PRIMS Full-text transcription (HTML)
1377
Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonntag
Nr. 173.
21 Juni 1840.
1377

Mexico.

Englische Blätter schreiben aus Veracruz vom 2 Mai: Campeche hat sich für unabhängig von der Republik Mexico erklärt, der Präsident Bustamante jedoch rückt mit Truppen gegen die Insurgenten. General Santa Anna ist, ernstlich krank, auf seinem Landsitze.

Spanien.

Die Angaben über Balmaseda's Stärke weichen sehr von einander ab. Von zwei vor mir liegenden Briefen aus Aranda de Duero schätzt sie der eine auf höchstens 1200 Mann, während der andere deren mindestens 2000 zu Fuß und 800 zu Pferd annimmt. Gewiß ist, daß der Cabecilla den Meister in der Gegend spielt, und der Schrecken seines Namens so groß ist, daß zwei Zeilen von seiner Hand hinreichen, um auf den Dörfern die übertriebensten Brandschatzungen einzutreiben. Ja am 5 Jun. trieb er die Frechheit so weit, von der Stadt Aranda 5000 Zwieback, 1000 Arobas Mehl und eine bedeutende Menge Wein und Schlachtvieh zur Verproviantirung des Forts von Carazo zu fordern, die ihm jedoch verweigert wurden. Carazo liegt auf einer steilen Höhe in der Sierra von Burgos; schon Pfarrer Merino hatte seiner Zeit die Vortheile seiner Lage erkannt, und dessen Befestigung versucht. Balmaseda hat nun eine Abtheilung von 200 Mann daselbst zurückgelassen, unter deren Hut 2000 bei Todesstrafe zusammengejagte Bauern an dessen Verschanzung arbeiten. Auch zu Ayllon (im Gebirge, das Guadalajara von Segovia trennt), wo 30,000 Realen erpreßt wurden, blieb eine namhafte Abtheilung stehen. In dem niedergebrannten Nava überließen sich die Rebellen, den ruchlosesten Ausschweifungen, schändeten Weiber und Mädchen, und metzelten einen Theil der Bevölkerung nieder. Dem Alcalde von Riaza ließ Balmaseda schriftlich bedeuten, die obrigkeitlichen Gebäude sogleich in Brand zu stecken und Sorge zu tragen, daß die Flammen hoch aufloderten, damit er von seinem Hauptquartier aus das Feuer erschauen möge, widrigenfalls er in Person nach Riaza kommen und die Häuser aller Liberalen und aller Glieder des Ayuntamiento in Asche legen würde. Fliegende Schaaren durchstreifen links und rechts die Gegend, die Wohnungen plündernd, und alle ehemaligen Soldaten des Prätendenten zu den Waffen rufend. Die Milicianos von Roa sind mit Weib und Kind noch immer zu Peñafiel; die von Olmedillo widerstanden wacker in ihrem Thurme. Zwei Briefposten und drei Diligencen wurden angehalten und Wagen und Papiere verbrannt. Die Truppen der Constitutionellen sammelten sich zahlreich um Santo Domingo de la Cazalda. Sie sollten sich in drei Colonnen theilen, deren eine der Oberst Lara, eine zweite der Vicekönig von Navarra, General Rivero, in Person befehligen würde. Man sah jeden Augenblick einer entscheidenden Bewegung entgegen. Die Armee des Doppelherzogs de la Victoria und von Morella (letzterer Titel ist nebst dem Großkreuz des goldenen Vließes seine neueste Belohnung) ist am 2 Junius gegen Catalonien aufgebrochen; der Obergeneral, der am 6 bei Mequinenza auf Booten über den Ebro setzte, sollte den 7 zu Lerida und den 8 oder 9 zu Iguelada eintreffen, wo er die Ankunft Ihrer Majestäten erwarten wollte, deren Abreise auf den 11 festgesetzt schien.

Aus der Mancha und von Guadalajara lauten die Briefe fortwährend kläglich. Verwüstung und Plünderung waren an der Tagesordnung. Zu Beteta wurden in den ersten Tagen des Monats alle dort festgehaltenen Geiseln erschossen, ihre Weiber und Töchter auf öffentlichem Platze geschändet. Die in Valencia herumstreifenden Rotten brannten in ihrer rasenden Wuth alle Saaten nieder, zerstörten und zerstampften Weinberge, Rüben - und Krautfelder. Andrerseits übte Balboa unmenschliche Rache. Zum Uebermaaß unserer Schande, ruft der ministerielle Castellano aus, sieht man in der Mancha einen General kalten Blutes und ohne Recht und Urtheil Frauen und Mädchen, alt und jung, ermorden, deren einziges Verbrechen darin besteht, das Weib, die Tochter, oder Verwandte eines Carlisten zu seyn. Die Bande der Meuterer von Fernan-Caballero hatte am Himmelfahrtstage das Städtchen Alcubillas überfallen, vom frühen Morgen bis in die Nacht die schmählichsten Excesse verübt, und vor ihrem Abzuge noch den eben von Infantes dort angekommenen Don Pedro Gonzalez Ortaga ermordet. Als die Kunde dieses Vorfalls1378 nach Madrid kam, brach Don Rafael Trovado mit 100 Reitern, 100 Grenadieren der Garde und einer Compagnie Fußvolk gegen Alcubillas auf, wo er den 28 Mai einrückte. Bei seiner Ankunft forderte er einen Priester, der ihn während drei Tagen begleiten sollte, um die Schlachtopfer Beichte zu hören, die seiner Rache fallen würden. Aber noch ehe der Priester, den man von einem entfernten Dorfe herbeiholen mußte, anlangen konnte, hatte der Wüthrich bereits zwei Schwestern, deren eine ein Kind von sechs Monaten an der Brust trug, so wie eine Wittwe und ihren Sohn erschießen lassen, erstere, weil man bei ihnen Effecten gefunden, die von Carlisten geraubt, letztere, weil sie bekannte Anhänger der Rebellen seyen! O Spanien!

Balmaseda scheint sich von der Straße ab und mehr ins Herz der Sierra gezogen zu haben, denn die Madrider Post ist gestern ungehindert zu Bayonne angelangt. Wir haben Briefe und Zeitungen aus Saragossa und Barcelona bis zum 8. Sie melden übereinstimmend die Ankunft Cabrera's zu Berga mit 4000 Mann zu Fuß und 500 Reitern in der Nacht vom 3. Bei der Hitze der Jahreszeit und der Schwierigkeit des Terrains wäre dieß ein seltener Gewaltmarsch. Auffallend ist, daß ein Schreiben aus Perthus vom 10 dessen mit keiner Sylbe erwähnt. Ros d'Eroles stand laut diesem letztern zuletzt in der Gegend von Arfa. Die Casse der Junta war aus Berga nach dem Thal von Ribas abgegangen. Viele meinen, sie sey bereits in Frankreich in Sicherheit. Die constitutionelle Armee folgte Cabrera auf dem Fuße. Die Division Leon war am 6 zu Mequinenza, zwei andere Brigaden waren zu Alcañiz und Valdealgorfa; die dritte Division und die Brigade Zurbano standen gleichfalls zum Uebergang über den Ebro bereit; Van Halen wartete nur auf das Vorrücken Espartero's, um aus Barcelona hervorzubrechen. General Concha hat zum Glück wieder Gegenbefehl bekommen, da der Hof nicht die Straße von Valencia, sondern die von Saragossa einschlägt, welche letztere General Mahy zu decken befehligt ist. Die Operationen gegen Beteta dürften daher wieder nächstens frisch beginnen. Die vereinigten Banden des Cipriano und der Meuterer von Fernan-Caballero, zusammen über 200 Pferde stark, erlitten am 3 Jun. bei Puerto-Robado durch die Truppen des Generals Balboa eine völlige Niederlage. Die Hälfte der Rebellen ward niedergemetzelt, 47 Pferde und eine Menge Waffen und Uniformstücke wurden erbeutet. Der Carlistische Obrist José Manzanares ward auf der Flucht gefangen und sofort erschossen. Der Obristlieutenant Rafael Mayalde überfiel am 2 d. zu Fuente el Cierro eine Schaar Rebellen im tiefen Schlafe. Ein voreilig gefallener Flintenschuß jagte die Ruhenden auf, welche halbnackt die Flucht ergriffen und ihre Waffen, 72 gesattelte Pferde und Maulthiere und eine reiche Beute im Stiche ließen. Eine andere Rotte wurde zu Enquidanos und Latova (unweit Cuenca) zersprengt und ihr ein Hauptmann, ein Lieutenant, zwei Sergenten und acht Soldaten getödtet. Zu Beteta hatte der Blitz am 31 Mai in eine Pulvermühle geschlagen, einen Soldaten getödtet und einige zwanzig Arbeiter verwundet. In den baskischen Provinzen hatte die Nähe Balmaseda's neue Hoffnungen bei den Carlisten erweckt. Sie kaufen Waffen, Pulver und Montirungsstücke, die sie baar bezahlen. In der Nacht vom 6 wurden zu Saint Jean-de-Luz der Capitän Amilibia und der Adjutant Mendia in einem Hause, wo sie verborgen waren, durch unsere Gendarmen verhaftet. Aehnliche Verhaftungen hatten in den letzten Tagen auch zu Bayonne und der Umgegend statt. Das Fort Culla war am 1 Jun. von den Insurgenten geräumt und durch eine Abtheilung constitutioneller Truppen besetzt worden. Mit welcher Wuth der Bürgerkrieg in einigen Gegenden Spaniens geführt wird, zeigt folgende Thatsache, die ich einem liberalen Blatte entnehme. Während die constitutionellen Truppen im Nieder-Maestrazgo gut aufgenommen sind und an nichts Mangel leiden, herrscht im obern Theile der Landschaft ein solcher Haß gegen sie, daß so oft eine Abtheilung Soldaten aus einem Dorfe rückt, sogleich die Sturmglocken die Bauern aus allen Nachbardörfern zusammenrufen, die sofort mit Wuth über die Colonne herfallen, und wenn sie Sieger bleiben, sie bis auf den letzten Mann erwürgen.

Telegraphische Depesche. Der commandirende General der 20sten Militärdivision an den Kriegsminister und den Conseilpräsidenten. Bayonne, 15 Jun. Mittags. Balmaseda ist von den Truppen des Vicekönigs von Navarra bei Soria angegriffen worden, die Insurgenten wurden vernichtet oder zerstreut; Balmaseda hat sich nur mit 400 Mann gerettet.

Großbritannien.

In Erwartung des auf nächsten Montag festgesetzten erneuten Kampfs über die Stanley Bill finden wir es passend, noch Einiges aus den stürmischen Verhandlungen vom 11 über dieselbe Bill nachträglich zu berühren. Was in Bezug auf diese Verhandlungen den Blättern am meisten Stoff zu Bemerkungen bietet, ist die dabei zum Vorschein gekommene schnelle und vollkommene Rückkehr Hrn. C. Woods und seines Verwandten Lord Howicks zu den Ansichten des Ministeriums, indem nämlich der erste die Verschiebung der Bill (bis zuerst die englische Registrationsbill behandelt sey) selbst beantragte, und der zweite mit für diese Motion stimmte. Die Times sucht diese Sinnesänderung dadurch zu erklären, daß man Lord Howick die Stelle des Staatssecretärs des Innern zugesagt habe, falls, wie es wahrscheinlich sey, Lord Normanby als Botschafter nach Paris gehen würde. Die ministeriellen Blätter aber beklagen sich bei dieser Gelegenheit über den wiederholten Leichtsinn der liberalen Partei, von welcher, als Hrn. Ch. Woods Motion zur Abstimmung kam, 28 Mitglieder abwesend waren, indessen nur vier Tories fehlten. Viele jener 28, sagt der Globe, waren ganz in der Nähe des Hauses, hätten aber, zu irgend einem guten Zwecke, eben so wohl in Hannover seyn können. Ein anderer unterhaltender Umstand in der Sitzung vom 11 war das heftige Auftreten O'Connells am Schluß der Sitzung. Als nämlich Lord John Russell erklärt hatte, daß er sich der Behandlung der Bill am nächsten Montag, als an einem Tag, wo die Geschäfte der Regierung den Vorgang haben müßten, widersetzen werde, und Lord Stanley dessen ungeachtet auf diesen Tag drang, und das Haus darüber zur Abstimmung aufforderte, erhob sich O'Connell mit der Erklärung, er werde in diesem Fall auf Vertagung antragen. Die Bill, fuhr er unter zunehmenden Geschrei und Getümmel fort, ist eine Bill, welche die Rechte des Volks von Irland mit Füßen tritt ich wiederhole es, welche die Rechte Irlands mit Füßen tritt (erneuertes Schreien und Gelächter), und wäre der Lärm und das Geheul noch zehnmal bestialischer (beastly), so würde ich es wiederholen. Sir Stratford Canning verlangt hierauf vom Sprecher, daß er den Redner zur Ordnung rufe. Darüber, daß ich Geheul gesagt habe? fragte Hr. O'Connell. Eine Stimme: bestialisch. Bestialisch? aber gibt es ein anderes Gebrüll als das von Bestien? Und welche Töne waren das? Gewiß keine menschlichen. Hr. Hedworth Lambton fordert nun, als Gegensatz zu Sir S. Canning, den Sprecher auf diejenigen, die Hrn. O'Connell so ungeziemend unterbrochen hätten, zur Ordnung zu verweisen. Hr. Ewart, Hr. C. Buller, Lord Clements fordern dasselbe, und behaupten, daß, weil der Sprecher jene1379 Schreier nicht zur Ordnung verwiesen, Hr. O'Connell sich seiner Ausdrücke mit Recht bedient hätte. Dagegen verlangen Lord Maidstone und Sir R. Inglis den Widerruf des Worts beastly. Das ganze Haus ist in großer Verwirrung, in welcher sich zuletzt Sir B. Hall (bisher ministerielles Mitglied) erhebt, um zu erklären, daß er nicht gesonnen sey, an einer factiosen Opposition, wie die des Hrn. O'Connell, deren Hauptargumentation in beständig wiederholtem Antragen auf Vertagung bestehe, fürdern Antheil zu nehmen. Lord John Russell wiederholt hierauf noch einmal, daß er am Montag trotz des Antrags Lord Stanley's mit Vortrag der Regierungsangelegenheiten fortfahren werde. Am 12, Morgens, hat dann, in Folge eines von Lord John Russell ergangenen Circulars, eine Versammlung aller ministeriellen Mitglieder gegen 200 auf dem Staatssecretariat des Auswärtigen stattgefunden, ohne Zweifel, um sich über die nächsten wegen der Stanley-Bill zu ergreifenden Maaßregeln zu verständigen. Noch Erwähnung verdient ein (im Courier veröffentlichter) Brief des Hrn. Ainsworth an den Mayor seines Wahlfleckens Bolton, in welchem sich das im ministeriellen Sinne gewählte Mitglied über seine zu Gunsten der Stanley'schen Bill abgelegte Stimme zu rechtfertigen sucht.

