden Monats von hier nach Ancona abgehende Dampfboot wird während der Monate Julius, August, September und October l. J. provisorisch seine Linie bis Manfredonia ausdehnen; am 9 um 12 Uhr Mittags Ancona verlassen; am 10 um 2 Uhr Nachmittags in Manfredonia; am 12 um 2 Uhr Nachmittags auf der Rückreise wieder in Ancona, und am 13 um 12 Uhr Mittags in Triest eintreffen. Für die Ueberfahrt der Passagiere dient nachstehender Tarif:

Das Nähere über die Fracht für Waaren, kleine Collis und Geldsendungen erfrage man in Triest in der Kanzlei der Dampfschifffahrt, in Ancona bei den Agenten HH. Stengle, Wagner und Catraro, und in Manfredonia bei dem Agenten Hrn. Pantaleo Cusmany. Triest, den 12 Junius 1840.

[2008-10]

Bekanntmachung.

Vom königl. bayer. Kreis - und Stadtgericht Ansbach wird das zur Concursmasse des königl. Landrichters Christmann gehörige nachstehend näher beschriebene Bräuhaus Hirschberg nebst Zugehörungen in loco Hirschberg am Donnerstag den 30 Julius, Vormittags von 9-12 Uhr, an den Meistbietenden verkauft, nämlich:

1) das Bräuhaus Hirschberg bei Beilngries 209 Fuß in der Länge und 69 Fuß in der Breite, gerichtlich auf 23000 fl. geschätzt, ist zwei Stock hoch, mit fünf Böden versehen.

Zu ebener Erde ist die Brauerei, Branntweinbrennerei, Essigsiederei, Binderei, Dürrschürr, ober und unter Gährkeller, zwei Sommerkeller, Keller des Verwalters, Keller des Bräumeisters.

Im ersten Stock:

a) Die Wohnung des Verwalters, bestehend in zwei Zimmern, Küche, Küchenzimmer;

b) die die Wohnung Bräumeisters, bestehend in zwei Zimmern und der Küche;

c) Zimmer der Bräuknechte;

d) Branntweinstube;

e) zwei steinerne Weichen;

f) obere Malztennen, zwei Dörren und untere Malztennen.

Im zweiten Stock:

a) Zwei Zimmer des Verwalters;

b) zwei Zimmer des Bräumeisters.

2) Das Kellerhaus 51 Fuß lang 48 Fuß breit mit drei Kellern, Lagern und Leitern, Faß und Holzremise mit drei Böden, gerichtlich geschätzt zu 2528 fl.

3) Der Bergkeller in vier Abtheilungen, geschätzt zu 1100 fl.

4) Das an das Bräuhaus angebaute Oekonomiegebäude 119 Schuh lang und 59 Schuh breit mit ganz gewölbtem Ochsen - und Kuhstall für für 40-50 Stück Vieh und zwei steinernen Granden mit Waschküche, früher Käserei, Trebergruft, Schafstall, vier angebauten doppelten und vier weitern doppelten Schweinställen, zwei Kellern, Knechtkammer, drei Futterböden, dann einer geräumigen gegen Norden liegenden Düngerstätte, gerichtlich taxirt zu 7200 fl.

5) hölzerne Wagenschupfe, taxirt zu 100 fl.;

6) steinernes Waschhaus, taxirt zu 40 fl.;

7) das Schenkgebäude, bestehend in drei Zimmern, Küche und Boden, taxirt zu 550 fl.;

8) der dabei befindliche Stall, Stadel und Schweinstall, taxirt zu 225 fl.;

9) die Sommerschenke mit Kugelstatt, Keller, Abtritt und Sommerhaus, taxirt zu 400 fl.;

10) das sogenannte Hirtenhaus, bestehend aus Stube, Flötz, Küche und Stall, taxirt zu 150 fl.;

11) das Gartenhaus in der Anlage, tax. zu 15 fl.;

12) das sogenannte Schlößchen, 92 Fuß lang, 13 1 / 2 Fuß breit, hat zu ebener Erde 5 Zimmer, Speise, Holzlage, Küche und Abtritt, ein geräumiges Treppenhaus, dann in dem obern Stock in einer Fronte einen Salon mit vier Zimmern, dann Garderobe, Abtritt und Boden, geschätzt zu 6500 fl.;

13) der Franciscaner-Keller mit Kellerhaus, taxirt zu 1400 fl.;

Diese sämmtlichen Gebäude, in specie das Bräuhaus und Oekonomiegebäude befinden sich in einem sehr guten baulichen Zustande, und die Dachungen und Gewölbe sind von ausgezeichneter Qualität.

14) Die Wasserreserve sammt Wasserleitung, taxirt zu 600 fl.;

15) das sämmtliche, zum Bräuhause gehörige vollständige, in dem besten und dauerhaftesten Zustand befindliche Schiff und Geschirr, dann die zum Bräuhause und der Schenk gehörigen im Inventar näher bezeichneten Mobilien, Betten, Büttnerwerkzeug, sämmliche Baumannsfahrniß und circa 4000 Eimer Fässer, taxirt zu 9207 fl. 54 kr.;

16) die zum Bräuhaus gehörigen Waldungen, nämlich:

a) das Bleichgartenholz oder sogenanntes Hirschberger Bräuhausholz 38 7 / 8 Morgen aus Fichten und Föhren untermischt mit Buchen und Birken 40-50, und 15-20jähriges Holz, geschätzt zu 1900 fl.;

b) die Kündinger Holzleiten, 12 Morg. 54 Dec. aus Buchen - und Föhren -, 25-30jähriges Holz, dann Anflug von 5-10 Jahren, geschätzt zu 420 fl.;

c) der Jobstit. Holztheil 5 Tagw. 28 Dec. aus Buchen schlagbares, dann 5-10jähriger Anflug, taxirt zu 200 fl.;

d) die Doltmetzleiten 13 Tagw. 72 Dec., dann Parlisleiten bei Badenhausen 12 Tagwerk 87 Dec., wovon 1 Tagw. cultivirt und als Acker besteht, taxirt zu 500 fl.;

e) Wald auf dem Arzberg 41 Tagw. 62 Dec. hochstämmiges Föhrenholz, taxirt zu 2500 fl.;

17) die zum Bräuhause gehörigen Wiesen, nämlich:

a) Wiese bei Unteremmendorf nächst der Brücke 3 Tagw. 63 Dec. und weitere 62 Dec., und

b) die Luderbügelwiese 1 Tagw. 6 Dec. zusammen taxirt zu 1100 fl.;

c) Wiese bei Badenhausen auch Ochsenwiese, und 19 Tagw. Wiesen am See, zusammen 29 Tagw. 12 Dec., taxirt zu 7250 fl.;

d) die Stadlerwiese 1 Tagw. 49 Dec., taxirt zu 450 fl.;

e) Wiese an der Sulz und untern Mühle 2 4 / 8 Tagw., taxirt zu 375 fl.;

f) die Bauernwiese an dem untern Thor 12 Tagw., 55 Dec., taxirt zu 3000 fl.

18) Die zum Bräuhause gehörigen Aecker:

a) der Stadleracker an der Badenhauserstraße 2 1 / 2 Morgen, taxirt zu 450 fl.;

b) sechs Metzen Acker am Bronnen 6 Tagw., taxirt zu 800 fl.;

c) der Schneiderpeterl oder Bronnenacker 1 Tgw. 52 Dec., taxirt zu 300 fl.;

d) Wegacker 86 Dec., taxirt zu 100 fl.;

e) Wegacker 97 Dec., taxirt zu 200 fl.;

f) der Schusteracker unweit des Bräuhauses 97 Dec., taxirt zu 200 fl.;

g) das Beichgärtel am Weiher 20 Dec., taxirt zu 20 fl.;

h) die Herrmannsgrund 2 6 / 8 Tagw., taxirt zu 480 fl.;

i) Acker am Sand, auch Strohbauernacker, 1 Tagw. 41 Dec., taxirt zu 150 fl.;

k) der Hirschberger auch Dallsteineracker 12 Tgw. 77 Dec. und 14 Tagw 87 Dec., taxirt zu 1382 fl.;

l) Acker hinterm Stadel 3 Tagw. 33 Dec., taxirt zu 900 fl.;

m) Weiheracker 2 Tagw., taxirt zu 400 fl.;

n) die sogenannte Anlage mit Garten resp. Hopfengarten 800-1000 Haufen 3 Tagw. 37 Dec., taxirt 230 fl.;

o) der hintere Hopfengarten mit Obstbäumen, auch Weinberg genannt, 4 Tagw. 35 Dec., taxirt zu 500 fl.;