Der Central-Criminalgerichtshof (central criminal court), der nun sowohl über Courvoisiers als Oxfords Anklage zu entscheiden hat, wird seine Sitzungen am nächsten Montag eröffnen. Die Gesammtzahl der Angeklagten beläuft sich auf 300. Courvoisiers Proceß wird wahrscheinlich nächste Woche vorkommen; der Oxfords schwerlich vor zwei bis drei Wochen. Ueber den Mordversuch des letzteren theilen wir unsern Lesern noch folgende Stelle aus dem Examiner mit. Was immer auch der Beweggrund zum Verbrechen gewesen seyn mag, so wird es, hoffen wir, für die Feinde der Königin unter den Tories eine Warnung seyn, sich fortan gewisser verläumderischer Ausfälle zu enthalten, die, wie das M. Chronicle sich gut ausdrückt, um das Geringste zu sagen, nicht darauf berechnet sind, den Gedanken des Meuchelmords in dem Busen, in den er einmal eingedrungen ist, wieder zu ersticken. Hätte sich der Versuch vor einigen Monaten zugetragen, als die Tory-Blätter und Tory-Redner noch die Verabscheuung der Königin predigten, welcher schreckliche scheinbare Einklang würde zwischen dem Verbrechen und den darauf hinausgehenden Verleumdungen stattgefunden haben! Die Worte Oxfords, daß er ein Weib für nicht würdig halte über England zu regieren, ist nur die gelinde Wiederholung eines im letzten Sommer von dem Quarterly Review abgehandelten Arguments. Der Examiner macht sich sodann noch über die Maaßregel lustig, welche die Polizei ergriff, um Oxford am Donnerstag Morgen unbeschädigt durch das Volksgedränge vom Stationshause nach dem Staatssecretariat des Innern zu bringen, nämlich sie ließ ihn, ohne Handschellen, sich sachte aus dem Hause schleichen, und dann, sowie er Gardiner's Lane erreicht hatte, sich in vollem Laufe nach dem Secretariat in Bewegung setzen. Der Verbrecher lief vornweg, die beiden Inspectoren Pierce und Hughes liefen hintendrein, und so gelangten sie alle drei, allerdings außer Athem, aber sonst ohne Beschädigung, vor dem geheimen Rathe an. Es fehlte nur noch, sagt der Examiner, daß man fortan auch die Verurtheilten auf ähnliche Weise dem Galgen zulaufen ließe.

Der Standard spricht seine Ueberzeugung aus, daß der Mord vorausbedacht gewesen sey. Der Platz die Waffen die That selbst zeigen, daß der junge Verbrecher mit dem festen Vorsatze hingegangen sey, seine Fürstin zu ermorden; doch läßt sich nicht vermuthen, daß er unter vernünftigen Männern Mitschuldige habe. Kluge Verschworne würden weder einem Knaben seines Alters und Standes die Ausführung eines so ungeheuern Verbrechens noch seiner Discretion ihr eignes Leben vertraut haben, wie sie es doch thun mußten, wenn sie ihn zu dieser Ausführung verpflichteten. Zwar hat man ein Verzeichniß von Namen, das man für das einer geheimen Gesellschaft hielt, einige Kappen und rothe Bandschleifen, ein Schwert, Pulver und Kugeln in der Wohnung des Mörders gefunden; doch kann man nicht glauben, daß seine Genossen, wenn er deren hat, weit über seinen Stand, und vor Allem, viel älter als er sind. Männer werden sich in solche gefährliche Unternehmungen mit Knaben nicht einlassen. Ueber die möglichen Folgen des Vorfalls zu grübeln ist unnütz; doch ist es keineswegs eine angenehme Erfahrung, daß Knaben jetzt eine andere, selbstständigere Rolle in den großen Städten spielen wollen, als sonst ihnen erlaubt war: sie füllen jetzt unsere Gefängnisse als die gewöhnlichsten Agenten der Verbrecher. Und hier sind die der untern Classe des Volks angehörigen weit schlechter jetzt als sie es früher waren. Wohl mögen mehrere Ursachen dabei mitwirken; doch ist die Beschäftigung der Kinder schon in früher Jugend in Fabriken und dergl., wodurch sie zeitig der traditionellen und jeder andern tüchtigen Erziehung entzogen werden, eine der Hauptursachen dieses Verfalls der heranwachsenden armen Classe. Demnächst ist es die Verachtung der Erfahrung der ältern Personen, welche von den Aposteln des Zeitgeistes und Fortschritts des Geistes so eifrig gelehrt ward. Doch sey das wie es wolle, es ist wenigstens tröstlich, daß das Verbrechen von einem Knaben und nicht einem Manne verübt worden ist. Aber welcher Mann könnte auch seine Hand gegen das liebenswürdige junge Weib an ihres Gatten Seite erheben, wenn sie auch nicht eine Königin wäre?

Frankreich.

Dem Journal du Commerce zufolge wird General Graf Durosnel nach erfolgter amtlicher Notification vom Tode des Königs von Preußen im Auftrag des Königs nach Berlin abgehen, um den neuen König zu becomplimentiren. Eine andere Person mit hohem Titel soll sich mit einer politischen Sendung dahin verfügen. Ihr Name wird nicht genannt, aber versichert, sie habe diese Mission keineswegs von dem Ministerpräsidenten erhalten.

Die Mitglieder der ministeriellen linken Seite hielten am 13 Jun. bei dem Restaurateur Véry im Palais Royal unter Odilon-Barrots Vorsitz ein splendides Gastmahl. Im Gegensatz zu der radicalen oder reformistischen Linken hatte man beschlossen, daß keine einzige Rede gehalten, noch irgend ein Toast ausgebracht werden sollte, weßhalb auch (wie das Journal des Débats ironisch bemerkt), unter den Gästen bis zum letzten Augenblick die rührendste Eintracht herrschte.

In Bezug auf die Sitzung der Pairskammer vom 15 Jun. erwähnen wir noch, daß die Rede des Grafen Boissy über den Krieg in Algier, die er, vom Präsidenten verhindert, nicht vollenden konnte, die allgemeine Mißbilligung der Kammer erfuhr, und obgleich die folgenden Redner, mit Ausnahme des Kriegsministers, der den Tadel eines Feldzugs vor seiner Beendigung nicht billigen konnte und das Versprechen gab, Alles zu thun, was den gerechten Forderungen Genüge leisten könnte, keineswegs ihre Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Stande der Colonien ganz verbergen konnten, so sprachen sie doch sämmtlich für den Gesetzesvorschlag der Regierung. Die Beendigung der Discussion wurde sodann auf Antrag des Grafen Dejean auf den folgenden Tag verschoben.

1380

Zu der gestrigen Mittheilung über die Sitzung der Deputirtenkammer am 15 Jun. aus den stenographirten Notizen bemerken wir, daß fälschlich angegeben wurde, der Antrag des Hrn. Schauenburg über den Ausgangspunkt der Eisenbahn von Straßburg nach Basel innerhalb der Mauern Straßburgs sey angenommen worden. Dieser Antrag ward vielmehr verworfen. Dagegen ward, wie schon erwähnt, die Anleihe von 12,600,000 Fr., welche der Staat dieser Bahn macht, bewilligt. Der Minister der öffentlichen Arbeiten rühmte dabei den Muth, mit welchem der Unternehmer ungeachtet aller Hindernisse, die ihm die Natur entgegenstellte, in seinem Vorhaben beharrt habe. Auch könne er der Kammer nicht verhehlen, daß ein großer Theil des öffentlichen Tadels Hrn. Köchlin nur deßhalb getroffen habe, weil er gethan, was Andere nicht gewagt hätten, und gerade deßhalb sey ihm die Regierung besondern Dank schuldig. Darauf wurde der 10te, 11te und 12te Artikel vorgelesen und von der Kammer angenommen; wonach die Interessen des eben bewilligten Anlehens zu 4 Proc. ohne das 1 Proc., womit das Capital nach und nach abgezahlt werden soll, festgesetzt werden. Die Zinsen fangen erst mit dem Tage der Eröffnung der Bahn an zu laufen, die Capitalabzahlung aber erst drei Jahr nach der Eröffnung. Art. 11. Die Compagnie erhält zur Bezahlung der Interessen und des geliehenen Capitals die Bahn von Straßburg nach Basel und alle Zugehörungen so wie das Material des Gebrauchs, nebst den Einkünften jeder Art, die aus der Benutzung der Bahn hervorgehen werden. Die Capitalzahlung an den Staat geschieht vor jeder Vertheilung der Dividende an die Actionnärs. Die 4 Proc. Zinsen aber erhält er erst, nachdem die Actionnäre ihre Zinsen von 4 Proc. bezogen haben. 12) Ein Reglement der öffentlichen Verwaltung wird die Formen bestimmen, nach welchen die Gesellschaft gehalten seyn soll, dem Staat von ihren Einnahmen und Ausgaben Rechenschaft abzulegen. Die Kammer nahm noch in dieser Sitzung die Commissionsanträge über die Eisenbahn von Andrezieux nach Roanne an, welcher der Staat eine Summe von 4 Millionen leiht. Von dieser Summe soll eine Million zur Bezahlung der ersten Anlegungskosten und rückständiger Zahlungen der Compagnie verwandt werden. Alle auf diese Bahn bezüglichen Artikel wurden angenommen Die Kammer begann noch die Erörterung der Eisenbahn von Montpellier nach Nimes.

〈…〉〈…〉In der Sitzung der Deputirtenkammer am 16 Jun. kam die Erörterung an die Eisenbahn von Montpellier nach Nimes. Der betreffende Artikel lautet: Eine Summe von 14 Millionen soll auf Anlegung einer Eisenbahn von Montpellier nach Nimes verwendet werden. Diese Bahn soll einerseits mit der Eisenbahn von Montpellier nach Cette, andrerseits mit der Bahn von Alaix nach Nimes und Beaucaire in Verbindung gesetzt werden. Der Minister der öffentlichen Arbeiten bemerkt gegen Einwendungen der HH. Lorcy und Deslongrais, daß die betreffende Linie eine der wichtigsten sey. Die Compagnie habe bereits 22 Millionen darauf verwendet. Es sey dringend, diese Linie zu endigen und sich mit Marseille zu beschäftigen, das sich mit Triest in Concurrenz befinde. Es sey dabei mehr als zweifelhaft, daß sich eine neue Compagnie anbieten würde, um an die Stelle der erstern zu treten, die sich nur nach vielfachen vergeblichen Bemühungen und Verlegenheiten aller Art aufgelöst habe. Der Artikel ward hierauf angenommen, und zur Erörterung folgenden Artikels übergegangen: Eine Summe von sechs Millionen ist für Errichtung einer Eisenbahn von Lille an die belgische Gränze angewiesen, so wie eine Summe von vier Millionen zur Errichtung einer Eisenbahn von Valenciennes an die belgische Gränze. Hr. Thiers sucht gegen Hrn. Roger (Nudord), der in Errichtung dieser Bahnen große Störungen für die Industrie der Hauptstädte des nördlichen Frankreichs erblicken will, zu beweisen, daß diese Besorgnisse ungegründet seyen. Die Eisenbahnen hätten überdieß eine politische Wichtigkeit, welche die Regierung nöthige, diese zwei Verzweigungen selbst zu besitzen. Der Artikel ward hierauf mit einigen andern Artikeln, die Art und die Maaßregeln der Ausführung betreffend, angenommen. Bevor zu weitern Erörterungen übergegangen wurde, verlas der Präsident das Amendement des Hrn. Arago, lautend: Wenigstens neun Zehntheile der Locomotive, welche die Compagnien gebrauchen werden, müssen in Frankreich gemacht seyn. Diese Vorschrift soll nur dann keine Anwendung finden, wenn der Durchschnittspreis der französischen Maschinen den Durchschnittspreis der englischen um mehr als 15 Proc. überstiege. Hr. Gouin erkennt die von Hrn. Arago gerühmten Bemühungen und Fortschritte der französischen Mechaniker an. Zu ihrer Aufmunterung habe die Regierung für ihre Industrie einen Schutzzoll von 30 Proc. festgesetzt, sie könne aber doch den Compagnien die in dem Amendement stipulirte Bedingung nicht auflegen. Hr. Arago wiederholt nachdrücklich seinen Antrag. Hr. Thiers sucht zu zeigen, daß man zur Begünstigung der Maschinenindustrie in Frankreich auf diese Art nur die Eisenbahncompagnien belasten würde. Auch sey die Vollziehung des Vorschlags unausführbar. Die Regierung begünstige gern die Nationalindustrie, aber durch Maaßregeln, deren Ausführung möglich sey. Hr. Fulchiron trägt darauf an, das Amendement an die Zollcommission zu verweisen, was denn auch von der Kammer beschlossen wird. Die Berathschlagung ging dann an den Entwurf der Eisenbahn von Paris nach Rouen durch den Thalweg über. Der Marquis v. Chasseloup-Laubat spricht gegen denselben, und wünscht die Ausführung der Eisenbahn auf der Hochebene. Der Minister der öffentlichen Arbeiten habe früher diese Ansicht getheilt. Man werde vielleicht sagen, die Compagnie für die Hochebene existire nicht mehr; es habe sich aber eine neue gebildet, die nur eine Garantie von 3 Proc. verlange. Der Minister der öffentlichen Arbeiten gibt zu, daß die Richtung über die Hochebene die bessere wäre. Das Cabinet habe sich aber dem Vorschlag der Commission von 1838, das heißt der Vollziehung durch Compagnien jedesmal beigesellt, wo sich diese in ihren Anerbietungen so solid gezeigt haben, daß man sich auf die Ausführung verlassen könne. In der Compagnie, die sich jetzt anbiete, seyen alle diese Bedingungen erfüllt. Die Regierung sey mit der Kammer über das große Princip einig, daß endlich einmal angefangen werden müsse. (Abgang der Post.)

Der National behauptet, bei der Revue am 14 Jun. hätten sich besonders die 4te, 5te und 8te Legion der Nationalgarde durch den enthusiastischen Ausruf: Es lebe die Reform ausgezeichnet. Am 15 hätte sich eine Deputation einer großen Zahl von Compagnien der 6ten Legion bei ihm eingefunden, und habe ihren Antheil an dieser Manifestation reclamirt.

Man weiß jetzt, daß nur die Fregatte Belle Poule die irdischen Reste Napoleons in St. Helena abholen wird. Außer der Schiffsmannschaft wird Prinz Joinville nur seinen Adjutanten, Hrn. Hernoux, die Generale Bertrand und Gourgaud, Las Cases Sohn und den ehemaligen Kammerdiener des Kaisers, Marchand, bei sich haben, die amtlich eingeladen sind, den Prinzen zu begleiten. Ein Caplan wird ihnen beigesellt. Dem Vater Las Cases erlaubt der Zustand seiner Gesundheit diese Reise nicht. Die Abreise von Paris soll in 10 Tagen stattfinden.

1381

Das Mémorial de l'Ouest und aus ihm der Moniteur erzählen folgende Anekdote: Napoleon ging eines Tags in dem Longwoodthale auf der Insel St. Helena spazieren und bemerkte einige Kinder, die am Wege, fast neben dem Schulhause, stillstanden. Der große Mann ging zu ihnen hin, befragte sie und erfuhr, daß sie von der Schule ausgeschlossen seyen, weil sie armen Fischern an der Küste gehörten, und keinen Schutz und keine Unterstützung von dem Lande genössen. Napoleon sagte zu ihnen noch einige freundliche Worte, und verließ sie dann; an demselben Tage zog er aber nähere Erkundigungen über die besondern Umstände ein, wodurch in der That die Angabe der Kinder bestätigt wurde. Am folgenden Tag empfing jedes der Eltern dieser armen Kinder von der Munificenz des erlauchten Gefangenen eine hinreichende Summe für ihre Kleidung, für den Ankauf von Büchern, der nöthigen Federn und des Papiers, so daß sie nun in die Schule, woraus man sie so unbarmherzig ausgeschlossen hatte, bevor sie ihr Geschick auf ihren Wohlthäter hatte stoßen lassen, zugelassen wurden. Dieser Zug, der noch nicht publicirt wurde, ward mir und vielen andern Reisenden durch Hrn. Salomon, englischen Kaufmann zu St. Helena, erzählt, der 1834 einen der jungen Leute, die sich der Güte des großen Feldherrn zu erfreuen hatten, als ersten Commis bei seinen Magazinen hatte.

Die französischen Blätter enthalten folgendes Schreiben des Herzogs von Orleans an den Marschall Valée, das derselbe der afrikanischen Armee vom Lager von Blidah aus mittheilt. Es lautet: Im Augenblick, wo ich mich, mein lieber Marschall, von der afrikanischen Armee nach dem glorreichen Feldzug trenne, den dieselbe unter Ihren Befehlen ausgeführt hat, und an welchem Theil zu nehmen ich und mein Bruder, der Herzog von Aumale, so glücklich waren, bitte ich Sie, mein Dolmetscher bei den Truppen zu seyn, die Sie befehligen. Versichern Sie der afrikanischen Armee, daß, nachdem ich die kriegerischen Eigenschaften bewundert, von denen sie so schöne Beispiele gibt, und nachdem ich die täglichen Dienste gewürdigt habe, die sie mit so großer Ergebenheit Frankreich erweist, die Erinnerung an sie stets in meinem Gedächtniß bleiben und ihre Interessen mir stets theuer seyn werden. Drücken Sie insonders den Divisionen von Oran und Constantine, deren Thaten zu theilen ich bereits bei andern Gelegenheiten so glücklich gewesen bin, mein inniges Bedauern aus, daß die Mission, welche mir der König anvertraut, mir nicht gestattet hat, sie zu besuchen und mich ihren gegenwärtigen Anstrengungen anzuschließen. Empfangen Sie, mein lieber Marschall, von neuem die Versicherung aller Gefühle der Achtung und Zuneigung, die wie Sie wissen ich für Sie hege und mit denen ich verbleibe Ihr wohlgewogener Ferdinand Philipp von Orleans.

Wenn man alle Albernheiten und schlechten Späße, die seit drei Tagen über die Revue der Nationalgarde ausgekramt wurden, sammeln könnte, wahrlich es müßte ein schönes Buch daraus werden. Den besten Theil hat das sonderbare und wie ein Lauffeuer verbreitete Gerücht veranlaßt, daß Kaiser Nikolaus incognito in Paris angekommen sey. Auf dem Carousselplatz, wo die Revue statt hatte, steht von allen andern Gebäuden isolirt, wie ein einzelner Baum auf weiter Ebene, ein Gasthaus, das Hotel de Nantes, von dem man die schönste Aussicht auf die Revue haben, aus dessen Fenstern man aber auch sehr bequem auf den König schießen konnte. Um dem mit aller Gewißheit vorzubeugen, hatte sich in aller Frühe ein Polizeicommissär in das Hotel verfügt, und dasselbe von unten bis oben von allen seinen Gästen ausleeren lassen, letztern hatte man wahrscheinlich die Vergünstigung ertheilt, während der Revue spazieren zu gehen, unter der Bedingung jedoch, daß es nicht in der Nähe der Revue geschehe, denn dem Publicum war streng alle Annäherung in die Gegenwart Ludwig Philipps untersagt. Andere interessante Berichte betreffen die verschiedenen Aeußerungen, die von den Nationalgardisten unter den Waffen gemacht worden seyn sollen. Trauen Sie in dieser Beziehung nicht allzu sehr den officiellen Erzählungen. Es gibt Leute, die steif und fest behaupten, daß der lautere und loyale Ruf: Vive le Roi! einigermaßen getrübt worden sey durch den etwas radicaleren und anarchischen: Vive la Réforme! Wenn dabei ein hiesiges Blatt sogar erzählt, der König habe geantwortet: Vous voulez la réforme, vous l'aurez, so scheint uns das ein guter Witz zu seyn, der aber jedenfalls eine constitutionelle Ketzerei ist. Wie, ihr eifert jeden Tag dagegen, daß die Nationalgarde unter den Waffen eine Meinung äußere, und ihr wollt, daß der König selbst solche Ungesetzlichkeit durch seine Willfahrung genehmige?

Niederlande.

Aus dem Haag, 14 Jun. Dem Vernehmen nach wird morgen die dießmalige Session der Generalstaaten, die wichtigste seit dem Abfalle Belgiens, geschlossen werden. Wegen der Veränderungen des Staatsgrundgesetzes wird aber wahrscheinlich eine außerordentliche Session anberaumt.

Italien.

Vor einigen Tagen reiste der russische Gesandte, Hr. v. Potemkin, von hier nach Florenz ab, um daselbst einige Zeit zu verweilen. Bekanntlich ist er in gleicher Eigenschaft bei dem großherzoglichen Hof beglaubigt. Während seiner Abwesenheit wird der Legationssecretär Graf v. Stakelberg die vorkommenden Geschäfte besorgen. Vor der Abreise des Gesandten sendete dieser noch einen Courier nach St. Petersburg mit der Antwort des heiligen Stuhls auf die kürzlich übergebene officielle Note, worin die Abführung des Bischofs von Podlachien aus seinem Sprengel angezeigt wurde. Wir hören, daß diese Antwort in einem gemäßigten, aber dabei sehr ernsten Ton abgefaßt, und daß die darin enthaltenen Beschwerden wegen der Entfernung des Bischofs in einer Weise gegeben seyen, welche Rußland nicht die Möglichkeit benehme, den Bischof bald in seine Diöcese zurückzuführen, so daß das Geschehene der Vergessenheit übergeben werden könnte. Man hofft, diese Antwort und Ansicht werde in St. Petersburg ihre Wirkung nicht verfehlen, wenigstens soll die russische Gesandtschaft hier sich ziemlich zufrieden damit gezeigt haben. Der heilige Vater, welcher den Functionen der eiligen Pfingstfeier noch in guter Gesundheit assistirte, wurde seitdem von einem leichten Fieberanfall befallen, der sich jedoch nicht wiederholt hat, so daß er gestern in den großen Räumen des vaticanischen Museums seine gewöhnlichen Spaziergänge machen und einige Baureparaturen daselbst in Augenschein nehmen konnte.

Von der italienischen Gränze, 12 Jun. Es herrscht noch immer keine Klarheit in Neapel. Man wartet daselbst auf Nachrichten von Paris, um zu erfahren, ob und wie die Vermittlung dort stattzufinden habe. Man weiß daselbst bis diesen Augenblick nicht, welche Instructionen dem englischen Repräsentanten in Paris zugekommen sind, ob er autorisirt worden oder nicht, an den Verhandlungen die man daselbst abzuhalten wünscht, Theil zu nehmen. Unterdessen hat man sich auch in Neapel nicht sehr beeilt, Instructionen für Serra Capriola auszufertigen. Man glaubt vielmehr, da der König sich vorbehalten hat, direct mit ihm zu correspondiren, daß der Gesandte bis jetzt beiläufig dessen Ansichten kennt. Verhält es sich so, dann möchte noch lange Zeit verstreichen, ehe der Schwefelstreit1382 geschlichtet ist. Dieß wäre sehr zu beklagen, da in dem südlichen Italien, hauptsächlich in Sicilien viel Brennstoff aufgehäuft ist. Der König konnte sich davon bei seinem letzten Aufenthalt in Palermo überzeugen, und er würde wohl daran thun, diesen Geist durch mögliche Ereignisse nicht auf die Probe zu stellen. Er hat inzwischen seine eigenen Ansichten, von denen ihn abzubringen schwer ist. Leider besitzen die meisten seiner Diener nicht Charakterfestigkeit genug, um den Hof zu warnen und den richtigen Weg anzugeben. Sie fürchten, wenn sie es wagen sich mit ihm in Widerspruch zu setzen, das Schicksal des Fürsten Cassaro zu theilen. Sie suchen so Alles ihm zu Gefallen zu thun, und auf welche Weise dieß geschieht, möchte daraus erhellen, daß in der letzten Zeit ein Rundschreiben an alle neapolitanischen Agenten von dem sicilianischen Ministerium erging, in welchem unziemlich, fast beleidigend über das zu Neapel accreditirte diplomatische Corps gesprochen wird, so daß es das Ansehen hat, als wolle die neapolitanische Regierung mit ganz Europa brechen.

Deutschland.

Die hohen Personen haben heute Morgen unsere Stadt verlassen. Der Kaiser, die Kaiserin, der Großfürst-Thronfolger, die Großfürstin Olga von Rußland, so wie die Prinzessin Marie von Hessen sind nach Bieberich abgereist, wohin sich, wie ich höre, heute auch Se. Maj. der König von Bayern begibt.

Die Salineninspectoren Weiß und Wilhelmi, so wie der Wirth und Landstand Salzmann, sämmtlich von Nauheim in Kurhessen, welche in die politischen Untersuchungen der letztverflossenen Jahre verwickelt und auch eine Zeit lang verhaftet waren, haben am 12 d. M. ihr Urtheil publicirt bekommen. Weiß und Salzmann wurden von der Instanz absolvirt, Wilhelmi dagegen zu vier Jahren Festung verurtheilt. (Schwäb. M.)

Die Ständeversammlung wird in wenigen Tagen geschlossen werden. Bei der Wildschädenfrage ist die zweite Kammer der ersten vollständig beigetreten. Demnach lautet die gesetzliche Bestimmung über diese Zweifelsfrage nunmehr also: Unter dem zur Vergütung geeigneten Wildschaden ist der auf bebauten Ländereien an Feldern, Gärten und Weinbergen von Roth -, Dam - und Schwarzwild, ingleichen von Rehen verursachte Schaden zu verstehen. (Zusatz der ersten Kammer: Eine Verbindlichkeit zur Vergütung von Schäden auf andern Grundstücken, ingleichen von andern als den hier benannten jagdbaren Thieren, findet nicht statt. ) Die ganze Disposition läuft darauf hinaus, daß von jetzt an auch der Schaden, welcher durch Rehe verursacht wird, vergütet werden muß, was zeither für zweifelhaft gehalten wurde. In der ersten Kammer ist bei der Verhandlung über das Communalgardeninstitut alles dasjenige, was die zweite Kammer beschlossen hat, wieder abgeworfen worden, so daß sowohl das Princip der freien Wahl als auch die gleichförmige Bekleidung keinen Beifall gefunden haben. Bei der Kürze der Zeit, die noch gegeben ist, wird man sich nun über diese Differenzen kaum vereinigen können, und so wird es hinsichtlich der Communalgarde vorerst noch beim Alten bleiben. Ueber das Budget hat man sich schnell geeinigt, das heißt, die zweite Kammer hat sich den Beschlüssen der ersten hohen Kammer allenthalben angeschlossen. Die geringen Ersparnisse, die man versucht hatte, sind daher wieder aufgegeben worden, was nicht mehr als billig ist. Vorzüglich zu gönnen ist diese rückgängige Bewegung den Militärzten und den Frauenvereinen, welche letztere ohne die ihnen im Budget zugedachten 500 Thlr. wahrscheinlich nicht so viel Gutes hätten thun können. Gestern, in der Mittagssitzung der zweiten Kammer denn es werden nunmehr auch Abends Sitzungen gehalten, und die zweite Kammer geht jetzt immer erst auf den ersten Nachtwächterruf auseinander kam ein kleiner Wortwechsel zwischen dem Präsidenten und dem Abg. v. Watzdorf vor. Der Letztere, als Vorstand und Referent in der Deputation wegen der hannover'schen Verfassungsangelegenheit, erbot sich, die gefertigte ständische Schrift zu verlesen, was sonst immer keine Umstände macht. Aber bei dieser bedenklichen Sache meinte der Präsident, er könne nicht von der Tagesordnung abweichen, auch habe er die Schrift noch nicht gelesen! Die Ansicht des Präsidenten entschied, die Schrift ward erst am Schlusse der Sitzung, nachdem sich inmittelst der Minister der auswärtigen Angelegenheiten eingefunden hatte, verlesen, übrigens ohne alle Erinnerung genehmigt. Der stellvertretende Abg. Hänel auf Rauenstein war der Einzige, der sich auf die Frage des Präsidenten: ob man die Schrift genehmige? dagegen erhob. Im Uebrigen ersah man aus der verlesenen kurzen Schrift, daß die zweite Kammer, wahrscheinlich in geheimer Sitzung denn man hat sonst nichts davon gehört auch hierin der ersten Kammer beigetreten ist, d. h. die auf Wiederherstellung der Verfassung in Hannover bezüglichen Anträge aufgegeben, dagegen die andern beiden Anträge wegen eines Bundesstaatsgerichtshofes und Veröffentlichung der Protokolle in der gedachten ständischen Schrift niedergelegt hat. Meines Wissens sind dieß die ersten Anträge ähnlicher Art, welche eine erste und zweite Kammer einer deutschen Ständeversammlung gemeinschaftlich gestellt haben. (L. A. Z.)

Preußen.

Der Erzherzog Albrecht von Oesterreich ist gestern am Hoflager Sr. Maj. in Potsdam eingetroffen. Das Kaiserhaus hat durch eines seiner Mitglieder die herzliche Theilnahme zu erkennen geben wollen, die ihm das Ableben Friedrich Wilhelms III, des persönlichen Freundes von Kaiser Franz und des letzten Stifters der heiligen Allianz und des deutschen Bundes, einflößt. Se. kaiserl. Hoh. war heute früh auch auf eine Stunde in Berlin, ist jedoch bald darauf wieder nach Potsdam zurückgekehrt. Von hier wird sich der General der Infanterie und erste Generaladjutant des verstorbenn Königs, Frhr. von dem Knesebeck, nach Wien begeben, um die Anzeige von der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV zu überbringen. Mit gleichem Auftrage begibt sich der Generallieutenant und Generaladjutant v. Thile zu Sr. Maj. dem Könige von Bayern und der Generallieutenant v. Röder an den verwandten kurfürstlichen Hof in Kassel. Nach Paris sollte sich der Generallieutenant von Natzmer begeben, doch vernimmt man, daß dieser bejahrte Kriegsmann durch Unwohlseyn zurückgehalten wird. Die ersten Ernennungen in den militärischen Umgebungen des jetzt regierenden Königs sind gestern publicir worden. Nächst der bereits erwähnten des Obristen v. Lindheim, Flügeladjutanten des verewigten Monarchen, zum Generalmajor und Generaladjutanten, bemerkt man auch die des Gerallieutenants v. Luck, Generalinspecteurs des Militärunterrichtswesen, der in früherer Zeit Gouverneur des Kronprinzen gewesen war, und seinen ersten militärischen Unterricht geleitet hatte, zum Generaladjutanten, welche Auszeichnung auch dem allgemein in großer Achtung stehenden bisherigen Chef des kronprinzlichen Stabes, Generalmajor v. Neumann, zu Theil geworden ist.

Rußland.

Alle Nachrichten von den Gestaden des schwarzen Meeres bestätigen die frühern Mittheilungen über1383 die Unfälle der Russen. Neuerdings verbreitet sich das Gerücht von einer vom General Saß erlittenen Schlappe. Da nun dieser General, wie behauptet wird, in der Gegend des Forts Nikolaus ein kleines russisches Corps commandirt, so erneuern sich die Besorgnisse, die schon früher über dieses Fort gehegt wurden. St. Nikolaus, ein kleiner Seehafen an der tscherkessischen Küste, scheint noch immer in der Gewalt der Bergvölker zu seyn. Die Beute, welche die Tscherkessen in den Forts Lazareff, Rajewski, Welleaminow etc. gemacht haben, besteht größtentheils in Munition und Waffen. In dem großen Depot von Tschausch (Dschasch?) allein sollen die Tscherkessen mehr als 200 Centner Pulver erbeutet haben. Bei dem Bestreben der russischen Behörde, alle Vorfälle in Kaukasien geheim zu halten, ist wohl möglich, daß in den Berichten, die man von andern Seiten erhält, einige Uebertreibung herrscht; doch daß die Sachen an den tscherkessischen und abchasischen Küsten eine für Rußland höchst ungünstige Wendung genommen, ist außer allem Zweifel. Die russischen Expeditionstruppen werden bei Tuabs und bei Besouab in zwei Abtheilungen die Landung bewerkstelligen.