1368

p) zwei kleine Wurzgärten und ein Baumgarten mit einer Mauer umfangen, taxirt zu 800 fl.;

q) zwei Krautbeete im Ried 38 Dec., taxirt zu 100 fl.;

r) das Stöberl'sche Zehntrecht, taxirt zu 500 fl.; und

s) die HaunstetterGült, taxirt zu 250 fl.

Die nähern Bedingnisse, so wie die Lasten und Abgaben, welche auf dem Gute und einzelnen Bestandtheilen haften, können in der dießgerichtlichen Registratur eingesehen werden, und wird bemerkt, daß der Zuschlag nach §. 64 des Hypothekengesetzes erfolgt.

Ansbach, am 20 Mai 1840.

Königl. Kreis - und Stadtgericht.

Killinger.

Schillinger, k. Protokollist.

[3235-37]

Bekanntmachung.

Friedrich Daubenberger von Grötzingen, welcher im Jahre 1818 nach Ungarn auswanderte, ist nach eingekommenem Todesschein am 17 August 1831 zu Eresi im Königreich Ungarn mit Hinterlassung einer Wittwe gestorben, und es wollen nun dessen nächste Anverwandten in Grötzingen, die Geschwister und deren Kinder, das bis jetzt in pflegschaftlicher Verwaltung daselbst gewesene Vermögen unter sich erblich theilen.

Da nun der Aufenthaltsort der hinterbliebenen Wittwe Anna Stenzinger, des Erblassers, unbekannt ist, so wird solche, insofern sie Ansprüche auf den Nachlaß ihres verstorbenen Mannes zu machen gedenkt, hiermit aufgefordert, diese innerhalb zwei Monaten a dato bei diesseitiger Stelle um so mehr geltend zu machen, als sonst das von dem Erblasser in Grötzingen hinterlassene Vermögen den daselbst wohnenden Erben ohne Berücksichtigung jener Ansprüche zugetheilt werden wird.

Durlach, den 9 Junius 1840.

Großherzogliches Amtsrevisorat.

Eccard.

vtd. Thlgs. -Commissär Alex. Rheinländer.

[1817-21]

Wichtige Schriften zum Buchdrucker Jubiläum.

Zu beziehen durch die Anstalt für Kunst und Litteratur, R. Weigel in Leipzig:

Débuts de l'Imprimerie à Strasbourg ou recherches sur les travaux mystérieux de Gutenberg dans cette ville, et sur le procès qui lui fut intenté en 1439 à cette occassion, par Léon de Laborde. Avec Planches. Paris 1840. 8. 21 gGr. (1 fl. 36 kr.)

Nouvelles Recherches sur l'origine de l'Imprimerie (Débuts de l'Imprimerie à Mayence et à Bamberg, ou Déscription des lettres d'indulgence du Pape Nicolas V. pro regno Cypri, imprimées en 1454) par Léon de Laborde. Avec Planches et Gravures. Paris 1840. Roy. 4. 2 Rthlr. 22 gr. (5 fl. 15 kr.)

Von beiden Schriften des berühmten Verfassers sind nur kleine Auflagen erschienen, und die Platten abgeschliffen. Die übrigen Werke des Hrn. Grafen Laborde, z. B. Histoire de la gravure en manière noire. Avec Planches, Paris 1839. 2 Rthlr. 8 gr. (4 fl. 12 kr. ) sind gleichfalls durch mich zu beziehen.

[2227-28]

In der Herder'schen Verlagshandlung in Freiburg ist erschienen und durch alle Buch - und Landkartenhandlungen zu beziehen:

Atlas von Südwest-Deutschland und dem Alpenlande in 48 Blättern und 6 statistischen Tabellen.

Mit roth eingedruckten Straßen, Ortspositionen und Gränzen.

Entworfen und bearbeitet im Maaßstab 1 / 200,000 der natürlichen Größe von Dr. J. E. Woerl.