Oesterreich.

Se. Maj. der Kaiser haben den Feldzeugmeister Grafen v. Nugent, bisher Commandirenden in Mähren, zum commandirenden General in Kroatien zu ernennen geruht. Sein Vorgänger, Frhr. v. Vlasitz, verband mit dieser Stelle die Würde eines Banus von Kroatien, welche jetzt davon getrennt worden, und wahrscheinlich einem kaiserlichen Erzherzoge übertragen werden wird. Die Inhaberstelle des 5ten Artillerieregiments ist dem Feldmarschall-Lieutenant Berwaldo-Bianchini verliehen worden. Hr. Walter ist auf der Durchreise von Odessa nach Berlin hier eingetroffen.

Türkei.

Seit dem 1 d. folgen sich ununterbrochen die Feierlichkeiten wegen der am 31 Mai erfolgten Geburt einer Prinzessin, der man den Namen Mehribe Sultana gegeben hat. Die Beleuchtung der Stadt, des Bospors und des Hafens aller großherrlichen Palais und der unzähligen Schiffe, die sich hier befinden, übersteigt an Effect Alles, was ich bisher gesehen. Ein unangenehmer Vorfall, der sich gestern ereignete, hätte leicht üble Folgen haben können und kann als Beweis dienen, wie gereizt der Zustand der Christen in der Türkei ist. Ein Grieche, der bei dem ungeheuern Menschengewühl unweit des Hafens einem Türken einiges Geld aus der Tasche gestohlen hatte, sollte von der Polizei verhaftet werden. In einem Nu eilten mehrere hundert Menschen von seiner Nation herbei und suchten die türkische Polizei durch Geschrei und Drohungen einzuschüchtern. Wartet nur, ihr Kerle, schrien die Griechen der Wache nach, die sie mit Steinwürfen verfolgten, euer Spiel ist ausgespielt, wartet nur bis die Russen vor Konstantinopel sind, dann wollen wir mit euch bald fertig werden! Die bewunderungswürdige Mäßigung der Türken verhinderte jeden weitern Auftritt. Der bisherige Pascha von Janina, Mustapha, nunmehr Seriasker, ist vorgestern hier angekommen, und wird ohne Verzug sein neues Amt antreten.

Ueber den Schicksalen der Pforte schein ein Unglücksstern zu walten, der Alles mißlingen macht, was ihr zu Gunsten begonnen wird. Wenn es Lord Ponsonby nicht darum zu thun war, die projectirte Blokade der ägyptischen Häfen wieder rückgängig zu machen, ohne dabei die Consequenz der englischen Politik gänzlich bloßzustellen, so muß man gestehen, daß er sich einen argen Mißgriff zu Schulden kommen ließ, indem er die Cooperation der türkischen Armee gegen den Vicekönig verlangte, bevor noch jene Blokade begonnen oder auch die englische Kriegsmacht im Mittelmeere nur eine Bewegung gemacht hätte, die auf baldige Eröffnung jener Maaßregel hindeutete. Lord Ponsonby konnte leicht berechnen, welche Aufnahme seine Zumuthung finden werde. Denn da die Umstände bei dem Beginn der feindseligen Demonstration gegen den Vicekönig, die der Lord heuer von der Türkei fordert, ganz dieselben wären, wie bei der Lage der Dinge im vorigen Jahr unmittelbar vor dem feindlichen Zusammenstoß der beiden Heere bei Nisib, wo auch zum Beistand der Pforte fast kein englisches Schiff in den levantischen Gewässern sich vorfand, wie konnte der großbritannische Botschafter mit Grund erwarten, daß die Pforte, uneingedenk der erst erlittenen Unfälle, eine Handlungsweise adoptiren könne, die wahrscheinlich ähnliche Folgen nach sich ziehen und die Türkei ihrem Untergange näher rücken müßte? Selbst wenn die projectirten Operationen der Engländer zur See bereits eröffnet wären, hätte man, so wie die Sachen jetzt stehen, Ursache an der Mitwirkung der Pforte zu zweifeln, denn das Vertrauen, welches die letztere auf Großbritannien setzte, war einerseits durch die Vereinigung dieser Macht mit Rußland bedingt, eine Vereinigung, die von Tag zu Tag problematischer wird, andererseits schwächte sich jenes Vertrauen von selbst durch die lange Dauer der Schwankungen des brittischen Cabinets, dann aber auch durch das geringe Gewicht, das der trotzige Mehemed ungestraft auf dessen Erklärungen setzte, und durch die Successe, mit denen die französische Politik gekrönt wurde. Zwar minderte sich der Glaube an den guten Willen Großbritanniens nicht im geringsten, um desto mehr der Glaube an dessen unwiderstehliche politische Macht. Nun droht wirklich die moralische Stütze, die das vorausgesetzte Verständniß zwischen dem Londoner und dem Petersburger Hofe dem erstern gewährte, völlig zu brechen, denn das unfreundliche Verhältniß zwischen Hrn. v. Ponsonby und Butenieff ist bereits unverkennbar. Zu der feindseligen Stellung aber, welche sich gerade hier und im Osten des schwarzen Meeres, vom kaspischen See bis an die Tartarei hin zwischen jenen zwei Mächten allmählich entwickelt, kommt noch zum Ueberfluß die neue Spannung hinzu, die zwischen Konstantinopel und Petersburg sich eingestellt hat wegen der in den Provinzen der europäischen Türkei stattfindenden Vorgänge, deren Veranlassung man in geheimnißvollen russischen Projecten sucht. Man sollte glauben, daß dieß ein engeres Anschließen der Pforte an England bewirken müsse, indessen dient es zu nichts Anderm als die Pforte gänzlich zu demoralisiren. Unbeweglich wird sie für die Zukunft da stehen und zusehen, was man für sie thun will. Reschid Pascha appellirt jetzt wieder, nachdem er die Leistung der Cooperation refusirt hat, an sämmtliche Mächte in einer neuen Note, worin er den bedauerlichen Zwiespalt, der unter den osmanischen Ministern und im Divan herrscht, die Symptome der Unordnung in den Provinzen, die Vorzeichen bevorstehender Katastrophen in grellen Farben darstellt und dann mit der eindringlichen Bitte schließt, daß die Conferenz in London sich beeilen möge, zu irgend einem Resultate zu gelangen. Auch wurden vor einigen Tagen dem an Nuri's Stelle als Bevollmächtigten in London fungirenden Schekib Effendi neue Instructionen zugefertigt, in denen Schekib angewiesen wird, durch alle ihm zu Gebot stehenden Mittel ein endliches Resultat bei der Conferenz zu bewirken, und jedem, wie immer gearteten Beschlusse ohne alle Bedingung und ohne Verzug im Namen der Pforte beizutreten. Aus dem Ganzen ist leicht zu ersehen, daß der letzte Schimmer jenes Vertrauens, das die Pforte bald dieser, bald jener Macht vorzugsweise zu schenken gewohnt war, nunmehr bloß auf der1384 Gesammtheit der Mächte haftet, und daß die einzelnen alle mehr oder weniger in den Augen der Türken verloren haben.

Syrien und Aegypten.

Vor einigen Tagen ist Hr. des Meloizes, Elève-Consul des hiesigen französischen Generalconsulats, auf Befehl seiner Regierung nach Damaskus abgegangen, um sich über das Nähere des dortigen Judenprocesses zu informiren. Je länger dieser dauert, desto mehr Sensation erregt er, aber auch desto mehr widersprechende Berichte gehen über ihn ein. Diese sind von der Art, daß wer mit den hiesigen Verhältnissen, dem Charakter des Volks und seinen fanatischen Vorurtheilen nicht bekannt ist, durchaus kein Urtheil in der Sache haben kann. Intriguen, Bestechungen und Böswilligkeiten jeder Art suchen Alles zu verwickeln und zu verwirren, entstellte oder gänzlich erdichtete Rapporte laufen darüber ein, und bis jetzt hat ein jedes Consulat nicht nur eigene, ihm besonders zweckdienliche Aufklärungen erhalten, sondern diese stehen sogar häufig mit den früher eingereichten im vollkommensten Widerspruch. Der österreichische Generalconsul, der von Haus aus die Initiative ergriff, um den Proceß gänzlich niederzuschlagen, hat jetzt den Vorschlag gethan, den Proceß zu revidiren, aber nach europäischen Gebräuchen, d. h. mit Zulassung eines Defensors der Juden und mit Weglassung aller Zwangsmittel. So schön und so philanthropisch dieser Vorschlag, den andere Consuln unterstützten, auch klingt, so wenig darf man sich versprechen, daß hierdurch irgend ein befriedigendes Resultat erzielt werde. Im Gegentheil wird die Ausführung des Vorschlags zu den skandalösesten Intriguen führen, deren Enthüllung, wenn auch keine Aufklärung über den in Damaskus begangenen Mord, doch andere höchst verdrießliche Dinge ans Tageslicht bringen könnte. Schon jetzt spricht man viel von starken Summen, die hier und da geboten wurden; schon bereitet man sich auf Beschuldigungen und Recriminationen, und da sich längst von verschiedenen Seiten eine starke persönliche Erbitterung ausdrückt und die ganze Sache mit großer Leidenschaftlichkeit besprochen wird, so darf man mit Gewißheit voraussetzen, daß eine Erneuerung des Processes auf die Art, wie man sie hier wünscht, zu gar keinem, das eigentliche Factum betreffenden überzeugenden Resultat führe. Wer den Proceß führen, wer der Richter, wer der Anwalt seyn soll, weiß man noch nicht. Welche Hindernisse würden sich dem mit den Sitten, Gewohnheiten und Charakter des Volks unbekannten europäischen Richter allein schon in der so schwierigen arabischen Sprache aufthürmen! Er könnte sich nur auf die Uebersetzungen seines Dolmetschers verlassen, und welche falsche Interpretationen werden da oft theils aus Unwissenheit theils aus Böswilligkeit gemacht! Und doch kommt es bei solchen Processen häufig auf die Deutung eines Wortes an. Es ist wahrscheinlich, daß mehrere Rechtskundige aus Europa deßhalb herüber kommen, namentlich werden sich die Juden, als dabei am meisten betheiligt, zahlreich einfinden, und schon sind mehrere derselben hier, um sich nach Damaskus zu begeben. Von hier aus werden in einigen Tagen zwei Juden, die HH. Loria, ein früherer Kaufmann, der Bankerott gemacht, und der Mäkler Ventura nach Damaskus gesandt werden. Ein in Damaskus gewesener Missionär, der wie der bekannte Hr. Wolff früher Jude war, und jetzt dem Geschäft der Bekehrung der Juden und der Auffindung der zehn verlornen Stämme obliegt, hat an verschiedene Consulate Berichte über den Hergang des dortigen Processes gerichtet, und in der Beschreibung der dabei angewandten Zwangsmittel seiner Phantasie einen ungebührlich freien Lauf gelassen. Es ist zwar erwiesen, daß Stockprügel zur Erzwingung des Geständnisses angewandt wurden, es ist auch wohl möglich, daß einer der Beschuldigten denselben erlegen sey, daß aber die Tortur so weit ging, wie es die Berichte dieses Missionärs besagen, muß bis zur völligen Gewißheit darüber noch in Zweifel gestellt werden. Daß aber von mehreren Personen diesem Berichte mehr geglaubt wird, als dem hinsichtlich seines Charakters höchst respectablen Grafen Ratti-Menton, französischem Consul in Damaskus, beweist nur die Parteilichkeit des Urtheils. Man geht darin sogar so weit, ihm ein Verbrechen daraus zu machen, als Ankläger aufgetreten zu seyn; was hätte man aber gesagt, wenn er den Mord eines vom französischen Gesetz Protegirten ignorirt und die Straflosigkeit der Mörder zugelassen hätte?

1377

Was hat Friedrich Wilhelm III für Deutschland gethan?

Wenn es zunächst preußischen Stimmen zukommt, die Verdienste des verewigten Königs um die preußische Monarchie hervorzuheben, so scheint dagegen eine süddeutsche Stimme nicht unberufen zu seyn, den großen Einfluß, den seine lange und denkwürdige Regierung auf die Geschicke Deutschlands überhaupt geübt hat, mit historischer Unbefangenheit zu erwägen eine Erwägung, die keinem wohldenkenden Preußen mißfallen kann.

Zu der Zeit, als Friedrich Wilhelm III den Thron seiner Väter bestieg, im Jahr 1797, und schon geraume Zeit vorher, hatte sich Preußen in einer egoistischen Politik vom deutschen Reich isolirt und stand dem übrigen Deutschland auf eine feindselige Weise gegenüber. Dieß war allerdings nicht Preußens Schuld, wenigstens nicht seine Schuld allein, denn die Eifersucht der Nachbarmächte, zumal Oesterreichs, hatte Preußen in einen Zustand von Nothwehr versetzt. Dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm waren alle seine patriotischen Anstrengungen für das deutsche Reich im Kampfe gegen Frankreich und Schweden von Seite des deutschen Kaisers und der deutschen Reichsgenossen selbst mit Undank vergolten worden. Gegen seinen dritten Nachfolger, Friedrich den Großen, hatte sich sogar ein europäischer Bund bewaffnet, an dem wieder der Kaiser und das deutsche Reich thätigen Antheil nahmen. So erklärt sich das unheilvolle Mißtrauen, das Preußen gegen seine deutschen Nachbarn hegte, und seine Neigung, sich durch einen Bund mit auswärtigen Mächten gegen dieselben zu schützen. So erklärt sich der unheilvolle Frieden zu Basel, den König Friedrich Wilhelm II im Jahr 1795 durch den nachher so berühmt gewordenen Minister Hardenberg abschließen ließ, jener Frieden, der Preußen mit Frankreich befreundete und Oesterreich und Süddeutschland den Heeren Moreau's und später Napoleons öffnete. In einem so traurigen und trostlosen Zustande fand Friedrich Wilhelm III beim Antritt seiner Regierung die deutschen Angelegenheiten. Die südliche Hälfte Deutschlands wurde von einer brutalen Fremdherrschaft überwältigt, mit Niederlagen, Plünderungen, Mord und Brand, Verlust der Freiheit und der Nationalehre und mannichfachem Verrath heimgesucht, während die nördliche Hälfte theilnahmlos zusah, ohne zu helfen, bis auch an sie die Reihe kam. Die Frage, ob der junge König den Baseler Frieden nicht schon früher hätte brechen können, findet ihre Erledigung in der Gegenfrage, ob er bei seiner Jugend, bei der einmal herkömmlichen, durch den großen Friedrich selbst sanctionirten preußischen Politik, die er unmittelbar geerbt hatte, bei dem Geist, der in seiner Umgebung vorherrschte, und bei der immer noch mitten im Unglück rege gebliebenen Eifersucht der übrigen deutschen Mächte, es hätte wagen dürfen, der Politik seines Hauses einen plötzlichen großen Umschwung in gerade entgegengesetzter Richtung zu geben? Genug, wenn wir wissen, daß, nachdem einmal das unermeßliche Unglück, das über unser gesammtes Vaterland gekommen war, die ganze Unnatur der frühern deutschen Politik, der frühern wechselseitigen Eifersucht deutscher Mächte enthüllt hatte, kein Fürst so entschlossen, eifrig und ausdauernd thätig war, sich der gemeinsamen deutschen Sache zu widmen, als Friedrich Wilhelm III.

Der entscheidende Vorgang Preußens und die Tapferkeit seiner Heere in den Kämpfen von 1813 bis 1815 sind weltbekannt. Wir betrachten hier nur die segensreichen Folgen, die daraus für Deutschland erwachsen sind. Deutschland gewann in diesen Kämpfen seine Nationalehre wieder und flößte fremdem Uebermuth einen Schrecken vor den deutschen Waffen ein, der lange nachgewirkt hat und nachwirken wird. Deutschland behielt aus jenen Kriegen, und wieder hauptsächlich nach dem preußischen Beispiel, eine Heerverfassung bei, die eine ungleich größere Garantie gewährt, als die elende Verfassung der weiland deutschen Reichsarmee. Deutschland gewann dadurch, daß Preußen die Rheinprovinzen in Besitz nahm und stark befestigte eine neue Schutzwehr gegen Frankreich, die früher, als jene Gränzlandschaften noch unter dem friedlichen Krummstab der geistlichen Kurfürsten vegetirten, gänzlich mangelte. Die deutsche Herrschaft befestigte sich aufs neue in Italien. Die Niederlande und die Schweiz wurden dem französischen Einfluß entzogen. Auch das im dreißigjährigen Kriege verlorne Schwedisch-Pommern wurde für Deutschland wiedergewonnen.

Noch höher aber als diese äußere Mehrung der deutschen Macht ist die innere Versöhnung ihrer Bestandtheile anzuschlagen. In den Unglücksjahren unter Napoleon und in dem gemeinschaftlichen Kampfe gegen denselben ist die alte Eifersucht zwischen Oesterreich und Preußen zu Grabe gegangen. Die beiden Hauptstaaten Deutschlands haben den hohen Werth, ja in gewisser Beziehung die unumgängliche Nothwendigkeit des Zusammenhaltens nach außen nicht mißkannt, und ihre Interessen stimmen in weit mehr Punkten zusammen, als andere etwa von einander abweichende sich finden möchten. Welchem von beiden Staaten nun, oder welchem andern deutschen Staate man angehören mag, für jeden Deutschen, der die unglückliche Politik des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts kennt, der die Gefahren kennt, welche die Zerwürfniß der deutschen Mächte den Gesammtinteressen der deutschen Nation durch die Einmischung fremder Mächte bereitete, für jeden in der vaterländischen Geschichte Erfahrenen und am gemeinsamen Wohl Deutschlands Theilnehmenden ist der Vergleich des heutigen Standes unserer auswärtigen Politik mit dem frühern erfreulich.

Die constitutionellen Staaten im deutschen Westen verdanken der großen welthistorischen Wendung, welche die deutsche Politik durch die Vereinbarung der Interessen Oesterreichs und Preußens und durch den glorreichen Sieg über Frankreich erhielt, nicht weniger als Oesterreich und Preußen selbst. Was sie durch die rheinische Conföderation gewonnen hatten, das ist ihnen geblieben, und nur die Uebel, welche von jener antinationalen Verbindung unzertrennlich waren, sind von ihnen genommen worden. Die ehemaligen Rheinbundstaaten haben ihren höhern Rang, ihre größere Ausdehnung, ihre innere Concentration behalten, aber die Schmach der Fremdherrschaft, die Opfer, die sie ihrem weiland Protector bringen mußten, und die despotische Regierungsform, die das Volk drückte, ist verschwunden. Sie hatten also bei der großen Aenderung der Dinge im Jahr 1813 keine Ursache zur Eifersucht gegen Preußen und Oesterreich, sie schlossen sich diesen Mächten an, sie fochten den großen Krieg, den sie auf Frankreichs Seite begonnen, auf Deutschlands Seite aus. Ihre neue Stellung im deutschen Bunde wurde gesicherter, als es die alte im rheinischen Bunde gewesen war. Wie hätten sie nicht diese Wendung der Dinge segnen und neidlos den Ruhm der preußischen1378 Waffen, entgegenkommend die deutschen Gesinnungen Friedrich Wilhelms III anerkennen sollen!

Diese Sympathien bilden die Grundlage des deutschen Zollvereins, der die materiellen Interessen Preußens mit denen der constitutionellen Staaten Süddeutschlands auf eine so wohlthätige Weise identificirt hat. Auch hiebei verdankt man dem hochseligen König von Preußen, wenn nicht den ersten Vorgang, doch den gewichtigsten und folgenreichsten Antheil. Ohne ihn, wie wäre es möglich gewesen, dem Zollverband jene weite Ausdehnung zu geben, die den Verein zum Nationalverein erhob.

Somit hat denn der verewigte König, der die preußische Monarchie in einer isolirten und feindseligen Stellung gegen Deutschland vorfand, während seiner Regierung ein ganz anderes, ein für Deutschland höchst erfreuliches System angenommen, das ehemals verschlossene Preußen gegen Deutschland geöffnet, das ehemals feindliche Preußen mit Deutschland aufs innigste befreundet.

Obgleich wir hier nicht davon reden wollen, was Friedrich Wilhelm III für Preußen insbesondere gethan hat, indem wir dieß, wie oben bemerkt, zunächst preußischen Publicisten anheim gestellt seyn lassen und uns lediglich auf die Erörterung der Verhältnisse Preußens zu Deutschland beschränken, müssen wir doch einer großen Regierungsmaaßregel des Königs gedenken, weil sie unverkennbar im germanischen Sinn und Interesse durchgeführt worden ist, und wesentlich dazu beigetragen hat, die provinciellen Unterschiede zwischen Preußen und dem übrigen Deutschland auszugleichen und die Nationalverwandtschaft beider zu accentuiren. Während der ganzen langen Regierung des Verewigten war es sichtbar und unausgesetzt sein Bestreben, das slavische Element, das sich noch in den östlichen Provinzen Preußens vorfand, auszustoßen und das rein germanische an dessen Stelle zu setzen. Von der Sprache ist hier nicht die Rede, denn die deutsche Sprache war längst die vorherrschende in jenen Provinzen, obgleich allerdings auch die Sprachgränze fortwährend sich noch erweitert hat. Was wir meinen, ist etwas ungleich Wichtigeres, nämlich die Emancipation des Bauernstandes und die Gemeindeverfassung der Städte. Durch diese beiden großen Institutionen Friedrich Wilhelms III, in Verbindung mit der ebenfalls von ihm eingeführten Heerverfassung, die alle Stände zur Vaterlandsvertheidigung verpflichtet, und Allen, auch dem Niedrigsten im Volk, die Waffenehre und die damit verbundene persönliche Würdigung sichert, durch diese neuen Einrichtungen ist das Volk in den altpreußischen Provinzen ganz umgewandelt und eigentlich jetzt erst völlig germanisirt worden. Denn vorher, wenn auch von der persönlichen Leibeigenschaft schon frei, war der Landmann doch noch in der dinglichen befangen, der schmutzige Fröhner, noch in halbslavischer Weise, und auch der Bürger zurückgesetzt, ohne jenen Antheil an der städtischen Verwaltung, der den deutschen Bürgerstand sonst überall charakterisirt. Die vormals slavische Bevölkerung ist aber nun durch die Maaßregel des letzten preußischen Regenten mit der altdeutschen der constitutionellen Staaten auf gleichen Fuß gesetzt worden. Alle jene in so langer Dämmerung versunkenen Länder sind für die germanische Rechtsidee gewonnen, deren Licht nicht mehr verdunkelt werden kann. Welche Veränderung der Dinge, wenn man sich erinnert, daß noch Friedrich der Große den barbarischen Gebrauch des Stocks in seiner Armee damit entschuldigte, daß er denselben Stock, den der Edelmann daheim über dem Fröhner schwinge, dem adeligen Officier in den Händen lassen müsse, um jene Fröhner, wenn sie als Recruten ins Regiment träten, nicht aus der Gewohnheit kommen zu lassen.

Ist somit in Preußen eine sichere Grundlage ächt germanischer bürgerlicher Freiheit gelegt worden, welche die ältern deutschen Stammländer nur mit Wohlgefallen betrachten können, so wird allerdings in den constitutionellen Staaten auch hinwiederum der Unterschied empfunden, der sich zwischen ihren Landesverfassungen und dem preußischen Provincialständewesen manifestirt hat. Indeß ist die Grundlegung eines Gebäudes das erste, was man an dem Baumeister zu loben hat, und wer mit dem Gange innerer Reformen in constitutionellen Staaten einigermaßen vertraut ist, der wird wohl kaum verkennen, daß der König von Preußen bei der Durchführung einer so großartigen und folgenreichen, die Interessen des Adels so tief berührenden Maaßregel, wie die Emancipation des Bauernstandes es gewesen ist, durch eine Pairskammer nicht wenig würde aufgehalten worden seyn. Mithin ist eine Verzögerung, über welche der Liberalismus sich beklagt hat, doch gerade im Interesse wahrer Volksfreiheit benützt worden.

Augenfällig ist das große Resultat der 43jährigen Regierung Friedrich Wilhelms III, der Wiederanschluß Preußens an Deutschland gewesen, und wenn auch Deutschland noch manche Hoffnungen hegt, die erst noch von Preußen oder durch preußische Mitwirkung erfüllt werden können, so kommt in dieser Beziehung dem neuen Regenten ein schönes Vertrauen entgegen. Jene Hoffnungen sind ohne Zweifel: Frieden in der Kirche Zufriedenheit mit dem öffentlichen Rechtszustand durch Gewährleistung bürgerlicher Freiheit in den Schranken der Ordnung, germanischer Nüchternheit und Mäßigung Fortschreiten im Geiste des Zollvereins, mercantilische Eroberung endlich, und dieß betrachten wir als die Hauptsache, kraftvolle Vertretung sowohl der preußischen Interessen insbesondere, als der deutschen im Allgemeinen gegen jedwede Beeinträchtigung, die sie von außen her erleiden oder noch erleiden könnten. Wenn in Bezug auf die erstgenannten Punkte Meinungsverschiedenheiten obwalten, so kann man sich doch in Bezug auf die letztern einer wesentlichen Uebereinstimmung der Interessen und Sympathien getrösten, und hierin liegt eine Heilkraft, welche, richtig benützt, manchem Krankheitssymptom der innern kirchlichen und politischen Zustände seine Gefährlichkeit nehmen kann.

Cousin über Graf Santa Rosa.

(Fortsetzung.)

Wir übergehen hier die umständliche Schilderung, welche Cousin von dem engumgränzten Leben Santa-Rosa's in dem Gefängnisse St. Martin, in Alençon und Bourges entwirft. Er war von dem Pariser Gerichte, unter Debelleyme's Vorsitz, freigesprochen worden; dennoch verwies ihn Hr. v. Corbière mit einigen seiner Landsleute nach Alençon. Einige Mitglieder der Opposition nahmen sich in der Deputirtenkammer der Proscribirten an; Hr. v. Corbière entgegnete, die Flüchtlinge selbst seyen nicht der Ansicht ihrer Fürsprecher, sondern erkennten dankbar das Benehmen der französischen Regierung an. Gegen die Illoyalität dieser Versicherung protestirte Santa-Rosa in einem öffentlichen Briefe, dessen edle, stolze Sprache das Ministerium so erbitterte, daß eine weitere Verweisung nach Bourges und eine weit härtere Behandlung als in Alençon die Folge waren. Schon während seines Aufenthalts in Alençon hatte ihm Obrist Fabvier (der bekannte Philhellene) die Mittel geboten, nach England zu entfliehen; Santa-Rosa lehnte es ab, weil Flucht ein Eingeständniß wäre, daß er an seinem guten Rechte zweifle. In Bourges aber dem Orte, der jetzt statt der ehemaligen Proscribirten des spanischen und italienischen Liberalismus, Don Carlos als Gefangenen besitzt 1379 ward seine Sehnsucht nach größerer Freiheit unbezwinglich; nicht die eifrigsten Studien, nicht die Freundschaft Cousins, Sismondi's und Fabviers vermochten ihn mehr über seine Verbannung aus Paris, das ihm so lieb geworden , zu trösten. Endlich erhielt er Pässe nach England. In Begleitung eines Gendarmen reiste er über Paris nach Calais. Cousin erzählt darüber: Santa-Rosa hatte Recht; wir konnten uns kaum einige Minuten sehen bei seiner Durchreise durch Paris. Es wurde ihm gestattet, sich zu mir mit einem Gendarmen zu verfügen, und vor diesem Gendarmen sagten wir uns ein Lebewohl, welches ewig seyn sollte. Weder er noch ich hatten damals dieses schreckliche Vorgefühl; er war gefaßt in dem Bewußtseyn, eine Pflicht zu erfüllen, und ich fürchtete, einer Art Egoismus nachzugeben, wenn ich ihn in Frankreich zurückzuhalten versuchte, mitten unter dem Argwohn und den Tracasserien der Polizei; und dennoch erfüllte für mich ein geheimer Instinct diese verhängnißvolle Stunde, wo es mir war, als wenn ich ihn für immer verlöre, mit einer unbeschreiblichen Bitterkeit. Wir wechselten nur wenige Worte, und ich begleitete ihn schweigend zur Post, welche ihn weit von mir wegführte. Bald hatte er Frankreich verlassen, für das er geboren war, und wie verloren fand er sich in jener großen Wüste Londons, ohne Geld, ohne Hülfsmittel, ohne einen einzigen wirklichen Freund, er, der nur leben konnte, um zu lieben oder zu handeln! Nach den ersten Augenblicken unruhiger Thätigkeit, um sich eine erträgliche Lage zu bereiten, verfiel der Unglückliche bald in eine tiefe Melancholie, welche ihn zu Zeiten verließ, um bald wiederzukehren, bis endlich die Langeweile dieses bald einsiedlerischen, bald zerstreuten Lebens ihn zu dem großartigen und verderblichen Entschluß brachte, welcher ihn noch einmal auf einen Augenblick mit einigem Eclat auf die Weltbühne zurückführte, ehe er davon auf immer abtrat. Während des Aufenthalts Santa-Rosa's in England blieb unsere Correspondenz intim, ernsthaft und zärtlich, wie sie es stets gewesen; aber sie konnte nur sehr monoton seyn, da sie einzig von freundschaftlichen Gefühlen, fehlgeschlagenen Entwürfen, trügerischen Hoffnungen gefüllt ist ein trauriges Bild, welches ich mir selbst ersparen will; auch will ich nur Bruchstücke der Briefe Santa-Rosa's anführen, um eine Idee von dem Zustande seines Innern zu geben.

Wir müssen diese schon von Hrn. Cousin sehr zusammengedrängten Auszüge noch mehr beschränken. Doch sind solche Fragmente aus dem Leben eines Verbannten jener Zeit immerhin interessant: sie zeichnen mit ein paar Pinselstrichen oft so viel, als die umständlichste historische Recapitulation vermöchte, während sie zugleich Blicke in das Gemüth derer werfen lassen, die man mit dem flachen Namen eines neueren Liberalen gezeichnet zu haben glaubt, während sie mit hundert geheimen Fäden an der Tradition des Vaterhauses, an der Sitte und Geschichte des Vaterlandes hängen und sich im tiefsten Herzen zurückgestoßen fühlen von Genossen, mit denen sie nichts gemein haben als das Scheitern ihrer Zukunftsplane und den Haß der Gegenpartei. Es liegt darin eine ernste Mahnung, aber sie wird überhört werden von denen, die nur der Stimme der Parteileidenschaft folgen.