Subscriptionspreis für die 48 Blätter nebst 6 statistischen Tabellen 36 Thlr. oder 64 fl. 48 kr. rhein.

Dieser Atlas bildet folgende Länderabtheilungen, die, so wie jedes Blatt desselben, einzeln zu den beigesetzten Preisen gegeben werden.

Karte von Würtemberg, Baden und Hohenzollern mit den Gränzlanden in 12 Blättern und einem Supplementblatt, statistische Tabellen enthaltend. 16 fl. 12 kr. oder 9 Thlr.

Karte der Schweiz mit den Gränzlanden in 20 Blättern. 27 fl. oder 15 Thlr.

Karte von Tyrol mit den Gränzlanden in 12 Blättern. 16 fl. 12 kr. oder 9 Thlr.

Karte von Bayern mit den Gränzlanden in 24 Blättern. 32 fl. 24 kr. oder 18 Thlr.

Ein einzelnes Blatt. 18 gGr. oder 1 fl. 21 kr.

[2321]

In der Hurter'schen Buchhandlung in Schaffhausen ist erschienen und in sämmtlichen soliden Handlungen Deutschlands und der Schweiz zu haben:

Friedrich Hurters, Dr. Theol., Ausflug nach Wien und Preßburg im Sommer 1839. Zwei Bände 6 fl. od. 3 Rthlr. 8 gGr.

Wie sich des berühmten Hrn. Verfassers historische Forschungen durch Gründlichkeit und Tiefe vor den meisten auszeichnen, so auch diese Reise vor den gewöhnlichen. Die feine Beobachtungsgabe, das glückliche Zusammentreffen verschiedener Umstände, die trefflichen Urtheile über Vergangenheit und Gegenwart, die Anerkennung des Guten und Edeln, wo es sich nur immer finden mag, machen dieß Werk zu einem der interessantesten und belehrendsten. Druck und Papier sind sehr schön.

Die Freimaurerei und ihr Einfluß in der Schweiz. Dargestellt und historisch nachgewiesen von Karl Ludwig v. Halm. 48 kr. oder 12 gGr.

Die Restauration der Staatswissenschaft haben dem Verfasser einen europäischen Ruf erworben; daher genügt zur vollständigsten Empfehlung der Name!

[295-98]

Großherzogl. Darmstädter Staats-Anlehen.

Die 13te Ziehung am 1 Julius enthält 1500 Gewinne, als: 50,000 fl., 10,000 fl., 5000 fl., 3000 fl., 6 à 1000 fl, 10 à 400 fl, 20 à 200 fl. etc. Hiezu sind Loose à 5 fl. 15 kr., und auf 5 Stück das sechste gratis direct zu beziehen bei J. & S. Friedberg, Bankiers in Frankfurt a. M.

[2380-82]

Stelle Gesuch.

Ein verheiratheter oder lediger Mann, der die Fabrication bunter Papiere versteht, hauptsächlich aber mit Bleichen der Hadern genau vertraut ist, und die neuesten Verbesserungen des Bleichprocesses praktisch kennt, wird für eine Papierfabrik in einer der schönsten Provinzen der österreichischen Monarchie zu engagiren gesucht.

Derselbe ist so gestellt, daß er mit Familie sorgenlos leben kann. Gefällige Offerte, begleitet mit Zeugnissen, bezeichnet mit H. S. wird Hr. A. F. Böhme in Leipzig die Güte haben zu befördern.

[2377]

Anerbieten.

Ein routinirter Kaufmann in den 30ger Jahren, aus einer der bedeutenderen Fabrikstädte Bayerns, zu allen Comptoir - und Reisegeschäften vollkommen tüchtig, und auch der französischen Sprache mächtig, dessen Persönlichkeit zugleich jede moralische und materielle Garantie darbietet, wünscht in einem Großhandlungs - oder Fabrikgeschäft einen entsprechenden Posten zu erhalten.

Nähere Auskunft ertheilt das Handlungshaus Planck u. Zöller in Augsburg.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
Author[unknown]
Extent16 images; 16340 tokens; 5219 types; 113512 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 171. 19. Juni 1840 . Augsburg1840.

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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Editorial principles

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