Beunruhige dich (schreibt er unterm 26 Nov.) nicht zu sehr, oder vielmehr beunruhige dich recht ernsthaft, der du weißt und fühlst, daß das ganze Leben in der innern Existenz ruht. Ich habe Tage gehabt, wo ich mich ernsthaft für verloren hielt. Guter Gott! heißt das nicht sich sterben sehen? Im Grunde habe ich England nichts vorzuwerfen, sondern meiner Lebensart. Besuche machen und empfangen, Wege ohne Bedeutung von einem Ende der Stadt zum andern; die Nothwendigkeit, Englisch zu lernen, und ein entschiedenes Widerstreben, mir die Mühe zu geben; eine beunruhigende Zukunft, wenn ich meine Fähigkeiten nicht benutze; Ausgaben, welche bei weitem meine Mittel übersteigen! ... Jetzt will ich dir noch Einiges von den Bekanntschaften sagen, welche ich in London gemacht habe. Obenan steht Hr. James Mackintosh, Whigmitglied des Parlaments, Schwager von Sismondi und Jeffrey und Hauptredacteur der Edinburgh-Review. Eine mir unermeßlich scheinende Bildung und eine sehr aufgeklärte politische Philosophie charakterisiren, wenn ich anders urtheilsfähig bin, Hrn. Mackintosh. Uebrigens ist sein Ruf in England sehr vortheilhaft begründet. Französisch spricht er mehr gut, als leicht; Paris kennt er genau. Du weißt vielleicht, daß er unsere Revolution gegen Burke vertheidigt hat, und seine Stimme hat sich im Parlament unaufhörlich zu Gunsten der Sache der Unabhängigkeit der Nationen und der gesellschaftlichen Verbesserungen erhoben. Hr. Austin und seine Familie, ein junger, noch wenig gekannter Advocat, aber ein sehr denkender Kopf und Schüler von Hr. Bentham, zu welchen er und seine Frau in sehr genauen Verhältnissen stehen. Sie ist eine Frau von ganz vorzüglichem Charakter, für eine Frau außerordentlich gebildet, aber um nichtsdestoweniger äußerst liebenswürdig. Sie hat sich mir zu englischen Stunden erboten, ich mache aber sehr wenig Gebrauch davon, trotz des Reizes, welchen die Stunden von einer Frau von 27-28 Jahren, mit einer sehr angenehmen Figur, bieten könnten. Es ist eine interessante Bekanntschaft, welche ich sorgfältig benutzen werde, und das ist Alles. Hr. Benthams bizarrer Charakter und die Schwierigkeit, sich ihm zu nähern, sind sehr bekannte Dinge. Hr. Bowring ist sein Liebling; aber diesen habe ich noch sehr wenig gesehen. In kurzem hoffe ich auch Hr. Wilberforce und Hr. Brougham kennen zu lernen. Von einigen Radicalen habe ich mehrere Einladungen erhalten; aber ich halte es nicht für angemessen, mich in zu intimen Beziehungen mit der ultraradicalen Partei zu zeigen. ... 10 Dec. 1822. Ich habe Nachrichten von meiner Frau erhalten; sie und unsere Kinder befinden sich vortrefflich; aber mein ältester Junge, Theodor, macht mir Unruhe; er hat Unterricht, Aufsicht nöthig; mit Einem Wort, er bedarf seines Vaters, und gleichwohl ist es mir unmöglich, ihn zu mir zu bescheiden. Meine schwachen Geldmittel erschöpfen sich reißend schnell. ... 25 Dec. 1822. Mit welchem Rechte fürchtete ich England! aber ich achte es darum um nichts weniger. .... 12 Febr. 1823. Ich denke durchaus nicht an Portugal oder Spanien, wohin Collegno gegangen ist. Meine politischen Grundsätze rufen mich in keiner Weise dorthin. ... 14 April 1823. Ich hoffe bald aufs Land zu gehen. Es ist mir absolut unmöglich, in England zu arbeiten, Visiten zu machen und zu empfangen; mehrere Diners die Woche; den halben Tag auf den Straßen Londons, welche kein Ende nehmen; eine Reihe von Soirées à table, wo Bouteillen an mir vorbei defiliren, die ich nicht anrühre; kurz, ich lese höchstens ein wenig, mache Notizen, und arbeite nicht. Aber ich schwöre dir, diese Lebensart führe ich nicht fort, lieber will ich mich in irgend einen Winkel im Walliserland begraben .... Man hat in Barcelona eine Erklärung im Namen des italienischen Corps gedruckt, ohne Unterschrift, worin ich mit unbeschreiblicher Bosheit beschuldigt werde, die Theilnahme an dieser Expedition aus meiner unwürdigen Gründen verweigert zu haben. Ich glaube, auf eine solche anonyme Schrift nicht antworten zu dürfen. Aber du wirst zugeben, daß das sehr betrübend ist. Mir würde jene Art von Muth, welche ein rechtschaffener Mann gegen die Verleumdung braucht, nicht fehlen. Was mich hauptsächlich betrübt, das ist der Schaden, der daraus für eine Partei erwächst, welche ich dem Vaterlande nicht vorziehe1380 oder mit diesem verwechsle, welcher ich aber ernstlich attachirt bin. ... 25 Mai 1823. Nein, ich will nichts annehmen und von Niemand. Man kann nur seinen intimen Freund zum Patron haben, und ich habe die Liste der Freunde für immer geschlossen. Du bist der letzte, welcher darin steht, der letzte nach dem Datum; aber nach meiner Zuneigung zu dir kannst du nicht einmal der zweite seyn, das sagt mir mein Herz mit deutlicher Stimme. Endlich habe ich das zerstreute Londoner Leben aufgegeben, und habe mich mit dem Grafen Porro in einem Häuschen, welches man hier cottage nennt, am Ende der Stadt, etwa wie in Paris in Montrouge oder Chaillot, eingerichtet. Man ist da gerade wie auf dem Lande: von meinem Fenster aus habe ich die Aussicht auf den Regent-Canal und auf die am jenseitigen Ufer liegenden Cottages. Man sollte glauben, 100 Meilen von einer großen Stadt entfernt zu seyn, und gleichwohl kann man in 20 Minuten in der Oxford-Street oder Hyde-Park mitten unter den elegantesten Spaziergängern seyn. Unser Häuschen gehört Foscolo; ich bin gern dort, aber Auteuil wird doch immer mein Lieblingsort bleiben. Ich habe ihm ein, ich möchte sagen, zärtliches Andenken bewahrt; es mischt sich Traurigkeit darein, wenn ich bedenke, wie ich dich dort leiden sah. Vielleicht bleibe ich nächsten Herbst und selbst den Winter in meinem Häuschen; ich bedarf Zurückgezogenheit und Beschäftigung. Wenn ich so viel verdiene, als ich zum Leben brauche, werde ich meine Familie nachkommen lassen. Mit den Mitteln meiner Frau und dem, was ich durch Arbeiten verdienen kann, wird unser Hausstand sich schon machen. Wenn aber die Hoffnungen auf meine Mittel, Geld zu verdienen, mich täuschen sollten, so müssen wir uns in Würtemberg niederlassen, weil die Schweiz uns verschlossen ist.

10 Sept. 1823. Ich arbeite mit Ausdauer, aber ohne Geschmack daran zu finden. Nichts langweilt mich mehr, als Zeitungsartikel schreiben zu müssen; sie werden mich an der Vollendung ernsterer Arbeiten hindern. Das ist, ich sehe es wohl ein, ein wichtiger Grund, sie nicht zu schreiben; aber einmal ist das Bedürfniß, einiges Geld zu verdienen, gebieterisch für mich, und Zeitungsartikel sind das einzige Mittel, sich immer ein Taschengeld zu erhalten, dann aber hoffe ich auch, daß, wenn ich nur erst einmal ein bißchen Uebung darin erlangt haben werde, diese Arbeit nur die Hälfte meiner Zeit in Anspruch nehmen wird, wo ich dann die andere Hälfte meinen alten Planen widmen kann .... Hast du Las-Cases gelesen? Wahrhaftig, man müßte das Gedächtniß verloren haben, wenn man allem dem, was Napoleon über seine schönen liberalen Projecte sagt, einigen Glauben schenken wollte. Er hat gesehen, daß die Richtung des Zeitgeistes seit 1814 der Freiheit galt, und wenn er 1815 seine neue Rolle ungeschickt gespielt hat, so hindert ihn das nicht, in dem Manifest, welches er durch Las-Cases an die Nachwelt richtet, uns blauen Dunst über das zu machen, was er gewollt, was er für die Freiheit zu unternehmen im Begriff gestanden habe. Was mich aber mit Napoleon aussöhnt, das sind seine Nachfolger: sie arbeiten Nacht und Tag an dem Rufe des Mannes, den sie gestürzt haben.

18 Sept. 1823. Ich habe aus Turin willkommene Nachrichten erhalten, und erwarte mit Ungeduld ähnliche von Villa Santa-Rosa. Nächstes Frühjahr lasse ich sie zu mir herkommen, diese armen, meiner traurigen Bestimmung unwiderruflich verbündeten Geschöpfe. Du sollst sie bei ihrer Durchreise durch Paris sehen.

30 Sept. 1823. Ich arbeite fortwährend auf dieselbe Weise, indem ich mein Leben auf Kosten aller meiner Projecte friste. Ich schreibe jetzt eine Abhandlung über die italienische Litteratur. Die Arbeit ist mir unter der Hand gewachsen. Indem ich das abenteuerliche Leben eines Jordano Bruno, Campanella und anderer durchlas, habe ich oft an dich gedacht. Und dieser florentinische Platonismus, aus welchem eine so kräftige und hochherzige Jugend hervorgegangen ist, welche das Vaterland gerettet haben würde, wenn sie es hätte dürfen; aber sie rettete wenigstens die Ehre. Wir Italiener des 19ten Jahrhunderts, wir haben nicht einmal diesen traurigen Vortheil gehabt. Es gibt Gedanken, Freund, welche einen das ganze Leben verfolgen; du verstehst mich und mußt mich beklagen. Welche Vorwürfe mache ich mir, und was würde ich darum geben, hätte ich jene 30 Tage meines politischen Lebens zurück, welche mit so viel Schrecknissen bezeichnet sind! ..... Ich werde 40 Jahre alt; ich habe mich oft nach Glück gesehnt; ich hatte unermeßlichen Sinn dafür. Meine bittere Bestimmung war eine andere. Indessen ich habe eine Zukunft, ich habe Kinder; ich liebe und achte ihre Mutter; meine Kinder werden mich glücklich oder unglücklich machen. Wenn ich indeß meinen Leiden erliege, so fürchte ich nicht das leere, gräßliche Nichts, an welches ich nicht glauben kann und mag, und welches ich durch meinen Willen und Instinct, aus Mangel positiver Belege, mit Gewalt von mir weise .... Wenn ich schreibe, so will ich meine Ueberzeugung in meinen Büchern niederlegen, und auch mein Vaterland werde ich vor Augen haben; auch das Andenken meiner Mutter wird eine Gottheit seyn, welches mir mehr als ein Opfer gebieten wird. Dieses Gefühl ist eine der Springfedern meiner inneren Existenz. Ob gut oder schlecht, es ist. Es ist mir aus diesem allmächtigen Grunde unmöglich, ganz und gar den neuen Sitten und der neuen Epoche anzugehören .... 18 Oct. 1823. Ja, mein Freund, ich muß einen gewissen Aberglauben bei meinem inneren Leben und meinen Neigungen haben; was mir begegnet ist, bestärkt mich darin. Heute, am 18 Oct., an dem Tage, wo ich das vierzigste Jahr ad acta lege, und wo ich eingeschlossen, unsichtbar in meiner kleinen Einsiedelei bleibe, in Gedanken an meine Leiden, meine Zukunft versunken, wo ich meine theuersten Erinnerungen, meine zärtlichsten Bekanntschaften um mich herumversammle, bringt man mir deinen Brief vom 12 und deinen Plato. Von ächt römischer Race und von ächt römischem Blute, acceptire ich das Omen, wie zu den Zeiten Camillus 'und Denta us'. Ich habe auf der Stelle die Feder ergriffen, um dir in diesem ersten Augenblicke lieblicher Stimmung zu antworten. Ach welch mysteriöses und göttliches Ding ist doch das menschliche Herz, wie sehr beklage ich die Lehren des Materialismus! ....

So verfloß das Jahr 1823; das neue Jahr fand ihn in einem Zustande von bald Muthlosigkeit, bald Exaltirtheit, welche ihm abwechselnd die Energie seiner Seele und das Elend seiner Lage einflößten. In den ersten Monaten von 1824 wurden seine Briefe nach und nach immer seltener, kürzer, düsterer; er rang gegen eine stets zunehmende Armuth, er machte sich ein Gewissen daraus, von seiner Familie, welche selbst sehr genirt war, Unterstützung zu verlangen, und konnte seine Bedürfnisse nicht von Arbeiten als Journalist bestreiten, wozu er nun einmal nicht gemacht war. Er entschloß sich, London zu verlassen und sich nach Nottingham zurückzuziehen, wo er unter einem fremden Namen sich sein Brod durch italienische und französische Stunden verdiente. Hin waren seine Plane von großen Werken, hin seine Träume von Ehre und Glück! Der Unglückliche sah sein Leben dahinschwinden in einer allerdings ehrenwerthen, aber end - und zwecklosen Beschäftigung. Er verzweifelte an der Zukunft, an sich selbst. Längere Zeit schrieb er mir gar nicht. Ich mußte von Andern erfahren, wie es ihm gehe. Aber bald wurde ich selbst in die unerwartetsten1381 und bizarresten Schicksale gezogen. Die Herzogin von Montebello konnte bei einer höchst wichtigen Veranlassung ihren ältesten Sohn nicht nach Deutschland begleiten und bat mich, ihre Stelle zu vertreten. Die edle Wittwe des Marschall Lannes durfte sich nicht vergeblich an meine Freundschaft wenden, und im Monat September reiste ich mit Hrn. v. Montebello nach Karlsbad. Man weiß, was erfolgte. Ich wurde in Dresden verhaftet, von Sachsen an Preußen ausgeliefert, in Berlin ins Gefängniß geworfen; meine Weigerung, irgend einer von einer fremden Regierung kommenden Frage zu antworten, verlängerte, ehe das französische Cabinet einschritt, meine Gefangenschaft, und ich kam erst im Anfang des Monats Mai 1825 nach Paris zurück. Folgende zwei Briefe fand ich dort.

Nottingham, 26 Aug. 1824. Wenn ich dir bis zu diesem Augenblicke nicht geschrieben habe, so kennst du den Grund. Ich wagte nicht, vor dir zu erscheinen. Du bist für mich eine Art Gewissen; vielleicht zittere ich, indem ich dir es schreibe, aber ich muß dir die volle Wahrheit sagen: beinahe hätte ich Dir nicht mehr geschrieben und auf die Freundschaft des Mannes, den ich am meisten auf der Welt liebe, verzichtet, wenn ich mich nicht aus dem traurigen Zustande, in welchem ich seit meiner Ankunft in England lebe, herausgerissen hätte, nicht durch einen Entschluß, aber wohl durch einen Schritt, durch einen begonnenen Schritt, dessen fernere Richtung nicht mehr von mir abhängt. Wenn aber auch das auf nichts hinauslaufen sollte, so würde doch mein Herz von einer großen Last befreit seyn und ich die verlorene moralische Energie wiedergefunden haben. So wie ich das Resultat meines Schrittes weiß, werde ich dir es schreiben. Alles verurtheilt mich, ich weiß es, aber wenn ich untergehe, mein Freund, so geschieht das bei Gott nicht an leichten Wunden. Mein Herz war vor der Epoche unserer Revolution schon genugsam zerrissen; was aus mir geworden wäre, wenn ich von dem italienischen Fieber nicht heimgesucht worden wäre, weiß ich nicht. Ich werde mir die Gerechtigkeit selbst nicht versagen, daß ich auch nicht einen Augenblick Selbstsucht, Furcht, oder sonst eine erniedrigende Leidenschaft gekannt habe. Aber ich blieb hinter den Zeitverhältnissen zurück. Je weiter die Ereignisse sich von mir entfernen, mit um so größerer Lebhaftigkeit tritt die Erinnerung und das Bewußtseyn meiner Fehler vor meine Seele. Ich denke immer mit Schaudern an jene unglückliche Affaire von Novara, wo die constitutionelle Armee so schnell in Unordnung gebracht wurde; das ist die zweite Wunde, mein Freund, und ach, sie wird immer bluten, sie läßt mich elend dahinschwinden. Was du den Vorwürfen, welche ich meinem politischen Leben mache, entgegensetzen kannst, weiß ich Alles. Ich habe mir gesagt und sage mir alle Tage, daß mir noch schöne und große Pflichten zu erfüllen bleiben; wenn mir aber die Kraft, sie zu erfüllen, abgeht, wenn mein Wille, der den ganzen Mann macht, unaufhörlich schwankt, was soll ich da beginnen? Kann man, wenn die Seele krank ist, von ihr die Handlungen eines Wesens, das in der Fülle seiner Kraft ist, verlangen? Ich habe das letzte Mittel versucht. Wenn mein Schritt von Erfolg ist, so werde ich wieder ich selbst, die Jugend wird mir noch einmal zurückkehren; bleibt er ohne Folgen, so werde ich doch fühlen, mich mir selbst wiedergegeben zu haben, ich werde frei das Haupt erheben können und das Bewußtseyn meiner selbst wiederfinden.

Was hast du wohl gedacht bei der Nachricht, daß ich Sprachlehrer in Nottingham geworden? Was blieb mir übrig? Ich war nahe daran, alles Geldes zu entbehren. In dem Bewußtseyn, daß meine einwöchentlichen Ausgaben in London meiner Familie Opfer von ganzen Monaten auferlegten, erröthete ich, neue Summen zu fordern, und da ich nun einmal eine unwiderstehliche Abneigung gegen das Schreiben von Zeitungsartikeln hatte, so dachte ich daran, Brod zu erwerben, welches mir weder Schande machte, noch eine widerliche Arbeit auferlegte. Was ist es doch für ein trauriges Handwerk, Zeitungsartikel zu schreiben! Ich habe es erfahren. Hr. Bowring bat mich um einen Artikel für sein Westminsterreview; ich erfüllte seinen Wunsch. Gut, sagte er mir, sehr gut, aber zu lang. Ich kürzte ihn ab. Jetzt ist er gut. Dann hieß es nach Verlauf eines Monats: Der Redacteur findet ihn in einem Sinne geschrieben, der ihm nicht ansteht; man muß ihn von Grund aus ändern. Ich erbitte ihn mir zurück. Man schlägt es mir freundlich ab. Ich lasse damit machen, was man will. An einem schönen Tags empfange ich die Proben; ich finde lächerliche Widersinnigkeiten und Auslassungen; ich verbessere, bringe Alles wieder in Ordnung und schicke das Paket nach England zurück. Monate vergehen, ohne daß ich Nachrichten davon erhalte. Wie widerlich alle diese Abwechselungen sind! Nein, keine Artikel mehr, ich fühle die Kraft in mir, etwas Besseres zu thun als Artikel zu schreiben. Sobald ich Antwort von London haben werde, will ich meine Lebensweise ordnen; ich werde mich in irgend einen Winkel Londons, neben einer öffentlichen Bibliothek einschließen; ich werde ungefähr 45 Louisd'or vor mich gebracht haben; ich werde eifrig arbeiten, das fühle ich im voraus.

Ich schreibe wenig nach Piemont; die Nachrichten von dort sind vortrefflich, was die Gesundheit meiner Frau und Kinder, die Freundschaft, welche meine Bekannten mir bewahren, anbelangt. Was die Vermögensverhältnisse betrifft, so hätte meine Frau beinahe erwirkt, daß ihr meine Güter von der Regierung cedirt würden; Alles war abgeschlossen, es war nur noch die Unterschrift des Königs nöthig; er verweigerte sie! Man hofft noch, trotz dieser ersten Weigerung. Ich lasse die Sache gehen, wie sie will; ich darf diese Schritte weder befördern, noch verhindern. Ich fürchte indeß, daß, wenn der König meiner Frau und meinen Kindern meine Güter zurückerstattet, er sich die Sorge für die Erziehung der letztern ausbedingt. Ich zittere bei der Idee: meine Söhne von Jesuiten erzogen! Da siehst du, Freund, welchen Grund zum Kummer mein Herz hat! ....

London, 31 Oct. 1824. Morgen, mein Freund, reise ich mit Collegno nach Griechenland ab. Wenn du den Brief empfangen hast, welchen ich dir vor ungefähr sechs Wochen geschrieben habe, und welchen Graf Piosasco dir bei seiner Ankunft in Paris zustellen sollte, so wird mein Entschluß dich jetzt nicht befremden. Ich mußte nothwendig durch ein außerordentliches Mittel mich meiner Niedergeschlagenheit entreißen. Meine Unfähigkeit zum Arbeiten kam daher, daß meine Seele das Bewußtseyn hatte, noch eine Pflicht im activen Leben zu erfüllen zu haben. Ich weiß nicht, ob ich dort von Nutzen seyn werde; ich bin auf alle Arten von Schwierigkeiten gefaßt, auf jede Art von Widerwärtigkeiten vorbereitet. Ich muß es wohl; denke dir, daß Bowring mir erklärt hat, das englische Comité, oder wenigstens mehrere Mitglieder desselben mißbilligten meine Reise. Ich will glauben, daß ihre Motive ehrlich gemeint seyen; ich weiß nicht, ob sie gegründet sind; aber in allen Fällen, konnte ich, durfte ich mein Wort zurücknehmen? Die griechischen Deputirten allein hatten das Recht, mich hier zu halten, sie, denen ich meine Dienste ohne irgend eine Bedingung angeboten hatte. Sie haben es nicht gethan und ich reise.

Ich hatte keine Sympathie für Spanien, und ich bin nicht hingegangen, weil ich so dort zu nichts nütze gewesen wäre. Für Griechenland dagegen empfinde ich eine Vorliebe, welche etwas Feierliches hat; das Vaterland Sokrates ', verstehst du wohl? Das griechische Volk ist tapfer, ist gut, und viele Jahrhunderte der Sklaverei haben seinen vortrefflichen Charakter1382 nicht ganz zerstören können; ich betrachte es überdieß als ein Brudervolk. Zu allen Zeiten haben Italien und Griechenland ihre Schicksale vermengt, und da ich für mein Vaterland nichts vermag, so sehe ich es überdieß beinahe als eine Pflicht an, Griechenland die paar Jahre der Kraft, welche mir noch übrig bleiben, zu weihen. Ich wiederhole es dir, ist durchaus nicht unmöglich, daß meine Hoffnung, nützlich zu seyn, sich nicht verwirklicht. Aber selbst dieß angenommen, warum kann ich nicht in einem Winkel Griechenlands leben und dort für mich arbeiten? Der Gedanke, dem Gegenstand meiner Verehrung, dieser Verehrung, welche allein der Gottheit würdig ist, ein neues Opfer gebracht zu haben, wird mir jene moralische Energie wiedergeben, ohne welche das Leben ein müßiger Traum ist. Du hast mir auf den erwähnten Brief nicht geantwortet. Gott bewahre mich vor dem Gedanken, du habest mein Stillschweigen dadurch strafen wollen! Schreibe mir jetzt, ich beschwöre dich darum. Laß deinen Brief nach Napoli di Romania, dem Sitz der griechischen Regierung im Peloponnesus, adressiren. Suche dazu Wege, ohne Zeitverlust. Ich nehme deinen Plato mit. Ich werde dir meinen ersten Brief von Athen aus schreiben. Gib mir Aufträge für das Land deiner und meiner Lehrer. Du wirst mir ausführlich über deine Gesundheit berichten, du wirst mir sagen, daß du mich noch liebst, daß du deinen Freund in dem Gefühle erkennst, welches ihn zu dieser Reise bestimmt hat. Lebe wohl, lebe wohl, Niemand unter dem Himmel liebt dich mehr als ich.

(Beschluß folgt.)

Frankreich.

Wir tragen zur Erläuterung der Erörterung der Deputirtenkammer über das Eisenbahngesetz noch einige Stellen aus der Rede nach, die der frühere Minister Duchatel am 12 Junius gehalten: Es handelt sich nicht davon, zu wissen, ob die Compagnie von Orleans die ihr gemachten Bewilligungen verdient oder nicht. Es handelt sich von einer weit wichtigern Frage, ob Sie nämlich eine Eisenbahn von Paris nach Orleans haben wollen oder nicht, das heißt, eine Bahn, die eine Communication zwischen Paris, dem Süden und Westen Frankreichs eröffnet, und die eines Tags als Ausgangspunkt für alle Bahnen dienen soll, die sich später damit verzweigen und neue Communicationswege für die Departemente des Süden und des Westen bieten werden ... Man hat gesagt: wenn der Staat einen gewissen Zins garantirt, so wird der Eifer der Compagnien keinen Sporn mehr haben, die Directoren dieser Compagnien werden bei der Gewißheit der ihnen von dem Staate versprochenen Unterstützung die Hände in den Schooß legen. Um sich vom Gegentheil zu überzeugen, darf man nur einen Blick auf die Bedingungen der Commission werfen. Ich kenne keine Capitalisten, die sich mit 4 Proc. 46 Jahre lang für alle ihre Mühe und Sorgfalt begnügen würden. Hätten die Compagnien keine andere Aussicht als Frucht ihrer Arbeiten, als das von dem Staate garantirte Einkommen, so stände es mit ihren Sachen schlecht, wenigstens in dem Sinne schlecht, daß sie nicht unternommen zu werden verdienten und in Mißcredit fallen müßten ... Wird nun die Garantie nicht nur für die Eisenbahn von Orleans, sondern auch für andere eben so große Linien bewilligt, was werden für Resultate sich daraus ergeben? Gesetzt, Sie wollen für 500 Millionen Eisenbahnen machen, so würden Sie mittelst der Garantie des Minimums der Zinsen leicht Capitalien finden, und wahrscheinlich 400 Lieues mit 500 Millionen ausführen. Können Sie wohl glauben, daß die Eisenbahnen nicht im Durchschnitt mehr als 2 Proc. Zins eintragen, sonach ein Einkommen, das der Hälfte der garantirten Summen gleich käme? Ein so trauriger Erfolg ist nicht zu fürchten; ich setze aber einen Augenblick diesen Fall. Was würde das Resultat seyn? Sie würden verpflichtet seyn, einige Jahre hindurch zehn Millionen zu bezahlen. Diese Lasten würden schnell von den Budgets verschwinden, da bekanntlich die Eisenbahnen rasch ihre Erträgnisse vermehren; selbst bei einem schlechten Anfang würden sie bald die Gränze des garantirten Maximums erreichen. Mit dieser auf das Budget gesetzten Summe von 10 Millionen werden Sie wenigstens 400 Lieues Eisenbahnen errichtet haben. Frankreich wird den Vortheil davon ernten; Sie werden für einige Jahre ganz dieselbe Summe aufzuwenden haben, die Sie noch gegenwärtig die Canäle von 1822 kosten. Ist nun dieß, meine Herren, ein schlechtes Resultat für den Staat? Ich sehe darin für den Staat, für das Land nur neue Elemente der Größe, des Wohlstands und des Credits; ich würde darin Frankreich endlich mit andern Völkern auf gleiche Höhe gestellt sehen, statt daß es jetzt von ihnen übertroffen wird; ich würde sehen, daß unser schönes Land den öffentlichen Arbeiten den Impuls gibt, den diese verlangen, und daß es sich so benimmt, wie es die Lage der Capitalien in unserer Gesellschaft, wo die Vermögen so sehr vertheilt sind, erfordert.

Erklärung.

Ich ersehe so eben aus der Allg. Zeitung vom 12 d., daß ein hiesiger Correspondent der Leipziger Allg. Zeitung Anlaß genommen zu behaupten, eine Stelle in einem meiner Artikel sey von der Redaction der Allg. Zeitung in Augsburg interpolirt worden. Ich halte die Behauptung und den Gegenstand an und für sich für höchst geringfügig, erkläre aber zur Steuer der Wahrheit, daß die Allg. Zeitung jeden meiner Artikel immer wörtlich abgedruckt, nichts dazu gethan und nichts weggelassen habe. Jeder Vorwurf, der ihr in dieser Beziehung gemacht werden mag, ist daher durch und durch unbegründet, in meinen Artikeln ist nichts interpolirt worden. Ob daher der hiesige Correspondent des Leipziger Blattes seine Angabe widerrufe, ob nicht durch diese meine Erklärung scheint mir der Gegenstand für jeden unparteiischen Beurtheiler vollkommen erledigt.

Wien, den 15 Junius 1840.

Der Verfasser der Pia desideria. *)Die Redaction, die dem sehr geehrten Hrn. Verfasser freundlichst dankt für diese Erklärung, die er ihr unaufgefordert zugesendet, hat nichts weiter beizufügen, als daß bis jetzt der Correspondent, der jene Unwahrheit mit solcher Zuversichtlichkeit in der Leipziger Allg. Zeitung behauptet hatte, der zuletzt an ihn ergangenen Aufforderung nicht nachgekommen ist.

[2313-15]

Gasthofs-Eröffnung.

Dem reisenden Publicum beehre ich mich anzuzeigen, daß ich am 12 d. den käuflich an mich gebrachten Gasthof zu den Drei Helmen eröffnen werde.

Regensburg, den 1 Junius 1840.

Nicolaus Bauhof.

[2233-35]

In der Herder'schen Verlagshandlung in Freiburg ist so eben erschienen und durch alle Kunst - und Buchhandlungen zu beziehen:

Reisekarte der Schweiz von J. E. Woerl.

Preis colorirt 1 fl. 21 kr oder 18 gr. ; aufgezogen im Futteral 1 fl. 48 kr. oder 1 Thlr.

[2372]

Wiener Zeitschrift für Kunst, Litteratur, Theater und Mode.

Der Herausgeber ladet die Freunde der Wiener Zeitschrift auf die zweite Hälfte des fünfundzwanzigsten Jahrganges ein. Die mit dem gegenwärtigen Jahre eingetretene Erweiterung und Veränderung des Blattes hat eine so allgemein beifällige Aufnahme gefunden, daß der Herausgeber sich zu dem herzlichsten Danke verpflichtet fühlt und das Versprechen erneut, diese ehrende Theilnahme auch ferner nach seinen besten Kräften verdienen zu wollen. Mit unablässiger Sorgfalt soll in der Wahl der Mittheilungen verfahren, und das möglich Beste, in Form und Inhalt, geleistet werden. Die artistischen Beilagen, und namentlich die Modebilder, bleiben den nämlichen, mithin den anerkannt ersten Künstlern dieses Faches anvertraut. Die vierteljährig beigegebenen, mit so allgemeinem Interesse aufgenommenen Portraits ausgezeichneter Zeitgenossen sollen, mit immer steigender Vollendung in Aehnlichkeit und Ausführung, auch ferner regelmäßig geliefert werden.

Die Bedingungen der Pränumeration für diese Zeitschrift, so wie die bisher bestandenen, darauf bezüglichen Einrichtungen bleiben unverändert wie bisher und zwar:

Für den Platz Wien durch das Verlagscomptoir der Strauß'schen Druckerei, Dorotheergasse, Nr. 1108.

Für die Provinzen des Kaiserstaates durch directe Bestellung bei der Ober-Hof-Postamts-Zeitungsexpedition in Wien, oder durch die Provincialpostämter.

Für das Ausland durch die Karl Gerold'sche Buchhandlung in Wien.

Wien, im Junius 1840.

Friedrich Witthauer, Herausgeber und Redacteur.

[2244]

Conversations-Lexikon der Gegenwart.

Von diesem Werke ein für sich bestehendes und in sich abgeschlossenes, zugleich ein Supplement zur achten Auflage des Conversations-Lexikons so wie zu jeder frühern, zu allen Nachdrucken und Nachbildungen desselben dessen hohes Interesse und Bedeutung für die Gegenwart immer mehr allgemein anerkannt wird, ist jetzt das 22ste Heft (bis Oeffentlichkeit) erschienen. Es bildet nicht nur ein Werk zum Nachschlagen für den augenblicklichen Bedarf, sondern zugleich ein durch gewandte Darstellung anziehendes Lesebuch über alles, was die Zeit bewegt. Die Fortsetzung wird so rasch geliefert, als es die auf die Bearbeitung zu verwendende besondere Sorgfalt irgend gestattet. Jedes Heft kostet auf Druckp. 8 gr., auf Schreibpapier 12 gr., auf Velinpapier 18 gr.

Die achte Auflage des Conversations-Lexikons, an das sich das Conv. -Lex. der Gegenwart zunächst anschließt, behauptet fortwährend unter allen ähnlichen Werken den ersten Rang, und es ist davon im vorigen Jahre ein neuer Abdruck erschienen, von dem ein Exemplar aller 12 Bände auf Druckp. 16 Thlr., auf Schreibp. 24 Thlr., auf Velinp. 36 Thlr. kostet. Das Werk kann aber auch von Wenigerbemittelten in einzelnen Bänden, in Terminen wie sie ihnen am besten passen, in einem neuen Abonnement bezogen werden, wo dann der Band auf Druckp. 1 Thlr. 8 gr., auf Schreibp. 2 Thlr., auf Velinp. 3 Thlr. kostet.

Das für jeden Besitzer der 8ten Auflage unentbehrliche Universal-Register, das gegen 70,000 Personen und Gegenstände nachweist, über die sich Mittheilungen im Conversations-Lexikon finden, kostet auf Druckpapier 16 gr., auf Schreibp. 1 Thlr., auf Velinp. 1 Thlr. 12 gr.

Leipzig, im Mai 1840.

F. A. Brockhaus.

[2373]

So eben ist erschienen und durch alle Buchhandlungen Deutschlands zu beziehen:

Mémoire historique et politique sur l'état actuel de la ville libre de Cracovie, à l'appui de l'adresse presentée en octobre 1839, par ses habitants, aux gouvernements de France et d'Angleterre; suivi d'une collection de pièces justificatives.

Par Louis Krolikowski.

In-8. Paris, chez Dufart. 5 Fr.

Die unglückliche Lage des Freistaates Krakau, der seit dem letzten polnischen Aufstand, und zwar ohne daran irgend einen Antheil genommen zu haben, nicht nur den größten Theil seiner durch den Wiener Congreß begründeten Freiheiten gefährdet, sondern auch sein Gebiet vier Jahre lang militärisch besetzt sieht, haben bereits zu verschiedenenmalen die Aufmerksamkeit der Presse in Frankreich und England auf sich gezogen, und sind auch dem deutschen Publicum durch die Zeitungsnachrichten größtentheils bekannt.

Nachdem die durch die letzte repräsentative Versammlung des Freistaates den 7 Februar 1838 an die drei hohen Schutzmächte votirte Adresse durch eine Entscheidung ihrer Residenten in Krakau kurzweg abgewiesen wurde, schien den Einwohnern des Freistaats kein anderer Weg übrig zu bleiben, um ihre Rechte und Interessen zu wahren, als nur eine Petition an die Regierungen von Frankreich und England, jene zwei übrigen Großmächte, die auf dem Wiener Congreß ihren Rechtbestand garantirt hatten, zu wenden, und sie um diplomatische Verwendung anzusprechen. Die fragliche Petition wurde im October 1839 dem französischen und englischen Cabinette eingereicht, sammt einem Memoire, welches das Nähere der französischen Zustände zu erörtern und mit nöthigen Beweisen zu belegen bestimmt war. Dieses Memoire ist nun jetzt im Druck erschienen und enthält dasselbe unter allem, was über die Krakauer Frage bisher bekannt gemacht worden ist, die umständlichsten und genauesten Data.

[2531]

Bei Joh. Fr. Hartknoch in Leipzig ist erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben, namentlich in der Matth. Rieger'schen Buchhandlung zu Augsburg und Lindau:

Der Sachsenspiegel.

Herausgegeben u. mit Wörterbuch versehen von Dr. Julius Weiske, Professor.

12. 163 Seiten. Preis 12 gr.

Der Sachsenspiegel, der hiermit zum erstenmale in einer so freundlichen und wohlfeilen Ausgabe dargeboten wird, sollte nicht nur in den Händen aller Juristen seyn, sondern auch jeder Gebildete sollte ihn kennen und einen Platz neben dem Nibelungenliede einräumen.

[2303-4]

In der Schweighauser'schen Buchhandlung in Basel ist so eben erschienen:

Deutsches Lesebuch von Wilhelm Wackernagel. Zweiter Theil: Proben der deutschen Poesie seit dem Jahre 1500. Zweite vermehrte und verbesserte Ausgabe. 58 Bogen Lexikon-Octav. Preis 6 fl. od. 3 Rthlr. 15 gr.

[2388]

Im Verlage von Julius Klinkhardt in Leipzig ist erschienen und in allen Buchhandlungen, in Wien bei Gerold; in Prag bei Haase Söhne; in Pesth bei Hartleben; in Triest bei Favarger; in Augsburg bei Matth. Rieger, zu haben:

Ludolph Schleiers Lehrbuch der deutschen Handelscorrespondenz.

8. 1840. Elegant cartonnirt 2 Rthlr. oder 3 fl. C. M.

Zum erstenmale wird hier ein sich mit gleicher Vollständigkeit über alle Theile des Land - wie des Seehandels erstreckendes, systematisches Lehrbuch der deutschen Handelscorrespondenz geboten ein Werk, dessen Mangel schon so vielfältig beklagt worden ist, und das seit der kurzen Zeit seines Erscheinens sich bereits einer ausgebreiteten Theilnahme zu erfreuen hat. Eine beigefügte, kurzgefaßte Terminologie erhöht seinen Werth, und seine äußere Eleganz, wie der verhältnißmäßig höchst billige Preis (es faßt 652 Seiten engen Druckes in sich) zeichnen es vor Werken ähnlicher Art vortheilhaft aus.

[2361-66]

Den hohen Herrschaften und geehrten Reisenden, welche zur nächsten Saison das Bad Creuznach seiner weitgepriesenen Heilquellen oder seiner nicht minder berühmten Naturschönheiten wegen mit ihrem Besuche zu beehren gedenken, wird hierdurch das neue große Logier - und Badehaus Der Rheinstein angelegentlichst empfohlen. Dasselbe liegt der Badeinsel und dem Curbrunnen unmittelbar gegenüber, enthält eine angemessene Anzahl reich und geschmackvoll decorirter Wohnungen, so wie einzelne Appartements, den verschiedenen Forderungen entsprechend, ist von schönen Garten-Anlagen umgeben, und genießt der freiesten Aussicht auf alle schönen Punkte des Nahthales. Der neuangestellte Restaurateur des Hauses, H. Friedrich Kurth, wird alle seine Kräfte aufbieten, sich durch sorgfältige Aufwartung und prompte Bedienung, so wie durch auserlesene Speisen und Getränke, die Zufriedenheit der geehrten Gäste zu erwerben.

[2288-90]

Verkauf eines Gasthofes erster Classe in Berlin.

Der zu Berlin am Dönhofsplatz und der Ecke der Leipziger - und Jerusalemsstraße in der lebhaftesten und schönsten Gegend der Stadt gelegene, unter der Firma zum goldenen Adler im deutschen Hause bekannte große Gasthof erster Classe soll erbtheilungshalber aus freier Hand verkauft werden.

Derselbe besteht aus vier Etagen, jede Etage mit 23 nach der Straße herausgehenden Doppelfenstern versehen, enthält 75 zur Aufnahme von Fremden mit vollständigem Inventarium versehene Zimmer, Stallung zu 58 Pferden und dazu gehörigen Remisen, zwei Höfe, bedeutende Keller und Wirthschaftsgelaß und große Böden. Außerdem sind vier Hofwohnungen, ein Laden und zwei Keller nach der Straße heraus des bedeutenden Gelasses wegen besonders vermiethet.

Die Gebäude, so wie das Inventarium befinden sich im elegantesten und complet brauchbaren Zustande. Ein bedeutender Theil der Kaufgelder kann auf dem Grundstücke hypothekarisch stehen bleiben. Gebote werden von den jetzigen Besitzern, den Gastwirth Schmidt'schen Erben, im Grundstücke selbst franco bis zum 1 August l. J. angenommen.

[1939-50]

Dampfschifffahrt für den Nieder - u. Mittelrhein.

Düsseldorfer Gesellschaft.

Dienst zwischen Mainz, Düsseldorf, Rotterdam und London.

Vom 15 dieses Monats an fahren die Boote täglich zwischen Mainz, Düsseldorf, Rotterdam und Zwischenorten in Verbindung mit den jeden Mittwoch und Samstag von und nach Rotterdam abfahrenden Dampfbooten der General-Steam-Navigation-Company in London.

Die Morgens zu Thal von Mainz abfahrenden Boote setzen desselben Abends ihre Reise von Düsseldorf fort, und treffen andern Nachmittags zeitig in Rotterdam ein.

Die Reise zu Berg von Rotterdam nach Mainz geschieht mit Uebernachtung in Emmerich und Koblenz.

An die neuerlich angekündigte bedeutende Herabsetzung des Personentarifs wird ergebenst Bezug genommen.

Alle sonstigen Erleichterungen bleiben vor wie nach bestehen, und können unter andern die Passagiere ihre Reise nach Belieben unterbrechen und wieder aufnehmen.

Nähere Auskunft bei den Agenten.

Düsseldorf, den 12 Mai 1840.

Die Direction.

[2392]

Neue Folge der allgemeinen Forst - und Jagd-Zeitung.

Herausgegeben von Behlen, königlicher bayerischer Forstmeister.

Diese seit vierzehn Jahren in Deutschland eingebürgerte und auch im Auslande verbreitete Zeitschrift erhält vom zweiten halben Jahre 1840 an eine verbesserte Einrichtung, welche die Erfüllung der für ein solches nationale Institut geäußerten Wünsche verbürgt. Von den Forstdirectionsbehörden aller Staaten des deutschen Bundes ist die Annahme der allgemeinen Forst - und Jagdzeitung zum Organe ihrer für größere Publicität geeigneten Mittheilungen theils schon zugesagt, theils nach den gepflogenen Correspondenzen zu erwarten; die Redaction wird durch viele würdige Mitarbeiter unterstützt; es ist Einleitung getroffen, in allen Gegenden Deutschlands und der Nachbarlande zuverlässige Correspondenten zu erhalten; mehrere der ausgezeichnetsten Forstmänner werden überdieß derselben ihre besondere Mitwirkung widmen; unser Institut ist zugleich mit der Versammlung der deutschen Forst - und Landwirthe in Verbindung getreten, und die unterzeichnete Verlagshandlung hat derselben einen ständigen Fonds zu Preisen für die besten Beiträge zur Verfügung gestellt; bei Aufnahme der Beiträge findet die sorgfältigste Auswahl statt; diese ist außer jenem Preisfonds durch eine splendide Honorirung erleichtert; die unterzeichnete Verlagshandlung verwendet überdieß, im Vertrauen auf die Unterstützung, welche dieses Unternehmen verdient, große Kosten, damit dieselbe des hohen Standpunkts, den Deutschland in diesem Fache einnimmt, würdig erscheine. Durch solche Mittel wird die allgemeine Forst - und Jagdzeitung ihre Aufgabe lösen, als Chronik der Gegenwart ihre Leser von allen dem Forstmanne und Jäger im Bereiche der Natur, der Wissenschaft, des Lebens und Webens, so wie in der äußeren Gestaltung des Forst - und Jagdwesens merkwürdigen Erscheinungen, Begebenheiten und Ereignissen in fortlaufender Kenntniß zu erhalten; durch geschichtliche Rückblicke nützliche Vergleichungen mit der Vergangenheit zu veranlassen; die Kenntniß forstlicher Zustände und Verhältnisse durch geeignete Beschreibungen und Notizen zu verbreiten; durch kurze kernhafte Aufsätze aus dem Gebiete der Forst - und Jagdkunde Aufklärung und Fortschreiten in diesen Fächern zu fördern, und durch Aufnahme von Anzeigen, Rügen, Wünschen, Gesuchen, Fragen und Antworten einen gemeinsamen Sprachsaal in Forst - und waidmännischen Angelegenheiten zu eröffnen. Die Einzelnheiten der Einrichtung sind aus dem in vielen Tausenden von Abdrücken verbreiteten Prospectus und aus den eben so vielfach versandten gedruckten Instructionen für die Correspondenten und Recensenten zu ersehen. Jeden Monat erscheint ein vier Bogen starkes, Raumersparniß mit Eleganz vereinigendes, Heft, welches vom Julius dieses Jahres an ein in sich durchlaufend geordnetes Ganzes bildet. Ungeachtet des größeren Kostenaufwandes bleibt der Preis von 4 Rthlr. 20 gGr., 8 fl. 24 kr. rh., 7 fl. 15 kr. C. -M. für den ganzen Jahrgang, oder 2 Rthlr. 10 gGr., 4 fl. 12 kr. rhein., 3 fl. 37 kr. C. -M. für das zweite Semester 1840. Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.

J. D. Sauerländer.

[2368-70]

Bekanntmachung für Porcellan-Fabrikarbeiter.

Bei der königl. bayer. Porcellan-Manufactur Nymphenburg können einige Modell - und Formarbeiter, Poussirer und Decorateurs, welche zur Herstellung von dem Wechsel der Mode unterworfenen Gegenständen vorzüglich befähigt sind, auf längere, jedoch unbestimmte Zeit Beschäftigung erhalten.

Bewerbern hierum, welche sich über entsprechende Geschicklichkeit und moralisches Betragen gehörig ausweisen können, werden auf Ansuchen die Bedingnisse der Aufnahme schriftlich mitgetheilt.

München, den 12 Junius 1840.

K. Inspectionsamt der Porcellan-Manufactur.

Keerl, Inspector.

About this transcription

TextAllgemeine Zeitung
Author[unknown]
Extent15 images; 15950 tokens; 5093 types; 110914 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Deutsches TextarchivNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2016-06-28T11:37:15Z Matthias BoenigNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2016-06-28T11:37:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAllgemeine Zeitung Nr. 173. 21. Juni 1840 . Augsburg1840.

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Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften DWB 1996/32

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; augsburgerallgemeine

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Editorial principles

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;

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ShelfmarkDWB 1996/32
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